I m R eiche der C yklopen. Im R eiche der C yklopen. Eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Von A mand F reiherr v. S chweiger- L erchenfeld . Mit 855 Abbildungen, darunter 34 auf separaten Cartons. Wien. Pest. Leipzig. A. Hartleben’s Verlag . 1900 . (Alle Rechte vorbehalten.) Druck von Friedrich Jasper in Wien. Alle Religionen haben ihr eigenes Maß und ihre eigene Regel: eine gewisse Meinung gilt für ein Zeitalter, eine andere für ein anderes. Sie schwinden dahin wie ein Traum, sie sind das Geschöpf einer Phantasie, von dem selbst die Um- risse nicht stehen bleiben. Nur die Errungen- schaften des Genius bleiben , ihnen allein verdanken wir Alles, was wir haben, sie sind für alle Zeitalter und für immer; nie jung und nie alt, tragen sie den Samen ihres eigenen Lebens; sie fließen fort in einem ewigen, unsterblichen Strome. Buckle (History of Civilisation). Vorwort . D as vorliegende Werk ist die einzige umfassende Darstellung des »eisernen Gewerbes«. Die universelle Bedeutung, welche diesem Zweige mensch- licher Thätigkeit in unserem Culturleben zukommt, ist so auffällig, daß es kaum nothwendig erscheint, diesen Sachverhalt mit vielen Worten hervorzuheben. Unsere Zeit steht im Zeichen der Arbeit. Und zwar ist es die maschinelle Arbeit. Die Größe der von den technischen Wissenszweigen zu bewältigenden Aufgaben hat die Hilfsmittel, welche hierzu nöthig sind, unendlich vervielfältigt. Aber diese Hilfsmittel sind nicht aus einer unsicheren und tappenden Empirie hervorgegangen, sondern aus den Werkstätten der Denker, welch letztere die rohe Materie bändigten, den schwachen Menschenhänden die Kraft verliehen, die Naturgesetze sich dienstbar zu machen. Alles Große und Gewaltige, das uns auf dem Gebiete der Technik vor Augen tritt, ist ein Product dieser Doppelthätigkeit des Geistes und der mate- riellen Kraft. Jede Entdeckung im Laboratorium, jeder theoretische Fortschritt in der Gelehrtenstube zieht irgend einen bedeutsamen Erfolg im praktischen Leben nach sich. In dem Werke, das hier einem größeren Leserkreise, welcher sich für die großartigen Leistungen des Eisengewerkes interessirt, geboten wird, hat der Ver- fasser versucht, dem vorstehend erörterten Sachverhalte gerecht zu werden. Die Aufgabe war insofern eine dankbare, als die Entwickelung der Eisentechnik in allen ihren vielfachen Auszweigungen uns überzeugender als irgend eine andere menschliche Thätigkeit die Richtigkeit des Satzes vor Augen führt, daß jede materielle Leistung von der wissenschaftlichen Vorarbeit abhängt. Man vergegenwärtige sich den großen Unterschied, welcher im Gebrauche des nützlichsten Metalles, des Eisens, einst und jetzt besteht; man vergleiche die be- scheidenen Anfänge der Dampfarbeit mit deren großartiger Entfaltung in der Gegenwart und man wird begreifen, daß alle diese Erfolge nicht einem plötzlichen, endgiltigen und vollständigen Impulse zu verdanken sind, sondern vielmehr dem Ergebnisse eines mühsamen, schrittweisen Fortschrittes, den die Wissenschaft jeweils einzuleiten, die Ausnützung der Naturkräfte zu verwirklichen hatte. Vorwort. Es sind ebenso bewundernswerthe als imposante Erscheinungen, welche unter der Signatur »Dampf und Eisen« stehen. Von den metallurgischen Processen ausgehend, die das Ergebniß einfacher wissenschaftlicher Arbeit sind, und welche den Rohstoff erst der bildenden Hand oder der alle Sprödigkeit des Materiales überwindenden Maschine für die mannigfachsten Zwecke dienstbar gemacht haben, werden in diesem Werke der Reihe nach die wichtigsten Zweige der Eisentechnik behandelt: Die Eisenarchitektur und der Brückenbau , der Eisenschiffbau , die Kriegsmittel zu Land und zu Wasser und die Verkehrsmittel zu Land , letztere insoweit, als sie in den Rahmen des Gegenstandes sich einfügen ließen. Bei der Bewältigung dieser ausgedehnten und complicirten Materien war der Verfasser bemüht, nicht willkürlich die interessantesten und wichtigsten Themen nach seinem persönlichen Geschmacke herauszugreifen, sondern allen Anforderungen gerecht zu werden, welche der Leser an ein solches Werk zu stellen hat. Zu diesem Zwecke hatte sich der Verfasser mit den betreffenden Fachkreisen in Verbindung gesetzt, und es ist dem Entgegenkommen derselben zu verdanken, daß die vorliegende Arbeit inhaltlich so reichhaltig ausgefallen ist. Zugleich ist damit die Gewähr völliger Zuverlässigkeit geboten. Manches Etablissement hat speciell für die Zwecke des Werkes eine große Zahl von photographischen Aufnahmen bewerkstelligen lassen, andere hervorragende Werkstätten des In- und Auslandes haben in bereit- willigster Weise alle Einzelheiten bezüglich deren Einrichtungen und Betriebs- führung zur Verfügung gestellt. Auf diesen Sachverhalt gestützt, darf der Hoffnung Ausdruck gegeben werden, daß das vorliegende Werk sich zu einem nützlichen und brauchbaren Orientirungs- behelf für weite Kreise eignen möchte. Der Verfasser. I m R eiche der C yklopen. Eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 1 Fig. 1. Der größte Frachtendampfer der Welt — der »Pensylvania« — nach dem Stapellauf. Einleitung. V on den Aussprüchen großer Männer, die auf die Thätigkeit des Menschen Bezug nehmen, hat keiner die weltumfassende Bedeutung erlangt als jener Michel Chevaliers : »Das Gold könnte aus der Welt ver- schwinden, ohne daß die Civilisation gestört würde; aber das Verschwinden des Eisens wäre ein Weltunglück — alles ginge dann zurück und die Civilisation stünde an ihrem ursprünglichen Ausgangsorte.« ... Noch vor wenig mehr als hundert Jahren zählte ein eiserner Nagel (mittelst welchem sich Löcher bohren ließen) zum kostbarsten Besitz des einen oder des anderen Kanakenkönigs der Südsee. Heute schwimmen in denselben Gewässern die eisernen Kolosse europäischer Flotten, und ein einziges Projectil ihrer Riesengeschütze repräsentirt eine größere Menge Eisen, als in der genannten Zeit in einem Umkreise, der einem Viertel der Erdoberfläche entspricht, im Gebrauche stand. Der Hinweis auf die alten Culturen und Civilisationen, welche das Eisen entweder gar nicht oder nur im beschränkten Maße kannten und dennoch für die Entwickelung der Menschheit Großes geleistet haben, wird hinfällig, wenn man daran festhält, daß nicht die Cultur als solche, sondern die Culturform von entscheidender Bedeutung ist. Was wir gemeinhin »Cultur« nennen, ist ein sehr dehnbarer Begriff, denn es kommt vornehmlich darauf an, welche Culturform der Menschheit von größerem Nutzen war. Dazu kommt, daß sich keine der vergangenen Culturformen zu allgemeiner, weltumgestaltender Bedeutung emporgeschwungen hatte. Durch Klima 1 * Einleitung. und andere Umstände bedingt, blühten die alten Civilisationen in örtlich beschränkten Gebieten. Ihre Erbschaft: Kunst und Wissenschaft, traten die nachfolgenden Ge- schlechter an, entwickelten sich weiter, oder ließen sie verfallen, wie es eben die Umstände mit sich brachten. Als aber das Eisen die Weltherrschaft errang, da fielen die räumlichen Schranken: Das universelle Culturinstrument war gefunden. Kein Wunder also, daß die Archäologie mit dem Auftreten des Eisens und der Verwerthung desselben einen bestimmten Culturabschnitt rechnet und denselben als »Eisenzeit« bezeichnet. Das Eisen löste die Bronze ab und eröffnete damit ein neues Zeitalter. In dem für alle Culturfragen wichtigsten Gebiete — Mitteleuropa — griff eine vollentwickelte Eisenculturperiode mit den großen Heereszügen der Kelten nach Ost und Südost Platz. Mit einem Schlage wird das Eisen berühmt, vor- nehmlich dasjenige Noricums — eines Theiles der österreichischen Alpenländer, wo noch immer die Essen glühen und die Hämmer pochen, wie vor Jahrtausenden. Der Consul Petronius rühmt die Waffe aus norischem Eisen, und in einer der Oden des Horatius heißt es: » Quos neque Norieus deteret ensis « — »welche selbst das norische Schwert nicht schreckt;« ... Noch um die Mitte des 6. Jahrhunderts war in Griechenland die Kunst, Eisen zu schmieden, etwas Seltenes, was aus einem Berichte des Herodot hervor- geht, der von dem Erstaunen spricht, in das ein vornehmer Spartiate fiel, als er in Tegea (Arkadien) zum ersten Male einen Schmied bei der Arbeit sah. Gleichwohl reicht die Kenntniß des Eisens weit zurück, ja selbst diejenige des gehärteten Eisens, also des Vorläufers des Stahles, wie aus einer Stelle der »Odyssee« hervorgeht. Das ausgebrannte Auge des Polyphem zischt, »Wie wenn ein kluger Schmied die Holzaxt oder das Schlichtbeil Aus der Ess' in den kühlenden Trog, der sprudelnd emporbraust, Wirft und härtet; denn dieses erhöht die Kräfte des Eisens.« Ein classischer Herold des Eisens ist der große Aeschylos , der in den »Sieben gegen Theben« von den kämpfenden Brüdern Etrokles und Polyneikes sagt: »Ihre Lose schüttelt der chalybische Fremdling, der Ankömmling von den Skythen, das grimme Eisen«. Die Chalyber im Kaukasus waren damals die ersten Schmiede der Welt. Ihnen wird auch die Erfindung, das Eisen zu Stahl zu härten, zugeschrieben. Sehr anschaulich wird in der »Ilias« erzählt, wie Hephästos die von Thetis, der Mutter des Achilleus, erbetenen Waffen für diesen schmiedet; er stellt ......... »auf die Gluth unbändiges Erz in Tiegeln, Auch gepriesenes Gold und Zinn und leuchtendes Silber; Richtete dann auf den Block den Amboß, nahm mit der Rechten Drauf den gewaltigen Hammer und nahm mit der Linken die Zange.« Dann heißt es weiter (nachdem der Schild vollendet): »Rings dann zog er den Graben von dunkler Bläue des Stahles .« Der Beginn der Herrschaft des Eisens prägt sich in jenem merkwürdigen Eroberungszuge aus, den die Kelten nach 400 v. Chr. durch weite Länderstriche Einleitung. ausführten und wobei sie übermüthig das eiserne Schwert in die Wagschale warfen den Besiegten ihre Gesetze dictirend. ... In Aegypten war das Eisen seit den ältesten Perioden bekannt, ward aber aus unbekannten Ursachen bis in die späteste Zeit hinein nur ausnahmsweise verwendet. Als ältester Eisenfund dürfte der eiserne Keil anzusehen sein, den Belzoni unter der Sphynx von Karnak fand und welcher der Zeit von 4400—3500 v. Chr. entstammt. Der berühmten eisernen Säule von Delhi in Vorderindien wird ein Alter von 3000 Jahren zugeschrieben. Das Merk- würdigste an ihr sind ihre gewaltigen Dimensionen und daß sie geschmiedet ist. Sie ragt 10 Meter aus dem Boden, steckt 10 Meter in demselben und hat über der Erde 38, an der Spitze 28 Centimeter Durchmesser! Das ist selbst für unsere Zeit ein gewaltiges Schmiedestück. Als das eiserne Zeitalter in voller Entwickelung begriffen war, traten die Römer auf den Plan. Sie waren die ersten Welteroberer im großen Style. Die Horden der Völkerwanderung warfen mit ihren eisernen Waffen das zusammen, was die Cäsaren aufgebaut hatten. Schon zur Zeit der Karolinger begann man das Eisen den Kleidungsstücken anzupassen, die Kreuzzügler endlich kleideten sich vollends in solches. Den flinken, leichtbewehrten Orientalen fremdartige Erscheinungen, standen die eisengepanzerten Kreuzritter gleichwohl ihren Feinden an Güte der Waffen nach. Bekannt ist die Probe, welche Sultan Saladin dem Brittenkönig Richard Löwenherz bezüglich der Vorzüglichkeit der Damascenerklingen gab. Er ließ sich ein weiches, seidenes, mit Daunen angefülltes Kissen reichen und theilte dasselbe mühelos in zwei Hälften, indem er die haarscharfe elastische Klinge nur leicht von oben nach unten durch das Kissen hindurchzog. Das hatte der wuchtige Hieb des Kreuzfahrers nicht zu Stande gebracht. Aus den altgermanischen Sagen ist bekannt, welche Rolle vorzügliche Schwerter beziehungsweise die Waffenschmiede spielten. Bei den Normannen, Sachsen und anderen Völkern wurden sie gleich den Häuptlingen geehrt, Dank ihrer Kunst, mit der das Kriegshandwerk eng verknüpft war. Aber auch sonst galten die Schmiede als unentbehrlich. Unter den Hochschotten geht die Sage, daß einst ein Schmied eines Verbrechens wegen hingerichtet werden sollte. Dem Clan-Häuptling paßte die Sache nicht, und da er den einzigen Schmied seines Gaues nicht verlieren wollte, schlug er vor, an seinerstatt — zwei Weber aufzuhenken. Es ist bezeichnend für die Bedeutung des Eisens, daß es so viel anekdotisches Material liefert, daß es von den Dichtern in allen denkbaren Variationen gefeiert wurde und daß es schon frühzeitig in das Kunsthandwerk hereingezogen wurde. Aber ebenso bezeichnend ist das lange Verweilen des nützlichen Metalls auf dieser Stufe. Zur wirklichen Weltherrschaft gelangte das Eisen erst mit der Inaugurirung der Aera des Dampfes . »Dampf und Eisen« ist die Signatur des neuesten Weltalters. Erst mit Hilfe des Dampfes, welche die menschliche Muskelkraft von der schwersten Last der Arbeit befreite, beginnt das Eisen seine große Rolle an- zutreten. Ueber den Waffen und Gebrauchsgegenständen trat nun die — Maschine Einleitung. auf den Plan. Im Jahre 1698 brachte der englische Militär-Ingenieur Thomas Savery die erste »Feuermaschine« in Gang, 1705 folgte »Newcomben's « »atmo- sphärische Maschine«. Es waren dies die ersten Rudimente zu jenem mechanischen Organismus, welcher 70 Jahre später seine complete Ausbildung durch James Watt erhalten sollte — in derselben Zeit, als der Weltumsegler Cook unter den Kanaken der Südsee jenen eisernen Nagel fand, dem die Bedeutung eines Kron- schatzes zukam. Die Thatsache, daß die Dampfarbeit in Verbindung mit dem Eisen auf der Erde eine Umwälzung hervorgebracht hat, wie sie durch keine andere Erfindung oder Entdeckung je bewerkstelligt wurde, ist bezeichnend für das Culturelement, das ihr innewohnt. Wohin wir blicken, allerorten regt sich der gewaltige Motor in allen denkbaren Gestalten und Formen, dem Leben mächtige Impulse verleihend, Wohl- stand und Gedeihen der Völker fördernd — ein Bild von sinnverwirrender Groß- artigkeit. Dampf und Eisen haben aber diese Welt nicht entgöttert, wie die Idealisten der alten Schule meinen. Wohl verfügt die moderne Civilisation reichlich über andere menschliche Errungenschaften, über geistige Güter aller Art. Ob die Dampfarbeit diesen zu unterordnen sei, oder denselben voranzugehen habe, wäre schwer zu ent- scheiden. Die epochalen Leistungen der Menschheit prägen sich in gewissen universellen Errungenschaften aus, und wenn dies als Axiom gelten soll, dann hat keine Er- rungenschaft, und wäre sie von noch so einschneidender Bedeutung, einen ähnlichen internationalen Erfolg zu verzeichnen, wie die Dampfarbeit. Dagegen wollen wir gelten lassen, daß die Ideenwelt, welche diese Art von menschlicher Thätigkeit segen- bringend befruchtet, ja sie gewissermaßen erst auf ihre dominirende Höhe emporgehoben hat, aus jenem reichen Bildungsstoffe hervorgegangen ist, der unsere Zeit durchsetzt. Die rein äußerlichen Kennzeichen des »Eisernen Jahrhunderts« sind in erster Linie die Großbetriebe, die Heimstätten der modernen Cyklopen, welche die Natur- kräfte gebändigt und sie den Menschen dienstbar gemacht haben. Aber was Alles liegt dazwischen! Man denke an den Unterschied zwischen einem Schachthaspel und einer Dampf-Fördermaschine; einem gewöhnlichen Niethammer und einem Dampf- hammer, dessen Fallgewicht in neuester Zeit von 50 Tonnen bis auf 100 und 120 Tonnen gesteigert wurde; zwischen einem Spinnrade und einem Selfactor, einer Buchdruckhandpresse und einer Schnellpresse, oder zwischen dem Dreschen mit Flegeln und einer Dampf-Dreschmaschine, des Unterschiedes zwischen einem Fracht- wagen und einem Eisenbahnzuge, einer Caravelle und einem modernen Panzer- ungethüm gar nicht zu gedenken. Welcher Weg, welcher Abstand von der feinsten Uhrfeder und dem feinen Clavierdraht bis zu der schwersten Locomotive, vom Eisen- schwamm des Frischherdes bis zum 75.000 Kilogramm schweren Krupp 'schen Gußstahlblock, von der Nähnadel bis zum Eiffelthurm. Es wäre ungerecht, wollte man diese Steigerung der Eisenarbeit lediglich auf die im Dampfe innewohnende Kraft zurückführen. Die großartige Entwickelung der Einleitung. Eisenindustrie und allem, Fig. 2 Schußbahn der Krupp'schen 24 Centimeter-Küstenkanone. was damit zusammenhängt, verdankt man keineswegs der Empirie, sondern größten- theils dem ernsten Studium, der wissenschaftlichen For- schung. Chemie und Mole- cularphysik spielen hierbei eine hervorragende Rolle. Nur auf Grund einer wissen- schaftlichen Metallurgie war es möglich, in der Be- arbeitung des Roheisens zu all den mannigfaltigen Sor- ten bis zu den feinsten Specialstahlen jene Erfolge zu erzielen, welche zu den jetzigen Ergebnissen geführt haben. Die Kenntniß von der Bedeutung der Zusammen- setzung des Eisens, der Ein- fluß des procentualen Ge- haltes an fremden Stoffen auf die Güte und Verwend- barkeit des gewonnenen Ma- terials — kurz, die gesammte Laboratoriumkunde, welche in so eminenter Weise in alle metallurgischen Processe hin- einspielt: ihr vorzugsweise verdankt man den hohen Stand der modernen Eisen- und Stahlindustrie. Einige Zahlen werden dies er- härten. Im Jahre 1895 wurden in der Krupp 'schen Gußstahlfabrik zu Essen im Ganzen 15.489 chemische Analysen gemacht und 106.000 Festigkeitsversuche ausgeführt. Einleitung. Wenn man sich jene eisernen Riesenbauten — z. B. die gewaltigen Brücken, die in den letzten Jahrzehnten allerorten ausgeführt wurden — betrachtet, so hat der Laie wohl eine dunkle Vorstellung von den hierzu aufgewendeten Kräften, aber in welcher Weise dieselben mit Hilfe maschineller Einrichtungen dienstbar gemacht werden, davon weiß er wenig. Er hat gehört, daß es Dampfhämmer giebt, welche mit einem Fallgewichte bis zu 120 Tonnen (2400 Centner) auf die unter ihnen auf einem kolossal fundamentirten Amboß liegenden Stahlblöcke herabsausen. Das ist Fig. 3. Der Krupp'sche Schießplatz zu Meppen. offenbar eine gewaltige Kraft. Aber welche Vor- stellung macht er sich von der 5000 Tonnen- Schmiedepresse, welche im Krupp 'schen Etablisse- ment arbeitet? Ein solcher Kraf aufwand ist noch nie und nirgends aufgewendet worden und man zittert bei dem Gedanken, was geschehen würde, wenn der Cylinder spränge, in welchem eine Kraft von 5 Millionen Kilogramm auf einen Quadratcentimeter wirkt! Fig. 4. Specialkarte des Montblanc. Ein solcher Kraft- aufwand ist aber unbe- dingt nöthig, um die ungeheueren Rohstücke zu bearbeiten. Auch hierin können nur Zahlen eine annähernde Vorstellung vermitteln. Auf dem Werke der Bethlehem Iron Co. in South Bethlehem (Pa.) sind Nickelstahlblöcke bis zu 124 Tonnen (2480 Centner) Gewicht gegossen worden, und zwar zur An- fertigung von Panzerplatten für das Kriegsschiff »Iowa«. Wie groß mag ein solcher Block sein, wird man fragen? Nun, ein auf diesem Werke gegossener Nickel- stahlblock von 101 Tonnen war 5‧1 Meter lang und hatte einen Durchmesser von 1‧9 Meter. Derselbe wurde zu einem Seelenrohre für ein 16zölliges Küstenver- theidigungsgeschütz ausgeschmiedet. Das Seelenrohr hatte eine Länge von 14‧2 Meter; zur Herstellung des Mantelrohres war ein noch größerer achteckiger Stahlblock von 110 Tonnen Gewicht erforderlich. Sollen wir schon in dieser kurzen Einleitung all das Wunderbare flüchtig berühren, das wir im Verfolge unserer Schilderungen kennen lernen werden? Das Einleitung. ist natürlich nicht möglich. Von den modernen Geschützungethümen hat man zuweilen Erstaunliches gehört. Wie verhält es sich damit? Sehen wir uns einmal die 42 Centimeter-Küstenkanone an, welche aus der Krupp 'schen Fabrik hervor- gegangen ist. Das Rohr, dem ein Gewicht von 122 Tonnen (2440 Centner) zukommt, ist 14 Meter lang; die dazugehörige Lafette wiegt 68 Tonnen, wozu noch das Gewicht der Pivotirung (gleichfalls 68 Tonnen) dazukommt. Das Fig. 5. »Kaiser Wilhelm der Große« auf Stapel. Gewicht des geladenen Geschosses beträgt genau 1 Tonne (20 Centner). Das Geschoß ist eine Stahl-Panzergranate, das nahe vor der Mündung des Geschützes eine schmiedeeiserne Platte von über 1 Meter Dicke durchschlägt, auf 1000 Meter Entfernung aber eine Platte, die nur 8 Centimeter dünner ist, und auf 2000 Meter eine Platte von 91 Centimeter. Die Leistungsfähigkeit solcher Geschütze ist unglaublich. Die 24 Centimeter- Küstenkanonene Krupp's von 31 Tonnen Gewicht vermag bei einem Geschoß- gewichte von 215 Kilogramm, einer Anfangsgeschwindigkeit von 640 Meter und Einleitung. einer Elevation von 440 eine Schußweite von über 20.000 Meter zu erzielen. Hierbei erreicht das Geschoß in seiner Flugbahn eine Scheitelhöhe von 6500 Meter, seine Flugzeit beträgt 70 Secunden. Die beigegebene Skizze veranschaulicht diesen Sachverhalt. Es würde eine bei Pr é St. Didier (unsern von Curmayeur) auf- gestellte Kanone unter den vorstehenden Voraussetzungen 2730 Meter über den Montblanc (4810 Meter) hinweg schießen und das Geschoß die Gegend von Fig. 6. Bugtheil des »Kaiser Wilhelm des Großen«. Chamounix erreichen. Es ist dies die größte Schußweite, die bisher von irgend einem Geschoß erreicht wurde. Der auf den beiden Kartenskizzen dargestellte Schuß wurde am 28. April 1892 in Gegenwart des deutschen Kaisers auf dem Krupp - schen Schießplatze zu Meppen geschossen. Die Schußweite wurde zu 20.226 Meter gemessen. Solche Geschützungethüme bringen es mit sich, daß an den Panzerschutz der Kriegsschiffe immer größere Anforderungen gestellt werden. Wir können einstweilen auf diesen Sachverhalt nicht näher eingehen, weisen aber auf das ge- Einleitung. waltige Aufgebot von Material und Kraft hin, welches hierzu nöthig ist. Das Panzerschiff ist ein eiserner Bau, welcher nicht blos, wie ein Personendampfer, die Maschinen nebst Kohlen, die innere Einrichtung und eine gewisse Ladung zu tragen hat, sondern auch eine schwere Bepanzerung, Panzerthürme und eine Zahl von Geschützen, zum Theile schwersten Calibers. Hierzu kommen die Maschinen, deren wichtigsten nicht wie bei den Passagierschiffen in die Höhe streben dürfen, sondern unter der Wasserlinie liegen müssen, um vor dem feindlichen Feuer geschützt zu sein, was ihren Bau nicht gerade vereinfacht. »Allen diesen Anforderungen gerecht zu werden« — bemerkt Contre-Admiral v. Werner — »ist außerordentlich schwer, und nur derjenige, welcher sich mit dieser Frage näher beschäftigt hat, vermag zu ermessen, welche Summe von Kenntnissen, Fleiß und genialer Veranlagung erforderlich ist, um mit Hilfe einer Unmasse von Zahlen und Zeichnungen brauchbare Baupläne mit den erforderlichen Kostenvor- anschlägen für solch ein Werk herzustellen.« Sehr hohe Anforderungen an die ausführende Werft stellt auch der Bau der neuerdings zu förmlichen schwimmenden Palästen herangewachsenen Schnell- dampfer für den Personenverkehr. Man stelle sich einen Riesen vor, gleich dem 1897 in Dienst gestellten Eildampfer des Norddeutschen Lloyd, »Wilhelm der Große«, der über Deck 198 Meter lang, 21 Meter breit und vom Kiel bis zum Oberdeck eine Höhe von 13‧1 Meter hat. Der Koloß hat 13.800 Brutto-Register- tonnen Rauminhalt, 20.000 Tonnen Deplacement und zwei Dreifach-Expansions- maschinen von zusammen 30.000 indicirten Pferdekräften. Außerdem sind noch 68 Hilfsmaschinen vorhanden. Die 12 Doppelkessel verbrauchen täglich 450 bis 500 Tonnen Kohlen. Allein 208 Mann entfallen auf das Maschinenpersonale. Die Gesammtbemannung beträgt nicht weniger als 450 Mann, die Zahl der Passagiere, welche der Riese aufnehmen kann, beträgt in Summa 1540. Es sind also, wenn das Schiff voll besetzt ist, 2000 Menschen an Bord. Der Dampfer führt 24 stählerne Rettungsboote und kann 22 Seemeilen die Stunde laufen. Und nun denke man sich zur Vervollständigung des Eindruckes, den solche schwimmende Kolosse machen, deren Vielzahl, die weiten Wasserwüsten belebend, im Dienste des Gedanken- und Gütertausches der großen Culturvölker, in deren Interessenkreis nach und nach das ganze Bereich unseres Planeten gezogen worden ist. Man erwäge ferner, was alles damit zusammenhängt: die Maschinentechnik und das Constructionswesen, großartige hydrotechnische Bauten, Dockanlagen , und nicht zuletzt die an den Seeverkehr angegliederten Eisenbahnen mit ihrem zum Theil engmaschigen Schienennetze, das die Culturländer überspannt — eiserne Arterien, durch welche das moderne Leben heftiger pulst als in irgend einer anderen Erscheinung unserer Civilisation. Ein verkörpertes Bild von Kraft und Energie ist die Locomotive , der vom Dampf und Gluth gestachelte Schnellläufer, dieser eiserne Mechanismus, dessen Organe mit ungeheuerem Kraftaufwande ihre Arbeit in sausender Eile verrichten. Einleitung. Fig. 7. Achtertheil des »Kaiser Wilhelm des Großen«. (Gewicht einer jeden Schraube 28 Tonnen.) Einleitung. Es braucht wohl kaum besonders darauf hingewiesen zu werden, welche mächtigen Impulse die Eisenbahntechnik in ihrer Gesammtheit den Schienenwegen verdankt. Nur Dampf und Eisen konnten die räumlichen Schranken überwinden, nur in ihnen ward das Mittel gegeben, durch Felsmauern und Gebirgsstöcke den Durchgang zu erzwingen, Ströme und Meeresarme unter die Joche gewaltiger Eisenconstructionen zu zwängen. So wuchsen jene Riesenbauten in die Lüfte, dem Auge kaum mehr als ein Gewirr von eisernen Fäden, in Wirklichkeit erstaunliche Kunstwerke, vor- wiegend gestützt auf mathematisches Wissen, da die Brückenbaukunst die aufeinander wirkenden Druck- und Zugkräfte ins Gleichgewicht bringt und gewaltige Massen durch Stabilitätsgesetze entlastet. Von den Hilfskräften, welche hierbei in Thätigkeit gesetzt werden, sei weiter nicht die Rede. Verwandt mit diesen Bauten sind die großartigen Bahnhofshallen in Eisenconstruction, zu deren massigen und scheinbar doch so luftigen Wölbungen der Blick des erstaunten Beobachters emporschweift, fern jedem Gedanken, daß dieser sinnverwirrende Wirrwarr von Constructionstheilen mit der ungeheueren Gesammtlast zermalmend in sich selbst zusammenbrechen könnte. Nichts ist bezeichnender für den ungeheueren Unterschied zwischen dem schwerfälligen Geist des Alterthums und der beweglichen Leistungsfähigkeit des modernen Kraftgenies, als die Gegenüberstellung einer ägyptischen Pyramide oder eines indischen Grottentempels zu den luftigen Titanenwerken der Forthbrücke oder des Eiffelthurmes. Und betrachtet man die riesigen Maschinen, welche die schwimmenden Kriegsmittel in Bewegung setzen, Maschinen von 20.000 bis 30.000 Pferdekräften Leistungsfähigkeit, so wird man sich sagen, daß wir erst jetzt mitten im Eisenzeitalter stehen, daß erst der moderne Mensch siegreich die Naturkräfte seiner Herrschaft sich untergeordnet hat und Wunder auf Wunder schafft, als sei eine Schöpfungsära anderer Art angebrochen. Das ist aber nur das Großzügige an der Sache. Auch ihre Vielgestaltigkeit ist imponirend. Man denke an die unzähligen Gebrauchsgegenstände, welche aus der Schmiede hervorgehen, man vergegenwärtige sich die vielen, allen möglichen Zwecken dienstbar gemachten Hilfsmaschinen, die ganze Kette gewerblicher und indu- strieller Betriebe, welche ohne Dampf und Eisen — vornehmlich aber ohne letzterem — unmöglich wären; man halte vor Augen, daß dies alles hauptsächlich durch das Mittel einer hoch ausgebildeten Intelligenz, einer Summe von Bestrebungen und einer Reihe von Factoren ermöglicht wurde, die unmittelbar aus dem idealen Culturstoff hervorgegangen sind. Man begreift daher, daß nur ein Volk, wie das englische, das geistig weit fortgeschritten war und vornehmlich durch die Summe seiner technischen Vorkenntnisse hierzu berufen war, der Schöpfer des modernen Culturmittels werden konnte. Ohne geistige Errungenschaften höherer Art wäre diesem niemals der Weg geebnet worden. Bei dem ungeheueren Verbrauch von Eisen ist es von Interesse, diesbezüglich einige Ziffern vorzubringen. Die wichtigsten Eisenproducenten sind England, Deutschland und die Vereinigten Staaten von Amerika . In zweiter Linie Einleitung. kommen Frankreich und Schweden in Betracht. Im Jahre 1894 betrug die Roheisenerzeugung dieser Länder (in abgerundeten Zahlen): Großbritannien 7‧5 Millionen Tonnen Union 6‧7 " " Deutschland 5‧3 " " Frankreich 2‧0 " " Schweden 1‧3 " " Die gesammte Roheisenerzeugung der Erde betrug in demselben Zeitraume 26‧2 Millionen Tonnen, wovon auf Europa allein 18‧8 Millionen Tonnen ent- fielen. Bezeichnend für den industriellen Aufschwung der Union ist, daß daselbst die Fig. 8. Welt-Roheisenerzeugung. Roheisenerzeugung von 845.000 Tonnen in 1865 in mächtigen Sprüngen auf nicht weniger als 9‧3 Millionen Tonnen in 1890, oder um mehr als das Elffache gestiegen ist. In anderer Weise charakte- ristisch ist der Antheil, der in den ein- zelnen Ländern per Kopf entfällt. Dieser Antheil beträgt für jeden Bewohner der Erde 17 Kilogramm, für jeden Bewohner Großbritanniens jedoch 194 Kilogramm. Es folgen dann der Reihe nach Belgien mit 129, Deutschland mit 105, Vereinigte Staaten von Amerika mit 99, Schweden mit 95, Frankreich mit 54, Oesterreich- Ungarn mit 22 Kilogramm u. s. w. England war seit jeher das führende Land im Eisengewerbe, doch ist neuerdings Deutschland in dieser Beziehung außerordentlich erstarkt, desgleichen Belgien. Deutschland steht bezüglich Kohlen und Eisen an dritter Stelle auf der Erde, an erster auf dem europäischen Festlande. Die Gesammtgewinnung an Stein- und Braunkohlen betrug 1894 rund 98‧8 Millionen Tonnen, wovon 76‧6 Millionen Tonnen auf Steinkohlen, der Rest auf Braunkohlen entfielen. Die Eisensteinförderung betrug in demselben Jahre (einschließlich Luxemburg) 12‧3 Millionen Tonnen im Werthe von über 42 Millionen Mark. Großbritannien steht heute noch an der Spitze aller kohlenerzeugenden Länder, während ihm für Roheisen von der Union der Rang streitig gemacht worden ist. Seine Kohlenförderung erreichte 34‧8 % der ganzen Erde. Die gesammte Kohlen- förderung im Jahre 1894 betrug 191 Millionen Tonnen im Werthe von 66 Millionen Pfund Sterling, die Eisenerzförderung 12‧5 Millionen Tonnen im Werthe von 3‧2 Millionen Pfund Sterling. Es producirte in derselben Zeit über 1‧3 Millionen Tonnen Schweißeisen, 1‧1 Millionen Tonnen Bessemerblöcke, 1‧5 Millionen Tonnen Einleitung. Siemens-Martinblöcke, 0‧6 Millionen Tonnen Bessemerschienen, 0‧4 Millionen Tonnen Thomasflußeisen. Einen ganz beispiellosen Aufschwung hat das Eisengewerbe in den Vereinigten Staaten von Nordamerika genommen. Hier spielen vornehmlich die Eisenbahnen eine entscheidende Rolle, indem die Union mit 42 % der Gesammtlänge aller Schienen- wege participirt. Die Kohlenförderung betrug im Jahre 1894 über 154 Millionen Tonnen, die Erzförderung 12 Millionen Tonnen, die Roheisenerzeugung 6‧7 Millionen Tonnen. In demselben Jahre wurden an gewalztem Eisen und Stahl 4‧8 Millionen Tonnen erzeugt. In Frankreich wurden im Jahre 1894 27 Millionen Tonnen Kohlen und 3‧7 Millionen Tonnen Eisenerze gefördert; bei Belgien stellen sich diese Zahlen auf 20‧4 Millionen beziehungsweise nicht ganz 0‧3 Millionen Tonnen. Andere, mehr ins Detail gehende statistische Angaben sind den späteren Capiteln vor- behalten. Fig. 9. 9 Centimeter-Stahlbronzemörser. Einleitung. Fig. 10. Verdeck des deutschen Panzerschiffes »Brandenburg«. Erster Theil. Stahl und Eisen. Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 2 Erster Abschnitt. Das Roheisen und seine Darstellung. D as Eisen, das zu den unedlen »Metallen« gezählt wird, spielt in dieser Eigenschaft — d. h. als elementarer Stoff — keine Rolle, da chemisch völlig reines Eisen viel zu kostspielig ist, um technische Verwerthung zu finden. Jedes Metall, also auch das Eisen, wird aus Erzen gewonnen, die im Großen und Ganzen entweder Oxyde oder Schwefelverbindungen sind. Aus den Oxyden — also den Sauerstoffverbindungen — erfolgt ihre Ausscheidung in der Weise, daß man diese mit Kohle in geeigneten Oefen erhitzt, wodurch sie zu »Metall reducirt« werden. Es ergiebt sich also die Formel: Eisenoxyd + Kohle = Eisen + Kohlenoxyd. Der Grund, weshalb bei der Metallgewinnung die Kohle nur zu Kohlenoxyd verbrennt (und nicht, wie gewöhnlich, zu Kohlensäure), liegt darin, daß die zur Reduction der Metalloxyde nöthige Temperatur so hoch liegt, daß der Kohlenstoff nur noch ein Atom Sauerstoff zu binden vermag. Mit diesem bildet er Kohlenoxydgas und dieses Gas kann nachträglich mit einem zweiten Atom Sauerstoff seinerseits wieder weiter zu Kohlensäure verbrennen. Mit anderen Worten: Das Kohlenoxyd ist die Zwischenstufe der Verbrennung zwischen der Kohle und der Kohlensäure. Der absolute Rohstoff des Eisens ist das Eisenerz im Schoße der Erde. In dieser Gestalt ist das Eisen eine »Legirung«, da, wie bereits erwähnt, das erstere in metallischer Form in der Erde äußerst selten vorkommt, was bei der großen Neigung zum rosten nicht wundernehmen kann. Das reinste Eisen ist nicht tellurischen, sondern kosmischen Ursprunges, jenes der Eisenmeteorite . Da letztere nur als Schauobjecte der Museen dienen, fallen sie nicht in das Bereich des technisch nutzbaren Eisens. Gleichwohl seien hier einige Bemerkungen über die Structur des Meteoreisens angefügt. Die Eisenmeteorite zerfallen in die »Lithosiderite«, in die »Octaedrischen Eisen«, die »Hexaedrischen Eisen« und »dichten Eisen«. Die Lithosiderite zerfallen ihrerseits in »Siderophyne«, die aus Bronzitkernen, und in »Pallasite«, die aus Olivenkernen in einem Eisengerippe bestehen. Die octaedrischen Eisen bestehen aus Balkeneisen (Kamazit), Bandeisen (Tannit) und Fülleisen (Plessit). Nach der Feinheit der Lamellen aus Balkeneisen unterscheidet man sie weiter in eine 2* Erster Abschnitt. Reihe von Gruppen. Die hexaedrischen Eisen zeigen eine durchlaufend hexaedrische Spaltbarkeit. Alle Meteoreisen haben einen mehr oder minder bedeutenden Nickel- gehalt, die sogenannten »dichten Eisen« einen solchen von 30 % und darüber. Sieht man vom chemisch reinen Eisen ab, so muß alles für technische Zwecke verwendbare Eisen aus den Eisenverbindungen hergestellt werden. Man unterscheidet vier Arten derselben, von welchen drei eine Fig. 11. Meteoreisen von Catorza (Mexiko). vier Arten derselben, von welchen drei eine Gruppe bilden, nämlich die Oxyde . Hierzu zählen: der Magneteisenstein (Eisenoxydul- oxyd), ein sehr reiches und reines Erz, das auf der Erde wenig verbreitet, dafür aber in einigen Gegenden Schwedens — Gellivara, Grängesberg — in ungeheueren Mengen auf- tritt. ... Der Rotheisenstein , ein wasser- freies Oxyd, und der Brauneisenstein , ein wasserhältiges Oxyd. Letzeres ist das weitaus verbreitetste Eisenerz. Seinen Ursprung verdankt es der Verwitterung aus dem Eisenspath oder aus dem Schwefelkies, oder es wurde aus wässerigen Eisenlösungen niedergeschlagen. Haben Organismen bei diesem Processe mitgewirkt, so bezeichnet man das Product als »Minette«; war dies nicht der Fall, so spricht man von »Rasenerz«. Beide Arten sind sehr phosphorreich und zählten bislang zu den niedrigst bewertheten Erzen, bis ein Verfahren entdeckt wurde (zu Beginn Fig. 12. Meteoreisen von Kokstad (Griqualand). der Achtzigerjahre), durch welches phos- phorreiches Eisen in reinstes Schmiedeeisen verwandelt werden kann. ... An diese Gruppe der Oxyde schließt ein Eisensalz — der Spatheisen- stein — an, ein vor- zügliches Erz, das namentlich in Steiermark seit altersher abgebaut wird und schon zur Zeit der Römer großen Ruf genoß. Der Hauptbetrieb des steierischen Spatheisensteines concentrirt sich auf den »Erzberg«, welcher im Durchschnitte 3 Millionen Metercentner Erze, in besonders ergiebigen Jahren über 5 Millionen Metercentner liefert. Die mächtigen Lager stehen größtentheils zu Tage an, und sowohl aus diesem Grunde als auch wegen ihrer leichten Schmelzbarkeit wurden sie früh entdeckt und ausgenützt. Auf einem Das Roheisen und seine Darstellung. Theile des Erzberges wird ausschließlich Tagbau in regelmäßigen Etagen getrieben. Die Erze liefern fast 40 % reines Metall. Von dem unerschöpflichen Reichthume an Erzen bekommt man den richtigen Begriff, wenn man erfährt, daß beispiels- weise ein einziges Lager auf der Westseite des Berges eine streichende Länge von 1000 Meter und eine Mächtigkeit von 150 Meter hat. Nach einer sorgfältigen Berechnung wäre Fig. 13. Meteoreisen von Hex River Mounts. ein Versiegen des Bergsegens am Erzberge vor Ab- lauf eines Jahr- tausends nicht zu erwarten. Es sei noch er- wähnt, daß an ver- schiedenen Punkten einige Gemenge von Spatheisenstein mit Thon und kohligen Stoffen auftreten; sie werden als Thoneisenstein, Sphäro- siderit und Kohleneisenstein bezeichnet. Es liegt in der Natur der Sache, daß die in der Natur sich vorfindenden Eisenverbindungen durch mancherlei Beimengungen verunreinigt sind. Man nennt sie »Gangarten«, und von dem Fig. 14. Meteoreisen von Hraschina (Croatien). Maße ihres Auftretens hängt der Werth des geförderten Erzes ab. Sinkt der Eisengehalt unter 25 % herab, so hört das Erz auf, schmelzwürdig zu sein, vorausgesetzt, daß die sonstige Zusammensetzung besonders vor- theilhaft ist. In allen sonstigen Fällen dürften etwa 30 % die untere Grenze bezeichnen. Der Procentsatz fremder Beimen- gungen spielt deshalb eine große Rolle, weil die Reini- gung vor dem Schmelzproceß, die sogenannte »Aufbereitung«, bezüglich der Kosten in keinem Verhältniß zu dem ohnehin sehr niedrigen Preise des Roh- eisens steht. Nur beim Spatheisenstein macht man hierbei eine Ausnahme, da der- selbe dem Processe des Röstens unterworfen wird. Durch denselben wird bei hoher Temperatur (in Schachtöfen), ohne dem Schmelzpunkte nahezukommen, die Kohlensäure ausgetrieben, das freiwerdende Eisenoxydul verbindet sich mit dem Erster Abschnitt. Sauerstoff der die Ofenfüllung durchstreichenden Gase und verwandelt sich in Eisen- oxyduloxyd, das sich im Hochofen leichter behandeln läßt als das Oxydul. Außer- dem wird durch das Rösten das Gewicht der Erze um fast 30 % verringert. Fig. 15. Transport des großen Meteoreisens von Bondego (Brasilien) im November 1887. (Nach einer Photographie.) Das geföderte Erz, sei es nun gereinigt worden oder nicht, bezeichnet den absoluten Rohstoff. Zur Trennung des Eisens von dem es verzehrenden Sauerstoff und gleichzeitig zur Sonderung desselben von den begleitenden fremden Mineral- körpern, bedürfen wir anderer Kraftäußerungen, als die bis dahin aufgewendete Das Roheisen und seine Darstellung. mechanische Kraft, nämlich chemische Affinität, Wärme, Schwerkraft. ... Wir schichten im Hochofen — auf dessen Betrieb wir weiter unten ausführlich zu sprechen kommen — Erz mit Kohle und Kalkstein, und führen außerdem am Fuße des Schachtes Verbrennungsluft hinzu. Diese liefert mit der Kohle, indem sich der darin enthaltene Sauerstoff mit dem Kohlenstoff verbindet, Wärme, welche in der ver- schiedensten Weise verwendet wird. Am tiefsten Punkte, wo die Wärme am höchsten ist, wird Eisen (in Verbindung mit etwas Kohlenstoff) geschmolzen, desgleichen die Schlacke vollkommen verflüssigt. Unmittelbar darüber wird aus dem Rohstoff Kohle und aus dem Verbrauchs- abfall Kohlensäure, mittelst zugeführter, absorbirter und verschwindender Wärme Kohlenoxyd erzeugt, das nun als Vermittler einer neuen Kraftäußerung, der chemischen Affinität, auftritt. Bei gleichzeitiger Einwirkung der noch vorhandenen Wärme entzieht dasselbe dem Eisenoxyd Sauerstoff, es bleibt Eisen zurück, das nebenbei aus dem Kohlenoxyd Kohlenstoff aufnimmt und dadurch leichter schmelzbar wird. Es entsteht von neuem Kohlensäure, die aufs neue in Kohlenoxyd übergeht, immer auf Kosten der entwickelten Wärme; was weiterhin von letzterer noch übrig bleibt, dient im oberen Theile des Hochofens zur Austreibung der Kohlensäure aus den Kalksteinen, zum Rösten der Eisenerze, zum Austrocknen und Vorwärmen der Kohle, zur Verkohlung des rohen Brennmateriales u. s. w. Wir sehen hier ein ausgezeichnetes Beispiel der allmählichen Aufzehrung der producirten Kraft oder eine rationelle Verwerthung der Kraftabfälle. Immerhin ist die Kraft noch nicht erschöpft. Aus der oberen Ofenmündung entweicht ein Gas, das durch die Verbrennung des darin enthaltenen Kohlenoxyds mittelst frisch zuge- führten Sauerstoffes, unter der Umwandlung der chemischen Affinität in Wärme, neue Kraftmengen liefert, die zur Erhitzung der Gebläseluft, zur Erzeugung von Dampf, zum Puddeln des Eisens u. s. w. weiter Verwendung findet. ... Stiege die Verbrennungs- luft in einem für Wärme undurchlässigen Schachte durch eine Säule indifferenten Stoffes auf, so würde die allmählich herabrückende Beschickungssäule in der ganzen Ausdehnung schmelzen. Daß dies nicht der Fall ist, daß nur die unterste Schichte in dem Maße schmilzt, als die Beschickung in den Herd gelangt, hat seinen Grund in der Rückwandlung von Wärme in chemische Affinität. Umgekehrt wird an der oberen Ofenmündung bei der Verwendung des noch vorhandenen Kohlenoxyds wieder Affinität in Wärme umgesetzt. Eine dritte Kraft endlich bewirkt die Sonderung des geschmolzenen Eisens von der Schlacke, nämlich die überwiegende Anziehung der Erde für das specifisch schwerere Roheisen . Der nebenher entstehende Fabrikations- abfall, die Schlacke, kann als Baustein, als Chauss é material, endlich wegen ihres Gehaltes an Thonerde, Kieselsäure, Kalk als Grundlage chemischer Industriezweige der Ausgangspunkt neuer Fabrikationsreihen werden. Das abgestochene Roheisen , das erste Fabrikat dieses Processes, bildet erstens die Basis eines ausgedehnten Fabrikationsgebietes, worin dasselbe durch das Guß- material verwendet wird. Es kann aber auch zweitens durch neue Einwirkung Erster Abschnitt. von chemischer Affinität und Wärme in Schmiedeeisen übergeführt werden, indem man daraus den Kohlenstoff durch Oxydation hinwegnimmt, den man früher nur deshalb zugeführt hatte, um die Schmelzfähigkeit und damit die Möglichkeit der Sonderung von den Schlacken in flüssigem Zustande zu gewinnen. Nebensächlich ist es, daß man mit dem Kohlenstoff auch andere schädliche Gemengtheile (Silicium, Schwefel, Phosphor) entfernt, welche im Schmiedeeisen schädlicher wirken als im Gußeisen. Ueberblicken wir das Vorgebrachte, so ist zu erkennen, daß der in den Eisen- legirungen enthaltene Kohlenstoff von größter Bedeutung für die Eigenschaften des Eisens ist und dessen Specialisirung in verschiedene Sorten bedingt. Jeder Laie hat eine oberflächliche Vorstellung von diesen Dingen. Er weiß, daß manche Eisensorten so zäh und weich sind, daß man sie allen möglichen mechanischen Ope- rationen unterwerfen kann, während andere hart und spröde sind und diesen Ope- rationen widerstehen. Der Unterschied von Guß- und Schmiedeeisen liegt zu klar auf der Hand, um auf denselben besonders hinweisen zu sollen. Weniger bekannt ist dem Laien, daß auch das Aussehen der Bruchflächen des Eisens bestimmend für dessen Eigenschaften ist. Einkörnig-krystallinische Structur von dunkelgrauer bis schwarzer Farbe deutet auf weiches, schmiedebares Eisen, ein Gefüge von groß- blätterigen Krystallen von weißer Farbe verräth das harte, spröde, nicht schmiede- bare Eisen. Auch die Schmelztemperatur ist eine abweichende, wie wir sofort sehen werden. Nicht nur die im Eisen enthaltene Menge an Kohlenstoff, sondern auch seine Art ist von ausschlaggebender Bedeutung. Im flüssigen Eisen ist der Kohlenstoff völlig gleichmäßig gelöst und man bezeichnet diese Form des Auftretens als »Härtungs- kohle«. Sie ist auch in dem plötzlich erkalteten Eisen vorhanden. Erfolgt aber die Abkühlung allmählich, so gehen verschiedene Veränderungen vor, indem zunächst bei einer Abkühlung bis auf etwa 1100° ein Theil des Kohlenstoffes zwischen den Eisentheilchen als »Graphit« ausgeschieden wird. Geht die Abkühlung weiter vor sich, so nimmt der Gehalt an Härtungskohle beständig ab, und bei etwa 700° scheidet sich eine als »Eisencarbid« bezeichnete Eisen-Kohlenstoffverbindung aus Wird flüssiges Eisen, das reich an gelöster Härtungskohle ist, plötzlich abgekühlt, hinterher aber auf Glühtemperatur gebracht, so findet ebenfalls eine zwischen den Eisentheilchen abgelagerte Ausscheidung statt, doch ist dieselbe nicht krystallinischer, sondern amorpher Natur. Man nennt diese Form »Temperkohle«. Auf Grund dieses Sachverhaltes unterscheidet man von altersher drei Sorten von Eisen: Gußeisen , welches 2‧3 % und mehr Kohlenstoff enthält; Stahl , welcher 1‧6 % und weniger Kohlenstoff enthält, aber mehr als Schmiedeeisen , welches etwa 0‧5 % Kohlenstoff enthält. Eisen mit einem Kohlenstoffgehalt zwischen 1‧6 und 2‧3 % findet keine technische Verwendung. Das Guß- (oder Roh-) Eisen zerfällt weiter in Weißes Eisen , welches nur Härtungskohle enthält, in Folge dessen sehr spröde ist und dazu dient, um in Schmiedeeisen umgewandelt zu werden; Amerikanischer Hochofen . Das Roheisen und seine Darstellung. seine Bruchfläche zeigt ein Gefüge von großblätterigen Krystallen von heller Farbe. Graues Roheisen besitzt einen geringen Gehalt von Härtungskohle und über- wiegend Graphit; es ist in Folge dessen nicht so spröde und hart als weißes Eisen, die Bruchfläche zeigt körnig-krystallinische Structuren von hellgrauer bis schwarzer Farbe. Diese Roheisensorte wird theils in Schmiedeeisen verwandelt, theils als Rohstoff für Gußoperationen verwendet. Das Gußeisen ist schmelzbar und kann, wie schon sein Name besagt, zu Guß- waaren dienen, läßt sich aber nicht schmieden. Der Stahl läßt sich schmieden und die aus ihm geschmiedeten Gegenstände können hernach gehärtet werden. Das Schmiedeeisen läßt sich ebenfalls schmieden, ist aber nachher nicht härtbar. Der Begriff »schmiedbar« besagt, daß diese Eisensorten bei heller Glühtemperatur so weit erweichen, daß sie durch Hammerschläge oder sonstwie ausgeübten Druck sich in beliebige Formen bringen lassen. Zwischen Stahl und Schmiedeeisen werden übrigens derzeit so viele Zwischenstufen dargestellt (Feinkorneisen, hartes Eisen), daß man vielfach nicht in der Lage ist zu sagen, welcher der beiden Eisensorten das betreffende Product zuzuzählen ist. Es giebt härtbare Eisensorten mit sehr geringem Kohlen- stoffgehalt, aber beträchtlichem Gehalte an Mangan, Silicium, Wolfram, Chrom. Wir haben weiter oben erwähnt, daß weißes Roheisen nur zu dem Zwecke der Umwandlung in schmiedebares Eisen dargestellt wird, während graues Roheisen zwar ebenfalls diesem Processe vorbehalten ist, anderentheils aber auch zur Erzeugung von Gußwaaren verwendet wird. Man kann nur schmiedebare Eisensorten in der Weise erhalten, daß das Ursprungsmaterial in eine schmiedebare Masse verwandelt wird, ohne daß es zum Schmelzen kommt, oder es wird in eine geschmolzene (also flüssige) Masse, die hernach schmiedebar ist, verwandelt. Im ersteren Falle gewinnt man Schweißeisen oder Schweißstahl , in letzterem Falle Flußeisen oder Flußstahl . Zur Darstellung des Schweißeisens (Schweißstahles) aus dem Roh- eisen dienen jetzt hauptsächlich drei Processe: das Puddeln , das Cementiren und das Tempern . ... Zur Herstellung des Flußeisens (Flußstahles) dienen: der Bessemerproceß , der Thomasproceß , das Siemens-Martinverfahren und einige später zu erläuternde modificirte Verfahren. Auf Grund des Vorgebrachten erhalten wir folgendes Schema: 1. Roheisen (2‧3 % Kohlenstoffgehalt; Schmelztemperatur zwischen 1075 und 1275°; nicht schmiedebar). a) Weißes Roheisen (Kohlenstoffgehalt als Härtungskohle); b) Graues Roheisen (Kohlenstoffgehalt als Graphit). 2. Schmiedebares Eisen (1‧6 % und weniger Kohlenstoffgehalt; schmiedebar) a) Stahl (0‧5 % Kohlenstoffgehalt des Eisencarbid; Schmelztemperatur zwischen 1400 und 1600°); b) Schmiedeeisen (1‧6 % Kohlenstoffgehalt, wenig Härtungskohle, Eisen- carbid größtentheils ausgesaigert; Schmelztemperatur 1600° und dar- über; nicht merklich härtbar). Erster Abschnitt. Ausarbeiten des Roheisens zu Schmiedeeisen. 1. Schweißeisen (Schweißstahl). a) Herdfrischen, b) Puddeln, c) Cementiren (Tigelgußstahl), d) Tempern. 2. Flußeisen (Flußstahl). a) Bessemerproceß b) Thomasproceß Converter- processe c) Siemens-Martinverfahren ꝛc. Wie wir im Vorstehenden erfahren haben, enthält jedes technisch verwerthbare Eisen Kohlenstoff. Während man also alle anderen Metalle so rein wie möglich herzustellen sucht, indem ihre besonderen Eigenschaften im Zustande der größten Reinheit am besten zur Geltung kommen, liegen die Verhältnisse beim Eisen ganz anders. Gerade seine Verunreinigung durch Kohlenstoff, wenn man sich so aus- drücken darf, ist durchaus nothwendig, um dem Eisen jene specifischen Eigenschaften zu ertheilen, die es zum verwendbarsten aller Metalle machen. Aehnlich verhält es sich mit der Reinheit bezüglich seiner Beimengungen. Diese müssen nämlich, um den regelmäßigen Betrieb des Hochofens möglich zu machen, in flüssige Schlacke ver- wandelt werden, die ungefähr bei derselben Temperatur wie das Roheisen schmilzt. Selbst wenn man absolut reines Erz zur Verfügung hätte, müßte man Schlacke zugeben, welche die herabfallenden Roheisentropfen einhüllt, wenn sie den Luftstrom des Gebläses passiren, indem sonst mindestens der Kohlenstoff herausbrennen und unschmelzbares Schmiedeeisen im Herde sich ansammeln würde. Ein praktischer Hütten- mann sieht es daher gar nicht gern, wenn er zu reiches Erz verschmelzen muß, und sucht durch Beimischung ärmerer Erze den Procentgehalt an Eisen herabzudrücken. Von den ältesten Zeiten bis in das Mittelalter hinein wurde das Schmiedeeisen direct aus den Erzen durch den sogenannten Rennproceß gewonnen, d. h. unmittelbar im Herdfeuer. Da ferner Eisen über 2‧3 % Kohlenstoff nur in sehr hoher Temperatur aufnimmt, kannte das Alterthum Gußeisen überhaupt nicht. Im Schmiedefeuer hingegen reducirten auch die Alten das Eisenoxyd und kamen, je nach der Art zu arbeiten, bald zu Schmiedeeisen, bald zu Stahl, indem, entsprechend der Behand- lung, welcher sie das Eisenoxyd unterwarfen, bald mehr, bald weniger Kohlenstoff an das Eisen trat, wovon ja die Gewinnung des einen oder anderen abhängt. Erst später kam man überall dort, wo es sich um die Ausarbeitung von nicht leicht reducirbaren Eisenerzen handelte, dahin, die Hitze des Schmiedefeuers dadurch zu verstärken, daß man dasselbe mit Mauern umbaute, also es in einen Schacht- ofen verwandelte. Nunmehr wurde die Hitze durch die angeglühten Steine fest- gehalten und stieg die Temperatur so hoch, daß das in solchen Oefen reducirte Eisen über 2 % Kohlenstoff aufnahm und als Flüssigkeit (Gußeisen) aus dem Ofen rann. Roheisen enthält also mehr als 2‧3 % Kohlenstoff, und wenn es gelingt, einen Theil dieses Kohlenstoffes zu verbrennen, so muß es in Stahl oder Schmiede- eisen übergehen. Erhitzt man Roheisen im Schmiedefeuer unter reichlicher Luft- Das Roheisen und seine Darstellung. zufuhr, so büßt es seine Eigenschaft, zu verflüssigen, ein, indem ein Theil seines Kohlenstoffes verbrennt; es wird teigig, und je nach der Kunst des Arbeiters ent- steht hierbei Stahl oder Schmiedeeisen. Viel leichter entsteht allerdings letzteres, weil es schwierig ist, den Punkt zu treffen, bei dem noch genügend Kohlenstoff im Eisen vorhanden ist, damit es die Eigenschaft des Stahles hat. Zur Herstellung des Schmiedeeisens ist es nur nöthig, den Kohlenstoff möglichst vollständig zu ver- brennen. Diese Methode der Gewinnung des schmiedebaren Eisens aus Roheisen bezeichnet man als Frischen . Was schließlich die Herstellung des Stahles anbelangt, so wollen wir unseren einleitenden Ausführungen nicht vorgreifen, erwähnen aber schon hier, daß man das Schmiedeeisen durch den sogenannten Cementationsproceß aufs neue Kohle zuführt und dieser Art »Cementstahl« bildet. Schmilzt man den Cementstahl im stärksten Ofenfeuer in Tiegeln, so erhält man den »Tiegelgußstahl« oder Guß- stahl kurzweg. ... Mit Phosphor, Schwefel und Silicium in größerer Menge verunreinigter Stahl ist gänzlich unbrauchbar. Aus Erzen, welche ein mit diesen Stoffen verunreinigtes Roheisen geben, ließ sich früher nur auf dem Wege: Roh- eisen, Schmiedeeisen, Stahl, letzterer erzeugen, natürlich mit einem enormen Auf- wande von Stoff und Kraft, mit der Erzeugung massenhafter, schlecht zu ver- werthender Stoff- und Kraftabfälle. Wo hingegen die vorgenannten Verunreinigungen fehlen, steht nichts dagegen, den Umweg über das Schmiedeeisen zu vermeiden, d. h. dem Roheisen nur so viel Kohlenstoff zu entziehen, daß Stahl sich bildet, oder auch die Roheisenerzeugung zu deliminiren und aus dem Eisenerz direct zu Schmiedeeisen oder Stahl zu ge- langen. ... Wenn auch nicht zu den Erzen, so doch zu den eisenreichen Rohstoffen des Hochofenbetriebes sind schließlich noch einige Erzeugnisse von Hütten- und anderen Betrieben zu nennen, welche einfach Fabrikationsabfälle sind. Hierher sind zu zählen: die Puddel- und Schweißschlacken, der Walzensinter, der Hammer- schlag, Convertauswürfe u. s. w. Ueberblicken wir den ganzen Entwickelungsgang, den das geförderte Eisenerz bis zu seiner Verarbeitung in allen erdenklichen Auszweigungen erfährt, so ergiebt sich ungezwungen folgendes Schema: Aus dem geförderten Eisenerz gewinnt man das Roheisen, welches theils als Gußeisen weiter verwendet wird (Gießereibetrieb, Kugeln, Platten, Maschinenguß), theils in Schmiedeeisen (Stabeisen) umgewandelt wird. Dieses Stabeisen wird durch weitere Zuführung von mechanischer Kraft auf Stäbe, Bleche, Schienen, Drähte verarbeitet. Andererseits aber liegt das Stabeisen als Rohstoff gewissen Sorten des Stahles zu Grunde. Rohstahl findet seine höhere Entwickelung im Gußstahl und dieser giebt das Material für Stahlfabrikate aller Art bis zu den kleinsten Fabrikaten (Nadeln, Federn), aber auch zu Maschinen- theilen, Schienen u. s. w. ab. Nachdem wir an der Hand des bisher Mitgetheilten einen orientirenden Ueberblick auf die Wandlungen des Eisens vom Erz bis zu den subtilsten Stahl- Erster Abschnitt. fabrikaten gewonnen haben, wollen wir nun das ganze weitläufige Arbeitsgebiet bezüglich seiner einzelnen Entwickelungsstufen, beziehungsweise Fabrikationszweige, durchnehmen und beginnen mit dem Hochofenbetrieb. Fig. 16. Hochofen. (Schema.) Der Hochofen. Nachdem man einmal so weit war, schwer reducirbare Eisenerze dadurch zu verarbeiten, daß man das Herdfeuer in einen Schachtofen verwandelte, war das Princip des Hochofens gefunden. Die Erfindung scheint um das Jahr 1490 herum im südlichen Elsaß, in der Nähe des heutigen Mühlhausen, ge- macht worden zu sein. Die weitere Anwendung erfolgte ziemlich langsam; erst 1547 begann sich die Neuerung in England einzubürgern. In Norddeutschland wurde das erste Eisen 1667 geschmolzen. Eine Hochofenanlage macht sich auch dem Blicke des Laien schon von Weitem bemerkbar durch seine massigen, thurm- artigen Oefen, zu welchen noch allerlei Zubauten und sonstige Installationen kommen, welche dem Ganzen ein imposantes Aussehen verleihen. Der roman- tische Reiz, welcher in früherer Zeit dem nächtlichen Anblicke eines thätigen Hochofens durch die auf weithin sichtbaren Flammen verbrennenden Gichtgase zukam, ist freilich paralisirt worden, indem man die oberen Oeffnungen der Schachte schloß und die brennenden Gase zu weiterer Verwerthung ableitete. Auch durch die vorerwähnten Installationen, auf die wir gleich zurückkommen und welche den älteren Hochöfen fehlten, ist deren äußeres Aussehen ein verändertes geworden. Schließlich betrifft dieses letztere auch den Ofen selbst, der vordem viel massiver gehalten war. Das Roheisen und seine Darstellung. Um dies zu verstehen, müssen wir nun in die Einzelheiten einer Hochofen- anlage eingehen. ... Jeder Hochofen ist, wie angedeutet, ein Schachtofen. Die Ideal- gestalt für das Innere des Hochofens ist der Cylinder, doch ist es bisher trotz vieler Versuche nicht gelungen, dieses Ideal in Wirklichkeit zu erreichen, obwohl man ihm Fig. 17. Der untere Theil eines amerikanischen Hochofens. schon ziemlich nahegekommen ist. Wie die Fig. 16 zeigt, hat der Innenraum im Großen und Ganzen die Gestalt von zwei mit ihrer Grundfläche zusammenstoßenden sehr spitzen Kegel, doch sind auch cylindrisch geformte Theile vorhanden; so gleich der unterste, den man das Gestell nennt (a) . Es hat einen Durchmesser von 2—4 Meter und eine ebensolche oder um ¼ größere Höhe. In dieses Gestell münden, etwa 1‧5 Meter über dem Boden, die Windzuführungsröhren oder Formen (e) . Legt man durch diese Röhren eine horizontale Ebene (»Formenebene«), Erster Abschnitt. so wird das Gestell in das Untergestell (Eisenkasten) und in das Obergestell getheilt; in ersterem sammelt sich das flüssige Roheisen (und die Schlacke), in letzterem verbrennt das Feuerungsmaterial und findet der Schmelzproceß statt. Der auf dem Gestell aufsitzende Kegel, welcher sich bis auf den circa doppelten Durchmesser der ersteren erweitert, wird Rast genannt (b). Die breiteste Stelle des Ofens nimmt der Kohlensack ein (d) , an welchem die Rast und der eigentliche Schacht (c) Fig. 18. Querschnitt eines altartigen Hochofens. a Wallstein, n Herd, e Gestelle, v s Verbrennungs- zone, k k Schmelzzone, o o Gicht. zusammenstoßen. Letzterer bildet den zweiten, umgekehrten Kegel und ist der höchste Theil des gesammten Innen- raumes. Der Kohlensack ist entweder konisch oder cylindrisch geformt. Den obersten Theil, der zunächst in einen stumpferen Kegel und schließlich in einen Cylinder übergeht, heißt die Gicht . Wie erwähnt, strömten früher die brennenden Gußgase unbehindert ins Freie; gegenwärtig deckt man die obere Oeffnung des Schachtes mit Klappen und anderen Vorrichtungen — Gasfänge (mit Fülltrichter f und Kegel k ) — ab. Wird der Füll- trichter gesenkt, so wird um den Kegel- rand herum ein Spalt frei, durch welchen die Füllmassen hinabgleiten. Die Gase strömen durch das Rohr h in die Leitung i ab. Der Herdraum — der unterste Theil des Gestelles — ist durch die Herdplatte abgeschlossen. Die im er- steren mit dem geschmolzenen Eisen sich ansammelnde Schlacke fließt bei älteren Oefen ziemlich continuirlich über einen den Herd nach vorne be- grenzenden »Wallstein« ab und passirt dabei unter dem sogenannten »Tümpelsteine« durch, der es gestattet, den Herd gegebenen Falles mit Brechstangen von etwa entstandenen Absätzen zu reinigen. Diesen Oefen mit sogenannter offener Brust sind neuerdings mit großem Erfolge solche mit geschlossener Brust substituirt worden; bei ihnen fließt die Schlacke durch ein ins Mauerwerk eingelassenes Bronzerohr, das durch Wassercirculation gekühlt ist, ab. Der Herd hält sich dadurch wärmer und frei von Ansätzen. Was das Gestell betrifft, bestand dasselbe bei den älteren Constructionen aus zugehauenen Sandsteinen, oder es wurde aus feuerfester Thon- Das Roheisen und seine Darstellung. masse in einem Stück gestampft. Jetzt mauert man die Gestelle ziemlich dünnwandig aus Chamotteziegeln auf, armirt sie mit starken Eisenringen und kühlt sie durch Ueberrieseln mit Wasser ab. Damit auch die Schachtwände durch die sie umspülende Luft gekühlt werden, hüllt man sie nicht mehr wie ehen als in einen dicken Mauer- körper — das Rauchgemäuer — ein, sondern legt sie frei und macht sie möglichst dünn (0‧6 bis 0‧8 Meter stark). Fig. 18 zeigt einen solchen alten Ofen, bei dem auch die Gußgase frei ausströmen. ... Mit dem Wegfalle des Rauchgemäuers verlor der Schacht auch seine Stütze gegen das Auseinandertreiben durch die Hitze und den Druck der Füllung, weshalb man ihn jetzt mit einem Blechmantel umgeben oder mit zahlreichen eisernen Bändern binden muß. Dasselbe gilt für Rast und Gestell. Es ist zu bemerken, daß bei den großen modernen Oefen die vorbesprochene Trennung in Rast, Kohlensack und Schacht nicht immer in dieser typischen Weise durchgeführt ist, sondern diese Theile vielfach durch abgerundete Curven ineinander übergehen, indem sie den Formen angepaßt sind, die der Ofen selbst bei längerem Gebrauche annimmt. Wir kommen nun zu der Beschickung des Hochofens und den Schmelz- proceß . Die Beschickung findet in der Weise statt, daß Lagen von Erz und Brenn- material miteinander abwechseln. Ganz so einfach ist aber die Anordnung nicht. Zunächst muß das Erzgemisch derart beschaffen sein, daß es nicht nur eine genügende Menge Eisen, sondern auch die zur Bildung der Schlacke nothwendigen erdigen Bestandtheile enthält. Es ist dies nothwendig, um zur Schlackenbildung möglichst wenig Kalkstein herbeizuziehen. Das Erz- und Kalksteingemenge wird »Möller« genannt, und die ganze, auf einmal in den Ofen gebrachte Menge desselben heißt »Gicht« und beträgt das Gewicht derselben, je nach der Größe des Ofens, 6 bis 10 Tonnen. Als Brennmaterial diente früher in den Hochöfen ausschließlich Holzkohle, und bei dem großen Bedarf verschwanden die englischen Wälder zusehends, so daß sich die Nothwendigkeit ergab, nach einem Ersatz zu suchen. Derselbe bot sich naturgemäß in der Steinkohle. Dieselbe ist jedoch nur ganz ausnahmsweise zum Betriebe des Hochofens tauglich, da verbrennende Steinkohlen in der Hitze erweichen und theerige Substanzen ausschmelzen. Im Hochofen würden diese halbflüssigen Massen in ein- zelne Stücke miteinander verschlacken und die Folge wäre, daß die Gebläseluft die Schichten nicht durchdringen könnte. So kam man auf die Idee, die Steinkohlen in Koks umzuwandeln, was in der Weise geschieht, daß erstere in einen luftdicht geschlossenen Raum gebracht und großer Hitze ausgesetzt werden. Durch diesen Proceß werden die gasförmigen Bestandtheile aus der Steinkohle ausgerrieben und bleibt fast nur reiner Kohlenstoff zurück. Dabei nimmt das Brennmaterial an Rauminhalt und Gewicht bedeutend ab. Zur Verkokung wird meist Feinkohle verwendet, und zwar solche, die in der Hitze in einen halbgeschmolzenen, klebrigen Zustand über- geht (»Backkohle«), so daß die kleinen Kohlentheilchen zu großen, festen, harten und klingenden Stücken zusammenbacken. Erster Abschnitt. Fig. 19. Koksofenanlage der »Königshütte« (Preußisch-Schlesien). Hochofenanlage mit dem Arbeitsplatz der Hochofenschmiede in der Königshütte (Preußisch-Schlesien). Das Roheisen und seine Darstellung. Der Betrieb der mit Koks gefeuerten Hochöfen begann ungefähr um das Jahr 1700. Mit diesem Zeitpunkte erfuhr die Roheisenproduction einen bedeutenden Aufschwung. Die Härte des Koks erlaubte, die Oefen bis 30 Meter hoch zu bauen. Holzkohlenhochöfen, wie sie in waldreichen Ländern betrieben wurden (z. B. in Steier- mark), lieferten vor etwa hundert Jahren 3—4 Tonnen Roheisen in 24 Stunden; dagegen liefert beispielsweise ein großer moderner Hochofen in der gleichen Zeit 250 Tonnen. Ist das Eisenerz im Ofen durch die Kohle zu Eisen reducirt und sinkt das Metall immer weiter in ihm herab, bis es an eine so heiße Stelle kommt, daß es durch Aufnahme der genügenden Kohlenstoffmenge flüssig wird, so hat es schließlich noch die Zone zu passiren, in welcher die Luft in den Ofen eingeblasen wird. An dieser Stelle würde es bei der hohen Temperatur einfach wieder zu Eisenoxyd ver- brennen, wenn nicht besondere Vorsichtsmaßregeln dagegen getroffen würden. Diese Vorsichtsmaßregel bilden die mehrgenannten »Schlacken«. Schlacke ist eine Art Glas, das neben Kieselsäure und Thonerde vornehmlich Kalk und Magnesia enthält. Manche Erze sind »selbstgehend«, d. h. sie liefern durch ihre Beimischungen selbst eine solche passende Schlacke; in anderen Fällen vermag man durch Mischen (Galliren) eines thonreichen mit einem kalkreichen Erze den Zweck zu erreichen. In den meisten Fällen muß man mit »Zuschlägen« nachhelfen, die den im Erze verbrennenden fremden Bestandtheilen angepaßt sind. Wo, wie es meist der Fall ist, Kieselsäure und Thonerde vorwalten, besteht der Zuschlag aus Kalkstein oder gebranntem Kalk. Bei basischen Erzen muß ein eisenhaltiger Thon, eine kieselreiche Puddelschlacke zugegeben werden. Die Feinheiten des Hüttenbetriebes, durch welche auf besondere Eisenqualitäten hingewirkt wird, sind vorzugsweise auf die Abmessung dieser Zuschläge gerichtet. Ist das Erz schwefelhaltig, so giebt man mehr Kalk (auch höhere Temperatur) und erhält dadurch das zum Gießen geeignete graue Roheisen; bei weniger Kalk und weniger Brennstoff wird das harte, zur Darstellung des Schmiedeeisens geeignete weiße Eisen erhalten. Aus kieselreichem, reinem Erz, mit viel Brennstoff und wenig Kalk, stellt man das siliciumhältige Bessemer-Roheisen dar u. s. w. Die Mischung der Schlackenbestandtheile ist nun immer derart gewählt, daß sie erst, nachdem das Eisen genügend Kohlenstoff aufgenommen hat, um Gußeisen zu sein, zu einem Glase zusammenschmilzt. Dieser letztere hüllt darin die einzelnen Tropfen des flüssigen Eisens ein und schützt sie vor dem Einflusse der Gebläseluft. Auf diese Art passirt das Metall jene Zone, in welcher die glühende Luft vorhanden ist, ohne wieder zu verbrennen. Unterhalb derselben trennt sich dann das flüssige Eisen durch seine Schwere von dem leichteren Glase; beide laufen flüssig aus dem Ofen — und die Erstarrungsproducte heißen dann Roheisen und Schlacke. Es ist im Vorstehenden wiederholt auf die Rolle angespielt worden, welche die Luft bei der Verbrennung des Brennmateriales spielt; deshalb müssen wir auf diesen Gegenstand etwas ausführlicher eingehen. Zunächst ist zu bemerken, daß sich Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 3 Erster Abschnitt. die Luft nicht freiwillig in und durch den Ofen bewegt, sondern in sie hinein- gedrückt — »geblasen« — werden muß. Dies geschieht durch besondere Maschinen, Fig. 20. Cowper'scher Winderhitzer. die Gebläse , doppelwirkende Luft- pumpen, in deren Cylinder der hin- und herlaufende Kolben ab- wechselnd auf der einen Seite Luft einsaugt, während er sie auf der anderen Seite zunächst zusammen- preßt und schließlich in die Röhren- leitungen hineindrückt, die sie dem Ofen zuführen. Dieses Zusammen- pressen ist erforderlich, damit der Wind in Folge seiner hohen Spannung den bedeutenden Wider- stand überwinde, welche die den Ofenraum füllenden Schmelzmassen dem Durchdringen entgegensetzen. Noch bis in die erste Hälfte unseres Jahrhunderts wurde aus- schließlich mit kaltem Winde ge- blasen, bis Reilson den Vorschlag machte, ihn vor dem Eintritt in den Ofen zu erhitzen. Es geschieht dies durch entsprechende Instal- lationen, welche man Winderhitzer nennt. Die älteren Constructionen bestehen darin, daß der Wind durch eiserne Röhren, welche von außen erhitzt werden, strömt; neuerdings hat man eine Anordnung getroffen, die darin besteht, daß der Wind Systeme von Wänden aus feuerfesten Steinen, die in Glühhitze versetzt werden, bespült. Das letztere Verfahren ist bei neuen Hochofenanlagen das allgemein übliche und veranschaulichen die Fig. 20 bis 22 deren Anordnung. Es ist dies der Cowper 'sche Winderhitzer, der mancherlei Vortheile gegenüber anderen Systemen (z. B. dem Whitwell 'schen) darbietet. Er stellt sich als ein Das Roheisen und seine Darstellung. entsprechend hoher, 6—8 Meter dicker Cylinder aus Blech dar, der mit einer Kuppel abgeschlossen ist und in seinem Innern zwei Abtheilungen enthält. Die eine der- selben, die weitaus kleinere, bildet den Verbrennungsschacht (a) , der andere, größere Raum ist bis unter der Kuppel durch zahlreiche dünne Wände in schornsteinartige Röhren (b) getheilt, von welchen Fig. 21. Cowper'scher Winderhitzer (Höhendurchschnitt). oft viele hundert vorhanden sind. Unten ruhen diese Röhren auf einem eisernen Roste (c) oder kleinen steinernen Bögen auf. Das Wesen dieser Construction besteht nun da- rin, daß durch den Canal d , den Ventilkasten e und die Schlitze f die heißen Gichtgase in den Ver- brennungsschacht a eintreten und sich hier mit der bei g einströmenden Verbrennungsluft vereinigen und gemeinsam verbrennen. Nachdem sie bis zur Kuppel aufgestiegen sind, senken sie sich durch die Röhren b und den Rost in den untersten Raum, von wo sie durch das Knierohr h in den Schorn- steincanal i abströmen. Auf diese Weise erhitzen sich die Wände der Röhren in etwa einer Stunde auf 900—1000°. Ist diese Temperatur erreicht, so wird der Gasstrom abgesperrt und durch einen zweiten derartigen Winder- hitzer geleitet, wogegen der Wind den ersten, aber heißen Apparat in entgegengesetzter Richtung durch- streicht. Für einen Hochofen sind drei bis vier solche Erhitzer noth- wendig. Ihre Wirksamkeit hängt von der Menge der zu den Heiz- röhren verwendeten Steine und von der Heizfläche ab. Die Gebläseluft strömt durch eine Anzahl von Düsen in den Ofen ab, welche gegen das Abschmelzen durch sogenannte »Formen« aus Bronze geschützt sind. Sie sind doppelwandig und werden durch reichlich durchströmendes kaltes Wasser gekühlt. In der heißen Gebläseluft hat man das beste Mittel gefunden, die Temperatur zu 3* Erster Abschnitt. steigern, die Production zu vermehren und an Brennstoff zu sparen. Auch das Gestell wird durch Einlegen von Kühlkasten oder durch Berieseln mit Wasser ab- Fig. 22. Cowper'scher Winderhitzer (Querschnitt). gekühlt. Daß auch der ganze Ofen möglichst dünn gehalten wird, damit auf denselben die äußere Luft kühlend wirke, wurde bereits erwähnt. Da nun aber ein derartiger Ofen nicht mehr im Stande wäre, außer den Schmelzmassen auch noch die schwereren Gichtverschlüsse und Gasleitungen, welche seine obere Oeffnung belasten, zu tragen, werden einerseits die letzteren Constructionstheile durch ein eisernes Säulengerüst ( m in Fig. 16) gestützt, während andererseits die Schachtwände etwas nach unten frei vor- gebaut und durch eiserne Säulen ( n in Fig. 16) unterstützt werden. An den Säulen m sind auch die Windleitungen (o) befestigt. Trotz der besprochenen Kühlvorrichtungen ist der Ofengang so hitzig, daß von den früher gefürchteten »Absätzen« im Herde nichts mehr zu besorgen ist. Die Schlacke fließt continuirlich durch ein doppelwandiges gekühltes Bronzerohr ab. Die ältere Construction mit Schlackentrift, Wallstein, Tümpelstein u. s. w. hatte nur den Zweck, solche Absätze mit Brechstangen entfernen zu können. Bei den neuen Oefen (mit geschlossener Brust) legt man die Unterkante des Herdes meist so hoch, daß man das flüssige Eisen in untergeschobene Pfannen entleeren kann. Die Schlackenmenge solch großer Fig. 23. Schlacken-Transportwagen. Hochöfen ist sehr bedeutend und häuft sich in der Um- gebung derselben zu wahren Bergen an. Ein Fortschritt der neuesten Zeit liegt darin, daß man sie zur Ausfüllung der abgebauten Räume in den Steinkohlengruben an- wendet, welche für die Oefen selbst die nöthigen Kohlen geliefert haben. Zum Transporte der sich ansammelnden Schlackenmengen bestehen mancherlei Vorrichtungen, in deren Beschreibung wir jedoch nicht eingehen können. Die bei- gegebenen Abbildungen (Fig. 23 bis Fig. 25) zeigen solche Schlackenwagen , sowie Das Roheisen und seine Darstellung. eine Rollbühne für den Schlackentransport. Die in der letzten Abbildung dar- gestellte Anlage ist über 30 Meter lang. Der Hochofen bietet eine vollkommene Anwendung des für die Industrie so hochwichtigen Princips des Gegenstromes, indem sich die Beschickungssäule dem wirksamen Gasstrome entgegenbewegt und so die Energie desselben calorischer und chemischer Art auf das Rationellste verwerthet. Diese Energie wird im Gestell durch das Verbrennen der Kohle mit der eingeblasenen Luft entwickelt. Zuerst entsteht durch die vollständige Verbrennung des Kohlenstoffes zu Kohlensäure eine so hohe Temperatur, daß Eisen und Schlacke dünnflüssig einschmelzen, in Tropfen Fig. 24. Schlackenwagen. herabfallen und sich im Herde ansammeln, wo sie sich alsbald nach ihrem specifi- schen Gewichte sondern. Der nach aufwärts streichende Gasstrom findet neue glühende Kohlenschichten und geht dadurch in das stark reducirend wirkende, giftige Kohlenoxydgas über. Diese Aufnahme von Kohlenstoff geht unter starker Wärme- bindung (d. i. unter beträchtlicher Herabsetzung der Temperatur) vor sich. Trifft nun das Kohlenoxydgas mit fein vertheiltem metallischen Eisen zu- sammen, so wird der eben aufgenommene Kohlenstoff an dieses unter Bildung von Roheisen abgegeben und dadurch erst die Schmelzbarkeit vermittelt. Immer neue Kohlenschichten folgen, welche die entstandene Kohlensäure immer wieder in Kohlen- oxyd zurückverwandeln, das nun die Aufgabe hat, dem Eisenoxyd den Sauerstoff zu entziehen, es in metallisches Eisen überzuführen. Die dadurch erniedrigte Erster Abschnitt. Temperatur des Gasstromes genügt indessen immer noch, um die Austreibung der Kohlensäure, des Wassers und anderer flüchtiger Stoffe aus der Beschickung zu bewirken. Endlich entweicht aus der Gichtmündung ein Gemenge von Stickstoff der Luft, Kohlenoxyd, Kohlensäure u. s. w. als brennbares Gichtgas. Da dieselben noch immer einen Brennwerth von zwei Fünftel des ganzen angewendeten Brennstoffes repräsentiren, läßt man es nicht mehr — wie bereits erwähnt — als mächtige Gichtflamme verbrennen, sondern fangt die Gichtgase durch entsprechend construirte Apparate auf, um sie durch Röhren nach dem Orte ihrer Verwendung zu führen. Gleichzeitig werden sie durch Waschvorrichtungen von dem mitgerissenen Gichtstaube Fig. 25. Howdon's Schlacken-Transportvorrichtung (Cambria Iron Co.). gereinigt und verbrennt sie mit frischer Luft unter den Dampfkesseln, welche den Dampf für die Gebläsemaschinen liefern, oder in den Apparaten, die zur Erhitzung der Gebläseluft verwendet werden. Bei der herabsinkenden Schmelzsäule unterscheidet man (von oben nach unten gehend), den eben berührten Wirkungen entsprechend: die Vorwärm- die Reductions-, die Kohlungszone, und unterhalb derselben im Gestell die Schmelzzone und den Herd. Das Anwärmen eines neugebauten Ofens erfordert oft einen Monat und darüber, da bei einer zu raschen Temperatursteigerung die Mauerung Schaden nehmen würde. Ist aber einmal der richtige Schmelzgang erreicht, so vollziehen sich die verschiedenen Arbeiten — das Heben der Beschickung zur Gicht, das Einstürzen in die Gicht, das Gichtsetzen, das Ablassen der Schlacke und endlich das Abstechen Das Roheisen und seine Darstellung. des angesammelten Eisens in die vorbereitenden Sand- oder Eisenformen — in regelmäßiger Weise, bis endlich das Ausschmelzen der Campagne ein Ende bereitet. Es sind Fälle bekannt, wo eine solche Campagne zwölf Jahre andauerte. Man hat sogar aus dem Studium solcher Oefen die eigentliche rationelle Form des Ofen- inneren abgeleitet, die der Ofen durch Ausschmelzen und Ansetzen von Schlacke sich gewissermaßen selbst gegeben. Gewöhnlich wird Morgens und Abends, beim Wechsel der Tages- und Nacht- schichten, der Abstich vorgenommen. Graues Eisen fließt dabei ruhig, mit roth- Fig. 26. Verladevorrichtung der Duquesne-Hochöfen. orange leuchtender Farbe in die Formen, während weißes Eisen starke, sternartig leuchtende Funken sprüht und weißeres Licht entwickelt. Zwischen beiden steht das sogenannte »halbirte Eisen«, ein Gemenge der beiden vorgenannten Sorten, das in neuerer Zeit zum Gusse von Hartwalzen und Eisenbahnrädern, Granaten gegen Panzerplatten und zu Panzerthürmen ausgedehnte Verwendung gefunden hat. Kommt dasselbe beim Gießen in die Gußform mit rasch abkühlenden eisernen Formen in Berührung, so bleibt der Kohlenstoff am Eisen gebunden und das Gußstück erhält eine mehr oder weniger starke Schicht von äußerst hartem Weiß- eisen. Der Kern, der langsamer abkühlt, und alle Theile, die mit dem schlecht die Wärme leitenden Formsand in Berührung kommen, bleiben grau und weich und geben der äußeren spröden Rinde die nöthige Festigkeit. Erster Abschnitt. Wir haben nun noch einiger specieller Einrichtungen im Hochofenbetriebe, welche hie und da bei neuen Anlagen in Anwendung kommen, zu gedenken. Die- selben betreffen durchgehends die Förderung des Materials, also Beschickungs-, Ver- ladevorrichtungen u. dgl. Als Beispiel einer rationellen Materialbewegung mögen zunächst die Installationen der Dowlais Iron Company zu Cardiff (Süd- wales) dienen. Die Tagesleistung der vier im Betriebe stehenden Hochöfen wird mit je 200 bis 250 Tonnen angegeben. Hinter den Oefen und parallel mit denselben befinden sich zwei Reihen aufrecht stehender cylindrischer Behälter (Taschen) aus Kesselblech von circa 9‧1 Meter Durchmesser und 18‧3 Meter Höhe, die von Säulen getragen werden. Der untere Theil dieser Taschen ist zusammen- Fig. 27. Gießpfannwagen. gezogen und mit einer Austragvorrichtung versehen, um das Material nach Bedarf unmittelbar in die Gichtwagen füllen zu können. Ueber jeder Taschenreihe befindet sich ein Normalspurgeleise, und an jedem Ende desselben ein starker Wassertonnen- aufzug. An einem Ende werden die beladenen Wagen auf das Niveau der Hochbahn gehoben, auf der sie von einer besonderen Maschine über die entsprechende Tasche geschafft werden. Hier wird der Wagen durch Herunterklappen des Bodens entleert, dann auf die andere Seite der Hochbahn geschafft und mittelst des zweiten Wasser- tonnenaufzuges auf die Hüttensohle befördert. ... Die Fig. 24 veranschaulicht die Verladevorrichtung der Duquesne-Hochöfen , welche so klar ist, daß sie einer Beschreibung nicht bedarf. Das Roheisen und seine Darstellung. Wirklich gut functionirende Hochofen-Fördermaschinen sind verhältnißmäßig neuen Datums. Im Jahre 1872 hat die Crane Elevator Company ihre erste Maschine auf den Joliet Steel Works , den Vulcan Steel Works und anderen Werken in Betrieb gesetzt. Seitdem sind diese Maschinen nach jeder Richtung ver- bessert worden. Dampfmaschinen standen allerdings schon früher für Gichtaufzüge in Verwendung, allein sie ließen bezüglich ihrer sicheren Functionirung manches zu wünschen übrig. Neuerdings hat man wieder auf die Rampen zurückgegriffen, um den großen Wagen und Fördergefäßen Rechnung zu tragen, d. h. große Mengen von Beschickungsmaterial auf einmal zu befördern. Fig. 28. Locomotivgießwagen (Constructeur Baroger Maschinenbau-Actien-Gesellschaft). Für den Transport des flüssigen Roheisens wird auf verschiedenen amerika- nischen Werken der in Fig. 27 dargestellte Gießpfannwagen verwendet. In jüngster Zeit wurde von der Baroger Maschinenbau-Actiengesellschaft ein Loco- motivgießwagen construirt, der in Fig. 28 abgebildet ist. Derselbe besteht (nach der Beschreibung der Constructeurin) aus zwei Theilen, die vermittelst einer Uni- versalkuppelung miteinander verbunden sind. Diese Zweitheilung ist deshalb ge- troffen, um einerseits die schädliche Wirkung von Unebenheiten im Geleise auf den Rahmen abzuschwächen, andererseits um schärfere Curven anstandslos durchfahren zu können. Auf dem vorderen Wagentheil befindet sich der Ausleger, mit der Pfanne an einem Ende und einem ausbalancirenden Gegengewicht am anderen Ende. Auf Erster Abschnitt. diesem letzteren sind drei Cylinder montirt, von welchen zwei vermittelst Ketten und Kettenrad auf dem großen Stahlplunger, an welchem sich der Ausleger auf- und abwärts bewegt, arbeiten, während die Kolbenstange des dritten Cylinders durch einen Gestängerahmen die Pfanne direct faßt. Das Kippen der Pfanne geschieht in den meisten Fällen von der Hand; soll aber die Charge völlig ausgekippt werden, so kann man hydraulische Kraft in Wirksamkeit treten lassen. Der hintere Wagentheil trägt auf der Plattform zunächst den Dampfkessel und eine Drillings-Hochdruckpumpe, einen Behälter für Speisewasser und einen solchen zur Aufnahme des Rücklaufwassers aus den hydraulischen Cylindern. Unter der Plattform ist am Rahmen die zum Hin- und Herfahren des ganzen Wagens dienende Zwillings-Dampfmaschine mit Reversirvorrichtung, wie bei einer Locomotive, angebracht. Zur Bedienung sind nur zwei Mann erforderlich; der eine bedient den Kessel, die Fahrmaschine, die Preßgänge und den Cylinder zum Heben und Senken, während der andere Mann auf dem Ausleger steht und das Schwenken, Ein- und Ausfahren und das Kippen der Pfanne besorgt. Das flüssige Roheisen wird bekanntlich in entsprechend großen Quantitäten derart in die Gußbetten gebracht, daß nach erfolgter Erstarrung sich zusammen- hängende Stücke bilden, welche »Masseln « genannt werden. Dieselben können ent- weder im zusammenhängenden Zustande, in welchem Falle sie 2‧5 bis 3 Tonnen wiegen, transportirt werden, oder man bricht sie in den sogenannten Massel- brechern in einzelne Masseln von 30 bis 60 Kilogramm Gewicht. In jüngster Zeit hat Uehling eine Construction ersonnen und zuerst bei den der »Carnegie Co.« gehörigen Lucy-Oefen in Pittsburg und auf der Hochofenanlage in Duquesne in Anwendung gebracht, welche die Manipulationen des Gießens, Fortbewegens und Verladens der Roheisenmasseln auf maschinellem Wege besorgen und damit wesentlich beschleunigen. Ohne in die Details der Einrichtung einzugehen, sei in Kürze Folgendes bemerkt: Das im Hochofen abgestochene Roheisen fließt in eine Pfanne, welche auf einem Wagengestelle ruht und auf einem Geleise zu den in einiger Entfernung stehenden Gießformen befördert wird. Hier wird der Inhalt der Pfanne vermittelst einer untergeschobenen Rinne in zwei senkrecht auf das vor- erwähnte Geleise stehende, etwas über den Boden erhöhte Masselformenreihen aus- geleert. Die Formenreihen bewegen sich gleichsam wie eine Kette ohne Ende über zwei Trommeln, und zwar mit einer Geschwindigkeit von 4 ½ Meter in der Minute. Da nun die Entfernung zwischen den beiden Trommeln eine hinreichende Länge hat, um den Masseln Zeit zu lassen sich abzukühlen, gelangen sie erstarrt an das äußere Ende der Formenreihen, also bei der zweiten Trommel, und stürzen hier auf ein senkrecht zu den Formenreihen stehendes Transportband, das sich gleichfalls automatisch fortbewegt, und zwar direct zur Verladestelle. Auf diesem Wege werden die Masseln durch ein Wasserbehälter gezogen und damit völlig ab- gekühlt. Von der früher erwähnten zweiten Trommel an, wo die Formenreihen Das Roheisen und seine Darstellung. umbiegen und nun auf der unteren Seite leer zur Gießpfanne zurückkehren, passiren dieselben einen Apparat, durch welchen sie mit Kalkmilch überzogen werden. Es geschieht dies, um zu verhindern, daß in den noch heißen Gießformen bei der nächsten Charge das Eisen festhaftet. Die beigegebene Fig. 29 veranschaulicht die Endstrecke des Transportbandes, auf welchem die erkalteten Masseln liegen, um, auf der Höhe der Vorrichtung angelangt, in die bereitstehenden Eisenbahnwagen zu stürzen. In neuester Zeit hat auch, wie nicht anders zu denken, der Hochofenbetrieb sich der elektrischen Kraftübertragung bemächtigt, und zwar zum Betriebe von Fig. 29. Masseltransport. Transportbändern, Aufzügen und Laufkrahnen. Der Vortheil solcher Anlagen liegt auf der Hand: sie ermöglichen überall dort, wo große Mengen von Roheisen ver- arbeitet werden, eine rasche und billige Abfuhr derselben. Auf jeder großen Hoch- ofenanlage — und überhaupt jedem Eisenwerke — sieht man zahlreiche normal- spurige Geleise, auf welchen ein unausgesetzter lebhafter Verkehr sich abspielt. Große Betriebe erfordern eben ein frisch pulsendes Leben und dieses manifestirt sich in einer intensiven Transportthätigkeit. Mit dem Transport im Hüttenniveau ist es aber nicht abgethan, wenn die betreffenden Verkehrsanlagen nicht in organischer Verbindung mit den Beschickungs- vorrichtungen stehen. Der rationellste Vorgang wäre der, daß die Rohmaterialien mittelst Waggonkipper in selbstentladende Waggons entleert, diese dann auf Hoch- Erster Abschnitt. bahnen über die weiter oben erwähnten Taschen geführt und hier neuerdings ent- laden würden. In Deutschland beispielsweise aber sind Waggonkipper kaum bekannt, der großen Verschiedenheit der Eisenbahnwagen wegen, welche zum kleinsten Theile als Kippwagen eingerichtet sind. Vielleicht noch im höheren Maße tritt die Nothwendigkeit zweckmäßiger Transporteinrichtungen bei solchen Werken hervor, welche am Wasser liegen und ihre Rohmaterialien auf dem Wasserwege beziehen. Jede Umlademanipulation er- fordert einen bedeutenden irrationellen Aufwand von Zeit und Kosten; man hat die diesbezüglichen Erfahrungen sowohl an Landungsplätzen als an Abzweigungs- punkten schmalspuriger Bahnen von normalspurigen. Fig. 30. Krahnanlage der »Niederrheinischen Hütte« in Duisburg-Hochfeld. In welcher Weise sich eine rationelle Transportanlage für den Hüttenbetrieb mit Anwendung der elektrischen Kraftübertragung herstellen läßt, ersieht man aus einer Installation, welche nach dem Entwurfe von C. Canavis durch die bekannte Firma für Drahtseilbahnen J. Pohlig (Köln) auf der »Niederrheinischen Hütte« zu Duisburg-Hochfeld ausgeführt wurde. Die frühere schwerfällige Verladungsweise aus den Rheinschiffen mittelst primitiver Vorrichtungen hat einer ebenso leistungs- fähigen als dem Auge gefälligen Krahnanlage weichen müssen. Dieselbe wird durch die Fig. 30 veranschaulicht. Auf zwei Thürmen (unten Mauerwerk, oben Eisen- construction) ruhen zwei Drehkrahne mit völliger Kreisbewegung, so daß sie sowohl von der Wasserseite als von der Landseite Transportgut nach der Höhe schaffen Das Roheisen und seine Darstellung. können. In der Mitte der die beiden Krahnthürme verbindenden Brücke ist der Antrieb der continuirlich laufenden Seilbahn angebracht. Durch dieselbe werden die mit Erz beladenen Gefäße, nachdem sie von den Krahnen auf die Fahrschiene der Seilbahn abgesetzt worden sind, nach den Lagerplätzen des Werkes befördert. Die Hängebahnwagen können selbstverständlich bis in den Schiffsraum, wo sie beladen werden, hinabgelassen werden. Fig. 31. Niederrheinische Hütte in Duisburg-Hochfeld. (Lagerplatz mit Seilbahn.) Die Betriebsanlage ist durchwegs eine elektrische und erfordert die Bedienung nur etliche Mann: zwei Maschinisten und zwei Abnehmer bei den Krahnen (wenn beide im Betriebe sind), und zwei Mann, welche die Wagen abkippen und an das Laufseil wieder ankuppeln. Die Hängebahnen selbst laufen auf parallelen Gerüsten über das ganze Bereich der Lagerplätze, wodurch diese das eigenartige Aussehen erhalten, wie es die Fig. 31 zeigt. Die Leistungsfähigkeit der Hängebahnen ist sehr bedeutend; sie beträgt 60 Hängebahnwagen ( à 1 bis 1 ½ Tonnen) in der Stunde, kann jedoch noch beträchtlich gesteigert werden. Die Krahne leisten bei einer Trag- fähigkeit von 1500 Kilogramm in 10 Stunden 350 Tonnen. Die Entfernung Erster Abschnitt. (Hubhöhe) vom Schiffe bis zur Fahrschiene der Seilbahn beträgt im Mittel 20 Meter, und ist die Einrichtung getroffen, daß die Hubbewegung selbstthätig unterbrochen wird, sobald das Fördergefäß auf die Höhe der Fahrschiene gelangt ist. Wie bereits erläutert worden ist, unterscheidet man weißes und graues Roh- eisen; ersteres enthält den gesammten Kohlenstoff legirt, letzteres den größten Theil als Graphit. Neben dem Kohlenstoff spielen aber auch Mangan und Silicium eine sehr wichtige Rolle, da deren An- beziehungsweise Abwesenheit für die Art des Eisens bestimmend ist. Von nicht minder einschneidender Bedeutung ist der Gehalt des Roheisens an Phosphor , ferner an Schwefel und anderen Bei- mengungen. Was zunächst das Silicium (ein Grundbestandtheil des Quarzes) an- betrifft, wird dasselbe vom geschmolzenen, kohlenstoffhaltigen Eisen aus der Hoch- ofenschlacke, aus gewöhnlichen feuerfesten Steinen und den Schmelztiegeln auf- genommen. Je höher nun der Gehalt an Silicium ist, desto reichlicher gestaltet sich die Ausscheidung des Kohlenstoffes als Graphit. Mit zunehmender Höhe des Siliciumgehaltes, den man ohne Schwierigkeit auf 3 bis 4 % und mehr steigern kann, verringert sich aber die Aufnahmsfähigkeit für Kohlenstoff überhaupt, weshalb die siliciumreichsten Roheisensorten nicht auch gleichzeitig die graphitreichsten, be- ziehungsweise grobkörnigsten sein können. Von der Höhe des Siliciumgehaltes hängt im Besonderen die Fähigkeit des Roheisens ab, ein mehrfaches Umschmelzen ver- tragen zu können, ohne in weißes Eisen überzugehen oder hart zu werden. Wie aus dem Gesagten leicht erklärlich, besitzt ein hochsilicirtes Roheisen die hervor- ragende Eigenschaft, mit einem Zusatz erheblicher Mengen Brucheisen und geringeren Roheisensorten einen brauchbaren Guß zu ergeben. Siliciumarmes weißes Roheisen ist wegen seiner Sprödigkeit unbrauchbar und hat nur Bedeutung als Zwischen- product für die Darstellung des schmiedebaren Eisens. Neben Kohlenstoff und Silicium tritt als dritter, allen Eisenarten niemals fehlender Bestandtheil das Mangan auf. In gewissen Erzen (z. B. in den Spath- eisensteinen von der Sieg) ist es in solchen Mengen enthalten, daß sie im Hoch- ofen eine mehr als 10 %ige Legirung, das Spiegeleisen , ergeben. Nach dem Bruch- aussehen unterscheidet man mattes (nichtkrystallinisches), strahliges Weißeisen und Spiegeleisen, das mit zunehmendem Mangangehalt in Ferromangan übergeht. Auch das Mangan ist hauptsächlich nur bei der Fabrikation von Schmiedeeisen und Stahl chemisch thätig. Die Eigenschaften des Stahles beeinflußt ein mäßiger Mangangehalt in ähnlichem Sinne wie der Kohlenstoff, nur etwa fünfmal schwächer. Ein hoher Mangangehalt wirkt nachtheilig auf die Festigkeit; andererseits aber schützt ein mittlerer Gehalt (etwa 1 ¼ bis 1 ½ %) beim Umschmelzen das Silicium, indem das Mangan leichter und früher verbrennt als das letztere. Während die drei genannten Elementarbestandtheile, zu denen als Zusatz für gewisse Specialstahle noch Wolfram, Chrom, Nickel und andere Metalle treten können, wohlthuende oder neutrale Ingredienzen sind, aus denen man sich Eisen- legirungen von wunderbarer Kraft zusammensetzen kann, gehören der Schwefel Das Roheisen und seine Darstellung. und der Phosphor zu den verderblichsten Giften des Eisens. Der Schwefel freilich stiftet nur auf der Hütte selbst zum Schaden des Producenten Unheil, indem er Schmiedeeisen oder Stahl in der Rothgluth brüchig macht (»Rothbruch«), so daß sie nicht geschmiedet werden können. Dagegen vermag phosphorhaltiges Eisen vorübergehende Formveränderungen, wie sie durch Erschütterungen, Stöße u. s. w. hervorgerufen werden, nicht zu ertragen. Eine Eisenstange, welche nur wenige Tausendstel von Phosphor enthält, bricht in Stücke, wenn sie auf das Plaster fällt. Man nennt dies den »Kaltbruch«. Bei grauem Roheisen ist (nach Ledebur ) für die meisten Zwecke ein geringerer Phosphorgehalt als 0‧5 % in dieser Beziehung ohne Nachtheil. Deutlicher zeigt sich die Einwirkung bei 1 % Phosphor, sehr empfindlich bei 1‧5 %. Roheisen mit mehr als 1‧5 % Phosphor sollte in keinem Falle anders als in Vermischung mit besseren Sorten für die Gießerei Verwendung finden. Bester Stahl soll nur ein Zehntausendstel Phosphor enthalten. Nur wenige, besonders geschätzte Erzlager geben Roheisen mit weniger als ein pro Mille Phosphor. Die Entfernung desselben bei der Darstellung des schmiede- baren Eisens ist erst in der Neuzeit, seit der Erfindung des basischen Frischprocesses (Thomasprocesses), möglich, zwar nicht vollständig, aber bis zu einem für die meisten Verwendungen unschädlichen Reste. Fig. 32. Hochofenanlage der Friedrich Wilhelm-Hütte zu Mülheim a. d. Ruhr. Zweiter Abschnitt. Herdfeuer und Flammofen. D iejenigen Werkstätten des Eisens, welche von Dichtern und Malern am meisten poetisch verwerthet werden (z. B. Schiller's »Gang zum Eisen- hammer«), sind die Frischhütten , durch Wasserkraft betrieben, mit ein- fachen Bälgen den Wind liefernd, mit mächtigen Stirnhämmern das Eisen ge- staltend, vom rauschenden Wald umfangen — eine Stätte prachtvoller Romantik. In einer Herdgrube, mit Holzkohlen erfüllt, wird das aufgelegte Roheisen durch kräftigen Gebläsewind tropfen- und brockenweise niedergeschmolzen. Es giebt beim Passiren der Gebläseluft schon einen Theil seines Kohlenstoffes ab; die Entkohlung wird aber meist am Boden des Herdes durch stark eisenhaltige Schlacke, die durch Aufbringen reinen Eisenerzes oder von Hammerschlag gebildet wird, vollendet. Ist das Eisen, nöthigenfalls durch Wiederholung des Einschmelzens, vom größten Theile seines Kohlenstoffes befreit und dadurch unschmelzbar geworden, so hebt man den entstandenen Eisenklumpen heraus, bringt ihn unter den Hammer, treibt durch vorsichtige Schläge die Schlacke heraus und gestaltet ihn dann durch kräftige Hammerschläge zu dem sogenannten Frischeisen . Da man meist nur reines, mit Holzkohlen erblasenes Roheisen anwendet, und auch beim Frischen nur diesen reinen Brennstoff benützt, erhält man meistens ein vorzügliches zähes Product, das bei nicht vollkommener Entkohlung einen sehr guten zähen Stahl liefert. Die besten Eisenqualitäten, wie man sie z. B. zum Hufnageleisen braucht, sowie die Stahlsorten, welche die weltberühmten oberösterreichischen und steierischen Sensen liefern, stammen immer noch von diesem Frischfeuer her. Wir wissen von früher her, daß jene Eisenlegirungen schmiedebar sind, welche einen geringen Kohlenstoffgehalt haben (bis 1‧6 %); beträgt der Kohlenstoffgehalt einige Zehntel Procente mehr, oder treten neben geringeren Mengen noch andere Elemente in die Legirung ein, so wird die Härte des Metalles durch plötz- liches Abkühlen von 750° (oder mehr) auf gewöhnliche Temperatur außerordentlich gesteigert. Es ist härtbar und führt nun die Bezeichnung »Stahl«. Ist der Herdfeuer und Flammofen. Kohlenstoffgehalt nur sehr gering und das Eisen im Uebrigen nahezu rein von anderen, eine ähnliche Wirkung ausübenden Bestandtheilen, so tritt diese Ver- änderung nicht ein; die Legirung ist »Schmiedeeisen«. Man war lange Zeit darüber nicht aufgeklärt, welche Vorgänge sich beim Härtungsproceß abspielen. Die Eisenhüttenkunde hat sich aber mit der Zeit zu einer Wissenschaft ausgebildet, in welcher der Laborant — der Chemiker — ein entscheidendes Wort mitzureden hat. Mikroskop und Spectroskop sind unentbehrliche Hilfsmittel geworden, die chemischen Analysen, die Festigkeitsproben u. s. w. be- schäftigen unermüdliche Hände. Um nur ein Beispiel von dieser Thätigkeit zu geben, sei erwähnt, daß die Krupp'sche Fabrik unter der Leitung eines durch langjährige Erfahrung geschulten Ingenieurs im Laufe eines Jahres über 70.000 mechanische Versuche bewältigt, darunter 25.000 Zerreißproben. Wie verhält es sich nun mit dem Härten auf Grund der neueren For- schungen? Nicht selten wird Härte mit Festigkeit oder hoher Elasticitätsgrenze ver- wechselt. Taucht man, wie erwähnt, glühendes Eisen von mäßigem Kohlenstoffgehalt plötzlich in Wasser, so wird es hart wie ein Kieselstein, leider aber auch ebenso spröde. Was ist nun mit dem Ausgangsmaterial vorgegangen? Nichts anderes, als daß durch die plötzliche Abkühlung der gesammte vorhandene Kohlenstoff ge- zwungen wird, in der Legirung zu verharren, d. i. die Form von Härtungskohle anzunehmen. Durch gelindes Wiedererwärmen erhält der Stahl alle Zwischenstufen der Härte, und bei einer Temperatur von 750° scheidet er fast sämmtliche Här- tungskohle als Eisencarbid aus. Durch diese Fähigkeit, sich künstlich härten zu lassen, ist der Stahl am besten definirt; Schmiedeeisen bleibt weich und zähe, auch nach plötzlicher Abkühlung aus dem glühenden Zustande. Man hat es also in der Hand, die Glashärte des Stahles und damit auch seine Sprödigkeit nach Belieben abzumindern. Das Verfahren wird »Anlassen« genannt. Die Methode des Herdfrischens, bei welcher die Temperatur den Schmelz- punkt des Schmiedeeisens nicht erheblich übersteigt, ist die primitivste, von altersher geübte. Sie liefert nur Schweißeisen (Schweißstahl), da das bearbeitete Material nicht schmilzt, sondern nur zu Klumpen zusammenschweißt. Die Schmelztemperatur derart zu steigern, daß das Material flüssig wird (Flußeisen, Flußstahl), ist eine Erfindung der Neuzeit auf Grund der in der Feuerungstechnik erzielten Fort- schritte. Immerhin sind die Frischfeuer noch nicht überall erloschen, und in wald- reichen Gegenden, welche zudem über besonders reines Roheisen verfügen (Schweden, Steiermark), flackern sie nach wie vor. Es liegt auf der Hand, daß diese Methode nur für die Herstellung solcher Eisensorten taugt, an deren Eigenschaften besonders hohe Anforderungen gestellt werden. Außerdem kommt das Feuerungsmaterial, die Holzkohle, in Betracht, da Steinkohle und Koks durch ihre Verunreinigungen das Erzeugniß verderben. Während also das im großindustriellen Betriebe erzeugte Roheisen längst in Massen und billig zu haben war, blieb Schmiedeeisen nach wie vor theuer. Einen Um- Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 4 Zweiter Abschnitt. schwung in diese Verhältnisse brachte erst die Erfindung des Engländers Cort , dessen Patent vom Jahre 1784 datirt. Er kam auf die Idee, bei der Gewinnung des Schmiedeeisens die Feuerung vom Roheisen getrennt zu halten, so daß die Asche des Brennmateriales nicht mehr mit ihm in Berührung kommt, folglich ein- flußlos wird. Zu diesem Zwecke verlegte er den Umwandlungsproceß in den Flammofen , und der Proceß, den man Puddelproceß nennt (vom englischen Worte » puddle «, umrühren), ist der bis heute üblich gebliebene, wenn auch die Feuerungsanlage der Fig. 33. und 34. Puddelofen. Oefen vielfache Verbesserungen erfahren hat. Beim Flammofen wirkt nur die Flamme der auf dem Roste brennenden Feuerung auf das Roheisen ein, das dieser Art, im Gegensatze zum Schmiedefeuer, mit dessen Aschenbestandtheilen gar nicht in Berührung kommt. Dies wird sofort klar werden, wenn wir an der Hand der beigefügten schematischen Zeichnungen (Fig. 33 und 34) uns die Anlage eines Puddelofens ansehen. In demselben stellt a die Feuerung, b den Arbeitsherd, c den Abflußcanal für die Verbrennungsgase, den sogenannten »Fuchs«, dar. Diese drei Abtheilungen sind durch zwei erhöhte Zwischenglieder getrennt, und zwar Feuerung und Arbeits- Herdfeuer und Flammofen. herd durch die »Feuerbrücke« d , Arbeitsherd und Fuchs durch die »Fuchsbrücke« e. f ist die Schüröffnung, durch welche das Feuer erhalten wird, g die Einsatzthür, welche zum Füllen und Entleeren des Herdes dient; h endlich ist eine kleine Oeffnung (Arbeitsthür), welche zur Einführung der beim Puddeln benützten Ge- räthe (Rührhaken und Spitze) dient. Der Herd besteht aus einer dicken eisernen Sohlplatte, um deren Rand sich ein hohler gußeiserner Rahmen legt, welcher behufs Abkühlung beständig von einem Strome kalten Wassers durchflossen wird. Dieser Herdraum erhält eine Aus- kleidung von sehr strengflüssiger, an Eisenoxyduloxyd reichen Schlacke, welche man bei sehr hoher Temperatur Fig. 35. Beim Puddelofen. aufschmilzt. Dieselbe schützt Sohle und Herdwände vor der Einwirkung der Schmelz- gluth des verarbeiteten Ma- teriales und verhindert gleich- zeitig eine zu starke Abkühlung des geschmolzenen Eisens. Den Abschluß des Ganzen bilden vorne, hinten und auf der Seite der Feuerung Mauern; auf der anderen Schmalseite liegt der Fuchs. Oben wird der Ofen durch ein Gewölbe geschlossen, das über der Feuerung horizontal liegt, über den Herd hinweg gegen den Fuchs hin aber allmählich abfällt. Beim Flammofen fällt meistens die Zuführung von Verbrennungsluft hinweg, ebenso die Verwendung der kostspieligen verkohlten Brennstoffe. Statt dessen bewirkt die Esse, in welcher die leichte, erwärmte, aus- gedehnte Luft mit großer Schnelligkeit nach aufwärts steigt, den Zufluß der frischen, kalten Luft durch den Rost. Es wird die Druckwirkung des Gebläses durch die Saugwirkung der Esse ersetzt. Ist der Aschenfall unter dem Roste hin- reichend hoch, so kann die von der Unterseite des Rostes ausstrahlende Wärme genügen, um ein Aufsteigen der Luft zum Brennstoff hervorzurufen. Man braucht dann oberhalb des Rostes nur eine kurze Esse, oder läßt einfach die erzeugte Flamme direct aus Oeffnungen des Arbeitsraumes entweichen. Unter diesen Um- ständen kann die Flamme einen gewissen Ueberdruck zeigen und das Eindringen abkühlend und oxydirend wirkender kalter Luft unmöglich machen. Die Flamme 4* Zweiter Abschnitt. erfüllt dann auch den Ofen ganz gleichmäßig und erhitzt ihn ebenso in allen seinen Theilen. Aus diesem Grunde ist der Köschenzug bei den Gasöfen besonders beliebt. Der Vorgang beim Puddeln ist der folgende. In den auf helle Glühhitze gebrachten, von der vorigen Hitze noch eine gewisse Menge Schlacke enthaltenden Ofen werden etwa 300 Kilogramm Roheisen eingesetzt und bei geschlossener Thür unter lebhaftem Feuer zum Schmelzen gebracht, was in etwa einer halben Stunde eintritt. Während dieses Processes findet durch den in dem Feuergase enthaltenen Fig. 36. Geschmiedete Eisenbahnwaggon-Radscheiben der Witkowitzer Gußstahlfabrik. Sauerstoff und der Kohlensäure eine Oxydation des Eisens statt; gleichzeitig ver- brennt das in dem letzteren enthaltene Silicium. Nun legt sich aber die Schlacke auf das schmelzende Eisen und es würde dadurch die oxydirende Wirkung des Feuergases paralysirt, wenn der Puddler nicht mittelst des Hakens die Schmelz- masse in Bewegung erhielt. Die Oxydation erstreckt sich im Verlaufe des Processes auch auf das Mangan und das Eisen selbst, wobei außer dem Sauer- stoff auch das in der Schlacke enthaltene Eisenoxyd zur Wirkung kommt. Letzteres ergänzt sich theils durch die Luft, theils durch Garschlacke und Hammerschlag, die man einbringt. Schließlich beginnt der Kohlenstoff zu oxydiren, was man an aus der Schlacke aufzüngelnden blauen Flammen verbrennenden Kohlenoxydes erkennt. Herdfeuer und Flammofen. In diesem Stadium ist das ganze Bad in kochender Wallung und die Schlacke beginnt durch die Arbeitsthüre abzufließen. In Folge der gesteigerten Temperatur schreitet die Entkohlung rasch vorwärts und es tritt der Moment ein, wo das Bad strengflüssig wird, d. h. das Eisen, dessen Schmelztemperatur nun höher liegt als die Temperatur im Ofen, zu erstarren beginnt. Damit hat das Umrühren sein Ende. Da aber die zu Schmiedeeisen verwandelte Masse noch nicht gleichmäßig entkohlt ist, vollführt der Puddler eine zweite Operation, die des Auf- brechens und Umsetzens. Er vertauscht den Rührhaken mit einer starken Brechstange (»Spitze«), mittelst welcher er die erstarrte Masse in Klumpen zerbricht und auf- einanderhäuft. Diesen Vorgang kann man im Bedarfsfalle mehreremale wieder- holen. Zuletzt wird der ganze Eisenballen in eine Anzahl Stücke zertheilt und jedes derselben mittelst der Spitze so lange im Herde hin und her gerollt, bis er sich der Kugelgestalt genähert hat. Bei diesem Vorgange werden die auf dem Herde herumliegenden kleineren Eisenmengen mit den einzelnen Eisenballen zu- sammengeschweißt. Man nennt dieselben Luppen , und es erübrigt dem Puddler weiter nichts, als durch abermalige Steigerung der Temperatur eine Ausscheidung der das schwammige Eisen durchsetzenden Schlacke zu bewirken. Da dies nicht in vollkommener Weise gelingt, entnimmt der Puddler durch die geöffnete Einsatzthüre mit einer großen Zange eine Luppe nach der andern dem Ofen und bringt sie unter den Dampf- hammer, unter welchem sie vorsichtig zusammengedrückt wird. Es ist der größte Vorzug des Dampfhammers, daß seine Schläge sich so empfindlich reguliren lassen. Der Eisenball, der anfangs durch einen kräftigen Schlag in Brocken auseinanderfliegen würde, nimmt durch den sanfteren Druck größere Consistenz an, indem die Schlacke ausfließt und die Eisenkörnchen aneinander- schweißen. Erst wenn dies erzielt ist, schreitet man unter kräftigen Schlägen und kunstgerechtem Wenden und Drehen des Klumpens, den eine aufgehängte mächtige Zange hält, zum definitiven Gestalten der Form. Nachdem man so das Eisen durch Hämmern in eine vierseitig prismatische Form gebracht hat, gelangt es, eventuell nach vorherigem Wiedererhitzen im Flammofen, zu den Walzwerken, die durch ver- schiedene, immer enger werdende Oeffnungen den Querschnitt immer mehr verringern. Wir kommen später auf die Walzwerke noch eingehend zu sprechen. Der Puddelproceß hat nicht immer den vorgeschilderten Verlauf. Er betrifft diesfalls nur siliciumreiche graue Roheisen, welches ein kohlenstoffarmes sehniges Schmiedeeisen liefert. Anders gestaltet sich der Proceß beim siliciumarmen Weißeisen, bei welchem die Entkohlung schon beim Einschmelzen beginnt, was eine Abkürzung des Umrührens bedingt. Das Endproduct ist dann ebenfalls weiches, sehniges Schmiedeeisen. Dagegen muß man die Entkohlung entsprechend zurückhalten, wenn man kohlenstoffreicheres Schmiedeeisen (Feinkorneisen) oder Stahl erhalten will. In diesen beiden letzteren Fällen wird das Aufbrechen und Umsetzen sehr abgekürzt, wenn man es nicht völlig übergeht. Von Vortheil ist ferner, die Luppen unter der Zweiter Abschnitt. Schlackendecke zusammenzuschweißen. Wie man sieht, ist es vortheilhafter, zur Dar- stellung sehnigen Schmiedeeisens weißes Roheisen zu verwenden; der Proceß ver- kürzt sich dadurch sehr, es wird an Brennstoff gespart und schließlich ist auch der Materialverlust (»Abbrand«) geringer, als beim grauen Roheisen. Dagegen ver- wendet man für Feinkorn und Stahl graues Eisen, allein oder im Gemenge mit manganreichen Eisen, da die damit gewonnene Schlacke reicher an Mangan und Kieselsäure ist, wodurch die Entkohlung verlangsamt wird. Außerdem bedingt die Verlängerung des Processes eine Verminderung des Schwefelgehaltes in dem zu verpuddelnden Roheisen. Das Puddeln ist eine der anstrengendsten Arbeiten im Hüttenbetrieb; vor Allem durch die hohe strahlende Wärme, welcher der Arbeiter am Puddelofen aus- gesetzt ist. Man ist daher nicht ohne Erfolg bemüht gewesen, den Haupttheil der Arbeit der Maschine aufzubürden, was z. B. in der Art bewerkstelligt worden ist, daß man den Schmelzherd (eigentlich ein Schmelzcylinder) rotiren läßt, den die an einer feststehenden Feuerung entwickelte Flamme auf ihrem Wege nach dem ebenfalls feststehenden Schornsteine durchstreicht. Hierdurch wird die Mischung von Eisen und Schlacke in vollkommener Weise erreicht. Gleichwohl ist mit Recht bemerkt worden, daß man »den maschinellen Vorrichtungen nicht auch den Verstand des Puddlers einflößen kann«. Wir kommen nun zum edelsten und nützlichsten Gliede der Eisenfamilie, zum Stahl . Die Stahlsorten mit geringerem Kohlengehalt ähneln in Schmiede- und Schweißarbeit dem Schmiedeeisen, die kohlenstoffreicheren entbehren zwar der Schweiß- barkeit, sind aber dafür leichter zu schmelzen. Zwischen dem kohlenstoffreichsten — dem sogenannten »wilden Stahl« — und dem weißen Roheisen ist kaum eine scharfe Grenze zu ziehen. Festzuhalten ist, daß nur reine Materialien einen brauchbaren Stahl liefern. Schmiedeeisen kann Schwefel, Phosphor und Kupfer als schädliche Beimengungen viel leichter vertragen als der Stahl, ohne übermäßig an Festigkeit einzubüßen, und besonders das graue Roheisen verliert durch solche Schädlinge fast nichts von seiner Verwendbarkeit. Gelingt es, ins Schmiedeeisen so viel Kohlenstoff hineinzubringen, daß der Gehalt an ihm von 0‧5 auf 1‧5 % steigt, so muß es in Stahl übergehen. Auf diesem Princip beruht die Darstellung des Cementstahles . Zu diesem Ende packt man schmiedeeiserne Stäbe zwischen Holzkohlenpulver in Kasten aus feuerfestem Thon, setzt sie einem Flammofen aus und erhitzt sie 6—8 Tage lang auf etwa 1000 Grad. Dann tritt ein allmähliches Wandern des Kohlenstoffes ins Eisen ein, das dadurch in Stahl übergeht. Der Umstand, daß alles Eisen durch Glühtemperatur für Gase durchdringlich wird, erleichtert den Cementationsproceß sehr wesentlich. Beim Glühstahl wird Roheisen in Stäbe gegossen, zwischen Eisenoxyd verpackt und geglüht. Dauert die Cementation mit Kohle durch kurze Zeit, so wird das Eisen nur oberflächlich verstählt. Man sucht dem dadurch abzuhelfen, daß man die Packete hernach kräftig unter dem Hammer durcharbeitet. Herdfeuer und Flammofen. Gleichwohl ist es durch die Cementation nicht zu erreichen, eine gleiche Be- schaffenheit des Querschnittes hervorzubringen. Auch beim Frisch- und Puddelstahl Fig. 37 bis 48. Damascenerstahl. ist die Homogenität schwer zu erreichen. Man »raffinirt« deshalb den Rohstahl zu Feinstahl entweder durch den Gerbeproceß oder durch Umschmelzen in feuerfesten Tiegeln. Zweiter Abschnitt. Die Erfindung des letzteren Verfahrens fällt dem englischen Uhrmacher Huntsman zu (1700). Mit der Herstellung von stählernen Uhrfedern beschäftigt, zerbrachen ihm während der Arbeit viele dieser Federn, der ungleichmäßigen Be- Fig. 49. Centrifugalstahl. schaffenheit des Roh- stahles wegen. Er stellte den Versuch an, kleine Quantitäten von Cementstahl im schärf- sten Ofenfeuer in Tiegeln umzuschmel- zen, was vollkommen gelang. Das Ver- fahren blieb durch lange Zeiträume das Geheimniß englischer Fabriken, welche für ihren Stahl enorme Preise verlangten. Alle Mühen, hinter das Geheimniß zu kommen, blieben vergeblich, bis es dem Begründer der Krupp 'schen Eisen- werke gelang, der Lösung des Problems näher zu kommen. Sein Sohn producirte schon tadellosen Tiegel- gußstahl — oder schlechtweg »Guß- stahl« — und durch diese Technik haben schließlich die genann- ten Werke ihren Welt- ruf erlangt. Beim Gärbeproceß (Raffinirstahl) werden Rohschienen zerschnitten, in Packete zusammengelegt und ausgestreckt, ein Proceß, den man mehrfach wiederholen kann, bis alle Ungleichheiten beseitigt sind. Werden dabei zwischen die Stahlstäbe Stäbe von Weicheisen eingelegt und das Ausstrecken dann nach gewissen Regeln bei gleichzeitigem Zusammenwinden oder Verdrehen der Stäbe durchgeführt, so erhält man den sogenannten Damaststahl , der beim Blankfeilen und Aetzen mit Scheide- Herdfeuer und Flammofen. wasser zierliche Zeichnungen hervortreten läßt, in denen die Eisentheile hell, die Stahltheile (in Folge des abgeschiedenen Kohlenstoffes) dunkel erscheinen. Die be- rühmten Damascenerklingen zeigen unter diesen Umständen äußerst feine krystal- linische Dessins. Sie werden aus dem indischen Wootzstahl dargestellt, der durch Zusammenschmelzen sehr reinen Eisens mit Holzspänen und sehr langsames Ab- kühlen des »Gußstahlkönigs« erhalten wird. Hier scheint sich eine natürliche Krystal- lisation kohlenstoffreicher Theile auszubilden, die — durch das Aushämmern zur Klinge verfeinert — beim Aetzen jene Zeichnungen hervorruft. Wir haben weiter oben gehört, daß der Schmelzproceß mit ausgesuchtem und sortirtem Stahlmaterial in Tiegeln den hochfeinen Gußstahl liefert. Bekannt ist, daß die Riesen-Gußstahlfabrik von Krupp in Essen — in der wir in einem späteren Abschnitte des Werkes eingehende Umschau halten werden — die größten Kanonen aus solchem Tiegelgußstahl gießt. Blöcke von 50.000 Kilogramm und darüber werden in Sandformen ebenfalls aus einzelnen Tiegeln zusammengegossen. Bedenkt man, daß ein solcher Tiegel vielleicht nur 30—40 Kilogramm faßt, so erkennt man leicht, welche Unzahl von Tiegeln, Oefen und Arbeitern dazu gehören, um einen solchen schweren Stahlblock aus einem Gusse darzustellen, da, während sich die Form füllt, das Entleeren der einzelnen Tiegel nie stocken darf. Dies ist nur durch eine streng militärische Schulung der Arbeiter zu erreichen. Mit riesigen Krahnen wird der gegossene Block ausgehoben; er muß, um Spannungen im Innern zu verlieren, äußerst langsam unter einem Haufen glühender Kohlen abkühlen und dann noch unter gewaltigen Dampfhämmern, unter deren Wucht der Erdboden weithin erzittert, ausgeschmiedet werden, um endlich durch Bohren und Drehen in die Kanonenform gebracht zu werden. Auf rein meschanischem Wege wird eine Stahlsorte gewonnen, die erst in jüngster Zeit aufgetaucht ist. Es geschieht dies auf dem Wege des sogenannten Centrifugalgusses nach dem Verfahren des Ingenieurs P. Huth . Zur Er- klärung dieses Verfahrens müssen wir unseren Ausführungen vorgreifen, indem wir eines Processes bei den Gußoperationen kurz gedenken. Um nämlich Hartguß her- zustellen, legt man eine Coquille an denjenigen Theil der Form, welche beim Gußstück hart ausfallen soll. Die durch die Coquille erzeugte rasche Abkühlung verhindert die Graphitausscheidung des Eisens, welches dadurch weiß und hart wird, während die Theile des Gußstückes, welche der durch Sand gebildeten Gußform entsprechen, vermöge langsamer Abkühlung und dadurch hervorgerufener Graphitausscheidung grau und weich werden. Weicher Stahlguß besitzt aber noch nicht einmal den zehnten Theil des im Gußeisen enthaltenen Kohlenstoffes und würde deshalb die Anlegung einer Coquille, behufs Erzielung einer Abhärtung, wirkungslos sein. Um nun Stahlguß mit harten und weichen Theilen herzustellen, benützt P. Huth die Centrifugalkraft. Wird z. B. in eine in Rotation versetzte Form eines Eisenbahnrades zuerst ein harter Stahl vergossen, so stellt sich dieser an dem Um- fang der Form auf, nachgegossener weicher Stahl füllt die Form und man erhält Zweiter Abschnitt. ein Rad, dessen Körper aus weichem Stahl besteht und aufgegossen eine harte Bandage trägt. Die Abgrenzung beider Metalle ist bei inniger Verbindung deutlich erkennbar. Die Härte geht in der ganzen beliebig zu wählenden Stärke gleichmäßig durch, nicht etwa abnehmend, wie beim Eisenhartguß. Weitere Vortheile des Centri- fugalgusses sind noch die, daß die Gußstücke nicht ausfallen, und daß selbst dünnste Constructionstheile scharf ausgegossen werden können. Bei der Strengflüssigkeit des weichen Stahles war es bis dahin nicht möglich, dünne Stücke mit Sicherheit scharf auszugießen. Fig. 50. Vierfache Kurbelwelle für den Schnelldampfer »Kaiser Wilhelm der Große«. Bezüglich der metallurgischen Beimengungen unterscheidet man noch verschiedene Sorten von Specialstahl, als: Wolframstahl, Nickelstahl, Molybdänstahl u. s. w. Unter diesen Sorten verbindet der Nickelstahl mit allen guten Eigenschaften eines gewöhnlichen Stahles eine Sehnigkeit, welche derjenigen des Schmiedeeisens ähnlich ist. Aus diesem Grunde wird er vorzugsweise zu Schiffswellen verwendet, da ein plötzliches Brechen derselben — was unter Umständen für das betreffende Schiff verhängnißvoll werden kann — nicht vorkommt. Die beigegebene Fig. 50 ver- anschaulicht die vierfache Kurbelwelle des Schnelldampfers »Kaiser Wilhelm der Große« des Norddeutschen Lloyd. Sie ist 13‧9 Meter lang und hat ein Gewicht von 83.300 Kilogramm — ein Koloß von imponirenden Dimensionen! In jüngster Zeit hat sich in Frankreich ein Verfahren ausgebildet, welches dort die doppelte Härtung des Stahles genannt wird. Es beruht auf einer Herdfeuer und Flammofen. Wiedererhitzung des einmal gehärteten Stahles auf eine weniger hohe Temperatur und abermaligem Ablöschen. Die ersten Versuche über den Einfluß der doppelten Härtung des Stahles (Flußeisens) wurden in dem berühmten Eisenwerke zu Creufot angestellt. Auf dem Stahlwerke zu Indret wird die doppelte Härtung auf alle gegossenen und geschmiedeten Stahlerzeugnisse angewendet, welche überhaupt fähig sind, die Behandlungsweise zu ertragen: Achsen, Kurbelstangen, Kolbenstangen u. s. w. Die Beschaffenheit des Stahles, welcher der doppelten Härtung unterzogen werden soll, muß selbstverständlich von der ins Auge gefaßten Verwendung ab- hängig sein. Gewöhnlicher, in der Schmiede benützter weicher Stahl wird durch die doppelte Härtung wesentlich verbessert; die günstigsten Erfolge aber erzielt man mit mittelhartem Stahl. Da beim Glühen und Härten nicht immer eine Form- veränderung zu vermeiden ist, empfiehlt es sich, solche Theile, welche einer mechani- schen Bearbeitung unterzogen werden sollen, vor dem Härten zwar aus dem Gröbsten zu bearbeiten, aber erst nach der Härtung zu vollenden. Die Erhitzung muß so gleichmäßig als möglich geschehen. Die erste Härtung geschieht in Hellrothgluth. Je härter der Stahl ist, desto niedriger muß die angewendete Temperatur sein. Zum Härten eignet sich am besten Wasser von gewöhnlicher Temperatur und muß das Eintauchen möglichst rasch geschehen. Wir haben nun noch einige Bemerkungen über die Verwandlung von Guß- eisen auf dem Wege des Temperns vorzubringen. Viele Gegenstände, z. B. jene zahlreichen kleinen Winkel und T Stücke, welche Gasleitungen in Wohnräumen erfordern, ferner Schlüssel, Fenster- und Thürbeschläge, Schloßtheile, Schrauben- schlüssel u. s. w. aus Schmiedeeisen herzustellen, ist eine schwierige und deshalb theuere Arbeit. Man bedient sich deshalb zur Herstellung dieser nicht übermäßig dicken Gegenstände des Temperns, das in Folgendem besteht. Man stellt die ge- nannten Gegenstände auf dem bequemen Wege des Formgusses her und packt sie sodann zwischen Eisenoxyd (natürliches Eisenerz) in feuerfeste Kasten, in welchen man sie mehrere Tage auf Rothgluth erhitzt. Während dieser Zeit wirkt der Sauer- stoff des Oxyds auf den Kohlenstoffgehalt der gußeisernen Formstücke, und indem letzterer verbrennt, werden die Gußstücke so arm an Kohlenstoff, daß sie bei Heraus- nahme aus den Kästen die Eigenschaft des schmiedebaren Eisens zeigen und dem- entsprechend bearbeitet werden können. Dritter Abschnitt. Die Converter-Processe und das Martin-Verfahren. Der Bessemerproceß. A uf Seite 25 haben wir die Operationen, welche die Umwandlung des Roh- eisens in schmiedebares Eisen betreffen, in zwei Gruppen geschieden: in jene Verfahren, durch welche der Rohstoff in eine schmiedebare Masse verwandelt wird, ohne daß es zum Schmelzen kommt (Schweißeisen und Schweißstahl), und in jene Verfahren, durch welche der Rohstoff in eine flüssige Masse, die hernach schmiedebar ist, verwandelt wird. Die auf die letztere Weise erhaltenen Producte nennt man Flußeisen beziehungsweise Flußstahl . Die Stahlfabrikation auf dem Wege des Cementirens und nachherigen Um- gießens in Tiegeln ist, wie wir gesehen haben, sehr kostspielig; außerdem verlangt diese Herstellungsart nicht weniger als drei Operationen: die Entkohlung des Roh- eisens im Puddelofen, wodurch es in Schmiedeeisen verwandelt wird; alsdann die Rückkohlung des Schmiedeeisens durch Einpackung in Kohlepulver, um Cementstahl zu gewinnen, und schließlich das Umschmelzen der letzteren im schärfsten Feuer in Tiegeln. Billigeren Stahl verschaffte der Welt erst Heinrich Bessemer , ein englischer Ingenieur, der es sich in den Kopf gesetzt hatte, geschmolzenes Schmiedeeisen zu erzeugen, und zwar »ohne Brennmaterialverbrauch«. Zu diesem Ende trieb er durch geschmolzenes Roheisen einen kräftigen Luftstrom, der durch zahlreiche Düsen vertheilt wurde. Der Sauerstoff der Luft verbrannte das Silicium, die Kohle und einen Theil des Eisens unter so gewaltiger Temperatursteigerung, daß das rückständige reine Schmiedeeisen dünnflüssig einschmolz, was bis dahin niemals im Großen gelungen war. Leider zeigte sich das Product grobkörnig krystallinisch und zerbrach sehr leicht. Das Eisen war, wie man es schon vorher bei unvorsichtigem Schmieden beobachtet hatte, gründlich verbrannt ; es war Oxyd mit dem Metall vermengt, wodurch der Zusammenhang und die Festigkeit zerstört waren. Erst als Bessemer das reinste, an Silicium reichste Roheisen, dem nur Spuren von Schwefel und Phosphor anhafteten, verwendete und durch die ge- Die Converter-Processe und das Martin-Verfahren. schmolzene Masse nur so lange Luft durchtrieb, daß noch etwas Kohlenstoff zurück- blieb, oder indem er das fertige reine Eisen durch Zugabe reinen Spiegeleisens wieder rückkohlte und gleichzeitig durch den Mangangehalt des letzteren jede Spur von Eisenoxyd entfernte, erhielt er das eminent brauchbare Bessemermetall. Da es nach Belieben gekohlt werden kann, so ist es gestattet, ebensogut von »Bessemer- eisen« als von »Bessemerstahl« zu sprechen; sehr rationell ist auch der Ausdruck »Flußeisen«, indem in der That hier zuerst neben dem aus einzelnen Körnchen zusammengeschweißten Eisen geflossenes Eisen zur Anwendung kam, das vollkommen frei von Schlacken und durchwegs homogen war. Für den Bessemerproceß wird das Roh- Fig. 51. Converter (Bessemer-Birne). eisen in flüssigem Zustande verwendet und dem betreffenden, gleich zu besprechenden Apparat zugeführt. Es geschieht dies auf dreierlei Weise: entweder wird die geschmolzene Masse direct aus dem Hochofen zugeleitet, oder im soge- nannten »Mischer« vorbereitet, oder schließlich aus niedrigen Schachtöfen, welche in unmittel- barer Verbindung mit dem Bessemerapparat stehen, in diesen einfließen gelassen. Diese Schachtöfen werden Cupolöfen genannt. Der Bessemerapparat setzt sich der Haupt- sache nach aus der sogenannten »Birne« — auch Converter genannt — dem Gerüste, das sie trägt, und der Gebläsevorrichtung zu- sammen. Die Birne ist der Schmelzofen und seine Gestalt, welche in Fig. 51 veranschaulicht ist, während Fig. 52 das Gesammtarrangement zeigt, ergiebt sich aus der Bezeichnung. Diese Birne wird aus Blechplatten zusammengenietet und das Innere, damit es der hohen Temperatur, welche das Verfahren bedingt, zu widerstehen vermag, mit feuerfesten Steinen ausgefüttert. Am Boden des Gefäßes ist ein feuerfester siebartiger Rost eingesetzt, der nach außen mit dem »Windkasten« abschließt. Die Birne steht nicht fest, sondern bewegt sich in zwei mächtigen Zapfen, deren einer der »Wendezapfen« heißt, während der andere, welcher mit der Windleitung in Verbindung steht und zu diesem Zwecke hohl ist, der »Windzapfen« genannt wird. Mittelst einer durch einen hydraulischen Kolben bewegten Zahnstange, die in ein am Wendezapfen angebrachtes Zahnrad eingreift (oder mittelst einer durch eine Dampfmaschine angetriebenen Schnecke), kann der Ofen um wenigstens drei Viertel eines Kreises gedreht werden, was unbedingt erforderlich ist, da das Eintragen und Ausgießen der Schmelzmasse durch den am oberen Ende befindlichen Hals er- Dritter Abschnitt. folgen muß. Vom Windzapfen führt ein Rohr nach dem bereits erwähnten Wind- kasten, von wo die Gebläseluft mit großer Kraft durch den durchlochten Boden des Ofens einströmt. Der Vorgang des Bessemerns ist der folgende. Die Birne wird zunächst in die horizontale Lage gebracht und mittelst einer Rinne derart mit dem Cupolofen (oder dem Hochofen) verbunden, daß das geschmolzene Roheisen in die Birne ab- fließen kann. Nach dem Einfließen der Ladung beginnt das Gebläse zu arbeiten, und sobald der Wind etwa eine Atmosphäre Spannung erreicht hat, richtet man die Birne plötzlich auf. Sogleich beginnt der Kohlenstoff des Roheisens, welcher Fig. 52. Schematische Darstellung einer Bessemer-Anlage. A Bessemerbirnen (Converter), B Mündungen der Converter, C Essen für die Converter, D Schlote, F Cupolöfen, G Gießpfanne, T Ingotsform. schon auf die Temperatur des geschmolzenen Roheisens in die Birne kam, in der furchtbaren Gluth zu verbrennen, und die hierdurch erzeugte Hitze (1800 bis 2000°) genügt, um das Bad für die Zeit, die der Proceß erfordert, geschmolzen zu erhalten, so daß also ein Brennmaterialverbrauch nicht stattfindet. Nach etwa 10 bis 15 Mi- nuten (mitunter noch früher) ist der Kohlenstoff verbrannt, und der Inhalt der Birne wäre eine werthlose Eisensorte, wenn man jetzt nicht wieder ein Quantum Roheisen zugeben würde, welches so berechnet ist, daß sein Gehalt an Kohlenstoff genügt, dem Gemisch die dem Stahle entsprechende Menge an Kohlenstoff zuzuführen. Das zur Rückkohlung verwendete Eisen wählt man absichtlich reich an Mangan, da es den Proceß günstig beeinflußt. Aus dem Mitgetheilten ist zu ersehen, daß dem Auge nur die gänzliche Entkohlung der Schmelzmasse zu erkennen ist, indem nach völliger Abscheidung des Amerikanisches Bessemerwerk. Die Converter-Processe und das Martin-Verfahren. Kohlenstoffes die aus dem Halse der Birne hervorschießende helle Flamme (Kohlen- oxyd, der mit dem Sauerstoffe der Luft zu Kohlensäure verbrennt) erlischt. Um nun unmittelbar auf Stahl von bestimmtem Kohlenstoffgehalt arbeiten zu können, bedient man sich des Spectroskops. Da mit dem Beginn der Verbrennung des Kohlenstoffes im Spectroskop mehrere Gruppen hellleuchtender grüner, von ver- brennenden Mangandämpfen herrührende Linien auftreten, deren vollständiges Ver- schwinden mit der Entkohlung genau zusammenfällt, erkennt der Blasemeister auf die Secunde genau das Ende des Processes. Fig. 53. Converter-Proceß bei Beginn. Fig. 54. Converter-Proceß am Schlusse des Entkohlens. Sind also die letzten grünen Linien verschwunden, so senkt man die Birne in die Anfangsstellung zurück, sperrt das Gebläse ab und prüft nun das Metall und die Schlacke auf ihre Beschaffenheit. Die Metallkörnchen müssen sich leicht ab- platten lassen, die Schlacke zeigt eine braungelbe Farbe mit schwarzer, glänzender Oberfläche. Je nach der Qualität des Productes, das man erhalten will, wird — wie bereits erwähnt — mehr oder weniger geschmolzenes Spiegeleisen (oder Ferro- mangan) zugegeben, einen Moment lang zur Mischung aufgerichtet und geblasen, und endlich der blau leuchtende Metallstrom durch völliges Neigen der Birne in die mit Thon ausgefütterte, vorher auf Glühhitze erwärmte Gießpfanne entleert. Aus Dritter Abschnitt. letzterer werden dann durch Heben eines Zapfenventils die im Kreise aufgestellten prismatischen Gießformen (Ingots, Coquillen) gefüllt. Die Handhabung dieser riesigen Massen, das Drehen der Birne, das Zu- lassen der Luft ꝛc. geschieht von einem erhöhten Podium aus, wo ein einziger Vorarbeiter die verschiedenen Ventile einer Wasserdruckvorrichtung öffnet und schließt. Ohne diese hydraulischen Krahne, die nach dem Princip der hydraulischen Presse wirken, würde die Handhabung sehr schwierig sein. Die Wasserdruckpumpen ar- beiten continuirlich, sie haben mittelst des eingepumpten Wassers einen sehr stark Fig. 55. Couverter-Proceß, Kippen der Birne. Fig. 56. Converter-Proceß, Füllung der Ingots. belasteten Accumulatorenkolben, der nun das gepreßte Wasser in die verschiedenen hydraulischen Pressen sendet, welche die Hebevorrichtung in Bewegung setzen. In der Gesammtdisposition der europäischen Bessemerwerke hat sich seit Ein- führung dieses Verfahrens (1856) kaum etwas geändert. Man hat fast überall die Anordnung von zwei Convertern an einer halbkreisförmigen Gießgrube beibehalten, welche durch einen gemeinsamen Gießkrahn bedient werden. Es kommt aber auch mehrfach eine Anordnung vor, bei welcher mehrere Couverter (z. B. vier) in einer Reihe liegen, an Stelle der Gießgrube ein Gießcanal tritt, und die Central-Gieß- krahne durch einen fahrbaren Krahn ersetzt sind. Die Blasedauer der Chargen Die Converter-Processe und das Martin-Verfahren. Fig. 57. Bessemeranlage der Königshütte (Preußisch-Schlesien). Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 5 Dritter Abschnitt. richtet sich nach dem Silicium- und Mangangehalt des Roheisens und schwankt daher zwischen 7 bis 20 Minuten. Auf diese Weise können mit einem Converter- paare in 24 Stunden 40 bis 60 Chargen gemacht werden. Hierbei ist jedoch zu bemerken, daß der Fassungsraum der gewöhnlich symmetrisch geformten Converter bei den großen Schienenwerken meist 10 bis 20 Tonnen, bei jenen Werken, welche weiches Material herstellen, 5 bis 12 Tonnen beträgt. Die Auskleidung der Converter wird entweder gemauert oder gestampft und hält etwa 500 bis 1000 Chargen aus. Auf einigen belgischen Werken will man 3000 bis 4000 Chargen erzielt haben. Die Converterböden werden meist gestampft, selten gemauert, in besonderen Oefen getrocknet, mittelst Krahn oder transportablem hydraulischen Hebetisch ausgewechselt und halten etwa 15 bis 50 Chargen aus. Die Gießpfannen, welche gleichfalls theils gestampft, theils gemauert werden, halten bis zu 50 Chargen aus. Die Auswechslung der Converterböden erfordert selten mehr als fünf Minuten, so daß eine Unterbrechung in der steten Aufeinanderfolge der Chargen auch bei nur einem Converterpaare nicht eintritt. Besonders großartig hat sich der Bessemerproceß — dank der reichen Erze, der leicht zu gewinnenden Kohlen und anderen Hilfsquellen — in Nordamerika entwickelt. Charakteristisch für den amerikanischen Bessemerbetrieb ist die rasche Auf- einanderfolge der Chargen — oft bis zu 100 in 24 Stunden mit einem Con- verterpaare. Dadurch erwiesen sich die meist halbkreisförmigen Gießgruben zu klein, die Hitze wurde in den engen Räumen zu groß, und ging man dazu über, das Rangiren, Abziehen und Reinigen der Coquillen außerhalb der eigentlichen Gieß- halle vorzunehmen. Die Converter liegen bei den neueren Anlagen in einer Reihe und werden zu zwei durch einen gemeinsamen Central-Gießkrahn bedient. Das Aufsehen, welches die Erfindung Bessemer's in allen eisenerzeugenden Ländern hervorgerufen hatte, war ungeheuer. Uebereifrige Anhänger glaubten, damit das Schweißeisen und den Tiegelstahl ganz verdrängen zu können, und nährten die überschwänglichsten Hoffnungen. In der That waren die Ergebnisse überraschend: dieselbe Menge Roheisen (etwa 3 Tonnen), die ein Puddelofen in 24 Stunden verarbeiten konnte, wurde von Bessemer in 20 Minuten verfrischt, noch zudem ohne Anwendung von Brennmaterial. Gleichwohl unterlief bezüglich der Bedeutung des Bessemerns ein Irrthum, der bald an den Tag kam. Der Erfinder hatte nämlich versichert, aus jedem Roheisen sei guter Stahl zu erzeugen; es zeigte sich aber, daß es nicht gelang, alle Nebenbestandtheile zu entfernen, vornehmlich den Phosphor, von dem — wie früher berichtet — ein Gehalt von 0‧1 bis 0‧2 % genügt, um den Stahl kaltbrüchig zu machen. Damit erfuhr der Bessemerproceß eine erhebliche Beschränkung, indem er nur denjenigen Montanbezirken zu Gute kam, welchen die entsprechenden Mengen von phosphorarmen Erzen zur Verfügung standen. Selbstverständlich spielte hierbei auch das Vorhandensein von Kohle eine große Rolle. Aber selbst unter diesen günstigen Bedingungen ließ das Bessemerfabrikat anfänglich noch viel zu wünschen übrig. Die Converter-Processe und das Martin-Verfahren. Die Qualitätsproben bezüglich des Roheisens wurden meist nur nach dem Augen- schein (d. h. nach dem Aussehen des Bruches) gemacht, und das gewonnene Fluß- eisen selbst wurde nur auf seine mechanischen Eigenschaften, nicht aber auf seine chemischen geprüft. Späterhin freilich wurde mit der fortschreitenden Entwickelung des Bessemerprocesses der gründlichen Untersuchung der zur Verwendung kommenden Materialien größere Aufmerksamkeit geschenkt, und so gelang es (Schweden, Oester- reichische Alpenländer) auch, ein weicheres Material herzustellen. Hand in Hand mit der Vervollkommnung der Untersuchungsmethoden gingen die technischen Verbesserungen. An Stelle der Flammöfen — zur Verflüssigung des Roheisens — traten die Cupolöfen; die Converter wurden größer dimensionirt, die wenig praktischen Converterböden durch den vorzüglichen Holley 'schen »Los- boden« ersetzt, Gebläsemaschinen von größerer Leistungsfähigkeit construirt u. s. w. Die beschränkte Anwendung des ganzen Verfahrens im Sinne phosphorarmer, Eisenerze aber blieb bestehen. Da drängt sich dem Nichtfachmanne unwillkürlich die Frage auf, welche Bewandtniß es damit habe. Beim Puddeln und Herdfrischen unterliegt es ja nicht der geringsten Schwierigkeit, den leicht verbrennenden Phosphor aus dem Bade zu entfernen, warum sollte dies nicht auch mit der Schmelzmasse im Converter möglich sein? ... Das Hinderniß liegt nicht im Ofen und nicht in der Schmelzmasse, sondern in der — Schlacke. Der Phosphor verbrennt allerdings, und zwar mit bedeutender Wärmeentwickelung, was zum Flüssigerhalten der Metallmasse vortheil- haft ist; in einem Converter mit kieselsaurem Futter aber bleibt die Phosphorsäure, welche sich aus dem Phosphor und dem Sauerstoffe der durchgeblasenen Luft bildet, frei und wird durch das überschüssige Eisen immer wieder zu Phosphor reducirt. Letzterer kann also nicht abgeschieden werden. Der Thomasproceß. Nach einigen vorangegangenen Versuchen, welche auf die Beseitigung der dem Bessemerproceß anhaftenden Beschränkung abzielten und mit basischen Ersatz- mitteln für die saure Ausfütterung der Bessemerbirne experimentirten, gelang es 1878 den Engländern Thomas und Gilchrist für den letzteren Zweck das geeignete Material zu finden: scharf gebrannten Magnesitstein (Dolomit), oder noch besser: gebrannte Magnesia mit dickem Steinkohlentheer (als Bindemittel). Letzteres geht beim Ausglühen in Kohle über. Das basische Futter wird in der Weise hergestellt, daß ausgesuchter Dolomit in hoher Temperatur von seinem Kohlensäure- gehalte befreit, dann gemahlen, mit erhitztem, entwässertem Theer gemischt und in eisernen Formen unter hohem Drucke (bis 300 Atmosphären) zu Steinen gepreßt wird. Die Bodenstücke der Converter stampft man aus derselben Masse in Formen auf (um hölzerne oder eiserne Nadeln herum, behufs Freihaltung der Düsen) und erhitzt sie in diesen bis zu beginnender Glühhitze, wodurch der größte Theil des 5* Dritter Abschnitt. Theeres wieder ausgetrieben wird. Dem Futter wird außerdem, um es zu schonen, eine beträchtliche Menge gebrannten Kalkes zugegeben. Der Proceß bei der Schlackenbildung ist der, daß sich phosphorsaurer Kalk bildet. Die Schlacke selbst, welche im Durchschnitte 20 % Phosphorsäure enthält, bildet im gemahlenen Zustande als sogenanntes »Thomasphosphatmehl« ein aus- gezeichnetes Düngemittel, so daß also das Thomasverfahren ein nicht zu unter- schätzendes Nebenproduct abwirft. In der That hat die Verwerthung der Thomas- schlacke für die Landwirthschaft dahin geführt, daß bei den betreffenden Stahl- werken vielfach Mühlen entstanden, die sich mit der Herstellung des fraglichen Dungmittels beschäftigen. Die Mühlen haben ihrerseits im Laufe der Zeit mancherlei Wandlungen erfahren; zunächst wurden Kollergänge mit entsprechend getrennter Siebvorrichtung, zahlreichen Becher- und Transportwerken angewendet. Später fügte man zu den Kollergängen noch Mahlgänge und andere Einrichtungen, bis man schließlich auf die Kugelmühlen verfiel, durch welche der Hauptübelstand solcher Anlagen, das Stauben, beseitigt wurde. So wird denn der ehemals so störende Phosphor jetzt in Form von Phosphat- mehl gar noch verkäuflich und trägt seinerseits zu der so außerordentlichen Ver- billigung des Stahles bei. Dazu kommt, daß an und für sich phosphorhaltige Eisenerze billiger sind als phosphorarme, weil sie an vielen Abbauorten besonders leicht zu gewinnen sind. Schließlich darf nicht übergangen werden, daß das Thomas- verfahren gestattet, sehr kohlenstoffarme schmiedebare Eisensorten herzustellen, welche mehr an Schmiedeeisen als an Stahl erinnern, die man also besser als Flußeisen denn Flußstahl bezeichnen darf, wodurch ein Concurrenzverfahren für den theurer arbeitenden Puddelproceß gefunden wurde. Die Folge dieser Neuerung war, daß überall, wo die Bedingungen vorhanden waren, das Thomasflußeisen an Stelle des Schweißeisens trat. Technische Ver- besserungen in allen Zweigen dieses Betriebes gingen mit peinlichen Untersuchungs- methoden bezüglich des verwendeten Materiales Hand in Hand. In den ersten Jahren des Thomasverfahrens wurden alle Roheisen in Cupolöfen umgeschmolzen. Nach und nach, als sich in den Hochofenrevieren Thomasstahlwerke einbürgerten, wurde vom indirecten Verfahren der Beschickung zum directen übergegangen, d. h. das vom Hochofen kommende geschmolzene Roheisen direct in die Converter ein- geführt. Später gesellte sich zu dem vorerst mit der Pfanne ausgeführten Verfahren dasjenige des Zwischenapparates, des »Mischers«. Die Cupolöfen haben überall dort, wo sie beibehalten wurden, größere Dimensionen angenommen und sich zu förmlichen kleinen Hochöfen ausgebildet. Da- durch steigerte sich ihre Leistungsfähigkeit bis zu 40.000 Kilogramm geschmolzenen Eisens pro Stunde. Die Mischer — welche eine ausgiebige Ausscheidung des Schwefels ermöglichen — meist zwei in jeder Anlage, haben gewöhnlich einen Fassungsraum von 100.000 bis 150.000 Kilogramm; die Einfuhr geschieht auf schiefer Ebene mittelst Locomotive direct oder mittelst Aufzug indirect. Die Converter-Processe und das Martin-Verfahren. Es wurde vorstehend flüchtig angedeutet, daß die Mischer eine beträchtliche Ausscheidung des Schwefels vermitteln. Schwefel ist bekanntlich einer der Feinde des Hüttenmannes, in- Fig. 58. Plan der Troy Steel Companys New Works in Breaker-Island. dem er Rothbruch be- günstigt. Indeß hat sich neuerdings die Stimme eines Fach- mannes — Kintzl é in Aachen — vernehmen lassen, welche die Ge- fährlichkeit des Schwe- fels nicht in dem herkömmlichen Maße gelten läßt. ... »Bei jeder Rothbrüchigkeits- erscheinung des Eisens wird nach dessen Schwefelgehalt gefahn- det und selbst bei niedrigem Gehalte die Erklärung für den Rothbruch als gegeben angesehen. Und doch muß jeder Stahlwerks- Ingenieur, der der Sache auf den Grund zu sehen gewohnt ist, zugeben, daß man doch wohl gutes, nicht roth- brüchiges Flußeisen haben kann bei einem Schwefelgehalt, der um 0‧2 herum liegt.« Auch der amerikanische Hütten-Ingenieur Thomson hat nach- gewiesen, daß der an- gegebene Schwefelgehalt wirkungslos wird, wenn die betreffende Stahlsorte genügend Mangan enthält. Was die sonstigen Einrichtungen der Thomaswerke bezüglich der Gießgräben, Krahne, Gebläse u. s. w. anbetrifft, unterscheiden sich dieselben um nichts von den Dritter Abschnitt. gleichen Installationen der Bessemerwerke. Die Schwierigkeit, mittelst des Thomas- processes Stahl höheren Härtegrades zu erzeugen, ist im Laufe der Zeit bedeutend herabgemindert worden, vornehmlich von dem Zeitpunkte ab, seitdem man sich daran gewöhnt hat, das Silicium in Form von Fe Si und das Aluminium für den gleichen Zweck und zur Dichtung des Stahles zu verwenden. Das Thomasverfahren hat besonders in Deutschland große Verbreitung ge- funden. Aus einer Arbeit E. Schrödter's ist zu entnehmen, daß über 90 % des Gesammtquantums an Eisenerzen, die heute in Deutschland gefördert werden, nicht im Stande sind, ein Roheisen zu erzeugen, das sich für das Bessemerverfahren eignet, und daß zwei Drittel des Gesammterzbedarfes der heutigen Roheisenerzeugung aus Lothrin- gen und Luxemburg herrühren, welches Roheisen nur für das Thomasverfahren geeignet ist. Deutschland hat also durch dasselbe ungeheuer gewonnen. Nur diejenigen Montan- bezirke, deren Erze zu phosphorreich für Bessemerroheisen und zu phosphorarm für Thomasroheisen — also nur zur Erzeugung von Puddelroheisen — sind, haben durch das Thomasverfahren gelitten. Indessen steht gutes Puddelroheisen noch immer so hoch im Werthe, daß der Schaden kein tiefgehender werden kann. Der Martinproceß. Gußeisen hat über 2‧3 % Kohlenstoff, Schmiedeeisen etwa 0‧5 %; schmilzt man beide zusammen, so leuchtet ein, daß bei passend gewähltem Mischungsverhältniß ein Mittelproduct sich ergeben muß, welches je nach dem Kohlenstoffgehalt, den es schließlich enthält, als Flußstahl oder Flußeisen zu bezeichnen sein wird. Die Schwierig- keit in der Uebertragung dieser Idee auf die Fabrikspraxis bestand darin, daß man lange Zeit keinen Flammofen herzustellen wußte, dessen Temperatur genügte, damit sich bei ihr das in jedem Ofenfeuer für sich allein unschmelzbare Schmiedeeisen im geschmolzenen Gußeisen auflöste, um mit ihm zu Stahl zusammenzutreten. Erst als die Brüder Martin sich entschlossen, die epochemachende Erfindung der Siemens 'schen Regenerativfeuerung in Anwendung zu bringen, hatten sie Erfolge zu verzeichnen, und seitdem wird der Proceß mit Recht nach den Namen beider Erfinder benannt. Zum Verständnisse des Martinprocesses müssen wir vorerst der Siemens 'schen Erfindung gedenken. Der Flammofenbetrieb erfordert einen Brennstoff, der durch reichlichen Gehalt an Wasserstoff im Stande ist, eine lange, heiße Flamme zu liefern, wie getrocknetes Holz, dem gute, aschenarme Steinkohle in groben Stücken beigemengt wird, besonders wenn es sich darum handelt, die zu gewissen Zwecken nöthigen höchsten Temperaturen zu erhalten. Es giebt aber auch eine Menge billigerer Brennmaterialien, wie Torf, Braunkohle, Holzspäne, Kohlen- und Koksabfälle, welche wegen ihres Wasser- oder Aschengehaltes, oder ihrer kleinkörnigen Beschaffenheit direct zu solchen Zwecken untauglich sind. Werden jedoch diese Materialien durch eine Verbrennung bei un- genügendem Luftzutritte in einem besonderen Ofen — dem sogenannten Generator — Die Converter-Processe und das Martin-Verfahren. in brennbares Gas verwandelt, dieses von mitgerissenem Flugstaube, schwefeliger Säure, Wasserdampf und Theer durch Absetzen in gewissen Räumen (»Flugstaub- kammern«, sogar durch Waschen mit Wasser) befreit und schließlich wie die zu seiner Verbrennung nöthigen Luft genügend erhitzt, so resultirt beim Zusammentreten beider eine reine, ungemein heiße Flamme, die man überdies durch passende Re- gulirung des Gas- und Luftzutrittes je nach Bedarf reducirend, oxydirend oder neutral gestalten kann. Damit ist der große Fortschritt, welcher der Siemens 'schen Erfindung auf dem Gebiete der Feuerungstechnik zukommt, gekennzeichnet. Es handelt sich hierbei, um die geläufigen technischen Ausdrücke zu gebrauchen, um die Erzeugung von Generator- gasen und um die Regeneration , d. h. um die Wiedergewinnung der sonst verloren gehenden Wärme. Schon kurz nach der Einführung der Generatorgase, leitete man die zu ihrer Verbrennung bestimmte Luft an den erhitzten Ofen- wandungen vorbei, oder durch Röhren, welche in den Weg der abziehenden Flammen eingelegt waren. Man construirte Puddel- und Schweißöfen mit hohlen eisernen Feuer- und Fuchsbrücken, auch mit hohlen kastenförmigen Seitenwänden von Guß- eisen, welche — durch durchgeleitete Gebläseluft vor dem Verbrennen geschützt — auf diese Weise gleichzeitig erhitzte Luft zur Verbrennung des Gases lieferten. Die modernste Construction dieser Art ist die von Bicheroux , bei welcher der Gasgenerator (ein Trichterofen mit Stangenrost) dicht an den Schmelzofen herangerückt ist, während die Luft die Wandungen des Ofens umzieht und dann erst zum Gasofen übertritt. Diese Construction bietet den Vortheil eines continuir- lichen Betriebes und macht besondere Heizkammern, Leitungen und Ventile über- flüssig. Bei einer anderen Construction — dem Pernot 'schen Ofen — zieht die Flamme durch eine Anzahl vertical stehender Canäle aus hohlen Chamottesteinen nach abwärts, während die Luft in den Zwischenräumen dieser Canäle aufsteigt. Hierbei muß die Wärme freilich erst die Wände dieser Canäle durchdringen und auch das Dichthalten der Fugen bietet einige Schwierigkeiten. Beim Siemens 'schen Regenerationssysteme wird diese Transmission der Wärme durch eine unmittelbare Berührung ersetzt. Es sind mindestens zwei Heiz- kammern, mit Chamottesteinen gitterartig ausgesetzt und durch eine Scheidewand halbirt, vorhanden; durch die eine zieht zeitweilig die Flamme nach abwärts und weiterhin nach dem Schornsteine. Ist so der Inhalt nahezu auf Weißgluth erhitzt, so wird die Flamme in die zweite Kammer geleitet, wo sie dasselbe Resultat be- wirkt. Inzwischen giebt die erste Kammer die aufgenommene Wärme zur einen Hälfte an die aufwärts durchgeleitete Luft, zur anderen Hälfte an das brennbare Gas ab. Die Uebertragung der Wärme ist eine directe und bei der großen gebotenen Oberfläche sehr vollkommene. Um die Generatorgase zu erhalten, schüttet man minderwerthiges Brenn- material auf einem Roste auf. In Folge der hohen Lage erhält der Kohlenstoff durch diese hindurch lange nicht genügend Luft zur vollständigen Verbrennung und Dritter Abschnitt. so entweicht aus dem Generator nicht Kohlensäure, sondern Kohlenoxydgas nebst anderen brennbaren Gasen, die sich in der Hitze aus dem Heizmaterial entwickeln und aus Luftmangel ebenfalls nicht gleich verbrennen können. Aber mit diesen Gasen geht der ganze Stickstoff, der mit der Luft durch die Roste in den Ofen tritt, verloren. In Fig. 59 ist ein Martinofen nach herkömmlicher Construction dargestellt. Er hat einen von den beiden Schmalseiten nach der Mitte, und von der Arbeits- nach der Abstichseite hin abfallenden Herd (a) , welcher auf einer starken Herdplatte (b) aus quarziger oder dolomitischer Masse aufgestampft, oder auch aus Magnesit- steinen gemauert wird. An den Schmalseiten münden aus den Ofenköpfen mehrere Schlitze (c, d) , welche die Verbindung mit den Gas- und Luftgeneratoren (e und f) Fig. 59. Martinofen. herstellen. Durch sie fließen an einer Seite Heizgas und erhitzte Verbrennungsluft dem Herde zu, während auf der anderen Seite die Verbrennungsgase abgeführt werden. Die Flamme entwickelt sich über dem Herde und bringt den Einsatz zum Schmelzen. An den beiden Längsseiten befinden sich Thüren (g) zum Einsetzen der Beschickung, zum Abziehen der Schlacke und den sonstigen nöthigen Arbeiten; außerdem ist ein Stichloch (h) vorhanden. Der Vorgang beim Schmelzen ist der Folgende: Man bringt zunächst eine entsprechende Menge von Roheisen auf den Herd, bis es geschmolzen ist; nun wird Schmiedeeisen (gewöhnlich Abfälle von der Flußeisenverarbeitung) entweder in der ganzen erforderlichen Menge oder in Partien eingebracht. Das sich ergebende Ge- misch ist dann je nach seinem Kohlenstoffgehalte (welcher von der aufgewendeten Menge an Roheisen abhängt) entweder Flußeisen oder ein dem Stahl ähnliches Product. Der Martinproceß ist daher theils ein Frischproceß, wenn man nur Die Converter-Processe und das Martin-Verfahren. mit Roheisen und Erzen arbeitet, oder ein Schmelzproceß, wenn schmiedebares Eisen umgeschmolzen wird. Auch beim Martinproceß hatte man ursprünglich mit sauerem Futter ge- arbeitet, doch ging man später gleichfalls zu basischem Futter über, und so ver- arbeitet man heute, wo die Verhältnisse dies bedingen, phosphorhaltiges Rohmaterial, das gleich im Proceß entphosphort wird. Das auf dem Wege des basischen Martin- processes gewonnene Flußeisen ist von so vorzüglicher Beschaffenheit, vornehmlich so ausgezeichnet schweißbar, daß in ihm dem auf dem Wege des Puddelns ge- wonnenen eigentlichen Schmiedeeisen eine noch weit gefährlichere Concurrenz als Fig. 60. Wellmann'sche Beschickungsvorrichtung durch den Thomasproceß erwachsen ist. Andererseits hat der Martinproceß deshalb so ungemein große Verbreitung gefunden, weil er das bequemste Verfahren ist, allerlei Eisen- und Stahlabfälle, vor Allem aber die Masse Alteisen zu verwerthen. Auf dem Hüttenhofe eines solchen Werkes sammeln sich dabei die wunderlichsten Dinge: alte Kochherdplatten und Blechschnitzel, Bohr- und Drehspäne, Drahtnetze und alte Flintenläufe, die bei dem ewigen Wechsel der Systeme zu fabelhaft billigen Preisen verschleudert werden. Das Martiniren eignet sich daher vorzugsweise für Anlagen in größeren Städten, wo das Alteisen leicht zu beschaffen ist, während Bessemern, beziehungsweise Thomassiren, jetzt allgemein an die Hochöfen sich anschließt, aus denen man das flüssige Roheisen für die Birnencharge ohne nennenswerthe Kosten gewinnen kann. Dritter Abschnitt. Die wesentlichsten Verbesserungen, welche das Martiniren in den letzten Jahren erfahren hat, sind zum Theile solche von einschneidender Bedeutung. So wurden zunächst die alten Siemens-Regeneratoren mit ihren Blechleitungen durch Schachtregeneratoren, gemauerte Gasleitungen und Unterwindbetrieb verdrängt. Die Schachtgeneratoren haben entweder Rauhgemäuer oder Blechmäntel. Auch an den Rosten sind wesentliche Verbesserungen zu verzeichnen. Vielfach ist man ganz von den Rosten abgegangen (Kladno, Wittkowitz u. s. w.), indem man die Asche mit Flußspath und Kalkspath verschlackt und absticht. Zur Erzeugung des Unter- windes wendet man an Stelle der früher zu diesem Zwecke allgemein benützten Dampfstrahlgebläse vielfach Ventilatoren an und führt den Dampf durch eine getrennte Leitung unter den Rost. Diese Anordnung bietet den Vortheil, daß Dampf und Wind unabhängig von einander regulirt werden können, was von Wichtigkeit auf den Gang des Generators ist. Das Brennmaterial für die Generatoren wird in selbstentladenden Waggons, welche auf Hochbahnen über jene hinweggeführt werden, eingebracht, wobei es zuerst in Vorrathstrichter und von hier auf Rutschen zu den Aufgebeöffnungen — welche automatisch regulirbar sind — gelangen. Von der Anbringung von Staubkammern zwischen Generator und Ofen, welche die großen Mengen Staubes, die von mit gepreßter Luft betriebenen Generatoren erzeugt werden, unschädlich machen, war andeutungsweise bereits die Rede. Die übrigen Details sind nur für den Fachmann von Interesse und unterliegen fortwährenden Wandlungen, z. B. die Klappen und Ventile, die Gas- und Luftzüge, die Construction der Kammern u. s. w. Ueber die Lebensdauer der Oefen ist es schwer Durchschnittsdaten zu geben, da die Größe derselben und die Constructionsweisen sehr von einander abweichen. Sauere Oefen halten 600 bis 700 Chargen aus, basische — bei phosphorarmer Beschickung — höchstens 500, doch giebt es Oefen (System Schönwälder), welche selbst bei phosphorreicher Beschickung bis zu 1000 Chargen vertragen. Herde mit Dolomitböden vertragen 1000 bis 1500 Chargen. Die letzteren betragen bei uns in der Regel 15 bis 20, seltener 25 Tonnen, während in Nordamerika diese Zahlen sich auf 30 bis 50, ja sogar auf 75 Tonnen erhöhen, wobei dreh- oder kippbare Oefen (System Wellman und Campbell ) in Anwendung kommen. In Bezug auf die mechanischen Beschickungsvorrichtungen haben die Amerikaner überhaupt einen bedeutenden Vorsprung. Während bei uns derlei Neuerungen (z. B. die hydraulischen Vorrichtungen in Wittkowitz) nur vereinzelt stehen und keine Ausbildung erfahren haben, verfügen die Martinwerke in den Vereinigten Staaten über die verschiedensten Systeme von Beschickungsvorrichtungen, welche meist elektrisch betrieben werden. Die bekannteste Construction ist die Wellman 'sche, welche in Europa von der Actiengesellschaft » Lauchhammer « auf deren Werk bei Riesa, bei gleichzeitiger Vornahme einiger Veränderungen, gebaut und installirt worden ist. Die erste von der genannten Gesellschaft gebaute Maschine, welche genau nach dem amerikanischen Modelle ausgeführt wurde, hatte drei von einander ver- Die Converter-Processe und das Martin-Verfahren. schiedene Elektromotorenmodelle, die durch Räderübersetzungen die acht verschiedenen Bewegungen, welche die Maschine zu verrichten hat, vermitteln. Die Vielzahl der Fig. 61. Martinwerk mit Wellmann 'scher Beschickungsvorrichtung. Modelle war hauptsächlich dadurch begründet, daß der Kraftbedarf für die ein- zelnen Bewegungen verschieden ist. Bei der neuen Construction ist man auf die Dritter Abschnitt. Einheitlichkeit der Motorenmodelle (im Ganzen vier) übergegangen, und zwar in der Erwägung, daß der höhere Kraftbedarf für einzelne Bewegungen im All- gemeinen nur für kurze Zeit, bei Einleitung derselben, in Frage kommt. Die Beschickungsvorrichtungen sind ein großer Fortschritt, da sie sehr ökonomisch sind und überdies eine Verrichtung der Maschine übertragen, die sonst zu den an- strengendsten Arbeiten zählt und bedeutende physische Kraft und Geschicklichkeit seitens der sie ausübenden Leute erfordert. Das letztere gilt vornehmlich von den Vorarbeiten, zu welchen sich nur ausgesuchte Leute eignen, die dann entsprechend hoch bezahlt werden müssen (in Amerika durchschnittlich per Kopf 4 ½ Pfund Sterling pro Woche). Die hier abgebildete Beschickungsvorrichtung (Fig. 60 und 61), System Well- man , ausgeführt durch die oben genannte Actiengesellschaft, erfordert zu ihrer Erläuterung nicht viele Worte. Die Maschine besteht aus einem fahrbaren Gestell, an dessen vier Ecken sich Kastenträger befinden, die durch ein Gitterwerk miteinander verbunden sind. Letzteres besteht der Hauptsache nach aus zwei U -Eisen, die bis gegen die Vorderseite des Ofens reichen und Schienen tragen, auf welchen die vier Räder des Wagens laufen. Zur Verhinderung des Aufkippens des Wagens sind über den Rädern auf jeder Seite Winkeleisen angebracht, die als Führungsschienen dienen. Auf dem Wagen ist die Beschickungsmulde aufmontirt. Sie steht mit einem Schwengel derart in Verbindung, daß der Maschinist nur eines Handgriffes bedarf, um die Mulde selbst, welche das Beschickungsmaterial aufzunehmen hat (hier 1000 Kilogramm = 1 Tonne), zu bedienen. Eine Arbeit (z. B. 40 Tonnen), die ohne Anwendung der Maschine 3 ½ Stunden und acht Mann erforderte, bean- sprucht mit derselben nur 1 Stunde und etwa die Hälfte der Bedienungsmann- schaft. In der steigenden Production von Flußeisen, wie sie die Converter- und Herd- processe der Jetztzeit im Gefolge haben, ist noch immer eine starke aufsteigende Tendenz be- merkbar. Dieselbe äußert sich zum Theile darin, daß man unermüdlich bestrebt ist, die fraglichen Verfahren zu vervollkommnen, beziehungsweise neue, einer rascheren und ausgiebigeren Production dienende Bahnen einzuschlagen. Dazu zählt zunächst der im Jahre 1896 in Schweden aufgetauchte Vorschlag, das Erz im Schachtofen zu reduciren, den erzielten Eisenschwamm in unmittelbarer Fortsetzung vermittelst des elektrischen Bogens zu schmelzen und auf den Herd eines Flammofens zu leiten, um dort unter einer schützenden Schlackendecke durch Kohlung u. s. w. die Um- wandlung in Stahl vorzunehmen. Neueres hierüber ist dem Verfasser nicht bekannt. Eine andere Neuerung besteht darin, den Converter- und den Herdproceß miteinander zu verbinden, indem man, wo bestimmte Bedingungen dies als zweck- mäßig erscheinen lassen, das flüssige Roheisen im Converter verfrischt und dann auf dem Herd vollends zu Flußeisen verarbeitet. Das Verfahren hat in letzter Zeit sehr an Verbreitung gewonnen, wie es scheint deshalb, weil die Zahl der Herd- Die Converter-Processe und das Martin-Verfahren. öfen sehr gestiegen ist, da sie sich einer beschränkten Erzeugung besser anpassen als die großen Converter. Zum Zwecke der Beschleunigung des Frischens wird entweder Druckluft in oder auf das Bad geblasen, oder es werden oxydirende Körper (meistens Eisenerze) zugesetzt. Der erstere Versuch ergab ein weniger befriedigendes Resultat, da der Herdofen nicht denjenigen Bedingungen entspricht, welche durch das beim Blasen entstehende Kochen des Bades gestellt werden; dem Erzzusatz hin- wieder wird durch die damit verbundene Schlackenbildung eine Grenze gesteckt. R. M. Daelen (Düsseldorf) hat eine andere Methode angeregt: das Ein- blasen von Erzpulver mit der Druckluft behufs Beschleunigung des Frischens in der Birne, und da L. Pszczolka (Krompach), unabhängig von diesem Vorschlage, in der gleichen Richtung Versuche anstellte, fanden beide Bestrebungen darin ihren Ausdruck, daß die Genannten gemeinschaftlich eine »Vorfrischbirne« fabricirten und in Betrieb setzten. Vom Converter unterscheidet sie sich durch ihre trogförmige Gestalt, um das seitliche Einblasen zu ermöglichen, bei welchem eine gewisse Breite und Tiefe des Bades nicht überschritten werden darf. Außerdem ist der Trog transportabel eingerichtet, wodurch die Pfanne überflüssig wird. Der bis zu 20 Tonnen fassende Inhalt wird durch Neigen direct in den Herdofen entleert (also nicht abgestochen), wodurch Zeit und Wärme gespart werden. Uebrigens ist auch das Umfüllen in eine Pfanne zulässig, doch verzögert dies selbstverständlich ein wenig das Fertigfrischen. Der Bertrand-Thiel-Proceß. Eine beachtenswerthe Neuerung, die bereits auf dem berühmten Werke von Schneider \& Cie. zu Creusot und andernorts (z. B. Kladno) Eingang gefunden hat, ist das von O. Thiel (Kaiserslautern) und Bertrand (Kladno) erfundene. Der Freundlichkeit des erstgenannten Herrn verdankt Verfasser eine eingehende Dar- stellung dieses Verfahres, so daß im Nachfolgenden auszugsweise seinen Aus- führungen Raum gegeben ist. Es ist bekannt, daß beim Martiniren, angesichts des hohen Procentsatzes an Roheisen, der hierbei in Verwendung kommt, der Nachtheil großer Pausen zwischen den einzelnen Chargen erwächst, da das Frischen viel Zeit beansprucht. Dadurch tritt Erzeugungsverminderung ein, es erhöht sich der Brennstoffaufwand und leidet überdies die Haltbarkeit der Oefen, besonders der Ofenherde. Durch reichlichen Zusatz von Erzen wird das Frischen wohl gefördert, doch muß andererseits dem- entsprechend der Kalkzuschlag erhöht werden, um die Verunreinigungen, welche die Erze führen, zu verschlacken, Uebelstände, die besonders bei silicium- und phosphor- reichen Erzen fühlbar hervortreten. Diese Nachtheile, welche der Verarbeitung eines hohen Procentsatzes an Roh- eisen oder nur von Roheisen beim gewöhnlichen Martiniren entgegenstehen, werden durch das Bertrand-Thiel 'sche » combinirte Martinverfahren « beseitigt. Dritter Abschnitt. Dasselbe besteht im Wesentlichen darin, daß zwei — eventuell auch drei — Martin- öfen in der Weise zusammenarbeiten, daß die ganze Schmelz- und Frischarbeit einer Charge nicht in einem Ofen durchgeführt, sondern auf zwei oder drei Oefen ver- theilt wird, was ein schnelleres und energischeres Frischen bedingt. Das Zusammen- Fig. 62. Bertrand-Thiel-Ofen. arbeiten wird dadurch ermöglicht, daß die einzelnen Oefen in ver- schiedenen Niveaus liegen, so daß der höherliegende seinen Inhalt, unter gleichzeitiger Entfernung der Schlacke, in den tieferliegenden Ofen entleeren kann, welch letzterer dazu bestimmt ist, die Charge fertig zu machen. Die hier stehenden schematischen Darstellungen (Fig. 62 bis 65) werden diesen Sachverhalt klar machen. Bei Fig. 62 sind zwei Oefen in Betrieb, welche durch eine entsprechend lange Rinne miteinander verbunden sind. Der Betrieb erfolgt in der Weise, daß Ofen A das Roheisen, Ofen B den »Schrot« einsetzt. Soll mit sehr hohem Procentsatz an Roheisen gearbeitet werden, so muß auch der untere Ofen Roheisen enthalten, und zwar wird demselben in diesem Falle — vorausgesetzt, daß man verschiedene Fig. 63. Bertrand-Thiel-Ofen. Roheisenmarken zur Verfügung hat — das silicium- und eventuell phosphor- ärmere Roheisen als Einsatz gegeben. Hat nun Ofen A eingeschmolzen, so wird die Charge im Ofen B abgestochen, und zwar etwa zwei Stunden nach dem Einsetzen des letzteren. Das in Folge des theilweise durchgeführten Frischprocesses sehr hoch erhitzte Metall vom Ofen A gelangt auf den in Schmelzung begriffenen Einsatz vom Ofen B ; es entsteht eine scharfe Reaction, wodurch die Schlacken- bildung und das Frischen ungemein gefördert werden. Nach ein bis zwei Stunden ist die im Ofen B vereinigte Charge fertig und wird in herkömmlicher Weise zu Ende geführt. Ofen A setzt nach dem Abstechen sofort wieder ein. Die Fig. 63 und 64 veranschaulichen eine Martinanlage nach Bertrand- Thiel 'schem Princip von fünf Oefen, von denen zwei immer in Reserve stehen, Die Converter-Processe und das Martin-Verfahren. und zwar je ein oberer und je ein unterer. Es sind also immer zwei obere und ein unterer Ofen in Betrieb, so daß letzterer voll und ganz ausgenützt wird. Die oberen Oefen sollen einen Fassungsraum von 15 Tonnen, die unteren einen solchen von 16—18 Tonnen haben. Um die Leistung eines solchen combinirten Betriebes richtig beurtheilen zu können, muß man ihr jene gegenüberstellen, welche die drei Oefen bei gleichem Einsatz erzielen würden, wenn jeder für sich unter denselben Verhältnissen arbeitete. In diesem Falle Fig. 64. Bertrand-Thiel-Ofen. würde jeder Ofen durchschnittlich zwei Chargen in 24 Stunden machen bei einem Ausbringen von 12 beziehungs- weise 14 Tonnen. Die Gesammterzeugung aller drei Oefen zusammen betrüge also 76 Tonnen, während der combinirte Betrieb von drei Oefen 131 Tonnen, also 55 Tonnen mehr ergiebt. Selbstverständlich läßt die bautech- nische Seite des Bertrand-Thiel 'schen Verfahrens mancherlei Anordnungen zu. Die Fig. 65 zeigt eine solche Anlage, bei welcher die Oefen nicht in verschie- denen Niveaus liegen. In diesem Falle sind also Rinnenleitungen nicht möglich und tritt an deren Stelle ein Centralgieß- krahn (K) , dessen Pfanne (C) dem Ofen (A) den Einsatz entnimmt, sodann durch eine Halbkreiswendung und etwas empor- gezogen zum Ofen B hinüberschwenkt und den Einsatz in diesen entleert. In ähnlicher Weise können auch drei Oefen combinirt werden. Die Vortheile des besprochenen Verfahrens liegen auf der Hand. Man kann bei demselben mit einem Roheisen von beliebiger chemischer Zusammensetzung und mit beliebigem Procentsatz an solchen arbeiten, bei gleichzeitig hoher Erzeugung. Durch das Verfahren wird es ermöglicht, beim Martinbetrieb vortheilhaft mit flüssigem Roheisen zu arbeiten; ferner läßt sich aus phosphorreichem Roheisen phosphorreiner Stahl erzeugen, ohne daß man nöthig hätte, vollständig herunterzufrischen und rückzukohlen. Ein weiterer Vortheil ist hohes Ausbringen, da man im Stande ist, aus einer Tonne Roheisen das gleiche Quantum Flußeisen oder Stahl zu erzeugen. Die Oefen werden weniger in Anspruch genommen als bei gewöhnlichen Martinwerken und unterliegen daher weniger der Reparatur. Schließlich fällt auch die Ersparniß an Zuschlag und Dritter Abschnitt. Brennmaterial ins Gewicht. Wird phosphorreiches Roheisen verwendet, so erzielt man eine phosphorreiche Schlacke — die einen höheren Phosphorsäuregehalt als gewöhnliche Thomasschlacke hat — als werthvolles Nebenproduct. Wenn wir zum Schlusse noch einen Ueberblick auf den heutigen Stand der Flußeisenerzeugung werfen, so geschieht es, weil auf dem Gebiete der Eisen- technik kein Zweig innerhalb so kurzer Zeit eine ähnliche sprunghafte Entwicklung genommen hat wie jener. Schon der Bessemerproceß war das Signal zu einem völligen Umschwung im Eisenhüttenwesen, worauf schon das ungeheuere Aufsehen, welches dasselbe seinerzeit machte, hinweist. Da trat nach wenigen Jahren das Siemens-Martinverfahren auf den Schau- platz und nun blühte auch dem Herdverfahren, das anfangs durch die Converter- Fig. 65. Bertrand-Thiel-Ofen. processe noch beiseite gedrückt wurde, eine glänzende Zukunft. Zunächst traten die sauere Bessemerbirne und der gleichfalls sauere Martin-Siemens 'sche Herdofen in nähere Beziehungen zu einander. Das war Anfangs der Siebzigerjahre, mit der Gründung der ersten Anlage dieser Art in Deutschland, dem Borsigwerk. Gleich- wohl behielt das Puddeleisen seinen hohen früheren Werth, und mancher Er- zeugnisse (z. B. Kesselbleche) konnte das neue Verfahren sich nicht bemächtigen. In eine neue Phase trat die Fabrikation des Flußeisens, als durch Thomas- Gilchrist der basische Proceß fast gleichzeitig für den Converter und den Flamm- ofen Anwendung fand, wodurch die Erzeugung von Flußeisen jene an Schweißeisen bald überflügelte. Flußmetall erzeugte beispielsweise Deutschland im Jahre 1865 noch nicht ganz 100.000 Tonnen, 1875 bereits rund 347.000, nach weiteren zehn Jahren 893.000, und nach abermals zehn Jahren 2,830.000 Tonnen. Im Jahre Die Converter-Processe und das Martin-Verfahren. 1896 betrug die Productionsmenge vollends fast 3 ½ Millionen Tonnen. In derselben Zeit hob sich die Flußmetallfabrikation in den Vereinigten Staaten von 13.800 auf 5,600.000 Tonnen, in England von 225.000 auf 4,200.000 Tonnen. Eine relativ sehr lebhafte Entwickelung in demselben Zeitabschnitte weist auch Oesterreich- Ungarn auf, indem seine Productionsmenge von 3800 auf 868.000 Tonnen sich hob. Im Jahre 1895 hatte in Deutschland die Gesammtproduction an Flußeisen bereits das dreifache derjenigen an Schweißeisen erreicht. Im gleichen Jahre standen in den Vereinigten Staaten etwa 6‧1 Millionen Tonnen Flußeisen ungefähr 1‧5 Millionen Tonnen Schweißeisen gegenüber. Großbritannien producirte in dem- selben Jahre insgesamt 4‧2 Millionen Tonnen Flußeisen (einschließlich Tiegel- Fig. 66. Welt-Schweißeisenerzeugung. Fig. 67. Welt-Flußeisenerzeugung. gußstahl und anderem Specialstahl) und schätzungsweise 1,200.000 Tonnen Schweiß- eisenluppen. In Frankreich standen 1866 rund 37.700 Tonnen Flußeisen fast 1 Million Tonnen Schweißeisen gegenüber. Dreißig Jahre später (1896) hatte das Flußeisen nur ein geringes Uebergewicht erreicht, nämlich 883.000 Tonnen gegen 814.000 Tonnen Schweißeisen. Während also die Schweißeisenproduction in diesem Zeitabschnitte nur um ein Geringes zurückgegangen ist — und der Puddelofen damit seine Zähigkeit documentirte — hat sich die Flußeisenproduction gleichwohl verzwanzig- facht . Bezüglich der Rolle, welche dem Entphosphorungsverfahren (basischer Con- verter- und Herdproceß) zukommt, ist eine durch den Ingenieur E. Schrödter nach Angaben von Gilchrist gemachte Zusammenstellung von Interesse, da sie vorzugsweise den ungeheueren Aufschwung der basischen Flußeisenproduction in Deutschland klar macht. Im Jahre 1880 betrug dieselbe etwa 18.000, in England Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 6 Dritter Abschnitt. 10.000 Tonnen; im Jahre 1896 beliefen sich die Productionsmengen in Deutschland auf mehr als 3 Millionen, in England nur auf rund 465.000 Tonnen. »Das basische Verfahren — sagt E. Schrödter — ist vom deutschen Hüttenmanne wissenschaftlich und technisch ausgebildet und auf die heutige hohe Stufe der Vollkommenheit ge- stellt worden. Der Betrieb, welcher anfänglich nicht geringe Schwierigkeiten bot, ist in mühevoller Arbeit auf unanfechtbare Sicherheit gewährende Grundlagen gestellt und die Umwandlungskosten sind durch sachgemäße Verwerthung der Neben- erzeugnisse so vermindert worden, daß sie in den meisten Fällen sich nicht höher als im sauren Verfahren stellen dürften.« Fig. 68. Zahnrad-Förderbahn für Martinöfen. (Union-Elektricitäts-Gesellschaft, Berlin.) Vierter Abschnitt. Formgebungsarbeiten . D as Material, welches sowohl die Hoch- und Flammöfen, als die Converter liefern, muß, um den mannigfachen Bedürfnissen des »eisernen Handwerkes« zu genügen, in die entsprechenden Gebrauchsformen gebracht werden. Die technischen Operationen, welchen diesfalls der Rohstoff unterliegt, lassen sich in zwei Gruppen scheiden: in solche, bei denen dem Material durch neuerliches Schmelzen die Eigenschaft zu Theil wird, sich bestimmten Formen anzupassen — Gußoperationen — und in solche, bei denen das nicht geschmolzene, aber durch Wärmezufuhr schmiegsam gemachte Material durch Anwendung mechanischer Kräfte die gewünschten Formen erhält — Druckoperationen . Letztere lassen sich, je nach Wahl der für bestimmte Zwecke besonders tauglichen Apparate, in weitere drei Operationen scheiden: Schmieden (Schlag), Pressen und Walzen (Druck). Das Pressen ist unter gewissen Voraussetzungen zugleich eine Verbindungsoperation , indem durch den angewendeten Druck eine innige mechanische Verbindung einzelner Theile (z. B. Stabbündel durch Walzen) erzielt wird. Schließlich finden auch Trennungs- operationen statt, indem gegebene Formen durch mechanische Kräfte (Scheeren, Sägen) zertheilt, beziehungsweise kleinere Theile vom Ganzen abgetrennt werden. Wenn sich auch die verschiedenen Operationen der mechanischen Eisentechnik stets auf die eine oder die andere dieser Gestaltungsprincipien zurückführen lassen, so ist doch meist zur fertigen Gestaltung die Mitwirkung mehrerer derselben noth- wendig. Eine größere Platte kann durch Druck ausgewalzt werden, sie erleidet beim Beschneiden eine Trennungs-, beim Zusammennieten eine Verbindungsoperation. Letztere werden gegebenenfalls in zweifacher Weise ausgeführt, z. B. beim Zusammen- schweißen von Stäben unter dem Hammer, welche hierauf noch ausgewalzt werden. Eisen- und Stahlguß. Trotz des ehrwürdigen Alters, das der Gewinnung und Bearbeitung des Eisens zukommt, reicht der Eisenguß gleichwohl nur wenige Jahrhunderte zurück, 6* Vierter Abschnitt. d. h. in die Zeit der Erfindung des Hochofenprocesses, der es ermöglichte, flüssiges Eisen darzustellen. Der Grund für die spätere Verwendung des Eisens zum Gießen ist zweifellos in der Untauglichkeit des zuerst erblasenen weißen Roheisens zu suchen. Erst als durch Erhöhung der Oefen die Temperatur im Schmelzherde stieg, konnte Silicium reducirt und somit graues Roheisen gewonnen werden, d. h. diejenige Roheisensorte, dem unter allen allein die Eigenschaft zukommt, beim Erstarren sich auszudehnen, die feinsten Vertiefungen der Form scharf auszufüllen und in Folge seiner Weichheit sich leicht bearbeiten zu lassen. Damit ist die Operation schon in ihren Hauptzügen gekennzeichnet: um durch Guß eine zweckmäßige Gestalt zu erzeugen, bedarf man vor Allem der Feststellung dieser Form im Modell , alsdann der Form , welche dieses Modell umschließt, endlich des Materiales, mittelst welchem die Form ausgegossen wird. Das End- resultat ist dann der fertige Guß , der die Gestalt des Modells angenommen hat. Man kann indeß unter einigen gewissen Voraussetzungen das Modell entbehren, indem man die Schablone anwendet, wie dies vorzugsweise bei Rotationskörpern und solchen Objecten vorkommt, die man durch Fortbewegen eines Profils, an einer Leitlinie entstanden, denken kann. Unter freien Formen endlich versteht man solche Lehmformen, welche mit Ausschluß eines Modells oder einer Schablone nur nach der Zeichnung mit Zuhilfenahme von Maßstab, Zirkel, Lehren u. s. w. aus Stein und Lehm aufgebaut werden. Was zunächst die Formen anbetrifft, unterscheidet man dieselben in bleibende und in nur einmal benützbare . Erstere werden entweder gleich den Modellen durch Handarbeit allein in Metall, Stein, Thon u. s. w. ausgeführt oder selbst durch Guß aus Eisen erzeugt und enthalten bei Hohlformen Außen- und Innen- form zugleich. Zu den nur einmal benützten Formen gehören die aus Formsand, aus Masse, aus Lehm und anderen plastischen Materialien, endlich die Gypsformen für Guß bei höherer Temperatur, die nur einmal aushalten können. Der Form- sand muß vorzugsweise aus Quarz bestehen und ein gleichförmiges feines Korn zeigen. Ein Gehalt von etwa 10 % feinstem Staubsand und 2—3 % Thon tragen zum Zusammenhalten desselben im feuchten Zustande bei. Er muß sich leicht in der Hand halten lassen und der Zertrümmerung beim Herabfallen von etwa Spanhöhe Widerstand leisten. Formsand giebt im feuchten Zustande die Eindrücke des Modells sehr genau wieder und widersteht dem Drucke geschmolzenen Metalls mindestens so lange, bis dieses zu der gewünschten Gestalt erstarrt ist. Auch ist es porös genug, um die Luft der Form und die beim Gießen entwickelten Gase leicht entweichen zu lassen. Seine Qualität wird durch eine gewisse Beimischung von Kohlenstaub oder Graphit, die zum Auskleiden der Form verwendet werden, nur verbessert. ... Die Masse ist ein Gemisch von gemahlener Chamotte (feuerfestem gebrannten Thon) und festem, ungebranntem, feuerfestem Thon. Da die Masse für Gase undurchdringlich ist, müssen Formen dieser Art gut ausgetrocknet sein. Gegen das Anbrennen erhalten die Masse- Formgebungsarbeiten. formen gleich den Sandformen einen Ueberzug, doch reicht in diesem Falle Kohlen- staub nicht aus und muß an dessen Stelle ein Anstrich von Thon- und Graphit- mehl in Wasser treten. ... Was schließlich die Lehmformen anbetrifft, muß das hierzu verwendete Material scharf ausgetrocknet und schwach gebrannt werden. Um das »Schwinden« nach Thunlichkeit zu paralysiren, mengt man genügend Sand bei. Außerdem wird durch Beimengung von faserigen organischen Substanzen (Kuh- haaren, Pferdemist u. s. w.) die Bildung von klaffenden Sprüngen beim Trocknen verhindert. In gebrannten Formen kühlt sich das Eisen am langsamsten ab und es bleibt seine Oberfläche für nachträgliche Bearbeitung weich. Zur Erzeugung einfacher Gegenstände genügt der Abdruck des Modells in den auf dem Boden der Formhalle — dem Herde — liegenden Sand. Es ist dies der sogenannte »Herdguß«, im Gegensatze zum »Kastenguß«, der bei Gegenständen von complicirterer Gestalt in Anwendung kommt und mit Hilfe von geschlossenen Formen in eisernen Rahmen — Formkästen, Gießflaschen — bewerkstelligt wird. Sie werden durch Splinte, Keile, Schrauben genau zusammengepaßt, mit ausge- schnittenen Querleisten zum Halten des Sandes, ferner mit Handhaben und Dreh- achsenansätzen zum Aufheben, Umkehren u. s. w. versehen. Große Formkästen müssen hierbei mittelst eines Krahnes gehandhabt werden. Der Vorgang beim Gusse ist der folgende: Das betreffende Modell wird auf ein Brett gebracht, der Rahmen darübergestürzt und der Raum mit Formsand aus- gestampft. Hierauf wendet man das Ganze um, setzt einen genau auf den ersten Rahmen passenden zweiten Rahmen auf und stampft ihn ebenfalls aus. Auf diese Weise ist das ganze Modell von Formsand dicht umschlossen. Schließlich wird der Oberkasten vom Unterkasten abgehoben, das Modell entfernt und der Hohlraum durch einen im Formsand freigelassenen Eingußtrichter ausgegossen. Nicht jedes Modell läßt sich ohne weiters ausheben und müssen solche, welche eine complicirte Gestalt haben, in mehrere Theile zerlegt und diese einzeln ausgehoben werden. Auch die Formkästen sind mitunter mehrtheilig. Das Formen ist eine sehr umständliche Arbeit und erfordert geschickte Leute, die entsprechend hoch entlohnt werden müssen. Durch Erfindung mechanischer Vor- richtungen — Formmaschinen — welche die jeweils erforderlichen Formen in tadelloser Ausführung zuwege bringen, ist die Handformerei ganz in den Hinter- grund gedrängt worden. Dazu kommt, daß selbst der geschickteste Former beim Ausheben des Modells (z. B. durch leises Schwanken der Hand) die Form be- schädigen kann, was bei den Maschinen nicht vorkommt. Nach Entfernung des Modells wird die Form festgestampft, doch übernehmen manche Formmaschinen auch diese Arbeit, indem sie den Sand zusammendrücken. Bei den Formmaschinen liegt die wesentlichste Verbesserung darin, daß die meist aus Eisen gearbeiteten Modelle in entsprechende Ausschnitte der Formplatte eintreten und durch eine Zahnstange, eine Kurbel oder einen Excenter in Leitschienen nach unten herausgezogen werden. Selbstverständlich wird dasselbe erreicht, wenn Vierter Abschnitt. das Modell stehen bleibt und die Formplatte aufsteigt. Die Formränder stützen sich diesfalls auf die Formplatte und bleiben dadurch intact. Nach dem Abheben der Form, nach dem Aufsetzen eines neuen Formkastens, dem sein Platz durch Anschlags- leisten oder Stifte genau angewiesen ist, steigt das Modell wieder in die Höhe und das Einformen kann wieder beginnen. Bei kleinen Artikeln (z. B. Nägeln) wird häufig eine gleiche Anzahl Modelle rechenartig vereinigt und auf einmal mit den Zuflußverzweigungen abgeformt. Schraubenmodelle müssen aus der Sandform aus- geschraubt, sie können nicht ausgehoben werden. Den Räderformmaschinen kommt der Vorzug äußerst genauer Arbeit und der Ersparung theurer Modelle zu. Dazu kommt, daß letztere nach vielfachem Gebrauche Fig. 69. Formguß. ihre Form merklich verändern. Zahnräder aber, mit genau gleichmäßiger Theilung und durchaus über- einstimmenden Zähnen, sind nach Modellen über- haupt nicht herzustellen. Die besten Resultate geben solche Formmaschinen, welche nur mit einem kleinen Theile des Modells — z. B. mit nur zwei Zähnen — arbeiten, beanspruchen aber einen höheren Auf- wand für Formenlohn. Bei Anwendung der Schablone an Stelle des Modells wird zuerst der Kern — der zur Aus- bildung der Innengestalt von Hohlkörpern dienende Formtheil — hergestellt. Es ist hierbei hauptsächlich auf Ersparung von Gußmaterial und auf möglichste Leichtigkeit des Gußstückes Rücksicht zu nehmen. Daß man zum Zwecke des Tragens für Säulen und Balken den Hohlguß vorzieht, liegt in der mechanisch wohlbegründeten Thatsache, daß besonders der gegen die Längsachse gerichtete seitliche Druck besser ertragen wird, wenn dasselbe Materialgewicht an der Peripherie als um die Achse angehäuft ist, wovon die Knochen der Thiere und die hohlen Stengel der Pflanzen überzeugende Beweise liefern. Ist der Kern fertiggestellt, so wird er getrocknet, geschwärzt und abermals getrocknet. Dann bildet der Former mittelst der Schablone über diesen Kern aus Lehm einen Körper, der genau die Gestalt des Gußstückes hat, trocknet, schwärzt und trocknet abermals und führt endlich um das Ganze einen Mantel auf, dessen Innenfläche zu einem genauen Abbilde der Außengestalt des Gußstückes wird. Sobald der Mantel getrocknet wird, hebt man ihn ab, schlägt hierauf den über dem Kern sitzenden Lehmkörper (»falsche Eisenstärke«) in Stücke und bringt den Mantel wieder darüber. Bei allen Formgüssen muß das zum Einschmelzen benützte Material genügend dünnflüssig sein, damit es durch sein Gewicht allein die Form an allen Punkten ausfüllt. Das graue Gußeisen ist vor dem Weißeisen durch den hohen Grad von Formgebungsarbeiten. Dünnflüssigkeit ausgezeichnet, den es bei etwas höherer Schmelztemperatur annimmt. Bezüglich der Vorgänge bei der Erstarrung erinnern wir zunächst an die analoge Erscheinung beim Gefrieren des Wassers. Die großen Kraftäußerungen, durch welche gefrierendes Wasser die Felsen zerklüftet und Bomben sprengt, werden bekanntlich auf Krystallisationsvorgänge zurückgeführt. Beim Fortschreiten der Abkühlung tritt wieder das Gesetz der Zusammenziehung in sein Recht. ... Ganz die gleichen Er- scheinungen zeigt das graue Gußeisen. Wird ein kaltes Stück desselben auf ge- schmolzenes Gußeisen geworfen, so sinkt es im ersten Augenblicke zu Boden, steigt aber zur Oberfläche, sobald es bis nahe zum Schmelzen erhitzt ist. Es ist dann (gleich dem Eise) leichter als das flüssige Material und dehnt sich beim Erstarren kräftig aus, was zum scharfen Ausfüllen der Form führen muß. Erst nach der Erstarrung findet eine weitere Zusammenziehung beim Erkalten statt. Man nennt dies das Schwinden . Wo, wie in den meisten Fällen, genaue Maßverhältnisse eingehalten werden müssen, ist schon beim Dimensioniren des Modells darauf Rücksicht zu nehmen. Am einfachsten geschieht dies durch Anwendung des Schwindmaßstabes . Zieht sich das erstarrte Gußeisen beim Erkalten linear um \nicefrac{1}{97} zusammen, so ist auf dem Maßstabe ein Raum von 97 Centimeter nur in 96 Theile getheilt, die dann beim Abmessen des Modells für Centimeter gelten. Der hiernach gestellte Guß entspricht genau den beabsichtigten Dimensionen. An viele gußeisernen Gegenstände werden bezüglich ihrer Härte besonders hohe Ansprüche gestellt. Graues Roheisen genügt diesen Ansprüchen nicht, Weißeisen hin- wieder ist viel zu spröde, um verwendet werden zu können. Da nun geeignet zu- sammengesetztes Roheisen die eigenthümliche Eigenschaft hat, bei rascher Abkühlung weiß, bei langsamer Abkühlung grau zu werden, so erzielt man beim Gusse mit solchem Eisen, daß die Gußstücke außen eine harte (weiße) Schale erhalten, während das Innere (grau) weich und zähe verbleibt. Die äußere Schichte der Gußmasse erkaltet nämlich in Folge Berührung mit der Gußform rascher, als das isolirte Innere. Man nennt diesen Proceß den Hartguß . Derselbe — besonders in Deutsch- land ausgebildet, z. B. durch das Grusonwerk in Magdeburg-Buchau — wird bei der Erzeugung von Hartwalzen und Eisenbahnrädern, von Granaten und zu Panzerthürmen angewendet. Der Guß eines großen Hartgußpanzerstückes (zu etwa 30 Tonnen) ist ein großartiges Schauspiel. Nach genauer Zurichtung mittelst mächtiger Hebelmaschinen wird ein solcher Thurm gleich einer riesigen Schildkröte aus den einzelnen Gußstücken zusammengebaut, die nur durch ihre eigene Schwere zusammenhalten. Der Guß erfolgt bei verhältnißmäßig niedriger Temperatur, weil sonst — bei der großen Menge von flüssigem Metall, das die riesigen Panzerguß- blöcke erfordern — eine Ueberhitzung der Coquille eintreten könnte. Damit nun diese durch die plötzliche Erhitzung nicht springt, wird sie häufig von außen durch vor- heriges Umgießen mit einer dünnen Schicht Eisen angewärmt. In anderen Fällen macht man sie hohl und leitet einen Strom Wasser durch den Hohlraum. Alle Vierter Abschnitt. Theile, welche weich bleiben sollen (z. B. die Zapfen der Walzen, die Speichen und Naben der Räder), werden in Sand, Masse oder Lehm eingeformt. Beim Coquillenguß tritt noch eine besondere Erscheinung auf, welche man das »Spratzen« nennt. Es betrifft dies vornehmlich das Gießen des Bessemer- und Martinstahles zu Ingots für das spätere Walzen. Das geschmolzene Metall fließt zwar ruhig in die Form, beginnt aber bald aufzukochen, wirft einen Funkenregen von Tröpfchen auf, läuft sogar manchmal über den Rand der Form, und würde ohne besondere Vorsichtsmaßregeln einen Gußblock, zellig wie eine Bienenwabe, liefern. Man hilft sich durch Aufsetzen eines Blockdeckels, Bedecken mit Sand, Fest- Fig. 70. Transport von Ingots in einer amerikanischen Gießerei. keilen einer Verschlußplatte, auch durch Zugabe von etwas Siliciumeisen zum ge- schmolzenen Metall, wodurch die Blasenbildung herabgemindert werden soll, endlich durch Aufsetzen eines dichten Verschlußdeckels und Erzeugung eines hohen Dampf- oder Gasdruckes in dem abgeschlossenen Raume über dem Metall. Neuerdings verwendet man flüssige Kohlensäure, indem damit gefüllte Stahlreservoire durch ein enges Rohr und Hahn mit dem Deckel in Verbindung gebracht werden. In Folge des Auftretens von Höhlungen u. dgl. in Ingots ist der Coquillenguß eine sehr heikle Operation. Schon das Umfallen eines Stahlblockes, der im Innern noch weich ist, kann den genannten Fehler hervorrufen. Höhlungen werden auch durch Einbettungen von Schlacke hervorgerufen, Saugtrichter durch zu großen Zusatz von Ferrosilicium oder Aluminium. Die Schlacke besteht beim Flußeisen haupt- Formgebungsarbeiten. sächlich aus oxydirtem Mangan und Eisen, sowie Kieselsäure. Beim Martinflußeisen treten solche Einschlüsse vornehmlich dann auf, wenn mit einem großen Procentsatze Roheisen gearbeitet und der Schmelzproceß durch Zusatz von Erz oder Walzen- schlacke beschleunigt wurde. Beim Thomasflußeisen kann eine schlecht gewählte Roh- eisenzusammensetzung — zu viel Phosphor, zu wenig Mangan — den Anlaß geben. Man bezeichnet alle Blasenbildungen im flüssigen Metall, hervorgerufen durch Oxydationsvorgänge, als Saigerungen . Dieselben sind darauf zurückzuführen, daß beim Chargiren dem oxydirten Eisen nicht genügend Zeit zur Reduction gelassen wird. Die sich bildenden Sauerstoffverbindungen (in Gemeinschaft mit Gaseinschlüssen und Schlackenpartikelchen) streben wohl — weil specifisch leichter — zu entweichen, werden aber meist im oberen Drittel Fig. 71. Aetzprobe einer heißen Flußeisencharge mit ausgesaigerter Schlacke im Kern. des Blockes, wo der Erstarrungsproceß bereits begonnen hat, zurückgehalten. Kleine Ingots zeigen diese Erscheinung weniger als große, weil durch die rascher erfolgte Erstarrung die Sauerstoffver- bindungen dem Flußeisen mechanisch bei- gemengt bleiben. Bei den großen Blöcken ist, wie gesagt, die Zeit zu kurz, um ein vollständiges Aussaigern der vorhandenen und neugebildeten Sauerstoffverbindungen des Mangans u. s. w. zu gestatten. Der Vorgang selbst erklärt sich da- durch, daß die reinen Eisentheilchen eine höhere Schmelztemperatur haben als die Sauerstoffverbindungen. Nach erfolgtem Guß erstarren nun am Rande der Coquille die Eisentheilchen zuerst, während die flüssigeren Oxyde nach dem Innern des Blockes abgestoßen werden. Die Randtheile des letzteren werden also hart, während der Kern noch teigig ist. Bei besonders heißen Güssen mit sehr dünnflüssigem Material wird also consequenter Weise der Rand des Blockes umso oxydfreier, der Kern umso oxydreicher. Sehr treffend bemerkt A. Kühfus , dem wir hier vorzugsweise folgen: »Gäbe es ein Verfahren, den flüssigen Stahl nur eine Stunde lang in der Gieß- pfanne oder sonst in einem geschlossenen Gefäße stehen lassen zu können, ohne eine Temperaturabnahme befürchten zu müssen, so würde man einen Stahl erhalten, der die Eigenschaften des Tiegelstahles besäße. Denn Tiegelstahl ist nichts anderes wie vollständig ausgesaigerter Stahl, d h. ein Stahl ohne Sauerstoffverbindungen.« Bedenklicher als die Oxyde sind die im Flußeisen eingeschlossenen Gase. Ihr Vorhandensein verräth sich durch ein plötzliches Steigen beziehungsweise Sinken der Schmelzmasse in der Coquille. Letzteres kann man künstlich hervorrufen, wenn Vierter Abschnitt. man ein kleines Stückchen Aluminium zusetzt. Offenbar erfolgt hierdurch eine plötz- liche Gasausscheidung. Das Aluminium verbindet sich mit dem freien Sauerstoff und zerstört nebenbei die Sauerstoffverbindungen des Kohlenstoffes. Bei diesem Vorgange wird zugleich die Ausscheidung des Wasserstoffes beschleunigt. Auch durch Zusatz von Silicium erreicht man diese Wirkung. Da, wie hervorgehoben, die stärksten Saigerungen bei sehr heißen Chargen und sehr dünnflüssigem Material vorkommen, so müssen bei normaler Charge oder einer Charge mit »kaltem Gange« die Saigerungen sich über einen größeren Raum verbreiten, wobei der Kern ein dichteres Gefüge annimmt und die Sauerstoffverbindungen sich ringförmig um denselben anlegen. Fig. 72. Aetzprobe einer normalen Flußeisencharge. Die hier stehenden Abbildungen (Fig.71 bis Fig. 73) sind Reproduktionen nach Aetzproben, welche A. Kühfus ausgeführt hat und die das Vorgebrachte in sehr anschaulicher Weise erläutern. Für größere Güsse benützt man mit Vorliebe die Cupolöfen . Dieselben sind außen von Eisenplatten oder Ringen bekleidet, innen tragen sie ein Futter von Chamotteziegel und Chamottemörtel. Der zur Anwendung kommende Wind (Gebläseluft) ist nur mäßig gepreßt und selten erhitzt. Unterhalb des zur Ver- brennung der Kohlen dienenden Gestells befindet sich ein Herdraum zur Aufnahme des geschmolzenen Metalls. Mitunter ist ein Vorherd angebaut, in welchem sich eine größere Menge Metall ansammeln kann, doch muß dann ein Theil der Flamme durchgeleitet werden, um das Metall warm zu erhalten. Man füllt den Ofen mit Kohlen, entzündet diese und wärmt den Ofen bei langsamem Gebläsewechsel an, worauf er schichtenweise mit Brennstoff und dem hinreichend zertheilten Roheisen besetzt wird. Der ganze Bau wird auf eine gemauerte Unterlage oder auch auf einen Trag- ring und Tragsäulen hochgestellt, um Gießlöffel oder Gießpfannen bequem unter das Stichloch des Herdes bringen zu können. Letzteres ist mit einem Lehmpfropfen geschlossen, der mittelst einer spitzen Eisenstange geöffnet wird, sobald man Guß- metall braucht. Beim Säulenunterbau ist die Sohle des Ofens mitunter durch eine in Charnieren bewegliche Platte gebildet, die nach Beendigung der Arbeit herunter- gelassen wird, um Schlacke und Kohle herauszuziehen. Da besonders der Bodentheil des Ofens stark leidet, macht man denselben beweglich, schließt den Schacht durch einen Tragring ab und kann den Boden dann nach Beendigung des Schmelzens leicht durch einen unterdessen reparirten Wechseltheil ersetzen. Formgebungsarbeiten. Gießlöffel und Gießpfannen werden aus starkem Blech durch Zusammen- nieten hergestellt und mit einer Lehmschicht ausgefüttert. Je nach der Art des Gusses und den gebrauchten Metallmengen werden die Gießkolben von einem bis zwei Mann getragen, beziehungsweise durch Dreh- oder Fahrkrahne bedient. Sie werden durch Neigen mit der Hand oder einem Triebwerk, endlich auch durch ein Ventil am Boden entleert. Letzterer Vorgang ist besonders beim Gießen der Bessemer- und Martinstahl-Ingots üblich. Die Pfanne faßt dann 5, 10 und mehr Tonnen flüssigen Stahl, sie ist aus dem durch ein Gegengewicht ausbalancirten Querträger eines im Boden versenkten hydraulischen Krahnes befestigt und kann damit über die im Kreise aufgestellten vierkantig-prismatischen Gußformen (Coquillen) geführt, auch durch Wasserdruck gehoben und Fig. 73. Aetzprobe einer Flußeisencharge mit kalten Gange. gesenkt werden. Im Boden der Pfanne ist ein Chamotte-Ventilsitz befestigt, in welchen ein gebogener Eisenstab paßt, der — soweit der Stahl reicht — dick mit Lehm bekleidet ist. Derselbe wird mit dem kürzeren, abwärts gebogenen Theile in Oefen geführt, die außen an die Gießpfanne angenietet sind. Das Ende des Stabes ruht auf einem Hebel, durch dessen Bewegung das Ventil gehoben oder gesenkt wird, Mitunter wir die Gießpfanne auf ein Rädergestell gesetzt und mit diesem hydraulisch gehoben oder gesenkt und auf Schienen über die Gieß- grube geführt. Auch besteht die An- ordnung, daß die Formen vor dem Stichloche des Martinofens — oder unterhalb der Sammelgrube für den abgelassenen Stahl — vorbeigeführt und dabei gefüllt werden. Der Brennstoffverbrauch ist beim Martinofen etwas größer als beim Cupol- ofen, doch hat man dort den Vortheil, billigeres Material verwenden zu können. Im Cupolofen brauchen 100 Theile Roheisen 10 bis 15 Theile Koks, im Flamm- ofen 30 bis 35 Theile Steinkohle. Geht die Schmelzung ununterbrochen fort, so kommt selbstverständlich Generatorgas und Regenerativfeuerung in Anwendung. Entnimmt man das Gußeisen direct aus dem Herde des Hochofens, so entfällt das Umschmelzen, nur kann man hierbei nicht immer auf eine ganz bestimmte Eisen- qualität rechnen. Den meisten Brennstoff erfordert das Schmelzen in Tiegeln, doch wird dafür die genaueste Innehaltung der Qualität erzielt. Deshalb werden die besten Sorten Gußstahl durch Umschmelzen von sorgfältig sortirten Stahlbruch- stücken in Graphittiegeln erhalten. Aus dem Tiegel werden meist nur kleine Güsse Vierter Abschnitt. gemacht. Die großen Stahlgüsse zu Kanonen, wie sie beispielsweise Krupp aus Tiegelgußstahl anfertigt, lassen sich nur bei ausgedehnten Ofenanlagen durch eine militärische Drillung der zahlreichen Arbeiter bewerkstelligen. In ununterbrochener Folge entleeren sich die Tiegel in eine Vorrathsgrube, aus der dann die Form in Fig. 74. Gießen im Krupp'schen Martinstahlwerk IV. (Nach dem Gemälde von A. Montan.) gleichmäßigem Strahle gefüllt wird. Eine noch so kurze Unterbrechung würde sich hier durch Mißlingen des Gußstückes bestrafen. Die Gußoperationen lassen, je nach den Gegenständen, um welche es sich handelt, sich in der mannigfaltigsten Weise bewerkstelligen. Große Stücke werden stets in der Gießgrube gegossen, da sonst unförmliche Formkästen und das Heben des geschmolzenen Metalles nöthig wären. Durch Umstampfen der Form mit Erde Formgebungsarbeiten. wird dem Durchbruche derselben vorgebeugt. Natürlich müssen bei solch großen Stücken oft mehrere Eingüsse und zahlreiche Windpfeifen angewendet werden. Auch Kanonen werden stehend gegossen. Hohlguß ist dabei nur dann nöthig, wenn nach dem Vorschlage des Amerikaners Rodmann aus halbirtem Gußeisen Geschütze mit harter Lauffläche und zäher Wandung dadurch erzeugt werden, daß man ein geschlossenes, von Wasser durchströmtes Eisenblechrohr — das also gewissermaßen als Coquille wirkt — in die Form einhängt. In ähnlicher Weise, durch Abschreckung, wirkt ein eingehängter, die Wärme gut leitender Kupferstab, wie er bei der Stahlbronze von Fig. 75. Friedrich Wilhelm-Hütte zu Mülheim a. d. Ruhr (Röhrengießerei). Uchatius in Anwendung kommt. Der Umfang der Form soll in beiden Fällen durch Umgeben mit Kohlensäure warm gehalten werden, damit das Metall mög- lichst langsam erstarre. Bei ebenen Platten mit nur einseitiger Verziehrung wird der offene Herd- guß bewerkstelligt. Hierbei wird das Modell in eine geebnete Formsandschicht ein- geklopft. Soll aber auch die andere Seite scharf ausgegossen werden, so greift man zum bedeckten Herdguß, indem man einen Formkasten mit geebneter Sandschicht aufsetzt, der zugleich den Einguß aufnimmt. In gleicher Art werden massive Kugeln , cylindrische oder konische Stäbe , kleine Räder u. s. w. zweitheilig ein- geformt. Hohlgüsse von Granaten , Bomben u. s. w. erhalten die äußere Be- Vierter Abschnitt. grenzung durch ein in zweitheiligen Formkästen eingeformtes Kugel- oder Zucker- hutmodell und werden dann beide Theile um den eingehängten Sand- oder Lehm- kern zusammengeschoben. Bei gegossenen Röhren haben die Formkasten — wie wir einer fachmänni- schen Beschreibung der »Friedrich Wilhelmshütte« (Mülheim a. d. Ruhr) ent- Fig. 76. Formkasten mit gegossenem Rohr. nehmen — eine feste, unveränderte Lage. Das Ausstampfen der Sandmasse erfolgt nach ganzen eisernen, sorgfältig abgedrehten Modellen, die genau in der Mitte des Kastens gehalten sind. Jede Herstellung der eisernen Rohrform mittelst Modell- stücken, welche allmählich mit dem Wachsen des Sandringes hochgezogen werden, haben den großen Nachtheil, daß eine unbedingt richtige, in ihrer ganzen Länge gerade, nicht versetzte Form kaum herzustellen ist, was Veranlassung zu einseitigen Wandstärken giebt. An diesem Uebelstande leiden mehr oder minder alle selbstthätigen Ausstampfverfahren, daher ein gerechtfertigtes Mißtrauen gegen sie besteht. Die Form, welche nach einem richtigen Modell von derselben Länge wie das Rohr her- gestellt ist, muß gerade sein. Erfolgt das Einsetzen des Kernes centrisch, so sind die Bedingungen gleichmäßiger Wandstärke erfüllt. Das Trocknen der Sandform geschieht entweder durch entzündete Generatorgase oder, bei größeren Röhren, durch fahrbare Koksfeuer mit Unterwind. Die Herstellung der Rohrkerne ist von größter Wichtigkeit und höchste Sorgfalt dabei nothwendig. An beiden Enden gedrehte Spindeln — schmiedeeiserne bei kleinen Röhren, gußeiserne bei großen — werden auf Drehbänken mit Strohseilen umwickelt, mit einer Mischmasse aus Lehm, Lohe und Pferdemist bestrichen, getrocknet, nochmals dünn bestrichen und genau auf Maß gedreht, geschwärzt und abermals scharf getrocknet, hierauf mittelst Krahnen vorsichtig in die Sandform unter dichtem Schluß am oberen und unteren Ende genau centrisch eingehangen. Die Figur 76 stellt eine solche zum Guß fertige Form dar: q q Form- kasten, b e d nach Modell ausgestampfter und dann getrockneter Sand, g g über die Strohseilumwickelung der Kernspindel k k aufgetragene, getrocknete Masse. Der Einguß ist am oberen Ende der Form sichtbar. Die auf diese Weise gegossenen Formgebungsarbeiten. Röhren sind 2 Meter lang und haben 1‧5 Meter innere Lichte. Die Strohseil- umwickelung gestattet dem allmählich erstarrenden Eisen das Zusammenziehen (Schwinden), so daß keine gefährliche Spannung in dem erkalteten Rohre ver- bleibt; außerdem läßt man die Röhren behufs langsamer Abkühlung längere Zeit in den Formen, während die Spindeln bald nach dem Gusse herausgenommen werden. Die fertigen Röhren werden behufs Prüfung auf Dichtigkeit unter einem inneren Wasserdrucke von 20 Atmosphären bei gleichzeitigem Schlagen mit mehreren Hämmern auf entsprechende Pressen gebracht. In besonderen Fällen wird der Probe- druck gesteigert. Die weitere Behandlung der dicht befundenen Röhren besteht im genauen Abwiegen jedes einzelnen Stückes und der Asphaltirung. Der Röhrenguß hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Während im Jahre 1878 die gesammte Röhrenerzeugung etwa 61.000 Tonnen betrug, hob sich dieselbe in allmählich fortschreitender Entwickelung auf 202.000 Tonnen im Jahre 1893. In erster Reihe steht disbezüglich die bereits genannte »Friedrich Wilhelmshütte«, deren Leistungsfähigkeit auf dem Gebiete des Röhrengusses von keiner deutschen Gießerei und nur von wenigen fremden Werken übertroffen wird. Hammer und Amboß. Das Urbild des eisernen Handwerkes ist der Schmied . Die alten Götter- sagen personificirten die übermenschliche Kraft vorzugsweise in Gestalten, welche sich mit jenem Urbilde deckten. Bekannt ist, daß Hephästos dem Zeus die Blitze, dem Poseidon den erschütternden Dreizack, dem Pluto den unsichtbar machenden Helm geschmiedet hatte. Er wurde abgebildet als bärtiger Mann mit aufgeschürztem Unterkleide, in der rechten Hand einen Hammer, in der linken eine Feuerzange, am Amboß oder an der Feueresse stehend. Unter allen nordischen Gottheiten hatte keine die Einbildungskraft nachhal- tiger erregt als Thor , der »Donnerer«, in den finsteren Wolken, die über die schwarzbraune Heide jagen. Er war der gefürchtetste unter den Asen und überragte sie alle an Stärke. Die Verkörperung dieser Stärke waren der Kraftgürtel »Megug- jarden« und der Hammer »Mjölner«, der Zermalmer. Mit dießem Hammer hatte Thor das Geschlecht der Riesen und deren König Thrym erschlagen. Der Mjölner war das Werk der schmiedekundigen Zwerge Brock und Jurdei. Einige seiner anderen kunstfertigen Zwerge waren Durin und Devalin, welche dem König Sara- furlani das Schwert »Tyrsing« geschmiedet hatten. Er führte nie einen falschen Hieb; so oft es auch gezückt wurde, mußte ein Menschenleben zu Grunde gehen. ..... Von den Thaten des Schmiedes Wieland , der zu Mimr , dem Schmiede, in die Lehre ging, erzählt das deutsche Heldenlied. So besteht seit den Zeiten des Aufdämmerns menschlicher Erinnerungen ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Eisen und der Stärke einerseits und zwischen dem Eisen und den Kobolden in der Tiefe andererseits. Die Kunst der Vierter Abschnitt. letzteren kam zunächst den Göttern zu Gute, alsdann den Menschen; denn noch im Mittelalter glaubte das Volk, daß man für Erzklumpen, welche man vor die Oeffnungen der Zwergenlöcher legte, Tags darauf herrlich geschmiedete Schwerter erhalte. Hierbei werden wir an die im Rennfeuer erzeugten Luppen erinnert, welche so klein waren, daß sie mit schweren Handhämmern noch recht gut ausreichend geschweißt und geformt werden konnten. Der heutige Schmied arbeitet am Frisch- feuer noch immer in dieser Weise, und nur dort, wo es zur Bewältigung größerer Schmiedestücke eines größeren Kraftaufwandes bedarf, treten die von Wasserrädern getriebenen Stielhämmer (Hebelhämmer) hinzu. Fast die ganze eiserne Kleinindustrie ist auf dieses Hilfsmittel angewiesen, da sowohl die Anlage solcher Hammerwerke, sowie die Ausnützung der Wasserkraft nur geringe Kosten beanspruchen. Dem Hammer ist stets und überall der Amboß als Unterlage zugesellt und so die Gegenkraft geschaffen, welche dem Hammer Widerstand hält. Damit der Amboß unverrückt bleibt und kein Theil der Kraft dadurch verloren geht, daß der Hammer den Amboß in den Grund schlägt, ist eine genügende Schwere desselben und eine sichere Fundamentirung nothwendig. Leichtere Ambosse werden auf einen in den Boden eingerammten Klotz von Eichenholz, der durch Auftreiben von heißen Eisenringen vor dem Zerspalten geschützt ist, befestigt. Bei den jetzt so vielfältig angewendeten riesigen Dampfhämmern erfordert, wie wir später erfahren werden, die Amboßunterlage ganz gewaltige Zurichtungen. Die Handhämmer sind aus Schmiedeeisen; deren Enden (»Bahnen«) werden verstählt. Die eine Bahn ist meist flach und dient zum Aufschlagen auf ebene Flächen oder auf Meißel, Obergesenke u. s. w., das andere Ende — die »Finne« — ist schmal, meist etwas abgerundet und in ihrer Richtung entweder in der Ebene des Hammerstieles oder senkrecht darauf gestellt. Der Vormeister führt einen kleineren Hammer, mit dem er die Stelle des Schlages für die Nebenarbeiter an- deutet, auch die feinere Nachhilfe giebt. Mit der anderen Hand dirigirt er das zu schmiedende Stück, das seltener direct, meist mittelst Zange angegriffen wird. Der oder die Nebenarbeiter führen schwere Zuschlagshämmer, die sie mit beiden Händen regieren, indem sie dieselben über den Kopf erheben oder auch im Kreise zum Schlage schwingen. Diese Schläge müssen einander taktmäßig folgen, damit sich die Arbeiter nicht stören oder beschädigen. Die Stielhämmer bestehen — wie schon der Name sagt — aus einem möglichst verstärkten und versteiften mächtigen Holzstiele, an dessen einem Ende der Hammer selbst, meist aus Guß-, seltener aus Schmiedeeisen gefertigt, befestigt ist. Seine wirksame Bahn ist eine Finne, der Hammerstiel ruht mittelst Schildzapfen in Lagern und wird durch die sogenannten »Daumen« einer mit einem Wasser- rade verbundenen Welle gehoben und fallen gelassen. Je nachdem dieser Aufhub am Hammerende oder am Stielende, oder schließlich zwischen dem Hammerende und den Lagern erfolgt, unterscheidet man Stirn-, Schwanz - und Brust -(Auswerf-) Formgebungsarbeiten. Hämmer . Die erstere Anordnung bewirkt hohen Hub und raschen Gang, doch ist der Zugang zum Amboß erschwert; beim Brusthammer wird durch die Hebe- wirkung der Hub größer, der Amboß ist zugänglicher, aber es darf kein zu schwerer Hammerkopf benützt werden. Die bequemste Anordnung ist die des Schwanz- hammers, doch wird hier der Stiel stark beansprucht. Es werden daher nur leichte Hämmer mit schnellen Schlägen als Schwanzhämmer construirt. Die Stielhämmer sind selbst aus den Puddelwerken noch nicht verdrängt worden und sie entsprechen auch völlig, wenn es sich nicht um Bearbeitung zu schwerer Luppen handelt. Zum Bearbeiten der großen Luppen, zum Schweißen schwerer Packete für die Blechherstellung, zum Dichten von Flußeisenblöcken und zur Erzeu- gung der ungeheueren Schmiedestücke, wie sie Maschinen- und Schiffbau der Gegen- wart erfordern, ist die Wirkung der Stielhämmer durchaus unzureichend. Es treten dann die Dampfhämmer an ihre Stelle. Anfangs der Vierzigerjahre hatten die Erbauer des später geheimnißvoll und spurlos verschwundenen großen Dampfschiffes »Präsident« bei der größten Schmiede- werkstatt Englands, zu Patrierost, Schmiedestücke von bis dahin unbekannten Dimen- sionen bestellt. Statt den Auftrag als unausführbar von der Hand zu weisen, hatte der Besitzer dieser Werkstatt, einer der genialsten Techniker, welchen die Industrie aufzuweisen hat — James Nasmyth — sich mit seinem nicht minder begabten Chef-Constructeur Wilson daran gemacht, eine Vorrichtung zu erdenken, durch welche die Ausführung des unerhörten und scheinbar unmöglichen Auftrages dennoch möglich gemacht würde. Sie machten sich an die Arbeit und führten sie nach Ueberwindung unglaublicher Schwierigkeiten zu Ende. ... So ward der Dampfhammer erfunden. James Nasmyth liebte es, sich den »ersten Schmied der Welt« zu nennen. Seine ganze Individualität entsprach dieser Bezeichnung. M. M. v. Weber er- zählt als eigenes Erlebniß den folgenden, für den selbstbewußten Engländer so charakteristischen Zwischenfall. Kaiser Nikolaus von Rußland bereiste damals England und äußerte den Wunsch, auch die Hammerwerke von Patrierost kennen zu lernen. ... Der eisen- köpfige, freiherzige Alt-Englands-Mann James Nasmyth hatte schon lange vorher widerwillig den Kopf geschüttelt und von »Bedientendienst beim moskowitischen Tyrannen« gesprochen, wenn von diesem Besuche die Rede war. Und er traute seinen Augen und Ohren nicht, als eines Sonntags Morgens ein Adjutant und Kammerherr des Kaisers vor die in tiefster englischer Sabbathruhe liegende Fabrik und sein Wohnhaus fuhr, sich durch einen vorausgeschickten Jäger laut als Fürst K ..... anmelden ließ, sporenklirrend zu ihm emporstieg, von einem Diener gefolgt ins Zimmer trat und den Besuch des Kaisers für den Nachmittag ankündigte. Dabei hatte der Hofmann erst beim Eintritte in das Haus die Cigarette weg- geworfen und die Atmosphäre derselben in Nasmyth 's Salon mitgebracht. Dem Meister war über alles dies schon der Kamm geschwollen und er hatte mit nur mühsam behaupteter Ruhe geäußert, daß ihm leid thue, wenn der Kaiser Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 7 Vierter Abschnitt. beim Besichtigen der Fabrik wenig Bemerkenswerthes sehen werde, denn sie stehe wegen des Sonntags still. ... Der Kammerherr hatte hierauf mit seinem, sardonischem Lächeln erwidert, es müsse doch ein Leichtes sein, sie auf einige Stunden in Gang zu setzen. Die Gnade seines Herrn, des Kaisers, sei dem Meister für diese Gefälligkeit gewiß. Während dieser Aeußerung hatte der vornehme Russe aus einer ihm von dem hinter ihm stehenden Diener präsentirten Bonbonni è re genascht und, die Absätze zusammenschlagend, mit den Sporen geklirrt. Da war dem Meister die Galle über- gelaufen. ... »Herr — hatte er ihn angeschrieen — die Gnade meines Herrgottes ist mir lieber als die Ihres Kaisers! Und wenn ich auch ein solcher Lump sein wollte, für ihn am Sonntage arbeiten zu lassen, so würden meine Leute keine solchen Lumpen sein, für ihn am Sonntage zu arbeiten.« Todtenbleich war der Höfling vor den dröhnenden Worten und funkelnden Augen des zornigen freien Mannes zurückgeprallt und hatte nur noch schüchtern die Frage gewagt: »Würden Sie und Ihre Leute denn auch für Ihre Königin nicht Sonntags arbeiten?« Worauf Nasmyth , bei dem angesichts des entsetzten Schranzen der Humor schon wieder das Uebergewicht gewann, erwiderte: »Vielleicht, weil sie eine hübsche, junge Frau ist — und Gott will, wie der Franzose sagt, was das Weib will. Aber ich bin gewiß, sie wird es nimmermehr wollen. ...« Und der Kaiser von Rußland hat die Riesenhämmer von Patricrost nicht gesehen. ... So weit M. M. v. Weber . Die Erfindung des Dampfhammers durch Nasmyth fällt in das Jahr 1842. Damals galt ein Bärgewicht von 10 Tonnen (200 Centner) als das Aeußerste des Erreichbaren. War doch ein solcher Hammer tausendmal schwerer als der, den ein Grobschmied zu schwingen im Stande war. A. Krupp aber — ein anderer großer »Schmied« — fand selbst jene Hämmer als zu schwach, um damit seine schweren Tiegelgußstahlblöcke zu schmieden. Krupp ging sofort mit der ihm eigenen Energie und Rastlosigkeit ans Werk, um einen Riesenhammer zu schaffen, der alles Aehnliche in den Schatten stellen sollte. Selbst Fachleute erklärten das Beginnen für Wahnsinn, nur Derjenige, der diesen »Wahnsinn« in sich trug, ließ nicht nach. Selbst des Nachts sprang er häufig aus dem Bette, um an den bereitstehenden Zeichenblock zu treten, zu rechnen und zu skizziren. ... Und die Idee wurde zur Wirklichkeit. Als zum ersten Male der 50 Tonnen (1000 Centner) schwere Hammer- bär niedersauste, sprangen die Zunächststehenden entsetzt zurück — nur Krupp blieb unbeweglich stehen, wie ein Soldat im Feuer. Mit dem Inslebentreten dieses Hammers, der 1‧8 Millionen Mark Kosten verursacht hatte, wurde die ganze Technologie in neue Bahnen gelenkt. Der Krupp 'sche 50 Tonnen-Hammer, der den Namen »Fritz« erhielt wurde zum Vorbilde aller späteren Constructionen dieser Art. Er war durch lange Jahre der größte der Welt und steht seit dem 16. September 1861 im Betrieb. Beim Dampfhammer geschieht das Aufheben des Bären durch gespannten Dampf, durch Vermittelung von Dampfcylinder und Kolben. Der Bär ist an der Formgebungsarbeiten. Kolbenstange des am Gerüste befestigten Cylinders angebracht. Selbstverständlich fehlt eine Führung in Coulissen und eine passende, theils automatisch, theils will- kürlich mit der Hand bewegte Steuerung nicht. Sie läßt den hochgespannten Dampf unter den Kolben einströmen, wodurch dieser sammt Kolbenstange, Fallgewicht und Hammer gehoben wird und herabfällt, sobald man dem Dampf im Cylinder den Ausweg ins Freie öffnet. Natürlich muß die Kolbenstange durch eine Stopfbüchse gehen, und macht man mitunter selbe so stark, daß sie selbst als Beschwerungs- gewicht dient und der Hammer unmittelbar an ihr befestigt ist. Um den Erschütte- rungen zu widerstehen, ist sie oft mit dem Kolben aus einem Stücke geschmiedet. Zur weiteren Verstärkung des Schlages kann man oberhalb des Kolbens ein Luftpolster anbringen, das beim Anheben comprimirt wird, oder auch Ober- dampf geben, d. h. während auf der einen Seite der Dampf entweicht, auf der anderen Seite den vollen Dampfdruck wirken lassen, wodurch eine ungemein ver- stärkte Kraftleistung erzielt wird. Setzt man hingegen Ober- und Unterseite mit- einander in Verbindung, so wird der Hammer mit seinem eigenen Gewicht herab- sinken, indem sich das Dampfvolumen von unten nach oben verschiebt. Strömt hierbei unten etwas frischer Dampf zu, so kann das Fallgewicht auch ganz in der Schwebe gehalten werden. Ueberhaupt ist es der größte Vorzug der Dampfhämmer, daß sie die weitesten Grenzen der Kraftwirkung in die Hand des Arbeiters geben, der mit seinem Dampfhammer ebenso leicht eine Nuß knacken kann, ohne den Kern zu verletzen, als er die schwersten Schmiedestücke mit wahrhaft zermalmender Kraft bearbeitet. Die Dampfhämmer erfordern eine außergewöhnlich starke Fundamentirung der Ambosse. Der einfachere Vorgang ist, daß man in eine ausgehobene Grube zu unterst eine starke Betonschicht herstellt und darauf mehrfach sich kreuzende Lagen von starken Eichenstämmen aufschichtet. Auf diese kommt ein schwerer Gußklotz (»Chabotte«) zu liegen. Seiner gewöhnlich außerordentlichen Dimensionen wegen, die ihn schwer transportirbar machen, wird er meist an Ort und Stelle gegossen. Auf die Chabotte endlich wir der Amboß gesetzt. Beim Krupp 'schen Hammer »Fritz« ruht haustief im Boden eine aus verschiedenen Platten aufgebaute Guß- eisenpyramide, welche das enorme Gewicht von 1500 Tonnen (30.000 Centner) hat. Diese Pyramide trägt auf ihrem Haupte in einem Schlitz den eigentlichen Amboßsattel von Gußstahl. Letzterer kann leicht ausgewechselt werden und erhält je nach der Gestalt des Schmiedestückes und der Arbeit eine besondere Form. Bei dem in Fig. 77 abgebildeten kolossalen Dampfhammer des Hütten- werkes Etainges , dessen Hammer ein Gewicht von 100 Tonnen hat, ist die Fundamentirung eine andere. In eine riesige Grube ist ein Mauerwerk im Gewichte von 760 Tonnen und 10‧8 Meter Höhe eingebettet; den Abschluß bildet eine mächtige Eisenplatte, auf welcher der Amboß ruht. ... Beiläufig bemerkt, ist die Kolbenstange, welche den Hammer trägt, nicht weniger als 37 Centimeter dick, und der Cylinder hat einen Durchmesser von 2 Meter. Die Fallhöhe mißt 7* Vierter Abschnitt. Fig. 77. Dampfhammer im Hüttenwerke von Etainges. Formgebungsarbeiten. 