D es C hristlich: T eu͗tschen Königes H eꝛkules und der T euͤtschen K önigin V aliska W uͤndeꝛ- G eschicht. Andeꝛ Teil. Unteꝛ Römischeꝛ Kayseꝛlicheꝛ Maytt. sondeꝛbahrem schutz freyheit uͤnd Begnadigung. B rauͤnschweig . Getru͗ckt duͤꝛch Christoff Friedeꝛich Zilligeꝛ . Anno M.DC.LX. An die Allergroßmåchtigste/ Unuͤberwindlichste und Preißwirdigste R oͤmische K äyserliche N ajestaͤt A lleruntertaͤhnigste D ankbezeigung Vor die Dem Teutschen Herkules und seiner Boͤhmischen Valisken allergnaͤdigst erteilete F reyheit/ S chutz und B egnadigung. D Ie hoͤchste Majestaͤt der ganzen Christen-Welt Hat Herkulessen Wunsch und der Valisken Sinnen/ Mehr als ihr Hoffen wahr/ in Fried und Ruh gestelt/ Sie fuͤrchten sich nicht mehr voꝛ feindlichem begiñen/ Noch vor Verleumders Gifft. Des bittern Hassers Schuß Geht schadloß neben hin; weil sie des Adlers Fluͤgel In freyen Raum gesezt. Des Neiders draͤuen muß Ihm selbst nur schaͤdlich seyn. Sie sitzen auff dem Huͤgel Der festen Sicherheit. Der Dieb’ und Raͤuber Schaar Zeucht ihre Klauen ein. Wer hier wil Frevel uͤben/ Hat seine Straffe schon ohn unsere Gefahr; Der Adler haͤltuns Schuz/ drumb kan uns nichts betruͤben Im sichern Loberkranz. O hoͤchste Majestaͤt! Was sol Eur Herkules/ was sol Valiska stellen An guͤltign Dankes stat? Die Woltaht uͤbergeht Ihr Unvermoͤgen weit. Gleich wie die hohen Wellen a ij Herfal- Herfallen uͤber Grund und Tieffen. Wie der Schein Der Sonnen/ unser Lichtlaͤst keinen Schatten bringen; So faͤlt Valisken ihr Vermoͤgen gaͤnzlich ein/ Und laͤst ihr Herkules nichts als nur Wort’ erklingen/ Doch Worte/ die hervor aus tieffstem Herzen gehn/ Und seufftzen/ daß sie nicht so lautbar koͤnnen schallen/ Als wol ihr wuͤnschen ist. Nun wol! vor Gott bestehn Am besten/ die vor ihm demuͤhtig niderfallen/ Und sagen willig an/ daß ihr Vermoͤgen bloß Ein reiner Wille sey. Die pflegt Gott zuerheben/ Und schaͤtzet sie vor gnug. Bleht man sich selber groß Nach Pfau- und Kroͤten Art/ das ist ein wiederstreben Und schaͤndlicher Betrug. Ein solcher schlimmer Wuhl Muß/ wann er gleich vermeint/ er steh’ auff hoher Zinnen/ Eh’ als ers selber weiß/ hinunter in den Pfuel/ Dann wird er seines Nichts mit Schand und Schaden innen. Valisk’ und Herkules erkennen/ daß sie schwach Und allerunwerd sind. Durch Kaͤyserliche Guͤte Stehn sie/ und sonsten nicht. Es rinnet ihre Bach Aus Kaͤysers Gnaden-Meer. Sie stehen in der Bluͤte/ Dann dessen Woltaht-Schein beut Krafft und Waͤrme dar. Deß bringen sie den Dank demuͤhtigst/ und ergeben Sich deffen Majestaͤt zu eigen ganz und gar/ Von welcher sie ihr’ Ehr erlanget und ihr Leben. Drumb stimmen sie mit Mund und Herzen uͤberein/ Des Kaͤysers wollen wir Gehorsamst-eigne seyn. Des Des Christlichen Teutschen Herkules Ander Theil. Das Fuͤnfte Buch. H Erkules und Ladisla setzeten nach erhaltenem Siege ihre Reise auff Persepolis schleunig fort/ so viel der Verwundeten Gelegen- heit zulassen wolte; und als sie die Stad von ferne liegen sahen/ sagte Her- kules zu seinem Freunde: Unsere Valiska wird mit Verlangen nach uns auß fehen/ weil wir unsern durch Gott bekraͤftigten Sieg ihnen nicht zu wis- sen gemacht haben. Gleich in dem sahen sie eine zimliche Geschwade Reuter von der rechten Seiten auff sie zurennen/ von denen sie bey ihren Fahnen bald er- kennet wurden; dann es wahr Groß Fuͤrst Artaxerxes/ welcher nach angestelleter guter Ordnung bey seinem Haͤupt Heer wiederumb zuruͤcke kahm/ und ritte ein Medischer Abge- santer hinter ihm her. Sie empfingen einander uͤberaus freundlich/ und wahr wegen der treflichen Uberwindung sehr hohe Freude; daher Artaxerxes zu unsern Helden sagete: Nun ihr meine sehr werte Herren/ und vertrauete Bruͤderliche Freunde; freilich wird eu- er Ruhm und Ehre in diesen Morgenlaͤndern tauren/ als lange die Erden Kugel von dem Meer unuͤberschwemmet bleibet/ und ist die Fuͤrstl. Verbuͤndniß schuldig/ eure hochan- sehnliche Dienste nach allem Vermoͤgen zuerkennen. Hernach begab er sich hin zu den Saͤnfften/ in welchen Pharnabazus/ Arbianes/ Bubazes/ Tyriotes und Gallus getragen wurden/ zeigete sein Mitleiden wegen ihrer Verwundung an/ und versprach es mit Ver- geltung/ Gnade/ und Freundschaft zuersetzen. Endlich ruͤhmete er das ganze Heer wegen ihres wolverhaltens/ und verhieß ihnen samtlich drey Monat Sold zur Verehrung; woꝛ- auff er von unsern Helden in die Mitte genommen/ und aller Umstaͤnde ihres Sieges be- richtet ward/ da er sich nicht gnug verwundern kunte/ wie sie den hocherfahrnen und vor- sichtigen Feld Herrn Vologeses haͤtten moͤgen beruͤcken und aus dem Felde schlagen. Er hingegen meldete ihnen des Haͤupt Heers Menge und Zustand an/ und wie sie der Stad Persepolis naheten/ sagte er: Mich wundert nicht ein geringes/ wo Fuͤrst Gobares Voͤl- ker mogen blieben seyn/ weil ich keinen davon auff meinem Ruͤkwege angetroffen/ da sie doch diesen Streich her auf meine Anordnung eingelegt wahren; und hat er ja keine Vol- macht/ seines gefallens sie an andere oͤrter zufuͤhren; biß daher habe ich gewaͤhnet/ meine Herren wuͤrden sie zum Entsaz abgefodert haben. Ladisla erschrak der Rede hoͤchlich/ und sagte; lasset uns der Stad zueilen/ dann dieses gehet nimmermehr recht zu/ und wen- de Gott gnaͤdig ab/ daß Gobares nicht gar zum Schelm und Verraͤhter worden sey/ wie seine Voͤlker/ die wir mit uns gefuͤhret/ in dem sie teils nicht fechten wollen/ teils auff uns a iij zuge- Fuͤnftes Buch. zugeschlagen/ und umb ein Haar uns den Sieg auß den Haͤnden gerissen haͤtten. Herku- les sahe ihn an/ entsetzete sich vor seinen Scheltworten/ und redete ihm also ein: Wie mein Bruder? warumb schiltestu diesen Fuͤrsten/ ehe er der Untaht uͤberzeuget ist? vielleicht ist er unschuldig an dem verraͤhterischen Vornehmen seiner Leute. O Bruder/ antworte- te er/ des vergangenen bin ich gewiß genug/ helffe nur Gott/ daß nicht wol ein schlimmers in unserm abwesen von ihm begangen sey dessen ich sehr starke Muhtmassungen habe. Ich verstehe nicht/ sagte Artaxerxes/ worauff mein H. Bruder zihlet; solte aber Gobares zum Schelme worden seyn/ wollen wir uns daruͤber wenig bekum̃ern/ worauff aber sehr schwe- re Rache erfolgen wird. Gott verhuͤte es/ antwortete Ladisla/ daß meine Furcht nicht eintreffe/ so sol das ergangene mich nicht großirren. Als sie zur Stad einritten/ fragten sie/ wo Gobares Voͤlker waͤhren. Der Haͤuptman gab zur Antwort; sie koͤnten nichts ei- gentliches davon wissen/ ohn daß er gestern Abend alle seine Voͤlker vor dem Westentohr in moͤglicher Stille versamlet/ und umb Mitternacht davon gezogen/ auch etliche Saͤnf- ten/ wie man sagte bey sich gehabt/ und darinnen seine liebsten Schaͤtze hinweg tragen las- sen. Seine Schaͤtze? sagte Artaxerxes/ hat der Verraͤhter Schaͤtze auff meinem Schlos- se? vielleicht hat er meine Schaz Kammer beraubet? Ladisla zweifelte nicht mehr an der Warheit/ und sagte zu Herkules: Mein Bruder/ erschrik nicht; ich fuͤrchte er habe nicht seinen/ aber wol deinen Schaz entfuͤhret/ welchen wir mit Gottes Huͤlffe bald wiederhoh- len wollen/ weil er erst diese Nacht davon gezogen ist. O mein Bruder/ antwortete er; so hoch wird mich mein Gott verhoffentlich nicht straffen. Ihm ward aber so unsachte auf dem Pferde/ daß er sich nicht mehr halten kunte/ welches Artaxerxes ersehend/ ihn in das naͤheste Haus geleitete/ da ihm sein Herz dergestalt belieff/ daß ihm alle Sinne entgingen. Ladisla rante in Geselschafft etlicher Reuter nach dem Schlosse/ sprang vom Pferde/ und ohn wortsprechen lieff er nach der Fraͤulein Gemache/ welches er offen fand/ und Herku- les Leib Knaben samt Timokles in voller Ohmacht auff der Erde liegen; der Fraͤulein/ und drey andere Weibliche Kleider aber mitten im Gemache auff einem Tische/ und eine außgeloͤschete Kerze auff der Tuͤhr Schwelle. O mein Gott/ sagte er/ wie werde ich doch meinem lieben Herkules diß berichten koͤnnen? Er ruͤttelte Timokles so lange/ daß er zu sich selber kam/ und sagte zu ihm: Hoͤre mein Getraͤuer; wie ist dieses zugangen? Ach Gn. Fuͤrst/ antwortete er; mir ist hievon nicht das allergeringste bewust/ nur wie ich komme/ auffzuwarten/ finde ich leider wie es stehet. Ladisla wolte alhier nicht viel Zeit verlieren/ ging nach der Schloß Haͤuptwache/ und fragete; wo Fuͤrst Gobares waͤhre; aber da wahr niemand/ der hievon einige Nachricht zu geben wuste; nur daß etliche davor hielten/ er wuͤrde auff seinem Gemache/ und wol noch in der Ruhe seyn. Wie/ sagte Ladisla/ habt ihr dann hinte alle nur des Schlaffs gewartet? Er wird ja nicht mit allen den seinen uͤber die Maur geflogen seyn. Der Haͤuptman antwortete: Durchl. Fuͤrst/ es ist ja diese Nacht ein wunderliches wesen auf dem Schlosse gewesen; aber unser keiner hat bey Leib uñ Lebens- straffe sich duͤrffen sehen lassen; reiten/ fahren/ lauffen und bestellen hat man eine gute wei- le gehoͤret; wer es aber gewesen/ und was es bedeutet hat/ ist uns allerdinge verborgen. Es stund ein Kriegsknecht auf der Schildwache/ der berichtete: Er haͤtte ein klaͤgliches geheu- le etlicher Weib es bilder gehoͤret/ welches sich doch bald gestillet/ und darauff waͤhre der Ab- zug Fuͤnftes Buch. zug geschehen. Dessen muß ich sichere Gewißheit haben/ sagte Ladisla; ließ Timokles nach Gobares Gemache lauffen/ um zuvernehmẽ/ was vor Zeichen sich daselbst wuͤrden findẽ lassen. Aber da war eine gleichmaͤssige Einsamkeit/ ohn dz er etliche rohte Seidene Stricke liegen sahe/ die er auffhub/ und mit sich nahm. Also wolte Ladisla hieselbst nicht laͤnger ver- weilen/ ritte straks nach Herkules und traf ihn in jaͤmmerlicher Klage an. Artaxerxes troͤ- stete ihn auffs beste: es waͤhre ja noch ungewiß; und ob gleich die Entfuͤhrung geschehen/ wolte er sein Haͤupt nicht sanffte legen/ biß es grausam gestraffet waͤhre. Ach ach/ sagte Herkules/ hiedurch bekomt mein Fraͤulein ihre Ehre nicht wieder/ wann ihr solte Schande zugestossen seyn. Ja wer weiß/ ob sie nicht bereit Todes verblichen; dann lebendig hat sie sich in seinen boßhafften Willen nicht ergeben/ dessen ich wol versichert bin. Ladisla kam gleich darzu/ und sagte: Herzlieber Bruder/ staͤrke dein Gemuͤht/ und laß dich Unfal nicht erdruͤcken; klagen hilfft nicht/ und scumen nutzet nicht; laß uns den Almaͤchtigen Gott zu huͤlffe nehmen/ und unverzoͤglich folgen/ so koͤnnen wir ihn noch voꝛ Abends ereilen/ weil er mit Fußvolk und Reutern zugleich fortgehet. Auf dem Schlosse ist nichts ungebuͤhrliches vorgangen/ sondern man hat nur zum Abzuge geeilet/ und das Fraͤulein neben dem Frau- enzimmer aus den Betten geraubet/ und in den Saͤnfften davon gefuͤhret. Herkules be- dachte sich nicht lange/ sprang auf sein Pferd/ und in Geselschafft Artaxerxes und Ladisla setzete er dem Huefschlage nach/ da alle anwesende Persische und Medische Reuterey fol- geten/ und was in Persepolis kunte beritten gemacht werden. Fabius hatte den gefangenen Gobares vor sich bringen lassen/ sahe ihn mit grim̃igen Augen an/ und sagte zu ihm: Du schaͤndlicher Verraͤhter und meinaͤidiger Raͤuber der Koͤniglichen Fraͤulein; kennestu auch Kleon noch/ welchen du umb falsches verdachts willen hast wollen schelmischer weise ermorden lassen? Dieser sahe ihn an/ und erschrak daß er als ein Laub zitterte/ auch kein Wort reden kunte. Wie bistu nun so verzagt? fuhr Fabius fort; ist diß der tapfere Gobares/ der nicht gnug hat/ seiner Untertahnen Weiber zu schaͤnden/ er mus auch Koͤnigen und Fuͤrsten ihre Fraͤulein durch gewaltsame Diebe- rey entfuͤhren? doch werden die Goͤtter mit dir lange gnug durch die Finger gesehen ha- ben/ wann du nur mit einem Halse alle deine Bubenstük bezahlen koͤntest. Er wolte in sei- nem Zorn fortfahren/ aber Leches rieff uͤberlaut: Bald zu Pferde/ bald zu Pferde! dort vor uns erhebet sich ein dicker Staub/ welcher uns eines neuen Heeres ankunfft verstaͤn- diget. Die Gefangenen/ insonderheit Gobares und die man auff der Gutsche bekommen/ wurden fleissig verwahret; Fabius aber stellete die Voͤlker in schoͤne Ordnung/ des Vor- satzes/ einen redlichen Stand zu halten/ was sich auch begeben wuͤrde. Das Fraͤulein fo- derte alsbald Pferd und Gewehr/ und sagte mit sonderlicher Anmuht: Ich wil meine al- lerliebste Teutschen selbst fuͤhren/ ob ich vielleicht noch dereins ihre Groß Fürstin wuͤrde; woruͤber diese Voͤlker sich so inniglich freueten/ daß sie einmuͤhtig rieffen; Unsere Groß- Fuͤrstin lebe/ unsere Groß Fuͤrstin lebe! wolte auch ein jeder der naͤheste zu ihrem Schutze seyn/ und halff nichts/ daß Libussa und Euphrosyne nebest dem andern Frauenzimmer sie mit Traͤhen bahten/ sich des gefaͤhrlichen Wagstuͤckes zubegeben. Leches und die Boͤhmen ingesamt setzeten sich zu ihrer Rechten; Fabius und die Roͤmer zur Linken/ und tahten einen Wich in etwas hinter sich/ damit sie auff allen Fal Plaz und Raum zum Gefechte haben Fuͤnftes Buch. haben koͤnten; dann die nidergehauene Susianer wuͤrden ihnen sehr hinderlich daran ge- wesen seyn. Herkules mit den seinen eilete dermassen fort/ daß die Pferde kaum mehr fort- schreiten kunten/ biß sie endlich an die leeren Saͤnften kahmen/ und mit schmerzen sahen/ daß die Eyer ausgenommen/ und die ledigen Nester blieben wahren; woruͤber Herkules einen tieffen Seuffzer ließ/ und zu Ladisla sagte: Ach GOtt/ wer weis nun/ wohin mein Fraͤulein des schaͤndlichen Boͤsewichts mutwillen zuerfaͤttigen/ gefuͤhret ist? ritten gleich- wolfort/ und sahen von ferne eine grosse menge erschlagener Kriegsleute liegen/ auch in der naͤhe einen Verwundeten aus dem Pusche hervor kriechen/ welcher auff ihre Nach- frage zur Antwort gab: Es waͤhren eine grosse menge wilder erschrecklicher Leute uͤber sie kommen/ deren Sprache kein Mensch verstehen koͤnnen/ und haͤtten ihre Voͤlker nicht an- ders als Schaffe abgeschlachtet/ auch die schoͤnen Weibsbilder (mit ihrem guten Willen/ wie sichs ansehen lassen) aus den Saͤnfften hinweg gefuͤhret; koͤnten noch nicht gar weit seyn/ weil dieser Jammer vor wenig Stunden sich zugetragen/ und sie noch vor gar kur- zem sich mit einem sonderlichen Freudengeschrey haͤtten vernehmen lassen. Ey so moͤgen sie so wilde seyn als die ehmahligen Himmelstuͤrmer/ lasse ich ihnen doch diese Beute nicht/ sagte Herkules/ es sey dann/ daß sie mich auch niderhauen; sahe zugleich eine Schaar von 300 Reutern gegen sie daher traben/ welche die grossen schimmernden Schlachtschwerter umb ihre Haͤupter kommen liessen. Leches wahr ihr Fuͤhrer/ setzete auff Herkules freudig an/ und da er nahe zu ihm kam/ redete er mit auffgeschlagenem Helme also: Ihr Ritter; das Durchl. Koͤnigl. Fraͤulein aus Boͤhmen/ Fraͤulein Valiska/ und ihre Kriegs Ober- sten/ begehren von euch zu wissen/ wessen sie sich zu euch zuversehen/ und ob ihr gesinnet seid/ dem schelmischen Gobares beystand zu leisten/ alsdann saget man euch ab auff Leib und Leben. Herkules wahr hieruͤber so voller freuden/ daß er sein selbst vergaß/ setzte seinen Helm ab/ dann er kennete Leches/ und sagete: Wie nun mein geliebter Freund/ hat unser GOtt euch zu so gluͤkseliger Stunde hergesand/ mir meiner Seelen Lust zu retten? trauen ich werde satsame Ursach haben/ eure Traͤue zuerkennen. Leches sprang alsbald vom Pfer- de/ warff Helm und Schwert hinweg/ kuͤssete ihm die Hand/ und weinete vor freuden/ sen- dete auch alsbald einen Reuter zuruͤk/ dieser Freunde gegenwart anzumelden; dessen Fa- bius hoch erfreuet ward/ schikte seiner geworbenen Reuter einen an Ladisla/ und ließ ihm sagen. Es hielte dort bey dem sieghaften Heer ein Ritter/ der naͤhst demühtiger begruͤssung bey ihrer Durchl. umb verzeihung bitten liesse/ daß er ehmahls ungetraͤue Geselschaft gelei- stet/ und sie verlassen haͤtte. Ladisla kunte solcher geschichte sich nicht erinnern/ und antwor- tete: Ritter/ mit meinem wissen habe ich nie dergleichen untraͤuen Gesellen gehabt; da ich aber seinen Nahmẽ wissen solte/ moͤchte ich mich dessen besiñen. Dieseꝛ sagte/ wie wolte eure Durchl. den Nahmen eines so bekanten Freundes nicht wissen/ welcher dort herreñet/ eure Durchl. selbst zu sprechen. Ladisla erwartete sein/ wuste nicht wovor er ihn halten solte/ weil er mit verschlossenem Helme daher kam/ uñ mit verenderter Stim̃e ihn auff Persisch also anredete: Durchl. Fuͤrst/ ein ehmahls abgestrichener Landsknecht/ hat seinen fehler erkeñet/ uñ sich wieder finden wollẽ/ nachdem er sich keiner Gefahr mehr zubesorgẽ hat/ uñ forthin in sicherheit reiten kan; zweifelt nit/ es werde der veꝛlohrne Fabius wiederum koͤñen angenom- men werden. O mein herzgeliebter Bruder/ antwortete Ladisla/ lebet ihr noch? ey Gottlob Gott Fuͤnftes Buch. Gott Lob! nun bin ich mit allem wol zufrieden/ und werde mit froͤlichem Angesicht dereins wieder vor euren und meinen H. Vater treten koͤnnen; Aber wie hat mein Bruder sich so lange koͤnnen verborgen halten? Fabius antwortete/ ich bin nicht allerdinge verborgen ge- wesen/ sondern habe meinen Wandel gefuͤhret in Ketten und Banden/ unter Schlaͤgen uñ Streichen/ in Muͤhe und unflaͤtiger Arbeit/ bald Leibeigen bald frey/ und zum andernmahl mit meinem eigenen Gelde von mir selbst verkauft/ womit wir uns vordißmahl nicht wei- ter betruͤben wollen; nur freue ich mich/ daß mein abgesagter Feind Gobares/ der mich un- terschiedlichemahl zuermorden gesucht/ unter meine Haͤnde gerahten ist. So hat der Schelm unser aller Feind und Moͤrder seyn wollen/ sagte Ladisla; O wann er nur mit ei- nem Halse bezahlen koͤnte! Das Fraͤulein wolte ihren lieben Herkules auch erfreuen/ setze- te sich mit Euphrosynen und Libussen in eine Gutsche/ und fuhr geschwinde hin zu ihm. Er gedachte bald/ was vor ein Schaz auff dem verdekten Wagen seyn wuͤrde/ und rante ihr auff seinem Blaͤnken frisch entgegen/ welches sie ersehend/ vom Wagen sprang/ und seine Naͤherung mit liebscheinenden Auglein erwartete/ da er auch vom Pferde stieg/ und ihr mit offenen Armen entgegen trat/ sie einander auch nicht anders empfingen/ ob waͤhrẽ sie etliche Jahr lang geschieden gewesen/ und sagte sie mit trauriger Stim̃e zu ihm: Herz- geliebter Schaz/ darff auch die geraubete Valiska sich kuͤhnlich wie der zu ihrem Fuͤrsten hinbegeben? Ach mein Herz/ sagete er/ warumb fraget sie solches? ist euch etwa wieder eu- ren Willẽ Schmach angeleget/ so schlaget es/ bitte ich/ aus dem Siñe/ nachdem der grund- guͤtige Gott uns wieder zusammen gefuͤget hat. Ja freilich ist mir Schmach angetahn/ sagte sie/ aber Gott Lob/ ohn alle verletzung meiner Ehren/ welches ich bloß nur der barm- herzigkeit Gottes zu danken habe/ welcher des Frevelers Muht und Macht gebrochen/ uñ ihm alle Gelegenheit gehindert hat; wiewol er dannoch die Straffe außstehen sol/ weil ich ihn in meiner Gewalt habe. Als Herkules diese angenehme Zeitung hoͤrete/ kuͤssete er sie herzlich/ und sagete: Ey so bin mit meines lieben Gottes vaͤterlicher Zuͤchtigung ich wol zu friedẽ/ nachdem Ehre uñ Keuscheit erhalten ist. Aber was treten dort vor schoͤne Frauẽ her? die gewißlich dieser Landes Art nicht sind. Das Fraͤulein lachete/ wolte sie doch nicht nennen/ sondern winkete ihnen/ fortzugehen. Fr. Euphrosyne und Libussa traten voran/ Brela und Agatha folgeten/ kehreten sich an das Fraͤulein nicht/ sondern stelleten sich mit tieffer Neigung vor Herkules/ da die erste ihm die Hand kuͤssen wolte/ welches er doch nicht zugab/ sondern im umbfahen sie freundlich kuͤssete/ und mit grosser Verwunderung zu ihr sagete: O ihr meine getraͤue und werte Freundin/ was bewaͤget sie immermehr/ diese fer- ne Reise zutuhn? Durchl. Groß Fuͤrst/ antwortete sie/ die haͤupt Ursach unser aller ankunft ist das Verlangen/ das aller volkommenste Menschen-Par dieser Welt zu sehen/ und uns ihnen zu Dienste zuergeben. Meine neben Ursach ist/ daß ich das mir in verwarung gege- bene Ringelein/ wieder einliefern moͤge/ ehe ichs verliere/ welches ich hiemit untertaͤhnig einreiche. Frl. Valiska keñete solches alsbald/ nam es ungeheissen zu sich/ und sagete: Ge- liebte Freundin/ dieses stehet eigentlich mir zu/ drumb habe ich beydes vor gute Verwah- rung und vor eure uͤberkunft zu danken. Meine geliebte Wase Agatha/ fuhr jene fort/ nach dem sie berichtet ist/ daß ein so teurer Fürst sie von dem kalten liebes Feur des alten Man- nes/ und gar zu heissen Flammen der unverdientẽ Straffen erloͤset/ hat sie ihre Schuldig- b keit Fuͤnftes Buch. keit nach vermoͤgen abzulegen/ mit mir reisen wollen. Meine Schwester Libussa kan durch beredsamkeit ihre Notturft selber wol vortragen/ würde sie sich dessen etwa schaͤmen/ erken ne ich mich schuldig/ ihr Wort zu reden; kurz zu melden; sie koͤmt/ untertaͤhnigst zu dan- ken/ daß ihre Gn. den bewehrten Arzt ihrer Krankheit hat senden wollen/ der das geaͤngstete Herz gar sanft und gluͤklich geheilet hat; waͤhre er aber fünff Stunden laͤnger aussen blie- ben/ hatte man sich schon erklaͤret/ ihn aus der vermeinten Gefaͤngnis loß zu machen. Fr. Brela/ halte ich/ sey meiner Gn. Fraͤulein halben mit uͤberkommen/ umb zufragen/ was vor einen Ruͤkweg deren Durchl. zuhalten willens/ weil sie zu Tyrus durch freihische Ge- danken verhindert worden/ solches zuerforschen; und nachdem sie etwas furchtsam ist/ uñ nicht gerne allein schlaͤfft/ hat sie ihren liebsten/ ihres liebsten Schwester wolt ich sagen/ mit auff gesprochen. Das Frl. hatte grosses gefallen an dieser beredsamen Frauen Kurzweil/ da Libussa sich schon fertig hielt/ ihr eins wieder anzubringen/ durffte aber Herkules nicht in die Rede fallen/ welcher Euphrosynen zur Antwort gab: Geliebte Freundin; ihr freund- williges Herz gegen mich/ hat sie mir schon gnugsam zuerkennen gegeben/ da ich als ein U- beltaͤhter vor ihren Augen stund/ wovor ich ihr Zeit meines Lebens werde schuldig bleiben; und nun folget sie meinem hochgeliebten Fraͤulein und mir/ einen so beschwerlichen fernen Weg uͤber Meer und Land; duͤrfte auch schier errahten/ daß die uͤbrigen meine saͤmptlich geliebte Freundinnen durch ihr Auffmahnen hierzu beredet sind/ und also auch deren ge- wuͤnschte Gegenwart wir ihrer guten befoderung zu danken haben; empfing hierauff die andern ebenmaͤssig/ und bedankete sich ihrer Ankunft. Noch haͤtte Libussa sich gerne an Eu- phrosynen gerochen/ ward aber durch Klodius dran verhindert/ welcher sich vor Herku- les in die Knie setzete/ und bey dieser Rede ihm die Hand kuͤssete; Durchleuchtigster Fuͤrst/ Gn. Herr; euer Durchl. ich unwirdiger Knecht habe nicht umbhin gekunt/ dieses gute Gluͤk zuergreiffen/ und deroselben untertaͤhnigst zu folgen/ nachdem euer Durchl. ich alle meine Wolfahrt naͤhst Gott zu danken habe; bitte demnach untertaͤhnigst/ dieselbe wollen mich in den ehmahls bedieneten Plaz gnaͤdigst wieder auffnehmen/ welches mir ungleich angenehmer als meine Paduanische Oberhaͤuptmanschaft seyn sol. Herkules richtete ihn auff und antwortete: Mein getraͤuer und lieber Freund Klodius/ eure ankunft ist mir sehr lieb/ werde mich auch bemuͤhen solche Traͤue zuerkennen; daß ihr aber euch verringern/ uñ in einen nidrigern Stand treten soltet/ wuͤrde ohn meine Undankbarkeit nicht geschehen koͤnnen; muß also dahin trachten/ daß ihr mit groͤssern Ehren und Nahmen aus diesen Laͤndern scheidet/ als ihr hinein kom̃en seid; und nicht allein ihr/ sondern alle/ die aus gleich- maͤssiger zuneigung uns gefolget sind. Nach diesem stelleten sich Markus/ Neda uñ Prins- la bey Herkules ein/ und wurden sehr freundlich empfangen. Zu allerlezt trat auch Neklam herzu/ der eine Feldwebelschaft unter den Boͤhmen bedienete/ hatte sich aber von dem Fraͤu- lein noch nicht sehen lassen/ kniete dißmahl vor Herkules und ihr nider/ und sagte: O gnaͤ- digstes Fraͤulein/ daß ich nun von den Goͤttern Flügel erbitten koͤnte/ umb nach Prage zu fliegen/ und meiner allergnaͤdigsten Koͤnigin ihrer Durchl. Wolergehen anzumeldẽ. Si- he da Neklam/ sagte sie/ hastu in dem ungluͤkseligen Flecken nicht Wunden gnug empfan- gen/ du must sie auch hier suchen gehen? Ja/ antwortete er; ich bin heut durch diesen Arm/ den linken zeigend/ geschossen/ aber sanftere Wunde ist mir nie geschlagen. Gib dich zufrie- den/ Fuͤnftes Buch. den/ sagte sie/ ich wil sie dir verbinden/ daß du dichs erfreuen solt. Er meldete darauff des alten Wenzesla untertaͤhnigsten Gruß an/ und daß derselbe gerne diesen Zug mit getahn haͤtte/ wann seine Koͤnigin es nur haͤtte erlauben wollen. Das Fraͤulein nam den Gruß mit guter freundligkeit an/ und uͤbergab Neklam ihrem Herkules zum geheimen Diener an Gallus stat/ weil ohndaß derselbe wegen der Kriegsgeschaͤffte ihm nicht auffwarten kun- te. Die andern wahren unterdessen nach Ladisla gangen und hatten die Gebuͤhr abgelegt/ der sich uͤber ihrer Ankunft nit wenig freuete. Damahls ritte Artaxerxes hin zu dem Fraͤu- lein/ stieg vom Pferde/ und redete sie also an: Durchl. Fraͤulein; ich erfreue mich von Heꝛ- zen/ wegen euer Liebe geschehenen wunderbahren Rettung/ neben angehaͤngter Bitte/ keine ungleiche Gedanken von den Morgenlaͤndischen Fuͤrsten in gemein zufassen/ ob gleich ein Schand-Bube sich unter ihnen hat wollen finden lassen. Durchl. Fuͤrst und Herr/ antwoꝛ- tete sie; Ihrer Liebe Auffrichtigkeit werde weder ich noch jemand in zweifel zihen/ nachdem dieselbe viel zu aͤdel ist/ Untugend zu schuͤtzen/ vielweniger zubegehren; baht ihn nachge- hends/ er moͤchte neben Herkules/ Ladisla und Fabius einen geringen Abtrit mit ihr neh- men/ weil sie etwas vorzutragen haͤtte; und als ihr dieses gerne verwilliget ward/ neigete sie sich tieff/ und sagte mit ernsthaften Geberden: Großmaͤchtiger Groß Fuͤrst und Herr; wann die Hoch Fuͤrstliche Verbuͤndnis einen ihres mittels gewust haͤtten/ der ein so loͤbli- ches hochwichtiges Werk zu handhaben duͤchtiger waͤhre/ wuͤrden sie ohnzweifel denselben darzu haben erkohren; aber freilich ist das einhellige Loß billich auff eure Durchl. gefallen/ weil Gott selbst deren Seele mit klugem/ tapferen und gerechten Muht weit vor andere begabet/ damit durch ihre Versehung und Weißheit/ dem boͤsen gesteuret/ gewaltsamkeit auffgehoben/ Schande getilget/ uñ Gerechtigkeit erhalten werden moͤge. Dieses gibt mir ungezweifelte Versicherung/ eure Durchl. werde mir gnaͤdig goͤnnen/ mit dem boßhaften Raͤuber nach Recht zuverfahren/ auff daß andere ein Beyspiel nehmen/ sich solches Bu- benstuͤks zuenthalten/ welches in keines Menschen Herzen auffsteigen kan/ er habe dañ alle Ehr und Redligkeit verschworen uñ aus seiner Seele verbannet. Artaxerxes neigete sich hinwie der gegen sie/ und antwortete: Durleuchtigstes unvergleichliches Fraͤulein; das hohe Lob/ von euer Liebe mir gesprochen/ reichet noch lange an mein unvermoͤgen nicht/ wiewol die Begierde Fuͤrstlich zuhandeln/ ich bey mir gerne wolte spuͤren lassen; wann ich nun dieses unredlichen Raͤubers mich einiger Weise zum Schuz annehmen wolte/ was taͤhte ich anders/ als daß ich mich in gleichmaͤssige Schuld und Boßheit stuͤrzete/ in wel- cher dieser Unflaht oͤffentlich ergriffen ist? So hat nun eure Liebe voͤlligen Gewalt diesen verwaͤgenen Buben an Leib und Leben zustraffen/ welches Herr Fabius schon vor meineꝛ Ankunft erstritten/ und zu leisten gute Macht gehabt hat. Das Fraͤulein bedankete sich des erbietens/ und hielt weiter an/ daß der Raͤuber moͤchte vorgefodert werden/ damit er nicht allein ihrer durch Gottes Gnade erhaltenen Ehre Zeugnis gaͤbe/ sondern auch Ursach sei- nes frevelhaften Vornehmens anzeigen/ und davor antworten moͤchte. Solches ward ungeseumet ins Werk gerichtet/ uñ er gebunden herzu gefuͤhret/ da er mit erschrockenem Gewissen daher trat/ und von Artaxerxes mit diesen Worten zu Rede gestellet ward: Du boßhafter Dieb und Raͤuber/ sagte er/ was vor teuflischer Getrieb hat dein verhuhrtes Herz gereitzet und kuͤhn gemacht/ eine so schaͤndliche Taht zubegehen/ welche nie von kei- b ij nem Fuͤnftes Buch. nem Fuͤrsten erhoͤret ist? hatte dieser trefliche Fuͤrst (auff Herkules zeigend) sein geliebtes Fraͤulein zu dem Ende von des einen Raͤubers Hand frey gemacht/ daß sie in die deine wie- der gerahten solte? ja hatten diese Helden umb unsere Hoch Fuͤrstl. Verbuͤndnis verdie- net/ daß man ihnen die ihrigen so diebischer Weise von der Seite hinreisse/ da sie inzwi- schen ihr Fuͤrstl. Blut vor unsere Wolfahrt vergossen/ und den Feind niderlegten/ und du nicht düchtig wahrest/ mit einem einzigen Schwert Schlage dem gemeinen Wesen huͤlffe zuleisten? und findest dich nun so geherzt/ deine Verschlagenheit in Schelmstuͤcken auß- zuuͤben? Gobares merkete/ das seines Lebens nicht viel mehr seyn wuͤrde/ wolte aber noch zulezt seiner Zungen freyheit gebrauchen/ und antwortete ganz verwaͤgen: Artaxerxes/ ich bin so wol ein Fuͤrst als du/ und weiß mein Fuͤrstliches Geblüt ungleich weiter herzuhohlẽ als du; so habe ich meines tuhns und lassens dir durchaus keine Rechenschaft zugeben/ warumb setzestu dich dann selbst vor einen Richter ein/ und darfst einem herschenden freien Fuͤrsten deine Urtel anbieten? Artaxerxes wolte sich hieruͤber eifern; welches Herkules merkend/ dem Raͤuber diese Antwort gab: Ihr ganz unvernuͤnftiger/ und aller Fuͤrstlichẽ benennung unwirdiger; wie seid ihr dann so gar verblendet/ daß ihr nicht erkeñen moͤget/ das ihr als durchs Schwert uͤberwundener besser taͤhtet/ wann ihr umb Gnade anhalten würdet/ als daß ihr laͤstert und trotzet? Er aber wolte hierauff nichts antworten/ sondern fuhr also fort: Hoͤre Artaxerxes was bildestu dir ein? verdreust dichs etwa/ daß durch ent- fuͤhrung dieser unvergleichlich-schoͤnen Fraͤulein (welche zurauben ein recht Fuͤrstlich liebes Werk ist) ich dich in deiner Niessung stoͤren wuͤrde? oder schaͤtzestu dich allein vor ei- nen Erkenner der wahren Schoͤnheit? O Artaxerxes du betreugest dich selber; ich habe bessere Augen als du/ und mag ich ja so gerne geniessen als du. Artaxerxes kunte sich weiteꝛ nicht enthalten/ und brach also loß: Was laͤsterstu Schand Schelm? legestu diesem zuͤch- tigen Fraͤulein Unzucht zu/ welche sie mit mir pflegen solte? Ich halte es vor keine Unzucht/ sagte dieser/ wans aus inniglicher Liebe geschihet. Artaxerxes wieder antwortete: So wil- tu mich gleichwol bey diesen Helden in Verdacht bringen/ als stuͤnde ich nach unzimlichen Sachen? uud rechnest es vor keine Unzucht/ da man einer verlobeten Braut nach ihrer Ehre stehet? du oder ich muͤssen hierüber zuschanden werden/ und must deiner Verleum- dung Ursachen anzeigen. Hiemit rieff er/ man solte etliche Stecken Knechte und Henkers- Buben herzu fodern/ welche alsbald kahmen/ und Befehl empfingen/ daß sie stuͤndlich ein Werkzeug zurichten/ und diesen Verleumder foltern solten/ biß er bekennen wuͤrde/ von wem/ oder durch wessen anzeige er solches haͤtte. Der Bube erschrak dieser Urtel hoͤchlich/ und fing an sich zubedingen/ man solte mit ihm als mit einem Fuͤrsten verfahren/ der keinẽ Menschen wirklich beleidiget haͤtte. Aber die Schergen kehreten sich an nichts/ schlugen zween starke Pfaͤle in die Erde/ legten ihn auff ein gemachtes Stel/ und fuͤhreten die naͤhe- ste Gutsche herzu/ befestigten ihm die Haͤnde uͤber Haͤuptwerz an den Pfaͤlen/ und den an- dern Strik umb die Fuͤsse geschlagen/ krecketen sie mit dem Gutsch Rade umb/ und zogen ihm alle Glieder aus den Gelenken/ dz er vor unsaͤglichen Schmerzen ein elendes Geschrey trieb/ und Herkules selbst zu Mitleiden bewaͤgt ward/ auch anhielt/ man moͤchte ihn ohn fernere Peinigung abtuhn. Aber Artaxerxes antwortete: Mein hochwerter Herr uñ Bru- der; es muß der boßhafte Verleumder mir die auffgebuͤrdete Unbilligkeit beweisen/ oder seine Fuͤnftes Buch. seine schaͤndliche Luͤgen bekennen; wo nicht/ sol er diese Schmerzen biß an sein Ende leiden; dann wie dürfte eure Liebe ich kuͤhnlich anschauen/ wann in deren Herzen ein solcher Sta- chel bleiben solte? Gobares wahr durch die Pein schon ganz muͤrbe gemacht/ baht umb Gnade/ wolte gerne alles aus beichten/ da man nur mit der Peinigung inne hielte. Also richtete man ihm die Glieder wieder ein/ und hieß ihn niedersitzen/ weil er Schmerzen hal- ben nicht stehen kunte; worauff er also anfing: Ich kan nicht glaͤuben/ daß einiges Man- nes-bilde sich solcher uͤbertreflichen Schoͤnheit enthalten koͤnne/ mit welcher dieses Fraͤu- lein/ ob allen Menschen dieser Welt begabet ist/ wann ihm nur einige Gelegenheit darzu offen stehet; weil du nun/ Artaxerxes/ so gute Freundschaft mit diesen beyden Fremdlingẽ haͤltest/ bildete ich mir ein/ sie wuͤrden dir ihre Schwester und Wase nicht versagen/ und du der niedlichen Kost schon genossen haben/ deren ich auch schon allernaͤhest wahr/ und bloß nur dieser falsche Kleon mich daran verhindert hat/ der mir schon anderwaͤrz im Grase gehuͤtet/ dessen ihn die hellischen Goͤtter lohnen wollen. Bistu nun hieran unschul- dig/ schreibe ich solches nicht deinem Ungluͤk/ sondern unverstande und Bloͤdigkeit zu. O du unkeuscher Bube/ antwortete er; also urteilestu von andern nach deinem viehischen Sinne; zwar mich wird vor erst mein Gewissen/ hernach dieses Durchl. keusche Fraͤulein/ von deinem falschen Argwohn leicht loßsprechen; dir aber sol nach deiner Beichte die Straffe gesprochen werden. Als jener diese Urtel hoͤrete/ baht er um einen schleunigẽ Tod/ und bekennete/ sein Bagoas und der Fraͤulein Magd haͤtten den Anschlag gemacht uñ ins Werk gerichtet/ ohn deren zuschuͤrung er das Herz nimmermehr gehabt haͤtte/ solches vor- zunehmen. So bedenket nun mein Fraͤulein/ sagte er weiter/ das alles mein beginnen aus uͤbermaͤssiger Liebe/ und nicht aus Feindseligkeit entstanden; ja bedenket/ daß euch meinet- wegen nicht die geringste Ehrenkraͤnkung begegnet ist/ und helffet bitten/ daß mir der Tod ohn sonderliche Pein angetahn werde/ nach dem ich dessen schon gnug/ uñ mehr als einem Fuͤrsten je begegnet/ außgestanden habe. O du zernichteter Boͤsewicht/ antwortete sie/ nen- nestu deine vihische Unkeuscheit eine Liebe? wahre Liebe hat mit der Untugend durchaus keine Gemeinschaft/ und haͤttestu mich geliebet/ würdestu solches zu meinem besten/ nicht zu meinem Verderben getahn haben. Daß mir aber meine Ehr und Keuscheit unversehret blieben ist/ danke ich bloß und allein Gottes Barmherzigkeit/ welche deinen Vorsaz verhin- dert/ dein Vermoͤgen gebrochen/ und die Gelegenheit dir benommen hat; jedoch/ daß du oder deine Verwanten mich keiner Grausamkeit beschuldigen moͤgen/ kan ich wol leiden/ daß dir das Leben geschenket/ und du mit einem Stabe und Zehrpfennige abgewiesen wer- dest. Ladisla redete ihn hierauff an/ und sagete: Gobares/ bekenne mir doch/ warumb du ei- ne solche Verraͤhterey angerichtet/ daß du mich und meinen Bruder hast wollen durch dei- ne Leute in der Schlacht hinrichten lassen/ wodurch du ja dem algemeinen Feind den Sieg wuͤrdest in die Hand gespielet haben? und leugne mir nicht; dann dein verraͤhterischer Mithrazenes/ welchen ich in Ketten und Banden habe/ hat schon voͤllige Bekaͤntnis abge- legt. Dieser antwortete; die Liebe waͤhre Augen- und Sinnen blind/ welche ihm solches al- les an die Hand gegeben/ weil er wol gewust/ daß so sie leben wuͤrden/ er das Fraͤulein nicht lange haͤtte behalten moͤgen/ und waͤhre ihm bey jezt gestalten Sachen herzlich lieb/ dz der Anschlag nicht gerahtẽ waͤhre. Artaxerxes fing hierauff zu dem Fraͤulein an: So kan ihre b iij Liebe Fuͤnftes Buch. Liebe noch ihꝛe Simme geben/ daß ein solcher schaͤndlicher Verraͤhter/ welcher auff ein- mahl ihrer eigenen Ehre/ ihres Herrn Braͤutigams und Herrn Bruders Leben/ und der Fuͤrstl. Verbuͤndnis Wolfahrt nachgestellet hat/ das Leben behalten solle? Doch wolan/ damit eure Liebe sehe/ wie hoch ihr Wort bey mir gelte/ sol der Diebische Menschen Raub ihm in der Urtel nicht zugerechnet werden/ aber daß er dem algemeinen Feinde hat wollen den Sieg in die Hand spielen/ und unsere hochverdiente Feld Herren ermorden/ da durch hat er verdienet/ das er lebendig gespiesset/ oder ans Kreuz geheftet werde. Herkules aber redete ihm ein/ er moͤchte ihm zugefallen sich seiner Gnade erinnern/ und dem verbrecher das Schwert wiederfahren lassen; welches er auch erhielt/ weil Gobares selbst deßwegen einen Fußfal taht/ und auff erlangung sagete: Nun wil ich mit meinem Blute gerne be- zahlen/ was ich verschuldet habe/ wuͤnsche auch/ dz alle Fuͤrsten und Gewaltigen sich an mir spiegeln/ sich vor Schmeichler und Fuchsschwaͤnzer huͤten/ uñ ihren Begierden den Zaum nicht weiter/ als Erbarkeit goͤnnet/ schiessen lassen moͤgen; in der Jugend hatte ich mir vorgenommen eine solche Lebens Art zu waͤhlen/ welche bey ehrliebenden Ruhm und Lob verdienet/ aber durch gegebene aͤrgernis meines Vaters/ und reizung deren/ die aus mei- ner Freyheit ihren Vortel sucheten/ bin ich von solchem Vorsaz abgeleitet worden; also geschihet miꝛ nun endlich/ wie ichs verdienet habe/ bitte auch alle und jede so ich beleidiget/ umb vergebung/ allein den falschen Kleon nicht. Ey so habe ich umb so vielmehr Ursach/ sagte Fabius/ deine boßhaffte Schelmstuͤcken auszutragen. Artaxerxes kunte ihn laͤnger nicht vor sich sehen/ deßwegen ihm der Kopff herunter geschlagen ward. Es wahren noch 9000 zu Fuß und 10000 Reuter von Gobares Kriegs Heer uͤbrig und gefangen verwah- ret/ dieselben wurden auffs neue in Pflicht und aͤide genommen/ wozu sie sehr willig wah- ren/ verfluchten auch ihren gewesenen Fuͤrsten/ der sie bey solchen Schelmstuͤcken haͤtte gebrauchen wollen. Drey ihrer vornehmsten Obristen/ und acht andere Ritter wurden an Ketten gelegt/ auff welche die Magd bekennete/ daß sie diese Taht ins Werk gerichtet haͤt- ten. Nun hatten unsere Helden biß daher nicht muß gehabt/ nachzufragen/ woher ihnen dieses wolgeruͤstete Volk kaͤhme/ wiewol sie die Teutschen an ihrer Farbe und kraͤftigen Gliedern leicht kenneten/ ruffeten Leches zu sich/ der sein Vorhaben schon angeordnet hat- te/ daß alle Faͤhndriche/ so wol Roͤmische/ als Teutsche und Boͤhmen herzutreten/ und dem Fraͤulein ihre Fahnen zun Fuͤssen niderlegen solten/ mit bitte/ dieselben vor die ihren zuer- kennen und anzunehmen/ weil sie ihrer Durchl. zu Dienste und ehren von der Großmaͤch- tigen Koͤnigin in Boͤhmen/ Fr. Sophien gerichtet waͤhren. Das Fraͤulein bedankete sich der Ehren/ welche sie billich erkennen muͤste/ schaͤtzete sich aber derselben ganz unwirdig/ insonderheit/ weil ihr Herr Bruder Koͤnig Ladisla/ und ihr versprochener Braͤutigamb Groß Fuͤrst Herkules gegenwaͤrtig waͤhren; musten also Herkulessen die Teutschen/ Ladis- la die Boͤhmen/ und Fabius die Roͤmer zugewiesen werden/ ohn Klodius und Markus brachten ihre eigene selbst herzu/ und redete jener in ihrer beyder Nahmen also: Durch- leuchtigste gnaͤdigste Fuͤrsten und Herren; nachdem diese beide Faͤhnlein uͤber tausend Reuter wir vor uns selbst/ zu untertaͤhnigstem Dienst und Gehorsam/ euren Durchleuch- tigkeiten gerichtet/ als ist unsere demuͤhtigste Bitte/ dieselben als ein geringes iedoch be- gieriges Zeichen unserer dankwilligen Herzen/ gnaͤdigst anzunehmen; dann mit dieser un- ser Fuͤnftes Buch. ser Mannschaft sind wir außdruͤklich außgezogen/ vor unsere gnaͤdigste Herren entweder froͤlich zu sterben/ oder mit und bey ihnen gluͤklich zu leben. Unsere Helden verwunderten sich der grossen Traͤue dieser beyder/ angesehen sie ihnen weder untertahn/ oder sonst ver- pflichtet wahren; uñ gab ihnen Ladisla zur Antwort: Eure redliche Gemuͤhter haben wir schon vor diesem gnugsam erkennet/ aber anjezt lasset ihr sie Sonnen klar leuchten; doch seid versichert/ es sol/ da wir leben/ zu eurem Glük und Ehren außschlagen; wir nehmen die angebohtene Voͤlker gerne an/ wollen ihnen auch redlichen Sold verschaffen/ und sie auff Plaͤtze fuͤhren/ da Ehr und Gut kan erstritten werden. Nach diesem taht Leches seine Rede an Herkules mit diesem Vorbringen; Durchleuchtigster Groß Fuͤrst/ gnaͤdigster Herr/ der Großmaͤchtigste unuͤberwindlichste Groß Fuͤrst und Beherscher der Teutschen/ Groß- Fuͤrst Henrich/ euer Durchl. Herr Vater/ hat mir 6000 Mann von ihrer Hocheit Leib- Reuterey zugestellet/ und zu mir gesprochen; zeug hin Leches/ und sage meinem Sohn Heꝛ- kules/ daß er den Zweg aller seiner handelungen lasse die Tugend seyn; alsdann wird er Teutsch handeln; Hier schicke ich ihm eine geringe Schaar Reuter/ ja so willig zum Tode als zum Leben; solte ihm aber ein maͤchtiger Feind zuwachsen/ dessen Land und Leute zuge- winnen er vorhabens waͤhre/ sol er mir solches schleunig zuwissen machen/ alsdañ wil ich ihn mit 150000 streitbahren Teutschen verehren/ und biß zur Stelle mit zehrungs Kosten sie frey halten. Herkules fragete ihn/ ob er dann in Teutschland bey seinem H. Vater ge- wesen; Nein/ antwortete er/ sondern ihre Hocheit neben dero Gemahl und Frl. Tochter kahmen in einer Stunde mit mir zu Prage an/ nicht ohn sonderbahre schickung Gottes. Neda hatte unterdessen die 300 Boͤmische aͤdelknaben sich mit ihren zu Padua empfange- nen Kleidern außputzen lassen/ traten mit ihrem Fuͤhrer Prinsla daher/ und wendeten alleꝛ anwesenden Augen auff sich hin. Sie neigeten sich gegen die Fuͤrstliche Geselschaft/ und hielt Prinsla diese Rede zu Ladisla: Großmaͤchtigster Koͤnig/ gnaͤdigster Herr; diese 300 Boͤhmische aͤdelknaben/ stellen sich auff meiner gnaͤdigsten Fr. Koͤnigin/ und ihrer selbst eigenen Eltern Befehl hieselbst ein/ auff ihrer Durchl. Leib zu warten/ und aus dero Tuhn und Wesen zu lernen/ was gestalt sie dereins ihrem Koͤnige und dem Vaterlande koͤnnen ersprißlich seyn. Wer hat sie dann so schleunig außgeputzet? fragete er. Ihrer Durchl. Ge- mahl zu Padua/ gab er zur Antwort/ deren Durchl. mir dann gnaͤdigst befohlen/ bey ihrem Herzaller liebsten Gemahl dieses zu werben/ daß so offt ihre Durchl. diese ihre aͤdelknaben ansehen würde/ dieselbe ihres herzlichen Verlangens sich dabey erinnern/ und die Ruͤkrei- se beschleunigen moͤchte. Artaxerxes sahe nunmehr/ was vor Gaͤste/ er bey sich hatte/ und gab seine freude durch mannicherley bezeugung an den Tag; welches Herkules merkend zu ihm sagte; Durchl. Fuͤrst/ ich meine/ wir haben noch so viel Tageszeit uͤbrig/ daß wir unsere wenige Leute mustern koͤnnen/ welche alle in ihrer Liebe Diensten leben und sterben sollen. Er bedankete sich des Erbietens/ und versprach ihnen hohen Sold. Anfangs besa- hen sie die Roͤmischen Voͤlker/ an denen sie sarsames Genuͤgen hatten; nachgehends zo- gen Klodius und Markus mit den ihren auff/ unter denen man keinen unduͤchtigen Mañ fand. Darauff folgeten die Boͤhmen/ und endlich die Teutschen/ welche Artaxerxes nicht gnug beschauen kunte; dann er hatte auff der Wahlstat mit verwunderung angesehen/ wie etliche Susianer in der mitte des Leibes als eine Stekruͤbe abgehauen wahren; nahm ihm Fuͤnftes Buch, ihm deßwegen vor/ da ers bey Herkules erhalten koͤnte/ sie nimmermehr zuverlassen. Nach gehaltener Heeres Beschauung redete Artaxerxes unsere Helden also an: Hochwerte Herren und Freunde/ ich erinnere mich/ daß unser keiner heut diesen Tag weder Speise noch Trank genossen hat; ist demnach noͤhtig daß wir uns nach dem naͤhesten Flecken ma- chen/ auff daß dem Leibe auch die Notturft gereichet werde/ nachdem die Gemühter befrie- diget sind. Leches zeigete an/ ihre Feldkoͤche und Schenken haͤtten zur Notturft bey sich/ womit alle anwesende Voͤlker koͤnten gespeiset werden; uñ da die Hoch Fürstl. Geselschaft mit einem Zeltlager vor gut nehmen wolten/ koͤnte man darzu auch gelangen. Der Vor- schlag wahr ihnen allen angenehm/ daher ein grosses Feldlager von drey unterschiedlichen Plaͤtzen abgestochen ward; einer vor die Persen/ der ander vor die Susianer/ der dritte vor die Fremden/ welche wegen gemachter Beute von dem ganzen Susianischen Heer er- obert/ guter Dinge wahren. Herkules und das Fraͤulein gingen vor der Mahlzeit ausser dem Lager umbher/ tahten ihr Gebeht zu Gott/ wegen geschehener gnaͤdigen Rettung/ und beredeten sich nachgehends/ wie sie inkuͤnftig ihre Sachen anzustellen haͤtten; ihre Stim- me ging dahin/ man moͤcht die Ruͤkreise nach Padua erstes Tages fortsetzen/ auff daß ihre hochbekuͤmmerte Fr. Mutter getroͤstet/ und Ladisla Gemahl erfreuet wuͤrde. Aber Herku- les fuͤhrete ihr zu Gemuͤht/ es wuͤrde ein Zeichen grosser Undankbarkeit seyn/ duͤrfte ihnen auch zur verzagter Kleinmuͤhtigkeit gerechnet werden/ wann sie nicht zuvor der Haͤupt- Schlacht beywohneten; welches sie ihr gefallen ließ/ wiewol mit dem außdruͤklichen vor- behalt/ daß sie nicht von ihm bleiben/ sondern mit fortgehen wolte. Welches er ihr dañ be- willigte/ jedoch nach versprechung/ sich in kein Gefechte mit einzulassen. Die fuͤnff junge Frauen/ insonderheit Euphrosyne und Libussa/ wahren sehr bemuͤhet/ die Mahlzeit anzu- richten/ schaffeten auch so viel/ an herlichem Zuckergebak/ daß Herkules fragte/ ob solches von ihrer Hochzeit übrig waͤhre; welches Fr. Agatha/ bejahete. Artaxerxes vernam aus Fr. Euphrosynen Rede/ daß sie eine Griechin wahr/ fragete sie demnach/ ob sie der beyden Herren/ Parmenions und Perdickas keine Kundschaft haͤtte/ deren langwiriges aussen- bleiben ihn wundernaͤhme/ massen er dem ersten zimliche Wechsel als seinem bestalten O- bristen uͤbergemacht haͤtte/ eine Anzahl Voͤlker davor zu werben; der andere waͤhre vor diesem sein Spießgeselle gewesen/ dem er seine Anverwantin gefreiet. Euphrosyne ward dieser Rede etwas bestürzt/ erhohlete sich aber bald/ uñ antwortete: Großmaͤchtiger Groß- Fuͤrst/ eure Durchl. suchen die Todten bey den lebendigen/ wie ich wol berichten kan/ und dessen gute Wissenschaft habe; massen Parmenions Bruder mein erster Ehegemahl ge- wesen/ und Perdickas meiner Wasen Fr. Agathen naͤhester Anverwanter; ob nun etwa diese beyde euer Durchl. lieb moͤgen gewesen seyn/ zweifele ich doch nicht/ diese beyde Für- sten gegenwaͤrtig/ werden bey deroselben etwas mehr gelten/ welches ich nicht ohn Ursach rede. Vielleicht/ sagte Artaxerxes/ haben sie ihren bekanten Hochmuht an meinen hoch- werten Herrn Brüdern wollen sehen lassen/ und haben drüber den verdienten Lohn bekom- men? Es verhaͤlt sich also/ antwortete Herkules/ und kan eure Liebe ich wol versichern/ dz mein Bruder Ladisla und ich dieser beyder wegen in die groͤste Noht/ uñ gar unter Heu- kers Haͤnde gerahten/ aber durch Gottes sonderliche Gnade/ und dieser beyden Tugend- liebenden Frauen Vorschub dem schaͤndlichẽ Tode entrissen; erzaͤhlete hierauff umstaͤnd- lich/ Fuͤnftes Buch. lich/ was sich zwischen ihnen zugetragen hatte. Worauff Artaxerxes diese beyde Frauen hochruͤhmete/ und ihnen ein sonderliches Gnadengeschenk versprach/ welches er ihnen auff Herkules Hochzeit Fest lieferte/ als etliche Kleinot/ die ingesamt auff eine Tonne Gol- des geschaͤtzet wurden; insonderheit wahr ihm liebe/ daß seine Wase sich gegen Ladisla so freundlich bezeiget hatte. Frl. Valisken wahr ihres Herkules Gefahr nie so außfuͤhrlich erzaͤhlet/ schlug Euphrosynen auff die Schulder/ und sagte: Meine geliebte Freundin/ ihr habt eigentlich mir zum besten diesen Fürsten beim Leben erhalten/ dz wil ich euch Zeit mei- nes Lebens geniessen lassen/ so viel ich leisten/ uñ euer Stand annehmen kan. Sie aber ant- wortete in untertaͤhnigkeit/ es moͤchte ihre Durchl. sie nicht zu bloͤde machen mit gar zu hohem erbieten/ nachdem ihre geringe Gewogenheit (dann ausser dem Willen haͤtte sie nichts vermocht) schon tausendfach ersetzet waͤhre. Der Abend wahr uͤber der lanwierigen Erzaͤhlung hingelauffen/ so hatten unsere Helden in etlichen Nachten wenig geruhet/ da- her wurden ihnen die Schlaffstaͤte bereitet/ da Artaxerxes ein sonderliches Gezelt hatte; Fabius/ Leches und Klodius beyeinander blieben; und Markus/ wie untertaͤhnig er sich entschuldigte/ unserer Helden Schlaffgeselle seyn muste/ welches ihn eine groͤssere Ehre seyn dauchte/ als haͤtte man ihn auff des Roͤmischen Kaͤysers Stuel gesetzet. Das Fraͤu- lein waͤhlete Euphrosynen und Libussen zu Beyschlaͤfferiñen/ wie sie wuͤnscheten/ nahmen sie zwischen sich/ und entkleideten sie miteinander/ hatten auch ihr Gespraͤch auff dem Lageꝛ etliche Stunden/ und befahl das Fraͤulein/ es solte Libussa ja so vertraulich mit ihr reden/ als wan sie allein waͤhren. Weil auch derselben unmoͤglich wahr/ ihrer Libussen etwas zu- verbergen/ offenbahrete sie ihnen beyden ihre Heimligkeit/ daß sie ihres Herkules Gemahl schon von 20 Wochen waͤhre/ und von der Zeit her sich von Gott merkete gesegnet seyn; welches Euphrosyne also beantwortete: O mein Gn. Fraͤulein/ wie habe ich dieses schon so bald gemutmasset/ als ich ihr empfangen sahe; dann Eheliche Liebe laͤsset sich nicht ber- gen/ man wickele es gleich so kraus und bund als man wil; bald verrahten uns die Augen/ bald die Haͤnde/ und ist leicht geschehen/ daß in Gedanken uns ein Wort entfaͤhret/ welches der Warheit wieder unsern Willen Zeugnis geben muß; ich wil aber eure Durchl. von der noͤhtigen Ruhe nicht auffhalten; wuͤnschete ihr hiemit eine geruhige Nacht/ uñ schlief- fen biß an den lichten Morgen/ da Brela zu ihnen kam/ und dem Fraͤulein ihre besten Klei- der anzulegen brachte/ weil ihr Euphrosynen Roͤcke zu weit wahren. Der Unter Rok wahr Violen-Braun/ mit einer Silbern Grund und koͤstlichem Perlen Gebreme; das Ober- Kleid/ hoher Pomeranzen Farbe/ mit Gold und Indianischen Perlen reichlich gesticket/ wobey sie allerhand noͤhtiges leinen Geraͤhte gelegt hatte. Euphrosyne nam es alles zu sich/ legte es dem Fraͤulein an/ und betrachtete inzwischen ihre uͤbermaͤssige Schoͤnheit/ da sie sagte: Es waͤhre nicht moͤglich einem Menschen zu glaͤuben/ dz die Welt ein so volkom- menes Meisterstuͤk hervorbringen koͤnte/ wann mans mit Augen nicht besaͤhe; doch muste billich/ sagte sie/ euer Durchl. unvergleichliche Seele in solcher treflich außgeziereten Her- berge wohnen/ da ihr nicht unguͤtlich geschehen solte. Das Fraͤulein sahe wol/ daß die Lie- be sie zu solcher Rede antrieb/ und antwortete ihr: Geliebte Freundin; ich halte/ ihr wollet mich gegen mich selbst verliebt machen; oder sehen eure Augen schaͤrffer als die meinen? Zwar dz sie mir nicht ungewogen sind/ gibt eure Zunge gnug zuverstehen/ da ich doch wol c weiß/ Fuͤnftes Buch. weiß/ daß meines gleichen viel in der Welt sind; und wer wolte mir in diesem Stuͤk rah- ten/ euren Worten zu glaͤuben/ weil sie ausgewogenheit herfliessen/ welche das Urtel der Warheit leicht uͤberschreiten kan. Wie? sagte Euphrosyne/ redet dann der trefliche Fuͤrst Herkules anders als ich? Mein Herkules/ antwortete sie/ spielet mit mir als mit einem Kinde/ und saget mirs vor/ wie er meinet ichs gerne hoͤre/ deßwegen habe ich ihm in dieser Sache gleich so wenig zutrauen. Ey mein Fraͤulein/ sagte sie/ so trauet doch euren selbstei- genen Auͤgelein/ die mit ihren durchbrechenden Strahlen aller ehrliebenden Herzen zu ih- rem Dienste zwingen; und wolte Gott/ daß ihrer Gn. meine geringfuͤgige Auffwartung gefallen koͤnte/ und ich so bitselig waͤhre/ daß dieselbe mich nimmermehr von der Zahl ih- rer Leibdieneriñen außschliessen wolte/ dann wuͤrde ihre Durchl. mich in meine hoͤchstge- wuͤnschte Glükseligkeit versetzen. Meine werte Freundin/ antwortete sie/ ich merke wol/ daß ihr in erkaͤntnis meineꝛ Gedanken und Begierden/ als meines Leibes/ viel ein schaͤffer Gesicht habet/ weil ich gleich mit dem Vorsatze umbgehe/ wie ich euch in meineꝛ stets weh- renden Geselschaft haben und behalten koͤnne; welches aber euch anzumuhten mich nur abgeschrecket hat/ daß euch und euren Liebsten die Liebe zum Vaterlande zu sehr moͤchte eingenommen haben; weil ich nun euren guten Willen vernehme/ wo sonst euer Markus einwilligen wird/ sollet ihr meine Oberkammer Frau/ und Libussa meine Ober Hoffmeiste- rin seyn/ welches ich ihr schon vor drey Jahren verheissen habe. Euphrosyne ward dessen uͤberaus froh/ und antwortete: O meine Durchleuchtigste Fuͤrstin; wie kan diese hohe Gnade ich immermehr erkennen/ die weder mein Verstand begreiffen/ noch mein Wille vergnuͤgen kan/ nachdem meiner Unwirdigkeit ich mich sehr wol zuerinnern weiß; doch gelebe ich der Hoffnung/ eure Durchl. werden meine innigste Begierden gelten lassen/ da mein Vermoͤgen an gebührliche Verrichtung dieses hohen Amts nicht reichen kan. Mei- nen Liebsten betreffend/ werde ich ihm die allerangenehmste Zeitung bringen/ weil ohndaß sein einziger Wunsch ist/ die Gelegenheit zu finden/ welche ihn in stetswehrenden Dienstẽ seiner Gun. Fuͤrsten erhalten moͤchte. Libussa wahr hingangẽ etliche trefliche Haͤupt-Brust und Armkleinot herzuhohlen/ womit sie das Fraͤulein außschmücken wolte/ uñ als sie wie- derkam/ sagte Euphrosyne zu ihr: Herzliebe Schwester/ euer und mein Wunsch ist nun er- fuͤllet. Was? sagte sie/ bleibẽ wir miteinander bey unser Gn. Fuͤrstin? ich vor mein Haͤupt/ antwortete sie/ habe mir einen guten Dienst außgebehten. Libussa stund und sahe die Fuͤr- stin an/ etwas zweifelnd/ ob sie der ehemahligen Zusage wuͤrde eingedenke seyn/ welche zu ihr sagete: Seid ihr beyde dann eins worden bey mir zu bleiben/ muß mir solches sehr lieb seyn/ und ist unnoͤhtig/ daß ich dich deiner Hoffmeisterschaft eriñere/ worzu ich dich schon vorlaͤngst bestellet habe. O Gn. Fuͤrstin/ antwortete sie/ Ist eure Gn. der ehemahligen Ver- heissung noch eingedenke/ die ich fuͤrchtete laͤngst vergessen seyn? Nun; sagte sie/ so hastu an mir wol zweifeln koͤnnen/ da du wol weist/ daß dir allein ich mein ganzes Herz vertrauet habe? Durchl. Fuͤrstin/ antwortete sie; Zu jenerzeit hatten ihre Gn. noch nicht was sie an- sezt haben/ und kunte mein Trost in etwas angenehm seyn/ der nunmehr unnoͤhtig ist; so pfleget auch kindliche und erwachsene Gnade selten uͤberein zustimmen. Gut Libussa/ gut/ sagte sie/ jezt gibstu an den Tag/ wovor du mich haͤltest/ ungeachtet du so manniche Beweh- rung von mir eingenommen hast; erinnere dich/ wie oft hastu mein schwermuͤhtiges Herz und Fuͤnftes Buch. und hoͤchstbetrübte Sinnen durch deine Trost Reden ergetzet/ da ich sonst wegen verlustes meines Herkules ohn zweifel untergangen waͤhre/ dessen du bey uns beyden geniessen solt/ weil die Seele in uns ist; dann du naͤhst Gott/ hast mich ihm erhalten/ uñ mich mir selbst. Als Libussa dieses hoͤrete/ fiel sie ihrer vorigen Gewohnheit nach ihr umb den Hals/ kuͤssete und herzete sie/ neben erinnerung der verlauffenen Dinge; zohe sie nachgehends auff ihre Schoß/ und legte ihr die Kleinot an sprechend: Ey wie sol meine außerwaͤhlte Fuͤrstin ih- rem Fuͤrsten noch heut so wol gefallen/ dem treflichen Fuͤrsten/ deßgleichen in der Welt nit lebet/ und ihm deßwegen diese billich vorbehalten ist/ vor deren Schoͤnheit alle andere er- bleichen/ und sich verkriechen muß. Die Fuͤrstin lachete ihrer/ uñ sagte: Da hoͤre ich recht meiner Libussen alte Geige/ auff welcher sie mir in der Jugend (ist noch nicht gar lange) pflag vorzuspielen; aber du betreugst mich forthin nicht mehr also/ sondern zeug hin nach Padua und singe der vortreflichsten Fraͤulen von Rom/ Frl. Sibyllen dieses Liedlein vor. Fraͤul. Sibyllen? sagte Libussa/ ja wol Frl. Sibyllen; ich verachte den Mond nicht/ aber weit gefehlet/ daß er der Sonnen angewinnen solte/ dessen er sich auch nicht unterfaͤhet/ sondern es verlanget ihn vielmehr/ daß dieser ihre unvergleichliche Strahlen ihn anschei- nen moͤgen. Du redest etwa aus Irtuhm/ sagte das Fraͤulein/ in dem du meine Strahlen nennest/ und Fuͤrst Herkules seine verstehest/ welche diesen Monde/ wie ich erfahꝛen/ recht- schaffen sollen beschienen haben. Wie verstehe ich daß? fragete Libussa. Wie anders/ sagte das Fraͤulein/ als daß Ph æ bus mit der wunderschoͤnẽ Sibyllen (Dianen wolte ich sagen) frisch gebuhlet? Ey ey/ Gn. Fuͤrstin/ antwortete sie/ dieser Eifer hat keinen Grund/ und so bald sie nur dieses Blut fromme Fraͤulein sehen wird/ sol sie diesen Verdacht bald aus den Ermeln auff die Erde schuͤtten. Ich weiß nicht/ antwortete sie/ was geschehen wird/ aber daß weiß ich wol/ daß sie nicht viel geringer als Braut und Braͤutigam gespielet haben/ welches ich meinem Herkules verzeihen muß/ als durch uͤbermaͤssige Schonheit darzu genoͤhtiget. Verzeihe es euch Gott/ sagte sie/ daß ihr unschuldigen Leuten solches auffbuͤr- det/ obs gleich euer Gn. Scherz ist; und redet mir nur weiters nicht ein/ dann Frl. Sibyl- len Schoͤnheit gleichet der euren noch lange nicht/ welche sich uͤberdaß in dieser Zeit uͤber die helfte gemehret hat. Nun gewißlich/ sagte die Fuͤrstin/ du weist deines Hoffmeisterin- Amts dich redlich zugebrauchẽ/ massẽ mein liebster Schaz Fuͤrst Heꝛkules selbst/ mich kein- mahl hat schweigen heissen. Da lieget nichts an/ antwortete Libussa/ ich wil euer Gn. es nit anhoͤren/ noch zu gute halten/ wann sie ihre eigene Schoͤnheit beschimpfet/ in welche ich mich dergestalt verliebt habe/ daß wann so viel bewehrter Voͤlker nicht umb uns hielten/ wuͤrde ich bald der andere Gobares werden. Die Fuͤrstin und Euphrosyne lacheten der re- de uͤberlaut/ und fragete diese: Schwester Libussa/ was wolte sie dann mit unser gnaͤdig- sten Fuͤrstin anfangen/ wann sie diesen koͤstlichen Raub erhalten haͤtte. Ey ja/ antwortete jene; so faͤhet man die jungen Fuͤchse; daß wuͤrde ich so uͤberlaut hersagen; raunete hier- auff der Fuͤrstin etliche Wort ins Ohr/ und sagte hernach; Gnug von diesem; aber wil eure Gn. mir auch versprechen/ daß sie hernaͤhst ihrer außbuͤndigen Schoͤnheit keine ver- achtung mehr zulegen wolle/ die ich rühmen uñ vertaͤhtigẽ wil so lange ein warmer Bluts- tropffe in mir ist/ dann ich gebe mich vor ihrer Durchl. Ritter an. Einen solchen Ritter muͤste ich nicht außschlagen/ antwortete die Fuͤrstin; ihr muͤst mich aber/ Herr Ritter/ c ij nicht Fuͤnftes Buch. nicht zu viel ruͤhmen/ noch mit unwarheit mich vertaͤhtigen. Mit unwarheit? sagte Libus- sa; ja wans die Noht erfoderte taͤhte ichs ausser zweiffel/ und redete auff einandermahl die Warheit gedoppelt. Gleich trat Herkules zum Zolte hinein/ und schaͤmete sich Libussa/ dz in seiner Gegenwart sie die Fürstin auff der Schoß hielt; welche aber deßwegen nicht auf- stund/ sondern ehe sie ihn zu Worten kommen ließ/ sagte sie zu ihm: Mein trauten Schaz/ jezt sitze ich auff meiner Troͤsterinnen Schosse/ die mir auff solche Weise manniche Traͤh- nen abgewischet/ auch wol ein innigliches Lachen heraus getrieben hat. O der unnuͤtzen Troͤsterin/ sagte Libussa; Gott Lob und Dank/ daß der Troͤster selbst zu gegen ist. Herkules umbfing sein liebstes Gemahl/ fragte wie sie unter den Zelten zwischen so lieben und an- muhtigen Freundinnen geruhet haͤtte/ und sagte zu den beyden Frauen; Ihr habt mein liebstes Engelchen treflich außgeputzet/ gedenke/ ihr seid gesonnen/ sie mir noch kuͤnftige Nacht zuzufuͤhren/ es waͤhre dañ/ daß meine Freundin Libussa zum Gobares wuͤrde. Hier- aus vernahmen sie/ daß er ihre Reden draussen angehoͤret hatte/ woruͤber diese sich schaͤme- te/ daß sie unter dem ganzen Angesicht roht ward/ wolte auch davon lauffen/ wann nicht Euphrosyne ihr den Außgang verwaͤhret haͤtte; dessen aber die Fuͤrstin von Herzen lache- te/ und zu ihr sagte: Sihe da du Plaudermaz/ da bistu einmahl redlich angelauffen; doch/ ungeachtet Gott Lob meine Ehr unverlezt blieben ist/ wolte ich dannoch ein dutzet Tonnen Goldes drumb geben/ daß ein solcher Gobares/ wie du bist/ mein Rauber gewest waͤhre. Ein so angenehmer Gobares zu seyn/ habe ich auch nur gewuͤnschet/ sagte Libussa/ hoffe demnach mein Gn. Fuͤrst werde mir meine Unvernunft gnaͤdig verzeihen; ich erbiete mich aber/ daß neben meiner Schwester Euphrosynen/ euer Gn. wir das allerschoͤnste Fraͤulein der Welt diesen Abend zuführen wollen. Daß soltu wol lassen/ sagte die Fuͤrstin/ oder ich wuͤrde mich an demselben Fraͤulein heßlich vergreiffen. Gut gut antwortete sie/ ists dann kein Fraͤulein/ so sols doch die allerschoͤnste Fuͤrstin der ganzen Welt seyn; und hat schon diese Nacht mich nichts so sehr geirret/ als daß mein Gn. Fuͤrst nicht hat sollen meine stelle bekleiden. Daß sagestu sonst nirgends umb/ antwortete die Fürstin/ als daß ich dich wiedeꝛ deinen Willen diese Nacht/ von deinem Leches abgehaltẽ habe. Hat eure Gn. diesen Weis- sager-Geist zu Ekbatana/ oder zu Charas empfangen? sagte Libussa; weil ich aber mit mei- ner Schwester Euphrosynen/ wegen des Auffbruchs allerhand zubestellen habe/ wollen ih- re Durchll. beyderseits unsern Abtrit nicht verargen; womit sie davon gingen. Herkules erkennete ihre Hoͤfligkeit/ naͤherte sich zu seinem Schaz/ und baht inniglich/ das ergange- ne aus dem Sinne zu schlagen/ nachdem der boßhafte Mensch seine Straffe empfang en haͤtte. Sie versprach ein solches zu tuhn/ klagete doch mit Traͤhnẽ/ wie der gottlose Mensch seine ehebrecherische Augen an ihr geweidet/ da er stets neben ihr hergeritten/ und mit vie- len bewaͤglichen Worten sie zu seiner Liebe bereden wollen/ biß er endlich den Pusch/ da die Saͤnfte stehen blieben/ erreichet/ und schon etlichen befohlen hatte/ sie loß zumachen/ uñ ge- bunden hinter die Hecke zu tragen; aber Gottes Barmherzigkeit/ sagte sie/ kam mir dazu- mahl augenscheinlich zu huͤlffe; dann es erhub sich ein Geschrey/ es liesse sich ein Krigs- Volk sehen/ von denen man nicht wuͤste/ ob sie Freund oder Feind waͤhren. Ich sahe dem Buben es eigen an/ daß ihm das Gewissen geruͤhret ward/ weil vor schrecken alle lebendige Farbe ihm unter dem Gesichte verging; Er ließ auch meine Saͤnfte alsbald rings umb- her Fuͤnftes Buch. her zumachen/ und eine starke Schaar mich verwachen/ da ich Zeit wehrender Schlacht mit tausend aͤngsten beladen wahr/ biß Herr Fabius bey mir anlangete/ und meine bloͤsse vernehmend/ mich mit seinem Reit Rocke bedeckete/ da ich von dem Frauenzimmer beklei- det ward. Herkules hoͤrete es mit nassen Augẽ an/ weil bey der Erzaͤhlung es ihr an Traͤh- nen auch nicht mangelte; troͤstete sie hernach mit den allerfreundlichsten Worten/ uñ dan- keten sie Gott ingesamt herzlich vor diese milde und vaͤterliche Barmhertzigkeit/ verspra- chen auch einander/ dieses Ungluͤks nicht mehr zu gedenken/ sondern ergetzeten sich ein Stuͤndichẽ durch ihr gewoͤhnliches Liebe-gesprãch/ biß Euphrosyne wieder kam/ uñ deꝛ an- deren Fuͤrsten Ankunft vermeldete; denen sie entgegen traten/ und Artaxerxes nach em- pfahung das Fraͤulein also anredete: Wann ein Fuͤrst/ ja auch ein geringer Betler einer Untaht beschuldiget wird/ ist ihm erlaͤubet seine Zeugen zufuͤhren/ welche/ da es moͤglich ist/ seine Unschuld darstellen/ und der Beklagte dadurch in seiner guten Sache nicht allein der Schuld/ sondern auch dem Verdacht entzogen werde; wo nicht; muß der Klaͤger seine Zeugen/ oder andern Beweißtuhm beybringen/ und den Beklageten der Untaht uͤberfüh- ren. Nun hat aber/ Durchleuchtigstes Fraͤulein/ mein schaͤndlicher Verleumder in meineꝛ Anklage nur seine luͤgenhafte Zunge/ und ungegruͤndeten Argwohn wieder mich darge- stellet/ welche er nachgehends nicht allein selbst zu Lügenern gemacht/ sondern auch uͤberdz noch verzeihung seines verbrechens gebehten/ daher ich hoffe/ nicht allein vor ihrem/ sondern auch vor meiner Herren Bruͤder Gerichte/ von solcher Boßheit loßgesprochen zu seyn. Sol ich aber uͤberdaß noch meiner Unschuld Zeugen heran ruffen; so stelle ich vor erst mein rein-lauteres Gewissen/ welches/ wann es von ihren Liebten ingesamt so wol als von meinen inwendigen Augen koͤnte gesehen werden/ wuͤrde ich allerdinge frey und loß seyn. Ich ruffe uͤberdaß eure Liebe selbst zum Zeugen/ durchleuchtigstes Fraͤulein/ uñ zwei- fele nicht/ sie werde in einer so heiligen Sache sich nicht wegern/ der goͤttlichen Warheit und himlischen Gerechtigkeit zu fleur/ dasselbe anzuzeigen/ was ihre Wissenschaft erkeñet/ und ihr Herz gedenket. Schließlich werden auch meine Herren Bruͤder sich gutwillig vernehmen lassen/ ob ich ihnen einige Ursach gegeben habe/ dasselbe von mir zu muhtmas- sen/ dessen der Buͤbische Verleumder mich bezichtiget hat. Die Fuͤrstin wolte seiner ent- schuldigung laͤnger nicht zuhoͤren/ die er mit sehr ernsthaften Geberden vorbrachte/ uñ gab ihm zur Antwort: Großmaͤchtiger Groß Fürst; der Gott/ dem nichts verborgen seyn kan/ stehet an meiner Seite als ein unfehlbahrer Zeuge/ daß wie eure Durchl. mir nicht die geringste Ursach gegeben/ dieselbe in Verdacht zuzihen/ also ist mir auch ein solcher gedan- ke nicht ins Herz kommen/ daß bey euer Durchl. ich mich dessen zubefahren haͤtte; so stehe ich in gleicher Hoffnung mein Herr Bruder/ und mein Herr Oheim Herkules/ als mein versprochener Braͤutigam/ werden ihnen dasselbe/ meiner Zucht und ehrliebenden Wil- lens lassen Beweißtuhms gnug seyn/ daß der grosse Koͤnig Artabanus weder durch Ge- schenk noch liebkosen dasselbe von mir hat koͤnnen erhalten/ daß ich auch meine Hand von ihm haͤtte beruͤhren lassen/ nachdem ich einmahl von ihm abgesondert wahr; zweifele dem- nach eure Durchl. gar nicht/ dz dieselbe nicht eben so unschuldig von meinem Herrn Bru- der und Oheim solte gehalten werden/ als von mir selbst. Ladisla sagte mit wenigen: Wañ er wissen solte/ daß seine Liebe der Groß Fuͤrst ihn des Verdachts nicht erlassen koͤnte/ ob c iij solte Fuͤnftes Buch, solte er dem verraͤhterischen Buben mehr glaͤuben/ als seinem blossen Nein/ wuͤrde er in seiner Geselschaft sich nimmermehr froͤlich koͤnnen finden lassen. Herkules stellete sich da- bey amtraurigsten/ und zeigete an; er hielte bey dieser ungluͤklichen Begebnis dieses vor das ungluͤklichste/ daß er solte in Verdacht gezogen werden/ als zweifelte er an ihrer beydeꝛ Zucht und ehrliebenden Gemuͤhtern; und beschloßhiemit: Es waͤhre alle Gedaͤchnis die- ses Erzboͤsewichts ganz uͤberfluͤssig/ welcher nirgend besser/ als in dz Buch der Vergessen- heit eingeschrieben wuͤrde; mahnete sie ingesamt zum Auffbruche auff/ und zogen in schoͤ- ner Ordnung fort/ da das Fraͤulein sich mit ihrem Frauenzimmer in eine grosse Gutsche setzete/ und allerhand unterredung pflogen. Der elende Orsillos sahe jezt/ was vor einen grossen Herrn er an Kleon ehmahls zum Leibeigenen gehabt/ und wahr ihm sein Verbre- chen gegen denselben sehr leid/ welches zuerweisen/ er zu ihm ging/ und untertaͤhnigst an- meldete/ daß er die vier Raͤuber/ so ihn anfangs verkauft/ unter den Susianischen Voͤl- kern gesehen/ denen er ihre Straffe wol goͤnnen moͤchte/ weil sie leider seine Gnaden in ihr ehmahliges/ und ihn selbst in diß gegenwaͤrtige Elend gestuͤrtzet haͤtten. Fabius zeigete es Ladisla an/ uñ wie unbarmherzig sie mit ihm verfahren/ deßwegen sie alsbald vorgefodert/ uͤberzeuget/ und nach erschreklicher pruͤgelung/ welche Orsillos verrichten muste/ an Baͤu- me auffgeknuͤpft wurden. So bald die Fuͤrstliche Geselschaft zu Persepolis anlangete/ gingen sie hin/ Arbianes und Pharnabazus in ihrer Schwacheit zubesuchen/ uñ erfreueten sich diese wegen Fabius Ankunft. Nun wolte Artaxerxes seine Dankbarkeit unsern Helden gerne in der Taht sehen lassen/ und erklaͤrete Frl. Valisken zu einer Fuͤrstin des ganzen Landes Susiana/ welches sie erblich besitzen/ und ihrem kuͤnftigen Gemahl als ein Heiraht Gut zubringen solte. Und zwar hiedurch suchte er Heꝛkules in diesen Landschaften zubehalten/ nicht zweifelnd/ er wuͤꝛ- de durch seine gluͤklichen Anschlaͤge des Parthen Macht und Hochmuht bald brechen/ uñ die Persische Freiheit befestigen. Valiska bedankete sich sehr der gar zu grossen Koͤnigli- chen Schenkung/ welche von ihr ja nicht verdienet/ sie auch weder zuersetzen noch zubeant- worten wuͤste/ und deßwegen einen kurzen Abtrit mit ihrem Braͤutigam uñ Bruder nam/ denen sie diesen Vorschlag taht; weil ihr wol bewust/ daß ihr Liebster nicht willens waͤh- re/ in diesen Laͤndern seinen Siz auffzurichten/ und aber nach ihrem Abzuge des Fuͤrsten- tuhms Susiana Einkünfte sie schwerlich heben wuͤrden/ als waͤhre ihre Meynung/ es H. Pharnabazus auff diese Weise zuzuwenden/ daß ers mit Frl. Barsenen als eine Heimsteuꝛ empfinge; also koͤnte sie nicht allein dieses Herrn Traͤue/ sondern auch dieser Fraͤulein Liebe/ welche sie ihr als ehmahligem Herkuliskus angebohten/ auff einmahl vergelten. Dieser Vorschlag gefiel ihnen sehr wol/ gingen wieder ins Gemach/ und gab sie dem Groß Fuͤrstẽ diese Antwort: Durchl. Groß Fürst/ die mehr als Koͤnigliche Schenkung/ aus welcher ihrer Liebe hohe Zuneigung gegen mich und die meinen Sonnenklar erhellet/ nehme ich mit gebuͤhrlicher Dankbarkeit an; befinde mich auch neben meinen Herrn Bruder und Oheim/ ihrer Liebe davor hoch verbunden; demnach wir aber nicht willens sind/ in diesen Laͤndern zuwohnen/ sondern grosses Verlangen tragen/ nach unsern Eltern und Vater- lande; als bitte ich demuͤhtig/ ihre Durchl. wolle ihr meinen Vorschlag gn. gefallen lassen/ daß ich dem wolgebohrnen und mit allen Tugenden außgezierten Fraͤulein Barsenen die- ses Fuͤnftes Buch. ses Fürstentuhm erblich aufftrage/ mit dem bedinge daß sie es Herrn Pharnabazus als ein Heiraht Gut und wirdige Außsteurzubringen moͤge/ da sonst derselbe zu diesem Fraͤu- lein liebe tragen kan/ welches ich gerne sehen moͤchte. Artaxerxes haͤtte nim̃ermehr gemei- net/ daß Herkules und Valiska sich der Besitzung dieses treflichen Fuͤrstentuhms entschla- gen wuͤrden; und gab zur Antwort: Trefliches Fraͤulein/ ich merke wol/ daß mein weiteres noͤhtigen vergeblich seyn/ auch dadurch meines geliebten Oheims gedoppeltes Gluͤk ver- hindert wuͤrde; lasse mir deßwegen solches gefallen/ und zweifele nicht/ mein Oheim wer- de solches wirklich zuerkeñen geflissen seyn/ auch dieses wirdige Fraͤulein mit solcher Fuͤrst- lichen Außsteur nicht außschlagen. Pharnabazus wuste nicht/ was er vor freuden antwor- ten solte/ richtete sich im Bette auff/ und mit gebogenem Haͤupte bedankete er sich unter- taͤhnig/ nahm auch den Vorschlag an/ doch mit dem bedinge/ dafern Frl. Valiska zur an- zeige eines dankbahren Gemuͤhtes dreissig Tonnen Schaz/ und jaͤhrlich/ so lange sie und Groß Fuͤrst Herkules lebeten/ drey Tonnen Goldes von ihm annehmen/ auch beyderseits den Nahmen eines Fuͤrsten und Fuͤrstin zu Susa fuͤhren wolten. Hieran handelt mein O- heim Fuͤrstlich/ sagte Artaxerxes/ hoffe auch/ das Durchl. Fraͤulein werde auff meine vor- bitte sich nicht wegern/ dieses einzuwilligen. Sie wolte solches nicht beantwoꝛten/ sondeꝛn baht Herkules/ ihre Stelle zuvertreten; welcher also anfing: Durchl. Groß Fuͤrst; es ist das angebohtene gar zu viel; massen auff solche Weise dieses Fuͤrstentuhm nicht verschen- ket/ sonder teur verkauft ist; weil ich aber Herꝛn Pharnabazus Willen fehe/ welchem zu wie- dersprechen ich nur vergebliche Mühe anwenden wuͤrde/ insonderheit/ da eure Liebe es selbst rühmet/ nehme ich solches im Nahmen meiner versprochenen Fraͤulein an/ wuͤnsche euch/ Durchleuchtiger Fuͤrst/ Herr Pharnabazus/ zu dieser Fuͤrstlichen Hocheit/ und zu deꝛ wolwuͤrdigen Fraͤulein Braut/ Glük und Gottes Segen/ wie eure Tugend und Mañheit es wol verdienet/ und wird nichts mehr uͤbrig seyn/ als daß die schnelleste Botschaft an H. Mazeus und bevorab an Groß Fürst Phraortes abgefertiget werde/ damit ungemeldet unsers vorhabens sie eiligst heruͤber kommen/ und dieses Beylager Fest/ mit meinem zu- gleich moͤge gehalten werden/ wie ich dann nicht zweifele/ es werden die Verwundeten al- lerseits gegen die Zeit genesen. Stuͤndlich ward dieses ins Werk gerichtet/ und auff dem- selben Gemache Mahlzeit gehalten/ da die Fuͤrstin erzaͤhlete wie es mit ihrer entführung eigentlich ergangen waͤhre; nehmlich/ es haͤtte Gobares des dritten Tages nach unser Helden abzug gegen den Feind/ ein mit lauter liebes Waaren angefuͤlletes Schreiben/ an sie abgeschicket/ welches nach verlesung sie ihm zu ruͤcke gesand/ und durch ihre Jungfer A- mestris anmelden lassen/ dafern er dergleichen ansuchen sich nicht enthalten wuͤrde/ wolte sie seiner Unkeuscheit mit blutiger Rache zubegegnen wissen; ob er schon vergessen haͤtte was gestalt sie ihn bey dem Tanze abgewiesen? er/ noch kein ander Mensch solte sie bereden/ ihre teur versprochene Traͤue zu faͤlschen; saͤhe auch ihn Gobares/ viel zu unwirdig ihrer Liebe an. Hierauff haͤtte er sich außdrüklich vernehmen lassen/ er wolte dessen hinfort aller- dinge müssig gehen/ sie moͤchte nur sein Ansuchen/ Ungluͤk zuvermeiden/ niemand offen- bahren. Des Abends vor ihrer naͤchtlichen entfuͤhrung waͤhre sein Schmarotzer Bagoas zu ihr kommen/ und angehalten ihm ihre Leibdienerin Apame ehelich abfolgen zulassen/ weil vor vier Monaten schon er sich mit ihr versprochen; welches sie ihm nicht abschlagen wol- Fuͤnftes Buch. wollen/ sondern biß auff Groß Fuͤrst Artaxerxes Wiederkunft außgesetzet; womit sie auch beyderseits friedlich gewesen. Ich ließ aber/ fuhr sie fort/ mein Gemach des Nachtes in- wendig fest verriegeln/ und muste diese lose Haut es ja dißmahl in aller stille geoͤffnet haben; dann umb Mitternacht traten sechs gewapnete mit brennenden Fackeln hinein/ deren ge- raͤusche mich bald erweckete/ und mag wol sagen/ daß zeit meines Lebens ich niemahls hoͤ- her erschrecket bin. Dann sie hielten die Schwerter in den Faͤusten/ und draͤueten uns al- len den Tod/ da wir einiges Geschrey machen wuͤrden; wiewol meine Kleofis/ wie auch Amestris und Andia sich wenig dran kehreten/ und sich ihrer Kehle weidlich gebraucheten/ biß ihnen die Zunge mit einem Knebel gehemmet ward/ welches mir gleichmaͤssig gescha- he/ und wurden wir an Haͤnden und Fuͤssen zusammen gebunden/ und in die verordente Saͤnften getragen; doch ließ Gobares sich nicht bey mir finden/ biß wir schon einen zim- lichen Weg fortgetragen wahren/ und die lichte Sonne auffging/ da kam er herzugeritten an meine Saͤnfte/ und baht hoͤchlich umb verzeihung wegen angelegter Gewaltaͤhtigkeit/ wozu ihn nichts als die uͤbermaͤssige Liebe gezwungen; hoffete/ ich würde sein ergebenes Herz erkennen/ und ihn zum Liebesten willig auff und annehmen/ weil es ja durchaus nicht anders seyn koͤnte. Es ist ein dumkuͤhnes Stük von einem verzageten Menschen/ sagete Artaxerxes/ und hat der Unflat vor unkeuschen Begierden ncht absehen koͤnnen/ wie es ab- lauffen wuͤrde. Leches und Libussa liessen sich anmelden/ sie haͤtten etliche Schreiben einzureichen/ wurden auch alsbald vorgelassen/ und uͤbergab Leches vorerst H. Ladisla seiner Fr. Mut- ter/ Schwaͤhers/ und Gemahls Briefe; hernach H. Herkules von seiner Fr. Mutter/ auch von der Koͤnigin in Boͤhmen/ von H. Fabius dem Stathalter zu Padua/ und von Fr. Sophien. Endlich Herrn Fabius von seiner Fr. Ursulen; welche alle miteinander begierig gebrochen und froͤlich gelesen wurden/ da Ladisla und Fabius wegen ihrer jungen Herrlein; Herkules und Valiska wegen der Eltern freude uͤber ihrer Heyraht bericht em- pfingen/ uñ sich daran herzlich ergetzeten. Libussa wolte ihre empfangene Brieffe von Frl. Klaren an Herkules und Frl. Valisken auch einliefern/ und zugleich das uͤberschikte Haa- ren Armband/ welches Herkules alsbald umb den linken Arm legte/ demnach er das von seinem Fraͤulein zu Padua empfangene am rechten trug. Nach diesem taht Herkules we- gen der erhaltenen Schlacht wieder Vologeses volligen bericht/ und ließ Artaxerxes die 15 Tonnen Goldes eroberter Beute einreichen/ welche er aber durchaus nicht annehmen wolte/ sondern unsern Helden wieder zustellete/ einwendend/ er wuͤrde gar zum undankbah- ren/ wann er ihnen daß mit ihrem Blute erstrittene abnehmen solte. Der gefangene Su- fianer Mithrazenes ward neben Bagoas und der Verraͤhterin Apame vor Gericht ge- stellet/ und nachdem sie ihre Boßheit gestunden/ anfangs erschreklich gegeisselt/ uñ hernach an Kreuze geheftet. Sonsten ward Herkules Hochzeit Fest ganz Koͤniglich/ und alles nach Artaxerxes Willen angeordnet/ da inzwischen der betruͤbte und verliebte Artabanus we- gen des entflogenen Taͤubeleins sich zu hermen nicht auffhoͤren kunte/ uñ vermehrete ihm der außgerissene Vologeses seinen Kummer umb ein grosses/ als derselbe des Tages vor seiner ankunft ihm seine Niederlage durch einen Reuter zu wissen taht/ gleich als Bago- phanes bey ihm saß/ und die trefliche Schoͤnheit der Fraͤulein ihm oft wiederhohlen muste. Er Fuͤnftes Buch. Er fuͤhrete sonst gar ein einsames Leben/ und durfte fast niemand als dieser Fuchsschwaͤn- zer vor ihn kommen/ weil er durch Schmeichelreden ihm noch allemahl Hoffnung zur wie- dererlangung machete. Nun ging ihm gleichwol diese Niederlage sehr zu Herzen/ inson- derheit/ da Vologeses des folgenden Tages selbst vor ihn trat/ allen Verlauff umbstaͤndlich erzaͤhlete/ und Herkules Tapfferkeit/ nebest auffweisung seiner schriftlichen hoͤflichen Auß- foderung dermassen ruͤhmete/ daß er ungescheuhet bekennete/ er allein waͤhre des Persen Schuz; und wo einiger Mensch der Parthischen Macht eintrag oder abbruch tuhn koͤn- te/ waͤhre es niemand als dieser unvergleichliche Held/ welchen er mehr als 200000 Per- sen fürchtete. An meinen dreyen Dienern sagte er: Ließ er mir auff diesem Schlosse sehen wie er fechten koͤnte; In dieser Schlacht hat er solch Wunder getrieben mit seiner Faust/ ob wolte er mein ganzes Heer allein nidermachen. O wie übel haben wir gehandelt/ dz wir ihn und seinen ihm fast gleichen Gesellen mit so hoher beschimpfung der angedraͤuetẽ Ruh- ten zur Rache gereitzet/ welche von den Feinden an unsere Seite zuzihen ich weder Mühe noch Kosten sparen wolte; dann ihre Huͤlffe solte unser Gluͤk und des Persen gewisser Fal seyn. Ich halte sie fast nicht vor blosse Menschen/ und sind sie es/ so sind sie die allervolkom- mensten. Ihre Schwerter erschrecken ihre Feinde/ und machen ihre unerfahrne Kriegs- leute muhtig. Ihre Anschlaͤge dringen durch/ deren man sich verwundern muß/ und ihre Freundligkeit stihlet Freunden und Feinden das Herz ab. Ihr Parthischen Schuzgoͤt- ter/ befestiget unsers Koͤniges Artabanus Stuel/ und vereiniget seine Hocheit mit diesen beyden fremden; oder da solches nicht geschehen kan/ so erwecket ihnen in ihren Laͤndern so viel Feinde/ daß sie unser vergessen/ und Persen verlassen moͤgen; solte aber auch dieses den Goͤttern nicht gefallen/ muͤssen wir trauen hernaͤhst mit keinem fliegenden Heer mehr angestochen kommen/ sondern die aller groͤsseste Macht zusammen zihen/ und in guter Vor- sichtigkeit ohn unzeitigen Eifer oder Feindes-verachtung/ die Haͤuptschlacht wagen/ da dañ ihre Hocheit selbst durch ihre Gegenwart dem Heer einen Muht einblasen/ und sich der an- genommenen Schwermühtigkeit entschlagen werden/ auff daß des Reichs algemeine wol- fahrt hiedurch nicht verabseumet/ oder wol gar in unwiederbringliches Verderben gestuͤr- zet werde; dann die Feinde muͤssen so schlecht nicht besponnen seyn/ massen mir heut ein schnelreitender Bohte bericht getahn/ dz der ungetraͤue Mede Phraortes allein mit 50000 Mann in vollem anzuge nach Persen begriffen sey/ dessen einiger Sohn Arbianes sich bey neulicher Schlacht finden lassen/ und die besten Voͤlker gefuͤhret. Eile aber wil uns noͤh- tig seyn/ sonst moͤchten die Roͤmer wol gar sich mit hinein flechten/ die vielleicht mit den fremden Herren in verbuͤndnis stehen. Dieses allergnaͤdigster Koͤnig/ ist mein Raht in un- terschiedlichen Vorschlaͤgen/ welche allerseits koͤnnen versucht/ und inzwischen die ganze Macht zusammen gefuͤhret werden; ich verpflichte mich/ mein Leib und Leben geringe zu- achten/ nur dz ihreꝛ Hocheit ich angenehme Dienste erzeigẽ/ uñ den empfangenẽ Schimpf/ welchen weder aus unvorsichtigkeit noch Frevel ich einnehmen muͤssen/ raͤchen moͤge. Ar- tabanus wuste wol/ daß er dieses Mannes gleichen in seinem Koͤnigreiche nicht hatte; seine Traͤue und festes Herz wahr ihm bekant/ und wie mannichen herlichen Sieg er ohn sonder- lichen Verlust von den Reichsfeinden erhalten; wunderte sich demnach sehr/ daß er diß- mahl eine so schaͤndliche Niederlage erlitten hatte/ uñ setzete ihm vor/ alle Macht anzuwen- d den/ Fuͤnftes Buch. den/ daß in kurzer Zeit ganz Persenland mit seinem Kriegs Heer uͤberschwemmet wuͤrde. Es kam ihm zu gutem Gluͤk/ daß die Skythen sich selbst anerbohten hatten gegen erlegung acht Tonnen Goldes/ ihm mit 80000 Mann zuzuzihen/ welches er willig annam/ und die Gelder alsbald uͤbermachte; jedoch wolte er den gegebenen Raht nicht aus der Acht las- sen/ ob er/ wo moͤglich/ nicht allein unsere Helden auff seine Seite bringen/ sondern zugleich auch sein eingebildetes hoͤchstes Gut durch eben diß mittel uͤberkommen koͤnte, schikte dem- nach einen ansehnlichen Parthischen Herrn/ nahmens Sysimithres mit 500 Reutern ab/ dem er drey unterschiedliche Schreiben zustellete/ eines an Herkules und Ladisla zugleich/ das andere an das Fraͤulein; das dritte an Herkules absonderlich/ im falle das erste wol angenommen würde. Hiebey wurden dem Fraͤulein alle ihre hinterlassene Kleider und Kleinot/ und dabey noch ein neues/ so auff zwo Tonnen Schaz außtrug/ zugeschicket. Nicht destoweniger fuͤhrete man die Voͤlker fleissig zusammen und uͤbete sie taͤglich in den Waf- fen/ wobey Vologeses und Madates sich weidlich gebraucheten; dann dieser insonderheit hoffete seinen Schimpf wieder einzubringen. Des neunden Tages nach Frl. Valisken Erloͤsung uͤberfielen Euphrosynen die Ge- burts wehe/ und bald hernach Fr. Agathen; da jene einer Tochter; diese zween Zwillings- Soͤhne genaß/ wurdẽ auch nach kurzer Zeit durch die H. Tauffe der Kirchẽ Gottes einver- leibet/ da die Tochter Valiska/ die Soͤhne/ Herkules und Ladisla genennet wurden. Nach Euphrosynen entbindung zween Tage/ kam Phraortes mit einem schoͤnen Kriegs Heer zu Persepolis an. Mazeus fuͤhrete die Reuterey 30000 stark; das Fußvolk 20000 Phraor- tes Bruder-Sohn/ Herr Artobarzanes/ der sein Gemahl/ die schoͤne Atossa bey sich hatte; und weil Arbianes der Fraͤulein ankunft von Charas schon hinuͤber entbohten/ kam Groß- Fuͤrstin Saptina mit Fr. Roxanen und Frl. Barsenen mit heruͤber/ daß sie ihr eine Zeit- lang Geselschaft leisten moͤchten. Sie wurden von den unsern wol empfangen/ und schaͤ- meten sich fast/ daß sie der Fraͤulein Verstellung nicht haͤtten merken moͤgen; insonderheit uͤberging Frl. Barsenen eine heftige Schamroͤhte/ da sie von der Fuͤrstin empfangen ward/ und ihr die Liebes-anmuhtungen/ welche sie vor diesem merken lassen/ ins Gedaͤchtnis kah- men. Sie besucheten den verwundeten Pharnabazus und Arbianes/ die sich schon zimlich erhohlet hatten/ und in ihren Schlaf Roͤcken sitzen kunten/ und wolte die Fuͤrstin mit ihrer Heyrahtsache nicht lange zuruͤk halten/ daher sie zu Frau Roxanen also anfing: Geliebte Freundin/ ich habe mich fleissig bemühet/ wie ich die grosse Freundschaft/ mir von euch uñ euer Frl. Schwester/ meiner auch geliebten Freundin erzeiget/ in etwas ersetzen moͤge/ da dann dieses gute Gluͤk/ wie ich gaͤnzlich meine/ mir zugestossen/ daß ich Gelegenheit bekom- men/ jezt wolgedachte Fraͤulein dem Durchleuchtigen Fuͤrsten zu Susa ehelich zuverspre- chen/ nachdem solches dem Großmaͤchtigen Groß Fuͤrsten H. Artaxerxes wolgefallen/ uñ mein geliebter H. Bruder und H. Oheim es vor sehr gut befunden; zweifele demnach nit/ sie ihres Orts werden gerne darein gehelen/ und ihnen solche gewuͤnschte Heyraht lassen angenehm seyn. Fr. Roxane uñ ihre Frl. Schwester erroͤhteten wegen dieses unvermuht- lichen vorbringens/ als davor sie heftig erschraken/ wie nicht weniger Groß Fuͤrstin Sap- tina selbst/ als welche die Heyraht ihres Bruders schon mit ihr abgeredet und geschlossen hatte; begehreten daher einen kurzen Abtrit/ welcher ihnen gerne gegoͤnnet wahr/ und Zeit ihres Fuͤnftes Buch. ihres abwesens die Fuͤrstin zu den Anwesenden sagete: Ich werde diesen meinen geliebten Freundinnen wunderliche Gedanken gemacht haben/ weil ich ihnen den jetzigen Fuͤrsten von Susa nicht genennet; wie dann in Warheit geschahe/ massen diese drey sich keines Schlusses zuerklaͤren wusten. Zwar das Fuͤrstentuhm Susiana wahr ihnen angenehm/ aber Gobares/ welchen sie vor einen Witwer hielten/ gar zuverhasset/ und wahr das Fraͤu- lein nicht bedacht denselben vor Pharnabazus zuwaͤhlen; beschlossen demnach/ bey der Fuͤr- stin anzuhalten/ daß sie von solchem Vorhaben abstehen moͤchte; gingen zu ihr hinein/ und fing Fr. Roxane also an: Durchleuchtigstes Fraͤulein/ daß eure Durchl. ihr gnaͤdigst wol- len gefallen lassen/ vor meiner Frl. Schwester Wolfahrt zu sorgen/ unter dem gn. Vorsaz/ sie gar in den Fuͤrstenstand zuerheben/ davor bedanken wir uns untertaͤhnigst; weil aber meine Frl. Schwester sich nicht kan bereden lassen/ eine so ungleiche Heyraht einzugehen/ da sie ohnzweifel von demselben Fuͤrsten schier heut oder Morgen zu unwert seines Ehebet- tes moͤchte geschaͤtzet/ und nach kurzer Zeit wol gar verstossen werden/ insonderheit/ wañ eu- re Durchl. diese Laͤnder bald verlassen solte; so ist unsere untertaͤhnigste Bitte/ uns dieser Heyraht gnaͤdigst zuerlassen/ uñ diesen Fuͤrsten einer Standesmaͤssigen wirdigeren Braut zuzuführẽ; zumahl daß meine gnaͤdigste Groß Fuͤrstin meiner Frl. Schwester wol schon einen andern Gemahl moͤchte ausersehen haben. Herzgeliebete Freundinnen/ antwortete die Fuͤrstin/ ich haͤtte nimmermehr gedacht/ daß sie mir dieses mein so wolgemeintes An- suchen würden so kurz vor der Faust abgeschlagen haben/ welches doch meines ermaͤssens nicht zu endern stehet/ ich mich auch dessen verpflichten wil/ daß meine hoͤchstwerte Eltern/ Groß Fuͤrst Phraortes und dessen Gemahl in diesen meinen Vortrag noch wol gehehlen werden; hoffe also/ von ihnen eine genehmere Erklaͤrung zu hoͤren/ uñ wollen sie beyde sich kuͤrzlich bereden/ und ihre endliche Meynung mich wissen lassen/ wornach ich mich alsdañ gerne richten und schicken wil/ muß euch doch eine Geheimnis offenbahren/ was gestalt der Fuͤrst zu Susa und mein Freund Pharnabazus nunmehr in solchem Bunde stehen/ das dieses sein Gemahl jenem/ uñ jenes seine/ hinwiederumb diesem gemein seyn solle. Die bey- de Schwestern aͤngsteten sich dergestalt/ daß ihnen der Schweiß außbrach/ traten ab/ und wahr ihnen die lezte Zeitung so unangenehm/ daß sie so wol Pharnabazus als den Susia- ner anfeindeten; endlich machten sie den Schluß/ daß das Fraͤulein durch einen Fußfal/ umb die Ehe auffzuruffen/ anhalten solte; welche darzu fertig wahr und mit traͤnenden Au- gen sich vor der Fuͤrstin in die Knie nidersetzete/ willens nicht auffzustehen/ biß sie gnaͤdige Antwort erlanget haͤtte. Aber die Fuͤrstin sprang geschwinde auff/ richtete sie kuͤssend in die hoͤhe/ und sagte: Herzen Freundin als Schwester/ beschimpfet mich nicht mit diesem Voꝛ- nehmen/ und bringet mir euren endlichen Willen stehend vor. Ja/ nach meiner gnaͤdigsten Fraͤulein Befehl/ antwortete sie/ und fuhr also fort: Nach dem ich das feste Vertrauen zu euer Durchl. gefasset habe/ dieselbe werde mir keine andere Gnade wiederfahren lassen/ als welche meinem Herzen angenehm/ und ich aber meine Seele dessen durchaus nicht zubere- den weiß/ daß ich dem Fuͤrsten zu Susa mich ehelich ergeben solte/ vielweniger mich miß- brauchen zulassen willens bin/ als bitte ihre Durchl. ich untertaͤhnigst/ dieselbe wolle mich dieser Unangenehmen gnaͤdigst erlassen. Ey meine allerliebste Freundin/ sagte die Fuͤrstin/ ich kan in diese eure Bitte durchaus nicht willigen/ sondern mein Wille und Vorschlag d ij muß Fuͤnftes Buch. muß richtig erfuͤllet werden/ insonderheit weil der Durchl. Fuͤrst von Susa sich hierin gaͤnzlich ergeben/ ja durch euch ein Fürst zu Susa werden sol. Aber kennet ihr auch/ herzen Freundin/ kennet ihr auch denselben Fuͤrsten recht/ welchen ich durch euch zum Fürsten in Susa zu machen bedacht bin? oder gedenket ihr/ ich werde euch den gottlosen ehrvergesse- nen Schelm/ Boͤsewicht und Verraͤhter Gobares zufreien/ welcher vor weniger Zeit an mir zum Raͤuber worden/ und durch rechtmaͤssige Urtel des Großmaͤchtigen Groß Fuͤr- sten enthaͤuptet ist? Ey habt doch nit solche ungenehme Gedanken von mir; sehet jezt hoch- gedachter Groß Fuͤrst hat mir das ganze Fuͤrstentuhm Susiana erblich geschenket/ uñ das- selbe sol euch/ Durchleuchtiges Fraͤulein/ anjetzo von mir hinwiederumb geschenket/ auch ihr kraft dieses zu einer herschenden Fuͤrstin zu Susa erklaͤret seyn/ doch mit diesem bedinge/ daß ihr solches dem Braͤutigamb/ welchen ich euer Liebe zugedacht/ als eine wirdige Heim- steur zubringet/ uñ ihn dadurch zum Fuͤrsten uͤber Susiana machet; dieser aber ist der schon darzu erwaͤhlte und erklaͤrete Durchleuchtige Fuͤrst/ Herr Pharnabazus/ alhie gegenwaͤr- tig. So erklaͤre sich nun euꝛe Liebe/ ob sie sich eines andern bedenken koͤnne/ und nehme mit ihrer Fr. Schwester zur beredung einen kurzen Abtrit; ich halte gaͤnzlich davor/ meine herz- geliebete Eltern/ Groß Fürst Phraortes und die Groß Fuͤrstin Fr. Saptina/ werden ihnen solches wol koͤñen gefallen lassen. Da wahr nun lauter verwunderung und freude bey den Unwissenden. Phraortes fragete/ ob sichs dann mit Gobares also verhielte/ und was vor ein schaͤndlich Bubenstuͤk er begangen haͤtte. Welches die Fuͤrstin mit wenigen beantwor- tete: Es verhielte sich also/ und wuͤrde alles zu seiner Zeit weitlaͤuftiger erzaͤhlet werden/ nur moͤchte die Groß Fuͤrstin sich mit Fr. Roxanen und dem Fraͤulein gnaͤdigst bereden/ ob diese Heyraht/ wie sie gar nicht zweifelte/ koͤnte gefaͤllig seyn. Aber Fr. Roxane fing also an: Durchleuchtigstes Fraͤulein/ es bedarfs meines eꝛachtens nicht/ meine gnaͤdigste Groß- Fuͤrstin zu fragen/ ob sie ihren allerliebsten Herr Bruder gerne zu Fuͤrstlicher H o cheit be- fodert sehe; aber wie sollen ich und mein Frl. Schwester doch in ewigkeit diese übermaͤssi- ge Gnade ersetzen/ welche unsere Erkaͤntnis uͤberwieget? gestaltsam eure Durchl. uns viel ein groͤsseres leistet/ als wir von allen Goͤttern nim̃ermehr haͤtten duͤrffen bitten. Wir un- tergeben uns allerdinge euer Durchl. und unser gnaͤdigsten Groß Fuͤrstin gehorsam/ alles nach gnaͤdigstem gefallen zuordnen und zu schliessen/ deren untertaͤhnigste Dieneriñen wir Zeit unsers Lebens verbleiben wollen. Es darff solcher nidertraͤchtigen erbietungen nicht bey vertraueten freunden/ sagte die Fuͤrstin; Nur erklaͤret euch mein Fraͤulein Barsene/ ob mit eurer Fr. Schwester einwilligen/ ihr auch friedlich seid. Gnaͤdigstes Fraͤulein/ ant- wortete sie/ mir ist unmoͤglich/ euer Durchl. vor Scham ein anders zu antworten/ als daß ihrer Durchl. gehorsamste Dienerin ich zu leben und sterben begehre; uñ ob mir zwar die- se Heyraht billich angenehm ist und seyn muß/ worden mir doch die Goͤtter Zeugnis geben/ daß wañ ich meines künftigẽ Leben-Standes freie Wahl haͤtte/ ich lieber bey ihrer Durchl. staͤte Kammerdienerin/ als ohn deren Geselschaft eine maͤchtige Fürstin zu seyn begehre. Und weil bey solcher Rede ihr die Traͤhnen hervordrungen/ erkennete daher die Fuͤrstin ihre heftige Liebe gegen sie; umbsing sie deßwegen mit beyden Armen/ kuͤssete sie auff die Stirn/ Mund und Wangen/ und sagte: Versichert euch mein trauten Schwesterchen/ daß ich euch unter meine allerliebsten und besten Freundiñen gesezt habe/ achte daher dieses ihr Fuͤnftes Buch. ihr auffgetragenes Fürsten tuhm viel geringer/ als daß ich eure Gewogenheit solte mey- nen dadurch ersetzet zu habẽ. Ob wir dañ gleich nit moͤchten stets beyeinandeꝛ leben koͤñen/ sollen unsere Herzen doch untrenlich beysammen bleiben. Darauff fuͤhrete sie dieselbe vor Pharnabazus Bette/ und mit gegebenen Ringen bestaͤtigte sie diese Ehe/ da Phraortes und andere gegenwaͤrtige der Fuͤrstin vor solches geschenkte Fuͤrstentuhm sehr danketen/ und den Verlobeten Gluͤk und Heyl wuͤnscheten. Ladisla setzete das gedoppelte Hochzeitfest auff den siebenden nach diesem Tage an/ weil die Aerzte den Verwundeten auff solche Zeit voͤllige Gesundheit versprachen; und ob gleich Fr. Roxane ihre Entschuldigung einwen- dete/ sie wuͤrde mit gebuͤhrlicher Kleidung so bald nicht fertig werden/ mochte es doch nit helffen/ weil Frl. Valiska mit zustimmete/ sie wolte dem Parthischen Wuͤterich nicht laͤn- ger zugefallen warten/ damit seine annoch übrige Hoffnung er moͤchte sinken lassen/ und sich ihrer Liebe begeben; so koͤnten die noͤhtigsten Kleider nochwol verfertiget werden; und wer weiß/ sagte sie/ woher uns noch Kleider von Gott bescheret werden/ welcher uns un- sere Braͤutigam zugefuͤhret hat. Bey der Mahlzeit ward Gobares Boßheit erzaͤhlet/ nach- gehends fragte die Fuͤrstin Herrn Mazeus/ ob sein alter Kriegsknecht Boges/ und sein Schuͤtze Batis noch im leben waͤhren/ moͤchte sie dieselben gerne sprechen. Fr. Roxane gab zur Antwort; der Schuͤtze haͤtte gar untertaͤhnig bey ihr umb eine Vorbitte bey ihreꝛ Durchl. angehalten/ das ihm sein Verbrechen gnaͤdigst moͤchte vergeben werden/ wie dann Groß Fuͤrst Herkules dessen gnaͤdigste Verheissung getahn haͤtte. Warumb aber der alte Boges so instaͤndig umb die mitreise nach Persepolis angesuchet/ koͤnte sie nicht wissen weil sie nicht gedacht/ daß ihre Durchl. des unachtsamen Menschen einige Kund- schaft gehabt haͤtte/ und koͤnten dieselben wol stuͤndlich vorgefodert werden. Der Fuͤrstin wahr hiezu sonderlich liebe/ hieß den Alten zu erst herhohlen/ welcher sich von seinem ver- dienten Solde zimlich gekleidet hatte. Als nun derselbe in den Saal trat/ kennete sie ihn alsbald/ und sagte zu ihm: Guter Freund Boges/ eriñert ihr euch noch des mir ehemahls erteilten trostes/ da ich den Adler fellete? Ja Durchl. Fraͤulein antwortete er/ wann nur eure Durchl. ihrer damahligen Zusage sich annoch eriñern moͤchte. Warumb nicht? sag- te sie/ ich wil/ wo ich kan/ euch dessen ergetzen/ dann ihr habt dazumahl meine tꝛaurige See- le auffgerichtet; darumb bittet nur von mir kühnlich/ wie ihrs gerne haben woltet. Dieser fiel auff die Knie/ und hielt an/ ihre Gn. moͤchten bey seinem Herrn Mazeus ihm dz Tohr- hüter Ampt auff seinem Schlosse loßbitten/ welches ein ruhiger Dienst waͤhre/ der ihm als einem alten abgelebeten Knechte wol anstuͤnde. Ach du fromme Einfalt/ sagte sie mit ver- wunderung; gab ihm aber zur Antwort: Sie wuͤrde ihm hier in schwerlich dienen koͤñen/ weil sie den jetzigen Tohrhuͤter nicht außstossen/ noch dessen Seufzen wieder sich selbst rei- zen moͤchte; demnach wuͤrde er andeuten/ ob nicht etwas bessers vor ihm waͤhre; als wañ etwa ein statlicher Meierhoff/ oder wolgelegene Bauren Schenke unter H. Mazeus loß- fiele/ wolte sie ihm darzu gerne behuͤlflich seyn. Boges gab vor/ er duͤrfte sich so weit nicht erkuͤhnen; so gehoͤrete auch eine Anlage darzu/ die er nicht haͤtte/ doch stellete ihrer Durchl. er alles heimb. Die Anwesende zulacheten sich seiner wol/ aber Fr. Roxane/ die seine Art wol wuste/ schlug ihm vor/ sie wolte ihn zum Obersten Auffseher uͤber ihren Lustgarten set- zeu/ und daß er den Arbeitern darinnẽ solte zubefehlen haben; wolte er dann einen jungen d iij Loͤuen Fuͤnftes Buch. Loͤun daneben zaͤhmen (womit er wol umbzugehen wuste) solte zu seinem belieben stehen. Das ihr aber wegen gar zu grosser Muͤhe euch nicht zubefuͤrchtẽ habt/ sagte sie/ so sol mein Gaͤrtner alles vor euch verrichten/ daß ihr nur des Abends zusehet/ was im Garten gear- beitet sey; vielleicht vermacht euch dann dieses Koͤnigliche Fraͤulein noch wol einen Hand- pfennig über euren Jahrslohn den ich euch geben werde/ uñ hiemit euch jaͤhrlich 100 Kro- nen verspreche nebest freier Speise und Trank vor euch und alle die euren/ so gut es mei- nes Gemahls aͤdle Leibdiener bekommen/ denen ihr auch in Kleidern sollet gleich gehalten werden. Dieser fiel vor ihr nider/ bedankete sich untertaͤhnig/ und gab vor/ er bedürfte da- bey weder Jahrgeld noch einen Handpfennig/ weil sein Weib und sechs Kinder die Gar- ten Arbeit koͤnten helffen verrichten. Frl. Valiska hieß ihn auffstehen und befahl ihrem Timokles/ er solte ihm eine Gutsche mit vier starken Pferden anspannen/ und in zwo La- den 8000 Kronẽ darauff setzen lassen/ nebest noͤhtigen zehrungs Kosten/ vor ihn/ seine Fuhꝛ- leute und sechs Reuter zur begleitung; darnach sagte sie zu Boges; zihet nun hin und tre- tet euer Ampt an/ die jeztgenanten Kronen aber bringet euer Frauen und Kindern zur ver- ehrung mit/ und da ihr schier heut oder Morgen zu deren ehrlichen aufferzihung und auß- steur ein mehres werdet benoͤhtiget seyn/ wil ich das Fuͤrstl. Fraͤulein Barsenen bitten/ dz sie euch mit einem Ehrenpfennige zu huͤlffe komme. Ja mein Boges/ sagte dieselbe/ ich wil einem jeden von euren Kindern hiemit 1000 Kronen zu Heyrahtgeldern vermacht haben. Gar zu viel/ gar zu viel/ gnaͤdiges Fꝛaͤulein/ antwortete eꝛ/ ich habe schon mehr als mir nuͤt- ze ist/ uñ muß man aus einen Betler nicht einen Freiherrn machẽ/ er moͤchte sonst hernach kein gut tuhn/ welches mir und meinen Kindern leicht wiederfahren koͤnte. Aber wie wer- de ich meinem Weibe so angenehm seyn; sie hat mir sonst allemahl vorgeworffen/ daß sie mich ernaͤhren muͤste; bedankete sich nachgehends untertaͤhnig und fuhr froͤlich davon. Der Schuͤtze Batis ging mit grosser furcht hinein/ aber Frl. Valiska hieß ihn gutes muhts seyn; sie wolte ihm hernaͤhst kein Geld mehr abgewinnen/ und waͤhre ihr lieb/ daß ihr O- heim ihm alles wieder zu gestellet haͤtte; nur daß er zusaͤhe/ und ers nicht zum andernmahl verwettete; schenkete ihm auch 5000 Kronen/ worzu ihm Pharnabazus ein Landgut ver- sprach/ dz er hernaͤhst ruhige Tage haben solte. Es hatte aber Mazeus seinen zahmen Loͤuẽ ihr mitgebracht/ aber ihn noch nicht sehen lassen/ den muste Batis herzufuͤhren; welcher alsbald sich zu ihr hinbegab/ und wie ein Hund sich an ihren Kleidern streichelte/ dessen sie sich alle verwunderten. Sie kante ihn auch alsobald/ und sagte zu Mazeus: Mein geliebteꝛ Herr und Freund; ich werde die Kuͤhnheit nehmen/ und euch um diesen Loͤuen begruͤssen/ wann ichs nur zuersetzen wuͤste. Er aber antwortete: Gn. Fraͤulein/ ich habe ihn zu dem ende mit gebracht/ wann ihrer Durchl. ich ihn bieten duͤrfte/ meine sonst ja/ es sey vielhun- dert tausendfach schon vergolten. Phraortes erinnerte Herrn Herkules seiner ehmaligẽ Zusage/ und baht/ die Assyrischen Voͤlker/ die sich auff 30000 zu Roß und 35000 zu Fuß erstrecketen/ nebest seinem Medischen Heer 30000 Reuter und 20000 Fußknechte unter seine ungemaͤssigte Feld Herschaft zunehmen. Artaxerxes trug imgleichen Herrn Ladisla die gesamten Hirkanischen Baktrianischen/ Margianischen/ Arischen und Drangiani- schen Voͤlker auff/ 58000 zu Pferde und 40000 zu Fusse; welches Ampt sie dergestalt auf sich nahmen/ deß Herkules sich vor Groß Fuͤrst Phraortes; Ladisla vor Fuͤrst Menapis in Hir- Fuͤnftes Buch. Hirkanien Feldmarschalk halten wolten. Artaxerxes hatte sonst noch 18000 hin und wie- der geworbene Reuter/ welche er Fabius untergab; seine Persen aber 14000 zu Roß/ uñ 46000 zu Fuß wolte er selbst fuͤhren. Pharnabazus ergaͤnzete das Susianische Heer/ das es 40000 Mann/ halb Reuter/ und halb Fußknechte/ stark wahr. Arbianes fliegende Heeꝛ wahr auff 14000 Mann wieder ersetzet/ und Leches zum Feldmarschalk druͤber verordnet. Hierzu die Teutschen Boͤhmen/ Roͤmer und Fabius selbst geworbene gerechnet/ erstreckete dieses gesamte Volk sich auff 204000 Reuter/ uñ 161000 Fußknechte/ von welchen 6000 Schuͤtzen auff die 300 wol abgerichtete Elefanten gesetzet wurdẽ/ deren Gebrauch in kuͤnf- tiger grossen Feldschlacht Herkules gerne abgewendet haͤtte/ und doch damit nicht loß- brach/ weil er sahe daß die Morgenlaͤndische Fuͤrsten so viel darauff hielten. Nun hatte Artaxerxes bey einem reitenden Bohten nach Susa allen Verlauff wegen Gobares ge- schrieben/ und daß Pharnabazus ihnen wiederumb zum Fuͤrsten angewiesen waͤhre/ wo- durch die Landstaͤnde hoch erfreuet wurden; dann sie wahren mit Gobares uͤbel zufrieden/ daß er so gar nicht auff des Landes Wolfahrt achtete/ sondern nur den Leibesluͤsten uñ dem schaͤndlichẽ Geize nachhing; santen vor dißmahl zwanzig ihres mittels/ ansehnliche Herꝛn nach Persepolis/ ihrem neuen Fuͤrsten Gluͤk zu wuͤnschẽ/ welche auch einen grossen Schaz/ aus eigenwilliger freigebigkeit zusammen gelegt/ mit uͤbernahmen. Fuͤrstin Rhodogune Gobares Gemahl/ die ihm wegen seiner Unkeuscheit nicht sonderlich gewogen wahr/ sage- te oͤffentlich; die Goͤtter haͤtten seinem Unwesen laͤnger nicht zusehen koͤnnen; ließ durch getreue Leute die Fuͤrstliche Schazkammer besichtigen/ zog nach Persepolis/ lieferte Phaꝛ- nabazus die Schluͤssel und Rechnung des Kammer Schatzes 170 Tonnen Goldes hoch/ und baht umb ein Fuͤrstliches Leibgedinge/ weil sie an ihres Gemahls Verbrechen unschul- dig waͤhre. Fuͤrstin Valiska legete ihr wegen ihrer froͤmmigkeit grosse Gewogenheit zu/ nam sich ihrer sehr an/ und erhielt leicht/ daß sie biß auff Pharnabazus Einzug zu Susa auff dem Fuͤrstlichen Schlosse daselbst bleiben/ nachgehends jaͤhrlich 25000 Kronen Un- terhalt haben/ uñ entweder nach belieben zu Susa verbleiben/ oder ihr einen Ort zum Leib- gedinge waͤhlen solte. Frl. Barsene trug auff ihres Liebsten Begehren Frl. Valisken ob- gedachten Susianischen Kam̃er Schaz auff; bekam aber zur Antwort; es haͤtte die Mey- nung nicht/ daß sie die Vogel außnehmen/ und das ledige Nest ihr lassen wolte/ es waͤhre schon mehr als zuviel/ daß sie Herrn Pharnabazus Erbieten wieder ihren Willen haͤtte muͤssen gelten lassen. Artabanus Gesanter/ H. Sysimithres eilete mit seiner Geselschaft auff abgewechfel- ten Pferden zimlich fort/ da er des Tages vor dem Hochzeit Fest zu Persepolis anlangete. Auff den Grenzen geriet er einer Persischen Schaar von 1000 Reutern in die Haͤnde/ die ihn sicher durchbrachten/ da er alsbald bey unsern Helden und dem Fraͤulein ohn der Moꝛ- genlaͤndischen Fuͤrsten Gegenwahrt gehoͤr begehrete. Ladisla Meynung wahr/ man solte ihn unverrichteter Sache abzihen lassen/ aber Artaxerxes und Phraortes bahten/ die Weꝛ- bung anzunehmen/ und den Gesanten bey dem Hochzeit Feste zubehalten/ daß er davon be- richt tuhn/ und des verliebeten Koͤnigs Gedanken abwenden koͤnte/ wann er sehen wuͤrde/ daß er durch den Korb gefallen/ und ein ander schon in voller niessung saͤsse. Die unsern liessen ihnen solches gefallen und machten sich samt dem Fraͤulein nach dem grossen Saal/ da Fuͤnftes Buch. da die 300 Boͤmische aͤdelknaben auffwarten/ und 500 Teutsche mit Schlachtschwertern haussen die Wache halten musten. Kleofis und das Boͤmische Frauenzimmer stunden in praͤchtiger Kleidung hinter dem Fraͤulein; Leches mit seinen vier Gefaͤrten/ auch Tyriotes und Gallus/ hatten ihre glaͤnzende Ruͤstung angelegt/ die Helme auffgeschlagen/ und die blossen Schwerter in Haͤnden. Ladisla saß zur Rechten; Herkules zur Linken/ uñ das Frl. in treflicher Zierde und grosser freundligkeit in der mitte. Als Sysimithres auff erfodern hinein trat/ entsetzete er sich vor solchem Pracht/ ließ der Fraͤulein Kleider/ an der Zahl 43 mit allem zubehoͤr/ von Indianischer reiner Linnewad/ gesticketen Schuhen und derglei- chen sachen/ in grossen mit Silber beschlagenen Laden nachtragen/ und die Kleinot in einer weissen Helffenbeinen/ mit Golde umblegeten grossen Schachtel/ auff welcher eine kleinere stund/ darinnen das neue Kleinot versiegelt wahr. Nach gebuͤhrlicher Begrüssung aller dreyen/ wendete er sich zu dem Fraͤulein/ neigete sich tieff vor ihr/ und redete sie also an: Durchleuchtigstes/ Großmaͤchtigstes Koͤnigliches Fraͤulein; der grosse Koͤnig Artabanus/ Beherscher aller Morgenlaͤnder von dem Meer biß an den Ganges/ entbeut euer Durchl. Koͤniglichen Gruß und ergebene Liebe/ sendet deroselben dieses eigenhaͤndige Schreiben/ nebest ihren hinterlassenẽ Kleidern/ Kleinotẽ/ uñ einem neuen Kleinot; bittet/ ihre Durchl. solches alles mit guter Gewogenheit annehmen/ und seiner Koͤnigl. Hocheit schrifftliche genehme Antwort wiederfahren lassen wolle. Das Fraͤulein bedankete sich sehr/ fragete nach seiner Hocheit wolergehen/ und zeigete daruͤber ihre Genuͤgenheit an; wendete sich hernach gegen Ladisla und Herkules/ umb zuvernehmen/ ob ihr erlaͤubet waͤhre/ dz Schrei- ben mit beygefuͤgten Sachen anzunehmen; und auff bewilligung brach sie es/ und lase vor sich allein folgende Worte. Der grosse Koͤnig Artabanus erbeut dem Durchleuchtigsten Fraͤulein/ Frl. Herkuliska/ sei- ner Koͤniglichen verlobeten Braut herzlichen Gruß und alle Gewogenheit/ und verwundert sich hoͤch- lich/ warumb dieselbe ihr grosses Verlangen nach ihrem Herr Bruder und Oheim/ ihm nicht ange- deutet/ daß er sie mit einer sicheren Begleitung von 200000 Mann hingesendet/ uud ihr diese gebuͤhr- liche Ehre bezeiget haͤtte; jedoch weil ihrer Liebe gefaͤllig gewesen/ in schlechter stiller Geselschaft nur mit ihrem getraͤuen Diener Valikules (dem wir/ wie er weis/ mit Koͤniglichen Gnaden gewogen sind) diese Reise auff sich zunehmen/ haben wir solches keines weges tadeln wollen; nur tuht uns wehe/ dz sie in gar zu unwirdiger Kleidung/ wie gesagt wird/ sol hingereiset seyn; welches/ da wirs in erfah- rung gebracht/ haben wir nicht unterlassen sollen/ ihr durch unsern Hoffmeister Bagophanes nachzu- fragen/ welcher uns aber zur betruͤbten Zeitung gebracht/ daß er eure Liebe nicht habe antreffen koͤn- nen/ sondern von Feinden verraͤhterlich uͤberfallen und geschlagen sey. Daher wir Zeigern dieses/ un- sern lieben getraͤuen Sysimithres abfertigen/ ihre Kleider und Kleinot/ auch daneben noch ein abson- derliches/ alles zur bezeugung ungefaͤrbeter Liebe/ nachsenden/ und dabey sie freundlich ersuchen wol- len/ auff das ehiste mit ihrem freundlichen lieben H. Bruder und Oheim/ sich bey uns unwaͤgerlich ein- zustellen/ damit unser beschlossenes/ und so muͤnd als schriftlich bestaͤtigtes Beylager (auff dessen Feyr Koͤniglich zubereitet wird) koͤnne gehalten/ und euer Liebe die Groß Koͤnigliche Kron auffgesetzet werden; und wie wir uns hierzu gaͤnzlich verlassen/ also verbleiben wir derselben zu ehelicher Liebe uñ Traͤue stets ergebener. Artabanus. So bald der Gesante die ganze Verlesung des Schreibens merkete/ ließ er alle Sa- chen zu ihren Fuͤssen niedersetzen/ nur das einzelne Kleinot reichte er verschlossen uͤber. Sie hingegen baht ihn/ einen geringen Abtrit zunehmen/ damit sie sich einer bestaͤndigen Ant- Fuͤnftes Buch. Antwort erklaͤren koͤnte; ließ die ihrigen den Brief lesen/ und kunten sich des kindischen Vornehmens nicht gnug verwundern. Sie liessen den Gesanten balt wieder fodern/ wel- chen sie fragete/ ob er etwan auch an ihren Herrn Bruder und Oheim einige Werbung haͤtte/ koͤnte er solche ablegen/ und auff einmahl fuͤgliche Antwort bekommen. Worauff er zu ihnen also anfing: Durchleuchtigste Fuͤrsten/ Hochberuͤmte Helden; der unuͤberwind- lichste Koͤnig Artabanus entbeut euren Durchll. seinen Grus und Liebe/ übersendet denen zugleich dieses Schreiben/ und zweifelt nicht/ sie als seine hochgeliebte Freunde/ welche zu beleidigen er nie willens gewesen/ auch nicht seyn wird/ werden solches als ein unfehlba- res Zeichen seiner guten Gewogenheit vermerken und auffnehmen. Seiner guten Ge- wogenheit? sagte Ladisla; gewißlich/ Herr Gesanter/ werdet ihr euch an uns irren; mas- sen Artabanus euer Koͤnig uns bißher nicht vor Freunde/ sondern vor Leibeigene uñ Bet- telbuben gehalten/ die er als Hundejungen streichen zu lassen sich unterfahen duͤrfen dahin es aber wils Gott nimmermehr kommen sol. Dieser Rede nun wuste Sysimithres sich so verwundernd fremde zustellen/ daß unsere Helden schier nicht wusten/ wie sie mit ihm dran wahren. Ey ihr Durchil. Fuͤrsten/ sagte er/ wie solte mein Allergnaͤdigster Koͤnig ei- ne solche Untaht in den Sinn nehmen koͤnnen/ angesehen seiner hohen Vernunfft/ und dz er mit euer Durchll. sich so nahe zuverschwaͤgern gedenket? Meine gnaͤdigste Herren wol- len doch so ungleichen Argwohn von seiner Koͤnigl. Hocheit nicht schoͤpffen/ ob gleich dessen Wiederwertige etwa falsche Brieffe oder ertichtete verleumdungen außsprengen würden/ umb/ eure Durchll. meinem grossen Koͤnige abgeneigt zumachen/ welcher trauen von euer vortrefligkeit viel zu hoch haͤlt/ wie ohn zweifel dieses Gnadenschreiben außfuͤhrẽ wird. Herkules antwortete; Es muͤste uns sehr lieb seyn/ wañ euer Koͤnig solcher Schuld sich entbrechen/ oder einiges Zeichen der Gewogenheit uns darlegen koͤnte/ da wir des wiedrigen seiner Leute Blut darstellen wollen/ als unfehlbahre Zeichen. Zwar unter dem nahmen Valikules/ nach welchem ich euch/ Herꝛ Sysimithres nicht werde unbekant seyn/ habe ich mich uͤber euren Koͤnig nicht in allem zubeklagen; aber Herkules weis seiner gu- ten zuneigung nichts ruͤhmliches nachzusagen. Hier wuste nun dieser Fuchs abermahl seine Verwunderung darzustellen/ ob Herkules und Valikules unter so ungleicher Gestalt ein einiger Mensch seyn solte; er aber wolte sich daruͤber mit ihm nicht zanken/ sondern fra- gete/ was Madates und andere Feldfluͤchtige ihm nachsageten. Welches er beantworte- te; ihm waͤre zwar vorkommen/ daß etliche Parthische und Persische geringe Schaaren sich etwas gezauset/ und beyderseits zimliche Schlappen davon getragen/ daß aber ihre Durchll. solten mit eingemenget seyn/ obs gleich von etlichen gesagt wuͤrde/ koͤnte mans doch nicht glaͤuben; und wuͤste er gewiß/ daß wann seinem Koͤnige vorkommen würde/ dz etliche seiner Voͤlker sich gegen sie feindlich bezeiget/ muͤsten sie ohn alle Gnade es mit dem Halse bezahlen/ weil des grossen Koͤniges Gewogenheit gegen ihre Durchll. viel zu groß/ und allen bekant waͤhre. Gut Herꝛ/ sagte Ladisla/ euch zugefallen wil ich etwas davon glaͤu- ben/ aber gleichwol sonst nicht; nachdem meine Leute aus Charas mich weit ein anders berichten. Hieß ihn darauff ein wenig abtreten/ so wolten sie das Schreiben verlesen/ und sich auff eine Antwort bedenken. Sie funden aber diesen Inhalt. Der grosse Koͤnig Artabanus/ entbeut dem gewaltigen Koͤnige der Boͤhmen/ Herrn Ladisla/ e und Fuͤnftes Buch. und dem maͤchtigen Groß Fuͤrsten der Teutschen/ Herrn Herkules/ seinen geliebten Freunden/ Soͤhne und Schwaͤgern Gluͤk und Heyl. O der elenden Schwaͤgerschaft/ sagte Herkules mit einem Gelaͤchter/ welche nur im einbilden bestehet/ und nimmermehr zuwerke kan gerichtet wer- den. Sie lasen aber weiter: Wir koͤnnen uns nicht gnug verwundern/ aus was Ursachen meine Freunde ihre Fraͤulein Schwester und Wase/ unsere versprochene Groß Koͤnigl. Braut/ lieber durch hohe Gefahr zu sich fodern lassen/ als sie auff ihrem Koͤniglichem Schlosse besuchen wollen/ angesehẽ der hohen Begierde/ die wir gegen euch tragen/ nicht allein in eure Kundschaft zukommen/ sondern eu- er wirdigkeit nach euch zu ehren. Lasset ja unsere Wiederwertigen euch von uns nicht einbilden/ was in unsern Sinn niemahls gestiegen ist; stellet euch nur ungeseumet ein/ auffdaß wir unsere Begierden an euch ersaͤttigen moͤgen (daß moͤchte uns wol zu scharff fallen/ sagte Herkules/) sintemahl un- ser fester unbewaͤglicher Schluß ist/ daß unser geliebten Fraͤulein Herrn Bruder der Nahme eines großmaͤchtigen Koͤniges in Persen/ Assyrien und Susiana; ihrem Herrn Oheim aber der Nahme ei- nes Koͤniges in Meden/ Hirkanien und Baktriana erblich sol erteilet und bestaͤtiget werden/ da sie nicht als unsere Schwaͤger oder Soͤhne/ sondern wie Bruͤder in gleichmaͤssiger Gewalt/ Macht und Ehre/ mit uns herschen sollen; wollen auch nicht ruhen/ biß ihnen solche Koͤnigreiche durch unser Schwert gewonnen und eingeraͤumet/ die Wiederspenstigen und unrechtmaͤssigen Besitzer aber er- schlagen und abgestraffet sind. Dessen versichert sie ihr ganz geneigter und steter Freund Artabanus. Nach verlesung reichten sie es dem Fraͤulein hin/ welche es durchsehend/ mit einem hoͤflichen Gelaͤchter sagte: die Worte sind gut/ sagte der Wolff/ aber ich komme den Bau- ren nicht ins Dorff; merke gleichwol/ wann mein Herkules mich/ uñ ich ihn abtreten koͤn- te/ duͤrften wir des ergangenen endlich noch verzeihung erhalten. Aber mein Herr Bru- der Ladisla hat sich wegen dieser unmoͤgligkeit am meisten zubeschwerẽ/ weil ihm hiedurch der Nahme (freilich der Nahme und nichts mehr) eines maͤchtigen Koͤniges in Persen entruͤcket wird; den er aber/ wie ich weiß/ lieber entrahten/ als mit seiner lieben Freunde/ Groß Fuͤrst Artaxerxes und anderer Schaden annehmen wil. Sie traten enge zusam̃en/ und verglichen sich einer Antwort; und als Sysimithres wieder eingefodert wahr/ gab ihm das Fraͤulein diesen Bescheid: Daß der grosse Koͤnig Artabanus nicht allein freund- lich an mich geschrieben/ sondern mir auch meine Kleider und angehoͤrige Sachen/ nebest einem neuen Geschenk zugesand/ daraus verspuͤre ich seine hohe Gewogenheit/ werde es auch Zeit meines Lebens hochzuruͤhmen wissen/ und mich bemuͤhen/ daß seiner Koͤnigl. Hocheit Ungluͤk und Gefahr ich abwenden helffe/ und ihm alle Freundschaft/ die ohn ab- bruch meiner Ehren kan geleistet werden erzeige; ein mehres wird mein gnaͤdigster Koͤ- nig/ so lange er redlich ist/ von mir nicht begehren/ vielweniger fodern koͤnnen. Weil aber Morgen alhie zwo Fuͤrstliche Heyrahten sollen volzogen werden/ dafern Gott wil/ und mei- ne Herrn Bruͤder dabey seyn muͤssen/ wird der Herr Gesanter eines Tages auffschub zur gebuͤhrlichen Antwort uns nicht verdenken/ sondern als ein lieber und werter Gast sich mit dabey finden lassen/ da ihm dann alle gebuͤhrliche Ehre geleistet werden sol. Sysimithres ließ sich dazu willig bereden/ hoffend es wuͤrde alles nach seines Koͤniges Willen gehen; baht aber sehr/ es moͤchte dem Persischen und Medischen Groß Fuͤrsten der gelieferten Schreiben Inhalt vor seinem Abzuge nicht zu wissen getahn werden; welches ihm ver- heissen ward/ und musten Tyriotes und Gallus ihm in seiner Herberge Geselschaft leisten/ welche ihm allen Verlauff der geschehenen Entfuͤhrung erzaͤhleten. Sie aber gingen hin nach Fuͤnftes Buch. nach der Fuͤrstlichen Geselschaft/ gaben den beyden Groß Fuͤrsten die Schreiben zu verle- sen/ welche sich deren gnug zulacheten; doch/ sagte Artaxerxes/ ist mirs lieb/ daß er durch Schadenklug wird/ und Tugend besser achten lernet; hoffe daher/ er werde forthin seine Kinder Ruhten ins Feur werffen/ und nach einem Saͤbel sich umbtuhn. Nach gehaltener Mahlzeit baht Frl. Valiska die Groß Fürstin Saptina/ samt Fr. Roxanen und Frl. Baꝛ- senen/ mit ihr zugehen/ und ihre Kleider helffen außzulegen/ da sie zu Fr. Roxanen sagte: Geliebte Freundin/ ihr beschweretet euch neulich wegẽ mangel der Kleidung zur Hochzeit/ die uns Gott in gutem uͤberflusse bescheret hat; und haͤtte mein Braͤutigamb Artabanus mir dieselben zu mehr gelegener Zeit nicht schicken koͤnnen; bekomme also mittel/ meiner Freundin vor den Rok/ welchen sie mir nach Charas vertraulich mit gab/ einen andern zuzustellen. Des folgenden Tages putzeten die Hochzeiterinnen sich treflich aus; Frl. Va- liska legte ihr schneweisses Kleid an/ neben darzugehoͤrigen Kleinoten/ welches Artabanus ihr auff ihren Geburtstag verehret hatte; das neue uͤberschikte Kleinot wahr ein Brust- stuͤk in gestalt einer Sonnen/ die grosse Strahlen von sich warff/ wann die rechte Sonne darauff schien; nnd dieses sagte sie/ wolte sie an ihrem hoͤchsten Ehrentage dem Koͤnige Artabanus zugefallen tragen. Herkules bekleidete sich auch ganz weiß/ und wolte Ladisla seiner Gewohnheit nach/ ihm nicht ungleich seyn. Frl. Barsene muste von den Parthischẽ Kleidern ein gruͤn Guͤldenstuͤk/ mit den schoͤnsten Rubinen stark besetzet/ anlegen/ weil ihr Braͤutigamb sich in solche Farbe gekleidet hatte. Als sie miteinander nach dem grossen Saal gingen/ liessen sie den Parthischen Gesanten/ aller Ursach ungemeldet/ fodern/ wel- cher/ da er alle Anwesende so treflich gekleidet/ und Frl. Valisken neben Herkules in sol- cher Pracht sahe/ sich dessen nicht wenig verwunderte; hatte doch niemand den er fragen durfte/ sondern sahe/ daß unsere Helden/ und alle/ so des Christlichen Glaubens wahren/ in ein Nebengemach traten/ biß Pharnabazus mit seinem Fraͤulein nach Heidnischem Ge- brauch getrauet wahr; hernach sich in voriger Ordnung einstelleten/ und Herkules die An- wesenden also anredete: Großmaͤchtige/ Durchleuchtige/ Wolgebohrne/ auch aͤdle/ hoch- werte Herren/ Freunde und Freundinnen; nachdem der grosse Gott Himmels und Er- den mir unwirdigen mit so grosser Gnade erschienen/ daß ich das Durchleuchtigste Fraͤu- lein/ Frl. Valisken/ gebohrnes Koͤnigliches Fraͤulein aus Boͤhmen/ aus dem fest verwah- reten Schlosse ihrer Gefaͤngnis zu Charas erloͤset/ und aber schon uͤber drey Jahr mit der- selben ehelich versprochen bin/ als ist mein jetziger Vorsaz und Wille/ auff teils eingehoh- lete/ teils gegenwaͤrtige Bewilligung ihrer Fr. Mutter/ der Großmaͤchtigsten Koͤnigin in Boͤhmen/ und ihres Herrn Bruders/ des auch Großmaͤchtigsten Koͤniges daselbst/ heut diesen Tag mein hochzeitliches Ehren Fest anzustellen/ und solche unsere Ehe nach Gebrauch unsers Glaubens durch einen Lehrer oder geistlichen Vater einsegnen zu lassen/ damit ich dem Parther Koͤnige Artabanus in der Taht zeigen moͤge/ daß er unbilliger wei- se dasselbe besitzen wolle/ welches keinem Menschen in dieser Welt/ als allein mir/ mit rech- te zustehet; und er also dereins ablassen moͤge einem Gemahl nachzutrachten/ die einem an- dern schon vermaͤhlet ist. Wann ich aber dieses alte Recht zu meiner laͤngst versprochenẽ Frl. Braut nicht haͤtte/ und Koͤnig Artabanus nicht als ein Gewaltaͤhtiger/ sondern als ein hoͤflicher Koͤnig sie vor erst wuͤrde in freien Stand eingesetzet/ und nachgehends ihrer e ij Frau Fuͤnftes Buch. Frau Mutter und anderer Blutverwanten Bewilligung gebührlich gesucht haben/ solte er von mir unverdrungen blieben seyn. Weil er aber mit Gewalt verfuhr/ das Fraͤulein in eine Gefaͤngnis versperrete/ und uns durch Schreiben gebieten wolte/ seine Heyraht gutzuheissen/ ja ihn noch wol mit einem Fußfalle zu bitten/ daß er sie ehelichen moͤchte/ auch überdaß/ wie gesagt/ mein Anspruch zu diesem Schatze viel zu groß wahr/ hat man sich an dieser Seite billich bemuͤhet/ eine unschuldig Gefangene loßzuwirken/ damit sie nicht in Laster und Ehebruch gerahten/ sondern ihrem verlobeten Braͤutigamb ungekraͤnket zuge- fuͤhret werden moͤchte. Dieses/ Herr Gesanter/ werdet ihr eurem Koͤnige zur Antwort uͤberbringen/ und ihm die lautere Unmoͤgligkeit seines ansuchens darlegen/ dessen er nach diesem muͤssig zugehen/ sich wol besinnen wird/ wo er sonst nicht seinen Wiz und Verstand gefressen hat. Was seine entschuldigung betrift/ daß er meinem Bruder/ Koͤnige Ladisla und mir/ stets wil gewogen gewest seyn/ und nie keinen Schimpf zugelegt haben/ moͤchten wir vielleicht vor ein Zeichen seiner bereuung außlegen/ wans ihm ernstlich waͤhre/ aber aus dem Sinne wird er uns nicht schwetzen/ was durch so vieler außsage mitten in der Geisselung bestaͤndig bejahet ist/ ja mit so viel vergossenem Blute versiegelt. Wir wollen aber/ wann wir eures Koͤniges bestaͤndige Freundschaft weiter erfahren/ alles Schimpfs und Hohns vergessen/ und zwischen ihm und feinen Fuͤrsten uns als Mitler gebrauchen lassen/ daß er derselben Freundschaft weiter geniessen koͤnne/ und nicht Ursach habe/ neue Persische und Medische Koͤnige zuwaͤhlen/ worauff er vielleicht schon moͤchte bedacht seyn. Als er zu reden auffgehoͤret/ fing Frl. Valiska an: Ja Durchleuchtigster Groß Fuͤrst Herkules; ich gestehe vor dieser Hoch Fuͤrstlichen/ auch sonst ansehnlichen Geselschafft/ daß euer Liebe ich von solcher zeither verbunden bin/ auch nie kein mahl anders gesinnet ge- wesen/ als euer Liebe meine schuldigkeit zu liefern/ oder einer andern gezwungenen Heyraht (die nicht anders als ein Ehebruch seyn koͤnnen) durch einen ehrlichen Tod vorzukom̃en. Zwar Koͤnig Artabanus hat mich genoͤhtiget/ ihm die Ehe zuversprechen/ aber weil es wieder Recht und billigkeit/ auch wieder meinen Willen und aus Zwang geschehen/ wird ein jeder redlicher Mensch mich davon loß und frey sprechen; ja Koͤnig Artabanus selbst kan mir nichts anhaben/ in betrachtung/ daß er wieder Hand und Siegel gehandelt/ und vor außgang der bestimmeten Wochen bey mir angesuchet hat. So danke ich nun billich dem allerhoͤchsten Gott/ daß er meinem versprochenen Braͤutigam das Gluͤk verlihen hat/ mich loß zu machen/ welches nicht weniger Koͤnige Artabanus als mir selbst lieb sein sol; gestaltsam mein ganzes vornehmen/ im fall ich ihm haͤtte zugefuͤhret werden sollen/ auf sei- nem/ oder ja unser beyder Tode bestund/ so das mit einem Messer/ welches ich in meinem Luftweher verborgen trug/ ich ihm das Herz im Leibe wolte gesucht haben/ wann er mich haͤtte beruͤhren wollen/ was mir gleich druͤber begegnet waͤhre. So saget nun/ Herr Sy- simithres/ dieses alles eurem Koͤnige/ und daß ich einen Abscheuh und Greuel an ihm ha- be/ als lange er mich zu seinem unkeuschen Willen suchet; saget ihm/ er moͤge sich an sei- nes Sohns Gotarzes Unfal spiegeln/ dem ich mich/ waͤhre ich unversaget gewesen/ viel lieber als dem Vater gegoͤnnet haͤtte; aber er muste durch diese Hand am Leben gestraffe werden/ als er mir ungebuͤhrliche Sachen anmuhtete/ wie Koͤnig Artabanus wol weiß/ ob ers gleich keinen Menschen wissen laͤsset. Kurz davon zu reden/ ihr sehet/ Herr Gesanteꝛ/ daß Fuͤnftes Buch. daß eures Koͤniges Heyraht mit Valisken oder Herkulisken nur in blosser Einbildung be- stehe/ weil ich ihrer zween nicht auff einmahl freien kan. Dieser hatte bißher als ein Ver- wirreter zugehoͤret/ sahe daß er recht genarret wahr/ da man ihn/ andere zunarren außge- schikt hatte; auch daß seines Koͤniges Hoffnung gar im Brunnen lag/ und wuste nicht/ wie ers best angreiffen solte. Er hatte den an Fürst Herkules absonderlichen Brieff noch bey sich/ sahe aber wol/ daß er ihn wieder muste zuruͤk tragen; endlich fassete er ein Herz/ und stellete eine Frage an: Ob nicht zuerhalten stünde/ daß die Vermaͤhlung biß dahin auf- geschoben wuͤrde/ und er mit schnellen Pferden feinem Koͤnigesolches hinterbraͤchte; des- sen Herkules lachete/ und zur Antwort gab: Guter Freund; hiemit wuͤrde so wenig eurem Koͤnige als mir gedienet seyn; dann vor erst hoͤret ihr ja/ daß das Fraͤulein lieber sterben als ihn ehelichen wolle; hernach versichere ich euch/ wañ euer Koͤnig mir gleich seine Her- schaft abtreten/ und Indien darzu schaffen koͤnte/ gaͤbe ich ihm doch diesen Schaz nicht drumb. Ladisla kunte sich nicht wol maͤssigen/ und fing an: Hoͤret Sysimithres; wañ ich wissen solte/ oder einige furcht haͤtte/ dz Artabanus (der durch sein falsches auf Schrauben gesetzetes Schreiben mich ja so hoch/ als durch den Ruhten-Schimpff beleidiget) mei- ner Frl. Schwester teilhaftig werden solte/ wolte ich gleich diese Stunde mein Schwert durch ihr Herz stossen/ umb daß sie nicht selbst Moͤrderin an ihrem Leibe werden duͤrffte; diesem meinem Bruder/ dem Groß Fuͤrsten aus Teutschland wolte ich sie lieber zur Leib- eigenen/ als eurem Wuͤterich zum herschenden Gemahl geben; dann wir unsers Orts se- hen im Heyrahten nicht auff aͤusserliche Macht/ sondern auff Tugend/ deren euer Koͤnig so nottuͤrfftig ist/ daß andere Fuͤrsten sich schaͤmẽ/ von ihm einigen Befehl mehr anzuneh- men. Ist er dann mit dieser Heyraht nicht zufrieden/ ungeachtet er ja nicht die allergering- ste befugete Ursach der Einsprache hat/ so lasse er uns nur wissen/ was er dagegen vorzuneh- men willens sey/ als dann sol er uns ohn Antwort nicht finden/ er begehre sie gleich Muͤnd- oder Schrift- oder Ritterlich. Foderte hiemit den Christlichen Lehrer herzu/ welcher die Vermaͤhlung in Sysimithres beywesen verrichtete. Bey dem Hochzeitmahl ward der- selbe als ein Koͤniglicher Gesanter gar oben angesetzet/ und beyde Fuͤrstliche Braͤute ihm zur Seiten; da unsere Helden und Pharnabazus sich gnug freundlich gegen ihn stelleten/ aber Artaxerxes und Phraortes tahten/ als ob sie ihn nicht saͤhen; liessen sich doch keines unwillens merken/ und hatten allerhand unterredungen von außlaͤndischen Sachen. Den Tanz fing Ladisla mit seiner Frl. Schwester an/ fuͤhrete sie hernach seinem Herkules zu/ der sie dem Gesanten brachte/ zu welchem sie sagete: Jezt wil ich mir einbilden/ als tanzete ich mit meinem allergnaͤdigsten Koͤnige/ als dessen Hocheit ich/ ausserhalb ehelicher Liebe/ von Herzen gewogen bin/ weil er dannoch auff mein heftiges ansuchen sich zur Zucht und maͤssigkeit hat anweisen lassen/ daß ich Gott Lob/ meine juͤngfraͤuliche Ehre vor ihm erhal- ten; moͤchte wuͤnschen/ daß er sich meiner begeben koͤnte/ wie er dann nunmehr wol tuhn wird. Ihr seid des verstandes/ mein Herr/ daß ihr ihm sein blindes Vornehmen wol auß- reden werdet/ damit er durch diese Unbedachtsamkeit sich nicht gar ins Verderben stuͤrze/ welches ich ihm nicht goͤnnen wolte. Sysimithres wuͤnschete dieses selbst/ sagete/ er wolte hoffen/ sein Koͤnig wuͤrde sich finden/ wann ihn nur der Spot nicht zu sehr hoͤhnete/ daß seine vermeinete Braut bey seinen aͤrgsten Feinden dem Persen und Meden auffgehalten e iij und Fuͤnftes Buch, und verehelichet wuͤrde/ die hernaͤhst ohn zweifel dessen schwere Straffe zugewarten haͤttẽ; sein Koͤnig Artabanus waͤhre von solcher Macht/ daß der Roͤmische Kaͤyser sich vor ihm fürchten muͤste/ daher er seinen Lehntraͤgern solche bespottung nicht zu gute halten wuͤrde. Das Fraͤulein antwortete ihm: Sie haͤtte der Fuͤrsten Sache wieder den Koͤnig nicht zu verfechten/ nur dieses moͤchte er wol wissen/ daß die Parthen finden wuͤrden was sie wol nicht sucheten; und wañ diesen Fuͤrsten wegen ihrer Heiraht solte zugesetzet werden/ dürf- ten wol ihr Braͤutigam und Bruder so bald noch nicht raͤumen/ die sonst ehisten Abscheid zunehmen gesinnet waͤhren. Der Gesante wolte sich weiter nicht einlassen/ sondern hielt an umb Morgenden Abschied uñ schriftliche Antwort/ welches sie ihm zu werben verhieß. Am spaͤten Abend wurden beyde Fuͤrstliche Braͤute ihren Gemahlen zugefuͤhret/ ungeach- tet die Boͤhmische wol der kuͤhnheit gewesen waͤhre/ ohn begleitung zu ihrem Herkules zu- gehen; wie dann ihr Bruder sie damit auffzohe/ und sie es mit dem wunsche beantwortete/ daß sie nur bald zu Padua anlangen moͤchten. Libussa hatte Frl. Klaren aus Teutschland Brustbildichen/ eines guten Tahlers breit/ sehr wol gemahlet/ und mit dero untergezeich- netem Nahmen/ von ihr zum Gedaͤchtnis empfangen/ welches sie diesen Abend ohn gefehꝛ fallen ließ/ und von Arbianes gefunden ward/ der aus dem Nahmen sahe/ wessen Bilde es wahr/ und verliebete sich dergestalt daran/ daß man ihn nachdem eine zeitlang nicht froͤ- lich sahe. Des folgenden Morgens gab man Sysimithres abscheid/ und keine fernere Ant- wort/ als einen schriftlichen Beweiß/ daß er zwey Schreiben an gehoͤrigen Ort wol ein- geliefert/ und darauff muͤndliche Antwort empfangen haͤtte/ welche er seinem Koͤnige/ ver- moͤge seiner Pflicht wol anzeigen wuͤrde. Fuͤrstin Valiska aber schikte dem Gesanten bey Kleofis eine trefliche guͤldene Kette zur verehrung/ die er mit dank añam/ uñ ihreꝛ Durchl. dabey zugedenken sich erboht. Tyriotes hatte sich in Fr. Valisken Kammerjungfer Ame- stris verliebet/ welches er Leches zuverstehen gab/ der ihm so wol zu huͤlffe kam/ daß sie ihm des dritten Tages hernach beygelegt ward; und weil er sich schon etlichemahl im gefechte wieder die Feinde ruͤhmlich verhalten hatte/ schenkete ihm Pharnabazus eine freie Herr- schaft in Susiana/ und gab ihm 6000 Reuter zufuͤhren/ die er so wol abrichtete/ daß unter allen Sufianern ihres gleichen nicht wahr. Also lebeten sie alle miteinander/ Herr und Knecht/ in taͤglicher froͤligkeit/ ohn der elende Orsillos muste sich immerfort mit schweren Ketten schleppen/ und die unflaͤtigste Arbeit bey sehr geringer Speise verrichtẽ/ wobey ihm taͤglich die Peitsche gegeben ward/ und ihm noch das unertraͤglichste wahr/ daß er nicht eins um erleichterung anhalten durfte/ biß endlich des dritten Tages in dem Hochzeitfeste/ als er den Koͤchen Holz spaltete/ Libussa ihn ersahe/ und durch Timokles forschete/ was vor ein Mensch er waͤhre; welchem er sein Ungluͤk zuerkennen gab/ und sehr klaͤglich baht/ ihm ein untertaͤhnigstes Bitte-Schreiben an die junge Groß Fuͤrstin Valiska auffzusetzen/ daß sie vor ihn bey seinem Herrn Fabius umb linderung der Straffe/ oder da es moͤglich/ umb vorige Freyheit gnaͤdigste Vorbitte tuhn moͤchte. Libussa wahr ohndaß mitleidig/ uͤber- gab solches Schreiben ihrer Gn. Frauen bey der Mahlzeit/ welche es oͤffnete/ und folgen- den Inhalt lase: Ich der ehmahls verwaͤgene/ nun eine Zeit her hart buͤssende/ und mit Ketten schwer beladene Orsillos/ falle vor der hoͤchstberuͤhmeten Barmherzigkeit der Durchleuchtigsten Groß Fuͤrstin Frau Va- Fuͤnftes Buch. Valiska in tieffester reue meiner groben Suͤnden nider/ und bitte alleruntertaͤhnigst/ dieselbe wolle lau- ter umb Gottes willen mein Elend allergnaͤdigst ansehen/ und bey meinem ungnaͤdigen hocher zuͤrne- ten Herrn/ Herrn Fabius/ durch ihre kraͤftige Vorbitte mir allerelendesten Menschen zu huͤlffe kom- men/ damit dessen harter Zorn moͤge gelindert/ und ich der schweren Ketten erlassen werden/ weil sei- ner Gnaden ja mit meinen unnuͤtzen Diensten nicht gedienet ist/ und ich meine begangene Boßheit nicht/ als durch anzeigung eines herzlichen wehleidens buͤssen oder ersetzen kan. Dieses wird der Him- mel selbst eurer Durchl. vergelten/ und ich wil solche Hochfuͤrstliche Woltaht Zeit meines Lebens zu ruͤhmen unvergessen seyn. Die Groß Fürstin wuste nicht/ was dieser arme Suͤnder verbrochen hatte/ wolte auch gegen Fabius dessen ehe nicht gedenken/ biß sie von Timokles voͤlligen bericht einnam; worauff sie zu Fabius sagete: Hochwerter Herr Bruder/ wann ichs wagen duͤrfte/ etwas an seine Liebe zubegehren/ daß vielleicht ein ander nicht erhalten wuͤrde/ wolte ich derselben meine Kuͤhnheit/ deren in solchen faͤllen ich mich zugebrauchen weiß/ wol sehen lassen. Er gab ihr zur Antwort: Durchl. Groß Fuͤrstin; ihre Gn. wollẽ/ bitte ich sehr/ ihrem Knechte befehlen/ alles was in seinem geringen Vermoͤgen seyn wird. Hier ist kein befehlen/ sagte sie/ nur allein versuche ich bey meinem H. Bruder/ einige Vorbitte vor einen bußfertigen armen Suͤnder einzulegen/ dem sein Verbrechen herzlich leid ist/ und sich zur besserung anerbeut. O Bube Bube! sagte Fabius/ so bistu mir gleichwol noch zu schlauh/ und wer hat dir diesen Raht gegeben? Zwar Durchl. Groß Fuͤrstin/ wann ich der Schelmen eine Welt vol haͤtte/ muͤsten sie ihrer Durchl. alle geschenket seyn/ ungeachtet ich von ihm das- selbe erlitten/ was zuerzaͤhlen ich mich schaͤmen mus/ und vor diesem mir wol nie einbilden koͤnnen/ daß mir solches zuerdulden moͤglich waͤhre; jedoch bitte ich dienstlich/ ihre Durchl. wolle ihn in seiner jetzigen Gestalt herruffen lassen. Timokles hohlete ihn/ mit