5‧6 Meter. Der Dampfhammer von Etainges ist der zweitgrößte der Welt: er wird nur vom Dampfhammer des Werkes zu Bethlehem , dessen Hammer 120 Tonnen wiegt, übertroffen. Die Hammergerüste, welche meist bogenartig über dem Amboß aufgebaut sind, werden in der Regel für sich fundirt. Die Zuführung und Bewegung der Fig. 78. Schmiedepresse in der Krupp 'schen Gußstahl-Fabrik zu Essen. (Nach dem Gemälde von A. Montan .) Schmiedestücke übernehmen Krahne. Beim Hammer »Fritz« sind es je zwei Dreh- krahne, vorn und hinten dicht vor dem Pfosten des Hammergerüstes, von denen zwei eine Last von 30 Tonnen, die beiden anderen sogar 50 Tonnen tragen können. Der große Krahn des Dampfhammers zu Etainges vermag eine Last von 180 Tonnen zu tragen. Er ist sonach das größte Hebewerk der Welt. Vierter Abschnitt. Trotz der unausgesetzten Vergrößerung, welche die Dampfhämmer erfahren, dürften sie schon jetzt an der Grenze der Leistungsfähigkeit angelangt sein. Ihre wuch- Fig. 79. Hydraulische Luppenpresse (Kalker Werkzeugmaschinen-Fabrik). tigen, die ganze Umge- bung weithin erschüttern- den Schläge wirken nur auf der Oberfläche der ungeheueren Gußstahl- blöcke. Die Folge davon ist, daß sich die großen Stahlwerke nach einem anderen, leistungsfähi- geren Hilfsmittel umsahen, und sie fanden dasselbe in der Schmiedepresse . Dieselben arbeiten mit dem enormen Druck von 5000 bis 12.000 Tonnen (und darüber), der selbst bei den größten Blöcken bis ins Innerste zu dringen vermag. Das Krupp 'sche Etablissement war eines der ersten, das eine Schmiedepresse größter Dimension in Betrieb setzte. Dieselbe wird — wie alle derartigen Pressen — hydraulisch betrieben, d. h. in der Weise, daß man Hochdruckwasser oben in einen Hohlcylinder treten läßt, wodurch der Kolben nach unten ge- drückt wird. Da der Kolben etwas über 1 Meter dick ist, muß bei der vorgesehenen Maximalpressung des Wassers von 600 Kilogramm pro Quadratcentimeter sich ein Druck von 5 Millionen Kilogramm (5000 Tonnen = 100.000 Centner) ergeben. Von der Größe dieser Kraft — bemerkt Professor Friedr. C. G. Müller — kann man sich schwer eine richtige Vorstellung machen; sie ver- möchte den Stamm einer zweihundertjährigen Eiche wie einen Bindfaden abzureißen. Formgebungsarbeiten. Das Bemerkenswerthe bei dieser Einrichtung ist die Schnelligkeit der Be- wegung. Angenommen, die Presse mache in der Minute nur 12 Hübe und drücke das Schmiedestück jedesmal um 5 Centimeter zusammen, so wäre dies eine Leistung gleich 666 Pferdestärken. Daraus läßt sich schließen, wie stark der Hohlcylinder und das Gerüste sein müssen, um diesen ungeheueren Druck auszuhalten. Sie be- stehen aus geschmiedetem Tiegelstahl: die Joche sind aus großen Stahlplatten mit Schrauben und Nieten zusammengefügt. Kolossal ist das in die Erde versenkte Rahmenwerk, das den Amboß trägt. Es ist berechnet worden, daß falls der obere Cylinderdeckel bräche, ein Auftrieb des Wassers sich ergeben würde, der — im luftleeren Raume gedacht — eine Fontaine ergäbe, deren Steighöhe die Höhe des Montblanc noch um tausend Meter überträfe! In jüngster Zeit hat sich, veranlaßt durch zwingende Verhältnisse, der Fall ergeben, auch die Luppenhämmer durch hydraulische Pressen zu ersetzen. Der erste Versuch dieser Art wurde auf dem Huldschinsky 'schen Hüttenwerke gemacht, und zwar mit einem Erfolg, welcher die gehegten Erwartungen weit übertraf. Der Gedanke, beim Puddeln an Stelle der Luppenhämmer anderer Vorrichtungen sich zu bedienen, ist nicht neu. Man kennt von früherher das sogenannte »Krokodill«, dessen Anwendung aber heute entschieden einen Rückschritt bedeuten würde. In Amerika steht vielfach die »Luppenmühle« in Gebrauch; sie besteht aus einer fest- stehenden Trommel, innerhalb welcher sich eine excentrisch gelagerte Walze dreht. Die Luppe wird hineingeworfen und etwa im halben Durchgang gequetscht. Dies geschieht aber nur mangelhaft, denn die Walze muß Hörner haben, um die Luppe herumreißen zu können. Dadurch wird diese zerrissen, an den Enden nicht gestaucht. Wir wissen schon von der Beschreibung des Puddelns her, daß ein plötzlicher Schlag den Eisenschwamm zerstückeln würde. Deshalb läßt man anfangs den Dampfhammer langsam auf den Ballen drücken, wodurch die Schlacke regelrecht ausfließt. Ist nun dieses langsame Drücken überhaupt von Vortheil, so ist nicht einzusehen, weshalb nicht eine entsprechend eingerichtete Presse die ganze Schweiß- arbeit übernehmen könnte. Das Problem ist in der That in der hydraulischen Luppenpresse , auf die weiter oben angespielt wurde, gelöst worden. Ihre An- ordnung ist aus der Figur 79 zu ersehen und bedarf keiner weiteren Erläuterung. Es sei nur erwähnt, daß sowohl für den Bär als für den Amboß eine besondere Wasserkühlung vorgesehen ist. Die Maschine macht 40 Hübe in der Minute und arbeitet äußerst exact. Es liegt auf der Hand, daß einer solchen Luppenpresse mancherlei Vorzüge gegenüber dem Hammer zukommen. Zunächst das gleichmäßige Arbeiten durch Druck statt durch Schlag; der Wegfall des schweren und kostspieligen Unterbaues, der Bodenerschütterungen und des Lärmes, der Schutzvorrichtungen für den Ar- beiter u. s. w. Die Luppenpresse kann unmittelbar an die Oefen und die Walzen- strecken herangestellt werden. Da die Schweißung durch Druck schneller von Statten geht, kommt die Luppe wärmer in die Walze, als bei der Bearbeitung durch den Vierter Abschnitt. Hammer. Schließlich ist die Presse auch ökonomischer und die Qualität der ge- puddelten Chargen ergiebt eine höhere Werthziffer, wie dies aus den interessanten Ausführungen Benedix Meyer's hervorgeht, unter dessen Verwaltung der Huld- schinsky'schen Hüttenwerke die erste hydraulische Luppenpresse daselbst aufgestellt wurde. Die Walzwerke. Wenn es sich darum handelt, viele gleichartig geformte Stücke herzustellen, beziehungsweise Blechen und Platten größter Dimension, denen mit dem Dampf- hammer nicht mehr beizukommen ist, eine gleichmäßige Gestalt zu geben, bedient man sich besonderer hüttentechnischer Anlagen, welche Walzwerke genannt werden. Das Princip derselben ist, daß zwei dicke gußeiserne Cylinder derart zwischen eisernen Rahmen (»Walzenständern«) angebracht sind, daß zwischen ihnen ein regulir- barer Zwischenraum frei bleibt, damit der zu walzende Gegenstand hindurchgezwängt (»gestochen«) werden kann. Die Walzen müssen also gegen einander laufen, um das Walzstück fassen zu können. Da hierzu mitunter ein bedeutender Kraftaufwand nothwendig ist, erhalten die Walzen ihre Bewegung durch kraftvolle Maschinen, bei denen noch überdies fallweise ein Schwungrad in Wirksamkeit tritt, wodurch beim Leergehen der Walzen eine Kraftaufspeicherung stattfindet. Jedes Walzenstück muß mehrmals die Walzen passiren, wobei der Abstand zwischen ihnen verkleinert wird. Da die Abkühlung des Walzenstückes rasch vor sich geht und bei öfterer Wiederholung des »Stiches« ein nochmaliges Erhitzen erforderlich wird, sind theils besondere Vorsichtsmaßregeln, theils besondere An- ordnungen der Walzwerke nothwendig. Ein größerer Block (oder Packet), der den Walzen zugebracht wird, hat zwar äußerlich eine leichte erstarrte Kruste, ist jedoch im Innern noch flüssig. Die Folge müßte nun die sein, daß durch den enormen Druck der flüssige Kern des Walzstückes ausspritzen und die beschäftigten Arbeiter schweren Gefahren aussetzen würde. Man bedient sich daher in solchen Fällen der zuerst durch den englischen Hüttenmann Gjers angewendeten »Wärmeausgleich- gruben« — im Boden der Hütte angebrachte und gut verschließbare Behälter mit Wänden aus feuerfesten Steinen, n welche die Walzstücke gebracht werden. Bei öfterer Wiederholung dieser Operation werden die Wände selbst hellroth glühend. Läßt man nun die Walzstücke einige Zeit (½ bis 2 Stunden) in den fraglichen Behältern, so findet zwischen der Kruste und dem Innern des Walzstückes ein Temperaturausgleich statt, welcher der Walzbarkeit keinen Eintrag thut, dagegen die vorstehend erwähnte Gefahr für die Walzer beseitigt. Hat das Walzenstück den ersten Stich durchgemacht und soll es ohne nennenswerthen Zeitverlust zum zweitenmale gestochen werden, so ist es klar, daß das Walzwerk zum Stillstand gebracht und den Walzen eine entgegengesetzte Be- wegung ertheilt werden muß. Es erfolgt also eine Umsteuerung, und solche Werke werden demgemäß Reversirwalzwerke (Umkehrwalzwerke) genannt. Bei ihnen ist Kalibrirtes Walzwerk (Königshütte, Preußisch-Schlesien). Formgebungsarbeiten. die Benützung eines Schwungrades ausgeschlossen. Reversirwerke sind überall dort im Gebrauch, wo es sich um besonders schwere Walzstücke handelt, die bei einer anderen Anordnung der Walzen — wie wir gleich sehen werden — gehoben werden. Diese Anordnung besteht in drei übereinanderstehenden Walzen, von welchen die untere nach auswärts, die mittlere nach einwärts, die obere wieder nach aus- wärts rotirt. Ist der erste Stich zwischen der unteren und mittleren Walze erfolgt, so wird das Walzstück, das auf ein Gitter mit Rollen aufläuft, durch hydraulische Kolben oder Dampfcylinder bis zur Höhe der Oberwalze gehoben. Sobald es einmal auf dieser aufruht, wird es durch die mittlere und obere Walze wieder auf die Vorderseite geführt, wo es ein analoges Gitter antrifft, das sich nur zu senken hat, um das Walzstück zu neuem Durchgange den Walzen darzubieten. Solche Werke werden Triolwalzwerke genannt und, da sie continuirlich laufen, ist die Anwendung eines Schwungrades von großem Vortheil. Werke mit glatten Walzen dienen selbstverständlich nur zum Bearbeiten der Bleche und Platten (z. B. Panzerplatten); sie werden demgemäß als Blech- oder Plattenwalzwerke bezeichnet. Die Werke für Panzerplatten sind die größten Con- structionen dieser Art. Das große Plattenwalzwerk des Krupp 'schen Etablissements beispielsweise ist eine zweicylindrige Reversirmaschine, welche nicht weniger als 3500 Pferdestärken leistet. Die Walzen bestehen aus geschmiedetem Tiegelgußstahl und wiegen, bei einer wirksamen Länge von 4 Metern, die Kleinigkeit von 90 Tonnen (1800 Centner). Rollbahnen führen auf jeder Seite die Platte selbst- thätig den Walzen zu. Bevor dieselbe die vorgeschriebene Dicke von 30 Centimetern erhält, muß sie mehr als hundertmal durch die Walzen hindurch. Bei dem hier (Fig. 80) abgebildeten Walzwerke des Hüttenwerkes zu Etainges wiegt jede Walze bei einem Durchmesser von 1 Meter und einer Länge von 3‧3 Meter 30 Tonnen. Sie können die größten Brammen bis zu einer Dicke von 1‧2 Meter walzen. An der Seite trägt dieses Werk zwei verticale Cylinder von 1‧3 Meter Höhe, welche nach Bedarf gestellt werden können, falls es nöthig sein sollte, die Platten auch an den Längsseiten einem entsprechenden Drucke zu unterziehen. Die beweglichen Zapfen der Walzen sind in senkrechte Schienen ein- gelassen und ruhen in besonderen Gehäusen. Die Abbildung zeigt verschiedene Kraftübertragungen, welche nach Bedarf die Auslösung der horizontalen und verti- calen Walzen vermitteln. Um zu verhüten, daß in Folge der Erhitzung die Walzen Dimensions- änderung erfahren, werden sie mit einem Wasserregen bespült; damit wird gleich- zeitig erreicht, daß der Glühspan auf dem Walzenstücke nicht so fest haftet. Das Wasser berührt nach Analogie des »Leidenfrost'schen Phänomens« das glühende Walzstück nicht; wenn es jedoch durch den Walzdruck dazu gezwungen wird, treten Detonationen wie von Pistolenschüssen auf. Um das Einwalzen des Hammer- schlages zu verhüten, werden die glühenden Walzstücke vor dem Einlassen mit Besen abgekehrt. Auch werden zur Beseitigung des Glühspans große Reisigbündel Vierter Abschnitt. auf die Platte geworfen, welche mit unter die Walzen kommen, wobei jedes Stäbchen wegen seines Wassergehaltes eine laute Explosion verursacht. Das giebt dann ein dem Gewehrfeuer ähnliches Geknatter; zugleich brechen große Flammen Fig. 80. Walzwerk im Hüttenwerke von Etainges. zwischen den Walzen hervor und glühende Kohlenstückchen, die zu Tausenden umherfliegen, bewirken ein förmliches Feuerwerk. Wie die Panzerplatten werden auch die anderen Blechsorten durch glatte Walzen erzeugt, welche durch zwei Schrauben, die in den Ständern auf die Achsen- Formgebungsarbeiten. lager der Oberwalze drücken, allmählich einander genähert werden. Indem beide Schrauben durch eine gemeinsame Transmission (z. B. eingreifende Wurmräder auf gemeinsamer Achse) gedreht werden, bleiben die Walzen parallel. Die Streckung erfolgt vorwaltend in der Längsrichtung, es müssen daher die Bleche oder Blech- packete bei jedem Stich um 90° gedreht werden, so daß das Stück einmal in der Längsrichtung, das andere Mal in der Breiterichtung passirt. Natürlich hat das ein Ende, wenn das Walzstück mit den Walzen gleiche Länge angenommen hat. Es wurde vorstehend flüchtig erwähnt, daß nicht nur einzelne Bleche, sondern ganze Blechpackete auf einmal gestochen werden. Das bedarf einer Erklärung. Werden nämlich Bleche sehr weit ausgestreckt, so ist die Abnahme von einem Stiche zum anderen sehr gering und die Anstellung der Walzen mittelst der Schrauben für ein Blech nicht mehr ausführbar. Dann »doppelt« man, d. h. man legt 2, 4, 8, auch 16 Bleche aufeinander und walzt sie gemeinschaftlich weiter aus. Fein- bleche, d. h. solche von weniger als 1 Millimeter Durchmesser, werden kalt gewalzt; um ihnen die dadurch erhaltene Härte und Sprödigkeit zu benehmen, werden sie hinterher unter Luftabschluß ausgeglüht. Die Vereinigung mehrerer, je ein Walzenpaar oder Walzentrio enthaltender Gerüste zu einem Ganzen wird Walzenstraße genannt. Man findet Constructionen, bei denen eine einzige Maschine alle Walzenstraßen durch Transmissionen betreibt. Bequemer ist es, wenn für jede Walzenstraße eine Maschine vorhanden ist. Meistens sind mehrere Walzen in der Längsrichtung gekuppelt, was durch gegossene Ueber- schiebmuffen, die über die kleeblattförmig gestalteten Enden der Walzen geschoben werden, geschieht. Gewöhnlich wird die untere Walzenreihe direct von der Maschine getrieben, während die oberen Walzen durch aufgeschobene Zahnräder mitgenommen werden. Beim Abdrehen der Blechwalzen muß auf den Parallelismus der Mantel- fläche mit der Achse geachtet werden, da sonst ungleich starkes Blech entstünde, was sich leicht nach der Seite verschiebt. Die Blechwalzen sind nicht die einzige Anordnung derartiger Werke. Um allseitig begrenzte Querschnittsformen, wie die der Stabeisensorten, der Baueisen, der Eisenbahnschienen u. s. w., herzustellen, bedarf man einer besonderen Einrichtung, der sogenannten calibrirten Walzen . Unter »Caliber« versteht man eine von beiden Walzenmänteln umschlossene Oeffnung, durch welche das Eisen, unter gleich- zeitiger Annahme ihrer Gestalt zur Querschnittsform, hindurchgezwängt wird. Die Caliber sind entweder halbirt, so daß in jeder Walze die Hälfte desselben aus- gespart ist, oder es greifen Leisten der einen Walze in Rinnen der anderen ein, oder es ist das ganze Caliber in die untere Walze verlegt und nach oben durch die glatte Oberwalze abgeschlossen. Nur in den seltensten Fällen ist es möglich, das geforderte Querschnitts- profil bei einem einzigen Passiren der Walzen zu erzielen. Man stuft daher die Caliber vom größten bis zum kleinsten, vom einfachsten bis zum complicirtesten — welche das Eisenstück alle nacheinander passiren muß — allmählich ab. Um Wal Vierter Abschnitt. Fig. 81 Röhrenwalzwerk in der Laurahütte (Preußisch-Schlesien). Blechwalzwerk in der Königshütte (Preußisch-Schlesien). Formgebungsarbeiten. nähte zu vermeiden, wird das Walzstück nach jedem Durchgange um 90° gewendet. Das letzte Caliber wird das »Fertigcaliber« genannt. Die Verschiedenheit der Walzenwirkung in Punkten mit verschiedenem Abstande von der Walzenachse (also in den einzelnen Theilen eines Calibers) erschwert die Herstellung complicirter Querschnittsformen außerordentlich. Dadurch ist das Calibriren der Walzen zu einer Kunst geworden, welche auf vielseitiger Beobachtung und reicher Erfahrung beruht und auf den großen Walzwerken mit großer Geheimthuerei gepflegt wird. Die Zahl der Caliber, welche ein Walzenpaar aufweist, reicht in der Regel nicht aus, um ein bestimmtes Erzeugniß fertigzustellen. Die Walzenstraße setzt sich dann aus zwei oder drei Gerüsten zusammen. Bei den Drahtwalzwerken ist dies anders. Da ein sehr dünn zu walzender Draht seiner enormen Länge wegen — vom Vorwalzen abgesehen — nicht öfter als zweimal gestochen werden kann, ohne zu erkalten, so erhält diesfalls jedes Walzenpaar nur zwei Caliber. Außerdem er- fordert die Arbeit eine besondere Hantirung, welche darin besteht, daß der Walzer sich an der Verbindungsstelle zweier Gerüste (bei der Kuppelung) aufstellt, das aus dem voranstehenden Caliber herauskommende Drahtende mit der Zange erfaßt, eine rasche Wendung vollführt und jenes Ende in der verkehrten Richtung in das erste Caliber des nächsten Walzenpaares sticht. In ähnlicher Weise verfährt der dem ersten Walzer benachbarte zweite Walzer u. s. f. Drahtwalzwerke haben daher sehr lange Straßen (7 bis 8, mit der Vorwalze um 2 mehr) und große Umdrehungs- geschwindigkeit, weshalb man sie auch »Schnellwalzen« nennt. Die Drähte winden sich gleich glühenden Schlangen hin und zurück durch die Walzenpaare, was einen außergewöhnlich effectvollen Anblick darbietet. Es sei hier eingeschaltet, daß das sogenannte Drahtziehen zwar kein Walz- verfahren ist, in der Praxis jedoch sich an letzteres anschließt. Eigentlich auch vom theoretischen Standpunkte; denn der Unterschied besteht im Wesentlichen nur darin, daß beim Walzen die Fortbewegung des zu formenden Stückes durch die Adhäsion an die Walzen, beim Drahtziehen durch das Fortziehen von einem besonderen Mechanismus aus bewirkt wird, während der formende Theil — das Zieheisen — festgehalten wird. Dem Walzen in der Wärme steht ferner das Drahtziehen in der Kälte gegenüber. Bei der langsamen Bewegung und den geringen Dimensionen der Drähte wäre eine heiße Behandlung unmöglich. Da indessen das Metall durch die gewaltsame Verschiebung der Molecüle unter Druck bald steif und schließlich spröde wird, tritt dafür von Zeit zu Zeit das Weichmachen durch Ausglühen als Ersatz ein. Der Vorgang beim Drahtziehen ist der folgende: Es wird zunächst ein runder, dünner Metallstab durch Walzen vorgerichtet, das Ende mit der Feile zugespitzt und durch das weiteste Loch der Zieheisen durchgeschoben. Letztere ist eine 1 bis 3 Cm. dicke, gegen eine Gabel sich lehnende stählerne Platte von rechteckiger Form. In ihr befinden sich trichterförmig gestaltete, in Reihen über- und nebeneinander angeordnete Löcher, welche durch ein entsprechendes Verfahren besonders hart und Vierter Abschnitt. widerstandsfähig gemacht werden. Dennoch ist nicht zu verhüten, daß die feinsten Löcher des Zieheisens sich mit der Zeit etwas erweitern. Sie werden durch Klopfen wieder verengt. Außerdem benützt man Schmiermittel, indem man den Draht vor dem Zieheisen über einen mit Oel befeuchteten Lappen leitet, oder an das Eisen einen Talgklumpen anklebt. Bei Eisendrähten wird auch das Durchführen durch eine schwach angesäuerte Kupfervitriollösung mitunter angewendet. In diesem Falle schlägt sich durch galvanische Action eine äußerst dünne Kupferschicht auf dem Drahte nieder, die als weiches Metall das Ziehloch intact läßt. Der aus dem ersten (weitesten) Ziehloche heraustretende Draht wird von einer Zange gepackt und eine Strecke weit gezogen, worauf letztere ausläßt, vor- rückt und den Draht neuerdings faßt. Bei den sogenannten »Wolfszangen« ist die zurückgelegte Strecke kurz, bei den Stoßzangen oft bis 20 Meter lang. Beide Vor- richtungen bedürfen einer Führung in horizontaler Richtung, damit der Draht senkrecht auf das Zieheisen bewegt werde. Bei den Wolfszangen erfolgt die Bewe- gung durch Zugstange und Kurbel (auch mittelst Zahnstange und Rad), bei den Stoßzangen durch eine um einen feststehenden Haspel sich aufwindende Kette. Bei der Bewegung stößt die Zange an einen Aufhalter an, worauf sie den Draht los- läßt, mit geöffnetem Maul gegen das Zieheisen vorrückt und den Draht wieder festnimmt. Die Schleppzange erfordert mehr Raum als die Stoßzange, vermindert dagegen die Zangenbisse, welche stets schwache Punkte des Drahtes bleiben und bei den nachfolgenden Zügen das Aussehen des Drahtes beeinträchtigen. Drähte, welche schon genügende Biegsamkeit besitzen, werden meist mittelst der »Leier« fort- gezogen, d. h. durch einen aufrechtstehenden Haspel, an welchem der Draht durch Einstecken in ein enges Bohrloch oder mittelst einer kleinen, an einem Kettchen hängenden Zange befestigt und durch ein eingreifendes Zahnrad in langsame Umdrehung versetzt wird, wobei sich der Draht allmählich aufwindet. Die Weite der aufeinanderfolgenden Ziehlöcher muß — gleich den Calibern bei den Walzen — in bestimmten Verhältnissen abnehmen, da andernfalls, d. h. wenn der Uebergang zu groß wäre, der Draht reißen müßte. Weiche und feste Metalle erlauben die rascheste Verdünnung, wobei eine relativ geringe Volumen- veränderung stattfindet, da die Veränderung des Querschnittes vorzugsweise durch die Streckung compensirt und eine Verdichtung nur in geringem Maße eintritt. Manche Drähte (z. B. Claviersaiten) erfordern, daß die ihnen durch das Ziehen zugekommene Elasticität beibehalten werde, was durch sehr langsame Verdünnung und Umgehung des Ausglühens erreicht wird. Sonst wird das letztere in der Weise bewerkstelligt, daß die Drahtringe in mit Deckeln verschließbare Gußeisen- cylinder gebracht, diese in einen Flammofen geschoben und in mäßige Roth- gluth versetzt werden. Einen besonderen, sehr ausgebreiteten Zweig der Walztechnik bildet die Röhrenfabrikation. Schmiedeeiserne Röhren von 35 Cm. und mehr Durchmesser werden aus dicken Blöcken durch Schweißen mit dem Hammer hergestellt. Ist ein Formgebungsarbeiten. kleinerer Durchmesser (bis zu 3 Cm.) erforderlich, so erfolgt die Erzeugung solcher Röhren durch Aneinanderschweißen der Blechkanten auf der Ziehbank. Je mehr nun bei diesem Verfahren die Wandstärke abnimmt und je weiter die Ansprüche bezüg- lich der Festigkeit der Schweißfuge gehen, desto unverläßlicher wird das Ergebniß. Ein Schweißen mit dem Hammer würde zwar den durch das Verfahren auf der Ziehbank sich ergebenden Mangel zu compensiren geeignet sein, doch wird dies bei geringen Wandstärken unmöglich. In diesem Falle übernimmt das Röhrenwalzwerk die Arbeit. Sie erfolgt in der Weise, daß flache, starke Stäbe (»Platinen«), an ihren Längsrändern zuge- schrägt, in einem Ofen glühend gemacht, vorgerundet, wieder erhitzt und durch eine Ziehdütte vollends übereinander gerollt werden, wobei sich die zugeschrägten Seiten überlappen und eine breite Schweißfuge bilden. Nachdem man die so vorbereiteten Stücke in Schweißhitze gebracht hat, gelangen sie ins Walzwerk, dessen Walzen die Gestalt von Scheiben mit halbkreisförmiger Furche am Umfange haben und zu- sammen ein kreisrundes Caliber umschließen, welches das Rohr passiren muß. Nun liegt es auf der Hand, daß ohne weitere Einrichtung die Rohrwan- dung eingedrückt würde. Man läßt daher entweder einen Dorn gleichzeitig mit dem Rohre durch die Walze gehen, oder bringt denselben in einem Gerüste hinter den Walzen derart an, daß er in das Caliber hineinragt und das Rohr sich auf den Dorn aufschiebt. Durch den Dorn wird — bei großer Umdrehungsgeschwin- digkeit der Walzen — eine vollkommen dichte Schweißnaht hergestellt, vornehmlich durch die successive Anwendung immer dickerer Dorne. Den im Vorhinein genau gegebenen Durchmesser erhält man durch nachträgliches mehrmaliges Ziehen. Schließlich werden die Röhren von dem ihnen anhaftenden Glühspan gereinigt, abgeschnitten und unter hohem Wasserdruck auf die Dichtigkeit der Schweiß- fuge geprüft. In den letzten Jahren ist in der Technik der Walzröhren ein neues Ver- fahren aufgetaucht, deren Urheber die Firma Mannesmann in Remscheid ist. Nach Ueberwindung unzähliger Schwierigkeiten gelang es den Erfindern, Röhren aus dem vollen Block, ohne Naht , zu walzen, welche fünf bis sechsmal haltbarer sind als die geschweißten. Das Verfahren besteht darin, daß ein glühender Metall- stab in ähnlicher Weise bearbeitet wird, wie dies die Spinnmaschine mit dem Gespinnstfaden bewerkstelligt, d. h. der Stab wird derart verdreht, daß sich dessen Fasern kreuzen, fast wie in einem Gewebe. Diese Faserlage ist es, im Vereine mit dem Wegfall der Naht, welche den neuen Röhren eine so erstaunliche Festig- keit verleiht. Dies geschieht wie folgt: Zieht man einen Metallstab durch ein Walzenpaar, wobei der Stab ungehindert durchgeht, so erhält man ein Arbeitsstück, dessen Querschnitt dem des lichten Raumes zwischen den Walzen genau entspricht. Ganz anders bei dem Mannesmann 'schen Verfahren. Bei demselben werden Walzen von kesselförmiger Gestalt, die überdies etwas schräg gestellt und mit Nuthen ver- Vierter Abschnitt. sehen sind, verwendet. An der Stelle, wo der Stab in das Walzwerk eintritt, haben die Walzen eine geringere Geschwindigkeit als an der Austrittsstelle. Hieraus folgt, daß die an der Eintrittsstelle zugeführte Metallmenge nie ausreicht, um den dar- gebotenen Querschnitt an der Austrittsstelle auszufüllen. So muß, bei der rasend schnellen Drehung des Arbeitsstückes, nothwendigerweise ein ringförmiger Quer- schnitt entstehen, welche Bildung noch durch einen Dorn, der auf den Stab auf- haltend wirkt, unterstützt werden kann. Dies war das Vorstadium des Mannesmann 'schen Verfahrens, das übrigens in gewissen Fällen Anwendung findet. In der weiteren Entwickelung wurde eine Anordnung getroffen, durch welche (Fig. 82) im Gegensatze zu dem Vorgebrachten Fig. 82. Mannesmann-Walzverfahren. die Austrittsstelle für das Walzstück enger ist als die Eintrittsstelle, und es wird die Bildung einer röhrenförmigen Aushöhlung dadurch erzielt, daß die beiden Walzen noch stärker konisch sind. An den mit Pfeilen bezeichneten Stellen haben sie einen doppelt so großen Durchmesser als am anderen Ende und es besitzen in Folge dessen diese Stellen eine doppelt so große Umdrehungsgeschwindigkeit. Da nun das Walzstück die Bewegung mitmachen muß, so entsteht vermöge der Schleuderkraft in demselben ein hohler Raum. Ferner sind die Walzen, wie aus der Schnittfläche der Wellen ersichtlich, etwas schräg gestellt. Dies bewirkt die erwähnte spiralförmige Lage der Metallfasern, welche zur Erhöhung der Festigkeit der Röhren so wesentlich beiträgt. So weit das eigentliche Walzverfahren. Wir wollen nun auf die dazu er- forderliche eigenartige Maschinerie einen Blick werfen. Die Herstellung einer Röhre beansprucht, bei dem rasenden Lauf der Walzen, nur etwa 30 Secunden. Dann tritt eine Pause ein, welche mit der Entfernung der fertigen Röhre und der Zu- führung eines neuen Stabes ausgefüllt wird. Andererseits beansprucht es, wie be- greiflich, keine geringe Kraft, einem Metallstab — nach dem treffenden Ausdruck des Professors Rouleaux — gleichsam die Haut über den Kopf zu ziehen. Je nach dem Umfange des Arbeitsstückes sind hierzu 2000—7000 Pferdekräfte erforderlich. Eine Dampfmaschine von solcher Stärke, die nur zu je 30 Secunden arbeitet und dann aussetzt, wäre nun höchst unökonomisch und würde das Verfahren erheblich vertheuern. Um hier Abhilfe zu schaffen, wurden Dampfmotoren von 400 Pferde- stärken verwendet und die Kraft während der Pausen in einem Schwungrade auf- gespeichert, dessen Umfangsgeschwindigkeit auf 100 Meter in der Secunde gesteigert wird, während man es bisher nur auf 40 Meter brachte. Da aber ein gewöhn- Formgebungsarbeiten. liches Schwungrad bei so enormer Umdrehungsgeschwindigkeit unfehlbar zerspringen würde, umwickelten die Erfinder dasselbe mit 40.000 Kilogramm Stahldraht. Dadurch erhielt es eine solche Festigkeit, daß die Schleuderkraft ihm nichts mehr anhaben Fig. 83. Mannesmann'sche Fabrikate. konnte. ... Unter den nach dem Mannesmann 'schen Principe eingerichteten Walz- werken ist jenes in Llandore (Mannesmann Ticke Co.), welches aus den alten Siemens 'schen Llandore Steel Works hervorging, das hervorragendste. Die erste Anwendung, welche das Verfahren fand, betrifft die sogenannten »Kohlensäureflaschen«. Bekanntlich haben die durch flüssige Kohlensäure betriebenen Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 8 Vierter Abschnitt. Bierdruck-Apparate eine große Verbreitung gefunden. Gespeist wurden sie aus eisernen Flaschen, welche von den Unternehmern der Kundschaft regelmäßig zugesandt, und dieser, nach erfolgter Entleerung wieder zurückgeschickt wurden. Diese Flaschen sind Fig. 84. Mannesmann'sche Fabrikate. einem bedeutenden Drucke gewachsen; gleichwohl bleiben die Schweißstellen immer gefährliche Punkte. Diese Gefahr beseitigen die Mannesmann 'schen Flaschen, da die Böden und die Wandungen aus einem Stücke hergestellt sind. Die Flaschen sind auf 500 Atmosphären geprüft, ließen sich aber leicht auf den fast unfaßbaren Druck von 1000 Atmosphären einrichten. Formgebungsarbeiten. Von den hier abgebildeten Proben Mannesmann 'scher Fabrikate sind be- sonders die in den verschiedensten Formen gebogenen Röhren, welche durch diese Procedur nicht das Fig. 85 bis 88. Klatte'sche Walzketten. Geringste an ihrer Haltbarkeit eingebüßt haben, von Interesse. Die Darstellungen zeigen, daß man die Röhren abplatten, daß man sie in jeder Weise mit dem Hammer be- arbeiten, ja sogar pfropfzieherartig ver- drehen kann. In Figur 84 ist eine hohle Eisen- bahnachse, in Fig. 83 sind Röhren aller Größen zu sehen. Schließlich müssen wir an dieser Stelle auch noch das Klatte - sche Kettenwalzver- fahren mit einigen Worten berühren. Das- selbe besteht in einer eigenartigen Auswal- zung von kreuz- be- ziehungsweise kleeblatt- förmigen Stäben zu Kettengliedern, bei deren Herstellung gleichzeitig die ganze Kette gebildet wird, wodurch man das Zu- sammenschweißen der einzelnen Kettenglieder erspart. Die Vortheile des Verfahrens liegen auf der Hand: erstens vereinfacht es sehr die Herstellung von Ketten überhaupt, und zweitens liegt es in der Natur der Sache, daß einem homogenen Kettengliede eine größere Widerstands- 8* Vierter Abschnitt. Fig. 89. Klatte'sche Walzkette. kraft zukommt, als einem ge- schweißten. Aus den hier stehenden Fi- guren 85 bis 89 sind einige Sta- dien zu ersehen, wie sich aus Fig. 90 bis 98. Ketten aus einem Stabe. einem Kreuzstabe durch eine Reihe von Operationen nach und nach die Kettenglieder bilden, beziehungs- weise die ganze herzustellende Kette als Endresultat sich ergiebt. Eigenartig ist dasWalzwerk, das diese Arbeit verrichtet, doch müssen wir der vielen fachtechnischen Details wegen, die hier in Be- tracht kommen, von dessen Erläuterung absehen. Von den Abbildungen zeigt Fig. 85 den aus dem Kreuzstabe hergestellten Kettenstab, Fig. 86 den völlig ausgestanzten Kettenstab, Fig. 87 die sogenannte »rauhe Kette«, welche durch Abdrücken je eines Gliedes zwischen zwei Cylindern hergestellt wird. Fig. 88 zeigt das Stadium, bei welchem durch Pressen der einzelnen Glieder an den Verbundstellen im raschwarmen Zustande in einer Operation eine Fortschiebung des Ringbartes in horizontaler Richtung bewerk- stelligt ist. In Fig. 89 endlich ist die Kette zu sehen, welche von ihren in der vorhergegangenen Operation erzeugten verschobenen Bärten durch Abscharren befreit ist. Die weiteren (hier nicht abgebildeten) Operationen dienen dazu, die von der mehr runden Walzform aus hergestellte Kette langgliedrig zu gestalten und sie dann gewunden fertigzustellen. Dem Klatte 'schen Walzketten-Verfahren ging übrigens ein in England aufgekommenes Ver- fahren voraus, durch welches Stahlketten ohne Schweißnähte aus einem Stahlstabe von kreuz- förmigem Querschnitte hergestellt werden, und zwar in der Weise, daß durch Bohren, Stanzen und Pressen die einzelnen Kettenglieder aus dem Formgebungsarbeiten. kreuzförmigen Stabe sich entwickeln. Die Figuren 90 bis 98 zeigen die Stadien der einzelnen Operationen. Die Stange wird zuerst durchbohrt (1) und wird dann auf einem Stanzwerke in die Rohform (2) gebracht. Hierauf werden die flachgedrückten Glieder ausgestanzt (3) und Fig. 99 bis 102. Pressen von Hohlkugeln aus Stahl. unter der Presse abgerundet (4). Die einzelnen Glieder hängen noch zusammen (5) und müssen durch nochmaliges Stanzen von einander getrennt werden. Die weitere Behandlung besteht in den Vollendungsarbeiten, der Entfernung des Grates, dem Abrunden und dem Biegen in die längliche Form (6—9). Sollen lange Ketten herge- stellt werden, d. h. längere als die verwendeten Stahlstücke ge- statten, dann werden mehrere der letzteren durch eingesetzte Nothglieder miteinander ver- bunden. Die auf solche Weise hergestellten Ketten hatten nur etwa zwei Drittel des Gewichtes der nach dem alten Verfahren erzeugten Ketten. Man könnte geneigt sein, den nach dem be- schriebenen Verfahren ent- standenen Kettengliedern aus dem Grunde wenig Festigkeit zuzutrauen, weil die Faser bei gewalzten Stäben vorwiegend nach einer, und zwar nach der Achsenrichtung des Stabes ent- wickelt wird, während quer zu dieser Richtung die Festigkeit erheblich geringer ist. Dem- gemäß müßten auch an zwei Stellen der Kettenglieder die Fasern quer zur Kraftbeanspruchung stehen und zwei ent- sprechend schwache Stellen sich vorfinden. Indeß scheint die Art der Behandlung einen so günstigen Einfluß auf die Festigkeit der Ketten zu üben, daß obiges Bedenken gegenstandslos wird. Vierter Abschnitt. Gleichfalls auf einer Druckoperation durch Pressen, ohne Anwendung des Walzens, beruht die Herstellung von Hohlkugeln aus Stahlblech, welches Ver- fahren wir hier einschalten wollen. Die Fig. 99 bis 102 veranschaulichen die einzelnen Stadien des Verfahrens. Es wird zunächst (1) eine runde Scheibe aus Stahlblech von bestimmtem Durchmesser in kaltem Zustande durch einen cylindrischen, unten von einer Halbkugel begrenzten Kolben in eine entsprechende Form (a) gedrückt. Das Stück wird hierauf ausgehoben und nach Aufsetzen einer cylindrischen Form (2 b ) wieder durch einen Kolben gepreßt, wodurch sich ein unten in eine Halbkugel endigender kurzer Cylinder ergiebt. Dieser wird sodann am oberen, offenen Ende beschnitten, wodurch er eine ebene, zur Cylinderachse senkrechte Endfläche erhält, endlich umgekehrt, in die gleiche Form gebracht, durch einen halbkugelartig aus- gehöhlten Kolben (3 S ) niedergedrückt. Hierbei staucht sich der untere Rand des Cylinders und es entsteht durch wiederholte Einwirkung des Kolbens die voll- ständige Kugel (4), welche unten eine Oeffnung von 15 bis 20 Millimeter Durch- messer besitzt. Das Drücken muß allmählich erfolgen und das Arbeitsstück wiederholt aus- geglüht werden, damit es die durch das Pressen hervorgerufene Sprödigkeit verliert und die Bildung von Falten verhütet wird. Die Kugeln fallen völlig rund, glatt und dicht aus. Sie können bei entsprechendem Verschluß als Behälter für Queck- silber, flüssige Kohlensäure und Expansivstoffe verwendet werden. Fünfter Abschnitt. Die Prüfung des Eisens. I m Eisenhüttenwesen spielt die Prüfung des durch die verschiedensten metal- lurgischen Processe gewonnenen Materiales eine hervorragende Stelle. Man möchte es einen beständigen Kampf nennen, den Producent und Consument miteinander auszufechten haben. Der Abnehmer stellt seine Bedingungen, welchen der Hüttenmann zu entsprechen hat, will er sich nicht der Gefahr aussetzen, seine Erzeugnisse zurückgewiesen zu sehen. Auf den ersten Blick scheint hier ein Gegensatz — vorausgesetzt, daß gewissenhaft vorgegangen wurde — nicht gut denkbar. Und dennoch ist dem so, denn trotz des gleichen Erzeugungsprocesses und der gleichen Behandlung sind Verschiedenartigkeiten unausbleiblich. Gleichwohl können die aus einem Hüttenwerke hervorgegangenen scheinbar schlechtesten Erzeugnisse die an sie gestellten Bedingungen erfüllen. Einzelne Proben lassen nämlich kein maßgebendes Urtheil zu. Sie können, vom Erzeuger angestellt, gut ausfallen, um hinterher, mit den vom Abnehmer ausgewählten Stücken, zu mißglücken. Kein Wunder also, daß der Hüttenmann nach dieser Richtung von vielerlei Sorgen geplagt wird und sich der größten Exactheiten befleißigen muß. Er hat zunächst auf die Wahl des Materiales zu achten und, falls dieses den gestellten Erwartungen nicht entspricht, zu untersuchen, ob nicht eine fehlerhafte Behandlung die Ursache des Mißerfolges ist. Die Mittel hierzu sind reichlich gegeben und ge- statten — dank der Entwickelung, welche einerseits die chemische Analyse, andererseits die Feinmechanik in der Herstellung passender Maschinen für die Prüfung der physikalischen Eigenschaften des Eisens genommen — eine vielfache Anwendung. Bezüglich der chemischen Analyse haben wir mancherlei bereits in den vorangegangenen Abschnitten erfahren. Wir haben kennen gelernt, daß in der Unterscheidung der Eisensorten im Allgemeinen (vom Roheisen bis zum Schmiede- eisen) das entscheidende Moment im Gehalte der Masse an Kohlenstoff liegt, und daß dieses percentuale Verhältniß auch im engeren Bereiche der Stahlproduction von Bedeutung ist. Jedem Verwendungszwecke entspricht erfahrungsmäßig ein be- Fünfter Abschnitt. stimmter Kohlungsgrad des Stahles am besten. So enthalten beispielsweise die Feile und der Drehmeißel etwa ein ganzes, das Messer ein halbes, die Eisenbahn- schiene ein Viertel Procent Kohlenstoff u. s. w. Zu dem Kohlenstoff treten noch verschiedene andere Grundstoffe: Silicium, Phosphor, Schwefel, Mangan u. s. w., welche die metallurgischen Processe außer- ordentlich verwickelt gestalten. Aber die Metallurgie hat die lange gegangenen Wege des Empirismus den Rücken gekehrt und sich durchaus auf wissenschaftlichen Boden gestellt, indem sie nunmehr nach den Regeln der Chemie und Molecularphysik arbeitet. Daher die große Rolle, welche in den Hüttenwerken die chemischen Labora- torien und die maschinellen Einrichtungen für mechanische Proben spielen, und daher auch in logischer Consequenz die große Solidität der hüttenmännischen Betriebe aller Art, welche umsomehr eine Lebensfrage ist, als bei dem ungeheueren Auf- schwunge der Production das Moment des Wettbewerbes umso einschneidender in den Vordergrund tritt. Die chemische Analyse ist von großer Wichtigkeit, aber sie ist für das End- product durchaus nicht maßgebend. Sie giebt es uns in die Hand, daß beispiels- weise ein Phosphorgehalt von 0‧1 Procent das betreffende Material nicht einmal für eine Eisenbahnschiene geeignet macht, daß man mit 2 bis 3 Procent Mangan im schmiedebaren Eisen weiterhin nichts anfangen kann u. dgl. m. Aber im Uebrigen ist die Analyse nur für die Beurtheilung im Großen brauchbar, wogegen feine Unterschiede in den physikalischen Eigenschaften des Eisens (und Stahles) sich nach ihr weder ableiten, noch nach ihr beurtheilen lassen. Denn es ist eine häufige Erscheinung, daß zwei Eisenarten von vollkommen gleicher chemischer Zusammen- setzung ein völlig verschiedenes physikalisches Verhalten zeigen. Man wird nun fragen, woran das liegt. Die Antwort geht dahin, daß die zur Erzeugung einer bestimmten Eisensorte nothwendigen Elemente zwar vorhanden sein können, daß sie aber im Verlaufe der Processe durch äußere Umstände, durch die Art und Weise der Abkühlung, oder auf dem Wege der weiteren Bearbeitungs- methode (entweder durch Schlag oder durch Druck) eine Veränderung in ihrer Gruppirung erfahren haben. Man erinnere sich nur an das weiter oben Mitgetheilte (S. 89) bezüglich der Aussaigerung im Flußeisen beim Coquillenguß, um den Sachverhalt zu verstehen. Läßt also die chemische Analyse kein Endurtheil über die Qualität einer Eisen- oder Stahlsorte zu, so sollte dies folgerichtig bezüglich des Aussehens der Bruch- flächen der Fall sein. Damit verhält es sich so. Das Eisen hat ein krystallinisches Gefüge und bezeichnet man in der Metallurgie die unausgebildeten Krystalle als » Körner «, wenn sie rund, als » Sehne «, wenn sie länglich gestreckt sind. Sowie das Wort »Kohlenstoff« auf Stahlwerken beständig durch die Luft schwirrt — so daß nach der Bemerkung eines geistreichen Fachmannes »der Grundstoff Eisen gar nicht vorhanden zu sein scheint« — so führt der Hüttenmann bezüglich des fertigen Materiales fort und fort die Bezeichnungen »Korn« und »Sehne« im Munde. Die Prüfung des Eisens. Und was entscheiden diese Unterschiede, wird man fragen? Roheisen hat immer ein grobkrystallinisches Gefüge. Ist es von dunkler Farbe (Graueisen), so deutet dies auf hohen Siliciumgehalt und damit zeigt sich der Eisengießer zumeist befriedigt. Er glaubt, es unbedingt dem feiner gekörnten, helleren Material vorziehen zu sollen. Aehnlich verhält es sich mit dem Puddel- und Spiegeleisen, bei denen der Mangel beziehungsweise das Vorhandensein eines krystallinischen Gefüges, die Größe der Krystallflächen u. s. w. bestimmte Schlußfolgerungen gestattet. Es können aber hierbei bedenkliche Täuschungen unterlaufen, da rein äußerliche Kennzeichen zur Fällung eines diesbezüglichen Urtheiles nicht ausreichen und man der Mithilfe der chemischen Analyse bedarf. Wie weit deren Anwendbarkeit reicht, haben wir bereits vernommen. Beim Roheisen thut sie in der Regel ihre Schuldigkeit. Beim Schmiedeeisen ist dies schon bedeutend schwieriger, weil dessen Zusammensetzung das Aussehen kaum beeinflußt. Die Tauglichkeit für bestimmte Zwecke hängt aber von ebenso bestimmten Eigen- schaften ab, die zusammengesetzten Eisensorten in sehr verschiedenem Grade zukommen. Die Analyse kann diesfalls zwar feststellen, ob das betreffende Material für be- stimmte Zwecke verwendbar ist, nicht aber ob dem der Zusammensetzung nach nicht zu verwerfenden Materiale auch thatsächlich die von demselben geforderten Eigen- schaften zukommen. Früher konnte man beispielsweise Schmiedeeisen von Stahl durch das Bruchaussehen unterscheiden, da beide durch Schweißen gewonnen wurden. Heute, wo das Flußeisen eine so große Rolle spielt, weiß man, daß letzteres die körnige Structur des Stahles hat, während Schmiedeeisen ein sehniges Gefüge aufweist. Vollends im Stiche läßt uns die Analyse bei der Prüfung auf Schmiedbarkeit, Schweißbarkeit, Zähigkeit in kaltem und warmem Zustande und alle anderen Eigenschaften, die sich ausschließlich nur auf mechanischem Wege constatiren lassen. Bei Beurtheilung der Bruchflächen ging man früher ganz empirisch vor und begnügte sich mit den durch die Erfahrung gewonnenen Kennzeichen. Später griff man zu Loupe und Mikroskop , aber mit der Vergrößerung der Flächen ver- größerten sich auch die Tiefen und es war daher nicht viel gewonnen. Erst als man sich nicht mit dem Bruche begnügte, sondern an deren Stelle Schnitte treten ließ, die zudem blank geschliffen und sodann geätzt wurden, war der Mikroskopie auf metallurgischem Felde ein neues Arbeitsgebiet eröffnet. Der Engländer Scorby war der Erste, welcher dieses Verfahren einschlug (1864). Wesentlich verbessert wurde dasselbe durch Martens , der die Schliffe vor dem Aetzen mehr oder weniger stark erwärmte, wodurch Oxydationsprocesse begünstigt wurden, deren Bedeutung für die Untersuchung vornehmlich darin lag, daß sich ein buntfarbiger Ueberzug ergab. Was nun ergab dieses Verfahren in fundamentaler Beziehung? Es ergab, daß von dem Agglomerat verschiedener Körper, aus denen das technisch verwerthete Eisen sich zusammensetzt, vornehmlich zwei Bestandtheile in deutlichen Umrissen hervortreten: ein krystallinischer Bestandtheil — Krystalleisen — und ein diesen letzteren umgebender nicht krystallinischer Bestandtheil — Homogeneisen . ... Diese Fünfter Abschnitt. Methode mußte an Werth gewinnen, wenn sie nicht einzig nur auf den Beob- achtungen eines Einzelnen (am Mikroskop) fußte, sondern die Möglichkeit bot, durch naturgetreue Festhaltung im Bilde, beziehungsweise durch Vervielfältigung der ge- wonnenen Bilder, die Handhabe für weitere Studien darzubieten. Dies gelang durch das auch auf anderen Gebieten der Forschung so bewährte Hilfsmittel der Mikrophotographie , welche zuerst von Dr. Medding (Berlin) Fig. 103. Spiegeleisen. Fig. 104. Weißstrahliges Roheisen. Fig. 105. Graues Roheisen. Fig. 106. Hartes Flußeisen. Mikrophotographien von Aetzproben nach Dr. H. Medding . bezüglich der Eisenschliffe angewendet wurde. Die beigegebenen Fig. 103 bis 110 veranschaulichen eine Anzahl solcher Schliffe in mikrophotographischen Reproductionen in etwa tausendfacher linearer Vergrößerung. Fig. 103 ist Spiegeleisen; die farren- blattartig ausgebildeten Krystalle breiten sich um mehr oder minder geradlinige Adern aus. Fig. 104 zeigt weißstrahliges Roheisen, Fig. 105 graues Roheisen, bei dem sich die als Linien auftretenden Graphittheile, die Krystalle des Eisens, aus- breiten. Fig. 106 stellt hartes Flußeisen dar, Fig. 107 mittleres Flußeisen mit Blasen- Die Prüfung des Eisens. räumen, Fig. 108 sehr weiches Flußeisen. Beim Schweißeisen (Fig. 109) durchziehen unzählige Schlackenrisse die Eisenmasse, und beim Cementstahl (Fig. 110) sieht man, wie Gruppen von Körnern sich beim Erhitzen von einander trennten, wobei sie anscheinend Körper von fünf- oder sechseckiger Form bildeten. Die Folge dieser durch Dr. Medding begründeten Methode war die Schöpfung einer speciellen Abtheilung für mikroskopische Schliffe an der königlich mechanisch- Fig. 107. Mittleres Flußeisen. Fig. 108. Sehr weiches Flußeisen. Fig. 109. Schweißeisen. Fig. 110. Cementstahl. Mikrophotographien von Aetzproben nach Dr. H. Medding . technischen Versuchsanstalt in Berlin. Die Wichtigkeit des Verfahrens beruht, wie leicht zu erkennen, vornehmlich auf der Beurtheilung des Eisens auf sein Klein- gefüge, was beispielsweise beim Flußeisen von einschneidender Bedeutung ist. Zahl- reiche andere Fragen laufen nebenher, beispielsweise die über den Einfluß des Nachglühens auf die physikalischen Eigenschaften des Eisens durch die Art und Schnelligkeit der Abkühlung und Wiedererhitzung auf bestimmte Temperaturen u. s. w. Fünfter Abschnitt. Bei den Prüfungen der Eisenproben, welche sich auf die Erscheinungen der Molecularphysik beziehen, handelt es sich um die Ermittelung gewisser ziffermäßiger Werthe bezüglich der Festigkeit , der Elasticität und der Zähigkeit . Die Prüfung Fig. 111. Natürlicher Cementstahl, polirt bei gleich- zeitiger Aetzung. (Vergr. linear 1200.) Fig. 112. Geschmiedeter Stahl (1‧24 % C.), reliefartig polirt. (Vergr. linear 1000.) Fig. 113. Geschmiedeter Stahl (0‧45 % C.), polirt bei gleichzeitiger Aetzung. (Vergr. linear 1000.) Fig. 114. Geschmiedeter Stahl (0‧45 % C.), auf 800° erhitzt und bei 720° gehärtet, polirt bei gleichzeitiger Aetzung. wird durch Drehung (Zerreißproben), oder durch Biegung (Biegeproben), oder durch plötzliche Erschütterung (Schlagproben) bewerkstelligt. Behufs Ausführung der Zerreiß- und Biegeproben bedient man sich sinnreich angeordneter Vorrichtungen, während die Schlagproben derselben nicht bedürfen. Die Zerreißmaschinen beruhen darauf, daß man fingerdicke Stäbe, welche aus Stücken des betreffenden Erzeugnisses (z. B. einer Eisenbahnschiene) heraus- Die Prüfung des Eisens. geschnitten wurden, auf die Zugfestigkeit prüft, wobei der Querschnitt und die Länge des Stabes bekannte Größen sind. Durch allmählich gesteigerte Belastung des Stabes erfolgt zuerst eine Dehnung, welche sich jedoch wieder ausgleicht, wenn Fig. 115. Natürlicher Cementstahl (1‧5 % C.), polirt bei gleichzeitiger Aetzung. (Vergr. linear 1000.) Fig. 116. Geschmiedeter Stahl (0‧45 % C.), auf 850° erhitzt und bei 720° gehärtet, polirt bei gleichzeitiger Aetzung. (Vergr. linear 1000.) Fig. 117. Cementstahl (1‧5 % C.), auf 1050° erhitzt und in Eiswasser gehärtet, polirt bei gleichzeitiger Aetzung. (Vergr. linear 1000.) Fig. 118. Geschmiedeter Stahl (0‧3 % C.), auf 900° erhitzt und bei 720° gehärtet, polirt bei gleichzeitiger Aetzung. (Vergr. linear 1000.) die Belastung aufgehoben wird. Wird das zulässige Maß der letzteren überschritten, so geht der Stab nach Beseitigung der Belastung nicht mehr ganz auf seine ur- sprüngliche Länge zurück, und nennt man diesen Zustand die Elasticitätsgrenze . Der elastische Spielraum ist relativ kurz und erreicht selten \nicefrac{1}{500} der Stablänge. Ueberschreitet die Zugkraft die angegebene Grenze, so kommt plötzlich eine eigen- thümliche Beweglichkeit in die kleinsten Stofftheilchen, es tritt eine beträchtliche Fünfter Abschnitt. dauernde Streckung ein, welche mit stärkerer Belastung rasch zunimmt und mit dem Reißen des Stabes endet. Die Bruchgrenze ist erreicht, die Festigkeit des Eisens bestimmt. Letztere wird ausgedrückt in Kilogrammen, bezogen auf einen Quadrat- millimeter des Querschnittes. Ein aus dem Kopfe einer Eisenbahnschiene gedrehter Stab muß beispielsweise auf jeden Quadratmillimeter seines Querschnittes 50 Kilo- gramm tragen können; seine Festigkeit ist also 50 Kilogramm. Bei den Zerreißversuchen manifestirt also das Eisen zwei wichtige Eigen- schaften: die Elasticität und die Zähigkeit. Fügt man die beiden Stücke des Stabes zusammen und wird nun dessen Länge — die derjenigen im Augenblicke des Bruches entspricht — gemessen, so ergiebt sich gegenüber der ursprünglichen Länge das Maß der Dehnung , das in Procenten der ersteren ausgedrückt wird. Die Deh- nung eines Probestückes ist also beispielsweise 27 Procent. Die Summe beider Factoren — jenem der Festigkeit und jenem der Dehnung — ergiebt die sogenannte »Werthziffer«; z. B. 37‧8 (Kilogramm, Festigkeit) + 23‧7 (Procent, Dehnung) = 61‧5. Die Festigkeit sowie die aus ihr sich ergebenden Eigenschaften der Elasticität und Zähigkeit ergeben, je nach der Eisensorte, die verschiedensten Spielräume. So besitzt beispielsweise das Schmiedeeisen bei einer nicht über 40 Kilogramm hinausgehenden Festigkeit eine derartige Zähigkeit, daß sich in fingerdicke kalte Stäbe Knoten machen lassen wie in einem Bindfaden. Bei den Zerreißproben kommt aber noch ein anderes Moment hinzu. Kurz vor dem Bruche beobachtet man nämlich, und zwar vorzugs- weise beim weichen Eisen, eine bedeutende Einschnürung des Stabes an der Bruch- stelle. Ermittelt man nun die Differenz zwischen dem ursprünglichen Querschnitte und dem nach erfolgtem Bruche, so erhält man einen Werth, der als Contrac- tion bezeichnet und in Procenten des Anfangsquerschnittes angegeben wird. Dieser Werth gilt vielen Ingenieuren als das beste Maß für die Zähigkeit. Aus dem Vorgebrachten ersieht man ohne weiteres, daß die Prüfung auf Zug sich nur auf solches Material anwenden läßt, welches bei der Gebrauchnahme auf diese Kraft beansprucht wird. In der Praxis kommt es aber selten vor, daß ausschließlich die Zugkraft in Betracht käme, wohl aber wird das verwendete Material in ganz anderer Weise beansprucht, z. B. ein Träger oder eine Eisen- bahnschiene, welche der Durchbiegung Widerstand entgegenzusetzen haben, oder beispielsweise eine Welle, welche auf ihren Torsionswiderstand beansprucht wird. Gleichwohl besteht zwischen den verschiedenen Aeußerungen der Festigkeit eine ge- wisse Proportionalität, und viele Hüttenleute halten dafür, daß die Zugfestigkeit die exacteste Bestimmung gestattet. Andere freilich meinen, daß die Zerreißproben auf Grund des »wissenschaft- lichen Anstriches«, der ihnen zukommt, die Ursache sind, daß sie zum Schaden der Industrie den Eisenhütten seitens der Abnehmer selbst für solche Erzeugnisse auf- gezwungen werden, wo sie nicht zwingend nothwendig sind, da bei gewissen fertigen Fabrikaten — wie oben angedeutet — die Beanspruchung auf Zug gar nicht in Die Prüfung des Eisens. Frage kommt. Dazu kommt — was schon eingangs dieses Capitels flüchtig be- rührt wurde — daß die Versuche mit einzelnen Probestäben durchaus nicht maß- gebend für die Qualität des gesammten Materiales sein können, sei es nun im guten oder im schlechten Sinne. Die Erfahrung hat dies im eminentesten Sinne gezeigt, wie beispielsweise bei den Eisenbahnmaterialien, indem dieselben in vielen Fällen trotz der glänzenden Zerreißproben späterhin sich nicht bewährt haben, während andererseits desqualificirtes Material sich wider Erwarten gut bewährt hat. Damit ist die ausschließliche oder vorwiegende Anwendung der Zerreißproben etwas in Mißcredit gekommen und man hat ihr andere Methoden zugefügt. Dahin gehört zunächst die Biegeprobe , welche indeß nicht an Stäben, sondern — was recht und billig ist — an ganzen Gebrauchsstücken angestellt wird. Das Stück wird auf zwei in bestimmten Abständen placirte Stützen gelegt und in der Mitte belastet. Die zu ermittelnden Daten sind hier die Elasticitätsgrenze, die vorübergehende und die bleibende Durchbiegung, sowie die Biegungsfestigkeit. Die dritte Methode ist die Schlagprobe . Zur Ermittelung der Zähigkeit des Materiales genügt es in den meisten Fällen, ein kleines Stückchen desselben auf dem Amboß zu hämmern; wird es platt, so ist es zähe, zerspringt es, so fehlt ihm diese wichtige Eigenschaft. Man begnügt sich aber nicht damit und stellt die Schlagproben vorzugsweise an ganzen Gebrauchsstücken an, und zwar in der Weise, daß man letzteres auf zwei Seiten unterstützt und die Mitte mittelst des aus ge- messener Höhe herabfallenden Bären bearbeitet. Die Methode läßt auf Grund der sich ergebenden Durchbiegung nach dem ersten Schlage beziehungsweise nach den folgenden Schlägen bis zum Eintritte des Bruches ein selten täuschendes Urtheil über die Qualität des geprüften Materiales für bestimmte Zwecke zu, und zwar bezüglich seiner Weichheit oder Härte, beziehungsweise auch seiner Zähigkeit oder Sprödigkeit. Alle Prüfungsmethoden, welche an den Fertig-Fabrikaten angestellt werden, erfahren unter gewissen Voraussetzungen ihre Remedur durch Untersuchung desselben Materiales nach kürzerer oder längerer Gebrauchnahme, weil hier zu der Theorie die Erfahrung hinzutritt. Wir wollen diesen Sachverhalt an der Hand specieller Fälle etwas eingehender behandeln. Gelegentliche Wahrnehmungen an angebrochenen alten Eisen- und Stahl- stücken, vornehmlich an lange im Dienste gestandenen Eisenbahnschienen, Tires (Radreifen) und Achsen, sowie auch an Brückenträgern nach intensiver Benützung u. s. w. haben mehr oder weniger eine auffallende Veränderung in der Structur des betreffenden Stückes dargethan. Schon im Jahre 1875 stellte der damalige Director der » Barrow Steel and Iron Cy. «, Josiah T. Smith , eingehende mikroskopische Untersuchungen darüber an. Seine Proben gingen hauptsächlich darauf aus, die charakteristischen Veränderungen der Structur in lange benützten Eisen- und Stahlschienen zu ermitteln. Hierbei ergab sich zunächst, daß die betreffenden Stücke mehr oder minder feinbrüchig geworden waren. Fünfter Abschnitt. Neue Stahlschienen, welche dem Schlage durch einen Bär von dem Gewichte einer Tonne und aus beträchtlicher Höhe ausgesetzt wurden, erhielten weder Brüche, noch zeigten sie Sprünge. Wurden jedoch durch lange Zeit im Gebrauche gestan- Fig. 119. Querschnitt durch einen Schienenkopf (ver- größert). Sprünge in der Oberfläche. Fig. 120. Längenschnitt durch einen Schienenkopf (vergrößert). Fig. 121. Längenschnitt durch einen Schienenkopf (vergrößert). Fig. 122. Längenschnitt durch die Schneide eines Stahl- meißels (vergrößert). Mikrophotographien von Schnitten durch Altmaterial. dene Stahlschienen von gleicher ursprünglicher Qualität derselben Procedur unter- zogen, so zerbrachen sie schon unter einem verhältnißmäßig geringem Schlage, vor- nehmlich dann, wenn die Schienenköpfe — also derjenige Theil der Schiene, welcher dem größten und fortgesetzten Drucke ausgesetzt ist — nach abwärts gekehrt waren. Aus diesen Versuchen Smith 's ergab sich, daß die Structurveränderungen in den Schienenköpfen und in den Radreifen sich vorzugsweise an der Oberfläche Die Prüfung des Eisens. der Probestücke zeigten und wenig in die Tiefe reichten. Nach Entfernung der fein- brüchigen Oberfläche bis zur Dicke von ungefähr 1 Centimeter, zeigte der Stahl- körper keinerlei Haarrisse und Structurveränderungen, wenn man das Versuchsstück den Schlägen des Bären aussetzte. Es verhielten sich also derart hergerichtete Stücke ähnlich wie völlig neue. Ausglühen der alten, haarrissigen Schienen hatte, ohne Anwendung einer weiteren Behandlung, den gleichen Erfolg, indem die aus- geglühten Objecte ihre ursprünglichen Eigenschaften bezüglich der Festigkeit zeigten. Die Untersuchungen Smith 's blieben Fig. 123. Querschnitt einer Schiene nach 12jährigem Gebrauche. durch geraume Zeit unbeachtet, bis die sich mehrenden Unglücksfälle in Folge Schienen- oder Tiresbruches den In- genieuren jene in Erinnerung brachten. Sie wurden schon seinerzeit durch J. E. Stead mit großem Eifer fort- gesetzt, verallgemeinert und verbessert, und es zeigte sich, daß deren Stich- hältigkeit keinen Zweifel aufkommen ließ. Interessant ist, daß beim Aufschlagen des Bären auf die Schienen mit nach auf- wärts gewendeten Köpfen jene ziemliche Widerstandskraft zeigten; wendete man aber die Schienen um (mit den Köpfen nach abwärts), so genügte der Schlag bei einem Bärgewicht von einer Tonne aus nur 1‧6 Meter Höhe, um eine sehr deutlich wahrnehmbare Fractur hervorzurufen. Die hier eingeschalteten Abbildungen (Fig. 119 bis 122), welche nach den be- treffenden Original-Mikrophotographien in Holz geschnitten wurden, zeigen sehr deutlich die Form und die Art der Zerstörungen im Stahlkörper, wie sich dieselben unter dem Mikroskope darstellen. Prüft man die Längsschnitte der Structuren an den am meisten zerstörten Stellen, so ergiebt sich, daß die Risse nur in der Nähe der Oberfläche auftreten und nur wenige Millimeter in das Innere des Schienen- kopfes reichen. Wurde diese Schichte von der ganzen Schiene entfernt und diese hierauf dem Bären mit 6 Meter Fallhöhe ausgesetzt, so zeigten sich keine Risse, also wie bei neuem Material. Auch bezüglich des Ausglühens ergaben sich bei den Versuchen Stead 's dieselben Resultate, wie bei denjenigen Smith 's. Die mitfolgenden Abbildungen lassen alle Aenderungen in der Structur des Altmateriales erkennen. Fig. 119 zeigt die Haarrisse, welche aderförmig von der Oberfläche des Schienenkopfes bis in die angeführte Tiefe eindringen; Fig. 120 und 121 sind Längsschnitte durch den Schienenkopf, Fig. 122 endlich veranschaulicht die Structur eines durch längere Zeit im Gebrauche gestandenen Stahlmeißels. Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 9 Fünfter Abschnitt. Hier treten die Verschiebungen der Stahltheilchen in Folge der kurzen und heftigen stoßweisen Erschütterungen gleichfalls in Form von strichartigen Trennungen auf. Die senkrecht nach dem Innern verlaufenden Haarrisse treten vornehmlich in Fig. 119 in die Erscheinung und zeigen, daß derartige Structurveränderungen in bedenklichem Grade die Festigkeit der betreffenden Gebrauchsstücke zu beeinflussen vermögen. Bezüglich der Fig. 123, welche mit den vorstehenden Untersuchungen nichts zu schaffen hat, sei bemerkt, daß dieselbe den Querschnitt einer Schiene zeigt, deren Betriebsleistung in den 12 Jahren, die sie in der Strecke lag, mit der Abrollung von 119.300 Zügen mit 80‧46 Millionen Tonnen gekennzeichnet ist. Die Probe rührt von Eisenbahndirector Ast (Wien) her, der sie gelegentlich der Wanderver- sammlung des »Internationalen Verbandes für die Materialprüfung der Technik« vom 23. bis 25. August 1897 in Stockholm in einem Vortrage zur Sprache brachte. Damit leiten wir zu einer brennenden Frage hinüber, welche zur Zeit alle Eisentechniker lebhaft beschäftigt und in der es sich darum handelt, die Mittel und Wege zur Einführung einheitlicher Vorschriften für Qualität, Prüfung und Ab- nahme von Eisen- und Stahlmaterial aller Art zu suchen. Es wäre dies die Krönung jener Bestrebungen, die in den bereits bestehenden Institutionen dieser Art mit beschränktem Thätigkeitsgebiet angebahnt wurden, z. B. durch den »Deutschen Verband für Materialprüfung der Technik«, der französischen »Com- mission für Erprobungsmethoden«, der »Königlich mechanisch-technischen Versuchs- anstalt« zu Charlottenburg u. s. w. Es wurde schon früher einmal erwähnt, daß zwei Eisensorten von ganz gleicher chemischer Zusammensetzung ein ganz verschiedenes physikalisches Verhalten zeigen, mithin der Beweis erbracht war, daß die Verschiedenheit auch auf dem Mangel an Homogenität beruhen könnte. Die Feststellung und Prüfung der- selben ist nun in der That durch die mikrophotographischen Aetzproben gelungen und es erübrigt weiter nichts, als durch einfache, praktische und zweckmäßige Er- probungsmethoden bezüglich der physikalischen Eigenschaften des Eisens ein gewisses Gleichmaß in den Anforderungen des Constructeurs einerseits und jenen des Er- zeugers andererseits herzustellen. Es sind dies die Reiß- und Schlagproben mit eingekerbten Stäben , welche Ingenieur Borba (Paris) in Vorschlag gebracht hat und die berufen zu sein scheinen, weit sicherere Aufschlüsse über die Natur des Materiales zu geben, als sie auf Grund der jetzt üblichen, von uns eingehend besprochenen Methoden zu erzielen sind. Der Borba 'schen Methode kommt überdies der Vorzug großer Einfachheit zu, wodurch die im Gebrauche stehenden Zerreißmaschinen modificirt, eventuell gänzlich entbehrlich würden. Die üblichen Proben gründen sich, wie wir gesehen haben, auf die Defor- mation der Probestücke unter verschiedenen Verhältnissen und unter der Einwirkung Die Prüfung des Eisens. verschiedener Beanspruchungen. Nun besteht aber bei einem Metalle gar keine Be- ziehung zwischen einer Deformation, welche es erfährt und deren wahrnehmbare Gesammtwirkung man registrirt, einerseits und zwischen der Art und Weise anderer- seits, wie es sich unter den Beanspruchungen verhalten wird, für welche man aus diesem Metall das Probestück vorbereitet hat, vornehmlich dann nicht, wenn die Berechnungen auf der Voraussetzung basiren, daß keine beständige Deformation auftritt. Trotzdem hat sich seitens der Consumenten die Gepflogenheit eingebürgert, solche Proben zu fordern, welche sämmtlich Deformationen jener Art mit sich bringen, um den Werth einer Eisensorte nach der Art und Weise zu beurtheilen, wie dieselbe die fraglichen Proben besteht. Diese selbst können aber der Natur nach nichts anderes sein, als ein ziemlich empirischer Vergleich zwischen gleichartigen Materialien. Es ist ohne weiteres verständlich, daß bei der Untersuchung der zwischen der Homogenität und der Elasticitätsgrenze bestehenden Beziehung diejenige Methode die zweckmäßigste ist, bei der sich die Untersuchung auf möglichst kleine und möglichst viele Regionen erstreckt. Borba glaubt dies dadurch zu erreichen, wenn man bei den zu untersuchenden Probestäben eine Stelle mit sehr schwachem Querschnitt und minimaler Höhe schafft, d. h. wenn man eine über den ganzen Umfang des Probe- stabes reichende, tiefe, scharfkantige Einkerbung (Rinne) schafft. Hierbei würde das Versuchsstück keine merkliche Deformation erleiden und man würde über die Homo- genität (indirect auch bis zu einem gewissen Grade über die Elasticitätsgrenze) Aufschluß erhalten. Da es nun einer der großen Vortheile der chemischen Analyse ist, daß die- selben sich vervielfachen lassen, indem man sie an Zonen mit geringer Ausdehnung und mittelst starker Vergrößerungen vornimmt, so würde analog dem Borba 'schen Verfahren der Vortheil zukommen, die Einkerbungen an einem und demselben Probestabe zu vereinfachen, wobei ihnen ein sehr reducirter Querschnitt zu geben wäre, wodurch die Bruchproben mit sehr empfindlichen Apparaten bewerkstelligt werden könnten. ... Nach den bisher angestellten Proben scheint die Methode mit »eingekerbten Stäben« geeignet zu sein, volles Vertrauen einzuflößen. 9* Fünfter Abschnitt. Fig. 124. Kesselhaus einer Maschinenanlage. Zweiter Theil. (Puddelstahl-Walzwerk in der Krupp 'schen Gußstahlfabrik zu Essen.) In den Arbeitsstätten der Cyklopen. Erster Abschnitt. Hüttenwerke. W enn die Einbildungskraft inmitten des modernen Weltgetriebes nach einem Bilde sucht, das ihr den Geist der Zeit vermitteln soll, wird sie über all das Flirrende, Bewegliche — fast möchte man sagen: irrlichternde — Haschen und Hasten einer über die Maßen verfeinerten Cultur erst dort den gewünschten Ruhepunkt finden, wo die materielle Arbeit ihren Thron aufgeschlagen hat. Er ist nicht prunkhaft, aber ehern — er flimmert nicht in den farbigen Lichtern edlen Geschmeides, sondern strahlt in der Helle eines Lichtes, in dessen Bereich es kein dichterisches Dämmern, kein künstlerisches Gaukelspiel giebt. Auf diesem Throne sitzen zwei weibliche Gestalten, körperlich fest umrissen und dennoch sinnbildlich verklärt: Kraft und Energie . Daß sie nicht blos Phantome, sondern Herrscherinnen von Gottes Gnaden sind, zeigt ihr Machtbereich, der den gesammten Planeten umfaßt. Die materielle Arbeit, getragen von der Universalität des Zeitgeistes, hat jene ungeheuere Um- wälzung auf culturellem Gebiete hervorgerufen, die sich in relativ fabelhaft kurzer Zeit vollzogen und vor deren Ergebnissen wir mit scheuer Bewunderung stehen. Man mag sagen was man will, man mag mit koketter Selbstgefälligkeit der prickelnden Ueberfeinerung unserer ganzen Gedankenwelt, die wie ein Feuerwerk über das Geschlecht der Gegenwart hinwegknistert, den Spiegel vorhalten und sich des geistig-sinnlichen Elementes, das all unser Streben und Schaffen durchwärmt, erfreuen: Großes, wahrhaft Imposantes hat nur die Technik zu Tage gefördert. Alles Andere ist mehr oder weniger sinnberückendes Gaukelspiel — die Wunder der Technik stehen fest und ehern und legen Zeugniß davon ab, daß der schaffende Mensch noch nicht in die flitterigen Schleier eingehüllt ist, mit welchen die ins Blaue raisonnirenden Zeitphilosophen unser geistiges Leben einspinnen. Wir sind nicht ermüdet, wie man behauptet, wir schleichen nicht als decadente Gespenster durch diese Welt, um nach den Silberfäden einer bizarren Phantasie, nach den verschwommenen Gestalten künstlerischer und dichterischer Inspirationen zu Erster Abschnitt. haschen. Das ist nicht wahr; im Gegentheil: wir sind stark — das Zusammen- wirken von Kraft und Energie, wie sie sich in den universellen Werken der Technik bethätigen, bezeugen, daß das Menschengeschlecht über einen Ueberschuß von posi- tiver Leistung verfügt, vor welchem aller verfeinerte Culturdusel in Nichts zerfließt. Sehen wir nun zu, wie es in dieser kraftvollen Welt der Technik aussieht, an den großen Arbeitsstätten, auf denen die menschliche Energie ihre Triumphe feiert. Die Krupp'sche Gußstahlfabrik. Unter allen dem Eisengewerbe dienenden industriellen Etablissements hat im Laufe der Zeiten keines sich zu so hohem Ansehen — ja, zu Weltruhm — empor- gehoben, als die Krupp'sche Gußstahlfabrik. Die Geschichte dieses Unternehmens ist bezeichnend für die unbeugsame Energie und die unwandelbare Zuversicht eines Mannes, der unter den schwierigsten Verhältnissen seine Thätigkeit begann und in langem Ringen an das erhoffte Ziel gelangte. Dieser Mann war Alfred Krupp , dessen Standbild in der ansehnlichen Stadt Essen vor dem Rathhause steht. Der Begründer des Unternehmens war Alfreds Vater, Friedrich, der im Jahre 1823 ein unansehnliches Häuschen bezog, das gegenwärtig inmitten der großartigen Anlagen wie ein ehrwürdiger Zeuge eines mehr als bescheidenen Anfanges steht. Ein ununterbrochen der Arbeit ge- widmetes Leben rieb sich hier im Kampfe um eine Idee auf — um die Erfindung der Gußstahlfabrication. Als man am 28. October 1828 Friedrich Krupp zu Grabe trug, trauerten kaum ein Dutzend Arbeiter an der Bahre des Hingeschiedenen. Der Erbe seiner Sorgen und Kämpfe war der jugendliche Alfred. Er stand, gleich seinem Vater, noch am Anfange eines zu schaffenden Werkes, des Eifers voll, aber ohne des alles Schaffen beschwingenden Elementes, d. i. der Hoffnung auf endliches Gelingen. Alfred Krupp hat diesem Sachverhalt in einer Art von geistigem Testament Ausdruck gegeben, in einem Briefe an seine Verwaltung, in welchem zugleich die Bestimmung getroffen wurde, daß das kleine Stammhaus in seinem ursprünglichen Zustande erhalten bleibe — so lange also die Fabrik besteht ... »und daß meine Nachfolger, wie ich, mit Freude hinblicken werden auf dieses Denkmal, diesen Ursprung des großen Werkes. Das Haus und seine Geschichte mag dem Zaghaften Muth geben und ihm Beharrlichkeit einflößen, es möge warnen, das Geringste zu verachten, und vor Hochmuth bewahren.« Als Alfred Krupp am 15. Juli 1887 nach mehr als sechzigjährigem selbstständigen Wirken das Zeitliche segnete, war ein Titan, ein eiserner Mann im vollsten Wortsinne aus dem Leben geschieden. Und wie stand nun das auf seine jetzige Höhe gebrachte Werk da! Aus dem Dutzend Arbeitern war eine Armee — 45.000 Arbeiter und Beamte mit deren Familiengliedern — geworden. Die Stadt Essen selbst, welche zur Zeit Friedrich Krupp 's nur wenige Tausend Seelen zählte, hat inzwischen das erste Hunderttausend überschritten, und die Zahl aller in Krupp'schen Diensten Stehenden hat die unglaubliche Höhe von 75.000 erreicht. Hüttenwerke. Wer sich der Krupp'schen Gußstahlfabrik nähert, erkennt sofort die groß- artige Anlage derselben. Scheinbar unbegrenzt, eine Stadt für sich bildend, nehmen die unzähligen Werkstätten und Bauten einen weitläufigen Raum ein. Ein Wald von Schloten unterbricht den einförmigen, graubraunen Gebäudecomplex. Schwere, dicke Rauchwolken lagern über dem Ganzen. Allerorten pustet und dampft es und hie und da sausen gewaltige Dampfmassen mit stundenweit hörbarem Getöse hervor. Besonders des Nachts, wenn aus den Essen der Bessemerwerke die gewaltigen Flammengarben hervorschießen, ist der Anblick dieser gewaltigen Cyklopenwerkstatt von schier dämonischem Effect. Wenn die gigantischen Fallklötze im Betriebe sind und auf ungeheuere Schmiedestücke herabsausen, erzittert weit und breit der Boden. Diese imponirende Thätigkeit macht uns sofort klar, wie der ungeheuere Verbrauch an Eisen und Eisenartikeln jeder Art nur dann zu decken ist, wenn mit demselben die Erzeugungsstätten auf gleicher Höhe stehen. Wohl fehlt es nicht an zahlreichen Werken dieser Art, aber die Krone von allen, ein wirkliches Heim der Cyklopen, eine alle landläufigen Vorstellungen weit überflügelnde Werkstätte Vulcans mit all den maschinellen Einrichtungen, welchen unsere vorwärtsstürmende Zeit das Leben gegeben — ein solches Bild vermittelt vorzugsweise nur die Krupp'sche Gußstahlfabrik. Unser Rundgang durch dieselbe beginnt dort, wo die von Essen kommende Limbeckerstraße sich an der vordersten Spitze des Krupp'schen Fabriksterritoriums theilt. Links zieht die Mühlheimer Chaussee, rechts die schmale Borbekerstraße. Die erstere scheidet den ganzen Complex in zwei fast gleich große Abschnitte, doch liegen die wichtigsten Werkstätten fast insgesammt rechter Hand der Chaussee. Dort zieht auch die Einfriedungsmauer mit ihren drei Pforten (Portier I , II , III ). Wir halten, auf der Mühlheimer Chaussee vorwärtsschreitend, bei Portier I , d. i. genau in der Mitte der Front. ... Hier wenden wir nach Süden durch die Bergstraße und betreten, in die »Puddelstraße« rechts einlenkend, das Puddelwerk . Dasselbe besteht aus drei ansehnlichen Gebäuden von je 40 Meter Breite und 70 Meter Länge, welche zusammen einen geschlossenen Hüttencomplex bilden. Das Treiben, das hier zu jeder Tageszeit wahrzunehmen ist, bringt uns all die urwüchsigen und malerischen Hantirungen in Erinnerung, welche wir bei Be- sprechung des Puddelprocesses kennen gelernt haben. Unsere Informationen genügen, um uns klar zu machen, welche Arbeit diese kräftigen Gestalten, die, vom Flammen- sprühen angeglüht, gleich Dämonen hantiren, verrichten. Aus den vielen Oefen kommen die glühenden Eisenklumpen auf die zweiräderigen Luppenkarren und werden zu den Dampfhämmern geführt. Langsam senkt sich der Fallklotz herab, nicht um eine mächtige Schlagwirkung auszuüben, sondern um durch allmählichen, aber gewaltigen Druck aus der Luppe die überflüssige Schlacke herauszupressen. Gleich einem rothen Feuerkatarakt rinnt die letztere am Amboß herab. Der un- förmige Klumpen beginnt eine prismatische Form anzunehmen, erkaltet ein wenig, und nun tritt an Stelle des Pressens der Schlag des Fallklotzes, immer kräftiger Erster Abschnitt. und ausgiebiger, so daß die Schlackenfetzen umhersprühen. Aber die widerstands- kräftigen Schutzschirme bewahren die Arbeiter vor Verletzungen. Sobald die ge- schmiedeten Knüppel die gewünschte Form erhalten haben, wandern sie in das Walz- werk, aus dessen Registern alsdann die immer dünner und länger werdenden feurigen Schlangen hinüber und herüber sich winden. Zur Erhöhung der malerischen Wir- kung dieses fesselnden Schauspieles trägt die düstere Beleuchtung mit den halb- nackten Arbeitern, dem Gedröhne der Hämmer, dem Gesumme der Schwungräder und der ganzen dämonischen Lebendigkeit, die in diesem Raume herrscht, ganz wesentlich bei. (Siehe die Titelvignette S. 133). Das Krupp'sche Puddelwerk umfaßt zur Zeit 65 Oefen und 8 Walzenstraßen und bildet in Bezug auf seine Einrichtungen und Anordnungen eine Sehens- würdigkeit für sich. Man sollte meinen, daß dieser Proceß, welcher Jedem bekannt ist, der ein Eisenwerk besucht hat, dem Beschauer kaum etwas Neues bieten könnte. Wissen wir doch von früher her, daß viele Hüttenleute über die Zukunft dieses Verfahrens, das übermäßig viel Menschenarbeit erfordert, den Stab gebrochen haben. Gleichwohl ist auch heute noch das auf dem Wege des Puddelns gewonnene Schweißmaterial ein so vorzügliches, daß, allen Prophezeiungen zum Trotz, das noch in den Traditionen der Herdfrischung wurzelnde Verfahren noch für lange Zeit nicht aus der Welt geschafft sein wird. Wer aber Gelegenheit findet, den Proceß in der großartigen Entfaltung kennen zu lernen, wie sie die Arbeitsstätte im Krupp'schen Etablissement darbietet, der wird sich schwerlich gegen dessen Zweck- mäßigkeit verschließen. Es ist aber noch etwas Anderes dabei. Die Krupp'schen Puddelwerke haben mit der Zeit eine metallurgische Specialität ausgebildet, nämlich das Stahl- puddeln . Nirgends sonst wo hat man in diesem Verfahren ähnliche Erfolge zu verzeichnen wie hier. Allerdings besteht zwischen dem gewöhnlichen Puddelproceß und dem Krupp'schen Stahlpuddeln kein nennenswerther technischer Unterschied, da es sich bei letzterem Verfahren vorzugsweise nur darum handelt, die Entphosphorung bis unter 0‧1 Procent zu bewerkstelligen. Um dies zu erreichen, wird insoferne von dem herkömmlichen Vorgange abgewichen, daß die Knüppel nicht in einem beson- deren Ofen angewärmt, sondern in denjenigen zurückgebracht werden, aus welchem sie hervorgegangen sind. Während man den Ofen für eine neue Charge mit dem erforderlichen Rohmaterial beschickt, werden die bereits bearbeiteten Knüppel in rothglühendem Zustande auf die Herdsohle gebracht und mit Schlacke bedeckt. Der neue Einsatz nimmt den Rand ringsum ein. Nach etwa einer halben Stunde werden die Knüppel wieder herausgenommen und dem Walzwerke überstellt. Aus dem vorstehend Mitgetheilten erhellt, daß die Güte des Puddelstahles vorzugsweise von dem rechtzeitigen Abbrechen des Entkohlungsprocesses abhängt, wozu außergewöhnliche Schulung und Erfahrung gehört. Um diesbezüglich die strengste Controle üben zu können, werden die Stahlstangen für jeden Ofen be- sonders auf das Bruchaussehen geprüft, was selbstverständlich nur von sehr geschickten Hüttenwerke. Arbeitern besorgt werden kann. Erzeugnisse, welche einen Kohlenstoffgehalt von unter 0‧6 Procent aufweisen, werden als unbrauchbar ausgeschieden. Als bestes Erzeugniß gilt dasjenige mit einem Kohlenstoffgehalt zwischen 0‧9 und 0‧7 Procent. Kein Wunder also, daß der Krupp'sche Puddelstahl von einer Güte ist, die ihm dem schwedischen Dammoraeisen, aus welchem bekanntlich die Sheffielder Stahlfabrikate hervorgehen, gleichwerthig macht. Die außergewöhnliche Strenge, mit welcher die Fabrikation des Puddelstahles überwacht wird, erklärt sich daraus, daß fast die Fig. 125. Tiegelstahl-Schmelzbau in der Krupp'schen Gußstahlfabrik. (Nach dem Gemälde von A. Montan ). gesammte Productionsmenge in der Krupp'schen Fabrik selbst verwendet wird, und zwar als Rohmaterial für den Kanonenguß. Die Controle wird also für Gebrauchs- zwecke innerhalb der Fabrik ausgeübt, woraus sich ergiebt, daß ein Werk dem anderen in die Hände arbeitet, und zwar unter so strengen Bedingungen, daß ein Mißgriff kaum denkbar erscheint. Durch dieses peinlich genaue Zusammenwirken aller Arbeitskräfte hat das Krupp'sche Etablissement in seinen Erzeugnissen jenen hohen Grad von Zuverlässigkeit erzielt, der seinen Weltruf begründet und fortent- wickelt hat. Die vollendetste Leistung im Bunde mit der größten Gewissenhaftigkeit ist die Signatur von Allem, was mit dem Namen Krupp zusammenhängt. Erster Abschnitt. Das nächste Werk, dem unser Besuch gilt, ist der sogenannte Schmelzbau , die Heimstätte des berühmten Krupp 'schen Tiegelstahles oder »Gußstahles« schlecht- weg. Es ist ein gewaltiger Raum, den wir vor uns haben, ähnlich einer Kathedrale durch hohe eiserne Säulen in drei Schiffe getheilt, deren mittleres den eigentlichen Gießraum bildet. Hier zieht sich der ganzen Länge nach der 4 Meter breite Gieß- canal, längs welchem fahrbare Krahne zur Arbeit bereit stehen. Die beiden Seiten- schiffe bieten ausreichend Platz für alle nothwendigen Hantirungen. Der Gußcanal dient zur Aufnahme der Formen für die zu gießenden Stahlblöcke, deren größte das enorme Gewicht von 50 Tonnen erreichen. Die Form hat die Gestalt eines mäßig sich verjüngenden stumpfen Hohlkegels und ruht mit der breiten Fläche auf der Sohle des Canales. Er ist aus Gußeisen und so stark dimensionirt, daß sein Gewicht kaum hinter demjenigen der aufzunehmenden Gußmasse zurücksteht. Sobald die Form bereitgestellt ist, wird sie mit Eisenplatten, welche nur zwei Löcher frei lassen, bedeckt. Zu diesen Oeffnungen führen beiderseits in der Achse der Halle und des Canales je eine Gußrinne, dazu bestimmt, die Form mit der Gieß- masse zu füllen. Die Schmelzöfen, welche diese letztere liefern, flankiren die Halle. Zur Seite eines jeden solchen Schmelzofens befindet sich ein Glühofen, in welchem die Tiegel vorgewärmt werden. Das Füllen derselben mit dem kalten Rohmaterial findet in einem Nebenraume statt. Hier werden mittelst einer eigens zu diesem Zwecke hergerichteten Walze die Stäbe aus Rohstahl in kleine Stücke zerbrochen, was sich dem Besucher durch das eigenthümliche knackende Geräusch kundgiebt. Die Stücke werden, in bestimmten Gewichtsmengen und nach Qualität geordnet, in die Tiegel gebracht, welche sodann mittelst einer Förderanlage (Schienen und Lauf- rollen) zu den Ofenkammern befördert werden. Jeder Tiegel erhält einen Deckel, welcher an zwei Stellen durchlocht ist. Die dem Rande zu gelegene Oeffnung dient als Ausguß, die andere, mehr nach der Mitte hin angebrachte, zur Beobachtung des Schmelzprocesses. Die Schmelzöfen werden mit Generatorgas geheizt, zu welchem Zwecke in der Krupp 'schen Fabrik über 60 Gaserzeuger in Thätigkeit sind. Die Gase sind bereits auf 1000° vorgewärmt, wenn sie in die Oefen gelangen. Die Beschickung derselben mit den bereitgestellten Tiegeln erfolgt mittelst langer, ausbalancirter Zangen, welche es dem Schmelzer gestatten, in ausreichend großer Entfernung von dem Gluthherde zu hantiren. In gleicher Weise werden die Tiegel aus den Oefen genommen, wenn der Schmelzproceß beendet ist. Nachdem das letztere geschehen, stehen zwei Leute bereit, welche jeden aus dem Ofen kommenden Tiegel mit der Hängezange fassen und ihn rasch an die Ofenecke befördern. Hier wird jeder Tiegel von je einem Gießerpaar übernommen, d. h. mit einer zweigriffigen Zange festge- klemmt und nach der Gießrinne getragen. Die Entleerung geschieht durch das er- wähnte Randloch, aus welchem der Stahl dünnflüssig abfließt. Paarweise folgen die Gießer einander, und ebenso regelmäßig und mit größter Präcision spielen sich alle übrigen Hantirungen ab. Aber gerade diese Ordnung überrascht den Besucher, Hüttenwerke. der in dem scheinbaren Gewimmel alsbald ein gleichmäßiges Kommen und Gehen der mit den einzelnen Hantirungen betrauten Arbeiter erkennt. Die Ruhe, mit der sich dies Alles abspielt, ist nicht ohne Wirkung auf den Beschauer, der sich kaum des Erstaunens zu erwehren vermag, wenn er die dämonischen Gestalten bald in die Finsterniß zurückweichen, bald sie vor dem Gießcanal feurig angeglüht sieht. Dazu kommen die blendenden Lichtblitze, welche jedesmal weithin und bis hoch zum Sparrenwerk der Halle hinauf den Raum erhellen, so oft eine Ofenthüre ge- öffnet wird. Allmählich mehren sich die benützten Tiegel zu Hauf und noch nimmt der Zug der Gießer kein Ende. Dennoch verläuft der ganze Vorgang verhältnißmäßig sehr rasch. Um die Form für einen 50 Tonnen-Block zu füllen, bedarf es etwa des Inhaltes von 1200 Tiegeln, welche in ungefähr einer halben Stunde entleert sind. Daß ein so gewaltiger Block nur etwa zwei Stunden benöthigt, um gänzlich zu erstarren, möchte vielleicht den Laien überraschen. Das Krupp 'sche Etablissement gießt jedoch nach Bedarf Tiegelstahlblöcke von dem schier unfaßbaren Gewichte von 85 Tonnen! Es ist eine wahre Gigantenwerkstatt, deren Leistungen den Ferne- stehenden umsomehr verblüffen müssen, als sich der eben geschilderte Vorgang so rasch und glatt vor seinen Augen, so scheinbar ohne jede Anstrengung abspielt, daß er ein Wunder zu schauen wähnt. Hierbei verblüfft ganz besonders die stramme Schulung, welche das Wort gänzlich überflüssig macht. Es ist, als hätte man die ineinandergreifenden Theile eines lebenden Mechanismus vor sich. Alles geht Hand in Hand, ohne Hast, ohne Zwischenrufe, ohne geringste Störung. Angesichts des großen Verbrauches an Tiegeln liegt es auf der Hand, daß dieselben in großen Mengen in einer eigens für diesen Zweck bestimmten Abthei- lung der Fabrik erzeugt werden. Es kommen verschiedene Arten von Thon zur Verwendung und erhalten dieselben eine entsprechende Menge von Graphit zuge- setzt. Das auf diese Weise gewonnene Gemenge kommt in einen Apparat, aus welchem jenes in Form einer etwa schenkeldicken Wurst hervorgepreßt und in kurze Stücke derart zerschnitten wird, daß jedem derselben das vorgeschriebene Gewicht zukommt. Die einzelnen Stücke werden sodann mittelst Holzkeulen in die bereit- stehenden stählernen Hohlformen eingestampft und zuletzt durch einen konischen Preßkolben in der Weise zusammengedrückt, daß die Masse neben der ihr zu ge- benden Form auch die erforderliche Dicke erlangt. Nach Oeffnen der zweitheiligen Form ist der Tiegel fertig und wird nach der Trockenkammer befördert, wo er wochenlange verbleibt, ehe er in Verwendung genommen wird. Die Tiegelstahlerzeugung bildet die Krone der Krupp'schen Betriebe. Sie hat aber den Fehler, daß sie sehr kostspielig ist und die Möglichkeit, durch dieselbe allen herantretenden Anforderungen zu entsprechen — vornehmlich in Bezug auf Eisenbahnbedarf und Schiffbau — von vorneher ausgeschlossen ist. Das Mittel hierzu ist der von uns bereits an anderer Stelle eingehend besprochene Martin- proceß . Versuchen wir es, uns den Unterschied beider Verfahren klar zu machen. Erster Abschnitt. Der Tiegelstahl wird in verhältnißmäßig kleinen Quantitäten von bestimmter Zu- sammensetzung erzeugt. Da der Größe der Tiegel eine Grenze gesteckt ist, so ergiebt sich von selbst, daß größere Mengen nur durch offenen Schmelzproceß zu gewinnen sind. Dies ist in der That durch den Martinproceß erreicht worden. Der Herd des Martin-Siemens'schen Ofens ist im Grunde genommen nichts anderes als ein großer Tiegel. Er ist aber nicht, wie dieser, geschlossen, sondern der äußeren Ein- wirkung der Feuergase ausgesetzt, wodurch chemische Veränderungen hervorgerufen werden, die sich vornehmlich auf die mit dem Schmelzproceß verbundene Entkohlung beziehen. Nun hat man es aber in der Hand, durch Zuführung einer entsprechenden Menge von Roheisen den Kohlenstoff derart zu vermehren, daß der gewünschte Härtegrad für den zu erzeugenden Stahl leicht durch entsprechendes Ueberhitzen der Schmelzmasse zu erreichen ist. Man darf hierbei nicht aus dem Auge verlieren, daß die natürliche Entkohlung bei einer so bedeutenden Menge, wie sie der Siemens- herd aufnimmt, keinen so raschen Verlauf nimmt, um nicht durch zeitweilige Schöpf- proben sich völlig klar darüber zu werden, welchen Härtegrad die Schmelzmasse repräsentirt. Aber selbst dann, wenn die Entkohlung zu weit fortgeschritten sein sollte, hat man es in der Hand, noch kurz vor dem Gießen durch Zusatz von Roh- eisen den gewünschten Grad von Rückkohlung zu erreichen. Wählt man zu diesem Zwecke ein an Mangan und Silicium reiches Roheisen, so erzielt man überdies eine homogene Gußmasse, da die genannten Elemente die Ausscheidung von Gas- blasen verhindern. Zu den vorstehend geschilderten Vortheilen des Martinprocesses kommt noch der, daß er sich sehr einfach abspielt und keinerlei Maschinenarbeit bedarf, und daß er besonders gut gedrillter Arbeiter entbehren kann. Dabei ist das Erzeugniß selbst von einer Güte, welche demjenigen des Tiegelstahles fast gleichkommt, während er diesen bezüglich der Vielseitigkeit bei Weitem überragt. Das meiste Stahlmaterial, welches für Eisenbahn- und Schiffbauzwecke, sowie für den Maschinenbau in Ver- wendung kommt, ist — neben Bessemerstahl — Martinstahl. Im Uebrigen erinnern wir an den durch Thomas und Gilchrist eingeführten basischen Martinproceß, durch welchen das Verfahren eine Vervollkommnung erlangt hat, die dessen all- gemeine Verbreitung erklärlich macht. In der Krupp 'schen Fabrik, wo Alles ins Großartige geht, sind auch die Martinwerke hervorragende Anlagen dieser Art. Schauen wir uns vorerst im Martinwerk I etwas genauer um. Es ist eine Halle wie der Schmelzbau, nur etwas kleiner. Die Anordnung ist ungefähr dieselbe: in der Mitte, zwischen den eisernen Säulen, der Gießcanal, zu beiden Seiten, aber viel näher an die Säulen heran- rückend, die Oefen, auf jeder Seite fünf. Sie sind auf der Rückseite völlig geschlossen und haben hier nur das Abstichloch und eine kurze Abflußrinne. Die in jedem Ofen enthaltene Schmelzmasse fließt nicht unmittelbar in den Gießcanal (beziehungs- weise in die bereitgestellten Formen) ab, sondern kommt vorerst in die sogenannte Hüttenwerke. »Pfanne«, einen etwa mannshohen, frei hängenden Behälter, der inwendig mit einer feuerfesten Masse ausgekleidet ist und am Boden ein leicht zu regulirendes Abflußloch hat. Wenn vorstehend erwähnt wurde, daß die Pfanne frei hängt, so ist dies so zu verstehen, daß sie vermittelst einer Kette an dem Dache eines fahrbaren Krahnes befestigt ist. Es ist ein mächtiger Dampfkrahn, der die Pfanne mit einem Inhalte bis zu 17 Tonnen hebt und senkt, sie im Kreise herumführt, kurz: scheinbar spielend mit ihr verfährt und mit ihr überdies alle erforderlichen Ortsveränderungen durch die ganze Halle vornehmen kann. Es sind vier solcher Krahne vorhanden. Die Pfanne ist dazu bestimmt, die aus den Oefen kommenden Schmelzmassen aufzu- nehmen, nachdem sie zuvor innen auf Rothgluth erwärmt worden ist. Der Krahn, welcher sie führt, steht bereit und wartet nur auf das Signal zum Gießen. Sobald dieses erfolgt ist, dampft er kettenrasselnd heran, senkt die Pfanne in die Vertiefung unter der kurzen Gießrinne des ersten Ofens, worauf das Gießloch desselben durch die Arbeiter mittelst einer langen Eisenstange geöffnet, d. h. der bereits vorher etwas gelockerte Pfropfen durchgestoßen wird. Sofort schießt ein armdicker feuriger Strahl in die Pfanne und nach wenigen Minuten ist der Ofen entleert. Hierbei wird jedoch mit dem Eingießen etwas früher abgebrochen, damit der schlackenreiche Rest der Schmelzmasse nicht in die Pfanne gelange. Alle Martinöfen des Krupp 'schen Eta- blissements besitzen zu diesem Zwecke entsprechend hergerichtete Gruben unter der Gießöffnung, welche jenen Rest der Schmelzmasse aufnehmen. Sobald die Pfanne das flüssige Metall aufgenommen hat, fährt der Krahn mit ihr zu den bereitgehaltenen offenen Gußeisenformen, deren acht vorhanden sind, jede mit einem Rauminhalt von einer Tonne. Die auf diese Weise gewonnenen Blöcke sind für die Radreifenschmiede bestimmt, in welcher sie zu Radreifen, Achsen, Federn und anderen Schmiedestücken (auch Hohlgeschossen) verarbeitet werden. Der Stahl ist von mittelharter Qualität und werden zu dessen Herstellung alle Abfälle des Schmelzwerkes, also bester Tiegelstahl, verwendet. Jeder Ofen gestattet täglich vier Chargen mit zusammen 30 bis 40 Tonnen. Die entleerten Oefen sind nicht sofort betriebsfähig. Durch die Operation nehmen die Herde Schaden, indem sie an den Rändern sich angefressen zeigen. Mittelst langer Spateln werden diese be- schädigten Stellen wieder mit weicher Herdmasse ausgestrichen und hierauf etwa eine halbe Stunde der größten Hitze ausgesetzt, bis die ausgebesserten Stellen fest- gebrannt sind. Dann erfolgt der Einsatz und nimmt das Verfahren den bekannten Verlauf bis zum Abstich. Es ist zu bemerken, daß mit diesem Martinwerk eine eigene Formerei in Verbindung steht, da ersteres vornehmlich den Zwecken des Formgusses dient. In der Formerei sieht man die verschiedenartigsten, mittelst Holzmodellen hergestellten Formen. Diese letzteren unterscheiden sich von den herkömmlichen Formen der ge- wöhnlichen Eisengießerei principiell dadurch, daß sie dem hohen Schmelzpunkte des Stahles und seiner Schrumpfung beim Erstarren Rechnung tragen müssen. Die Erster Abschnitt. zu den Formen verwendete Masse erhält daher eine Zusammensetzung, welche in der Regel von der betreffenden Fabrik geheim gehalten wird. Hauptsächlich gelangen zur Verwendung feuerfeste Ziegel oder zerschlagene Tiegel, welche pulverisirt und derart zubereitet werden, daß sie im feuchten Zustande einen gewissen Grad von Plasticität, getrocknet aber Härte und inneren Zusammenhang besitzen. Das Trocknen erfolgt in besonderen Trockenkammern, welche mittelst Generatorgas bis zur Roth- gluth erhitzt werden. Außer dem vorgeschilderten Martinwerk besitzt die Krupp 'sche Fabrik noch weitere drei Anlagen dieser Art. Das Martinwerk II zeigt ganz die Anordnung des eben besprochenen Werkes, nur ist es etwas breiter und steht nur eine Reihe von Oefen im Betrieb. Dieselben fassen je 15 Tonnen Schmelzmaterial, aus welchem vorzugsweise weicher Stahl und Flußeisen gewonnen wird. Ein fast kohlen- stofffreies Erzeugniß eignet sich vorzüglich zu Kesselblechen, da es dem besten Schmiedeeisen gleichwerthig ist. In dieser Hütte wird die Entphosphorung so weit getrieben, daß kein Block davon mehr als 0‧03 Procent enthalten darf. Bemerkens- werth ist die Construction der Ofendecke. Während dieselbe in den Oefen des Martinwerkes I sich dem alten System gemäß gegen die Mitte hin senkt, um die Flamme nach dem Herde hinabzudrücken, sind die Ofendecken im Martinwerk II gewölbt und wird das Schmelzgut durch Rückstrahlung erhitzt. Das Martinwerk III hat zwei Oefen im Betriebe. Das Martinwerk IV steht mit dem weiter unten zu besprechenden Preßbau in Verbindung und ist das bedeutendste, ganz nach den neuesten Erfahrungen eingerichtete Werk dieser Art. Gewöhnlich fassen Martinöfen Chargen bis zu 15 Tonnen und gelten Anlagen dieser Art schon für die bedeutendsten, wenn sie einen Fassungsraum für 25 Tonnen besitzen. Die zwei basischen Martinöfen des Werkes Nr. IV leisten aber 45 Tonnen pro Charge, was alles Dagewesene weit in den Schatten stellt. Dementsprechend gehen hier auch die Einzelheiten der Anlage, sowie die Arbeitsleistungen wahrhaft ins Großartige. Die Pfanne, welche so groß dimensionirt ist, daß sie eine ganze Charge auf einmal aufnehmen kann, ist ein förmliches Bassin. Die Krahne, die wir im Martinwerk I kennen gelernt haben, besitzen eine Tragfähigkeit von 17 Tonnen; die Leistungs- fähigkeit des Krahnes im zweiten Martinwerk ist etwas größer, nämlich 20 Tonnen. Im Martinwerke IV ist aber diese Leistungsfähigkeit bis auf 75 Tonnen erhöht! Man denke sich ein solch enormes Gewicht, das der Krahn spielend bewältigt, indem er die vollgefüllte Pfanne rasch und sicher zu den Formen hinbewegt. Was diese letzteren anbetrifft, übertrumpfen sie bezüglich ihrer Dimensionirung gleichfalls alles Dagewesene. Aus ihnen gehen jene ungeheueren Stahlblöcke von 85 Tonnen hervor, zu deren Guß nicht mehr als eine Viertelstunde erforderlich ist. Man möchte meinen, daß zur Bewältigung einer derart kolossalen Leistung ein außergewöhnlicher Aufwand von Menschenkräften u. dgl. nothwendig sein müßte. Nichts von all dem. Die ausgezeichnet functionirenden maschinellen Hilfsmittel leisten fast allein die Riesenarbeit, von wenigen Menschenhänden bedient. Bessemerwerk in der Krupp'schen Gußstahlfabrik. Nach dem Gemälde von A. Montan. Hüttenwerke. Ein ganz anderes Bild, als uns die bisher beschriebenen Werkstätten dar- boten, vermittelt die große Bessemeranlage der Krupp 'schen Fabrik. Sie steht seit vierthalb Jahrzehnten in Betrieb und wurde in einer Zeit ins Leben gerufen, als der Bessemerproceß noch in den Kinderschuhen steckte. Man kann also sagen, daß der letztere, obwohl eine englische Erfindung, durch den Scharfblick und eisernen Unternehmungsgeist Alfred Krupp 's in Deutschland seine Entwickelung beziehungsweise seine Anwendung in großem Maßstabe fand. Als in England das Verfahren noch mit allerlei Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, producirte man in Essen bereits 130.000 Tonnen jährlich. Der Anblick, den uns das Innere des Bessemerwerkes darbietet, weicht — wie bereits angedeutet — bezüglich des hier herrschenden Lebens wesentlich von anderen Betrieben ab. Ohrenbetäubendes Geräusch und ein sinnverwirrendes Durch- einander von Qualm, Funkensprühen, Krahngerassel und Arbeiterthätigkeit empfängt den Besucher. Er bekommt hiervon schon einen Vorgeschmack, wenn er von außen her (der Limbecker-Chaussee) dem Werke sich naht. Die zeitweilig aufflammende Helle hinter den Fenstern der Halle, die aus den Essen ausgestoßene Gluth in Verbindung mit dem bezaubernden Schauspiel irrlichternder Funken bereiten ihn auf das zu Schauende vor. Die bauliche Anlage des Bessemerwerkes zeigt die gleiche Anordnung wie die bisher beschriebenen Werke. Es ist eine mächtige dreischiffige Halle, deren mittlere, bei einer Breite von 19 Meter, die kreisrunden Gießlöche rund die zu den Gießopera- tionen beziehungsweise zur Fortschaffung der gegossenen Blöcke erforderlichen Krahne aufweist. Die Converter, je vier, stehen sich zu beiden Seiten des Gießraumes gegen- über, in einer Ueberhöhung von 4 Meter über der Hüttensohle. An der Rückseite der Converterreihe laufen 10 Meter breite Galerien, während auf der anderen Seite auf untermauerter Plattform die Umschmelzöfen nebst ihren Vorherden zu erblicken sind. Die Beschickung dieser letzteren mittelst Bahn erfolgt noch ein Stockwerk höher. Außer den acht in der Mittelhalle aufgestellten Convertern ist noch ein neunter an einer der beiden Giebelseiten vorhanden. Die verblüffende Vielgestaltigkeit des sich in dieser Hütte abspielenden Lebens beruht auf der zeitlichen Ungleichheit der Operationen. Ueber das Verfahren selbst ist der Leser so gut unterrichtet, daß hierüber nichts mehr nachzutragen ist. Er kann sich also mit dem Aufwande einiger Einbildungskraft die einzelnen Stadien des Processes vorstellen. Wie erinnerlich, findet beim Bessemern die Entkohlung der flüssigen Roheisenmasse in der Weise statt, daß durch ein mächtiges Gebläse durch einen der beiden Drehzapfen, an welchen die in der Verticalebene drehbare »Birne« und weiter mittelst Leitung durch hunderte von Windpfeifen im Boden der Birne, mit großer Kraft durch die Schmelzmasse hindurchgetrieben wird. Eine Charge von etwa 5 Tonnen ist in 10 bis 12 Minuten völlig entkohlt und kann vor dem Vergießen nach Bedarf rückgekohlt werden. Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 10 Erster Abschnitt. Ein in voller Thätigkeit begriffener Converter bietet ein überwältigendes Schauspiel. Mit betäubendem Brausen entströmt der in den Kamin hineinragenden Mündung der Birne eine mehrere Meter lange grünweiße Flamme. Ist die Ent- kohlung weit vorgeschritten, so nimmt diese Erscheinung wesentlich ab und schließlich sinkt die Flammensäule zu einem gedämpften dunkleren Schein herab. Nach erfolgter Rückkohlung, wobei die Birne gesenkt wird, um den Einsatz (flüssiges Roheisen) einbringen zu können, geht, sobald die erstere wieder aufgerichtet wird, von Neuem das Schnauben und Pusten, verbunden mit einem bis zur Dachconstruction empor- geschleuderten Funkenstieben los: ein Schauspiel, wie es kein Feuerwerk darzu- bieten vermag. Ein dritter Converter endlich steht gießbereit. Er wird mittelst einer kleinen Dampfmaschine so weit gedreht, daß der Inhalt in die Gießgrube beziehungsweise in die dort bereit gestellte Pfanne abfließt. Man hat sonach alle Stadien des Bessemerns gleichzeitig vor sich, und dieser Umstand ist es, welcher diese Operationen so vielgestaltig macht, daß der Laie schier verwirrt dieselben verfolgt. Krahne be- sorgen den Aushub der Blöcke, welche noch rothglühend auf kleine, von Pferden gezogene Wägelchen kommen und ihrer weiteren Bearbeitung zugeführt werden. Das Gießen geht relativ ruhig vor sich. Die Schmelzmasse ist weißglühend und sammelt sich in der Pfanne ohne aufzubrodeln oder zu wallen. Ebenso ruhig geht die Er- starrung vor sich. Da die Bessemeranlage auf dem sauren Verfahren beruht, muß selbstver- ständlich sehr phosphorarmes Eisen verwendet werden, über welches die Krupp 'sche Fabrik glücklicherweise in reichem Maße verfügt. Das Erzeugniß ist dementsprechend von ausgezeichneter Güte und findet fast ausschließlich zu Eisenbahnschienen Ver- wendung. Die einzelnen Stahlblöcke haben ein Gewicht von 1000 Kilogramm. Sie kommen noch rothglühend ins Vorwalzwerk, wo sie zunächst in Flammöfen gleich- mäßig durchwärmt und hierauf durch das Vorwalzwerk gezogen und etwa auf die Hälfte ihrer ursprünglichen Dicke herabgewalzt und nach dem Schienenwalzwerk transportiert werden. Da das Bessemern bedeutende maschinelle Anlagen erfordert, müssen wir auch einen Blick in den an die Hütte anstoßenden Maschinensaal werfen. Hier sehen wir zunächst die Pumpwerke für die hydraulischen Krahne, alsdann die »Rootsblower«, welche den Cupolöfen Wind zuführen, endlich die großen Cylindergebläse von mehreren hundert Pferdekräften, welche mit ungeheuerer Kraft die Luft durch die gefüllten Converter hindurchpressen. Zum eigentlichen Betriebe der letzteren dient aber eine in einem besonderen Gebäude untergebrachte Gebläsemaschine von 2000 Pferdekräften, welche zur Zeit die größte dieser Art auf der ganzen Erde ist. Etwa 14 Meter hoch, erhebt sie sich in einem dreistöckigen Aufbau und bietet einen imposanten Anblick. Von der Leistungsfähigkeit dieser Maschine kann man sich eine annähernde Vorstellung machen, wenn man erfährt, daß sie gleichzeitig fünf Chargen verblasen kann. Hüttenwerke. Aus dem Mitgetheilten ist zu ersehen, daß die Krupp 'sche Fabrik auch in Bezug auf den Bessemerproceß über eine mustergiltige Anlage verfügt, wie sie wenige andere große Werke besitzen, und daß die in einer Betriebsepoche von viert- halb Decennien gewonnenen Erfahrungen die Garantie für ein vorzügliches Fabrikat bieten. In der That sind aus der Krupp 'schen Fabrik bisher ungeheuere Mengen des besten Bessemerstahles in die Welt gegangen, dessen vorzügliche Qualität zur Festigung ihres Ruhmes wesentlich beigetragen hat. Im Reiche der Cyklopen und vornehmlich in einem solchen von der impo- nirenden Größe und Vielgestaltigkeit, wie wir es in Essen vor Augen haben, wird der Schaulust des Besuchers keine Grenze gesteckt. Jede Hütte bietet etwas Anderes, Neues und Verblüffendes, und je weiter wir in dieses Reich eindringen, desto klarer wird uns der Zusammenhang des Ganzen, das Ineinandergreifen der einzelnen Organe dieses gewaltigen Mechanismus, der so viele Kräfte in Bewegung setzt und sie zur Bewältigung scheinbar übermenschlicher Arbeit dienstbar macht. Bis hierher haben wir die mancherlei Processe kennen gelernt — das Puddeln, das Bessemern und das Martinverfahren — welche das Rohmaterial liefern. Wir gehen nun einen Schritt weiter und besuchen jene Arbeitsstätten, auf welchen die rohen Blöcke ihre weitere Verarbeitung finden. — Die zunächst in Betracht kommende Operation ist die des Schmiedens. Wir wissen von früher her, welche Steigerung bei dieser Arbeit der mechanische Effect erfahren kann. Dem Klein- schmiede genügt sein Handhammer, andere Betriebe erfordern einen größeren Kraft- aufwand und so bedienen sie sich der zumeist durch Wasserkraft betriebenen Stiel- hämmer. Daß diesen bezüglich ihrer Leistungsfähigkeit eine sehr enge Grenze ge- zogen ist, liegt auf der Hand. Der Großbetrieb findet mit diesem mechanischen Hilfsmittel sein Auslangen nicht und so bedient er sich des Dampfhammers , dessen Wirksamkeit im Laufe der Zeiten bis ins Unglaubliche gesteigert worden ist. Das Alles ist dem Leser aus früheren Mittheilungen wohlbekannt, desgleichen die Entstehungsgeschichte des Dampfhammers und seine Einführung in Essen durch Alfred Krupp . Die Krupp'schen Riesenhämmer, welche die Namen »Max« und »Fritz« führen — ersterer hat 20 Tonnen, letzterer 50 Tonnen Fallgewicht — sind in einem besonderen, mächtigen Gebäude untergebracht, das kein Laie ohne einen Anflug von Schauer betreten wird. Letzterer wurzelt vornehmlich in der Vor- stellung, daß dieses mächtige Hilfsmittel der menschlichen Arbeit, dem eine schier unfaßbare Kraftleistung zukommt, in der Hand seines Lenkers sozusagen zum Spiel- zeug wird. Ein mannshoher und fast meterdicker Klotz bewegt sich innerhalb seines gewaltigen eisernen Joches, scheinbar aller Wucht entlastet, wie ein in der Luft auf- und abwärts schwebendes Ungethüm. Der Mann, der den Hammer bedient, läßt denselben sozusagen mit einem Fingerdruck momentan vom Amboß drei Meter hoch emporschnellen, um ihn ebenso rasch wieder sinken zu lassen. Unwillkürlich machen wir eine scheue Bewegung nach rückwärts, des furchtbaren Aufschlages gewärtig. Aber es erfolgt kein solcher und mit gerechtfertigtem Erstaunen nehmen wir wahr, 10* Erster Abschnitt. daß der Lenker dieses kraftvollen Mechanismus in dem Augenblicke Gegendampf giebt, in dem er sich dem Amboß bis auf einige Centimeter genähert hat. Der Hammer schwingt also innerhalb seines Gerüstes auf und ab, ohne irgend welche Kraftleistung zu äußern — ein überwältigendes Schauspiel! Der Hammer »Fritz« ist die große Schöpfung Alfred Krupp 's vom Jahre 1861. Er ist also nun bald vier Jahrzehnte in Betrieb und hat in dieser Zeit eine Arbeit verrichtet, die Millionen von Menschenhänden nicht zu Wege gebracht haben würden. Seine Gesammterscheinung hat etwas Phantastisches, das vornehmlich durch die in dieser Halle herrschende Dunkelheit hervorgerufen wird. Bis in schattenhafte Ferne reicht sein Aufbau in die Höhe. Die Stille ist wie der Schlummer eines Riesen, bei dessem Erwachen Erde und Baulichkeit erzittern und das dumpfe Ge- dröhne bis in weite Ferne hörbar ist. Letzteres kommt vornehmlich von dem gewaltigen Dampfauspuff nach jedem Schlage. Der Vorgang beim Bearbeiten großer Schmiedestücke ist der Folgende. Der Stahlblock kommt zuvörderst in einen der vier Flammöfen, welche sich in unmittel- barer Nähe des Hammers befinden und bis zu welchem die etwa 10 Meter langen Ausleger der vier großen Krahne reichen. Von diesen, welche dicht am Hammer- gerüste stehen, haben zwei je 30 Tonnen, die beiden anderen je 50 Tonnen Trag- kraft. Die Flammöfen haben 6 Meter lange Kammern, deren Sohle auf Rollen beweglich ist. Dadurch wird es möglich, die schweren Schmiedestücke ohne beson- deren Kraftaufwand in die Oefen einzuführen beziehungsweise hervorzuholen. Wenn man indeß bedenkt, daß ein solch schweres Schmiedestück nach und nach bis zu 8 und 10 Meter Länge (z. B. für das Seelenrohr eines Marinegeschützes) ausge- hämmert werden muß, so leuchtet ein, daß mit dem Fortschreiten der Arbeit nicht mehr das ganze Schmiedestück in den Ofen eingebracht werden kann. Es ragt dann das eine Ende aus letzterem heraus. Es wird entsprechend verwahrt und unter den Hammer gebracht, wenn die andere Hälfte niedergehämmert ist. Sobald das Schmiedestück mit der rollenden Kammersohle aus dem Flamm- ofen hervorgeholt ist, wendet einer der Krahne seinen Ausleger derart, daß die schwere eiserne Hängekette durch Arbeiter leicht und sicher genau an jener Stelle um das Schmiedestück geschlungen werden kann, wo sich der Schwerpunkt des Blockes befindet. Nun wird dieser gehoben, der Ausleger wendet sich dem Amboß zu und es bedarf nur einiger weniger geschickter Hantirungen, um das Schmiede- stück unter den Hammer zu bringen. Bei der Mächtigkeit desselben kann es nicht überraschen, daß — trotz aller Wucht der 50 Tonnenlast — die Wirkung der Schläge eine mäßige ist. Der Fallklotz dringt nur wenige Centimeter in die glühende, dabei gleichwohl sehr widerstandskräftige Masse ein. Nach einigen Schlägen wird der Block gewendet und dieser Vorgang so oft wiederholt, bis sich die Noth- wendigkeit einstellt, denselben im Flammofen von Neuem zu erhitzen. Bei der Häufigkeit solcher Proceduren und angesichts des immer unhandlicher werdenden Hüttenwerke. Schmiedestückes begreift man unschwer, daß das Schmieden unter dem großen Dampfhammer eine sehr zeitraubende Operation ist. Der Riesenhammer »Fritz« und sein kleinerer Gefährte »Max« sind selbst- verständlich nicht die einzigen Hämmer, welche im Krupp'schen Etablissement im Betrieb stehen. In den verschiedenen Schmiedewerkstätten und sonstigen Betrieben stehen 113 Dampfhämmer von aufwärts 100 Kilogramm Fallgewicht in Dienst. Sie repräsentiren zusammen ein Fallgewicht von etwa 249.000 Kilogramm. Da diese vielen Hämmer verschiedenen Zwecken — meist Massenartikeln — dienen, haben sie verschiedene Formen, was auch bezüglich der Ambosse gilt. Solche Massenartikel sind beispielsweise Achsen, Räder und Radreifen für Eisenbahnräder. Sie werden in einer besonderen Werkstatt — der Räderschmiede — hergestellt. Die Räder sind theils Speichen-, theils Scheibenräder, während die sogenannten Schalengußräder — der dritten Art von Eisenbahnrädern — zu den Formgußarbeiten rangiren. Die Scheibenräder aus Schmiedeeisen sind eine Krupp'sche Specialität. Ein Fachmann (Friedr. C. G. Müller) giebt von deren Herstellungsweise die folgende anschauliche Schilderung: »Die eine Mannschaft schweißt aus kreuzweise gelegten Schmiedeeisenstäben eine mitten verdickte, am Rande zugeschärfte Scheibe mit einem Loch für die Achse. Bei der zweiten Abtheilung wird diese Nabe vor einem langen, schmalen Glühofen auf eine Welle befestigt. Dann zieht man aus dem Ofen eine glühende Eisenschiene mit V -förmigem Querschnitt, legt sie mit der hohlen Seite auf die Nabe und wickelt sie durch Umdrehen auf. Nach drei Um- gängen erfolgt ein zuerst angeschweißter Flachstab, der mit einer Windung den Rand der Scheibe bildet. Die so vorbereiteten Räder werden in flachen Oefen zur hohen Weißgluth gebracht und unter einem besonderen schweren Hammer geschweißt. Dieser hat einen runden Kopf von der Größe und dem Durchschnittsprofil der oberen Seite des fertigen Rades. Der Amboßsattel entspricht seinerseits der unteren Rad- fläche. Das weißglühende Wickelrad wird auf den Amboß gelegt, nach außen durch einen darum gelegten starken Stahlreifen zusammengehalten und durch einige kräftige Schläge wie Wachs in die Form gedrückt, wobei seine Theile fest verschweißen. Diese Arbeit beschließt ein richtiger Knalleffect. Ein Arbeiter spritzt Wasser auf das glühende Metall. Beim nächsten Schlag erfolgt eine Detonation wie von einem Böllerschuß. Der unvorbereitete fremde Besucher fährt vor Schreck in die Höhe, und ein Lächeln der Befriedigung gleitet über die Gesichter der rußigen Gesellen.« Das zuletzt geschilderte Experiment hat den Zweck, durch den plötzlich entwickelten Wasserdampf allen Glühspan fortzuschleudern, so daß das Rad blank und glatt den Amboß verläßt. Die Radbandagen werden im Hammerwerk nur vorgearbeitet und erfahren im Bandagenwalzwerk ihre Fertigstellung. Letzteres ist ein ansehnliches Gebäude von 100 Meter Länge und 60 Meter Breite, in dessen Mitte zwei Walzwerke sich befinden, deren eines eine ziemlich ver- Erster Abschnitt. wickelte Construction besitzt, was begreiflich erscheint, wenn man erfährt, daß es die erste Anlage dieser Art war und an die früheste Thätigkeit Alfred Krupp 's erinnert. Viel einfacher ist das zweite Walzwerk, dessen Einrichtung die Folgende ist. »Eine unverrückbare verticale Stahlwelle ragt mit ihrem cylindrischen oberen Zapfen über eine feste Plattform hervor und trägt eine Stahlwalze, deren Profil demjenigen entspricht, welches der fertige Radreifen außen erhalten soll. Eine zweite parallele Welle ist verstellbar und kann mittelst einer hydraulischen Presse der Fig. 126. Speichenradstern in Stahlformguß unter der hydraulischen Presse verbogen und verdreht. ersteren genähert werden. Ihr oberer Zapfen trägt gleichfalls eine Stahl- walze, die das Profil ein- geschnitten hat, welches der fertige Radreifen in- wendig erhalten soll.« Der weitere Vorgang ist kurz der Folgende. Der auf die bewegliche Achse aufgelegte Ring wird durch hydraulischen Druck, welcher die erstere gegen den zweiten Cylinder anpreßt, als Walzstück zwischen den beiden Cylindern calibrirt und erhält nach und nach die Größe und Fig. 127. Speichenradstern in Stahlformguß unter der hydraulischen Presse verbogen und verdreht. Form, welche ihm zukommen soll. Eine besondere Vorrichtung giebt bis auf den Bruchtheil eines Millimeters genau die Größe des Reifens an. Die Bandagen verlassen dieses Walz- werk völlig kreisrund, während sie beim älteren Werke noch glühend auf die Contourirpresse gebracht werden müssen, um die genaue Kreisform zu erhalten. Die Bandagenfabrikation bildet einen der Hauptzweige des Krupp'schen Etablissements, und es gehen bedeutende Mengen hiervon in die verschiedenen Eisen- bahnwerkstätten, wo sie auf die Räder aufgezogen werden. Der Vorgang hierbei ist der Folgende: Der Durchmesser des Radreifens ist etwas kleiner als der des Radsternes (mit der Felge); vor dem Aufziehen wird ersterer so weit erwärmt, daß er bequem über letzteren geschoben werden kann. In Folge des Erkaltens preßt sich der Radreif fest auf das Rad an, und es bedürfte eigentlich keiner weiteren Befestigung beider Theile, da die Reibung eine so innige ist, daß eine Trennung nicht stattfinden kann. Indeß sind die Radreifen entweder in Folge der mechanischen Angriffe, denen Hüttenwerke. sie während der Fahrt ausgesetzt sind, oder durch zu starkes Zusammenziehen bei großer Kälte Brüchen ausgesetzt. Tritt ein solcher Fall ein, so würde der ganze Reif sofort abfallen, wenn er nicht an mehreren Stellen mit dem Rade vernietet oder verschraubt wäre. Die hier stehenden Abbildungen (Fig. 126 und 127) führen künstlich deformirte Krupp 'sche Speichenradsterne vor. Fig. 126 ist ein Speichenradstern für deutsche Schnellzugs-Locomotiven mit Kurbelnabe in Stahlformguß von 1872 Millimeter Durchmesser und 860 Kilogramm Gewicht. Die Speichen und der Felgenkranz wurden im kalten Zustande unter der hydraulischen Presse verbogen und verdreht, um die Zähigkeit des Materiales zu erproben. Die vorgenommenen Durchschnitte ließen das Material an allen Stellen dicht und porenfrei erscheinen. ... Die Fig. 127 zeigt einen deformirten Speichenradstern in Stahlformguß von 55 ½″ Durchmesser mit Kurbelnabe und eingegossenem Gegengewicht dar. Die künstliche Deformirung erfolgte im kalten Zustande unter der hydraulischen Presse. Die Krupp'sche Fabrik liefert nicht nur Radreifen, sondern stellt auch ganze Radsätze für den Eisenbahnbedarf fertig. Die Werkstätte, wo dies stattfindet, ist die Satzachsendreherei , eine vortrefflich eingerichtete und mit den besten Hilfsmaschinen ausgerüstete große Halle, in welcher die Vollendungsarbeiten mit den Bandagen bewerkstelligt, letztere sodann auf die Achsen gebracht werden und der ganze Satz sodann noch einmal auf die Drehbank kommt, auf der die Laufflächen der Räder ihre genaue Form und Größe erhalten. Die Achsen werden auf besonderen Dreh- bänken fertiggestellt. ... Die Achse ist sozusagen die Basis des technischen Eisenbahn- wesens und verdient daher die größte Beachtung. Sie werden zur Zeit nicht mehr aus Schmiedeeisen, sondern durchwegs aus Gußstahl hergestellt und muß jede der- selben aus einem einzigen Ingot ausgeschmiedet sein. In den Formgebungsarbeiten findet der Hammer, wie dies in der Natur der Sache liegt, eine nur beschränkte Anwendung. Je größer die Schmiedestücke sind, beziehungsweise je mehr sie ausgearbeitet werden, desto schwieriger und un- handlicher gestaltet sich die Operation, die sich überdies nicht in völlig gleichmäßiger Weise abspielt. Wo dem Hammer die Grenze seiner Leistungsfähigkeit gesteckt ist, setzt das Walzwerk ein. Wir kennen seine Einrichtung im Allgemeinen — als Reversirwalzwerk und als Trio — sowie seine abweichende Construction bezüglich des speciellen Zweckes, dem es zu dienen hat. Im Krupp 'schen Etablissement sind nicht weniger als 22 Walzwerke in Thätigkeit, welche bis auf das große Platten- walzwerk sämmtlich dem Triosystem angehören. Das größte Werk dieser Art in der Krupp'schen Fabrik ist das Schienen- walzwerk , ein großes Gebäude mit zwei Trio-Walzwerken, deren jedes von einer Maschine zu 1600 Pferdekräften betrieben wird. Die auszuwalzenden Rohblöcke kommen aus dem Bessemerwerke und werden vor der weiteren Bearbeitung geglüht. Dann laufen sie über ein Dutzendmal durch die einzelnen Caliber, bis sie in Form Erster Abschnitt. langer glühender Schlangen aus dem Fertigcaliber in eine Rinne mit selbstthätigen Rollen gleiten und auf diesem Wege zur Kreissäge gelangen. Diese kappt die Enden und schneidet das ganze Stück in entsprechenden Längen ab, worauf die einzelnen Theile noch durch Richtrollen laufen, um schließlich auf das Warmlager gebracht Fig. 128. Panzerplatten-Walzwerk in der Krupp'schen Gußstahlfabrik. (Nach dem Gemälde von A. Montan .) zu werden, wo sie abkühlen. Später gelangen sie in einen Nebenraum, wo sie unter einer Excenterpresse genau ausgerichtet, in Bezug auf die Länge abgefräst und mit den Bohrlöchern für die Kuppelungslaschen versehen werden. Nachdem die fertig- gestellten Schienen schließlich den Fabriksstempel erhalten haben, sind sie versandt- bereit und können zur Ablieferung expedirt werden. In diesem großen Krupp'schen Hüttenwerke. Walzwerke können an einem einzigen Tage Eisenbahngeleise für eine Strecke von einer geographischen Meile Länge fertiggestellt werden — eine Leistung, die Alles sagt. Ein anderes großes Walzwerk der Essener Gußstahlfabrik ist das Federstahl - und Laschenwalzwerk . Es umfaßt drei Walzenstraßen, deren größte von einer 600pferdigen Maschine angetrieben wird. Da es sich in diesem Werke um die Her- stellung verschiedenartiger Façonstücke handelt, so gestaltet sich hier der Betrieb zu einem abwechslungsreichen und vielgestaltigen. Mit diesem Werke beschließen wir unseren Rundgang durch jene Arbeitsstätten, welche ausschließlich jene Fabrikations- zweige umfassen, die den Eisenbahnen dienen. Da dieselben etwa zwei Drittel der Gesammtproduction in den Krupp'schen Werken entsprechen, ist es eine irrige Vor- stellung, wenn man mit dem Haupte dieser großen Arbeitsstätte die Bezeichnung »Kanonenkönig« indentificirt. Gleichwohl wird Niemand leugnen, daß gerade diejenigen Krupp'schen Werke, welche sich in den Dienst der Kriegsmittel gestellt haben, an lebendigem Interesse schon aus dem einfachen Grunde gewinnen müssen, weil auf diesem Gebiete jene außergewöhnlichen Leistungen in Bezug auf Größe und Massigkeit zu verzeichnen sind, welche das Essener Etablissement den Augen der Laienwelt nähergerückt haben. Krupp'sche Kanonen, Panzerplatten und Panzerthürme sind die Objecte, welche das Laieninteresse vorzugsweise gefangen nehmen. Und das erscheint begreiflich, wenn man berücksichtigt, daß der Laie sich gerne von den Vorstellungen gigantischer Menschenwerke gefangen nehmen läßt und von der wenig geräuschvollen Emsigkeit jener Productionszweige, welche den Massenbedarf bestreiten, sich mehr oder minder interesselos abwendet. Die Einleitung zu den Fabrikationszweigen des Essener Gußstahlwerkes, welche den Bedarf für Kriegsmittel zu bestreiten haben, bildet auf unserem nächsten Rundgange das große Panzerplattenwalzwerk , das eine Schöpfung des jetzigen Eigenthümers des Etablissements ist. Die Vorstufe — wenn man sich so ausdrücken darf — zu dem großen Walzwerke für Schiffspanzer bildet das alte Blechwalz- werk aus dem Jahre 1864, beziehungsweise jene Anlage, welche zwölf Jahre später dazu kam. In diesen drei Walzwerken nach dem Triosystem können, bei einer größten wirksamen Walzenlänge von 3 Meter, Bleche von der Dicke zwischen 0‧5 bis 75 Milli- meter gewalzt werden. Die Production umfaßt neben den Feinblechen vorwiegend Kessel- und Schiffsbleche, Locomotivrahmen und Deckpanzerbleche. Das neue, seit 1891 im Betriebe stehende große Plattenwalzwerk ist die hervorragendste Anlage des ganzen Etablissements. Schon die Dimensionen der Baulichkeit und der einzelnen Objecte imponiren. Das Gebäude, ganz aus Eisen und Glas, ist 200 Meter lang, 100 Meter breit und macht durch die Helligkeit, die in diesem riesigen Raume herrscht, einen überraschend freundlichen Eindruck. Man hat hier mit jener Tradition gebrochen, welche für das Innere einer Hütte keine andere Anordnung kennt, als das Halbdunkel, die düstere Dämmerung, das Schattenhafte. Erster Abschnitt. Und nun erst die technischen Details! Das Plattenwalzwerk steht mit dem Martinwerk IV — von dem wir weiter oben flüchtig Erwähnung gemacht haben — in Verbindung. Die beiden Martinöfen geben Chargen bis 40 Tonnen, und ein ungeheuerer Siemensofen, der zum Vorwärmen der zu walzenden Platten dient, hat eine Kammer von 5 Meter Länge, 5 Meter Breite und eine fahrbare Sohle, auf welcher die schwersten Panzerplatten leicht und rasch eingeführt, beziehungsweise hervorgeholt werden. In gleichem Maße gigantisch ist das Walzwerk mit seinen mächtigen Tiegelstahlwalzen, die eine wirksame Länge von 4 Metern haben. Es ist ein Reversirwalzwerk, dessen Maschine 3500 Pferdekräfte leistet. Selbstverständlich fehlen die selbstthätigen Rollbahnen nicht, welche die Walzstücke automatisch dem Walzwerke zuführen. Beim Anblicke dieser verblüffenden Constructionen vergessen wir ganz, uns in der Halle selbst umzusehen. Wir bemerken drei Pfeilerreihen, welche den ganzen Raum in vier Schiffe gliedern, zwei schmälere in der Mitte, zwei breitere an den Seiten. Die Pfeiler sind kastenartig construirt, im Innern hohl, so daß man mittelst Stiegenleitern bis auf eine gewisse Höhe emporsteigen kann. In dieser Höhe sind die Pfeiler mit starken Kragstücken versehen, welche enorm starke Längsträger stützen, die ihrerseits wieder die Geleise für die Laufkrahne tragen. Die oberen Theile der Pfeiler, welche dem Dache zur Stütze dienen, sind etwas schwächer dimensionirt. Die Krahnanlagen bilden für sich eine Sehenswürdigkeit, da kein zweites Werk auf der Erde so viele und große Hebevorrichtungen auf einem relativ be- schränkten Raume zusammengedrängt aufweisen kann. Es sind ihrer zehn vorhanden, von denen einem die kolossale Leistungsfähigkeit von 150 Tonnen, den anderen eine solche von je 75 Tonnen zukommt. Ihrer Construction nach gleichen sie Brückenträgern, welche die Schiffe der Halle überspannen. Der maschinelle Antrieb, sowie die Lenkbarkeit der einzelnen Krahne lassen in Bezug auf Zweckmäßigkeit nichts zu wünschen übrig. Sehen wir uns nun den Arbeitsvorgang an. Um eine Panzerplatte von 60 Tonnen Gewicht herzustellen, bedarf es des flüssigen Inhaltes der beiden Martin- öfen, welche chargebereit sind. Nun rollen zwei der 75 Tonnenkrahne mit ihren Pfannen heran, senken diese in die Grube und nach erfolgtem Abstich strömt die bläulich glühende Masse in die Pfannen ab. Sowie diese gefüllt sind, rollen die Krahne zur Formgrube, wo eine mächtige Coquille die Schmelzmasse aufnimmt. Die mit feuerfester Masse geschlossenen Bodenlöcher der Pfannen werden durchstoßen und das flüssige Metall strömt in kleinen Rinnen in die Coquille ab. Langsam und ruhig füllt sich letztere und nach Ablauf einer halben Stunde ist der Guß fertig. Das Material ist Nickelstahl, eine neue Specialität der Fabrik, welche vor- wiegend bei der Erzeugung von Panzerplatten und Schiffskurbelwellen (vgl. S. 58) Anwendung findet. Das Gußstück wird bis zu einem gewissen Grade der Erkaltung ausgesetzt, sodann ausgehoben und zum Anwärmen in den weiter oben erwähnten riesigen Hüttenwerke. Siemensofen, mit seiner 5 Meter langen und 5 Meter breiten Kammer gebracht. Es ist noch zu erwähnen, daß außer diesem Ofen, rückwärts desselben, ein zweiter Martinofen vorhanden ist, welcher den für die Compoundpanzerplatten erforder- lichen harten Stahl liefert. Mit diesem letzteren übergießt man die weichen weiß- glühenden Platten aus Nickelstahl, einem Material, das mit der Elasticitätsgrenze des Stahles die Zähigkeit des Flußeisens verbindet. Nachdem das Anwärmen der Platte vollendet ist, wird die Ofenthüre geöffnet und das mächtige Walzstück rollt auf der fahrbaren Sohle aus der Kammer über die Grube davor. Die Platte ruht auf niedrigen Klötzen aus feuerfesten Steinen, wodurch es ermöglicht wird, große starke Kettenhaken unter die vier Ecken der Platte einzuführen und diese durch den Krahn zu heben. Es ist erstaunlich, diese gewaltige Masse in der Luft schweben zu sehen. Der Krahn bringt nun das Stück zum Walzwerk, welches es mehr als hundertmal zurücklegen muß, um die vor- geschriebene Dicke von 30 Centimeter zu erreichen. Dem Walzen in die Breite ist durch die wirksame Länge der Walzcylinder (4 Meter) eine Grenze gesteckt; sowie diese erreicht ist, findet das Auswalzen nur mehr im Sinne der Länge und Dicke statt. Das Herabsinken der letzteren wird durch einen Zeiger angedeutet, und es belehrt uns das Maß seines Vorrückens, daß es sich bei einem jedesmaligen Durch- gange des Walzstückes nur um wenige Millimeter handelt. Daher die lange Dauer des Processes, der sich im Uebrigen ganz automatisch abspielt. Zu diesem Zwecke sind verschiedene Hilfsmaschinen zur Hand, welche die erforderlichen Nebenarbeiten verrichten. Die ausgewalzte Platte hat noch Rothgluth und wandert nun in die Biege- presse , eine Vorrichtung, von deren Kolossalität einige Ziffern die richtige Vor- stellung vermitteln werden. Die Biegepresse besteht zunächst aus einem Tische, dessen Stahlplatte die unglaubliche Abmessung von 2 Meter Dicke hat. Vier, etwa fuß- dicke Gußstahlcylinder bilden die Füße. Eine zweite mächtige Platte befindet sich darunter und wird mit dem kolossalen hydraulischen Druck von 5 Millionen Kilo- gramm gehoben. In diese Presse nun gelangt die rothglühende Panzerplatte, wobei sie an zwei Enden durch Stahlprismen unterstützt wird, während ein drittes Prisma mitten darauf zu liegen kommt. Es findet in diesem Falle eine Durchbiegung nach unten statt; soll umgekehrt verfahren werden, so werden die Prismen in entgegen- gesetzter Weise angeordnet. Auf diesem Walzwerke werden neben Panzerplatten auch mächtige Kessel- bleche hergestellt und hat ein solches Erzeugniß gelegentlich der letzten Ausstellung in Chicago durch seine außergewöhnlichen Abmessungen berechtigtes Aufsehen erregt. Das Blechstück hatte eine Länge von 20 Meter, eine Breite von 3‧3 Meter, eine Dicke von 3‧2 Centimeter und wog 16‧2 Tonnen. Die Herstellung von Blechen solcher Abmessungen gestattet die Anfertigung von Kesseln größter Dimension aus möglichst wenig Blechen mit nur einer Nietenbindung im Umfange. Während die größten bisher hergestellten Kesselbleche dieser Dicke durchschnittlich nur 10 bis Erster Abschnitt. 14 Quadratmeter Fläche bei einer Breite von 2‧7 Meter besaßen, beträgt die Fläche des oben erwähnten Bleches 66 Quadratmeter, ist also fünf- bis sechsmal so groß. Die Operation in der Biegepresse verfolgt zunächst wohl nur den Zweck, die Platte völlig eben herzurichten; sie findet jedoch vielfach auch dann Anwendung, wenn die Platte eine vorgesehene Form, die den Krümmungen des Schiffskörpers entspricht, erhalten soll. Die völlige Fertigstellung der Platten erfolgt mit Benützung von einer größeren Anzahl, zum Theile sehr interessanter Hilfsmaschinen, von welchen vornehmlich eine Vorrichtung von acht gegeneinander arbeitenden mächtigen Kreissägen das Interesse des Beschauers erregt. Mittelst dieser Vorrichtung erfolgt das Beschneiden der Platten. Außerdem wird sie gehobelt und mit den erforder- lichen Nietlöchern versehen. Auf diese Weise ist es dem Besucher ermöglicht, das Entstehen der gewaltigsten Panzerplatten von der Bereitstellung des Rohmateriales bis zum fertigen tadellosen Fabrikat in einem und demselben Arbeitsraume zu verfolgen. Mit dem Plattenwalzwerk steht der Preßbau in Verbindung, von dem wir schon an anderer Stelle etliche Angaben gemacht haben (S. 102). Den Schmiede- pressen kommt der Vortheil zu, daß sie, bei größerem Kraftaufwande als die Hämmer, ganz geräuschlos arbeiten. Diese Pressen machen, so obenhin betrachtet, ganz den Eindruck von Dampfhämmern, wenn auch ihre äußere Anordnung von derjenigen der letzteren etwas abweicht. Ein mächtiges, aus stärksten Stahlplatten zusammengenietetes Joch ruht auf vier massiven Stahlsäulen und schließt einen äußerst stark dimensionirten Hohlcylinder ein. In diesem bewegt sich der eigentliche cylindrische Preßkolben gleich einem gigantischen Stempel (er hat einen Meter Durchmesser) auf- und abwärts. An seiner unteren Fläche besitzt er einen hammer- artigen Ansatz. Der gewaltige Amboß ist ähnlich fundirt wie jener der großen Dampfhämmer. (Siehe Bild S. 101.) Der Vorgang beim Pressen ergiebt sich nach dem Vorgesagten von selbst. Das Schmiedestück — nehmen wir einen meterdicken Block an — wird einem der vier in derselben Halle installirten Martinöfen entnommen und auf den Amboß gebracht. Nun setzt sich der Preßcylinder durch hydraulischen Druck langsam nach abwärts in Bewegung. Da, wie wir gehört haben, der Querschnitt des Preßcylin- ders einen Meter im Durchmesser beträgt und auf jeden Quadratcentimeter ein Druck von 600 Kilogramm ausgeübt wird, beziffert sich die Gesammtwirkung des hydraulischen Druckes mit 5 Millionen Kilogramm — eine Kraft, der nichts wider- stehen kann. Die Schmiedestücke werden denn auch bei jedem Drucke um das be- deutende Maß von 5 Centimeter zusammengepreßt, was einer Leistung von 660 Pferde- stärken bei 12 Hüben entspricht. Ebenso viele Schläge mit dem großen Hammer »Fritz« entsprechen einer Leistung von 400 Pferdekräften. Dementsprechend ist auch die Wirkung etwas kleiner, indem der Bär bei jedem Schlage nur etwa 3 Centi- meter in das Schmiedestück eindringt. Beim Pressen ist es nicht nothwendig, daß der Kolben einen großen Weg nach aufwärts zurücklegt, wie beim Hammer, der bei voller Thätigkeit nach jedem Hüttenwerke. Schlage 3 Meter hinaufschießt. Dort genügt es, den Kolben nur so weit zu heben, um das Schmiedestück wenden und verschieben zu können. Dieser Spielraum kann aber bei der geringen Bewegungsfreiheit des Kolbens unter Umständen zu klein werden. Aus diesem Grunde ist die Einrichtung getroffen, daß das ganze Joch mit der Preßvorrichtung in der Richtung der Stahlsäulen nach auf- und abwärts mittelst mächtigem hydraulischen Druck bewegt werden kann, wobei eine besondere Vorrichtung die jeweilig gewünschte Stellung des Joches fixirt. Um die Wirksamkeit der ganzen Vorrichtung zu erklären, müssen wir sie mit den dazu gehörigen Maschinen, die in demselben Raume installirt sind, in Verbin- dung bringen. Es ist dies eine kleinere Maschine für die Niederdruckleitung, welche das Heben des Kolbens sowie die vorstehend erläuterte Regulirung in der Höhe- stellung des Joches besorgt. Der eigentliche Preßeffect wird von einer großen zwei- cylindrischen Maschine zu 1000 Pferdestärken ausgeübt, und zwar nicht unmittel- bar, sondern mit Zuhilfenahme eines nach dem Principe der hydraulischen Presse gebauten cylindrischen Accumulators. In demselben bewegt sich ein mehrere Meter langer Kolben, der einen gewaltigen Eisenklotz von 300 Tonnen Gewicht abwech- selnd hebt und senkt, der Bewegung des Preßkolbens entsprechend. Bei jedem solchen Acte wird die hydraulische Kraft, beziehungsweise die dieselbe hervorrufende Wasser- masse, aus dem Accumulator in den Hohlcylinder der Presse überführt. Ueberdies ist die sinnreiche Einrichtung getroffen, daß die große Antriebsmaschine den Dampf selbstthätig abstellt, sobald der Accumulator seine höchste Stellung erreicht hat. Auch ist die Hebevorrichtung des Accumulators derart construirt — wobei eine sinnreiche Neuerung in Wirksamkeit tritt — daß nicht die volle hydrostatische Kraft in Thätigkeit gesetzt zu werden braucht, wenn man derselben, z. B. bei mittelgroßen Schmiedestücken, nicht bedarf. Zu diesem Zwecke ist übrigens in demselben Gebäude eine zweite Schmiedepresse mit 2 Millionen Kilogramm Leistung aufgestellt. Das Pressen hat vor der Hammerarbeit neben den bereits berührten Vor- theilen noch einen weiteren, sehr wichtigen, voraus, den nämlich, daß die Preß- operation durch die ganze Dicke des Schmiedestückes hindurch wirksam wird, was leicht erklärlich ist. Beim Hammer kommt mit jedem Schlage nur eine plötzliche Erschütterung zur Geltung, welche keineswegs die ganze Masse durchdringt. Die Hammerarbeit nimmt sonach mehr Zeit in Anspruch, da das Schmiedestück nach allen Seiten gewendet und gedreht werden muß, um gleichmäßig herabgearbeitet zu werden. Zum Schlusse wollen wir erwähnen, daß der Preßbau die Kleinigkeit von 12 Millionen Mark gekostet hat. Es wäre vergebliches Bemühen, auch nur flüchtig jede der vielen Arbeits- stätten des Krupp'schen Etablissements zu beschreiben. Um aber dem Leser eine an- nähernde Vorstellung von der Vielgestaltigkeit der Anlagen einschließlich der vielen Hilfs- und Nebenbetriebe, welche zumeist in den Dienst des eigenen Bedarfes der Fabrik gestellt sind, vermitteln zu können, werden dieselben am Schlusse dieses Capitels summarisch aufgezählt. Gleichwohl möchten wir es nicht verabsäumen, Erster Abschnitt. wenigstens auf etliche dieser Nebenbetriebe aufmerksam zu machen. Dazu gehört vor allem die große neue Eisengießerei , eine der hervorragendsten dieser Art, eine mächtige Halle von 120 Meter Länge und 40 Meter Breite, mit großer Gieß- grube, welche von vier Krahnen mit zusammen 100 Tonnen Leistung bedient wird. Hier werden jene gewaltigen Formen gegossen, deren die Erzeugung der Panzer- platten und Kanonen, sowie großer Schiffstheile bedarf, Brammen und Coquillen bis zu dem enormen Gewichte von 80 Tonnen. Auch eine Geschoßgießerei für den eigenen Bedarf ist in dieser Halle untergebracht. Sehr bemerkenswerth ist ferner die Kesselschmiede . Aus ihr sind unter Anderem die Constructionstheile zu ganzen Neuanlagen der Fabrik, wie dem Platten- walzwerk und den Schmiedepressen, hervorgegangen. Das ist aber nicht das einzige Arbeitsfeld in diesem Raume. Er dient vorzugsweise der Eisenarchitektur und dem Brückenbau, sodann der Construction von Panzerthürmen für die Krupp'schen Kanonen, die Herstellung von Kesseln und anderen einschlägigen Gegenständen. Diese ganze Arbeitshütte nimmt einen Flächenraum von 2 Hektar ein und bildet eine Werkstättengruppe für sich. Gehen wir weiter. Ein flüchtiger Blick in den Bauhof vermittelt uns ein Bild regster Thätigkeit, denn hier sehen wir Sägereien, Zimmereien und Tischler- werkstätten die mannigfaltigsten Arbeiten verrichten. Andere Objecte, die nur so nebenher genannt seien, sind die Anstalt für Feldbahnen und die Eisenbahn- Reparatur-Werkstätte . Eine bedeutende Anlage ist die Steinfabrik , welche (mit Ausnahme des Bessemerwerkes) all die vielen feuerfesten Materialien liefert, deren die vielen Be- triebe bedürfen. Hier wird mit Hilfe von Steinbrechmaschinen, Kollergängen und Mahlmühlen Quarzitgestein pulverisirt, sodann mit Kalkmilch zu Teig geknetet, in Formen gepreßt, getrocknet und gebrannt. Den Bedarf für die Herde der basischen Martinöfen bestreiten zwei Schachtöfen, in denen Dolomit gebrannt wird, um sodann zerkleinert und mit Theer gemischt zu werden. Diese Fabrik leistet in einem einzigen Betriebsjahre über 40 Millionen Kilogramm feuerfeste Artikel. Ganz neue Eindrücke gewinnen wir beim Besuche der um das Verwaltungs- gebäude herum gruppirten mechanischen Werkstätten , zehn mehrstöckigen Ge- bäuden mit allen möglichen Hilfsmitteln zum Bewegen der Lasten aus den unteren Stockwerken in die oberen und innerhalb der einzelnen Arbeitsräume, bestehend aus Krahnen, Fahrstühlen, Laufbrücken. In diesen weiten, luftigen Hallen und hervorragend interessanten maschinellen Einrichtungen sieht man wahre Wunder von Arbeitsmaschinen, allen voran die Drehbänke , deren mächtigste die ganze Längs- seite eines Saales einnimmt. Hier werden die mächtigen Schiffskurbelwellen fertig- gestellt. Plandrehbänke von unglaublichen Abmessungen der Planscheiben, bearbeiten die schweren Stahlringe, aus welchem sich der Mantel der großen Geschütze zu- sammensetzt. Eine dieser Planscheiben hat einen Durchmesser von 14 Meter, würde Hüttenwerke. also, im Freien senkrecht an einem dreistöckigen Gebäude aufgestellt, bis zu dessen Dachkante reichen. Ein vielgestaltiges, zum Theil sinnverwirrendes Leben waltet in all diesen Organen, welche in den Dienst der Vollendungsarbeiten gestellt sind. Wir lernen in diesen Räumen auch jene riesigen Bohrmaschinen kennen, welche die Seele der gewaltigen massiven Gußstahlrohre der Krupp'schen Riesengeschütze ausbohren. Der Vorgang hierbei ist ein solcher, der dem Laien nicht geläufig ist. Das Bohren findet nämlich nicht in der herkömmlichen Weise statt, daß das zu entfernende Material in Form von Bohrmehl abfällt. Der Bohrer ist vielmehr hohl und hat an seinem Kopfe einen Kranz von sechs Schneidestählen, welche im Seelkern des Geschützrohres eine Rinne einfurchen. Mit dem Fortschreiten derselben schiebt sich der losgelöste, immer länger werdende Stahlcylinder in das Innere des hohlen Bohrers vor, so daß schließlich der Seelkern als glatt gedrehter mächtiger Stahl- cylinder zum Vorschein kommt. Es ist noch zu bemerken, daß nicht der Bohrer, sondern das Geschützrohr rotirt und sich vorwärts schiebt, der Bohrer selbst also feststeht. Eine auf diese Weise hergestellte hohle Gußstahlwelle von 25 Meter Länge hat auf der Weltausstellung zu Chicago Aufsehen erregt und zugleich dargethan, was mit Maschinen, wie sie im Krupp'schen Etablissement in Thätigkeit sind, ge- leistet werden kann. Neben den Drehbänken und Bohrmaschinen spielt die Fräse eine hervor- ragende Rolle unter den Werkzeugmaschinen. In den Krupp'schen Werkstätten sieht man dieselben in unglaublicher Vielzahl in Thätigkeit und die mannigfaltigsten Dinge bearbeiten. Da aber hier alles ins Große und Außergewöhnliche geht, so findet sich auch eine Fräsmaschine vor, welche Unglaubliches leistet. Ihr ist es eine Kleinigkeit, aus einem mächtigen Gußstahlcylinder, z. B. eine 20 Tonnen schwere Kammwalze für das Plattenwalzwerk herauszuarbeiten. ... Außerdem sehen wir mancherlei Hobelmaschinen in Thätigkeit, und es sind mehrere darunter, welche gleichfalls durch ihre außergewöhnlichen Abmessungen das Interesse des Laien fesseln. Eine derselben — im Plattenwalzwerk untergebracht — hat einen Schlitten von 20 Meter Länge und 6 Meter Breite. Man kann sich darnach vorstellen, welche Leistungsfähigkeit dieser Maschine innewohnt. Alles in Allem sind in den Krupp'schen Werkstätten etwa 1400 Arbeitsmaschinen mit 3350 Pferdekräften in Thätigkeit. Damit hätten wir im Großen und Ganzen das Wichtigste, was über die einzelnen Betriebe der Essener Gußstahlfabrik zu sagen ist, dem Leser zur Kenntniß gebracht. Noch fehlt aber eine übersichtliche Darstellung eines Hauptzweiges dieser Thätigkeit — der Erzeugung von Geschützen und sonstigem Kriegsmaterial . Es ist gerade dasjenige Arbeitsfeld, welchem der Laie das meiste Interesse ent- gegenbringt, und zugleich jene Specialität, welche den Namen »Krupp« mehr in den Mund aller Welt gebracht hat, als all das reiche und vielgestaltige Schaffen der Fabrik, das den Friedenswerken gewidmet ist. Erster Abschnitt. So naheliegend es nun auch ist, an das Mitgetheilte alles die Krupp'sche Kanone betreffende Material hier anzugliedern, müssen wir gleichwohl vorläufig davon absehen, und den Faden hier abreißen, einfach deshalb, weil der diesfalls in Frage kommende Fabrikationszweig in das Gebiet der Waffentechnik fällt, der ein größerer Abschnitt dieses Werkes eingeräumt ist. Dort also werden wir den uns entschlüpften Faden wieder aufnehmen und dem Leser die fesselnden Einzelbilder von dem Werden der verschiedenartigen modernen Feuerwaffen Krupp'scher Signatur vor Augen führen. Damit schließen wir dieses Capitel und ergänzen unsere allgemeinen Schilde- rungen mit einem orientirenden Ueberblick auf die Gesammtthätigkeit der Firma Krupp, die Zahl ihrer Werke und Anlagen, deren wichtigste Erzeugnisse und knüpfen daran verschiedene statistische Notizen. Wir folgen hierbei einem uns von der Direction der Krupp'schen Werke zur Verfügung gestellten (als Manuscript ge- druckten) Berichtes. Die Gußstahlfabrik zu Essen ist wohl das hervorragendste Werk der Firma Krupp, jedoch nicht das einzige. Es gehören hierzu noch folgende Werke und An- lagen: 1. Das Krupp'sche Stahlwerk vormals F. Asthöwer \& Co. in Annen (West- phalen); 2. das Grusonwerk in Buckau bei Magdeburg; 3. vier Hochofenanlagen bei Duisburg, Neuwied, Engers und Rheinhausen und eine Hütte bei Sayn mit Maschinenbaubetrieb; 4. drei Kohlengruben und Betheiligung an verschiedenen anderen Zechen; 5. über 500 Eisensteingruben in Deutschland, darunter 11 Tiefbau- anlagen mit vollständiger maschineller Einrichtung; 6. verschiedene Eisensteingruben bei Bilbao in Nord-Spanien; 7. Schießplatz bei Meppen von 16‧8 Kilometer Länge und mit der Möglichkeit, bis auf 24 Kilometer Entfernung zu schießen; 8. drei Seedampfer; 9. verschiedene Steinbrüche, Thon- und Sandgruben ꝛc. Außerdem ist der Firma Friedrich Krupp vertragsmäßig der Betrieb der Schiffs- und Maschinenbau- Actiengesellschaft »Germania« in Berlin und Kiel überlassen. Die älteste Specialität der Gußstahlfabrik ist die Herstellung von Tiegel- gußstahl . Die größten im Etablissement gegossenen Blöcke aus Tiegelstahl erreichen das enorme Gewicht von 85 Tonnen. Die Fabrik verwendet diese Stahlsorte wegen ihrer völligen Homogenität, Dichte und Gleichmäßigkeit vorzugsweise für solche Producte, bei derem Gebrauche eine große Betriebssicherheit die erste Bedingung ist, also vor Allem für Geschützrohre, Gewehrläufe, Panzergranaten, sodann für die wichtigeren Constructionstheile von Locomotiven, großen Betriebsmaschinen, Schiffs- maschinen, Fördermaschinen, für große Walzen der Blech- und Panzerplattenwerke; ferner für solche Theile, bei denen ein möglichst kleiner Verschleiß erwünscht ist und doch größte Sicherheit gegen Bruch erfordert wird, wie Radreifen und Achsen für Locomotiven, Tender und Wagen — für Werkzeugstahl und Federstahl, für Gold- und Silberwalzen, Münzstempel u. s. w. Der in der Fabrik hergestellte Martinstahl wird im Allgemeinen zu ähn- lichen Zwecken wie der Tiegelstahl verwendet, mit Ausnahme der Geschützrohre, Die Krupp'sche Gußstahlfabrik in Essen. Hüttenwerke. welche grundsätzlich nur aus Tiegelstahl angefertigt werden. Weiterhin findet der Martinstahl vielfach Verwendung für alle Bedürfnisse des Schiffsbaues, wie Bleche und Winkel, für Panzerung der Kriegsschiffe, für Geschosse, Lafettentheile, Kessel- bleche, für Eisenbahnachsen und Radreifen, Federn, Draht u. dgl. ... Sehr aus- gedehnt ist auf der Fabrik der Stahlformguß aus den vorgenannten beiden Stahlsorten. Es werden in demselben hergestellt: für Eisenbahnzwecke Herz- und Kreuzungsstücke, Räder für Locomotiven und Wagen (die Anfertigung von Schiebe- rädern und Radsternen ist, wie wir bereits hervorgehoben haben, eine Specialität der Gußstahlfabrik), ferner Theile für Maschinen, Gegenstände für den Schiffbau — Steven, Ruder und Schrauben — Gußstücke für Constructionsbau und Anderes in den schwierigsten Formen und in Stückgewichten bis über 60 Tonnen. Die Anfertigung von Formgußstücken großen Gewichtes oder complicirter Form ist, wie bereits früher einmal mitgetheilt wurde, eine Specialität der Gußstahlfabrik. Einen besonderen Fabrikationszweig bildet noch die Erzeugung von Puddel- stahl . Obwohl derselbe vorzugsweise als Rohmaterial für Tiegelgußstahl im Werke selbst verwendet wird, wird er auch mehrfach für Specialzwecke nach auswärts geliefert, z. B. zur Herstellung von Radreifen für stark beanspruchte artilleristische Fahrzeuge und findet nebenher großen Absatz als sogenannter »Milanostahl« und »Bamboostahl« in überseeischen Ländern zur Anfertigung von Werkzeugen. ... Der auf der Fabrik erzeugte Bessemerstahl wird vornehmlich zu Material für den Eisenbahn-Oberbau — Schienen, Laschen, Unterlagsplatten u. dgl. — verwendet. Außer den angeführten Stahlsorten werden noch verschiedene Legirungen von Stahl mit Wolfram, Nickel, Chrom, Molybdän ꝛc. hergestellt, welche für ganz specielle Zwecke Anwendung finden. Nickelstahl wird beispielsweise seit einigen Jahren für Zwecke erzeugt, bei welchen eine sehr hohe Beanspruchung des Materiales stattfindet und äußerste Sicherheit gegen Bruch gefordert werden muß. In besonders erprobter Zusammensetzung verbindet er die guten Eigenschaften des weichen, sehnigen Schmiedeeisens in Bezug auf Dehnbarkeit mit der hohen Festigkeit, Elasticität, Zähigkeit und Homogenität der besten Stahlsorten. Man verwendet ihn mit bestem Erfolge unter Anderem besonders für verschiedene Zwecke des Maschinen- und Schiffbaues, wie zu Locomotivachsen, Maschinentheilen, Schiffswellen u. dgl., weil dadurch Brüche mit Sicherheit vermieden werden. ... Neben Stahl fertigt die Fabrik auch Gußeisen, Schmiedeeisen und Bronze für besondere Zwecke an. Wir wollen nun die einzelnen Fabrikationsgegenstände im Besonderen aufführen. Man kann sie in zwei große Gruppen — Friedensmaterial und Kriegs- material — scheiden. Die erste Gruppe umfaßt: Eisenbahnmaterial, Schiffbau- material, Maschinentheile, Stahl- und Eisenbleche, Walzen, Werkzeugstahl und Anderes. Die einzelnen Objecte des Eisenbahnmateriales sind: Radsterne und Räder jeder Art, Radreifen, Achsen, Radsätze, Federn und Federstahl, Kesselbleche, Rahmen- platten, gepreßte Drehgestelle und andere Constructionstheile für Locomotiven und Wagen; ferner Schienen, Weichen, Herzstücke für normal- und schmalspurige Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 11 Erster Abschnitt. Bahnen; schließlich transportable Feld-, Wald- und Industriebahnen mit dem rollenden Material. ... Das Schiffbaumaterial umfaßt: Bleche, Winkel, Formstücke, Fundamentrahmen, Kolben und Cylinder, Stangen und andere Constructionstheile für die Schiffsmaschinen, Kurbelwellen, Drucklagerwellen, Zwischenwellen, Schrauben- wellen, Schiffsschrauben, Vorder- und Hintersteven, Ruder und Ruderrahmen. Im Kriegsmaterial dominiren die Geschütze. Bis zum Jahre 1895 wurden deren über 30.000 Stück geliefert: Schiffsgeschütze jeden Calibers, von den leichten Schnellfeuergeschützen (37 Millimeter) bis zu den schwersten Thurmgeschützen, Küstengeschütze aller Caliber (bis zu 42 Centimeter), Belagerungs- und Festungs- geschütze, Feld- und Gebirgsartilleriematerial (Schnelllade-Feldgeschütze und Schnell- lade-Gebirgsgeschütze) in vollständigen Batterien, einschließlich Ausrüstung und Munition, Munitions- und Vorrathswagen, Artillerie- und Armeefahrzeuge für jeden Bedarf. ... Eine weitere Specialität bilden die Geschosse : Stahlpanzer-, Halbpanzer-, Stahlzünder- und Minengranaten, stählerne Sprenggranaten und stählerne Shrapnels, gußeiserne Zündergranaten, Kartätschen u. s. w. Hierzu kommen ferner Zünder, fertige Munition, Gewehrläufe, Panzerplatten und Panzerbleche für alle zu schützenden Theile der Kriegsschiffe. Ergänzt wird die Fabrikation von Kriegsmaterial der Gußstahlfabrik in Essen durch diejenige des Grusonwerkes beziehungsweise durch diejenige der Germania-Werft in Kiel. Das erstgenannte Werk fertigt als Specialität Panzer- thürme und Hartgußpanzer für Küsten- und Landbefestigungen, sowie Lafetten besonderer Construction. Angesichts dieser großartigen Thätigkeit wird man sich unwillkürlich fragen, wie vielerlei Betriebe in den Dienst derselben gestellt werden müssen, um sie be- wältigen zu können. Wir haben wohl einzelne derselben kennen gelernt und ihre Einrichtungen besprochen, ein orientirender Gesammtüberblick konnte aber bei dieser allgemein schildernden Behandlung des Gegenstandes nicht gewahrt werden. Wir tragen daher das summarische Verzeichniß der diesbezüglichen Betriebe nach, wobei wir abermals die Zweitheilung — Friedens- und Kriegsmaterial — so weit sich dieselbe in diesem Falle aufstellen läßt — einhalten. Für das Friedensmaterial sind vorzugsweise thätig: 2 Bessemerwerke mit zusammen 15 Convertern, 4 Martin- werke, 2 Stahlformgießereien, Puddelwerke, Schweißwerke, Schmelzbau für Tiegelstahl, Eisen-, Geschoß- und Messinggießerei, Glühhäuser, Härtekammer, Tiegelkammer, Blockwalzwerk, Schienenwalzwerk, Blechwalzwerk, Laschen- und Federstahlwalzwerk, Federwerkstatt, Preßbau und Panzerplattenwalzwerk, Hammerwerke, Räderschmiede, Herdschmiede, Hufschmiede, Bandagenwalzwerk, Satzachsendreherei, Kesselschmiede, Feldbahnbau, technische Werkstatt I , Feilenfabrik, 4 Reparaturwerkstätten, Eisen- bahn-Reparaturwerkstatt. Für das Kriegsmaterial (im Speciellen) sind in Thätigkeit: die Geschütz- und Munitionswerkstätten, und zwar: Mechanische Werkstatt II bis VI , Kanonen- werkstatt I bis VI , Schmirgelwerkstatt, Bohrwerkstatt, Ringschuppen, Zünder- Hüttenwerke. werkstatt, Brüniranstalt, Kanonenabnahme, Lafettenschuppen, Lafettenwerkstatt I und II , Schmiede der Kanonenwerkstätten, Vorzinkerei und Presserei, Graveur- werkstatt, Laborirwerkstatt, Vernickelungsanstalt, Werkzeugdepôt, Geschoßdreherei, Schmiede der Geschoßdreherei, Bleischmelzerei, Geschoßabnahme, Kanonendep ô t, Ver- packungsraum, Strohseilspinnerei u. s. w. Andere Betriebe sind: die Probiranstalt, die chemischen Laboratorien I und II , die Werkstätten der Bauhandwerker (7 Anstalten), ferner Sattlerei, Schneiderei, Dampfkesselanlage, das Elektricitätswerk, das Gaswerk mit 3 Gasometern von zusammen 17.500 Cubikmeter Inhalt, der Teleskopgasometer von 37.000 Cubikmeter Inhalt, das Wasserwerk (3 Anlagen), die Fabrik für feuerfeste Steine und Briquetts; ferner: Ringofenziegelei, Kokerei, Steinbrüche, Feldofenziegelei, lithographische und photographische Anstalt nebst Buchbinderei, Güterexpedition, Fuhrwesen, Telegraphie, Telephonbetrieb, Feuerwehr- und Sicherheitsdienst, Consumanstalt u. s. w. Es bedarf eines guten Gedächtnisses, um nur die Namen all dieser Arbeits- stätten im Kopfe zu behalten. Nun denke man sich, daß dieser ungeheuer verzweigte Betrieb verwaltet und geleitet werden muß, daß ein stetes exactes Ineinandergreifen aller Einzelbetriebe die logische Voraussetzung für den glatten Verlauf aller Arbeits- leistungen bildet, und man wird mit Bewunderung derjenigen gedenken, welche mit unfehlbarer Sicherheit diesen complicirten und unendlich vielgestaltigen Organismus überblicken und dirigiren. Von Interesse sind die folgenden Daten. Auf der Gußstahlfabrik in Essen waren 1895 in Thätigkeit: ungefähr 1600 diverse Oefen, Schmiedefeuer ꝛc.; über 3000 diverse Werkzeug- und Arbeitsmaschinen, darunter über 1100 Drehbänke und circa 400 Bohrmaschinen; ferner 22 Walzenstraßen, 113 Dampfhämmer von 100 bis 50.000 Kilogramm Fallgewicht, mit zusammen 248.525 Kilogramm Fallgewicht; 31 hydrauliche Pressen, darunter zwei von je 5000 Tonnen, eine von 2000 und eine 1200 Tonnen Druckkraft; 306 stehende Dampfkessel, 458 Dampfmaschinen von 2 bis 3500 Pferdestärken, mit zusammen 36.561 Pfredestärken; 467 Krahne von 400 bis 150.000 Kilogramm Tragfähigkeit mit zusammen 4,912.650 Kilogramm Tragfähigkeit. Die Gesammtlänge der Transmissionen betrug 11, die Gesammtlänge der Transmissionsriemen 60 Kilometer! ... Auf den Hüttenwerken wurden im Durchschnitt täglich zusammen circa 1400 Tonnen Eisenerz aus eigenen Gruben verhüttet. Die Kohlenförderung aus den eigenen Zechen betrug pro Arbeitstag im Durchschnitt circa 3500 Tonnen. Dementsprechend sind die Verbrauchsziffern wahrhaft kolossale. So wurden im Jahre 1895/96 allein in der Essener Fabrik an Kohlen und Koks 752.505 Tonnen verbraucht, d. i. 2520 Tonnen pro Arbeitstag, oder 6 Eisenbahnzüge von je 42 Wagen zu 10 Tonnen. Der Brennmaterialverbrauch auf den übrigen Werken stellte sich in demselben Zeitabschnitte auf 304.918 Tonnen, so daß sich für alle Betriebe ein Gesammtverbrauch von 1,093.423 Tonnen, d. i. rund 3650 Tonnen pro Arbeitstag ergiebt. 11* Erster Abschnitt. Aehnliche Zahlen ergeben sich bezüglich des Verbrauches an Wasser und Leuchtgas . Bezüglich des Wassers stellte sich derselbe im Jahre 1894/95 auf circa 9,043.921 Cubikmeter, was dem Wasserverbrauch der Stadt Dresden ent- spricht. Die Vertheilung des Wassers erfolgte mittelst Erdleitungen von 149‧6 Kilo- meter Länge, und Leitungen von 89‧3 Kilometer Länge innerhalb der Gebäude. ... In demselben Zeitabschnitte stellte sich der Gasverbrauch auf 12,845.859 Cubikmeter, was dem Verbrauch der Stadt Breslau fast gleichkommt, denjenigen der Stadt Düsseldorf aber übertrifft. Die Gesammtlänge der Erdleitungen betrug 79, jene der inneren Leitungen 198 Kilometer. Dieselben speisten 2317 Straßenflammen, 33.478 Flammen in den Werkstätten und circa 600 Flammen in den Wohnungen. ... Das Elektricitätswerk der Gußstahlfabrik in Essen hat ein Maschinenhaus mit 3 Vertheilungsstationen, 8‧2 Kilometer unterirdisch verlegte Kabel und 72 Kilometer Luftleitungen. Dieselben speisen zusammen 599 Bogenlampen und 2244 Glüh- lampen. Gehen wir weiter. Zur Vermittelung des Verkehrs im Essener Etablisse- ment dienen unter Anderem: ein normalspuriges Eisenbahnnetz mit directem Anschluß an den Fernverkehr (täglich 50 Züge) mit circa 55 Kilometer Geleisen, 16 Tender-Locomotiven und 590 Wagen. Ferner ein schmalspuriges Eisen- bahnnetz mit circa 40 Kilometer Geleisen, 20 Locomotiven und 709 Wagen. Im Ganzen also 95 Kilometer Geleise, 36 Locomotiven und 1299 Wagen. ... Das Telegraphennetz umfaßt 31 Stationen mit 57 Morse-Apparaten und 80 Kilometer Leitung. Die Zahl der Depeschen im Außenverkehr belief sich im Jahre 1894/95 auf 13.547. ... Das Fernsprechnetz umfaßt 230 Stationen mit 229 Kilometer Leitung. Im vorgenannten Zeitabschnitte fanden 251.850 Verbindungen statt, also durchschnittlich circa 800 Telephongespräche pro Tag. Sehr interessant sind die die Probiranstalt und die drei chemischen Laboratorien betreffenden Daten. In der ersteren, sowie in den Versuchsanstalten des Blechwalzwerkes und des Schienenwalzwerkes wurden im Jahre 1895 im Ganzen über 106.000 Festigkeitsversuche ausgeführt, darunter 46.765 Zerreiß- und 57.574 Biegeproben. In den chemischen Laboratorien I und II wurden im Jahre 1895/96 außer einer großen Anzahl verschiedener Versuche 15.489 Analysen ge- macht. In dem chemischen Laboratorium III wird täglich das Wasser und Gas untersucht. Es läßt sich denken, daß bei einem Großbetriebe dieser Art auch der Personenstand Zahlen aufweisen muß, wie man sie nirgend sonstwo wiederfindet. Nach der Generalaufnahme im Jahre 1894 betrug die Gesammtzahl der auf den Krupp'schen Werken beschäftigten Personen 27.155. Rechnet man die Familien- mitglieder dazu, so ergaben sich 94.752 Köpfe. Hiervon wohnten in den Krupp'schen Gebäuden 25.828 Personen. Seitdem ist die Zahl der von der Firma Friedrich Krupp beschäftigten Personen noch gewachsen und betrug dieselbe, einschließlich des Gruson- werkes, im Juli 1896 31.765, Ende September (nach Uebernahme der Maschinenbau- Hüttenwerke. Actiengesellschaft »Germania«) circa 34.000 Personen. Die Arbeiter Krupp's sind bekanntlich in Colonien untergebracht, deren in Essen fünf für active Arbeiter (Baumhof, Westend, Kronenberg, Schederhof und Alfredhof) und eine für invalide und pensionirte Arbeiter (Altenhof) vorhanden sind. Außerdem sind zu erwähnen: 1 Krankenhaus, 2 Barackenlazarethe ( für Epidemien), 1 Arbeiterkaserne, 1 Arbeiter- Speiseanstalt, 2 Logirhäuser für ledige Facharbeiter und die Consumanstalt , welche nicht weniger als 73 Verkaufsstellen (51 in Essen und den umliegenden Colonien, 22 bei verschiedenen Krupp'schen Hütten- und Bergwerken) umfaßt. Hierzu kommen: 2 Schlächtereien, 1 Mühle, 2 Bäckereien, 1 Eisfabrik, 1 Bürstenfabrik, 1 Dütenfabrik, 2 Schneiderwerkstätten, 1 Schuhmacherwerkstatt, 1 Hotel, 1 Casino, 7 Restaurationen, 2 Kaffeeschänken, 1 Plättanstalt, 1 Industrieschule für Er- wachsene, 3 Industrieschulen für schulpflichtige Kinder und 1 Haushaltungsschule. ... Und das alles hier erwähnte will auch geleitet und verwaltet sein, neben der ungeheueren Ausdehnung der industriellen Betriebe! Die Gußstahl- fabrik verfügt auch über ihre eigene Feuerwehr , die zur Zeit dieses Berichtes 77 Mann zählte und über 8 Hydrantenwagen, 3 Mannschaftsgeräthewagen und 8 zweiräderige Abprotzspritzen verfügte. In demselben Zeitabschnitte befanden sich im Fabriksbezirke 49, in den Colonien 10 Leiterstationen. Zur Alarmirung waren 74 elektrische Feuermeldestellen vorhanden, von den 230 Telephonstellen, welche jeden Augenblick in den Dienst der Feuerwehr gestellt werden können, abgesehen. Zum Schlusse noch etliche Zahlen bezüglich des Krupp'schen Grundbesitzes . Derselbe umfaßte im Jahre 1895 circa 352 Hektar, wovon circa 51 überbaut waren. Auch etliche historische Notizen dürften von Interesse sein. Im Jahre 1787 wurde Peter Friedrich Krupp, der Gründer der Firma — welche 1810 ins Leben trat — geboren. 1811 wurde der erste Schmelzofen zur Gußstahlerzeugung erbaut, 1812 erblickte Alfred Krupp das Licht der Welt. 1818 erfolgte der Bau der ältesten Werkstätten der heutigen Essener Fabriksanlage, 1826 verstarb Peter Friedrich Krupp. Die erste Herstellung von Gewehrläufen aus Gußstahl erfolgte 1842, jene der Geschützrohre aus demselben Material 1847. Das Jahr 1853 bezeichnet den Zeit- punkt der Einführung des Krupp'schen Verfahrens, Radreifen ohne Schweißung herzustellen, das Jahr 1861 die Inbetriebsetzung des Riesenhammers »Fritz«. 1862 erfolgte die erste Construction des Krupp'schen Flachkeilverschlusses, 1863 der Bau der ersten Arbeitercolonie »Westend«, 1864 die Anlage des Schienen und Blech- walzwerkes, 1865 die Construction des Krupp'schen Rundtheilverschlusses. In das Jahr 1867 fällt die Einführung des prismatischen Pulvers mit 7 Canülen und Aufnahme der Ringconstruction für die größeren Geschütze. Im Jahre 1886 erfolgte die Einverleibung des Gußstahlwerkes von F. Asthöwer \& Co. in Annen, 1887 (14. Juli) das Ableben Alfred Krupps . In das Jahr 1889 fällt die Einführung der Construction des Krupp'schen Horizontalverschlusses für Schnelllade- Kanonen und die Einführung des rauchlosen Pulvers. In der Zeit von 1890 bis 1892 wurde die Panzerplattenfabrikation aufgenommen und damit in Verbindung die Erster Abschnitt. Schmiedepressen von 2000 und 5000 Tonnen Druck in Betrieb gesetzt. Der Ankauf des Grusonwerkes in Magdeburg-Buchau fand im Jahre 1893, die Betriebsüber- nahme der »Germania« im Jahre 1896 statt. 2. Rundgang durch dentsche Eisenhütten. Mit der Schilderung des Krupp'schen Etablissements ist das deutsche Eisen- gewerbe selbstverständlich noch lange nicht erschöpft. Die Zahl hervorragender Unter- nehmungen ist freilich so bedeutend, daß nicht daran zu denken ist, ihnen sammt und sonders in einem Werke gerecht zu werden, das nicht für Fachleute bestimmt ist und nach Ziel und Zweck in erster Linie dem Laien ein allgemein orientirendes Bild des Hüttenbetriebes vermitteln soll. Immerhin ist es unerläßlich, wenigstens der hervorragendsten Betriebe dieser Art zu gedenken. Da wäre zunächst die Bochumer Gußstahlfabrik , welche in mancher Be- ziehung der Krupp'schen ebenbürtig ist und über maschinelle Einrichtungen verfügt, wie die Essener Fabrik, wenn auch ihre räumliche Ausdehnung und Vielgestaltigkeit nicht entfernt sich mit letzterer messen kann. In Bochum befindet sich ein Dampf- hammer von 60 Tonnen Fallgewicht, der sonach der größte in Deutschland ist. Die Specialität dieser Fabrik ist Façonguß, vornehmlich Schiffstheile, Dampf- cylinder, Preßcylinder, Gußstahlglocken und Gußstahlgeschütze. Das letztere Fabrikat wurde zuerst in Bochum hergestellt. Die Fabrikation von gepanzerten Geschützen von bedeutendem Caliber bildete schon frühzeitig die hervorragendste Leistung dieses Etablissements. Eines der größten deutschen Etablissements ist die Gutehoffnungshütte zu Oberhausen . Sie ist die Nachfolgerin der Handelsgesellschaft »Jacobi, Haniel und Huyssen«, welche, im Jahre 1808 gegründet, sich unter dieser Firma zu einem der bedeutendsten Werke des Eisen- und Stahlgroßgewerbes emporgearbeitet hat und sich in ihrem langjährigen Bestehen sowohl im Inlande als im Auslande eines hervorragenden Rufes zu erfreuen hatte. Die Gutehoffnungshütte hatte im Jahre 1872 den gesammten Besitz der genannten Firma als »Actienverein für Bergbau und Hüttenbetrieb« übernommen und ist solchergestalt die Besitzerin der nachstehend näher beschriebenen Werke. Dieselben sind unter sich durch Eisenbahngeleise ver- bunden, deren Gesammtlänge etwa 45 Kilometer beträgt. Das in Verwendung stehende Rollmaterial bezifferte sich im Jahre 1895 (auch die anderen Daten gelten für diesen Zeitabschnitt) auf 12 Locomotiven und 450 Wagen. Die Werke umfassen in ihrer Gesammtheit 10 Abtheilungen, deren wichtigste diejenige zu Sterkrade ist. Sie arbeitet mit 5 Kupolöfen, 2 Flammöfen, 1 Siemens- Martinofen, 18 Dampfmaschinen, 1 Locomotive, 2 fahrbaren Dampfkrahnen von zusammen etwa 700 Pferdekräften, 7 Dampfhämmern mit 15‧8 Tonnen Fallgewicht, 22 Dampfkesseln, 250 Werkzeugmaschinen und 1 Holzschneidemaschine. Das Werk umfaßt eine Maschinenbauanstalt, eine Gießerei, eine Stahlformgießerei, eine Dampf- Hüttenwerke. hammerschmiede, eine Dampfkesselschmiede und eine Brückenbauanstalt von größtem Umfange. Die Maschinenbauanstalt, welche hervorragend ist, befaßt sich neben der Her- stellung von Maschinen für den eigenen Bedarf (Walzwerks- und Hüttenmaschinen jeder Art) vorzugsweise mit dem Bau von Maschinen für den Steinkohlenbergbau und Schiffsmaschinen jeder Größe. Sie liefert seit einer langen Reihe von Jahren für die bedeutendsten Steinkohlenbergwerke die Förder- und Wasserhaltungs- maschinen. Sie liefert ferner als Besonderheit selbstthätige Kippvorrichtungen zum Entladen der Eisenbahnwagen, sowie hydraulische Anlagen und Hebevorrichtungen für Häfen, Bahnhöfe, Magazine u. s. w. In der Gießerei werden der Maschinenguß jeder Art und Größe und als Besonderheit Coquillen für Stahlwerke hergestellt. Die neue Stahlformgießerei, in der Stahlformguß jeder Art hergestellt wird, ist mit den neuesten und voll- kommensten Einrichtungen ausgerüstet. Aus der Dampfhammerschmiede gehen haupt- sächlich Schiffsachsen, Steven, Anker und Ketten, aus der Dampfkesselschmiede Kessel und Behälter jeder Größe hervor. ... Ganz hervorragend ist die Brückenbauanstalt, aus der bis zum Jahre 1895 die folgenden Werke hervorgegangen sind: 6 Brücken über den Rhein, 140 Brücken an der Gotthardbahn, 1 Brücke über die Weichsel bei Thorn, Brücken über die Elbe bei Dresden und Barby, die »Kaiserbrücke« über die Weser bei Bremen, die Hochbrücke über den Kaiser-Wilhelmcanal bei Levensau (164 Meter Stützweite) und eine größere Anzahl von Brücken für das Ausland. Bedeutende Leistungen sind ferner die großen Schwimmdocks für die kaiserlichen Werften in Danzig, Kiel und Wilhelmshafen, der eiserne Leuchtthurm bei Campen. Die Gutehoffnungshütte ist auch die Constructeurin der Halle des Frankfurter Centralbahnhofes, des zweitgrößten der Welt. Auf dieses Werk, sowie auf die Brücken- und Dockbauten kommen wir in späteren Abschnitten noch im Besonderen zu sprechen. Die zweite Abtheilung der Gutehoffnungshütte ist das Walzwerk Ober- hausen , das 30 Puddelöfen, 11 Schweißöfen, 5 Wärmöfen, 12 Walzenstraßen, 47 Dampfmaschinen und 9 Dampfhämmer von zusammen etwa 7000 Pferde- stärken in Betrieb hat. Außerdem sind 40 Dampfkessel vorhanden. Das Etablisse- ment fertigt aus Schweißeisen, Flußeisen und Flußstahl vorzugsweise an: alle Arten von Façoneisen, Schiffsbaumaterial, Schienen und Bleche. Bedeutender als dieses Etablissement ist das Walzwerk bei Neu-Oberhausen (Abtheilung III ). Dasselbe, ein Thomas- und Martinstahlwerk, verfügt über 4 Converter und 4 Martinöfen, ferner über 14 Schweiß- beziehungsweise Wärmöfen, 10 Walzen- straßen, 78 Dampfmaschinen, 10 Dampfhämmer, 5 Locomotiven und 5 fahrbare Dampfkrahne von zusammen circa 13.000 Pferdestärken. An Dampfkesseln sind 96 vorhanden. Die wichtigsten Fabrikate dieses Etablissements sind Schienen, Schwellen für den eisernen Oberbau, Laschen und Unterlagsplatten, Walzdraht, Stahlknüppel und Platinen, vorgewalzte Stahlblöcke und desgleichen Brammen Erster Abschnitt. (Panzerplatten). Während die jährliche Gesammtproduction des Werkes zu Sterkrade sich mit 40.000 Tonnen beziffert, erreicht dieselbe in den beiden Walzwerken die bedeutende Höhe von 200.000 Tonnen (Fertigwaare). In Bezug auf die Leistung werden aber die vorgenannten Werke von der Eisenhütte Oberhausen (Abtheilung IV ) noch übertroffen; sie beträgt 300.000 Tonnen Roheisen. Das Etablissement umfaßt 9 Hochöfen mit 22 Cowper-Wind- erhitzungsapparaten, 451 Koksöfen, 70 Dampfmaschinen von zusammen etwa 5500 Pferdestärken, 12 Locomotiven von 2000 Pferdestärken und 84 Dampfkessel. Es werden verhüttet: ausländische Eisen- und Manganerze aus den eigenen be- deutenden Eisenwerksbezirken, sowie Erze aus Spanien, Schweden und Rußland. Die Haupterzeugnisse sind: Puddel-, Bessemer-, Thomas-, Hämatite- und Gießerei- Roheisen, Spiegeleisen und Ferromangan. Die Abtheilungen V bis VIII sind Kohlenzechen, die eine sehr bedeutende Leistung zu verzeichnen haben. Drei dieser Zechen (die vierte war zur Zeit dieses Berichtes im Bau) fördern zusammen täglich 4550 Tonnen. Die Maschinenkraft auf diesen Zechen repräsentirt zusammen 3700 Pferdestärken. Auf der Zeche »Oster- feld« ( VII ) sind 60 Koksöfen im Betrieb. Die Abtheilung Ruhrort ( IX ) liefert vollständig ausgerüstete Dampfschiffe für den Personen- und Güterverkehr, Tauerschiffe, eiserne Kähne und Schwimm- krahne. Das Etablissement verfügt ferner in Neu-Essen über eine Fabrik feuerfester Steine mit 10 Brennöfen, 2 Wasserrädern, 2 Mahlgängen und 2 Thonmühlen. ... Die im Besitze der Gutehoffnungshütte befindlichen Eisensteingruben in Nassau, Siegen, Lothringen, Luxemburg, Bayern u. s. w. umfassen eine Gesammtberecht- same von etwa 1900 Quadratkilometer; die im Oberbergamtsbezirk Dortmund be- liehenen Kohlenfelder repräsentiren eine zusammenhängende Fläche von 55 Quadrat- kilometer; das gesammte Grundeigenthum endlich umfaßt circa 1000 Hektar, von welchen 190.000 Quadratmeter bebaut beziehungsweise überdacht sind. Die ge- sammte Betriebskraft aller Werke beziffert sich auf etwa 30.000 Pferdestärken. Es sind über 10.000 Beamte und Arbeiter beschäftigt. Wie aus den vorstehenden Angaben hervorgeht, darf sich die Gutehoffnungs- hütte wohl mit Recht als eines der bedeutendsten Werke des Eisen- und Stahl- Großgewerbes bezeichnen. Ihre besondere Bedeutung innerhalb dieses Gewerbe- zweiges stammt indessen nicht aus jüngster Zeit: sie hat dieselbe schon vor langen Jahren erworben, als sie unter den Ersten war, die in Deutschland das Puddel- verfahren, die Herstellung von Schienen und den Bau von Dampfmaschinen und Dampfschiffen einführten. Die nächst zu erwähnende deutsche Eisenhütte von Bedeutung ist jene der Union (Actiengesellschaft für Bergbau, Eisen- und Stahlindustrie) zu Dortmund . Das Etablissement wurde 1872 begründet und hat seitdem beachtenswerthen Auf- schwung genommen. Die Gesammtproduction betrug im Betriebsjahre 1895/96 bei den Walzwerken, Räderfabriken, der Brückenbau-Anstalt, den mechanischen Werk- Hüttenwerke. stätten und Gießereien: 276.799 Tonnen Eisen- und Stahlfabrikate (gegen 173.187 Tonnen im Betriebsjahre 1888/89); bei den Hochofenanlagen: 282.605 Tonnen (gegen 192.488 Tonnen in 1888/89); bei den Eisenstein- und Kohlengruben be- ziehungsweise den Koksöfen: 678.980 Tonnen (gegen 693.212 Tonnen in 1888/89; die letztere Productionsmenge ist also etwas zurückgegangen). Die Gesammtausrüstung der Werke umfaßte in dem gleichen Zeitabschnitte: 405 Kessel, 304 Dampfmaschinen mit 17.895 Pferdestärken, 19 Gebläsemaschinen für Hochöfen und Converter, 28 Locomotiven, 61 Dampfhämmer, 41 Walzen- straßen, 138 Puddelöfen, 69 Schweiß- und Wärmöfen, 499 Koksöfen, 508 Werk- zeugs- und Adjustagemaschinen, 11 Hochöfen, 4 Converter und drei Gasfabriken mit einer Jahresproduction von 1½ Millionen Cubikmeter. Das Eigenthum der Fig. 129. Dortmunder Eisen- und Stahlwerk zu Dortmund (Union). Gesellschaft umfaßt 329 Hektare, davon 17‧2 unter Dach. Sie hat 146 Kilo- meter normal- und schmalspurige Eisenbahnen im Betrieb und beschäftigt rund 7300 Arbeiter. Die bedeutendste Anlage der Union ist das Eisen- und Stahlwerk zu Dortmund, das mit 4 Convertern, 2 Martinöfen, 16 Wärmöfen, 10 Dampf- hämmern, 2 Triowalzenstraßen (Walzendurchmesser 83 beziehungsweise 67 Centi- meter), 3 Bandagenwalzwerken, 19 Krahnen, 46 Werkzeug- und Adjustagemaschinen, 31 Kesseln und 32 Dampfmaschinen von zusammen 3520 Pferdestärken arbeitet. Die Erzeugnisse bestehen in Stahlblöcken und Brammen aus Thomas-, Bessemer- und Martinstahl und deren Weiterverarbeitung zu Schienen, Lang- und Quer- schwellen, sowie zu Bandagen und Achsen für Locomotiv-, Tender-, Waggon- und Pferdebahnräder ꝛc., ferner von Blöcken und Brammen für Blech, Draht und Schmiedestücke. Die Leistung des Stahlwerkes beziffert sich im Jahre 1896 auf 150.000 Tonnen rohe Ingots, 120.000 Tonnen Schienen und Schwellen, 20.000 Tonnen Laschen und Unterlagsplatten und 15.000 Tonnen Bandagen. Erster Abschnitt. Das Puddel- und Walzwerk umfaßt 30 Puddelöfen, 11 Schweißöfen, 10 Dampfhämmer, 9 Walzenstraßen, 39 Dampfmaschinen und 36 Werkzeug- und Adjustagemaschinen. In diesem Werke werden hauptsächlich dargestellt: Rund-, Quadrat-, Flach- und andere Façoneisen; ferner Federstahl, Grubenschienen u. s. w., im Ganzen pro Jahr 40.000 Walzfabrikate in Eisen und Stahl. Die Brücken- bau-Anstalt darf sich rühmen, bedeutende Werke bewältigt zu haben, so die Waalbrücke bei Nymwegen mit 5140 Tonnen Gewicht, die Narewbrücke bei Nowo- Giorgiewsk mit 1125 Tonnen Gewicht und die Weichselbrücke bei Graudenz mit 8242 Tonnen Gewicht bei einer Gesammtlänge von 1097 Meter. Eine besondere Specialität dieser Werkstatt ist die Herstellung transportabler Stahlbahnen (jähr- liche Leistung 10.000 Tonnen). Das Dortmunder Werk hat des Weiteren eine Weichenfabrik , eine mecha- nische Werkstatt und Gießerei und eine Räderfabrik im Betrieb. Die letztere ist mit 62 Schmiedefeuern, 7 Dampfhämmern, 8 Dampfmaschinen und 103 diversen Werkzeugmaschinen ausgerüstet und leistet jährlich 3750 Radsätze. Eine Dependenz des Dortmunder Werkes ist das Puddel - und Walzwerk Aplerbeck , das 20 Puddelöfen, 6 Schweißöfen, 4 Dampfhämmer, 4 Walzenstraßen und 20 Dampf- maschinen umfaßt. Die jährliche Leistung beziffert sich auf 20.000 Tonnen. Im Besitze der Union befinden sich noch zwei weitere Etablissements: das Horster Stahl- und Eisenwerk (an der Bahnlinie Dortmund-Essen) und die Heinrichshütte (an der Bahnlinie Steele-Hagen). Das Horster Werk umfaßt eine Hochofenanlage und Kokerei, ein Puddel- und Walzwerk und eine Achsenfabrik. Der Hochofenanlage, welche mit 2 Hochöfen und 3 Gebläsemaschinen sowie mit 80 Koksöfen arbeitet, kommt eine jährliche Leistungsfähigkeit von 50.000 Tonnen Roheisen, 35.000 Tonnen Koks und 25.000 Tonnen Schlacke, welch letztere in einem Schlackengranulirwerk gewonnen wird, zu. Das Puddel- und Walzwerk ver- fügt über 40 Puddelöfen, 12 Schweißöfen, 11 Dampfhämmer, 9 gewöhnliche Walzenstraßen, 1 Reversir-Walzwerk, 28 Dampfmaschinen und 35 diverse Werk- zeug- und Adjustagemaschinen. Auf diesem Werke werden hauptsächlich alle Sorten Façoneisen (40.000 Tonnen), ferner Kleineisen für eisernen Oberbau (5000 Tonnen) und schmiedeeiserne Grubenschienen (5000 Tonnen) hergestellt. Die Arbeitsleistung der Achsenfabrik, welche nur über 2 Dampfhämmer und 9 Werkzeugmaschinen ver- fügt, ist mäßig; sie beträgt nur 350 Tonnen Achsen und Büchsen pro Jahr. Die Heinrichshütte umfaßt eine Hochofenanlage, ein Puddel- und Walz- werk, eine Gießerei und mechanische Werkstätte, ein Temper-Gußstahlwerk, eine Façonschmiede und eine Fabrik feuerfester Steine. Die Hochofenanlage arbeitet mit 3 Hochöfen, 6 Gebläsemaschinen und Winderhitzern und 88 Koksöfen und kommt ihr eine jährliche Leistungsfähigkeit von 80.000 Tonnen Roheisen und 40.000 Tonnen Koks zu. Das Puddel- und Walzwerk umfaßt ziemlich weitläufige Anlagen: 48 Puddelöfen, 15 Schweißöfen, 7 gewöhnliche Walzenstraßen, 1 Reversir-Walz- werk, 11 Dampfhämmer, 2 Blechpressen, 12 Dampfmaschinen und 28 diverse Hüttenwerke. Maschinen. Die Leistung stellt sich pro Jahr auf 20.000 Tonnen Bleche aller Art, in Eisen und Stahl für Kessel, Locomotive, Schiffsreservoirs, Brücken u. s. w.; ferner Riffelbleche, Diffuseurböden, Hauben, Kesseldome, Feinbleche und Bundbleche. Die Gießerei und mechanische Werkstätte der Heinrichshütte arbeitet mit 5 Cupol- und Flammöfen, 4 Dampfmaschinen und 49 diversen Werkzeugmaschinen und fabricirt vorzugsweise alle Arten von Herd-, Kasten- und Lehmguß, sodann Bremsklötze aus Stahlguß, alles zusammen 4000—5000 Tonnen jährlich. — Das Temper-Gußstahlwerk verfügt über 9 Temper- und Glühöfen zur Herstellung aller Arten Gegenstände, welche sich für dieses Material eignen, vornehmlich Räder und Radsätze für Grubenbahnen und transportable Stahlbahnen. Die Leistungsfähigkeit ist etwa 1000 Tonnen Fig. 130. Räderdreherei des Dortmunder Eisen- und Stahlwerkes (Union). jährlich. Etwas größer (bis 2500 Tonnen) ist diejenige der Façon- schmiede, in deren Dienst 3 Schweißöfen, 10 Schmiedefeuer und drei Dampfhämmer stehen; das Fabrikat sind Schmiedestücke aus Schweißeisen und Stahl, als: Wellen, Spindeln, Kurbeln, Pleyl-, Kuppel- und Kolbenstangen. Die hervorragend- sten Gebiete des deut- schen Eisengewerbes sind der niederrheinisch-westfälische Bezirk, das Siegener Land, der Aachen-Eifel-Bezirk, der Saarbrückener Bezirk, Elsaß-Lothringen in West- und Nordwest-Deutschland. Es erübrigen aber noch sehr bedeutende andere Arbeitsgebiete, und unter diesen vornehmlich der niederschlesische und der oberschlesische Bezirk. Der letztere umfaßt einen ausgedehnten Complex von Gruben- und Hüttenbetrieben, in dessen Einzelheiten einzugehen nicht möglich ist. Wir behandeln daher diese Industrie- unternehmungen summarisch, wobei nur das allgemein Wissenswerthe hervor- gehoben wird. Die » Bismarckhütte « — eine Gründung vom Jahre 1872 — besaß an- fänglich nur Betriebseinrichtungen für die Fabrikation von Walzeisen und Eisen- blechen, doch wurden später (1889) eine Kaltwalzerei für Federstahlfabrikation und eine zweite Feinblechstrecke mit den dazu gehörigen Oefen und maschinellen Ein- richtungen in Betrieb gesetzt. Ein Jahr darauf erfolgte die Inbetriebsetzung einer Martinstahlanlage und eines Blockwalzwerkes. Die Production der Hütte belief sich Erster Abschnitt. im Jahre 1891 Wir bemerken, daß für alle oberschlesischen Etablissements bezüglich der statistischen Angaben diejenigen vom Jahre 1891 gelten, da das neueste Ziffernmaterial dem Verfasser nicht zugänglich war. auf 17.057 Tonnen Rohschienen, 13.951 Tonnen Walzeisen, 6674 Tonnen Eisenbleche, 706 Tonnen Federstahl und 11.530 Tonnen Blöcke. Die Zahl der Arbeiter belief sich auf 1174. Die oberschlesische Montanindustrie der Firma A. Borsig (Berlin) verdankt ihre Gründung dem berühmten Erfinder des deutschen Locomotivbaues Johann Karl Friedrich August Borsig. Für den Unternehmungsgeist dieses Mannes lag es nahe, angesichts der an ihn herangetretenen umfassenden Aufgaben, sich bezüglich des Materialverbrauches unabhängig zu stellen. Es erfolgte zunächst die Schöpfung von Hüttenwerken im Bereiche von Berlin und später die Erwerbung und der Betrieb eigener Kohlen- und Eisengruben, um eine Roheisenproduction zu begründen, welche die Firma unabhängig von der Anschaffung der Rohstoffe machen sollte. Der Borsig'sche Complex von Unternehmungen in Oberschlesien umfaßt eine Anzahl von Kohlengruben und ein Walz- und Hammerwerk für Fabrikate aus Schweißeisen, Flußeisen und Stahl. Dasselbe umfaßt: 2 Blechwalzwerke, deren eines das größte dieser Art und das einzige Reversir-Walzwerk in Deutschland war; ein Puddelwerk mit 35 Puddelöfen, 3 Schweißöfen und 5 Dampfhämmer; ein Hammerwerk mit 9 Schweißöfen und 5 großen Dampfhämmern und eine Schmiede. Im Walzwerk sind 20 Schweiß- und Flammöfen mit 4 schweren Dampf- hämmern installirt. Die Gesammtproduction betrug 1891 21.253 Tonnen Walz- und Schmiedefabrikate sowie Stahl-Façonguß, die Zahl der Arbeiter 3300. Die Donnersmarckhütte , welche ihren Namen nach dem ursprünglichen Besitzer Grafen Guido Henckel von Donnersmarck trägt, constituirte sich 1872 als Actiengesellschaft und umfaßt zur Zeit die folgenden Anlagen: 3 Hochöfen mit 5 steinernen Winderhitzern und Nebenbetrieben und producirte (soweit Eisen in Betracht kommt) im Jahre 1891 50.250 Tonnen Roheisen, 2318 Tonnen Fabrikate der Gießerei und Maschinenbauanstalt und circa 1000 Tonnen Blecharbeiten. Be- schäftigt waren insgesammt 3250 Arbeiter. Einen sehr bedeutenden Complex von Anlagen und Betrieben besitzt die Friedenshütte , von deren Dependenzen folgende Productionsmengen zu verzeichnen sind: Hochöfen Friedenshütte 60.040 Tonnen; Puddelwerk Zawadzki 21.202 Tonnen; Walzwerk daselbst 25.326 Tonnen; Blech- walzwerk Sandowitz 996 Tonnen; Gießerei Colonowska 2655 Tonnen; Flußeisen Stahlwerk Friedenshütte 95.462 Tonnen; Grob- und Blechwalzwerk daselbst 95.757 Tonnen u. s. w. Die im Jahre 1887 begründete, in ihrer jetzigen Gestalt seit dem Jahre 1889 bestehende oberschlesische Eisenindustrie-Gesellschaft zu Gleiwitz umfaßt die »Julienhütte« (Production in 1886: 36.455 Tonnen Gußwaaren), die »Baildonhütte« (Halbfabrikate 4167 Tonnen, Fertigfabrikate 17.129 Tonnen) und die »Herminen- hütte« (Fertigfabrikate 25.223 Tonnen). Die Zahl der Arbeiter betrug 1891 7761. Hüttenwerke. Die Königliche Hütte zu Gleiwitz (»Gleiwitzerhütte«), nicht zu verwechseln mit der vorgenannten, ist vornehmlich deshalb von Interesse, weil sie eine Etape in der Entwickelung Fig. 131. Horster Eisen- und Stahlwerk (Union, Horst bei Steele). des Hochofenbetriebes darstellt. Als nämlich gegen Ende des vorigen Jahrhunderts der zu- nehmende Holzmangel die Entwickelung der oberschlesischen Eisen- industrie zu hemmen drohte, entschloß sich der um das schlesische Montanwesen so hoch verdiente Berghaupt- mann Graf Reden , welcher die bereits ent- standenen Kokshoch- ofen-Anlagen Eng- lands eingehend studirt hatte, an Stelle der bis dahin verwendeten Holzkohlen Stein- kohlenkoks beim Hoch- ofenbetrieb einzufüh- ren. So erfolgte im Jahre 1794 durch den aus England berufenen Hüttenmann Baildon die Erbauung des ersten Kokshochofens auf dem Festlande. Im Jahre 1797 baute man in der Gießhütte zwei Cupol- und zwei Flammöfen, dem alsbald weitere Anlagen dieser Art folgten. Die Produc- tion hob sich rasch, sank aber in den napoleonischen Kriegen wieder derart, daß nur die Fabrikation von Kriegsmaterial den gänzlichen Niedergang verhindern konnte. Erster Abschnitt. Aber gerade diese Phase in der Geschichte der Gleiwitzerhütte ist von allgemeinem Interesse. Nachdem die ersten Kanonen, nach englischer Art »in Kapsel und Masse gegossen«, die Schießproben bestanden hatten, befahl der König auf den erstatteten speciellen Bericht der Artilleriebehörde, daß eiserne Geschütze in Zukunft nur vom Inlande bezogen werden sollten. Vom Jahre 1809 ab wurden in Gleiwitz auch »metallene« Geschütze gefer- tigt und hierzu ein »Metallofen« gebaut. Besonders im Jahre 1813 brachten die Lieferungen für das Heer die Gießerei in äußerst lebhaften Betrieb. Da es der Armee an Munition mangelte, wurde ein neuer Cupolofen gebaut und mit den bereits vorhandenen fünf Oefen einige Monate wechselweise Tag und Nacht im Betrieb erhalten. Das Werk lieferte in diesem Zeitraume in zwei Monaten: 1500 Stück 50pfündige Bomben, 3100 Stück 50pfündige Granaten, 6200 Stück 10pfündige Granaten, 17.800 Stück 6pfündige Kanonenkugeln. Im Ganzen wurden in den Jahren 1806 bis 1816 rund 400 Geschütze und Mörser hergestellt. Mit Wieder- eintritt ruhiger Zeiten ging die Herstellung von Kriegsmaterial auf einen geringeren Umfang zurück und die älteren Productionszweige wurden wieder aufgenommen. Von den gräflich Guido Henckel-Donnersmarck 'schen Industriewerken, welche vornehmlich bedeutende Bauwerke umfassen, interessirt uns hier nur der Hüttenbetrieb. Die Hütte »Bethlen-Falva« bei Schwientochlowitz umfaßt 2 Hoch- öfen (Tagesleistung eines jeden 60 Tonnen), ein Puddel- und Walzwerk mit 18 Puddel- und 7 Schweißöfen (jährliche Leistung des Walzwerkes 24.000 Tonnen Grob-, Fein- und Bandeisen) und eine Maschinenfabrik, welche hauptsächlich für die verschiedenen industriellen Anlagen des Besitzers arbeitet und in der dazu- gehörigen Eisengießerei jährlich mit zwei Cupolöfen circa 1000 Tonnen diverse Gußsachen erzeugt. Zur Dampferzeugung dienen für den Gesammtbetrieb 50 Dampf- kessel mit 2200 Quadratmeter Heizfläche. Die Gesammterzeugnisse beliefen sich im Jahre 1891 auf 39.906 Tonnen Roheisen und 12.433 Tonnen Walzwerksproducte. Die Bergwerks- und Hüttenindustrie der Standesherrschaft Beuthen-Sie- mianowitz (Grafen Hugo, Lacy, Arthur Henckel v. Donnersmarck) ist neben deren bedeutenden Leistungsfähigkeit auch deshalb von großem Interesse, als der Berg- bau in der alten Herrschaft Beuthen, soweit die Nachrichten reichen, bis ins 12. Jahrhundert zurückreicht. Schon im Jahre 1718 ist ein Holzkohlen-Hochofen in Thätigkeit. In das Jahr 1805 fällt die Erbauung eines neuen großen Eisen- hüttenwerkes, der »Antonienhütte«, in das Jahr 1809 die Errichtung eines neuen Hochofens, der »Lazarushütte«. Von epochemachender Bedeutung aber für das Auf- blühen der gräflich Henckel'schen Werke wurde die Erbauung der »Laurahütte« (1837—1840), des ersten und größten Werkes dieser Art in Ostdeutschland und eines der ausgedehntesten Etablissements in damaliger Zeit in ganz Deutschland, bestehend in Hochofenanlagen, Puddel- und Walzwerken. Im Jahre 1842 entstand in der »Hugohütte« bei Tarnowitz ein neues Hochofenwerk, von anderen, nicht dem Eisengewerbe dienenden Schöpfungen, abgesehen. Hüttenwerke. Den Gipfel der industriellen Größe und Bedeutung erreichte die Montan- industrie der Herrschaft Beuthen im Jahre 1869 durch den Ankauf der fiscalischen » Königshütte « nebst allem Zubehör. In dieser Zeit wurden für Rechnung des Grafen Hugo Henckel allein gegen 8000 Arbeiter beschäftigt. Die 16 Hochöfen producirten 1,915.765 Centner (95.788 Tonnen) Roheisen und 1,158.768 Centner (57.935 Tonnen) Walzwerkproducte. Der Bestand der industriellen Anlagen blieb jedoch nicht lange auf dieser Höhe erhalten. Schon im Jahre 1871 wurde die Königs- und Laurahütte sammt den dazugehörigen Steinkohlengruben und einem Theile der Eisenerzfelder an die jetzige Actiengesellschaft » Vereinigte Königs- und Laurahütte « verkauft. Diese neue Gesellschaft meliorirte während ihres Bestehens die übernommenen Anlagen erheblich, fügte denselben neue hinzu und vergrößerte ihren Besitz. Die industriellen Etablissements der Gesellschaft in Königshütte, Laurahütte und Katha- rinahütte bestehen gegenwärtig aus 3 Hochofenanlagen, 3 Gießereien, 3 Puddel- und 3 Eisenwalzwerken, 1 Bessemer- und Thomas-Stahlwerk, 1 Martinwerk, 1 Bandagenwalzwerk, 1 Räderfabrik nebst verschiedenen anderen Betrieben. Im Ganzen sind in Thätigkeit: 14 Hochöfen, 94 Puddelöfen, 13 Cupol-, 17 Flamm- öfen, 98 Schweiß- und Wärmöfen, 26 Walzenstraßen, 35 Scheeren und Sägen, 3 Converter, 297 Dampfmaschinen mit 17.850 Pferdestärken, 35 Dampfhämmer und 104 Schmiedefeuer. Die Zahl der Beamten betrug 1891 279, die der Arbeiter (auf den Hüttenwerken und Gruben) zusammen 12.693. Die Production betrug in demselben Zeitabschnitte, insoweit das Eisengewerbe in Betracht kommt: in Eisen- erzen 135.647 Tonnen, Roheisen 165.252 Tonnen, Gußwaaren 5905 Tonnen, Walz- und Stahlwaaren 128.237 Tonnen. Um nicht zu weitläufig zu werden, erwähnen wir im Nachstehenden noch etliche bemerkenswerthe oberschlesische Hüttenbetriebe, und zwar: die Kattowitzer Actiengesellschaft für Bergbau und Eisenhüttenbetrieb mit der »Hubertushütte« (Production 1891: 34.667 Tonnen Puddel- und Gießereieisen) und dem Walz- werke »Marthahütte« (Production 1892: 20.853 Tonnen Handelseisen); die Redenhütte (Actiengesellschaft) zu Zabrze mit einer Jahresleistung (1891) von 16.491 Tonnen Roheisen, 16.922 Tonnen Walzwerksfabrikate und 9674 Tonnen Stahl; die Tarnowitzer Actiengesellschaft für Bergbau- und Eisenhütten- betrieb u. s. w. Unsere Rundschau geht im räumlichen Sinne von Deutschland auf Oester- reich-Ungarn über. Auch hier fehlt es nicht an Gebieten mit hervorragender Thätigkeit und Leistungsfähigkeit auf dem Felde des Eisengewerbes. Altberühmt ist der Eisen- und überhaupt Erzreichthum der österreichischen Alpenländer, deren Ge- sammtproduction an Roheisen sich auf circa 200.000 Tonnen jährlich beläuft. Eine Anzahl hervorragender Unternehmungen hat dem österreichischen Eisen auch auf dem Weltmarkte allenthalben Geltung zu verschaffen gewußt. Roheisen von vorzüglicher Qualität liefern die Hochöfen von Eisenerz, Hieflau und Schwechat . Erster Abschnitt. Im Bessemerproceß übernahm Oesterreich gewissermaßen eine bahnbrechende Rolle, da derselbe bereits im Jahre 1863 eingeführt wurde und die betreffenden Anlagen die Muster- und Lehranlagen für ganz Deutschland wurden. Vorzügliche Anlagen für den Bessemerbetrieb befinden sich in Zeltweg und Neuberg in Obersteier- mark, Ternitz in Niederösterreich, Reschitza und Annina im Banat, in der fürst- lich Schwarzenberg 'schen Hütte zu Turrach (der ältesten Anlage dieser Art in Oesterreich), in der Hütte von Heft (der zweitältesten in Oesterreich). Einen bedeutenden Complex bilden die Anlagen der Oesterreichischen Alpinen Montangesellschaft (mit Eisenerz und Donawitz als Mittelpunkten), sodann die Witkowitzer Bergbau- und Eisenhütten-Gesellschaft , welche im Jahre 1829 gegründet wurde und im Jahre 1895 folgende Betriebe umfaßte: Hochofenwerke »Sofienhütte« und Witkowitz (6 Hochöfen mit 20 Winderhitzern und 11 Gebläsemaschinen); Puddelwerk in Mährisch-Ostrau (22 Puddelöfen verschie- dener Construction, 23 Dampfmaschinen mit 2 Luppenwalzenstraßen); zwei Walz- werke (in getrennten Hütten) zu 8 beziehungsweise 4 Walzenstraßen, von denen die größere bedeutende Leistungen in der Erzeugung von Schiffsblechen und Panzer, platten, außerdem in Schienen, Eisenbahnschwellen und Constructionseisen zu ver- zeichnen hat. Der Stahlfabrikation dienen 3 Converter, 10 basische Martinöfen- 4 Oefen für Tiegelstahlfabrikation, 1 Stahlformerei, 1 Hammerwerk, 2 Radreifen- walzwerke, 1 Eisengießerei, 1 Röhrenwalzwerk und verschiedene Nebenbetriebe. Hervorzuheben sind ferner die Maschinenfabrik, die Brückenbau-Anstalt und die Kesselfabrik. Den Verkehr zwischen den einzelnen Betrieben vermitteln 45 Kilometer normalspurige Schleppbahnen mit 11 Locomotiven, 312 Güter- und 18 Personen- wagen und 48 Kilometer schmalspurige Bahnen mit 18 Locomotiven. Das Hütten- werk beschäftigt 230 Beamte und 11.100 Arbeiter. Wohlfahrtseinrichtungen ver- schiedener Art vervollständigen die umfassenden Installationen und Einrichtungen. Diesem Umfange der Witkowitzer Betriebe entsprechend ist auch die Leistung des Hüttenwerkes eine sehr bedeutende. Auf die Qualität der Panzerplatten kommen wir in einem späteren Abschnitte zu sprechen und führen hier nur die Production ziffermäßig an. Im Jahre 1895 betrug dieselbe an Roheisen 2,100.000 Meter- centner, Stahlblöcken 1,260.000 Metercentner, Puddelluppen 403.000 Metercentner, gewalztes Eisen und Stahl 1,012.000 Metercentner, Stahlwaaren (Façonguß, Bandagen) 98.559 Metercentner, gewalzte und gezogene schmiedeeiserne Rohre 83.000 Metercentner, Eisengußwaaren 197.000 Metercentner, Production der Ma- schinenfabrik 107.000 Metercentner, der Brückenbau-Anstalt und Kesselschmiede 57.000 Metercentner. Außerdem Nebenproducte (feuerfeste Steine, Koks, Ammonium- sulfat, Cementkupfer u. s. w.). In den Kohlengruben, die einer gesonderten Ver- waltung unterstehen, sind 60 Beamte und 8820 Arbeiter beschäftigt. Der Gesammt- personalstand der Unternehmung stellte sich sonach 1895 auf 290 Beamte und fast 20.000 Arbeiter, so daß die Bezeichnung Witkowitz' als eines »Oesterreichischen Essen« gerechtfertigt erscheint. Die Königshütte mit der Teichpromenade. Zweiter Abschnitt. Mechanische Einrichtungen in Eisenhütten und Werkstätten. I n den vorstehend gegebenen Schilderungen haben wir die Einzelheiten der Hüttenbetriebe in großen Zügen dargethan und somit sachgemäß an die vorangegangene Abtheilung des Werkes über »Stahl und Eisen« ange- knüpft. Gelegentlich der letzterwähnten Schilderungen wurde vielfach der einen oder anderen mechanischen Einrichtungen gedacht, ohne daß dieselben näher zur Sprache gebracht worden wären. Es erscheint indeß wünschenswerth, vornehmlich deshalb, um das Verständniß für die Eisenconstructionen besser zu vermitteln, in einzelne der mechanischen Hilfsmittel, welche sowohl im Hüttenbetrieb, sowie bei den Fertigarbeiten hauptsächlich in Betracht kommen, näher einzutreten. Hierbei soll jedoch von einer planmäßigen Erläuterung alles dessen, was in dieses Gebiet fällt, abgesehen und nur in zwangloser Weise die eine oder andere Einrichtung besprochen werden. Eine sehr wichtige, weil außerordentlich leistungsfähige Einrichtung, sind die verschiedenen Hebe-Apparate , unter welchen die Krahne in erster Linie stehen. Sie kommen in mancherlei Typen, als: Laufkrahne, Bockkrahne, Drehkrahne, fahr- bare Krahne u. s. w., in Verwendung, und zwar sowohl für Hand- als für Dampf- betrieb. Die Einrichtung der Laufkrahne für Bedienung von unten gestattet den Arbeitern, stets in der Nähe des zu bewegenden Stückes zu bleiben, und ist daher in mancherlei Betrieben bevorzugt. Diese Laufkrahne werden entweder mit Schneckenrad- oder Stirnrad-Laufwinden ausgestattet. In der Fig. 132 ist ein solcher Laufkrahn für Handbetrieb, durch endlose Kette von unten zu bedienen, dargestellt. Die beiden I -Eisen des Krahnwagens, welcher je nachdem auch aus Blech- oder Gitterträgern gebildet werden kann und zur Verminderung der Durchbiegung zwecks Erreichung einer leichten Querbewegung der Katze sehr solid hergestellt wird, ruhen auf kräftigen Kopfstücken aus Profileisen und sind mit denselben recht stabil durch Knotenbleche verbunden, damit ein Ver- ziehen derselben und damit verursachtes Zwängen der Laufräder vermieden wird. Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 12 Zweiter Abschnitt. Die Laufräder werden sowohl für Eisenbahnschienen als auch für Flacheisenschienen eingerichtet und erhalten deren Laufachsen, soferne seitlich Platz vorhanden ist, Fig. 132. Laufkrahn für Handbetrieb (Constructeur: Benrather Maschinenfabrik). doppelte Lagerung. Der An- trieb für das Laufwerk erfolgt entweder seitlich oder von der Mitte aus mittelst Kette und Kettenrad und kann nöthigen- falls für zwei Geschwindigkeiten eingerichtet werden. Die Lauf- bahnen, auf welchen sich die Krahne bewegen, werden vor- theilhaft so tief gelegt, daß die Gerüstträger der Krahne sich aufeinander bauen lassen und nicht untereinander gehängt werden müssen. Die Bauart wird dadurch günstiger und besser, während an Güte nichts verloren geht. Während die Laufkrahne hauptsächlich im Innern der Hütten und Werkstätten Ver- wendung finden, dienen die Bockkrahne vorzugsweise in den Arbeitshöfen zum Be- und Entladen der Eisenbahnfahr- zeuge. Dieselben werden für verschiedene Spannweiten und Tragkraft, sowohl feststehend als auch von Hand mittelst Knarre und Hebel ausgeführt. Für Hütten- und Walzwerke im Speciellen werden dieselben auch vielfach fahrbar mit Dampf-, Seil- oder elektrischem Betrieb hergestellt. Die Abbildung Fig. 134 zeigt einen feststehenden Krahn mit Handbetrieb, dessen lichte Höhe und Spannweite den freien Durchgang beladener Eisenbahnfahrzeuge gestattet. Das starke, aus Profileisen construirte Krahngerüst trägt auf dem oberen, stabil Mechanische Einrichtungen in Eisenhütten und Werkstätten. durch Knotenbleche verbundenen Querträger eine Laufkatze, welche durch ein von der Lastwinde unabhängiges Vorgelege mit zweierlei Räderübersetzung, dessen Antrieb von der Seite mittelst Kurbel oder Handkette bewirkt wird, verfahren werden kann. Die Last hängt an gewöhnlicher Krahnkette, welche auf einer ge- nieteten Trommel aufgewunden wird, die so groß gewählt ist, daß dieselbe die den ganzen Hub entsprechende Kette bei einmaliger Aufwickelung aufnimmt. Das Hub- Fig. 133. Bockkrahn (Constructeur: Benrather Maschinenfabrik). werk besitzt zwei- oder dreifaches Rädervorgelege und enthält eine selbstthätig wirkende, geräuschlose Sicherheitsbremse, welche ein ruhiges Ablassen der Last ermöglicht, ohne daß die Kurbeln gebraucht werden. Die Abbildung Fig. 135 zeigt einen Drehkrahn , wie solche besonders in Gießereien zur Verwendung kommen. Sie werden sehr kräftig aus Schmiedeeisen hergestellt und drehen sich mittelst Zapfen in einer mit Stahlpfanne versehenen Grundplatte in einem oberen Halslager. Wenn indessen kein Gebälk oder Mauer- werk zu deren Befestigung vorhanden ist, können diese Krahne auch freistehend mit stählener Krahnsäule und Gußfundamentkreuz ausgeführt werden. 12* Zweiter Abschnitt. Das Windwerk ist an der Krahnsäule befestigt und mit einfachem oder doppeltem Rädervorgelege für zwei Hubgeschwindigkeiten und selbstthätig wirkende Sicherheitsbremse versehen. Die calibrirte Lastkette wird über eine verzahnte Ketten- rolle geführt und das ablaufende Ende derselben in einem Kettenkasten aufgefangen. Es kann an deren Stelle eine Kettentrommel für gewöhnliche Kette oder eine Seil- trommel angeordnet werden, die so groß gewählt wird, daß sich die dem ganzen Fig. 134. Feststehender Drehkrahn mit Handbetrieb (Constructeur: Benrather Maschinenfabrik). Hub entsprechende Kette oder das Seil nur einfach aufwickelt, damit die beim Uebereinanderwickeln unvermeidlichen Stöße vermieden werden. Die Kurbelwelle kann beim Abwickeln der Last ausgerückt werden. Der Ausleger, welcher je nach Bedürfniß gerade geführte oder im stumpfen Winkel gebogene Streben erhält, trägt eine Katze, deren Bewegung ein besonderes, oben neben der Krahnsäule gelagertes Windwerk mit Kettennuß und calibrirter Kette vermittelt, indem an einer über ein Handkettenrad laufenden Kette gezogen wird. Als Hammerkrahn ist diese Con- struction ebenfalls mit Vortheil zu verwenden; in diesem Falle werden federnde Zwischenglieder in die Unterflasche eingeschaltet. Mechanische Einrichtungen in Eisenhütten und Werkstätten. Die Abbildung Fig. 135 stellt einen fahrbaren Drehkrahn mit Handbetrieb dar, wie solche vorzugsweise innerhalb der Fabrikshöfe zum Auf- und Abladen, sowie zum Transport von Lasten ausgebreitete Verwendung finden. Der Ausleger, welcher an den Enden als Gitterträger, in der Mitte als Blechträger construirt ist, dreht sich um die im schmiedeeisernen Wagengestell befestigte Krahnsäule. Ein zum Füllen mit Schrot ꝛc. als Gewicht dienender Blechkasten ist mit dem Ausleger fest Fig. 135. Fahrbarer Drehkrahn mit Handbetrieb (Constructeur: Benrather Maschinenfabrik). verbunden. Das Windwerk mit verzinktem Tiegelgußstahldrahtseil hat ein doppeltes Rädervorgelege für zweierlei Hubgeschwindigkeiten und wird mit einem nach beiden Richtungen selbstthätig wirkenden Klemmgesperre ausgerüstet, welches die Last in jeder Höhe absolut sicher freischwebend festhält. Das Ablassen der Last geschieht durch Rückwärtsdrehen der Kurbel. Die Fortbewegung des Krahnes vermittelt ein am Unterwagen angebrachtes Laufwerk mit Kurbelbetrieb, welches auch so ein- gerichtet werden kann, daß die Bedienung von der mit Riffelblech abgedeckten Plattform aus erfolgt. Größere Lasten erfordern selbstverständlich sehr starke Krahn-Constructionen und tritt hierbei der Dampf- oder elektrische Betrieb an Stelle des Handbetriebes. Zweiter Abschnitt. Die Fig. 136 stellt einen solchen Locomotiv-Dampfkrahn von 3000—8000 Kilo- gramm Tragkraft dar. Er läuft auf Normalspur und besitzt Dampflaufwerk mit Räderübersetzung oder, wenn es sich um möglichst schnelles Verfahren handelt, direct wirkendes Dampflaufwerk, ähnlich dem der Locomotiven. Diese Krahne erhalten in der Regel mit Dampfkraft verstellbare Ausleger aus gebogenem Profileisen, die es ermöglichen, bei geringer Ausladung breite Stücke hochziehen zu können. Das Drehen erfolgt durch Räderübersetzung und Frictionskuppelungen oder durch Drehcylinder. Fig. 136. Locomotiv-Dampfkrahn (Constructeur: Maschinenfabrik Mohr \& Federhaff, Mannheim). Die Dampfkrahne der vorbeschriebenen Construction sind äußerst stabil, stehen ohne Schienenzangen völlig frei, so daß sie mit anhängiger Last durch Dampfkraft auf dem Geleise fortbewegt werden können. Wo immer möglich, sollten bei Dampf- krahnanlagen breite Schienenspuren gewählt werden, um übermäßig schwere Gegen- gewichte zu vermeiden und den Krahnen einen leichten Gang zu sichern. Der Unter- wagen besteht in der Regel aus einem einzigen schweren Gußstücke, dessen Drehkranz konisch abgedreht ist. Der Königsstock, die Achsen und Zapfen sind aus Stahl, die Ketten aus bester Qualität. Die gekuppelten Maschinen dieser Constructionstype besitzen für gewöhnlich keine Umsteuerung, da die Umsetzung der Bewegungen durch doppelte Frictionskuppelungen erfolgt. Dagegen müssen Krahne, welche mit durch Dampfkraft verstellbarem Ausleger versehen sind, mit Umsteuerung aus- gerüstet werden. Mechanische Einrichtungen in Eisenhütten und Werkstätten. Kessel und Dampfcylinder sind gegen Wärmeverluste mit Filzumhüllungen und gut schützenden Blechmänteln versehen. Der Oberwagen ist bei normaler Aus- rüstung durch ein Wellenblechdach überdeckt, welches von einem schmiedeeisernen Gerüst getragen wird. Letzteres kann nach Bedürfniß durch Blech- oder Holzwände zu einem vollständigen Häuschen mit Thür und Fenstern ausgebildet werden. Jedem Krahne sind Wasserkasten und Kohlenreservoir beigegeben. Die Kesselarmaturen sind entsprechend kräftig gehalten und gegen Einfrieren mit zahlreichen Ablaßhähnchen versehen. Die Kesselspeisung geschieht in der Regel durch zwei Injecteure, eventuell auch durch Hand- oder Dampfgänge. Die Kettentrommeln, entweder glatt oder genietet, sind groß genug, um die dem Hub entsprechende Kettenlänge bei einmaliger Aufwickelung aufnehmen zu können. Fig. 137. Großer Quaikrahn mit gekuppelter Maschine und Drehwerk (Constructeur: Maschinenfabrik Mohr \& Federhaff, Mannheim). Je nach Bedürfniß werden bei derlei Krahnen die Ausleger entweder gerade oder gekrümmt, aus Profileisen oder als Blechträger hergestellt, letzteres gewöhnlich bei horizontal überragenden Auslegern, wenn sie einen breiteren Raum beherrschen sollen. Auch lassen sich die Ausleger in der Weise einrichten, daß sie sich durch Hand- oder Dampfbetrieb heben oder senken lassen, einestheils um die Ausladung beliebig vergrößern, anderntheils um niedrige Durchfahrten passiren zu können. Von den Hebevorrichtungen sind noch zu erwähnen: Die Handkabel- winden , die Frictionswinden und die Schneckwinden und schließlich die Fahrstühle für Aufzugsanlagen. Die Kabelwinden entsprechen den weitgehendsten Anforderungen und finden demgemäß in Hüttenwerken zur Bewältigung schwerer Lasten vielfach Verwendung. Vor allen Dingen ist hierbei auf eine außerordentlich solide und kräftige Bauart Rücksicht zu nehmen. Die Winden werden entweder mit verzahnter Kettenrolle, Räderübersetzung und doppelseitig selbstthätig wirkender Zweiter Abschnitt. Klemmungssperre, oder aber mit Trommel für Drahtseil und selbstthätig wirkender Sperrbremse ausgeführt. Die Schneckenwinde findet vorzugsweise in den Fallwerkseinrichtungen der Gießereien ꝛc. Verwendung. Sämmtliche Theile der Winde, Bahnkörper, Trommel, Motor ꝛc. sind auf einem kräftigen gußeisernen Fundamente angeordnet. Der un- steuerbare Motor treibt mittelst einer elastischen Kuppelung die aus Werkzeugstahl hergestellte und gehärtete Schnecke ein. Dieselbe ist mit der Achse aus einem Stück angefertigt und läuft auf beiden Seiten in Bronzelagern. Die achsialen Drucke der Schnecke werden von Kugellagern aus gehärtetem Werkzeugstahl aufgenommen. Die Schnecke mit dem Rad und den Kugellagern läuft in einem ganz geschlossenen gußeisernen zweitheiligen Oelkasten. Die Seiltrommel, von sehr großem Durchmesser, ist mit auf der Drehbank eingeschnittenen Rillen und großen seitlichen Rädern versehen. Der Wirkungsgrad des Triebwerkes solcher Schneckenwinden, wie sie beispielsweise die »Benrather Maschinenfabrik« mit elektrischem Antriebe construirt, beträgt circa 60 Procent. Wir haben in den verschiedenen vorangegangenen Abschnitten gesehen, auf welch verschiedenartige Weise der Urstoff derart vorbereitet wird, daß aus ihm die jeweils erforderlichen Gebrauchsgegenstände hergestellt werden können. Zu diesen Vollendungsarbeiten , welche vorzugsweise in den den Hüttenwerken beigegebenen mechanischen Werkstätten — oder in letzteren allein, unabhängig von ersteren — besorgt werden, dienen die vielartigen Werkzeugmaschinen . Faßt man das Ge- sammtgebiet der bei der Bearbeitung des Urstoffes zur Anwendung kommenden Kräfte und Mittel zusammen, so ergeben sich vier Gruppen von Arbeitsvorgängen: Gußoperationen, Druckoperationen, Trennungsoperationen und Verbindungsopera- tionen. Von den Gußoperationen war früher ausführlich die Rede (S. 83), des- gleichen von den Druckoperationen, zu welchen die Bearbeitung des Materials unter dem Hammer, das Schmieden, Schweißen, Walzen, Röhrenpressen, Drahtziehen u. s. w. zählt. Was nun die Trennungsoperationen anbetrifft, kommt hier vorzugs- weise nur derjenige Vorgang in Betracht, den man die »formgebende Trennung« nennt, d. h. eine Operation, bei welcher der Haupttheil des Werkstückes intact bleibt und nur Theile zur Vollendung seiner Form abgetrennt werden. Durch die Trennung zerfällt das Werkstück in ein formvollendetes Fabrikat und einen mehr oder weniger formlosen Abfall. Je nach dem hierbei angewendeten Werkzeuge spricht man vom Drehen, Bohren, Fraisen, Hobeln, Feilen, Lochen, Schneiden (mittelst Sägen, Scheeren) und Schleifen . Das den Werkzeugen zu Grunde liegende Princip liegt theils in der Stoß-, theils in der Druckwirkung. Das Werkstück kann ruhen, es kann sich geradlinig oder krummlinig gegen das Werkzeug, senkrecht auf die erste Mechanische Einrichtungen in Eisenhütten und Werkstätten. Richtung, drehend, im Kreise oder in der Ellipse, oder in beliebigen Curvenlinien bewegen. Das Werkzeug und seine Schneide stehen mehr oder weniger geneigt oder senkrecht zur bearbeiteten Oberfläche; es kann sich ebenso geradlinig oder krumm- linig, senkrecht auf die erstere Richtung, drehend u. s. w. bewegen. Das Drehen charakterisirt sich dadurch, daß, während das Werkstück sich dreht, das Werkzeug in senkrechter Stellung zur Drehachse steht und die Schalt- bewegung seitwärts und auf die Drehachse zu empfängt. Zur Erklärung des Wortes »Schaltbewegung« diene Folgendes: Werkstück oder Werkzeug werden, nachdem der erste Schnitt vollendet, die Bahn durchlaufen ist, in einer auf die Bewegungslinie meist senkrechten Richtung verschoben, um neue Theile in Angriff zu nehmen. Dies bezeichnet man im Allgemeinen mit Schaltung. Fig. 138. Support-Drehbank. Die Vorrichtungen, welche der drehenden Operation dienen, sind die Dreh- bänke . So verschieden dieselben auch bezüglich ihrer Details und weiteren Anfor- derungen gestaltet sind, besitzen sie doch gemeinsame Vorrichtungen, durch welche der zu bearbeitende Gegenstand in Rotation um eine feste Achse versetzt wird, um ihn dabei mit einem festeingespannten »Messer« abzudrehen. Die Vorrichtung, um das letztere einzuspannen, heißt »Support«. Je nachdem man dem Meißel bei der Rotation des Arbeitsstückes eine langsame Fortrückung in einer zur Drehachse parallelen oder dagegen geneigten Geraden ertheilt, wird an dem Arbeitsstücke eine cylindrische oder kegelförmige Fläche erzeugt. Diese Anordnung ergiebt die Support- drehbänke zum Abdrehen oder »Egalisiren«. Die genannte Kegelfläche geht hierbei in eine Ebene über, sobald die Fortbewegung senkrecht zur Umdrehungsachse des Werkstückes steht. Diese Anordnung ergiebt die Platendrehbänke . Bezüglich des Arbeitsvorganges beim Drehen kann man hauptsächlich zwei Arten hervorheben: Das Drehen zwischen Spitzen und das Freidrehen. Beim »Drehen zwischen Spitzen«, welches bei Gegenständen von größerer Länge erfolgt, Zweiter Abschnitt. wird das Arbeitsstück an jedem Ende mit einer kegelförmigen Vertiefung (»Körner«) versehen; diese Vertiefungen stützen sich gegen Spitzen, von denen die linksseitige fest mit der Drehbankspindel verbunden ist, so daß sie an deren Umdrehung theil- nimmt, während die rechte Spitze feststeht, zu deren Aufnahme am rechten Ende der Supportdrehbänke der »Reitstock« dient. Beim »Freidrehen«, welches bei Gegenständen von geringer achsialer Länge (Räder, Scheiben) zur Anwendung kommt, werden dieselben ohne Zuhilfenahme des Reitstockes blos mit dem freien Ende der Drehbankspindel unwandelbar fest ver- bunden, zu welchem Zwecke verschiedene Mittel in Anwendung kommen. Alle größeren Arbeitsstücke befestigt man an der auf dem vorderen Ende der Drehbankspindel angebrachten Planscheibe , einer größeren, vorne abgedrehten Scheibe, die zu dem Fig. 139. Plan- und Spitzendrehbank. Behufe der Befestigung von Arbeitsstücken mit vielen Löchern oder Schlitzen zur Anbringung der erforderlichen Befestigungsbolzen versehen ist. ... Zu den Support- drehbänken, den Plandrehbänken, den Plan- und Spitzendrehbänken kommen schließ- lich noch die Bohrdrehbänke. Die in Deutschland und Oesterreich, sowie in England übliche Bauart der Plandrehbänke mit horizontaler Spindel hat mancherlei Uebelstände. Zunächst ist das Aufbringen großer Gegenstände auf eine solche senkrecht stehende Planscheibe schwierig und das genaue Ausrichten zeitraubend. Dann aber wirkt das ganze, oft sehr beträchtliche Gewicht des Arbeitsstückes an einem ziemlich langen Hebelarme auf das freie Ende der Spindel, wodurch eine Durchbiegung der letzteren verbunden ist, worunter die Genauigkeit der Arbeit leidet. Man hat daher in Amerika die Plandrehbänke vertical stehend gebaut und man bezeichnet sie im Allgemeinen als Verticaldrehbänke . ... Für besondere Arbeiten sind bei Plandrehbänken specielle Anordnungen getroffen, so insbesondere für das Abdrehen von Waggonrädern, Mechanische Einrichtungen in Eisenhütten und Werkstätten. Tyres, Räderpaaren, Locomotivrädern. Sie werden demgemäß als Räderdreh- bänke bezeichnet. Drehbänke, welche derart eingerichtet sind, daß das Abdrehen sowohl zwischen Spitzen als auf dem Wege des Freidrehens besorgt werden kann, führen die Be- zeichnung »Drehbänke mit verschiebbarer Wange«, weil das Eckstück, auf welchem diesfalls Support und Reitstock angebracht sind, meist durch Zahnstege verschiebbar angeordnet wird. Sollen unrunde, vom Kreise abweichende Querschnitte durch Drehen erzeugt werden, so bedient man sich des Ovaldrehwerkes , bei welchem das Werkstück während des Drehens seitlich verschoben wird. Auf dem Spindelstocke ist eine Fig. 140. Plandrehbank. Scheibe festgeschraubt, welche zwischen zwei unterschnittenen Leisten einen Schieber trägt, auf dem erst das Werkstück festgemacht ist. Der Schieber ragt beiderseits über die Scheibe heraus und tangirt ebenso einen an der Docke festgemachten Ring, der nach Belieben excentrisch zur Drehachse verstellt werden kann. So wird das auf dem Schieber feste Werkstück während des Drehens verschoben und sein Querschnitt gestaltet sich zur Ellipse. Etwas analoges bildet die sogenannte Passigdrehbank , bei der sich das Werkstück in der Längsrichtung verschiebt. Dies wird durch eine Feder bewirkt, welche die Drehachse in ihrer Verlängerung zu verschieben strebt und in einer Scheibe Widerstand findet, gegen die sich das andere Achsenende lehnt. Diese Scheibe steht excentrisch, ist drehbar, kann auch gegen die Drehachse geneigt gestellt oder auf ihrer Ebene wellenförmig modellirt sein. Zweiter Abschnitt. Selbstverständlich weisen die einzelnen Typen von Drehbänken in ihrer An- wendung für specielle Fälle die mannigfachsten Abweichungen im Detail auf. Bei den Achsendrehbänken — dazu bestimmt, Eisenbahnachsen an beiden Enden zu- gleich zu bearbeiten — wird das Arbeitsstück zwischen beiden Spitzen eingespannt und von einer sie umgebenden Hülse in der Mitte angetrieben. Die Walzendreh- bänke dienen zum Drehen und Profiliren von Hartgußwalzen und sind dieselben entsprechend schwer dimensionirt. Es giebt ferner Riemenscheibendrehbänke, Bolzendrehbänke, Abstechdrehbänke, Centrirmaschinen und Anbohr- maschinen . Fig. 141. Verticale Plandrehbank. Die nächste zu besprechende Trennungsoperation ist das Bohren , eine der in der Eisentechnik am häufigsten vorkommenden Operationen. Werden doch selbst Kanonenrohre von größtem Caliber mit wenigen Ausnahmen aus dem Vollen durch Ausbohren erzeugt. Nur bei den Dampfcylindern, wo die Dicke der Wand gegen die Weite des Hohlraumes zurückbleibt, wird die letztere durch Guß vorge- bildet und durch Ausbohren nur die genaue Ausbildung erzielt, wobei relativ wenig Material zu entfernen ist. Das Material zum Werkzeug muß bester Stahl sein, der durch vorsichtiges Schmieden gestaltet, gehärtet, etwas nachgebessert und zuge- schliffen wird. Die Bohrerform ist für das Bollbohren die eines Meißels mit nach oben sich zuspitzendem Schafte, der im Bohrheft fixirt wird, während der wirkende Theil zur Weite des Bohrloches zugeschmiedet wird. Mechanische Einrichtungen in Eisenhütten und Werkstätten. Im Allgemeinen unterscheidet man, je nachdem das Zuschleifen von beiden Seiten oder nur von einer Seite stattfindet, den Bohrvorgang in zwei Arbeits- methoden. Die zweiseitigen Bohrer werden in der Regel nur für enge Bohrlöcher, die mit einseitig zugeschliffenen Schneiden dagegen bei weiten Bohrlöchern und bei maschinellem Betriebe benutzt. Das Bohren erfolgt in der Art, daß die seitlichen Schneiden durch den darauf lastenden Druck in das Metall eindringen und durch die Drehung einen Span abschaben, der an den Schneiden auftritt. Gelegentlich der Besprechung des Krupp'schen Etablissements wurde erwähnt, daß bei der dor- tigen Kanonendrehbank der Bohrer festsitzt und das Werkstück rotirt. Zugleich ist der Bohrer hohl geformt, so daß das ausgebohrte Seelstück noch als Cylinder erübrigt. Fig. 142. Bohrdrehbank. Kurze Geschützläufe werden auch in verticaler Richtung gebohrt. Dabei ist der Bohrer mit der Spitze nach oben gewendet, entweder fest oder er rotirt. Im ersteren Falle wird das Geschützrohr gedreht und der Vorschub durch sein Gewicht selbst bewirkt. Oder es dreht sich der Bohrer und das Rohr sinkt herab, oder der Bohrer wird nach aufwärts gedrückt. Gewöhnlich wird ein engeres Loch vorge- bohrt und durch breitere Bohrer erweitert. Dies ist auch der Fall beim Ausbohren hohlgeschmiedeter Gewehrläufe, deren Innenwand nur egalisirt und erweitert zu werden braucht. Die stabilen Bohrmaschinen, welche in den Maschinenfabriken so vielfach zur Anwendung kommen, haben die folgenden wesentlichen Theile: den Mechanismus zum Drehen, dann zum Nachrücken des Bohrers, endlich die Vorrichtungen, um das Werkstück oder den Bohrer nach den drei Dimensionen der Länge, Breite und Höhe verstellen zu können. Bei kleinen Werkstücken steht der Bohrer fest und ersteres wird verstellt; bei schweren Werkstücken ist der Bohrer verstellbar. Bei den Wand- Zweiter Abschnitt. bohrmaschinen ist die Bohrsäule durch Wandlager gehalten und dadurch in einem Halbkreis drehbar. Sie trägt einen kräftigen Arm, an dem sich der Support ein- und auswärts verstellen läßt. Die Bohrhülse, in welcher der vierkantige Bohrstab während der Drehung auf- und abgeführt werden kann, gestattet dadurch eine in geringeren Grenzen sich bewegende Hoch- und Tiefstellung, die sonst durch Unter- lagen für das Werkstück ersetzt werden muß. Das Fräsen ist im Wesentlichen eine Wirkung rasch rotirender Schneiden, wobei als charakteristisches Moment die Vereinigung mehrerer Schneiden zu einem Fig. 143. Verticale Bohrmaschine. Rotationskörper, welcher rasch rotirt, hervor- tritt. Das Werkstück wird bearbeitet, indem man es an die Fräse andrückt und an der- selben hinführt. Die Fräse läßt sich auch oscillirend oder sonst beweglich in einem Rahmen lagern und gegen das festliegende Werkstück andrücken, was durch die Mit- theilung der Rotationsbewegung durch Riemen ermöglicht wird. Ein besonderer Vortheil erwächst dadurch, daß man die Fräsmaschinen in der verschiedensten Art profiliren kann. Die Hauptschwierigkeit bildet die Fräse selbst, welche früher meist aus einem Stahlstück geschmiedet wurde, aus welchem man die Schneiden mit Meißel, Feile, Schleifrädern herausarbeitete, worauf erst das Härten und Anlassen folgte. Diese Methode ist jetzt nur noch bei den kleinen Fräsen üblich; größere setzt man aus Schneiden zusammen, die mittelst Schrauben, Keilen ꝛc. auf einem centralen Guß- oder Schmiedekörper befestigt werden. Die Achse der Fräse kann horizontal oder vertical gelagert sein. Sie ragt meist durch den Arbeitstisch hindurch, auf dem das Werkstück verschoben, gewendet, kurz auf die bequemste Art bearbeitet werden kann. Die ausgedehnteste Verwendung findet die Fräsmaschine als Specialmaschine in der Gewehr- und Nähmaschinenfabrikation und in ähnlichen Betrieben. Erst in neuerer Zeit wird sie auch im Maschinenbau verwendet, wo sie alsdann in zweck- entsprechender schwerer Bauart ausgeführt ist. Das Fräsen besitzt gegenüber der Bearbeitung durch Hobeln oder Schlosserarbeit mannigfache Vorzüge und hat in neuerer Zeit einen bedeutenden Umschwung in den Arbeitsmethoden sowohl größerer als kleinerer Stücke herbeigeführt. Die Fräswerkzeuge sind zwar schon lange be- kannt gewesen und auch zur Metallbereitung verwendet worden, doch fanden sie Mechanische Einrichtungen in Eisenhütten und Werkstätten. nur für ganz bestimmte Zwecke Anwendung. Auch kannte man längere Zeit nur eine Art von Fräsen, diejenige mit engen Zähnen, oder feingetheilte Fräser. Die Fräsmaschinenarbeit läßt sich im Allgemeinen nach zwei Gesichtspunkten oder Zwecken beurtheilen; der eine Zweck, die allgemeine Fräsarbeit, umfaßt die mechanische Bearbeitung einzelner Stücke Fig. 144. Mehrschneidige Bohrmaschine. und erfordert dies Maschinen von mög- lichst vielseitiger Verwendbarkeit, dagegen nur eine geringe Anzahl Fräser einfacher Form. Der zweite Zweck beim Fräsen zielt auf Massenfabrikation von meist complicirt geformten Theilen, und er- fordert dies zwar einfache Fräsmaschinen, dagegen eine große Menge von Special- fräsern. Eine Fräsmaschinengattung ist besonders ausgebildet für die Herstellung von Zahnlücken an Stirnrädern, Winkel- rädern, Zahnstangen und auch Schnecken- rädern. Das Hobeln ist eine Operation, bei welcher — soweit die Metallindustrie in Betracht kommt — nur die größten Werkstücke festgelegt werden. Meist sind sie auf einem beweglichen, durchbrochenen Bette festgekeilt oder festgeschraubt. Dieses Bett bewegt sich auf am Gestelle be- festigten Prismenführungen durch Zug- kette, Zahnstange, Kurbel u. s. w. langsam unter dem ebenfalls, aber senkrecht auf die erste Richtung verschiebbaren Stichel fort. Die Bewegung wird vom Motor aus durch Riemen, konische Räder u. s. w. auf den Bewegungsmechanismus über- tragen. Bei sehr schweren Werkstücken kehrt sich das Verhältniß um, indem der Stichel, oft in ziemlich schnellem Tempo, über das Werkstück vor- und zurückgeschoben wird. Der Stichel ist ein Stahlstab, an dem nach Bedürfniß die Schneidekanten angeschliffen werden. Man unterscheidet im Großen und Ganzen vier Gruppen von Hobelmaschinen: Tisch-, Gruben-, Blechkanten- und Querhobelmaschinen. Die Tischhobelmaschinen dienen zur Bearbeitung sehr langer Gegenstände und erfordern daher eine Maschine. Zweiter Abschnitt. Da dies das Arbeiten unbequem macht, hat man Veranlassung genommen, die Maschine derart auszuführen, daß über dem festgelagerten Arbeitsstücke der in einem Querschlitten sitzende Stichel die hin- und hergehende Bewegung erhält. Bei dieser Anordnung ist eine Länge der Maschine erforderlich, welche die Länge der zu hobelnden Gegenstände nur wenig übertrifft; da hier das Arbeitsstück von einer Grube aufgenommen wird, bezeichnet man solche Maschinen als »Grubenhobel- maschinen«. Es kommt ihnen der Uebelstand zu, daß auf ihnen eine so gute und genaue Arbeit wie auf den Tischhobelmaschinen deshalb nicht zu erreichen ist, weil Fig. 145. Universal-Fräsmaschine. der den Stichel tragende Querschlitten in Folge seiner geringen Masse und weniger sicheren Führung leicht zu Erzitterungen des Stichels Veran- lassung giebt. In ähnlicher Bauart wie die Grubenhobelmaschinen wird, und zwar häufig als Specialmaschine, die »Blechkantenhobelmaschine« ausge- führt. Sie dient zum Abhobeln der für Dampfkessel u. s. w. erforderlichen Bleche an deren Rändern. Bei dieser Anordnung ist der zu bearbeitende Gegenstand ebenfalls festgelegt und das arbeitende Werkzeug wird dem- selben entlang geführt. ... Für die Bearbeitung kurzer Stücke dienen die »Querhobelmaschinen«, bei welchen der Stichel in der Regel an dem freien Ende der prismatischen Stange (dem »Stoße«) angebracht wird. Sie werden auch »Shapingmaschinen« genannt. Zu den Hobelmaschinen gehören ferner die Stoßmaschinen und Nietstoßmaschinen , bei welchen die Bewegung in der Verticalen erfolgt. ... Zu bemerken ist noch eine Modification, die manchen Maschinen, vornehmlich den Shapingmaschinen, gegeben wird, um runde Oberflächen durch Hobeln zu erzeugen. Es sind dies die sogenannten Rundhobel-Apparate . In neuester Zeit ist man bestrebt, die Hobelarbeit in den Maschinenwerkstätten nach Möglichkeit zu beschränken und sie durch Fräs- und Schleifarbeit zu ersetzen. Allein die Hobelmaschine bietet gegenüber der Fräsmaschine den bedeutenden Vortheil der Einfachheit des schneidenden Werkzeuges, das von jedem geübten Werkzeugmacher leicht hergestellt und im guten Zustande erhalten werden kann, wogegen die Her- stellung und Erhaltung der Fräswerkzeuge immer an kostspielige Maschinen ge- bunden ist. Mechanische Einrichtungen in Eisenhütten und Werkstätten. Mit der Operation des Hobelns ist die des Feilens gewissermaßen ver- wandt. Der wesentlich durch das Werkstückmaterial bedingte Unterschied liegt in den zahlreichen Schneiden der Feile, die zwar Fig. 146. Universal-Fräsmaschine. nicht tief eingreifen, dafür aber durch ihre Vielzahl und in rascher Aufeinander- folge wirken. Der Hobel nimmt einen Span, die Feile zahllose Feilspänchen ab. Statt der Schneide wirken vielfach Zähnchen, welche bei der Raspel durch Eintreiben einer Spitze, bei der Feile durch Kreuzung der Schneide entstehen. Die vorgeneigte Stellung der Schneide zeigt auch Verwandtschaft mit der Säge. Eine weitere Werkzeugmaschine ist die Lochmaschine . Sie wird entweder nur als solche, oder zum »Scheeren«, oder als combinirte Maschine auf gemein- schaftlichem Ständer und mit gemein- schaftlichem Antrieb auf einer Seite zum Lochen, auf der anderen zum Scheeren eingerichtet. Das Werkzeug — Scheermesser oder Lochstempel — ist hierbei an einem vertical auf- und abwärtsgehenden Stoße befestigt. Hauptsächlich aus der Art und Weise, wie die Stoßbewegung hervorgebracht wird, entstehen die ver- Fig. 147. Tischbohrmaschine. schiedenen Modificationen oder Typen der Loch- maschinen und Scheeren. Bezüglich des Bewegungsantriebes baut man derlei Maschinen theils für Riemenbetrieb, theils für directen Dampfantrieb, kleinere Apparate sind für Handbetrieb, etliche auch — z. B. die Fußhebel- pressen — für Fußbetrieb eingerichtet, andere erhalten die Bewegung durch hydraulische oder elektrische Antriebsvorrich- tungen. Die Stoßbewegung ist entweder vertical geradlinig auf- und abwärtsgehend. Bei einigen Maschinen wird die Bewegung direct erzeugt, bei anderen wird an der Maschine zunächst eine kreisförmige Bewegung erzeugt und erfolgt die Umwandlung derselben in die geradlinige oder oscillirende Bewegung des Stoßes entweder mit Excenter oder mit Hebel. Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 13 Zweiter Abschnitt. Je nach dem Zwecke, dem sie dienen, giebt es Maschinen für stärkere Arbeit (schwere Bleche, Constructionseisen ꝛc.) und solche für schwächere Blecharbeit, wenn sie die Massenerzeugung einzelner Artikel erfordert. Zu diesem letzteren Zwecke hat sich in Amerika eine specielle Art von Maschinen entwickelt — die sogenannten Schwungradpressen und die Fußhebelpressen — erstere für die Erzeugung von Massenartikeln, letztere für Einzelarbeiten. Sie werden sowohl zum Lochen als zum Pressen eingerichtet, weshalb sie mitunter die Bezeichnung Lochpressen führen. Amerikanischen Ursprunges sind ferner die Ziehpressen (Druck- und Zugpressen), welche mit zwei Stößen an zwei Stempeln arbeiten. ... Die Fußhebelpressen haben Fig. 148. Blechkanten-Hobelmaschine. nur im Kleingewerbebetrieb Bedeutung. Sie werden zumeist als »Pendelpressen« construirt. Andere wichtige Trennungsoperationen sind das Sägen und das Schneiden mittelst Scheeren. Die Arbeit der Säge charakterisirt sich als eine senkrechte, gegen die Fläche des Werkstückes gerichtete, fortschreitende Meißelarbeit. Die Form des Sägeblattes ist von der Art der Verwendung abhängig. Man unterscheidet: Blatt- sägen — die wieder in Spannsägen, Stichsägen und Bandsägen zerfallen — Kreis- sägen und Kronensägen. Die letztgenannten stehen den Fräsen näher, da sie zum Bohren dienen. Die Blattsägen sind zu bekannt, als daß hierüber des weiteren gesprochen zu werden braucht. Die Bandsägen haben den Vortheil, daß bei ihnen kein unwirk- samer Rücklauf vorkommt, weil sie ununterbrochen nach einer und derselben Rich- Mechanische Einrichtungen in Eisenhütten und Werkstätten. tung arbeiten. Da sie über zwei am Gestell befestigte Rollen gespannt werden, deren eine den Antrieb erhält, während die andere mitläuft, erfordern diese Sägen ein schmales, sehr elastisches Stahlband ohne Ende, welches durch Zusammenlöthen der freien Enden hergestellt wird. Mit der Bandsäge bezüglich ihrer continuirlichen Wirkung verwandt ist die Kreissäge — auch Circularsäge genannt. Hier sind die Sägezähne am Ende einer kreisrunden Scheibe, welche auf eine horizontale Achse aufgezogen ist, ausgearbeitet. Anstatt die Säge aus einem Stücke zu bilden, kann man sie auch aus gezähnten Segmenten zusammensetzen, die, auf einer centralen Blechscheibe aufgeschraubt, einen vollen Kreis bilden. Durch die rasche Rotation, in welche die Kreissägen versetzt werden, sind sie außerordentlich wirksam, zumal dann, wenn mehrere derselben in Combination ge- bracht werden. Hauptbedingung Fig. 149. Shapingmaschine. der Wirksamkeit ist eine sichere Lagerung der Achse und eine genaue senkrechte Stellung des Sägeblattes zu derselben. Die Kreissägen werden nicht immer in der Art angeordnet, daß ihre Achse an beiden Enden unterstützt wird; mitunter wird das Sägeblatt nur an einem Ende der Achse befestigt. Schwere Werkstücke erfordern selbstverständlich sehr stark dimensionirte Sägeblätter. Um deren Zerreißen zu verhüten, wird sehr zähes Stahlblech als Material verwendet. Die Operation des Schneidens erfolgt, wie bereits erwähnt, des weiteren mittelst Scheeren . Wegen der bedeutenden Kraft, die bei den Scheeren in Action treten muß, sind die Schneiden unter einem ziemlich großen Winkel zugeschärft. Außerdem sind sie häufig derart angeordnet, daß die ganze Länge der Scheerenkante nicht gleichzeitig zur Wirkung kommt, sondern nur ein allmähliches Angreifen statt- findet. Je kräftiger die Scheeren wirken, je härteres Material sie zertheilen sollen, desto kürzer pflegt man die Schneideschenkel, desto kräftiger die Druckschenkel aus- zuführen. Eine besondere Einrichtung hat die Circularscheere, die vielfach bei der Blech- bearbeitung Verwendung findet. Zwei Scheiben mit zugeschärftem Stahlrande rotiren, indem sich hierbei die Scheibenräder in einem Punkte berühren. Das dazwischen gebrachte Blech wird gleichzeitig eingezogen und abgeschnitten. Die Ränder können unter einem Winkel von 90° oder darunter zugeschärft sein. Stellt man das zu schneidende Blech z. B. auf einer drehbaren Scheibe mittelst einer Druckschraube 13* Zweiter Abschnitt. fest, rückt dann die tangirenden Circularscheeren heran und setzt diese Scheibe mit dem Blech in Umdrehung, so erhält man kreisrunde Platten. Das Schleifen ist nur theoretisch genommen eine Trennungsoperation, da es eigentlich vorzugsweise dem Zwecke genauester Formgebung dient. Alle Schleifen wirken mit einem rotirenden Schleifwerkzeuge — bestehen der Hauptsache nach aus einem Lagergestelle für die Schleifradspindel und aus einer Auflage für das Werk- stück. Je nach den Arbeitserfordernissen wird diese Auflage zu einem mehr oder weniger vollkommenen Tischwerke ausgebildet, wobei neben den feinsten Einstell- Fig. 150. Stoßmaschine. bewegungen der Tischtheile noch selbstthätige Schlittenbewegungen vorkommen. Schleifmaschinen werden gebaut für allgemeinen Schleifbetrieb, zum Flach- und Rundschleifen, Specialmaschinen zum Schleifen von Walzen, Riemenscheiben, Zahn- radlücken und zum Schärfen der Schneidewerkzeuge. Wegen der bei den Schleifmaschinen auftretenden bedeutenden centrifugalen Wirkung müssen die einzelnen Theile sehr kräftig construirt sein. Dies ist auch dann nothwendig, wenn beim Schleifen ein starker Druck in der Achsenrichtung ausgeübt wird. Das eigentliche Werkzeug — der Schleifstein — ist entweder ein natürlich oder künstlich hergestelltes Schmirgelrad, das sich nach langwierigen Experimenten endlich dauernd eingebürgert hat. Je nach dem Zwecke, welchem Schmirgelscheiben dienen sollen, werden dieselben in verschiedener Beschaffenheit angefertigt. Das Roh- Mechanische Einrichtungen in Eisenhütten und Werkstätten. material, der Schmirgel, wird durch Zerkleinern des Schmirgelsteines erhalten und dann, mittelst eines Bindemittels gebunden, in die verlangte Form gepreßt. Man kann das Schleifrad auch als Fräse mit sehr feiner Verzahnung auf- fassen, die zudem derart angeordnet ist, daß beständig die annähernd gleiche Be- rührung zwischen Werkzeug und Werkstück vorhanden ist, wobei zwischen beiden annähernd der gleiche Druck herrscht. Aus diesem Grunde erfordern die Schleif- maschinen ein sehr exactes Arbeiten. Vielfach tritt die Schleifmaschine bei Arbeits- stücken, die auf Drehbänken, Hobel- oder Fräsmaschinen vorgearbeitet wurden, als Mittel für die Vollendungsarbeit Fig. 151. Schwungradpresse. in Thätigkeit, vornehmlich dann, wenn zu letzterer große Genauigkeit erforderlich ist. Nur wenige Fabrikate des Eisengewerbes kommen durch An- wendung von Vorrichtungen oder Maschinen in der Weise zu Stande, daß sie als ganze Stücke durch Guß-, Druck- oder Trennungs- operationen die Ursprungsstätte verlassen. In vielen Fällen wird die Gestaltung erst durch das Zusammenfügen einzelner Theile zu einem Ganzen vollendet, und es giebt sogar Trennungsopera- tionen, welche die nachfolgende zweckmäßige Verbindung vorzu- bereiten haben. Bei den Verbindungsoperationen sind folgende Fälle möglich: erstens unlös- liche, das sind solche, bei denen eine Wiederherstellung der Theile, aus denen die Zusammensetzung entstand, gar nicht oder nur durch Zerstörung des verbindenden Gliedes möglich ist — Löthen, Nieten ; zweitens solche Operationen, bei denen zwar während des Gebrauches die Verbindung unverrückbar aufrecht erhalten wird, aber ein Auseinanderlegen der Theile möglich bleibt (Montiren, Demontiren), also eine Vereinigung durch Nägel, Druckschrauben ꝛc.; drittens endlich erfor- dern viele Fabrikate mechanische Combinationen, bei denen die Theile, neben dem Zusammenhalt in der einen, ihre Beweglichkeit in der anderen Richtung behalten — Achsen, Cylinder, Kolben, Schrauben . Das Schweißen ist ein Verkneten gleichartiger, erweichter Theile, welche nach erfolgtem Erkalten ihre Vereinigung behalten, entspricht also eigentlich dem Begriffe einer Druckoperation. So ist eigentlich auch das Hämmern und Walzen nichts anderes als ein Schweißvorgang, wozu sich noch das Packetiren und Aus- Zweiter Abschnitt. recken gesellen. Um eine ausgedehnte Berührung (Schweißfuge) zu erhalten, werden die Enden der zusammenzuschweißenden Theile vorher ausgebreitet und zugeschärft. Ein vorläufiges Zusammenheften der Stücke mit Draht sichert vor dem Verschieben der Theile. Mitunter wenn Eisen und Stahl vereinigt werden sollen, macht man in das Eisen mit dem Meißel feilenartige Einschnitte, an denen der aufgelegte heiße Stahl nach leichten Hammerschlägen haftet. Um eine Hammerbahn zu verstählen, treibt man in darauf angebrachte Bohrlöcher dicht nebeneinander Stahlbolzen, die dann durch Schweißen vereinigt werden, oder legt auf das heiße Eisen einen Eisen- rahmen, den man mit Stahlbruchstücken ausfüllt, erhitzt bis zur Schweißhitze und schweißt den Stahl fest. Das Löthen ist eine Verbindungsoperation, bei der die Vereinigung durch eine leicht schmelzbare Legirung erfolgt. Man muß durch Verbinden mit Drähten, Fig. 152. Scheere. Festhalten mit Löthzangen, welche die Löthstelle nur an einzelnen Punkten be- rühren, durch provisorisches Vernieten, durch Ueberbiegen und Falzen (wie bei den Flachböden), oder durch Ineinandergreifen der Ränder dafür sorgen, daß die Löth- theile während des Löthens sich nicht verschieben können. Wir kommen nun zu einer der wichtigsten Verbindungsoperationen, dem Nieten . Sie besorgt die bleibende Verbindung von Metalltheilen und erhält die Verbindung eine so große Festigkeit, daß sie vollkommen dicht gegen Druck von Flüssigkeiten, Dämpfen und Gasen ist. »Nieten« sind kurze, runde Bolzen, meist von weichem, zähem Schmiedeeisen, die schon bei der Erzeugung mit einem halb- kugelförmig geformten Kopf (»Setzkopf«) versehen werden. Die Dimensionen sind sehr verschieden und richten sich nach der Größe der zu nietenden Theile. Die größeren Nieten werden aus runden, zum Rothglühen erhitzten Eisenstäben durch Abhauen und Ausschmieden in Gesenken hergestellt. In größeren Betrieben bedient man sich zur Erzeugung der Nieten entsprechend eingerichteter Maschinen. Mechanische Einrichtungen in Eisenhütten und Werkstätten. Die zu nietenden Stücke in Blech- oder Stabform werden nach genauer Vor- zeichnung und Ankörnung mit correspondirenden Nietlöchern versehen. Je nach dem Zwecke der Nietung ist dieselbe und besonders in Anordnung der Nieten ver- schieden. Bei Brückenträgern, wo vorwiegend die Festigkeit in Betracht kommt, wird man mit weniger, aber stärkeren Nieten auskommen, als z. B. bei Reservoiren, die durch dünnere, aber dichter gesetzte Nieten dicht gemacht werden müssen, oder bei Dampfkesseln, bei denen die Nieten stark und eng gereiht angebracht sind, um Festigkeit und Dichtigkeit der Fugen zu vereinen. Die volle Festigkeit des Bleches wird durch die Nietung nicht Fig. 153. Schleifmaschine. erreicht. Eine einfache Nietreihe — wie bei Dampfkesseln — zeigt etwa 60 Procent, eine doppelte etwa 75 Procent der Blechfestigkeit. Die Nietlöcher werden mittelst Durchstoß erzeugt, indem ein im Rahmen geführter Stahl- stempel nach abwärts gegen das Blech getrieben wird, das auf einer nach der Form des Stempels durchbrochenen Ma- tritze liegt, oder es werden die Löcher ausgebohrt, wozu man sich vorzugsweise solcher Bohr- maschinen bedient, welche mit mehreren in den passenden Abstand der Nietlöcher stehen- den Bohrern ausgerüstet sind. Der Vorgang beim Nieten ist der nachstehende. Die zu vernietenden Theile werden in die richtige Stellung zu einander gebracht und, wenn erforderlich, pro- visorisch durch eingeschobene Schraubenbolzen festgehalten. Die Nieten werden am freien Ende in einem Schmiedefeuer zur Rothgluth erwärmt und in das Nietloch so weit eingeschoben, daß der Setzkopf auf dem Bleche aufsitzt. Das glatte Bolzen- ende ragt hinreichend auf der anderen Seite heraus. Während ein Hilfsarbeiter mittelst eines Vorsetzhammers, auch mittelst einer dagegen gestemmten Winde den Setzkopf festhält, bilden ein Vorarbeiter und ein oder zwei Zuschläger den zweiten konischen oder halbkugelförmigen Schließkopf durch rasche Hammerschläge aus, indem sie zuletzt einen Gesenkhammer mit halbkugelförmiger Vertiefung zur Formgebung verwenden. Alles dies muß vollendet werden, ehe der Bolzen ganz erkaltet ist. Er wird in der ganzen Länge gestaucht und füllt daher das Nietloch aus. Der glühende Bolzen erwärmt hierbei den Nietlochrand so weit, daß er auch nach der Abküh- Zweiter Abschnitt. lung ohne Schlottern darin festsitzt. Die Zusammenziehung in der Längsrichtung vollendet die schließliche feste Verbindung. Der geschilderte Vorgang eignet sich zwar in den meisten Fällen, doch ent- spricht er bei großen Betrieben nicht. Außerdem ist er durch den heftigen Lärm Fig. 154. Kesselschmiede mit feststehender hydraulischer Nietmaschine (Constructeure: Haniel \& Lueg in Düsseldorf-Grafenberg). während der Arbeit für die Umgebung gleichwie für die Arbeiter nicht ge- rade angenehm. Zur Um- gehung dieser Uebelstände und zur Hebung der Leistungsfähigkeit hat man hydraulische Nietma- schinen construirt, die in Folge ihrer mannigfachen Vorzüge gegenüber der Handnietung bereits aller- orten eingeführt sind und nicht nur dem begrenzten Zwecke der Kesselnietungen, sondern auch mit gleich günstigem Erfolge als Börtelmaschinen, Blech- pressen u. s. w. allen an sie zu stellenden Anforde- rungen entsprechen. Eine Anlage dieses Betriebssystemes ist aus verschiedenen Bestandtheilen beziehungsweise Maschinen zusammengesetzt. Unum- gänglich nothwendig für den Betrieb ist die Dampf- maschine, welche die mit ihr verbundene Preßpumpe für 100 bis 130 Atmo- sphären Betriebsdruck für den hydraulischen Mecha- nismus bedient. Wird die Dampfmaschine als rotirende Maschine gebaut, so genießt sie im Vergleiche mit den älteren Stoßdampfmaschinen den Vorzug der Dampf- ersparniß. Die Maschine besitzt eine entsprechende Vorrichtung, um ein sicheres Anlaufen derselben in jeder Kurbelstellung zu ermöglichen. Mechanische Einrichtungen in Eisenhütten und Werkstätten. Bei den hydraulischen Nieteinrichtungen spielt ferner der Accumulator (meist ein Gewichtsaccumulator) eine große Rolle. In der Abbildung, Fig. 156, ist dieser Theil rechts ersichtlich. Er besteht entweder aus einem feststehenden Cylinder und einem beweglichen Plunger, so daß die Stopfbüchsen nach oben liegen und leichter zu verpacken sind, Fig. 155. Brückenbauanstalt mit beweglicher hydraulischer Nietmaschine (Constructeure: Haniel \& Lueg in Düsseldorf-Grafenberg). oder die Anordnung ist eine umgekehrte mit feststehendem Plunger und be- weglichem Cylinder. Die letztere Anord- nung eignet sich nur für kleinere Be- triebe. Das zur Belastung erforder- liche Gewicht wird von einem schmiede- eisernen Gewichts- behälter aufgenom- men, welcher mit starken Schrauben oder mit einer kräf- tigen, oben durch- brochenen schmiede- eisernen Kappe über dem zu belastenden Plunger hängt. Die Kappe erleichtert die Zugänglichkeit der Stopfbüchsen in der Weise, daß dieselben durch Los- nehmen eines zwei- theiligen Schmiede- eisenringes ganz entfernt werden können. Die Führungsschuhe und Schienen zum Gleiten des Plungers sind aus Eisen und zweckmäßigerweise unmittelbar in dem umgebenden Mauerwerk verankert. Derartige Accumulatoren haben für 7 ½ Meter Hubhöhe und 50 Atmo- sphären Betriebsdruck 60 Centimeter Plungerdurchmesser, wobei die Belastungs- gewichte bis 140 Tonnen schwer sind. Eine Nebeneinrichtung gestattet es, daß der Zweiter Abschnitt. Accumulatur den Gang des Pumpwerkes beeinflußt oder auch, isolirt stehend, die Reibungswiderstände in langen Druckrohrleitungen auszugleichen vermag. Zur Sicherung gegen zu rasches Niedergehen des Plungers dient ein Ueberlauf- und Fig. 156. Kesselschmiede mit beweglicher hydraulischer Nietmaschine (Constructeure: Haniel \& Lueg in Düsseldorf-Grafenberg). Sicherheitsventil, sowie außerdem noch ein Ventil zur Regulirung der Ge- schwindigkeit. Soll der maximale Be- triebsdruck der Ac- cumulatoren nach Wunsch erhöht oder verringert werden, so kann dies durch eine einfache An- ordnung der Be- lastungsgewichte in der Art erreicht werden, daß die untersten Gewichte durch leicht zu ent- fernende Stahlkeile gehalten werden. Werden diese Keile aus den Oesen gezogen, so bleiben die dadurch abge- trennten Gewichte unten liegen und können andererseits — behufs Steige- rung des hydro- statischen Druckes — durch Einschie- ben mit den wirk- samen oberen Ge- wichten gekuppelt werden. Auf diese Weise läßt sich der Betriebsdruck entsprechend vermindern oder vergrößern, je nachdem man denselben mehr oder minder stark benöthigt. Das Gewicht der Accumulatoren wirkt durch seine lebendige Kraft sehr günstig auf die Nietung ein, da mit den wachsenden Widerständen, welche die Nietung den Mechanische Einrichtungen in Eisenhütten und Werkstätten. Stempeln der eigentlichen Nietmaschine entgegensetzt, auch der Druck auf die Stempel durch das sinkende Accumulatorengewicht gesteigert wird. Die eigentliche Nietmaschine ist zwar nach einem einheitlichen Principe con- struirt, zeigt jedoch mancherlei Spielarten, je nach dem Zwecke, dem sie zu dienen hat. Außerdem sind sie entweder feststehend oder beweglich; die ersteren finden vor- zugsweise bei Kesselnietungen, die letzteren bei Brückenconstructionen und ver- wandten Techniken Verwendung, außerdem bei sehr großen Kesseln. Während die schweren Maschinen im Allgemeinen — seien es nun feststehende oder bewegliche — wegen ihrer großen Maultiefe zur Herstellung der Hauptnähte, die kleineren Maschinen (von geringerer Maultiefe, aber größerer Beweglichkeit) zum Nieten von Feuerthüren, Mannlochrosten, Feuerrohrflanschen ꝛc. dienen, kommen für den Bau von Eisenconstructionen und Brücken fast nur die kleinen beweglichen Maschinen in Betracht. Doch sind auch diesfalls feststehende Maschinen mit einfachem Kolben häufig vortheilhaft. Die Aufstellung einer großen feststehenden Nietmaschine erfordert zu ihrer Bedienung einen zum mindesten in der Aufzugsbewegung hydraulisch oder elektrisch betriebenen Krahn von ausreichender Tragkraft und in solcher Höhe über der Nietmaschine, daß selbst die längsten vertical an ihm hängenden Kessel nachgenietet werden können. Dies bedingt die Herstellung eines thurmartigen Aufbaues über dem betreffenden Theile der Kesselschmiede. Die Figur 154 zeigt links die fest- stehende Nietmaschine, welche zum Theile in die Erde versenkt ist. Ein Arm preßt seinen Kolben gegen die Niete, während der Theil mit dem vorstoßenden Preß- kolben von außen in entgegengesetzter Richtung gegen den Setzkopf drückt. Links vom Kessel sieht man den Gewichtsaccumulator, rechts den gleichfalls hydraulisch angetriebenen Flaschenzug, der mittelst nach oben geführter Stahldrahtseile die Ver- schiebung des Krahnes beziehungsweise der Katze bewirkt. Der Seilflaschenzug zum Heben und Senken der Last ist in der vorderen linken (im Bilde nicht sichtbaren) Gebäudeecke, die Preßpumpe neben dem Nietraume untergebracht. Der in der Ab- bildung links stehende Arbeiter besorgt das Anglühen der Niete und reicht sie dem Manne im Innern des Kessels, der das Einsetzen vornimmt. Der Arbeiter hinter der Maschine bedient die neben derselben angeordneten Steuerhebel zur Maschine und zum Laufkrahn, während der vordere Arbeiter die richtige Einstellung des Werkstückes auf Niettheilung unterstützt. Die Abbildung, Fig. 156, führt eine bewegliche Nietmaschine und einen Lauf- krahn mit Handbetrieb vor. Der zu nietende Dampfkessel ist hier horizontal auf Rollen gelagert. Zur Herstellung der Längsnähte wird die Nietmaschine vermittelst des Laufkrahnes die Kesselnaht entlang verschoben, während das Nieten der Rund- nähte durch Drehen der Maschine längs dem Zahnbogen der Maschine bewirkt wird. Die Druckwasserzuführung zum Laufkrahn und von diesem zur Nietmaschine mittelst mehrerer Gelenkrohrverbindungen ist aus der Abbildung ersichtlich, des- gleichen (im Hintergrunde rechts) der Gewichtsaccumulator. Die neben letzterem Zweiter Abschnitt. aufgestellte horizontale Dampfpreßpumpe ist verdeckt. Im Innern des zu nietenden Kessels steht ein Arbeiter, dem die glühenden Nieten gereicht werden, während zwei Mann außerhalb das Einstellen der Maschine und das Pressen der Nieten besorgen. Der Zahnbogen im Rücken der hier wagrecht liegenden Nietmaschine greift in ein Zahnrad ein, das im Krahne montirt ist und durch Rotation die Drehung der Maschine bewirkt. Für die Leistungsfähigkeit hydraulischer Nietmaschinen spricht die Thatsache, daß solche von 1‧8 Meter Maultiefe bei 110 Atmosphären Betriebsdruck eine Druckwirkung von 72 Tonnen ausüben, was bei Nieten bis zu 3 Centimeter Stärke reichlich genug ist. Die feststehenden Nietmaschinen größerer Dimensionen bewältigen Nieten bis 5 Centimeter Dicke. Das geräuschlose Arbeiten dieser Ma- schinen ist ein nicht zu übersehender Vorzug. Durch sie ist das charakteristische Getöse in den Kesselschmieden zur Legende geworden. Fig. 157. Tischhobelmaschine. Dritter Abschnitt. Die motorischen Einrichtungen. A lle Maschinen bedürfen, um die ihnen zugedachte Arbeit verrichten zu können, eines Bewegungsantriebes, also einer von außen wirkenden Kraft. Dieselbe kann vom Arbeiter selbst (Handbetrieb) oder durch Thiere, durch fließendes oder hochstehendes Wasser, Dampf oder Elektricität ausgeübt werden. Der die Kraft entwickelnde Körper wird Motor genannt, wenngleich diese Bezeich- nung im praktischen Leben häufig auf das Mittel, durch welches die Kraft zur Wirksamkeit gelangt (das Wasserrad, die Dampfmaschine ꝛc.), übertragen wird. Die Motoren sind also gewissermaßen selber Maschinen — gleich den Mechanismen, die sie in Bewegung setzen — und man unterscheidet daher zweckmäßigerweise die eigentlichen Arbeitsmaschinen von den Kraftmaschinen . Bei allen Kraftmaschinen, die wir der Kürze wegen in der Folge schlechtweg als »Motoren« bezeichnen wollen, kommt ein wichtiger Factor in Betracht, der der Arbeitsleistung. Es ist klar, daß der Werth jeder Arbeit im verkehrten Verhältnisse zu dem Zeitaufwande steht. Bei praktischen Messungen wird daher die in einer Secunde geleistete Arbeit angegeben und als »Effect der Kraft« bezeichnet. Da man den in einer Stunde zurückgelegten Weg bei der gleichförmigen Bewegung Geschwin- digkeit nennt, ist bei dieser der Effect der Kraft gleich dem Producte der Kraft mit der Geschwindigkeit des Angriffspunktes. Wird die Kraft in Kilogrammen, die Geschwindigkeit in Metern angegeben, so erhält man die in jeder Secunde ge- leisteten »Meterkilogramme«. Ein Meterkilogramm ist also eine Arbeitseinheit, indem damit bezeichnet wird, welche Arbeit geleistet werden muß, um den Wider- stand von einem Kilogramm auf einem Wege von einem Meter zu überwinden. Da man jedoch bei diesem Vorgange mit zu großen Zahlenwerthen zu rechnen hätte, hat man der Arbeitsleistung eine größere Einheit zu Grunde gelegt — die Pferdekraft (oder Pferdestärke). Man versteht unter einer solchen eine Leistung von 75 Meterkilogramm in der Secunde. Dritter Abschnitt. Fig. 158. Einfacher cylindrischer oder Walzenkessel. Fig. 159. Combinirter Walzenkessel. Fig. 160. Einflammen- oder Cornwallkessel. Fig. 161. Gallowaykessel. Fig. 162. Zweiflammenoberkessel (Fairbairn- oder Lancasterkessel). Fig. 163. Feuerröhren- oder Tubularkessel. Fig. 164. Wasserrohr- oder Gliederkesse. Fig. 165. Ten-Brink-Kessel. Schematische Darstellung der Kesselsysteme. Die motorischen Einrichtungen. Würde die motorische Kraft im absoluten Sinne auf die Arbeitsmaschine wirken, so käme deren volle Ausnützbarkeit in Betracht. Nun ist aber dies in den seltensten Fällen möglich, weil der fragliche Effect zum Theile von der Kraft- maschine selbst paralisirt wird, da sie — wie bei der Dampfmaschine — viele Bestand- theile bewegt, allerhand Reibungswiderstände zu überwinden hat u. s. w., wodurch Effectverluste stattfinden, welche den Gesammteffect beeinträchtigen. Der praktisch verwerthbare Effect einer jeden motorischen Leistung wird »Nutzeffect« genannt. Der verbreitetste und leistungsfähigste aller Motoren ist die Dampf- maschine . Das Wesen derselben hier bis in die physikalischen Einzelheiten zu er- läutern, erscheint wohl überflüssig. Wir haben daher nur gewisse, zum allgemeinen Verständnisse gehörende Begriffsworte zu erläutern. Wird Dampf in einem ge- schlossenen Gefäße entwickelt, so wird derselbe, vermöge seines Bestrebens als gas- förmiger Körper, einen immer größeren Raum einnehmen, sich ausdehnen, einen Druck auf die Wände des Gefäßes ausüben. Diese Kraftäußerung wird als »Spannung« bezeichnet. Sie kann jedoch eine gewisse Grenze, welche ausschließlich von der Temperatur des Wassers abhängt, nicht überschreiten. Demgemäß spricht man von »gesättigtem Dampf«, der das Maximum der Spannkraft besitzt, dessen der Dampf bei der Temperatur des Raumes, in welchem er sich befindet, über- haupt fähig ist. So lange der Dampf in einem geschlossenen Raume mit der erzeugenden Flüssigkeit in Berührung bleibt, verharrt er bei Steigerung der Temperatur auch immer im gesättigten Zustande (er bleibt »saturirt«), da fortgesetzt neuer Dampf dazukommt. Die Spannkraft eines solchen gesättigten Dampfes nimmt für den Grad Celsius um mehr als \nicefrac{1}{273} zu. Steigert man hingegen die Temperatur eines von der Flüssigkeit abgesperrten Dampfes, so erhält man »überhitzten« Dampf. Kühlt man den Dampf auf irgend eine Weise hinreichend ab, so verwandelt er sich fast augenblicklich in Wasser und verliert sofort seine Spannung. Man sagt: der Dampf wird »condensirt«. Da ein von der Flüssigkeit getrennter Dampf sein Volumen vergrößert, muß auch seine Spannung sinken, und zwar derart, daß bei zwei-, drei-, viermal größerem Volumen die Spannung ½, ⅓, ¼ von der ur- sprünglichen wird. Hohe Dampfspannungen, wie sie eben in den maschinellen Betrieben vor- kommen, werden nach »Atmosphären« berechnet. Die Grundlage hierzu giebt das Gesetz, daß die Luft auf einen Quadratcentimeter einen Druck von einem Kilo- gramm ausübt. Dementsprechend ist eine »Atmosphäre« gleich dem Drucke von einem Kilogramm auf einen Quadratcentimeter. Wird das Wasser bis zu seinem Siedepunkte, d. i. bis 100°C., erwärmt, so ist die Spannung des entwickelten Dampfes gleich einer Atmosphäre, es ent- sprechen daher 2 Atmosphären einer Wassertemperatur von 121°C. 3 " " " " 134° " Dritter Abschnitt. 