vertroͤstung/ er solte gutes Muhts seyn/ seine Sache koͤnte noch wol gut werden/ und besser als er je ge- meinet. Als er in den herlichen Saal mit seinen Ketten trat/ taht er einen demuͤhtigen Fußfall/ daß ihm die Augen uͤbergingen/ und er vor herzleid kein Wort sprechen kunte; dann es wahr ihm der begangene frevel von Herzen leid. Fr. Valiska mochte sein Elend kaum ansehen/ und Fabius selbst hielt davor/ er haͤtte vor die ihm fuͤnff Wochen lang an- gelegte Unbarmherzigkeit/ nunmehr fast außgebüsset; rieff ihm zu/ vor den Tisch zutreten/ und sagete: Orsillos/ gedenkestu einige Gnade zuerhalten/ so erzaͤhle alles groß und klein/ was vor Arbeit/ Schmach und Streiche du mir auffgelegt hast. Dieser baht umb gnaͤdig- ste Erlassung; es waͤhre ihm unmoͤglich/ ohn Traͤhnen an seine Suͤnde zugedenken/ und würde ihm das Herz zerspringen/ wann ers noch erzaͤhlen/ und seinen Gn. Herrn so hoch beschimpfen solte. Groß Fürstin Valiska ließ ihm ein zimliches Glaß mit Wein reichen/ wodurch er etwas kuͤhner ward/ und er alles von Anfang biß zum Ende erzaͤhlete/ je doch von Kleon als von einem dritten und abwesenden redete. Als nun Fabius darauff den An- wesenden zuvernehmen gab/ daß er selbst der Kleon waͤhre; sagte Artaxerxes; so viel deine Beichte meldet/ Orfillos/ haͤttestu vorlaͤngst am Kreuze buͤssen sollen/ und hat dein ehmah- liger Fuͤrst nie keine loͤblichere Taht verrichtet/ als daß er dich zum Leibeigenen gemacht hat. Ja/ sagte Groß Fuͤrstin Valiska/ er hats grob genug gehechelt; jedoch wann er mir ei- nen gnugsamen Buͤrgen schaffen kan/ daß er hernaͤhst from werden/ und solcher Boßheit feind seyn und bleiben wolle/ hoffe ich ihm noch wol Gnade zuerwerben. Der arme Tropf begun- Fuͤnftes Buch. begunte ein Herz zufassen/ sahe wol daß der Buͤrge aus scherz begehret ward/ und gab zur Antwort: Allervortreflichste Groß Fuͤrstin; ich bin viel zu unwirdig/ daß ihre Durchl. vor mich unwirdigen Suͤnder ein Woͤrtlein verlieren/ oder anwenden sol; wuͤrde mich dessen auch nim̃ermehr unterstanden haben/ dieselbe darumb zuersuchen/ wañ nicht die aͤusserste Noht mich gedraͤnget haͤtte; nachdem ich aber mich nicht erkuͤhnen darff/ solche Herren der Welt/ alhie versamlet/ umb Buͤrgschaft zubegruͤssen/ und geringere Leute/ inbetrach- tung ihrer Hocheit/ es schwerlich verrichten koͤnnen; als wil vor erst diese Ketten euer Durchl. ich verbuͤrgen/ mit dem freien erbieten/ dafern mich hernaͤhst einiger Mensch neuer uͤbeltaht wird uͤberzeugen koͤnnen/ ich nicht allein aller Menschen/ sondern auch deꝛ Goͤtter Gunst und Gnade mich auff ewig verzeihen wil; und wann mein Gn. Herr Fabi- us/ des gehorsamster und ergebenster Knecht ich die uͤbrige Zeit meines Lebens seyn und verbleiben wil/ diese Buͤrgschaft uͤber sich nehmen wolte/ haͤtte dessen Gn. sich ja keiner Gefahr zubesorgen/ inbetrachtung/ dz mir der Kitzel dergestalt/ wiewol recht nach meinem Verdienst vertrieben ist/ daß ich mich davor nach diesem wol huͤten werde; worauff er bitterlich anfing zu Weinen/ daß die Traͤhnen von ihm auff die Erde fielen/ und Fabius dadurch dergestalt geruͤhret ward/ daß er zu ihm sagete: Stehe auff Orsillos/ ich wil aller Schmach vergessen/ und den Zorn wegwerffen/ kan demnach wol leiden/ daß die Durchl. Groß Fuͤrstin dich deiner Ketten benehme/ und dich in vorige Freyheit setze. Der Groß- Fuͤrstin stunden vor mitleiden die Traͤhnen in den Augen/ uñsagte zu diesem elenden Men- schen; guter Mann/ euer Ungluͤk ist euch sehr heilsam gewesen/ und eine kraͤftige Arzney/ die Boßheit von euch außzutreiben/ derẽ ihr vor diesem seid ergeben gewest; so denket nun stets an diese Gnade/ welche euer Gn. Herr/ H. Fabius euch jetzo erzeiget/ in dem er alle eu- re grobe Beleidigung euch vergeben/ und in vorige Freyheit euch wieder hingestellet hat. Also hatte dieser Ungluͤkselige hiemit sein Elend uͤberstanden/ uñ erteilete ihm Fuͤrst Phaꝛ- nabazus einen Freybrieff/ wurden ihm auch von den Anwesenden Fuͤrsten und Kriegs O- bersten in die 800 Kronen geschenket/ da ihm Fabius uͤberdaß ein Pferd und gutes Kleid gab/ und ihn nach seinem Geburts Flecken auff sein voriges Erbgut hinzihen ließ. Als er daselbst wolgeputzet ankam/ hatte er sich doch in dieser kurzen Zeit so verendert/ daß ihn we- der die Nachbarn noch sein eigen Weib kennete; und wie er sich kund gab/ wahren als- bald etliche/ die sich nach Frau Statiren macheten/ ihr seine Ankunft anzumelden/ wie sie kurz nach seiner Flucht hatte bestellet; da sie alsbald neun Reuter nach ihm schickete ihn zu fahen/ aber er trat vor die Obrigkeit des Flecken/ zeigete seinen Freybrieff/ und begehre- te Schuz wieder Gewalt/ welcher ihm auch geleistet ward/ da er sich gegen die Abgeschick- ten erboht/ freywillig mit ihnen zureiten. So bald er auff Nabarzanes Schloß kam/ und die Frau ihn ins Gesicht fassete/ befahl sie ihrem Gesinde/ ihn vom Pferde zureissen und am Pranger zu tode zustreichen. Er aber gab ihr diese beherzte Antwort: Gn. Frau/ hal- tet ein/ ich gestehe euch durchaus keiner Oberbotmaͤssigkeit/ nachdem ich nie euer Gn. Leib- eigener gewesen/ und nun mehr von meinem Gn. Herrn Kleon allerdinge frey gesprochen bin. Was? rieff sie mit froͤlicher Stimme/ lebet dann mein Kleon noch? Er aber blieb in seiner Erzaͤhlung/ und sagte: Ja von dem Durchleuchtigen Roͤmischen Herrn/ welcher den unkeuschen verfluchten Verraͤhter und Fraͤulein-Raͤuber/ den unseligen Fürsten Go- bares Fuͤnftes Buch. bares mit seiner Hand gefangen genommen/ und nebest anderen grossen Herren zum To- de verdammet hat/ wie ich solches mit meinen Augen angesehen/ und in meinen damahli- gen Ketten nicht zehn Schritte davon gestanden bin/ da ihm der Diebshenker anfangs seinen schnoͤden Leib auff der Folter zerrete/ uñ ihm hernach den Schedel herunter schlug/ welches ihm noch zur sonderlichen Gnade wiederfuhr/ weil er das Kreuz billicher haͤtte bekleiden sollen. So begeben sich demnach eure Gn. dieses vorhabens/ und ehren diesen Freybrieff/ welchen euer und mein jetziger gnaͤdigster Lands Fuͤrst/ Herr Pharnabazus mir erteilet/ als welcher meines gnaͤdigen Herrn Kleons vertraueter bruͤderlicher Freund ist. Statira lase den Brieff/ und gab ihm zur Antwort: Nachdem euer Herr Kleon euch das Verbrechen verzihen/ habe ich mit euch im unguten nicht zu tuhn/ sondern wuͤnsche euch Glük zu eurem Wolstande. Nabarzanes stund dabey als ein traͤumender/ und sagte zu seinem Gemahl: Wie/ lebet dann Kleon gleichwol noch/ und ihr habt mir ihn so gewiß Tod gesagt? so wird ja niemand als er selbst mich im Bette so elendig zugerichtet haben? Was weis ichs so eigen? antwortete sie; und wie haͤtte er bey schlaffender Nacht auff un- sere versperrete Kammer kommen koͤnnen? es wird etwa sein Engel gewesen seyn/ welcher den Frevel an euch nicht hat wollen ungerochen lassen. Ist er aber ein so gewaltiger Herr/ und unsers neuen Fuͤrsten gleimaͤssiger Freund/ so seid ja bald darauff bedacht/ wie ihr Gnade und verzeihung eures verbrechens bey ihm erlanget; Ich vor mich habe ein gutes Gewissen/ daß ich ihn nicht beleidiget/ sondern mehr als keinen Menschen in dieser Welt geliebet habe/ wie dann seine Tugend ein solches wolverdienet. Ihr aber Orsillos/ komt/ ihr solt zur anzeige meiner guten Gewogenheit mit uns zu Tische gehen; gedenket des ge- schehenen nicht weiter und versichert euch/ daß eure damahlige Geisselung von eurem H. Kleon selbst bestellet/ uud durch jenes Fenster angesehen ward. Alles Gesinde verwunder- te sich dieser Verenderung/ und daß Orsillos mit ihrer Frauen Mahlzeit hielt/ welcher nach auffgehobenen Speisen den ganzen Verlauff mit Gobares erzaͤhlen muste/ und kunte sie nicht unterlassen den Unfall zubeweinen/ wovon sie doch bald abbrach/ und nach Kleons Wesen fragete; Welches er alles meldete/ und daß er mit seinem rechten Nahmen nicht Kleon/ sondern Fabius hiesse/ waͤhre ein Hochaͤdler Herr aus Rom/ und des Roͤmischen Stathalters zu Padua einiger Sohn/ ein Roͤmischer Rahts Herr/ und Obrister uͤber ei- ne Legion Roͤmisches Kriegs Volk/ dem sein H. Vater neulich 6000 Roͤmische Reuter zugeschikt/ die ihm auffwarten muͤsten; haͤtte auch Gobares Heer geschlagen/ ihn selbst ge- fangen/ und das geraubete Koͤnigl. Fraͤulein/ deren an Schoͤnheit/ Waffenserfahrenheit/ freudlichkeit/ Tugend und froͤmmigkeit in der ganzen Welt kein Mensch gleichete/ erloͤset; und eben diese Groß Fuͤrstin/ sagte er/ hat durch ihre kraͤfftige Vorbitte mir Gnade und freyheit erworben/ da ich sonst Zeit meines Lebens in schweren Ketten haͤtte muͤssen zubrin- gen. Ist dann dieses Fraͤulein etwa seine Liebste? fragte Statira. O nein/ antwortete er: Sie ehret ihn zwar hoch/ aber er wartet ihr auff als ein Diener. Es ist aber ein ander Hꝛ. Groß Fuͤrst Herkules/ deßgleichen durchaus nicht zufinden ist; alle Fuͤrsten ehren ihn; un- ser Fuͤrst Pharnabazus stehet ihm zudienste/ uñ ist fast gleicheꝛ Schoͤnheit mit dem hoͤchst- gedachten Fraͤulein/ ein Herr/ dem die ersten Haar des Barts kaum anzumerken sind/ uñ hat doch den Preiß/ das sein Schwert unüberwindlich sey; dieser hat vor wenig Tagen f Beyla- Fuͤnftes Buch. Beylager mit diesem Koͤnigl. Fraͤulein gehalten; deren Herr Bruder ist auch daselbst/ ein herschender Koͤnig in Boͤhmen/ dem 300 aͤdelknaben auffwarten; derselbe sol Herrn Fabius meines Gn. Herrn einige Schwester zum Koͤniglichen Gemahl haben/ woraus leicht abzunehmen/ was vor ein vornehmer Herr der ertichtete Kleon seyn muͤsse. Pfui ihꝛ blinder unverstaͤndiger Mensch/ sagte Statira hierauff zu Nabarzanes; kuntet ihr euch daß von mir nicht einbilden lassen/ daß Kleon mehr als ihr und eures gleichen waͤhre? alle seine Geberden gabens an den Tag; und was haͤtte ich sonst vor Ursach gehabt/ ihn zu eh- ren und zulieben? Dieser wuste nicht/ wo er vor Furcht und Angst bleiben solte/ dann er meynete/ Kleon waͤhre schon vor dem Tohr/ ihn zuerwürgen/ und sein Gemahl zu Heirah- ten; baht sie demnach instaͤndig/ ihm Gnade bey Kleon zuerwerben/ dem er herzlich gerne abtrag machen/ und ihm alles abtreten wolte/ wañ er nur das blosse Leben davon braͤchte. Aber zu seinem sonderlichen Troste hoͤrete er/ daß Fabius schon geheyrahtet/ und neulich von seinem Gemahl Schreiben gehabt haͤtte. Statira stellete sich gleichwol/ als wuͤste sie wenig Raht/ und taht den Vorschlag/ er solte 12 Reit Rosse/ die Kleon selbst abgerichtet/ mit dem allerbesten Zeuge belegen/ ihm dabey vor etliche tausend Kronen Kleinot schickẽ/ und selbst mitzihen/ ob er verzeihung erhalten/ und in ruhiger besitzung seiner Herschaft uñ geschenketen Guͤter bleiben koͤnte; welches alles er gerne einwilligte/ ohn daß er baht/ sie moͤchte an seine stat die Reise auff sich nehmen/ weil sie alles viel leichter erhalten wuͤrde; wozu sie sich dann nicht lange haͤtte bitten lassen/ wann nicht ihr Gewissen der begangenen Leichtfertigkeit sie bezichtiget/ daß sie durch die aͤusserste bedraͤuung ihn zu ihrer Liebe ge- zwungen haͤtte. Hierzu kam/ daß er weder muͤnd-noch schrifftlich sie grūssen ließ/ welches aber Fabius gereuete/ und ihm erst des andern tages nach Orsillos Abzuge einfiel; Sie hielt demnach vors beste/ es dißmahl mit einem Schreiben zuverrichten; schenkete Orsillos 80 Kronen/ und baht ihn/ ihretwegen nach Persepolis zureisen/ uñ ihren Dienern Geselschaft zuleisten; als er sich nun darzu willig finden ließ/ setzete sie folgenden Brieff auff. Dem Durchleuchtigen Roͤmischen Herrn/ Herrn Fabius/ entbeut Statira herzlichen Gruß/ und bereitwilligsten Gehorsam; Durchleuchtiger Herr; es beklaget mein Gemahl mir mir/ die gro- be Blindheit unser Vernunft an/ daß ihrer Gn. Vortrefligkeit wir unter dem ertichteten Nahmen/ oder vielmehr unter dem durch Ungluͤk auffgelegten Deckel der Knechtschaft/ nicht haben erkennen koͤnnen/ da dieselbe doch so klar hervor leuchtete/ daß die unverstaͤndigsten sie mit Haͤnden haͤtte greif- fen moͤgen. Ader ungleich tieffer gehet uns zu Herzen/ die grosse Unbilligkeit/ euer Durchl. von uns/ wiewol aus unterschiedlichen bewaͤgungen angelegt/ welche zu buͤssen wir so willig als schuldig sind/ wann nur einiges Vermoͤgen da waͤhre. Mein Herr/ bitte ich demuͤhtig/ wolle meinem Gemahl seinẽ Unverstand/ und mir die hefftigkeit aus ergebener Seele entsprossen/ gnaͤdig uͤbersehen/ und diese gro- ben Fehler mit dem Mantel seiner hohen Vernunft und Guͤte zudecken/ da sonst ihre Durchl. einige Begierde/ die Errettung ihres Lebens betreffend/ an mir gespuͤret. Wir stellen unsere Wolfahrt zu euer Durchl. gnaͤdiger anordnung/ und bitten untertaͤhnig/ dieselbe wolle bey unserm Gn. Fuͤrsten uñ Herrn/ Herrn Pharnabazus uns in Gnade und Gewogenheit bringen/ daß wir in Besitz- und Nies- sung unser Guͤter ohn verunruhet moͤgen geschuͤtzet werden; uͤbersenden euer Gn die von ihr selbst abgerichteten Pferde/ und etliche geringe Sachen dabey/ mit bitte/ solches von uns anzunehmen; er- kennen uns zwar schuldig/ unser Verbrechen selbst muͤndlich abzubitten; weil aber wir nicht wissen/ ob ihre Gn. unsere Gegenwart erleiden koͤnne/ sind wir biß dahin alle Stunden bereit und willig der- selben untertaͤhnig auffzuwarten/ und dessen gnaͤdige verzeihung zusuchen/ wessen Mund und Feder zuge- Fuͤnftes Buch. zugedenken sich scheuet; befehle eure Durchl. dem Schuz aller Goͤtter/ verbleibend/ als lange ich lebe/ deroselben zu dienst ergebene/ und gehorsame Statira. Die Botschaft ward auffs schleunigste fortgesand/ und erwartete Statira mit hoͤch- stem verlangen/ was vor Antwort sie von ihrem lieben Kleon bekommen wuͤrde. Es trug sich aber des folgenden Tages ein klaͤglicher Fall zu/ dz der gute Nabarzanes auff der Hirsch- jagt von einem grimmigen Loͤuen unvermuhtlich uͤberfallen/ und in stuͤcken zurissen ward/ woruͤber sein Gemahl sich anfangs zwar entsetzete/ aber weil sie schlechte Liebe zu ihm trug/ sich bald zufrieden gab/ und ihm eine ehrliche Leichbegaͤngnis mit zimlichen Kosten auß- richtete. Zu Persepolis hatte man acht Tage in freuden gelebet/ nach deren Endung man sich des Krieges nach aͤusserstem Vermoͤgen annam/ und wurden die Voͤlker ihren Feld Her- ren/ wie oben gemeldet/ angewiesen/ denen sie gleich so wol/ als der Fuͤrstlichen Verbünd- nis schwoͤren musten. Herkules sahe vor gut an/ daß man mit dem Feldzuge eilete/ damit der Feind nicht auff Persischem Boden festen Fuß setzete/ welches ohn gaͤnzliche verder- bung des Landes nicht geschehen wuͤrde/ und waͤhre nicht besser Kriegen/ als wann man die Pferde an Feindes Krippen buͤnde; dann ob sie gleich daselbst ungeladen kaͤhmen/ hülf- fe ihnen doch dz Futter ungleich besser/ als da mans ihnen kaͤrglich muͤste zumaͤssen. Her- nach hielten sie Kriegsraht/ ob sie gar absonderliche Heere fuͤhren/ oder alle Voͤlker zusam- men flossen wolten/ und bekahmen von Charas durch ihre heimliche Kundschaffer Zei- tung/ daß Artabanus auff Sysimithres Wiederkunft loßbrechen/ und selbst mit zufelde gehen wuͤrde; Woraus Artaxerxes muhtmassete/ daß er seine ganze Macht in ein Heer zu- fassen gesinnet waͤhre/ weil er solcher Art sich stets gebrauchete/ und sie daher zurahte wur- den/ sich auff eben die Weise zusetzen; wurden also alle Fuß Voͤlker zusammen gefuͤhret/ welchen Artaxerxes selbst vorstehen wolte/ nebest dem Medischen Groß Fürsten. Herku- les und Pharnabazus nahmen die Medischen/ Assyrischen und Sustanischen Reuter samt den Teutschen und 6000 geworbenen/ das ihr Heer in 92000 Mann bestund. Ladisla hat- te die Persischen/ Hirkanischen/ Baktrianischen/ Margianischen/ Arischen und Drangia- nischen nebest seinen Boͤhmen und 2000 Geworbenen/ die ingesamt 80000 Mann auß- trugen. Fabius hatte den Vorzug mit allen Roͤmischen/ deren 7000/ nebest seinen eigenẽ Geworbenen 1000/ und noch 10000 anderen Geworbenen/ ingesamt 18000 Reuter. Ar- bianes mit seinem fliegenden Heer/ 14000 stark/ begleitete das Frauenzimmer/ und wur- den die Elefanten zwischen das Fuß Volk gefasset/ welches mit den Elefanten-Schuͤtzen 161000 außtrug. Artabanus feirete auch nicht an seinem Orte/ weil ihm seiner Feinde Macht von unterschiedlichen Laͤndern und Staͤdten zugeschrieben ward/ daher er sich um Mannschafft sehr bewarb/ auff daß er den unsern mit der Menge moͤchte uͤberlegen seyn/ bekam deren auch eine grosse Anzahl/ weil die wenigsten der Fürstlichen Verbuͤndnis sich des Abfals durfften merken lassen/ sondern ihm freie Werbung gestatten musten. Seinen Auffbruch hinderte nichts als des Skytischen Heeres anzug/ und seines Gesanten Sysi- mithres Wiederkunft/ deren er zuvor erwarten uñ die Antwort wissen wolte/ weil er durch Bagophanes Einbildungen sich einer gewuͤnscheten Verrichtung vermuhten wahr/ daß er sich schon gegen denselben vernehmen ließ/ wie mit harten Straffreden er das Fraͤulein f ij anfah- Fuͤnftes Buch. anfahren/ und ihren Bruder und Oheim die eine Stunde vor Koͤnige in Persen und Me- den erklaͤren/ und die andere Stunde sie lebendig schinden lassen wolte. Aber O wie ging ihm dieser Anschlag so gar zu nichte/ als der Gesante sich wieder einstellete/ welcher sich der lauteren Warheit gebrauchen wolte/ und mit duͤrren Worten andeutete/ mit was schlech- ter ehrerbietung die Koͤniglichen Brieffe waͤhren angenommen/ und hoͤnisch verlachet worden; und ob gleich das Fraͤulein zimliche Hoͤfligkeit gebrauchet/ waͤhre es doch nur bloß zum scheine geschehen; massen sie in Gegenwart nicht allein der Fuͤrsten/ sondern al- ler vornehmen Herren und Kriegs Obristen sich oͤffentlich verlauten lassen; sie haͤtte den Koͤnig zuentleiben den fleifen Vorsaz gehabt/ dafern die Rettung dem falschen Valikules solte gefe hle t haben; ihr Bruder aber hinzugetahn/ daß er seine Schwester lieber erwuͤrgẽ/ als sie Artabanus/ (so schlecht hin haͤtte er seine Koͤnigl. Hocheit genennet) zum Gemahl goͤnnen wolte; und waͤhre endlich das ganze Wesen dahinaus geschlagen/ daß er selbst haͤt- te muͤssen ansehen/ wie Herkules sich mit ihr ehelich vertrauet/ und des Abends sie mit sich nach Bette gefuͤhret/ da sie bey dem Hochzeit Feste in den übergeschikten Kleidern uñ Klei- noten nicht anders gepranget/ als ob sie dieselben dem Koͤnige als eine Beute abgenom̃en haͤtte. Nach welcher erzaͤhlung er mit einer bewaͤglichen Rede anfing den Koͤnig von die- ser Liebe/ die nunmehr unmoͤglich waͤhre/ abzurahten. Es hoͤrete aber Artabanus diese Zeitung mit grosser Ungeduld und eiferiger Bewaͤgung an/ daß er meynete vor unmuht zubersten/ schwuhr auch bey seinem Haͤupte und Reichsstabe/ diese Schmach und belei- digung dergestalt zuraͤchen/ daß alle Welt ein Beyspiel daran nehmen solte; und kunte dañoch die Liebe nicht daͤmpffen/ sondern wie unmoͤglicher man ihm die eingebildete nies- sung machete/ je heftiger er darnach sich sehnete/ daß er nicht umbhin kunte/ seinem Bago- phanes zuvertrauen/ er wolte nicht destoweniger Herkulisken zum Gemahl haben/ so bald er den Erzverraͤhter Valikules hingerichtet haͤtte. Daß nun solches zeitig gnug ins Werk gerichtet wuͤrde/ befahl er alle Voͤlker vor Charas zuversamlen/ deren algemeiner Heer- schauung er selbst beywohnen wolte. Der gebohrnen Parther wahren 120000 zu Roß/ uñ 60000 zu Fusse. Das Skytische Heer bestund in 70000 Reutern und 20000 Lands- knechten/ unter welchen 10000 freywillige wahren. Die Geworbenen auß allen Landschaf- ten erstrecketen sich auff 80000 zu Pferde/ und 100000 zu Fusse; und hatten sich noch viel Indianer/ als 26000 Reuter und 14000 Fußgaͤnger von ihm bestellen lassen/ daß also sei- ne Reuterey 296000; dz Fuß Volk aber 194000 Mañ stark wahr; ein Heer von 490000 Koͤpffen. Sie wahren schon alle mit Gewehr wol versehen/ und durch taͤgliche Ubung zum Schimpff und Ernst abgerichtet/ beydes in Feldschlachten uñ bestuͤrmung der Staͤd- te und feindlichen Lagers sich gebuͤhrlich zubezeigen/ dann Artabanus wahr nicht willens lange zuspielẽ/ sondern in einem Ruk alles zuuͤberwaͤltigẽ/ damit ja die fremdẽ aus Teutsch- land mit der schoͤnen jungen Frauen ihm nicht über Meer entgehen moͤchten. 500 Elefan- ten hatten 12000 Schuͤtzen auffgeladen/ bey denen Artabanus sich selbst wolte finden las- sen/ und wurden zwischen das Fuß Volk eingeschlossen/ uͤber welches ein gewaltiger Par- thischer Fuͤrst/ Herr Pakorus gesetzet wahr/ ein Held/ sonderlich zu Fusse zustreiten/ deß- gleichen in allen Morgenlaͤndern nicht zu finden wahr/ weil er nicht allein guter Faͤuste/ und treflicher Kraͤfte und erfahrenheit/ sondern dabey vorsichtig/ verstaͤndig und Tugend- haft/ Fuͤnftes Buch. haft/ auch eine Schlacht zu ordnen geschikt wahr. Die Partische Reuterey ward in drey Teile gesetzet; den ersten fuͤhrete Dorylaus zum vortrabe/ ein verwaͤgener Mensch/ und be- stund in 40000 Reutern/ als 26000 geworbenen/ 10000 Parthen/ und 4000 Skythen. Den linken Fluͤgel befehlichte Fuͤrst Osazes/ ein Ritter von grosser Leibeskraft/ der in rit- terlichen uͤbungen nie unten gelegen wahr. Sein Heer begrief in sich 55000 Parthen/ 66000 Skythen/ und 7000 geworbenen/ ingesamt 128000 Koͤpffe. Den rechten Fluͤgel hatte Fuͤrst Vonones des Koͤniges naher anverwanter/ uñ ein außbund eines guten Feld- Obristen; er fuͤhrete 55000 Parthen/ 26000 Indier/ und 47000 geworbene/ wahr also gleich so stark als Osazes. Ein Sogdianischer Herr/ nahmens Arimazes/ wahr uͤber die 1200 Eiserne Streitwagen geordnet. Der gestrichene Madates uͤber die 12000 Elefan- ten-Schuͤtzen; und Fuͤrst Vologeses wahr algemeiner Feldmarschalk uͤber das ganze Koͤ- nigliche Heer. Als diese erschrekliche Macht gemustert ward/ saß Artabanus auff einem hohen Turm/ von dannen er alles eigentlich wahrnehmen/ und das ganze Heer uͤbersehen kunte; sein Fuchsstreicher Bagophanes stund neben ihm/ und fuͤllete ihn mit Hoffnung von oben an biß unten aus/ wie es moͤglich waͤhre/ daß die abtruͤñigen Auffruͤhrer so gros- ser Macht wiederstehen solten/ unter welchen kein unduͤchtiger Mann waͤhre. O wie hef- tige Reue wird dem Koͤniglichen Fraͤulein in wenig Tagen kommen/ sagte er/ daß sie eure Hocheit verlassen/ uñ an den unbaͤrtigen Laffen sich gehenket hat/ welcher die ersten Fruͤch- te ihres schoͤnen Leibes gebrochen/ zu deren niessung niemand/ als ihre Hocheit berechtiget ist; jedoch kan eine schoͤne junge Witwe auch noch wol ihren Mann erfreuen/ die ich dann in kurzen gedenke eurer Hocheit zuzuführen. Artabanus ward hiedurch so enttzuͤndet/ daß er vor ungeduld nicht zu bleiben wuste; die Seufzer brachen ihm loß/ uñ fing an zu ruffen; O du außbund der ungefaͤrbeten Schoͤnheit/ du allerholdseligste Herkuliska; wie hastu doch aus getrieb einer toͤhrichten Liebe die hoͤchste Ehr dieser Welt verlassen/ und mit Leib und Lebensgefahr dich von hinnen machen koͤnnen/ da dir doch alles/ was dein Herz wuͤn- schete/ gegoͤnnet/ und willig eingereichet ward; dir stund frey/ mein Blut in meinen Anveꝛ- wanten und liebstem Sohne zuvergiessen; mehr Verehrungen hastu meinetwegen em- pfangen/ als niemahls einige Koͤnigin vor dir; und mochte doch dieses alles deine Dank- barkeit nicht heraus locken. O du nichtiger boßhafter Valikules/ haͤttestu dir nicht irgend- wo ein Weib uñ Beyschlaͤfferin suchen koͤnnen/ du mustest uns dañ den treflichsten Schaz unser Seelen diebischer Weise entführen? Nun nun! wir muͤssen/ wiewol ungern/ dir die ersten Blumen und Liebesniessung goͤnnen/ aber wuͤstestu/ wie teur sie dir stehen wird/ du soltest dich nicht so bald daran vergriffen haben; dañ wir wollen dich an allen deinẽ Glied- massen/ sonderlich/ die uns am meisten beleidiget/ dergestalt peinigen und quaͤlen/ daß du ein Beyspiel seyn solt der ganzen Welt; damit hinfuͤro niemand sich geluͤsten lasse/ derglei- chen frevel und muhtwillen an Koͤniglichen verlobeten Fraͤulein zubegehen. Aber ruffe mir Sysimithres her/ sagte er zu Bagophanes/ daß er uns außfuͤhrlich erzaͤhle/ in was Schoͤnheit er sie leztmahl gesehen. Dieser merkete/ daß den Koͤnig solches zuhoͤren/ die un- nuͤtzen Begierden antrieben/ gedachte deßwegen/ alle seine Reden dahin zurichten/ daß ihm die vergebliche Liebe moͤchte benommen werden/ und sagte: Allergnaͤdigster Koͤnig; die Schoͤnheit/ so ich leztmahl an der Groß Fürstin Valiska gesehen/ kam alle von ihrer Groß- f iij Koͤnig- Fuͤnftes Buch. Koͤnigl. Hocheit her; sie hatte nicht ein Faͤdemchen an ihrem Leibe/ den sie nicht aus den mit uͤberbrachten Laden entlihen haͤtte/ und ob gleich diese Außreisserin sich damit ein gros- ses duͤnken laͤsset/ so ist es ihrer Koͤnigl. Hocheit doch ein geringer Verlust/ als welche noch wol ihr ganzes Frauenzimmer auff solche Weise außputzen koͤnte/ ohn einigen Abbruch ih- res unermaͤßlichen Schatzes. Ey du einfaͤltiger/ sagte Artabanus; bestehet dir die Schoͤn- heit dañ in den Kleidern/ so laß dir ein wolgepuztes Leibes-heßliche Baurenstuͤk oder Dir- ne herzufuͤhren/ alsdañ wird sie dir schoͤn genug seyn. Wir fragen nicht/ was vor Kleider unser Fraͤulein am Leibe getragen/ sondern wie ihr dieselben angestanden; ja vielmehr was vor Schoͤnheit an dem entbloͤsseten teile ihres unvergleichlichen Leibes sich sehen lassen. Eure Koͤnigl. Hocheit/ antwortete er/ fodern von mir etwas/ dessen ich entweder keinen Verstand habe/ oder doch mit euer Hocheit ungleicher Meynung bin. Doch vor erst hat sie einen menschlichen Leib/ wie andere Weibesbilder/ nur daß die zarte Haut und weisse Farbe/ sie bey uns Morgenlaͤndern selzam machet/ welches aber den Mitternaͤchtigẽ nichts neues ist/ als die von der Sonnen nicht gefaͤrbet werden/ wie wir dieses Orts. Solte ich nun meines Herzen Meynung von mir sagen/ so halte ich diese Farbe an ihr vielmehr vor eine Unvolkommenheit/ als vor eine Zierde/ dann sie ruͤhret anders nirgendher/ als von der Ungluͤkseligkeit ihres Vaterlandes/ da die Sonne/ als gar zu weit entfernet/ den Menschen die gebuͤhrliche Farbe nicht anstreichen kan/ sondern sie erbleichẽ laͤsset. Man betrachte nur einen Kirsch- oder Pflaumen-Baum/ dessen eine Seite durch staͤter beschattung des zu nahe stehenden Gebaͤues/ von der Sonnen abgekehret ist; ob nit daselbst die Fruͤchte bleich und ungefaͤrbet blieben/ so daß man sie nicht eins geniessen kan. Ich halte davor/ es sey mit den Menschen unterschiedlicher Landes Arten gleich also; aber die der Sonnen und ihrer Wirkung geniessen/ sind ohnzweifel die volkom̃ensten; uñ wird demnach mir kein Mensch nicht einbilden/ daß mein Gemahl/ die fein braͤunlich/ und an allen Gliedern gesetzt/ nicht solte ungleich schoͤner/ als diese junge Groß Fuͤrstin seyn. Ich werde aber auch ihre Sitten und Geberden etwas beruͤhren muͤssen; diese nun straff ich nicht/ nach dem aͤusserlichen An- sehen/ und kan wol sein/ daß sie von ihrem wol unterwiesenen Frauenzimmer hieselbst/ sol- che Hoͤfligkeit gefasset; aber andere weibliche Tugenden finde ich in zimlicher sparsamkeit bey ihr. Dann vor erst ist sie blutgierig; durfte nicht allein in ihrer Koͤnigl. Hocheit anwe- senheit/ den beruͤmten Fuͤrsten/ Herꝛn Vologeses den jüngeꝛn erschiessen/ sondern sie beruͤm- te sich offentlich/ in aller andern Gegenwart/ daß sie den treflichen Koͤniglichen jungen H. Herrn Gotarzes mit ihrem Brodmesser entleibet; ja wie sie ihre Koͤnigl. Hocheit selbst im Braut Bette haͤtte auffopffern wollen/ wie solches ehmahls einem Assyrischen Feld- Herrn Holofernes von einem Judischen Weibe/ nahmens Judith solte begegnet seyn. Nun sind ja die ersten beyden Mordtahten ihr gegluͤcket/ und grauet mir nicht wenig/ wañ ich an das dritte gedenke/ daß vielleicht haͤtte koͤnnen ins Werk gerichtet werden; daher wir den Parthischen Schuz Goͤttern billich danken/ daß sie dieses unaußsprechliche Ubel gnaͤ- dig abgewendet/ und ein solches moͤrderisches Fraͤulein aus unserm Lande verbannet ha- ben. Mag demnach der weißmaͤulichte Herkules sich eine Zeitlang mit ihr schleppen/ biß sie seiner muͤde wird/ wie sie mir dañ sehr unbestaͤndig vorkomt; hernach wird sie ihn schon abschlachten/ und einen frischen Reuter suchen. Bagophanes sahe/ daß dieses lauter toͤdli- che Fuͤnftes Buch. che Dornen/ ja Schwerter-Stiche in Artabanus Herzen wahren; gedachte deßwegen sich durch eine verantwortung beliebet zu machen/ und fing also an: Ich weiß nicht/ Herr Sysimithres/ ob ihr nicht allein der Vernunfft abgedanket/ sondern gar bloͤder Augen und unsinlicher Sinnen worden seid/ in dem ihr laͤstern und straffen duͤrffet/ was alle Menschẽ ruͤhmen/ und Groß Koͤnigl. Hocheit selbst vor ihren unvergleichlichen Schaz haͤlt. Drey- erley habt ihr an dem vortreflichsten Fraͤulein der Welt (ja ich halte sie noch vor ein unbe- ruͤhrtes Fraͤulein; massen die Parthischen Goͤtter dem Diebischen Raͤuber Herkules das Vermoͤgen nicht goͤnnen werden/ ihr den genies abzurauben/ welcher ihrer Groß Koͤnigl. Hocheit einig und allein zustehet/ sondern sie werden ihn laͤhmen und schaͤnden/ als der des guten unwirdig ist) so sage ich nun; dreyerley habt ihr an diesem unvergleichlichen Fraͤu- lein getadelt und beschimpffet/ wo nicht gar geschaͤndet; vor erst/ ihres Leibes allerzarteste Schoͤnheit; hernach ihrer Sitten und Geberden hoͤchstwolgestalte bildung; und endlich ihre Liebesneigungen gegen unsern grossen und hoͤchstherschenden Koͤnig. Das lezte muß ich im aufange wiederlegen/ dañ es deucht mich das wichtigste seyn. Hier sprechet ihꝛ nun; das Fraͤulein habe sich eines vorgehabten Mordes gegen unsern hoͤchstgedachten Koͤnig vernehmen lassen. Ja wer hats gehoͤret? Herr Sysimithres. Hat sie es ihm dann in ver- trauen gebeichtet/ und da sie mit ihm allein wahr/ daß sie nach ihrem Willen reden durfte? Nein; in gegenware ihres Bruders und Oheims/ der beyden Wuͤteriche/ welche sie hier- zu gezwungen. Ey daß waͤhre wol ein statlicher Beweißtuhm/ daher man der Fraͤulein ei- gentlichen Willen urteilen solte? Sie hat Bagophanes ihres Herzen Meynung wol auf andere Weise entdecket/ mein Herr Sysimithres; da sie mit mir einen Abtrit in ein Ne- bengemach nam/ und sich beklagete/ was gestalt der Zaͤuberer Valikules/ der ja sein Antliz verendern kan/ wie oft/ und auff was Art er wil/ sie durch seine Schwarzkunst Wizloß ge- macht/ uñ als im tieffen Schlaffe entfuͤhret/ daß sie noch nicht wissen koͤnne/ wie ihr gesche- hen sey; welches ich dann umb so viel gewisser seyn halte/ weil auch ihr Angesicht allerdin- ge ist verendert gewesen/ und ihr Wirt/ da sie geherberget/ solches bezeugen kan/ wie er auch schon aͤidlich daruͤber ist befraget worden. O wie beklagete sie gegen mich/ daß sie dem Al- lergroßmaͤchtigsten Koͤnige entfuͤhret/ sich ohnzweifel rechtschaffen würde muͤssen streichen und staͤupen lassen/ weil sie nicht unterlassen koͤnte/ nach ihm zu seufzen; und waͤhre ihr noch diese Hoffnung uͤbrig/ ihr allergnaͤdigster Koͤnig/ der einige Schaz ihrer Seelen/ wuͤrde sich ihrer erbarmen/ und mit dem Schwerte sie loßmachen. Sehet Herr Sysimithres/ diß ist ihr vorgenommener Mord; diß ist ihr verborgenes Messer im Luftweher; ja freilich im Luftweher/ das ist/ in der tichtung/ die in der Luft verwehet wird. Aber sie sol ja den trefli- chen Fuͤrsten Gotarzes entleibet haben. O ein neues Gedichte! zu welcher Zeit? an was Orte? etwan auff ihrem Schlosse? ey fraget ihr Frauenzimmer/ ob sie dessen einige Wis- senschaft habe; oder anderswo? warumb weiß dann Koͤnigl. Hocheit nichts drumb? Es ist wahr/ daß der junge Fuͤrst verlohren worden/ aber weit von hinnen; nicht auff dem We- ge Persenwerz/ sondern nach Indien zu/ woher er ein Kriegs Heer seinem Herr Vater uñ Koͤnige zufuͤhren wollen. Vologeses niederschuß haben weder ihr noch ich zu rechtfertigẽ/ welchen Groß Koͤnigl. Hocheit selbst gebillichet/ dabey es seyn verbleiben hat. Also werdet ihr nun lernen/ Herr Sysimithres/ daß ihr nur durch ein blindes schrecken auffgezogen seid/ Fuͤnftes Buch. seid/ und das Fraͤulein nicht anders hat reden oder sich anstellen duͤrffen. Nun muͤste ich mich bemühen/ der Fraͤulein Sitten und Geberden zubeartigen; ja wann einiger Gebrech der Volkom̃enheit daran erschiene; wer hat jemahls etwas volstaͤndigers an einem Fraͤu- lein gesehen/ als wann diese unvergleichliche gehet/ stehet/ sitzet/ tantzet/ und nach Standes unterscheid so mañiche Art im empfahen/ anreden/ handbieten abzuwechseln weis/ dz mans nur mit entzücketer verwunderung ansehen muß. Aber Herr Sysimithres wil Groß Koͤ- nigl. Hocheit bereden/ ihr Frauenzimmer zu Charas habe sie solches gelehret. Ey gehet hin mein Herr/ und fraget/ die meisten sind annoch verhanden/ welche unter ihnen Meiste- rin gewesen; und wann ihr in diesem Stuͤk die Warheit an euer Seiten habet/ wil ich al- les gelogen haben/ sonsten richte ich euch uñ euer übriges nach diesem. Ich muß mich aber fast zum Schiefer lachen uͤber der Vergleichung zwischen dem allerschoͤnsten Fraͤulein uñ eurem Gemahl/ deren Ehre ich durchaus nicht schaͤnde/ weil nie keiner gehoͤret/ daß dersel- ben einiger solte nachgestellet haben; Aber mein Herꝛ/ die reizungen/ verzeihet mir/ sind auch nicht darnach/ from ist sie/ auch einfaͤltig und bloͤde gnug/ aber schoͤnheit halben habt ihr sie nicht geheyrahtet/ und gedenke ich noch wol/ daß ihre Fr. Mutter zu sagen pflag; Wie ha- ben doch zween gnug schoͤne Ehegatten eine so ungeschaffene Tochter zeugen koͤnnen? und wie werde ich dereins meiner Odatis loß werden? ich muß ihr verstelletes Angesicht mit Kleinoten bedecken/ und ihren schwarzgelben Leib mit dickem Silberschaum und Perlen vermahlen; gehet sie dann gleich etwas krum/ wil ich sie mit guͤldenen Stuͤtzen gerade stel- len/ und ihre Ungestalt mit klingenden Pfeñigen noch wol beliebet machen. Ich ruͤcke euch dieses nicht auff/ Herr Sysimithres/ nur allein beweise ich/ das eure Urtel/ die Schoͤnheit betreffend/ ja so vernuͤnfftig sey/ als dieser Stab. Dann lieber saget mir; hat auch wol ei- niger Mensch ein Fraͤulein von so uͤberaus wolgestalten Gliedmassen gesehen/ als diese ist; betrachtet/ bitte ich/ ihr Haͤupt uñ Angesicht; das guͤldene Haar/ die glatte erhabene Stirn/ die gleichgezogenen Augenbrahnen/ die lachenden Auͤgelein/ wahrlich zwo reitzende Son- nen an diesem Liebes-Himmel. Was sol ich von den weder geschwollenen noch eingesenke- ten Waͤngelein sagen? deren rohtes dem weissen einen unbeschreiblichen Glanz erteilet/ und dannoch sich anders nit ansehen laͤsset/ als ob diese Farben einẽ stetswehrenden Streit untereinander fuͤhren/ welche unter ihnen dem Fraͤulein die anmuhtigste behaͤgligkeit er- teile. Die Nase ist nach allem Wunsch gerade/ und durchaus nicht brackig; die Lippen trotzen den Rubinen/ die Zaͤhne dem Helffenbein/ der Odem den allerwolrichensten Kraͤu- tern. Aber O des Honigsuͤssen Zuͤngeleins/ daß kraͤftig gnug ist/ die todten zum Leben zu er- wecken. Und wer hat jemahls ein anmuhtiger Kin gesehen? verzeihet mir/ ihr pflaumen- weiche Alabaster Haͤndichen/ daß ich weder euch noch eure Fingerlein/ die zehn schmeidi- ge Liebes-pfeilichen/ so das Herz durchboren/ zubeschreiben weis/ sondern nur erstumme/ wann ich die lebendigen Demant Naͤgel an ihnen betrachte. Gewißlich/ ihr Haͤndichen/ da ich/ euch zuküssen und zuberuͤhren gewirdiget wahr/ dauchte mich/ es waͤhre ein goͤttlich Fleisch. Das voͤllig gesezte/ uñ laͤnglicht gestreckete Haͤlselein wird weder Praxiteles durch alle seine Kunst aus einem Marmel nachbilden/ noch Apelles mit so hoher Farbe anstrei- chen koͤnnen. O der gleichmaͤssigen wolgefügten Schuldern! weiter gehenicht Bagopha- nes/ mit deiner kuͤhnheit/ ob du gleich die Apfel-rund-erhobenen Bruͤstlein mit einer zarten Linne Fuͤnftes Buch. Linnewad eingehuͤllet/ aber nie etwas wolstaͤndigers oder anmuhtigers gesehen hast/ und deine Augen nicht den allergeringsten Unterscheid der Zierligkeit und groͤsse an diesen ein- traͤchtigen Zwilling-Rehen merken kunten. Wer nun mir nicht glaͤuben wil/ der frage ihr hieselbst anwesendes Frauenzimmer/ ob sie sich unterstehen duͤrffen/ ihres Busems vol- kommenheit außzureden. Das uͤbrige ihres Leibes bleibet noch zur Zeit allen Mannesbil- dern verborgen/ biß ihre Groß Koͤnigl. Hocheit sie wieder bekommen wird; dañ ich weiß/ daß sie dem Laffen Herkules solches nimmermehr sehen laͤsset. Dieses alles nun darf Herꝛ Sysimithres nicht allein geringe schaͤtzen/ sondern es gar als eine Gebrechligkeit verwerf- fen. Aber er sage mir/ bitte ich/ aus was Ursachen er die zarte Haut und schneweisse Farbe ein Haͤupstük der Schoͤnheit seyn/ leugnet? kan er etwa die schaͤrffe der Haut/ und schwaͤrze der Farbe ohn anhang der heßligkeit ihm wol einbilden? ja/ spricht er; die schwarzen Kir- schen und Pflaumen sind besser dann die weissen. Ey der ungereimten Vergleichung! H. Sysimithres/ wisset ihr nicht/ daß dieser gewaͤchse Schoͤnheit in der schwaͤrze bestehet? ists aber mit den Weibsbildern auch also beschaffen/ ey so ist trauen eure Odatis noch lange nit schoͤn genug/ sondern ihr muͤsset sie in die Schwarzfaͤrbe schicken; oder fürchtet ihr was ungenehmes von den Faͤrberknechten/ so fahret mit der Schwarzbuͤrste uͤber ihren Leib/ wie euer Junge uͤber die Stieffeln/ stellet sie an die Heerstrasse/ und fraget/ ob sie dann nun nicht schier hübsch und schoͤne gnug sey. Ja ja Herr Sysimithres/ wir müssen nunmehr die Weiber nach euer Urtel aus Morenland hohlen/ da es ihnen an der Sonne nicht ge- bricht/ sondern sie schwarz genug gefaͤrbet werden. Deucht euch aber dieses ungereimet/ so beschuldiget hinfuͤro die liebe Sonne nicht/ umb das sie dieses allerschoͤnste Fraͤulein nicht schwarz faͤrben wollen/ und lernet die Unguͤltigkeit euer gleichnis von den Pflaumen Baͤu- men/ aus meiner vielbessern erkennen. Wann ihr grobe und zarte Linnewad an die Sonne außleget/ welche machet sie doch am weissesten? die grobe/ oder die zarte? Es ist hie keiner Nachfrage von noͤhten/ die Bauren Maͤgdlein wissens wol. Nur dieses einige hat etwas Schein/ daß ihr saget/ die weisse Farbe sey bey den mitternaͤchtigen Voͤlkern gemein. Ge- setzet; sind aber die Weibsbilder alle bey ihnen so zart/ so wolgestalt/ so artig gegliedert? und last es seyn/ daß die Farbe von ihrer Landesart/ und gemein sey; so ist sie uns aber selzam uñ fremde. Das selzame aber wird immer am hoͤchsten geschaͤtzet/ wo es dessen sonsten wert ist. Was machet den Tyrischen Purpur in andern Laͤndern teur? je weil man ihn daselbst nicht zurichten kan. Nun Herr Sysimithres/ so lasset doch die Schoͤnheit dieser unver- gleichlichen Fꝛaͤulein unangefochten uñ ungeschaͤndet/ wovon euch abzuhalten dieses gnug seyn solte/ daß sie unserm allergnaͤdigsten Koͤnige gefaͤllet/ dessen Urtel und Wille ja den eu- ren billich zum gehorsamen Untertahnẽ haben sol; wiewol bey dessen Groß Koͤnigl. Hoch- heit euch zuverunglimpfen ich durchaus nicht gesonnen bin/ sondern vielmehr darlege uñ erweise/ daß euer I r tuhm nicht aus Vorsaz oder wiederspenst i gkeit/ sondern bloß aus un- bedachtsamen unverstande/ in dieser Sache zu urteilen/ herruͤhret/ und ihre Groß Koͤnigl. Hocheit euch deßwegen allergnaͤdigst verzeihen wird. Artabanus wahr durch diese Be- schreibung der Schoͤnheit und Wiederlegung der Sysimithrischen gruͤnde in allen seinen bewaͤgungen zugleich auffgemuntert; er kunte weder den Liebesreizungen/ noch dem über Sysimithres gefasseten Eifer steuren/ daher er mit rasender Stim̃e also loßbrach: Dem- g nach Fuͤnftes Buch. nach du ungehorsamer wiederspenstiger Bube dich unterstehen darfft/ dasselbe schimpflich zuverachten/ welches wir uns sonderlich außersehen/ und es zuerlangen/ Leib und Gut wa- gen wollen/ hastu dich forthin keiner Koͤniglichen Gnade mehr zugetroͤsten; uñ ob du zwaꝛ dein Leben verwirket hast/ wollen wir doch nach der schaͤrffe nicht verfahren/ sondern du solt in das Untergemach dieses Turms gehen/ biß wir uns einer gewissen Straffe erklaͤret haben. Der erschrockene Mensch fiel vor ihm nider/ und baht sehr klaͤglich/ ihm seine un- bedachtsame Reden allergnaͤdigst zuverzeihen/ weil er sie boͤser Meynung nit vorgebracht/ sondern in den Gedanken gestanden/ ihre Hocheit haͤtten einen ungnaͤdigen Willen auff das Durchl. Fraͤulein geworffen/ wolte sich hinfuͤro wissen zuhuͤten/ auch sonst in allen be- gebenheiten sein Blut und Leben vor ihrer Hocheit Wolfahrt willigst anwenden. Weil dann Bagophanes auch sehr vor ihn baht/ uͤberkam er endlich verzeihung/ jedoch mit dem bedinge/ daß da eꝛ dieses Gespraͤch einigem Menschen offenbahꝛen wuͤrde/ er eines schaͤnd- lichen todes sterben solte. Hiedurch ward Sysimithres gewitziget/ seiner Zungen Frey- heit zu maͤssigen/ und in dem er seines Koͤniges bestes suchete/ zugleich auch seiner eigenen Wolfahrt wahr zunehmen; dann grosse Herrn koͤnnen von ihren Untertahnen die Un- terweisung zum guten nicht wol annehmen/ insonderheit wann sie einer wuͤterischen Art sind/ und ihren Willen zur Richtschnur der Erbarkeit setzen; aber den Ohrenblaͤsern und lasterhaften/ und die alle Tugend/ so wieder des Koͤnigs Willen strebet/ unterdrücken/ de- nen stehet gemeinlich der Fuͤrstliche Saal offen/ welche man doch billich mit verfluchung und instendigem Gebeht der unmuͤndigen Kinder toͤdten solte/ weil von ihnen alle Landes verderbung herruͤhret/ und umb ihretwillen die frommen solche Straffe uͤber sich nehmen muͤssen/ welche sie nicht verschuldet haben. O des gluͤkseligen Landes/ dessen Fuͤrst oder Koͤnig nicht gedenket/ er koͤnne allein rahten/ sondern hoͤret auch die/ so bey redlichen Leutẽ wol geachtet sind/ insonderheit/ wann sie nicht so sehr auff die bereicheꝛung ihrer selbst oder der Fuͤrstlichen Schazkammer/ sondern auff des Fürstlichen Hauses und des Landes wol- fahrt sehen. Wie leicht ist es geschehen/ daß ein boßhafter Mensch unter dem Schatten einer sonderlichen Froͤmmigkeit und untertaͤhnigen gehorsams sich bey dem Fuͤrsten be- liebt machet/ und wann er erst freien Zutrit hat/ gibt er genaue achtung/ wohin dessen Ge- muͤht am meisten sich lenket; findet er ihn dem Trunk zugetahn/ so ist er mit Bechern und Glaͤsern bereit und fertig; ist er liebsuͤchtig/ so ruͤhmet er ihm fleisches Wollust/ und weiß das Laster der Unzucht so artig zuentschuldigen/ als waͤhre es eine halbe Tugend/ durch un- sere Eltern selbst uns eingepflanzet/ dessen laͤsset sich dann ein ohndaß freier Herr leicht be- reden/ und da er vorhin den Begierden kaum das Schwankruͤtlein erteilete/ haͤuet er sie mit beyden Sporen an/ daß er alle so ihm im Wege stehen/ uͤbern hauffen rennet/ und von allem guten reine Bahn machet/ biß ihm niemand einreden darff. O ihr Fuͤrsten/ O leidet ja diese Schmeichler an euren Hoͤfen nicht/ die euch nur nach dem Maule reden; ihr seid ja in euer Jugend zum guten und loͤblichen angefuͤhret/ und wisset/ was an sich selbst straff- bar und lobwirdig ist; drumb leihet denen eure Ohren nicht/ welche vorgeben dürffen/ ei- nem Fuͤrsten stehe dieses oft wol an/ was andere mit dem Kopfe bezahlen muͤssen. Haͤtte Artabanus auffrichtige Raͤhte hoͤren wollen/ die sein und seines Reichs bestes sucheten/ und dagegen den Fuchsschwaͤnzern/ Bagophanes und andern seines gleichen nicht ins Maul Fuͤnftes Buch. Maul gesehen/ vielleicht herscheten die Arsazier noch uͤber die grossen Morgenlaͤnder; weil er aber den leidigen falschen einbildungen folgete/ muste er Leben und Reich mit einander verlieren/ wie wol unsere Geschichte bißdahin sich nicht erstrecken wird. Als Sysimithres von ihm gangen wahr/ trat Bagophanes Gemahl wieder hinein; sie hatte sich uͤberaus praͤchtig/ aber sehr leichtfertig gekleidet/ und hielt bey dem Koͤnige an/ ihr allergnaͤdigst zu- erlauben/ daß sie mit dem Koͤnigl. Frauenzimmer reisen moͤchte/ damit sie seiner Feinde und Auffruͤhrer Niderlage ansehen/ und dem Koͤnigl. Fraͤulein/ so bald sie erloͤset waͤhre/ untertaͤhnigst auffwarten moͤchte; welches ihr gerne gewilliget ward/ weil durch ihre suͤs- se Reden und blinzende Augen/ die ihr sonderlich wol anstunden/ sie den Koͤnig schon in Liebesstricken gefangen hielt/ und seiner mehr als einige andere genoß; worzu Bagopha- nes nicht allein durch die Finger sahe/ sondern sich groß dauchte/ daß er in solchen Gnadẽ lebete. Inzwischen erhoben die unsern sich von Persepolis/ und fuͤhreten ihre muhtigen Voͤlker/ denen Herkules und Ladisla nichts als von grosser Beute vorschwatzeten/ nach den Parthischen Grenzen in obgemeldeter Ordnung hin/ so daß das ganze Heer sich in die bꝛei- te fast einer Viertelmeile außdehnete. Des vierden Tages nach ihrem Auffbruche/ kam Orsillos mit Fr. Statiren Dienern an/ lieferte alles/ samt dem Schreiben/ Herrn Fabius ein/ und zeigete an/ wie sehr sie umb schriftliche Antwort bitten liesse. Dieser erinnerte sich zwar seiner Suͤnde/ wozu sie ihn fast genoͤhtiget/ betrachtete doch daneben die empfangene Woltaht/ deßwegen er alles annam/ und im naͤhesten Flecken dieses Antwortschreiben auffsetzete. Wolgebohrne Frau/ hochwerte Freundin; billich muͤste ich der Undankbarkeit beschuldiget werden/ wann meines Lebens erhaltung derselben ich nicht zulegete/ und die vielfaͤltigen Woltahten nicht erkennete; und ob zwar unsere gar zu frey gebrauchete Kundschaft mir nicht gebuͤhren wollen/ weil ich zu Padua mein liebes Gemahl habe/ so sind doch geschehene Dinge nicht zuendern/ daher wir des verlauffenen vergessen/ und hinfuͤro einer anderen zulaͤssigen Freundschaft uns befleissigen wol- len. Gegen ihren Gemahl/ Herrn Nabarzanes/ den ich freundlich gruͤsse/ haͤtte sich meine Seele viel- mehr zuentschuldigen/ werde mich auch bemuͤhen/ solchen ungebuͤhrlichen Frevel in andere Wege zu- ersetzen. Bedanke mich sonst wegen der uͤbermachten Geschenke dienstlich/ und bitte sehr/ nach gehal- tener Schlacht/ dafern ich lebe/ mich neben Herrn Nabarzanes zu Persepolis zubesuchen/ weil ich zweiffeln muß/ ob meine Ruͤkreise/ sie zusprechen/ erleiden werde. Im uͤbrigen hat meine Freundin sich zuversichern/ daß bey meinem Herr Bruder Fuͤrst Pharnabazus ich nicht allein ihr guten Schuz und versicherung aller ihrer jetzigen Guͤter/ sondern derselben vermehrung leicht erhalten werde. Vor diß- mahl fodert mich der Trometenschal zu Pferde/ daher ich abbrechen muß. Empfele meine Freundin samt ihrem Gemahl der Goͤtter obacht/ verbleibend/ weil ich lebe/ derselben bereitwilliger Diener Kajus Fabius/ ehmahls Kleon. Bey diesem Schreiben versiegelte er ein Paͤklein Kleinot/ viel hoͤheres werts/ als ihm zugeschikt wahren/ stellete Orsillos alles zu/ uñ daß ers auffs schleunigste uͤberbraͤchte/ schenkete ihm dabey 200 Kronen/ und hieß ihn mit nach Persepolis kommen/ dann wolte er ihn der empfangenen Streiche ergetzen. Nach seinem Abscheide brach Fabius auff/ dañ er hatte den Vorzug mit seinen Voͤlkern/ die schon vorhin wahren/ und nichts als des Feindes schleunige Ankunft wuͤnscheten; so nam auch Artaxerxes ein unfehlbares Zeichen des kuͤnftigen Sieges daher/ daß alle Kriegs Obersten mutig und des Streits begierig wahren; ohn der einige Arbianes kunte durch nichts zur Froͤligkeit bewaͤget werden/ wo g ij er Fuͤnftes Buch. er reisete oder ruhete/ wahr er stets schwermuͤhtig und mit tieffen Gedanken beladen/ daß ihm nicht allein die lebhafte Farbe/ sondern auch das Fleisch entging/ dessen niemand fleis- siger als sein Feldmarschalk Leches/ und Groß Fuͤrstin Valiska wahrnahmen; und diese zwar merkete aus allen umbstaͤnden/ daß er mit heimlicher Liebe angefochten ward; daher sie sich/ inbetrachtung seiner ehmahligen Neigungen einer ungebuͤhrlichen Lust bey ihm ihretwegen befahrete/ welche ihm zubenehmen/ sie schon auff allerhand Mittel bedacht wahr; dann sie zweifelte nicht/ sein Gemuͤht koͤnte durch angezeigete wichtige Ursachen/ von dem Irwege zur Tugend wiedergebracht werden; weil er sich aber durchaus nichts gegen sie vernehmen ließ/ argwohnete sie daneben/ ob er irgend an Libussen sich vergaffet haͤtte/ dann er suchete oft Gelegenheit/ mit ihr allein zureden/ dabey er viel und mancherley Verenderung sehen ließ. In diesen ungewissen Gedanken verblieb sie biß an den dritten Tag nach ihrem Auffbruch/ da Leches ihr zuverstehen gab/ er haͤtte ihn des vorigen tages in seinem Zelte auff den Knien sitzen/ und ein kleines Brustbildichen in beyden Haͤnden als einen Spiegel halten sehen/ welches er bald gekuͤsset/ bald mit Traͤnen befeuchtet/ bald als eine Goͤttin angebehtet; und da er nit irrete/ waͤhre es des Durchl. Fraͤulein aus Teusch- land/ Frl. Klaren Bildnis/ welches seine Libussa verlohren/ und er etwa muͤste gefunden haben. Die Groß Fuͤrstin schlug vor freuden in die Haͤnde/ und antwortete ihm: O wie tuht ihr so wol/ daß ihr mir solches offenbahret; dann ich habe mir in Warheit sehr ge- faͤhrliche Gedanken wegen dieses Fuͤrsten Traurigkeit gemacht/ daß ich selber schwermuͤh- tig druͤber worden bin; ich bitte aber/ ihr wollet dieses alles in hoͤchster geheim halten/ und keinem einigen Menschen offenbahren/ auch gegen Arbianes selbst euch nichts merken las- sen. Ließ ihn von sich/ foderte ein Pferd/ uñ ritte hin nach ihrem Herkules/ dem sie mit freu- den entdeckete/ sie haͤtte Arbianes anliegen erfahren; erzaͤhlete ihm alles/ und fragete/ ob er nicht meinete/ daß ihm in dieser Liebe koͤnte geholffen werden; zum wenigsten muͤste man ihm voͤllige Hoffnung machen/ daß der unlust Brunnen bey ihm gedaͤmpfet wuͤrde/ und er sich nicht selbst durch graͤmnis verzehrete. Herkules gab seine Antwort; wann es in seiner Macht stuͤnde/ wolte er ihm seine Frl. Schwester nicht versagen; weil er aber weder seineꝛ Eltern noch Schwester Meynung wuͤste/ ob sie in so weit abgelegene Heyraht einwilligen würden/ koͤnte er nichts bestaͤndiges rahten. Zwar ihm gute Hoffnung zu machen hielte er vor noͤhtig/ doch daß man gleichwol nichts mehr verspraͤche/ als man halten koͤnte/ und der junge Fuͤrst samt seinen Eltern nicht Ursach haͤtte/ sich dessen hernaͤhst zubeschweren. Mein Schaz/ sagte sie/ ich wil schon wissen die Mittelbahn zutreffen/ gelebe auch der Hof- nung/ die Heyraht mit Gottes huͤlffe zu schliessen/ da er sonst mit uns nach Teutschland zu- zihen Herzens gnug hat/ welches ich ihm doch nicht anbieten werde/ sondern seiner frey- willigen Erklaͤrung erwarten; kehrete wiederumb nach ihrer Gutsche/ und foderte Libus- sen zu sich/ fragete nach der Fraͤulein Art und Sinnen/ und befand aus allen umbstaͤnden/ daß sie sitsam/ ohn falsch/ und wol zubereden waͤhre/ offenbahrete ihr hernach ihr Vorha- ben/ und ließ sie wieder von sich. Und als Arbianes bald darauff vor ihrer Gutsche her rit- te/ baht sie ihn/ sich zu ihr zusetzen/ da sie ihn also anredete: Fuͤrst Arbianes/ in ehren hochge- liebter Herr Bruder; wie ich anfangs in euer Liebe Kundschaft gerahten bin/ habe ich viel eine froͤlichere Weise bey ihm gemerket/ als er jetzund spuͤren laͤsset; ja wañ dazumahl mein Herz Fuͤnftes Buch. Herz mit tausenderley Angst und Sorge umbspannet wahr/ machte seine anmuhtigkeit mich derselben zum oftern vergessen. Wohin ist doch nun das freie Gemuͤhte gereiset? wo- her komt dieser unliebliche Wechsel/ der das allergeringste Zeichen einer Froͤligkeit an ihm nicht mehr wil scheinen lassen? Ist euer Liebe etwa einige Unbilligkeit begegnet/ so gebe sie mirs zuverstehen; oder findet sich einiger Mensch in dieser Geselschaft/ dessen Gegenwart er nicht ertragen kan/ so mache er mir denselben nahmhaftig; oder empfindet er Leibes Schwacheit/ welche der Arzney beduͤrffte/ wird er sich ja selber nicht verseumen; oder wel- ches ich am ersten glaͤube; liebet mein Herr Bruder an einem Orte/ da er ohn Ehren- ab- bruch zugelassen werden kan (dann ich halte ihn viel zu Fuͤrstlich/ daß er ungebuͤhrlich lie- ben solte) so lasse er michs kuͤhnlich wissen; ich weiß wie verliebten umbs Herz ist/ uñ weiß daher auch/ wie man in diesem falle Raht schaffen kan. Arbianes/ der ohndz bey Frauen- zimmer bloͤde wahr/ und die Groß Fuͤrstin hochehrete/ ward wegen dieses Anspruchs mit einer grossen Schamroͤhte uͤbergossen/ und weil ihm unmoͤglich wahr zu antworten/ auch nicht wuste/ was er antworten solte/ ließ er an stat der Rede einen schweren Seufzen/ dañ die Zunge wegerte sich ihres Amtes/ und die Vernunft in der Begierde zu kraus verwirꝛet/ hatte nicht Zeit zubedenken/ womit diese tief forschende Frage solte ersetzet werdẽ; welches die Groß Fürstin merkend/ also fort fuhr: In ehren hochgeliebter Herr Bruder; ob eure Liebe gleich auff meine Frage schweiget/ gibt doch der einige Seufzer vollige Nachricht/ und verstaͤndiget mich/ daß ihr liebet; ja ihr liebet mein werter Fuͤrst/ welches ihr so wenig zuverbergẽ wisset/ als ich zu jener Zeit/ da Fürst Pharnabazus mir meines Schatzes Brust- bilde zeigete/ wie euch unvergessen ist; rechnet ihr mich dann unter die Zahl eurer guten Freunde/ so gebet mir euer Anligen zuverstehen/ und pruͤfet mich in diesem Stuͤcke/ wie ich gegen euch gesinnet sey. Arbianes empfing hiedurch ein Herz/ kuͤssete ihr die Hand mit grosser Hoͤfligkeit und ehrerbietung und sagte nachgehends: Durchleuchtigste Groß Fuͤr- stin; ihrer Durchl. ich unwirdiger Knecht bin viel zugeringe/ so hohes erbieten anzuhoͤrẽ; dann es übertrift nicht allein mein Vermoͤgen/ sondern alle erkaͤntnis/ daß ich daher mich keiner Antwort zuersinnen weiß; wann aber vor diese erzeigete hohe Gnade mein unguͤl- tiges Blut gnug waͤhre/ daß in ihrem Dienste es vergossen wuͤrde/ wolte ohn einiges we- gern ich mich zum Opfer darstellen; fassete ihre zarte Haͤnde zum andernmahle/ und kuͤsse- te sie ganz inniglich/ daß sie von neuen fuͤrchtete/ er wuͤrde gegen sie entzuͤndet seyn; welches unbillige Feur zu daͤmpffen/ sie zu ihm sagete: Mein Herr Bruder erzeiget mir in War- heit gar zu grosse Ehr/ die mir allerdinge unangenehm ist/ nachdem wir nunmehr in solche Kundschaft gerahten sind/ daß viel besser waͤhre/ wir setzeten diese Hoͤfligkeit bey seite/ als die nur den Fremden zustehet; ich erkenne ohndaß sein gewogenes Herz/ welches ich auff allen Wegen/ die Zucht und Gesetze nicht verschliessen/ nach aͤusserstem Vermoͤgen zuer- setzen mich willig erbiete/ und mein Herr Bruder hieran nicht zuzweiffeln hat; aber er ant- worte mir/ bitte ich/ auff meine Frage; ist dann dieselbe/ so er liebet (dann ich weiß gewiß daß er liebet) ein unversagtes Fraͤulein/ so verlasse er sich nur kuͤhnlich auff meinen Bey- stand; solten aber uͤber alles verhoffen/ seine Siñen durch einer verheirahteten Zierligkeit beruͤcket seyn/ wie dann ein Mensch wol verleitet werden kan/ ey so wolle mein Herr Bru- der sich ja beyzeiten begreiffen/ und mit solcher Unbilligkeit seine Seele nicht beladen; wie g iij ich Fuͤnftes Buch. ich dann wol weiß/ daß er solches tuhn/ und sich einem so unverantwortlichen Laster nicht ergeben wird. Ich bin kuͤhn mein Herr Bruder/ daß ich solches reden darff; aber sein veꝛ- daͤchtiges zuruͤk halten erwecket diese Sorge in meinem Herzen/ die ich vergeblich seyn hof- fe/ und dannoch an seiner willigen verzeihung nicht zweifele. Arbianes erschrak dessen nit wenig/ dann er merkete/ daß wegen seines verhaltens sie diesen Verdacht fassete; deßwegẽ er/ solchen gaͤnzlich außzureuten vor noͤhtig hielt/ und ihr also begegnete: Durchl. Groß- Fürstin; wañ ihrer Durchl. ergebener Knecht Arbianes mit unzimlichen Gedanken um- ginge/ muͤste er billicher in Schmach und Schande/ als bey ihrer Liebe auff der Gutsche sitzen; wolle demnach dieselbe mir hoͤchst verzeihen/ wañ etwa meine stumme unverstaͤnd- liche Reden/ sich nicht gnug haben erklaͤren koͤnnen/ denen die Zunge jezt zu huͤlffe koͤmt/ uñ ihre Liebe versichert/ dz dergleichen ungebuͤhrligkeiten mir bißher ja so ferne/ als deren straf- fen selbst geblieben sind. Daß aber ihre Liebe sich uͤber meine gebührliche Ehrerbietung be- beschweret/ und selbe mir verbeut/ dadurch leget sie mir eine schlechterdinge unertraͤgliche Last auff/ welche uͤber mich zunehmen/ ich mich ungescheuhet wegere; dann ich wil lieber tausendmahl sterbẽ/ als euer Liebe unvergleichliche Wirdigkeit zu ehren unterlassen. Son- sten daß eure Liebe auff die Frage zu antworten mir ernstlich gebeut/ mus ich meinen Vor- saz brechen/ und ihr unverhalten seyn lassen/ daß ich bißher nur eine Sonne am Himmel erkennet; aber jezt deucht mich/ breche eine Neben. Sonne hervor/ wiewol unter dicken Wolken verhüllet/ welche anzubehten ich dermassen gezwungen werde/ daß ich aller jrdi- schen sachen druͤber vergesse; ihre blicke/ die nicht mich/ aber ich sie durch die Wolken sehe/ speisen mich/ traͤnken mich/ leiten mich; sie sind mein schlaffen/ mein wachen; mein denken und sinnen/ so daß inbetrachtung dieser Volkommenheit mich zu uͤben/ mir so lange wer- de lassen angelegen seyn/ biß die Seele sich wegert dem Leibe solche mitleistung laͤnger zu- goͤnnen; alsdann wil ich (spricht meine Seele) bey der Haͤupt Sonnen mich unvermer- ket halten/ ob vielleicht in dero Geselschaft angenom̃en/ ich dahin gelangen koͤnte/ woselbst mir vergoͤnnet seyn wird/ ausser dem Leibe zubesichtigen/ was ich mit den Augen meines Haͤuptes anzuschauen unwirdig bin/ auch vielleicht dieses garzuschwache Gesicht nicht ertragen wuͤrde. Die Groß Fuͤrstin antwortete ihm mit einem freundlichen Lachen: Hoch- werter Herr Bruder; meines unbesonnenen Argwohns halben erkenne ich mich in euer Liebe Straffe verfallen seyn/ dessen ich mich auch nicht entbrechen wil/ da ichs sonst mit besseren diensten nicht ersetzen/ und mich loßarbeiten kan; betreffend euer Liebe verdeckete Reden/ wolte ich sie zum teil errahten/ aber alle sind sie mir nicht behaͤglich/ wil doch an- fangs mich in kein unnoͤhtiges Gezaͤnke einlassen/ so viel mich selbst betrift/ weil ich schon anhoͤren muͤssen/ daß ihr mir in diesem stuͤcke allen Gehorsam abschlaget. Wie aber/ mein Herr Bruder/ darff ich dann dieser Neben-Sonne (wie ihr sie nennet) nicht bessere Kund- schaft haben? vielleicht moͤchte die vermeinete andere Sonne/ (aber O der elende Soñe!) bey dieser Neben-Sonne wirken koͤnnen/ daß ihr zu liebe sie euch ihre Strahlen nicht allein mitteilete/ sondern niemand anders als nur euch/ damit beschiene. Ich rede ernstlich mit euch/ mein Herr Bruder/ uñ wollet ihr euren Zweg erreichen/ muͤsset ihr trauen euch selbst nicht fesseln; deßwegen lasset mich eure Heimligkeit wissen/ und gedenket nur sicher/ daß ihr mit derselben redet/ die eure Liebe als viel und sorgfaͤltig sie kan/ zubefodern willens ist. Aber Fuͤnftes Buch. Aber ich sehe/ das euer Herz mein Ansuchen nicht fassen/ vielweniger der Zungen gebieten wil/ daß sie den Nahmen außspreche/ den die Seele so wirdig haͤlt. Wann ichs aber von mir selbst errahten würde/ wovor wollet ihr solches rechnen? Gewißlich/ antwortete er/ vor ein Zeichen eines gluͤklichen außschlages. Der Hoffnung gelebe ich auch/ sagte sie/ uñ wil nicht laͤnger warten/ euch meine Zunge zuleihen; hoͤret nur zu. Ihr liebet/ Fuͤrst Arbi- anes/ ein Groß Fürstliches eurem Stande gemaͤsses Fraͤulein/ und zwar/ die ihr Zeit eures Lebens nicht gesehen/ nehmlich meine Frl. Wase/ und meines lieben Herkules Schwester Frl. Klaren; gewißlich ein Fraͤulein/ die liebens wert ist/ und wol eine Sonne moͤchte ge- nennet werden/ dafern mir solcher Nahme zustuͤnde/ dem ich aber wiederspreche. Mein Herr Bruder Arbianes; er erblasse nicht so uͤber meiner Rede; ich sage noch mehr: Die- se Sonne/ wie ihr sprechet/ ist mit dicken Wolken bedecket; ja mit so viel Wolken/ als zwi- schen hier und Teutschland schweben; und dannoch sehet ihr deren blicke; ists nicht also? aus dem gefundenen Brustbildichen/ welches ungeachtet aller fleissigen Nachfrage/ ihr so heimlich haltet/ und als einen Diebstahl bey euch verwahret/ da es euch doch sehr wol gegoͤnnet ist. Verberget euch forthin mehr vor euer Schwester Valisken/ deren Geist al- le eure Heimligkeiten außforschen kan; ja auch sihet/ wann ihr auff den Knien/ oder wol im Bette dieses liebste Bildichen bald besehet/ bald kuͤsset/ bald mit Traͤhnen befeuchtet/ bald saͤuberlich abwischet/ bald gar anbehtet. Da habt ihr nun Fuͤrst Arbianes/ was ihr schon selber wisset/ und dannoch zu wissen begehret. Durchleuchtigste Groß Fuͤrstin/ antwortete er; von Herzen wuͤnsche ich zu wissen/ wer doch immer und ewig mein Verraͤhter/ ja wer meiner heimlichsten Gedanken und handelungen anmerker und außschreier seyn mag; in- betrachtung ich keinem Menschen dieser ganzen Welt das allergeringste von meiner Liebe geoffenbahret/ auch niemand das gefundene Bildichen sehen lassen; demnach ich aber al- les/ was eure Liebe mir vorgehalten/ gestehen mus/ wil ich nichts in abrede seyn; nur bitte ich in demuͤhtiger zuversicht/ eure Liebe wolle niemand hievon ichtwas melden/ massen ich mich viel zu unwirdig weiß/ an solche Sonne hinzureichen/ die ich mehr anbehte als liebe. Ich aber gebiete euch/ sagte sie/ daß ihr einen Muht ergreiffet/ und eures Groß Fuͤrstlichen Standes euch erinnert/ der billich nicht unter sich gedenket; nur leget die bißher gefuͤhre- te Traurigkeit abe/ und erzeiget euch als ein wirdiger Liebhaber; insonderheit bedenket/ was vor ein Schreiben ihr an das Fraͤulein abgehen lassen wollet/ welches neben dem mei- nen ich straks Morgen fortschicken wil/ euch den Weg zu dieser Sonne zu bahnen. Aber ihr muͤsset mir goͤnnen/ daß ichs mit euer Fr. Mutter rede/ und sie es eurem H. Vater voꝛ- trage/ damit ich schier heut oder Morgen nicht vor eine heimliche Kuplerin gehalten wer- de. Arbianes wuste nicht/ was er vor freuden antworten solte/ stellete ihr alles heim/ und ließ ihr auff begehren das Brust Bilde; foderte seine Fr. Mutter hin/ und daß Groß Fuͤr- stin Valiska sie ingeheim gerne sprechen wolte; baht daneben sehr/ da etwa seiner gedacht wuͤrde/ ihm Mütterliche Liebe und Traͤue zuerzeigen/ welches er Zeit seines Lebens Kind- lich erkennen wolte. So bald Groß Fuͤrstin Saptina zu ihr kam/ fing diese an: Geliebete Fr. Mutter; des lieben Fuͤrsten Arbianes Anliegen/ welches ihn dermassen von ihm selbeꝛ bringet/ habe ich nunmehr gluͤklich erfahren/ bin auch schon in verfassung/ wie man ihm Raht schaffen koͤnne. Was ich nun stets gemuhtmasset/ finde ich mehr als alzu wahr/ und mag Fuͤnftes Buch. mag euer Liebe nicht bergen/ daß seine bleiche Farbe und fleisches Verschwindung nichts als ein Liebesleiden ist; doch liebet er an solchem Orte/ dessen er/ meiner Meynung nach/ nicht kan schande haben. Ob ich nun gleich mich seiner gerne und billich annehme/ werde ich doch durchaus nichts anfahen/ es geschehe dann mit euer Liebe und ihres Gemahls wissen und einwilligung/ ungeachtet der Fuͤrst anfangs sehr angehalten hat/ seinen Eltern davon nichts zumelden. Die Groß Fuͤrstin bedankete sich des geneigten willens/ koͤnte a- ber nicht ersinnen/ sagte sie/ wie ihr Sohn in Liebe eines wirdigen Fraͤuleins gerahten moͤ- gen/ weil er biß daher bey seinem H. Vater stets daheim gewesen/ und dieser oͤrter derglei- chen Frauenzimmer sich nicht haͤtte sehen lassen/ inbetrachtung/ daß Artaxerxes sein Ge- mahl und Kinder von sich hinweg in der Roͤmer gebiet geschicket haͤtte/ welches ihm et- liche Weissager und Sternseher als ein hochnoͤhtiges Ding gerahten. Es ist alles wahr/ antwortete sie/ aber er liebet/ was er noch nicht lebendig/ sondern nur bildnisweise gesehen hat; reichete ihr hiemit Frl. Klaren Gemaͤhlde und sagete: Sehet/ geliebte Fr. Mutter/ dieser Abriß ist aller seiner Traurigkeit Ursach/ welches meine Hoffmeisterin Libussa ver- lehren/ und von ihm ist gefunden worden. Groß Fuͤrstin Saptina sahe es mit verwunde- rung an/ uñ befand es Fuͤrstin Valisken sehr aͤhnlich seyn/ daher sie sagte: O lieber Sohn/ du hast nicht allein gar zu hohe/ sondern auch unbilliche Gedanken gefasset/ nachdem ich nicht anders gedenkẽ kan/ als dieses sey euer Liebe Bildnis. Ja/ antwortete sie/ dieses Fraͤu- lein ist mir nicht ungleich/ weder an Gestalt/ noch Stande/ und heisset Frl. Klara/ meines Herkules leibliche und einige Schwester; dafern nun seinen Eltern diese ihres Sohns Liebe nicht zuwieder ist/ welches ich vor allen dingen wissen muß; und hernach dieses Frl. inwendig Vierteljahrs frist nicht verlobet/ wil ich mich gerne bemuͤhẽ/ ihm in dieser Hey- raht bedienet zu seyn; wiewol andere als vertrauete Freunde aus meinem erbieten muht- massen koͤnten/ ob boͤhte ich meine Frl. Schwester feile; dessen in diesem falle ich mich nicht fuͤrchte. Fr. Saptina fiel ihr umb den Hals/ herzete und kuͤssete sie/ und gab zur Antwort: Ach daß mein Groß Fuͤrst dieses erbieten anhoͤren solte/ welcher in dieser Welt hoͤhers nit wuͤnschet/ als daß sein Sohn wirdig waͤhre/ mit dem Hoch Fuͤrstl. Teutschem Gebluͤte sich zuvermengen; deßwegen wird eure Liebe uns allerseits zu ihren Diensten verbinden/ wann sie diesem Vorhaben bestaͤndig nachsetzen wird. Woldann/ sagte Fr. Valiska/ ist eu- re Liebe dessen gewiß/ so wollen wir dem Vater es noch so bald nicht offenbahren/ sondern eine eilige Botschaft nach Teutschland abfertigen/ und diesem Fraͤulein in des jungen Fuͤr- sten Nahmen etliche Kleinot schicken/ nicht zweifelnd/ ich werde auff mein Schreiben schleunige Antwort bekommen. Saptina machte sich geschwinde nach ihrer Kleinot Lade/ nahm achte der besten uñ kostbahresten hervor/ auff 80000 Kronen geschaͤtzet/ wozu Va- liska eben so viel/ gleiches preises legete/ redete alles mit Herkules ab/ der ihr Schreiben verfertigen halff/ und empfing sie von Arbianes einen koͤstlichen Ring/ daneben ein Latei- nisch