4 Atmosphären einer Wassertemperatur von 144°C. 5 " " " " 152° " 6 " " " " 159° " 7 " " " " 165° " 8 " " " " 171° " 9 " " " " 176° " 10 " " " " 180° " 12 " " " " 188° " 15 " " " " 199° " 20 " " " " 213° " u. s. w. Fig. 166. Dampfkessel. Es üben also 2 Atmosphären einen Dampfdruck von 2 Kilogramm, 10 Atmo- sphären einen solchen von 10 Kilogramm, 20 Atmosphären einen solchen von 20 Kilogramm per Quadratcentimeter aus u. s. w. Man nennt dies den »totalen Dampfdruck«. Aus dem Gesagten geht hervor, daß ein Dampfdruck von einer Atmosphäre mit dem natürlichen Luftdruck sich im Zustande des Gleichgewichtes befindet. Das Maß, um welches der Dampfdruck größer ist als der Luftdruck, wird als »Dampfüberdruck« bezeichnet. Die Differenz ist der Natur der Sache nach immer Null. So sind beispielsweise 5 Atmosphären totaler Druck 4 Atmosphären Ueberdruck. Die Erzeugung des Dampfes erfolgt in besonderen Installirungen — den Dampfkesseln . Ihnen fällt die Aufgabe zu, den zum Betriebe einer Dampf- maschine erforderlichen Dampf in der gehörigen Spannung und in hinreichender Menge zu liefern. In Fig. 166 ist ein Dampfkessel mit seinen wesentlichen Bestand- Die motorischen Einrichtungen. theilen und dem dazu gehörigen Mauerwerk dargestellt, doch fügen wir hinzu, daß dies nur die einfachste Form, sozusagen die Grundtype ist. Der aus Blechen zu- sammengenietete Kessel zeigt hier halbkugelförmige Enden. Unter demselben befinden sich zwei oder drei lange sogenannte »Siederohre« (B) , welche mit jenem durch kurze Querrohre (»Hals« genannt) in Verbindung stehen. Während der Kessel, des zu entwickelnden Dampfes wegen, niemals vollgefüllt ist, müssen die Siederöhren, Fig. 167 und 168. Einflammrohrkessel mit Gallowayröhren (oben Längenschnitt, unten Querschnitt). welche von der Flamme des Feuerherdes umwallt werden, stets vollgefüllt sein. Die auf der Abbildung ersichtlichen Theile bedürfen nur einer kurzen Erläuterung. A ist die Allarmpfeife, welche behufs selbstthätiger Wirkung mit einem Schwimmer versehen ist; bei E mündet das Speiserohr, durch welches eine Pumpe oder ein Injector Wasser zuführt; I ist ein Wasserstandsglas, F ein Wasserstandsmesser mit Schwimmer, SS sind Sicherheitsventile. Durch das Dampfaufnahmerohr V wird der sich im Kessel oberhalb des Wassers entwickelnde Dampf der Maschine zuge- Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 14 Dritter Abschnitt. führt. P ist die Feuerthür, G der Rost, c der Heizcanal, U der Schornstein, H der Dampfdom. Wie weiter oben erwähnt, ist die Form der Kessel beziehungsweise deren An- ordnung eine sehr verschiedene, je nach dem Zwecke, dem sie zu dienen haben. — Man unterscheidet: einfache cylindrische Dampfkessel oder »Walzenkessel«, combi- nirte Walzenkessel, Flammrohrkessel, Feuerröhrenkessel, Wasserröhren- (Glieder-) Kessel und combinirte Kessel. In den Abbildungen Seite 206 sind diese Typen Fig. 169 und 170. Zweiflammrohrkessel mit Gallowayröhren (oben Längenschnitt, unten Querschnitt). schematisch dargestellt. Ueber den gewöhnlichen Walzenkessel (Fig. 158) ist weiter nichts zu sagen, da er der Normaltype entspricht. Fig. 159 ist ein combinirter Walzenkessel und deckt sich mit der vorbeschriebenen Kesselanlage, indem hier ein Hauptkessel mit einem Unterkessel (»Sieder«) in constructiven Zusammenhang ge- bracht ist. Der Flammrohrkessel (Fig. 160) hat seinen Namen von einem das Kesselinnere durchsetzenden größeren Rohre — dem »Flammrohre« — durch welches die Flammen und die Heizgase durchgeleitet werden, während der Kessel selbst die her- kömmliche Außenfeuerung hat. Vermöge dieser Combination kommt solchen Kesseln eine sehr wirksame Heizfläche zu. Die Flammrohre, welche der Natur der Sache Die motorischen Einrichtungen. nach sehr stark beansprucht und demgemäß dimensionirt werden, erhalten einen so großen Durchmesser, daß ein Mann anstandslos denselben untersuchen kann. Aus dem Flammrohrkessel hat sich eine Abart, der sogenannte »Galloway- kessel«, entwickelt. Hier sind (Fig. 161) in dem Flammrohre (f) Quersiederohre (Gallowayrohre, g ) eingeschaltet, welche einerseits die Verdampfungsfähigkeit des Kessels erhöhen, andererseits zur Versteifung des Flammrohres dienen. Wird ein Kessel mit zwei Flammrohren ausgestattet, so erhält man den »Fairbairnkessel« (auch Lancasterkessel genannt, Fig. 162). Setzt man endlich an Stelle eines Flamm- rohres oder zwei derselben eine große Anzahl von engen Röhren, so erhält man den »Feuerröhrenkessel« auch Tubularkessel genannt (Fig. 163), ein System, bei dem Fig. 171. Dampfkessel mit Sieder. dem Kessel eine bedeutende Heizfläche zukommt und das überall dort angewendet wird, wo eine Einmauerung des Kessels (Locomotiven, Locomobilen, einzelnen stehenden Kesseln) nicht thunlich erscheint. Die Feuerung ist hier selbstverständlich ausschließlich eine Innenfeuerung und findet dieselbe in einem besonderen, im Kessel selbst sich befindlichen Raume, der Feuerbüchse (F) , statt. Dieselbe ist von der hinteren Rohrwand des Kessels (r) begrenzt, und durch diese Wand münden die Feuerrohre in den Heizraum. Da die Wände des letzteren zur directen Heizfläche gehören, sind sie ringsum mit Wasser bedeckt. Außerdem sind sie, wegen des auf sie einwirkenden Dampfdruckes, gut versteift, was in der Weise geschieht, daß sie mit den Wänden des äußeren Feuerbüchsenmantels durch Stehbolzen (s) von Kupfer oder Eisen ver- bunden werden. Die Decke ist mit ähnlichen Stehbolzen (S) oder bei älteren Con- structionen durch Stehrippen (R) versteift. In der Abbildung sieht man noch den 14* Dritter Abschnitt. Aschenkasten (T) unter der Feuerung und die Rauchkammer (K) , in welcher die Verbrennungsgase und der Rauch sich ausbreiten, bevor sie durch den Schornstein entweichen. Aus dieser Construction ist zu ersehen, daß die von der Feuerungsanlage ausgehenden heißen Gase durch die Siederöhren des bis in geringe Höhe unter seiner oberen Wölbung mit Wasser gefüllten Kessels streichen. Die Siederöhren werden also an ihrer ganzen äußeren Fläche vom Wasser umspült, die Feuerbüchse hingegen nur an fünf Stellen, da die sechste den Rost einnimmt. In Folge der Berührung des Wassers mit diesen heißen Flächen geht ersteres in Dampf über und erfüllt alle freien Räume des Kessels. Fig. 172. Dupuis-Dampfkessel. Durch Anwendung der Siederöhren wird erreicht, bei verhältnißmäßig kleiner Kesselanlage eine große vom Feuer berührte Fläche zu schaffen. Man bezeichnet die Fläche der Feuerbüchsenwandungen, welche von den Flammen unmittelbar bedeckt werden, als »directe Heizfläche«, jene der Siederöhren als »indirecte Heizfläche«; erstere verdampft auf einem Quadratmeter fast dreimal so viel Wasser als letztere. Beim »Wasserrohrkessel« (auch Gliederrohrkessel genannt, Fig. 164) ist das Princip der Siederöhren in der Art angewendet, daß eine größere Anzahl Röhren von 8 bis 13 Centimeter (R) mit Wasser gefüllt und von den Heizgasen umgeben sind. Mit solchen Kesseln lassen sich Dampfspannungen bis 30 Atmosphären er- zielen. Nachtheile dieses Systems sind, daß beim Reinigen des Kessels eine bedeu- tende Menge von Schrauben gelöst werden müssen; daß der Dampfraum klein ist, wodurch Schwankungen im Dampfdruck hervorgerufen werden; daß bei dem kleinen Die motorischen Einrichtungen. Wasserspiegel die Dampfbildung stürmisch vor sich geht, wodurch dieses System für manche Betriebe gar nicht in Verwendung genommen werden kann. Durch Combination der vorstehend beschriebenen Kessel ergeben sich mancherlei Typen, als: der »Dupuis-Kessel« (Fig. 172), mit gewöhnlichem Langkessel und vertical stehendem Feuerrohrkessel: der »Piedboeuf-Kessel«, ein Zweiflammrohrkessel in Ver- bindung mit Feuerrohrkessel; der »Ten-Brink-Kessel«, ein zusammengesetzter Kessel, der in Fig. 165 abgebildet ist und sich durch eine eigenartige Feuerung charakterisirt. Fig. 173. Circular-Röhrenkessel (Längenschnitt). Wir kommen auf dieselben weiter unten zu sprechen. Eine Spielart des Wasser- rohrkessels ist der Dürr 'sche »Circulations-Röhrenkessel«, dessen Anordnung aus den Fig. 173 und 174 leicht zu ersehen ist. Außerdem sind hier noch verschiedene im Betrieb stehende Kesselanlagen abgebildet, welche die schematischen Darstellungen in wirksamer Weise ergänzen. Wir wollen nun einige Bemerkungen über die verschiedenen Arten von Außen- feuerungen hier anschließen. ... Dieselben sind durchwegs Rostfeuerungen . Man unterscheidet Planroste, Treppenroste und Etagenroste. Der Planrost (Fig. 175) besteht aus mehreren nebeneinander gelegten eisernen oder schmiedeeisernen Stäben, die mit Dritter Abschnitt. ihrem breiten Kopf auf Rostbalken (b) aufliegen, jedoch genügend Spielraum zwischen denselben haben, um durch die Erwärmung weder zu biegen noch zu brechen. In der Mitte haben die einzelnen Stäbe gleichfalls breitere Stellen, so daß ein fester Zusammenschluß ermöglicht ist. Nach unten sind die Stäbe stumpf dreieckig und, bezüglich ihrer Seitenflächen nach abwärts, keilförmig, wodurch Schlacke und Asche leichter hindurchgleiten und die Luft besser durchstreichen kann. Dem »Planroste« kommen mancherlei Vortheile zu. Er gestattet die Ver- wendung minderwerthigen Materiales, er läßt das Feuer leicht beobachten und Fig. 174. Circular-Röhrenkessel (Vorderansicht und Querschnitt.) reguliren, Asche und Schlacke fallen von selbst durch. Als Nachtheil ist hervor- zuheben, daß das Feuer bei offener Heizthür beschickt werden muß, wodurch Abkühlung und Rauchwirkung verursacht werden. ... Diesen Uebelständen begegnet der »Treppenrost«, dessen Anordnung aus Fig. 176 zu ersehen ist. Derselbe besteht aus flachen und, wie der Name besagt, treppenartig übereinander ange- ordneten Roststäben (A) , welche beiderseits auf Angüssen zweier schiefliegender Rost- balken (C) aufruhen und ihrerseits auf Querträgern (E) sich stützen. Die Material- zuführung erfolgt durch einen besonderen, vor und ober der Heizthür angebrachten Behälter ( g, Korb, Gosse). Die Heizthür ist eigentlich nur ein Schieber (S) , durch dessen Oeffnung — sobald der Verschluß emporgezogen wird — das Brennmaterial auf den Treppenrost kollert. Am unteren Ende desselben befinden sich in der Regel noch zwei horizontale Roste ( R, R 1 , »Schwalbenroste«), durch deren Vorziehen Asche und Schlacke in den Aschenfall gelangen. Der Treppenrost gestattet die Verwendung sehr minderwerthigen Materiales, das Eindringen kalter Luft wird verhindert, die Beschickung ist wesentlich erleichtert und die Verbrennung eine vollkommenere. Dagegen ist dem Heizer verwehrt, das Feuer zu übersehen, wodurch er die rechtzeitige Beschickung nicht mit voller Sicherheit vornehmen kann; es ist ferner das Forciren des Feuers nicht gut möglich und Asche und Schlacke fallen nicht durch die Roststäbe, sondern müssen durch Schüren auf den Schlackenrost abgesondert werden. Eine weitere Ausbildung hat der Treppen- rost in der »Ten-Brink-Feuerung«, welche weiter oben flüchtig erwähnt wurde, Die motorischen Einrichtungen. erfahren. Hier ist (vergl. Fig. 165, S. 206) in dem Flammrohr des Unterkessels (V) ein Rost unter 44 bis 48° Gewicht angebracht (R) und in seiner oberen Hälfte mit querlaufenden Roststäben nach Art des Treppenrostes versehen. Unter diesem Roste befindet sich der Aschenfall (T) und Fig. 175. Planrost. Fig. 176. Treppenrost. Fig. 177. Bolzanorost. darunter der Boden (T 1 ) der sogenannten »Vorlage«, in welcher der Unterkessel eingebettet ist. Das Brennmaterial wird durch die Gosse (G) eingebracht, und zwar so reichlich, daß damit der ganze Feuerraum bedeckt ist und keine Luft durch die Rostspalten eindringen kann. Als Feuerbrücke dient der Rand (U) des Flammrohres, über welcher die Flammen und Feuergase in die Züge (Z) einströmen, während durch eine Oeffnung oberhalb der Gosse gleichzeitig Luft ein- dringt, wobei durch eine Klappe regu- lirend vorgegangen werden kann. Auf diese Weise wird eine vollkommene Ver- brennung erreicht. Um auch unter den Rost Luft einlassen zu können, schließt der Aschenraum nach außen mit einer Thüre (H) ab. Beim Anfeuern ist es nothwendig, daß das Brennmaterial auf dem Roste zurückgehalten wird, was durch eine am unteren Ende desselben ange- brachte Klappe erreicht wird. Der »Etagenrost« vereinigt die Vortheile des Planrostes und des Treppenrostes und vermeidet die Nach- theile desselben. Hierher gehört auch der sogenannte »Bolzanorost« (Fig. 177), die beste Anordnung dieser Art. Er besteht aus drei Rosten, welche stufenförmig über- einander angeordnet sind (R, R 1 , R 2 ) und von welchen die beiden oberen Planroste sind, deren Stäbe auf Rostbalken ( B, B 1 ) ruhen. Sie sind, um nicht überzukippen, durch Bleche ( D, D 1 ) ausbalancirt. Die Beschickung erfolgt durch die Gosse (G) , wobei es auf den obersten Rost fällt und sich an der vorhandenen Gluth entzündet. Der Rauch streicht über das helle Feuer der darunterliegenden Rosttheile und verbrennt. Jeder zweite Roststab des obersten Dritter Abschnitt. Rosttheiles ist unten mit einem balkenartigen Anguß (A) versehen und in diesen ein flacher Stab quer eingeführt. Vermittelst eines Handgriffes (H) können diese Stäbe etwas gehoben werden, wodurch eine Schüttelbewegung hervorgerufen wird, welche die Asche aus den Rostspalten entfernt und die Gluth langsam vorschiebt. Der unterste Theil ( R 2 ) ist der Schlackenrost. Er ist zweitheilig und kann jeder Theil für sich mittelst eines Handgriffes ( H 1 ) vorgezogen werden, wodurch die Feuerrückstände in den Aschenfall gestoßen werden. Dieser Vorgang gestattet zugleich, das Feuer zu dämpfen, während es durch die Lücken zwischen den einzelnen Etagen geschürt und gerichtet werden kann. Um die Luft zu zwingen, durch die Roststäbe Fig. 178. Eincylindrige Dampfmaschine (Constructeur: Escher Wyß \& Co. in Zürich). zu dringen, müssen jene Zwischenräume selbstverständlich mit Brennmaterial ver- deckt sein. Zum Beobachten des Feuers dienen unterhalb der Gosse angebrachte Schaulöcher (S) . Wir kommen nun zu den Dampfmaschinen , demjenigen Motor, der bei den Großbetrieben die weitgehendste Anwendung findet und dem die größten Leistungen zufallen. Die Dampfmaschinen beruhen bekanntlich auf dem Principe, daß in einen an beiden Enden geschlossenen Cylinder Dampf eintritt und auf einen in ihm ruhenden Kolben bald auf die vordere, bald auf die rückwärtige Fläche desselben wirkt. Mit dem Kolben ist eine Stange, welche durch den einen der beiden Cylinder- deckel ins Freie tritt, verbunden, die Stange endlich mit einem Mechanismus in constructiven Zusammenhang gebracht, durch welchen die hin- und hergehende Be- wegung in eine rotirende umgesetzt wird . Die motorischen Einrichtungen. Diesem Grundprincipe gemäß nennt man solche Dampfmaschinen hin- und hergehende , zum Unterschiede von den direct rotirenden Maschinen, bei welchen Fig. 179. Zweicylindrige Dampfmaschine (Constructeur: Escher Wyß \& Co. in Zürich). der Dampf fortgesetzt nur nach einer Richtung gegen einen in einem cylindrischen Gehäuse befindlichen und mit der Welle verbundenen Flügel (oder zahnradartigen Dritter Abschnitt. Theil) wirkt und damit die Welle in eine continuirliche Umdrehung versetzt wird. Diese letztere Anordnung hat indeß in der Praxis keine befriedigenden Resultate ergeben. Fig. 180. Zweicylindrige Dampfmaschine, System Woolf (Constructeur: Escher Wyß \& Co. in Zürich). Bezüglich der Lage des Cylinders werden die Dampfmaschinen in horizon- tale und in verticale eingetheilt. Wirkt der Dampf nur einseitig auf den Kolben, wogegen die Rückwärtsbewegung des Kolbens durch eine andere Kraft, z. B. die Die motorischen Einrichtungen. Schwerkraft, bewirkt wird, so erhält man die einfach wirkende Dampfmaschine, im Gegensatze zu der doppelt wirkenden Dampfmaschine, bei der, wie oben erläutert, der Dampf abwechselnd auf beide Seiten des Kolbens wirkt. Außerdem sind noch drei Wirkungsweisen des Dampfes vorhanden, welche auf die Con- struction und Leistungsfähigkeit der Dampfmaschinen von Einfluß sind: der Voll- druck , die Condensation und die Expansion des Dampfes. Auf Grund dessen unterscheidet man: Maschinen ohne Condensation und ohne Expansion; Maschinen ohne Condensation und mit Expansion; Maschinen mit Condensation und ohne Expansion und schließlich Maschinen mit Condensation und mit Expansion. Das Wesen der Expansion beruht darauf, daß bei den betreffenden Maschinen der Dampf im Kessel unter höherer Spannung erzeugt wird, als zur Bewegung des Kolbens, beziehungsweise der ganzen Last der Maschine, nöthig ist. Die specielle Anordnung der Maschinen ist in diesem Falle nun eine solche, daß das Zuströmen des Dampfes unterbrochen wird, wenn der Kolben erst einen Theil seines Weges zurückgelegt hat. Durch die fortgesetzte Ausdehnung des Dampfes im Cylinder wird die Bewegung des Kolbens bis zu dem Augenblicke stattfinden, in welchem das Maß der Spannkraft nicht mehr ausreicht, jene Bewegung aufrecht zu erhalten. In der Praxis freilich geht man nicht so weit, da von dem Augenblicke an, wo die Spannkraft des Dampfes so weit herabgesunken ist, daß sie eben nach den Reibungswiderständen der Maschine das Gleichgewicht hält, der Dampf eine nütz- liche Arbeit nicht mehr verrichten kann. Nach der weiter oben gegebenen Eintheilung auf Grundlage der Anwendung beziehungsweise Nichtanwendung von Condensation oder Expansion haben wir nun zu unterscheiden: Volldruckmaschinen (ohne Condensation und ohne Expansion), Expansionsmaschinen (ohne Condensation und mit Expansion), Condensations- maschinen (mit Condensation und ohne Expansion), Niederdruckmaschinen (mit Condensation und ohne Expansion, bei einer Dampfspannung von unter zwei Atmosphären). Im Allgemeinen werden diejenigen Maschinen, in denen der Dampf eine höhere Spannung als zwei Atmosphären hat, Hochdruckmaschinen genannt. Sie können mit oder ohne Expansion arbeiten, während eine Niederdruckmaschine immer zugleich eine Condensationsmaschine sein muß. Da die hin- und hergehende Bewegung des Kolbens auf ein Gestänge und durch dieses auf eine Kurbelwelle übertragen wird, so kann beim Anhalten der Maschine der Fall eintreten, daß der Kurbelzapfen mit der Kurbelstange in eine Linie zu liegen kommt. In dieser Lage des Gestänges — der »Todtlage« der Maschine — ist es selbst bei höchster Dampfspannung nicht möglich, die Maschine in Bewegung zu setzen, und muß dies in der Weise erfolgen, daß man das Schwungrad entweder von Hand oder mittelst einer mechanischen Vorrichtung in Bewegung setzt, worauf die Kraft sofort am Kurbelzapfen einsetzt. Um dieser Eventualität auszuweichen, stellt der Wärter beim Anhalten der Maschine dieselbe derart, daß sie auf ¼ bis ⅓ Kolbenhub steht. Man nennt dieses Verfahren »auf den Hub stellen«. Dritter Abschnitt. Dieser Uebelstand kommt bei den Zwillingsmaschinen , d. h. bei solchen Maschinen, welche aus zwei getrennten, auf eine gemeinschaftliche Kurbelwelle wir- kenden Maschinen bestehen, in Wegfall, da hier die Kurbeln um 90° versetzt sind. Es wird also, wenn die eine Maschine sich in der Todtlage befindet, die andere durch ihre Kraft die Todtlage der ersteren paralysiren. Außerdem kommt solchen Fig. 181. Zwillingsmaschine, System Woolf. Maschinen vermöge des gegenseitigen Aus- gleiches der einwirkenden Kräfte eine große Gleichförmigkeit der Bewegung und der Leistung zu. Es ist ferner die Anordnung getroffen, daß die eine der beiden Maschinen außer Betrieb gesetzt werden kann. Das Schwungrad ist beiden Maschinen gemeinsam und gewöhnlich in der Mitte zwischen ihnen angebracht. Der Zwillingsmaschine kommt indeß noch ein anderer Vortheil zu. Das Zwei- Cylindersystem gestattet nämlich, den im Cylinder verbrauchten und mit einer gewissen Spannung entweichenden Dampf nochmals zu einer Arbeit in einem zweiten Cylinder heranzuziehen, wobei der eine Cylinder mit frischem Kesseldampf, der zweite Cylinder mit dem aus dem ersten ent- Fig. 182. Oscillirende Cylinder. weichenden Dampf gespeist wird. Die Fig. 181 zeigt eine solche Anordnung nach dem System Woolf . Die Cylinder haben gegeneinander verschiedene Lagen — vor-, neben-, über- oder ineinander — und zwar hat man einen kleinen Cylinder für den frischen Kesseldampf, den »Hochdruckcylinder« (h) , und einen größeren für den aus dem kleineren Cylinder entweichenden Dampf, den »Niederdruckcylinder« (n) . Während also sonst der Auspuff verloren geht, strömt er hier durch ein Rohr (r) in die zweite Dampfkammer, wo er wirksam wird. Eine Spielart der Zwillingsmaschinen sind die Compoundmaschinen , bei welchen der in einem Cylinder gebrauchte Dampf in einem zweiten neuerlich zur Wirkung gebracht wird, wobei jedoch die Kurbeln unter 90° gegeneinander stehen. Dies bedingt jedoch, daß wenn der Kolben des Niederdruckcylinders in seiner Mittellage ist, der Hochdruckcylinder sich in der Todtlage befindet, der Kolben des Niederdruckcylinders den halben Weg ohne Dampf zurücklegen würde, wäre Die motorischen Einrichtungen. nicht ein besonderer Raum (»Reciver«) vorhanden, in welchem der Dampf so lange aufgespeichert bleibt, bis er in den Niederdruckcylinder eintreten kann. Die Compound- maschinen sind große Dampf- und Brennmaterialsparer und sie haben einen sehr ruhigen und gleichmäßigen Gang, weshalb sie mit der Zeit die größte Verbreitung gefunden haben. Neben den Maschinen mit liegenden Cylindern stehen solche mit stehenden Cylindern in Verwendung und in speciellen Fällen Maschinen mit oscillirenden Cylindern. Die stehenden Maschinen nehmen einen geringen Raum ein, doch müssen Fig. 183. R. Wolf's (Magdeburg-Buckau) Zweicylindrige Hochdruck-Locomobile mit Tragfüßen. sie in allen Theilen, der nöthigen Stabilität halber, stärker dimensionirt sein. Trotz- dem sind Erschütterungen und unruhiger Gang Uebelstände, welche sich bei diesem System niemals völlig beseitigen lassen. ... Dampfmaschinen mit oscillirendem Cy- linder sind derart angeordnet, daß letzterer in hohlen Zapfen gelagert ist, sich somit schwingen kann, wenn die Kolbenstange ihre Bewegung auf die Kurbel überträgt. Diese Construction macht es erklärlich, weshalb die Treibstange entfällt und die Kolbenstange den Kurbelzapfen direct mit einem gewöhnlichen Pleuelkopfe umfaßt. Die Fig. 182 veranschaulicht diese Construction. Neben den an ihren Standort gebundenen festen Dampfmaschinen stehen für bestimmte Zwecke vielfach bewegliche Maschinen im Gebrauch, die der letzteren Dritter Abschnitt. Eigenschaft wegen die Bezeichnung Locomobilen führen. Sie bilden mit mancherlei Einrichtungen dieser Art die große Gruppe der »Kleinmotoren«. Man unterscheidet gewöhnliche Locomobilen, alsdann fahrbare Locomobilen und Locomobilen auf Trag- füßen. Die letztere Type eignet sich vornehmlich für kleine Betriebe, bei welchen auf einfache Bedienung Werth gelegt wird. Locomobilen dieser Art, wie sie beispiels- weise die Firma R. Wolf in Magdeburg-Buckau construirt, zeichnen sich durch außergewöhnliche Stärke und Einfachheit der Construction aus. Dabei verbrauchen sie wenig Brennmaterial und arbeiten billiger und zuverlässiger als andere be- kannte Kleinmotoren. Auch beanspruchen sie nur wenig Raum und ein sehr geringes Fundament zu ihrer Aufstellung. Die vorgenannte Firma ist auch die Constructeurin ausziehbarer Röhren- kessel für Locomobilen. Während die gewöhnlichen Kessel mit Feuerröhren nur Fig. 184. R. Wolf's ausziehbarer Röhrenkessel (Reinigung des Kessels). von Zeit zu Zeit ausgewaschen werden können, ein Reinigen des Kessels aber wegen des beschränkten Raumes überhaupt nicht möglich ist, kann bei den Wolf 'schen Kesseln das Rohrsystem mit der Feuerbüchse leicht und bequem aus dem Außen- kessel ausgezogen werden, um eine gründliche Reinigung vom Kesselstein vornehmen zu können. Die obenstehende Abbildung (Fig. 184) veranschaulicht den Vorgang bei der Reinigung des Kessels. Die Entfernung der einzelnen Siederohre von einander ist so groß gewählt, daß selbst bei den größten Kesseln das ganze Rohrbündel bequem mit den Reinigungsmeißeln von allen Seiten durchstoßen werden kann. Bei den gewöhnlichen Röhrenkesseln sind die Rohre behufs Erzielung möglichst großer Heizflächen im verhältnißmäßig kleinen Kessel so eng gestellt, daß behufs Reinigung ein Theil der Rohre herausgenommen werden muß, was nicht eben bequem ist. Die ausziehbaren Röhrenkessel zeichnen sich nebenher auch durch hohe Verdampfungsfähigkeit aus und kann jedes beliebige Brennmaterial vortheilhaft ausgenützt werden. Die motorischen Einrichtungen. Wird atmosphärische Luft in einem offenen Gefäße von 10° auf 100° er- wärmt, so dehnt sich das Volumen um mehr als den dritten Theil aus, so daß Fig. 185. Sparmotor. eine sehr ansehnliche Menge aus dem Gefäße entweicht. Erwägt man nun, daß auf der Oeffnung des Gefäßes immer der Druck der Außenluft lastet und daß beim Ausströmen der erwärmten Luft dieser Widerstand überwunden werden muß, Dritter Abschnitt. so liegt es auf der Hand, daß diese Luft eine gewisse Arbeit leistet. Schließt man daher die Oeffnung durch einen Kolben, welchen die Luft weiterschiebt, so kann diese Arbeit nutzbar gemacht werden. Auf diesem Principe beruht die Heißluftmaschine (calorische Maschine), welche im Kleinbetriebe dann mit Vortheil Verwendung finden wird, wenn weder Gas noch Kühlwasser zur Verfügung steht. Die Abbildung Seite 223 (Fig. 185) veranschaulicht eine solche Maschine, welche unter der Sonderbezeichnung » Hock 'scher Sparmotor« bekannt ist. Auf einem Ofen, der während des Ganges hermetisch Fig. 186. Gasmotor. geschlossen ist und gleichzeitig als Fundament dient, sind vertical übereinander zwei Cylinder aufgebaut, in welchen sich zwei fest miteinander verbundene Kolben be- wegen. Diese Cylinder sind ungleich groß; der untere Cylinder (Arbeitscylinder) trägt außer dem oberen Cylinder noch zwei Lager für die gekröpfte Welle, auf welche durch eine Pleuelstange, deren Zapfen sich in dem oberen Kolben befindet, die Kolbenbewegung übertragen, beziehungsweise in Kreisbewegung verwandelt wird. Der Ofen wird hermetisch geschlossen, wenn die Maschine in Betrieb gesetzt werden soll, und das Schwungrad ein- oder zweimal herumgedreht. Beim Abwärts- gang des Kolbens im oberen Cylinder wird daselbst Luft angesaugt, beim Auf- Die motorischen Einrichtungen. wärtsgang diese Luft durch ein Rohr in dem Ofen in und um das Feuer gedrückt. Auf diese Weise erwärmt, dehnt sie sich aus und tritt durch den Ventilkasten in den Arbeitscylinder, wo sie den Kolben nach aufwärts drückt, wogegen beim Ab- wärtsgange das Eigengewicht der beiden Kolben mitwirkt. Zur Regulirung dient ein Centrifugalregulator, welcher aus dem Cylinder, je nach Maßgabe der Ge- schwindigkeit, Luft entweichen läßt. Je weniger die Maschine zu leisten hat, desto weniger Luft tritt zum Feuer, und in je geringerem Maße das letztere der Fall ist, umso weniger Kohle wird verbrannt. Diese Motoren können überall aufgestellt Fig. 187. Wasserrad. werden, bedürfen keines Fundamentes, keines Dampfkessels und daher auch keines geprüften Heizers zu ihrer Bedienung. Nebenbei arbeiten sie fast ohne Geräusch und sind selbst bei längerem Gebrauche kaum reparaturbedürftig. Ein weit größerer Nutzeffect kommt den Gasmotoren zu, welche große Verbreitung gefunden haben. Sie beruhen auf dem gleichen Principe wie die calo- rischen Maschinen, nur daß dort an Stelle der erhitzten atmosphärischen Luft ein Gasgemenge tritt, welches entweder durch den elektrischen Funken oder durch ein Gasflämmchen entzündet wird. Durch diesen Vorgang entsteht bei der Verbrennung des Gasgemenges immer eine große Hitze, demgemäß wird eine große Spannkraft des Gemenges hervorgerufen und damit im Cylinder ein bedeutender Druck auf den Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 15 Dritter Abschnitt. Kolben ausgeübt. Solche Maschinen, bei welchen, wie wir gesehen haben, ein explo- sives Gasgemenge in Anwendung kommt, haben einen sehr geräuschvollen Gang, so daß sie nicht überall aufgestellt werden können. Diesem Uebelstande helfen die sogenannten »geräuschlosen Gasmotoren« von Otto und Langen (Köln) ab, bei denen statt des explosiven Gasgemenges ein sehr wirksames Gemenge von Gas und atmosphärischer Luft tritt, das langsam verbrennt und dadurch eine Fig. 188. Turbine. höhere Spannung erhält. Dabei ist der Gang ein ruhiger und die Möglichkeit gegeben, Gas- motoren von sehr bedeutender Leistungsfähigkeit (bis weit über 100 Pferdekräfte) zu construiren. Die Abbildung, Fig. 186, ver- anschaulicht einen solchen Motor von geringeren Dimensionen. Bei den bisher besprochenen Maschinen wird die motorische Kraft künstlich hervorgerufen, indem entweder Wasser in Dampf verwandelt, oder atmo- sphärische Luft erhitzt, oder brennende Gase den Bewegungs- antrieb veranlassen. Die Natur verfügt aber über arbeitsfähige Kräfte, welche unmittelbar in den Dienst des maschinellen Betriebes gestellt werden können: das Wasser und die Luft , ersteres in ausgedehntem Maße, letztere bedingungsweise, sofern es sich um die freie Luft — den Wind — handelt, oder durch besondere Einrichtungen, welche auf Erzielung eines künstlichen Luftdruckes (Preß- luft) abzielen. Die motorische Kraft des Wassers kann theils direct ausgenützt werden, indem es die hierzu passend eingerichteten Maschinen in Bewegung setzt; oder das Wasser wird, ähnlich wie bei den Dampfmaschinen, einer künstlichen Spannung ausgesetzt, wodurch es einen von der Größe der aufgewendeten Hilfskraft abhängenden Druck innerhalb geschlossener Räume ausübt, d. h. conform dem Dampfdrucke wirkt. Zu den Maschinen für directe Ausnützung der Wasserkraft zählen die einfachen Wasserräder , welche vertical rotiren, und die Turbinen , welche horizontal an- Große Horizontal-Turbine an den » Great Falls «, Montana (Nord-Amerika). Die motorischen Einrichtungen. geordnet sind. Unter den Wassermotoren der zweiten Kategorie sind die hydrau- lischen Maschinen zu verstehen. Die einfachen Wasserräder finden im Eisengewerbe vornehmlich bei den Hammerschmieden Anwendung, indem die vom Wasserrade in Umdrehung versetzte Welle mittelst deren »Daumen« den Hammerstiel hebt und im Verlaufe der drehenden Bewegung wieder fallen läßt (vgl. S. 86). Bei Anlage einer Turbine kommt vornehmlich die zur Verfügung stehende Wassermenge in Betracht, beziehungsweise das Gefälle. — Sinkt letzteres unter 1‧25 Meter, so kann es erfahrungsgemäß für eine Turbinenanlage nicht nutzbar gemacht werden. Man ist dann an die gewöhnlichen Wasserräder gewiesen. Unter den Vorzügen, welche den Turbinen gegenüber den Wasserrädern zukommen, steht in erster Linie der regelmäßige Gang, selbst bei langer Betriebsdauer. Vermöge dieser Eigenschaft haben sich Turbinenanlagen vorzugsweise für die Zwecke der elektrischen Kraftübertragung als außerordentlich zweckmäßig erwiesen, wie dies die großartigen Installationen am Niagarafall vor Augen führen, wo eine nutzbare Wasserkraft von Hunderttausenden von Pferdestärken zur Verfügung steht. Dieser Sachverhalt hat dazu geführt, daß in neuester Zeit die Turbinen eine rasche und nutzbringende Verbreitung gefunden haben. Zwar kommt zweckmäßig angelegten Wasserrädern mitunter eine Leistungsfähigkeit zu, welche den Turbinen fast ebenbürtig ist, wenn auch als Nachtheil die geringe Tourenzahl hervorgehoben wird. Dieses letzteren Umstandes wegen erfordern die Wasserräder zumeist mehr- fache Uebertragungen der Bewegung auf Räder und Wellen und eine aufmerksame Bedienung im Betriebe, wodurch solche Anlagen sich nicht wesentlich billiger stellen als die Dampfmotoren. Die hier stehenden Abbildungen, Fig. 189 und 190, veranschaulichen größere Turbinenanlagen, wie sie die Firma Escher Wyß \& Co. in Zürich baut und zu deren Erläuterung einige Worte genügen werden. Diese Maschinen ermöglichen, bei absoluter Sicherheit des Betriebes und höchster zu erreichender Tourenzahl, eine Ausnützung der Wasserkraft von circa 83 Procent. Um allen Anforderungen, wie sie die mancherlei Betriebe erheischen, zu genügen, sind diese Maschinen mit Regulir- apparaten ausgestattet, welche entweder von Hand oder automatisch bedient werden und den Wasserverbrauch im Verhältniß zum erforderlichen Nutzeffect regeln. Es ist dies gegenüber anderen Systemen ein nicht zu unterschätzender Vorzug, indem damit der Verschwendung und dem nutzlosen Ablaufen von Betriebswasser gesteuert wird. Die erwähnten Vorrichtungen sind bei den ganz großen Maschinen zu 800 bis 1200 Pferdestärken Oeldruckregulatoren, bei den mittleren Maschinen specielle Regulirvorrichtungen an den Schaufelkränzen. Außer den hier dargestellten Turbinen mit einfachem und doppeltem Rade auf senkrechter Achse, baut die genannte Firma auch kleine Turbinen mit Doppel- conus, bei welchen gleichfalls die vorerwähnte Regulirvorrichtung angebracht ist. Die Leistungsfähigkeit dieser Maschinen geht von ½ bis 30 Pferdestärken. Sie haben eine hohe Tourenzahl und beanspruchen ein Minimum von Raum. ... Die 15* Dritter Abschnitt. Großturbinen, wie sie in den Abbildungen in Verbindung mit den angetriebenen Maschinen dargestellt sind, erfordern ein verhältnißmäßig geringes Gefälle, d. h. Fig. 189. Turbine zu 210 Pferdekräften, mit Regulirung auf zwei Schaufelkränze, eine Pumpengruppe antreibend. (Constructeure: Escher Wyß \& Co., Zürich.) ungefähr ein solches wie es Flüssen im Durchschnitte zukommt. Als Musteranlage dieser Art ist die Type mit 210pferdekräftigen Turbinen mit Doppelconus für die Die motorischen Einrichtungen. Pumpwerke der Coulouvreni è re zu Genf anzusehen sowie eine zweite Anlage bei den hydraulischen Werken zu Litten bei Zürich. Erstere Turbine treibt die Pumpen Fig. 190. Doppelte Conus-Turbinen zu 800—1200 Pferdestärken mit Oeldruck-Regulator. (Constructeure: Escher Wyß \& Co., Zürich.) direct an, wie dies aus der Abbildung zu ersehen ist, während bei der zweiten Einrichtung die Kraftübertragung durch Zahnräder vermittelt wird. Dritter Abschnitt. Bei den Turbinen wirkt das Wasser nicht, wie z. B. im Wesentlichen bei den oberschlächtigen und rückenschlächtigen Wasserrädern durch sein Gewicht, auch nicht, wie bei einfachen unterschlächtigen Rädern, durch Stoß — der bei guten Turbinen nach Thunlichkeit vermieden werden soll — sondern durch allmähliche Abgabe des ihm zufolge seiner Geschwindigkeit innewohnenden Arbeitsvermögens. Diese Wirkung kommt dadurch zu Stande, daß man das Wasser aus einem fest- stehenden Leitapparat in geeigneter Richtung mit möglichst großer Ausfluß- geschwindigkeit gegen entsprechend gekrümmte Schaufeln eines Laufrades dem die Arbeit aufnehmenden und übertragenden Bestandtheil der Turbine strömen läßt. Fig. 191. Wassermotor. Das Wasser wird durch die Form der Schaufeln gezwungen, die Richtung seiner Bewegung fortgesetzt zu ändern, und fließt schließlich nach dem Durchströmen der von den Schaufeln im Laufrad gebildeten Canäle mit einer Geschwindigkeit ab, welche gegen die dem ganzen Gefälle ent- sprechende Geschwin- digkeit umso kleiner ist, je mehr Arbeit dem Wasser in der Turbine entzogen wurde. Man unterscheidet im Großen und Ganzen zweierlei Arten von Turbinen: Druckturbinen und Ueberdruckturbinen. Bei den ersteren behält, abgesehen von Reibungsverlusten (und der Höhe des Laufrades bei Axialturbinen), das Wasser die relative Eintrittsgeschwindigkeit bei und es füllt die Canäle des Laufrades nicht völlig aus; bei den Ueberdruckturbinen dagegen muß wegen des beim Eintritt in das Laufrad vorhandenen Ueberdruckes das Wasser die Canäle allenthalben aus- füllen und es muß vermöge des ganzen Constructionssystemes die relative Ge- schwindigkeit beim Durchfluß durch das Laufrad wachsen. ... Außerdem unterscheidet man: »Freistrahlturbinen« (Druckturbinen mit freiem Strahl), bei welchen die Wasserkraft höchstens an der Eintritts- und an der Aus- trittsstelle des Laufrades in Berührung mit den Convexen ist, im Uebrigen aber frei an den concaven Schaufelseiten abfließt; »Grenzturbinen«, bei welchen der Wasserstrahl auf allen Seiten die Canalwandungen netzt; »Axialturbinen« (Ueber- druckturbinen), deren Anordnung hinsichtlich der Bewegung des Wassers vom Ober- zum Unterwasserspiegel die natürlichste ist; »Doppelkranzturbinen« für Wasser- Die motorischen Einrichtungen. kräfte, welche sowohl stark schwankendes Gefälle als stark schwankende Aufschlag- mengen haben, oder wo bei niederem Gefälle möglichst große Wassermengen mit nur einer Turbine in Arbeit genommen werden sollen: »Radialturbinen«, bei denen das Wasser entweder von unten zugeführt wird (»von innen beaufschlagt«), oder der Mechanismus von außen betrieben (»von außen beaufschlagt«) wird. Die Wasserkraft läßt sich auch noch in anderer Weise als in derjenigen, welche die Turbinen zum Principe haben, motorisch verwerthen, und zwar durch Ausnützung der Hochdruck-Wasserleitungen. Die diesbezüglichen maschinellen Einrichtungen werden Wassermotoren genannt, welche mancherlei Constructionen aufweisen und überall Fig. 192. Wassermotor. dort Anwendung finden, wo Wasserleitungen mit entsprechend hoher Druckhöhe vorkommen. Die Wassermotoren eignen sich vorzüglich für kleine Betriebe. Die bei- gegebenen Abbildungen veranschaulichen zwei verschiedene Typen. Der Wassermotor von A. Schmidt (Fig. 191) besteht aus einem oscillirenden Cylinder, an dessen Unterseite ein nach außen cylindrisch geformtes Ansatzstück an- gebracht ist, das gemeinschaftlich mit der hohlgegossenen Grundplatte (B) die Steuerung, d. h. die Zu- und Ableitung des Wassers, besorgt. Dies wird dadurch ermöglicht, daß das erwähnte Ansatzstück von zwei Canälen durchbrochen ist (a und b) , während die sich nach oben an drei Stellen öffnende hohle Grundplatte an ihrer oberen Fläche cylindrisch derart abgedreht ist, daß der Cylinderansatz gewissermaßen als Schieber wirkt. Das Druckwasser tritt durch das Rohr A ein und gelangt, je Dritter Abschnitt. nach der Stellung des Schiebers, abwechselnd durch die Canäle bald vor, bald hinter den Kolben, ihn auf diese Weise vor- und zurückbewegend. Der Abfluß des Wassers erfolgt entweder durch den Canal a oder durch die im Bilde rechts sicht- bare (hier durch den Schieber geschlossene) Oeffnung in den Hohlraum B der Grundplatte. Um die mit der Kolbenbewegung verbundenen Stöße zu paralysiren, ist das Zuflußrohr mit dem Windkessel W verbunden. So oft nun die Absperrung der Canäle erfolgt, drückt das einströmende Wasser die Luft im oberen Theile des Windkessels zusammen, während sie sich beim Oeffnen der Canäle wieder ausdehnt. Da in diesem Motor das Wasser nur durch Druck und nicht durch den Stoß wirkt, ist der Gang derselben ein sehr ruhiger und gleichmäßiger. Der zu erreichende Nutz- effect ist 80 bis 90 Procent. Der Wassermotor von Ph. Mayer (Fig. 192) unterscheidet sich von anderen Constructionen dieser Art vornehmlich dadurch, daß er mit verschiedener Füllung arbeitet, daher den vorhandenen Wasserdruck völlig ausnützt und nur die der jeweilig erforderlichen Kraftäußerung entsprechende Wassermenge verbraucht. Die Veränderung der Füllung läßt sich innerhalb der Grenzen von 10 bis 80 Procent reguliren, zu welchem Zwecke die von den Dampfmaschinen her bekannte Vor- richtung (Regulator) in Wirksamkeit tritt. Maschinen dieses Typus können in Ab- messungen bis zu 150 Pferdekräften Leistungsfähigkeit gebaut werden. Durch An- ordnung mehrerer derselben und Cumulirung ihrer Kraftäußerung können ganz bedeutende Effecte erzielt werden. Während bei den Wasserrädern und Turbinen die freie Stoßkraft des Wassers, bei den eben beschriebenen Motoren die natürliche Druckkraft motorisch wirken, wird bei einer dritten Art von Maschinen das Wasser künstlich comprimirt. Auf diesem letzteren Principe beruhen alle hydraulischen maschinellen Einrichtungen, welche in Großbetrieben die weitgehendste Verwendung finden. Wir erinnern nur an die Einrichtung der großen Schmiedepressen im Krupp 'schen Etablissement, an die hydraulischen Nietvorrichtungen u. s. w. Ein weiteres zum maschinellen Betriebe ausgenütztes Agens ist die Luft . Conform den Wasserrädern ist hier das Windrad die einfachste, lediglich auf die Wirkung der Luftströmung beruhende Construction, welche zunächst in Betracht kommt. Die Windräder werden vorzugsweise in Verbindung mit Wasserpumpen gebracht, doch hat man sie neuerdings — in größten Dimensionen ausgeführt — mit Erfolg für die Inbetriebsetzung von Dynamos in Anwendung gebracht. Die beigegebene Abbildung (Fig. 193) zeigt eine solche von Corcoran (Jersey) für die » Lewis Electric Company « ausgeführte Windmühle, welche bei starker Luft- strömung drei Pferdestärken entwickelt. Um die Spannung trotz der bei verschiedener Windstärke sehr verschiedenen Tourenzahl möglichst constant zu erhalten, ist die Maschine als Compoundmaschine derart ausgeführt, daß die Nebenschlußwickelung auf den Feldmagneten und die Serienwickelung auf denselben gegen einander ge- schaltet sind. Diese Regulirung ist so empfindlich, daß bei einem Wechsel der Touren- Turbinen- und Pumpen-Installation zu Genf-Coulouvrenière (Constructeur: Escher Wyss \& Co.) Die motorischen Einrichtungen. zahl zwischen 500 Fig. 193. Elektrisch betriebenes Windrad. und 1600 pro Minute die Span- nung nur von 11 auf 12 Volt steigt. Sinkt die Ge- schwindigkeit unter 500 Umläufe, so wird ihre Batterie automatisch unter- brochen, um erst dann wieder her- gestellt zu werden, wenn die Touren- zahl beziehungs- weise die Spannung jene Höhe erreicht hat, welche noth- wendig ist, um die elektromotorische Gegenkraft der Batterie zu über- winden. Der An- trieb der Maschine erfolgt durch ein Zahnradgetriebe und Riemenantrieb, wie dies aus der Abbildung ersicht- lich. — Von weit größerer Bedeutung als die Ausnützung der freien Luft- strömung für mo- torische Zwecke sind jene Einrichtungen, vermittelst welchen der Luftstrom künst- lich hervorgerufen, beziehunsweise durch Druck com- Dritter Abschnitt. primirt wird, in welch letzterem Falle er in gleicher Weise wie das Druckwasser oder der Dampf wirksam wird. Das erstere Princip findet seine Anwendung in allen Gebläsen, deren Urtypus der gewöhnliche Blasebalg ist. Indeß liefert nicht dieser, sondern der zusammengesetzte Blasebalg einen continuirlichen Luftstrom. Es wird dies erreicht, indem man einen gewöhnlichen Blasebalg mit einem Regulator in Verbindung bringt. Bei dieser Anordnung (Fig. 194) ist der feststehende Boden a b mit den um c beziehungsweise f drehbaren Deckeln c d und f g durch Lederverschluß verbunden, und stellt a b c d den einfachen Blasebalg, a b f g seinen Regulator dar. Die Düse D , durch welche die Luft ausströmt, steht mit dem Innen- raume des letzteren in Verbindung. Solche zusammengesetzte Blasebälge finden vor- wiegend bei größeren Schmiedefeuern Anwendung und functionirt derselbe wie folgt: Fig. 194. Blasebalg. Sinkt der untere Deckel c d unter Einwirkung des Ge- wichtes G herab, so wird die Luft zwischen diesem Deckel und dem unbeweglichen Boden a b verdünnt. Der von außen her wirkende Luftdruck öffnet das Ventil s und veranlaßt das Ein- strömen von Luft, bis im Balg das Gleichgewicht her- gestellt ist, worauf das Ventil durch seine eigene Schwere zuklappt. Nun erfolgt die Auf- wärtsbewegung des Deckels c d , wodurch die in dem Raume a b c d eingeschlossene Luft zusammengedrückt, die jedoch nicht durch das Ventil s entweichen kann, da sich dasselbe nur nach innen öffnet. In Folge der Luftverdichtung in dem Raume a b c d wird aber das zum Regulator, d. h. dem Raume a b c f , führende Ventil v aufgedrückt und die eintretende Luft wird in Folge der Druckwirkung des Gewichtes G gezwungen, durch die Düse D abzufließen. Da dieser letztere Vorgang unabhängig von der Bewegung des eigentlichen Blasebalges erfolgt, und zwar unter dem con- stanten Drucke des Gewichtes G , liefert ein solcher zusammengesetzter Blasebalg einen ununterbrochenen gleichmäßigen Wind. Bringt man einen Blasebalg dieser Art mit der Daumenwelle eines Wasserrades in Verbindung, so ist auch der Antrieb ein continuirlicher. Das Princip des Blasebalges findet seine weitere Ausgestaltung im Flügel- radgebläse (Centrifugalventilator), der leicht herzustellen ist, wenig Raum bean- sprucht und unter Umständen große Windmengen, aber von geringer Spannung, liefert. Der in Fig. 195 abgebildete Hager 'sche Ventilator besteht aus einem Wind- Die motorischen Einrichtungen. rade mit vier Schaufeln, welche innerhalb eines Gehäuses (G) rotiren, wobei in dem Raume F E D B C , der in die Austrittsöffnung mündet, eine Luftverdichtung stattfindet. Diese letztere bewirkt aber in dem Raume zwischen den anderen Flügeln eine Luftverdünnung, was zur Folge hat, daß durch die freie Oeffnung die Außenluft nachströmt, wodurch ein continuirlicher Wind erzeugt wird. Von weit größerer Wirksamkeit als das Flügelgebläse ist das Cylinder- gebläse . Die principielle Anordnung desselben ist aus der Fig. 196 zu ersehen. Dasselbe setzt sich aus folgenden Theilen zusammen: dem Cylinder A , in welchem sich der Kolben C luftdicht (wie bei den Dampfcylindern) nach auf- und abwärts bewegt, den Zuführungsröhren b d mit ihren nach innen sich öffnenden Klappen- Fig. 195. Flügelradgebläse. Fig. 196. Cylindergebläse. ventilen, den Ableitungsröhren g f mit ihren nach außen sich öffnenden Klappen- ventilen und dem Windkasten E . Die Wirkungsweise des Gebläses ist die folgende: Bewegt sich der Kolben (mit der Kolbenstange a ) nach aufwärts, so entsteht in dem unteren Cylinderraume eine Luftverdünnung, wodurch die Außenluft das Ventil d öffnet und durch das- selbe in diesen Raum eintritt. In dem oberen mit verdichteter Luft erfüllten Raume wird einerseits das Ventil b zugedrückt, das Ventil g jedoch aufgedrückt, wodurch die zusammengepreßte Luft sich im Windkasten ansammelt, beziehungsweise durch das Rohr abströmt. Beim Niedergange des Kolbens vollzieht sich derselbe Vorgang, nur daß jetzt die einzelnen Ventile ihre Rollen wechseln. Ein Uebelstand der Cylindergebläse ist, daß sie keinen vollkommen gleichmäßigen Luftstrom liefern, weil die Geschwindigkeit des Kolbens von seiner Mittellage an nach auf- oder nach abwärts abnimmt. Um diesem Uebelstande zu begegnen, ordnet man entweder mehrere Cylinder an, deren Kolben nacheinander die Mittellage erreichen, oder man Dritter Abschnitt. leitet die comprimirte Luft vorerst in einen besonderen Raum (Regulator) und führt sie aus diesem der Feuerung zu. Mit dem Cylindergebläse verwandt ist die Compressionspumpe , welche die Grundlage zu den mannigfaltigsten pneumatischen Maschinen bietet. Dieselbe ist nach der Construction von Silbermann in Fig. 197 abgebildet und ihre An- ordnung leicht zu ersehen. Der Cylinder, in welchem sich der Kolben K auf- und abbewegt, ist an seinem unteren Ende durch zwei Ventile a und b geschlossen, von welchen sich das eine nur nach oben, das andere nur nach unten öffnet. Mit den Ventilen stehen die Canäle a′ b′ in Verbindung und durchsetzen dieselben einen durch Fig. 197. Compressionspumpe. das Fundament des Cylinders quer durchgesteckten Hahn h . Von den beiden Canälen steht die eine mit der äußeren Luft, die andere mit dem Raume (oder Gefäße), dem compri- mirte Luft zugeführt werden soll, in Verbindung. Selbst- verständlich kann man diese Anordnung derart treffen, daß beide Canäle — beziehungsweise ihre Röhren — in Gefäße münden, wodurch aus dem einen Gefäße Luft ausgepumpt, in das andere eingepumpt wird. Auf dem Principe der Compressionspumpe beruht, neben mancherlei anderen Einrichtungen, die pneumatische Bohr- maschine. Erhöhte Bedeutung hat dasselbe in seiner Aus- gestaltung als Preßluftmaschine erhalten. Die erste größere Anlage dieser Art war die nach dem System W. Popp aus geführte » Usine de St. Fargeau « bei Paris, bei welcher 11 Dampfkessel und 8 Dampfmaschinen die Luftcompression betreiben oder wenigstens zu Beginn betrieben. Die Abbildung auf S. 198 veranschaulicht die Maschinenhalle, in welcher die Dampfmaschinen, Compressoren und Windkessel unter- gebracht sind. Die Compressoren sind zweicylindrig und er- halten ihren Antrieb durch die Dampfmaschine in der Weise, daß die Compressor- kolben an die verlängerten Kolbenstangen der Dampfcylinder angebracht sind. Da die Luft beim Zusammenpressen stets bedeutend erwärmt wird, was den Gang der Maschine auf die Dauer unmöglich machen würde, muß bei allen Com- pressoren für entsprechende Kühlung ausgiebig Sorge getragen werden. Die von den letzteren gelieferte Preßluft tritt mit einer Spannung von 6 Atmosphären in 8 Windkessel und strömt des weiteren durch ein Rohrnetz nach den einzelnen Arbeitsstätten. Die Windkessel sind derart miteinander verbunden, daß im Bedarfsfalle einzelne derselben ausgeschaltet und für sich allein beansprucht werden können. Ihr großer Fassungsraum (etwa 32 Cubikmeter) bedingt einen sehr gleichmäßigen Druck der in diesen Sammelreservoirs bereits gänzlich abgekühlten Luft. Zur Zeit des stärksten Betriebes strömen 18.000 Cubikmeter Luft in der Stunde durch die 30 Centimeter weiten Hauptrohre, was einer Geschwindigkeit von 10‧1 Meter in der Secunde entspricht. Die motorischen Einrichtungen. Fig. 198. Luftcompressions-Anlage der Usine de St. Forgeau (Paris). Dritter Abschnitt. Die Entnahme der comprimirten Luft aus der Rohrleitung an den einzelnen Verwendungsstellen geschieht wie bei der Leuchtgasleitung durch Einführung eines Zweigrohres unter Einschaltung eines Meßapparates und ersteres führt (das Dampfrohr vom Dampfkessel ersetzend) zum Motor. Dieser ist in der Regel eine herkömmliche Dampfmaschine, deren Kolben von der gespannten Luft in ähnlicher Weise mit Ausnützung der Expansion betrieben wird, wie es sonst bei Dampf- maschinen geschieht. Dagegen gelangen bei kleinen Motoren unter zwei Pferdestärken Rotationsmaschinen zur Anwendung. Vor dem Motor sind stets ein Reducirventil und ein kleiner Wind- Erwärmungsofen eingeschaltet. Durch das erstere wird die Pressung von 6 Atmo- sphären in der Hauptrohrleitung auf 4 bis 4 ½ Atmosphären für den Betrieb herabgedrückt. Der Wind-Erwärmungsofen ist nothwendig, weil die in der Maschine von 4 bis auf 1 Atmosphäre Druck sich ausdehnende Luft hierbei um etwa 70°C. abgekühlt wird; da sie aber feucht erzeugt und verwendet wird, muß sie um den Betrag des neutralen Temperatursturzes vorgewärmt werden, da andernfalls im Ausströmungsrohre sich Eis bilden würde. Die Vorwärmung, welche im Grunde genommen nicht rationell ist, muß für eine Temperatur von 150°C. bemessen werden. Wir haben nun noch einige Bemerkungen über Ausnützung der Elektricität als motorische Kraft in den maschinellen Einrichtungen hüttentechnischer Betriebe anzubringen. Das Mittel hierzu ist vorzugsweise die elektrische Kraftüber- tragung , d. h. die Ausnützung einer an einem Orte zur Verfügung stehenden Kraft zu mechanischer Arbeit an einem mehr oder weniger weit von ersterem ent- fernten Orte, indem man mechanische Arbeit in elektrischen Strom umwandelt, diesen zur Arbeitsstelle leitet und dort durch eine Maschine wieder in mechanische Arbeit umsetzt. Eine andere Form der elektrischen Uebertragung ist die, daß man an Ort und Stelle selbst die erzeugte Elektricität durch Vertheilung der Kraft, d. h. Abgabe von Betriebskraft an Werkstätten ꝛc., ausnützt. Alle zu diesen Zwecken in Verwendung genommenen Maschinen werden Elektromotoren genannt. Aus dem eben Gefragten geht hervor, daß die elektrische Uebertragung eigentlich ein ziemlich complicirter Vorgang ist. Man benöthigt einen Motor, der die primäre Maschine in Bewegung setzt, eine secundäre Maschine und die Leitung — lauter Quellen für ganz bedeutende Kraftverluste, wobei man die verlangte Arbeit erst aus dritter Hand (der secundären Maschine) erhält. Nun liegt aber in der Möglichkeit eine im reichlichen Maße zur Verfügung stehende Naturkraft, die an Ort und Stelle selbst nicht auszunützen ist, einer entfernten Arbeitsstelle zuzuführen, ein so unschätzbarer Vortheil, daß alle anderen Bedenken dagegen verstummen müssen. Freilich kann es sich diesfalls nur um Installationen im großen Style handeln, was auch bezüglich jener Einrichtungen gilt, die von einer Centralstelle aus (z. B. einer großen Dampfmaschine) an eine Anzahl von Arbeitsstellen elektrische Betriebskraft abgeben. Die motorischen Einrichtungen. In die Construction, Wirkungsweise und sonstigen Eigenheiten der Elektro- motoren einzugehen, ist hier nicht der Platz. In den hüttentechnischen Großbetrieben haben die elektromotorischen Einrichtungen allenthalben Fuß gefaßt und werden dieselben zu den mannigfaltigsten Zwecken ausgenützt. Ein interessantes Beispiel hierfür — um ein besonders charakteristisches aufzustellen — bietet das berühmte Etablissement von Escher Wyß \& Co. in Zürich, weil hier eine früher besprochene Einrichtung, die der Turbinen, als Ursprungsquelle der motorischen Kraftübertragung in interessanter Weise in Mitbetracht kommt. Fig. 199. Werkstätten von Escher Waß \& Co. in Zürich. Zunächst einige Worte über das Etablissement selbst. Die nach den neuesten Erfahrungen gebaute und eingerichtete Maschinenfabrik besteht aus einer Anzahl von einander ganz isolirt angelegter Werkstätten und es ist deshalb als einzig vortheilhafte Lösung der Frage der Kraftlieferung die elektrische Kraftvertheilung mittelst Drehstrom durchgeführt worden. Die elektrische Centrale befindet sich im Motorenhaus, und zwar ist die Entfernung derart getroffen, daß der erforderliche Strom entweder von der Turbinenanlage (auf die wir weiter unten zurückkommen) bezogen, oder von durch Dampf betriebene Generatoren erzeugt werden kann. Die vom Motorenhaus nach den einzelnen Werkstätten ꝛc. führenden Leitungen Dritter Abschnitt. Fig. 200. Maschinenbauanstalt Escher Wyß \& Co. in Zürich (Dynamo-Raum). Die motorischen Einrichtungen. sind theils Luftleitungen, theils in Thoncanäle verlegte einfache Bleikabel mit Jute- umflechtung. Betritt man das Etablissement, so hat man sofort die Empfindung, daß man vor völlig modernen Einrichtungen steht, so gleich in der Gießerei , einem 90 Meter langen und 50 Meter breiten Gebäude. In den sieben Abtheilungen der Gießereihalle laufen sieben Krahne von 5, 10 und 20 Tonnen Tragkraft, jeder mit drei Elektromo- Fig. 201. Antrieb von Transmissionen in den Werkstätten von Escher Wyß \& Co. in Zürich. toren (einer zum Heben und Senken, einer zum Querfahren und einer zum Längsfahren) ausgerüstet. Kaum sieht man die kleinen Dinger, welche oben auf den Krahnen sitzen, und die gleichwohl mühelos Lasten bis zu 20 Tonnen be- wegen. Da giebt es keine Transmissionen, keine Räder, keine Wellbäume, kein Oel tropft herunter. Jeder Krahn wird durch einen Mann dirigirt, der in einem kleinen Gitterhäuschen auf dem Krahne selbst steht, seine drei Mini- atur-Elektromotoren auf ein erhaltenes Zeichen spielend ein- und ausschaltet und das Hebezeug an jedem beliebigen Punkte der Hallenabtheilung ansetzen, das flüssige Eisen nach der Form und das fertige Gußstück zurückbringen läßt. Die Gießereihalle besteht, die backsteinerne Ummauerung abgerechnet, voll- ständig aus Eisen, das Dach aus Holzcement: die ganze Halle hat Oberlicht, ist also außerordentlich hell. Ein südlicher Anbau enthält die Trockenkammern für die Formen, im nördlichen Anbau stehen die Oefen, deren größter in der Stunde Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 16 Dritter Abschnitt. 6 Tonnen zu schmelzen vermag. Die Ventilatoren, welche das Feuer unterhalten, werden von zwei Elektromotoren von 24 Pferdestärken betrieben. Da bläst es höllisch durch das glühende Erz. Das Roheisen und die Koks bringt ein elektrisch betrie- bener Aufzug zur Stelle. Die fertigen Gußstücke kommen in die südlich gelegene Gußputzerei , wo die rohen Stücke gereinigt, von Zapfen, Vorsprüngen, Rändern und was sonst vom Gusse her haften geblieben ist, befreit, mißlungene Stücke mit wuchtigen Schlägen zertrümmert werden. Neben dieser Gußputzerei befindet sich die Metallgießerei. Das eigentliche Arbeits- und Kräftecentrum aber sind die Werkstätten . Die Hauptwerkstätte ist Fig. 202. Elektrischer Laufkrahn. (Constructeur: Maschinenfabrik Oerlikon.) quadratisch angelegt, mit Wänden aus Backstein und eisernem Dache, und zerfällt in nicht weniger als 12 Hallenabtheilungen, in 6 hohe und 6 niedrige, jene für die großen, diese für die kleinen Werkzeugmaschinen. Vom Eingange von der Gießerei- seite her bis ans andere Ende der Werkstatthalle zu werden die Werkzeugmaschinen von Abtheilung zu Abtheilung größer, imponirender und nehmen schließlich Dimen- sionen an, daß sie nur mit außerordentlichem motorischen Kraftaufwand in Bewe- gung zu setzen sind. Dies gilt beispielsweise von einer großen Hobelmaschine von 3 Meter Breite und 8 Meter Länge, welche von einem Elektromotor zu 24 Pferde- stärken betrieben wird. Durch jede der zwölf Hallen geht je eine, von einem Elektromotor von 12 Pferdestärken angetriebene Transmission und steht je ein gleichfalls elektrischer betriebener Krahn zur Verfügung. Jede Veränderung der Lage des einzelnen zu bearbeitenden schweren Maschinenstückes, sowie jede Ortsveränderung von Werk- Die motorischen Einrichtungen. zeugmaschine zu Werkzeugmaschine wird durch elektrische Hebevorrichtungen besorgt. Dabei arbeiten jene Maschinen mit einer erstaunlichen Präcision. Die Meßinstru- mente für die subtilsten Arbeiten sind garantirt auf \nicefrac{1}{500} Millimeter, die Trocken- walzen für Papiermaschinen schleifen Schleifsteinchen von \nicefrac{1}{100} Millimeter genau ab. In der luftigen Höhe der Halle leuchten des Nachts zahllose elektrische Bogen- lampen und bei den Maschinen hat außerdem jeder Arbeiter ein Glühlämpchen zur Hand, mit dem er auch die kleinsten und verborgensten Winkel seiner Maschine er- hellt. Nirgends sieht man eine körperliche Anstrengung im Spiele — alles geht glatt und leicht; der Arbeiter schindet sich nicht: er denkt, mißt und lenkt. Eine Warmwasserheizung, gespeist durch 8 Füllöfen, durchwärmt die Halle im Winter. Was das heißen mag, wird man ermessen, wenn man erfährt, daß die Halle 123,000 Cubikmeter Rauminhalt hat. Viel einfacher als die Hauptwerkstatt ist die Kesselschmiede eingerichtet. Von Interesse sind hier die hydraulischen Nietmaschinen, welche mit einem Wasser- druck von 80 Tonnen arbeiten. Die Werkzeuge, welche mit der pneumatischen Neuerung die Bleche fein verdichten, führen in der Minute nicht weniger als 12.000 Schläge aus! Zu erwähnen sind ferner die Hammerschmiede und die Blech- biegemaschine . Ein Elektromotor von 36 Pferdestärken bewegt die Windflügel. Die Kraftquelle zu all diesen Betrieben liefert das Elektricitätswerk von Zulfikon-Bremgarten mit einer Wasserkraftanlage, die mit einer secundlichen Wasser- menge zwischen 15 und 25 Cubikmeter bei einem Nettogefälle von 5‧3 Meter arbeitet und an den Turbinenwellen 1300 Pferdestärken entwickelt, was einem Nutzeffecte von 75 Procent entspricht. Die Anlage umfaßt vier Turbinen zu 325 Pferdestärken effectiv bis 115 Umdrehungen in der Minute. Dieselben sind Reactions-Doppelturbinen (Patent Escher Wyß ) mit verticalen Wellen und Ober- wasserzapfen. Auf gemeinschaftlicher Welle sitzen zwei Turbinenräder, von denen das untere von unten, das obere von oben beaufschlagt wird. Da beide Räder gleichen Durchmesser haben, wird der Wasserdruck auf die Schaufeln gegenseitig aufgehoben. Außer den vier großen Turbinen ist in einer separaten Kammer noch eine kleinere 34 pferdige Turbine mit 210 Umdrehungen aufgestellt, zum Antriebe der Erregermaschinen. Die großen Turbinen besitzen automatische Regulirung, die kleineren Handregulirung. Entsprechend den vier Turbinen sind vier Drehstrom-Generatoren von je 325 Pferdestärken Leistung aufgestellt. Sie sind mit verticaler Welle versehen, machen in der Minute 115 Umdrehungen und sind mit den Turbinen direct ge- kuppelt. Vom Turbinenhause gehen zwei getrennte Leitungsstränge ab, deren einer nach Wohlen, der andere nach Zürich führt. Letzterer ist 20 Kilometer lang und setzt sich aus zwei Leitungen von je drei Drähten ( à 7‧7 Millimeter Durchmesser) zusammen. Die Kraftabgabe erfolgt zur Zeit an drei Secundärstationen, von welchen das Etablissement Escher Wyß \& Co. mit dem größten Antheil (400 Pferde- stärken) participirt. 16* Dritter Abschnitt. Fig. 203. Mit Wechselstrommaschinen gekuppelte Turbinen der elektrischen Beleuchtungscentrale in Tivoli bei Rom (vgl. S. 226). Dritter Theil. ( Die zwei Brücken in Rotterdam. ) Eisenarchitektur und Brückenbau. Erster Abschnitt. Die Eisenarchitektur. D er Eindrücke voll, welche wir im Krupp'schen Etablissement gewonnen haben, wäre es nun am Platze, den Spuren dieser Thätigkeit, die in all den mannigfaltigen constructiven Anlagen, wie Maschinenbau und Fabrikswesen, in den unübersehbaren Kleinbetrieben, in denen das scheinbar Unbe- deutende von weittragender Wichtigkeit ist, zu folgen. Nun, ein solches Beginnen würde den Raum von vielen Bänden füllen und sich zu einer Encyklopädie des Eisengewerbes gestalten, zu dessen Bewältigung Dutzende von Federn in Bewegung gesetzt werden müßten. Man vergesse ferner nicht, daß das Eisengewerbe die ganze Erde umspannt, daß neben den deutschen Arbeitsstätten unzählige andere, darunter sehr bedeutende — wie in Belgien, Frankreich, Großbritannien und in den Ver- einigten Staaten von Amerika — in Thätigkeit stehen, deren Leistungen zum Theile noch bewunderungswerther sind als jene, die uns auf heimatlichem Boden vor Augen treten. Wie wäre es möglich, allen diesen Erscheinungen gerecht zu werden? Be- schränken wir uns also darauf, dasjenige herauszugreifen, was — soweit die Eisen- architektur in Betracht kommt — in den letzten Jahren geschaffen wurde und von Bedeutung ist. Bei den Brückenconstructionen können wir dann weiter ausgreifen und eine orientirende Uebersicht über die Entwickelung und Ausgestaltung der ein- zelnen Systeme ꝛc. entrollen. Die nebensächlichen Einzelheiten aber müssen wir von diesen Schilderungen fernhalten. Es würde dem Laien kaum etwas fruchten und dem Werke einen Ballast aufbürden, der ihm nicht zum Vortheile gereichen würde. Wenn von den großen Leistungen der Eisenarchitektur die Rede ist, hat der Laie in erster Linie jenes Bauwerk vor Augen, das während der Pariser Aus- stellung im Jahre 1889 einen der großen Anziehungspunkte bildete — den Eiffel- thurm . Obwohl keinem praktischen Zwecke dienend, verkörpert er unbestritten eine Riesenleistung im modernen Eisenbau. Noch vor wenigen Jahrzehnten würde man die Möglichkeit, ein solches Werk zu schaffen, nicht zu ahnen gewagt haben. Die Erster Abschnitt. Bewältigung ungeheurer eiserner Massen erfordert eine eiserne Energie und wo sich diese findet, ist alles möglich. Wir bewundern die alten Riesenbauten, wie beispiels- weise die Pyramiden, die mächtigen Thürme der Dome und manches Andere. Sie alle hat bezüglich der Höhe und Schnelligkeit der Fertigstellung der eiserne Pariser Thurmkoloß überflügelt, sowie die modernen eisernen Brücken ihre steinernen Vor- läufer, was Kühnheit der Anlage und Ausnützung mechanischer Gesetze anbetrifft, Fig. 204. Ansicht des Eiffelthurmes bei 3 Kilometer Entfernung. weit in den Schatten gestellt haben. Ein Eisenbau von solchen Größenverhältnissen wie der Eiffelthum ist niemals geschaffen worden. Eine Eisenmasse von 7 Millionen Kilogramm als scheinbar luftiges, aus der Ferne wie ein Filigrangespinnst sich ausnehmendes Gebilde bis in die Höhe von 300 Metern aufzu- bauen, muß dem Weisen, der solches vollbringt, Bewunderung eintragen. Der Eisenkoloß erhebt sich von einer gestuften Terrasse und ruht mit seinen vier schräg- geneigten Thurmträgern auf ebenso vielen mächtigen, schief aufge- bauten, tief fundirten Sockeln. Der Grundplan ist ein Quadrat von 110 Meter Seitenlänge. In einer Höhe von 60 Metern ver- einigen sich die vier Träger, welche untereinander durch vier riesige, 40 Meter lichte Oeffnung messende Rundbogen verbunden sind, zu einer Plattform, welche von Säulengängen im Rundbogenstyl umgeben und von einem Dache überwölbt ist. Weiter hinauf verjüngt sich der Thurm rasch und erreicht in 115 Meter die zweite Galerie, in 165 Meter die dritte Galerie. Hier verknoten sich die vier Thurmträger, die nach oben immer kleinere Abmessungen besitzen. Der letzte Aufbau besteht aus einem einzigen Thurm, und zwar bis in 258 Meter Höhe. Hieran schließt bis 280 Meter ein Kuppelbau, auf dem ein kleiner offener Thurm aufgesetzt ist, der mit der Spitze des Blitzableiters die ungeheure Höhe von 300 Meter abschließt. Sieht man auch von allen weiteren Constructionen — Treppen, Zahnrad- aufzügen ꝛc. — ab, so muß der Bau als solcher durch die an ihm zur Geltung Die Eisenarchitektur. kommende Vergrößerung der constructiven Elemente zu bisher kaum gedachter Massigkeit und Linearentwickelung, verbunden mit einer verwirrenden Fülle von Detailconstructionen, zur Bewunderung hinreißen. Der Eiffelthurm bildet, mag sein Dasein auch zwecklos sein, einen Triumph des modernen Eisenbaues. Sieht man von den für Wohnzwecke bestimmten eisernen Baulichkeiten ab, welche vornehmlich in der neuen Fig. 205. Spitze und Leuchtthurm des Eiffelthurmes. Welt große Verbreitung gefunden haben, so hat sich die Eisenarchi- tektur vornehmlich jener Objecte bemächtigt, welche öffentlichen Zwecken dienen. Die Raschheit, mit der solche Baulichkeiten aus- geführt werden können, hat diesen Zweig der Eisentechnik vornehm- lich befähigt, überall dort den gestellten Anforderungen gerecht zu werden, wo es sich um rasche Durchführungen handelt, wie z. B. im modernen Ausstellungs- wesen. Die zu diesem Zwecke erbauten, oft enorm ausgedehnten Hallen sind vorwiegend, wenn nicht völlig, Eisenbauten, wobei dem Charakter der Construction entsprechend, der Anbringung von Lichtflächen kaum eine Grenze gesteckt ist. Solche Hallen sind daher hell und luftig, vornehmlich nach der Höhe hin durch keinerlei Zwischenbauten beengt, dazu in ihrer Gesammtansicht leicht und gefällig. Auch dem decorativen Element kann, sofern sich das- selbe als zweckentsprechend erweist, bei der Vollendung des heutigen Formgusses nach jeder Richtung Rechnung getragen werden. Ihren Glanzpunkt findet die Eisenarchitektur in den großen modernen Bahn- hofshallen . Man wendet sie vorzugsweise bei großen Centralbahnhöfen an. Es sind Kopfstationen mit dem Aufnahmsgebäude vor den todtlaufenden Geleisen. Unter der mächtigen Halle sind die einzelnen Geleisegruppen für verschiedene Ab- fahrtsrichtungen durch Perrons getrennt, welche sämmtlich auf einen gemeinsamen Querperron münden. Die Hallen, welche die todtlaufenden Geleise überspannen, Erster Abschnitt. Fig. 206. Personenhallen des Centralbahnhofes zu Frankfurt a. M. werden jetzt nur mehr aus diesen hergestellt und repräsentiren die großartigstenConstruc- tionen dieser Art. Die Spannungen sind mit- unter außerordentlich bedeutend. Ist die Breite des Bahnhofes sehr groß, so wird durch Zwischenstützen der Raum in mehrere Hallen getheilt. So weist beispielsweise die Personenhalle des Bahnhofes St. Nazaire zu Paris sechs Spann- weiten auf und liegen unter diesen nicht weniger als 26 Geleise. In Bezug auf die Größe solcher Hallen war England durch lange Zeit allen Ländern weit voraus. Heute ist das anders, denn auf dem euro- päischen Festlande finden sich Bauten dieser Art, welche die gleichartigen englischen weit in den Schatten stellen. Wir wollen nur der riesigen Hallen des Münchener und Frankfurter Central- bahnhofes gedenken, deren letztere beispiels- weise eine Bodenfläche von 31.584 Quadrat- meter bedeckt, während Die Eisenarchitektur. Fig. 207. Eine der Hallen des Centralbahnhofes zu Frankfurt a. M. (Ausgeführt von der »Gutehoffnungshütte«.) Erster Abschnitt. die größte englische Personenhalle — jene zu Birmingham — nur 17.400 Quadrat- meter Bodenfläche hat. Die nächstgrößten sind jene der King-Croß-Station in London mit 15.700, sodann die der Paddington-Station, gleichfalls in London, mit 15.500, und die Pancras-Station mit 15.300 Quadratmeter Bodenfläche. Die Halle der letztgenannten Station ist vornehmlich deshalb bemerkenswerth, da die eiserne Ueber- dachung an beiden Mauern direct vom Boden ausgeht und ohne eine Zwischen- unterstützung eine Höhe von 30‧5 Meter erreicht, bei einer Spannung von 73 Metern. Von den 25 Hauptbogenrippen soll jede 50 Tonnen wiegen. Im Ganzen wurden zur Herstellung dieser Halle 9000 Tonnen Eisen verwendet. Sehen wir nun, wie sich die Abmessungen, Gewichtsverhältnisse der Con- structionstheile u. s. w. bei der größten zur Zeit existirenden Personenhalle , jener zu Frankfurt a. M., gestalten. Erwähnen wir zuvor, daß bei einer öffent- lichen Concurrenz, welche zum Zwecke der Erlangung der geeigneten Pläne aus- geschrieben wurde, Bauinspector Egger Sieger blieb. Unser Interesse wendet sich selbstverständlich nur der Eisenconstruction zu. Die Halle erstreckt sich hinter dem Empfangsgebäude in einer Länge von 188 Meter, bei einer Breite von 168 Meter. Sie zeigt uns ein Eisengerippe, dessen kolossale Gewölbedimensionen einen über- wältigenden Eindruck auf uns hervorbringen, denn über unserem Haupte wölbt sich ein scheinbar luftiger Bau, zu dessen Herstellung Eisenmassen im Gesammt- gewichte von circa 4225 Tonnen erforderlich waren. Man beachte genau diese Zahl und vergleiche sie mit jener der Pancrasstation. Die erstere bleibt um mehr als die Hälfte, gegen 9000 Tonnen, Gesammtgewicht zurück, welche die Eisencon- struction der englischen Halle aufweist. Dagegen ist bei der Frankfurter Halle der von der Construction überdachte Flächenraum mehr als doppelt so groß. Was soll damit gesagt sein? Daß es die constructive Kunst an dem Frankfurter Bauwerke zuwege gebracht hat, mit der halben Eisenmasse in räumlicher Beziehung doppelt so viel, in der That also viermal so viel zu leisten, als der Erbauer der Pancras- Halle. Die Massigkeit thut es eben nicht, sondern die ingeniöse Durchführung. An der großartigen Leistung der Frankfurter Halle haben der Urheber der Pläne und die ausführende Hand — die Gutehoffnungshütte (Oberhausen) — gleichen rühmlichen Antheil. Gehen wir nun in einige Details dieser mächtigen Construction ein. Die Halle ist in drei Wölbungen von je 56 Meter Weite und 28 Meter Scheitelhöhe getheilt. Die Halle ist also etwas niedriger als jene der Pancras-Station und die Spannweite jeder Einzelhalle beträchtlich geringer als jene der genannten englischen Station. Dagegen übertrifft die Leichtigkeit und Kühnheit der Construction der Bogen in der Frankfurter Halle alle Vorstellungen, welche man sich bezüglich der architektonischen Schönheit bei so sprödem Material zu machen gewohnt ist. Zur theilweisen Eindeckung, welche dem Lichte so viel Raum läßt, daß die Halle selbst an trüben Tagen völlig durchhellt ist, wurden circa 30.000 Quadratmeter Wellen- blech und 6500 Quadratmeter Zinkblech verwendet. Die drei Wölbungen über- Die Eisenarchitektur. spannen 18 nebeneinander liegende, durch schmale Bahnsteige von einander getrennte Geleise. Von der Constructeurin dieses Riesenbaues wurden folgende Lieferungen ausgeführt: Personenhalle: drei Spannweiten à 56 Meter = 19 Meter; Höhe 28‧6 Meter, Länge 18‧8 Meter, Gesammtgewicht 4225 Tonnen. Eingangshalle: Spannweite 31 Meter, Länge 60 Meter, Gesammtgewicht 151‧3 Tonnen. Aus- gangshalle: Spannweite 16‧5 Meter, Länge 22 Meter, Gesammtgewicht 73‧5 Tonnen. Städtische Straßenüberführung: Breite 14 Meter, Länge 265 Meter, Gesammt- gewicht 1485 Tonnen. Reparaturwerkstätte: Länge 122‧1 Meter, Breite 53 bis 66 Meter, Fläche 6940 Quadratmeter, Gesammtgewicht 565‧5 Tonnen. Locomotiv- schuppen: Länge 166‧8 Meter, Breite 34 bis 65 Meter, Fläche 7693 Quadrat- meter, Gesammtgewicht 612‧2 Tonnen. Diverse kleine Bauwerke mit dem Gesammt- gewichte von 115 Tonnen. Das Totalgewicht aller in Eisen ausgeführten Arbeiten beziffert sich demnach mit der kolossalen Höhe von 7207 Tonnen. Außerdem expe- dirte die Firma zwei Maschinen zu je 750 Pferdestärken für den Betrieb der elek- trischen Beleuchtung und der Gepäck- und Wagenaufzüge. — In jüngster Zeit ist dieser kolossale Eisenbau noch übertroffen worden, und zwar durch den Central- bahnhof zu Dresden , bei welchem das Gesammtgewicht aller in Eisen aus- geführten Arbeiten 8700 Tonnen beträgt. In neuerer Zeit hat man Eisenconstructionen vielfach bei Leuchtthurm- bauten in Anwendung gebracht. Es ist bekannt, welch unsägliche Mühen diese letzteren verursachen, da dieselben zumeist an Punkten aufgeführt werden, die dem Wogengange der See ausgesetzt sind, wodurch langwierige Störungen in der Aus- führung hervorgerufen werden. Um vorläufig nur ein Beispiel anzugeben, gedenken wir des Leuchtthurmes von Ar-Men , nahe der westlichen Spitze des Departements Finist è rre, südlich von Brest. Dort befindet sich die kleine Insel Sein, der an der Westseite eine Schnur von Felsklippen vorliegt — 8 Seemeilen — wodurch eine Art natürliches Wehr gegen die dortige sehr heftige Meeresströmung gebildet ist. Die meisten dieser Klippen bleiben beständig unter Wasser: aber die Brandung ist so groß, daß die Schifffahrt meilenweit gefährdet ist — oder vielmehr gefährdet war, bis Abhilfe geschaffen wurde. Diese letztere bestand darin, daß man auf einer Klippe, welche bei den größten Ebben zweimal des Jahres um etwa 1 ½ Meter aufgedeckt wird, einen Leuchtthurm errichtete. Die hierbei zu überwindenden Schwierigkeiten waren unge- heuere. Um die Basirung des Baues zu ermöglichen, mußten auf der Felskuppe in Entfernungen von je 1 Meter Bohrlöcher von 30 Centimeter Tiefe angelegt werden. In dieselben wurden Stangen von je 1 Meter Länge gesteckt und durch Ketten und Zugeisen miteinander verbunden, um zunächst eine Verankerung für den späteren Sockel des Leuchtthurmes zu gewinnen und zugleich den Zusammen- hang des Felsens zu sichern. Der Arbeitsvorgang war der folgende: Sowie das Erster Abschnitt. Meer tief genug war, um dem Felsen nahen zu können, kamen die Barken heran. Fig. 208. Leuchtthurm bei Campen. (Construction der »Gutehoffnungshütte«.) Zwei Mann von jeder Barke, jeder mit einem Kork- holzgürtel um den Leib, kletterten auf den Felsen, hielten sich, je zwei Mann an einem Bohrloche arbeitend, mit der einen Hand an kleinen Vorsprün- gen des Felsens fest und arbeiteten mit der anderen Hand mit fieberhafter Schnelligkeit, die eine den Hammer, die andere den Bohrer führend, ununterbrochen von den Wellen über- schüttet. Wurde einer der Arbeiter von einer solchen Welle fortgetragen, so hielt ihn sein Korkgürtel über Wasser und die heftige Strömung brachte ihn rasch aus dem Bereiche des Felsens, an welchem er andern- falls zerschellt wäre. Barken, die in ent- sprechender Entfer- nung zur Rettung aufgestellt waren, fischten den Be- treffenden aus dem Wasser, um ihn wieder an seine Arbeitsstelle zurückzubringen. Die Eisenarchitektur. Man erkennt sofort, daß dieser Arbeitsvorgang nur durch zähe, ausdauernde und unerschrockene Leute zu bewältigen war. Während der ersten Campagne konnte nur siebenmal gelandet werden und wurden in Fig. 209. Eiserner Leuchtthurm auf der Insel Buda (Spanien). acht Arbeitsstunden 15 Bohrlöcher angebracht. Das nächstfolgende Jahr wurde die Arbeit unter gleichen Gefahren und mit derselben Energie fort- gesetzt. Es wurden diesmal 40 Bohrlöcher herge- stellt und konnten überdies einzelne Vorsprünge abgeschlagen werden, wodurch eine bessere Auflage für die spätere Fundirung gewonnen wurde. Im dritten Baujahre konnten galvanisirte Eisenstangen von 6 Centimeter im Gevierte und 1 Meter Länge in die gebohrten Löcher eingesteckt und einzelne kleine Partien mit Cement ausgefüllt werden. Dies fand jedesmal statt, wenn ein ausnahms- weise ruhiger Zustand des Meeres die Aussicht bot, das Material am Felsen landen zu können. Auf diese Weise wurden bis zum Schlusse des dritten Arbeitsjahres 25 Cubikmeter Cement- mauerwerk fertiggestellt. Das war im Jahre 1870. Drei Jahre später bildeten 114 Cubikmeter Mauer- werk bereits ein gesichertes, geräumiges Plateau, auf welchem die nachfolgenden Arbeiten mit immer größerer Sicherheit, Raschheit und Bequemlichkeit fortgesetzt werden konnten, bis dieser merkwürdige Bau seine Vollendung erreichte. Mit diesem einen Beispiele sind die Schwierig- keiten, die sich solchen Bauten entgegenstellen, wohl zur Genüge gekennzeichnet. Die Frage, ob es hier nicht möglich gewesen wäre, von der neuerdings so häufig angewendeten Eisenconstruction Anwendung zu machen, läßt sich dahin beantworten, daß dies in dem vor- liegenden Falle deshalb nicht möglich war, weil das Bohren von Löchern von so bedeutendem Durchmesser, wie für eiserne Träger nothwendig gewesen wäre, einerseits zu viel Zeit in Anspruch ge- nommen hätte, andererseits die Möglich- keit nicht ausgeschlossen war, daß der engbegrenzte Felsen den Sprengungen nicht genügenden Widerstand geboten hätte. Ueberdies schien es unmöglich, die schweren Erster Abschnitt. eisernen Constructionstheile am Felsen zu landen. — Unter den eisernen Leucht- thürmen, deren Zahl immer mehr wächst, verdient zunächst jener von De la Palmire auf den Dünen des rechten Ufers der Garonnemündung hervorgehoben zu werden. Der Erbauer dieses Werkes ist der Ingenieur Lecointre . Der Schacht des Thurmes ist aus 9 Rohrstücken von je 2‧8 Meter Höhe und 2 Meter Durchmesser (etwa 2 Tonnen wiegend) zusammengesetzt. Die Rohr- stücke bestehen aus genieteten Blechen von etwa 10 Millimeter Dicke und sind im Innern durch Flanschen aus Winkeleisen versteift, mittelst welchen die Rohr- stücke aufeinander gesetzt und festgeschraubt wurden. In jedem Rohrstücke befindet sich ein kleines Fenster zur Beleuchtung des Stiegenhauses. Die Rohrstücke bilden zusammen eine Säule von 25‧2 Meter Höhe. Sie ruht auf einem betonirten Fun- damente von 3 Meter Dicke und erhält ihre Stabilität durch drei schmiedeeiserne Streben, welche von der Spitze des Thurmes bis zum Fundament reichen. Die Säule schließt mit einer Plattform ab, und ist mit einem cylindrischen Wächter- haus von 4‧2 Meter Durchmesser überbaut. Der untere Theil dieses Gelasses dient als Wächterzimmer und Magazin, im oberen Theile befindet sich der Leuchtapparat. Das ganze Bauwerk hat das Aussehen eines riesigen Taubenkobels. Der Wohn- raum für den Wächter und andere dem Beobachtungsdienste gewidmeten Räume sind in der Nähe des Leuchtthurmes in einem kleinen Häuschen untergebracht. ... Eine ähnliche Construction weist der von der »Gutehoffnungshütte« ausgeführte Leuchtthurm bei Campen auf, der hier abgebildet ist (Fig. 208). Einer der schönsten, nach dem Principe der Gerüstpfeiler ausgeführten Leucht- thürme ist jener auf der spanischen Insel Buda . Die Höhe des Focalpunktes des Leuchtapparates über dem hohen Meere beträgt nicht weniger als 53 Meter. Eine eigenartige Anordnung zeigt das an der Basis des Thurmes angebrachte Wohn- haus, einer riesigen, gleichsam auf einer Spitze ruhenden Boje gleichend. Zuhöchst ist die Laterne angebracht. Die Verbindung mit ihr vermittelt ein enger, röhren- förmiger und mit Guckfenstern versehener Schlauch. Die hervortretenden Vortheile eiserner Leuchtthürme bestehen in deren Wohl- feilheit und leichter Herstellung selbst auf schwer zugänglichen Punkten. Noch be- merkenswerther ist der Umstand, daß derlei Thürme abgebrochen und beliebig anderswo aufgestellt werden können, wie dies beispielsweise mit dem aus Blech- röhren hergestellten Leuchtthurme Des Roches Douvres der Fall war. Er steht jetzt auf einem isolirten Felsen zwischen der Insel Br é hat und der Insel Guernsey. Die Blechconstruction vom gemauerten Sockel bis zur obersten Plattform hat circa 52 Meter Höhe. Die Fundirungsarbeiten haben genau so viel gekostet wie die Thurmconstruction, ein sprechender Beweis für die relative Billigkeit derartiger Con- structionen. Es soll indeß nicht verschwiegen werden, daß man mit eisernen Leuchtthurm- bauten zuweilen auch unangenehme Erfahrungen gemacht hat. Ein sprechendes Beispiel hierfür giebt der berühmte Leuchtthurm von Bishop Rock im Archipel Die Eisenarchitektur. der Scillyklippen an der Westspitze von Cornwall. Dieser Bau hat verschiedene Fig. 210. Leuchtthurm von Bishop Rock. 1. Eiserner Leuchtthurm, 1850 durch Sturm zerstört. 2. Beleuchtungsapparat des jetzigen Leuchtthurms. 3. Jetziger Leuchtthurm, fertiggestellt 1887. Phasen durchgemacht, von denen die zwei letzten hier abgebildet sind (Fig. 210). Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 17 Erster Abschnitt. Bis zum Jahre 1790 wurden die vorerwähnten, fast im Niveau des Meeres liegenden Klippen durch Kohlenfeuer beleuchtet, das man auf der Spitze eines auf dem Eiland St. Agnes errichteten Thurmes unterhielt. Im genannten Jahre nun wurde das primitive Feuer durch eine regelrechte Laterne mit drehendem Licht (Blitzfeuer) ersetzt, die erste Anordnung dieser Art in England. Ueber ein halbes Jahrhundert blieb es bei dieser Anlage, bis man sich ent- schloß, einen soliden Leuchtthurm auf der Klippe Bishop Rock, welche aus sehr hartem Granit besteht und ungefähr 7 englische Meilen seewärts von der Scilly- gruppe liegt, zu errichten. In Folge ihrer isolirten Lage ist diese Klippe der ganzen Wucht des Oceans ausgesetzt und ungeheuer ist die Macht der während der häufigen Stürme gegen diese Felsen anprallenden Wassermassen. Bei Ebbe bietet dieser Felsen den Anblick eines 46 Meter langen, 16 Meter breiten zackigen Riffes dar, während er zur Fluthzeit völlig unter dem Wasser verschwindet. Daher die Gefahr, die er für die Schifffahrt bildet. Da es nicht leicht anging, einen Neubau auszuführen , entschloß man sich für die Eisenconstruction. Dieselbe bestand aus stark verankerten Säulen, welche in einer Höhe von 30 Meter mit einer Plattform abschlossen. Neben derselben war die Laterne, unterhalb der Plattform das Wohnhaus des Wächters — das sehr an jenes am Leuchtthurme auf der Insel Buda erinnert — eingebaut. Den Zugang vermittelte die centrale, mit einer Wendeltreppe ausge- rüstete Säule. Bei dieser Construction ging man von der Ansicht aus, daß der gitterartig versteifte Säulenbau den anstürmenden Wogen ein nur geringes Hinderniß dar- bieten und daher deren wuchtigen Anprall paralysiren würde. Vier Jahre waren nöthig, um den Bau auszuführen, und es hätte nichts weiter bedurft, als das Leuchtfeuer zu installiren, um das Werk zu krönen. Man war aber vorsichtig genug, damit bis zum nächsten Frühling zu warten, um zunächst in Erfahrung zu bringen, wie sich die Construction in den Wetterstürmen bewähren werde. Diese Vorsicht war sehr am Platze, denn in einer unheilvollen Sturmnacht (5. Februar 1850) rissen Orkan und Wassermassen den ganzen Bau in die Tiefe, so daß nur etliche Rohrstümpfe übrig blieben. Das Unglück war offenbar dem Umstande zuzuschreiben, daß die Wogen viel höher gingen, als man als Maximum angenommen hatte, d. h. daß sie die Laterne und den Wächterraum erreichten, welche in Folge ihrer compacten Construction dem Anschlage der Brandung größeren Widerstand entgegensetzten. Zur Ergänzung des vorstehend Mitgetheilten mögen nun noch einige Daten über den Neubau, obwohl nicht zum Gegenstande gehörig, vorgebracht werden. Der Leuchtthurm auf Brishop Rock in seiner heutigen Gestalt (seit 1887) ist weit statt- licher als sein eiserner Vorgänger. Er durchlief aber mehrere Bauphasen, bis er endgiltig seiner Aufgabe gerecht wurde. Der Neubau begann im Jahre 1851 und wurde, der vielen Störungen wegen, erst 1858 fertig. Die Laterne befand sich in einer Höhe von 33 Meter, also nur wenig höher wie beim eisernen Leuchtthurm. Die Eisenarchitektur. Man war also durch die Erfahrung nicht klüger geworden und mußte es erleben, daß während eines heftigen Sturmes die Signalglocke, der Flaggenstock mit dem Apparate für die Sturmsignale, die Galerie der Plattform und die Zugangsleiter Fig. 211. Eiserner Hochbehälter auf 20 Meter hohem Unterbau. (Inhalt 50 Cubikmeter.) von einer mächtigen Sturzsee weggerissen wurden. Gelegentlich eines zweiten Un- wetters wurde der Leuchtfeuerapparat beschädigt. Auch waren die mächtigen Blöcke des Aufbaues über dem Fundament aus ihrem Zusammenschluß gebracht. Auf das hin beschloß man, den Thurm von der Basis aus bis zur Höhe in der Weise zu verstärken, daß man in die unterste Schichte des Mauerwerkes 17* Erster Abschnitt. starke Eisenschäfte versenkte und sie durch die darüber gelagerten Schichten führte, um sie untereinander in festeren Zusammenschluß zu bringen. Diese Voraussetzung traf indeß nicht im vollen Maße zu, und nachdem 1881 ein heftiger Sturm abermals Fig. 212. Doppel-Förderanlage mit Verlade-Einrichtung der Zeche »Lothringen« bei Bochum. großen Schaden angerichtet hatte, wurde der Leuchtthurm einem radicalen Umbau unterzogen. Als Höhe für die Laterne wurden 49 Meter festgesetzt, was eine Leucht- weite von etwa 18 englischen Meilen ergiebt. Am meisten Schwierigkeiten bereiteten jene Arbeiten, welche der Verstärkung des Fundamentes und des Unterbaues ge- Die Eisenarchitektur. widmet waren. Es mußten besondere Vorsichtsmaßregeln ergriffen werden, um die durch den fast unausgesetzten Wogenanprall schwer bedrohten Arbeiter zu schützen. Nach sechsjähriger Arbeit (1887) war der Umbau vollendet. Sowohl bezüglich des Fig. 213. Getreide-Elevator für Militär-Verpflegung in Russisch-Polen. (Fassungsraum: 40.000 Hektoliter.) bisher Mitgetheilten als in Anbetracht der ausführlichen Darlegungen, welche wir weiter unten dem Brücken- bau widmen, erscheint es am Platze, einige allgemeine Bemerkungen über das Eisen als Bau- und Construc- tionsmateriale hier ein- zuschalten. ... In der Biegsamkeit, Elasticität, in der Stärke und Festigkeit des Eisens liegen die natür- lichen Ursachen, daß die An- wendung dieses Materiales einen immer größer werden- den Umfang erlangt. Man baut heute — vom Brücken- und Schiffbau abgesehen — ganze Häuser, Magazine u. s. w. aus Eisen, was vor- nehmlich von Nordamerika gilt. In Europa ist diese Baumethode verhältnißmäßig noch wenig in Anwendung, am häufigsten noch in den industriellen Großbetrieben bei Anlage von Förder- gerüsten und Schachtanlagen, Gaswerken u. s. w. Partielle Anwendung findet die Eisen- construction bei Decken, wo an Stelle des Holzes vielfach eiserne Balken nebst dazwischen gespannten Gewölben treten. Auch das Dachgebälke pflegt man jetzt in vielen Fällen durch feuersichere Constructionen von Schmiedeeisen zu ersetzen. Ein Beispiel von der großartigen Anwendung des Eisens (beziehungsweise des Stahles) bei Hochbauten giebt der in Fig. 214 abgebildete Getreide-Elevator Erster Abschnitt. zu Buffalo , der eine Grundfläche von 36 x 120 Meter einnimmt. Der ganze Bau ruht auf einem Pfahlrost, dessen Pfähle 9 bis 14 Meter tief eingerammt werden mußten, um den Felsengrund zu erreichen. Auf diesem Rost liegen Fundament- Werksteinquader von 2‧4 Meter Höhe, welche Ziegelsteinsäulen zur Aufnahme des Hochbaues tragen. Die ganz aus Ziegelwerk aufgeführten Umfassungsmauern um- giebt eine Reihe von cylindrischen Stahlblechgefäßen mit konischen Böden. Diese bilden die Getreidekammern. Dreißig dieser Reservoire haben je 11‧4 Meter Durch- messer und 21 Meter Höhe, außerdem sind 18 Stück von 4‧65 Meter Durchmesser und 21 Meter Höhe vorhanden, ferner noch 18 von 2‧93 Meter Durchmesser und 21 Meter Höhe, sowie noch 18 von 2‧93 Meter Durchmesser und 18 Meter Höhe. Die Blechstärke variirt zwischen 12 bis 6 Millimeter. Das gesammte Gewicht der Reservoire ist 6000 Tonnen, ihr Gesammtfassungsraum 1,090.500 Hektoliter. Ueber die oberen Mündungen der eisernen Silo-Zellen erhebt sich noch ein Aufbau in Ziegelwerk von 12 Meter Breite und 20‧1 Meter Höhe. Dieser letztere ist in vier Etagen getheilt. In die höchste ragen die Elevatorköpfe hinein, ebenso enthält dieselbe die Vorgelege zur Reduction der Geschwindigkeit der Antriebs- transmission. Der dritte Stock enthält 27 Stahlkammern, von denen jede 545 Hekto- liter Getreide faßt; in der zweiten Etage befinden sich zehn Schüttrümpfe von 500 Hektoliter Fassungsraum, sowie die Reinigungsmaschinen. Von diesen gelangt das Getreide durch Vertheilungsrinnen, die im untersten Stock liegen, in die Blech- cylinder. Unter den Ausläufen der letzteren laufen endlose Transportbänder von 1‧5 Meter Breite, die pro Stunde 14.540 Hektoliter Getreide zu transportiren im Stande sind. Aller Staub wird in eine in der ersten und zweiten Etage gelegene Staubkammer gesaugt, beziehungsweise geblasen. Das ganze Gebäude ist äußerlich noch mit Stahl-Wellblech verkleidet; elektrisch betriebene Aufzüge dienen dem Personenverkehr. Eine Hauptfunction bildet zur Zeit die Verwendung des Gußeisens in Form von Trägern und Säulen in Verbindung mit großen Spiegeltafeln für die Herstellung lichter Verkaufslocale in den Erdgeschossen der Wohnräume volkreicher Städte. Das Eisen macht nämlich durch seine Bildungsfähigkeit beim Guß eine solche Vertheilung seiner Massentheilchen möglich, daß mit dem geringsten Aufwande Stücke von bestimmter Festigkeit angefertigt werden können. Man gießt die eisernen Säulen hohl und giebt den Balken beziehungsweise Trägern ein sehr hohes T -förmiges Profil, da bei solcher Vertheilung der Masse die relative Festigkeit derselben, unter Berücksichtigung der zulässigen Raum- und Kostenersparniß, vermehrt wird. Aller- dings bieten Träger von Schmiedeeisen bei gleichem Querschnitte eine viel größere Tragfähigkeit, sind aber auch bedeutend theurer. Die Herstellung feinerer Architekturtheile, Geländer, Treppen, Ornamente, Brücken u. s. w. von Gußeisen bezeugt die Mannigfaltigkeit der Anwendung des letzteren im Bauwesen. Bei allen Bauconstructionen, welche Lasten zu tragen haben, verdient das Gußeisen als »zu tragender Körper« unbedingt den Vorzug, während Die Eisenarchitektur. man zu allen Hängewerken nur Schmiedeeisen verwenden soll, weil es bekanntlich zäher ist, dem Zerreißen einen besseren Widerstand bietet und auch der zufälligen Wirkung des Stoßes Stand hält. Fig. 214. Großer stählerner Getreide-Elevator zu Buffalo. (Fassungsraum: 1,090.500 Hektoliter.) Eine combinirte Eisenconstruction ist das Fachwerk . Man versteht darunter gewöhnlich eine Verbindung von Stäben, die gelenksartig miteinander derart ver- bunden sind, daß eine Formänderung des Systems nur durch eine Formänderung der Erster Abschnitt. einzelnen Constructionsglieder erfolgen kann. Da das Fachwerk seine ausgedehnteste An- wendung im Brückenbau findet, beschränken wir uns hier nur auf eine Erläuterung des Principes, wobei vorausgesetzt wird, daß sämmtliche Stabmittellinien, sowie sämmtliche am System angreifenden Kräfte in derselben Ebene liegen. Die Hauptaufgabe der Theorie des Fachwerkes besteht im Folgenden: Auf ein Fachwerk wirkt ein System äußerer Kräfte. Diese Aufgabe läßt sich ganz allgemein auch für den Fall einer Bewegung behandeln. Wir wollen jedoch, da dieser einfachere Fall vorläufig der einzige ist, Fig. 215 — 217. Statische Fachwerke. (Dachconstructionen.) der unser Interesse beansprucht, voraussetzen, daß sich das System im Gleichgewicht befinde. Damit dies zutreffe, muß die Resultirende aller am System angreifenden äußeren Kräfte gleich Null sein, was sich bekanntlich durch drei von einander unabhängige Gleichungen ausdrücken läßt. Bei der Lösung dieser Aufgabe sind zwei wichtige Fälle zu unterscheiden; entweder ist eine Lösung auf rein statischem Wege möglich — wobei die Constructionsglieder als starre Körper angenommen werden — oder man muß die Elasticitätsgrenze zu Hilfe nehmen. In ersterem Falle heißt das Fachwerk ein »statisch bestimmtes«, im letzteren ein »statisch un- bestimmtes«. Statisch bestimmte Fachwerke sind beispielsweise die Dachconstructionen. Bei den Balkendachbändern der in Fig. 215 bis 217 vorgeführten Constructionen Die Eisenarchitektur. liegen die Knotenpunkte insgesammt innerhalb den Auflegerverticalen: in Folge dessen treten die Grenzspannungen bei maximaler Belastung sämmtlicher Knotenpunkte ein. Kein Stab ist entgegengesetzten Spannungen ausgesetzt. Die verschiedenen Systeme von Dachconstructionen werden durch die Bezeich- nungen das deutsche, das englische und das belgische (oder französische) unter- schieden. Das zuerst genannte kommt nur bei steilen Dächern zur Anwendung, also vornehmlich bei Kirchen, großen Hallen u. s. w. Das englische System wird gewöhnlich in Holz ausgeführt und kommen nur eiserne Rundstäbe für die verticalen Zugstäbe, welche vom Kopfe der einen Strebe zum Fuße der anderen laufen, zur Anwendung. Dagegen werden die belgischen Dachstühle fast durchgehends ganz aus Eisen con- struirt. Behufs Materialersparniß sind die runden Zugstangen an den Schrauben- enden entsprechend verstärkt. Die Verbindung der Streben mit den Sparren geschieht in verschiedener Weise, durch eine Vernietung oder durch eine Gelenksverbindung. Bei Dächern indessen, welche heftigen Stürmen ausgesetzt sind, wird noch ein Constructionsglied in Gestalt eines Zugstabes hinzugefügt, der in die Mauer ein- gelassen wird und den unteren Bolzen der ersten Strebe fixirt. Fig. 218. Parallelträger Fig. 219. Schwedlerträger Fig. 220. Pauli 'scher Träger. (Text S. 268.) Zweiter Abschnitt. Der eiserne Brückenbau. U nter allen Eisenconstructionen sind die Brücken, insoferne sie sich entweder durch außergewöhnliche Dimensionen oder durch Eigenart des Bautypus auszeichnen, diejenigen, an welchen neben dem größten Aufwande an Material auch ein gewisses ästhetisches Moment zur Geltung kommt. Der malerische Anblick eines solchen Baues, der Schwung der Linien, vor Allem aber der Eindruck, den eine außergewöhnlich kühne Anlage auf den Beschauer ausübt, dem Allem kommt eine Wirkung zu, welche das Object gewissermaßen zum Kunstwerke stempeln. Diese Bezeichnung ist aber insoferne nicht zutreffend, als es sich hier nur bezüglich der Gesammterscheinung des Bauwerkes — ästhetische Gesichtspunkte vorausgesetzt — um künstlerische Elemente handelt. Alles andere fußt auf mathematischen Grund- sätzen, welche, rechnerisch auf theoretischem Wege gewonnen, in praktische Mechanik umgesetzt werden. Von dem Grade der diesfalls unerläßlichen Exactheit macht sich der Laie kaum eine zutreffende Vorstellung. Er wirft sich wohl die Frage auf, wie es möglich sei, solche Massen von Eisen und Stahl in ein Gewirr von Balken, Stäben und Streben aufzulösen, beziehungsweise in so innige Verbindung zu bringen, daß der erforderliche Grad von Sicherheit erreicht werde; von der hierzu noth- wendigen Exactheit aber erhält der Laie schwerlich den richtigen Begriff. Ihm erscheint es unglaublich, daß bei der Größe der einzelnen Constructionsglieder Alles und Jedes auf Millimeter stimmen müsse; er erwägt nicht, daß die Ueber- tragung selbst winziger Abweichungen vom mechanischen Resultate auf lange Bau- glieder, beziehungsweise auf das ganze zu bestellende Feld, sehr bedeutende Diffe- renzen ergeben würden, wozu noch die Einwirkungen der Temperatur als complicirender Factor hinzukommen. Die außergewöhnliche Höhe mancher Brückenbauten ist vom technischen Stand- punkte selbstverständlich irrelevant, wenn sie auch zur Steigerung des äußeren Effectes wesentlich beiträgt. Ist die Brücke nicht nur sehr hoch, sondern weist sie Der eiserne Brückenbau. zugleich beträchtliche Spannweiten auf, so vermittelt sie das Bild einer kühnen und großartigen Anlage in besonders wirkungsvoller Weise. Aber dies sind ganz zufällige Momente; denn es giebt Bauten dieser Art, welche, trotzdem sie im technischen Sinne als vollendete Kunstwerke gelten müssen, den an sie zu stellenden ästhetischen An- forderungen durchaus nicht entsprechen. Auch das Bedürfniß mancher Constructeure nach effectvoller Schaustellung muß vielfach der durch örtliche Verhältnisse sich ergebenden Zwangslage geopfert werden. Dies gilt vornehmlich von den amerikanischen und neuerdings von einigen englischen Brückenbauten. Dort waren die Riesenströme Mississippi und Missouri wie geschaffen, die Unternehmungslust und die Leistungsfähigkeit der Techniker herauszufordern. Zudem tritt durch das Ueberwiegen praktischer Bedürfnisse das ästhetische Moment meistentheils ganz in den Hintergrund. Als verfehlt muß die Absicht bezeichnet werden, durch Anbringung sogenannter »künstlerischer Zuthaten« (Ornamente, Maßwerk u. dgl.) das fehlende ästhetische Element zu ersetzen. Man verkennt hierbei den angestrebten Zweck und giebt dem Bauwerke den Schein von etwas Anderem als es ist. Als Grundsatz hat zu gelten: Decorire die Construction, aber construire niemals eine Decoration. Ueberdies ist zu beachten, daß das Zweck- mäßige bis zu einem gewissen Grade auch schön sein kann, während die augenfällige Unzweckmäßigkeit immer zugleich unkünstlerisch ist. Ueber Brückenbauten im Allgemeinen können wir uns in diesem Werke nicht einlassen. Für uns kommt diesfalls in erster Linie: das Material — also Eisen und Stahl — sodann die Art der Construction in Betracht. Wir unterscheiden daher einerseits eiserne und stählerne Brücken, andererseits Balkenbrücken, Bogenbrücken, Hängebrücken als feste Constructionen, und bewegliche Brücken , zu welch letzteren die Dreh-, Roll-, Zug- und Hubbrücken zählen. Die drei genannten Constructionssysteme der festen Brücken beruhen auf der Art der Lastübertragung auf die Auflagepunkte, je nachdem auf diese senkrechter Druck (Balkenbrücken), oder Schub (Bogenbrücken), oder Zug (Hängebrücken) aus- geübt wird. Die einfachste Art der Balkenbrücke ist der vollwandige Träger. Da bei demselben eine ansehnliche Materialverschwendung sich geltend macht, findet er zur Zeit nur mehr bei sehr kleinen Oeffnungsweiten Anwendung. Bei größerer Dimen- sionirung der Brücken hat man den erwähnten Uebelstand dadurch beseitigt, daß man an Stelle der vollen Blechwände der Träger, ein dichtes Maschenwerk von Stäben setzte, deren statische Wirkungsweise annähernd dieselbe ist wie bei der Vollwand. So entstanden die Gitter - oder Netzwerkträger . Theoretisch war die Gliederung der vollen Blechwand in ein System von Stäben richtig, doch wurde dadurch der Materialverschwendung durchaus nicht in ausreichender Menge begegnet. Dies wurde erst damit erreicht, daß man in der Auflockerung des Netzwerkes noch weiter ging, d. h. die Zahl der Stäbe erheblich verringerte, sie aber stärker dimensionirte. Auf diese Weise bildete sich der Fachwerksträger aus. Zweiter Abschnitt. Ursprünglich gab man demselben oben und unten (wie dies ja auch beim Blech- und Netzwerkträger der Fall war) horizontale Begrenzungsbalken — die sogenannten »Gurtungen« — und hießen dieselben dementsprechend Parallel- träger . Indem man nun die obere Gurtung krümmte, entstand der Bogen- sehnenträger , der bald als »Halbparabelträger«, bald als »Parabelträger« con- struirt wird. Die Combination der beiden zuletzt genannten Constructionstypen findet vielfach dort Anwendung, wo es sich um eine große Mittelöffnung und mehrere kleinere Seitenöffnungen handelt. Wird die obere Gurtung noch stärker gekrümmt, so daß seine Endpunkte mit denen der unteren Gurtung zusammenfallen, so entsteht — je nach der Art der Krümmung — der Parabelträger oder der Schwedlerträger , bei welch letzterem die gekrümmte Seite häufig unten angeordnet wird. Beide Arten von Trägern finden indeß nur bei mittleren oder kleinen Oeffnungsweiten Anwendung. Durch Krümmung beider Gurtungen entsteht der Fischbauchträger . Eine Abart desselben ist der durch eine besondere geometrische Form der Krümmung charakterisirte Pauli 'sche Träger . ... Eine besondere Abart der Balkenbrücken endlich ist der Kragträger — nach seinem Erfinder (Gerber) auch »Gerberträger« genannt — dessen constructive Eigenart darin besteht, daß Brücken dieses Systems ohne Rüstung erbaut werden können. Dadurch ist es möglich, beliebig große Oeffnungsweiten zu überspannen. Da Kragarme und Mittel- träger unabhängig von einander durchgebildet werden können, kann dieses System auch in anderen Formen zur Anwendung kommen. Von den bisher besprochenen Constructionen unterscheiden sich die Bogen- brücken , welche nach Art der gewölbten Steinbrücken ausgeführt werden. Bei den älteren Bauten dieses Systems kam ausschließlich Gußeisen und die Gewölbe- anordnung zur Anwendung, doch ist man davon bald abgekommen, da es sich ergab, daß das Gußeisen hierfür ungeeignet ist. Kleine Bogenbrücken werden mit vollwandigen Bögen, größere mit solchen aus Fachwerk hergestellt. In neuerer Zeit wurden Bogenbrücken vielfach mit gelenkartigen Auflagerungen und bisweilen auch mit einem Scheitelgelenk ausgeführt. Diese Type ist einfach als umgekehrtes ver- steiftes Hängewerk anzusehen, wobei in den Tragwänden hauptsächlich Druck statt Zug auftritt. Zuweilen werden die Bogenträger über der Fahrbahn angeordnet, in welchem Falle letztere zur Ausgleichung des Bogenschubes, also zur Verankerung der Aufleger, benützt wird. Das dritte Constructionssystem fester Brücken ist die Hängebrücke . Man unterscheidet — abgesehen von der Form des Materiales als Kette oder Drahtseil, welche die Wirkungsweise des Trägers nicht beeinflußt — zwei Typen: die »unver- steifte« (oder unvollkommen versteifte) und die »versteifte« Hängebrücke. Bei ersterer, früher ausschließlich angewendet, ist die Fahrbahn an den Tragketten oder Trag- kabeln aufgehängt und gegen Höhenschwingungen durch Längsträger mehr oder weniger gesichert. Das Princip der versteiften Hängebrücke beruht darauf, daß entweder durch Verbindung parallel übereinander laufender Kabel oder Ketten, oder Der eiserne Brückenbau. durch feste Eisenconstruction die Tragwände in der Verticalebene unverschiebbar gemacht und dadurch die Schwankungen der Fahrbahn verhindert werden. Häufiger findet man die Anwendung paralleler Ketten oder Kabel mit Dreiecksverbindung zwischen einander. Unter den beweglichen Brücken sind die Drehbrücken die wichtigsten. Sie zerfallen in einarmige und zweiarmige; bei ersteren wird nur ein Brückenfeld ge- öffnet und muß dasselbe auf der entgegengesetzten Seite ausbalancirt werden, weil sonst das Feld vermöge seines Eigengewichtes abknicken würde; die doppelarmigen Drehbrücken öffnen zwei Felder und haben ihr Pivot in dem betreffenden zwischen beiden Oeffnungen liegenden Pfeiler. Eine Ausbalancirung ist in diesem Falle nicht nöthig, weil die beiden Felder sich das Gleichgewicht halten. ... In Europa sind die Drehbrücken selten, sehr häufig hingegen in Nordamerika, wo sie in verschie- denen Formen und zum Theile bedeutenden Dimensionen zur Anwendung gelangen. In Bezug auf die Art des Communicationsmittels, dem die Brückencon- struction dient, unterscheidet man Straßenbrücken und Eisenbahnbrücken . Bei der überwiegenden Mehrzahl der Brücken kommt Eisen als Constructionsmaterial in Anwendung, und zwar vorzugsweise Schmiedeeisen, da Gußeisen den starken Erschütterungen mit der Zeit unterliegt. Stahl ist erst in jüngster Zeit in Auf- nahme gekommen und findet eine zunehmende rationelle Ausnützung, insbesondere bei großen Spannweiten, in welchem Falle bei größerer Tragfähigkeit ein gerin- geres Materialquantum beansprucht wird. Eine Combination von Stein und Eisen findet rücksichtlich der Gesammt- anlage einer Brücke in dem Falle statt, wenn das eiserne Tragwerk auf steinernen Pfeilern ruht. In Europa ist dies der normale Typus, obwohl in letzterer Zeit große Brückenbauten ganz aus Eisen (beziehungsweise Stahl) hergestellt wurden. Der eiserne Brückenpfeiler hat seine weitgehendste Anwendung in Nordamerika ge- funden. Zwar lehnte man sich hier ursprünglich an europäische Vorbilder an; die örtlichen Verhältnisse aber, sowie das den Amerikanern innewohnende Bestreben, selbst solche Hindernisse, welcher aller menschlichen Kraft zu spotten scheinen, zu be- wältigen, brachten diesen technischen Zweig zu einer Entwickelung, welche wahrhaft staunenerregend ist. Die Amerikaner haben es zuerst verstanden, durch Herstellung von in sich selbst versteiften »Thurmpfeilern« Brücken in bedeutenden Höhen zu legen und diesen Bauwerken, trotz ihrer scheinbaren Gebrechlichkeit, eine große Stabilität zu verleihen. ... Die Krone aller amerikanischen Brückenbauten bilden die eisernen Treftle Works, wie solche besonders für die Eisenbahnen in der Union typisch geworden sind. Wir kommen auf diese Constructionen, sowie auf die anderen amerikanischen Brückenbauten im Besonderen zu sprechen. Europäische Brückenbauten. Ueber die ersten eisernen Brücken, beziehungsweise die Versuche, solche Bauten auszuführen, findet man nur spärliche Angaben, von welchen einige allerdings bis Zweiter Abschnitt. ins 16. Jahrhundert zurückreichen. Bekannt ist, daß in China schon Mitte des 17. Jahrhunderts Kettenbrücken in rohester Form ausgeführt wurden, und daß ähnliche primitive Constructionen um dieselbe Zeit und später in Europa den Kriegsbrücken zur Grundlage dienten. Außerdem geschieht verschiedener Techniker dieses Zeitabschnittes Erwähnung, die sich mit dem Gedanken beschäftigten, eiserne Brücken zu bauen, doch blieb es nur bei den diesbezüglichen Projecten. Fig. 221. Gußeiserne Brücke über den Severn (1779). Als ältestes Denkmal eines eisernen Brückenbaues in Europa haben wir jenen am Severn in England anzusehen, der im Jahre 1779 fertiggestellt wurde und noch heute besteht. Es ist eine gußeiserne Bogenbrücke in der Nachbarschaft des berühmten Eisenwerkes Coalbrookdale und sie wurde seinerzeit typisch für alle nachfolgenden Constructionen bis ins 19. Jahrhundert herein. Auch in der Neuen Welt fand sie rasch Eingang. In Deutschland — und überhaupt auf dem euro- päischen Festlande — erstand die erste eiserne Brücke — gleichfalls als Bogen- brücke — bei Laasan in Niederschlesien, und zwar im Jahre 1796. Auch diese Brücke ist noch erhalten und, wenngleich sie im Laufe der Zeit mancherlei Repara- turen nothwendig machte, hat man gleichwohl von einer durchgreifenden Recon- Der eiserne Brückenbau. struction abgesehen, offenbar aus der naheliegenden Erwägung, ein Bauwerk von so eminent baugeschichtlichem Interesse in seinem ursprünglichen Zustande zu erhalten. Von diesen beiden Constructionen ist die Severnbrücke weitaus die bedeu- tendere. Sie überragt mit einer Hauptöffnung von 31 Meter Spannung den Wasserspiegel um 100 englische Fuß. Ursprünglich war nur diese eine Oeffnung vorhanden, bis man die Wahrnehmung machte, daß der Horizontalschub sich als größer erwies, als man seinerzeit voraussetzte. Einzelne Rippen waren gebrochen Fig. 222. Gußeiserne Bogenbrücke über das Striegauer Wasser (1796). und eine Entlastung der Auflager somit dringend geboten. Auf das hin wurden auf der einen Seite der Hauptöffnung zwei kleinere Seitenöffnungen eingeschaltet, wahrscheinlich zu Beginn unseres Jahrhunderts. Im Verhältniß zu der Raschheit, mit der heute selbst die großartigen Eisen- brücken fertiggestellt werden, erforderte die Severnbrücke zu ihrer Ausführung be- trächtlich viel Zeit. Der Guß der einzelnen Brückentheile (im offenen Sande) — jede Hälfte einer Bogenrippe etwa 6 Tonnen schwer — erforderte mehrere Jahre. Die gesammte Eisenconstruction der Hauptöffnung wiegt 385 Tonnen. Eine genaue Untersuchung Anfang der Sechzigerjahre ergab tadellosen Bauzustand. Dies wird wohl auch heute noch der Fall sein, nachdem das Bauwerk nun 120 Jahre seinen Zweck erfüllt. Zweiter Abschnitt. Die Laasanerbrücke ist von weit geringerer bautechnischer Bedeutung. Sie ragt 3 Meter über das Striegauer Flüßchen, hat eine Spannweite von nur 12‧4 Meter und eine Breite von nicht ganz 6 Meter. Ihr Gesammtgewicht beträgt 47 Tonnen Fig. 223. Britonnia-Röhrenbrücke über die Menaistraße (1850). und erforderte der Guß der einzelnen Theile über zwei Jahre, was bei der Klein- heit der Construction allerdings einen enormen Zeitaufwand bedeutet. Es sei noch Fig. 224. Rogatbrücke bei Marienburg (1857). erwähnt, daß zur Erinnerung dieser beiden ersten in Europa ausgeführten eisernen Brücken Denkmünzen geprägt wurden. Fig. 225. Versteifte Kettenbrücke zu Pittsburg (1877). Wie England die Heimat der ersten eisernen Brücken ist, sehen wir auch die weiteren Uebergangsformen in diesem Bauzweige zuerst auf englischem Boden er- stehen. Robert Stephenson , der Sohn des Schöpfers der ersten Locomotiveisen- bahn Georg Stephenson , erbaute die erste große Brücke nach dem Principe der »Blechträger«, die gigantische Röhrenbrücke über den Menaicanal zwischen dem walisischen Festlande und der Insel Anglesey. Sie besteht aus zwei Hauptöffnungen Der eiserne Brückenbau. von je 140 Meter und zwei Nebenöffnungen von je 70 Meter Spannweite. Die Röhren (eigentlich Kästen) haben eine Länge von 4313 Meter und ruhen, in- einander zusammengenietet, 40 Meter über dem Meeresspiegel. Das Eisengewicht dieser Brücke, welche zu den Großthaten der Technik unserer Zeit gehört, beträgt etwa 11.000 Tonnen. Dicht neben der düsteren Riesenschöpfung Robert Stephenson 's schwebt Telford 's Kettenbrücke, »leicht und luftig, wie aus zu Eisen gewordenen Kräfte- strahlen gewebt«, 34 Meter über dem Wasserspiegel. Das Werk fand einst die Bewunderung der Zeitgenossen und — wie M. M. v. Weber erzählt — bemäch- tigte sich der angesammelten ungeheuren Menge eine gewaltige Aufregung, genährt von den Zweiflern, ob das gigantische Werk gelingen werde. ... »Als aber die erste der 40 Ketten, an denen die Brücke hängt, mehr als 1000 Fuß lang, mehr als 1000 Centner schwer, genau nach den Arbeitsplänen des Meisters auf ihre luftige Höhe gehoben werden sollte und stolz, unter den taktgebenden Klängen weittragender Hörnermusik von hunderten exact zusammenwirkenden Händen empor- gewunden, hinaufstieg und endlich der sie festhaltende letzte Bogen eingeschlagen war und die versammelte Menge in nicht endenwollende Hurrahs für den kühnen Meister ausbrach, da war er selbst verschwunden, und die Glückwünsche bringenden Freunde fanden, in sein Arbeitscabinet stürmend, ihn auf seinen Knien dem dankend, dem der fromme Meister die Ehre alles Gelingens zu geben pflegte.« Neben Robert Stephenson und Thomas Telford glänzten in erster Zeit des eisernen Brückenbaues ferner: Fairbairn, Clark und Hodgkinson . Die erste Brücke, welche nach dem System der Gitterträger erbaut wurde (1845), ist jene Barton 's über den Boynefluß bei Drogena. Sie hat eine Hauptöffnung von 81‧4 Meter und zwei Nebenöffnungen von je 43 Meter. Auch dieses System wurde zuerst in England vervollkommnet, und zwar durch die sogenannten Bowstring Girder, d. i. »Bogensehnenträger«. Das erste Werk dieser Art war Brunel 's Brücke über die Themse bei Windsor mit einer Oeffnung von 61 Meter Spann- weite. Das Werk wurde 1849 vollendet. Auf die Bogensehnenträger folgten die Parabelträger, durch welche das Gitterwerk seine größte Versteifung und Trag- fähigkeit erhielt. Es war wieder der geniale Brunel , der die neue Idee verwirk- lichte. In den Jahren 1850 bis 1852 erbaute er eine Brücke dieses Systems über den Wye bei Chepstow mit einer Hauptöffnung von 91‧4 Meter und drei Neben- öffnungen von 30‧5 Meter, ein Werk, das zum Muster für alle späterhin ausge- führten Bauwerke dieser Art wurde. Brunel erbaute noch eine zweite Gitterbrücke mit Parabelträgern, die gewaltige Saltäschbrücke über den Tamar, mit zwei Oeff- nungen zu je 138 Meter und 17 Oeffnungen von 21‧2 bis 28‧4 Meter Spann- weite. Ihre Länge beträgt 667‧3 Meter. ... Andere ältere Meister im Brückenbau waren Cubitt, Turner, Fox, Genderson u. A. In Deutschland boten die großen Ströme den einheimischen Technikern reich- lich Gelegenheit, ihr Wissen und Können zu bethätigen. Meister der Brückenbau- Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 18 Zweiter Abschnitt. Fig. 226. Weichselbrücke bei Fordon. (Erbaut von der »Gutehoffnungshütte«.) technik sind: Hartwich , der Er- bauer der durch Schönheit und rationelle Construction gleich aus- gezeichneten Rheinbrücke bei Koblenz mit ihren drei Stromöffnungen von je 96‧65 Meter Spannweite; Lentze , der Schöpfer einer der großartigsten Gitterbrücken, jener über die Weichsel bei Dirschau, mit 6 Stromöffnungen von je 121 Meter Spannweite — eine der längsten Strombrücken des Continents. Von Lentze rührt ferner die Brücke über die Nogat bei Marienburg (mit zwei Oeff- nungen à 97‧9 Meter) her. Lohse und Weidtmann sind die Er- bauer der schönen, im Jahre 1860 vollendeten Rheinbrücke bei Köln, mit vier Stromöffnungen von je 98 Meter Spannweite. Bedeutender noch sind die Rheinbrücke bei Hamm (vier Oeffnungen à 103‧6 Meter), das Werk Pichier 's, und die Brücke über den alten Rhein bei Grief- hausen (eine Oeffnung von 100‧4 Meter) von Moni é . Alle diese Brücken — die Koblenzer Rhein- brücke, welche eine schmiedeeiserne Bogenbrücke ist, ausgenommen — sind Brücken mit schmiedeeisernen Gitterträgern. Die Rheinbrücke bei Kehl, welche 1860 vollendet wurde, gehört mit der Weichselbrücke bei Dirschau und der Nogatbrücke bei Marien- burg zu den altartigen Gitter- werken mit kreuzweise gestellten Flacheisen. Diese Constructions- weise wurde aus England importirt, doch hatte Schwedler deren Un- zweckmäßigkeit erkannt und eine Der eiserne Brückenbau. neue Form des Gitterwerkes geschaffen. — Aus dem Parabelträgersystem Brunel 's gestaltete der deutsche Techniker Pauli einen neuen, nach ihm benannten Con- structionstypus. Die bedeutendste Schöpfung nach diesem System ist die Rhein- brücke bei Mainz mit vier Oeffnungen von je 100 Meter Spannweite und weiteren 21 Oeffnungen von geringerer Spannweite. Ein zweiter bedeutender Bau nach Pauli 's System ist die Brücke über die Elbe bei Harburg, mit vier Oeffnungen zu je 96 Meter Spannweite. Andere ältere Brückenconstructeure sind Keller und Basler (Rheinbrücke bei Mannheim), Ruppert (Kinzigbrücke bei Offenburg) u. A. Bevor wir auf die neuesten Errungenschaften im deutschen Brückenbau ein- gehen, müssen wir noch einmal auf großbritannischen Boden zurückkehren, um zweier gewaltiger Constructionen zu gedenken, die den Gipfelpunkt der neueren und neuesten britischen Brückeningenieurkunst bezeichnen. Die eine dieser Constructionen ist die Eisenbahnbrücke über den Tay-Canal in Schottland, deren theilweiser Einsturz am 24. December 1879 sich zu einer der traurigsten Katastrophen im Eisenbahnbetriebe der Neuzeit gestaltete. Die Erbauer dieser Brücke, welche die enorme Länge von 3346 Meter hat, sind die Ingenieure Bouch, Paterson, Bergue, Grothe und Austin . Sie ist die längste unter allen über schiffbare Flüsse (oder Meeresarme) führenden eisernen Brücken. Die längsten eisernen Brücken in Europa und Amerika sind: Taybrücke 3346 Meter Mississippibrücke bei Memphis 3260 " Forthbrücke 2394 " Moerdybrücke 1470 " Wolgabrücke bei Dysrau 1438 " Weichselbrücke bei Fordon (die längste in Deutschland) 1325 " Thornerbrücke 1272 " Gaudenzerbrücke 1092 " u. s. w. Je zwei eiserne Röhren von 2‧5 Meter Durchmesser, welche gemeinschaftlich versenkt wurden, bilden die Grundlage zu einem steinernen Aufbau bis über Hochwasser, auf welchem weitere sechs eiserne Röhren stehen und den eigentlichen Pfeiler bilden. Solche Pfeiler sind 85 vorhanden, von welchen 11 derselben 10 Spannweiten zu je 74 Meter zwischen sich haben. Die Brücke führt nicht in gerader Linie über den Meerescanal, sondern bildet an ihren beiden Enden Curven mit verhältnißmäßig großen Radien. Der Fehler dieser Anlage bestand neben ihrer ungeheueren Ausdehnung und verhältnißmäßig großen Höhe, haupt- sächlich darin, daß sie für ein Geleise, also für die vorhandenen Dimensionen viel zu schmal erbaut wurde. Trotzdem hatte kurz vor der Katastrophe der Sachverstän- dige Edgar Gilbes in einer Ingenieurversammlung zu Cleveland die Erklärung abgegeben, daß der stärkste Sturm auch nicht die halbe Kraft besitze, die Pfeiler umzu- stürzen. Gelegentlich der mehrerwähnten Katastrophe wurde aber, theils durch den Winddruck, theils in Folge Einwirkung des partiellen Einsturzes auf die benachbarten Brückenfelder, eine Lücke von 900 Meter Länge eingerissen; nicht weniger als 13 18* Zweiter Abschnitt. Fig. 227. Die Eisenbahnbrücke über den Firth of Forth. Der eiserne Brückenbau. Spannungen sammt den eisernen Tragsäulen waren spurlos in den Wellen ver- schwunden. Das bedeutendste moderne Brückenwerk Englands ist die Brücke über den Meerescanal des Firth of Forth. Sie ist nach dem Principe der Kragträger gebaut und hervorragend durch den kolossalen Aufwand von Material, durch die Kühn- heit ihrer Anlage und die bedeutenden Schwierigkeiten, welche die Fundamentirung der Pfeiler mit sich brachte. Vom ästhetischen Standpunkte befriedigt sie nicht, doch mag zur Entschuldigung ihrer Erbauer hervorgehoben werden, daß in Folge der Nothwendigkeit großer Spannweiten einerseits und bedeutender Höhe über dem Wasserspiegel andererseits die gewaltige Dimensionirung der constructiven Theile zwingend gegeben war und die Anwendung des Kragsystems eine Entlastung der Massen nicht gestattete. Dadurch hat das Bauwerk jene schwerfällige, plumpe Ge- stalt erhalten, die zwar nichts weniger als schön genannt werden kann, indeß durch- aus dem Zweckmäßigkeitsprincipe entspricht. Mit diesem Riesenwerke wurde ein Umweg von nicht weniger als 240 Kilometer erspart. Die Forthbrücke hat übrigens eine eigenartige Vorgeschichte. Bereits im Jahre 1873 hatte sich die betreffende Baugesellschaft constituirt, um das vom Ingenieur Thomas Bouch (einem der Erbauer der Taybrücke) ausgearbeitete Project zur Ausführung zu bringen. Es war eine ungemein kühne Hängebrücke mit zwei Oeff- nungen von je 480 Meter. Schon waren die beiden Brückenthürme an den Land- seiten in Angriff genommen, als während eines heftigen Sturmes am Abend des 24. December 1879 der theilweise Einsturz der Taybrücke erfolgte. Dadurch wurde die Forth-Company stutzig gemacht und sie zog in Erwägung, ob die projectirte Hängebrücke dem Winddrucke einen hinreichenden Widerstand entgegensetzen würde. Das Ergebniß der Untersuchung ließ berechtigte Zweifel über die Zweckmäßigkeit der gewählten Construction aufkommen, und die Folge war, daß sie gänzlich ver- worfen und ein mittlerweile von den Ingenieuren Fowler und Baker ausge- arbeitetes Project nach dem Kragsystem zur Durchführung angenommen wurde. Die Stelle des Firth of Forth, wo sie die Riesenbrücke übersetzt, ist 1‧9 Kilo- meter breit. Da aber ein kleines Inselchen in der Richtungslinie lag, war es mög- lich, in dessen unmittelbarer Nähe einen sicheren Standort zu gewinnen und damit die Brücke in zwei Spannungen von je 521 Meter Oeffnung herzustellen. Jeder der Hauptpfeiler, welche sich bis zu 106 Meter über dem Fluthspiegel des Meeres- armes erheben, besteht aus vier mächtigen stählernen Säulen, welche durch horizon- tale und diagonale Streben miteinander versteift und etwas einwärts geneigt sind, so daß deren Abstand von einander an der Basis 35‧5 Meter, an der Spitze 9‧7 Meter beträgt. Die Pfeiler stehen auf granitenen Sockeln, deren Fundirung erhebliche Schwierigkeiten verursachte. Das Gewicht der Pfeilerthürme betrug: für jenen auf dem Inselchen 4060 Tonnen, für den Nord- und den Südthurm je 46.180 Tonnen. Die Brücke selbst erforderte 50.000 Tonnen Stahl, die Pfeiler nebenher 18.000 Tonnen Zweiter Abschnitt. Mauerwerk. Für das Zusammenfügen der Theile waren über 8 Millionen Niet- nägel erforderlich. Um die Metallconstruction gegen das Rosten zu schützen, mußten 6 Millionen Quadratmeter Oberfläche dreimal mit Oelfarbe überstrichen werden. Die für die röhrenförmigen stützenden Theile der Construction verwendeten gebogenen Stahlplatten würden, aneinander gereiht, die erstaunliche Länge von 70 Kilometer erreichen. Der Bau der Brücke begann im April 1883 und war Anfangs Jänner Fig. 228. Rheinbrücke bei Mainz (1862). 1890 vollendet. Die Gesammtkosten beliefen sich auf rund 30 Millionen Gulden: die Arbeiterzahl schwankte in der lebhaftesten Bauzeit zwischen 4000 und 5000. In Deutschland hat sich der Brückenbau innerhalb des letzten Jahrzehntes in ganz hervorragender Weise entwickelt. Neben dem Bewußtsein der Leistungs- fähigkeit, welche die deutschen Techniker beseelt, und der hohen Vervollkommnung, welche die statischen Wissenschaften durch Männer wie Culmann, Schwedler, Mohr, Winkler, Krohn u. A. erfahren, fällt ein großer Antheil an diesem Auf- schwunge der Entwickelung der deutschen Eisenindustrie zu. Dies bezieht sich vor- nehmlich auf die Herstellung eines einwandfreien Flußeisens. Noch vor wenigen Jahren bestanden in Deutschland — einzelne kleine Ausnahmen abgerechnet — Fig. 229. Elbebrücke bei Harburg und Hamburg (1872 bezw. 1887). keine Brücken aus Flußeisen, das erst nach hartem Kampfe das alterprobte Schweiß- eisen zu verdrängen vermochte. Ohne diesen letzteren Sachverhalt wäre mancher große Brückenbau in Deutsch- land nicht zur Ausführung gekommen; denn die Bedeutung des Flußeisens beruht vornehmlich darauf, daß dasselbe seiner guten Eigenschaften wegen in höherem Maße beansprucht werden darf, als das ältere Schweißeisen. Dies ist von ein- schneidender Wichtigkeit, wenn man erwägt, daß bei Brücken mit bedeutenden Spannweiten das Eisengewicht in viel größerem Maße als dem umgekehrten Ver- hältniß der zulässigen Beanspruchungen des Materials wächst, da die todte Last Der eiserne Brückenbau. Fig. 230. Eisenbahnbrücke bei Grünthal (Aufnahme vor Eröffnung des Nordostsee-Canals.) Zweiter Abschnitt. der Brücke bei der Querschnittsbemessung in nennenswerthem Grade mit in Betracht kommt. Damit im Zusammenhange steht der Kostenpunkt und so ist es gekommen, daß mancher Brückenbau nur deshalb zur Ausführung kam, weil die Anwendung des Flußeisens dieselbe überhaupt erst ermöglichte. Als weiterer Factor des eben berührten Aufschwunges der deutschen Brückenbautechnik dürfen wohl auch die aus Fig. 231. Hochbrücke bei Grünthal (Ostsee-Canal). Anlaß auszuführender bedeutender Neubauten ausgeschriebenen Wettbewerbe ange- sehen werden. Dieselben hatten eine gewisse Anspannung des ganzen Könnens im Brückenbaufache zur Folge, welche zum Theile neue schätzbare Fortschritte anbahnten. Eine bemerkenswerthe Erscheinung im deutschen Brückenbau ist, daß alle neueren großen Constructionen Bogenbrücken sind — im Gegensatz zu Nord- Fig. 232. Garabitthalbrücke. amerika, wo das Seilbrückensystem eine fortschreitende Entwickelung nimmt. Obiger Sachverhalt ist bezeichnend für den Geist, der heute die deutsche Ingenieurkunst beherrscht. Die gewaltigen Bogenbrücken, welche in den letzten Jahren in Deutsch- land theils fertiggestellt wurden, theils in Vollendung begriffen sind, sind nicht reine Nützlichkeitsbauten, sondern tragen zugleich der architektonischen Gestaltung Rechnung, da unter allen Brückensystemen die Bogenbrücke diejenige ist, welche sich in Bezug auf die Führung der Hauptconstructionslinien am besten dem ästhetischen Der eiserne Brückenbau. Bedürfnisse anpaßt. Bei außer- Fig. 233. Garabitthalbrücke. gewöhnlichen Spannweiten tritt dieses Moment im besonderen Maße hervor. Der kühne Schwung gewaltiger Bögen prägt dem Bau eine Leichtigkeit und Schönheit auf, die durch andere Constructionssysteme nicht zu erreichen sind. Die Reihe der großen Bogenbrücken beginnt mit jenen Bauten, welche die Herstellung des Nord-Ostsee-Canals zur Folge hatte. Es sind dies die beiden Bogenbrücken (zu- gleich Eisenbahnübersetzungen) zu Grünthal und Levensau . Bei Grünthal entschloß man sich — um Pfeilerbauten in den Böschungen des Canals zu vermeiden — vorweg zur Führung eines gewaltigen Bogens von der einen Ober- kante der Böschung zur anderen, was eine Spannweite von 156 Meter ergab. Bis dahin waren in Deutschland eiserne Brücken, deren Spannweiten das Maß von 100 Meter wesentlich überschritten, nicht ausgeführt. Die größten erreichten Spann- weiten bei Bogenbrücken waren bislang jene an der Dourobrücke bei Oporto mit 172 Meter und jene an der Missouribrücke bei St. Louis mit 153 Meter. Die Grün- thalerbrücke kam also der ersteren sehr nahe, während sie die letztere übertrumpfte. — Bei der Levensauerbrücke kam Zweiter Abschnitt. vollends eine Spannweite von 163 Meter zur Anwendung. Ursprünglich war eine Drehbrücke geplant, da dieselbe im Hinblicke auf die Gestaltung des Geländes und unter Berücksichtigung der geringeren Kosten (gegenüber einer Bogenbrücke) die nächstliegende Lösung darbot. Durch das Eingreifen von maßgebender Seite entschied man sich schließlich für die Bogenbrücke, deren Ausführung der »Gutehoffnungshütte« übertragen wurde. Bis zu diesem Zeitpunkte war sonach die Levensauerbrücke nächst derjenigen von Oporto bezüglich ihrer Spannweite die zweitgrößte Bogenbrücke in Europa. Seitdem sind diese Bauten durch verschiedene theils ausgeführte, theils in Aus- führung begriffene Bogenbrücken weit übertroffen worden. Bis zum Jahre 1894 stellte sich die Reihenfolge dieser Constructionen wie folgt: Fig. 234. Straßenbrücke Luiz I über den Douro zu Oporto. Dourobrücke bei Oporto 172 Meter Spannweite Garabitbrücke (Frankreich) 165 " " Levensauerbrücke 163 " " Grünthalerbrücke 156 " " Harlemerbrücke (Union) 155‧5 " " Missouribrücke (St. Louis) 153 " " Addabrücke bei Paderno 150 " " Die in vorstehender Liste genannte Garabitbrücke wurde vom Ingenieur Eiffel im Jahre 1884 fertiggestellt. Sie ist durch die eigenartige Combinirung einer Fachwerkbrücke mit Parallelträgern und einer Bogenbrücke — einer Construc- tion, der wir in den nachstehend beschriebenen großen deutschen Brückenbauten wieder begegnen werden — von Interesse. Um nämlich die große mittlere Spann- weite zu bewältigen, schaltete der Constructeur einen mächtigen Bogen ein, dessen lichte Oeffnung 165, dessen Höhe 51‧5 Meter beträgt. Vom Wasserspiegel der Truy è re aus beträgt die lichte Höhe 122 Meter. Die Garabitbrücke ist also zur Zeit die höchste Bogenbrücke in Europa. Der Viaduct über den Viaur — der aber eine Art Kragbrücke mit eigenthümlicher Anwendung des Systems der Bogenbrücke ist — überragt die Thalsohle nur 116 Meter hoch, allerdings mit Der eiserne Brückenbau. einer mittleren größten Spannweite von 250 Meter; die beiden Seitenöffnungen haben je 80 Meter Spannweite. Zu den 410 Meter Eisenconstructionen kommen noch 460 Meter auf die beiderseitigen gemauerten Bogenbrücken (als Endstrecken). In neuester Zeit ist in Deutschland eine Thalbrücke (als combinirte Fach- werkbrücke mit Parallelträgern und Bogenbrücke) fertiggestellt worden, welche be- züglich der Spannweite die Garabitbrücke übertrifft, dagegen an Höhe hinter dieser zurückbleibt. Es ist dies die Müngstener Thalbrücke , zur Zeit die zweitgrößte dieser Art in Europa. Bei diesem Baue galt es die beiden Industrieorte Remscheid und Solingen durch eine directe Bahnlinie zu verbinden. In der Luftlinie nur Fig. 235. Viaduct über den Viaur (Departement Tarn). 8 Kilometer von einander entfernt, hatte der kürzeste Schienenweg zwischen den beiden genannten Oertlichkeiten bis dahin 44 Kilometer betragen. Das 100 bis 120 Meter tiefe, scharf eingeschnittene Thal der Wupper und der Unterschied in der Höhenlage der beiden Bahnhöfe, von denen der Bahnhof Remscheid 100 Meter über dem Bahnhof Solingen-Süd liegt, standen einem directen Bahnanschlusse ent- gegen. Für die aufstrebenden beiden Industrieorte war dies ein fühlbarer Uebel- stand, dem endlich die Regierung selbst abzuhelfen entschlossen war, indem sie der Eisenbahndirection Elberfeld den Auftrag zukommen ließ, einen diesbezüglichen Ent- wurf auszuarbeiten. Die ersten Vorstudien führten sofort auf die Anlage einer Bogenbrücke; später kamen weitere Projecte, und zwar das einer Gerüstbrücke und einer Krag- Zweiter Abschnitt. brücke, hinzu. In Folge dessen traten vier Brückenbauanstalten in die Concurrenz ein, von welchen, auf Grund der vorliegenden Entwürfe, drei Werke detaillirte Projecte vorlegten. Die »Gutehoffnungshütte« wählte die Gerüstbrücke, die Actien- gesellschaft »Harkort« die Kragbrücke, die Maschinenbau-Actiengesellschaft »Nürnberg« die Bogenbrücke. Die letztgenannte Gesellschaft erhielt auf Grund ihres Entwurfes und Angebotes als Mindestfordernde den Zuschlag auf Ausführung des ganzen Bauwerkes. Der Bau wurde mit Einrichtung des Bauplatzes und der Maschinenanlagen, der Herstellung der Fördergeleise und der Verbindungsbrücke über die Wupper im Juli 1893 eingeleitet. Im Jahre 1894 wurde das Mauerwerk für die Fundirung der gewaltigen Eisenpfeiler aufgeführt und alsdann diese am 1. April 1895 in Angriff genommen. Am 15. Juli 1896 war die Ausführung der Pfeiler und der Fig. 236. Die Thalbrücke bei Müngsten. Gerüstbrücken so weit fertiggestellt, daß man die Aufstellung der großen Bogenhälften in Angriff nehmen konnte, welche ohne feste Gerüste erfolgte, indem das Eisenwerk von beiden Seiten als freischwebend vorgebaut wurde. Bereits in der zweiten Hälfte des März 1897 war es möglich, den Bogen zu schließen. Am 14. Juli wurde die gewaltige Brücke dem Verkehr übergeben. Was die Construction der 465 Meter langen Brücke anbelangt, sei erwähnt, daß dieselbe, zweigeleisig aufgebaut, das Eisengewicht (Thomasmaterial) 5100 Tonnen beträgt und zur Fundirung der Pfeiler und des großen Bogens 10.000 Cubikmeter Mauerwerk erforderlich waren. Die Gesammtkosten bezifferten sich auf 2,750.000 Mark, welchen die Accordsumme von 2,244.000 Mark gegenüberstand. Der Hauptbogen über dem Wupperthale hat eine überhöhte parabolische Form erhalten. Es mußte dies, obwohl ein Kreisbogen bei weitem schöner gewirkt hätte, geschehen, um behufs Verminderung des Eisengewichtes die Stützweite möglichst einzuschränken. Der Bogen setzt sich nicht, wie bei ähnlichen Ausführungen, mit Gelenken, sondern mit Flächen- lagern auf sein Fundament auf. Diese Anordnung erscheint deshalb bei der ge- wählten Montirungsart besonders zweckmäßig, weil hier die größten Gewichte des Der eiserne Brückenbau. Bogens in Kämpfernähe liegen und nach dem Scheitel zu geringer werden, bei der Aufstellung des Bogens also auch geringere Verankerungen in großer Höhe noth- wendig wurden. Der eiserne Ueberbau setzt sich zusammen: aus einer die Thalsohle über- spannenden Mittelöffnung von 170 Meter mittlerer (160 Meter innerer, 180 Meter äußerer) Stützweite und aus beiderseits anschließenden Gerüstbrücken; die letzteren haben auf der Remscheider Seite zwei Oeffnungen zu 45 Meter und eine Oeffnung von 30 Meter Stützweite mit zwei zugehörigen Gerüstpfeilern von je 15 Meter Fig. 237. Die Thalbrücke bei Müngsten während des Baues. Längsbreite; auf der Solinger Seite befinden sich eine Hauptöffnung von 45 Meter und zwei Nebenöffnungen zu 30 Meter Stützweite mit zwei Gerüstpfeilern wie zuvor. Ueber den Bogenwiderlagern sind ebenfalls Gerüstpfeiler, außerdem über den Bogen in je 15 und 30 Meter Entfernung Pendelstützen angeordnet, über welche sich die Gerüstbrücke in gleicher Anordnung wie an den Thalwänden auf die ganze Bogenlänge fortsetzt. Zu diesen Daten, welche wir einem Vortrage des Directors der Maschinenbau- Actiengesellschaft »Nürnberg«, A. Rieppel , entnehmen, seien noch etliche andere Einzelheiten nach derselben Quelle hinzugefügt. Was zunächst die Tragwände an- belangt, besteht die Ausfüllung derselben aus Verticalen in 7‧5 Meter wagrechten Zweiter Abschnitt. Abständen und einfachen gegen die Mitte fallenden Diagonalen. Die Trägermittel sind im Bogenscheitel 5‧0 Meter, am unteren Lager 25‧6 Meter, am oberen Lager 23‧6 Meter von einander entfernt. Sowohl die Gerüstpfeiler an den Thalwänden als jene über den Bogenwiderlagern haben um ⅐ gegen Loth geneigte Längswände mit 5 Meter oberem Querabstand; die senkrechten Querwände sind 15 Meter von einander entfernt. Die Geschoßhöhen sind normal 10 bis 12 Meter, richten sich aber im Uebrigen, besonders in den unteren Theilen, nach der Bodengestaltung. Fig. 238. Die Thalbrücke bei Müngsten während des Baues. Die Gerüstbrücken mit 15, 30 und 45 Meter Stützweite haben senkrechte Tragwände von 6 Meter Höhe mit 5 Meter gegenseitigen Mittelabstand und ein- fache Dreieckausfüllung mit Fachen von durchgehends 7‧5 Meter Weite. Der Haupt- horizontalverband ist in der Obergurtebene und ohne Zuhilfenahme der Fahrbahn- construction gebildet. Die einfache Dreieckausfüllung für die Bogenwände wurde deshalb gewählt, um einerseits das Trägersystem rechnerisch ziemlich durchsichtig zu gestalten und andererseits durch diese Anordnung dem Bauwerke, seinem großen Charakter entsprechend, mit einfachen Linienzügen ein schönes Aussehen zu geben. Die Anordnung eines über dem Bogen durchlaufenden Fachwerkträgers ergab sich von selbst als nothwendig. Desgleichen erschien es aus constructiven und ästhetischen Rücksichten gegeben, die Fachtheilung für Bogen und Fachwerkträger übereinstimmend Der eiserne Brückenbau. zu gestalten. Die senkrechte Stellung der Fachwerkträger gegenüber der nothwendigen Schrägstellung der Bogenwände und Pfeilerlängswände (beide mit ⅐ zum Loth) wurde wegen einfacher Gestaltung der Plattform und der oberen Horizontal- verbände als zweckmäßig erachtet. Die Müngstenerbrücke verdankt man, wie wir gesehen haben, dem Wett- bewerbe mehrerer hervorragender deutscher Brückenbauanstalten. Seit dem Jahre 1881, wo behufs Erlangung von Plänen für eine Rheinbrücke bei Mainz zum erstenmale ein großer Wettbewerb stattfand, hat ein ähnlicher Vorgang sich bis zu dem Zeit- punkte, da die Ueberbrückung des Wupperthales in Fluß kam, nicht wiederholt. Bei diesem letzteren Anlasse zeigte es sich sofort, wie fruchtbringend sich der öffent- liche Wettbewerb um große monumentale Brückenbauten erweist. Es liegt dies in der Natur der Sache, da die großen Brückenbauanstalten, die sich ausschließlich mit diesem Zweige der Technik befassen, ausgezeichnete Kräfte zur Lösung solcher Aufgaben zur Verfügung haben müssen. Diese Kräfte können aber nur dann ihr Können bethätigen, wenn ihnen Gelegenheit geboten wird, Entwürfe zu liefern, welche die Leistungsfähigkeit der betreffenden Anstalten documentiren. Daß dieser Vorgang der richtige ist, beweist die Thatsache, daß unmittelbar nach Inangriffnahme des Müngstener Werkes weitere Wettbewerbe ausgeschrieben wurden, bei welchen es sich um die Durchführung hervorragender brückentechnischer Aufgaben handelte. Es bezieht sich dies auf vier Werke: auf die Straßenbrücke, welche Bonn mit dem gegenüberliegenden Beuel verbindet; auf den Neubau der Düsseldorfer Brücke und zwei weitere Rheinbrücken bei Worms . Der zur Aus- führung gelangte Bonner Entwurf ging aus einem Wettbewerbe hervor, welcher am 10. Juli 1894 seitens der Stadtgemeinde Bonn (welche die Kosten für den Bau — 3 Millionen Mark — übernahm) ausgeschrieben wurde. Zur Verzinsung des Anlagecapitales bewilligte die preußische Regierung die Einhebung eines Brückenzolles. In den Bedingungen für den Bonner Wettbewerb war eine Brücke von drei Stromöffnungen verlangt, deren mittlere mindestens 150 Meter Lichtweite aufweisen sollte, während die anschließenden Seitenöffnungen so zu entwerfen waren, daß die Constructionsunterkante mindestens auf 60 Meter Breite, 8‧8 Meter über den höchsten schiffbaren Wasserstand zu liegen kam. Außerdem war die Anlage einer Fluthbrücke bedungen. Der Bonner Wettbewerb fand eine sehr lebhafte Betheiligung, da im Ganzen 16 Entwürfe mit nahezu 400 Blatt Zeichnungen und farbigen Darstellungen ein- liefen. Der zur Ausführung gelangte Entwurf rührt von dem Director der »Gute- hoffnungshütte«, Professor Krohn , her, in Gemeinschaft mit der Baufirma R. Schneider und dem Architekten Bruno Möhring (Berlin). Der Güte des Erstgenannten verdankt der Verfasser die hier stehenden Abbildungen dieses groß- artigen Baues, sowie die dazugehörigen textlichen Erläuterungen, welcher seinerzeit in der »Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure« abgedruckt waren. Wir können Zweiter Abschnitt. nichts besseres thun, als uns auszugsweise an diesen interessanten Bericht anzuschließen. Fig. 239. Bonner Straßenbrücke. Professor Krohn führt zunächst aus, daß bei den bis zur Ausschreibung des Bonner Wettbewerbes erbauten Rhein- brücken Spannweiten bis etwa 100 Meter vorkamen. Wir haben weiter oben vernommen, daß für die Bonner Straßen- brücke die Bedingung einer größten Spannweite von 150 Meter gestellt war, was nach den Erfahrungen, die man bei der Levensauerbrücke gemacht hatte, keine übertriebene Forderung war. Das bedungene Maß der Spannweite wurde aber aus ästhetischen Gründen in dem Entwurfe Krohn 's noch ganz bedeutend überschritten. Da nämlich der Schiffahrtweg von 150 Meter Breite, der freigehalten werden sollte, nicht in der Mitte des Stromes, sondern näher zum linksseitigen Ufer liegt, stand man vor der Wahl, entweder eine Brücke zu entwerfen, deren Pfeiler unsymmetrisch zur Strommitte gestellt waren, oder mit der Spannweite der Mittelöffnung über das vorgeschriebene Maß noch ganz wesentlich, nämlich bis auf etwa 195 Meter, hinauszugehen und an beiden Seiten je eine kleinere Brückenöffnung von etwa 100 Meter Weite anzu- schließen. Diese Erwägung war begründet, wenn man bedenkt, daß die geplante Brücke gleichsam das Eingangsthor zu dem lieblichen Siebengebirge und dem romantischen Rheingau bildet und hier alljährlich ein Strom von einheimischen und fremd- ländischen Besuchern vorüberfluthet. Es fragte sich aber, ob und wie es möglich sein werde, die vorschwebende Aufgabe in Rücksicht auf die ungeheuere Spannweite von 195 Meter technisch zu lösen. Die vorhandenen Schwierigkeiten machten sich nach zwei Richtungen geltend. In erster Linie kam es darauf an, die Kosten des eisernen Unterbaues in solchen Grenzen zu halten, daß die Ausführung nicht durch die er- forderlichen Geldmittel in Frage gestellt werde. Zweitens handelte es sich darum, ob es gelingen werde, für die Ueber- spannung der großen Mittelweite ein Trägersystem zu finden, das durch seine Linienführung einen schönen, befriedigenden Eindruck hervorruft. Es war also die Bogenform in erster Linie ins Auge zu fassen. Die Höhenverhältnisse der Brücke schlossen es aus, die tragende Construction vollständig unterhalb der Fahrbahn anzuordnen. Andererseits kann eine Ausbildung, bei der die Bogenconstruction von der Fahrbahn durchschnitten wird, nicht einwurfsfrei sein, da die reine Bogenlinie Die Thalbrücke bei Müngsten. Ausgeführter Entwurf der Maschinenbau-Actien-Gesellschaft Nürnberg. Der eiserne Brückenbau. diesfalls nicht voll zur Wirkung kommt. Fig. 240. Straßenbrücke über den Rhein bei Bonn. (Preisgekrönter Entwurf und Ausführung der »Gutehoffnungshütte«.) Die Art, wie Professor Krohn diese schwierige Aufgabe gelöst hat, befriedigt nach jeder Richtung. Der Obergurt des Bogens liegt vollständig über der Fahrbahn, wodurch die Bogenlinie klar hervortritt. Der Unter- gurt setzt unterhalb der Fahrbahnlinie an und findet in den Untergurten der beiden kleineren Seitenöffnungen seine Fortsetzung. Durch diese Anordnung wurde gleichzeitig für den großen Mittelbogen eine sehr be- deutende Pfeilhöhe erreicht, wobei trotz der bedeutenden Spannweite ein übermäßig großer Materialaufwand nicht erforderlich wurde. Die Seitenöffnungen von je 109 Meter Weite erforderten per laufenden Meter etwa 6 Tonnen Eisen, während auf die Mittelöffnung von fast doppelter Spann- weite nur etwa 8 Tonnen auf den laufen- den Meter entfallen. Zu diesem, den Kosten- voranschlag günstig beeinflussenden Sach- verhalte trat vornehmlich die hohe zulässige Beanspruchung des für die Construction gewählten Flußeisens. Der ursprüngliche Entwurf mußte aus Gründen der örtlichen Verkehrsver- hältnisse nochmals in einigen Punkten ab- geändert werden, wobei eine Tieferlegung der Fahrbahn (bei entsprechend herabge- minderten Steigungsverhältnissen der Zu- fahrtsrampen) um 2‧3 Meter und eine Ver- minderung der Spannweiten platzgriffen. Die große Mittelöffnung erhielt eine de- finitive Weite von 187 Meter; die Bonner Brücke ist also, trotz der erfolgten Reduction von vollen 8 Metern bezüglich der Stütz- weite des Hauptbogens, derzeit die größte Bogenbrücke der Welt, wenn man den Viaur- Viaduct mit seiner Stützweite von 250 Meter (vgl. S. 283) nicht als reine Bogenbrücke gelten lassen will. Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 19 Zweiter Abschnitt. Nachdem der Bonner Wettbewerb gezeigt hat, daß große Stromöffnungen auch bei beschränkter Constructionshöhe in ästhetisch befriedigender Weise und ohne übermäßige Kosten überbrückt werden können, ist es begreiflich, daß die Strombau- verwaltungen bei Neubauten auf die Anlage von möglichst wenig Pfeilern und großen Durchflußweiten hinwirken und hierbei Anforderungen stellen, die über die früher üblichen Verhältnisse weit hinausgehen. Prof. Krohn betont, daß solch große Durchfahrtsöffnungen dem auszuführenden Ingenieur insoferne eine bedeutende Fig. 241. Straßenbrücke über den Rhein bei Bonn. (Preisgekrönter Entwurf und Ausführung der »Gutehoffnungshütte«.) Schwierigkeit bieten, als die Montage der eisernen Ueberbauten — zum Mindesten bei Verhältnissen, wie sie bei den Rheinbrücken liegen — die Anwendung festerer Gerüste erfordert, welche den größten Theil der Schiffahrtsstraße sperren. Dadurch sind aber auch die Rüstungen durch unvermeidliches Anfahren oder Antreiben von Schiffen oder Flößen bedroht. Krohn bezeichnet diesen Uebelstand, der mit dem Bau so großer Bogenbrücken über verkehrsreiche Ströme verknüpft ist, unter Berück- sichtigung des Umfanges und der Größe des möglicherweise eintretenden Unglückes, als sehr ernst. Die »Gutehoffnungshütte« ist auch die Urheberin des Entwurfes zu der in ihren Abmessungen hochbeachtenswerthen neuen Rheinbrücke bei Düsseldorf. Die Der eiserne Brückenbau. Ausführung dieses Bauwerkes wurde dem genannten Etablissement Fig. 242. Düsseldorfer Straßenbrücke. und der Firma Ph. Hotzmann \& Co. übertragen. Hand in Hand mit dem Brückenbau ging eine durchgreifende, seit Langem als nothwendig erachtete Regulirung des linken Rheinufers gegenüber von Düsseldorf. Der Strom vollführt hier eine scharfe Krümmung, an deren etwas eingebogener Seite die Stadt liegt, wodurch die Wassermassen gegen deren Ufer andrängen. Das gegenüberliegende Ufer besteht aus einem weiten, unregelmäßig gestalteten Vorlande mit bewegter Oberfläche, das einige Meter über Mittelwasser liegt und durch einen Banndeich begrenzt wird, der das dahinter liegende Gelände gegen Hochwasser schützt. Der eigentliche zwischen Bühnen geführte Stromlauf ist 300 Meter breit. Die neue Brücke, welche den vorbesprochenen Verhältnissen, vornehmlich aber der unter Einem durchzuführenden Reguli- rungsarbeiten Rechnung tragen mußte, besteht aus der eigent- lichen Strombrücke und einer Rampe über dem linksseitigen Vorlande, das mit einer Anzahl kleiner Brückenträger überspannt ist. Nach dem Berichte des Professors Kohn waren für die Strombrücke ursprünglich drei Oeffnungen von je 100 Meter lichter Weite in Aussicht genommen, da größere Spannweiten zur Zeit der Offertausschreibung nicht bekannt waren. Der Wettbewerb der Bonner Rheinbrücke machte jedoch seinen Einfluß geltend. Nachdem man gesehen hatte, daß sich auch Spann- weiten bis zu 200 Meter ohne allzuhohe Kosten durchführen lassen, trat die Stromverwaltung mit der Forderung auf, auch in diesem Falle eine Stromöffnung am rechten Ufer von min- destens 180 Meter und hieran anschließend eine zweite Oeffnung von mindestens 170 Meter lichter Weite anzuordnen. Schließ- lich einigten sich die betheiligten Kreise dahin, zwei Oeffnungen zu je 180 Meter Spannweite — ähnlich der Mittelöffnung der Bonner Brücke mit über die Fahrbahn aufragenden Bogen- trägern — anzuordnen. An diese beiden Stromöffnungen schließen sich linksseitig drei kleinere Flußöffnungen von 62, 56 und 50 Meter Weite an, die mit unter der Fahrbahn liegenden Bogenträgern überdeckt sind. Auf dem rechten Ufer ist noch eine Neben- öffnung von 60 Meter Weite angeordnet, welche die Düssel- dorfer Hafenstraße überspannt. Wie aus Abbildung (Fig. 242) hervorgeht, mußte beim Baue der Brücke die ganze Oeffnung jedes Hauptbogens während der Montage der Außenconstruction 19* Zweiter Abschnitt. vollständig ausgerüstet werden, was für die stadtseitige Oeffnung, durch welche die ganze Schiffahrt geht, den Uebelstand einer völligen Verkehrsstockung zu Wasser mit sich brachte. Die Gesammterscheinung der Brücke ist, wenngleich den gewaltigen eisernen Bogen zweifellos eine großartige Wirkung zukommt, gleichwohl nicht der befriedi- gende wie bei der Bonner Brücke. Krohn sucht den Grund in der durch die Ver- hältnisse bedingten Eintheilung der Brücke, welche die Anordnung von zwei großen Mittelöffnungen bedingte, die in der Mitte der Strombrücke einen Sattel bilden. Damit war eine Placirung der Pfeiler, welche dem ganzen Bauwerke ein einheit- liches und harmonisches Gepräge geben konnten, sehr erschwert. In Anerkennung dieser Schwierigkeit war man darauf bedacht, die Pfeiler architektonisch wirksam zu gestalten, einer Aufgabe, deren sich Professor Schill der Düsseldorfer Kunst- akademie entledigte. Nach dessen Entwurf erheben sich auf beiden Pfeilern, welche die Strombrücke begrenzen, schwere und in Renaissanceformen gehaltene Brücken- portale. Die als Bogen mit zwei Gelenken ausgebildeten Hauptträger der Strom- brücke erinnern in ihrer Formgebung an den Mittelbogen der Bonner Brücke. Der Obergurt des Hauptbogens tritt ungebrochen in die Erscheinung, während der Untergurt innerhalb des ersten Brückenfeldes unter der Fahrbahn liegt. Die Unter- kante desselben ist 11‧5 Meter, die Oberkante des Hauptträgers 34‧5 Meter über dem Hochwasserspiegel angeordnet. Die Bogenhöhe beträgt am Kämpfer etwa 10, im Scheitel 5 Meter. Die Brückenbauanstalt der »Gutehoffnungshütte« war in den letzten Jahren noch an zwei anderen großen Brückenbauten betheiligt. Das eine dieser Bauwerke ist die Thalbrücke bei Epfenhofen , das andere die Brücke über die Aare zu Bern , behufs Verbindung des Kornhausplatzes mit der Spitalackerhöhe. Ersteres Bauwerk ist eine Fachwerkbrücke mit eisernen Pfeilern, die Berner Brücke ist eine Bogenbrücke, deren Gesammtanordnung aus der Fig. 243 zu ersehen ist. Sie besteht (nach dem Entwurfe der »Gutehoffnungshütte«) aus einer Hauptöffnung von 115 Meter Stützweite und 32 Meter Pfeilerhöhe, an welche sich am linksseitigen steilen Thalabhang eine Nebenöffnung von 36 Meter Stützweite, am rechtsseitigen flachen abfallenden Thalhange vier Bögen mit einer mittleren Stützweite von 37 bis 39‧3 Meter anschließen. Die Gesammtlänge der Brücke beträgt rund 350 Meter; die Fahrbahn liegt fast 50 Meter über der Thalsohle. Das Bauwerk ist somit sehr bedeutend und wirkt mit seinen massiven, hoch aufstrebenden Pfeilern, dem großen eisernen Bogen der Hauptöffnung und den leichten Bogen der Seiten- öffnungen in seiner Erscheinung recht günstig. Die Durchführung der Berner Brücke oblag außer der »Gutehoffnungshütte«, welcher der große Mittelbogen zufiel, der Maschinenfabrik Th. Bell \& Co. (für die eisernen Ueberbauten der Seitenöffnungen) und der Firma Paul Simons (für den Bau der Pfeiler). Die Fundamentirung der Pfeiler verursachte, vornehmlich Der eiserne Brückenbau. Fig. 213. Thalbrücke bei Epfenhofen (Schweiz). (Construirt von der »Gutehoffnungshütte«.) Zweiter Abschnitt. am linksseitigen steilen Abhang, ganz unerwartete Schwierigkeiten. Einige Details, welche Professor Krohn mittheilt, sind von Interesse. Der erwähnte Abhang hat eine Neigung von 45° und besteht die obere Schichte aus einer Schuttanfüllung, die unten etwa 7 Meter, am oberen Rande des Thales etwa 16 Meter Mächtig- keit hat. Unter dieser Schuttmasse, der wahrscheinlich ein Alter von mehr als 200 Jahren zukommt, befindet sich eine aus Lehm- und Sandsteinablagerungen zusammengesetzte Gletschermoräne, deren Mächtigkeit am unteren Gehänge sich mit 2 Meter, am oberen Gehänge mit 12 Meter stellt. Damit nicht genug, befindet sich unter der Moräne eine Kiesschichte von über 14 Meter Dicke. In Berücksich- tigung dieser Verhältnisse mußte der obere Pfeiler, trotzdem er der kleinste des ganzen Bauwerkes ist, nicht weniger als 28 Meter tief fundirt werden, während der benachbarte, am Fuße des Abhanges stehende eine Hauptpfeiler in 10 Meter Tiefe fundirt werden konnte. Fast gleichzeitig mit Ablauf der Einreichungsfrist für den Berner Wettbewerb (1. Juli 1895) wurden zwei neue Ausschreiben seitens der hessischen Regierung erlassen. Es handelte sich um die Erlangung von Plänen für eine Straßenbrücke über den Rhein bei Worms , beziehungsweise eine Eisenbahnbrücke daselbst. Während für die Straßenbrücke 13 Entwürfe einliefen, wurden für die Eisenbahn- brücke nur 5 eingereicht. Von den ersteren wurde der Entwurf der »Maschinen- bau-Actiengesellschaft Nürnberg« in Verbindung mit der Baugesellschaft Grün \& Dilfinger (Mannheim) und dem Architekten Baurath Karl Hofmann (Worms) mit dem ersten Preise ausgezeichnet und zur Ausführung angenommen. Der preisgekrönte Entwurf für die Wormser Eisenbahnbrücke rührt von der »Actiengesellschaft für Eisenindustrie und Brückenbau vormals J. G. Harkort (Duisburg), Prof. G. Frentzen (Aachen) und der Bauunternehmung R. Schneider (Berlin) her. Die Wormser Straßenbrücke (Fig. 244) setzt sich aus drei Hauptöffnungen zu- sammen, deren innere 106‧3 Meter, deren beide äußeren je 95‧1 Meter Spannweite aufweisen. Die Bogen liegen unter der Fahrbahn. An den beiden Enden der Brücke erheben sich hohe Thürme, deren wuchtige Masse einen wirkungsvollen Gegensatz zu der leichten Eisenconstruction bildet. An sie reihen sich zu beiden Seiten in Mauerwerk ausgebildete Fluthöffnungen an, und zwar am rechten Ufer 9, am linken Ufer 4 von je 35 bis 18 Meter Spannweite. Das Gesammtgewicht des eisernen Ueberbaues (Flußeisen) beträgt 1655 Tonnen. Die Wormser Eisenbahnbrücke ist (Fig. 245) gleichfalls eine Bogenbrücke (Bogen- träger über der Fahrbahn), hat drei Oeffnungen, eine mittlere Hauptöffnung von 116‧8 Meter, und je eine Seitenöffnung zu 102‧2 Meter Stützweite. Die Brücke ist durch imposante, harmonisch abgestimmte Thurmbauten abgeschlossen und stellt sich in ihrer klaren Linienführung und ihrer ansprechenden architektonischen Aus- bildung würdig den vorbesprochenen großen neuen Rheinbrücken an die Seite. Das Gesammtgewicht des eisernen Ueberbaues beträgt 2545 Tonnen. Die Hornhauserbrücke in Bern. Der eiserne Brückenbau. In neuester Zeit kam in Frankreich eine Bogenbrücke zur Ausführung, welche in mehr als einer Beziehung von großem bautechnischen Interesse ist. Es betrifft dies die Brücke Alexanders III. zu Paris , zu welcher der Grundstein am 7. October 1896 gelegentlich der Anwesenheit des Kaisers Nikolaus II. gelegt wurde. Da einerseits der Seineschiffahrt vollauf Rechnung getragen werden mußte, andererseits die Anwendung von Trägern, welche über die Fahrbahn hinausragen, in dem gegebenen Falle ausgeschlossen war, um die Aussicht auf das H ô tel des Invalides nicht zu beeinträchtigen, entschied man sich für das System der Bogen- brücke. Da es sich aber um die Bewältigung einer Spannweite von 107‧5 Meter bei nur 6‧2 Meter Pfeilerhöhe handelte, ergab sich eine so flache Wölbung, daß diese Bogenbrücke in Berücksichtigung ihrer bedeutenden Länge und ganz außer- gewöhnlichen Breite wohl als die kühnste unter allen zur Zeit bestehenden Bau- werken dieser Art bezeichnet werden muß. Was nun die vorerwähnte außergewöhnliche Breite anbetrifft, beträgt dieselbe über 40 Meter, wovon 20 Meter auf die Fahrbahn und je 10 Meter auf die beiderseitigen Gangsteige entfallen. Diese enorme Breite einerseits und der gewaltige Druck, den andererseits die Brückenconstruction in Folge ihrer flachen Wölbung auf die landseitigen Widerlager ausüben muß, erforderte eine Dimensionirung dieser letzteren, welche bei irgend einer anderen europäischen Flußbrücke ihresgleichen nicht finden. Die Landwiderlager besitzen nämlich eine Länge von 44 Meter bei einer Tiefe von 33‧5 Meter, bedecken also eine Grundfläche von 1474 Quadrat- meter. Da die Landwiderlager bei der Brooklyner East-Riverbrücke 51‧2 Meter lang, 31‧2 Meter tief sind und eine Grundfläche von 1645 Quadratmeter ein- nehmen, steht in dieser Beziehung die Alexanderbrücke dem amerikanischen Bau- werke, welches die größten kühn ausgeführten Widerlager aufweist, nur wenig nach. Bezüglich der Construction ist zu bemerken, daß sie sich aus 15 Haupt- trägern, welche in Abständen von 2‧8 Metern angeordnet sind, zusammensetzt, zwischen welchen die Querglieder, sowie die zur Stützung der Fahrbahn dienenden Constructionstheile angebracht sind. Die Hauptträger sind aus getempertem Guß- stahl, die anderen Theile aus Flußeisen hergestellt. Bemerkenswerth ist, daß die Hauptträger sich aus Bogenelementen zusammensetzen, womit also auf die Bauweise der alten gußeisernen Bogenbrücken zurückgegriffen wurde. Es ist nicht verabsäumt worden, diesen Vorgang als gewagt zu bezeichnen, desgleichen die Wahl eines Dreigelenkbogens (zwei Gelenke an den Kämpfern, ein Gelenk im Brückenscheitel); die Anordnung des Scheitelgelenkes wird, in Anbetracht der großen Spannweite und des sehr bedeutenden Verkehrs, nicht unbeträchtliche Durchbiegungen der Bogen- mitten zur Folge haben. Der Entwurf zur Brücke rührt von den Ingenieuren Alby und J. R é sal , die 21‧5 Meter hohen Brückenthürme rühren von den Architekten Cousin und Cassien-Bernard her. Gegenüber der großen Bedeutung, welche in Deutschland das System der Bogenbrücke erlangt hat, tritt jenes der Hängebrücke völlig zurück. Es hat den Zweiter Abschnitt. Anschein, daß man diesfalls noch zu sehr unter dem Eindrucke vergangener Zeiten steht, in denen die Hängebrücken kein langes Leben bewiesen haben. Indessen sind die Fortschritte auf den einschlägigen technischen Gebieten so bedeutend, die Ver- vollkommnung des Materials ist eine so weitgehende, daß man den an ein großes Bauwerk nach dem System der Hängebrücke zu stellenden Anforderungen gewiß nach jeder Richtung gerecht zu werden vermöchte. An Anregungen hierzu hat es in den letzten Jahren nicht gefehlt, Dank den vielen Wettbewerben, deren Ergebnisse wir auf den vorausgehenden Seiten kennen gelernt haben. Unter den eingereichten Entwürfen befanden sich nämlich vielfach auch Hängebrücken, welche ganz wesentliche Fortschritte gegenüber den älteren Con- structionen aufwiesen. Ein vortreffliches Beispiel hierfür geben die beiden Entwürfe Fig. 244. Wormser Straßenbrücke. Fig. 245. Wormser Eisenbahnbrücke. der »Maschinenbau-Actiengesellschaft Nürnberg« aus dem Wettbewerb für die Wormser Straßenbrücke. Beide Entwürfe zeigen Hängebrücken mit Versteifungs- trägern über fünf Oeffnungen. An Stelle der hauptsächlich in Nordamerika zur Anwendung kommenden Kabel dienen hier Ketten, deren Glieder aus zähhartem Flußstahl hergestellt werden sollten. Als besonders interessant darf der zweite Entwurf bezeichnet werden, weil der Versteifungsträger nicht wie gewöhnlich unten, sondern hoch über der Fahr- bahn liegt. Es ergeben sich hieraus für jede Oeffnung zwei Ketten, eine sogenannte Tragkette zur Aufnahme der Fahrbahn und die Versteifungskette als Träger mit Ober- und Untergurt und dazwischen liegendem Gitterwerk. Diese Anordnung hatte in dem vorliegenden Falle den großen Vortheil, eine sehr tiefe Lage der Fahrbahn zu gestatten. Die große Zahl der Oeffnungen bezeichnet aber Baurath Professor Mehrtens (Dresden) als einen Nachtheil, weil allgemein das Gewicht der Hänge- brücken dem Gewichte gleichweit gespannter Balkenbrücken sich umsomehr nähert, je mehr Oeffnungen vorhanden sind. Der eiserne Brückenbau. Die vollkommenste Versteifung einer Hängebrücke ist das sogenannte »Hänge- fachwerk«, welches in jüngster Zeit in Deutschland die ihm gebührende Beachtung erfahren hat, besonders seitdem Oberingenieur Fig. 246. Kübler's Entwur für die Rheinbrücke bei Bonn-Beuel. Kübler (Maschinenfabrik Eßlingen) mit zwei her- vorragenden Entwürfen dieser Art sich bemerkbar gemacht hat. Der eine dieser Entwürfe steht mit dem Bonner Wettbewerb in Zusammenhang, in welchem das Kübler 'sche Project eines Haupt- fachwerkes den zweiten Preis erzielte. Die größte Spannweite der Mittelöffnung betrug hierbei 200 Meter, erreichte also ungefähr jene Grenze, über welche hinaus weder Bogenbrücken noch Kragbrücken, sowohl bezüglich der Kosten als auch in der äußeren Erscheinung, kaum mehr mit einer rationell versteiften Kabelbrücke wetteifern können. In dem Entwurfe Kübler 's für die Budapester Schwurplatzbrücke — eine 310 Meter weite Kabelbrücke — erwies sich dieselbe allen übrigen mitconcurrirenden Systemen, ob nun Bogenbrücke mit Kabelversteifung, reine Bogenbrücke oder Aus- legerbrücke, im Gewichte weit überlegen. Die Kabelbrücke wog nämlich nur 5425 Tonnen, während die übrigen genannten Systeme 7115, 8345 bis 8500 Tonnen Eisengewicht erreichten. Bei allen diesen Entwürfen erwies sich die Frage, ob »Kabel« oder »Kette«, von mehr oder weniger einschneidender Bedeutung. Hervorragende Fachmänner reden unbedingt dem Kabel das Wort; denn sehr bedeutende Spannweiten können mit dem Kabel am billigsten und ebenso sicher überbrückt werden, wie mit der Kette, welch letztere ganz wesentliche Mehrkosten erfordert. Dazu kommt, daß angesichts der hohen Stufe, auf welcher heute die Eisenfabrikate stehen, auch für die Draht- und Kabelconstruction die Garantie vorzüglichster Materialherstellung gegeben ist. Auf Grund der ausgedehnten Hilfsmittel, welche zur Zeit dem Constructeur zur Verfügung stehen, unterliegt es keinem Zweifel, daß derselbe in der Lage ist, eine versteifte Hänge- brücke genau nach den theoretischen Anforderungen zu bauen. Bei diesem Anlasse sei daran erinnert, daß die alte Kettenbrücke in Budapest seinerzeit als eine Art Zweiter Abschnitt. technisches Weltwunder angestaunt wurde. Des historischen Interesses wegen, das diesem kühnen Bauwerke zukommt, seien hier einige Daten über dieselbe eingeschaltet. Fig. 247. Entwurf der Schwurplatzbrücke in Budapest. Die Kettenbrücke wurde in den Jahren 1840 bis 1849 nach den Plänen des englischen Ingenieurs W. T. Clark mit einem Kosten- aufwande von 6‧24 Millionen Gulden er- baut. Bei einer Strombreite von 370 Meter hat die Brückenbahn eine Länge von 37‧55 Meter und eine Breite von 15 Meter, wovon 11‧4 Meter auf die Fahrbahn, je 1‧8 Meter auf die beiden seitlichen Gang- steige entfallen. Von den drei Oeffnungen ist die mittlere 192‧81 Meter weit und erreicht die Höhe von 15‧65 Meter über dem niedrig- sten Wasserstande. Die beiden Seitenöffnungen haben eine lichte Weite von je 82‧18 Meter. Die vier Ketten haben jede eine Länge von 472‧22 Meter und wiegen zusammen 2000 Tonnen. Die Brückenköpfe sind 41‧72 Meter lang, 14‧03 Meter breit und, vom Nullpunkt gerechnet, 16‧12 Meter hoch. Die Kronen der Strompfeiler sind 15‧88 Meter lang, 7‧06 Meter breit und 36‧34 Meter hoch. Anknüpfend an das weiter oben er- wähnte Project der Kübler 'schen Buda- pester Schwurplatzbrücke, müssen wir der neuen Franz Josephbrücke daselbst ge- denken, einer Auslegerbrücke, welche nach dem Zeugnisse des Regierungsbaumeisters M. Förster mit vollem Rechte »die schönste Auslegerbrücke der Welt« genannt werden kann. Der Entwurf zu diesem Bauwerke rührt von dem ungarischen Brückenbau- ingenieur J. Feketehazy und den Architekten Steinhard und Lang in Budapest her, das gelegentlich des bereits erwähnten Wettbewerbes mit dem zweiten Preis aus- gezeichnet worden ist, aber vor seiner Durchführung aus verschiedenen Gründen umgearbeitet werden mußte. Der Bau ist, wie erwähnt, eine Auslegerbrücke, welche mit drei Oeffnungen den Strom überspannt. Die von den Landwiderlagern über die Strompfeiler hinweg Der eiserne Brückenbau. Fig. 248. Alte Kettenbrücke zu Budapest. Zweiter Abschnitt. gestreckten Kragträger haben eine Länge von 143‧3 Meter; der zwischen diesen beiden eingehängte Mittelträger weist eine Stützweite von nicht ganz 47 Meter auf. Die Obergurten folgen der Form von schön geschwungenen Kettenlinien, wo- durch dem Bauwerk das Aussehen einer Hängebrücke verliehen und dasselbe in harmonische Uebereinstimmung mit der alten Clark'schen Kettenbrücke gebracht ist. Der Untergurt ist in flachen Bögen unter der Fahrbahn geführt und hierdurch ein besonders leichtes und gefälliges Aussehen der Construction erreicht. Die Unter- kante des Untergurtes liegt an den Widerlagern 9‧8, an den Pfeilern 10‧4 und Fig. 249. Alte Kettenbrücke zu Budapest, von Ofen aus gesehen. in der Brückenmitte 15‧3 Meter über dem tiefsten bekannten Wasserstande. Die Gesammthöhe der Hauptträger beträgt an den Widerlagern 4‧7, an den Pfeilern 2‧2 und in der Brückenmitte rund 3 Meter. Die Lichtweite zwischen den Mittelpfeilern ist rund zu 170 Meter bemessen, während der Abstand der Landwiderlager 331‧2 Meter beträgt. Die Entfernung der beiden Hauptträger von einander mißt 12‧9 Meter und lassen zwischen sich eine Fahrbahn von 10‧7 Meter frei, wogegen die je 2‧9 Meter breiten Gangsteige an den Außenseiten der Träger, auf Consolen gestützt, angebracht sind. Der Bau dieser bedeutenden Construction erforderte alles in Allem etwas über zwei Jahre (vom 1. September 1894 bis 4. October 1896), doch wurde die eigentliche Eisenconstruction in der überraschend kurzen Zeit von etwas mehr als einem Jahre fertiggestellt. Um die Schiffahrt nicht zu stören, wurden zunächst nur Der eiserne Brückenbau. die beiden Seitenöffnungen und einige Felder der Mittelöffnung eingerüstet und der Bau dieser Brückentheile vorgenommen, worauf die Rüstung wieder abgebaut wurde. Dieses Stadium des Baues veranschaulicht die beigegebene Abbildung Fig. 250. Fig. 250. Die Franz Josephbrücke in Budapest während der Aufstellung im December 1895. Der mittlere einzuhängende Träger wurde, nachdem die anschließenden Felder ohne Rüstung vorgebaut waren, mit Hilfe einer schwimmenden Plattform, welche zwei Krähne trug, eingesetzt, nachdem man zuvor die landseitigen Hauptträger über den Zweiter Abschnitt. Widerlagern durch Eisengußblöcke entsprechend belastet hatte, behufs Ausgleich des Gewichtes des Mitteltheiles der Hauptträger. Fig. 251. Die Franz Josephbrücke zu Budapest. Es dürfte am Platze sein, hier darauf hinzuweisen, daß die Donau, als größter europäischer Strom, den Brückenbautechnikern seit jeher Gelegen- heit gab, ihr ganzes Können zu er- proben. Auf der ganzen Strecke trifft man außergewöhnliche Bauwerke dieser Art. Ueber das neue Strombett bei Wien spannen beispielsweise fünf mäch- tige Gitterbrücken, welche die Gesammt- wirkung des in feste Ufer gelegten Stromes umsomehr erhöhen, als die fraglichen Brücken zu den großartigsten Anlagen dieser Art in Europa zählen. Zwei von ihnen sind Straßenbrücken, drei Eisenbahnbrücken. Zur Baugeschichte dieser Brücken ist zu erwähnen, daß zunächst seitens der Staatsverwaltung die Inangriffnahme einer »Reichs- straßenbrücke« über das neue Strombett verfügt wurde, worauf die Stromver- waltung auf ihre Kosten die Erbauung einer zweiten Straßenbrücke beschloß. Dieselbe wurde am 18. August 1874 dem Verkehr übergeben und erhielt die Bezeichnung »Kaiser Franz Joseph- brücke«. Die Reichsbrücke — auch »Kronprinz Rudolfbrücke« genannt — wurde etwas später fertiggestellt. Zugleich schritten drei Eisenbahngesellschaften zur Durchführung neuer Brückenanlagen. Die Reihenfolge der fünf großen Donaubrücken ist folgende: dem oberen Eingange des neuen Strombettes zu- nächst die Brücke der Nordwestbahn; alsdann die Kaiser Franz Josephbrücke — für Wagenverkehr, Dampftramway und Fußgänger — nach den Plänen des Ingenieurs Hornbostl mit einem Kosten- aufwande von 2‧5 Millionen Gulden ausgeführt; die Brücke der Kaiser Ferdinands- Nordbahn (auch für Fußgänger), ein Werk des Oberingenieurs Hermann , dessen Der eiserne Brückenbau. Herstellungskosten sich auf ungefähr 5 Millionen Gulden beliefen; die Reichsbrücke und schließlich die Stadlauerbrücke (österreichische Staatseisenbahn). An allen diesen Brücken sind im bautechnischen Sinne zwei Theile zu unterscheiden: die eigentliche Strombrücke und die Inundationsbrücke. Die Brücken über den regulirten Strom erhielten lichte Durchfahrtshöhen von mindestens 9‧48 Meter über Null und lichte Durchfahrtsweiten von mindestens 75‧86 Meter zwischen den Pfeilern. Hervorragende Brückenbauten an der Donau sind ferner die prächtige neue Franz Josephbrücke in Preßburg , die 430 Meter lange Gitterbrücke der ungarischen Staatsbahn bei Neusatz und die Kragbrücke über die Donau bei Czernavoda, Fig. 252. Die Kronprinz Rudolfbrücke über die Donau bei Wien. welche am 25. September 1895 dem Verkehr übergeben wurde. Sie ist wohl die größte Eisenbahnbrücke in Europa, vornehmlich bezüglich ihrer Länge. Die bis dahin bestandenen längsten Bahnbrücken sind: Taybrücke 3300 Meter Mississippibrücke bei Memphis 3260 " Forthbrücke 2394 " Moerdybrücke 1470 " Wolgabrücke bei Sysran 1438 " Weichselbrücke bei Fordon (die längste in Deutschland) 1325 " Thornerbrücke 1272 " Graudenzerbrücke 1092 " u. s. w. Zweiter Abschnitt. Die Eisenbahnstrecke, in welcher die Czernavodabrücke liegt, läuft auf 15 Kilo- meter Länge quer durch das Inundationsgebiet der Donau und hat die Brücke über den Borceaarm drei Oeffnungen zu 140 Meter und 11 Fluthöffnungen zu 50 Meter Weite; auf der Balta-Insel sind 34 Oeffnungen zu 43 Meter Weite; endlich über die Donau selbst 15 Oeffnungen zu 61 Meter, 4 Oeffnungen zu 140 Meter und die größte zu 190 Meter Weite. Dies ergiebt eine Gesammtlänge von 4097 Meter — nur die Oeffnungen, nicht aber die dazwischen liegenden Pfeiler gerechnet. Die lichte Höhe von der Brückenunterkante bis zum Wasserspiegel Fig. 253. Eisenbahnbrücke über die Donau bei Neusatz. (+ 11 Meter Pegel Czernavoda) beträgt 32 Meter, so daß Dreimaster bequem passiren können. Die Caissonirung der Brückenpfeiler im Strome reicht bis 35 Meter unter dem vorbezeichneten Wasserspiegel. Die Gitterbrücke mit ihren schlanken Pfeilern und den nach dem Cantilever-(Krag-)System gebauten Hauptbrückenträgern präsentirt sich außerordentlich gefällig und gereicht der Erbauerin, der » Compagnie Five Lille «, zur Ehre. Um nach dieser Abschweifung wieder auf die neuesten Hängebrücken zurück- zukommen, sei noch einiger französischer Constructionen aus jüngster Zeit gedacht. Der gefahrdrohende Zustand der älteren Hängebrücken in Frankreich , von welchen in der Zeit von 1869 bis 1881 fünf einstürzten, und deren Dauer durch- Der eiserne Brückenbau. schnittlich sich nur auf etwa 31 Jahre berechnete, sind Veranlassung gewesen, daß man in Frankreich, zum Theil nach amerikanischem Muster, Verbesserungen im Fig. 254. Die neue Eisenbahnbrücke über die Donau bei Czernavoda. Hängebrückenbau einführte. Dabei hat man aber das System der ungetheilten starken Kabel (von welchem weiter unten noch ausführlich die Rede sein wird) nicht übernommen, sondern verwendet in einem Hängegurte mehrere (gewöhnlich Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 20 Zweiter Abschnitt. Fig. 255. Eisenbahnbrücke über die Drau bei Zàfány. (3 Oeffnungen à 95‧5 Meter und 5 Oeffnungen à 41 Meter.) 4 bis 5) nebeneinan- der liegende kleine Kabel, die aus lauter spiralförmig ineinan- der geschlagenen Dräh- ten bestehen und die mit den Tragseilen auswechselbar ver- bunden sind. In den Abbil- dungen Fig. 256 und 257 sind zwei neuere nach diesem Systeme gebaute Hängebrücken, um dessen Vervoll- kommnung sich beson- ders Ingenieur Ar- nodin verdient ge- macht hat, dargestellt. Einem Vortrage des Baurathes Mehrtens entnehmen wir über diese Constructionen das Folgende: »Die Mittel zur Versteifung bestehen bei diesen Brücken nur in der Anbringung von stark gebauten eisernen Streckträgern und Fahrbahnen. Die Trag- wände zwischen den Kabeln und den Streck- trägern sind nicht ver- steift, wohl aber dienen die von den Pfeilern strahlenförmig aus- laufenden geraden Hilfsseile zum Mit- tragen desjenigen Thei- les der Fahrbahnen, Der eiserne Brückenbau. der nicht schon an den senkrechten Tragseilen hängt. Die Steifigkeit dieser Kabelbrücken soll eine so vollkommene sein, daß man in Folge ihrer geringen Be- wegungen in senkrechter Ebene die Straßenfahrbahnen sogar aus Asphalt herstellt.« Gleichwohl bezeichnet Fig. 256. Pont D'Avignon über den Rhône bei Baucluse. unser Gewährsmann die französischen Draht- brücken als minder- werthig gegenüber den Hängefachwerken, von welchen weiter oben die Rede war. Das Hilfsmittel behufs Zusammen- stellung der einzelnen Theile einer Brücken- construction bildet in der Regel die soge- nannte »Rüstung«, d. h. ein Zimmerwerk, wel- ches den Constructions- theilen zur Stütze und den mit der Zusammen- stellung der Brücken- theile betrauten Ar- beitern als Bauplatz dient. Indeß haben wir schon in den vor- anstehenden Mitthei- lungen andeutungs- weise vernommen (z. B. bei der Müngsten- brücke), daß die Gerüste nicht unbedingt noth- wendig sind. Bei den amerikanischen Gelenk- trägern — auf die wir noch zu sprechen kommen — findet die Rüstung in sehr beschränktem Maße oder gar nicht Anwendung. Auch in Europa wird fallweise von der Einrüstung abgesehen, wenn die Herstellung derselben aus irgend einem Grunde entweder sehr erschwert oder zu theuer sein würde. Es wird 20* Zweiter Abschnitt. alsdann — wenn es sich beispielsweise um Parallelträger handelt — die Brücke auf einem oder auf beiden Ufern vollständig montirt und über die Stromöffnung Fig. 257. Pont du Midi über die Saône in Lyon. bis auf die Pfeilerspitzen gerollt. Eine andere Methode besteht in dem Zuführen fertig montirter Brückenconstructionen mittelst entsprechend gebauter Schiffe bis an die Pfeiler, auf die sie überschoben oder mittelst an den Pfeilern angebrachten Der eiserne Brückenbau. Hebewerken emporgehoben werden. Daß ganze Brückenfelder dadurch hergestellt werden, indem man sie von den Ufern her gegen die Mittelpfeiler hin stückweise vorbaut, wobei die Construction entsprechend verankert wird, ergiebt sich aus manchen vorbesprochenen Constructionen. Bei sehr großen Spannungen und Anwendung von hohen eisernen Thurm- pfeilern, welche bei Temperaturveränderungen Hebungen und Senkungen ver- ursachen, welche ungünstig auf die Kräftesysteme der Träger einwirken, wird ein besonderer, hauptsächlich in Amerika üblicher Vorgang eingehalten. Zur Ueber- rollung am Ufer fertig montirter Constructionen eignet sich der Natur der Sache nach selbstverständlich nur ein sogenannter »continuirlicher« Träger. Derselbe ist viel mehr den erwähnten Temperatureinflüssen ausgesetzt, als ein gegliederter Träger. In diesem Falle bieten die durch Shaler Smith — dem genialen Erbauer des Kentucky-Viaductes — adaptirten continuirlichen Gelenkträger (ein System, das, beiläufig bemerkt, schon früher in Deutschland durch Gerber in Anwendung ge- kommen war) die Möglichkeit einer exacten baulichen Ausführung. Das Princip dieser Trägerform besteht darin, daß man den continuirlich über drei Felder sich erstreckenden Balken an zwei Punkten im Mittelfelde, oder in je einem Außenfelde durchschneidet und an diesen Stellen Gelenke anbringt. Man erhält in ersterem Falle zwei Träger mit je einem überhängenden Ende, auf denen der Mittelbalken hängt; im zweiten Falle hat man es mit einem über die beiden Mittelstützen hinausragenden Träger zu thun, auf dessen Enden und den Widerlagern die ein- fachen Träger der Endfelder sich stützen. Eine Brückenconstruction unterliegt im Allgemeinen den Einwirkungen ver- schiedener Kräfte, welche sich in zwei Gruppen trennen lassen: in solche von außen wirkende und in solche, deren Wesen in der Construction selbst begründet ist, indem die im festen Verbande zu einander stehenden Bestandtheile zu Spannungen Anlaß geben. Die äußeren Kräfte sind theils von vorneherein gegeben, theils Folgewir- kungen derselben, wie Eigengewicht, Belastung durch den Verkehr (die sogenannte »zufällige Belastung«), Wärmeeinflüsse und Winddruck. Bei den in Curven ge- legenen Eisenbahnbrücken kommt überdies die Centrifugalwirkung in Folge der seitlichen Schwankungen der Fahrzeuge in Betracht, doch ist dies ein nicht sonderlich schwer in die Wagschale fallender Factor. Das Eigengewicht wird zunächst auf Grund ähnlicher, bereits ausgeführter Constructionen schätzungsweise angenommen und sodann auf Basis der projectirten Querschnittsgrößen rechnerisch festgestellt. Wird an der Hand der für die einzelnen Trägersysteme normirten Formeln das Eigengewicht theoretisch abgeleitet, so hat man dieses letztere mit dem bei ausgeführten Brücken ermittelten »Constructions- Coëfficienten« zu multipliciren. Behufs Feststellung der zufälligen Belastung dient bei Eisenbahnbrücken als Grundlage die Annahme der schwersten Locomotiven und Züge, welche die Brücke zu befahren haben werden, und sind nebenher die jeweils in Kraft stehenden behördlichen Vorschriften maßgebend für entsprechende Modificationen. Zweiter Abschnitt. Der Einfluß der Wärme ist im Großen und Ganzen irrelevant, wenn in der Construction die Möglichkeit unbehinderter Ausdehnung oder Zusammenziehung durch Aussparung entsprechender Spielräume zwischen den einzelnen Balkenträgern gegeben ist. Der Reibungswiderstand an den beiden Auflagern kommt hierbei kaum in Betracht. Bei continuirlichen Trägern gestaltet sich aber der Sachverhalt inso- ferne anders, indem diesfalls durch ungleiche Erwärmung der Gurten (z. B. des besonnten Obergurtes und des beschatteten Untergurtes) erhebliche Spannungen entstehen können. Was schließlich den Winddruck anbelangt, wird derselbe mit 250 bis 270 Kilogramm pro Quadratmeter Anprallfläche für die unbelastete, 150 bis 170 Kilogramm für die durch einen Eisenbahnzug belastete Brücke angenommen. Die als »innere Kräfte« auftretenden Spannungen in den einzelnen Constructions- theilen sind das Ergebniß der von außen her einwirkenden Kräfte und müssen sonach rechnerisch ermittelt werden. Sind die Spannungen bekannt, so lassen sich daraus die Querschnittsgrößen der einzelnen Trägertheile bestimmen. Eisenbahnbrücken werden vor ihrer Eröffnung für den Verkehr der soge- nannten »Probebelastung« unterzogen. Der Laie ist gewillt anzunehmen, die Brücken- probe werde nur deshalb vorgenommen, um zu constatiren, daß die Construction der ihr zugedachten Maximalbeanspruchung auch thatsächlich gewachsen sei. Darin spricht sich ein gewisses Mißtrauen gegenüber dem theoretischen Wissen und prak- tischen Können des ausführenden Ingenieurs aus, das völlig unbegründet ist, da nach dem heutigen Stande der Brückenbautechnik ein Mißerfolg als gänzlich aus- geschlossen angenommen werden muß. Die Belastungsprobe wird vielmehr deshalb vorgenommen, um die für die Construction rechnerisch bestimmten Elasticitätsver- hältnisse zu controliren, beziehungsweise die bleibende Durchbiegung der ganzen Construction festzustellen. Bezüglich der Belastungsprobe bei Eisenbahnbrücken bestehen in den verschie- denen Ländern bestimmte Vorschriften. Gewöhnlich werden mehrere schwere Loco- motiven langsam auf die Brücke gefahren und durch einige Zeit auf der Mitte des Feldes, wo die Träger am meisten beansprucht werden, belassen. Alsdann fahren diese Locomotiven in mäßiger, zuletzt mit der größten zulässigen Geschwin- digkeit, und zwar mehreremale, über die Brücke, womit die Belastungsprobe be- endet ist. Bei sehr großen Spannweiten werden vor und hinter die Locomotiven beladene Güterwagen angehängt, oder es wird das ganze Feld mit Locomotiven belastet beziehungsweise befahren. Die auf diese Weise hervorgerufene Durchbiegung der Construction wird nach der Entlastung der Brücke nicht wieder gänzlich aufgehoben, sondern es hebt sich dieselbe bis zu einem gewissen Punkte unterhalb der ursprünglichen Lage. Die Differenz zwischen beiden nennt man die »bleibende Einbiegung«, das Maß der Senkung von dieser bis zur untersten Grenze die »elastische Einbiegung«. Zur Bestimmung dieser Werthe bedient man sich verschiedener Meß- und selbstregistri- render Schreibapparate, von deren Beschreibung wir absehen. Der eiserne Brückenbau. Amerikanische Brückenbauten. Auf dem Gebiete des Eisengewerbes haben die Amerikaner in keiner anderen Richtung größere Leistungen zu verzeichnen, als auf jener des Brückenbaues. Hier sind sie, was die Eigenart der Constructionsprincipien und die Kühnheit der Anlage anbetrifft, in ihrem wahren Elemente. Außer den gewaltigen Gebirgsschranken, welche von den großen Ueberland-Schienenwegen überwunden werden mußten, boten die zahlreichen und zum Theile ungeheueren Ströme die bedeutendsten örtlichen Hindernisse. Zu ihrer Ueberwältigung mußten demnach das theoretische Wollen und das praktische Können auf das Aeußerste angespannt, Ziel und Zweck den außer- gewöhnlichen Verhältnissen angepaßt und überhaupt diesem Zweige der Technik eine Aufmerksamkeit zugewandt werden, wie nirgend anderwärts. Die bedeutsamsten Anforderungen traten an die Techniker zu jenem Zeitabschnitte heran, als den älteren Bahnanlagen ihr provisorischer Charakter genommen und die primitiven Constructionen, welche zudem insgesammt aus Holz (seltener aus Stein) waren, durch eiserne Objecte ersetzt wurden. Neben den mächtigen Gebirgsschranken im Westen der Union waren es vor- nehmlich die Riesenströme Mississippi und Missouri, welche die Unternehmungslust und die Leistungsfähigkeit der Techniker herausforderten. In jüngster Zeit kamen die Meeresarme, die sich flußartig zwischen die einzelnen Stadttheile von New-York hereinschieben, dazu. Die beiden genannten Ströme, die natürlichen Schlagadern des Verkehrslebens, mußten übersetzt werden, um die beiden großen Landgebiete im Osten und Westen miteinander zu verbinden. Kein Wunder also, daß in dem kurzen Zeitabschnitte von nur sechs Jahren, d. i. nach Fertigstellung der ersten pacifischen Ueberlandbahn, der Mississippi zwölfmal, der Missouri achtmal überbrückt wurde. Hierbei mußte auf den äußerst lebhaften Verkehr auf diesen Strömen Rücksicht genommen werden, was zur Aus- führung von Brückenwerken Anlaß gab, die bezüglich der Art ihrer Construction und Kühnheit der Anlage alles bisher Bekannte in den Schatten stellten. Aus dem Bedürfnisse raschen Vorwärtsstrebens entsprangen für den ameri- kanischen Brückenbau gewisse Modalitäten, die sich eben nur unter den gegebenen Verhältnissen entwickeln konnten. Die große, 23 englische Meilen oberhalb St. Louis über den Mississippi führende Eisenbahnbrücke, die eine Länge von 623 Meter und der Schifffahrt wegen ein drehbares Feld von 135 Meter hat, wurde in der beispiellos kurzen Zeit von 150 Arbeitstagen fertiggestellt, wobei man durch einen bedeutenden Materialaufwand der Raschheit der Ausführung keinerlei Opfer der Oekonomie noch der Sicherheit zu bringen nöthig hatte. Eine zweigeleisige Eisen- bahnbrücke von 56 Meter Spannweite, deren Montirung nicht mehr als 22 Stunden erforderte, wurde innerhalb 17 Tagen fertiggestellt. An Stelle des abgebrannten riesigen hölzernen Portage-Viaductes in der Eriebahn wurde innerhalb 82 Tagen eine Eisenconstruction von 250 Meter Länge und 62 Meter Höhe hergestellt. Zweiter Abschnitt. Fälle, in denen Brückenconstructionen auf telegraphischem Wege bestellt werden, sind keineswegs selten. Die 183 Meter lange Brücke über den Sace wurde 40 Tage nach der durch Feuer zerstörten alten Brücke durch eine telegraphisch bestellte, eigens zu diesem Zwecke construirte eiserne Brücke ersetzt, u. s. w. Gegen das praktische Bedürfniß tritt das ästhetische fast ganz in den Hinter- grund. In neuester Zeit ist es in dieser Beziehung allerdings besser geworden. Unter den älteren Brückenbauten finden sich häufig solche, deren Parallelträger in ihren Endfeldern schief gegen die Widerlager herabgeführt sind. Felder einer und derselben Brücke, welche die Fahrbahn bald oben, bald unten haben, und überdies auf Pfeilern ruhen, welche nicht symmetrisch angeordnet sind, sieht man noch immer häufig. Das Fehlen von Bohlenbelagen und Geländern bei Eisenbahnbrücken, die roh geformten Steinpfeiler und manches Andere sind bezeichnend für den geringen Werth, welchen die amerikanischen Techniker auf das ästhetische Moment setzen, oder doch in früheren Jahren setzten, indem sie lediglich das Zweckmäßigkeitsprincip vor Augen hatten. Es liegt in der Natur der Sache, daß in einem Lande, in welchem das Eisen in so großen Mengen vorhanden ist und durch eine großartig entwickelte Industrie in alle Thätigkeiten eingreift, deren Material auch in der Brückenbau- technik eine hervorragende Rolle von vorneherein zugewiesen sein mußte. Zu Beginn lehnten sich die amerikanischen Ingenieure an europäische Vorbilder an; die ört- lichen Verhältnisse aber, sowie das dem amerikanischen Geiste innewohnende Be- streben, selbst solche Hindernisse, welche aller menschlichen Kraft zu spotten scheinen, zu bewältigen, verhalf der Brückenbautechnik zu einer Entwickelung, welche zur Zeit ihren Höhepunkt bereits erreicht haben dürfte. In Spannweiten, die man bis dahin für undurchführbar gehalten, in schwindelnden Höhen, über die breitesten Ströme der Welt, bald dieses, bald jenes Constructionsprincip in origineller, häufig in genialer Weise verwerthend, kamen Riesenwerke zu Stande, welche die Welt in Staunen versetzten. Die amerikanischen Techniker haben es zuerst verstanden, durch Herstellung von in sich selbst versteiften Thurmpfeilern unglaubliche Höhen zu überwinden und diesen Bauwerken, trotz ihrer scheinbaren Gebrechlichkeit, die größtmöglichste Stabi- lität zu verleihen; sie haben einen speciellen Constructionsmodus geschaffen, der sich auf die Anwendung von Knotenverbindungen (anstatt der festen Nieten) be- zieht, in dieser Art die Elasticität der Gesammtconstruction gesteigert, das Mon- tirungsverfahren vereinfacht. Diese Vereinfachung geht so weit, daß — wie bereits erwähnt wurde — Brücken in den Etablissements fix und fertig gestellt, ihre Theile nach der Baustelle überführt und dort in fabelhaft kurzer Zeit, mit wenigen Ar- beitern und meist ohne Einrüstung fertiggestellt werden. Es entsprang dies vor- nehmlich den örtlichen Verhältnissen, unter welchen die Entlegenheit der Baustellen und die schwer zu beschaffenden Arbeitskräfte in erster Linie stehen. Der eiserne Brückenbau hatte sich anfänglich in der Union ziemlich langsam, sozusagen tastend entwickelt, um dann plötzlich einen Aufschwung zu Der eiserne Brückenbau. nehmen, der alle Welt überraschte. Für kleinere Spannweiten wurde das System der genieteten Träger beibehalten, während für größere Spannweiten nach den Vor- bildern der bewährten Holzconstructionen neue Systeme für die Durchführung in Eisen geschaffen wurden. Bezüglich des verwendeten Materiales machten sich jenseits des Oceans dieselben Erfahrungen geltend wie in Europa. Trotz der ausgezeichneten Qualität des amerikanischen Gußeisens, das zu Beginn im Brückenbau eine große Rolle spielte, zeigte es sich in der Folge, daß dieses Material viel zu sehr dem Bruche ausgesetzt ist, um selbst rationell construirten Systemen dienlich zu sein. Trotzdem fand das Gußeisen nach wie vor warme Fürsprache und der berühmte Brückenbautechniker Bolzano war noch vor zwei Jahrzehnten der Ansicht, daß ersteren durchaus nicht jenes besorgnißerregende Moment innewohne, als man allgemein zu glauben geneigt ist. Es seien Fälle vorgekommen, daß die Träger von den Widerlagern stürzten, hierbei aber die einzelnen Gußstücke ganz unverletzt blieben und abermals verwendet werden konnten. Was das für den Brückenbau zur Verwendung kommende Schmiedeeisen an- betrifft, fabriciren die großen Etablissements zu diesem Zwecke eine eigene Sorte, und einige derselben gehen so weit, daß sie von der Bearbeitung des Erzes bis zur vollendeten Brücke in einheitlicher Weise vorgehen. Es geschieht dies vornehmlich bei Erzeugung der Barren, deren Packetirung und Auswalzung mit großer Sorg- falt, weniger umständlich freilich was die Festigkeitsproben anbetrifft, geschieht. Ein nicht zu unterschätzender Vortheil der in der Union vorkommenden Caliber besteht in der großen Mannigfaltigkeit der Form, die sie gegenüber den zu analogen Zwecken in Europa zur Anwendung kommenden zeigen. Stahl hat in Amerika zunächst wohl für Seilbrücken Verwendung gefunden, bis Eads dieses Material bei seiner gewaltigen St. Louisbrücke zum erstenmale in großartigem Maßstabe verwerthete. Indessen erhoben einige hervorragende Brückenbauanstalten Bedenken rücksichtlich einer ins Große gehenden Verwendung des Stahles, und zwar mit der Begründung, daß außer für Druckglieder langer Spannweiten, bei denen die todte Last den Haupteinfluß auf die Beanspruchung nimmt, die Benützung des Stahles nicht vortheilhaft sei. Es ist bezeichnend, daß Röbling beim Baue der großartigen Brooklynbrücke, auf die wir noch zu sprechen kommen, sich zur Verankerung der Kabel für Kettenglieder aus Schmiede- eisen entschied, nachdem eine Probe mit einer Stahlbarre im Krupp'schen Etablisse- ment ein befriedigendes Resultat nicht ergeben hatte. Charakteristisch für die amerikanischen Eisenbrücken ist die Art der Monti- rung, d. h. der Verbindung der einzelnen Theile, welche in Europa bekanntlich durchwegs mit Nieten, in der Union hingegen in den meisten Fällen mit Gelenk- bolzen erfolgt. Bei letzterem Vorgange erhalten die Verbindungspunkte der Brücken- träger je einen einzigen entsprechend stark construirten Gelenkbolzen, über welche die an ihren Enden mit Löchern (Augen) versehenen und demgemäß daselbst etwas stärker dimensionirten Stäbe einfach überschoben werden (Knotenverbindungen). Zweiter Abschnitt. Dieses System umgeht, wie man sieht, die Ausführung von Nietarbeiten auf der Baustelle und gewährt dadurch eine einfache und schnelle Zusammensetzung der Brückentheile. Die Herstellung der letzteren muß aus diesem Grunde mit peinlicher Genauigkeit und nach einheitlichen Modellen durchgeführt werden. Der amerikanische Ingenieur C. H. Latorbe äußert sich über das System der Knotenverbindung wie folgt: »Im Felde genügen eine tragbare Schmiede, einige Seile, Blocks, zwei gewöhnliche Winden und etliche Werkzeuge, um für die Aufstellung hinreichend ausgerüstet zu sein. Die einzelnen Bestandtheile werden in den Werkstätten vollständig hergerichtet und sind an Ort und Stelle lediglich aneinander zu fügen, ohne eine Niete eintreiben zu müssen. Ein intelligenter Vor- arbeiter mit einigen gewöhnlichen Arbeitern reichen hierzu aus. Um die Raschheit und Leichtigkeit, mit der solche Bauten durchgeführt werden können, zu zeigen, hat die Baltimore Bridge Co. 152 laufende Meter Viaduct von 18 Meter Höhe in zehn Arbeitsstunden mit 28 Mann hergestellt.« Die Vortheile dieses Systems liegen sonach auf der Hand. Allerdings erfordert es die exacteste Ausführung. Jedes Versäumniß in der genauen Durchbildung der Augen und Bolzen würde zu schlotternden Bewegungen der einzelnen Theile der Construction Anlaß geben. In der Erkenntniß dieser Sachlage befleißen sich die Brückenbauanstalten der größten Sorgfalt in den Ausführungs- arbeiten und die Regierungen in den einzelnen Staaten haben überdies im gesetz- mäßigen Wege genaue Vorschriften nach dieser Richtung erlassen. Dadurch hat sich die amerikanische Brückentechnik außerordentlich vervollkommnet und sind die Fälle, in denen entweder durch unreelle Ausführungsarbeiten und unverständige Controle, oder in Folge unfachgemäßer Leitung der Montirung, Brücken nach dem Principe der gelenkförmigen Knotenverbindungen sich als untauglich erwiesen oder vollends zu Katastrophen führten, wohl nur vereinzelt vertreten. Die Gegner der Bolzenverbindungen machen geltend, daß in Folge der kleinen Drehungen, die bei Be- und Entlastung der Brücke eintreten, der Raum zwischen dem Auge und dem Bolzen allmählich sich erweitert. Indessen berichtet Ingenieur Fr. Steiner , daß in einem speciellen Falle bei der Zerlegung einer Brücke mit gelenkförmigen Knotenverbindungen die Bolzen, welche nur mit Mühe herauszubringen waren, sich vollkommen erhalten zeigten, und daß die Augen der Gitterstäbe ihre genaue kreisrunde Form bewahrt hatten. Das Gelenksystem ist übrigens auch noch von einem anderen Standpunkte der Nietenverbindung vorzuziehen, nämlich vom militärischen. Eine Brücke nach letzterem System ist innerhalb kurzer Zeit nicht zu demontiren und muß daher, wenn man sie der Benützung durch den Feind entziehen will, mit Dynamit ge- sprengt werden. Soll sie nachmals wieder in eigene Benützung treten, so erfordert ihre Wiederherstellung einen unverhältnißmäßig großen Aufwand von Zeit und Arbeit. Beim Gelenksystem genügt es, die Bolzen einzelner Verbindungen heraus- zuschlagen und die Brücke wird unbenützbar, wobei durch Mitnahme der Bolzen Der eiserne Brückenbau. dem Feinde die Möglichkeit der sofortigen Reconstruction benommen ist. Ebenso rasch und einfach kann das Object wieder in Dienst gestellt werden. ... Die bei- stehenden Abbildungen (Fig. 258 und 259) veranschaulichen die Art der Knoten- verbindungen. Die meisten Brückenbauten der Union entsprechen dem durch Pratt ins Leben gerufenen, später durch Whipple theoretisch vervollkommneten System, das ursprünglich nur in Holz Anwendung fand. Es ist dies ein einfacher Fachwerks- träger mit gedrückten Verticalen und gezogenen Diagonalen, der sich von dem europäischen Constructionstypus im Wesentlichen nur dadurch unterscheidet, daß Fig. 258. Obere Knotenverbindung. die Abschlüsse an den Brückenenden schräg, d. h. die letzten Stufen in einem Winkel von 45° zum Widerlager herabgeführt sind. Wenn diese Anordnung auch der Materialökonomie entspricht, ist sie vom ästhetischen Standpunkte nichts weniger als befriedigend. Bei Brücken mit größeren Spannweiten wird das Fachwerk doppelt ange- ordnet, weil man dadurch kürzere Felder und schwächere Gitterstäbe erhält. Diese Anordnung ist allgemein unter dem Namen des » Lurville 'schen Systems« bekannt. Ein durch secundäre Einschaltungen etwas verstärktes System rührt von Pottit her. Ein hervorragendes Beispiel des erstgenannten Systems ist die Eisenbahn- brücke über den Hudson bei Poughkeepsie unfern von New-York, welche hier abgebildet ist (Fig. 260). Diese Construction setzt sich aus fünf einfachen Lurville- Trägern zu 160 Meter zusammen und fällt an ihr vornehmlich die eigenartige Zweiter Abschnitt. horizontale Verstrebung in der Mitte der Träger auf. Sie soll dadurch, daß sie einen Verband der Gitterstäbe bewirkt, diese gegen Ausknickungen schützen. Die schlanken, außergewöhnlich hohen Pfeiler, welche in diesem Falle auch dem ästhetischen Bedürfnisse Rechnung tragen, gestatten die freie Durchfahrt selbst dem höchstbemasteten Schiffe. ... Ein ähnliches Bauwerk ist die Brücke der Cincinati Southern Railway bei Cincinati mit einem Hauptfelde von 156 Meter Spann- weite. ... Neben den Parallelträgern mit einfachem, mehrfachem und untertheiltem Fachwerk, fanden alsbald auch Parallelträger mit Netzwerk vielfach Anwendung. Fig. 259. Untere Knotenverbindung. Dagegen finden die Systeme mit gekrümmtem Ober- und geradem Untergurte, trotz der hierbei zu erzielenden Materialersparniß, wenig Beachtung. Die Krone aller amerikanischen Brückenwerke bilden die eisernen Trestle Works und die meist großartigen Viaducte. Wie die einzelnen eisernen Träger- systeme sich aus den ähnlichen Typen der Holzbrücken entwickelten, sind auch die eisernen Trestle Works im Grunde genommen nichts anderes, als eiserne Gerüst- brücken, wobei das widerstandskräftigere Material eine wesentliche Vereinfachung der Versteifungen gestattete. Ihre großartigste Anwendung findet diese Construction bei jenen Riesenviaducten, welche für die amerikanischen Eisenbahnen typisch geworden sind. Als besonders hervorragend in dieser Beziehung seien genannt: Der Kentucky- viaduct in den Cincinati Southern Railway, der Kinzuaviaduct in der nach Der eiserne Brückenbau. Elf-County füh- Fig. 260. Eisenbahnbrücke über den Hudson bei Boughkeepsie, New-York. renden Zweig- linie der Erie- bahn und der 1892 fertigge- stellte Pecos- viaduct in der Southern-Pa- cificbahn. Der Kentu- ckyviaduct setzt über die 300 bis 400 Meter breite, 90 bis 140 Meter tiefe Schlucht des Kentucky River und weist zwei eiserne Thurm- pfeiler von je 53 Meter Höhe auf. Die Brücke hat bei einer Gesammtlänge von 343 Meter drei Oeffnungen, deren mittlerer eine Spannweite von 114 Meter zukommt. Der Erbauer dieses Riesenwerkes ist Shaler Smith , der, um die Anwendung eines continuir- lichen Trägers zu umgehen, sich für den Ger- ber 'schen Ge- lenkträger ent- Zweiter Abschnitt. Fig. 261. Der Kentuckyviaduct. schied. Die Verhältnisse gestatteten nicht, eigene Gerüste für die Montirung auf- zustellen; es mußte deshalb der Träger möglichst unabhängig montirt werden. Ein continuirlicher Balken würde dies ermöglicht haben, doch wurde der Constructeur schließ- lich durch die Erwägung beeinflußt, daß bei Anwendung des continuirlichen Trägers in demselben beträchtliche Differenzen im Kräftesysteme sich geltend machen würden, da die hohen Pfeiler bei Temperatur- änderungen Hebungen und Senkungen der Stützen zur Folge hätten. Trotz der Ungunst der örtlichen Ver- hältnisse wurde dieses Riesenwerk in der fabelhaft kurzen Zeit vom 16. October 1876 bis 20. Februar 1877 fertiggestellt, und zwar mit einem Arbeiteraufgebot von durchschnittlich 53 Mann pro Tag. Ueber den Bauvorgang berichtet Ingenieur Steiner das Folgende: »Die Arbeit wurde ohne eigentliches Gerüste durchgeführt und hierbei von den Landenden aus begonnen, wobei der Obergurt mit den Pfeilern der früher in Aussicht genommenen unvollendeten Drahtseilbrücke verankert wurde, während der Untergurt sich gegen das Mauerwerk stemmte. Auf diese Weise wurde der Träger successive vorgebaut. Ungefähr in der Mitte der äußeren Felder wurden hölzerne Thürme errichtet, welche Winden trugen, durch deren Anwendung den Trägern die richtige Höhen- lage gegeben und zum Theile auch die Ver- ankerung entlastet werden konnte. Der wich- tigste und schwierigste Punkt war, den richtigen Winkel einzuhalten, welchen man den Stäben an der Außenstelle zu geben hatte, um die Spitze des unterstützenden Holz- thurmes in der richtigen Höhe zu er- reichen, sowie die genaue Ermittelung und Durchführung der Höhenlage dieses pro- Der eiserne Brückenbau. Fig. 262. Viaduct über den Pecos River (Süd-Pacificbahn). Länge 763 Meter, größte Höhe 100‧6 Meter, größte Spannweite 56‧4 Meter. Fertiggestellt Anfangs November 1891 durch A. Bolzano. Entwurf von H. A. M'Kee. Zweiter Abschnitt. visorischen Stützpunktes selbst, um mit Rücksicht auf die Durchbiegung des von hier aus weiter freischwebend vorgebauten Theiles die permanente Unterstützung am eisernen Pfeiler in exacter Weise zum Anschluß zu bringen. ... Um die richtige Lage zu erhalten, wurde der ganze Pfeiler etwas gegen die Widerlager geschoben, was durch die unten angebrachten Rollenlager erleichtert wurde. Von hier aus wurde nun beiderseits der Träger freischwebend gegen die Mitte vorgebaut. ... Hierbei kamen in der Mitte die Theile nicht ganz zum Schluß, sondern es ergab sich ein Zwischenraum, der an den vier Vereinigungspunkten der Gurte nicht überall derselbe war, sondern innerhalb der Grenzen von 51 bis 127 Millimeter differirte. Durch Bewegen der Pfeiler, Vorschieben des Untergurtes an den Ankerstellen durch Schrauben und Abwarten günstigerer Temperatur wurde innerhalb 24 Stunden an allen vier Stellen die Vereinigung anstandslos bewirkt.« Noch bedeutender als das vorbesprochene Bauwerk ist der Kinzuaviaduct . Er ist 625 Meter lang und quert das Kinzuathal in 92 Meter Höhe. Die Träger ruhen auf 20 Thurmpfeilern, welche im Mittel 30‧3 Meter von einander abstehen. Die Pfeiler sind in Etagen von je 10 Meter hergestellt. Auch diese Brücke wurde ohne Rüstung gebaut und in 8½ Monaten fertiggestellt (1882). Constructeur und Erbauer desselben ist Adolf Bolzano , der auch den Pecosviaduct ausgeführt hat. Constructeur des letzteren ist M'Kee. Dieses Bauwerk hat eine Länge von 760 Meter und eine größte Höhe von 100‧6 Meter, übertrifft also den Kinzua- viaduct ganz beträchtlich. Die Zahl der Thurmpfeiler beträgt 23, von denen jedoch nur die im Thale selbst errichteten von Bedeutung sind; die kleineren liegen in den beiderseitigen Rampen. Die Ausführung dieses Bauwerkes (ohne Rüstung) erforderte ein Jahr. Wir haben bereits früher einmal erwähnt, daß in Amerika die Bogen- brücken selten sind. Ein Werk wie die großartige St. Louisbrücke , ist auf dem Boden der Union nicht wieder erstanden. Diese von Eads entworfene und aus- geführte Brücke setzt sich aus drei Feldern zusammen, deren mittleres 158‧5 Meter Spannweite aufweist, während den Endfeldern je 157 Meter Spannweite zukommt. Jede dieser drei Oeffnungen ist von einem Bogen überbrückt, auf welchem durch Vermittelung von steifen Verticalen die Fahrbahn ruht. Letztere trägt zwei Eisen- bahngeleise und über denselben eine Fahrstraße mit Tramways und Trottoirs für Fußgänger. Die Bogen bestehen aus concentrischen röhrenförmigen Gurten aus Stahl, welche durch ein mit demselben gelenkförmig verbundenes Netzwerk vereinigt sind. Der Abstand der Gurten ist 3‧6 Meter. Die Gurten sind an den Enden einge- spannt und bestehen aus einzelnen von Knotenpunkt zu Knotenpunkt sich erstreckenden Tuben, deren Achsen die Sehnen eines Kreisbogens bilden. Jede im Durchschnitte 3‧6 Meter lange Tube setzt sich aus sechs gewalzten Stahldauben zusammen, welche von Stahlreifen umschlossen werden. Die Tuben sind durch stählerne zweitheilige Kuppelungen verbunden, durch welche ein starker konischer Stahlbolzen greift, den die Augen der schmiedeeisernen Diagonalstrecken umfassen. Die letzteren werden durch Der eiserne Brückenbau. Gitterwerk verbundene Flacheisen gebildet. Die Montirung erfolgte ohne Rüstung, indem man durch zwei provisorische Aufbauten auf den Pfeilern die Bogenhälften in Tragarme verwandelte. Durch den Wegfall der Rüstung konnten die Tuben nur in der Weise an- einandergefügt werden, daß man sie von den Widerlagern her freischwebend vor- baute, was durch Anwendung von Kabeln, an welchen die Röhrenstücke hingen, zu erreichen war. Die Kabel waren an hohen Gerüsten über den Pfeilern befestigt. Trotzdem nun die Compression, welche jedes der Röhrenstücke durch den Druck erfuhr, dadurch Rechnung getragen war, daß jedes einzelne Stück entsprechend länger gehalten wurde (in Summa für jede Bogenhälfte 4 Centimeter), ergab sich in Folge ungleicher Erwärmung eine störende Differenz. Auch das Mehr der Länge der Röhrenstücke war, als das Schlußstück eingeführt werden sollte, durch das An- spannen der Kabel ausgeglichen. Ueberdies ergab sich, daß die beiden Bogenhälften nicht alignirt waren; das Ende der einen Hälfte lag um 17‧1 Centimeter zu niedrig, Fig. 263. Mississippibrücke bei St. Louis. 1874. das andere um 8‧2 Centimeter zu hoch, während in der Horizontalebene die eine Hälfte um 2‧5 Centimeter, die andere um 7‧6 Centimeter zu weit seitwärts standen. Die Seitenabweichungen konnten vermittelst der Kabel leicht ausgeglichen werden, nicht aber die verticalen Abweichungen. Man wartete also einen Temperatur- wechsel ab, der auch thatsächlich eintrat, wodurch die Differenz sich auf 5‧7 Centi- meter verminderte. Um keine Zeit zu verlieren, sollten nun die Gurten auf künst- lichem Wege abgekühlt werden. Sie wurden mit wasserdichtem Zeuge umhüllt und hierauf vertheilte man 10 Tonnen Eis über die Träger, das durch 36 Stunden durch 50 Arbeiter fortwährend erneut wurde. Ein warmer Wind trat der beab- sichtigten Wirkung theilweise hindernd entgegen, so daß schließlich noch immer eine Differenz von etwa 1 ½ Centimeter erübrigte. Man schritt nun dazu, die mittelst Schrauben auf eine Adjustirung von im Maximum 3‧2 Centimetern eingerichteten Röhrenstücke einzusetzen, was ohne Anstand gelang. Diese nicht ganz günstigen Erfahrungen, welche man beim Baue der St. Louis- brücke gemacht hatte, führten zu lebhaften Auseinandersetzungen über das System der Bogenbrücke, welche von Eads angeregt wurde. Er stellte unter Anderem den von den meisten Fachgenossen lebhaft bekämpften Satz auf, daß der Bogen in Bezug auf die Materialmenge die günstigste Trägerform repräsentire, welche selbst der Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 21 Zweiter Abschnitt. Kette vorzuziehen sei, empfahl aber in Zukunft die Anwendung von drei Gelenken, wodurch der Nachtheil des Temperatureinflusses vermieden wird und das ganze System statisch bestimmt erscheint. Die von Eads vorgeschlagene Anordnung besteht (nach einem interessanten Berichte des Ingenieur Steiner ) darin, die Gurten nicht parallel anzunehmen, sondern zur Erzielung größerer Steifigkeit in den Bogenrippen den Untergurt in der Weise concav zu krümmen, daß die Gurten am Kämpfer sowie am Scheitel zusammenlaufen, wodurch sich in der Mitte der halben Spannweite der größte Abstand ergiebt. Eads berechnet das Gewicht einer nach dieser Anordnung con- struirten Brücke, deren Obergurt aus Stahl besteht und die im Stande ist, auf eine Spannweite von 150 Meter eine zufällige Last von 0‧7 Tonnen für den laufenden Meter bis zu einer Maximalbeanspruchung von 1‧4 Tonnen für Stahl und 0‧7 Tonnen für Schmiedeeisen zu tragen, auf 2‧23 Tonnen für den laufenden Meter. Um bei Aneinanderreihung von mehreren gleich großen Spannweiten auch ein Mauerwerk zu ersparen, legt Eads die Bogen über die Bahn und verbindet sie über den Mittelpfeiler durch einen gemeinschaftlichen Lagerkörper, so daß bei unbelasteter Brücke die Schübe sich gegenseitig aufheben und die Pfeiler lediglich einem verticalen Drucke ausgesetzt sind. Ist aber eine Oeffnung belastet, so wird der daraus resultirende Horizontalschub durch ein Band aufgenommen, welches die beiden Bogenenden verbindet. Obwohl, wie wir gesehen haben, die amerikanische Brückenbautechnik in der Anwendung der Parallelträger und des Bogensystems ganz respectable Leistungen zu verzeichnen hat, liegt gleichwohl das Schwergewicht der modernen Constructionen auf einem Gebiete, auf welchem die Amerikaner unbestritten die erste Stelle ein- nehmen, d. i. auf jenem der Seilbrücke . Nirgend anderwärts hat dieses Con- structionssystem eine so weitgehende Ausbildung erfahren und zu so großartigen Ausführungen Anstoß gegeben, wie in der neuen Welt. Gegen die Seilbrücken treten die Kettenbrücken ziemlich zurück, obwohl die Union die Heimat der ersten überhaupt ausgeführten Kettenbrücken ist (1796). Etwa zwanzig Jahre später, als man die bedeutende Zugfestigkeit des Drahtes und seine Eignung zu Seilen kennen gelernt hatte, schritt man zur Ausführung der ersten Drahtseilbrücken. Von Nord- amerika aus wurden die Hängebrücken den Engländern bekannt, welche fast aus- schließlich die Kettenbrücken anwendeten und vervollkommneten. Erst in den Zwanziger- jahren unseres Säculums wurden die amerikanischen Drahtseilbrücken und die eng- lischen Kettenbrücken den Franzosen und Deutschen bekannt. Die erste große Drahtseilbrücke war die seinerzeit weltberühmte »Suspensions- Bridge«, welche den Niagara mit einer Spannweite von 250 Meter eine englische Meile unterhalb der großen Fälle übersetzte (1855). Ihr Erbauer war J. A. Röbling , ein Ingenieur deutscher Abkunft. Die Brücke bestand aus zwei Etagen, die untere für Wagen, Reiter und Fußgänger, die obere für die Eisenbahn. Zwischen zwei Paaren verhältnißmäßig schlanker Pfeiler, die im Felsengrunde der Ufer fundirt Der eiserne Brückenbau. waren, hing das zierliche und zugleich imponirende Bauwerk. In den Jahren 1880 bis 1886 hat diese Brücke wesentliche Verstärkungen erfahren, genügte aber trotzdem nicht mehr den heutigen Anforderungen des Eisenbahnverkehrs mit schweren Zügen. Man hat sich daher veranlaßt gesehen, eine zweite Brücke herzustellen, die nach dem Kragsystem erbaut ist und auf welche wir weiter unten zu sprechen kommen. Schließlich kam man dahin, die Röbling 'sche Brücke gänzlich zu beseitigen und an ihrer Stelle ein neues Bauwerk zu setzen. Es ist von Interesse, wahrzunehmen, daß die amerikanische Brückenbautechnik sich in diesem Falle mit dem Bogensystem befreundete und ein Werk schuf, das theils seiner Anordnung wegen, theils der Schwierigkeiten halber, welche der Bau dadurch bot, daß die neue Brücke in der Achse der alten ausgeführt und letztere stückweise abgebaut wurde, in mehrfacher Beziehung bemerkenswerth ist. Der Entwurf Fig. 264. Die neue Niagara-Bogenbrücke. zu dem Neubau rührt von dem Ingenieur L. Buck her, demselben, welcher die oben erwähnten Verstärkungen an der alten Hängebrücke durchgeführt hatte. Die Construction setzt sich aus einem Zweigelenk-Fachwerkbogen von 167‧4 Meter Stütz- weite (als Hauptöffnung) und zwei Nebenöffnungen mit Fachwerksbalkenträgern von je 35 Meter Stützweite zusammen. Die Pfeilhöhe beträgt 34‧7 Meter. Das feste Auflager der Balkenträger wird durch einen gelenkartigen Anschluß an die Endverticalen des Bogenträgers gebildet, während das bewegliche Widerlager auf dem Lande ruht. Die Fahrbahn ist zweietagig angeordnet, auf dem unteren Geschoß wird eine Straße von 7‧7 Meter Breite und 4‧2 Meter Höhe übergeführt, während an den Seiten der Hauptträger zwei Gangsteige von je 1‧8 Meter Breite ausgekragt sind. Die in Holz ausgeführte Fahrbahn wird durch an die Verticalen des Hauptsystems angeschlossene Querträger und vier zwischen diesen in je 3‧6 Meter Abstand an- geordnete Längsträger getragen. In gleicher Weise wird der Oberbau der in der zweiten Etage liegenden zweigeleisigen Eisenbahn gestützt. Der größeren Standsicherheit 21* Zweiter Abschnitt. halber sind die Hauptträger geneigt gestellt. Ihre Entfernung beträgt an den Kämpferpunkten 17‧2 Meter, in Schienenhöhe 9‧8 Meter. — Die neue Niagara- brücke wurde am 23. September 1897 dem Verkehr übergeben. Interessant sind etliche Einzelheiten, welche den complicirten Bauvorgang betreffen. Zunächst wurden die Hauptträger der Mittelöffnung, deren einzelne Stäbe bemerkenswertherweise nur durch Vernietung miteinander verbunden sind, fertiggestellt. Alsdann schritt man an den Aufbau der unteren Fahrbahnconstruction, welche im weiteren Verlaufe des Baues dazu bestimmt war, provisorisch die alte Röhling 'sche Brücke zu stützen. Da letztere ihrer eingeleisigen Anlage wegen schmäler war als der Neubau, fand sie zwischen den Hauptträgern der letzteren bequem Platz. Mit dem Ausbau der oberen Fahrbahn wurde die alte Brücke stückweise abgebrochen und nach Fertigstellung eines Geleises schließlich die ganze Drahtbrücke nebst den Brückenthürmen beseitigt und der Neubau vollendet. Eine Zeit hindurch hatte es den Anschein, als sollten auch in der Union die eisernen Balkenbrücken alle älteren Brückensysteme überflügeln. Als man aber gelernt hatte, die empfindlichsten Gebrechen der älteren Hängebrücken — mangelnde Steifig- keit, vornehmlich in den Ebenen der Tragwände — zu heilen, und als sich gleich- zeitig immer mehr die Ueberzeugung Bahn brach, daß zur Bewältigung sehr großer Spannweiten in den meisten Fällen Hängebrücken das beste Auskunftsmittel bildeten, wendete sich das Interesse diesem Constructionssystem wieder zu. Unterstützt wurde dasselbe durch die hohe Vollendung, welche in der Neuzeit in der Darstellung eines zähharten Stahldrahtes erzielt wurde. Röbling Vater, der Erbauer der Suspensions-Bridge am Niagara, war der erste, der den Gußstahldraht im Hängebrückenbau einführte. Das bislang un- erreichte Beispiel einer seiner Drahtbrücken ist die weltberühmte East River- Brücke zwischen New-York und Brooklyn, mit einer Mittelöffnung von 487 Meter und zwei Seitenöffnungen von je 283‧3 Meter. Da die Ansicht der amerikanischen Ingenieure dahin geht, daß eine Unterfahrung des East River mittelst einer Tunnel- anlage dem Zwecke weit mehr entsprochen hätte und die Kosten sich ganz wesent- lich niedriger gestellt hätten, hat es den Anschein, daß diesfalls die amerikanische Ingenieurkunst es in erster Linie auf die Schöpfung eines Werkes abgesehen hat, das nicht der absoluten Nothwendigkeit sich anpaßte, sondern vielmehr dem Streben entsprang, selbst auf Kosten der Oekonomie ein Werk zu schaffen, das, unübertroffen von anderen, durch seine Existenz an sich dem Ehrgeize der Nation Befriedigung gewähren sollte. Die Kosten dieses Riesenwerkes stellten sich demgemäß auch thatsächlich sehr hoch. Sie wurden von Röbling (Vater), entgegen der ursprünglichen Schätzung von 4 Millionen Dollar, auf 7 Millionen angegeben. Röbling (Sohn) revidirte drei Jahre nach Beginn der Arbeiten (1872) die Rechnungen seines Vaters und gab als wahrscheinliche Gesammtkosten 9 ½ Millionen Dollar an. Auch diese Summe erwies sich als zu niedrig bemessen, und 1873 stellten sich die Kosten bereits auf Der eiserne Brückenbau. 13 Millionen. Die Schlußrechnungen ergaben einen Capitalsaufwand von über 20 Millionen. Fig. 265. Alte East River-Brücke zwischen Brooklyn und New-York. Die Brücke hat zwei äußere Fahrbahnen für Straßenfuhrwerke und Pferde- bahnverkehr von je 5 Meter Breite, zwei schmalspurige Schienenwege für Locomotiv- betrieb von je 4 Meter Breite und in der Mitte einen erhöhten, 2 ½ Meter breiten Zweiter Abschnitt. Gangsteig. Die Gesammtbreite zwischen den äußeren Geländern beläuft sich also auf fast 26 Meter. Da die Brückenbahn in der Mitte 41, an den Pfeilern 36 ½ Meter hoch liegt, war die Anlage ziemlich langer Zufahrtsstraßen nothwendig (476 ½ und 296 Meter), die sich überdies im bedeutenden Steigungsverhältniß, 32 pro Mille, an die eigentliche Brückenbahn anschließen. Jedes der vier riesigen Drahtseile besteht aus 19 Bündeln. Die Drähte sind, wie erwähnt, aus Stahl und verzinkt. Sie haben einen Durchmesser von 4‧3 Milli- meter. Die Zerreißungsfähigkeit dürfte nicht unter 1‧5 Tonnen betragen, was einer Inanspruchnahme von 7‧4 Tonnen für den Quadratcentimeter gleichkommt. Der Durchmesser des Drahtes wurde mit Rücksicht auf den Umstand größer gewählt, als bei anderen bedeutenden Hängebrücken, weil sich hierdurch die Arbeit reducirte, ein schwererer Draht dem Winde mehr Widerstand und dem Roste eine kleinere Oberfläche darbietet. Andererseits aber bildete das gewählte Maß gerade die Grenze, bei welcher es mit Rücksicht auf die Steifigkeit noch handlich erscheint. Die Ver- zinkung erfolgte deshalb, weil sie das beste Schutzmittel gegen die sich anhängenden Salzkrystalle bildet. Die vier Kabel, welche je aus 6000 Drähten bestehen, haben den enormen Durchmesser von 4 Decimeter; das Gewicht pro laufenden Meter beträgt 2‧8 Tonnen, das Gewicht der Fahrbahn pro laufenden Meter 10 Tonnen. Die Kabel haben ein Tragvermögen von 10.000 Tonnen, doch wird dasselbe kaum für den zehnten Theil dieser Last in Anspruch genommen. Die beiden Pfeiler, welche noch um ein Bedeutendes die Fahrbahn überragen, haben eine Gesammthöhe von je 87 Meter, so daß sie die höchsten Kirchthürme von New-York überragen. Jeder Pfeiler hat annähernd ein Gewicht von 75.000 Tonnen. Die Mauerpfeiler für die Verankerung sind etwa 27 Meter hoch. Jeder der beiden Thürme ist auf einer Grundfläche von 1590 Quadratmeter fundirt und beträgt der Druck auf dieselbe pro Quadratmeter 71 Tonnen. Die Bohrungen, welche lange vor Beginn des Brückenbaues in Angriff ge- nommen wurden, ergaben auf der Brooklyner Seite in 24 bis 30 Meter Tiefe Gneisfelsen mit wechselnden Schichten von Sand, grobem Kies und Thon, in welchem Findlinge eingebettet waren, überlagert. Das Material erwies sich indeß schon in einer Tiefe von 15 Meter so compact, daß man sich gleich von vornher entschied, mit der Fundirung nicht unter diese Tiefe zu gehen. Weniger günstig lagen die Verhältnisse auf der New-Yorker Seite, wo das Material aus zum Theil mächtigen Schlamm-, Sand- und Schwemmsandschichten bestand, denen erst in 24 bis 28 Meter Tiefe Felsboden folgte. Von besonderem Interesse sind die Daten und Mittheilungen, welche Ingenieur Steiner über die zu den Fundirungsarbeiten hergestellten Caissons giebt. Dieselben erhielten eine rechteckige Grundrißform mit 52‧5 Meter Länge und 31‧5 Meter Breite. Die Decke war aus starken, sich rechtwinkelig kreuzenden Balkenlagen con- struirt, welche eine solide Masse von 4‧6 Meter Dicke beim Brooklyner und 6‧7 Meter Der eiserne Brückenbau. Dicke beim New-Yorker Caisson bildeten. Um die Caissons luftdicht zu machen, wurden alle Fugen kalfatert und überdies die Innenseiten der Caissons theils mit Blech- platten bekleidet, theils mit wasserdichtem Anstrich versehen. Die Arbeitskammern waren durch fünf starke Querwände in sechs Abtheilungen getheilt, eine An- ordnung, die sich aus der Erwägung ergab, daß im Falle des Entweichens der comprimirten Luft nicht die ganze Last auf den Rändern der Seitenwände zu ruhen komme. Zur Verbindung mit der Außenwelt dienten bei jedem Caisson zwei Luft- schachte von mehr als einem Meter Durchmesser. Sie mündeten an der Decke der Caissons in die wasserdicht ausgezimmerten Hohlräume der Pfeiler, durch welche die Arbeiter auf- und abstiegen. Die Luftschleusen befanden sich beim Brooklyner Caisson am oberen Ende des Schachtes, unmittelbar über der Decke des Caissons, während sie beim New-Yorker Caisson nach unten verlegt und paarweise an jedem Luftschacht angebracht wurden, um dem ganzen Arbeitercontingent von 120 Mann mit einemmale den Ein- und Austritt zu gestatten. Die Materialförderung fand durch entsprechende Wasserschachte statt, die aus Kesselblech hergestellt waren und gleichfalls durch die Hohlräume der Pfeiler führten. Durch successive Verlängerung wurden sie immer über Hochwasser gehalten. In jedem dieser Caissons arbeitete eine zangenartig sich schließende Cumming 'sche Baggerschaufel, welche das Material in die Höhe förderte. Daß aber diese Wasserschachte leicht zu einer großen Calamität werden konnten, zeigte ein Zwischenfall beim Brooklyner Caisson, die demselben verhängnißvoll hätte werden können. Es war an einem Sonntagmorgen, bei tiefem Ebbestand, als plötzlich ein Wasserschacht mit ungeheuerem Getöse »ausgeblasen« wurde, Wasser, Steine und Schlamm bis zu der ungeheueren Höhe von 150 Meter emporschleudernd. Durch diese plötzliche Entleerung der Luftkammer wurde auf den Caisson ein Druck von etwa 18.000 Tonnen ausgeübt; er hielt jedoch Stand und erlitt außer der Zerknickung mehrerer Querwände, in Folge einer plötzlichen Senkung, keine nennenswerthe Beschädigung. Eine andere interessante Einrichtung waren die »Sandausbläser« im New- Yorker-Caisson, die eine höchst vehemente Thätigkeit entwickelten und in zwei Minuten einen Cubikmeter Sand entfernten. Der um die untere Mündung aufgeschaufelte Sand wurde bis zu 150 Meter Höhe emporgeschleudert; mitgerissene Steine ver- letzten die Arbeiter, indem sie ihnen die Finger wegrissen, oder die Arme zer- schmetterten. Die Luftzuführung erfolgte durch Compressoren mit Dampfbetrieb. Großer Vorsicht bedurfte es, um in den hölzernen Caissons den Ausbruch von Feuers- brünsten zu verhüten. Trotzdem trat dieser Fall wiederholt ein und gelegentlich nahm ein solcher Brand derartige Dimensionen an, daß er bis zur sechsten Balken- lage vordrang und der Caisson unter Wasser gesetzt werden mußte. Die Aufstellung des Brooklyner Caissons hatte 27 Monate in Anspruch genommen. Er enthält über 3000 Cubikmeter Holz und 250 Tonnen Eisen; die in ihm geförderte Aushub- masse betrug 15.000 Cubikmeter. Zweiter Abschnitt. Die Fundirung der Pfeiler erfolgte in der Weise, daß zunächst ein Rost aus kreuzweise übereinandergelegten Fichtenstämmen hergestellt wurde. Auf diese Basis kamen sodann zwei Steinlagen von riesigen Kalksteinblöcken und obenauf die Ankerplatten, vier auf jeder Seite. Die riesigen Platten sind sternförmige Guß- stücke, deren jedes ein Gewicht von 23 Tonnen hat. Sie sind am rückwärtigen Theile des Fundamentes eingefügt, und zwar zwei in der Mitte hintereinander und eine an jeder Seite, mittelst Cement in eine dritte Steinlage eingebettet. Durch die in der Mitte der Platten befindlichen Oeffnungen wurden die ersten Glieder Fig. 266. Neue East River-Hängebrücke. der Zugkette gesteckt und durch einen 18 Centimeter schmiedeeisernen Bolzen fest- gehalten. Jedes Kettenglied besteht aus zehn schmiedeeisernen Stäben, die ungefähr 4 Meter lang sind und einen Querschnitt von circa 2 Decimeter haben. Nachdem die ersten Kettenstäbe mit den Platten verankert waren, wurde das Kalksteinmauerwerk weiter aufgeführt, indem unmittelbar über jede Platte ein Block im Gewichte von circa 10 Tonnen aufgelegt wurde. Mit der fortschreitenden Erhöhung des Mauerwerkes ging das Ineinanderfügen weiterer Kettenglieder Hand in Hand, wobei dieselben immer wieder mit Granitblöcken umgeben wurden, bis das Mauerwerk die Höhe von 28 Decimeter erreichte. Die letzten Kettenglieder be- stehen aus doppelt so vielen Stäben als die vorhergehenden, doch sind sie nur halb so Der eiserne Brückenbau. dick, um sich dem gegebenen Raume anzupassen. Diese Stäbe sind abwechselnd unter einem spitzen Winkel auf- und abwärts geneigt, und mit je zwei Paaren wurde schließlich ein Strang des großen Drahtseilkabels verbunden, und zwar in der Weise, daß das in eine große Schlaufe getheilte Ende desselben um einen huf- eisenförmigen, mit einer Fig. 267. Pfeiler der neuen East River-Hängebrücke. Rinne versehenen schmiede- eisernen Schuh zu liegen kam; letzterer wurde mit- telst zweier gewaltiger Zapfen oben und unten in die an den Köpfen der Stäbe angebrachten Lager geschoben und be- f estigt. Auf diese Weise sind im Ganzen 19 Seil- stränge mit den Ketten- gliedern jeder Ankerplatte verbunden worden. Besondere Schwierig- keiten verursachte das Spannen der vier Kabel, denn diese Arbeit gelingt nur bei Windstille und nur bei Tage; auch ist das Hängen und Legen der Drähte für gleiche Spannungen sehr zeit- raubend und, was die Genauigkeit dabei anbe- langt, sehr von der je- weiligen Temperatur ab- hängig. Aus diesen Grün- den benöthigte man für das fertige Ausspannen der vier Kabel nicht weniger als zwei Jahre. Hierbei wurde die Beobachtung gemacht, daß an heißen Sommertagen eine Verdrehung der Kabel bis zu 30 Grad in der Brückenmitte stattfand, ein Beweis für das Auftreten innerer Spannungen unter der ungleich- mäßigen Sonnenstrahlung. Von den über die Thürme geführten Hauptkabeln gehen kurze Verticalkabel, und von den Thürmen selbst Diagonalkabel ab, welche die Fahrbahn tragen. Die Zahl der Diagonaltaue beläuft sich auf 24 an jedem Ende Zweiter Abschnitt. der Hauptöffnung; die Länge des von diesen Tauen unmittelbar getragenen Theiles der Fahrbahn mißt 100 Meter (doppelt so viel als bei der Niagara- Seilbrücke). Die Großartigkeit dieses Bauwerkes erfaßt den Beschauer erst dann in vollem Maße, wenn er sich auf die luftige Höhe des Strombrückenfeldes begiebt und auf die breite Spiegelfläche des East River mit seinem reichbewegten Leben hinabschaut. Welch ein verkörperter Riesentrotz in dieser Kraftleistung menschlichen Könnens liegt, erfaßt man erst hier oben, mit dem Ausblick auf das unübersehbare Häuser- meer des größten amerikanischen Emporiums, mit seinen durch gewaltige Flußläufe — welche Meeresarmen gleichen — geschiedenen Stadttheilen. Wir haben zu unserer Linken das eigentliche New-York, dessen langgestrecktes Häusermeer sich tief im Hintergrunde der Manchatten-Insel verliert. Ueber die Spitze New-Yorks hinweg sehen wir jenseits des majestätischen Hudson den Stadttheil Hoboken; weiter Newark, etwas tiefer herab Jersey City und das grüne Juwel Staten Island mit seiner idyllischen Abgeschiedenheit: ein romantischer Wellenbrecher vor dem weiten Ocean, der dort zwischen den Hafenbefestigungen, an Brooklyn vorüber, dem Hudson ent- gegenfluthet. Und dieses Brooklyn selber, auf das wir rechter Hand hinabschauen: ist es nicht eine Großstadt für sich, ebenbürtig der stolzen und prächtigen Stammmutter? Bis in weite Ferne, wo im Weichbilde des Häusermeeres von Brooklyn grünes Land sich öffnet und Schienenwege nach allen Richtungen Long Island durch- furchen, dringt der Blick des Beschauers — abwechselnd nach vier Weltrichtungen gewendet — wie sich großartiger, herrlicher, lebensvoller ein zweites auf der Erde nicht wiederfindet. Nach Fertigstellung der Brooklyn-Brücke würde Niemand zu ahnen gewagt haben, daß nach Ablauf einer verhältnißmäßig kurzen Zeit in New-York Brücken- werke geschaffen würden, welche Röbling 's gigantischen Bau theils erreichen, theils übertreffen. Von diesen Brückenwerken sind allerdings erst zwei realisirt worden — die beiden neuen Brücken über den East River — während die Krone unter diesen Schöpfungen — die Lindenthal 'sche Hängebrücke über den Hudson — vorläufig über das Stadium des Projectes nicht hinausgekommen ist. Von den beiden erstgenannten Brücken zeigt die eine große Aehnlichkeit mit der älteren Brooklyn-Brücke, wie sie denn auch die gleiche größte Spannweite — 487 Meter — aufweist; die zweite neue Brücke über den East River ist nach dem Kragsystem ausgeführt und wird von ihr weiter unten die Rede sein. Die Hängebrücke ist hier in ihrer Gesammtansicht abgebildet (Fig. 266), während eine zweite Darstellung (Fig. 267) die Anordnung der Pfeiler veranschaulicht. Was nun das von Gustav Lindenthal (Chefingenieur der North River Bridge Company in New-York) geplante Riesenwerk anbelangt, folgen wir hier aus- zugsweise einem Vortrage, welchen derselbe am 14. Jänner 1896 im Verein für Eisenbahnkunde in Berlin gehalten hat. Um die Bedeutung dieses Projectes klar zu Der eiserne Brückenbau. erfassen, ist es nothwendig, einen Blick auf die Verkehrsverhältnisse von Groß-New- York zu werfen. Vergegenwärtigen wir uns zunächst die topographische Situation. Die Manchatten-Insel, auf welcher New-York erbaut ist, wird — wie bereits ange- Fig. 268. Lindenthal's projectirte Hudson River-Brücke. deutet — im Westen vom North River (Hudson), im Osten vom East River, im Norden vom Harlem River begrenzt. Nachdem für den Riesenleib der Stammstadt das Eiland zu klein geworden, dehnte sie sich nach Norden hin über den Harlem- fluß aus. Auf der Insel selbst wohnen 1,800.000 Menschen; Brooklyn, jenseits Zweiter Abschnitt. Fig. 269. Lindenthal's projectirte Hudson River-Brücke. des East River, zählt 1,200.000 Einwohner, New-Jersey (im gleichnamigen Staate), jenseits des North River, beherbergt 500.000 Seelen. Dazu kommen noch andere große Stadttheile, so daß Groß-New-York weit über vier Millionen Einwohner zählt. Nun führt aber nur eine Eisenbahnlinie des Hinterlandes — die New-York Central Railway — in die Manchatten-Insel, also in das Herz von New-York, hinein; die übrigen 13 Bahnen, welche mit 34 Geleisen ins Land ausstrahlen, endigen am Ufer des North River in New-Jersey und überfluthen nun mit ihrem Verkehr nach New-York den Fahrdienst über den North River, der gleichzeitig einen großen Theil des transatlantischen Personen- und Waarenverkehrs aufzunehmen hat. Der North River hat sonach in Folge dieser Sachlage den größten Stromverkehr der Welt zu vermitteln. Alljährlich kreuzen den Fluß 85 Millionen Menschen und 1 ¼ Millionen Eisenbahnwagen auf Fuhrschiffen; die Fracht von 15 bis 16 Millionen Tonnen verbraucht allein New-York; weitere 10 Millionen Tonnen Güter kreuzen den North River mit anderer Bestimmung. Die Strombreite ist etwa 1500 Meter. Vor ungefähr zwölf Jahren hat Linden- thal eine Brücke entworfen, welche mit einer Hauptöffnung von 945 Meter und zwei Neben- öffnungen zu 600 Meter den North River an einer Stelle, wo dieser 835 Meter breit ist, übersetzen soll. Aus obigen Daten geht hervor, daß Lindenthal 's Brücke bezüglich ihrer Hauptöffnung fast die doppelte Spannweite der alten, beziehungsweise neuen East River- Brücke aufweist; die Spannweite der Neben- öffnungen (600 Meter) ist größer als die bisher durchgeführte Spannweite unter allen bestehenden Brücken — der Forthbrücke mit 521 Meter. Das Verhältniß der Hauptspann- weite zu den Spannweiten der Nebenöffnungen Der eiserne Brückenbau. (945:600) zeigt, daß letztere größer sind als die halbe Mittelspannweite. Das läßt sich nicht gut vermeiden, weil die umfangreichen Verankerungsgebäude nothwendig auf sicherem und in nicht zu großer Tiefe erreichbarem Felsboden gegründet und deshalb weit landeinwärts geschoben werden müssen. Um aber bei solch ungünstigem Verhältniß zwischen der Weite der Seiten- und Mittelöffnung die Biegungsmomente in den Seitenöffnungen zu verkleinern, damit hier keine zu schwere Construction der Kabel und Fahrbahnen nothwendig wird, ist etwa in der Mitte zwischen den Thürmen und der Verankerung in jeder Seitenöffnung unter die Streckträger noch eine Stütze gestellt. Das Pfeilerverhältniß der Seitenöffnungen ist zu \nicefrac{5}{21} , das der Mittelöffnung zu ⅒ angenommen, so daß bei Vollbelastung der Brücke der Horizontalzug in allen Oeffnungen gleich groß wird. Vorerst soll die Brücke mit acht Fahrgeleisen ausgerüstet werden, doch ist dem zu erwartenden Verkehrszuwachse insoferne Rechnung getragen, als in Etagen- höhe über der zunächst zu erbauenden Brückenbahn der Einbau einer zweiten Brückentafel zur Aufnahme von sechs weiteren Geleisen vorgesehen ist. Wie erwähnt, soll das auszuführende Bauwerk eine Kabelhängebrücke werden. Da die Kabel fest und leicht sein sollen, kommt als Material nur Draht in Frage. Lindenthal plant die Verwendung von 5 Mm. starkem Draht (gegen 2 ½ Mm. bei der Brooklyn-Brücke), um einerseits die Arbeit zu verringern, die das Kabelspannen ver- ursacht, anderentheils die Größe der rostenden Oberfläche herabzudrücken. Als Material für die beiden Pfeiler an den Flußufern ist Stahl in Aussicht ge- nommen, deren Ausführbarkeit rechnerisch festgestellt worden ist, trotz der gewaltigen Spannungsänderungen des Seiles. Auf der New-Yorker Seite beträgt die Fundirungstiefe 62 Meter, in New-Jersey 40 Meter. Solche Tiefen sind bis jetzt noch nicht bewältigt worden. Unter Wasser sollen die Pfeiler massiv sein, darüber in Fachwerk ausgeführt werden. Durch einen etwa 5 Meter dicken und außen mit einer dicken Eisenhaut umgebenen Kofferdamm soll der Bauplatz für jeden der beiden Pfeiler im Wasser umgrenzt werden. Innerhalb dieses Kofferdammes wird alsdann aller Schlamm ausgespült, so daß die Baugrube mit reinem Wasser gefüllt bleibt. Der felsige Grund wird hierauf mit Schotter geebnet und auf diese Grundlage ein Holzrost von sich kreuzenden Balkenlagen aufgeführt werden, und zwar so hoch, daß er schließlich 15 Meter aus dem Wasser herausragt. Die Balken werden hierbei der- art geschichtet, daß ab und an, gleichmäßig auf den Querschnitt des Pfeiler- fundaments vertheilt, Hohlräume von 1 Meter im Quadrate frei bleiben, welche gleich Schächten bis auf den Grund hinabreichen und mit Schotter ausgefüllt werden. Der Holzstoß wird oben durch Mauerung abgeglichen und letzteres endlich trägt die Pfeiler, beziehungsweise die Fachwerkthürme. Da unter deren Wucht der Holzunterbau zusammengedrückt wird, muß, entsprechend der für die Thürme fest- gesetzten Höhe, das Maß dieser Pressung berechnet werden, was insoferne mit Schwierigkeiten verbunden, da vorläufig jede Erfahrung rücksichtlich der Zusammen- Zweiter Abschnitt. drückbarkeit des mit Wasser vollgesogenen Holzes unter großer Belastung fehlt. Für die Brücke und die Pfeiler werden 150.000 Tonnen Stahl gebraucht, darunter 40.600 Tonnen Draht für die gewaltigen Kabel. Die Kabeldrähte — 18.400 Stück in einem Kabelquerschnitt an den Thürmen — werden nur geölt, nicht verzinkt, wie bei der Brooklyner Brücke. 