Schreiben/ in welches sie den Ring hinein legete/ und einen Umbschlag darumb an das Fraͤulein. Inzwischen hatte sie nach Ladisla geschicket/ daß er Neklam in den Boͤmi- schen Adelstand auffnehmen/ und ihm Urlaub geben moͤchte/ weil sie ihn nach Teutschland zuverschicken haͤtte. Azores ein Dolmetscher ward von Herkules mit gleicher Ehre ange- sehen/ wie auch ein Teutscher/ nahmens Ruprecht/ welcher aus denen wahr/ die Herkules zu Fuͤnftes Buch. zu Padua loßgegeben hatte. Diese drey empfingen die Brieffe samt den Kleinoten und Geleits Brieffen/ daß man sie allenthalben frey zihen lassen/ uñ allen moͤglichen Vorschub zu ihrer Reise tuhn solte. Fr. Valiska unterrichtete sie alles dessen/ was sie wolte bestelles haben/ mit ernstlichem Befehl/ Tag und Nacht/ so viel moͤglich/ zu eilen/ daß sie bald wie- derkommen/ und in der Ruͤkreise auff Jerusalem und Damaskus zuzihen solten/ wann sie verhoffentlich schon wuͤrden abgezogen seyn; gab ihnen auch 30 Reuter/ welche sie biß an den Eufrat begleiten solten; und muste von der Stunde an Arbianes auff Fr. Valisken Vermahnung sich alle Tage von Leches in der teutschen Sprache unterrichten lassen/ welche ihm zimlich schwer ankam. Diesen Abend empfing Artaxerxes aus Charas Brife; der Koͤnig waͤhre mit einer unglaͤublichen Menge Volks/ schon vor etlichen Tagen auffgebrochen/ und ginge der ge- meine Ruff/ er wolte ganz Perfen zur Wüsteney/ und alle In wohner zu Leibeigene ma- chen. Artaxerxes hielt hierauff Kriegsraht/ und begehrete anfangs Herkules Mey- nung zuvernehmen/ welcher also anfing: Es erfreuet mich sehr/ daß Artabanus es auff die Spitze wagen wil/ und den ganzen Kern seiner Mannschafft uns darstellen. Wir haben GOtt Lob/ eine solche Menge wolgeübeter Voͤlker/ daß ich mit der helffte ihm das Haͤupt bieten/ und seinen uͤberfluß durch GOttes Hülffe dergestalt verwickeln wol- te/ daß sie mit ihren eigenen Schwertern sich niderschlagen/ und den Weg zur Flucht durch ihre Herzen oͤffnen solten. Damit wir aber desto behutsamer und in mehrer si- cherheit gehen/ waͤhre mein unvorgreiflicher Raht/ wir setzeten in guter Vorsichtigkeit gerade auff des Feindes Land/ liessen die Inwohner frey ruhig bey dem ihrigen/ daß sie nur nach vermoͤgen Futter und Mahl schaffeten/ und legeten uns an einen vortelhaften Ort mit einer angenommenen aͤusserlichen Furcht/ wodurch der Feind in unvorsichti- ge Verwaͤgenheit gestuͤrzet/ und alsdann mit geringem Verlust der unsern gedaͤmpfet werden kan. Ob wir uns dann gleich nicht gar weit in Feindes Land zihen/ schadet nicht/ weil wir aus allen umbliegenden Freundes oͤrtern alle Notturft uͤberfluͤssig haben/ und dem Feinde seinen Troz und Grim gar wol außharren koͤnnen/ wie ich mich dann keiner zeitigen Schlacht vermuhten bin/ wo sonst Fuͤrst Vologeses das Haͤuptwerk fuͤhret. Dieser Vorschlag ward von allen gut geheissen und angenommen/ und der Weg mit zimlichen Tagereisen fortgesetzet/ weil alle engen Durchzüge erweitert wurden/ und legten sich auff Feindes Grund und Bodem/ an einen Ort/ da sie Wasser und Raum vor Men- schen und Pferde hatten/ auch keines Hinterhalts sich befūrchten durfften. Fabius ging hieselbst mit seinen Voͤlkern vor dem Haͤupt Heer/ besser in Feindes Land/ nachdem man ihm 5000 Roͤmer abgenommen/ und an deren stat 2000 Teutschen/ 2000 Boͤhmen und 7000 von Arbianes fliegendem Heer zugegeben hatte/ daß seine Voͤlker auff 24000 Mañ bestunden. Herkules und Ladisla erinnerten ihn Bruͤderlich der guten Vorsichtigkeit/ das er ja richtige Kundschaft halten/ und sich in kein Treffen einlassen moͤchte/ es waͤhre dañ/ daß er sicher wuͤste/ dz nur ein fliegendes Heer auff ihn stiesse/ welches von dem Haͤupt Heer nicht koͤnte entsetzet werden. Artaxerxes gab ihm einen wolversuchten aber etwas furcht- samen Persischen Herrn/ nahmens Phrataphernes zum Groß Oberwachtmeister zu/ und wünschete ihnen gluͤk zum guten anfange. Artabanus wahr nicht weniger bemühet/ seiner h Schan- Fuͤnftes Buch. Schanze acht zu haben/ ließ nach gehaltener algemeiner Heersbeschauung seinen Voͤlkern durch die Bank einen Monat-Sold erlegen/ welches uͤber 40 Tonnen Goldes außtrug/ mit der Verheissung/ dafern sie frisch fechten und das Feld erstreiten würden/ solte ihnen abermahl so viel außgezaͤhlet/ und doch am gebuͤhrlichen Solde nichts abgekuͤrzet werdẽ; wodurch sie sehr willig und muhtig gemacht wurden; brachen auch bald auff/ und hielten ihren Zug eine halbe Meile breit. Vologeses versahe alles durch gewisse vor sichtige Leu- te/ und wolte nichts unbedachtsames vornehmen/ weil er der unsern wachsame Vorsich- tigkeit gar zu wol erfahren hatte; taht auch so viel bey diesem Feldzuge/ daß wann seine Gegenwart nicht gewesen waͤhre/ alle Voͤlker wuͤrden auf die Schlachtbank geliefert seyn; dann Artabanus verließ sich auff die grosse Menge/ meynete es koͤnte ihm nicht fehlen/ sondern muͤste eilen/ damit das Fraͤulein nicht vor seiner ankunft entfuͤhret wuͤrde; ja er stund fest auff der meynung/ die Reuterey solte voraus zihen/ und das Fußvolk algemach folgen; aber Vologeses zeigete die Gefahr/ und brachte alle Feld Obristen auff seine Sei- te/ daß der Koͤnig seinen Vorsaz endern muste. Er bekam aber auch Zeitung/ daß der Perse mit allermacht fortruͤckete/ und nicht weit von den Parthischen Grenzen waͤhre/ ginge gar behutsam/ und wuͤrde die Reuterey in die 200000 stark von den beyden fremden Fuͤrsten; das Fußvolk/ etwa des vierdenteils geringer/ von Artaxerxes und Phraortes geführet. Artabanus ließ sich darauff vernehmen/ es waͤhre unmoͤglich/ daß die Auffruͤhrer so stark seyn koͤnten/ doch es sey wie ihm wolle/ sagte er/ so ist doch der Sieg unser/ wañ wir ihn nur hohlen duͤrffen; unsere Macht ist uͤber den vierdenteil groͤsser/ die Voͤlker alle geuͤbet und mit waffen wol versehen; geschwinde lasset uns auff sie angehen/ daß die Fremdlinge uns nicht entlauffen/ wann sie unsers anzuges gewahr werden; dann wir muͤsten uns immer und ewig schaͤmen/ daß die frechen Buben lebendig davon kommen/ und des uns zugefuͤg- ten Schimpfs sich anderweit beruͤmen solten. Vologeses sahe vor Augen/ daß auff solche Weise die Niederlage gewißlich erfolgen wuͤrde/ welches nach moͤgligkeit zuverhuͤten/ er in aller Feld Obristen Gegenwart den Koͤnig also anredete: Ich bin zu wenig/ ihrer Koͤnigl. Hocheit und gegenwaͤrtigen hochverstaͤndigen Fuͤrsten/ einigen Raht vorzutragen/ und zwinget mich dannoch mein Gewissen/ und der schwer geleistete Aid/ das ich mein gutdün- ken unangezeiget nicht lassen kan. Vor erst bleibe ich noch bey meinem festgelegeten Grun- de/ daß wir vorsichtig spielen muͤssen/ wann wir nicht verspielen wollen; und wann wir die Taͤg- und stuͤndliche Kundschaft nicht fortsetzen/ werden wir diese tapffere Voͤlker ins ver- derben stuͤrzen/ ehe sie es selbst inne werden. Es ist nicht der Perse Artaxerxes/ noch der Mede Phraortes/ noch der Hirkaner Menapis/ die an jener Seite alles versehen; dann diese/ wie frech und verwaͤgen ihrer etliche seye moͤgen/ achte ich sie doch nicht eines Pfiffer- linges wert; sondern es sind Herkules und Ladisla/ zween Strahlen und Donnerkeile/ die ihre Staͤrke mit Wiz anwenden/ und ihren Wiz durch Voꝛsichtigkeit staͤrken. O lasset uns ihre Jugend nicht verachten/ wie vor zeiten der großmaͤchtige Darius den Mazedonischẽ jungen Alexander verachtete/ und daruͤber Reich uñ Leben verlohr. Fraget Spitamenes/ Madates/ Bagophanes und mich/ wie sie fechten und zugleich befehlen. Haben sie so viel Voͤlker/ als gesagt wird/ und ich schwerlich glaͤuben kan/ ja haben sie gleich den drittenteil weniger/ so wil ihrer Koͤnigl. Hocheit ich mein Leben zu pfande geben/ daß sie es nicht aufs lauf- Fuͤnftes Buch. lauffen/ sondern streiten setzen werden/ und wir daher nicht Ursach haben/ das Heer durch grosse Tagereisen abzumatten. Habe ich nit allemahl erinnert/ man muͤste den Auffbruch nicht verweilen/ damit die Feinde uns nicht in unser Feldmark begegneten? Aber wer hat mich hoͤren wollen? ja wer hat mich nicht verlachet? versichere sich ihre Koͤnigl. Hocheit/ daß Herkules und Ladisla ihre Leute in Charas haben/ und von ihnen taͤgliche Zeitung ein- nehmen/ was zu Hofe und bey dem Heer vorgehet; meynet eure Hocheit/ dz sie unsern Auf- bruch nicht gewust haben/ ehe wir zu Pferde blasen lassen/ und einen Schrit fortgesetzet? wer hatte ihnen Madates und seine Ritter verrahten? sie wustens ja/ und wusten ihre Ab- zeichen nach den alleꝛgeringsten umbstaͤnden. Oso lasset uns doch auch Vorsichtigkeit ge- brauchen/ welche/ ob sie uns gleich nicht noͤhtig waͤhre/ sie uns doch nicht schaͤdlich seyn kan. Nicht rede ich solches/ ob wolte ich am kuͤnfftigen Siege zweifel tragen; welchen wir gleichwol noch nicht in den Haͤnden haben/ nur wuͤnsche ich/ die Auffsicht im Spiel/ deren hindansetzung uns duͤrfte schaͤdlicher seyn/ als der Feinde Schwerter; dann wir hoͤren ja/ das ein wolgeseztes Heer es mit uns aufnehmen wil/ und wir nicht so gar ohn Blut die Wahlstat behaͤupten werden. Ihre Koͤnigl. Hocheit gedenke meiner/ wo nicht der Feind ihm schon einen bequemen Ort außersehen hat/ da er mit Vortel streiten/ uñ unserer Men- ge die freie Außdehnung benehmen kan; was hilfts uns dann/ ob wir mehr oder weniger haben? Als vor acht Jahren ich 60000 Indier mit 20000 Parther erlegete/ halff mir der Ort/ sonst waͤhre ich gefressen worden; diesem nach müssen wir nicht allein des Fein- des Voͤlker zaͤhlen/ sondern ihrer Fuͤhrer Wiz und des Octs Gelegenheit beherzigen/ als dann wollen wir mit ihnen das Spiel frisch angehen/ und umb den Stich mit ihnen die Haar zausen. Der Koͤnig hoͤrete fast unwillig zu/ meynete/ es stuͤnde seiner Macht schimpflich an/ durch dergleichen Vorsichtigkeit einiges Zeichen der Furchtsamkeit sehen zulassen; Weil aber alle Feld Herren Vologeses beypflichteten/ und nicht allein durch ein- fuͤhrung unterschiedlicher begebenheiten erhaͤrteten/ daß durch geringe Verwarlosung oft die groͤssesten Kriegs Heere in aͤusserstes verderben gefuͤhret waͤhren/ und daß die kluge Vorsichtigkeit keinem zur furcht außgelegt werden moͤchte; ließ er sich bereden/ nur daß er mit einem Hohnlachen fragete/ ob dann die beyden jungen Laffen eisern oder staͤhlern waͤhren/ daß man sie dergestalt fuͤrchtete; ja ob nicht eine kleine Schaar nach der andern an sie setzen koͤnte/ biß sie entweder lebendig gegriffen/ oder nidergesaͤbelt waͤhren. Worauf Vologeses mit wenigem antwortete: Es waͤhre ihrer Koͤnigl. Hocheit ohn sein erinnern/ wol bewust/ daß im Felde eine jede Schaar ihre bestreiter fuͤnde/ daß wann sie meyneten ein abgemattetes Haͤuflein anzugreiffen/ wuͤrden solche alsbald von andern entsetzet; wie- wol er selbst hoffen wolte/ man wuͤrde diesen beyden unverzagten und tapferen Helden auf solche oder dergleichen Art beykommen koͤnnen. Ein sehr verwaͤgener Parthischer Herr/ nahmens Dorylaus/ dem der Vortrab anbefohlen wahr/ ließ sich vernehmen/ er vor sein Haͤupt koͤnte nicht absehen/ was vor sonderliche Gefahr bey diesem Zuge zubefuͤrchten waͤhre; je naͤher ihnen der Feind stuͤnde/ je zeitiger koͤnte man mit ihnen fertig werden. Welches dem Koͤnige so wol gefiel/ daß er zu ihm sagete: Du erzeigest dich auff gut Par- thisch/ mein Dorylaus/ deßwegen brich auff mit deinem Heer/ und hohle die erste Ehre von den Persischen weichlingen. Dieser nicht faul/ hieß seinen Voͤlkern das Zeichen gebẽ/ h ij und Fuͤnftes Buch. und erklaͤrete sich/ nicht zu ruhen/ biß er so manniches Persen Zunge dem Koͤnige liefern koͤnte/ als er Reuter unter seinem befehl haͤtte. Vologeses wolte ihm nicht bald anfangs einreden/ aber da er im Auffbruch begriffen wahr/ trat er mit Pakorus und Vonones hin zu ihm/ und band ihm hart ein/ sich ja in keine Feldschacht einzulassen/ er saͤhe dann/ daß er beydes an Macht uñ Orts Gelegenheit den Feinden uͤberlegen waͤhre. Dieser aber rech- nete solches vor eine Beschimpfung/ und gab zur Antwort: Sein Koͤnig haͤtte ihm Frey- heit anzugreiffen erteilet/ und koͤnte man allemahl weder den Ort maͤssen/ noch der Fein- de Koͤpffe zaͤhlen; wuͤnschete demnach/ daß inwendig 24 Stunden ihm etwa 60 oder 70 tausend Persen auffstossen moͤchten/ umb Gelegenheit zu haben/ sein Versprechen bald zu leisten/ und truͤge er grosses verlangen/ zuerfahren/ ob die lustergebene Weichlinge die Persen in so kurzer Zeit ein Mannes Herz und Eisern Fleisch bekommen haͤtten. Wor- auff Vologeses die Anwesendẽ zu Zeugen rieff/ und sagete: Hoͤret Dorylaus/ ich verstehe eure schimpfliche Spotreden sehr wol/ deren zu gelegener Zeit ihr mir rechenschaft geben sollet; aber umb euer guten Voͤlker willen warne ich euch noch einmahl als ein Freund; werdet ihr bey diesem Vorsatze verharren/ so ist dieses redliche Heer schon ein Opffer der Feinde; es sey dann/ daß ihr etwa einen ruchlosen Persen antreffet; ich bin auch ehmahls verwaͤgen gewesen/ aber es wil sich nicht allemahl so tuhn lassen; fahret nur wol/ gesund sprechen wir uns wieder. Dorylaus entschuldigte sich mit wenigem/ er haͤtte niemand be- schimpfet/ aber er baͤhte die Goͤtter nochmahls/ daß sein Wunsch bald erfuͤllet wuͤrde/ ob gleich zehn Herkules und zwanzig Ladisla unter den Feinden waͤhren; wuͤste auch schon/ daß getraͤue Diener eines Koͤniges/ einer dem andern sein besser Gluͤk nicht goͤñeten. Pa- korus kunte solche Freyheit nicht laͤnger dulden/ und gab ihm zur Antwort: Mein Kerl/ du solt gleichwol wissen/ daß du mit dem algemeinen Feldmarschalk redest/ welcher dich zu vermahnen/ ja dir zubefehlen hat/ und dafern du lebendig wiederkommen wirst/ werde ich dich auch zubesprechen haben. Dieser wuste daß Pakorus seines gleichen an Kraft und Kampfs-erfahrenheit unter allen Parthen nicht hatte/ deßwegen wolte er seinen Zorn nit reizen/ sondern sagte: Gn. Fuͤrst/ ich verbleibe euer Durchl. gehorsamer Diener/ und ge- he fort auff unsers Koͤniges Befehl. Nun schikte sichs gar bald/ daß diesem frechen Men- schen sein Wunsch in die Hand fiel/ wiewol zu seinem schweren Ungluͤk; dañ Fabius hat- te desselben morgens sehr fruͤh Kundschaft eingezogen/ daß des Feindes Heer nicht so gar weit waͤhre/ wehrete auch nicht lange/ daß ein reitender Bohte in dem Flecken/ darin sich Fabius gelegt hatte/ von dieses Dorylaus Anzug Zeittung brachte; dann Fabius gab sich mit seinen Voͤlkern vor Parthisch an/ die im Koͤnigreiche Armuzia geworben waͤhren/ uñ nach dem Haͤuptlager eileten/ welches ihm sicher geglaͤubet ward. Er fand hieselbst Futter und Mahl vor Pferde und Menschen/ daß sie sich wol labeten und drey Stunden ruheten; gab inzwischen Phrataphernes zuverstehen/ daß er gesonnen waͤhre/ diesem Feinde auff gute begebenheit Fuß zuhalten/ ob sie ihnen gleich an der Zahl in etwas moͤchten uͤberlegen seyn; dann sie zoͤgen in aller sicher heit daher/ und wuͤrden kaum Zeit gewinnen/ sich in Ordnung zustellen. Dieser wiederriet solches heftig/ weil ihnen ohn Vortel zuschlagen verbohten/ und der Feind an Mannschaft viel zu stark waͤhre; so wuͤrde auch viel darauff gesehen/ wie das erste Treffen ablieffe; waͤhre demnach seine Meynung/ daß man sich zu- ruͤk Fuͤnftes Buch. ruͤk zoͤge/ und mehr Huͤlffe foderte. Aber Fabius wuste ihm dieses bestaͤndig zu wiederle- gen; den Vortel muͤste man suchen/ und fleissig darnach aus seyn/ alsdann fünde er sich wol selbst; er achtete den geringen uͤberschuß an feindes Seite nicht; wann der groͤste teil geschlagen waͤhre/ solten die übrigen nicht viel wesens machen; hoffete auch die Schlacht also zufuͤhren/ daß ihm der Sieg nicht entstehen solte. Weil nun Phrataphernes noch im- mer das Wiederspiel hielt/ rieff er H. Herman und H. Marobod/ welche die Teutschen und Boͤhmen fuͤhreten/ mit in den Raht/ welche nach ihrer Herzhaftigkeit sageten/ es wuͤr- de ihnen eine ewige Schande seyn/ wann sie mit so statlichen Voͤlkern sich scheuhen solten/ den Feind zuversuchen; wer nicht wagete/ der gewuͤnne nicht; koͤnte man das Feld nicht erstreiten/ muͤste man doch den Muht sehen lassen/ und da man uͤbermannet waͤhre/ stuͤnde ihnen der Abzug offen/ da ihnen die Feinde aus furcht eines Hinterhalts nicht eilig folgen würden; waͤhre demnach ihre bitte/ diese Gelegenheit/ Ehre und Beute zuerlangen/ nicht unter den Haͤnden zerrinnen zulassen/ und wuͤrde man ihren Teutschen und Boͤhmischen Voͤlkern/ wie wenig ihr auch waͤhren/ die Freyheit goͤnnen/ sich an den Feind zureiben/ wann auff den unverhoffeten Fall die uͤbrigen sich nicht wagen wolten. Hiemit wahr der Perse uͤberstimmet daß er einwilligte/ brachen in allerstille auff/ und liessen unterschiedliche einzelne Reuter hin und wieder außgehen/ welche drey Bauren auf fingen/ uñ diese Kund- schaft einzogen/ Dorylaus Vortrab haͤtte sich eine gute Meile von dannen ins offene Feld nider gelassen/ und laͤge in aller sicherheit. Fabius ordente seine Voͤlker/ und gab Phrata- phernes 10000 Mann/ die Teutschen/ Boͤhmen/ Roͤmer/ samt seinen 1000 geworbenen/ und die 7000 Meden behielt er bey sich/ und gingen in zween Fluͤgeln eilig fort. Auff hal- ben Wege fingen sie noch drey einzelne Reuter und sechs Bauren/ gegen welche sie sich Parthisch erklaͤreten/ und von ihnen Bericht empfingen/ ihr Heer waͤhre 40000 stark/ die helffte stuͤnde in guter bereitschaft/ die andern haͤtten ihre Pferde in die Graßweide gejagt. Wolan/ sagte Fabius/ unsere Zeit ist kommen; hieß Phrataphernes nach der Linken zihen/ umb zuverhuͤten/ daß die Abgesattelten nicht zu Pferde kaͤhmen/ die er leicht uͤberfallen/ oder doch nur aufhalten koͤnte; den seinen aber redete er frisch zu; jezt waͤhre Zeit/ ein man- lich Herz sehen zulassen; ruhm wuͤrde nicht durch Furcht und Faulheit/ sondern durch un- erschrockenen Muht erworben; es waͤhre der erste Angriff/ welchen das Gluͤk ihnen in die Hand gespielet haͤtte/ der muͤste frisch gewaget seyn/ alsdann wuͤrden die Goͤtter sich mit einmischen/ und den Sieg zu wege bringen. Dieses trug er ihnen Persisch und Lateinisch vor/ welches ein Teutscher/ der Latein kunte/ seinen Landsleuten und Boͤhmen verdolmet- schete/ die sich alle freudig erzeigeten/ und auff den Feind loßgingen. Fabius hatte an seiner Seiten drey hauffen gesezt; der erste wahren 4000 Meden/ der andere die Teutschen (un- ter denen 250 Schlachtschwerter) und Boͤhmen/ ingesamt auch 4000/ den dritten/ als 2000 Roͤmer/ seine 1000 geworbene/ und 3000 Meden behielt er vor sich selbst. Als sie des Feindes Schildwache ersahen/ gingen sie eiferig auff dieselben loß/ und zerhieben sie in Stuͤcken/ wiewol deren zween hart verwundet davon kahmen/ und doch/ weil ihnen der gerade Weg abgeschnitten wahr/ bey den ihren nicht so bald anlangen kunten/ daß sie die Gefahr haͤtten andeuten moͤgen; dann Fabius setzete frisch fort; ward gleichwol von Do- rylaus so zeittig ersehen/ daß er ihm 6000 geworbene entgegen schickete/ die ihn weichend h iij fech- Fuͤnftes Buch. fechtend auffhalten solten/ biß er seine Ordnung etwas besser gerichtet haͤtte. Fabius wolte diesen/ seinen Medischen hauffen entgegen schicken/ aber die 2000 Teutschen hielten an umb den ersten Angriff/ und stuͤrmeten mit solcher Wuht auff diese Feinde/ daß deren in einer viertelstunde uͤber 4000 nidergehauen wahren/ dessen Freunde und Feinde sich ent- setzeten. Dorylaus wuste nicht was er gedenken solte/ daß die seinen wie Muͤcken zur erde stuͤrzeten/ und schickete ihnen 3000 Parther und 1000 Skythen zum entsaz; aber die Boͤh- men gingen diesen unerschrocken entgegen/ und hielten sie ritterlich auff/ biß die Teutschen mit den ihren fertig wahren/ da wolten sie den Boͤhmen die huͤlfliche Hand bieten; welches Dorylaus ersehend/ ihnen 3000 geworbene entgegen gehen ließ/ denen sich 1500 Teutschen wiedersetzeten/ die uͤbrigen gingen den Boͤhmen zuhuͤlffe/ und tahten ihnen solchen Bey- stand/ daß sie den Feind auff die Weichseite brachten/ nachdem an diesem Orte 600 Sky- then und 1000 Parther gestrekt lagen. Ihr Feld Herr sahe daß dieses endlich kein gut tuhn wuͤrde/ schickete deßwegen nach den Ruhenden/ die eine Viertelmeile von ihm in den Wie- sen lagen/ und ließ sie auffs schnelleste zu sich fodern/ mit anzeige/ daß die Noht grosse Eile beduͤrffte. Er aber brach mit seinen uͤbrigen 7000 loß/ in Meynung/ die 1500 Teuschen einzuschlissen; aber Fabius griff sie von einer Seite mit den 4000 Meden/ von der andern mit seinem eigenen hauffen an/ da die Roͤmer sich sehr wol hielten/ und mit ihren Speeren 800 Feinde zu Bodem wurffen/ aber doch dieselben auff die Weichseite nicht bringen kun- teu; den Meden ging es sehr hart/ dann 3000 wolgeuͤbete Skythen und Parther traffen auff sie/ denen sie bey weitem nicht gewachsen wahren/ sondern zeitig zuruͤk wichen/ nach- dem ihrer 800 erschlagen/ und 1500 hart verwundet wahren. Fabius befuͤrchtete sich aus dieser schlechten bezeigung seiner Meden/ es moͤchte Phrataphernes an seinem Orte nicht wolgehen/ wolte deßwegen alhie nicht lange seumen/ und die obgedachten nohtleidenden Meden vor erst entsetzen/ welches ihm so wol gluͤckete/ daß er sie wieder in Ordnung und zum Stande brachte. Doch wolte ihm Dorylaus nicht lange Zeit goͤnnen/ sondern setzete so grimmig auff ihn hinein/ daß wo die Roͤmer ihre Glieder nicht so fest gehalten diese ohn- zweiffel durch gebrochen/ und ein grosses Blutbad angerichtet haͤtten. Die 1500 Teutschẽ richteten in kurzer Zeit 1800 von den 3000 geworbenen zu grunde/ weil sie nicht sonderlich erfahren wahren/ daher die uͤbrigen sich auff Dorylaus hauffen zogen/ und hingegen die Teutschen sich mit Fabius zusam̃en setzeten. Da gab es nun einen uͤberaus harten Streit/ und bemuͤheten die Meden sich aͤusserst/ den genommenen Schimpff zuersetzen. Die beydẽ Feld Obristen gerieten in absonderlichen Streit aneinander/ und weil sie beyderseits guter Faͤuste und unverzagtes Herzens wahren/ wolte keiner dem andern nachgeben/ biß endlich dieser Kampff durch etliche Parther und Roͤmer getrennet ward. Die Boͤhmen mit ih- rein Teutschen Entsaz/ hatten ihren Feind auch so weit schon gebracht/ daß sie sich nach Do- rylaus hauffen hinzogen/ der noch einen starken hauffen machte/ in Hoffnung/ die unsern so lange auffzuhalten/ biß ihr Entsaz ankaͤhme. Aber so bald Fabius die seinen auch zusam- men gesezt hatte/ hieß er die Teutschen und Boͤhmen ruhen; mit den uͤbrigen traff er auff den Feind mit solchem Ernst/ daß er nicht stand halten kunte/ wiewol er als ein rasichter Hund umb sich hieb. In dem sahe H. Herman einen frischen hauffen/ 8000 stark/ mit ver- hengetem Zaume daher rennen/ und fuͤrchteten sich die unsern sehr/ Phrataphernes wuͤrde den Fuͤnftes Buch. den kuͤrzern gezogen haben; an dessen Seite es also erging. Als er muhtig gnug mit seinen 10000 Reutern ansetzete/ traff er zu seinem Ungluͤk auff einen Graben/ welcher zwa r nicht breit/ aber zimlich tieff wahr/ das die Pferde uͤberzuspringen scheuh trugen; daher der Feind so viel Zeit gewan/ daß 1000 Skythen und 2000 Parthen sich zu fusse in Ordnung setzeten/ und die unsern/ so etwas furchtsam angingen/ auffhielten biß etliche tausend zu ihren Pfer- den kahmen; und weil es ohndaß ein zimlich enger Plaz wahr/ kunten sie die unsern zur Noht bestehen; haͤtten auch/ da sie alle zu Pferde sassen (dann ehe sie zun beinen kahmen/ wurden ihrer kaum 2500 erschlagen) die Persen leicht abtreiben und gar auffreiben koͤñen/ nachdem sie ihnen beydes an Mañheit uñ Menge uͤberlegen wahren; aber es geriet Phra- taphernes zum guten Glük/ daß eine Botschaft uͤber die andere von Dorylaus ankam uñ beystand foderte/ daher sie 4000 Parther und gleich so viel geworbene ihm zuschicketen; die uͤbrigen hielten so fest Wiederstand/ daß die Persen ihnen nicht allein nichts angewin- nen kunten/ sondern etlichemahl zu weichen gedrungen wurden. H. Herman empfing die geruheten mit solchem einbruche/ daß ihrer bald anfangs 3000 stuͤrzeten/ dañ sie hatten ih- re Glieder nicht fest geschlossen/ und wurden von den Schlachtschwertern immer niderge- matzet/ denen sie nicht zubegegnen wusten; wiewol 2000 Parther von diesem hauffen eine besondere Schaar macheten/ und damit den Teutschen zur Seite eingehen wolten/ worauf sich diese wenden und eine andere Ordnung machen musten. Das Gluͤk fügete die beyden Feld Herren abermahl aneinander/ da Fabius seinem Feinde im dritten Hiebe den rech- ten Arm laͤhmete/ daß er das Schwert fallen lies/ und als er außreissen wolte/ stieß er ihm das Schwert in die Gurgel/ daß er zu bodem stuͤrzete; die Roͤmer umb ihn her trieben die Feinde ab/ und machten ihm Raum/ daß er absteigen und dem erstochenen das Haͤupt ab- schlagen kunte/ welches ein Ritter auff sein Speer stecken/ in die hoͤhe richten/ und dabey auff Persisch Gewonnen Gewonnen ruffen muste; Worauff den Feinden dieses Orts das Herz entfiel/ daß sie wie das Vieh nidergesaͤbelt wurden/ wobey die Meden sich vor andern wol gebraucheten/ so daß von dieser Schaar etwa 290 verwundete davon flohen. So bald dieser Sieg behaͤuptet wahr/ ging Fabius mit 800 Teutschen/ 1500 Boͤhmen und so viel Roͤmern nach Phrataphernes/ welcher von den Parthen dergestalt geaͤngstet ward/ daß er die seinen kaum von der Flucht abhalten kunte. Er vor sein Haͤupt hatte ritterliche Ge- genwehr getahn/ und einen beruͤmten Parthischen Obristen/ nahmens Pampazius erle- get; aber die seinen wusten sich in die schweren Streiche nicht zuschicken/ also daß ihrer schon 3000 erschlagen und 2000 verwundet wahren/ da Fabius bey ihnen ankam/ und mit seinem hauffen dergestalt einbrach/ daß die Persen Lufft bekahmen/ und sich des entsatzes hoͤchlich freueten. Hier ging es nun dergestalt uͤber die Feinde/ daß sie zuruͤk getrieben wur- den/ wobey die Roͤmer sich sehr wol hielten. Das andere Heer/ welches Fabius zuruͤk ge- lassen hatte/ umbringete die uͤbrigen Feinde/ mit welchen die Teutschen und Boͤhmen ihr Handgemenge hatten/ und liessen nicht abe/ biß sie alle miteinander erschlagen wahren. Nur hatte sich gegen Fabius ein Haͤuflein von 500 Skythen und 2500 Parthen gesetzet/ die sich uͤber die masse wol hielten/ uñ ungerochen nicht sterben wolten/ daher er ihnen Frey- heit und Leben versprach/ welches sie annahmen und das Gewehr von sich wurffen. Hie- mit wahr der herliche Sieg erstritten/ wiewol nicht so gar ohn Verlust; dann 6500 Me- den Fuͤnftes Buch. den und geworbene wahren erschlagen und 5400 hart verwundet. Von den Roͤmern la- gen 28 Mann; von den Boͤhmen 12/ und von den Teutschen/ daß zu verwundern/ nur 14/ von Fabius geworbenen aber 150 auff der Wahlstat; wiewol 200 Roͤmer/ 120 Boͤhmen/ und 90 Teutsche/ auch 160 geworbene Fabische dergestalt verwundet wahren/ daß ihrer fast die helffte im folgenden Haͤupttreffen nicht kunten gebraucht werden. Funden sich al- so alles in allen an unser Seite 6704 erschlagene/ und 5970 verwundete. Hingegen lagen 36700 Feinde auff der Wahlstat gestrecket. Zeit des treffens hatten sich zehen geworbene Hirkanier und Assyrische von dem Feind an unsere Seite begeben/ weil sie zu dienen von den Feinden gezwungen wahren; hielten sich auch so tapffer in der Schlacht/ daß sie 23 von den Feinden erlegeten/ und ihrer fünffe dagegen das Leben einbuͤsseten; die uͤbrigen wurden biß auff einen/ zimlich verwundet/ und zeigeten nach erhaltenem Siege Fabius an/ was ge- stalt Dorylaus seinem Koͤnige 40000 Zungen von Persischen Kriegsleuten versprochen haͤtte; woruͤber das Heer sich dergestalt eiferte/ daß sie allen erschlagenen Feinden die Zun- gen außschnitten/ und sie den gefangenen zutragen auffbuͤrdeten; Fabius aber des Dory- laus Zunge selbst zu sich nam/ und das Haͤupt einem Roͤmer zu tragen gab. Die Plunde- rung der Erschlagenen ward den Voͤlkern gegoͤnnet/ da sie uͤberaus grosse Beute mache- ten/ massen keiner an Feindes Seiten gefunden ward/ der nicht 20 und mehr Kronen bey sich gehabt haͤtte. Phrataphernes erinnerte die Persischen Reuter/ sie moͤchten bedenken/ daß die Fremden das meiste bey dem Treffen verrichtet/ und allenthalben kraͤfftigen Ent- saz geleistet haͤtten; waͤhre demnach billich/ dz man ihnen von der Beute etwas vorab goͤn- nete; wodurch er erhielt daß alle geraubeten Gelder und Geschmeide herbey gebracht wur- den/ da sich 889000 Kronen an Baarschafft/ 3000 Ringe/ durch die Bank auff 120000 Kronen/ 230 par Armbaͤnder auff 112000 Kronen am wert befunden/ welches ingesamt 1121000 Kronen außtrug/ und in zween gleiche Teile gelegt ward/ so daß die Persischen Voͤlcker (deren noch 11350 lebendig wahren) die eine helffte; die Teutschen/ Boͤhmen und Roͤmer aber (deren Zahl in 5964 bestund) die andere helffte bekahmen/ da einem jeden ge- meinen Reuter 48 Kronen; jedem unterbefehlichs haber (deren 120) 235 Kronen; jedem Faͤhndrich und Unterritmeister (deren 60) 1800 Kronen; jedem Rittmeister (deren 30) 3000 Kronen; und jedem Obristen (deren 3) 18000 Kronen außgeteilet wurden; den uͤ- berschuß gab man den Troßbuben. Die Pferde der erschlagenen wūrden auffgefangen/ deren sie 44000 bekahmen/ und nach obiger gleicheit außteileten/ so viel sichs leiden wolte. Was aber ausser den Reitpferden im Lager gefunden ward/ als 120 Wagen mit Speise/ Trank/ Kleidern/ Gezelten und Gelde (welche Baarschaft auff acht Tonnen Goldes sich erstreckete) solches alles nam Fabius zu sich in verwahrung/ speisete die Voͤlker eilig/ und kehrete noch denselben Abend umb nach dem Haͤuptlager/ woselbst er des folgenden Tages bey spaͤtem Abend anlangete/ und von ferne mit grossem Freudengeschrey empfangẽ ward. Die gesamte Fuͤrsten ritten ihm froͤlich entgegen/ und sahen bey den vielen gesattelten ledi- gen Pferden/ daß eine sehr grosse Menge der Feinde muste erschlagen seyn/ woruͤber unsere Helden insonderheit sich hoͤchlich erfreueten/ daß ihrem lieben Freunde es so wol gelungen wahr/ welcher den Helm abtaht und mit diesen Worten Artaxerxes anredete: Durch- leuchtigster Groß Fuͤrst/ gnaͤdiger Herr; hier liefere ich euer Durchl. des verwaͤgenen Par- Fuͤnftes Buch. Parthischen Feld Herrn Dorylaus sein Haͤupt/ welches mir das Gluͤk gegoͤnnet/ und da- bey 3000 gefangene Skythen und Parthen/ (denen ich/ weil sie ihrer Haut sich redlich ge- wehret/ Leben und Freyheit versprochen) nebest 36000 Zungen der erschlagenen Feinde/ welche ihnen zur Rache billich abgeschnitten sind/ weil Dorylaus seinem Koͤnige 40000 Persische Zungen versprochen hatte. Ich habe diesen Sieg von dem Himmel umb 6704 Koͤpffe meines Heers erhalten; die uͤbrigen haben die Beute auff der Wahlstat bruͤderlich geteilet/ und was ich im Lager angetroffen/ uͤberlieffere ich hiemit euer Durchl. als dem al- gemeinen Ober Feld Herrn untertaͤhnig ein; das Gluͤk goͤnne uns/ daß die kuͤnftige Haupt- Schlacht mit gleichmaͤssigen/ oder wie ich hoffe/ besseꝛem verfolg ablauffen moͤge. Artaxeꝛ- xes umbfing ihn mit beyden Armen/ ruͤhmete seine Tugend und Mannheit vor dem gan- zen Heer/ und nachdem er ihm die mitgebrachte Beute eigentuhmlich zugesprochen hatte/ warff er ihm eine Demant Kette/ am wert uͤber 80000 Kronẽ an den Hals/ womit er ihm Dorylaus Haͤupt ersetzete. Es entstund aber eine solche Freude bey dem Haͤupt Heer/ als ob des Feindes ganze Macht schon gebrochen waͤhre; nur die Teutschen/ so zuruͤk blieben wahren/ liessen sich traurig merken/ dz sie haͤtten feiren müssen/ als sie ihrer Landsleute wol- bespikte Beutel und trefliche Pferde sahen. Doch versicherte sie Herkules/ daß sie inwen- dig fuͤnff oder sechs Tagen sich dessen nicht mehr betruͤben solten. Auch Artaxerxes wie er von den Persen berichtet wahr/ was vor Tahten die Teutschen begangen/ wunderte sich dessen so gar/ daß er sie vor sich foderte/ ihr Wolverhalten ruͤhmete/ und jedem durch die Bank 12 Kronen außteilen ließ; hernach ward allen Teutschen/ Boͤhmen und Roͤmern des ganzen Heers gleich so viel gegeben/ umb daß sie zur bevorstehenden Schlacht solten auffgemuntert werden. Sie hatten alle erschlagenen unsers Heers mit sich auff Pferden und Wagen uͤbergebracht/ welche ehrlich begraben/ den Teutschen/ Boͤhmen und Roͤmern aber grosse Mahlsteine auffgerichtet wurden. Die obgedachte von den Feinden uͤberge- lauffene wurden wegen des feindlichen Lagers befraget/ wovon sie aber wenig Nachricht zugeben wusten/ weil sie erst neulich auffgefangen/ und zu dienen gezwungen wahren. Aus den Gefangenen aber kunte man nichts kriegen/ sondern gaben zur Antwort: Sie waͤhren entschlossen gewesen auff der Wahlstat ritterlich zu sterben/ da ihnen der Feld Herr Leben und Freyheit angebohten haͤtte/ welches sie auch angenommen/ und auff solche masse sich ergeben; nun waͤhren sie nicht gemeinet/ sich als Verraͤhter gebrauchen zulassen/ sondern viel lieber zu sterben/ da dañ ihr Blut ũber Fabius Rache schreihen solte. Artaxerxes wie- derantwortete: Hiedurch wuͤrde das versprochene durchaus nicht gebrochen/ sondern Kriegsgebrauch waͤhre/ das gefangene auff die Befragung richtigen bescheid geben muͤ- sten; drang doch weiter nicht in sie/ sondern sonderte die Skythen ab von den Parthen/ uñ sagte zu ihnen: Euer Feld Herr Karthasis ist mein ehmaliger Spießgeselle/ und haͤtte mich zu ihm nicht versehen/ das er sein beruͤmtes Schwert wieder mich auffheben wuͤrde; jedoch stehet einem Ritter frey/ zu dienen wo er wil/ wans nicht wieder sein Vaterland gilt. Ich wil aber umb unser alten Kundschaft willen euch wieder zu ihm hinschicken/ und solt ihr naͤhst anmeldung meines Grusses ihm hinterbringen; ich haͤtte so wol frische Gelder als der Parthische Wuͤterich/ die ich ihm lieber als einem andern goͤnnen moͤchte/ aber weil ihm die Parthischen besser gefallen/ wolle ich ehist mit ihm spielen/ wer sie miteinander ha- i ben Fuͤnftes Buch. ben solle. Hernach deutet Vologeses und Pakorus an/ sie sollen sich auff geruhete Arme schicken/ ich wolle ihnen zu dreschen gnug schaffen; doch daß sie als redliche Fuͤrsten ihrem unredlichen Wuͤterich zureden/ der Persen Zungen hinfüro zu schonen/ wie ich dann nim- mermehr glaͤuben kan/ daß sie ihrer selbst so gar vergessen/ und des Dorylaus Vornehmen/ welches Artabanus eingewilliget/ ihnen haben gefallen lassen; Im wiedrigen wil ich alle Parthische Inwohner und Kriegsleute/ hoch und niedrig/ die mir unterhanden kommen/ ohn Zungen/ Ohren und Nasen lauffen lassen. Hierauff schenkete er einem jeden ein gesat- teltes Pferd und drey Kronen/ und daß er sie des folgenden Morgens unter sicherer Be- gleitung wolte nach ihrem Lager bringen lassen; dessen sie sich hoͤchlich bedanketen/ uñ doch nicht das geringste von ihrer Voͤlker zustande melden wolten. Nachgehends wurden die Parther von einander gefuͤhret/ und mit bedraͤuung befraget/ da sich ihrer fuͤnffe schrecken liessen/ und was sie wusten anzeigeten/ mit bitte/ es ihren Spießgesellen nicht kund zutuhn/ sie muͤsten sonst ohn alle Gnade sterben. Die Fuͤrsten gingen zuraht/ wie sie es mit den übri- gen Parthen halten wolten/ von denen Groß Fürstin Valiska ihr etliche zu schenken baht/ welche sie Artabanus zur Verehrung uͤbersenden wolte; worauff ihr Artaxerxes den gan- zen hauffen/ nach belieben damit zu schalten/ uͤbergab; welche des folgenden Morgens zu Fuß mit den berittenen Skythen unter der Begleitung 600 Reuter fortgeschikt wurden/ so daß jedem ein mit Parthischen Zungen gefülleter Beutel auff den Ruͤcken gebunden ward; einer aber des Dorylaus Kopff und Zunge absonderlich tragen muste; dessen sie sich zwar anfangs wegerten/ aber/ auff gesprochene Urtel/ daß ihnen allẽ die Zunge solte aus dem Halse geschnitten werden/ solche ungenehme Buͤrde gerne uͤber sich nahmen/ nebest geleistetem Aeidschwur/ sie ihrem Koͤnige bloß zu lieffern; da dann ein Gesanter voraus nach dem Lager ritte/ umb zu fragen/ ob der Persischen begleitung freyheit koͤnte gegeben werden/ ihnen etliche gefangene zuzufuͤhren. Die außgerissene Parthische Reuter durfften nicht alsbald nach dem Haͤupt Heer kehren/ weil sie uͤber daß alle verwundet wahren/ und deßwegen die naͤhesten Flecken und Doͤrffer suchten/ ihren Wunden Raht zuschaffen. Etliche Kundschaffer/ die von Vologe- ses außgeschikt wahren/ und etwa eine Stunde nach Fabius abzug an die Wahlstat gerie- ten/ ritten schleunig wieder zuruͤk/ jageten die ganze Nacht/ biß sie umb den Morgen im La- ger anlangeten/ und in allerstille nach Vologeses Zelt gingen/ mit bericht/ Dorylaus gan- zes Heer laͤge auff der Wahlstat erschlagen/ schiene fast/ als haͤtten sie sich selbst untereinan- der ermordet/ und waͤhren in ihrem eigenen Blute ersoffen/ weil man nichts als lauter Parthische Voͤlker liegen saͤhe. O des Jammers! sagte Vologeses; O wie bin ich leider sein gar zu wahrhafter Wahrsager gewesen! foderte Pakorus und Vonones zu sich/ und klagete ihnen den schweren Unfall. Der verwaͤgene Mensch/ sagte er/ hat zwar den Lohn seines frevels eingenommen/ aber mich dauret der guten Voͤlker; ohn zweifel wird ihm Herkules oder Ladisla das Fel also gegerbet haben/ ehe ers recht inne worden/ welches mir zwar leid ist/ aber doch wegen unsers Koͤniges mich in etwas erfreuet; dann es kan ihm zur Warnung Dienen/ daß man den Feind unverachtet lasse/ welchen er viel zugeringe schaͤt- zet. Der Bube ist meinem Schwerte entgangen/ sagte Pakorus/ dessen er vielleicht un- wirdig gewesen; halte aber vor best/ daß wir dem Koͤnige es noch zur Zeit verschweigen/ und Fuͤnftes Buch. und auff eigentlichern Bericht warten/ welcher uns ohndaß mehr als zu fruͤh kom̃en wiꝛd; wie solches auch geschahe; massen nach verlauff fuͤnff Stunden die Verschlagene ankah- men/ welche Vologeses ausser dem Lager aufffangen uñ vor sich allein fodern ließ/ die ihm dann den Verlauff/ ohn was mit denen in den Wiesen sich begeben hatte/ erzaͤhleten. Er machete sich darauff mit obgedachten beyden Feld Herrn nach dem Koͤnige/ ließ auch Osa- zes und Karthasis herzu ruffen/ und fing also an: Allergnaͤdigster Koͤnig; hier stehen die teuren Fuͤrsten/ Herr Pakorus und Herr Vonones/ die mit Ohren angehoͤret/ wie getraͤu- und bruͤderlich Dorylaus von mir gewarnet worden/ er solte sich ja nicht erkuͤhnen/ noch den Feind verachten/ damit er das ihm anvertrauete Heer wieder liefern koͤnte; aber an stat seines mir schuldigen gehorsams/ hat er mich mit solchen schimpflichẽ Spotreden auf- gezogen/ daß Fürst Pakorus verursachet worden/ ihn deßwegen zu rede zustellen/ wozu ich mich zu gut hielt; worauff aber dieses erfolget/ daß er als ein Unbesonnener fortgezogen/ sich ins offene Feld unbeschanzet nidergeschlagen/ und die halbscheid seiner Pferde ins Graß gejaget/ als ob gute Sicherheit waͤhre; worauff ihn der Feind mit geringer Mann- schafft angegriffen/ und nach kurzem Gefechte/ neben allen den seinen/ wie man nit anders weiß/ nidergehauen hat; ist es aber nicht eine uͤberaus grosse Schande/ in solcher Unvor- sichtigkeit zu gehen/ da man einen solchen muhtigen Feind in der naͤhe hat? und von ihm nichts zuwissen/ che man das Schwert im Eingeweide empfindet? zwar ich bin gnug ent- schuldiget/ dann an meiner Warnung hats nicht gemangelt/ und moͤchte wünschen/ daß durch euer Koͤnigl. Hocheit anmahnung er nicht waͤhre sicher gemacht/ die solchen Frevel ihm eingegossen hatte/ daß er wuͤnschete/ nicht unter 60 oder 70 tausend Feinde auff ein- mahl anzutreffen. Eines setze ich nur hinzu; haͤtte Dorylaus mich hoͤren wollen/ so lebete er noch mit den seinen; und geben die Goͤtter/ daß nicht seines gleichen hochmuͤhtige Fre- veler uns die Sache noch viel schlimmer machen. Artabanus erschrak der Zeitung/ und fragete nach/ wie stark die Feinde gewesen; und als er deren geringe Mannschaft vernam/ waͤhre er vor Eifer schier aus der Haut gefahren. Aber Vologeses troͤstete ihn; es koͤnte ihnen saͤmptlich dieser Unfall zur warnung dienen/ daß man desto vorsichtiger spielen ler- nete/ damit nicht durch frecheit verlohren wuͤrde/ was die Vorfahrẽ durch herzhafte Vor- sichtigkeit des Arsazes vor vierhundert und etliche siebenzig Jahren ritterlich erstritten/ und seine Nachkommen bißdaher kraͤftig erhalten haͤtten; vielleicht wuͤrden die Feinde hiedurch sicher und verwaͤgen/ dz in der Haͤupt Schlacht alles zehnfach koͤnte eingebracht werden. Des folgenden Tages gar fruͤh gab sich der Persische Heer Hold an/ und auff sein be- gehren erlangete er vor die Begleitung freien Abzug; jedoch daß ihnen 1000 Reuter un- ter Vologeses und Pakorus anfuͤhrung solten entgegen zihen/ und die Gefangenen anneh- men; welches alsbald geschahe/ da der Persische Fuͤhrer diese Rede vortrug: Hochan- sehnliche Herren; nach dem von der Durchleuchtigsten Groß Fuͤrstin uñ Frauen/ Frauen Valiska/ ich gnaͤdigst befehlichet bin/ niemand anders als dem grossen Koͤnige Artabanus meine Werbung vorzut: agen/ als ersuche ich die Herren/ daß sie mich bißdahin geleiten. Vologeses und Pakorus beredeten sich dessen/ liessen die Persische begleitungs Reuter zuruͤk zihen/ und mit den gefangenen Parthen kehreten sie umb nach ihrem Lager/ da die i ij frey- Fuͤnftes Buch. freygegebene Skythen in einem absonderlichẽ hauffen ritten. Vologeses fragete die Par- then/ was sie in ihren Beuteln truͤgen/ und bekam zur Antwort; es waͤhre des Dorylaus straffe; wobey ers auch vordismahl bewenden ließ. Der Gesante ward bald vorgefodert/ massen der Koͤnig sehr begierig wahr/ ihre Werbung zuvernehmen; und brachte dieser voꝛ: Er waͤhre von der Durchl. Groß Fuͤrstin Valiska/ ehmahls Herkuliska genennet/ an ihre Koͤnigl. Hocheit abgefertiget/ umb dieses vorzutragẽ: Es haͤtte hoͤchstgedachte Groß- Fuͤrstin in erfahrung gebracht/ daß gegenwaͤrtige 2500 Gefangene ihrer Hocheit ange- hoͤreten/ uñ sie deßwegen alsbald von deꝛ Dorylaischen straffe loßgebehten/ um ihreꝛ Hoch- heit dieselben ungestuͤmmelt wieder zu geben/ nach dem sie wol erkennete/ derselben sehr veꝛ- schuldet seyn/ wegen vielfaͤltiger empfangenen Woltahten; taͤhte ihr demnach leid/ daß wegen laͤngst zuvor geschlossener Heyraht mit Gꝛoß Fuͤrst Herkules/ sie in diesem Stuͤk ihrer Koͤnigl. Hocheit nicht wilfahren koͤnnen/ deren sie in allem uͤbrigen/ Zeit ihres Le- bens gehorsam und bereitwilligste Dienste erzeigen/ sich auch derselben zu aller vaͤterlichẽ Gewogenheit wolte anbefohlen haben. Artabanus hatte ihm viel eine andere Ursach der Gesandschafft eingebildet; nachdem er aber alle abdankung der ehelichen Liebe hoͤrete/ sa- he er den Redener mit grimmigen Augen an/ und fragete; wer ihn so verwaͤgen gemacht haͤtte/ mit solcher Werbung vor seinem Stuel zuerscheinen; meynet der abtruͤnnige Bube Artaxerxes/ sagte er/ daß es uns umb ein Haͤndichen vol nichtwerter gefangenen zu tuhn sey/ welche wir ihres unverhaltens selbst am Leben straffen werden. Der Gesante antwor- tete unerschrocken: Diese Kuͤhnheit vor eure Koͤnigl. Hocheit zutreten/ hat die Versiche- rung meiner Gn. Groß Fuͤrstin mir gemacht/ nebest dem gemeinen Voͤlker Recht/ welches allen Gesanten freyheit verspricht. Vologeses hieß den Gesanten einen Abtrit nehmen/ und die gefangenen Parthen vorfodern/ die mit klaͤglichen Gebaͤrden und fliessenden Au- gen alle mitgebrachte Zungen nebest Dorylaus Haͤupt vor des Koͤniges Fuͤssen außschuͤt- teten/ und der vornehmste unter ihnen also anfing: Allergroßmaͤchtigster Koͤnig; die Goͤt- ter müsse es erbarmen/ daß ihrer Groß Koͤnigl. Hocheit wir dieses elende Schauspiel an- zurichten/ durch einen schweren aͤidschwuꝛ gezwungen sind/ wo wir sonst nicht alle mitein- ander auch unserer Zungen haͤtten wollen verlustig seyn. Sehet/ allergnaͤdigster Koͤnig/ sehet alhier mehr als 36000 Zungẽ/ von unserm Feld Herrn Dorylaus uñ seinem Kriegs- Heer/ welche die Feinde ihnen nach ihrem tode außgeschnitten/ weil sie in erfahrung ge- bracht/ daß Dorylaus euer Hocheit eine anzahl Persischer Zungen sol versprochen haben; ich scheuhe mich zuerzaͤhlen/ was vor hoͤnische reden von dem Persischen und Medischen Fuͤrsten uͤber diese Zungen sind außgeschuͤttet worden; ob die Parther Lust bekom̃en haͤt- ten/ Zungen zufressen. Allergnaͤdigster Koͤnig; haben wir armen gefangenen daran gesuͤn- diget/ daß wir aus furcht unsere Zungen zuverlieren/ uns zu dieser Verrichtung aͤidlich ha- ben verbinden lassen so stehen wir hie/ es mit unsern Koͤpffen zubuͤssen/ als welche wir tau- sendmahl lieber/ dañ nur die Zunge/ verlieren wollen. Artabanus stellete sich nicht anders/ als ob er rasend waͤhre; befahl die Zungen hinweg zutragen/ und die Gefangenen allein zufuͤhren; und weil er vor Zorn nicht reden kunte/ ließ er alle hohe Befehlichshaber zusam- men kommen/ und hierüber Raht halten; welche einen Abtrit begehreten/ uñ auff gemach- ten Schlus durch Vologeses dieses vortrugen: Allergroßmaͤchtigster Koͤnig/ wir inge- samt Fuͤnftes Buch. samt euer Koͤnigl. Hocheit allergehorsamste Untertahnen und Diener/ zweiffeln gar nicht/ uns werde unser wolgemeineter Vortrag nicht ungleich außgelegt werden. Eure Koͤnigl. Hocheit werden sich allergnaͤdigst erinnern/ wie der freche Dorylaus sich vernehmen ließ/ so viel Zungen der Persen einzulieffern/ als er Reuter unter seinem befehl haͤtte. Dieses wird zweifels ohn den Feinden verrahten seyn/ daher sie an unsern Leuten solches volstrec- ken/ und uns verweißlich vorhalten wollen/ man solle dergleichen unerbarkeiten muͤssig ge- hen/ und nicht zu hoch trotzen/ weil das Gluͤk Kugelrund ist/ und bey niemand sich bestaͤn- dig erzeiget. Wolte Gott/ daß wir durch uns selbst uns dessen erinnerten/ und der Feinde unterweisung es nicht beduͤrffte/ so duͤrfften wir dieses elende Schauspiel nicht vor unseꝛn Augen dulden. Unser aller Meynung ist/ Dorylaus habe durch sein frevelmuhtiges Vor- nehmen und erbieten/ der Goͤtter Zorn auff sich geladen/ uñ durch deren wunderschickung den Spot einnehmen muͤssen/ welchen er andern zugedacht hatte. Nicht sage ich dieses/ den Todten anzuklagen/ welcher seine Straffe schon außgestanden hat/ sondern die Leben- digen zu warnen/ daß sie sich an diesem Unfalle spiegeln; wiewol ich diese Taht der Feinde nicht gut heisse/ sondern vielmehr der Rache wirdig schaͤtze; jedoch nicht durch gleichmaͤs- siege Zungen-abschneidung/ fondern durch niderschlagung der Taͤhter/ und aller deren/ welche ein gefallen daran tragen. Herrn Karthasis haben seine wiedergeschikte Skythen des abtruͤnnigen Artaxerxes draͤuung angemeldet/ dafern uns die Begierde nach der Per- sen Zungen nicht vergehen werde/ wolle er ohn unterscheid allen Parthen/ deren er maͤch- tig wird/ Nasen und Ohren darzu abschneiden; und wer kans ihm als einem Feinde ver- denken? Nun begeben sich die Faͤlle wunderlich/ und kan ein tapfferer Mann leicht in Fein- des gewalt gerahten; aber wuͤrde derselbe nicht tausendmahl lieber sterben/ als solcher dreyfachen noͤhtigen und wolstaͤndigen Haͤupt-Glieder beraubet seyn? Lasset uns deßwegẽ Freunden und Feinden kund machen/ daß des Dorylaus Zungen-hunger (so muß ichs mit dem Feinde nennen) unser keinem je gefallen habe; und doch der Durst der Rache in uns so groß sey/ daß er weder mit Wasser noch Wein/ sondern bloß nur mit der Feinde Blut koͤnne geloͤschet werden. Vor dißmahl folge eure Koͤnigl. Hocheit unserm getraͤuen Raht/ und stelle sich/ als wuͤste sie nichts umb diesen Zungenschnit/ daß wird den Feind mehr kraͤnken/ als wañ man sich darüber ungeberdigstellen/ oder groß eifern wolte. Artabanus erhohlete sich hierauff/ und stellete seinen Fuͤrsten anheim/ mit dem Ges en nach gut ach- ten zu handeln/ dem er sonst die Straffe zugedacht haͤtte/ daß man ihm die Zunge/ samt Ohren und Nase abschneiden/ und sie dem abtruͤnnigen Buben zuschicken solte. Welche Rede aber mit stilschweigen beantwortet ward/ und foderte bald hernach Vologeses den Gesanten vor sich/ da er zu ihm sagete: Hat Artaxerxes sonst nicht gewust Kundschaffer außzusenden/ als unter dem nahmen eines Weibsbildes/ und einlieferung etlicher wenig gefangenen/ die man nicht begehret hat? Zwar man koͤnte dir nach Recht verraͤhters Lohn außfolgen lassen; aber weil dem großmaͤchtigsten Beherscher der Morgenlaͤnder mit so schlimmen Blute nicht gedienet ist/ wird man dir deine Tohrheit zu gute halten/ und schon wissen/ wie man die unredliche abscheuligkeit/ durch abschneidung der Zungen denen an- gelegt/ die keiner verleumdung noch verraͤhterey koͤnnen beschuldiget weꝛden/ ernstlich raͤ- chen sol/ nachdem man dieses Orts versichert ist/ daß man zu solcher Untaht/ an ehrlich ge- i iij stor- Fuͤnftes Buch. storbenen begangen/ keine Ursach gegeben hat/ sondern dergleichen vornehmen verfluchet/ daher man versichert ist/ die Goͤtter werden solche grausamkeit straffen/ worzu alle redliche Parther und Parthers-verwanten sich wollen gebrauchen lassen. Hierauff muste er als- bald fort/ und seinen Leuten folgen/ welche er auch zeitig erreichete. Die Parthischen Feld- Herrn aber verfuͤgeten sich hin nach den freygelassenen Skythen/ nnd nahmen voͤlligen bericht ein von allem verlauff/ und daß weder Herkules noch Ladisla dem Treffen beyge- wohnet/ sondern ein Roͤmscher junger Herr/ nahmens Fabius/ der bey Artaxerxes in gros- sem ansehen waͤhre/ und mit den beyden fremden als ein Bruder umbginge; die Persischẽ und Medischen Voͤlker haͤtten sich in der Schlacht zimlich schlecht gehalten/ denen man mit leichter muͤhe wuͤrde abgeholffen haben/ aber es waͤhren dreyerley fremde Voͤlker da- bey/ als Teutschen/ Boͤhmen und Roͤmer/ deren geringe Mañschaft allen schaden getahn; wuͤsten auch nicht/ daß sie Zeit ihres Lebens solche Kriegsleute gesehen; massen sie weder Speer noch Schwert scheuheten/ und alles was sie traͤffen/ zu grunde gehen muͤste. Die Teutschen/ welche den groͤsten Schaden getahn/ fuͤhreten zierliche Faͤhnlein/ uñ die nahmẽ HERCVLES und VALISCA daran geschrieben. Artaxerxes Heerlager haͤtten sie gesehen/ aber nie kein wolgestalters; waͤhre einer gewaltigen Stad aͤhnlicher als einem Feldlager; mit Graben und Waͤllen umbfasset/ hinter welchen sie vor allem anfall ganz sicher laͤgen; der Voͤlker waͤhre eine sehr grosse Menge/ man sagte von 400000 Mann/ alle wol beweh- ret; Speise und Trank fuͤhrete man ihnen haͤuffig zu/ und mangelte nichts an allem was zu einem wolbestalten Feldzuge erfodert wuͤrde; insonderheit aber haͤtten sie sich verwun- dern muͤssen uͤber der grossen freudigkeit/ welche alle Voͤlker erzeigeten/ da sie nichts als die Haͤupt Schlacht wünscheten/ welche zu gewinnen/ oder willig zu sterben sich hoch und ni- drig verbunden haͤtten. Sie wiederhohleten auch/ was sie mit Karthasis/ Vologeses und Pakorus zu reden/ von Artaxerxes absonderlich befehlichet wahren. Welches alles nie- mand besser als Vologeses anmerkete/ und daraus erkennete/ wie schwer es ihm fallen wuͤrde/ den Sieg dergestalt zubehaͤuptẽ; verwunderte sich auch uͤber Artaxerxes freymuͤh- tigkeit/ daß er den Koͤnig offentlich schmaͤhen/ und dessen Feld Herren gruͤssen und warnen lassen duͤrffte. O/ sagte er/ wie eine schlechte Morgensuppe solten uns die Persen und Me- den seyn/ wann die fremden von ihm abgesondert waͤhren; diese/ diese sind seine Seele uñ sein Muht/ sonst haͤtte er das Land schon verlauffen müssen. Und O ihr Fuͤrsten uñ Herꝛn/ helffet/ bitte ich/ sinnen und tichten/ wie wir diese zween Helden von ihm abreissen/ oder sie fellen moͤgen/ daß wird uns eben so viel/ als die voͤllige uͤberwindung seyn. Sie gingẽ hier- auff wieder nach dem Koͤnige/ und fuͤhrete Vologeses daselbst eine bewaͤgliche Rede/ wie grosse vorsichtigkeit man in einer Sache anzuwenden haͤtte/ auff deren Gewin und Ver- lust unser Heyl und Verderben beruhete; auch wie ein gefaͤhrliches Ding es waͤhre/ einen starken/ sieghafften und muhtigen Feind in seinem Vortel anzugreiffen/ der an allen noͤh- tigen sachen uͤberfluß haͤtte; und schloß endlich dahin; er hielte vor das beste und sicherste/ man spielete den Krieg anfangs etwas in die Harre/ des Feindes gefasseten Muht zu bre- chen; zum wenigsten/ biß man durch eine absonderliche kleine Schlacht den genommenen Schimpff (der nicht so gar ohn Schaden waͤhre) wieder einbraͤchte/ oder/ wo moͤglich/ die Teutschen von ihm zuruͤk nach ihrer Heimat zoͤgen/ welche ohn zweiffel nicht lange in der Fuͤnftes Buch. der Fremde bleiben wuͤrden/ nachdem sie ihren Vorsaz erhalten/ und das Fraͤulein/ wel- ches schiene dem Parthischen Stuele zum schaden gebohren seyn/ wieder bekommen haͤt- ten/ welches wieder zugewinnen/ der Koͤnig nicht begehren würde/ nachdem sie sich verhei- rahtet haͤtte/ und wol ein kleines Meer Parthisches Blutes kosten wuͤrde/ da man sichs un- terfahen wolte. Zwar er zweifelte nicht/ ein und ander duͤrffte ihm diesen Vorschlag zur kleinmuͤhtigkeit außlegen/ aber solches wolte er gerne uͤber sich gehen lassen/ weil ihm sein Gewissen Zeugnis gaͤbe/ daß er auff nichts/ als auff des Parthischen Reichs erhaltung/ seines Koͤniges wolfahrt/ und des Heeres moͤgliche verschonung sein ganzes absehen haͤt- te. Dem Koͤnige dauchten diese Reden lauter stachlichte/ Dornen/ ja Schwerter und Spies- se in seinem Herzen seyn/ deßwegen er im Zorn also loß brach: Ist euch das Herz schon ent- fallen/ Vologeses/ und habt den Feind noch nicht gesehen? oder sind wir zu dem Ende mit diesem fast unzaͤhlbahren/ unuͤberwindlichen Heer außgezogen/ daß wir in unsern Zelten stille sitzen/ und etwa Eyer außbruͤten wollen? Auff diese Weise haben unsere Vorfahren das Reich weder erstritten noch geschuͤtzet/ sondern wann Feinde entstunden/ griffen sie frisch an/ und legten sie zu bodem; und wir solten den Auffruͤhrern/ unsern Untertahnen zusehen/ wie sie unser Land und Leute verderben/ unsern Kriegsleuten die Zungen außreis- sen/ ja auff unserm Parthischen Grund und Bodem liegen/ und ihres willens spielen? Nein Vologeses/ hier zu bringet ihr uns noch nicht/ noch einiger Mensch. Und was haͤt- ten wir dessen doch vor Ursach? ein tapfferer Mann/ wann ihm schimpff und schaden an- gefüget wird/ suchet er schleunige Rache; und wir sollen nach dessen einnehmung geduldig ruhen/ damit wir nicht etwa ein schlimmers empfinden? Ey ey/ welch eine Tapfferkeit ist daß! Sollen wir aber auff zweer/ ja bloß nur auff zweer verlauffener Buben abzug lau- ren/ damit sie nicht unser ganzes Heer (dann die uͤbrigen werden ja nichts geachtet) auff- reiben? Ey mein Vologeses/ wir moͤchten wuͤnschen/ daß einem andern als euch/ diese re- de entfahren waͤhre. Doch daß ihr euren Irtuhm erkennet/ so wisset/ daß eine grosse Ursach unsers Zuges eben dieses sey/ daß wir diese beyden veraͤchter unser Hocheit haͤrtiglich zu bestraffen/ und unsere verlobete Braut wieder zugewinnen/ uns gaͤnzlich vorgenommen haben. Waͤhre es aber nicht ein schoͤnes fressen vor unsere Abtruͤnnigen/ wann sie durch bedraͤuung/ uns Zungen/ Ohren und Nasen abzuschneiden/ uns dz Herz gar hinweg rau- ben/ und nach unser Haͤuptstab zuruͤke treiben koͤnten? Diesen Spot zu meiden/ entschlage sich nur ein jeder der Gedanken/ daß wir bedacht seyn solten/ unsere und des Reichs abge- sagte Feinde ohn angefochten zu lassen. Nein nein! wir wollen sie/ ehe die Soñe dreymahl auff und untergehen wird/ getrost angreiffen/ uñ wo sonst kein ander verhanden ist/ unsern Leib an die Teutschẽ Laffen setzen; oder da sie uns Streits versagen/ ganz Persen mit Feuꝛ und Schwert durchaͤchten. Wer nun dieser unser meynung zuwieder ist/ der melde sich bey zeiten/ auff daß wir uns vor demselben zu huͤhten wissen. Allergnaͤdigster Koͤnig/ ant- wortete Vologeses/ euer Koͤnigl. Hocheit Wille ist mir befehls gnug/ dem ich und ein je- der billich folgen sol und wil; jedoch habe ich meine meynung weder aus furcht meiner Na- sen und Ohren/ noch aus verraͤhterischem Herzen vorgetragen/ nachdem mir mein Ge- wissen Zeugnis gibt/ das mein Gut/ Blut/ Ehr/ und Leben meinem Konige ohn alle bedin- gung ganz eigen ist; und gebe der Himmel daß euer Hocheit niemahls gereue meinen Raht ver- Fuͤnftes Buch. verachtet zuhaben; ja daß klein und groß Ursach haben moͤge/ nach diesem zusprechen: Vologeses Raht hat nichts getaucht. Weil dann der unwiederrufliche Schluß gemacht ist/ dz die Schlacht ehistes sol gewaget seyn/ wil ich alles mein vorige in die Erde verschar- ren; aber auff diesem meinem Haͤuptgrunde stehe ich feste/ wir muͤssen behutsam verfahrẽ/ wann wir nicht fallen wollen; dann wir haben Maͤnnervor uns; wir haben mit vorsich- tigen/ herzhaften und gluͤkseligen zu fechten; aber den Goͤttern sey dank/ nicht mit unuͤber- windlichen; so stehet die Gerechtigkeit auff unser Seite/ deren der Himmel allezeit wol wil/ da jene nur auff den Frevel bauen; wir streiten vor unsern Koͤnig/ von dem jene abge- fallen; suchen Friede zustiften/ welchen jene gebrochen; und gedenken die Boßheit zustraf- fen/ deren jene ergeben sind; wil nicht sagen/ daß wir an geuͤbeter und versuchter Mann- schafft dem Feinde es zuvor tuhn. Deßwegen bestimme eure Koͤnigl. Hocheit den Tag uñ die Stunde/ ich bin fertig und bereit/ mit gleichem Herzen zum tode und zum Siege. Nun hoͤre ich den ehmahligen Vologeses/ sagte der Koͤnig/ welcher nicht waͤhnen darff/ als ob wir ihn einiger traͤulosigkeit zeiheten. Aber mein Karthasis/ was gebt ihr vor einen Raht? ihr pfleget ja nicht gerne lange zu feiren. Allergroßmaͤchtigster Koͤnig/ antwortete dieser: Ich habe nie mit stille sitzen etwas gewinnen koͤnnen/ ohn beim Würffel- und Kartenspiel; wiewol ich nit zweifeln wil/ Herrn Vologeses Vorschlag sey der sicherste Weg/ den Feind zu schwaͤchen; jedoch halte ichs mit euer Koͤnigl. Hocheit/ unter der Hoffnung/ je frischer man an den Feind gehen wird/ je geherzter werden unsere Voͤlker gemacht/ und die Wie- derwaͤrtigen erschrecket; achte sonst vor dienlich/ daß man in unserm Lager durch die uͤber- geschikten gefangenen außsprenge/ Dorylaus sey der ganzen Feindesmacht in die Haͤnde gerahten/ und mit den seinen wieder gegebene Traͤu und Glauben ermordet; welches nit allein die unsern aller furcht entheben/ sondern auch einen Eifer und Rachgier bey ihnen erwecken wird/ wodurch man den Sieg gewaltig befodern kan. Ich vor mein Haͤupt wil nichts lieber wuͤnschen/ als eben an dem Orte zufechten/ woselbst der hochberuͤmte junge Fuͤrst Herkules sich wird findẽ lassen/ nachdem ich sondeꝛliche gute Lust habe/ sein Schweꝛt zupruͤffen. Dieser Vortag gefiel Artabanus/ ermahnete ihn zur bestaͤndigkeit/ und ver- sprach ihm/ dafern er ihm Herkules lebendig oder Tod liefern wuͤrde/ solte es ihm mit ei- nem Fuͤrstentuhm und sechs Tonnen Schaz vergolten werden; welches das rechte Was- ser auff Karthasis Muͤhle wahr/ als der umb geniesses willen keine moͤgligkeit unterließ. Vologeses ließ die an Dorylaus ertichtete Verraͤhterey offentlich außruffen/ und zugleich andeuten daß ein jeder sich gegen Morgen fcuͤh zum Auffbruch fertig halten solte/ da man sie zur Rache und Beute anfuͤhren wolte. Der Persische Gesanter eilete sehr/ die empfangene Antwort seinem Groß Fuͤrsten zu hinterbringen/ deren sie wenig achteten/ und wol sahen/ daß Vologeses des Dory- laus vornehmens sich schaͤmete/ erfreueten sich aber hoͤchlich da in folgender Nacht sie Zeitung bekahmen/ daß die Feinde auffgebrochen waͤhren/ und gerade auff sie angingen; woruͤber Herkules vor freuden auffsprang; dann weil er vexnam/ daß alles von Vologe- ses geordnet würde/ dessen Art ihm wol bekant wahr/ befahrete er sich einer lang wierigen Verzoͤgerung/ wodurch sie von ihrer hochgewuͤnschten Ruͤkreise duͤrfften abgehaltẽ wer- den; welchem vorzubauen/ er seine Stimme im Kriegsraht allemahl dahin richtete/ man solte Fuͤnftes Buch, solte des Feindes nicht erwarten/ sondern/ umb ihn zur Schlacht zubringen/ etliche Mei- len ins Land ruͤcken/ welche er durch Gottes huͤlffe gedaͤchte zuerhalten. Diesem setzeten sie umb so viel eiferiger nach/ da ihnen des Feindes Auffbruch kund getahn ward; und er- hielt Valiska bey ihrem Herkules/ daß sie mit zu Felde ging/ weil Artaxerxes ihr einen treflichen Elefanten mit einem niedrigen festen Turm zurichten ließ/ der von 2000 Schuͤt- zen begleitet ward; wiewol sie/ umb Argwohn zuverhuͤten/ sich stets bey den andern Elefan- ten hielt. Als nun ein jeder Feld Herr sich nach seinen Voͤlkern hin begeben wolte/ redete Artaxerxes unsere Helden an/ bedankete sich der schon geleisteten Dienste/ und baht/ die be- vorstehende Schlacht ihnen befohlen seyn zu lassen/ welches die gesamte Hoch Fürstl. ver- buͤndnis/ und jedes Glied derselben vor sich erkennen wuͤrde. Sie hingegen versprachen alle moͤgligkeit/ sich zubemuͤhen/ daß sie in Artabanus Gegenwart moͤchten sehen lassen/ wie sie sich so wenig vor seinem Saͤbel als vor seinen Ruhten fuͤrchteten; verfügeten sich zu ihren anvertraueten Voͤlkern/ und gingen in gevierter Schlachtordnung freudig fort/ da Leches und Arbianes (welcher jezt schon alle traurigkeit abgelegt hatte) mit 14000 Pfer- den den Vortrab hielten/ und außdruͤklich befehlichet wahren/ nicht zu schlagen/ sondern nur/ wo moͤglich/ etliche gefangene einzubringen/ und auff erblickung eines starken Heers/ hinter sich zugehen. Artabanus zohe in gleicher behutsamkeit etwas langsam fort/ wegen etlicher engen Wege/ und bekam gegen Abend Kundschafft der Perse waͤhre aus seinem festen Lager loßgebrochen/ und ginge gerade auff ihn zu mit aller seiner Macht. Daher Vo- logeses vor rahtsam hielt/ man solte nicht weiter zihen/ weil hieselbst ein weites ebenes Feld zur Schlacht sehr bequemlich waͤhre; versicherte auch den Koͤnig und die andern Haͤup- ter/ daß Herkules nicht weichen/ sondern alle Gelegenheit zur schleunigen Schlacht suchẽ wuͤrde. Die unsern traffen nichts denkwirdiges an/ ohn dz die außgeschikten Kundschaf- fer einbrachten/ an was Ort Artabanus sich nider gelassen haͤtte; deßwegen sie diese Tage- reise endigten/ und nur eine halbe Meile sich von dem Feinde lagerten/ da ihre Voͤlker zur gnũge gespeiset/ und zur ruhe gelassen wurden. Umb Mitternacht bekahmen sie eigentliche Kundschaft/ wie nahe ihnen der Feind waͤhre/ woruͤber sich Herkules erfreuete/ und zu Ar- taxerxes/ der mit ihm in einem Reuterzelte lag/ sagte: Nun hat gewißlich der verstaͤndige Vologeses mit seinem nuͤzlichen Raht nicht moͤgen gehoͤret werden; dann ich weis/ wañ es bey ihm stuͤnde/ wuͤrde er so eilig nicht fortgangen seyn/ und duͤrfte ich schier wetten/ der Wuͤterich fuͤrchte sich/ ich werde ihm mit meiner Valisken entlauffen. Beiderseits stelle- ten sie ihre Schildwachen gar weit und bey ganzen Schaaren aus/ und weil der Angriff an beiden seiten verbohten wahr/ hielten sie gegen einander mit blossem Gewehr/ und fingẽ nichts taͤhtliches an/ ohn daß sie einander mit Worten und Geschrey umbtrieben/ da die unsern von jenen vor Zungendiebe; jene aber von den unsern vor Zungenfresser geschol- ten wurden. Vor Tage musten beyde Heere sich mit Speise und Trank laben/ und ward an Persischer seite ernstlich befohlen/ daß ein jeder ein stuͤk Brod und etwas Gewuͤrz bey sich stecken solte/ damit wann die Schlacht etwas lange anhalten wuͤrde/ sie sich laben und erfrischen koͤnten. Herkules mit seinen Christen hielt ein andaͤchtiges Gebeht zu Gott/ uñ ließ das 14 Kapittel des ersten Buchs Mose von einem Christlichen Lehrer außlegen; nach dessen endigung zum Auffbruch geblasen ward. Nun hatte Artabanus diese Nacht weder t Schlaff Fuͤnftes Buch. Schlaff noch ruhe haben koͤnnen/ ohn gegen Morgen kam ihm vor/ als haͤtte Artaxerxes der Perse einen dreypfuͤndigen Stein auff sein Schloßdach zu Charas geworffen/ wovon es gar zerschmettert worden. Er erschrak dessen nicht wenig/ zeigete es anfangs Bagopha- nes/ und auf dessen Raht Vologeses an/ welche beyderseits sich munter bezeigeten/ als waͤh- re solches nicht zu achten; wiewol sie viel ein anders im Herzen befürchteten/ uñ dieser dem Koͤnige riet/ es wuͤrde seiner Koͤnigl. Hocheit nicht ungleich koͤnnen außgedeutet werden/ wañ dieselbe die beyden abtruͤnnigẽ Fürsten vor der Schlacht durch ein gnaͤdiges Schrei- ben ihres schuldigen Gehorsams erinnerte/ und auff dessen bezeigung ihnen Gnade und ih- res verbrechens vergebung anboͤhte. Die Furcht machete/ daß er sich hierzu leicht bereden ließ/ setzete es mit eigener Hand auff/ zeigete aber niemand den Inhalt/ sondern versiegelte es/ und schikte es durch einen Heerhold uͤber; welcher gleich im anfange des Auffbruchs sich bey Artaxerxes melden ließ/ und ihm den Brieff dieses Inhalts einlieferte: Der grosse Koͤnig Artabanus wil nicht unterlassen/ sein liebreiches Vaterherz/ auch den Ab- truͤnnigen Soͤhnen Artaxerxes und Phraortes/ und allen denen/ die ihnen mit verbunden sind/ darzu- legen; erbeut sich allergnaͤdigst/ das Verbrechen zu uͤbersehen/ die Straffe abzustellen/ und sie nach wie vor als getraͤut Fuͤrsten und Reichs Seulen zu halten/ dafern sie nur ihre Missetaht erkennen/ umb Gnade anhalten/ auffs neue sich dem Reich und ihrem Koͤnige verbinden/ und ihm die beyden Fremdlinge aus Teutschland und Boͤhmen/ nebest dem entfuͤhrten Fraͤulein alsbald lebendig uͤber- geben und einlieffern. Solten sie aber wieder vermuhten sich dessen wegern/ und diese vaͤterliche Gna- de verachten/ wil er an dem erschreklichen Blutbade/ und der gaͤnzlichen verhehrung der Persen- und Meden laͤnder allerdinge entschuldiget seyn/ und an den Uhrhebern es hernaͤhst ernstlich zu straffen wissen. Artaxerxes trug bedenken/ es einigem Menschen sehen zu lassen/ dessen er sich gegen unsere Helden also entschuldigte: Hochwerte Herren Brüder; sie wollen mir vergeben/ daß vor gehaltener Schlacht ich ihnen diesen Narren-Brieff nicht zeige/ weil er absonder- lich mich betrift/ uñ ich ihn mit wenigen beantwortẽ wil; setzete auch alsbald folgendes auf: Artaxerxes und Phraortes/ auch andere loͤbliche Fuͤrsten dieser Morgenlaͤnder/ haben Artabanus den Parther nie zum Vater/ aber wol zum Wuͤterich und Henker gehabt/ dessen uͤbermuhtigen frevels sie lebendig oder Tod abseyn wollen/ und daher seiner Gnade durchaus nicht begehren/ erkennen sich auch vor keine Verbrecher/ sondern beschuͤtzer ihrer Freyheit/ insonderheit vor getraͤue Freunde Koͤ- niges Ladisla und Groß Fuͤrst Herkules/ die ihnen ja so lieb sind als ihr eigen Leben; und wer die Durchl Groß Fuͤrstin Valiska ihnen entzihen wil/ muß zuvor aller unser Mannschafft die Haͤlse ge- brochen haben. Der uͤbrigen draͤuungen wil man gewaͤrtig seyn/ aber mit diesem bedinge/ daß man umb die Meisterschaft spielen wird. Diese Antwort reichete er in unserer Helden und anderer Fürsten und Herren Ge- genwart dem Heerhold mit diesen Worten ein: Sihe da/ mein Kerl/ einmahl Antwort vor allemahl; und wer mir dergleichen anmuhtung nach diesem/ schrift- oder muͤndlich bringen wird/ sol an stat Trinkgeldes den Galgen bescheissen. Die Anwesende merketen aus seiner verenderung/ daß es ein wichtiges betraf; aber niemand/ ohn allein Herkules kunte es aus finnen/ wiewol er sichs gar nicht annam. Sie ordenten ihre Voͤlker alsbald zur Schlacht/ so daß Artaxerxes/ Phraortes/ Fabius und Artobarzanes das Fuß Volk uñ die Elefanten fuͤhreten; Herkules aber mit Pharnabazus/ Arbianes/ Leches/ Klodius und Markus den rechten Fluͤgel der Reuterey/ welcher also abgeteilet wahr. Pharnabazus ging Fuͤnftes Buch. ging voran mit seinen 20000 Susianern/ uñ hatte 500 Teutschen um sich zum Leibschutze. Arbianes zohe hinter ihm her mit 20000 Meden/ und hatte gleichergestalt 500 Teutschen bey sich. Den dritten Hauffen fuͤhrete Leches/ 20000 Assyrer und 500 Teutschen/ deren hundert die grossen Schlacht Schwerter fuͤhreten. Den vierden und lezten behielt Her- kules vor sich selbst/ 10000 Assyrer/ 10417 geworbene/ 4441 Teutschen/ 5872 Roͤmer/ und 770 Fabius geworbene; und sahe Herkules vor gut an/ daß Markus seine und Klodius 1000 Roͤmer Arbianes zufuͤhrete/ daß also dieser Flügel 94000 Reuter stark wahr. Her- kules ritte stets neben Pha r nabazus vor dem ersten hauffen her/ uñ ließ Klodius zum Stat- verweser bey seinem eigenen/ da er dann auff seinem wolverwahrten Blaͤnken sich so freu- dig erzeigete/ auch den Voͤlkern so geherzt und freundlich zu redete/ daß sie alle entschlossen wahren/ mit ihm zu siegen oder zu sterben. Den linken Fluͤgel befehlichte Ladisla/ welcher eine gleichmaͤssige abteilung mit Herkules abgeredet hatte. Unter ihm ging Prinsla vor an mit 12000 geworbenen/ 8000 Hirkanen und 500 Boͤhmen. Diesen folgete Neda mit 10000 Baktrianern/ 10000 Arischen/ und 500 Boͤhmen. Den dritten hatte Mazeus 14100 Meden/ 6900 Drangianer/ und 500 Boͤhmen. Den vierden behielt er vor sich/ als 4428 Boͤhmen/ 14000 Persen uñ 13072 Margianer/ wobey er seinen Tyriotes zum Stat- verweser bestellete/ weil er sich vor dem ganzen Fluͤgel sehen ließ/ welcher in gleicher anzahl mit dem linken wahr. Das Fuß Volk ward in vier hauffen gesetzet; den ersten fuͤhrete Ar- tobarzanes (Phraortes Bruder-Sohn) und Gallus/ 20000 Susianer/ 8000 Drangia- ner/ und 6000 Assyrer. Den andern Fabius/ 12000 Hirkaner/ 15000 Arische/ und 7000 Margianer; Den dritten Phraortes/ 20000 Meden 13000 Baktrianer/ und die Elefan- ten/ auff welchen sich 7000 Schuͤtzen hielten. Den vierden und lezten Artaxerxes selbst/ 48000 Persen; und blieben 6000 Fuß Knechte zur besatzung des Lagers; daß also die gan- ze Reuterey in 188000; und das Fuß Volk/ welches sich in der Schlachtordnung befand/ in 156000 Mann bestund/ ein Kriegs Heer von 344000 bewehrten Kerlen. Artabanus lies durch Vologeses seine Voͤlker auch in Ordnung stellen/ welcher von den geworbenen Fußknechten den abgang der Reuterey unter Dorylaus/ ersetzet hatte/ wie imgleichen auch dz Skytische Heer von ihren Fußgaͤngern; anderen stat 37000 Par- ther dem Fuß Volk wieder zugegeben/ und deren anzahl auff 196000 ergaͤnzet ward/ uͤber welches Fuͤrst Pakorus Obrister Feld Herr wahr/ der sich in vier starke hauffen setzete. Den ersten gab er einem kuͤhnen und verstaͤndigen Parthischen Herrn/ nahmens Surinas/ 42000 geworbene Knechte. Den andern/ Fuͤrsten Orodes/ 16500 Skyten/ 14000 Indier/ und 11500 geworbene. Den dritten/ Herrn Archelaus/ 20500 geworbene und 21500 Par- ther. Den vierden behielt er bey sich/ 50000 Parther. Naͤhst ihm hielt Madates mit den Elefanten/ auff welchen 12000 Schützen wahren/ wobey Artabanus sich selbst befand; uñ wahren 6000 Parther im Lager zur besatzung blieben. Den linken Fluͤgel der Reuterey fuͤhrete Fuͤrst Osazes/ 146500 Mann stark/ welchen er gleichmaͤssig in vier grosse Geschwa- de verteilete. Bey dem ersten wahr Fuͤrst Mithridates 25500 allerhand zusammen gelesene Voͤlker/ und 5000 versuchte Parther. Bey dem andern/ Herr Argunthis Groß Ober- wachtmeister von Karthasis/ 31000 Skythen. Bey dem dritten Karthasis selbst/ 35000 Skythen. Bey dem vierden der Feld Herr Osazes/ 50000 Parther. Der rechte Fluͤgel k ij unter Fuͤnftes Buch. unter Fuͤrst Vonones wahr gleich so stark an Mannschaft/ auch in gleich so viel Heere ab- geteilet; das erste bekam Herr Oxatres 32000 geworbene/ zum angriff. Das andere Par- dion/ ein Handfester Indianischer Herr/ von 26000 seiner Landsleute und 5000 allerhand gesamleten. Das dritte Herr Dataphernes/ 15000 geworbene/ 13500 auß dem Fuß Volk gesamlete/ und 5000 versuchte Parther zum Leibschutze. Das vierde hatte Vonones selbst zum Stichblade dieses rechten Fluͤgels; 50000 Parther/ den Kern der Ritterschaft. Als diese beyde Heere gegen einander hielten 845000 Mann zusammen gerechnet/ (so hatten sich die Voͤlker beiderseits auff dem Zuge und im Lager gestaͤrket) wahr niemand der nicht uͤberlegete/ was vor eine erschrekliche Blutstuͤrzung in wenig Stunden sich zu- tragen wuͤrde; nur der einige Artabanus wahr blind vor Eifer und Liebe/ daß er weder fei- nes Heils noch schadens wahr nam. Arimazes wahr befehlichet/ mit den 1200 Streitwa- gen den ersten Angriff zu tuhn; und weil die unsern davon gute wissenschaft hatten/ folge- ten sie Herkules Raht/ in dem sie 4000 zu Fusse mit langen Spissen/ und zwischen ihnen 4000 der allerbesten Schuͤtzen desselben Weges in die laͤnge herstelleten/ da sich 50 Wage- haͤlse mit 5000 Kronen willig erkaͤuffen liessen/ daß sie mit angezündeten Fackeln/ Stroh und Flachs/ welches sie auff Knaͤbelspiesse stecketen/ den Wagen entgegen treten/ und die Pferde damit verschuͤchtern wolten; welches auch sehr gluͤklich von statten ging/ und ihrer nur zehn druͤber ums Leben kahmen; dann als dieser Wagen anfangs 50 loßbrachen/ wur- den sie durchs Feur erschrecket/ daß sie umbkehreten und sich in einander wickelten/ da die bestelleten Schuͤtzen nicht feireten/ sondern die Pferde niderschossen. Nach diesem gingen 300 andere loß/ deren Rosse gleichergestalt das Feur scheuheten/ und zur seite außlieffen/ daß sie von unserm Heer mit Pfeilen alsbald unduͤchtig gemacht wurden. Artabanus sa- he/ daß dieser Anschlag/ auff welchen er fast getrotzet hatte/ von Freunden und Feinden als ein Kinderspiel verlachet ward/ deßwegen er befahl/ daß die uͤbrigen auff gelegenere Zeit versparet wuͤrden/ und der linke Reuter Fluͤgel den Angriff taͤhte. Also ging Mithridates frisch loß mit den seinen/ die alle Schwerter und Bogen fuͤhreten. Den ersten angriff tah- ten sie mit schiessen/ aber Pharnabazus/ welcher ihm begegnete schonete sein auch nicht; uñ weil die unsern den Wind zum vortel hatten/ wirketen ihre Pfeile weit besser als der Fein- de/ und erlegeten deren 3000/ da von den unsern etwa 50 erschossen wurden. Hierauf wol- te Pharnabazus mit dem Schwert ansetzen/ aber der Feind weich seiner Art nach zuruͤk/ und schoß die Pfeile hinterwerz/ daß wo die unsern nicht so behutsam gangen waͤhren/ wuͤr- den sie grossen Schaden genommen haben; weil sie aber sich bey zeiten zuruͤk zogen/ ging es noch gnaͤdig ab/ wiewol sie 165 dabey einbuͤssetẽ/ uñ 300 zum gefecht undüchtig gemacht wurden. Osazes brach darauff mit seinem hauffen selber loß/ die eine solche Menge Pfeile von sich schicketen/ daß sie als Hagel niderfielen; aber Herkules/ der sich mit Arbianes zu- sammen gesezt hatte/ wichen zuruͤk/ daß die Pfeile zu kurz fielen/ und etwa 100 Mann ver- wundeten und 36 erschossen/ die von Arbianes Heer wahren. Die unsern zuͤcketen hieselbst noch keine Bogen/ stelleten sich gleichwol als wolten sie eiferig ansetzen/ wodurch Osazes muhtig ward/ und gedachte sie nahe gnug kommen zulassen/ und alsdann im weichen ihnẽ grossen Schaden zu tuhn; aber Herkules wiche zugleich mit/ daß jener abermahl seine Pfei- le umbsonst verschoß. Bald darauff wendete sich Herkules/ hieß die seinen fꝛeudig loßdruͤc- ken/ Fuͤnftes Buch. ken/ und traffen so wol/ daß 5000 Parther sitzen blieben/ und 3000 hart verwundet wurdẽ/ da hingegen der unsern etwa 200 von Arbianes Heer verletzet und 80 zu bodem gestuͤrzet wurden; daher diesem Feindes hauffen nicht mehr geluͤstete/ sich unter die Pfeile zuwagẽ. Herkules sendete unter diesem Schiessen seinen Klodius an Ladisla/ und ließ ihm ansagen/ daß er aus der erfahrung gelernet/ wie man sich bey diesem Pfeil-Treffen zuverhalten haͤt- te/ welche unterrichtung ihm wol zu statten kam. Artabanus sahe/ daß der Bogen Streit/ welcher der Parther bestes wahr/ und er darauff seine groͤste Hoffnung gesezt hatte/ ihm den Sieg nicht bringen wuͤrde/ wie ihm solches auch Vologeses schon hatte zuvor gesagt/ daß Herkules viel zu behuhtsam waͤhre/ und die fliehenden so blindlings nicht wuͤrde ver- folgen lassen/ welches er zwar dazumahl verlachete/ aber es in der Taht mit grossem unlust und verlust erfuhr; befahl demnach/ es mit dem Schwerte auffs tapferste zu wagen/ und den ersten Feinden nur getrost entgegen zugehen/ alsdann wuͤrde das Feld leicht zuerhal- ten seyn. Es wahren hierzu seine Leute willig/ und die unsern sehr froh/ daher sie/ als haͤtten sie sich dessen verglichen/ zu ihren Schwertern griffen. Mithridates setzete abermahl vor- aus/ welches Pharnabazus ersehend/ den seinen geherzt zuredete: Sie solten gedenken/ dz sie Maͤnner waͤhren/ und die veruͤbte traͤulosigkeit ihrer Landsleute unter Gobares/ mit einer ruhmwirdigen Taht abwischeten/ damit die Susianer/ so vor diesem die aͤdlesten ge- ach (et/ ihren Ruhm und Preiß nicht verlieren moͤchten. Fuͤhrete sie damit an den Feind/ und griff mit ganzer Wuht an/ da seine Leute/ die sich alle zum Tode bereitet hatten/ nichts mehr begehreten/ als ihr sterben noch lebendig zuraͤchen; und wann einer seinen Feind er- legt hatte/ meinete er daß seine getahn haben/ wiewol ihrer viel den dritten/ vierden und mehr hinrichteten/ und gleichwol ohn sonderliche Wunden blieben; und tahten die 500 Teutschen hieselbst ein grosses durch ihr tapfferes vorgehen/ denẽ die Susianer rechtschaf- fen folgeten. Mithridates wahꝛ dieses verzweiffelten fechtens an den Peꝛsen nicht gewoh- net/ bemuͤhete sich sehr/ ihren dolkuͤhnen Einbruch auffzuhalten/ aber vergebens; dañ da wahr kein weichen/ biß Mann oder Pferd stuͤrzete; und gab ein lustiges ansehen/ daß des Feindes hauffe/ welcher drey gegen zween hatte/ in kurzer Zeit geringer ward als diese. Niemand freuete sich dessen mehr/ als ihr Fuͤhrer/ welcher nur suchete Mithridates anzu- packẽ/ der sonst sein vertraueter bruͤderlicher Freund wahr; samlete deßwegẽ eine Schaaꝛ von 150 Teutschen umb sich/ brach mit ihnen durch/ und traff seinen Mann zeitig an/ wel- chen er mit aller Macht uͤberfiel/ aber gute gegenwehre fand; doch halff ihm das Glük/ dz seines Feindes Pferd uͤber eines ertoͤdteten Harnisch strauchelte/ und mit samt seinem Reuter zu bodem fiel. Da haͤtte man moͤgen ein verwirretes schlagen sehen; jene wolten ihren Feld Herrn retten/ und diese den so gut als gefangenen nit verlassen. Aber der Teut- schen Schwert drang durch/ daß Pharnabazus gelegenheit bekam abzusteigen und ihm auffzuhelffen/ da er zu ihm sagte: Bruder gib dich/ daß du leben bleibest/ du weist daß ich allemahl dein Freund gewesen bin. Ich muß mit des Gluͤckes Unfal zu frieden seyn/ ant- wortete dieser/ gab das Schwert von sich/ und ward von 20 Sustanern nach Arbianes ge- fuͤhret/ der ihn Artaxerxes zusendete. Vologeses sahe diesem Treffen mit grossem Unlust zu/ hielt neben Osazes/ und sagte: Jedes Ding hat seine Zeit und verenderung; wie haben doch die Persen in so kurzer Zeit solchen bestaͤndigen Muht gefasset/ dz da ihrer drey vorhin k iij kaum Fuͤnftes Buch. kaum einen Parther bestreiten durfften/ jetzo einer dreien scheinet gewachsen seyn. Machte sich nach Argunthis/ und redete ihn also an: Geehrter Spiesgeselle/ auff! und lasset jezt se- hen/ daß Skytische Funken heisser als Persische Flammen brennen; mich deucht Mithri- dates werde eures entsatzes schier benoͤhtiget seyn. Dieser brach bald loß/ in meynung/ Pharnabazus abgematteten hauffen/ wie eine Fluht zu uͤberfallen; Aber Herkules seinen Auffbruch ersehend/ munterte Leches also auff: Sehet/ dort ist Ehre zubekraͤfftigen; haltet euch frisch/ daß Pharnabazus guter anfang besser fortgesetzet/ und er mit seinem hauffen vor des ein brechenden frischen Feindes Wuht erhalten werde; taht ihm zusage guter veꝛ- geltung/ und ließ ihn damit fortgehen/ da er zu gewuͤnschter Zeit ankam; massen Argun- this sich mit solchen kraͤfften an die Susianischen Voͤlker henkete/ daß sie als ermuͤdete bald wuͤrden hingerichtet seyn; aber Leches einbruch zog ihn ab/ und ließ Herkules Phar- nabazus ansagen; dafern die Mithridatifchen nicht stark auff ihn druͤngen/ moͤchte er set- ne Voͤlker abfuͤhren/ aber jene wichen ohndaß/ daher leistete er folge/ weil er 5000 einge- buͤsset/ und 4000 verwundete hatte/ da an Feindes seiten 13000 ins Graß gebissen/ und 9000 verwundet wahren. Leches ging anfangs mit den Skythen gar behutsam/ und er- mahnete die seinen/ sich vor des Feindes draͤuen nicht zu entsetzen/ sondern von ihm uñ den Teutschen ein Beyspiel zunehmen. Von den Teutschen behielt er 100 Schlachtschwerteꝛ bey sich/ die andern hatte er unter seine Assyrer verteilet/ daß jede zwot ausichte Schaar/ 40 Teutschen bey sich hatte/ welche die ersten Glieder macheten. Dieser fund wahr ihnen sehꝛ nützlich/ dann die Teutschen brachten diesen Wahn in die Skythen/ ihre folger waͤhren eben ihrer Art/ wie sie dann in warheit alle moͤgligkeit anwendeten/ und ihren Vorgaͤngern kek nachsetzeten/ kunten aber den Feind durchaus nicht auff die Weichseite bringen. Die Blutstuͤrzung wahr anfangs an beyden seiten fast gleich/ aber in die harre wuͤrden die Assy- rer es nicht gespielet haben; deßwegen ließ Herkules 2000 Roͤmer und 4000 frische ge- worbene unter Klodius anfuͤhrung ihnen zu huͤlffe gehen/ welche dann rechtschaffen er- wiesen/ daß sie wol ehmals es mit ihren Feinden haͤtten zu tuhn gehabt; wiewol die 100 Schlachtschwerter die allerbeste Wirkung verrichteten/ vor denen Vologeses auch von ferne sich entsetzete/ und meynete anfangs/ diese wenige nur wuͤrden bey dem ganzen Heere seyn/ ließ demnach Argunthis erinnern/ dieselben absonderlich anzugreiffen; aber es wol- te niemand gerne hinan/ biß Argunthis 600 beherzete Ritter umb sich samlete/ und mit blinder Wuht auff sie hinein ging; wodurch aber Leches sich nicht schrecken ließ/ sondern dreyfachete sie auch mit frischen Roͤmern/ und ging diese kleine Schlacht mit ihnen ein; Haͤrterer Saz wahr bißdaher nicht geschehen; die beyden Fuͤhrer traffen aneinander/ uñ zuwetzeten sich rechtschaffen/ biß etliche Skythen ihrem Feld Herrn beystand leisteten; wor- uͤber ein teutscher Ritmeister/ nahmens Schwerting/ ergrimmete/ und Argunthis Pferd mit seinem Schlachtschwerte niderhieb/ daß er drunter zu liegen kam. Leches haͤtte ihn gerne gerettet/ aber das Gedraͤnge umb ihn von seinen eigenen Leuten/ wahr zu groß/ die mit ihren Pferden ihn zutraten/ da er einezeitlang unter den Pferdefuͤssen einjaͤmmerli- ches Geschrey trieb/ welches seine Skythen zu toͤdlichem grimme auffmachte/ daß sie wie blinde anfielen/ und mit ihrem Fuͤhrer zusterben sich erklaͤreten. Die Assyrischen kunten solcher Macht nicht wiederstehen/ und begunten hintersich zu weichen/ uñ waͤhre Klodius Bey- Fuͤnftes Buch. Beystand nicht gewesen/ haͤtten die Teutschen/ als die zu flihen ungewohnt wahren alle Haar lassen muͤssen. Herkules kunte bey seinen Voͤlkern nicht lange stille halten/ umbrit- te selb sechs hin und her/ uñ machte die seinen durch herzhafte Worte sehr freudig. Sein Pferd ging als ein Pfeil in der Luft/ welches Vologeses von ferne sehend/ sich nach Kar- thasis wendete/ und zu ihm sagte: Sehet dort mein Freund; jenes aͤdle Pferd/ daß seines gleichen nicht haben sol/ gibt seinen Reuter den muhtigen Herkules zuerkeñen/ da ich doch gemeinet/ er haͤtte vor laͤngst schon gefochten. Ist der Reuter wie das Pferd/ antwortete dieser/ so duͤrfte er den Parthischen Stuel zubehaͤupten kek gnug seyn. Inzwischen sahe Herkules der Assyrer außweichen/ und schikte ihnen 2000 geworbene zum entsaz/ welche nicht allein alles wieder gut macheten/ sondern mit der Teutschen und Roͤmer huͤlffe der Skythen Vorsaz brachen; dann ihre Zahl hatte sehr abgenommen/ uñ wahren von 31000 kaum 15000 uͤbrig/ welche aber 9000 Assyrer/ und 40 Teutschen mit sich in den Tod ge- nommen hatten. Karthasis sahe der Skythen geringen uͤberschuß/ und begehrete von O- sazes/ daß er sie mit etlichen Parthen entsetzen moͤchte/ wozu er sich ungerne verstund; dañ er wolte seine Mannschaft nicht schwaͤchen/ mit denen er bedacht wahr/ den Sieg zuge- winnen; weil aber Vologeses selbst es vor rahtsam hielt/ muste er 8000 unter Phraates fortgehen lassen/ die aber wegen der Verzoͤgerung zu spaͤte kahmen; dañ als die Teutschẽ und Roͤmer ein Loch in die Skythen gebrochen hatten/ gingen die andern mit zu/ und hie- ben sie wie Muͤcken nider/ daß bey der Parther ankunfft etwa noch 6000 übrig wahren. Herkules sahe Phraates daher traben/ und sendete ihm Arbianes und Markus mit 10500 Meden und 500 Roͤmern entgegen/ denen er alsbald noch 500 Teutschen uñ gleich so viel von Fabius geworbenen nachschickete; Klodius aber und Leches foderte er zurük; dann er merkete/ daß sie schon zu weit gangen/ und dem Parthischen Fuß Volk unter die Pfeile gerahten wahren/ weil die uͤbrigen Skythen dahin ihre Zuflucht nahmen/ auch endlich bey Karthasis schnaubend ankahmen/ und Argunthis elenden Tod mit seuffzen beklageten; welcher ihnen zur Antwort gab: Seine Zeit ist kommen/ und sein Wunsch erfuͤllet/ daß er das Schwert in der Faust haltend sterben moͤchte; ihm ist nirgend besser mit geholffen/ als dz wir seinen Tod zu raͤchen/ uns lassen angelegen seyn. Vologeses hatte seinen Oheim Phraates vermahnet/ des Parthischen nahmens eingedenk zu seyn/ mit der Verheissung/ da ihm der Feind zu schwehr wuͤrde/ wolte er ihn zeitig gnug entsetzẽ; ging deßwegẽ wolbe- dacht hinan/ in willens Leches anzugreiffen; aber Arbianes begegnete ihm tapffer/ dessen Menge er doch nicht scheuhete/ sondern mit einem heftigen Angriff sie auffhielt. Markus sahe/ daß die Meden im vorzuge sich trennen liessen/ setzete sich deßwegen mit 500 Roͤmern vorne an/ und brachte damit den ganzen hauffen zum stande/ daß die Parther als die we- nigsten wieder weichen musten/ welches ihm aber 25 Roͤmer kostete. Nun wahr Phraates sehr verschmizt/ daher er sich einer Furcht añ am/ und sich zuruͤcke zog/ daß er die unsern un- vermerket unter des Fußvolks Pfeile lockete/ ließ hernach seine Voͤlker vonander gehen/ daß die unsern kunten getroffen werden/ da dann jene eine solche menge Pfeile unter sie schicketen/ daß jederman meynete/ ihres Gebeins wuͤrde nicht davon kommen. Arbianes ermahnete seine Leute zur Flucht/ wodurch der mehrerteil gerettet ward/ verlohr doch in diesem unfalle 3000 Meden und 25 Roͤmer/ und wahren im Gefechte schon 1400 Me- den Fuͤnftes Buch. den nidergehauen/ aber dagegen auch 2300 Parther sitzen blieben. Arbianes selbst ward von zween Pfeilen an der linken Hand und rechten Beine beschaͤdiget; Markus Pferd ward erschossen/ und kam mit Noht auff ein anders. Auch wurden 900 Meden/ 40 Roͤmer/ und 15 Teutsche hart getroffen/ daß sie der Schlacht ferner nicht beywohnen kun- ten. Herkules betruͤbete sich des unfals; weil aber Arbianes ohn toͤdliche Wunde blieb/ ward er froh/ und setzete sich mit seiner ritterlichen Schaar dem Feinde naͤher; befahl doch zuvor Leches und Klodius/ die uͤbrigen Voͤlker/ so noch nicht getroffen hatten/ nicht anzu- fuͤhren/ biß ers geboͤhte/ oder sie sehen wuͤrden ein frisches feindliches Heer loßbrechẽ/ dem sie alsdann begegnen solten. Pharnabazus und Markus gab er die annoch vermoͤgenden Voͤlker/ die schon getroffen hatten/ welche 37760 stark wahren/ sie auff allen fall fertig zu- halten. Er aber nam 22500/ so von seinem hauffen noch bey ihm hielten/ als 10000 Assy- rer/ 4417 geworbene/ 270 Fabius eigene/ 3872 Roͤmer/ 3941 Teutschen/ und redete sie auf Teutsch/ Roͤmisch und Persisch an; Sie solten sich nach ihm richten/ und ihrer Ehr und Mannheit eingedenke seyn; Gott teilete den Menschen nichts mit ohn mühe; so waͤhre dz Feld an ihrer seiten schon fast erstritten; ein kleiner Schweißwaͤhre umb so grosse Beute/ die ihnen bevorstuͤnde/ noch wol anzuwenden; sie solten nur behutsam fahren/ keinen moͤg- lichen Schlag verseumen/ und ihrer eigenen beschuͤtzung unvergessen seyn/ auch fleiß an- wenden/ daß sie ungetrennet blieben/ und sich nicht im ersten anfall aus dem Athem arbei- teten. Hernach sagte er zu seinen Teutschen absonderlich: Ihr meine lieben Teutschen/ die ich so herzlich als Soͤhne und Brüder liebe; lasset uns einer dem andern biß in den Tod traͤulich beystehen/ und zweiffelt nicht/ Gott werde uns gnaͤdig hindurch helffen. Hiermit munterte er seinen aͤdlen Blaͤnken auff/ ließ sein nohtfestes Schwert dreymahl umb den Kopff gehen/ und setzete fort in fest geschlossener Ordnung/ erwartend/ was vor ein Feind ihm begegnen wuͤrde. Vologeses sahe ihn daher prangen/ und sagte zu Karthasis; Mein Freund erinnere sich seines gestrigen Wunsches/ welchen Koͤnigl. Hocheit als ein Ver- sprechen auffnahm/ und mit grosser mildigkeit zuersetzen sich erboht; dort koͤmt Herkules her/ die starke Seele der ohmaͤchtigen Persen/ der gleichwol ein Mensch/ ja noch ein lauter Juͤngling ist/ und demnach durch maͤnliche Kraft wol kan gezaͤhmet und gelaͤhmet werdẽ. Ich erfreue mich seiner ankunft/ antwortete er/ habe mich auch eigentlich auff diesen mei- nen Mann gesparet/ sonst wuͤrde ich meinen Argunthis unentsetzet nicht gelassen haben. Redete nachgehends seine Voͤlker an; Jezt waͤhre Zeit/ die Skythische unuͤberwindliche Mannheit sehen zulassen/ und der Brüder Tod/ die dort gestrecket laͤgen/ eiferig zuraͤchen/ nicht durch blossen Zorn/ sonder mit der Taht. Der Sieg waͤhre ihr/ wann sie ihn nur be- haͤupten duͤrfsten; brach damit loß/ und fuͤhrete alle übrige Mannschaft in vorsichtiger Ordnung an. Herkules hatte seine 1000 Schlachtschwerter in die mitte gesetzet/ die Roͤ- mer aber vorne an/ weil sie Speere fuͤhreten/ damit sie auch den Angriff tuhn musten/ und geriet ihnen derselbe so wol/ daß uͤber 2000 nider gerennet/ und von ihrer Gesellen Pferdẽ mehrenteils zutreten/ auch sonst noch 1000 zum gefechte unduͤchtig gemacht wurdẽ. Kar- thasis hatte auch Speer Reuter/ aber sie wahren dieses Streits ungeübet/ und fuͤhreten zu kurze Spiesse/ welche zwar/ wañ sie traffen/ den Gegener maͤchtig außhoben; aber kaum 80 Roͤmer wurden gesellet/ deren 56 durch huͤlffe der ihren wieder zu Pferde kahmen/ die uͤbri- Fuͤnftes Buch. uͤbrigen aber das Leben zusetzeten. Als dieses Treffen gluͤklich geendiget wahr/ griffen die Roͤmer zu den Schwertern/ hatten sich doch wegen des Speer rennens zimlich getrennet/ welches ihnen uͤbel wuͤrde bekommen seyn/ wann nicht auch die Feinde ihre Glieder zu- fuͤllen/ etwas Zeit haͤtten anwenden muͤssen. Als sie auffs neue traffen/ gingen die Skythen ihrer Art nach/ sehr feurig loß/ aber der Teutsche Wedekind und der Roͤmer K. Autronius/ nahmen ihres Feld Herrn warnung in acht/ brauchten samt den ihren das Schwert mit vortel/ und den Schild zur fleissigen beschirmung daher der heftige Sturm der Skythen/ mehr getoͤß als Wunden gab/ und hingegen der Feind mannichen abgesattelten missen mu- ste. Herkules rühmete der seinen wolverhalten/ und sagte zu den Schlachtschwertern/ ge- het nun hin/ und arbeitet so lange es die Arme erleiden moͤgen/ auff daß ihr sehen lasset/ wie erschreklich ihr den Roͤmern selbsten seid; aber vertieffet euch nicht zu weit in den Feind hinein. Sie ritten hierauff fuß vor fuß/ dehneten sich in die breite aus/ und fielen mit sol- chen hieben zur rechten Seite in den Feind/ daß ohn verlust einiges Mannes sie 3000 Sky- then im ersten angriff zu grunde richteten. Herkules entsetzete die Roͤmer und ersten Teut- schen mit 6000 Assyrern; da haͤtte man ein Gemaͤtsche sehen sollen; dann als diese Assy- rer der Teutschen und Roͤmer tahten sahen/ uñ Herkules sie zu gleicher tapferkeit vermah- nete/ hielten sie sich so ritterlich/ daß keiner unter ihnen zu tadeln wahr. Karthasis muste nohtwendig seine Voͤlker teilen/ und den Schlachtschwertern 6000 Skythen entgegen ordnen/ mit den uͤbrigen ging er unerschrocken auff Herkules macht/ dessen Pfeed nie kein mahl seine Tugend hatte sehen lassen wie anjezt. Er hatte diesem aͤdlen Blaͤnken eine leich- te Ruͤstung angelegt/ welche nur von Linnewad/ und mit staͤhlenem Draht durchzogen/ a- ber so hart durchnaͤhet wahr/ daß weder Pfeil noch Schwert drauff hafften kunte/ es zu beschaͤdigen; diese seine sicherheit merkete es gleichsam/ schlug und biß von sich/ daß ihm niemand nahen durffte; so schlieff trauen sein Reuter auch nicht/ sondern was er traf mu- ste zu grunde gehen. Karthasis sahe ihn solch wunder treiben/ machte sich an ihn/ uñ sag- te: Fuͤrst Herkules/ es beut euch Karthasis der Skythe seinen Gruß an; schlug auch mit dem Worte ihn uͤber die Schulder/ daß ihm die linke Hand davon schmerzete/ und er den Schild kaum halten kunte/ welches sich doch bald wieder verzog; und antwortete er nur dieses wenige: Des muß Karthasis dank haben; aber das Schwert ließ er ihm dergestalt umb die Ohren sausen/ daß er muͤhe hatte sich zu schuͤtzen. Wir muͤssen aber des andern Fluͤgels nicht gar vergessen/ woselbst die unsern zum Treffen nicht gelangen kunten/ biß an der andern seite der Bogenstreit geendet wahr/ wel- ches Artabanus also ordente/ damit er an diesem Orte desto eigentlicher sehen moͤchte/ wie die Persen von den seinen (also hatte er sichs eingebildet) hauffenweise nidergeschossen wuͤrden. Weil es abeꝛ hieselbst sich nicht nach Wunsch fuͤgete/ muste Vonones mit seinem Fluͤgel sich eben zu solchem Treffen fertig machen/ ritte auch auff Ladisla weidlich loß/ in meynung/ er solte deßgleichen tuhn. Aber er wahr von Herkules gewarnet/ deßwegen er auff stillem Fusse jenen die Pfeile entgegen schickete/ so bald er den Feind damit ablangen kunte/ welches dem guten Vonones den Seiger gar verrückete/ daß nach hinterlassung 3000 todten er unverrichteter sache abzog/ uñ kaum 200 von den unsern beschaͤdiget hat- te. Dataphernes/ welcher biß daher geruhet/ wolte es besser machen/ taht auch unter Ma- l zeus Fuͤnftes Buch. zeus Voͤlkern zimlichen schaden/ deren er 1200 erschoß; aber er geriet dagegen dem Per- sischen Fuß Volk unter die Pfeile/ die ihm seine Voͤlker/ worzu Neda seine Baktrianer weidlich hulffen/ dergestalt zurichteten/ daß ihrer 13000 gestrekt lagen/ und 10500 hart verwundet wurden/ daß wañ die uͤbrigen nicht die schleunige Flucht ergriffen haͤtten/ waͤh- re ihrer keiner davon kommen. Also liessen die uͤbrigen unter Oxatres und Pandion sich witzigen/ daß sie ihre Pfeile zwar verschossen/ aber wegen der andern behutsamkeit nichts sonderliches verrichten kunten; doch felleten sie von Prinsla 600; von Neda Voͤlkern 450 und verlohren dagegen der Parther 1700; der Indier 1450 Reuter. Vonones wahr sehꝛ ungehalten/ daß Dataphernes die herlichen Voͤlker auff die Fleischbank gefuͤhret/ und dagegen dem Feind keinen abbruch getahn hatte; rieff Herrn Oxatres zu sich/ und befahl ihm/ auff Prinsla Geschwade anzugehen; der ihm dann freudig mit den seinẽ begegnete/ und ob er gleich im anfange harten Wiederstand spürete/ brach er doch endlich durch/ ver- wundete den Fuͤhrer selbst schwerlich/ und reiß ihn mit gewalt vom Pferde/ daß ihm wedeꝛ seine eigene/ noch der seinen gegenwehr helffen mochte/ sondern ward von 30 Hirkanern nach Artaxerxes gefuͤhret/ bald nach Mithridates ankunfft/ da sie einer dem andern gesel- schaft leisteten/ und einander erzaͤhleten/ wie sie in voriger Nacht einerley Traum gehabt/ und sie gedaucht haͤtte/ als gingen sie vor dem Parthischen Kriegsvolk her durch ein gros- ses Wasser/ da die anderen ihnen nach folgeten; woraus sie der ihrigen gaͤnzliche Nieder- lage muhtmasseten. Nach Oxatres gefaͤngnis ging das Blutvergiessen erst recht an; ge- staltsam die unsern den erstrittenen Vortel nicht aus den Haͤnden lassen/ und jene ihres Fuͤhrers Gefaͤngnis raͤchen wolten/ daher an Feindes seiten 15000 ins Graß sitzen gingen/ 6000 hart verwundet wurden/ und die uͤbrigen sich nach Entsaz umbsahen/ da von Prins- la seinen geworbenen nur 1800 von den Hirkanern 400/ und von den Boͤhmen 4 umkah- men/ nebest welchen sich 300 verwundet befunden. Pandion der Indier schickete Oxatres hauffen seine 5000 gesamleten und 1000 Indier zum Entsaz/ die sich zwar an Prinsla ma- cheten/ aber dergestalt empfangen wurden/ daß ihnen arbeit genug geschaffet ward. Da- taphernes sahe diesen Entsaz noht leiden/ und schickte ihnen von seinen annoch uͤbrigen 10000 gesunden/ 6000 zu huͤlffe; aber Mazeus ging ihnen entgegen mit seiner ganzen Macht/ daß Prinsla freien Abzug bekam/ nach dem er noch 2500 von den Feinden nider gelegt/ und die uͤbrigen zuruͤk gingen/ wobey er gleichwol auch noch 600 eingebuͤsset hatte/ und 200 verwundet wahren/ und ward er wegen seines wolverhaltens von Ladisla sehr ge- ruͤhmet. Obgedachte/ so gegen Mazeus angingen/ gebrauchtẽ sich ihrer Faͤuste rechtschaf- fen/ aber sie wahren mehr als dreyfach uͤbermannet/ daher sie mehr Beystand von ihrem Feld Herrn begehreten/ welcher seine annoch uͤbrige 4000/ und 5000 Indier von Pandi- on zu sich nam/ damit er hoffete die verlohrne Ehre wieder einzuhohlen. Sein erstes haͤuf- lein zog sich enge zusammen/ und drungen mit gewalt hinein/ da ihnen Mazeus gerne freiẽ eintrit gab/ in meynung/ sie einzuschliessen/ und in der enge nider zu machen; aber der An- schlag mißriet ihm; massen er mit den seinen selbst umbzingelt ward/ als Dataphernes ihn angriff/ gegen welchen sein halbes Heer sich wenden muste/ uñ die eingeschlossene Fein- de daher Luft bekahmen/ die sich ihrer Haut redlich wehreten. Ladisla sahe/ daß dieses kein gut tuhn wuͤrde/ und gab Tyriotes von Neda hauffen 6000 Baktrianer/ damit er auff Data- Fuͤnftes Buch. Dataphernes traff. So bald Mazeus hieselbst loßgelauffen wahr/ taht er den ersten ein- gewickelten so gedrange/ daß sie alle den Tod kiesen musten. Worauff er sich mit Tyriotes zusammen setzete; wiewol er in diesem sehr herben Treffen 6500 Mann eingebuͤsset hatte/ und 3400 hart verwundet wahren; da sie dann dem Feind so hart zusetzeten/ daß er sich auf Pandion zuruͤke zihen muste. Derselbe wolte nun seinen guten Freund nicht im stiche las- sen/ sondern ging loß mit seinen annoch uͤbrigen 20000 Indiern/ vorhabens/ mit Mazeus und Tyriotes (welcher 800 Baktrianer zugesezt hatte) das garaus zuspielen; aber Ladisla/ dem die Zeit ohn daß schon zu lange wehrete/ ging auff ihn mit 14000 Persen und 7000 Margianern/ und muste Neda seine 6072 übrige Margianer/ samt allen Boͤhmen (deren er nur 150 zu sich foderte) zu seinem Heer nehmen; er aber/ in dem er loßbrach/ befahl Ma- zeus und Tyriotes/ alle annoch gesunde Mannschaft/ die schon getroffen hatten/ in einen hauffen zusetzen/ und seiner verordnung gewaͤrtig zu seyn; und stuͤrmete darauff dergestalt zu Pandion ein/ als haͤtte er ihn gleich anfangs mit seinem ganzen Heer uͤbern hauffen ren- nen wollen. Weil dann dieser auch bisher gewohnet wahr zu siegen/ wolte er so bald sich nicht treiben lassen/ daß also dieses der allerheftigsten Treffen eines wahr/ davon je mag gehoͤret seyn. Beyde Heerfuͤhrer gaben durch ihrer Schwerter wirkung den ihren ein Beyspiel/ wessen sie sich verhalten solten; Verlust und Gewin blieb in gleicher Wage/ so lange Pandion Freyheit hatte sich hin und her zuwenden/ aber weil ihn Ladisla mit seinen wenigen/ doch außerlesenen suchete/ traff er ihn endlich an/ schlug ihn umb den Kopff daß ihm beyde Ohren gelleten/ und sagte: Mein/ du must nicht gedenken/ ob sey dir das Feld allein eingeraͤumet. Dieser fuͤhlete die schweren streiche/ und bezahlete baaꝛ/ so viel er kun- te/ daß Ladisla am linken Beine etwas verwundet ward/ welches zuvergelten er seine Hie- be verdoppelte/ dz dem Indier der Helm auffsprang/ und zugleich einen geringen Schram- hieb uͤber die Backe bekam. Ladisla meynete/ er waͤhre sehr verwundet/ und ermahnete ihn/ sich zu ergeben; aber dieser bekam hiedurch nur Zeit/ seinen Helm gleich zuruͤcken; worauf er alsbald die Rache vornam/ und Ladislaen mit aller Krafft zusetzete/ dessen Pferd er in den Hals verwundete/ das es strauchelte/ und er sich deßwegen auff die Fuͤsse begeben mu- ste/ nam doch seiner Schanze wol wahr/ und hieb seines Feindes Pferde die Vorderfuͤsse entzwey das es auff den Kopff stuͤrzete/ und Pandion herunter fiel/ auff welchen Ladisla sich setzete/ und seinen Leuten zurieff/ sie solten niemand herzu dringen lassen; reiß ihm her- nach den Helm ab/ und stellete sich/ als wolte er ihm das Haͤupt abschlagen; dieser aber fragete; wer sein Obsieger waͤhre. Der heisset Ladisla/ gab er zur Antwort; und koͤnnet ihr euch gefangen geben wil ich euer Mannheit wegen euch nicht weiter beschaͤdigen. Ja/ sag- te dieser/ einem solchen preißwirdigen Koͤnige ergebe ich mich willig/ dem zu dienen ich ohn daß geneigt bin. Also nam er das Schwert von ihm/ und ließ ihn aus dem gedraͤnge nach Artaxerxes fuͤhren/ der seiner Gefaͤngnis froh wahr. Die uͤbrigen Indieꝛ/ als sie ihr Haͤupt derlohren hatten/ wurden wie das Vieh abgeschlachtet/ daß ihrer kaum 6000 uͤbrig wah- ren/ als Vonones ihnen 12000 Parther zum Entsaz schickete/ welche den Persen eine har- te Nuß zu beissen wahren/ weil deren schon 3500 gestrekt lagen/ und 1500 sich hefftig ver- wundet befunden/ auch durch dieser ankunft noch 2000 fielen/ daß wo Ladisla mit 2000 herzhaften Rittern nicht gegenstand gehalten/ waͤhren sie alle nidergefaͤbelt worden; Neda l ij brach Fuͤnftes Buch. brach aber mit seiner Mannschafft (ohn daß er die Boͤhmen ausser 300/ alle zuruͤk ließ) zu rechter Zeit auff und entsetzete seinen Koͤnig/ erschlug auch einen vornehmen Parthischen Obristen bey seiner ankunft/ und druͤcketen seine Leute ihm dergestalt nach/ daß Ladisla Zeit hatte/ die abgemattenen Persen und Margianer abzufuͤhren/ und alle feine annoch gesun- den Voͤlker auff den lezten Saz zuordnen. Und ob wol Neda gefechte nicht lange waͤhrete/ erschlug er doch der Parther 4500/ und verwundete ihrer 2300/ dagegen er 1500 zusetzete/ und 600 verwundet wurden. Im rechten Fluͤgel haben wir bißdaher Herkules und Karthasis sich zausen lassen/ die ein langwieriges Gefechte trieben; dann Herkules eilete nicht mit ihm/ weil er sahe/ daß die seinen hiedurch Lufft bekahmen/ die Skythen niderzuhauen/ denen sie uͤbrig gewachsen wahren/ weil Leches und Klodius mit ihren 9500 frischen Meden und 500 Roͤmern/ so von Arbianes Heer noch nicht gefochten hatten/ sie staͤrkete; und merkete Karthasis wol/ daß sein absonderlicher Streit den seinen sehr schaͤdlich wahr/ deßwegen er alle kraͤffte samlete/ und entweder gewinnen oder verspielen wolte/ auch Herkules selbst gestund/ er machte ihm gnug zuschaffen; aber mit dieser lezten abmattung wahr es geschehen; dann Herkules/ der sich gewaltig gesparet hatte/ verwundete ihn an etlichen orten/ daß er kraftloß ward/ uñ sich kaum auff dem Pferde halten kunte/ daher er ihn ferner nicht beleidigen wolte/ sondern sag- te zu ihm; Herr Karthasis/ ich meyne/ wir haben beyderseits unsern Ehren gnug getahn; seid demnach mein Freund biß auff eure gute Erloͤsung/ die euch nicht sol gehindert werdẽ. Woldañ/ Durchleuchtigster Groß Fürst/ antwortete er; ob mir gleich der Tod ertraͤglicher als die ergebung waͤhre/ wil ich doch eurem befehl gehorchẽ; reichte ihm auch dz Schwerꝛ/ welches er doch nicht annehmen wolte/ und ward von 30 Meden hingefuͤhret/ denen Her- kules befahl/ daß er redlich und alsbald verbunden wuͤrde. Es ist nicht zubeschreiben/ was vor Jammer bey den Skythen uͤber seiner Gefaͤngnis entstund/ die als verzweiffelte un- sinnige Leute ihren Feinden in die Schwerter fielen/ und doch ungerochen nicht sturben/ welches meist über die Meden ging/ die solchen Anfall abzuhalten nicht bestand wahren. Nun wolte gleichwol Herkules seiner Teutschen kraͤfte biß auff Osazes sparen/ deßwegen er Pharnabazus mit 8000 so schon gefochten/ herzu foderte/ die Teutschen und Roͤmer ab- zuloͤsen; dann ungeachtet von diesen Skythen nicht uͤber 12000 mehr uͤbrig wahren/ wol- ten sie doch nicht weichen/ sondern ihres Feld Herrn Gefaͤngnis raͤchen/ daher von den Me- den und Assyrern 8500 erschlagen wurden. Der Roͤmer lagen an diesem orte 300/ der Teutschen 85/ und 70 von Fabius geworbenen/ im Sande und Blute. Fuͤrst Osazes mach- te sich fertig zum lezten angrif/ uñ Vologeses hielt es schon so gut als verspielet; wahr auch bedacht/ seinen Koͤnig zum abzuge zubereden/ und dem zornigen Glük zuweichen. Leches uñ Klodius tahten vor ihr Haͤupt alle moͤgligkeit/ die Skythen abzutreiben; aber ihre Leute mehrenteils/ wahren so harter puͤffe nicht gewohnet/ daher sie sich trennen/ und diese ihre beyden Fuͤhrer nebest etlichen wenig Teutschen und Roͤmern im stiche liessen/ daß sie bey- de nicht allein verwundet sondern auch gefangen wurden; waͤhre auch umb die übrigen getahn gewesen/ wann nicht Herkules mit seinen Teutschen und Roͤmern/ die schon abge- fuͤhret wahren/ sie entsetzet haͤtte/ da es von neuen anging/ daß noch 3000 Skythen nider- gehacket wurden. Osazes brach hieselbst loß/ und wahr entschlossen zu siegen oder zu sterbẽ/ dem Fuͤnftes Buch. dem Herkules mit aller unverwundeten Reuterey großmuhtig begegnete/ und sich stark genug befand diesen lezten Saz zuerhalten; aber es entstund ploͤzlich ein so heftiges Unge- witter mit Donner Bliz und Schlagregen/ daß weder Menschen noch Vieh sich behelf- fen kunten/ und wahr erschreklich zu sehen/ daß das Regenwasser mit dem Blute vermi- schet daher lieff/ woruͤber die Haar allen zuberge stunden/ weil sie bedachten/ daß noch wol etwas graͤulichers erfolgen moͤchte. Vologeses hielt es vor ein sonderliches Gluͤk/ weil er keine Hoffnung zum Siege hatte; befahl auch/ daß nach geschehenem abzuge ein jeder Feld- Herr ihm die Zahl seiner erschlagenen und hart verwundeten einreichen solte; da sichs fand/ daß der linke Fluͤgel/ welcher vor der Schlacht 146500 Reuter hatte/ dergestalt ge- schwaͤchet wahr/ daß nur noch 53200 gesunde davon übrig wahren; dann 80300 wahren gefellet/ und 13000 hart verwundet; und welches am meisten betrauret ward/ lebeten von 66000 Skythen nur noch 9000/ deren 1000 zum gefechte nicht kunten gebrauchet wer- den. Im andern wahr es nicht viel gnaͤdiger zugangẽ; massen von demselben 64700 tod/ und 18800 hart wund/ also noch 63000 vermoͤgende uͤbrig wahren/ daß Vologeses sich hoͤchlich verwunderte/ wie in so kurzer Zeit eine so grosse Mannschaft/ als 145000 haͤtte koͤnnen erschlagen/ und uͤberdaß noch 31800 verwundet werden. Gleichwol hatte es an Persischer Seiteu auch Seelen gekostet; dann Herkules missete 27800 Mann; und fun- den sich 5555 beschaͤdigte/ daß sein gesunder uͤberschus noch in 60645 Koͤpffen bestund. Un- ter den erschlagenen wahren 125 Teutschen und 374 Roͤmer; unter den verwundeten aber 40 Roͤmer und nur 15 Teutsche. Ladisla hatte noch weniger eingebuͤsset; massen er nur 19354 todten und 6200 verwundete hatte; da unter den Todten 25 Boͤhmen/ und deren 160 unter den beschaͤdigten wahren/ seine gesunde Mannschaft aber noch in 68446 Koͤpffen bestund; kunten demnach noch 129091 Reuter an den Feind fuͤhren/ welcher sich nur noch 116200 Reuter stark befand. Vologeses machte sich mit der auffgesetzten anzahl seiner ver- lohrnen nach dem Koͤnige/ welcher weder mit sich selber/ noch mit dem Heer/ noch mit den Goͤttern zufrieden wahr. Mit sich nicht/ dann es reuete ihn/ daß er Artaxerxes so viel Ehr und Gnade angetragen; mit dem Heer nicht/ weil es seiner meynung nach viel zu verzagt gefochten; mit den Goͤttern nicht; weil sie zu gut Persisch wahren/ und das ungestuͤme Wetter/ wie er vorgab/ zur unzeit daheꝛ stürmen lassen/ daß er die Fremden samt dem Fꝛaͤu- lein nicht in seine Gewalt bekommen moͤgen. Als sein Feldmarschalk zu ihm trat/ und die menge der erschlagenen hoch betraurete; gab er zur Antwort: Feige Memmen liegen bes- ser im Sande/ als dz man sie mit schwerem Solde unterhaͤlt; wir haben gemeynet/ Kriegs- leute gehabt zuhaben/ und sind kaum Schatten von Kerlen gewesen. Ists nicht eine schan- de/ daß man den weibischen Persen so viel Blut gegeben/ und dannoch der beyden jungen Laffen noch keinen/ weder erschlagen noch gefangen haben mag? Vologeses befand sich hiedurch sehr beleidiget/ und sagte darauff: Dafern ihre Koͤnigl. Hocheit dem Kriegsvolk einige furchtsamkeit beymisset/ tuht sie ihnen sehr unguͤtlich/ und kan ich dieselbe wol versi- chern daß nicht die ungeuͤbeten/ sondern die allerbesten Voͤlker uns leider abgeschlagẽ sind; drum lasse eure Hocheit ja bey Leib und Leben sich dieser beschuldigung gegen keinen Men- schen merken/ wo sie sonst der Voͤlker Herz nicht gar von sich abwenden wil. Ich bin vor diesem auch in Schlachten mit gewesen/ aber haͤrter Stand ist mir Zeit meines Lebens l iij nicht Fuͤnftes Buch. nicht vorkommen/ und traue eure Hocheit nur ungezweifelt/ daß die beyden Fremden/ den Jahren wol/ aber nicht dem verstande/ noch der Faust nach/ vor Juͤnglinge zuschelten sind/ wo wir nicht unsere vornehmste Obristen gar zu Kinder machen uñ außschreihen wollen; jedoch/ haͤtten sie die Schlacht schwerter/ welche uns den groͤsten schaden getahn/ nicht bey sich gehabt/ solten die Feinde sich unsers Bluts nicht groß ruͤhmen. Artabanus begehrete zuwissen/ was diese dann vor ungeheure waͤhren; deßwegen Vologeses drey gefangene Susianer herein fuͤhren ließ/ welche darauff antworteten: Es waͤhren vor wenig Wochẽ 7000 Roͤmer/ 6000 Boͤhmen/ und 6000 Teutschen den beyden Helden und H. Fabius auffzuwarten kom̃en/ unter denen 2000 Teutschen die Schlachtschwerter (daher sie selbst auch Schlacht schwerter genennet wuͤrden) wie leichte Spizruhten führeten/ und sich nit scheuheten/ daß ihrer hundert auff tausend und mehr angingen; Artaxerxes gaͤbe ihnen dreyfachen Sold und grosse verehrungen/ und haͤtte der Koͤnig aus Teutschland seinem Sohn Herkules 150000 Mann zusenden angebohten/ aber allem ansehen nach/ begehrete Artaxerxes deren in so grosser menge nicht/ ob sie ihnen etwa diese Laͤnder moͤchten besser als ihr Vaterland gefallen lassen/ und sich unterstehen/ die Freunde mit samt den Feinden auffzureiben. Vologeses hoͤrete dieses mit leidigen Ohren an/ und trug ihm der Sinn wenig gutes zu/ insonderheit/ wann er dem grausamen Wetter nachdachte/ welches von Persen entstanden wahr/ und sich nach Charas hinzog/ woselbst es auch grossen schaden an den vornehmsten Gebaͤuen getahn/ uñ den herlichsten Saal auff dem Koͤniglichen Schlos- se sehr heßlich zugerichtet hatte/ wie man hernach erfuhr. Nach abtrit der befrageten Ge- fangenen/ ließ Vologeses den Koͤnig wissen/ man haͤtte zween vornehme Herrn von den Feinden gefangen/ als einen Boͤmischen/ und einen Roͤmischen/ die man wegen ihrer tap- ferkeit hoch ruͤhmete. Wol wol/ antwortete Artabanus/ man gebe ihnen den Lohn/ und lasse sie durch des Schwerts Spitze lauffen/ damit die Auffruͤhrer daher unsern Zorn und Eifer erkennen/ uñ zu gleicher straffe sich gefasset machen. Einen solchen Lohn? sagte Vo- logeses; Sie sind ja weder Verraͤhter noch meinaͤidige/ sondern in der Schlacht gefangẽ; und was man mit diesen vornehmẽ wird/ muͤssen unsere Feld Herꝛn/ Karthasis/ Pandion/ Mithridates und Oxatres auch erwarten. Der Koͤnig entsetzete sich uͤber deren Gefaͤng- nis/ und fragete/ welches so maͤchtige Schwert diese Helden haͤtte demuͤhtigen koͤnnen; der teutsche Bliz Herkules/ antwortete Vologeses/ hat den Skythen; und der Bomische Donner Ladisla den Indier nidergelegt/ und mit einzelner Faust gefangen/ welche wir voꝛ junge Laffen schelten. Hat dann das Ungluͤk diese Unholden uns zur beleidigung außge- hecket? sagte Artabanus; befahl die beyden gefangenen/ Leches und Klodius ihm vorzu- stellen/ welche dann mit guter freidigkeit und zimlicher ehrerbietung zu ihm in sein Gezelt traten/ und von ihm also angefahren wurden; Wer hat euch Landstreicher so verwaͤgen gemaͤcht/ daß ihr an unsern Voͤlkern euch vergreiffen/ und wieder uns fechten dürffet? wie wann wir solchen frevel an euch nach verdienst abstraffeten/ wer wuͤrde uns solches weh- ren? Leches gab unerschrocken zur Antwort: Koͤnig der Parther; mein Geselle und ich sind keine Landstreicher/ sondern ehrliche Ritter/ und dienen unsern allerliebsten Herren/ den beyden großmaͤchtigsten/ Koͤnige Ladisla uñ Groß Fuͤrsten Herkules. Ob nun dero Koͤnigl. Hocheit und Groß Fuͤrstl. Durchl. Ursach haben/ euer Heer anzugreiffen/ haben wir nicht zu Fuͤnftes Buch. zuverantworten; so viel aber wissen wir wol/ daß wo man wieder Kriegsgebuͤhr mit uns umbgehen wird/ unsere Herren maͤchtig genug seyn/ unser Blut zuraͤchen. Weil er dieses vorbrachte/ ward Vologeses angemeldet/ es waͤhre ein Trometer von Fuͤrst Herkules mit einem Schreiben ankommen/ welches an den Feldmarschalk hielte. Er befahl das mans ihm alsbald braͤchte/ hieß die Gefangenen abtreten/ und lase in Artabanus gegenwart fol- genden Inhalt: Dem Durchleuchtigen Fuͤrsten/ und Hochberuͤmten Parthischen Feldmarschalk/ Herrn Vo- logeses/ entbeut Herkules/ bestalter Persischer Feldmarschalk/ gebohrner Groß Fuͤrst der unuͤberwind- lichen Teutschen/ seinen Gruß und Dienst/ und ersuchet dessen Liebe hiemit freundlich/ daß den beyden Gefangenen seinen lieben getraͤuen Leches und Klodius/ ihre Wunden redlich verbunden/ sie auch sonst als freie wolgebohrne Herrn in ihrem Gefaͤngnis gehalten werden/ welches mit gebuͤhr erstat- tet werden sol/ und ich das Vertrauen zu euer Liebe auffrichtigkeit trage; solte ihnen aber ichtwas un- gebuͤhrliches begegnen/ welches abzuwenden eure Liebe nicht vermoͤchte/ sol es an meinen vier ansehn- lichen Gefangenen grausamlich gerochen werden/ denen ich biß auff diesen unverhoffeten Fall allen bruͤderlichen Willen zuerzeigen/ nicht unterlassen werde/ und hiemit Fürst- und ritterlich verspreche; gelebe auch der Hoffnung/ es werde der zornige Himmel uns Morgen guͤtiger seyn/ und mir fernere Kundschafft mit Fuͤrst Vonones/ oder Osazes/ oder auch wol Pakorus goͤnnen/ denen ich meine bereit- willige Dienste als redlichen Fuͤrsten und auffrichtigen ehrliebenden Rittersleuten und tapfferen Helden entbiete/ verbleibe auch euer Liebe in absonderlicher Freundschafft willigster Diener Herkules. Vologeses wolte nach verlesung kein Wort hinzu tuhn/ sondeꝛn erwaꝛtete des Koͤnigs Erklaͤrung; welcher in sich selbst grießgramete/ dz seiner so gar mit keinem Worte gedacht ward/ als ob er nicht eins dazu gehoͤrete. Zu gutem Gluͤk kam Pakorus in das Zelt getre- ten/ zu dem Vologeses sagte: Bruder/ ich habe einen Gruß an dich von dem Persischen Feldmarschalk/ Groß Fuͤrst Herkules. Ich bedanke mich des ritterlichen Helden/ antwor- tete er/ welcher mich heut von ferne ein solches Gefecht hat sehen lassen/ deßgleichen Zeit meines Lebens mir nicht vorkommen ist; aber vielleicht ist es ein Schwert Gruß. Man kan es deuten wie man wil/ sagte Vologeses/ und gab ihm den Brieff zu lesen; welcher dar- auff anfing: Sihet dann Groß Fuͤrst Herkules uns Parther vor solche Leute an/ die kein Kriegsrecht gelernet haben? man hat mir nicht gesagt/ dz die beyden Gefangene verwun- det sind/ sonst wolte ich sie schon haben verbinden lassen. Aber ihre Koͤnigl. Hocheit taͤhte sehr wol/ sagte er/ wañ sie dieselben entweder gar nicht vor sich liesse/ oder ihnen mit freund- ligkeit freien abschied gaͤbe. Das erste ist schon zuspaͤt/ sagte Vologeses/ massen unser Koͤnig ihnen schon bedraͤulich zugeredet hat. Das ist mir leid/ antwortete er/ inbetrachtung des grossen verlustes/ welchen wir heut eingenommen; und ich ihn doch mit nichten unsern Voͤlkern/ welche sich in warheit tapffer gnug bezeiget/ zulegen kan/ sondern dem Unglük/ welches uns dieser beyder fremden Fuͤrsten feindschaft auffgebuͤrdet hat. Und O wolte der Himmel/ daß wir mit denen moͤchten verglichen seyn/ der Perse und Mede solten ihren Hochmuht bald sinken lassen. Kan aber solches nicht geschehen/ moͤchte ich wünschen/ wir haͤtten diese Stunde einen ehrlichen Vergleich mit den Auffruͤhrern; dann wo unser ver- folg nicht glüklicher ablauffen wird als der Anfang/ wird die Erhaltung des Parthischen Stuels nicht Menschen/ sondern den Goͤttern zuzuschreiben seyn. Doch wird man hievon zur andern Zeit zu rahtschlagen haben/ da Koͤnigl. Hocheit Wille und Befehl die einige Richt- Fuͤnftes Buch. Richtschnur meines verhaltens (so viel in meiner Kraft ist) seyn sol; vor dißmahl werden wir des Gebohts erwarten/ wie es mit diesen Gefangenen solle gehalten werden. Es ver- droß zwar Artabanus diese Rede nicht wenig/ als welche zur wiedererlangung der Fraͤu- lein gar nicht vortraͤglich wahr/ durfte sich doch dessen nicht merken lassen/ weil Pakorus im ganzen Reich ein sehr grosses ansehen hatte; gab auch vor dißmahl ihnen beyden die Freyheit/ mit diesen beyden Gefangenen (denen sonst billich die Zunge solte außgeschnitten werden) nach willen zuhandeln. Da setzete sich nun Vologeses nider in seinem Zelt/ schrieb eine Antwort an Herkules/ und schenkete dem Trometer 100 Kronen; sendete doch den Brieff bey seinem Leib Trometer in dieses Geselschaft fort/ welche/ fehlete nicht viel/ auff diesem kurzen Wege von den Scheltworten zun Schlaͤgen geschritten waͤhren. Pakorus ließ inzwischen Leches und Klodius Wunden besichtigen/ welche wenig zubedeuten hatten. Artaxerxes/ e npfing nach gehaltener Schlacht unsere Helden uͤberaus freundlich/ dañ er ha tte em hohen Elefanten ihr wolverhalten gutenteils gesehen/ wuste auch daß die bey ste Feld Herrn Karthasis und Pandion durch ihre Hand erleget und ge- fangen wahren. Sie wolten als Obsieger von der Wahlstat nicht weichen/ sondern schlu- gen daselbst ihr Lager/ liessen die Zelten auffrichten/ und alsbald mit einem Graben umbge- ben/ welches in zwo Stunden fast geschehen wahr/ uñ die Gefangene mit hoͤchster verwun- derung ansahen/ denen aller guter wille als Freunden/ so wol von Artaxerxes und Phra- ortes/ als von unsern Helden erwiesen ward. Ihre Wunden wahren bald anfangs auffs fleissigste versehen; insonderheit stellete Artaxerxes sich hoͤflich gegen den Skythen/ uñ In- dier/ dann sie wahren vor dem in der Jugend mit ihm unter einem Obersten/ Ritmeister gewesen. Karthasis aber steckete es ihm nicht unter die Bank/ sondern sagte duͤrre heraus; Versichere dich Herr Bruder/ daß deine Menge den endlichen Untergang von dir nicht wuͤrde abgekehret haben/ wann der kleine teutsche Hauffe mit ihrem Groß Fuͤrsten nur ein halbviertelmeilichen von dir solte gewesen seyn. Gut Herr Bruder/ antwortete er/ stinken dieselben deinen Skythen so gewaltig zu/ muß ich mit meinem H. Bruder Groß Fuͤrst Herkules handeln/ daß er sie dir nicht lasse nachhauen/ wann du nun Morgen nach Charas wol gar zu fusse wirst neben dem Wüterich hertraben muͤssen/ dem du nit ohn beleidigung unser Freundschaft deine Dienste wieder mich angebohten hast. Pandion/ der etwas fre- cher wahr/ ersetzete dieses also: Ja Herr Bruder/ wann nun dieses geschehen solte/ wem wuͤrde dann die Ehre des Sieges seyn? wuͤrde man alsdañ nicht sagen; Groß Fuͤrst Ar- taxerxes aus Persen ist kek durch andere Leute? wie er dann freilich ist. Aber wie wirds fal- len/ wann diese Schuz Goͤtter abzihen werden? Ich ruͤhme mich des beystandes meiner ge- traͤuen Freunde/ antwortete er/ und ihre Ehre zubefodern/ sol mein Gut und Blut mir nit zu lieb seyn; wir wollen aber diese Schuz Goͤtter bey uns behalten/ und dem einen den Par- thischen; dem andern den Indischen Reichsstuel erstreiten helffen; dann der Hoch Fuͤrstl. verbundnis Vorsaz gehet nicht weiter/ als den Parthischen Hochmuht zu daͤmpffen/ und an dessen stat einen Koͤnig zusetzen/ der seine Fuͤrsten nicht als Leibeigene/ sondern als freun- de haͤlt. Herkules trug unwillen an diesem Gespraͤch/ und gab er Karthasis zur Antwort: Meine Herrn; sie nach ihrer alten bruͤderlichen Kundschaft haben dieser Scherzreden gu- te Freyheit/ sonsten wann es zur ernstlichen verantwortung kommen solte/ muͤste ich trauen zeu- Fuͤnftes Buch. zeugen/ daß nit allein meine wenige Leute/ sondern auch andere sich redlich gehalten; zwei- fele auch nicht/ es haͤtte Groß Fuͤrst Artaxerxes durch seine Voͤlker eben dasselbe verrich- tet/ was durch anderer zuzihung geschehen. Es wahr von Artaxerxes befohlen/ daß alle die bey Leches so schaͤndlich gehalten/ solten Wehrloß gemacht/ und hingeführet werden/ daß sie in der Gefangenen gegenwart der zehndeteil gehenket/ die andern aber alle zur ewigen Knechtschafft verstossen wuͤrden. Aber Groß Fuͤrstin Valiska brachte es mit ihrer Vor- bitte dahin/ daß aus dem verurteileten zehndenteil der zehnde solten zur straffe gezogen/ uñ die andern ihr geschenket werden; welche sie also anredete: Freylich habt ihr alle mit ein- ander den Tod wol verdienet/ weil ihr eure Fuͤhrer verlassen/ und aus furcht davon geruͤc- ket seid; aber ich wil euch vor meine Fuß Schuͤtzen bestellen/ und da in kuͤnfftiger Schlacht ihr euch redlich halten/ und den heutigen Schandflek abwischen werdet/ sol alles gebuͤsset seyn. Vor welche Gnade sie einen demuͤhtigen Fußfall tahten/ und nach dem sie auffs neue in aͤid genommen wahren/ sich verbunden/ entweder ehrlich zusterben/ oder das Verbre- chen einzuhohlen; da endlich Valiska auch die andern verzehndeten biß auff drey Koͤpffe verbaht. Vologeses und Pakorus tahten Leches und Klodius guͤtlich/ stelleten ihnen ihr Gewehr/ Waffen und Pferde zu/ und liessen sie in begleitung 50 Parthischer Reuter nach Artaxerxes Lager zihen; machten sich hernach wieder nach Artabanus/ und frageten/ wie ihre Koͤnigl. Hocheit es nach diesem wolte gehalten haben; Weil er aber ihre meynung zuvor hoͤren wolte/ ließ Vologeses alle Feld Herrn hinzu fodern/ da er also anfing: Es ist das Gluͤk uns heut sehr zuwieder gewesen/ da des feindes Schwert uͤber den halben teil unser Reuterey nidergehauen und hart verwundet/ insonderheit/ welches zubeklagen/ fast das ganze Skythische Heer/ und das Indische zugrunde gerichtet hat/ da wir doch meine- ten/ sie allein waͤhren gnugsam/ des feindes Macht zubrechen. Ich weiß nicht/ wie so gar alle dinge der veraͤnderung unterworffen sind/ und ein jeder seinen Meister findet; dañ wo vor hat Karthasis mit seinen versuchten Reutern sich bißher gedemuͤhtiget? oder wo ist er nit durchgebrochen/ wo er ernstlich angesetzet? Und vor dißmahl hat eine geringe hand- vol Volks ihm fast den Garaus gemacht. Ich schreibe den Persen nichts haͤuptsachliches zu/ ob sie gleich umb ein grosses sich gebessert haben; ihres Gebeins solte nicht uͤbrig seyn/ wann Herkules und Ladisla mit ihren wenigen Teutschen und Roͤmern (dann die Boͤh- men haben nicht eins getroffen) ihre Vormaur und Schuz nicht gewesen waͤhren. Nun ist gleichwol die Parthische Macht hiedurch noch nicht gebrochen/ aber doch zimlich ge- schwaͤchet/ welches ich freylich der himlischen Verordnung zuschreibe/ die uns sehen laͤs- set/ das alles Irdische der Verwandlung unterworffen sey. Vor dißmahl werden wir al- len unsern Wiz/ Krafft uñ vermoͤgen anzuwenden habẽ/ wie die empfangene grosse Wun- de zuverbin den und zuheilen sey/ da wir unter zweien Wegen gewißlich einen zuwaͤhlen ha- ben; nehmlich den Streit Morgendes Tages fortzusetzen/ oder einen kurzen anstand der Waffen zu machen; dann ein voͤlliger Vertrag scheinet noch zur Zeit allerdinge unmoͤg- lich. Sol ich nun mein Herz außschuͤtten/ und vor meinem großgebietendem Koͤnige und diesen verstaͤndigen Feld Herren/ als unsers Reichs Seulen/ meine unverfaͤngliche Mey- nung sagen; so ist gewiß/ daß der Sieg an unser seiten nicht allein mißlich/ sondern fast un- moͤglich seyn wird/ inbetrachtung daß unsere Feinde uns nunmehr ohn zweiffel an Reute- m rey Fuͤnftes Buch. rey uͤberlegen sind/ und wir bloß allein auff unsere uͤbrige Parther uns zuverlassen haben. Wolte aber jemand einwenden/ wir koͤnten von unserm Fußvolke ein halbhundert tausend Mann beritten machen; gebe ich solches zwar nach/ halte aber davor/ es sey vor dißmahl dem Parthischen Stuel nichts heilsamers/ als daß wir uns zuruͤcke zihen/ und uns an eine Enge legen/ das Heer gewaltig staͤrken/ und den muhtigen Feind etliche Wochen auffhal- ten; alsdann werden wir des sichersten spielen/ und nicht durch unzeitigen Eifer verwar- losen/ was Kindes Kinder wuͤrden beklagen muͤssen. Jedoch/ solte Koͤnigl. Hocheit ein an- ders gesinnet seyn/ und die anwesende Fuͤrsten meinen Vorschlag aus einigem grunde zu tadeln haben/ wil ich folgen wohin man mich haben wil/ nur allein/ daß meine Reden wol erwogen/ und als redlich und traͤuherzig auffgenommen werden moͤgen. Artabanus mer- kete/ daß die uͤbrigen ihnen diesen Vorschlag nicht uͤbel gefallen liessen/ wuste auch aus Pa- korus vorigen Reden/ daß derselbe einer gleichen Meynug wahr/ daher er niemand mehr wolte lassen zun Worten kommen/ sondern fuhr also fort: Wann die Auffrührer umb an- stand anhalten wolten/ wuͤrden wir ihnen denselben nicht umb hundert Tonnen Goldes verkaͤuffen; aber Vologeses duͤrffte ihnen denselben fast anbieten. Sind wir dann irgend schon aus dem Felde geschlagen? oder sind wir so gar bloß von Kriegsleuten/ daß wir aus Noht dem Feinde weichen muͤsten? wir haben ja noch mehr als 300000 bewehrter Mañ umb uns/ und wissen/ daß wir den Feind an der menge uͤbertreffen/ welcher uns ja seines Bluts auch wird gegeben haben. So sind unsere Parther/ der Kern und außbund unsers Heers noch zum Treffen nicht kommen/ und wolten am Siege verzagen? Ey mein Vo- logeses/ lasts seyn/ daß wir eine Handvol Knechte mehr verlohren haben/ als der Feind/ sol- te daß unsern Muht brechen? ja lasts seyn/ daß die ganze Reuterey geschlagen waͤhre; muͤ- sten wir deßwegen uns vor den abtruͤnnigen Buben in einen Winkel verstecken? der Re- gen beuget die Kraͤuter nach der Erden/ und drücket ihnen den Kopff nider/ aber er teilet ihnen zugleich die Krafft mit/ sich wieder auffzurichten. Ein unverzagtes Herz muß auch wol einen Schimpff uͤber sich nehmẽ/ aber es suchet sein Schart außzuwetzen. So ist dem- nach unser Vorsaz und Schluß/ mit dem Lager eine gute halbe Meile hinter uns zuruͤcken/ umb so viel bessern Raum zur morgenden Schlacht zugewinnen/ und daran zusetzen/ was in unserm vermoͤgen ist/ was gilts/ es werden Morgen die himlischen Zeichen anders stehẽ als heut. Daß wir aber von anordnung der kuͤnftigen Schlacht unsere Meynung sagen/ so halten wir von dergleichen Treffen nicht/ da man mit zerteileten Voͤlkern fechtet. Mañ lasse Morgen den hellen Hauffen treffen/ dann so dringet die Macht besser durch/ insonder- heit beim Bogenstreit/ in welchem die teutschen Woͤlffe ja so bald und leicht als die andern koͤnnen gefellet werden. Aber auch das gesamte Schwert dringet besser durch/ und ob dañ gleich an Feindes Seiten ein Faͤhnlein oder etliche guter Knechte sind/ koͤnnen doch diesel- ben nicht allenthalben zugegen seyn/ und muͤssen endlich mit daran/ wann die uͤbrigen ge- trennet sind. Ist also noͤhtig/ unsere Voͤlker auffzumuntern und zu staͤrken. Zwar es hat ein teil der Reuterey abgesattelt/ aber die Pferde haben sich mehrenteils wieder nach un- serm Lager gewendet (wer wolte daß nicht vor ein gluͤckes Zeichen rechnen) welche man mit frischen Reutern von unserm Fußvolk freilich besetzen kan/ ob wir gleich nicht absehen koͤnnen/ warumb unser Feldmarschalk solches vor ungereimt haͤlt. Die Schlachtordnung zu Fuͤnftes Buch. zu Roß sol vor den Elefanten hergezogen werden/ daß wann der Feind sich nahet/ man von oben her mit Pfeilen in sie schiessen koͤnne. Unsere Parther stelle man die halbscheid vorne an/ die werden vor andern ihrer Mannheit und Pflicht eingedenke seyn/ und den Ohmaͤch- tigen Weichlingen den Sold ihrer Auffruhr geben. Nun wird hiemit unserm lieben ge- traͤuen Vologeses befohlen/ anzusagen/ wie ihm dieser Vorschlag gefalle. Dieser wegerte sich zu antworten/ ehe Pakorus nebest Vonones und Osazes ihre Meynung angezeigt haͤt- ten. Artabanus muste damit zufrieden seyn/ und erlaͤubete Pakorus zu reden/ welcher un- gescheuhet sagete: Er merkete wol/ daß wer sichere uñ heilsame Rahtschlaͤge vortrüge/ duͤrf- te fast daruͤber in verdacht der kleinmuͤhtigkeit fallen; koͤnte aber dannoch nicht umbhin/ zubekennen/ daß Fuͤrst Vologeses dasselbe eingefuͤhret/ worauff sonder zweiffel des Par- thischen Reichs Wolstand beruhete. Ihre Koͤnigl. Hocheit moͤchte sich allergnaͤdigst er- innern/ was neben Fuͤrst Vologeses er bey erster zubereitung zu diesem Kriege als noht- wendigkeiten eingefuͤhret haͤtte; man muͤste sich nicht nur auff eine Schlacht/ sondern auff einen Krieg schicken; man muͤste ein Heer ins Feld fuͤhren/ und das andere zum Nohtfall fertig haben; man muͤste einen gelegenen sichern Ort kiesen/ dahin man/ wans die aͤrgeste Hand gewinnen solte/ sich zihen und von neuen staͤrken koͤnte; daß alles waͤhre verworffen und verachtet. Nun stuͤnde zwar der Parthische Stuel bißher feste/ aber er stuͤnde gleich- wol nicht im Himmel/ sondern auff der Erden/ da er durch Ungluͤk (welches die Goͤtter ja verhuͤten wolten) koͤnte umgestossen werden; moͤchte demnach gerne wissen/ daß wann die morgende Schlacht unmahl fallen solte/ welches in der Goͤtter Haͤnden stuͤnde/ wie mans doch alsdann weiter anschlagen wolte; ja wie man des Koͤniges einzigen Leib in sicherheit bringen/ und aus der Feinde Klauen erretten wolte. Hierauff wuͤrde man noch wol koͤn- nen bedacht seyn/ wann man etwas Zeit haͤtte/ weil mans bißher nicht haͤtte achten wollen/ aber die bestimte und schon geschlossene morgende Schlacht verhinderte solches alles/ daß man auff nichts koͤnte gedenken/ als wie die Voͤlker in hoͤchster Eile ohn Nachtruhe moͤch- ten verstaͤrket werden; solte demnach/ zur gewinnung der teuren Zeit sein Schluß dieser seyn/ daß wann sein Koͤnig bey voriger Meynung verbliebe/ wolte er sich redlich erklaͤret haben/ bey demselben zu leben und zu sterben. Die andern erbohten sich eben dessen/ welches auch Vologeses wieder hohlete/ und mit diesem Wunsche beschloß/ daß die Goͤtter es schic- ken moͤchten/ daß nach verlauff 24 Stunden er mit fuge und warheit vor den schlim̃esten Rahtgeber und unverstaͤndigsten Kriegsmann koͤnte gescholten werden. Artabanus wahr sehr froh/ daß der Schluß also fiel/ und seinen blinden Begierden ein genügen geschahe/ dann er wahr schier Sinnloß vor Liebe/ und hatte ihm steiff eingebildet/ es muͤste ihm seine Herkuliska wieder werden/ und der Feind untenliegen. Er wolte alsbald anordnung tuhn/ woher das Fußvolk solte verstaͤrket werden; aber es erhub sich im Vorlager ein grosses freuden Geschrey/ und als man nach der Ursach fragete/ kam Karthasis daher geritten/ dem seine uͤberbliebene Leuthe diese Ehre antahten. Der Koͤnig ließ ihn alsbald zu sich fodern/ erfreuete sich seiner ankunfft/ und fragete/ wie es ihm vorstuͤnde/ und ob er auch von den Abtruͤnnigen und Fremden waͤhre beschimpffet worden. Worauff er diese Antwort gab: Großmaͤchtigster Koͤnig; ich scheuhe und schaͤme mich nicht zubekennen/ daß ich des aller- vortreflichsten und unvergleichlichen Helden/ des teutschen Herkules Gefangener gewe- m ij sen/ Fuͤnftes Buch. sen/ und von ihm in einem auffrichtigen absonderlichen Kampffe ritterlich überwunden und Krafftloß gemacht bin/ dann ich habe an ihm meinen Meister funden/ den allerbesten Kaͤmpffer/ verstaͤndigsten Feld Herrn und leutseligsten Fuͤrsten/ dessen Tugend und Froͤm- migkeit der Welt beherschung gnug faͤhig ist. Er hat mich nicht als einen Gefangenen/ sondern als einen Freund und Bruder gehalten. Das erste Geboht an seine Leute/ da er mich gefangen fortschikte/ wahr/ daß man mich ehrlich halten und redlich verbinden solte. Nach