7300 Drahtglieder, wie sie in den vier Kabeln enthalten sein werden, sollen in den Brückenwerkstätten durch zehn Maschinen innerhalb 16 Monaten fertiggestellt werden. Die Abtheilung in Glieder ist deshalb vorgesehen, weil es schier unmöglich sein würde, ganze Kabel auf die luftige Höhe der Thürme emporzuheben. Die einzelnen Glieder sollen, wie bei der Gelenkkette, durch Bolzen verbunden werden und fertig gewickelt aus der Brückenwerkstatt auf den Bauplatz gelangen, wo man sie nur zusammenzufügen braucht. Sobald die Thürme fertig sind, wird zwischen denselben eine Nothbrücke aus besonderen Kabeln gespannt und von diesem Arbeitsplatze aus werden die Tragkabelketten — wie wir sie nennen möchten — symmetrisch zu beiden Seiten jedes Thurmes angehängt, bis endlich die mittleren Enden in der Brückenmitte aneinander stoßen und die äußeren Enden an den Verankerungsstellen befestigt werden. Die Kettenbolzen nehmen gleichzeitig die Platten zum Anfügen des Fach- werkes auf, womit die Verbindung der Tragkabeln mit der Brückenbahn hergestellt wird. Da, wie wir gesehen haben, für die Anlage einer zweiten Fahrbahn vorgesorgt ist, müssen die Kettenbolzen eine Länge erhalten, welche es ermöglicht, daß die Kabel durch seitliches Aufschieben weiterer Glieder verstärkt werden können. Bei der Berechnung für die ersten acht Geleise ist angenommen, daß die Brücke eine ruhende Last von 5 Tonnen für den laufenden Meter Geleise zu tragen habe, sodann daß diese Lasten auf allen acht Geleisen gleichzeitig vor- geschoben werden. Obwohl beides in Wirklichkeit nie zutreffen wird, ist die Rechnung gleichwohl auf diesem Sachverhalt basirt. Aber selbst bei Eintritt einer solchen Beanspruchung würde die Brücke noch doppelte Sicherheit gegen Bruch bieten. Der zwischen den Thürmen hängenden Construction kommt ein Eigengewicht von 50 Tonnen pro laufenden Meter zu, während — wie wir gesehen haben — 40 Tonnen Last für den laufenden Meter mit Sicherheit getragen werden. In diesen Zahlen verkörpert sich die Genialität der Construction dieser frei über einen Kilometer gespannten Brücke. Die ganze Brücke hat, von Mitte zu Mitte der Verankerungsmauerwerke gerechnet, eine Länge von 2145 Meter, während die Forthbrücke 2394 Meter lang ist. Die zwei Hauptträgerwände der Lindenthal 'schen Brücke setzen sich aus dem oberen Hängegurt, dem unteren Streckenträger und den zwischen beiden aus Drahtseilen bestehenden Trageisen zusammen. Während bei der Brooklyner Brücke die vier Kabel der Hängegurten nebeneinander liegen, will Lindenthal je zwei Kabel übereinander anordnen und beide untereinander durch Gitterwerk ver- binden und versteifen. Dieses System hat schon früher einmal Anwendung ge- funden, sich jedoch nicht bewährt. Lindenthal hofft, durch zweckmäßige Ver- Der eiserne Brückenbau. besserungen den dieser Anordnung anhaftenden Uebelstand zu beseitigen. Die Hänge- gurte tragen die geraden Streckenträger mit dem Fahrbahngerippe, wobei jede der beiden Tragwände mit ihren Tragseilen und den vier Kabeln in eine geneigte Ebene zu liegen kommt. Dazu ergiebt sich die Tragwandentfernung auf den Thürmen zu 48‧8 Meter, während sie in der Brückenmitte nur 36‧6 Meter mißt. Eine Folge dieser Anordnung ist eine große Seitensteifigkeit der Hängegurten gegen Wind, sie wirken als Hängeträger für sich, so daß erfahrungsgemäß zwischen ihnen ein Windverband nicht erforderlich wird. Das Lindenthal 'sche Project ist nicht unangefochten geblieben. Neben der North River Bridge Company erhielt nämlich noch eine zweite Gesellschaft die Concession zur Herstellung eines Brückenbaues über den Hudson, doch wurde deren Project — eine Kragbrücke — aus naheliegenden Gründen verworfen. Ferner wurde seitens des Kriegsministeriums eine Commission berufen, welche die Frage der Ueberbrückung des Hudson zu studiren hatte. Hierbei ist von Interesse, zu hören, daß diese Commission die praktisch zulässige Grenze der Spannweite einer Hänge- brücke mit Rücksicht auf den gegebenen Verkehr und die nothwendige Capitals- verzinsung mit 1321 Meter ermittelt hat. Unter Einem wurde vom Kriegs- ministerium der Standpunkt vertreten, daß ein Einbau von Pfeilern in das Hudsonbett grundsätzlich als unzulässig anzusehen sei. Demgemäß entwarf die Commission das Project einer Hängebrücke, bei welchem die Schrägseile — wie sie die Brooklyner Brücke aufweist — fortgelassen sind, um das System möglichst statisch bestimmt zu machen. Aus demselben Grunde hat der Versteifungsträger in der Brückenmitte ein Gelenk erhalten. Zum Tragen der gesammten Brückenlast sind zwölf Kabel vorgesehen, je sechs nebeneinander auf jeder Trägerseite. Trotz alledem dürfte der Lindenthal 'sche Entwurf den Sieg davontragen. Die Lindenthal 'sche Methode, die Drahtkabel aus einzelnen Gliedern zusammenzusetzen, hat logischerweise die Frage angeregt, ob denn nicht überhaupt eine Kette, gebildet aus zähharten Flußstahlgliedern, vortheilhafter in ihrer An- wendung für Hängebrücken sei, als ein Drahtkabel. Baurath Mehrtens entscheidet sich zu Gunsten der Drahtkabel mit folgender Motivirung: »Geschmiedete Glieder einer Flußstahlkette wird man höchstens mit einer Festigkeit von 60 bis 7 Kilogramm- Millimeter erhalten und verwenden können. Bei gleicher Sicherheit und sonst gleichen Verhältnissen würde also das Gewicht der Kette mindestens doppelt so groß aus- fallen, als dasjenige des Kabels. Weil aber eine Kette breiter ausfällt als ein Kabel, so hängt an ihr auch eine breitere, schwerere Bahn; außerdem bedingen die nothwendigen Querschnittsverluste durch Einziehen der Bolzen und entsprechende Gestaltung der Bolzenaugen eine Vermehrung des Kettengewichtes, dem gegenüber beim Kabel nur das weit geringere Gewicht der Kabelumwickelung zu rechnen ist. Je größer die Weite der Brücke, desto ungünstiger wird darnach das Verhältniß der Gewichte von Kabel und Kette. Schon bei einer Weite von 300 Meter kann unter gewöhnlichen Verhältnissen die Kette rund etwa dreimal so viel wiegen Zweiter Abschnitt. als das Kabel . ... Das größere Eigengewicht der Kette bringt aber auch einen entsprechend höheren Kettenzug hervor als ein leichterer Kabel, und dadurch wieder ergiebt sich die Nothwendigkeit, die Verankerung entsprechend widerstandsfähig zu machen, was auch erhebliche Mehrkosten für die Kette verursacht, die mit der Größe der Spannweite wachsen.« Aus dieser Darlegung ist zu ersehen, daß der Kette ganz außergewöhnliche Vorzüge zu eigen sein müßten, um ihr zu Liebe das Unökonomische der Construction mit in den Kauf zu nehmen. Bei großen Spannweiten handelt es sich um Mehr- kosten, die sich nach Millionen beziffern. Mehrtens ist nicht geneigt, zuzugeben, daß die Kette eine größere Gewähr für gleichmäßigere Vertheilung der Spannkräfte böte, daß sie sicherer zu untersuchen und zu unterhalten sei; dagegen giebt er bedingungsweise zu, »daß die künftige Erneuerung einer Kette sich bequemer voll- ziehen wird, als dies beim Kabel möglich ist«. Ein Kabel, das aus einer großen Zahl von gleich langen, in einer Länge durchgehenden dünnen Drähten besteht, hält der genannte Fachmann für das vollkommenste Zugglied, das es giebt. Er vermag nicht einzusehen, warum eine Kette oder irgend eine andere aus Blechen und Formeisen genietete Construction sicherer sein sollte, als ein Kabel. Daß ein Rosten der verschlossenen, umwickelten und durch Anstrich gehörig geschützten Kabel eintreten könnte, ist nach den bisherigen Erfahrungen in Amerika nicht anzunehmen. Viel leichter und viel eher rosten jedenfalls die Verbindungen unserer gewöhnlichen eisernen Brücken, deren Sicherheit doch überall für ausreichend gehalten wird. Was schließlich die Kosten der Lindenthal 'schen Brücke anbetrifft, beziffert sie der Projectant ohne Zulaufviaducte und ohne Bauzinsen auf 21 Millionen Dollars; mit den Anfahrten und einer Kehrschleife in der Stadt von etwa 100 Meter Radius, aber ohne Stationen, auf 36 Millionen, und endlich in ganzer Vollendung mit allen Grunderwerbskosten, Bauwerken, Verzinsungen u. s. w. auf 100 Millionen Dollars. Im letzten der vier Baujahre, in denen Lindenthal das Riesenwerk vollenden zu können meint, werden die Zinsen für jeden Tag 5000 Dollars be- tragen. Die erwähnten Geleisschleifen an den Enden der Anfahrten ermöglichen einen andauernden Kreislauf und somit den glattesten Betrieb. Im Jahre 1895 wurden — wie erwähnt — 85 Millionen Personen und 1 ¼ Millionen Güter- wagen neben ungezählten Fuhrwerken aller Art über den Hudson gesetzt. Linden- thal schätzt die voraussichtliche Zunahme des Verkehres auf rund 5 Millionen Personen. Wir haben gelegentlich der Besprechung der Forthbrücke gesehen, wie an diesem gewaltigen Bauwerke der Kragträger (oder Cantileverträger), d. i. der Träger mit freistehenden Stützpunkten, zum erstenmale in großartigen Dimensionen An- wendung gefunden hat. Schon vor Langem vorgeschlagen (in den Sechzigerjahren), haben die Kragträger erst in neuerer Zeit die ihnen gebührende Beachtung ge- funden, und zwar vornehmlich deshalb, weil sie, ohne Anwendung einer Rüstung, sehr bedeutende Oeffnungsweiten zu überspannen gestatten. In Deutschland hat das Der eiserne Brückenbau. System, wegen seiner in ästhetischer Beziehung wenig befriedigenden Gestaltung, geringen Beifall gefunden. Die praktischen Engländer und Amerikaner haben sich daran nicht gehalten, wie, bezüglich der ersteren, die Forth- Fig. 270. Cantileverbrücke bei den Niagarafällen. brücke darthut, die schwerlich jemand als schön bezeichnen wird. Immerhin ist die Möglichkeit gegeben, das System auch in wohlgefälligerer Linienführung zu entwickeln, und es ist nicht zu bestreiten, daß diese Möglichkeit sich in der neuen, von Schneider ohne Einrüstung der Mittelöffnung in der überraschend kurzen Zeit von drei Monaten fertiggestellten neuen Niagarabrücke sich verwirklicht zeigt. Zu der hier stehenden Abbildung (Fig. 270) ist zu bemerken, daß zur Kenntlichmachung der Gelenke, beziehungsweise des mittleren, auf den beiderseits ausgekragten Enden ruhenden kleinen Trägers die betreffen- den, lediglich als Füllstücke dienenden Stäbe nur punktirt worden sind. Selbstverständlich kann dieses Brückensystem auch in anderen Formen zur Anwendung kommen und weist überhaupt den größten Formenreichthum auf, da Kragarme und Mittelträger verschieden und unabhängig von einander durchgebildet werden können. Werden die landseitigen Kragarme sehr kurz, so muß man sie, wie auch bei dem hier gezeigten Beispiele nöthig war, mit den Landpfeilern verankern, um so das Aufkippen der Brücke bei Belastung der Mitte zu verhüten. Das größte Bauwerk nach dem Krag- systeme ist die neue East Riverbrücke, welche New-York mit Long Island verbindet, und von der weiter oben bereits flüchtig die Rede war. Mit der Brücke steht ein neuerbauter Centralbahnhof der Long Island Ralway Co. in Verbindung, der 18 Meter über dem Wasser- spiegel liegt. Außerhalb derselben laufen die zwölf Geleise der Centralstation in vier zusammen, indem sie auf hohen stählernen Viaducten an die eigentliche Brücke anschließen, während der Wagenverkehr und die Fußgänger eigene Rampen, seitwärts der erwähnten Viaducte, zur Verfügung haben. — Was die Brücke selbst anbetrifft, gestattete ein im East River liegendes Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 22 Zweiter Abschnitt. Fig. 271. Neue East-Riverbrücke zwischen New-York und Long-Island. Der eiserne Brückenbau. Inselchen — Blackwells Island (siehe das hier stehende Kärtchen) — eine wesentliche Erleichterung in der Anlage und Ausführung der Pfeiler, wodurch die beiden Stromöffnungen sich auf 180 Meter Weite reducirten, während die größte Oeffnung von 204 Meter das genannte Inselchen überspannt. Die Construction setzt sich aus drei Consolträgern (Cantilevern) und zwei Mittelstücken zusammen, deren erstere an den Landseiten je 160 Meter Länge haben, während dem mittleren Consol- träger, welcher sich über dem genannten Inselchen erhebt, 180 Meter Länge zu- Fig. 272. New-York. I. Alte East Riverbrücke. — II. Neue East Riverbrücke. — III. Lindenthal Hudson Riverbrücke (Project). — IV. Neue East Riverbrücke (Auslegerbrücke). kommt. Die über den beiden Flußarmen spannenden Mittelstücke sind je 116 Meter lang. Die Pfeiler, im Ganzen sechs (von welchen zwei der Verankerung dienen), stehen in ungleichen Entfernungen von einander. Die vier das Brückensystem tragenden Pfeiler messen 30 Meter an der Basis und verjüngen sich auf 15 Meter am Tragfelde. Sie erheben sich 45 Meter über dem Hochwasserspiegel, wodurch die freie Durchfahrt höchstbemasteter Schiffe gewährleistet ist. Bis zu den höchsten Constructionstheilen ist die Brücke 81 Meter hoch. Die vier Eisenbahngeleise laufen innerhalb der Fachwerke, während die Fahrbahnen für das Straßenfuhrwerk nach 22* Zweiter Abschnitt. außen verlegt sind. Zwischen den beiden Außengeländern hat die Brücke eine Breite von 32 Meter. Neben den »Hochbrücken« ( High Bridges ) hat in Amerika das System der Drehbrücken eine Ausbildung erfahren, wie man sie in Europa nicht kennt. Die Hochbrücken erfordern der Natur der Sache meist lange Zufahrtsrampen, welche die Gesammtkosten der Anlage ganz wesentlich vertheuern. Andererseits ist auf Grund örtlicher Verhältnisse die Anlage von Hochbrücken nicht immer möglich. Die Dreh- brücken tragen diesen Verhältnissen in sehr zweckmäßiger Weise Rechnung, wie aus den vielen Neubauten dieser Art in den letzten Jahren hervorgeht. Schon die älteren amerikanischen Drehbrücken zeichneten sich durch außergewöhnliche Dimensionen aus. Bei der Ravitan Bai Swing Bridge wiegt das bewegliche Feld von 143‧8 Meter 590 Tonnen. Dieses immense Gewicht wird durch die mittleren Verticalpfosten auf die Trommel und von dieser auf die Centralzapfen, beziehungsweise die Laufräder, übertragen. Die Trommel läuft auf 30 Rädern von 0‧6 Meter Durchmesser und 0‧3 Meter Breite. Die Drehung der Brücke erfolgt mittelst einer Dampfmaschine. Soll die Brücke gedreht werden, so wird sie zunächst durch vier hydraulische Pressen, welche durch die Dampfmaschine angetrieben werden, emporgehoben, um durch die eintretende Durchbiegung der Träger dieselbe von ihren Widerlagern abzuheben, wobei der centrale Drehzapfen das Gesammtgewicht der Drehbrücke aufnimmt. Nun erfolgt der Antrieb der Rädertransmissionen durch die Dampfmaschine und damit die Schwenkung der Brücke um ihr Pivot. Die Rückdrehung erfolgt im analogen Sinne. Ein vortreffliches Beispiel für die Art der Anlage solcher Brückenwerke giebt die hier abgebildete Drehbrücke, welche in New-London, einer Hafenstadt in Con- necticut, den Thamesfluß an der Fluthmündung übersetzt. Diese Brücke ist zur Zeit wohl die größte ihrer Art. Die Construction besteht in allen ihren Theilen aus Stahl. Die beiderseitigen Uferöffnungen von je 45 Meter (von Pfeilermitte zu Pfeilermitte) sind mit 7‧2 Meter hohen Parallelträgern überspannt. Die Fahrbahn liegt oben, während sie bei den übrigen Trägern unten angeordnet ist. Die beiden nächsten Brückenfelder haben je eine Spannweite von 93 Meter. Der Untergurt ihrer Träger bildet eine gerade, der Obergurt eine gebrochene Linie, so daß die Höhe derselben an den Enden 7‧5, in der Mitte 13‧5 Meter mißt. Der beweg- liche Träger hat eine Länge von 150‧6 Meter und reicht über zwei gleich große Oeffnungen hinweg. Der Obergurt geht von der Mitte aus gegen die beiden Enden hin je in einer Parabellinie abwärts; der Träger ist über dem Pfeiler 22‧5 Meter, an den Enden 7‧5 Meter hoch. Um die Durchfahrt für größere Schiffe bei hohem Wasserstande freizugeben, wird derselbe in einem halben Kreise gewendet, so daß er bei seiner Drehung der Vorwärtsbewegung des Schiffes folgt und ein Zurückdrehen nicht nothwendig ist. Damit ist die Zeit, während der die Brücke offen steht, auf ein möglichst kleines Maß reducirt. Die gesammten Bewegungsvorrichtungen haben auf dem Mittelpfeiler ihren Platz gefunden. Hier befindet sich, dem Auge des Beschauers verborgen, die Dampf- Der eiserne Brückenbau. Fig. 273. Drehbrücke zu Neu-London (Connecticut) Zweiter Abschnitt. Fig. 274. Drehbrücke über den Harlem River in New-York. maschine mit zwei oscillirenden Cylindern, deren Kolben in der Minute 200 mal hin- und her- gehen. Die Bewegung derselben wird durch Zahnräder auf den eigentlichen Drehmechanismus übertragen. Die Aus- und Ein- rückung erfolgt durch Frictions- kuppelung. Die aus Stahl er- zeugte Drehplatte besitzt einen schweren Spurkranz, der auf 58 Rädern aus Gußstahl läuft. Die Räder sind konisch geformt und bewegen sich auf Stahl- schienen. Die Brücke ist zwei- geleisig angelegt und ent- spricht in ihrem äußeren Aus- sehen wohl den architektonischen Forderungen, welche man an ein solches Bauwerk zu stellen hat. Erbauer derselben sind die Ingenieure A. P. Boller und J. A. Monroe . Reich mit großen Dreh- brücken ist New-York bedacht. Eine derselben, deren Bau im Jahre 1887 begonnen und in etwas mehr als zwei Jahren fertiggestellt wurde (Fig. 274), hat ein drehbares Feld von etwa 149 Meter, steht also der vor- besprochenen Brücke kaum nach. Das Gewicht beträgt 656 Tonnen. Der durch die Drehung entstehende freie Raum hat auf der einen Seite eine Breite von 61‧8 Meter, auf der gegenüber- liegenden Seite eine solche von 64‧2 Meter. Wenn die Brücke geschlossen ist, spielen die beiden Theile des beweglichen Trägers Neue viergeleisige Eisenbahn-Drehbrücke über den Harlem River, New-York. Der eiserne Brückenbau. gleichsam die Rolle von fixen, auf zwei Stützpunkten ruhenden Trägern; ist jedoch die Brücke geöffnet, so werden die beweglichen Theile gleich consolenförmigen Constructionen von stählernen Stützen getragen, welche von dem als Pivot dienenden Brückenpfeiler auslaufen. Die Höhe der Brücke Fig. 275. Drehbrücke über den Harlem River in New-York. über dem Pfeiler beträgt 16‧2 Meter. Bedeutender ist die zweiarmige Drehbrücke über den Harlemstrom in New-York, deren beweglicher Träger hier abgebildet ist (Fig. 275). Das Bauwerk liegt in der Linie des eisernen Viaductes, welcher, von dem auf der Manchattan-Insel ge- legenen Centralbahnhof ausgehend, auf rund 8 Kilometer die Stadt durchzieht. Wie der Viaduct ist auch die Ueberbrückung des Harlemflusses, welche aus zwei festen Brücken von 40, beziehungsweise 56‧5 Meter Stützweite und der vorerwähnten Drehbrücke mit einer Hauptträger- länge von 118‧5 Meter besteht, viergeleisig angelegt. Die Drehbrücke selbst besitzt im Anschluß an die Gestaltung der Viaducte drei im lichten Abstand von fast 8 Meter angeordnete Hauptträger, zwischen dem je zwei Geleise Aufnahme ge- funden haben. Wegen seines größeren Gewichtes ist der mittlere Haupt- träger etwas angehoben. Jeder der letzteren setzt sich aus zwei Pratt - schen Gitterträgern zusammen, welche in ihrer Mitte durch den über den Mittelpunkt des Drehpfeilers con- struirten stählernen Thurm und an diesem angreifende Hängestangen zu einem Ganzen verbunden sind. Die Träger sind in der Mitte 14 Meter hoch, der Thurm 19‧5 Meter. Der Drehmechanismus (Fig. 276) setzt sich aus concentrisch angeordneten Ringen von 16‧5, beziehungsweise 14 Meter Durchmesser zusammen. In diesen Ringen laufen 144 Rollen, welche zur Führung der darüber liegenden Zweiter Abschnitt. Trommel dienen. Letztere besteht aus zwei 1‧8 Meter hohen, fest miteinander ver- bundenen cylindrischen Trägern, von welchen 16 gitterförmig construirte Arme radialartig mit dem Drehzapfen in Verbindung stehen. Bei geöffneter Brücke ergeben sich zwei freie Durchfahrten von je 50 Meter Breite. Zur Zeit führen nicht weniger als sechs solche Drehbrücken über den Harlem River. Die in Fig. 278 abgebildete ist die jüngste und zugleich die constructiv inter- essanteste, deren drehbares Feld 76 Meter lang ist. Die Trommel hat einen Durchmesser Fig. 276. Trommel und Drehmechanismus der Drehbrücke über den Harlem River, New-York. (Zu Fig. 275.) von 18 Meter und läuft auf 80 Stahlrollen. Der gemauerte Pfeiler, der dem Drehfelde zum Pivot dient, hat an der Basis einen Durchmesser von 22 Meter. Bei geöffnetem Drehfelde ergeben sich zwei freie Durchfahrten zu je 54 Meter. An das Drehfeld schließen beiderseits je eine Gitterbrücke zu 32 Meter Spannweite an. Den drei Fahrbahnen entsprechend, setzt sich die Construction des Drehfeldes aus vier Trägern von gefällig geschweifter Form zusammen und schließen oberhalb der Mitte den Thurm mit der Dampfmaschine ein. Der Entwurf zu dieser Dreh- brücke rührt von Th. C. Clarke her. Eines der hervorragendsten Brückenbauwerke, das in jüngster Zeit (1896) in Nordamerika durchgeführt wurde, ist die zweietagige, dem Straßen- und Eisenbahn- Der eiserne Brückenbau. verkehr dienende Brücke, welche mit sieben festen und einem beweglichen Felde und der Gesammtlänge von rund 564 Meter den Mississippi zwischen Rock Island und Davensport übersetzt. Die untere, dem Straßenverkehr dienende Etage (mit zwei Straßenbahngeleisen) wird durch ein System von Quer- und Längsträgern gestützt und ist in Holz ausgeführt. Die obere Etage, welche mit ihrer Constructions- Unterkante fast 4 Meter über der unteren liegt, dient dem Eisenbahnverkehr und hat eine vollkommen wasserdichte, durch eigenartige Belegeisen bewerkstelligte Fahrbahn Fig. 277. Innere Ansicht der Drehbrücke über den Harlem River. (Detail zu Fig. 278.) erhalten. Die Stützweite der in der herkömmlichen Form der Fachwerksträger aus- gebildeten Drehbrücke beträgt 111 Meter. Das geöffnete Feld läßt zwei Durch- fahrten von je 48‧6 Meter Weite frei. Die Hauptträger haben in der Mitte 18‧6 Meter, an den Enden 15‧2 Meter Höhe. Die Unterbauten der festen Brücken haben, entsprechend der ungleichen Pfeilerstellung, zwischen 66 und 79 Meter Spann- weite; außerdem sind noch zwei landseitige Oeffnungen zu 58‧5, beziehungsweise 30 Meter Spannweite vorhanden. Die lichte Breite der Straßenbahn beträgt nicht ganz 7 Meter, wobei die zwei den Fußgängern freigegebenen Gangsteige, welche seitlich in einer Breite von je 18 Meter ausgekragt sind, nicht eingerechnet sind. Während die Durchfahrtshöhe der Straßenbrücke nicht ganz 4 Meter beträgt, mißt Zweiter Abschnitt. Fig. 278. Drehfeld der neuen Drehbrücke über den Harlem River, New-York. Der eiserne Brückenbau. diejenige der Eisenbahnbrücke 6‧4 Meter. Das Gesammteisengewicht der Brücken- anlage beziffert sich auf 4500 Tonnen, wovon allein auf das Drehfeld 1120 Tonnen entfallen. Die Bewegung der Drehbrücke erfolgt durch einen Elektromotor Fig. 279. Missisippi-Rock Island-Davenportbrücke mit Drehfeld (rechts). von 50 Pferdestärken, welcher auf dem Drehfelde, und zwar in den obersten Theilen der Hauptträger, untergebracht ist. Sollte indeß der Bewegungsmechanismus aus irgend einem Grunde versagen, so ist die Einrichtung getroffen, daß das Drehfeld durch Handbetrieb — mittelst zweier an den Enden desselben angebrachten Capstans — bedient werden kann. Der vornehmlich des Eisenbahnverkehrs wegen unerläßlichen Betriebssicherheit ist dadurch Rechnung getragen, daß die dem Verriegeln und Feststellen dienenden Constructionstheile einerseits mit je einem Haltesignal auf den anschließenden festen Nebenbauten, andererseits mit einer Controlvorrichtung im Ma- schinenraum automatisch verbunden sind. — Zu den beweglichen Brücken zählen noch die Hubbrücken und die Rollbrücken . Bei ersteren wird das zu bewegende Feld emporgehoben, seitwärts weggerollt. Eine eigenartige Construction der ersteren Art ist die Brücke über den Moriscanal zwischen Jersey City und Lafayette. Die beigegebene Abbildung (Fig. 280) bedarf nur weniger Worte der Erläuterung. Die Brücke liegt in einer einge- leisigen Bahn und hat eine Gesammtlänge von 17‧5 Meter, wovon circa 8 Meter auf den beweglichen Theil entfallen. Das Gewicht der letzteren ist 3 Tonnen. Gehoben wird dieses Feld durch zwei gewaltige walzenförmige Gewichte, welche an einem galgenförmigen, die Fahrbahn freilassenden Gerüste in elliptischen Geleisen laufen. Drahtseile verbinden die Gewichte mit den freien Enden des beweg- lichen Feldes. Sie laufen auf zwei auf einer gemeinsamen Achse montirten Rollen, deren eine mit einem Getriebe von Zahnrädern in Verbindung steht und das mittelst einer Kurbel in Bewegung gesetzt wird. Gewicht und Brückenfeld sind derart ausbalancirt, daß ein einzelner Mann, der die Kurbel bedient, das Feld heben kann. Nicht eigentlich zum Gegenstande gehörig, aber durch ihre Construction interessant, ist eine Art Rollbrücke , welche hier ab- gebildet ist (Fig. 281 und 282) und zwischen Saint-Malo und Saint-Servon im Betriebe steht. Zwischen den beiden genannten Städten, welche am Aermelcanal, in mäßiger Entfernung vom Atlantischen Ocean, an der französischen Küste liegen und Kriegs- und Handelshafen mittlerer Größe besitzen, liegt eine zum Hafenbassin umgestaltete Bucht. Da letztere dem Personenverkehr zwischen den Ufervierteln der beiden an der Landseite zusammenhängenden Orte ein fühlbares Hinderniß bildete, die Anlage Zweiter Abschnitt. einer Brücke aber der Seeschiffahrt wegen unthunlich war und Fährboote während der Ebbezeit nicht verkehren können, entschloß man sich zum Baue einer Rollbrücke, die aber eigentlich eine Rollfähre ist. Sie war bislang ein Unicum, da nur ganz bestimmte Verhältnisse die Anlage eines solchen Bauwerkes als zweckmäßig erscheinen lassen. Bei der hier in Frage kommenden Construction rollt eine bewegliche Platt- form (gewissermaßen ein kleiner Theil eines Brückenträgers) auf einem Unterwasser- geleise von einem Ufer zum andern und ersetzt dieser Art durch Aufnahme von Fig. 280. Hubbrücke mit Rollgewichten in der Bahn Jersey Citty-Lafayette. Passanten eine feste Brücke umso angenehmer, als hier die Schwankungen, wie sie Fähren mit sich bringen, in Wegfall kommen, und ein Umkippen der Vorrichtung so gut wie ausgeschlossen ist. Das Geleise ist auf einem niedrigen Grunddamm in entsprechender Weise hergestellt und die Spurweite (4 Meter) derart bemessen, daß die bewegte Plattform einerseits selbst im schwersten Sturm Standsicherheit behält, und andererseits, im Falle einer Entgleisung, ein Umkippen verhütet wird. Die Größe der Plattform ist 6 : 7 Meter, die Gerüsthöhe beträgt nicht ganz 11 Meter. Der Betrieb dieser Anlage erfolgt nun so, daß eine dicht an dem einen Ufer installirte feststehende Dampfmaschine ein mit der Plattform verbundenes Drahtseil ohne Ende hin und her zieht und auf diese Weise von Ufer zu Ufer bewegt. Die Der eiserne Brückenbau. Ufermauern haben Kammern für die Seilscheiben des Bewegungskabels. Durch die Austrittsöffnungen dieses Kabels haben die Kammern stets den Wasserstand des Außenwassers. Eine ähnliche Anlage, aber mit elektrischem Betriebe, befindet sich zwischen dem englischen Badeorte Brighton und dem 20 Kilometer entfernten Rottingdean. Der Strand liegt bei Ebbe trocken, die Fluthhöhe beträgt aber fast 6 Meter. Da nun das Geleise innerhalb des Fluthgebietes angelegt wurde, so vollführt man zu Zeiten eine förmliche Seereise, die 35 Minuten beansprucht. Auf der beistehenden Fig. 281. Rollbrücke zu Saint-Malo bei Ebbe. Abbildung (Fig. 283) zeigt die obere Darstellung die Plattform mit Cajüte während der Fahrt zur Fluthzeit, indeß die untere Darstellung die Geleise und die An- ordnung der Fortbewegung veranschaulicht. Die Plattform wird von vier hohen Säulen getragen, die auf Karren aufruhen, welche die Form umgekehrter Canoes haben, damit das Geleise vom Seegrase oder anderen Ablagerungen sofort frei- gemacht werde. Die oberirdische Leitung ist aus dem oberen Bilde zu ersehen. Die Drähte zu den zwei verticalen Elektromotoren von je 30 Pferdestärken, welche auf zwei der vorerwähnten Karren lagern, sind innerhalb der hohlen Säulen geführt. Die Fahrbahn wird durch zwei in 5 ½ Meter Entfernung von einander geführten Geleisen von 84 Centimeter Spurweite gebildet. Die Schienen ruhen auf einer Zweiter Abschnitt. Betonunterlage, die in einem schwalbenschwanzförmigen Einschnitte des Felsens ein- gebettet ist. Die Höhe der Plattform über dem Schienenniveau beträgt 8 Meter. Die Plattform trägt einen elegant ausgeführten Aufbau mit einem Fassungsraum für 150 Personen. Die Strecke ist fast horizontal, da die größte Steigung nur 1 : 300 beträgt. Die Bahn wurde Ende November 1896 dem Verkehr übergeben. Eine wichtige Rolle im Brückenbau spielt die Fundamentirung der Pfeiler. Angesichts der ungeheueren Lasten, welche dieselben bei außergewöhnlich großer Dimensionirung des Ueberbaues zu tragen haben, ist die solide Fundamentirung Fig. 282. Rollbrücke zu Sanit-Malo bei Fluth. häufig mit großen Schwierigkeiten verbunden. Selbst Landpfeiler, welche auf wenig tragfähiges Terrain zu stehen kommen, müssen oft in bedeutender Tiefe fundamentirt werden. Die Unzukömmlichkeiten steigern sich bei Strompfeilern und erreichen schließlich bei Bauten in Meeresarmen einen Grad der Erschwerniß, welcher das ganze Unternehmen ernstlich in Frage stellen kann. In früherer Zeit begnügte man sich bei Fundamentirungen im Wasser mit der Herstellung sogenannter »Fang- dämme«, einem schachtförmig ausgeführten Pfahlwerk, das mit Lehm abgedichtet wurde. Nach erfolgter Auspumpung des Wassers konnten alsdann die Arbeiten auf dem betreffenden trocken gelegten Theil des Stromgrundes in Angriff genommen werden. Diese Methode ist zur Zeit so gut wie gar nicht mehr in Uebung, wogegen die sogenannten »Senkkasten« bei einfacheren Bauten noch allenthalben zur An- Der eiserne Brückenbau. wendung kommen. Der Vorgang besteht darin, daß derjenige Theil des Pfeilers, welcher unter Wasser kommt, in einem schwimmenden, oben offenen Kasten mit Fig. 283. Elektrische Eisenbahn zwischen Brighton und Rottingdean. hölzernem Boden und hölzernen, wasserdicht gemachten Wänden aufgemauert und dann versenkt wird. Zuletzt werden die Seitenwände entfernt. Zweiter Abschnitt. Eine andere Methode besteht in der Betonirung des Baugrundes. Zu diesem Zwecke wird der Raum des künftigen Pfeilerfundamentes umpfählt und der Bau- grund so lange ausgebaggert, bis man auf eine tragfähige Schicht stößt. Ist dieses Resultat erst in bedeutender Tiefe zu erreichen, so empfiehlt es sich, einen Pfahlrost einzurammen und darauf den Betonblock, welcher das mächtige Fundament bilden soll, aufzuschütten, und zwar bis zu einer Höhe, welche den niedrigsten Wasserstand noch nicht erreicht. Alsdann wird rings um den Betonkern ein Fangdamm her- gestellt, das Wasser innerhalb desselben ausgepumpt und der eigentliche Pfeilerbau begonnen. Nachträglich wird der Fangdamm selbstverständlich wieder abgetragen. Fig. 284. Im Caisson. Alle diese Methoden entsprechen indeß nicht, wenn es sich um besonders schwierige, in große Tiefe reichende Fundirungen handelt. Um diese durchführen zu können, wählt man entweder die »Brunnenfundirung« oder die »pneumatische Fundirung«. Im Principe sind sich beide Methoden insoferne gleich, als es sich hier um das Absenken hohler Fundamentkörper handelt. Bei der Brunnenfundirung handelt es sich um ein aus Ziegeln aufgeführtes Mauerwerk von rundem oder viereckigem Querschnitt, welches versenkt wird. Dieser Brunnen ist an beiden Enden offen, so daß er mit Beginn der Ausbaggerung des Baugrundes beständig nachsinkt, bis die tragfähige Schicht erreicht ist. Nun wird die Betonunterlage unter Wasser hergestellt, und wenn dieselbe erhärtet ist, letzteres ausgepumpt. Innerhalb des Brunnens erfolgt alsdann die Ausführung des Mauerwerkes. Bei starken Pfeilern Der eiserne Brückenbau. müssen mehrere solche Brunnen, welche in entsprechenden Verbund kommen, her- gestellt werden. Bei bedeutenden Tiefen steigern sich die Schwierigkeiten der Brunnenfundirung derart, daß an ihre Stelle die pneumatische tritt. Dieselbe wird mittelst Caissons (Kästen, welche wie Taucherglocken an der unteren Seite offen sind) bewirkt. Sie werden meist aus Eisenblech hergestellt, doch findet auch Holz (in Amerika) Ver- wendung. Der Bauvorgang ist der folgende: An der oberen Fläche des an Gerüsten befestigten Caissons wird der Fig. 285. Röhrenpfeiler. unterste Theil des Pfeilerkörpers aufgemauert, wobei jene Räume frei bleiben, welche zur Aufnahme der eisernen, mit der Oberseite der Caissons verbundenen und durch Luftschleusen geschlossenen Schachte dienen. Durch diese Schachte er- folgt theils der Materialtransport, theils der Verkehr der Arbeiter von und nach dem Innern der Caissons. Ist letzterer sammt dem Mauerwerk versenkt, so wird in den Caisson comprimirte Luft eingepumpt, wodurch das Wasser aus dem Hohlraume herausgepreßt wird. Die Arbeiter können als- dann auf dem Baugrunde die Materialablösung bewirken, mit deren Fortschreiten Caisson und Pfeilerkörper immer tiefer sinken, bis sie die tragfähige Schicht er- reicht haben. Zum Schlusse wird der Hohlraum des Caissons mit Beton ausgefüllt und das Pfeilerfundament ist fertig. ... Die pneumatische Fundirung hat ihre großartigste Anwendung zuerst bei den Riesenbrücken in Nordamerika, später bei den gleich mächtigen Bauwerken in Großbritannien (Taybrücke, Forthbrücke) gefunden. Von den bisher beschriebenen Fundirungsmethoden unterscheiden sich diejenigen, welche von der Herstellung eines Mauerwerkskörpers absehen und an dessen Stelle ein Pfahlwerk oder sogenannte Röhrenpfeiler treten lassen. Bei der letztgenannten Methode werden gußeiserne Röhren pneumatisch versenkt und von unten herauf mit Beton angefüllt, auf den (den oberen Theil der Röhren füllend) ein solides Stein- mauerwerk in Schichten gesetzt wird. Das Gewicht der Träger selbst wird lediglich durch die Füllung auf den Untergrund übertragen, so daß die Röhren außer dem Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 23 Zweiter Abschnitt. durch ihr Eigengewicht erzeugten, keinen weiteren Druck aufzunehmen haben und lediglich die schützende Hülle darstellen. Auf der obersten Schicht des Füllungs- Fig. 286. Central-Röhrenpfeiler für Drehbrücken. mauerwerkes ruht eine massive gußeiserne Lagerplatte, welche mit Rippen versehen ist, die den Rand der Pfeilerröhre umgreifen und so einen guten Abschluß herstellen. Diese Methode ist vorzugsweise in Nordamerika beliebt und wird in verschiedener Weise angewendet, wie beispielsweise bei den soge- nannten »Central-Röhrenpfeilern«. Dieselben bestehen aus einer schmiedeeisernen Röhre von etwa 2‧5 Meter Durchmesser, um welche außen in gleichen Abständen sechs kleinere Röhren von je 1‧2 Meter Durchmesser im Kreise angeordnet sind. Sie sind aus gleich hohen Trommeln zusammengesetzt und sowohl unter sich als auch mit der Centralröhre über der mittleren Wasser- Fig. 287. Schraubenpfeiler. standslinie durch Querverbindungen in Form von Streben und adjustirbaren Zugstäben verbunden. Sonst ist das Verfahren dem vorstehend geschilderten ganz gleich. Ein anderes amerikanisches System ist das der Schraubenpfeiler , d. h. die Fundirung durch Drehbohrung, eine Methode, welche — wie technische Autoritäten Der eiserne Brückenbau. versichern — in Zukunft unter allen üblichen Methoden die größte Rolle zu spielen berufen ist, da mittelst derselben jene Tiefengrenze, welche der pneumatischen Fun- dirung von Natur aus gesteckt ist, weitaus überschritten werden kann. In der That haben die Amerikaner, in richtiger Erkenntniß der Vortheile dieser Methode, dieselbe bereits vielfach in Anwendung gebracht. Dem Principe nach bestehen die Schrauben- pfeiler aus gewalzten Schäften von 15 bis 20 Centimeter Stärke und schmiede- eisernen Scheiben an deren Enden mit einem Durchmesser von 1 bis 2 Meter. Ein Schraubenpfeiler besteht in der Regel aus zwei gegenüberstehenden Reihen von je drei Schäften, welche, bis zur gehörigen Tiefe eingebohrt, oben einen eisernen Querträger unterstützen, der mit ihnen fest vernietet ist und die Fahrbahn aufzu- nehmen hat. Zwischen demselben und dem Wasserniveau sind noch zwei oder drei Felder durch horizontale, mit den Pfeilern festverbundene Streben gebildet. In gleicher Weise sind auch die Querverbindungen zwischen je zwei einander gegen- überliegenden Gliedern beider Reihen, sowie in horizontalen Ebenen in der Längs- richtung des Pfeilers senkrecht auf die Brückenachse angeordnet. Dadurch werden die einzelnen tragenden Glieder zu einem zusammenhängenden Ganzen verbunden, womit die nothwendige Stabilität erreicht ist. Fig. 288. Fundirung der St. Louisbrücke. (Siehe S. 320.) A Einsteigeöffnungen, B Luftkammer, C hölzerne Abschlußwände, E Sandpumpe, F Hauptschacht, G Nebenschachte, H Blechwand, J hölzerne Versteifung. 23* Fig. 289. Yacht aus Aluminium mit Naphthamotor. Vierter Theil. ( Schwimmdock .) Der Eisenschiffbau. Erster Abschnitt. Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. W enn die Schienenwege sich als das wichtigste Mittel zur Verbreitung der Cultur und Verallgemeinerung der Interessen erwiesen haben, müssen wir gleichwohl die schnellfahrenden Oceandampfer als die wahren und gewissermaßen typischen Träger des Weltverkehrs ansehen. Der un- geheuere Aufschwung, den der Austausch von materiellen und geistigen Gütern auf unserem Planeten seit Schöpfung des Dampfverkehrs zur See genommen, wäre an sich ein schwerwiegender Beweis von der segensvollen Bedeutung dieses modernen civilisatorischen Mittels. Wie dort, auf dem Festlande, sind auch zur See die maßgebenden Factoren Dampf und Eisen . Die Dampfschiffahrt hat uns in rascher Folge bis dahin unbekannte Absatz- und Productionsgebiete erschlossen, sie hat die räumlichen Ver- hältnisse, welche gerade auf den Oceanen zu maßgebender Geltung kommen, erheblich modificirt, sie hat den Kampf mit den Naturgewalten aufgenommen, indem sie dem Winde einen stärkeren Motor, dem Wellendrange einen stärkeren Schiffskörper — den eisernen — entgegensetzte; sie hat schließlich ermöglicht, daß in die entlegenen Einsamkeiten des Erdballes Leben einströmte. Zuletzt darf nicht übersehen werden, daß nur die großen eisernen Dampfer in der Lage waren, jene großartigen sub- marinen Kabellegungen zu bewerkstelligen, welche vollends alle Raum- und Zeit- verhältnisse im internationalen Verkehr verschoben und den großartigen Apparat des modernen Weltverkehrs krönten. Der Dampfbetrieb zur See hatte indeß weit größere Schwierigkeiten zu über- winden als jener zu Land, obwohl beide Bestrebungen so ziemlich gleichalterig sind. Im Jahre 1786 war es Murdock , einem Arbeitsgenossen James Watt 's, gelungen, das Modell eines Dampfwagens herzustellen und eine Versuchsfahrt mit demselben zu bewerkstelligen; nur zwei Jahre später (1788) durchfurchte ein vom Mechaniker William Symington construirter Versuchsdampfer den Spiegel des Sees von Dalstwinton. Allerdings hatte schon mehr als sieben Jahrzehnte Erster Abschnitt. früher (1707) Papin einen Versuch dieser Art angestellt, indem er auf der Fulda ein Dampfboot primitivster Construction lancirte; das Fahrzeug wurde indeß von Schiffern, mit welchen der Constructeur in Conflict gerathen war, zertrümmert. Alsdann kam Perrier , der 1775 in Paris ein kleines, durch Dampf betriebenes Boot für Versuchszwecke gebaut hatte. Zehn Jahre später griff Jouffroy auf Perrier 's Idee zurück und der von ihm construirte Dampfer befuhr durch einige Zeit die Saone. Unterdessen hatten die Amerikaner, unabhängig von den Versuchen in Europa, sich den gleichen Bestrebungen mit großem Eifer hingegeben. Als erster Pionnier ist Fig. 290. Symington's »Geschwindboot« (1788). Ewans zu nennen, der auf dem Shuykill ein durch Dampfkraft betriebenes Boot in Bewegung setzte. Ihm folgte Fitch , der in Anwesenheit der beiden größten Männer der jungen Republik — Franklin und Washington — die ersten gelungenen Probefahrten auf dem Delawarestrome anstellte (1785). Hierbei kam zum ersten Male ein Röhrenkessel zur Anwendung. Das erste Schiff wurde in derselben Weise, wie die Cano ë s der Indianer, mit an der Seite befindlichen Schaufeln bewegt; beim zweiten (Fig. 291) wurden die Schaufeln auf ähnliche Art betrieben, nur daß sie sich hier am Hintertheile des Schiffes befanden. Es waren deren drei an der Zahl. Im Juli 1788 war dieses Dampfboot vollendet und ging nach dem 20 englische Meilen von Philadelphia entfernten Burlington. Gleichwohl war das allgemeine Interesse an dieser Neuerung gering und Niemand maß ihr größere Bedeutung bei. Zudem war Fitch arm und hatte Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. durch eine gewisse Härte in seinem Wesen entschieden mehr Widersacher und Feinde, als Gönner. Von einem tragischen Geschicke verfolgt, war sein Leben umdüstert, und mußte er zudem den Schmerz erleben, seine Idee von Anderen verwerthet zu sehen. Das Alles läßt es erklärlich erscheinen, daß Fitch seinem Leben gewaltsam ein Ende machte. Nach seiner letztwilligen Verfügung wollte er am Ufer des Ohio begraben sein, »wo der Gesang des Schiffers seine Ruhestätte beleben und die Musik der Dampfmaschine seinen Geist erquicken werde«. Diese Hoffnung hat sich über das Grab des wackeren Bahnbrechers vollwichtig erfüllt. Man stelle sich heute auf irgend einen Punkt des gelben Stromes, der durch die industriereichsten Gebiete der östlichen Union dem Mississippi zuströmt, und vergegenwärtige sich das Bild von dem riesigen Stromverkehr, der dort eisen- rasselnd und dampf- Fig. 291. Fitch's Dampfschiff (1788). pustend alles Leben er- füllt! Aber wie lange dauerte es, bis dieses Ziel erreicht wurde. Die Idee des neuen Motors zu Wasser griff zunächst der Landsmann Fitch's, Robert Fulton , auf, der zu Paris und unter den Augen Napoleon's I. mit einem Dampfboote zweckmäßigerer Construc- tion gelungene Versuche anstellte. Man kann sagen, daß durch Fulton die Dampfschiffahrt wirklich ins Leben gerufen worden ist. In Verbindung mit Living- stone , der Fitch's Patent rückgängig gemacht und seinem Schützling die nöthigen Geldmittel vorgestreckt hatte, richtete letzterer mit dem Dampfschiffe »Clermont« (Fig. 293) einen regelmäßigen Dienst zwischen New-York und Albany ein (1807), der bald einen solchen Aufschwung nahm, daß schon 1811 vier neue Boote gebaut wurden, um auch auf anderen Flüssen regelmäßige Fahrten einrichten zu können. Gleichwohl blieb der materielle Erfolg auch diesmal aus. Es ist nicht bekannt, wie Livingstone sich gegenüber seinem Schützling fernerhin verhielt; man weiß nur so viel, daß Fulton zwar verschiedene, die Beschiffung amerikanischer Ströme mit Dampfbooten betreffende Privilegien erhielt, das nöthige Geld hierzu jedoch fehlte, und der Erfinder im Jahre 1815 mit einer Schuldenlast von 100.000 Dollars starb. In England hatte sich unterdessen das neue Locomotionsprincip ganz un- wesentlich entwickelt. Dann kam das Jahr 1812, in welchem eine Kundmachung des Schiffbaumeisters Henry Bell zu Glasgow, daß zwischen dieser Stadt und Erster Abschnitt. dem benachbarten Greerock regelmäßige Dampfbootfahrten auf der Clyde eröffnet seien, gewaltiges Aufsehen erregte. Der Unternehmer versprach, die Fahrten »mit der Kraft des Windes, der Luft und des Dampfes« zurückzulegen, und setzte hinzu, daß »Eleganz, Comfort, Sicherheit und Schnelligkeit des Fahrzeuges« das Publicum zufriedenstellen würden. Bell 's erstes Dampfboot ist in Fig. 294 abgebildet. Der Erfinder sah sich in seinen Erwartungen anfänglich getäuscht, denn er fand nur geringe Theilnahme. Die in den Ueberlieferungen der guten alten Zeit aufgewachsenen Glasgower ergriff ein förmliches Entsetzen bei dem Gedanken, daß Jemand es gewagt habe, ein so gefährliches Ding, wie die Dampfmaschine an sich ist, den Constructionstheilen eines Schiffes einzuverleiben, und damit Leib und Gut der Mitmenschen aufs Spiel Fig. 292. Fulton's erstes Dampfschiff (1803). zu setzen. Erst nach Ablauf einiger Zeit erhielt das neue Transportmittel die Geltung, welche es verdiente. Drei Jahre später (1815) erbaute Bell noch mehrere Dampfboote und seine nun unbestrittenen Erfolge bildeten den glücklichen Anfang zur Einführung der Dampfschiffahrt in England. In Frankreich datirt die Dampf- schiffahrt von 1816, auf dem Bodensee von 1822, auf dem Rhein von 1825. Unterdessen hatte bereits 1813 der erste englische Seedampfer das Meer zwischen Glasgow und Dublin gekreuzt. Fast zur selben Zeit hatte jenseits des Atlantischen Oceans der »Phönix« seine erste Seefahrt zwischen New-York und Philadelphia unternommen. Bald hierauf befuhr die »Savannah« zum ersten Male den Ocean, indem sie den Seeweg von London nach New-York in 26 Tagen zurücklegte. Auch Bell , der Begründer der nachmals zu hoher Blüthe gelangten Schiffbau-Industrie an der Clyde, arbeitete rüstig weiter. Schon 1825 unternahm der Dampfer »Falcon« eine Reise nach Calcutta, und kurz nachher nahm die Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. doppelt so große »Entreprise« dieselbe Route. Kurze Zeit hierauf (1827) stellte der österreichische Mechaniker Josef Ressel mit einem neuen, von ihm erfundenen Bewegungsmechanismus Fahrversuche im Hafen von Triest an. Die unförmlichen, mit mancherlei Nachtheilen Fig. 293. Fulton's »Clermont« (1807). behafteten Schaufelräder sollten durch einen Apparat ersetzt werden, der nachmals unter der Bezeichnung »Schiffsschraube« zu epocha- ler Bedeutung in der Schiff- baukunst gelangte. Für Ressel indeß ging die Erfindung in Folge der Theilnahmslosig- keit und pedantischen Schwer- fälligkeit verloren, und seine Idee wurde erst neun Jahre später durch den Engländer J. S. Smith praktisch ver- werthet. — Es war im Jahre 1837. Zwei Dampfer, das Schraubenschiff »Rattler« und das Ruderschiff »Alecho«, waren auf dem Turnierplatze erschienen. Der Sieg fiel dem ersteren zu, da es ihm gelungen war, den mittelst eines Taues an ihn festgemachten Concurrenten in entgegengesetzter Richtung fortzuziehen. Damit war Fig. 294. Bell's »Comet« (1812). die Ueberlegenheit der Schiffsschraube entschie- den. Uebrigens wird mehrfach die Priorität der Erfindung dem öster- reichischen Mechaniker abgestritten. Die Fran- zosen bezeichnen den In- genieur Sauvage als den eigentlichen Erfinder der Schiffsschraube, doch ist erwiesen, daß er sich lediglich mit dem Pro- blem derselben beschäf- tigte, später irrsinnig wurde und 1857 im Pariser Armenhause starb. Bemerkenswerth ist, daß auch Ressel in dem gleichen Jahre (in Laibach) das Zeitliche segnete. Hätte sich nicht gelegentlich der Probefahrt des ersten Schraubendampfers »La Civetta«, der unter Ressel's Führung im Jahre 1829 von Triest aus in See ging, der Unglücksfall Erster Abschnitt. zugetragen, daß ein Dampfrohr sprang — was das polizeiliche Verbot weiterer Fahrten nach sich zog — so wäre schon damals die wichtige Erfindung der Schiffsschraube zu voller Geltung gekommen. Ein weiterer bedeutsamer Fortschritt in der neuen Schiffsbaukunde war die principielle Entscheidung für das Eisen als Constructionsmaterial, zunächst für die Dampfschiffe. Anfangs vielfach angefochten und noch bis zuletzt nicht ganz einwandsfrei discutirt, haben die eisernen Dampfschiffe mit den Jahren die Holz- Fig. 295. Ankunft des Dampfers »Sirius« vor New-York am 22. April 1838. schiffe völlig verdrängt. Man hat vornehmlich das eine Bedenken geltend zu machen gewußt, daß Gräser und Muscheln sich an eiserne Seeschiffe viel rascher anlegten, als an hölzerne, wodurch bei ersteren der Fahrtwiderstand und demgemäß der Kraftaufwand zur Einhaltung einer gewissen Geschwindigkeit sehr gesteigert würden. Bei hölzernen Schiffen ist der ins Wasser getauchte Theil zum Schutze gegen den Bohrwurm mit Kupfer- oder Münzmetallplatten belegt, welche gleichzeitig bewirken, daß das Ansetzen von Gräsern und Muscheln in viel geringerem Grade stattfindet, als bei eisernen Schiffen. Bei Personendampfern, welche sehr rasch fahren, verhindert allerdings die starke Reibung zwischen dem untergetauchten Schiffskörper und dem Wasser das Belegen des ersteren mit Gräser und Muscheln; auch verweilen diese Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. Schiffe immer nur kurze Zeit in den Häfen, und da das Anlegen der Gräser ꝛc. vorzugsweise während der Ruhe des Schiffes stattfindet, bleiben die Personen- dampfer davon so ziemlich verschont. Immerhin ist der Belag ausgiebig genug, um zu erheischen, daß die eisernen Dampfer mindestens einmal im Jahre außer Dienst gestellt, in den Docks gereinigt und mit einem frischen Anstriche versehen werden. Eine Verkleidung eiserner Schiffe mit Kupfer- oder Münzmetallplatten, oder Verwendung metallischen Anstriches ist gefährlich; denn löst sich beispielsweise zufällig an einzelnen Stellen die Metallverkleidung oder der Metallanstrich ab, und kommt das Eisen in unmittelbaren Contact mit dem Salzwasser, so entsteht Fig. 296. Passagierdampfer »Forth« (1849). sofort ein galvanischer Strom zwischen der Metallverkleidung und dem Eisenbleche, was zur Folge hat, daß letzteres zersetzt wird und ein mehr oder minder bedenklicher Leck sich bilden könnte. Im Jahre 1839 hatte die »Great Western Steamship Co.« dem berühmten Ingenieur J. K. Brunel einen ganz aus Eisen construirten Dampfer, den »Great Britain«, in Auftrag gegeben. Er wurde im Jahre 1845 als erster eiserner Schraubendampfer in Fahrt gesetzt. Seine Dimensionen waren die folgenden: 98‧14 Meter Länge bei einer Breite von 15‧54 und einem Tiefgange von 4‧87 Meter; das Deplacement betrug 2984 Tonnen. Sechs Masten mit mächtigen Schooner- segeln sollten der Fahrgeschwindigkeit zu Gute kommen. Diese Erwartung traf indeß nicht zu, und als auch die Maschinen auf die Dauer als nicht genügend leistungsfähig sich erwiesen, wurde der Dampfer in einen Segler verwandelt, als welcher er fast 30 Jahre (bis 1886) gute Dienste leistete. Erster Abschnitt. In der Zeit, da die Schiffsschraube noch nicht zu absoluter Herrschaft gelangt war, kam Brunel auf die Idee, beide Arten von Bewegungsmechanismen zugleich nutzbar zu machen und überdies einen Schiffskörper von denkbar größten Dimen- sionen zu schaffen. So kam der Plan zu dem Riesenschiffe »Great Eastern« zu Stande. Brunel war mit dem Unternehmer Russel Scott alliirt, und beide waren von der Durchführbarkeit des Planes so sehr überzeugt, daß sie ihr ganzes Vermögen daran wandten und schließlich auch dem pecuniären Ruin verfielen. Im Jahre 1852 in Angriff genommen, erforderte der Bau des Riesenschiffes bis zum Stapellaufe fünf Jahre. Die Dimensionen waren: 207 Meter Länge bei einer Breite von 36‧6 und einem Tiefgang von 9 Meter; das Deplacement betrug 27.400 Tonnen, war also fast zehnmal größer als bei dem »Great Britain«. Der eiserne Schiffskörper wog 6250 Tonnen, das Holzwerk der Verdecke 2500 Tonnen. Ganz ungeheuer waren für damalige Verhältnisse die Maschinen von 3600 Pferde- Fig. 297. »Great Britain«, erster eiserner Schrauben-Oceandampfer (1845). stärken für die Schaufel- räder und 3800 Pferde- stärken für die Schraube. Mit dem »Great Eastern« hatte Brunel das Unglaubliche verwirk- licht. Die ganze Welt war seinerzeit von den Nach- richten über diesen schwim- menden Koloß erfüllt, und der Erbauer selber scheint vor seinem Werke bewundernd gestanden zu sein. Gleichwohl waren demselben nur Mißgeschicke vorbehalten. So gleich beim Stapellauf. Wegen des ungeheueren Gewichtes hatte man sich für die eisernen Gleitbahnen (statt für die herkömmlichen hölzernen) entschieden. Als die Stützen fielen, bewegte sich der Koloß nicht um eine Linie. Er mußte schleunigst wieder neu unterfangen und dann durch hydraulische Maschinen Zoll um Zoll vorwärts geschoben werden, eine Arbeit, welche die Kleinigkeit von fast anderthalb Millionen Gulden verursachte. Dennoch war dieses Fiasco ein glücklicher Zufall, ein Werk der Vorsehung. Brunel hatte nämlich, nicht ohne einiges Grausen, hinterher nach- gerechnet, daß das mächtige Schiff beim raschen Eintauchen in die Themse (auf der Werft von Millwall) eine Fluthwelle erzeugt haben würde, welche — 5 bis 6 Meter hoch — genügt hätte, das ganze gegenüberliegende flache Themseufer, auf welchem Hunderttausende von Zuschauern standen, momentan dreimal manns- hoch unter Wasser zu setzen. Niemand drüben in ihrem Bereiche wäre dem Tode entgangen. Im Jahre 1852 begonnen, wurde der »Great Eastern« erst sieben Jahre später in Fahrt gestellt, doch konnte er, verschiedener nachträglicher Reparaturen wegen, erst das Jahr darauf (1860) die erste Oceanfahrt antreten. Die Passagier- Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. räume für 800 Fahrgäste I . Classe, 2000 II . Classe und 1200 III . Classe waren aber bei weitem nicht besetzt, und auch in der Folge zeigte es sich, daß die Abmessungen des Schiffes weit über das Bedürfniß hinaus angenommen wurden. Hierzu kamen verschiedene Mißgeschicke. Gleich bei dieser ersten Fahrt ertrank der Capitän in Folge Sturzes über Bord. In der Voraussetzung, daß kein Wellengang das mächtige Schiff aus seinem ruhigen Gange bringen würde, hatte man unterlassen, die Aus- rüstungsstücke, Möbeln u. s. w., festzuschrauben. Gelegentlich des ersten hohen Seeganges schlingerte aber der eiserne Koloß ganz gewaltig, und in Folge der herumkollernden Möbelstücke erhielten zahlreiche Passagiere Verwundungen. Auch Arm- und Beinbrüche kamen vor. Schließlich stieß das Schiff auf ein in den Seekarten nicht verzeichnetes Riff, etwa 100 Seemeilen von New-York, wodurch es erheblich beschädigt wurde. Die Reparaturen verschlangen wieder fast eine halbe Million Gulden. Gelegentlich einer anderen Fahrt brachen die Schaufeln aus den Rädern und ging das Steuerruder verloren. Das Schiff war nun steuerlos, bis ein mitfahrender sachkundiger Passagier eine Nothsteuer zu Stande brachte, für welches er eine hohe Entschädigung verlangte und einen Bruchtheil der betreffenden Summe auch zugesprochen erhielt. Die weiteren Schicksale des »Great Eastern« sind nicht ohne Interesse. Nach der achten Reise des Riesenschiffes stellte sich in den Büchern der Gesellschaft, welche Besitzerin desselben war, ein Verlust von etwa drei Millionen Gulden heraus. Die Betriebskosten waren eben ganz außergewöhnliche. Man bedenke, daß die Besatzung allein 400 Köpfe zählte. Die unrationellen Maschinen beanspruchten einen übermäßigen Bedarf an Feuerungsmaterial. Alle Auslagen gingen bei diesem Schiffe ins Riesenhafte. So erforderte beispielsweise ein einziger Oelanstrich 14 Tonnen ( à 20 Centner) Oelfarbe. Nachdem die Gesellschaft das Schiff für etwa den dreißigsten Theil der Baukosten verschleudert hatte, diente es in der Zeit von 1865 — 1875 zum Legen von transatlantischen Kabeln, fand hierauf noch zu ver- schiedenen Zwecken (als schwimmendes H ô tel, Kohlenhulk, als Schaustück in englischen Häfen) Verwendung, und gelangte endlich 1888 zum Abbruch. Der Unternehmer bezahlte etwa 160.000 Gulden und erlöste aus dem Verkaufe der einzelnen Theile 580.000 Gulden. Am 30. September 1891 war die letzte Platte und die letzte Niete gelöst, das größte Schiff, das je erbaut worden ist, hinterließ keine sichtbare Spur mehr. Alles in Allem wurden rund zehn Millionen Gulden an dem Unternehmen, das den Eisenschiffbau in so unglaublicher Weise förderte, während der 40 Lebensjahre des »Great Eastern« verloren. Es ist nun an der Zeit, daß wir uns den Grundzügen des Eisenschiff- baues zuwenden. Dieselben stimmen mit denen des Holzschiffbaues überein. Aus Eisen ist der Kiel, sind die Spanten — möglichst dicht aneinandergereiht — sind die vielfachen constructiven Elemente, die Schottenwände, welche die einzelnen wasserdichten »Compartiments« von einander scheiden, und vieles Andere. Selbst die Masten werden dermalen aus diesem Metalle, beziehungsweise aus Stahl, her- Erster Abschnitt. gestellt, da sie nicht nur ihrem Gewichte nach leichter, sondern auch weitaus dauer- hafter als die hölzernen sind. Die eiserne Bemastung hatte übrigens zur Folge, daß man auch das »stehende Tauwerk« durch Eisendraht ersetzte. Schließlich mußten die voluminösen, unhandlichen und kostspieligen, dabei mancherlei Fährlichkeiten ausg esetzten Ankertaue den solideren und dauerhafteren Ankerketten weichen. Die Fig. 298 stellt einen Theil des halben Querschnittes eines eisernen Schiffes dar. Der Kiel ist aus einem aufrechtstehenden a a und einem horizontalen Stück b a c zusammengesetzt, die beide miteinander vernietet sind; e und d sind die Seitenkiele. Die Winkeleisen s s s und s ‘ s ‘ s ‘, durch die dazwischen gesetzten Bleche x x gestützt, bilden die Spanten. Den Längenverband bilden die Gürtungen g g g , die mit den Fig. 298. Halber Querschnitt eines eisernen Schiffes. Spanten ein Rahmenwerk von größter Stärke bilden. Vorne laufen diese Gürtungen in Steven zusammen. Das Schiff hat einen doppelten Boden. Der äußere besteht aus den Platten pl pl , der innere aus den Platten p p . Dieser doppelte Boden steigt dann vertical in der Eisenwand w w bis an das Deck. Da es sich in der Zeichnung um ein Panzerschiff einfachster und ältester Construction handelt, sind noch einige andere Details zu erläutern. Der Panzer m m mit seiner Fütterung t t von Teakholz ruht auf der obersten Längsgürtung und reicht von u bis u ′; n n ist das Zwischen- deck, z z das Batteriedeck. Die größte Zahl von Dampfern ist im reinen Frachtverkehr beschäftigt. Es haben sich je nach dem Bedürfniß die verschiedensten Typen herausgebildet, gewisse Constructionen wiederholen sich aber auf allen. Während ein eisernes Segelschiff nur vorne ein Collisionsschott besitzt, haben die Dampfer mehrere Querschotte, deren Durchgangsthüren wasserdicht geschlossen werden können. Mitunter ist von Thüren ganz abgesehen, so daß die Schotte absolut wasserdicht sind. Der Raum vom Collisionsschott bis zu der in der hinteren Hälfte unter- gebrachten Maschine ist so in mehrere Einzelräume getheilt, während hinter der Maschine über dem Schraubentunnel unter 90 Meter Länge ein ungetheilter Lade- raum vorhanden ist. Schiffen über 100 Meter Länge giebt man auch noch ein hinteres Querschott, schon um die Construction des Schiffes zu verstärken. Unter den gewöhnlichen Frachtdampfern sind sechs Haupttypen zu unter- scheiden. Die älteste Construction sind die »Eindecker«, mit einem Brückenhause über den Maschinen- und Kesselräumen und Aufbauten auf der Back und der Vierung, die Logis des Capitäns, der Officiere und Maschinisten und ihrer Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. »Messe« (Speiseraum) enthaltend. Die Commandobrücke liegt an der vorderen Kante des Brückenhauses, unter ihr das Navigationszimmer mit Steuerrad, Normal- compaß und Maschinentelegraph. Neuere Dampfer besitzen meist auch einen »Ruder- indicator«, der die Lage des Ruders im Wasser automatisch dem Steuernden vor Augen führt. Das Kartenzimmer, in welchem die Seekarten aufbewahrt werden, steht in unmittelbarer Verbindung mit dem Steuerhause. Am einfachsten im Baue sind die »Glattdecker«, die außer der Commando- brücke und dem Steuerhause keinerlei Aufbauten haben. Maschinen- und Kessel- räume haben nur Oberlicht. ... Die »Kühldecker« haben auf dem Großdeck hinter der Brücke einen offenen Raum (»Kühle«, englisch Grube), um mit möglichster Bequem- lichkeit umfangreiche Ladungsstücke einnehmen zu können. Verschiedene Aufbauten dienen der Bequemlichkeit der Besatzung. ... Bei gedeckten Dampfern sind Back und Brücke gleich hoch. Auf dem Achterdeck haben sie einen Aufbau (»Hütte«), der zu Wohnzwecken dient. Die Dampfer dieser Kategorie sind meist 2100—2500 Tonnen groß. ... »Spar- oder Spierdecker« haben zwei Decke und wurden ursprünglich für Zwischendecksbeförderung construirt. Sie haben meist nur einen Aufbau für das Steuerhaus und die Commandobrücke und eine Größe von 1500—2700 Tonnen. Im Verhältniß zum Gewichte des Schiffes können sie sehr schwere Ladung nehmen. ... Als »Dreidecker« sind meist die über 2500 Tonnen großen Frachtdampfer con- struirt. Sie haben gewöhnlich nur zwei volle Decke und umfangreiche Aufbauten, die das dritte Deck ersetzen, und tragen das größte Gewicht im Verhältniß zum Tonnengehalt. Ein Dreidecker kann beispielsweise ganz mit Getreide gefüllt sein, ehe er seine volle Gewichtsladung hat. Die Erfindung der Schiffsschraube hat bekanntlich das Schaufelrad nicht gänzlich verdrängt. Für kurze Seefahrten werden noch jetzt Raddampfer verwendet, bei deren Construction dann ganz besonders Rücksicht auf gewisse Möglichkeiten genommen wird, durch welche die Schaufelräder in Mißcredit gekommen sind. Bei stürmischem Wetter trifft es sich nämlich sehr leicht, daß während der Schlinger- bewegungen ein Rad des Schiffes plötzlich ganz aus dem Wasser schlägt und durch die Schwungkraft in freier Luft einen Wellenbruch verursacht. Vielfach sind bei solcher Gelegenheit schwere Unfälle vorgekommen, da die plötzliche Aenderung des Gleichgewichtes die an sich schmalen Raddampfer zum Kentern brachte. Das eigent- liche Feld der Raddampfer sind die Flüsse, da sie sich mit sehr geringem Tiefgange begnügen können und dabei große Schnelligkeit zu entwickeln im Stande sind. Die Schaufelräder theilen sich in solche mit festen Schaufeln (gewöhnliche Schaufelräder, Fig. 299) und in solche mit beweglichen Schaufeln (Patent-Schaufel- räder, Fig. 300). Gewöhnlich wird ein Rad an jeder Seite des Schiffes etwas vor der Mitte der Länge desselben, oder bei sehr langen scharfen Schiffen in oder etwas hinter der Mitte angebracht. Die Schaufeln der erstgenannten Räder sind an den radialen Speichen unverrückbar befestigt, die der Patenträder um eine in der Regel in der Mitte ihrer Höhe gelegte horizontale Achse a (in Fig. 300) dreh- Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 24 Erster Abschnitt. bar und werden durch an ihnen befestigte starke eiserne Arme c und an diese greifende Lenkstangen d , die, mit Ausnahme einer einzigen, in einer gegen die Rad- welle excentrisch gestellten, am Radkasten befestigten Scheibe b beweglich sind, derart gedreht, daß die ins Wasser austretenden Schaufeln g stets in bestimmten Winkeln Fig. 299. Gewöhnliche Schaufelräder. Fig. 300. Patent-Schaufelräder. stehen. Die Fortbewegung des Schiffes erfolgt durch den Druck der ins Wasser eingetauchten Schaufeln der um ihre Achse von der Dampfmaschine in rotirende Bewegung gesetzten Schaufelräder. Die Schrauben werden, je nach der Anzahl ihrer Flügel, in zwei- oder mehrflügelige getheilt, nach der Art ihrer Installirung in feste und heißbare. Die Flügel aller dieser Schrauben sind entweder mit der Nabe aus einem Stück gegossen oder lose eingesetzt und verstellbar. Die Figuren 301 bis 303 zeigen eine Fig. 301. Fig. 302. Fig. 303. Gewöhnliche Schiffsschraube. Fig. 304. Fig. 305. Gräffäth-Schraube. gewöhnliche zweiflügelige Schraube; die Fig. 301 giebt davon die obere Ansicht und zugleich die Lagerung im Brunnen. Fortwährende Versuche änderten die Form der Schraube immer wieder, bis man das Zweckentsprechende annähernd erreichte. Gegen- wärtig ist die in den Fig. 304 und 305 abgebildete »Gräffäth-Schraube« mit Kugel Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. in der Mitte eine der gebräuchlichsten. Die Kugel soll die Ansammlung von Todt- wasser in dem Winkel der Schraubenflügel verhindern, das sich durch die schnelle Drehung dort bildet und der Fortbewegung des Schiffes hinderlich ist. Erhält das Schiff nur eine Schraube, so wird dieselbe entweder in einem Ausschnitte zwischen Hintersteven und Rudersteven, bei Schiffen mit Balanceruder zwischen diesem und dem Hintersteven, oder auch hinter den Rudern angebracht: erhält ein Schiff zwei Schrauben (Zwillingsschrauben), so sind dieselben im Hinter- schiffe, und zwar entweder eine an jeder Seite des Hinterstevens angebracht, oder das Schiff erhält zwei Hintersteven, zwischen denen dann je eine Schraube sich befindet. Die festen Schrauben sind auf der Welle fest aufgesetzt, die heißbaren Schrauben ruhen mit den Enden ihrer Nabe in einem Rahmen, der zwischen Gleit- schienen, die an der Hinterkante des Hinterstevens und der Vorderkante des Ruder- stevens angebracht sind, geheißt (emporgezogen) und niedergelassen werden kann. Die Verbindung der niedergelassenen Schraube mit der Welle ( w in Fig. 301) erfolgt durch eine gabelförmige Kuppelung ( a ). Für eine heißbare Schraube ist die Anbringung eines Brunnens zwischen Hintersteven und Rudersteven erforderlich. Solche Schrauben haben den Vorzug, daß sie, sobald das Schiff segelt, in geheißter Lage den ziemlich bedeutenden Widerstand, den selbst die entkuppelte Schraube der Bewegung entgegensetzt, nicht bieten, daß bei Beschädigung der Schraubenflügel das Wechseln oder Repariren derselben und eine etwa wünschenswerthe Veränderung des Neigungswinkels möglich ist, ohne das Schiff zu docken. Dagegen ist es ein Nachtheil dieser Schrauben, daß ein Brunnen nothwendig ist, der den Verband des Hinterschiffes sehr schwächt, daß die Kuppellung mit der Welle sich häufig lockert und dadurch ein sehr starkes Stoßen der Schraube entsteht, daß das hinten am Schiffe befindliche Gewicht durch den schweren Rahmen der Schraube sehr vermehrt wird, und daß nur zweiflügelige Schrauben verwendet werden können. Was die festen Schrauben anbetrifft, kommt ihnen der Vortheil zu, daß ihre Verbindung mit der Welle solid und unwandelbar ist, daß sie mehr als zwei Flügel erhalten können, das Hinterschiff durch den Wegfall des Brunnens stärker ver- bunden bleibt und um das Gewicht des Schraubenrahmens und der Lagerstühle desselben erleichtert wird. Sie haben dagegen den Nachtheil, daß sie beim Segeln des Schiffes nur entkuppelt werden können und, im Falle sie sich dann nicht von selbst mitdrehen oder durch kleine Maschinen gedreht werden, der Fortbewegung einen sehr bedeutenden Widerstand entgegensetzen, sowie endlich daß bei Beschädi- gungen der Flügel oder bei wünschenswerther Veränderung der Neigungswinkel derselben zu den bezüglichen Reparaturen und Arbeiten stets das Docken des Schiffes nothwendig ist. Rücksichtlich des mechanischen Effectes der Schrauben sei zunächst hervor- gehoben, daß die Größe des Druckes derselben im Sinne der Fortbewegung des Schiffes abhängig ist: von der Zahl ihrer Umdrehungen per Minute, von ihrer 24* Erster Abschnitt. Neigung, ihrem Durchmesser und von ihrer Lage; die Geschwindigkeit des Schiffes hängt ab von dem Widerstande des letzteren und von dem Verhältnisse des Durch- messers der Schraube, oder des mit dem Schraubenhalbmesser beschriebenen Kreises Fig. 306. Schraube in der Scheide. zum eingetauchten größten Querschnitte des Schiffes. Uebrigens wirkt jede Schraube außer auf die Fortbewegung in der Richtung der Längenachse, auch auf Drehung des Hinterschiffes nach der ihrer Umdrehungsrichtung entgegengesetzten Seite. Dies Bestreben wird umso größer, je größer die Neigung im Verhältniß zum Durchmesser ist. Die Vorzüge der Zwillingsschrauben vor den einfachen Schrau- ben besteht darin, daß sie Schiffen von geringem Tiefgange, denen eine Schraube nur eine sehr geringe Geschwindigkeit ertheilen könnte, eine größere zu geben im Stande sind, daß sie dem Schiffe eine größere Manövrirfähigkeit erthei- len als eine Schraube, und daß sie für Fahr- zeuge, welche keine Take- lung erhalten, insoferne von großem Werthe sind, als denselben nach Be- schädigung einer Schraube noch immer die Möglichkeit bleibt, sich fortzube- wegen. Nachtheile dieses Systems sind: der geringere Wirkungsgrad als derjenige einer Schraube, deren Kreisflächeninhalt gleich der Summe der Kreisflächeninhalte der Zwillingsschrauben ist; die Nothwendigkeit zweier Maschinen, und entweder zweier Hintersteven und Rudersteven, durch welche die Verbände des Hinterschiffes Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. sehr complicirt werden, oder zweier aus dem Hintertheile des Schiffes heraustretender Röhren zur Umhüllung der Welle bis zum Stützbock der Schraube am Hintersteven. Die Anordnung kann leicht bedeutende Beschädigung der Construction und ein gefährliches Lecken des Fig. 307. Schraube vorgestreckt. Schiffes nach sich ziehen. Allen Schrauben kommt den Rudern gegen- über der Vorzug zu, daß sie ihrer Lage wegen Be- schädigungen wenig aus- gesetzt sind, daß sie, wenn ihr Durchmesser nicht zu klein ist, bei bewegter See nicht leicht ganz aus dem Wasser kommen, daß Schraubendampfer, ganz wie Segelschiffe, mit voll- ständiger Takelung ver- sehen werden und diese auch dann ausgenützt werden kann, wenn die Maschine im Gange ist. Es liegt auf der Hand, daß dadurch die Fahr- geschwindigkeit sehr erhöht werden kann. Aus dem- selben Grunde können Schraubendampfer, auch wenn die Maschine außer Thätigkeit ist, gleich den Segelschiffen segeln, sei es, daß die Schrauben geheißt oder auch nur entkuppelt sind. Dagegen sind Nachtheile der Schrauben, daß sie nur für Schiffe mit möglichst großem Tiefgange gute Wirkungsgrade haben, und daß sie für große Schiffe mit geringem Tiefgange nicht zu verwenden sind, wenn dieselben Schnelligkeit besitzen sollen; außerdem arbeiten Schrauben, falls das Schiff gegen Wind und Wellen anzukämpfen hat, unökonomischer als Räder. Erster Abschnitt. Große Segler, die ja, trotz der Umwälzung der Schiffahrt durch den Dampf- betrieb, immer noch in großer Zahl auf dem Ocean verkehren, unterliegen bekannter- maßen den Windstillen und sind dann gezwungen, tagelang ruhig zu liegen, ohne Fig. 308. Schraube mit ausgebreiteten Schraubenflügeln und fertig zum Dienste. einen wenn auch noch so bescheidenen Apparat zur Fortbewegung zu besitzen, da Segel ohne Wind eben nichts zu leisten vermögen. Die Befreiung eines von Windstille festgehaltenen Segelschiffes durch Remor- queure ist nur in ganz außergewöhnlichen Fällen möglich; auch ist die Sache mit mehr oder minder großen Kosten verbunden. Um in dieser Rich- tung radicale Abhilfe zu schaffen, hat in jüngster Zeit die »Sheatling Pro- peller Company« eine eigenartig construirte Schraube zur Annahme empfohlen, welche im Gebrauchsfalle aus dem Hinterschiffe vorgetrieben, beziehungsweise wieder eingezogen werden kann. Dieses System führt den Namen Scheidenpro- peller und ist seine An- ordnung aus den vor- stehenden Abbildungen (Fig. 306 bis 308) zu ersehen. Das erste Bild (Fig. 306) veranschaulicht die Lage der in das Rohr zurückgezogenen Schraube; die Fig. 307 zeigt die aus dem Rohre vorgeschobene Schraube mit umgeklappten Flügeln, Fig. 308 endlich zeigt die Schraube in völlig arbeitsfähiger Stellung mit ausgebreiteten Flügeln. Uebrigens hat man diese Anordnung in der Weise modificirt, daß die Schraubenflügel unbeweglich sind und beim Zurückziehen der Achse sammt Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. ihrem Kopfe in ein Schutzgehäuse zu liegen kommt. Eine Vereinfachung der Con- struction ist dies keineswegs, da das Schutzgehäuse in ungünstigem Sinne die Fahr- geschwindigkeit beeinflußt. Nach diesem allgemeinen Ueberblick auf die modernen Handelsdampfer ist es an der Zeit, in die Einzelheiten der Schiffe älterer und jüngster Construction einzugehen. Selbstverständlich ist es unmöglich, diesfalls allen Fortschritten des Fig. 309. Querschnitte moderner Schnelldampfer im Vergleich zum »Great Eastern«. Die Maße sind folgende: Schiffbaues, auf die vielen, den Ocean befahrenden Gesellschaften bezogen, gerecht zu werden. Wir müssen uns daher auf die deutschen Schiffe beschränken und nur da und dort, wo es das maritim-technische Interesse erheischt, wie beispiels- weise bei den Schiffsmaschinen, über den gezogenen Rahmen hinausgehen. ... Es giebt zur Zeit über ein Dutzend transatlantischer Dampfschiffahrts-Gesellschaften — deutsche, englische, französische, niederländische —, welche den Verkehr mit Amerika (und den übrigen Welttheilen) vermitteln, und einige derselben besitzen ganze Flotten der herrlichsten und leistungsfähigsten Schiffe. Mit Stolz nennt der Deutsche seine einheimischen Unternehmungen — den Norddeutschen Lloyd und die Erster Abschnitt. Hamburg-amerikanische Packetfahrt-Actiengesellschaft — deren Schiffe zu den schönsten und größten der Welt zählen, und welche in Bezug auf Leistungs- fähigkeit alle Concurrenten siegreich aus dem Felde geschlagen haben. Es würde zu weit führen, die Geschichte dieser beiden Unternehmungen aus- führlich zu erzählen. Ein besonderes Interesse hingegen dürften der Bestand der Flotten beider Gesellschaften, sowie die Einrichtungen der prachtvollen Schiffe und die Verkehrsleistungen beanspruchen. ... Der Norddeutsche Lloyd wurde 1857 begründet. Im ersten Jahrzehnt seines Bestehens verfügte der Lloyd über eine Fig. 310. Rauchsalon des Bremer Lloyddampfers »Kaiser Wilhelm II .«. Flotte von 14 Dampfern. Der eigentliche Aufschwung des Unternehmens fällt in die letzten Siebzigerjahre. Bis hierher waren allein die Factoren der Regel- mäßigkeit und Sicherheit im Betriebe aller Linien maßgebend gewesen, jetzt trat ein drittes Moment hinzu, welches, hervorgebracht durch die außerordentlichen Fortschritte moderner Maschinentechnik, ganz neue Anforderungen an das Schiffs- material und die Betriebsweise stellte: Die Schiffahrt trat in das Zeichen des Schnelldampferdienstes. Bis dahin hatte eine Geschwindigkeit von 12 bis 13 Seemeilen in der Stunde die Norm für die regelmäßigen Postlinien gebildet; im Jahre 1878 ließ die englische »Guionhise« einen Dampfer (Arizona) bauen, welcher die bis dahin unerhörte Schnelligkeit von 16 Seemeilen entwickelte und eine ungemein große Passagierzahl Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. aufzunehmen im Stande war. Damit öffnete sich der Schiffahrt ein neuer Weg. Die große Schnelldampferflotte ermöglichte es, die Fahrten dieser Art zu ver- mehren; außerdem wurde das alte System der Schiffsausstattung verlassen. An Stelle der hergebrachten schematischen Saloneinrichtung mit einer Reihe von Tischen hintereinander, zu deren beiden Seiten unbequeme Bänke angebracht waren, traten jetzt Säle von einer derart ausgesuchten Pracht und Eleganz, daß ein Vergleich für dieselbe sich kaum finden läßt. Möbel, Teppiche, Vorhänge, Gemälde bilden mit der architektonischen Gesammtanlage der Salons ein einheitliches Ganzes Fig. 311. Speisesaal des Bremer Lloyddampfers »Kaiser Wilhelm II .«. und lassen kaum den Gedanken daran aufkommen, daß man sich an Bord eines Schiffes befindet. Mit der künstlerischen Entwickelung der Salonausstattung hielt die Einrichtung der Cabinen gleichen Schritt. An Stelle der früheren engen, verhältnißmäßig niedrigen, nur mit einem harten Lager und vielleicht mit einer Art Sopha aus- gestatteten Wohnräume für die Passagiere, traten Cabinen von dem Umfange kleiner Zimmer bis zur Höhe von 3 Meter und mit einer Ausstattung, welche allen denkbaren Wünschen entspricht. Die Kojen selbst sind ausziehbar und mit Federmatratzen versehen. Waschtische mit Wasserleitung, welche nach dem Gebrauche an der Wand in die Höhe geklappt werden und so gut wie keinen Raum einnehmen, Kleiderschränke, Divans, bequeme Arbeitstische vervollständigen das Mobiliar der Erster Abschnitt. einzelnen Cabinen. So wurde zum ersten Male den Passagieren Gelegenheit gegeben, auch an Bord des Schiffes sich in einen eigenen Raum zurückzuziehen und ungestört der Ruhe oder der Arbeit obliegen zu können. Wie wesentlich dies besonders für diejenigen Reisenden ist, die häufiger den Ocean kreuzen, braucht nicht besonders hervorgehoben zu werden. In ähnlicher Weise wie die Vervollkommnung der Saloneinrichtung und die Fürsorge für die Kajütpassagiere vorschritt, sind die Zwischendeckspassagiere heute derart untergebracht und gepflegt, daß ein Vergleich mit früheren Zeiten gar nicht mehr gezogen werden kann. Die Grundeintheilung im Zwischendeck ist von selbst gegeben durch die Sonderung der Geschlechter. Allein weilende Frauen und Mädchen haben ihre eigenen Abtheilungen, ebenso allein reisende männliche Personen, endlich Familien. Bei den neuesten Schnelldampfern des Lloyd ist ein besonderes Gewicht darauf gelegt worden, eine nicht zu große Zahl von Passagieren zu vereinigen. Die Zwischendeckräume sind ungewöhnlich hoch, die Betten sind von Eisen mit eisernen Sprungfedern versehen, so daß eine außerordentlich leichte Reinigung der- selben möglich ist. Endlich sind zum Einnehmen der Mahlzeiten Tische und Bänke in ausreichendem Maße vorhanden. Eine Reihe von Hospitälern, einige Isolir- hospitäler für ansteckende Krankheiten, ausreichende Badeeinrichtungen sorgen im Vereine mit der Thätigkeit des Arztes und des Gehilfen für ausreichende hygienische Beaufsichtigung. Die im Vorstehenden gegebenen Darlegungen über den Schnelldampferdienst haben uns der chronologischen Entwickelung des Lloyd um einige Jahre voraus- geführt. Im Jahre 1885 schrieb die deutsche Reichsregierung eine Concurrenz für die zu errichtenden Reichspostlinien aus. Die Entscheidung fiel zu Gunsten des Norddeutschen Lloyd aus, als einzige Schiffahrtsgesellschaft, welche in der Lage war, die fünf verlangten Linien in einer Hand und Verwaltung zu vereinigen und ohne Zeitverlust mit den Fahrten zu beginnen. Am 30. Juni 1886 trug die »Oder« als erster deutscher Reichspostdampfer die Flagge des norddeutschen Lloyd nach Ostasien, am 14. Juli der »Salier« nach Australien. Die Dampfer für die Zweiglinien waren bereits seit längerer Zeit vorausgegangen. Schon das folgende Jahr brachte abermals eine ganz bedeutende Vergröße- rung der Flotte des Lloyd, zugleich aber die Einschaltung eines ganz neuen Schiffstypus, für welchen die Anforderungen des Zwischendecks und Frachtverkehrs maßgebend waren. Der Lloyd contrahirte den Bau von acht neuen Dampfern, welche einen Tonnengehalt von 5000 bis 5600 hatten. Sie bieten Platz für 80 Kajütspassagiere und nicht weniger als 2000 Zwischendecker, neben einem Lade- raum von immer noch mehr als 3000 Tonnen. Die Zwischendeckseinrichtungen können leicht und sehr schnell entfernt werden, so daß dann ein Laderaum von circa 6000 Cubikmeter zur Verfügung steht. Es sind dies die Schiffe der »München«- Classe, so genannt nach dem ersten fertiggestellten Dampfer dieses Typus. Im Jahre 1891 errichtete der Lloyd abermals eine neue Schnelldampferlinie zwischen Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. Fig. 312. Auf Deck. Erster Abschnitt. Genua und New-York, und im Jahre 1892 endlich trat die Ergänzung des Schnelldampferverkehrs Bremen—New-York ins Leben, nämlich eine Fracht- und Zwischendeckslinie, welche den Verkehr der Schnelldampfer entlastete und — in ihrem Betriebe ungleich billiger — dem Lloyd erlaubte, auch die Massenfracht, deren Beförderung auf den Schnelldampfern ausgeschlossen erscheint, sich zu sichern. In mehr als einer Beziehung steht dem Lloyd die Hamburg-Amerika- nische-Packetfahrt-Actiengesellschaft , welche im Jahre 1847 ins Leben trat, ebenbürtig zur Seite. Ihre Flotte besitzt einige der größten und schnellsten Schiffe der deutschen Handelsmarine. Ueber die Bedeutung des von der Gesellschaft eingerichteten Schnelldampferdienstes für Deutschlands Beziehungen, in erster Linie die commer- ziellen zu den Vereinigten Staaten von Amerika, brauchen wir nicht viele Worte zu machen. Die erfreuliche Thatsache, daß die Entfernung zwischen beiden Ländern auf nur 7 ½ Tage verringert ist, kommt nicht nur dem Waaren- und Personen- verkehr, sondern auch dem Postaustausche zu Gute. Auf den Hamburger Schnelldampfern sind unter Aufwendung außerordent- licher Kosten einzig dastehende Einrichtungen zur Sicherung der ihnen anvertrauten Leben und Güter geschaffen worden. Die Vorkehrungen zu diesem Zwecke sind von viel größerem Umfange und bedingen beträchtlich höhere Kosten, als die Decoration und Mobilarausstattung der Passagierräume, welche meistens das Auge der wechseln- den Bewohner eines solchen schwimmenden Palastes gefangen nimmt. Ein bedeutender Fortschritt in der Entwickelung des Schnellverkehres war die Einführung des Doppelschraubensystems. Dieses System, und mit ihm die Theilung des Schiffes in zwei Hälften, jede mit einer completen Maschinenausrüstung ver- sehen, erwies sich als ein großer Erfolg und zeitigte Resultate, welche alles bisher Erreichte in den Schatten stellten und den Schnelldampfern mit Recht die Be- zeichnung als »Blitzzüge des Oceans« eingetragen haben. Der Erfolg des Doppel- schraubensystems war durchaus nicht von vornherein gegeben. Ein ebensolcher Sprung ins Dunkle war es, als die Hamburger Unternehmung beschloß, bei der Vergebung des Baues auch die deutsche Schiffbau-Industrie zu berücksichtigen, indem sie einen der beiden ersten Schnelldampfer — die »Augusta Victoria« — auf der Schiffswerfte des » Vulcan « in Stettin bauen ließ. Nicht viele Leser werden ermessen, was Alles in diesen Worten liegt. Ehe dieser Auftrag ertheilt wurde, hatte es noch Niemand gewagt, einen großen Personen-Schnelldampfer in Deutsch- land erbauen zu lassen. Denn nur die Engländer und Franzosen hatten bisher dies schwierige Werk der Schiffbaukunst zu liefern vermocht. Es gehörte also kein geringer Muth dazu, ein Object, das nahezu 5 Millionen Mark kostete, der deutschen Industrie zum Baue zu übertragen. Der Vulcan hatte bis dahin zwar glänzende Proben seiner Leistungsfähigkeit gegeben, vornehmlich durch seine Doppelschrauben- bauten für die chinesische Kriegsmarine, aber um den höchsten Triumph durch Herstellung eines Schnelldampfers in solchen Verhältnissen feiern zu können, dazu hatte es ihm bisher an Gelegenheit gefehlt. Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. Fig. 313. Im Hafen. Erster Abschnitt. Um nun wieder auf das Doppelschraubensystem zurückzukommen, wurde bereits vor Jahren in Fachkreisen die Meinung ausgesprochen, daß keine noch so gut hergestellte Schraubenwelle im Stande sei, auf die Dauer die 12.000—13.000 Pferde- kräfte der Schraube zu übermitteln. Sie werden in ihrer Structur nach und nach zerstört und dadurch dem Brechen ausgesetzt sein. In mehreren Fällen ist diese Voraussetzung bei Einschrauben-Schnelldampfern eingetreten, die dann hilflos nach anderen Schiffen aussehen mußten, um sich in einen Hafen schleppen zu lassen, wenn sie selbst von größerem Unglück bewahrt blieben. Der Doppelschraubendampfer kann in eine solche Lage nur kommen, wenn er an beiden Maschinen zugleich Fig. 314. Dampfsteuerapparat. Schaden nimmt, was sehr unwahrscheinlich ist. Ist einer Maschine, Welle oder Schraube ein Unfall zugestoßen, so fährt das Schiff zwar etwas langsamer, aber vollkommen sicher mit der zweiten weiter und kann in aller Ruhe die Beseitigung des Schadens unternehmen, soweit es die Mittel an Bord gestatten. Daneben besitzen die Doppelschraubendampfer eine ungleich größere Manövrir- fähigkeit als die nur mit einer Schraube versehenen. Das ist auch jedem Laien einleuchtend. Der Capitän hat es ganz in der Hand, zu gleicher Zeit die eine Schraube vorwärts, die andere rückwärts arbeiten zu lassen, so daß sich das Schiff auf der Stelle dreht. Das Ausweichen in der Fahrt wird dadurch in jeder Weise erleichtert, das Schiff gehorcht dem Willen des Führers sofort, während ein vor- wärtsstürmender Einschraubendampfer noch hunderte Meter fortgleitet, ehe eine merkliche Aenderung der Richtung erfolgen kann. Wer einmal Gelegenheit gehabt Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. hat, zu sehen, wie sich ein Doppelschraubendampfer ohne Hilfe eines Schleppers im engen, vollbesetzten Hafen, wo er kaum einige Meter freien Raum hat, dreht, und wie ein lebendes Wesen durch die Gassen der anderen Schiffe mit sorgfältiger Vermeidung jedes Anstoßens durchwindet, kann nicht genug über die vollkommene Beherrschung des Stahlkolosses durch den Menschen staunen. Dazu kommt noch ein Anderes. Wir haben schon früher einmal erwähnt, daß man, um im Falle des Leckens eines Schiffes, das Volllaufen desselben mit Wasser zu verhindern, ersteres mit einer Anzahl wasserdichter Querwände versieht, Fig. 315. Commandobrücke des Hamburger Dampfers »Columbia«. womit in sich geschlossene Abtheilungen geschaffen werden. Leckt nun ein Schiff, so kommen eben nur die betreffenden Abtheilungen unter Wasser. Bisher ist indeß der beabsichtigte Zweck, den man mit den Schotten anstrebte, deshalb nicht erreicht worden, weil im Augenblicke der Gefahr die Thüren, welche durch die Zwischen- wände führen, nicht geschlossen waren oder werden konnten. Diese Gefahr ist bei den Doppelschraubendampfern gänzlich vermieden, denn es giebt bei ihnen unter der Wasserlinie überhaupt keine Thüren mehr zwischen zwei Abtheilungen, und auch diejenigen über der Wasserlinie können vermöge an jeder Thür angebrachter Doppelheber in wenigen Secunden vollkommen wasserdicht abgeschlossen werden. Allerdings sind einzelne Durchlässe auch unter der Wasserlinie nicht zu ver- meiden gewesen, aber nur da, wo ihre Anbringung unbedingt nothwendig war, Erster Abschnitt. z. B. zwischen den beiden Maschinen, die unter gleichzeitiger Controle des Ingenieurs vom Dienst stehen müssen. Damit aber die Unmöglichkeit, die Thüren zu schließen, nicht eintreten könne, sind sie alle zum Auf- und Abschieben eingerichtet und können sowohl vom Maschinenraum, wie vom Hauptdeck durch eine leicht zu handhabende Schraubeneinrichtung mit der absolutesten Sicherheit augenblicklich geschlossen werden. Durch alle Doppelschraubendampfer geht ein Längsschott, der das Schiff halbirt, somit sind auch die beiden Maschinen von einander getrennt und gegen gleichzeitiges Vollwasserlaufen geschützt. Es ist daher möglich, selbst wenn der Dampfer in der Mitte angerannt oder leck geworden sein sollte, immer wenigstens eine Maschine in Betrieb zu behalten. Sollte eine oder mehrere der Abtheilungen sich mit Wasser füllen, so beeinträchtigt dies die Schwimmfähigkeit des Schiffes nicht, außerdem sind die vorhandenen Pumpen stark genug, um in etwa 15 Minuten jeden der Räume zu leeren. Die Schiffe sind mit doppeltem Boden versehen, deren Zwischenraum nach dem Brackelsystem in Kammern eingetheilt ist, welche durch hydraulische Pumpen mit Wasser bis zu 100 Tonnen gefüllt oder geleert werden können. Diese Ein- richtung ermöglicht es, den Tiefgang zu vermindern oder zu vergrößern, und gewährt so Schutz gegen Fährlichkeiten, die dem Schiffe vom Grunde aus begegnen könnten. Ein erheblicher Fortschritt ist ferner die Einführung des äußerst sicher func- tionirenden Dampfsteuers , dessen eigenartige Maschine stets sich selbst den Schieber wieder zum beliebigen Gebrauch vorwärts oder rückwärts stellt, während die durch hydraulische Compression in jeder Stellung sich selbst im Gleichgewicht haltende Führung des Steuers nach Mc. Cull und Cumming 's Patent aus- geführt ist. Mag das Steuer nach der einen oder der anderen Seite gewendet sein, stets halten zwei mit Glycerin und Wasser gefüllte Kolben, deren einer um genau so viel entleert wird, was der andere sich füllt, diese Stellung fest, bis sie nach dem Willen des Steuernden geändert wird. Der Laie kann sich ungefähr einen Begriff machen, welche große Aufgabe dem Schiffsconstructeur erwächst, um den ungeheueren Raum, den ein moderner Riesendampfer einnimmt, praktisch einzutheilen. Ganz besondere Schwierigkeiten bieten hierbei noch die wasserdichten Schotte, die mit Treppenanlagen überschritten werden müssen. Die wenigsten Reisenden sind deshalb auch im Stande, sich auf dem Schiffe über den Weg von ihrer Kammer zum Speisesaal und Rauchzimmer hinaus zurechtzufinden. Erst wenn sie einmal von einem Führer durch die ganzen Räume geleitet werden, bekommen sie einen Eindruck davon, was ein solcher Organis- mus bedeutet. Nehmen wir nun einen solchen Schnelldampfer näher in Augenschein. Bezüg- lich seiner Eintheilung im Großen und Ganzen ist die Anordnung der Decke maßgebend. Es sind vier durchgehende Decke vorhanden: Zwischendeck, Haupt- deck, Oberdeck und Promenadedeck . Sie sind auf breiten und bequemen Treppen Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. Fig. 316. Feuerraum eines Oceandampfers. Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 25 Erster Abschnitt. an den verschiedensten Stellen zugängig. Unter dem Zwischendeck liegt im vorderen und hinteren Raum noch ein Orlopdeck , und darunter befinden sich, bis zum Boden reichend, die Laderäume. Der vor den Collisionsschotten vorne und hinten liegende Raum bleibt unbenützt, bis auf einen unter dem Zwischendeck angebrachten kolossalen Wassertank, der nach Belieben voll oder leer gepumpt wird, um ein zu starkes Heben des Vorderschiffes durch schwerere Ladung im Hinterschiffe auszugleichen. Der mittlere Theil des Schiffes, ein gutes Drittel der ganzen Länge, wird von den Kessel- und Maschinenanlagen eingenommen. Auf dem Promenadedeck liegen verschiedene Räume für die Passagiere, die Wohnung des Capitäns und die Kammern der Officiere, darauf steht das Steuerhaus mit dem Kartenzimmer und über diesen die Commandobrücke mit Compaß und Telegraphen zur Maschine und zum Steuerhaus. Auf dem Oberdeck stehen vorne auf der Back die Anker- winden und der Ankerkrahn. Durch einen breiten Zwischenraum getrennt, folgt der obere Salon I. Classe, und hinter diesem geht es auf Backbordseite zu den geräumigen »Pantry«, an die sich der Aufwaschraum und die Küche für die Kajüt- passagiere anschließen. An der Steuerbordseite liegen die Kammern der Ingenieure und anderer Functionäre, sowie mancherlei Räumlichkeiten für specielle oder allge- meine Bedürfnisse. Im Hauptdeck liegen ganz vorne hinter dem Collisionsschott Mannschafts- räume, dann folgen Cabinen I. Classe, der untere Salon I. Classe, weiterhin Treppen, Luxuscabinen; neben den Maschinenräumen liegen die Schlafkammern der Heizer mit besonderen Wasch- und Badeeinrichtungen für sie. Weiterhin wieder Kammern, Küchen, Wohnräume für die Bediensteten u. s. w. ... Das Zwischendeck ist vorne, vom Collisionsschott bis zum Kesselraum und hinter der Maschine bis fast zum hinteren Ende des Schiffes zur Aufnahme von Zwischendeckspassagieren ein- gerichtet. Im Orlopdeck endlich befinden sich die Proviant- und Laderäume, der Eisraum und Frischwassertank, Kohlenbunker, Kesselräume und Maschinenraum. Den hinteren Theil des untersten Raumes nehmen die »Tunnel« ein, durch welche in zahlreichen festen Lagern die Schraubenwellen von den Maschinen bis zur Außenwand geführt sind. So imponirend sich dem Beobachter der Anblick eines solchen schwimmenden Kolosses darstellt, für sich allein ist dieses Werk eine einzige, ungeheuere, leblose Masse, ein Riesenkörper ohne Seele. Um diese Masse zum Leben zu erwecken, bedarf es des Dampfes, beziehungsweise des Bewegungsmechanismus. Wir gedenken hierbei der seltsam primitiven Vorrichtungen eines Symington und Fulton , und streifen dann mit dem geistigen Auge den zu fast unübertreffbarer Vollkommenheit gelangten, riesig dimensionirten und meist eine Leistungsfähigkeit von vielen tausenden Pferdestärken repräsentirenden Bewegungsapparates — der modernen Schiffs- maschine . Die ersten wesentlichen Verbesserungen am Locomtionsmechanismus für Schiffe verdankt man dem Engländer John Penn , der zuerst die direct wirken- Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. Fig. 317. Der Hamburger Schnelldampfer »Columbia« in voller Fahrt (Momentphotographie). 25* Erster Abschnitt. den, oscillirenden Cylindermaschinen in Anwendung brachte. Ein weiterer Fort- schritt bestand in der Nutzbarmachung des von Samuel Hall erfundenen Systems der Oberflächen-Condensation für Marinemaschinen. Bei diesem System wird der verbrauchte Dampf in einen von tausenden von Röhren durchkreuzten Con- densator geleitet, anstatt nutzlos, wie bei den Locomotiven, in die Luft zu ver- puffen. Der Dampf wird durch das die Röhren durchströmende kalte Wasser ab- gekühlt und auf diese Weise condensirt den Kesseln zur Speisung wieder zugeführt. John Edler in Glasgow verstand es, eine deutsche Erfindung — das Carl- sund 'sche System — für Marinemaschinen auszunützen, und dies ist ein anderer Fig. 318. Blick in den Maschinenraum eines amerikanischen Passagierdampfers. (Oberansicht der Cylinder.) großer Fortschritt, welcher nach und nach außergewöhnliche Verbesserungen in der Construction der Maschinen für Seedampfer zur Folge hatte. Wenn 100 Kilogramm Kohlen nöthig sind, das Wasser in Dampf zu ver- wandeln, so genügt ein weiteres Kilogramm Kohle, um dem Dampfe Spannung zu geben. Dies ist das große Geheimniß des sogenannten Compound - oder Hoch- und Niederdrucksystems. Der Dampf wird dermalen mit weniger Kosten viel besser von den Kesseln geliefert, woraus der große Nutzen des Systems resultirt. Anstatt mit 10 Kilogramm Stärke pro Flächeneinheit auf den Kolben im Cylinder zu wirken, wird er jetzt mit vierfacher Stärke benützt, und die Intensität dieses Dampfes erlaubt zugleich ein viel geringeres Quantum, welches im Hochdruckcylinder expansirend, von da weiter in den Niederdruckcylinder geht, Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. um dort mit fast noch halber Kraft auf die verhältnißmäßig größeren Kolben zu wirken. Ist der so ausgenützte Dampf dort fertig, so tritt er in den weiter oben erwähnten Oberflächen-Condensator, wo er, plötzlich in Wasser sich verwandelnd, ein Vacuum schafft, die dem im Niederdruckcylinder arbeitenden Kolben wieder von großem Nutzen ist. Von dem Condensator fließt der nun in heißes Wasser ver- wandelte Dampf in den sogenannten » hot well « (heißen Brunnen), um von hier den Kesseln wieder als Speisewasser zugeführt zu werden und so die Benützung des den Kesseln schädlichen Seewassers zu vermeiden. Fig. 319. Mittlerer Theil des Maschinenraumes eines amerikanischen Passagierdampfers. Wie man sieht, ist hier der Einfluß des Constructionsprincipes der Loco- motiven — diesen ausgezeichneten compendiösen Dampfmaschinen — auf die Schiffs- maschinen unverkennbar. Der Umstand, daß die Locomotiven, trotzdem daß für die- selben die Grenzen an Raum und Gewicht viel enger gezogen sind, als für die Dampfschiffsmaschinen, noch vor wenigen Jahren pro Pferdestärke der entwickelten Leistung nicht halb so viel Kohlen verbrauchten, als damals die Schiffsmaschinen für gleiche Leistungen consumirten, hat dem Röhrenkessel auf den Schiffen Eingang verschafft, die Scheu der Schiffs-Ingenieure von hohen Dampfspannungen über- wunden, die Kolbengeschwindigkeit gesteigert und die Stephenson'sche Coulissen- steuerung zur allgemeinen Anwendung gebracht. In letzterer Beziehung besteht indeß gegenüber der Locomotive der wesentliche Unterschied, daß die Expansion des Hochdruckcylinders bei den meisten neuen Schiffsmaschinen nicht, wie bei den Loco- Erster Abschnitt. motiven, mittelst der Coulisse, welche bei stärkerer Expansion eine große Differenz zwischen Kesselspannung und Anfangsspannung im Cylinder verursacht, sondern mittelst separater Expansions-Excentriks bewerkstelligt und die Bewegung des Um- steuerungshebels selbst bei kleineren Maschinen mittelst Schrauben, bei größeren mittelst kleiner Hilfsmaschinen bewirkt wird. Ihrem heutigen Zustande nach ist die Schiffsmaschine der vollendetste Dampf- mechanismus, der überhaupt existirt. Dennoch ist der Kohlenverbrauch ein ganz enormer. Das Mißverhältniß beruht in erster Linie auf der noch immer mangel- haften Art der Feuerung. Auf großen Dampfern sind ein halbes Hundert Feuer- Fig. 320. Blick in den Maschinenraum eines amerikanischen Passagierdampfers. (Antriebs-Mechanismen.) roste und darüber von 3 Meter und mehr Tiefe und einer Gesammtfläche von 100 Quadratmeter und darüber zu bedienen. Die Kohlenschicht, welche auf die Roste geladen wird, muß eine dünne sein, damit die Verbrennung möglichst günstig vor sich geht. Die große Rostfläche macht die gleichmäßige Beschickung derselben zu einer schwierigen, mühevollen Arbeit; das häufige Nachfeuern erfordert ein oft- maliges Oeffnen der Feuerthüren, wobei die Gluth eine unsägliche Hitze auf die Feuerleute in den Heizflur ausstrahlt. Bei jedem Reinigen des Rostes ist die niederfallende brennende kleine Kohle, die gelöscht werden muß, eine neue Be- lästigung. Gehen wir nun in die Details der Heiz- und Maschinenanlagen der Schnell- dampfer ein. Es sollen uns zunächst einige der Hamburg-Amerikanischen Paket- Die Entwicklung des eisernen Schiffbaues. fahrt-Actiengesellschaft beschäftigen. Die Kesselanlagen dieser Schiffe sind, wie alle maschinellen Anlagen, in von einander unabhängigen Gruppen getheilt, von denen jede in einer wasserdichten Abtheilung untergebracht ist. Jede Gruppe hat ihren besonderen Schornstein von circa 5 Meter Durchmesser. »Fürst Bismarck«, »Nor- mannia« und »Columbia« führen 9 Kessel mit je 4 Feuerungen, die »Augusta Victoria« 8 Kessel mit je 4 Feuerungen. In den Kesseln wird eine Dampf- spannung von 10—12 Atmosphären erzeugt. Dabei indiciren die beiden Maschinen des »Fürst Bismarck« zusammen 16.500 Pferdestärken und treiben das Schiff mit Fig. 321. Schnitt durch den Kesselraum des Schnelldampfers »Fürst Bismarck«. einer Geschwindigkeit von 20—20 ½ Knoten durch das Wasser. Die Maschinen der »Normannia« indiciren 16.250, die der »Columbia« 13.680, die der »Augusta Victoria« 12.000 Pferdestärken. Die »Normannia« erfordert 300, der »Fürst Bismarck« und die »Columbia« je 280, die »Augusta Victoria« 230 Tonnen Steinkohlen in 24 Stunden. Die Maschinen stehen auf kolossalen Fundamentplatten, die mit dem Kiel und Doppelboden innig verbunden sind. Sie sind nach dem dreifachen Expansions- system gebaut, d. h. der Dampf gelangt mit höchster Spannung in den ersten oder Hochdruckcylinder , wird dann, nachdem er für die Arbeitsleistung einen Theil seiner Spannung aufgewendet hat, in den zweiten oder Mitteldruckcylinder geführt, verliert dort wieder einen Theil seiner Spannung und muß dann im Erster Abschnitt. dritten oder Niederdruckcylinder den letzten Rest seiner Kraft ausarbeiten. Es findet damit eine vollkommene Ausnützung der Dampfspannung statt, durch die allein so große Maschinenleistungen möglich geworden sind. Je schwächer die Expansion des Dampfes wird, desto größer wird naturgemäß die Fläche des Kolbens sein, der gehoben werden soll. So hat der Hochdruckcylinder einen Durch- messer von 1‧05 Meter, der Mitteldruckcylinder von 1‧70 Meter und der Nieder- Fig. 322. Schnitt durch den Maschinenraum des Schnelldampfers »Fürst Bismarck«. druckcylinder von 2‧70 Meter. Der Kolbenhub beträgt in allen Cylindern 1‧60 Meter, die Zahl der Umdrehungen der Maschine ist 70 bis 90 in der Minute. Jede Maschine hat ihre besonderen Luftpumpen für den Condensator, die aber durch Umstellung beliebig auch für die anderen Maschinen benützt werden können, wenn die eine oder andere Luftpumpe eine Beschädigung erfahren sollte. Sie werden durch besondere Dampfmaschinen betrieben. Der verbrauchte Dampf wird — wie weiter oben erläutert wurde — in Condensatoren geleitet, um wieder in Speisewasser für die Kessel verwandelt zu werden. Das hierbei ver- Hamburger Doppelschrauben-Schnelldampfer »Fürst Bismarck«. Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. loren gehende Wasserquantum ist nur gering, so daß eine für die Reise genügende Menge von Süßwasser leicht in dem Tankboden des Schiffes mitgeführt werden kann. Die Condensatoren werden durch fortwährendes Ueberpumpen von Wasser aus der See oder dem Fluß, wo sich das Schiff gerade befindet, kühl gehalten. Wenn es seinen Dienst gethan hat, fließt das Kühlwasser an beiden Seiten des Mittelschiffes wieder als starker Wasserstrahl aus, der während der ganzen Fahrt keinen Augenblick aussetzt. Eine Zahl wie 12.000 oder 16.500 Pferdestärken spricht sich leicht aus. Bedenkt man aber, daß die allergrößten Dampfmaschinen auf dem festen Lande kaum über 1000 Pferdestärken hinausgehen, so muß man über die ungeheueren Dimensionen der Schiffsmaschinen staunen. Die beiden Maschinen der »Augusta Victoria« wiegen je 1000 Tonnen; der Durchmesser ihrer Kurbelwellen ist 50 Centimeter und wiegt jede dieser Wellen 45 Tonnen. Die Schraubenwellen wiegen je 41 Tonnen, die 8 Kessel zusammen 508 Tonnen; jeder Niederdruck- cylinder wiegt 32 Tonnen. Die großen Betriebsmaschinen sind es aber nicht allein, die alle nöthigen Arbeiten am Bord leisten; dazu bedarf es noch einer großen Zahl von Hilfs- maschinen, die zum Theil nur die Aufgabe haben, die gewaltigen Hauptmaschinen in Gang zu setzen. Im Ganzen befinden sich am Bord eines Doppelschrauben- Schnelldampfers außer den großen Betriebsmaschinen noch 74 Dampfmaschinen und Dampfpumpen mit 94 Dampfcylindern. 8 Maschinen sind Hilfsmaschinen zum Anstellen und Drehen der großen Maschinen, während 6 für das Dampf- steuer, das Lichten der Anker und den Betrieb der 4 Dynamos, die außer für die mächtigen Positionslaternen und mehrere Scheinwerfer am Deck den Kraftbedarf für 1000 Glühlampen zu liefern haben, 12 zum Treiben der Ventilations- maschinen, 8 zum Winden und 40 zum Pumpen verwendet werden. Die neun »Lenz- pumpen«, welche den Zweck haben, etwa eindringendes Wasser aus dem Schiff zu entfernen, fördern zusammen 36 Cubikmeter in der Minute; sie sind also im Stande, jede der wasserdichten Abtheilungen in wenigen Minuten leer zu pumpen. Die gesammten Rohrleitungen in jedem der Dampfer sind mehrere Kilometer lang. Den gleichen Rang wie die Doppelschrauben-Schnelldampfer der Hamburger Unternehmung nehmen jene des Bremer Lloyd ein. Der erste Oceandampfer des letzteren, der die Weser zur directen Fahrt nach New-York am 19. Juni 1858 verließ, war die »Bremen«. Dieses 1857 bei Caird \& Co . in Greenwell (Schott- land) erbaute Schiff hatte eine Länge von 97‧5 Meter und eine Breite von 11‧8 Meter. Das System der Maschine waren zwei Niederdruckcylinder; der Cylinderdurchmesser war 2‧3, der Hub 1 Meter. Der Kesseldruck war 1 Atmo- sphäre. Die Tiefe des Schiffes belief sich auf 8‧5 Meter, die Höhe des Decks auf 2‧1 Meter. Das Schiff konnte 60 Fahrgäste der I. , 110 Fahrgäste der II. Kajüte und 700 Fahrgäste im Zwischendeck aufnehmen. Die Ladefähigkeit wurde auf 850 Tonnen Kohlen und 1000 Tonnen Güter angegeben. Aber schon Erster Abschnitt. einer der neuen Schnelldampfer, die »Lahn«, zeigt ganz andere Dimensionen. Die Länge des Schiffes ist 136‧5 Meter, die Breite 14‧8, die Raumtiefe 10‧6 Meter. Die Messung ergiebt 5097 Registertonnen Brutto = 14.439 Cubikmeter. Die Geschwindigkeit der Fahrt in See ist 18 ½ Knoten, die Tragfähigkeit bei 7‧3 Meter Tiefgang 2000 Tonnen. Der erste Schnelldampfer des Lloyd war die »Elbe«. Die Compoundmaschine wurde zuerst (1871) auf dem Dampfer »Amerika« eingeführt, und fand sodann nach und nach auf allen größeren Dampfern Anwendung. Im Allgemeinen wurde darauf Bedacht genommen, die älteren Schiffe den Anforderungen der Zeit gemäß umzubauen, wobei in erster Linie die heimischen Werften Berücksichtigung fanden, und zwar von der Zeit an, wo sich auf den letzteren der Eisenschiffbau genügend entwickelt hatte, so daß ihre Leistungen gegenüber den englischen Werften nicht zurückstanden. Mit der 128 Meter langen und 13‧7 Meter breiten »Elbe« traten die Schnelldampfer in die New-Yorker Fahrt. Die der »Elbe« folgenden vier, nämlich »Werra«, »Fulda«, »Lida«, »Ems«, wurden etwas länger als die »Elbe« und entsprechend breiter gebaut; so erhielt die »Werra« 131 Meter Länge bei fast 14 Meter Breite; die Tragfähigkeit dieser Schiffe war bei 7‧3 Meter Tiefgang: 2678, 2600, 2771 und 2801 Tonnen, die Geschwindigkeit in See 18 Knoten. Die Dimensionen und die Tragfähigkeit, sowie die Geschwindigkeit in See ver- mehrte sich bei den folgenden Schnelldampfern, nämlich: die »Aller«: Länge 133‧5 Meter, Breite 14‧5 Meter, Tragfähigkeit 3098 Tonnen; die »Trave«: Länge 133‧5 Meter, Breite 14‧5 Meter, Tragfähigkeit 3078 Tonnen: die »Saale«: Länge 133‧5 Meter, Breite 14‧5 Meter, Tragfähigkeit 3098 Tonnen; die »Lahn«: Länge 136‧5 Meter, Breite 14‧8 Meter, Tragfähigkeit 2660 Tonnen. Die ersten Schnelldampfer des Lloyd, welche auf einer deutschen Werft her- gestellt wurden, waren die vom »Vulcan« in Bredow bei Stettin 1890 erbauten Dampfer »Havel« und »Spree«; ihre Dimensionen sind gleich, nämlich: 101 Meter Länge und 15‧8 Meter Breite; die Tragfähigkeit ist bei beiden Schiffen 3400 Tonnen, der Tiefgang 7‧6 Meter, die Geschwindigkeit 19 Knoten, die Zahl der Besetzung 244 Personen, die Maximalleistung der Maschinen 12.500 Pferdekräfte. Eine außerordentlich werthvolle Bereicherung erfuhr die deutsche Marine durch den Bau des Schnelldampfers »Kaiser Wilhelm II. «. Während das Reichs- gesetz für die australische Postfahrt nur Schiffe von etwa 3000 Tonnen, mit einer Geschwindigkeit von 11‧5 Knoten verlangt, hat sich herausgestellt, daß gegenüber den Anforderungen der Neuzeit weder jene Größe, noch vor Allem jene Geschwindig- keit ausreichend ist, um einen dauernden Erfolg zu erzielen. Diese Erwägungen führten den Norddeutschen Lloyd dazu, zunächst den »Kaiser Wilhelm« erbauen zu lassen, welcher alle vom Reiche gestellten Bedingungen bei Weitem übertrifft und einen Kostenaufwand von annähernd 4 Millionen Mark beanspruchte. Ganz aus deutschem Stahl erbaut, mißt dieses Schiff nicht weniger als 137 Meter in Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. der Länge, 15‧4 Meter in der Breite, 11‧3 Meter vom Kiel bis zum Hauptdeck an Tiefe. Der Rauminhalt des Kolosses beträgt nicht weniger als 9000 Tonnen Brutto (oder 6000 Registertonnen). Unter Abrechnung aller Passagierräume, Fig. 323. Promenadedeck des Bremer Schnelldampfers »Kaiser Wilhelm II. «. Maschinenräume und Kohlenbunker ist der Dampfer noch im Stande, bei einem Tiefgang von 7‧3 Meter 3700 Tonnen Ladung, d. i. den Inhalt von 370 Eisen- bahnwagen, an Fracht zu befördern. Erster Abschnitt. Dem Typus nach ist das Schiff ein Dreidecker, welcher durch zehn wasser- dichte, bis zum Oberdeck gehende Schotte in 11 Abtheilungen getheilt ist, so daß das Volllaufen von zwei nebeneinander liegenden Abtheilungen noch nicht das Sinken des Schiffes zur Folge haben kann. Das Vordertheil des Schiffes ist durch eine weit übergebaute eiserne Back gegen die Seen geschützt; ungefähr am Ende des ersten Viertels beginnt das außerordentlich umfangreiche Promenadedeck, welches sich über die ganze Breite und die Hälfte seiner Länge erstreckt und durch eine Laufbrücke mit dem hinteren, für den zweiten Salon bestimmenden Promenadedeck in Verbindung steht. Auf dem Promenadedeck erhebt sich zunächst auf dem Mittel- deck ein außerordentlich ausgedehntes eisernes Deckhaus, welches zu beiden Seiten einen weiten Raum für die Bewegung der Passagiere frei läßt. Dieser Raum ist an beiden Seiten mit einem festen, bis zum Bord reichenden Holzdach überdacht, und stehen auf letzterem die zwölf aus Stahlblech hergestellten, mit Luftkästen ver- sehenen großen Rettungsboote. Auf dem Hinterdeck erhebt sich ein zweites Deck- haus, in welchem der Damensalon, das Rauchzimmer und zwischen beiden der Treppenvorplatz für den zweiten Salon sich befindet. Eintheilung und Anordnung auf dem Hauptdeck weichen von den bis dahin üblichen Formen (der »Kaiser Wilhelm II. « lief am 23. April 1889 vom Stapel) der deutschen Dampfer gänzlich ab. Während unter der oben beschriebenen Back Wohnungen für die Seeleute, Waschhäuser für dieselben und für das Zwischen- deck, die Dampfküche für die III. Classe und für die Mannschaft, Aufwaschräume, die Schlächterei und Stallungen untergebracht sind, erhebt sich unter dem das zweite und dritte Viertel des Schiffes überdachenden Promenadedeck ein mächtiges Deckhaus, welches zu beiden Seiten des Schiffes freie, von dem bis zur Bordwand geführten und auf eisernen Stützen ruhenden Promenadedeck überdacht, nach der See zu offene Gänge frei läßt. In diesem Deckhaus befindet sich der 13‧2 Meter breite und für 104 Personen Platz bietende Speisesalon der I. Classe. Im Renaissancestyl gehalten, sind die Täfelungen von hellem Nußbaumholz und Füllungen von ungarischer Esche, mit vergoldeten Verzierungen versehen. Die kost- baren Bezüge der Divans und Drehstühle sind in geschnittenem Leder ausgeführt, die Farben Altblau mit gelben Verzierungen. Durch die mächtigen Oberlichtöffnungen der Decke sieht man in den prunk- voll ausgestatteten Musiksalon; durch eine mit reichen schmiedeeisernen und ver- goldeten Rankengeländer versehene Oeffnung des Fußbodens öffnet sich der Aus- blick nach abwärts in den unteren, kleineren Speisesalon mit 32 Sitzplätzen. Auch dieser Raum ist in hellen Eichen und Eschen im Renaissancestyl gehalten. Die weinrothe Farbe der Divan- und Stuhlbezüge ist von prächtiger Wirkung. Neben dem unteren Salon, durch einen stylvollen Vorplatz von ihm getrennt, liegt der etwa für 40 Personen berechnete Lesesaal, in welchem — bei sonst gleicher Aus- stattung wie in den vorbesprochenen Räumen — die Farbe der Ueberzüge meer- grün gewählt ist. Die Anordnung der Salons in drei Stockwerken gewährt einen Doppelschrauben-Schnelldampfer »Kaiser Wilhelm II. « des Norddeutschen Lloyd. Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. prachtvollen Ueberblick nach auf und nach abwärts. In gleicher Weise sind die Vorplätze mit den mächtigen, im Renaissancestyl gehaltenen Freitreppen von monu- mentaler Wirkung. Nicht so luxuriös, aber gleichwohl schön und vor Allem zweckmäßig sind die Räume der II. Classe angeordnet und ausgestattet. In der für Australien- fahrten ungemein wichtigen Zwischendeckseinrichtung wurden auf dem »Kaiser Wilhlem II. « gleichfalls eine Reihe bedeutsamer Neuerungen eingeführt. Im Ganzen sind, außer dem Raume im Hauptdeck, im eigentlichen Zwischendeck sechs von einander getrennte Zwischendecksräume vorhanden, von denen drei zur Aufnahme von Familien mit Kammern für je vier Personen versehen sind. Die Kojen selbst sind von Eisen und sind, sowie alle Kammern, in den Mittelraum verlegt, so daß der Raum unter den Fenstern zu beiden Seiten des Schiffes für Tische und Bänke frei bleibt und zugleich das Tageslicht frei einläßt. Wir haben noch einen Augenblick bei den Maschinen des Schiffes zu ver- weilen. Wie eingangs erwähnt, sollte der Dampfer bei weitem die officiell vor- gesehene Geschwindigkeit überschreiten, d. i. 17 Knoten. Demgemäß sind die Maschinen des »Kaiser Wilhelm« angeordnet und dimensionirt. Er besitzt eine dreicylindrige Dreifach-Expansionsmaschine von 6500 Pferdestärken; das gesammte Material ist bester deutscher Stahl. Zur Dampferzeugung dienen 6 Doppel- kessel mit je vier Feuerungen, welche mit 11 Atmosphären Ueberdruck arbeiten und die Einrichtung für forcirten Zug haben, wodurch die Dampfspannung dauernd erhalten werden kann. Der Hochdruckcylinder hat 1 Meter, der Mittel- druckcylinder 1‧7 Meter, der Niederdruckcylinder 2‧7 Meter Durchmesser; der Kolbenhub beträgt 1‧6 Meter. Alle Wellen sind aus Tiegelstahl von 0‧5 Meter gefertigt; die Kurbelwelle wiegt 42 Tonnen. Die Schraube des mächtigen Schiffes macht 70 Umgänge in der Minute und hat einen Durchmesser von 6‧3 Meter. Zahllos sind die Hilfsmaschinen, welche den verschiedensten Zwecken dienen; es gehören dahin an der Hauptmaschine selbst 2 Laufpumpen, 4 Speise- pumpen, 2 Lenz- und 2 Closetpumpen, 2 Centrifugalpumpen, ferner 2 doppelt wirkende Dampfpumpen, deren jede 70 Tonnen in der Stunde liefert. Eine gleich große Dampfpumpe dient zum Lenzen, Feuerauslöschen und Deckwaschen. Eine kleinere Pumpe von 37 Tonnen Liefermenge dient als Hilfsfeuerspritze und Lenzpumpe. Sämmtliche Pumpen können im Falle der Gefahr zum Auspumpen des Schiffes verwendet werden. An Hilfsmaschinen sind ferner vor- handen: 1 hydraulische Maschine zur Bedienung der Ladekrahne auf Deck, 3 elektrische Maschinen für Beleuchtungszwecke (bei 700 Glühlampen), 1 Maschinen- anlage zur Erzeugung von Eis, kaltem Trinkwasser und kalter Luft; ferner Venti- lationsmaschinen, eine Anzahl von Hilfscondensatoren u. s. w. Kurz, es wurden alle neuesten Errungenschaften der Maschinentechnik verwerthet, um den mächtigen Dampfer zu einem Muster seiner Art zu gestalten. Erster Abschnitt. Gleichwohl blieb die Schiffbau-Industrie der letzten Jahre bei diesem Er- gebnisse nicht stehen. Es war wieder der norddeutsche Lloyd, welcher mit größter Energie und Opferwilligkeit den einmal betretenen Weg weiterschritt. Nicht weniger als sechs Riesendampfer wurden in den letzten Jahren von dieser Unternehmung ins Leben gerufen, im Gesammtbetrage von 70 Millionen Mark. Vier dieser Dampfer sind vornehmlich Frachtschiffe: »Barbarossa« (gebaut auf der Werft von Blohm \& Voß in Hamburg), »Königin Luise« und »Friedrich der Große« (beide vom »Vulcan« gebaut), »Bremen« (Werft von F. Schichau in Danzig). Jeder dieser Dampfer hat ein Deplacement von rund 17.000 Tonnen und Maschinen von 7000—8000 Pferdestärken. Die beiden anderen Riesenschiffe sind die beiden Schnelldampfer »Kaiser Wilhelm der Große« (Vulcan) mit 20.500 Tonnen Deplacement und 28.000 Pferdestärken, und »Kaiser Friedrich« (Schichau) mit 17.000 Tonnen Deplacement und 25.000 Pferdestärken. Der norddeutsche Lloyd war bei dem Bau der vier erstgenannten Schiffe, welche gleichzeitig zur Beförderung großer Quantitäten Ladung und einer bedeutenden Anzahl von Passagieren bestimmt sind, bestrebt, diese beiden auf einem und dem- selben Schiffe schwer zu vereinigenden Bedingungen in möglichst vollkommener Weise zu erfüllen. Diese Schiffe weisen demgemäß eine Reihe interessanter Neue- rungen auf. Sie zeigen zunächst Dimensionen, welche über die bis dahin üblichen beträchtlich hinausgehen. Ferner war es nothwendig, besondere Einrichtungen zu treffen, um die ungeheueren Mengen an Ladung in den Häfen in möglichst kurzer Zeit und — soweit die betreffenden Manipulationen in den Zwischenhäfen zu erfolgen haben — ohne große Belästigung der Passagiere zu löschen und zu laden. Zu diesem Zwecke wurden die Kajütspassagiere sämmtlich in einem kurzen, dafür aber zwei Etagen enthaltenden Mittschiffshaus untergebracht, um auf diese Weise für die Bearbeitung der Ladung an den beiden Schiffsenden möglichst viel freien Platz für die Lücken und das Ladegeschirr zu erhalten. Im Vorder- und Hinter- schiffe sind je vier große Ladelücken vorhanden, welche mit 16 hydraulischen, auf einem der vier Schiffe sogar mit 16 elektrischen Krahnen versehen sind. Diese Art des Ladegeschirrs ist zu dem besonderen Zwecke gewählt, möglichst geräuschlose Arbeiten zu gestatten. Während die früheren Schiffe des Lloyd nur ein Promenadedeck auf dem Mittschiffshause besitzen, haben diese neuen Dampfer zwei Promenadedecks über- einander, von denen das obere als Aufenthalt für die ersten Kajütspassagiere, das untere für die zweiten Kajütspassagiere dient. Das auf dem Oberdeck stehende Mittschiffshaus reicht von Bord zu Bord und besitzt im Innern zwei von vorn bis hinten durchlaufende breite Gänge, welche nicht nur dem geschützten Verkehr von dem Vor- nach dem Hinterschiffe dienen, sondern auch zu einer vortrefflichen Ventilation der an den Hängen liegenden Wohnräume beitragen. In die Be- schreibung der einzelnen Räumlichkeiten können wir nicht eingehen, da dieselbe ermüden würde. Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. Die Schiffe sind besonders starke Vierdeckschiffe, aus bestem Stahl erbaut und gewähren mit ihren ungewöhnlich hohen, fensterreichen Aufbauten, ihren zwei mächtigen Schornsteinen und zwei Masten einen bisher ungewohnten imposanten Anblick. Daß bei Seefahrzeugen, welche zur Beförderung so vieler Menschen und einer solchen Menge werthvoller Ladung bestimmt sind, auf die Sicherheitsmaß- regeln die größte Sorgfalt verwandt wurde, bedarf kaum der Erwähnung. Außer einem von vorn bis hinten durchlaufenden Doppelboden ist jeder dieser Dampfer durch zwölf besonders stark gebaute und bis zum Oberdeck reichende Querschotte und dreizehn wasserdichte Abtheilungen derart getheilt, daß zwei nebeneinander liegende Abtheilungen volllaufen können, ohne daß dadurch das Schiff in Gefahr gebracht wird. Die Anzahl und Größe der wasserdichten Thüren ist auf das Aeußerste beschränkt und die Pumpvorrichtung in bisher nicht üblicher Ausdehnung und Sorgfalt angeordnet. Nebenher ist jedes Schiff mit 20 Rettungsbooten ver- sehen, welche auf dem Sonnendeck derart placirt sind, daß sie innerhalb weniger Minuten sämmtlich zu Wasser gebracht werden können. Die Maschinenanlage dieser vier großen Doppelschrauben-Schnelldampfer besteht aus je zwei gut ausbalancirten Vierfach-Expansionsmaschinen mit vier Kurbeln. »Friedrich der Große«, »Barbarossa« und »Königin Luise« haben Maschinen von 7000 indicirten Pferdestärken, der Dampfer »Bremen« solche von zusammen 8000 indicirten Pferdestärken. Die Kesselanlage der drei erstgenannten Dampfer besteht aus 5 cylindrischen Doppelkesseln und 2 einendigen Kesseln, welch letztere abwechselnd in den Häfen als Hilfskesseln gebraucht werden können. Die Kessel befinden sich in zwei von einander getrennten wasserdichten Abtheilungen und arbeiten mit natürlichem Zug. Der vierte Dampfer hingegen ist dagegen mit Howden 's künstlichem Zug eingerichtet. Die zum Betriebe erforderlichen Hilfs- maschinen sind selbstverständlich den modernsten und höchsten Anforderungen ent- sprechend eingerichtet. Asche und Schlacken werden nicht mehr wie früher in der so überaus lästigen Weise über Bord gefördert, sondern mittelst besonderer Vor- richtung (Jectoren) völlig geräuschlos durch die Schiffsseiten herausgepumpt. Selbstverständlich fehlt eine ausreichende elektrische Beleuchtung aller Räume nicht. Imponiren schon diese Dampfer durch ihre Größe und Neuerungen, so wurde mit den beiden anderen neuesten Schnelldampfern des Lloyd — »Kaiser Wilhelm der Große« und »Kaiser Friedrich« — alles Dagewesene weit in den Schatten gestellt. Das erstgenannte Schiff (Abbildungen siehe S. 9, 10, 12 und 58) ist zur Zeit der größte Dampfer aller Handelsmarinen der Welt. Er ging am 4. Mai 1897 auf der Werft des »Vulcan« vom Stapel und hat ein Deplacement von 21.000 Tonnen; der Tonnengehalt beträgt annähernd 14.000 Registertonnen. Die Hauptdimensionen sind: Länge über Deck 197‧5 Meter, Breite 20‧1 Meter, Tiefe 13‧1 Meter. Der Dampfer ist aus bestem Stahlmaterial für die höchste Classe als Vierdeckschiff mit ausgedehnten Extraverstärkungen erbaut, mit einem sich fast über die ganze Schiffslänge erstreckenden, in 22 Abtheilungen getheilten Doppel- Erster Abschnitt. boden versehen und durch 16 bis zum Oberdeck hinaufgeführte Querschotte und ein Längsschott im Maschinenraume in 18 wasserdichte Abtheilungen getheilt. Die Schotte sind derart disponirt, daß selbst beim Volllaufen dreier Abtheilungen dem Schiffe keine Gefahr droht. Etwa in das Schiff eindringendes Wasser kann durch sämmtliche an Bord aufgestellten Dampfpumpen (zwölf an der Zahl), welche zusammen 3600 Tonnen Wasser pro Stunde zu bewältigen vermögen, ausgepumpt werden. Das Schiff ist als Schooner getakelt und hat stählerne Pfahlmasten. Es besitzt bis zum Oberdeck vier durchlaufende stählerne Decke; oberhalb des Ober- decks befinden sich an Aufbauten eine 35 Meter lange Poop, ein 112 Meter langes Brückenhaus und eine 35 Meter lange Back. Neben Poop und Brücken- haus hinaus ist das 152 Meter lange Promenadedeck und darüber das über dem mittleren Theile desselben angeordnete Sonnendeck erbaut. Es können auf dem Schiffe im Ganzen 400 Passagiere I. Classe (in 200 Kammern), 350 Passa- giere II. Classe (in 100 Kammern), sowie 800 Passagiere III. Classe in bequem eingerichteten Zwischendecksräumen untergebracht werden. Hierzu kommt die Schiffsbesatzung, welche aus 450 Köpfen besteht. Außerdem stehen die herkömm- lichen Gesellschaftsräume zur Verfügung. Alle unter dem Oberdeck befindlichen, zwischen den Schotten liegenden Räume sind mit besonderen Aufgängen zum Oberdeck versehen, wodurch es, ohne den Verkehr der Passagiere zu hindern, möglich ist, bei schlechtem Wetter und bei Nacht sämmtliche unter dem Oberdeck befindlichen Schottenthüren geschlossen zu halten, was zur Sicherheit des Schiffes ganz wesentlich beiträgt. Elektrische Controleinrichtungen zeigen dem Capitän stets an, welche Schottenthüren geschlossen sind. Daß alle Kammern und bewohnten Räume mit elektrischer Beleuchtung, mit Dampfheizung, ausgiebiger Ventilation, Klingelleitungen und anderen den Anforderungen der Neuzeit entsprechenden Ein- richtungen versehen sind, bedarf kaum der Erwähnung. Gut isolirte Kühlräume, ein Eiskeller und große Provianträume sind in den unteren Decks angeordnet, des- gleichen Lade-, Gepäcks- und Posträume und circa 4500 Tonnen fassende Kohlen- bunker. Das Schiff führt 24 große Rettungsboote auf dem Sonnendeck. Zu er- wähnen ist noch, daß dieser Schnelldampfer in Uebereinstimmung mit den Anforde- rungen der kaiserlich deutschen Marine derart gebaut ist, daß er im Kriegsfalle mit einer großen Zahl von Geschützen ausgestattet und als Kreuzer verwendet werden kann. Den Dimensionen des Riesendampfers entsprechend, ist die Maschinen- und Kesselanlage eine ganz außergewöhnliche. Sie besteht aus zwei Dreifach-Expansions- maschinen mit vier hintereinander liegenden Dampfcylindern, welche zur Sicherung eines ruhigen Ganges mit Ausbalancirung nach Schlick 'schem System — auf das wir weiter unten noch zurückkommen — construirt sind. Die beiden Maschinen indiciren 28.000 Pferdestärken. Jede dieser beiden mächtigen Maschinen treibt mittelst einer circa 60 Meter langen Wellenleitung von 60 Centimeter Durch- Kesselanlage der »Penusylvania«. Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. messer eine Bronzeschraube von 6‧8 Meter Durchmesser. Kurbel- und Wellenleitung bestehen aus bestem Nickelstahl (vgl. S. 58). Den Dampf liefern 12 Doppel- und 2 Halbkessel, welche in 4 Gruppen angeordnet sind, deren jede Gruppe einen Schornstein von 3‧7 Meter Durchmesser und 32‧3 Meter Höhe über Kiel besitzt. Die Kesselräume werden sowohl auf natürlichem Wege als durch 16 kräftige Venti- lationsmaschinen auf künstlichem Wege ausreichend ventilirt. Für verschiedene Be- triebszwecke sind im Ganzen 47 Dampfpumpen und sonstige Hilfsmaschinen auf- gestellt. Die Gesammtzahl der auf diesem Dampfer aufgestellten Maschinen beträgt 68 mit zusammen 124 Dampfcylindern. Es liegt auf der Hand, daß Deutschland durch den Bau dieses Schiffes im hohen Grade die Augen des Auslandes auf sich gezogen und gezeigt hat, was es zu leisten im Stande ist, ein Umstand, der sicherlich nicht verfehlen wird, das Zutrauen zur deutschen Technik zu steigern. Ein Beweis hierfür ergiebt sich aus dem enormen Andrange von Besuchern, welche »Kaiser Wilhelm der Große« ge- legentlich seiner Anwesenheit in New-York nach bewerkstelligter erster Oceanfahrt erfuhr. An manchen Tagen sollen circa 25.000 Besucher das gewaltige Schiff in Augenschein genommen haben. In derselben Zeit lief das Schwesterschiff »Kaiser Friedrich« vom Stapel der Werft von F. Schichau in Danzig. Seine Abmessungen sind nur wenig ge- ringer als die des vorbeschriebenen Dampfers: Länge über Deck 183 Meter, Breite 19‧2 Meter, Höhe 12 Meter, Tiefgang im beladenen Zustand 8‧5 Meter. Bei diesem Tiefgange beträgt das Deplacement 17.000 Tonnen, während der Brutto-Raumgehalt 12.000 Registertonnen (zu je 2‧8 Cubikmeter) bedingt. Die übrige Eintheilung und Anordnung ist derjenigen des vorbeschriebenen Dampfers gleich, nur in den Dimensionen und in unwesentlichen Einzelheiten etwas abweichend. Dagegen unterscheiden sich die beiden Schnelldampfer bezüglich der Maschinen- anlage ganz wesentlich. Während die Maschine des »Kaiser Wilhelm« nach Schlick 'schem Patent als Vier-Cylindermaschine, an 4 Kurbeln wirkend, construirt ist, bestehen die Maschinen des Schwesterschiffes nach dem System Ziese aus Vierfach-Expan- sionsmaschinen mit 5 Cylindern an 3 Kurbeln arbeitend. Die Durchmesser der 3 Cylinder sind die folgenden: Hochdruckcylinder 1‧0 Meter, erster Mitteldruck- cylinder 1‧6 Meter, zweiter Mitteldruckcylinder 2‧3 Meter, beide Niederdruck- cylinder je 2‧3 Meter. Hiervon stehen der Hochdruck- und der erste Mitteldruck- cylinder über den entsprechenden Cylindern der äußeren Kurbeln. Die Maschinen sind auf Säulen gebaut und äußerst leicht gehalten, ein Umstand, welcher wesent- lich mit dazu beitrug, daß dem kleineren Schwesterschiffe des »Kaiser Wilhelm« dieselbe Leistung zukommt wie diesem. Während der Norddeutsche Lloyd in so umfangreicher Weise für den Aus- bau seiner Fracht- und Schnelldampferflotte Sorge trug, ist auch die zweitgrößte deutsche Rhederei, die Hamburg-Amerika-Paketfahrt-Actiengesellschaft , nicht müßig geblieben. Sie war es eigentlich, welche mit dem Bau jener großen Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 26 Erster Abschnitt. Fig. 324. Der Frachtendampfer »Pennsylvania« der Hamburg-Amerika-Linie. Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. Frachtdampfer den Anfang machte. Die Schiffe der »Patria«-Classe waren in ihren Verhältnissen glücklich gewählt und sicherten gleich in den ersten Jahren ihrer Indienststellung guten pecuniären Gewinn. Sie waren gewissermaßen die Vor- gänger der bei weitem größeren Lloydschiffe der »Barbarossa«-Classe. Der gute Ausfall dieser Schiffe im Vereine mit den früheren guten Resultaten der Patria- schiffe veranlaßte die Hamburger Unternehmung, in den Abmessungen noch weiter zu gehen. So liefen im Jahre 1896 die »Pennsylvania« bei Haarland \& Wolff in Belfast (Irland), und am 9. October 1897 in Hamburg auf der Werft von Blohm \& Voß das zur Zeit größte in Hamburg gebaute Schiff, die »Pretoria« (Schwesterschiff der »Pennsylvania«), vom Stapel. Die »Pennsylvania« hat eine Länge von 178‧3 Meter, eine Breite von 18‧9 Meter und eine Raumtiefe vom Hauptdeck bis zum Kiel von 12‧8 Meter. Der Tiefgang beträgt bei voller Ladung rund 10 Meter. Das Schiff ist ein ganz aus Stahl erbauter Doppelschraubendampfer, besitzt einen Doppelboden und ist durch 12 Querschotte und ein im Maschinenraum vorhandenes Längsschott in 13 Abtheilungen getheilt. Die beiden Dampfmaschinen sind als Vierfach-Expansions- maschinen construirt und entwickeln jede 3000 Pferdestärken. Die Geschwindigkeit beträgt im Mittel 14 Knoten. Die hauptsächlichsten Maschinendimensionen sind: innerer Durch- messer der 4 Dampfcylinder 0‧59, 0‧84, 1‧22 und 1‧75 Meter; Kolbenhub 1‧38 Meter. Vier große cylindrische doppelendige Kessel erzeugen den erforderlichen Dampf für die Betriebsmaschinen und für die in großer Anzahl vorhandenen Hilfsmaschinen. Die Ladefähigkeit des Schiffes beträgt über 12.000 Tonnen, das Eigengewicht, ein- schließlich der 4 Kohlenbunker, 8000 Tonnen. Das Deplacement stellt sich auf 20.174 Tonnen, während der Rauminhalt Brutto 13.726 Registertonnen beträgt. Das Schiff hat über dem Oberdeck einen mittleren hohen Aufbau, so daß hier im Ganzen 8 Decks übereinander liegen; ferner sind vier verhältnißmäßig kurze eiserne Pfahlmasten, die lediglich als Träger für vier Laderäume dienen, vorhanden. Auf Besegelung ist verzichtet. Auf dem mittleren Aufbau erhebt sich ein einziger Schornstein von 3‧5 Meter Durchmesser. An Ladelucken sind im Ganzen neun vorhanden, und zur schnelleren Güterbewältigung sind außer den mit je einer Dampfwinde ausgerüsteten Laderäumen noch 8 Dampfdrehkrahne auf dem Oberdeck angeordnet. Das Schiff kann in der I. Classe 200, in der II. Classe 150—200, im Zwischendeck bis 3000 Personen aufnehmen, doch wurde es vorerst nur für 1500 Personen eingerichtet. An Rettungsbooten sind 22 vorhanden, und zwar 12 große, 2 kleine und 8 Klappboote. Letztere sind besonders praktisch, haben flachen Boden und Segeltuchseitenwände und nehmen wenig Raum ein, besitzen aber wegen ihres geringen Eigengewichtes eine große Tragfähigkeit. Die Aus- stattung der Salons ꝛc. ist gediegen, dem Charakter des Schiffes entsprechend, aber verhältnißmäßig einfach und zeigt nicht den verschwenderischen Luxus der Schnelldampfer. Selbstverständlich sind bei diesem Schiffe auch alle Einrichtungen getroffen, um den Koloß sicher zu leiten. Die elektrische Beleuchtung umfaßt 725 Glühlampen. 26* Erster Abschnitt. Das Schwesterschiff der »Pennsylvania«, die »Pretoria«, hat die gleichen Dimensionen; das Deplacement ist aber etwas größer, nämlich 23.500 Tonnen, übertrifft also in dieser Beziehung den »Kaiser Wilhelm den Großen« ganz be- trächtlich. Die beiden Maschinen indiciren zusammen 6000 Pferdestärken. Die Belagräume für Reisende sind ungefähr die gleichen wie bei der »Pennsylvania«. Die von den deutschen Schiffahrtsgesellschaften für den überseeischen Dienst eingestellten großen Doppelschrauben-Schnelldampfer haben durch ihre ausschlag- Fig. 325. Vorraum zum Salon I. Classe eines englischen Schnelldampfers. gebenden Erfolge auch andere Nationen angespornt, in den Wettkampf einzutreten und die bisherigen Leistungen in der Schiffbautechnik wo möglich noch zu über- treffen. Allen voran geht in dieser Beziehung die Gesellschaft der » Cunard- linie «, deren Dampfer »Britannia«, im Jahre 1840 fertiggestellt, mit einem Deplacement von 1154 Tonnen und Maschinen, welche 740 Pferdestärken indi- cirten, von Liverpool aus die Amerikafahrten eröffnete. Das Schiff hatte eine Länge von 63 Meter und eine größte Breite von 10 Meter. Die Ueberfahrt beanspruchte mehr als 14 Tage. Die im Jahre 1856 fertiggestellte »Persia« hatte Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. bereits 3300 Registertonnen Laderaum, die »Scotia« 3860 Registertonnen. Letztere bewerkstelligte die Ueberfahrt in nicht ganz neun Tagen. Die »Scotia« war der letzte Raddampfer der genannten Schiffahrtsunternehmung. Nach Einführung der Schiffsschraube, welche bekanntlich — obwohl eine österreichische Erfindung — von England ausging, stiegen die englischen Dampfer allmählich bis auf 8000 Tonnen Tragfähigkeit und bis zu 15 Knoten Fahr- geschwindigkeit. Mit der zunehmenden Concurrenz der englischen Gesellschaften unter- Fig. 326. Damen-Salon und Bibliothek eines englischen Schnelldampfers. einander wuchsen die Dimensionen der Schiffe ins Riesenhafte, und als auch Deutsch- land und Frankreich auf den Schauplatz traten, kamen Eleganz der Einrichtung und Bequemlichkeit für die Passagiere immer mehr zur Geltung. Der in Deutsch- land zuerst eingeführten Zwillingsschraube setzten die englischen Schiffbautechniker anfänglich hartnäckigen Widerstand entgegen. Schließlich trug es, da die Erfahrungen mit diesem System alle Widersacher desselben zum Schweigen gebracht hatten, den Sieg davon. Der Dampfer »Oregon« war einer der ersten englischen Doppel- schraubendampfer; er wurde 1884 fertiggestellt und hatte eine Ladefähigkeit von Erster Abschnitt. 7370 Tonnen; die Ueberfahrt nach Amerika erforderte nur 6 Tage 10 Stunden. Die » Tumanlinie « und die » Whitestarlinie « traten mit der »City of Paris« und der »City of New-York«, »Teutonia« und »Majestic«, Doppelschrauben- Fig. 327. Die »Campania« vor dem Stapellauf. Schnelldampfer, in den Dienst, welche bei 20 Knoten Geschwindigkeit 20.000 Pferde- kräfte erfordern und die Ueberfahrt von England nach Amerika in 5 ½ Tagen bewerkstelligen. Diese Leistungen gaben wieder der Cunardlinie den Anstoß zum Baue zweier noch schnellerer und größerer Schiffe — der »Campagna« und »Lucania« — Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. welche zur Zeit den deutschen Riesendampfern nur um Weniges nachstehen. Das erste der genannten Schiffe wurde im September 1892, das zweite im Februar 1893 vom Stapel gelassen. Die beiden Dampfer sind Schwesterschiffe und haben daher die gleichen Dimen- Fig. 328. Die Kessel der »Campania«. sionen, und zwar: Länge 189‧6 Me- ter, Breite 19‧9 Meter; der Raum- inhalt bemißt sich mit 12.950 Re- gistertonnen, steht also demjenigen der »Pennsylva- nia« nur wenig nach. Außerge- wöhnliche Dimen- sionen haben die vier Dreifach-Ex- pansionsmaschi- nen, deren Con- struction allein ein ganzes Jahr er- forderte. Auf einem Fundamente von 1‧6 Meter Mäch- tigkeit montirt, hat jede Maschine fünf Cylinder, zwei für Hochdruck und zwei für Nieder- druck, und liegen die ersteren über den letzteren; beide Gruppen sind durch einen Com- poundcylinder ver- bunden. Die Durchmesser dieser Cylinder sind 0‧9 und 2‧0, beziehungsweise 3‧4 Meter. Letztere Abmessung ist ganz enorm. Der Kolbenhub beträgt 1‧7 Meter. Die Con- densatoren haben einen viereckigen Querschnitt, sind von 18 millimetrigen Kupfer- röhren durchzogen und derart angeordnet, daß jeder Niederdruckcylinder zugleich sein eigener Condensator ist. Rückwärts jedes Condensators befinden sich zwei Erster Abschnitt. Pumpen, welche durch Hebelwerke in Thätigkeit versetzt werden und das Wasser aus den Condensatorbecken in den Weir 'schen Vorwärmer führen. Die Durchschnitts- leistung von 100 Umdrehungen der großen Welle kann im Volldampf auf 250 gesteigert werden. Jede Schraube hat drei Flügel aus Manganbronze und ist auf einen Kern aus Stahl aufgelegt. Das Gewicht eines einzelnen Flügels beträgt 8 Tonnen. Zur Vermeidung oder Abschwächung der Stöße dienen Dunlop 'sche Governors. Die Gesammthöhe der Maschinen beläuft sich auf 14‧2 Meter, d. i. die Front eines vierstöckigen Hauses. Die Maschinen indiciren 31.050 Pferdestärken, die erreichbare Maximalgeschwindigkeit beträgt 23 Knoten. Fig. 329. DasHintersteven der »Campania« Die Kesselanlage zeigt 12 Zwillingskessel von 5‧5 Meter Durchmesser und 5‧1 Meter Länge, sowie zwei einfache Kessel von gleichen Dimensionen zur Dampf- erzeugung für die Hilfsmaschinen. Feuerstellen sind 102 vorhanden, von welchen auf die großen Kessel allein 96 entfallen. Vier Feuerungen dienen den Ventilatoren und der elektrischen Lichtanlage. Die einzelnen Platten der Kessel haben 6‧1 Meter Länge, 2‧1 Meter Breite und 46 Millimeter Dicke; sie sind auf 12‧5 Kilogramm Dampfdruck geprüft. ... Der Durchmesser der doppelwandigen Schlote erreicht im Innern 5‧8 Meter; ihre Höhe beträgt 39‧6 Meter. Das Steuer wird durch eine hydraulische Maschine bedient. Von den großen Ankern erreicht jeder 10 Tonnen und werden dieselben durch eine Maschine von 600 Pferdestärken bedient. Die elektrische Beleuchtungsanlage umfaßt 1350 Lampen von zusammen 22.000 Kerzen- stärken, zu deren Erzeugung die Dynamos 135 Pferdestärken entwickeln. Mächtige Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. Scheinwerfer von je 8 Bogenlampen erhellen das Fahrwasser des Schiffes, das Deck u. s. w. Ein Scheinwerfer von 2000 Kerzenstärke dient für besondere Fälle und ist vornehmlich deshalb installirt, um im Kriegsfalle, in welchem Dampfer dieser Art als Hilfskreuzer Verwendung finden sollen, die erforderlichen Dienste zu leisten. Die Passagierräume, welche die herkömmliche luxuriöse Einrichtung zeigen, sind für 600 Reisende der I. Classe, 400 der II. Classe und 700 bis 1000 Zwischen- decker bemessen. Die Besatzung zählt 415 Köpfe. Die Doppelböden des Schiffes fassen 2000 Tonnen Wasser, Eiskeller und Kühlapparate zur Aufbewahrung der conservirten Proviantvorräthe, während specielle Stallungen für allerlei Kleinvieh Fig. 330. Die »Campania«. eingerichtet sind. An Ladung kann das Schiff nur 1700 Tonnen aufnehmen, da der größte Theil des verfügbaren Raumes dem Personenverkehr zugewiesen ist. Jedes dieser beiden Schwesterschiffe kostete nicht weniger als 13‧6 Millionen Mark. Aus diesen Leistungen des englischen Schiffbaues geht indirect hervor, wie sehr England die Wirkung des deutschen Mitbewerbes empfindet. Es liegen aber auch directe Zeugnisse vor, wie beispielsweise eine Stimme in der englischen Fach- zeitung »Commerce«, welche über diesen Gegenstand wie folgt sich ausspricht: »Augenblicklich ist die Ueberlegenheit britischer Waffen außer Frage; aber die Erster Abschnitt. Vereingten Staaten, Frankreich, Deutschland und Japan treiben vorwärts. Der Unternehmungs- und Erfindungsgeist des Westens paart sich mit der beharrlichen Arbeit des Ostens, neue Triumphe der Schiffbaukunst zu erreichen. Vor 20 Jahren würde Jeder als hoffnungsloser Pessimist verlacht worden sein, der prophezeit hätte, daß Deutschland am Ende des 19. Jahrhunderts in schweren Maschinen, und überhaupt in Eisenwaaren, England theilweise überflügeln würde, was schon heute als unangenehme Thatsache anerkannt werden muß. In Berücksichtigung einer solchen Lection würde es widersinnig sein, behaupten zu wollen, daß wir (England) einem hervorragenden Industriezweige, dem Schiffbau, uns darauf verlassen können, stets den ersten Platz einzunehmen. Es liegt absolut kein genügender Grund vor, weshalb Deutschland, das uns in einigen Zweigen der Eisen- und Stahlindustrie schon vorausgeeilt ist, nicht ebensogut im Stande sein sollte, auch in der Schiffbau- technik uns zu erreichen. ... Der Schiffbau gehört zu den verwickeltsten und schwersten Künsten. Es ist jedoch bereits erwiesen, daß deutscher Unternehmungsgeist im Stande ist, den höchsten Anforderungen Genüge zu leisten u. s. w.« Trotz dieses ehrenden Zeugnisses ist nicht zu leugnen, daß die deutsche Schiffbauindustrie noch vielfach von England abhängig ist. Nicht nur werden Jahr für Jahr viele große und größte Schiffe seitens der deutschen Rhedereien englischen Werften in Auftrag gegeben, sondern es sind zugleich auch die einheimischen Werften bezüglich des Schiffbaumateriales an England gewiesen. Dies erklärt sich zum Theil daraus, daß die Auftraggeber es zumeist sehr eilig mit der Fertigstellung neuer Schiffe haben, und in solchen Fällen sind sie in den meisten Fällen an englische Etablissements, denen die denkbar größte Leistungsfähigkeit zukommt, angewiesen. England verfügt eben über die umfangreichste Werftindustrie; so herrscht beispiels- weise am Clyde allein eine Thätigkeit, deren Leistung in einem einzigen Monat derjenigen eines ganzen Jahres auf allen deutschen Werften zusammengenommen entspricht. Das will denn doch etwas sagen. Es giebt am Clyde einige 30 Werften, darunter solche (z. B. Fairfield) von ganz enormer Ausdehnung. Alle diese Werften haben ihr Schiffbaumateriale sozusagen vor der Thüre, wodurch sehr ins Gewicht fallende Ersparnisse an Zeit und Fracht erzielt werden können, die wieder auf den Herstellungspreis von in Auftrag genommenen Schiffen rückwirken. Alles in Allem: Die deutsche Stahlerzeugung übertrifft zwar schon jetzt die englische, doch ist das ausländische Material, bei gleicher oder fast gleicher Güte, weit billiger. Von welcher Wichtigkeit dieser Umstand auf den Schiffbau ist, ergiebt sich aus der nachfolgenden Zusammenstellung. Es liefen in Großbritannien Handels- schiffe vom Stapel mit einem Gesammttonnengehalte von: 1,194.784 Tonnen im Jahre 1892 mit etwa 526.000 Tonnen Stahl 887.000 " " " 1893 " " 386.000 " " 1,080.419 " " " 1894 " " 475.000 " " 1,074.870 " " " 1895 " " 473.000 " " 1,316.906 " " " 1896 " " 579.000 " " Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. Im Jahre 1897 vertheilte sich der Bau nach Hauptdistricten wie folgt: Clyde-District 420.841 Tonnen Tyne- " 246.882 " Wear- " 218.350 " Belfast- " 119.656 " Tees-District 110.314 " West-Hartlepool-District 83.299 " u. s. w. Während also die deutsche Stahlerzeugung die englische bereits übertrifft, ist der deutsche Schiffbau, was Anzahl und Tonnengehalt der Schiffe betrifft, nur ein kleiner Bruchtheil des englischen. Nach den Listen des Germanischen Lloyd sind im Jahre 1896 in Deutschland gebaut worden: 275 Schiffe aller Classen, und von deutschen Rhedern, in erster Reihe der Hamburg-Amerika-Linie, in England für deutsche Rechnung 31 Schiffe. Von diesen 275 Bauten sind 13 hölzerne kleinere Segelschiffe, 18 Stahl-Segelschiffe, 189 Dampfer und Barkassen, 44 Schleppkähne, drei Schwimmdocks und 8 Fahrzeuge zu besonderen Zwecken. Unter den 189 Dampfern sind nur 26, welche eine Länge von mehr als 100 Meter besitzen. Jene 31 in England bestellten Schiffe dagegen sind sämmtlich große Fracht- und Passagier- dampfer, von welchen 18 eine Länge von mehr als 100 Meter haben; darunter befindet sich das Riesenschiff »Pennsylvania« von 178‧3 Meter Länge. Unter den vorstehenden Angaben befindet sich auch eine über Stahlsegelschiffe. Hierzu sind einige Bemerkungen nöthig. Im Seeverkehr ist heute die Personen- beförderung, sowie die Verfrachtung werthvoller Ladungen den Dampfschiffen fast gänzlich anheimgefallen, während für den Transport von Massengütern das Segel- schiff wegen der Billigkeit des Betriebes besonders in Betracht kommt. Hielt sich nun früher bei der Verwendung des Holzes als Baumaterial die Größe der Segler in mäßigen Grenzen, so drängen zur Zeit, begünstigt durch die Benützung des Eisens, beziehungsweise des Stahles, ebenso wie bei den Dampfschiffen, wirth- schaftliche Erwägungen zu einer möglichsten Vergrößerung des Schiffskörpers. Denn sowohl die Baukosten eines Schiffes vermindern sich für die Nutzeinheit, also für die Tonne Ladefähigkeit, mit der wachsenden Größe, als auch die Betriebskosten, die von der Kopfzahl der Besatzung abhängen, geringer sind bei einem großen Fahr- zeuge, als bei mehreren kleineren von der gleichen Tragkraft. Den Beginn mit der Einstellung riesiger Segler hat die Rhederei von Bordes \& Fils (Bordeaux) gemacht, deren größtes Schiff »La France«, ein Fünf- master, eine Wasserverdrängung von 6100 Tonnen besitzt. Auch die Rickmer 'sche Rhederei (Bremen) besitzt Segelschiffe von 6000 Tonnen Deplacement. Gegen Ende 1895 ist nun auch die Hamburger Flotte durch eines der größten Segel- schiffe bereichert worden. Es ist die»Potosi«, ein für den Salpetertransport von Chile nach Europa bestimmtes Schiff der Rhederei F. Lariß (Hamburg). Dieses Schiff ist ein Fünfmaster von 6150 Tonnen Deplacement und hat eine Länge von 110‧3 Meter, eine größte Breite von 15‧2 Meter und eine Raumtiefe von Erster Abschnitt. 9‧5 Meter. Das Schiff ist aus Stahl auf der Tecklenburg 'schen Werft in Geeste- münde erbaut worden und ist mit all den Neuerungen und Verbesserungen ver- Fig. 331. Die »Potosi,« das größte Segelschiff der Welt. sehen, welche der Dampfschiffbau im Gefolge hatte. So besitzt es mehrere wasserdichte Quer- schotte und einen Doppelboden nach Art der Schnell- dampfer und Kriegsschiffe, wel- cher zum Einneh- men von Wasser- ballast eingerich- tet ist. Diese Anord- nung bringt be- deutende Vortheile mit sich gegenüber der Anwendung fester Ballastmate- rialien, da ohne Kosten und in kür- zester Zeit die noth- wendige Schiffs- belastung erzielt werden kann, und erfordert nur eine kleine Dampfma- schinenanlage zum Leerpumpen der Ballasträume bei voller Nutzladung. Diese vorhandene Dampfkraft wird aber wieder vor- theilhaft mitbenützt beim Löschen und Laden und zur Bewegung der Ankerwinde. Die stehende Takelage des Schiffes besteht ganz aus Stahl, die Masten, Stengen und Raaen sind aus Blech construirt, Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. Fig. 332. Mississippidampfer in New-Orleans Erster Abschnitt. und an Stelle des vergänglichen und schweren Tauwerkes sind Drahtkabel ange- wendet. Die Masten sind außerordentlich hoch; der Großmast mißt vom Kiel bis Spitze 64 Meter, und es dürfte eine solche Höhe bis jetzt noch nicht erreicht worden sein. Der Durchmesser desselben am Deck ist 0‧8 Meter. Das Segelareal umfaßt insgesammt 4700 Quadratmeter. Wenden wir nun unsere Blicke nach der neuen Welt. In Nordamerika nahm der Schiffbau, bedingt durch die eigenartigen hydrographischen Verhältnisse, eine Entwickelung, die zunächst nur binnenländischen Interessen diente. Die amerika- schen Bestrebungen nahmen von Anbeginn her die Richtung landeinwärts, von Osten nach Westen. Dorthin geht auch die Richtung jener zahlreichen sehr bedeutenden Nebenströme des Mississippi, und diese waren es, welche zu Beginn unseres Jahr- hunderts zuerst von Flußdampfern befahren wurden. Am »stillen« Ohio wollte Fitch sein Grab haben. Heute waltet dort das reichste Leben, und die riesigen Dampfer, welche jenem ersten gebrechlichen Fahrzeugen gefolgt sind, steuern zum Mississippi hinab, nach St. Louis, der »Metropole des Westens«, wo an den Uferstrecken ganze Flotten jener gigantischen Stromungethüme sich drängen, welche die Reichthümer der Unionsstaaten auf dem Wasserwege der See zuführen. Der Mississippi ist fast seiner ganzen Länge nach für Dampfer fahrbar. Seine eigentliche Bedeutung erhält er unterhalb seiner in der Nähe der Haupt- stadt von Minnesota, St. Paul, gelegenen Wasserfälle. Bis dahin, von der Mün- dung gerechnet, sind es etwa 3000 englische Meilen. Der Oberlauf, in einer Länge von 200 englischen Meilen, ist nur für kleinere Dampfer beschiffbar. Die großen schwimmenden Paläste, welche von St. Paul ab verkehren, haben mitunter ganz außergewöhnliche Dimensionen. Ein solcher Dampfer strebt mit seinen gewaltigen Etagen, mit seinen Magazinen, Passagiersalons und sonstigen Räumlichkeiten nicht nach der Tiefe, sondern in die Höhe. Einmal leck, ist das Fahrzeug fast augen- blicklich verloren. Der Laderaum unterhalb der ersten Etage eines solchen Riesen kann 6000 Ballen Baumwolle aufnehmen. Die technische Physiognomie der amerikanischen Flußdampfer ergiebt sich nach dem Vorgebrachten von selbst. Die Wasserverhältnisse machen es räthlich, den Tief- gang der Dampfer 2 Meter nicht überschreiten zu lassen. Aber 1000 bis 1500 Fahr- gäste und noch 100 Tonnen Frachtgut sollte ein solches Schiff aufnehmen können. Das setzt einen flachen Boden voraus, der sich, zur Begünstigung der Fahr- geschwindigkeit, vorne und hinten bogenförmig erhebt; der Bug theilt also nicht das Wasser, sondern er »reitet« über dasselbe, wie der Amerikaner sagt. Die Schiffe haben bis zu 130 Meter Länge, gegen 10 Meter Breite im Rumpf, aber nur 2‧5—3‧5 Meter Raumtiefe. Darüber erhebt sich dann ein mehrstöckiger Aufbau, der zu beiden Seiten mit breiten Galerien über die Bordwände über- greift, so daß die Radkanten, ohne vorzukehren, in den Aufbau eingegliedert sind. Wenn nun auch der Schiffsboden aus starken Bohlen hergestellt ist, war es doch nöthig, zur Längsversteifung an jeder Bordwand die bis zu 7 Meter dieselben Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. überragenden Hängewerke zu errichten und die Galerien mit den Radkasten in Drahtseilen, welche über die Spitzen von Tragmasten hinweggehen, aufzuhängen. Fig. 333. Hudson River-Dampfer »Adirondak«. Diese Einrichtung wurde erst entbehrlich, als man den Schiffsrumpf aus Stahl mit Doppelboden und Längsspanten baute. Die eincylindrige Balanciermaschine mit Ventilsteuerung, wie sie Robert Stevens Ende der Zwanzigerjahre mit seinem Dampfer »North America« ein- führte, ist noch heute die herrschende. Mehrcylindrige Verbundmaschinen sind erst Erster Abschnitt. in neuerer Zeit da eingeführt worden, wo man für längere Fahrzeit einen größeren Kohlenvorrath an Bord nöthig hat. Die Kessel für 3—3‧5 Atmosphären Dampf- druck, mit rückkehrenden Röhren, werden mit Anthracit und mit Hilfe eines Ventilator- gebläses, das dicht neben dem Kessel aufgestellt ist, gefeuert; sie liegen auf dem Galeriedeck vor den Radkästen. Die Dampfcylinder haben 1‧5—1‧9 Meter Durchmesser und 3‧6—4‧5 Meter Kolbenhub, so daß die Kolbengeschwindigkeit 150—200 Meter in der Minute beträgt. Die 28—32 Schaufeln der Räder haben durchschnittlich 3‧5 Meter Länge und 0‧8—1 Meter Breite. Bei dem hochaufragenden Oberbau sind die riesigen Schaufelräder von 8—12 Meter Durchmesser zur Erhaltung des Gleichgewichtes unentbehrlich. Die merkwürdigen Maschinen mit ihren aus dem Maschinenschacht zuweilen bis 19 Meter aufragenden Balanciers, dessen beginnende Bewegung den heraneilenden Fahrgästen als Abfahrtszeichen gilt, haben sich so fest eingebürgert, daß Neuerungen sich nur schwer Eingang erkämpfen konnten. Und das ist begreiflich, denn die Maschinen haben einen sehr ruhigen Gang, sind bei ihrer Einfachheit außerordentlich dauerhaft und leicht, auch durch weniger geübte Maschinisten zu bedienen. Sie sind mit der ganzen Schiffsconstruction so verwachsen, daß Aenderungen des Einen ohne entsprechende Aenderungen des Anderen ihren Zweck verfehlen würden. Immerhin haben solche Aenderungen platzgegriffen, als man anfing, den Schiffsrumpf aus Eisen herzustellen. Es dürfte daher am Platze sein, einen amerikanischen Flußdampfer neuester Construction näher in Augenschein zu nehmen. Wir wählen zu diesem Zwecke den 1896 in Dienst gestellten Hudson-Dampfer »Adirondak« — von John Englis ausgeführt — an welchem eine Reihe von ingeni ô s angewandten Erfahrungen zum Ausdrucke kommen. Was nun zunächst die Deckanlagen anbelangt, zeigt das Schiff den in Amerika für Flußschiffe üblichen Etagenbau. Stern und Bug haben freie Aussichtsplateaus mit Geländern. Es sind vier Etagen vorhanden; zu unterst liegt das Hauptdeck mit der Maschinenanlage, darüber erhebt sich der große Salon mit der Galerie, sodann eine Etage mit Kajüten und den Wohnungen der Officiere, während die oberste Etage als Sonnendeck construirt ist. Trotz dieses beträchtlich hohen Aufbaues beträgt der Tiefgang nur 2‧4 Meter. Die Geschwindigkeit stellt sich auf 32 Kilometer in der Stunde. Für die Stattlichkeit des Dampfers spricht der Umstand, daß er 350 Kajüten (einschließlich 24 Zimmern und 4 completen Wohnungen) einschließt. Die innere Einrichtung ist nicht nur bequem, sondern auch mit großer Eleganz durchgeführt. Weißes Mahagoni und Deckenstucco bilden die Verkleidung der großen Pracht- salons, und in zierlicher Anordnung sind in den Täfelungen die elektrischen Beleuchtungskörper vertheilt, was einen schönen Effect macht. Die gesammte Ein- richtung ist im Empirestyl durchgeführt mit den Grundfarben Weiß, Grün und Gold. Die Eisengitter, welche zum Schutze und zur Verzierung dienen, sind sämmtlich aus geschmiedetem Materiale hergestellt und stellenweise durch eingeschaltete Mahagoniplatten mit Malereien wirkungsvoll decorirt. Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. Der »Adirondak« hat eine Länge von 125 Meter, eine Breite von 28 Meter und eine Rumpfhöhe von 4 Meter. Das Eigengewicht des Dampfers beläuft sich auf 4500 Tonnen bei einer Ladefähigkeit von 1000 Tonnen. Der eichene Kiel ist 30 bis 50 Centimeter dick. Ebenfalls aus Holz, und zwar aus Eichen-, Kastanien- und Rothcedernholz sind die Balken für den Rahmen von je 30 Centimeter gefertigt, welche in Abständen von je 60 Centimeter stehen. Außerdem ist der Rumpf, welcher in drei wasserdichte Abtheilungen getheilt ist, vielfach durch Eisen- construction versteift. Fig. 334. Galerie des Dampfers »Adirondak«. Von besonderem Interesse ist die Kessel- und Maschinenanlage. Es sind vier aus Stahlblech gefertigte und mit Condensorvorrichtungen versehene Kessel von je 3 Meter Durchmesser und 9‧5 Meter Länge vorhanden. Sie sind auf 18 Kilogramm Druck per englisches Quadratzoll geprüft. .. Die Maschine ist eine Einfach-Condensatormaschine, da für den Dienst auf dem Hudson diese Type völlig entspricht und der Oekonomie Rechnung trägt. Gegen Anwendung einer Mehrfach- Expansionsmaschine sprach der Umstand, daß das Schiff täglich nur eine Hin- und Rückfahrt von je zehn Stunden Dauer zu bewerkstelligen hat und während eines großen Theiles des Jahres im Winterhafen liegt. Der Calcül hatte ergeben, Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 27 Erster Abschnitt. daß unter den gegebenen Betriebsverhältnissen die etwa mit einer Mehrfach- Condensationsmaschine zu erzielende Ersparniß an Feuerungsmaterial keineswegs die Mehrkosten für eine Maschine letzterer Type aufzuwiegen im Stande wäre. Fig. 335. Einfach-Condensatormaschine des amerikanischen Dampfers »Adirondak« (Cylinder 2 Meter, Kolbenhub 3‧66 Meter; Dampfdruck 18 Kilogramm pro Quadratmeter englisch; 4000 indicirte Pferdekräfte.) Die Abbildung Fig. 335 zeigt die Maschine völlig freigelegt, so daß alle Theile derselben, sammt dem Schaufelrade, deutlich wahrzunehmen sind. Die Maschine reicht der Höhe nach durch alle vier Etagen. Ihr Fundament besteht aus mäch- tigen Eisenplatten, welche im Schiffsboden verankert sind. Der Balancier hat eine rhombo ë drische Form und trägt an einer der spitzwinkeligen Ecken das Gelenk Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. für die Kolbenstange, an der anderen die Transmissionsstange für die Kurbel. Der Dampfcylinder hat 2 Meter Durchmesser, der Kolbenhub beträgt 3‧6 Meter. Fig. 336. Salon I. Classe eines amerikanischen Schnelldampfers. Zwei große, senkrecht gestellte Röhren vor dem Cylinder — alle diese Theile sind im Bilde sichtbar — sind das Dampfrohr und das Ausströmungs- rohr. Jedes der Rohre trägt einen Steigkolben, der durch einen eigenen Excenter bewegt wird. Diese Bewegungen werden auf zwei senkrechte Hebestangen über- tragen, welche wieder ihrerseis die Ventile mittelst zweier Dorne (Hebedaumen) 27* Erster Abschnitt. öffnen und schließen. Die Excenterstangen tragen am äußeren Ende Haken, welche einen Zapfen in die Höhle der Hebestangen einspielen lassen. Je nachdem nun das Schiff ablaufen oder wenden soll, werden diese Vorrichtungen in Thätigkeit versetzt, und durch ihre Vermittelung bezüglich der Dampfeinströmung vollführt der Dampfer die gewünschte Bewegung. Links von beiden Rohren, und zwar in unmittelbarer Nähe des Aus- strömungsrohres, ist ein Handrad auf senkrecht gestellter Säule ersichtlich, das zur Oeffnung des Dampfventils für die Anlaßmaschine dient, wogegen die zwei ähnlich construirten Regulirvorrichtungen an der entgegengesetzten Seite zur Stel- lung des Injectorventils und zur Regulirung der Function des Condensators dienen. Der letztere befindet sich vor dem Dampfcylinder unterhalb des Oberdeckes; hinter dem Dampfcylinder befindet sich die Ventilatorpumpe, welche mittelst Trans- mission durch die Radwelle angetrieben wird. Die Schaufelräder haben bewegliche Schaufeln, und zwar je zwölf aus starkem Stahlblech und von etwas cylindrisch eingehöhlter Form; sie sind 90 Centimeter breit und 3‧6 Meter lang. Die Räder haben einen Durchmesser von 9 Meter. Sie machen 26 Umdrehungen in der Minute. Außer der Betriebsmaschiene, welche 4000 Pferdestärken indicirt, sind noch mehrere Hilfsmaschinen vorhanden, darunter eine Lösch- und Ladenmaschine nach dem System Worthington , welche auch zu Feuerlösch- und Pumpzwecken dient, sowie eine Schlagpumpe im Zwischendeck. Beide Maschinen bewältigen in der Minute gegen 3800 Liter Wasser. Ungefähr 2400 elektrische Lampen besorgen die Beleuchtung sämmtlicher Schiffsräume, und ein Scheinwerfer am Steuerhause ver- mag das Fahrwasser in einem Umkreise von 3 Kilometer taghell zu beleuchten. Man hat, vornehmlich in England, fast bis in die jüngste Zeit herein die Behauptung vertreten, die Amerikaner verstünden keine Seeschiffe, d. h. moderne Prachtdampfer, wie sie Europa in unübersehbarer Zahl aufweist, zu bauen. Das hat zur Zeit keine Giltigkeit mehr. Zwischen New-York und den Küstenstädten von Massachusetts begann schon in den Dreißigerjahren ein lebhafter Verkehr sich zu entwickeln, den auch die nachmals ins Leben getretenen Küstenbahnen nicht lahm- zulegen vermochten. Viele dieser »Bai-Dampfer« — wie man sie in Amerika nennt — und welche dem gemischten Verkehr für Personen und Frachtgut dienen, sind aus Stahl gebaut und gehören zu den größten, schönsten und besteingerich- teten Passagierdampfern der Welt. Sie sind, wie die Flußdampfer, flachbodige Raddampfer mit geradem Vordersteven, deren Räder mit 12 bis 13 beweglichen, gekrümmten Schaufeln bei 4‧2 Meter Breite 10‧6 Meter Durchmesser haben. Während der 1887 erbaute »Puritan« noch eine Woolf 'sche Balanciermaschine mit zwei Cylindern hat, gab man dem 1891 erbauten »Plymouth« eine viercylindrige Maschine mit dreistufiger Dampfspannung, während ihr Schwesterschiff »Priscilla« von 129‧7 Meter Länge und 2673 Tonnen eine diagonale Zweifach-Expansionsmaschine erhielt. Auf dem »Puritan« erreicht die Kolbengeschwindigkeit 204‧8 Meter, auf der »Plymouth« 130‧7 und auf der »Priscilla« 167‧6 bis 174‧3 Meter. Diese Stapellauf des amerikanischen Passagierdampfers »St. Louis« auf der Cramp 'schen Werft zu Philadelphia. Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. Schiffe haben beladen etwa 4600 Tonnen Deplacement. Die Kessel liegen im untersten Schiffsraume, feuern mit künstlichem Zuge und arbeiten auf der »Priscilla« mit 10‧5 Atmosphären Dampfdruck. Auf die amerikanischen Seedampfer übergehend, ist zu bemerken, daß vor etwa 30 Jahren eine nennenswerthe Flotte dieser Art in der Union nicht vor- handen war. Solche Dampfer konnten hier nicht gebaut werden und wurden demgemäß aus England bezogen. Erst um das Jahr 1870 trat hierin eine Wen- dung ein, nachdem man sich von Amtswegen dieser Angelegenheit mit größerer Energie zugewendet hatte. Die um diese Zeit beginnende Entwickelung ward durch den Bau des »Georg W. Clyde« eröffnet. Einige Küstendampfer folgten bald nach. Im Jahre 1872 begannen Cramp \& Sons in Philadelphia den Bau von vier Oceandampfern für die ursprüngliche Amerikalinie, Roach folgte bald mit verschiedenen Schiffen für andere Linien. Mit ihnen hielt die Werft von Har- lan \& Hollingworth in dem benachbarten Wilmington am Delaware gleichen Schritt, und andere Werften zweiten Ranges folgten dem guten Beispiele. Trotz dieses schönen Anlaufes trat im amerikanischen Schiffbau bald wieder ein Stillstand ein, da die Regierung nicht die geringste Fürsorge an den Tag legte. Erst als ein plötzlicher Umschwung bezüglich der gleichfalls arg vernach- lässigten Kriegsmarine eintrat und im Jahre 1883 vom Marinedepartement vier Stahlschiffe (die ersten in Amerika) einer einheimischen Werfte ( Roach ) in Auftrag gegeben wurden, kam neues Leben in diesen technischen Zweig. Außer Roach thaten sich bald auch die » Union Iron Works « in San Francisco hervor, während die Cramp 'sche Werft wieder mit neuem Muth einsetzte. Allenthalben regte sich eine zu hoffnungsvoller Entwickelung erwachte Thätigkeit, und man darf sagen, daß die amerikanische Marineverwaltung in der kurzen Zeit von wenig mehr als einem Jahrzehnt wahre Wunder in der Ausgestaltung ihrer Kriegsmarine vollbracht hat. Dieser Sachverhalt ist indeß einem späteren Abschnitte vorbehalten, wo er aus- führlicher erläutert wird. Es ergab sich ganz von selbst, daß diese Thätigkeit auch auf den Bau von Handelsdampfern rückwirken mußte. Sehr bemerkenswerth ist in dieser Beziehung die Leistung der Cramp'schen Werfte in Philadelphia, welche über Auftrag der »American Company« einen Doppelschraubenschnelldampfer (»St. Louis«) fertig- stellte (1895), welcher sowohl seiner Abmessungen, technischen Einrichtungen und Ausstattung der Passagierräume den europäischen Schiffen dieser Art völlig eben- bürtig zur Seite steht. Die »St. Louis« — und deren Schwesterschiff »St. Paul« — hat eine Länge von 554 englische Fuß (um 52 Zoll mehr als der Hamburger Dampfer »Bismarck«), eine Breite von 63 Fuß (Bismarck 51), eine Raumtiefe von 42 Fuß (Bismarck 38) und einen Tonnengehalt von 11.629 (Bismarck 8874). Bezüglich der Ausstattung ist zu bemerken, daß sie ganz dem Geschmacke und den Gewohnheiten der Amerikaner angepaßt wurde. Die beigefügten Abbildungen ver- anschaulichen diesen Sachverhalt in ausreichendem Maße. Erster Abschnitt. Eine eigene Art von Schiffahrt hat sich auf den großen Binnenseen Nord- amerikas entwickelt. Früher der Mehrzahl nach Segelschiffe, begann gegen Mitte der Achtzigerjahre der Bau großer Eisenschiffe bis zu 4000 Tonnen Ladefähigkeit Fig. 337. Treppenraum eines amerikanischen Schnelldampfers. auf flachem Boden und mit gewölbtem Deck, welcher Form sie den Namen » Wal- rückendampfer « verdanken. Mit dieser Form wollte man den für die Schiffahrt auf den Binnenseen empfindlichen Nachtheil größerer über Wasser liegender wankender Gewichte vermeiden und gleichzeitig den Wellen gestatten, über das Deck hinwegzuschlagen, wo sie keinen Schaden anrichten können, weil über dem Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. Deck sich nur ein kurzer Aufbau mit einigen Cabinen für die Officiere u. s. w. und dem Steuerhaus erhebt. Man hat solche Walrückenboote auch ohne Dampf- maschine und Segel, nur als Frachtschiffe zum Schleppen durch Dampfer ge- Fig. 338. Der amerikanische Passagierdampfer »St. Louis« auf der Cramp'schen Werft zu Philadelphia. baut, welche dann auf dem Deck vorn und hinten nur ein kleines Commando- häuschen tragen. Diese Type ist in Fig. 339 abgebildet. Als das erste Boot dieser Art in Dienst gestellt wurde, erregte es den Spott aller amerikanischen Schiffbauer. Aber Erster Abschnitt. das Fahrzeug kostete nur 45.000 Dollars und trug seinem Besitzer gleich im ersten Betriebsjahr einen Reingewinnn von 70.000 Dollars ein, ein Verhältniß der Kosten zum Erträgniß, das mit einem Schiffe wohl noch niemals erzielt Fig. 339. »Walrücken-Stahlschiffe«. worden ist. Hierauf trat ein Walrückenpropeller auf den Plan (1890), welcher den Transport von Erzen, Cere- alien und Kohlen zwischen dem Oberen und dem Erie- See vermittelte. Er hatte eine Ladefähigkeit von 2800 Tonnen, in diesem Zustande fünf Meter Tiefgang und legte in der Stunde zwölf englische Meilen zurück. Außerdem konnte er Barken bis 2400 Tonnen Fracht ins Schlepptau nehmen. Diese Erfolge beein- flußten so sehr die öffentliche Meinung, daß zu Beginn des letzten Jahrzehntes sich in Chicago eine Schiffahrts- gesellschaft bildete, zu dem Zwecke, solche Walrücken- dampfer in den Dienst des directen Verkehrs zwischen Chicago und den englischen Häfen zu stellen, und zwar ausschließlich für den Ge- treidetransport. Der erste dieser Dampfer traf im Juli 1891 mit 2500 Tonnen Getreide in Liverpool ein; er war 80‧7 Meter lang, 11‧5 Meter breit und hatte bei voller Ladung 5‧4 Meter Tiefgang, aber nur 1‧8 Meter Freibord bis zur Scheitelhöhe des gewölbten Decks, woraus sich die geringe Seetüchtigkeit des Fahrzeuges erklärt. Nach wiederholten Havarien, Bergungen und Reparaturen lief der Dampfer im Jahre 1892 in der Coos-Bai abermals auf den Strand, wo man ihn liegen ließ und aufgab. Soweit Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. bekannt ist, hat eine Wiederholung dieses Versuches einer atlantischen Seefahrt mit einem Walrückendampfer nicht stattgehabt. Dagegen hat man zur Aus- stellung 1893 in Chicago einen Dampfer dieser Art von riesigen Dimensionen Fig. 340. Das amerikanische Kabelschiff »Mackay-Bennett«. (Länge 151 Meter, Fassungsraum für 6000 Personen) für den Personenverkehr in Betrieb gesetzt. Von dem eigentlichen Schiffsrumpf abgesehen, zeigt das Schiff den in Amerika üblichen mehrstöckigen Aufbau von Sälen und Galerien, wodurch er seinem Zwecke vollkommen entsprach. Erster Abschnitt. In Fig. 340 ist ein amerikanisches Kabelschiff abgebildet, dessen Einrichtung von Interesse ist. Entsprechend der Ausdehnung unterseeischer Kabelleitungen der amerikanischen Gesellschaften, halten diese letzteren eigene Kabelschiffe in Betrieb, denen es obliegt, die Leitungsfähigkeit der Kabel zu untersuchen und etwaige Schäden zu beheben. Ein solches Fahrzeug, welches mit allen zur Aufholung des Kabels erforderlichen Maschinen, sowie mit den elektrischen Apparaten zur Auf- findung der Fehlerstelle und zur Reparatur des Schadens ausgerüstet ist, hat die große Commercial Cable Company zur Instandhaltung ihrer drei Kabel- leitungen zwischen den Unionsstaaten und Europa im Dienste. Der Erbauer dieses Schiffes ist John Elder \& Co. in Govan-on-the-Clyde . Es ist 79‧3 Meter lang, 12‧2 Meter breit und 6‧7 Meter tief. Die Kosten beliefen sich auf 320.000 Dollars. Als Doppelschraubendampfer construirt, besitzt das Schiff zwei Compoundmaschinen von zusammen 1500 Pferdestärken, welche eine Maximal- geschwindigkeit von 12 Knoten in der Stunde ermöglichen. Die Hochdruck- cylinder haben 0‧3 Meter, die Niederdruckcylinder 0‧6 Meter Durchmesser; der Kolbenhub beträgt 0‧9 Meter. Das Fahrzeug enthält unterdecks drei für die Aufwickelung von Kabeln bestimmte Trommeln, auf welche 96 und 314, beziehungsweise 209 Kilometer, zusammen 619 Kilometer Kabel gewickelt werden können. Die inneren hohlen Achsen dieser Trommeln werden als Wasserkasten benützt und sind zu diesem Ende wasserdicht hergestellt. Durch das ganze Schiff geht eine elektrische Beleuchtung, während zur Beleuchtung der Meeresfläche große Reflectoren installirt sind, welche es ermöglichen, die Kabelarbeiten auch des Nachts bewerkstelligen zu können. Das Schiff hat einen sehr ruhigen, regelmäßigen Gang, der durch eine besondere Form des Kiels erzielt wird. Um rasch rückwärts steuern zu können, ist auch am Bug ein Steuer angebracht. Auf Deck sind zwei sehr kräftige Maschinen installirt, welche das Kabel vom Meeresgrund mittelst eines eigenen Fangapparates (dem sogenannten »Drachen«) auffangen und sodann die Aufrollung des Kabels besorgen. Am Bug sowohl als am Achter trägt das Fahrzeug zwei mit Rollkegeln versehene Blöcke, über welche die Kabel beim Einholen beziehungsweise Ablassen laufen. Durch Speichen am Trommelmantel wird die Aufrollung des Kabels wesentlich erleichtert und geregelt. Ist das beschädigte Kabelstück aufgefunden und vom Haken des Drachens gefaßt worden, was durch ein elektrisches Signal an Bord angezeigt wird, so findet die Aufwickelung auf die vorstehend erwähnten Trommeln unterdecks statt. Im Bilde ist ersichtlich, wie das Kabel vorne austritt und durch einen Matrosen (das Deck ist im vorderen Theile abgehoben gedacht) auf den Rollkegel dirigirt wird. Vom Kegel aus erfolgt nun die Weiterleitung des Kabels über Deck zu den eigentlichen Apparaten für die Aufsuchung und Reparatur des Fehlers und kommt hierbei eine Bremsvorichtung (rechts in der Mitte des Bildes, wo ein Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. Mann die Kabelhülle untersucht) zur Wirkung. Von hier aus gelangt das Kabel gegen den Achter des Schiffes und durchläuft ein Dynamometer, mittelst welchem die Höhe der jeweiligen elektrischen Spannung constatirt wird. Auf Oberdeck be- finden sich ferner vorne und hinten elektrische Signalapparate, nach welchen Capitän, Steuermann und die mit der Reparatur der Kabel betrauten Ingenieure die Bewegungen des Schiffes, beziehungsweise die Functionen aller Hilfsapparate leiten. Ein Indicator zeigt die Länge des bereits aufgerollten oder aufgewickelten Kabels an, so daß ein Irrthum ausgeschlossen ist. Durch Bojen wird überdies das Kabel während des Aufholens beziehungsweise Wiederversenkens gestützt, wo- Fig. 341. Velociped-Dampfschiff von Robert Freyer. durch Reißungen hintangehalten werden. Ein derart ausgerüstetes Kabelschiff kann in einer Stunde 10 bis 13 Kilometer Kabel legen. Die moderne Schiffbautechnik ist bei der Ausgestaltung der herkömmlichen Schiffstype — die ja im Großen und Ganzen immer dieselbe ist — nicht stehen geblieben und hat sich mitunter zu ganz abenteuerlichen Constructionen verstiegen. Die meisten derselben sind freilich über das Project nicht hinausgerathen, und diejenigen, welche wirklich gebaut und in Fahrt gestellt wurden, haben sich als verfehlte Unternehmungen erwiesen. Wir wollen hier von einigen dieser meist phantastischen Constructionen flüchtig Notiz nehmen. In Fig. 341 ist ein Seefahrzeug abgebildet, das von seinem Erbauer, dem Amerikaner Robert Freyer , als Velociped-Dampfer bezeichnet wird. Ueber Erster Abschnitt. die Construction ist nicht viel mehr zu sagen, was nicht aus dem Bilde zu ersehen wäre. Der Schiffskörper besteht aus einem dreieckigen Rahmen, an dessen Ecken drei große, 2 Meter im Durchmesser haltende und mit Schaufeln versehene hohle Fig. 342. Velociped-Dampfschiff. Blechräder angebracht sind. Im rückwärtigen Theile des Schiffes — wenn diese Bezeichnung überhaupt zulässig ist — befindet sich zwischen dem vorderen Ruder- paare und diese letztere antreibend die Dampfmaschine. Auf demselben Principe beruhend, aber in der Ausführung von dem vor- besprochenen Fahrzeuge wesentlich abweichend, ist der in Fig. 342 abgebildete Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. Velociped-Dampfer. Die Curgäste von Atlantic City, einem Modebade in der Nähe von New-York, können sich das Vergnügen machen, auf diesem Dreirade die Wogen des Oceans zu durchfurchen, vorausgesetzt, das dieser bei guter Laune ist. Das Dreirad be- Fig. 343. Graham's transatlantischer Riesendampfer. steht, wie ersichtlich, aus einer Plattform, die hoch über dem Wasserspiegel auf drei Rädern ruht. Diese sind an ihrem Um- fange mit zahnartigen Vorsprüngen versehen. Auf der Plattform ist eine Dampfmaschine angeordnet, welche mittelst Ketten und Getriebe, die in die Zähne der Räder greifen, diese in Um- drehung versetzt. Das vordere Rad ist von der Plattform aus verstellbar und wirkt dieser Art als Steuer. Das Fahren mit einem solchen Dreirade ist natürlich nur bei einem ganz flachen, sandigen Strande möglich. Es unterscheidet sich dem- nach ganz wesentlich von der Freyer 'schen Construction, welches sich vermittelst seiner großen hohlen Räder schwimmend erhält, also nicht auf dem Sandboden des Meeres sich fortbewegt, und zwar ganz allein durch die Wirkung der Schaufelräder. Weitaus abenteuerlicher als diese harmlosen Spielereien ist das Project eines gewissen James Graham , der nicht nur in Bezug auf die Abmessungen, sondern Erster Abschnitt. auch rücksichtlich der Construction alles Dagewesene in Schatten stellen wollte. Freilich ist das Ganze nur ein frommer Wunsch geblieben, aber als solcher bezeichnend für die ausschweifende Phantasie mancher Schiffsbautechniker. Das Fahrzeug ist eigentlich eine Combination von mehreren Schiffen, wie dies aus der Abbildung Fig. 343 zu ersehen ist. Die Maschinen, deren im Ganzen sieben gedacht sind — drei von je 10.000 Pferdestärken im mittleren Schiffsraum, zwei von je 4000 Pferdestärken im vorderen, und zwei von je 6000 Pferdestärken im Fig. 344. Bazin's Rollschiff. rückwärtigen Schiffstheile — sollen mit ihren 50.000 Pferdestärken sieben Paar Schaufelräder von 17 bis 18 Meter Durchmesser und 2‧0 bis 2‧6 Meter Breite bewegen, wobei auf 35 Umdrehungen in der Minute gerechnet ist. Dies entspräche einer Geschwindigkeit von etwa 35 Knoten in der Stunde. Für den aus drei Schiffskörpern zusammengesetzten Rumpf, sammt allen Zwischenversteifungen, hat der Constructeur 5000 Tonnen Stahl in Anschlag gebracht. Der Fassungsraum ist auf 4000 Passagiere I. und II. Classe berechnet, was, in Anbetracht der riesigen Dimensionen des Schiffes, eigentlich gar nicht viel ist. Haben doch etliche der modernen Riesendampfer reichlich Raum für allein 3000 bis 3500 Zwischendecker. Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. Von tiefergehendem Interesse ist das sogenannte » Rollschiff « des franzö- sischen Ingenieurs Ernest Bazin , das nicht lediglich Project geblieben, sondern auch zur Ausführung gelangt ist. Die Grundidee dieser Construction ist die größt- möglichste Abschwächung des die Fortbewegung des Schiffes hemmenden Wasser- widerstandes. Das war nur dadurch zu erreichen, daß der Constructeur die übliche Schiffsform und die Maschinenanlage gänzlich umgestaltete. Die bemerkenswertheste Fig. 345—346. Bazin's Rollschiff. Durchschnitt und Deckplan. Neuerung ist die Anwendung von großen Rollen, die durch Rotation um ihre Achsen die Widerstände des andrückenden flüssigen Elementes überwinden. Nicht wie die Schraube, die durch Einbohren in das Wasser die Vorwärtsbewegung des Schiffes bewirkt, arbeiten diese Rollen, sondern sie durchschneiden das Wasser und der Schiffskörper folgt diesem Zuge. Ursprünglich legte Bazin seine Erfindung in einem Modelle fest, das die Billigung der Fachkreise fand und dahin führte, daß der Constructeur ein Versuchs- schiff bauen konnte. Dasselbe lief am 19. August 1896 in Saint-Denis bei Paris Erster Abschnitt. vom Stapel. Es besteht aus einem rechtwinkelig angelegten flachen Deck, das ungefähr 40 Meter in der Länge, bei 11‧8 Meter größter Breite mißt und ein Deplacement von 200 Tonnen hat. Das Deck ist auf den erwähnten Rollen montirt, welche — sechs an der Zahl — 10 Meter Durchmesser und 3 Meter Achsweite haben und dem Schiffe ein eigenthümliches Aussehen verleihen. Die Rollen sind aus Stahlblech gefertigt und erhalten durch eine innere Skeletirung eine hohe Festigkeit, vermöge welcher sie dem seitlichen Drucke des Wassers aus- reichenden Widerstand entgegensetzen. Diese Rollen tauchen bis zu einem Drittel ihres Durchmessers gleichmäßig tief ins Wasser. Die Maschine, welche zum Antriebe der zwischen jedem Rollenpaar angebrachten Schraube dient, indicirt 550 Pferde- stärken; zum Antrieb der Rollen dienen drei Maschinen von zusammen 200 Pferde- stärken. Beide Motoren sind also, wie man sieht, von einander unabhängig. Die Fig. 344 veranschaulicht das Rollschiff in perspectivischer Darstellung, Fig. 345 und 346 giebt den Längsschnitt und die Ansicht des Deckplanes. Eine interessante Episode in der Schiffbautechnik bildete schon der Stapellauf des Versuchsschiffes. Da dieses Schiff nicht einfach abgleiten konnte, wie andere Schiffskörper, mußten besondere Vorrichtungen ersonnen werden, welche die Beschädigung der Rollen ver- hüten sollten. Man hat auf diese originelle Construction Hoffnungen gesetzt, die nicht erfüllt worden sind. Von der Probefahrt verlautete nichts günstiges, und seitdem hört man von der Sache nichts mehr. Hätte sich diese Constructionstype bewährt, dann allerdings wäre ihr eine verheißungsvolle Zukunft nicht vorent- halten geblieben. Zunächst ist es wohl kaum möglich, einem Fahrzeuge dieser Art eine Stabilität zu geben, die es völlig seetüchtig macht. Schon der Augenschein lehrt, daß das Rollschiff ein Spiel der Wogen sein muß. Der Calcul ergab freilich, daß bei Anwendung von Maschinen von 10.000 Pferdestärken, das Fahrzeug um 600 Tonnen stärker als der größte der existirenden Dampfer gemacht werden und 30 Knoten pro Stunde zurücklegen könnte — eine Leistung, welche bei Fest- haltung an der üblichen Schiffstype einen motorischen Aufwand von 30.000 Pferde- stärken erfordern würde. Im Jahre 1897 hat ein Amerikaner Namens Beckman die Idee Bazin 's in sehr einfacher Weise zu lösen versucht, indem er ein nur mit Handbetriebs- maschinen versehenes Rollboot baute und damit eine Probefahrt im Atlantischen Ocean antrat. Das Boot ist in Fig. 347 abgebildet. Es bestand aus einem fast cylindrischen, tonnenartigen Rumpfe von ungefähr 3‧2 Meter im Durchmesser und von circa 4 Meter Länge, der ganz so wie Fässer aus Dauben zusammengesetzt war. Eine Reihe von Rudern an der Außenwand des Fahrzeuges sollten vom Innern der Tonne aus bethätigt werden können. Rund um die beiden Böden der Tonne waren Eisenreifen gezogen, an welchen mittelst zweier Paare von Rädern eine Art Arbeitsplattform hergestellt war, welch letztere während der Umdrehung der Räder und der Tonne stets in horizontaler Lage gehalten wurde. Der Außenrahmen war etwas breiter als die Tonne und umgab letztere wie ein Gerüst, unter dem der Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. Bauch der Tonne hervorragte. Am Ende des Gerüstes bildeten starke Stützen die Versteifung. Von diesen Stützen gingen vier wagrechte Querstangen in das Innere Fig. 347. Beckman's Rollboot. der Tonne durch Oeffnungen an deren Enden, wo sie mit einem Paare senkrechter Pfosten verbunden waren und solcher Art eine Cabine bildeten. Die Plattform diente Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 28 Erster Abschnitt. zudem als Rahmen, mit der Eigenschaft, stets in der horizontalen Ebene zu schwingen. Mehrere Handkurbeln und Radantriebe, welche in einem Centralsteuer zusammen- liefen, ertheilten dem Fahrzeuge eine rollende Bewegung an der Oberfläche des Wassers durch die frei bewegliche Tonne und einen weiteren Antrieb durch die Ruder. Der Zusammenhang zwischen Rahmen und Tonne war auf jene Stellen beschränkt, wo die Räder die Tonne unter der Plattform berührten. Das Innere dieses originellen Bootes war zur Aufnahme von Nahrungsmitteln und Gepäck mit einigen Bunkern versehen und enthielt auch eine kleine Schiffsküche. Leider erlebte Beckman 's Rollboot, wie die primitive Construction es wohl nicht anders erwarten lassen konnte, nur seine Probefahrt als ersten und letzten Versuch, seine Eignung zu bethätigen. Von Bar Harbour an der Küste von Maine aus am 23. September 1897 ausgelaufen, passirte es die Wellenbrecher des Hafens und gelangte glücklich in die offene See. Unter vereinigtem Wirken der Handkurbeln und Winden, mehr aber durch die herrschende kräftige Brise getrieben, erreichte das Boot eine Entfernung von 22 Kilometern von der Küste und hatte circa 10 Kilo- meter pro Stunde zurückgelegt. Der kühne Constructeur, welcher sich dem schwachen Boote anvertraut hatte, mußte erkennen, daß der Wind der Fahrt des Bootes bedeutende Schwierigkeiten bereitete, und nach dem Erreichen des erwähnten Abstandes von der Küste ließ er sich von dem eben nach New-York passirenden Frachtdampfer »Pentagoet« an Bord nehmen — froh, den schwanken Boden seines Fahrzeuges mit dem umso viel solideren Deck eines großen Dampfers vertauschen zu können. Das Rollboot aber mußte, nachdem einige Versuche der Mannschaft des »Pentagoet«, es mit Tauen einzuholen, mißglückt waren — zum Schmerze seines Erbauers den Wellen überlassen bleiben. Zum Abschlusse unserer wohl nur sehr allgemein gehaltenen Mittheilungen über den modernen Schiffsbau möchten wir nun derjenigen Bestrebungen gedenken, welche sich auf die Beseitigung aller jener Störungen beziehen, die mit den Be- anspruchungen der Seeschiffe, und zwar im Besonderen der Dampfer, zusammen- hängen. Die Beanspruchungen der Seeschiffe im Allgemeinen ergeben sich aus der ungleichmäßigen Vertheilung der Gewichte des Schiffskörpers und der sie tragenden Auftriebskräfte in der Längsrichtung des Schiffes. Eine andere Beanspruchung, welche nur Dampfer betrifft und die in höchst unangenehmer Weise auf den Schiffskörper einwirken, ergiebt sich aus dem Gange der Maschine. Eine zweite Art der Beanspruchung sind die Schiffsvibrationen, die wellenartigen, kurzen und rasch aufeinanderfolgenden Schwingungen des Schiffskörpers in seiner Längsrichtung. Jeder, der auch nur eine Seefahrt auf einem Dampfer unternommen hat, kennt diesen Sachverhalt. Früher, so lange die Fahrzeuge und demgemäß auch die Maschinen noch nicht jene Dimensionen hatten wie derzeit, waren die Vibrationen noch nicht so fühlbar, wie dies bei den neuen großen Maschinen mit höheren Kolben- geschwindigkeiten und den großen bewegten Massen der Fall ist. Besonders bei den Schnelldampfern sind diese Vibrationen zeitweilig fast unerträglich gewesen. Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. Es lag daher für den Schiffsbautechniker nahe, auf Mittel zu sinnen, welche geeignet waren, die fraglichen Gebrechen zu paralysiren, was denn auch mehr oder weniger gelang. Zunächst hat Kleen eine Methode angegeben, mittelst deren es möglich ist, bei Flußdampfern und wohl auch bei Seedampfern, wenn genügende Beobachtungen vorliegen, so daß für die entsprechenden Gleichungen die betreffende Constante bestimmt werden kann, die kritischen Schwingungszahlen für ein neues Schiff im Voraus zu bestimmen. Man hat dann, um Vibrationen hintanzuhalten, nur Sorge zu tragen, daß die Umdrehungszahlen der Maschine möglichst weit ab von jenen Schwingungszahlen liegen. Kleen läßt also durch die Maschine dem Schiff fortgesetzt Stöße ertheilen, allein er bemißt die Anzahl dieser Stöße pro Zeiteinheit so, daß sie der Ruhe des Schiffes nicht schaden, also gewissermaßen belanglos werden. Aehnliches bezweckt das Verfahren Middendorf 's, doch faßt auch er das Uebel nicht an der Wurzel, sondern läßt die Maschine ruhig auf den Schiffskörper stoßend wirken, will aber den Einfluß dieser Stöße dadurch unschädlich machen, daß er dem Schiff eine sehr starke Längsverbindung giebt, indem er durch das ganze Schiff in seiner Längsrichtung, in der Symmetrieebene liegend, einen Gitter- träger aus Flacheisen mit oberer und unterer Gurtung einbaut. Es ist außer Zweifel, daß auf diese Weise die Leistungsfähigkeit des Fahrzeuges ungemein ge- hoben wird. Hauptsächlich aber tritt dieser Träger in Action, wenn es sich um Beanspruchungen des Schiffskörpers handelt, welche sich auf die ungleichmäßige Vertheilung der Gewichte des letzteren und der sie tragenden Auftriebskräfte in der Längsrichtung des Schiffes beziehen. Bedeutend näher der Lösung dieser Frage kommt Ziese , indem er den Vorschlag macht, die Cylinder möglichst nahe aneinander zu rücken, damit dadurch der Abstand der Cylindermitten, also der Ebenen, in welcher bei jedem Cylinder die auf Vibrationen wirkenden freien Kräfte der Massenbewegungen auftreten, thunlichst gering werde, also die aus jenen Kräften sich ergebenden Momente ebenfalls verkleinert werden. Ein weiterer Vorschlag geht dahin, die Cylinder unter sich möglichst fest und starr, sowie mit der Grundplatte der Maschine zu verbinden, damit so die Gesammtmasse der festen Theile der Maschine auf Grund ihrer Trägheit den aus den bewegten Maschinentheilen resultirenden freien Kräften entgegenwirke. Daß durch eine solche Bauart im Allgemeinen weniger Schiffs- vibrationen sich ergeben, ist wohl einzusehen. Am gründlichsten geht aber O. Schlick (Hamburg) dem Uebel zu Leibe, indem er die Maschine so construirt, daß sie keine Stöße mehr auf das Fahrzeug ausüben kann, die, als freie Kräfte, beziehungsweise Momente, Vibrationen her- vorzurufen im Stande sind. ... Indem wir uns mit diesem Gegenstande in aus- führlicher Weise beschäftigen wollen, benützen wir — mit Hinweglassung der mathematischen Formeln und reinen fachmännischen Einzelheiten — die betreffende Patentschrift des kaiserlichen deutschen Patentamtes (vom 4. Mai 1895). 28* Erster Abschnitt. Bei einer Dampf- oder sonstigen Kraftmaschine mit mehreren Cylindern, die einzeln oder in Gruppen auf verschiedene Kurbeln einer und derselben Welle arbeiten, entstehen durch die Massenwirkung der bewegten Maschinentheile be- deutende Kräfte, die das Fundament der Maschine in nachtheiliger Weise beanspruchen. Die Beanspruchungen bestehen unter der Voraussetzung, daß die Cylindermittel in einer Ebene liegen, einestheils in Drucken, die das Gestell in der Richtung der Kolbenstangen zu verschieben suchen, und anderntheils in Kräften, welche die ganze Maschine in der Ebene der Cylindermittel zu verdrehen streben. Faßt man beispielsweise eine Maschine mit aufrechtstehenden Cylinder ins Auge, so werden Kräfte auftreten, die sowohl das Gestell abwechselnd nach oben und unten zu bewegen, als auch die Maschine an den beiden Wellenenden aufzukippen suchen. Solche Kräfte wirken namentlich da besonders nachtheilig, wo es nicht möglich ist, ein genügend widerstandsfähiges Fundament zu schaffen, also bei den Schiffs- maschinen. Diesen Uebelstand hat man bis jetzt, soweit überhaupt für die Praxis brauch- bare Constructionen in Betracht kommen, nur durch die Verwendung von schweren Gegengewichten beseitigen können. Die letzten besitzen jedoch nicht nur den Uebel- stand, daß sie, wenn man sich derselben ganz allein zur Ausgleichung der Massen- wirkung bedient, ganz bedeutende Massen erfordern und dadurch bei der Bedienung der Maschine hinderlich werden, sondern daß während die Massendrücke in der Kolbenstangenrichtung ausgeglichen werden, neue, ebenso große schädliche Kräfte auftreten, die rechtwinklig zur Kolbenstange liegen. Die Massendrücke werden also nicht vernichtet, sondern nur in ihrer Richtung um 90 Grad verdreht. Die Schlick 'sche Erfindung besteht nun darin, die Ausgleichs- oder Gegen- gewichte soweit durch bewegte Gestängemassen oder sonstige Maschinentheile ganz oder thunlich zu ersetzen. Die Eigenartigkeit der Neuerung beruht also darauf, daß für den wünschenswerthen Ausgleich der Massenwirkungen auf das Fundament eine solche Lösung gefunden ist, welche nicht nur das Fortfallen der lästigen Aus- gleichs- oder Gegengewichte ganz oder theilweise ermöglicht, sondern die zur Er- richtung des angestrebten Zieles hauptsächlich bewegten Theile der Maschine selbst benützt, die nicht als todte Massen aufgeschleppt zu werden brauchen, sondern direct wirksame Maschinentheile bilden. Wichtig ist es noch hierbei, daß durch die Schlick 'sche Erfindung beide Arten der schädlichen Beanspruchung des Fundamentes gleichzeitig vermieden werden können, nämlich die Verschiebung in der Richtung der Kolben- stangen und die Verdrehung in der Kolbenstangenebene, und ferner, daß die Ausgleichung der Maschinendrücke, wenn man von den durch die endliche Länge der Pleuel- und Excenterstangen bedingten kleinen Fehlern absieht, durch die fragliche Erfindung mathematisch genau möglich ist. Bevor wir die Schlick 'sche Neuerung eingehends erläutern, sei auf die zwei folgenden Sachverhalte hingewiesen. Die in Fig. 348, 2 dargestellte Maschine besitzt drei Kurbeln k 1 , k 2 , k 3 , auf deren jede ein Cylinder arbeitet. Die mittlere Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. Kurbel k 2 , an welcher der mittlere Cylinder mit dem Gestängegewicht L 2 arbeitet, steht genau den beiden andern Kurbeln k 1 und k 3 , an denen je ein Cylinder mit dem Gestängegewicht L arbeitet, gegenüber. Unter Voraussetzung, daß die Abstände der Cylinder und die Armlänge der Kurbeln gleich sind, heben sich die Fig. 348. Schlick'sche Cylinder- und Curbelanordnung. Massendrücke bei dieser Maschine vollkommen auf, und es entsteht weder ein Druck in der Richtung der Kolbenstange, noch ein Kräftepaar in der Kolbenstangen- ebene, abgesehen von dem kleineren Fehler, der durch die endliche Länge der Pleuel- stange bedingt ist. Ganz ähnlich liegen die Verhältnisse bei der in Fig. 348, 3 dargestellten Maschine. Es sind zwei Cylinder mit genau gleich schweren Gestängemassen mit Erster Abschnitt. ihren Mitteln genau in einer Geraden angeordnet. Der obere Cylinder arbeitet mit Hilfe einer Traverse und zweier Pleuelstangen auf ein paar Kurbeln, die genau der Kurbel gegenüberliegen, an welcher der untere Cylinder angreift. Auch bei dieser Maschine heben sich alle Massendrücke mit Ausnahme des durch die endliche Länge der Pleuelstange bedingten Fehlers auf. Es handelt sich hier also lediglich um zwei Gruppen von Cylindergestänge- massen, welche mit gleicher Schwere auf zwei Gruppen von Kurbeln einwirken. Daß es hierbei auf der Hand liegt, ihre schädlichen Einwirkungen auf die Umtriebswelle dadurch aufzuheben, indem man sie gerade entgegengesetzt zu einander auf die Welle einwirken läßt, also ihre Wellenkurbeln um 180 Grad zu einander versetzt, ist leicht einzusehen. Eine zweikurbelige Maschine von der in Fig. 348, 4 dargestellten Anordnung, bei welcher zwei gleich schwere Gestängemassen auf zwei nebeneinander liegende Kurbeln, die um 180 Grad zu einander versetzt sind, arbeiten, erfüllt die gestellte Bedingung der Ausgleichung der Massendrücke schon nicht mehr, denn nur die in der Kolben- stangenrichtung entstehenden Kräfte heben sich gegenseitig auf. Das in der Kolben- stangenebene auftretende Kräftepaar kann aber bei dieser Construction niemals ausgeglichen werden. Man kann das Kräftepaar wohl durch eine Verringerung der Cylinderabstände verkleinern, die Construction läßt aber niemals ein gänzliches Verschwinden des Kippmomentes zu. Ebenso liegen die Verhältnisse, wenn zwei der soeben besprochenen Maschinen zu einer viergliedrigen Maschine miteinander verbunden werden, wobei die Ebene des Kurbelpaares der einen Maschine genau rechtwinkelig zur Ebene des Kurbel- paares der anderen Maschine steht, wie dies in Fig. 348, 5 dargestellt ist. Bei einer solchen Maschine heben sich zwar die Massendrücke der bewegten Maschinentheile auch theilweise untereinander auf; die Natur der Construction macht es aber unmöglich, daß der Ausgleich vollkommen stattfindet, auch wenn man von dem durch die endliche Länge der Kolbenstangen bedingten Fehler absieht. Eine voll- kommene Ausgleichung der Massenwirkung ist bei einer Maschine, die in jeder beliebigen Lage der Kurbelwelle anspringen soll, bei der also ausgeschlossen ist, daß die Kurbeln in einer Ebene liegen (einander genau gegenüberliegen), nur dann möglich, wenn sie mehr als drei, also wenigstens vier Kurbeln besitzt, voraus- gesetzt, daß die Cylindermittel ganz oder nahezu parallel nebeneinander liegen. Dies soll in den folgenden Beispielen erläutert werden. ... Die Fig. 348, 6 und 348, 7 stellen eine vierfache und eine dreifache Expansionsdampfmaschine mit je vier Kurbeln dar. Die Gestängemassen der Cylinder, d. h. der sich auf und abbewegenden Massen, also der Kolben, Kreuzköpfe, Pleuelstange u. s. w., können einzeln für sich oder zu Gruppen vereinigt auf die Kurbeln einwirken. Der Ein- fachheit wegen ist angenommen, daß immer nur ein Cylinder auf einer Kurbel arbeitet. Da die Gestängemassen der an den mittleren Kurbeln arbeitenden Cylinder immer schwerer sein müssen, als die an den unteren Kurbeln arbei- Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. tenden Massen (dies ist ein charakteristisches Merkmal dieser Construction), em- pfiehlt es sich meistens auch, die größeren Cylinder in der Mitte anzuordnen. Un- bedingt erforderlich ist dies jedoch nicht, es kommt nunmehr nur darauf an, daß die schweren Massen an den mittleren Kurbeln arbeiten. Bei der in Fig. 348, 6 dargestellten vierstufigen Expansionsmaschine tritt der Dampf der Reihe nach in die Cylinder I bis IV , aus welch letzteren er nach dem Condensator strömt. Um die Dampfrohre nicht zu lang zu machen, würde es sich in vielen Fällen empfehlen, die Stellungen der Cylinder III und IV mit- einander zu vertauschen. .. Fig. 348, 7 stellt eine dreistufige Expansionsdampfmaschine dar, bei der zwei Niederdruckcylinder (mit III bezeichnet) verwendet werden. Um die Dampfrohre abzukürzen, wird man in manchen Fällen vorziehen, den Cylinder II unmittelbar neben den Cylinder I zu stellen und an der alten Stelle des Cylinders II einen Niederdruckcylinder III anzuordnen. Es liegt an dem Wesen dieser Erfindung nichts, welche Art von Maschinen mit mehr als drei Kurbeln vorliegt; es ist in jedem Falle nur dafür zu sorgen, daß der erwähnte Ausgleich der Massendrücke, soweit als thunlich durch die be- wegten Massentheile selbst, namentlich der Cylindergestängemassen, geschieht. Um dies zu erreichen, müssen die Gewichte der bewegten Massen, ihre in der Wellenrichtung gemessenen Abstände, die Armlänge der Kurbeln und vor- nehmlich die Winkel, welche die Kurbeln untereinander bilden, in einer ganz bestimmten Beziehung zu einander stehen. Wenn man auch aus praktischen Rück- sichten bisweilen davon absehen wird, die Ausgleichung der Massen ganz voll- kommen durchzuführen, so soll die Construction doch derart sein, daß diese Aus- gleichung, abgesehen von dem durch die endliche Länge der Pleuelstangen bedingten kleinen Fehler, ohne Anwendung von Gegengewichten überhaupt möglich ist. Zur weiteren Erläuterung der Schlick 'schen Erfindung mag die Bestimmung der Hauptconstructionsverhältnisse einer vierstufigen Expansionsmaschine erklärt werden. ... Mit Bezug auf Fig. 348, 6 sei angenommen, daß die an den Kurbeln der Cylinder III und IV arbeitenden Gewichte der Gestängemassen, die mit P III und P IV bezeichnet werden, in den Winkel, den die beiden zugehörigen Kurbeln miteinander verbinden, gegeben seien. Der Einfachheit wegen möge dieser Winkel 90° betragen. Zur weiteren Vereinfachung der Aufgabe sei ferner angenommen, daß die Entfernung der Mitte zweier benachbarter Cylinder gleich und die Kurbel- armlänge für alle Kurbeln dieselbe sei. Es handelt sich immer darum, die Gestängegewichte der Cylinder I und II und die Winkelstellung der zugehörigen Kurbeln zu finden. Man verfährt hierbei in folgender Weise: um die Massenwirkung der Gestänge am Cylinder IV durch die an den Kurbeln I und II arbeitenden Massen auszugleichen, würde man bei I und II gleich große Kurbelarme anzubringen haben, die der Kurbel IV genau gegenüberliegen. Das an der Kurbel II arbeitende Gestängegewicht würde aber in demselben Verhältniß, in welchem die Entfernung des Cylinders II vom Cylinder I , Erster Abschnitt. größer sein müssen, als das an der Kurbel I arbeitende Gestängegewicht; die Summe der an den Kurbeln I und II arbeitenden Gewichte müßte aber auch gleich dem Gestängegewichte des Cylinders IV sein. An der Kurbel I müßte demnach der Kurbel IV gegenüber ein Gewicht ⅓ P IV und an der Kurbel II ein Gewicht ⅔ P IV angreifen, um die Massenwirkung der Gestänge vom Cylinder IV aus- zugleichen. In ganz gleicher Weise lassen sich die zur Ausgleichung der Massenwirkung der Gestänge des Cylinders III an den Kurbeln I und II erforderlichen Gewichte bestimmen, und es ergiebt sich demgemäß, daß, um die Massenwirkung der Gestänge des Cylinders III auszugleichen, erforderlich ist: an der Kurbel I ein Gewicht von ⅔ P III und an der Kurbel II ein Gewicht von ⅓ P III angreifen zu lassen. Die Kurbeln I und II müssen in diesem Falle der Kurbel III genau diametral gegenüberliegen. Werden bei einer viergliedrigen Maschine bei gleichen Cylinderentfernungen und bei gleichen Kurbelstangen die Gewichte der an den verschiedenen Kurbeln arbeitenden Massen und die Winkel der Kurbeln so gewählt, wie sie sich aus bestimmten (hier nicht weiter zu erläuternden) Formeln ergeben, so werden sich alle Massendrucke vollkommen ausgleichen, mit Ausnahme des durch die endliche Länge der Pleuelstangen bedingten Fehlers. Greifen an einer Kurbel die Betriebs- theile mehrerer nebeneinander liegenden Cylinder an, deren Kolbenstangen vielleicht durch eine Traverse miteinander verbunden sind, so ist bei Bestimmung der Ge- wichte, Kurbelstellung u. s. w. nicht der Abstand der Cylindermittel, sondern der rechtwinkelig zur Hubrichtung gemessene Abstand der Schwerpunktachsen der verschiedenen Cylindergruppen in Rechnung zu bringen. Die Schlick 'sche Maschinenconstruction ermöglicht jedoch nicht nur eine genaue Ausbalancirung der bewegten Massen in einer durch die Cylindermittel gelegten Ebene, sondern sie gestattet auch gleichzeitig einen Ausgleich der Massendrucke in einer rechtwinkelig zur Kolbenstangenrichtung durch das Wellenmittel gelegte Ebene. Es ist dieser Sachverhalt eine Eigenthümlichkeit, die nur diesem Maschinensystem zukommt. Dasselbe bietet überall, wo es auf Erzielung eines ruhigen Ganges bei hohen Umdrehungszahlen ankommt, bedeutende und wichtige Vortheile: es findet keine Beanspruchung des Fundamentes statt, weshalb eine Lockerung desselben nicht zu befürchten ist; in Folge dessen können bei Dampfern keine Vibrationen auftreten; der Aufstellungsort der Maschine im Schiffe kann beliebig gewählt werden; man kann die Umdrehungszahl der Maschine nach Belieben wählen, ohne befürchten zu müssen, daß bei einer bestimmten Umdrehungszahl heftige Vibrationen des Schiffskörpers entstehen, wie dies bei den zur Zeit üblichen Maschinensystemen der Fall ist. Die Vortheile des Schlick 'schen Systems sind also so in die Augen springend, daß es erklärlich erscheint, wenn dasselbe bei den zuletzt in Bau genommenen Dampfern deutscher Unternehmungen in Anwendung gekommen ist. Man bedenke, welches Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. ungeheuere Gewicht zur Ausbalancirung der Kurbeln bei den bisherigen Maschinen- systemen in Anwendung kommen mußte. Bei der Scandix-Maschine der Hamburg- Amerika-Linie betrug es rund 18 Tonnen! Nach der Yarrow 'schen Methode wären zur Ausbalancirung sämmtlicher Momente — welche in vorstehender Zahl nicht inbegriffen sind — bei einer Scandix-Maschine vollends 30 Tonnen Gewicht erforderlich. Bei anderen Fig. 349 Nebelreißen auf dem Meere. Methoden reducirt sich das Gewicht allerdings be- trächtlich. Alle diese zum Theil gefährlichen Me- thoden hat das Schlick 'sche System, welches vom Gegengewichte absieht, gegenstandslos gemacht. Die Anbringung des vierten Cylinders, sowie die geänderte Kurbel- stellung sind nur als eine verdeckte Gegengewichts- wirkung aufzufassen. Ein schwimmendes Fahrzeug ist in dem Augenblicke, da es die Wogen des Meeres durch- steuert, gänzlich auf sich selber angewiesen. In den ungeheueren Räumen, die es zurückzulegen hat, lauert die Gefahr in allen Gestalten. Wohl vermag der Dampfmotor widrigen Winden oder den Wind- stillen zu begegnen; die bedeutenden Abmessungen der modernen Riesendampfer, ihre Constructionssweise und das zum Baue verwendete Material haben überdies die Stabilität der See- schiffe ganz wesentlich erhöht und gegen die Angriffe der Oceanwogen gewappnet. Aber das menschliche Vermögen gegenüber den Naturgewalten hat am Ende doch seine bestimmten Grenzen, und es treten im Seeverkehr häufig genug Zwischenfälle ein, bei denen alle technischen Errungenschaften, alle Erfahrungen und Hilfsmittel Erster Abschnitt. der nautischen Wissenschaft nichts gegen die furchtbare Zerstörungswuth der Ele- mente einerseits oder gegen Ereignisse anderer Art auszurichten vermögen. Wind und Wellen, Nebel, Begegnung mit schwimmenden Eisbergen, sind die Naturereignisse, mit denen ein Seefahrzeug zu rechnen hat; plötzliches Lecken, der Ausbruch einer Feuersbrunst an Bord, Kesselexplosionen, Collisionen sind die rein zufälligen Momente, die hinzukommen. ... Auf allen Meeren sind die Winternebel gefürchtet, wenngleich sie anderwärts nicht so viel des Grausigen bergen, wie auf dem Stillen Ocean, wo auch die Länge der Fahrt das ihre zur Vermehrung der unerquicklichen Situation beiträgt. Bei den atlantischen Fahrten ist die Passage des Aermelcanales die gefährlichste. Die Nähe der Küsten und Klippen, die be- deutende Zahl großer Dampf- und Segelschiffe, das Unzuverlässige der Leuchtfeuer in finsterer Nebelnacht, dann das Gewimmel der kleinen Fahrzeuge — Tjalken, Schuten, Lugger, Kutter, Kuffen, Jolen, Galrassen, Galjoten, und wie die gebrech- lichen Nußschalen alle heißen mögen — denen sich nordischen Fischer und Schiffer anvertrauen: das Alles erfordert einen Grad von Vorsicht und Aufmerk- samkeit, in deren Ausübung eine nervenschwache Landratte in den ersten Stunden erliegen würde. In der Regel widerstehen die großen modernen Dampfer dem Wellengange sehr gut. Bei kurzen Wellentheilern kommt der lange Schiffskörper auf zwei- Wellenberge zu ruhen, ist also nicht so sehr dem Schlingern ausgesetz, als kleine Fahrzeuge, welche gezwungen sind, die Wellenbewegung mitzumachen. Freilich kann die See in einem Grade aufgewühlt sein, bei welchem auch die größten Schiffe ein Spielball derselben werden. Was die Größe der Wellen anbetrifft, ist — zum mindesten bei jenen ungeheueren Wasserbergen, welche durch Orkane oder orkan- artige Seestürme hervorgerufen werden — eine Messung, nicht gut möglich. Ganz abgesehen von der Unzuverlässigkeit einer solchen Messung, nimmt ein Ereigniß, wie es ein Sturm ist, derart die Aufmerksamkeit und Thätigkeit der auf dem Schiffe befindlichen Personen in Anspruch, daß solche Messungsexperimente von selbst entfallen. Alte Seefahrer berichten von enormen Wellenbergen und die Schätzungen der Höhe derselben sind ganz exorbitant. Sicher thut hier die Auf- regung das ihre. Dazu kommt, daß die Höhe des Wellenberges nicht vom normalen Meeresniveau aus gemessen wird, sondern von der Tiefe des Wellenthales aus. Dadurch wächst der Wasserberg zu doppelter Höhe an, wozu noch kommt, daß der Eindruck vom Schiffe aus, das sich gerade im Wellenthale befindet, unter solchen Umständen ein überwältigend großartiger, ja furchtbarer wird. Nach der »Internationalen Scala für Höhe des Seegangs« nennt man eine Erregung des Meeres, bei der die Wellen die Höhe von von 1 Meter nicht über- steigen, »sehr ruhige See«; bei einer Wellenhöhe von 1—2 Meter »ruhige See;«; von 2—3 Meter »leichtbewegte See«; von 3—4 Meter »mäßig bewegte See«; von 4—5 Meter »bewegte See«; von 6—7 Meter »grobe oder unruhige See«; von 8—9 Meter »hohe See«; von 10—15 Meter »sehr hohe See«; von Die Entwickelung des eisernen Schiffsbaues. 16—18 Meter »heftige Sturmsee«; oder »schwere See«; von über 18 Meter »außergewöhnlich heftige Sturmsee«;. Der Druck des Windes auf den Quadratmeter beträgt bei einer Geschwindigkeit von 1 Meter in der Secunde 0‧121 Kilo- Fig. 350. Indienfahrer im Nordweststurme auf Höhe des Cap der guten Hoffnung. Nach dem Gemälde von W. Daniell . gramm. Zur Berechnung des Druckes bei größerer Geschwindigkeit des Windes gilt die Formel P = 0‧121 V 2 , wobei P den Winddruck, V die Windgeschwindig- keit bedeutet. Erster Abschnitt. Was die ganz exorbitante Höhe der Wellenberge anbetrifft, sind einzelne Meeresabschnitte in diesem Sinne besonders berüchtigt. In dem stürmischen, von ungeheueren Wassermassen aufgewühlten Golf von Biscaya, der im Laufe der Jahrhunderte unzählige Schiffe verschlungen hat, sind Wellenberge bis zu 10 Meter Höhe geschätz worden. Am Cap der guten Hoffnung sollen sie zuweilen die Höhe von 18 Meter und darüber erreichen. Uebrigens sind 15 Meter hohe Wellenberge auch im Atlantischen Ocean beobachtet worden. Im Stillen Ocean wollen Seefahrer ge- legentlich der auf vernichtende Gewalt auftretenden Wirbelstürme den Kampf mit Wogenmassen von 20 Meter und darüber bestanden haben. Die größte je ge- machte Schätzung spricht von 30 Meter, doch ist dies offenbar eine Ueber- treibung. Wie nicht anders zu denken, geht die Wellenbewegung auch in die Tiefe. Die Ansichten über das Maß dieser Tiefenbewegung weichen von einander be- trächtlich ab. Durchschnittlich soll die Wellenbewegung kaum über 30 Meter unter das normale Meeresniveau reichen. Auf welchen Voraussetzungen diese Annahme fußt, ist nicht bekannt; Siau will beispielsweise noch in 180 Meter Tiefe die Bewegung des erregten Meeres festgestellt haben, und die Brüder Weber , welche sich mit diesem Gegenstande eingehend beschäftigt haben, geben eine be- stimmte Regel für den Grad der Mitleidenschaft an, in welche die Tiefsee durch die Schwankungen der Meeresoberfläche versetzt wird, und bemessen denselben mit der 350fachen Höhe des Wellenberges. Das gäbe bei einer Wellenhöhe von 10 Meter eine Aufwühlung des Meeres bis zu der enormen Tiefe von 3500 Meter, was ganz unmöglich ist. Etwas anders verhält es sich mit der Schätzung der Länge und Breite der Wellen. Die Breite wird von Spitze zu Spitze zweier Wellenberge gemessen, und beträgt dieselbe in der Regel das zehn- bis zwölffache der Höhe. Es haben also Wellenberge von 3 Meter Höhe ein 30 bis 40 Meter breites Wellenthal zwischen sich, Wogenmassen von 20 Meter Höhe Thäler von 200 bis 240 Meter. Die Länge der Wellen ist natürlich noch viel bedeutender und wurde in sehr stürmischen Meeren bis auf 500 Meter geschätzt. Diese Ziffern sind wohl im Stande, uns einen Begriff von der Großartigkeit des erregten Oceans zu geben und uns die gewaltige Kraft des empörten Elementes zu vergegenwärtigen, gegen welche Tausende von Schiffen Tag für Tag anzukämpfen haben — ein Kampf, aus welchem viele der letzteren nicht als Sieger hervorgehen. Außer der rein mechanischen Wirkung des Sturmes giebt es noch andere Ursachen, welche auf die Vergrößerung der Wellen Einfluß nehmen. Diese Ursachen sind hauptsächlich zweierlei Art: Die Bereinigung mehrerer, nach einer Richtung fortschreitender kleinerer Wellen, ferner der Druck, durch welchen jede vorausgehende Welle die ihr zunächst folgende unterstützt und vergrößert, oder auch neue Wellen nach sich erregt. Auch die Durchkreuzung von Wellen, die sich in verschiedener Richtung bewegen, verursacht eine Vergrößerung der Wellenberge. Solche Wogen gehen meist Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. in Sturzseen über, die von den Seefahrern ganz besonders gefürchtet sind, weil jene nicht unter dem Schiffe hindurchgleiten und es heben, sondern auf dasselbe fallen und es in die Tiefe hinabdrücken. Bei Sturzseen steigen die Wellen zu doppelter Höhe an, überragen das wogende Meer und brechen durch die Last der Wassermasse und in Folge der veränderten Richtung (nach der Richtung der Componente des Kräfteparallelogramms) mit furchtbarem Getöse in sich selber zu- sammen. Wehe dem kleinen Fahrzeuge, daß unter die Pranken dieses Seeungethüms geräth! Die zusammenbrechende Sturzsee wirkt wie ein Strudel; das Schiff geräth unter die mächtige Woge, um sich schwer wieder herauszuarbeiten. In den meisten Fällen wird es kentern. Eine andere Erscheinung ist die sogenannte hohle See oder Dünnung . Das Meer bewegt sich in breiten und glatten, selten hohen, aber umso regel- mäßigeren Wellen. Die Luft ist nicht in Bewegung, woraus hervorgeht, daß der Anstoß der Erregung aus weiter Ferne erfolgt sein müsse. Die »hohle See« ist also nichts anderes, als der kräftig erregte Pulsschlag eines Meerabschnittes, der nicht direct vom Sturme heimgesucht wurde, sondern die Erregung aus einem Sturmgebiete mitgetheilt erhält. Solche Seen bieten, namentlich bei klarem, ruhigem Wetter ein prächtiges Schauspiel. Gesellt sich zu dieser Erscheinung eine leichte Brise, so träufeln sich die Wellenkämme, d. h. sie »schäfeln«. Da der Wind der Erreger des Meeres, also die unmittelbare Ursache der Wellenbildung ist, erscheint es klar, daß das Maß der letzteren von der Stärke, d. i. Geschwindigkeit der Luftströmungen abhängt. Es besteht diesfalls eine all- gemein giltige Classificirung, welche nachstehend mitgetheilt ist. Ganz »leise« Luft- strömungen legen in der Secunde kaum mehr als 1 Meter zurück, also etwa 3‧6 Kilometer in der Stunde. Man nennt eine Luftströmung »leicht«, wenn ihr Geschwindigkeit 2 Meter in der Secunde (7‧2 Kilometer, oder etwas weniger als eine geographische Meile in der Stunde) beträgt. Ein »frischer« Wind besitzt die Geschwindigkeit von 4 bis 6 Meter in der Secunde (14‧2 bis 21‧4 Kilometer in der Stunde), ein »starker« die Geschwindigkeit von 10 bis 15 Meter in der Secunde (36 bis 54 Kilometer) in der Stunde. Bei einer Steigerung der Ge- schwindigkeit bis zu 20 Meter in der Secunde (72 Kilometer in der Stunde) wird die selbe als »sehr stark «, bei einer Geschwindigkeit von 25 bis 30 Meter (90 bis 108 Kilometer) als »Sturm« bezeichnet. Bei einer secundlichen Geschwin- digkeit von 40 Meter (144 Kilometer in der Stunde) wird der Sturm zum »Orkan«. Es giebt Orkane mit 45 bis 50 Meter in der Secunde, oder 162 bis 180 Kilometer in der Stunde. Von der rasenden Wuth der letzteren sprechen die gräulichen Verheerungen, welche die gefürchteten Wirbel- und Drehstürme (Tor- nados, Taifune, Cyklone) im Bereiche der Tropenzone und mitunter auch außer- halb derselben anrichten. Aus diesen kurzen Andeutungen ergiebt sich von selbst, von welcher hervor- ragenden Bedeutung die genaue Kenntniß der Sturmgesetze für die Schiffahrt Erster Abschnitt. ist. Aber die Gesetze und die an dieselben sich knüpfenden Erfahrungen allein thun es nicht. Man muß aus ihnen auch insoweit praktischen Nutzen ziehen, damit der Seefahrer nicht erst mit Eintritt des Ereignisses mit den gegebenen Factoren zu rechnen hat, sondern noch vor demselben seine Maßnahmen treffen könne. Das Mittel hierzu sind die telegraphischen Witterungsberichte und die Sturm- warnungen . Der Urheber der ersteren ist der französische Astronom Le Berrier , Fig. 351. Wetter-Signalapparate. der letzeren der englische Admiral Fitzroy. Dieser kam auf den Gedanken, den Seefahrern durch zweckmäßig eingerichtete Warnungssignale ein nahendes Unwetter anzukünden. Seine Vorschläge wurden sofort angenommen und die praktische Durch- führung ihm überlassen. Er ließ nun an passenden, hochgelegenden Punkten der Küste Großbritanniens Signalmasten errichten, an denen aus nicht zu großer Ent- fernung sichtbare Sturmsignale aufgezogen werden konnten. Die Grundlage dieser optischen Signale war eine höchst einfache und bestand aus der Combinirung von Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. zwei Zeichen, die durch ihre Stellung zu einander das Nahen eines Sturmes aus irgend einer Richtung der Windrose ankündeten. Diese Signale, die noch heute im Gebrauche sind, bestehen in Tag- und Nachtsignalen. Die an den deutschen Küsten übliche Einrichtung ist aus der Fig. 351 zu ersehen. Ein Signalmast trägt in seinem oberen Theile eine Raa; an der einen Seite derselben werden die Signal- körper, an der anderen die Signalflaggen angebracht. Die ersteren, deren Durch- messer 1 Meter beträgt, bestehen aus einem Ball, zwei Kegeln und einer Trommel, so daß dieselben aus der Ferne überall als Kreis, gleichseitige Dreiecke und Qua- drate gesehen werden. Die Anordnung und Bedeutung der Signale ergiebt sich aus der Fig. 352. Der Ball dient als schwächster Grad der Warnung und zeigt nur ein von der Seewarte in Hamburg eingelaufenes Telegramm an, das möglicher- Fig. 352. Sturmsignale. weise zu Sturm Anlaß bietende atmosphärische Strömung meldet. Läßt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit für die allernächste Zeit ein Sturm aus bestimmter Richtung erwarten, so wird dies durch Aufziehen von schwarzen Kegeln kund- gemacht. Ein einzelner Kegel bedeutet Sturm aus Westen, zwei Kegel unter- einander Sturm aus Osten. Ist die Spitze des Kegels nach aufwärts gerichtet, so bedeutet dies Nordsturm, die Spitze des Kegels nach abwärts gerichtet, Südsturm. Damit lassen sich also auch Signale combiniren. Kommt zu dem Kegel noch die Trommel, so bedeutet dies heftiges Unwetter. Voraussichtliche Aenderungen in der Windrichtung werden mit Hilfe von Flaggen, die an das entgegengesetzte Ende der Raa des Signalmastes aufgezogen werden, angekündigt; eine Flagge bedeutet, daß der Wind voraussichtlich in der gesetzmäßigen Richtung, mit der Berechnung des Uhrzeigers, d.h. auf der nörd- lichen Halbinsel in der Richtung SW NO verlaufen (sich rechts drehen) werde. Zwei Flaggen bedeuten, daß eine Drehung des Windes in entgegengesetzter Richtung, also ein »Zurückschwingen« (Verringern), zu erwarten sei. Erster Abschnitt. Dienen die Sturmsignale zur Sicherung der Schiffahrt bezüglich des gegen- wärtig zu erwartenden Wetters, so bedienen sich die Schiffe ihrerseits gewisser Verständigungsmittel, welche gleichfalls aus Sicherheitsgründen eingeführt wurden. Man hat diese Signale bezeichnender Weise » die Sprache der Schiffe « genannt. Zu diesem Zwecke dient ein eigenes Signalbuch, dem das zwischen England und Frankreich im Jahre 1864 vereinbarte Signalsystem zu Grunde liegt. Dasselbe wurde 1871 von Deutschland und seitdem von fast allen Staaten angenommen. Proben aus dem Signalbuche geben die beistenden Fig.353 und 354. In Fig.353 ist der Signalbuchwimpel dargestellt, mittelst welchem jedes Schiff dem Wunsche einer Unterredung nach dem Signalbuch stattgeben muß, während sein Aufhissen nach einem von dem anderen Schiffe gegebenen Signal »verstanden« bedeutet. Dazu kommen 18 verschiedene Flaggen, die nach den ersten 18 Consonanten des Fig. 353. Die Flaggen des internationalen Signalbuches. Alphabetes benannt sind, jedoch deren Bedeutung nicht haben. Mittelst dieser Flaggen können sich nun Schiffe unter- einander, oder diese mit den Signalstati- onen, eine große An- zahl von Mittheilun- gen machen, gleich- viel welche Sprache die betreffenden Capitäne reden, denn ein Nachschlagebuch (Codex) enthält für die auf dem Schiffe herrschende Sprache die Bedeutung der einzelnen Signale, die in allen Zungen dieselbe ist. Jene Flaggen ergeben nun durch Combinationen 306 Signale mit 2 Flaggen, 4896 Signale mit 3 Flaggen, 73.440 Signale mit 4 Flaggen. Alle Signale mit 2 und 3 Flaggen, und von denen mit 4 Flaggen die ersten 18.960, sind zu besonderen Mittheilungen bestimmt, die in dem vorhin erwähnten Signalbuche verzeichnet sind. Von den übrigen Signalen mit 4 Flaggen sind 1440 zu Unterscheidungssignalen für Kriegsschiffe und 53.040 zu solchen für Handelsschiffe bestimmt. Letztere kennt man aus den übrigen Signalen mit 4 Flaggen schon dadurch heraus, daß nur die obere Flagge eine viereckige ist. Alle Signale werden mit 2, 3 oder 4 Flaggen gegeben, mit nur zwei Ausnahmen: Der Wimpel C bedeutet »Ja«, der Wimpel D »Nein«. Mehr als 4 Flaggen sind nie zu einem Signal nöthig. Will ein Schiff signalisiren, so muß es zunächst unter der Nationalflagge den Signalbuchwimpel zeigen und hierauf die 4 Flaggen hissen, die sein Unter- scheidungssignal bilden, deren jedes Schiff eines Landes sein eigenes führt. Schiffe Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. verschiedener Nationalitäten können aber dasselbe Unterscheidungssignal führen, und deshalb ist das vorherige Aufziehen der Nationalflagge vorgeschrieben. Unter dem Unterscheidungssignal steht nun im Signalbuche für jedes Schiff Name, Heimatshafen, Tonnengehalt u. s. w. verzeichnet, und wenn es ein Dampfschiff ist, auch seine Dampfkraft. Die Doppelflaggen-Zusammenstellung wird besonders bei Signalen angewendet, die schnell gestellt und beantwortet werden müssen, z. B. »Entfalten Sie die Flagge Ihres Landes« ( B C), oder »Feuer ist an Bord aus- gebrochen« (N M) . Am meisten braucht man die Gruppen von drei Flaggen, die nicht nur Fragen und Antworten, sondern auch Zahlen und Brüche enthalten. Fig. 354. Fernsignale. Meist theilen sich die Schiffe ohne weitere Anfrage mit: ihr Unterscheidungssignal, den Ort woher sie kommen und wohin sie gehen, seit wie viel Jahren sie den ersteren verlassen haben und Anderes. Zum Signalisiren auf Entfernungen, welche nicht mehr die Farbe, sondern nur noch Form und Stellung der Signalzeichen erkennen lassen, dienen die Fern- signale . Sie bestehen aus schwarzen Ballen, viereckigen Flaggen und dreieckigen Wimpeln von ebenfalls schwarzer Farbe, die am weitesten sichtbar bleibt. Indem man Ball, Flagge und Wimpel in verschiedener Weise combinirt, werden die 18 Con- sonanten der Flaggensignale und noch einige andere Zeichen dargestellt, wie dies die Fig.354 veranschaulicht. Ein Ball allein gilt als Vorbereitungs- und Antwort- zeichen, vertritt also die Stelle des Signalbuchwimpels. Ein Ball mit einem Wimpel darunter bedeutet: » Sie laufen Gefahr«; ein Ball mit einer Flagge dar- Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 29 Erster Abschnitt. unter: »Feuer an Bord«; eine Flagge mit einem Ball darunter: »Wir sind ge- strandet, sendet Boote«, u. s. w. Daß durch die Sturmsignale einerseits und durch das Signalsytem für die Schiffe die Sicherheit der Schiffahrt bis zu einem gewissen Grade gewährleistet ist, liegt auf der Hand. Sie sind jedoch durchaus nicht ausreichend, wie sich schon Fig. 355. Leck des österreichischen Lloyddampfers »Elektra«. (Nach einer Photographie von O. Kugler .) daraus ergiebt, das vorbesprochene Einrichtungen nur bei Tag angewendet werden können. Für die Nachtfahrt sind andere Vorkehrungen nothwendig, die sich aller- dings darauf beschränken, einerseits Strandungen, andererseits Collisionen zu ver- meiden. Zu letzterem Zwecke dienen die sogenannten Positionslaternen , welche von jedem Schiffe von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang geführt werden müssen. Nach den internationalen Vorschriften führt ein Segelschiff in Fahrt zwei Seitenlichter, ein grünes an der Steuerbordseite, ein rothes an der Backbord- Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. seite; Sichtweite Beider zwei Seemeilen. Ein Dampfer in Fahrt führt außer den genannten Seitenlichtern ein weißes Licht im Vortopp; Sichtweite fünf Seemeilen. Ein Dampfer, der ein anderes Schiff schleppt , führt außer den Seitenlichtern zwei weiße Lichter im Vortopp übereinander. Ein manövrirunfähiges Schiff führt bei Nacht drei rothe, von allen Seiten sichtbare Lichter übereinander im Fig. 356. Leck des österreichischen Lloyddampfers »Elektra« (Nach einer Photographie von O. Kugler .) Vortopp, Seitenlichter aber nur dann, wenn es Fahrt macht bei Tage drei schwarze Bälle übereinander im Vortopp. Ein vor Anker liegendes Schiff führt ein weißes, von allen Seiten sichtbares Licht; Sichtweite eine Seemeile. Ein Lootsenfahrzeug auf der Station zeigt ein weißes, von allen Seiten sichtbares Licht am Masttopp, und von Zeit zu Zeit ein oder mehrere Flackerfeuer. Ein offenes Fahrzeug zeigt ein weißes Licht, nach Belieben auch ein Flackerfeuer. Ein Schiff, das von einem anderen überholt wird, zeigt ein weißes Licht vom Heck aus oder ein Flackerfeuer. 29* Erster Abschnitt. Bei Nebel (»dickem Wetter«) oder Schneefall, es mag bei Tag oder Nacht sein, muß jedes Dampfschiff in Fahrt mittelst einer Dampfpfeife oder einem anderen Dampfsignalapparat mindestens alle zwei Minuten einen langgezogenen Ton geben. Ein Segelschiff in Fahrt soll mittelst eines Nebelhorns, wenn es mit Steuerbord-Halsen segelt, einen Ton, wenn es mit Backbord-Halsen segelt, zwei auf einander folgende Töne, und wenn es mit dem Winde »achterlicher als dwars« segelt, drei aufeinander folgende Töne geben; d. h., je schneller es segelt, desto rascher müssen die Signale erfolgen. Dampfer und Segelschiffe, welche nicht in Fahrt sind, müssen mindestens alle zwei Minuten die Glocke läuten. Neben den Schiffsignalen spielen die Leuchtthürme eine große Rolle im Dienste der Schiffahrt. Wo solche aus örtlichen Rücksichten nicht errichtet werden können, treten sogenannte Feuerschiffe an ihre Stelle. Die letzteren führen bei Tag die Nationalflagge am Heck und große Kugeln aus Flechtwerk (entsprechend der Zahl der Laternen, welche sie bei Nacht führen) am Topp des Mastes oder der Masten. Die Feuer der Leuchtthürme sind: Feste Feuer , d. i. ein einfärbiges Licht von gleichmäßiger Stärke ( Fixed Light ). Festes Feuer mit Blinken : ein festes Feuer, welches in gleichmäßigen Zeitabschnitten von mindestens 5 Secunden Dauer lichtstärkere Blinke zeigt, welche auch eine von dem festen Feuer verschiedene Farbe (oder Farben) haben können ( Fixed and flashing Light ). Blinkfeuer : weiße oder farbige Feuer, welche durch gleich lange Dunkelpause geschiedene Blinke von allmählich zu- und abnehmender Lichtstärke zeigen ( Revolving Light ). Funkel- feuer : Blinkfeuer, dessen Blinke von kurzer Dauer in sehr kurzen Pausen oder ohne jede Verdunkelung aufeinander folgen ( Cluck Flashing Light ). Gruppen-Blink- feuer zeigen zwei oder mehrere durch kurze Pausen geschiedene, allmählich zu- und abnehmende Blinke, denen eine längere Dunkelpause folgt ( Quick Flashing Light ). Blitzfeuer zeigen entweder durch gleichmäßig kurze Pausen geschiedene, plötzlich auftauchende Blitze von gleichmäßiger Stärke, oder mehrere schnell aufeinander folgende Lichtblitze, denen eine längere Dunkelpause folgt ( Flashing Light ). Unterbrochenes Feuer : Festes Feuer, welches in gleichen, längeren Zeitabschnitten durch eine oder mehrere kurze Verdunkelungen unterbrochen wird ( Intermittend oder Occulting Light ). Wechselfeuer : Festes Feuer von annähernd gleicher Stärke, welches abwechselnd verschiedene Farben zeigt. Die Zweckmäßigkeit so verschiedenartiger Feuer wird von fachmännischer Seite vielfach bestritten. Zwar wird bei der Anordnung, Vertheilung und Ein- richtung der Feuer in erster Linie darauf gesehen, daß ähnliche Feuer nicht zu nahe bei einander liegen. Dennoch kommen gelegentlich verhängnißvolle Verwechs- lungen vor, zumal die Unterschiede im Charakter mancher Feuer nur geringfügig sind und ein und dasselbe Feuer, von verschiedenen Entfernungen aus gesehen, etwas verschieden erscheint. Ebenso mahnt an manchen nicht scharf controlirten und nur mit wenigen Feuern versehenen Küsten die Thatsache zur Vorsicht, daß Schnelldampfer des Norddeutschen Lloyd den Rothesand-Leutthurm passirend. Die Entwickelung des Schiffbaues. manchmal Feuer nicht brennen und Nebelsignale nicht ausgeführt werden. ... Da weiße Gegenstände im Nebel eher verschwinden als rothe, werden Leucht- thürme, die auch als Tagesmarken dienen, oft in roth und weißen Streifen oder Bändern angestrichen. Zur Vermeidung von Collisionen bestehen bestimmte internationale Vor- schriften, welche theils für alle Seefahrzeuge, theils nur für Dampfer, beziehungs- weise nur für Segelschiffe gelten. Das Ausweichen hat (bei allen Schiffen) in der Weise stattzufinden, daß das überholende Schiff dem überholten aus dem Wege geht; das Schiff, welches nach den folgenden Bestimmungen nicht aus dem Wege zu gehen hat, behält seinen Curs bei. ... Die Bestimmungen für Dampfer lauten: Der Dampfer geht dem Segelschiffe aus dem Wege; begegnen sich zwei Dampfer gerade auf entgegengesetztem Curse, so weichen beide nach Steuerbord aus; kreuzen sich die Curse zweier Dampfer, so geht derjenige aus dem Wege, der den anderen an seiner Steuerbordseite hat. ... Die Bestimmungen für Segelschiffe lauten: Ein Schiff mit raumem Winde geht einem beim Winde segelnden aus dem Wege; ein Schiff mit Backbord-Halsen beim Winde geht einem mit Steuerbord-Halsen beim Winde aus dem Wege; haben beide Schiffe raumen Wind von verschiedenen Seiten, so geht das mit dem Wind von Backbord ihm aus dem Wege; haben beide Schiffe raumem Wind von derselben Seite, so geht das luvwärts befindliche Schiff aus dem Wege; ein vor dem Winde segelndes Schiff geht dem anderen aus dem Wege. ... Dampfersignale (mit der Dampf- pfeife) sind die Folgenden: Ein kurzer Ton bedeutet: »Ich richte meinen Curs nach Steuerbord«; zwei kurze Töne: »Ich richte meinen Curs nach Backbord«; drei kurze Töne: »Ich gehe mit voller Kraft rückwärts.