geendigter Schlacht/ hat er mir die Persische Kriegsmacht gezeiget/ die trauen nit zuverachten/ ja schwerlich zuverbessern/ aber viel anders als auff Persisch angestellet ist; und hat eure Koͤnigl. Hocheit sich zuversichern/ daß ob sie gleich auch gute Voͤlker einge- buͤsset/ dannoch ihr Kriegs Heer sich auff die 300000 Koͤpffe wehrhafter guter Mann- schaft erstrecket. Sonsten schwoͤre ich/ das kein veraͤchtliches Wort aus dieses Helden Munde gangen/ dadurch eure Koͤnigl. Hocheit/ oder deren Leute moͤchten beschimpffet seyn; Ruhmretigkeit hoͤrete ich ja so wenig von ihm/ sondern er stellete sich/ ob wuͤste er von dem Treffen nicht daß allergeringste. Alles sihet auff ihn/ alles hoͤret ihn/ alles fraget ihn/ als waͤhre er alles. Koͤnig Ladisla hanget ihm an als eine Klette/ und wahr uͤberal vergnuͤ- get/ da er seinen Herkules frisch und gesund ans der Schlacht kommen sahe/ welcher sich gleichwol etwas unwilliger uͤber eure Koͤnigl. Hocheit vernehmẽn ließ/ weiß nicht/ wegen weß empfangenen Schimpffes/ wiewol mit wenigen und unschimpflichen Worten. Darf ich meine Meynung sagen/ so geduͤnket mich/ es streiten diese beyde Helden wieder uns ohn feindseligkeit/ und wir reizen sie ohn gnug wichtige Ursachen zu unserm verderbẽ/ welches uns wenig Vortel bringen duͤrffte. Ich rede dieses nicht/ als waͤhre ich Persisch/ das ist/ traͤuloß worden/ dann an Parthischer seiten habe ich mich verbunden zu leben und zu ster- ben. Daß ich aber die Tugend auch an den Feinden ruͤhme/ wird mir niemand verargen; aber ich weiß nicht/ ob ich diese beyden Helden vor unsere Feinde halten sol. Sie gestehen/ ich habe ihnen den groͤsten Schaden getahn/ noch bin ich von ihnen als ein Freund geeh- ret/ ungeachtet eureꝛ Koͤnigl. Hocheit sache ich ungescheuhet behaͤuptet/ und des Persen ab- fall gescholten/ wobey sie sich gestellet ob ginge sie das Haͤuptwesen gar nicht an. Der Per- se hat schon viel Hoͤfligkeit von ihnen gelernet/ welches er sehen ließ/ in dem er mein Vor- bringen teils großmuͤhtig/ teils scherzhafft beantwortete/ auch teils mit stille schweigen voꝛ- bey gehen ließ; nur dieses meldete er außdruͤklich/ er moͤchte Groß Fürst Herkules den Par- thischen/ und Koͤnige Ladisla den Indischen Reichs Stuel wol goͤñen und gewinnen helf- fen/ welches sie doch/ dem aͤusserlichen ansehen nach/ beyde nicht achteten. Als wir in Ge- selschafft redeten/ trat die Goͤttliche Valiska/ Groß Fuͤrst Herkules Gemahl in das Zelt/ eine Fuͤrstin/ deren gleichen der Erdbodem schwerlich gezeuget hat; ihr gang wahr zuͤchtig/ ihr ansehen uͤber menschlich/ ihre schoͤne himlisch/ ihre Rede mit der allerlieblichsten De- muht vermischet/ doch so kraͤftig/ daß kein Pfeil so scharff durchs Fleisch dringet/ als ihre Honigsuͤsse Worte durch die Seele der Anwesenden. Artaxerxes ehrete sie als seine ge- bietende Koͤnigin; Phraortes/ den sie ihren Vater nennete/ hielt sich vor ihren Diener; der junge Arbianes in dem ein guter Landsknecht stecket/ wartete ihr auff; der Roͤmer Fa- bius/ der seinen Feind wol sehen mag/ setzete ihr den Stuel; sie aber sagte zu ihm: Mein Herr Bruder/ ich habe viel einen sanfteren Siz auff meines teuren Herkules Schosse; taht Fuͤnftes Buch. taht sich auch zu ihm nicht anders/ als ein Kind zu seiner Mutter; So ließ hingegen er nicht weniger spuͤren/ wie hoch er dieses Kleinot der Welt hielte/ in dem er beyde Haͤnde in ihre Schoß legete/ und mit ihren allerzartesten Fingern lieblich spielete; dessen er von ihr einen anmuhtigen Kuß zur vergeltung bekam. Sie hatte bey ihrer ankunft uns Ge- fangene schon mit dargebohtener Hand sehr freundlich empfangen/ und jezt fragete sie mit gebehtener verzeihung nach unsern Nahmen/ welcher von Artaxerxes genennet/ und ihr zugleich freie anordnung uͤber unsere erlassung gegeben ward; da sie mir sagete; Beruͤhm- ter Herr Karthasis/ euer Unfall ist mir leid/ so wol der Verwundung als Gefaͤngnis hal- ben/ und wann es in meinem Vermoͤgen waͤhre/ wolte ich allen Parthischen Voͤlkern auff der Wahlstat das Leben wieder einblasen/ so geneigt bin ich eurem und meinem Koͤnige/ vor die vielfaͤltige mir erzeigete Woltahten/ und muͤste mir leid seyn/ wann ihm an seiner Gesundheit etwas wiedriges zustossen solte. So seid nun gebehten/ Herr Karthasis/ und nehmet von mir eure vorige Freyheit an; ich begehre zur wiederkehr dieses gutẽ Willens von euch nur diß/ daß ihr den Koͤnig meinetwegen Freund- und Kindlich gruͤsset/ und dz seine Hocheit ich sehr bitten lasse/ dieselbe wolle forthin sich weiters nicht bemuͤhen/ mei- nen allerteuresten Schaz Herkules und mich/ in unser ehelichen Liebe zustoͤren/ dann alles sein tichtẽ/ welches eꝛ hierauf wendet/ ist vergebens uñ umsonst. Und so wahr dieses Fleisch uñ Blut ist (die Haͤnde zusam̃en druͤckend) sol kein einiges Mañesbilde mich zu seiner Lie- be bringen/ als dieser mein Gemahl/ Groß Fürst Herkules; derselbe ist der erste/ dem ich mein Herz ergeben/ und sol auch der einige und der lezte seyn/ daß mag Koͤnig Artabanus mir wol trauen. Mich tauret von Herzen/ fuhr sie fort/ dz euer Koͤnig mit seinen Fuͤrsten so hart uͤber den Fuß gespannet ist/ und ich kein Mittel weiß/ diese Feindschafft beyzulegen/ ruht mir auch leid/ daß er noch nicht ablassen kan/ meinen H. Bruder und meinen Gemahl zubeleidigen/ die er noch diesen Morgen (welches sie selber noch nicht wissen) durch einen Brieff von Groß Fuͤrst Artaxerxes hat duͤrffen zur straffe abfodern lassen. Jedoch wuͤrden sie ihm auch diese und andere unbilligkeiten verzeihen/ wann er sich im Haͤuptwerk koͤnte finden lassen/ und meinen guten Raht' annehmen/ daß er sich mit seinen Fuͤrsten verglie- che/ und uns andern unsern freien Willen goͤnnete; welches ich doch nur vor mich rede/ dann ich menge mich in so hohe sachen nicht ein. Als sie dieses gesagt; warff sie mir diese guͤldene Kette umb den Hals/ steckete mir diesen Ring an den Finger/ und nachdem ein- wolgesatteltes Pferd herzugefuͤhret wahr/ setzete sie dieses hinzu; ihr werdet/ Herr Kar- thasis dieses geringe/ als ein Pfand meines guten willens zum gedaͤchtnis behalten/ und stehet euch frey/ bey uns euer Gesundheit zupflegen/ als bey wahren Freunden/ oder nach eurem Lager zureiten/ da ihr dem Koͤnige meinen Ehrengruß veꝛmenden wollet/ und daß in gebuͤhrlicher Zucht ihrer Koͤnigl. Hocheit Dienerin ich allemahl verbleibe. Aus dieser Erzaͤhlung/ sagte Karthasis/ sihet eure Koͤnigl. Hocheit/ wie mirs in meiner Gefaͤngnis ergangen/ und wessen die Fremde gegen sie gesinnet sind. Artabanus/ der durch dieses vor- bringen die Eitelkeit seiner Begierden billich haͤtte sollen erkennen/ ward durch das Lob der Groß Fuͤrstin nur in seiner naͤrrischen Liebe gestaͤrket/ bildete ihm auch eine lautere un- moͤgligkeit ein/ zu leben koͤnnen/ wo er ihrer Schoͤnheit nicht geniessen solte; daher er in seinem Vorhaben die Schlacht fortzusetzen/ nur steiffer verblieb/ unter der Hoffnung/ sie m iij in Fuͤnftes Buch. in seine Gewalt zubringen; meynete auch/ es waͤhre eine sonderliche schickung der Goͤtter/ daß sie bey dem Zuge sich finden ließ. Diesem nach befahl er Vologeses/ die Voͤlker fertig zuhalten/ dann er wolte ohn Haͤuptstreit nicht weichen. Aber auff Karthasis Vorbringen gab er zur Antwort: Es nehme ihn groß wunder/ daß er an derer feindseligen willen zwei- feln koͤnte/ die nicht allein bey den Auffrührern sich auffhielten/ sondern mit Raht und taht ihnen behuͤlfflich/ und in allen Schlachten die foͤdersten waͤhren/ denen er doch die allerge- ringste Ursach zum Wiederwillen nicht gegeben/ sondern das Fraͤulein zum Koͤniglichen Gemahl begehret/ ihnen aber die groͤsten Fuͤrstentuͤhmer auffgetragen/ und schrifftlich ver- sprochen; welches alles von ihnen hoͤnisch veꝛspottet uñ außgeschlagen waͤhre. Das Fraͤu- lein/ welche er des diebischen Raͤubers Gemahl nennen duͤrffte/ haͤtte ihm eheliche Traͤue gelobet/ und sich nie keinmahl verlauten lassen/ daß sie sich mit einem andern verbunden/ aber wol/ daß sie der Goͤttin Vesta verlobet waͤhre; wolte deßwegen solchen Raub und ehe- bruch an dem Boͤsewicht raͤchen/ obs ihm gleich sein halbes Koͤnigreich kosten solte. Hier- auff fing er an sich nicht anders zugeberden/ als ob er besessen waͤhre; dann die Begierde nach der so hochgeruͤhmten Schoͤnheit machte ihn schier zum Narrẽ; bald erfolgete drauf eine hefftige Wuht/ daß er allen seinen Goͤttern es verweißlich vorhielt/ daß sie eine solche diebische Taht an dem Raͤuber koͤnten ungestrafft lassen. Endlich brach er auch loß wiedeꝛ Artaxerxes/ darumb/ daß er dem Raͤuber Unterschleiff gaͤbe/ und ermahnete die Anwesen- den/ sie moͤchten doch nicht goͤnnen/ daß Parthische Ehr und Hocheit so liederlich geschaͤn- det wuͤrde/ und zwar von denen/ die ihnen weder an Macht noch Adel/ noch verstande im geringsten gleicheten; er vor sein Haͤupt wolte lieber tausend Leben dran setzen/ wann er sie haͤtte/ als eine Stunde Persischẽ uͤbermuht dulden. Ob sie nicht so wol Faͤuste uñ Gewehr haͤtten/ als die Feinde; warumb sie doch dañ den Muht so leicht sinken liessen? Als seine Kriegs Fuͤrsten diese Erklaͤrung hoͤreten/ und sahen/ daß ihm die Traͤhnen nicht ferne wah- ren/ verbunden sie sich untereinander zu Siegen oder zu sterben. Insonderheit erbohten sich zehn trefliche Ritter hohes Standes/ vor der Schlacht sich in absonderlichen Kampff einzulassen/ ob an Feindes Seiten sich etliche hierzu finden wuͤrden; welches der Koͤnig mit sonderlicher Freude vernam/ und auff Herkules und Ladisla zehn tonnen Goldes und ein Fuͤrstentuhm setzete; wiewol Vologeses nicht unterlassen kunte/ den Koͤnig zu bitten/ es diese Nacht reiflich zuerwaͤgen/ ob er solches einzelne Gefechte zulassen wolte/ er vor sein Haͤupt zweiffelte nicht/ man wuͤrde damit nur Schimpff und Spot einlegen; welches aber dem Koͤnige so übel gefiel/ daß er ihn mit hoͤhnischen Worten angriff: Ob er dañ mei- nete/ daß allen seinen Helden das Herz in die Fuͤsse geschossen waͤhre. Worauff er kuͤrzlich antwortete: Des Koͤniges Wille geschehe/ und die Goͤtter geben daß er gut und heilsam sey/ ich aber zum toͤrichten Luͤgener werde. Pakoꝛus baht zugleich mit/ es moͤchte der Koͤnig nichts aus unzeitigen oder erhitzeten bewaͤgungen vornehmen/ als welche selten wol aus- schluͤgen; aber da wahr alles den Tauben geprediget. So bald der Parthische Trometer im Persischen Lager ankam/ lieferte er Herkules das uͤberschikte Schreiben ein/ der solches in der andern gegenwart erbrach/ und es seiner Gemahl laut zulesen reichete/ welches dann also lautete: Dem Durchleuchtigsten Groß Fuͤrsten/ und hochberuͤmten Persischen Feldmarschalk/ Herrn Her- Fuͤnftes Buch. Herkules/ erwiedert Vologeses freundlichen Gruß/ welcher nicht gemeinet/ daß die Unwissenheit mit Gefangenen umbzugehen/ ihm haͤtte sollen zugelegt werden. Meine Feindschafft erstrecket sich ausser dem Fechtplatze nicht/ deßwegen befinden sich die Gefangenen nach ihrem Willen; und wann ihre Wunden und Mattigkeit nicht Pflaster und Laabsaal erfoderten/ solten sie bey euer Liebe schon angelanget seyn/ dessen sie sich zu mir wol versehen moͤgen. Unsere Leute zuerloͤsen wird man sich nit wegern/ so bald man der Anfoderung berichtet ist/ an deren guter Verpflegung mir zuzweifeln nicht gebuͤhren wil. Was der morgende Himmel gibt/ wil ich mit annehmen. Ich/ nebest Fuͤrst Pakorus/ Vonones und Osazes gruͤssen eure Liebe dienstlich hinwiederumb/ und werden wir Gelegenheit su- chen/ Morgen in meinem/ oder euer Liebe Zelt das Abendmahl mit einander zuhalten. Inzwischen erbieten wir jeztgenante euer Liebe/ ausser dieser Fehde/ uns zu allen bereitwilligen Diensten/ welches auff begehren und vor sich selbst meldet und schreibet/ Vologeses Valiska lachete der Hoͤfligkeit und sagte: Wolte Gott/ daß diese Fuͤrsten ihren über- flus dem Koͤnige mitteilen koͤnten/ solte weiterer Feindseligkeit es nicht beduͤrffen; aber als viel sie zu verstehen geben/ wollen sie mit der heutigen Schlappe nicht friedlich seyn. Leches und Klodius kahmen auch an/ erzaͤhleten des Koͤniges Grobheit und ruͤhmeten Pakorus Leutseligkeit; auch wie traͤulich er neben Vologeses sich ihrer angenommen/ und sie end- lich gar auff freien Fuß gestellet; welches Artaxerxes so wol gefiel/ daß er die Groß Fuͤrstin baht/ Herrn Pandion/ Oxatres und Mithridates in begleitung 200 Persen zihen zulas- sen; wie dann geschahe/ und der Trometer 200 Kronen von Herkules bekam. Als diese Begleitung sich wieder einstellete/ zeigeten sie an/ man haͤtte sie nicht nahe an deß Feindes Lager wollen kommen lassen/ sondern die Gefangenen etliche Steinwuͤrffe vom Lager ein- gehohlet/ und sie geheissen in gutem friede zuruͤk reiten; sie haͤtten aber einen gewaltigen Aufflauff im Lager gemerket/ als waͤhre man zum Auffbruch geschaͤfftig gewesen. Tyriotes ward deßwegen mit 1200 Reutern außgeschikt/ auff der Parther Vorhaben zu achten/ welcher bey spaͤtem Abend wieder kam/ und berichtete/ der Feind haͤtte sich eine halbe Mei- le zuruͤk gezogen/ und einen bequemen Ort zum Lager genommen/ ohn zweiffel/ daß man auff Morgen Raum zur Schlacht haben koͤnte. Daher man an dieser Seite die Voͤlker speisete und zur Ruhe hinließ/ auch die das hinterste Lager besezt hielten/ abfoderte/ und die geschwaͤchete Reuterey von den Fußknechten ersetzete/ so daß Pharnabazus 8000 seines Fußvolks; Phraortes 6000 beritten machte. Hierzu wurden noch 3000 Drangianer/ 2000 Assyrer/ 3850 Hirkaner/ 11000 Arische/ 2000 Margianer/ 5000 Baktrianer/ 10000 Persen/ Fußvolks/ und 240 von den versuchtesten Wagenknechten beritten gemacht mit welchen die Reuterey ersetzet/ 180000 Mann außtrug; dahingegen das Fußvolk mit 11150 Troßbuben vermehret ward/ welches in 120000 Koͤpffen bestund; ein wolgeseztes Heer von 300000 Mann. An Parthischer Seite staͤrkete man die Reuterey ebenmaͤssig/ und wurden vor erst die Skytischen Fußknechte 16500 auff Pferde gesetzt/ und mit den annoch uͤbrigen 8000 gesunden vereiniget/ die 14000 Indier zu fusse nahmen auch Pferde/ und gingen zu ihren uͤbrigen 6000 Landsleuten. Von den Parthischen und geworbenen Fuß- knechten wurden uͤber daß noch 68300 Mann außgelesen/ die wol ehmahls zu Pferde ge- dienet hattẽ/ oder sich in der Schlacht darauff zubehelffen wusten/ dz die Reuterey 210000 Mann stark wahr; und weil aller umbliegenden Doͤrffer Flecken und Staͤdte Inwohneꝛ außgewichen wahren/ und sich bey dem Parthischen Heer auffhielten/ wurden daraus 44800 Fuͤnftes Buch. 44800 Kriegsduͤchtige genommen/ und unter das Fußvolk verteilet/ das solches auff 140000 Mann außtrug/ ein Heer von 350000 Kriegsleuten. Artaxerxes hatte viel über- lauffs von seiner Reuterey/ daß ihnen die Plunderung moͤchte gegoͤnnet werden; aber sie wurden biß auff folgenden Tag nach geendigter Schlacht hin gewiesen/ mit dem Ver- sprechen/ daß weil sie heut allein ohn das Fußvolk gefochten/ solte ihnen allein auch diese Beute vorbehalten werden; womit sie sich gerne befriedigen liessen/ und die Obersten da- her ein gutes Zeichen nahmen des kuͤnfftigen Sieges. Des folgenden Morgens machten sie beyderseits ihre Ordnung gar fruͤh; die Persische Reuterey ward in zween Hauffen gesezt; den Linken nahmen Ladisla und Fabius/ weil seine Roͤmer ihn entweder bey sich ha- ben/ oder mit ihm zu fusse streiten wolten/ daher man ihnen das erste gerne einwilligte. Bey ihnen wahren Markus/ Neda und Tyriotes/ mit 6458 Roͤmern/ 5743 Boͤhmen/ 29891 allerhand zusammen gelesenen aus dem Fußvolk/ und 47908 von den vorigen ge- sunden/ allerley Landes art. Den rechten Fluͤgel fuͤhrete Herkules/ und hatte bey sich/ Rit- ter Wedekind/ Bubazes/ Leches und Klodius; wiewol diese beyde wegen ihrer Wunden nicht fechten kunten. Seine Voͤlker die er anfuͤhrete/ wahren alle gesunde Teutschen 5801 hiebey 21200 aus dem Fußvolk gesamlete/ und 63000 von der gestrigen Reuterey; daß also ein jeder Flügel 90000 Koͤpffe starck wahr. Das Fußvolk ward in drey Hauffen ge- sezt; den ersten hatten Artobarzanes und Gallus/ 34000 Mann; den andern Pharnaba- zus und Prinsla/ 36000; den dritten Artaxerxes und Arbazes 43000. Phraortes blieb bey den Elefanten mit 5000 Schuͤtzen/ und ward Fr. Valisken ihr absonderlicher mit 2000 Persen umbgeben. Das Lager musten die Verwundeten Reuter verwahren. Vologeses wahr nicht minder geschaͤfftig/ das Koͤnigliche Heer ins Feld zusetzen. Die Reuterey teilete er unter Vonones und Osazes gleich; dieser bekam 24500 Skythẽ/ 48000 versuchte Parther/ und 32500 vom Fußvolk außgelesene. Vonones wurden 20000 Indier/ 39900 seiner gestrigen Parther/ 9300 altgeworbene Reuter und 35800 aus dem Fußvolk gesamlete zugestellet. Das Fußvolk ordente Pakorus in drey Hauffen; den ersten fuͤhrete Surinas/ 28250 versuchte/ und 11750 ungeuͤbete; den andern Orodes/ 18000 versuche/ und 22000 ungeuͤbete; den dritten Pakorus selbst/ 40000 geuͤbete und 8000 unversuchte. Die 12000 Elefanten Schuͤtzen blieben auff den Elesanten bey dem Koͤnige/ uͤber welche Madates gesetzt wahr. Artabanus ritte vor der Schlacht bey seinen Voͤlkern umbher/ ruͤhmete ihr gestriges wolverhalten/ und reizete sie mit grossen verheis- sungen zur weiteren Tapfferkeit an; insonderheit hielt er den Parthen vor/ ob sie bey so gestalten Sachen die Faͤuste sinken lassen/ und den Persen goͤnnen wolten/ ihren Stuel uͤber sie zusetzen? Alles was er in seinen Kleidern truͤge/ wolte er dran wagen/ daß solcher Schimpff den aͤdlen Arsaziern nicht begegnete; ließ sich endlich vernehmen/ wie er auff eines jeden verhalten selbst und durch andere acht geben/ und die Tapfferen reichlich be- lohnen wolte. Nachgehends rieff er die zehn Ritter vor sich/ die den Kampff anzutreten sich erbohten hatten/ und nach wiederhohltem Versprechen ermahnete er sie der Parthi- schen Mannheit. Diese schikten alsbald einen Heerhold an die unsern ab/ welche in dieser Fruͤhe schon in vollem anzuge wahren/ und weil Fabius den Vortrab hatte/ ward ihm fol- gender absags Brieff unversiegelt zugestellet: Fürst Fuͤnftes Buch. Fuͤrst Intaphernes/ Obrister Befehlichshaber uͤber die Besatzung des Groß Koͤniglichen Par- thischen Haͤupt Schlosses zu Charas. Fuͤrst Tiribazus/ Obrister uͤber 6000 Parthische Reuter. Herꝛ Ariarates/ Obrister zu Roß und Fuß. Herr Masistes Obrister zu Roß. Herr Oretes/ Obrister zu Roß. Herr Ochus/ Obrister zn Roß. Herr Kosroes/ Obrister zu Roß Herr Xerxes Obrister zu Roß. Herr Oribazus Obrister uͤber 50 Elefanten; und Herr Kantibaris/ Obrister uͤber 40 Elefanten; alle und jede gebohrne Parther und geschlagene Ritter/ versprechen hiemit/ ausserhalb Bogenschusses des Haͤuptheers ohn arge List und gefaͤhrde/ auff der wahlstat mit gebuͤhrlichem Ritter-Gewehr/ Speer und Saͤbel zuerscheinen/ und einen absonderlichen Beweißtuhm ihrer Mannheit abzulegen/ dafern an gegenseiten jn- oder außlaͤndische Ritter/ Fuͤrsten und Herren Standes sich werden finden lassen/ einen ritterlichen Kampff mit gleichmaͤssigem Gewehr einzugehen/ unter dieser Bedingung/ daß der uͤberwundene/ welcher sich gefangen gibt/ mit gewoͤhnlichem Loͤsegelde sich frey machen sol/ es waͤhre dann/ daß die hohe Obrigkeit auff ihn zu sprechen haͤtte. Und werden die Kaͤmpffer sich nicht wegern/ ihren Nahmen hin wieder zu melden. Fabius brachte diesen Brieff selbst an Herkules uͤber/ und baht/ seinen Nahmen un- ter den Kaͤmpffern mit anzugeben/ da der Streit vor sich gehen wuͤrde; aber Herkules re- dete ihm ein/ es waͤhre kein Feld Herr an Parthischer Seite geneñet/ und er schiene gleich- wol/ daß sie Hoffnung haͤtten/ er und sein Ladisla wuͤrden sich finden lassen; wozu er sich aber/ angesehen seines tragenden Amtes/ zu hoch hielte; welches Fabius auch bedenken moͤchte. Ritte darauf alsbald nach Artaxerxes uñ Ladisla/ wurden wegen der Gegenkaͤmp- fer/ die sich selbst anbohten/ bald einig/ und setzeten dieses Antwortschreiben auff. Herr Wedekind/ Teutscher Ritter/ Groß Fuͤrstlicher Erb-Kammer Herr/ Obrister uͤber 2000 Teutsche Reuter. Herr Herman/ Teutscher Ritter/ und Obrister uͤber 1500 Schlachtschwerter; H. Reda/ Ritter und Obrister uͤber 3000 Boͤmische Reuter. H. Siegfried Teutscher Ritter und Obri- ster uͤber 1000 Teutsche Reuter. H. Prinsla Boͤmischer Ritter und Obrister. H. Marx Roͤmischer Ritter/ Obrister uͤber 500 Roͤmische aͤdle Freyreuter. H. Kajus Autronius Roͤmischer Ritter und Obrister Statverweser uͤber 6000 Roͤmische Reuter. H. Tyriotes/ Ritter/ Obrister uͤber 6000 Su- sianische Reuter. H. Arbazes Ritter/ Obrister Statveꝛweser und Unterfeldmarschalk eines Persischẽ Fuß Heers. Und H. Bubazes Ritter/ Obrister zu Roß und Fuß/ und Befehlichshaber uͤber die Be- satzung des Groß F. Persisches Haͤuptschlosses zu Persepolis/ fuͤgen den Parthischen Außfoderern zu wissen/ daß der Kampff von uns wieder sie unter vorgeschriebenen bedingungen angenom̃en sey/ jedoch/ daß das Loͤsegeld eines jedweden nicht unter 4000 Kronen gesetzet werde; auch allemahl nur zween sich schlagen/ und dem Uberwinder frey stehe/ den andern/ dritten/ und so lange ihm gefaͤllig/ außzufodern; alles redlich und auff guten Glauben. Als der Heerhold dieses uͤberbrachte/ uñ weder Herkules noch Ladisla sich im Schꝛei- ben meldete/ verdroß es die Außfoderer nicht wenig. Aber Ariarates sagte: Fuͤrst Volo- geses und Pakorus haben dieses unserm Koͤnige schon gnug zuvor gesagt/ daß so grosse Feld Herrn sich gegen niemand als ihres gleichen Beampten setzen wuͤrden; so duͤrffen wir auch die genenneten Ritter ohn angezeigete Ursach nicht verwerffen; weiß auch nicht ob wir ihren bedingungen uns entbrechen koͤnnen/ nach dem sie unsere angenommen. Es wuste niemand zu wiedersprechen/ nur daß Intaphernes sagete: Ich gedenke/ die Teut- schen werden mit den ungeheuren Schlachtschwertern ankommen/ welches man ihnen/ als unritterlich und dieses Orts unsitlich nicht goͤnnen wird; im uͤbrigen bin ich mit allem wol zu frieden/ und da mirs mißlingen solte/ wil ich unter 8000 Kronen meinem Ansieger nicht erlegen/ weil ich merke/ daß jene nicht allein umb die Ehre sondern auch umb den Ge- n win Fuͤnftes Buch. win spielen wollen. Tiribazus hielt vor rahtsam/ daß dem Feldmarschalk Vologeses der Antworts-Brieff schleunigst zugeschikt wũrde/ ob etwan der Feld Herꝛen einer oder ander/ an Herkules oder Ladisla die Außfoderung legen wolte; dann man saͤhe den Feind schon heran rũcken. Vologeses machte sich mit dem Schreiben nach dem Koͤnige/ welcher we- nig freude daraus schoͤpffete/ und den Vorschlag taht/ daß Pakorus und Osazes es wieder unsere Helden wageten. Aber Vologeses legte ihm vor Augen/ was vor Gefahr drauff stünde; weil vor erst die Uberwindung sehr zweiffelhaftig; hernach auffs wenigste nicht ohn hefftige Verwundung wuͤrde erhalten werden; wann nun diese ihre beyde Handfesteste Feld Herrn vor der Schlacht zum Gefechte solten undüchtig gemacht werden/ koͤnte sol- ches ohn des ganzen Heers merklichen Schaden nicht geschehen; es waͤhre viel sicherer/ diese fremde Fuͤrsten im Treffen zufahen oder niderzulegen/ als durch einzelne Ritter. Also muste Artabanus sich hiemit befriedigẽ lassen/ unter der Hoffnũg/ er wolte in der Schlacht ihrer maͤchtig werden. Inzwischen zohe das Persische Heer foꝛt/ uñ hatten die zehn Kaͤmp- fer sich mit guten Speeren uñ Schwertern versehen; Weil dañ ihre Außfoderer die Bahn schon eingenommen hatten/ ritten sie auch hinzu/ und hielten die drey Teutschen an/ daß ih- nen der Angriff moͤchte gegoͤnnet werden; solte es ihnen dann gluͤcken/ daß sie mehren als dreyen ansiegeten/ wolten sie des Loͤsegeldes nicht mehr als auff einen Mann geniessen; worin man ihnen nicht wiedersprechen wolte. Als nun Kantibaris die erste Außfoderung taht/ welches er mit dem Speerwinken zuverstehen gab/ ritte ihm Wedekind frisch entge- gen/ und warff ihn im ersten Treffen herunter/ sprang ihm nach/ und ehe er sich auffrichten kunte/ fassete er ihn bey den Fuͤssen/ schleppete ihn von der Bahn/ riß ihm den Helm ab/ uñ fragete/ ob er sterben oder 4000 Kronen geben wolte; welches ihm Mardus als Dolmet- scher vortrug; dieser aber zur Antwort gab; er liesse es bey der schrifftlichen Bedingung/ und ward von Neda nach dem Heer gefuͤhret. Wedekind setzete sich wieder auff/ und be- gegnete Oribazus/ der ihm vorgenommen hatte sich besser zuhalten/ aber nur in Gedanken/ dann der Teutsche wolte ihn nicht vom Pferde stossen/ sondern im vorbey rennen ergrieff er ihn beim Arme/ und schleppete ihn bey dem Pferde her/ da er ihn also huͤbsch davon brachte; seumete sich weiters nicht/ sondern weil Xerxes sich schon gestellet hatte/ rante er ihm entgegen/ warff dz Speer hinweg und ließ frisch auff sich stossen/ fassete das Schwert/ welches nicht laͤnger/ aber dicker und breiter als die gewoͤhnlichen wahr/ und schlug ihn da- mit flaͤchling uͤber den Kopff/ daß ihm schwinden ward/ deßwegen er ihn mit sampt dem Pferde hinweg fuͤhrete. Artabanus mit seinen Leuten sahe diesen spoͤtlichen Handel an/ uñ taht ihm der Schimpff so weh/ daß ihm die Augen uͤbergingen. Vologeses aber sagte: Al- les was aus unzeitigem Eifer vorgenommen wũrde/ pflegete solchen und keinen bessern Außgang zugewinnen/ und da ihre Koͤnigl. Hocheit wuͤrde fortfahren/ des Zorns sich an stat der Vernunfft zugebrauchen/ wuͤrde das Spiel sehr bald zum Ende lauffen. Es wuͤr- de sich der Koͤnig erinnern/ wie traͤulich er diesen Kampff wiederrahten haͤtte; aber er waͤhre nunmehr fast abgeschrecket/ weiter zu rahten/ weil niemand besser und lieber/ als schaͤdliche Schmeichler und unbesonnene Großsprecher gehoͤret würden. Mann solte ja billich der Teutschen gestrige Tahten betrachtet haben; und wolte er seines teils gerne eine Tonne Schatz drumb geben/ daß das Spiel nicht angefangen waͤhre/ welches ihr ganzes Heer Fuͤnftes Buch. Heer verzagt/ und die Feinde muhtig machete. Endlich erklaͤrete er sich mit duͤrren Wor- ten/ dafern ihre Koͤnigl. Hecheit ihrer angenommenen jetzigen Art nach/ weiters verfahrẽ wuͤrde/ wolte er seines Dienstes erlassen seyn/ oder in Gegenwart des ganzen Heers sein Ampt ablegen/ und sich selbst darauff entleiben/ damit er nicht der Feinde Spot werden moͤchte. Der Koͤnig durffte ihm nicht einreden/ und wahr so betruͤbt/ als stuͤnde der ganze Sieg auff diesem Kampffe. Hingegen lachete Artaxerxes das Herz vor freuden/ und sag- te zu unsern beyden Helden/ zwischen denen er zu Pferde hielt: Nun habe ich mein lebelang solche Krafft und staͤrke an keinem Ritter gesehen/ und moͤchte nicht mehr wuͤnschen/ als daß unser einer unvermerkt bey Artabanus stuͤnde/ umb seine Raserey anzuhoͤren. Der- selbe wuste nun nicht/ wie ers bestangreiffen solte; den annoch uͤbrigen den Kampff zuver- bieten wolte sich nicht schicken/ und sahe doch vor Augen/ daß sie alle an den elenden Tanz muͤsten; dann Kosroes wahr schon der vierde von Wedekind uͤberwunden/ welcher im er- sten Stosse zwar herunter gestochen wahr/ aber doch auff die Fuͤsse kam/ und den Schwert- streit anfing/ wiewol er nach wenig Hieben mit dem Leben bezahlen muste; dann er schlug ihm das rechte Bein oberhalb dem Knie rein hinweg/ daß er zur Erden stuͤrzete/ wolte ihn aber doch nicht liegen lassen/ sondern bey dem andern Beine schleppete er ihn davon/ loͤsete ihm den Helm auff/ und sahe daß er schon mit dem Tode rang/ gleich da auff Vonones Raht Mithridates mit 12000 Parthischen Reutern loßbrach/ und ein grosses Feldge- schrey machete/ daß die Kaͤmpffer beyderseits sich etwas zuruͤk zogen; aber Wedekind er- mahnete seine beyden Spießgesellen/ ihm zu folgen/ setzeten unter die sechs Parthischen Außfoderer mit ihren Schwertern tapffer hinein/ dessen sich diese nicht versehen hatten/ und doch nicht außreissen durfften/ stelleten sich demnach zur gegenwehr als gut sie kunten/ insonderheit Intaphernes und Tiribazus samt Orodes hielten sich wol/ aber Ariarates uñ Masistes wurden im ersten anfal verwundet und von den Pferden gestuͤrtzet. Ochus waͤh- re gerne außgerissen und fuͤrchtete sich doch des Schimpffs/ bedachte sich eines andern/ und fiel als ein Rasender an/ daß er auch Hermans Pferd niderhieb; aber es ward ihm nicht uͤbersehen; dann Wedekind schlug ihm die rechte Hand reine hinweg/ so wahr auch Herman schon zun Beinen/ gab ihm vollends den Lohn/ und sties ihm das Schwert in den Leib daß er vom Pferde fiel/ auff welches dieser sich gerade setzete/ und mit seinen gehuͤlffen es so weit brachte/ daß die uͤbrigen fünffe alle hart verwundet sich ergeben und mit ihnen reiten musten; hatten also acht lebendige und zween todte gefangene/ welche sie doch mit sich fuͤhreten. Artabanus waͤhre des handels schier tolle worden/ auch die uͤbrigen wahren des leidigen falles sehr betruͤbet; aber endlich verwandelte sich die Traurigkeit in einen wuͤti- gen Eifer/ daß sie alle schwuren/ den Schimpff zu raͤchen/ oder darüber zu sterben. Ey sagte Vologeses/ dieser Vorsaz gefaͤllet mir wol/ daß ich am Siege so groß nicht zweiffeln wil/ wann wir nur die Vorsichtigkeit nicht bey seit setzen; und ist mir lieb/ daß Mithridates nit uͤber befehl gehandelt sondern der Pfeile geschonet hat; wie er auch nur einen blinden Ler- men zu machen außgeschicket wahr. Nun hatten sich aber die unsern dadurch nicht schrec- ken lassen/ sondern da er naͤher kommen waͤhre würde er schon seine Bestreiter angetroffen haben. Als er aber mit den seinen so schleunig umbkehrete/ erkenneten die unser daher/ daß er nur/ einen blinden Aufflauff zu machen loßgebrochen wahr/ umb den elenden Kampff n ij auff- Fuͤnftes Buch. auffzuheben. Bald hernach ward Herkules gewahr/ daß die Reuterey an Feindes seiten sich zuhinterst weit von einander taht/ deßwegen er zu Artaxerxes sagte: Gewißlich hat der Feind ein Stuͤkchen mit den uͤbrigen Streitwagen vor. So muͤssen wir ihm begegnẽ/ antwortet er: Ließ die Reuter/ welche vor dem Fußvolk her sich außgebreitet hatten/ von einander gehen/ und foderte die bestelleten Wagehaͤlse mit den langen Spiessen/ und mit dem Feur herzu/ welche den Wagen/ so Gliedsweise zwanzig stark gingen/ muhtig entge- gen traten. Nun hatte aber der Feind einen Rank erdacht/ diesem Unheil vorzubauen/ und geblendete Pferde fornen an gespannet/ welche der Fuhrman/ so fornen auff dem Wagen saß/ und mit einem breiten Schilde bedecket wahr/ gewaltig zerpeitschete/ so bald die mit dem Feur sich naheten/ welches an etlichen verfing/ daß sie durchbrachen; deßwegen Ar- taxerxes 500 gute Fußschuͤtzen ihnen an die Seite stellete/ und gegen sie ũber 600/ welche den Wagen so viel Pfeile entgegen schicketen/ daß von den 100 voͤrdersten und aͤussersten Wagen keiner wahr/ an welchem nich gelaͤhmete oder erschossene Pferde solten gewest seyn/ die Vermoͤgen den aber durch ihr ruͤk und auer lauffen eine solche Verwickelung ma- cheten/ daß es abscheuhlich zu sehen wahr; dann weil die hintersten und mittelsten fort ge- trieben wurden/ und doch von den voͤrderen eingeschlossen wahren/ verwundeten sie sich selbst an den scharffen Sensen/ biß sie endlich in einem Klumpffen stecketen/ und weder vor noch hinter sich kunten; doch wahren im anfange 25 von den Persischen Feurtraͤgern teils beschaͤdiget/ teils gar umbgebracht/ und macheten des Feindes Schuͤtzen sich auch herbey/ daß von den 500 der unsrigen/ so zu den Seiten der Wagen hergestellet wahren/ nur 200 zurük kahmen/ wiewol auch die Feinde 250 im stiche liessen. Weil dann die Wagen nichts wirken wolten/ taht Vologeses befehl/ daß so wol Osazes an der linken/ als Vonones an der rechten Seiten den Angriff mit Pfeilen tuhn folten/ also/ daß wann sich der Feind ih- nen wuͤrde eiferig entgegen stellen/ sie sich nicht zu weit vertuhn; da sie aber an ihrer stelle halten blieben/ sich ihnen naͤhern solten/ so daß sie sich dabey nach moͤgligkeit schuͤtzeten. Diese brachen loß und gingen getrost hinan/ weil wegen der zimlich weiten abwesenheit des Fußheers sie vor ihrem Geschoß sich nicht fuͤrchten durfften; als sie nun sich den un- sern nahe gnug seyn merketen/ druͤcketen sie hefftig loß/ daß die Pfeile in grosser menge her- zu flogen. Aber Herkules und Ladisla hatten die Anzahl der durchnaͤheten Pferdedecken diese Zeit her auff 18000 gemehret/ welche vor den Voͤlkern mit breiten Schilden hielten/ und von den Pfeilen aufffingen was nicht überhin ging. Die aber hinter diesen hielten/ wirketen mit ihrem Geschoß ungleich besser/ weil die Feinde mit dergleichen beschuͤtzung sich nicht verwahret hatten. Noch hielten sie in diesem unauffhoͤrlichen Schiessen eine halbe Stunde an/ biß sie endlich sahen/ daß der Verlust gar zu groß wahr/ und deßwegen den Abzug nahmen/ nachdem an Seiten Osazes 4600 von seinem neuen Zusaz erschos- fen/ und 5400 eben derselben hart verwundet/ auch 12000 Pferde/ teils Tod/ teils hart be- schaͤdigt wahren. Vonones verlohr 3560 seiner neuen Voͤlker; 7040 wurden davon zum Gefechte unduͤchtig gemacht/ und uͤber 8000 Pferde gefellet; dahingegen Herkules nur 530 verlohr/ und 1100 verwundet wurden/ mehrenteils Meden und Susianer. Bey Ladisla stuͤrzeten etwa 1300/ und 980 wurden sehr schadhaft/ mehrenteils Hirkaner und Arische. Aber die breiten Schilde stecketen so voller Pfeile/ daß die Reuter sie schwere hal- ben Fuͤnftes Buch. ben kaum halten kunten. Osazes ließ an seiner Seiten 10000 Neugeruͤstete und 8000 alte Reuter unter Mithridates ungestuͤm gnug loßgehen; neben ihnen her stuͤrmeten die Sky- then ingesamt auch auff Herkules an/ unter ihrem Groß Obristwachtmeister Sargapises/ der an des erschlagenen Argunthis stelle gesetzet wahr/ dann Karthasis kunte wegen seineꝛ Wunden keinen Harnisch fuͤhren. Herkules schikte Bubazes mit 12000 alten und 4000 neugesamleten jenem entgegen; den Skythen muste Wedekind mit 2000 Teutschen/ un- ter welchen 600 Schlachtschwerter wahren/ und 15000 alten Reutern begegnen. Vo- nones ließ seinen Archelaus mit 9000 neuen und 10000 alten Reutern auff Ladisla ange- hen; denen Neda mit 6000 neuen/ 10000 alten/ und 1500 Boͤhmen sich wiedersetzete. Ne- ben Archelaus ging Paras Feldwachtmeister loß mit 12000 neuen und 8000 alten Voͤl- kern; gegen welchen sich Markus setzete mit 1000 Roͤmern/ 9000 neuen/ und 6000 alten Reutern. Anfangs gab es an allen Seiten fast gleichmaͤssige Blutstuͤrzung; Mithrida- tes wahr ein verwaͤgener Ritter/ der seiner Leute wenig schonete/ wann er den Feinden scha- den kunte/ deßwegen er auff Bubazes sehr hefftig anging/ welcher dagegẽ behutsam fuhr/ und zu erst sich begnuͤgen ließ/ daß er die seinen vom hinterweichen abhielt; hernach mah- nete er sein Haͤuflein/ daß umb ihn hielt/ und 800 stark wahr/ mit wenigen auff/ frisch durch zubrechen/ welchen die andern blindlings folgeten; dann die gestrige/ den 8000 außgeris- senen angedraͤuete straffe/ warnete sie/ daß vor dem Feinde sterben ehrlicher waͤhre/ als durch Buͤttels Hand auffgeknüpffet werden. Und eben dieser Vorsaz verzweifachete ihre Kraft/ daß sie mit ganzer Wuht anfielen/ und den Feind endlich hinter sich trieben. Weil ader Bubazes mit seiner Leibschaar gar zu eifrig nachsetzete/ ward er nach zimlicher Ver- wundung gefangen/ und Vologeses zugefuͤhret/ der ihn alsbald verbinden ließ. Seine ũ- brige Voͤlker erfuhren solches etwas spaͤte/ hoffeten ihn noch wieder loß zu machen/ und setzeten in den Feind mit solcher Krafft/ daß sie nicht mehr bestehen kunten/ und Mithrida- tes von einem tapfferen Medischen Obristen/ nahmens Agabazus vom Pferde geschlagen und hart verwundet nach Herkules gebracht ward/ der ihn Artaxerxes zusendete/ und zu- gleich von Ladisla begehrete/ daß er ihm Tyriotes schicken moͤchte/ nachdem es ihm an Heerfuͤhrern mangelte. So bald derselbe ankam/ muste er mit 2000 alten Reutern Bu- bazes hauffen zum Entsaz gehen/ welche nach Mithridates Gefaͤngnis hefftig gedraͤnget wurden; massen die Parthischen als verzweiffelte Leute fochten/ ihren Fuͤhrer zu raͤchen. Aber Tyriotes ankunfft brach ihr Wuͤten/ und setzete alles wieder in guten Stand. Zwi- schen Wedekind und Sargapises ging es sehr scharff zu; dann diese wolten ihrer Lands- leute Niderlage raͤchen/ und jene ihr Leben nicht wolfeil verkaͤuffen/ daher die Blutstuͤr- zung dieses Orts am hefftigsten wahr. Die Teutschen musten anfangs sich schonen/ und mit den andern Voͤlkern die Skythen sich abarbeiten lassen/ welches den Persen schier zu schwer gefallen waͤhre; aber sie wurden zu rechter Zeit entsetzet/ da Skyles ein sehr ver- waͤgener uͤber aus armstarker Obrister unter den Skythen sich an Wedekind machte/ ihm das Pferd unter dem Leibe erschlug/ und ihn selbst zu fahen/ alle bemuͤhung anwendete; a- ber. Wedekind kam zun Beinen und weil seine Teutschen sich der eindringenden Skythen redlich erwehreten/ und mit den Schlachtschwertern sie abhielten/ machte er sich an seinen Feind/ der sich fuͤrchtete/ er moͤchte ihm das Pferd gleichmaͤssig erschlagen/ deßwegen er n iij abstieg/ Fuͤnftes Buch. abstieg/ und weil er ohndaß lieber zu Fusse stritte/ ging er auff diesen zu/ als haͤtte er ihn gaꝛ fressen wollen/ rieff auch mit erschreklicher Stimme/ dieses solte sein lezter Tag seyn. Aber weil Wedekind die Sprache nicht verstund/ hielt er die Antwort vor unnoͤhtig/ und em- pfing ihn dagegen mit seinem Schwerte dergestalt/ daß dieser schon merkete/ er haͤtte sei- nes gleichen antroffen. Gleichwol hatte Skyles den Vortel/ daß er ein laͤnger Schwert fuͤhrete/ auch des Schildes sich besser zugebrauchen wuste. Sie zudroͤscheten sich dermas- sen/ daß weder Schild noch Waffen gegenhalten kunten; aber in diesem versahe es der Skythe/ daß er bald im anfange sich zu sehr abmattete; dann als Wedekind seine gelinde- re Streiche fuͤhlete/ drang er mit aller Gewalt zu ihm ein/ unterlieff ihm den Streich/ uñ hieb ihm den Wirbel am rechten Ellebogen hinweg/ daß er das Schwert fallen ließ/ aber zugleich seinen Feind mit dem Schilde wieder die Brust warff/ daß er strauchelte; weil er auch mit bey den Faͤusten gleiche gerade wahr/ huhb er das Schwert mit der Linken auff/ und setzete von neuen an/ welches aber kurzen bestand hatte; dann die Wunde schmerzete ihn uͤberaus sehr; so wahr ihm Wedekinds Schild an allen Hiebẽ hinderlich/ als der ihm zu nahe trat/ daß er sein langes Schwert nicht brauchen kunte; daher er endlich außreissen wolte; aber dieser versezte ihm eins uͤber den schon verwundeten Arm/ daß er in Ohmacht niderstuͤrzete; riß ihm hernach den Helm ab/ und legte ihm den Kopff zun Fuͤssen; setzete sich auff des erschlagenen Pferd/ und mischete sich unter die streitende Schaaren. Hier ging es nun sehr hart uͤber die Skythen; dann ihrer ein guter teil wusten das Gewehr zu Pferde nicht zugebrauchen/ und wahr ihnen sehr leid/ daß sie nicht zu fusse blieben wahren. Herkules ließ noch 400 Teutsche und 3000 alte Reuter auff sie treffen/ folgete mit 100 Schlachtschwertern selbst nach/ und draͤngete Sargapises so hart/ daß er ihm die Glie- der brach/ und alles vor sich niderschlug. Nun hatte jeztgedachter noch 2000 feste Sky- then bey sich/ die sich ungetrennet zusammen hielten/ deßwegen Herkules mit allen anwe- senden Teutschen auff sie loßging/ traff Sargapises selbst an und nach ritterlichem Kamp- fe/ wozu ihm die Teutschen Raum gnug macheten/ zwang er ihn/ sich auff Gnade zuerge- ben/ ließ ihn auch alsbald nach dem Lager bringen/ woselbst Mithridates verwahret ward. Neda hatte nicht so harten wiederstand/ weil Archelaus neue Reuter sehr ungeuͤbet wah- ren/ welche als die Schaffe hingemaͤtschet wurden; und ob gleich ihr Fuͤhrer allen moͤgli- chen fleiß anwendete/ seines Feindes einbruch auffzuhalten/ wusten doch die seinen nicht/ wie sie die Glieder fest schliessen und mit gesamter Hand wieder Schlaͤge außteilen solten/ daher er endlich gezwungen ward/ dem Indier Pandion seiner Leute unerfahrenheit kla- gen zu lassen/ und daß er ihm etwa 6000 geuͤbete zum Entsaz schickete/ damit er die seinen wieder zum Stande braͤchte. Aber der Indier wendete ein/ daß er seine geuͤbete Mann- schafft von seinen ungeuͤbeten gar nicht entrahten koͤnte/ wo er sich sonst nicht ins gewisse Verderben stuͤrzen wolte; so wolten die Indier sich auch nicht trennen lassen/ und muste daher Vonones hierzu 6000 versuchete Parther unter Obristen Apreteus abschicken/ welche zimlich spaͤte ankahmen/ und doch dem erfahrnen Archelaus Raum machten/ sein uͤbriges Heer zusamlen/ von denen schon 4000 neue uñ 2500 alte Reuter abgesattelt/ auch 5000 schwerlich verwundet wahren/ da hingegen Neda nur 2000 verlohren und 1800 verwundete hatte; scheuhete sich deßwegen nicht/ auff die ankommende Parther anzuge- hen/ Fuͤnftes Buch. hen/ und hielt ihren hefftigsten Anfall redlich aus/ in welchem er 32 Boͤhmen und 840 Morgenlaͤnder einbuͤssete; worauff er ihr meister ward/ und sie fast gar umbkreissete. Ar- chelaus hatte sich wieder gesezt und wolte seine Helffer nicht im stiche lassen/ denen Neda 500 Boͤhmen und 6500 Perfische entgegen stellete/ welche sie auch gluͤklich auffhielten/ biß er mit den Parthen fertig wahr/ deren er 4000 erschlug/ und 1500 nebest ihren Fuͤhrer/ mehrenteils verwundet/ gefangen hinweg fuͤhren ließ. Paras der Parther/ und Markus liessen in ihrem Gefechte erscheinen/ daß sie beyderseits willens wahren/ an ihrer Seiten getraͤulich zu dienen; da im ersten ansatze jedweder in die 600 Mann einbuͤssete; aber her- nach ließ sichs augenscheinlich merken/ daß die unsern uͤberwogen/ und hielten sich Mar- kus neue Voͤlker so wol/ daß sie vor allen anderen neuen Schaarẽ den Ruhm davon brach- ten; dann die Roͤmer wuͤrgeten Fuß vor Fuß/ denen diese so eiferig nach setzeten/ daß sie den Feind gar auff die Flucht brachten/ nachdem derselbe 2800 alte und 6300 neue Reuter eingebuͤsset hatte/ uñ von den übrigen noch 5000 unverwundet wahren/ da hingegen Mar- kus uͤberal 3600 verlohren/ und 700 verwundete hatte; nach dem er aber seines Gluͤks sich mißbrauchete/ und den weichenden Feinden mit seinen Roͤmern zu hefftig nach draͤngete/ wendete sich Paras/ und ward Markus von einem Obristen und zween Ritmeistern der- gestalt uͤber fallen/ daß sie ihn vom Pferde rissen/ und ihn in der Flucht mit sich davon füh- reten/ nachdem sie 53 Roͤmer erschlagen/ und dagegen noch 250 Reuter eingebuͤsset hatten. Bubazes Voͤlker fochten unter Tyriotes anführung noch ritterlich wieder des gefange- nen Mithridates hauffen; welche keinen Fuͤhrer mehr hatten/ und deßwegen fast ohn ge- genwehr erschlagen wurden/ biß ihrer 5000 außrissen/ 4000 gefangen wurden und die uͤ- brigen auff der Wahlstat blieben. Doch wahren hieselbst auch 3200 von den unsern er- schlagen/ und 2300 verwundet. Nicht geringern Sieg hatten Wedekind und Herkules; dann sie hoͤreten nach Sargapises Gefaͤngnis nicht auff/ die Skythen hinzurichten/ biß ihrer 12000 gestrekt lagen/ 6500 sich gefangen gaben/ und 6000 sich durch die Flucht er- retteten. Da hingegen an unser Seite 21 Teutschen und 6000 Morgenlaͤndische drauff gangen wahren/ uñ befunden sich 16 Teutsche uñ 2800 Persische hart verwundet. Gleich dazumahl ward Neda mit Archelaus uͤberschusse auch fertig/ von denen nur 3000 durch die Flucht erhalten wurden; 1600 nebest ihrem Feld Herrn (welchen drey Boͤmische Reu- ter anpacketen) gefangen/ die uͤbrigen alle in ihrem Blute lagen. Vologeses sahe daß es den seinen schlechter als des vorigen tages ging/ und wuste des guten Rahts nicht viel- mehr. Er hatte zwar annoch fast alle seine Parthische Reuter/ die noch keinen Schwert- schlag getahn/ und andere/ teils geworbene/ teils gesamlete; aber dagegen sahe er/ daß des Feindes Reuterey ihnen nunmehr an Mannschafft moͤchte überlegen seyn (wie sie dann noch 156675 gesunde; hingegen die Parthische nur 138250 stark) zugeschweigen daß sie viel muhtiger und geherzter zu fechten wahren als die Parthischen. Artabanus verfluchte sein Ungluͤk/ und begunte am Siege zu zweiffeln; wahr ihm demnach leid/ daß er seines Feldmarschalks Vorschlag/ die Schlacht auffzuschieben/ so liederlich geschaͤtzet hatte/ ließ denselben zu sich fodern/ und trug ihm anfangs vor/ wie er bedacht waͤhre/ das Fußvolk treffen zu lassen/ damit die uͤbrige Ritterschaft auff den lezten Satz gesparet wuͤrde; her- nach/ daß Bagophanes ihn berichtet/ wie der Persische Tropff Bubazes/ welcher dem Fraͤu- Fuͤnftes Buch. Fraͤulein Raͤuber Schuz gehalten/ auff seine Hocheit schimpflich geredet/ und seine Zim- mer-Jungfer Kleofis wieder seinen Willen geheirahtet/ gefangen waͤhre; denselben solte er lassen in die Eisen schlagen/ dann er muͤste lebendig geschunden werden. Er aber gab zur Antwort: Er saͤhe des Himmels ungewogenheit über Parthenland vor Augen/ welches einig nur von dem fremden Fraͤulein herrührete; moͤchte wuͤnschen/ daß Phraortes mit ihr den Hals gebrochen/ da er in den Koͤniglichen Saal den ersten Fuß gesetzet; und wolte Gott/ sagte er/ wir koͤnten die Schlacht mit halber Ehr auffruffen/ und der Fremden/ ach ach der Fremden loß werden/ ich versichere ihre Koͤnigl. Hocheit/ daß den schon erlittenen Verlust ich vor nichts achten wolte/ und solten der Perse und Mede mit ihrem uͤbrigen ganzen anhange uns in kurzen zun Füssen liegen. Ich begebe mich des Fraͤuleins nicht/ fiel ihm Artabanus in die Rede/ solten wir gleich unser ganzes all dran strecken. Mein Gott/ antwortete er/ wie kan doch der Koͤnig in diesem gefaͤhrlichen Stande noch mit sol- chen Gedanken umbgehen? sihet dann ihre Hocheit noch nicht/ daß zwischen uns und dem Verderben so wenig Raum ist/ daß wirs mit einem Pferdelauff abmaͤssen koͤnnen? gewiß- lich wann ich wissen solte/ daß zu diesem Ende der Krieg gefuͤhret wuͤrde/ muͤste ich vor truͤbnis in die Erde sinken/ daß man so viel tapfferes Menschen Blut vergossen haͤtte. Aber hievon zu reden wil Zeit und Gefahr nicht leiden/ nur die beiden Vortraͤge ihrer Koͤnigl. Hocheit muͤssen von mir beantwortet werden. Bagophanes der faule Fetwanst hat der- selben gerahten/ einen unzeitigen Eifer wieder einen Gefengenen (der ohnzweiffel redlicher als er ist) sehen zu lassen. O ihre Koͤnigl. Hocheit bedenke sich ja bald eines andern! dann wer weiß/ was vor Helden gegen diesen noch heut wol muͤssen außgetauschet werden? wil demnach mich dieses Gefangenen dergestalt annehmen/ als einem redlichen Feldmarschalk gebuͤhret; und wil eure Hocheit einen in die Eisen schlagen/ so schlage sie den Rahtgeber hinein; diesem Gefangenen wird gewißlich solche Unbilligkeit nicht angelegt werden/ es sey dann/ daß ich zu gleicher Straffe verdammet werde. Schließlich/ daß das Treffen zu fusse sol gehalten werden/ waͤhre wol mein Raht/ daß wir diese Voͤlker zu unsers Landes Schuz erhielten/ im Fall der Reuterstreit/ wie sichs ansehẽ laͤsset/ solte verlohren gehen; dañ also koͤnten und wolten wir dem Feinde mit dieser Mannschaft noch solche haͤndel machen/ daß sie ungejagt hinter sich zihen solten; weil ich aber weiß/ daß mein Raht vor eine klein- muͤhtigkeit gescholten werden muß/ sol des Koͤniges Befehl alsbald ins werk gerichtet wer- den; der Himmel gebe/ daß es zum Siege diene/ welches aber Farbe kosten wird. Ritte hiemit fort/ dañ er wolte sich mit dem Koͤnige weiters nicht zanken/ taht auch beyden Feld- Herrn von der Reuterey zu wissen/ daß sie ihre gesunden Voͤlker/ jeder an seinem Ort in ein Heer zusammen zihen/ und etliche kleine Hauffen Schaarsweise ins Feld setzen solten/ wann etwa der Feind auff sie zudringen wuͤrde. Als dieses ins werk gerichtet ward/ wustẽ die unsern nicht/ was es bedeuten solte. Herkules muhtmassete/ es wuͤrden die Elefanten ansetzen; aber Ladisla ward gewahr/ daß des Feindes Fußvolk herzu nahete/ vor welchen 16000 Reuter in die quehre ausgedehnet/ vorher zogen; taht solches Artaxerxes zu wissen/ der nichts mehr als dieses wuͤnschete/ uñ den seinen gleicher gestalt die Lose zum auffbruche gab. Inzwischen ließ des Feindes Reuterey sich ansehen/ ob wolten sie mit ganzer Macht den Angriff wagen/ aber bald zerteileten sich 6000 Mann/ welche hier und dar 60 Schaa- ren/ Fuͤnftes Buch. ren/ jede von 100 Koͤpffen/ ins Feld setzeten/ da ihre Fußvoͤlker sich in eine breite Ordnung begaben/ und mit ihren Pfeilen und Bogen Stand fasseten; worauff sie grosse Hoffnung gesetzet hatten. Herkules fürchtete/ es wuͤrde Ladisla dessen nicht wahr nehmen/ und ließ ihn warnen/ sich vorzusehen; welcher gleich willens wahr/ etliche Reuter auff des Feindes kleine Reuterhauffen angehen zulassen/ wodurch er sie wuͤrde auff die Fleischbank geop- fert haben. Artaxerxes zog mit seinen Landsknechten auch fort/ denen er geherzt zuredete/ und daß sie alle Krafft ihrer Arme an die Bogen legen solten; worauff es dann an ein so unerhoͤrtes schiessen ging/ daß die Pfeile in der Lufft knacketen/ und so dicke durch einander flogen/ daß sie sich selbst verhinderten und laͤhmeten. Sie trieben dieses abscheuliche We- sen uͤber eine halbe Stunde/ da inzwischen unsere Helden mannichen Versuch tahten/ wie sie den Parthischen Reutern beykommen/ und ohn sonderlichen Verlust ihnen unter- lauffen moͤchten/ damit auch sie nicht wieder zu den Bogen griffen; aber es wolte sich nir- gends schicken; dann so offt sie etliche tausend auff sie ansetzen liessen/ druͤcketen jene (die sich auffs neue mit Geschoß versehen hatten) eiferig loß/ daß diese bald weichen/ und alle- mahl mit Verlust abzihen musten/ auch in unterschiedlichen anfaͤllen 800 Mann einbuͤs- seten/ und bey die 2000 verwundet wurden. Herkules wolte diesem Unwesen abhelffen/ hieß 10000 Reuter ihre Pfeile und Bogen wieder ergreiffen/ stellete die bedecketen Pfer- de und breitgeschildeten Reuter 3000 stark vor ihnen her/ welches ihm Ladisla nachtaht/ und gingen unter dieser beschuͤtzung freudig auf die Parther loß/ doch also/ dz ihre Pferde einen langsamen Schrit halten musten. Jene sahen solches/ erwarteten ihrer Ankunfft vorsichtig/ biß die Persen zu erst ihrer Bogen gebraucheten/ worauff sie auch loßschossen/ und der Pfeile nicht schoneten; wiewol sie stets hinter sich wichen/ und ehe diese sichs versahen/ wieder ansetzeten; daher ihre Pfeile besser als der Persen wirketen/ nur daß die breiten/ wiewol sehr durloͤcherten Schilde dannoch eine grosse menge auffsingen/ die sonst maͤchtigen schaden wuͤrden getahn haben. So lange das Schiessen bey dem Fußvolk wehrete/ gedachte Herkules nicht weiter als an die Reuterey; aber wie er die Parthischen Elefanten hervor brechen sahe/ trieb ihn die Furcht/ an seine Valisken zugedenken/ ob viel- leicht dieselbe auch mit dem ihren fortgehen/ und sich unter die Feinde mischen wuͤrde/ nam deßwegen 1000 Schlachtschwerter und 4000 tapffere Morgenlaͤndische zu sich/ be- fahl Wedekind und Tyriotes nebest Leches und Klodius die Auffsicht/ und ging mit seiner ritterlichen Geselschafft nach dem Fußvolke/ gleich da die Parthische Elefanten antraten/ in das Persische Fuß Heer einzubrechen. Er sahe/ daß Artabanus mit zehn Elefanten zu- ruͤk blieben wahr/ deßwegen er seinem Gemahl andeuten ließ/ daß sie sich mit vier wolbe- sezten Elefanten nach der Seite hinter Ladisla Reuter Heer begaͤbe/ schickete ihr auch 40 Teutsche Schlachtschwerter uñ 1500 tapffere Morgenlaͤnder zur vermehrung ihres Leib- schutzes/ dann er argwohnete/ Artabanus wuͤrde einen blinden Fall auff sie wagen/ ob er sie ertappen koͤnte; dessen Elefanten Schützen schon ihre Pfeile und Wurffspießlein un- ter das Persische Volk abgehen liessen/ die nicht geringen Schaden tahten/ in dem sie bey die 4000 Persen erschossen. Phraortes feirete mit seinen Elefanten eben wenig/ ging auff das Parthische Heer/ und weil er den Wind zum Vortel hatte/ drungen seine Pfeile bes- ser durch/ daß sie eine zimliche Menge erschossen/ und viel verwundeten. Herkules hatte zu o Perse- Fuͤnftes Buch. Persepolis etliche mahl einen blinden Elefanten Streit anstellen lassen/ umb zu erfinnen/ wie man diesen grossen ungeheuren Tihren am fuͤglichsten beykommen moͤchte. Er wuste dieses an ihnen wol/ daß wie grimmig sie waͤhren/ so leicht liessen sie sich verschuͤchtern/ in- sonderheit/ wann sie schmerzen empfunden; deßwegen er 2000 verwaͤgene Persen/ wel- che Artaxerxes schon vor fuͤnff Wochen mit dreyfachem Solde darzu bestellet hatte/ vor sich foderte/ welche starke Spiesse mit sehr scharffen krummen Siecheln iu der Hand/ und ein kurzes breites Schwert/ vornen zugespizt an der Seite fuͤhreten; gab ihnen 200 mit Schlacht schwertern zu/ u nd taht ihnen seine Meynung zuwissen/ sie solten sich nur huͤten/ daß ihnen die starken T ih re nicht zu nahe kaͤhmen/ und sie mit dem langen Ruͤssel/ welchen sie an stat einer Hand gebraucheten/ nicht zu sich rissen/ sondern wann sie denselben von sich strecketen/ solten ihrer drey oder viere sich zugleich an einen machen/ und sie am Ruͤssel ver- wunden/ auch des Bauchs nicht schonen/ da man sie mit starken Stichen und Hieben be- schaͤdigen koͤnte. Dieses wahr ein guter Anschlag/ aber es bedurffte Muͤhe und Vorsich- tigkeit/ ihn ins Werk zurichten. Dann Madates wahr ihm dessen vermuhten/ daher er den Elefanten Meistern/ welche die Tihre (vorne auff dem Halse sitzend) leiteten und an- fuͤhreten/ befehl erteilet hatte/ da etwan ein sonderlicher hauffe Volkes auff sie angehen wuͤrde/ solten sie ihnen entweichen/ und nach der Seiten sich wenden/ damit sie in das ge- samte Heer einbrechen koͤnten; dessen diese wol eingedenke wahren/ auch das vorder Heer/ welches Artobarzanes und Gallus fuͤhreten/ erreicheten/ deren sie in 3000 zntraten und erdruͤcketen/ ehe die verordente Schaar bey ihnen anlangete. Gallus geriet in aͤusserste Le- bens gefahr; dann der Tihre eines griff mit dem Ruͤssel nach ihm/ aber Gott taht ihm au- genscheinliche Huͤlffe/ daß er mit dem Schwerte fertig ward/ und ihm den Ruͤssel hart verwundete; wodurch es vor schmerzen sich nicht mehr wolte leiten lassen/ sondern weich zur Seiten aus/ dessen die/ so es nidertrat/ wol empfunden. Bald hernach kahmen die ob- gedachten Elefanten Bestreiter an/ teileten sich/ und mit verzweifeltem Wuht machten sie sich an die Tihre/ denen sie doch wenig angewinnen kunten/ nur daß die Teutschen mit ih- ren Schlachtschwertern 15 ertoͤdteten/ und 25 hart verwundeten; woruͤber ihrer 20 das Leben ritterlich einbuͤsseten. Unter den Verwundeten Elefanten wahr ein Junger/ welcheꝛ wegen der schmerzlichen empfindnis nicht allein ein lautes Geblaͤrre machte/ sondern zu- gleich seinen Meister uͤber den Kopff herunter warff/ und nach dem ihm bekanten Lager umbkehrete. Die alte Elefantin/ seine Mutter/ die ihn an der Stimme kennete/ und ihn da- von lauffen sahe/ wolte ihn nicht verlassen/ sondern gab ihm durch ihr Wiedergeblaͤrre Antwort/ und folgete wieder des Meisters Willen hernach. Andere verwundete nahmen eben den Weg vor sich/ und wegen des hefftigen Geruffes/ welches das Fußvolk/ sie zu er- schrecken anstellete/ wurden die uͤbrigen alle mit einander irre gemacht/ daß sie den gerade- sten Weg vor sich nahmen/ und an einem Orte durch ihr eigen Fußvolk setzeten/ deren sie uͤber 5000 zu nichte machten; hatten aber doch vor ihrem abwich uͤber die gedachte Teut- schen/ noch 500 der bestelleten Persen auffgerieben/ nach dem ihre auffgeladete Schuͤtzen in die 4600 von dem Persischen Heer erschossen/ und auff 3800 hart verwundet hatten. Den Persischen Elefanten gieng es nicht viel besser/ wiewol sie anfangs grossen Schaden unter Artabanus Heer anrichteten/ und nach dem ihre 5000 Schützen von ferne in die 5800 Fuͤnftes Buch. 5800 Parther erschossen und 4700 verwundet/ naͤher hinzu gingen/ und noch 2500 in den Tod schicketen/ glückete es ihnen wol/ biß Pakorus ihnen 1500 darzu bestellete Wagehaͤlse entgegen gehen ließ die sich teils unter die Tihre macheten/ und ihnen den Bauch oͤffneten/ daß sie niderfielen/ und ihre Moͤrder mit erdruͤcketen. Die andern wurden mit Geschrey und Wunden hinter sich getrieben/ daß sie gleich den Parthischen/ ihrem Lager zulieffen/ aber zwischen ihren Reutern und Fußvolke ohn einigen Schaden davon zogen/ und der Parther/ welche sie verschuͤchtert hatten/ nicht über 400 das Leben behielten. Nach die- sem Elefanten Streite begunten die Fußvoͤlker beyderseits nach ihren Schwertern und Spiessen zu greiffen. Herkules aber begab sich mit 780 Teutscheu wieder zu Pferde/ und dankete Gott/ daß er diese Tihre so gnaͤdig abgelenket hatte/ vor denen er sich am meisten fuͤrchtete. Als er bey seiner Reuterey anlangete/ fand er Wedekind mit 500 Teutschen uñ 20000 Persen in voller Arbeit; dann so bald die Elefanten ihre Verrichtung getahn/ ließ Vologeses so wol Reutern als Fußknechten andeuten/ jezt waͤhre Zeit/ das Parthische bißher unuͤberwindliche Schwert hervorzulangen/ und damit die geschworne Traͤue zu beweisen; sie saͤhen ja aller seits/ daß es muͤste gewonnen oder gestorben seyn; ein furchtsa- mer/ der seine Haͤnde ruhen oder zittern liesse/ haͤtte nichts gewissers/ als einen unruͤhmli- chen verfluchten Tod; die aber ohn auffhoͤren auff den Feind zuschluͤgen/ haͤtten den Sieg/ oder ja unsterblichen Ruhm ihres ritterlichen wolverhaltens; solte demnach ein jeder da- hin trachten/ daß er des Feindes Machtbrechen moͤchte/ alsdann waͤhre an der uͤberwin- dung nicht zuzweiffeln. Doch gab er den beyden Feld Herrn bey der Reuterey heimlichen Befehl/ da uͤber verhoffen das Messer unmahl fallen solte/ an jeder Seite 8000 der aller wehrhafftesten vom Treffen abzuhalten/ und in Ruhe zulassen/ daß sie auff solchen Fall des Koͤniges Schuz und Sicherheit seyn koͤnten. Sieder Herkules Abwesenheit wahr durch das Schiessen nicht sonderliches verrichtet; dann als die Parther der Persischen Pfeile empfunden/ von denen ihrer 2000 erschossen/ und dagegen der Persen hinter den Schil- den nur 520 gefellet wahren/ gab man das Schiessen an/ weil die Parther nicht wolten/ und die Persen wegen Herkules Befehl (wornach sich auch Ladisla richtete) nicht durften. So bald aber jene von Vologeses Befehl empfingen/ lies Osazes 18000 gegen Wedekind angehen/ denen er/ wie oben stehet/ begegnete. Sie gingen anfangs beiderseits behutsam/ und wolten sich aus ihrem Vortel nicht begeben. Herkules sahe ihnen zu/ wie er kam/ und weil sie einer dem andern gewachsen wahren/ ließ er sie jmmerhin fechten. An Ladisla Sei- ten stund es fast im gleichen stande. Die Schützen verrichteten nichts sonderliches/ weil die Parther keinen Muht hatten anzubeissen; biß Vonones 17000 Parther unter An- dragoras anfuͤhrung mit entbloͤsseten Schwertern loßbrechen lies/ denen Fabius mit 18000 entgegen traff/ und sich weidlich mit ihm umb t rieb. Surinas gab sich an Parthi- scher Seite mit seinen Fußknechten auch loß/ und begegnete ihm Artobarzanes uñ Gallus/ deren Voͤlker/ weil sie schon zimlichen Abbruch gelitten/ mit 3000 Mann von Artaxerxes gestaͤrket wahren. Die Doppelsoͤldner mit ihren langen Spiessen gingen voran/ aber die mit den Schwertern kunten ihnen nicht lange zusehen/ sondern traten an beyden Seiten aus/ und griffen so grimmig an/ daß von den ersten Gliedern niemand leben dig blieb; und ob gleich Artobarzanes uñ Gallus alle Macht anwendeten/ so drang doch Surinas durch/ o ij dann Fuͤnftes Buch. dañ die von Artabanus ihnen getahne Zusage des dreyfachen Soldes hatte sie kuͤhn und muhtig gemacht/ daß sie keine Gefahr scheuheten/ und immer vor sich hin matzeten. Gallus samlete 1000 Mann umb sich/ mit denen er Surinas entgegen trat/ weil er den groͤsten Schaden taht/ machte ihn auch durch seine Ankunfft stutzen/ daß er weiter nit durch drang; aber als diese beyde einander auffstiessen/ und einen harten Straus hielten/ zohe Gallus den kuͤrzern/ und ward nach empfangenen fuͤnff Wunden gefangen hinweg geschleppet. Arte- barzanes gedachte ihn zuentsetzen/ fiel auch so grim̃ig an/ daß Surinas mit seiner Schaar hinter sich weichen muste/ dem aber seiner Obristen einer mit 3000 Mann zu huͤlffe kam/ mit dem er auffs neue anfiel/ daß die Persen hinter sich gingen/ und in grosser Menge ni- dergeschlagen wurden; auch Artobarzanes selbst ging zu grunde im absonderlichen Strei- te gegen Surinas/ mit dem er ohndas in toͤdlicher Feindschaft lebete/ welches daher ent- stund. Ein vornehmer Medischer Herr/ nahmens Tigranes/ hatte gar ein schoͤnes Fraͤu- lein/ nahmens Atossa/ mit welcher Surinas sich ehelich hinter der Eltern Willen verspro- chen hatte/ der Hoffnung/ nachgehends deren Einwilligung leicht zuerhalten; als er aber umb sie werben ließ/ bekam er abschlaͤgige Antwort/ unter dieser Einwendung/ sie waͤhre einem andern schon zugesagt. Wie dann Groß Fũrst Phraortes umb sie bey den Eltern angehalten/ daß seines Bruders Sohn Artobarzanes sie ehelichen moͤchte/ welches also bald bewilliget/ und dem Groß Fuͤrsten mit grossem Dank nach seinem gnaͤdigen gefallen zuschaffen/ uͤbergeben ward. Ein ander Parthischer Herr/ nahmens Ariarates hatte kurz vor diesem nach ihr gefreiet/ und einen Korb erhalten/ dessen er von Surinas etlichemahl durch schimpfliche reden gestochen wahr; daher er ihm dieses Gluͤk mißgoͤnnete; und als er in geheim erfuhr/ daß Surinas willens wahr/ mit 600 Reutern auffzubrechen/ und das Fraͤulein mit ihrer guten bewilligung heimlich zuentfuͤhren/ machete er solches ihren El- tern durch einen dritten vertraulichen zu wissen; sie haͤtten sich fleissig vorzusehen/ daß ih- nen Frl. Atossa nicht in kurzen durch gewaltsamkeit geraubet würde. Nun hatten die El- tern an ihr gemerket/ daß sie verliebet wahr; dann ihre Leibdienerin (deren sie nicht gut heis- sen wolte/ daß sie mit ihres Herrn Vaters Leibdiener Leichtfertigkeit trieb) machte ihnen aus Rachgier kund/ daß sie offters geheime Brieffe schriebe/ welche/ wo sie nicht irrete/ an Herrn Surinas hielten; deßwegen sie die gute Tochter alsbald vornahmen/ ihr heimli- ches Laͤdichen oͤffneten/ und darin von Surinas zwoͤlff Schreiben funden/ aus derem lez- ten sie den gemachten Anschlag richtig erfuhren/ dem sie sonsten nicht haͤtten vorkommen moͤgen. Das Fraͤulein meinete nicht anders/ dann ihr Vater wolte sie erwürgen/ so grim- mig stellete er sich; daher sie aus furcht des todes sich erklaͤrete/ seinem Willen folge zu lei- sten/ der sie stuͤndlich nach Ekbatana bringen ließ/ nachdem sie ihm durch einen aͤid versich- ert hatte/ daß von Surinas sie annoch unberuͤhret waͤhre. Er hatte aber noch ein schoͤnes Fraͤulein bey sich/ nahmens Anutis/ seiner Stieffschwester Tochter/ die von schlechten mit- reln wahr; dieselbe stellete er nach gemachtem Schlusse an den Raubeplaz/ putzete sie tref- lich aus/ und unterrichtete sie/ wessen sie sich verhalten solte. Surinas fand sich dahin/ der Hoffnung/ seine geliebte Frl. Atossen anzutreffen/ da Frl. Anutis ihn also anredete: Wol- gebohrner Herr/ meine herzgeliebte hochvertrauete Wase Frl. Atossa/ meldet euer Liebe ihren Gruß/ und laͤsset ihn durch mich schmerzlich wissen/ daß ein boßhaftiger Verraͤhter euer Fuͤnftes Buch. euer beyder heimliche Liebe ihren Eltern kund gemacht/ darauff sie unter der Bedraͤuung des todes denen gehorchen/ und sich nach Ekbatana führen lassen muͤssen/ umb Herrn Ar- tobarzanes/ dem sie vorm halben Jahre schon von ihren Eltern versprochen ist/ beygelegt zu werden/ welches dann vor sechs Tagen schon vollnzogen worden. Vor ihrem Ab- scheide foderte sie mich allein vor sich/ und sagte: Hertzgeliebte Schwester; unsere nahe Verwandschafft und innigliche Vertrauligkeit bewaͤget mich/ dir meines Hertzen Geheimniß zu offenbahren/ was gestalt ich mit Herrn Surinas mich versprochen/ aber wegen meiner Eltern und unsers Groß Fuͤrsten Gegenstand es nicht halten kan; damit er aber wisse/ woran er sey/ so melde ihm nur dieses wenige: Atossa bleibt Surinas Schwe- ster/ weil sie nicht kan sein Gemahl seyn; haͤtte sie aber eine Schwester odeꝛ Anverwandtin/ wolte sie ihm dieselbe gerne zufreyen/ nur daß sie ihm erwiese/ wie hoch sie auff ihn haͤlt; Warne ihn aber zum fleissigsten/ daß er Ekbatana meide/ wo er leben wolle/ und sich huͤte/ an mich zuschreiben/ da er mich sonst nicht in den Tod stuͤrzen wil; ich wolle schon Gelegen- heit suchen ihn dereins zusprechen. Dieses/ sagte Anutis/ hat meine Wase Frl. Atossa mir befohlen/ und zwar zum Wahrzeichen alle diese zusammen gebundene Brieffe mir zugestel- let/ dem Herrn solche/ zur bekraͤftlgung der Warheit einzulieffern/ weil zu schreiben sie kei- ne Gelegenheit haben koͤnnen. Dieser Zeitung wahr Surinas so leidig/ daß er meynete/ in die Erde zu sinken/ und schwur bey allen Goͤttern/ nicht zu ruhen/ biß er Artobarzanes ent- leibet haͤtte/ ob er gleich wieder sterben solte; nam die Brieffe zu sich/ und wolte von Anutis hinweg scheiden/ welche zu ihm sagete: Wie mein Herr/ zuͤrnet er auff meine Schwester Frl. Atossen/ die doch durch aͤussersten Gewalt gezwungen/ ihre Verheissung nicht halten kan? Davor behüten mich die Goͤtter/ antwortete er: Ey so wird er mir ja eine Antwort geben/ sagte sie/ welche ich hinterbringen kan; ich sehe daß mein Herr sehr betruͤbt ist; aber hiedurch tuht er seiner getraͤuen Freundin keinen gefallen/ die mit keinen andern Gedan- ken umbgehet/ als ihn durch ein ander Fraͤulein zubefriedigen/ nach dem die Goͤtter es mit ihr nicht versehen haben. Dieser wuste vor Herzleid nicht/ was er ihr solte zuentbieten/ nur daß er ihr Knecht und Diener bliebe/ als lange er lebete; Nam hiemit kurzen Abschied/ uñ wolte davon reiten; sie hingegen stellete sich gegen ihn uͤber aus hoͤflich/ mit dem erbieten/ alles wol zu werben/ und baht ihn/ weil sie ihrem Vetter vorgetragen/ ob wolte sie nach ih- rer Fr. Mutter Schwester zihen/ und erst Morgen wieder kommen/ moͤchte er ihr seine le- dige Gutsche leihen/ daß sie nach dem naͤhesten Flecken fahren koͤnte/ weil sie so zeitig nicht zu Hause kommen duͤrffte. Und als er hierzu nicht allein willig wahr/ sondern sie noͤhtigte/ mit ihm zuzihen/ weil er ohndas daselbst sein Ablager halten wuͤrde/ ließ sie sich gerne bere- den/ wuste ihm auch dergestalt freundlich und mit Liebaͤugeln zubegegnen/ daß er eine son- derliche Gunst ihr zulegte/ und sich erboht/ sie wegen der Vertrauligkeit/ welche sie mit sei- ner Liebsten haͤtte/ Zeit seines Lebens zu lieben. Auff dem Wege/ da er bey ihr in der Gut- sche alleine saß/ beklagte sie ihrer Wasen Ungluͤk mit wolgestalten Traͤhnen/ und unterlies dessen nichts/ dadurch ein Mannes Herz zur Liebe kan gezogen werden. Sie kehreten in einem offenen Flecken ein/ da sie gute Herberge hatten/ und sinnete der gute Surinas den Worten fleissig nach/ wie Atossa ihm gerne ihrer Verwanten eine zufreien wolte/ daher er gedachte/ sie wuͤrde zu dem Ende ihm diese geschikt haben; daß also die gute Gewogenheit o iij sich Fuͤnftes Buch. sich in eine bruͤnstige Liebe verwandelte/ und er sie endlich umb die Ehe anredete/ weil er hoffete/ sagte er/ seiner gewesenen Braut Willen dadurch zuerfuͤllen. Sie hingegen stellete sich dessen sehr fremde/ und weil sie merkete daß er gefangen wahr/ wolte sie zwar keine ab- schlaͤgige Antwort erteilen/ aber doch ihres Dinges gewiß seyn/ ließ sich auch ganz scham- haftig vernehmen/ sie duͤrffte wegen solcher angehoͤrten Rede kein Auge vor ihm auffschla- gen/ und ob sie gleich das Herz ergreiffen wolte/ ihm zu antworten/ waͤhre sie doch ihrer selbst nicht maͤchtig/ massen ihr Herꝛ Vetter sie an Kindes stat angenommen/ und verspro- chen/ sie außzusteuren/ wann sie nach seinem Willen heyrahten wuͤrde; solte sie nun ohn dessen Vorwissen sich einlassen/ welcher vielleicht schon etwas anders mit ihr Vorhaben moͤchte/ wuͤrde sie ihn erzuͤrnen/ und (inbetrachtung/ wie er mit seiner leiblichen Tochter geberdet) von ihm gar verstossen seyn. Je mehr aber sich diese wegerte/ je mehr er sich ver- liebet befand/ erboht sich endlich bey seinen ritterlichen Ehren/ sie ohn allen Brautschatz zu heyrahten; Ließ zween Ritter/ im Flecken wohnend/ zu sich bitten/ und in derer Gegenwart versprach er sich mit ihr. Worauf sie sich willig ergab/ uñ diese Nacht sein Ehgemahl ward. Des folgenden Morgens machte sie sich wieder auff nach ihrem Vetter/ unter dem schein/ ihren Schmuk und Kleider nachzuhohlen/ und sich gegen ihn des ergangenen nichts mer- ken zulassen/ da sie ihm doch alles offenbahrete/ und auffs schnelleste mit ihm nach Ekbatana fuhr/ welches nur anderhalb Meilen davon abgelegen wahr. Sie machte sich alsbald zu ihrer Wasen/ die in grosser Liebesquahl gegen Surinas lebete/ und zu Artobarzanes gar keinen Willen trug; derselben brachte sie vor; Herr Surinas haͤtte sie vom Schlosse in stiller geheim fodern lassen/ und nachdem er sich uͤber Atossen Traͤulosigkeit mit lachendem Munde beschweret/ sie mit Gewalt hinweg gefuͤhret/ ehelich Beilager mit ihr gehalten/ uñ ihr dieses Haaren Armband (welches sie ihm heimlich vom Arme gestohlen hatte) mit diesen Worten zugestellet: Ich habe der Atossen Haar getragen/ aber forthin nicht laͤnger/ wollet ihr demnach dieses als meiner vergessenen wieder zustellen/ und daß ich ihr zuent- bieten lasse/ wir wollen beyderseits der gemachtẽ Kundschafft veꝛgessen/ als ob sie niemahls gewesen waͤhre. Atossa empfing hieruͤber solchen Eifer/ daß sie das Armband ins Feur warff/ und den guten Surinas dergestalt schmaͤhete/ als ob er der geringste Stalbube ge- wesen waͤhre; legte auch alle getragene Hulde ab/ und wendete sie ihrem Artobarzanes zu/ insonderheit/ als Anutis hinzu setzete/ wie hoch er ihre Schoͤnheit uͤber jener erhoben haͤtte. Also blieb diese durch solchen Betrug und Verleumdung in ruhiger und ungestoͤreter Ehe mit ihrem Surinas/ deren sie doch wegen des Todes Neid kurze Zeit zugeniessen hatte; wiewol die Liebe gegen Atossen in Surinas Herzen sich nicht allerdinge wolte daͤmpfen lassen/ und der Eifer gegen Artobarzanes ganz unversoͤhnlich wahr/ welchen er vor diß- mahl mit seinem Blute daͤmpfete/ auch/ da er ihm den lezten Stoß anbꝛachte/ zu ihm sagete: Diesen schenke ich dir wegen meiner Atossen/ deren Gunst du unwirdiger mir gestohlen/ und anderthalb Jahr als ein Raͤuber und Ehebrecher genossen hast; wuͤtete auch nach sei- ner Niderlage immerfort/ biß ihm Prinsla mit 6000 frischen Voͤlkern entgegen ging/ uñ den Abgematteten Luft machte/ auch zeitig auff Surinas traff/ welchen er nach hartem Kampffe uͤberwand und gefangen nam; samlete hernach die Voͤlker/ und durch sein un- nachlaͤssiges Gefechte brachte er den Feind auff die Flucht/ nachdem derselben 9600 ver- wun- Fuͤnftes Buch. wundet/ 8800 erschlagen wahren; dagegen aber 6400 Persische auff der Wahlstat lagẽ/ und 5800 beschaͤdigte sich funden. Orodes entsetzete den verwundeten Parthischen uͤbeꝛ- schuß mit seiner ganzen Macht und fiel als eine Fluht auff Prinsla an/ welches Pharna- bazus ersehend/ ihm schleunig zu huͤlffe trat/ aber doch zu spaͤte kam; dann als Prinsla die seinen von so grosser Menge uͤbermannet sahe/ gedachte er sein Leben teur gnug zuverkaͤuf- fen/ und taht mit seinen 6000 Knechten solche Gegenwehr/ daß Orodes sich daruͤber ent- setzete; dann ungeachtet seiner Wunden/ deren er neune empfangen hatte/ schlug uñ stach er von sich/ daß ihm niemand nahen durffte/ biß seine jeztgedachte Leute fast alle erschlagen wahren/ welche doch 9000 mit sich in den Tod nahmen/ und 4000 hart verwundeten/ da er endlich vor Mattigkeit niderfiel/ und von Orodes nach Vologeses geschicket ward/ der ihn stuͤndlich verbinden ließ. Pharnabazus nahm ihm gaͤnzlich vor/ Prinsla Unfal zuraͤ- chen/ aber er empfand so heftigen Wiederstand/ daß er nicht einbrechen kunte/ daher an beyden Seiten das Schwert fast eine gleiche Anzahl fraß. Bey der Reuterey ging es nicht weniger scharff daher. Dann ungeachtet der gros- sen Niderlage/ welche das Parthische Volk anfangs litte/ hielten sie doch nunmehr hart gegen/ als Vologeses die 11000 uͤbrigen Elefanten Schützen (dann 1000 wahren im Gefechte drauff gangen) zu Pferde brachte/ welche alle versuchte Reuter wahren/ und sie mit dem annoch ubrigen 5500 gesunden Skythen zusammen setzete/ welche zur staͤrkung wieder Ladisla fortgeschicket/ und hingegen Pandion mit seinen Indiern von dannen ab gegen Herkules gefodert ward. Der Parthen/ welche wieder Wedekind fochten/ wurden ja so viel als der Persen erschlagen/ dieser aber mehr verwundet; daher Herkules noch 300 Schlachtschwerter und 700 andere Teutschen den seinen zu huͤlffe gehen ließ/ deren Ankunft die Parther alsbald stutzen machete/ weil sie sich treflich abgearbeitet hatten/ wel- ches Osazes merkend/ den Pandion mit diesen Worten auffmahnete. Es wird schier Zeit seyn/ unsere Leute zuentsetzen/ welche sich wieder die menge der Feinde ritterlich ge- halten haben/ und ist nicht rahtsam/ daß man sie laͤnger schwitzen lasse; dann nachdem sie sich erhohlet/ koͤnnen sie von neuen wie der angehen; wolle demnach er sich gefallen lassen/ seiner Gewohnheit nach frisch anzusetzen/ ich wil/ so bald es Zeit seyn wird/ ihn ohn huͤlffe nicht lassen. Dieser erklaͤrete sich sein bestes zu tuhn/ brach gemehlig loß/ und stellete sich in der Parther Plaz/ denen er geboht abzuzihen/ und sie dessen wol zufrieden wahren/ dann 5000 wahren von ihnen nidergemacht/ und 4000 verwundet. Dagegen hatte Wedekind 4800 Morgenlaͤndische und 20 Teutsche verlohren/ und wahren 6000 Persische und 60 Teutsche gequetschet. Als Pandion zum Treffen kam/ setzete er geherzt an/ und gab den unsern so viel zuschaffen/ daß Herkules noch 5000 Persische und 500 Teutsche Wedekind zu huͤlffe schicken muste/ die durch ihre ankunfft der anderen Herz wieder erfrischeten. Fa- bius fand an seiner Seiten mehr Wiederstand als er meynete; massen Andragoras Vo- nones Unterfeld Herr sich tapffer hielt/ und sein aͤusserstes Vermoͤgen dran setzete/ der Roͤ- mer Gewalt zuhintertreiben/ die ihm den groͤsten Schaden zufuͤgeten; und als dieses nach Willen sich nicht schicken wolte/ machte er sich an die Persischen Voͤlker/ und schlug de- ren 5000 nider/ da er kaum 3000 dagegen verlohr/ wiewol die Roͤmer über 2000 an ihrem Orte niderhieben/ und 2000 hart beschaͤdigten/ aber auch 300 einbüsseten/ und ihrer uͤber 250 Fuͤnftes Buch. 250 verwundet wurden. Noch wolte kein Teil gewonnen geben/ sondern trieben sich auff dem weiten Felde unerschrocken hin und wieder/ biß endlich die beyden Heerfuͤhrer auff- einander traffen/ aber mehr von den Beystehern ihres Gegeners als von ihren Schwer- tern getroffen wurden/ biß der Parther Haͤupt Tod zur Etden stuͤrtzete/ und Fabius hart verwundet/ von den seinen aus dem Gedraͤnge gefuͤhret und verbunden ward. Ladisla lieff hieruͤber vol Zorn/ und schickete 2000 Boͤhmen nebest 8000 Persischen den seinen zu huͤlffe/ denen die Elefanten Schuͤtzen und Skythen entgegen gingen/ und sich mit ihnen rechtschaffen zerhacketen. Orodes bemũhete sich noch immerhin/ wie er Pharnabazus ab- treiben moͤchte; weil aber die seinen sich schon hefftig abgearbeitet hatten/ wurden sie hart gedraͤnget/ daher er mit 6000 zur Seiten einbrach/ und daselbst nicht geringen Schaden taht/ biß ihm Pharnabazus auffsties/ von welchem er auff den Tod verwundet ward/ daß ihn seine Leute mit genauer Noht retteten/ und nach Pakorus trugen/ der ihn hefftig lie- bete/ und ihm versprach/ seine Wunden an dem Taͤhter zuraͤchen. Nach Orodes abscheide ging es hart uͤber seine Voͤlker; dann seine geuͤbeten wahren schon der mehrerteil erschla- gen und die uͤbrigen verwundet/ daß nur seine ungeuͤbeten/ welche noch etwa in 13000 ge- sunder Mannschaft bestund/ Wiederstand halten musten; die aber so schwerer Streiche nicht gewohnet wahren/ und sich daher schon nach der Flucht umbsahen. Pakorus ließ ihnen unter Partamasiris 10000 zu huͤlffe gehen/ welche den Abbruch er setzeten/ und den Persen mehr als zu viel zuschaffen gaben. An seiner Seite trug Herkules grosse Vorsor- ge wegen des Fußvolkes/ massen ihm Pakorus Vorsichtigkeit und erfahrne Kraft nicht allein sehr geruͤhmet wahr/ sondern er hatte ihn bey Artabanus etliche mahl gesehen/ und aus allen seinen Geberden und Reden eine sonderliche Großmuͤhtigkeit gespuͤret; so wu- ste er uͤber das/ daß weder Teutsche/ noch Boͤhmen noch Roͤmer bey Artaxerxes hielten/ sie auch dem Feinde an Mannschaft nicht gleicheten; deßwegen er ihm sehr angelegen seyn ließ/ das Treffen an seiner Seite so weit zubringen/ daß er mit einem Entsaz dem Fußvolk zu huͤlffe gehen moͤchte. Er merkete/ daß der Indier Gefechte nicht groß auff sich hatte/ ohn da Pandion sich finden ließ; deßwegen nam er 50 Teutschen zu sich/ ging damit den seinen zu huͤlffe/ und fetzete mit an. Der Indier kennete ihn bald/ hoffete/ es solte ihm besseꝛ wieder ihn als wieder Ladisla gelingen/ und fiel mit 300 Mann auff ihn zu; aber die Teut- schen empfingen sie dergestalt/ daß einer nach dem andern stürzete/ und Herkules Gelegen- heit bekam/ seinen Wiederstreiter nach gefallen zu haben/ zu welchem er sagete: Herr Pan- dion/ ich haͤtte gemeynet/ ihr haͤttet gestern schon euren sachen gnug getahn. Diesen ver- droß der Schimpff/ und foderte ihn zum freien Kampffe daß niemand daran moͤchte hin- derlich seyn; welches ihm nicht gewegert ward/ da Herkules mit etwas Eifer auff ihn draͤngete/ und ihm eines in die Rippen gab/ daß er schwankete. Zwar es legte dieser hin- wiedeꝛumb alle moͤgligkeit an/ mochte abeꝛ wenig schaffen/ welches ihn fast rasend machte/ daß er seiner eigenen Beschuͤtzung wenig acht hatte/ und sich dergestalt entbloͤssete/ daß ihn Herkules wol haͤtte koͤnnen durchstechen/ wolte aber seines Lebens schonen/ und zu ham̃er- te ihm den Helm dergestat/ daß ihm vor den Augen funkeln ward/ und wenig fehlete/ er waͤhre gar vom Pferde gestuͤrzet. Herkules sahe seyn unvermoͤgen und fagte: Mein/ ihr sehet/ daß euch das Gluͤk wieder mich keinen Beystand leisten wil/ deßwegen ergebet euch/ dann Fuͤnftes Buch. dann ich moͤchte euch ungerne hinrichten. Er aber hielt solche Reden vor gar zu schimpf- lich/ und gab zur Antwort: Man muͤste vor streiten als siegen; Pandion koͤnte solcher ge- stalt nicht alle Tage der Gefaͤngnis gewaͤrtig seyn. Welcher Troz Herkules verdroß/ daß er zu ihm sagte: Weil ers dann nicht besser haben wolte/ muͤste ers nehmen/ wie es fallen wuͤrde; griff ihn mit allem Ernst an/ und schlug ihn in kurzer Zeit zu bodem/ da ihm sein Blaͤnke vollends das Genicke abtrat/ welches ihm aber sehr leid wahr/ und ihm das Leben gerne erhaltẽ haͤtte. Seine Voͤlker liessen auf diesen Unfall ihre Zagheit alsbald merkẽ/ daher Herkules seine verwundeten und abgematteten gemehlig abzihen ließ/ und oꝛdnete geruhete an ihre stelle. Osazes wolte nicht/ dz diese aufs Haupt erleget wuͤrden/ uñ sendete ihnẽ 12000 streitbare Parther zu/ mit deren zutuhn sie wieder anfallen/ und ihres Fuͤhrers Tod raͤchen foltẽ. Die Elefanten Schuͤtzen hielten sich gegen Ladisla Voͤlker sehr wol/ dañ Madates ihr Fuͤhrer wolte die empfangene Ruhten-Streiche raͤchen/ so daß er sich gegen Artabanus erklaͤrete/ nicht anders als ein Sieger vor seine Augen zu treten. Er hatte sich mit sehr guteꝛ Mannschafft/ 4000 stark verwahret/ mit denen traf er auf die Boͤhmen/ daß ihrer 150 stuͤr- zeten/ und 300 hart verwundet wurden. Neda wahr hieselbst uͤb el auff die seinen zusprechẽ/ daß sie den Parthern nicht bessern Widerstand tahten/ da sie es doch an keiner Moͤgligkeit erwinden liessen/ nur daß Madates und der seinen Raserey gar zu hefftig wahr; so tahten die Persen nicht/ wie sie billich gesolt haͤtten/ sondern wichen bald hie/ bald da/ und entbloͤsse- ten der Boͤhmen Seiten zu unterschiedlichen mahlen/ daß er endlich gezwungen ward/ bey Ladisla umb Huͤlffe anzuhalten/ gleich da Fabius uͤberbliebene ihre Feinde ganz zuruͤk ge- schlagen hatten/ deren nur 4000 gesunde und 1000 verwundete davon kahmen; aber auch noch 2800 an unser seite uͤber vorgedachte erlegt/ und 1600 verwundet wurden. Als Ladisla diesen Sieg vernam/ hieß er die ermuͤdeten Roͤmer uñ Persischen ruhen/ nam 1000 Boͤh- men und 3000 Persische zu sich/ und ging Neda zuhelffen/ der von neun Parthern umrin- get wahr/ die weidlich auff ihn zuschlugen/ massen Madates befohlen hatte/ niemand gefan- gen zunehmen/ sondern alles niderzumachen; nun tahten gleichwol seine Leute allen moͤgli- chen fleiß/ zu ihm durchzubrechen/ aber Madates stund ihnen zu hart entgegen/ biß Ladisla hinzu drang/ vor dessen Ankunft die Feinde Raum gaben/ und Neda verliessen/ der sich sei- nes Lebens schon getroͤstet hatte/ und durch Niderlegung der Feinde einen ruͤhmlichen Tod suchete; aber so bald er Lufft vernam/ legte er die Verzweiffelung hinter sich/ und ließ sich aus dem Gedraͤnge fuͤhren/ weil er hart verwundet wahr. Madates wahr nicht willens voꝛ Ladisla Einbruch zuweichen/ traff auch bald auff ihn/ und wie er sahe/ daß er (den er gleich- wol nicht kennete) den seinen so grossen Schaden zufuͤgete/ setzete er ihm hefftig zu/ fand abeꝛ gar zu weite Schuch vor seine Fuͤsse; dann nach anderthalb viertelstuͤndigem Gefechte wahr der groͤste Teil seines Bluts vergossen. Die seinen rieffen hin und wieder nach Ma- dates/ daher Ladisla erst vernam/ mit wem ers zu tuhn hatte/ und sagte zu ihm; Wie ist ihm nun/ Madates? wollen wir uns abereins vor die Ruten fuͤhren? Dieser erkennete seine Stimme/ und wie schwach er wahr/ samlete er doch das uͤbrige seines Vermoͤgens/ uñ ant- wortete nichts/ ohn daß er ihn vor einen Ritterschaͤnder ausschalt; welches ihm so sehr zu herzen ging/ daß er ihn straks angesichts niderhieb. Herkules sahe/ daß die seinen den Fein- den gnug gewachsen wahren/ gab Leches Vollmacht/ nach Befindung die Voͤlcker unter p Sieg- Fuͤnftes Buch. Siegfried und Herman loßgehẽ zulassen/ dafern Osazes einbrechen/ oder den seinen Entsa z zuschicken wuͤrde. Er aber nam 150 Schlacht Schwerter nebest 300 andern Teutschen uñ 3500 Persischen zu sich/ damit ging er zum andern mahle hin nach dem Fußvolke. Phar- nabazus tummelte sich mit seinen Feinden rechtschaffen/ bekam auch die 4600 Elefanten- Schützen (dann 400 wahren davon umkommen) zur Erfrischung/ die in kurzer Eile nicht geringen Schaden tahten. Pakorus sahe die seinen weichen/ und ging ihnen mit 9000 zu Huͤlffe/ dessen Ankunfft eine gewaltige Verenderung verursachete; dann weil er den Kern seiner Voͤlker umb sich hatte/ brach er der Persen Ordnung/ und hieb vor sich nider/ was er antraff. Artaxerxes merkete bald/ daß er und kein ander diese Niderlage wirkete/ und schic- kete Pharnabazus noch 6000 geruhete Voͤlker zu/ die mit den Elefanten Schuͤtzen sich veꝛ- einigten/ und dem Feinde zur Seite einbrachen/ daher er gezwungen ward/ sich gegen die- se zukehren/ daß Pharnabazus Lufft bekam/ seine Voͤlker aufs neue zuordnen/ welche er veꝛ- mahnete/ sie solten des Feindes Schwert/ nicht seine Augen in acht nehmen/ als dann wür- de sich das Spiel bald wenden; Aber Pakorus matzete an seinem Orte dergestalt/ daß die unsern begunten den Fuß zurũck zusetzen/ deswegen ihnen Pharnabazus an diesem noht- leidenden Orte mit 5000 zu Huͤlffe gieng/ und ihnen zurief/ ob sie einschlaffen wolten/ daß sie die Faͤuste so sinken liessen; trat alsbald neben sie ein/ hieb den ersten und andern Parther nieder/ und machte hiemit den seinigen einen frischen Muht/ daß das Spiel wiederumb in gleicher Wage hing/ aber auff die Weichseite kunte er die Parther nicht bringen/ dann Pa- korus stund fest wie eine Maur/ und sagte zu den seinen: Sehet ihr nicht/ daß der Sieg fast in unsern Haͤnden ist/ und wollet ihn nicht helffen ergreiffen? schlug auch mit solchem Ei- fer und kraͤfftigen Streichen umb sich/ daß ihm keiner nahen durffte. Da haͤtte man sollen ein Elend und Jammer sehen; wann jemand fiel/ sahe sich niemand nach ihm umb/ sondeꝛn ward von den nachfolgenden gar ertreten/ und schien nicht anders/ als haͤtten sie alle einer dem andern den Tod geschworen. Pharnabazus wolte diesem Unheil abhelffen/ oder sein Leben dran setzen; nam 800 feste Knechte zu sich/ und brach mit aller Gewalt hindurch/ daß er ein ziemliches Loch in des Feindes Ordnung machete/ und folgeten ihm 6000 mit allem Eifer nach/ wodurch die Parther zuweichen gezwungen wurden. Pakorus wahr nicht an diesem Orte/ sahe doch bald/ wie es den seinen ging/ und samlete 1500 Mann umb sich/ da- mit hielt er diesen Einbruch auff/ daß der Persen Fuß nicht weiter ging/ meynete auch nit anders/ als Herkules oder Ladisla foͤchte an diesem Orte/ des wegen er nach kurzer Ruhe sich an Pharnabazus machete/ und einen absonderlichen Kampff mit ihm anfing/ der sich auch redlich wehrete/ wiewol ihm jener umb ein grosses an Krafft und Geschikligkeit uͤberlegen wahr; stund demnach nicht lange an/ dz an unterschiedlichen Orten seines Leibes das Blut von ihm ran/ da er doch seinem Bestreiter noch keine Wunde beygebracht hatte; endlich hohlete er einen starken Hieb aus/ ihm eines uͤber die Schulder zuversetzen/ geriet aber auff den Schild/ und brach ihm das Schwert vor der Faust ab/ worauff er eine starke Wunde in die rechte Seite bekam/ daß er ohmaͤchtig ward; Pakorus ließ ihn auffheben/ und nach Vologeses bringen/ der ihm von der Spile seiten her nahe verwand wahr/ und ihn fleissig verbinden ließ. Er wahr biß daher die Seele seiner Voͤlker und der Parther schrecken ge- wesen/ so daß nach seiner Gefaͤngnis den Persen der Muht gar entfiel/ daß sie begunten hin- ter sich Fuͤnftes Buch. ter sich zuweichen/ welches Vologeses mit sonderlichen Freuden ansahe/ und schon so viel spuͤrete/ daß da er ja das Feld raͤumen muͤste/ der uͤberwinder das seine auch empfinden sol- te. Es lief einer hin nach Artaxerxes/ und berichtete beydes ihres Feld Herrn Gefaͤngniß/ und der Voͤlker schlechten Zustand/ dessen er nicht wenig erschrak/ und sich fertig machete/ ihn wo moͤglich zu raͤchen; Aber Herkules kam gleich darzu/ wolte durchaus nicht goͤñen/ daß er selbst treffen und fechten solten/ sondern nam noch 5000 des besten Volcks zu sich/ uñ uͤber dieselben Valisken 3500 Persische und 40 Teutsche Schlacht Schwerter/ welche er mit seinen herzugefuͤhreten in eine feste Ordnung setzete/ ging mit diesem auserlesenen Heer 12490 Mann stark (die alle geruhet und gespeiset hatten) dem herzudringenden Feinde frisch entgegen/ nachdem er die Sporn und das Bein Harnisch abgelegt hatte/ und sein Gemahl ihm ihr andaͤchtiges Gebeht nachschickete. Pakorus schlug die Persen wie Scha- fe nider/ daß wo Herkules nicht gleich waͤhre ankommen/ sie einer schaͤndlichen Flucht sich nicht haͤtten entbrechen koͤnnen/ dann ihre Ordnung wahr dermassen zurissen/ daß die Er- setzung unmoͤglich schien/ auch Pakorus meynete/ diesen Sieg solte ihm kein Fuß Heer aus den Haͤnden reissen. Als Herkules bey den Persen anlangete/ fragete er sie/ ob man auf sol- che weise den Feind abtreiben koͤnte; sie solten sich geschwinde samlen/ und hinter ihn ange- hen; fassete den Schild und das Schwert/ und trat vor seinen Schlacht Schwertern her/ die ihn wider seinen Willen zwischen sich nahmen. Pakorus sahe diesen daher stuͤrmen/ uñ erkennete an den grossen Schlachtschwertern/ daß Herkules verhanden wahr; vermahne- te demnach die seinen/ nur noch diesen Stand herzhafftig auszuhalten/ alsdann wuͤrde der vollkommene Sieg ihnen unbenommen bleiben. Die Teutschen fingen schon an mit den ungeheuren Schwertern drein zumatzen/ und machten in kurzer Zeit solchen Raum/ daß niemand herzu nahen durffte/ deswegen Pakorus noch 14000 geruhete herzu hohlen ließ/ umb durch die Menge das schier erstrittene zu erhalten/ stellete die tapffersten mit ihren Schilden den Teutschen entgegen/ und unterrichtete sie/ welcher gestalt man sich gegen sie verhalten muͤste/ nehmlich/ nur dahin trachten/ daß man mit dem Schilde einen Hieb aus- nehme/ und zugleich mit einem langen Stosse unter die Achsel/ einzutreten geschwinde waͤ- re/ dann koͤnten sie wol gedaͤmpffet werden; Und zwar ward hiedurch ihr Einbruch in et- was auffgehalten; aber die andere Teutschen traten an ihre stelle/ und mit der Hirkaner Huͤlffe brachen sie von neuen ein/ daß eine grosse Menge der Feinde erschlagen ward. Her- kules gieng als ein erzuͤrneter Loͤue drauff/ dann Pharnabazus unfall taht ihm wehe/ zwei- felte auch nicht/ dafern nur Pakorus erlegt waͤhre/ solten die uͤbrigen den Ruͤckeweg wol finden; hoͤrete auch nicht auff zusuchen/ biß er ihn antraff/ und in seiner Gegenwart einen starken Parther/ der einen Teutschen verwundete/ mit einem Hiebe zu grunde richtete/ des- sen er sich doch nicht entsetzete/ sondern trat zu ihm mit guter Frendigkeit/ und sagte: Rit- terlicher Held/ wo ich nicht irre/ seyd ihr eben der/ welchen ich suche. Und ihr/ antwortete er/ von dem ich mich gerne finden lasse. Hierauff gebohten sie ihren Voͤlkern beyderseits/ daß kein Mensch ihren Kampff stoͤren solte; gingen mit behuhtsamer Vorsichtigkeit und hefftigen Schlaͤgen auff einander/ aber nach wenig Streichen bekam Pakorus einen star- ken Hieb uͤber den Kopff/ daß es doͤhnete/ meynete doch baar zubezahlen/ und verhieb sich wegen Herkules geradem ausweichen/ daß er durch den Nachhieb eine Beinwunde be- p ij kam/ Fuͤnftes #Buch. kam/ daher er das zierliche Fechten angab/ und sich seiner grossen staͤrke gebrauchete/ damit er Herkules uͤberlegen wahr; der sich aber mit seiner Geschikligkeit entgegen stellete/ und ein langwieriges Treffen mit ihm hielt/ dann er wahr der beste Kaͤmpffer zu fuß unter allen Parthern. Sie wurden beyderseits an unterschiedenen Orten ihres Leibes verwundet/ uñ taht Pakorus nichts so wehe/ als daß er sehen muste/ wie jaͤmmerlich die seinen von den Teutschen zugerichtet wurden; dann als die Schlachtschwerter des Feindes Anschlag in- ne wurden/ fuͤhreten sie keine Ober-sondern Unter- und Seitenhiebe/ denen jene nicht zu begegnen wusten. Herkules verwunderte sich über seines Feindes Krafft/ weil ihm am Nachdruk der Schlaͤge nichts abging/ und nichts desto weniger sich wol vorfahe; so wahr ihm aber doch der Verzug dieses Streits nicht zuwider/ weil es den seinen so treflich gluͤc- kete; aber Pakorus dauchte die Zeit zu lange/ und wagete einen Fall/ daß ihm Herkules ausweichen muste/ der gleichwol seines Vortels acht hatte/ und ihm die rechte Hand mit seines Schwerts Spitze zimlich verwundete/ daß er das Schwert nach Willen nicht ge- brauchen kunte; gab ihm auch alsbald darauff einen Stoß durch den rechten Arm/ und schlug ihn uͤber den Kopff/ daß ihm die Ohren davon gelleten. Als er nu wegen der Hand- und Armwunde das Schwert nicht mehr gebrauchen kunte/ auch die Krafft wegen des hefftigen blutens ihm entgieng wolte Herkules weiter auff ihn nicht schlagen/ sondern sag- te zu ihm: Ritter/ ich habe diesen Kampff nicht aus Feind schafft/ sondern aus Pflicht mit euch gehalten/ und demnach ich euch durch Gluͤckesfall zimlich verwundet sehe/ wil ich un- sern Streit auffruffen/ nicht zweifelnd/ er werde sich gefallen lassen/ mit mir nach unserm Lager zu kehren damit unsere Wunden verbunden werden; an meiner seiten habt ihr euch nichts als alle Freundschafft und Auffrichtigkeit zuversehen. Pakorus kunte sich dieser Hoͤfligkeit nicht gnug verwundern/ und antwortete: Treflicher Ritter/ ich goͤnne euch viel lieber die Volstreckung eures Sieges/ und daß ihr das wenige uͤbrige meines Bluts vol- lends hinweg nehmet/ nach dem die Goͤtter euch solches goͤnnen. Das muͤste mich ewig ge- reuen/ sagte Herkules/ daß ein so teurer Held von meiner Hand sterben solte; fassete ihn bey dem Arme/ und sagte: Kommet mein Freund/ wir wollen unsern Wunden raht schaffen/ welche wir uns umb anderer Leute Feindschafft geschlagen haben. Ja ich folge willig/ ant- wortete er/ wann ich keines andern als des unuͤberwindlichen Helden Groß Fürst Herku- les Gefangener bin/ sonst werde ich lebendig diesen Ort nicht verlassen; wie ich mir dann die Hoffnung mache/ eben dieser sey mein Uberwinder. Mein Freund mache ihm keine wi- drige Gedanken/ sagte Herkules; dann so wenig ich mich vor seinen Uberwinder halte/ so wenig sol er mein oder einiges andern Menschen Gefangener seyn/ nur wolle er seine Ver- bindung nicht verseumen/ und nach deren Empfahung zihen wohin er selbst wil. Nun ihr Goͤtter/ sing dieser darauff an; bestaͤtiget den Parthischen Stuel/ und setzet dieses Helden seinen zu allernaͤhest; fasseten sich hiemit einander bey den Haͤnden/ und gingen aus dem Gedraͤnge hinweg/ da alsbald zwey Pferde hergebracht wurden/ auff welchen sie mit ein- ander nach den naͤhesten Zelten ritten/ da ihre Wunden auffs fleissigste verbunden wurdẽ; uñ nahm darauf Herkules diesen Abscheid võ ihm: Fuͤrst Pakorus/ ich weꝛde noch einẽ Rit gegen Fürst Osazes wagen/ gluͤcket mir derselbe/ alsdann hoffe ich/ sol unsere Arbeit vor diß- mahl geschehen seyn; machte sich damit nach seinen Leuten/ und fand einen solchen erschrek- lichen Fuͤnftes Buch. lichen Zustand/ daß ihm die Haar zu berge stunden. Dann nach seinem Abscheide hat- ten die 12000 Parther nach aͤusserstem Vermoͤgen Widerstand geleistet/ aber endlich den kuͤrzern zihen muͤssen; daher Osazes mit seiner uͤbrigen Mannschafft loßgebrochen wahr. Er wolte zwar nach Vologeses Anordnung/ acht tausend der besten zuruͤcke lassen/ und dagegen von denen so schon gefochten hatten/ ihre stelle erfuͤllen; aber diese we- gerten sich dessen/ einwendend/ sie haͤtten ihren Stand redlich gehalten/ warumb sie dann zweymahl ansetzen/ und diese nur zusehen solten? haͤtte man sie gerne Tod/ solte man sie unabgefodert gelassen haben; wann aber die Noht an den Mann treten wuͤrde/ wolten sie biß zum lezten zn/ bereit seyn. Also muste er ingesamt seine Voͤlker anfuͤhren/ da ihm Leches seinen ganzen hauffen entgegen gehen ließ/ nur daß er 100 Teutschen und 500 Persen bey sich behielt. Siegfried und Herman trieben das Werk sehr eiferig/ teileten die Voͤlker mit einander/ und führeten sie an in zwo Geschwader/ denen Wedekind mit seiner Macht zu huͤlffe ging/ und sie den heftigen Anfall der Parther ritterlich bestunden. Es wahr dieser Saz der allerernstlichste/ deßgleichen bey der ganzen Reuterey nicht vorgangen wahr/ so daß das Wuͤrgen am eifrigsten anhielt/ wie Herkules darzu kam. Bey Ladisla wolte sich der Sieg am ersten eraͤugen; dann als Madates hingerichtet wahr/ entfiel seinen Leuten der Muht/ daß sie in weniger Zeit zu ruͤcke wichen/ und sich auff Vonones zohen/ welcher deßwegen ge z wungen ward Ladisla Einbruch zu hindern/ und ihm seine uͤbrige Mañschaft entgegen zustellen/ denen sich Ladisla mit seiner ganzen Macht erzeigete. Vologeses wolte nunmehr an seiner schierkuͤnfftigen gaͤnzlichen Niderlage nicht mehr zweiffeln/ dann sein Fußvolk sahe er außweichen/ machte ihm deßwegen leicht die Rechnung/ Pakorus muͤste Tod oder gefangen seyn/ und begab sich hin zu dem Koͤnige/ der kaum mit 6000 Fußschuͤt- zen umbgeben wahr/ daß wann Ladisla solches gewust/ haͤtte er ihn leicht anpacken koͤnnen. Als Artabanus seinen Feldmarschalk kommen sahe/ rieff er ihm mit betruͤbter Stimme zu; wir fuͤrchten sehr/ unsere Voͤlker werden dißmahl dem Feind wenig angewinnẽ. Was angewinnen? sagte Vologeses/ haͤtte man nur einen ehrlichen und sicheren Abzug; mit dem Fußvolk ists geschehen/ wie es auch umb den guten Pakorus stehen mag; die Reu- terey schwanket auch schon; aber was hilffts/ daß ich viel klage? da man mit dem Kopffe hindurch wil/ kans nicht anders gehen. Mein heilsamer Raht ist dißmahl verlachet wor- den/ und hat wenig gefehlet/ etliche freche Buben/ die ihren Lohn schon bekommen/ haͤtten mir gar die Narrenschellen angehenkt; nun wird mans zu spaͤt beklagen/ daß man alle ver- nuͤnftige Ursachen/ die man zum besten angefuͤhret/ außgezischet und beschimpfet hat. O haͤtte man den Feind etliche wenig Wochen auffgehalten/ ihre Muhtigkeit und Kraft sol- te wie Wasser zerronnen seyn. Ja haͤtte man noch heut nach meinem Raht eine Enge er- griffen/ wolten wir in wenig Tagen Meister gespielet haben. Aber geschehene Dinge sind nicht zu wiederbringen. Eure Koͤnigl. Hocheit wolle sich zu Pferde setzen; ich wil/ da mich das Unglük nicht gar zu sehr draͤnget/ noch heut sehen lassen/ wie leicht ich mich ihres an- laufs haͤtte wollen entbrechen/ wann mirs nur frey gestanden waͤhre. Eure Hocheit aber nehme an diesem Tage und heutigem schweren Verlust zur Lehre/ wie schaͤdlich es sey/ wañ man die vergeblichen Begieꝛden sich blenden laͤsset/ uñ den unverstaͤndigẽ Schmeich- lern lieber/ als getraͤuen Raͤhten die Ohren leihet. Einem andern wuͤrde diese scharffe Re- p iij de nicht Fuͤnftes Buch. de nicht ungestraffet außgangen seyn/ aber Vologeses ansehen wahr zu groß/ daß der Koͤ- nig es verschmerzen muste. So vergingen ihm auch zum teil die liebes Gedanken/ wegen der instehenden Gefahr/ legte seinen Koͤniglichen Schmuk abe/ setzete sich auff ein schnel- lauffendes Pferd/ und hielt neben Vologeses/ biß er sahe daß die Fußvoͤlker sich zuruͤk zo- hen/ denen er die 6000 Schuͤtzen zu huͤlffe schickete. Dann als Pakorus gefangen wahr/ brach Artaxerxes mit seinem Heer auff/ und volstreckete den Sieg zu fusse; weil er aber zu eiferig ging/ und die Parther/ deren noch eine gute Anzahl/ zu umbringen meinete/ erwec- kete er hiedurch bey ihnen eine Verzweiffelung/ daß sie unmenschlich umb sich schlugen/ biß sie der Gefahr entrissen/ sich mit zimlichen Vortel zuruͤk zihen kuntẽ/ da die jeztgedach- ten Schuͤtzen ihnen guten Vorschub tahten/ und mit ihren Pfeilen die unsern dergestalt abwiesen/ daß auch Artaxerxes selbst zween Schuͤsse empfing uñ wegen der Verwundung des rechten Fusses/ in welchen ihm hinten an die Verse ein Pfeil fiel/ sich muste hinweg tragen lassen. Ladisla nam ihres Fußvolks Wolergehen zeitiger wahr als Herkules/ und weil Vonones dem Koͤnige 4000 schicken muste/ gedachte unser Held bald/ Artabanus wuͤrde dem Hasenpanier folgen wollen/ befahl dem Roͤmer Autronius das Heer/ und ging mit 3000 Boͤhmen und 2000 Roͤmern nach den zehn Elefanten/ in Meynung den Koͤ- nig zuerhaschen/ umbgab diese Tihre/ und rieff ihren Meistern zu/ dafern sie nicht umbkeh- ren und nach dem Persischen Lager sich begeben wuͤrden/ solten sie stuͤndlich erschossen weꝛ- den. Diese wusten daß der Koͤnig schon herunter wahr/ so hatten sie keine Kriegsleute bey sich/ deßwegen liessen sie sich durch Furcht und Draͤuen schrecken/ und leisteten Gehorsam. Das Frauenzimmer aber welches auff dreyen Elefanten saß/ fuͤhrete so ein jaͤmmerliches Geschrey dz Ladisla sie schier aus erbarmung haͤtte abzihen lassen; weil er sich aber fuͤrch- tete/ sie moͤchten in der geilen Persen Haͤnde gerahten und zu schanden gemacht werden/ rieff er ihnen zu/ sie solten sich zu frieden geben/ und dem Gluͤk danken/ daß sie ihn zu ihrem Ehren-schuͤtzer bekommen; worauff sie sich etlicher massen stillen liessen. Herkules sahe nicht/ auff was Weise er seine Voͤlker von der unordentlichen Schlacht abzihen/ und sie sein wieder setzen koͤnte; samlete vor erst 4000 Mann umb sich/ und fing ein absonderli- ches Treffen wieder den Feind von der Seiten her an; als nun die seinen diesen wolge- sezten hauffen sahen/ machten sie sich in grosser Menge dahin/ biß endlich sein ganzes Heeꝛ sein wieder in Ordnung gebracht ward/ auch Osazes an seinem Orte ein gleichmaͤssiges zu tuhn suchte/ eben da Vologeses ihm zuentboht/ er solte dem Koͤnige 6000 handfeste Parther senden/ und alsbest er moͤchte/ die Voͤlker retten/ weil das Fußvolk schon geschla- gen/ und Vonones auff der Weichseite waͤhre; dessen dieser nicht wenig erschrak/ und die begehrete Mannschaft hingehen ließ/ fuͤhrete auch nach dem die Schlacht so behutsam/ daß die unsern ihm wenig angewinnen kunten. Es ward ihm aber die Zeitung gebracht/ daß die zehn Elefanten/ auff deten einem seine allerliebste Panthea wahr/ die er kaum vor sechs Wochen wieder geheirahtet hatte/ nach der Feinde Lager gefuͤhret wuͤrden/ deßwe- gen er ihm vornam/ sie zu erloͤsen oder zu sterben; ging also mit 5000 guter Mannschaft hin zu ihrem Entsatze. Ladisla sahe ihn kommen/ hies 100 Roͤmer mit den Tihren fortzihẽ/ er aber setzete sich diesem entgegen/ welcher doch nicht ehe zu schlagen meinete/ biß die Ele- fanten in seiner Gewalt waͤhren; aber Ladisla setzete ihm dergestalt zu daß er sich nohtwen- dig Fuͤnftes Buch. dig wehren muste/ traff auch selbst auff ihn/ und merkete an seinem treflichen Getechte/ daß er ein sonderlicher grosser Herr seyn muͤste/ daher er mit guter behutsamkeit auff ihn ging/ und ihm doch sehr wenig abgewinnen kunte; ja ungeachtet dieses herben Streits/ zog er sich gleichwol stets nach den Elefanten hin/ weil er seinen Leitstern drauff hatte/ daß Ladis- la/ damit er ihn zum Stande braͤchte/ zu ihm sagte: Ritter stellet das Weichen ein/ oder ich werde mich an eurem Pferde vergreiffen. Woldann/ antwortete Osazes/ weil es an- ders nicht seyn kan/ muß ich euch zu willen werden; fiel damit so wuͤtig auff ihn zu/ daß er muͤhe hatte sich zu beschuͤtzen; biß ihm noch ein Unterhieb geriet/ damit er ihm eine starke Wunde in den linken Arm gab/ weil er den Schild von sich geworffen hatte/ da er nach den Elefanten eilete. Also kunte Osazes sein Pferd nicht mehr mit der Linken leiten/ wel- ches Ladisla eine schnelle uͤberwindung gab/ da er ihm die rechte Hand darzu beschaͤdigte/ und den Daumen halb hinweg hieb. Noch dannoch wolte dieser sich nicht ergeben/ son- dern stellete einen seiner Obristen an seine stelle/ in meynung also zu entgehen. Aber Ladisla wahr ihm zu steiff auff der Haube/ reiß ihm den Helm ab/ und als er sahe wer es wahr/ dann er ihn zu Charas gesehen hatte/ sagte er zu ihm: Furst Osazes/ koͤnnet ihr Ladisla Freundschaft annehmen/ so trauet seiner Versicherung/ und reitet mit/ daß man euren Wunden raht schaffe. Dieser antwortete ihm: Ja Großmaͤchtiger Koͤnig/ wann mein lebendiger Schaz auff dem Elefanten dieser Versicherung mit geniessen sol/ wil ich die an- gebohtene Koͤnigl. Gnade gerne annehmen/ und mich solchem ruhmwirdigen Helden er- geben. Worauff er von neuen alle Zusage bekam. Seine Leute aber/ als der Feld Herr verlohren ging/ zogen die Feldhosen an/ und kahmen ohn sonderlichen Verlust davon. So bald Vologeses seinen Koͤnig (der vor angst sich kaum auff dem Pferde halten kunte) in Sicherheit gebracht hatte/ samlete er die annoch uͤbrigen Reuter und Fußvoͤlker umb sich/ ließ ihnen Pfeile gnug außteilen/ stellete sie durch einander/ und ging damit gegen Herku- les/ ließ die Trometer zum Abzuge blasen/ und daß alle sich bey ihm finden solten; daher er in kurzer Zeit ein starkes ansehnliches Heer umb sich hatte/ mit welchem er den Sieg haͤt- te zweifelhaftig gnug machen koͤnnen/ wañ sie nicht zu heftig waͤhren abgemattet gewesen; nam aber den sichersten Weg vor sich/ ging algemach zuruͤcke/ und schikte sich in die Zeit; doch sendete er den unsern die Pfeile in solcher Menge zu/ daß sie ihn weiters nicht ver- folgen durften/ und er also diese Voͤlker/ welche sich von den Fluͤchtigen alle Augenblik mehreten/ sicher ins Lager brachte/ welches er die vorige Nacht (ungeachtet des Koͤnigs Verspottung) mit weiten Graben und hohen Brustwehren hatte umbzihen lassen; beset- zete solches auch mit Schuͤtzen/ und schaffete/ daß die Verwundete verbunden/ und die Matten gelabet wurden. Musten also die unsern/ weil sie mit Geschoß auff der Eile nicht versehen wahren/ ihnen den Abzug goͤnnen/ und sich noch vorsehen/ daß sie unbeschaͤdiget davon kahmen; da sie ohn einige Plunderung nach ihrem Lager kehreten/ auch Herkules/ Ladisla/ Artaxerxes und Phraortes auff dem Wege zusammen stiessen und sich ihres wol- ergehens hoͤchlich freueten/ ob sie gleich alle viere etwas verwundet wahren. Valiska sahe von ihrem Elefanten sie daher kommen/ und empfand dessen unsaͤgliche Freude in ihrem Herzen/ daß sie nicht unterlassen kunte/ herunter zusteigen/ und auff ihrem Reitpferde ih- nen entgegen zuzihen. An allen Orten hatte der lezte Saz viel Blut gekostet. Artaxerxes/ Her- Fuͤnftes Buch. Herkules und Pharnabazus hatten von Pakorus eigenem Heere 14000 erschlagen/ und 12000 verwundet/ deren bald hernach 9000 sturben weil sie nicht so schleunig kunten ver- bunden werden/ und etliche Verleumder daher ursach nahmen/ die Persischen zu beschul- digen/ als haͤtten sie mit vergiftetem Gewehr gefochten. Partamasiris war schon mit 5000 gefangen worden/ wie auch von Surinas Voͤlkern 4000/ von dessen Verwundeten 7100 den Tod empfingen. Von Orodes Hauffen wurden 3000 gefangen; der Verwundeten kahmen 4000 um/ und blieb der überschuß gar geringe/ nach dem von dem ganzen Fußheer nur 31350 gesunder und 14200 beschaͤdigter davon kahmen/ ingesamt 45550 Mann. 12000 wahren gefangen/ und 82450 erschlagen. Es hatte aber unser Fußvolk auch grossen Ab- bruch gelitten; dann uͤber die zuvorgedachte wurden noch 9000 erschossen/ und Pakorus mit seinem Hauffen hatte in die 24000 Mann erschlagen/ und 10675 verwundet/ daß an Persischer Seite sich 58225 todte/ 20275 verwundete/ und 41500 gesunde funden. An sei- nem Reuterheer missete Herkules über vorgedachte noch 11619; wahren ihm also 27000 abgeschlagen; Unter den uͤbrigen wahren 23000 beschaͤdigte/ und 40000 gesunde; und fand man unter den todten 81 Teutschen/ und 76 unter den verwundeten. Ladisla hatte uͤ- berall 26850 beschaͤdigte/ aber 16150 wahren drauff gangen/ und der gesunden uͤberschuß bestund in 47000 Koͤpffen; da unter den erschlagenen 182 Boͤhmen/ und 353 Roͤmer; un- ter den verwundeten aber 300 Boͤhmen/ und 350 Roͤmer wahren. Des Feindes Reuterey hatte ein mehres eingebuͤsset; Von Osazes Fluͤgel wahren 59000 erschlagen/ 7000 hart verwundet/ und 16500 in Gefaͤngnis gerahten. Unter den Todten wahren 12000 Skythen und gleich so viel Indier; Unter den verwundeten 3000 Indier/ und unter den gefangenẽ 6500 Skythen/ also daß von diesem Fluͤgel/ welcher mit zutuhn deꝛ Indier anfangs 125500 Mann hatte/ nach der Schlacht nur 43500 gesunde/ wiewol allerdinge abgemattete Reu- ter uͤbrig wahren. Vonones/ als ihm an stat der Indier die Elefanten Schuͤtzen und uͤber- bliebene Skythen zugeschikt wahren/ hatte ein Heer von 102000 Reutern/ aber die wahren ihm dergestalt gestenzet/ dz nur 30500 gesunde davon bey ihm stunden; massen deren 5000 gefangen/ 8000 hart verletzet/ und die uͤbrigen 58500 erschlagen wurden/ dz von aller Sky- tischen Manschafft nur 3000 bey dem Heer übrig wahren/ welches uͤberall noch in 105350 gesunden und 29200 verwundeten bestund. Hingegen wahr das Persische Heer noch 128500 gesunde Koͤpffe stark/ und unter ihren 70125 beschaͤdigten funden sich 30000/ wel- che nach empfangener Verbind- und Labung noch düchtig wahren das Gewehr zu fuͤhrẽ. Von den Parthischen Feldherren wahren gefangen/ Fürst Pakorus/ Fuͤrst Osazes/ Suri- nas/ Mithridates/ Archelaus/ Sargapises der Skythe/ Partamasiris/ und Apreteus. Skyles der Skythe Pandion der Indier und Andragoras der Parther wahren erschla- gen. Von unsern Kriegs Obristen wahren gefangen/ Fuͤrst Pharnabazus/ Prinsla/ Mar- kus/ Bubazes und Gallus. Unter den verwundeten Gefangenen wahren Mithridates und Osazes die schwaͤchesten/ aber kein Mensch froͤlicher/ als Groß Fuͤrstin Valiska; sie herzete ihren Gemahl und Bruder vor Freuden/ als sie vernam/ daß ihre Wunden so geringe wa- ren/ wolte ihnen auch alsbald die Harnische helffen abziehen; aber Herkules hatte was an- ders im Sinne/ und sagte zu den anwesenden Fuͤrsten: Vologeses hat jezt sehen lassen/ wie gescheid er ist/ die Voͤlker durch vorsichtige und halb-furchtsame Abfuͤhrung zuretten; aber ich Fuͤnftes Buch. ich hoffe ihm die Karte dergestalt zuverstecken/ daß er inwendig 24 Stunden ungejagt da- von lauffen/ oder Morgen mit allen den seinen sich belagert finden sol; befahl auch daß die gesunde Mannschaft sich alsbald laben muste/ deren Haͤuptleute er also anredete: GOtt Lob ihr redliche Persen/ Meden/ und andere Bundgenossen; das Parthische Joch ist nun schier gebrochen; der grosse Wuͤterich Artabanus hat euch muͤssen den Ruͤcken zukehren/ und mag vielleicht wol schon mit fluͤchtigen Gedanken umbgehen. Lieber goͤnnet ihm die Ehre nicht/ daß er sich beruͤhmen solte/ wir haͤtten sein Lageꝛ nicht angeschriehen. Zeiget eu- ren Kriegsleuten an/ daß wer gesund ist/ und ein unverzagtes Herz hat/ solle sich geschwin- de mit Speise und Trank laben/ und mir folgen; die Pluͤnderung sol ohndas vor Morgen früh nicht geschehen. Wer weis was vor Gluͤk der milde Gott uns zuweiset/ daß uns die- ser Rit nicht gereue? ich versichere euch/ daß der Feind der Kuͤhnheit nicht ist/ uns ein blosses Schwert zuzeigen/ und ihr deßwegen vor neue Wunden euch nicht zubefuͤrchten habt. Er hatte nunmehr bey hohen und niedrigen ein solches Ansehen erlanget/ daß sie ihn nicht anders als einen irdischen Gott schaͤtzeten/ deßwegen die Haͤuptleute willig wahren/ und die Voͤlker begierig/ ihm zu folgen/ in solcher Freudigkeit/ daß sie mit jauchzen erschie- nen/ und uͤber die 20000 beschaͤdigte mit fort ritten/ so daß nur 6000 gesunde die Gefan- genen/ deren 33500 wahren/ bewacheten/ und 10000 zimlich verwundete das Lager beset- zeten; dagegen stelleten sich 140500 Mann zum Zuge/ und wahren 2000 Reuter außge- schikt die verschüchterten Pferde zusammen zutreiben. Valiska betruͤbete sich dieses vor- nehmens sehr/ daß sie willens wahꝛ/ ihn davon abzumahnen/ einwendend/ man solte einem fliehenden Feinde eine guͤldene Bruͤcke machen; aber Herkules sagte mit einem leichten Lachen: Wie mein Schaz/ seid ihr in so kurzer Zeit so verzagt worden? geliebt es euch/ so leget eure Waffen an/ uñ reitet mit/ weil keine Gefahr zu fuͤrchten ist. Sie nicht faul/ mach- te sich fertig/ und setzte sich auff ihren Blaͤnken/ welchen ihr Fuͤrst Menapis aus Hirkanien vor wenig Tagen geschikt hatte. 2500 Teutsche und Boͤhmen/ nebest 5500 Persen und Meden wurden geordnet/ ihr auff allen Fall Schuz zu halten/ und wolte Ladisla durchaus nicht zurücke bleiben/ sondern weil seinen geringen Wunden schon raht geschaffet wahr/ ging er mit Herkules fort. Der Feind hatte seine Schildwachten zimlich weit anßgesetzet/ welche nach empfangenen Befehl geschwinde außrissen/ und im Lager ein grosses Schrec- ken verursacheten/ vorgebend/ es waͤhre der Feind wol mit 150000 Mann verhanden und im vollen anzuge/ das Lager zu stuͤrmen; denen Vologeses anfangs keinen Glauben zustel- len wolte/ aber nachdem er die unsern sahe/ die in weit außgebreueten Fluͤgeln fort zogen/ und 800 Teutsche Schlachtschwerter voran gingen/ besetzete er die Posten mit kranken und gesunden durcheinander/ dann er verlies sich auff seine tieffe Graben und hohe Brust- wehren/ hinter denen er vor Reuter anfal gnug gesichert wahr. Herkules wuste vorhin wol/ daß er durch Sturm nichts schaffen kunte/ wahr auch dieser Ursachen halber nicht außgezogen/ sendern hatte bey den Gefangenen sich genaue erkuͤndiget/ was vor eine be- schaffenheit es mit des Feindes Lager hatte/ und daß die Elefanten sampt den Speisewagẽ im absonderlichen Lager gehalten wurden; dahin ließ er Ladisla mit 20000 Mann gehen/ er aber besetzete das Haͤuptlager rings umbher/ daß sie nicht außfallen kunten/ wie sie dann ohndas darzu keinen Willen hatten; und ob gleich Vologeses 20000 aufbieten lies/ einen q ritter- Fuͤnftes Buch. ritterlichen Versuch zu tuhn/ wolte doch Artabanus es nicht goͤñen/ sondern sagte: Lasset die hungerigen Teutschen Woͤlffe nur machen/ wir hoffen/ sie werden sich endlich durch ihren eigenen Grim noch selber fressen. Valiska sendete einen Trometer nach des Fein- des Lager/ und ließ Bagophanes anmelden/ wo er seiner Gemahl Fr. Parasitis etwas zu entbieten haͤtte (dann sie wahr mit unter dem gefangenen Frauenzimmer) wolte sie es ger- ne werben/ gaͤbe ihm auch hiemit frey sicher geleit/ zu ihr heraus zukommen. Als Artaba- nus hoͤrete/ daß sie mit unter den Voͤlkern wahr/ merkete er leicht/ daß Herkules ihm sol- ches nur zum Schimpff und auffzuge anstellete/ und ward durch Liebe uñ Eifer dergestalt eingenommen/ daß er begehren durfte/ man solte ihm seine Rustung bringen/ er wolte hin- aus/ und mit dem Raͤuber Herkules einen absonderlichen Kampff halten/ der gewissen Hoffnung/ ihm obzusiegen. Aber seine Obristen haͤtten des lieber gelachet; und kunte Vo- logeses nicht umbhin/ ihn zuerinnern/ er moͤchte doch in sich gehen/ und bedenken/ daß we- der Karthasis noch Pakorus vor Herkules Schwert haͤtten bestehen koͤnnen/ und daß wol eben zu dem Ende Artaxerxes ihn bewaͤget haͤtte/ sein Gemahl herzufuͤhren/ daß seine Koͤ- nigl. Hocheit dadurch ins Nez gelocket wuͤrde; zwar er koͤnte wol leiden/ daß Bagopha- nes hinaus ritte/ aber dem außzuge seines Koͤniges wolte er sich wiedersetzen/ und lieber sterben als einwilligen. Nun nun Bagophanes sagte Artabanus/ so reite hinaus/ nach- dem unsere Fürsten und Kriegs Obristen unser Vorhaben dißmahl nicht vor rahtsam halten; sagte ihm etwas heimliches ins Ohr/ und ließ ihn fort zihen. Herkules sahe ihn kommen/ und ritte von seinem Gemahl hinweg/ weil dieser vielleicht sich scheuhen moͤchte/ in seiner Gegenwart mit ihr zu reden. Die Groß Fuͤrstin hatte zwar ihren Reitharnisch angelegt/ auch einen koͤstlichen Degen an der Seiten/ und den Koͤcher vol Pfeile/ aber den Helm hatte sie abgetahn/ und einen schwarzen Huet mit einer weissen Feder auffgesetzet/ darunter sie ihr schoͤnes Haar bey den Ohren herunter hangen ließ. So bald Bagopha- nes sich ihr nahete/ rieff sie ihm zu: Wie stehets mein Freund? habt ihr auch Wunden mit aus der Schlacht zubeweisen? Durchleuchtigstes Fraͤulein/ antwortet er/ ich erfreue mich ihrer Gn. wolergehens/ und habe derselben meines allergnaͤdigsten Groß Koͤniges Gruß anzumelden/ dessen Hocheit sie freundlich ersuchen laͤsset/ auff guten Glauben in sein Lager zureiten. Ach nein/ sagte sie mit einem Gelaͤchter/ vor dißmahl werde seiner Hocheit ich nit gehorsamen koͤnnen/ weil von meinem allerliebsten Gemahl ich dessen kein erlaͤubnis ha- be; bedanke mich aber des uͤberbrachten Grusses/ und werdet mich wol entschuldigen/ auch daneben euren Koͤnig versichern/ daß der gefangenen Herren ich mich traͤulichst an- nehmen wolle; wie ich dann hoffe/ daß man mit den unsern auch also verfahren werde; sol- tet ihr aber Herrn Bubazes wegen seiner Kleofis wollen zusetzen/ wuͤrde euer Gemahl uñ andere/ dessen schwer zu empfinden haben. Es ist mir sonst lieb daß mein gnaͤdigster Koͤ- nig aus diesem harten Ungewitter noch unbeschaͤdigt entrunnen ist. Aber verlanget euch nicht mein Freund/ euer schoͤnes Gemahl bald wieder zusehen? an welcher sich wol junge Herrn vergaffen duͤrften/ und ist sie ohndas meines Herrn Bruders gefangene/ welcher vielleicht ohn empsangenen Kuß sie nicht loß geben moͤchte. Dieser meynete/ es waͤhre ihr lauter ernst/ und baht sehr/ ihrer Ehren getraͤue Schuͤtzerin zu seyn. Dessen sie lachete/ und ihm versprach/ er solte sie noch vor Morgen fruͤh wieder haben; wovor er sich untertaͤhnig bedan- Fuͤnftes Buch. bedankete/ und ihr ungescheuhet zuverstehen gab/ wie der Koͤnig an ihrer Liebe so sehr hin- ge/ daß er sich eines aͤrgern befuͤrchtete/ wann er seinen Vorsaz nicht erlangen wūrde. Welches sie aber mit einem ernstlichen Gesichte also beantwortete: Bey Leib und Leben sa- get mir davon nicht/ Bagophanes; was wolte oder koͤnte er seinen Vorsaz an mir erlan- gen? wisset ihr oder er dan nicht/ daß ich mich verehlichet habe? ich werde ja nicht von mei- nem allerliebsten Ehegemahl Groß Fuͤrst Herkules hinweg lauffen/ und eurem Koͤnige als eine Ehebrecherin auffwarten; haͤtte euch auch nimmermehr so unverstaͤndig angese- hen/ daß ihr einem redlichen Weibesbilde ein solches anmuhten wuͤrdet; und warumb scheltet ihr mich vor ein Fraͤulein? wisset ihr doch wol daß der Nahme mir nicht zustehet. Saget demnach eurem Koͤnige/ daß er die Augen seines verstandes auffthue/ und beydes sein thoraͤchtiges Vornehmen mich zuerstreiten/ und sein bevorstehendes Ungluͤk betrach- te. Er sihet ja wie hefftig ihm heutiges Tages sein Stuel geruͤcket ist/ und duͤrffte ihm/ ehe ers meinet noch wol naͤher getreten werden. Waͤhre demnach mein getraͤuer Raht/ er lies- se sich etwas gnaͤdiger und gutwilliger gegen die Fuͤrsten heraus/ als bißher geschehen; alsdann wolte ich als eine getraͤue Unterhaͤndlerin ihm in der Taht beweisen/ wie gut ichs mit seiner Hocheit meyne. Zwischen diesem Gespraͤch hatte Artabanus hinter der Brust- wehr durch ein klares Durch sicht ihr Ange sicht und Gebaͤrden eigentlich besehen/ und dauchte ihn/ sie waͤhre ihm in so volkommener Schoͤnheit noch nie vorkommen; kunte da- her durch Liebe gereizet/ nicht unterlassen/ in sich selber zusagen. O du unverstaͤndiger bloͤ- der Artabanus/ kuntestu dieses unvergleichlichẽ gutes nicht geniessen/ da du es in deinem Besiz hattest? und liessest durch ihr leichtes Draͤuen dich davon abschrecken! Nun ihr Goͤtter/ liefert sie noch einmahl wieder in meine Gewalt/ oder schicket es/ daß der Erzraͤu- ber diese Laͤnder so geschwinde nicht verlasse/ damit ich Gelegenheit habe/ mich ihrer zube- maͤchtigen. Inzwischen hielt Valiska ihr Gespraͤch mit Bagophanes/ und vermahnete ihn gar ernstlich/ seinen Koͤnig von den naͤtrischen gedanken abzuzihen; da gleich Ladisla sich mit seiner Beute sehen ließ. Er hatte vor erst die Elefanten Meister gezwungen/ ihre Tihre alle miteinander heraus zufuͤhren/ die er mit 4000 Reutern nach dem Persischen Lager begleiten ließ; hiebey wahren 10000 Kameltiehre/ 20000 Maul Esel und 16000 Wagen/ die alle mit fort musten/ nachdem die Pferde schon davor gespannet wahren/ weil Vologeses wieder Artabanus Willen befohlen hatte/ sie nach dem befestigten Lager in sicherheit zu bringen/ und sie also zum vollen und schleunigen auffbruche fertig stunden. Als die Parther diese Beute sahen hinweg suͤhren/ waͤhre ihr Koͤnig schier unsinnig wor- den; Vologeses aber geriet in Eifer/ und sagte: Ich halte es vor ein unfehlbahres Zeichen unsers unterganges/ daß eure Koͤnigl. Hocheit mir in allen guten anschlaͤgen so gar zuwie- der ist; haͤtte man nach meinem befehl die Wagen und Tihre alsbald hereingebracht/ sol- ten sie uns wol blieben seyn/ und fürchte ich nur/ daß zugleich Freunde und Feinde alles meinem unverstande und unvorsichtigkeit zulegen werden. Artabanus taht als hoͤrete ers nicht/ und sing an zu ruffen: Pfui uns an/ wir sind nicht eines faulen Apffels wert; ist es so weit mit uns kommen/ daß wir solchen Schimpff und Schaden mit geduldigen Augen ansehen muͤssen? hinaus/ und hauet Kamehl und Pferde nider/ so bleibet uns ja noch wol/ was wir geladen haben. Vologeses seufzete uͤber dieser Tohrheit/ wolte nicht antworten/ q ij und Fuͤnftes Buch. und achtete selbst vor noͤhtig/ daß man zum wenigsten nur zum scheine sich ins Gewehr stellete/ daher befahl er den gesunden Reutern auffzusitzen; aber es ging alles so schlaͤfferig zu/ daß er leicht merkete sie wuͤrden wenig verrichten; weil auch Herkules mit auffbrach und sich hinter die Wagen setzete/ ließ kein Parther sich ausserhalb Lagers finden. Bago- phanes machte sich wieder hin zu seinem Koͤnige/ brachte ihm der Groß Fuͤrstin freundli- chen Gruß an/ und daß des Koͤniges Gesundheit ihr sehr lieb waͤhre; gab vor/ sie haͤtte durch Geberden gnug zuerkennen gegeben daß sie im Herzen ihm sehr hold waͤhre/ aber wegen der anwesenden Auffmerker sich nichts duͤrffen vernehmen lassen/ ohn daß sie ihm (welches er aus furcht tichtete) vertraulich angezeiget/ daß eine sehr grosse Macht nicht ferne waͤhre/ dem Koͤniglichen Lager zuzusetzen; dann er haͤtte den schleunigen Auffbruch/ umb der Gefahr zuentgehen/ gerne befodert. Phraortes hatte Artaxerxes im beywesen der gefangenen Parthischen Herren angemeldet/ daß nicht allein alle Parthische Elefanten eingebracht waͤhren/ sondern Groß Fuͤrst Herkules mit einer unglaͤublichen Menge Ka- mehle/ Maul Esel und Wagen angetrieben kaͤhme. Dessen er sich hoch freuete/ und zur antwort gab; er koͤnte anders nicht glaͤuben/ als daß Herkules von irgend einem Gott muͤ- ste gezeuget seyn; zweiffelte auch nicht/ da ers nicht umb seines Gemahls willen unterlas- sen wuͤrde er gewißlich einen Versuch auff des Feindes Lager gethan haben. Nun hatten Pakorus und Osazes eben dieses gefuͤrchtet; aber da sie hoͤreten/ daß es ihm umb diese Beute wahr zutuhn gewesen/ gaben sie sich in etwas zu frieden/ ungeachtet sie wol sahen/ daß dem Parthischen Kriegs Heer hiedurch alle Mittel benommen wahren sich im Felde laͤnger auffzuhalten. Die ersten Elefanten so Ladisla im Felde mit dem Frauenzim- mer ertappet/ wurden annoch steiff bewahret/ und hatte sich deren niemand angenom̃en/ daher das betruͤbte Frauenzimmer in schweren sorgen wahr/ wie mans endlich mit ihnen anschlagen würde; aber so bald Ladisla wieder kam/ machte er sich herzu/ uñ baht/ sie moͤch- ten die vornehmsten unter ihnen melden; welches sie willig tahten/ und gaben sich Volo- geses/ Pakorus/ Osazes/ Vonones und Archelaus Gemahlen alsbald an. So bald Va- liska ihre weiblichen Kleider wieder angelegt hatte/ ging sie zu ihnen hin/ und ward von ihnen (deren anzahl sich auff 52 Fuͤrsten- und Herren Standes erstreckete) sehr demuͤhtig geehret; sie fand drey Jungfern ihres gewesenen Zimmers dabey/ welche sie freundlich umbfing und kuͤssete; und weil es sich schon begunte auff den Abend zu neigen/ noͤhtigte sie alle mit einander in die Zelte/ mit versprechung/ daß ihren ehren nicht die allergeringste be- schimpfung solte angelegt werden; worauff sie ein gutes Herz fasseten/ und sich zu ihrem Dienst und Gehorsam erbohten. Sie wahr aber bey den gefangenen Fürsten noch nicht gewesen/ auch wuste das gefangene Frauenzimmer nicht/ daß ihrer Ehegemahlen etliche so nahe waͤhren. Als sie nun in das Groß Fuͤrstl. Persische Gezelt trat/ und die Gefange- nen daselbst antraff/ gruͤssete sie dieselben gar freundlich/ erzeigete ihr mitleiden wegen der empfangenen Wunden/ und sing hernach an: Durchleuchtige Fuͤrsten/ Herr Pakorus und Osazas/ auch H. Archelaus; hie führe ich ihnen ihre allerliebste Gemahlen zu/ die noch von keinem Menschen als bloß von mir sind angesprochen und gesehen worden/ zweiffele nicht/ sie werden eure Liebden in ihrer Traurigkeit etwas trostes mitteilen. Pakorus ant- wortete ihr: Unvergleichliche Groß Fuͤrstin/ der Himmel ist mein Zeuge/ daß ich so we- nig Fuͤnftes Buch. nig wegen meiner Wunden als Gefaͤngnis traurig bin/ sondern mir vielmehr vor ein Glük rechne/ daß hiedurch (weil auff andere weise es nicht geschehen koͤnnen) ich die Gelegen- heit funden/ des treflichen Helden/ ihres geliebten wirdigen Gemahls Kundschafft zuer- langen. Und eben dieses beklaget mein Gemahl/ sagte sie/ daß mit euer Liebe er keinen hoͤf- lichern anfang der Freundschaft hat machen koͤnnen. Die guten Frauen machten sich zu ihren Gemahlen/ und bezeugeten ihr herzleid mit Traͤhnen/ dessen sie mit Worten sich nit durfften merken lassen. Herkules hatte sich mit Artaxerxes schon beredet/ wie mans mit den Gefangenen halten wolte; trat hin zu Pakorus/ der in einer Saͤnffte lag/ und sagte zu ihm: Eure Liebe werden mir verzeihen/ daß ich die Ursach seiner Schwachheit seyn muͤs- sen/ und sich versichern/ daß so lange ich lebe/ seyn und bleiben wil/ ausser dieser jetzigen Feh- de/ Fuͤrst Pakorus Diener und getraͤuer bruͤderlicher Freund/ uñ daß dieses versprechens euer Liebe ich ein geringes Denkzeichen hinterlassen moͤge/ bitte ich dienstlich/ diesen schlechten Ring von mir anzunehmen/ und zum Gedaͤchtnis unser gemachten Freund- schafft zu tragen/ auch nebest seinem lieben Gemahl alle Stunde und Augenblik zuzihen/ wohin ihm gelieben kan und mag/ nach dem seine Liebe stets frey/ und keines Menschen ge- fangener ist; solte mir aber das Gluͤk so guͤnstig erscheinen/ meinen Herrn und geliebten Freund dereins auff andere Gestalt in meine Geselschafft zubekommen/ werde ich densel- ben so schleunig nicht von mir hinweg weichen lassen. Wañ nun eure Liebe bey dem Herꝛn Feldmarschalk dieses zubefodern unbeschweret seyn wolte/ dz mein geliebter Bruder Fuͤrst Pharnabazus/ und meine uͤbrigen Leute alsbald loßgegeben werden moͤchten/ sollen dage- gen Fuͤrst Osazes/ und die andere Herren ohn argelist abgefolget werden. Pakorus/ nach- dem er den Ring mit begierigen Haͤnden angenommen hatte/ antwortete ihm: Durchl. Groß Fuͤrst/ unvergleichlicher Held/ als Wunderspiegel aller Tugend; ich bedanke mich der hehen Ehren ganz dienstlich/ daß eure Durchl. mir ein so wertes Gedaͤchtnis hinter- lassen wollen/ welches mit noch mehr Wunden/ als ich schon empfangen/ zuerkaͤuffen/ mich nicht wegern wolte. Wegen meiner und meines Gemahls Freyheit bin ich eben- maͤssig dank zusagẽ schuldig/ werde nicht unterlassen/ daß mir anbefohlne fleissig ins Werk zu richten/ mit angehaͤngter Bitte/ eure Durchl. wolle mich hinfuͤro unter die Zahl ihrer Diener setzen/ wil mich auch bemuͤhen/ dereins ein Gemuͤht sehen zulassen/ welches gut- taht auffs minste erkennen kan. Artaxerxes ließ alsbald zwo trefliche Bu r schen herbringẽ/ auff deren eine Vologeses und Pakorus Gemahlen/ auff die andere Vonones und Ba- gophanes ihre gesetzet wurden/ und Freyheit bekahmen mit fortzuzihen. In des Koͤniges Lager aber wahr gar ein elender und verwirreter Zustand; erselbst hermete sich uͤber alle masse/ daß ihm dieser Zug so gar mißlungen/ und alle Hoffnung der so hoch begehrten Hei- raht abgeschnitten wahr/ verboht auch/ daß niemand ohn allein Bagophanes zu ihm in sein Zelt kaͤhme/ der ihm von dem Fraͤulein (wie er sie stets nennete) ihren Geberden und Antwort etwas vorschwaͤtzen solte. Aber Vologeses achtete des Verbots wenig/ nahm Vonones und Karthasis zu sich/ ging hin zu ihm/ und ließ sich anmelden; da er zur Ant- wort bekam; Koͤnigl. Hocheit waͤhre jetzo unmuͤssig. Unmuͤssig? sagte er; trat mit seiner Geselschaft ungefodert hinein/ und fing also an: Weß zeihen sich eure Koͤnigl. Hocheit/ oder was gedenken sie/ daß sie in diesem gefaͤhrlichen Stande niemand lieber/ als einen un- q iij nuͤtzen Fuͤnftes Buch. nuͤtzen Schmeichler umb sich leiden moͤgen? meinen sie etwa/ sie sitzen auff ihrem unuͤber- windlichem Schlosse? wir haben ja den durchdringenden Bliz/ Herkules/ kaum abzihen sehen/ uud ist wunder/ daß er ohn Sturm gewichen ist; eure Hocheit werden gewißlich ei- nen andern Sinn ergreiffen/ sonst gebe ich sie reine gar auff. So betrachten nun dieselbe/ daß der Feind nicht allein unsere Voͤlker geschlagen/ sondern unsern Vorraht an Speise und anderen nohtwendigen sachen hinweg genommen hat/ daß wo wir noch 24 Stunden harren/ uns der Hunger den Weg zeigen wird/ wo er uns sonst nur offen bleibet; und wir stellen uns nicht anders an/ als ob wir in aller Sicherheit/ oder doch in aller Huͤlle und Fuͤl- le saͤssen? Ob eure Koͤnigl. Hochheit zu essen haben/ darumb bekuͤmmert sich der Lands- knecht nicht/ wann er nicht mit niessen darff. Wolle demnach eure Koͤnigl. Hocheit das algemeine Wesen und ihre eigene Wolfahrt zu Herzen zihen/ und durch unnoͤhtige/ oder wol gar unmoͤgliche betrachtungen sich nit selber ins Verderben stuͤrzen. Ist also anfangs noͤhtig zubedenken/ wie wir unsere Feld Herrn aus Feindes Hand loßwirken/ und wie wirs mit unsern Gefangenen halten wollen; hernach/ obs besser sey/ stũndlich auffzubrechen/ oder liegen zubleiben; wovon eure Koͤnigl. Hocheit ihre Meynung allergnaͤdigst anzeigen wolle. Bagophanes haͤtte sich gerne verantwortet/ fing auch schon an sein Wort zureden; Aber Vologeses hies ihn das Maul halten/ und seines Amts warten/ welches im Felde ja so unnoͤhtig waͤhre/ als wenig er des Kriegs verstaͤndig. Artabanus taht/ als hoͤrete er die- sen Zank nicht/ sondern seuffzete/ und gab zur Antwort: Es ist zubetauren/ daß unsere Par- ther/ die bißher weder dem Gluͤk noch der Macht nachgeben wollen/ sich so schaͤndlich ha- ben lassen aus dem Felde schlagen/ und zwar von den ohmaͤchtigen Persen und Meden. Man muß mit dem gluͤckes lauffe zu frieden seyn/ antwortete Vologeses; die Fremden die Fremden haben uns allen schaden getahn/ sonst wolten wir die uͤbrigen mit der helffte un- sers Volks gefressen haben. Vonones und Karthasis stimmeten hiemit uͤberein; welches doch Artabanus nicht hoͤren wolte/ sondern sagte: Es waͤhre eine Schande/ daß die elende Handvol Fremde neben ihren beyden unbaͤrtigen Fuͤrstlein von so grossen Feld Herrn nit koͤnten gezaͤhmet werden/ da doch die viel groͤssere Macht des Roͤmischen Kaͤysers von ei- nem geringern Heer offt abgehalten und geschwaͤchet waͤhre; fing darauff an/ Herkules als einen Raͤuber außzuschelten/ der ihm die Krohn seines Herzen geraubet und entfuͤhret haͤtte/ ohn welche er nicht leben koͤnte/ noch zu leben begehrete. Hier gedachte Vologeses es waͤhre jezt Zeit/ es zubeantworten und fing also an: Allergnaͤdigster Koͤnig; eure Hocheit wolle diese Liebe ja aus dem Sinne schlagen/ und bedenken/ dz diese Groß Fürstin niemahls willen gehabt/ sie zu lieben/ da sie noch im ledigen Stande wahr; wie viel weniger/ nun sie einem andern ehelich beygelegt ist/ und zwar einem/ ihrer Schoͤnheit gleichmaͤssigem Fuͤr- sten/ auff welches die jungen Fraͤulein pflegen am meisten zu sehen; und wann ich eigent- lich wissen solte/ welcher gottlose Schelm eure Koͤnigl. Hocheit zu diesen unbilligen Ge- danken reizet/ wolte ich ihm den Kopff in stuͤcken zerhauen. Ich versichere eure Hocheit bey meinem aͤid und Glauben/ werden sie in diesem Unwesen also fortfahren/ wird inwendig Monat frist sich kein redlicher Parther des Koͤniglichen Stuels annehmen; dann wer wolte sein Leben darzu hergeben/ einem andern sein Weib zuentfremden? ich meine/ unser Krieg waͤhre/ die Abtrünnigẽ zum Gehorsam zu bringen/ dessen doch eure Koͤnigl. Hocheit mit Fuͤnftes Buch. mit keinem Worte gedenket; und jene unbilligkeit ist eben die Ursach/ wann ichs ja sagen sol/ daß unsere Schwerter nicht durchdringen/ unsere Pfeile nicht treffen/ und unsere Faͤuste nicht siegen koͤnnen. Eure Hocheit gibt vor/ Herkules habe ihr das Fraͤulein ge- raubet. Er hingegen beteuret nebest ihr zugleich/ sie seyn vor drey Jahren schon ehelich veꝛ- sprochen. Wer sol hie Scheidesmann seyn? eure Koͤnigl. Hocheit hat keinen Ober Herꝛn; Herkules erwartet auch keinen andern als Gott und das Schwert/ welches ihm in dieser Sache noch nicht abgefallen ist. Ey so begeben sich doch dann eure Koͤnigl. Hocheit eines dinges/ daß kein Mensch moͤglich machen kan/ und kein Gott wil/ uñ gedenke/ daß die Welt auff einen Menschen nicht stehet. Was wolte man tuhn/ wann der Tod diese Groß Fuͤr- stin hinwegrisse? koͤnte man mit ihm daruͤber streiten? lasset uns diese vor Tod rechnen/ weil ihre Neigungen nie keinmahl/ ohn zu ihrem verderben gelebet