« Bei der Anwendung des Raketen- oder Mörserapparates zur Rettung Schiffbrüchiger sind gleichfalls bestimmte Signale festgesetzt. Sobald die Be- satzung eines gestrandeten Schiffes die vom Lande über das Schiff geschossene Leine erfaßt hat, gestalten sich die weiteren Schritte mit Hilfe von einfachen Signale, Winken mit oder ohne Flagge, Zeigen eines Lichtes für kurze Zeit, Abgeben eines Schusses u. s. w. folgendermaßen: Signal vom Schiff: »Wir haben die Leine ergriffen«; Signal vom Land: »Das Joltau mit Steertblock ist an der Leine befestigt, holt letztere ein«; Signal vom Schiff: »Der Steertblock mit Joltau ist befestigt und frei von der Leine«. Hierauf wird an Land ein Kabeltau an dem Joltau befestigt und von der Mannschaft am Lande an Bord geholt, dort von der Schiffsmannschaft etwas oberhalb des Steertblockes befestigt. ... Signal vom Schiff: »Das Kabeltau ist befestigt, frei vom Joltau und klar von diesem.« ... Dann wird das Kabeltau am Land steif gesetzt und ein an dem Kabeltau gleitender, am Joltau befestigter Rettungskorb (Rettungshose) von der Mannschaft am Lande an Bord geholt. ... Signal vom Schiffe: »Der Korb ist bemannt, holt ein u. s. w.« Verbietet sich aus irgend einer Ursache der Gebrauch des Kabeltaues so wird der Korb nur mit Erster Abschnitt. Fig. 357. Uebung mit Rettungsbooten auf einem deutschen Ocean-Dampfer. (Nach einer Photographie.) Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. Hilfe des Joltaues — durch die See — hin- und hergeholt, bis die Rettungs- action beendet ist. In den Häfen bezeichnen verschiedenartig geformte oder sonstwie kenntlich gemachte schwimmende Bojen (Tonnen) das Fahrwasser. Die bemerkenswerthesten darunter sind die »Heultonnen«, deren Bewegung im Seegang zur Tonerzeugung benützt wird, »Glockentonnen«, deren Bewegung im Seegang ein Läutewerk in Betrieb setzt; schließlich »Leuchttonnen«, mit comprimirtem Gas gefüllt, zur Speisung einer Laterne; eine Füllung hält mehrere Monate an. Auch elektrisch beleuchtete Tonnen finden Anwendung, indem sie durch eine Kabelleitung mit der Lichtanlage des Hafens verbunden werden. Jeder Oceandampfer ist mit einer großen Anzahl Rettungsboote von bewährter Construction ausgerüstet, die derart angebracht sind, daß sie in kürzester Zeit zu Wasser gelassen werden können. Vor Antritt der Reise, von jedem Hafen aus, hat der erste Officier dafür zu sorgen, daß jedes Boot mit Brot und Wasser, sowie mit Compaß, Rudern, Mast, Segeln, Steuer, Oel und allen zur Ausrüstung gehörigen Gegenständen versehen ist. Jedes der Rettungsboote, welche neuerdings ganz aus Stahl hergestellt werden und mit Luftkästen versehen sind, kann 60 bis 80 Personen aufnehmen. Um ferner die Boote schnell und sicher zu Wasser bringen zu können — ein Manöver, das häufig nur schwierig auszuführen ist — besitzt die Mehrzahl derselben beim Norddeutschen Lloyd eine vom Capitän Bruns dieser Gesellschaft erfundene Vorrichtung, einen Patent-Fallapparat, durch welchen das Boot mittelst eines einzigen Hebelzuges in den Davits (Aufhängebalken) nach außen geschwungen und selbstthätig in etwa 11 Secunden zu Wasser gelassen wird. Als Neuerung bei den Lloydschiffen mag bemerkt werden, daß fallweise die Boote auf der Regelung selbst stehen und durch das bloße Durchschneiden je einer Leine zu Wasser gebracht werden. Die Bemannung der numerirten Boote wird nach der Musterrolle sofort beim Aussegeln aus dem Hafen vorgenommen und die Liste der für jedes Boot bestimmten Mannschaften, sowie die Zahl der auf- zunehmenden Fahrgäste in allen Räumen des Schiffes aufgehängt. Außer den stählernen Rettungsbooten besitzt jeder transatlantische Dampfer des Lloyd eine Anzahl sogenannter Sheperischer Patentflöße , große eiserne und mit Luft gefüllte, an den Enden kegelförmig zugespitzte Cylinder, welche durch Holzlattenwerk verbunden sind, während in dem letzteren der Proviant, das Wasser und der Segelapparat geborgen ist. Dieselben stehen für gewöhnlich frei auf Deck, wo sie als Bänke benützt werden können, und brauchen im Falle der Gefahr nur über Bord geworfen zu werden. Zu den neuesten Anschaffungen des Lloyd gehören die Patent-Segeltuchboote . Dieselben bestehen im Großen und Ganzen aus zwei parallel laufenden Stahlrahmen, von der Form eines Bootquerschnittes; sie sind mit getheertem, durchaus wasserdichtem Segeltuch überzogen und für gewöhnlich zusammengelegt, so daß sie einer großen Reisetasche nicht unähnlich sehen. Im Falle der Gefahr werden durch wenige Handgriffe die Rahmen auf- Erster Abschnitt. geklappt, stählerne Spanten stellen sich selbstthätig auf, das Segeltuch wird straff angezogen und ein Rettungsboot für etwa 40 Personen ist fertig. Die Boote sind durchaus seetüchtig und werden, da sie sehr leicht unterzubringen sind, stets in einer Anzahl von Exemplaren mitgeführt. Endlich mag erwähnt werden, daß bei Antritt der Reise jeder Fahrgast eine Korkweste erhält, welche im Stande ist, ihn mit der größten Leichtigkeit über Wasser zu halten. Fig. 358. Uebung mit Rettungsbooten auf einem deutschen Ocean-Dampfer. (Nach einer Photographie.) Um einem etwaigen Feuerausbruche sofort zu begegnen, werden täglich zu einer bestimmten Abendstunde in den Gängen Lederschläuche in Bereitschaft gestellt und an die Dampfpumpen geschraubt. Zweimal während der Reise findet eine Probe dieser Schläuche statt, um sich von ihrem guten Zustande zu überzeugen. .. Eine regelmäßige Untersuchung des Wasserstandes im untersten Schiffsraume findet alle vier Stunden mittelst eines Peilstockes statt. Während der dichten Nebel, wie sie auf dem Ocean so häufig sind, müssen natürlich besondere Vorsichtsmaßregeln Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. ergriffen werden; es wird die Fahrgeschwindigkeit verringert und ertönt alle 2 bis 5 Minuten der weithin hörbare Ton einer Dampfpfeife. Die Mannschaft wird im Dienst der Rettungsaction besonders eingeübt und ist zu diesem Zwecke entsprechend eingetheilt, damit Jeder vorkommenden Falls, sogleich seinen Posten kennt. In den Cabinen und im Zwischendeck befindet sich eine ausreichende Anzahl von Kork-Rettungsgürteln . Außerdem stehen einige große Rettungsbojen zur Verfügung (Fig. 359). Die Uebungen finden entweder während der Fahrt statt, oder sobald das Fig. 359. Bereithalten der Rettungsboje. Schiff vor Anker liegt. In letzterem Falle findet sich meist eine große Zuschauermenge ein, welche mit lebhaftem Interesse dem Verlaufe der Uebungen folgt. Es kann nicht verhehlt werden, daß diese letzteren, dem Auslande gegenüber, der deutschen Schiffsdisciplin zu besonderem Ansehen verhelfen. Der Verlauf einer solchen Uebung an Bord eines Lloyddampfers ist im Großen und Ganzen der Folgende: Der Capitän läßt beispielsweise um 2 Uhr Nachmittags das Signal für »Feuer« geben. Nach Ablauf von kaum 2 Minuten sind alle Verschläge und Luken dicht ge- schlossen. Drei kurze gellende Schläge an die Signalglocke, welche sich über der Commandobrücke befindet, bedeuten für die Mannschaft »An die Boote«. Nun drängt die zur Bemannung der Boote bestimmte Anzahl von Leuten in Schwärmen durch die Luken vor und ordnet sich vor den ihnen zugewiesenen Booten. Der erste Officier wiederholt mit weithin vernehmbarer Stimme den Befehl des Capitäns, worauf die bis dahin unbeweglich in Bereit- schaft stehende Mannschaft die Boote aus den Vertäuungen lößt, die Hüllen ent- fernt und jene zum Ablassen bereit hält. Auf ein weiteres Commando werden sie zu Wasser gebracht. Während der Uebungen wird auch zuweilen eine Proviant- büchse geöffnet, um den Zuschauern die Genießbarkeit der vorbereiteten Lebensmittel zu beweisen. Das in dicht verschlossenen Behältern enthaltene Trinkwasser wird vor Antritt jeder Fahrt erneuert. Auch die Rettung von Passagieren oder Leuten der Mannschaft, welche durch Unvorsichtigkeit, beziehungsweise in Ausübung des Dienstes, über Bord gestürzt sind, wird supponirt und durchgeführt. Mit dem Rufe »Mann über Bord« wird Erster Abschnitt. die ins Meer gefallene Person durch einen Schwimmkörper (Rettungsboje, Fig.359) dargestellt, der im Ernstfalle dem Verunglückten dazu dient, ihn so lange über Wasser zu halten bis das Rettungsboot klar gemacht ist und ihn aufnimmt. Letzteres befindet sich zu diesem Zwecke am Achter, also ganz rückwärts am Schiffe. Die Rettungsaction vollzieht sich in wenigen Minuten mit größter Präcision. Fig. 360. Brandts neuer Rettungsapparat »Lubaeca« an Bord. Alle diese Dienstleistun- gen, sowie der anstrengende Dienst an Bord, sind in Folge strenger Disciplin der Mannschaft so in Fleisch und Blut übergegangen, daß sämmtliche Verrich- tungen fast lautlos mit bestechender Sicherheit und Kaltblütigkeit erfolgen, was zum Theil aus dem Naturell des in der deutschen Han- dels-Marine verwendeten Menschenmateriales sich er- klären läßt. Auf südliche Völker wirkten solche Sicher- heit und Drillung impo- nirend, und thatsächlich hat die stramme Dienstführung dem Norddeutschen Lloyd viele tausende Passagiere aus fremden Nationen zu- geführt, welche die Dampfer dieser Gesellschaft denen aller anderen vorziehen. Die herkömmlichen Rettungsbojen, welche die Gestalt von großen Ringen haben, sind wohl allgemein bekannt. In neuester Zeit hat der Segelmacher William Brandt in Lübeck einen Rettungsapparat construirt, der die Form der erwähnten Rettungsringe hat, im Uebrigen aber sich neben seinen außergewöhnlichen Dimensionen durch besondere Einrichtung auszeichnet. Der Ring ist innen hohl und hat zahlreiche Querwände, die bei eingetretener Beschädigung der äußeren Wandung ein gänzliches Volllaufen verhindern. Uebrigens ist die Gefahr einer Zertrümmerung nicht groß, da der Ring, trotz seiner ungewöhnlichen Abmessungen, sehr elastisch und leicht zu behandeln ist. Zwei, zur Noth sogar ein einzelner Die Entwickelung des eisernen Schiffbaues. Mann können ihn an Deck entlang rollen und über Bord werfen. Dabei ist es ganz einerlei, wie er ins Wasser gelangt, denn er wird sich vermöge seiner Form stets in die richtige Lage bringen. Den inneren Raum schließt ein starkes Netz ab, welches ein Versinken ver- hindert. Leichte Tauenden, durch große Korkstücke schwimmend erhalten, ermöglichen es, daß Schwimmer, die Fig. 361. Brandt's neuer Rettungsapparat »Lukacca« im Wasser, von 7 Mann belastet. sich in einer Entfernung von mehreren Metern vom Ringe befinden, an den- selben sich heranziehen können. ... Wie die Ab- bildung Fig. 360 zeigt, findet sich leicht ein Plätz- chen, den Ring an Bord gebrauchsfertig unterzu- bringen. Die Commando- brücke, das ebene Dach des Ruderhauses oder eines sonstigen Aufbaues sind solche Plätzchen. Tritt dann die traurige Nothwendigkeit ein, von dem Rettungsringe Gebrauch zu machen, so genügt ein Schnitt mit dem Messer, die Bändel zu trennen und den kostbaren Helfer ins Wasser zu bringen. Was er zu tragen ver- mag, zeigt die zweite Ab- bildung (Fig. 361). Sieben große, ganz außerhalb des tragenden Wassers befind- liche Männer belasten den Ring ganz unmerklich. Denkt man sich nun die zu Rettenden im Wasser, wo ihre Schwere bedeutend vermindert wird, so läßt sich leicht nachrechnen, wie viele Verunglückte mit einem solchen Rettungsmittel vor dem Verderben bewahrt werden. Erster Abschnitt. Fig. 362. Elektrisch betriebenes Boot. Zweiter Abschnitt. Schiffahrtseinrichtungen in den Häfen. W ie die mechanischen Hilfswissenschaften mächtige Förderer des Eisen- bahnwesens wurden, traten sie auch in den Kreis der Dampflocomotion zur See ein, theils um den Bewegungsmechanismus und das be- wegte Fahrzeug fortschreitend zu verbessern, theils um die vielen Manipulationen, welche mit dem Seeverkehr verknüpft sind, durch entsprechende Anlagen rationell zu gestalten. So entstanden jene vielfach großartigen Hafenanlagen mit ihren Uferquais und Docks, den maschinellen Einrichtungen zur Betrachtung oder Ent- frachtung der riesigen Oceandampfer, und eine ganze Reihe minder imposanter Vorkehrungen, der kostspieligen Hafenarbeiten nicht zu vergessen. Ein großer See- hafen vermittelt ein überwältigendes Bild von dem zur höchsten Potenz gesteigerten Arbeitsdrang unserer Zeit. Eine solche Fülle von Leben und Bewegung, von Massenleistung und Kraftvereinigung in ihren sinnverwirrenden Wechsel, gleichsam als mächtige Pulsschläge des Culturlebens sich gebend, ist lediglich das Resultat der rapid fortschreitenden Dampfarbeit zu Wasser und zu Land. Der größte Seehandelsplatz des europäischen Continents ist Hamburg . Seine Hafenanlagen sind großartig und musterhaft. Wie aus dem beigegebenen Plane (Fig.363) zu ersehen, sind außer zwei Strandstrecken sieben Bassins, die dem Schiffsverkehr dienen, vorhanden, und zwar der Sandthor-, Grasbrook-, Baaken-, Segelschiff- und Petroleumhafen und zwei weitere Becken neueren Datums. Die fünf älteren Häfen haben eine Gesammtfläche von 100 Hektar, während ihre Quailänge 11‧9 Kilometer beträgt. Die neuen Häfen vergrößern diese den See- schiffen dienende Fläche und Quaistrecke noch um 32 Hektar, beziehungsweise 4 Kilometer. Sämmtliche Becken sind nach dem Strome hin offen, da die Fluthhöhe in Hamburg nicht mehr so bedeutend ist, und haben eine durchschnittliche Tiefe von 6 ½ Meter unter Niedrigwasser. Die Ufermauern derselben sind, abgesehen von einigen älteren Strecken, die auf Brunnen fundirt sind, durchgängig auf Pfahlrost gegründet. Zweiter Abschnitt. Der größte Theil dieser Ufer ist mit Quaischuppen im Betriebe, die eine Fläche von fast 200.000 Quadratmeter einnehmen. Vor diesen Schuppen sind bewegliche Krahne angeordnet, für welche zwei Constuctionstypen in Anwendung Fig. 363. Plan des Hamburger Hafens. kommen: selbst- ständige, also mit eigenen Dampfkessel und auf dem Ufer- geleis laufend, oder als Winkelportal ausgebildet und von centraler Dampf- anlage gespeist (siehe den Hafenquer- schnitt Fig. 364). Beide Systeme ar- beiten ohne Winde in der Art, daß ein Flaschenzug durch Dampfkol- ben auseinanderge- drückt wird, wo- durch die am Ketten- ende hängende Last mit bedeutender Geschwindigkeit be- wegt werden kann. Die Ausladung aller Krahne (10 Meter) ist so be- deutend, daß der Hafen gerade über Schiffslukenmitte hängt. Im Ganzen sind 234 Stück solche bewegliche Uferkrahne für die Lösch- und Lade- manipulationen verfügbar, deren Tragfähigkeit nicht unter 1‧5 Tonnen liegt. Außerdem sind noch an hundert bewegliche Handkrahne für den Steinverkehr, sowie eine Anzahl fester, für größere untheilbare Lasten bestimmte Krahne vorhanden, deren größter eine Tragfähigkeit von 150 Tonnen besitzt. Es ist wohl einer der Elektrisch betriebener Drehkrahn in Hamburg. Constructeur: Berli n er Allg. Elektricitäts-Gesellschaft ) Schiffahrtseinrichtungen in den Häfen. größten Krahne der Welt. Die Abbildung (Fig. 370 auf Seite 471) veranschaulicht diese mächtige Hebevorrichtung. Das vor ihr liegende Schiff ist die »Victoria Augusta«. Fig. 364. Querschnitt des Baakenhafens — Ausstattung des Quais. Der in dem Bollbilde darge- stellte, als Portalkrahn gebaute Krahn wurde von der Berliner »Allgemeinen Elektricitäts- Gesellschaft« construirt. Er steht auf einem portalähnlichen fahrbaren Eisengerüste, welches hoch und weit genug ist, um auf zwei Geleisen bei Eisenbahnwaggons oder auch gewöhnlichen Frachtgutwagen das Ab- und Anfahrten von Gütern zu ermöglichen, und welches sich gleichzeitig an einen Lagerschuppen anschließt, um Güter auch nach und von diesem abzusetzen, beziehungsweise aufzunehmen. Die Tragkraft des Krahnes beträgt 2‧5 Tonnen, seine Hebungs- beziehungsweise Senkungs- geschwindigkeit 1 Meter pro Secunde und die Drehungsgeschwindigkeit der Last 2 Meter in der Secunde: die Ausladung beträgt 10‧7 Meter. Der Krahn wird elektrisch betrieben, und zwar durch Zuleitung des elektrischen Stromes, welcher in einem in der Nähe befindlichen und die Hafen- beleuchtung besorgenden Maschinen- station erzeugt wird. Die Zuleitung besteht aus zwei längs der Außenseite des Schuppens sich hinziehenden Kupferschienen, von welchen er durch Schleifcontacte abgenommen und in Kabel durch die hohlen Drehzapfen des Krahnes zum Steuerapparate geleitet wird. Um diesen Drehzapfen, der in der Mitte einer Drehbank gelagert ist, dreht sich der ganze, auf einer eisernen Plattform montirte und von einem mit Fenstern versehenen Schutzhause aus Wellblech allseitig umschlossene Winde- und Drehmechanismus des Krahnes. Beide Mechanismen sind vollständig von einander getrennt, haben beide ihren Zweiter Abschnitt. eigenen Elektromotor und wird auch jeder durch einen besonderen Steuerhebel mit Steuerapparat beherrscht. Von einer näheren Beschreibung dieser Mechanismen und ihrer Function dürfen wir wohl abstehen. Fig. 365 Der Baakenhafen in Hamburg. Sehen wir uns nun die weitere Einrichtung der Quais an. Vor allen Quaischuppen liegen je nach der Krahnanlage ein oder zwei Eisenbahngeleise zur directen Verladung. Hinter den Schuppen, die auf dieser Seite natürlich auch mit leichteren Krahnen ausgerüstet sind, befinden sich gewöhnlich 4 oder 5 Geleise Schiffahrtseinrichtungen in den Häfen. zur Verladung und Abfuhr. Der Betrieb der Quais befindet sich ganz in den Händen des Staates. Ein großer Theil des Güterverkehres, welcher eine Belastung durch die Quaiabgaben nicht verträgt, aber weniger Eile hat, aber die Eisenbahnen Fig. 366. Aus der Speicherstadt Hamburgs. zur Abfuhr überhaupt nicht benützt, vollzieht im Strome oder in dem breiten Becken des Segelschiffhafens direct vom Seeschiff zum Flußschiff. Meist sind es Segelschiffe und Kohlendampfer, welche auf diese Weise Löschen und Laden und dabei an schweren Pfahlbündeln (Dücdalben) vertaut liegen. Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 30 Zweiter Abschnitt. Dem Flugschiffverkehre dienen alle weiter oben nicht genannten Bassins und die Canäle, welche sich weit in die Stadt hinein verzweigen. Die diesfalls zur Verfügung stehende Wasserfläche beträgt 125 Hecktar. Der theilweise ganz neu Fig. 367. Trockendock der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Gesellschaft in Hamburg. geschaffene Zollcanal, so genannt, weil sein Südufer auf eine bedeutende Erstreckung die Begrenzung des Freihafengebietes bildet, dient hauptsächlich als zollinländische Wasserstraße zwischen Ober- und Unterelbe, da sämmtliche Seehäfen sowie der Schiffahrtseinrichtungen in den Häfen. Strom von denselben zum Zollauslande gehören und demgemäß abgesperrt, be- ziehungsweise streng bewacht sind. Umfangreiche Zollstellen, theils schwimmend, theils fest, mit Comptoiren, Lagerräumen, Krahnen u. s. w., gestatten schnelle Ab- fertigung der passirenden Fahrzeuge beziehungsweise Güter. An allen bedeutenden Canälen finden sich ebenfalls Ladeanlagen mit zahlreichen Krahnen, theilweise auch Speicher und Lagerschuppen. Die großartigsten, hauptsächlich den von den Quai- schuppen und Schiffen in Leichterfahrzeugen anlangenden und zur längeren Lagerung im Zollauslande bestimmten Gütern dienenden Anlagen sind die Freihafenspeicher mit dem sich zwischen ihnen hinziehenden künstlich geschaffenen Canale. Ungeheure, sieben Stockwerke hohe, und mit hydraulischen Hebewerken reichlich versehene Ge- bäude, elektrisch beleuchtet und von ansprechender Architektur, bilden sie eine be- sondere Zierde des Hamburger Hafenviertels. Der Größe des Hamburger Hafens entsprechend ist auch seine Schiffbau- Industrie. Wie großartig sich dieselbe im Laufe der Zeit entwickelt hat, dafür spricht die Thatsache, daß von 800 Seedampfschiffen der deutschen Handelsmarine mit rund 1,000.000 Tonnengehalt 320 mit über 500.000 Tonnen in Hamburg beheimatet sind. Von diesen sind wieder rund 100 mit 160.000 Tonnen (30%) auf Hamburger Werften erbaut. Die Maschinenkraft dieser letzteren beträgt 100.000 Pferdestärken. Außerdem besitzt die Hamburger Flotte noch fast 300 eiserne oder stählerne Segelschiffe mit 170.000 Registertonnen, von denen 20% gleichfalls in Hamburg gebaut wurden. Der Anfang mit dem Bau eiserner Schiffe wurde in Hamburg im Jahr 1857 gemacht, und zwar auf der Werft, aus welcher sich die Reihestieg Schiffs- werfte und Maschinenfabrik entwickelt hat. Dieses Werk, welches Schiffe bis 110 Meter Länge und Maschinen bis 3000 Pferdestärken baut, hat nun schon circa 400 Schiffskörper für See- und Flußschiffahrt, fast ebensoviele Maschinen und über 500 Kesseln hergestellt. Unter diesen Schiffen befinden sich allein 22 über 100 Meter lange für die großen Hamburger Gesellschaften und zwei der Eisbrecher. Das Schwimmdock der Werft, in neuester Zeit erbaut, ist für Schiffe von 120 Meter Länge und 5000 Register-Tonnen verwendbar und ist nach dem System Klärk-Standfield zum seitlichen Absetzen construirt. Dasselbe besitzt acht Centrifugalpumpen mit 400pferdiger Dampfmaschinenanlage, und es bedarf eine Hebung oder Senkung 45 Minuten Zeit. Die beigegebene Abbildung (Fig. 367) zeigt das Dock und läßt auch die bei dieser einseitigen Anordnung er- forderlichen Landführungen erkennen. Abgesehen von einer Anzahl kleineren Werften, welche Schiffe bis 500 Tonnen bauen und ebenfalls einige Trocken- und Schwimmdocks von mäßiger Größe, be- sonders aber Slips-Vorrichtungen zum Aufziehen der Fahrzeuge auf der Helling mittelst Dampfkraft besitzen, kommt nun als jüngstes, aber größtes Werk die 1878 begründete Werft von Blohm und Voß in Betracht. Dieselbe hat schon nahe an 100 große Seeschiffe erbaut und ist eingerichtet zum Bau der größten 30* Zweiter Abschnitt. Fig. 368. Schwimmdock der Reiherstieg-Schiffswerfte in Hamburg. Schiffahrtseinrichtungen in den Häfen. Schiffskörper da Hellinge bis 170 Meter Länge vorhanden sind. Die Werkstätten, Maschinenfabrik und Kesselschmiede sind auf das großartigste eingerichtet. Ein eigenes Schienennetz mit Locomotivbetrieb vermittelt die Materialbewegung in dem ausgedehnten Etablissement; 790 Meter Quai bilden die nutzbare Uferlänge des- selben. Von den vorhandenen Krahnen hat der größte 80 Tonnen Tragfähigkeit. Die beiden Schwimmdocks des Werkes, in einer Linie liegend, können jedes ein 100 Meter langes Fahrzeug aufnehmen, aber auch — da sie in Sectionen ge- theilt sind — in beliebiger Combination benützt werden. Die Abbildung (Fig. 368) zeigt den Bremer Reichspostdampfer »Preußen« auf dem combinirten Dock, der auf diese Weise einen Verlängerungsbau von rund 20 Meter erhält. Auch die Hamburg-Amerika-Linie besitzt im Heimatshafen ein eigenes Dock, das 1870 erbaut wurde. Dockanlage und Landungsgebäude der Gesellschaft sind von einem Umfange, architektonischer Stattlichkeit und Eleganz, wie sie sich für ein derartiges Unternehmen ziemen. Diese Baulichkeiten erstrecken sich in einer Länge von fast 800 Meter. Welche Arbeit an diesem Quai bewirkt wird, ergibt sich daraus, daß in einem Jahre gegen 220 Schiffe gelöscht und ebensoviele befracht werden. In diese Zahl sind diejenigen Schiffe der Packetfahrt, welche wegen Platz- mangel am Staatsquai bedient werden müssen, oder ab Brunshausen abgefertigt werden, nicht einbezogen. In New-York besitzt die Gesellschaft einen eigenen Quai, welcher der größte und schönste aller dort mündenden Dampferlinien ist; er bildet eine Zierde der New-Jerseyer Wasserfront des Hafens von New-York. Die ganze Anlage erstreckt sich circa 165 Meter am Ufer entlang und über 130 Meter landeinwärts. Einige größere Etablissements besitzt die Gesellschaft auch auf der Insel St. Thomas für ihre westindische Linie. Sehr ansehnlich sind die Reparatur-Werkstätten, Trockendock-Anlagen und sonstigen maritimen Einrichtungen des Norddeutschen Lloyd in Bremer- haven . Das Bremer Trockendock — im März 1871 eröffnet — ist ein Doppel- dock, zur gleichzeitigen Aufnahme von zwei großen Dampfern eingerichtet, und bestand ursprünglich aus zwei symmetrischen Hälften von je 121 Meter Länge. Im Jahre 1881 wurde die östliche Hälfte des Dockes mit Rücksicht auf den Dampfer »Elbe« um 19 Meter verlängert, wodurch die östliche Dockhälfte eine Länge von annähernd 140 Meter erhielt, wogegen die westliche Hälfte die ursprüng- liche Länge aufweist. Die größte Breite des Doppeldocks ist 30‧5 Meter, die Tiefe 8‧4 Meter und die Dockschleusenbreite 17‧6 Meter. Der Wasserstand über Mitte der Schleusenschwelle beträgt fast 6 Meter bei einem Hafenwasserstande von 3‧2 Meter über Null, so daß jederzeit zwei transatlantische Dampfer aus dem neuen Hafen oder aus dem mit diesem durch eine Schleuse in Verbindung stehenden Kaiserhafen in das Dock geholt werden können. Die großen Schnell- dampfer, deren Tiefgang im unbeladenen Zustande noch über 6 Meter beträgt, können dagegen nur mit Hochwasser, beziehungsweise bis zu einem Hafenwasserstande Zweiter Abschnitt. von 3‧5 Meter, gedockt werden. Die Dampfer der englischen Linien müssen für diesen Zweck erst aus dem alten Hafen nach dem neuen Hafen verholen. Fig. 369. Schwimmdock der Schiffswerfte von Blohm und Voß in Hamburg. Die Verbindung des Trockendocks mit dem neuen Hafen wird durch eine Schleuse vermittelt, welche durch ein schwimmendes Thor (Verschlußponton) ab- geschlossen werden kann. Das Profil der Schleuse ähnelt einem Schiffsquerschnitte. Das Mauerwerk der Schleuse enthält einen ringsum laufenden Vorsprung, welcher Schiffahrtseinrichtungen in den Häfen. Fig. 370. Der große (150 Tonnen) Krahn in Hamburg. aus Sandsteinquadern hergestellt und mit einer Leiste von Teakholz verkleidet ist. Auf dieser Holzleiste ist ein 8 Centimeter breiter Gummistreifen befestigt, gegen Zweiter Abschnitt. welchen sich die hölzerne Anschlagseite des Verschlußpontons legt und welche den wasserdichten Abschluß zwischen der Schleusenleiste und dem Verschlußponton herstellt. Ein zweiter Vorsprung mit derselben Anordnung ist in 4‧2 Meter Ent- fernung von dem ersteren nahe der anderen Schleusenkante nach dem Hafen zu angelegt; er dient dazu, bei etwa nöthig werdenden Reparaturen oder behufs Reinigung den ersterwähnten Vorsprung trocken zu legen. Das Ponton besteht im Wesentlichen aus einer ausreichend verstrebten Wand aus schmiedeeisernen Blechen, an welcher etwa in halber Höhe aus demselben Materiale Luftkästen von solcher Größe angebaut sind, daß das Ponton im unbe- lasteten Zustande völlig stabil schwimmt. Ueber das Verschlußponton führt eine Laufbrücke, welche den Verkehr zwischen den beiden Seiten der Dockschleuse vermittelt. Es dürfte von allgemeinem Interesse sein, an dieser Stelle die mit dem Docken verbundenen Manipulationen eingehender zu beschreiben. ... Soll das Dock trocken gelegt werden, so flößt man zunächst das Verschlußponton in die Schleuse und vertäut es hier derart, daß es sich fest gegen die erwähnte Holzleiste des Schleusenvorsprunges legt. Sodann läßt man durch zwei Ventile, welche im Boden des aus zwei Abtheilungen bestehenden Luftkastens angebracht sind, Wasser ein und bringt dadurch das Verschlußponton zum Sinken. Wird nun das Wasser aus dem Dock entfernt, so sucht das Hafenwasser die entstandene Niveaudifferenz auszugleichen, es drängt das Verschlußponton in das Dock hinein, beziehungsweise gehen die Anschläge des Vorsprunges ins Schleusenmauerwerk und versperrt sich so selbst den Eintritt in den Dockraum. Soll das Verschlußponton wieder aus der Dockschleuse entfernt werden, so muß zunächst das Dock so weit mit Wasser gefüllt werden, daß es dort so hoch steht wie im Hafen. Hierauf wird mit Hilfe von in das Verschlußponton ein- gebauten Handpumpen das Wasser aus den Luftkästen entfernt, wodurch das Ponton entsprechend erleichtert wird, bis es in der Schleuse aufschwimmt und weg- geflößt werden kann. Um das Dock leicht bis zum Hafenniveau mit Wasser füllen zu können, sind im Mauerwerk der Schleuse zwei Canäle ausgespart, welche in den Hafen führen und mit Absperrschubern versehen sind. Die Manipulationen beim Docken eines Schiffes sind die Folgenden: Nachdem im trockengelegten Dock Alles in Ordnung gebracht, d. h. nachdem die Kielklötze und Kimmlager ausgerichtet und der Form des Kieles beziehungsweise Bodens des zu dockenden Schiffes angepaßt worden sind, wird das Dock durch die neben der Schleuse liegenden Einlaßcanäle bis zum Hafenniveau aufgefüllt und dann in der beschriebenen Weise das Verschlußponton aus der Schleuse entfernt. Das Auffüllen des Docks nimmt, wenn es ganz leer ist, etwa 30 Minuten in Anspruch. Nachdem die Schleuse freigemacht ist, wird das Schiff in das Dock geholt und mit Hilfe von über den Dockplatz vertheilten Gangspillen über seine Lager Eisernes Schwimmdock der kaiserl. Werft zu Danzig. (Construirt von der »Gutehoffnungshütte«.) Schiffahrtseinrichtungen in den Häfen. gebracht und hier fest vertäut. Sodann wird das Verschlußponton in der Dock- schleuse versenkt und mit dem Auspumpen des Docks begonnen, wenn man sich überzeugt hat, daß das Schiff genau aufrecht liegt und sich gerade über den Lagern befindet, was an gewissen Zeichen erkennbar ist. Ist das Wasser so weit ausgepumpt, daß die Kielklötze zum Tragen gekommen sind, so werden mit Hilfe von Drahtseilzügen die verschiebbaren Kimmlager fest unter den Schiffsboden ge- zogen, und außerdem werden die aus dem Dockquerschnitte erkennbaren oberen Fig. 371. Schwimmdock. Rusthölzer ausgeschoben und festgekeilt. Sitzt das Schiff gut, was nicht immer gleich beim ersten Versuch der Fall ist, so wird mit dem Auspumpen fortgefahren, anderenfalls werden die Pumpen abgestellt und die Einlaßcanäle wieder geöffnet, um das Schiff wieder zum Schwimmen zu bringen und seine Lage verändern zu können. Zum Auspumpen des Docks sind circa 12 Stunden erforderlich. Dies betrifft — da hier immer vom Dock in Bremerhaven die Rede ist — indeß die alte Anlage. Durch eine zweckmäßige Neuerung ist man jetzt im Stande, in 1 bis 2 Stunden das Trockendock gänzlich zu entleeren. Dies verhält sich wie folgt: Die in dem Maschinenhause, das zwischen dem Dock und dem neuen Hafen liegt, aufgestellten drei Centrifugalpumpen saugen aus einem vor dem Zweiter Abschnitt. Fig. 372. Bremerhaven und Geestemünde. Maschinenhause angelegten unterirdischen Canale, der einerseits mit dem Trocken- dock, andererseits mit einem zwischen der Weser und dem neuen Hafen vorhandenen Ausgleichscanale in Ver- bindung steht, der am Dock sowohl als auch am letzt- erwähnten Canal durch doppelte Schieber absperr- bar ist. Je nach der Stellung dieser Schieber ist man also in der Lage, entweder die großen Centri- fugalpumpen aus dem Trockendock oder aber aus der Weser saugen zu lassen. In beiden Fällen wird das ausgesaugte Wasser in den neuen Hafen geworfen, und man erreicht somit den angestrebten Zweck: ent- weder die Entleerung des Trockendocks oder Erhöhung des Hafen- oder Dockwasser- spiegels über das Hoch- wasserniveau des Weser- stromes Einestheils der Höhen- lage des Ausgleichcanals wegen und anderentheils um die Arbeitsleistung für die Pumpen möglichst gering zu halten, muß das Pumpen aus der Weser auf die Hochwasserzeit beschränkt werden. Darin lag inso- ferne ein bedenklicher Uebel- stand, als die Leistungs- fähigkeit der Anlage eine erhebliche Beschränkung fand. Um diesen Uebelstand Schiffahrtseinrichtungen in den Häfen. zu beseitigen, wurde eine Fig. 373. Stettiner Maschinenbau-Actiengesellschaft »Vulcan« Bredow bei Stettin. zweite Wasserleitung herge- stellt, durch welche den Pum- pen auch aus dem Kaiser- hafen Wasser zugeführt wer- den kann. Dies wurde dadurch erreicht, daß vom Südende des Kaiserhafens an eine Doppelrohrleitung angelegt wurde, durch welche das Wasser aus dem Kaiser- hafen in den Ausgleichcanal und von dort unter die Pumpen gelangen kann. Vermöge dieser Einrichtung ist man in der Lage, zu jeder Zeit ein Wasser- quantum in den neuen Hafen zu werfen, welches ausreicht, den großen Dampfern das Ein- oder Ausdocken zu sichern. Ferner ist man — wie oben er- wähnt — im Stande, die Entleerung des Docks in 1 bis 2 Stunden zu bewerk- stelligen, während früher hierzu 10 bis 14 Stunden nothwendig waren. Die anderen Anlagen des Norddeutschen Lloyd in Bremerhaven umfassen: die Schmiede und Klemp- nerei, die Maschinenwerk- stätte, die Kupferschmiede, Metallgießerei, Maler- werkstätte, Kesselschmiede, Tischler- und Zimmerwerk- stätte, und die Lagerhäuser. Letztere, im Jahre 1885 erbaut, sind im Wesentlichen Zweiter Abschnitt. ganz aus Stein und Eisen, also feuersicher hergestellt. Außerdem ist noch das alte Magazinsgebäude zu erwähnen. Unter den deutschen Schiffbau-Etablissements, welche in der Ausführung großer moderner Handelsdampfer sich einen großen Ruf erworben haben, steht die Stettiner Maschinenbau-Actiengesellschaft » Vulcan « (in Bredow bei Stettin) obenan. Derselben kommt auch als Erbauerin von Kriegsschiffen eine hervorragende Bedeutung zu. Das Etablissement wurde im Jahre 1857 gegründet, doch reicht dessen Entstehung bis 1851 zurück, in welchem Jahre Früchtenicht \& Brock eine Werft für eiserne Schiffe in kleinem Umfange in Verbindung mit einer Maschinenfabrik errichteten. Die Anlage wurde fortgesetzt erweitert, und nimmt heute eine Ausdehnung von 20 Hektaren ein. Mit Gründung der Gesell- schaft wurde gleichzeitig neben dem Schiffbau auch die Construction von Locomotiven in Angriff genommen und bereits im Frühjahr 1859 die erste Locomotive in Ab- lieferung gebracht (bis 1897 im Ganzen 1600 Locomotiven). ... Im Jahre 1866 wurden die ersten kleineren Kriegsschiffe in Ausführung genommen, im Jahre 1869 die erste größere Schiffsmaschine für die Panzerfregatte »Hansa« gebaut. Im Jahre 1871 endlich erhielt das Etablissement das erste größere Panzerschiff (»Preußen«) in Auftrag. Bis 1897 hat die Anstalt im Ganzen 238 Schiffe ge- baut, und zwar 59 Kriegsschiffe (10 Panzerschiffe, 13 Kreuzer, 33 Torpedo- boote u. s. w.), 130 Handelsschraubendampfer (darunter 6 Schnelldampfer größter Dimension, wie »Friedrich der Große« und »Königin Luise«) und 39 Raddampfer, 32 Schleppdampfer und 17 Passagierdampfer. Unter den französischen Hafenanlagen sind jene von Le Havre in erster Linie zu nennen. Das Eingreifen der Bassins in die einzelnen Handelsbezirke der Stadt, die Fülle der Mittel zur raschen Umladung, die zweckmäßige Vertheilung dieser Mittel und der Bassins für die Bedürfnisse der Schiffahrt, die Vorrichtungen zur Instandhaltung der Schiffe und endlich der Vorhafen, in welchem Schiffe vor der Einfahrt in die Bassins, oder vor ihrer Ausfahrt in die See, oder vor Stürmen flüchtend, sicheren Aufenthalt finden: all das sind Factoren, welche in ihrem Zusammenwirken den Hafen von Le Havre zu einer der hervorragendsten Anlagen dieser Art gestalten. Ganz bedeutend sind die Dockanlagen im Bassin de l'Eure und im Bassin de la Citadelle. Als hydrotechnische Großthat weit berühmt sind die Hafenanlagen von Bordeaux und Marseille . Um einen Begriff von den Schwierigkeiten zu ge- winnen, welche sich beispielsweise der Anlage von Bordeaux entgegenstellten, ist es erforderlich, sich zunächst die topographische Situation klar zu machen. Das Terrain, auf welchem die Arbeiten, welche wegen der Großartigkeit und Neuheit der hierbei angewandten Methode Beachtung verdienen, ausgeführt wurden, besteht aus Tegel - und Schlammschichten, welche von einer dünnen Schicht vegetabilischer Erde bedeckt sind, und in einer Tiefe von 12 bis 14 Meter auf einer wasserführenden, schotter- haltigen Sandschicht von 3—4 Meter Dicke ruhen. Die Sandschicht ist durch das Schiffahrtseinrichtungen in den Häfen. darauf ruhende Erdreich stark comprimirt und bietet eine ausgezeichnete Fundirungs- Grundlage. Dagegen ist das obere Erdreich derart nachgiebig, daß die Ausführung von großen Fundament-Ausgrabungen auf Tiefen bis zu 14 Meter bis zur Sand- schicht auf herkömmlichem Wege unmöglich gewesen wäre, da in Consequenz der voraussichtlichen Erdrutschungen und der durch sie bedingten allgemeinen Bewegung des umliegenden Terrains, die auf demselben stehenden Häuser eingestürzt wären. Wie begegnete man nun diesem Uebelstande? Die Baumethode, von den Ingenieuren Joly , Droeling und Pairier herrührend, überrascht durch ihre Neuheit und Ingeniösität. Die Fundirung geschah nämlich mittelst riesiger künst- licher Blöcke, welche vermöge ihres eigenen kolossalen Gewichtes durch die 14 Meter dicke Schlammschicht durchsanken und sich auf die solide untere Sandschicht auf- setzten. Um das Sinken auf mechanischem Wege zu fördern, wurden die Blöcke mit Schachten versehen, durch welche die Arbeiter abstiegen und das Terrain bis auf einen entsprechenden Rand, auf dem jeder einzelne Block aufruhte, aushoben. Dadurch wurde der Druck auf eine verhältnißmäßig kleine Auflagefläche concentrirt und diese selbst zusammengedrückt. Hierauf begann der Aushub von Neuem, und so fort, bis der Block, der mit dem fortschreitenden Einsinken von außen immer höher aufgemauert wurde, schließlich auf die Fundationsschicht aufzuruhen kam. Auf diese Weise wurden mehrere hundert Blöcke versenkt. Sie haben bedeutende Dimensionen: 6 bis 9 Meter Breite, 16 bis 35 Meter Länge, 8 bis 14 Meter Höhe. Die meisten derselben erlitten schon von allem Anfange an Neigungen, trotz der angebrachten Stützen, was sich aus der Verschiedenheit des Druckes und zu- fälliger Hindernisse erklärt. Marseille ist durch seine Lage, den Reichthum des Hinterlandes, durch die Großartigkeit seiner Bassinanlagen, durch die Vollständigkeit seiner Umladevor- richtungen und seine Verbindung mit den Eisenbahnen des ganzen Landes, allen übrigen Mittelmeerhäfen weit voraus. Die kluge Umsicht, welche zu dem Allen auch noch rechtzeitig die großartige Anlage von Trockendocks hervorrief, sichert dem Hafen von Marseille seinen Vorsprung. Die neue Hafenanlage besteht aus einem gemeinschaftlichen Damm, welcher die Bassins gegen den Seegang der offenen Rhede deckt. Einzelne Moli, welche, vom Ufer ausgehend, senkrecht auf die Richtung dieses gemeinschaftlichen Dammes angelegt sind, bieten den Schiffen geeignete Landungsquais und geben diesen eine im Verhältniß zu den Wasserflächen des Bassins günstige Gesammtlänge. Die Moli sind so breit gehalten, daß ihren Quais entlang für Umladevorrichtungen und Waarenhallen, Straßen und Eisenbahnen, welche den Verkehr mit der Stadt und deren einzelnen Bahnhöfen vermitteln, mehr als ausreichend Platz ist. Eine Wiederholung dieser Hafenanlage — welche der berühmte Hydro- techniker Pascal entworfen und deren Ausführung im Vereine mit Andrea Bernard und de Namielle besorgt hatte — zeigt der neue Hafen von Triest . Da jedoch der Meeresgrund in Marseille fast unnachgiebig, in Triest dagegen Zweiter Abschnitt. Fig. 374. Der Hafen von Southampton. ein unver- läßlicher, halbfester Schlamm ist, steigerten sich hier im Verlaufe der Arbeiten die Schwierigkeiten beträcht- lich, und es war nur der Energie, Umsicht und Tüchtig- keit des langjährigen Bau- leiters, Ingenieur Fried- rich Bömches , zu danken, daß das Werk glücklich vollendet wurde. In seiner dermaligen Gestalt bildet die neue Triester Hafenanlage eines der hervorragendsten hydro- technischen Werke dieser Art. Fast unübersehbar sind die Hafenanlagen Großbritanniens und Irlands. Von den großartigen Kriegshäfen abgesehen, sind die wichtigsten Handelshäfen diejenigen von London, Liverpool, Edinbourgh und Southampton, letzterer als Zwischenstation aller mitteleuropäischen Schiffahrtseinrichtungen in den Häfen. Amerikalinien. Es dürfte daher genügen, um nur die Einrichtungen eines großen englischen Mercantilhafens kennen zu lernen, uns auf Southampton zu beschränken. In dem Worte Southampton liegt für den Briten der Inbegriff der Welt- und Seemacht des Inselreiches, da von hier aus, im Vereine mit dem be- nachbarten Kriegshafen von Portsmouth, ein Centralpunkt aller jener Schiffsver- bindungen geschaffen war, welche die Größe und den Ruhm Englands begründeten, Jahrhunderte vor Einführung der Dampfschiffahrt. Der Hafen von Southampton, Fig. 375. Blick auf die Docks von Southampton. der fast in der Mitte der Südküste Englands am Aermelcanal gelegen ist, bietet eine geräumige und geschützte Ankerstätte, deren Werth vornehmlich in den letzten Jahrzehnten, als die Hafenanlage in den Besitz der London- und Südwesteisenbahn übergingen, zur Geltung kam und ihr die Bezeichnung einer Perle unter allen Hafenstädten eintrug. Im Jahre 1862 betrug die Zahl der ein- und auslaufenden Schiffe 863 mit zusammen 75.700 Tonnen, im Jahre 1894 dagegen 21.000 mit zusammen über 6‧3 Millionen Tonnen. Auch die historische Entwi e den Ruhm der britischen Flotte — ob nun Zweiter Abschnitt. Kriegs- oder Handelsschiffe — begründeten und weiterentwickelten. Diese Denkmäler befinden sich auf der Terasse der »Vierzig Stufen« (Forty Steps), welche den Ueberblick über Stadt und Hafen vermittelt. Von den englischen Dichtern besungen, halten diese Standbilder die Erinnerung an die Vergangenheit, an bahnbrechende Leistungen, lebendig. Das Hafenbild aber ist einzig in seiner Art. Von der Regsamkeit des hiesigen Verkehrslebens kann sich der Binnenländer kaum eine zutreffende Vorstellung machen. Ein unübersehbarer Mastenwald, Kabelthürme für elektrisches Licht, Telegraphen- und Telephonleitungen und sonstige moderne Einrichtungen des Ge- schäftslebens, Krahne für ungeheure Lasten, Hulks und ein schier unübersehbares Netz von Eisenbahngeleisen, Waarenmagazine von ungewöhnlichen Abmessungen neben großen Werkstätten und zahlreichen anderen, dem Seeverkehr dienenden Bau- lichkeiten sind die äußerlichen Anzeichen, welche dem Beschauer die Bedeutung Southamptons klar machen. Für uns sind natürlich die Hafenanlagen von besonderem Interesse. Aus der Ferne gesehen, stellen sich die Docks und Quais mit ihren zahlreichen Maschinenhäusern und jenen Vorrichtungen, welche dem Laden und Löschen der Waaren dienen, als einen Stadttheil für sich dar. Viele der Docks sind in Reihen angelegt und vorwiegend für Schiffe kleinerer und mittlerer Dimensionen bestimmt, wogegen die großen Docks, ausschließlich der zur Zeit größten Anlage dieser Art auf der ganzen Erde — dem Prince of Wales-Dock — abgesondert liegen. Die Docks von Southampton haben ihre eigene Geschichte. Eine Dockgesell- schaft befaßte sich nämlich auf Grund einer Acte, welche der Gesellschaft die Be- fugnisse hierzu ertheilte, bereits im Jahre 1836 mit der Construction des ersten Docks. Im Jahre 1842 waren die ersten Docks in den für damalige Erfordernisse genügendem Ausmaße sowohl rücksichtlich der Zahl als der Größe fertiggestellt und seither entwickelten sich die Anlagen unausgesetzt, bis sie ihren jetzigen groß- artigen Abschluß fanden. Im Jahre 1844 betrugen die Einnnahmen der Dock- gesellschaft 4018 Pfund Sterling, 1896 — in welchem Jahre die London and South Western Railway alle Dockanlagen erwarb, um sie in zweckentsprechende Verbindung mit dem Eisenbahnunternehmen zu bringen — betrugen die Einnahmen 119.954 Pfund Sterling. Das älteste Dock in Southampton war ein Schwimmdock, das bedeutende Abmessungen aufwies und 140.000 Pfund Sterling gekostet hatte. Im Jahre 1851 wurde das erste Trockendock eröffnet, dem bald andere folgten. Der große Quai am Flüßchen Itchen — der, wie das Flüßchen Test, in die Hafenanlagen einbezogen ist — wurde im Jahre 1871 in einer Gesammterstreckung von 524 Meter (Extension Quai) vollendet. Im Jahre 1892 fand durch Fertigstellung des Schwimmdockes »Empreß«, das direct mit dem Hafenwasser communicirt, und zwar durch eine Einlaßöffnung von 50 Meter Breite, dieser Theil des Werkes seinen Abschluß. Das Dock hatte 300.000 Pfund Sterling gekostet. Schiffahrtseinrichtungen in den Häfen. Den stetig wachsenden Bedürfnissen der immer größere Dimensionen an- nehmenden Dampfer Rechnung tragend, schritt die genannte Eisenbahn-Gesellschaft sofort nach dem Ankaufe der Docks an die Reconstruction der alten Anlagen und an den Bau eines neuen Docks für die allergrößten Dampfer. Es ist dies das Dock » Prince of Wales «, das am 3. August 1895 der Benützung übergeben wurde. Es ist, wie bereits erwähnt, das größte Trockendock der Welt; seine Länge beträgt 228 Meter. Hierbei muß hervorgehoben werden, daß bei der Anlage dieses Fig. 376. Fahrbarer Krahn am » Prince of Wales « Dock. Dockes auf die zu erwartende Entwickelung des Schiffsbaues Bedacht genommen und ein Raum von 70 Meter Länge reservirt blieb, um das Dock, diesem Aus- maße entsprechend, nothwendigen Falles verlängern zu können. Die Breite des Dockes beträgt am Boden 26‧5 Meter, an den oberen Kanten 34 Meter; das Einlaßthor ist 27 Meter breit. Bei gewöhnlicher Fluthhöhe ist der Stand des Wassers im Docke 9‧2 Meter, bei außergewöhnlicher Fluth um 0‧5 Meter mehr. Die Tiefe des Dockes von den oberen Kanten bis zum Boden beträgt 12‧8 Meter. Die ganze Anlage ist, in Berücksichtigung der Kolosse, in deren Dienst es gestellt ist, ungemein solid ausgeführt. Die Schleusenlager und Caissonstützen sind aus cornwallisischem Granit, alles andere aus gewöhnlichem Granit, der Boden Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 31 Zweiter Abschnitt. aus Sprenkelstein. Die Seitenwände sind über 16 Meter tief fundirt, der Boden 18 Meter. Auf Grund dieser Abmessungen beläuft sich das Tragvermögen des Docks auf 73.000 Tonnen bei einem Fassungsraume von 63‧6 Millionen Liter Wasser. Zwei Pumpen noch Gwynne 's Type »Invincible« können das Dock in 1 ½ bis 2 Stunden entleeren, da jeder Pumpe eine Leistungsfähigkeit von 254.000 Liter in der Minute zukommt. Die Füllung erfordert gleichfalls ungefähr 1 ½ Stunden. Das Füllen und Entleeren wird durch hydraulische Kraftanlagen, Hilfsmaschinen und Accumulatoren unterstützt. ... Vier Kessel von je 9‧15 Meter Länge und 2‧2 Meter Durchmesser liefern den erforderlichen Dampf. Die Erdaushebungen für die Fundamente der Kesselanlage im Ausmaße von 8‧5 Meter im Quadrate und 17‧7 Meter Tiefe stellen an und für sich ein großes Werk dar. Zum Abschlusse des Dockraumes vom Hafenwasser dient ein schmiedeeisener Caisson von Rennie \& Co . (Greenwich), der 283 Meter lang und 12‧8 Meter breit ist. Der Caisson dient außerdem als Schiffbrücke für Eisenbahnzüge. Neben diesem Dock sind die von derselben Bahnunternehmung längs den Ufern der Flüßchen Itchen und Test ausgeführten Quais in einer Gesammt- erstreckung von 7200 Meter in technischer Beziehung bemerkenswerth. Die Pläne aller dieser Anlagen rühren von der Ingenieurfirma Galbraith \& Curch (West- minster, London) her; die Bauausführung erfolgte durch Lucas \& Aird . ... Die Abbildung Fig. 376 veranschaulicht die Gesammtanordnung des Prince of Wales -Dock; man erblickt links den fahrbaren Riesenkahn, rechts im Hintergrunde das Pumpen- haus. Es mag erwähnt sein, daß dieses Dock das einzige unter allen bestehenden ist, welches das Riesenschiff »Great Eastern« hätte aufnehmen können. Die anderen Docks von Southampton treten natürlich gegen das vorbesprochene zurück, doch sind auch sie bemerkenswerth: Das Dock A mit 1030 Meter Quailänge, 17 Meter Thorweite und 8‧5 Meter Tiefe; das Schwimmdock B mit 1100 Meter Quailänge, 45‧7 Meter Einfahrtsweite. Die übrigen Docks sind mit Ziffern be- zeichnet; Nr. I ist 120 Meter lang, 20‧1 Meter breit; Nr. II ist 76‧2 Meter lang, 18‧3 breit, wogegen Nr. III die bedeutende Länge von 152‧5 Meter aufweist. Zu den größten Dockanlagen zählt zur Zeit das Dock Nr. 3 im Brooklyner Hafen (New-York); es hat eine Länge von 191 Meter und eine Wassertiefe von 9‧2 Meter. Nur um Weniges kleiner ist das Trockendock zu Port Archard im Pugetsund. Das Brooklyner Dock Nr.2 ist 150 Meter lang. Beim Dock Nr. 3 wurde eine von der üblichen Bauart abweichende Methode eingehalten, indem an Stelle der abgestuften Seitenmauern eine Holzconstruction platzgriff. Es hat sich letztere als billiger und mit Rücksicht auf die rasche Herstellung als praktischer erwiesen, ganz abgesehen davon, daß an dem Holzwerke des derart hergestellten Docks sich Arbeiterbühnen leichter herstellen lassen als an Steinwänden. Das Dock wurde von der Bauunternehmung F. \& A. Walsch in New-York gebaut und der Dockcanal nach der vorerwähnten Methode hergestellt. Die Aus- Schiffahrtseinrichtungen in den Häfen. hebung des Erdreiches erfolgte an der vom Hafenwasser abgekehrten Seite und wurde, gleichwie die Pilotirung, in Abschnitten vorgenommen. Sobald ein Baulos ausgehoben war, wurde es mit Spuntwänden verkleidet und vom Wasser überströmt. Dieser Vorgang ermöglichte es schwimmende Rammblöcke anzuwenden, welche — ähnlich den schwimmenden Baggern — praktischer und billiger die erforderlichen Arbeiten bewerkstelligen, als feststehende Maschinen. War ein Baulos ausgehoben und pilotirt, so wurde es vollkommen ausgepumpt und fertiggestellt, worauf beim nächsten Baulose derselbe Vorgang sich wiederholte. Die Kosten der Anlage beliefen sich auf 600.000 Dollars, wogegen das ganz aus Stein hergestellte Dock zu Warn Island bei San Francisco 3 Millionen Dollars verschlang. Das Dock hat eine Sohlenlänge von 191 Meter, eine Sohlenbreite von 19‧5 Meter. Die Balkendielung des Bodens besteht aus Stämmen von 0‧3 Meter Dicke und 15 Meter Länge. Die Hauptstämme sind in Abständen von 1‧2 Meter gelegt, während in der Nietrichtung acht miteinander verbundene schwere Balken- rechen eine hinreichende Tragkraft selbst für die schwersten Panzerschiffe besitzen. Unterhalb des eigentlichen Dockbodens mit den Arbeitsbühnen ist ein System von Gräben angelegt, das mit der Pumpenanlage in Verbindung steht und zur Ent- wässerung dient. Der Dockboden ist derart construirt, daß er auf einer Lage von Piloten ruht, die sich noch 10 Meter unterhalb des Bodens erstreckt und, aus starken Balken mit Verankerungen bestehend, eine Art Sichervorrichtung bildet. Die gegen den Dockboden abschüssig verlaufenden Seitenwände werden von Ankerbalken, welche in Abständen von 2 zu 2 Meter seitlich und von 1‧3 zu 1‧3 Meter in der Längsrichtung miteinander verbunden sind, zusammengehalten. Mit diesen endlich festverzimmert sind sie obersten, dem Schiffe zur Stütze dienenden Balken. Zum Schutze gegen Wassereinbruch wurde eine Palissadenwand am äußeren Ende des Rostes gezogen und die einzelnen Piloten dicht mit Füllung umgeben. In gleicher Weise erfolgte die Dichtung der Seitenwände, wodurch auch hier ein Netz von Balken und Latten gegen die Gefahr eines Wassereinbruches völlige Sicherheit bietet. Die Construction des Bodens und der Seitenwände zeigt also sowohl nach der Tiefe (unter dem Boden) als in den Seitenwänden doppelte Gerüstlagen, wozu bei den Wänden noch eine dritte, äußere, hinzukommt. Das Einsickern des Wassers ist in Folge dessen so gering, daß letzteres innerhalb 24 Stunden kaum 6 Centimeter erreicht, wenn der Graben zur Saugpumpe offen gelassen wird, während bei völligem Abschluß Sickerwasser überhaupt nicht auftritt. Entsprechend dem großen Rauminhalte des Docks mußte die Pumpenanlage in einem Umfange und einer Leistungsfähigkeit angelegt werden, die es ermöglichten, die Entleerung beziehungsweise Füllung des Docks möglichst rasch bewerkstelligen zu können. Es sind zwei Centrifugalpumpen in der Nähe der Schleuse installirt, welche von zwei stehenden Dampfmaschinen von je 0‧7 Meter Cylinderdurchmesser und 0‧6 Meter Kolbenhub angetrieben werden. Die Gesammtleistung beider Pumpen 31* Zweiter Abschnitt. beträgt 360.000 Liter Wasser in der Minute, so daß das Dock innerhalb zwei Stunden entleert werden kann. Zur völligen Entwässerung der kleineren Canäle am Boden dient eine kleinere Pumpe mit einer Leistungsfähigkeit von 26.500 Liter in der Minute. Ein hervorragendes Interesse beansprucht der als Abschlußthor figurirende Caisson, sowohl bezüglich seiner sinnreichen Construction als rücksichtlich der praktischen Ergebnisse, welche mit ihm erreicht wurden. Ganz aus Stahl ausgeführt, 33 Meter lang, 7‧5 Meter breit und 10‧7 Meter hoch, gleicht er einem kleinen Fig. 377. Schwimmcaisson in Schlußstellung. Schiffe. Der Caisson ist innen in mehrere, senkrecht übereinanderliegende Abthei- lungen getheilt, deren unterste zur Aufnahme von 200 Tonnen Wasserbalast dient, um den Caisson je nach Bedarf heben oder senken zu können. Alle gerippartigen Versteifungen sind aus Eisen entsprechend stark ausgeführt, um dem Wasserdrucke Widerstand zu leisten. Die äußere Hülle besteht aus Stahlplatten von ausreichender Dicke. Zur Bedienung des Caissons sind zwei Centrifugalpumpen vorhanden, ferner eine kleine Dampfmaschine, sowie zwölf Handräder, welch letztere zum Oeffnen und Schließen ebenso vieler Röhren dienen, durch welche das Wasser in den Dockraum eingelassen werden kann. Die Ausmündungen sind (wie aus der Abbildung Fig. 377 ersichtlich) in zwei Reihen angebracht und haben einen Durchmesser von 60 Centi- meter (die der oberen Reihe) beziehungsweise 50 Centimeter (die der unteren Reihe). Schiffahrtseinrichtungen in den Häfen. Zur Aufnahme von Speisewasser für den Dampfkessel ist ein cylindrisches Reservoir (rechts vorne in Fig. 378) von 75.000 Liter Cubikinhalt vorhanden. Während die Trockendocks wirkliche, in das Erdreich gegrabene Bassins sind, mit terrassirten Wänden aus Mauerung oder Holzverkleidung, früher die einzige Art von Docks waren, hat man in neuerer Zeit noch eine andere Art, die Schwimmdocks , in Aufnahme gebracht. Ein solches Dock ist ein kolossaler, gleich einem Schiffe im Hafen schwimmender eiserner Kasten, bei welchem die beiden Fig. 378. Innenraum des Schwimmcaissons. schmalen Wände fehlen, die beiden Längswände und der Boden aber hohl, aus doppelten Eisenplatten gebildet sind und so viel Schwimmkraft haben, daß sie das Dock mit der Oberfläche des Bodens über Wasser halten (Fig. 379). Soll ein Schiff im Schwimmdock reparirt werden, so läßt man durch ähnliche Vorrichtungen Wasser in die Hohlräume des Bodens und der Seitenwände einströmen und das Dock senkt sich auf diese Weise so tief, daß seine obere Bodenfläche noch etwas tiefer unter Wasser liegt, als der Tiefgang des auszubessernden Schiffes beträgt. Hierauf fährt das letztere in den Kasten hinein, was sich, da dem letzteren die Querwände fehlen, leicht ausführen läßt. Wie nun das Schiff zwischen den beiden Längswänden schwimmt, beginnen mächtige Dampfpumpen das Wasser aus den Zweiter Abschnitt. Hohlräumen zu entfernen. Hierdurch erhebt sich das Dock wieder, nimmt im Steigen das Schiff, das jetzt abgesetzt auf den Boden des ersteren zu stehen kommt, mit empor und bringt es endlich in solche Höhe, daß die obere Bodenfläche des Docks und das ganze Schiff sich außer Wasser befinden und jede Reparatur vorgenommen werden kann. Sobald dieselbe beendigt ist, wird das Dock durch Einlassen von Wasser in die Hohlräume wieder gesenkt und das Schiff kann unbehindert hinausfahren. Fig. 379. Das für Havaña bestimmte Schwimmdock auf der Fahrt über den Atlantischen Ocean. In Fig. 379 ist ein modernes Schwimmdock dargestellt, welches neben mancherlei Neuerungen in seiner Construction auch deshalb merkwürdig ist, weil es von seinem Ursprungsorte aus (Wallhead, England) über den ganzen Atlantischen Ocean bis Havaña bugsirt wurde. Das Dock, welches für Rechnung der spanischen Regierung um den Preis von 2 ¼ Millionen Gulden in der Dockbauanstalt Swan \& Hunter ausgeführt wurde, hat eine Länge von 140 Meter, eine lichte Weite von 26 Meter und eine Höhe, vom Kielrost bis zu den Oberkanten der Seiten- wände gemessen, von 9 Meter. Der Wasserzug ist 14 Meter, der Abstand des Oberdecks von der Wasserlinie 1‧4 Meter. Das Dock ist durchaus aus Stahl erbaut und setzen sich sowohl die Seitenwände als das Bodenstück aus wasser- Schiffahrtseinrichtungen in den Häfen. dichten Abtheilungen — im Ganzen 30 — zusammen. Eine elektrisch betriebene Pumpenanlage ermöglicht ein rasches Entleeren einer jeden einzelnen Abtheilung. Fig. 380. Hydraulisches Trockendock in San Francisco. Die elektrischen Kraftquellen befinden sich getrennt auf jeder der beiden Seitenwände, doch können sie auch gemeinsam in Wirksamkeit treten. Die Maschinen treiben die im Kielraume der Dockwände untergebrachten Centrifugalpumpen an. Sie vermögen Zweiter Abschnitt. durch Entleerung der Hohlräume ein Schiff von 15.000 Tonnen innerhalb 2 ½ Stunden so weit zu heben, daß es trocken liegt. Die elektrische Anlage ist selbstverständlich auch dazu ausgenützt, den ganzen Arbeitsplatz mit elektrischem Lichte zu versorgen. Im Wesentlichen stellt das Havańa-Dock ein Mittelding zwischen Schwimm- und Trockendock, eine Combination beider, dar. Bezüglich der Leistungsfähigkeit dieses Docks ist noch bekannt, daß es auf ⅓ Meter senkrechte Höhe eine Hebekraft von 22 Tonnen hat und verhältnißmäßig sehr geringe Betriebskosten erheischt. Der ökonomische Vortheil äußert sich nämlich darin, daß die Kosten für die Hebung eines zu verdockenden Schiffes im gleichen Verhältnisse zu dem Gewichte des Schiffes stehen, was bekanntlich bei den Trockendocks zu deren Ungunsten nicht immer der Fall ist. Im Havańa-Dock nach der Type Clark \& Standfield erfolgt die Hebung eines Schiffes — gleichviel ob Kriegs- oder Handelsfahrzeug — mit einem Minimum von aufgewandter Pumpenkraft. ... Die Remorquirung des Havańa-Docks durch den Atlantischen Ocean beanspruchte sechs Wochen. Das Schleppseil hatte nicht weniger als 60 Centimeter im Umfange und wog 4 ¾ Tonnen. Die Ankunft im Hafen von Havańa erfolgte am 7. November 1897. Sowohl die Trockendocks als die Schwimmdocks erheischen einen kostspieligen Betrieb, da das Auspumpen der oft riesigen Wassermengen entsprechend theuere Maschinenanlagen erfordert. Außerdem ist beiden Arten eine gewisse Langsamkeit des Betriebes gemein. Um diesen Uebelständen abzuhelfen, wurden sogenannte Schraubendocks und hydraulische Docks gebaut. Eines der ersten dieser Art war das Londoner »Victoria-Dock« von Clark mit einer Tragfähigkeit von 4000 Tonnen. In der Folge wurden jedoch auch hydraulische Docks — wie das zu Bombay — mit einer Tragfähigkeit bis zu 6500 Tonnen gebaut. Eine ver- besserte Construction dieser Type hat kürzlich auch in dem Etablissement der Union Iron Works in San Francisco Eingang gefunden. Das Dock, für eine Tragfähigkeit von 6000 Tonnen eingerichtet, besteht in der Hauptsache aus einer Plattform von 133 Meter Länge und 20 Meter Breite, welche versenkt werden kann, und dann nach Aufnahme eines Schiffes mittelst 36 an den Längsseiten gleichmäßig vertheilten hydraulischen Pressen sammt dem zu reparirenden Fahrzeuge aus dem Wasser gehoben wird. Die Anlage ist, abgesehen von der schmalen Einfahrtsseite, ringsum von Pfahlrosten umgeben und auf diese Art bequem zugänglich. Die Plattform selbst ist in einfacher Weise nach Art der doppelten Schiffsböden durch ein System sich durchdringender Längs- und Quer- träger aus Stahl gebildet. Der Längenverband wird im Ganzen durch fünf voll- wandige Blechträger hergestellt, und zwar hat der mittlere Hauptträger, der eigentliche Kiel, eine Höhe von 1‧9 Meter. Derselbe wird, da in der Mitte die Hauptlast des Schiffes durch die Kielblöcke übertragen wird, durch zwei ebenso hohe parallel laufende Seitenträger flankirt. Die beiden Außenlängsträger haben eine Höhe von 1‧5 Meter. Die Querträger, 36 an der Zahl, haben in der Mitte die Schiffahrtseinrichtungen in den Häfen. Höhe des Kieles, während sie an den Enden, der verminderten Belastung ent- sprechend, nur 0‧8 Meter Höhe haben. Auf der Oberfläche des Plattformflures sind in der Mitte die Kielblöcke in Abständen von etwa 1 Meter befestigt, deren Höhe vor dem Docken durch Keile und Aufklotzungen von weichen Fig. 381. Hydraulisches Trockendock in San Francisco. Ansicht eines Pfeilers. Hölzern möglichst der Linie des Schiffskieles, die bei alten Schiffen selten gerade zu sein pflegt, angepaßt wird. Beider- seits davon liegen die Kimm- schlitten, welche die aufrechte Stellung des Schiffes sichern sollen. Sie laufen auf Gleit- bahnen und werden, nachdem sie ebenfalls vorher in die dem Schiffsprofil möglichst ent- sprechende Höhe gebracht worden sind, mittelst Flaschenzügen und Drahtseilen vor der Hebung fast unter den Schiffsboden ge- zogen. Nach vollendeter Hebung werden alle diese Unterstützungen mittelst Keilen nachgetrieben und so zum gleichmäßigen Tragen gebracht. An den beiden Langseiten der Plattform stehen die 36 Pfeiler, welche die Stützen für die hydraulischen Pressen bilden (Fig. 381). Dieselben werden durch je zwei Pfahlbündel von sieben Stück gebildet, die außer- halb des Grundes durch stählerne Röhren von 1‧2 Meter Innen- durchmesser zusammengehalten werden. Diese Röhren dienen gleichzeitig zur Führung der Plattform und sind daher unten mit denen der gegenüberliegenden Seite versteift. Oben auf den Pfählen, deren Länge 30‧5 Meter beträgt, liegen gußeiserne Kopfplatten, die mit zwei in der ganzen Docklänge durchlaufenden Trägern von 0‧4 Meter Höhe verschraubt sind, so daß eine feste Verbindung der Pfeilerreihe unter sich gewährleistet ist. Zwischen diesen Zweiter Abschnitt. Längsträgern und zwischen den zwei einen Pfeiler bildenden Röhren sind mittelst entsprechender Querhäupter die hydraulischen Pressen eingehängt. Dieselben wirken durch die Anordnung einer eisernen Rolle indirect auf die Plattform, haben also nur den halben Hub dieser zu machen, selbstverständlich dafür mit doppelter Be- lastung. Der Durchmesser der Preßbalken beträgt 78 Centimeter, die Hubhöhe derselben 4‧4 Meter, die der Plattform mithin 8‧8 Meter. Ueber die 1‧8 Meter im Durchmesser haltende Rolle am Kopfe der Kolben laufen acht Stahldrahtseile von je 5 Centimeter Durchmesser. An der einen Seite sind diese Kabel an den äußeren Längsträgern der Plattform befestigt, während sie an der anderen festen Seite mit dem Kopfstück des Preßcylinders verbunden sind. Um die hierdurch bedingte sehr starke einseitige Beanspruchung des ganzen Pfeilers aufzuheben, sind mit jedem derselben zwei nach außen wagrecht ausragende Träger von 8‧5 Meter Länge fest verbunden, welche an je zwei Rammpfählen verankert sind und so als einarmige Hebel der Ver- drehung der Pfeilerköpfe entgegenwirken. Zur Führung der Rollen beziehungsweise der Kolben ist oberhalb der Pfeiler ein entsprechendes, in der Längen- und Seiten- richtung versteiftes eisernes Gitterwerk angeordnet. Wir kommen nun zu den eigentlichen Betriebseinrichtungen des Docks. Vom Maschinenhause her führt an beiden Seiten die Druckleitung D (Fig. 382) entlang. Dieselbe steht mit einem Accumulator von 20 Centimeter Kolbendurchmesser und 1‧2 Meter Hub in Verbindung, dessen Kolben mit 31 Tonnen belastet ist. Vier Druckpumpen, die durch zwei Dampfmaschinen betrieben werden, drücken das Be- triebswasser in die Leitung und sind so mit dem Accumulator verbunden, daß sie von selbst anfangen zu arbeiten, wenn dessen Kolben wegen Leckagen oder wegen Wasserverbrauches seine tiefste Stelle erreicht hat, dagegen stoppen, wenn der höchste Stand derselben erreicht ist. Die Abflußleitung E nimmt das verbrauchte Wasser wieder auf und führt es dem Reservoir des Maschinenhauses zu. Beide Leitungen stehen mittelst teleskopartig ausschiebbarer Röhren B und C mit dem Preßkolben und durch denselben mit dem Preßcylinder H eines jeden Pfeilers in Ver- bindung. Am Kopf des Kolbens befindet sich für diese beiden Röhren ein Doppelventil A , dessen beide Ventilkegel durch einen zweiarmigen Hebel F so miteinander ver- bunden sind, daß sich das Druckrohr schließt, wenn das Abflußrohr geöffnet wird, und umgekehrt. Dieser Hebel umfaßt mit dem einen Ende eine Schraubenmutter G , die auf einer senkrechten Spindel auf- und abbewegt werden kann. Der Antrieb aller Schraubenspindeln erfolgt mittelst Schneckengetriebe gleichzeitig und gleich- mäßig durch die um drei Seiten des Docks herumgeführte Steuerwelle. Soll nun z. B. die versenkte Plattform gehoben werden, so wird außer den Preßpumpen noch die Steuermaschine (eine kleinere Dampfmaschine) in Betrieb gesetzt, und diese schraubt nun sämmtliche Muttern G aus ihrem tiefsten Stande langsam empor. Diese Bewegung bedingt nun durch das Anheben des Ventil- Schiffahrtseinrichtungen in den Häfen. hebels F sofort ein Einströmen von Druckwasser in die Preßcylinder und so ein Heben der Kolben, somit auch der Plattform. Falls aus irgend welchen Gründen Fig. 382. Trockendock in San Francisco. Querschnitt der Hubvorrichtung. ein Unterbrechen des Hubes erforderlich ist, braucht nur die Steuermaschine an- gehalten zu werden, und alle 36 Kolben bleiben in der erreichten Stellung stehen. Auch ein Voreilen der etwa unbelasteten Kolben, das ein Verbiegen der Plattform zur Folge haben würde, und ebenso ein Zurückbleiben bei Undichtigkeiten ist durch Zweiter Abschnitt. die geschilderte Anordnung unmöglich gemacht; denn im ersteren Falle müßte sich durch die veränderte Stellung des Ventilhebels das Druckventil sofort schließen und das Abflußventil so lange öffnen, bis der betreffende Kolben wieder seine richtige Höhenlage eingenommen hätte, und im zweiten Falle müßte der umgekehrte Vor- gang stattfinden. Es vollzieht sich also Hub und Senkung sämmtlicher Preßkolben vollständig gleichmäßig und ihre Bewegung ist zwangläufig abhängig von dem Gange der Steuermaschine: eine außerordentlich sinnreiche und verhältnißmäßig einfache An- ordnung, welche eine Sicherheit bietet, wie sie bei Anwendung von Steuerventilen allein niemals erreicht werden könnte. Wenn die Plattform voll belastet ist, beträgt der Druck in den Pressen 100 Atmosphären und ist die Hubgeschwindigkeit dann 8 Centimeter in der Minute. Hat die Plattform ihre höchste Stelle erreicht, so werden zur Entlastung der Hebevorrichtungen an jedem Pfeiler zwei starke Riegel unter dieselbe geschoben, so daß dann Plattform und Schiff direct auf den Pfeilerköpfen ruhen. Die Vortheile eines solchen hydraulischen Docks, dessen Anlage- und Unter- haltungskosten allerdings erheblich höher als die eines Schwimmdocks sind, liegen in der Geschwindigkeit des Betriebes und der dadurch ermöglichten besseren Aus- nützung der Anlage, und außerdem in der Billigkeit der Betriebskosten. Mit der vorbeschriebenen Anlage sind seit der Zeit ihres Bestehens durchschnittlich zehn Fahrzeuge im Monat gedockt worden und es sollen die Betriebskosten nur etwa die Hälfte von denen der herkömmlichen Trocken- und Schwimmdocks betragen. Eisernes Schwimmdock der kais. Werft zu Wilhelmshafen. Construirt von der „Gutehoffnungshütte“.) Dritter Abschnitt. Schiffahrtscanäle. V on dem berühmten englischen Ingenieur Brindley rührt der Ausspruch: »Die Vorsehung hat die Flüsse geschaffen, damit die Menschen damit Canäle speisen können«. Richtiger wäre, zu sagen, daß die Flüsse in ihrem Naturzustande modernen Verkehrsansprüchen nicht Genüge leisten und daß sie dementsprechend ausgebaut und umgestaltet werden müssen. Zwischen einem nicht regulirten, den Launen der Elemente überlassenen Flusse und einem solchen, welcher mit allem Aufwande moderner technischer Hilfsmittel dem Verkehrsleben erschlossen wurde, besteht ein Unterschied etwa gleich dem zwischen einer alten verwahrlosten Wasserstraße und einem Schienenwege. Weiter geht indeß der Vergleich nicht. Die Wasserstraße ist ein von der Natur vorgezeichneter Verkehrsweg, von dem logischerweise nicht abgewichen werden kann. Die Anlage eines Schienenweges erfolgt auf Basis der jeweiligen Bedürf- nisse und wird — wenigstens heutigen Tags — bezüglich seiner Lage im Terrain kaum wesentlich beeinflußt. Handelt es sich um die Förderung großer Interessen, so werden selbst sehr kostspielige, mit Ueberwindung bedeutender örtlicher Hindernisse verbundene Eisenbahnanlagen durchgeführt. Der Ausgestaltung eines Eisenbahn- netzes stehen daher nennenswerthe Erschwernisse nicht entgegen. Ganz anders verhält es sich mit den von der Natur vorgezeichneten Wasserwegen. Ihre Isolirtheit von einander wirkt in hohem Grade schädigend auf die Gesammtgestaltung des Ver- kehres zu Wasser. Kein Wunder also, daß von jeher das Bestreben sich geltend machte, wichtige Wasserstraßen untereinander durch Schaffung künstlicher Zwischen- glieder in Verbindung zu bringen, sei es um ausgedehnte Linien von internatio- naler Bedeutung aneinander zu gliedern, oder um ein örtlich vielfach verzweigtes Wasserstraßennetz — ähnlich dem der Landwege und Eisenbahnen — ins Leben zu rufen. Die künstlich hergestellten Zwischenglieder in der Gestaltung der natürlichen Wasserwege sind die Canäle, und zwar in ihrer Form als Schiffahrtscanäle . Dritter Abschnitt. In der Zeit vor den Eisenbahnen bildeten die Canäle ein außerordentlich werth- volles Hilfsmittel zur Belebung des Verkehres. Von den großartigen Anlagen dieser Art im alten Orient und in Ostasien (dem »Kaisercanal« in China) abge- sehen, machte sich auch in den neuen Culturländern das Bedürfniß nach Schaffung von Schiffahrtscanälen seit jeher geltend, ohne daß im Uebrigen in dieser Richtung nennenswerthe Leistungen durchgeführt worden wären. Als die Schienenwege fast allen Großverkehr an sich gerissen hatten, wurden die Canalanlagen vernachlässigt; sie blieben als »altmodisches Requisit« fortan unbeachtet, und so darf es nicht Wunder nehmen, daß man auf den bestehenden Canalanlagen vielfach Einrichtungen vorfindet, welche in einer Linie mit der antiquirten Postkutsche und anderen mehr oder minder primitiven Verkehrsmitteln stehen. Gleichwohl gilt das Gesagte nicht für alle Länder. In England, Frankreich und Nordamerika hat man der Binnenschiffahrt seit jeher die größte Aufmerksamkeit zugewendet und demgemäß sowohl in den natürlichen als in den künstlichen Wasser- straßen das Ideal billiger Verkehrsmittel erkannt. Beweis dessen die großartige Ausgestaltung des Canalnetzes in diesen Ländern. Weit schwerfälliger zeigte sich in dieser Beziehung Deutschland und sein Nachbarland Oesterreich-Ungarn. Der größte Strom des Erdtheiles, die Donau, fließt sozusagen mitten durch diese ausgedehnten Landcomplexe in der ungeheueren Ausdehnung von den finsteren Forsten des Schwarzwaldes bis zum fernen Schwarzen Meere. Rhein, Elbe, Oder greifen mit ihren Nebenflüssen von Norden und Westen tief in dieses Gebiet ein. Es lag also nichts näher als der Gedanke, diese mächtigen Wasserstraßen durch Anlage von Schiffahrtscanälen untereinander zu verbinden und auf diese Weise lange Linien für den durchgehenden Verkehr zu schaffen, ähnlich wie sie der Ausbau der Schienenwege mit sich brachte. Bevor wir auf die neuesten Canalbauten beziehungsweise Stromregulirungen eingehen — von den älteren müssen wir absehen — möchte es am Platze sein, einiges über die Schiffahrtscanäle überhaupt vorausgehen zu lassen. Man unterscheidet Binnencanäle und maritime Canäle , je nachdem sie entweder als Verbindung zwischen Strömen oder Meeren figuriren. Der Grundtypus einer jeden Canal- anlage ist der Niveaucanal , d. h. ein einfacher Wassergraben, welcher keine ört- lichen Hindernisse von Belang zu überwinden hat. Ein solcher Canal verläuft entweder in völlig ebenem Terrain, oder es wurden bei dessen Herstellung eine Anzahl von Hindernissen durch Abbau und Durchstiche beseitigt. Die einfachste Art, Niveaudifferenzen zu überwinden, ist das Stauwerk oder das Wehr . Da aber das Fahrzeug durch ein im Wehr zu öffnendes Thor hin- durch muß, ist diese Art von Betrieb sehr gefährlich und höchstens in der Flößerei anwendbar. Durch die Stauwehren wurden aber im Laufe der Zeit Verhältnisse geschaffen, welche die Schiffahrt nicht nur nicht förderten, sondern behinderten, sie schließlich gänzlich unmöglich machten. Diese Wehren wurden nämlich zur Gewinnung der motorischen Kraft für Mühlen — späterhin auch für industrielle Anlagen — Schiffahrtscanäle. hergestellt, und ihr Ueberhandnehmen hat mit der Zeit schiffbare Wasserstraßen gänzlich gesperrt und damit ganze Verkehre unterbunden. Da trat durch die Erfindung einer Einrichtung ein völliger Umschwung ein. Diese Erfindung war die sogenannte » Kammerschleuse «, welche im Jahre 1450 zuerst bekannt wurde, und die wir den Italienern verdanken, obwohl auch die Holländer die Priorität Fig. 383. Schiffshebewerk des Great Western -Canals. (Ansicht vom Unterwasser.) der Erfindung für sich beanspruchen. Damit begann die Periode der Entwickelung der Schiffahrtscanäle, welche bisher nur in völlig flachem Lande möglich war. Es ent- stand nach und nach ein dichtes Canalnetz auch in Gegenden, deren Bodenrelief der Anlage von Wasser- wegen nicht günstig war. Das Princip der Kammerschleuse ist zwar allgemein be- kannt, doch möchten wir dasselbe der Voll- ständigkeit halber kurz skizziren. Dasselbe be- ruht auf der Neben- einanderstellung zweier Stauschleusen in ent- sprechender Entfernung von eineinander. Der Raum, den sie be- grenzen, ist die Kammer. Bei der Bergfahrt des Schiffes passirt dieses das Thor der unteren Schleuse und fährt in die Kammer ein, worauf jenes geschlossen wird. Durch Oeffnen des Thores der oberen Schleuse wird das Wasser in der Kammer gestaut, es hebt sich mit dem schwimmenden Schiffe bis zur Niveaufläche des höher gelegenen Canaltheiles, in welches es durch das geöffnete Schleusenthor eintritt. Bei der Thalfahrt verharrt das Schiff zunächst in der höher gelegenen Canalstrecke, bis in der nächstfolgenden Kammer die Stauung stattgefunden hat, worauf das Dritter Abschnitt. Schiff in die Kammer einfährt. Hierauf wird das Thor der oberen Schleuse geschlossen, jenes der unteren hingegen geöffnet, und mit dem sinkenden Wasser erreicht das Schiff schließlich das Niveau der tieferliegenden Canalstrecke. Das Princip der Kammerschleuse hat eine sehr wesentliche Ausgestaltung in den Schiffshebewerken gefunden. Dieselben werden mittelst Maschinen betrieben und führen wir als Typus einer solchen Anlage jene am Great Western -Canal in England vor, welche in den Dreißigerjahren erbaut wurde. Diese Construction beruht darauf, daß die sinkende Kammer einen um 5 Centimeter höheren Wasser- Fig. 384. Hydraulisches Schiffshebewerk. [Querschnitt]. (Entwurf von E. Hoppe, Maschinenbauanstalt in Berlin.) stand erhält als die steigende. Dieses Mehrgewicht bildet die Betriebskraft, so daß nur noch eine Bremse zur Regulirung der Bewegung nöthig ist. Die unter den Kammern sichtbaren Ketten dienen zur Gewichtsausgleichung. Jede Kammmer hängt an drei Ketten, so daß also auch drei Schleusen vorhanden sind. Eine Schleusung dauert drei Minuten. Zu bemerken ist noch, daß mittelst dieser Hebevorrichtung Schiffe von nur 8 Tonnen Tragfähigkeit befördert werden können. Die zu über- windende Niveaudifferenz beträgt 14 Meter. (Fig. 383.) Eine weit größere Leistungsfähigkeit kommt dem hydraulischen Schiffs- hebewerke zu, das zum erstenmale von Anderson am Trent and Mersey -Canal im Jahre 1875 angewendet wurde. Die aus Eisen erbauten Kammern, welche, Schiffahrtscanäle. wie im vorstehenden Falle, auf einer Querseite mit der unteren, auf der anderen mit der oberen Canalhaltung in Verbindung treten können, ruhen hier auf je einem Kolben, der eine Hubhöhe von 15‧4 Meter hat. Um die oben befindliche Kammer zu senken, wird der Wasserstand in derselben um 15 Centimeter höher gehalten als in der unteren. Es ist sonach nur geringe Betriebskraft erforderlich, da die Druckpumpenanlage außer dem erstmaligen Aufpumpen der einen Kammer nur zum Höherpumpen beim Steigen des Canalwassers und zum Ersatz des Leckwassers dient, und ferner die jedesmalige Hebung zu Fig. 385. Schwimmer-Hebewerk. (Querschnitt.) (Entwurf der Firma Friedr. Krupp-Grusonwerk.) vollenden, beziehungsweise wieder einzuleiten hat. Einige Nachtheile, welche dieser Con- struction anhaften, wurden bei späteren Anlagen durch entsprechende Verbesserungen vermieden, so bei dem großartigen Schiffshebewerke von La Louvi è re am Canal von Charleroi nach Mons. Hier überwinden vier Hebewerke eine Niveaudifferenz von 70 Meter und können Schiffe von 400 Tonnen Tragfähigkeit befördert werden. Das in Fig. 384 abgebildete hydraulische Schiffshebewerk ist ein Entwurf von E. Hoppe , über welches Ingenieur Buchwald Folgendes mittheilt: »Dieses Hebewerk soll Seeschiffe von circa 4000 Tonnen befördern und beträgt das Gesammtgewicht einer Kammer 11.400 Tonnen. Zur Bewältigung dieser ungeheueren Last sind 20 Hebecylinder angeordnet mit Kolben von 1‧5 Meter Durchmesser, die durch eine sinnreiche Steuervorrichtung alle gleichmäßig bewegt und angehalten werden. Zum Einsetzen und Heraus- nehmen der Absperrthore an den Kammern und den Haltungen sind natürlich kräftige Krahnanlagen erforderlich. Die Dichtung zwischen Kammer und Canalhaupt wird mittelst Druckwasser aufzuschwellenden Schläuchen bewirkt. Die Hubhöhe ist auf 15 Meter normirt.« Der Nachtheil, welcher den hydraulischen Schiffshebewerken anhaftet, besteht vornehmlich darin, daß sie die Anlage einer Doppelschleuse nothwendig machen, da die Anwendung einer einzigen Schleuse ungeheuere Betriebskräfte erfordern würde. Um diesem Uebelstande abzuhelfen, hat Fr. Jekens eine sogenannte schwim- mende Schleuse construirt. Die Firma Krupp-Grusonwerk hat die Construction verbessert und in einem betriebsfähigen Modell zur Ausführung gebracht, nach welchem die beigefügten Abbildungen (Fig. 385 und 386) angefertigt worden sind. Bei diesem System wird (nach dem ursprünglichen Projecte) das zu hebende Schiff Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 32 Dritter Abschnitt. auf einen siebförmigen mächtigen Rost dirigirt, der auf dem Kolben einer enormen hydraulischen Presse von äußerst solider Construction ruht. Zur Verstärkung der Hebewirkung bei sehr schweren Fahrzeugen sind zwei oder mehrere solche Pressen erforderlich, vornehmlich deshalb, um das zu hebende Schiff im Gleichgewichte zu erhalten. Hierbei ergiebt sich allerdings der Uebelstand, daß bei der Neigung der Kolben zum Brechen Betriebsstörungen stattfinden würden. Fig. 386. Schwimmende Schleuse. (Modell der Firma Krupp-Grusonwerk.) In seiner weiteren Ausgestaltung durch das Grusonwerk erhielt das Hebewerk fol- gende Construction: Eine Kammer ist mit einer Anzahl tiefliegender Schwimm- körper verbunden und so weit gefüllt, daß sie in mittlerer Höhe schweben bleibt. Zum Betrieb ist nun nur erforderlich, beim Senken die Kammer etwas mehr an- zufüllen, beim Heben etwas weniger, und sie wird selbstthätig ihre Bewegungen ausführen. Zur Festhaltung in der oberen und in der unteren Stellung dienen Zahnradführungen, deren Wellen kräftig gebremst werden können. Es kann auch mit constantem Wasserdruck in der Kammer gearbeitet werden, wenn die Zahnräder Schiffahrtscanäle. durch eine Maschine in Umdrehung versetzt werden. Die hierzu erforderliche Kraft ist nur gering, da außer der Reibung in den Führungen der Auftrieb der wenig Wasser verdrängenden Verbindungsconstruction zwischen Kammer und Schwimmer zu überwinden ist. Das Princip der Schwimmschleuse hat zuerst praktische Anwendung im Schiffshebewerke bei Henrichenburg (Dortmund-Ems-Canal) gefunden. Con- Fig. 387. Das Schiffhebewerk bei Henrichenburg. structeure dieses Hebewerkes sind Haniel und Lueg in Düsseldorf. Die Schleuse besteht aus einem Wasserkasten von 70 Meter freier Wasserlänge, 8‧6 Meter Breite und 2‧5 Meter Tiefe. Dieser Wasserkasten ist in einer etwa 70 Meter langen Brücke eingehängt und letztere wird ihrerseits durch Stützsäulen von fünf Schwimmern getragen, welche in ebenso vielen mit Wasser gefüllten Schächten auf- und absteigen können. Die Schwimmer tauchen vollständig im Wasser und ihr Auftrieb ist genau 32* Dritter Abschnitt. gleich der durch den Trog, Brückenträger ꝛc. hervorgebrachten Last. Auftrieb und Last befinden sich mithin innerhalb des Schleusenhubes in jeder Höhenlage im Gleichgewicht. Die gesammte bewegte Last beträgt etwas mehr als 3000 Tonnen. Das Hebewerk dient dazu, um an dem Treffpunkt der Canalleitung Herne- Münster mit dem 16 Kilometer langen Dortmunder Stichcanal die 65 Meter langen, 8 Meter breiten und 1‧7 bis 2 Meter tief gehenden Canalschiffe mit einer Lade- fähigkeit von rund 600 Tonnen in einem einzigen senkrechten Hube von einer Haltung in die andere, d. h. um 14 bis 16 Meter, zu fördern. Die Einfahrt eines Schiffes in diesen großen Förderkasten wird wie folgt ermöglicht: In Höhe der Haltung erreicht der Rand des etwas abgeschrägten Kastenendes einen seiner Form angepaßten Keil, der durch die Endbewegung eines Troges ohne weiteres gegen das Haupt der Haltung angedrückt wird und hierdurch mit seinen beiderseitigen Gummi- wulsten eine vollkommene Dichtung herstellt. Nunmehr werden die Abschlüsse (Stützen) der Canalhaltung und des Kastens miteinander verkuppelt und gemeinsam durch einen auf der Thurmbrücke stehenden 100pferdigen Elektromotor mittelst Zahnstangengetriebes senkrecht gehoben, wodurch das Wasser von Canal und Haltung in ungehinderte Verbindung gesetzt wird. Das Schiff fährt ein und hinter ihm schließen sich die Stützen, worauf die Förderung beginnen kann. Auch nach der Einfahrt bleibt das gesammte zu bewegende Gewicht unver- ändert, da das Schiff eine seinem Gewichte genau entsprechende Wassermenge in die Canalhaltung zurückgedrängt hat. Das dieser Art fast unveränderte Gewicht des Schiffes, des Wassers in dem Trog und des Eisens der Construction von etwa 3000 Tonnen, lastet vermittelst des hohen Stützwerkes auf den fünf mächtigen, in tiefe Brunnen tauchenden Schwimmern (walzenförmigen eisernen Hohlkörpern von 8‧3 Meter Durchmesser, mit atmosphärischer Luft gefüllt), die mit einer un- veränderlichen Wasserverdrängung von 3000 Tonnen nach aufwärts treiben und daher der Last stets die Wage halten. Eine geringe Vermehrung der Wassermenge im Kasten würde Sinken, eine geringe Erleichterung Steigen der Vorrichtung bewirken. Durch zu tiefes Anfahren des Troges beim Oberhaupt, zu hohes beim Unterhaupt, wird der gewünschte Wasserstand im Kasten erzielt, da nach Aufzug der Stützen die Ausspiegelung mit dem Canal erfolgt. Weil demnach beim Oeffnen der Stützen Ueber- und Unterlast für die Bewegung des Troges vorhanden ist, muß er zunächst noch bis zum Beginn der Förderung festgehalten werden, was mittelst der Schraubenspindeln bewerk- stelligt wird. Ist der Kasten in seiner höchsten Lage, so haben die Schwimmer den oberen Rand und damit den Wasserspiegel der Brunnen erreicht; geht die ganze Vorrichtung nach unten, so tauchen die dünnen, den Kasten tragenden Stützen des Säulenwerkes und die Einsteigeschächte der Schwimmer nach und nach weiter in die Brunnen ein. Der Auftrieb ändert sich hierbei nur unwesentlich. In der tiefsten Lage befindet sich der Wasserkasten zum größten Theil unterhalb des unteren Canal- Schiffahrtscanäle. spiegels in einer gemauerten Kammer, die stets wasserfrei gehalten wird. Der Trog taucht also niemals im Wasser ein, sondern ist stets von Luft umgeben. Fig. 388. Ansicht des Oberhauptes des Schiffshebewerkes bei Henrichenburg. Die sichere Führung der großen Massen auf dem Wege zwischen den beiden Canalhaltungen erheischt ganz besondere Vorkehrungen. Der Kasten muß genau wagrecht aufsteigen, er muß außerdem in Bahnen seitlich geführt sein, um vor den Dritter Abschnitt. stärkeren Stürmen gesichert zu sein. Seine Bewegung muß leicht und sicher gehemmt und die gewollte Höhenlage genau erreicht werden können. Der Trog hängt in einer starken, 9‧3 Meter hohen Brücke, die ihm den nöthigen Halt giebt, während die Brücke ihrerseits auf den Schwimmerstützen ruht. Für die seitliche Führung ist die Brücke an vier Stellen, von denen je zwei einander gegenüberliegen, mit Führungsbacken versehen. Vier aus den Nischen der gemauerten Kammer aufsteigende Führungssäulen aus eisernem Fachwerk mit gehobelten gußeisernen Platten bieten die senkrechten Gleitbahnen für jene Führungsbacken dar und gewähren die Widerlager gegen Stürme und gegen den in den Endlagen auftretenden Wasserdruck Schutz. Diese vier Führungssäulen sind oben durch Quer- und Längsträger verbunden, so daß der obere Theil des Führungsgerüstes eine zur Aufnahme von Maschinen geeignete Plattform bildet. Von dieser Bühne aus wird die wagrechte Führung des Troges bethätigt. An der Innenseite jeder Führungssäule hängen von der Bühne herab in Bindlagern die weiter oben erwähnten Schraubenspindeln (vier an der Zahl). Sie sind an ihrem unteren Ende wieder durch tief im Boden verankerte Bindlager gefaßt. Die vier Schraubenmuttern dieser Spindeln machen die Drehung nicht mit, müssen also, wenn die Drehung der Schrauben eintritt, auf- oder absteigen, und zwar genau um das Maß, wenn nur die Schrauben die gleichen Umdrehungen machen. Lagern die Muttern von vorneherein in einer wagrechten Ebene, so werden sie auch bei der Bewegung stets in wagrechter Ebene bleiben, und da die Trogbrücke mit den Muttern fest verbunden ist, wird auch der Trog stets wagrecht bleiben. Auch die senkrechte Führung der durch die Trogstützen mit der Trogbrücke fest verbundenen Schwimmer ist dadurch gegeben. Die letzteren erhalten in den Brunnen keinerlei Führung. Die vier Schraubenspindeln sind über der Bühne des Führungsgerüstes durch Kegelräder und mittelst einer gemeinsamen Wellenleitung zwangläufig mit- einander derart verbunden, daß der Antrieb derselben stets gleichmäßig erfolgen muß. Der Trog bewegt sich nur, wenn die Spindeln gedreht werden; er ist dem- nach in jedem Augenblick nicht nur sicher gehalten, sondern kann auch genau auf die verlangte Höhe eingestellt werden. Die hohlen Spindeln sind je aus einem einzigen Stahlblock geschmiedet und stellen bei ihrer bedeutenden Länge von 24‧8 Meter und bei 0‧28 Meter äußerem Durchmesser eine hervorragende Leistung dar. Zur Verhinderung des seitlichen Schlängelns der langen Schraubenspindeln sind für jede derselben vier durch den Trog beim Auf- und Abstieg verschiebbare Lager angebracht, welche paarweise vom Troge mitgenommen werden und die Spindeln in jeder Lage des Troges derart halten, daß höchstens ein Drittel der Länge derselben zwischen den Halslagern ohne Lagerung ist. — Nicht unwesent- liche Theile des Hebewerkes sind die Thorstützen am Trog und an der Haltung, Schiffahrtscanäle. sowie die Einrichtungen für den wasserdichten Anschluß des Troges an die Haltung. Auch diese Theile haben beim Henrichenburger Hebewerk wesentliche Verbesserungen gegenüber anderen Constructionen gefunden, vornehmlich zur Erzielung eines raschen Anschlusses des Troges an die Haltungen und größter Zeitersparniß beim Oeffnen der Thore. Der Dortmund-Ems-Canal — oder, wie die officielle Bezeichnung lautet: der Schiffscanal von Dortmund nach den Emshäfen — ist ein hervor- ragendes Werk dieser Art. Der Canal hat in erster Linie den Zweck, das stärkste Centrum der Industrie im Westtheile der preußischen Monarchie mit dem Meere durch eine directe, billige, vom Auslande unabhängige Wasserstraße in Verbindung zu setzen. Den Anstoß zum Baue dieses Canales gab das stete Wachsthum der Kohlengewinnung in dem großen Steinkohlenlager des Ruhrgebietes, sowie die Thatsache, daß trotz des steigend erhöhten Absatzes der westfälischen Kohle nach Hamburg, dennoch der Absatz der englischen Kohle dort andauernd auf gleicher Höhe sich behauptet hat. Nachdem der Gesetzentwurf zum Baue eines Schiffahrtscanales von Dortmund nach der unteren Ems die Zustimmung des preußischen Landtages und darauf unterm 9. Juli 1886 die königliche Sanction erlangt hatte, wurde unter dem 23. Mai 1889 für den Bau eine besondere Behörde, die königliche Canalcommission zu Münster, eingesetzt. ... In unmittelbarer Nähe von Dortmund beginnend, verläuft der Canal rechts von der Emscher, einem bei Ruhrort mündenden Nebenflusse des Rheins, in einer einzigen Haltung nordwestlich bis Henrichenburg an der Emscher, wo das bis dahin betragende Gefälle durch das weiter oben beschriebene Schiffshebewerk überwunden wird. Von Henrichenburg zweigt ein 7‧8 Kilometer langer Seitencanal nach Herne, einem wichtigen Zechenorte des Kohlenbezirkes, ab. Bei Henrichenburg verläßt der Canal das Thal der Emscher und zieht nord- ostwärts in einer einzigen Canalhaltung bis jenseits Münster. Auf dieser Strecke überschreitet er die Wasserscheide und die Flußthäler der Lippe und Stever in tiefen Einschnitten, auf hohen Dammschüttungen und Brückencanälen. Unterhalb Münster endet die Scheitelhaltung: zwei Schleusen führen zu der hier beginnenden Mittel- landhaltung hinab, welche mittelst eines hohen Dammes und eines Brückencanales die Ems übersetzt. Dieser Theil endet bei Bevergern, in dessen Nähe noch eine dritte Schleuse liegt und wo ein Anschluß an den bereits im Stadium der Vorarbeiten befindlichen Mittellandcanal , welcher über Osnabrück, Hannover und Oebis- felde zur Elbe ziehen wird, vorgesehen ist. Unterhalb Bevergern steigt der Canal in sechs Schleusen zur Ems hinab, deren Bett er zunächst auf der kurzen Strecke bis Hanekenfähr benützt. Von da ab ist der Canal mit Benützung des schon bestehenden Emscanals östlich vom Flusse über Lingen bis Meppen geführt, um daselbst wieder die Ems zu erreichen. Von Meppen bis Herbrum wurde die Ems canalisirt, die größeren Krümmungen wurden abgekürzt und, um die für die Schiffahrt nöthige Tiefe zu erlangen, fünf Dritter Abschnitt. Wehre erbaut, deren Gefälle durch ebenso viele in den Durchstichen angebrachte Schleusen überwunden wurde. Auch die Strecke von Herbrum über Papenberg bis Leer mußte entsprechend vertieft werden. Von Leer abwärts bis Oldersum wird die Ems selbst als Canalstraße ohne weitere Correctur verwendet. Bei Aldersum da- gegen zweigt ein Seitencanal nach Emden ab, da der Fluß hier oft einen für die Canalschiffe gefährlichen Wellenschlag aufweist. Die Gesammtlänge des Canals beträgt 270 Kilometer, die Breite am Wasser- spiegel 30 Meter, an der Sohle 18 Meter, seine Wassertiefe 2‧5 Meter. Die Bau- summe stellt sich auf 69‧5 Millionen Mark. Der Betrieb wird sich voraussichtlich mittelst Schleppschiffahrt vollziehen, doch ist auf beiden Seiten je ein Leinpfad von 3‧5 Meter vorgesehen, so daß auch der Treidelbetrieb mit Zugkräften (Menschen, Pferden, Locomotiven) ermöglicht werde. Neben dem eingangs erwähnten Hauptzweck des Canals, erwartet man des Weiteren von ihm, daß er zugleich den Verkehr zwischen dem Osten und Westen der Monarchie mit Benützung des Nord-Ostsee-Canals beleben werde. Dazu kommt, daß der Dortmund-Ems-Canal nur ein Glied des großen Canalsystems bildet, welches zur Verbindung der zur Nordsee gehenden Ströme untereinander geplant ist. Der Verwirklichung am nächsten gerückt erscheint, wie schon erwähnt, der Rhein- Weser-Elbe-Canal, der als Mittellandcanal die genannten Flüsse zwischen Duisburg und Magdeburg verbinden wird. Hauptzweck dieser Schiffahrtsstraße ist die Entlastung der Eisenbahnen vom Transporte von Massengütern, den sie nicht mehr zu bewältigen vermögen, und die Schaffung eines billigen Verkehrsmittels zur Beförderung solcher geringwerthiger Massengüter. Das Project für einen binnenländischen Canal zwischen Rhein und Elbe reicht bis in das Jahr 1856 zurück; aber erst seit 1886, als der Bau des Dortmund- Ems-Canals durch Gesetz verfügt wurde, trat man der Ausführung des Mittelland- canals näher. In den Jahren 1891 bis 1893 wurden die nöthigen Vorarbeiten ausgeführt und durch dieselben die nun vorliegende Trace festgesetzt. Der Canal wird bei Duisburg den Rhein verlassen, dann die Ruhr kreuzen und auf deren rechten Ufer einen Zweigcanal nach Ruhrort und weiterhin nach Mühlheim an der Ruhr entsenden. Nach Erreichung des Emscherthales bei Oberhausen wird er an dessen südlichem Abhang bis Henrichenburg ziehen, unterwegs Essen, Bochum und Herne durch Zweigcanäle anschließend. Bei Henrichenburg wird durch einen Zweig- canal nach Dortmund die Verbindung mit dem Dortmund-Ems-Canal hergestellt. Von dieser Canalstrecke soll bei Bevergern am westlichen Ausläufer des Teutoburger Waldes die Mittellandstrecke des Rhein-Weser-Elbe-Canals abzweigen. Diese Linie wird zunächst nordöstlich verlaufen, sich bei Recke östlich wenden, bei Bramsche die Hanse überschreiten und den Zweigcanal von der etwa 15 Kilometer entfernten Stadt Osnabrück aufnehmen. Der Canal wird dann über Bohmte, Essen, Wettlage, Preußisch-Oldendorf und Lübbecke, am nördlichen Abhang des Wiehen- gebirges hinziehend, nahe nördlich von Minden die Weser übersetzen, diesen Fluß Schiffahrtscanäle. durch einen kurzen Abstiegcanal und Minden im Süden der Stadt mit dem Canal verbindend. Nordöstlich weiterziehend durchquert der Canal das Fürstenthum Schaumburg-Lippe und durchzieht die Provinz Hessen-Nassau in der Nähe von Haste bis zur Grenze von Hannover bei Colenfeld. In gleicher Richtung weiterziehend soll der Canal östlich von Seelze die Leine queren, vorher jedoch einen Zweigcanal nach Linden und dem Oberwasser der Schleuse bei Herrenhausen ableiten, wo der Stadthafen von Hannover geplant ist. Der Hauptcanal wird weiterhin nördlich um die Stadt Hannover im Bogen herumziehen und parallel zur Eisenbahnlinie etwa über Misburg und Lehrte, welch letzteres durch einen kurzen Hafencanal angeschlossen wird, bis Immensee gehen. Ausgedehnte Hafenanlagen sind für Linden bei Körtingsdorf, für Hannover bei Hainholz und List in Aussicht genommen. Bei Misburg wird ein Zweigcanal nach Hildesheim über Sarstett abgehen. Der bei Immensee abzweigende Stichcanal nach Peine wird diese Stadt und die Ilseder Werke anschließen. Sodann bietet der über Fuse und Oker hinwegführende Hauptcanal bei Meinersen den Anschluß für den Zweigcanal nach Braunschweig, und soll weiterhin über Gifhorn, Fallersleben, Borsfelde und Oebisfelde ziehen, hier den Drömling erreichend. Nach Unterfahrung der Eisenbahn Oebisfelde-Berlin gewinnt der Canal das Thal der Ohre und folgt demselben über Calvörde und Reuhaldensleben bis Wolminstedt. Hier gabelt sich schließlich die Mittellandstrecke in einen Zweig nach den großen Häfen von Magde- burg und in einen zweiten nach Heinrichsberg, in die Elbe einmündend, gegenüber Riegripp, von wo die Verbindung durch den Plauercanal, Havel und Spree über Burg, Genthin und Brandenburg mit Berlin vorhanden ist. Sämmtliche zwischen Rhein und Elbe gekreuzten Haupt- und Nebenflüsse werden auf Brückencanälen, die Wasserscheide zwischen Rhein und Ems mittelst sieben Kammerschleusen überschritten. Zwischen Münster und Misburg gestattet es die Geländelage, dieselbe Haltungshöhe auf 200 Kilometer Länge ohne Schleuse beizubehalten. Zwischen Essen und Hannover findet sich auf einer 285 Kilometer langen Strecke nur die Sparschleuse bei Münster. Der ganze 470 Kilometer lange Rhein-Weser-Elbe-Canal erhält nur 14 Schleusen. Die Wasserversorgung der Mittellandstrecke soll aus der Weser erfolgen, während der westliche Theil, ein- schließlich des Canales nach den Emshäfen, sein Wasser aus der Lippe und Ems bezieht. Der Canal wird bei 2‧5 Meter Wassertiefe eine Wasserspiegelbreite von 30 Meter erhalten; die Sohlenbreite soll 18 Meter betragen. Die Kammer- und Sparschleusen werden mit einer Thorbreite von 8‧6 Meter ausgeführt. Leinpfade von 3‧5 Meter Breite kommen an beiden Seiten zur Ausführung. Schiffe bis zu 600 Tonnen Tragfähigkeit und 1‧75 Meter Tiefgang können mit einer Maximal- geschwindigkeit von 5 Kilometer in der Stunde verkehren; Schiffe von 800 Tonnen Tragfähigkeit und darüber, bei größerem Tiefgange, müssen langsam fahren. Auf Strecken mit kurz aufeinander folgenden Schleusen wird man mit der Zunahme Dritter Abschnitt. des Verkehres einen Maschinenbetrieb vom Lande aus durch Seil ohne Ende in Aussicht nehmen. Andere große Projecte, die Binnenschiffahrt betreffend, beziehen sich auf die Verbindungen der Donau mit der Elbe und der Oder . Die Anfänge solcher Projecte reichen ziemlich weit zurück. Die Herstellung einer Verbindung zwischen Donau und Moldau wurde schon im 14. Jahundert zur Zeit Karls IV . angeregt. Seitdem hat man durch Jahrhunderte an dem Projecte herumgegrübelt, ohne daß man dem Ziele auch nur nahe gekommen wäre. ... Etwas besser steht es mit dem Projecte eines Donau-Oder-Canals, obwohl auch dieses um viele Jahrhunderte zurückreicht. Abgesehen von gewissen verkehrspolitischen Interessen arbeiteten bislang auch Techniker diesem Unternehmen entgegen, indem sie geltend machten, daß es dem Donau-Oder-Canal in Folge der Wasserarmuth des von ihm zu durch- schneidenden Gebietes an Wasser mangeln könnte, wodurch die Anlage in ihrer Leistungs- und Ertragsfähigkeit ganz wesentlich beeinträchtigt würde. Der fragliche Canal kann zudem der Natur der Sache nach kein Niveaucanal sein, sondern hat eine Wasserscheide zu überschreiten, welche die Anlage einer Scheitelhaltung mit aus- reichendem Wasservorrath nothwendig macht. Die bisherigen Studien über die Wasserstraße zwischen Donau und Oder stützen sich theilweise auf die Schiffbar- machung der in die Canaltrace einzubeziehenden Flußläufe, d. i. der March, Be č va und Oder. Sieht man von einer solchen Canalisirung ab, so müßte längs der March und Be č va ein eigenes Gerinne ausgehoben werden, dann wieder mit diesem Ge- rinne die Wasserscheide zwischen der Be č va und Oder hinauf und hinunter über- schritten und weiterhin neben der Oder im Oderthale bis nach Oderberg fortgeführt werden, bis er in die Oder einmünden kann. Eine solche Canalanlage würde eine große Zahl von Kammerschleusen und eine Scheitelhaltung mit ausreichender Wasser- menge erfordern. In den letzten Jahren hat die Bauunternehmung A. Hallier und Dr. Dietz- Mounin ein neues Project aufgestellt, bei welchem statt der Kammerschleusen schiefe Ebenen in Anwendung kommen würden, womit einem der Haupteinwände gegen die Canalanlage, die Wasserarmuth des von letzterem durchzogenen Gebietes betreffend, entgegengetreten würde. Die schiefe Ebene, d. h. die streckenweise Be- förderung in großen, auf Schienen rollenden Caissons, nähert sich dem System der sogenannten Schiffseisenbahnen. Die schiefe Ebene wird vorwiegend zwischen Canalstrecken von größerem Niveauunterschiede angewendet, um das Schleusen der Schiffe entbehrlich zu machen. Von dem großen Wasserverbrauch, welcher durch das Schleusen verursacht wird, abgesehen, bedingt dasselbe auch bedeutenden Zeitverlust. Nach den oben genannten Projectanten sollen die Schiffe eine Länge von 58 Meter, einen Tiefgang von 1‧5 Meter und ein Gewicht von 8000 Metercentner erhalten. Die Waggons sind diesen Schiffsdimensionen angepaßt; sie sind 65 Meter lang, 8‧6 Meter breit, 8000 Metercentner schwer und ruhen auf 168 Rädern. Die schiefe Ebene, auf welcher diese Kolosse bewegt werden sollen, hat sonach eine Belastung Schiffahrtscanäle. von 16.000 Metercentner auszuhalten. Der Unterbau muß deshalb besonders widerstandsfähig angelegt sein; er soll betonirt und nicht blos mit Quer-, sondern auch mit Langschwellen versehen werden. Da die Binnencanäle nicht in den Bereich des Großverkehres fallen, sondern sozusagen nur dessen Saugorgane sind, müssen wir davon Abstand nehmen, über diesen Gegenstand mehr zu sagen, als vorstehend in allgemeinen Zügen mitgetheilt wurde. Dagegen erscheint uns eine hydrotechnische Leistung aus jüngster Zeit, die dem Großverkehr unmittelbar zu Gute kommt, hervorragend genug, um ihr einige Worte zu widmen. Es handelt sich hier zwar nicht um eine Canalanlage, sondern um eine Stromregulirung, jene am sogenannten Eisernen Thor des Donau- stromes. Sechsunddreißig Jahre hatte es gedauert, bis, von der ersten Anregung durch den Grafen Stephan Sz é chenyi an gerechnet, das Regulirungswerk ver- wirklicht wurde (September 1896). Was dieses letztere bedeutet, ermißt man am besten, wenn man sich den Zustand des Stromes in jenem Abschnitte vor der Regulirung vor Augen hält. Das erste Schiffahrtshinderniß am Beginn der eigentlichen Kataraktenstrecke (11‧7 Kilometer unterhalb des Felsens »Babakaj«) ist die Granitbank »Stenka«. Auf ihr ist (wir sprechen immer von den Verhältnissen vor der Regulirung) bei niedrigem Wasserstande auf eine Länge von 1094 Meter ein Fall von 0‧391, daher ein relativer Fall von 0‧000357, welcher eine große Geschwindigkeit nicht bewirken kann. Bei hohem Wasserstande entsteht durch die Verengung des Fluß- bettes unterhalb eine Stauung, welche die mittlere Geschwindigkeit des Wasserlaufes verringert und dieselbe hindert, sich verhältnißmäßig mit dem Niveau des Wassers zu steigern. Nicht ganz 15 Kilometer unterhalb »Stenka« befindet sich der Katarakt von »Kozla«, welcher aus einer Felsbank von quarzigem Glimmerschiefer besteht. Knapp neben dieser ist die Felsbank von »Dojke«, welche den größten Theil des Fluß- bettes einnimmt. Bei niedrigem Wasserstande zeigte sich der relative Fall des Flusses zwischen Stenka und Dojke = 0‧00093; in Folge dessen schadet die Ge- schwindigkeit der Strömung der Schiffahrt nicht, und da unterhalb Dojke die Breite des Stromes wesentlich abnimmt, vermehrt sich die Geschwindigkeit nicht im Ver- hältniß mit dem Steigen des Wasserstandes. Etwa 9 Kilometer unterhalb Dojke trifft man die Stromschnelle von »Izl á s« und gleich daneben jene von »Tachtalia«. Die Gesammtlänge der beiden Strom- schnellen beträgt 1‧7 Kilometer. Hieran schließt eine etwa 3 Kilometer lange Strom- strecke bis zur Spitze des scharf in den Fluß hineinragenden Uferfelsens »Greben«, wo die Geschwindigkeit ziemlich gemäßigt ist, bis auf eine kleine Störung, welche durch den »die kleine Tachtalia« genannten Felsen entsteht. Der Felssporn des Greben verengt das Bett plötzlich auf 425 Meter, bei niedrigem Wasserstande sogar auf 210 Meter, weil jene Felsen, die am Ufer liegen, emportauchen und dadurch das Ufer um 215 Meter auf Kosten des Flußwassers verbreitern. Unterhalb des Dritter Abschnitt. Greben bis nahe bei Svinicza, auf eine Länge von 2‧6 Kilometer, findet sich überall eine sehr geringe Wassertiefe, so daß sie bei Niederwasser eine Durchschnitts- tiefe von kaum 0‧7 Meter erreicht. In diesem Abschnitte also, welcher 7 Kilometer lang ist, hängt eine Reihe von Schiffahrtshindernissen miteinander zusammen, woraus sich ergiebt, daß sie gemeinsam als solche betrachtet werden müssen, weil die Regulirung eines Theiles auf den anderen einwirkt. Nicht ganz 7‧9 Kilometer unterhalb Svinicza befindet sich der letzte der Katarakte oberhalb des eigentlichen »Eisernen Thores«, die Dioritfelsenbank »Jucz«. In der Strecke dieses Kataraktes ist der Fall 1‧768 Meter auf eine Länge von 740 Meter, daher das relative Durchschnittsgefälle 0‧00231 Meter, also sehr be- trächtlich, und nachdem in der erwähnten Entfernung das Gefälle nicht gleichmäßig vertheilt ist, so giebt es Abschnitte, wo das Gefälle noch stärker ist, und zwar im Maximum auf eine Länge von 110 Meter 0‧767, woraus sich ein relatives Gefälle von 0‧00697 ergiebt. Ein solches Gefälle würde für die Schiffahrt ein fast un- überwindliches Hinderniß bilden, wenn es die Gesammtheit des Stromes beträfe. Allein es besteht in Wirklichkeit nur nahe den Ufern und nicht in der Mitte des Stromes. Sowohl vom rechten wie vom linken Ufer springt die Sohle gegen den unteren Theil des Kataraktes vor und bewirkt dadurch oberhalb desselben eine Stauung, die in der Mitte des Stromes nicht verspürt wird, welche jedoch das Gefälle längs der Ufer unterhalb der Stauung verstärkt. Wenn der Wasserstand steigt, und im Verhältniß, in welchem er sich seinem höchsten Punkte nähert, entsteht in Folge der starken Verengung des Stromes in dem unterhalb folgenden Kessel (»Kazan«) eine Schwellung, welche mehr unterhalb als oberhalb dieses Kataraktes in die Erscheinung tritt und welche das zur Zeit des tiefsten Wasserstandes be- stehende Gefälle zu paralysiren geeignet ist. Die Schiffahrt wird daher leichter bei Hoch- als bei Niederwasser, so daß alle Projecte dahin giengen, eine Vermehrung des Gefälles zu bewirken, was durch Vertiefung des Fahrwassers zu erreichen war Der nun folgende »Kazan« bildet zwar ein Schiffahrtshinderniß, doch beeinflußt er die eigenartige Gestaltung dieses großartigen Strompasses und seine Lage zwischen der beschriebenen Kataraktenstrecke und den Hindernissen am »Eisernen Thor« im hohen Maße die hydrologischen Verhältnisse der Gesammtstrecke. In der Höhe des am linken Ufer gelegenen Dorfes Plavischevitza ist das Strombett kessel- förmig ausgeweitet und hat eine Breite von 567 Meter. In geringer Entfernung erhebt sich eine 240 Meter hohe Felswand aus dem Strome und schiebt ihre Vor- sprünge vom linken Ufer derart ins Strombett vor, daß dieses plötzlich, ohne allen Uebergang, von 567 Meter auf 151‧4 Meter eingeengt wird. Der Stromstrich biegt, von der scharfen Ecke der linksuferigen Felswand abgelenkt, nach rechts gegen die etwa 321 Meter senkrecht über dem rechten Ufer aufragenden Schrofen des Mirocs Planina und des Veliki Strbatz. Diese Stelle bildet den Eingang in den Kazan. Fast mitten vor diesem Wasserthore ragt eine an der Oberfläche abgeplattete Fels- pyramide (»Kaliniki«) hervor. Schiffahrtscanäle. Aus der Gestaltung des Kazan ergiebt sich, daß die Donau, deren durch- schnittliche Breite bis B á zi á s 567 Meter beträgt, in jenem Felsenschlunde plötzlich auf 151 Meter eingeengt wird, wodurch eine beträchtliche Anstauung entstehen muß. Der mit der Schwellung verknüpfte Rückstau äußert seine Wirkung nicht nur auf den Wasserabfluß der Theiß und der Save, sondern beeinflußt auch die Ver- hältnisse in der Kataraktenstrecke, die allerdings derart regelmäßige sind, daß dieser Sachverhalt an der auf Grund der Reliefverhältnisse des Strombettes gegebenen Situation an den einzelnen Katarakten nichts ändert. Dagegen liegt es in der Natur der Sache, daß die Stauung, welche die Donau im Kazan erfährt, gewisser- Fig. 389. Die Prigradabank am »Eisernen Thor« mit dem neuen Schiffahrtscanal. maßen ein Regulativ für die Gestaltung des Schiffahrtsverhältnisses am »Eisernen Thor« ist; denn wäre dem nicht so, d. h. flöße der Strom dort, wo sich das groß- artige Wasserdefil é erstreckt, in einem breiten Bett, so würde der Spiegel des Gesammtstromes weit tiefer zu liegen kommen, und die Riffe am Eisernen Thor ragten demgemäß weit höher empor. Bezüglich der Stromhindernisse an letzterer Oertlichkeit diene Folgendes zur Orientirung: Unterhalb von Neu-Orsova (Ada Kaleh), wo die Donau mit einem rechtwinkeligen Knie nach Südosten abbiegt, erstreckt sich ein Complex von Riffen und Bänken in einer Länge von fast 2000 Meter, doch ist die Gestaltung dieser Felsbarren in den einzelnen Abschnitten eine verschiedene. Zu Beginn dieser Ka- taraktenstrecke hat der Strom eine Breite von etwa 950 Meter, welche sich zuerst Dritter Abschnitt. auf 1137 Meter erweitert, dann aber wieder auf wenig über 600 Meter verengert, verbunden mit einer Senkung des Wasserspiegels um mehr als 2‧5 Meter. Der stromauf gelegene Theil der Barren, welche kreuz und quer das Strombett durch- Fig. 390. Die Brigradabank des »Eisernen Thores« vor der Regulirung, bei kleinstem Wasserstande. (Nach einer Photographie von G. Hutterer in Orsova.) setzen, stellt sich als eine über 300 Meter lange Felsbrücke dar, an welche weiterhin ein Gewirr von Klippen und Riffen anschließt, das den Uebergang zu der unteren, die »Prigrada« genannten Felsbank bildet. Schiffahrtscanäle. Die letztere, welche in schiefer Richtung gegen das rechte Ufer fast die ganze Breite des Strombettes durchsetzt, ist das hervorragendste Hinderniß der Katarakten- strecke. Das Wirrsal der Klippen, welche die Insel Baleni begleiten, wurde bis Fig. 391. Der neue Schiffahrtscanal durch die Prigradabank. (Nach einer Aufnahme von L. Lechner's k. u. k. Hof-Manufactur für Photographie.) zur Regulirung der Schiffahrt umso gefährlicher, als die Wassermassen, welche an der oberen Bank eine ausgiebige Anstauung erfahren, sich in den nur 113 Meter breiten Canal zwischen der Prigrada und einen vom linken Ufer in den Strom Dritter Abschnitt. hineinragenden Felssporn hindurchzwängen, wobei die Geschwindigkeit das erstaun- liche Maximum von 4 ¾ Meter erreicht. Während hier der Strom eine Tiefe von 50 Meter hat, schrumpft dieselbe im stromauf gelegenen Theile des Eisernen Thores bei niedrigem Wasserstand stellenweise auf ⅓ Meter zusammen. Gegenströmungen und Wirbel verschlimmern die Lage ganz wesentlich, und so erklärt es sich, weshalb diese Stromstrecke von altersher berüchtigt war. Selbst die genaueste Kenntniß der Verhältnisse und die größte Vorsicht konnten die Gefahr, welche mit der Beschiffung dieser Strecke verbunden war, nicht gänzlich beseitigen. Die Schiffbarmachung dieses Abschnittes der Kataraktenstrecke bildete daher das Hauptwerk der Regulirung. Hier kam jenes Canalproject zur Ausführung, welches bereits 1874 in Vorschlag gebracht worden war: ein an der serbischen Uferseite in einer sanften Bogenlinie verlaufender Canal, der von nicht überfluth- baren Dämmen eingefaßt ist. Bei einer Strombreite von 80 Meter sollte der Canal eine Tiefe von 2 Meter unter Pegelnull erhalten, doch wurde nachträglich noch 1 Meter hinzugegeben, womit man erreichte, daß Schiffe von 2000 Tonnen Gehalt und einer Tauchung von 2‧5 Meter den Canal passiren können. Die übrigen Zahlen, welche das zur Ausführung gebrachte Project aufweist, weichen ganz er- heblich von den Calculationen der früheren Projectsentwürfe ab. Die Berechnung erhob eine secundliche Wasserführung im Canal von 1000 Cubikmeter bei niedrigem, 2000 Cubikmeter bei mittlerem und 3000 Cubikmeter bei hohem Wasserstande. Die ermittelte Geschwindigkeit ergab 4 bis 5 Meter. Der Canal durchschneidet einen Theil der Felsenbank Prigrada und waren zu dessen Anlage, einschließlich der zwischen dem Eisernen Thore und Orsova herzustellenden Schiffahrtsstraße, Ab- sprengungen von etwa 450.000 Cubikmeter Felsen, sowie die Verbauung von 340.000 Cubikmeter Stein und 250.000 Cubikmeter gemischten Materiales noth- wendig. Nachdem auf gesetzlichem Wege die zur Durchführung der Regulirungsarbeiten erforderlichen 9 Millionen Gulden bewilligt waren, wurde zur Organisirung des Unternehmens geschritten. Die Bauleitung kam in die Hände des Ministerial- beamten E. Wallandt . Hierauf betraute die Regierung den Flußregulirungs- Ingenieur J. Hajdu , den Braunschweiger Maschinenfabrikanten H. Luther und die Berliner Disconto-Gesellschaft mit der Durchführung der Arbeiten und schloß mit letzterer, als Generalunternehmer, am 22. Mai 1890 den entgiltigen Vertrag ab. Als Termin für die Beendigung der ganzen Arbeit wurde Ende 1895 fest- gesetzt. Am 15. September 1890 erfolgte gelegentlich der feierlichen Eröffnung der Arbeiten der erste Sprengschuß am Greben durch den ungarischen Minister G. Baroß . Eine Gedenktafel, welche bei Alibeg, gleich am Beginne der Katarakten- strecke, an der Felswand angebracht wurde, verewigt den denkwürdigen Tag, an welchem dieses großartige hydrotechnische Werk in Angriff genommen wurde. In Folge widriger Verhältnisse verzögerte sich die Fertigstellung um fast dreiviertel Jahre. ... Die eingeschalteten beiden Abbildungen veranschaulichen den Zustand des Excavator mit langer Eimerleitung in Tiefbaggerung arbeitend. Schiffahrtscanäle. Eisernen Thores vor der Regulirung und die Ansicht des Schiffahrtscanales, der durch einen Theil der Prigradabank gesprengt wurde. Bevor wir uns den maritimen Schiffahrtscanälen zuwenden, erscheint es zum besseren Verständnisse des Vorausgegangenen und Nachfolgenden ersprießlich, einen kurzen Ueberblick über jene maschinellen Hilfsmittel zu bieten, welche zur Bewältigung der jeweils gestellten hydrotechnischen Arbeiten erforderlich sind. Maschinelle Hilfsmittel bei Canalbauten. Da die Fristen zur Fertigstellung der großen Erdarbeiten immer kürzer bemessen und die täglich zu fördernden Massen immer höher angesetzt werden, stellt man auch an die Maschinen immer größere Anforderungen, so daß nur beste Con- struction, Verwendung bester und geeignetster Materialien und sorfältigster Aus- führung, verbunden mit sachverständiger Leitung die nöthige Betriebssicherheit und die größte Leistung zu bieten vermögen. Ferner drängen die stets sich schwieriger gestaltenden Arbeiterverhältnisse darauf, überall, wo es nur angeht, die Menschen- kraft durch Maschinenkraft zu ersetzen, um nur von möglichst wenigen Menschen abhängig zu sein. In dieser Erkenntniß sind diese Apparate auch so construirt, daß die Be- dienungsmannschaft auf ein Minimum beschränkt werden kann, indem alle Bewe- gungen der Einzelmechanismen, so weit es angeht, durch Maschinenkraft ausgeführt werden. Ferner sind die Dampfmaschinen der Apparate so eingerichtet, daß sie mit geringem Dampf- beziehungsweise Kohlenverbrauch arbeiten, was bei dem meist durch schwieriges Terrain führenden und dementsprechend kostspieligen Transport des Brennstoffes zur Baggermaschine von großer Bedeutung ist. Die Excavatoren sind durchwegs so construirt, daß sämmtliche Bewegungen durch Maschinenkraft ausgeführt werden, und daß nur eine Dampfmaschine vor- handen ist, mit welcher die einzelnen Mechanismen mittelst Reibungs-Kuppelungen durch einfaches Bewegen eines Steuerhebels in oder außer Eingriff gesetzt werden können. Die Steuerhebel der Mechanismen sind an einem gemeinsamen Ständer vereinigt und werden durch einen Mann, den Baggerführer, gehandhabt, welcher von seinem Standpunkte die Eimerkette, sowie die zu beladenden Wagen beobachten kann. Bei eintretenden Hindernissen können die Bewegungen momentan gehemmt werden. Die Antriebsdampfmaschinen arbeiten mit hohem Druck und starker Expansion, so daß Kohlen- und Wasserverbrauch sich sehr niedrig stellen. Die Maschinen selbst sind einfach und sehr solid gebaut. Die Dampfkessel sind liegende Röhrenkessel mit Innenfeuerung und arbeiten mit 7 ½ bis 8 ½ Atmosphären Ueberdruck. Die Kessel der kleineren Apparate haben ausziehbares Röhrensystem (siehe S. 222), so daß auch bei ihnen gründliche Reinigung ohne Schwierigkeit vorgenommen werden kann. Alle der Abnützung unterworfenen Theile sind aus widerstandsfähigstem Materiale gefertigt, so die Laufräder des Wagens, die Kettenräder, die untere Turasse aus Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 33 Dritter Abschnitt. Stahlguß, die obere Turasse, Ablenkrollen, Eimerrollen, Kettenrollen aus Hartguß, die Eimermesser aus naturhartem Stahl. Die Bolzen sind aus gehärtetem Weich- Fig. 592. Excavator mit kurzer Eimerleiter. kernstahl, die Kettenglieder aus Flußstahl, die Eimer selbst aus Martinstahlblech. Zur Abschwächung der unvermeidlichen schweren Stöße und zur gleichmäßigen Vertheilung des Auflagendruckes sind elastische Mittel in Gestalt von Blatt- und Schiffahrtscanäle. Evolutfedern in der Eimerkette und deren Aufhängung, sowie an den Achsenbüchsen eingeschaltet. Die Leistungsfähigkeit der Excavatoren beträgt je nach ihrer Größe (45, 30 oder 15 Pferdestärken) im leichten und mittelschweren Boden im Durchschnitt 2000, 1500, 750 Cubikmeter pro zehnstündiger Arbeit, variirt jedoch nach Boden- beschaffenheit, Arbeitsweise und Größe des Apparates. Bei der Arbeit in schwer löslichem Boden sind die großen Apparate in Folge ihrer schweren Grabwerk- zeuge, welche den Boden besser fassen, gegenüber den kleineren Apparaten im Vor- zuge, besonders wenn es sich um Baggerung aus der Tiefe handelt. Bei der Seitenentnahme tritt dieser Unterschied weniger hervor, es sei denn, daß schwerer, mit Steinen durchsetzter Boden zu baggern ist. Leicht zu lösender Boden wird natürlich von leichten Apparaten bearbeitet, so daß selbst schwache Apparate, welche für schweren Boden nicht verwendbar sind, große Leistungen aufweisen können. Von besonderem Vortheile sind die Excavatoren bei Bearbeitung schwierigen Bodens und bei Baggerung aus der Tiefe, zumal wenn es nicht möglich ist, die Baugrube trocken zu halten. Der aus der Tiefe und unter Wasser arbeitende Excavator ersetzt den Schwimmbagger und schafft den Boden sofort in den Trans- portwagen, so daß ein Umladen nicht erforderlich ist. Dabei ist die Leistung, trotzdem ein Theil des aufgenommenen Bodens wieder aus den Eimern heraus- gespült wird, immerhin eine bedeutend höhere als beim Schwimmbagger und die Beschaffungs- und Unterhaltungskosten sind weit geringer. Zu erwähnen ist noch, daß die Excavatoren bei der Tiefbaggerung mit langer Leiter und soge- nannten »offenen« Eimern auch klebrigen, an den Eimerwänden anhaftenden Boden mit großem Vortheil bearbeiten. Der nicht freiwillig aus den Eimern fallende Boden wird nämlich beim Uebergange des Eimers über den oberen Turas durch eine dort angebrachte stillstehende Ausschneidevorrichtung von den Eimerwänden gelöst und fällt ohne Schwierigkeit heraus. Als ein weiterer Vortheil der Arbeit mit Trockenbaggern ist hervorzuheben, daß der Betrieb während der Nacht fast ebenso sicher durchzuführen ist, als am Tage. Einige Petroleumfackeln zur Beleuchtung der Eimerkette, welche an der Eimer- leiter angebracht sind, sowie Beleuchtung der Schüttvorrichtung und Abladestelle, genügen vollkommen, um einen dem Tagesbetrieb an Leistung kaum nachstehenden, ja denselben oft übertreffenden Nachtbetrieb einzuführen. Durch Tag- und Nacht- betrieb stellen sich auch die allgemeinen Betriebskosten um ein Bedeutendes geringer, indem die Verzinsung des Anlagecapitals auf die Hälfte reducirt wird und bei doppelter Leistung ein nicht doppelt so großes Bedienungspersonal erforderlich ist (da meist eine Geleiserückcolonne für beide Betriebe genügt, wenn die Arbeitsgeleise die erforderliche Länge haben) und außerdem die allgemeinen Betriebskosten für beide Betriebe die gleichen bleiben. Während alle Excavatoren sowohl mit kurzer Leiter (in den Seitenentnahmen) als mit langer Leiter (bei Tiefbaggerung) arbeiten, ist doch für letztere Arbeits- 33* Dritter Abschnitt. weise, vornehmlich bei großer Baggertiefe und schwerem Boden, dem auf dem Voll- bilde dargestellten Excavator entschieden der Vorzug einzuräumen, da dieser Apparat in Folge seiner Stabilität im Stande ist, eine lange, schwere Eimerleiter und Kette zu tragen und dementsprechend sowohl tief zu baggern, als schweren Boden mit Erfolg zu bearbeiten. Die große Stabilität des Apparates ist dadurch erzielt, daß alle schweren Theile (Kessel, Dampfmaschine, Wasserreservoire, Transmissionen ꝛc.) als wirksames Gegengewicht gegen die frei herausstehende Eimerleiter benützt und möglichst weit nach rückwärts verlegt sind, indem das Wagengestell über den Kipp- wagenzug hinweggebaut ist und sich jenseits des letzteren nochmals auf die Geleise stützt. Die Durchfahrtsöffnung für den Kippwagenzug gestattet nicht nur Eisenbahn- wagen mit normalem Profil, sondern auch zehnpferdigen Locomotiven die Durch- fahrt. Naturgemäß empfehlen sich die schweren, tiefbaggernden Apparate am meisten für große Unternehmungen, wo es gilt, bedeutende Massen zu bewältigen und wo ein gut organisirtes Beförderungswesen eingeführt ist. Ist bei Ausführung längerer Canalstrecken die Anordnung getroffen, daß der gebaggerte Boden seitlich als Damm aufgeschüttet werden soll, so geschieht das Seitwärts- transportiren und Aufschütten vortheilhaft durch automatisch arbeitende Vorrichtungen, sogenannte Transporteure . Der Transporteur wird mit dem Excavator gekuppelt und macht dessen Bewegungen auf dem Geleise mit, während ihm eine gewisse Beweglichkeit und Unabhängigkeit vom Excavator gelassen wird. Als Transport- element dient das Band ohne Ende, welches, über horizontale Rollen laufend und durch Rollen unterstützt, auf seinem oberen nach außen laufenden Trieur den Boden hinausschafft und ihn beim Uebergange über die äußere Spannrolle abwirft. Als einzig brauchbares Material für das Transportband hat sich Gummi mit Leinen- oder Baumwolleneinlage bewährt, und zwar hauptsächlich bei Förderung nichtklebrigen Bodens, z. B. Sand. Das Transportband mit seinen Rollen ist in einem kastenförmigen Fachwerkträger untergebracht, der sich auf zwei Wagen stützt, von denen der eine mit dem Excavator in Verbindung steht, während der andere auf einem in gewisser Entfernung parallelliegenden Geleise fährt und durch Dampfkraft bewegt wird. Der vom Excavator geförderte Boden fällt auf eine Vertheilungsvorrichtung, welche ihn dem eigentlichen Transportbande zuführt, und zwar derart, daß er auf letzterem in gleichmäßig dünner Schicht vertheilt ist. Diese Transportvorrichtung ist mit Vortheil da verwendbar, wo die Ab- lagerung sich nicht in genau vorgeschriebenen Formen halten muß und wo geeigneter Boden zu befördern ist. Für Beförderung klebrigen und mit Steinen durchsetzten Bodens und für Aufschüttungen, welche genau vorgeschriebene Querschnitte haben sollen, empfiehlt sich eine von der Lübecker Maschinenbau-Gesellschaft con- struirte Transportvorrichtung, bei welcher als Transportelement geschlossene Kipp- wagen verwendet werden, welche auf übereinanderliegenden Geleisen in einem kastenförmigen Fachwerkträger fahren und den Boden automatisch an jeder beliebigen Stelle ihres Horizontaltransportes abwerfen können. Diese Anordnung hat den Schiffahrtscanäle. weiteren Vortheil, daß der Boden an die seiner Beschaffenheit nach geeignetste Stelle Fig. 393. Excavator mit Transporteur. der Aufschüttung abgelagert werden kann, was vornehmlich dann mit Nutzen ge- schieht, wenn es gilt, wasserdichte Dämme herzustellen. Der Kippwagen entleert Dritter Abschnitt. nämlich seinen gesammten Inhalt in starkem, zusammenhängendem Strome auf einer Stelle, so daß der Boden sich sehr fest legt und wenig Nachhilfe bedarf, um dicht zu werden. Die Fig. 393 und 394 zeigen die Anordnung eines Trans- porteurs in Verbindung mit einem Excavator. Sämmtliche Bewegungen, mit Ausschluß der Handhabung der Schüttklappe zum Beladen der Wagen, erfolgen durch Maschinenkraft; desgleichen wird der in jeder beliebigen Entfernung und Höhenlage aufzustellende Unterstützungswagen durch die allgemeine Antriebsdampfmaschine mittelst einer Transmission in Bewegung gesetzt, bedarf also keines eigenen Motors, somit auch keiner Bedienungsmannschaft. Zur Ausführung kleinerer Canäle, beziehungsweise Gräben mit seitlicher Aufschüttung des Bodens, eignet sich eine Construction, bei welcher die Eimerkette so weit über den Apparat herausragt, daß eine eigene Vorrichtung zum Weiter- transport des Bodens nicht erforderlich ist. Der Apparat stellt den Canal fertig her mit ebener Sohle, letzteres durch Anwendung der oben erwähnten zwei Turasse. Ist eine Hälfte des Canals vollendet, so kommt der Apparat aufs jenseitige Ufer und hebt die zweite Hälfte auf dieselbe Weise aus. Zum Befördern des gebaggerten Bodens werden zumeist Seitenkippwagen verwendet, welche in Deutschland gewöhnlich 90 Centimeter Spur haben und 3 bis 3 ½ Cubikmeter Boden fassen können. Es werden in der Regel Züge von 30 Wagen mit etwa 100 Cubikmeter Ladung befördert, und zwar durch Locomotiven von 120 bis 150 Pferdekraft. Als Locomotiven empfehlen sich schwere, niedrig gebaute, weil dieselben das Geleise weniger ruiniren und der Gefahr des Entgleisens weniger ausgesetzt sind als hochgebaute. Starke Locomotiven und große Kippwagen geben das beste Resultat in der Gesammtleistung, da das Fortschaffen der Züge und damit die Unterbrechung der Arbeit seltener wird. Da jedoch die Aufschüttungen auf nachgiebigem Boden liegen und auch der frisch aufgeschüttete Boden wenig Tragfähigkeit besitzt, verursachen schwere Wagen und Locomotiven mehr Schwierigkeit bei der Instandhaltung der Kippe und der Transportgeleise. Die Geleiseanordnung muß mit genauer Ueberlegung und nach einem vorher bestimmten Arbeitsplan durchgeführt werden, und ist vornehmlich auf die Anlage der Ausweichgeleise für den vollen und den leeren Zug Rücksicht zu nehmen, da die Leistung des ganzen Betriebes zum großen Theil auf rationeller Arbeits- disposition basirt. Nicht weniger Aufmerksamkeit ist dem Kippgeleise zuzuwenden, da es auch hierbei nicht gleichgiltig ist, wie die Bodenablagerung fortschreitet. Außer guter Geleiseanordnung und Arbeitsdisposition ist strengste Pünktlichkeit und sorgfältigste Ausnützung der Zeit von großer Bedeutung. Neben den Baggern mit Eimerleiter finden auch sogenannte Löffelbagger Verwendung. Hier besteht die Baggervorrichtung aus einer Art Löffel mit ¾ bis 2 Cubikmeter Rauminhalt, der sich in das Erdreich eingräbt und dabei füllt. Der Löffel hängt an dem einen Ende eines Hebels, welcher seinerseits durch einen Krahn unterstützt wird. Die Vorrichtung ist nach allen Seiten drehbar. Hat sich der Löffel Schiffahrtscanäle. durch Arbeiten von unten nach oben gefüllt, so dreht man den Krahn und schüttet Fig. 394. Excavator mit Transporteur. das Baggergut in bereitstehende Wagen. Alsdann bringt man den Krahn in die frühere Lage, wobei der Löffel heruntergelassen wird. Dritter Abschnitt. Unter gewissen Umständen können Trockenbagger nicht verwendet werden, und es treten an ihre Stelle die Naß - oder Schwimmbagger . Sie finden vor- nehmlich bei Anlage von maritimen Canälen, ferner bei Instandhaltungsarbeiten, auch in Häfen Verwendung. Dem Principe nach gleichen sie ganz den Trocken- baggern, nur mit dem Unterschiede, daß hier der Apparat auf einem Krahne oder Ponton montirt ist. Die Naßbagger werden in der Regel von einem Dampfer an Ort und Stelle geschleppt und es wird das Vorrücken des Krahnes mittelst eines Ankers und einer Kette bewerkstelligt. Das allgemeine Vorrücken des Baggers ist, wie begreiflich, unbedingt erforderlich, sonst würden die Eimer stets auf dieselbe Stelle treffen und lediglich eine schmale und entsprechend tiefe Rinne graben, während es meist gilt, Sand- und Schlammbänke zu beseitigen. Fig. 395. Naßbagger. Bei den Naßbaggern fällt das Baggergut in bereitstehende Pontons. Damit die Eimer nicht auch zugleich unnöthigerweise viel Wasser heraufschaffen und in die Pontons ergießen, sind sie mit schmalen Oeffnungen versehen, durch welche das meiste Wasser bereits vor dem Kipppunkte herausgeflossen ist. Es kommt aber auch vor, daß man den ausgebaggerten Schlamm nicht an der Baggerstelle ab- laden kann oder will, sondern weit wegschaffen muß. In diesem Falle empfiehlt es sich, das geschöpfte Wasser nicht abzulassen, sondern zur Fortschaffung des Schlammes zu verwenden. Das Baggergut gelangt in diesem Falle aus den Eimern in einen Bottich, in welchem man es nothwendigen Falles noch dünnflüssiger macht, und von hier aus in Röhren, die zur Abladestelle führen. Ist ein genügendes Gefälle nicht vorhanden, so drücken Pumpen die Schlammmassen durch die Röhren. In Amerika kommen Bagger zur Verwendung, welche an den Rachen mancher Thiere aus den Tiefen des Oceans erinnern. Die Baggervorrichtung besteht aus Schiffahrtscanäle. zwei halbkugelförmigen Löffeln, welche an einem Krahn angehängt sind. In der Tiefe angelangt, öffnen sich die Löffel, fassen Erdreich oder Steine und schließen sich sofort wieder, worauf man sie hochzieht. Diese Vorrichtung wird jedoch weniger Fig. 396. Schwimmbagger bei den Regulirungsarbeiten an der Kataraktenstrecke der Donau. zum eigentlichen Baggern, als zum Heraufholen von gesprengten Felsstücken aus dem Wasser verwendet. Die Naßbagger, sofern sie zur Instandhaltung des Hafengrundes verwendet werden, können ihrer Aufgabe nicht unter allen Umständen gerecht werden, zumal dort, wo seichtes Hafenwasser die Schwierigkeit, den angeschwemmten Sand und Dritter Abschnitt. Schlamm zu entfernen, ganz wesentlich erhöht. In einer solchen Lage befand sich beispielsweise bis vor Kurzem die Hafenstadt Liverpool. Hier mußten die großen Dampfer weit von der Landungsstelle vor Anker gehen und vermittelten zwischen beiden kleinere Fahrzeuge den Personen- und Gütertransport. Aus diesem Grunde entschloß sich das Liverpooler Handels- und Hafenamt — The Liverpool and Mersey Dock and Harbour Board — eine Vertiefung des Hafenwassers durch Anlage einer canalförmigen Fahrrinne bewerkstelligen zu lassen. Durch diese Rinne können Schiffe größten Tiefganges bis an die Quais gelangen und sich hier ver- täuen. Von einer völligen Ausbaggerung des Hafengrundes schreckte man von vorneherein, der ungeheueren Kosten wegen, zurück. Die Baggerarbeiten im Liverpooler Hafen erfolgten nach den Vorschlägen des bekannten amerikanischen Ingenieurs B. Eads . Die Verhältnisse lagen so, daß die herzustellende Rinne um circa 3 Meter vertieft werden mußte, um sie auch zur Zeit der Ebbe fahrbar zu erhalten. Der Liverpooler Hafen ist ein flaschen- förmiges Becken, mit einer engen Ausmündung in die See, und durch diesen schmalen Canal strömen binnen 24 Stunden in Folge des Wechsels von Ebbe und Fluth nicht weniger als 400 Millionen Cubikmeter Wasser aus und ein. Der Bau der Rinne wurde mit Versuchsbaggern eingeleitet, um die genaue Erforschung des Hafengrundes in Bezug auf seine Form und das Material zu erzielen. Für die eigentliche Arbeit wurden speciell für diesen Zweck gebaute riesige Baggerschiffe , von den Dimen- sionen der größten Oceandampfer, in Dienst gestellt. Die Schiffe sind 100 Meter lang, 15 ¾ Meter breit und haben einen Tiefgang von 7 Meter. Das Saugrohr der Baggervorrichtung, welches ein Gemisch von aufgerissenem Sand und Schlamm, mit Wasser untermengt, ist 25 Meter lang und hat einen inneren Durchmesser von 1‧2 Meter. Der gehobene Brei wird in mehrere im Kielraume des Baggerschiffes befindliche Bunker von zusammen 3000 Tonnen Fassungsraum abgelagert. Stündlich werden 2000 Cubikmeter aus einer Tiefe von 16 Meter gehoben. Die Pumpanlagen bestehen aus zwei mächtigen Centrifugalpumpen mit je 2 Meter im Durchmesser und circa 150 Umdrehungen in der Minute. Von jeder Pumpe läuft ein 90 Centimeter weites Rohr aus Stahlblech zu dem erwähnten Hauptsaugrohre, das in einem Zapfenlager drehbar eingelagert ist, so daß selbst bei hohem Seegange keine störende Erschütterung eintreten kann. Sobald durch das Saugrohr die Bunkers — acht an der Zahl — mit Baggergut gefüllt sind, stoppen die Pumpen und das Wasser fließt durch Luken über Bord (Fig. 397). Hierdurch wird das gehobene Gut zu einer compacten Masse, das Saugrohr wird mittelst einer Hebevorrichtung gehoben, das Schiff lichtet die Anker und fährt in die offene See, wo es das Baggergut auswirft. Dies geschieht wie folgt: Im Boden eines jeden Bunkers befindet sich eine kreisförmige Oeffnung von 1‧3 Meter Durchmesser, in welche eine gleich große Röhre eingesetzt ist und sich durch eine Vorrichtung verschieben läßt. Beim Entleeren des Bunkers wird das Rohr gehoben, die Oeffnung somit freigemacht und das Baggermaterial stürzt ins Meer. Um die Entleerung Schiffahrtscanäle zu beschleunigen, wird Wasser aus einer Pumpe in den Bunker eingelassen und dieser gänzlich ausgeschwemmt. Zu dieser Arbeit ist der unglaublich kurze Zeit- aufwand von fünf Mi- Fig. 397. Das Baggerschiff »Branker« bei der Arbeit; in der Mitte Abfluß des Wassers aus den mit dem Baggermateriale gefüllten Bunkern. nuten für eine Masse von 3000 Tonnen nothwendig. Erwähnt sei noch, daß jede Pumpe circa 750 Pferdestärken entwickelt. Die Gesammtleistung eines dieser Baggerschiffe bezifferte sich während der ganzen Dauer der Arbeit auf 27‧3 Millionen Tonnen oder 12 Millionen Cubikmeter Baggergut, das auf 6 Kilometer Entfernung verführt wurde. Der Canal hat eine Länge von zwei Kilometer. Zur Versiche- rung des Baggerschiffes, das während der Arbeit nicht schwanken darf, dienen am Bug und Achter mächtige Anker, welche mit Dampfcapstans und Winden gehoben werden. Als Motoren dienen kräftige Schiffs- maschinen, welche Zwil- lingsschrauben antreiben und dem Schiffe eine Ge- schwindigkeit von 15 Knoten verleihen. Gelegentlich der Re- gulirung des Eisernen Thores sind verschieden- artige Arbeitsmaschinen in Anwendung gekommen, die vorher entweder gar nicht vorhanden oder kaum bekannt waren. Da war zunächst das Sondirschiff , dessen sinnreiche Construction in rascher und zuverlässiger Weise die Reliefverhältnisse des zu bearbeitenden Dritter Abschnitt. Felsbodens des Strombettes gestattete (Fig. 399). War dies geschehen, so trat das Bohrschiff (Fig. 400) in Action, dessen 8 bis 10 Tonnen schwere, Fig. 398. Das Baggerschiff »Branker«. Ansicht eines Theiles vom Deck mit Bunkern und hydraulischen Hebemaschinen zur Entleerung derselben. eiserne, mit Stahlspitzen versehene Meißel das harte Gestein mit unhemmbarer Gewalt bearbeiteten. Das Sondirschiff besteht im Wesentlichen aus zwei gekuppelten eisernen Pontons, in deren Mitte je ein ungefähr 10 Meter langer Schlitz zum Durchstecken von Sondirstangen angebracht ist. Eine beide Pontons überdeckende Schiffahrtscanäle. 20 Meter lange, 10 Meter breite Brücke hat im vorderen 9 Meter langen Theile 10 Reihen zu 11 untereinander 1 Meter entfernte Löcher zum Durchstecken der Sondirstangen, so daß von einer Schiffsstellung auf 90 Quadratmeter des Fluß- Fig. 399. Sondirschiff. grundes 110 Sonden genommen werden können. Dem Sondiren mit einem solchen Schiffe haftet der Mangel an, daß die auf den Wasserspiegel bezogenen Ablesungen der Tiefenc ô ten durch die Strömung und den Wellenschlag in empfindlicher Weise Dritter Abschnitt. alterirt werden. Man hat daher bei den Regulirungsarbeiten am Eisernen Thor das zuerst in Gebrauch genommene Sondirschiff durch ein anderes ersetzt, bei welchem die Fehlerquellen beim Ablesen der Tiefenc ô ten vor und nach der Sprengung dadurch vermieden werden, daß dieselben nicht auf den Wasserspiegel, sondern auf die am Decke des Schiffes vorher genau ermittelte Seehöhe bezogen werden. Ein anderes maschinelles Hilfsmittel bei den Regulirungsarbeiten am Eisernen Thor war die Thunhart'sche Felsenbrechmaschine . Es ist dies ein mächtiges Fig. 400. Bohrfloß zur Regulirung der Stromhindernisse in der Kataraktenstrecke. eisernes Schiff von 35 Meter Länge, 6‧5 Meter Breite und 2‧5 Meter Höhe, in dessen Längsrichtung sechs Caissons derart eingefügt sind, daß sie mittelst hydraulischer Vorrichtungen gehoben und gesenkt werden können. In jedem der Caissons ist ein Bohrmechanismus untergebracht, der aus einem Dampfhammer und einem mit vorstehenden Kreuzschneiden versehenen Gußstahlmeißel besteht. Der letztere wird vom Dampfhammer angetrieben und beträgt die Anzahl der Schläge pro Minute 100 bis 150. ... Das zur Verwendung gelangte Thunhart 'sche Felsenbrechschiff unterschied sich von dem vorbeschriebenen Urprojecte wesentlich dadurch, daß es viel kleiner dimensionirt war, von den zwei seitlichen Führungspontons Abstand nahm und nur einen Caisson mit dem entsprechenden Bohrmechanismus aufwies. Von Schiffahrtscanäle. einigen Gebrechen in der Montage abgesehen, arbeitete diese Maschine mit über- raschend günstigem Erfolge. Ein zweite Offertausschreibung brachte unter Anderem einen mächtigen Bohr- apparat, das Felsbohrschiff von Thunhart und Könyves-T ó th . Es stellt Fig. 401. Felsenbrechschiff. sich als ein groß dimensionirtes Fahrzeug von 55 Meter Länge, 8 Meter Breite dar und hat einen Tiefgang von 1‧3 Meter. Charakteristisch für dieses schwere Bohrschiff sind auch hier die in der Längsrichtung desselben eingehängten Caissons — fünf an der Zahl — deren jeder in zwei übereinanderliegenden Räumen ein- Dritter Abschnitt. getheilt ist. Die Auf- und Abwärtsbewegung der Caissons geschieht durch hydrau- lischen Druck, mittelst welchem auch das 10 Tonnen betragende Gewicht des Bohr- gestelles ausbalancirt wird. Nach dem Versenken eines jeden Caissons wird aus demselben durch comprimirte Luft alles Wasser aus dem Arbeitsraume verdrängt, sodann werden die Füße des Bohrgestelles bis auf den Flußgrund vorgeschoben, was durch deren eigene Schwere bewerkstelligt wird. Durch eine sinnreiche Anordnung bleibt das Bohrgestell von den Schwan- kungen des Schiffes unberührt. Letzteres findet in seiner durch das Fließwasser verursachten Auf- und Abwärtsbewegung an je einer eisernen Pilote am Vorder- und Hinterrande des Schiffes Führung. Gegen Schwankungen in horizontaler Richtung kann das Bohrschiff mittelst Ketten derart versteift werden, daß die Bohr- arbeit keine Beeinträchtigung erfährt. Da jeder der 5 Caissons 4 Bohrmaschinen hat, werden in einer Schiffsstellung 20 Bohrlöcher hergestellt. Hierauf rückt das Schiff um 30 Meter vor und folgt die Herstellung der nächsten 20 Bohrlöcher. Der Vorgang wiederholt sich durch Seitwärtsrücken, sodann durch successives Vor- rücken um 30 Meter, so daß sich im Ganzen fast 800 Bohrlöcher ergeben. Von fachmännischer Seite ist diese Vielzahl als ein Uebelstand hervorgehoben worden, da zur Zündung der Bohrlöcher eine ungefähr 4000 Meter lange Leitung mit mindestens 1200 wasserdichten Verbindungen — durch mehrere Stunden im reißen- den Wasser belassen — nothwendig ist, deren tadellose Functionirung unter solchen Umständen sehr fraglich ist. Das Felsbohrschiff , System Titze , hat nur einen einzigen großen Caisson, und beruht das hier vertretene Princip auf der beim Bau der Brückenpfeiler an- gewendeten sogenannten hydraulischen Fundirungsmethode (vgl. Seite 353). Der Arbeitsraum befindet sich mittschiffs, ist 5 Meter lang, 2‧5 Meter breit und mit einem Mannloch zum Einsteigen der Arbeiter versehen. Der Arbeitsschacht kann durch offene Kästen, welche unten angeschraubt werden, für Bohrungen in größeren Tiefen als 1‧5 Meter entsprechend verlängert werden, zu welchem Ende das ganze Bohrschiff mittelst Krahn gehoben werden muß. Vier durch den Arbeits- raum reichende, in Schraubengängen auf- und abbewegliche Füße mit Kugelansätzen, sowie weitere vier Füße an den Bordwänden gestatten eine entsprechend stabile Festigung des Ganzen, behufs ungestörter Bohrarbeit. Das Herabsenken des Schiffes bis zu der nothwendigen Tiefe erfolgt dadurch, daß in sechs luftdicht verschlossenen Kammern mittelst Bodenventilen Wasser eingelassen wird. Durch Einpressen com- primirter Luft erfolgt das Emporheben des ganzen Schiffes. Das Bohrschiff von J. Kuppis , nach englischem System, hat zur Voraus- setzung, daß in beträchtlicher Tiefe (bis 5 Meter) unter Wasser anstandslos gebohrt werden könne. In diesem Falle kann der Bohrer nicht, wie bei anderen Systemen, von einem fortwährend schwankenden Schiffe aus arbeiten, sondern muß stabil auf dem Felsen selbst aufruhen. Eigenthümlich an dem Kuppis'schen Apparate ist eine Luftcompressionsmaschine, welche durch seitlich an dem Schiffe angebrachte unter- Schiffahrtscanäle. schächtige Wasserräder betrieben wird. Diese Luftcompressionsanlage bewegt den Bohrapparat, welcher mit einem Senk- und Hebegerüste in Verbindung steht, das in einer cylindrischen Oeffnung im Vordertheile des Schiffes hinabgelassen oder heraufgehoben werden kann. Der Bohrapparat ruht auf einem Dreifuß, welcher jederzeit eine stabile Aufstellung auf den Flußgrund ermöglicht. Dieser Dreifuß trägt die auf einem Rahmen anmontirten Bohrapparate, dann die Mechanismen, welche die Bohrer nach Bedarf verschieben und die Patronen in die fertigen Bohr- Fig. 402. Amerikanisches Bohrschiff. löcher einführen. Sehr ingeniös ist ferner eine automatische Auslösung erdacht, vermöge welcher verhindert wird, daß die Spannung im Luftreservoir den Druck von 5 Atmosphären überschreite. Mit Hinzutritt der Function eines Ventils kommen die Wasserräder automatisch außer Verbindung mit der Compressionsmaschine, wenn die zulässige Spannung überschritten wird, und setzen sich ebenso wieder automatisch in Verbindung, wenn der Druck im Compressor nachgelassen hat. Das amerikanische Bohrschiff (Fig. 402) beruht im Wesentlichen auf der Anwendung eines Bohrgerüstes, das in Form einer Brücke auf zwei parallel gestellten Pontons aufruht. Die Brücke ist beweglich eingerichtet, so daß an einem und demselben Aufstellungsorte Bohrlöcher in parallelen Reihen hergestellt werden können. Um das Bohrschiff zu stabilisiren, d.h. die durch die Bewegung des Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 34 Dritter Abschnitt. Wassers hervorgerufenen Schwankungen zu beseitigen, werden die beiden Pontons auf Füße gestellt, welche, durch Zahnstangen oder andere Vorrichtungen in die gehörige Lage gebracht, das Heben und Senken des Pontons ermöglichen. Die Füße bewegen sich entweder im Innern der Pontons — in abgedichteten Schächten — oder bordseits in Ringen. Die Füße haben starke Schuhe aus Gußstahl, die sich vermöge der großen Last, welche die Füße zu tragen haben, fest in den Felsen eindrücken. Die Bohrer können ebenso als Rotationsbohrer wie als Percussions- bohrer verwendet werden, und besteht der separat armirte Bohrkopf dementsprechend Fig. 403. Der Suezcanal. (Schleusenwerk am Süßwassercanal.) entweder aus einem Stahlbohrer, einem Kreuzbohrer aus schwarzen Diamanten oder aus einem Bohrmeißel. Die maritimen Schiffahrtscanäle. Die Reihe der großen Canalbauten, welche ausschließlich dem Seeverkehre dienen, eröffnete der Durchstich der Landenge von Suez . Da seine Vorgeschichte und Durchführung einer bereits entlegeneren Zeit angehört, wollen wir uns mit diesem Unternehmen kurz fassen. Man weiß, daß sein Urheber — Ferdinand v. Lesseps — die Idee eines solchen Durchstiches schon in den Vierzigerjahren Schiffahrtscanäle. aufgriff, aber auf großen Widerstand stieß, namentlich seitens Englands (das nachmals den größten Nutzen aus dem Canal zog), bis es ihm gelang, von dem damaligen Vicekönig von Aegypten, Said Pascha, im Jahre 1854 die Concession zu dem Riesenunternehmen zu erhalten. Daraufhin gründete Lesseps die Compagnie universelle du canal maritime de Suez . Es wurde zunächst eine Summe von 200 Millionen Francs in 400.000 Actien ( à 500 Francs) gezeichnet, eine Summe, die sich nachmals als Fig. 404. Das Nil-Delta. Oestliche Hälfte mit Kairo und dem Suezcanal. unzulänglich erwies und namhaft erhöht werden mußte. Den ersten größten Bauzuschuß erhielt die Gesellschaft in Folge einer merkwürdigen Verkettung von Umständen. Said Pascha hatte nämlich der Gesellschaft 63.000 Hektar Ländereien überlassen und sich überdies zur Bei- stellung von 20.000 Frohnarbeitern verpflich- tet. Als aber die Arbeiten ihren Anfang genommen hatten (seit 1859), war die Unternehmung sehr ent- täuscht von der Leistungs- fähigkeit der arabischen Arbeiter. Da überdies Lord Palmerston im In- teresse der Humanität gegen diese Ausnützung von Sclavenhänden seitens europäischer Unternehmer protestirte, lenkte die Ge- sellschaft ein und zeigte sich zu einer entsprechenden Abänderung der früheren Bedingungen bereit. Sie erfolgte im Jahre 1863, als der neue Vicekönig Ismail Pascha sich ins Mittel gelegt hatte. Es schien ihm zunächst ein arger Mißgriff gewesen zu sein, daß man der Gesellschaft 63.000 Hektar Land abgetreten hatte, da sie thatsächlich höchstens 3000 zur Anlage des Canals benöthigte. Die Gesellschaft willigte in die Forderung des Vicekönigs, forderte aber allein für den Nachlaß der Frohnarbeit 54 Millionen Francs. Die Gesammtentschädigung ging noch viel höher, denn sie 34* Dritter Abschnitt. betrug 84 Millionen Francs. Kaiser Napoleon I. , den man zum Schiedsrichter gewählt hatte, verurtheilte den Vicekönig zur Zahlung dieser Summe. Trotzdem mußte das Baucapital noch zweimal erhöht werden, in den Jahren 1867 bis 1868 durch ein Anlehen in der Höhe von 100 Millionen Francs, und im Jahre 1871 durch ein solches von 20 Millionen. Die Gesammtkosten für Bau und erste Ein- richtung beliefen sich mit Ende 1876 auf rund 472 Millionen Francs. Das ur- sprüngliche Präliminare war also um erheblich mehr als das doppelte überschritten. Gleichzeitig mit dem Beginne der Arbeiten am Canal schritt man zur Anlage des Süßwassercanales, ohne dessen Existenz das Unternehmen unmöglich gewesen Fig. 405. Port Said. Die rechte (östliche) Seite des Menzahleh-Sees ist trocken gelegt. Fig. 406. Sues. Die Schraffirung zeigt die Ausdehnung des Meeres zur Fluthzeit. wäre. Die Eröffnung dieses Canals, der das erforderliche Trinkwasser zuführte, erfolgte zu Beginn des Jahres 1864. Seine Länge beträgt 187‧5 Kilometer, seine Breite 15 Meter; die Tiefe schwankt je nach dem Wasserstande des Nils zwischen 1‧5 und 2‧5 Meter. Da der Spiegel des Nils an der Einmündung in den Canal bei seinem niedrigsten Wasserstande 11 Meter, bei Hochwasser 20 Meter über dem mittleren Spiegel des Rothen Meeres liegt, mußte der Wasserlauf innerhalb des Canals durch eine Reihe von Schleusen regulirt werden. Der erste Spatenstich an den Canalarbeiten erfolgte am 25. April 1859 zu Port Said. Von den Schwierigkeiten des Unternehmens wird man sich eine Vor- stellung machen, wenn man das Klima und den Wüstenboden in Betracht zieht und gleichzeitig berücksichtigt, daß alles Material, alle Werkzeuge, Maschinen, Kohlen, Eisen, Holz aus Europa beschafft werden mußte; daß circa 25.000 Arbeiter Schiffahrtscanäle. zu verpflegen, mit Kleidung und Obdach u. s. w. zu versehen waren. Hierzu gesellen sich noch politische Schwierigkeiten, Epidemien unter den Arbeitern und sonstige Hindernisse. Den Mittelpunkt der Arbeiten im Hafen von Port Said bildete die große Maschinenwerkstatt der Firma Borel , Lavalley u. Co ., welche die Aus- tiefung des Canals übernommen hatte. Sie besorgte auch die Zusammenstellung und Reparatur aller aus Frankreich und Aegypten gebrachten Bagger, Dampfer, Elevatoren und sonstigen Maschinen. Um einen Begriff von dieser großartigen Werkstätte zu erhalten, muß man wissen, daß die genannte Firma im Jahre 1868 außer 12.000 Menschen noch 10.000 Pferdekräfte Dampf mit einem täglichen Verbrauch von 600.000 Kilogramm Kohlen verwendete, die sich auf 10 mechanische Zermalmer, 4 Hand-Bagger, 18 kleine und 58 große Baggermaschinen, 30 Schütt- dampfschiffe mit Plätten, 79 Schüttdampfschiffe mit Grundklappen, 68 Elevatoren, 90 Barken mit Schüttkisten, 30 Dampfwidder, 15 Dampfbarken, 60 Locomobilen, 15 Locomotiven, 20 Dampferdheber für trockenen und nassen Boden, 1800 Erd- wagen, 25 Dampfcanots und Remorquers und 200 eiserne Barken vertheilten. Sie alle, sowie noch zahlreiche kleinere Geräthe waren aus jener Maschinenwerk- stätte hervorgegangen. ... Ein anderes hochwichtiges Etablissement zu Port Said war die Steinfabrik der Gebrüder Dussaud , in welcher jene riesigen künstlichen Steinblöcke erzeugt wurden, die zur Herstellung der Moli dienten. Jeder dieser Blöcke (aus Wüstensand und hydraulischem Kalk) maß 10 Cubikmeter, wog 20.000 Kilogramm und kostete ungefähr 300 Francs. Die Eröffnung des Suezcanals erfolgte am 16. November 1869, und sollen die hierbei vom Khedive veranstalteten Festlichkeiten die enorme Summe von rund 100 Millionen Francs verschlungen haben. Die Richtung des Canals ist vom Mittelmeer bis zu dem Ballahsee genau südlich, wobei er den Ostrand des zum Theil trockengelegten Menzalehsees streift. Sodann passirt er den schmäleren südlichen Theil des Ballahsees und zieht, nach einer östlichen Ausbiegung, durch die höchste Erhebung (16 Meter) von El Gisr nach dem Timsahsee. An der Südseite dieses Sees setzt sich der Canal in südöstlicher Richtung zu den Bitterseen fort. Letztere bestehen aus einem großen und einem kleinen Bassin. Nachdem der Canal das letztere durchquert hat, hält er bis zu seiner Einmündung in den Meerbusen von Suez bei Port Ibrahim wieder eine ausgesprochen südliche Richtung ein. Ueber die Navigationseinrichtungen am Canal finden wir in Lindemann 's »Geschichte und Handbuch des Norddeutschen Lloyd« folgende interessante Daten: Die Länge des Suezcanals beträgt vom großen Feuerthurme zu Port Said bis zu seinem Ende in Suez 161 Kilometer (87 Seemeilen), die größte Breite am Wasserspiegel ist 58—100 Meter, die Breite an der Sohle 22 Meter. Die Entfernungen sind auf schwarzen Tafeln an den Canalufern bezeichnet, und zwar auf der einen Seite in Seemeilen, auf der anderen in Kilometern von ⅒ zu ⅒. Die größte Fahr- geschwindigkeit im Canal darf 10 Kilometer (5 ⅓ Seemeilen) in der Stunde nicht überschreiten; in den Bitterseen darf jedoch mit voller Kraft gefahren werden. Bei Dritter Abschnitt. elektrischem Licht mittelst eines vorn am Steven befestigten Scheinwerfers geht die Fahrt bei Nacht ebensogut von Statten wie bei Tage, wo das Sonnenlicht oft blendet. Der Norddeutsche Lloyd hat für seine Schiffe zwischen Port Said und Suez zwei derartige Apparate in beständigem Gebrauch, ein von ihm angestellter Elektriker hat dafür zu sorgen, daß diese Apparate jederzeit in gehörigem Zustande erhalten und sachgemäß bedient werden. Seitdem es den Schiffen gestattet ist, den Canal mit Benützung des elektrischen Lichtes auch Nachts zu durchfahren, benützt eine stets wachsende Zahl Dampfer diese Einrichtung, da sie damit viel Zeit ge- winnen. Das erste Schiff, dem die Canal-Compagnie gestattete, von Suez aus mit elektrischem Scheinwerfer in den Canal einzufahren (11. März 1887), war der norddeutsche Lloyddampfer »Salier«. Fig. 407. Dampfer mit elektrischem Scheinwerfer auf der Fahrt durch den Suezcanal. Der über der Wasser- fläche befestigte Schein- werfer muß auf 1200 Meter das Fahrwasser hell erleuchten, damit die Bogen ausgemacht wer- den können. Erhält das bei Nacht in Fahrt be- griffene Schiff von einer Station das Signal »Fest zu machen«, so wird der Scheinwerfer sofort außer Thätigkeit gesetzt und ein elektrisches Bogenlicht, in der Regel in der Mitte des Schiffes, etwa 13 Meter über Deck, befestigt, in Wirksamkeit gesetzt. Es muß auf 200 Meter Ufer und Schiff tageshell erleuchten, damit die Leute an Land die zur Befestigung des Schiffes eingemauerten Pfähle ohne Mühe und Zeitverlust finden können. Da nicht alle Schiffe mit elektrischen Beleuchtungsanlagen ausgerüstet sind, welche ihnen die Erfüllung der vorstehend erwähnten Bedingungen ermöglichen, wurde von der Brush-Gesellschaft ein mobiler Beleuchtungsapparat zusammen- gestellt, welcher den Schiffern für die Dauer der Durchfahrt gegen eine Vergütung von 10 Pfund Sterling leihweise überlassen wird. Der Apparat besteht aus einer schnelllaufenden Dampfmaschine (von Brotherhood), die mit der Lichtmaschine direct gekuppelt ist. Letztere giebt bei 600 Umdrehungen 65 Volt und 70 Amp è re, welche zur Speisung des 12.000 Kerzen starken Suchers und der nur zeitweise brennenden 6000 Kerzen starken Lampe auf dem Maste dienen. Das Sucherlicht (Fig. 408) ist in einem Projectionsapparate eingeschlossen, in welchem ein Reflector die Licht- Schiffahrtscanäle. strahlen parallel macht und auf ein Linsen- und Prismensystem wirft, dessen Auf- gabe darin besteht, die Lichtstrahlen in ein flach-fächerartiges Bündel zu bringen, das nur die Wasserfläche beleuchtet, aber weder die eigene Mannschaft, noch die der anderen Schiffe blendet (Fig. 407). Diese Lampe ist sammt ihrem Projector in einem Käfig untergebracht, der noch Raum genug zur Aufnahme eines Mannes besitzt und am Vordertheile des Schiffes, möglichst nahe der Wasserfläche, befestigt wird. Die Lampe auf dem Maste ist mit einem Hohlspiegel versehen und wird nur dann in Thätigkeit gesetzt, wenn andere Schiffe oder Hindernisse zu passiren sind. Nach einer neueren Verordnung der Canal-Aufsichtsbehörde müssen seit October 1893 alle Schiffe einen Apparat anwenden, bei Fig. 408. Elektrischer Schein- werfer der Brush-Gesellschaft. welchem das Licht des Reflectors in zwei divergirende Bündel getheilt wird. Auf diese Weise können die einander begegnenden Schiffe ihre Manöver ausführen, ohne ihre Steuerleute durch die directen Strahlen des Reflectors zu blenden. Der größte zulässige Tiefgang eines den Canal passirenden Schiffes ist 7‧8 Meter. Die Tiefe des Canales würde vielleicht Schiffen von noch größerem Tiefgang die Durchfahrt gestatten, allein die Canal-Compagnie ist in jeder Weise sehr vorsichtig und hat deshalb den zulässigen Tiefgang noch nicht erweitert. In den letzten Jahren ist übrigens der Canal verbreitert worden, um Schiffen zu er- möglichen, auch zwischen den Stationen festmachen zu können, und so andere Schiffe passiren zu lassen. Bisher hatte der Canal eine solche Breite nur bei den Stationen, wodurch Aufenthalt entstand. ... Für jede Tonne netto hat das Schiff eine Abgabe von 9‧5 Francs an die Canal-Compagnie zu zahlen; leere Schiffe ohne Fahrgäste und Kriegsfahrzeuge zahlen 7 Francs für die Tonne. Für jeden Fahrgast von über 10 Jahre Alter sind 10 Francs, für jeden Fahrgast zwischen dem 3. und 10. Lebensjahr 5 Francs zu entrichten; Kinder unter 3 Jahren sind frei. Dreißig Jahre hatte es gedauert, ehe die Idee des energischen Lesseps ihre Verwirklichung gefunden. Ein solcher Zeitabschnitt ist für unser rasch arbeitendes, seine Kräfte und Mittel vorzeitig abnützendes Jahrhundert ein sehr bedeutender. Aber der Canal wäre sicher auch heute noch unausgeführt, wenn die modernen technischen Hilsmittel, welche die Herstellung dieses Riesenwerkes überhaupt erst möglich gemacht hatten, nicht jene großartige Entwickelung genommen haben würden, wie wir sie dermalen bewundern. Das Gelingen des Suez-Durchstiches fachte längst eingeschlummerte Hoffnungen für die Ausführbarkeit ähnlicher Projecte wieder an, und der letzte Spatenstich in Aegypten war kaum geschehen, als auf Aller Lippen das Wort » Panama « erklang. ... Wenn beim Suezcanal die einzuschlagende Dritter Abschnitt. Richtung sozusagen von der Natur vorgezeichnet war, lagen und liegen die Ver- hältnisse in Mittelamerika wesentlich anders. Hier konnten durch die beträchtliche Ausdehnung des Isthmuslandes im weiteren Sinne von der Landenge von Tehuantepec im Nordwesten bis zu jener von Darien im Südosten, hart an der Schwelle von Südamerika, zahlreiche Projecte aufgestellt werden. Im Laufe der Zeit sind deren sieben aufgetaucht. Die Routen über Tehuantepec, Honduras, Costarica, jene über Rio Sabanas nach der Caledonischen Bai, sowie die Route Michlor 's über den Truando-Attrato kommen wegen der bedeutenden Terrain- schwierigkeiten und der enormen Kosten gar nicht in Betracht. Dagegen haben andere Projecte die interessirten Kreise in höherem Maße beschäftigt, beziehungsweise bereits die Arbeiten in Fluß gebracht: Nicaragua, Panama, San Blas und Darien. Mit Ausnahme des Nicaraguacanals machen alle übrigen Projecte, seien sie nun Schleusen- oder Niveaucanäle, die Anlage von Tunnelbauten nothwendig. Dadurch werden diese Projecte unverhältnißmäßig vertheuert. Beim Panamacanal hat sich eine solche Tunnelirung selbst bei Anlage eines Schleusencanals als noth- wendig erwiesen. Wyse 's Canalproject über die Landenge von Darien erfordert eine Tunnelanlage von 13 bis 14 Kilometer Länge (Gotthard: 15 Kilometer), die, da sie für Seeschiffe bestimmt ist, einen lichten Raum von 26 Meter ober dem Wasserspiegel und 10 Meter unter dem Wasserspiegel erhalten müßte. Dieser Tunnel würde 300 Millionen Francs kosten, also gerade die Hälfte der auf 600 Millionen veranschlagten Gesammtkosten. Das verkrachte Panama-Unternehmen, an dessen Spitze sich Lesseps gestellt hatte (es führte den Titel: » Compagnie universelle pour la construction d'un canal interocéanique par l'isthmus de Panama geheueren Hindernissen, theils an den ungünstigen klimatischen Verhältnissen. Die Hindernisse ergaben sich vorzugsweise dadurch, daß man von dem ursprünglich projectirten Schleusencanal Abstand nahm und sich für einen Niveaucanal entschied, der die Anlage eines 14 Kilometer langen Tunnels nothwendig machte. Ein anderer schwerwiegender Uebelstand war der, daß die Canaltrace auf der atlantischen Seite mit dem Rio Chagres zusammenfällt, da dessen Bett zum Canal umgeformt werden sollte. Um dies zu ermöglichen, sollte quer über das Flußthal von Cerro Pelado nach Barocoas und Gomboas ein 900 Meter hoher Damm aufgeführt werden. Das auf diese Weise gebildete Reservoir, welchem die Bestimmung zugefallen wäre, die enormen Hochwassermengen des wilden, unbändigen Chagresflusses aufzunehmen, sollte durch seitwärts der Canallinie herzustellende Speisecanäle mit dem Schiffahrts- canal in Verbindung treten und demselben das nothwendige Wasser zuführen, beziehungsweise den normalen Wasserstand reguliren. Der wunde Punkt an diesem Calcul ist der, daß sich die durch den Chagres abgehenden enormen Wassermengen während der tropischen Regen jeder Berechnung entziehen. Der Fassungsraum des erwähnten Reservoirs wurde nämlich mit 600 Millionen Cubikmeter festgesetzt. Bald hierauf berechneten aber amerikanische Ingenieure, daß selbst ein Wasser- Schiffahrtscanäle. quantum von 1000 Millionen Cubikmeter nicht zu hoch gegriffen sein dürfte. Eine einzige Ueberfluthung würde den Canal gänzlich zerstört haben. Trotzdem wurde an die Ausführung des Unternehmens geschritten, mit welchem Erfolge, ist bekannt. Calamitäten aller Art, worunter solche klimatischer Natur sich besonders fühlbar machten, brachten das Unternehmen bald zum Stillstande. Auch bezüglich der Arbeitsverhältnisse lagen hier die Verhältnisse ganz anders wie in Aegypten. Des mörderischen Klimas wegen konnte nur auf einheimische Arbeiter, ein sehr minderwerthiges Material, gerechnet werden, das aber gleichfalls den klima- tischen Einwirkungen nicht Stand hielt. Dazu kamen finanzielle Schwierigkeiten, welche das Unternehmen bald ins Stocken brachten. Nie ist ein großes Unternehmen derart in den Sand verlaufen, wie dieses. Man schied von der Arbeitsstätte und überließ alles bereits Geschaffene den Naturgewalten, welche, rascher als man es sich versehen konnte, sich des gestörten Besitzes wieder bemächtigten. Die Arbeits- plätze überzogen sich mit einer wild wuchernden Vegetation, die Maschinen ver- Fig. 409. Situationsplan des Nicaraguacanales. blieben an Ort und Stelle und verrosteten, die Arbeiterbaracken wurden zum Unter- schlupf von allerlei Gethier — kurz, aus dem Objecte einer weitgehenden, leider verunglückten Speculation wurde eine Wüste eigenartiger Romantik, welche vor Augen führte, wie ein modernes Culturwerk plötzlich wieder den wilden Gewalten der Natur zur Beute wurde. Die Arbeiten am Panamacanal wurden am 1. Februar 1881 in Angriff genommen, etwas über acht Jahre später (15. März 1889) wurden sie eingestellt, nachdem etwa 55 Millionen Cubikmeter Erde ausgehoben worden waren. Actien- capital und Obligationen belaufen sich auf circa 1172 Millionen Francs, wogegen die Activa neben 255.000 Hektar Urland und den ausgeführten Arbeiten nur circa 231 Millionen Francs betragen, einschließlich der von der Gesellschaft im Juni 1882 für 94 Millionen Francs erworbenen Panama-Eisenbahn. Dem Panama-Unternehmen erwuchs alsbald ein gefährlicher Rivale in dem sogenannten Nicaraguacanal . Da die leichte Ausführbarkeit des letzteren auch nicht dem geringsten Zweifel mehr unterlag, ferner der Kostenvoranschlag sich auf die mäßige Summe von 90 Millionen Dollars bezifferte, bildete sich im Jahre Dritter Abschnitt. 1889 in New-York eine Gesellschaft für den Canalbau unter der Firma Nicaragua Canal Construction Company , und noch Mitte desselben Jahres wurde die Arbeit nach dem Plane Menocal 's in Angriff genommen. Nach diesem Plane beginnt der Canal bei Greytown (San Juan da Nicaragua) und erreicht den San Juan- fluß nach 50 Kilometer bei Ochoa und folgt diesem bis zu seiner Ausmündung aus dem Nicaraguasee. Die Steigung wird durch drei Schleusen bewältigt. Das Niveau des oberen San Juan wird durch einen bei Ochoa angelegten Damm das ganze Jahr hindurch in gleicher Höhe mit dem Wasserspiegel des Sees erhalten. Auf der pacifischen Seite steigt der Canal in drei Schleusen vom Nicaraguasee Fig. 410. Der Nicaraguacanal. (Die Stelle des projectirten Ochoa-Dammes im Nicaraguasee.) zum Hafen Brito herab. Die gesammte Länge dieser Schiffahrtsstraße beträgt 273 Kilometer, wovon aber nur 46 Kilometer auf eigentliche Canalbauten kommen. Die Tiefe des Canales beträgt überall 9 Meter, das Minimum der Breite in den Felsdurchschnitten 24‧5 Meter. ... Neuerdings sind die Kosten auf 135 Millionen Dollars veranschlagt worden, doch dürften wahrscheinlich 200 Millionen Dollars erforderlich sein, gleich 1125 Millionen Francs, also genau so viel, als das Anlage- capital beim Panamacanal. Eines der bedeutendsten hydrotechnischen Werke der Neuzeit ist der Nord- Ostseecanal (»Kaiser Wilhelm-Canal«), der am 21. Juni 1895 dem Verkehre übergeben wurde. Die Grundsteinlegung erfolgte am 3. Juni 1887, so daß das gewaltige Werk in nicht ganz acht Jahren fertiggestellt wurde. Die Baukosten Schiffahrtscanäle. betrugen 156 Millionen Mark, zu welcher, vom Reiche aufgebrachten Summe, Preußen 50 Millionen beisteuerte. Die Länge des Canals beträgt 99 Kilometer, seine Tiefe 9 Meter, die Breite am Wasserspiegel 60 Meter, an der Sohle 26 Meter. Beim Baue des Canales sind über 7000 Personen beschäftigt gewesen. Ueber ihn führen 16 Fähren, 2 Eisenbahnfachbrücken (bei Grünthal und Levensau, vgl. S. 281), 2 Eisenbahndrehbrücken und eine Chauss é edrehbrücke. 63 Procent der Linie liegen in geraden Strecken, Fig. 411. Der Nord-Ostseecanal. (Uebersichtskarte.) der Rest in Krümmungen, bei welchen Halbmesser von 1000 bis 6000 Meter in Anwendung kamen. An Ausweichen für die größten Schiffe sind sechs an- geordnet worden, die in Ab- ständen von rund 12 Kilometer liegen und je 450 Meter Länge haben. An der Elbe sind zur Sicherung der Ausfahrt Moli ausgeführt worden, wogegen solche in der geschützten Kieler Bucht nicht nothwendig waren. In Bezug auf die Bau- werke ist Folgendes zu bemerken: Die Schleusen, an jeder Canal- mündung doppelt vorhanden, haben je 150 Meter nutzbare Länge und 25 Meter Breite. Die Grundung der Schleusen ist auf einem Betonbett von 2‧5 Meter Mächtigkeit bewerk- stelligt. Der sonstige Material- bedarf war sehr bedeutend, nämlich 70.000 Cubikmeter Beton, 5500 Cubikmeter Quadermauerwerk, 65.000 Cubikmeter Ziegelmauerwerk. Jede Schleusenkammer hat drei Paar Thore, und zwar dienen die beiden äußeren Paare als Schiffahrtsthore, das mittlere als Sperrthor. Die Anordnung des letzteren ergab sich aus der Erwägung, daß bei dem schlickhaltigen Elbewasser nur Strömung von der Ostsee zur Elbe stattfinden soll, wobei eine Maximalgeschwindigkeit von 1 Meter angenommen wurde. Da nun der Schluß der gewaltigen, mit festen Wandungen versehenen und bis 17 Meter hohen Schiffahrtsthore hierbei Schwierigkeiten bereitet, treten die mittleren Sperrthore in Wirksamkeit, da dieselben mit offenen Stützen ohne Schwierigkeit zu schließen sind. Dritter Abschnitt. Ist dies geschehen, so können die Schiffahrtsthore ebenfalls leicht bewegt und ge- schlossen werden. Im Uebrigen dienen die Sperrthore auch zum Durchschleusen kleinerer Fahr- zeuge und sind ebenfalls doppelt angeordnet worden, da bei schwerem Sturm von der Elbe her auch umgekehrt gerichtete Strömung plötzlich auftreten könnte. Die Ostseeschleusen werden nur etwa an 25 Tagen im Jahre zu schließen sein, da abnorme Wasserstände hier selten sind; die Elbeschleusen können während der Ebbe täglich zweimal je drei bis vier Stunden geöffnet bleiben. Die Bewegung der Thore, Fig. 412. Situationsplan des Nord-Ostseecanals. der Spille, von denen jede Schleuse 16 Stück besitzt, der Umlaufschieber u. s. w. erfolgt mittelst Druckwasser von 60 Atmosphären, welches in der an jeder Canal- mündung gelegenen Central-Maschinenstation erzeugt wird. Jede Schleuse hat 26 Motoren für die Arbeitsleistungen. Falls Reparaturen nothwendig werden, treten Pontons zum Verschluß der Schleusenkammern in Thätigkeit und kann letztere auch trockengelegt werden. Die Kosten einer Doppelschleuse haben circa 9 Millionen Mark betragen. Bei Rendsburg befindet sich eine kleinere Schleuse zur Verbindung des Canals mit der Eider, wodurch ein zweiter Wasserweg für kleinere Schiffe geschaffen wurde. Ueber die beiden Hochbrücken haben wir an anderer Stelle berichtet (Seite 281). Die Drehbrücken haben 50 Meter Oeffnungsweite, was sie zu hervorragenden Schiffahrtscanäle. Werken dieser Art qualificirt. Ueber die 16 Fähren ist weiter nichts zu sagen. Dagegen wäre hervorzuheben, daß bei einer so großartigen Anlage außer den genannten Bauwerken, der Moli- und Quaianlagen der Häfen noch eine ganze Anzahl kleinerer Objecte — Entwässerungsschleusen, Lootsenstationen, Verwaltungs- und Wohngebäude ꝛc. — nothwendig war. Die elektrische Beleuchtung des Canals, von der Helios-Gesellschaft in Köln-Ehrenfeld beschafft, ist in der Weise bewirkt worden, daß an beiden Ufern in Abständen von 250 Meter Glühlampen angebracht wurden, während die Schleusen und Häfen Bogenlicht erhielten. Der erforderliche Strom wird in den beiden Centralstationen der Endschleusen erzeugt. Die Seen, welche durchquert werden, sind mit Fettgasbojen beleuchtet. Fig. 413. Der Nord-Ostseecanal. (Längenprofil und Querprofil.) Die Canalstrecke geht von der Elbe bei Brunsbüttel (siehe Fig. 412), wo sich besonders tiefes Fahrwasser vorfindet, über den Kudensee, die Wasserscheide bei Grünthal durchschneidend, möglichst direct zur Eiderniederung, verfolgt diese über Rendsburg hinaus, benützt hier die Eiderseen und weiterhin den alten Eidercanal, die größeren Krümmungen desselben abschneidend, um bei Holtenau in die Kieler Bucht zu münden. Wie Fig. 413 zeigt, waren die Erdarbeiten verhältnißmäßig gering. Sie stellen sich insgesammt auf 77 Millionen Cubikmeter. Das Querprofil des Canals (Fig. 413) ist derart, daß zwei Handelsschiffe, deren größte Breite 12 Meter bei 6‧5 Meter Tiefgang beträgt, sich auf offener Strecke begegnen können. Für die Kriegsschiffe sind, wie erwähnt, von 12 zu 12 Kilometer Aus- weichstellen vorhanden. Die Erdförderung geschah größtentheils im Trockenen und standen hierfür über 30 Excavatoren im Betriebe, von denen der weitaus größte Theil von der Lübecker Maschinenbaugesellschaft beigestellt wurde. Diese Apparate leisteten bei günstigem Boden in zehnstündiger Arbeitszeit bis zu 3000 Cubikmeter. Dritter Abschnitt. Sie arbeiteten, wie Fig. 414 zeigt, bei tieferen Einschnitten in Terrassen übereinander und schütteten den gelösten Boden meist in die unter ihnen durchfahrenden Eisen- bahnwagen. Die Moorstrecken, welche der Canal durchschneidet, wurden mit beider- Fig. 414. Partie des Nord-Ostseecanals während des Baues. seitigen Sanddämmen, die bis auf den festen Untergrund reichten, durchbaut. Die Uferdeckung in Wasserspiegelhöhe wurde durch schweres Steinpflaster, oder Beton- oder Klinkerpflaster, je nachdem das Material am bequemsten und billigsten zu Schiffahrtscanäle. beschaffen war, ausgeführt. Der Erdaushub in den vorhandenen Wasserläufen und Seen wurde durch eine Anzahl schwimmender Dampfbagger bewerkstelligt. Der Nord-Ostseecanal bedeutet eine erhebliche Verstärkung der deutschen See- Fig. 415. Der Nord-Ostseecanal während des Baues. Canal-Einschnitt bei Grünthal. kriegsmacht, da die Kriegsschiffe, unbeobachtet von einer feindlichen Flotte und un- abhängig von einem anderen Lande, zwischen der Nord- und Ostsee unbehindert verkehren können. Aber auch der Handelsmarine leistet der Canal durch erhebliche Dritter Abschnitt. Verkürzung der Fahrzeit und Verminderung der Gefahren unschätzbare Dienste. Die Zeitersparniß für einen Dampfer kann im günstigsten Falle 45 Stunden betragen, im Mittel beträgt sie 22 Stunden. Im Durchschnitt sind in den letzten Fig. 416. Der Nord-Ostseecanal. Blick in eine Schleusenkammer. 15 Jahren auf dem Seewege um das Cap Skagen jährlich 230 Strandungen an der gefährlichen dänischen Küste vorgekommen, wobei rund 1900 Menschen ihr Leben einbüßten. Nicht mit Unrecht führt daher diese Strecke die Bezeichnung »Kirchhof Schiffahrtscanäle. der See«. Bis zur Eröffnung des Canals schlugen den Weg um Cap Skagen jährlich circa 42.000 Schiffe ein, mit zusammen über 12 Millionen Registertonnen. Die Zahl der Schiffe, welche bisher den Canal benützt haben, betrug 21.904 im Jahre 1897 gegen 20.068 im Jahre 1896 und 9305 in der Zeit vom 1. Juli bis 31. December 1896, mit 2,345.849 Registertonnen 1897, 1,751.065 Registertonnen 1896 und 893.972 Registertonnen im zweiten Halbjahre 1895. Fremden Nationen gehörten an: 2670 Schiffe mit 731.499 Registertonnen im Jahre 1897, gegen 2068 Schiffe mit 563.052 Registertonnen im Jahre 1896 und 1144 Schiffe mit 303.742 Registertonnen im zweiten Halbjahre 1895. Die Canal- gebühren betrugen 1,198.811 Mark im Jahre 1897, 961.367 Mark im Jahre 1896, und 533.505 Mark im zweiten Halbjahre 1895. ... Die Fahrgeschwindigkeit ist auf 10 Kilometer pro Stunde festgesetzt worden, so daß, abgesehen von eventueller Durchschleusung, der Canal in circa 10 Stunden passirt werden kann. Zur Zeit bestehen vier große Schiffahrtscanäle für tiefgehende Seeschiffe: der von Suez, der Nord-Ostseecanal, der Canal von Korinth und jener von Manchester . Der Canal von Korinth hat trotz seiner geringen Länge (6 Kilo- meter) in Folge des felsigen Bodens, in welchen er gegraben werden mußte, bedeutende Schwierigkeiten verursacht. Der tiefste Einschnitt beträgt 79 Meter. Es ist dies die höchste Stelle in der Mitte des Isthmus, auf der sich der Tempel Poseidons befand und die »isthmischen Spiele« aufgeführt wurden. Bei diesem Unternehmen, das Bankerott machte und nur mit Mühe wieder in Gang gebracht werden konnte, waren die technischen Vorarbeiten unzureichend. Der Manchestercanal hat bedeutende Ausgaben erfordert, so 3 Millionen Mark für Rechtsstreitigkeiten und 64 Millionen Mark für den Ankauf des alten Bridgewater-Canals. Außerdem waren die Grunderwerbskosten, mit denen man bei den Canälen von Suez und Korinth überhaupt nicht zu rechnen hatte, sehr hohe. Die thatsächlichen Baukosten des Canals stellen sich auf 3‧4 Millionen Mark pro Kilometer, wobei zu berücksichtigen ist, daß derselbe eine dreifache und vier Zwillings- schleusen größter Dimension, acht Straßendrehbrücken, vier feste Eisenbahnbrücken und eine Drehbrücke für den Bridgewater-Canal, die erste Ausführung dieser Art, besitzt. Der Canal ist 57 Kilometer lang und erforderte dessen Herstellung sieben Jahre. Seine Breite beträgt am Wasserspiegel 52, an der Sohle 30‧5 Meter. Die geringste Tiefe ist 7‧9 Meter, der tiefste Einschnitt beträgt 20 Meter, das aus- gehobene Material 40‧9 Millionen Cubikmeter. Die Gesammtkosten belaufen sich auf 327 Millionen Mark. Während der Suezcanal und der Canal von Korinth ganz offen sind und der Nord-Ostseecanal nur Fluthschleusen an den Mündungen hat, ist der Manchestercanal ein Schleusencanal. Von Interesse sind die kilometrischen Kosten der vier Schiffahrtscanäle. Die- selben belaufen sich beim Nord-Ostseecanal auf 1‧57 Millionen Mark pro Kilo- meter, beim Suezcanal auf 2‧52, beim Manchestercanal auf 5‧74, beim Korinth- canal auf 10‧70 Millionen Mark. Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 35 Dritter Abschnitt. Fig. 417. Nächtliche Recognoscirung in See Fünfter Theil. (Geschützthurm des spanischen Schlachtschiffes „Viscaya “.) Die Kriegsmittel zur See. 35* Erster Abschnitt. Die Entwickelung der Kriegsmarinen. D as moderne Schlachtschiff ist das vollendetste Product der heutigen Technik. Wenn man Veranlassung nimmt, es zu bewundern, gilt dies nicht dem Zwecke, sondern der Leistung. So groß aber auch die Zahl der eisernen Ungethüme sein mag, welche dermalen die Meere beleben: man vermißt an ihnen einen einheitlichen Typus, denn in dem großartigen Werden und Schaffen der Kriegsmittel zur See sind beständig Wandlungen wahrnehmbar, welche den Er- findungsgeist aufs äußerste anspannen, zu stets neuen Triumphen der Technik sich gestalten und ein inniges Zusammenwirken von theoretischem Wissen und praktischem Können erfordern. Vielleicht hat dieser stete Entwickelungsgang, in welchem ein Organ um das andere eine gesteigerte Kräftigung findet und jede nachfolgende Leistung organisch aus den vorhergegangenen sich entwickelt, für den Fachmann, der dies Alles vor seinen Augen sich abspielen sieht, nichts Ueberraschendes. Dem Laien, dem dieser Zusammenhang abgeht, wird dieser lebendige Kraftausdruck zu einer förmlichen Märchendichtung. Hierfür spricht der Umstand, welch mächtigen Eindruck eine moderne »Seeschlachtmaschine« — »Schiffe« können die meisten Typen wohl kaum genannt werden — auf die Phantasie des Nichtfachmannes ausübt. Er betritt das Deck des ihm fremdartigen Ungethümes und fühlt sich sofort überwältigt von den großartigen und sinnreichen Einrichtungen einer solchen Kriegsmaschine. Er erkennt in ihr einen Triumph der Technik sondergleichen, wenn er sich vor Augen hält, welche Massen hier als Schwimmkörper dem Wasser anvertraut sind, wie diesen Massen, als bewegte Last, eine ungeheuere Angriffskraft innewohnt, wie sich der Mensch auf diesem schwimmenden Mechanismus durch Schutzmittel außer- gewöhnlicher Art gegen die vernichtende Gewalt der modernen Riesengeschütze wappnet, hierbei aber die letzteren selber hinter Panzer, Thürme und Brustwehren birgt, um seine vernichtenden Angriffe auszuführen. Erster Abschnitt. Dies Alles wäre unmöglich, wenn hier nicht Dampf und hydraulische Kraft und überhaupt das Aufgebot von maschinellen Hilfsmitteln der Handarbeit zu Hilfe kämen. Der Laie staunt die Riesengeschütze an, aber sein Erstaunen wird noch wesentlich gesteigert, wenn er wahrnimmt, daß es nur eines Fingerabruckes bedarf, um dieselben zu bewegen, zum Boden zu senken, zum Schusse empor- zuheben, die riesigen Geschosse einzuführen. Ja noch mehr: ein solch sanfter Fingerdruck genügt, ganze Panzerthürme von ungeheuerem Gewichte, sammt den in ihnen aufgestellten Monstregeschützen, wie ein Kinderspielzeug zu bewegen. Fast aller Kraftaufwand wird durch maschinelle Eingriffe besorgt. Eine verschwindend kleine Zahl von Menschenhänden genügt, die größten Feuerschlünde zu bedienen; Telegraphenleitungen laufen vom Standpunkte des Commandanten in alle Winkel des ungeheueren Raumes, so daß es zur Entfesselung wahrhaft titanischer Kräfte fast gar keiner Worte, sondern nur einfacher Zeichen bedarf. Dampfapparate setzen die Geschütze in Bewegung, bedienen das Steuer, besorgen die Manipulationen mit dem Anker. Alles Leben wird hier zur Maschine. Dazu gesellen sich noch die maschinellen Organe, welche die Fortbewegung des Kolosses besorgen, die un- geheueren Räume, welche zur Aufnahme des Brennmatriales dienen, die Stärke und das Gewicht des Panzers, kurz das Object als solches, mit allen seinen Constructionstheilen und bewunderungswürdigen Einrichtungen. Es wäre ein müßiges Beginnen, wollte man all das Vorgebrachte in ein übersichtliches, anschauliches Bild vereinigen. Dem widerspricht der Gegenstand an sich, dessen Bedeutung mit der Fülle des verschiedenartigen Details erheblich wächst. Mit der bloßen Anschaulichkeit ist hier, wo es sich zumeist um rein technische Dinge handelt, ohnedies nicht gedient. Dazu kommt, wie bereits hervorgehoben wurde, die große Verschiedenheit der modernen Seeschlachtmaschinen in Bezug auf die äußere Gestalt, die innere Einrichtung, die Constructionselemente und nicht zuletzt in Bezug auf Zweck und Verwendungsart der Schiffe. Wenn von modernen Kriegsschiffen die Rede ist, handelt es sich immer um Fahrzeuge von verschiedener Bestimmung: entweder um Schlachtschiffe , oder um Küstenvertheidigungs- schiffe , oder um Kreuzer . Die weiteren Abstufungen erklären sich aus den ver- schiedenen Systemen und Größenverhätnissen (Typen, Classen). Als Frankreich die ersten Panzerschiffe in Bau nahm, wurde dies von den Seemächten keineswegs als der Ausgangspunkt einer vollkommenen Umgestaltung im Schiffbau angesehen. Besonders in England erklärte man dies für ein höchst kostspieliges Experiment, das große Kosten verursache und kaum einen anderen Nutzen gewähre, als den einer wirksamen Küstenvertheidigung. Gleichwohl folgte der französischen »Gloire« alsbald der britische »Warrior«. Damals wurde ein Panzer von 14‧4 Centimeter noch für ausreichend erachtet. In Frankreich folgten die »Magenta« und die »Solferino«, wodurch England veranlaßt wurde (ab 1861), mit größerem Eifer an die Modernisirung seiner Seekriegsmittel zu schreiten. Man verwarf den theilweisen Panzerschutz und ging zur völligen Panzerung über. Auf Verdeck des italienischen Schlachtschiffes »Duilio«. Die Entwickelung der Kriegsmarinen. diese Weise kamen das Riesenschiff »Minotaur« und seine Nachfolger zu Stande: Schiffe, welche nicht im entferntesten dem Zwecke, den man anstrebte, und den aufgewendeten Kosten entsprachen. Der amerikanische Bürgerkrieg gab, wie wir später sehen werden, dem Kriegs- schiffbau neue Impulse, vornehmlich durch Schaffung des »Monitor«, der zum Typ einer ganzen Schiffsclasse wurde und durch seinen siegreichen Kampf gegen das Panzerschiff »Merrimac« die Aufmerksamkeit der Schiffstechniker im hohen Grade auf sich lenkte. Jetzt kam mit einemmale ein gewisses System in die Neu- constructionen. Bahnbrechend in dieser Richtung war die Thätigkeit Reed 's, Chef- constructeur der englischen Kriegsmarine. Er nahm eine Centralbatterie als Aus- gangspunkt an. Das genügte aber auf die Dauer nicht. Jeden Fortschritt der Offensive beantwortete die Marinetechnik durch Verstärkung der Widerstandskraft der Schiffe. Mitte der Sechzigerjahre wurden die Schwierigkeiten bezüglich der Jagd- geschütze zum erstenmale auf dem französischen Panzer »Alma« durch die An- wendung von festen Thürmen gesichert. Dieselben schützten, an den Schanzwänden vorspringend, den größten Theil des Rapertmechanismus. Die Panzerung hatte eine Stärke von 15 Centimeter, war also gegenüber der zuerst in Anwendung gekommenen Dimensionirung kaum nennenswerth gewachsen, während das Artillerie- wesen inzwischen ganz wesentlich vorgeschritten war. Deshalb fand man sich in England veranlaßt, die Panzer auf circa 23 Centimeter zu verstärken. Zugleich wurden die Jagd- und Heckschüsse nicht nur durch Eckstückpforten der Batterie gesichert, sondern auch durch Geschütze in gepanzerten Reduits. Neben Batterieschiffen traten die Thurmschiffe des Capitäns Coles immer mehr hervor. Der »Monarch« war das erste große Hochsee-Thurmschiff , welches gebaut wurde, und die Erfolge bei dessen Versuchen haben bewiesen, daß es möglich ist, in einem rationell con- struirten Schiffe dieses Typs einige nautische Eigenschaften zu vereinigen, wenn auch für Hochseeschiffe das System der Centralbatterie zweifellos vortheilhafter ist, als jenes der Thürme. In derselben Zeit kam das 25 Tonnen-Geschütz in Anwendung, dem gegenüber auch der verstärkte Panzer (23 Centimeter) sich als zu schwach erwies; er wurde auf 22 Meter durchbohrt. In der zweiten Hälfte der Sechzigerjahre war der Panzerschiffbau so weit vorgeschritten, daß man bereits von wirklichen Schlacht- flotten reden konnte. Es besaßen: England 28, Frankreich 17, Italien 15, Oester- reich 7, Spanien 6, die übrigen europäischen Staaten zusammen 11 Panzerschiffe. Bemerkenswerth ist, daß um diese Zeit die Tendenz, die Länge der Schiffe zu ver- mindern, immer mehr zunahm und 1868 in dem Projecte Elder 's ihren Höhe- punkt erreichte, welcher kreisförmige Schiffe vorschlug. Das Project kam nicht zur Ausführung, wurde aber, wie wir sehen werden, späterhin von der russischen Marine wieder aufgegriffen und verwirklicht. Zu Beginn der Siebzigerjahre schuf Coles einen neuen Typ, den Brust- wehr-Monitor , bei welchem eine starke gepanzerte Brüstung die Basis der Erster Abschnitt. Thürme, den unteren Theil des Schlotes und die Lücken schützen sollte. Der Fig. 418. Französisches Casemattschiff »D é vastation«. (Längenansicht und Batteriedeck.) 1 Combüse, 2 Salon des Admirals, 3 Speisesaal des Admirals, 4 Arbeitszimmer des Admirals, 5 Schlafzimmer des Admirals, 6 Abort des Admirals, 7 Badezimmer, 8 Anrichtzimmer, 9 Arbeitszimmer des Commandanten, 10 Schlafzimmer des Commandanten, 11 Abort des Commandanten, 12 Cajüte des II. Commandanten, 13 Schlafzimmer des Stabschefs, 14 Arbeitszimmer, 15 Aborte für den Stab, 16 Kammern für die Mitglieder des Flaggenstabes, 17 Messe für die Mitglieder des Flaggenstabes, 18 Officiersmesse, 19 Officierskammern, 20 Kanzleien, 21 Treppenluken, 22 Ventilationsluken, 23 Kamine, 24 Kästen zum Aufbewahren des Gepäcks der Mannschaft, 25 Gangspill, 26 Unterofficierskammern, 27 Unterofficiersmesse. »Cherberus« war das erste Schiff dieses Typs und bezeichnete eine wichtige Etape in der Geschichte des Panzerschiffbaues. Diese Schiffe hatten keine Takelung, aber Die Entwickelung der Kriegsmarinen. bedeutende Räume für Kohlenvorräthe. Die Panzerung wurde, da inzwischen die Fig. 419. Französisches Brustwehr-Thurmschiff »Dugnesclin«. (Längenschnitt und Oberdeck.) 1 Scheilichter, 2 Treppenluken, 3 Ventilatoren 4 Kamine, 5 Dampfbarkasse, 6 Gangspill. artilleristischen Mittel sich bedeutend entwickelt hatten, auf 30 Centimeter erhöht. Freilich erwies sich auch diese Panzerung bald als zu schwach. Erster Abschnitt. Mit diesen Fortschritten war nach und nach eine völlige Veränderung in der Classificirung der Kriegsschiffe eingetreten. Die Ausdrücke »Fregatte« und »Cor- vette«, welche vor Einführung der schweren Geschütze ganz bestimmte Typen be- zeichneten, wurden in der Folge ganz willkürlich angewendet. Im Allgemeinen benannte man die Schiffe mit gedeckter Batterie Fregatten oder gedeckte Corvetten. Gegenwärtig ist ein Unterschied zwischen diesen beiden Kategorien nicht vorhanden, da die Fregatten keine volle Oberdeckbatterie mehr führen, sondern (wie die gedeckten Corvetten) auf dem Oberdeck nur einige wenige Geschütze aufgestellt haben. Dazu kommt noch, daß man, der Kürze halber, die näheren Bestimmungswörter »gedeckt « und »Glattdeck« gewöhnlich wegläßt und kurzweg von »Corvetten« spricht, so daß man gedeckte Schiffe von größerem Deplacement mit ungedeckten Schiffen von kleinerem Deplacement zusammenwirft, indem man beide kurzweg »Corvetten« nennt. Eine ähnliche Verwirrung riß in der Bezeichnung der Panzerschiff-Typen ein. Die Ausdrücke »Panzer-Fregatte« und »Panzer-Corvette« sind heute so ziemlich nichtssagend. Sie stammen noch aus jener Zeit, in der es nur Batterie-Panzerschiffe gab, und man wollte damit einfach nur größere, beziehungsweise kleinere Panzer- schiffe bezeichnen. Die Ausdrücke haben sich in einigen Flotten erhalten, jedoch im Laufe der Zeit ganz verschiedene Bedeutung angenommen. Jede größere Kriegsflotte ist heutzutage aus Schlachtschiffen (Hochsee- Panzerschiffen, oder kurzweg Panzerschiffen), Küstenvertheidigungs-Fahrzeugen und Kreuzern (ungepanzerten oder theilweise gepanzerten Schiffen) zusammengesetzt, wozu noch verschiedene untergeordnete Typen kommen. ... Das vollkommenste Kriegsschiff ist das Hochsee-Panzerschiff , womit jedoch kein bestimmter Typ gemeint ist. Wohl sind gewisse Elemente allen diesen Schiffen gemein: die großen Dimensionen, der bedeutende Tiefgang, der große Aufwand von Räumlichkeiten, die bedeutende maschinelle Leistungskraft und die entsprechend ausgiebige Bestückung. In diese Grundelemente aber spielen Constructions-Principien, welche die Einheit- lichkeit zerstören und eine ganze Anzahl von Typen bedingen. Der der alten Schiffs- einrichtung am nächsten stehende Typ ist das Batterieschiff . Es führt seine Ge- schütze an beiden Nordseiten, vergrößert demnach die Panzerfläche, welche dem- entsprechend schwach gehalten ist, um das zulässige Gewicht des Fahrzeuges nicht zu überschreiten. Batterieschiffe von 6000 Tonnen Deplacement waren gezwungen, einen so schwachen Panzer anzulegen, daß dieser kaum mehr dem Zwecke entsprechen, beziehungsweise den artilleristischen Mitteln anderer Schlachtschiffe keinen Widerstand zu leisten vermochte. Aus diesem Grunde werden Batterieschiffe gar nicht mehr gebaut und die vorhandenen im Laufe der Zeit ausrangirt. Die Frage lag nun so: auf welche Weise kann in der Construction von Schlachtschiffen dem bei den Batterieschiffen zur Geltung kommenden Uebelstande abgeholfen werden, ohne das Schiffsgewicht wesentlich zu erhöhen oder die artille- ristische Leistungsfähigkeit zu schmälern? Die Lösung erfolgte dahin, daß man zwar den sogenannten »Gürtelpanzer« an der Wasserlinie beibehielt, im Uebrigen aber Die Entwickelung der Kriegsmarinen. nur den mittleren Theil des Schiffes stärker panzerte, in diesem Raume — der naturgemäß ziemlich beschränkt ist — wenige Geschütze, aber solche von großem und allergrößtem Caliber aufstellte. So entstanden die Casemattschiffe . Sie hatten, obwohl sie nur ein Uebergangsstadium bezeichnen, in den Kriegsflotten der Mächte große Vebreitung gefunden. In der Construction der Casematte kommen hinsichtlich der Einrichtungen derselben insoferne Abweichungen vor, als einige der Casemattschiffe den Ausschuß nach der Längsrichtung des Schiffes (Jagd- und Retraiteschuß) von besonderen am Oberdeck angebrachten, entweder gedeckten oder ungedeckten Geschützständen haben, andere Schiffe dieses Typs aber den Ausschuß Fig. 420. Barbette-Geschütze des englischen Schlachtschiffes »Collingwood«. (Caliber: 12 engl. Zoll.) durch die Casematte besorgen. In letzterem Falle zeigt die Casematte eine von der ursprünglichen Construction abweichende Form, indem sie mittelst eines Ausbaues über die Bordlinien hinausgreift, in welchem Falle die Bordlinien etwas einge- zogen sind, um den Ausschuß zu ermöglichen. Mit der Schaffung dieses Typs glaubte man, das Vollendetste im Kriegs- schiffbau erreicht zu haben. Das war nun keineswegs der Fall. Alsbald nach Activirung dieses Typs sah sich die maritime Ingenieurkunst veranlaßt, auf weitere Verbesserungen bedacht zu sein. Sie behielt das Princip der Casematte bei, gab ihr aber eine Gestalt, die zu einem völlig neuen Typ führte. Die Casematte wurde zum runden Panzerthurme, beziehungsweise zu zwei Thürmen, welche einen sehr Erster Abschnitt. Fig. 421. Brustwehr-Thurmschiff. Die Entwickelung der Kriegsmarinen. beschränkten Innenraum erhielten, entweder in der Kielrichtung hintereinander, oder in der Diagonalrichtung des mittleren Schiffstheiles (der eine gegen die Backbord-, der andere gegen die Steuerbordseite gerückt) aufgestellt wurden, und zwar ent- weder fest mit der Schiffsconstruction verwachsen oder drehbar. Im ersteren Falle feuerten die Geschütze »über Bank« (Barbette-Geschütze), mußten daher drehbar sein; im zweiten Falle hatten sie Schüsse durch Schießscharten abzugeben, waren also selbst nicht drehbar. Derlei Schlachtschiffe heißen Thurmschiffe . Beide Systeme haben ihre Vor- und Nachtheile, welche bei den fixen Thürmen darin bestehen, daß diese wohl weniger verletzbar, die Geschütze dagegen nur theilweise gegen das Angriffsfeuer geschützt sind, während die beweglichen Thürme im Kampfe leicht durch feindliche Projectile Fig. 422. Italienisches Citadellschiff »Italia«. »verkeilt«, d. h. der Drehmechanismus verletzt werden kann, indeß die Geschütze hier sehr gut gedeckt sind. Das erste nach diesem Typ gebaute Schlachtschiff war der »Royal Sovereign«, welcher 1864 vom Stapel lief. Der vorstehend erwähnte Uebelstand, der bei den Drehthürmen zur Geltung kommt, daß der Drehmechanismus im Geschützkampfe verkeilt werden kann, hat Anlaß zu einer abermaligen Verbesserung gegeben und auf diese Weise den Kriegsmarinen einen neuen Typ von Schlachtschiffen verschafft. Um nämlich den Drehmechanismus und überhaupt die Constructionstheile der Thürme zu schützen, wurde der Centralpanzer bis zum Oberdeck emporgezogen, so daß er eine Art Brustwehr rings um die Thürme bildet. ... Es sind dies die sogenannten Brustwehr-Thurmschiffe . Bei den inneren Thürmen feuern die Geschütze aus Scharten, bei den äußeren über Bank. Zu dieser Classe gehören jene Schiffe, welche, obgleich Hochseeschiffe, dennoch keine Takelung haben. Die neuesten Thurmschiffe haben nicht mehr einen vollen Gürtelpanzer in der Wasserlinie, sondern nur beiläufig ein Drittel der Schiffslänge gepanzert. Die Panzerwände sind bis zum Oberdeck hinaufgeführt und bilden eine geschlossene Erster Abschnitt. Fig 423. »Duilio«, Italienisches Citadellschiff. »Citadelle«, in welcher die Thürme — meist diagonal zur Mittel- linie gestellt — stehen. Der fehlende Seiten- panzer an den Schiffs- enden ist bei diesen Schiffen durch ein unter der Wasserlinie befindliches gepanzer- tes Deck (Horizontal- panzer) ersetzt, so daß die gepanzerte Fläche nicht nur über, sondern auch unter der Wasser- linie auf ein Minimum reducirt ist. Diese Art Thurmschiffe werden Citadellschiffe ge- nannt. Eine bemerkens- werthe Rolle im Bau und der Fortentwicke- lung des letztgenannten Typs spielt Italien mit seinen beiden Schlacht- schiffen »Italia« und »Lepanto«. Sie waren seinerzeit die stärksten und größten Citadell- schiffe. Einige Daten werden dies bezeugen. Die Schiffe sind 124 Meter lang, 22‧5 Meter breit und haben einen Tiefgang von fast 10 Meter, bei einem Deplacement von 14.385 Tonnen. Um diese gewaltige Eisenmasse in Bewegung zu setzen, bedarf es vier getrennter Maschinen zu je drei Cylindern; jede dieser Maschinen repräsentirt 4500 indicirte Pferdekräfte, Die Entwickelung der Kriegsmarinen. so daß allen vier zusammen eine Leistungskraft von 18.000 Pferdekräften zukommt, welche im Stande sind, Fig. 424. Französischer Kreuzer »Duquesne«. (Längenansicht und Oberdeck.) 1 Scheilichter, 2 Treppenluken, 3 Plattform für den Compaß, 4 Maschinen-Scheilicht, 5 Gangspill, 6 Kamine. dem schwimmenden Un- gethüm, trotz seines enor- men Gewichtes, eine Geschwindigkeit von 17 Knoten zu geben. Dieser Leistungsfähigkeit ent- sprechend stellt sich auch der Kohlenbedarf außer- gewöhnlich hoch; bei nor- maler Ausrüstung führt das Schiff 1860 Tonnen Kohlen mit sich, kann aber dieses Quantum auf 2180, mit Hinzuziehung der Zellen im Deckgebälke auf 3680 Tonnen erhöhen — eine ganz fabelhafte Fracht! Ueber die Principien, welche bei der Construction der »Italia« und ihres Schwesterschiffes »Le- panto« maßgebend waren, läßt sich in Kürze er- wähnen, daß dem Bau- plane der Gedanke zu Grunde lag, in Bezug auf offensive und defensive Eigenschaften sehr starke Schiffe zu haben, welche mit einer größeren Ge- schwindigkeit als die bis- herigen Schiffe versehen wären, selbstständig jede oceanische Fahrt zu unter- nehmen tauglich seien, eine große Masse von Truppen zu transportiren vermögen, und so viel als möglich gegen unterseeische Angriffe gesichert seien. Das Hauptgewicht der Constructionsidee lag also in dem Erster Abschnitt. Bestreben, die vorhandenen Schiffe ähnlicher Construction zu übertrumpfen; die Schiffe nach dem aufgestellten Typ sollten wirksamer geschützt, stärker armirt, mit besseren Seeeigenschaften ausgerüstet sein, die See durch längere Zeit, als die bisherigen Typen, zu halten befähigt sein, wozu bedeutender Kohlenvorrath nöthig war. Fig. 425. Englischer Kreuzer »Powerful«. Diese Bedingungen wurden durch verschiedene Neuerungen erreicht. Was zu- nächst auffällt, ist, daß diese Schiffe des Gürtelpanzers entbehren. Ein der Wirk- samkeit moderner großer Schiffsgeschütze entsprechend starker Panzer würde bei den bedeutenden Dimensionen dieser Schiffe und ihrer außergewöhnlichen Belastung das Die Entwickelung der Kriegsmarinen. Eigengewicht des Kolosses derart gesteigert haben, daß sie ihre Bewegungsfähigkeit eingebüßt haben würden. In der Wasserlinie sind »Italia « und »Lepanto«, wenig- stens von außen, völlig ungeschützt. Dagegen besitzen sie ein durch die ganze Länge des Schiffes laufendes gepanzertes Deck von 7‧5 Centimeter Dicke. Das Panzer- deck hält sich fast genau an der Wasserlinie und wölbt sich nach vorne und hinten nach abwärts. Ueber dem Panzerdeck erheben sich zwei Batteriedecke mit großen Räumen für Truppentransporte. Eine Kriegsmarine hat nicht nur der Anforderung zu genügen, schlachtbereite Geschwader in See zu stellen oder die Küsten zu schützen; sie muß auch die heimische Handelsflotte schützen und muß den Feind hindern, seine Hilfsquellen von See aus zu vermehren. Diese Aufgabe fällt den Kreuzern zu. Die Initiative zur Schaffung dieser Classe von Schiffen ergriffen die Vereinigten Staaten von Amerika, indem sie zu dem Zwecke, im Falle eines Krieges mit England dessen Handel brach zu legen, zwei Kreuzer von 23 Knoten Geschwindigkeit erbauten. Diesem Beispiele folgte England bald nach. Es wurde besonderes Gewicht auf große Geschwindigkeit gelegt. Ein jedes Mehr nach dieser Richtung involvirt aber eine bedeutende Er- höhung der Maschinenkraft, so daß man gezwungen wurde, die Kreuzer immer größer zu dimensioniren. Der Wettstreit, sich hierbei zu überflügeln, ist nahezu ein allgemeiner geworden. Das stolze Albion, bei dem das Geld keine Rolle spielt, hatte auch hierin bald die Oberhand gewonnen, indem es zwei Schiffe auf Stapel legte, die an Größe alle anderen übertrafen. Es sind dies die beiden Kreuzer »Powerful« und »Terrible«, als Schwesterschiffe gebaut. Diese Kreuzer sind 161‧4 Meter lang, ihre größte Breite beträgt 21 Meter, die Höhe bis zum Oberdeck 13 Meter. Ueber diesem liegt noch das Bootsdeck, welches sich in gleichem Verlaufe mit der langen Back und Hütte befindet. In Folge dessen sind die beiden Schiffe sehr hoch über Wasser und nehmen selbst bei stärkstem Seegang keine Wellen über. Das Deplacement beträgt 14.250 Tonnen bei einem Tiefgang von 8 Meter. Vor dem Bau dieser Kreuzer gab es nur wenig Schiffe, welche über 120 Meter lang waren. Heute sind bereits mehrere solcher Kolosse theils im Bau, theils der Vollendung nahe. Der neue französische Kreuzer »Jean d’Arc« ist 140 Meter lang, 19 Meter breit, hat einen Tiefgang von 8 Meter und ein Deplacement von 11.270 Tonnen. Er besitzt ein Panzerdeck von 13 Centimeter Stärke und Maschinen von 28.000 indicirten Pferdekräften, welche dem Schiffe eine Geschwindigkeit von 23 Knoten in der Stunde verleihen. Sein Kohlenfassungsvermögen beträgt jedoch nur 626 Tonnen, so daß das Actions- feld ein gegenüber den neueren Schiffen anderer Nationen verhältnißmäßig be- schränktes ist. Die Kreuzer »Powerful« und »Terrible« führen vorne und achter je ein 20 Centimeter-Geschütz, welches mit einem kuppelförmigen Panzerschild geschützt ist. Wie aus der Abbildung ersichtlich, ist die Bordwand vorne und achter eingezogen. In diesem Theile des Schiffes sind acht 14 Centimeter-Schnellfeuergeschütze auf Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 36 Erster Abschnitt. dem Hauptdeck und auf Oberdeck derart installirt, daß vier davon aus der Kiel- richtung nach vorne, vier in der Richtung nach achter feuern können. Auf dem Oberdeck sind weiters vier 15 Centimeter-Schnellfeuergeschütze mit einem Schuß- felde von 60 Grad nach beiden Richtungen aufgestellt. Die Nebenarmirung besteht aus 12 Zwölfpfündern und 19 Schnellfeuergeschützen kleineren Calibers, welche in den verschiedenen Theilen des Schiffes und in den Marsen der beiden Gefechts- Fig. 426. Drehthurm, System Ericsson. A Gepanzertes Deck. B Thurm; a oberer Querbalken, der die Traversen b b des oberen Deckes trägt; c unterer Querbalken, der die Traversen d des unteren Deckes trägt; e e Diagonalstreben welche den oberen Querbalken mit den unteren Traversen verbinden; f Stückpforte; g Verschluß der Stückpforte. C Thurmachse; h mit dem Deckbalken verbundener Kragen; i Pfanne; j Keil, der die Achse lüftet, sobald man den Thurm in Bewegung zu setzen hat. Der untere Querbalken e hat Balken, durch welche die Thurmachse geht. D Geschütz; k Ladevorrichtung. E Steuer- mannsthurm; I Steuerrad. F Brücke. G Transmissionsachse für den Drehmechanismus des Thurmes, welcher durch eine im Raume befindliche Maschine getrieben wird. H Uebersetzungsgrad, auf der Achse aufgeteilt. I Getriebe. masten installirt sind. Zum Lanciren der Torpedos sind vier Unterwasser-Lancir- rohre vorhanden. Zum Schutze der vitalen Theile des Schiffes dient ein Panzer- deck, welches über der Maschine und dem Kesselraume 11 Centimeter, an den anderen Stellen aber nur 6‧5 Centimeter stark ist. Dieses Deck hat eine ungewöhnlich große Wölbung; die Pfeilhöhe beträgt 3 Meter und reicht das Deck 2 Meter über die Wasserlinie. Die Kohlenbunker sind an den beiden Seiten des Maschinen- und Kesselraumes angeordnet, welcher eine Gesammtlänge von 74 Meter besitzt, somit fast die Hälfte der Schiffslänge Die Entwickelung der Kriegsmarinen. einnimmt. Den Abschluß des Kesselraumes nach vorne bildet ebenfalls ein Kohlen- depot. Ueber dem Panzerdeck ist desgleichen Raum zum Stauen von Kohlen geschaffen worden, so daß das Gesammt-Kohlenfassungsvermögen sich auf nicht weniger als 3000 Tonnen stellt. Diese Schiffe haben demnach ein ungemein großes Actions- feld. Sie können selbst um das Cap der guten Hoffnung herum nach den ent- ferntesten englischen Colonien entsendet werden, ohne daß es nothwendig wäre, den Kohlenvorrath zu ergänzen. In Folge ihres großen Tiefganges können die beiden in Rede stehenden Kreuzer den Suez-Canal nicht passiren; um nun diesen Nach- theil wettzumachen, hat der Constructeur derselben (W. White ) den Schiffen Fig. 427. Cerb è re, Drehthurm. A Deck. B Manöverdeck. C Fester Thurm, welcher den Drehmechanismus beherbergt; a Winkelbände, welche den Thurm mit dem Deck verbinden; b b Speichen, welche den fixen Thurm mit dem Centralpivot verbinden. D Kohle Achse, welches als Pivot für den beweglichen Thurm und gleichzeitig zum Munitions-Transporte dient. E Beweg- licher Ring, welcher sich um das Centralpivot dreht und die Bewegung des Thurmes leitet. F Beweglicher Thurm. G G Rollen, welche auf dem Ringe c ruhen und den Thurm durch den Ring d tragen. H Deck im Thurme; e Bank für den Vormeister. I Schlitten, K Thurmdeck; f zum Richten angebrachte Oeffnung. L Zahnrad, welches unter dem Thurmdeck angebracht, in das Getriebe M eingreift. N Achse, welche das Getriebe M mit der Uebersetzung o o ver- bindet. P Achse, welche die Uebersetzung M mit der konischen Uebersetzung Q und der Kurbel R verbindet. einen ungewöhnlich großen Kohlenfassungsraum gegeben. Bemerkenswerth ist die ungemein kurze Zeit, in welcher der »Powerful« gebaut wurde. Die Kiellegung erfolgte am 10. Mai 1894 auf der Werfte der Naval Construction and Arma- ment Co. In Barrow on Furness (wir kommen auf diese Schiffbauanstalt weiter unten zurück); beim Stapellauf, der am 24. Juli 1895 erfolgte, war das Schiff bereits mit einer Holzbekleidung versehen und hatte einen großen Theil der inneren Einrichtung an Bord. Der englischen Admiralität wurde es am 14. Juli 1896, 36* Erster Abschnitt. also zwei Jahre und zwei Monate nach der Kiellegung, übergeben. Die Kosten des complet ausgerüsteten Schiffes betragen rund 720.000 Pfund Sterling. Wenn es von Nutzen ist, einer Seemacht die Mittel zu geben, den Krieg an die Küsten des Gegners zu tragen, so ist es noch weit wichtiger, die eigenen Küsten zu sichern. Wenn nun auch Küstenbefestigungen, Seeminen und dergleichen Vor- kehrungen einigen Schutz im Sinne der Hafenvertheidigung darbieten, so darf Fig. 428. Nowgorod. (Schnitt mittschiffs.) gleichwohl nicht außeracht gelassen werden, daß die eigentliche Macht des Be- lagerten in der beweglichen Vertheidigung besteht: nämlich in Torpedofahrzeugen, Kanonenbooten und Küstenverteidigungsschiffen . Den ursprünglichen Typ dieser Kampfmittel stellen die sogenannten schwimmenden Batterien , über welche nicht viel zu sagen ist. Sie erwiesen Fig. 429. Nowgorod. (Ansicht von vorne.) sich als minderwerthig, und so schenkte man bald dem inzwischen aufgetauchten Küstenvertheidigungs-Widder erhöhte Aufmerksamkeit. Frankreich machte damit 1863 mit dem »Torreau« den Anfang; England folgte erst 1866 mit dem »Hotspur«, einem mit Schirm versehenen Monitor, dessen einziges Geschütz sich in einem ovalen Fixthurme befindet. In der Folge wurde diese Classe von Schiffen zwar wesentlich verbessert, doch experimentirte man augenscheinlich zu viel. Der nennenswertheste Fortschritt war, daß man den Thurm beweglich machte und ihn Die Entwickelung der Kriegsmarinen. mit einer Brustwehr versah. Der hier abgebildete »Cerb è re« veranschaulicht ein solches Fahrzeug. Das Urbild zu allen diesen Constructionen lieferte der von dem Amerikaner Ericsson erbaute »Monitor«, der im Secessionskriege den aufsehen- erregenden Kampf mit dem Panzer »Merrimac« mit Erfolg durchführte und zum Typ einer neuen Schiffsclasse wurde. Abweichend von den verschiedenen Küstenvertheidigungsschiffen der großen Seemächte ist die merkwürdige Type der Circularbatterien, welche unter dem Namen Fig. 430. Nowgorod. (Plan des Dockes und des Manöverdeckes.) (Die punktirten Linien in der oberen Hälfte der Figur bezeichnen die Constructionen des Aufbaues auf dem Dock, jene in der unteren Hälfte die innere Eintheilung des Zwischendeckes.) 1 Laufbrücken, 2 Scheilichter, 3 Ventilationsluke, 4 Seekartenhäuschen, 5 Regelcompaß, 6 Geschützthurm, 7 Rauch- fänge, 8 Alte Windfänge, 9 Neue Windfänge, 10 Löcher für die Manipulation des Torpedos, 11 Officiersmesse, 12 Anrichtekammer derselben, 13 Mannschaftsräume, 14 Mannschaftsaborte, 15 Wasserback, 16 Officierskammern, 17 Combüse, 18 Gefechtssteuerrad, 19 Kessel, 20 Kohlenmagazine. der Popowkas bekannt sind. Diese Fahrzeuge haben in der maritimen Welt einen gewissen Eindruck gemacht. Der Urheber des Constructionsprincipes ist eigentlich Elder , der 1868 Fahrzeuge von Kreisform projectirte. Der russische Admiral Popow griff die Idee auf und so kamen die beiden schwimmenden Batterien »Nowgorod« und »Viceadmiral Popow« zu Stande. In den hier stehenden Ab- bildungen ist die »Nowgorod« in perspectivischer Ansicht, im Querschnitt und im Deckplan vorgeführt. Das Schiff wurden gegen Ende 1871 in Bau genommen; die Erster Abschnitt. einzelnen Theile desselben, das zum weiteren Ausbau nothwendige Material, sowie die Kessel wurden theils per Bahn, theils zu Schiff nach Nikolajewa am Schwarzen Meere befördert. Hier wurde dann das Fahrzeug fertiggestellt. Es hat eine kreis- förmige Gestalt und einen Boden; der verticale Durchschnitt zeigt Viertel- kreise als Schiffswand, zu welcher die Geraden des Bogens Tangenten bilden. Die »Nowgorod« hat zwölf je 2‧48 Meter hohe Kiele, die parallel zu einander in gleichen Entfernungen liegen. Die Hauptdimensionen sind: 31‧3 Meter Durchmesser, 4 Meter Tiefgang bei voller Ladung, 55 Centimeter Bordhöhe über Wasser, 2491 Tonnen Deplacement. Das Deck steigt vom Rande gegen die Mitte zu an, so daß dieses 1‧57 Meter über dem Wasserspiegel zu stehen kommt. Ueber der Mitte des Fahr- zeuges ist concentrisch der Thurm aufgestellt, in welchem auf Drehschlitten-Raperten zwei 29 Centimeter-Gußstahlhinterlader installirt sind. Der Panzer besteht aus zwei Reihen Platten, von denen die innere Lage auf der Schiffshaut angenietet ist; der eigentliche Panzer setzt sich aus zwei Reihen Panzerplatten zusammen, von denen die obere Reihe, sowie der Panzer des Thurmes 24 Centimeter, die untere Reihe 18 Centimeter dick ist. Die Panzerunterlage besteht aus Teakholz von 18 Centimeter Stärke. Das eiserne Deck hat eine dreifache eiserne Beplankung von zusammen 7‧5 Centimeter Dicke. Das Schiff hat einen doppelten Boden und ist in 36 wasserdichte Abtheilungen getheilt. Der Treibapparat der »Nowgorod« besteht aus sechs Schrauben, die im Achterschiffe parallel zu einder und zur diametralen Durchschnittsfläche des Fahrzeuges gelegen sind; die sechs Maschinen sind im Vorschiffe untergebracht. Jede Maschine indicirt 560 Pferdekräfte; die Dampferzeugung wird von acht Kesseln bewirkt. Außerdem sind noch verschiedene Hilfsmaschinen vorhanden; ferner ist das Schiff mit Apparaten für den Gebrauch unterseeischer Minen versehen, mit denen sie nach allen Richtungen unbehindert wirken kann. Ium Vorschiffe befindet sich ein leichtes Deckhaus für den Commandanten, die Officiersmesse und einen Theil der Bemannung; unter Deck befinden sich die Officierscabinen und der Belegraum für die übrige Mannschaft. Der Durchmesser der Popowka »Viceadmiral Popow« ist um 6‧2 Meter größer als jener der »Nowgorod«; in Folge dessen ist auch deren Deplacement um 1000 Tonnen größer und der Panzer konnte daher bedeutend dicker genommen werden. Die Hauptdimensionen dieses Fahrzeuges sind: Durchmesser 37‧5 Meter; Tiefgang vorne 3‧7, achter 4‧3 Meter; Deplacement 3550 Tonnen. Diese Ver- mehrung des Deplacements ermöglichte es, die Panzerdicke um 18 Centimeter zu verstärken und die Maschinen um zwei zu vermehren. Von den sechs Schrauben haben die zwei äußeren einen bedeutend größeren Durchmesser als die vier anderen; die ersteren haben die Bestimmung, nur im tiefen Wasser zu arbeiten und werden von einem Paar Maschinen angetrieben. Sowohl die Bord- als die Thurmpanzer sind 50 Centimeter dick; das Deck hat 8 Centimeter Panzer. ... Es mag bemerkt werden, daß die Popowkas sich nicht bewährt haben. Die Entwickelung der Kriegsmarinen. Bezüglich der Entwickelung, welche die schwimmenden Kriegsmittel in den einzelnen Staaten genommen haben, ist der verhältnißmäßig rasche Aufschwung der deutschen Kriegsflotte von besonderem Interesse. Noch während des deutsch- französischen Krieges befand sich die deutsche Seemacht in einem Zustande, welcher es ihr unmöglich machte, mit der zehnfach überlegenen französischen Flotte einen Gang zu wagen. Damals waren nur fünf Panzerschiffe vorhanden, von denen zur Zeit alle bis auf eines ausrangirt sind, beziehungsweise als Hafenwachschiffe Ver- wendung finden. Der sofort nach den Kriegsereignissen aufgestellte Flottengründungsplan stellte als leitende Gesichtspunkte auf: Vertretung und wirksamer Schutz des deutschen Seehandels auf allen Meeren; starke Vertheidigung der vaterländischen Küsten und Entwickelung des eigenen Offensivvermögens. Mit dem Jahre 1884 war die Durch- führung dieses ersten Planes vollendet. Ihm sind vor Allem, bis auf wenige Aus- nahmen, die jetzigen Panzer II. und III. Classe, die Panzerkanonenboote und ein Theil der Kreuzerflotte zu verdanken. Bis zum Jahre 1890 wandte Deutschland sein Augenmerk neben dem Ausbau der Kreuzerflotte und der Anschaffung ver- wandter Schiffe vorzugsweise auf die Vervollkommnung des Torpedowesens. Um diese Zeit wurden vier Schlachtschiffe ersten Ranges auf Stapel gelegt und galt als Grundsatz bei diesen einen ganz neuen Typus darstellenden Panzer, die Er- reichung höchster Kampfkraft mit möglichst sparsamen Mitteln. Das Deplacement dieser vier deutschen Panzerschiffe I. Classe ist nicht ganz gleich, es schwankt zwischen 10.000 und 10.300 Tonnen. Die Länge beträgt 116 Meter, die größte Breite 20 Meter, der größte Tiefgang 7‧4 Meter und die Höhe bis zum Oberdeck 13‧2 Meter. Der Schiffsrumpf, ausschließlich aus deutschem Stahl erbaut, ist nach dem Doppelbodensystem construirt und ferner durch ein Längsschott und eine Anzahl von Querschotten derart getheilt, daß im Ganzen circa 120 wasserdichte Abtheilungen entstehen. Dieses weit ausgedehnte Zellensystem dürfte einen wirksamen Schutz gegen Torpedos abgeben. Die Panzerung aus Nickel- Flußsthal, beziehungsweise aus Compoundplatten bestehend, umgiebt das ganze Fahrzeug an der Wasserlinie als Gürtelpanzer. Die Stärke beträgt vorne und hinten 30, an den Langseiten 40 Centimeter. Ein Panzerdeck schützt ferner noch die Maschinenanlagen, Munitionsräume, Dampfsteuerapparat u. s. w. gegen mehr von oben kommende Treffer oder solche, die den Panzer durchbrechen. Die schwerste Bestückung ist in drei festen Brustwehrthürmen, die mit 30 Centimeter starkem Panzer versehen sind, untergebracht, von denen einer so hoch angeordnet ist, daß er auch bei schwerem Seegang benützt werden kann. Der mittlere und der hintere Thurm befinden sich auf dem Hauptdeck, ersterer unter der die hinteren Decks- aufbauten mit dem Oberdeck verbindenden Brücke, letzterer hinter diesen Aufbauten. Alle drei Thürme beherrschen die Breitseiten, je einer kann außerdem in der Jagd- und Retraiterichtung in Action treten. Die Geschütze feuern über Bank. Gegen das aus den Marsen feindlicher Schiffe kommende Feuer der Revolver- Erster Abschnitt. kanonen sind gewölbte Hauben von 3 Centimeter starkem Stahlblech angeordnet. Unter dem Oberdeck, zwischen dem vorderen und hinteren Thurme, befindet sich Fig. 431. Deutsches Panzerschiff »Kurfürst Friedrich Wilhelm«. noch eine durch schrägliegende Panzerwände geschützte Breitseitbatterie für mittlere Geschütze. Die Schiffe besitzen ferner zwei Röhrenmaste, welche oben mit Gefechts-, unten mit Scheinwerfermarsen ausgestattet sind, und die im Innern Treppen und Die Entwickelung der Kriegsmarinen. Geschoßaufzüge enthalten. Diese Maste dienen ferner als Träger für die Krahne zur Bewegung der Dampfbeiboote. Die Namen dieser Schiffe sind: »Brandenburg«, »Wörth«, »Weißenburg« und »Kurfürst Friedrich Wilhelm«. ... Bei dem im Fig. 432. Deutsches Panzerschiff »Wörth« in Parade. Jahre 1894 auf der kaiserlichen Werft in Wilhelmshaven auf Stapel gelegten fünften Schiffe dieser Classe (»Weißenburg«) haben bereits einige Aenderungen, beziehungsweise Verbesserungen platzgegriffen. So ist unter Anderem die Länge Erster Abschnitt. um rund 12 Meter vergrößert und dadurch das Deplacement auf 11.000 Tonnen gebracht worden. Ferner wurde das Schiff nur vier Fünftel seiner Länge gepanzert, Fig. 433. Hintere Deckbauten des Panzerschiffes »Brandenburg« (Vgl. auch Abbildung S. 16). so daß Vor- und Hinterschiff ungeschützt sind, und außerdem erhielt es drei Schrauben und eine Maschinenkraft von zusammen 13.000 Pferdekräften. Am 31. Juli 1896 lief auf der kaiserlichen Werft in Wilhelmshafen das Panzerschiff I. Classe »Kaiser Friedrich III. « vom Stapel, und am 14. September 1897 Die Entwickelung der Kriegsmarinen. dessen Schwesterschiff »Kaiser Wilhlem II. «. Ein drittes Schwesterschiff, »Ersatz König Wilhelm«, ist im Bau, ein viertes in Aussicht genommen. Diese Schiffe haben eine Länge von 115 Meter, eine größte Breite von 20‧4 Meter und einen mittleren Tiefgang von 7‧8 Fig. 434. Gefechtsmast eines Schlachtschiffes. Meter. Letzterem entspricht eine Wasserverdrängung von 11.130 Tonnen. Das Material ist bester deutscher Stahl. Der Panzerschutz besteht aus einem 2 Meter hohen und 30 bis15 Centimeter starkem Gürtelpanzer, der sich über vier Fünftel der Schiffslänge von vorne erstreckt. Das hintere Fünftel des Schiffskörpers ist zur Gewichts- ersparniß nur mit einem 7‧5 Centi- meter starken, gewölbten Panzerdeck geschützt. Der übrige Schiffskörper wird durch ein 6‧5 Meter starkes Panzerdeck, das sich auf der Ober- kante des Panzergürtels stützt und vorn zur Verstärkung der Ramme nach unten geneigt ist, geschützt. Einen weiteren Panzerschutz haben ferner die beiden schwercalibrigen Geschützthürme von 25 Centimeter Dicke, die Geschützthürme und Case- matten für die 15 Centimeter- Schnellfeuergeschütze von 15 Centi- meter Dicke, und der Commando- thurm, der mit Panzerplatten von 25 und 10 Centimeter Dicke um- geben ist. Die Schiffe haben drei drei- cylindrige, dreifach expandirende Maschinen, die in vollständig ge- trennt liegenden wasserdichten Ab- theilungen stehen und je eine drei- flügelige Bronzeschraube treiben. Das Dreischraubensystem ist bei allen neuen deutschen Kriegsschiffbauten eingeführt, da es sowohl ökonomische als militärische Vortheile bietet. Die Gesammtmaschinenleistung beträgt 13.000 Pferdestärken, die Geschwindigkeit 18 Knoten. Das normale Kohlenfassungsvermögen ist auf 650 Tonnen bemessen, doch kann es auf 1000 Tonnen erhöht werden. Erster Abschnitt. Diese Panzerschiffe haben zwei Gefechtsmasten aus Stahl; der vordere ist sehr dick gehalten und gleicht einem hohen, schlanken Thurme, der durch Wendel- treppen zugänglich ist. Er trägt in seinen Marsen leichte Schnellfeuer- und Maschinen- geschütze, in seinem Top einen mächtigen Scheinwerfer. Der hintere Mast dient lediglich zu Signalzwecken, ist jedoch gleichfalls mit einem starken Scheinwerfer ausgerüstet. Vier weitere Scheinwerfer sind ferner auf Podesten außerhalb der Bordwände in 4 Meter Höhe über Wasser angebracht. Sie dienen vornehmlich zur Aufsuchung von feindlichen Torpedobooten bei Nacht und erleichtern den zahl- reichen Schnellfeuergeschützen die Abwehr nächtlicher Angriffe von Torpedobooten. Auf Grund der reichlichen Ausrüstung mit Scheinwerfern sind denn auch die sonst üblichen Torpedoschutznetze entfallen. Ein großes Feld ist der Electricität eingeräumt. Sie besorgt nicht nur die gesammte Innenbeleuchtung, sondern bethätigt auch die Elektromotoren, die zum Bewegen der Geschützthürme, der Geschoßhebemaschinen, der Bootshilfsvorrichtung u. s. w. an zahlreichen Punkten aufgestellt sind. Was diese Schlachtschiffe im Besonderen auszeichnet und ihnen große Vorzüge vor den Schiffen der Brandenburg-Classe giebt, ist ihre außerordentlich starke Artillerie und deren vorzügliche Aufstellung, die nach ganz neuen Gesichtspunkten erfolgte und die größte Ausnützung jedes Geschützes ermöglicht. Es ist durchwegs das langcalibrige Geschütz zur Verwendung gekommen, das den Geschossen die größte Durchschlagskraft giebt. Diese langen 24 Centimeter-Geschütze sind in je zwei drehbaren Panzerthürmen, vorn und achter, untergebracht und vermögen dieselben alle zur Zeit auf Kriegsschiffen verwendeten Panzerungen zu durch- schlagen. Ferner sind 18 15 Centimeter-Schnellfeuergeschütze vorhanden, von welchen zwölf in gepanzerten Einzelcasematten, sechs in gepanzerten Drehthürmen stehen; außerdem sind noch 8 Centimeter-Schnellfeuergeschütze hinter Stahlschilden auf- gestellt. Als Angriffswaffe tritt noch zur starken Artillerie die Torpedoarmirung, welche aus sechs Lancirrohren für den 45 Centimeter-Torpedo besteht. Fünf dieser Rohre liegen unter Wasser und sind durch das Panzerdeck geschützt; hiervon sind vier Breitseitrohre und ein Bugrohr. Das sechste Rohr (im Heck) liegt über Wasser. Durch den am 25. September 1897 auf der kaiserlichen Werft in Kiel vom Stapel gelassenen Kreuzer I. Classe »Ersatz Leipzig« wurde ein Schiff gewonnen, das nach Abmessung, Armirung und Geschwindigkeit den höchsten modernen An- forderungen genügen wird. Ein moderner Panzerkreuzer unterscheidet sich von einem modernen Panzerschiff dadurch, daß bei ersterem, der an Größe dem Schlachtschiff kaum nachsteht, die Eigenschaften der Geschwindigkeit und des weiten Actionsver- mögens — d. i. des Zurücklegens großer Strecken unter Dampf — auf Kosten seines Panzerschutzes besonders ausgebildet sind. Er ist dadurch im Stande, feind- liche Kreuzer, welche des Panzerschutzes entbehren, zu bekämpfen und deren Recognoscirungsversuche gegen eine Schlachtflotte zu vereiteln, mit feindlichen Panzerschiffen ein Feuergefecht zu führen, da er selbst schwere Schnellfeuerartillerie Die Entwickelung der Kriegsmarinen. führt, sich jedoch dem wirksamen Angriff eines ihm überlegenen Panzerschiffes jederzeit vermöge seiner höheren Fahrgeschwindigkeit entziehen kann. Für Panzer- schiffe älterer Construction, die nothgedrungen im Ernstfalle hie und da noch zur Verwendung kommen, ist der moderne Panzerkreuzer in mehrfacher Beziehung ein überlegener Gegner. Die Dimensionen des »Ersatz Leipzig« sind die folgenden: Länge 120 Meter, größte Breite 20‧4 Meter, mittlerer Tiefgang 7‧9 Meter, Deplacement 10.650 Tonnen, Fig. 435. Stapellauf des Panzerschiffes »Ersatz Friedrich der Große«. — Wilhelmshafen am 14. September 1897. die Maschinen entwickeln 14.000 Pferdestärken und verleihen dem Schiffe eine Ge- schwindigkeit von 19 Knoten. Der Kohlen- und Theerölvorrath ist auf 1100 Tonnen bemessen. Der Panzer besteht aus 8 bis 20 Centimeter dicken gehärtetem Nickel- stahl, und die schwere Armirung, welche sich in der Hauptsache nur durch die ge- ringere Zahl von 15 Centimeter-Geschützen von derjenigen der neuen Panzerschiffe I. Classe unterscheidet, machen »Ersatz Leipzig« zu einem werthvollen Zuwachs der Flotte. Zum Schutz gegen das schnelle Bewachsen des Schiffbodens in tropischen Gewässern hat das Schiff eine Holzbeplankung mit Gelbmetallbeschlag, sowie bronzene Steven, Schraubenböcke und Ruderrahmen. Der Kreuzer, der auf den Namen »Fürst Bismarck« getauft wurde, hat eine Armirung von 4 24 Centimeter-Geschützen auf Erster Abschnitt. doppelter Drehscheibe, 6 15 Centimeter-Geschütze in gepanzerten Drehthürmen, 8 8 Centimeter-Geschütze und 10 3‧7 Centimeter-Geschütze, endlich 8 8 Centimeter Maschinengewehre. Die Torpedoarmirung ist außergewöhnlich stark. Von der Beschreibung der anderen deutschen Kriegsschiffe: Panzerschiffen II. , III. und IV. Classe, Kreuzern II. , III. und IV. Classe, Panzerkanonenbooten, Kanonenbooten, Torpedobooten, Avisos u. s. w. sehen wir ab. Einige allgemeine Bemerkungen über diese Fahrzeuge dürften genügen. Die Panzerschiffe II. Classe haben zwischen 7800 und 9760 Tonnen Deplacement, 25 bis 30 Centimeter Gürtel- panzer und eine Armirung die im Allgemeinen derjenigen der erstclassigen Panzer gleichkommt. Die Geschwindigkeit beträgt indeß nur 14 Knoten. Zu den Panzer- schiffen III. Classe zählen zwei Hochsee-Thurmschiffe von je rund 7000 Tonnen Deplacement und einer Panzerung von 20 Centimeter; ferner vier Citadellschiffe mit einer Panzerung (mittschiffs) von 40 Centimeter; das Deplacement beträgt je 5600 Tonnen. Armirung und Geschwindigkeit dieser Fahrzeuge entspricht den zweitclassigen Schiffen. — Die Panzerschiffe IV. Classe, deren Armirung den vor- besprochenen Classen entspricht, haben ein Deplacement von 3000 bis 5000 Tonnen und eine Fahrgeschwindigkeit von 16 Knoten. Die Kreuzer II. Classe haben ein Deplacement von 4100 bis 6100 Tonnen und eine Geschwindigkeit, welche zwischen 18 und 21 Knoten schwankt. Die Armirung besteht aus Schnellfeuergeschützen verschiedenen Calibers, Maschinengewehren und Torpedos. — Die Kreuzer IV. Classe dienen hauptsächlich für den Stations- und Colonialdienst; sie haben ein Deplacement von 1100 bis 1600 Tonnen, eine Armirung, welche der vorhergehenden Classe entspricht, und eine Geschwindigkeit von 16 Knoten. Eine Anzahl früherer Kreuzer dieser Classe, mit einem Deplacement von unter 1000 Tonnen, versieht den Dienst von Kanonenbooten. Die gepanzerten Kanonenboote, welche mit einem schweren Geschütz, mit Schnellfeuer-Geschützen und Torpedos ausgerüstet sind, haben ein Deplacement von 900 bis 1100 Tonnen und eine Geschwindigkeit von 9 bis 15 Knoten. Schließlich sind noch die »Torpedo- jäger« und Torpedoboote zu nennen, welche 20 bis 25 Knoten in der Stunde laufen. Auf Takelage hat man auf allen neueren Schiffen, mit Ausnahme der Kreuzer IV. Classe verzichtet. Nur die älteren Kreuzer III. Classe, sowie die alten Kanonen- boote und einige Schulschiffe können sich allein mit Segeln fortbewegen. Die bei den Kreuzern IV. Classe angeordnete Takelage reicht nicht aus zur Fortbewegung des Schiffes ohne Dampfwirkung, sie kann diese nur unterstützen und wird zur Kohlenersparniß auf langen Reisen ausgenützt. Im Nachstehenden geben wir den Bestand der deutschen Kriegsflotte im Jahre 1897: Panzerschiffe I. bis III. Classe 11 : Sachsen, Bayern, Württemberg, Baden, Oldenburg, Kurfürst Friedrich Wilhelm, Brandenburg, Weißenburg, Wörth, Kaiser Wilhelm II. und Kaiser Friedrich III. . Die Entwickelung der Kriegsmarinen. Fig. 436. Hundert Tonnen: Schwimmkrahn der kais. Werft in Kiel (Construirt von der »Gutehoffnungshütte«.) Erster Abschnitt. Panzerschiffe IV. Classe 8: Siegfried, Boewulf, Frithjof, Hildebrand Heimdall, Hagen, Odin, Aegir. Panzerkanonenboote 13: Wespe, Tiger, Biene, Mücke, Scorpion, Cha- mäleon, Basilisk, Krokodil, Salamander, Natter, Hummel, Brummer, Bremse. Kanonenboote 2: Wolf, Habicht. Fig. 437. Französisches Panzerschiff »Gloire« (Längenschnitt.) Fig. 438. Französisches Panzerschiff »Magenta« (Längenschnitt.) Fig. 439. Französisches Casemattschiff »Océan« (Deckplan.) Fig. 440. Französisches Casemattschiff »Richelieu« (Längenschnitt.) Kreuzer I. bis III. Classe 14 : König Wilhelm, Kaiser, Deutschland, Irene, Prinzeß Wilhelm, Kaiserin Augusta, Gefion, Bismarck (Ersatz Leipzig), Ersatz Freya, Kreuzer K. L. M. W. Außerdem noch 5 Kreuzer III. Classe aus dem Bestande der alten Kreuzflotte: Olga, Marie, Sophie, Alexandrine und Arkona; sie sind ohne Schutz, veraltet und unbrauchbar. Kreuzer IV. Classe 9: Schwalbe, Sperber, Bussard, Falke, Seeadler, Condor, Kormoran, Geier und einer im Bau (Kreuzer G.). Aviso 6: Hohenzollern, Wacht, Jagd, Meteor, Hela. Außerdem noch 4 alte, ungeschütze, unbrauchbare Aviso: Zieten, Blitz, Pfeil, Greif. Die Entwickelung der Kriegsmarinen. Torpedo-Divisionsboote 10. Torpedoboote 81, hievon 8 im Bau. Außerdem noch 9 alte, im Ernstfalle unbrauchbare Torpedoboote. Anfang März 1858 erhielt die Marine-Werft zu Toulon den Befehl, ein Panzerschiff nach Dupuy de L ô me 's Plänen auf Stapel zu legen. Mit diesem Tage verfielen die ungepanzerten Holzschiffe dem Lose der Verbannung aus den Reihen der Schlachtflotte, um jenen neuen Classen von Seeschiffen zu weichen, von welchen man, bei gleicher Geschwindigkeit und mindestens gleichen nautischen Eigen- schaften, Schutz gegen feindliche Geschosse erwartete. Frankreich hatte sich die Ehre erworben, allein die mühevollen Studien und die ebenso kostspieligen als schwierigen Fig. 441. Fixer Thurm des Casemattenschiffes »Oc é an«. A Oberdeck. B Thurm: aa Auflanger aus Holz, bb innere Reifen, d Panzer, C Schlittenpivot, gleichzeitig zum Munitionstransporte dienend. D Beweglicher Ring, um das Centralpivot drehend. EE Rollen des Schlittens, auf dem Reife F laufend. GG Rapert sammt Schlitten. I Plattform zur Bedienung des Geschützes; f Ringe hierzu. K Getriebe-Sector mit inneren Zähnen, welche in L eingreifen. M Achse, welche das Getriebe L mit der konischen Uebersetzung N und der Kurbel O verbindet und zur Drehung des Geschützes dient. Versuche zum Abschlusse gebracht zu haben, welche die Construction des ersten Panzerschiffes erforderte. Zwei Jahre, bevor die übrigen Seemächte ähnliche See- schiffe aufweisen konnten, erhob sich schon die »Gloire« auf ihrer Helling. Am 24. November 1859 lief die »Gloire« als erstes Panzerschiff vom Stapel. Ihre Kosten betrugen 4,690.000 Francs. Sobald die Erbauung der »Gloire« beschlossen war, wurde auf den Werften von Toulon in Cherbourg zu zwei anderen ganz gleichen Panzerschiffen — »In- vincible« und »Normandie« — der Kiel gelegt; diese drei Schiffe, in Verbindung mit »Magenta« und »Solferino«, deren Bau später begonnen wurde, und der »Couronne«, bilden die erste Gruppe der französischen Panzerschiffe ersten Ranges. Der Panzer von 12 Centimeter Dicke war darauf berechnet, den gezogenen 16 Centi- Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 37 Erster Abschnitt. Fig. 442. Französisches Barbette-Thurmschiff »Admiral Duperr é «. (Längenansicht und Oberdeck.) 1 Treppenluken, 2 Scheilichter, 3 Mannschafts-Aborte, 4 Kamine, 5 Telegraph, 6 Verschanzung der Commandantenbrücke, 7 Gangspill meter Kanonen zu wider stehen, wobei der Vor- theil auf seiner Seite bleiben sollte. Das De- placement war noch von beschränkter Größe, näm- lich etwas über 5600 Tonnen; die größte Länge betrug 80, die größte Breite 17, der Tiefgang 8‧9 Meter. Die »Cou- ronne« war etwas größer. Bei diesen Schlachtschiffen war der Panzer zwar gänzlich in die Schiffswand einge- fügt, doch setzte er sich aus zwei durch eine Schicht von 10 Centi- meter Holz getrennten Lagen zusammen. Bei den Panzerschiffen »Ma- genta« und »Solferino« erreicht das Deplacement bereits 7129 Tonnen, die Maschinen indicirten 3283 Pferdekräfte. Im Jahre 1862 wurde eine Serie von zehn neuen Panzer- schiffen in Bau genom- men, welche nach dem Musterschiffe — der »Provence« — benannt wurde. Diese Schiffe waren durchwegs ein- heitlich construirt und ausgerüstet, ein Vortheil, den wenig andere Ma- rinen mit Beginn des Panzerschiffbaues zu verzeichnen hatten. Das Deplacement dieser Schiffe ist nur wenig größer als der vorgenannten, wogegen die Panzerstärke auf Die Entwickelung der Kriegsmarinen. 15 Centimeter gebracht wurde, Fig. 443. Das französische Schlachtschiff »Carnoi«. (Vgl. Fig. 444.) doch zeigte es sich bei Fertig- stellung des letzten Panzer- schiffes der »Provence«- Classe, daß die angenommene Panzerstärke ungenügend sei. ... Schon 1865 begann der Bau der dritten Gruppe der französischen Panzerschiffe I. Classe, bestehend aus dem »Oc é an«, »Marengo« und »Suffren«, welche eine Be- panzerung von 20 Centimeter erhielten, während das De- placement 7500 Tonnen betrug. Auch diesmal erwies sich hinterher die Bepanze- rung als zu schwach; bei dem im Jahre 1873 vom Stapel gelassenen »Richelieu« hatte die Panzerstärke bereits 22 Centimeter erreicht, das De- placement betrug 8791 Tonnen. Er bildete mit den Casemattschiffen »Colbert«, »Friedland« und »Trident« die vierte Gruppe der fran- zösischen Panzerschiffe ersten Ranges. Aber während das erstgenannte Schiff noch aus Holz war, kam bei den anderen drei bereits das Eisen als ausschließliches Con- structionsmaterial zur Gel- tung; die Panzerstärke betrug 23 Centimeter. Eine neue Aera des französischen Kriegsschiff- baues eröffnete der im Jahre 1876 vom Stapel gelassene »Redoutable«, der mit der »Devastation« und dem »Foudroyant« die fünfte Gruppe von französischen Panzerschiffen ersten Ranges 37* Erster Abschnitt. bildete. Die Panzerstärke beträgt beim »Redoutable« 35 Centimeter mittschiffs und reichten die Platten vorne bis zur Spitze der Ramme hinab, wie dies bei allen neueren französischen Panzerschiffen der Fall ist; die Holzrücklage ist 38 Centi- meter stark. »Redoutable« hat 8854 Tonnen Deplacement, »Devastation« und »Foudroyant« je 9639 Tonnen; die Panzerstärke im Maximum 38 Centimeter. Die sechste Gruppe der französischen Panzerschiffe ersten Ranges bilden die Schlachtschiffe »Admiral Duperré«, »Amiral Baudin« und »Formidable«; der erstere hat 10.486 Tonnen Deplacement, die beiden letzteren je 11.441 Tonnen; die Panzerstärke hatte sich bis auf 55 Centimeter gesteigert. Die Eigenthümlichkeit Fig. 441 Französisches Schlachtschiff »Bouvet« (Carnot-Classe). Deplacement 12.200 Tonnen, Geschwindigkeit 18 Knoten, Hauptgeschütze 2 Zwölfzöller und 2 Zehnzöller, Panzerung 15 ¾ bis 8 engl. Zoll, Gürtelpanzer. der Panzerung besteht darin, daß außer dem Gürtelpanzer kein anderer Panzer vorhanden ist. Am Oberdeck befinden sich vier Barbettethürme, von welchen einer an jeder Seite vor dem Kamine placirt ist und über die Bordwand hinausragt; ein Thurm ist in der Mitte des Achterdecks und einer hinter dem Kreuzmast installirt. Alle diese Thürme sind mit 30 Centimeter dicken Platten gepanzert; die vier 34 Centimeter-Geschütze stehen auf Drehscheiben, welche durch Dampf und mittelst hydraulischer Apparate bewegt werden. Die zwei seitlichen Thürme gestatten das Feuern in der Kielrichtung. Querschiffs zwischen den beiden vorderen Thürmen befindet sich die Commandantenbrücke mit einem gepanzerten Reduit, während zwischen den beiden rückwärtigen Thürmen eine eiserne Brücke angebracht ist, auf welcher sich die Officiere und die Steuerleute aufhalten. Diese beiden Brücken Die Entwickelung der Kriegsmarinen. schützen zugleich das Innere der Thürme von oben gegen Gewehr- und Mi- trailleusenfeuer. Während man in England in der Fortentwickelung der Kriegsmarine dem Grundsatze zu huldigen scheint, jedes neue Schiff anders zu bauen als die vorher- gegangenen, so daß jedes derselben einen neuen Typ bedeutete, hat man in Frank- reich entgegengesetzt immer eine gewisse Anzahl nach einem Plane gebaut, so daß die französische Kriegsflotte mehr als die englische eine Anzahl Gruppen gleicher Schiffe aufweist. Dieses System hat unbestritten sowohl in technischer als militäri- scher (taktischer) Beziehung viel für sich. Eine sehr rege Thätigkeit im Kriegsschiffbau Fig. 445. Französischer armirter Kreuzer »Charner«. Deplacement 4792 Tonnen, Geschwindigkeit 18 Knoten, Hauptgeschütze zwei 7‧6-Zöller. begann in Frankreich zu Beginn der Achtzigerjahre, als Italien die Marine- verwaltungen der führenden Seemächte durch seine neuen großen Schlachtschiffe überraschte. Dieselben übertrafen rücksichtlich ihrer Panzerstärke, Maschinenkräfte und Armirung alles bisher Dagewesene, und veranlaßten Frankreich und England Schiffe in Bau zu nehmen, welchen die gleiche Gefechtskraft innewohnen sollte, wie den italienischen. Den Anfang machten vier schwere Panzerschiffe, allen voran »Hoche« (1880) auf der Staatswerft in Lorient und »Marceau« in La Seyne auf Stapel gelegt, sodann »Neptune« (1882) auf der Staatswerft in Brest und »Magenta« (1883) im Arsenal zu Toulon in Bau genommen. Trotzdem für alle diese Schiffe einheit- liche Pläne vorlagen, hat es doch deren relativ lange Bauperiode mit sich gebracht, Erster Abschnitt. daß sie in manchen Einzelheiten von einander abweichen. So ist z. B. der »Hoche« noch aus Stahl und Eisen gebaut, während für die anderen Schiffe nur Stahl verwendet wurde. Der »Hoche« hat eine Länge von 102‧4 Meter, eine Breite von 19‧7 Meter und einen Tiefgang von 8‧3 Meter; das Deplacement beträgt 10.581 Tonnen. Es hat, abweichend von den italienischen Schiffen, einen um das ganze Schiff herumlaufenden Gürtelpanzer aus Compound-(Stahl-Eisen-)Platten, der am Bug eine Dicke von 40 Centimeter hat, bis zur Längenmitte des Schiffes auf 45 Centimeter steigt und von da nach dem Heck bis zu 35 Centimeter ab- nimmt. In der Höhe der Oberkante des Panzergürtels liegt durch das ganze Fig. 446 Französischer armirter Kreuzer » Dupuy de Loͤme «. Deplacement 6406 Tonnen, Geschwindigkeit 20 Knoten, Hauptgeschütze zwei 7‧6-Zöller. Schiff ein 8 Centimeter dickes Panzerdeck. Dagegen hat die oberhalb des Panzer- gürtels liegende Batterie keinen Panzerschutz; eine Längs- und 16 Querschotte aus Panzerplatten schützen gegen bestreichendes feindliches Feuer quer durch den Schiffsraum. Außerdem gehen von den beiden Panzerthürmen schräg nach den Bordwänden Panzerschutzwände für die Batterie. Neben den Panzerthürmen erhebt sich ein Schutzschirm aus Stahlblech, welcher mit Schnellfeuergeschützen armirt ist. Das gewaltige Schiff erhält durch zwei zweicylindrige Compoundmaschinen, welche zusammen 12.000 Pferdekräfte indiciren und zwei Schrauben in Bewegung setzen, eine Fahrgeschwindigkeit von 17 Knoten. Mit dem Bau der neuen Panzer ging jener von Kreuzern Hand in Hand. Als bemerkenswerthe Typen erstclassiger Kreuzer können »Alger« und »Jean Bert«, Die Entwickelung der Kriegsmarinen. beziehungsweise »Isly« — das Schwesterschiff des letzteren — angesehen werden. »Alger« ist 105 Meter lang, 13‧8 Meter breit, und hat bei einer Raumtiefe von 9‧3 Meter einen mittleren Tiefgang von 5‧5 Meter; das Deplacement beträgt 4122 Tonnen. Ein durch die ganze Länge des Schiffes reichendes Panzerdeck schützt die Maschinenräume und Munitionsvorräthe. Die Fahrgeschwindigkeit beträgt 19 Knoten. .... Von den Kreuzern zweiter Classe ist der Typ »Davout« und »Suchet« die stärksten Schiffe dieser Kategorie in der französischen Kriegsmarine. Diese Schiffe sind 88 Meter lang, 12‧3 Meter breit und haben bei 3027 Tonnen Deplacement 5‧3 Meter Tiefgang. Die Maschinen von zusammen 9000 Pferde- kräften ermöglichen eine Fahrgeschwindigkeit von 20 Knoten; der Actionsradius ist ziemlich bedeutend, da er, bei verminderter Geschwindigkeit von 12 Knoten, sich auf 4000 Seemeilen erstreckt. Ein 60 Centimeter dickes Panzerdeck bietet den Maschinen- räumen den nöthigen Schutz. Besonders zahlreich sind in der französischen Kriegsmarine die Kreuzer dritter Classe. Die Dimensionen sind: 95 Meter Länge, 9‧3 Meter Breite und 4‧2 Meter Tiefgang bei einem Deplacement von 1848 Tonnen. Die Maschinen indiciren bei künstlichem Zuge 6000 Pferdekräfte und verleihen den Schiffen eine Geschwindigkeit von fast 20 Knoten. In den letzten Jahren hat die französische Schlachtflotte abermals eine an- sehnliche Vermehrung erfahren, und zwar durch die fünf erstclassigen Panzer »Carnot« (ursprünglich »Lazare-Carnot«), »Bouvet«, »Jauréguiberry«, »Charles Martel« und »Massena«. Von diesen Schiffen wollen wir den »Carnot« eingehender behandeln. Er ist (Fig. 443) 112 Meter lang, 21‧5 Meter breit, taucht achter 8 Meter und hat ein Deplacement von 12.000 Tonnen. Seine Artillerie-Armirung macht ihn dem »Hoche« und »Neptun« ähnlich, dem äußeren Ansehen jedoch gleicht er eher dem »Brennus« (Fig. 448). Wie dieser führt er oberhalb des Gürtelpanzers über die vitalen Theile des Schiffes einen dünneren Seitenpanzer und hinter diesem einen Koffer- raum. Als weiteren Schutz hat »Carnot« ein stark gewölbtes Panzerdeck, das an der Oberkante des Gürtelpanzers endet. Ueber diesem Panzerdeck erhebt sich ein gepanzerter Schacht, dessen oberes Ende der gepanzerte Commandothurm bildet, ferners die gepanzerten Schachte, welche die unteren Theile der Geschützthürme und die Munitionsaufzüge schützen. Im Ganzen besitzt das Schiff zwölf Thürme. Die vitalen Theile desselben werden durch hohe, über drei Decke reichende Aufbauten gekrönt. Die Schiffshülle ist doppelt hergestellt, nicht nur im Flur und an den Schiffsseiten als Doppelboden, sondern auch unmittelbar unterhalb des Panzer- deckes, wodurch ein ausreichender Splitterschutz über den Schiffsmaschinen gebildet wird. Gegen die Wirkung von Torpedoexplosionen ist das Schiff durch zwei nahezu durchgängige Längsschotte geschützt. Der Gürtelpanzer ist mittschiffs 45 Centimeter stark und fällt nach den beiden Schiffsenden zu auf 30 Centimeter herab. Der Seitenpanzer ist 10 Centi- meter, das Panzerdeck 7 Centimeter dick und, wie erwähnt, stark gewölbt. Charak- Erster Abschnitt. teristisch für diesen Typ ist das starke Einfallen des todten Werkes über den Maschinen, wodurch die Breite des Oberdeckes nur halb so groß ist als jene des Panzerdeckes. Diese Anordnung ergab sich aus der Placirung der seitlichen Thürme, denen der Ausschuß in der Kielrichtung freigegeben werden mußte. Eine weitere Folge dieser Anordnung ist, daß sich das Zwischendeck mitschiffs zu beiden Seiten senkrecht über den Außenrand des vitalen Werkes erhebt, so daß zwei Vorsprünge entstehen, welche zwei Thürmen für Schnellfeuergeschütze und zwischen denselben einem dritten, etwas höher stehenden Thurm für ein schwereres Geschütz, als Unter- lage dienen. Beiderseits, mehr achter und vorne, liegen weitere vier Thürme. Zwei Fig. 417. Französisches Schlachtschiff »Jauréguiderra«. Deplacement 11.824 Tonnen, Geschwindigkeit 18 Knoten, Hauptgeschütze 2 Zwölfzöller. Gefechtsmasten und zwei große, rechteckige Schlote mit abgerundeten Ecken vervoll- ständigen die Aufbauten des Schiffes. Die Kessel- und Maschinenanlage setzt sich zusammen aus zwölf Lagraffel d'Allest-Kesseln , welche paarweise in sechs wasserdichten Räumen installirt sind und aus zwei Dreifach-Expansionsmaschinen, welche bei natürlichem Zuge je 6000 Pferdestärken, bei forcirtem Zuge je 7000 Pferdestärken indiciren. Die Ge- schwindigkeit stellt sich auf 17 beziehungsweise 18 Knoten. Der Actionsradius beträgt bei 10 Knoten Geschwindigkeit 3000 Seemeilen, ist also ein relativ mäßiger, ein Fehler, der allen neueren französischen Schlachtschiffen anhaftet. Der Umstand, daß die schweren Geschütze ausgezeichnet, die mittlere Artillerie dagegen nicht aus- reichend geschützt ist, veranlaßt einen Fachmann zu folgenden Bemerkungen: »Es Die Entwickelung der Kriegsmarinen. ist fraglich, ob es vortheilhafter ist, ein Geschütz in einem Drehthurm, oder in einer Batterie, oder in einem Reduit zu installiren. Befindet sich das Geschütz in einer Batterie hinter einer Panzerwand und durch Schlittenschotte von den anderen Geschützen getrennt, so wird bei einem Treffen das getroffene Geschütz allein demontirt, die verwundete Bedienungsmannschaft der anderen Geschütze kann rasch ersetzt und deren Munition durch die benachbarten Aufzüge besorgt werden. In geschlossenen Drehthürmen droht dem Geschütz außer der Demontirung auch die Außergefechtsetzung durch Havarien am Drehthurmmechanismus, durch Zerstörung des Munitionsaufzuges, durch Verletzung der Drehschiene des Thurmes und durch Fig. 448. Französisches Schlachtschiff »Brennus«. Deplacement 11.400 Tonnen, Geschwindigkeit 17 Knoten, Haupt- geschütze 3 Dreizehnzöller, Gürtelpanzer 15 ¾ Zoll. Splitter des todten Werkes, welche durch Einzwängen das Drehen des Thurmes verhindern können. Dadurch tragen die Thürme der 14 Centimeter-Geschütze auf »Carnot« ein gewisses Merkmal der Schwäche an sich. Dagegen haben sie den Vortheil, die Bedienungsmannschaft besser zu schützen und größeren Bestreichungs- raum zu besitzen, welche Vortheile aber kaum den eben geschilderten doppelten Nachtheil aufzuwiegen im Stande sind. Nach Completirung der Neubauten in den nächsten Jahren wird die fran- zösische Kriegsmarine eine imposante Höhe erreicht haben. Es sind dies die erstclassigen Schlachtschiffe »Charles Martel« (Deplacement 11.900 Tonnen), »Jaur é guiberry« (11.800), »Brennus« (10.800), »Carnot« (12.000), »Bouvet« (12.000), »Massena« (12.000), »Charlemagne« (11.270), »St. Louis« (11.270), »Gaulois« (11.275), Erster Abschnitt. »Henry IV. « (8950). Die erstclassigen Panzerkreuzer: »d'Entrecasteau« (8000), »Bruix« (4800), »Charner (4800), »Chanzy« (4800), »Latouche Treville« (4800), »Polhuau« (5400). Der größte Panzerkreuzer ist »Jeanne d'Arc« (11.270). Die geschützten Kreuzer »Guichen« und »Chateaurenault« haben je 8277 Tonnen Deplacement. Ein Schwesterschiff von »Jeanne d'Arc« (C. 3) ist im Bau und soll 1903 fertig werden. Seit 1893 sind ferner vier zweitclassige Schlachtschiffe von je 6600 Tonnen Deplacement und zwei Schiffe dieser Kategorie von 4110 und 4060 Tonnen fertiggestellt worden, ferner neun Kreuzer II. Classe zwischen 3950 und 3310 Tonnen Deplacement, von den kleineren Typen nicht zu reden. Wir wenden uns nun der führenden unter allen Kriegsmarinen, der englischen , zu. Es ist bemerkenswerth, daß der Stapellauf der »Gloire« von England keineswegs als der Ausgangspunkt einer vollkommenen Umgestaltung im Schiffbau angesehen wurde, sondern man hielt dies für ein kostspieliges Experiment, das für Frankreich ohne wesentlichen Vortheil sich erweisen würde. Trotzdem wartete man den Stapellauf des ersten Panzerschiffes gar nicht ab und entschloß sich, dem von Frankreich eingeschlagenen Weg nach eigenen Eingebungen zu folgen. So kam der »Warrior« zu Stande, der dazu bestimmt war, mit der »Gloire« zu rivalisiren. Er war bedeutend größer als letztere: Länge 116‧8 Meter, größte Breite 17‧6 Meter, Tiefgang 8‧2 Meter, Deplacement 9137 Tonnen. Die Panzer- stärke betrug 11‧4 Centimeter, doch war nur die Mitte gepanzert, während Bug und Heck, sowie das Ruder, den feindlichen Geschossen ausgesetzt blieben. Die nach damaligen Verhältnissen übertriebene Länge des »Warrior« veran- laßte die englische Marineverwaltung, die nächsten in Bau genommenen Panzer- schiffe etwas kleiner zu dimensioniren, um ihnen eine bessere Manövrirfähigkeit zu verleihen. Es waren dies die Panzerschiffe »Defence« und »Resistance«, von 85 Meter Länge, 16‧5 Meter größter Breite, 7‧8 Meter Tiefgang und je 6070 Tonnen Deplacement. Die Anordnung und Stärke der Panzerung sind die gleichen wie beim »Warrior«. Diese beiden Schiffe liefen im Jahre 1861 vom Stapel — also zugleich mit dem vorgenannten. Im Jahre 1863 folgten zwei weitere Panzer — »Hector« und »Voliant«; Dimensionen, Deplacement und Panzerstärke sind wie beim »Warrior«, doch ist die Anordnung des Panzers eine andere, indem die Wasserlinie nur mitt- schiffs, die Batterie dagegen ganz geschützt ist. Im Jahre 1864 folgte der »Achilles«, der dem »Warrior« so ziemlich ähnlich ist. Um in kürzester Zeit eine bedeutende Panzerflotte herstellen zu können, begann man in England Anfangs der Sechzigerjahre auf Stapel liegende Linienschiffe zu rasiren und zu panzern. So entstanden nach und nach neun neue, natürlich hölzerne Panzerschiffe, von welchen zur Zeit sich kein einziges mehr in der Flotten- liste vorfindet. Es sind dies die Panzerschiffe der »Prince Consort«-Classe. Sie waren von den gleichen Dimensionen wie die vorbesprochenen Schiffe, hatten je 6832 Tonnen Deplacement und waren gänzlich gepanzert; die Dicke des Panzers an der Wasserlinie war die damals gebräuchliche von 11‧4 Centimeter. Inzwischen Die Entwickelung der Kriegsmarinen. hatte sich die Ueberlegenheit der »Gloire« über den »Warrior« gezeigt, was zur Folge hatte, daß man bei den nächsten Schiffbauten weit über das Ziel hinausschoß. Es waren dies die riesigen Schiffe der »Minotaur«-Classe, Kolosse, welche nicht im Entferntesten dem angestrebten Zwecke und den aufgewendeten Kosten ent- sprachen. Der »Minotaur« ist 121‧9 Meter lang, 18‧1 Meter breit, hat 8‧2 Meter Tiefgang und 10.627 Tonnen Deplacement. Er lief am 12. December 1864 vom Stapel, der nach demselben Typ erbaute »Agincourt« am 27. März 1865, während der »Northhumberland« nach Ueberwindung großer Schwierigkeiten ein volles Monat (17. März bis 17. April 1866) bedurfte, um ins Wasser gebracht zu werden. Dieser Zwischenfall ist von so großem Interesse, daß wir die Schilderung dieses Stapellaufes hier folgen lassen. ... »Nachdem zur Stapellassung die Stützen« Fig. 449. Englisches Batterieschiff »Warrior«. (Längenschnitt.) Fig. 450. Englisches Batterieschiff »Northumberland«. (Längenschnitt.) abgenommen waren, wurden um 2 Uhr Nachmittags (des 17. März) in Gegenwart einer riesigen Zuschauermenge, des Prinzen und der Prinzessin von Wales und anderer Notabilitäten, die hydraulischen Pressen am Buge gegen den Kopf der Schlitten in Bewegung gesetzt, um das Schiff vom Stapel, der mit aller möglicher Sorgfalt vorbereitet war, zu schieben. Auf einer Strecke von 12 bis 15 Meter schien die Bewegung eine ziemlich rasche zu sein; von den Gleitbalken und den Schlitten erhob sich ein starker Rauch mit Funken vermischt. Von da an wurde die Bewegung immer langsamer, bis sie, nachdem der Schiffskörper beiläufig zur Hälfte im Wasser war, zum nicht geringen Erstaunen der Zuschauer aufhörte. In diesem Augenblicke waren ungefähr 3‧7 Meter des hinteren Schiffskörpers frei vom See-Stapel und 7‧3 Meter im Wasser (bei höchster Springfluth). Die an diesem Tage angewendeten Mittel, darunter neun Schleppdampfer, die zugleich angespannt wurden, hatten nicht den geringsten Erfolg. Am folgenden Tage wurde auf das Sorgfältigste nachgesehen; man konnte jedoch keine Ursache für das Stillstehen des Erster Abschnitt. Schiffes, das im Ganzen 51‧8 Meter gelaufen war, auffinden. Es wurden zehn bis zwölf Schleppdampfer und eine große Menge Erdspille vorgespannt, jedoch ohne allen sichtbaren Erfolg. Unter diesen Umständen wurde der Entschluß gefaßt, das Schiff durch Anwendung hydraulischer Kraft zu heben und zum Ablaufe zu bringen. Der Versuch wurde am 2. April bei Hochwasser vorgenommen. Zehn Minuten nach 3 Uhr Nachmittags wurde das erste Signal gegeben. Das doppelte Kabel Fig. 451. »Hercules.« (Längenschnitt.) Fig. 452. »Hercules.« (Deckplan.) Fig. 453. »Invincible.« (Längenschnitt.) Fig. 454. »Invincible.« (Geschützaufstellung.) von der Dampfwinde wurde angespannt, die provisorischen Stützen abgenommen, die Rückhaltketten ausgeschäckelt und mit den wuchtigen zwei Rammen wurde gegen den Bug gehämmert. Zugleich wurden die drei hydraulischen Pressen angesetzt; mehrere Erdspille wurden durch Pferde in Bewegung gesetzt. Die Menge der ange- stellten Arbeiter und der an den Erdwinden vorgespannten Rosse, das Pfeifen der Dampfwinden und die Schläge der Widder, die Gegenwart der großen Menge in der höchsten Spannung und Erregung befindlicher Zuschauer gaben ein großartiges Schauspiel. Das Schiff rührte sich jedoch nicht; das Wasser sank nach und nach Die Entwickelung der Kriegsmarinen. bis auf 6‧9 Meter unter dem Heck. Zu gleicher Zeit brachen die Zugketten der Fig. 455. »Alexandra.« (Längenansicht.) Fig. 456. »Alexandra.« (Geschützaufstellung.) B . S . Grundriß der oberen Batterie. B . I . Grundriß der unteren Batterie. Fig. 457. »Temeraire« (Längenansicht.) Fig. 458. »Temeraire« (Geschützaufstellung) G Deckplan , B Casemattplan. Erdspillen an beiden Seiten des Schiffes, acht Pontons hatten die Vertäuungen abgerissen, und man fand auch, daß die Widerlager der hydraulischen Pressen nach- Erster Abschnitt. zugeben begonnen hatten, sah sich daher gezwungen nach einer Arbeit von ungefähr einer Viertelstunde den Versuch aufzugeben. Da mittlerweile ein dem Hochwasser ungünstiger Wind eingetreten war, wurde beschlossen, jeden weiteren Versuch bis zum 16. April zu verschieben, an Fig. 459. »Devastation.« (Längenansicht.) Fig. 460. »Devastation.« (Deckplan.) Fig. 461. »Dreadnought.« (Längenansicht.) Fig. 462. »Dreadnought.« (Geschützaufstellung.) welchem Tage nach den Fluthtafeln die höchste Springfluth des Jahres eintreten sollte; man hoffte, daß dieselbe den Wasserstand am Achterschiffe des »Northhumber- land« auf 7‧6 Meter und bei günstigem Winde auf 7‧9 Meter bringen werde. ... Am 16. April wehte ein der Springfluth conträrer Wind; es wurde daher der Die Entwickelung der Kriegsmarinen. Versuch bis zum 17. April, um 3 Uhr Nachmittags, verschoben. Am genannten Tage wurden sämmtliche Apparate in Thätigkeit gesetzt. Sieben hydraulische Pressen mit einer Gesammtleistungsfähigkeit von 3800 Tonnen wurden angewendet, um den Schiffskörper, der nach Abrechnung der von ihm selbst verdrängten Wasser- menge und der Tragfähigkeit der angebrachten Pontons, Fässer u. s. w. kaum mehr als 2000 Tonnen todtes Gewicht repräsentirte, vom Stapel zu heben und hinunter zu schieben. Schon 2½ Uhr, als eben die Springfluth eingetreten war, bewegte sich der »Northhumberland« beiläufig 38 Millimeter abwärts und hob sich achter um 178 Millimeter vom Stapel. Genau 3 Uhr wurden die hydraulischen Pressen angesetzt, die Verankerungsketten laufen gelassen und das Schiff glitt nach wenigen Minuten ruhig in die Themse; es wurde sofort von der Strömung erfaßt, und Fig. 463. »Inflexible.« (Längenansicht.) Fig. 464. »Inflexible.« (Deckplan.) die Schleppdampfer hatten Mühe, es vor dem Stranden zu bewahren und an den schon früher vorbereiteten Verankerungsplatz zu bringen. Bei den Panzerschiffen der »Minotaur«-Classe war die Maximal-Panzerstärke an der Wasserlinie auf 13‧9 Centimeter gestiegen. Die Batterie ist nur mittschiffs gepanzert. Dieser Typ hielt sich indeß nicht lange, denn schon 1862 wurde auf Grund der Entwürfe Reed 's jene radicale Abänderung der Schiffstypen angebahnt, welche ihre Wirkung auch auf die anderen Seemächte ausübte. Der genannte Con- structeur nahm die Centralbatterie (Casematte) als Ausgangspunkt, baute aber das todte Werk des Vor- und Hinterschiffes aus Eisen. So entstanden die »Enterprise« und die »Favourite«. Die Schiffe hatten sehr kleine Dimensionen und große Take- lung, um große Reisen unternehmen zu können. Ihre Fertigstellung erfolgte im Jahre 1864, beziehungsweise 1866. Sie hatten nur 2383 Tonnen Deplacement. Die größte Dicke des Panzers an der Wasserlinie betrug 11‧4 Centimeter. Beide Schiffe waren bereits 1876 aus der Schiffsliste gestrichen. Erster Abschnitt. Inzwischen lief ein Panzerschiff neuen Typs, der »Bellerophon«, im April 1865 vom Stapel. Bei ihm treten zum erstenmale, mit Beibehaltung der Casematte, Jagdgeschütze auf. Das Schiff hatte 7551 Tonnen Deplacement, die Maximalstärke des Panzers an der Wasserlinie betrug 15‧2 Centimeter. ... Im Februar 1868 erfolgte der Stapellauf des »Hercules«, der bei 8677 Tonnen Deplacement eine Maximal-Panzerstärke an der Wasserlinie von fast 23 Centimeter aufwies. Die Casematte war durch gepanzerte Querschotte vom Achter- und Vorschiffe abge- schlossen. Von besonderem Interesse aber sind die sechs nächsten Panzerschiffe, welche Fig. 465. Englisches Schlachtschiff I. Classe »Hannibal« (Majestic). Deplacement 14.960 Tonnen. Geschwindigkeit 17‧5 Knoten, Hauptgeschütze 4 Zwölfzöller, Panzer an der Wasserlinie 9 engl. Zoll. nach dem Musterschiffe die »Invincible«-Classe genannt werden. Sie sind dadurch charakterisirt, daß sie zwei Casematten übereinander haben. Der am 31. Mai 1870 ins Wasser gelassene »Sultan« ist ein eisernes Casemattschiff mit einem Reduit am achteren Ende der Casematte. Er hat 9286 Tonnen Deplacement und eine Maximal-Panzerstärke von fast 23 Centimeter mittschiffs. Das seinerzeit schönste und stärkste Casemattschiff der englischen Flotte war die am 7. April 1875 vom Stapel gelassene »Alexandra« der »Invincible«-Classe; sie hat 9492 Tonnen De- placement und eine Maximal-Panzerstärke von 30‧5 Centimeter. Einen neuen Typ bezeichnet der im Mai 1876 ins Wasser gelassene »Tameraire«, bei dem die Ein- theilung des Innenraumes in Compartiments in sehr zweckmäßiger Weise zum erstenmale durchgeführt erscheint. Die Entwickelung der Kriegsmarinen. Von ganz besonderer Bedeutung war die Stapellegung des »Monarch«, denn es war das erste große Hochsee-Thurmschiff , das erbaut wurde. Seine Länge beträgt 100‧5 Meter, seine größte Breite 17‧5 Meter, der Tiefgang 7‧9 Meter, das Deplacement 8322 Tonnen. Er lief im Mai 1868 ins Wasser, und schon ein Jahr später folgte ihm der »Captain«. Ihre volle Ausgestaltung erhielten indeß die englischen Thurmschiffe erst durch den Bau der mächtigen Schlachtschiffe »Devastation« und »Thunderer«. Sie sind unbemastet, wodurch ihnen eine größere Offensiv- und Defensivkraft, sowie größere Manövrirfähigkeit zu Theil werden sollte. Fig. 466. Englisches Schlachtschiff »Barfleur« Deplacement 10.500 Tonnen, Geschwindigkeit 18‧5 Knoten, Haupt- geschütze 4 Zehnzöller, Panzer an der Wasserlinie 12 engl. Zoll. In anderen Marinen war man indeß mit diesem neuen Typ nicht einverstanden. Eine fachmännische Stimme ließ sich damals (Ende der Sechzigerjahre) wie folgt vernehmen: »Die Begeisterung, in welche die Engländer anläßlich ihrer neuen Riesen- schiffe verfallen, können wir nicht theilen. Obwohl die Panzerschiffe ohne Takelung dem Zwecke des Angriffes und der Vertheidigung zu entsprechen scheinen, wird man doch vielleicht nur zu bald zu der Ueberzeugung gelangen, daß die Kanone ohne den Schiffskörper, welcher sie trägt, nichts auszurichten vermag. Diese schwimmenden Maschinenhäuser werden Mühe haben, dem verderblichen Spornstoße eines flinken Gegners zu entgehen. Auch sind diese Maschinen im Wasser; bei etwas bewegter See müssen alle Luken geschlossen werden und der Aufenthalt im Schiffe wird dann unerträglich. In Wahrheit können die Panzerschiffe ohne Takelung nur Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 38 Erster Abschnitt. als offensive Küstenwächter betrachtet werden, und entsprechen über diese Be- stimmung hinaus in keiner Weise ihrem Programm.« Es kam indeß gleichwohl anders und der von England gegebene Anstoß ver- anlaßte Italien zur Construction seiner riesigen Thurmschiffe »Duilio« und »Dandolo«. ... Die »Devastation« hat einen durchlaufenden Gürtelpanzer (mitt- schiffs 30‧5 Centimeter), eine Brustwehr aus zwei gepanzerten Wänden, hinter welcher sich die Thürme befinden, und ein aus leichtem Eisen erbautes Deckhaus, dessen sich nach oben ausbiegende Seitenwände eine Plattform tragen. Gerade dieser Fig. 467. Englischer geschützter Kreuzer »Endymion« Deplacement 7.350 Tonnen, Geschwindigkeit 20 Knoten, Hauptgeschütze 2 Neunzöller. letztere Aufbau ist charakteristisch für die »Devastation«, der auch beim »Dread- nought« und beim »Neptune« angewendet wurde. ... Der im April 1876 ins Wasser gelassene »Inflexible« ist der erste Repräsentant der sogenannten Citadellschiffe. Zwei mächtige, hinter der Citadelle gedeckte, mit zwei Plattenlagen von Eisen und Stahl von zusammen 40‧7 Centimeter Dicke gepanzerte Thürme überragen in mächtiger Höhe das Oberdeck. Die Thürme bergen je zwei Geschützmonstra von 40 Caliber, die den ganzen Horizont bestreichen können, die directe Heckrichtung, sowie den todten Winkel, welchen für jeden Thurm der andere Thurm, der Rauchfang und der dahinter befindliche Aufbau bilden, abgerechnet, in welchen Fällen nur zwei Ge- schütze in Action treten können. Die beiden Thürme sind diagonal angeordnet; zwischen beiden und mit diesen durch eine Brücke verbunden, befindet sich der gleich- Die Entwickelung der Kriegsmarinen. falls gepanzerte Commandothurm. Der »Inflexible« ist circa 97 Meter lang, 22‧8 Meter breit und hat 7‧7 Meter Tiefgang; er hat ein Deplacement von 11.980 Tonnen und Maschinen mit zusammen 8000 indicirten Pferdekräften, welche Zwillingsschrauben treiben und dem Schiffe eine Geschwindigkeit von 13‧8 Knoten geben können. Das Gesammtgewicht des Panzers beträgt 3206 Tonnen. Das Schiff besteht aus 135 wasserdichten Räumen und hat ein Kohlenfassungsvermögen von 1200 Tonnen. Die nach dem »Inflexible« fertiggestellten (1879, 1880) Panzerschiffe sind durch den »Agamemnon« und den »Ajax« repräsentirt und zeigen dieselben das Fig. 468. Englischer Kreuzer »Australia« Deplacement 5600 Tonnen, Geschwindigkeit 18 Knoten, Hauptgeschütze 2 Neunzöller, Panzer an der Wasserlinie 10 engl. Zoll. Bestreben, die Vorzüge des Citadellschiffes in einem Schiffe mittlerer Größe zu vereinigen, wobei freilich die Artillerie und der Panzer etwas leichter ausfallen mußten, was zur Folge hatte, daß diese Schiffe schon zu Beginn der Sechzigerjahre als veraltet galten. Um dieselbe Zeit wurde auf der königlichen Werft zu Ports- mouth das Thurmschiff »Colossus« auf Stapel gelegt. Es ist das erste Stahlschiff und gleicht in Bezug auf das Arrangement der Citadelle, der Thürme und anderer wichtiger Einrichtungen dem Panzerschiffe »Inflexible«, zeigt jedoch nicht nur in Bezug auf das Constructionsmaterial, sondern auch rücksichtlich seiner Haupt- dimensionen wesentliche Abweichungen von jenem Panzerschiffe. Gleich diesem und anderen Thurmschiffen hat der »Colossus« (und sein Schwesterschiff »Majestic«) eine centrale gepanzerte Citadelle, welche etwa ein Drittel der Schiffslänge einnimmt 38* Erster Abschnitt. und hoch über Wasser reicht. Die Thürme sind en ēchelon placirt, um mit allen Geschützen in der Kielrichtung feuern zu können. Eine besondere Kategorie der englischen Kriegsschiffe bilden die Brustwehr- Monitore . Der »Cerberus« und die »Magdala« sind die zuerst fertiggestellten Repräsentanten dieses Typs (1868). Die von vorne bis achter gepanzerte Bordwand hat oben 20‧3 Centimeter Panzerdicke, unter Wasser 15‧2 Centimeter. Die Brust- wehr befindet sich innenbords auf Deck, ist 34 Meter lang, etwa 10 Meter breit und 1‧8 Meter hoch, vorne und achter kreisförmig abgerundet und dort mit 15‧2 Centimeter dickem Panzer bekleidet; an den Seiten der Brustwehr ist der Panzer 20‧3 Centimeter dick. Die beiden Thürme am Ende jeder Brustwehr ragen 1‧6 Meter über dieselbe empor. Das Deplacement beträgt 3344 Tonnen. Der im Jahre 1870 vom Stapel gelassene Brustwehr-Monitor »Abyssinia« ist etwas kleiner (2901 Tonnen), doch stärker gepanzert; der »Cyklopus«, der aus der gleichen Zeit stammt, ist etwas größer als die beiden erstgenannten Monitore (3430 Tonnen Deplacement) und die Construction bewährt sich so gut, daß nach den gleichen Plänen weitere drei Monitore fertiggestellt wurden: »Hydra«, »Gorgon« und »Hecate«. Dann folgten die Panzer-Widder »Hotspur«, »Rupert« und »Conqueror«, von welchen der erstgenannte 4010, der zweite 5444 Tonnen Deplacement hat. Ein originelles Fahrzeug ist der im Jahre 1877 in Bau genommene Torpedo- Widder »Polyphemus«, ein Typ, den keine andere Marine aufzuweisen hat. Der- selbe hat eine gewaltige Ramme und eine kräftige, aus Whitegrad-Torpedos be- stehende Armirung. Der über Wasser hervorragende Theil des Schiffskörpers ist außerordentlich klein, mit 7‧6 Centimeter dickem Stahlpanzer bekleidet und überdies convex, um die auftreffenden Projectile abgleiten zu machen. Dem äußeren Aus- sehen nach stellt sich das Fahrzeug als ein zum größten Theile in Wasser ver- senkter, an seinem 1‧3 Meter über Wasser hervorragenden Theile abgeplatteter, gegen die Enden zugespitzter Cylinder dar. Selbstverständlich hat auch die Entwickelung der Kreuzerflotte der englischen Kriegsmarine frühzeitig — bald nach dem amerikanischen Bürgerkriege — eine großartige Entwickelung genommen. Die ersten Schiffe dieser Kategorie waren der »Inconstant« (5782 Tonnen Deplacement) und der »Schah« (6040 Tonnen Deplacement); später folgte der »Raleigh« (5200 Tonnen Deplacement). Von den mächtigsten Kreuzern der englischen Marine, welche erst kürzlich fertiggestellt wurden — »Powerful« und »Terrible« — war an anderer Stelle Rede. Im Jahre 1898 gingen in Thatam die beiden neuesten Schlachtschiffe »Irresitible« und » Implacable«, je 15.000 Tonnen Deplacement, vom Stapel. Sie sind zur Zeit die mächtigsten Kriegsschiffe der Welt. Wir kommen nun auf die russische Kriegsmarine zu sprechen, welche im ersten Stadium ihrer Entwickelung, d. h. seit Beginn des Panzerschiffbaues, wenig Bemerkenswerthes aufweist. Die erste Panzer-Fregatte war die »Sewastopol«, welche noch während des Baues (als ungepanzerte hölzerne Fregatte) in eine solche um- Russisches Schlachtschiff neuester Type. Gebaut auf der Cromp'schen Werfte in Philadelphia. — Deplacement 12.700 Tonnen; Geschwindigkeit 18 Knoten in der Stunde; Gürtelpanzer 9 Zoll engl.; Thurmgeschütze 12 Zoll engl. (4 Stück). Die Entwickelung der Kriegsmarinen. geändert wurde. Ihr Deplacement beträgt 6275 Tonnen. Fast ebenso groß ist der »Petropawlowsk« (6175 Tonnen). Beide Schiffe sind längst veraltet. Im Jahre 1867 lief das erste russische Casemattschiff — »Knjaz Poǯavski« — vom Stapel, an welchem bemerkenswerth ist, daß es keinen eigentlichen Kiel, wohl aber auf jeder Seite zwei hölzerne Seitenkiele besitzt. Interessant ist, daß von allen Marinen die russische das Problem des ge- panzerten Kreuzers zuerst zu verwirklichen gesucht hat. Die ersten Repräsentanten dieser Schiffskategorie waren »General Admiral« und »Herzog von Edinburgh«. Sie haben je 4650 Tonnen Deplacement und sind nicht mit Rammen ausgerüstet. Fig. 469. Russischer Kreuzer (neueste Type). Deplacement 6500 Tonnen, Geschwindigkeit 23 Knoten. Die Geschütze sind mittschiffs in eine Barbette-Batterie vereinigt, eine offene Casematte, welche mit einem 15‧2 Centimeter starken Panzergürtel umgeben ist. ... Als wesentlich vervollkommnet erwies sich der nächste vom Stapel gelassene Kreuzer »Minin«, der 5855 Tonnen Deplacement hat. Der Panzer, von 18 Centimeter Dicke, ist nur an der Wasserlinie angebracht, und zwar in der ganzen Längenausdehnung des Schiffes. In der Höhe der Oberkante dieses Gürtelpanzers befindet sich ein stark gewölbtes Panzerdeck. So geringfügig die Anfänge der russischen modernen Marine sich darstellen, nahm deren spätere Entwickelung gleichwohl ein über Erwarten rasches Tempo an. Die ersten Panzer-Fregatten wurden bald außer Dienst gestellt und die Ersatz- schiffe konnten sich den ersten und stärksten Schlachtschiffen aller Marinen der Welt Erster Abschnitt. ebenbürtig zur Seite stellen. Im Jahre 1897 wurden nicht weniger als drei Panzer- schiffe I. Classe von je 10.960 Tonnen Deplacement fertiggestellt: »Petropawlowsk«, Fig. 470. Deckplan der russischen Kreuzer neuesten Typs. Fig. 471. Deckplan der russischen Schlachtschiffe neuesten Typs. »Sewastopol« und »Poltawa«. Ein Jahr zuvor erfolgte die Indienststellung des zur Zeit größten und stärksten russischen Schlachtschiffes, der »Tri Swjatitella« Die Entwickelung der Kriegsmarinen. mit 12.480 Tonnen Deplacement. Doch wird dasselbe schon im Jahre 1899 durch die beiden neuen Panzerschiffe I. Classe, »Pereswjat« und »Ostlabja«, von je 12.670 Tonnen Deplacement, übertroffen sein. Der »Georgi Pobjadonessetz«, welcher 1895 fertig wurde, hat 10.280 Tonnen Deplacement. Auch die Panzerschiffe II. Classe sind bemerkenswerth, so der »Sfissoi Weliki« mit 9760 und der »Rostislaw« mit 8880 Tonnen Deplacement. Große Rührigkeit legte die russische Marineverwaltung auch im Bau von großern Kreuzern an den Tag, gefördert durch die Gründung der »freiwilligen Fig. 472. Italienisches Panzerschiff »Sardegna«. Kreuzerflotte«. Zur Zeit besitzt Rußland eine der mächtigsten Kreuzer, so den »Rurik« (10.900 Tonnen Deplacement), die »Rossia« (12.200 Tonnen Deplacement) und einen dritten, noch nicht fertiggestellten, von gleicher Größe. Zur Ergänzung der Schwarzen Meerflotte besteht das Project eines schwer gepanzerten Kreuzers von 12.480 Tonnen Deplacement. Es mag hier nachgetragen werden, daß die russische Marineverwaltung früh- zeitig den Typ der englischen Thurmschiffe annahm. Die ersten fertiggestellten Schiffe dieser Art waren »Admiral Lazareff« und »Admiral Greigh« (je 3900 Tonnen Deplacement), »Admiral Ćičagoff« (3750 Tonnen) und »Admiral Spiridoff« (3800 Tonnen). Das stärkste der älteren Thurmschiffe ist der zu gleicher Zeit mit dem englischen »Devastation« auf Stapel gelegte »Peter der Große«, mit einem Erster Abschnitt. Deplacement von 9870 Tonnen; er ist also größer als das genannte englische Schiff und seine Panzerung an der Wasserlinie beträgt 35‧5 Centimeter. Charakteristisch für die russische Kriegsmarine sind die » Popowkas «, von welchen an anderer Stelle die Rede war. (S. 365). Die italienischen Kriegsschiffe haben sich, wie bereits früher hervorgehoben wurde, seit der Neugestaltung der nationalen Flotte, jederzeit durch außergewöhn- liche Dimensionirung und sonstige Abweichungen von den herkömmlichen Typen hervorgethan. Die Etapen dieser Entwickelung sind, wenn wir von den ersten neuen Schlachtschiffen, von denen S. 558 die Rede war, absehen, in Kürze durch die Fertig- Fig. 473. Amerikanisches Hochsee-Schlachtschiff »Jowa«. stellung der erstclassigen Schlachtschiffe »Re Umberto«, »Sicilia« und »Sardegna« gekennzeichnet. Behalten wir einen dieser Kolosse — die »Sardegna« — vor Augen. Sie hat die außerordentliche Länge von 130‧9 Meter und ist somit das längste Kriegs- schiff der Welt (die beiden anderen Schwesterschiffe sind um 3 Meter kürzer); die Breite beträgt 23‧7 Meter, der mittlere Tiefgang 8‧8 Meter. Das Schiff kann somit weder den Suez-Canal, der 8 Meter tief ist, noch den Nordostseecanal, der eine Tiefe von 8‧5 Meter hat, passiren. Die Raumtiefe der »Sardegna« beträgt 14‧9 Meter, das Deplacement fast 14.000 Tonnen. In letzterer Beziehung steht sie sonach nur wenig dem »Royal Sovereign« (14.150 Tonnen) nach. (Schiffsmaschine der »Sardegna« siehe S. 626 und 627.) Seitenansicht der Backbord-Maschinen des italienischen Panzerschiffes »Re Umberto«. Die Entwickelung der Kriegsmarinen. Das Schiff besteht ganz aus Stahl und ist nach dem Zellensystem mit Längs- spanten gebaut. Vom Rammbug bis zum Heck liegt ein gewölbtes Stahlpanzerdeck, welches in der Mitte 5 und in den nach den Seitenwänden sich hinabsenkenden Theilen 11 Centimeter dick ist. Außerdem gehen sieben Panzerquerwände von 7 Centimeter Dicke durch das Schiff, zum Schutze gegen Geschosse nach der Längs- richtung des Schiffes. Der Gürtelpanzer ist schwach, nämlich nur 10 Centimeter, und erstreckt sich mittschiffs auf eine Länge von 78 Meter, von der Oberdeckskante bis 3 Meter unter Wasser. Auf dem Oberdeck stehen zwei Panzerthürme, je einer im Vorder- und Hinterschiff von birnförmigem Grundriß, an welche sich die um- gebogenen Enden des Seitenpanzers anschließen. Dadurch ist im Mittelschiff eine Art Panzercasematte entstanden. Auch die Schlote sind von unten bis über das Oberdeck hinauf gepanzert. Die Maschinenanlage besteht aus vier Dreifach-Expansions- maschinen, welche paarweise eine Schraube antreiben und zusammen 22.800 Pferde- stärken indiciren, welche dem Kolosse die enorme Geschwindigkeit von 20 Knoten geben. Der erforderliche Dampf wird in 18 Kesseln erzeugt. Auch die Armirung ist außergewöhnlich stark. Die schwersten Geschütze sind die vier 34 Centimeter- Armstrongkanonen, welche paarweise in den beiden Panzerthürmen installirt sind. Die nachstehende Tabelle läßt den Stand der Kriegsflotten der Großmächte im Jahre 1897 ersehen. Ein besonderes Interesse haben in jüngster Zeit die Seekriegsmittel der Ver- einigten Staaten von Amerika erregt, von denen in früheren Jahren selten die Rede war. Die Entwickelung, welche dieselben genommen haben, ist besonders charakteristisch für den Aufschwung des Schiffbaues in der neuen Welt im All- gemeinen. Zu Beginn des Jahrhunderts war eine Kriegsflotte überhaupt nicht vor- handen. Kurz zuvor setzte sich dieselbe zusammen: aus 28 Schiffen und Fahrzeugen, worunter 5 Fregatten von 32 bis 44 Kanonen. Im Jahre 1801 aber kam ein Gesetz zu Stande, kraft dessen 20 Schiffe und Fahrzeuge verkauft wurden, so daß nur 13 Schiffe übrig blieben. In den nächsten zehn Jahren erfuhr die Flotte keine Erster Abschnitt. nennenswerthe Verstärkung, so daß sich dieselbe im Jahre 1812 in einem schlechteren Zustande befand, als in der Zeit des erwähnten Verkaufes. Am 30. März 1812 — d. i. drei Monate vor dem Kriege mit England — autorisirte der Congreß den Präsidenten, die Zahl der Schiffe um drei Fregatten vermehren zu lassen; ferner wurde die Summe von 200.000 Dollars jährlich ausgeworfen, um drei gänzlich dem Verfall preisgegebene Schiffe wieder in Stand zu setzen. Um diese Zeit waren im Ganzen 20 Schiffe von 12 bis 44 Kanonen vorhanden. Anfang 1813 wurde der Bau von 4 Linienschiffen zu je 70 Kanonen und 6 Fregatten zu je 44 Kanonen — von kleineren Fahrzeugen abgesehen — angeordnet. Das erste amerikanische Linienschiff (»Independenza«) lief am 20. Juli 1814 zu Boston von Stapel. Im Jahre 1843 setzte sich die Kriegsflotte der Union zusammen aus 10 Linien- schiffen, 13 Fregatten und einer Anzahl minderwerthiger Fahrzeuge, alles in Allem 71 Schiffe mit circa 2000 Kanonen, während in der gleichen Zeit 4 Linienschiffe und 2 Fregatten sich im Bau befanden. Das war immerhin eine ganz ansehnliche Flotte. Aber noch 12 Jahre später hatte sich die Zahl der Schiffe nur um eines, die Armirung nur um 400 Geschütze vermehrt. Damals waren außerdem 6 Schraubenfregatten im Bau. Beim Ausbruch des Bürgerkrieges belief sich die Zahl der Kriegsschiffe immerhin auf 76 Fahrzeuge, sämmtlich aus Holz, darunter 44 Dampfschiffe. Welcher militärische Werth dieser Flotte zukam, beweist der Umstand, daß beim Ausbruch der Feindseligkeiten fast alle Schiffe sich als unbrauchbar erwiesen. Nur zwei Dampfschiffe und ein Segelschiff blieben in Dienst. Nun raffte sich der Congreß auf und decretirte den Bau von Panzerschiffen, wozu 1 ½ Millionen Dollars bewilligt wurden. Wie hilflos sich jedoch die Centralregierung fühlte, geht daraus hervor, daß sie wenige Monate später einen Aufruf veröffentlichte, in welchem Jedermann, der diesbezügliche Projecte einzusenden und den Bau der Schiffe selbst zu übernehmen in der Lage wäre, hierzu eingeladen wurde. Diesem Appell ver- dankte man drei Schlachtschiffe, den »Monitor«, die »Galona« und den »Ironsides«. Das größte Interesse beansprucht das erstgenannte, von Ericsson erbaute Schiff, das in 100 Tagen fertiggestellt war und sich durch seine Thaten im Bürgerkriege nicht nur einen Weltruf erwarb, sondern zum Typ einer nach ihm benannten Classe von Schlachtschiffen wurde. Sein siegreicher Kampf am 8. März 1862 mit der hölzernen, durch Lagen kreuzweis übereinander gelegter, aus Eisenschienen aus- gewalzter Platten von 5 Centimeter Dicke in einen Panzer umgewandelten Dampf- fregatte »Merrimac« ist bekannt. Dieser Erfolg bestimmte den Congreß, sofort 21 Schiffe vom Monitortyp in Bau zu geben. Im Verlaufe des Krieges kamen noch weitere 40 derartige Fahrzeuge zur Ausführung. Damit ist zugleich der Charakter, den die Actionen in See zur Zeit des Bürgerkrieges hatten, gekennzeichnet. Die Kriegsflotte setzte sich lediglich aus Monitoren zur Vertheidigung der Häfen und Küsten und einigen Kreuzern zusammen, während weder die Nord-, noch die Südstaaten auch nur über Die Entwickelung der Kriegsmarinen. ein gepanzertes Schiff für den Kampf auf hoher See verfügten. Andererseits führte der Umstand, daß die in diesem Kriege zum erstenmale in Verwendung genommenen Panzerschiffe sich gegenüber den damaligen artilleristischen Mitteln als unverwundbar erwiesen, zur Entwickelung eines neuen maritimen Angriffsmittels, des Torpedos . Es war wieder Ericsson , der dieser Erfindung praktische Geltung verschaffte, obwohl er nicht eigentlich deren Urheber ist, da bereits Fulton im Jahre 1805 eine derartige »schwimmende Mine« — welche die Rudimente des nachmaligen Fischtorpedos in sich schloß — demonstrirt hatte. Ericsson erreichte seinen Zweck zunächst damit, daß er seinen Torpedo in einem röhrenförmigen Kabel fortbewegte Fig. 474. Amerikanisches Schlachtschiff »Oregon«. und ihn auf der Oberfläche des Meeres durch einen dünnen Stahlmast kenntlich machte. Er strebte an, den Feind dadurch zu täuschen, daß er dem Maste vorne einen der Meeresfarbe gleichenden, der Rückseite aber einen weißen Anstrich gab, damit der Apparat vom eigenen Schiffe aus verfolgt werden könne. Ericsson hatte sich übrigens mit dieser Art von Torpedo nicht begnügt, sondern ein eigenes Schiff gebaut, das er » The Destroyer « (Zerstörer) nannte. Er rammte feindliche Schiffe und sendete ihnen gleichzeitig eine tödtliche Ladung, die unbemerkt aus dem Kiel- raum hervorschoß, in den Rumpf. In Folge Verwendung von Torpedos gingen im Bürgerkriege insgesammt 7 Monitors, 11 hölzerne Fregatten und mehrere Transportschiffe verloren. Nach Beendigung des Krieges geschah für die Kriegsflotte zunächst gar nichts. Der während desselben in Verwendung gestandene Monitor »Miantonomoh« war Erster Abschnitt. der erste seiner Art, der die Reise von Amerika nach England machte und durch sein im Jahre 1866 erfolgtes Eintreffen in Chatam die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Nachdem seine Einrichtungen den seither aufgetretenen modernen An- forderungen nicht entsprachen, beschloß der Congreß den Umbau desselben, wodurch aus dem alten Monitor ein ganz neues Fahrzeug wurde, das 1876 von Stapel ging. Im Jahre 1869 hatte eine von der Regierung in Washington aufgestellte Untersuchungscommission nicht nur den völlig veralteten Zustand der Kriegsflotte, sondern auch die Unzulänglichkeit der artilleristischen Mittel klargelegt. Trotzdem blieb Alles beim Alten. Zwar im Jahre 1870 hatte der Congreß im Prinzip als Fig. 475. Amerikanisches Schlachtschiff »Indiana«. Flottenbestand 10 Kreuzer I. Classe angenommen, welche dazu bestimmt waren, die Flagge des Stationscommandanten zu tragen und höchstens 3500 Tonnen Deplacement haben sollten; ferner 20 Kreuzer II. Classe von 2000 Tonnen De- placement. Bei Festsetzung dieses Programmes waren aber nicht die nöthigen Fonds bewilligt worden, so daß die Flotte auf ihrem früheren unzulänglichen Stande verblieb, ja noch eine Verminderung erhielt, indem 30 Monitore, die keine ersprießlichen Dienste mehr leisten konnten, sowie mehrere Kreuzer älteren Typs verkauft wurden. In der Folge kam die Flotte derart in Verfall, daß noch zu Beginn der Achtzigerjahre von 61 vorhandenen Kreuzern 21 überhaupt unbrauchbar, alle Anderen aber durchgreifender Renovirung bedürftig waren. Den Bau von Panzerschiffen hielt man noch vor 17 Jahren für einen Luxus und man begnügte Armirter Kreuzer »New York« (U. S. v. A.) Deplacement 8.200 Tonnen; Geschwindigkeit 21 Knoten; Gürtelpanzer 4 Zoll engl.;Barbettepanzer 10 Zoll engl.; Hauptgeschütz 8 Zoll engl. Die Entwickelung der Kriegsmarinen. sich mit dem Vorschlage, eine Anzahl von Widderschiffen für die Hafenvertheidigung nach dem Entwurfe des Admirals Ammen zu bauen. Aber erst elf Jahre später (1893) ging das erste Schiff dieser Art — mit gewölbtem, seitlich unter Wasser hinabreichendem dickgepanzerten Deck mit starker Tauchung — von Stapel. Es scheint, daß es bei diesem ersten Versuche mit den Ammen'schen Widderschiffen geblieben ist. Der Aufschwung der heutigen Kriegsflotte der Union datirt vom Jahre 1883. Die Geschichte der jetzigen Marine der Vereinigten Staaten ist also, wie man sieht, sehr jungen Datums. Den Beginn der Neubauten bildeten 3 Kreuzer (»Atlanta«, »Boston«, »Chicago«) und 1 Aviso (»Delphin«). Aber so recht ging es noch immer Fig. 476. Amerikanischer armirter Kreuzer »Brooklyn«. nicht vom Flecke, bis im Jahre 1889 ein Bericht des Marinesecretärs Trasay erschien, der einen völligen Umschwung in den bisher gegoltenen Anschauungen hervorrief. In diesem Berichte heißt es: »Eine Küstenstrecke von nicht weniger als 24.000 Kilometer, längs welcher mehr als zwanzig große Städte, Mittelpunkte der Bevölkerung, des Handels und des Wohlstandes ungeschützt gelegen sind, ist gewiß ein einladendes Ziel für einen feindlichen Angriff. Die Vertheidigung der Ver- einigten Staaten erheischt demnach die Beschaffung einer entsprechend starken Flotte. Ungepanzerte Kreuzer, welche zum Schutze des eigenen und zur Schädigung des feindlichen Handels geeignet und in Anbetracht ihrer großen Geschwindigkeit eine sehr werthvolle Beihilfe für die mancherlei Operationen der Geschwader sind, reichen für den Küstenschutz nicht aus. Um den Vertheidigungskrieg mit Aussicht auf Erfolg Erster Abschnitt. zu führen, bedarf es unbedingt der Panzerschiffe.« ... Dann heißt es weiter: »Die Vereinigten Staaten müssen eine Schlachtflotte besitzen, welche den Feind bei seiner Annäherung zu schlagen vermag, da es ganz unzulässig ist, daß die Staaten, deren Bevölkerung, Wohlstand und Handel in ihren Häfen den feindlichen Angriffen auch fernerhin ausgesetzt bleiben. Dieser Schlachtflotte muß zugleich die Fähigkeit inne- wohnen, den Feind durch Bedrohung seiner Küsten von uns abzuhalten, wodurch Fig. 477. Amerikanischer Küstenvertheidigungs-Monitor »Amphitrite«. ein Krieg, welcher der Natur der Sache nach nicht lediglich auf die Vertheidigung sich beschränken darf, durch offensives Vorgehen an Nachdruck gewinnt.« Inzwischen erhielten die einheimischen Schiffswerften durch die lebhafte Be- wegung, welche von officieller Stelle ausging, frische Impulse, welche auch dem Bau von Kriegsschiffen zu Gute kamen. Die weiter oben erwähnten, im Jahre 1883 zur Ausführung gelangten Schiffe waren die ersten Stahlschiffe, die auf einheimischen Werften vom Stapel gingen. Vier Jahre später wurden weitere fünf Kreuzer (»Balti- more«, »New-York«, »Charleston«, »Philadelphia« und »San Francisco«) in Auftrag gegeben, und zwar der Cramp 'schen Werfte in Philadelphia (vgl. S. 421) und den Union Iron Works in San Francisco. Die Leistungen waren über alle Die Entwickelung der Kriegsmarinen. Erwartung, Dank dem Vorgange der Regierung, den Schiffsbauern für etwaige Ueberschreitung der vertragsmäßig garantirten Bedingungen Prämien zu bewilligen. Zuerst war hierfür eine Mehrleistung bezüglich der Pferdekräfte angenommen worden, später legte man ihr die Geschwindigkeit zu Grunde. Die vorerwähnten Kreuzer haben ein Deplacement von 3700—4400 Tonnen. Die diesbezüglichen Maschinen von 6666, beziehungsweise 8815 und 10.064 Pferde- stärken (»Baltimore«) hatten auch nach dieser Richtung die Leistungsfähigkeit der einheimischen Industrie sichergestellt. Andere Neuherstellungen folgten nun in kurzen Pausen, zunächst die Kanonenboote »Petrel«, »Concord« und »Bennington«, ersteres Fig. 478. Amerikanischer Monitor. von 875 Tonnen, die beiden letzteren von je 1700 Tonnen Deplacement. Den Bau dieser kleinen Schiffe besorgten die Columbian Iron Works in Baltimore (»Petrel«) und die Delaware River Iron Works (»Concord« und »Bennington«). Das Jahr 1890 brachte die beiden mächtigen Kreuzer »Columbia« und »Minnea- polis«, die, von Cramp in Philadelphia gebaut, zu den schönsten Schiffen der jungen amerikanischen Kriegsflotte zählen. Die Länge dieser nach dem Dreischrauben- system construirten Schiffe beträgt 125 Meter, das Deplacement 7375 Tonnen, die Leistung der Maschinen 18.500 beziehungsweise 20.500 Pferdestärken, die Ge- schwindigkeit beträgt 22—23 Knoten, und die »Columbia« kann für eine Fahrt von 22.000 Kilometer Ausdehnung Kohlen mitführen. Die für die Mehrleistung aus- gezahlten Prämien waren sehr bedeutend, circa 765.000 Dollars für beide zusammen. Erster Abschnitt. Die Kriegsmarine der Union hatte, wie wir gesehen haben, bis zum Jahre 1890 sehr bedeutende Fortschritte zu verzeichnen, doch entbehrte sie noch eines wichtigen Gliedes in der Liste ihrer schwimmenden Kampfmittel, des modernen Panzerschlacht- schiffes. Um Fahrzeuge dieser Gattung in Bau zu nehmen, hatte die Regierung Fig. 479. Gefechtsmast eines amerikanischen Schlachtschiffes. zu wenig Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der einheimischen Hüttenwerke. Anderer- seits befürchtete sie, durch überstürzte Aufträge einen ungesunden, für die Erzeugnisse selbst verhängnißvollen Wettstreit herbeizuführen, der alle bisherigen Errungen- schaften in Frage hätte stellen können. Bis zum Jahre 1890 aber waren die Carnegie und die Bethlehem Works mit ihren Einrichtungen einerseits und mit Geschützthurm des amerikanischen Monitors »Amphitrite«. Die Entwickelung der Kriegsmarinen. ihren gewonnenen Erfahrungen andererseits so weit, daß die ersten drei Schlacht- schiffe (»Indiana« und »Massachussets« bei Cramp, »Oregon« bei der Union Iron Works) in Bau genommen werden konnten. Die Marineverwaltung hatte acht Panzerschiffe in Aussicht genommen, der Congreß jedoch trug Bedenken, die Schiffbauanstalten mit übermäßigen Aufträgen zu überlasten. Wie berechtigt diese Vorsicht war, ergiebt sich aus der Thatsache, daß die erwähnten drei Schlachtschiffe 1893 wohl fertiggestellt waren, die Ablieferung der Panzer aber noch im Rückstande blieb. Immerhin ist es der Marineverwaltung der Union gelungen, bis zum Jänner 1897 13 Panzerschiffe in Dienst zu stellen, darunter die Hochseeschlachtschiffe »Iowa«, »Kearsarge« und »Kentucky« von 11.400 bis 11.500 Tonnen Deplacement, während drei weitere Schiffe dieser Type (»Illinois«, »Wisconsin« und »Alabama«) damals noch in Ausführung begriffen waren. Dem Range zunächst folgen die ungepanzerten, aber mit Panzerdeck ver- sehenen Kreuzer I . Classe »Columbia« und »Minneapolis«, sodann die Küstenver- theidigungsschiffe I . Classe »Indiana«, »Massachussets« und »Oregon«. Die im Hafen von Havanna verunglückte »Maine« gehörte — mit der »Texas« — dem- selben Typ, aber der II . Classe an. Alles in Allem verfügte die Kriegsmarine der Union bis zum Ausbruche des Krieges mit Spanien über 16 Panzerschiffe, 16 Kreuzer, 6 Kanonen- und 3 Torpedo- boote und verschiedene Schiffe für andere Zwecke. Der Gesammtbestand dürfte sich auf weit über hundert Schiffe belaufen haben, von welchen mehr als die Hälfte in den letzten 15 Jahren in Dienst gestellt wurden. Von den Kreuzern sind nur »New-York« und »Brooklyn« Panzerkreuzer. Die schwache Seite der Unionsflotte ist das Torpedowesen, merkwürdig genug, da dieses Seekampfmittel von Amerika ausgegangen war. Eigentliche Hochsee-Torpedoboote waren bis zuletzt überhaupt nicht vorhanden. In Verwendung stehen theils Whitehead-Torpedos, theils Howell- Torpedos, dessen Eigenart die ist, daß die bewegende Kraft in einem schweren Schwungrade aufgespeichert ist, das mit Beginn der Lancirung des Torpedos 12.000 Umdrehungen in der Minute macht. Außerdem stehen für die Küstenver- theidigung vom Lande aus lenkbare Sims-Edison-Torpedos in Verwendung. Der chinesisch-japanische Krieg hat gezeigt, daß auch außereuropäische Staaten in der Entwickelung moderner Seekampfmittel bedeutende Fortschritte zu verzeichnen haben. Allerdings verdankt man dies nicht der einheimischen Industrie. Bemerkens- werth ist, daß Japan zur Zeit Schlachtschiffe in Auftrag gegeben hat (deren Fertigstellung für 1906 angesetzt), welche — vom Typ der englischen »Majestic«- Classe — bis dahin wohl die stärksten Schlachtschiffe der Welt sein werden, da ihr Deplacement 15.140 Tonnen betragen wird. Von den vorhandenen erstclassigen Panzerschiffen haben »Fuji« und »Yaschima« je 12.650 Tonnen Deplacement. Außerdem sind vier Kreuzer I . Classe von je 7500 Tonnen und zwei Kreuzer II . Classe von je 4850 Tonnen Deplacement in Auftrag gegeben mit dem Termin für 1903, beziehungsweise 1906. Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 39 Erster Abschnitt. Fig. 480. Das französische Schlachtschiff »Hoche« (siehe S. 581) im Trockendock. Zweiter Abschnitt. Panzerschiffbau. D as Panzerschiff ist ein eiserner Bau, welcher nicht blos, wie ein Personen- dampfer, die Maschinen nebst Kohlen, die innere Einrichtung und eine gewisse Ladung zu tragen hat, sondern auch — wie wir gesehen haben — auch einen schweren Seitenpanzer, Panzerthürme und eine größere Zahl Geschütze verschiedener Seelenweite. Es soll im Wasser eine bestimmte Lage einnehmen, Dank seiner Maschinen eine gewisse Schnelligkeit entwickeln, auch bei Sturm seinen Weg gefahrlos verfolgen und womöglich seine Artillerie gebrauchen können. Eine be- sondere Schwierigkeit endlich erwächst aus dem Umstande, daß die Hauptmaschinen nicht, wie bei Passagierdampfern, in die Höhe streben dürfen; sie müssen unter der Wasserlinie liegen, um vor dem feindlichen Feuer geschützt zu sein, was ihren Bau nicht gerade vereinfacht. Hätten die Constructeure freie Hand, so wäre ein solcher Bau an sich nicht wesentlich schwieriger, als der Bau eines großen Passagierschiffes. Meißt aber stellt die Admiralität bezüglich der Panzerstärke, der Geschwindigkeit, der mitzuführenden Kohlenmenge und der Geschützausrüstung Forderungen, die sich mit der Seetüchtigkeit nicht immer in Einklang bringen lassen. Nun wird probirt und experimentirt. Man rückt die Geschütze zusammen, um an Panzergewicht zu sparen; dies aber beeinflußt die Seeigenschaften des Schiffes und so muß es länger und breiter gebaut werden. Dadurch wieder steigert sich das Gewicht und die Maschine reicht zur Erzielung der vorgeschriebenen Geschwindigkeit nicht mehr aus. Also eine größere Maschine. Eine solche ist aber schwerer und verbraucht mehr Kohlen, was auf den Tiefgang des Rumpfes und damit auf die Schwimmfähigkeit zurückwirkt. Dies macht vielleicht eine andere Vertheilung der Geschütze und des Panzers erforderlich. Kurz, eine wahre Zwickmühle. Sind die Baupläne endlich fertig und höheren Orts genehmigt, so beginnt der Bau, eine ebenfalls sehr schwierige Arbeit. In der guten alten Zeit der Holz- schiffe hatte der Schiffbaumeister allerdings mehr als jetzt mit der Schwierigkeit 39* Zweiter Abschnitt. der Beschaffung des Materiales zu kämpfen; dafür aber war der Bau viel ein- facher, weil man keine Maschinen unterzubringen und zu schützen hatte, und Vor- kehrungen gegen das Sinken des Schiffes entbehren zu können glaubte. Jetzt ist das, wie der Leser bereits aus einem anderen Abschnitte bezüglich des Baues der modernen großen Schnelldampfer weiß, wesentlich anders. Zunächst wird der Schiffs- rumpf der Quere und meist auch der Länge nach durch wasserdichte eiserne Wände derart eingetheilt, daß das Schiff nicht sinkt, selbst wenn das Wasser mehrere Ab- theilungen füllt; damit nicht zufrieden, giebt man den Kriegsschiffen jetzt stets einen doppelten Boden und theilt den Zwischenraum durch Wände in eine große Zahl Fig. 481. Panzerschiffbau. Aufbau vom Kiel aus. wasserdichter Zellen, die es bewirken, daß eine Beschädigung der Außenhaut nichts auf sich hat. Das Wasser vermag in eine solche Zelle häufig gar nicht einzu- dringen, weil man den leeren Raum bisweilen mit Kork oder Cocosfaser ausfüllt. Diese vielen Zellen mit ihren Wandungen, unzähligen Nietköpfen und Streben, machen aber den Bau naturgemäß viel verwickelter und erfordern eine Unsumme von Arbeit. Eine schwere Last erwächst dem Schiffbaumeister neuerdings durch die zahl- reichen Hilfsmaschinen, welche die mechanische Arbeit an Bord verrichten und elektrisches Licht, beziehungsweise motorische Kraft liefern sollen. Diese Motoren und ihre Dampfleitungen unterzubringen, ist eine heikle Aufgabe, umsomehr als sie in Verbindung mit tausend anderen Dingen eine erhebliche Vergrößerung des ge- Panzerschiffbau. sammten Schiffsgewächses bedeuten. Es muß daher jedes Ding, jeder der hundert- tausende Nietköpfe auf sein Gewicht geprüft und jede Sache auf das geringste Maß gebracht werden. In der ersten Zeit des Panzerschiffbaues gab man auf dergleichen nicht recht Acht, und so ist es vorgekommen, daß die Schiffe bis zu 1 Meter tiefer tauchten, als sie sollten. Die Folge hiervon war, von anderen Uebelständen abgesehen, Fig. 482. Panzerschiffbau. Ansicht der Spanten gegen den Bug. eine verminderte Ge- schwindigkeit. Wie man sich denken kann, hat es lange ge- dauert, ehe die Schiffs- ingenieure bei der jetzigen Bauart der Panzerschiffe anlangten. Anfangs galt es blos, die Mannschaft der althergebrachten Linien- schiffe und Fregatten gegen das feindliche Feuer zu schützen. Man umgab daher einfach die hölzernen Schiffswände bis etwa 1½ Meter unter der Wasserlinie mit einer mehr oder weniger dicken Eisenhaut, welche den damaligen Geschossen Widerstand leisten sollte. Als nun ein solches Schiff zu schwer wurde, weil die Artillerie ihre Waffe ver- bessert hatte, griffen die Engländer zuerst zu dem Mittel, nur die Mitte des Schiffes zu bepanzern, also den Theil, welcher die Maschinen und Hauptgeschütze enthält. Die beiden Enden des Panzers wurden dann durch eine Querwand verbunden, welche den mittleren Raum gegen von vorne oder von hinten kommende Geschosse sicherte. Gleichzeitig ging man beim Bau des Rumpfes vom Holz zum Eisen über und begann den Bug rammenartig auszugestalten, um den Gegner durch den Anprall dieser Ramme vernichten zu können. Aus dieser Zeit rühren auch die ersten Versuche mit wasser- dichten Längs- und Querabtheilungen her. Zweiter Abschnitt. Inzwischen hatten Krupp , Armstrong u. A. immer schwerere Geschütze gebaut, deren Geschossen die damaligen Panzerungen in keinem Falle gewachsen waren. Man kam demgemäß auf die Idee ganz neuer Modelle, welche, wie der Leser weiß, im Thurmschiff, Brustwehr-Thurmschiff, Citadellschiff, Monitor u. s. w. ihre Verwirklichung fanden. Der Wegfall der Takelung verminderte bedeutend Fig. 483. Unterhalb des Panzerdeckes. das Gesammtgewicht der Schiffe und führte zugleich zu einer Verringerung der Mannschaft, wogegen andererseits durch die neue Fortbewegungsart mittelst Maschinen die bereits erwähnten Compli- cirungen in Rechnung zu ziehen waren. Eine weitere bedeutende Verbesserung im Kriegsschiffbau war die Einführung des Panzerdeckes. Die Classi- ficirung der Kriegsschiffe in Schlachtschiffe, unge- panzerte und gepanzerte Kreuzer, Torpedoboote und Torpedozerstörer u. s. w. brachten eine Menge neue Construc- tionsaufgaben. Bei den Kreuzern beispielsweise fehlen die großen, in der ganzen Schiffslänge un- unterbrochenen Räume, weil eiserne Wände die Batterie in eine Anzahl einzelner Räume theilen. Die Verbindung zwischen diesen Räumen stellen kleine Thüren mit wasserdichtem Verschluß her, welche bei drohender Gefahr und namentlich im Gefecht geschlossen werden. Auch herrscht in den Räumen hinter dem Seitenpanzer Dunkelheit, weil der Panzer Oeffnungen nicht haben darf, es sei denn, daß diese Räume zur Aufstellung von Geschützen dienen. In diesem Falle gähnen an Stelle der früheren weiten Stückpforten schmale Oeffnungen in der Schiffswand, gerade groß genug, daß die Geschützmündung hineinpaßt. Auch sonst macht die Batterie nicht den sonnigen Panzerschiffbau. Eindruck von ehedem. An Stelle der weißen, fichtenen Planken sind dunkle aus Eichenholz getreten. Auch wird der Blick durch die Geschütze gehemmt, bei welchen der Stahl die Bronze verdrängt hat. Die Wohnräume der Mannschaft haben allerdings das bekannte Aussehen beibehalten. Ueberall aber ziehen sich die Rohre der Saugpumpen hin, welche das Wasser herausschaffen sollen, wenn sich eine Abtheilung gefüllt hat. Daneben ge- wahren wir auch die Rohre der Dampfspritze, weil die Verbindungsthüren bei Ausbruch eines Feuers geschlossen werden müssen. Endlich münden in die Räume die Rohre, welche zur Lüftung derselben dienen. Sie stehen in Verbindung mit Fig. 484. Bau des Panzerschutzdeckes. dem auf Deck befindlichen bekannten Ventilatoren, welche an ihrem oberen Ende die Gestalt einer Muschel haben und sich nach der Seite des Windes drehen lassen. Sonst wäre die Erneuerung der Luft bei dem Mangel an Seitenöffnungen unmöglich. Das Oberdeck der altartigen »Panzerfregatten« und »Panzercorvetten« weicht von dem bekannten Typus nicht sehr ab. Weißgescheuert sind die Planken und die Wandflächen der hohen Reling, aus welchen die zusammengeschnürten Hängematten hervorragen. Auf dem Deck streben die hohen Masten mit ihren regelrecht gebraßten Raaen und den straffgespannten Tauen, die zur Bedienung der Segel und zur Stütze der Masten (Wanten) dienen. Gekrönt sind diese von den Wimpeln und der das Schiff kennzeichnenden Flagge, während die Nationalflagge an der Besan- Zweiter Abschnitt. segelraa am Kreuzmast weht. Vor diesem Mast spannt sich auch die Com- mandobrücke mit dem Kartenhaus, dem Seilcompaß, den Sprachrohren und dem Telegraphen, welcher die Verbindung mit dem Maschinenraume vermittelt. Gleich dabei befindet sich das Steuerrad mit dem bekannten Compaßhause. Vor dem Groß- mast stehen die größeren Schiffsboote und der Schornstein. Die weite Fläche des Decks wird nur durch die Lucken und einige leichtere Geschütze unterbrochen. Die Abweichungen in der althergebrachten Anordnung bestehen in der Commando- brücke und dem Bugspriet. Erstere ist breiter und es ragt aus ihr ein Commando- thurm aus Panzerplatten, welcher dem Führer während des Gefechtes zum Auf- Fig. 485. Herstellung des Geschützdeckes. enthalte dient. In Augenhöhe ist der Thurm mit einem Schlitze versehen, welcher einen freien Ausblick nach allen Seiten ermöglicht. In den Thurm münden mehrere Sprachrohre und ein zweiter Maschinentelegraph. Das Bugspriet aber ist so ein- gerichtet, daß es ganz um das Schiff geholt werden kann. Dies geschieht bei Beginn des Gefechtes, damit der Sporn zur Verwendung gelangen kann. Den so verwickelten Bau der Panzerschiffe neuerer und neuester Construction, die Vergrößerung der Maschinen, die ausschließliche Herrschaft der Maschinenkraft an Bord, endlich die Ausdehnung des Hilfsmaschinenwesens und der Pumpen- anlagen haben auf die Stellung der Officiere und Mannschaften dieser Schiffe zurückgewirkt. Allerdings trägt der Commandant noch immer die Verantwortung für das Ganze und besitzt die gleiche Gewalt wie frühere Kriegsschiff-Comman- Das spanische Schlachtschiff »Oquendo« nach dem Seetreffen bei Santiago di Cuba. Panzerschiffbau. danten. Auch spielt er mit seinem Stabe im Gefecht in der Führung des Schiffes nach wie vor die Hauptrolle. Bei der Fahrt selbst und unter gewöhnlichen Verhält- nissen ist aber das Amt der Maschinen-Ingenieure thatsächlich von ebenso großer Bedeutung. Hauptmaschinen von 10.000 bis 20.000 Pferdestärken, 50 bis 80 Hilfs- motoren, die Dynamomaschinen ꝛc. können nicht mehr unter Männern von Unter- officiersrang stehen. Die Leiter der Maschinen sind jetzt meist theoretisch und praktisch durchgebildete Ingenieure mit Officiersrang, welche nicht blos zur Führung von Maschinen aller Art befähigt, sondern auch bei Unfällen an denselben, bei Störung des Betriebes im Stande sind, die Ausbesserungsarbeiten zu leisten. Dies ist umso wichtiger, als die Takelung und das Segelwerk bei den modernen Schlachtschiffen und Panzerkreuzern wegfallen und der stolze Bau somit bei einer erheblichen Störung des Maschinenbetriebes vollständig hilflos wäre. Daß eine derartige Hilflosigkeit nicht so leicht eintritt, dafür sorgt allerdings die Einrichtung der Doppelmaschinen und dreifachen Maschinen. Eine wichtige Person ist ferner der Pumpmeister geworden. Demselben unterstehen die zahlreichen Pumpen für Senk- und Feuerlöschzwecke, sowie die hunderte von Metern langen Leitungen derselben. Der Pumpmeister ist mit dem Schiffe verwachsen und verbleibt auf demselben, auch wenn es außer Dienst gestellt ist. Er hat den Rang eines Deckofficiers. ... Das Röhrennetz, welches sich durch das Schiff zieht, dient übrigens nicht blos zum Pumpen und zur Leitung des Dampfes nach den überall ange- ordneten Hilfsmaschinen. Es hat auch, wie bereits bemerkt, die Lüftung des Schiffes zu übernehmen, und zwar nicht blos der Wohnräume und des Maschinenraumes wegen, sondern auch der vielen Zellen, sowie des Kielraumes, des Tunnels für die Schraubenwelle und des Raumes für den Ruderbewegungsapparat. Die Zellen namentlich sind stets von einander abgeschlossen und es führt der Weg von der einen in die andere nur durch Mannlöcher, groß genug, daß ein Mann gerade durchkriechen kann. Das Mannloch verschließt er gleich wieder hinter sich. Es ist sonach klar, daß diese Zellen nur durch eingepreßte Luft ventilirt werden können und daß andererseits ein Saugwerk die verbrauchte Luft auffangen muß. Ueberhaupt gehört der Aufenthalt auf einem Panzerschiffe nicht zu den An- nehmlichkeiten des Lebens. Dies gilt vornehmlich von der Mannschaft, welche ihren Dienst von Fall zu Fall in den untersten Räumen versehen müssen, bis wohin kein Tageslicht mehr eindringt und die elektrischen Lampen daher beständig brennen. Ein Fachmann entwirft von diesem Aufenthalt folgende Schilderung: »Der Raum ist so niedrig, daß man in ihm nicht stehen, sondern nur sitzen kann; eiserne, roth angestrichene Wände, von denen niedergeschlagenes Wasser herabtropft, umgeben uns; zwei Glühlampen erhellen nothdürftig den Raum, in welchem die Steuer- vorrichtung mit Geknarr und Kettengerassel hin und her arbeitet. Wir hören das betäubende Schlagen der Schiffsschrauben, das Rauschen des an dem Schiffsboden sich reibenden Wassers und das Tosen der großen Schiffsmaschinen. Wir empfinden die Erschütterungen des schnell fahrenden Schiffes, welche uns in Mitleidenschaft Zweiter Abschnitt. ziehen. Ein unangenehmer Geruch, von dem Schmiermaterial und dem in den unteren abgeschlossenen Räumen fast stets herrschenden Dünsten herrührend, widert uns an. Schwüle, fast unerträgliche Hitze macht uns schlaff und hinfällig. Wir sehen die beiden hier sitzenden Matrosen, wie sie gespannt darauf achten, daß sie nicht von dem in Gang befindlichen Getriebe erfaßt werden. Zu Allem müssen wir noch hinzurechnen, wie die beiden Leute sich wohl bewußt sind, daß der Weg aus dieser eisernen Höhle nur durch etwa acht Wände, deren kleine Thüren jedesmal erst geöffnet werden müssen, führt, und der Ausgang aus diesem Labyrinth 25 bis 30 Meter ab in den Casematten liegt. Sie wissen daher, daß sie bei einem Un- glücksfalle, welchen das Hintertheil trifft, wahrscheinlich verloren sind, ohne einen Versuch zur Rettung machen zu können, weil ihnen der Rückzug abgeschnitten ist und ihnen nur in den seltensten Fällen rechtzeitig Hilfe werden kann, um sie von dem Tode des Erstickens oder des Ertrinkens zu bewahren. ... Um wie viel größer muß die Aufregung werden, wenn oben der Kampf tobt und der hier unten ein- geschlossene Mensch weder sieht noch hört, was oben vorgeht; wenn er jeden Augen- blick darauf vorbereitet sein muß, durch eine feindliche Ramme oder durch einen Torpedo ums Leben zu kommen.« Eine Frage, die auch den Laien im hohen Grade zu interessiren pflegt, ist das Verhältniß des Panzers zum Artilleriegeschoß. Als auf den englischen Citadellschiffen zuerst die 84 Tonnen-Geschütze auftauchten, nahm die Welt mit Staunen Kenntniß von dieser schier ungeheuerlichen Neuerung. Einem solchen Kampfmittel gegenüber schien die stärkste Panzerung aussichtslos, oder richtiger: um sich gegen derartige gewaltige Projectile zu schützen, müßte die Panzerung Dimensionen annehmen, welche das Schiff nicht mehr schwimmfähig machen würden. In der That mußte der »Inflexible« (fertiggestellt in 1876), um den neuen Geschützen Widerstand bieten zu können, mit einem Panzergürtel sich versehen, der folgendermaßen an- geordnet ist: eine Panzerplatte von 305 Millimeter, eine Teakholzunterlage von 275 Millimeter, eine Panzerplatte von 305 Millimeter, ein Teakholzunterlage von 152 Millimeter, zwei Eisenbleche von je 25 Millimeter Stärke. Sieht man von der Teakholzfütterung ab, so hat die eigentliche Panzerung, einschließlich der Bleche, eine Stärke von zusammen 660 Millimeter. Dieses bedeutende Schutzmittel reichte aber nicht mehr aus, als die italienischen Schlachtschiffe »Italia« und »Lepanto« mit 101 Tonnen-Geschützen armirt wurden. Wie erwähnt, hat man bei der Construction dieser beiden Schiffe auf den Gürtel- panzer in der Wasserlinie verzichtet und Schiffe dieses Typs mit einem Panzerdeck versehen, da die Anbringung eines der Durchschlagskraft der Projectile jener 101 Tonnen-Geschütze entsprechenden Panzerschutzes nach herkömmlichem System nicht ausführbar war. ... Aber in England ging man noch weiter, allerdings nur auf dem Papier, indem man beim Bau des »Inflexible« darauf Bedacht nahm, daß die Geschützstände der Thürme 160 Tonnen-Geschütze aufnehmen könnten. Die Armirung dieses Schiffes erfolgte gleichwohl nur mit 81 Tonnen-Geschützen. Ein Panzerschiffbau. Fachmann aber stellte damals die folgende interessante Berechnung an: Die Dimensionen eines Schiffes, das im Stande wäre, 160 Tonnen-Geschützen zu widerstehen, müßten die folgenden sein: Panzerdicke 1000 Millimeter (1 Meter), Länge 126 Meter, Breite 25‧5 Meter, Fig. 486. Krupp's 300 Millimeter Compoundplatte (Vorderseite). Geschütz 28 Centimeter-Ringkanone, Entfernung von der Rohrmündung 118 Meter. Fig. 487. Krupp's 300 Millimeter Compoundplatte (Rückseite). Geschütz 28 Centimeter-Ringkanone, Entfernung von der Rohrmündung 118 Meter. Tauchung 10 Meter, Depla- cement 20.603 Tonnen, Ma- schinen 76.000 Pferdestärken, Geschwindigkeit 16 Knoten, Kohlenverbrauch 1920 Ton- nen. Diese Dimensionen sind, vom Panzer abgesehen, heute allerdings schon beträchtlich überschritten. Weitere Anstrengungen, welche bezüglich des Panzer- schutzes gemacht wurden, kamen in der projectirt ge- wesenen Panzerausrüstung des englischen Schlachtschiffes »New Agamemnon« zum Ausdrucke. Die Panzerung desselben sollte 915 Milli- meter Stärke erhalten. Es kam indeß nicht dazu, indem der Seitenpanzer zusammen nur 457 Millimeter Stärke erhielt, und zwar in zwei durch 914 Millimeter Teak- holz getrennten Lagen. Die Panzer der Thürme sind sogar noch etwas schwächer dimensionirt, denn sie sind nur 406 Millimeter stark. Der theoretische Calcul hat also dem praktisch Möglichen nicht Stand gehalten. In fachmännischen Kreisen ist längst überzeugend dargethan worden, daß ein ungenügender Panzerschutz schlechter wie gar keiner sei; denn bei Schiffswänden mit geringer Widerstandsfähigkeit ist immerhin die Aussicht vorhanden, daß die schweren Projectile sie durchschlagen würden, ohne zu explodiren, während zu schwache Panzer durch den Geschoßaufschlag in einer Weise zertrümmert werden, daß die Zweiter Abschnitt. losgelösten Panzerstücke der Bemannung des feindlichen Schiffes gefährlicher werden, als die Geschosse selbst. Da nun seit Einführung von Schiffsgeschützen schwersten Calibers dermalen kaum eine Panzerung den riesigen Projectilen mit ihrer un- geheueren Durchschlagskraft Fig. 488. Krupp's 400 Millimeter Compoundplatte (Vorderseite), Geschütz 30‧5 Centimeter-Ringkanone, Entfernung von der Rohrmündung 115 Meter. Fig. 489. Krupp's 400 Millimeter Compoundplatte (Rückseite), Geschütz 30‧5 Centimeter-Ringkanone, Entfernung von der Rohrmündung 115 Meter. zu widerstehen vermag, so richtet sich der taktische Werth der Schlachtschiffe lediglich nach der jeweiligen Eben- bürtigkeit ihrer Gegner. Das stärkere Schiff wird — be- dingungsweise zugegeben — das schwächere überwinden, aber von einem noch stärkeren im Zaume gehalten oder vernichtet werden. Die je- weilige Chance ist also gänzlich dem Zufalle anheim- gegeben, und da es in den Kriegsmarinen hinsichtlich der Verwendungsart, Stärke und Armirung die mannig- faltigsten Typen giebt, die Individuen dieser Typen überdies von gleichartigen fremden Marinen übertroffen werden, können und müssen im Seekampfe Eventualitäten eintreten, in welchem sehr kostspielige Fahrzeuge dem Gegner nicht gewachsen sind. Dennoch ist in jüngster Zeit eine Wendung zu Gunsten des Panzers ein- getreten. Auf dem großen Krupp 'schen Schießplatze bei Meppen, wo der berühmte Kampf zwischen Panzer und Geschütz ausgefochten wurde, sieht man platt durch- geschossene halbmeterdicke Eisenplatten und zertrümmerte Stahlplatten als Trophäen jener wenige Jahre zurückliegenden Zeit, in der das Geschütz die zweifellose Siegerin war. Als die Krupp'sche Fabrik in Essen selber die Panzerfabrikation mittelst der hierzu aufgebotenen großartigen Hilfsmittel in die Hand nahm, war in Fachkreisen Panzerschiffbau. die Spannung über das Ergebniß der diesbezüglichen Schießversuche groß. Die neuen Panzerplatten bestehen aus jener festen und zähen nickelhaltigen Eisenlegirung, die schon bei der verhältnißmäßig geringen Plattenstärke von ¼ Meter mittleren Schiffsgeschützen neuester Fig. 490. Krupp's 300 Millimeter Nickelstahlplatte (Vorderseite). Geschütz 28 Centimeter-Ringkanone, Entfernung von der Rohrmündung 119 Meter. Fig. 491. Krupp's 300 Millimeter Nickelstahlplatte (Rückseite). Geschütz 28 Centimeter-Ringkanone, Entfernung von der Rohrmündung 119 Meter. Construction bis zu 21 Centimeter Caliber in Ge- fechtsdistanz Trotz bieten. Eigenthümlich für das Plattenmaterial ist, daß die Stahlpanzergranaten (von denen in einem späteren Capitel noch ausführlich die Rede sein wird) in den Platten nicht stecken bleiben, sondern unverletzt oder ge- brochen in ziemliche Ent- fernung weit zurückgeworfen werden. Es sind aber auch Platten aus härteren Legi- rungen geprüft worden, die, ohne Risse und merkliche Auf- beulungen zu empfangen, die Stahlgeschosse in kleine Stücke zerschellen ließen. Man unterscheidet heute Compoundpanzerplatten und Panzerplatten aus Metalllegirungen (Nickel- oder Uranstahl). Die ersteren zeichnen sich aus: durch die vorzügliche Verbindung des Stahls mit der Schweiß- eisenplatte, welche nirgends das Bestreben zeigt, sich zu lösen; durch die Zähigkeit des Stahles, der verhältniß- mäßig sehr wenig Risse und Abblätterungen zeigt: durch die große Zähigkeit der Eisenhinterlage, trotz großer Dicke der Platten, besonders bei der 400 Milli- meter dicken Krupp'schen Compoundplatte. Die Krupp'schen Nickelstahlplatten haben vor allen anderen Arten von Panzerplatten den Vorzug, daß sie durch Geschosse auch der größten Caliber nicht zum Reißen oder Springen gebracht werden können, Zweiter Abschnitt. auch wenn sie mit außergewöhnlich vielen Schüssen belegt werden. — In den hier stehenden Abbildungen wird eine Anzahl solcher, der Probebeschießung ausgesetzt gewesener Krupp'scher Panzerplatten vorgeführt. Fig. 486 stellt eine 300 Millimeter Fig. 492. Krupp's 400 Millimeter Nickelstahlplatte (Vorderseite). Geschütz 30‧5 Centimeter-Ringkanone, Entfernung von der Rohrmündung 116 Meter. Fig. 493. Krupp's 400 Millimeter Nickelstahlplatte (Rückseite), Geschütz 30‧5 Centimeter-Ringkanone, Entfernung von der Rohrmündung 116 Meter. starke Compoundplatte dar (Gewicht bei 360 Centimeter Länge und 240 Centimeter Breite = 19.960 Kilo- gramm), welche mit einer 28 Centimeter-Ringkanone aus einer Entfernung von 118 Meter beschossen wurde. Das Geschoß war eine Hart- gußgranate von 234 Kilo- gramm Gewicht, die Pulver- ladung wog 43 Kilogramm. Es wurden vier Schüsse ab- gegeben. Die Eisenplatte blieb vollständig rißfrei; die totale lebendige Kraft, welche durch diese Schüsse auf der Platte zur Wirkung kam, war 7905‧7 Metertonnen. Fig. 488 stellt eine 400 Millimeter starke Compound- platte dar (Gewicht bei 360 Centimeter Länge und 253 Centimeter Stärke = 28.000 Kilogramm), welche mit einer 30‧5 Centimeter-Kanone aus einer Entfernung von 115 Meter beschossen wurde. Die verwendeten Geschosse waren zwei Hartgußgranaten von 323‧7 Kilogramm Gewicht (Pulverladung 100 Kilo- gramm) und Stahlpanzer- granaten von 325 Kilogramm Gewicht (Pulverladung 91 Kilogramm). Die Hartgußgeschosse wurden vollständig zertrümmert und ihre Köpfe in die Platten eingeschweißt. Die Stahlpanzergranate wurde unversehrt 12 Meter zurückgeworfen. Die Widerstandsfähigkeit dieser Platte entspricht einer 580 Millimeter dicken Eisenplatte. Panzerschiffbau. Fig. 490 stellt eine 300 Millimeter starke Nickelstahlplatte (Gewicht bei 331 Centi- meter Länge und 258 Centimeter Höhe = 20.330 Kilogramm) vor, welche mit einer 28 Centimeter-Ringkanone (wie bei der gleich starken Compoundplatte Fig. 486) aus einer Entfernung von 119 Meter beschossen wurde. Es wurden auf diese Platte fünf Schüsse abgegeben: vier mit Krupp'schen Stahlpanzergranaten (Gewicht I 231, II 233, III 232, IV 233 Kilogramm, Pulverladung bei allen 62 Kilogramm), ein Schuß mit einer Hartgußgranate (Gewicht V 229 Kilogramm, Pulverladung 62 Kilogramm). Die Stahlpanzergranate wurde unversehrt zurückgeworfen; die Hartgußgranate zerbrach, der Kopf blieb in der Platte stecken. Die Platte blieb rißfrei. Die totale lebendige Kraft, welche durch diese fünf Schüsse auf der Platte zur Wirkung kam, betrug 13.150‧2 Metertonnen. Fig. 492 stellt eine 400 Millimeter starke Nickelstahlplatte (Gewicht bei gleichen Dimensionen wie Fig. 488 = 28.000 Kilogramm) vor, welche mit einer 30‧5 Centi- meter-Kanone (wie bei der gleich starken Compoundplatte Fig. 488) aus einer Ent- fernung von 116 Meter beschossen wurde. Abgegeben wurden fünf Schüsse, und zwar: vier mit Krupp'schen Stahlpanzergranaten (Gewicht I 325‧7, II 325‧3, III 324‧5, IV 325‧2 Kilogramm, Pulverladung bei allen 94 Kilogramm), ein Schuß mit einer Hartgußgranate (Gewicht V 326 Kilogramm, Pulverladung 94 Kilogramm.) Die Stahlpanzergranaten wurden zurückgeworfen und zerbrachen; die Hartguß- granate zersplitterte, der Kopf wurde in die Platte verschweißt, die Platte blieb rißfrei. Die totale lebendige Kraft, welche durch diese fünf Schüsse auf der Platte zur Wirkung kam, betrug 21.908 Metertonnen. Die Widerstandsfähigkeit derselben gegen Durch- dringung entspricht mindestens der einer Eisenplatte von 700 Millimeter Dicke. ... Die hier geschilderten Schießversuche wurden in den Jahren 1891 und 1892 gemacht. Im Jahre 1896 wurden in den Vereinigten Staaten von Amerika ähnliche Proben vorgenommen. Die hierzu verwendete Versuchsplatte aus Nickelstahl war 488 Centimeter lang und 228 Centimeter hoch. Die Fig. 495 zeigt die Wirkung von drei Treffern; der erste (Nr. 2) rührt von einem Projectile aus einer 10zölligen Kanone, der zweite (Nr. 3) von einem Projectile aus einer 12zölligen Kanone und der dritte (Nr. 4) von einem Projectile aus einer 13zölligen Kanone, aus Entfernungen von 118‧3, beziehungsweise 117‧8 und 115‧3 Meter. Der Schuß aus dem Zehnzöller ließ das Geschoß 9‧5 Centimeter tief in den Panzer eindringen. Bei einem Schusse mit einer 500pfündigen Granate wurde die Platte schüsselartig eingedrückt, etwa 3 Centimeter tief. Das Gewicht des Geschosses beim Zwölfpfünder betrug 850 Pfund, das der Pulverladung 400 Pfund. Der Schuß war beim Eindringen des Geschosses auf 34 Centimeter todt und die Platte wies einen glatten Durchschlag auf, indem ihre Ebene gleichzeitig um 2¾ Centimeter vertieft wurde. Die Holzunterlage war von 30 Centimeter Dicke auf 3 Centimeter (!) zusammengepreßt. Bei der in Fig. 494 dargestellten Platte kam ein 13-Zöller in Anwendung mit einem Projectil von 1100 Pfund Gewicht und einer Pulverladung von Zweiter Abschnitt. 484 Pfund Gewicht. Die beim Schusse zur Wirkung gekommene lebendige Kraft hätte ausgereicht, das Panzerschiff »Iowa« (für welches die Platten bestimmt waren) um 0‧6 Meter zu heben. Entsprechend dieser ungeheueren Durchschlagskraft war die Wirkung des Schusses eine gewaltige. Die Platte wurde glatt durch- schlagen und nach verschiedenen Richtungen zertrümmert. Das Projectil schlug auch die Holzunterlage durch und blieb erst in der Sandbettung stecken. Von der Gewalt des Treffers giebt die Thatsache einen Begriff, daß nach zwei Stunden nach dem Schusse das Geschoß warm und die aufgerissenen Theile der Panzer- Fig. 494. Panzer von dem Projectile aus dem 13zölligen Geschütze durchlöchert. wunde sich theilweise abgeschmolzen zeigten. Das Projectil zeigte keine merkliche Deformation, war aber nach dem Schusse um 7‧5 Centimeter kürzer und maß im Durchmesser um 2‧8 Centimeter mehr als vor dem Schusse. ... Das Ergebniß dieser Versuche ist sonach, wie zu ersehen, die Ueberlegenheit der in Verwendung genommenen Geschütze, deren Caliber nur um Weniges größer ist als jenes der bei den Krupp'schen Versuchen benützten, was für die Minderwerthigkeit des ameri- kanischen Plattenmateriales sprechen würde, wären bei diesen Versuchen nicht so enorm große Pulverladungen in Anwendung gekommen. Einen Gegenstand für sich, und zwar von größter Bedeutung, bilden die Maschinenanlagen der Kriegsschiffe . Die Dampfmaschine eines Panzers oder Kreuzers hat ganz anderen Ansprüchen zu genügen, als die eines Handels- Panzerschiffbau. schiffes. Denn während letzteres, gleichviel ob Fracht- oder Schnelldampfer, auf hoher See immer die Geschwindigkeit einzuhalten sucht, für welche seine Maschinen gebaut sind, diese also am günstigsten, weil unter den Verhältnissen, welche der Constructeur bei der Projectirung zu Grunde legte, benützt, soll der Kriegsdampfer je nach den gegebenen Umständen eine sehr verschiedene Geschwindigkeit entwickeln. Im Gefecht oder bei Verfolgung des Feindes wird die größtmögliche Schnelligkeit verlangt, im Friedensdienst aber, und vor Allem auf längeren Seereisen, darf immerhin wegen des Kohlenfassungsvermögens solcher Schiffe nur mit bedeutend verminderter Fahrt gelaufen werden. Fig. 495. Wirkungen der Geschosse aus 10-, 12- und 13zölligen Geschützen auf den Gürtelpanzer. Wenn man nun eine Schiffsmaschine weniger beanspruchen, beziehungsweise langsamer laufen lassen wollte durch Verminderung des Dampfdruckes in den Kesseln, oder durch Ausschaltung einiger Kessel und minimaler Füllung der Cylinder mit Dampf, also Anwendung übermäßiger Expansion, so würde doch in beiden Fällen, im ersteren durch mangelhafte Ausnützung der Kessel, im letzteren durch ebensolche der Maschinen, ein recht unwirthschaftlicher Betrieb erreicht werden. Man ist daher bald auf die Theilung der Maschinenanlage gekommen, welche derart vorgenommen wird, daß zwei gleichwerthige Dampfmaschinen an derselben Schrauben- welle arbeiten, von denen die hintere fest mit der Welle, die vordere aber mit der zweiten Maschine durch eine lösbare Kuppelung verbunden ist. Will man also mit mäßiger Geschwindigkeit fahren, so arbeitet die hintere Maschinenanlage mit der halben Kesselzahl im Betriebe unter ganz normalen Bedingungen allein, Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 40 Zweiter Abschnitt. Fig. 496. Seitenansicht der Backbord-Maschinen des italienischen Panzerschiffes »Sardegna«. (Siehe S. 599.) Panzerschiffbau. während bei forcirter Fahrt beide Maschinenanlagen mit allen Kesseln in Wirk- samkeit sind und dabei ebenfalls mit derjenigen Leistung beansprucht werden, für welche sie eingerichtet sind. Da die Maschinen unter gleichem Dampfdrucke stehen, addirt sich ferner die erzeugte Kraft ohne weiteres und finden Energieverluste bei solcher Anordnung nicht statt. Es ist aber noch ein weiterer Vorzug bei solcher Maschinentheilung vorhanden. Die Geschwindigkeit des Schiffes geht bei der Fahrt mit halber Kraft keineswegs auf die Hälfte herunter, sondern es ist nachgewiesen, daß ein so aus- gerüsteter Kreuzer, welcher mit beiden Maschinen 14 Seemeilen pro Stunde lief, mit der hinteren allein noch 10 Knoten Fahrt machte. Ferner ermöglicht die Theilung der Maschinenanlage auch die Einführung der wegen ihres ruhigen Ganges beliebten und in der Handelsmarine angewendeten Hammermaschine, deren Cylinder über der Welle stehen; denn während früher unter dem Panzerdeck der Kriegsschiffe solche hochragende Maschinen keinen Platz fanden, weil der Raum zu niedrig war, man also auf liegende Maschinen angewiesen war, können dieselben, durch die Theilung in allen ihren Dimensionen verringert, jetzt ganz gut eingebaut werden. Allerdings muß man bei ihnen auf die durch die oberen Cylinderdeckel durchgehenden Kolbenstangen verzichten, so daß also eine größere Abnützung der Kolbendichtungsringe unvermeidlich ist. Von den hier dargestellten getheilten Schiffsmaschinen giebt das Vollbild die Backbordmaschine des italienischen Panzerschiffes »Re Umberto« wieder. Die Maschinen- anlage für dieses Schiff von 13.250 Tonnen Deplacement ist nach dem Compound- system eingerichtet. Jede einzelne der vier selbstständigen Zweicylindermaschinen leistet 5000 Pferdestärken, es wird also bei voller Fahrt jede Schraube mit 10.000 Pferdestärken angetrieben und erreicht das Schiff dabei fast 18 Knoten Geschwindigkeit. Die Abbildung zeigt die Maschine in der Montirungswerkstatt und läßt noch erkennen, daß die Steuerung der Hochdruckcylinder durch Kolbenschieber, die der Niederdruckcylinder durch Flachschieber geschieht. Letztere sind, da die Schieber- kastendeckel abgenommen sind, sichtbar. Einen Maßstab für die immerhin respectable Größe einer solchen Maschine giebt der an derselben beschäftigte Arbeiter. Die in Fig. 496 dargestellte Maschine ist die Backbordmaschine des Panzer- schiffes »Sardegna«, des Schwesterschiffes des vorgenannten. Hier ist bereits das Dreifachexpansionssystem in Anwendung gekommen, bei einem Dampfüberdruck von 10‧5 Atmosphären. Jede Einzelmaschine, von denen das Doppelschraubenschiff also ebenfalls vier besitzt, soll 5700 Perdestärken leisten. Die gesammte Maschinenkraft giebt dem Schiffe eine Geschwindigkeit von 18 Seemeilen pro Stunde. Die in der Abbildung links sichtbare kleinere Maschine ist die für jede Hauptmaschine vor- handene Luftpumpe für die Condensation, die am äußersten Ende rechts sichtbare kleine Dampfmaschine dient zum Drehen der Hauptmaschine bei Instandsetzungs- arbeiten im Hafen. 40* Zweiter Abschnitt. Fig. 497. Zwillingsschraubenmaschinen der »Latona«, »Raiád;«, »Flora« ꝛc. Leistung 9000 Pferdekräfte; Geschwindigkeit 30 Knoten. Derart getheilte Schiffsmaschinen haben sich im Betriebe ausgezeichnet bewährt, und die meisten Marinen haben, so weit es sich um Zweischraubenschiffe handelt, dieses System adoptirt. Nur in Rußland hat man den angestrebten Zweck in anderer Panzerschiffbau. Weise zu erreichen gesucht, indem man nämlich den Niederdruckcylinder einer Dreifach- expansionsmaschine, beziehungsweise dessen Wellenkurbel, abkuppelbar anordnete und dieser Art bei verminderter Leistung mit den beiden anderen Cylindern als Compound- Fig. 498. Maschine des » Duke of Lancaster «. — Cylinder: 24, 35 und 55 Zoll (engl.) im Durchmesser bei 33 Zoll Kolbenhub. — 2 doppelwandige Kessel mit 9419 Quadratfuß Heizfläche und 276 Quadratfuß Rostfläche. — Dampfdruck 160 Pfund. — Leistung: 3300 Pferdekräfte. — Geschwindigkeit 19½ Knoten. maschine fahren kann. Diese Anordnung erscheint nicht so vortheilhaft wie die vor- beschriebene, denn sie wirkt wegen der wechselnden Beanspruchung der Kesselanlage nicht so ökonomisch und eignet sich auch nur für mittlere Schiffe. In neuerer Zeit wird eine vortheilhafte Maschinentheilung ohne weiteres erreicht durch die Anordnung von drei Schiffsschrauben. Vortheilhaft ist hier die Zweiter Abschnitt. noch weitergehende Anpassungsfähigkeit an die jeweilig geforderte Leistung, denn es leuchtet ein, daß man, da die drei Einzelmaschinen selbstständig und unabhängig von einander sind, nach Belieben mit der mittleren Schraube allein, oder mit den beiden seitlichen, oder schließlich mit allen drei im Betriebe fahren kann, also außer Gefechts- und Marschgeschwindigkeit noch eine dritte Abstufung zur Verfügung hat. Es sind hierbei in die Wellenstränge kurz vor den Schrauben lösbare Kuppelungen eingeschaltet, so daß sich die nicht im Betriebe befindlichen Propeller frei mitdrehen können. Dieses Schleifen der leergehenden Schrauben durch das Wasser ist der einzige Nachtheil dieser Anordnung, da es Kraftverluste zur Folge hat; übrigens sind die Vortheile — kürzere Wellen, da die Maschinenanlage mehr in das Hinterschiff zurückgeschoben werden kann, Sicherheit der Mittelschraube im Gefecht, und vor Allem das erwähnte große Anpassungsvermögen — so bedeutend, daß das Dreischraubensystem offenbar das System der Zukunft ist. Interessant ist, daß die mittlere Schraube beträchtlich hinter der seitlichen liegen muß, da sie sonst beim Zusammenarbeiten fast ohne Einfluß auf die Ge- schwindigkeit ist, und daß sie außerdem kleiner gemacht wird, um gleiche Umlaufs- zahlen zu erhalten. Bei gleicher Größe der drei Schrauben läuft nämlich die mittlere langsamer und ist auch nicht auf die Geschwindigkeit der Seitenschrauben zu bringen, weil sie in zu aufgewühltem Wasser arbeitet; dieses Langsamerlaufen aber würde einen Effectverlust bedeuten. Die Entwickelung, welche die Schiffsmaschinen genommen, ist eines der interessantesten Themen der Kriegsschifftechnik. Gewissermaßen grundlegend war das ein Jahr vor der Gründung der » Institution of Naval Architects «, d. i. in 1859 erschienene werthvolle Werk J. Macquorne Rankine's über die Dampfmaschine, in welchem die hauptsächlichsten Kenntnisse, welche man damals im Maschinenbau besaß, niedergelegt waren. Wenn auch seitdem zahlreiche andere Werke erschienen sind, welche neue und brauchbare Fortschritte auf dem Gebiete des Maschinen- und Kesselbaues enthielten, haben sie im Verhältniß doch wenig zur theoretischen Kenntniß, welche im Rankine'schen Werke niedergelegt sind, hinzugefügt. Rankine , Hill , Coterill u. A. haben schon damals klar den großen Vortheil dargelegt, der aus einer Steigerung der Dampfspannung hinsichtlich der Oekonomie der Maschine zu erwarten sei, und sind dadurch ganz fraglos Veranlassung gewesen, daß man in der technischen Welt sich unablässig bemühte, diese Wahrheiten in die Praxis zu übersetzen. Sehr viel für die hierbei erzielten Erfolge verdankt man Männern wie Maudslay , Ponn , Rapier , Scott , Russel , Kirk u. A. Wenn man sich vergegenwärtigt, daß 1860 die Schiffsmaschinen allgemein einfache Maschinen mit Einspritzcondensation, Rohrkesseln mit 1‧4 Kilogramm Dampfdruck waren, so springen als hauptsächlichste der seitdem erreichten Vortheile in die Augen: Allgemeine Einführung der Oberflächencondensation und Steigerung des Druckes, welcher hierdurch ermöglicht wurde; Annahme des Cylinderkessels (Schottischen Kessels) und hierdurch wieder ermöglichte Spannungssteigerung des Panzerschiffbau. Dampfes; erfolgreiche Wiedereinführung der Compoundmaschine; Uebergang zum Zwei- und später zum Dreischraubensystem; stetige Erhöhung des Dampfdruckes Fig. 499. Dreifachexpansionsmaschine des Schlachtschiffes »Majestic« (14.000 Tonnen Deplacement). Cylinder 44, 59 und 88 Zoll (engl.) im Durchmesser, 51 Zoll Kolbenhub. — 8 Cylinderkessel mit 25.570 Quadratfuß Heiz- fläche und 821 Quadratfuß Rostfläche. — Dampfdruck 155 Pfund. — Leistung der Maschine: 12.497 Pferde- kräfte. — Geschwindigkeit 18 Knoten. bis zur Grenze der mit Compoundmaschinen erreichbaren Oekonomie; Einführung der Drei- und Vierfach-Expansionsmaschinen und naturgemäß dadurch herbeigeführte weiter gesteigerte Dampfspannung, und zwar bis zur Grenze dessen, was Cylinder- Zweiter Abschnitt. kessel aushielten; schließlich Einführung des Wasserrohrkessels. Hand in Hand mit dieser Entwickelung ging eine erhebliche Steigerung der Kolbengeschwindigkeit, der Tourenzahlen, die zweckmäßigere Disposition der Maschinen, der Dampfvertheilung, Fig. 500. Maschine der Panzerkreuzer II . Classe »Juno«, »Doris«. Deplacement 5000 Tonnen; Leistung 9600 Pferdekräfte; Geschwindigkeit 20 Knoten. der Ausbalancirung der bewegten Theile, im Vereine mit der steten Verringerung des Maschinen- und Kesselgewichtes, Verwendung besseren Materiales, und auf Grund von Festigkeitsrechnungen richtigere Vertheilung der Verbände. Hierzu dürften einige, die englischen Maschinen für Kriegsschiffe betreffenden Daten von Interesse sein. Im Jahre 1860 betrug die gesammte indicirte Pferde- Panzerschiffbau. stärke aller dienstfähigen Schiffe 450.000 Pferdekräfte, 1897 dagegen 2,500.000 Pferdekräfte. Die Dampfspannung beträgt bei den neuesten englischen Schlacht- schiffen bereits 21 bis 25 Kilogramm. Während der Jahre 1889 bis 1897 hielt sich bei den großen Schiffen die Dampfspannung auf der gleichen Höhe von 13 Kilo- gramm, und zeigt dies, daß man damals mit den üblichen Cylinderkesseln die Dampfdruckgrenze erreicht hatte; erst mit der Einführung der Wasserrohrkessel springt der Dampfdruck plötzlich auf die oben angegebene Höhe von über 25 Kilogramm. Bezüglich der Kolbengeschwindigkeit ist zu bemerken: die niedrigste Zahl (2‧21 Meter in der Secunde) hatte der »Warrior« 1861, die höchste (6‧23 Meter in der Se- cunde) der »Starfish« 1895; die Kolbengeschwindigkeit hat sich also in dem an- gegebenen Zeitraume fast verdreifacht. Aehnliches gilt von der Tourenzahl. Während 1860 die größten Schlachtschiffe kaum mehr als 55 Touren machten und damals die Maschinen des »Bellorophon« und »Herkules« von 6500 beziehungsweise 8500 Pferdekräften mit rund 75 Touren bemerkenswerthe Ausnahmen für große Umdrehungsgeschwindigkeiten abgaben, erreicht man bei den Torpedobooten als Maximum 247, bei den Torpedobootzerstörern vollends 412 Touren. In großartiger Weise wurde in jüngster Zeit das System der Wasserrohr- kessel (Belleville) bei den Riesenkreuzern »Powerful« und »Terrible« (vgl. S. 561) in Anwendung gebracht. Es sind 48 solcher Kessel vorhanden, welche mit einer Normalspannung von 17‧6 Kilogramm für den Quadratcentimeter arbeiten. Die Gesammtheizfläche beträgt 69.453 englische Quadratfuß, die Gesammtrostfläche 2192 englische Quadratfuß. Der Kesselraum nimmt 56 Meter der Gesammtlänge des Schiffes ein und ist derselbe mittelst wasserdichter Schotte in acht wasserdichte Abtheilungen getheilt. Die Kessel sind derart angeordnet, daß sie von der Seite beschickt werden. Dadurch war es zwar möglich, die größte Kesselkraft in einem verhältnißmäßig kleinen Raume unterzubringen, doch wird durch das Rollen des Schiffes der Wasserstand in den Röhren zu sehr alterirt, so daß der Nutzeffect der Kessel nicht voll zur Geltung kommen kann. Es mag von Interesse sein, zu erwähnen, daß bei allen in der Folge zu erbauenden Schiffen die Kessel nur in der Längsrichtung installirt werden sollen. Vierundzwanzig der vorhandenen Kessel haben je acht Heizelemente, d. h. mit Wasserröhren versehene Abtheilungen, die anderen nur je sieben; jedes Element enthält 20 Röhren, oder richtiger 10 Röhrenpaare, von im Mittel 2 Meter Länge und 10 Centimeter Durchmesser. Ein besonderes Merkmal der Belleville- kessel sind die automatischen Speiseregulatoren, welche es ermöglichen, daß die Speisung regelmäßig vor sich geht und der Wasserstand stets auf gleicher Höhe erhalten wird. Jede Gruppe von acht Kesseln hat ihr eigenes Dampfrohr und befindet sich in jeder Kesselabtheilung ein Dampfseparator, in welchem sich der Dampf sammelt, bevor er zur Maschine geführt wird. Diese Einrichtung dient dazu, das Ueberkochen der Kessel hintanzuhalten. Die Separatoren (Wasserabscheider) bestehen aus gußeisernen verticalen Cylindern, 2‧5 Meter hoch, in welchen Scheide- Zweiter Abschnitt. platten angeordnet sind, die den Dampf von dem etwa mitgerissenen Wasser reinigen. Zwischen den Separatoren und den Dampfabsperrventilen sind die Druck- reducirventile angeordnet, an welche sich die Sicherheitsventile anschließen. Damit auf der Ausmündungsseite der Speiseröhren kein übermäßiger Druck auftreten kann, ist in demselben eine eigene Regulirvorrichtung eingeschaltet. Die Kessel arbeiten nur unter dem normalen Drucke und ist der Kesselraum nicht für forcirten Zug eingerichtet, obzwar es keiner Schwierigkeit unterlegen wäre, auch mit Bellevillekesseln den künstlichen Zug anzuwenden. Um jedoch die Feuer möglichst lebhaft zu erhalten, ist in jeder Feuerung eine Düse angeordnet, durch welche Luft dem Feuer zugeführt und damit immerhin der Zug erhöht wird. Der große Raum über den Kesseln bis zum Panzerdeck ist von einer Aus- dehnung, wie er bei keinem anderen modernen Kriegsschiffe vorkommt. Obwohl er dadurch sehr luftreich ist, wird die Ventilation gleichwohl durch 12 Ventilatoren noch erhöht, so daß die Temperatur im Kesselraum jederzeit eine erträgliche ist. Es ist nicht zu viel behauptet, wenn gesagt wird, daß nur englischer Geist und englische Zähigkeit im Vereine mit jahrzehntelanger Schulung Resultate, wie sie vorstehend geschildert wurden, erreichen konnten. Unbestritten ist heute noch die Priorität und Ueberlegenheit der englischen Schiffbaukunst, und thatsächlich werden fast alle erforderlichen Schiffsmaschinen in England gebaut, wenn auch mitunter die Pläne und einzelne Verbesserungen an bestehenden Systemen von ausländischen Bestellern ausgehen und von ihnen angefertigt werden. Konnte doch England vermöge seiner hohen Finanzkraft und gezwungen durch die politischen Verhält- nisse, über eine übermächtige, stets auf der Höhe der Zeit stehende Flotte jederzeit verfügen, der Ausbildung seiner Kriegsschiffe die größte Sorgfalt zuwenden; es ist dazu genöthigt, wenn es nicht den Vorrang der Herrschaft zur See ein- büßen will. Wenn auch die englischen Schiffsmaschinen im Allgemeinen die besten und leistungsfähigsten sind, so ragt dennoch eine Anstalt, aus welcher die neuesten und meisten Kriegsschiffe der englischen Flotte und viele große Handelsdampfer hervor- gegangen sind, besonders hervor: Die » Naval Construction and Armaments Co. « zu Barrow in Furnees an der Morecamb-Bai in der Grafschaft Cumberland. Der »Powerful« und der »Terrible«, die »Niobe« als Kreuzer erster Classe, sowie die ähnlichen, aber kleineren »Juno« und »Doris« als zweitclassige Schiffe, das Muster-Schlachtschiff »Majestic« nicht zu vergessen, sind mit vollendeten Ma- schinen ausgerüstet. Dieselben bestehen aus zwei unabhängigen Maschinen der herkömmlichen verticalen Anordnung, mit je drei Cylindern für Hoch-, Mittel- und Niederdruck; bei der »Majestic« haben dieselben beziehungsweise folgende Dimensionen: 1‧01, 1‧44 und 2‧23 Meter, bei 1‧09 Meter Kolbenhub. Acht cylindrische Kessel von 25.570 englische Quadratfuß Heizfläche und 821 Quadrat- fuß Rostfläche entwickeln für das genannte Schiff die Energie von 12.497 Pferde- kräften bei einem Dampfdrucke von 150 englische Pfund auf den Quadratzoll, Panzerschiffbau. wodurch eine Geschwindigkeit von 18 Knoten erreicht wird. Das Schiff ist 130 Meter lang und hat 14.900 Tonnen Deplacement. Die englische Marine besitzt in den Torpedojägern »Sturgeon«, »Starfish« und »Skate« Mustertyps solcher Fahrzeuge. Die Maschinen dieser Boote haben Dreifach-Expansionsmaschinen wie die großen Kreuzer, nur in den dem Größen- verhältnisse entsprechenden kleineren Dimensionen. Bei 45 Centimeter Kolbenhub haben die Cylinder für Hoch-, Mittel- und Niederdruck Durchmesser von 45, 67 und 101 Centimeter. Vier Wasserröhrenkessel von zusammen 9652 englische Quadratfuß Heizfläche und 176 Quadratfuß Rostfläche entwickeln den erforder- Fig. 501. Der englische Torpedojäger »Starfish«. Geschwindigkeit 28 Knoten. lichen Dampf von 200 Pfund Druck auf den Quadratzoll. Die Maschinen ent- wickeln 4400 Pferdestärken und geben den Schiffen eine Geschwindigkeit von 28 Knoten. Die Torpedojäger sind 62 Meter lang, 6‧5 Meter breit und haben ein Deplacement von nur 250 Tonnen. In der Regel ist der Zweck der Maschinenanlage bei Torpedobooten der, ihnen einen möglichst großen Actionsradius zu geben. Demgemäß hat jedes der drei genannten Boote einen Kohlenfassungsraum für 70 Tonnen, wodurch sie in den Stand gesetzt werden, 3000 Seemeilen unter Dampf zu bleiben, wenn 13 Knoten Geschwindigkeit eingehalten werden: dagegen reducirt sich der Actions- radius auf 170 Seemeilen, wenn die volle Geschwindigkeit von 28 Knoten be- ansprucht wird. Die Kessel- und Feuerungsanlagen gestatten bei forcirtem Zuge Zweiter Abschnitt. ein rasches Anwärmen, so daß binnen 40 Minuten nach dem Aufheizen der Dampf in den Kesseln bereits seine normale Spannung erreicht hat. Sehen wir uns ein solches Treiben in einem See-Arsenale etwas näher an. ... Schon in frühester Morgenstunde beginnen sich die Räume zu beleben. Zunächst schwärmt ein Menschenstrom durch die Thore der Werkstätten, Boote schwimmen aus, geschäftig wie flüchtige Wasserinsecten; schon kräuseln ab und zu kleine Rauchlinien empor und pfeilschnell schießen leichte Dampfbarkassen durch die silbern aufschäumende Fluth. Ein schriller Pfiff folgt dem andern; bald vernimmt man dumpfes Summen, wie aus einem riesigen Bienenkorbe, dem nach und nach ein schwaches, in der Folge ein intensives Getöse folgt. Die rußigen Essen be- ginnen zu flammen und wo pechschwarze Rauchwolken aufwirbeln, pocht mächtiger Hammerschlag. Bald rasselt es an allen Ecken und Enden, das Meer schäumt auf und buntes Gewimmel drängt sich von Deck zu Deck, von Gebäude zu Gebäude. Das monotone Geklapper der Kalfaterer und Zimmerleute mischt sich in das dumpfe Gerassel aus der Schiffsschmiede und den dröhnenden Hammerschlägen von den Stapelplätzen. ... Ueberall Leben und Bewegung! Tausende Hände regen sich und sie bemeistern den gewaltigen Titanen Dampf, den dienstbaren Geist der modernen Cyklopen. Er setzt die schweren Riesenhämmer in Bewegung, daß die Erde weit im Umkreise erzittert; ungeheure Geschütze versetzt er spielend vom Land in die Thürme und Casematten, oder er zieht die Panzerkolosse selbst mittelst gewaltiger Maschinen ans Land. Hier schneidet er mehrere Centimeter dicke Eisen- bleche, als wären sie Pappdeckel, dort wieder treibt er mehrere Centimeter tiefe Niet- löcher in Stahlplatten, leicht und geräuschlos, wie eine Näherin ihre Leinwand durchsticht. Und dennoch ist der Eindruck, den diese großartige Thätigkeit auf den Be- schauer aus der Ferne ausübt, nur ein bescheidener, gegenüber den Einzelbildern, die sich an dem Auge in raschem, betäubendem Wechsel vorüberdrängen, wenn man die einzelnen Arbeitsstätten besucht. Wir stehen nun an den Quais und haben jene Kolosse, welche beim Anblicke aus der Ferne nicht gar so gewaltig impo- nirten, unmittelbar vor uns. An armdicken Tauen oder Drahtseilen oder schweren Ankerketten liegen sie am Ufer vertäut. Schwarze oder graue Eisenthürme steigen aus der salzigen Fluth. Sie gelten als Stoß- und Kugelfest und der Stolz des Seemanns nennt sie die »Unverwundbaren«. Die Medaille hat aber ihre Kehr- seite. Wir schreiten durch einen dunklen Thorgang und weiterhin auf einen freien Platz, wo Panzerplatten der Reihe nach aufgestellt sind: sprechende Zeugen der verheerenden Wirkung moderner Riesengeschütze. Die Projectile stecken tief in den stählernen Platten und manche derselben sind auf der Rückseite geborsten. Bei den dünneren Platten ist alles zerfetzt, zersplittert, und aus den unheimlichen Breschen ragen die Projectile noch ein Stück heraus. Wir finden die Unholde, welche solche Zerstörungen anrichten, in einem ge- räumigen Gebäude, wo sie, mächtigen dunklen Schlangen gleich, auf provisorischen Bettungen liegen, zu Häupten mächtige Laufkrähne, mittelst welchen die Geschütz- Panzerschiffbau. rohre aus und in den Raum befördert werden. ... Wieder im Freien, treten wir zwischen mehreren Gebäuden, in denen Kupferschmiede und Feiler hantiren, in das rußige Local der Gießerei, in welchem schwarzer Kohlennebel Alles in gespenstischen Halbschatten hüllt. Man sieht Cupol- und Bronzeschmelzöfen und in der Erde glüht geschmolzenes Erz. Schon hören und fühlen wir die dumpfen Schläge in gemessenen Pausen, welche aus der nahen Dampfhammeranlage kommen. Wir schreiten durch das finstere Thor und tauchen den Blick in einen Nebel von Staub und Rauch. Schwarz ist der Boden, auf welchem hier die Cyklopen han- tiren. Die ehernen, viele hundert Centner schweren Fallklötze dröhnen herab und hämmern kolossale Stahlstücke breit und rund, indeß ringsum ein dumpfes Tosen unsere Sinne betäubt. Wir suchen das Freie und athmen wieder in erquickender frischer Seeluft. Die nächste Station ist ein großartiges Aus- und Abrüstungsmagazin, in welchem sich jene Materialien und Gegenstände befinden, deren ein jedes Kriegsschiff bedarf, wenn es in völlig dienstfertigen Zustand versetzt werden soll. ... Weiterhin kommen wir in eine ungeheuere lichte Halle, aus welcher ein Gemisch von schrillen und dumpfen, von pfeifenden und rasselnden Tönen hervorhallt. Vom Eingangsthore aus durchmißt man mit einem Blicke den gewaltigen Raum des Maschinensaales. Hier arbeiten die Drehbänke und Bohrmaschinen, surren die Transmissionen und schürfen mächtige Hobelmaschinen fingerdicke Stahlspäne von den zu glättenden Platten ab. Nicht minder anziehend ist die Kesselschmiede, wo ein sinnbetäubendes Gehämmer den Besucher empfängt. Freilich dort, wo die hydraulischen Nietmaschinen in Thätigkeit sind, geht die Arbeit fast geräuschlos von Statten. Dampfscheeren schneiden mehrere Centimeter dicke Stahlplatten leicht und spielend entzwei und die Bohrmaschinen pressen durch die dicksten Bleche Löcher vom Durchmesser einer großen Silbermünze. Kessel von den Dimensionen eines kleinen Hauses stehen in langen Reihen und vor ihnen die hohlen, mächtigen Stahlrohre der Gefechtsmaste. Die rastlose, lärmende Thätigkeit der Cyklopen und ihres dienstbaren Geistes, des Dampfes, hat uns schier betäubt, so daß wir gerne dem Führer folgen, der uns nach einem stilleren Winkel der Kriegswerft geleitet. Dort finden wir das Holzdepôt, das Ankermagazin mit seinen Massen von Ketten und Ankern; ferner das Bootsmagazin, wo in Etagen übereinander zahlreiche Kähne, Barkassen, Parade- boote u. s. w. aufgestapelt sind; die Schiffbauschmiede, die Maschinentischlerei, das Local der Rudermacher, die Bootswerkstätte u. s. w. Durch ein förmliches Labyrinth von Baracken, Materialplätzen, durch Pförtchen und zwischen Einplankungen hindurch gelangen wir wieder ans Ufer und treten dicht vor ein dunkles, unförmiges Ungethüm, das seinen schwarzen Leib in den silbern er- glänzenden See badet. Es ist ein Schwimmdock größter Dimension, dessen Be- stimmung dem Leser aus einem früheren Abschnitte bekannt ist. Ein mächtiger Panzer, der breitspurig in dem unförmlichen Kasten ruht, ist eben aus dem Wasser gehoben worden und giebt seinen ehernen Leib den geschäftigen Händen der zahlreichen Zweiter Abschnitt. Arbeiter preis. Ueberall sieht man sie wie Fliegen am Panzerkleide oder an den Schraubenwellen kleben. Andere hocken vollends auf den mächtigen Schrauben- flügeln, wie Pygmäen auf dem Leibe eines Riesen. Für den Laien am interessantesten ist der Besuch des Werftstapel, deren es in großen Etablissements eine Anzahl giebt und auf welchen man die Herstellung des Schiffsrumpfes in den verschiedensten Stadien beobachten kann. Große über- deckte »Hellinge«, Schutz gegen den Einfluß der Witterung gewährend, sind in der unmittelbaren Nähe des Wassers aufgebaut; unter ihnen stehen die in Bau begriffenen Schiffe »auf Stapel«, d. h. auf jenen langen Reihen von starken Klötzen in der Mitte der Helling, auf welchem der Kiel des in Bau begriffenen Schiffes ruht, und welche Klotz- und Pfahlrostunterlage sich in gleicher schräger Richtung nach dem Wasser bis unter dessen Oberfläche fortsetzt, so daß das ablaufende Schiff auf einer festen Bahn dahingleitet, bis es tief genug in das Wasser gekommen ist, um sich durch seine eigene Schwimmkraft flott zu erhalten. Der Stapellauf eines modernen Kriegsschiffes ist eine ziemlich heikle Sache. Derselbe geht in anderer Weise vor sich, als früher bei den Holzschiffen. Bisher ruhte das Schiff unmittelbar auf einer schiefen Ebene und rutschte auf dieser dem Wasser zu herunter, nachdem man sie mit Talg eingeschmiert hatte. Das Rutschen begann aber erst, nachdem man eine gegen den Hintersteven sich stemmende Stütze weggehauen hatte. Das Schiff setzte sich nach dem beschriebenen Vorgange meist so rasch in Bewegung, daß der Arbeiter, welcher damit betraut war, kaum Zeit hatte, bei Seite zu springen. Jetzt gestaltet sich die Sache durchaus gefahrlos. Die Stütze am Hintersteven ist weggefallen und durch einen starken Balken ersetzt, der dem Lande zu einerseits mit dem Schlitten verbunden ist, auf dem das Schiff ruht, andererseits in der Erde verankert ist. Dieser Balken wird einfach abgesägt, worauf sich der Schiffskoloß in Bewegung setzt. Dieses Absägen aber ist gänzlich gefahrlos, weil der Balken, wie oben bemerkt, unter dem Vordersteven angeordnet ist. Das Schiff aber rutscht sammt dem Schlitten ins Wasser und ruht daher nicht unmittelbar auf dem Stapel. Der Schlitten wird nach dem Stapellauf wieder aufgefischt. Für den Fall jedoch, daß das Schiff nicht von selbst in Bewegung geräth, trotz der Talglage zwischen Schlitten und Stapel, sind am Vordersteven mehrere starke Winden angeordnet, welche dem Schiffsrumpf den nothwendigen Anstoß geben. Doch ist dies in den seltensten Fällen erforderlich. Ist die Wasserbreite so gering, daß das vom Stapel gelassene Schiff der Werft gegenüber auflaufen könnte, so wird neuerdings dessen Lauf nach dem Ver- lassen des Stapels auf folgende eigenartige Weise gehemmt: man befestigt an dem Bug eine Anzahl schwerster Ketten von bedeutender Länge; die Reibung der freien Enden dieser Ketten auf dem Erdboden ist so groß, daß das schwerste Schiff bald in seinem Laufe gehemmt wird. ... Wo kein genügend weiter Wasserraum vor der Werft zur Verfügung steht, ist man gezwungen, die Schiffe quer ablaufen zu lassen, weil dann das Fahrzeug durch den erhöhten Widerstand, den es beim Eintritt in Panzerschiffbau. das Wasser findet, schneller und auf kürzerer Strecke hinabgestoppt wird. Beim Längsablauf ist die Beanspruchung des Schiffes auf Durchbiegung in der Längs- richtung eine sehr starke und dürften eventuelle Schwächen im Schiffsrumpf sich dabei leicht zeigen. Es hat aber diese Art des Längsablaufes den Vortheil, daß die der Werft zur Verfügung stehende Wasserfront besser ausgenützt werden kann. Vielleicht wird man mit der Zeit die immerhin gefährliche Operation des Stapel- Fig. 502. Quer-Stapellauf des deutschen Kreuzers »Victoria Luise« (1897). laufes ganz abschaffen. Man wird die Schiffe in ein Trockendock bauen und sie dadurch zum Schwimmen bringen, daß man das Wasser in herkömmlicher Weise in den Dockraum einläßt. ... Ueber den Kostenpunkt des Kriegsschiffbaues früher und jetzt stellt ein englisches Fachblatt interessante Betrachtungen an. Im Jahre 1637 kostete die Er- bauung des Kriegsschiffes » Sovereign of the Seas « 41.000 Pfund Sterling, von denen die Hälfte auf die Arbeitslöhne entfiel. Zu Anfang dieses Jahrhunderts stellte sich ein Hundert-Kanonen-Linienschiff ausschließlich der Armirung auf 65.000 bis 70.000 Pfund. Der Typ eines Segeldreideckers von 121 Kanonen im Jahre 1837 Zweiter Abschnitt. kam auf nahezu 120.000 Pfund, und der des Schrauben-Dreideckers von 1857 auf das Doppelte zu stehen. Die Einführung der Panzerung bedingte ein sprungweises Hinauf- schnellen der Kosten des Kriegsschiffbaues. So wurden für den »Warior« (1859) schon fast 380.000 Pfund verausgabt. Der »Dreadnought« (1873) kostete 620.000 Pfund, und der gleich darauf in Angriff genommene »Inflexible« vollends 810.000 Pfund. Diese hohen Kostenbeträge wurden zum Theil durch die Einführung kostspieliger Mechanismen zwecks Aufstellung und Bedienung der Geschütze und zum anderen Theile durch die immer größeren Ansprüche an die Panzerung verursacht. Dann folgte eine Periode der Reaction zu Gunsten des Baues minder kostspieliger Typen. In der Zeit zwischen 1875 und 1885 begegneten sich die Baukosten auf einem Durch- schnittsniveau von 600.000 bis 650.000 Pfund. Dann aber setzte eine neue Zunahme der Baukosten ein. In 1885 erschienen die Schiffe »Rile« und »Trafalgar« mit je 850.000 Pfund und der »Majestic«-Typ mit 840.000 Pfund. Alle diese Kosten verstehen sich für Schiffe, die in den englischen Staatswerften gebaut wurden, ohne Nebenkosten und ohne Berechnung der Aufwendung für Armirung. Bei den Kreuzern wird dieselbe Erscheinung beobachtet. Andere Marinen verwenden noch höhere Summen. Ein französisches Schlachtschiff erster Classe kostet rund 1 Million Pfund, und ähnlich liegen die Verhältnisse in der russischen und italienischen Marine. Das amerikanische Schlachtschiff »Indiana« verursachte einen Kostenaufwand von 600.000 Pfund, ausschließlich die auf etwa 340.000 Pfund zu berechnende Panzerung. Die Kosten der jetzt in Bau genommenen — beziehungsweise bereits fertig- gestellten — deutschen Kriegsschiffe von 11.000 Tonnen berechnet der englische Fach- mann mit je rund 700.000 Pfund. Die wirklichen Kosten stellen sich (nach anderer Quelle) beispielsweise für das Schlachtschiff »Kaiser Wilhelm II. « (»Ersatz Friedrich der Große«) auf rund 20 Millionen Mark; es entfallen hiervon 14‧1 Millionen auf Schiff und Maschinen, 5 Millionen auf artilleristische Armirung und 900.000 Mark auf die Torpedoausrüstung. ... Im Allgemeinen folgert der eingangs erwähnte Fachmann, daß die britischen Schlachtschiffe im Verhältnisse zu ihren Größenbemessungen weniger kostspielig seien, als jene der anderen Nationen, und insbesondere weniger kostspielig, als die meisten fremden Schlachtschiffe der correspondirenden Baujahre. Von den Kreuzern gilt dasselbe. Frankreichs »Jeanne d'Arc« kostete etwa 800.000 Pfund, ein deutscher Kreuzer I. Classe etwa 650.000 Pfund, und der amerikanische Kreuzer »New-York« ohne Panzerung 600.000 Pfund. Die gegen- wärtigen Kosten des Baues russischer Kreuzer sind unserem Gewährsmanne nicht bekannt, müssen aber nach seiner Meinung hohe Beträge erreichen. Im Vergleich mit den Baukosten der großen Handelsdampfer erscheinen die mitgetheilten Ziffern für Kriegsschiffe sehr beträchtlich; wenn man indessen die Kosten für Panzerung, Armirung, Maschinen aller Art, Torpedoausrüstungen und sonstige Specialitäten in der Höhe von 350.000 bis 400.000 Pfund abrechnet, dürfte sich die Herstellung eines Kriegsschiffes nicht wesentlich höher als die eines modernen Schnelldampfers ersten Ranges stellen. Elektrische Beobachtungsmine mittelst eines Rostes verankert. Dritter Abschnitt. Die submarinen Kampfmittel. I m Seekriege entscheidet nicht ausschließlich die Artillerie oder die Ramme. Das flüssige Element, in welchem sich die Kriegsfahrzeuge verschiedenster Gattung tummeln, bringt es mit sich, daß letztere auch von einer Seite bedroht werden können, wo sich die diesfalls in Frage kommenden Zerstörungs- mittel entweder unbedingt oder bedingt der Wahrnehmung entziehen. Diese Zer- störungsmittel sind theils defensiver, theils offensiver Natur, indem sie entweder lediglich Vertheidigungszwecken dienen und dann an eine bestimmte Oertlichkeit gebunden sind, oder zur angriffsweisen Verwendung kommen, in welchem Falle ein bestimmter Actionsplatz nicht in Frage kommt. Sowohl dort wie hier handelt es sich immer um submarine Kampfmittel; zu den rein defensiven gehören die Seeminen und manche Kategorien von Torpedos, zu den offensiven gehören die automobilen Torpedos und die Unterseeboote . Die Seeminen. Für alle unterseeischen Sprengkörper war bis vor wenigen Jahrzehnten all- gemein die Bezeichnung »Torpedos« üblich, die von Fulton zu Ende des vorigen Jahrhunderts zuerst gebraucht wurde und aus dem Spanischen entlehnt ist. Erst nach Erfindung der Torpedos mit Eigenbewegung (der automobilen Torpedos) übertrug man die Bezeichnung ausschließlich auf sie und nannte nun die nicht selbstthätig beweglichen Sprengkörper schlechtweg Seeminen. ... Sie haben eine lange Geschichte hinter sich, denn schon im 16. Jahrhundert spielten in einzelnen Kämpfen Seeminen unter dem Namen von Explosionsschiffen, Höllenmaschinen Petarden u.s.w. eine Rolle. Später, z.B. im 18. Jahrhundert, kamen unter- seeische Zerstörungsapparate in Verwendung, welche bereits die Elemente der nach- maligen Treibtorpedos aufwiesen. Auch die ersten Versuche mit förmlichen Unter- seebooten fallen in diese Zeit. Wir werden im nächstfolgenden Abschnitte erfahren, wie sich durch die Bemühungen eines Fulton und Anderer der eigentliche Tor- Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 41 Dritter Abschnitt. pedo von der Seemine allmählich trennte und schließlich seine jetzige Ausgestaltung als selbstthätiger Zerstörungsapparat erhielt. Das Seeminenwesen selbst kam erst seit Anwendung der Elektricität zu Fig. 503. Versenken einer Seemine mittelst Dampfkrahnes. höherer Bedeutung. Der Erste, der diese Idee verwirklichte, war der ameri- kanische Oberst Cult , der im Jahre 1843 auf dem Potomac ein in Fahrt begriffenes Schiff durch elek- trische Zündung einer Mine zer- störte. Die Leitungs- drähte hierzu waren durch eine Mischung von As- phalt und Wachs isolirt und waren überhaupt die ersten submarinen Kabel. Wenige Jahre später (1848) wurde der Hafen von Kiel durch ein förmliches System von See- minen, welches der Universitätspro- fessor Himly er- dacht hatte, gesperrt, und während des Krimkrieges wur- den Seeminen an verschiedenen Punk- ten der Schwarzenmeerküsten Rußlands, und zwar in größerer Ausdehnung, angelegt. Die letzteren Minen wurden entweder vom Lande aus durch elektrische Zündung zur Explosion gebracht, oder sie wurden durch den Stoß eines Schiffes wirksam. Vor Kronstadt hatte eine derartige Minenanlage den Erfolg, daß der englische Admiral Rapier abgehalten wurde, diesen Kriegshafen anzugreifen. Die submarinen Kampfmittel. Im Kriege gegen Frankreich 1859 benützten die Oesterreicher Seeminen zum Schutze der venetianischen Häfen, vornehmlich jenes von Venedig, wobei zur Be- stimmung des richtigen Momentes zum Zünden ein vom österreichischen Genie- Fig. 504. Genie-Oberst Baron Ebner's Camera obscura. obersten Baron Ebner construirter sinnreicher Apparat in Verwendung kam. Im Thurme der Zündstation befand sich eine Camera obscura , welche geschwärzte Wände besaß und das Licht durch eine einzige, mittelst einer Sammellinse ver- schlossene Oeffnung empfing. Hierdurch wurde das Bild des Minenfeldes auf 41* Dritter Abschnitt. ein großes Prisma geworfen, welches auf der unterhalb als Tischplatte installirten matten Glastafel das verkleinerte, aber naturgetreue Bild des Außenfeldes erzeugte. Auf empirischem Wege waren die Minenlagerungsorte und deren muthmaßliche Sprengungssphären auf die Glastafel verzeichnet worden, und sobald ein feind- liches Fahrzeug in den Wirkungsbereich gelangte, genügte das Niederdrücken des correspondirenden Tasters, um die nächstgelegene Mine zur Explosion zu bringen. Fig. 505 und 506. Contactmine des amerikanischen Generals Raines. Während des amerikanischen Bürgerkrieges kam das Seeminenwesen in sehr bemerkenswerther Weise zur Geltung. Es waren entweder Treibtorpedos, welche durch die Strömung gegen feindliche Schiffe getrieben und durch Uhrwerke zur Explosion gebracht werden sollten, oder es waren »Pfahltorpedos«, welche an seichten Stellen an auf dem Grunde errichteten Pfahlwerk befestigt wurden und durch den Stoß eines Schiffes zur Entzündung kamen. Hierbei functionirten Zündervorrichtungen verschiedener Systeme. Die Bemerkenswerthesten derselben waren jene von Raines und von Singer . Die Singer-Mine bestand in ihrer ursprünglichen Form aus einem konischen Blechgefäße mit lose aufgelegtem schweren Deckel; in Folge des Pendelns der Mine nach dem Contact fiel der an einer Kette hängende Deckel herab und zog hierdurch den Frictionsdraht eines Brandels Die submarinen Kampfmittel. heraus, worauf die Zündung erfolgte. Die Sicherung während des Legens bestand darin, daß der in der Mitte durchlochte Deckel auf einem centralen Bolzen saß, an welchem ein Tau befestigt war, das an die Oberfläche führte. Insolange man dieses Tau nicht schlüpfen ließ, war die Mine nicht actionsfähig. Die Ladung derselben betrug 50—100 Pfund Schießpulver. Im Jahre 1865 fielen diesem Minentyp nicht weniger als neun Schiffe der amerikanischen Union zum Opfer. Elektrische Minen wurden mit enormen Fig. 507. Zünder für Elektro-Contactminen. Ladungen (bis zu 1500 Kilogramm Pulver) angewendet; als Gefäße nahm man anfangs alte Schiffskessel, später wurden dieselben eigens aus Eisenblech construirt. Zu den Minen führten Kupferdrähte, die mit Kautschuk und getheertem Hanf umgeben waren; der Zünder enthielt einen in den Stromkreis geschalteten feinen Platindraht, der durch eine Bunsen - oder Grove -Batterie oder durch einen Wheat- stone 'schen magnetoelektrischen Apparat zum Glühen gebracht wurde. Die verbreitetsten Repräsentanten der mechanisch-elektrischen Minen, d.i. jener Constructionen, bei welchen die Zündung wohl auf elektrischem Wege durch den Anprall des Gegners hervorgerufen wird, die Einleitung des Stromes jedoch nicht mittelst Kabels vom Lande aus erfolgt, sondern durch Bethätigung einer in die Mine selbst eingebauten Batterie automatisch eingeleitet wird, sind die Hertz- Mine und die Mac Evoy-Mine . Die erstere hat namentlich in Deutschland und Rußland lange Zeit in Verwendung gestanden und sogar noch im russisch-türkischen Kriege 1877 den Russen große Dienste geleistet. ... Die elektro-mechanischen Minen verdanken ihre Systemisirung dem österreichischen Genie- obersten Baron Ebner , welcher mittelst derselben im Jahre 1866 Pola und Lissa in Vertheidigungszustand versetzte. Die Anordnung bestand darin, daß der Zünder durch den Stoß eines Schiffes activirt wurde, jedoch nur dann, wenn in der Zünd- station am Lande Stromschluß hergestellt war. Gegenüber den gewöhnlichen Contact- minen hatte diese den Vortheil der Ungefährlichkeit für die eigenen Schiffe. Die geniale Construction der Ebner -Mine bestand im Folgenden: Der Stoß- und Zündmechanismus, aus Puffern und Stoßrad bestehend, bewegte fünf auf einer Ebonitplatte angeordnete, die Schaltklötze verbindende Contactfedern, von welchen die zwei gegenüberliegenden, sowie ein starker Arm durch die beim Anprall erfolgende Drehung des Stoßrades im ersten Moment den Stromschluß einer am Dritter Abschnitt. Lande installirten, mittelst Kabels in Verbindung stehenden schwächeren primären Batterie bewirkten. Bei der weiteren Drehung legten sich die senkrecht zu den vor- Fig. 508. Elektro-Contactmine. genannten angebrachten Federn an ihre Con- tacte, wodurch die Zünder in den Stromkreis geschaltet wurden, nachdem zuvor der erwähnte starre Arm bereits wieder von seinem Contact abgeglitten war. Hierdurch wurde der primäre Strom zwar unterbrochen, ein aus einer Extra- stromspule entnommener hoher Spannungsstrom jedoch auf einem neuen Wege über die Zünder eingeleitet und diese nunmehr genommen. In neuerer Zeit wurde von Siemens ein sinnreicher Beobachtungsapparat construirt, welcher in der deutschen Marine eingeführt ist. Auf einer Platte ist der Plan der Hafeneinfahrt und der Minenorte, sowie des Apparatenstand- punktes und des Aufstellungsortes eines zweiten Fernrohres entworfen. Auf dieser Platte dreht sich das Fernrohr des einen Beobachters, während die Stellung des zweiten Fernrohres elektrisch auf ein ebenfalls auf der Platte drehbares Aluminiumlineal übertragen wird. Sobald der Schnittpunkt des einen Fernrohres mit dem Lineal einen Minenpunkt trifft, ist die Leitung geschlossen. Gegenwärtig werden zur Absperrung von Hafeneingängen, Flußmündungen u.s.w. ent- weder Stoßminen (Contactminen) oder elektrische Beobachtungsminen verwendet. Die hierzu verwendeten Zünder sind weniger complicirt als die älteren und functioniren auch nach längerem Aufenthalte im Wasser vollkommen verläßlich. Zur Zündung von Beobachtungs- minen sind fast überall Drahtleitungen ein- geführt. Die Kabel sind aus Kupferdraht er- zeugt und werden vor ihrer Verwendung in Bezug auf Isolation geprüft. Für jede Mine ist ein eigenes Kabel mit Zündstation erforderlich, was die Hafensperre ungemein vertheuert. In jedes Kabel ist ein Galvanometer eingeschaltet und es kann die Intactheit der Leitung dadurch geprüft werden, daß man einen schwachen Strom in das Kabel leitet, der Die submarinen Kampfmittel. den Platindraht noch nicht zum Glühen bringt, aber genügt, um die Galvanometernadel abzulenken. Der elektrische Strom wird entweder durch chemische Zersetzung in Tauch- batterien erzeugt, oder durch mechanische Arbeit in dynamo-elektrischen Rotations- apparaten. Der Hauptübelstand der elektrischen Minen ist die Nothwendigkeit von Beobachtungsapparaten, welche gerade in den kritischen Fällen, nämlich bei Nacht, Nebel oder Pulverqualm, versagen, während die Contactminen von solchen Zu- fällen unabhängig sind. Es empfiehlt sich daher eine combinirte Anordnung, indem man zwischen den Contactminen für die eigenen Schiffe Ausfahrtlücken frei läßt, diese aber mit 10 Meter tief liegenden elektrischen Minen schließt. Eine solche Combination war beispielsweise 1870 bei der Sperre des Kieler Hafens in Ver- wendung. Fig. 309. Ruck 's Tauchungs- Regulator. Den Contactminen kommt übrigens ein Nach- theil zu, der überall dort sehr fühlbar wird, wo die Niveauunterschiede zwischen Ebbe und Fluth sehr bedeutend sind, wobei eben vorausgesetzt wird, daß die Tiefenlage der Mine unveränderlich ist. Um sich nun gegen die Gezeitenhöhen zu sichern, hat der englische Capitän Ruck eine sinnreiche Anordnung erfunden, welche darin besteht, daß das Verankerungs- tau über eine Rolle geführt wird, die am Auge des Ankers befestigt ist. An dem laufenden Theil des Ankertaues wird eine Metallbüchse befestigt, deren unterer Boden mit großen Oeffnungen versehen ist. Beim Legen wird zunächst die richtige Einstellung durch Regulirung des Ausstiches erzielt. In der Folge wird beim Eintritt der Gezeiten folgendes Spiel stattfinden: steigt die Niveauoberfläche, so wird mit der zunehmenden Subversion der Wasserdruck größer; das Wasser tritt, die enthaltende Luft comprimirend, in wachsender Menge in die Büchse ein und bringt selbe etwas zum Sinken, wodurch andererseits die am correspondirenden Tautheile verankerte Mine steigt und die frühere Tauchtiefe erreicht. Sinkt hingegen das Meeresniveau mit Eintritt der Ebbe, so nimmt der Wasserdruck auf die in höhere Schichten gelangende Büchse ab, die comprimirte Luft preßt das Wasser hinaus, die Büchse gewinnt hierdurch an Auftrieb, steigt, und zieht mit dem anderen Ende die Mine in die richtige Tiefe nieder. Die Minengefäße wurden früher aus Kupferblech erzeugt, jetzt sind sie in der Regel aus Eisenblech und haben eine solche Form, daß der Zünder von einem passirenden Schiffe sicher getroffen wird. Die Größe dieser Gefäße richtet sich nach der Art und Größe der Ladung und nach dem zu erzielenden Auftriebe, der groß genug sein muß, um auch noch die im Laufe der Zeit sich ansetzenden Muscheln zu tragen. Zur Verankerung wählt man derzeit fast ausschließlich flache Ankereisen von kreisrunder Form (Schildanker), an Stelle der Taue sind entweder verzinkte Ketten oder Drahtseile getreten. Um ein späteres Auffischen der Minen Dritter Abschnitt. zu erleichtern, wird gewöhnlich an dem Schildanker eine lange Grundkette befestigt, Fig. 510. Explosion einer Seemine im Hafen von Baltimore. welche senkrecht zur Richtung der Sperre steif ausgefahren und verankert wird. Man braucht dann nur mit Draggen diese Kette zu fischen und kann mit ihr den Anker der Mine heraufholen, worauf letztere sofort an die Oberfläche empor- steigt. Die modernen Contact- minen haben die Einrichtung, sie noch vor dem Ankerlichten unschädlich zu machen. Beim Legen der Contactminen muß natürlich die größte Vorsicht obwalten. Als Sprengladung für Minen wird zur Zeit Schieß- pulver in der Regel nicht mehr verwendet, da sich zu diesem Zwecke eine Menge besserer Sprengstoffe eignen. Dynamit und Schießwolle werden besonders bevorzugt, letztere deshalb, weil sie durch das Eindringen von Wasser in das Minengefäß nicht un- wirksam wird; ist sie sorg- fältig von Säureresten ge- reinigt, so ist auch die Gefahr einer Selbstzersetzung ausge- schlossen. Die Schießwolle ent- zündet sich auch nicht, wenn sie von Geschossen oder Geschoß- splittern getroffen wird, so daß unbeabsichtigte Explosionen fast unmöglich sind. Die neuesten Errungenschaften auf dem Gebiete der Sprengtechnik (Ecrasit, Melinit u. s. w.) werden übrigens jedenfalls Einfluß auf die Ladungen der Seeminen haben. Die submarinen Kampfmittel. Ein Fachmann (der österreichische Marineofficier A. Lengnick ) stellt an einen idealen Minentyp folgende Bedingungen: Die Mine muß ein handliches Volumen, kein zu großes Gewicht, eine günstige Form, einen genügenden Auftrieb und einfache, jedoch geschützte Vorrichtungen besitzen, um die Manipulation möglichst zu erleichtern; sie muß eine automatische Verankerung aufweisen, welche deren Ein- stellung in beliebiger, jedoch vorher bestimmbarer Wassertiefe mit Sicherheit er- möglicht; ihre Zündvorrichtung muß eine derartige sein, daß sie sich vor dem Wurfe leicht und sicher desactiviren läßt, sich im Wasser jedoch rasch und selbst- thätig activirt; die Desactivirung muß eine zuverlässige und dabei für den Un- eingeweihten unenträthselbare sein; deren Bethätigung von der Wasseroberfläche aus soll an eine einfache, aber kurze Manipulation gebunden sein; der Zünd- mechanismus muß zuverlässig wirken und durch die Explosion von Nachbarminen nicht gefährdet sein; die Minen dürfen kein von der Oberfläche aus sichtbares Zeichen hinterlassen, das ihre Anwesenheit verrathen könnte. Einen besonderen Typ stellt die Schleppmine dar. Sie wird dann mit Vortheil zur Anwendung kommen, wenn ein Schiff von einem mächtigen Gegner gejagt wird und dasselbe durch eine geschickte Wendung die im Kielwasser nach- geschleppte Mine vor den Bug des Verfolgers zu bringen vermag. Die Harvey - Schleppmine kann 200 Meter vom Schiffe ab laufen gelassen werden, was der Leistung eines Hecktorpedos ziemlich nahe kommt. Die Torpedos. Der Kampf zwischen Geschütz und Panzer hat ausgetobt. Er endete im Großen und Ganzen mit der vollständigen Niederlage des letzteren, soweit es sich um den Schutz von schwimmenden Körpern durch eine Lage von Eisen und Stahl handelt, wogegen es noch fraglich ist, ob das Geschoß der gepanzerten Land- befestigungen dereinst auch Herr wird. Bei diesen ist nämlich eine Grenze für die Dicke der Panzerung nicht gegeben; auch kann man dieser nach Belieben diejenige Form geben, die der Wirkung der modernen Artillerie am besten Widerstand zu leisten verspricht, während in Rücksicht auf die Schwimmfähigkeit, Seetüchtigkeit und Geschwindigkeit bei Schiffen der Bepanzerung gewisse Grenzen gesetzt sind. Allein selbst wenn es gelänge, ein Schiff zu bauen, dem die feindliche Artillerie nichts anhaben kann, wäre das Fahrzeug trotzdem gegen den Angriff eines Torpedos nicht gefeit. Warum? Nun, weil zunächst dem Torpedo eine viel größere Sprengkraft innewohnt, als der schwersten Granate; ferner weil der Torpedoangriff gegen das Unterwasserschiff gerichtet ist, d. h. gegen einen Theil des Schiffskörpers, welcher ganz oder fast ganz ungepanzert bleibt. Die Panzerung reicht meist nur 1 Meter unter die Wasserlinie. Dies hat jedoch wenig auf sich, weil es überhaupt fraglich ist, ob selbst der dickste Panzer der Sprengwirkung eines in unmittelbarer Nähe explodirenden Torpedos Widerstand leisten würde. ... Dritter Abschnitt. Es ist aber glücklicherweise dafür gesorgt, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen, und daß die Kriegsfahrzeuge nicht leicht dem Schicksale, von so heim- tückischen Feinden angegriffen zu werden, verfallen. Darum ist eine Flotte noch nicht verloren, weil der Gegner sie mit seinen Torpedos bedroht, und es stehen den Geschwaderführern drei ausgezeichnete Mittel zu Gebote, sich der heimtückischen Feinde zu erwehren. Das erste Mittel ist rein negativer Natur; es besteht in der geringen Trag- weite und in der noch geringeren Treffsicherheit der Torpedos. Selbst der so- genannte automobile Torpedo, der durch eine eigene Maschine bewegt wird, ver- mag die einmal eingeschlagene Richtung nicht mehr zu verändern. Er wird also unwirksam, wenn das Ziel von der Stelle rückt. Ebensowenig ist die Wirkung der Abtrift wieder gut zu machen. Strömung und Wellen beeinflussen die Fahrt- richtung des unweit der Oberfläche dahinschwimmenden Torpedos in einem umso höheren Grade, als seine Geschwindigkeit schon in einiger Entfernung der Ab- schußstelle nicht einmal mehr an die eines Kreuzers heranreicht. Da man aber vom Torpedo keine Durchschlagskraft fordert, sondern nur auf dessen Spreng- wirkung reflectirt, ist die größere Fortbewegungsgeschwindigkeit insofern von Werth, als dadurch die Treffgenauigkeit vermehrt wird. Der Whitehead-Torpedo bei- spielsweise erreicht bei 160 Meter Entfernung eine Fahrtgeschwindigkeit von 12 Meter; bei einer Distanz von 900 Meter jedoch beträgt dieselbe nur mehr 8 ½ Meter, und soll ein Torpedo 2 Kilometer weit laufen, so kann er dies nur mit einer Geschwindigkeit von 4 Meter in der Secunde. Um diesem Uebelstande zu begegnen, hat man Torpedo gebaut, welche sich von der Abschußstelle aus steuern lassen. Der Brennau 'sche Torpedo beispiels- weise bleibt nach dem Abschießen durch zwei Drähte mit der Abschußstelle ver- bunden. Windet man diese Drähte sehr rasch auf, so versetzen sie je eine Schraube in Bewegung, welche die Sprengwaffe fortbewegen. Gesteuert wird diese dadurch, daß man, wenn sie nach links abschwenken soll, den rechtsseitigen Draht rascher oder den linksseitigen langsamer aufwindet, wodurch in dem Gange der Schrauben Verschiedenheiten entstehen, die der Wirkung eines Steuers gleichkommen. ... Anderer- seits hat man mehrfach Torpedos construirt, welche ebenfalls im Jahren Drähte abwickeln. Diese Drähte sind aber hier die Träger elektrischer Ströme, durch welche zwei Dynamomaschinen und damit verkuppelte Schrauben bethätigt werden. Durch Veränderung der Stromstärke erzielt man die gleiche steuernde Wirkung, wie beim Brennau 'schen Torpedo. Auch die lenkbaren Torpedos schwimmen unter Wasser. Damit man ihre Richtung verfolgen kann, sind sie mit Richtstangen oder einem Schwimmer versehen, wie beispielsweise beim Sims-Edison -Torpedo. Die Aussichten auf einen erfolgreichen Torpedoangriff steigen natürlich be- deutend, wenn das Ziel sich nicht bewegt, also etwa vor Anker liegende Schiffe, wobei noch der günstige Umstand hinzukommt, daß das Wasser an solchen Anker- stellen (Häfen, Rheden) nicht so bewegt ist, wie auf hoher See oder in einiger Die submarinen Kampfmittel. Entfernung von der Ankerstelle. Indeß hat auch für diesen Fall der erfinderische Geist unserer Zeit dafür gesorgt, daß der Angriff des Torpedos nach Möglichkeit unschädlich gemacht werde. Die Kriegsschiffe umgeben sich in dieser Lage in der Regel mit sogenannten Torpedo-Schutznetzen , d. h. mit einem weitmaschigen Panzerhemd, welches bis zu einer gewissen Tiefe unter Wasser reicht und in dessen Maschen sich die Torpedos verstricken wie die Fische in den Fischernetzen. Aller- dings explodiren sie in der Regel in Folge der Berührung ihrer Spitze mit dem Stahldrahte, doch verläuft die Explosion in Folge des immerhin ansehnlichen Abstandes zwischen Netz und Schiffswand ungefährlich. Leider ist das Auslegen Fig. 511. Auftakelung eines Torpedo-Schutznetzes. eines solchen Schutznetzes sehr umständlich und zeitraubend, so daß es neuerdings durch andere Schutzmitteln ersetzt worden ist. Dazu gehören in erster Linie die an Bord oder in den Marsen der Gefechts- maste aufgestellten Schnellfeuergeschütze, deren Geschosse aus weiter Entfernung, lange bevor die Torpedoboote in Lancirweite gekommen sind, die dünnen Wände der letzteren, selbst wenn sie den schiefen Bug treffen, also in einem sehr spitzen Winkel einfallen, durchschlagen. Sie vermögen auch die Torpedo-Schleuderapparate zu zerstören, falls diese, wie es jetzt meist der Fall ist, nicht mehr unter der Wasser- linie, sondern auf Deck liegen. Am radicalsten geschieht die Abwehr eines Torpedo- schiffes durch besondere, leichtgebaute, schnellfahrende und entsprechend armirte Schiffe, welche Torpedozerstörer genannt werden. Dritter Abschnitt. Bevor wir auf die Einzelheiten des Torpedokampfes eingehen, erscheint es von Interesse, kurz über die Entwickelung, welche das Torpedowesen genommen hat, zu berichten. Ursprünglich war der Torpedo nicht eigentlich eine Waffe, da Fig. 512. Französischer Torpedo-Kreuzer »Condor« seine zerstörende Wirkung auf Einrichtungen und Vorkehrungen beruhte, die mit der Waffentechnik nichts zu schaffen haben. So weiß man, daß gelegentlich der Belagerung von Antwerpen schwimmende Höllenmaschinen in Anwendung kamen, Die submarinen Kampfmittel. um eine über die Schelde geschlagene Brücke zu zerstören. Die Absicht gelang und ein einziges solches »Minenschiff«, das die Brücke erreichte, genügte, um durch seine Explosion dieselbe auf mehrere hundert Fuß Länge zu zerstören und über- dies in der Nachbarschaft große Verheerungen anzurichten. Auch in späterer Zeit bediente man sich im Kriege schwimmender Explosionskörper, doch blieb deren An- wendung eine beschränkte. Die Vorrichtungen dieser Art waren primitiv, dem Feinde sichtbar; ihre Anwendung konnte nur unter bestimmten Voraussetzungen erfolgen, da die Unlenkbarkeit des Apparates jede Berechnung ausschloß. Diesem Uebelstande trachtete Robert Fulton abzuhelfen, indem er einen Mechanismus ersann, der ausreichend handlich war, um als Angriffswaffe zu dienen. Freilich waren die Voraussetzungen, unter welchen Fulton seinen Apparat praktisch verwerthen konnte, zu seiner Zeit (1805) wesentlich andere als jetzt. Der Fulton'sche Torpedo war nichts anderes, als eine schwimmende Mine, die durch eine entsprechende Vorrichtung in einer bestimmten Wassertiefe erhalten und durch Anstoß am Schiffs- körper zur Explosion gebracht wurde. Um den Apparat in die Nähe des zu zerstörenden Schiffes, oder vielmehr in unmittelbaren Contact mit demselben zu bringen, bediente man sich einer Art Walbüchse, die eine schwere Harpune abschoß. Am Stiel dieser Harpune war ein Seil befestigt, das mit dem eigentlichen Torpedo in Verbindung stand. Diese Harpune mußte, damit der Apparat überhaupt zur Wirkung kam, im Schiffskörper steckenbleiben, was eben nur bei Holzschiffen mit dünnem Blechbeschlag möglich war. Während der früheren Kriege in unserem Jahrhunderte gelangten verschiedene Apparate dieser Art zur Verwendung. Fulton selber, der seine Erfindung ur- sprünglich um einen verhältnißmäßig hohen Preis (15.000 Pfund Sterling) an England verkauft hatte, benutzte dieselbe nochmals in ausgiebiger Weise gelegentlich des anglo-amerikanischen Krieges im Jahre 1812. In den nächsten Jahrzehnten, die eine lange Friedensepoche bezeichnen, wurde es wieder still. Erst in den Vierziger- jahren vernahm man von einem Torpedo, der in den Gewässern von New-York ein Kriegsschiff zerstörte und auf dem Potomacflusse ein anderes in die Luft sprengte. Gleichwohl zeigten diese und ähnliche Vorrichtungen wenig Unterschied von den Seeminen. Im Gegensatze zu denselben bestand der von Rußland während des Krimkrieges angewendete Apparat aus einem freischwimmenden prismatischen Ex- plosionskörper, dessen Innenraum zur Hälfte mit Sprengstoff gefüllt war, während die andere Hälfte leer blieb, um die Luft darin verdünnen zu können und dieser Art dem Apparat die nothwendige Schwimmfähigkeit zu verleihen. Die Zündung geschah meist durch eine Percussionsvorrichtung, an welcher bemerkenswerth ist, daß nicht eigentlich ein automatisch wirkender Zünder die Explosion bewirkte, sondern ein chemischer Vorgang. Der Zündapparat bestand nämlich aus einem mit Schwefelsäure gefüllten Gläschen, das in einer kleinen Kammer untergebracht war, in welcher sich chlorsaures Kali befand. Ein Metallcylinder drückte auf den Glas- cylinder, und ersterer stand in Contact mit einem aus dem Torpedo hervorstehenden Dritter Abschnitt. Knopf. Stieß letzterer an einen festen, widerstandskräftigen Körper, so drang der Metallcylinder tiefer in das Innere, wo er das Glasgefäß zertrümmerte, was zur Folge hatte, daß sich die Schwefelsäure in die mit chlorsaurem Kali gefüllte Kammer ergoß. Die chemische Verbindung erzeugte einen bedeutenden Hitzegrad und bewirkte die Explosion der Sprengmasse, welche dicht an jene Kammern anschloß. Ein wesentlich neuer Fortschritt im Torpedowesen wurde während des amerika- nischen Bürgerkrieges erzielt, zu welcher Zeit Ericsson einen sich selbstthätig bewegenden Torpedo erfand. Derselbe bestand aus einem eisenblechernen Gefäße von 3 Meter Länge und 20 Centimeter im Durchmesser. Das Innere war getheilt Fig. 513. Lancirraum eines Torpedobootes. in den Raum für die Ladung und in den Raum für die Maschine und die Steuervorrichtung. Die Maschine drehte einen am Schwanzende des Torpedos an- gebrachten Schraubenpropeller und wurde durch Preßluft betrieben, welche dem Torpedo von einer am Lande oder am Schiffe installirten Dampfmaschine durch ein Schlauchkabel nachgepumpt wurde. Der Weg, den der Torpedo nahm, konnte an einem Knopf, der von jenem an einer langen Stange getragen wurde und aus dem Wasser hervorragte, beobachtet werden. Gesteuert wurde der Torpedo dadurch, daß die nachgepumpte Luft einen elastischen Sack im Torpedo passiren mußte, dessen Ausdehnung selbstredend von der Intensität des Pumpens abhing. Der Sack stand mit einer Steuerpinne in Verbindung, welche durch Ausdehnung be- ziehungsweise Zusammenziehung des Sackes nach der einen oder der anderen Seite Die submarinen Kampfmittel. bewegt wurde. Dieser Torpedo ist so complicirt und hat so viele Gebrechen, daß er niemals allgemeine Verwendung erfuhr. Ein nicht minder verwickelter Apparat war der von Lay im Jahre 1872 erfundene Torpedo. Er hatte eine Länge von 8 Meter, einen Durchmesser von 1 Meter und wog in voller Ausrüstung 2 Tonnen. Die Fortbewegung geschah mittelst eines kleinen Propellers, der seinen Antrieb durch eine Maschine erhielt, welche durch verdunstende Kohlensäure, die in zwei getrennten starken Eisenflaschen untergebracht war, betrieben wurde. Der Druck nach dem Verdunsten betrug 70 Atmosphären, doch hatte die in die Maschine eintretende Kohlensäure nur 6 Atmosphären Spannung. In Folge des Verdunstens der Kohlensäure wurde Fig. 514. Lancirung eines Kabel-Torpedo (»Victoria-Torpedo«) vom Lande aus. so viel Wärme gebunden, daß schon nach kurzer Zeit der ganze Apparat eingefroren wäre. Um dies zu verhindern, wurde die durch ein Röhrensystem geleitete Kohlen- säure fortwährend vom Wasser, welches die zur Verdunstung nöthige Wärme lieferte, umspült. Die Maschine verlieh dem Torpedo — der unseres Wissens nur in Aegypten beschränkte Anwendung fand — eine Geschwindigkeit von 200 Meter in der Minute. In dem Torpedo befand sich ein langes Kabel, welches zwei isolirte Leitungsdrähte enthielt und sich während des Laufes durch ein am Boden befindliches Loch von selbst abwickelte. Die Drähte waren am Lande in eine galvanische Batterie und im Torpedo in einen ganz außerordentlich complicirten Apparat geschaltet. Wir über- gehen daher dessen Beschreibung und erwähnen nur noch, daß auch die Steuerung dieses Torpedos vom Lande aus erfolgte, und zwar durch die Wirkung zweier Elektromagnete. Dritter Abschnitt. Der von dem amerikanischen Capitän Howell erfundene Torpedo enthält in einem cylindrischen, vorne und hinten zugespitzten Gefäße ein Schwungrad, welches, nachdem es von außen in lebhafte Drehung versetzt wird, in Folge des Beharrungsvermögens als Motor für zwei kleine, hinten angebrachte Schrauben dient. Versuche mit dieser Vorrichtung ergaben, daß der Torpedo meist nur 10 bis 30 Meter in gerader Linie lief, dann aber an die Oberfläche stieg und seinen Curs sehr stark änderte. Lancirt wurde dieser Torpedo anfangs mit Preßluft, später ließ man ihn vom Verdeck aus mit einer Art von Raa ins Wasser. Der Torpedo hat sich nicht bewährt und ist nirgends eingeführt worden. Eine andere Torpedoconstruction rührt von Maxim her. Er erhält Fahrt, Steuerung und Tiefenstellung auf elektrischem Wege und gehört zu den com- plicirtesten Constructionen dieser Art. Wesentlich verwendbarer ist der Norden- feldt -Torpedo, ein mittelst Accumulatoren betriebenes elektrisches Fahrzeug von 10‧6 Meter Länge und einem Gewicht von 2 ½ Tonnen. Er bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von 500 Meter in der Minute und zündet 136 oder 227 Kilo- gramm Dynamit in 1‧8 Meter Wassertiefe. Die Tiefenstellung wird durch Ständer erreicht, welche die Ballastirung regeln und hierbei gleichzeitig die Träger der Markirungsstangen abgeben. Ein leichtes Kabel von etwa 1200 Metern Länge leitet den Strom zur Steuerung ein, die so vollkommen sein soll, daß der Tor- pedo auch in einer zur Küste parallelen Bahn erhalten und jeder Punkt seiner Actionssphäre beliebig oft erreicht werden kann. Bevor wir auf den jetzt allgemein in Verwendung stehenden Torpedo-Typ — dem Whitehead 'schen — übergehen, fassen wir das Mitgetheilte noch ein- mal zusammen. Aus demselben geht hervor, daß sich die sogenannten Offensiv- torpedos in zwei Hauptgruppen eintheilen lassen: in solche, die von einem Fahr- zeuge bis in die unmittelbare Nähe des feindlichen Schiffes gebracht werden müssen, und solche, welche sich selbstthätig gegen das Ziel bewegen. Zur ersteren Gruppe gehört der Spierentorpedo , über dessen Werth oder Unwerth die Meinungen in den verschiedenen Marinen gegenwärtig sehr bedeutend auseinander- gehen. Dieser Torpedo besteht aus der an einer 10 bis 20 Meter langen Spiere sitzenden Mine, die von einem Boote aus unter den Boden des feindlichen Schiffes geschoben und dort entweder durch einen Contactzünder oder aber elektrisch zur Explosion gebracht werden soll. Natürlich hat das angreifende Fahrzeug, so- bald es entdeckt wird, nicht nur das Feuer der gesammten Schiffsartillerie zu gewärtigen, sondern muß auch noch auf einen Zusammenstoß mit den Wachbooten des Gegners gefaßt sein. Da dieser Torpedo keinen Auftrieb benöthigt und außer- dem eine leichtere Handhabung bedingt, ist er kleiner dimensionirt, als die früher besprochenen Torpedos. Die Erfahrungen während des russisch-türkischen Krieges, sowie in Frankreich angestellte Versuche haben gezeigt, daß bei Anwendung von nicht zu starken Sprengladungen das angreifende Fahrzeug bei erfolgender Explosion direct zwar nicht gefährdet ist, jedoch von den aufgewühlten Wassermassen derart Die submarinen Kampfmittel. überschüttet wird, daß sein Untergang nicht ausgeschlossen ist. Aus diesem Grunde ist man in Amerika dahin gekommen, die Spieren für gewöhnlich innenbords zu legen und erst in unmittelbarer Nähe des Feindes durch in der Schiffswand unter Wasser liegende gedichtete Stopfbüchsen auszustoßen. Der Engländer Mac Evon vermied die gefährliche Annäherung an das feindliche Schiff dadurch, daß der von ihm erfundene Spierentorpedo, nachdem er mit der Spiere unter- getaucht war, eine kurze Strecke weit sich selbstständig fortbewegen konnte. Zur Kategorie der Spierentorpedos gehört auch noch der vom englischen Marine- Capitän Harvey erfundene Schlepptorpedo. Fig. 515. Lancirung eines Torpedo durch Ablassen vom Deck. Die zweite Hauptgruppe der Offensivtorpedos bilden die weiter oben be- schriebenen automobilen Torpedos. Das Princip eines lenkbaren Torpedos konnte auf zweierlei Arten gelöst werden, indem man demselben Propulsion und Steuerung per Kabel vom Lande aus vermittelt, oder indem man einen automobilen Torpedo lediglich zu Zwecken der Lenkung mit dem Lande verbindet. Die bekanntesten Vertreter dieser letzteren Gattung sind der Bermann -, der Sims-Edison - und der Maxim-Torpedo . Der Lay - und der Nordenfelt-Torpedo gehören zu jenen automobilen Torpedos, welche den Bewegungsapparat in sich selbst besitzen und vom Lande aus nur gelenkt zu werden brauchen. Die Krone aller Angriffs- apparate dieser Art endlich ist der jetzt allgemein angenommene und unter dem Namen »Fischtorpedo« bekannte Torpedo des Engländers Whitehead , dessen Schweiger-Lerchenfeld. Im Reiche der Cyklopen. 42 Dritter Abschnitt. erste Construction auf Grund einer Anregung des österreichischen Capitäns Rupis in das Jahr 1867 fällt. Seitdem ist dieser Zerstörungsapparat mehrfach und durchgreifend verbessert worden. Die äußere Form des Torpedos ist annähernd die eines Delphins; die Länge beträgt 4—9 Meter, bei 30—50 Centimeter größtem Durchmesser und einem zwischen 200—400 Kilogramm schwankenden Gesammtgewicht, in welchem die Ladung inbegriffen ist. Größer dimensionirte Fischtorpedos haben sich nicht bewährt. Das Innere desselben zerfällt in vier Abtheilungen. Die erste (vordere) — der »Kopf« genannt — schließt die Zündvorrichtung und die Ladung (15 bis 30 Kilogramm nasser Schießbaumwolle) ein; der Zünder functionirt beim Auf- stoßen des Tordepos gegen ein Hemmniß, doch wird die beim Lanciren arretirte Zündvorrichtung erst ausgelöst, sobald die Schraube eine bestimmte Zahl von Umdrehungen gemacht, also der Torpedo einen bestimmten Weg zurückgelegt hat. Die zweite Abtheilung enthält den Horizontal-Steuerapparat, dessen Einrichtung von Whitehead geheim gehalten wird. Die dritte Abtheilung ist ein aus starkem Stahlblech hergestelltes und auf 100 Atmosphären Druck geprüftes Reservoir, in welchem sich die comprimirte Luft unter einem Drucke von 60—70 Atmosphären befindet. Zu der vierten Abtheilung, welche den Bewegungsapparat umschließt, gelangt die Preßluft durch einen sinnreich construirten Luftvertheilungsapparat, vermöge welchem die Luft nicht plötzlich, sondern nach und nach verbraucht wird, wodurch Schwankungen in der Bewegungsgeschwindigkeit des Torpedos hintan- gehalten werden. Die Maschine besitzt eine Einrichtung, durch welche sie sich, nach- dem der Torpedo einen bestimmten Weg zurückgelegt hat, selbstthätig stoppt. Außerdem läßt sich der Luftvertheilungsapparat derart reguliren, daß am Ende des zurückzulegenden Weges annähernd der ganze Luftvorrath verbraucht ist, wo- durch der Torpedo kürzere Distanzen mit größerer Geschwindigkeit durchlaufen kann. Am Schwungrade des Torpedos befinden sich zwei Propellerschrauben, ferner ein Vertical- und ein Horizontalsteuerruder. Die Einrichtung der Schrauben und deren Wirksamkeit bedarf einer näheren Erläuterung. Die Maschine besorgt nämlich eine gegenseitige Verdrehung der Schraube und des Torpedos, das will sagen, daß sich die Schraube dreht, wenn man den Torpedo festhält, wogegen letzterer die Drehung bewerkstelligt, wenn die Schraube an der drehenden Bewegung verhindert wird. Daraus folgert, daß der Torpedokörper vermöge seiner walzenartigen Form unter Wasser im Sinne seiner Drehung keinen Widerstand findet, wohl aber die Schraube, daß also ersterer um seine Längenachse rotiren muß, während letztere fast in Ruhe verharrt, wodurch die Vorwärtsbewegung des ganzen Apparates auf- gehoben erscheint. Um nun dies zu verhindern, sind zwei Propellerschrauben hinter- einander angebracht; sie drehen sich nach entgegengesetzten Richtungen, müssen sonach, um vereint nach vorwärts arbeiten zu können, entgegengesetzte Windungen haben. Das Zusammenwirken aller Theile ist nun die: Die eine Schraube bemüht sich, den Torpedo nach links zu drehen, die andere nach rechts; diese beiden Ten- Die submarinen Kampfmittel. denzen heben sich auf, der Torpedo rotirt nicht, wohl aber sind die Propeller gezwungen, sich zu drehen, wodurch die Vorwärtsbewegung erzielt wird. Das Verticalsteuerruder hat den Zweck, einzelnen Torpedos eigenthümliche kleine Seitenabweichungen, welche durch Versuchslancirungen constatirt werden Fig. 516. Lancirung eines Whitehead'schen Torpedos. (Momentphotographie.) müssen, dadurch zu compensiren, daß man für den Ernstgebrauch nicht in der Mittschiffslage, sondern etwas seitwärts fixirt. Der Horizontalsteuerapparat, welcher vom Erfinder bekanntlich streng geheim gehalten wird, ist der wichtigste Theil des Torpedos. Derselbe ermöglicht, letzteren aus einer beliebigen Höhe oder 42* Dritter Abschnitt. Tiefe ober oder unter dem Wasser zu lanciren: stets wird der Torpedo selbst- thätig die Tiefe, auf welchen man den Apparat eingestellt hat, aufsuchen, was in- soferne von größter Bedeutung ist, als man bei der Lancirung nur auf exacte Seitenrichtung Bedacht zu nehmen braucht. Es ist übrigens die Einrichtung ge- troffen, daß ein lancirter Torpedo, welcher sein Ziel verfehlt hat, sofort untersinkt. Damit wird verhütet, daß ein solcher, auf der Oberfläche des Wassers schwimmender Torpedo die eigenen Schiffe bedroht. Wir kommen nun zum wichtigsten Theile eines jeden Torpedoangriffes, der Lancirung. Ursprünglich erfolgte dieselbe nur unter Wasser, eine Methode, die auch heute noch vielfach üblich ist. Zu diesem Zwecke führt aus dem Innern des Schiffes, 2 Meter unter der Wasserlinie, ein langes metallenes Lancirrohr Fig. 517. Heck-Lancirapparat. nach außen; dasselbe hat Führungsleisten, in welche entsprechende Theile am Schwanzende des Torpedos eingreifen. Vorne und außen wird das Lancirrohr durch eine Schleuse wasserdicht ab- geschlossen und in dasselbe sodann der Torpedo von oben hineingelegt, das Rohr mit einem Deckel wasser- und luftdicht geschlossen und zuletzt Die Schleuse durch ein Hebel- werk geöffnet, damit das Wasser von außen einströmen könne. Nun wird aus den in der Nähe befindlichen Accumulatoren Preßluft hinter einem Kolben des Lancirrohres eingelassen, welcher das im Rohr befind- liche Wasser sammt dem Torpedo ins Meer schiebt. Während dieser Bewegung stößt er an einen Vorsprung des Rohres an, wodurch die Antriebsmaschine des Apparates in Thätigkeit gesetzt wird. Damit der Torpedo nicht durch irgend einen Zufall noch vor dem Oeffnen der Rohrschleuse sich zu bewegen beginnt, wodurch er an dieselbe stoßen und zur Explosion gebracht würde, ist ein Sicherheitsbolzen vorhanden, der den Torpedo an der Vorwärtsbewegung verhindert, beim Oeffnen der Schleuse jedoch unwirksam wird. Die Unterwasser-Lancirapparate sind bei Torpedobooten in der Regel in der Kiellinie, entweder am Bug oder am Achter, bei Schlachtschiffen an den Breitseiten angeordnet; es muß bemerkt werden, daß diese seitliche Lage der Lancirapparate der Trefffähigkeit des Torpedos nichts weniger als günstig ist. Ueberhaupt ist die Unterbringung aller Unterwasser-Lancirapparate mit mancherlei Schwierigkeiten verbunden, ein Umstand, der zur Construction von Deck-Lancirapparaten (»Tor- Die Submarinen Kampfmittel. pedokanonen«) Anlaß gab. Ein solcher Apparat, der mittelst Luftdruck oder Schieß- pulver ins Wasser hinabgeschossen wird, läßt sich leicht unterbringen und bedarf demgemäß keiner besonderen Vorkehrungen. Eine Torpedokanone besteht im Wesent- lichen aus einem großen Messingrohr, in welches der Torpedo hineingeschoben wird, und einem Gestell, in welchem sich in der Regel auch ein Vorrath von Preßluft befindet, der zur Abgabe von neuen Schüssen ausreicht. Die einfachste Art der Lancirung ist wohl die nach dem Vorgange Whitehead's , der sich eines Fig. 518. Lancirung eines Torpedos mittelst Schießpulver. Führungsrohres bedient, das über Bord ins Wasser gelassen wird, worauf der Torpedo, ohne Anwendung von Druck, lediglich durch die Wirkung seines Motors abläuft (Fig. 515). Der Oberwasser-Lancirapparat ist nicht ohne Mängel. Wenn nach dem Schuß der Torpedo auf das Wasser trifft, taucht er zu tief und wird dann durch den Horizontal-Steuerapparat so kräftig in die Höhe getrieben, daß er mitunter mehreremale über Wasser kommt und erst nach einiger Zeit sich so weit beruhigt, um die ihm vorgezeichnete Tauchtiefe einzuhalten. Es leuchtet ein, daß bei diesem Vorgange sich bedenkliche Seitenabweichungen in der Lancirrichtung ergeben können. Dritter Abschnitt. Die Treffsicherheit wird übrigens auch sonst von mancherlei Nebenumständen be- einflußt, als da sind: Wellengang, die Bewegung der anzugreifenden Schiffe, deren Entfernung vom Angriffspunkte u. s. w. In letzterer Beziehung sei daran erinnert, daß ein Fischtorpedo einen Weg von 700 Meter in 1 ½ Minuten durchläuft, während ein Artilleriegeschoß hierzu nur zwei Secunden bedarf. Sowohl aus diesen Gründen, vornehmlich aber deshalb, weil Schlachtschiffe in ihren Manöverdispositionen behindert sind, wenn sie auf den Torpedoangriff Fig. 519. Breitseit-Lancirapparat. Fig. 520. Französische Torpedo-Lancirkanone. (System Canet.) Bedacht nehmen, hat man sich bald nach der allgemeinen Einführung dieser Zer- störungsapparate der Construction besonderer, schnellfahrender Torpedoboote zugewendet. Diese Fahrzeuge sind ganz aus Stahlplatten und Winkeleisen her- gestellt und in wasserdichte Schotte getheilt. Vorne und hinten sind die Vorräthe untergebracht, hieran schließen die Abtheilungen für die Bedienungsmannschaft, mittschiffs befindet sich die Maschine und der geschützte Platz für den Comman- danten. Da aber Angriff und Vertheidigung in Bezug auf die technischen Fort- schritte, die mit ihnen zusammenhängen, immer bestrebt sind, sich die Wage zu halten, hat man gegen die Torpedoboote wieder besondere Fahrzeuge zur Ver- nichtung der ersteren ausgespielt und nennt dieselben »Torpedozerstörer« Die submarinen Kampfmittel. Alles in Allem ist der Torpedo zwar eine gefürchtete Angriffswaffe, doch bleibt seine Treffsicherheit trotz aller sinnreichen Verbesserungen eine so beschränkte, daß im Seekampfe nach wie vor die schwere Artillerie und die Kanonen des Schlachtschiffes vorzugsweise den Ausschlag geben. Anders jedoch steht die Sache bei der Küstenvertheidigung . Man bezeichnet Anlagen dieser Art als Tor- pedobatterien und sie bestehen im Wesentlichen aus der Vereinigung einer Lancirstation mit einer Küstenbatterie. In Folge der Inventare, der großen Vor- Fig. 521. Canet's neueste Torpedo-Lancirkanone. Fig. 522. Canet's neueste Torpedo-Lancirkanone. räthe und der wirkungsvollen Armirung sind solche Anlagen sehr kostspielig. Immerhin sind die von einem solchen System zu gewärtigenden Vortheile in Bezug auf die Sicherung gegen einen Handstreich oder gegen eine planmäßige Forcirung so bedeutende, daß man die große Inanspruchnahme des Vertheidigungscredites mit in den Kauf nehmen wird. Ein Fachmann äußert sich diesbezüglich: »Bei der hohen Fahrgeschwindigkeit moderner Schiffe, in der großen Zahl der von den einzelnen Marinen aufzubietenden Fahrzeuge bildet die Minensperre allein keinen genügenden Schutz, da durch Opferung einiger alter Fahrzeuge die Forcirung einer Durchfahrt immerhin in das Bereich der Möglichkeit gezogen werden muß; dringt hierauf eine feindliche Schiffsabtheilung mit Energie und unter Aufbietung Dritter Abschnitt. äußerster Fahrtleistung in diese gebildete Lücke vor, so wird es der Küstenartillerie, vorausgesetzt daß selbe überhaupt noch intact ist, schwer werden, die Angreifer zum Aufgeben ihres Vorhabens zu zwingen.« ... In solchen Fällen ist es dann Aufgabe der Torpedobatterie, durch einige geglückte Treffer das angreifende Ge- schwader in Verwirrung zu bringen. Unterseeboote. In Folge der außergewöhnlichen Vervollkommnung des Torpedowesens, beziehungsweise der Mittel, sich dieser gefährlichen Feinde zu erwehren, griff man auf eine Idee zurück, welche schon vor längerer Zeit die Phantasie maritimer Kreise beschäftigte und sich auch praktisch bethätigt hatte, auf die Idee der unterseeischen Boote . Es lag auf der Hand, daß ein Fahrzeug, welches sich unter Wasser ganz Fig. 523. Bauer'scher Brandtaucher. unbemerkt dem feindlichen Schiffe nähern kann, um ihm den Torpedo anzuheften, das Ideal eines Torpedobootes ist. Der erste Versuch dieser Art ist von historischem Interesse. Er rührt von dem deutschen Ingenieur Bauer her, der während des Schleswig-Holstein'schen Krieges im Jahre 1848 zuerst den Gedanken einer unter- seeischen Schiffahrt zum Küstenschutz faßte, dessen Verwirklichung er seine ganze Kraft widmete. Leider erging es ihm wie den meisten Erfindern: seine Ideen und Arbeiten fanden nicht die nothwendige Unterstützung und so mußte es bei einem ersten Versuche bleiben. Die am 1. Februar 1851 im Kieler Hafen mit einem Bauer'schen » Brandtaucher « angestellte Probefahrt verlief anfangs sehr gut, bis das Wasser die bei den ungenügenden vorhandenen Mitteln zu schwach gebauten Wände eindrückte und das Fahrzeug versank. Den Insassen gelang es im ent- scheidenden Augenblicke, eine Luke zu öffnen, wobei sie der Luftdruck in dem Fahr- zeuge unterstützte, indem er die Schiffbrüchigen rasch auf die Oberfläche des Wassers trieb, wo sie aufgefischt wurden. Der Brandtaucher aber lag seitdem länger als 36 Jahre als Wrack 7 Meter tief auf dem Meeresgrunde, bis er im Sommer 1887 bei Baggerarbeiten zufällig wieder aufgefunden und gehoben wurde, worauf Die submarinen Kampfmittel. man ihn, seines historischen Werthes wegen, in allen Theilen wieder herstellte und geeigneten Ortes aufstellte. Trotzdem es sich bei dem Bauer'schen Unterseeboote um einen ersten Versuch handelte, war dasselbe, wie sich jetzt beurtheilen läßt, sehr sinnreich construirt. Es war ein allseitig geschlossenes, aus Eisenblech hergestelltes Fahrzeug von 7‧9 Meter Länge, 2 Meter Breite und 3 Meter Höhe. Von oben gesehen, glich es einiger- maßen den jetzigen Fischtorpedos; von der Seite gesehen, wich es aber von dieser Form sehr ab; es glich einem kurzen, gedrungenen Schiffskörper, welcher hinten mit Steuer und Schraube versehen war, während der Vordertheil sich in einem Kopf verdickte, in welchem mit starken Glastafeln verschlossene Oeffnungen angebracht waren. Neben diesen befanden sich einige mit Gummi verschlossene Oeffnungen, durch welche man von innen herausgreifen konnte, um auf diese Weise an einem Fig. 524. Nordenfeltboot unter Wasser. Schiffskörper eine Sprengmine anbringen zu können, die sodann, sobald der Brand- taucher sich in Sicherheit gebracht hatte, mittelst einer elektrischen Leitung zur Explosion gebracht werden konnte. Auch der Betriebsmechanismus, dessen Ein- richtung wir übergehen, war sehr sinnreich. Das Heben und Senken des Tauchers geschah durch Ein- und Auspumpen von Wasser. Es blieb lange bei diesem ersten Versuche, denn, wie bereits hervorgehoben, erst mit dem Fortschreiten des Torpedowesens wandte man sich dem Principe des Unterseebootes wieder mit lebhafterem Interesse zu. Vom rein technischen Stand- punkte handelte es sich bei Verwirklichung dieses Principes im Wesentlichen um zwei Hauptmomente: Sicherheit des Untertauchens beziehungsweise des Empor- tauchens und exact functionirende Einrichtungen zur Fortbewegung des Bootes unter Wasser. Als drittes Moment stellt man neuerdings mit Rücksicht auf die besondere Verwendung dieser Fahrzeuge im Seekampfe die Bedingung, daß sie, neben ihrer Sonderbestimmung, auch als einfache Torpedoboote benützt werden können. Die Gestalt ist bei den meisten der neueren submarinen Boote die zuerst Dritter Abschnitt. von dem englischen Ingenieur Winans eingeführte Cigarrenform. Als Material dient gewöhnlich Stahlblech. Das Heben und Senken geschieht durch Aus- und Einpumpen von Wasser in Verbindung mit auszulösenden Gewichten am Kiel für den Fall, daß die Pumpmaschine gelegentlich einmal versagen sollte. Als Treib- vorrichtung dient ausschließlich die Schiffsschraube; zum Lenken benützt man senk- rechte und wagerechte Ruder. Da es besondere Schwierigkeiten verursacht, unter Wasser eine bestimmte Richtung einzuhalten, und der Compaß zu diesem Zwecke nicht genügt, besitzen die meisten Unterseeboote auf Deck einen kuppelförmigen, mit Fenstern versehenen Commandothurm, durch welchen im geeigneten Augenblicke auch rasch die Luft im Innenraume erneuert werden kann. Im Uebrigen erfolgt die Luftversorgung ohne Schwierigkeit durch Mitnahme von comprimirter Luft. Fig. 525. Nordenfelt-Boot. (Querschnitt.) Außerdem besitzen diese Fahr- zeuge entsprechende Vorrichtungen zum Anbringen von Torpedos an dem als Angriffsobject dienen- den Schiffe, worauf sie sich in sichere Entfernung zurückziehen und durch einen Leitungsdraht mittelst Elektricität die Explosion bewirken. Die neuesten Unter- seeboote sind, wie wir sehen werden, nach einem anderen Principe construirt. Eine der ersten Construc- tionen solcher Boote, welche der Beachtung werth erschien, war jene des Schweden Thorsten Nordenfelt . Sein submarines Fahrzeug hat im Großen und Ganzen die Cigarrenform; es ist 30‧4 Meter lang und hat einen Durchmesser von 3‧6 Meter an der breitesten Stelle, von welcher es sich nach den beiden Enden hin entsprechend verjüngt. Das Fahrzeug wird durch Dampf bewegt, der, so lange es auf dem Wasser liegt, in gewöhnlichen Kesseln erzeugt wird. Die Kesseln liefern mehr Dampf als verbraucht wird; derselbe wird daher in besonderen Fangkesseln condensirt und giebt alsdann die bewegende Kraft für die unterseeische Fahrt, die fünf bis sechs Stunden währen kann, was jedenfalls ausreichend ist. Der Constructeur hatte im Auge, daß sein Fahrzeug sich etwa 1500 bis 1000 Meter vom feindlichen Schiffe entfernt so weit versenken sollte, daß nur die Glaskuppel des Commandothurmes über Wasser bliebe, um erst bei einer Annäherung bis auf 500 Meter völlig unterzutauchen. Nordenfelt hatte sein Boot für eine Tauchungstiefe von 19 Meter ge- baut. In der Mitte befindet sich auf jeder Seite eine um eine senkrechte Achse drehbare Taucherschraube, durch welche das Boot, nachdem man den Schornstein abgenommen und die Oeffnung desselben geschlossen, bis auf die genannte Tiefe Die submarinen Kampfmittel. versenkt werden konnte. Setzt man die Schrauben in entgegengesetzte Bewegung, so steigt das Fahrzeug wieder zur Wasseroberfläche empor. Am hinteren Ende be- findet sich eine vierflügelige Schraube als Bewegungsvorrichtung und das Steuer. Außerdem ist am Vorderende ein besonderer Apparat angebracht, der dem Fahr- zeuge unter Wasser stets die wagrechte Lage sichert. Außer den Ventilations- und Pumpvorrichtungen ist noch ein Apparat vorhanden, der jederzeit die Tiefe an- giebt, bis zu welcher das Boot gesunken ist; ein Regulator bringt die Schrauben selbstthätig zum Stillstande, falls die zulässige Tauchungsgrenze überschritten würde. Die Besatzung besteht aus drei Mann, welche durch das von der auf- klappbaren Glaskuppel geschlossene Mannloch ein- und aussteigen. Das Fahr- zeug besitzt Vorrichtungen für die Mitnahme und das Lanciren von Whitehead- Torpedos. Das erste von Nordenfelt construirte Boot hatte — Deck, Kuppel und Schornstein über Wasser — eine Fahrgeschwindigkeit von 17 Knoten. Später baute er ein Fahrzeug von 39‧6 Meter Länge und einem Eigengewicht von 200 Tonnen und sollte eine Maschine von 1300 indicirten Pferdekräften eine Fahrgeschwindigkeit von 15 Knoten ermöglichen. Es sollte mit Torpedos und Revolverkanonen ausgerüstet und unter Umständen wie ein gewöhnliches Torpedo- boot verwendet werden. Eine von der Cigarrenform abweichende Gestalt zeigt das Tuch 'sche Unter- seeboot. Einzelheiten über diese Construction sind nicht in die Oeffentlichkeit gedrungen, doch ist so viel bekannt, daß das Boot durch Elektricität getrieben wird und völlig geschlossen ist, bis auf eine Fallthüre im Oberdeck, welche zum Einsteigen dient und in welcher der in einem Tauchercostüm steckende Oberkörper des Bootlenkers Platz findet.Das Boot ist in herkömmlicher Weise mit Steuerruder und Schraube aus- gerüstet und besitzt ein zweites wagrechtes Ruder, mittelst welchem das Niedersinken und Emporsteigen besorgt wird, und das durch Aufnahme beziehungsweise Abgabe von Wasser wirksam wird. Hat sich das Fahrzeug bis unter den Kiel des feind- lichen Schiffes genähert, was durch ein Glasfenster in der Fallthüre controlirt wird, so öffnet der Führer die letztere und entblößt zwei Torpedos, welche sich durch eine Schnellvorrichtung an die Unterseite des Schiffskörpers anschmiegen. An sie sind Leitungsdrähte befestigt, welche mit einem Commutator im Innern des Bootes in Verbindung stehen. Nachdem sich das Boot in eine gesicherte Entfernung zurückgezogen, werden vom Führer die Torpedos zum Explodiren gebracht. Ueber die praktische Verwendbarkeit des Tuch 'schen Unterseebootes ist nichts bekannt geworden. Dagegen hat das von Fletcher , Son und Farnell construirte Fahrzeug »Nautilus« ganz befriedigende Resultate ergeben. Die von A. Campbell erfundene Vorrichtung zum Heben und Senken besteht aus wagrechten Cylindern, vier auf jeder Seite, welche hinaus- und hineingeschoben werden, je nachdem man das Fahrzeug steigen oder sinken lassen will. Je zwei gegenüberliegende Cylinder bilden ein Paar und werden gleichzeitig bewegt, um die Lage des Bootes nicht zu alteriren, doch können die beiden vorderen und die beiden hinteren Cylinder Dritter Abschnitt. unabhängig von einander bewegt werden, wodurch es möglich wird, schräg nach auf- oder nach abwärts an das feindliche Schiff heranzukommen. Die Torpedo- lancirrohre befinden sich an den beiden Seiten des Decks. Das Fahrzeug wird durch elektrische Kraft bewegt, und zwar werden zwei Schrauben angetrieben, welche bei voller Kraft 750 Umdrehungen in der Minute machen. Außer dem gewöhnlichen Steuer ist noch ein zweites vorhanden, welches dazu dient, das Boot in gleicher Tiefe zu erhalten. Anfangs der Neunzigerjahre stellte die französische Marineverwaltung Versuche mit einem nach Angaben des Schiffbau-Ingenieurs Dupuy de L ô me gebauten Fig. 526. Tuch'sches Boot. submarinen Fahrzeuge, sowie mit dem Unterseeboote »Gymnote« an. Letzteres hatte der Schiffsbaumeister Z é d é nach den Plänen des Marine-Ingenieurs Romazotti angefertigt. Dasselbe hat die Form einer riesigen Cigarre mit einer Glaskuppel auf der oberen Plattform. Die Schraube und das doppelte Steuerruder befinden sich am hinteren Bootsende. Das Versinken erfolgt durch die Wirkung der horizontalen Ruder und wird unterstützt durch das Einlassen von Wasser in zwei symmetrisch angeordneten, luftdicht verschlossenen Abtheilungen. Der maschinelle Antrieb erfolgt durch eine von Hauptmann Krebs construirte Dynamomaschine, welche, bei 2000 Kilogramm Gewicht, 55 Pferdekräfte leistet; die Accumulatoren (System Commelin-Desmazures) wiegen 10.000 Kilogramm. Die erreichte Ge- schwindigkeit betrug zehn Knoten bei fünfstündiger Fahrt unter Wasser. Alle diese Constructionen übertrifft jene des französischen Ingenieurs Goubet , bei welchem ein höchst sinnreicher Apparat die schwierige Aufgabe löst, das völlig Die submarinen Kampfmittel. untergetauchte Boot im Gleichgewichte zu erhalten. Derselbe beruht auf dem Principe der Wage und kommt bei jeder Neigung des Fahrzeuges automatisch in Thätigkeit, indem eine doppeltwirkende Pumpe sofort Wasser aus dem am Fig. 527. Goubet's Unterseeboot. Hintersteven befindlichen Reservoir nach demjenigen am Vordertheile pumpt, oder umgekehrt. Die beiden Behälter stellen also gewissermaßen Wagschalen dar. Sie wirken außerdem als Balancier, wenn die das Boot fortbewegende Schraube aus- gerückt ist und ersteres demzufolge stille liegt. Der Gewichtsausgleich durch das Dritter Abschnitt. Hinüber- und Herüberpumpen erfolgt so rasch, daß das Fahrzeug fast augenblicklich in die horizontale Lage zurückgebracht wird. Die Länge des Bootes ist 8 Meter, die treibende Kraft liefern Accumulatoren, deren Energie zu einer Fahrt von Fig. 528. Goubet's Unterseeboot I . (Längenschnitt.) 14 Stunden ausreicht. Der mitgenommene Vorrath an Preßluft versorgt die aus zwei Mann bestehende Besatzung acht Stunden lang mit frischer Luft. Eine weitere Eigenthümlichkeit des Fahrzeuges ist, daß die Schraube sich nach allen Seiten verstellen läßt und das Steuer ersetzt. Das Boot kann sich also genau wie ein Fisch im Wasser bewegen, nicht blos nach rechts und links, sondern auch auf- und abwärts. Das Untersinken und Emporsteigen wird in herkömmlicher Weise durch Wasseraufnahme beziehungsweise Wasserabgabe bewerkstelligt. Am hinteren Ende befindet sich ein Torpedo, welcher, nachdem er gelöst ist, emporsteigt und mit seinen Zacken am Schiffsrumpfe hängen bleibt, wobei sich eine Zündschnur abwickelt. Um das Fahrzeug auch für die Vertheidigung nutzbar zu machen, befindet sich am Schnabel eine 3 Meter herausschiebbare Vorrichtung, mittelst welcher Zündleitungen von Torpedos durchschnitten werden können. Das zu dieser Operation nothwendige Licht spendet eine am Schnabel angebrachte elektrische Lampe. Dieses Boot wird als »Goubet I « bezeichnet. Der Constructeur hat indeß an demselben wesentliche Verbesserungen angebracht. Ueber die Einrichtungen dieser neuen, mit »Goubet II « bezeichneten Type ist folgendes zu erwähnen: Der Ab- stieg in das Innere des Bootes geschieht auf einer im Innern der Kuppel angebrachten eisernen Leiter, welche vor dem Niederlassen des Deckels geräumt werden muß. Der Deckel ist durch eine Gummieinlage abgedichtet. Im Goubet I gab es nur wenig Platz, so daß die beiden Personen, welche die Bemannung desselben bildeten, in der Längsachse und in der Mitte des Bootes, Rücken an Rücken, sitzen mußten, Die submarinen Kampfmittel. während Goubet II , namentlich in der Nähe des Hauptspantes, bedeutend geräumiger ist. Der Commandant hat dort seinen Platz auf einem Drehschemel und kann im Umkreise durch die im Mantel der Kuppel angebrachten Glaslinsen Auslug halten. Von seinen beiden Assistenten, welche gewisse Apparate zu bedienen haben, sitzt je einer an jedem Bootsende, mit dem Gesichte nach der Mitte gekehrt. Der am Bug befindliche Assistent hat ruderartige Hebel in der Hand, mittelst welchen er die Griffe der Auslaßventile für den Wasserbalast, ferner die Wechsel für das Einnehmen und Auslassen desselben bedient. Letztere werden durch Hebel und Griff- räder gestellt. Hinter seinem Kopfe befindet sich der sogenannte Postapparat, ein Fig. 529. Unterseeisches Boot »Goubet II «. (Bug.) großer Wechselhahn, in dessen Aushöhlung eine Büchse mit Depeschen eingelegt wird, welche, da sie specifisch leichter ist als das Wasser, an die Oberfläche auf- steigen gemacht werden kann. Im Achtertheil ist der Elektromotor aufgestellt, der von Batterien betrieben wird, welche rechts und links im Bootsraume unter den Flurhölzern angebracht sind. Ueber dem Elektromotor befindet sich ein Rad, mittelst welchem der gleichzeitig als Steuer in verticaler und horizontaler Richtung dienende Schraubenpropeller geschwenkt werden kann. Die seitlich angebrachten Torpedos werden durch die sogenannten Abfeuerungshebel bedient; auf den Flurhölzern befindet sich eine Vorrichtung zum Auslösen des Bleikieles, um das Boot an die Oberfläche aufschnellen zu machen. Für gewöhnlich schwimmt Goubet II an der Wasseroberfläche, so daß nur die Kuppel über letztere hervorragt, und welche schon auf geringe Entfernung nicht Dritter Abschnitt. mehr leicht auszunehmen ist. Nähert man sich einem feindlichen Object, so muß auf 4 bis 5 Meter, nöthigenfalls auch auf 10 Meter Tiefe untergetaucht werden. In diesem Falle genügen die Linsen in den Kuppeln nicht mehr für den Auslug und es tritt für geringere Tauchungstiefen ein Periskop in Anwendung. Eine Aufgabe von Wichtigkeit ist das Einhalten der Einstellungstiefe, beziehungsweise das Vermeiden von Tiefenschwankungen, insoweit dies im Bereich des Möglichen liegt. Da die Ursachen, welche solche Schwankungen erzeugen, sacht und wenig merklich auftreten, muß auch die Steuerung des Wechsels für das Einnehmen und Fig. 530. Unterseeisches Boot »Goubet II «. (Achter.) Auslassen des Wasserbalastes demgemäß bedient werden. Dies geschieht mit Hilfe eines sinnreichen, automatisch wir- kenden Apparates. Letzterer besteht im Wesentlichen aus einem Manometer, der ent- sprechend der vom Boote ein- gehaltenen Tiefe den Wasser- druck angiebt, wobei der Zeiger über einen Contact- bogen schleift und hierdurch den Strom regulirt, welcher die Antriebsmaschine der Wasserbalastpumpe speist. Man sieht, daß beim Goubet II die Mittel zur Erzielung verticaler Be- wegungen unabhängig sind von den Einrichtungen für die Seitensteuerung, und daß das Boot, im Gegensatze zu den unterseeischen Booten anderer Construction, für welche der Whitehead-Torpedo als Vorbild diente, Tiefen- schwankungen ausführen kann, ohne hierzu der Fahrt zu benöthigen. Der Hauptmotor überträgt seine Kraft nur auf den Schraubenpropeller. Bei Goubet genügt ein solcher von 2 bis 3 indicirten Pferdekräften, um dem Fahrzeug eine Geschwindigkeit von 4 bis 5 Knoten zu ertheilen; das neue Fahrzeug ist mit einem etwas stärkeren Motor bedacht worden und dürfte daher seinen Vorgänger an Fahrgeschwindigkeit etwas übertreffen. Zur Speisung des Hauptmotors wendet der Erfinder Batterien mit Mercurisulfat und nicht Accumulatoren an. Der Grund, welcher ihn dazu bestimmte, liegt hauptsächlich darin, daß letztere, wenn in Thätigkeit, Wasserstoff ausscheiden, welcher, abgesehen davon, daß er zum Athmen nicht taugt, die Spannung im Boote Die submarinen Kampfmittel. steigert und mit dem Sauerstoff der dort befindlichen Luft ein explosibles Gemenge bildet, was im Hinblicke auf die vorhandenen Elektromotoren als eine Gefahr be- zeichnet werden muß. Die Bewohnbarkeit des Fahrzeuges wird in erster Linie dadurch erreicht, daß man für Degeneration der in demselben enthaltenen Luft sorgt, nach Maßgabe, als sie durch das Athmen der Bemannung verdorben wird. Hierzu strömt aus dem im vorderen Raum befindlichen röhrenförmigen Reservoir Luft in entsprechender Qualität in den Raum, während die von den Leuten ausgeathmete Luft, welche vermöge ihrer größeren specifischen Schwere vorerst zu Boden sinkt, von Pumpen aufgesogen und aus dem Boote gepreßt wird. Ueberschüssige Kohlensäure läßt man durch aufgestellte Potasche absorbiren, während für den Wasserdunst und die or- ganischen Ausathmungsproducte zu solchem Zwecke Chlorcalcium verwendet wird. Unter solchen Umständen kann das Boot 10 bis 15 Stunden unter Wasser bleiben, was für die ihm zugedachte Verwendung als ausreichend bezeichnet werden muß. Das Boot dürfte bei kriegerischen Gelegenheiten hauptsächlich benützt werden, um Sprengladungen am Boden feindlicher Schiffe anzubringen, oder gegen diese auto- mobile Torpedos auszuspielen, vorausgesetzt daß es vom Object genügend entfernt ist, um durch die an demselben erfolgende Explosion nicht in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Bei Goubet I wurden die automobilen Torpedos mit Impuls lancirt und hierdurch dem Boote, da die Lancirrohre nicht central angebracht werden konnten, im Lancirmoment ein Rückschlag zu Theil, welcher der Bahnpräcision des Torpedos empfindlichen Abbruch that. Diesem Uebelstande hat der Erfinder beim Goubet II durch die Rahmenlancirung, bei der der Torpedo nur mit Hilfe der eigenen Maschine in Bewegung gesetzt wird, beseitigt beziehungsweise abgeschwächt. Die Verwendung solcher Boote soll sich indeß nicht auf militärische Zwecke beschränken; der Erfinder hatte vielmehr die Absicht im Auge, dieselben auch für die Korallen- und Schwammfischerei, sowie zum Heben gesunkener Schiffe zu verwenden. Auch betrachtet er den Goubet II als das Embryo eines später zu schaffenden sub- marinen, in einer Tiefe von beiläufig 15 Meter am Drahtseil geführten Fährentyps, welcher vorerst für den Personentransport zwischen Häfen dies- und jenseits des Canales verwendet werden könnte und den Vortheil haben würde, frei von jenen Bewegungen zu sein, welche bei den an Bord Befindlichen die Seekrankheit erzeugen. Was Goubet bezüglich der Verwendung solcher Boote für Taucherarbeit an- strebte, hat der Amerikaner Simon Lake kürzlich praktisch gelöst. Sein Unter- seeboot ist in den folgenden Abbildungen (Fig. 531 bis 534) dargestellt. Hält man sich Zweck und Leistungsfähigkeit eines derartigen Taucherbootes vor Augen, so erkennt man unschwer, daß selbes bei dem Umstande, als es eine Anzahl Taucher, sowie alle von denselben benöthigten Hilfsmittel aufnehmen kann, sehr ersprießliche Dienste zu leisten geeignet ist. Seine Bewegungsfreiheit unter Wasser erleichtert ungemein jene Arbeiten, welche bei Bergung versunkener Gegenstände oder ganzer in mäßiger Tiefe liegender Wracks nothwendig sind. Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 43 Dritter Abschnitt. Der Schiffskörper des Lake'schen Bootes hat ungefähr die Form der bis- herigen submarinen Fahrzeuge; es ist 11 Meter lang und mißt 3 Meter im Durch- messer. Um dem enormen Drucke in einer Tauchungstiefe von etwa 50 Meter zu widerstehen, ist der Schiffsrumpf sehr stark dimensionirt und mit Innen- verstärkungen versehen. Die Plattform liegt über Rahmen und Winkeleisen von 8 Centimeter Dicke. Mehrere Scheidewände trennen den Innenraum in vier Ab- theilungen; in einem derselben befinden sich die Maschinen, im zweiten die Licht- reservoirs, im dritten — die »Schleuse« genannt — sind die Taucher untergebracht, während die vierte Abtheilung das Steuer- und Observationshäuschen einschließt. Der Raum für die Maschinen und deren Bedienungsmannschaft ist der größte, da er ungefähr zwei Drittel der Länge des Bootes einnimmt. Als Motor ist eine Gasolinmaschine installirt, welche im Vereine mit einem Dynamo der Propellerwelle den Antrieb giebt. Die Gasolinmaschine wird nur dann in Betrieb gesetzt, wenn Fig. 531. Lake's unterseeisches Boot. (Längenschnitt.) das Boot über Wasser fährt, während die Dynamomaschine bei Fahrten und Manövern unter Wasser in Thätigkeit tritt. Für den Elektromotor liefern zwei Gruppen von Accumulatoren in den Seitenwänden des Bootskörpers den erforder- lichen Strom, der bei Fahrt über Wasser durch die Gasolinmaschine erzeugt und accumulirt wird. Die Arbeitsabtheilung hat Raum für sechs Mann; in demselben befindet sich die Pumpe, welche den Luftvorrath in die Reservoirs preßt. Aus diesen Luftspeichern wird die zum Athmen erforderliche Luft während der Fahrt unter Wasser, sowie für die Taucher entnommen, sobald letztere das Boot verlassen und auf dem Meeresgrunde ihre Arbeiten verrichten. Befindet sich jedoch das Boot in nur mäßiger Tiefe, so erfolgt der Ersatz für verbrauchte Athmungsluft durch zwei bis zur Oberfläche des Wassers reichende Schläuche, deren Saugschalen gegen Be- schädigung durch vorüberfahrende Schiffe mittelst Fähnchen gekennzeichnet sind und überdies alle Bewegungen des Bootes markiren. In größeren Tauchungstiefen werden die Saugschalen der Luftschläuche geschlossen und erfolgt die Zuführung Die submarinen Kampfmittel. der Athmungsluft durch Saugventile. Erst in größerer Tiefe findet die Entnahme der Luft aus den Reservoirs, und zwar mittelst der erwähnten Saugventile statt. Der Luftvorrath genügt für eine 24 stündige Arbeit unter Wasser, so daß das Boot eigentlich, bei abwechselnder Benützung der Saugventile und Reservoirs auf unbe- stimmte Zeit unter Wasser verbleiben kann. Fig. 532. Lake's unterseeisches Boot über Wasser. Fig. 533. Lake's unterseeisches Boot in voller Fahrt mit versenktem Deck. Die an den Arbeitsraum anschließende Abtheilung des Bootsinneren steht mit ersterem und der Taucherabtheilung in Verbindung. Der Luftdruck im Arbeits- raume ist fast normal, während jener in der Taucherabtheilung stets im Ver- hältnisse zum äußeren Wasserdrucke steht. Sobald ein Taucher das Boot verlassen hat, um außerhalb desselben Arbeiten zu verrichten, wird in der Weise vorgegangen, daß der Taucher zuerst eine »Schleuse« — ähnlich jener bei der pneumatischen 43* Dritter Abschnitt. Fundirung der Brückenpfeiler — betritt, deren Luftdruck gleich dem in der Taucher- abtheilung ist und durch den Compressor stets auf gleicher Höhe erhalten wird. Alsdann öffnet der Taucher eine am Schiffsboden angebrachte Fallthüre und tritt Fig. 534. Lake's unterseeisches Boot. Totalansicht unter Wasser. durch diese auf den Meeresgrund. Mit Rücksicht auf die Aequivalenz der Druck- verhältnisse der Luft in der Schleuse und des Wassers in jener Tiefe kann kein Wasser in den Bootsraum eindringen. Durch den vorher ausgeglichenen Druck empfinden die Taucher keine körperlichen Beschwerden beim Austritte in das Wasser; Die submarinen Kampfmittel. nur muß beim »Ausschleusen« — genau so wie bei dem gleichen Vorgange in den Caissons der Pfeilerfundirungen bei Brückenbauten — erhöhte Vorsicht beobachtet werden. Ein Telephon verbindet die Taucherabtheilung mit dem Arbeitsraum zum Austausche von Mittheilungen, Requiriren von Werkzeugen und Behelfen, so daß die Taucherabtheilung eine förmliche Werkstätte darstellt. Das Häuschen auf der Oberseite des Deckes schließt, wie bereits erwähnt, das Steuer ein und dient außerdem als Auslug, wobei ein am Vordertheile des Bootes angebrachter elektrischer Reflector in Wirksamkeit tritt. Vier starke Glas- scheiben verschließen während der Fahrt unter Wasser die ovalen Oeffnungen, welche am Steuerhäuschen angebracht sind. Der Eintritt in das Innere des Bootes erfolgt durch ein Mannloch auf Deck, das wasserdicht verschlossen wird, wenn das Untertauchen stattfindet. Zum Fortbewegen auf dem Meeresgrunde hat der Con- Fig. 535. Längsschnitt durch Holland's unterseeisches Boot. structeur Räder vorgesehen, deren Werth problematischer Natur ist, da ein völlig ebener Meeresboden fast nie vorgefunden wird. Die Räder befinden sich theils am Kiele — es sind dies die kleineren, an ihrem Umfange mit Kerben versehenen — theils seitlich des Bootskörpers, und zwar an dessen Vordertheile; ein kleineres Rad, gewissermaßen als Steuervorrichtung, ist unterhalb der Schraube angeordnet. Zur Regulirung der Tauchungstiefen wird, wie bei allen submarinen Booten, der Wasserballast gewechselt; die Auftriebsfähigkeit wird durch Hohlhaltung des Kieles unterstützt. Zwei Anker, welche in entsprechenden Höhlungen an der Außenseite des Schiffes geborgen sind, dienen zur Fixirung des Fahrzeuges in der einzuhaltenden Tiefe, beziehungsweise zum Festmachen am Wrack, Felsen oder dergleichen. Bieten die submarinen Boote nach Goubet II und Lake die geschilderten Eigenschaften und Vortheile, so haben andererseits die im Jahre 1898 im Hafen von New-York angestellten Versuche mit einem neuen Typ solcher Fahrzeuge, der nach seinem Constructeur John Holland benannt ist, sehr berechtigte Hoffnungen auf volles Gelingen erweckt. Die fragliche Construction ist keineswegs fertig dem Kopfe des Erfinders entsprungen, sondern ist das Ergebniß zwanzigjähriger Studien und Versuche. Wenn sich die Erwartungen, welche man an dieses Fahrzeug knüpft, Dritter Abschnitt. bewähren, wird es die Bedeutung eines sehr verwendbaren und gefährlichen See- kriegsmittels erlangen. Die »Holland« ist 17‧3 Meter lang und besitzt bei 3‧2 Meter Durchmesser im stärksten Theile (der sich nicht mittschiffs, sondern mehr gegen den Bug hin Fig. 536. Die »Holland« vor Anker mit Torpedokanone. befindet) ein Deplacement von 75 Tonnen. Der Schiffsrumpf nähert sich der her- kömmlichen Form solcher Boote. Zur Fortbewegung dienen, je nach Bedarf für Fahrt ober oder unter dem Wasser, zwei getrennte Antriebsmechanismen, und zwar für ersteren Zweck ein Gasmotor, für das Tauchen und die Fahrt unter Wasser Die submarinen Kampfmittel. ein kräftiger Elektromotor. Letztere Kraftquelle wird von einer sehr starken Accu- mulatorenanlage gespeist. Die Accumulatoren sind ziemlich groß und schwer, so daß sie mit Rücksicht auf ihre Lagerung im Mitteltheile des Schiffes unter der Längs- achse derselben als Ballast sehr zweckmäßig zur Fixirung des Schwerpunktes aus- genützt werden können. Diese Wirkung wird noch dadurch unterstützt, daß der Schwerpunkt der Accumulatorenanlage unterhalb des Schwerpunktes des ganzen Bootes liegt. Ueber den Accu- Fig. 537. Die »Holland« im Stadium des Tauchens bei 10 Knoten Fahr- geschwindigkeit. mulatoren an jeder Seite des Fahrzeuges befinden sich die Re- servoirs für die com- primirte Luft, welche in bestimmtem Ver- hältnisse in das Innere des Bootes strömt. Wie erwähnt, sind zwei Antriebsmechanismen vorhanden, welche beide die Schraube in Be- wegung setzen; der Gasmotor ist oberhalb des Elektromotors ge- lagert und obliegt dem ersteren in ökonomischer Ausnützung der Kraft die Ladung der Accu- mulatoren der Dy- namo während der Fahrt auf der Wasseroberfläche. Der in wasserdichte Schoten getheilte Kielraum gestattet die Aufspeicherung von flüssigem Feuerungsmaterial für den Gasmotor, ferner die Aufnahme von Wasserballast. Bei gefüllten Wasserkästen, genügend aufgespeichertem Feuerungsmateriale, mit Einschluß der Ausrüstung und Bemannung, hat die »Holland« eine Schwimmfähigkeit von 100 Kilogramm in Reserve. Das Tauchen des Bootes wird durch eine kleine Aenderung an der Schraube an dem für horizontale Fahrt bestimmten Ruder regulirt, wogegen die Vorwärtsbewegung des Bootes unter Wasser durch die herkömmlichen Schraubengänge erreicht wird. Mittelst sehr empfindlicher automatisch wirkender Vorrichtung, ähnlich derjenigen des Whitehead 'schen Torpedos, wird das Fahrzeug in den gewünschten Tauchungstiefen erhalten. Bezüglich seiner anderen Anordnungen stellt die »Holland« insoferne ein Novum dar, als sie am Bug ein Lancirrohr für Torpedos aufweist. Außerdem Dritter Abschnitt. besitzt das Fahrzeug zwei weitere Lancirrohre für die Abfeuerung von Geschossen. Diese Rohre, von welchen eines am Bug, eines am Achter angebracht sind, haben eine schräge Richtung nach aufwärts und endigen deren Mundlöcher in eine Art überbauten Decks, das über dem cylindrisch geformten Mitteltheile des Bootes errichtet ist und in seiner Fortsetzung ein durch Panzerplatten verstärktes Steuer- häuschen trägt. Die Oeffnungen der Lancirrohre sind mit Schlittenklappen versehen, welche einen dichten Abschluß ermöglichen und vom Bootsinnern aus mittelst Wurmschrauben bedient werden. Der Constructeur bezeichnet das vordere Geschoß- lancirrohr als »Luft-Torpedokanone«; sie hat bei den angestellten Versuchen ergeben, daß sie befähigt ist, eine 100pfündige Schießbaumwollgranate auf eine Distanz von 1200 Meter zu schleudern. Das am Achter angebrachte Lancirrohr bezeichnet der Constructeur als »Unterwasser-Torpedokanone«, die ihrerseits so kräftig ist, ein Geschoß circa 70 Meter unter Wasser zu schießen. Fig. 538. Steuerhäuschen der »Holland«. Sechster Theil. (15 Centimeter stahlbronzener Mörser .) Die Kriegsmittel zu Land. Erster Abschnitt. Das Geschützwesen. A lle kriegerische Thätigkeit findet in dem Acte der Vernichtung ihr höchstes Ziel. Der menschliche Körper ist zwar an und für sich fähig, auf die Körper außerhalb ihm zerstörend zu wirken; wenn aber zwei Parteien einander gegenübertreten, deren jede ihren Vortheil in dem Untergange des anderen sucht, ist es klar, daß jede von ihnen nach einer Steigerung ihrer vernichtenden Kraft strebt, welche sie dann in jenen Werkzeugen finden, die man kurzweg Waffen nennt. In früheren Zeiten suchten die Streitenden nach Gegenmitteln, um die Wirkung der feindlichen Waffen abzuschwächen oder gänzlich aufzuheben. Durch diesen Gegensatz entstanden die Bezeichnungen »Trutzwaffen« und »Schutzwaffen«, ein Gegensatz, der heute, wo die Schußwaffen in Bezug auf ihre Tragweite und Treffsicherheit den höchsten Grad von Vollkommenheit erreicht haben, nicht mehr besteht. Seither haben auch die blanken Waffen, welche auf den Nahekampf berechnet sind, im Allgemeinen nur einen geringen Werth. Nur bei der Reiterei muß diesfalls eine Ausnahme gemacht werden. Das früher so gefürchtete Bajonnet als Stoßwaffe im Nahekampfe giebt in einem Kampfe der Jetztzeit selten den Ausschlag; es wird nur gelegentlich in Anwendung kommen und ist der Natur der Sache nach haupt- sächlich eine Angriffs- und Vertheidigungswaffe des einzelnen Kämpfers. Zum Acte der Vernichtung gelangen die Heere durch die Bewegung. Sie müssen also auch dementsprechend mit Waffen ausgerüstet werden, welche die Bewegung des Gegners hindern, und wo es sich um Schußwaffen größeren Calibers handelt, müssen dieselben derart construirt sein, daß ihre Fortschaffung keine Schwierigkeiten macht. Die erste Gattung — die Handfeuerwaffen — werden mit einem hölzernen Schafte versehen, der dem Soldaten das Tragen der Waffe, das Bedienen derselben und ihren Gebrauch als Stoßwaffe erleichtert: die zweite Gattung — die Ge- schütze — werden in Gestelle (Lafetten) eingelegt, welche je nach dem Zwecke des Geschützes verschiedene Einrichtungen erhalten, aber alle darin übereinstimmen, daß sie der Mannschaft, welche zur Bedienung desselben bestimmt ist, das Abfeuern Erster Abschnitt. und die Bewegung erleichtern. Die ganz schweren Geschütze endlich, welche nicht eigentlich zur Ausrüstung der operirenden Heere gehören, sondern ausschließlich zu Vertheidigungszwecken dienen — also stationär bleiben — bedürfen der Fort- bewegungseinrichtungen nicht. Desgleichen die Schiffsgeschütze, zu denen die schwersten Typen zählen und welche weit mehr eine Angriffswaffe, als eine Ver- theidigungswaffe sind, und wobei der Charakter als letzter durch die Beweglichkeit des Objectes, auf welchem die Geschütze untergebracht sind — also des Schiffes — zum Ausdrucke kommt. Die Geschichte des modernen Geschützwesens nimmt dort ihren Anfang, wo der Gedanke, gezogene Geschütze herzustellen, zuerst praktische Formen annimmt. Die ersten Versuche dieser Art reichen bis in die Mitte der Vierzigerjahre unseres Jahrhunderts zurück, um welche Zeit der Schwede Wahrendorf und der Italiener Cavalli versuchsweise mit gezogenen Rohren, die zugleich Hinderlader Fig. 539. Ein gedrehtes Geschoß. Fig. 540. Bemäntelte Spitzbombe für den Bogenzugmörser. waren, an die Oeffentlichkeit traten. Wahrendorf's Geschoß hatte einen Bleimantel, welcher sich beim Schusse in die Züge preßte und dadurch nicht nur im letzteren die gewünschte Führung erhielt, sondern auch jeden Spielraum zwischen Geschoß- mantel und Rohrbohrung aufhob, was bei der Cavalli'schen Construction, dessen cylindrisch-konisches Langgeschoß mit Ansätzen versehen war, welche in die Züge eingriffen, nicht der Fall war. Das Zusammenhalten der gleichzeitigen Bestrebungen, gezogene Geschütze her- zustellen und sie eventuell als Hinterlader einzurichten, ergab von selbst eine Combination beider. Von principieller Wichtigkeit war natürlich die Beseitigung des Spielraumes, also der gezogene Hinterlader, doch führte das vorhandene Geschützmaterial zunächst zum gezogenen Vorderlader mit Spielraum. Den Anfang machte Frankreich mit dem Vorderladersystem La Hitte , von welchem im italienischen Feldzuge 1859 bereits 32 ins Feld rücken konnten. Die Geschosse dieses Systems waren an der Mantelfläche mit zwei Reihen ziemlich flacher »Warzen« (Ailetten) versehen, welche in die Züge eingriffen; dadurch, daß letztere eine gestreckte schraubenförmige Richtung erhielten, wurde dem Geschoß die Rotation um seine Längsachse verliehen und dadurch eine größere Flugkraft und Treffsicherheit zu Theil. Das Geschützwesen. Gleich nach dem Feldzuge 1859 schritt man in Oesterreich zu der theilweisen Umgestaltung der glatten sechs- und zwölfpfündigen Feldgeschütze in gezogene nach dem System La Hitte, ging aber bald hierauf zu dem vom k. k. Artilleriecomité construirten Vorderladergeschütz mit Bogenzugsystem über, das in drei Calibern, vier- und achtpfündige Feldkanonen (8 und 10 Centimeter) und dreipfündige Ge- birgsgeschütze (7 Centimeter), im Jahre 1863 eingeführt wurde. Das Bogenzug- system bildet ein Unicum in der Geschichte des modernen Geschützwesens, ohne daß es außerhalb Oesterreichs Anwendung gefunden hätte. Die Form der Bogenzüge und das zu diesem gehörige Geschoß sind in den Fig. 539 und 540 abgebildet. Der Führungstheil des letzteren besteht aus einem Mantel aus einer Mischung von Zinn und Zink und ist mit Führungsleisten versehen, welche durch ihre Form sich in die Bogenzüge schmiegen. Um allen Spielraum zu beseitigen, wird das Geschoß, nachdem es in das Rohr eingeführt und an die Patrone angesetzt ist, mittelst einer Vorrichtung aus Ladezeug, die in zwei Warzen am ogivalen Theile des Geschosses eingreift, derart nach rechts gedreht, daß die Führungsleisten sich dicht an die Führungsflächen anlehnen. Hier wird der Spielraum, welcher nicht aufgehoben, sondern gleichmäßig sich am Umfange des Geschoßführungstheiles vertheilt, dazu benützt, die Führung des centrirten Geschosses (Geschoßachse und Seelenachse fallen nämlich genau zusammen) zu sichern, indem beim Schusse die Pulvergase durch den erwähnten Spielraum streichen und so eine Rückdrehung des Geschosses verhindern. Wie erwähnt, hatten schon Mitte der Vierzigerjahre Wahrendorf und Cavalli sich mit der Construction von Hinterladern abgegeben, wobei ersterer einen Kolbenverschluß, letzterer einen Keilverschluß, beides ziemlich primitive Con- structionen, wählte. In Preußen, wo man der Frage der Hinterlader größte Auf- merksamkeit schenkte, griff man auf den Wahrendorf'schen Verschluß zurück und brachte ihn entsprechend verbessert beim Feldgeschützmaterial in Anwendung, ent- schied sich jedoch, wegen der ihm noch immer anhaftenden Mängel, für die Be- lagerungs- und Festungsgeschütze den Kreiner 'schen Doppelkeilverschluß in Anwendung zu bringen. Später wurde derselbe in abgeänderter Form auch bei den preußischen Feldgeschützen eingeführt. Beim Ausbruche des österreichisch-preußischen Krieges führte Oesterreich vorwie- gend gezogene Vorderlader ins Feld, Preußen vorwiegend gezogene Hinterlader, und es sollten sich nun die gespannten Erwartungen, welche an letztere geknüpft wurden, bethätigen. Sie erfüllten sich nicht und die Rückwirkung hiervon war zunächst die daß England , neben der bereits einige Zeit vorher in Angriff genommenen Um- gestaltung der glatten bronzenen Geschütze in gezogene Vorderlader, die Construction neuer Vorderlad-Feldgeschütze in Angriff nahm, trotzdem Armstrong schon 1860 ein gezogenes Hinterladegeschütz construirt hatte, das angenommen wurde. Es war dies die erste »Ringkanone«, deren Rohr aus mehreren Theilen zusammengesetzt war, nämlich aus einem stählernen Seelenrohr und mehreren darübergezogenen schmiedeeisernen Ringen (sogenannten »Coïls«), welch letztere dem Bodenstücke eine Erster Abschnitt. wesentliche Verstärkung gaben und dadurch das Rohr bei Anwendung großer Pulverladungen vor dem Zerspringen bewahrten oder doch bewahren sollten. In den nächsten Jahren ging es mit der Ausgestaltung der neuen Geschütz- systeme recht langsam vorwärts. Sehr behindernd wirkte hierbei ein Umstand, den man vorher gar nicht erwogen hatte, nämlich der, daß das gezogene Rohr bezüglich der Geschoßbewegung den Pulvergasen einen größeren Widerstand entgegensetzte, die Gasspannungen daher erheblich höher waren, als bei den glatten Vorderladern. Das Maximum dieses Widerstandes, beziehungsweise die Höhe der Gasspannung, ergab sich beim gezogenen Hinterlader, da hier das Geschoß in die Züge gepreßt wurde, also aller Spielraum aufgehoben war. Damit trat ein neues Problem auf die Bildfläche. Wollte man die Geschoß- geschwindigkeit steigern, so war dies zunächst nur zu erreichen, daß man sich für größere Pulverladungen entschied, bei gleichzeitiger Verwendung eines besseren Geschützmateriales. Da aber letzteres zunächst nicht vorhanden war, kam man auf den Gedanken, eine Pulvergattung herzustellen, welche von minderer brisanter Wirkung, als das bisherige sein sollte, d. h. durch ein Pulver von langsamerer Verbrennungsdauer sollten die hohen Gasspannungen aufgehoben werden. Es kam aber noch ein anderer Umstand hinzu, der das Problem noch mehr verwickelte. In den Siebziger- jahren war nämlich die »Panzerfrage« in den Vordergrund aller militärtechnischen Fragen getreten. Es entspann sich langsam, aber stetig fortschreitend, der Wettstreit zwischen Geschütz und Panzer, von welchem bereits an anderer Stelle die Rede war. Daraus entwickelte sich jener gewaltige Fortschritt auf dem Gebiete der Geschütztechnik, welcher zuerst seinen Einfluß auf die Schiffspanzer und Küstenvertheidigungswerke und neuerdings auch auf die Binnenlandbefestigungen ausgeübt hat. Daß bei der Schiffs- und Küstenartillerie wegen Wegfalles jeder Orts- veränderung der Geschütze und ferner wegen der wachsenden Widerstandsfähigkeit der gegnerischen Schutzvorrichtungen sich die Steigerung der Leistungen am groß- artigsten zeigte, liegt in der Natur der Sache. Diese Steigerung, welche sich in der Vergrößerung der Durchschlagskraft der Geschosse äußert, ist, abgesehen von der richtigen Auswahl des Geschoßmaterials, nur erreichbar durch Vergrößerung der leben- digen Kraft des Projectils beim Auftreffen, welche sich ihrerseits aus der Endgeschwin- digkeit und dem Geschoßgewicht ergiebt. Letzteres kann nur vermehrt werden durch Ver- größerung des Calibers des Rohres, sowie die Länge des Geschosses, während die hohe Fluggeschwindigkeit erreicht wird durch starke Ladungen langsam verbrennen- den Pulvers im Vereine mit einer großen Länge des Geschützrohres. Das Rohr ist hierbei durch die nicht plötzlich erfolgende Explosion der ganzen Ladung gegen das Zerspringen gesichert, während wiederum die sich entwickelnden Gase auf dem ganzen Wege, welchen das Geschoß im Rohre zurücklegt, mit wachsender Kraft auf dieses wirken. Es ist nun von großem Interesse, die Entwickelung der Dinge, wie sie vor- stehend nach ihren principiellen Gesichtspunkten gekennzeichnet wurden, zu verfolgen. Das Geschützwesen. Zunächst griff der Amerikaner Rodman wieder auf das glatte Rohr zurück. Hier- bei war es ihm hauptsächlich darum zu thun, durch Anwendung großer Caliber, großer Ladungen grobkörnigen Pulvers und stählerner Kugeln mehr erschütternd als durchbohrend auf die Schiffspanzer zu wirken. Sein Geschützrohr war aus Gußeisen und wurde in der Weise hergestellt, daß die Gußmasse sich um einen hohlen, von kaltem Wasser durchströmten Kern (Hohlguß mit innerer Kühlung) legte, was zur Folge hatte, daß die Erkaltung des Gußstückes allmählich von innen nach außen erfolgte, also eine größere Homogenität der Schichten erzielt wurde. Das Experiment erfüllte nicht den Zweck, denn die erwartete Erschütterung der Panzerung fand nicht statt und die Schußweite war eine geringe. Dies veranlaßte Armstrong , auf das von ihm erfundene Co ï lsystem zurück- zugreifen und dasselbe auf schwere Stücke in Anwendung zu bringen, und zwar als Vorderlader, da man damals die großen Schwierigkeiten, welche sich der Her- stellung gezogener Hinterlader schwersten Calibers in den Weg legten, als nicht zu beseitigen erachtete. Bei dem entscheidenden Wettbewerb in den Jahren 1864 und 1865, an welchem sich Armstrong und Whitworth betheiligten, trug des Ersteren Hunderttonnen-Geschütz den Sieg davon und eröffnete unter der Bezeichnung »Woolwich-Geschütz« die Reihe moderner Monstregeschütze. Schon wenige Jahre später trat der erste »Zwölfzöller« auf den Plan und erregte das Staunen der Militärtechniker. Es muß als ein merkwürdiges Zusammentreffen bezeichnet werden, daß in demselben Rohre, in welchem Armstrong 's »Woolwich-Geschütz« fertiggestellt wurde, Friedrich Krupp mit seinem Rundkeilverschluß die Handhabe gegeben hatte, auf welchem Wege die Construction von Hinterlade-Geschützen schwersten Calibers zu erreichen war. Das Krupp'sche Gußstahlrohr, die Anwendung prismatischen Pulvers und eine rationelle Verbesserung der Ringconstruction verhalfen dem Krupp'schen Hinterlader bald zum Siege (1868). Nach dem deutsch-französischen Kriege, in welchem Preußen zum erstenmale gezogene (21 Centimeter) Mörser mit Erfolg in Verwendung brachte, schritt es mit großem Eifer zur Neugestaltung der Feld-Artillerie (1873). Drei Jahre später erfand der österreichische General Uchatius die Stahlbronze , deren Verwendung für Geschützrohre sich als so außerordentlich befriedigend erwies, daß im Jahre 1877 die Neubewaffnung der gesammten österreichischen Feldartillerie mit Uchatius- Geschützen erfolgte. Auch die anderen Militärstaaten beeilten sich, ein geeignetes Feldartillerie-Materiale einzuführen. In Frankreich entschied man sich im Jahre 1877 für das System de Bange , doch trat später Canet mit einem Schnellfeuer-Geschütz hervor, von welchem weiter unten noch die Rede sein wird. In England wurde das 1869 eingeführte Feldgeschütz-Material System »Woolwich« (Vorderlader) im Jahre 1889 durch das 7‧6 Centimeter-Hinterlader-Geschütz verdrängt. Rußland führt in seiner Feldartillerie 9 und 10‧7 Centimeter-Geschütze ein, Italien Hartbronze- Kanonen von 7‧5 und 8‧7 Centimeter Caliber, welche 1889 an Stelle der früheren Erster Abschnitt. der einfachen Bronze und beziehungsweise der Krupp'schen stählernen Geschütze (vom gleichen Caliber) getreten waren. Die österreichische Uchatius-Feldkanone hat 9 Centimeter Caliber. Wir haben weiter oben erfahren, daß die Vergrößerung der lebendigen Kraft des Geschosses beim Auftreffen ein Factor sei, der sich aus der Endgeschwindigkeit und dem Geschoßgewicht ergiebt. Die hohe Fluggeschwindigkeit wird bedingt durch die Länge des Rohres und durch starke Ladungen langsam verbrennenden Pulvers. Welchen Einfluß die Verlängerung des Geschützrohres hat, mögen folgende Zahlen- angaben illustriren, welche sich auf die Krupp 'sche 28 Centimeter-Kanone be- ziehen: Die Vermehrung der Anfangsgeschwindigkeit um 155 Meter = 33 Procent hat also eine Zunahme der lebendigen Kraft von 3012 Metertonnen = 76 Procent zur Folge. Von der Vergrößerung des Calibers kommt man in neuerer Zeit eben wegen der Steigerung der Rohrlänge mehr und mehr zurück, da sich sowohl zu kolossale Rohrgewichte ergeben, als auch die Lebensdauer und die Sicherheit gegen Zerspringen durch die Anwendung geringerer Seelendurchmesser erhöht werden. Dagegen wird die Verwendung des rauchlosen Pulvers angestrebt, dem bisher nur die beim Verbrennen großer Ladungen entstehende hohe Temperatur entgegensteht, welche durch Abschmelzen des Rohrmaterials eine zu schnelle Abnützung herbeiführt. Wie groß die Wirkung dieses brisanten Pulvers ist, geht aus zwei Vergleichs- schüssen hervor, die mit der Krupp 'schen 30‧5 Centimeter-Kanone (L. 35) abge- geben wurden. Mit einer Ladung von 195 Kilogramm prismatischem Pulver wurde bei 455 Kilogramm Geschoßgewicht eine Anfangsgeschwindigkeit von 616 Meter erreicht, während mit nur 103 Kilogramm rauchlosem Pulver und derselben Granate eine Anfangsgeschwindigkeit von 681 Meter erzielt wurde. Die lebendige Kraft be- trug hierbei 8800, beziehungsweise 10.755 Metertonnen, während die Dicke einer vor der Mündung angebrachten schmiedeeisernen Platte 99‧3, beziehungsweise 116 Centimeter betragen konnte, um noch durchschlagen zu werden. Daß auch bei den kleineren Calibern mit den Verbesserungen Schritt ge- halten wurde, zeigen die neuen Schnellladekanonen , bei welchen nur rauchloses Pulver zur Anwendung kommt. Hat doch die Krupp 'sche 16 Centimeter-Kanone (L. 50) bei einem Geschoßgewicht von 40 Kilogramm und 8‧4 Kilogramm Geschütz- Das Geschützwesen. ladung eine Anfangsgeschwindigkeit von 800 Meter und eine lebendige Kraft an der Mündung von 1305 Metertonnen ergeben, wonach die Dicke einer zu durch- schlagenden Eisenplatte auf 36 Centimeter ermittelt ist. Derartige Geschütze, deren Feuergeschwindigkeit 8 Schuß in der Minute beträgt, sind also eigentlich noch den Panzergeschützen zuzurechnen. Es ist uns hier der willkommene Anlaß gegeben, einige Bemerkungen über das rauchlose Pulver anzubringen. Senden wir voraus, daß die Größe des Pulverkornes mit der absoluten Fig. 541. Proben von Würfelpulver und prismatischem Pulver. Größe der Ladung in einem ge- wissen Verhältniß stehen muß, wenn man bei kleinstem Gasdruck die größte Geschoßgeschwindigkeit erzielen will, so knüpfen wir an die weiter oben vorgebrachten Bemerkungen bezüglich der zu er- zielenden größten lebendigen Kraft auftreffender Geschosse an. Beim alten Schwarzpulver, das Jahr- hunderte lang allen an ein Schieß- präparat zu stellenden Anforde- rungen entsprach, konnte dem Grundsatze von der verschiedenen Körnergröße aus technischen Gründen nicht Genüge geleistet werden. Es leuchtet ein, daß je größer das Pulverkorn und je fester es verpackt ist, auch umso langsamer verbrennt, so kurz die Zeit auch sein und uns unmerkbar scheinen mag. So kam man darauf, und zwar für die schwersten Caliber Pulversorten mit entsprechend größeren Körnern herzustellen. Es entstand zunächst das grobkörnige Pulver und weiterhin das Würfelpulver und das prismatische Pulver , letzteres von einer Körnergröße, welche kaum mehr unsere eingelebten Vorstellungen von einem Pulverkorne deckte. Da aber die Gefahr nahe lag, daß so große Körner überhaupt nicht mehr gänzlich verbrennen würden, versah man sie mit einem Canale, oder mehreren Canälen, wodurch eine größere Brennfläche erzielt wurde. Um hierbei das Richtige zu treffen, mußte an dem Grundsatze festgehalten werden, daß je schneller ein Pulver verbrennt, es sich umso weniger zum Schießen eignet und sich den Sprengstoffen nähert, welche nicht treibend, sondern sprengend wirken sollen. Deshalb schlugen Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 44 Erster Abschnitt. auch alle Versuche, an Stelle des Schießpulvers einen brisanten Sprengstoff zu setzen, fehl. Die leitenden Gesichtspunkte für die Herstellung eines neuen Schießpulvers, das den heutigen an ein solches Präparat zu stellenden Anforderungen entsprach, waren: Die Fähigkeit des Präparates, dem Geschosse eine Anfangsgeschwindigkeit von circa 600 Meter zu ertheilen; möglichst niedere Gasspannung, um die Metall- stärke der Feuerwaffen in Grenzen zu halten, die deren Gewicht nicht zu einem übermäßigen steigerten; gefahrlose Handhabung des Präparates; möglichst geringe Rauchentwickelung beim Schusse. Alsbald begannen in den großen Militärstaaten die Versuche mit dem sogenannten »rauchlosen« Pulver, welches aber im Grunde genommen nur ein Fig. 542. Amerikanisches Würfelpulver. rauchschwaches Pulver ist. Im Jahre 1877 trat Frankreich mit einem Präparate dieser Art hervor, das von Vieille herrührte und für das kleincalibrige Lebel- gewehr eingeführt werden sollte. Alle Militärtechniker waren gespannt auf dieses Experiment, umsomehr als es hieß, das Präparat verbinde mit einer ganz be- deutenden Triebkraft die Vortheile, weder Rauch noch Knall zu entwickeln und der Waffe einen nur unbedeutenden Rückstoß zu verleihen. Hinterher zeigte es sich freilich, daß das Vieille'sche Pulver ein — Schießwollpräparat und die »Knall- losigkeit« eine Erdichtung war. Immerhin wurden die anderen Militärmächte, in erster Linie Deutschland und Oesterreich, auf eine Fährte gelenkt, auf welcher sie in den Besitz eines mindestens gleichwerthigen Schießpräparates gelangen konnten. Diese Anregungen hatten zur Folge, daß in erstaunlich kurzer Zeit eine ganz stattliche Reihe rauchloser Pulver in den Patentzeitschriften zu finden waren und in dieser Beziehung eine Erfindung die andere jagte. Das Geschützwesen. Von allen diesen Präparaten haben sich für Kriegszwecke nur zwei bewährt: das Nitrocellulosepulver und das Nitroglycerinpulver . Die Verwendung der Nitrocellulose zur Erzeugung rauchschwacher Pulver gründet sich auf deren Eigenschaft, mit Aceton, Essigäther u. s. w. gelatinöse Massen zu bilden, welche vermöge ihrer Plasticität jede gewünschte Formgebung gestatten, wodurch man im Stande ist, Körperchen, welche die Korn-, Stängelchen-, Scheibchen- oder Blättchen- form besitzen, herzustellen. Aus diesen Theilchen wird durch gelindes Erwärmen das Gelatinirungsmittel entfernt, wodurch die einzelnen Aggregate eine hornartige Härte und Festigkeit erhalten, so daß sie äußeren Einflüssen und mechanischen Ein- wirkungen in genügendem Grade zu widerstehen vermögen und nur eine so geringe Brisanz besitzen, daß man dieses Präparat für Schußzwecke in Anwendung bringen kann. Fig. 543. Amerikanisches rauchschwaches Pulver. Das Nitroglycerinpulver rührt von dem Sprengstofftechniker Alfred Nobel her. Der Grundgedanke der Verwendung des Nitroglycerins für rauchschwaches Pulver war für Nobel die Sprenggelatine. Der Erfinder versuchte, dem Nitro- glycerin größere Quantitäten Nitrocellulose einzuverleiben und fand, daß bei einem Procentsatze von circa 50 bis 60 Procent Nitrocellulose ein Präparat resultire, welches seiner geringen Brisanz wegen und mit Rücksicht auf seine sonstigen vorzüglichen Eigenschaften als Schießpräparat fungiren könne. Das Nobel'sche Pulver besitzt eine gelbliche Farbe und die Consistenz von Kautschuk, so daß es sich mit dem Messer schneiden läßt. Die Explosionsproducte sind beim Gewehrfeuer sehr wenig, bei größeren Ladungen der Kanonen etwas mehr sichtbar, und werden (wie es beim Schusse mit Nitrocellulosepulver der Fall ist) durch Condensation des Wasserdampfes beim Verlassen des Rohres und andere unbekannte chemische Ver- bindungen hervorgerufen. Diese »Rauch«-Wölkchen verschwinden indeß sehr schnell, 44* Erster Abschnitt. so daß man das Ziel sofort wieder anvisiren kann. Die Resultate, welche das Nobel'sche Pulver auf dem Schießplatze des Krupp 'schen Etablissements zu Meppen bei der Verwendung in Geschützen jeden Calibers lieferte, waren so glänzend und überraschend ausgefallen, daß sich dieses Präparat für Kriegszwecke Eingang zu ver- schaffen vermochte. Die beigefügten Abbildungen (Fig. 544 und 545) veranschaulichen den Unterschied, welcher beim Schusse mit gewöhnlichem Schwarz- und dem neuen rauchschwachen Pulver sich ergiebt. Die Arbeitsleistung des Nobel'schen Schießpulvers ist dreimal so groß wie die des Schwarzpulvers, und man kann daher, um die gleiche Anfangsgeschwindigkeit zu erhalten, im Gewichte der Ladung ganz bedeutend herabgehen. Vergleicht man in dieser Beziehung die Leistungsfähigkeit des Schwarzpulvers und des Nobel- pulvers, so ergeben sich aus den Schießversuchen die aus der beigegebenen Tabelle zu entnehmenden Zahlen, welche ein Bild geben über die Größe der Gasspannung und Ladung bei angestrebter gleicher Anfangsgeschwindigkeit. Ein in England in Anwendung stehendes Präparat, welches ebenfalls in die Classe der Nitroglycerinpulver gerechnet werden muß, ist das Cordit . Die leitende Idee für dieses Präparat war, höher nitrirte Nitrocellulose dem Nitro- glycerin einzuverleiben, als dies beim Nobel'schen Pulver der Fall ist. Da die höheren Nitrostufen der Baumwolle in Nitroglycerin nicht löslich sind, half sich der Erfinder in der Weise, daß er Schießwolle in Aceton gelatinirte und die er- haltene Gelatine dem Nitroglycerin einverleibte. Die plastische Masse wird gegen Siebplatten gedrückt und die resultirenden Fäden erhalten durch Abschneiden die erforderlichen Längendimensionen. Die Querschnittsdimensionen können durch ver- schieden große Sieböffnungen variirt werden. Ein Büschel von bestimmtem Gewichte dient dann als Ladung für Gewehre oder Geschütze. Bei den Versuchen mit dem Nobel'schen Pulver machte man die hochwichtige Erfahrung, daß man in der Würfelgröße ein vorzügliches Mittel besitze, die Geschütz- ladungen so zu regeln, daß bei dem relativ kleinsten Gasdruck die größte Anfangs- geschwindigkeit erzielt wird. Die Würfel brennen im Rohre an allen Flächen gleich- mäßig ab, so daß ein kleiner Würfel übrig bleibt, wenn die Körner zu groß Das Geschützwesen. waren. Mißt man die im Rohre zurückgebliebenen Reste, so kann man ohne weiteres bestimmen, welche Körnergröße dem Ladungsverhältnisse entspricht. Bei der 21 Centimeter-Marinekanone hat man zur größten Ladung Würfel von 20 Milli- Fig. 544. 30 ½ Centimeter-Kanone, Ladung 200 Kilogramm, gewöhnliches Schwarzpulver. meter Seitenlänge verwendet. Die Abbildung Fig. 541 zeigt, bis zu welchen Dimen- sionen die Würfel bereits fortgeschritten sind. Die anderen Abbildungen (Fig. 542 und 543) veranschaulichen verschiedene Formen von Einzelbestandtheilen rauchlosen Pulvers, bei welchen die Bezeichnung »Körner« kaum mehr anwendbar ist. Erster Abschnitt. Um die mechanische Wirkungsweise eines Geschützes, welche demselben durch den Schuß, also durch die Pulverladung, innewohnt, richtig beurtheilen zu können, ist die Kenntniß von der Einrichtung jenes Mittels, das den Schuß erst wirksam Fig. 545. 7‧5 Centimeter-Kanone, Ladung 0‧585 Kilogramm, rauchschwaches Pulver. macht — das Geschoß — nothwendig. Von den Arten der Geschosse, ihrer Größe, ihrer Durchschlagskraft u. s. w. war im Vorhergehenden bereits mehrfach die Rede. Es handelt sich nun darum, hierüber Näheres mitzutheilen. Den ersten Umschwung in der Geschoßfabrikation führte Gruson der Gründer und frühere Das Geschützwesen. Eigenthümer des nach ihm benannten großartigen Werkes zu Magdeburg-Buckau (jetzt Krupp'sches Besitzthum) herbei, und zwar durch den sogenannten »Hartguß«. Wir kommen auf das Wesen dieser Technik weiter unten, gelegentlich der Besprechung des Panzerschutzes für Landbefestigungen, zurück und erwähnen in Kürze, daß Gruson den Hartguß zunächst für Geschosse anwendete. So entstand die Hartgußgranate , deren Material Gußeisen besonderer Mischung ist, das beim Gießen in dickwandige Eisenformen Fig. 546. Photographie eines Projectils im Fluge. (Von Prof. E. Mach in Prag.) in Folge der anfänglichen schnellen Abkühlung eine fingerdicke, nach innen zu allmählich in Graueisen über- gehende Schicht der weißen, harten Kohlenstofflegirung erhält. Diese Gra- nate stellt sich sonach als ein Körper von festem und zähem Gußeisen, mit einer Kopfhaut von der Härte des Kieselsteines dar. Es ist begreiflich, daß an die Erfindung der Hartgußgranate große Erwartungen gestellt wurden, die sich in der That auch erfüllten, so lange die Panzerfabrikation noch nicht jenen Grad der Vollkommenheit erreicht hatte, der ihr zur Zeit eigen ist. Die Gruson'sche Hartgußgranate konnte nur gegen relativ schwachen, aus weichem Eisen bestehenden Panzerschutz mit Erfolg in Anwendung gebracht werden, während sie sich gegenüber den modernen Panzern als völlig wirkungslos erwies. Es handelte sich also darum, durch einen besonderen metallurgischen Proceß ein Material zu gewinnen, welches dem Geschosse Eigen- schaften verlieh, die es geeignet machten, einerseits durch Härte den Widerstand des Stahles der Panzerungen zu überwinden, anderseits durch einen gewissen Grad von Zähigkeit vor dem Zerschellen bewahrt zu bleiben. Diese Zähigkeit sollte jedoch nicht so groß sein, daß das Geschoß Stauchungen erfuhr, wodurch seine Durch- schlagskraft sehr herabgedrückt würde. Das Resultat der diesfalls zu lösenden Aufgabe war die Krupp 'sche Stahlpanzergranate . Ihre Fabrikation ist Geheimniß der Fabrik, doch weiß man, daß dieses Geschoß Festigkeit, Härte und Zähigkeit in so günstiger Vereini- gung aufweist, daß ihr weder die Compoundplatte, noch die massigen Hartguß- Erster Abschnitt. platten auf die Dauer Widerstand leisten können. Das Material ist Tiegelstahl von besonderer Zusammensetzung, und besteht die eigentliche Schwierigkeit in der nachträglichen Härtung des vorgeschmiedeten und in der Geschoßdreherei fertig- gestellten Geschosses. Diese Schwierigkeiten wachsen mit der Größe des Objectes. Ueber die Wirkung der Krupp'schen Stahlpanzergranaten verweisen wir auf das gelegentlich der Besprechung der Schiffspanzer Gesagte (S. 620). Fig. 547. Spitzbombe für Stahl- bronze-Mörser. Fig. 548. Ecrasitgeschoß. Fig. 549. Shrapnel für Mörser. Fig. 550. Gußform für den ersten (1869) gezogenen eisernen Hinter- lade-Mörser. Die Stahlpanzergranate ist diejenige Geschoßgattung, welche in erster Linie vermöge ihrer großen Durchschlagskraft gegen die stärksten Panzer oder sonstigen Metallconstructionen wirken soll. Die Bezeichnung »Granate« erhielt dieses Geschoß, weil es zuweilen, aber nicht immer, mit einer Sprengladung versehen wird, welche im Momente des Geschoßaufschlages zur Entzündung kommt. Sie ist daher immer ein Hohlgeschoß, was an sich schon obige Bezeichnung motivirt. Es liegt auf der Hand, das ein solches Geschoß gegen gewöhnliche Hindernisse, vornehmlich aber gegen lebende Ziele nicht mehr ausrichtet, als ein gewöhnliches Vollgeschoß gleichen Das Geschützwesen. Calibers. Zu dem vorbedachten Zwecke wendet man daher Projectile an, welche mit einem sogenannten »Zeitzünder« versehen sind, d. h. einer an der Spitze des Geschosses angebrachten Vorrichtung, durch welche das Projectil in dem beim Zielen vorausberechneten Momente zur Explosion gebracht wird. Es ist dies die Zünder- granate . Zur Erhöhung der Wirkung wendet man in neuester Zeit als Spreng- Fig. 551. Glattes Mörserrohr. Fig. 553. Profil der Bohrung mit Wechsel- zügen. Eiserne Spitzbombe ohne Mantel. Fig. 554. Spitzhohlgeschoß (Spitzbombe). ladung vielfach statt des gewöhnlichen Schwarzpulvers brisante Sprengstoffe an, welche den einzelnen Sprengstücken eine so bedeutende lebende Kraft vermitteln, daß sie senkrecht zur Schußrichtung, ja selbst nach rückwärts getrieben werden. Dadurch wird jede Deckung geradezu illusorisch. Neben der Granate, mit Zeit- oder Anschlagzünder, ist als besonders wirk- sames Geschoß das Shrapnel zu nennen. Es unterscheidet sich von der vor- genannten Geschoßgattung dadurch, daß das Innere außer der Sprengladung noch Erster Abschnitt. eine Füllung von kleineren Hartblei- oder Zinkkugeln enthält. Eine besondere Abart ist das Hülsen-Shrapnel, welches so construirt ist, daß nicht wie beim gewöhnlichen Shrapnel das ganze Geschoß durch die Sprengladung im absteigenden Aste der Flugbahn zerrissen und die Füllladung gegen das Ziel geschleudert wird; es wird vielmehr nur die Spitze des Projectils abgerissen und die Füllladung auf diese Weise durch die Sprengladung aus dem ganz verbliebenen cylindrischen Theil des Projectils erneuert verschossen. Hierdurch entsteht eine sehr geringe Streuung der Füllgeschosse, wodurch sich diese Geschoßgattung zum Beschießen von gegen den Flachschuß gedeckten lebenden Zielen besonders eignet. Sie findet demgemäß vorzugs- weise bei Belagerungsmörsern Verwendung. Fig. 555. Gezogener eiserner Hinterlad-Mörser (Seiten- ansicht und Längsdurchschnitt). Bezüglich der Geschosse dieser Mörser (»Bomben«) ist einzuschalten, daß mit Einführung der gezogenen Rohre, be- ziehungsweise der Hinterlader, eine lange Zeit der Experimente platzgriff. Wir können in dieselben nicht näher eingehen, doch dürften die nachfolgenden, in Oester- reich ausgeführten Experimente zur Klärung der Angelegenheit das Ihrige beitragen. Nach Einführung der Hinter- ladekanonen in Oesterreich übertrug man deren Constructionsprincipien auch auf die Mörser, beziehungsweise auf die Geschoß-Mantelfläche. Letztere bestand aus einer an den Geschoßkern ange- gossenen dicken Hülle aus Blei, deren Durchmesser größer war als das Caliber der Bohrung. Es wurde also das Geschoß nicht durch Warzen in Drehung versetzt, die in den Zügen der Rohrbohrung schleiften, sondern der Bleimantel des Geschosses mußte sich beim Schuß erst in die Züge einpressen, wodurch natürlich die Führung genauer wurde. Unter solchen Umständen hätte man das Geschoß natürlich nicht laden können, es hätte ja einen zu großen Durchmesser gehabt. Man gab also dem Geschoß diesen großen Durchmesser nicht an seinem ganzen Umfange, sondern nur an einzelnen Stellen, das heißt, man schnitt in den Bleimantel breite Furchen ein, zwischen je zwei, wobei immer der Theil des Bleimantels hervorragte, der bestimmt war, sich in die Züge des Rohres einzupressen und das Geschoß in der Bohrung zu führen. Damit nun diese hervorragenden Geschoßleisten beim Laden einen Platz fanden, mußten in die Bohrung breite Furchen eingeschnitten werden, und nur der übrig bleibende Theil derselben konnte mit Zügen versehen werden. Der rückwärtige Theil der Bohrung (Geschoßlager) war weiter ausgearbeitet, so daß das einge- führte Geschoß sich darin frei lagern und drehen konnte; denn nach dem Laden Das Geschützwesen. mußten ja die Geschoßmantelleisten durch eine kleine Drehung des Geschosses hinter die mit Zügen versehenen Leisten der Bohrung gestellt werden, so daß die ersteren sich in die Züge der letzteren einpressen konnten; dabei stimmten dann die breiteren Furchen im Geschoßmantel natürlicherweise mit jenen in der Bohrung überein. Fig. 556. 21 Centimeter stahlbronzener Mörser. Die Versuche mit diesem Geschosse ergaben zwar eine größere Treffsicherheit als mit der früheren, aus glatten Mörserrohren geschossenen Rundbombe, doch er- wies sich das System als sehr verbesserungsbedürftig. Die Gelegenheit hierzu ergab sich mit Einführung des Bogenzugsystems bei den Feldgeschützen, worüber früher die Rede war (S. 685). Es wurde ein 23 ½ Centimeter-Versuchsmörser mit Bogenzügen hergestellt, und wog die dazugehörige Bombe (Fig. 552) 75 Kilo- gramm. Beim Werfen in sehr hohe Flugbahnen fielen die Geschosse mit dem Erster Abschnitt. Boden zuerst auf die Erde und die Treffgenauigkeit war überhaupt nicht zu- friedentellend. Es wurde jahrelang fortexperimentirt, bald das Wechselzug-, bald das Bogenzugsystem in Anwendung gebracht, das Geschoß statt mit Bleiringen mit Bronzeringen versehen, an Stelle der hölzernen Blockschleife eine solide eiserne Wandschleife (das Gestell des Mörsers) gesetzt u. s. w. Erst als man auch für die Mörser das Hinterladesystem annahm, kam man zu einem befriedigenden Re- sultate (1873). Das Geschoß hatte wieder den schon einmal in Versuch genommenen Bleimantel, der sich beim Schusse in die Züge der Bohrung preßte und dem Ge- schosse die gewünschte Drehung gab. Da aber das Blei die Züge verschmierte, Fig. 557. Treffer aus einem 21 Centimeter-Hinterlade-Mörser. (Wirkung auf die Eindeckung. Seitenansicht.) Fig. 558. Wirkung auf die verticale Stirnmauer. Vorderansicht. wurden (1878) Spitzbomben mit kupfernen Ringen, welche die Führung des Geschosses in der Bohrung übernahmen, eingeführt. Zur Erzielung einer größeren Sprengwirkung wurde gleichzeitig als Füllmaterial für die Bomben statt dem herkömmlichen Sprengpulver Sprenggelatine verwendet. Aber auch hierbei blieb man nicht. Im Jahre 1880 wurden in Oesterreich Mörser aus Stahlbronze eingeführt, und auch in den anderen Staaten entschied man sich für die stählernen Mörser. Es mag erwähnt werden, daß die österreichi- schen Stahlbronzemörser allen in anderen Staaten eingeführten Mörsern gleichen Calibers überlegen sind. Der 9 Centimeter-Mörser wirft seine Geschosse 1 ½ Kilo- meter weit, der 15 Centimeter auf 3 ½ Kilometer, der 21 Centimeter auf 6 ½ Kilo- meter. Die Geschosse sind beziehungsweise 7, 40 und 94 Kilogramm schwer. Eine Das Geschützwesen. einzige 21 Centimeter-Ecrasitspitzbombe ist im Stande, ein 1 Meter dickes Ziegel- gewölbe mit 2 ½ Meter dicker Erddecke (Spannweite 2 Meter) total zu zerstören und dies auf eine Länge von über 2 Meter, d. h. eine solche Bombe bläst beiläufig 15 Cubikmeter widerstandsfähiges Material theils in die Luft, theils in den geschützt sein sollenden Raum hinein. Ein ganz eigenartiges Geschütz ist der österreichische 9 Centimeter-Belagerungs- mörser (Fig. 9, S. 15). Kaum eine halbe Mannshöhe hoch, kann er sehr leicht bei Aufmontirung einer Achse mit zwei Rädern sammt der Bettung von einem Manne wie ein Schiebkarren fortgebracht werden. Der Mörser wirkt gegen bewegliche Ziele (Truppen), die durch vorliegende Deckungen gegen den Schuß (Flachfeuer) geschützt Fig. 559. 21 Centimeter eiserner Hinterlade-Mörser in der zugehörigen Schleife (Ladestellung). Fig. 560. Spitzbombe für nebenstehenden Mörser. sind und daher nur durch den Wurf (Steilfeuer) gefährdet werden können. Die hierzu verwendete Geschoßgattung ist das weiter oben erwähnte Hülsen Shrapnel. ... Der 15 Centimeter-Mörser ist das Hauptwurfgeschütz auf mittleren und großen Distanzen: der 21 Centimeter-Mörser wird dort angewendet, wo es sich um die Erzeugung von großen Sprengtrichtern handelt, oder wo besonders widerstands- fähige horizontale Deckungen (Betonmauerwerk, Mouniergewölbe) eingeworfen werden sollen. Die Granate dieses Mörsers, welche 94 Kilogramm schwer ist und 4‧4 Kilogramm Sprengladung enthält, erzeugt im mittleren Erdreich einen Spreng- trichter von 1‧47 Meter Tiefe und 3‧8 Meter Durchmesser. Ueber ihre Wirkung gegen Ziegelgewölbe (mit Erddecke) wurde weiter oben berichtet. Die schweren Geschütze werden in Bezug auf ihre specielle Verwendungs- weise in vier Gruppen eingetheilt: in Belagerungsgeschütze , Vertheidigungs- geschütze , Küstengeschütze und Schiffsgeschütze . Alle diese Waffen weisen in den verschiedenen Militärstaaten die mannigfaltigsten Typen auf, wodurch eine eingehende Erster Abschnitt. Besprechung derselben unmöglich wird, beziehungsweise den Rahmen dieses Werkes weit überschreiten würde. Die in Fig. 561 abgebildete Type ist die österreichische 12 Centi- meter-Belagerungskanone, welche mit der 15 Centimeter-Kanone und dem als Haubitze construirten, bedeutend kürzeren 18 Centimeter-Geschütz den Bestand der österreichischen Belagerungsartillerie bildet. Die Rohre sind aus Stahlbronze erzeugt, mit dem Flachkeilverschluß versehen und für die Centralzündung eingerichtet. Die 12 Centi- meter- und 15 Centimeter-Rohre sind gleich construirt und unterscheiden sich von einander nur durch die Abmessungen der einzelnen Theile. Sie sind der äußeren Fig. 561. Angriffsbatterie mit 21 Centimeter-Belagerungsmörser M. 1880 (Oesterreich-Ungarn). Form nach den Feldkanonen ähnlich, jedoch rückwärts durch einen Schlußring (siehe die Abbildung) verstärkt, an welchem unten der Richtschraubenkolben befestigt ist, um das Bodenstück des Rohres mit der Richtmaschine verbinden zu können. Im Innern sind die Rohre, um Ausbrennungen zu verhüten, der ganzen Länge nach mit einer Futterröhre von Bronze versehen, doch hat man bei Nachschaffung des Bedarfes an solchen Geschützen von dieser Einrichtung abgesehen; die Futterröhre wird nämlich diesfalls erst dann eingesetzt, wenn die Bohrung schadhaft geworden ist. Das 18 Centimeter-Rohr ist, wie erwähnt, als Haubitzrohr bedeutend kürzer als die vorbeschriebenen, es besitzt keinen Schlußring, und das Bodenstück des Rohres ist mit der Richtmaschine nicht verbunden. Die Lafetten aller drei Geschütze Das Geschützwesen. sind eiserne, hohe Batterielafetten mit einer Feuerhöhe von fast 2 Meter. Die Lafette ruht auf einer eisernen Achse sammt Rädern. Zur Einschraubung des Rücklaufes dient die hydraulische Bremse, deren Bremscylinder mit einem Pivotbolzen der Bettung verbunden ist. Die Kolbenstange ist von einem Zugrohr umgeben, das mit der Lafette gelenkig verbunden ist. Beim Schusse spielt das Geschütz ungebremst so Fig. 562. 12 Centimeter Minimalscharten-Lafette (Oesterreich-Ungarn). weit zurück, bis eine Grenzschraube am Zugrohre an den Kopf der Kolbenstange anstößt; im weiteren Rücklaufe nimmt die Grenzschraube die Kolbenstange mit, wodurch das Glycerin durch die im Bremskolben befindlichen Canäle gepreßt und die Hemmung des Rücklaufes bewirkt wird. Die letztere wird übrigens durch Anwendung von Rück- laufkeilen wesentlich unterstützt. Da die Belagerungskanonen transportfähig eingerichtet sein müssen, erhalten sie eine eiserne Fahrprotze. Als Munition dienen Stahlgranaten, Hartgußgranaten, Bombengranaten, Ecrasitgranaten, Shrapnels und Kartätschen. Die Zünder sind ziemlich complicirt construirt, weshalb wir ihre Beschreibung übergehen. Erster Abschnitt. Zum Belagerungspark gehören auch die Mörser , von welchen weiter oben die Rede war. Die Lafettirung besteht vorwiegend aus sogenannten »Schleifen«, eisernen Wänden ohne Räder, doch kommt auch die Fahrprotze in Anwendung. Da bei Mörsern nur dann von einem Rücklaufe die Rede sein kann, wenn der Ele- vationswinkel 45° nicht überschreitet, ist diesfalls für die Hemmung des Rücklaufes durch eine hydraulische Bremse vorgesorgt. Als Munition dienen außer den bereits erwähnten Geschossen auch (beim 21 Centimeter-Mörser) gewöhnliche Bomben und Ecrasitbomben, als Zündmittel dient für alle Caliber das »Brandel«. Fig. 563. Zwischenbatterie mit 9 Centimeter-Feldkanonen M. 1875. (Oesterreich-Ungarn.) Die Vertheidigungsgeschütze unterscheiden sich bezüglich ihrer Ver- wendungsweise von den Belagerungsgeschützen vornehmlich dadurch, daß sie keine wesentlichen Ortsveränderungen zu bewerkstelligen haben. Dementsprechend ist ihre Lafettirung eine entsprechend abweichende, indem außer den beschriebenen hohen Batterie- (und gewöhnlichen Batterie-) Lafetten sogenannte »Festungslafetten« und Depressionslafetten in Anwendung kommen. Fig. 564 veranschaulicht die Anwendung einer österreichischen Festungslafette. Das ganze Geschütz ruht hier auf einem auf Rädern beweglichen Rahmen, durch welchen die Seitenrichtung beim Zielen er- möglicht wird. Die Depressionslafetten dienen für den Tiefschuß (unter der Hori- zontalen), und ruht ihr rückwärtiger Theil auf einem Schleif-(Reih-)balken, der Das Geschützwesen. an seinem vorderen Ende mittelst eines Pivots an die Bettung festgemacht ist, in der Längenmitte auf kleinen Rollen ruht, die auf einer Schiene laufen, während der rückwärtige Theil des Balkens, um dem Geschütze die erforderliche Seitenrichtung geben zu können, mit einem Richthebel versehen ist. Eine ganz eigenartige Construction weisen die Minimalschartenlafetten auf. Die Bedeutung der Minimalschartenkanonen, welche ausschließlich in Panzer- thürmen, Panzerbatterien u. s. w. in Verwendung kommen, wird weiter unten gewürdigt werden. Die diesbezüglichen Constructionen weichen in den verschiedenen Militärstaaten sehr von einander ab. Die in Fig. 562 abgebildete österreichische Fig. 564. Festungslafette (Oesterreich-Ungarn). Minimalschartenlafette hat einen eisernen Rahmen, der als Unterlage für die eigentliche Lafette dient und die Drehung des Geschützes im horizontalen Sinne um einen unterhalb der Schartenmitte gelegenen Pivot gestattet. Er besteht aus zwei entsprechend verbundenen Rahmenwänden, deren obere Fläche als Gleitflächen für die Lafette dienen. Der Rahmen ruht auf Rollen, welche auf Bettungsschienen laufen. Die bemerkenswertheste Einrichtung an dieser Construction ist die, daß das mittelst einer Hebevorrichtung in der Verticalen bewegte Rohr beim Heben und Herablassen sich um einen nahezu in der Mitte der Schartenenge gelegenen Punkt dreht und beim Rück- und Vorlaufe der Lafette das Rohr sich nicht parallel zu seiner ursprünglichen Stellung, sondern sich stets so bewegt, daß die Rohrachse bei jeder Elevation oder Senkung durch die Schartenenge hindurchgeht. Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 45 Erster Abschnitt. Den Vertheidigungsgeschützen ähnlich construirt — weil dem gleichen Zwecke dienend — sind die Küstengeschütze . Der Unterschied besteht nämlich in dem größeren Caliber, das bei letzteren in Anwendung kommt, da es sich hier um den Kampf einerseits mit dem widerstandskräftigen Panzerschutz der Schlachtschiffe, andererseits um die starke Armirung der letzteren handelt. Auch bei diesen Typen bildet die Lafettirung ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal. Die in Fig. 566 abgebildete österreichische 15 Centimeter-Küstenlafette ist als sogenannte »Ausrenn- lafette« construirt und wird auf einem eisernen Küstenrahmen gebraucht. Sie be- Fig. 565. Mobile Angriffsbatterie mit 12 Centimeter-Belagerungskanonen M. 1880 (Oesterreich-Ungarn). steht aus zwei Lafettenwänden, welche durch Querbleche und ein Bodenblech ver- bunden sind, ferner aus einer Zahnbogen-Richtmaschine und einem Elevationszeiger. An den beiden Längswänden des Bodenbleches befindet sich je ein Schleifblech, mit welchem die Lafette auf dem Rahmen aufruht. Um das Abheben der Lafette vom Rahmen beim Schusse zu verhindern, sind außen an den Lafettenwänden zwei Bodenklammern befestigt, welche die Rahmenwände von außen umgreifen. Zur leichteren Bewegung der Lafette auf dem Rahmen besitzen die Lafetten- wände vorn und rückwärts zwischen ihren Wandblechen je eine Rolle; die rück- wärtigen Rollen sind auf excentrische Achsen aufgeschoben und tragen außen zum Verstellen derselben eine Handspeichenhülse. Dadurch können die Rollen in zwei Das Geschützwesen. bestimmte Stellungen fixirt werden: in der einen Stellung ruht die Lafette auf den Rollen und kann auf dem Rahmen bewegt werden, in der zweiten Stellung (der Schußstellung) ruht die Lafette auf den Schleifblechen auf. Auch die vorderen Rollen sind auf excentrische Achsen aufgeschoben, und wird die Stellung durch eine Schraube derart fixirt, daß die Rollen mit den Schleifblechen gleichzeitig auf den Rahmenwänden aufliegen. Das Geschütz ist mit einer hydraulischen Bremse, behufs Hemmung des Rücklaufes, ausgerüstet. Fig. 566. 15 Centimeter-Küstenkanone (Oesterreich-Ungarn). Während die hier beschriebene 15 Centimeter-Küstenkanone aus Stahlbronze erzeugt ist, hat die in Fig. 567 abgebildete 24 Centimeter-Küstenkanone ein guß- stählernes Rohr nach dem Ringsystem Krupp construirt. Am Mittelstück der Kern- röhre sind zwei Lagen von Ringen, am Ende des Laderaumes ist über die zweite Ringlage noch der Schlußring aufgezogen. Lafette, Rahmen und Bettung sind den diesbezüglichen Constructionen des vorbeschriebenen Geschützes ähnlich. Außerdem verfügt das österreichische Küstengeschützmaterial über 28 Centimeter-Küsten- und Minimalschartenkanonen, aus Tiegelgußstahl nach der Mantelringconstruction erzeugt und mit dem Krupp'schen Rundkeilverschluß versehen. Als schweres Wurf- geschütz ist der 28 Centimeter-Stahlbronze-Küstenmörser zur Einführung bestimmt. 45* Erster Abschnitt. Seine Einrichtung gleicht im Großen und Ganzen dem 21 Centimeter-Belagerungs- mörser. Zu den Schiffsgeschützen übergehend, erinnern wir an das bei Besprechung der Schiffspanzer Vorgebrachte. Der Wettstreit zwischen dem Schiffsingenieur und dem Artillerieingenieur ist noch lange nicht ausgefochten und hat, wie wir im Ver- laufe dieses Abschnittes noch sehen werden, zu den vielseitigsten Auskunftsmitteln in der Construction der artilleristischen Angriffsmittel geführt. Auch die Entwicke- lung des Torpedowesens — sowohl im Sinne des Angriffes als der Abwehr — tritt hier als schwerwiegender Factor auf. Es ist begreiflich, daß bei diesem end- Fig. 567. 24 Centimeter-Küstenkanone (Oesterreich-Ungarn). losen Kampfe zwischen Schiffs- und Geschützconstructeur die maritimen artilleristi- schen Kampfmittel ins Ungeheure wachsen mußten. Wir sehen daher bei der Armi- rung der Schlachtschiffe wahre Ungethüme, jedoch auch alle möglichen anderen Typen, welche verschiedenen Zwecken dienen und unter welchen, wie wir noch sehen werden, die Schnellfeuergeschütze eine besondere Rolle spielen. Eine besondere Construction erfordert bei allen Schiffsgeschützen die Lafette, welche allgemein den Namen »Rapert« führt und bei dem beschränkten Raume des Geschützstandes (besonders in den Drehthürmen) ein gänzliches Beseitigen des Rück- laufes zulassen muß. Zu diesem Zwecke ist die hydraulische Lafette auf einer Platt- form montirt, welche innerhalb des Thurmes drehbar und mit einer kuppel- förmig gewölbten, die Thurmwand überhöhenden starken Stahlblechdecke überdeckt ist. Die eigentliche, aus Rapert und Schlitten zusammengesetzte Lafette ist auf der Das Geschützwesen. Plattform in horizontaler Richtung unbeweglich, hingegen in verticaler Richtung um zwei das vordere Ende des Schlittens mit der Plattform verbindende hori- zontale Pivotbolzen drehbar, so daß das Ganze, für diese Bewegung einheitliche, aus Schlitten, Rapert und Rohr bestehende System mit seinem rückwärtigen Theil gehoben und gesenkt werden kann. Das Rapert hat auf dem Schlitten die Be- wegungsfreiheit nach vor- und rückwärts. Es herrschen übrigens die manigfaltigsten Spielarten bezüglich der Mon- tirung und gilt die vorstehende Beschreibung vornehmlich für das in Fig. 570 dar- gestellte österreichische Thurmgeschütz »Kronprinz Rudolf« mit dem Krupp 'schen Fig. 68. 9 Centimeter-Stahlbronze-Geschütz, klar zum Feuern (Öesterreich-Ungarn). 48 Tonnen Geschütz (Caliber = 30‧5 Centimeter), das in Fig. 569 unmontirt dar- gestellt ist. Bei dieser Construction feuert das Geschütz »über Bank« und kann von einem Thurmgeschütz nicht eigentlich die Rede sein. Das Rapert ist aus Stahlguß in einem Stücke hergestellt. Es bildet eine horizontale Platte, welche zwei Sättel zur Einlagerung des Rohres trägt. Die Kolbenstange der hydraulischen Bremse ist an einem in den Schlitten herabreichenden Kasten des Raperts befestigt. Der Schlitten ist aus zwei Tragbalken zusammengesetzt, welche ungefähr in der Längen- mitte und am rückwärtigen Ende durch Träger des hydraulischen Bremscylinders miteinander verbunden sind. In einem, zwischen den Tragbalken befindlichen Kasten ist der hydraulische Bremscylinder eingeschraubt. Der Schlitten ist mit der Plattform durch einen horizontalen Bolzen beweglich verbunden. Am rückwärtigen Theile trägt jeder Erster Abschnitt. Bolzen einen Ansatz zur Führung des Schlittens innerhalb der Längentragwände der Plattform beim Eleviren des Geschützes. Jeder Tragbalken ist mit zwei Puffern versehen. Die Plattform stellt sich als eine aus starkem Eisenblech hergestellte kreis- runde Scheibe dar, welche durch einen auf derselben befestigten concentrischen Ring verstärkt ist. Auf der Plattform sind am Umfange der Mantel, die Längentrag- wände und die von diesen bis zum Mantel reichenden vier Querwände befestigt. Letztere tragen die Panzerkuppel, welche — gleich der Plattform — im mittleren Theile ausgeschnitten ist. Dieser Ausschnitt bildet den sogenannten »Geschütz- brunnen;«. Fig. 569. Krupp'sches 48 Tonnen-Geschütz. Im Bereiche des Geschützbrunnens sind die Längenwände kastenartig nach abwärts verlängert und ist hier der hydraulische Elevationscylinder gelagert. An der rückwärtigen Wand dieses Kastens ist ein Rahmen als Träger des Central- pivots derart befestigt, daß der Mittelpunkt desselben mit dem Centrum der Platt- form übereinfällt. Sämmtliche Bewegungen des Geschützes erfolgen durch hydrau- lische Vorrichtungen, und werden alle diese Mechanismen durch die im Schiffsraume aufgestellten hydraulischen Pumpen bethätigt. Zum Eleviren dienen zwei hydraulische Kolben. Die Elevationscylinder, in welchen sich diese Kolben bewegen, sind an der Plattform befestigt, die mit Kugelgelenk in die eingesetzten Stempel greifen mit runden Köpfen von unten in Ausnehmungen der Schlittentragbalken ein. Beim Hervortreten der Kolben in Folge des hydraulischen Druckes wird das Hintertheil des Geschützes gehoben und hierdurch dem Rohre eine Depression ertheilt. Gehen Das Geschützwesen. dagegen die Kolben in die Cylinder nach abwärts, so wird das Hintertheil des Geschützes gesenkt, d. h. dem Geschützrohr eine Elevation ertheilt. Die hydraulische Bremse zum Hemmen des Rücklaufes ist am Schlitten, die Kolbenstange am Rapert befestigt. Die Bremse ist eine doppeltwirkende hydraulische Maschine (Ventilbremse mit constantem Widerstand) und kann vermöge dieser ihrer Einrichtung zum Aus- und Einholen (Zurück- und Vorführen) verwendet werden. Das Backsen, das Stoppen, das Zuführen der Munition, sowie das Setzen derselben geschieht ebenfalls durch hydraulische Vorrichtungen. Als Munition führt die 30'5 Centimeter-Schiffskanone Stahl- und Zündergranaten. Die Schußladung besteht Fig. 570. Thurmgeschütz auf Sr. Majestät »Kronprinz Rudolf«. aus 140 beziehungsweise 136 Kilogramm braunem prismatischen Pulver, welche in zwei gleichen Kardusen zu 70, beziehungsweise 68 Kilogramm manipulirt wird. Die Sprengladung der Stahlgranate besteht aus 28 Säckchen Gewehrpulver im Gewichte von 4‧8 Kilogramm, jene der Zündergranate aus 47 Säckchen ordinären Geschützpulvers im Gewichte von 16‧2 Kilogramm. Das Abfeuern des Geschützes erfolgt entweder mittelst eines Frictionsbrandels oder mittelst eines elektrischen Brandels. Das beschriebene Geschütz, als Repräsentant der schweren Typen, zeigt im Principe alle Einrichtungen der genannten Geschützclasse. In dieselbe Classe gehören ferner das 26 Centimeter, 24 Centimeter (mit drei Rohrlängen) und 21 Centimeter- Krupp 'sche Gußstahlgeschütz, sowie die schmiedeeisernen 18 Centimeter- und 23 Centi- meter-Vorderlader, System Armstrong . Erster Abschnitt. Das Charakteristische an der modernen Schiffsarmirung ist die Verwendung weniger, aber sehr schwerer Geschütze, sowie verschiedener kleinerer Typen für specielle seetaktische Zwecke. Wie man früher dem Gegner die Breitseite zuzukehren suchte, um die in langer Reihe in Batterien und in Etagen (Decken) übereinander aufgestellten zahlreichen Geschütze zu voller Wirkung kommen zu lassen, so kehrt man heute dem Feinde den Bug oder das Heck zu. Die Seitenwand ist eine zu große, nicht leicht zu fehlende Zielfläche. Die Bekleidung der Seiten- und Thurm- wände mit einem Panzer erfordert Geschütze mit einer sehr großen Durchschlags- kraft der Geschosse. Man wählt daher die Kaliber der Geschütze so groß, daß ihre Geschosse im Stande sind, auf allen Gefechtsentfernungen einen Panzer zu durch- schlagen. Mit dem Kaliber wächst aber auch das Gewicht der Geschütze und ihrer Munition, so daß, wie leicht begreiflich, die Anzahl so schwerer Kanonen eine beschränkte ist. In der Regel sind es vier, welche paarweise auf Drehscheiben in zwei Thürmen vor und hinter den Schloten stehen. Die Schiffsgeschütze erreichten innerhalb kurzer Zeit ungeheuere Dimensionen. Den Anfang machte die italienische Marine, indem für die »Italia« je zwei auf zwei Drehscheiben placirte Kanonen von 43 Centimeter Caliber und 103 Tonnen Rohrgewicht als Hauptarmirung gewählt wurden. Diese Geschütze sind von Arm- strong gefertigt und bestehen aus einem von schmiedeeisernen Ringen umgebenen Stahlrohre. Entgegen den von Armstrong für die beiden älteren Panzerkolosse der italienischen Marine »Duilio« und »Dandolo« gelieferten Vorderladegeschütze von 45 Centimeter Caliber, sind die der »Italia« Hinterlader. Von der Größe dieser Ungethüme geben die nachstehenden Daten eine Vorstellung. Das Rohr hat eine Länge von nahezu 12 Meter; der Laderaum hat, um die 1000 Kilogramm schwere Granate und die Pulverladung von 375 Kilogramm aufnehmen zu können, eine Länge von 2‧6 Meter und einen Durchmesser von 48 Centimeter. Da die Ge- schütze zu beiden Seiten des Drehzapfens der Plattform stehen, so ist es noth- wendig, daß beide gleichzeitig abgefeuert werden. Dies geschieht deshalb mittelst elektrischer Zündung durch einen Druck auf einen Knopf. Schon im Frühjahre 1879 hatte die Krupp 'sche Fabrik eine 40 Centimeter- Kanone von 25 Meter Länge und einem Gewicht von 72 Tonnen hergestellt. Die Schießversuche wurden mit 778 Kilogramm schweren Panzergranaten mit 220 Kilo- gramm Ladung angestellt; sie ergaben eine Anfangsgeschwindigkeit von 519 Meter und eine lebendige Kraft von 10.684 Metertonnen. Bald darauf ging man indessen zu 35 Caliber langen Kanonen über, und es war kein Grund vorhanden, von dem als zutreffend erkannten Grundsatze die 40 Centimeter-Kanone auszuschließen. Man war überzeugt, daß dieselbe die von Armstrong für die italienische Marine gelieferten 100 Tonnen-Geschütze von 45 und 43 Centimeter Caliber an Wirkung übertreffen würden. Dazu kommt, daß eines der Riesengeschütze des »Duilio« zersprang, was die italienische Regierung veranlaßte, bei Krupp eine Anzahl seiner 35 Caliber langen 40 Centimeter-Geschütze zu bestellen. Mitte des Jahres 1885 Krupp's 40 Centimeter Marine-Geschütz auf dem Transport. Das Geschützwesen. waren vier dieser Geschütze fertig. Ihre Länge beträgt 14 Meter, das Rohr wiegt 121 Tonnen; dem 1‧28 Meter langen Geschosse (Panzergranate) kommt ein Gewicht von 928 Kilogramm zu. Es erhält durch die Pulverladung von 330 Kilogramm eine Anfangsgeschwindigkeit von 550 Meter und eine lebendige Kraft von rund 14.400 Metertonnen. Die mit einem dieser Geschütze angestellten Versuche ergaben aber, bei Verwendung einer 1050 Kilogramm schweren Panzergranate und einer Ladung von 384 Kilogramm, eine Anfangsgeschwindigkeit von 579 Meter und eine lebendige Kraft von rund 18.000 Metertonnen. Kann sich der Leser von dieser Kraft eine zutreffende Vorstellung machen? Ein Fachmann hat ausgerechnet, daß es sich hier um eine Kraftäußerung handelt, von welcher man vergleichsweise einen Maßstab erhält, wenn man bedenkt, daß die »Italia« 13.500 Tonnen wiegt, die Arbeitskraft des Geschosses also hinreichen würde, außer diesem Schiffe auch noch 4500 Tonnen einen Meter hoch zu heben. »Oder wenn ein Mensch die gleiche Arbeitskraft wie das Geschoß besäße, so würde er die elf Panzerkanonenboote und die beiden Panzerdeckschiffe »Bremse« und »Brummer« der deutschen Marine in die eine Hand, in die andere Hand die Panzercorvette »Hansa« nehmen, und sich in die letztere noch ein halbes Dutzend Torpedoboote mit ihrem Divisionsboote dazu packen lassen können und dann Alles einen Meter hoch heben! Das beigegebene Vollbild veranschaulicht den Transport dieses Riesen- geschützes. Derselbe erfolgte auf einem speciell zu diesem Zwecke gebauten Vehikel, zwei einzelnen achtachsigen Wagen, welche durch einen Längsträger verbunden sind. Der letztere ruht, mit seinen Enden um je ein Pivot drehbar, auf der Mitte der beiden Wagen, deren Plattform wieder vorn und hinten drehbar auf je zwei einachsigen Gestellen ruht. Das durch den großen Träger verbundene Fahrzeug hat mithin 16 Achsen mit 32 Rädern und eine Gesammtlänge von 22‧7 Meter, seine Tragfähigkeit beträgt 126 Tonnen, sein Eigengewicht 97‧3 Tonnen, so daß der mit dem Geschützrohre beladene Wagen ein Gesammtgewicht von rund 223 Tonnen hat. Die Geschütze wurden seinerzeit über die Gotthardbahn ihrem Be- stimmungsorte zugeführt und sich hierbei keinerlei Zwischenfall ereignet. Während man sich noch vor wenigen Jahren in der Größe des Calibers zu überbieten suchte, haben jetzt, veranlaßt durch das Verfahren Krupp's , ganz andere Grundsätze die Oberhand gewonnen. Das Caliber ist kleiner, dagegen die Rohrlänge immer größer geworden. Der Zweck dieser Anordnung ist der, daß man die Geschosse länger, also schwerer machen kann, daß das Pulver längere Zeit auf die Geschosse einwirkt und daß eben des geringeren Seelendurchmessers wegen, unbedenklich stärkere Ladungen angewendet werden können. Letztere beide Umstände wirken nun wieder auf die Anfangsgeschwindigkeit des Geschosses und damit auf die Durchschlagskraft desselben ein. Während die Armstrong 'schen 100 Tonnen- Geschütze von 45 Centimeter Caliber noch eine Anfangsgeschwindigkeit von rund 500 Meter erzielten, erreichen die modernen Krupp 'schen Schiffsgeschütze eine Erster Abschnitt. solche von 710 Meter. Zur besseren Beurtheilung eines Geschützes wird daher jetzt stets die Länge des Rohres, ausgedrückt in Calibern ( L / x ), angegeben. Bei der deutschen Marine sind in den Thürmen je zwei Geschütze auf einer mittelst Dampfkraft beweglichen Drehscheibe vereinigt. Bei den 28 Centimeter- Fig. 571. Oesterreichisch-ungarisches Gebirgsgeschütz. (Rohr-Tragthier.) (Vorgespanntes Geschütz.) (Lafetten-Tragthier.) Geschützen L /40, deren Rohrlänge 11‧2 Meter mißt, wurde die oben erwähnte Anfangsgeschwindigkeit erzielt und eine 75 Centimeter starke Walzeisenplatte, be- ziehungsweise eine 50 Centimeter starke Compoundplatte mit den üblichen Hart- holzhinterlagen auf 300 Meter Entfernung platt durchschlagen. Das Geschützwesen. Im Anschlusse an die vorstehenden Mittheilungen führen wir hier noch einige kurze Bemerkungen über eine Geschützgattung an, welche wegen ihrer speciellen Verwendungsweise Interesse beanspruchen darf. Es sind dies die Gebirgsgeschütze . Ihr Name besagt ihren Zweck. Diese Geschütze sind sehr klein dimensionirt und werden, in ihre Haupttheile (Rohr, Lafette, Räder) zerlegt, auf Tragthieren trans- portirt. Die Transportweise, sowie sonstige Details dieser Geschütze weichen bei denjenigen Staaten, welche sich dieser Waffe überhaupt bedienen, ab, und wollen wir an der Hand der wichtigeren Typen diesen Sachverhalt mit einigen Worten erläutern. Das Rohr des österreichisch-ungarischen Gebirgsgeschützes ist aus einem Stück (massiv) aus stahlbronze erzeugt. Letzteres ist, was die Composition betrifft, der gewöhnlichen Geschützbronze gleich, durch das Gußverfahren aber und durch die nachträgliche mechanische Bearbeitung bekommt sie jedoch die Fertigkeit des Stahles, ohne an Zähigkeit wesentlich einzubüßen. Das Rohr hat Flachkeilverschluß mit einer Liderung aus Kupfer, um einen völlig gasdichten Abschluß herzustellen. Diese Liderung besteht aus dem Broadwell 'schen Ring, welcher in das rückwärtige Ende der Bohrung zu liegen kommt und elastisch ist, so daß er sich beim Schuß dicht an die Stoßplatte der inneren Keilfläche andrückt. Der Ring selbst liegt in einem kupfernen Futter des Rohres, dem sogenannten »Ringlager«. Das Caliber des Rohres ist 7 Centimeter. Die Lafette zu diesem Geschütz hat die herkömmliche Construction mit der Modification, daß die beiden Lafettenwände von den Schildzapfenlagern ab gegen den Lafettenschwanz hin divergiren und hier sich vereinigen. Die Wände bestehen aus dickem Eisenblech und sind durch Winkeleisen verstärkt; die auf der Lafette fest verbundene Achse ist aus Bessemerstahl; die hölzernen Räder haben eine bronzene Nabe. Um das Geschütz während des Gebrauches auf kleine Entfernungen transportiren zu können, tritt eine zweitheilige Gabeldeichsel in Verwendung. Die Granate des österreichisch-ungarischen Gebirgsgeschützes ist ein gußeisernes Ringhohlgeschoß mit Kupferführung, und besteht die letztere aus drei schmalen Ringen, welche in gleichen Abständen in entsprechenden Nuthen der Geschoßober- fläche eingepreßt sind. Diese Geschosse sind Granaten und Shrapnels; außerdem kommen Kartätschen und Brandel in Verwendung. Das Rohr des französischen Gebirgsgeschützes ist aus Gußstahl erzeugt und hat außen noch fünf Ringe aus Puddelstahl aufgezogen, mit welchen bezweckt wird, bei hohen Gasspannungen das Kernrohr fest zusammenzuhalten. Der Verschluß ist ein Schraubenverschluß. Die Liderung besteht aus einer pla- stischen Masse, die beim Schuß durch einen Stempel zusammengepreßt und derart innig an das Verschlußstück und an die Bohrungswände angedrückt wird, daß ein gasdichter Abschluß erzielt wird. Die zu diesem Rohre gehörige Lafette besteht aus zwei vorne parallelen, nach hinten zu divergirenden Wänden, welche durch ein oberes Deckblech verbunden sind. Die Lafette läßt sich beim Transport in zwei Erster Abschnitt. Theile zerlegen, den Stirntheil (mit den Schildzapfenlagern) und den Protzstock- theil. Die Verbindung beider Theile ist sehr rasch mittelst Docke und Schließe zu bewerkstelligen. Die Achse ist aus Gußstahl, die hölzernen Räder haben, wie beim österreichisch-ungarischen Gebirgsgeschützmaterial, bronzene Naben. Außer der Gabeldeichsel dienen noch ein Traghebel und ein Bremshebel als besonders zu erwähnende Requisiten. Die Granate des französischen Gebirgsgeschützes (Caliber 8 Centimeter) ist ein gußeisernes Ringhohlgeschoß, und zwar sind 11 Ringe aus zusammen 90 losen Fig. 572. Französisches Gebirgsgeschütz. (Rädertragthier.) (Lafetten-Tragthier.) (Rohrtragthier in der Gabeldeichsel vorgespannt.) (Rohr-Tragthier.) Kugeln zusammengesetzt, wodurch bei der Explosion zuverlässig recht viele Spreng- partikeln sich bilden. Die Führung bei diesem Geschosse besteht aus einem breiten Kupferbande am rückwärtigen Ende. Um das Schlottern des vorderen Geschoß- theiles zu vermeiden, ist derselbe wulstartig verstärkt. Während das Pulver der österreichisch-ungarischen Gebirgsgeschützpatrone feinkörnig ist, verwendet man in Frankreich grobkörniges Pulver mit fast 1 Centimeter großen Körnern. Das fran- zösische Shrapnel hat unter der an der Spitze angebrachten Sprengladung sieben Gußeisenschichten mit eingelagerten Kugeln (im Ganzen 120, das österreichische Shrapnel nur 70) und einen stählernen Geschoßboden. Diese Füllung ist mit einem Stahlblechmantel umgeben und wird durch das früher erwähnte kupferne Das Geschützwesen. Führungsband zusammengehalten. Auch bei diesem Geschoß befindet sich am vorderen Theile eine wulstartige Verstärkung. Die Füllgeschosse sind aus Hartblei, die Fig. 573. Schweizerisches Gebirgsgeschütz. (Rohr-Tragthier. — Lafetten-Tragthier. — Räder-Tragthier.) Zwischenfüllung besteht aus gekleinter Kohle. Beim österreichischen Shrapnel sind die Füllgeschosse aus Wetchblei und sind deren Zwischenräume mit Schwefel aus- gegossen. Die innere Einrichtung dieses Shrapnels unterscheidet sich von dem des Erster Abschnitt. gleichartigen französischen Geschosses wesentlich dadurch, daß die Sprengladung im rückwärtigen, die Füllladung im vorderen Theile untergebracht ist (Kammer- shrapnel); zwischen beiden befindet sich eine lose eiserne Platte, der sogenannte Stoßspiegel. Das Rohr des italienischen Gebirgsgeschützes ist massiv aus Hart- bronze, einem der Stahlbronze ähnlichen Material, erzeugt, mit einem stählernen Flachkeilverschluß und stählernem Liderungsring. Die Bohrung hat Keilzüge. Die Lafette ist die nach Engelhardt 's System, bei welchem der Rückstoß durch an passenden Stellen angebrachte elastische Zwischenlager gemildert wird. Die der Form nach den beiden vorbeschriebenen Systemen gleichenden Lafettenwände sind aus Stahlblech und dadurch verstärkt, daß die Ränder nach innen umgepreßt sind. Die Achse ist aus Stahl, die hölzernen Räder haben eiserne Naben mit bronzener Nabenbüchse. Die bemerkenswerthesten Nebenbestandtheile sind der Lafettenkasten zur Unterbringung der Requisiten und eine Gabeldeichsel. Die italienische Gebirgsgeschütz-Granate hat zwei Paare von Führungsringen; das Shrapnel ist theils das altartige Röhrenshrapnel, theils das neue Diaphragma- shrapnel. Letztere Anordnung ist bekannt (siehe das österreichische Kammershrapnel). Bei der ersteren Geschoßgattung durchsetzt eine mit der Sprengladung gefüllte Messingröhre das Geschoß und sind um diese die aus Bleiantimon hergestellten Füllgeschosse (im Ganzen 110) gelagert; die Zwischenfüllung besteht aus Colo- phonium. Das Caliber des italienischen Gebirgsgeschützes ist 7‧5 Centimeter. Zu den bemerkenswerthen Typen von Gebirgsgeschützen zählt ferner das schweizerische . Bei diesem ist das Rohr massiv aus stahl gegossen, es hat Flach- keilverschluß mit Broadwall'schen Ringe (aus Stahl) und am Bodenstück einen Bügel zur Erleichterung des Aufpackens auf die Tragthiere. Die Lafette hat die mehrbeschriebene Form und besteht aus starkem Stahlblech mit umgepreßten Rändern (wie beim italienischen Geschütz), die Achse ist aus geschmiedetem Gußstahl erzeugt, die hölzernen Räder haben bronzene Naben. Außer der Gabeldeichsel sind als wesentliche Hilfsrequisiten zwei Hebbäume und ein Geschoßsetzer zu erwähnen. Die Granate ist die Ringgranate, welche vorne durch ein kupfernes Band verstärkt ist, das Shrapnel ein gußeisernes Kammershrapnel mit stählerner Hülse, angeschraubter gußeiserner Spitze und gewölbtem Stoßspiegel. An Stelle des kupfernen Bandes, das zur Verstärkung der Spitze der Granate dient, tritt hier ein eiserner Wulst. Die Zahl der Füllgeschosse beträgt 110. Das Caliber ist 7‧5 Centimeter. Die Art der Verpackung der Geschützbestandtheile auf die Tragthiere, deren beim österreichischen Gebirgsgeschütz zwei, bei den übrigen hier besprochenen Sy- stemen drei benöthigt werden, läßt sich leicht aus den beigegebenen Abbildungen ersehen. Einen wesentlichen Unterschied zeigt nur die Packungsweise des Rohres beim österreichisch-ungarischen Geschütz, das quer über den Tragsattel zu liegen kommt, während es bei den übrigen Systemen der Länge nach gelagert ist; ein anderer Unterschied ergiebt sich bezüglich der Packungsweise der Lafette beim fran- Das Geschützwesen. zösischen Geschütz, welche, wie erinnerlich, aus zwei Theilen besteht; den Kopftheil übernimmt hier das betreffende Lafettentragthier, während der Protztheil dem Rädertragthiere aufgebürdet wird. Andere Abweichungen ergeben sich aus den hier zusammengestellten Daten, wobei die bereits im Vorstehenden angeführten Ziffern der Vollständigkeit halber wiederholt werden. Für den Laien ist es nicht ohne Interesse, nachdem ihm so Vielerlei über die Construction und die Verwendungsweise aller Arten von Geschützen berichtet worden ist, einiges über den Vorgang beim Schießen zu erfahren. Bei der Feld- artillerie handelt es sich, wie nicht anders zu denken, vorzugsweise um das Schießen gegen ganz oder theilweise sichtbare Truppen, welche sich entweder in Stellungen befinden oder in Bewegung begriffen sind. Ist das lebende Ziel nicht in Bewegung begriffen, so beginnt das erste Einschießen mit der Aufsatzstellung für die abge- schätzte Entfernung nach einem einheitlichen Zielpunkte. Wird der erste Schuß »kurz« (weit) beobachtet, so vergrößert (verkleinert) man den Aufsatz bei den folgenden Erster Abschnitt. Schüssen auf Distanzen bis 3000 Schritt um 200, über 3000 Schritt um 400 Schritt allmählich so lange, bis das Ziel zwischen einem kurzen und einem weiten Schusse eingeschlossen, d. h. die »weite Gabel« gebildet ist. Die jeweiligen Gabelgrenzen werden nun durch fortgesetztes Halbiren der Unterschiede bis auf 100 Schritt erreicht, welcher Vorgang das »Bilden der engen Gabel« genannt wird. Damit ist das erste Einschießen beendet. Um die genaue Distanz zu ermitteln, schreitet man nun zum sogenannten Gruppenschießen. Hierzu werden mit dem Aufsatze für die Mitte der engen Gabel vier bis sechs Schüsse abgegeben, welche bei richtiger Lage des Treffpunktes zur Hälfte »kurz«, zur Hälfte »weit« liegen sollen. Fig. 575. Geschoßaufschlag. Je nach dem Resultate wird dann eine Aenderung des Aufsatzes für 50 Schritte angeordnet und dieser Vorgang so lange wiederholt, bis die Batterie völlig einge- schossen ist. Je nach der Art des Zieles oder dem Verhalten eines einzelnen Ge- schützes, können dann für dieses oder mehrere Stücke der Batterie Modificationen der ermittelten Schußdistanz platzgreifen. Alle anderen Details haben nur für den Fachmann Interesse. Es muß bemerkt werden, daß die vorstehenden Angaben sich im Speciellen auf das Schießen mit Granaten beziehen. Bei Verwendung von Shrapnels werden alle Geschütze der Batterie nur einmal geladen. Die nach beendetem ersten Ein- schießen noch geladenen Geschütze geben ihre Schüsse mit dem Aufsatz für die Mitte der engen Gabel (Gruppe) ab, und ist das Ergebniß dieser Schüsse für die Auf- satzbestimmung zum Shrapnelfeuer zu verwerthen. Modificationen ergeben sich bezüglich des sogenannten »Tempirens«, d. h. die richtige Einstellung Das Geschützwesen. des Zeitzünders, da die Shrapnels bekanntlich nicht beim Aufschlage am Ziele (wie die Granaten), sondern auf eine durch Abschätzung bestimmte Entfernung — also noch im Fluge — zur Explosion gebracht werden. ... Das Einschießen mit Granaten und Shrapnels gegen in Fig. 576. Geschoßaufschlag. Fig. 577. Geschoßaufschlag. Bewegung sich befindliche Ziele erfolgt in ähnlicher Weise. Zum Beschießen von verdeckten Zielen (Zielen hinter Masken) schießt man sich zuerst gegen die Deckung (Maske) ein und regelt in Bezug auf dieselbe die Tempirung. Ist die Entfernung von der Deckung bekannt, so werden Aufsatz und Tempirung diesem Abstande entsprechend vermehrt . Kann jedoch die Entfernung des Zieles von der Deckung nicht erkannt werden, so wird jener Raum hinter der Deckung, innerhalb dessen man das Ziel vermuthet, mit Shrapnelfeuer lagenweise (Halbbatterie-Salven) be- strichen, wozu man Aufsatz und Tempirung successive um je 100 Schritte vermehrt, dann vermindert. Sollen eigene Truppen, welche sich nahe dem Feinde befinden, überschossen werden, so beginnt man das Ein- schießen mit einem größeren als der abgeschätzten Entfernung entsprechen- den Aufsatz und schießt sich mit Weit- schüssen (Salven) an das Ziel heran, bis sich in demselben eine Wirkung erkennen läßt oder ein anderes Merk- mal (z. B. ein Kurzschuß) auftritt. Dann wird bei Granaten zu dem genaueren Einschießen übergegangen oder gleich das Schießen mit Shrapnels begonnen. Zur Erläuterung des Gesagten folgen hier einige bildliche Darstellungen, welche klar genug sind, um darüber viele Worte zu verlieren. Die unter mehr oder minder steilem Winkel auftreffende Granate (Fig. 574. u. 575) wird sich in den Erdboden eingraben, denselben furchenartig aushöhlen und unter einem bestimmten Winkel ab- Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 46 Erster Abschnitt. gellen. Nun wissen wir aber, daß die Granate beim Aufschlage »crepirt«, d. i. explodirt. Dies findet in dem Augenblicke statt, wenn das Geschoß vom Boden ab seinen Weg fortsetzt, wodurch die einzelnen Sprengpartikel der explodirten Fig. 578. Batterie im Feuer. (Photographie von Hauptmann L. David.) Granate 1—1 ½ Meter jenseits der Bodenschürfung verstreut werden. Die Größe des Streukegels ist aber sehr von der Beschaffenheit des Erdbodens anhängig; ist derselbe hart, so ist die Einbuße an Geschoßgeschwindigkeit groß, der Streuungs- Das Geschützwesen. winkel demnach gleichfalls größer als bei weichem Boden, wo die Sache sich um- gekehrt gestaltet. Fig. 579. Das Schießen der Artillerie: Indirectes Richten. Beim Shrapnel (Fig. 576) liegen die Verhältnisse insoferne günstiger, als das- selbe, wie der Leser weiß, in einer bestimmten Entfernung, noch im Fluge begriffen, explodiren soll. Der Streuungskegel ist hier immer der gleiche, da er durch keinerlei 46* Erster Abschnitt. äußere Einwirkungen beeinflußt wird. Sollte aber aus irgend einem Grunde der tempirte Zeitzünder versagen, so wird dieses Geschoß zwar nicht im Fluge explo- diren, wohl aber beim Auftreffen auf den Boden, also als Granate wirken. Um- gekehrt wird ein als Granate gedachtes Geschoß durch den auf die höchste Distanz gestellten Shrapnelzünder am Boden liegend zur Explosion gelangen, wenn der Granatzünder aus irgend einem Grunde versagt. Bei der Büchsenkartätsche wird die Blechbüchse beim Schusse zerrissen und die Füllkugeln verlassen einzeln das Rohr. Die Wirkung ist schematisch in Fig. 577 dar- gestellt. Außer diesen Hauptgeschossen kommen noch in Betracht: Die Stahlgranaten, zur Wirkung gegen besonders widerstandsfähige Ziele, und die Sprenggranaten, zur verstärkten Minenwirkung. Erwägt man, daß eine in Feuerlinie entwickelte Batterie, wo ein Geschütz vom anderen 20 Schritte entfernt ist, ein gutes und weithin sichtbares Ziel für den Gegner abgiebt, daß weiter das Geschütz sammt der Bedienungsmannschaft ein unbewegliches Ziel darstellt, auf welches sich der Gegner leicht einschießen kann, so findet man das Bestreben der Artillerie begreiflich, ihr Feuer aus einer verdeckten Aufstellung, also ungesehen, bewerkstelligen zu können. Das Richten erfordert in diesem Falle eine längere Procedur, welche man das »indirecte Richten« nennt. Das Richten im verticalen Sinne wird hierbei durch den Richtbogen ertheilt. Er beruht auf dem Principe des Maurerlothes und besteht aus einem auf einer Platte montirten Kreisbogen, auf welch letzterem auf einem Sattel eine Libelle verschiebbar angeordnet ist. Am Kreisbogen befindet sich eine Eintheilung in Schritten, welche jenem complementären Winkel entspricht, welcher der Elevation des Rohres für die betreffende Distanz zukommt. Für das Ertheilen der Richtung im horizontalen Sinne, giebt es mehrere Methoden, von welchen eine derselben in der Abbildung, Fig. 579, zur Anschauung gebracht ist. Es wird hier die horizontale Richtung durch Aufstellen von Richt- platten, welche von der Batterie mitgeführt werden, markirt und festgehalten. An Feuerarten unterscheidet man bei der Feldartillerie das Batterie- und Halbbatteriefeuer, die Batterie- und Halbbatteriesalve, die Ausfeuerlage und endlich das Einzelfeuer. Beim Batterie- und Halbbatteriefeuer schießen die Geschütze in der ganzen Batterie oder in der Halbbatterie eines nach dem anderen über Aviso des feuerleitenden Officiers. Es ist dies ein langsames, genau geregeltes Feuer, welches sozusagen die normale Feuerart ist und ein genaues Beobachten und Corrigiren zuläßt. Bei der Batterie- und Halbbatteriesalve werden alle Geschütze der Batterie oder Halbbatterie auf Commando des betreffenden Officiers abgefeuert. Diese Feuer- art gewährleistet einen großen moralischen und physischen Effect beim Beschießen von Truppen, einen großen Percussionseffect beim Beschießen von Objecten und endlich ein genaues Beobachten der Wirkung und des Einschlagens, wenn beim leb- haften Feuerkampf das Beobachten des einzelnen Schusses unmöglich ist. Das Geschützwesen. Die Ausfeuerlage wird beim Schießen auf sich bewegende Ziele angewendet. Da es in diesem Falle nicht möglich ist, daß das Geschütz dem fortrückenden Ziele mit dem Visir nachfolgt (wie beim Gewehr), so wird von einem Geschützzug (zwei Geschütze) ein Punkt im Terrain unter Feuer genommen, wohin das Ziel bei Fort- setzung der Bewegung gelangen muß. Diesen durch das Aufschlagen der Geschosse gut markirten Punkt nehmen die übrigen sechs Geschütze als Zielpunkt und feuern, sobald die zu beschießende Truppe diesen Punkt erreicht hat. Beim Einzelfeuer schießt jedes Geschütz, sobald es geladen und gerichtet ist. Es ist dies die Feuerart, welche bei Ueberraschungen durch attaquirende Cavallerie oder plötzlich auftauchende Infanterie angewendet wird. Die Schnellfeuergeschütze. Eine der bedeutendsten Umwandlungen in der Bewaffnung der Infanterie, die sich in den letzten Jahren vollzogen hat, war, wie wir weiter unten sehen werden, der Uebergang zu dem kleincalibrigen Gewehr, welches vermöge der Einrichtung des Magazins eine viel größere Schußgeschwindigkeit besitzt, als seine Vorgänger. Diese Schußgeschwindigkeit ist jedoch streng genommen Nebensache und käme im Feuergefecht aus mancherlei Gründen nur theilweise zur Wirkung. Die Hauptsache ist die Verkleinerung des Calibers, welche in Folge der dadurch herbeigeführten Verringerung des Geschoßgewichtes eine größere Anfangsgeschwindigkeit des Geschosses und damit eine größere Durchschlagskraft desselben ermöglicht. Wie man sich denken kann, gab diese Umwandlung der Infanteriewaffe auch den Artilleristen zu denken. Vor einiger Zeit sprach sich eine Autorität auf diesem Gebiete, der preußische Generalmajor Wille , in seinem Buche über das Feldgeschütz der Zukunft dahin aus, daß die Umwandlung der Feldartillerie nach demselben Princip: Verringerung des Calibers Erhöhung der Geschoß- und Feuergeschwindigkeit, nur noch eine Frage der Zeit sei und hauptsächlich von dem Bau einer zweck- mäßigen Lafette abhänge. Damit hatte er wohl das Richtige getroffen und den Freunden der Artilleriereform aus der Seele gesprochen. Unter diesen Umständen verdienen die Bestrebungen zur Vervollkommnung des Geschützwesens in der angedeuteten Richtung ein erhöhtes Interesse. ... Her- vorgegangen ist das kleincalibrige Schnellfeuergeschütz offenbar aus den Anforderungen der Seetaktik. Hier ist das Ziel schwerer zu treffen als auf dem Lande, weil es sich schnell bewegt und überdies schwankt, während andererseits das Schlingern und Stampfen des angreifenden Schiffes das Zielen noch mehr erschwert. Es gilt, die günstige Secunde zum Feuern zu benützen, und dies ist wiederum nur möglich, wenn das Werkzeug, das heißt das Geschütz, dem Befehle blitzschnell zu folgen vermag. Am nothwendigsten ist das schnelle Feuern, wenn es gilt, den Angriff der Torpedoboote abzuwehren, also diese äußerst flinken Schiffe durch einen Hagel Erster Abschnitt. von Geschossen kampfunfähig zu machen, bevor sie von der unterseeischen Spreng- waffe Gebrauch machen können. Zwar sind die Torpedoboote klein und schwer bemerkbar; dafür entbehren sie der Panzerung, und es genügen schon Geschosse sehr mäßigen Gewichtes, ihre Bordwand zu durchlöchern. Geschieht dies in der Nähe oder unter der Wasserlinie, so sind die Torpedoboote dem sicheren Untergange geweiht. Und wenn auch nur die Maschine in Unordnung geräth, so ist damit viel gewonnen. Hierzu genügen schon 37 bis 57 Millimeter-Geschütze. Dabei ist man jedoch nicht stehen geblieben. Es lag der Gedanke nahe, die langsam feuernden, sehr schweren und kostspieligen Geschütze von 70, ja von 100 Tonnen Gewicht, durch solche von kleinerem Caliber zu ersetzen, bei denen das ge- Fig. 580. Fünfläufiges Hotchkiß-Geschütz. ringe Gewicht des Geschosses durch die größere Anfangsge- schwindigkeit und die größere Durchschlagskraft aufgewo- gen wurde. So entstanden die kleincalibrigen Schnell- feuergeschütze, jene Kanonen von 10, 12 und 15 Centi- metern, welche Panzer von 50 Centimeter Dicke durch- bohren, es also den viel schwereren älteren Waffen gleichthun. Derartige Ge- schütze besitzen die Flotten aller Seemächte bereits in größerer Zahl. Zunächst wurden — indem man den Torpedokampf vor Augen behielt — die mehrläufigen Maschinen- geschütze, welche von der verunglückten französischen Mitrailleuse abstammen, bei allen Marinen eingeführt. Sofort aber entbrannte der Kampf von Neuem. Die Torpedoboote legten Panzerschutz an, worauf die Gegner das Caliber der Maschinen- geschütze vergrößerten. Glücklicherweise aber sorgten zwei Umstände dafür, daß die Bäume nicht in den Himmel wuchsen. Jede Erhöhung der Wandstärke der Torpedo- boote beeinträchtigt deren Schnelligkeit, d. h. ihr Lebenselement; anderseits wurden die Maschinengeschütze wieder so schwer und so unhandlich, daß ihr Hauptvortheil: leichteste Beweglichkeit, raschestes Richten und Schießen, ganz wesentlich abnahm. In der Noth griff man zu den einläufigen Geschützen zurück, die man aber auf Schnellfeuer einrichtete, und zwar mit solchem Erfolge, daß diese Waffe gegenwärtig, selbst bei einem Caliber von 13 Centimetern, in Bezug auf Schußgeschwindigkeit den gewöhnlichen Hinterladern unendlich überlegen ist, ohne daß sie darum die Be- weglichkeit einbüßte. Dadurch fielen die Actien der Torpedoboote bedeutend, denn Das Geschützwesen. man sah ein, daß sie einem solchen Hagel von ziemlich schweren Geschossen, wie sie von den schnellfeuernden Kanonen verfeuert werden, kaum gewachsen seien, und daß es ihnen nicht viel helfen würde, wenn sie sich auch mit denselben Geschützen be- wehren, weil diese gegen Schlachtschiffe kaum etwas ausrichten können. Und so ent- wickelte sich das letzte Stadium des homerischen Kampfes, die Suche nach Torpedo- fahrzeugen, die in der Nähe des Feindes auf kurze Zeit halb oder ganz unter- tauchen und damit der Wirkung der Geschosse entrückt sind. Sobald diese Frage gelöst sein wird, bekommt das Torpedoboot wieder Oberwasser. Wir sind aber von der Lösung noch ziemlich entfernt. Zu den bekanntesten, bei den meisten Marinen eingeführten Schnellfeuer- geschützen zählt die Construction von Hotchkiß . Gleich Nordenfelt , dem Er- finder der verunglückten Mitrailleuse, und Fig. 581. Hotchkiß-Schnellfeuergeschütz. Anderen (z. B. Gatling ) ging Hotchkiß bei seinem Bestreben, den Kriegsschiffen ein wirksames Kampfmittel gegen die Tor- pedoboote zu liefern und das Feuer der Infanterie im Felde zu unterstützen, von dem alten Gedanken der Vereinigung mehrerer Läufe und der dadurch er- reichten erhöhten Schußleistung aus. So entstand das ursprüngliche Hotchkiß- Geschütz, welches unter anderen bei der deutschen Marine eingeführt ist, wo es den Namen 3‧7 Centimeter-Revolver- kanone führt. Wie aus der beigegebenen Abbildung (Fig. 580) ersichtlich, welche die 5‧3 Centimeter-Kanone des Genannten veranschaulicht, gehen die zu einem Bündel vereinigten fünf Läufe beim Drehen vermittelst einer rechts sichtbaren seitlichen Kurbel vor einem feststehenden Rückstoß- boden vorbei, hinter welchem ein Schlagbolzenschloß und die Vorrichtungen für die Zufuhr und Abfuhr der Patronen liegen. Diese werden durch die Kurbel bewegt und es wird das Schloß ausgelöst, wenn ein Lauf die vorderste Stellung erreicht hat. Zu einem Schuß gehört also eine ganze Kurbelumdrehung, was natürlich eine geringe Feuergeschwindigkeit bedingt. Thatsächlich bringt es Hotchkiß mit diesem Geschütze nur auf etwa 80 Schuß in der Minute, also auf 16 Schuß aus jedem Rohre, während das gleichfalls ziemlich verbreitete zehnläufige Gatling-Geschütz 1000—1200 Schuß in 60 Secunden abgeben kann. Bei Hotchkiß erfolgt die Patronen- zufuhr durch Einlegen von einzelnen Patronen in den Ladetrichter, aus dem sie durch ihr eigenes Gewicht vor den Ladekolben fallen. Die Läufe sind beweglich und geben ein ununterbrochenes Feuer ab, während die französische Mitrailleuse und ihre Abarten salvenweise feuern und die Läufe hier fest sind. Diese Mitrailleuse Erster Abschnitt. feuert also, der Zahl der Rohre entsprechend, jedesmal 25 Kugeln, worauf eine kleine Pause entsteht, während welcher die Läufe neu geladen werden. Eine besondere Erwähnung verdienen die Richt- und Abzugsvorrichtungen der Hotchkiß-Mitrailleuse. Bei den kleineren besteht erstere aus einem hinten ge- polsterten Schulterstück (Fig. 581 und 582), gegen welches sich der richtende Mann lehnt, und welches von ihm mit der Schulter bewegt wird. Das Richten selbst erfolgt über Visir und Korn. Das Abfeuern aber geschieht durch einen Handhebel. Dieser Hebel kann jedoch, nach Spannung des Schlosses, angehalten werden, und es bedarf nur eines Druckes mit dem Finger auf einen besonderen Abzug, welcher an einem Pistolenkolben befestigt ist, um den Schuß abzugeben. Es ermöglicht dies Fig. 582. Fünfpfündiges Hotchkiß-Schnellfeuergeschütz mit Rücklauf. ein besseres Treffen, als wenn der richtende und abfeuernde Mann und Derjenige, welcher den Handhebel bewegt, unabhängig von einander arbeiten. Die Treffsicherheit der Hotchkiß'schen Kanone, wie der verwandten Waffen, ist im Allgemeinen befriedigend; desgleichen die Durchschlagskraft. Doch ermangeln diese Waffen sämmtlich mehr oder weniger der Feldtüchtigkeit; sie eignen sich, mit anderen Worten, für den Festungs- und Seekrieg, nicht aber für den Kampf im Felde. Der Grund hierfür liegt in der rauhen Behandlung, welche die Geschütze im Felde erfahren, in dem zu verwickelten Bau, in der schnellen Erhitzung der Läufe, vornehmlich aber in der ungleichmäßigen Einrichtung der Patronen, welche verspätete Explosion bei bereits geöffnetem Verschluß im Gefolge hat. Dadurch wird aber die Mannschaft gefährdet und das Schloß zerstört, was z. B. beim Maxim 'schen Geschütze nie vorkommen kann, weil hier die Function des Schlosses von derjenigen der Patrone direct abhängig ist. Das Geschützwesen. Die Heeres- und Marineverwaltungen wenden deshalb neuerdings ihre Auf- merksamkeit mehr den einläufigen , schnellfeuernden Geschützen zu, als deren genialster Vertreter wohl das in Oesterreich-Ungarn eingeführte Maxim 'sche Geschütz gelten darf. Diese Kanonen ruhen meist in drehbaren Gabeln ohne Rücklauf und besitzen in der Regel einen sogenannten Fallblockverschluß mit darin angeordneten Vor- richtungen für das Ausziehen, das Schlagen und den Abzug. Der Verschluß wird durch einen seitlichen Hebel bewegt und das Richten erfolgt zumeist durch das oben erwähnte Schulterstück. Nur Maxim hat eine selbstthätige Patronenzufuhr. Bei den übrigen Schnellfeuergeschützen wird dies von einem Bedienungsmanne besorgt. Obige Fig. 583. Selbstthätiges Maxim-Geschütz in erster Construction. Bemerkung bezüglich der Unterlage der Waffe gilt übrigens nur von den kleinen Kalibern: bei solchen von über 6 Centimetern ruht das Geschütz in einer Lafette mit durch Wasserbremsen und Federpuffer begrenztem Rücklauf. In Fig. 583 ist das Maximgeschütz in seiner ursprünglichen, in Fig. 584 u. 585 in seiner jetzigen Gestalt abgebildet. Bei den Versuchen in Oesterreich-Ungarn, wo ein solches Geschütz in kurzen Pausen 13.504 Schüsse abgab, hat es sich herausgestellt, daß dessen Treffsicherheit allen Anforderungen genügt, daß der Lauf sich nicht über- mäßig erhitzt, und daß die Bedienung in Bezug auf Einfachheit nichts zu wünschen übrig läßt. Nicht minder bemerkenswerth waren die amtlichen englischen Schieß- versuche, bei welchen eine Maximkanone in 90 Secunden 1000 Schüsse und in 225 Secunden ohne Unterbrechung 2115 Schüsse anstandslos abgab. Der Me- Erster Abschnitt. chanismus des Maxim'schen Geschützes dürfte sich für den Feldgebrauch als zu zart erweisen; auch thut Maxim mit seinen 600 Schüssen in der Minute des Guten — oder, wenn man will, des Schlechten — zu viel; es sind dabei stets mehrere Geschosse zu gleicher Zeit unterwegs, d. h. das zweite verläßt den Lauf lange bevor das erste das Ziel erreicht, was entschieden überflüssig ist. Auch liegt Fig. 584. Schnellfeuergeschütz, System Maxim. die Gefahr der Munitions- verschwendung nahe. Später hat der Construc- teur seine Erfindung nicht unwesentlich verbessert. Während das Geschütz ausrennt, oder während es seinen Rücklauf beendet hat, öffnet sich der Ver- schluß und wird die ab- geschossene Patronenhülse durch Bewegung des Verschlußkeiles quer zur Seelenachse selbstthätig bewerkstelligt. Dadurch wird erreicht, daß die Pulvergase Zeit haben, durch die Geschützmün- dung zu entweichen, be- vor die abgeschossene Pa- tronenhülse ausgezogen wird. Die Gase können also nicht mehr, wie früher, nach dem Laderaum ge- langen, was vordem ein Verschleimen desselben und demgemäß Erschwer- nisse beim Laden im Ge- folge hatte. Worin nun liegt das Geheimniß der fabelhaften Schußgeschwindigkeit der Maxim'schen Geschütze? Darin, daß die Function des Schlosses von derjenigen der Patrone direct abhängig gemacht wurde. Das heißt mit anderen Worten, das Geschütz ladet und feuert von selbst durch die Wirkung des Rücklaufes. Soll schnell gefeuert werden, so hat der Bedienungsmann nicht einmal die Mühe des Abfeuerns des ersten Schusses: dies geschieht selbstthätig durch die Schließbewegung des Ver- schlußstückes. Der in Fig. 581 sichtbare Pistolenabzug kommt nur dann in Thätigkeit, Das Geschützwesen. wenn man langsam schießen will. Der Mann hat also nur das Richten und das Einstellen des Feuers zu besorgen. Desto mehr zu thun hat der zweite Mann, dem es obliegt, dem gefräßigen Ungeheuer immer wieder neue, mit Patronen gespickte Gurte zuzuführen. Die Maxim'schen Geschütze haben ein nur kleines Caliber. Daneben baut aber der Erfinder auch Kanonen mit größerem Caliber (bis 13 Centimeter), die natürlich entsprechend langsamer schießen. Am praktischesten ist wohl das zur Bekämpfung von Torpedobooten bestimmte 2‧5 Centimetergeschütz, dessen gehärtete Stahlgeschosse auf 90 Meter Entfernung 25 Millimeter starkes Eisenblech durchschlagen. Fig. 585. Marinegeschütz, System Maxim (feuert 6 9pfündige Geschosse in der Minute). Bei dem in Folge der Mängel der mehrläufigen Geschütze entbrannten Wett- bewerb um die beste einläufige Schnellfeuerkanone, durfte ein so thätiger Mann wie Hotchkiß nicht fehlen. So trat er bald mit zwei Typen dieser Art auf, welche die Figuren 582 u. 585 veranschaulichen. Diese Geschütze werden in den Calibern von 3‧7 bis 5‧7 Centimetern hergestellt. Sie haben einen senkrechten Keilverschluß, welcher durch einen rechts liegenden Hebel bewegt wird. Die kleineren sind in einer einfachen Gabel gelagert; bei den größeren Fünfpfündigen wird das Rohr dagegen durch Schlittenführungen in ein Bett geführt, welches vermittelst Schildzapfen in einem Bock gelagert ist. Im Bette angeordnete Wasserbremsen begrenzen den Rück- lauf und bewirken den Auslauf des Rohres. Die oben erwähnten Vorrichtungen: Schulterstück nebst Handhaben, Pistolenkolben und Abzugsschnur sind besonders in Fig. 582 deutlich sichtbar. Die größte Schußgeschwindigkeit beträgt 25 Schüsse in der Erster Abschnitt. Minute, jedoch nur, wenn nicht gezielt wird. Ist dies der Fall, so bringt man es nur auf 10 bis 12 Schuß. Die Geschosse der 5‧7 Centimeterkanone durchschlagen angeblich bei einer Ladung von 1333 Gramm Pulver und einer Anfangs- geschwindigkeit von 640 Meter Eisenplatten von 13 Centimeter Dicke. Fig. 586. Maxim-Feldgeschütz neuester Construction. Neben Maxim und Hotchkiß hat sich vornehmlich Gatling durch seine Construction eines Schnellfeuergeschützes hervorgethan. In den Figuren 592 u. 593 sind zwei Typen, und zwar verbesserte Constructionen der ursprünglichen Type, vorgeführt. Die Verbesserungen beziehen sich hauptsächlich auf den Mechanismus Das Geschützwesen. des Magazins, das in seiner jetzigen Gestalt sehr die Manövrirfähigkeit des Ge- schützes erleichtert. Gleichzeitig wird die Schußgeschwindigkeit bedeutend erhöht und kann der Patronensatz unter jedem beliebigen Erhöhungswinkel abgefeuert werden. Diesen Vorzug ent- Fig. 587. Bespanntes Maxim-Geschütz. behrte die alte Type, bei welcher die Anzahl der einzuführenden Patronen stets vom Erhöhungswinkel ab- hängig war und diesem angepaßt wer- den mußte. Zudem war der Theil, welcher das Magazin um- schloß, ziemlich plump dimensionirt; der neue Mechanismus ist leicht, schlank und von kleinerem Durch- messer, arbeitet aber weit schneller und sicherer als der alte. Die für das Magazin vorberei- teten Patronensätze sind in Zinnführun- gen eingestellt und werden dem ersteren mit unglaublicher Schnelligkeit zuge- führt. Nach dem Ab- feuern werden die leeren Patronenhül- sen automatisch bei Seite geworfen, wie in Fig. 592 (links) zu sehen ist. Für die Verwendung der Gatling-Kanone im Festungs- oder Marine- dienst wird die Bewegung des Geschützes mittelst eines elektrischen Motors bewerk- stelligt, der übrigens eine Einrichtung zur Controle der Feuergeschwindigkeit hat. Dieser Motor, der eine Pferdekraft entwickelt und ungefähr 100 englische Pfund wiegt, ist am Kanonenrohr montirt und nimmt sich, so obenhin betrachtet, wie eine Erster Abschnitt. Verstärkung desselben aus. Dank dieser maschinellen Einrichtung erreicht die neue Gatling-Kanone eine Schußgeschwindigkeit von 3000 Schüssen in der Minute, was schier unfaßbar ist. Wie schon erwähnt, stecken die Patronen zu je einem Satze in Zinnhüllen, welche streifenförmig sind und 20 Patronen aufnehmen. Nach dem Feuern kann jeder solcher Zinnstreifen neuerlich, und dies bis 30mal verwendet werden. Der ersparte Raum, welcher sich aus dem Unterschiede der Dimensionen der altartigen Fig. 588. Maxim-Geschütz. Verschluß geschlossen. Fig. 589. Maxim-Geschütz. Verschluß geöffnet. Magazine sammt dem Motor gegen- über diesen Theilen der Gatling- Kanone ergiebt, kann für die Auf- nahme von Munition ausgenützt werden, indem es möglich ist, 10.000 Sätze, somit 200.000 ein- zelne Patronen zum Einführen bereit zu halten. Das Bemerkens- werthe an der neuen Type ist aber deren Bedienung, indem hierzu ein einziger Mann genügt, der über- dies nur wenige leicht zu erlernende Handgriffe auszuführen hat. Es lag nahe, daß die Ver- waltungen der Landheere, auf die Erfolge der Schnellfeuergeschütze aufmerksam geworden, diese Waffen- gattung für die Vertheidigung von Festungen und von Feldbefesti- gungen nutzbar zu machen suchten, woraus es sich von selbst ergab, daß man bald auch an die Er- setzung der jetzigen ziemlich langsam feuernden Feldkanonen durch schnellfeuernde Geschütze dachte. Augenblicklich ist die Sache bereits so weit gediehen, daß die Tage der bisherigen Hinterladekanone gezählt scheinen. Sobald es gelingt, eine allen Anforderungen genügende einfache Feldlafette für die neue Waffe zu bauen, dürfte sie ihren Siegeslauf antreten. Das im Vollbilde dargestellte Canet 'sche 10 Centimetergeschütz darf zu den besten Lösungen der Frage des schnellfeuernden Belagerungs- und Schiffsgeschützes erechnet werden. Es ruht, wie ersichtlich, auf einem Zapfen und ist nach allen Seiten drehbar. Der Rückstoß wird durch eine Wasserdruckbremse abgeschwächt und es ist, wie die dritte Abbildung belehrt, der Verschluß möglichst einfach und wirksam gestaltet. Die Länge des Rohres mißt 4 Meter und schleudert Geschosse von 40 Kilogramm, wobei in einer Minute zehnmal gefeuert werden kann, eine ganz Das Geschützwesen. außergewöhnliche Leistung. Die Anfangsgeschwindigkeit beträgt bei Anwendung des »Cordit« genannten rauchschwachen Pulvers angeblich 750 Meter, was eine größere Durchschlagskraft ergiebt, als die des entsprechenden Armstrong'schen Geschützes, bei welchem das Geschoß zwar schwerer, die Geschwindigkeit aber geringer ist. Wir kommen nun zu den neuesten Schöpfungen Krupp 's, welche sich, wie Alles, was aus seinen Werken hervorgeht, durch eine hohe Vollendung auszeichnen. Während Krupp's Mitbewerber von vorneherein die Verwendung der Schnellfeuer- geschütze zu Zwecken des Landkrieges in Aussicht nahmen, hat sich Krupp bisher mit Bau von Geschützen zur Abwehr von Torpedobootsangriffen begnügt, ist also Fig. 590. Batterie zum Abladen bereit. (Das Maxim-Geschütz im Sudanfeldzug.) gleichsam bei der Stange geblieben. Seine Schöpfungen, wie auch die des Gruson- werkes, unterscheiden sich aber auch in Bezug auf die Construction von den bisher besprochenen Typen sehr wesentlich. Krupp (wie seinerzeit Gruson) verzichteten auf die selbstthätige Patronenzufuhr, weil sie einen sehr complicirten Mechanismus zur Voraussetzung hat, und die einfachste Waffe im Kriege auch die beste zu sein pflegt. Die Patronenzufuhr erfolgt vielmehr durch einen zweiten Bedienungsmann. Ebenso erfolgt das Laden von Hand. Die neuen Geschütze unterscheiden sich also von den bisherigen in der Hauptsache nur durch die Schußgeschwindigkeit. Die kleineren, nicht selbstthätigen Schnellgeschütze ruhen meist mittelst Schildzapfen in drehbaren Gabeln ohne Rücklauf und haben einen Fallblockverschluß, der durch einen seitlichen Handhebel bewegt wird, während das Richten durch ein Schulterstück oder durch zwangläufige Richtvorrichtungen erfolgt. Die größeren Rohre haben Erster Abschnitt. dagegen Lafetten, sowie Wasserbremsen oder Federn zur Hemmung des Rücklaufes. Die Auszieh-, Schlag- und Abzugsvorrichtungen sind auch hier mit dem Verschluß verbunden. Die Abbildung Fig. 594 veranschaulicht das Krupp 'sche 105 Millimeter- geschütz , dessen Rohrlänge 35 Kaliber (= 3‧675 Meter) beträgt. Das Geschütz ruht in zwei Schlitten, welche mit den Wasserbremsen unmittelbar zusammenhängen. Die Höhen- und Seitenrichtung erfolgt durch die sichtbaren Räder, sowie mit Hilfe der hinten angeordneten Stangen. Die Kanone hat einen horizontalen Querverschluß. Krupp tritt außerdem mit einer wahren Musterkarte von Calibern auf, deren Verhältnisse folgende Tabelle veranschaulicht: Fig. 591. Batterie fertig zum Feuern. (Das Maxim-Geschütz im Sudanfeldzug.) Die Feuergeschwindigkeit beträgt bei den vier ersten Calibern 17 bis 20 Schüsse in der Minute, beim 105 Millimeter-Caliber 15 und beim 130 Millimeter-Caliber 12 Schüsse. Die abgebildete Kanone schleudert also in 60 Secunden dem Feinde Canet's 10 Centimeter-Schnellfeuergeschütz. Aeltere Construction. (Positions- und Marinegeschütz.) Das Geschützwesen. 240 bis 270 Kilogramm Stahl in den Leib, die größte gar 360 Kilogramm. Dabei wurden in 34 Secunden zehn Schüsse gegen eine Torpedobootspitze abge- geben, welche 400 Meter entfernt stand und aus zwei Stahlblechen von 5 Milli- meter Dicke bestand. Alle Schüsse trafen das Ziel. Bei einem anderen Versuche gab das Geschütz in 19 Secunden 7 Schüsse ab, was in der Minute 20 ergiebt. Das Grusonwerk, welches sich durch die Schumann 'schen Panzerthürme und Panzerlafetten einen Weltruf errungen hat, wartet allerdings nicht mit einer solchen Musterkarte von Calibern auf. Dessen Schnellgeschütze wiesen nämlich bislang nur drei Caliber auf: 37, 53 Fig. 592. Gatling's Revolverkanone. (Modell für den Landkrieg.) und 57 Millimeter. Dafür hat es von vorneherein eine vielseitige Verwen- dung seiner Artillerie in Aussicht genommen und anscheinend das Problem des schnellfeuernden Feld- geschützes nahezu gelöst. Neben der schnellfeuernden Schiffskanone finden wir Geschütze, welche bei Feld- befestigungen das In- fanteriefeuer unterstützen sollen, sowie ungepanzerte Feldgeschütze, die sich von den üblichen nicht sehr unterscheiden. Sie haben sämmtlich einen senk- rechten, verschiebbaren Keilverschluß, welcher mittelst eines Handhebels bewegt wird, und erfordern nur zwei Mann Bedienung. Ihre Schußgeschwindigkeit (35 bis 40 Schüsse in der Minute) ist ganz erstaunlich, zumal wenn man bedenkt, daß das jetzige Feldgeschütz höchstens drei Schüsse in der Minute abzugeben im Stande ist. ... Da die für die Marine und Befestigungen bestimmten Geschütze kein besonderes Interesse beanspruchen, beschränken wir uns auf einige Angaben über die fahrbare Panzerlafette und das Feldgeschütz. Die fahrbare Panzerlafette , deren Querschnitt die Abbildung Fig. 599 veranschaulicht, besteht aus einem mit Boden und Thüre versehenen Blechcylinder, welcher oben durch eine drehbare Panzerdecke geschlossen ist. An dieser Decke hängt das Geschütz nebst dem Sitze für den Bedienungsmann, dessen Lage aller- dings nicht sehr gemüthlich sein mag. Die Seiten- und Höhenrichtung erfolgt durch das Handrad, welches der Mann in der Linken hält, das Abfeuern Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 47 Erster Abschnitt. aber mittelst des sichtbaren Abzuges. Am Cylinder sind in einer Laufkatze hundert Patronen angeordnet. Das Caliber beträgt 37, beziehungsweise 53 Millimeter; bei der ersteren Art wiegt das Geschoß 450 Gramm. Ein Blick auf die in Fig. 595 abgebildete Gruson'sche Feldlafette für die 53 Millimeter-Schnellkanone läßt erkennen, daß wir es hier mit einer vollständig ausgebildeten Waffe zu thun haben, welche die Strapazen eines Feldzuges ebenso gut ertragen möchte, als ihre Vorgängerinnen. Die Lafette besteht aus einem Rohr- träger, welcher um einen Zapfen drehbar ist und das Stahlrohr trägt. Der Träger Fig. 593. Gatling's Revolverkanone. (Type für die Marinewaffe.) seinerseits ruht auf einer Pivotplatte. Die Lafetten- wände sind aus Guß- stahlblech und miteinander auf das Festeste ver- bunden. Die Achse des Vordertheiles der Lafette trägt zugleich die Brems- vorrichtung, welche voll- kommener arbeitet, als eine gewöhnliche Geschütz- bremse. Die Seitenrichtung wird mit Hilfe eines Richtbaumes im Groben vorgenommen, während ein (nicht sichtbares) Hand- rad die feinere Einstellung durch Deckung des Rohr- trägers bewirkt. Zur Höhenrichtung dient die Richtmaschine. Der La- fettenkasten ruht zwischen den beiden Wänden und enthält zehn Patronen. Die Lafette wiegt 470 Kilogramm, das Rohr allein 170 Kilogramm, Länge desselben 30 Caliber (1‧59 Meter), Be- dienung zwei Mann. Zur Lafette gehört selbstverständlich eine Protze, deren Kasten zwölf Fächer, je vier übereinander, enthält. Jedes Fach kann sieben Patronen aufnehmen. Damit trägt das Geschütz, den Vorrat im Lafettenkasten eingerechnet, 94 Schüsse; außer- dem im oberen Fach des Protzkastens zehn Kartätschen. Die Protze wiegt leer 560 Kilogramm; voll belastet wiegt das ganze Geschütz 1480 Kilogramm und erfordert zur Bespannung vier Pferde. Aus dem Grusonwerke ist auch die in Fig. 601 abgebildete Schnellfeuer- Haubitze und Feldlafette hervorgegangen. Sie unterscheidet sich von den bisherigen Das Geschützwesen. derartigen Geschützen dadurch, daß dessen Schildzapfen am Bodenstück des Rohres angebracht sind. Dadurch wird Folgendes erreicht: Durch die veränderte Kraft- richtung wirkt ein nur so kleiner Theil des Rückstoßes auf die Achse, daß auch schwere Kanonen auf fahrbarer Lafette montirt werden können, ohne die Achse der Gefahr des Zerbrechens auszusetzen. Ferner bleibt in Folge des veränderten Drehpunktes die Ladeöffnung in den verschiedenen Höhenstellungen in derselben Höhe und es wird ein Zurückbringen des Rohres in eine besondere Ladestellung überflüssig, was natürlich die Feuergeschwindigkeit erhöht. Der Mörser ist daher Fig. 594. Krupp's 10‧5 Centimeter-Schnellfeuer-Kanone. als Schnellfeuer-Kanone gebaut. Die Bewegungen des Rohres beim Schusse werden überdies durch Gummipuffer begrenzt, so das die Lafette verhältnißmäßig sehr leicht sein darf und die Beförderung des ganzen Geschützes, sowie dessen Einstellung in Batterien ungemein vereinfacht ist. Aus dem Grusonwerke ist zu Ende der Achtzigerjahre auch eine für Wurf- feuer berechnete 12 Centimeter-Schnellfeuer-Haubitze hervorgegangen, deren Geschosse — nach den angestellten Versuchen — bis zum ersten Aufschlagen 2246 bis 2294 Meter zurücklegten. Die Haubitze liegt in einem gedeckten Panzer- stand und beansprucht zur Bedienung zwei Mann, nämlich einen Mann zum Oeffnen und Schließen des Verschlusses und zum Abfeuern, sowie einen Mann zum Einlegen der Patronen und zum Richten. Die Rohrlänge beträgt 1‧55 Meter; die Granaten und Shrapnels haben ein Gewicht von 16‧4 Kilogramm; letztere 47* Erster Abschnitt enthalten 450 Kugeln. Geladen wird die Lafette mit 900 Gramm grobkörnigen Pulvers. Bei diesem Anlasse möchten wir einige Bemerkungen über das Grusonwerk bei Magdeburg-Luckau einschalten. Die Anfänge desselben waren, gleich denen der Krupp'schen Gußstahlfabrik, sehr bescheidene. Es bestand ursprünglich in einer Schiffswerft nebst einer kleinen Maschinenfabrik, welche im Jahre 1821 durch Hermann G. Gruson errichtet wurden. Ein Neuling war Gruson nicht in dem schwierigen Fache. Nachdem er drei Jahre auf der Berliner Universität studirt hatte, war er der Reihe nach Volontär bei Borsig , Maschinenmeister an der Berlin-Hamburger Bahn, Ober-Ingenieur der Wöhlert 'schen Maschinenfabrik und endlich technischer Dirigent der Hamburg-Magdeburger Dampfschiff-Gesellschaft gewesen. Es stand ihm Fig. 595. Gruson's 53 Millimeter-Schnellfeuer-Feldkanone. also eine langjährige Erfahrung im Hüttenwesen und Maschinenbau zur Seite, und so nahm das kleine Werk in Magdeburg-Luckau sehr bald einen kaum geahnten Aufschwung. Gruson hatte von vorneherein eingesehen, daß er sich nur durch die sorgsamste Pflege und Durcharbeitung einer Specialität einen Namen machen könne. Und so warf er sich mit Feuer auf die Anwendung gußeiserner Formen, an Stelle solcher aus Sand, um mittelst derselben eine harte Oberfläche der Gußstücke zu erzielen. Eisen ist ein viel besserer Wärmeleiter als der Formsand. So kühlt sich die Ober- fläche des Gußstückes bei Anwendung des Verfahrens viel rascher ab, wodurch sie einen besonderen Härtegrad erlangt. Die Versuche mit dem sogenannten Hartguß fielen nach jeder Seite befriedigend aus, und so war Gruson bald im Stande, die verschiedensten Artikel auf diese Weise herzustellen. Zuerst waren es Räder, Herz- und Kreuzungsstücke für Eisenbahngeleise; bald wurde indessen die Verwendung Das Geschützwesen. des Hartgusses auf Kriegsmaterial ausgedehnt, und damit legte Gruson den Grund zu seiner nachmaligen Größe. Zunächst fand die neue Eisensorte bei Geschossen jeder Art Anwendung. Da sich dieselben bei Schießversuchen sehr bewährten, liefen in Kürze so zahlreiche Be- stellungen ein, daß das Werk vergrößert werden mußte. Später ruhte die Fabrikation der Hartguß-Granaten vollständig; dieselben wurden durch die Granaten aus gehärtetem Stahl aus dem Felde geschlagen, deren Herstellung das Grusonwerk im Jahre 1888 mit größtem Erfolge in Angriff nahm. Den Schwerpunkt der Abtheilung für Kriegsmaterial bildete indeß nicht die Geschoßgießerei, sondern die Fabrikation von Hartguß-Panzerplatten , denen das Grusonwerk vor Allem seinen Weltruf Fig. 596. Gruson's Schnellfeuer-Kanone mit Pivot-Gelenk-Lafette (53 Millimeter). verdankt. Vornehmlich dienen diese Platten zur Küstenvertheidigung. Sie zeigten sich in der Gewaltprobe zu Spezzia im Jahre 1886 allen anderen Platten un- bedingt überlegen, indem sie, ohne ihre Widerstandsfähigkeit zu verlieren, einer Reihe von Schüssen aus dem Armstrong 'schen 100 Tonnen-Geschütz von 43 Centi- meter Caliber Stand hielten. Die Geschosse drangen höchstens 10 Centimeter tief ein, obwohl sie mit einer lebendigen Kraft von 14.700 Metertonnen auftrafen, wogegen die anderen Platten schon beim ersten Schuß in Trümmer gingen. Wir kommen auf diesen Gegenstand noch eingehender zu sprechen. Hand in Hand mit der Fabrikation der eigentlichen Panzer ging diejenige der sogenannten Minimal-Schartenlafetten nach dem System des zu früh ver- storbenen genialen Oberstlieutenants Schumann . Bezüglich des Baues dieser Panzer- lafetten ist mit wenigen Worten Folgendes zu bemerken: Sie bestehen aus einer gewölbten Panzerdecke, die mit der Lafette, beziehungsweise dem Geschütze, starr Erster Abschnitt. verbunden ist. Die Panzerhaube ruht bei den verbesserten Constructionen auf den Lafettenwänden und balancirt mit einem flachen Zapfen auf einer Säule, welche vertical auf- und niederbewegt werden kann. Diese Bewegung wird durch ein Gewicht hervorgerufen, welches das Gewicht der gesammten beweglichen Theile aus- balancirt, so daß beim Heben und Senken nur die Reibung zu überwinden ist. Fig. 597. Fahrbare Panzerlafette für eine 3‧7 Millimeter-Schnellfeuer-Kanone (Deutschland). Fig. 598. Fahrbare Panzerlafette für eine 5‧3 Centimeter-Schnellfeuer-Kanone (Deutschland). Die Senkung der Panzerhaube erfordert nur zwei Secunden. Sie ist also, wenn der Feind beim Aufblitzen der Kanone feuert, bereits vollzogen, ehe dessen Geschoß das Ziel erreicht. Im versenkten Zustande liegt die Panzerhaube mit ihrem Rande auf dem Vorpanzering auf. Die ganze Panzerlafette ist selbstverständlich nach allen Seiten drehbar, und es beansprucht die vollständige Umdrehung 30 bis 40 Se- cunden. Im Innern des Thurmes ist für 600 Schuß Munition Platz. ... Be- züglich der Gruson'schen Schnellfeuergeschütze und fahrbaren Panzerlafetten ver- weisen wir auf das weiter oben Gesagte. Das Geschützwesen. Nachdem das Gruson'sche Etablissement in eine Actiengesellschaft umgewandelt worden war, kam es im Jahre 1892 in den Besitz Krupp's. Interessant ist ein älterer Ausweis, welcher Aufschluß über den Gesammtbetrieb dieses Werkes giebt. Es wurden innerhalb neun Jahren erzeugt: über 93 Millionen Kilogramm Hartgußwaare, 10.500 Excelsiormühlen, Fig. 599. Gruson's fahrbare Panzerlafette. 54 Hartguß-Panzerthürme für je 2 Geschütze, 8 Panzerbatterien für zusammen 40 Geschütze, 86 verschiedene Panzerungen, 1.033 Panzerlafetten, 500 Lafetten für Geschütze von 30‧5 Centimeter Caliber, 1.032 Revolverkanonen, 1.000 Schnellfeuer-Geschütze, 2,500.000 Geschosse. Erster Abschnitt. Ein Ereigniß ersten Ranges für das Grusonwerk waren die großartigen Schießversuche, welche im September 1890 etwa 200 Officiere und Ingenieure aus sämmtlichen Militärstaaten der Erde (mit Ausnahme Frankreichs) nach dem Schießplatze der Firma gelockt hatten. Zum erstenmale bot sich hier die Möglichkeit, eine vollständige Uebersicht über die Leistungen des Grusonwerkes bezüglich der Angriffs- wie der Vertheidigungswaffen zu gewinnen, den Zusammenhang der- selben zu erfassen und zugleich die Wirkung der Schußwaffen aus praktischen Bei- Fig. 600. Versenkbare Panzerlafette für eine 5‧3 Centimeter-Schnellfeuer-Kanone. spielen zu entnehmen. Daher die Bereitwilligkeit, mit welcher die Militärverwal- tungen der Einladung des Grusonwerkes gefolgt waren. Es wurden den Gästen nicht weniger als 34 Versuchsobjecte vorgeführt, was durch den glücklichen Umstand besonders erleichtert war, daß gerade eine größere Zahl bestellter Panzerthürme, Panzerlafetten und Schnellfeuergeschütze auf den Schießplätzen standen und die betheiligten Regierungen die Erlaubniß ertheilt hatten, die ihnen gehörigen Objecte vorzuführen. Die Versuchsobjecte zerfielen in drei Gruppen: 1. Panzerthürme und Minimalscharten-Lafetten, 2. Panzerlafetten und gepanzerte Mörser, 3. Schnellfeuer- Das Geschützwesen. geschütze für den Feld-, Schiffs- und Festungsgebrauch. Bei den Versuchen hat man, von zwei Fällen abgesehen, nur rauchloses Pulver verwendet. Es wurden selbstverständlich den Geschützen die schwersten Aufgaben gestellt und die Leistungen, so weit angängig, an feldmäßigen Zielen und mit feldmäßigen Mitteln vorgeführt. Fig. 601. Gruson's Schnellfeuer-Haubitze in Feldlafette. Um wenigstens die wichtigsten Momente aus diesen Schießversuchen vorzu- bringen, knüpfen wir bei der weiter oben besprochenen 12 Centimeter-Schnellfeuer- Haubitze an. Es wurde mit scharf geladenen Ringgranaten und Shrapnels gegen eine Feldschanze mit Schützen und einen Unterstützungstrupp geschossen. Die Ent- Erster Abschnitt. fernung betrug 3000 Meter. Die abgegebenen 20 Schüsse zerstörten den rechten Flügel der Schanze vollständig und hatten außerdem 17 Schützen durch Kugeln und Sprengstücke getroffen. Fig. 602. Gruson's Schnellfeuer-Haubitze. Bezüglich der fahrbaren Panzerlafetten ist zu bemerken, daß die Versuche das Ausfahren der Lafette aus einer permanenten Stellung, das Einfahren in dieselbe, das Abprotzen, das Schießen gegen plötzlich auftretende Schützen und das Aufprotzen darstellten. Hierbei ergab sich auf das Ueberzeugendste, daß man mit den einfachsten, im Felde jederzeit zu habenden Mitteln im Stande ist, das Geschütz, Das Geschützwesen. Fig. 603. Krupp's 7‧5 Centimeter-Schnellfeuer-Kanone L/30 in Feldlafette mit steigendem Rohrrücklauf, Seiten- richtmaschine und starrem Sporn. Fig. 604. 6‧5 Centimeter-Schnellfeuer-Kanone L/35 mit langem Rohrrücklauf in Feldlafette mit starrem Sporn und Radnabenbremse, Rohr nach dem Abfeuern künstlich festgehalten. Fig. 605. Krupp's 7‧5 Centimeter-Schnellfeuer-Kanone L/28 in Feldlafette mit ausschaltbarem, federndem Sporn mit Stellvorrichtung. (Achse des Sporns über dem Lafettenschwanz.) Fig. 606. Krupp's 6‧5 Centimeter-Schnellfeuer-Kanone L/35 mit senkrechtem Keilverschluß in Feldlafette mit Flüssigkeits-Spornbremse, Räder mit stählernem Feigenkranz und Drahtspeichen, Radreifen-Zahrbremse und Achs- sitzen. (Geleisebreite 1‧52 Meter.) Das Geschützwesen. auch auf weichem Boden, nur durch Mannschaften zu transportieren, und daß man die Lafette ohne besondere Werkzeuge von der Protze auf den Erdboden setzen und wieder auf die Protze bringen kann. ... Die 53 Millimeter-Schnellfeuer-Kanone (S. 740) beschoß den 500 Meter entfernten Vordertheil eines Torpedobootes, wobei Fig. 607. Gruson'sche Panzerlafette für eine 15 Centimeter-Haubitze ohne Vorpanzer und Unterbau. es sich zeigte, daß selbst das kleine Caliber gegen diese Boote erfolgreich ankämpfen kann. Die Wirkung der verfeuerten 2 Kilogramm schweren Panzergranate war vorzüglich. Von 13 während 30 Secunden abgegebenen Schüssen waren 8 Voll- treffer, welche zum Theile die 12 Millimeter starke Schutzwand für die Kessel durch- schlugen. Das Boot wäre somit durch das eine Geschütz zweifellos außer Gefecht gesetzt worden. Das größere Geschütz (Caliber: 75 Millimeter) gab mit gleichem Erster Abschnitt. Erfolge in 30 Secunden 12 Schüsse ab; die Granate wog 6 Kilogramm, und war das Ziel 2000 Meter entfernt. Die in Fig. 600 abgebildete versenkbare Panzerlafette mit einem 53 Millimeter-Schnellfeuergeschütz liegt für gewöhnlich mit der Erdoberfläche in Fig. 608. Gruson'scher 21 Centimeter-Hartgußmörser. gleicher Höhe und ist daher den Blicken des Feindes entrückt. Soll das Geschütz feuern, so drückt ein Mann auf eine mit dem Traghebel verbundene Stange und bewirkt damit, unterstützt durch das links sichtbare Gegengewicht, eine Hebung der Decke und ein Heraustreten des Rohrendes aus der Schießscharte. Das Richten erfolgt durch Drehen der Lafette vermittelst des sichtbaren, durch die Füße bewegten Tretrades. Zum Heben der Lafette, Vorbringen des Geschützes, Abgabe eines Das Geschützwesen. Schusses, Zurückziehen der Kanone und Senken der Lafette sind 15 Secunden erforderlich. Die Zahl der in einer Minute abgegebenen Schüsse läßt sich auf 35 steigern. Die Granate hat ein Gewicht von 1750 Gramm, und es beträgt ihre Anfangsgeschwindigkeit 495 Meter in der Secunde. Die Panzerdecke und der Panzer- ring haben eine Dicke von 100 Millimeter. Fig. 609. Canet's Schnellfeuergeschütz. Rückansicht. Unsere Begriffe von der Gestalt einer Schußwaffe völlig auf den Kopf stellend, zeigt der in Fig. 608 abgebildete Panzerstand für einen 21 Centimeter- Mörser . Die Mörser feuern bekanntlich, ihrer sehr kurzen Rohre wegen, mit großen Er- höhungswinkeln. Die Neuerung liegt hier hauptsächlich darin, daß das Rohr die Gestalt einer Kugel hat und auf einer Pivotsäule ruht. Die Kugel bildet zugleich einen Theil des Panzers und schließt die Schartenöffnung in der Panzerdecke voll- ständig. Die Seitenrichtung des Mörsers wird im Innern des Panzerstandes durch einen Handhebel genommen und auf einer Gradeintheilung abgelesen. Ein zweites Handrad dient zum Nehmen der Höhenrichtung, die in gleicher Weise abgelesen Erster Abschnitt. wird. Die Granate hat ein Caliber von 120 Millimetern und ein Gewicht von 16 Kilogramm; die Anfangsgeschwindigkeit schwankt je nach der Größe der Ladung zwischen 96 und 200 Meter. Die Decke des Panzerstandes hat eine Dicke von 120 Millimeter. Bei den Versuchen wurde eine Belagerungsbatterie mit scharf geladenen Granaten beschossen und es waren von 16 Schüssen auf eine Entfernung von 2500 Meter vier volle Treffer, während drei andere Projectile dicht am Ziele einschlugen. In jüngster Zeit ist auch Frankreich mit einem Schnellfeuer-Feldgeschütz auf den Plan getreten, dessen Constructeur der bereits genannte Director Canet der » Société des Forges et Chantiers de la Mediteranée « ist, und das nach den vortrefflichen Versuchsergebnissen wohl als das französische Feldgeschütz der Zukunft gelten darf. Es ist ( M 1896) in den drei Calibern von 65, 70 und 75 Milli- metern construirt, und zwar als lange wie als kurze Kanone, so daß man mit diesem Geschütz sowohl schwere als auch leichte Batterien zusammenstellen kann. Das Rohr stellt sich als ein Mantelrohr dar, bei welchem dreierlei Verschlußarten anwendbar sind, die den Gebrauch der Waffe als Schnellfeuergeschütz gewährleisten. Die erste besteht in einem cylindrischen Schraubenverschluß, zu dessen Oeffnen, be- ziehungsweise Schließen, zwei Handbewegungen erforderlich sind. Ein senkrecht über das Rohr hervorstehender Handgriff mit Knopf wird nach links in die wagrechte Stellung gedrückt, wodurch sich die Schraube des Cylinders aus den Gewinden der Rohrwand herausdreht und in deren glatte Fläche austritt; alsdann wird der Handgriff im Rohre nach rückwärts gedreht, wodurch sich der Verschluß öffnet. Das Schließen desselben erfolgt umgekehrt. Bei der zweiten Verschlußart ist nur eine einzige Handbewegung erforderlich; der Handgriff ist jedoch so angebracht, daß er wagrecht nach links heraussteht. Dreht man denselben nach rechts um 180 Grad, so wird bei der ersten Hälfte der Drehung die Schraube von dem Gewinde frei und bei der zweiten Hälfte der Verschluß geöffnet. Die ganze Drehung von links nach rechts wird aber in einem einzigen Griff ausgeführt, ebenso umgekehrt das Schließen. Die dritte Verschlußart ist eine ganz neue Construction und bei weitem die interessanteste. Sie wird als »Verschluß mit concentrischen Gewinden« bezeichnet und genügt auch hier eine Handbewegung zum Oeffnen sowie zum Schließen. Der Verschluß besteht aus einem halbkreisförmigen Stahlblock, dessen rechte und linke Seite, von der Seelenachse gerechnet, mit concentrisch geführten keilartigen Gängen versehen sind; nach dem Laderaum zu ist der Block mit einer flachen Seite versehen, welche den Abschluß bewirkt, während die rückwärtige, bei geschlossenem Verschluß von außen sichtbare Seite eine Fläche in Form eines halben Cylinders bildet. Der Handgriff liegt rechts an der Außenfläche des Rohres an. Wird er nach abwärts bewegt, so dreht sich der Block mit seinen concentrischen Keilzügen in den entsprechenden Aussparungen an der inneren Bodenwand um 90 Grad herum. Alsdann liegt die vordere glatte Abschlußfläche nach unten, die hintere halb- Das Geschützwesen. cylinderförmige nach oben, wobei die letztere gleichzeitig als Ladehülfe zum Ein- bringen der Ladung dient. Ebenso neu und eigenartig wie die letztbeschriebene Verschlußart, ist die Lafette mit selbstthätiger Luftdruckbremse. Erstere besteht zu diesem Zwecke aus zwei nach Art eines Fernrohres ineinander schiebbaren Stahlrohren. Das enge Rohr trägt den Lafettenschwanz, das weitere den Lafettenkörper mit dem Schieß- Fig. 610. Canet's Schnellfeuergeschütz, Vorderansicht. gerüst für das Rohr. Am Ende des Lafettenschwanzes, wo an einem Verstärkungs- ring die Protzöse sowie die Oesen für den Richtbaum angebracht sind, befindet sich ein schräg nach abwärts weisendes Spatenblatt, das sich nach dem ersten Schuß durch den Rückstoß in den Boden eingräbt, worauf das Geschütz nicht weiter zurück- laufen kann. Bei den folgenden Schüssen tritt nun die Luftdruckbremse in Thätigkeit, d. h. sie hebt den Rücklauf des Geschützes auf und hält zugleich, unterstützt von dem Gewichte des hinteren Rohrtheiles, die Lafettenräder am Boden fest. Diese Bremse besteht in einem achsial in dem weiten Rohre angebrachten Kolben, der eine Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 48 Erster Abschnitt. in dem engeren Rohre luftdicht abschließende Scheibe beim Rückstoß nach dem Lafettenschwanzende hin bewegt und dadurch die Luft in dem engen Rohre zu- sammenpreßt. Hört die Kraft des Rückstoßes auf, so dehnt sich die zusammen- gepreßte Luft wieder auf ihr vorheriges Volumen aus, bewegt den Kolben mit dem weiten Rohre nach vorwärts und bringt dadurch das Rohr in die Schuß- stellung zurück. Als Munition für dieses Geschütz gelangt eine Einheitspatrone zur Ver- wendung. Geschoß und Hülse mit rauchloser Pulverladung werden jedoch im Protz- kasten getrennt mitgeführt, und wird das Geschoß erst beim Laden in die Hülse eingeführt. Es kommen Shrapnels und Sprenggranaten zur Verwendung. Letztere haben einen Bodenzünder für Aufschlag mit verlangsamter Brennzündung der Sprengladung, jene einen an der ogivalen Geschoßspitze angebrachten Doppelzünder, der vermittelst eines eigenartigen Tempirschlüssels auf eine bestimmte Brennzeit eingestellt werden kann. Das Canet'sche Feldgeschütz wiegt sammt der Protze (lange Kanone) 1550 Kilo- gramm, beziehungsweise (kurze Kanone) 1260 Kilogramm, das Rohr allein 330 (250), die Lafette 650 (500), das Shrapnel und die Sprengladung je 5‧2 (4‧6), die Sprengladung 0‧4 (0‧35), die vollständige Patrone 7 (6) Kilogramm. Die Anfangsgeschwindigkeit beträgt 600 bis 680 (500 bis 600) Meter, die größte Schußweite 6800 (5000) Meter, die Länge des Rohres 2‧4 (1‧8) Meter. Die langen Kanonen sind sechs-, die kurzen vierspännig zu fahren. Diese Angaben gelten für das 75 Millimeter-Caliber. Bei allen drei Calibern des schweren und des leichten Materiales sind vier Mann zur Bedienung erforderlich; die Feuerschnelligkeit beträgt zehn Schuß in der Minute. Nach fachmännischem Urtheile dürfen als Vortheile des Canet'schen Geschützes gelten: die Möglichkeit, sehr schnell zu schießen, die Leichtigkeit des Geschützes und die durch dieselbe ermöglichte Mitnahme von viel Munition. Als Nachtheile sind hervorzuheben, daß das richtige Functioniren des Bremsmechanismus doch wohl sehr von der Beschaffenheit des Bodens abhängt; daß das Einschießen (in Folge der Fixirung des Gechützes nach dem ersten Schusse) sehr erschwert ist; daß die Feuerschnelligkeit zu Munitionsverschwendung verleitet, und schließlich, daß die Wirkung des einzelnen Schusses, des kleinen Calibers wegen, eine geringe ist. Nachdem wir so vielerlei Geschütze kennen gelernt haben, dürfte es von Interesse sein, einen Blick in eine jener Werkstätten zu werfen, in welchen diese Kampfmittel hergestellt werden. Wir wählen zu diesem Ende — die Veran- lassung liegt ja nahe genug — die der Geschützfabrikation dienende Abtheilung der Krupp 'schen Gußstahlfabrik. Mit Recht bemerkt Professor Fr. C. G. Müller , der treffliche Kenner der Krupp'schen Kanonenwerkstätten, und dem wir hier in mehr oder weniger freier Wiedergabe folgen, »daß der heutige Geschützbau, ab- gesehen von der Einführung des Gußstahles und der Hinterladung, durch die An- nahme der Ringconstruction von Grund aus geändert und in die schwierigsten Das Geschützwesen. Regionen der Präcisionsmechanik verlegt ist. Denn das Kanonenrohr ist kein aus- gebohrter Stahlschaft mehr, sondern nach subtilen Regeln aus mindestens zwei ineinandergeschobenen Theilen zusammengesetzt«. In der That finden wir, daß die Rohre kleineren Calibers aus einem Seelen- und einem Mantelrohre bestehen, während bei den Rohren großen Calibers außerdem noch eine Lage oder mehrere Lagen Ringe, welche über den Mantel gezogen sind, dazukommen. Die Ringconstruction mag sich dem Laien als eine ziemlich einfache Sache darstellen; in Wirklichkeit aber ist sie insoferne höchst com- plicirt, als es sich hier der Natur der Sache nach um sehr verwickelte Unter- suchungen und Rechnungen bezüglich des Verhaltens des Kanonenstahles gegen- über dem Gasdrucke und anderen zur Wirkung kommenden Kräften handelt. Denn nur bei sehr präcisem, auf Erprobung und Erfahrung beruhendem Vor- Fig. 611. Verschluß zu Canet's Schnellfeuergeschütz. gehen in der Construction solcher Rohre konnte deren Brauchbarkeit gewährleistet werden. Der Vorgang bei der Herstellung eines Geschützrohres nach dem Ring- system ist ein höchst umständlicher. Zunächst werden die beiden zusammengehörigen Rohre — das Seelen- und das Mantelrohr — aus je einem Gußstahlblock von entsprechender Größe geschmiedet. Außerdem müssen noch die »Ringe«, welche über das Mantelrohr gezogen werden und deren äußerster mit dem Schildzapfen versehen ist, vorgeschmiedet werden. Aus dem Hammerwerk oder der Schmiedpresse wandern diese Stücke in die mechanische Werkstätte, wo sie zunächst annähernd auf das richtige Maß abgedreht und ausgebohrt und der Härtung unterworfen werden. Zu den weiteren Vollendungsarbeiten zählen: die äußere Formgebung, die Bearbeitung des Rohres zur Aufnahme des Verschlusses, das Einschneiden, Nachschleifen und Poliren der Züge. Ist das Rohr fertig, so wird es von den hierzu bestimmten Functionären in allen seinen Theilen geprüft, wobei vornehmlich bezüglich des Aussehens der Bohrung mit peinlicher Genauigkeit vorgegangen wird. Durch Anwendung eines 48* Erster Abschnitt. Spiegels und des elektrischen Lichtes überzeugt man sich, daß an der Bohrungs- fläche mit ihren Zügen nicht der kleinste Riß oder eine Pore vorhanden ist, in welchem Falle das Rohr als unbrauchbar erklärt wird. In der Krupp'schen Gußstahlfabrik haben die einzelnen Rohrsysteme ihre besonderen Erzeugungsstätten. Wir finden dort Werkstätten, denen ausschließlich die Herstellung jener Geschützungethüme obliegt, welche zur Armirung der Panzerschiffe und der Befestigungen bestimmt sind. In anderen Werkstätten werden die zahlreichen, den mannigfachsten Zwecken dienenden Gechützrohre kleineren Calibers (von 15 Centi- meter abwärts), vornehmlich Schnellfeuergeschütze, ferner Haubitzen und Mörser fertiggestellt. Ebenso verhält es sich mit den verschiedenen Systemen und Lafetten, als: zweirädrige Feldlafetten, Lafetten für Belagerungsgeschütze, für Schnellfeuer- Schiffsgeschütze und für die ganz großen Kanonen. Die Werkstätte für die Her- stellung der letztgenannten Lafetten ist eine der größten und schönsten im Krupp 'schen Etablissement, eine Montirungswerkstatt von 75 Meter Länge und 40 Meter Breite. Zwei Laufkrahne von je 75 Tonnen Tragfähigkeit schweben hoch über dem Dache. In halber Höhe ist eine umlaufende Galerie mit Arbeitsplätzen für kleinere Schlosserarbeiten. In mancher Beziehung noch interessanter als die Herstellung der Geschütz- rohre ist jene der Geschosse . Die äußere mechanische Bearbeitung derselben erfolgt in einer großartigen, 160 Meter langen, dreistöckigen Werkstatt, der Geschoß- dreherei , in welcher die Geschosse genau auf Maß abgedreht, die Führungsringe eingewaltzt, die Gewinde für die Zünder und der Bodenverschluß für die Panzer- granaten hergestellt werden. Nicht minder interessant gestalten sich die Arbeiten in den Zünderwerkstätten , wo hunderte von Specialmaschinen »aus Messingstangen und Gelbguß so schnell, als wäre es Holz, die vielen Einzeltheile der verschiedenen Zündergattungen fast automatisch herausarbeiten.« Diese Bestandtheile wandern in besondere Laborirwerkstätten, in welchen die Zusammenstellung der Zünder und deren Ausstattung mit Zündpillen und Brennsätzen erfolgt. Die fertigen Geschütze harren selbstverständlich noch einer sehr eingehenden Erprobung auf der Schießstätte der Krupp'schen Fabrik. Das auffälligste Object auf derselben ist ein Hügel, der aber nichts anderes als ein außen begrünter, innen aus mächtigen Quadern aufgeführter Geschützstand ist. Darüber spannt sich eine Brücke mit Eisenbahngeleise. Ein 150 Tonnenkrahn senkt die Rohre und Lafetten; ein 50 Meter langer Tunnel bildet das Schießfeld. Es ist indeß zu bemerken, daß es sich hier nicht eigentlich um einen Schießplatz im artilleristischen Sinne, sondern gewissermaßen um eine Probiranstalt handelt, wo Rohre und Lafetten auf ihre Haltbarkeit geprüft und ballistische Messungen angestellt werden. Für letztere ist ein eigenes Häuschen, in welchem der mit diesen Untersuchungen betraute Ingenieur mit mancherlei Apparaten und sonstigen Hilfsmitteln (graphischen Darstellungen) schaltet. Der eigentliche Schießplatz der Krupp'schen Fabrik befindet sich in der Nähe von Meppen , wo im Jahre 1877 Krupp pachtweise ein fast ebenes, über drei Das Geschützwesen. geographische Meilen langes Landgebiet erwarb. Hier werden jene hochinteressanten ballistischen Versuche angestellt, »dem bis heute kein Staat der Erde, geschweige denn ein Privatetablissement, etwas Gleiches zur Seite setzen kann, und welcher durch die von Zeit zu Zeit hier stattfindenden Probeschießen, an denen Souveräne Fig. 612. Gewölbe des großen Krupp'schen Schießstandes in Essen. und Officiere europäischer und nichteuropäischer Länder theilnehmen, geradezu eine internationale Bedeutung erlangt hat«. Der Schießstand zu Meppen stellt sich als eine auf Gitterpfeilern ruhende Brücke von 6 Meter Höhe und 75 Meter Länge dar, unter welcher die Geschütze, welche erprobt werden, ihre Aufstellung erhalten. Natürlich geschieht dies mit Hilfe mächtiger Krahne (es sind zwei, von je 75 Tonnen Tragfähigkeit, vorhanden), welche auf den Eisengeleisen der Brücke sich bewegen. Dementsprechend ist auch die Trag- Erster Abschnitt. fähigkeit der Brückenjoche eine außergewöhnliche. Das mittlere derselben gestattet, das 120 Tonnen schwere Rohr des 42 Centimetergeschützes von dem zu seinem Transporte dienenden Specialwagen (siehe S. 713) abzuheben und in die Lafette Fig. 613. 21 Centimeter-Kanone, Ladung 80 Kilogramm, gewöhnliches Schwarzpulver. zu legen. Es ist dies, wie wir an anderer Stelle berichtet haben, das größte Kanonen- rohr der Welt. Das 1000 Kilogramm schwere Panzergeschoß ist als ein Wahr- zeichen auf einer freien Erhöhung hinter dem Geschützstand aufgestellt. Es überragt einen mittelgroßen Mann. Das Geschützwesen. Der Schießplatz bei Meppen ist jene Oertlichkeit, wo der berühmte Kampf zwischen Panzer und Kanone ausgefochten worden ist. Die Spuren dieses Kampfes verrathen sich durch die Anwesenheit von durchschossenen Eisenplatten und zertrüm- Fig. 614. 12 Centimeter-Kanone, Ladung 1‧9 Kilogramm, rauchschwaches Pulver. merten Stahlplatten. Die Panzerproben bedürfen mancherlei Zurichtungen, und ist ein wesentliches Glied derselben der Aufstellungsort. Hier werden auf Eichenholz- wänden von 1 Meter Dicke die zu erprobenden dicksten Panzerplatten mittelst armdicker Eisenbolzen ganz in der gleichen Weise befestigt, wie beim Einbau Erster Abschnitt. in die Panzerung eines Kriegsschiffes. Nach rückwärts sind die Holzwände durch eiserne Spanten und Streben gesichert. Sehr interessant ist eine Schilderung von Prof. Müller , welcher den Meppener Schießversuchen wiederholt beigewohnt hat. ... »Zuerst soll eine 40 Caliber lange Fig. 615. Zalinski's Dynamit-Geschütz. (Aelteste Verwendungsart als Schiffsgeschütz.) 17 Centimeter-Kanone in Schiffslafette an die Reihe kommen. ‚Linie frei‘ ruft der Mann am Telephon aus einem der kleinen Holzhäuschen hinter der Bettung. ‚Achtung!‘ Die Zeigefinger fahren nach den Ohren. ‚Geschütz — Feuer!‘ Ein gelbleuchtender Feuerball an der Mündung, ein dumpfer Krach und das Geschoß Das Geschützwesen. fliegt in flachem Bogen durch die beiden mit Kupferdraht bespannten Rahmen dem Ziele zu, das in ein Drittelmeile Abstand am Horizonte sichtbar ist. Hinter dem Fig. 616. Zalinski's Dynamitgeschütz in Küstenbefestigung. Geschütze stehend kann man bei größeren Calibern das Geschoß eine bis zwei Secunden lang fliegen sehen. Dann schrumpft der kleine schwarze Kreis zu einem verschwindenden Punkte zusammen. Aber gleich darauf zuckt hinter dem Ziele eine Wolke von Sand und Staub empor; das Geschoß hat zum erstenmale den Boden berührt, um Erster Abschnitt. aufspringend und nochmals aufspringend erst eine geographische Meile weiter zur Ruhe zu kommen.« Bei Abgabe eines Schusses aus einer 28 Centimeter-Haubitze (eines der mächtigsten Geschütze der Art) berichtet unser Gewährsmann von einem Standpunkte, der 2000 Meter vom Schießplatze entfernt ist: »Der Schuß blitzt drüben auf und nach fünf Secunden rollt der Donner an uns vorbei durch Wald und Heide. Dann bleibt eine Weile Alles ruhig. Da ertönt erst leise, dann mächtig anwachsend hoch oben aus den Wolken ein Rauschen, als zögen Vögel von fabelhafter Größe über unseren Häuptern weg. Gespannt richtet sich der Blick nach der Gegend des Himmels, wo das Geschoß zum Vorschein kommen soll. Und richtig, da wird die fast manns- große, 345 Kilogramm schwere Langgranate in den Wolken sichtbar und wir erkennen, wie sie fast senkrecht mit der Spitze herniederfährt, um sich drei Secunden später an der vorausberechneten Stelle 3 Meter tief in den Boden zu bohren.« In den Vereinigten Staaten von Amerika haben die artilleristischen Kampfmittel in den letzten Jahrzehnten vorzugsweise auf maritimem Gebiete be- deutende Fortschritte gemacht. Es gilt dies ebenso sehr bezüglich der Armirung der Kriegsschiffe, als rücksichtlich jener Maßnahmen, welche für Küstenvertheidigungs- zwecke getroffen wurden. In letzterer Beziehung unterlief allerdings viel Problema- tisches. Der amerkanische Erfindergeist ist in der Lage, sich viel freier, ungezwungener zu entfalten, und die officiellen Kreise neigen mit Vorliebe Neuerungen zu, zum Theil solchen von sehr fragwürdigem Werthe. Sehr lehrreich in dieser Richtung sind die Experimente mit dem sogenannten Dynamitgeschütz von Zalinski , von welchem vor etwa zehn Jahren alle europäischen Zeitungen voll waren. Man er- wartete ungeahnte Dinge von dieser Erfindung. In ihrer ursprünglichen Gestalt war die Zalinski'sche Kanone ein Schiffs- geschütz. Es hatte eine von den herkömmlichen Geschützen abweichende Form: ein 15 Meter langes, nicht gezogenes gußeisernes Rohr, das mit Kammern in Ver- bindung stand, in welche eine maschinelle Vorrichtung sehr stark zusammengepreßte Luft einführte. Nach erfolgter Ladung mit dem sogleich zu beschreibenden Geschosse, wurde die Preßluft plötzlich hinter letzterem in das Rohr eingelassen und damit eine Granate mit einer Anfangsgeschwindigkeit von etwa 180 Meter in der Secunde »abgefeuert«. Die Geschosse bestanden aus einem Blechcylinder zur Aufnahme der Sprengladung (270 Kilogramm Dynamit), in dessen Kopf ein elektrischer Zünder steckte. Durch Aufschlag auf das Wasser oder auf einen festen Gegenstand kam das Geschoß zur Explosion. Die probeweise Aufstellung des Dynamitgeschützes erfolgte zunächst auf Deck eines gewöhnlichen Küstenvertheidigungsschiffes. Da man aber unberechtigter Weise große Hoffnungen auf diese Mordwaffe setzte, entschloß man sich zum Bau eines speciell für dieses Geschütz eingerichteten Schiffes, wobei gleichzeitig jenes eine neue Der Dynamit-Kreuzer »Vesuvius«. 1. Durchschnitt. — 2. Röhren mit comprimirter Luft. — 3. Vorderansicht. — 4. Querschnitt (Lancirraum). — 5. Kesselraum. — 6. Ansicht des »Vesuvius«. — 7. Dynamitgeschoß. — In der Mitte: Die über Deck ragenden Geschützrohre. Das Geschützwesen. Gestalt erhielt. Das Fahrzeug selbst, welches auf der Cramp 'schen Werft gebaut wurde und den Namen »Vesuvius« erhielt, ist 77 Meter lang, hat 930 Tonnen Deplacement und Maschinen von 3795 Pferdestärken. Das Schiff ist behufs Er- zielung großer Fahrgeschwindigkeit sehr schlank gebaut; in den Bug desselben sind parallel nebeneinander unter einem Erhöhungswinkel von 18°, mit der Mündung bugwärts aus dem Oberdeck schräg herausragend, drei Zalinski'sche Druckluft- kanonen fest eingebaut. Sie reichen in Folge ihrer großen Länge (20 Meter) in den untersten Schiffsraum, wo sie geladen werden. Das Geschoß ist ein Messing- cylinder von 1 Meter Länge und kann 50 Kilogramm Sprenggelatine aufnehmen. Vorne ist eine 30 Centimeter lange Stahlspitze angebracht, damit das Geschoß Fig. 617. Zalinski's Dynamitgeschütz in seiner jetzigen Gestalt. besser die Luft durchschneiden und in das Ziel eindringen könne. Rückwärts befindet sich ein 130 Centimeter langes Steuer aus Holz, zu dem Zwecke, dem fliegenden Geschosse eine gerade Richtung zu geben. Das ganze Geschoß hat demnach eine Länge von über 2 ½ Meter. Durch eine Verbesserung kam ein schraubenförmig gewundenes Steuer hinzu, wodurch das Geschoß eine drehende Bewegung annimmt und der Geradflug noch leichter zu erzielen ist. Die Sprengladung des Geschosses wird durch einen Stoßzünder zur Explosion gebracht; der ursprüngliche elektrische Zünder ist gleichfalls beibehalten, und zwar zu dem Zwecke, um die Explosion auch bei dem Aufschlage auf das Wasser — der relativ schwach ist — zu erzielen. Die neuen Geschütze sind derart construirt, daß sie von einem einzigen Manne bedient werden können. Drückt derselbe auf einen Hebel, so setzt die comprimirte Luft den automatisch arbeitenden Ladeapparat in Bewegung; durch einen anderen Erster Abschnitt. Hebel giebt der Mann dem Rohre einen größeren oder kleineren Neigungswinkel und endlich durch Oeffnen des Schußventils wird das Geschoß aus dem Rohre geschleudert. Fig. 618. Dudley's pneumatische Kanone. Die Hoffnungen, welche man in die Zalinski'sche Erfindung (im Grunde genommen war es nur eine Verbesserung der von Mefford in Ohio Anfang der Achtzigerjahre construirten pneumatischen Kanone) setzte, hatten sich zunächst nicht Das Geschützwesen. erfüllt. Das Geschoß hatte eine geringe Trefffähigkeit, welche noch wesentlich durch den Seitenwind und die Schwankungen des Schiffes beeinträchtigt wurde. Nach jahrelangen unbefriedigenden Versuchen gab man dieselben auf und baute den »Vesuvius« in einen Aviso um. Man hat die Zalinski'sche Kanone mit Recht als »Ueberwasser-Torpedo« bezeichnet. Seine Verwendung war ursprünglich nur für Landbefestigungen bestimmt. Im spanisch-amerikanischen Kriege tauchte der »Vesuvius« unerwarteterweise wieder Fig. 619. Die Dudley-Kanone; das Mittelrohr durch ein aufschlagendes Projectil zertrümmert. auf; es scheint also, daß man sich hinterher mit dieser Type wieder befreundete und entsprechende Verbesserung durchführte, um sie gebrauchsfähig zu machen. Indessen hörte man wenig von der allgemein erwarteten zerstörenden Wirkung des Dynamitgeschützes. Es ist übrigens zu bemerken, daß das Zalinski'sche Dynamitgeschütz nicht die einzige pneumatische Kanone ist, welche die amerikanischen Waffentechniker im letzten Jahrzehnt in Verwendung nahmen. Es scheint, daß letztere gerade für diese Art von artilleristischen Vertheidigungsmitteln große Vorliebe an den Tag legen, denn in den letzten Jahren verlautete mehrfach hierüber. So construirte Maxim ein Geschütz, in welchem das Geschoß nicht durch comprimirte Luft allein, sondern Erster Abschnitt. durch ein Gemenge derselben mit Gasolin (Petroleumbenzin) in Bewegung gesetzt wird. Dieses Gemenge ist explodirbar und wird auch thatsächlich zur Explosion gebracht, sobald das Geschoß einen bestimmten Weg im Geschützrohre zurückgelegt hat. Durch die auf diese Art plötzlich erhöhte Gasspannung bekommt das Geschoß rascher die ihm nöthige lebendige Kraft, und es ist zulässig, das Rohr kürzer zu halten. Die Kanone ist sehr sinnreich construirt, und der Stoß, den das mit Dynamit gefüllte Geschoß bei der Explosion erhält, so gering, daß er demselben nicht gefährlich wird. James Waid Graydon , Officier der Vereinigten Staaten-Marine, hat eine pneumatische Dynamitkanone construirt, welche mit zusammengepreßter Luft von 210 Atmosphären Spannung schießt und in Folge dessen, trotz geringerer Fig. 620. Projectile der Dudley-Kanone. Länge und kleinerer Elevation (flacherer Flugbahn), dennoch 4 Kilometer Schuß- weite besitzt. Von demselben Erfinder rührt auch ein Dynamitgeschoß her, das aus Pulvergeschützen geschossen werden kann. Um den Stoß der Pulverladung abzuschwächen, hat das Geschoß hinten einen Puffer; damit die Wärme, welche von den Pulver- gasen auf das Geschoß übertragen wird, und jene, welche durch die Reibung des Geschosses in der Bohrung entsteht, der Dynamitfüllung nicht gefährlich werde, ist die Geschützhöhlung mit Asbest ausgekleidet. Ein 18 Centimeter- Geschütz dieser Art mit 10 Kilogramm Pulverladung schießt Stahlgeschosse von 50 Kilogramm Gewicht mit 10 Kilogramm Dynamitfüllung auf 2 Kilometer Distanz und richtet an einem 35 Centimeter starken Panzer ganz erhebliche Zer- störungen an. In jüngster Zeit ist unter den artilleristischen Küstenvertheidigungsmitteln ein neues Geschütz — die pneumatische Kanone von Dudley — aufgetaucht. Ent- gegen den vorbesprochenen Typen, welche zur »Abfeuerung« des Geschosses eines besonderen Apparates zur Verdichtung der Luft bedürfen, kommt der Dudley'schen Kanone der Vorzug zu, daß diese complicirte Vorrichtung entfällt. Die Comprimirung der Luft erfolgt nämlich durch den Druck, welchen die Explosion gewöhnlichen Schießpulvers beim Abbrennen im Rohre erzeugt. Das Geschütz stellt sich aus drei parallel angeordneten Rohren dar, welche an einem Gestelle derart montirt sind, daß sie sich gemeinsam um eine verticale Achse des Gestelles drehen lassen. Die drei Rohre sind fest miteinander verbunden; das mittlere (und längste) ist das eigentliche Feuerrohr und wiegt 125 Kilogramm; die beiden seitlichen Rohre sind leichter und communiciren durch ein hohles Verbindungsstück, das an ihren Das Geschützwesen. vorderen Enden angebracht ist. Das rückwärtige Ende des hier gleichfalls ge- schlossenen Rohres steht wieder in Verbindung mit dem rückwärtigen Ende des Mittelrohres. Das letztere, sowie das rechtsseitige Stück haben Magazinsmechanis- mus wie gewöhnliche Pulverkanonen. Fig. 621. Das Schleudergeschütz. Auch diese Construction ist nichts Anderes, als ein Ueberwasser-Torpedo. Dies beweist schon die Form des Geschosses, ein 1‧2 Meter langer, mit einem Steuerapparate versehener Cylinder, der mit Sprengstoff gefüllt und mit einem Explosionszünder versehen ist. Die Treffsicherheit ist sehr bedeutend, indem von Erster Abschnitt. etwa 150 Schüssen fast alle das Ziel erreichen — 2 Kilometer Entfernung bei 220 Meter secundlicher Anfangsgeschwindigkeit. Das Dudley'sche Geschütz läßt sich selbstverständlich auch am Bord kleinerer Schiffe verwenden. Für gewöhnlich ist es als Feldgeschütz montirt. Zu der Kategorie der hier besprochenen Geschütze ist ferner das Schleuder- geschütz von Walter E. Hicks zu zählen, welches eine ganz eigenartige Con- Fig. 622. Zwölfzölliges amerikanisches Küstenvertheidigungs-Geschütz mit Munition. struction aufweist. Der Erfinder scheint sich vorgenommen zu haben, die uralte Schleuder wieder zu Ehren zu bringen, selbstverständlich mit den dem 19. Jahr- hundert würdigen Verbesserungen. Wie aus der Abbildung ersichtlich, besteht die Geschützanlage zunächst aus einer Locomotivdrehscheibe, welche an einem Ende eine kleine Dampfmaschine trägt. Diese ist durch Treibriemen mit einer Doppelscheibe aus Stahl verbunden, welche mit Hilfe der Maschine in eine sehr rasche Drehung Amerikanisches 52 Tonnengeschütz auf der 150 Tonnen-Geschützwaage im Watervliet-Arsenal. Das Geschützwesen. versetzt wird. Zwischen den Scheiben liegen in geeigneten Kammern vier Geschosse, welche die Bedienungsmannschaft im passenden Augenblick aus den Kammern Fig. 623. Rückansicht eines zwölfzölligen amerikanischen Küstenvertheidigungs-Geschützes. loslöst, worauf sie vermöge der Schleuderkraft in der Richtung fortfliegen, die man dem ganzen Apparat durch Stellung der Drehscheibe gegeben hat. Man kann sie Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 49 Erster Abschnitt. entweder rasch hintereinander oder in Pausen »Abfeuern« und den Neigungs- winkel beliebig verändern. Fig. 624. Stellung der Versenkungs-Lafette beim Laden des Geschützes. Der Erfinder hebt zunächst die Gefahrlosigkeit des Geschützes hervor, was durch die Abwesenheit von Sprengstoffen bedingt ist. Freilich kann der Kessel platzen oder die Scheibe in Stücke fliegen; doch ist ein solcher Unfall sehr unwahrscheinlich. Ferner ist dem Hicks'schen Geschütze gutzuhalten, daß es weder knallt, noch Rauch Das Geschützwesen. von sich giebt und daß der Rückstoß wegfällt. Dagegen springt es in die Augen, daß die Waffe weder im Felde noch auf Schiffen zu brauchen ist. Der Dampf- Fig. 625. Versenkungs-Lafette gehoben, Geschütz schußbereit. maschine und Drehscheibe wegen ist sie höchstens bei der Vertheidigung von Be- festigungen zu verwenden. Auch dürfte es mit der Treffsicherheit schlecht bestellt sein. In den letzten Jahren hat von dieser Erfindung nichts weiter verlautet. 49* Erster Abschnitt. Neben derlei Experimenten hat die Kriegsverwaltung der Vereinigten Staaten nicht verabsäumt, auch für die Vermehrung ihres Küstenschutzmateriales zu sorgen, und man muß gestehen, daß nach dieser Richtung — und zwar parallel mit den Fortschritten des Kriegsschiffbaues — viel geleistet worden ist. Es war gerade die artilleristische Ausrüstung der früheren Kriegsschiffe, welche von fachmännischer Seite am abfälligsten beurtheilt wurde. Mit dem Material der Küstenvertheidi- gungswerke stand es noch weit schlimmer. Seit einigen Jahren ist hierin eine bedeutsame Wendung eingetreten. Es sind vornehmlich jene schweren, für Küsten- batterien bestimmten 12zölligen gezogenen Stahlhinterlader, welche im Arsenal zu Waterfield, New-York, fertiggestellt wurden, in Verwendung gekommen. Die Flugweite der 750 englische Pfund schweren Projectile reicht bis auf 11 englische Meilen, und sind dieselben im Stande, Panzerplatten von 30 Zoll (englisch) durchzuschlagen. Neben diesen 12zölligen Stahlhinterladerkanonen sind auch 8- und 10zöllige in Verwendung genommen worden. Große Aufmerksamkeit hat man ferner der Armirung der Küstenwerke mit weittragenden Mörsern geschenkt. Der Caliber der- selben ist gleichfalls 12 englische Zoll, die Tragweite der Projectile 6 englische Meilen. Diese Mörser sind in Gruppen in Versenkungen aufgestellt, so daß sie förmliche Salven abgeben können. Die Geschosse durchschlagen auf die angegebene Entfernung mit Leichtigkeit 4 ½zöllige Panzerplatten, also die dicksten, welche zur Zeit als Verdeckpanzer in Anwendung kommen. In den Vereinigten Staaten hat man früher als anderwärts erkannt, daß die Schießluken der Vertheidigungsgeschütze dem feindlichen Feuer willkommene Ziele abgeben, um jene zu demontiren. Auch »das Feuern über Bank« setzt das Geschütz dem feindlichen Feuer aus. Um diesen Uebelständen abzuhelfen, hat die Marineverwaltung vor mehreren Jahren eine Lafettentype zur allgemeinen Ein- führung für Hafen-Armirungen angenommen, welche es gestattet, das Geschütz hinter den Schutzwällen zu laden und sodann mittelst einer besonderen Vorrichtung über die Kante der Brustwehr zu heben, den Schuß zu bewerkstelligen und hierauf das Geschützrohr wieder herabzusenken, so daß dieses dem Blicke des Feindes gänzlich entzogen wird. Diese sogenannte Versenkungslafette rührt von Buffington und Crozier her. Nach dem ursprünglichen Programm (1894) sollten innerhalb sieben Jahren alle Vertheidigungswerke der großen Häfen an der atlantischen Küste der Unionsstaaten mit dieser Lafette ausgerüstet sein. Die hier in Frage kommenden Geschütze sind 8zöllige Stahlgeschütze von großer Durchschlagskraft, die selbst Panzerplatten von stärkeren Dimensionen ge- fährlich werden können. Es ist von allgemeinem Interesse, die Einrichtung dieser Geschütze kennen zu lernen. Soll die Ladung der auf der Versenkungslafette ruhen- den Kanone erfolgen, so wird das Rohr durch Drehung eines Speichenrades aus seiner Hochstellung (im »Feuern über Bank«) so weit herabgesenkt, daß das Projectil eingeführt werden kann, wobei ein kleiner Krahn in Action tritt. Nach bewirkter Ladung wird das Rohr in Hochstellung gebracht und ist somit schußbereit. Dies Das Geschützwesen. geschieht durch die Drehung des Antriebes und damit verbundener Aufrichtung des Hebekrahns. Das gehobene Rohr legt sich anfänglich durch die Wirkung des Gegengewichtes und in Folge des Widerstandes der hydraulischen Cylinder, welche die Hebung besorgen, nach Fig. 626. Mörser mit pneumatischem Rückstoßapparat. vorne. Die Rückführung wird durch Gegenpuffer in den hydraulischen Cylindern er- leichtert. Die gesammte Anord- nung des Mechanismus er- möglicht eine Ladestellung des Geschützes, welche jeder- zeit, ohne Rücksicht auf den Erhöhungswinkel, einer Neigung von 7° zum Hori- zont entspricht. Am rück- wärtigen Theile ruht das Stück sammt dem Gegen- gewicht in einem rahmen- artigen Stützgestelle, das sich bei Veränderung der Neigung des Rohres selbstthätig um- legt. Zur Herstellung des Gleichgewichtes des in seinen Zapfenlagern balancirenden Rohres dient ein Bleigewicht von nicht weniger als 16 Tonnen am unteren Ende des Rohres, das an ent- sprechender Stelle aufruht. Eine Zugkette für die Drehung der Lafette läuft unterhalb des Kopfes der halbkreis- förmig gekrümmten Lauf- schiene. Außerdem trägt die Lafette noch Einrichtungen zur Vermeidung der störenden Wirkungen des Rückstoßes auf den Versenkungsapparat, sowie ferner zur Verhinderung dessen, daß das Gegen- gewicht etwa durch seine enorme Schwere die Actionsfreiheit des Geschützes beein- trächtige. Für die große Leistungsfähigkeit dieser Art von Küstengeschützen spricht der Umstand, daß dieselben innerhalb 12 Minuten 10 Schüsse sicher abzugeben vermögen. Die ersten fertiggestellten Kanonen mit Versenkungslafetten — 15 Zehn- Erster Abschnitt. zöller und 9 Achtzöller — wurden seinerzeit für die Hafenbefestigungen von New- York bestimmt. In jüngster Zeit hat die Kriegsverwaltung der Union eine weitere Neuerung für die Außenbefestigungen angenommen und theilweise durchgeführt, da die hier Fig. 627. Mörser mit pneumatischem Rückstoßapparat. (Feuerstellung.) in Frage kommende Erfindung von großer Bedeutung für die zweckmäßige Ver- wendung der schweren Küstenmörser ist; die gewaltige Rückstoßwirkung, welche die- selben auf die Bettungen ausüben, muß schließlich zu deren Deformierung führen. Bei den von der Kriegsverwaltung der Union eingeführten pneumatischen Rückstoßapparaten ist der fragliche Uebelstand gänzlich beseitigt. Der Mörser Das Geschützwesen. erhält dadurch ein Aussehen, das von den bestehenden Constructionen gänzlich abweicht und sich in seiner Gesammtheit als eine sehr ingeniöse Erfindung darstellt. Die Gesammtconstruction ruht auf einer mächtigen eisernen Drehscheibe. Zwischen den beiden Achsenscheiben befinden sich vier Compressionscylinder von je 30 Centimeter Durchmesser; je zwei benachbarte Kolbenstangen dieser Cylinder sind durch Schieber von bedeutendem Gewichte miteinander verbunden. An ihrem unteren Ende gleiten die Schieber mit ihren Stangen durch eine an den Schild- Fig. 628. Munition für Feld-, Belagerungs- und Strandbatterien. zapfen angebrachte Aufnietung, wodurch sie sich wie eine Steuerung frei bewegen können. Beiderseits der Rückstoßcylinder befindet sich eine Röhrenleitung mit einem Hahne und Ventil, welche zu dem neben dem Gestelle angebrachten Recipienten führen. Letzterer regulirt den Luftdruck. Die vier hohlen Kolbenstangen von je 15 Centimeter Durchmesser haben konisch geformte Schieberventile von 7 Centimeter Dicke am breiteren Ende, wodurch ein Theil der Luft unterhalb des Kolbens in den Raum über den hohlen Köpfen eintreten kann. Wird nun die Kanone abgefeuert, so wird der Rückstoß durch die hierbei in die Cylinder eingetriebenen Kolbenstangen gleichsam wie von einem elastischen Erster Abschnitt. Kissen aufgefangen, wobei das Bodenstück des Mörserrohres in gar keine Berührung mit dem Gestelle kommt. Das todte Gewicht des Rohres kommt nicht in Betracht, da dasselbe auch unter gewöhnlichen Verhältnissen von der pneumatischen Vorrichtung getragen wird. Es sei bemerkt, daß diese Röhren durch den mächtigen, 150 Centi- meter im Durchmesser haltenden, scheibenartig geformten Zapfen gehen, um welchen sich das Rohr sammt dem Rückstoßapparat um 180 Grad drehen läßt. Die beiderseits des Gestelles angebrachten Recipienten sind entweder mit der Dreh- scheibe fest verbunden oder transportabel und besitzen die Fähigkeit, einen Druck von 350 Kilogramm in die Compressoren zu vertheilen; doch genügt schon ein solcher von 280 Kilogramm, um das Mörserrohr zu heben. Die in Fig. 627 ersichtlichen Zahnräder dienen zur Bewegung des Rohres um seine Achse. Den Vorgang beim Laden des Mörsers und dessen hierbei erforderliche Stellung zeigt Fig. 626. Fig. 629. Panzer-Drehthurm. Zweiter Abschnitt. Panzerschutz der Landbefestigungen. D ie furchtbaren Wirkungen der modernen Geschütze, welche von so großem Einflusse auf die Entwicklung des Panzerschutzes der Kriegsschiffe wurde, hatten zur Folge, daß man auch bezüglich der Küstenbefestigungen sich für den Panzerschutz entschied. Eine Verstärkung der Festungsmauern war nicht mehr möglich, schon deshalb, weil die Schießscharten zu starker Mauern ein genügendes Bestreichen des Vorgeländes verhindern und weil außerdem den verheerenden Wirkungen der Brisanzgranaten damit keineswegs erfolgreich begegnet werden konnte. Zunächst versuchte man, den angestrebten Schutz durch Verwendung der gewöhnlichen Schiffspanzerplatten zu erreichen, wie beispielsweise bei den Anfangs der Siebzigerjahre erbauten Panzerforts zu Portsmouth und Plymouth. Später suchte man seine Zuflucht zu dem zuerst durch Gruson im Jahre 1860 hergestellten Hartgußpanzer, welcher sich außerordentlich bewährt hat. Bei diesen Panzerungen, an deren glasharter Oberfläche auch die besten Stahlgeschosse abprallen, ohne daß wegen des allmählichen Ueberganges in die inneren weicheren Schichten ein Springen oder Abblättern der harten Schicht in größerem Umfange stattfände, können Platten- dicken angewendet werden, welche sonst nicht herstellbar sind und welche eine genügende Widerstandsfähigkeit auch gegen die schwersten Geschosse verbürgen. Die sich daraus ergebenden großen Eigengewichte, welche den Hartgußpanzer von der Anwendung auf Schiffen wohl ganz ausschließen, sind außerdem noch vortheilhaft für die Vernichtung der lebendigen Kraft der auftreffenden Geschosse. Die gepanzerten Schutzwehren werden entweder als feststehende Panzer- fronten , oder Batterien , oder als Drehthürme verwendet. Erstere Anordnung ist natürlich seltener, da sie nur dort zweckmäßig ausgeführt werden kann, wo ein verhältnißmäßig beschränktes Schußfeld zu bestreichen ist, welches dann aller- dings unter concentrirtes Feuer genommen werden kann. Die Fig. 637 und 638 stellen eine derartige Batterie für 24 Centimeter-Geschütze vor, ausgeführt vom Zweiter Abschnitt. Grusonwerke, von außen und innen während des Baues. Die kugelförmig gestalteten Schartenplatten sollen ein möglichstes Abgleiten der Treffer bewirken, während die massigen Pfeilerplatten wirksame Stützen für erstere abgeben. Die unter den Schartenplatten liegenden Pivotplatten tragen die Pivotzapfen, um welche die Lafetten sich bewegen. Vor diesen Platten wird, bis zur Unterkante der Scharten reichend, ein Glacis aus Beton oder Quadersteinen hergestellt. Die Decke besteht gleichfalls aus gekrümmten Hartgußpanzerplatten. Rückwärts lehnt sich die Batterie an Casemattenbauten, welche zugleich den Zugang vermitteln, an, und an den beiden Enden wird dieselbe durch gewaltige Mauern und Erdbauten gegen feind- liche Geschosse gedeckt. Eine besondere feste Verbindung erhalten die Panzerplatten untereinander nicht, da die Schwere derselben, im Vereine mit Falzen und Dübeln, genügt, sie in ihrer Lage zu erhalten. Fig. 630. Panzerthurm für zwei 15 Centimeter-Geschütze in Lafetten ohne Rücklauf. Wo ein größeres Schießfeld zu bestreichen ist, werden in der Regel Panzer- thürme angewendet, deren Geschütze durch die Drehung des Thurmes nach allen Richtungen feuern können. Ihre allgemeine Annahme durch die Heeresverwaltungen basirte auf der Annahme, daß ein durch Panzer vollkommen gesichertes Geschütz, das sich sammt dem Drehthurme rasch gegen jeden Punkt des Vorfeldes wenden läßt, bezüglich seiner Wirkung dreimal so viel werth sei, als ein gleiches Geschütz in der sonst gebräuchlichen Aufstellung auf dem Wallgang. Man erspart also nicht nur Geschütze, sondern auch Raum und in Folge dessen auch Bauauslagen. Ein gewöhnliches Fort mit 30 Wallgeschützen kostet 1 ½ Millionen Gulden, während ein Fort mit drei Drehthürmen zu je zwei Geschützen und überdies sechs Ge- schützen auf offenem Walle nicht ganz ½ Million beansprucht. Auch bei den Drehthürmen wurden vor der Einführung des Hartgusses die im Schiffswesen geltenden Typen einfach übernommen, und hatten daher die ersten Landpanzerthürme genau die Gestalt und Einrichtung der Thürme der Monitore. In der ersten Zeit waren es vornehmlich die Franzosen, welche mit großer Rührigkeit Panzerschutz der Landbefestigungen. an die Lösung der hier in Frage kommenden Aufgabe herantraten. Der in Fig. 631 abgebildete Panzerthurm von Mougin — eine der ersten Constructionen dieser Art — ist deshalb von Interesse, weil er gelegentlich der Schießversuche, welche Ende Fig. 631. Französischer Panzerthurm älterer Construction, System Mougin . 1885 beziehungsweise 1886 in Bukarest — gleichzeitig mit einem Gruson 'schen Drehthurme — angestellt wurden, als minderwerthig sich erwies. Wie zu ersehen, besteht derselbe aus drei Stockwerken: der Thurmkuppel mit den Geschützen, dem Raume für die Bedienungsmannschaft und dem unterirdischen Raume, in welchem die Hilfsmaschinen installirt sind. Zweiter Abschnitt. Die Kuppel stellt sich als ein aus drei verticalen Platten von 45 Centi- meter Dicke und zwei horizontalen Deckplatten von 18 Centimeter gebildeter Cylinder dar, ist also nicht eigentlich eine »Kuppel«, da gewölbte Platten nicht vorkommen. Fig. 632. Souriau 's Panzerthurm mit hydraulischem Versenkungsmechanismus. Der Thurm ragt mit seinen zwei Ge- schützen nur etwa einen Meter über den natürlichen Boden, beziehungs- weise dem durch Erdschüttung ver- deckten inneren Panzerschutz — dem sogenannten Vorpanzer — her- vor. Letzterer be- steht aus Hartguß- platten und be- zweckt derselbe, den Drehmechanismus zu schützen. Der- selbe besteht aus einem beweglichen Panzerring, der mittelst einer Blech- construction auf einem hydraulischen Pivot aufruht und durch wagrechte Rollen, die sich gegen einen senk- rechten eisernen Ring lehnen, im Gleichgewichte ge- halten wird. Der hydraulische Kolben des Pivots ruht auf einer Flüssigkeitssäule, was die Drehung des Thurmes ganz wesentlich erleichtert. Die Dimensionen des Thurmes sind: 4 Meter innerer, 4‧8 Meter äußerer Durchmesser, und wiegt jede der drei senkrechten Walzeisenplatten etwa 19.500 Kilo- gramm, während die beiden Deckplatten zusammen ein Gewicht von 19.900 Kilo- Panzerschutz der Landbefestigungen. gramm aufweisen. Die Armirung besteht aus zwei großen Geschützen, System Bange , welche, einschließlich der sonstigen Verrichtungen, 29 Mann Bedienung erfordern. Das Heben und Senken der Geschütze geschieht durch eine Vorrichtung, welche aus der Abbildung ersichtlich ist und einer weiteren Erläuterung nicht bedarf. Die Lafetten sind zum Auffangen des Rückstoßes mit einem System von Glycerin- bremsen und Bellevillefedern versehen. Das Abfeuern der Geschütze erfolgt durch Fig. 633. Bussi è re 's Panzerthurm mit hydraulischem Versenkungsmechanismus. Elektricität, und zwar selbstthätig, sobald der Thurm in eine bestimmte Richtung gedreht wird, auf welche der elektrische Contact eingestellt ist. Die Weisungen zum Drehen und Richten des Thurmes seitens des in demselben befindlichen Comman- danten erhält der bei den Hilfsmaschinen postirte Maschinist mittelst Telephon. Zur Abgabe eines Schusses, beziehungsweise Einstellung des Thurmes in die Schuß- linie sammt allen damit verbundenen Manipulationen, wird eine Minute erfordert, also 60 Schüsse in der Stunde, mit völliger Treffsicherheit auf ein nur wenige Quadratmeter großes Ziel in mehrere tausend Meter Entfernung. Zweiter Abschnitt. Den Drehthürmen kommt der Vortheil zu, namentlich seitdem man sie mit Minimalscharten ausrüstete, daß sie nach Abgabe des Schusses, um neuerlich zu laden, vom Feinde abgedreht werden können. Indeß schließt dies die Gefahr des Getroffenwerdens keineswegs aus. Wir haben weiter oben vernommen, auf welche Weise der Oberstlieutenant Schumann durch seine versenkbaren Lafetten diesem Fig. 634. Panzerthurm der Maasbefestigungen, System Mougin . Armirung: Zwei 15 Centimeter-Geschütze. Uebelstande zu be- gegnen wußte. Die Franzosen haben ihrerseits durch zwei Constructionen das- selbe Ziel zu er- reichen angestrebt, und sind dieselben in den Fig. 632 und 633 abgebildet. Die eine derselben rührt von dem Obersten Souriau her. Der Kuppelthurm mit den Geschützen schmiegt sich hier hart an den Vor- panzer an und ruht auf einem Blech- cylinder, der mit einer Taucherglocke in Verbindung steht. Der Thurm wird daher durch die letztere, welche in einem großen Wasserreservoir schwimmt, getragen. Auf der linken Seite des Thurmes ist in der Abbildung das Triebwerk ersichtlich, das in den Zahnkranz des Thurmes eingreift und dadurch die Drehung des letzteren bewirkt. Das Heben und Senken des Thurmes findet durch ein Hebelwerk statt, das auf dem Boden oberhalb des Wasserreservoirs und in Verbindung mit dem Cylinder angebracht ist. Die zweite in Fig. 633. dargestellte Construction, deren Urheber Oberst Bussi è res ist, basirt gleichfalls auf hydraulischen Einrichtungen, welche indeß Panzerschutz der Landbefestigungen. weit complicirter sind, als diejenigen des Souriau'schen Thurmes, weshalb wir von einer Beschreibung desselben absehen. ... Die neueste Type von französischen Drehthürmen, welche bei den Maasbefestigungen Anwendung gefunden hat, rührt Fig. 635. Hartguß-Panzerthurm für zwei 24 Centimeter-Geschütze im Bau. von dem weiter oben genannten Obersten Mougin her und ist in Fig. 634 ab- gebildet. Die gewölbte Panzerdecke ruht auf einem aus Walzeisenträgern und Blechen zusammengenieteten Unterbau, der sich auf einen Laufrollenkranz stützt. Die Lauf- Zweiter Abschnitt. bahn des letzteren wird durch Bolzen auf dem Betonfundamente des Thurmes festgehalten. In dem Unterbau sind die Lafetten für die beiden parallel ange- Fig. 636. Hartguß-Panzerthurm für zwei 24 Centimeter-Geschütze. (Aeußere Ansicht.) ordneten Geschütze eingebaut. Geschützpaare anzuwenden, welche durch elektrische Zündung gleichzeitig abgefeuert werden, wurde von den französischen Constructeuren von Anbeginn her festgehalten. Die Lafetten haben hydraulische Bremsvorrichtung, Panzerschutz der Landbefestigungen. behufs Hemmung des Rückstoßes. Die Höhenrichtung wird durch eine Zahnbogen- Richtmaschine bewirkt. Fig. 637. Aeußere Ansicht einer Hartguß-Panzerbatterie. Das Betonfundament des Thurmes ruht auf einem Gewölbebau aus Mauer- werk, das die Munitionsmagazine enthält und wo auch die Handkurbeln zum Drehen des Thurmes sich befinden. Mittelst einer einfachen Munitionshebevorrichtung werden die Geschosse und Patronen und das Zwischengeschoß emporgehoben und Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 50 Zweiter Abschnitt. von hier auf Treppen zu den Geschützen weiterbefördert. Der Thurm kann in zwei Minuten eine einmalige Umdrehung ausführen. Durch einen Ventilator wird er mit frischer Luft versorgt. In das Gewölbe mündet die Gallerie, welche den Thurm mit dem Innern des Forts verbindet. Alle Bestrebungen, geeignete Constructionen für Drehthürme aufzustellen, wie sie da und dort auftauchten, wurden durch Gruson überholt. Durch An- wendung des Hartgusses in Verbindung mit einer entsprechenden Durchbildung der Thurmanordnung schuf er eine völlig neue Type von Panzerdrehthürmen, wobei in der Hauptsache zwar die cylindrische Form beibehalten, von der gewölbten Decke jedoch abgegangen und hierfür eine kuppelförmige Anordnung gewählt wurde. Bei dieser Anordnung wird dem feindlichen Schusse keine senkrechte Fläche dar- geboten und die Wirkung der auftreffenden Geschosse wegen des Abgleitens an der Thurmwandung außerordentlich geschwächt. In den Abbildungen Fig. 635 und 636 ist ein Gruson'scher Dreh- thurm für zwei 24 Centimeter-Kanonen im Bau dargestellt. Fig. 634 zeigt den Aufbau der Kuppel, die auf einem schmiedeeisernen Unterbau ruht, welcher wieder auf einem Rollenkranze drehbar gelagert ist. Die die Verbindung der einzelnen Kuppelplatten untereinander bewirkenden Falze sind hier deutlich sichtbar. Die Lafetten lassen keine Seitenrichtung zu, da diese durch die Drehung des Thurmes erzielt wird. Die Höhenrichtung geschieht, da die Gruson'schen Minimalscharten- Lafetten angewendet werden, um einen Drehpunkt, welcher dicht unterhalb der Scharte liegt. Die Hebung und Senkung des Geschützes wird mittelst hydraulischer Kraft bewirkt, und ebenso wird der Rückstoß durch zwei hydraulische Bremscylinder pro Geschütz aufgefangen, beziehungsweise bis auf 2 bis 3 Caliber eingeschränkt. Das Geschützrohr kehrt darnach von selbst in die Feuerstellung zurück. Da die Minimalscharten bekanntlich so eingerichtet sind, daß sie vom Rohre ausgefüllt werden, ein Richten durch die Scharte also nicht möglich ist, geschieht letzteres durch eine in den Deckplatten des Thurmes befindliche kleine Visirscharte. Der Betrieb des Drehungsmechanismus sowohl als der des Pumpwerkes für die hydrau- lische Kraft, erfolgt gewöhnlich von Hand. Um unbeabsichtigte Drehung des Thurmes zu vermeiden, wenn nur mit einem Geschütz gefeuert wird, ist eine Bremsvor- richtung vorhanden. Rings um den drehbaren Theil ist ein auf dem Fundament- mauerwerk fest aufruhender, zweckentsprechend geformter Vorpanzer gelagert, welcher in Fig. 636 sichtbar ist und der den ungeschützten Unterbau des Thurmes deckt. Dieser Vorpanzer wird bis zu seiner Oberkante in Beton oder Granit eingebettet. Zur Bedienung eines solchen Thurmes sind 40 bis 45 Mann erforderlich, wovon jedoch auf die beiden Geschütze nur sechs entfallen. Letztere können alle drei Minuten einen Schuß abgeben. Als Ersatz für geschlossene Drehthürme kann entweder der den Panzerschiffen entlehnte Barbettethurm in Anwendung kommen, bei welchem die Geschütze über einer feststehenden Panzerung hinwegfeuern, oder es treten die von Moncruff Panzerschutz der Landbefestigungen. angegebenen, von Armstrong und Anderen vervollkommneten Versenkungs- lafetten in Verwendung. Bei ersterem finden die hinter dem Panzer befindlichen Fig. 638. Inneres einer Hartguß-Panzerbatterie. Bedienungsmannschaften nach oben eine Deckung durch ein mit der auf der Dreh- scheibe ruhenden Lafette verbundenes Schutzschild, dessen für die Höhenrichtung des Rohres erforderlicher Längsschlitz durch dieses selbst ausgefüllt wird. Das sehr wider- standskräftige Geschützrohr selbst ist dabei ungedeckt. 50* Zweiter Abschnitt. Bei den Versenkungslafetten steht das Geschütz ebenfalls auf der Drehscheibe in einer gemauerten oder gepanzerten Grube, welche mit ganz flacher Schutzdecke versehen ist und so aus der Ferne gar nicht bemerkt werden kann. Soll nun ein solcher unsichtbarer Thurm in Action treten, so taucht das Geschützrohr, mittelst einer hydropneumatischen Maschineneinrichtung gehoben, aus einem sich zur ge- gebenen Zeit öffnenden Schlitz der Decke hervor, um nach abgegebenem Schuß durch den Rückstoß selbst sofort in die geschützte Ladestellung niederzusinken. Für Batterieaufstellung werden die Versenkungslafetten ebenfalls angewendet; sie sind dann um einen vorderen Pivotzapfen drehbar und feuern über eine gepanzerte Brustwehr. Für die Wurfgeschütze ist zuweilen wegen der stark gekrümmten Flug- bahn eine Aufstellung in Werken, die an, der Seeseite abgekehrten Bergabhängen liegen, gewählt worden, bei welcher Anordnung dann der Panzerschutz ganz entfällt. Gepanzerte Befestigungen sind an den Seeküsten aller Culturstaaten vor- handen. In Deutschland und Italien, welch letzteres für den Schutz seiner lang- gestreckten Küsten sehr viel gethan hat, werden mit Vorliebe die oben beschriebenen Gruson'schen Hartgußpanzerthürme angewendet. Anderwärts, wie in England und in den Vereinigten Staaten, werden hingegen Versenkungslafetten bevorzugt. Groß- artige Binnenlandbefestigungen befinden sich in Rumänien an der russischen Grenze. Hier ist eine außerordentlich starke Schutzwehr geschaffen worden, indem in Ab- ständen von etwa einem Kilometer drei Vertheidigungslinien, die erste aus fahr- baren Panzern für kleine Schnellfeuergeschütze, die zweite aus Versenkpanzern für mittelgroße Geschütze, und die dritte aus Panzerthürmen bestehend angeordnet wurden. Es sollen hier im Ganzen 300 bis 400 derartige Panzerconstructionen zur Ausführung gekommen sein, von denen ein großer Theil von Gruson geliefert worden ist. Auch zum Schutze Bukarests sollen über 200 Panzerthürme ausgerüstet werden. Dieser Umstand bringt uns in Erinnerung, daß Ende 1885 und Anfang 1886 in Bukarest ein Wettbewerb zwischen französischen und deutschen Panzer- constructionen stattfand, von welchen bereits flüchtig die Rede war. Die damit ver- bundenen Schießversuche waren von so einschneidender Wichtigkeit für die fernere Ausgestaltung dieses Vertheidigungsmittels, daß sie mehr als ein blos historisches Interesse beanspruchen dürfen. Der zu diesen Versuchen in Verwendung genommene französische Panzerthurm war der auf Seite 779 beschriebene von Mougin . Der Concurrenzthurm ging aus dem Grusonwerk hervor und hatte Platten von 20 Centimeter Stärke, welche mit einer aus zwei Blechen von je 20 Centimeter Dicke zusammengenieteten schmiedeeisernen Unterhaut verschraubt und untereinander durch Dübel verbunden waren. Der Panzer balancirte mittelst einer Blechträger- construction auf einem in der Thurmsohle befindlichen Mittelpunkt, wobei vier an der Peripherie der Kuppel angebrachte und mit Pufferfedern elastisch gelagerte Rollen sich abwechselnd auf eine kreisförmige Schiene auflegten und den Thurm im Gleichgewicht hielten. Die Panzerkuppel war von einem aus acht Hartguß- Panzerschutz der Landbefestigungen. platten bestehenden Vorpanzer umgeben, welcher oben 35, unten 20 Centimeter dick war. Was diesen Panzerthurm besonders auszeichnete, war, daß die Lafetten der beiden Krupp'schen 15 Centimeter-Kanonen (Länge 25 Caliber) mit dem Panzer zu einem starren System verbunden waren und das Gewicht des Panzers dazu benützt wurde, den Rückstoß der Geschütze aufzuheben, d. h. der ganze Panzer machte in Folge Fig. 639. 28 Centimeter-Kanone (L/40) in Küsten-Lafette mit hydraulischem Betriebe. des Rückstoßes eine leichte Bewegung, die von den Pufferfedern der Rollen wieder ausgeglichen wurde. Der Gruson'sche Thurm wog (mit dem Vorpanzer) 2232 Centner, der Mougin'sche (ebenfalls einschließlich des Vorpanzers) 1800 Centner; ersterer beanspruchte zu seiner Bedienung 1 Officier, 1 Unterofficier und 12 Mann, der Mougin'sche Alles in Allem 29 Mann. Die Bukarester Schießversuche hatten den Zweck, nicht nur in fortificatorischer, sondern auch in artilleristischer Hinsicht die Grundlagen zu einem Vergleiche zwischen der französischen und deutschen Militärtechnik zu bieten. Die Krupp'sche Belagerungs- kanone hatte 15 Centimeter Caliber, das französische Geschütz (System Bange) Zweiter Abschnitt. 15‧5 Centimeter. Die Schießversuche bezweckten die Erprobung der Kriegsbrauchbarkeit der Thürme, d. h. vorzugsweise der Trefffähigkeit der Thurmgeschütze, und die Er- probung der Widerstandsfähigkeit der Kuppelpanzer. Die Versuche bestanden aus langsamem Salvenfeuer, Salvenschnellfeuer und langsamem Einzelfeuer aus beiden Thürmen; ferner auch die Beschießung der Panzerthürme, und zwar der ge- wöhnlichen Platten der Thürme, der Schartenplatten und des Vorpanzers. Auch fand eine Erprobung der Panzerthürme bezüglich der Trefffähigkeit der Thurm- geschütze statt. Die Bange-Kanone erzielte 33‧3%, die Krupp'sche 60‧8% Treffer; die erstere blieb also ganz bedeutend im Rückstand. Es zeigte sich hierbei, daß die Bedienung der Krupp'schen Kanone keine nennenswerthe Störung verursachte, während bei der Bange-Kanone sich zeitraubende Manipulationen dadurch ergaben, daß der Ver- schluß sich der Bedienung vielfach als widerspenstig erwies, wodurch starke Ver- zögerungen im Schießen eintraten. Es zeigte sich ferner, daß der Pulverdampf im Gruson'schen Thurme den Aufenthalt in demselben nicht beeinträchtigte, während er im französischen Thurme beschwerlich wurde. Bemerkenswerth ist, daß man bezüglich der Construction des deutschen Thurmes insoferne schwere Bedenken hegte, als angenommen wurde, die starre Verbindung von Geschütz und Panzer könnte, durch das Aufschlagen der Geschosse, bedenkliche Störungen im System hervorrufen. Die Versuche haben nun das Gegentheil ergeben, indem gerade diejenige Platte, unter welchen die Rücklaufkarren zur Festlegung des Geschützes liegen, die meisten Geschoßaufschläge erhielt, ohne im Geringsten Schaden zu nehmen. Bezüglich der Widerstandsfähigkeit des Panzers gegen aufschlagende Geschosse zeigte sich der deutsche Thurm dem französischen überlegen, wogegen bei letzterem der Vorpanzer als widerstandskräftiger sich erwies. Dritter Abschnitt. Die Handfeuerwaffen. Die Armeegewehre. W ie wir in unseren Mittheilungen über schnellfeuernde Geschütze aus- führten, steht bei der Artillerie die Entscheidung darüber in den meisten Staaten noch aus, ob man die bisherige Kanone aufgeben und zu den bereits sehr vervollkommneten schnellfeuernden, beziehungsweise sich selbst ladenden Geschützen übergehen soll. In dieser Hinsicht ist die Infanterie der eben genannten Waffe bis auf einen Punkt, auf den wir weiter unten zurückkommen, weit vorausgeeilt. Schnellfeuer ist bei den Großmächten und den meisten kleineren Staaten die Losung, und es bestehen selbst in der Art und Weise, wie das schnelle Feuern erzielt werden soll, nur noch geringe Meinungsunterschiede. Die Kriege der Zukunft werden wahrscheinlich allein durch das furchtbarste Infanterie- und Artillerie- feuer aus weiten Entfernungen entschieden, und es erscheinen Nahkämpfe, Sturm- angriffe u. dgl. jetzt nahezu ausgeschlossen. Im Jahre 1866, waren mit Ausnahme Preußens, alle übrigen Mächte mit dem Vorderlader bewaffnet. Nach dem Kriege jedoch trat ein bedeutsamer Umschwung ein; zuerst wurden die alten Vorderlader umgestaltet, ein Nothbehelf, der sich als unzweckmäßig und kostspielig erwies und dahin führte, daß allenthalben neue Hinterlader zur Einführung gelangten: in Frankreich das Chassepot-Gewehr , Caliber 11 Millimeter, in Preußen das Mauser-Gewehr Modell 1871, Caliber 11 Millimeter (allerdings erst nach dem Kriege 1870/71, welcher noch mit dem Dreyse-Gewehr ausgefochten wurde), in Oesterreich-Ungarn das Werndl- Gewehr Modell 1867/77 und 1873/77, Caliber 11 Millimeter, und in Ruß- land das Berdan II - Gewehr . Der Krieg 1870/71 brachte die enorme Wichtigkeit des Schießens auf große Distanzen zur Erkenntniß, was in einigen Staaten wieder zu Umänderungen an den eingeführten Gewehren, bei anderen Staaten vollends zu Neuanschaffungen führte. Indeß war man schon im amerikanischen Secessions- Dritter Abschnitt. kriege mit dem Einzellader nicht mehr zufrieden und bediente man sich schon damals der Repetirgewehre. Im deutsch-französischen Kriege sehen wir einzelne Cavalleriekörper der Loire- Armee mit dem Spencer-Carabiner ausgerüstet, doch scheint sich derselbe nach fachmännischem Urtheile nicht bewährt zu haben. Bessere Erfahrungen über die Repetirwaffen wurden im russisch-türkischen Kriege 1877/78 gemacht, vornehmlich in den Kämpfen um Plevna, bei welchen die hauptsächlich mit dem Winchester- Carabiner ausgerüsteten Vertheidiger den angreifenden Russen und Rumänen Verluste bis zu 43 Procent beibrachten. Nach diesen Erfahrungen traten die meisten Militärstaaten der Repetirgewehrfrage näher. Auch hier versuchte man anfangs sich mit Umänderungsmodellen zu behelfen, ohne bessere Erfolge zu erzielen, als seinerzeit bei der Umgestaltung der vorhandenen Vorderlader in Hinterlader. Die weiteren Experimente führten dahin, am Gewehre selbst ein fixes Magazin anzu- bringen, welches eine bestimmte Anzahl von Patronen, den Repetirvorrath, auf- nahm. Durch einen mit dem Verschluß in Verbindung stehenden und durch diesen activirten Theil, dem »Zubringer«, wurden die Patronen einzeln aus dem Magazin in eine derartige Lage gebracht, das der schließende Verschluß die Patrone in den Laderaum brachte. An den meisten dieser Gewehre finden wir eine Vorrichtung, die »Repetirsperre«, welche es ermöglicht, den Repetirvorrath abzusperren, so daß selbst bei gefülltem Magazin das Gewehr anstandslos als Einlader verwendet werden kann, während der Repetirvorrath nur für wichtige Gefechtsmomente auf- gespart wird. Zu diesen Systemen, die übrigens gegenwärtig kaum mehr als modern gelten, gehören: das deutsche Mauser-Gewehr Modell 1871/84 (Umänderungs- modell), das französische Lebel-Gewehr und das österreichisch-ungarische Kro- patschek-Gewehr . In Frankreich, wo 1874 an Stelle des Chassepot-Gewehres das 11 Millimeter- Gras -Gewehr trat, war die Idee der Einführung des Repetir- gewehres der Marine immer sympathischer als der Landarmee. Bei ersterer wurde denn auch 1878 das Kropatschek-Gewehr als » Fusil de marine, modèle 1878« eingeführt. Nach dem russisch-türkischen Kriege 1877/78 schenkte man dieser Frage größere Aufmerksamkeit und befreundete sich nach und nach damit, auch bei der Landarmee das Repetirgewehr einzuführen. Das Marinegewehr zeigte sich indeß zu schwer. Man dachte also zunächst daran, die Gras-Gewehre in Repetirer um- zuwandeln, und erprobte 1883 die Construction der Gewehrfabrikanten Werndl und Vetterli (Schweiz). Gleichzeitig beschäftigte sich Gras mit einer Verbesserung des Kropatschek 'schen Gewehres. So entstand das nach seinem Erzeugungsorte benannte » Fusil de Châtellerault, modèle 1884«, das sich in Tonking vorzüglich bewährte. Die Construction des Repetirgewehres gestattet die Anbringung des Magazins im Vorderschaft, in einer Röhre unter dem Lauf, als Vorderschaftsmagazin, im Mittelschaft als Mittelschaftsmagazin und endlich im Kolben als Kolbenmagazin. Die Handfeuerwaffen. Die folgenden Skizzen sollen zunächst das Princip der drei genannten Anordnungen vermitteln. Die Fig. 640 zeigt das Vorderschafts-Magazinsgewehr Jarman (1880), Fig. 640. Vorderschafts-Magazinsgewehr Jarman (1880). Fig. 641. Mittelschafts-Magazinsgewehr Spitalsky. Fig. 642. Kolben-Magazinsgewehr Schulhof I (1882). Fig. 641 das Mittelschafts-Magazinsgewehr Spitalsky , Fig. 642 das Kolben- Magazinsgewehr System Schulhof I (1882). Die Nachtheile dieser fixen Magazine Dritter Abschnitt. waren erheblich. Abgesehen davon, daß der Repetirvorrath, welcher, wenn einmal angegriffen, im Gefechte schwer zu ersetzen ist, da das Laden dieser Magazine um- ständlich und zeitraubend ist, ein beschränkter war, kam auch das Gewicht in Frage. Federn im Magazine, gewöhnlich Spiralfedern, wurden stark in Anspruch genommen. Beim Verbrauch des Repetirvorrathes änderte sich bei den Vorderschafts- und Kolbenmagazinen bei jedem Laden durch Vorschieben der Patronensäule der Schwer- punkt der Waffe, wodurch das Zielen sehr erschwert wurde. Bei den Gewehren mit Röhrenmagazinen lag überdies immer die eine Patrone mit der Geschoßspitze gegen die Kapsel der vorhergehenden Patrone, wobei dieselben durch die gespannte Magazinsfeder fest gegeneinander gedrückt wurden. Hierbei konnten aber Defor- mationen der Hartbleigeschosse entstehen, die wieder Ursache zu Ladeanständen geben konnten. Ja, sogar Selbstentzündungen konnten durch diesen Druck entstehen, be- sonders bei Vorderschaftsmagazinen, wo auch noch die Erhitzung des Laufes beim Schießen auf das unterhalb befindliche Magazinsrohr übertragen wurde. Bevor wir auf die Fortschritte in der Construction der Repetirgewehre näher eingehen, müssen wir die damit zusammenhängende Caliberfrage zur Sprache bringen. Die Bewegung zu Gunsten der Einführung der jetzigen kleincalibrigen Repetir- gewehre, zu deren vornehmsten Vertretern das österreichisch-ungarische Mannlicher- Gewehr und das fast gleiche Gewehr der deutschen Armee gehören, datirt, streng genommen, aus dem Jahre 1851. Damals erfand der schweizerische Oberst Wurstem- berger ein Gewehr mit einem Caliber von 10‧5 Millimeter, welches 1863 bei der gesammten schweizerischen Infanterie eingeführt wurde. Es besaß den bisherigen Handfeuerwaffen gegenüber den Vorzug einer gestreckteren Flugbahn, einer leichteren Patrone, was die Mitführung zahlreicher Munition erleichterte. Das Beispiel wirkte ansteckend, und es hatten bereits 1870 sämmtlich Staaten 11 Millimeter-Gewehre. Der allerneuesten Zeit aber war es vorbehalten, in dieser Hinsicht noch weiter — bis 7 Millimeter — herunterzugehen; man erkannte aber bald, daß man unter 7‧5 Millimeter nicht herabgehen könne. Die Einführung der Repetirgewehre, welche einen großen Munitionsverbrauch verursachen, hat wesentlich zur Herabminderung des Calibers beigetragen. Die kleinere Patrone und die Fabrikation eines für dieselbe passenden Pulvers ergaben nicht geringe Schwierigkeiten. Der Patronenfabrik von Lorenz in Karls- ruhe gelang zuerst die Anfertigung einer allen Anforderungen entsprechenden Metall- patrone. Sie brachte es namentlich zuwege, den Kupfermantel des Geschosses mit dem Bleikern so zu verbinden, daß beide beim Durchschlagen eines noch so festen Zieles keine Deformation erlitten. Noch besser sind jedoch die in neuester Zeit ein- geführten Geschosse mit vernickelten Stahlmänteln, die papierdünn sind und sich in die Züge eindrücken. Zur Erläuterung der Vortheile des kleinen Calibers mögen die nachstehenden Zahlen, welche sich auf das Mauser-Gewehr und das schweizerische Hebler- Gewehr beziehen, dienen. Die Handfeuerwaffen. Die kleincalibrige Patrone ist also um etwa ein Drittel leichter und besitzt eine ungleich höhere Durchschlagskraft. Zu diesen Vortheilen tritt hinzu, daß sie, wie bemerkt, allein die Einführung der Repetirgewehre ermöglicht hat. Einen ge- nügenden Vorrath von 42 Gramm schweren Patronen am Gewehre selbst und in den Patronentaschen mitzuführen, hätte die Kräfte der Mannschaft allzusehr in Anspruch genommen. Was nun die Fortentwickelung der Constructionen der Repetirgewehre an- betrifft, gestalteten die sich weiter oben erwähnten Versuche von Gras zu dem bald hierauf angenommenen (1886) Lebel-Gewehr , das die officielle Bezeichnung »Gewehr M 1886« führt, aber auch unter mancherlei anderen Namen bekannt ist, wie » Fusil Lebel «, » Modèle de l'école de Chalons «, » Fusil de Chalons «, » Fusil normal « und von den Soldaten » Fusil petit « genannt wird. Der Gewehr- mechanismus ist selbstverständlich dem Kropatschek'schen sehr ähnlich. Der Lauf ist aus gehärtetem Stahl und außen brünirt. Das Caliber ist 8 Millimeter, die Bohrung hat vier Züge, welche von rechts nach links (nicht wie bei den meisten anderen Systemen von links nach rechts) so stark gewunden sind, daß das Geschoß viermal um seine Längenachse sich drehen muß, wenn es um einen Meter nach vorwärts fliegt. An den Lauf ist rückwärts das Verschlußgehäuse geschraubt, das zur Aufnahme und Führung des Verschlusses und Repetirmechanismus bestimmt, und mit einem rückwärtigen Fortsatz, dem Gehäuseschweif, an den Kolben geschraubt ist. Rechts vorne oben (vgl. die Fig. 645 bis 648) hat das Verschlußgehäuse einen Ausschnitt, die Patroneneinlage; vorne sind zwei schraubenförmig gewundene Nuthen, in welche beim Schließen des Verschlusses zwei Zapfen des Verschluß- kopfes eintreten; dadurch ist das Verschlußstück mit dem Gehäuse fest verriegelt. Geht der Schuß ab, so wird der Rückstoß, der zunächst auf den Kopf des Ver- Dritter Abschnitt. schlußstückes wirkt, central auf das Verschlußgehäuse und dadurch auf das ganze Gewehr übertragen, während das bei einigen älteren Systemen (Kropatschek, Gras) Fig. 643 und 644. Das Lebelgewehr. Ansicht des Gewehres von rechts und von oben. excentrisch dadurch geschah, daß bei geschlossenem Ver- schluß ein Ansatz des Verschlußkolbens gegen die rück- wärtige Begrenzung der rechtsseitig befindlichen Patronen- einlage sich stemmte. An der linken Wand des Gehäuses, innen, ist ein kleiner Stift eingeschraubt: der Patronen- auswerfer; dadurch daß die ausgeschossenen und beim Oeffnen des Verschlusses zurückgehende Patrone mit ihrem rückwärtigen Ende links an diesen Stift stößt, wird sie rechts herausgeschleudert. Das Verschlußstück läßt sich mittelst des Hand- griffes im Verschlußgehäuse vor- und zurückschieben und muß zum vollständigen Schließen des Verschlusses noch nach rechts gedreht werden, wodurch das Verschlußstück schraubenartig nach vorwärts geht und die vordere Fläche des Verschlußkopfes sich fest an den Boden der Patrone anpreßt. Bei dieser schraubenartigen Vorwärtsbewegung des Verschlußstückes gleitet der Griff desselben längs der rückwärtigen Grenzfläche der Patroneneinlage, die eben- falls schraubenähnlich geformt ist. Das Lebel-Gewehr ist ein Vorderschafts-Magazins- gewehr (wie das Kropatschek-Gewehr) und mündet das Magazinsrohr vorne in das Verschlußgehäuse, oder richtiger in den Theil des Hohlraumes des letzteren, welcher das Zubringergehäuse genannt wird. Der Zu- bringer selbst ist eine Art Löffel, der um eine rück- wärts gelegene Achse nach auf- und abwärts drehbar ist und erforderlichenfalls aus dem unten liegenden Magazin eine Patrone in Empfang nimmt und nach aufwärts bis in die Höhe des Laufes trägt. Rückwärts oben hat der Zubringer eine Nase, an welche beim Oeffnen (Zurückziehen) der Verschluß einen Ansatz des Verschlußkopfes anstößt, wodurch dann der Zubringer mit der für den nächsten Schuß bestimmten Patrone in die Höhe geht. Um das Patronenmagazin zu laden, werden die Patronen von rückwärts einzeln in dasselbe eingeführt, wobei sie durch eine an der unteren Fläche des Zubringers angebrachte Feder — Patronensperre — am Zurückgleiten ver- hindert werden. Das Magazinsrohr faßt acht Patronen. — Um zu verhindern, daß, während der Zubringer oben ist, eine Patrone aus dem Magazinsrohre in Die Handfeuerwaffen. das Verschlußgehäuse unter den Zubringer gedrückt werde, hat letzterer an seinem vorderen Ende einen nach abwärts gerichteten Schnabel, der die Magazinsöffnung theilweise sperrt, so lange der Zubringer oben ist. Wenn sich dann letzterer senkt, wird die Magazinsöffnung frei und eine Patrone wird auf denselben geschoben. Damit nun die nächste Patrone nicht nachdränge, ist unter dem Zubringer, ähnlich wie beim System Kropatschek, eine Patronensperre angeordnet, d. i. ein doppelarmiger Hebel, dessen rückwärtiger Arm vom Zubringer nach abwärts gedrückt wird und dessen vorderer Arm einen nach aufwärts gerichteten Zahn besitzt, der sich in Folge dessen hebt und zwischen dem Zubringer und dem Magazinsrohre, beziehungsweise Fig. 645—648. Das Lebelgewehr. Degenbajonnet, Aufsatz und Verschlußgehäuse. der nächsten Patrone, stellt. Selbstverständlich ist auch die Einrichtung getroffen, um das Gewehr als Einlader gebrauchen zu können. Hierzu noch einige Daten. Das Geschoß ist 3 Centimeter lang und wiegt 1 ½ Gramm; die Patrone ist sammt dem Geschosse 7 ½ Centimeter lang und wiegt 30 Gramm. Der Vorrath, den der Mann bei sich führt, ist 110 Stück. Die An- fangsgeschwindigkeit ist 630 Meter, die Endgeschwindigkeit auf 2000 Meter noch immer 180 Meter. Die lebendige Kraft an der Mündung beträgt 30 Meterkilo- gramm. Nach den an Leichen vorgenommenen Schießversuchen des Militärarztes Dr. Delorme bringen die 8 Millimeter-Lebelgeschosse fast ganz genau dieselben Wirkungen im menschlichen Körper hervor, wie die 11 Millimeter-Grasgeschosse, sind also in keiner Beziehung humaner. Wegen der kleinen erzeugten Schußlöcher (5 Millimeter) ist aber die Behandlung und Heilung der Wunden sehr schwierig und gefährlich. Dritter Abschnitt. Wir wenden uns nun den Repetirgewehren mit anhängbaren oder beweglichen Magazinen zu. Das Princip derselben ist folgendes: In einem Gehäuse, welches seitwärts des Verschlusses angebracht ist, d. h. aufgesteckt oder angehängt wird, befindet sich der Repetirvorrath. Dieser wird durch eine Feder derart nach aufwärts oder abwärts gedrückt (je nachdem die Patronensäule vom Verschluß aus nach abwärts oder aufwärts liegt), daß beim Schließen des Verschlusses die oberste, beziehungsweise unterste Patrone von diesem erfaßt und geladen wird. Im zweiten Falle, d. i. bei einer vom Verschluß nach aufwärts stehenden Patronensäule konnte später die Feder entfallen, da die Patronen durch ihr eigenes Gewicht nach abwärts gedrückt wurden. Fig. 649. Fig. 650. Fig. 651. Fig. 652. Das Lebelgewehr. Fig. 649. Verschluß, Fig. 650. Vorderes Ende des Gewehres, Fig. 651. Zubringer, Fig. 652. Patrone. Den beweglichen Magazinen kam ein großer Vortheil zu, doch war damit der Uebelstand verbunden, daß beim raschen Gebrauch der Waffe das Anhängen des vollen und Abhängen des leeren Magazins viel Zeit erforderte. Auch war es nicht ausgeschlossen, daß das Magazin unter gewissen Umständen (z. B. beim Durchbrechen von Gestrüpp) leicht abgestreift werden konnte. Magazine, welche über den Verschluß nach oben vorstehen, belästigen den Mann beim Zielen. Diese Uebelstände veranlaßten den österreichischen Generalmajor (damals Oberstlieutenant), v. Kurz , zu dem Vorschlage, das Lee 'sche System mit beweglichem Magazine dadurch zu verbessern, daß man das Magazin an Gewehre fixire und in dasselbe Patronen in Packeten zu fünf Stück einführe. Das auf diese Weise vervollkommnete System Lee ist in Fig. 655 abgebildet. Durch die Verbesserung ist eine Verschiebung in den Bezeichnungen eingetreten Das Magazin führt nunmehr den Namen Kasten, wogegen der mit der Patronen- säule gefüllte Blechkasten die Bezeichnung Magazin erhalten hat. Der obere Theil Die Handfeuerwaffen. eines solchen Magazins ist lippenartig so nach einwärts gebogen, daß die ganze Patronensäule nur so weit nach aufwärts gedrückt werden kann, bis die oberste Fig. 653. Das Lebelgewehr. Noch nicht vollkommen geöffneter Verschluß. Fig. 654. Das Lebelgewehr. Vollkommen geöffneter Verschluß. Patrone an die fraglichen Lippen anstößt. Es wird sonach nach Einführung des Magazins die Patronensäule und mit dieser das Magazin durch den gespannten Zubringer nach aufwärts gedrückt. Bringt man nun an der Rückwand des Ma- gazins eine keilförmige Nase, im Kasten einen federnden Haken, den Magazins- Dritter Abschnitt. halter, an, so wird das geladene Magazin im Kasten gehalten, da die ganze Patronensäule durch den gespannten Zubringer nach aufwärts gedrückt, dieser Druck durch die Lippen auf das Magazin übertragen, letzteres aber durch den federnden Haken am Hinausschnellen gehindert wird. Die oberste Patrone ragt nun aus den Lippen des Magazins so weit hervor, daß der schließende Verschluß den vorstehenden Theil der Patrone erfassen, zuerst in den Lippen nach vorwärts und endlich, sobald die Magazinslippen aufhören (zu welcher Zeit sich die Geschoßspitze bereits im Laderaum befindet), nach vorwärts in den Laderaum drücken muß. Da sich der nach oben federnde Zubringer zwischen Fig. 635. Repetirgewehr, System Lee. den Seitentheilen des Magazins bewegt, wird die restliche Patronensäule, sobald die oberste Patrone die Lippen verlassen hat, nach aufwärts, und zwar vorerst bei geschlossenem Verschlusse mit der obersten Patrone bis an diesen, sobald der Verschluß geöffnet wird, vollends bis an die Lippen nach aufwärts geschoben. Ist die letzte Patrone geladen, so hört der Druck auf das Magazin nach oben auf und das leere Magazin fällt durch die eigene Schwere automatisch durch eine am Kastenboden befindliche Oeffnung zu Boden. Das beste Gewehr dieses Systems ist wohl das des österreichischen Ober- ingenieurs v. Mannlicher , das nicht nur in der österreichisch-ungarischen Armee, sondern auch in mehreren anderen Staaten eingeführt ist. Dort führt es die Be- Die Handfeuerwaffen. Fig. 636. Repetirgewehr, System Mannlicher (älteres Modell), Magazin oberhalb des Verschlusses. Fig. 637. Repetirgewehr, System Mannlicher (älteres Modell), Magazin unterhalb des Verschlusses. zeichnung »Oesterreichisch-ungarisches Repetirgewehr Modell 1888/90«. Der Lauf besteht aus Bessemerstahl und ist hinten ringförmig verstärkt. Die Bohrung hat ein Caliber von 8 Millimeter; die Züge besitzen eine Tiefe von 0‧2 Millimeter Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 51 Dritter Abschnitt. und eine Breite von 3‧5 Millimeter. Das Mannlicher-Gewehr hat einen sogenannten Geradezugverschluß, welcher im Wesentlichen aus einer Kammer, einem Schlag- bolzen nebst Feder und einem in der Kammer verschiebbaren Theil besteht, der mit dem Griff zusammenhängt. Die darunter befindliche abnehmbare Repetir- vorrichtung besteht aus einem Kasten, welcher zur Aufnahme des Magazins (mit fünf Patronen) dient. Alles Weitere ist aus dem oben Mitgetheilten bekannt. Die Munition besteht (wenn man von den sogenannten Exercirpatronen absieht) aus der aus Messingblech hergestellten Hülse, welche 2‧7 Gramm Pulver enthält, und dem aus Hartblei bestehenden, mit einem Stahlmantel versehenen Ge- schosse, das 15‧8 Gramm wiegt. Je fünf Patronen sind in einem Pakete ver- einigt; zwei gefüllte Magazine werden in einem Carton, 135 Cartons in einem Gewehrpatronenverschlag verpackt. Fig. 658 und 659. Das Mannlicher-Gewehr (Armeegewehr). Von den Leistungen des Mannlicher-Gewehres geben folgende Zahlen einen annähernden Begriff. Die Endgeschwindigkeit des Geschosses beträgt in einer Ent- fernung von 250 Schritt (1 Schritt = 0‧75 Meter) 442 Meter, » 500 » 356 » » 1000 » 280 » » 2000 » 211 » » 2500 » 193 » Aeußerste Schußzahl in der Minute: 45. Nach dem Mannlicher'schen Systeme sind gegenwärtig außer dem öster- reichisch-ungarischen Repetirgewehr Modell 1888/90 noch folgende construirt: das deutsche Repetirgewehr Modell 1888 (Caliber 8 Millimeter), das rumänische Re- Die Handfeuerwaffen. petirgewehr Modell 1892 (Caliber 6‧5 Millimeter), das holländische Repetirgewehr Modell 1893 und das italienische Repetirgewehr Modell 1891 (Caliber 6‧5 Milli- meter), letzteres System Paravicino , Carcano und Mannlicher . Der zweite Typus der modernen Repetirgewehre Fig. 662. Magazin im Kasten geladen, Zubringer gespannt. Fig. 661. Fixer Kasten und fixer Zubringer. Fig. 660. Magazin. Repetirgewehr, System Mannlicher (Armeegewehr). Ks Kasten, Kb Kastenboden, h Magazinhalter, Zh Zubringer, Zb Zubringerplatte, Zhf Zubringerfeder, Zf Zubringerplattenfeder. ist jener der abstreifbaren Magazine, oder kurzweg das Abstreifsystem . Bei demselben wird der zu ladende Repetirvorrath in einem Ladestreifen oder einer Ladeschiene verwahrt und ist diese Vorrichtung gerade groß genug, um die Patronen in ihrer Lage übereinander zu fixiren. Der Ladestreifen wird bei geöffnetem Verschlusse über dem Kasten so aufgesetzt, daß durch einen Druck auf die Patronensäule in der Richtung nach abwärts die Patronen aus dem Lade- streifen in den Kasten gedrückt werden, wobei der Zubringer gespannt wird. Der dieser Art entleerte Ladestreifen kann versorgt und erneuert gefüllt werden. Das Herausschleudern der Patronen wird durch einen federnden, ringartigen oder schaufelartigen Theil verhindert. Nach diesem Systeme sind derzeit folgende Armeegewehre eingeführt: das russische 3‘‘‘-Gewehr Modell 1891 (Caliber 7‧6 Millimeter, System Mohsin ), das türkische Repetirgewehr Modell 1890 (Caliber 7‧6 Millimeter, System Mauser ), das spanische Repetirgewehr Modell 1893 (Caliber 7 Millimeter, System Mauser ), das belgische Repetirgewehr Modell 1889 (Caliber 7‧6 Millimeter, System Mauser ), das schweizerische Repetirgewehr Modell 1889 (Caliber 7‧5 Millimeter, System Schmidt und Rubin ). Das Abstreifsystem hat den Vortheil, daß die Ladestreifen wenig umfangreich, daher leicht sein können, der Mann trägt in Folge dessen nicht so viel todte Last in den Patronentaschen. Doch ist bei diesem System das Laden nicht so einfach. Auch werden mehrere Patronen (meist fünf) nicht mit einem Griff, sondern rasch hintereinander geladen. Vor einiger Zeit hat Maxim , gestützt auf seine Erfahrungen mit dem Schnellfeuergeschütz (siehe dieses S. 729) einen Selbstlader, also ein selbstthätiges Repetirgewehr , construirt, von dem jedoch seitdem nichts verlautet hat. Dies erscheint begreiflich, da alle Schnellschießerei aus naheliegenden Gründen ihre Grenze hat. Das Maxim'sche 51* Dritter Abschnitt. Gewehr wird durch den Rückstoß immer wieder geladen und abgefeuert. Was dies bezüglich der Munitionsökonomie und der Gebrauchsfähigkeit der Waffe bei an- haltendem Feuern bedeuten will, kann jeder ermessen. Dennoch giebt es Fachmänner, welche meinen, daß es keineswegs das unerreichbare »Ideal« eines Infanterie- gewehres wäre, ein solches mit kleinstem Caliber, mit einem abnehmbaren Magazin, einer Vorrichtung zum Auffangen des Rückstoßes, zum gleichzeitigen Auswerfen der Hülse und zum Ueberführen einer neuen Patrone aus dem Magazin in den Lauf durch Bewegung des Verschlusses, so daß der Mann lediglich zu zielen und abzufeuern hätte. Die Jagdgewehre. Das Hauptinteresse bezüglich der Handfeuerwaffen ist, wie nicht anders zu denken, auf die Armeegewehre gerichtet. Da jedoch die Waffenfabrikation auch auf anderen Gebieten eine hervorragende Rolle spielt und die für den Privatgebrauch bestimmten Handfeuerwaffen manches Interesse bieten, mag hier eine kurze Ueber- sicht über die modernen Jagdgewehre Platz finden. ... Die gegenwärtig zu Jagd- zwecken verwendeten Gewehre sind durchwegs Hinterlader, deren Läufe, je nach der beabsichtigten Verwendung, für den Schrot- oder den Kugelschuß eingerichtet sind. Die Schrotflinten sind gewöhnlich doppelläufig, die Kugelbüchsen meistens ein- läufig. Mitunter ist das betreffende Gewehr derart eingerichtet, daß der eine Lauf zum Schrot-, der andere zum Kugelschuß dient, und dementsprechend wird auch der Name für dieses Gewehr — Büchsflinte — combinirt. Die Bohrung ist eine zweifache, entweder concentrisch, d. h. sie verengt sich gegen die Mündung hin allmählich, oder es geht die concentrische Bohrung einige Centimeter vor der Mündung in einen vollkommen cylindrischen Theil über. Letztere Bohrung ist englischen Ur- sprunges und wird »Chokebohrung« ( Choke bored ) genannt. Schließlich findet auch eine Combination beider Bohrungen statt und man bezeichnet dieses System als »amerikanische Schrotlaufbohrung«. Das Caliber ist verschieden und bewegt sich zwischen 16 und 18 Millimeter. Der Schaft der Jagdgewehre ist gewöhnlich aus Nußholz erzeugt und ent- sprechend leicht gehalten. Eine besondere Beachtung verdient die Verbindung des Vorderschaftes mit dem Laufe. Die einfachste Form dieser Verbindung ist jene, bei welcher an der unteren Seite des Laufes ein durchbrochener Laufhaken angebracht ist, durch dessen Durchbrechung, sowie durch den Schaft senkrecht zur Laufachse ein Schuber durchgeschoben wird. Eine andere Verbindung ist jene, bei welcher der Schuber vom oberen Ende des Schaftes, also parallel zur Laufachse, in den Laufhaken eingeschoben wird. Beim System automatique ist der Schuber, und zwar senkrecht zur Laufachse, federnd fixirt und wird der Lauf mit dem einseitig offenen Laufhaken in selben eingehängt. Das System Purdey charakterisirt sich dadurch, daß der Lauf mit dem einseitig offenen Laufhaken eingelegt und der Schuber durch eine Handhabe in die fixirende Stellung am Laufhaken gebracht wird. Die Handfeuerwaffen. Von weitgehenderem Interesse sind die Laufverschlüsse, durch welche Lauf und Schaft in Zusammenschluß gebracht werden und die Schloßbestandtheile zum Functioniren gelangen. Die einfachste dieser Anordnungen ist der Bügeldruck- verschluß , bei welchem in einem unter dem Laufende angebrachten, gegen den Kolben zu offenen Laufhaken ein am Bügel sich befindlicher, gegen die Mündung zu federnder Zahn eingreift. Wird der untere Theil des Bügels nach vorne gedrückt, Fig. 663. Bügeldruckverschluß. Fig. 664. Langer Schlüsselverschluß. so kommt der Zahn am Laufhaken außer Eingriff und der Lauf kann um eine Welle gedreht werden, wodurch er ladefähig wird. Häufiger in Anwendung kommt der lange Schlüsselverschluß . Bei dieser Construction ist der Laufhaken in der Regel gegen die Mündung zu offen, der um einen Drehpunkt nahe des vorderen Bügelendes bewegliche Schlüssel wird durch eine Drehung nach rechts, aus der Symmetrieebene heraus, bethätigt, d. h. der Zahn außer Eingriff gebracht, worauf der Lauf geöffnet werden kann. Dreht man den Schlüssel nach links, also in die Symmetrieebene zurück, so spielt der Dritter Abschnitt. Zahn ein und der Lauf ist wieder fixirt. ... Der in Fig. 665 dargestellte Tople- verschluß ist derart construirt, daß die die Läufe verbindende Schiene nach rück- wärts (über das rückwärtige Laufende) verlängert ist und diese Verlängerung in einen Raum der Aushöhlung im Bascule eingreift. Unter den rückwärtigen Lauf- enden befindet sich ein doppelt eingreifender Sperrriegel, der mit dem Laufhaken eingreift. Die im Bascule liegende Schienenverlängerung wird durch den in der Verlängerung der Laufschiene am Kolben liegenden Verschlußschlüssel gehalten und mit dieser der Lauf. Soll der Verschluß geöffnet werden, so muß der Verschluß- schlüssel nach rechts gedreht werden; hierdurch wird die Laufschienenverlängerung frei und der Lauf geöffnet. Durch einfaches Zuklappen wird der Lauf wieder voll- Fig. 665. Topleverschluß. kommen gasdicht geschlossen und hat man weiter nichts zu thun, als den Verschluß- schlüssel wieder in seine frühere Lage zu bringen. Das Wesen des in Fig. 666 abgebildeten Pedal -( Side-snap- ) Verschlusses besteht darin, daß der an der Schloßplatte angebrachte Verschlußschlüssel durch eine Hebelvorrichtung unter die Laufenden greift, wo in einem Laufhaken der Sperrriegel doppelt eingreift. Auch bei dieser Construction ist die Laufschiene verlängert und reicht dieselbe bis in den Bascule, wo sie in einen Ausschnitt desselben eingreift. Dieses Verschlußsystem ist deshalb besonders bequem, weil man lediglich mit dem Daumen der rechten Hand auf den Hebel zu drücken braucht, um die Laufenden freizulegen; das Schließen geschieht durch einfaches Zuklappen. Der in Fig. 667 abgebildete Excenterverschluß gilt für einen der halt- barsten und widerstandsfähigsten Systeme. Hier ist der Verschlußschlüssel um einen Drehpunkt nahe dem vorderen Bügelende nach rechts drehbar. Innen greift der Excenter an zwei Seiten vor und schieben sich diese Vorsprünge beim Schließen zwischen die Laufhaken. Außerdem hat die Laufschiene eine Verlängerung, die in Die Handfeuerwaffen. einem entsprechenden Raum im Bascule eingreift. Dieses System unterscheidet sich dadurch von dem langen Schlüsselverschluß, daß die Laufhaken aus einem Stück verfertigt sind, der Excenter aber nebst der Befestigung an der unteren Kasten- wand auch noch durch eine Querbrücke, welche mit dem Bascule ein Stück bildet, festgehalten wird. Fig. 666. Pedal- oder Side-snap -Verschluß. Fig. 667. Excenterverschluß. Den Uebergang vom Schrotgewehr zur Kugelflinte stellen die sogenannten Choke-Rifled -Gewehre dar. Die Construction des diesem Gewehre eigenthüm- lichen Laufes unterscheidet sich bezüglich der Bohrung vom Chokelauf dadurch, daß sie 16 bis 24 feine Haarzüge hat. Das Projectil ist eine calibrirte gefettete Rund- kugel, doch können auch alle üblichen Schrotnummern mit voller Treffsicherheit ver- wendet werden. Soll nur Kugelschuß angewendet werden, so bedient man sich der Dritter Abschnitt. Gewehre mit Expreßläufen . Der Expreßlauf ist vom Laderaum bis zur Mündung cylindrisch gebohrt und mit sechs bis acht kantigen hohlen Feldern derart in Drall gezogen, daß die Züge eine ganze bis Fünfviertelumdrehung haben. Die Expreß- gewehre wurden ursprünglich in den Calibern 11‧6 und 12‧7 Millimeter erzeugt und hatte das zur Verwendung gelangende Geschoß eine ogivale Spitze. Der Haupt- Fig. 668. Collath's Dreilauf-Doppelflinte. (Geschlossen und gespannt.) Fig. 669. Collath's Dreilauf-Doppelflinte. (Geöffnet, Schlösser entspannt.) übelstand bei dieser Construction war die lange Patrone, welche einen heftigen Rückstoß verursachte; auch die ovale Form des Geschosses bewährte sich nicht. Man plattete dasselbe ab und machte die Patronen kleiner, wodurch die berührten Uebel- stände behoben wurden. Die 11‧6 Millimeter-Gewehre werden Kropatschek- Expreß-Rifle , die 12‧7 Millimeter-Gewehre Universal-Expreß-Rifle genannt. Die Handfeuerwaffen. Die Verschlüsse der Kugelstutzen sind dieselben wie jene der Schrotflinten, doch kommen auch (Martini-Henry) Vollblockverschlüsse vor. Als Abfeuerungs- mechanismus überwiegen die Schlösser, welche einen Hammer (beziehungsweise zwei Fig. 670 und 671. Collath's Dreilaufgewehre. ( A Doppelbüchse, B Doppelflinte.) Hämmer) bethätigen, der mit seiner Schlagfläche entweder direct auf den an der Patrone angebrachten Zündstift (von oben) schlägt ( Lefaucheux ), oder einen central im Gewehre montirten, durch eine Spiralfeder vom Patronenende fern- gehaltenen Zündstift bethätigt. Es sind dies die Lancaster -(Centralfeuer-) Schlösser. Dritter Abschnitt. In neuester Zeit hat die Waffenfabrik Collath in Frankfurt a. d. Oder ein sogenanntes Universal-Jagdgewehr construirt, welches einerseits allen technischen Errungenschaften in Bezug auf Laufconstruction, Schäftung, Patrone u. s. w. Rechnung trägt, andererseits für Schrot- und Kugelschuß verwendbar und bei all dem leicht und handsam ist. Es ist dies ein Drilling (Dreilauf), der alle be- kannten Constructionen dieser Art weit übertrifft. Bei diesem System sind die Läufe für den Schrotschuß aus Damaststahl, jene für den Kugelschuß aus Specialstahl erzeugt. Der Verschluß ist im Principe der weiter oben beschriebene Excenterver- schluß, doch weist derselbe folgende Verbesserungen auf: das Gewehr ist hammerlos, die Schloßtheile liegen hinter dem Bascule und wird das Schloß beim Oeffnen Fig. 672. Pulverprobe nach Wagner. des Verschlusses gespannt. Beim Schließen werden die Läufe durch den Verschluß- hebel fest gegen den Pulver- boden zurückgedrückt. Außer- dem haben die Patronen- lager um circa 2 Millimeter tiefere Lagerausfräsungen, als dies die Höhe der Pa- tronenwulst bedingen würde. Die Patronen gehen also um das angegebene Maß tiefer in den Lauf, und in diese Ausfräsungen greifen entsprechende Einsätze des Stoßbodens des Bascule. Es wird damit jedes Rohr für sich nach jeder Richtung durch diesen Kammerverschluß, der sich als eine gelungene Combination eines Excenter- mit einem Kolbenverschluß darstellt, völlig gasdicht abgeschlossen. Sehr bemerkenswerth ist die Construction des Schlosses. Wie erwähnt, wird das hammerlose Schloß beim Oeffnen zum Laden gespannt. Die für jeden der drei Läufe einzeln angeordneten Schloßbestandtheile, deren Feder bandartig geformt ist, liegen parallel hintereinander hinter der Basule, sind daher vollkommen abge- schlossen und gegen Eindringen von Nässe, Staub und Verunreinigungen jeder Art völlig versichert. Das Collath -Gewehr besitzt ferner eine Vorrichtung zum Ab- feuern zweier Läufe mit einem Abzuge; außerdem ermöglicht diese Construction, wenn alle drei Läufe geladen sind, dieselben in beliebiger Reihenfolge nacheinander abzufeuern, wobei das Gewehr geschlossen bleibt. In den Abbildungen Fig. 670 und 671 ist am vorderen Ende des Bügels ein Hebel sichtbar. Derselbe kann zwei Stellungen annehmen; liegt er mit seiner Die Handfeuerwaffen. Richtung am vorderen Bügelrand, so functionirt das Gewehr als Doppelflinte, da der Hebel unter die im Schlosse angebrachte Brücke tritt und den Kugellauf durch Abspannen der Mittelfeder sichert. Liegt dagegen dieser Hebel in seiner Richtung an den unteren Schaftrand gedreht, so functionirt das Gewehr als Büchsflinte. Die Umstellung des Hebels kann jederzeit erfolgen, selbst im Anschlage, da die Construction drei selbstständige Schlösser, aber nur zwei Abzüge hat, von welchen einer verstellbar ist. Fig. 673. Pulverprobe nach Uchatius. Ebenso sinnreich ist die Col- lath 'sche Sicherung. Dieselbe ist in Form eines Flügeldrehers am Kolben- halse von außen sichtbar, hierdurch also auf den ersten Blick zu contro- liren. Dieselbe functionirt tadellos, hindert nicht beim Schuß und kann durch keinen Zwischenfall (Hängen- bleiben an Aesten, Sturz, Schlag, Stoß) aus seiner Lage gebracht werden. Diese Versicherung wird in der Weise bethätigt, daß ein mit dem Flügel- dreher verbundener excentrischer Ansatz sich vor die gespannten Nüsse des Schlosses legt. Das Sperren und Oeffnen der Sicherung geschieht durch Wenden des Flügeldrehers um 90 Grad. Liegt der Flügeldreher in der Linie der Visur, so ist das Schloß gesichert; Vierteldrehung nach links macht das Gewehr schußbereit. Bei der Construction der Feuer- waffen kommt es — wie z. B. bei den complicirten modernen Geschützen — nicht so sehr auf die Constructions- weise, beziehungsweise die ihr dienstbar gemachten maschinellen Hilfsmittel an, als vielmehr auf jene Factoren, welche bei der Gebrauchnahme der Feuerwaffen wirksam werden. Die Construction selbst hängt ja in erster Linie von den mechanischen Einwirkungen, denen das Material ausgesetzt ist, ab, also von der Ladung, beziehungs- weise dem Geschosse und was damit zusammenhängt. Man begreift alle hierher gehörigen Untersuchungen mit der Bezeichnung » ballistische Messungen « zusammen und spielen dieselben in allen Kanonenfabriken großen Styles eine hervorragende Rolle. Dritter Abschnitt. Die fraglichen Untersuchungen beziehen sich auf die Erprobung der ver- schiedenen Pulvergattungen, auf die Messung der Gasspannungen in den Rohren der Feuerwaffen und auf die Messung der Anfangsgeschwindigkeit der Geschosse. Für die Pulverproben giebt es verschiedene Apparate, so daß man der Feuerwaffe hierzu nicht nöthig hat. Eine derartige Vorrichtung ist die Hebelprobe von Wagner , welche in Fig 672 abgebildet ist. Um den Drehpunkt f einer Säule c ist ein Winkelhebel drehbar angeordnet, dessen eines Ende das Gegengewicht g , dessen anderes Ende am Hebelarme e einen kleinen Mörser m trägt. Die Verlängerung dieses Hebelarmes geht in einen Zeiger t aus, welcher längs des Gradbogens d spielt. Will man die Pulverprobe anstellen, so wird in den Mörser eine bestimmte Fig. 674. Gasspannungsmesser für Geschütze (Uchatius). Fig. 675. Gasspannungsmesser für Gewehre (Crusher). Menge des betreffenden Präparates gebracht und entzündet. In Folge des Rück- stoßes auf den Boden des Mörsers wird dieser sammt dem Hebelarme c und dem Zeiger t nach abwärts gedrückt, wobei das Gegengewicht den Ausschlag mäßigt. Da der Gradbogen gezähnt ist, bleibt der Zeiger t auf jenem Punkte stehen, bis wohin der Hebel ausgeschlagen hat. Es heißt dann: »Das Pulver schlägt 14 Grad.« Wie man sieht, ermöglicht dieser Apparat nur vergleichende Pulverproben. Eine Vorrichtung, welche absolute Messungsdaten ergiebt, ist die Pulverprobe von Uchatius , welche gestattet, von einem Präparate die ballistische (impulsive) und die brisante (explosive) Wirkung zu messen. Der Apparat ist in Fig. 673 dargestellt. Auf einem Unterlagstische P ist ein Postament A aufgeschraubt, welches seinerseits die Säule B trägt. An letzterer ist um den Punkt h drehbar der Hebelarm hg angebracht, der einerseits den am Zahnradgradbogen schleifenden Federzeiger i trägt, andererseits in den Receptor g endet. Der Blechmantel k dient lediglich zur Die Handfeuerwaffen. Abhaltung seitlicher Einflüsse. Die zu messende Gewichtseinheit des zu erprobenden Präparates wird in den beiderseits offenen Gewehrlauf I geladen und wird die Ladung oberhalb (gegen den Receptor) durch ein genau calibrirtes Rundgeschoß, nach unten durch einen genau passenden Meißel m , dessen Schneide auf der Zink- platte d ruht, abgeschlossen. Wird nun das Präparat entzündet, so fliegt das Rundgeschoß in den hohlen Receptor, wodurch dieser und der Hebel gehoben be- ziehungsweiße gedreht wird. Die Größe der Drehung wird durch das Einschnappen des Zeigers am Gradbogen markirt, wodurch die impulsive Wirkung gemessen wird. Andererseits wird der Meißel gegen die Zinkplatte gedrückt, wodurch auf der- selben eine Marke entsteht, welche das Maß für die brisante Wirkung des Prä- parates abgibt. Fig. 676. Geschwindigkeitsmesser. Zum Messen der Gasspannungen benützt man mancherlei Meißel- oder Stauchapparate . Der in Fig. 674 abgebildete Meißelapparat von Uchatius wird vornehmlich zur Messung der Gasspannungen in Geschützen verwendet. Das Rohr ist an der Stelle, wo der Gasdruck gemessen werden soll, radial angebohrt; in der der Rohrseele zunächst liegenden cylindrischen Ausrohrung ist der genau passende Stempel s eingelassen, der seinerseits am Kopftheil dem Meißel m trägt. Die Schneide desselben ruht auf einer Zinkplatte p , die durch die Schrauben- körper V und W fixirt wird. Wird das Geschütz abgefeuert, so treibt der an der angebohrten Stelle auftretende Gasdruck den Stempel mit dem Meißel gegen die Zinkplatte, auf welcher eine Kerbe entsteht. Da die Meißelschneide halbkreisförmig ist, läßt sich schon nach der Länge der Kerbe ein Schluß auf die Gasspannung ziehen und werden die betreffenden Größen in Tabellen verzeichnet. Der Stauchapparat von Crusher (Fig. 675.) wird auf einem eigens zu diesem Zwecke construirten Gasspannungsgewehr (mit verstärktem Boden) aufmontirt und Dritter Abschnitt. setzt sich aus folgenden Theilen zusammen: dem Gewehrschaft Sch , dem Lauf L und dem Rahmen R . In dem seitlich angebohrten Lauf ragt ein stählerner Piston bis in die innere Laufbohrung. Zwischen diesem Piston und der Fixirschraube S wird ein kupferner Cylinder K mit genau bekanntem Querschnitt fix eingeschraubt. Hierauf wird das Gasspannungsgewehr mit einer normalen Patrone geladen und abgefeuert. Sowie das Geschoß den Piston passirt hat, wirkt der Gasdruck auf denselben; er wird nach außen auf den kupfernen Cylinder gedrückt und letzterer, Fig. 677. Apparat Le Boulangé. von der Fixirschraube festgehalten, entsprechend der Größe des Gasdruckes gestaucht. Auch diesfalls sind die betreffenden Größen in Tabellen verzeichnet. Zur Messung der Geschoßgeschwindigkeit giebt es gleichfalls mancherlei Vor- richtungen. Die einfachste ist wohl die in Fig. 676. abgebildete. Ueber zwei Rollen a und b , die auf eine bestimmte Entfernung von einander angebracht sind, läuft ein Bindfaden, dessen eines Ende am Boden fix verankert ist, während am anderen Ende ein Brett hängt. Legt man das Gewehr knapp an das vordere Ende der Schnur an und feuert es ab, so wird in dem Brette ein Geschoßdurchschlag markirt. Nun giebt man einen zweiten Schuß ab, jedoch derart, daß das andere Ende der Schnur zerrissen wird. In Folge dessen sinkt das Brett nach abwärts und der Die Handfeuerwaffen. Geschoßdurchschlag muß jetzt über dem ersten liegen. Das Maß der Entfernung der beiden Geschoßdurchschläge von einander mit Benützung der einfachen Formel des freien Falles \left(\frac{2=gt^{2}}{2}\right) giebt die Elemente zur Berechnung der Zeit, be- ziehungsweise der Geschwindigkeit. Fig. 678. Fallgewicht zum Apparate Le Boulangé. Der Geschwindigkeitsmesser von Le Boulangé (Fig. 677) beruht auf elektromagnetischen Principien und ist wie folgt eingerichtet: Auf einer Säule S (Fig. 678) sind bei A und B zwei Elektromagnete montirt, die durch die Stellschrauben insoferne genau regulirbar sind, daß die mit Stahlspitzen versehenen Zinkcylinder P und Q gerade noch getragen werden. Hört der Strom bei A zu wirken auf, so fällt der Zink- cylinder nach abwärts in die entsprechende Ausnehmung des Tisches. Verliert der bei B angebrachte Elektromagnet seinen Strom, so fällt der Zinkcylinder auf den Teller g (Fig. 679). Hierdurch wird der Hebelarm h gehoben, dessen Nase außer Eingriff gebracht, wodurch das durch eine Feder gespannte und bis dahin festgehaltene Messer I ausschnellen kann, und zwar in der Richtung gegen den fallenden Zinkcylinder P , auf welchen es eine Marke einschlägt. Der den Elektromagneten A speisende Strom führt der- gestalt, daß ein dünner Leitungsdraht gerade vor die Mündung der Waffe, deren Patrone gemessen werden soll, zu liegen kommt. Die gleichconstruirte Leitung des Elektromagneten B führt zu einer gewissen Entfernung (gewöhnlich 100 Meter) installirten, durch das auftretende Geschoß zu be- thätigenden Stromunterbrechung. Diese ist Fig. 679. Ausschalter. nun dergestalt construirt, daß eine stählerne Thür vertical in Angeln hängt, die Thür- fläche der Waffe zugekehrt. Mit dem unteren Rande liegt die Thüre auf einem Stahl- zapfen auf. Im Zustande der Ruhe circulirt also der einerseits in die Thürangel, anderer- seits in den Stahlzapfen geleitete Strom anstandslos durch das Thürchen. Diese An- ordnung dient übrigens nur für Handfeuer- waffen; bei Geschützen treten an Stelle des Drahtes vor der Mündung und des Thürchens Rahmen mit Drahtnetzen, welche beim Schusse zerrissen werden. Nach Abfeuerung des Schusses wird der Draht vor der Mündung (beziehungs- weise der Draht des ersten Rahmens), zerrissen, mithin der elektrische Strom unter- brochen. In diesem Augenblick verliert der Elektromagnet A seine Kraft und der Dritter Abschnitt. Zinkcylinder P beginnt zu fallen. Im weiteren Verlaufe des Fluges gelangt das Geschoß zum Thürchen (beziehungsweise zum zweiten Rahmen) und wird nun hier der Strom unterbrochen, beim Thürchen dadurch, daß es außer Contact mit dem Stahlzapfen gelangt, beim Rahmen durch Reißen des Drahtes. In diesem Augen- blick verliert der Elektromagnet B seine Kraft, der Zinkcylinder Q fällt auf den Teller g , wodurch das Messer l gelöst wird und auf den fallenden Zinkcylinder eine Marke schlägt. Mit Berücksichtigung der Länge beider Cylinder und der Ent- fernung beider Marken läßt sich das Maß finden, welches die Größe des freien Falles während der Flugzeit giebt. Auch hier ist die Berechnung der Flugzeit und der Anfangsgeschwindigkeit möglich, doch bestehen hier ebenfalls tabellarische Zusammen- stellungen, die — wenn der Abstand beider Marken gemessen wird — sofort ein Ablesen der entsprechenden Größen gestatten. Fig. 680. Dum-Dum-Geschosse. Intact und nach Passirung von vier Tannenbrettern. Siebenter Theil. (Aelterer Motorwagen mit Gasbetrieb) Die Verkehrsmittel zu Land. Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 52 Erster Abschnitt. Fahrräder. — Draisinen. D ie Erfindung des Fahrrade's, das im modernen Verkehrswesen eine nicht zu unerschätzende Rolle spielt, wird gewöhnlich auf den badischen Ober- forstmeister Freiherrn v. Drais zurückgeführt. Derselbe soll gewisser- maßen in der Ausübung seiner Berufspflichten, welche es ihm auferlegten, weite Strecken der badischen Forste zu inspiciren, auf die Idee eines mechanischen Fahr- zeuges verfallen sein. Wir werden sofort auf dasselbe zurückkommen, bemerken jedoch, daß, entgegen der herrschenden Meinung, Drais nicht der Urheber, be- ziehungsweise erste Constructeur eines solchen Vehikels war. Einer Nürnberger Chronik zufolge hätte schon 1649 Hans v. Hautsch einen »Kunstwagen« gebaut, mit welchem eine Person im Stande war, in einer Minute 2000 Schritte weit zu fahren, was wohl nicht glaublich ist. Einige Zeit später trat Stephan Farfler , gleichfalls ein Nürnberger, mit einem ähnlichen Vehikel hervor, dem bald darauf ein Dreirad folgte. Bekannt ist ferner, daß gegen Ende des 17. Jahrhunderts ein Pariser Arzt eine »Carosse« bauen ließ, welche von einer Person bewegt werden konnte. Von allen diesen Constructionen sind Einzelheiten nicht bekannt, und es ist demnach schwer, sich darüber Rechenschaft zu geben, inwieweit Karl v. Drais bei seinem Fahrzeuge an ältere Vorbilder sich anlehnte. Hierbei ist auch in Bezug auf die Benennung des Vehikels ein Irrthum unterlaufen. Dasselbe erhielt nämlich nach seinem Erfinder den Namen »Draisine« und wurde bald nach Einführung der Eisenbahnen für den Betrieb auf Schienen umgebaut, wobei es natürlich im Laufe der Zeit mancherlei Formen annahm. Bekanntlich leistet die Draisine (richtig Draisine und nicht Dräsine auszusprechen) noch heute dem Streckenpersonale der Eisenbahnen vorzügliche Dienste. Karl v. Drais führte seine »Laufmaschine« zum erstenmale im Jahre 1815 auf dem Wiener Congreß vor. Es war ein sonderbares Ding, was da in die Welt gesetzt wurde. Wie aus der Fig. 681 zu ersehen, bestand es aus zwei 52* Erster Abschnitt. niedrigen, hintereinander liegenden Rädern, über denen mit Hilfe sattelförmiger Stützen ein Holzbalken mit einem gabelförmigen Sitz angebracht war. Der Fahrer ritt auf diesem Sattel und bewegte das Fahrzeug durch wechselseitiges Abstoßen der Füße vom Boden vorwärts. Drais modificirte sein Fahrzeug in mehrfacher Weise, er brachte zwei Sitze hintereinander an (also die Urform des Tandem), und machte sie vertical verstellbar, so daß Personen verschiedener Körpergröße die Laufmaschine benützen konnten. Er construirte es auch mit drei und vier Rädern, mit je einem Sitze unter der vorderen und hinteren Achse und mit einer Vor- richtung zum Anspannen eines Pferdes. Er versah es mit einem leichten Segel, um günstigen Wind verwerthen zu können, und schmückte es mit Sonnenschirm und Laternen. Fig. 681. Karl v. Drais' »Laufmaschine« aus dem Jahre 1818. Die ersten Verbesserungen an dem Urtypus des Belocipeds machte der Engländer Knight mit seinem »Hobby-Horse« (Steckenpferd) benannten Fahr- apparat, der in Fig. 682 ab- gebildet ist. Die größere Leichtig- keit der Construction, die größere Bequemlichkeit des Sitzes und der Steuervorrichtung ermög- lichten in diesem Falle den Fahrer vermuthlich, sich zeitweilig, ohne Benützung der Füße, tragen zu lassen. Der Draisine in ihrer Urform kam nämlich der Uebelstand zu, daß man mit ihr zwar doppelt so schnell vorwärts kam als zu Fuß, aber auch doppelt ermüdete. Bei der größeren Stabilität, welche dem Knight 'schen Vehikel zukam, mochte vielleicht der Gedanke entstanden sein, ersteren nach ertheilter Ge- schwindigkeit mit Trittkurbeln weiter zu treiben. Der erste Constructeur unseres Zweirades mußte also mindestens das sehr alte »Rennrad« gekannt haben. Diese Ansicht wird durch die Form unterstützt, in welcher der Fahrapparat unter der Bezeichnung »Boneshaker« in der ersten Hälfte der Sechzigerjahre von Paris nach Amerika kam, wo es von E. A. Cowper mit zwei wesentlichen Verbesserungen versehen wurde: mit der an aus Draht gefertigten Speichen angehängten Nabe und dem massiven Gummireifen. Indeß kann auch Cowper nicht als Erfinder des eigentlichen Zweirades gelten. Denn in Amerika hatte sich schon Ende der Dreißigerjahre aus dem Drais 'schen Lauf- rad der Urtypus des nachmaligen Belocipedes herausgebildet, und zwar in der Gestalt, wie sie in Fig. 683 veranschaulicht ist. Dieses von seinem Erfinder M. Revis »Manumotive« genannte Vehikel war wie folgt gebaut: Auf der Achse zweier großer, aber leicht gebauter Räder war ein Holzbalken aufgehängt, der an einem Ende einen Sitz trug, am anderen Ende mit einem kleinen Rade, dem Leitrade verbunden war. An der Achse der Treibräder befanden sich zwei gegen- Fahrräder. — Draisinen. einander verstellte Kurbeln, mit deren Hilfe die Räder bewegt werden konnten. Die Lenkung des Leitrades erfolgte durch zwei Fußtritte, welche durch Seile mit einem kleinen horizontalen Balken verbunden waren, der auf der Achse des Leit- rades saß. Trat man das rechte Pedal, so wurde das Rad nach rechts gelenkt, trat man das linke Pedal, so erfolgte eine Lenkung nach dieser Seite. In der Prioritätsfrage bezüglich der Erfindung des Zweirades als principiell entscheidende Constructionstype wird auch der Instrumentenmacher Philipp Moritz aus Schweinfurt genannt, der Anfangs der Fünfzigerjahre ein derartiges Fahrrad baute. Genannt wird ferner ein englischer Wagenbauer Namens G. Johnson , der an der Drais 'schen Maschine die erste wichtige Verbesserung machte, und zwar Fig. 682. Das »Hobby-Horse« (1818). durch directe Verbindung der Lenkstange mit der Achse des Vorderrades, womit eine Lenkbarkeit des Fahrzeuges erzielt wurde, die im Princip noch heute bei unseren Fahrrädern besteht. Nach dieser Neuerung trat eine große Pause in der Thätigkeit für die Nutzbarmachung des Fahrrades ein, bis 1862 zu Paris ein Arbeiter des Mechanikers Michaux , Namens Lallement , im Verein mit seinem Meister an die Construction eines Fahrrades ging, das im Jahre 1868 in die Oeffentlichkeit gelangte. Diese Vehikel erhielten unter der Bezeichnung »Belocipède« die erste größere Verbreitung. Sie waren ganz aus Holz gefertigt und hatten nur die allernothwendigsten metallenen Bestandtheile, wie Schrauben, Achsen u. s. w. In den nächstfolgenden Jahren wurde Michaux mit den Gebrüdern Ollivier , mit denen er sich associirt hatte, in schwere Processe verwickelt, was den Untergang dieser kaum erst erstandenen Industrie schon nach zwei Jahren zur Folge hatte. Nun bemächtigten sich die Engländer und Amerikaner der Industrie des Fahr- Erster Abschnitt. rades, und hier scheint der früher genannte Cowper werkthätig eingegriffen zu haben, denn die weiter oben erwähnten Verbesserungen traten an den neuen amerikanischen Fahrrädern zum erstenmale zu Tage. Hierbei traten bezüglich der Form des Vehikels die mannigfachsten Abweichungen hervor, vornehmlich was die Räder anbelangt. Das Vorderrad entwickelte sich bis zu den erstaunlichsten Dimen- sionen, während das Miniatur-Hinterrad nur zur Stütze des Sattels und des Gestelles diente. So entstand das Hochrad , dem seine englischen und amerikanischen Constructeure die Bezeichnung »Bicycle« beilegten. Die Fortschritte, welche man in der Construction machte, namentlich die Einführung des Kugellagers, brachten den neuen Fahrapparat dem allgemeinen Fig. 683. M. Revis' »Manumotive« (1839). Gebrauch immer näher. Man wendete diese Principien auf das längst vergessene Dreirad und Vierrad an und gab der alten Draisine ein modernes Gewand. Sie stieg von den Schienen wieder auf die Straße und trat in den Dienst des Publicums. Die Constructeure verfolgten zunächst zwei Rich- tungen: einerseits dem Sport zu dienen, was mit dem Hoch- rade erreicht wurde, andererseits ein praktisches Gebrauchsrad zu schaffen, dessen beste Form wohl in dem heutigen Militärrad zu finden ist. Nebenher machte man das Zweirad für die Benützung mehrerer Personen geeignet (Tandem) und gab ihm auch Formen, welche es für den Gebrauch der Damen geeignet machte. Damit war der Sieg des Niederrades über das Hochrad entschieden. Da das Niederrad den Typus des modernen Fahrrades abgiebt, müssen wir uns mit dessen Construction eingehend beschäftigen. Die Hauptbestandtheile desselben sind: Vorderrad, Hinterrad, Gestell mit Sattel und Lenkstange, Kurbeln mit Pedal und Transmission. Das Princip der Fortbewegung beruht auf der Uebertragung der Antriebskraft, welche vom Fahrer durch Treten auf die Kurbeln ausgeübt wird, auf das Hinterrad, während das Vorderrad Lenk- oder Steuerrad ist. Hierbei ist eine Transmissionskette in der Weise thätig, daß sie von einem größeren, mit der Achse der Tretkurbeln zusammenfallenden Zahnrad auf ein mit der Achse des Hinterrades zusammenfallendes kleineres Zahnrad übergreift. Dadurch wird das Vehikel in Gang versetzt. Das Vorderrad entbehrt also den Antriebs- mechanismus und rollt nur mit. Es hat aber nebenbei die Aufgabe, gemeinsam mit dem Hinterrade das Gestell zu tragen. Fahrräder. — Draisinen. Wir beschäftigen uns zunächst mit dem Gestell , welches sich aus dem Rahmen und der Steuergabel zusammensetzt. Aus Fig. 686 sind alle Theile desselben genau ersichtlich. Die Stange a b ist die auf dem Lager des Vorderrades aufruhende Tragstange (zugleich Lenkstange), e d ist die zweite Stützstange, welche oben den Sattel für den Fahrer, unten das Treibrad mit den Kurbeln zu tragen hat; f e bildet den Rücken, g d den unteren Halt für das Ganze, während c e und d e die Uebertragung des Gestelles auf das Hinterrad bilden. Wie aus dieser An- ordnung zu ersehen ist, ruht die Last des Fahrers zwischen den beiden Rädern, wodurch deren leichtere Beweglichkeit ermöglicht ist, entgegen jener Anordnung, bei Fig. 684. Normal-Niederrad. der das Hauptgewicht direct auf der Achse ruht, wie z. B. beim Hochrad. Die Lenkstange a b ist in den Lagern der Stangen f c und g d beweglich und mit ent- sprechenden Griffen, welche der Fahrer in Händen hält, versehen. Die Entfernung des Sattels von den Kurbeln ist derart bemessen, daß der Fahrer in der Ruhe die Pedale mit den Fußballen leicht berührt. In Fig. 685 ist das Humber-Gestell veranschaulicht, das nach der Anschauung der Radfahrer als das schönste und solideste gilt. Die Länge der Linien, die Winkel und die Neigung, die in dieser Type zum Ausdruck kommen, sind das Resultat langjähriger Erfahrungen, und Abweichungen hievon haben sich immer als unzweckmäßig erwiesen. Hat der Rahmen eine zu lange Basis, so wird er sehr unvortheilhaft von dem Gewichte des Fahrers belastet. Die Bestandtheile des Ge- stelles sind nicht massiv, sondern hohl, also Rohrstäbe. Es ist dies derjenige Quer- Erster Abschnitt. schnitt, der größte Leichtigkeit mit bedeutender Festigkeit verbindet. Ein Rohr von 25 Milimeter äußerem Durchmesser und 1 Millimeter Wandstärke besitzt einen Materialquerschnitt von 75‧4 Quadratmillimeter, also denselben, wie ein Rundstab von 9‧78 Millimeter Durchmesser, während seine Festigkeit mehr als 4½mal, seine Steifigkeit wohl mehr als 10mal so groß ist, als die des Rundstabes. Die für die Fabrikation von Fahrrädern nothwendigen Rohre entstammen den sämmtlichen heutigen Rohrbildungsverfahren. Selbst Spiralrohre finden Verwendung. Eine Probe ergab, daß ein gezogenes Rohr von 25 Millimeter Durchmesser bei einer Fig. 685. Das Gestell (Humber-Type). Fig. 686. Das Niederrad (Normalschema). Belastung von etwa 180 Kilo- gramm um 5 Millimeter durch- bog, während ein gewundenes Rohr von demselben Durchmesser und bei einer Belastung von 240 Kilogramm noch gerade blieb; erst bei 550 Kilogramm bog es sich und brach. Bezüglich der Verbindung der einzelnen Theile des Gestelles ist zu bemerken, daß jene der Ecken e , d , g , f (Fig. 686) absolut starr sein muß, da die Figur eigentlich ein Dreieck sein sollte. Dagegen ist der Schluß des Drei- eckes c d e durch Gelenke gebildet. Ein besonders schwieriges Ver- bindungsstück ist das Hauptstück d . Hier handelt es sich um Auf- nahme von mindestens ein, in einigen Fällen sogar fünf Stäben, wozu zwei Stützen für die Stellschrauben kommen, sowie des Hauptlagers, welches in die Höhlung gesetzt wird. Die Verbindung der Rohrstäbe mit den Eckstücken geschieht durch Einstreben, Verstiften und Löthen, auch Schweißen oder, neuerdings, durch Verrollen. Die Verbindung der Gelenkecken hat nichts Besonderes in sich. Die Doppelstäbe c e und d e (in Fig. 686, vergleiche auch Fig. 685) sind oval geformt, was einfach durch Zusammendrücken bewerkstelligt wird. Diese Manipu- lation bis zum völligen Flachdrücken führt auch zur zweckmäßigen Vorbereitung der Enden dieser Stäbe, welche als Gabel oder Gelenk verbunden werden. Der zweite Hauptbestandtheil des Fahrrades sind die Räder . Denselben kommt die Eigenthümlichkeit zu, daß die Nabe nicht auf den Speichen steht (von ihnen gestützt wird), sondern an den Speichen hängt. Je nach der Art der Verbindung der Nabe mit den Speichen unterscheidet man Radialspeichen und Fahrräder. — Draisinen. Tangentialspeichen. Die ersteren entsprechen am meisten der alten Stützspeiche, in- dem sie einen Kopf erhalten, durch die Steifen gestrebt und in die Nabe einge- schraubt werden; die Tangentialspeichen hingegen werden eingehakt. Ihre Stellung zur Nabe ist nahezu tangential, um die Drehung leichter zu übertragen, also nur auf Zug beansprucht zu werden, weshalb sie auch meist dünner als die Radial- speiche gehalten werden können, die zwar auch nur auf Zug beansprucht werden soll, bei der jedoch die zu übertragende Kraft so ungünstig Fig. 687. Hohlreif (Durchschnitt). wirkt, daß eine wesentlich größere Beanspruchung in Rechnung zu stellen ist. Alle Speichen bestehen aus möglichst dünnen, jedoch kräftigen Stahlstangen. Eine besondere Art sind die sogenannten Dickens-Speichen, welche an dem Radreifenende bis zum dreifachen ihrer Dicke zulaufen und eine bedeutend höhere Spann- kraft und Widerstandsfähigkeit besitzen. Der Radreifen besteht aus dem Stahlrad, Fig. 688. Continental-Pneumatik. das die Speichen in sich aufnimmt, der Felge, welche den Kautschukreifen (Pneumatik) zu tragen hat, und aus letzterem, der den äußeren Rand (die Lauffläche) des Rades bildet. Damit die Felge den luftgefüllten Kautschukreifen aufnehmen könne, ist sie mit einer entsprechend tiefen Rinne versehen. ... Die Pneu- matiks sind nichts Anderes, als die Nachfolger der ursprünglich in Anwendung gekommenen Vollreifen aus Gummi. Sie traten 1889 auf den Plan, also einem Zeitpunkte, in welchem das bequeme Niederrad über das unpraktische Hochrad endgiltig den Sieg davontrug. Dem luftgefüllten Gummireifen kommt der große Vortheil zu, daß er den Druck, den das Gewicht des Fahrers und des Vehikels bewirkt, mit dem Widerstande des Bodens und dessen Reibung bestens paralysirt. Dadurch beeinflußten die Pneu- matiks die leichte Beweglichkeit des modernen Fahrrades in ungeahnt günstiger Weise. Den Uebergang vom Vollreifen zum Pneumatik bildete der Hohlreifen (Fig. 687), der einen etwa ein Fünftel des Reifendurchmessers betragenden Hohl- raum hatte und einen beachtenswerthen Fortschritt bezeichnete. Diese Hohlreifen unterlagen sehr der Abnützung und war deren Reparatur ziemlich umständlich. Es war daher vorauszusehen, daß sie bald durch weitere Ausgestaltung des hier zu Tage tretenden Principes verdrängt werden würden. ... Das war mit den Pneumatiks der Fall. In den nachstehenden Abbildungen sind verschiedene Systeme derselben veranschaulicht. Fig. 688 zeigt das »Continental-Pneumatik«, System Boothroyd , mit dem Dunlop-Ventil zum Einpumpen der Luft. In Fig. 689 ist Erster Abschnitt. der »Excelsior-Pneumatik« mit glattem, in Fig. 690 dasselbe System mit geripptem Reifen dargestellt. Bei dem in Fig. 691 veranschaulichten »Imperial-Pneumatik« legt sich der Reifen tief in die Felge, was ein besonders inniges Anschmiegen an das Rad bedingt. In der That ist die Elasticität dieser Pneumatiks eine ganz außerordentliche und in Folge dessen die größte Schnelligkeit im Rennen zu erzielen. Großer Beliebtheit erfreut sich auch der Veith 'sche »Radial-Pneumatik« (Fig. 692 bis 694), der zwar den üblichen Systemen ähnlich ist, jedoch am Mantel eine wesentliche Abweichung von denselben zeigt. Er wird durch die seitlichen Wände Fig. 689. Fig. 691. Fig. 690. Fig. 689 bis 691. Pneumatiks. und die Preßluft in der Felge festgehalten und besitzt eine mehrfache Einlage aus eigenartigen Geweben. Zur Erklärung des Montirens und Demontirens eines Pneumatik-Radreifens wollen wir uns denselben in seiner Gesammtheit ansehen, wie dies durch die Fig. 695 ermöglicht wird. Der Reifen besteht aus dem Luftschlauch A (aus Gummi mit Stoffeinlage) und dem Mantel B . Letzterer besteht aus einer Gummischichte, die an der Lauffläche bedeutend stärker ist als an den seitlichen Kreiswänden und sich nach dem Ende zu ( C ) bedeutend verjüngt. Der in der Felge D ruhende Theil besitzt zwei starke Einlagen, welche der Innenform der Felge genau entsprechen. Dieser Theil ist aus der festesten Gummimasse gefertigt und bildet einen hermetisch festen Verschluß um den Luftschlauch im Innern des Reifens. Wenn letzterer mit Hilfe der Pumpe und des Ventils vollständig aufgeblasen ist, ist es ganz unmöglich, ihn von der Felge abzunehmen. In der Abbildung Fig. 695 ist bei D ein Fahrräder. — Draisinen. Hohlraum zu sehen; derselbe hat den Zweck, eine Berührung der Speichenköpfe mit dem Gummireifen zu verhüten. Der Vorgang beim Montiren ist der folgende: Man bläst zunächst den Luft- schlauch mäßig auf und legt ihn in den Mantel. Nun schiebt man den einen Wulst des Mantels (Fig. 696) sammt dem Luftschlauch in die Felge und steckt zugleich das Ventil durch das entsprechende Loch des Radreifens, wo es, nachdem man sich genau davon überzeugt hat, das Alles klappt, festgeschraubt wird. Hierauf legt man Fig. 692 bis 694. Veith'sche Pneumatiks. den zweiten Wulst des Mantels in die Felge (Fig. 697), und zwar derart, daß beide Theile des Mantels übereinander zu liegen kommen. Schließlich bläst man durch Einpumpen von Luft den Luftschlauch vorsichtig auf, bis dieser den Mantel völlig in die Höhlung der Felge gepreßt hat, worauf man durch Nachpumpen dem Reifen die erforderliche Straffheit giebt. Es stehen zweierlei Typen von Luftpumpen im Gebrauch: stabile und transportable. Die ersteren finden nur zu Hause, vor Beginn der Fahrt, Verwendung, während man sich der zweiten Gattung jederzeit bedienen kann. In den nachstehenden Abbildungen sind einige dieser Pumpen dargestellt. Fig. 698 veranschaulicht eine Pumpe von größeren Abmessungen, welche sehr leistungsfähig ist, da nur wenige Kolbenstöße genügen, den Reifen zu füllen. Fig. 699 ist eine transportable Pumpe, Erster Abschnitt. welche für verschiedene Ventilgrößen eingerichtet ist. Fig. 700 ist eine Taschenluftpumpe von mäßiger Größe (bis 20 Centimeter lang), welche in der Satteltasche mitgeführt werden kann. Den Vorgang beim Lufteinpumpen veranschaulicht die Fig. 701, bei welcher Construction die Pumpe mit dem sogenannten »Radständer« (Fig. 702), der dazu dient, das Fahrrad während seines Nichtgebrauches von seinem Gewichte zu entlasten, verbunden ist. Um den Reifen aufzupumpen, wird die Pumpe auf das geöffnete Ventil aufgeschraubt und sodann die entsprechende Zahl von Kolbenstößen, welche erforderlich ist, um den Reifen zu füllen, bewirkt. Im Allgemeinen ergiebt die Erfahrung, wie lange man zu pumpen hat, und kann man durch Befühlen des Fig. 695. Pneumatik. Fig. 696. Montiren des Pneumatiks. Reifens bis zu einem gewissen Grade Controle üben. Um jedoch vor Mißgriffen bewahrt zu bleiben, bedient man sich mit Vortheil eines sogenannten Luftdruck- messers , der entweder für sich verwendet wird, oder mit der Taschenluftpumpe verbunden ist. Nachdem wir das Gestell und die Räder bezüglich ihrer constructiven Eigenschaften kennen gelernt haben, kommen wir zu dem wichtigsten Antheil, dem Antriebsmechanismus . Derselbe setzt sich zusammen: aus dem Lager, den Pedalen und dem Zahnrade mit der Transmissionskette. Das Lager ist fast all- gemein auf das System der Kurbellager basirt, welches die leichteste Beweg- lichkeit und bei gutem Materiale die größte Kraft aufweist. Jede Lagerhälfte besteht (Fig. 704) aus einer kreisförmigen Rinne mit halbkreisförmigen Querschnitt. Die Kugeln liegen zwischen einem scharf gehärteten Stahlring und ebenso gehärtetem Achsenschaft, und zwar derart, daß sie nur wenig Berührungsflächen haben. Durch Fahrräder. — Draisinen. Anziehen des Ringes wird sorgfältiger Schluß und Schutz vor Staub und Schmutz erzielt. Die Kurbelachse ruht in dem (geöffnet abgebildeten) Theile des Gestelles, von dem die Quer- und Stützstangen ( E, F und G ) ausgehen. In diesem Hohl- raume lagert die Kurbelachse central, und ihre Umdrehungen werden durch das Kurbellager ohne starke Reibung an den Berührungsstellen vermittelt, wodurch der leichte Gang der Umdrehungen erzielt ist. Durch die Umdrehung rotiren nämlich die Stahlkugeln, welche die ganze Reibung durch ihre eigene Drehung auf die von ihnen berührte Fläche vertheilen. Die Achse des Hinterrades ist gleichfalls mit einem Kugellager ausgerüstet (Fig. 705). Die Achse ( A ) ruht in der Nabe, von der die Speichen ( P ) zum Rad- reifen laufen. Das Kugellager ist aus der Abbildung deutlich zu ersehen. Hier ist durch die Einlage von Dichtungsringen ein völliger Fig. 697. Montiren des Reifens. Abschluß des inneren Raumes bewirkt, so daß der- selbe mit Oel erfüllt bleiben kann, wodurch der gute Lauf der Kugeln gesichert ist. Dieselben arbeiten nämlich durchaus nicht wirkungslos. Sie haben an den seitlichen Berührungsstellen, unter sich, entgegen- gesetzte Bewegungsrichtung, und nur die große Glätte der Oberfläche und die dauernde Schmierung können die Leichtigkeit des Ganges erhalten. Die Kugeln bestehen aus glashartem Stahl und werden zur Zeit in einer großen Vollkommenheit als Massenartikel erzeugt. Die Fabrikation zerfällt in die Formpackung, das Härten und das Schleifen. Das Zahnrad wird durch die Kette, welche von dem Umfange des Kurbelrades auf den des Hinter- rades übergeht ( C in Fig. 705), in Umdrehung versetzt. Mit dem Rade dreht sich die Nabe und der Mantel der Achse, während diese selbst — das Gestell tragend — durch das Kugellager die Reibung fast aufhebt und als Umdrehungsstützpunkt wirkt. In Fig. 706 ist die äußere Ansicht der Hinter- achse mit dem Gestell und der Transmissionsachse veranschaulicht. Die Kette selbst besteht aus einer den Zahnrädern entsprechenden Gliederreihe, in welche die ersteren fest und sicher eingreifen. Es ist ohneweiters zu erkennen, daß zwischen Kette und Zahnrädern gewisse Beziehungen bestehen, welche für die Kraftäußerung des Be- wegungsmechanismus von einschneidender Wichtigkeit sind. So bringt beispiels- weise ein kleineres Zahnrad des Hinterrades eine vermehrte Umdrehungszahl des- selben und damit eine beschleunigte Fortbewegung des Vehikels hervor. Unter Umständen (z. B. bei Damen-Fahrrädern) ist es nothwendig, die Kette mit einer äußeren Schutzhülle zu versehen. In Fig. 707 ist eine solche abgebildet, welche das Kurbelrad und die Hinterachse sammt der Kette vollständig verdeckt. Die Schutz- vorrichtungen können entweder stabil oder abnehmbar eingerichtet sein. Letzteres Erster Abschnitt. ist entschieden vorzuziehen, da es dann dem Fahrer anheimgestellt bleibt, ob er sein Rad mit oder ohne Schutzkette benützen will. Ein weiteres Detail an dem Bewegungsmechanismus sind die an den Kurbeln angebrachten Pedale , welche die Bewegung der ersteren durch Aufnahme der mechanischen Arbeit des Fahrers vermitteln. Das Pedal muß also derart eingerichtet sein, daß es dem Fuße einen bequemen Stützpunkt bietet, die Sohle fest anliegt und ohne viel Kraftverlust auf die Kurbelachse wirkt. Die Grundtype Fig. 698 bis 700. Luftpumpen. Fig. 701. Gebrauch der Luftpumpe auf Ständer. ist eine leicht drehbare Achse, um die sich ein Rahmen dreht, an dessen der Achse parallelen Längsseiten die Aufsatzstellen für den Fuß sich befinden. Dieser Rahmen ist mit Gummi- oder Filzringen ausgestattet, die elastisch genug sind, um den Fuß nicht durch allzu großen Widerstand zu ermüden, oder er besteht aus leichten Metallstücken, auf deren Zacken oder glattem Rand der Fuß tiefer und fest auf- sitzt. In den Fig. 708 bis 711 sind einige Typen von Pedalen abgebildet. Zu den mit dem Gestelle des Fahrrades verbundenen Details, welche noch einer Besprechung unterzogen werden müssen, zählen: die Lenkstange, der Sattel (Sitz), die Bremsvorrichtung, die Laterne und die Signalglocke. Satteltasche und Fahrräder. — Draisinen. Gepäckträger bilden eine weitere Zugabe zu der Ausrüstung eines Fahrrades. ... Die Lenkstange (Fig. 712 bis 714) ist ein bogenförmiger Aufsatz des Gestells, der als Stütze der Hände und zur Vermittelung der Lenkung des Vehikels dient. Die Lenkstange (Fig. 712) ist in den Charnierlagen C C der beiden Stützstangen A B drehbar und vermittelt eine entsprechende Drehung die Wendung des in der Gabel D D laufenden Rades. In der Form der Lenkstangen kommen die mannig- fachsten Variationen vor, doch sind die in den Fig. 713 und 714 abgebildeten die gebräuchlichsten. An den Enden der Lenkstangen befinden sich Handhaben, welche aus den verschiedensten Stoffen (Elfenbein, Horn, Kork, Kautschuk, Holz, Filz) her- gestellt sind und die Bestimmung haben, den Händen einen festen und sicheren Griff darzubieten. Unterhalb der Vereinigung Fig. 702. Radständer. mit der Stützstange B (Fig. 715) theilt sich die Vorderstange in die Gabel , zwischen deren Schenkeln das Vorderrad läuft. Dieselben ruhen in der Achse des Rades und sind an ihren Enden etwas geschweift, wodurch der durch das Gewicht des Fahrers ausgeübte Druck nicht eigentlich direct von oben, sondern in der Richtung nach vorwärts wirkt, was von großem Vortheil für die Fortbewegung ist. Was nun den Sitz des Fahrers anbelangt, haben wir schon früher darauf hingewiesen, daß derselbe derart zwischen den beiden Rädern, beziehungsweise zwischen der Kurbelachse und der Achse des Hinterrades angebracht ist, daß das Gewicht nicht direct auf die schiefe Gabel des Hinterrades wirkt, sondern daß sich die Schwere auf die Stützstange legt und erst durch die zweite, horizontale Gabel (zwischen Kurbelachse und Hinterrad), theilweise aufgehoben durch die rotirende Kraft der Bewegung, auf die Achse des Rades wirkt. Auf dem oberen Ende der rückwärtigen Stützstange ruht der Sattel , dessen Form im Großen und Ganzen einheitlich ist, wenn sich auch mancherlei kleine Abweichungen ergeben. Die Bedin- gungen eines guten Fahrradsattels sind: Festigkeit und Elasticität und elastische und feste Verbindung mit dem Gestelle. Das erstere wird durch Einschnitte und Perforirungen im Sattel, das letztere durch Federn erzielt. In den Abbildungen Fig. 717 bis 720 sind einige der gebräuchlichsten Sattelconstructionen dargestellt, deren Anordnung sich leicht ersehen läßt. Die Bremsvorrichtung bildet einen wichtigen Bestandtheil des Fahrrades. Obwohl diesfalls verschiedene Anordnungen bestehen, ist ihr constructives Princip gleichwohl immer dasselbe, indem vermittelst eines an der Lenkstange angebrachten Erster Abschnitt. Hebels eine Stange bethätigt wird, an deren unterem Ende sich das Bremsstück befindet. Dieses wirkt unmittelbar auf die äußere Peripherie des Lenkrades. In Fig. 721 ist dieses Princip deutlich veranschaulicht. Oberhalb ist ein kleinerer Hebel sichtbar, der — ohne daß man die Hand vom Lenkgriffe zu entfernen braucht — gehoben wird, wodurch die Stange B C niedergedrückt und das an seinem unteren Ende befindliche Gummistück D auf das Rad gepreßt wird. Diese Bremsvorrichtung functionirt sehr energisch und kann daher auf die Dauer schädigend auf das Pneumatik wirken. Aus diesem Grunde haben mancherlei andere Constructionen Anwendung gefunden, von welchen die in Fig. 722 abge- bildete als besonders sinnreich hervorzuheben ist. Hier befindet sich am Ende der Bremsstange ein kleines Gummi-Zahnrad, welches selbst bei starkem Drucke auf das Pneumatik dasselbe nicht angreift, da das Gummirädchen rotirt. In Fig. 703. Aufpumpen des Pneumatiks. Fig. 723 endlich ist eine Bremse veranschaulicht, welche gar nicht auf die Radreifen, sondern auf die Radfelge wirkt. Die Vor- richtung besteht aus zwei Hartgummiringen, welche an den beiden Seiten der Rad- felge befestigt sind und auf welche die Bremsklötze wirken. Letztere befinden sich an den beiden Enden der gabelförmigen Bremsstange. Es giebt auch eine Brems- vorrichtung, deren hemmende Wirkung direct auf ein an der Achse des Vorderrades angebrachtes Bremsrad übertragen wird. Ein scheinbar nebensächliches Detail, das aber für den Fahrer von größter Wichtigkeit ist, ist die Laterne , welche in der Dunkelheit sowohl den Fahrer, als etwa ihm begegnende Personen vor Fährlichkeiten schützt. Man hat daher diesem Detail große Beachtung geschenkt, woraus sich die Vielzahl der vorhandenen Latern-Typen erklärt. Die Hauptanforderungen, welche man an dieselben zu stellen hat, sind: große Leuchtkraft, sicheres Functioniren, leichtes Gewicht und elastische Befestigung. Diesen Bedingungen wird auf verschiedener Weise entsprochen und sind einige der betreffenden Typen in den Fig. 724 bis 726 zur Anschauung gebracht. Wichtig für den Radfahrer ist ferner die Signalglocke , welche in An- betracht der fast lautlosen Bewegung des Fahrrades unentbehrlich ist, um Colli- sionen zu vermeiden. Deshalb muß die Glocke derart placirt sein, daß sie jeden Augenblick, ohne daß der Fahrer in der Handhabung der Lenkstange beirrt wird, Fahrräder. — Draisinen. benützt werden kann. Ihr Platz ist daher an einem der beiden Enden der Lenk- stange, wo sie leicht und rasch mit dem Daumen erreicht werden kann. ... Zu nennen sind ferner: das Kothblech , welches zum Schutze gegen den von den Rädern aufgewirbelten Straßenunrath dient und in der Form von Blech- oder Lederstreifen sich um die obere Hälfte des Hinterrades und um das obere Rück- Fig. 704. Kurbellager. Fig. 705. Die Achse des Hinterrades. viertel des Vorderrades — an beiden Stellen in geringer Entfernung von dem Radreifen — legt. ... Die Fußstütze besteht aus einem kleinen metallenen Antritt, der an der Achse des Hinterrades angebracht ist und dazu dient, das Aufsitzen auf das Rad rasch und sicher zu ermöglichen. Fußstützen werden auch zu beiden Seiten der Gabel des Vordergestells angebracht, zu dem Zwecke, um bei Thalfahrten, bei welchen das Fahrzeug eines Antriebes nicht nöthig hat, die Füße auflegen zu können. Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 53 Erster Abschnitt. Um das Benützen des Rades seitens Unberufener zu verhindern, bedient man sich eigens zu diesem Zwecke construirter Sicherheitsschlösser , welche den Gebrauch des Vehikels unmöglich machen. ... Zur Abwehr von Hunden benützt Fig. 706. Die Achse des Hinterrades. Fig. 707. Stabile Kettenschutzvorrichtung. man Peitschen , für welche eigene Halter an dem Gestelle unterhalb der Lenkstange ange- bracht sind. Zur Unterbringung der nothwendigen Utensilien (Schraubenschlüssel, Muttern, Oeler u. s. w.) bedient man sich der Satteltaschen (Fig. 727 und 728), an deren Stelle auch förm- liche Reisesäcke (Fig. 730) treten, welch letztere im Innen- raum des Rahmens zwischen den Beinen des Fahrers angebracht werden. Mitunter werden Reise- taschen auch vorne an der Lenk- stange angebracht, in welchem Falle sie meist die in Fig. 729 dargestellte Form haben. Das Zweirad hat in den letzten Jahren nicht nur in sportlicher Beziehung ungeahnte Verbreitung gefunden, sondern auch vielfach in praktische Ver- kehrsbedürfnisse eingegriffen. Von größter Wichtigkeit nach dieser Richtung ist die Ver- wendung des Zweirades im Kriegsdienste . Es ist ohne- weiters verständlich, daß die Kriegsverwaltungen ihr Augen- merk auf dieses Vehikel richteten, sobald dessen Brauchbarkeit zur schnellen Fortbewegung außer allem Zweifel stand, besonders aber, als die Vortheile des Radfahrens gegenüber dem Reiter zur Erkenntniß gelangten. Die Schnelligkeit des Reiters ist überhaupt eine relativ beschränkte. Wenn es auch durch entsprechendes Training möglich ist, größere Weg- strecken im Trab zurückzulegen, so findet dies doch seine natürliche Grenze in der Fahrräder. — Draisinen. Leistungsfähigkeit des Pferdes. Dazu kommen noch eine Menge anderer Umstände in Betracht: Fütterung und Wartung des Pferdes, Unwegsamkeit des Terrains, Unzukömmlichkeiten aller Art bei Nacht und manches Andere. Der Radfahrer befindet sich in gleichen Verhältnissen ganz wesentlich im Vortheil. Ist er gut trainirt, so kann derselbe bis zur Grenze seiner physischen Leistungsfähigkeit größere Strecken mit einer Geschwindigkeit von sechs Minuten per Kilometer bequem zurücklegen. Tagesleistungen bis zu 150 Kilometer dürften hierbei keine zu großen Ansprüche sein. Das Rad bedarf hierbei keiner besonderen Pflege. Ein Schwamm zum Abwischen des angesetzten Kothes, etwas Oel zum Schmieren der Achslager Fig. 708 bis 711. Pedale. dürften genügen, um das Rad jederzeit dienstfähig zu erhalten. Uebrigens ist jeder halbwegs geschulte Radfahrer im Stande, kleinere Anstände an seinem Vehikel selber zu beheben, wozu er natürlich mit den nöthigen Utensilien versehen werden muß. Abbildung Fig. 730 zeigt ein Militärfahrrad der österreichischen Waffenfabrik in Steyr in voller Ausrüstung mit Gewehr, Bajonnet, Gepäck und Kartentasche, wohl die vollständigste Ausnützung des Rades als Transportmittel für die Armee. Es giebt übrigens, wie nicht anders zu denken, die verschiedenartigsten Constructionen dieser Art, von welchen einige in den mitfolgenden Abbildungen veranschaulicht sind. Die Fig. 731 und 732 zeigen die Construction des österreichischen Officiers Philipp Czeipek , welche von den herkömmlichen Typen insoferne erheblich abweicht, als das Rad zusammenklappbar ist und mittelst zweier Tragriemen anstandslos wie 53* Erster Abschnitt. ein Tornister auf dem Rücken getragen werden kann. Der Fahrer ist durch dasselbe gar nicht belästigt, er kann jedes Terrain anstandslos passiren, ja selbst von der Feuerwaffe Gebrauch machen. Das Auf- und Zuklappen des Rades erfordert nur einige Secunden Zeit. Fig. 712. Vorderstange. Fig. 713 und 714. Gebogene Lenkstangen. Das Rahmengestell ist in der Mitte zwischen beiden Rädern durch- schnitten, und sind die beiden Theile durch starke Charniere so ver- bunden, daß beim Ge- brauch die gerade Ver- bindung des Gestelles durch Bolzen fixirt ist, nach Lösung dieser Bolzen das Rad jedoch zusammengelegt wer- den kann; das Vorder- rad wird auf das Hinterrad gelegt, beziehungsweise umgeklappt. Durch diese Anordnung ist der Radfahrer jeder Sorge um sein Fortbewegungsmittel enthoben. Wenn es ihm ein- mal unmöglich wird, seiner Aufgabe auf dem Rade nachzukommen, schultert er einfach sein Rad und kann es jeden Augenblick wieder in Gebrauch nehmen. Fig. 715 und 716. Die Gabel des Vorderrades. Selbstredend müßte bei An- wendung des Fahrrades für Kriegs- zwecke vor Allem mit der Meinung gebrochen werden, daß das Zwei- rad nur auf gebahnten Wegen zu benützen sei. Für einen Radfahrer, der mit einem zusammenlegbaren, mit nicht zu schmalen Pneumatiks versehenen Niederrade ausgerüstet ist, giebt es einfach kein Hinderniß. Wiesen, selbst wenn sie naß sind, Ackergrund können anstandslos befahren werden. Böschungen bis zu 15° Neigung können bergauf selbst bei größerer Längenausdehnung überwunden, bergab Böschungen bis 30° mit Anwendung der Bremse genommen werden. Bei Straßengräben, Bächen, Schluchten ꝛc. wird wohl das Absitzen und Ueberheben des Rades nothwendig sein, doch erfordert dies keine besondere Anstrengung, da das Rad sammt aufgepacktem Fahrräder. — Draisinen. Fig. 717. Tourensattel. Fig. 718. Damensattel. Fig. 719. Straßen-Rennsattel. Fig. 720. Rennsattel »Spedwell«. Radfahrsättel. Fig. 721. Fig. 722. Fig. 723. Fig. 721 bis 723. Bremsen. Fahrrad-Bestandtheile. Erster Abschnitt. Fig. 724. Rover-Laterne. Fig. 725. «Komet»-Laterne. Fig. 726. «Komet»-Laterne mit abnehmbarem Oelbehälter. Fahrrad-Laternen. Fig. 727 und 728. Satteltaschen. Fig. 729. Reisetasche. Fahrrad-Bestandtheile. Fahrräder. — Draisinen. Carabiner, Mantel, Werkzeugtasche ꝛc. kaum so schwer ist, als die Belastung des Infanteristen mit Gewehr, Tornister, Mantel ꝛc. Nasse, kothige und frisch geschotterte Straßen, im Winter nicht zu hoher Schnee oder Glatteis hindern den Radfahrer nicht im Mindesten. Ueber die Ausrüstung des Militärradfahrers ist Folgendes zu erwähnen: Außer der gewöhnlichen Adjustirung, zu welcher noch Gamaschen kommen, führt der Fahrer den Mantel an der Lenkstange aufgepackt mit, in dem Mantel selbst ist dann die Gepäckrolle mit Wäsche, Waschzeug, eventuell ein kleiner Mundvorrath eingehüllt. Der Officier versieht den Säbel derart am Rade, daß derselbe von zwei Fig. 730. Militär-Fahrrad der Waffenfabrik in Steyr. Klammern, die an der vorderen Verticalstütze des Gestelles angebracht sind, gehalten wird und jederzeit entweder so ergriffen werden kann, daß die Scheide am Rade bleibt, oder sammt der Scheide vom Rade entfernt und umgeschnallt wird. Jeden- falls hat der Officier, sowie der zum Melde- oder Ordonnanzdienste bestimmte Mann den Revolver am Leibriemen zu tragen. Die für den Aufklärungsdienst verwendete Mannschaft ist natürlich mit dem Gewehre, am zweckmäßigsten mit dem Carabiner ausgerüstet. Die Packung ist jener ähnlich, wie sie beim Säbel beschrieben wurde. Die Waffe liegt in zwei Klammern derart an der vorderen Verticalstütze, daß der Kolben nach oben, die Mündung nach unten gerichtet ist, was von der Anordnung, wie sie Fig. 730 veranschaulicht, wesentlich abweicht. Da sich oft Gelegenheit ergiebt, von der Feuerwaffe rasch Gebrauch zu machen, muß die Verbindung derselben mit dem Vehikel sehr leicht löslich sein. Erster Abschnitt. Was die Verwendung des Militärradfahrers anbelangt, wäre vor Allem zu erwähnen, daß die Cavallerie durch denselben selbstredend nicht ersetzt werden kann. Der Radfahrer bildet gewissermaßen ein Mittelding zwischen Infanteristen und Cavalleristen. Von der Infanterie hat der abgesessene Radfahrer, nachdem er das Rad am Rücken hat, die Fähigkeit, sich jedem Terrain anzuschmiegen; von der Cavallerie hat der Radfahrer die Schnelligkeit, die nicht nur diejenige des Reiters Fig. 731. Ph. Czeipek's zusammenklappbares Militärfahrrad. überbietet, sondern noch den Vortheil hat, daß sie von Wind, Wetter, Regenzeit, Zustand der Wege ꝛc. weniger abhängig ist. Die Verwen- dung des Radfahrers im Kriege kann entweder als Ordonnanz, im Aufklärungs- dienste als Nachrichtenpa- trouille und endlich als fech- tende Abtheilung erfolgen. Zum Legen von feldmäßigen Telegraphen- oder Telephon- leitungen werden sich Rad- fahrerabtheilungen mit be- sonders eingerichteten Rädern hervorragend eignen, und sind derartige Versuche in den Vereinigten Staaten von Amerika mit bestem Erfolge durchgeführt worden. Betrachten wir nun zum Schlusse die Organisation der Militärradfahrer in den verschiedenen Staaten. Oben- an steht das Land des Sportes, Großbritannien , welches vom Fahrrade den ausgiebigsten Gebrauch macht. Es besteht daselbst ein eigenes Corps fahrender Kundschafter, dem die mannigfachsten Aufgaben obliegen und für welches jährlich größere Rennen, welche von Patrouillen gefahren werden, festgesetzt sind. Man hat in England das Fahrrad auch zum Munitionstransporte herangezogen. Ein äußerst interessanter Versuch dieser Art wurde mit einem von Singer construirten, eigenthümlich zusammengesetzten Fahrrade angestellt. Dieses Vehikel ist in Fig. 736 abgebildet. Es besteht aus sechs Bicycles, deren jedes zwei Mann braucht, und einem siebenten, das mit einem kleinen Munitionskasten versehen Fahrräder. — Draisinen. ist. Die Pneumatiks sind sehr solid hergestellt, so daß sie selbst auf steinigen Wegen wenig oder gar nicht beschädigt werden. Die Leistung ist zwischen neun und fünf- zehn englischen Meilen. Der ganze Zug bewegt sich unter der Führung des am ersten Rade vorne sitzenden Mannes. Frankreich betheilt alle seine Commanden und Stäbe reichlich mit Rad- fahrern. Adjustirung und Fig. 732. Radfahrer in voller Ausrüstung im Feuer Ausrüstung dieser Fahrer, sowie deren specielle Abzeichen und Distinctionen sind nor- mirt. Die Distinction des Radfahrers eines Infanterie- Regimentes besteht: beispiels- weise aus einem aus rothem Tuche oder aus Goldfäden (je nachdem der Fahrer Soldat oder Unterofficier ist) gefertigten Rade auf jeder Seite des Blousen- kragens und aus einer links zu tragenden Armbinde mit der Nummer des Regiments. Auch Deutschland macht vom Fahrrade in der Armee vielseitigen Gebrauch. Die Ausbildung im Rad- fahrdienste geschieht in tem- porär activirten Radfahr- curfen für Officiere und Mannschaft, und gelangen eigens zu diesem Zwecke organisirte Radfahrabthei- lungen bei den Manövern in Verwendung. Die Folge davon ist die officielle Betheiligung der Truppen mit Fahrrädern, die Bestimmung über Adjustirung und Ausrüstung der Fahrer. Selbst mit dem Gedanken, die Rad- fahrer als fechtende Truppe zu verwenden, hat man sich vertraut gemacht. — In Oesterreich-Ungarn besteht keine eigentliche Organisation von Radfahrern für Militärzwecke, doch findet das Fahrrad trotzdem allenthalben Verwendung, wobei es freilich an einheitlichen Gesichtspunkten, Adjustirungsvorschriften u.s.w. fehlt. In manchen Corpsbereichen existiren besondere Radfahrcurse, welche beachtenswerthe Erfolge aufweisen. — In Italien sind Radfahrer zum Melde- und Ordonnanz- Erster Abschnitt. dienste schon seit 1886 eingeführt, und ist jedes Regiment mit vier Fahrern (Unterofficieren) dotirt. — Die Schweiz hat nicht nur alle Commanden reichlich mit Meldefahrern betheilt, sondern es wurde auch eine eigene Radfahrabtheilung mit einem Stande von 150 Mann auf- Fig. 733. Radfahrer-Patrouille im Feuer. gestellt. — In Rußland hat jedes Regiment einen Radfahrer, jedes Jagd- commando deren zwei. Die durchgreifende Verbreitung, welche das Niederrad fand, führte consequenterweise zur Construction von Specialrädern, deren bekanntester Ver- treter wohl das Doppelsitz - Nieder- rad (Tandem) ist. Dasselbe ist wohl zunächst von sportlichen Gesichtspunkten entstanden, indem ein solches Vehikel im Rennbetriebe große Leistungen voraus- setzen ließ, doch hat es auch im praktischen Gebrauche Anerkennung und Verbreitung gefunden, da es wie sich ein Sportschrift- steller ausdrückt: »dem Geselligkeitstrieb der Fahrer bis auf die engste Ver- bindung entgegenkommt«. In Fig. 738 ist ein solches Tandem, das für eine Dame und einen Herrn bestimmt ist, abgebildet. Aus der Dar- stellung ist leicht zu ersehen, daß die für das Niederrad giltigen Constructions- principien beibehalten sind, jedoch gewisse Modificationen, welche durch die Länge des Vehikels und den doppelten Antrieb bedingt sind, platzgreifen. Des größeren Gewichtes wegen, welches das Fahrzeug zu tragen hat, sind sowohl die Radreifen als die Speichen etwas stärker gehalten. Das Gestelle ist in der Mittelpartie ver- doppelt, hat also einen längeren Rücken und eine längere Basis, deren zwei Haupt- punkte die Kurbelstange tragen. Die Hauptkraft ist auf den rückwärtigen Antrieb, welcher die rückwärtige Radachse bewegt, verlegt und verlangt daher, daß der Fahrer, welcher die größere mechanische Kraft auszuüben vermag, den Rücksitz einnimmt. Der Antrieb wird durch die Mitwirkung Fahrräder. — Draisinen. des anderen Fahrers erwirkt, dessen Kurbel eine Transmission zu dem rückwärtigen Antriebe besitzt, die auf ein der Achse angelegtes Zahnrad wirkt. Den zwei Antrieben entsprechen die beiden Sättel, hinter deren erstem die nicht lenkbare Haltstange des rückwärtigen Fahrers sich befindet. Fig. 734. Radfahrer-Patrouille. Tandems, welche für eine Dame und einen Herrn bestimmt sind, haben an der vorderen Kurbel das herkömmliche Schutzgitter. Man ist übrigens bei den Zwei- sitzern nicht stehen geblieben, sondern hat die Zahl der Sitze, beziehungsweise der Personen, allmählich vermehrt, bis man beim »Sextuplet« angekommen ist, einer Maschine von außergewöhn- licher Leistungsfähigkeit. Die Abbildung Fig. 739 veranschaulicht eine Wettfahrt eines solchen Fahrzeuges mit Empire State Express , welche seinerzeit in Sport- kreisen Aufsehen erregte. Zu dieser Fahr- concurrenz wurde neben dem Geleise zwischen New-York und Syracuse eine eigene, eine halbe englische Meile lange Rennstrecke hergestellt. Der Wettlauf fand am 28. Juli 1896 statt. Der Zug fuhr mit einer Geschwindigkeit von 80 Kilometer. Mit einem außerordent- lichen Aufwande von Kraft und Geschick- lichkeit gelang es den sechs Fahrern mit ihrer Maschine in demselben Augenblicke durch die Ziellinie zu kommen, wie der Expreßzug. Wir kommen nun zum Dreirade , das weit geringere Verbreitung gefunden hat, als das Bicycle, obwohl es in dieser oder jener Anwendung, z. B. bei den noch zu besprechenden Drai- sinen, dann für Vehikel, welche dem öffentlichen Geschäftsverkehr dienen, immer wieder auftaucht. Im Grunde genommen gehört das Dreirad der halb- vergangenen Zeit an, als noch vielfach die Annahme herrschte, die Benützung eines Zweirades sei mit mancherlei Fährlichkeiten verbunden und das Fahren selbst Erster Abschnitt. nicht so leicht zu erlernen. Dieses übertriebene Sicherheitsbedürfniß, wobei man zunächst die Damen im Auge hatte, führte zur Construction des Dreirades. Fig. 735. Französische Armee-Radfahrer. Fig. 736 Englische Armee-Radfahrer. Die älteren Typen weichen demgemäß noch erheblich von dem jetzigen all- gemein im Gebrauch stehenden Modell ab, was durch einen Vergleich der Ab- bildungen Fig. 740 bis 742 nur zu sehr in die Augen springt. Fig. 740 veran- schaulicht das Mitte der Achtzigerjahre in Aufschwung gekommene »Chrylesmore«, Fahrräder. — Draisinen. mit dessen Herstellung sich damals Fig. 737. Englische Armee-Radfahrer im Gefecht. in Coventry fünf große Fabriken beschäftigten! Wie es damit heute steht, vermögen wir nicht zu sagen. In Fig. 741 ist ein zweisitziges Dreirad dargestellt. In der älteren Anordnung zeigt das Tricycle zwei große Fahr- und Tragräder und vor diesen ein kleines Steuerrad. Die Abweichung von dieser Form besteht hauptsächlich in der Ver- legung des Steuerrades nach rück- wärts oder an eine Seite, oder in der Anwendung von kleineren Tragrädern mit Transmissionen zur Vervielfältigung der Um- drehungen an Stelle der größeren Tragräder mit directem Antriebe. Jedes dieser Systeme ge- währt gewisse Vortheile. Im Tricycle mit dem Steuerrade vorne sitzt man bequem und führt die Maschine sicherer, nicht allein weil man das Rad sieht und deshalb leichter lenkt, als auch weil man das Rad besser belasten kann, was dessen Steuerung wirk- samer macht. Der Hauptvortheil der Maschinen mit dem Steuerrad rückwärts liegt in der freien Front, so daß das Abspringen in Gefahrs- momenten sehr erleichtert ist. In der Construction, welche Fig. 742 veranschaulicht, ist das Princip des Tandems festgehalten, indem hier die Fahrer hintereinander sitzen. Alle diese veralteten Con- structionen sind durch das moderne Dreirad, welches in Fig. 743 abgebildet ist, verdrängt worden. Dasselbe entspricht in seinen con- Erster Abschnitt. structiven Elementen ganz und gar dem jetzigen Bicycle. Das Vorderrad trägt wie bei diesem das Gestell, und auch die Achse ist, wie beim Zweirade, am unteren Ende desselben angebracht. Der rückwärtige Theil mußte natürlich, da es sich um zwei nebeneinander laufende Räder handelte, anders angeordnet werden. Der Sitz des Fahrers ist derart angebracht, daß er die das Räderpaar verbindende Achse direct belastet. Auf dieser Querachse ruht das Gestell, das theils zum Vordergestell führt, theils die Sattelstange trägt. Die Stange, die das Vorder- und das Hinter- gestell miteinander verbindet, hat vorne eine Gabel, in der die Kurbel und das Antriebsrad ruhen. Von letzterem aus geht die Transmissionskette unterhalb der Stange zu einem der Querachse aufgesetzten Zahnrade, welches die Drehungen Fig. 738. »Styria«-Doppelsitz-Niederrad (für eine Dame und einen Herrn). des Antriebrades auf die gemeinsame Radachse und damit auf die Räder über- trägt. Alle anderen Details (Nebenbestandtheile u. s. w.) sind die gleichen wie beim Zweirade. Die Haupteigenschaften des Dreirades sind Sicherheit und Bequemlichkeit. In Bezug auf die Schnelligkeit steht es jedoch, was leicht begreiflich ist, hinter dem Zweirade. Ursprünglich favorisirten vornehmlich die Damen das Dreirad, doch erkannten sie bald, daß die Benützung eines Bicycle durchaus keine so außer- gewöhnliche turnerische Geschicklichkeit erforderte, als es den Anschein hatte. Auch die Fährlichkeiten erwiesen sich als weniger bedrohlich. Das Niederrad ermöglicht dem Fahrer, sofort Fuß zu fassen, falls das Vehikel seitwärts umkippt. Die her- kömmlichen Frauenkleider waren freilich nicht darnach, diese Action zu erleichtern. Als endlich das praktische »Dreß« für Damen Eingang fand, waren die letzten Bedenken beseitigt. Fahrräder. — Draisinen. Der größte Nachtheil des Dreirades ist dessen Schwerfälligkeit. Während der Bicyclist sein Vehikel zu Fuß leicht neben sich herrollt, jeden Eingang, selbst den schmalsten, mit ihm passiren und es schließlich, ohne den verfügbaren Raum wesentlich zu verstellen, überall leicht unterbringen kann, ist dies beim Dreirad ganz anders. Ein weiterer Nachtheil liegt darin, daß das Dreirad eine breitere Fahrbahn erfordert, also sehr häufig an seiner Fortbewegung behindert wird. Die Benützung ganz schmaler Pfade, z. B. Wiesenwege, ist ganz ausgeschlossen. An Schnelligkeit ist das Zweirad dem Tricycle ganz bedeutend überlegen, wie auch zu- gestanden werden muß, daß man mit einem Dreirade guter Construction auf Fig. 739. Das Sextuplet im Wettlaufe mit dem » Empire State Express «. ebenen, breiten Wegen recht schnell vorwärts kommt. Die beschränkte Verwend- barkeit des Dreirades gegenüber dem Zweirade aber bleibt bestehen. Zum Schlusse noch einige Worte über das Hochrad . Dasselbe entsprang sportlichen Zwecken und behinderte durch geraume Zeit das Fahrradwesen, da es zu seiner Benützung außergewöhnlicher turnerischer Gewandtheit bedurfte. Auch schloß es Fährlichkeiten in sich, die nicht Jedermann mit in den Kauf nehmen wollte. Als das Niederrad in seiner praktischen Ausgestaltung auf den Plan trat und inner- halb kürzester Zeit die weiteste Verbreitung fand, ward das Hochrad fast gänzlich in den Hintergrund gedrängt. In Fig. 744 ist ein Hochrad neuester Construction dargestellt. Wie aus der Abbildung zu ersehen ist, besteht dasselbe aus dem ungemein großen Hauptrade, welches das Gestell des Vehikels trägt, und dem kleinen Stützrade, das die rück- Erster Abschnitt. wärtige Fortsetzung des Gestelles aufnimmt. Die Fortbewegung erfolgt durch keine Uebertragung, sondern durch directen Antrieb der in der Achse liegenden Kurbel. Auf der Achse ruht die Gabel, welche ober dem Radreifen sich mit der Stange vereinigt und die Lenkstange trägt. Von der Gabelstange zweigt der Rücken des Gestells, welcher dem Radumfange angepaßt ist, ab. Der Rücken trägt den Sattel und endigt in einer Gabel des Stützrades, welche auf der Achse des letzteren aufruht. Der Hauptnachtheil des Hochrades ist der, daß ein Ueberschlagen des Fahrers nach vorne selbst bei einem geringfügigen Hindernisse stattfinden kann. Wir müssen nur noch einmal auf die Draisine zurückgreifen, um die Aus- gestaltung der von dem badensischen Oberforstmeister gemachten Erfindung für den Eisenbahndienst kennen zu lernen. Die erste Eisenbahndraisine war, wie erwähnt, Fig. 740. Dreirad älterer Construction. dem Revis 'schen »Manumotive« (1839) ziemlich ähnlich, nur daß sich an Stelle des auf Geleisen überflüssigen Leitrades ein Lauf- räderpaar befand. Diese Con- struction hat im Laufe der Zeiten mannigfache Veränderungen er- fahren, und bestehen demgemäß heute vielerlei Systeme, deren jedes seine Vor- und Nachtheile aufweist und sich für verschiedene Zwecke, Anforderungen und Verhältnisse mehr oder minder gut eignet. Die Eisenbahndraisinen stehen haupt- sächlich im Dienste des Streckenpersonales und sind ein unentbehrliches Hilfsmittel für den Ingenieur der Bahnerhaltung. Die Revision des Oberbaues, die Unter- suchung der Brücken, die Besichtigung der Stützmauern, Tunnels, der Lehnen und Wandmauern, sowie viele andere wichtige Obliegenheiten erfordern die häufige Anwesenheit dieser Ingenieure auf der freien Strecke. Die Draisine erleichtert solche Arbeiten, indem sie die rasche Beförderung von Personen, Instrumenten und Werkzeugen nach jedem beliebigen Punkte der Bahn ermöglicht. Ingenieur A. Birk sagt: »Daß man mit der Draisine rasch vorwärts kommen will, ist ganz natürlich; man soll mit guten Draisinen 12 bis 15 Kilo- meter in der Stunde durchfahren können. Der Kraftaufwand, welchen die Fort- bewegung erfordert, muß ein möglichst geringer sein; die Arbeiter, denen diese Aufgabe obliegt, dürfen nicht schnell ermüden; auch sollen drei bis vier, unter Umständen noch weniger Treiber genügen. Fahrzeuge, welche — wie eben auch die Draisinen — dem internen Dienste vorbehalten sind, stehen in der Rangordnung der Züge an letzter Stelle, d. h. sie haben allen Zügen, denen sie begegnen oder von denen sie überholt werden, unbedingt auszuweichen. Da nun auf der freien Fahrräder. — Draisinen. Strecke keine Ausweichgeleise bestehen, da auch oft in den Bahnhöfen alle Geleise benöthigt werden, so muß Fig. 741. Dreirad älterer Construction. es möglich sein, die Drai- sine an jedem Punkte der Bahn leicht und rasch von den Geleisen ent- fernen und — sobald die Bahn frei ist — wieder in das Geleise stellen zu können, d. h. fachmän- nisch ausgedrückt, sie muß sich leicht aus- und ein- werfen lassen.« Als wichtigster Constructionstheil der Draisinen erscheint die Bewegungsvorrichtung, welche zugleich das am schärfsten hervortretende Unterscheidungsmerkmal der einzelnen Systeme bildet. Von diesen seien zunächst die Draisinen mit Ba- Fig. 712. Dreirad älterer Construction. lancier und Hebel her- vorgehoben, wie ein solches Fahrzeug in Fig. 745 dargestellt ist. Die Vorderräder, welche einen größeren Durch- messer als die Hinter- räder haben, tragen an ihrer Außenseite eine Treibstange, welche durch einen Balancier bethätigt wird, dessen Rotations- achse zwischen den bei- den Radachsen liegt. Solche Draisinen, deren Fortbewegung vier Ar- beiter erfordert, können (für die Spurweite von 1‧524 Meter) außer den Treibern noch vier bis sechs Personen aufnehmen und wiegen 630 Kilogramm. Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 54 Erster Abschnitt. Sie sind also relativ schwer und ihre Fortbewegung ist ziemlich langsam. Um das große Gewicht zu verringern, hat man an der verbesserten Construction an Stelle des schweren Holzrahmens ein leichtes Eisengerippe gesetzt. Die Draisine ist mit guten Federn und kräftigen Bremsen versehen und auch auf großen Steigungen sehr leistungsfähig. Die in Fig. 746 dargestellte Draisine mit Zahnrad und Hebel ist ameri- kanischen Ursprunges. Die Treiber stehen auf der rückwärtigen Plattform des Fahrzeuges und setzen durch leicht bewegliche Hebel ein Zahnrad in Umdrehung, das in ein zweites, auf der vorderen Ruderachse aufgekeiltes Zahnrad eingreift. Fig. 743. Modernes Dreirad. Durch die Benützung eiserner Röhren für die einzelnen Theile des Rahmens, für die Hebel und ihre Gestelle u. s. w. wiegt dieses Vehikel, das drei Personen auf- nehmen kann, nur 250 Kilogramm. Einige amerikanische Eisenbahnverwaltungen haben Draisinen dieses Systems, aber größer dimensionirt, im Gebrauche, welche zehn Personen mit ihren Werkzeugen aufnehmen können. Man erkennt ohneweiters, wie viel Zeit durch die schnelle Beförderung der Arbeiter an die von den Stationen oft weit entfernten Arbeitsstellen erspart wird. Weitere Verbesserungen dieses Typs bestehen in Stahlblechrädern oder Stahlrädern mit einem Kern aus comprimirtem Papier und Holz. Fig. 747 veranschaulicht die sogenannte »finnländische Draisine«, welche auf vielen russischen Eisenbahnlinien im Gebrauche steht. Sie kann außer dem Treiber Fahrräder. — Draisinen. noch zwei Personen aufnehmen und wiegt nur 130 Kilogramm. Steigungen von 10 pro mille werden selbst bei Gegenwind noch mit einer Geschwindigkeit von acht Kilometern in der Stunde zurückgelegt. Es ist ohneweiters verständlich, daß das beim Fahrrade in Anwendung kommende Princip des Bewegungsantriebes mittelst Tretkurbeln früher oder später in der Construction der Draisinen zum Ausdrucke gelangen mußte. Vehikel dieser Art haben gegenüber den immerhin schweren, für mehrere Personen bestimmten Fig. 744. Styria-Hochrad. Draisinen den Vortheil, daß eine einzelne Person sie benützen kann, also z. B. der Bahnmeister, der jeden Tag eine bestimmte Strecke des Schienenweges zu inspiciren hat. Natürlich war es wieder Amerika, wo die Bestrebungen, solche » Eisenbahn-Velocipede « zu construiren, mit großem Eifer gefördert wurden. In Fig. 748 ist eine ältere Construction dieser Art abgebildet. Das Vehikel besteht aus einer gekröpften Achse mit zwei Treibrädern von einem Meter Durchmesser und aus einer einfachen Achse mit Laufrädern von 38 Centimeter Durchmesser. Der Fahrer hat seinen Sitz oberhalb des einen Schienenstranges. Außer ihm können noch drei bis vier Personen an der Fahrt theilnehmen. In Fig. 749 sieht man den Versuch, mit nur drei Rädern das Auslangen zu finden. Das Treibrad, das einen Durchmesser von 51 Centimeter hat, wird 54* Erster Abschnitt. durch ein Zahnradgetriebe bewegt. Die Kraft, mit welcher der Hebel bethätigt Fig. 745. Draisine mit Balancier. werden muß, beträgt nur den vierten Theil des Wider- standes, welchen das Fahr- zeug seiner Beförderung entgegensetzt. Das Vehikel wiegt nur 64 Kilogramm. Wird an demselben rück- wärts eine kleine Platt- form angebracht, so kann leicht Raum für einen Passagier geschaffen wer- den. Auch mit einem Werk- zeugkästchen kann dieses Fahrzeug versehen werden, ohne daß dessen Gewicht wesentlich zunähme. In dieser Gestalt eignet es sich dann besonders für Telegraphenaufseher. Auf amerikanischen Bahnen bedienen Fig. 746. Draisine mit Zahnrad und Hebel. sich seiner auch die Lampisten, denen die Aufgabe obliegt, die Streckensignale zu beleuchten. Fahrräder. — Draisinen. Das in Fig. 751 abgebildete Eisenbahn-Velociped von Kalamazzo ist für Fig. 747. Bahnmeisterdraisine der russischen Bahnen. Fig. 748. Eisenbahn-Velociped Fiebrand. schmalspurige Geleise construirt und Fig. 749. Eisenbahn-Velociped Sheffield. wiegt kaum 60 Kilogramm. Die Ueber- tragung der Bewegung auf das Treib- rad erfolgt mittelst einer Kette: die am Hebel aufzuwendende Kraft erreicht Erster Abschnitt. ebenso wie bei der vorbeschriebenen Construction nur ein Viertel des Wider- standes, welcher bei Bewegung der Draisine zu überwinden ist. ... Bemerkens- Fig. 750. Eisenbahn-Velociped System Koppel (Modell F ). werth erscheint eine jüngere österreichische Construction, die auf der Anwendung der Mannesmann 'schen Röhren (vgl. S. 111) beruht. Dieselbe, für normalspurige Geleise gebaut und nur für eine Person berechnet, wiegt etwa 50 Kilo- gramm. Für die Uebertragung der Be- wegung auf das Treib- rad ist eine zerlegbare Kette angewandt, so daß ein schadhaft ge- wordenes Kettenglied rasch und ohne Werkzeug durch ein gutes Glied ersetzt werden kann. Der Sitz ist gut gefedert und läßt sich ohne Schwierigkeit nach vorne oder hinten wenden. Fig. 751. Eisenbahn-Velociped Kalamazzo. Mit diesem ebenso leichten als handsamen Fahrzeuge läßt sich selbst in scharfen Bögen und ohne besondere Anstrengung eine Ge- schwindigkeit von 25 bis 30 Kilo- meter erreichen. Zwei deutsche Constructionen führen uns die Fig. 750 und 752 vor Augen. Modell F , wie der Erbauer die eine Art (Fig. 750) bezeichnet, hat zwei kleine Lauf- räder und zwei große Treibräder; Modell G (Fig. 752) hat vier große Treibräder und zwei Bewe- gungsvorrichtungen. Diese Ma- schinen sind leicht und kräftig aus Stahl construirt und können je nach dem Belieben des Fahrers vermittelst der Arme oder Füße, oder gleichzeitig mit Hilfe der Arme und Füße bewegt werden. ... Ein sehr leichtes Eisenbahn-Velociped für eine Person stellt Fig. 753 Fahrräder. — Draisinen. dar. Es hält sich in seiner Bauart ziemlich streng an das herkömmliche Bicycle, indem es, wie dieses, mit den Füßen allein bewegt wird und eine Transmissions- Fig. 752. Eisenbahn-Velociped System Koppel (Modell G ). kette aufweist. Der Sitz des Fahrers ist in der Form eines Sattels construirt. Diese Maschine hat auf vielen preußischen Bahnen Verwendung gefunden. Man hat auch Dampf-Drai - Fig. 753. Verbessertes Eisenbahn-Velociped Fiebrand. sinen gebaut, bei welchen die mit stehendem Röhrenkessel ausgeführte Dampfmaschine auf einem starken Rahmen ruht, den vier Räder tragen. Zwei derselben dienen als Treibräder, die beiden anderen sind Laufräder. Ueber der Achse der letzteren liegt der geschlossene Personenraum; der Wasser- kasten ist knapp an die Puffer gerückt. Mit solchen Maschinen können in der Stunde 50 bis 70 Kilometer durch- fahren werden, wodurch sie sich vor- nehmlich dort eignen, wo die Stationen beträchtlich weit von einander entfernt sind, also große Distanzen in kurzer Zeit zurückgelegt und unter Umständen eine größere Zahl von Personen befördert werden soll. ... Zweifellos wird in nicht zu ferner Zeit auch die Elektricität als bewegende Kraft für Draisinen Anwendung finden. Erster Abschnitt. Wir haben zum Schlusse noch einige Bemerkungen über außergewöhnliche Constructionen von Fahrrädern vorzubringen, einschließlich der sogenannten » nautischen Velocipedes «, auf welche wir weiter unten zurückkommen. Größere Verbreitung haben alle diese Anläufe, welche lediglich als Versuche anzusehen sind, nicht genommen. Da wäre vor Allem das von einem Mitgliede der Pariser » Salon de cycle «, namens Valère, erfundene Fahrrad, welches vor einigen Jahren das lebhafteste Interesse in Sportkreisen erregte. Gleichwohl ist diese Construction bei dem Versuche stehen geblieben. Fig. 754. Verbessertes Valèrisches Bicycle. Die in Fig. 754 abgebildete Va- lère'sche Maschine wiegt etwa 22 Kilogramm, und ergaben die ersten Fahrtversuche, daß ein guter Fahrer damit 45 Kilometer in der Stunde zurücklegen kann. Ihre Ueberlegenheit über die Fahr- räder bisheriger Construction wurde der Eigenart der Neue- rung, sowie der durch Ketten be- werkstelligten Kraftübertragung von den Pedalen auf das Triebrad zugeschrieben. Bei dem in Fig. 755 abge- bildeten Monocycle von L. W. Harper (Minnesota) befindet sich der Sitz unterhalb des Mittel- punktes eines groß, aber leicht dimensionirten Rades, das zugleich den Bewegungsmechanismus in sich schließt. Das Rad ist hohl und trägt einen hohlen Radreifen, der mit Pneumatik ausgestattet ist. Um das Fahrzeug leichter verpacken zu können, ist es aus mehreren Theilen zusammengesetzt, welche durch verbindende Zapfen zusammengehalten werden, während die einzelnen Theile wieder durch Schrauben aneinander befestigt sind. Mit dem Radkranze parallel laufen zwei concentrische Metallringe, die mit ersterem mittelst kleiner, hohler Stahlspangen verbunden sind und zur Vergrößerung der Festigkeit des Rades dienen. Diese Reifen sind gleichfalls zerlegbar. Der Bewegungsmechanismus befindet sich im Mittelpunkte des Rades in den Achsbüchsen. Auf der Außenseite jeder Büchse und mit diesen verbunden ist ein konisches Zahnrad angebracht, und sind die Achslager mit Löchern versehen, die von einem Ende zum anderen reichen, damit die Achsen als solche, auf welche Fahrräder. — Draisinen. das Gerippe des Rades ruht, durchgehen können. Jede Achse dreht sich in Kugel- lagern. Das äußere Ende jeder Achse ist am oberen Theile des U -förmigen Haupt- gestelles, das aus einer hohlen Eisenröhre von elliptischem Querschnitte hergestellt ist, angebracht. Eine stählerne Lenkstange geht durch das Gestelle und trägt oben ein Triebrad, welches in das im Mittelpunkte angebrachte konische Zahnrad ein- greift und mit diesem das große Rad treibt. Am unteren Ende der Lenkstange befindet sich ebenfalls ein konisches Zahnrad, das mit den Handgriffen verbunden ist und gleichzeitig die gebräuchlichen Tretkurbeln trägt. An der Stütze des Sitzes befinden sich Stell- Fig. 755. Vervollkommnetes Monocycle. (1 Totalansicht, 2 Theil des Bewegungsmechanismus, 3 Theil des mit dem pneumatischen Gummireifen abjustirten Radkranzes, 4 eine Lenkkurbel.) schrauben, mit deren Hilfe man den Sitz in beliebiger Höhe fixiren kann. Der Stamm des Sitzes ist eine stählerne Stange, deren Befesti- gungsart wohl eine Bie- gung nach beiden Seiten, nicht aber nach vor- oder rückwärts zuläßt. Das Einrad ist mit geeigneten Bremsen ausgestattet, deren Wirkung durch kleine Spangen auf das Rad übertragen wird. Die Hemmschuhe dieser Bremse werden durch bewegliche Stangen oder durch Stahldrähte, welche mit einem neben der Lenkkurbel des Rades befindlichen Handgriffe im Contacte stehen, angezogen. In Fig. 755 (bei 4) ist ein Handgriff der Lenkkurbel ab- gebildet; durch Erfassen desselben und Neigen des Körpers nach der einen oder anderen Seite hin hält der Fahrer das Rad im Gleichgewichte. In den Bereich constructiver Experimente greift auch das in Fig. 756 abgebildete Riesen-Tricycle über. Hier treiben acht Mann den Mechanismus des Rades, das in Folge seiner außergewöhnlichen Dimensionen ein Eigengewicht von 1200 Kilogramm besitzt, so daß auf einen Mann circa 150 Kilogramm kommen. Das vordere Rad mißt 1‧8 Meter im Durchmesser, jedes der beiden rückwärtigen Räder 3‧4 Meter. Das Gestelle besteht aus zwei parallelen Stahlbändern, welche nebeneinander liegen und vorne in ein Kreuzband endigen, an welchem das Gouvernal angebracht ist. Ein Mann am Vordersitze besorgt die Steuerung. Jedes der beiden großen Treibräder wird von je einem der denselben zunächst sitzenden Erster Abschnitt. Männer angetrieben. Die Kettenübersetzungen mit den Zahnrädern, sowie die Pedale und deren Kuppelung sind in der Abbildung ersichtlich. Das Merkwürdigste an dem Mechanismus dieses Fahrrades ist, daß die Steuerung desselben nicht nach abwärts, sondern nach aufwärts geschieht, womit wohl die Absicht verbunden sein dürfte, das bedeutende Eigengewicht des Vehikels leichter zu überwinden. Die ganze Construction hat die enorme Länge von 5 ½ Meter. Entsprechend dieser Größe Fig. 756. Ein Riesen-Tricycle. sind auch die Pneumatiks von außergewöhnlichen Abmessungen. Die Speichen der großen Räder haben eine Dicke von fast zwei Centimeter, jene des Lenkrades eine solche von annähernd einem Centimeter. ... Der Nachweis für die Brauchbarkeit dieses Riesenfahrrades erbrachte eine Probefahrt auf der Straße zwischen Boston und Brockton auf einer Strecke von 30 Kilometern. Von letzterem Orte fand die Fahrt ihre Fortsetzung bis zu dem 150 Kilometer entfernten Städtchen Concord, wobei die Maschine nicht einen Augenblick den Dienst versagte. Ueber die stündliche Fahrräder. — Draisinen. Leistung, beziehungsweise die physische Inanspruchnahme der Mannschaft liegen keine Daten vor. Das in Fig. 757 abgebildete Reclame-Velociped stammt nicht, wie man denken möchte, aus Nordamerika, sondern aus Frankreich. Die Maschine besteht aus einem kräftig gebauten Dreirade, dessen Hinterräder ( P P ) breite, mit Gummi- bändern überspannte Radreifen aufweisen. Auf den Gummibändern ist in erhabenen Lettern der Reclametext angebracht. Es liegt auf der Hand, daß zu diesem Zwecke die Ankündigung in knapper Form, also in Schlagworten, wie es der beschränkte Umfang des Gummibandes erfordert, gehalten ist. ... Zu den weiteren Einzelheiten Fig. 757. Reclame-Tricycle. der Maschine gehören die an dem höchsten Punkte der Hinterräder angebrachten Walzen ( A B ), welche als Farbkissen für die Lettern dienen und deren Innenräume durch Röhren ( C C 1 ) mit den die Druckfarbe enthaltenden Kästen ( R R 1 ) in Ver- bindung stehen. Zur Regulirung des Zuflusses von Farbe sind an den genannten Röhren zwei Hähne ( r r 1 ) angebracht. Durch eine kleine Rolle ( L ), über welche eine Transmission ( b ) läuft, kann die Achse der Pedale eine eigene Blasvorrichtung ( V ), welche mittelst eines geschmeidigen Schaftes unterhalb der Farbenkästen befestigt ist, in Bewegung setzen, um den auf der Straßenfläche liegenden Staub zu entfernen. Dieses Gebläse entläßt während der Fahrt durch zwei Röhren ( TT 1 ) je einen Luftstrom vor die großen Räder, der stark genug ist, den Staub weg- zufegen. Die Röhren, welche dem Kissen die Farbe zuführen, stehen durch eine Kette ( a ), welche mit einem Hebel ( E ) versehen ist, derart in Verbindung, daß der Erster Abschnitt. Dirigent des Vehikels je nach Bedarf das Gebläse oder die Farbrollen in Bewegung setzen kann. Den Farbkästen dient die rückwärtige Achse zur Stütze. Aus Allem ist zu ersehen, daß diese Maschine im Großen und Ganzen der Constructionsweise der herkömmlichen Dreiräder entspricht und nur ihr Bau entsprechend kräftiger ist. .. Der Gebrauch des Reclame-Velocipeds ergiebt sich von selbst. Die Maschine drückt, gleichsam unter den Augen der Passanten, die jeweils auf den Gummi- bändern angebrachte Kundmachung auf die Straßenfläche, wozu sich selbstredend nur der Mac Adam eignet. Da die Spuren der Schrift bald verschwinden, muß das Vehikel in bestimmten Zwischenräumen immer wieder in Thätigkeit treten. Eine sehr nützliche Verwendung hat das Fahrrad im Dienste des Löschwesens gefunden. Dasselbe ist berufen, überall dort einzugreifen, wo entweder die von Fig. 758. Schoedelin's Feuerwehr-Quabricycle. Pferden gezogenen Spritzen nicht hingelangen können, oder die örtlichen Verhältnisse die Verwendung der herkömmlichen Fuhrwerke eines Löschtrains ausschließen. Auch aus ökonomischen Rücksichten sind solche Maschinen empfehlenswerth, vornehmlich für kleine Gemeinden, zerstreut liegende Gehöfte, Fabriksanlagen u. s. w. Für das flache Land mit guten Fahrstraßen sind sie schon deshalb von großem Werthe, weil das ländliche Löschwesen so gut wie immer auf freiwilliger Organisation beruht und die Bespannung zumeist im Augenblicke des Bedarfes nicht zur Hand ist. Dadurch wird viel Zeit verloren, ganz abgesehen davon, daß die meist verspätet zur Stelle gebrachte Bespannung in Folge Uebermüdung, oder weil die ver- wendeten Pferde für den schweren Zug bestimmt sind, also schlecht laufen, an ein schnelles Eingreifen des Löschtrains nicht zu denken ist. Fahrräder. — Draisinen. Ganz wesentlich anders gestalteten sich die Verhältnisse bei Benützung von dem Löschwesen dienenden Fahrrädern. Eine solche Maschine — ein Feuerwehr- Quadricycle — ist in den Fig. 758 und 759 abgebildet. Dieselbe ist aus zwei Tandem-Bicycles zusammengesetzt, die durch Kreuzstangen gekuppelt sind. Die Kraft- übertragung und Kuppelung der mit Pneumatiks versehenen Räder ist ganz dieselbe wie bei den Fahrrädern herkömmlicher Construction. Der Raum zwischen den Rädern dient zur Aufnahme einer kräftigen Centrifugalpumpe, sowie einer Schlauch- trommel. Der rückwärtige Theil besitzt eine Vorrichtung zur Verbindung der Pumpen- Fig. 759. Schoedelin's Feuerwehr-Quadricycle in Action. cylinder mit dem Spundloche des Wasserfasses. Das Gesammtgewicht dieser Fahr- radspritze beträgt 70 bis 80 Kilogramm, so daß auf jeden der vier die Maschine bedienenden Fahrer 17 bis 20 Kilogramm entfallen. Entsprechend dieser günstigen Disposition bewegt sich eine solche Maschine rascher als eine mit Pferden bespannte Feuerspritze. Sobald die Spritze am Brandplatze in die richtige Stellung gebracht ist, springen die vier Fahrer ab und theilen sich in die ihnen zugewiesenen Arbeiten. Ihrer zwei besorgen die Kuppelung, während ein dritter den Schlauch von der Trommel abwickelt und der vierte Mann durch Abwärtsdrehen einer rückwärts am Gestelle angebrachten Stange die Maschine emporhebt und die Pumpe in Action setzt. Das alles vollzieht sich glatt in drei bis fünf Minuten. Hierauf steigen zwei der Fahrer auf die Sitze und drehen, nach Umstellung der Pedale, die Pumpe, Erster Abschnitt. welche im Mittel 5500 Liter pro Stunde Wasser abgiebt. Der horizontale Wasser- strahl erreicht eine Länge von 30, der verticale eine solche von 25 Meter. Wir kommen nun zu den sogenannten nautischen Bicycles . Es war vorauszusetzen, daß die außerordentliche Vervollkommnung, welche das Fahrrad- wesen in verhältnißmäßig kurzer Zeit genommen hat, nicht ohne Einfluß auf Fig. 760. Barna's nautisches Bicycle. Constructionen bleiben würde, welche der Fortbewegung auf dem Wasser dienstbar ge- macht werden sollten. An- läufe hierzu, wenn auch in etwas abenteuerlichen For- men, haben wir bereits bei einem früheren Anlasse kennen gelernt (vgl. S. 427 und 428 ff). In den nach- folgenden Abbildungen sind einige »Wasservelocipeds« neuer und neuester Con- struction vorgeführt, denen wir einige Worte widmen wollen. Das in Fig. 760 abge- bildete, von dem spanischen Ingenieur Barna construirte nautische Bicycle hat sich auch bei bewegtem Meere gut bewährt, indem es unter widrigen Witterungsverhält- nissen bis 20 Kilometer in der Stunde bewältigte. Es wiegt alles in Allem nur 45 Kilogramm. Das Bicycle besteht aus zwei hohlen, wasserdichten Kästen aus Stahlblech, welche die Form vierkantiger, an den Enden zugespitzter Balken haben. Diese Kästen sind miteinander versteift und bilden den Schwimmkörper. In dem Raume zwischen denselben erhebt sich auf einem aus dünnen Stahlstäben be- stehenden Gerüste der Sitz des Fahrers, der in herkömmlicher Weise Gouvernal und Pedal zu bedienen hat. Das letztere überträgt mittelst Kettenführung die Be- wegung auf ein in einem Schutzgehäuse untergebrachtes Schaufelrad. Von der Barna'schen Construction weicht das in Fig. 761 dargestellte Wassertricycle des Franzosen Pinkert ganz wesentlich ab. Es lehnt sich im Großen und Ganzen an das Princip der Dreiräder an, mit den für den vor- Fahrräder. — Draisinen. schwebenden Zweck nothwendigen constructiven Abweichungen. Wie aus der Ab- bildung zu ersehen ist, besteht das Fahrzeug aus Rädern, die mit ihren eigen- artig geformten Gummihüllen als Schwimmkörper dienen und die Erhaltung des Gleichgewichtes bewirken. Die Hüllen, welche luft- und wasserdicht sind, schließen sich an die Peripherie der Radgestelle fest an und werden in der Mitte von einem concentrischen Ringe gehalten. An dem Metallreifen des inneren Theiles sind die schaufelförmigen Ruder montirt, durch deren Umdrehung mit den Rädern die Fortbewegung erfolgt. Das vordere Rad dient als Steuer. Die Versuchsfahrt wurde vom Constructeur dieses Tricycles im Aermelcanal unternommen, indem derselbe von der französischen Küste bei Cap Grisnez die Fig. 761. Pinkert's nautisches Tricycle. Richtung gegen das gegenüber an der englischen Küste gelegene Folkstone nahm. Die Entfernung beträgt zwischen beiden Orten nur 40 Kilometer, aber die Meeres- strömung ist sehr bedeutend. Pinkert benützte einen ruhigen Tag zu seiner Fahrt, begleitet von einem Schutzboote. Die Fortbewegung war eine mäßige und ermüdete den Fahrer derart, daß er nach einigen Stunden ein vorbeifahrendes Schiff anrief, ihn an Bord zu nehmen. Die Construction hat sich zwar im Principe bewährt, doch haftet ihr der schwer zu beseitigende Uebelstand an, daß der Bewegungs- vorgang dem rollenden Rade entspricht, was im Wasser immer nur geringen mechanischen Effect äußert. In dem von Najork construirten, in Fig. 761 abgebildeten Wasser- velocipedes greift der Constructeur wieder auf die Bootform zurück. Hier besteht der Antriebsmechanismus aus einer Schraube, welche durch die Pedalaction der Erster Abschnitt. Fahrer bethätigt wird. Hierzu sind drei Mann erforderlich, außerdem ein Mann, welcher das Steuer (ein gewöhnliches Steuerruder) bedient. Die Kurbeln sind so gestellt, daß der todte Punkt vermieden wird. Den 60 Umdrehungen der Pedale entsprechen 500 Umdrehungen der Schraube, was für die Fortbewegung eine Geschwindigkeit von acht bis zehn Kilometer in der Stunde ergiebt. Das Boot bietet Raum für zwei bis drei Mitreisende und ist derart eingerichtet, daß Ruder oder Segel benützt werden können, was zur Beschleunigung der Fahrt selbstver- ständlich ganz wesentlich beiträgt. Der hohe Sitz der Fahrer bedingt behufs Er- Fig. 762. Najork's Wasservelociped. haltung der Stabilität des Bootes die Anbringung eines Bleikieles, eines schwert- förmigen Ansatzes oder dergleichen. Wie bei allen solchen Constructionen hat zwar auch Najork's Boot das Interesse der Sportkreise erregt, doch scheint es lediglich beim Versuche geblieben zu sein. Die außerordentliche Verbreitung, welche in den letzten Lustren das Fahr- rad gefunden hat, macht es erklärlich, daß die Fahrrad-Fabrikation einen Umfang angenommen hat, der alle Voraussetzungen, die man ursprünglich an diesen Industriezweig knüpfte, weit überholte. Der Grund dieses rapiden Auf- schwunges mag wohl darin liegen, daß es keine zwei Fabriken giebt, welche die- selben Räder bauen. Selbst die an sich so einfache Art des Antriebes unterliegt Fahrräder. — Draisinen. großen Verschiedenheiten. Dazu kommt, daß dieser industrielle Betrieb in mehr als einer Beziehung auf andere Industrien in zum Theil sehr einschneidender Weise rück- wirkt. Dies gilt besonders von den Stahlwerken, den Schmieden und Schlossereien, den Gummifabriken, sowie von den Arbeiten der Mechaniker und Ingenieure. Außerdem haben sich manche Betriebe, die einer bestimmten Fabrikation gewidmet sind, der Fahrrad-Fabrikation zugewendet, die sie in bestimmten Zeitabschnitten ausüben. Fabriken, welche mit guten Fräsmaschinen zu arbeiten haben, sind jeder- zeit in der Lage, sich der Fabrikation von Fahrrädern zu widmen, da sie die ihnen zur Verfügung stehenden Werkzeugmaschinen verwerthen können. Auch die Gewehrfabriken und die Nähmaschinenfabriken befinden sich in dieser Lage, wie ja dies die Praxis vielfach bestätigt. Die Steyrer Waffenfabrik in Oesterreich und die Solinger Waffenfabrik Weyersberg, Kirschbaum \& Co . sind zwei hervor- ragende Beispiele dieser Art. Die Fabrikation des Fahrrades hat mit folgenden Zielen zu rechnen: Leichtigkeit, verbunden mit höchster Festigkeit, Sicherheit und Leichtigkeit des Ganges und Billigkeit. Die größtmögliche Leichtigkeit im Gang und das geringste Gewicht in Uebereinstimmung zu bringen, war von vornherein eines der schwierigsten Probleme, welches die Fahrrad-Fabrikation der Technik darbot. Gleichwohl wurden diesfalls nach und nach Resultate erzielt, welche von vornherein nicht zu erwarten waren. Das Gewicht der ersten Niederräder ging in wenigen Jahren von 30 Kilo- gramm bis auf ein Minimum von 6 bis 7 Kilogramm für Rennmaschinen und 10 bis 12 Kilogramm für Gebrauchsmaschinen herab. Den Weg zu diesem Re- sultate zeichnete die Richtschnur des modernen Fabriksbetriebes vor: Verwendung der Rohmaterialien höherer Ordnung und Theilung der Arbeit. Auf den ersteren kommen wir sofort zu sprechen und bemerken rücksichtlich der Theilung der Arbeit, daß es Fabriken giebt, welche sich lediglich mit der Herstellung ein- zelner Bestandtheile der Fahrräder, der Gestelle, der Reifen, der Ketten, der Kugeln für die Lager u. s. w. beschäftigen. Selbstverständlich dürfen wir nicht der Gummifabriken, welche der Fahrrad-Fabrikation heute einen großen Absatz verdanken, vergessen. Was nun die Rohmaterialien anbetrifft, wurde andeutungsweise hierüber bereits an anderer Stelle berichtet, nämlich bei Besprechung des Gestelles, beziehungsweise der hierbei zur Anwendung kommenden Rohrstäbe. Im Vorder- grunde stehen die »gezogenen« Röhren, bei deren Herstellung ein dreifacher Vor- gang eingehalten werden kann. Die Röhren werden nämlich aus dem Vollen gelocht und durch Ziehen auf die geforderte geringe Wandstärke gebracht, oder sie werden aus einer Blechscheibe hergestellt, oder nach dem Mannesmann 'schen Verfahren gewalzt; in den beiden letzteren Fällen wieder durch Ziehen auf das erforderliche Maß gebracht. Dem Mannesmann'schen Verfahren verdankt es die deutsche Fahr- rad-Industrie, daß sie sich binnen wenigen Jahren von England, von wo bis dahin die Stahlrohre bezogen wurden, emancipirte. Wie weit man es in dieser Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 55 Erster Abschnitt. Beziehung gebracht hat, beweist die Thatsache, daß solche Rohre oft nur eine Wandstärke von 0‧5 Millimeter aufweisen, wodurch das weiter oben angeführte außerordentlich geringe Gewicht der modernen Fahrräder erzielt werden konnte. Fig. 763. Schmiede in einer Fahrradfabrik. Von großer Wichtigkeit sind die Lagerkörper, welche ja in bedeutendem Maße in Anspruch genommen werden. Sie werden entweder aus dem Vollen oder aus hohlem Temperguß durch Fräsen hergestellt. Auch die inneren Partien werden Fahrräder. — Draisinen. mit der Fräsmaschine bearbeitet. Da die Kugeln glashart sind, würden sie die- jenigen Stellen des Lagerkörpers, auf welchem sie laufen, sehr rasch angreifen. Man verhütet dies dadurch, daß man für die Lagerkörper einen bestimmten Fig. 764. Dreherei in einer Fahrradfabrik. Specialstahl verwendet, oder gewöhnlichen Stahl durch längere Zeit glühend erhält und dann im Wasser ablöscht. Die Kugeln selbst werden auf verschiedene Weise hergestellt, entweder auf kaltem Wege durch Bearbeitung in der Drehbank 55* Erster Abschnitt. oder durch Fräsen, oder schließlich durch Formgebung in warmem Zustande, was durch Stempeln, Walzen oder durch Schlagen erreicht wird. Das letztere Verfahren wird indeß in der Regel nur bei größeren Kugeln angewendet, während bei Fig. 765. Reparatur-Werkstätte in einer Fahrradfabrik. kleineren Kugeln das Drehen oder Fräsen vorzuziehen ist. Nach der Formgebung erfolgt das Härten und schließlich das Schleifen. Hierzu sind verschiedene Vor- richtungen und Maschinen nöthig, woraus zu ersehen ist, wie selbst ein so un- Fahrräder. — Draisinen. scheinbarer Bestandtheil, wie es die fraglichen Kugeln sind, der Maschinentechnik neue Impulse verlieh und eine förmliche Industrie erstehen ließ. Denn die Kugeln bilden einen Massenartikel und werden zur Zeit in einer großen Vollkommenheit hergestellt. Fig. 766. Fahradmagazin. Ein weiterer Fabrikationszweig betrifft die Transmissionsketten. Die Grund- lage der verschiedenen Constructionen ist die Gall 'sche Gelenkkette, welche in ent- sprechender Weise abgeändert wurde. In der einen Richtung ist sie zur Blockkette Erster Abschnitt. geworden, indem das zwischen die Zähne gelangende Glied die volle Dicke der Zahn- breite erhielt. Während die Blattglieder einfach aus Stahlblech ausgestanzt werden, schneidet man die Blockglieder aus einem gezogenen Stab mit der Kreissäge und bohrt sie — wie die Blattglieder — meist gleichzeitig mit zwei Bohrern. Auch wird das Blockglied aus Lamellen zusammengesetzt. Der Grund hierfür ist weniger die größere Solidität des Lamellencomplexes gegenüber dem Massiv (wie beim Drahtseil gegenüber dem Stab) als die leichtere Herstellung aus Blech durch Stanzen gegenüber dem kostspieligen Absägen. Die Felgen der Räder werden in Amerika noch vielfach aus Holz her- gestellt, sonst bedient man sich allenthalben des Stahlbleches. Die Form der Felgen richtet sich nach den Gummireifen. Bei diesen Rädern sind sie doppelt, ähneln dann den Holzfelgen und werden dementsprechend mit gelber Oelfarbe angestrichen, um die Täuschung zu vervollkommnen. Die Fabrikationsart ist eine Rohrwalzung, wozu jedoch eine besondere maschinelle Vorrichtung nothwendig ist. ... Große Sorgfalt wird natürlich auch auf das Material der Naben und Speichen auf- gewendet und der allerbeste Stahl hierfür verwendet. Da zwischen Material und Construction eine innige Wechselbeziehung besteht, war es geboten, um die Güte des Fabrikates außer allem Zweifel zu stellen, die Solidität der Arbeit und die Sicherheit gegen Bruch oder Beschädigung einer einwandsfreien Controle zu unterziehen. Zu diesem Zwecke sind besondere Prüfungs- maschinen construirt worden, welche die in den einzelnen Abtheilungen einer Fahr- radfabrik hergestellten Bestandtheile eines Rades auf ihre Stärke erproben, d. h. diese Maschinen besorgen die Arbeit aller widrigen Elemente gegen das Rad. Sie prüfen jedes Gestellrohr durch Schlag, Zug oder Druck auf seine Festigkeit, sie versuchen es, mit besonderer Kraft das Rahmengestell zu deformiren, während anderseits die Felgen und Speichen auf ihre Festigkeit und Consistenz geprüft werden. Dadurch wird jedes unverläßliche Materialstück für die Radfabrikation von vornherein ausgeschieden, womit die Garantie für tadellose Arbeit geboten ist. Diese Maschinen sind übrigens sehr kostspielig, und verfügen nur große Betriebe über dieses werthvolle Hilfsmittel einer tadellosen Fabrikation. Sehr umständlich gestalten sich jene Manipulationen, welche sich auf die Zusammenstellung der einzelnen Bestandtheile eines Fahrrades beziehen. So wird z. B. das Rahmengestell, welches aus sieben einzelnen Stücken besteht, nicht weniger als zwanzigmal bei verschiedenen Löthfeuern in Behandlung genommen. Die Rahmen werden provisorisch durch Stifte zusammengestellt, gelangen sodann in einen Schraubstock, in welchem die zu löthende Stelle einem starken Feuer aus- gesetzt wird. Das Löthmetall besteht aus Kupfer, Messing, Zinn und Zink, welchen Metallborax beigemengt wird und das die Stahlrohre so innig verbindet, als wären sie aus einem Stücke hergestellt. Dieser Vorgang wiederholt sich von einem Löthfeuer zum andern, bis aus der letzten Hand das Rahmengestell fertig hervor- geht. Jede Löthung wird in kürzester Zeit bewerkstelligt und der ganze Rahmen, Fahrräder. — Draisinen. der aus etwa 3½ Meter Rohr besteht, wiegt kaum mehr als zwei bis drei Kilo- gramm. Einen Fabrikationszweig für sich, der sich in den Dienst der Fahrrad- Industrie gestellt hat, bildet die Herstellung der Gummireifen. Eine Mittheilung des Leiters der berühmten Continental-Pneumatikfabrik, G. Zachariades , schildert die Herstellung dieses Artikels wie folgt: Die Reifen werden roh aus dem besten erhältlichen Gummi und Gewebeeinlagen auf einem eisernen Ringe con- fectionirt, letzterer mitsammt dem aufgebeutelten Mantel in eine zweitheilige guß- eiserne Form gelegt und vulcanisirt. Hierauf wird der Ring aus der Form genommen, der Mantel innen aufgeschlitzt und von dem Ringe abgezogen. Dieses Verfahren wird bei starken Straßenreifen angewendet, deren Mantel unaufgepumpt die runde Form hat. Die zweite Type sind die leichten Straßenreifen und die Rennradreifen, flache, bandförmige Mäntel, welche nach ihrem eigenen Querschnitt gedreht sind, so daß der rohe Mantel beim Vulcanisiren die Form der Trommel- oberfläche annimmt. Diese Mäntel sind aus einem äußerst elastischen Gewebe erzeugt, welches dem Reifen eine große Geschmeidigkeit und unerreicht leichten Lauf verleiht. Die Luftschläuche werden in einer besonderen Abtheilung genau auf ihre Dichtigkeit ausprobirt und mit äußerster Sorgfalt aus Platten erzeugt, welche durch ein besonderes Verfahren absolut luftdicht sind. Je nachdem die Oberfläche der Trommel oder die Innenfläche der Formen für die Pneumatik-Fabrikation glatt oder gerippt ist, erhalten die Mäntel dementsprechend eine glatte oder gerippte Form. Ueber den Umfang der Fahrrad-Fabrikation giebt eine Zusammenstellung von Haedicke (in der Zeitschrift »Stahl und Eisen«, 1899), der wir hier aus- zugsweise folgen, interessante Daten. Die Länder, in welchen dieser Industriezweig außergewöhnlichen Aufschwung genommen hat, sind die Vereinigten Staaten von Amerika, England und Frankreich. In dem erstgenannten Lande gab es im Jahre 1885 erst 6 Fabriken, welche zusammen jährlich 11.000 Maschinen lieferten, im Jahre 1895 dagegen 500 Fabriken mit einer jährlichen Erzeugnißmenge von 600.000 Maschinen, 1899 900 Fabriken, welche 1¼ Millionen Fahrräder erzeugten. Rechnet man die Nebenindustrien, welche das Material vorbereiten und die verschiedenen Gegenstände zur Ausrüstung der Fahrräder (Laternen, Glocken u. s. w.) herstellen, so kann man annehmen, daß der heutigen Fabrikation von Fahrrädern in Amerika ein Capital von nicht weniger als 650 Millionen Mark zu Grunde liegt. Man schätzt die Zahl der Radfahrer in diesem Lande auf reichlich drei, vielleicht vier Millionen, so daß auf 24 Einwohner der Vereinigten Staaten ein Radfahrer kommt. (In Frankreich beispielsweise erst auf 250 Einwohner.) Die Größe des Bedarfes an Fahrrädern in Amerika verhindert indeß nicht, daß überdies eine bedeutende Menge von Maschinen nach Europa exportiert wird. Im Mai 1899 betrug der Werth derselben nahezu 4 ½ Millionen Mark. Fast die Hälfte dieses Betrages fällt auf Deutschland, obwohl hier die Fahrrad-Fabrikation Erster Abschnitt. in rapidem Aufschwunge begriffen ist. Man zählt zur Zeit 26 größere Fabriken. Nähere statistische Details liegen leider nicht vor. ... In England stellte sich die Gesammterzeugung von Fahrrädern im letzten Jahre auf 750.000 Stück mit einem Werthe von 240 Millionen Mark. Beiläufig der zehnte Theil dieser Productionsmenge kam zur Ausfuhr. Trotzdem werden große Mengen amerikanische Maschinen aus Amerika importirt. Ende 1889 betrug das auf Fahrräder an- gelegte Actiencapital 120 Millionen Mark und wird heute auf 300 Millionen Mark geschätzt. Die Production von Frankreich wird in einer neuesten Nummer der » Revue Technique « zu 250.000 Maschinen angegeben. Oesterreich und Italien treten gegen die genannten Länder sehr zurück. In Oesterreich sind es die berühmte Waffenfabrik in Steyr und die Unternehmung Puch \& Co . in Graz, welche in der Fabrikation die Führung übernommen haben, in Italien ist es die Firma Prinetti, Stucchi \& Co . In Belgien steht man in diesem Industriezweig erst am Anfange, und fängt die wohlbekannte Waffenfabrik zu Herstal an, auf die Fabrikation von Fahrrädern sich einzurichten. Zweiter Abschnitt . Die Motorwagen. O bwohl die unter dieser allgemeinen Bezeichnung zusammengefaßten Vehikel in Bezug auf ihre mannigfachen Constructionsweisen (Automobilen, Autocars, Autocabs, Accumobilen, Straßenfuhrwerk ohne Pferde u. s. w.) der allerjüngsten Zeit angehören, indem sie sich gewissermaßen der Entwickelung des Fahrrades anschlossen, reichen auch bei ihnen die ersten Anfänge weit zurück. In dieser Beziehung sind beispielsweise die mit Dampf betriebenen Straßenwagen älter als die Eisenbahnen, als deren unmittelbare Vorläufer sie angesehen werden müssen. Der Erste, welcher die Möglichkeit, Vehikel mittelst Dampf in Bewegung zu setzen, erfaßte, war Savery . Eine ähnliche Idee hatte ein Jugendfreund und Studiengenosse Watt 's, der Glasgower Student Robinson . Unabhängig von ihnen hatte der Franzose Cugnot einen »Dampfwagen« construirt, welcher bereits die Rudimente der nachmaligen Locomotive enthielt. Das merkwürdige Vehikel, welches derzeit im Conservatoire des arts et metiers in Paris aufbewahrt wird und das nachweislich die älteste Form eines mit Dampf betriebenen Locomotions- mittels ist, lief zum erstenmale im Jahre 1769 in den Straßen von Paris. Die Erfindung machte begreiflicherweise ungeheures Aufsehen. Namentlich interessirten sich die Militärs für dieselbe, da sie der Ansicht waren, daß mit diesem Dampf- wagen selbst größere Geschütze zu transportiren wären. Ihren wesentlichsten Organen nach bestand Cugnot 's Maschine aus einem Wagengestelle mit drei Rädern, von denen die zwei rückwärtigen Laufräder, das vordere ein Treibrad war. Der Dampfkessel hing frei vor dem Treibrade und stand in Verbindung mit zwei aufrechtstehenden Dampfcylindern, in welchen der Motor nur auf einer Seite jedes Kolbens wirkte. Der Mechanismus zur Regu- lirung des abwechselnden Kolbenhubes war ziemlich complicirt, aber in Anbetracht der vollständigen Neuheit der Erfindung genial ersonnen. Das merkwürdigste Organ dieses Mechanismus war jene Hebelübersetzung, welche die wechselseitige Zweiter Abschnitt. Drehung und Oeffnung der Hähne für die Dampfzuleitung in die Cylinder zu reguliren hatte. ... Gelegentlich der ersten Probefahrt rannte Cugnot 's Maschine eine Mauer ein, bei der zweiten stürtzte sie vollends um und zerschellte. Die öffentliche Meinung fand sich veranlaßt, gegen ein so gefährliches Fortbewegungs- mittel Stellung zu nehmen, und die fürsorgliche Regierung nahm ihre Kinder in Schutz. Die »erste Straßenlocomotive, welche die Welt gesehen«, wanderte in die Raritätenkammer. Nicht ganz vierzehn Jahre später (1784) erschien James Watt 's berühmtes Patent, welches einen völligen Umschwung in der bisherigen Theorie von der Fig. 767. Cugnot's Straßen-Locomotive (1769) ampfausnützung hervorrufen sollte. Es ist von Wichtigkeit, darauf aufmerksam zu machen, daß auch Watt die Möglichkeit der Dampflocomotion erkannte und die betreffenden Constuctionsprincipien in dem Patentbriefe auseinandersetzte. Die Idee aber führte nicht Watt , sondern sein Schüler Murdock aus, der in seiner Heimat (Redruth in Cornwall) das Modell eines Dampfwagens construirte, bei welchem zum erstenmale das Princip der Hochdruck-Dampfmaschine in Anwendung kam. Die Watt'sche Maschine war, wie bekannt, eine Niederdruck-Maschine, und es war vornehmlich der Uebelstand des geringen Dampfdruckes, welcher der Dampf- locomotion zu keinem praktischen Resultate verhalf. Die Gestalt und Anwendung des Mechanismus, welche Murdock seinem Modelle gab, ist von nebensächlicher Bedeutung. Der Erfinder ließ seinen kleinen Dampfwagen, dessen Heizung mittelst Die Motorwagen. Spiritus erfolgte, in vorgerückter Abendstunde laufen. Der Schauplatz dieses merkwürdigen Experimentes war ein Hohlweg, durch welchen das kleine Ding mit solcher Geschwindigkeit fortraste, daß Murdock es nicht mehr einholen konnte. Der gerade des Weges kommende wackere Ortsgeistliche ergriff in der Meinung, den leibhaften Satan vor sich zu haben, jammernd und hilferufend die Flucht. Mit diesen Vorbemerkungen treten wir in das 19. Jahrhundert ein. ... Am Christabend 1801 gab es in dem kleinen Städtchen Camborne an der äußersten Westspitze von Cornwall gewaltige Aufregung. Es hatte sich die Nachricht ver- Fig. 768. Trevethick's Dampfkutsche. (1801). breitet, ein »Feuerwagen« werde die Straßen durcheilen, mit der Geschwindigkeit eines guten Renners, zwar von Menschenhand gelenkt, aber unabhängig von irgend welcher Beihilfe, sich selber in Bewegung erhaltend. Der Meister, der dieses Vehikel ersonnen, war Richard Trewethick , der Vorläufer Georg Stephenson 's, der eigentliche Erfinder der Dampflocomotion. Als die Stunde heranrückte, drängten sich Menschenmassen an den Schauplatz heran. Ein Wunder sollte geschehen! Die Männer waren der Erwartung voll, die Weiber geängstigt. Die Leute meinten, der Teufel sei in dem Werke im Bunde mit dem finsteren Manne, der das Un- erhörte vollbringen wollte. Schon Jahre vorher hatten die Cornishmen die Dampf- pumpen, welche James Watt zur Entwässerung der Minen in jenem Districte Zweiter Abschnitt. aufgestellt hatte, die »eisernen Teufel« ( Iron Devils ) genannt. Aber die Erfindung war von so wohlthätigen Folgen begleitet, daß der Volksmund die neue Ein- richtung mit einem milderen Namen belegte und sie die »schwarzen Engel« nannte. Aber mit einer Dampfmaschine Spazierfahrten unternehmen, hügelauf- und hügelab klettern, mit Carossen wettlaufen: derlei hätten selbst die phantastischen Cornishmen sich niemals träumen lassen. Welch ein Bewundern, welch ein Staunen, als Trewethick mit seinem Dampfwagen dahergeeilt kam. Der herkulische Mann, der schon im zartesten Alter Proben seiner Energie an den Tag gelegt hatte, grüßte von seinem Sitze die Menge und lud sie ein, an der Fahrt theilzunehmen. Ein Dutzend Personen sprang auf, der Bann war gebrochen. Endloser Jubel beschloß das überraschende Schauspiel. Dennoch war Trevethick's Beginnen kaum höher anzuschlagen, als das Lallen eines Kindes. Als wenige Tage später derselbe »Feuerwagen« in die Nach- barschaft zu dem mit dem Erfinder befreundeten Dawies Gilbert fahren sollte, erlitt der Mechanismus einen Schaden. Die Fahrgäste hatten sich in einen Gast- hof zurückgezogen, und während sie sich gütlich thaten, ging der Feuerwagen in seinem eigenen Elemente unter — er verbrannte. Die Erfindung aber konnte nicht verloren gehen, und es war für den finanziell nicht sehr gut situirten Erfinder ein Glück, daß er einen vermögenden Verwandten zur Seite stehen hatte. Andreas Vivian , so hieß der Mann, hatte während des Christschmauses mit Trewethick sich verabredet, auf die Erfindung der Dampflocomotive ein Patent zu nehmen und ein zweites Vehikel dieser Art fertigstellen zu lassen. Schon nach Ablauf eines Vierteljahres rollte abermals eine Dampfkutsche durch die Straßen von Camborne. Aber mit diesen Spazierfahrten war dem genialen Erfinder nicht gedient, und eines Tages saß er auf und fuhr, zum größten Erstaunen der Landbewohner, von Camborne direct nach Plymouth, 105 Kilometer weit. Von hier kam die Dampfkutsche nach London, wo sie Vivian an einem schönen Maitage des Jahres 1803 unter dem ungeheuren Zulaufe der Bevölkerung durch die Straßen der Stadt führte. Unter den Wenigen, welche die weitgehende Bedeutung der Neuerung ahnten, befand sich auch der größte Physiker seiner Zeit, Humphry Davy . Gleichwohl war die Hoffnung dieses Mannes, »Trewethick's Drachen« auf allen Straßen Londons fahren zu sehen, eine verfrühte; denn auch die Londoner Fahrten kamen über das Stadium des Experimentirens nicht hinaus. Nach den oben geschilderten Fahrversuchen verschwand die Erfindung für einige Zeit vom Schauplatze. Die Maschine wurde in Folge des schlechten Zustandes der Straßen unzähligemale defect, functionirte sonach nur bedingungsweise. Unglücklicherweise fehlte es auch an Geld, und so wurde eines schönen Tages das Vehikel zerlegt, um stückweise verkauft zu werden. Die Dampfkutsche sollte in dieser Form erst sieben Jahrzehnte später wieder auf den Plan treten, denn die eben geschilderten Uebelstände bestärkten Trewethick in der Anschauung, daß ein derartiges Vehikel nur dann mit Erfolg Die Motorwagen. verwendet werden könnte, wenn man es an die fixe Spur binde. ... Damit ging die Sache in die Hände der Eisenbahntechniker über. Wir haben uns deshalb so ausführlich über die ersten Versuche mit der Dampflocomotion beschäftigt, um zu zeigen, daß die Einführung der Eisenbahnen und die großartige Entwickelung, welche sie gefunden hatten, keineswegs fördernd auf die Idee, Straßenwagen mit Dampf zu betreiben, einwirkte. Die Angelegenheit ruhte durch Jahrzehnte, bis im Jahre 1878 gelegentlich der Ausstellung in Paris ein von Boll é c construirter Dampfwagen allgemeines Interesse erregte. Die Maschine bot zwar an sich nichts wesentlich Neues, doch stellte sie in Bezug auf die Anordnung der einzelnen Theile und die Uebertragung der bewegenden Kraft einen sehr sinnreich erdachten Mechanismus dar. Auch die mit diesem Vehikel unternommenen Probefahrten entsprachen durchaus den Anforderungen, welche man an dasselbe stellte. Auf freien Landwegen wurde eine Geschwindigkeit von 25 Kilo- meter in der Stunde erreicht, welche derjenigen der Secundärbahnen entspricht. Es ist hervorzuheben, daß auch von dem Augenblicke an, da die Aufmerk- samkeit der Techniker sich wieder den Motorwagen zuwendete, der Dampf als Kraftquelle in den Hintergrund gedrängt wurde. Schon 1850 hatte Andraud in Paris die Anwendung von comprimirter Luft versucht, ohne indeß greifbare Er- folge zu erzielen. Bald hierauf gelang es Julienne durch Erfindung einer ver- besserten Luftpumpe die Spannung wesentlich zu erhöhen. Als Resultat ergab sich bei all diesen Versuchen, daß comprimirte Luft als Betriebskraft für größere Ent- fernungen nicht ausreicht, auch dann nicht, wenn die Luft, wie bei den Heißluft- wagen, erst durch einen mit Dampf gefüllten Erwärmer hindurchgeführt wird, um im Augenblicke der Abspannung die Erkaltung zu verhindern. In den letzten Jahren hat auf dem Gebiete der Construction von Motor- wagen ein lebhafter Wettstreit platzgegriffen und ist seitdem eine große Zahl von Typen der verschiedensten Art aufgetaucht. Ja, man kann sagen, daß dieselben kaum mehr zu übersehen sind. Alle diese Systeme lassen sich in zwei Hauptgruppen scheiden: entweder werden Dämpfe beziehungsweise Gase als Triebkraft verwendet, oder es tritt die elektrische Kraft an deren Stelle. Die letztere ist zur Zeit noch nicht Herr der Situation, dürfte aber mit der Zeit alle übrigen Kraftquellen aus dem Felde schlagen. In Amerika ist man in dieser Richtung weit voraus, während in Europa der Ausgestaltung und Vervollkommnung der Gasmotoren die größte Aufmerksamkeit geschenkt wird. Indeß bedienen sich auch hier bereits viele Constructeure der Elektricität als motorische Kraft. Für uns ist es zunächst von Interesse, wahrzunehmen, daß der »Dampf- wagen«, d. h. die Uebertragung des Principes der Locomotive auf das Straßen- fuhrwerk, noch immer nicht völlig aus dem Felde geschlagen ist. Mitte der Neunziger- jahre trat ein französischer Ingenieur, Namens Gaillardet , mit einem solchen Dampfwagen hervor, der in Fig. 769 abgebildet ist. Bei dieser Construction steht ein gewöhnlicher senkrechter Dampfkessel in cylindrischer Form mit Siederohren Zweiter Abschnitt. in Verbindung. Unabhängig von den letzteren durchzieht den Kessel noch eine starke Röhre senkrecht von oben nach unten, welche die Bestimmung hat, auf den Feuerungs rost langsam Brennmaterial nachzuschieben, zu welchem Zwecke so viel Koke in die Röhre gefüllt wird, als voraussichtlich für die vorzunehmende Fahrt nothwendig sein wird. Da der Schornstein nach unten mündet, wird von Zeit zu Zeit behufs Anfachung des Feuers überhitzter Dampf auf die Feuerstelle geleitet, während der Abzug der Verbrennungsgase durch den beim Fahren entstehenden Luftzug gefördert wird. Die Heizfläche ist 3‧1 Quadratmeter groß, der Kessel faßt 40 Liter Inhalt und Fig. 769. Gaillardet's Dampfwagen. wiegt etwa 130 Kilogramm. Die Anheizung erfolgt innerhalb 20 bis 30 Minuten. Der Motor besteht aus einer Dampfmaschine mit zwei Wolff 'schen Vier-Cylindern, deren Achsen unter einem Winkel von 90 Grad wirken. Der Hoch- und Nieder- druckcylinder haben 12‧5 beziehungsweise 7‧5 Centimeter im Durchmesser, und steht deren Expansion im Verhältniß von 4 : 1. Bei Ueberwindung von Steigungen oder Krümmungen kann der Dampf direct in die großen Cylinder geleitet werden. Kolben und Kolbenstangen sind von bestem Stahl. Bei vollkommener Sicherheit der Maschine können 500 Umdrehungen erreicht werden. Die Maschine entwickelt sechs Pferdestärken. Die beiden Treibräder an der Vorderseite der Maschine haben 90 Centimeter im Durchmesser. Die beiden Steuerräder ruhen in einem eigenartig construirten Zapfenlager, das für den Stoß Die Motorwagen. so empfindlich montirt ist, daß, falls ein Rad mit einem harten Gegenstande in Collision geräth, der Stoß, ohne die Steuerung irgendwie ungünstig zu beeinflussen, auf dieses Lager übertragen wird und im Vereine mit einer mit dem zweiten Rade hergestellten Verbindung das Fahrzeug fast automatisch in gerader Richtung fort- bewegt. Beide Räder sind überdies durch eine Contactvorrichtung verbunden, welche ihre Umdrehungen in gegenseitiger Uebereinstimmung bringen. Eine Lenkstange, welche mit den Steuerrädern verbunden ist, ermöglicht durch leichte Neigung nach vor- oder rückwärts die Lenkung des Wagens, insoferne es sich um die Regulirung der Vorwärtsbewegung handelt. Der Wagen selbst trägt, wie schon erwähnt, in seinem Vordertheile den Mechanismus und die Vorrathsräume für Wasser und Feuerungsmaterial. Im rückwärtigen Theile befinden sich Sitzplätze für vier Personen, den Lenker mit inbegriffen. Die Frictionsbremse wird mit dem Fuße bethätigt. Der Wagen ruht rückwärts auf zwei starken stählernen Federn, während am Vordertheil ein System von elliptisch geformten Federn das Wagengestelle an drei weiteren Punkten stützt, wodurch trotz des bedeutenden Gewichtes von Kessel und Maschine eine ziemlich elastische Bewegung des Vehikels erzielt wird. Die Räder sind aus hartem Holze, der Rahmen des Vordertheiles aus Eisen. In vollkommen dienstfähiger Ausrüstung wiegt dieser Motorwagen 1315 Kilogramm. Die zu erreichende größte Geschwindigkeit beträgt 28 Kilometer in der Stunde und können Steigungen von 1 : 10 über- wunden werden. In Fig. 770 ist ein Dampfwagen nach dem System Scotte dargestellt. Er hat die Gestalt einesBreak, bietet acht Personen (einschließlich des Lenkers) Platz und hat bei einer Länge von 3‧9 Meter und einer Breite von 1‧7 Meter ein Gewicht von 1680 Kilogramm. Der Stehkessel hat cylindrische Formen und ist aus Stahlblech hergestellt. Ein eigenartiger Mechanismus für die Ausnützung der Heizkraft beschleunigt die Dampfentwickelung, und wird das Speisewasser durch eine besondere Circulationsvorrichtung vorgewärmt, so daß es mit einer Temperatur von etwa 80 Grad in den Kessel gelangt. Außerdem kann für die Zuführung von Speisewasser ein Injector bethätigt werden, in welchem Falle jedoch die Vor- wärmung nur 50 bis 60 Grad beträgt. Die Heizung geschieht mit Steinkohle oder Kokc. Als Motor dient eine zweicylindrige Dampfmaschine, welche mit zwei Kurbeln die Kraftübertragung auf die Treibräder bewirkt. Die Maschine ist mit Stephenson'scher Coulissensteuerung ausgestattet und hat des Weiteren einen Regulator behufs Verstärkung der motorischen Kraft bei Ueberwindung von Steigungen oder Fahrt durch Krümmungen. Die Umdrehungsgeschwindigkeit erreicht 300 bis 500 Touren in der Minute, wobei die Maschine fünf Pferdestärken entwickelt. Alle rotirenden Theile des Mechanismus laufen mit ihren Stahlachsen in Messingbüchsen, die Zapfen werden durch Oelständer geölt, so daß eine continuirliche Schmierung vorhanden ist, wodurch die Erhitzung der betreffenden Theile der Zweiter Abschnitt. Maschine verhindert und der Gang sicher, gleichförmig und, was besonders zu schätzen ist, fast geräuschlos wird. Der Kessel und die Maschine, als die beiden wichtigsten Bestandtheile des Vehikels, befinden sich im Vordertheile desselben vor dem Sitze des Maschinisten, was nothwendig ist, um das Functioniren des Mechanismus controliren zu können. Das Wagengestelle ruht bei diesem Dampf- wagen auf vier verhältnißmäßig kleinen, aber starken Rädern aus Eisenguß, deren Stäbe mit Bronzekissen für die Achsen ausgestattet sind. Die Treibräder, welche nur um Weniges größer sind als die Laufräder, sind nach rückwärts verlegt, und figuriren die ersteren als Steuerräder. Die Steuervorrichtung selbst besteht aus einem Ballen, welcher durch Schneckenzapfen auf eine Schraube wirkt, die ihrerseits Fig. 770. Dampfwagen nach dem System Scotte. wieder eine Hebelvorrichtung bethätigt, womit die Richtung der Räder überein- stimmend mit den Bewegungen der Wagenachse regulirt wird. Dadurch erfolgt die Steuerung des Gefährtes mit absoluter Sicherheit und Leichtigkeit. Die beiden Reservoirs für das Wasser und das Brennmaterial sind unter den Sitzplätzen angebracht, und faßt das eine derselbe 300 Liter Wasser, während in dem zweiten Kasten Kohle oder Koke für für eine Fahrt von 100 Kilometer mit- geführt werden kann, eine mittlere Geschwindigkeit von 20 Kilometer pro Stunde angenommen. Bei der vorgenommenen Probefahrt hat sich ergeben, daß nichts auf das Vorhandensein der Maschine hindeutet; kein Qualm macht sich im Innern des Wagens bemerkbar; die Fahrt geht angenehm und ruhig vonstatten. Für das Gepäck ist auf dem Dache des Wagens eine Galerie vorhanden und der Wagen Die Motorwagen. selbst mit Vorhängen und bequemen Sitzen ausgestattet. Die letzteren bieten acht bis zehn Personen Platz. Unter allen Motorwagen mit Dampfbetrieb ist besonders der Serpolet 'sche Wagen bekannt geworden. Er ist vornehmlich wegen seines eigenthümlichen Dampf- erzeugers bemerkenswerth. Die Kraft der Dampfmaschine wird durch die Galle 'sche Gelenkkette auf die rückwärtige Achse übertragen, über welcher der Dampferzeuger mit den Behältern für das Wasser und das Feuerungsmaterial angebracht ist. Der Dampferzeuger besteht aus dickwandigen Stahlröhren von U - förmigen Quer- schnitt, dessen spaltförmiger Innenraum nur 2 bis 6 Millimeter weit ist. Die Röhren liegen in mehreren horizontalen Reihen übereinander, innerhalb welcher dieselben durch Rohrtrummen derart miteinander verbunden sind, daß sie zusammen ein Schlangenrohr bilden. Je nach dem Dampfverbrauch pumpt die Dampfmaschine Wasser in das stark erhitzte Rohrsystem, wo es sich sofort in Dampf verwandelt, dessen Druck bis auf 30 Atmosphären steigt. Der Regulator der Dampfmaschine wirkt auf einen Hahn mit drei Oeffnungen in der Art, daß die Pumpe entweder ihr ganzes Förderwasser dem Röhrensysteme zuführt, oder einen veränderlichen Theil desselben in den Wasserbehälter zurückfließen läßt. Zum Anlassen des Motors dient eine Handpumpe. Die Liquid Fuel Engineering Co . hat im Sommer 1897 einen Motor- wagen für Petroleumfeuerung construirt. Unter dem Wagenboden befindet sich ein Paar kleiner, außergewöhnlich compendiös hergestellter horizontaler Zwillings- Compoundmaschinen, welche bei einer Tourenzahl von 625 in der Minute circa 12 Pferdekräfte entwickeln. Die Kurbelrolle ist ungefähr im Winkel von 2:1 an die Stange angekuppelt und überträgt auf die Treibräder eine Geschwindigkeit wie 4:1. Auf diese Weise machen die Wagenräder eine Umdrehung auf ungefähr 8½ Umdrehungen der Welle. Unter dem Sitz des Wagenlenkers, welcher sich quer über dem Vordertheil des Wagens befindet, sind zwei horizontale Kolbenspeisepumpen (eine zur Reserve) in schräger Lage untergebracht. Sie werden durch eine gekröpfte Welle bethätigt. In dem Sitzkasten befindet sich ferner eine doppelthätige Dampf- stahlpumpe, um den Kessel zu speisen, wenn der Dampf ausgeht. Der Kessel mit kupfernem Dampfbehälter befindet sich hinter dem Sitze des Wagenlenkers. Allen Motorwagen, welche durch Dampfkraft betrieben werden, kommen der Nachtheil und die Unbequemlichkeit, welche an dem Dampf- und Rauchauspuff haften, zu. Aus diesem Grunde haben sich die Constructeure frühzeitig damit be- schäftigt, Motorwagen ohne Feuerraum herzustellen, also mit überhitztem Wasser, comprimirter Luft oder mit Gasen. Die Gasmotorwagen haben bisher weitaus die größte Verbreitung gefunden. Eines der ersten Vehikel dieser Art war das auf wischentitel S. 817 abgebildete von Benz (Mannheim), welches in den Acht- zigerjahren auftauchte. Der von außen nicht sichtbare kleine Motor hatte seinen Platz über der Hauptachse des dreirädrigen Wagens im rückwärtigen Theile des- selben. Entsprechend der beanspruchten Umdrehungszahl wurde das zum Betriebe Schweiger-Lerchenfeld , Im Reiche der Cyklopen. 56 Zweiter Abschnitt. erforderliche Benzin aus einem fest verschlossenen, unterhalb des Sitzes gelagerten Kupferbehälter, dessen Füllung für eine Fahrt von etwa 120 Kilometer ausreichte, tropfenweise in den Gaserzeuger eingeführt. Die Entzündung des Gasgemenges erfolgte im geschlossenen Cylinder mittelst elektrischen Funkens. Um den Motor in Gang zu setzen, genügte, nach Regulirung des Gas- zutrittes, die Drehung einer Handkurbel. Der Führer bestieg den Sitz und rückte durch einen Druck auf den links befindlichen Hebel den Motor ein, welch letzterer alsdann mit den Hinterrädern in Verbindung trat. Durch Vor- und Rückwärts- drehen des gleichen Hebels ließ sich die Fahrgeschwindigkeit beliebig vergrößern oder vermindern, wogegen durch Anziehen desselben der Wagen sofort zum Still- stande gebracht werden konnte. Das Lenken erfolgte mit größter Leichtigkeit, ähnlich wie bei den Tricycles, mittelst einer Art Steuerrad durch das kleine Vorderrad des Wagens. Mittelst einer an letzterem angebrachten sinnreichen Vorrichtung, die durch bloßes Anlegen eines Handgriffes während der Fahrt in Thätigkeit versetzt wurde, konnten bei voller Belastung Steigungen bis zu 6 Procent ohne Schwierigkeit überwunden werden. Die erreichte größte Fahrtgeschwindigkeit betrug 16 Kilometer. Wir wollen uns nun etwas ausführlicher mit den Benzin-Motorwagen beschäftigen. … Der Benzinmotor sowie jeder andere Gasmotor ist, was seine Gestalt anbelangt, aber wohl gemerkt nur ausschließlich nach dieser Richtung hin, ein sehr naher Verwandter des Dampfmotors. Die Bewegung eines Gasmotors besteht aus einer Reihe von Explosionen, welche den Kolben rapid von einem Ende des Cylinders zum anderen schleudern. Aber worin besteht eigentlich diese Explosion und wie erzeugt man sie? In einem geschlossenem Raume entsteht eine Ausströmung von Gas, dasselbe vermischt sich mit atmosphärischer Luft, und es entsteht ein explosives Gemenge, d. h. eine Mischung, welche nur mit einer Flamme oder einem Funken in Berührung zu kommen braucht, um eine Explosion zu er- zeugen. Die Luft muß aber mit einer Kohlenwasserstoffverbindung geschwängert sein. Das Benzin nun ist jenes flüssige Gas, durch welche die mit dem Motor aufgesaugte Luft mit dem zu einer Explosion nöthigen Kohlenwasserstofftheile ge- sättigt wird. Die Mischung muß aber in einem ganz bestimmten Verhältnisse vor sich gehen, nämlich 87 Theile Luft und 13 Theile Benzingas. In die Construction des Benzinmotors einzugehen, würde zu viel Raum für sich beanspruchen, wes- halb wir davon absehen. Es sei nur erwähnt, daß zur Entzündung des Gas- gemenges drei Methoden möglich sind: die einfache Flammenzündung, die Glüh- rohrzündung und die Zündung mittelst Elektricität. Bildet der Motor auch den wichtigsten Bestandtheil eines Automobils, so ist mit demselben allein die Frage der mechanischen Fortbewegung nicht gelöst; es ist dazu noch die Uebertragung der vom Motor entwickelten Kraft auf das Fahr- zeug selbst nothwendig, ein Vorgang, der viel complicirter ist, als sich ihn der Uneingeweihte vorstellt. Es handelt sich nämlich um eine durch Transmissionen Die Motorwagen. geregelte Uebertragung der Tourenzahl des Motors auf die Antriebsachse. Benzin- motoren entwickeln eine außerordentlich hohe Tourenzahl (zwischen 700 und 2000 Fig. 771. Tricycle von Dion \& Bouton mit 1¼ Pferdestärken. in der Minute), so daß, wenn die Räderachse und die Welle des Motors ein Stück wären, das Wagenrad genau so viele Umdrehungen als die Welle des 56* Zweiter Abschnitt. Motors machen müßte, was gerade eine absurde Schnelligkeit des Wagens zur Folge hätte. Um also allen Anforderungen in der Bewegung eines solchen Vehikels Genüge zu leisten, müssen Vorrichtungen in Wirksamkeit treten, durch welche die Geschwindigkeit verändert, der Motor ein- und ausgeschaltet werden kann (behufs Fig. 772. Tricycle von Dion \& Bouton 1¾ Pferdekräften und Ventilhaube (1809). Antriebes und Anhaltens), oder dessen sofortiges Stehenbleiben ermöglicht wird (Bremsen, Reversirvorrichtung). Schließlich sind auch die das Rückwärtsrollen des Wagens verhindernden Einrichtungen zu erwähnen. Die einfachste Form des Benzin-Motorvehikels ist das Dreirad . In dem- selben sind alle Elemente eines großen Automobilwagens enthalten. Seiner äußeren Erscheinung nach erinnert es an das einstige, stark mit Gepäck überladene Dreirad. Das Motordreirad ist sonach kein Automobil im eigentlichen Sinne des Wortes. Die Motorwagen. Seine Bezeichnung als cyclistisches Automobil (oder automobiles Fahrrad) verleiht in charakteristischer Weise dem elementaren Grundsatze der Fortbewegungs- theorie Ausdruck, daß für ein rasches Vorwärtskommen die Stärke weniger ins Gewicht fällt, als die Leichtigkeit. Doch ist letztere immerhin nur eine relative, denn ein solches Fahrzeug wiegt circa 100 Kilogramm. Da es aber, mit einem Motor von 1 ¼ Pferdekräften ausgerüstet, nur eine Person trägt, ist seine Ge- schwindigkeit ungleich größer als die jener 6pferdigen Maschinen, welche ein Gewicht von 1000 Kilogramm aufweisen und doch nur zwei Personen tragen. Fig. 773. Tricycle mit Dion \& Bouton-Motor (1 ¾ Pferdekräfte). Modell Rochet mit der in der Brücke befindlichen Achse. Das Benzin-Tricycle ist ein gewöhnliches Dreirad, in allen seinen Theilen verstärkt und mit Einrichtungen versehen, welche es gestatten, dasselbe sowohl durch Muskelarbeit als auch mittelst mechanischer Kraft fortzubewegen. Zu diesem Ende ist die Hinterachse derart eingerichtet, daß sie sowohl durch die Transmissionskette mittelst menschlicher Kraft, sowie durch ein großes Zahnrad, welches der in erster Linie als Krafterzeuger in Betracht kommende Motor antreibt, in Action versetzt werden kann. Pedale und Motor sind selbstverständlich von einander unabhängig, da selbst bei einer übertrieben hohen Uebersetzung die Füße des Lenkers die oft rasende Schnelligkeit, welche die mechanische Kraft dem Tricycle verleiht, nicht folgen könnten. Zweiter Abschnitt. Von den Constructeuren der automobilen Dreiräder ist in erster Linie das Pariser Haus Dion \& Bouton zu nennen, welches verschiedene Typen dieses Vehikels in Verkehr gebracht hat. Den Anfang bildete die ¾ pferdige Type, welcher die 1¼pferdige und später die 1¾ pferdige Type folgte. Die Constructions- principien sind natürlich immer dieselben, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil kein Grund vorlag, dieselben aufzugeben, nachdem mit ihnen so weitgehende Erfolge erzielt worden waren. Fig. 774. Hinteransicht des Rochet-Tricycles (siehe Fig. 773). Die Abbildung Fig. 771 veranschaulicht die 1¼ pferdige Type, in deren Be- schreibung wir auszugsweise den Ausführungen des Dr. R. v. Stern folgen. Das Automobil in Theorie und Praxis. A. Hartleben's Verlag. Wien 1900. Vier kleine Hebel reguliren die Thätigkeit des Tricycle. Der erste Hebel (vom Sitze aus genommen zur Rechten) dient zur Einführung der nöthigen Menge Luft in den Carburator, welche in demselben, vermischt mit den sich entwickelnden Benzindämpfen, das explosive Gasgemenge ergiebt. Der zweite Hebel (vom Lenker aus gesehen links) öffnet oder schließt den Hahn, durch welchen das explosive Gasgemisch in den Motor tritt. Der dritte Hebel (unter dem Sattel) bestimmt den Zeitpunkt der elektrischen Zündung durch Verschiebung des Unterbrechers auf Die Motorwagen. der Unterbrecherscheibe, welche zur Einschaltung dient. Da der dritte und der zweite Hebel die Schnelligkeit des Tricycles beeinflussen, müssen sie miteinander in Uebereinstimmung stehen. Der vierte Hebel endlich (an der Mitte des vom Sattel zum Pedale führenden Rohres) dient zum Oeffnen oder Schließen des am oberen Theile des Cylinders befind- Fig. 775. Anhängewagen von Alfred Balvalleite. lichen Zischhahnes, durch welchen im Augenblicke, wo das Tricycle in Bewegung gesetzt wird, die durch den Kolben hinausgedrängte Luft oder das Gas entweichen kann. Der Motor ist auf dem Gestelle an vier Punkten befestigt; unten durch eine horizontale Verbindungs- stange, die sich auf den rück- wärtigen Theil des Kurbel- lagers stützt; in der Mitte durch zwei Achsenstücke, welche mit Schrauben an zwei speciellen Hubtheilen, welche die Brücke mit der Achse verbinden, befestigt sind; oben hängt der Motor an einem Bügel, der auf jeder Seite durch eine Schraube festgehalten ist. Die obere Fig. 776 Motordreirad mit Anhängerwagen. Partie des Motors nimmt das Gasgemenge auf, dessen Einlaß durch das Aus- saugventil regulirt wird. Von hier werden auch die verbrannten Gase durch das Ausgußrohr ins Freie geleitet. Diese obere Partie des Motors trägt auch den Compressionshahn. Unmittelbar unter dem Compressorraume befindet sich der Cylinder, der den Kolben enthält. Die untere Partie des Motors wird durch ein Zweiter Abschnitt. Aluminiumgehäuse gebildet, bestehend aus zwei gleichen Seitentheilen, die durch Schraubenverschlüsse zusammengehalten werden. Das Gehäuse umschließt die Schwung- räder, zwischen welchen sich die Kolbenstange hin- und herbewegt. Fig. 777. Dreirad, für die Anbringung eines Vorstreckwagens vorgerichtet. Aeußerlich trägt dieses zweitheilige Ge- häuse zur Linken ein gußeisernes sternför- miges Widerlager, in dessen Mittelpunkte auf der Achse des Schwung- rades das kleine An- triebszahnrad montirt ist. Die verstärkten Widerlager stützen die Welle und hindern sie, sich zu verbiegen. Das Zahnrad ist auf der Welle verkeilt und außerdem noch durch eine Mutter und Contramutter befestigt. Sehr wichtig ist, daß dieses Zahnrad keine Verschiebung erleidet, da es als Antriebszahnrad den Hauptbestandtheil des Fig. 778. Abnehmbarer Avaut-Train von Chena r d. Getriebes bildet. Rechts neben dem Gehäuse ist eine stark vorspringende Erweiterung desselben, in welchem sich die Zahnräder befinden (der »Viertactmotor«), welche einerseits veranlassen, daß das Ausgußventil durch seine Steuerungsstange nur einmal unter zwei Touren gehoben wird, anderseits durch die den Unterbrecher Die Motorwagen. bildende Abschlagfeder gleichfalls nur einmal alle zwei Touren die Funkenbildung hervorrufen. Diese Organe sind, wie man sieht, der Ausgangspunkt einiger der wichtigsten Functionen. Der Unterbrecher (Trembleur) ist auf einer Isolirmasse befestigt und derart beweglich, daß er sich um die sogenannte Unterbrecherscheibe, durch welche seine Vibration erzeugt wird, drehen läßt. Diese zum Heben und Senken des Trembleurs bestimmte Scheibe, welche auf der Achse verkeilt ist, läßt den Trembleur entsprechend seiner jeweiligen Stellung in einem früheren oder späteren Zeitpunkt der Compressionsperiode in seine den Contact bewirkenden Kerbe einschnappen. Die Folge hiervon ist, daß der elektrische Funke auch früher oder später das Gas- gemenge zur Explosion bringt, und die Geschwindigkeit, mit welcher der Motor Fig. 779. Die Tri-Voiturette. läuft, größer oder kleiner wird. Am unteren Ende desGehäuses befindet sich eine Flügelschraube, welche die Ausflußöffnung für das jeweils abzulassende Schmieröl verschließt. Damit hätten wir in Kürze, soweit eine derartige Beschreibung technischer Details für den Nichteingeweihten überhaupt von Nutzen ist, die Construction des automobilen Tricycles kennen gelernt. In die weiteren Constructionstheile können wir uns nicht einlassen, und bietet die genau erläuterte Abbildung einigen Ersatz für diese Unterlassung. Ein Jahr nach dem Erscheinen des 1 ¼pferdekräftigen Tricycles hat die Firma Dion \& Bouton ihre 1 ¾pferdekräftigen Typen auf den Markt gebracht. Im Wesentlichen der schwächeren Type gleich, bildet sie sozusagen eine Zwischen- stufe zwischen der ersteren Form und dem gegenwärtig fabricirten Dreirade mit der Ventilhaube. Der Zweck dieser letzteren Einrichtung besteht darin, einerseits Zweiter Abschnitt. den Zugang zu den Ventilen zu erleichtern, anderseits eine bessere Abfühlung des Ansaugapparates zu bewirken. Das Gewicht der Schwungräder ist beim neuen Fig. 780. Die Voiturette L é on Boll é e (rechte Seitenansicht). Modell (1898) etwas vermehrt, die Achse hingegen etwas dünner. Wenn wir noch hinzufügen, daß die Entfernung zwischen der Brücke und der Räderachse größer Die Motorwagen. gehalten ist und man daher auch die Dimensionen des zweiten, größeren Zahn- radeserhöhen kann, so wird man ohne weiteres begreifen, daß das neue Dion- Fig. 781. Voiturette L è on Boll é e (linke Seitenansicht). Tricycle den einen unschätzbaren Vortheil besitzt, alle Steigungen leicht zu nehmen. Die Kraft des Motors ist eben etwas vermehrt worden und die Uebersetzung ist kleiner als bei den früheren Modellen. Bei dem neuesten Modelle endlich (1899) Zweiter Abschnitt. wurde abermals der Motor verbessert und wurden sowohl das Rad als der Kraftübertragungsapparat zweckmäßigen Abänderungen unterworfen. In den Abbildungen Fig. 773 und 774 ist das Rochet 'sche automobile Tri- cycle dargestellt, das sich an das System Dion \& Bouton anlehnt, mit dem Unter- schiede, daß hier (wie bei den letzten Modellen von Dreirädern ohne motorische Kraft) die Achsen der Antriebsräder in den Träger des Motors (Brücke) ein- gefügt sind. Dieses Modell zeigt noch eine andere glückliche Neuerung in dem Klinkerwerke des Pedalantriebes. Dieses wichtige Organ ist hier nicht mehr inner- halb des Antriebs-Zahnkranzes, sondern auf der Radachse selbst angebracht, was zur Folge hat, daß die Kette nicht, wie beim Dion'schen Dreirade, mitläuft, wenn der Motor in Gang versetzt worden ist. Nebenbei sei noch erwähnt, daß die Naben beim Tricycle Rochet auf eine sehr praktische Art angeordnet sind. Fig. 782. Das Quadricycle von Dion \& Bouton Man hat dem Motordreirade den nicht unberechtigten Vorwurf gemacht, daß es nur von einer Person benützt werden kann. Dies veranlaßte die Constructeure, sogenannte »Anhängewagen« zu bauen, wie ein solcher in Fig. 775 für sich, in Fig. 776 in Verbindung mit dem Motordreirade abgebildet ist. Diese »Voiturettes« sind in der That sehr bequem, und sie bedeuten, was besonders hervorzuheben ist, keine Belastung des Fahrers. Die Kuppelungsvorrichtung ist so praktisch und einfach, daß sie in wenigen Minuten bethätigt werden kann. Gleichwohl kommt den automobilen Tricycles mit angehängter Voiturette der Uebelstand zu, daß hier fünf Räder in drei Spuren laufen, was bei schlechten oder vielgeleisigen Straßen eine große Achtsamkeit während der Fahrt erfordert. Ferner wird man bei diesem System theils durch die Kothspritzer oder den durch das vordere Lenkrad aufgewirbelten Staub, theils durch die vom Motor ausgelassenen Gase belästigt. Dies führte den Constructeur Chenard auf die Idee, diese Die Motorwagen. Voiturette nicht anzuhängen, sondern voranzustellen, also einen sogenannten »Avant- Train« herzustellen. Derselbe besteht aus einem auf zwei durch eine Lenkachse verbundenen Rädern montirten Sitz. Um dieses Vehikel mit dem Motorcycle zu verbinden, muß das Vorderrad des letzteren entfernt werden, worauf die Voiturette mittelst ihrer beiden Verbindungsstangen mit dem rückwärtigen Theile des Drei- rades in Zusammenschluß gebracht wird. Da das automobile Tricycle in Bezug auf Bequemlichkeit — oder richtiger Unbequemlichkeit — auf gleicher Höhe mit dem herkömmlichen Vehikel dieser Art steht, war vorauszusehen, daß früher oder später eine Übergangstype, welche vom Monocycle zum Quadricycle und großen Motorcycle hinüberleitet, auf den Plan treten werde. Die Veranlassung zu einer solchen Construction lag ja nahe genug. Fig. 783. Quadricycle mit in einen Koffer umgewandeltem Avant-Train-Sitz. In Fig. 779 ist ein solches Fahrzeug abgebildet. Sein Constructeur ist No é Boyer. Bei diesem, von seinem Erfinder »Tri-Voiturette« genannten Automobil erfolgt der Antrieb wie bei einem Dreirade durch einige Pedaltritte. Der für eine Person bestimmte, sehr bequem untergebrachte Sitz hängt auf C -förmigen Federn, und wird der Fahrende durch den Wagenkasten vor dem aufgeschleuderten Straßen- unrath geschützt. Zum Schutze der Beine dient eine Lederdecke. Die Lenkung erfolgt durch ein Steuerrad. Ferner ist die Tri-Voiturette mit einer Hand- und Fußbremse versehen. Die diversen Hebel sind sehr vortheilhaft und handlich angebracht. Das ganze zierliche Gefährte ist auf einem Gestelle von vorzüglichen Stahlrohren aufgebaut. Den bisher besprochenen automobilen Dreirädern ist als Princip gemeinsam, daß sie durch den Pedalantrieb nicht nur in Bewegung gesetzt, sondern auch, wenn der Motor aus irgend einem Grunde die Arbeit versagt, durch den Pedalantrieb Zweiter Abschnitt. in Gang erhalten werden. In der Erwägung, den Fahrer von jeder mechanischen Leistung zu entlasten, mußte eine Construction ersonnen werden, bei welcher an Stelle eines Motors, dessen Lauf fortwährend verändert werden kann und ver- ändert werden muß, weil er mit dem Dreirade, dessen jeweilige Geschwindigkeit von dem Terrain und anderen Umständen abhängt, unzertrennlich zu einem Ganzen vereinigt ist, ein anderer Motor gesetzt werden mußte. Während bei ersterem die Tourenzahl durch die zu überwindenden Widerstände bestimmt wird, kommt dem Motor der zweiten Art die Eigenschaft zu, durch Anwendung eines automatischen Regulators stets in einem und demselben, von vornherein normirten Tempo zu laufen. Nach diesem Principe ist die in Fig. 780 abgebildete Voiturette von L é on Boll é e construirt. Dieses Fahrzeug steht dem eigentlichen automobilen Wagen Fig. 784. Automobilette. schon bedeutend näher. Zwar noch klein im engeren Sinne des Wortes, besitzt die Boll é e 'sche Voiturette unter Beibehaltung vieler für das Fahrrad und das Motocycle charakteristischer Theile doch schon eine so große Anzahl von Eigen- schaften des Motorwagens, daß sie bereits der leichten Type desselben zugezählt werden kann. Der Motor dieser Voiturette leistet, wie erwähnt, stets dieselbe Arbeit, ob sie nun im Falle einer Steigung in der Form erhöhter Kraftleistung, oder in der Ebene und bei Gefälle in der Form von Schnelligkeit zur Geltung kommt. Aus diesem Grundprincipe der neuen Type ergiebt sich Folgendes: Da der Motor immer die gleiche Tourenzahl entwickelt, so wäre man nicht in der Lage, die Schnelligkeit des Fahrzeuges zu modificiren, wenn dasselbe mit dem Motor in unlöslicher Weise durch ein Zahnradgetriebe verbunden und eine Ausschaltung des Motors unmöglich wäre. Demgemäß ist eine Vorrichtung nothwendig, vermöge welcher eine Veränderung der Geschwindigkeit durch verschieden große Demulti- Die Motorwagen. plicationen (in diesem Falle Zahnräder) bewirkt wird. Dadurch ist es dem Fahrer ermöglicht, ohne daß die Tourenzahl des Motors irgendwie beeinflußt zu werden braucht, durch Einschaltung eines der drei auf der Hauptwelle montirten Zahn- räder von ungleicher Größe, das Fahrzeug in die verschiedenen Geschwindigkeiten (z. B. 8, 16, 24 Kilometer) laufen zu lassen. Der Motor des Boll é e 'schen Fahr- zeuges entwickelt 2 bis 4 Pferdekräfte, ist also viel leistungsfähiger als der Dion- Motor, d. h. die Gasquantität, die er ansaugt und comprimirt, ist viel größer als bei der letzteren Construction, woraus sich die Nothwendigkeit ergiebt, es unter jeder Bedingung zu vermeiden, den Motor während der Fahrt oder bei kurzem Fig. Quadricyele von Dion \& Bouton. Aufenthalte zum Stillstande zu bringen. Derselbe ist daher so eingerichtet, daß er auch dann seine Thätigkeit fortsetzen kann, wenn das Fahrzeug durch die Aus- schaltungsvorrichtung ganz angehalten wird. Wir kommen nun zu den Quadricyclen . Bei dieser Gattung von Auto- mobilen treten an Stelle des vorderen Lenkrades zwei durch eine Achse verbundene Lenkräder, zwischen welchen sich der Sitz befindet. Ein Fahrzeug nach diesem Constructionsmodus ist das in Fig. 782 abgebildete Quadricycle von Dion \& Bouton , das an relativer Leichtigkeit, Eleganz und Bequemlichkeit kaum etwas zu wünschen übrig läßt. Man kann übrigens diesfalls auch das Avant-Train- Princip zur Anwendung bringen, wie dies das in Fig. 783 abgebildete Fahrzeug veranschaulicht. Der Vorsteckwagen ist aber hier nicht für die Mitfahrt von Passagieren eingerichtet, sondern mit einem Koffer versehen, wodurch dem Fahrer Zweiter Abschnitt. kaum ein praktischer Vortheil erwächst. .. Ein sehr bequemes und praktisches Qua- dricycle ist das »Automobilette« von Boyer (Fig. 784), dem weiter oben genannten Fig. 786. Das Motorzweirad (Seitenansicht). Erfinder der Tri-Voiturette. Dieses Fahrzeug hat einen Sitz für zwei Personen, läuft mit einer Geschwindigkeit von 30 Kilometer in der Stunde und ist im Stande, jede Steigung zu nehmen. Der Antrieb erfolgt durch ein von der Hand zu bethätigendes Schwungrad, die Lenkung durch ein Steuerrad. Die ersten Modelle Die Motorwagen. dieser Type waren mit Dion-Motoren versehen, an welchen durch eine Abänderung desCylinderkopfes eine Wasserkühlung angebracht war. Derzeit wird der Aster- Motor mit Rippenkühlung verwendet, der sich selbst bei forcirten Bergfahrten gut bewährt. Auch Dion \& Bouton haben in allerjüngster Zeit ein Quadricycle auf den Markt gebracht, das in Fig. 785 abgebildet ist, und über welches v. Stern Folgendes berichtet: »Der Motor ist ein vergrößerter, für Wasserkühlung adaptirter Dion-Motor. Die Circulation des Wassers wird durch eine kleine Rotationspumpe bewirkt, die Condensation und Abkühlung Fig. 787. Das Motorzweirad (Vorderansicht). desselben durch Radiateure. Die Zündung ist natürlich elektrisch. Der Strom kann durch einen einfachen Druck mit dem Stiefel- absatze auf einem am Fußboden angebrachten Knopf unterbrochen und somit jede weitere Explosion verhindert werden. Der Vergaser ist nicht mehr mit dem Benzinreservoir ver- bunden und gehört zu der Species der Zerstäubungs-Carburatoren. Die Kraftüber- tragung erfolgt durch ein auf zwei Haupt- geschwindigkeiten einschaltbares Zahnrad- getriebe, jedoch wird das die kleinere Ueber- setzung vermittelnde Zahnräderpaar nur im Nothfalle bei sehr großen Steigungen ein- gerückt. Die verschiedenen erforderlichen Ge- schwindigkeiten des Wagens werden im Uebrigen auf dieselbe Weise wie beim Tricycle durch directe Einwirkung auf den Motor selbst hervorgerufen. Die Quantität des zugelassenen Gemenges und die Zeit der Zündung bieten uns auch hier die nöthigen Variationen desTempos, die bei keiner Fahrt auf öffentlichen Straßen zu vermeiden sind. Die kleine Uebersetzung dagegen wird nur dann verwendet, wenn man aus- nehmend steile Berge, insbesonders mit 2—3 Personen auf dem Wagen, befahren will. Die Ein- und Ausschaltung des Motors geschieht durch einen Frictionsconus, welcher, da die Kraftübertragung durch aufeinander reibende Flächen erfolgt, ein sanftes Anfahren gestattet und bei Aenderung der Uebersetzung ein ruckweises Ueber- gehen von einer Geschwindigkeit auf die andere verhindert. Durch diesen Apparat ist es aber auch möglich, den Wagen ohne Abstellung des Motors anzuhalten und beim Stehenbleiben den letzteren weiterlaufen zu lassen. Die neue Voiturette ist auch mit einer Regulirvorrichtung versehen und wiegt nicht mehr als 250 Kilogramm«. Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 57 Zweiter Abschnitt. Zum Schlusse sei hier noch des in den Fig. 786 und 787 abgebildeten Motocyclettes gedacht. Dasselbe stellt sich als ein gewöhnliches Zweirad dar, ei welchem an dem Gabelknopfe zwischen Vorderrad und Gouvernal ein Miniatur- Fig. 788 Elektrischer Motorwagen (Gesammtansicht). motor angebracht ist, der auf das Vorderrad wirkt, an dessen Achse sich ein etwas kleineres Rad befindet, das den Transmissionsriemen aufnimmt. In der Fig. 786 sind alle zu dem herkömmlichen Fahrrade gehörigen Be- standtheile in lichter Punktirung dar- gestellt, um zu zeigen, welche Organe beim Motocyclette noch hinzukommen. Dazu gehören das unterhalb des hori- zontalen Rahmenrohres angebrachte längliche Blechreservoir, welches be- stimmt ist, zwei Liter Benzin aufzu- nehmen, ein Vorrath, der für 210 Kilometer Fahrt genügt. Der Behälter steht mit dem runden Carburator, an dessen Seite sich der Entleerungshahn befindet in Verbinung. Um die Bildung des explosiven Gemenges zu ermöglichen, ist ein kleines, offenes Rohr am Carburator angebracht, durch welches die atmosphärische Luft, vom Kolben angesaugt, in den Innenraum des Vergasers gelangt und Fig. 789. Elektrischer Motorwagen (rückwärtiger Theil). sich dort mit den Benzingasen vermischt. Selbstverständlich hat es der Fahrer in der Hand, durch Bethätigung von Hähnen sowohl das richtige Ge- menge herzustellen, als die jeweilig zur Explosion zu bringende Quantität dieses Gemenges zu reguliren, wodurch zu- gleich das Fahrtempo beeinflußt wird. Der in der Abbildung Fig. 786 sicht- bare, sich etwas schwerfällig aus- nehmende Kothschützer hat deshalb diese Form, weil er zugleich ein kleines Benzinreservoir bildet, das zur Speisung des Brenners dient. Alles in Allem stellt sich das Motocyclette als ein sehr compendiöses, genial erdachtes und brauchbares Fahrzeug dar, mit welchem der Fahrer entweder rein dem sport- lichen Vergnügen sich hingeben kann, indem er die Wirksamkeit des Motors aus- schaltet und das Vehikel wie ein gewöhnliches Zweirad benützt, oder die mechanische Kraft arbeiten läßt. Der ganze Mechanismus macht das Fahrrad um 28 Kilo- Die Motorwagen. gramm schwerer, was bei der Leichtigkeit der gewöhnlichen Bicycles allerdings in die Wagschale fällt, umsomehr, als die Lenkstange mit einem außergewöhnlich schweren Gepäcksstücke belastet ist. Wir kommen nun zu der dritten Gruppe der Automobilen, denjenigen, welche sich der Elektromotoren bedienen. Die ersten Versuche dieser Art sind anscheinend durch Raffard im Jahre 1881 gemacht worden, während nahezu gleichzeitig Trouv é in Paris ein Dreirad (Autotricycle) mit einem kleinen, von sechs Plant é - Accumulatoren gespeisten Motor ausrüstete. Den beiden genannten Constructeuren folgte ein Jahr später Ayston in London mit einem elektrischen Dreirad für eine Person, das vorne zwei große Treibräder und rückwärts ein kleines Lenkrad hatte. Das Vehikel bewährte sich nicht. Im Fig. 789. Elektrischer Motorwagen (vorderer Theil). Jahre 1887 traten Bolk \& Park in Brighton mit einem dreirädrigen »Pog- carr« zu zwei Plätzen hervor. Dasselbe war mit dem Motor Immisch zu 400 Watt, gespeist durch 16 Accumu- latoren, ausgerüstet. Obwohl bald hierauf noch ein zweites Vehikel dieser Art in größeren Dimensionen (Motor zu 1200 Watt, 24 Accumulatoren) für den Sultan in Constantinopel gebaut wurde, hörte man weiterhin gleichwohl nichts mehr von dieser Construction. Der in den Fig. 788 bis 790 abgebildete electrische Motorwagen gehört den ersten Versuchen dieser Art an, was schon aus der Gestalt des Vehikels, die sich ganz an das herkömmliche Straßenfuhrwerk anlehnt, hervorgeht. Die Con- struction ging aus den Werkstätten von St. Quen in Paris hervor. Es standen 48 Accumulatoren in Verwendung, welche derart in drei Gruppen angeordnet werden konnten, daß damit die Geschwindigkeit sich in drei Grade abstufen ließ: Bei 12 Accumulatoren 3 Kilometer, bei 24 Accumulatoren 7 Kilometer, bei 48 Accumulatoren 16 Kilometer pro Stunde. Bei voller Ausnützung der moto- rischen Kraft konnte mit diesem Vehikel eine Strecke von 45 bis 50 Kilometer ohne Störung durchlaufen werden. In der Fig. 789 (rückwärtiger Theil) ist der Raum ersichtlich, in welchem der Kasten ( A ) mit den Batterien ( B ) untergebracht ist. Die Fig. 790 (vorderer Theil) veranschaulicht den abgedeckten Sitz des Lenkers mit dem Raume, in welchem zwei Accumulatoren zur Speisung der Lampe unter- gebracht sind. D ist der Antriebshebel, C der Reversirhebel. Dieses Vehikel war der erste brauchbare elektrische Motorwagen. Im Jahre 1893 brachte die Wagenbauanstalt Kühlstein (Charlottenburg) ein ähnliches 57* Zweiter Abschnitt. Fahrzeug in Verkehr und ein Jahr später Pouchain (Armenti è res) einen elektri- schen Pha ë ton für drei Personen, der vollständig ausgerüstet 1270 Kilogramm wog. Die Batterie bestand aus 54 Dujardin-Elementen zu drei Platten auf sechs Reihen vertheilt, durch deren Neben- und Hintereinanderschaltung die Schnelligkeit regulirt wurde. Als Motor diente ein Rechniemski -Dynamo zu 2000 Watt. Fig. 791. Elektrisch betriebener Motorwagen (Nordamerika). In demselben Jahre trat auch Jeantaud mit einem elektrischen Pha ë ton mit Gummireifen, gebrochener Achse und Hebellenkung, hervor. Das Gesammtgewicht betrug ohne Fahrer 1120 Kilogramm. Von den 21 Fulmen -Accumulatoren war jeder 20 Kilogramm schwer. Die Kraftübertragung von dem Motor auf die Hinter- räder wurde durch Zahngetriebe mit gebrochener Achse bewirkt. Der Wagen konnte bei der Höchstgeschwindigkeit von 20 Kilometer nur 30 Kilometer durchlaufen. Die Motorwagen. Einem Vortrage, welchen Ingenieur Ernst Egger im Wiener Verein zur Förderung des Local- und Straßenbahnwesens hielt, entnehmen wir die leitenden Gesichtspunkte, welche bei Construction der Automobile, beziehungsweise bei Anwen- dung des elektrischen Betriebes als maßgebend zu betrachten sind, und zwar: Unabhängigkeit der getriebenen Räder voneinander; möglichst geringer Fahrt- widerstand; Lenkbarkeit; Fähigkeit, alle vorkommenden Straßensteigungen zu über- winden; rationelles Gewicht; Erzielung genügend großer Geschwindigkeit und bequeme Regulirbarkeit derselben, schließlich relativ ökonomischer Betrieb. Die Erreichung der Unabhängigkeit der getriebenen Räder von einander ist nach Eggers Ansicht entschieden die schwierigste Aufgabe der Construction und deren Lösung am leichtesten durch die Zweimotorenmethode zu erzielen. Unter Verwendung von Pneumatiks ergiebt sich nach französischen Untersuchungen ein Gesammt- widerstand von circa 50 bis 60 Kilogramm pro Tonne, wobei auf die rollende Reibung circa 35 Kilogramm entfallen. In Bezug auf die Lenkungsmethode liegt ein abschließendes Urtheil noch nicht vor, und erfolgt dieselbe durch die Vorder- räder, welchen viele Constructeure die umgekehrte Anordnung vorziehen, und bei der Type »Krieger« (siehe weiter unten) sind die Vorderäder sowohl getrieben als gelenkt. Mit der Ueberwindung der im Straßenverkehr vorkommenden Stei- gungen steht die Capacität der Accumulatorenbatterie, sowie die Leistungsfähigkeit des Motors im engsten Zusammenhange. Bezüglich des Gewichtes der Batterien des Wagens warnt Egger vor der Einführung zu leichter Batterien, deren Lebensdauer eine sehr kurze ist. Für das Gewicht der Batterien kommt es in erster Linie auf die Dauer der Beanspruchung an. Eine wichtige Frage ist die erzielbare Geschwindigkeit und ihre Regulirbarkeit, und sind bei ersterer die gleichen Erwägungen zu berücksichtigen, die bei Ueber- windung von Steigungen auftreten. Zur Veränderung der Geschwindigkeit stehen viele Systeme zur Verfügung, von denen insbesondere die Methode mit Doppel- collector und die sogenannte Gruppenschaltung der Accumulatorenbatterien erörtert werden. Von den in der bisherigen Praxis gebräuchlichen Motorsystemen (Haupt- strom- und Nebenschlußmotor) verdient für automobile Zwecke ersterer den Vorzug, und wenden auch die meisten Constructeure denselben an. Von den neuesten in Paris in Verkehr gebrachten elektrischen Motorwagen (1898) sind in Nachstehendem einige Daten wiedergegeben (nach der »Ztschr. f. Elektrot.«). Bei dem Wagen der » Société des Voitures électriques «, System Krieger sind die Räder aus Holz; die Vorderräder sind mit Pneumatiks, die Hinterräder entweder gleichfalls mit Pneumatiks, oder mit Vollreifen versehen. Das Vordergestell, das bei diesem Wagen lenkbar eingerichtet ist, trägt einen Motor von der normalen Leistung von 3000 Watt, der mittelst eines Getriebes ein auf das Rad montirtes Zahnrad in Bewegung versetzt. Die Accumulatoren sind in zwei Kästen eingebaut, welche ebenso wie der Wagenkasten federnd gelagert sind, und zwar die eine Batterie vorne, die andere rückwärts. Zum Zwecke der Zweiter Abschnitt. Untersuchung oder Erneuerung können die Kasten ohne irgend eine Verbindung lösen zu müssen, herausgenommen werden. Jede dieser Batterien setzt sich aus 22 hintereinander geschalteten Elementen zusammen. Was den Motor, oder die Motoren (es sind gewöhnlich zwei) anlangt, sind sie mit Trommelanker und Compoundwickelung ausgestattet, welche mittelst eines Controleurs in verschiedener Weise geschaltet werden können. Fig. 792. Remise mit elektrisch betriebenen Motorwagen (Nordamerika). Ein anderes System rührt von Jenatzy her, das wenig originell ist, aber sehr gut functionirt. Dieser Wagen ist mit einem einzigen Serienmotor versehen, dessen Gang mittelst eines einfachen Kurbelschalters, zum Einschalten von Wider- ständen, geregelt wird. Die Bremsung erfolgt mittelst Handbremse. Eine Con- struction von Jeantaud ist charakteristisch durch mit Tangentenspeichen ausgestattete Eisenräder, die mittelst eines Zwischenvorgeleges, Winkel- und Wendegetriebes von dem am vorderen Theile des Wagens gelagerten Motor angetrieben werden. Die Motorwagen. In Nordamerika hat, wie die Fahrradindustrie, auch die Construction der Motorwagen mit elektrischem Betriebe einen raschen und erfolgreichen Aufschwung genommen. Zu den hervorragendsten Constructeuren zählen unter Anderen Morris \& Salom in Philadelphia, die schon im Jahre 1895 mit ihrem »Elektrobat« genannten Vehikel bei einer in Chicago angestellten Wettfahrt den ersten Preis erhielten. Die Räder dieses Wagens sind von Holz, haben Pneumatiks und laufen in Kugellagern. Ohne Passagiere wiegt das Fahrzeug nur 750 Kilo- gramm. 48 Accumulatoren in vier Kasten zu je zwölf Elementen, speisen zwei Lundell-Motoren zu je 1100 Watt. Die Kraftübertragung erfolgt unmittelbar durch Zahngetriebe. Die größte Geschwindigkeit auf gut erhaltener Straße beträgt 32 Kilometer in der Stunde, der ohne neue Ladung zurücklegbare Gesammtweg war etwa 45 Kilometer. Die genannte Firma construirt auch Geschäftswagen mit Stahlrohrgestellen und Metallrädern mit Pneumatiks. In jüngster Zeit sind immer wieder neue Typen von elektrisch betriebenen Motorwagen aufgetaucht, und stellen die hier vorgeführten Abbildungen eine Construction neuesten Datums dar. In die technischen Details einzugehen, vermeiden wir, da dies den Leser ermüden würde. Dagegen verdient die Frage der Lenkung der elektrischen Automobile noch etliche technische Ausführungen. Wie wir weiter oben vernommen haben, sind diese Vehikel mit zwei Motoren ausgerüstet, welche entweder die Vorder- oder die Hinterräder antreiben. Die erstere Art ist als die vortheilhaftere anzusehen, weil in diesem Falle der Wagen gezogen, während er bei der zweiten Anordnung geschoben wird. Bei einigen Automobilen haben die Vorderräder Achsen, welche von einander unabhängig sind, und wird jedes Vorderrad unabhängig von einem der beiden Motoren angetrieben. In diesem Falle könnte die Lenkung des Wagens zweckmäßig durch Aenderung der Tourenzahl der beiden Motoren stattfinden. Bei den Automobilen der » Electric Vehicle Co. « in New-York bestehen die Vorderräder aus je zwei kreisförmigen Stahlscheiben, welche auf einer gemein- schaftlichen Achse befestigt sind. Am Umfange ist zwischen den Scheiben ein Holz- ring (die eigentliche Felge) angebracht und in diesen das Pneumatik eingelegt. Die innere Scheibe ist mit einem gezahnten Ring versehen, in welchen ein an der Motorwelle angebrachtes kleines Zahnrad eingreift. Die Lenkung des Wagens erfolgte bei den älteren Automobilen dieser Gesellschaft (bei welchen der Antrieb auf die Hinterräder stattfand) durch Verstellen der Vorderräder, beziehungsweise durch Aenderung ihrer Drehachsen. Nun sollte aber an dem Principe festgehalten werden, daß die Lenkung des Wagens nicht durch Aufwand menschlicher Kraft erfolgt, sondern daß — ähnlich wie beim Pferdebetrieb durch Handhabung der Zügel — in analoger Weise durch den Wagenführer eine Kraftquelle ausgelöst werde. Man erreicht dies, wenn durch Handhabung von Kurbeln die Tourenzahl der Motoren geändert und dadurch die Lenkung bewirkt wird. Zu diesem Zwecke Zweiter Abschnitt. können die beiden Motoren an dem um eine verticale Achse drehbaren Vorder- gestell fix befestigt sein und können die Vorderräder eine durchgehende feste Achse haben, wie die gewöhnlichen Wagen. Kommen Serienmotoren in Verwendung, so hat jeder Motor nur von einer Batterie Strom zu erhalten. Die zweite Batterie ist zu diesem Zwecke mit Zwischenschaltung der beiden Motoren einander entgegen zu schalten. In die Brücke zwischen die Batterien und die Motoren ist der Regulir- widerstand zu schalten, und ist die Schaltkurbel in der Mitte des Kutschbockes anzubringen. Durch Handhabung derselben kann die Geschwindigkeit der beiden Motoren, zu welchen flexible Stromleitungen führen, gemeinschaftlich verändert, beziehungsweise der Strom abgeschaltet werden. Vor jeden Motor ist ein kleiner Regulirwiderstand zu schalten, welcher aus einigen kleinen und ein oder zwei größeren Widerstandsstufen besteht. Die entsprechenden zwei Schaltkurbeln können rechts und links von der Hauptschaltkurbel sein und ersetzen die Zügel beim Pferdebetrieb. Die kleinen Widerstandsstufen haben den Zweck, die Tourenzahl der Motoren genau auszugleichen und dadurch eine gerade Fahrrichtung zu erzielen. Durch Einschaltung einer der größeren Widerstandsstufen erfolgt Aende- rung der Fahrtrichtung. Die beiden seitlichen Kurbeln können in eine combinirt, beziehungsweise durch eine einzige ersetzt werden, da nur die Tourenzahl eines Motors geändert zu werden braucht. Werden Nebenschlußmotoren angewendet, dann können die zwei seitlichen Regulirwiderstände in der Feldmagnetentwickelung angebracht sein und kann eine beliebige Schaltung der Batterien und Motoren zur Anwendung kommen. Zum Schlusse noch einige Worte über die Automobile als Armee- fahrzeuge . Da die Heeresverwaltungen sich gegenüber der Entwickelung, welche das Fahrrad genommen hat, nicht gleichgiltig verhalten haben, müßte es mit sonder- baren Dingen zugehen, wenn sie an dem »Automobilismus« mit geschlossenen Augen vorübergingen. Officiell hat man zu dieser Frage freilich noch nicht Stellung genommen, aber es fehlt nicht an Aeußerungen berufener Fachmänner, welche der Verwendung der Automobile als Armeefahrzeuge das Wort reden. Bemerkens- werth in dieser Beziehung sind die Ausführungen des bairischen Oberstlieutenants Lachritz in der »Kriegstechnischen Zeitschrift«, welche wir hier auszugsweise wiedergeben. Der Verfasser sieht zunächst ab von den weit ausschauenden Zukunftsideen Einzelner, welche in dem neuen Motor die Zugkraft der Zukunft nicht bloß für die Wagen, sondern auch für die Geschütze sehen, welche mit Motorpflügen Lauf- gräben ausheben, die Führer der Truppen in gepanzerten Automobilen zur Aus- forschung bis in die Zone des feindlichen Gewehrfeuers vordringen lassen wollen, und dergleichen mehr. Es wird vor Allem das Nächstliegende, der zur Zeit mögliche Fortschritt, der Betrachtung für werth erachtet. Beispielsweise die Be- deutung des Motorwagens für Aprovisionirungszwecke und für Munitionszufuhr, die ja beide die wichtigsten Lebensinteressen der Armeen berühren. Im Jahre 1870 Die Motorwagen. hatten einzelne Colonnen in einem Tagemarsch und im folgenden Nachtmarsch 80 bis 100 Kilometer zu machen, während der Durchschnittsmarsch für Pferde nur 30 bis 40 Kilometer beträgt. Solche Kraftleistungen führen zweifellos zur Ueberanstrengung der Pferde und sind nur einmal zu machen. Motorfahrzeuge dagegen können bei 10 Kilometer Fahrtgeschwindigkeit, welche in der Colonne in Frage kommen würde, in 10 Stunden leicht 100 Kilometer zurücklegen. Besonders die geringe Länge der Motorfahrzeuge springt für den Munitionstransport vor- theilhaft ins Auge. Für die Ziele der Technik muß die Verwendung der Motorwagen im Kriege entscheidend sein, und sind vor Allem die Anforderungen der Marschtechnik zu beachten. Beherrschung der Geschwindigkeit, sicher wirkende Bremsen, Einrichtungen für Rückwärtsfahren, Sicherung aller empfindlichen Theile gegen Schmutz sind unerläßlich. Die in letzter Zeit construirten Motorwagen für die Beförderung größerer Lasten werden vielleicht als Ausgangsmodelle für Kriegsfahrzeuge dienen können. Auch kleinere Wagen für kleinere Lasten, oder ein bis zwei Personen berechnet und geeignet für Verwundeten- oder Munitionstransport bis an die Gefechtslinie heran, sind in Erwägung zu ziehen. Kurz, die Frage der Heranziehung des Auto- mobilismus für militärische Zwecke verdient die ernsteste Beachtung in militär- technischen Kreisen, und es ist kaum zu bezweifeln, daß letztere früher oder später zu derselben Stellung nehmen werden. Dritter Abschnitt. Fig. 793. Abgestürzter Eisenbahnzug. Dritter Abschnitt. Die Locomotiven. W enn das vorliegende Werk in dem Gegenstande, welche die vorstehende Ueberschrift trägt, ausklingt, müssen wir sofort auf die Unmöglichkeit hinweisen, ein so bedeutendes und schier unerschöpfliches Material im Rahmen eines kurzen Schlußabschnittes zu behandeln. Anderseits erscheint es als zwingend nothwendig, das Maschinenwesen der Eisenbahnen, das die höchste Stufe in der Reihe der Locomotionsmittel einnimmt und sich demgemäß an die in den vorangegangenen Abschnitten behandelten Transportapparate anschließt, wenigstens in seinen großen Umrissen vor Augen zu führen. Die nachfolgende Darstellung ist sonach gewissermaßen ein essenzieller Auszug aus einem anderen Werke des Verfassers, auf das an dieser Stelle schon deshalb hingewiesen werden soll, weil es mit dem vorliegenden gegenständlich und formal verwachsen ist. Vom rollenden Flügelrad . Darstellung der Technik des heutigen Eisenbahn- wesens. Von A. Freiherrn v. Schweiger-Lerchenfeld . Mit 25 Vollbildern und 669 Ab- bildungen und Figuren im Texte. A. Hartleben's Verlag, Wien. (783 Seiten) Und nun zur Sache. ... Wenn man den einfachen technischen Mechanismus der ersten Eisenbahnen mit den jetzigen maschinellen Hilfsmitteln einer Vergleichung unterzieht, erfaßt man unschwer den ungeheuren Reichthum von Talent und Können, der sich in den Dienst dieses technischen Zweiges gestellt hat. Man denke an die ersten in England in Gebrauch gekommenen Maschinen und stelle ihnen die jetzigen Zugmittel mit ihrem complicirten Organismus, der sinnreichen Aus- nützung der Dampferexpansion, der gewaltigen Leistungskraft der schwersten Typen gegenüber, und man wird zugeben, daß hier die Vergleichselemente eigentlich gänzlich fehlen, indem das Gewordene dem Vorbilde so wenig gleicht, wie ein bahnbrechendes Genie dem lallenden Kinde, das es einst gewesen. Die Ausgestaltung, welche das Eisenbahnwesen rücksichtlich seiner Leistungs- fähigkeit erlangt hat, hängt — von gewissen Betriebseinrichtungen abgesehen — in erster Linie mit dem die Fortbewegung bewirkenden mechanischen Apparat zu- Dritter Abschnitt. sammen. In der That bildet das Eisenbahn-Maschinenwesen ein in sich abge- schlossenes Ganzes und ist als solches die jüngste der praktischen Wissenschaften. Seine Bedeutung ist umso weniger zu verkennen, als der Verkehr auf dem mechanischen Bewegungsapparate fußt und daß eine rationelle Ausgestaltung dieses Apparates durchaus auf wissenschaftlicher Grundlage beruht, die ihrerseits von den Erfahrungen der Physik und Mathematik getragen werden. Der Anfang des Maschinenwesens bei den Eisenbahnen steckte noch tief in roher Empirie. Es gab keine Vorbilder, keine Erfahrungen: Alles mußte erst aus Fig. 794. Tandem-Compound-Eilzuglocomotive. (Effectiver Dampfdruck 13 Atmosphären; totale Heizfläche 134‧6 Quadratmeter; Dienstgewicht 54‧4 Tons.) den sich hastig überstürzenden Ideen herauskrystallisiren, auf dem Wege des Experimentes erprobt werden. Und merkwürdig genug: seit Stephenson's erster Locomotive sind sieben Jahrzehnte verstrichen, und noch ist die beste Type nicht unbestritten festgestellt. Jedes Land, ja jede Werkstätte hat ihre Musterkarten von Typen, und prüft man alle diese Constructionen, so wird man theils principielle, theils nebensächliche Abweichungen entdecken. Dadurch erhält gerade das Maschinen- wesen der Eisenbahnen ein Element der Unruhe, des Suchens und Combinirens, wobei ein großartiger Aufwand von Intelligenz in die Erscheinung tritt, der sich glücklicherweise in der letzten Zeit mit dem thatsächlichen können insoweit paart, als ein Grad von Vollkommenheit erreicht worden ist, der nicht leicht noch ge- steigert werden könnte. Die Locomotiven. Die Leistungsfähigkeit einer Locomotive wird vorzugsweise bedingt durch die Dampferzeugung und Zugkraft. Beide Factoren laufen parallel, da die intensivere Dampferzeugung einen größer dimensionirten Kessel bedingt, welcher seinerseits wieder das Adhäsionsgewicht der Locomotive erhöht und damit die Zugkraft. Nun müssen aber die Kessel einen kreisrunden Querschnitt haben, um den hohen Dampfdruck entsprechenden Widerstand bieten zu können. Die Größe des Quer- schnittes aber richtet sich nach der Spurweite. Außerdem kommt ein großer Kessel höher über die Räder zu liegen, wodurch die Maschine an Stabilität einbüßt. Die vorbezeichnete Beschränkung im Durchmesser der Kessel führte zu dem Aus- kunftsmittel, sie entsprechend länger zu dimensioniren. Damit ist aber eine Ver- mehrung der Achsen verbunden, der totale Radstand wird ein sehr bedeutender und die Locomotive dadurch ungeeignet, durch starke Krümmungen zu fahren. Fig. 795. Duplex-Compound-Güterzuglocomotive. (Effective Dampfspannung 12 Atmosphären; totale Heizfläche 116‧4 Quadratmeter, Dienstgewicht 59‧5 Tons.) Es wirkt sonach, wie man sieht, ein Factor immer auf den anderen, oder mehrere zugleich aufeinander, und die Folge ist, daß die einzelnen Organe in ihrer constructiven Gesammtheit immer wieder anders angeordnet werden. Die Summe der sich hierbei ergebenden Auskunftsmittel ist in erster Linie die Ursache der zur Zeit bestehenden Verschiedenheit der Typen, wobei noch die örtlichen Verhältnisse und die jeweilige Construction der Bahn in Betracht kommen. Außerdem fußt der rationelle Maschinendienst durchwegs auf Erfahrungsco ë fficienten, indem die Größen der Adhäsion, der Zugkraft und der effectiv zur Nutzbarmachung gelangenden Dampfspannung, der Zugswiderstände u. s. w. Factoren sind, denen keine abso- luten Werthe zukommen. Die stetig wachsenden Anforderungen an die Fahrgeschwindigkeit einerseits und an die Zugkraft anderseits gaben dem Maschinenwesen bei den Eisenbahnen neue Antriebe zu fortschreitender Entwickelung. Für den Schnellverkehr ist die Crampton 'sche Locomotive mit ihrer hinter der Feuerbüchse liegenden Treibachse, Dritter Abschnitt. deren Räder einen Durchmesser von über zwei Meter haben, typisch geworden. Die meisten anderen Constructionen verlegen die Treibachse in die Mitte, wieder andere schalten noch eine Kuppelachse ein, wozu noch die Combinationen von ein- zelnen Laufachsen und Trucks hinzukommen. Die englischen Schnellzugslocomotiven haben meist nur eine Treibachse, deren Räder einen außergewöhnlich großen Durch- messer (bis 2‧5 Meter), ein vorderes zweiachsiges Drehgestell und eine hintere feste Laufachse aufweisen. Behufs Erzielung einer größeren Zugkraft vermehrte man die Zahl der Achsen, welche gekuppelt wurden, wodurch — weil der Bewegungsantrieb von den Dampfcylindern aus gleichzeitig auf alle Räder wirkt — das volle Adhäsions- gewicht der Locomotive ausgenützt werden konnte. Einen weiteren Fortschritt im Fig. 796. Französische Schnellzugslocomotive mit Flaman'schem Doppelkessel. Maschinenbau bezeichnet die Compoundlocomotive , bei welcher auf jeder Seite ein Cylinderpaar angeordnet ist. Der Dampf tritt zunächst in den einen (kleineren) Cylinder, wirkt auf den Kolben, indem er theilweise expandirt, nimmt dann seinen Weg in den anderen (größeren) Cylinder auf der anderen Seite der Locomotive, vollendet hier seine Expansion und entweicht durch den Schornstein. Die Verbundlocomotive verbraucht demnach weniger Dampf und nützt die Expansion desselben in höherem Grade aus, als die gewöhnliche Locomotive. Die erste Maschine dieser Art, welche im Jahre 1876 von dem schweizerischen Ingenieur Mallet construirt wurde, erhielt durch den deutschen Ingenieur v. Borries dadurch eine wesentliche Verbesserung, daß durch ein selbstthätiges Ventil beim Anfahren auch in den großen Cylinder Dampf einströmt, und daß dieser Zufluß erst dann abgesperrt wird, wenn in dem Verbindungsrohre zwischen den beiden Cylindern und ihren Schiebern die richtige Dampfspannung eingetreten ist. Die Locomotiven. Um die Leistungsfähigkeit der Locomotiven zu steigern, hat der Scharfsinn der Maschinentechniker nicht geruht, und er erachtet seine Aufgabe noch lange nicht für gelöst. So haben die Ingenieure Mallet und Brunner das »Duplex«- System ersonnen, d. h. eine Fig. 797. Amerikanische Strong-Locomotive. viercylindrige Locomotive, deren Mechanismus in zwei unter einem gemeinschaftlichen Kessel hintereinander laufende Motorengruppen getrennt ist. Die besonderen Vorzüge dieser Construction liegen in der Unterbringung der Mu- nition (Wasser und Kohle) auf dem Motor selbst und in der Theilbarkeit der Zug- kraft auf eine größere Anzahl Treibräder mit möglichst zwanglosem Laufe der ein- zelnen Räderachsen. In anderer Weise hat Flaman die Anforderung an höhere Zugleistung gelöst. Sein System besteht in der Anordnung zweier cylindri- scher Kessel übereinander, die durch drei kurze, weite Stützen miteinander verbunden sind. Beide Kessel sind mit der Feuerbüchse vereinigt. Der untere Kessel, in welchem die Siederohre liegen, ist größer als der obere, welcher bis etwa zur Hälfte Wasser ent- hält, während die obere Hälfte den Dampfraum bildet. ... In anderer Weise wieder löst die amerikanische Strong-Locomotive die Anforderung größerer Leistungsfähigkeit. Diese Loco- motive hat zwei Heizkammern, die sich zu einer Verbrennungskammer vereinigen. An letztere schließt sich der zweitheilige Röhrenkessel an. Die beiden Heizkammern ergänzen sich gegenseitig: während in der einen das Feuer angemacht wird, muß Dritter Abschnitt. in der andern ein lebhaftes Feuer unterhalten werden, damit die halboxydirten Gase, welche der ersteren entströmen, durch die besonders heißen Gase der letzteren in der Verbrennungskammer vollständig oxydirt werden. Der Verbrennungsproceß ist sonach ein sehr energischer, und es kann auch schlechtes Brennmaterial zur Ver- wendung kommen. Verhältnißmäßig spät hat die Verbundlocomotive in Amerika Eingang ge- funden, indem die erste Maschine dieser Art erst 1889 von England aus dorthin importirt wurde. Die amerikanischen Ingenieure konnten sich indeß mit dem Detail der Construction nicht befreunden, was man bei dem ganz eigenartigen Locomotiv- bau in den Vereinigten Staaten ohneweiteres begreift. In der That kam alsbald eine neue Construction zu Stande, jene Bauclains . Die Locomotiven dieses Fig. 798. Die Maschine der Verbundlocomotive Bauclain's. Systems haben vier Cylinder, auf jeder Seite einen größeren und einen kleineren, deren Volumenverhältniß sich nahezu wie 3 : 1 stellt. Beide Cylinder sind mit dem Schiebergehäuse und dem Sattel aus einem Stück gegossen; sie liegen in einer verticalen Ebene so dicht übereinander, als dies mit Rücksicht auf eine genügende Stärke der Zwischenwand überhaupt möglich ist. Wenn es der Durchmesser der Treibräder und die Maschinentype gestatten, wird der kleinere (Hochdruck-) Cylinder über dem größeren angeordnet; haben die Räder hingegen einen kleinen Durch- messer, wie bei den Güterzugmaschinen, so greift die umgekehrte Anordnung Platz. Das Schiebergehäuse hat bei Bauclain 's Construction seinen Platz in dem Sattelstücke zwischen dem Kessel und den Cylindern; da aber seine Innenwand nicht mit jener glatten Fläche ausgeführt werden kann, welche zur leichten Be- wegung des Schiebers nothwendig ist, wird es mit einem entsprechend durch- Die Locomotiven. brochenen, cylinderförmigen Lager ausgefüttert. Der Schieber ist als Ventilkolben construirt; er besteht eigentlich aus vier Kolben, von denen jeder wieder zwei Ringe zur Dichtung besitzt. Die beiden äußeren Ringe ergeben die Dampfzuströmung und die Dampfabströmung bei dem Hochdruckcylinder, während den inneren Ringen diese Aufgabe bezüglich des Niederdruckcylinders zufällt. Zum Anfahren kann auch dem Niederdruckcylinder frischer Dampf gegeben werden; der Führer braucht nur einen Hahn zu öffnen, der in die entsprechende Verbindung eingelegt ist. Bauclain hat also von der Selbstthätigkeit dieser wichtigen Vorrichtung abgesehen. Die Wirkungsweise der Kolbenstangen ist aus der Fig. 798 zu ersehen. Die beiden Stangen greifen an einem senkrechten Querstücke des Kreuzkopfes an. Bei un- Fig. 799. Schnellzuglocomotive der Französischen Ostbahn. (Effective Dampfspannung 10 Atmosphären; totale Heizfläche 23‧6 Quadratmeter; Dienstgewicht 42 Tonnen.) gleicher Kraftleistung beider Kolben wird der Kreuzkopf in einer Weise beansprucht, die etwas bedenklich erscheint. Der deutsche und österreichische Locomotivbau weist eine außer- ordentlich große Verschiedenheit der Typen auf. Selbst ein und dasselbe Eta- blissement arbeitet nach mehreren Modellen, welche durch die im Laufe der Zeit sich ergebenden Neuerungen eher vermehrt als vermindert werden. Größere Uni- formität zeigen die belgischen , englischen und französischen Locomotiven mit charakteristischer Ausprägung der ihnen eigenthümlichen äußeren Erscheinung. Die hier abgebildeten Maschinen zeigen dies in sehr deutlicher Weise. An den belgischen Locomotiven sind als besonders charakteristisch hervorzuheben: der viel- fach in Anwendung stehende Schlot mit viereckigem Querschnitt, die Durchsichtigkeit des Lauf- und Treibwerkes und der schwere, eigenthümlich geformte Rahmen. In Frankreich, das fast gar keine Gebirgsbahnen hat, überwiegen die ge- kuppelten Zweiachser. Als Schnellzuglocomotive erhielt sich die Type »Crampton« Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 58 Dritter Abschnitt. mit den großen gekuppelten Treibrädern. Dieselben befinden sich bald vorn, bald hinten; im ersteren Falle ist hinten eine Laufachse eingelegt, im letzteren vorne ein zweiachsiger Drehschemel. Die zweite Type führt allgemein die Bezeichnung » Machine outrance «. Bei mehreren Bahnen, insbesondere bei der Orl é ansbahn, sind bewegliche Achsen, zum Theil nach amerikanischem System, eingeführt. Der totale Radstand beträgt meist über 5 Meter, die größte Länge der Maschine 8‧5 Meter, ausnahmsweise sogar über 9 Meter. Die Cylinder liegen größtentheils außerhalb, vielfach jedoch auch innerhalb, und ist man in Fachkreisen nicht einig, Fig. 800. Schnellzuglocomotive der belgischen Staatsbahnen. (Totale Heizfläche 130 Quadratmeter; Dienstgewicht 49 Tonnen.) welche Anordnung den Vorzug verdient. Bekanntlich verleiht das System der innenliegenden Cylinder der Locomotive mehr Halt, und es vermindert die Unruhe der hin- und hergehenden Massen. Anderseits aber sind bei dieser Anordnung Reparaturen sehr erschwert, abgesehen von der abweichenden Construction der Räder und Achsen. Die Regulirung des Ganges der Maschine erfolgt durch Schrauben an Stelle des üblichen, schwer zu handhabenden Hebels. Bei den Locomotiven der Lyoner Bahn tritt noch ein Dampfgegengewicht hinzu. Die Lage der Cylinder ist in der Regel horizontal, und sie tragen ihre Schieber an der oberen Seite. Die Kolben sind nach dem sogenannten »schwedischen System« und mit zwei eisernen Ringen umgeben. Zuweilen sind sie behufs Verminderung der Reibung aus Bronze, Die Locomotiven. desgleichen die Haken der Schieberstange. Die Längenachse des Kessels liegt meist 2‧1 Meter über den Schienen. Der Rost ist bei vielen Maschinen lang und nach vorne geneigt, die Stücke sind dünn, eng nebeneinander liegend, um auch feinen Kohlen das Durchfallen zu verwehren. Durch das neue System der engen Roste hat man eine niedrige Lage der Decke der Feuerbüchse und damit einen wirksamen Heizeffect erzielt. Allerdings erwies sich hiebei die Nothwendigkeit, den Heizraum entsprechend zu verlängern. Die Kessel bieten nichts bemerkenswerthes. Sie sind sämmtlich mit Domen versehen. Die Dampfspannung beträgt in der Regel 10 Atmosphären, doch geht man allmählich auch zu höheren Spannungen über, wie solche in Deutschland, Oesterreich-Ungarn und anderwärts bereits seit einiger Zeit Anwendung finden. Fig. 801. Englische Tenderlocomotive. (Effective Dampfspannung 11 Atmosphären; totale Heizfläche 143‧5 Quadratmeter; Dienstgewicht 62‧7 Tonnen.) Die Speisung der Kessel erfolgt fast nur mehr durch Injectoren, und zwar giebt es Maschinen mit einem und solche mit zwei Injectoren. Die englischen Locomotiven sind schon äußerlich durch die Einfachheit der Construction und die gefällige Gesammtanordnung auffällig. Die Architektur und Formenschönheit der aus einer großen Fabrik oder Bahnwerkstätte stammenden englischen Locomotiven ist (nach Ingenieur A. Brunner) einzig in ihrer Art und wird nicht einmal in Amerika erreicht, wo doch auch Großes in dieser Beziehung geleistet wird. Allein die amerikanische Locomotive ist schon in der allgemeinen Anordnung zu unruhig angelegt und mit zu vielem Beiwerk ausgestattet, um eine einheitliche ästhetische Wirkung hervorbringen zu können. Die englische Locomotive zeigt vom Fußtritt bis zur Kaminkrone nur gerade, kreisförmige oder parabolisch geschwungene Linien, und diese, in Verbindung mit sorgfältigster Vollendung und Malerei, geben dem ganzen Werke einen Styl, der den Meister kennzeichnet. Die Ausführung der Locomotiven in der Fabrik wird von Seite der Bahngesell- 58* Dritter Abschnitt. schaften stets durch einen besonderen Beamten, » Inspecting Engeneer «, überwacht, welcher aber nicht blos die formellen Materialproben macht, sondern sich fort- während auch im Zeichensaal und in den Werkstätten umsieht. Für diesen wichtigen und gut besoldeten Posten wird nicht ein junger Akademiker, sondern ein älterer, erfahrener Werkmeister oder einfacher Arbeiter gewählt. Zur Beurtheilung des englischen Locomotivbaues ist die Thatsache maßgebend, daß beim Ueberwiegen des Schnellverkehrs sowohl im Personen- wie im Güterdienst in die Bewältigung des letzteren durch viele, aber nicht sehr schwere Züge, zwingenderweise die Maschinen-Typen sich von selbst ergeben. Schwere Güterzug- Fig. 802. Nordamerikanische Locomotive. (Type »American«.) — Dienstgewicht 49‧9 Tonnen. locomotiven bilden eine seltene Ausnahme, dagegen sind mächtige Schnellzug- locomotiven besonders charakteristisch. Die gewöhnliche Anordnung ist die einer freien Treibachse mit Rädern von außergewöhnlich großem Durchmesser (bis 2‧5 Meter), einem vorderen zweiachsigen Drehgestell und einer hinteren festen Lauf- achse. Häufig kommen zwei gekuppelte Achsen vor. Die Cylinder liegen bald außen, bald innen. Die Feuerbüchsen, in welchen die besten Steinkohlen auf mäßiger Rost- fläche verbrannt werden, haben in der Regel eine große Tiefe, im Gegensatze zu den belgischen Locomotiven, welche meist mit Staubkohlen (» Menus «) geheizt werden, was eine dünne Kohlenschicht und demgemäß einen großen Rost bedingt. Die Leistungsfähigkeit, die Uniformität und die tadellose Erscheinung der englischen Locomotiven entspricht, wie nicht anders zu denken, einem ausgezeichneten, Die Locomotiven. mit allen erdenklichen Hilfsmitteln ausgestatteten Werkstättenbetriebe. Da finden sich beispielsweise Werkzeugmaschinen, die auf dem Festlande kaum dem Namen nach bekannt sind: Vervielfältigungsmaschinen, welche die Wirkung einer Reihe von Werkzeugen derselben Gattung in sich vereinigen. Die Umbördelung der Kesselbleche, welche in der neuesten englischen Praxis mit Vorliebe aus weichem Siemens- Martinstahl gewählt werden, geschieht nicht mehr durch Klopfen mittelst Holz- hämmer, sondern durch hydraulische Preßvorrichtungen. Alle Vernietungen werden, wo dies nur immer angeht, mittelst Maschinen und die Kesselwandungen stets mit doppelter Laschennietung ausgeführt. Eine Eigenthümlichkeit der schottischen Locomotivfabriken sind die Schleifereien, in welchen auf riesigen Schleifsteinen Fig. 803. Nordamerikanische Locomotive. (Type »Consolidation«.) verschiedene Bestandtheile der Locomotive abgeschliffen werden. Damit wird die langsamere Arbeit der Hebel- und Stoßmaschinen vielfach ersetzt, indem die Arbeiter eine solche Geschicklichkeit sich aneignen, daß sie gewisse Arbeiten genau nach dem Lineal ausführen können. Eine Sonderstellung im Locomotivbau nehmen die Vereinigten Staaten von Amerika ein. Es ist dies in der Eigenart des dortigen Eisenbahnwesens begründet. Zu erwähnen ist vor Allem die große Gleichmäßigkeit in der Construction und die allgemein streng beibehaltene, typisch gewordene Anordnung der Con- structionstheile. Dadurch werden zum Voraus zwei große Vortheile gewonnen: erstens die leichte und billige Herstellung der einzelnen Theile und der Montage durch ein ausgezeichnet geschultes Personale, zweitens die genaue Kenntniß und schnelle Vertrautheit des Führers mit jeder Maschine, welche ihm übergeben wird. Dieses Princip hat im amerikanischen Locomotivbau eine gewisse typische Einheit- Dritter Abschnitt. lichkeit geschaffen. Erst in allerjüngster Zeit machen sich Abweichungen von den bisherigen Typen bemerklich; so ist der eigenthümlich geformte Schlot fast ganz verschwunden, bei schweren Zehnkupplern das vordere Drehgestell beseitigt u. s. w. Charakteristisch für die amerikanischen Locomotiven sind deren bedeutende Abmessungen, der große Radstand, insbesondere aber das mit einem Achsenpaare weitvorstehende Triebgestelle mit dem daran befestigten »Kuhfänger«, die bunte Bemalung und die große Durchsichtigkeit — wenn man sich so ausdrücken darf — der ganzen Construction. Fast alle Organe liegen unverdeckt vor Augen und gestatten jederzeit und ohne Umständlichkeiten die Controle. Bei der starken In- anspruchnahme der Maschinen und der Nothwendigkeit guter Instandhaltung durch Fig. 804. Nordamerikanischer Zehnkuppler. Dienstgewicht 68 Tonnen. die Fahrmannschaft (an Stelle der Werkstättencontrole) ist diese Anordnung unbedingt ein Vortheil, wenn auch der Nachtheil starker Beeinflussung der Con- structionstheile durch äußere Einflüsse nicht zu leugnen ist. Aeußerlich machen die amerikanischen Locomotiven den Eindruck großer Stabilität. Der große Radstand sichert einen ruhigen Gang, was bei den europäischen Locomotiven mit ihren meist überhängenden Feuerbüchsen und Rauchkammern nicht immer der Fall ist. Der Führerstand ist in Anbetracht der weiten Fahrten außergewöhnlich comfortabel, und können die Führer ihren Dienst sogar sitzend ausüben. Die amerikanischen Locomotiven lassen sich in wenige Haupttypen eintheilen, wobei die Bezeichnungen sich theils auf die Zahl der Kuppelachsen, theils auf die Anordnung der Trucks beziehen. Die ältere Type ist die »American« -Locomotive mit zwei oder drei Kuppelachsen, an Stelle des vierrädrigen Trucks einen zwei- rädrigen, den sogenannten Ponnytruck. Es ist, gleich dem zweiachsigen Gestell, ein Schwingegestell, in dem hier in gleicher Weise der gußeiserne Drehfuß des Gestells Die Locomotiven. mittelst vier Hängeeisen an den starken schmiedeeisernen Quertraversen aufgehängt ist und dieser Art dem Gestelle eine seitliche und zugleich drehende Bewegung um den vor der ersten Achse liegenden verticalen Drehzapfen erlaubt. Sowohl das zweiachsige als das einachsige Gestell sind im Stande, durch ihre schwingende und drehende Bewegung sich allen vorkommenden Curven auf das beste anzuschmiegen und sie mit Sicherheit zu durchlaufen. Die schweren amerikanischen Locomotiven sind durch die Type »Cosolidation« vertreten. Sie hat vier Kuppelachsen und einen Ponnytruck. Bei Zehnkupplern entfällt das einfache Drehgestell und die Rauchkammer überhängt, wie bei den europäischen Locomotiven. Die Anordnung der Tenderlocomotiven, welche sehr verbreitet sind, weicht von den herkömmlichen Constructionen insoferne ab, als die Vorräthe nicht in besonderen Behältnissen untergebracht werden, sondern hierzu Fig. 805. Nordamerikanische Tenderlocomotive. Dienstgewicht 72‧4 Tonnen. ein gewöhnlicher Schlepptender dient, die construciv mit der Locomotive zu einem Ganzen vereinigt ist, also für die Adhäsion ausgenützt wird. Tender und Locomotive erhalten je ein zweiachsiges oder dreiachsiges Truckgestell. Diese Maschinen sind sehr leistungsfähig, haben in Folge ihres großen totalen Radstandes einen sehr ruhigen Gang und vermöge der Anordnung zweier Trucks eine große Beweglichkeit in den Curven. Neben dieser Type findet man auch abweichende Constructionen, deren eine hierselbst abgebildet ist (Fig. 805). Bezüglich des allgemeinen Eindruckes, den die amerikanischen Locomotiven auf europäische Constructeure hervorrufen, ist wohl das Auffallendste die Con- struction des Rahmens, bei der man vergeblich nach zwingenden Gründen sucht, so daß man sich nur wundern kann, wie denn eine so schwere und überaus theuere Construction eine so ausschließliche Anwendung finden konnte. Abgesehen von dem ungünstigen Profile eines so wichtigen Trägers und abgesehen von der theueren Herstellung, zeigt die Construction — wie Ingenieur v. Feyrer hervorhebt — den nicht unbedeutenden Nachtheil, den Platz zwischen dem Rahmen, namentlich Dritter Abschnitt. für die Breite der Feuerbüchse, noch mehr zu beengen, die Solidität durch Her- stellung von zwei zusammengeschraubten Stücken zu verringern und die Festigkeit durch eine ganz bedeutende Zahl von Schweißstellen zu beeinträchtigen. Maschinen- Inspector I. Brosius hingegen constatirt, daß die Rahmen stark genug sind, gefällig aussehen und die Theile unter dem Kessel besser revidiren lassen. Der Kessel der amerikanischen Locomotiven ist im Großen und Ganzen von der gleichen Anordnung wie bei den europäischen Maschinen. Der Langkessel besteht aus drei Sätzen, welche je aus einem einzigen, häufig auch aus zwei Blechen gebildet werden. An diese Bleche setzen sich zwei nach der Feuerbüchse konisch sich erweiternde Bleche an, welche den Uebergang zur überhöhten Feuerbüchse bilden, wodurch das vordere Blech der Feuerbüchse nur eine Höhe bis zur Mitte des Kessels erfordert und billiger und solider, als bei Verlängerung bis zur Decke der Feuerbüchse hergestellt werden kann. Die äußere Feuerbüchse wird gebildet aus einem halbkreisförmigen Deckblech, zwei Seitenblechen in der, mit der Feuerthür versehenen Rückwand. Durch diese Anordnung werden von der Circulation ausgeschlossene Dampfräume gänzlich vermieden, und ist der Uebergang vom Langkessel zur Feuer- büchse ein sehr zweckmäßiger. Die Feuerrohre sind aus Schmiedeeisen hergestellt, und ist ihre Länge zwischen den Rohrplatten in Folge der sehr langen Feuer- büchse eine auffallend geringe, was von hohem Werthe ist. Wenn der Mantel abgeschrägt ist, hat der Dampfdom seinen Platz auf dem Langkessel vor der Feuer- büchse, sonst auf dieser. Manche Locomotiven haben zwei Dampfdome: der auf der Feuerbüchse dient alsdann nur als Dampfraum, wogegen der Regulator in dem vorderen seinen Platz hat. Der Sandkasten (von welchem mitunter zwei vor- handen sind) ist aus Gußeisen und im Aeußeren dem Dampfdom ähnlich. Entsprechend den großen Feuerbüchsen sind auch die Rostflächen der ameri- kanischen Locomotiven durchwegs sehr groß und erfordern eine sehr gute Kohle. Bei Locomotiven, welche Anthracitkohle — welche die meiste Luft zur Verbrennung braucht — feuern, wird der Rost von schmiedeeisernen Röhren gebildet, welche in den beiden Feuerbüchswänden (wie die Siederöhren in den Rohrwänden) befestigt sind und in welchen das Kesselwasser circulirt. Den Rohrmündungen gegenüber sind die Wände des Mantels durchbohrt und mit Kopfschrauben geschlossen. Durch diese Oeffnung erfolgt die Reinigung, Reparatur und Auswechslung der Roströhren. Zur Entfernung der Schlacke ist in der Mitte oder an mehreren Stellen statt des Rohres ein massiver runder Eisenstab eingeschoben, der vom Feuerrostende herauszuziehen und häufig derart angeordnet ist, daß er auch hin- und hergeschüttelt und zur Seite gedreht werden kann. Die Rauchkammer ist stets cylindrisch und setzt sich meist als letzter Satz des Langkessels fort, oder sie ist außerhalb der Rohrplatte auf den ersteren auf- genietet. Mit ihrer unteren Basis sitzt sie auf den Cylindern, deren Ein- und Ausstreuungscanäle, in einem Stücke mit den Cylindern gegossen, bis in die Mitte der Locomotive reichen, wo sie gegen einander verschraubt sind. Der cylindrische Die Locomotiven. Schornstein war früher mit einem sehr auffällig profilirten Funkenfänger versehen; die neuesten Typen zeigen eine Form des Schornsteins, welche derjenigen der europäischen Locomotiven durchaus gleicht. Die Maschinen aus der berühmten Baldwin 'schen Fabrik zu Philadelphia haben in der Essenmündung ein trichter- förmig über der Dampfausströmung angebrachtes Drahtsieb, wodurch der Schorn- stein einfach cylindrisch kurz an sein Ende geführt werden kann. Den vorderen Verschluß der Rauchkammer bildet ein gußeiserner Rahmen, auf welchem sich eine stark ausgebauchte, kreisförmige Thüre befindet. Der Regulatorhebel wird horizontal dirigirt und befindet sich an der vor- deren Feuerbüchsenwand. Auf dem Dampfdome befinden sich stets zwei Sicherheits- ventile, von denen das eine durch Federwerke im Führerstande beliebig belastet werden kann, während das zweite, welches auf 9—12 Atmosphären gestellt ist, dem Führer unzugänglich ist. Die Speisung des Kessels erfolgt meist durch Speise- pumpen, doch finden die Injectoren immer mehr Eingang. Die Dampfpfeife, von der übrigens sehr mäßiger Gebrauch gemacht wird, hat einen tieferen Ton als bei uns. Die für die amerikanischen Locomotiven charakteristische Alarm- oder Signal- glocke hängt in einer auf dem Langkessel befestigten Gabel und wird durch den Heizer mittelst einer Leine, seltener durch einen mittelst Dampf betriebenen Mechanismus bethätigt. Der Führerstand — von dessen bequemer Einrichtung bereits flüchtig die Rede war — ist ganz verschieden von dem europäischer Locomotiven. Er ist völlig in sich abgeschlossen und bildet einen förmlichen kleinen Wohnraum. Selbst der gepolsterte Sitz mit Rücklehne fehlt nicht. An den Wänden der Cabine sieht man Bilder in Rahmen, Fahrpläne, Instructionen und dergleichen. Das Fahrpersonale, welches fast nie gewechselt wird, versteht auch sonst, seinen Aufenthalt sich behaglich zu gestalten. Der Führerstand liegt ziemlich hoch, so daß der Heizer eine Stufe herabsteigen muß, wenn er feuern will. Durch diese Anordnung ist der Führer nicht in der Lage, die Feuerung zu übersehen. In der Vorderwand der Cabine befindet sich auf jeder Seite eine Thür, welche auf die neben dem Kessel laufende Plattform führt. Bezüglich des Treib- und Laufwerkes amerikanischer Locomotiven sind mancherlei Eigenthümlichkeiten hervorzuheben. Die Dampfcylinder sind oft zu beiden Seiten symmetrisch, in welchem Falle sie durch ein Fußstück verbunden sind. Dieses sehr kräftige Mittelstück enthält die eingegossenen Dampfröhren von der Rauchkammer bis zum Cylinder; es bildet die Unterstützung mit der Rauchkammer, mit welcher es verschraubt ist, und außerdem hat es am unteren Ende den hohen Spurzapfen, welcher sich auf die Spurplatte des Triebgestelles legt. Uebrigens giebt es auch abweichende Constructionen, z. B. daß je ein Cylinder mit seinen Dampf-Ein- und Ausströmungsröhren zu einem Stück gegossen ist und diese beiden Gußstücke in der Längenachse der Locomotive zusammenstoßen und gegenseitig ver- schraubt sind. Dagegen ist der Schieberkasten nicht aus einem Stück mit dem Dritter Abschnitt. Cylinder hergestellt, kann also im Falle einer Untersuchung abgenommen werden. Die Dampfkolben sind in der Regel aus Gußeisen, mit Federn zum Spannen der Ringe versehen, oder es wird der Dampf selbst benützt, die Ringe gegen die Cylinder zu pressen. Die Kolbenstangen werden aus Schmiedeeisen oder Stahl erzeugt. Die Führung des Kreuzkopfes geschieht auf verschiedene Art, entweder durch vier Lineale zu beiden Seiten des Kreuzkopfes, oder durch zwei Lineale ober- und unterhalb desselben, oder endlich durch einen starken Kolben, an welchem der Kreuzkopf hängt. Die Führungslineale sind gewöhnlich aus Stahl und in kräftigen Dimensionen erzeugt. Die Pleuel- und Kuppelstangen sind durchwegs in sehr starken Dimensionen aus Schmiedeeisen erzeugt und sind entweder aus- Fig. 806. Achtkuppler im Betriebe der Semmering- und Brennerbahn (Effective Dampfspannung 9 Atmosphären; totale Heizfläche 170 Quadratmeter; Dienstgewicht 52 Tonnen.) gehobelt oder nicht. Die Köpfe sind meist offen, mit schweren eckigen Kuppen ver- sehen, die breiten Messingbüchsen mit einem oder zwei Keilen nachstellbar. Kurbel- und Kuppelstangen sind nicht immer polirt, sondern vielfach nur mit dicker Oelfarbe angestrichen. Die Steuerung ist, vereinzelte Ausnahmen abgerechnet, die Stephenson'sche Coulissensteuerung. Die Excentrics und Coulissen des Rahmens liegen unter dem Kessel. Da nun die Schieber außerhalb liegen, findet eine Uebersetzung der Be- wegung mittelst einer zweiarmigen Kurbelwelle statt, wobei die Schieberkurbel an die lange Schieberstange angreift. Diese ist nicht gelenkig, muß sich also um den Ausschlag der Kurbel biegen. Jede Coulisse hängt nur an einem Hängeeisen. Die zur Ausgleichung des Gewichtes der Excenterstangen und Coulissen üblichen Gegen- gewichte sind durch Federn ersetzt. Die Locomotiven. Was schließlich die Räder und Achsen betrifft, werden die letzteren jetzt bereits vielfach aus Bessemerstahl erzeugt, gegen den man bislang ein schwer zu bekämpfendes Vorurtheil hatte. Die Treibräder sind ausnahmlos Speichenräder, jene der zweiach- sigen Trucks nicht Fig. 807. Die größte Locomotive der Welt. (Dienstgewicht 116 Tonnen.) immer, während die Räder des Ponnytrucks immer Vollguß sind. Die Truck- räder haben nur zuweilen, die Tenderräder nie- mals Bandagen. Da die Beweg- lichkeit des Ge- stelles nur bei Laufrädern ratio- nell ausgenützt werden kann, bei dem großen tota- len Radstand der Acht- und Zehn- kuppler aber das Durchfahren der Curven bedenklich wäre, findet hier ein Constructions- modus Anwen- dung, der überall sonst verpönt ist. Man stellt näm- lich die Räder der mittleren Achsen ohne Spurkranz her, um den großen seitlichen Druck auf die Schienen zu vermeiden. Mit den stets wachsenden Ansprüchen an die Leistungsfähigkeit der Loco- motiven und den Bestrebungen der Constructeure, diesen Forderungen gerecht zu werden, haben manche Typen Dimensionen und ein Totalgewicht erreicht, wie Dritter Abschnitt. man derlei nie erwartet hätte. Die ersten schweren Gebirgsmaschinen, wie sie am Semmering und Brenner in Verwendung kamen (Fig. 806), hatten wenig Fig. 808. Locomotive Nr. 999 des » Empire State Express «. Cylinder 48‧20 Centimeter Durchmesser; Kolbenhub 61 Centimeter; Treibrad- durchmesser 2‧20 Meter; Heizfläche 180 Quadratmeter; Dampfdruck 15 Atmosphären; Dienstgewicht 62 Tonnen. über 50 Tonnen Dienstgewicht. Aber die Maffei'sche Duplex-Compound Locomotive für den Bergdienst der Gotthardbahn erreichte, bei einem Radstande von über acht Meter und einer Länge von 13‧7 Meter, bereits 86 Tons und war Die Locomotiven. durch einige Zeit die schwerste Locomotive auf der ganzen Erde. Dann ging aus den Baldwin'schen Werkstätten in Philadelphia eine Maschine für die Grand- Trunk-Railway in Canada hervor, welche ein Dienstgewicht von 88½ Tonnen Fig. 809. Der » Empire State Express « in voller Geschwindigkeit im Durchlaufe der 219‧7 Kilometer langen Strecke ohne Anhalt. Zugsgewicht 243 Tonnen. hatte. Aber auch diese Riesenmaschine ist bald überholt worden. Die Hyde Park Locomotive Works zu Glasgow — wohl die großartige Werkstätte in Europa — haben eine größere Zahl von Doppellocomotiven nach dem System Fairlie gebaut, Dritter Abschnitt. welche für den Betrieb der langen Steigungen von 40 Promille mit Krümmungen von 100 Meter Radius der Bahn von Vera Cruz nach Mexico bestimmt sind. Fig. 810. Locomotive »Worcester« des- » Cornish Express «, Cylinder 18‧20 Centimeter Durchmesser; Kolbenhub 61 Centimeter; Treibrad- durchmesser 2‧33 Meter; Heizfläche 150 Quadratmeter; Dampfdruck 13¾ Atmosphären; Dienstgewicht 53‧6 Tonnen. Das Gewicht einer solchen sechsachsigen Tendermaschine ist mit allen Vorräthen über 90 Tonnen. Damit nicht genug, haben die Rhode Island Locomotive Works (1893) für die mexicanische Centralbahn Locomotiven construirt (System Fairlie), Die Locomotiven. deren Dienstgewicht 130 Tonnen beträgt. Man darf aber nicht übersehen, daß die Fairlie-Type eine Combination von zwei Locomotiven ist. Deshalb dürfte der in Fig. 807 abgebildete Achtkuppler, welcher aus den Werkstätten von Brooks in New-York herrührt und 116 Fig. 811. Der » Cornish Express « in voller Geschwindigkeit im Durchlaufe der 311‧7 Kilometer langen Strecke ohne Anhalt. Zugsgewicht 200 Tonnen. Tonnen Dienstgewicht hat, zur Zeit die schwerste Locomotive der Welt sein. Es dürfte von Interesse sein, an dieser Stelle einige Daten über diese Riesen- maschine anzuführen. Das auf der ersten Treibachse ruhende Gewicht beträgt 15.670 Kilo- gramm, auf der zweiten 17.550, auf der dritten 16.300, auf der vierten 15.670 Kilogramm, wozu das Gewicht auf den beiden Laufachsen mit je 7600 Kilogramm kommt, so daß demnach das auf allen Achsen ruhende Gewicht rund 80.400 Kilogramm, oder über 80 Tonnen beträgt. Sammt Tender beträgt das effective Dienstgewicht cirka 116.000 Kilogramm, d. i. 116 Tonnen. Dem entsprechend sind auch die Dimensionen. Der Kessel weist einen kleinsten Durch- messer von 1‧9, einen größten von 2‧2 Meter auf; die Feuer- büchse ist 4 Meter hoch, die Heizfläche beträgt 333 Qua- dratmeter, die Rostfläche 3‧14 Quadratmeter, der Flächen- inhalt der Feuerbüchse 25 Quadratmeter, woraus sich eine gesammte Heizfläche von über 360 Quadratmeter ergiebt. Der Dampfdruck erreicht 13 Atmosphären, was einer Leistungsfähigkeit der Maschine von 2640 effectiven Pferdestärken entspricht. Dritter Abschnitt. Wie die Dimensionen dieser Locomotive ins Ungeheure gehen, sind auch die Abmessungen der einzelnen Theile erstaunlich. Die Kolbenstangen haben einen Durchmesser von 11, die Treibachse einen solchen von 30 Centimeter. Kolben- stangen, Krummzapfen und Kreuzkopf sind aus bestem Tiegelstahl; Kolbenstangen und Kreuzkopf sind hohl. Mit Rücksicht darauf, daß diese Locomotive bedeutende Höhen in Gebirgsstrecken zu durchlaufen hat, wo im Winter nicht selten extrem niedrige Temperaturen auftreten, sind zur Verhinderung des Einfrierens gewisser Theile des Treibmechanismus Asbestfütterungen angebracht. Die Schnelligkeit des Verkehrs ist dasjenige Element, welches wie kein anderes im Eisenbahnwesen in der Voraussetzung einer besonderen Solidität der Betriebsmittel fußt. Denn abgesehen von der größeren Leistungsfähigkeit der Loco- motiven durch zweckentsprechende Dimensionirung und Ausgestaltung ihrer einzelnen Organe, handelt es sich hierbei noch um einen weiteren, sehr wichtigen Factor: um die Ermittelung der in Folge des Aufeinanderreibens der verschiedenen Con- structionselemente sich ergebenden Erschwernisse in der Fortbewegung. Nur die reiche Erfahrung im Bunde mit der wissenschaftlichen Ausgestaltung der Eisenbahntechnik konnte diesfalls so schwer wiegende Fragen der Lösung näher bringen, welche in der Zeit der vagen Empirie kaum in Erwägung gezogen wurden. Die Fortbewegung wird nämlich durch eine Reihe von störenden Einwirkungen paralysirt, welche man die »Zugwiderstände« nennt. Mit diesen wieder hängt die Abnützung der Rad- reifen und die Veränderung der Geleisanlage zusammen, wodurch die Sicherheit gegen Entgleisungen erheblich herabgemindert wird. Im Schnellverkehr war England allen anderen Ländern immer weit voraus. Dort betrug die Geschwindigkeit der Expreß- und Mailtrains 70 bis 85 Kilometer in der Stunde. Auf dem Continente ist man fallweise diesem Tempo ziemlich nahe gekommen, doch bleiben die meisten schnellfahrenden Züge weit hinter diesem Maximum zurück. Bei Wettfahrten, welche vor einigen Jahren in Frankreich angestellt wurden, durchfuhren Locomotiven für sich allein 120 bis 144 Kilometer, Züge mit 240 Tonnen 95, mit 294 Tonnen 85 Kilometer in der Stunde. In England sollen in einzelnen Fällen Geschwindigkeiten von 150 Kilometer verzeichnet worden sein ... Das ist aber noch Alles nichts. Im November 1892 lief auf der Strecke New-York—Philadelphia ein Expreßzug — allerdings nur zur Probe — der eine Maximalgeschwindigkeit von 160 Kilometer erreichte. Gleichwohl ist diese Leistung nach wenigen Monaten übertroffen worden. Am 10. Mai 1893 legte eine von der Locomotivwerkstätte der New-York Central \& Hudson Railway gebaute Maschine in der Strecke Batavia-Buffalo 179‧2 Kilometer in der Stunde zurück! Selbstverständlich hat man es hier nur mit Experimenten zu thun. Gleich- wohl haben sie den normalen Schnellverkehr bestimmend beeinflußt und es ist von Interesse, die Bedingungen kennen zu lernen, unter welchen die zur Zeit schnellsten Expreßzüge verkehren. Es sind dies der zwischen London und Exeter laufende Die Locomotiven. » Cornish Express « und der als Muster eines zeitgenössischen Schnellzuges auf- gestellte » Empire State Express «, welcher auf der 1800 Kilometer langen Strecke New-York—Chicago verkehrt. Auf der New-York Central and Hudson River Railway ist die 219‧8 Kilometer lange Strecke, welche der Empire State Express in 2 Stunden 40 Minuten — also mit ungefähr 86‧2 Kilometer stündlicher Ge- schwindigkeit — ohne Aufenthalt zurücklegt, in dem leichten Schwemmsandgrunde des Hudsonufers gelegt. Zu Beginn sind die Steigungen fast Null; dagegen sind die Krümmungen sehr scharf, meist unter 500 Meter Radius, welches Maß be- kanntlich für das Gebiet des Vereines deutscher Eisenbahnverwaltungen für Haupt- bahnen ausgeschlossen ist. Dagegen sind Unterbau und Schotterbett von der besten, einer Weltbahn entsprechenden Beschaffenheit. Vom Oberbau sei bemerkt, daß die ersten 80 Kilo- meter aus Stahlschienen von 49 Kilogramm für den laufenden Meter, deren die Schiene ungefähr zehn mißt, bestehen. Die Schienen sind 15 Centimeter hoch und an den Stößen mit zwei je ein Meter langen Laschen durch sechs Bolzen verbunden. Drei Meter lange Schwellen liegen in Abständen von 60 bis 70 Centimeter — somit in jeder Beziehung ein tadelloser Oberbau. Weiterhin wird derselbe etwas leichter. Dadurch wird eine wechselnde Geschwindigkeit bedingt. Im Anfange beträgt dieselbe 50, dann 80, stellenweise 110 Kilometer. Curven und Brücken bedingen selbstverständlich eine verminderte Geschwindigkeit, so daß im Mittel sich 86 Kilo- meter ergeben. Die Garnitur des Empire State Express setzt sich gewöhnlich aus vier großen Pullmannwagen von je 21 Meter Länge und einem Totalgewichte von 243 Tonnen zusammen. Jeder dieser Wagen ruht auf zwei vierrädrigen Truck- gestellen; hydraulische Puffer verhindern das Schleudern der Wagen selbst in scharfen Krümmungen und bei plötzlicher Herabminderung der Fahrgeschwindigkeit. Die Locomotiven sind einfache Vierkuppler mit einem vierrädrigen Truckgestelle vorne. Die Treibräder haben einen Durchmesser von 2‧2 Meter, die Cylinder einen solchen von 48‧2 Centimeter, der Kolbenhub beträgt 61 Centimeter. Das volle Dienstgewicht der Locomotive beträgt 62 Tonnen. Alle übrigen Daten sind der betreffenden Abbildung (Fig. 808) beigefügt. Das Seitenstück zu diesem Zuge ist der eingangs erwähnte » Cornish Express « der großen englischen Westbahn. Diese letztere gehört zu den ältesten und bestgebauten Linien Englands. Sie war ursprünglich (von dem genialen Brunel ) mit der abnormen Spurweite von 2‧1 Meter angelegt und wurde erst vor einigen Jahren auf die Normalspurweite von 1‧435 Meter umgebaut. Die Steigungen in dieser Bahn sind nicht von Belang, scharfe Krümmungen kommen nicht vor. Selbstverständlich sind Unter- und Oberbau von tadelloser Beschaffenheit. Erwähnenswerth ist, daß in Theilen der Strecke noch die altartigen Brücken- ( U -) Schienen liegen, welche 35 Kilogramm pro laufenden Meter wiegen, während sonst überall Stahlschienen mit 45 Kilogramm Gewicht pro laufenden Meter ver- Schweiger-Lerchenfeld . Im Reiche der Cyklopen. 59 Dritter Abschnitt. wendet sind. Die von diesem Expreßzug erreichte Maximalgeschwindigkeit wurde am Geschwindigkeitsregistrator mit 190 Kilometer gemessen, wohl die größte Ge- schwindigkeit, die jemals von einem Eisenbahnzuge erreicht wurde. Die mittlere stündliche Geschwindigkeit beträgt indeß nur 85‧7 Kilometer, ist also derjenigen des Empire State Express fast gleich. Dagegen ist die Zuglast dort etwas geringer, nämlich nur 200 Tonnen. Die Garnitur des Cornish Express setzt sich aus 6—8 Wagen zusammen, welche das vorstehend angegebene Gesammtgewicht geben. Die Wagen sind 16 bis 18 Meter lang. Ein ganz besonderes Interesse beanspruchen die Locomotiven, welche diesen Expreßzug befördern. Sie entsprechen selbstverständlich in Bezug auf äußere Schönheit, Solidität und Leistungsfähigkeit durchaus dem an anderer Stelle Gesagten. Da die Daten der betreffenden Abbildung (Fig. 810) angefügt sind, können wir sie hier wohl übergehen. Fig. 812. Waldbahn-Locomotive. Inhalts-Verzeichniß. Einleitung Seite 3 Erster Theil: Stahl und Eisen. (Seite 17.) Erster Abschnitt: Das Roheisen und seine Darstellung. Eisenerz; Eisenmeteorite (19). — Magneteisenstein, Rotheisenstein, Brauneisenstein, Spath- eisenstein (20). — Thoneisenstein, Kohleneisenstein, (21). — Aufbereitung der Erze (22). — Roheisen (23). — Der Kohlenstoff (24). — Eisensorten (25). — Nennpro ceß (26). — Fabri- kationsabfälle (27). — Der Hochofen (28). — Eintheilung desselben (29). — Beschickung des Hochofens, Brennmaterial (31). — Die Schlacken (33). — Gebläse, Winderhitzer (34). — Schlackentransport (36). — »Halbirtes Eisen«(39). — Einrichtungen im Hochofenbetriebe (40). — Fördermaschinen, Gießpfannwagen, Locomotivgießwagen (41). — Masselbrecher (42). — Elektrische Kraftübertragung (43). — Drahtseilbahnen (44). — Spiegeleisen, Ferromangan, Specialstahle (46). — Phosphorhaltiges Eisen (47). Zweiter Abschnitt: Herdfeuer und Flammofen Frischhütten (48). — Härtungskohle (49). — Puddelproceß (50). — Luppen (53). — Stahl (54). — Gerbeproceß (55). — Tiegelgußstahl, Damaststahl (56). — Centrifugalguß (57). — Wolframstahl, Nickelstahl, Molybdäustahl (58). — Das Tempern (59). Dritter Abschnitt: Die Converter-Processe und das Martin-Verfahren. Der Bessemerproceß (60). — Cupolöfen, Converter (61). — Entkohlung der Schmelz- masse (62). — Gesammtdisposition der europäischen Bessemerwerke (64). — Beschränkung des Bessemerprocesses (66). — Der Thomasproceß (67). — Proceß bei der Schlackenbildung (68). — Einrichtung der Thomaswerke (69). — Der Martinproceß (70). — Regenerativ- feuerung(70). — Das Siemens'sche Regenerationsverfahren (71). — Der Martinofen (72). — Beschickungsvorrichtungen (74). — Neuerungen im Martinverfahren (76). — Der Bertrand- Thiel-Proceß (77). — Oefen nach diesem Princip (78). — Stand der Flußeisenerzeugung (80). — Rolle des Entphosphorungsverfahrens (81). 59* Inhalts-Verzeichniß. Vierter Abschnitt: Formgebungsarbeiten. Eisen- und Stahlguß (83). — Modell, Form, Schablone, Freies Formen (84). — Formmaschinen (85). — Formguß (87). — Saigerungen (89). — Cupolöfen (90). — Gieß- löffel und Gießpfannen (91). — Gußoperationen (92). — Platten, Räder, Stäbe, Kugeln, Geschosse (93). — Röhren (94). — Hammer und Amboß (95). — Handhämmer, Stiel- hämmer (96). — Dampfhämmer (97). — Krupp's erster Dampfhammer (98). — Riesen- constructionen dieser Art (99). — Schmiedepressen (102). — Hydraulische Luppenpresse (103). — Die Walzwerke (104). — Triolwalzwerke (105). — Walzenstraßen, calibrirte Walzwerke (107). — Drahtwalzwerke; das Drahtziehen (109). — Röhrenwalzwerke; Mannesmann'sches Walzverfahren (111). — Kohlensäureflaschen (113). — Klatte'sches Kettenwalzverfahren (115). — Herstellung von Hohlkugeln aus Stahlblech (118). Fünfter Abschnitt: Die Prüfung des Eisens. Chemische Analyse (119). — Korn und Sehne (120). — Lupe und Mikroskop; Krystall- eisen, Homogeneisen (121). — Die Mikrophotograpie (122). — Dr. Meddings Methode (123). — Mechanische Proben; Zerreißmaschinen (124). — Elasticitätsgrenze (125). — Dehnung, Contraction, Durchbiegung (126). — Biegeprobe, Schlagprobe (127). — Structurveränderungen (128). — Einführung einheitlicher Vorschriften für Qualität, Prüfung und Abnahme von Eisen- und Stahlmaterial (130). — Vortheile der chemischen Analyse (131). Zweiter Theil: In den Arbeitsstätten der Cyklopen. (Seite 133.) Erster Abschnitt: Hüttenwerke. Vorbemerkungen (135). — Die Krupp 'sche Gußstahlfabrik (136). — Das Puddel- werk (137). — Stahlpuddeln (138). — Der Schmelzbau (140). — Die Martinwerke (141). — Die Bessemeranlage (145). — Die Dampfhämmer (147). — Bandagenwalzwerk (149). — Satzachsendreherei, Schienenwalzwerk (151). — Panzerplattenwalzwerk (153). — Biegepresse (155). — Der Preßbau (156). — Nebenbetriebe (157). — Mechanische Werkstätten (158). — Kriegsmaterial (159). — Krupp'sche Stahlfabrikation (160). — Fabrikationsgegenstände (161). — Grusonwerk, Germania-Werft (162). — Verbrauchsziffern (163). — Verschiedene Anstalten; Laboratorien (164). — Geschichte der Krupp'schen Fabrik (165). — Rundgang durch deutsche Eisenhütten (166). — Bochumer Gußstahlfabrik, Gutehoffnungshütte (166). — Walzwerk Oberhausen (167). — Eisenhütte Union, Dortmund (168). — Horster Stahl- und Eisenwerk, Heinrichshütte (170). — Bismarckhütte (171). — Die oberschlesische Montanindustrie (172). — Königliche Hütte zu Gleiwitz (173). — Henckel-Donnersmarck'sche Industriewerke (174). — Vereinigte Königs- und Laurahütte (175). — Hüttenwerke in Oesterreich-Ungarn (175). Zweiter Abschnitt: Mechanische Einrichtungen in Eisenhütten und Werkstätten. Hebeapperate, Krahne (177). — Bockkrahne (178). — Drehkrahne (179). — Fahrbare Drehkrahne (181). — Locomotiv-Dampfkrahn (182). — Winden, Fahrstühle (183). — Werk- zeugmaschinen (184). — Drehbänke (185). — Bohrmaschinen (188). — Fräsen (190). — Hobel- maschinen (191). — Stoßmaschinen (192). — Feilen, Lochen (193). — Pressen; Sägen und Schneiden (194). — Scheeren (195). — Schleifen (196). — Löhten, Nieten, Schweißen (197) — Hydraulische Nietmaschinen (200) Inhalts-Verzeichniß. Dritter Abschnitt: Die motorischen Einrichtungen. Arbeitsmaschinen, Kraftmaschinen (205). — Die Dampfmaschine (207). — Dampfkessel (208). — Walzkessel, Flammrohrkessel (210). — Gallowaykessel, Fairbairnkessel, Feuerrohr- kessel (211). — Wasserrohrkessel (212). — Andere Kesselsysteme; Rostfeuerungen (213). — Treppenrost (214). — Etagenrost, Bolzanorost (215). — Die Dampfmaschinen (216). — Con- densation und Expansion (219). — Zwillingsmaschinen, Compoundmaschinen (220). — Oscil- lirende Maschinen (221). — Locomobile; ausziehbare Röhrenkessel (222). — Heißluftmaschine (224). — Gasmotoren (225). — Wasserräder, Turbinen (226). — Eintheilung der Turbinen (230). — Wassermotoren (231). — Windräder (232). — Der Blasebalg; Flügelradgebläse (234). — Cylindergebläse (235). — Compressionspumpen; Preßluftmaschinen (236). — Die Elektromotoren (238). — Das Etablissement Eicher Wyß \& Co. in Zürich (239). Dritter Theil: Eisenarchitektur und Brückenbau. (Seite 245.) Erster Abschnitt: Die Eisenarchitektur. Der Eiffelthurm (247). — Bahnhofshallen (249). — Leuchtthurmbauten (253). — Getreide-Elevatoren (261). — Das Fachwerk (263). Zweiter Abschnitt: Der eiserne Brückenbau. Einleitende Bemerkungen (266). — Eintheilung der Brücken nach dem Material und dem Constructionsmodus (267). — Fachwerksträger (267). — Bogenbrücken, Hängebrücken (268). — Drehbrücken, Straßenbrücken, Eisenbahnbrücken (269). — Europäische Brücken- bauten (269). — Die ersten eisernen Bogenbrücken (270). — Englische Brücken (272). — Die Forthbrücke (277). — Deutsche Brückenbauten (278). — Bogenbrücken (280). — Die Bogen- brücken von Grünthal und Levensau (281). — Der Viaduct über den Biaur (282). — Die Müngster Thalbrücke (283). — Die neuen Rheinbrücken zu Bonn, Düsseldorf und Worms (287). — Die Thalbrücke bei Epsenhofen; die Koruhausbrücke (292). — Französische Brücken (295). — Hängebrücken (297). — Die Franz Josephbrücke in Budapest (298). — Die Clark'sche Kettenbrücke in Budapest (300). — Die Donaubrücken zwischen Wien und Neusatz (303). — Die Czernavodabrücke (304). — Allgemeines über Hängebrücken (304). — Brückenbau (307). — Probelastung (310). — Amerikanische Brückenbauten (311). — Das System der Gelenkbolzen (313). — Lurville'sches und Pottit'sches System (315). — Eiserne Trestle Works (316). — Kentuckyviaduct, Kinzuaviaduct (316). — Pecosviaduct (317). — Bogen- brücken (320). — Eads' Mississippibrücke bei St. Louis (320). — Seil- und Kettenbrücken (322). — Die alte und die neue Niagarabrücke (323). — Röbling's East Riverbrücke (324). — Lindenthal's Project der Hudson River-Brücke (330). — Die Cantileverbrücke über den Niagara (337). — Die neue East River Kragbrücke (337). — Drehbrücken (340). — Die Drehbrücken über den Harlemstrom zu New-York (343). — Hub- und Rollbrücken (347). — Die Rollbrücke von Saint Malo (347). — Die elektrische Rollbrücke zu Brighton (349). — Fundamentirung der Brückenpfeiler (350). — Brunnenfundirung und pneumatische Fundirung (352). — Röhrenpfeiler (353). — Schraubenpfeiler (354). Inhalts-Verzeichniß. Vierter Theil: der Eisenschiffbau. (Seite 357.) Erster Abschnitt: Die Entwicklung des eisernen Schiffbaues. Einleitende Bemerkungen (359). — Fitch's Dampfboot (360). — Robert Fulton's Dampfboot (361). — Bell's Dampfboot (361). — Der erste Seedampfer (362). — Josef Ressel: Die Schiffsschraube (363). — Eisen als Constructionsmaterial (364). — Die » Great Western Steamship Co. « (365). — Brünel's » Great Britain « und » Great Eastern « (366). — Grund- züge des Eisenschiffbaues (367). — Glattdecker, Kühldecker (369). — Die Schaufelräder (369). — Die Schiffsschraube (370). — Zwillingsschraube (372). — Scheidenpropeller (374). — Der Norddeutsche Lloyd (375). — Die Hamburg-amerikanische Packetfahrt-Actiengesellschaft (376). — Die Doppelschraubendampfer (382). — Schiffsmaschinen (386). — Das Compoundsystem (388). — Dreifach-Expansionssystem (391). — Der Schnelldampfer »Kaiser Wilhelm II .« (394). — Vierfach-Expansionsmaschinen (399). — »Kaiser Wilhelm der Große« und »Kaiser Friedrich« (399). — »Pennsylvania« und »Pretoria« (403). — Die Cunardlinie und deren neueste Schnell- dampfer (404). — »Campagna« und »Lucania« (406). — Englischer und deutscher Schiffbau 410). — Stahlsegelschiffe (411). — Amerikanischer Schiffbau (414). — Der »Adirondak« (416). — Amerikanische Passagierdampfer (421). — Walrückendampfer (422). — Ein amerikanisches Kabelschiff (426). — Freyer's Velocipeddampfer (427). — Graham's transatlantischer Riesen- dampfer; Project (429). — Bazin's Rollschiff (431). — Beckman's Rollboot (434). — Ver- besserungen an den Schiffsmaschinen (434). — Middendorf, Ziese, Schlick (435). — Die Schlick'sche Cylinder- und Kurbelanordnung (437). — * * * Gefahren zur See. (441). — Höhe des See- ganges (442). — Sturzseen, Dünnung (445). — Telegraphische Witterungsberichte und Sturm- warnungen (446). — Signalcodex (448). — Positionslaternen (450). — Leuchtthürme und Feuerschiffe (452). — Verschiedene Signale in Fahrt; Rettungsapparate (453). — Rettungs- boote; das Sheperische Patentfloß; Patent-Segeltuchboot (455). — Korkweste, Rettungsgürtel, Rettungsboje (457). — Brandt's Rettungsboje (458). Zweiter Abschnitt: Schiffahrtseinrichtungen in den Häfen. Hamburg (461). — Elektrisch betriebener Portalkrahn (463). — Hamburger Werften (467). — Trockendock in Bremerhaven (469). — Allgemeines über Docke (472). — Stettiner Maschinenbau-Actiengesellschaft »Vulcan« (476). — Le Havre, Bordeaux und Marseille (476). — Triest (477). — Southampton (479). — Die Brooklyner Docks (484). — Das Schwimm- dock (485). — Hydraulisches Trockendock in San Francisco (488). Dritter Abschnitt: Schiffahrtscanäle. Einleitende Bemerkungen (493). — Eintheilung der Schiffahrtscanäle (494). — Die Kammerschleuse (495). — Schiffshebewerke (496). — Krupp's schwimmende Schleuse (497). — Das Schiffshebewerk bei Heurichenburg (499). — Der Dortmund-Ems-Canal (503). — Der Mittellandcanal (503). — Donau-Elbe- und Donau-Oder-Canal (506). — Das Eiserne Thor (507). — Regulirungsarbeiten daselbst (508). — Maschinelle Hilfsmittel bei Canalbauten (513). — Die Excavatoren oder Baggermaschinen (513). — Tiefbagge- rung mit langer Leiter (515). — Transporteure (516). — Löffelbagger (518). — Schwimm- bagger (520). — DasBaggerschiff »Branker« (523). — Bohrschiff (524). — Felsenbrechmaschine (526). — Felsbohrschiff (527). — Amerikanisches Bohrschiff (529). — Maritime Schiff- fahrtscanäle (530). — Der Suezcanal (530). — Betrieb des Suezcanals (534). — Der Panamacanal (536). — Der Nicaraguacanal (537). — Der Nord-Ostseecanal (538). — Der Canal von Korinth; der Manchestercanal (545). Inhalts-Verzeichniß. Fünfter Theil: Die Kriegsmittel zur See. (Seite 547.) Erster Abschnitt: Die Entwickelung der Kriegsmarinen. Einleitende Bemerkungen (549). — Eintheilung des schwimmenden Flottenmaterials (550). — Die Panzerschiffe (551). — Die Schlachtschiffe oder Hochsee-Panzerschiffe (554). — Casematschiffe (555). — Thurmschiffe; Brustwehr-Thurmschiffe (557). — Citadellschiffe (558). — Die Kreuzer (561). — Die Küstenvertheidigungsschiffe (565). — Die »Poppowka's« (565). — Die verschiedenen Kriegsmarinen. Deutschland (567). — Frankreich (577). — England (586). — Rußland (596). — Italien (600). — Nordamerika (601). — Japan (609). Zweiter Abschnitt: Panzerschiffbau. Einleitende Bemerkungen (611). — Raumdisposition (612). — Panzerung (613). — Schlachtschiffe, gepanzerte und ungepanzerte Kreuzer (614). — Die altartige Panzerfregatten und Panzercorvetten (615). — Disponirung der Maschinen (616). — Entwickelung der Panze- rung (618). — Krupp'sche Schiffspanzer (620). — Amerikanische Schiffspanzer (623). — Die Maschinenanlagen der Kriegsschiffe (624). — Die Kesselanlagen der Kreuzer »Powerful« und »Terrible« (633). — Der Topedojäger »Starfish« (635). — Das See-Arsenal (636). — Stapellauf (638). — Kosten des Kriegsschiffbaues (639). Dritter Abschnitt: Die submarinen Kampfmittel. Die Seeminen (641). — Aeltere Systeme (642). — Ebner-Mine (643). — Raines' Contactmine (644). — Hertz-Mine und Mac Evoy-Mine (645). — Siemens' Beobachtungs- apparat (646). — Material der Minengefäße (647). — Die Sprengladung (648). — Die Schleppmine (649). — Die Torpedos (649). — Eintheilung der Torpedos (650). — Tor- pedo-Schußnetze; Torpedozerstörer (651). — Zur Geschichte detz Torpedowesens (653). — Ericsson (654). — Lay (655). — Howell, Maxim, Nordenfeldt (656). — Spierentorpedo (656). — Harvey's Schlepptorpedo (657). — Bermann- und Sims-Torpedo (657). — Whitehead's Fischtorpedo (657). — Lancirapperat (660). — Torpedoboote (662). — Torpedobatterien (663). — Unterseeboote (664). — Bauer's »Brandtaucher« (664). — Nordenfeld's Unterseeboot (666). — Tuch's Unterseeboot (667). — Der »Nautilus« (667). — Der »Gymnote« (668). — Goubet's Unterseeboote (669). — Simon Lake's Unterseeboot (673). — John Holland's Unter- seeboot (677). Sechster Theil: Die Kriegsmittel zu Land. (Seite 681). Erster Abschnitt: Das Geschützwesen. Ueber Waffen im Allgemeinen; Handfeuerwaffen und Geschütze (683). — Gezogene Ge- schütze. Wahrendorf, Cavalli, La Hitte (684). — Bogenzugsystem; Doppelkeilverschluß (685). — Armstrong's Ringkanone (685). — Geschütz und Schiffspanzer (686). — Rodman. Armstrong's »Woolwich-Geschütz« (687). — Uchatius' Stahlbronze (687). — De Bange und Canet (687). — Krupp (688). — Schnellfeuergeschütze (688). — Würfelpulver und prismatisches Pulver (689). — Rauchschwaches Pulver (690). — Nitrocellulose- und Nitroglycerinpulver (691). — Alfred Nobel (691). — Corbit (692). — Das Artillerie-Geschoß (694). — Hartguß- und Stahl- panzergranaten (695). — Zündergranate und Shrapnel (697). — Die Bomben (698). — Inhalts-Verzeichniß. Mörser aus Stahlbronze (700). — Eintheilung der schweren Geschütze (701). — Belagerungs- geschütze (702). — Vertheidigungsgeschütze (704). — Minimalschartenlafetten (705). — Küsten- geschütze (706). — Schiffsgeschütze (708). — Krupp und Armstrong (711). — Die Gebirgs- geschütze. Oesterreich-Ungarn (715). — Frankreich (715). — Italien und Schweiz (718). — Das Schießen der Artillerie (719). — Das »indirecte Richten« (724). — Die Schnellfeuer- geschütze (725). — Allgemeines (726). — Hotchkiß (727). — Maxim (728). — Gatling (732). — Canet (734). — Krupp's 105 Millimeter-Geschoß (736). — Fahrbare Panzerlafette (737). — Gruson's Feldlafette und Gruson's Schnellfeuer-Haubitze (738). — Gruson's 12 Centimeter- Schnellfeuer-Haubitze (739). — Das Grusonwerk in Magdeburg-Buckau (740). — Hartguß- Panzerplatte und Minimalschartenlafette (741). — Die Schießversuche im September 1890 (744). — Versenkbare Panzerlafette (750). — Kugelförmiger Panzerstand (751). — Canet's Schnell- feuer-Feldgeschütz (752). — Die Krupp'schen Kanonenwerkstätten (754). — Die Schießstätte in der Krupp'schen Gußstahlfabrik (756). — Der Schießplatz zu Meppen (756). — Das Geschütz- wesen in den Vereinigten Staaten von Amerika (762). — DasDynamitgeschütz von Zalinski (762). — Der Dynamitkreuzer »Vesufius« (765). — Die pneumatische Kanone von Dudley (766). — Das Hicks'sche Schleudergeschütz (768). — Buffington's und Crozier's Versenkungs- lafette (772). — Pneumatischer Rückstoßapperat (774). Zweiter Abschnitt: Panzerschutz der Landbefestigungen. Eintheilung der gepanzerten Schutzwehren (777). — Panzerthürme (778). — Französische Panzerthürme (779). — System Mougin (779). — System Souriau (782). — System Buffi è res (782). — Verbessertes System Mougin (783). — Gruson'scher Drehthurm (786). — Versenkungs- lafetten (787). — Bukarester Wettbewerb (788). Dritter Abschnitt: Die Handfeuerwaffen. Die Armeegewehre (791). — Allgemeines über Repetirgewehre (792). — Das System Jarman, Spitalsky und Schulhof (793). — Die kleincalibrigen Repetirgewehre (794). — Das Lebel-Gewehr (795). — Das System Lee (798). — Das Mannlicher-Gewehr (800). — Die Abstreifsysteme (803). — Maxim's sebstthätiges Repetirgewehr (803). — Die Jagdgewehre (804). — Bügeldruckverschluß und langer Schlüsselverschluß (805). — Tople-, Pedal- und Excenterverschluß (806). — DasChoke-Rifled-Gewehr (807). — Expreßläufe (808). — Le- faucheux und Lancaster (809). — Collath's Dreilaufsystem (810). — Ballistische Messungen (811). — Wagner's Hebelprobe und Uchatius' Pulverprobe (812). — Stauchapparate (813). — Messung der Geschoßgeschwindigkeit (814). — Geschwindigkeitsmesser von Le Boulang é (815). Siebenter Theil: Die Verkehrsmittel zu Land. (Seite 817.) Erster Abschnitt: Fahrräder. — Draisinen. Die Erfindung des Fahrrades durch Karl v. Drais (819). — Das »Hobby-Horse« und das »Manumotive« (820). — Das Velociped (821). — Das Niederrad (822). — Das Gestell des Niederrades (823). — Die Räder (824). — Die Radreifen (825). — Das Montiren und Demontiren eines Pneumatik-Radreifens (826). — Die Luftpumpen (827). — Der Antriebs- mechanismus; das Kurbellager (828). — Kettenschutzvorrichtung (829). — Die Pedale (830). — Lenkstangen, Sattel und Bremsvorrichtung (831). — Laterne und Signalglocke (832). — Kothblech und Fußstütze (833). — Sicherheitsschlösser, Peitsche, Satteltaschen, Reisesäcke (834). — Inhalts-Verzeichniß. Das Zweirad im Kriegsdienste (835). — Zusammenklappbares Militärfahrrad (835). — Die Ausrüstung des Militärradfahrers (839). — Englische Militär-Radfahrer (841). — Militär- Radfahrer in Frankreich, Deutschland, Oesterreich-Ungarn und Italien (841). — Schweiz und Rußland (842). — Das Tandem (842). — Das Sextupler (843). — Das Dreirad (843). — Dreiräder älterer Construction (844). — Das moderne Dreirad (845). — Haupteigenschaften des Dreirades (846). — DasHochrad (847). — Die heutigen Draisinen (848). — Draisinen mit Balancier und Hebel (849). — Draisinen mit Zahnrad und Hebel (850). — Eisenbahn-Velociped (851). — Dampf-Draisinen (855). — Nautische Velocipede (856). — Riesen-Tricycle (857). — Reclame-Trycicle (859). — Das Fahrrad im Dienste des Lösch- wesens (860). — Feuerwehr-Quadricycle (861). — Wasservelociped (862). — * * * Die Fahrrad-Fabrikation (864). Zweiter Abschnitt: Die Motorwagen. Historisches (873). — Cugnot's Dampfwagen (873). — Murdock's Versuch (874). — Trevethick's »Feuerwagen« (875). — Motorwagen mit Dampfbetrieb. System Gaillardet (877). — System Scotte (879). — Gasmotorwagen (881). — Das Benzin-Automobil (882). — Das Motor-Dreirad (884). — Dion \& Bouton's Benzin-Tricyles (886). — Modell Rochet (892). — Anhängewagen (892). — Avant-Trains (893). — Die Tri-Voiturette (893). — Voiturette von L é on Boll é e (894). — Die Quadricyclen (895). — Die Automobilette (896). — Dion \& Bouton's Quadricycle (897). — Das Motocyclette (898). — Die elektrisch betriebenen Motorwagen (899). — Allgemeine Gesichtspunkte (901). — Neue elektrische Motorwagen (901). — Amerikanische elektrische Motorwagen (903). — Die Automobile als Armeefahr- zeuge (904). Dritter Abschnitt: Die Locomotiven. Einleitende Bemerkungen (907). — Die Leistungsfähigkeit der Locomotiven (909). — Die Compoundlocomotive (910). — Das Duplex-System (911). — Flaman's Doppelkessel- locomotive (911). — Die amerikanische Stronglocomotive (911). — Verbundlocomotive System Vauclain (912). — Der Locomotivbau in den einzelnen Ländern (913). — Ameri- kanische Locomotiven (917). — Steigerung in der Leistungsfähigkeit der Locomotiven (923). — Die schwersten Typen (924). — Der Schnellverkehr (928). — Die zwei schnellsten Expreß- züge (929). Verzeichniß der Abbildungen. Vollbilder. Zwischen Seite 1. Titelbild. (Vor dem Haupttitel.) 2. Amerikanischer Hochofen 24 und 25 3. Hochofenanlage mit dem Arbeitsplatz der Hochofenschmiede in der Königshütte (Preußisch-Schlesien) 32 “ 33 4. Amerikanisches Bessermerwerk 62 “ 63 5. Calibrirtes Walzwerk 104 “ 105 6. Blechwalzwerk in der Königshütte (Preußisch-Schlesien) 108 “ 109 7. Bessemerwerk in der Krupp'schen Gußstahlfabrik 144 “ 145 8. Die Krupp'sche Gußstahlfabrik in Essen 160 “ 161 9. Die Königshütte mit der Teichpromenade 176 “ 177 10. Große Horizontal-Turbine an den Great Falls, Montana (Nord-Amerika) 226 “ 227 11. Turbinen- und Pumpen-Installation zu Genf-Coulouvreni è re (Constructeur: Escher Wyß \& Co.) 232 “ 233 12. Die Thalbrücke bei Müngsten 288 “ 289 13. Die Kornhauserbrücke in Bern 294 “ 295 14. Neue viergeleisige Eisenbahn-Drehbrücke über den Harlem River (New-York) 342 “ 343 15. Hamburger Doppelschrauben-Schnelldampfer »Fürst Bismarck« 392 “ 393 16. Doppelschrauben-Schnelldampfer »Kaiser Wilhelm II. « des Norddeutschen Lloyd 396 “ 397 17. Kesselanlage der »Pennsylvania« 400 “ 401 18. Stapellauf des amerikanischen Passagierdampfers »St. Louis« auf der Cramp'schen Werft zu Philadelphia 420 “ 421 19. Schnelldampfer des Norddeutschen Lloyd den Rothesand-Leuchtthurm passirend 452 “ 453 20. Elektrisch betriebener Drehkrahn in Hamburg 462 “ 463 21. Eisernes Schwimmdock der kaiserlichen Werft zu Danzig 472 “ 473 22. Eisernes Schwimmdock der kaiserlichen Werft zu Wilhelmshafen 492 “ 493 23. Excavator mit langer Eimerleiter in Tiefbaggerung arbeitend 512 “ 513 24. Verdeck des italienischen Schlachtschiffes «Duilio» 550 “ 551 25. Russisches Schlachtschiff neuester Type 596 “ 597 26. Seitenansicht der Backbordmaschinen des italienischen Panzerschiffes » Re Um- berto « 600 “ 601 27. Armirter Kreuzer »New-York« (U. S. A.) 604 “ 605 28. Geschützthurm des amerikanischen Monitors »Amphitrite« 608 “ 609 29. Das spanische Schlachtschiff »Oquendo« nach dem Seetreffen bei Santiago di Cuba 616 “ 617 30. Elektrische Beobachtungsmine mittelst eines Rostes verankert 640 “ 641 31. Krupp's 40 Centimeter-Marinegeschütz auf dem Transport 712 “ 713 32. Canet's 10 Centimeter-Schnellfeuergeschütz. Aeltere Construction (Positions- und Marinegeschütz) 736 “ 737 33. Der Dynamit-Kreuzer »Vesuvius« 762 “ 763 34. Amerikanisches 52 Tonnen-Geschütz auf der 150 Tonnen-Geschützwaage im Watervliet-Arsenal 768 “ 769 Verzeichniß der Abbildungen. Abbildungen im Texte. Einleitung. Seite 1. Vignette (Eiserner Kohlenbehälter) 1 2. Der größte Frachtendampfer der Welt — die »Pennsylvania« — nach dem Stapellauf 3 3. Schußbahn der Krupp'schen 24 Centi- meter Küstenkanone 7 4. Der Krupp'sche Schießplatz zu Meppen (Kärtchen) 8 5. Specielkarte des Montblanc 8 Seite 6. »Kaiser Wilhelm d. Große« auf Stapel 9 7. Bugtheil des »Kaiser Wilhelm des Große« 10 8. Achtertheil des »Kaiser Wilhelm des Großen« ( Text-Vollbild 12 9. Welt-Roheisenerzeugung 14 10. 9 Centimeter-Stahlbronzemörser 15 11. Verdeck des deutschen Panzerschiffes »Brandenburg« ( Text-Vollbild ) 16 Erster Theil: Stahl und Eisen. Seite 12. Vignette 17 13. Meteoreisen von Catorza (Mexiko) 20 14. Meteoreisen von Kokstad (Griqualand) 20 15. Meteoreisen von Her River Mounts 21 16. Meteoreisen von Hraschina (Croatien) 21 17. Transport des großen Meteoreisens von Bondego (Brasilien) im No- vember 1887 22 18. Hochofen (Schema) 28 19. Der untere Theil eines amerikanischen Hochofens 29 20. Querschnitt eines altartigen Hoch- ofens 30 21. Koksofenanlage der »Königshütte«, Preußisch–Schlesien ( Text-Voll- bild ) 32 22. Cowper'scher Winderhitzer 34 23. Cowper'scher Winderhitzer (Höhen- durchschnitt) 35 24. Cowper'scher Winderhitzer (Quer- schnitt) 36 25. Schlackentransportwagen 36 26. Schlackenwagen 37 27. Howdon's Schlacken-Transportsvor- richtung 38 28. Verladevorrichtung der Duquesne- Hochöfen 39 29. Gießpfannwagen 40 30. Locomotivgießwagen 41 31. Masseltransport 43 32. Krahnanlage der »Niederrheinischen Hütte« in Duisburg-Hochfeld 44 33. Niederrheinische Hütte in Duisburg- Hochfeld (Lagerplatz mit Seilbahn) 45 34. Hochofenanlage der Friedrich Wil- helm-Hütte zu Mühlheim a. d. Ruhr 47 35. Puddelofen (Längenschnitt) 50 36. Puddelofen (Querschnitt) 50 37. Beim Puddelofen 51 Seite 38. Geschmiedete Eisenbahnwaggon-Rad- scheiben der Witkowitzer Gußstahl- fabrik 52 39—50 Damascenerstahl (12 Muster) 55 51. Centrifugalstahl 56 52. Vierfache Kurbelwelle für den Schnell- dampfer »Kaiser Wilhelm der Große« 58 53. Converter (Bessemer-Birne) 61 54. Schematische Darstellung einer Besse- mer-Anlage 62 55. Converter-Proceß bei Beginn 63 56. Converter-Proceß am Schlusse des Entkohlens 63 57. Converter-Proceß, Kippen der Birne 64 58. Converter-Proceß, Füllung der Ingots 64 59. Bessemeranlage der Königshütte, Preußisch-Schlesien ( Text-Voll- bild ) 65 60. Plan der Troy Steel Companys New Works in Breaker-Island 69 61. Martinofen 72 62. Bellmann'sche Beschickungsvorrich- tung 73 63. Martinwerk mit Wellmann'scher Be- schickungsvorrichtung 75 64. Bertrand-Thiel-Ofen ( I ) 78 65. Bertrand-Thiel-Ofen ( II ) 78 66. Bertrand-Thiel-Ofen ( III ) 79 67. Bertrand-Thiel-Ofen ( IV ) 80 68. Welt-Schweißeisenerzeugung 81 69. Welt Flußeisenerzeugung 81 70. Zahnrad-Förderbahn für Martinöfen 82 71. Formguß 86 72. Transport von Ingots in einer amerikanischen Gießerei 88 73. Aetzproben einer heißen Flußeisen- charge mit ausgesaigerter Schlacke im Kern 89 Verzeichniß der Abbildungen. Seite 74. Aetzprobe einer normalen Flußeisen- charge 90 75. Aetzprobe einer Flußeisencharge mit kaltem Gange 91 76. Gießen im Krupp'schen Martinstahl- werke IV 92 77. Friedrich Wilhelm-Hütte zu Mühl- heim a. d. Ruhr (Röhrengießerei) 93 78. Formkasten mit gegossenem Rohr 94 79. Dampfhammer im Hüttenwerke von Etainges ( Text-Vollbild ) 100 80. Schmiedepresse in der Krupp'schen Gußstahlfabrik zu Essen 101 81. Hydraulische Luppenpresse 102 82. Walzwerk im Hüttenwerke von Etainges 106 83. Röhrenwalzwerk in der Laurahütte, Preußisch-Schlesien ( Text-Voll - bild ) 108 84. Mannesmann-Walzverfahren 112 85. Mannesmann'sche Fabrikate 113 86. Mannesmann'sche Fabrikate 114 87—90. Klatte'sche Walzketten (4 Stadien) 115 91. Klatte'sche Walzkette 116 92—100. Ketten aus einem Stabe (9 Stadien) 116 101—104. Pressen einer Hohlkugel aus Stahl (4 Stadien) 117 105. Spiegeleisen (Aetzprobe) 122 106. Weißstrahliges Eisen (Aetzprobe) 122 107. Graues Roheisen (Aetzprobe) 122 108. Hartes Flußeisen (Aetzprobe) 122 109. Mittleres Flußeisen (Aetzprobe) 123 Seite 110. Sehr weiches Flußeisen (Aetzprobe) 123 111. Schweißeisen (Aetzprobe) 123 112. Cementstahl (Aetzprobe) 123 113. Natürlicher Cementstahl, polirt bei gleichzeitiger Aetzung 124 114. Geschmiedeter Stahl, reliefartig polirt 124 115. Geschmiedeter Stahl, polirt bei gleichzeitiger Aetzung 124 116. Geschmiedeter Stahl, auf 800 Grad erhitzt und bei 720 Grad gehärtet, polirt bei gleichzeitiger Aetzung 124 117. Natürlicher Cementstahl, polirt bei gleichzeitiger Aetzung 125 118. Geschmiedeter Stahl, auf 850 Grad erhitzt und bei 720 Grad gehärtet, polirt bei gleichzeitiger Aetzung 125 119. Cementstahl auf 1050 Grad erhitzt und im Eiswasser gehärtet, polirt bei gleichzeitiger Aetzung 125 120. Geschmiedeter Stahl auf 900 Grad erhitzt und bei 720 Grad gehärtet, polirt bei gleichzeitiger Aetzung 125 121. Querschnitt durch einen Schienen- kopf. Sprünge in der Oberfläche 128 122. Längenschnitt durch einen Schienen- kopf 128 123. Längenschnitt durch einen Schienen- kopf 128 124. Längenschnitt durch die Schneide eines Stahlmeißels 128 125. Querschnitt einer Schiene nach 12jährigem Gebrauche 129 126. Kesselhaus einer Maschinenanlage 132 Zweiter Theil: In den Arbeitsstätten der Cyklopen. Seite 127. Vignette (Puddelstahl-Walzwerk in der Krupp'schen Gußstahlfabrik in Essen) 133 128. Tiegelstahl-Schmelzbau in der Krupp'schen Gußstahlfabrik 139 129. Speichenradstern in Stahlformguß unter der hydraulischen Presse ver- bogen und verdreht 150 130. Speichenradstern in Stahlformguß unter der hydraulischen Presse ver- bogen und verdreht 150 131. Panzerplatten-Walzwerk in der Krupp'schen Gußstahlfabrik 152 132. Dortmunder Eisen- und Stahlwerk zu Dortmund (Union) 169 133. Räderdreherei des Dortmunder Eisen- und Stahlwerkes 171 134. Horster Eisen- und Stahlwerk (Union, Horst bei Steele) 173 135. Laufkrahn für Handbetrieb 178 136. Bockkrahn 179 Seite 137. Feststehender Drehkrahn mit Hand- betrieb 180 138. Fahrbarer Drehkrahn mit Hand- betrieb 181 139. Locomotiv-Dampfkrahn 182 140. Großer Quaikrahn mit gekuppelter Maschine und Drehwerk 183 141. Support-Drehbank 185 142. Plan- und Spitzendrehbank 186 143. Plandrehbank 187 144. Verticale Plandrehbank 188 145. Bohr-Drehbank 189 146. Verticale Bohrmaschine 190 147. Mehrschneidige Bohrmaschine 191 148. Universal-Fräsmaschine 192 149. Universal-Fräsmaschine 193 150. Tischbohrmaschine 193 151. Blechkanten Hobelmaschine 194 152. Shapingmaschine 195 153. Stoßmaschine 196 154. Schwungradpresse 197 Verzeichniß der Abbildungen. Vierter Theil: Der Eisenschiffbau. Seite 294. Vignette (Schwimmdock) 357 295. Symington's »Geschwindboot« (1788) 360 296. Fitch's Dampfschiff (1788) 361 297. Fulton's erstes Dampfschiff (1803) 362 298. Fulton's »Clermont« (1807) 363 299. Bell's »Comet« (1812) 363 300. Ankunft des Dampfers »Sirius« vor New-York am 22. April 1838 364 301. Passagierdampfer »Forth« (1849) 365 302. »Great Britaine«, erster eiserner Schrauben-Oceandampfer (1845) 366 303. Halber Querschnitt eines eisernen Schiffes 368 304. Gewöhnliche Schaufelräder 370 305. Patent-Schaufelräder 370 306—308. Gewöhnliche Schiffsschraube 370 309—310. Gräffäth-Schraube 370 311. Schraube in der Scheide 372 312. Schraube vorgestreckt 373 313. Schraube mit ausgebreiteten Schrau- benflügeln und fertig zum Dienste 374 314. Querschnitte moderner Schnelldampfer im Vergleich zum »Great Eastern« 375 315. Rauchsalon des Bremer Lloyd- dampfers »Kaiser Wilhelm II. « 376 316. Speisesalon des Bremer Lloyd- dampfers »Kaiser Wilhelm II. « 377 317. Auf Deck ( Text-Vollbild ) 379 318. Im Hafen ( Text-Vollbild ) 381 319. Dampfsteuerapparat 382 320. Commandobrücke des Hamburger Dampfers »Columbia« 383 321. Feuerraum eines Oceandampfers ( Text-Vollbild ) 385 322. Der Hamburger Schnelldampfer »Columbia« in voller Fahrt ( Text- Vollbild 387 323 . Blick in den Maschinenraum eines amerikanischen Passagierdampfers (Oberansicht der Cylinder) 388 324. Mittlerer Theil des Maschinen- raumes eines amerikanischen Passa- gierdampfers 389 325. Blick in den Maschinenraum eines amerikanischen Passagierdampfers (Antriebs-Mechanismen) 390 326. Schnitt durch den Kesselraum des Schnelldampfers »Fürst Bismarck« 391 327. Schnitt durch den Maschinenraum des Schnelldampfers »Fürst Bis marck« 392 328. Promenadendeck des Bremer Schnell- dampfers »Kaiser Wilhelm II. « 395 329. Der Frachtendampfer »Pennsylvania« der Hamburg-Amerika-Linie ( Text- Vollbild ) 402 330. Vorraum zum Salon I. Classe eines englischen Schnelldampfers 404 Seite 331. Damensalon und Bibliothek eines englischen Schnelldampfers 405 332. Die »Campania« vor dem Stapel- lauf 406 333. Die Kessel der »Campania« 407 334. Das Hintersteven der »Campania« 408 335. Die »Campania« 409 336. Die »Potosi«, das größte Segel- schiff der Welt 412 337. Mississippi-Dampfer in New-Orleans ( Text-Vollbild ) 413 338. Der Hudson River-Dampfer »Adi-« »rondak« 415 339. Galerie des Dampfers »Adirondak« 417 340. Einfach-Condensatormaschine des Dampfers »Adirondak« 418 341. Salon I. Classe eines amerikanischen Schnelldampfers 419 342. Treppenraum eines amerikanischen Schnelldampfers 422 343. Der amerikanische Passagierdampfer »St. Louis« auf der Cramp'schen Werft zu Philadelphia 423 344. Walfischrücken-Stahlschiffe 424 345. Das amerikanische Kabelschiff »Ma-« »ckay-Bennett« 425 346. Belociped-Dampfschiff von Robert Freyer 427 347. Belociped-Dampfschiff 428 348. Graham's transatlantischer Riesen- dampfer 429 349. Bazin's Rollschiff 430 350—351. Bazin's Rollschiff. Durchschnitt und Deckplan 431 352. Beckman's Rollboot 433 353. Schlick'sche Cylinder- und Kurbel- anordnung 437 354. Nebelreißen auf dem Meere 441 355. Indienfahrer im Nordweststurme auf der Höhe des Cap der guten Hoff- nung 443 356. Wetter-Signalapparate 446 357. Sturmsignale 447 358. Die Flaggen des internationalen Signalbuches 448 359. Fernsignale 449 360. Leck des österreichischen Lloyddampfers »Electra« 450 361. Leck des österreichischen Lloyddampfers »Electra« 451 362. Uebung mit Rettungsbooten auf einem deutschen Oceandampfer ( Text- Vollbild) 454 363. Uebung mit Rettungsbooten auf einem deutschen Oceandampfer 456 364. Bereithalten der Rettungsboote 457 365. Brandt's neuer Rettungsapparat »Lu-« »baeca« an Bord 458 Verzeichniß der Abbildungen. Seite 366. Brandt's neuer Rettungsapparat »Lu-« »baeca« im Wasser, von 7 Mann belastet 459 367. Elektrisch betriebenes Boot ( Text- Vollbild ) 460 368. Plan d. Hamburger Hafens (Kärtchen) 462 369. Hamburg. Querschnitt des Baaken- hafens. Ausstattung der Quais 463 370. Der Baakenhafen in Hamburg 464 371. Aus der Speicherstadt Hamburgs 465 372. Trockendock der Hamburg-Amerikani- schen Packetfahrt-Gesellschaft in Ham- burg 466 373. Schwimmdock der Reiherstieg-Schiffs- werfte in Hamburg ( Text-Voll- bild ) 468 374. Schwimmdock der Schiffswerfte von Blohm \& Voß in Hamburg 470 375. Der große (150 Tonnen-) Krahn in Hamburg 471 376. Schwimmdock 473 377. Bremerhaven und Geestemünde (Kärt- chen) 474 378. Stettiner Maschinenbau-Actiengesell- schaft »Vulcan« 475 379. Der Hafen von Southampton 478 380. Blick auf die Docks von Southampton 479 381. Fahrbarer Krahn am » Prince of Wales «-Dock 481 382. Schwimmcaisson in Schlußstellung 484 383. Innenraum des Schwimmcaissons 485 384. Das für Havaña bestimmte Schwimm- dock auf der Fahrt über den Atlanti- schen Ocean 486 385. Hydraulisches Trockendock in San Francisco 487 386. Hydraulisches Trockendock in San Francisco. (Ansicht eines Pfeilers) 489 387. Hydraulisches Trockendock in San Francisco (Querschnitt der Hubvor- richtung) 491 388. Schiffshebewerk des Great-Western- Canals 495 389. Hydraulisches Schiffshebewerk 496 390. Schwimmer-Hebewerk 497 391. Schwimmende Schleuse 498 392. Schiffshebewerk bei Henrichenburg 499 393. Ansicht des Oberhauptes des Schiffs- hebewerkes bei Henrichenburg 501 394. Die Prigradabank am »Eisernen« »Thor« mit dem neuen Schifffahrts- canal (Kärtchen) 509 Seite 395. Die Prigradabank des »Eisernen« »Thores« vor der Regulirung, bei kleinstem Wasserstande 510 396. Der neue Schiffahrtscanal durch die Prigradabank 511 397. Excavator mit kurzer Eimerleiter 514 398. Excavator mit Transporteur 517 399. Excavator mit Transporteur 519 400. Naßbagger 520 401. Schwimmbagger bei den Regulirungs- arbeiten an der Kataraktenstrecke der Donau 521 402. Das Baggerschiff »Branker« bei der Arbeit 523 403. Das Baggerschiff »Branker« Ansicht eines Theiles vom Deck mit Bunkern und hydraulischen Hebemaschinen zur Entleerung derselben 524 404. Sondirschiff 525 405. Bohrfloß zur Regulirung der Strom- hindernisse in der Kataraktenstrecke der Donau 526 406. Felsenbrechschiff 527 407. Amerikanisches Bohrschiff 529 408. Der Suezcanal (Schleusenwerk am Süßwassercanal) 530 409. Das Nil-Delta. Oestliche Hälfte mit Kairo und dem Suezcanal (Kärtchen) 531 410. Port Said (Kärtchen) 532 411. Suez (Kärtchen) 532 412. Dampfer mit elektrischem Scheinwerfer auf der Fahrt durch den Suezcanal 534 413. Elektrischer Scheinwerfer der Brush- Gesellschaft 535 414. Situationsplan des Nicarguacanals 537 415. Der Nicaraguacanal. (Die Stelle des projectirten Ochva-Dammes im Nica- raguasee) 538 416. Der Nord-Ostseecanal (Kärtchen) 539 417. Situationsplan des Nord-Ostsee- canals (Kärtchen) 540 418. Der Nord-Ostseecanal Längenprofil und Querprofil 541 419. Partie des Nord-Ostseecanals während des Baues 542 420. Partie des Nord-Ostseecanals während des Baues 543 421. Der Nord-Ostseecanal. Blick in eine Schleusenkammer 544 422. Nächtliche Necognoscirung in See ( Text-Vollbild ) 546 Fünfter Theil: Die Kriegsmittel zur See. Seite 423. Vignette. (Geschützthurm des spani- schen Schlachtschiffes »Biscaya«) 547 424. Französisches Casemattschiff »Dé«- »vastation« (Längenansicht und Bat- teriedeck) 552 Seite 425. Französisches Brustwehr-Thurmschiff »Duguesclin« (Längenansicht und Oberdeck) 553 426. Barbette-Geschütze des englischen Schlachtschiffes »Collingwood« 555 Verzeichniß der Abbildungen. Seite 427. Brustwehr Thurmschiff ( Text-Voll- bild ) 556 428. Italienisches Citadellschiff »Italia« 557 429. »Duilio«, italienisches Citadellschiff 558 430. Französischer Kreuzer »Duquesne« (Längenansicht und Oberdeck) 559 431. Englischer Kreuzer »Powerful« 560 432. Drehthurm, System Griesson 562 433. Cerbère, Drehturm 563 434. Nowogrod (Schnitt mittschiffs) 564 435. Nowogrod (Ansicht von vorne) 564 436. Nowogrod (Plan des Deckes und des Manöverdeckes 565 437. Deutsches Panzerschiff »Kurfürst« »Friedrich Wilhelm« 568 438. Deutsches Panzerschiff »Wörth« in Parade 569 439. Hintere Deckaufbauten des Panzer- schiffes »Brandenburg« 570 440. Gefechtsmast eines Schlachtschiffes 571 441. Stapellauf des Panzerschiffes »Ersatz« »Friedrich der Große« 573 442. Hundert Tonnen-Schwimmkrahn der kais. Werft in Kiel ( Text-Vollbild ) 575 443. Französisches Panzerschiff »Gloire« (Längenschnitt) 576 444. Französisches Panzerschiff »Magenta« (Längenschnitt) 576 445. Französisches Casemattschiff »Oc é an« (Deckplan) 576 446. Französisches Casemattschiff »Riche- lien« (Längenschnitt) 576 447. Fixer Thurm des Casemattschiff »Oc é an« 577 448. Französisches Barbette-Thurmschiff »Admiral Duperré« (Längenansicht und Oberdeck) 578 449. Das französische Schlachtschiff »Car-« »not« 579 450. Das französische Schlachtschiff »Bon-« »vet« 580 451. Französischer armirter Kreuzer »Char-« »ner« 581 452. Französischer armirter Kreuzer » Dupny « » de Lôme « 582 453. Französisches Schlachtschiff »Jauré« »guilderrry« 584 454. Französisches Schlachtschiff »Brennus« 585 455. Englisches Batterieschiff »Warrior« (Längenschnitt) 587 456. Englisches Batterieschiff »Northumber-« »land« (Längenschnitt) 587 457. »Hercules« (Längenschnitt) 588 458. »Hercules« (Deckplan) 588 459. »Invincible« (Längenschnitt) 588 460. »Invincible« (Geschützaufstellung) 588 461. »Alexandra« (Längenansicht) 589 462. »Alexandra« (Geschützaufstellung) 589 463. »Temeraire« (Längenansicht) 589 464. »Temeraire« (Geschützaufstellung) 589 Seite 465. »Devastation« (Längenansicht) 590 466. »Devastation« (Deckplan) 590 467. »Dreadnought« (Längenansicht) 590 468. »Dreadnought« (Geschützaufstellung) 590 469. »Inflexible« (Längenansicht) 591 470. »Inflexible« (Deckplan) 591 471. Englisches Schlachtschiff I. Classe »Hanibal« (Majestie) 592 472. Englisches Schlachtschiff I. Classe »Barfleur« 593 473. Englischer geschützter Kreuzer »Cudy-« »mion« 594 474. Englischer Kreuzer »Australia« 595 475. Russischer Kreuzer (Neuesten Typs) 597 476. Deckplan der russischen Kreuzer neuesten Typs 598 477. Deckplan der russischen Schlachtschiffe neuesten Typs 598 478. Italienisches Panzerschiff »Gardegna« 599 479. Amerikanisches Schlachtschiff »Iowa« 600 480. Amerikanisches Schlachtschiff »Ore- gon« 603 481. Amerikanisches Schlachtschiff »In- diana« 604 482. Amerikanischer armirter Kreuzer »Brooklyn« 605 483. Amerikanischer Küstenvertheidigungs- Monitor »Amphitrite« 606 484. Amerikanischer Monitor 607 485. Gefechtsmast eines amerikanischen Schlachtschiffes 608 486. Das französische Schlachtschiff »Hoche« im Trockendock ( Text-Vollbild ) 610 487. Panzerschiffbau. Aufbau vom Kiel aus 612 488. Panzerschiffbau. Ansicht der Spanten gegen den Bug 613 489. Unterhalb des Panzerdeckes 614 490. Bau des Panzerschutzdeckes 615 491. Herstellung des Geschützdeckes 616 492. Krupp's 300 Millimeter-Copmoud- platte (Vorderseite) 619 493. Krupp's 300 ;Millimeter-Compound- platte (Rückseite) 620 494. Krupp's 400 ;Millimeter-Compound- platte (Vorderseite) 620 495. Krupp's 400 ;Millimeter-Compound- platte (Rückseite) 620 496. Krupp's 300 ;Millimeter-Nickelstahl- platte (Vorderseite) 621 497. Krupp's 300 Millimeter-Nickelstahl- platte (Rückseite) 621 498. Krupp's 400 Millimeter-Nickelstahl- platte (Vorderseite) 622 499. Krupp's 400 Millimeter-Nickelstahl- platte (Rückseite) 622 500. Panzer von dem Projectile aus dem 13zölligen Geschütz durchlöchert 624 501. Wirkungen der Geschosse aus 10- 12- und 13zölligen Geschützen auf den Gürtelpanzer 625 Schweiger-Lerchenfeld. Im Reiche der Cyklopen. 60 Verzeichniß der Abbildungen. Seite 502. Seitenansicht der Backbord-Maschinen des italienischen Panzerschiffes »Sar-« »degna«( Text-Vollbildi ) 626 503. Zwillingsschraubenmaschinen der »La-« »tona«, »Naiad«, »Flora« 628 504. Maschine des » Duke of Lancaster « 629 505. Dreifachexpansionsmaschine des Schlachtschiffes »Majestic« 631 506. Maschine der Panzerkreuzer II. Classe »Juno«, »Doris« 632 507. Der englische Torpedojäger »Starflih« 635 508. Quer-Stapellauf des deutschen Kreuzers »Victoria Luise« 639 509. Versenken einer Seemine mittelst Dampfkrahnes 642 510. Genie-Oberst Baron Ebner's Camera obscura 643 511—512. Contactmine des amerikanischen Genear l s Naines 644 513. Zünder für Elektro-Contactminen 645 514. Elektro-Contactmine 646 515. Ruck's Tauchungs-Regulator 647 516. Explosion einer Seemine im Hafen von Baltimore 648 517. Auftakelung eines Torpedo-Schutz- netzes 651 518. Französischer Torpedo-Kreuzer »Con- dor« 652 519. Lancirraum eines Torpedobootes 654 520. Lancirung eines Kabel-Torpedo (Victoria-Torpedo) 655 521. Lancirung eines Torpedos durch Ab- lassen vom Deck 657 522. Lancirung eines Whitehead'schen Torpedos 659 Seite 523. Heck-Lancirapparat 660 524. Lancirung eines Torpedos mittelst Schießpulvers 661 525. Breitseit-Lancirapparat 662 526. Französische Torpedo-Lancirkanone 662 527. Canet's neueste Torpedo-Lancir- kanone I 663 528. Canet's neueste Torpedo-Lancir- kanone II 663 529. Bauer'scher Brandtaucher 664 530. Nordenfeltboot unter Wasser 665 531. Nordenfeltboot (Querschnitt) 666 532. Tuch'sches Boot 668 533. Gonbet's Unterseeboot 669 534. Gonbet's Unterseeboot I (Längen- schnitt) 670 535. Unterseeisches Boot »Goubet II « (Bug) 671 536. Unterseeisches Boot »Goubet II « (Achter) 672 537. Lake's unterseeisches Boot (Längen- schnitt) 674 538. Lake'sunterseeisches Boot über Wasser 675 539. Lake's unterseeisches Boot in voller Fahrt mit versenktem Deck 675 540. Lake's unterseeisches Boot. Total- ansicht unter Wasser 676 541. Längsschnitt durch Holland's unter- seeisches Boot 671 542. Die »Holland« vor Anker mit Tor- pedokanone 678 543. Die »Holland« im Stadium des Tauchens bei 10 Knoten Fahrge- schwindigkeit 679 544. Steuerhäuschen der »Holland« 680 Sechster Theil: Die Kriegsmittel zu Land. Seite 545. Vignette (15 Centimeter stahlbron- zener Mörser) 681 546. Ein gedrehtes Geschoß 684 547. Bemäntelte Spitzbombe für den Bogen- zugmörser 684 548. Proben von Würfelpulver und pris- matischem Pulver 689 549. Amerikanisches Würfelpulver 690 550. Amerikanisches rauchschwaches Pulver 681 551. 30½ Centimeter-Kanonen, Ladung 200 Kilogramm, gewöhnlich Schwarz- pulver 552. 7½ Centimeter-Kanonen, Ladung 0‧585 Kilogramm, rauchschwarzes Pulver 694 553. Photografie eines Projectiles im Fluge 695 554. Spitzbombe für Stahlbronze-Mörser 696 555. Ecrasitgeschoß 696 556. Shrapnel für Mörser 696 Seite 557. Gußform für den ersten gezogenen eisernen Hinterlader-Mörser 696 558. Glattes Mörserrohr 697 559. Eiserne Spitzbombe ohne Mantel 697 560. Profil der Bohrung mit Wechsel- zügen 697 561. Spitzhohlgeschoß (Spitzbombe) 697 562. Gezogener eiserner Hinterlade-Mörser 698 563. 21 Centimeter stahlbronzener Mörser 699 564. Treffer aus einem 21 Centimeter- Hinterlade-Mörser 700 565. Wirkung auf die verticale Stirn- mauer. Vorderansicht 700 566. 21 Centimeter eiserner Hinterlade- Mörser 701 567. Spitzbombe für vorstehenden Mörser 701 568. Angriffsbatterie mit 21 Centimeter- Belagerungsmörser 702 569. 12 Centimeter-Minimalscharten-La- fette 703 Verzeichniß der Abbildungen. Seite 570. Zwischenbatterie mit 9 Centimeter- Feldkanonen 704 571. Festungslafette 705 572. Mobile Angriffsbatterie mit 12 Centi- meter-Belagerungskanonen 706 573. 15 Centimeter-Küstenkanone 707 574. 24 Centimeter-Küstenkanone 708 575. 9 Centimeter-Stahlbronze-Geschütz, klar zum Feuern 709 576. Krupp'sches 48 Tonnen-Geschütz 710 577. Thurmgeschütz auf Gr. Majestät Schiff »Kronprinz Rudolf« 711 578. Oesterreichisch-ungarisches Gebirgs- geschütz 714 579. Französisches Gebirgsgeschütz 716 580. Schweizerisches Gebirgsgeschütz 717 581. Geschoßabprall 720 582. Geschoßaufschlag 720 583—584. Geschoßaufschlag 721 585. Batterie im Feuer 722 586. Das Schießen der Artillerie: Indi- rectes Richten 723 587. Fünfläufiges Hotschlitz-Geschütz 726 588. Hotschlitz-Schnellfeuergeschütz_ _ 727 589. Fünfpfündiges Hotschlitz-Schnellfeuer- geschütz mit Rücklauf 728 590. Selbstthätiges Maximgeschütz neuester Construction 729 591. Schnellfeuergeschütz, System Maxim 730 592. Marinegeschütz, System Maxim 731 593. Maxim-Feldgeschütz neuester Con- struction 732 594. Bespanntes Maxim-Geschütz 733 595—596. Maxim-Geschütz. Verschluß ge- schlossen und geöffnet 734 597.Batterie zum Abladen bereit. (Das Maxim-Geschütz im Sudanfeld zug) 735 598. Batterie fertig zum Feuer. (Das Maxim-Geschütz im Sudanfeldzug) 736 599. Gatling's Revolverkanone (Modell für Landkrieg) 736 600. Gatling's Revolverkanone (Type für die Marinewaffe) 738 601. Krupp's 10‧5 Centimeter-Schnellfeuer- Kanone 739 602. Gruson's53 Millimeter-Schnellfeuer- Feldkanone 740 603. Gruson's Schnellfeuer-Kanone mit Pivot-Gelenklafette 741 604. Fahrbare Panzerlafette für eine 3‧7 Millimeter-Schnellfeuer Kanone 742 605. Fahrbare Panzerlafette für eine 5‧3 Centimeter-Schnellfeuer Kanone 472 606. Gruson's fahrbare Panzerlafette 743 607. Versenkbare Panzerla f ette für eine 5‧3 Centimeter-Schnellfeuer-Kanone 744 608. Gruson's Schnellfeuer-Haubitze in Feldlafette 745 609. Gruson's Schnellfeuer-Haubitze 746 Seite 610. Krupp's 7‧5 Centimeter-Schnellfeuer- Kanone ( I ) 747 611. Krupp's 6‧5 Centimeter-Schnellfeuer- Kanone ( I ) 747 612. Krupp's 7‧5 Centimeter-Schnellfeuer- Kanone ( II ) 748 613. Krupp's 6‧5 Centimeter-Schnellfeuer- Kanone ( II ) 748 614. Gruson'sche Panzerlafette für eine 15 Centimeter-Haubitze ohne Vor- panzer und Unterbau 749 615. Gruson'sche 21 Centimeter-Hartguß- mörser 750 616. Canet's Schnellfeuergeschütz (Rück- ansicht) 751 617. Canet's Schnellfeuergeschütz (Vorder- ansicht) 753 618. Verschluß zu Canet's Schnellfeuerge- schütz 755 619. Gewölbe des großen Krupp'schen Schießplatzes zu Meppen 757 620. 24 Centimeter-Kanone, Ladung 80 Kilogramm, gewöhnliches Schwarz- pulver 758 621. 12 Centimeter-Kanone, Ladung 1‧9 Kilogramm, rauchschwarzes Pulver 759 622. Zalinski's Dynamitgeschütz (Aelteste Verwendungsart als Schiffsgeschütz) 760 623. Zalinski's Dynamitgeschütz in Küsten- befestigung 761 624. Zalinski's Dynamitgeschütz in seiner jetzigen Gestalt 763 625. Dudley's pneumatische Kanone 764 626. Die Dudley-Kanone; das Mittelrohr durch ein aufschlagendes Projectil zertrümmert 765 627. Projectile der Dudley-Kanone 766 628. Das Schleudergeschütz 767 629. Zwölfzölliges amerikanisches Küsten- vertheidigungs-Geschütz 768 630. Rückansicht eines zwölfzölligen ameri- kanischen Küstenvertheidigungs-Ge schützes 769 631. Stellung der Versenkungs-Lafette beim Laden des Geschützes 770 632. Versenkungs-Lafette gehoben, Geschütz schußbereit 771 633. Mörser mit pneumatischem Rückstoß- apparat 773 634. Mörser mit pneumatischem Rückstoß- apparat (Feuerstellung) 774 635. Munition für Feld-, Belagerungs- und Strandbatterien (Nordamerika) 775 636. Panzer-Drehthurm 776 637. Panzerthurm für zwei 15 Centimeter- Geschütze in Lafetten ohne Rücklauf 778 638. Französischer Panzerthurm älterer Construction, System Mougin 779 639. Sourrau's Panzerthurm mit hydrau- lichem Versenkungs-Mechanismus 780 60* Verzeichniß der Abbildungen. Seite 640. Bussi è res' Panzerthurm mit hydrau- lischem Versenkungs-Mechanismus 781 641. Panzerthurm der Maasbefestigungen, System Mougin 782 642. Hartguß-Panzerthurm für zwei 24 Centimeter-Geschütze, im Bau 783 643. Dasselbe Object, äußere Ansicht 784 644. Aeußere Ansicht einer Hartguß- Panzerbatterie 787 645. Das Innere einer Hartguß-Panzer- batterie 787 646. Krupp's 28 Centimeter-Kanone in Küstenlafette mit hydraulischem Be- triebe 789 647. Vorderschafts-Magazinsgewehr Jar- man 793 648. Mittelschafts-Magazinsgewehr Spi- talsky 793 649. Kolben-Magazinsgewehr Schulhof I 793 650—651. Das Lebelgewehr. Ansicht des Gewehres von rechts und von oben 796 652—655. Das Lebelgewehr. Degenbajou- net, Aufsatz und Verschlußgehäuse 797 656—659. Das Lebelgewehr. Verschluß, vorderes Ende des Gewehres, Zu- bringer und Patrone 798 660. Das Lebelgewehr. Noch nicht voll- kommen geöffneter Verschluß 799 661. Das Lebelgewehr. Vollkommen ge- öffneter Verschluß 799 662. Repetirgewehr, System Lee 800 663. Repetirgewehr, System Mannlicher (älteres Modell) Magazin oberhalb des Verschlusses 801 Seite 664. Repetirgewehr, System Mannlicher (älteres Modell), Magazin unterhalb des Verschlusses 801 665—666. Das Mannlicher-Gewehr (Ar- meegewehr) 802 667—668. Repetirgewehr, System Mann- licher. Magazin, fixer Kasten und fixer Zubringer, Magazin im Kasten geladen, Zubringer gespannt 803 669. Bügelbruchverschluß 805 670. Langer Schlüsselverschluß 805 671. Topleverschluß 806 672. Pedal- oder Side-snap -Verschluß 807 673. Excenterverschluß 807 674. Collath's Dreilauf-Doppelflinte (ge- schlossen und gespannt) 808 675. Collath's Dreilauf-Doppelflinte (ge- öffnet, Schlösser gespannt) 808 676—677. Collath's Dreilauf-Gewehre (Doppelbüchse und Doppelflinte) 809 678. Pulverprobe nach Wagner 810 679. Pulverprobe nach Uchatius 811 680. Gasspannungsmesser für Geschütze (Uchatius) 812 681. Gasspannungsmesser für Gewehre (Crusher) 812 682. Geschwindigkeitsmesser 813 683. Apparat Le Boulang é 814 684. Fallgewicht zum Apparat Le Bou- lang é 815 685. Ausschalter zum Apparat Le Bou- lang é 815 686. Dum-Dum-Geschosse 816 Siebenter Theil: Die Verkehrsmittel zu Land. Seite 687. (Vignette) Aelterer Motorwagen mit Gasbetrieb 817 688. Karl Drais' »Laufmaschine« (1818) 820 689. Das »Hobby-Horse« (1830) 821 690. M. Revis' »Manumotive« (1839) 822 691. Normal-Niederrad 823 692. Das Fahrradgestell (Humber-Type) 824 693. Das Niederrad (Normal-Schema) 824 694. Hohlreif (Durchschnitt) 825 695. Continental-Pneumatik 825 696—698. Pneumatiks 826 699—701. Pneumatiks 827 702. Pneumatik 828 703. Montiren des Pneumatiks 828 704. Montiren des Reifens 829 705—707. Luftpumpen 830 708. Gebrauch der Luftpumpe auf Ständer 830 709. Radständer 831 710. Aufpumpen der Pneumatiks 832 711. Kurbellager 833 712. Die Achse des Hinterrades 833 Seite 713. Die Achse des Hinterrades 834 714. Stabile Kettenschutzvorrichtung 834 715.—718. Pedale 835 719. Vorderstange 836 720—721. Gebogene Lenkstangen 836 722—723. Die Gabel des Vorderrades 836 724—727. Fahrradsättel 837 728—730. Bremsen 837 731—733. Fahrrad-Laternen 838 734—735. Satteltaschen 838 736. Reisetasche 838 737. Militärfahrrad der Waffenfabrik in Steyr 839 738. Ph. Czeipek's zusammmenklappbares Militärfahrrad 840 739. Radfahrer in voller Ausrüstung im Feuer 841 740. Radfahrer-Patrouille im Feuer 842 741. Radfahrer-Patrouille 843 742. Französische Armee-Radfahrer 844 743. Englische Armee-Radfahrer 844 Verzeichniß der Abbildungen. Seite 744. Englische Armee-Radfahrer im Ge- fecht 845 745. »Styria«- Doppelsitz-Niederrad 846 746. Das Sertuplet im Wettlauf mit dem » Empire State Express « 847 747. Dreirad älterer Construction 848 748.—749. Dreiräder älterer Construction 849 750. Modernes Dreirad 850 751. Styria-Hochrad 851 752. Draisine mit Balancier 852 753. Draisine mit Zahnrad und Hebel 852 754. Bahnmeisterdraisine der russischen Bahnen 853 755. Eisenbahn-Velociped Fiebrand 853 756. Eisenbahn-Velociped Sheffield 853 757. Eisenbahn-Velociped System Koppel 854 758. Eisenbahn-Velociped Kalamazzo 854 759. Eisenbahn-Velociped System Koppel 855 760. Verbessertes Eisenbahn-Velociped Fiebrand 855 761. Verbessertes Balère'sches Bicycle 856 762. Vervollkommnetes Monocycle 857 763. Riesen-Tricycle 858 764. Reclame-Tricycle 859 765. Schoedelin's Feuerwehr-Quadricycle 860 766. Schoedelin's Feuerwehr-Quadricycle in Action 861 767. Barna's nautisches Vicycle 862 768. Pinkert's nautisches Vicycle 863 769. Najork's Wasservelociped 864 770. Schmiede in einer Fahrradfabrik 866 771. Dreherei in einer Fahrradfabrik 867 772. Reparatur-Werkstätte in einer Fahr- radfabrik 868 773. Fahrrad-Magazin 869 774. Vignette 872 775. Cugnot's Straßenlocomotive 874 776. Trevethick's Dampfkutsche 875 777. Gaillardet's Dampfwagen 878 778. Dampfwagen nach dem System Scotte 880 779. Tricycle von Dion \& Bouton mit 1¼ Pferdekräften 883 780. Tricycle von Dion \& Bouton mit 1¾ Pferdekräften 884 781. Tricycle von Dion \& Bouton mit 1¾ Pferdekräften, Modell Rochet 885 782. Hinteransicht des Rochet-Tricycles 886 783. Anhängewagen von Alfred Balval- lette 887 784. Motordreirad mit Anhägewagen 887 785. Dreirad, für die Anbringung eines Vorsteckwagens vorgerichtet 888 786. Abnehmbarer Avant-Train von Chenard 888 Seite 787. Die Tri-Voiturette 889 788. Die Voiturette L é on Boll é e (rechte Seitenansicht) 890 789. Die Voiturette L é on Boll é e (linke Seitenansicht) 891 790. Das Quadricycle von Dion \& Bouton 892 791. Quadricycle mit in einem Koffer um- gewandelten Avant-Trainsitz 893 792. Automobilette 894 793. Quadricycle von Dion \& Bouton 895 794. Das Motorzweirad (Seitenansicht) 896 795. Das Motorzweirad (Vorderansicht) 897 796. Elektrische Motorwagen (Gesammt- ansicht) 898 797. Elektrische Motorwagen (rückwärtiger Theil) 898 798. Elektrischer Motorwagen (vorderer Theil) 899 799. Elektrisch betriebener Motorwagen 900 800. Remise mit elektrisch betriebenen Motorwagen (Nordamerika) 902 801. Schlußvignette 905 802. Abgekürzter Eisenbahnzug 906 803. Tandem Compoundeilzuglocomotive 908 804. Dupler-Compoundgüterzuglocomo- tive 909 805. Französische Schnellzuglocomotive 910 806. Amerikanische Stronglocomotive 911 807. Die Maschine der Verbundlocomotive Vauclain's 912 808. Schnellzuglocomotive der französi- schen Ostbahn 913 809. Schnellzuglocomotive der belgischen Staatsbahnen 914 810. Englische Tenderlocomotive 915 811. Nordamerikanische Locomotive (Type »American«) 916 812. Nordamerikanische Locomotive (Type »Consolidation« 917 813. Nordamerikanische Zehnkuppler 918 814. Nordamerikanische Tenderlocomotive 919 815. Achtkuppler im Betriebe der Semme- ring- und Brennerbahn 922 816. Die größte Locomotive der Welt 923 817. Locomotive Nr. 999 des » Empire « » State Express « 924 818. Der » Empire State Express « in voller Geschwindigkeit 925 819. Locomotive » Worcester « des » Cornish Express « 926 820. Der » Cornish Express « in voller Geschwindigkeit 927 821. Schlußvignette: Amerikanische Wald- bahn-Locomotive 930 Werke von Amand Freiherr v. Schweiger-Lerchenfeld. Atlas der Himmelskunde. Auf Grundlage der Ergebnisse der coelestischen Photografie. Von A. v. Schweiger-Lerchenfeld. 62 Kartenblätter und 67 Foliobogen Text mit 540 Abbildungen. — In Original-Prachtbank 24 fl. = 40 M. Afrika . Der dunkle Erdtheil im Lichte unserer Zeit. Von A. v. Schweiger-Lerchenfeld. Mit 300 Illustrationen in Holzschnitt und 18 colorirten Karten. 60 Bog. Gr. 8 Geh. 9 fl.= 16 M. 20 Pf. In Original-Prachtband 10 fl. 50 kr. = 18M. 90 Pf. Von Ocean zu Ocean . Eine Schilderung des Weltmeeres und seines Lebens. Von A. v. Schweiger-Lerchenfeld. Mit 12 Farbendruckbildern, 215 Illustrationen in Holzschnitt, 16 color. Karten und 30 Plänen im Text. 60 Bog. Gr. 8 Geh. 9 fl. = 16 M. 20 Pf. In Original-Prachtband 10 fl. 50 kr. =18 M. 90 Pf. D as E iserne J ahrhundert. Von A. v. Schweiger-Lerchenfeld. Mit 200 Illustr. hervorr. Künstler, Karten und Plänen ꝛc. 50 Bog. Gr. 8, Prächtigste Aus- stattung. Geh. 7 fl. 50 kr. = 13 M. 50 Pf. In Original-Prachtband 9 fl. = 16 M. 20 Pf. Zwischen Donau und Kaukasus. Land- und Seefahrten im Bereiche des Schwarzen Meeres. Von A. v. Schweiger-Lerchenfeld. Mit 215 Illustr. in Holzschnitt und 11 colorirten Karten, hiervon 2 große Uebersichtskarten. 50 Bog. Gr. 8. Geh. 7 fl. 50 kr. = 13 M. 50 Pf. In eleg. Original-Prachtband 9 fl. = 16 M. 20 Pf. Das Frauenleben der Erde. Geschildert von A. v. Schweiger-Lerchenfeld. Mit 200 Orig.-Zeichnungen von A. Wanjura . 40 Bog. Gr. 8. Geh. 6 fl. = 10 M. 80 Pf. In Orig.-Prachtband 7 fl. 50 kr. = 13 M. 50 Pf. Die Adria . Geschildert von A. v. Schweiger-Lerchenfeld. Mit 200 Illustrationen, 6 Plänen und einer großen Karte des Adriatischen Meeres. 50 Bog. Gr. 8. Geb. 7 fl. 50 kr. = 13 M. 50 Pf. In Original-Prachtband 9 fl. = 16 M. 20 Pf. D er O rient. Geschildert von A. v. Schweiger-Lerchenfeld. Mit 215 Illustrationen in Holzschnitt, vielen Karten und Plänen. 60 Bog. Gr. 8. Geh. 9 fl. =16 M. 20 Pf. In Orig.-Prachtband 10 fl. 50 kr. = 18 M. 90 Pf. Tauern-Gold . Eine Geschichte aus dem Knappenleben in den Hochalpen. Von A. v. Schweiger-Lerchenfeld. 9 Bog. 8. In Originalband 2 fl. = 3 M. 60 Pf. A. Hartleben's Verlag in Wien, Pest und Leipzig. Werke von Amand Freiherr v. Schweiger-Lerchenfeld. Marokko. Von Edmondo de Amicis. Nach dem Italienischen frei bearbeitet von A. v. Schweiger-Lerchenfeld. Mit 165 Original-Illustrationen. 50 Bog. 4. Geh. 7 fl. 50 kr. = 13 M. 50 Pf. In Orig.- Prachtband 9 fl. = 16 M. 20 Pf. Die Erde in Karten und Bildern. Handatlas in 63 Karten, 125 Bogen Text, Quartformat, mit 1000 Illustrationen. Text von A. v. Schweiger-Lerchenfeld. Vollständig in 5 Abtheilungen à 5 fl. = 8 M. Eleg. in Halbfranz-Prachtband geb. 30 fl. = 50 M. Aus unseren Sommerfrischen. Ein Skizzenbuch. Von A. v. Schweiger-Lerchenfeld. Mit 12 Illustrationen von J. J. Kirchner . 20 Bog. 8. In Farbendruckumschlag geh. 3 fl. 30 kr. = 6 M. Abbazia. Idylle von der Adria . Von A. v. Schweiger-Lerchenfeld. Mit 19 Illustrationen von L. E. Petrovits . 10 Bog. 8. Originell cart. 1 fl. 80 kr. = 3M. 25Pf. Veldes. Eine Idylle aus den Julischen Alpen. Geschildert von A. v. Schweiger-Lerchenfeld. Mit 40 Illustrationen von Ladislaus Benesch . 12 Bog. 8 Geb. 2 fl. = 3 M. 60 Pf. Illustrirter Führer an den Italienischen Alpenseen und an der Riviera di Ponente sowie auf den Zugangsrouten mit dem Standquartier Mailand. Von A. v. Schweiger-Lerchenfeld. Mit 40 Holzschnitt-Illustrationen und 4 Karten. 15 Bog. 8 Bädeker-Einband. 2 fl. = 3 M. 60 Pf. Das neue Buch der Natur. Zwei Bände . Von A. v. Schweiger-Lerchenfeld. I. Band : Naturbeobachtung und Naturstudien. Mit 240 Abbildungen im Texte und 18 Vollbildern. 35 Bog. Gr. 8 Geh. 5 fl. = 9 Mark. In Orig.-Prachtband 6 fl. 50 kr. = 11 M. 50 Pf. II. Band : Die Hilfsmittel zu Naturstudien. Mit 316 Abbildungen im Texte und 18 Vollbildern. 35 Bog. Gr. 8 Geh. 5 fl. = 9 Mark. In Original-Prachtband 6 fl. 50 kr. = 11 M. 50 Pf. DasBuch der Experimente. Physikalische Apparate und Versuche. — Mechanische Operationen. — Naturwissenschaftliche Liebhabereien. Von A. v. Schweiger-Lerchenfeld. Mit 425 Figuren im Texte und einer Beilage. — 25 Bog. Gr.-Octav. In Original-Farben- druck-Einband 3 fl. 30 kr. = 6 M. A. Hartleben's Verlag in Wien, Pest und Leipzig. Werke von Amand Freiherr v. Schweiger-Lerchenfeld. Das Mikroskop. Leitfaden der mikroskopischen Technik nach dem heutigen Stande der theoretischen und praktischen Erfahrungen. Von A. v. Schweiger-Lerchenfeld. Mit 192 Abbild., u. zw. 91 Text-Abbild, 3 Vollbildern und 12 Tafeln (mit zus. 91 Einzel- darstellungen). 10 Bog. Gr. 8 Geh. 1 fl. 65 kr. = 3 M. Eleg. geb. 2 fl 50 kr. = 4 M. 50 Pf. Im Kreislauf der Zeit. Beiträge zur Aesthetik der Jahreszeiten . Von A. v. Schweiger-Lerchenfeld. Mit einem Titelbilde und 60 Text-Illustrationen. 16 Bog. Kl. 8. Eleg. Ausstattung. In reich verziertem Orig.-Prachtband (nach dem Entwurfe von Prof. Hugo Stroehl). 3fl. 30 kr. = 6M. V om rollenden F lügelrad. Darstellung der Technik des heutigen Eisenbahnwesens . Von A. v. Schweiger-Lerchenfeld. Mit 669 Abbildungen und 25 Vollbildern. 50 Bog. Gr. 8. Geh. 7 fl. 50 kr = 13 M. 50 Pf. In Orig.-Prachtband geb. 9 fl. = 15 M. Im Reiche der Cyklopen. Eine populäre Darstellung der Stahl- und Eisentechnik. Von A. v. Schweiger-Lerchenfeld. Mit 855 Abbildungen, hievon 34 Vollbilder auf separaten Cartons. 60 Bog. Gr. 8. Geh. 9 fl. = = 15 M. In Original-Prachtband 10 fl. 50 kr. = 17 M. 50 Pf. Z wischen P ontus und A dria. Skizzen von einer Tour um die Balkan-Halbinsel. Von A. v. Schweiger-Lerchenfeld. 16 Bog. 8 Geh. 1 fl. 65 kr. = 3 M. Die Donau. als Völkerweg, Schiffahrtsstraße und Reiseroute. Von A. v. Schweiger-Lerchenfeld. Mit 360 Abbildungen, darunter 22 Vollbildern und 107 Karten letztere zum Theil in Farbendruck. Gr. 8. Geh. 9 fl. = 15 M. In Original-Prachtband 10 fl. 50 kr. = 17 M. 50 Pf. Der Stein der Weisen. Illustr. Halbmonatschrift für Haus und Familie Unterhaltung und Belehrung aus allen Gebieten des Wissens. Am 1. und 15. jeden Monats erscheint ein Heft im Umfange von vier Bogen Groß-Quart mit 30 bis40 Illustrationen, darunter Vollbildern und Tafeln, und kostet jedes Heft nur 30 kr. = 50 Pf. Vierteljährig 1 fl. 80 kr. = 3 M. Halbjährig 3 fl. 60 kr. = 6 M. Ganzjährig 7 fl. 20 kr. = 12 M. Jährlich 24 Hefte (circa 800 doppelspaltige Seiten mit etwa 1000 Abbildungen. 12 Hefte bilden einen abgeschlossenen Band. In höchst elegantem Original-Einbande kostet jeder Band 5 fl. = 8 M. 50 Pf. Bisher liegen 11 Jahrgänge, d. i. 22 Bände, vollendet vor. Jeder Jahrgang oder Band ist beliebig einzeln käuflich. Prospecte auf Verlangen gratis. A. Hartleben's Verlag in Wien, Pest und Leipzig.