haben; dann sollen die Abtruͤnnigen sich nicht lange des heutiges Sieges zuerfreuen haben. Aber was meinet dann nun eure Hocheit/ wie mans mit den Gefangenen halten solle? Artabanus durffte ihm in dieser Sache nicht wiedersprechen/ und gab vor/ er wolte es ein halbviertelstuͤndi- chen in bedenken nehmen; womit Vologeses zufrieden wahr. Als Pakorus seinen Abzug nahm/ und Herkules ihm das Geleite zu Pferde biß auff halben Weg gab/ wolte er seines Koͤniges Wolfahrt nicht hindan setzen/ dann er befuͤrchtete sich diese Nacht eines aͤrgern und fing weitlaͤuftig an/ wie glükselig er seinen Koͤnig halten wolte/ wann derselbe mit ihm moͤchte vergliechen seyn/ und da er nur wissen koͤnte/ was vor abtrag er vor die erwiesene unbilligkeit foderte/ wolte er neben Vologeses und anderen sich bemuͤhen/ daß er vergnuͤ- get wuͤrde. Herkules merkete wol wohin er zielete/ und gab zur Antwort: Er fuͤhrete das Schwert wieder Artabanus eben nicht zur Rache/ sondern daß er ihm nur sehen liesse/ wie wenig er nach seinem draͤuen fragete/ und sich nicht scheuhete/ wans Gott also versehen haͤtte/ sein Leben dran zusetzen; der allmaͤchtige Gott waͤhre sein Zeuge/ daß er recht zu sei- nem Gemahl gehabt/ ehe sie in diese Landschaft durch Menschen Raͤuber gefuͤhret waͤhre/ haͤtte auch dem Koͤnige anfangs dz gebuͤhrliche Loͤsegeld vor sie gebohten/ wovon er durch- aus nicht hoͤren wollen/ deßwegen er sich der List gebrauchen muͤssen/ weil sein Arm zu Cha- ras nicht wirken koͤnnen. Zwar er bedankete sich des guten erbietens/ aber es wuͤrde bey Artabanus in diesem falle weder Traͤue noch Glaube seyn/ angesehen er jezt diese Stunde durch Bagophanes seinem Gemahl anzeigen lassen/ wie er seinen Zweg der Liebe zuerrei- chen/ noch immerhin bemuͤhet waͤhre/ welches ja nicht als duꝛch seinen Tod geschehen koͤn- te/ und doch nach seinem Tode nicht geschehen würde; haͤtte also gnug Ursach/ ihm nach vermoͤgen wieder mit dem Schwerte auffzuwarten/ als seinem abgesagten Todfeinde; welches alles Pakorus mit grosser betaurung anhoͤrete. Vologeses stellete sich auff die be- stimmete Zeit wieder ein/ des Koͤniges Erklaͤrung zuvernehmen/ welcher sich mit zimli- chem Eiffer hoͤren ließ/ er koͤnte einwilligen/ daß die fremde Gefangene gegen andere aus- gewechselt wuͤrden/ aber den verwaͤgenen Bubazes und den meinaͤidigen Pharnabazus wolte er durch aus zur abscheulichen Straffe behalten/ daß man ihm nicht mehr vorzu- werffen haͤtte/ er gedaͤchte der Abtruͤnnigen nicht/ deren dieser der groͤste waͤhre/ indem er ohn Koͤnigliche verleih- oder belehnung ein vornehmes Fuͤrstentuhm ansprengen und in besiz nehmen duͤrffen. Dieser Antwort wahr ihm Vologeses nicht vermuhten/ und erset- zete Fuͤnftes Buch. zete es solcher gestalt: Es fehlet wenig/ daß wir gar des Feindes Gnade leben muͤssen/ und wollen ihn durch draͤuung noch ferner reizen? Aber dieses ungemeldet; sol Fuͤrst Pako- rus/ sol Fuͤrst Osazes/ die beyden Reichs Seulen nicht geloͤset werden? wolan/ man haue Pharnabazus den Schedel herunter/ und schlage zugleich Pakorus das Haͤupt abe; man toͤdte Bubazes/ und ermorde zugleich Osazes; aber auffs wenigste/ daß mein Kopff dabey gelegt werde/ dann ich muß doch endlich eben den Lohn zugewarten haben; und bleibet eu- re Koͤnigl. Hocheit auff dieser beharlichen Meynung/ so begehre ich hiemit untertaͤhnigst meinen Abscheid und Erlassung/ auff das nicht hernaͤhst jemand sage; Vologeses habe al- so gerahten/ und der gefangenen Fuͤrsten Tod befodert/ damit er allein moͤchte gewaltig werden. Ehe dann der Koͤnig dieses beantwortete/ ward ihm angemeldet/ Pakorus waͤh- re in einer Saͤnfte mit etlichen Frauenzimmer angelanget/ daher ihm Vologeses entge- gen ging/ seiner Gemahl Wiederkunft sich von Herzen erfreuete/ uͤber Pakorus verwun- dung seyn mitleiden erzeigete/ nnd ihm hernach klagete/ mit was Gedanken der Koͤnig umbginge/ Pharnabazus und Bubazes abzustraffen; dessen er nicht wenig erschrak/ und sich erklaͤrete viel lieber zusterben/ als dieses einzuwilligen; ließ sich auch auff einem Stuel ins Koͤnigs Zelt tragen/ und fing also an; Allergnaͤdigster Koͤnig/ vor euer Hocheit Wol- fahrt habe ich heut den groͤsten teil meines Bluts vergossen/ welches das unuͤberwindli- che Schwert des auffrichtigen Groß Fuͤrsten der Teutschen aus meinem Leibe gezapfet/ welcher mich hernach mit groͤsserem ernste beim Leben erhaltẽ/ als vorhin verwundet hat; gestaltsam er mich selbst auffs Pferd gehoben/ nach den Zelten gefuͤhret/ und meine Wun- den ehe als seine verbinden lassen/ worzu er die Binden selbst von ander risse; jezt hat er mich samt Fuͤrst Vologeses/ Fürst Vonones und Herrn Bagophanes Gemahlen auff freien Fuß gestellet/ mit dem außdruͤklichen bedinge/ daß ich Fuͤrst Pharnabazus uñ Herꝛn Bubazes ihm wieder unbeschimpfet abfolgen liesse/ welches bey euer Hocheit ich leicht zu- erhalten gedenke/ in betrachtung/ daß nicht allein Fuͤꝛstliche Zusage gehalten/ sondern auch den ũbrigen gefangenen Feld Herrn gute verpflegung hiedurch muß erhalten werden. So moͤgen die meinaͤidigen Auffrührer dißmahl hinlauffen/ antwortete Artabanus/ weil wir unserer Bedienten Wolfahrt mehr als jener Verbrechen beobachten muͤssen; stellete ihnen hierauff Freyheit zu/ mit den Gefangenen nach gutduͤnken zuschalten. Worauff sie beyde alsbald mit einander sich nach Vonones Zelt verfuͤgeten/ und die Gefangenen da- hin auff Gutschen hohlen liessen/ der dreyen (als Prinsla/ Markus und Gallus) Stand von Pharnabazus erfragend; welcher ihrer tapfferen redligkeit gute Zeugnis gab/ und daß Gallus Groß Fuͤrst Herkules geheimster Diener waͤhre. Vologeses stellete ihnen al- len gaͤnzliche Freyheit zu/ wegen erlassung seiner Gemahl neben Vonones sich bedankend/ mit dem Wunsch/ Gelegenheit zuhaben/ daß sie Herkules in absonderlicher Freundschaft einsolches erwiedern koͤnten. Die drey Fuͤrstinnen aber lieferten Pharnabazus zwoͤlff trefliche Kleinot und so viel Ringe/ der Groß Fuͤrstin zum Geschenke ein/ und bahten ihn/ daß das uͤbrige Fauenzimmer vor unehr weiter geschuͤtzet werden moͤchte. Diese erbohten sich/ alles wol zu werben/ und macheten sich in guter Begleitung fort. Es wahr aber im Medischen Frauenzimmer grosse Traurigkeit wegen Artobarza- nes Tode/ uͤber welchen seine schoͤne Atossa sich nicht wolte troͤsten lassen/ insonderheit/ da sie Fuͤnftes Buch. sie hoͤrete/ daß Surinas der Taͤhter waͤhre/ hielt auch bey der Groß Fuͤrstin Saptina und Fuͤrstin Barsene an/ ihr bitten zu helffen/ daß der Moͤrder (wie sie ihn nennete) wieder hin- gerichtet würde; die ihr aber hart zuredeten; sie muͤste sich zufrieden geben/ das Ungluͤk haͤtte sich im offenen Treffen zugetragen; so waͤhre ihr Gemahl im Kampffe vor das Va- terland ritterlich gestorben/ und Surinas haͤtte sich ja billich des feindlichen angriffs er- wehren muͤssen; viel besser taͤhte sie/ daß sie mit ihnen hinginge/ das gefangene Frauenzim- mer zubesuchen/ damit sie nicht vor unhoͤflich gehalten wuͤrde; Madates und Andrago- ras Gemahlen haͤtten eben diesen Unfal erlebet/ und waͤhren überdaß noch in Feindes Haͤn- den; ja sie alle miteinander haͤtten diese Gefahr stehen muͤssen/ und waͤhre bloß dem Gluͤk zuzuschreiben/ daß ihre Gemahlen das Leben davon gebracht. Hiedurch ward sie in etwas getroͤstet/ und ließ sich auffsprechen mit hinzugehen nach dem Zelte/ woselbst die Parthi- schen Frauen sich bey den Gefangenen auffhielten. Atossa meidete den Ort mit fleiß/ wo Surinas saß/ wolte ihn auch weder grüssen noch ansehen/ da hingegen er die ehmahligen Flammen in seinem Herzen viel hefftiger als die Wunden am Leibe empfand/ und sahen seine Augen auff nichts/ als dieser ihre Schoͤnheit; dann sein Gemahl Anutis wahr ihm vor 16 Wochen in der Geburtsweh mit Tode abgangen/ weil sie einen sehr schweren Fall getahn/ daß die Frucht bey ihr umbkommen/ und sie des dritten Tages hernach auch fort muste. Valiska hatte ihr absonderliches Gespraͤch mit der schoͤnen Pantheen/ und ihrem Gemahl Fürst Osazes/ erzaͤhlete ihnen ihr Ungluͤk/ und was gestalt sie von dreien Parthi- schen Raͤubern aus Italien hinweg gefuͤhret waͤhre; baht auch/ sie moͤchten an ihrem Or- te dem Koͤnige die unbefugte Liebe aus dem Sinne reden/ deren Bagophanes noch heut meldung tuhn/ und sie in das Lager einfodern duͤrffen. Pharabazus ließ seine ankunft durch einen Trometer von ferne melden/ daher ihm eine zimliche Schaar entgegen ge- schikt ward/ mit denen er ankam/ und von den unsern froͤlich empfangen ward. Er liefer- te der Groß Fuͤrstin in gegenwart des gefangenen Frauenzim̃ers die uͤbergeschikten Klei- not und Ringe/ und ruͤhmete/ daß Vologeses ihrer Wunden sich getraͤulich angenom̃en haͤtte. Gallus insonderheit meldete Herkules den Gruß von Pakorus an/ der ihn warnen ließ/ sich nicht allen zuvertrauen/ die aus Parthen sich gegen ihn freundlich stelletẽ; Welt- betrieger sucheten verdienst/ und Boßheit liesse sich durch Geld erkaͤuffen. Woraus er dann sein ehrliebendes Gemuͤht satsam spuͤrete. Unsere Helden hatten sich schon vergli- chen/ wessen sie mit den Gefangenen auff der unsern freistellung sich verhalten wolten/ und redete anfangs Valiska das Frauenzimmer also an: Durchleuchtige Fuͤrstin Panthea/ und allerseits geliebte anwesende Frauen/ Jungfrauen und Freundinnen; Es ist meines hochgeliebten Herrn Bruders Koͤniges Ladisla meynung nicht gewesen/ sie als Gefange- ne abzulangen/ sondern weil seine Liebe merkete/ daß es uͤber und uͤbergehen wuͤrde/ hat er eures Schutzes sich annehmen wollen/ damit sie nicht in etlicher frevelmuͤhtigen Haͤnde fallen und einigen Schimpff oder Schande einnehmen moͤchten/ welches in der Taht zu- erweisen/ er euch allen und jeden ungemaͤssene Freiheit zustellet/ zu reisen wohin sie geluͤstet/ worzu ihnen Elefanten/ welche wieder eingeschicket werden muͤssen/ sollen gegeben werden. Ich erfreue mich/ daß ich in ihre Kundschafft gerahten bin/ und bitte sie alle miteinander/ dahin arbeiten zuhelffen/ daß euer Koͤnig sich verheirahte/ und auff mich nicht weiter ge- r denke/ Fuͤnftes Buch. denke/ weil alle seine Anschlaͤge/ mich zuerlangen/ vergebens und umbsonst sind; nur dieses haͤnge ich hinan/ daß allen von Artabanus Frauenzimmer ich Freyheit gebe/ hinweg zuzi- hen/ oder bey mir zuverbleiben/ welche ich nach standes gebuͤhr unterhalten/ und sie den ih- ren/ wo sie es begehren/ wieder zustellen wil. Fuͤrstin Panthea bedankete sich in ihrer aller Nahmen/ und gab diese Antwort: Durchleuchtigste Groß Fuͤrstin; wir haben bißher den Ruhm ihrer unvergleichlichen wunder-Schoͤne hin und wieder gehoͤret/ davon unsere Augen tausendfach mehr/ als vorhin die Ohren eingenommen; aber ihre hohe Tugend und Freundligkeit ist uns vor diesem nicht recht vorgetragen/ welche zu preisen/ wir die Zeit unsers Lebens wollen eingedenke seyn. Wir bedanken uns der recht Koͤnigl. Vorsor- ge/ welche der Großmaͤchtige Koͤnig/ ihrer Durchl. Herꝛ Bruder vor uns und unsere Ehr getragen/ welches zuerkeñen wir schuldig sind/ und wird das anwesende Parthische Frau- enzimmer die angebohtene Gnade nit verabseumen; ich aber vor mein Haͤupt bitte dienst- lich/ mir zuverstatten/ daß meinem Gemahl ich in seiner Schwacheit Geselschafft und auf- wartung leisten moͤge. Herkules trat auch auff/ und hielt folgende Rede an die gefangene Herren: Durchleuchtiger Fuͤrst und wolgebohrne Herren und Freunde; demnach der Großmaͤchtige Durchleuchtigste Groß Fuͤrst/ Herr Artaxerxes/ wieder ihrer keinen abson- derliche Feindschaft traͤget/ auch keinen beleidigungs/ sondern Schuzkrieg fuͤhret/ sich vor unbillicher Gewalt des Parther Koͤniges Artabanus zu handhaben; als ist seine Durchl. nicht gesonnen/ ihnen einigen mißfallen zuerzeigen; wie er sie dann nicht als Gefangene/ sondern als Freunde angenommen hat/ wovor er sie auch Zeit seines Lebens/ da sie es nur zulassen koͤnnen/ halten und ehren wil. Vor dißmahl stellet er ihnen frey/ zu bleiben oder hin zuzihen/ wie es ihnen am liebsten sein wird; erklaͤret sich daneben/ den Parthischen Reichs- Fuͤrsten allen moͤglichen guten willen zuerzeigen/ uñ ihre Landschafften keines weges durch uͤberzuͤge zubeleidigen/ da sie nur einen Schuzbrieff von ihm begehren/ welcher ihnen we- der an ihren Rechten noch Freyheiten keines weges schaͤdlich seyn sol. Mein Bruder/ Koͤ- nig Ladisla/ und ich vor meine wenigkeit/ stellen uns im gleichen allen auffrichtigen Parthi- schen Fuͤrsten und Herren zu Dienste und Freundschaft/ als welche wir viel zu redlich hal- ten/ daß sie ihres Koͤniges Vorhaben/ mir mein herzgeliebtes Gemahl zu rauben/ billichen solten. Osazes gab hier auff zur Antwort: Durchleuchtigster Groß Fuͤrst/ unuͤberwindli- cher Held; wir bedanken uns samt und sonders vor die uns zugestellete Freyheit und an- gebohtene gnaͤdige und guͤnstige Freundschaft/ moͤchten wuͤnschen/ daß mein geliebter bruͤ- derlicher Freund/ Groß Fuͤrst Artaxerxes mit meinem allergnaͤdigsten Koͤnige moͤchte verglichen/ und dieser hoͤchstschaͤdliche innerliche Zwiespalt (welcher den aͤusserlichen Fein- den Tuͤhr und Tohr zu unserm Verderben auffsperren wird) auffgehoben seyn/ worbey ich dz meine nach moͤgligkeit gerne leisten wil. Sonsten wird wol unser keiner rahten noch gutheissen/ daß eurer Durchl. ihr herzgeliebtes Gemahl solte abgespenstiget werden; muͤ- ste mir auch von grund meiner Seele leid seyn/ daß zu dem Ende ich und andere redliche Parther ein Schwert solten entbloͤsset haben/ vielmehr werde ich nebest andern dahin se- hen/ daß eure Durchl. deßwegen unangefochten bleibe. Herkules bedankete sich des erbie- tens/ baht neben Ladisla/ Fuͤrst Vologeses/ Pakorus/ Vonones und Karthasis zu gruͤssen; und nam Valiska drey koͤstliche Ringe und Kleinot/ stellete sie Fuͤrstin Panthea zu/ mit bitte/ Fuͤnftes Buch. bitte/ dieselben den dreyen weggeschiedenen Fuͤrstinnen nebest anmeldung ihres Schwes- terlichen Grusses einzuhaͤndigen/ und daß sie dabey ihrer Freundschaft allemahl eingeden- ke seyn wolten; gab ihr hernach ein gleichmaͤssiges/ umbfing sie mit einem freundlichen Kusse/ und ließ sie mit ihrem Gemahl und dem Frauenzimmer hinzihen/ deren aber 25 des Koͤniglichen Zimmers bey ihr blieben/ so annoch mehrenteils unberuͤhret wahren/ und nicht wieder nach Artabanus begehreten. Mithridates wahr so schwach/ daß die Aerzte vor gut ansahen/ daß er bliebe/ damit die gefaͤhrliche Ruͤckenwunde sich nicht loßgaͤbe/ wel- ches ihm den Tod verursachen wuͤrde/ deßwegen blieb seine verlobete Braut/ Frl. Tari- nea/ Surinas Schwester bey ihm/ und nahm Surinas daher Gelegenheit und Ursach bey ihm zuverharren/ wie er dann gar schwach wahr/ wegen vieles vergossenen Blutes; er ging aber eigentlich mit den Gedanken umb/ seine alte Liebe auffs neue fortzusetzen. Die Gefangene wahren im Parthischen Lager sehr wilkommen/ und meldeten an/ Herkules und Ladisla haͤtten befohlen/ daß alle Voͤlker sich fruͤhzeitig zur Ruhe begeben solten/ wel- ches ausser zweiffel nicht umbsonst geschaͤhe; waͤhre demnach ihr Raht/ daß man diese Nacht davon ginge/ biß man den engen Durchzug hinter sich gelegt und besezt haͤtte/ da- mit nicht Morgen fruͤh das Lager mit Persischen Bauren und Soldaten belagert/ zur al- gemeinen uͤbergabe aus mangel der Speise/ gezwungen wuͤrde. Vologeses taht ihnen zu wissen/ er haͤtte an die naͤhst gelegenen oͤrter umb Volk und Speise geschicket/ fürchtete a- ber/ daß wegen erlittener Niderlage sie nicht so gar eilig seyn wuͤrden/ sich einzustellen. Es kam ihnen zu gute/ daß sechs Parthische Reuter sich von den Persen heimlich loßgemacht hatten/ und im Lager ankahmen/ deren einen Vologeses zu sich foderte/ und ihm einstecke- te/ wessen er sich gegen den Koͤnig verhalten solte; ging wieder von ihm/ und ließ den Reu- ter in des Koͤnigs Zelt gehen/ der also anfing: Allergnaͤdigster Koͤnig; nachdem mir das Gluͤk meine Bande zureissen helffen/ und ich aus meiner Huͤter Gespraͤch vernommen/ daß Artaxerxes alle nahe angrenzende Persen mit Sturmzeug und Gewehr zuerscheinen/ gleich nach der Schlacht auffgefodert/ daneben im ganzen Heer/ welches sich fast an die 200000 Mann erstrecket/ außruffen lassen/ daß ein jeder eine Stunde vor Tage gefasset seyn solte; als hat meine Schuldigkeit erfodert/ ihrer Koͤnigl. Hocheit solches untertaͤh- nigst zuberichten/ insonderheit/ wann des Feindes Vorgeben/ daß die unsern keine Mahl- zeit Brod mehr haͤtten/ wahr seyn solte. Artabanus entsetzete sich hierüber ungleich mehr/ als wann Vologeses ihm solches angezeigt haͤtte/ welchen er alsbald fodern ließ/ und mit ihm verabscheidete/ dz man die annoch uͤbrigen Wagen und ledigen Pferde mit den besten Sachen beladen/ und den Auffbruch nach verlauff einer Stunde vornehmen solte; wel- ches im Lager mit sanffter Stimme außgeruffen ward; damit aber die unsern solches nit merketen/ ließ er außwendig des Lagers viel Feuer machen/ und eine zimliche Menge zu Rosse dabey halten; welches Herkules bald erfuhr/ und mit den andern in die Gedanken geriet/ es wuͤrde ein Parthischer Entsaz verhanden seyn/ dem solches Feur zum Zeichen ihres richtigen Weges dienen solte. So bald die gefangene Feld Herrn von Herkules ab- scheid genommen hatten/ ging er mit den uͤbrigen Christen in ein absonderliches Zelt/ wo- selbst sie eine herzliche Danksagung zu Gott hieltẽ/ uñ aus dem 15 Cap. des andern Buchs Mose diese Wort von dem Christlichen Lehrer/ den sie von Ekbatana gefodert hatten/ auß- legen liessen. r ij HErꝛ Fuͤnftes Buch. HErr deine rechte Hand tuht groß Wunder. HErr deine rechte Hand hat die Feinde zuschla- gen/ und mit deiner grossen Herrligkeit hastu deine Widerwertigen gestuͤrzet; Dann da du deinen Grim ausliessest/ verzehrete er sie wie Stoppeln. Sie sungen auch ihre gewoͤhnliche Danklieder/ und unter denen/ welches Valiska nach geschehener ihrer Erloͤsung des vorigen Abends gemacht hatte/ als Bagophanes Voͤlker geschlagen wurden/ und lautet also: 1. O Grosser Gott/ du Schuz der kleinẽ Schaar/ Du Trost in Angst/ du Retter aus Gefahr! Wie hastu mich so gnaͤdig ausgefuͤhret? Den Feind gedaͤmpfft/ die Wiederwertigkeit Gebrochen/ daß die ganze Lebenszeit Ich deine Huͤlff’ und suͤsses Heil gespuͤret. 2. Kein Mensch kan dein Erbarmen recht verstehn/ Den Gnaden Strohm siht man hoch uͤbergehn/ Kein Ufer mag ihn fassen noch einschliessen; Dein Vaterherz blizt in der Liebesbrunst/ Die helle Flamm ist gar ohn Rauch und Dunst/ Viel mehr noch als wir meynen oder wissen. 3. Ihr Frommen hoͤrt/ ich wil aus tieffster Brust/ Als viel mir in der Schwacheit ist bewust/ Die Gottes-Gunst/ mir angelegt/ erzaͤhlen. Ich war ohn Gott/ ohn Trost/ verwaͤgen/ blind/ Unglaubens voll/ der Hellen Erb’ und Kind; So gar wil ich mein schlimmes nicht verhehlen. 4. Ich fiel in Noht/ in Angst/ in Raͤubers-Hand/ Das Unglük selbst wahr uͤber mich entbrant/ Must uͤber Land und Meer mich schleppen lassen; Der Wuͤter ich stund meiner Ehre nach/ Da duldet’ ich viel Leid und ungemach/ Und fing schon an mein Leben felbst zu hassen. 5. Aus dieser Angst reiß mich ein Augenblik; Jezt bin ich frey und spuͤre lauter Gluͤk/ So gar muß mir in allem Tuhn gelingen; Gott hat mir sein Erkaͤntnis beygebracht; Jezt bin ich Licht/ vor wahr ich finstre Nacht/ Solt’ ich dann nicht dich/ O mein Gott/ besingẽ? 6. Nun hilff mein Hort/ und fuͤhre gluͤklich aus Dein Gnaden Werk/ geleite mich nach Haus/ Laß mich nicht mehr in gleiche Noht gerahten; Laß meinen Mund zu deinem Preiß und Ruhm Stets offen seyn/ und daß mein Christentuhm Sich uͤben moͤg’ in Zucht und Liebes Tahten. Vor des Tages Anbruch ward Phraortes und Klodius mit 8000 wolberittenen aus- geschikt/ des Feindes Vorhaben zu erkuͤndigen/ und wo moͤglich/ etliche Gefangene einzu- bringen. Unterdessen machte sich Herkules mit dem Heer gefasset/ das Lager zustuͤrmen/ und wo moͤglich/ Artabanus zufahen/ dessen Artaxerxes sich hoch freuete/ und nur dieses beklagete/ daß er wegen seiner Fußwunde nicht mit anlauffen koͤnte; Aber ihnen ward die- ser Anschlag bald benommen/ massen Phraortes einen geschwinden Reuter zuruͤk sendete/ mit Bericht/ er haͤtte nur etliche grosse Zelten vol hart verwundete im Lager funden/ wel- che berichteten/ Artabanus haͤtte bey spaͤtem Abend den algemeinen Auffbruch ankuͤndigẽ lassen/ welcher sich wegen Verhinderung uͤber die angesezte Stunde verweilet/ biß von et- lichen Schildwachten die Zeitung gebracht worden/ der Feind kaͤhme nicht allein von for- nen her/ sondern auch von beyden Seiten mit einer unglaͤublichen Menge Voͤlker und al- lerhand Sturmzeuge. Worauff man alles haͤtte liegen lassen/ die Pferde von den belade- nen Wagen abgestrikt/ und damit fortgejaget; und fuͤnde man in etlichen Zelten die Spei- sen und Silbergeschir auff den Tischen/ und die Messer im Brod stecken/ woraus ihre Eile und Schrecken zuerkennen. Phraortes erhielte das Lager ungeplündert/ und begehrete zu wissen/ wessen er sich weiter zu bezeigen. Herkules sagte hierauff: Er hoffete/ daß sichs also verhalten wuͤrde/ angesehen der grossen Furcht/ welche Gott auff die Feinde fallen lassen; jedoch/ damit nichts verwarloset wuͤrde/ solte Phraortes 3000 Reuter uͤberall zustreuet ausrennen lassen/ umb zuforschen/ ob etwa der Feind sich an einem Orte verborgen hielte/ aus Fuͤnftes Buch. aus Hoffnung/ die unsern unter der algemeinen Plünderung zu uͤberfallen. Aber nach Verlauff zwo Stunden kam einhellige Zeitung/ es waͤhre ganz sicher/ und der Feind in sol- cher Angst und Eile davon gelauffen/ daß er schon über sechs Meilen wuͤrde fortgangen seyn. Als dieses bey dem Heer ausgeruffen ward/ entstund eine solche Freude bey jeder- man/ daß sie alle ihrer Wunden vergassen/ die Pferde an den Füssen seileten/ und uͤberall rieffen/ man muͤste nun die Pluͤnderung laͤnger nicht auffschieben; welche ihnen dann ger- ne gegoͤnnet ward/ doch also/ daß sie schwoͤren musten/ alle gefundene Baarschafften und Geschmeide getraͤulich herbey zubringen/ welches unter gesunde und ungesunde solte ge- buͤhrlich verteilet werden. Hierauff gingen die Voͤlker loß/ und zwar anfangs die Reuter/ welche von der ersten Tages-Schlacht uͤbrig wahren/ hinter sich nach der ersten Wahlstat/ da sie mit Entwapnung der Erschlagenen etliche Stunden zubrachten/ deren viel sehr koͤst- liche Kleider anhatten/ die aber durch die grosse Menge Bluts fast verderbet wahren/ wel- ches an etlichen Orten/ ungeachtet des ergangenen Regens/ einer guten quehr Hand hoch uͤber der Erden stund. Da ward Freund und Feind gleich gehalten; nur daß die erschla- gene Teutschen/ Boͤhmen und Roͤmer nebest anderen vornehmen Befehlichshabern/ in ih- rem Harnische/ und ungepluͤndert/ aus gesucht und hingelegt wurden. Auf den Elefanten/ welche Ladisla bey dem Frauenzimmer ertappete/ funden sich 30 Toñen Goldes an Baar- schafft/ welche in Artaxerxes Zelt nidergelegt wurden. Auff den Kamelen wahren lauter Pfeile und Gewehr; auff den Wagen und Maul Eseln mehrenteils Speisen und Kleideꝛ/ dabey etliche tausend Fuder Wein. Im Parthischen Lager aber war ein unsaͤgliches Gut verhanden/ von Zelten/ Kleidern/ Speisen/ Waffen/ Tischgeschir/ Pferdeschmuk und Ele- fanten Zierraht/ auch 120 Tonnen Goldes an gemuͤnzetem Golde und Kleinoten/ welches alles nach dem Persischen Lager gefuͤhret ward. Die Waffen von der Wahlstat wurden gleicher weise Artaxerxes geliefert. Aus der ersten Tages Schlacht hattẽ sie 120000 Pfer- de von erschlagenen Feinden und Freunden; aus der andern aber 156000 Pferde/ alle mit guten Satteln und Zeuge wol versehen/ und ob deren gleich 35000 verwundet wahren/ wurden sie doch fast alle geheilet. Nachdem die Beute von der ersten Wahlstat zusammen gelegt wahr/ machte das ganze Heer sich nach der anderen/ und trugen alles getraͤulich zu- sammen/ da sie von Feinden und Freunden an Baarschafft in die 80. Tonnen Goldes; und an Ringen/ Ketten/ Armbaͤndern und anderen Kleinoten in die 40 Tonnen Goldes fun- den. Da machte nun Artaxerxes solche Teilung/ daß die Teutschen/ Roͤmer und Boͤhmen den vierden Teil aller dieser Beute empfingen/ auch aus den gemeinen Reitpferden 69000 vor sich auszusuchen die Wahl hatten/ deren keines mit seinem Zubehoͤr unter 100 Kronẽ geschaͤtzet ward/ und durch die Bank hin 70 Tonnen Goldes und druͤber wert wahren. Wedekind und seine beyde Gesellen hatten ihre absonderliche acht Gefangene (die von den unsern nicht sonderlich geehret wurden) kurz nach Pakorus Abzug frey gegeben/ weil die- ser 60000 Kronen vor sie aussagete/ und bekahmen diese drey Teutschen von der gemeinen Beute vorab 36000 Kronen und 36 koͤstliche Pferde/ worzu Artaxerxes ihnen wegen ih- res wolverhaltens noch 60000 Kronen schenkete. Leches/ Neda/ Klodius und Markus wolten nicht teil haben an der gemeinen Beute/ ohn daß ein jeder eine Kette/ ein par Arm- baͤnder/ einen Ring/ und eine Hand voll Kronen davon zum Gedaͤchtniß nam/ wiewol sie r iij die Fuͤnftes Buch. die ihnen angebohtenen 200 Pferde nicht ausschlugen/ sondern gleich unter sich teileten. Prinsla aber und Gallus/ wie auch der Roͤmer Autronius bekahmen jeder 30 Handpfer- de/ 20 Ringe/ vier par Armbaͤnder/ zwo güldene Ketten/ uñ 50000 Kronen an Baarschaft. Die Beute aus dem Parthischen Lager an Geld/ Kleinoten/ Elefanten/ Kamelen/ Maul- Eseln/ Wagen und Wagenpferden/ Wein/ Speisen/ Korn/ Kleidern/ Zelten und Waffen von der Wahlstat/ und die auff den Kamelen geladen wahren/ trug uͤber 400 Tonnen Schatz aus/ und machte Artaxerxes die Teilung/ daß Herkules und Ladisla die eine; Er/ Phraortes/ Fabius und Pharnabazus die andere Halbscheid haben solten/ weil aber unse- re Helden davon nichts hoͤren wolten/ nam ers alles mit einem Lachen zu sich/ und sagte: Ich merke wol/ daß Euren Liebden ichs in Verwahrung biß auff ihren gluͤklichen Abzug nehmen sol. Nach gehaltener Pluͤnderung trat Phraortes unter dem ganzen Heer auff/ und hielt eine treffliche Lobrede unsern Helden zu ehren/ denen er den Sieg ausdruͤklich zu- legte/ und nicht scheuhete zu bekennen/ die Goͤtter haͤtten sie zu ihrer Wolfahrt hergesand/ sonst waͤhre ihnen unmoͤglich gewesen/ die grosse Gewalt der Feinde zu daͤmpffen. Wede- kinds ruͤhmliche Taht und anderer Wolverhalten ward auch nicht vergessen. Endlich rühmete er des ganzen Heers Tapfferkeit/ und preisete dieselben gluͤkselig/ welche vor das Vaterland ihr Leben willig auffgeopffert hatten. Den erschlagenen Teutschen/ Boͤhmen und Roͤmern hielt man eine sonderliche Leichbegaͤngniß/ und wurden sie in ihrem Harnisch auff der Wahlstat begraben. Den vier Roͤmischen/ dreyen Boͤhmischen und zween Teut- schen erschlagenen Ritmeistern aber richteten sie statliche Gedaͤchtniß-Steine auff. Vor ihrem Abzuge hielten sie Kriegsraht/ wie mans anschlagen solte; aber ungeachtet etliche davor hielten/ man muͤste etliche Tagereisen in Feindes Land streiffen/ und mit Feuer und Schwert Rache uͤben/ so ward doch Herkules Meynung vor best gehaltẽ/ der aus wichtigẽ Gruͤnden anzeigete/ man wuͤrde in der naͤhe weder Menschẽ noch Vieh antreffen/ uñ waͤre Artaxerxes nichts damit gedienet/ daß man das Land verwuͤstete/ uͤber welches er in kurzem selbst gedaͤchte ein Herr zuseyn/ und es fast schon erstritten haͤtte; macheten sich deswegen zum Auffbruch fertig/ und gingen des vierden Tages nach gehaltener Schlacht wieder nach Persepolis. Der verliebete Surinas empfand unter den Zelten wenig trostes/ dann er betrach- tete vor erst/ daß er Fr. Atossen Ehegemahl selbst erschlagen/ und ihre Wunde noch sehr frisch waͤhre; aber das aͤrgeste/ daß seyn voriges Gemahl ihn so unwerd und verhasset bey ihr gemacht hatte/ wahr ihm noch verborgen. Frl. Tarinea seine Schwester/ ein uͤberaus verschlagenes Taußes/ merkete/ daß er mehr leiden im Gemuͤht als an der Leibes-Wunde befand. Er wahr zwar ihres Braͤutigams Mithridates guter Freund/ aber solche nahe vertrauligkeit hatte er nicht mit ihm/ daß er seinetwegen unter Feindes Hand gefangen bleiben solte/ da er ihm ja nichts helffen kunte; schloß deßwegen/ ihn muͤste gewißlich eine andere Ursach auffhalten/ welches heraus zulocken/ sie ihn also anredete: Herzgeliebeter Bruder/ warumb bistu nicht mit der Geselschaft nach dem Koͤnige gereiset/ da dirs frey gestellet ward? Ich sehe zwar/ daß du an deinen Wunden hart darnider liegest/ aber behuͤ- ten dich die Goͤtter/ daß du nicht eine groͤssere gemuͤhtes Krankheit habest/ als diese ist. Zwar daß mit deinem Herzen es nicht recht beschaffen sey/ habe ich dir eigentlich abge- merket/ Fuͤnftes Buch. merket/ daß ich daran im geringsten nicht zweiffele/ es druͤcke dich ein heftiges Anliegen; dann was wuͤrde die starken Seufzer sonst aus deiner Seele hervor zihen? Nur allein ver- birge dich nicht vor mir/ und biß versichert/ daß ich alle moͤgligkeit anwenden werde/ dir zu dienen/ und deinen Wunsch ins Werk zu richten/ wann nur deine Augen sich nicht an dem vergaffet haben was allerdinge unmoͤglich ist/ und der grosse Artabanus selbst nicht er- streiten kan/ wie ich dann solcher Tohrheit mich bey dir nicht vermuhten wil. Geliebte Schwester/ antwortete er/ ich gestehe dir gerne/ daß mich ein hefftiges Anliegen drücket/ und ich ungleich zuschlagener bin im Gemuͤt als am Leibe; aber deine Gedanken lege nur von dir/ daß du meinest mir koͤnne geholffen werden; wiewol du sehr irrest/ daß ich gegen eine mich solte verliebet befinden/ die in der Ehe lebet. Irre ich in dem/ sagte sie/ so wil ich dir noch wol huͤlffe zusagen/ wie schwer dichs gleich duͤnken mag/ wañ du mir nur deines Herzen Last ungescheuhet offenbahrest. Ach meine Herzen Schwester/ wiederantwortete er/ weistu meine alte Liebe noch wol/ damit du mich pflegtest auffzuzihen/ ich haͤtte nach der Jungfer gefreiet/ und die Auffwaͤrterin bekommen? Fehlet dir sonst nichts als dieses/ sag- te sie/ so stelle es in meine Hand; ist sie dir dann nicht Jungfer bescheret gewesen/ sol sie Wittib dir nicht entstehen. O wann du mich so hoch beseligen koͤntest/ sagte er/ wuͤste ichs nimmermehr zuvergelten; aber bedenkestu nicht/ daß ich Artobarzanes erschlagen/ und der morgende Tag zum Auffbruche bestimmet ist? Was dann mehr? sagte sie/ der staͤrke- ste ist der beste; so jaget dich auch kein Mensch von Mithridates hinweg/ der sich in einer Saͤnfte in die naͤheste Persische Grenzestat/ oder wol gar biß gen Persepolis mit tragen lassen sol; tuht ers aber nicht/ so laß ihn zihen/ ich wil bey dir bleiben/ biß ich dich vergnuͤ- get habe. Sie ging darauff hin nach dem Frauenzimmer/ weil sie mit Fuͤrstin Barsene gute Kundschafft gemacht hatte/ und suchte Gelegenheit/ mit Fr. Atossen allein zureden/ die in ihrer Traurigkeit noch immer fort fuhr. Als ihr nun das Glük alles nach Wunsch fuͤgete/ grüssete sie dieselbe von ihrem Braͤutigam Mithridates/ der ihr befohlen haͤtte/ sie in ihrem schweren Ungluk zutroͤsten; Hernach beklagete sie ihren Bruder Surinas/ daß der- selbe weder Speise geniessen/ noch seine Wunden verbinden lassen wolte/ so hefftig graͤme- te er sich/ daß er ihren Liebsten ganz unwissend erlegt haͤtte/ vor welchen er doch wegen der nahen Schwaͤgerschafft zusterben/ sich nicht haͤtte wegern wollen; aber am unertraͤglich- sten waͤhre es ihm/ daß er vernehmen muͤste/ wie sie uͤber ihres Gemahls Tod sich so gar nit wolte troͤsten lassen; Dieses/ dieses/ sagte sie/ wird ihm die Seele verzehren/ dz er Euer Liebe Traurigkeit ursach seyn sol/ die er von erster Kundschaft her noch stets uñ ungeendert gelie- bet/ und vor seines Hertzen Schoͤnste gehalten hat. Atossa hoͤrete ihrẽ Reden zu biß an diese Worte/ über welche sie ungeduldig ward/ und also antwortete: Ich haͤtte es zwar endlich der guten Geduld befohlen/ Frl. Tarinca/ daß eures Bruders Schwert mich dessen be- raubet hat/ der mich/ so lange er mich gekennet/ von herzen hat geliebet und gemeynet; aber daß euer Bruder mich noch darzu auffzeuhet/ als haͤtte er mich stets und unverruͤkt geeh- ret/ und vor seines Herzens Freundin/ ja schoͤnste gehalten/ solches schneidet mir das Herz durch/ und gibt eures Bruders boßhafftige und schnoͤde Falscheit gnug an den Tag. Ta- rinea erseuffzete der Reden/ welche sie aus dem innersten ihrer Seele sahe hervor brechen/ wuste nicht/ worauff sie gerichtet wahren/ und was Surinas ihr moͤchte leides zugefuͤget haben; Fuͤnftes Buch. haben; gab doch darauff diese Antwort: Die Goͤtter waͤhren ihre Zeugen/ daß sie auf sol- che Meynung nicht ausgangen/ Ihre Liebe auffzuziehen/ so wenig als ihr Bruder selbst/ der vielleicht unschuldig bey ihr koͤnte angegossen seyn/ darumb er doch nicht das geringste wuͤste; wolte auch nicht unterlassen/ ihm solches vorzutragen/ nicht zweifelnd/ er wuͤrde sei- ne Unschuld wol darzulegen haben. Er mag sie darlegen/ wem er wil/ sagte sie/ ich habe sei- ner Falscheit Zeugniß gnug; zwar so viel gestehe ich/ daß ich mein Versprechen ihm nicht gehalten/ aber auch nicht gekunt habe/ sondern durch aͤussersten Zwang von ihm gerissen bin; solte er aber mir deswegen so grossen Schimpff bewiesen haben? O ihr Goͤtter/ straf- fet den leichtfertigen Veraͤchter/ und lasset so unbillichen Hochmuht nicht frey durchlauf- fen. Hiemit wolte sie hinweg gehen/ aber Frl. Tarinea baht/ sie nur noch eins unbeschwe- ret zu hoͤren. Ja/ sagte sie/ so lange es euch gefaͤllet/ leiste ich euch gerne Geselschafft/ wann ihr mir nur von eurem stolzen Bruder nicht saget. Was Eure Liebe mir gebeut/ antwor- tete sie/ wil ich gerne gehorsamen/ aber ich bitte nur allein/ mir zumelden/ wodurch mein Bruder/ das neulichste Ungluͤk ausgeschlossen/ verdienet/ daß er vor einen boßhafften fal- schen Veraͤchter gescholten wird. Geliebte Freundin/ sagte sie/ diese Erzaͤhlung wuͤrde mir viel zu schmerzlich/ und euch vielleicht selbst verdrießlich seyn; Er kans Euer Liebe selbst wol sagen/ was er bey meiner seel. Wasen mir zuentbohten und wieder eingeschicket/ ja nit goͤn- nen wollen/ daß dieselbe mich ein einziges mahl nach ihrer Heyraht besuchen duͤrffen. Ach ihr Goͤtter/ gab jene zur Antwort/ erbarmet euch dieses Mißverstandes/ und meines armen unschuldigẽ Bruders! Atossa fiel ihr in die Rede: ja lasset uns nu die aͤusserste Beschimp- fung/ und veraͤchtlichsten Hohn einen Mißverstand taͤuffen. Nein Frl. Tarinea/ so einfaͤl- tig bin ich dannoch nicht/ daß ich geschehene Dinge mir zu Wasser machen lasse. Aber wir stehen gar zu lange hier allein/ und wird das beste seyn/ dz wir der Geselschafft naͤhern. Das Fraͤulein nam von ihr Abscheid/ mit flehlicher Bitte/ ihren Bruder des starken Verdachts zuerlassen/ und sich zuversichern/ daß er dieser Auflage sich wol und redlich würde entbre- chen koͤnnen/ dafern sie nur seine Entschuldigung anzuhoͤren wolte unbeschweret seyn. O ja/ sagte sie/ vielleicht ist er umb meiner Liebe willen krank. Ja bey dem reinesten Himmel/ fiel ihr das Fraͤulein in die Rede/ ist er nirgend kraͤnker umb/ als umb euer Liebe. Behuͤte Gott/ sagte Atossa/ wie koͤnt ihr so falsch schweren; hat er mir doch alle Kund- und Freund- schafft vor der Faust ganz verwaͤgen auffgekündiget/ und dieses ist doch noch nicht der groͤ- ste Schimpff. Ließ sie damit hingehen/ und machte sich zur Fuͤrstin Barsene/ welche sie fra- gete/ was jene mit ihr so ernstlich geredet haͤtte. Sie wolte aber nicht rund aus bekennen/ sondern gab vor/ Herr Mithridates liesse sie troͤsten/ und zugleich den Taͤhter entschuldigẽ/ daß er ihren Liebsten ganz unwissend erschlagen haͤtte. Nun wartete Surinas mit schmer- zen auff seiner Schwester Wiederkunft/ bekam aber schlechten Trost von ihr/ da sie ihn fra- gete/ was er ehemahls Fr. Atossen zuwider gehandelt; sie waͤhre sehr ungehalten auff ihn/ umb einer Sache und Beleidigung/ die ihr ungleich weher taͤhte/ als ihres Gemahls Er- toͤdtung/ gaͤbe auch vor/ er haͤtte ihr vorlaͤngst alle Freundschafft auffgekuͤndiget/ und nicht eins goͤnnen wollen/ daß sein Gemahl Anutis sie eins besuchen duͤrffen/ bey welcher er ihr/ weiß nicht was/ zuentbohten/ und wieder eingeschicket haͤtte. Ihr Goͤtter/ gab er zur Ant- wort; ihr wisset meine Unschuld/ und merke ich wol/ meines Lebens werde nicht viel mehr uͤbrig Fuͤnftes Buch. uͤbrig seyn. Sie hingegen troͤstete ihn/ er solte ein gut Herz fassen; waͤhre er ihm nichts un- gebuͤhrliches bewust/ koͤnte noch wol alles gut werden; nach ihrer Meynung aber muͤste sein verstorbenes Gemahl ihn heftig bey ihr angetragen haben/ ohn zweiffel/ ihn bey ihr verhasset zu machen/ welches zuerfahren/ sehr noͤhtig seyn wuͤrde daß er sich so viel staͤrkete und ihr ein kleines Brieflein schriebe/ in welchem er baͤhte/ ihm die Ursach ihres Zorns an- zumelden/ uñ des unverdienten Argwohns ihn guͤnstig zuerlassen/ sie hoffete ihr den Brieff wol bey zubringen. Surinas wahr hierzu willig und fertig/ und setzete folgendes auff. Hochgebohrne Frau; die willigkeit ihrem Befehl zugehorsamen/ hat bißher meiner Feder nicht goͤnnen wollen/ ihrer Liebe einigen Buchstaben zuzuschreiben/ unter der Hoffnung/ sie wuͤrde ihrer guͤnstigen Zusage nach/ Gelegenheit machen/ ihre Wase nunmehr Seel. zubesuchen/ weil mei- ne Reise zu ihr nach Ekbatana von ihrer Liebe mir so hart und ernstlich verbohten worden; daß sio aber solches bißdaher nicht geleistet/ habe ich dem mißguͤnstigen Gluͤk zugeschrieben/ und mich dan- noch allemahl ihrer Schwesterlichen Hulde/ welche sie mir/ bey zuruͤksendung der Schreiben durch ihre Wase mein gewesenes Gemahl hoͤchsterfreulich zuentbohten/ getroͤstet. Ach der ungluͤkseligen Stunde/ die mein Schwert wieder den gewendet hat/ welcher eurer Liebe angenehm wahr/ und ich umb der Ursach willen ihn nicht hassen kunte/ ungeachtet er mich meines allerwerdesten Schatzes be- raubet hat. Dieser einige Niderschlag ist es/ wodurch an eure Liebe ich mich versuͤndiget. Im uͤbri- gen ruͤhmet sich mein Gewissen/ das es allemahl und unverruͤcket dahin getrachtet/ euer Liebe zuge- horsamen/ so daß auff ihren Befehl ich mich selbst uͤberwunden/ und ihre Wase Seel. welche sie mir zugeschikt/ geheirahtet habe. Bitte demnach dienstlich/ mich des Argwohns einiger Traͤulosigkeit hoch- guͤnstig zuentnehmen/ oder auffs minste mir anzuzeigen/ was die Ursach sey/ welche diesen schlimmen Verdacht in ihrer auffrichtigen Seele zeugen koͤnnen. Bin ich schuldig/ so lassen die Goͤtter allen ih- ren Zorn uͤber mich aus/ und machen mich vor der erbaren Welt zuschanden; oder auch/ da ich nicht von Anfang unser Kundschafft biß auff diese Stunde stets gewesen und blieben bin/ auch noch bin und bleibe/ und biß an mein leztes vielleicht schier kuͤnftiges Ende seyn und bleiben werde; meiner hoͤchst geehrten Freundin Fr. Atossen getraͤuester/ auffrichtigster und bereitwilligster Knecht Suri- nas. Frl. Tarinea nam das Schreiben zu sich/ und nach verlauff zwo Stunden ging sie wieder hin nach dem Frauenzimmer/ entschuldigte sich ihres vielen uͤberlauffens/ und fragete/ ob der Auffbruch auff bestimmete Zeit noch vor sich gehen wuͤrde; und als sie des- sen berichtet ward/ klagete sie/ daß ihr Liebster so gar schwach waͤhre/ und alle Aerzte vor un- moͤglich hielten/ daß er das bewaͤgen solte koͤnnen erdulden; weil dann der Weg nach Par- then ohn zweiffel sehr unsicher seyn duͤrfte/ waͤhre sie willens bey dem Groß Fuͤrsten unter- taͤhnigst anzuhalten/ daß ihrem Liebsten moͤchte vergoͤnnet seyn/ bey dem Heer zu bleiben/ und etwa in einer Persischen Stad sich heilen zu lassen; baͤhte sehr/ die Groß Fuͤrstin Fr. Saptina moͤchte ihr diese erlaͤubnis gnaͤdig zuwege bringen helffen. Diese sagte ihr sol- ches willig zu/ wolte auch nicht zweiffeln/ ihr Oheim GFuͤrst Artaxerxes wuͤrde sich hierin keines weges beschweret befinden. Nachgehends wendete sich Frl. Tarinea hin zu Fr. A- tossen/ und fragete/ ob ihr nicht belieben koͤnte/ ein wenig in die Abend-kuͤhle Lufft zugehen/ und die lange Zeit zuverkuͤrzen; welches sie ihr nicht abschlagen wolte/ weil sie ihr vorge- nommen hatte/ dem Surinas seinen begangenen Frevel rechtschaffen unter die Nase rei- ben zulassen/ ehe sie von hinnen schiede. Jene wuste nicht wol/ wie sie ihrer Werbung den Anfang geben solte/ klagete ihres Bruders Schwacheit/ und daß sein einiger Wunsch s waͤhre/ Fuͤnftes Buch. waͤhre/ er moͤchte von Artobarzanes erschlagen seyn/ weil er leider den Tag erleben muͤssen/ daß man ihn unerhoͤrter sache vor traͤuloß und hochmuhtig verdammete/ uñ zwar in dem Gerichte/ da er allen moͤglichen und untertaͤhnigen Gehorsam erzeiget/ und Sonnen klar dargeleget haͤtte. Mein Fraͤulein kan ihres frechen Bruders sache gar artig schmuͤcken/ antwortete Atossa/ daß wann ich so guten Beweißtuhm und Wahrzeichen nicht haͤtte/ duͤrffte sie sich unterstehen/ die schwarzen Raben in schneweisse Schwanen zuverwandeln. Hochwerte Fr. Schwaͤgerin/ sagte sie; wil sie meinen Worten nicht tranen/ welche doch redlich und auffrichtig sind/ so lasse sie sich doch gefallen/ dieses meines Bruders Schrei- ben zulesen/ darinnen sie ohn zweiffel seine Unschuld ersehen wird. Je/ antwortete sie/ wie wolte der unbescheidene Surinas darzu kommen/ an eine zuschreiben/ deren er alle Kund- schaft auffgekuͤndiget/ und sie bißher nicht anders als seine vergessene geheissen/ gerade als ob ich ihm jemahls Boten geschicket? oder meinet er etwa/ nach seines Gemahls abster- ben/ mich zum andernmahle aufs Eiß zu leiten? O nein Frl. Tarinea/ O nein! als er das- selbe zubehalten nicht wirdigte/ was er mit vielfaͤltiger Bitte von mir erlanget hatte/ wer- de ich viel weniger seine Schreiben wirdigen/ in die Hand zu nehmen. Und wer wolte mir rahten/ dessen Brieffe zu lesen/ der mich noch mit auffruͤckung meiner geringẽ Schoͤn- heit beschimpffet; ja der mit seinem unbarmherzigen Schwerte mich achzehnjaͤhrige in den leidigen Witwenstand gesetzet hat? O du barmherziger Himmel/ fing Tarinea mit auffgehobenen Haͤnden an/ wie hastu in einen so schoͤnen fraͤulichen Leib/ so grosse und heß- liche unbarmherzigkeit eingiessen koͤnnen? ist wol einiger Richter so grausam/ der eines armen Suͤnders Bitte und Fleheschrifft mit Fuͤssen hinweg stossen solte? uñ meine hoch- werte Fr. Schwegerin tuht solches bey dem/ der nur umb blossen unerweißlichen Ver- dachts willen sich muß vor schuldig außschreihen lassen? Sie tuhe/ bitte ich/ dem ganzen weiblichen Geschlecht so grossen Schimpff nicht an/ daß man schier heut oder Morgen sagen solte; Frau Atossa ist ein Vorbild und Spiegel der weiblichen Unbarmherzigkeit/ welche einen unschuldigen hat sterben lassen/ uñ seinen wahrhafftẽ entschuldigungs Brief nicht eins ansehen wollen. Dieses brachte sie mit solcher bewaͤgligkeit vor/ daß Atossa sich endlich bereden ließ/ das Schreiben anzunehmen; und als sie es biß an diese Worte/ Ach der ungluͤkseligen Stunde/ gelesen hatte/ sagte sie: wie ist eurem Bruder/ mein Fraͤulein? ich gedenke/ das Gehirn werde ihm verruͤcket seyn; dann was er hie schreibet/ ist alles mit ein- ander ein lauteres geticht. Habe ich ihm verbohten/ mir zu schreiben? habe ich ihm oder meiner Seel. Fr. Wase die Reise nach Ekbatana untersaget? habe ich ihm schwesterliche Liebe lassen anmelden? ja/ nennet er denn unversoͤhnlichen Haß also/ wil ichs mit glaͤuben. Aber was vor Schreiben mag ich ihm doch immermehr durch meine Wase gesendet ha- ben? dieselben zeige er mir; die bringe er hervor/ so wil ich glaͤuben daß ich lebendig Tod/ und sehend blind bin. Jene kehrete sich hieran gar nicht/ sondern baht/ den Brieff biß zum Ende durchzulesen; welches sie taht/ und das uͤbrige also beantwortete: Ich wil ihm vor- dißmahl sein Blutgieriges Schwert nicht auffruͤcken; nur dieses moͤchte ich von Herzen gerne wissen/ wie ein Mensch so verwaͤgen seyn/ und sich einer oͤffentlichen Lügen so gar nit schaͤmen kan; habe ich ihm meine Wase zugeschicket? habe ich ihm befohlen/ sie zu heirah- ten? da ich doch mein Pferd schon hatte satteln lassen/ von Ekbatana heimlich außzureis- sen/ Fuͤnftes Buch. sen/ und ihm zu folgen/ wann nicht meine Wase gleich zu mir kommen waͤhre/ und mir an- gedeutet/ was gestalt er sie mit listigen Worten von meines Seel. Vaters Schlosse geloc- ket/ mit Gewalt zu seinem Willen genoͤhtiget/ und mir zu trotze sie geheirahtet haͤtte. Ist daß nicht traͤulosigkeit genug? weis er noch die Ursach nicht meines billichen Zorns? und habe noch wol eine wichtigere als eben dieses. Und wie solte ich ihm hievor nicht alles uͤ- bels goͤnnen? wuͤnschet er ihm doch aller Goͤtter Zorn und uͤbergehung der Schande an den Halß/ wozu er vielleicht nicht meynet reiffe gnug zu seyn/ biß er etwa mich zum andeꝛn- mahle moͤchte betrogen haben. Hier ließ nun Tarinea ihre Traͤhnen haͤuffig schiessen/ uñ gab mit Seufzen und Weinen zur Antwort: Nun nun mein herzlieber Bruder/ ich be- klage nicht so sehr deinen Tod/ der bald folgen wird/ als daß du in deiner reinen Unschuld als ein tausendschuldiger sterben must. Aber Fr. Atossa/ ihr unbarmherzige/ ihr grausame; beluͤstiget euch nur nicht zu hoch uͤber sein Verderben; ich hoffe den Tag noch zuerleben/ daß ihr eure Grausamkeit/ haͤtte schier gesagt/ Boßheit noch beweinen werdet; dann wie kan ichs anders nennen/ weil ihr seine beteurungen vor ertichtete Luͤgen/ und seine wahre lautere Beichte/ damit er vor der Goͤtter Stuel zutreten sich erbeut/ vor eine gehirns Ver- ruͤckung schelten und verlachen duͤrffet. Und was vor Ursachen habt ihr doch/ ihm so viel unwarheiten anzutichten? als habe er eure Wase vom Schlosse gelocket/ und/ weiß nicht/ was vor Gewaltsamkeit angelegt. Da ich doch wol weiß/ daß mein Bruder eurer Wasen keinen Bohten geschicket/ sondern als er nach gemachtem Schlusse euer Liebe Gegenwart vermuhten wahr/ hat die verstorbene Anutis sich eingestellet/ und ihm dieses vorgetragen. Frl. Atossa ihre Wase/ waͤhre durch Elterlichen Zwang vor sechs Tagen schon/ mit Hn. Artobarzanes beygelegt/ wolte hinfuro Surinas Schwester seyn und leben/ mit der Be- dingung/ daß er weder ihr schriebe/ noch zu Ekbatana sich sehen liesse; sie wolte schon Ge- legenheit finden/ ihn zubesuchen; inzwischen wuͤnschete sie/ daß sie eine Schwester oder An- verwantin haͤtte/ welche sie ihm zufreien koͤnte. Dieses alles hat sie mit dem Wahrzeichen bekraͤfftiget/ daß sie meinem Bruder ein Buͤndlein von zwoͤlff Brieffen/ die er ehmahls eu- rer Liebe zugeschrieben/ eingehaͤndiget/ mit Bitte sie zu sich zunehmen/ weil sie dieselben nit laͤnger vor andern zuverbergen wuͤste; und dafern dieses anders ist/ Fr. Atossa/ so wolle der Himmel mir alles das Ungluͤk von dieser Stunde an auffbürden/ welches mein Bru- der/ auff dem Fall seines verbrechens ihm selbst in diesem Schreiben wuͤnschet. Aber was hilfft mir diese beteurung? vielleicht werde ich auch hoͤren muͤssen/ das Gehirn sey mir veꝛ- ruͤkt/ und ich schaͤme mich keiner Luͤgen. Atossa stund als eine Gedankenvoͤllige/ und wuste nicht/ was sie antworten solte. Surinas ehemahlige Schreiben hatte sie nach ihres Va- ters Tode von ihrer Mutter etlichemahl gefodert/ aber keine Nachricht davon erlangen moͤgen. Anutis Verschlagenheit und List wahr ihr nicht unbekand/ und je mehr sie sinnete/ je zweiffelhaftiger sie ward; endlich sagete sie: Geliebtes Fraͤulein; wo sichs nach eurer er- zaͤhlung verhaͤlt/ ist man mit eurem Bruder und mir sehr traͤuloß umbgangen; wiewol meine Eltern dessen zubeschuldigen mir nit gebühren wil; kan aber euer Bruder mir die jeztgemeldete Schreiben aufflegen/ werde ich mich weiter zuerklaͤren/ und gegen eure Liebe mich sehr zuentschuldigen haben. Diese Schreiben? sagte Tarinea; ich wil mich ihr zur Leibeigenen geben/ wann er sie nicht alle in verwahrung haͤlt/ als einen koͤstlichen Schaz/ s ij weil Fuͤnftes Buch. weil sie ihn seiner Liebe stets erinnert haben; und hat er sich fast taͤglich mit den Zeichen er- lustiget/ welche eure Liebe auff dieselben mit ihrer schoͤnen Hand gemahlet hat; und wolte Gott/ eure Liebe koͤnte zu meines Bruders erhaltung nur so viel Gunst sehen lassen/ seine mündliche endschuldigung anzuhoͤren/ damit die Falscheit zwischen ihnen getrieben/ recht moͤchte an Tageslicht kommen. Wann mirs keinen Verdacht gaͤbe/ antwortete sie/ daß ich den Todschlaͤger meines Gemahls besuchete/ moͤchte ich mich aus diesem zweiffel ger- ne gerissen sehen. Tarinea wahr listig/ und gab den Anschlag/ als ob sie Mithridates/ der ihr etwas verwand/ in seiner Schwacheit troͤsten wolte; und weil die vergrabene alte Lie- besflammen in ihr sich schon gewaltig entzuͤndeten/ ließ sie sich darzu vermoͤgen. Mithri- dates lag absonderlich hinter einer Abscherung/ und Surinas erwartete mit verlangen/ was sein Schreiben wirken moͤchte. Als nun die so hoch begehrete in das Zelt trat/ uͤber- ging ihn eine kleine Roͤhte/ so viel sein weniges Blut erwecken kunte/ richtete sich im Bet- te auff/ und hieß sie also wilkommen seyn: Hoͤchstwerte Freundin/ komt sie zu mir/ mich wegen begangenen unwissentlichen Niederschlages abzustraffen/ wil ich ihr das Schwert selbst zustellen/ und als ein williges Opffer euer schoͤnheit sterben; ist aber die ehmahlige Gunst in ihrem liebreichen Herzen nicht gar verbliechen/ dann wolle sie ihrem Knechte durch ihre Gewogenheit den Balsam mitteilen/ der ihn bald wieder auff die Fuͤsse setzen wird. Tarinea fiel ihm in die Rede: Mein Bruder/ du wirst zuvor deiner herzgeliebten Meisterin deine Unschuld darlegen muͤssen/ ehe du einige Gunst von ihr zu hoffen hast; wol- lest demnach bey deinen ritterlichen ehren/ und als wahr du gedenkest dereins voꝛ den Goͤt- tern angenehm zuerscheinen/ alles umbstaͤndlich erzaͤhlen/ wie es mit deiner vorigen Hey- raht ergangen; sintemahl ich merke/ daß ein grosser Betrug dahinten stecket. Ja/ sagte er/ dessen trage ich keinen scheuh; erzaͤhlete alles/ kurz und lang/ und daß seine wilfaͤhrigkeit gegen Atossen zuerzeigen/ er seine Anutis alsbald geheirahtet haͤtte. Atossa fragte ihn/ ob er dann die von Anutis wiederempfangene Schreiben noch auffzeigen koͤnte. Ja sagte er/ sie sind noch in guter verwahrung/ und erinnere sich nur meine Freundin/ daß sie auff das erste ein par Wuͤrffel gemahlet/ mit der lieben Unterschrift: Der Wurff ist gewaget. Auff das ander/ die Gluͤks-Goͤttin auff ihrem Gluͤksrade/ und diese Worte dabey. Biß mir ja be- staͤndig O Goͤttin! Auff das dritte/ einen Loͤuen/ mit diesem warhaftigen Spruche; Die Liebe erfodert auch einen Muht. Und fortan biß auff den lezten und zwoͤlfften/ auff welches sie ein Schiff auff dem Meer mit fuͤnff Schiffshaken fest geleget/ gemahlet hat. Zwar es hat mein Gemahl/ weis nicht warumb/ mir offters angelegen/ ihr diese Schreiben wieder ab- folgen zulassen; welches sie aber bey mir nicht erhalten moͤgen. Was hinterbrachte euch aber euer Gemahl/ fragte sie/ da sie von Ekbatana des andern Tages nach eurem Beyla- ger wieder zu euch kam? Er antwortete: Anutis ist ja meines wissens weder dazumahl noch jemahls hernach zu Ekbatana gewesen/ sonde r n wie herzlich ich allemahl bey ihr an- gehalten/ mit mir dahin zureisen/ habe ichs doch nie koͤnnen erhalten/ weil mir Lebensge- fahr drauff stuͤnde/ nach dem Artobarzanes unser ehmahligen Liebe inne worden/ und nicht allein mir mit Gifft draͤuete/ sondern auch seinem Gemahl es offt verweißlich gnug vor- hielte. O du falsche Anutis/ fing Atossa an/ habe ich umb dich verdienet/ daß du so verraͤh- terisch und luͤgenhaftig mit mir umbgehen soltest? erzaͤhlete damit/ was gestalt sie zu ihr nach Fuͤnftes Buch. nach Ekbatana kommen/ von wegen Surinas ihr alle Freundschaft auffgekuͤndiget/ und was sonst dabey vorgefallen wahr; auch das Haaren-Armband ihr wieder eingeliefert haͤt- te/ als welches Surinas laͤnger weder sehen noch tragen moͤchte; daher ich dañ/ sagte sie/ aus grossem Zorn nicht allein dasselbe ins Feur geworffen/ sondern auch viel schmaͤhe- und scheltworte auff euch außgestossen. Hierob entsetzete er sich hefftig/ insondeꝛheit/ da er hoͤre- te/ daß sie umb Anutis darstellung an ihre stat gar keine wissenschaft trug. Das allerliebste Armband/ sagte er/ ist wahr/ das ichs die erste Nacht meines Beylagers verlohren/ aber wo es blieben/ nie habe erfahren koͤnnen/ wiewol ich im Wirtshause dem Finder 500 Kro- nen außlobete. Doch danke ich den Goͤttern/ daß ich diese Falscheit nicht vor meines Ge- mahls absterben erfahrẽ/ sie haͤtte sonst ohn alle barmherzigkeit von meinen Haͤnden sterbẽ muͤssen/ wie lieb ich sie auch umb euret willen gehabt habe. Tarinea ließ diese beyden allein reden/ und ging nach ihres liebsten Bette/ welchen sie in der Ruhe liegen meynete/ da er doch schon ver schieden wahr/ dessen sie zimlich spaͤte gewahr ward/ da sie ihm sanfte an die Hand grieff/ deßwegen sie mit einem Geschrey uͤber ihn her in Ohmacht fiel. Atossa er- schrak dessen/ lieff hinzu/ und fand sie in dem klaͤglichen stande; nam das Krafftwasser/ daß vor dem Bette stund/ und rieb sie damit/ biß sie wieder zu sich selbst kam. Da ging es nun an ein winseln und klagen; wiewol Atossa sie mit ihrem Beyspiel wol zu troͤsten wuste/ ver- sprach ihr auch alle schwesterliche Liebe und Traͤue/ nebest anzeigung/ daß die Aerzte sich außdruͤklich haͤtten vernehmen lassen/ im falle er ja das Leben behalten solte/ wuͤrde er biß an sein Ende ein gebrechlicher unduͤchtiger Mensch seyn/ wodurch sie sich in etwas begriff. Ihr Bruder wahr wegen dieses falles auch betruͤbt/ aber Atossen gegenwart wolte ihm ei- ne sonderliche Traurigkeit nicht goͤnnen/ welche er noͤhtigte/ vor sein Bette niderzusitzen/ fuͤhrete ihr seine bestaͤndige Liebe zu Gemuͤhte/ und baht sehr fleissig/ ihn in die vorige stelle wieder anzunehmen; worzu ihr Herz allerdinge geneigt und willig wahr/ ihm auch diese antwort gab: Herr Surinas/ ihr und ich sind beyde durch meines Vaters getrieb/ als viel ich merke und meiner Wasen volstreckung betrogen und von ander gerissen worden. Nun gibt mir aber der Himmel Zeugnis/ daß/ wie wichtige Ursachen ich gleich zuhaben ver- meinet/ euch zu hassen/ hat doch mein Herz den rechten Ernst dabey nicht legen koͤnnen. Was wollen wir aber tuhn? das geschehene ist vorbey/ und kan durch aus nicht geendert werden. Mein Vater und euer Gemahl sind in der Ruhe/ denen wir verzeihen muͤssen. Mein Gemahl hat ohn zweiffel aus des Himmels Versehung von euch den Tod anneh- men sollen/ weil er euch eure versprochene Braut genommen. Vor die abermahlige an- gebohtene Liebe bedanke ich mich von herzen/ welches zu gebührlicher Zeit eurem gefallen nach zubeantworten ich mich schuldig erkenne/ und unser voriges Band noch vor guͤltig halten muß; hermet euch nur weiters nicht/ daß ihr bald gesund werdet/ uñ besuchet mich auff meiner Mutter Schlosse/ dahin ich in wenig Tagen zu reisen entschlossen bin. Ja ists moͤglich/ so bildet euch ein/ als ob ihr ohn geschehenẽ eingriff noch mein erster Braͤutigam waͤhret; ich wil mich gleich also vor eure erste halten; welches sie mit einem lieblichen La- chen uñ schamrohter Farbe beschloß. Surinas umfing sie ganz lieblich/ beklagete nichts/ als daß seine Wunden ihm an vielerley gluͤkseligkeit hinderlich waͤhren/ und steckete ihr einen koͤstlichen Ring an den Finger. Sie gab ihm wieder einen zur bestaͤtigung/ beantwoꝛ- s iij tete Fuͤnftes Buch. tete seine Klage mit einem suͤssen gelaͤchter/ und daß er inwendig Jahrsfrist nicht zufreie Gedanken fassen müste; goͤnnete ihm doch die ehmaligen Kuͤsse/ und weil sie der Arzney wol erfahren wahr/ besahe sie seine Wunden/ und befand/ daß sie fleissiger auffsicht wol be- noͤhtiget wahren/ nahm hernach abscheid von ihm/ und ging hin dem Frauen zim̃er Mi- thridates Tod und Frl. Tarineen Leid anzumelden/ welche hingingen sie zu troͤsten/ dann sie hatte sich von ihrem Bruder ab in ein Nebenzelt gemacht. Groß Fuͤrstin Saptina noͤhtigte sie mit ihnen zugehen/ und die Abend Speise einzunehmen/ welches sie gerne be- willigte/ in Hoffnung/ mit Atossen richtigen Abscheid zu machen/ wie auch geschahe/ daß nehmlich Surinas/ so bald seine Wunden heile/ sie besuchen/ und von Artaxerxes einen freien Geleitsbrieff/ nach belieben zureisen/ bitten solte/ weil er sich des Kriegs abtuhn/ uñ seine Medischen Lehnguͤter bezihen wolte; dañ sein Vater wahr ein gebohrner Medischer Landsasse/ und hatte sich in Parthen verheirahtet/ auch daselbst seine durch Erbschaft sei- nes Gemahls angefallene herliche Güter beherschet. Es lies aber Tarinea bey der Mahl- zeit eine flehliche Bitte an das gesamte hohe Frauenzimmer ergehen/ sie moͤchten Fr. A- tossen helffen bewaͤgen/ daß sie ihren Zorn und Unwillen gegen ihren Bruder allerdinge moͤchte fallen lassen/ nach dem der Unfall sich ganz unwissend zugetragen haͤtte; da dann alle Anwesende/ insonderheit Groß Fuͤrstin Saptina ihr so viel und hefftig zuredeten/ daß/ wie ungeneigt sie anfangs sich zu stellen wuste/ sich doch endlich erklaͤrete/ in diesem Stücke sehen zulassen/ wie gehorsam sie der Groß Fuͤrstin waͤhre. Welche ihr solches wolgefallen ließ/ und auff Tarineen weiteres anhalten/ daß sie doch ihren Bruder folgenden Morgens vor dem Auffbruche besuchen moͤchte/ damit er seine Abbitte und Entschuldigung bey ihr ablegen koͤnte/ befahl die Groß Fuͤrstin/ zum Zeichen voͤlligen Gehorsams auch dieses zu- leisten; worauff sie zur Antwort gab; sie wolte diese Nacht es in bedenken nehmen/ ob sie ein solches über ihr Herz bringen koͤnte. Des Morgens stellete Tarinea sich gar fruͤh bey ihr ein/ und ward mit diesen Worten von ihr gewilkommet; Herzgeliebte Frl. Schwesteꝛ; ihr seid eine uͤberal volkommene Taͤuscher in/ der gleichen in der Welt kaum zu finden; dañ anfangs habt ihr mich ganz umbgewendet; und hernach dem ganzen Frauenzimmer ein artiges Naͤsichen angedrehet/ welches aber ausser zweiffel mir schier heut oder Morgen zum sonderlichen Behelff dienen kan/ und versichert euch/ daß die ganze Zeit meines Le- bens ihr an mir eine ganz ergebene Schwester haben sollet/ weil ohn eure hohe Klugheit die ganze uͤbrige Zeit meiner bevorstehenden Jahre/ ich ein ungluͤkseliges Mensch blieben waͤhre. Meine herzgeliebte Fr. Schwester/ antwortete sie/ die Freude/ welche wegen ih- rer Gewogenheit ich in meinem Herzẽ empfinde/ machet mich des verlustes meines Braͤu- tigams (der mir ohndas fast auffgedrungen ist) schier gar vergessen/ und ist mein einiger Wunsch/ daß wir die Zeit unsers Lebens moͤgen bey einander wohnen; Aber herzen Frau Schwester hat sie diese Nacht ihr Herz angesprochen/ der Groß Fuͤrstin Willen zuerfuͤllẽ. Diese lachete des auffzuges/ fassete sie bey der Hand/ und sagte: Ja kompt meine Freun- din/ ich muß der Groß Fuͤrstin gehorsamen/ oder ich verliere ihre Hulde gar. Da wahr sie nun ihrem Liebsten sehr wilkommen/ mit dem sichs begunte zimlich zubessern/ hatten ihr freundliches Gespraͤch in die zwo Stunden mit einander/ und trug Fr. Atossa dem Fraͤu- lein ihren nahen Anverwanten Herr Arbazes zur Heyraht auff/ der ein reicher vornehmer Herr Fuͤnftes Buch. Herr wahr/ und ward diese Heyraht nach verlauff eines halben Jahrs fortgestellet. Unser sieghaftes Heer/ nach dem alle Beute auff Elefanten/ Wagen/ und andere Last Tihre gela- den wahren/ gingen froͤlich und wolgemuht fort nach Persepolis/ nachdem die Fuͤrsten H. Surinas besuchet/ und Artaxerxes ihm auff sein begehren einen sicheren Schein willig erteilet hatte/ daneben ihm 50 Reuter zugegeben die ihn mit seiner Schwester und Mithrt- dates Leiche/ wohin es ihm geliebete/ geleiten solten. Diese zwischen eingefallene Liebes Haͤndel/ deren kein Mensch wahrnam/ hat uns/ Ar- tabanus Flucht zubeschreiben/ verhindert. Demselben wahr neben allen seinen Voͤlkern nicht anders zu muhte/ als haͤtte er zur Stunde sollen nidergehauen werden/ da die falsche Zeitung kam/ der Feind waͤhre schon verhanden/ das Lager zustuͤrmen. Er fiel auff seinen Laͤuffer/ und hatte kaum 3000 Reuter/ die ihn folgeten/ weil ihre Pferde seinem nicht gleich rennen kunten. Das Frauenzimmer fiel eine uͤber die andere auff Gutschen/ und hatten nicht Raum gnug aus dem Lager zukommen/ daß Vologefes daher die Graben an vielen Orten muste ausfuͤllen lassen/ umb ihnen einen breiten Weg zumachen. Die verwundeten empfingen durch die Furcht und eingenommene Speise Krafft genug mit zureiten/ und die schwaͤchesten legten sich auff Wagen. Als der Koͤnig voraus gehauen wahr/ ordnete Vologeses das Fußvolck und die Reuter alles zu Pferde/ weil sie ohn seinen Befehlschon alle Pferde von den Lastwagen hinweg genommen hatten. Ehe die unsern dieser Flucht in- ne wurden/ wahr Artabanus schon acht Meilen/ das Heer drey/ die fluͤchtigẽ Weiber fuͤnff Meilen fort gesprungen/ und als sie einen engen Durchzug antraffen/ stellete Vologeses da- selbst die Schlachtordnung auff allen fall/ und ließ seinen Voͤlkern aus einer unweit gele- genen Stadt Brod und Wasser bringen/ da unterdessen alles unnuͤtze Gesinde vor hin- durch muste. Aus den Flecken und Doͤrffern geschahe grosse Zufuhre/ und musten etliche Bauren mit frischen Pferden zuruͤk reiten/ wegen des Feindes Folge Zeitung einzubrin- gen und als diese nichts als gute Sicherheit vernamen/ schaͤmete sich Vologeses und an- dere Kriegs Fürsten dieser schaͤndlichen Flucht uͤber alle masse/ setzeten doch den Weg mit dem Heer fort nach Charas/ daherumb die Voͤlker verlegt/ und die Kranken in die Stadt gebracht wurden. Karthasis ward von dem Koͤnige wol gehalten/ und mit trefflichen Ge- schenken begabet/ und stellete er ihm vier Tonnen Goldes zu/ seinem Koͤnige Skolothus zuꝛ Verehrung/ und sechs Tonnen/ Voͤlcker davor zuwerben. Nach Indien ward gleich so viel zu Aureizgeldern übergemacht/ und in der Roͤmer Gebiet acht Tonnen Goldes. Doch kunte Artabanus seine wuͤtige Liebt gegen Groß Fuͤrstin Valisken nicht ablegen/ und hof- fete noch immer zu/ ihrer Schoͤnheit zugeniessen. Sein meistes sinnen aber wahr/ wie eꝛ un- sere Helden aus dem Wege raͤumen moͤchte/ dann wolte er ihr bey ihrem Abzuge nach Teutschland zu Wasser und Lande auffwarten lassen/ ob er sie erhafchen uñ in seine Gewalt bringen moͤchte. Artaxerxes hatte alsbald nach erhaltenem Siege an alle Bundsverwan- ten geschrieben/ und ihnen den Verlauff durch schnelle reitende Bohten zuwissen getahn/ was gestalt unsere Helden den Sieg erstritten/ ohn deren Gegenwart die Feinde wuͤrden Oberhand behalten haben/ daher man ihnen billich ein dankbahres Gemuͤht erzeigen muͤ- ste. Er vor sein Haupt wolte 30 Tonnen Goldes zuschiessen; Phraortes und Pharnaba- zus wuͤrden das ihre auch willig tuhn; so hoffete man des Feindes Lager zuerobern/ welche Beute Fuͤnftes Buch. Beute hernach zuschichten waͤhre nach gebuͤhr; Inzwischen solte ein jeder Bundsgenosse seine Grentzfestungen mit guter Mannschafft besetzen/ und sich oͤffentlich Feind erklaͤren/ damit nicht einer nach dem andern verderbet wuͤrde; machte hiebey einen ungefehren U- berschlag der Erschlagenen beyderseits/ und versicherte sie/ daß die Parthische Macht der- gestalt gebrochen waͤhre/ daß sie das Haupt nicht wieder auffrichten solte. Das Gluͤk ließ sich dannoch merken/ als wolte es Artabanus nicht allerdinge verlas- sen/ dann seine Buͤrger zu Charas und in andern Staͤdten brachten eine freywillige Steur von 120 Tonnen Goldes auff/ dabey die Ritterschafft ein gleiches legte/ und erbohten sich allerseits/ auff des Feindes Einbruch Mann bey Mann zufechten. Das angenehmste wahr ihm/ daß des andern Tages nach seiner Ankunfft/ ein grosser Indianischer Kaͤmpf- fer/ nahmens Gamaxus/ von Bauren erzeuget/ zu Charas ankam/ der fast Riesen Gestalt und von unmenschlicher Krafft wahr/ von Art und Geberden grob/ hochmuͤhtig/ ruhmraͤh- tig und uͤberaus verwaͤgen/ daher er sich bald bekant machte/ daß noch desselben ersten Ta- ges Bagophanes von ihm reden hoͤrete/ und es dem Koͤnige zuwissen taht; welcher ohndz schon mit boͤsen Raͤnken umging/ unsere Helden entweder durch Gifft oder Schwert aus dem Mittel zuraͤumen. Intaphernes und Tiribazus/ weil sie auff diese weidlich schmaͤhe- ten/ wahren bey ihm wol daran/ daß er sie in ihrer Schwachheit besuchete/ und ihnen ver- traulich entdeckete/ er haͤtte vier Hirkanische aͤdelknaben mit grossen Verheissungen schon darzu vermocht/ daß sie in der Frembden Dienste sich begeben/ und ihnen einen starken Gift beybringen wolten; dann er waͤhre aͤusserst gesinnet/ ihnen den Abzug nicht zugoͤnnen/ da- mit sie nicht bey dem Roͤmischen Kaͤyser sich dereins beruͤhmeten/ wie sie den grossen Koͤ- nig getummelt/ seine versprochene Braut aus seinem wolverwahrten Schlosse entfuͤhret/ sein maͤchtiges Heer erleget/ und ihn selbst aus dem Felde gejaget haͤtten. Dieses Feuer wuste Bagophanes weidlich zuschuͤren/ taht des grossen Indiers abermahl Erwaͤhnung/ und mit ziemlichen Scheingründen bestaͤtigte er/ daß man diese von den Goͤttern selbst an- gebohtene Gelegenheit nicht verabseumen oder verachten muͤste; wodurch er den Koͤnig bewaͤgete/ daß er ihn alsbald abfertigte/ das Ungeheur auff Intaphernes Gemach zu hoh- len; welches er dann willig verrichtete/ ihm des Koͤnigs Gnade anmeldete/ und daß seine Hocheit willens waͤhre/ ihn in Dienste zunehmen/ und vor seinen Kaͤmpfer zubestellen/ auch mit ansehnlichem Solde zuversehen. Dieser ließ sich dessen keine Sau duͤnken/ daß der Koͤ- nig seinen ansehnlichen Hoffmeister an ihn schickete; fing an seine eigene Tahten zuruͤh- men/ und sagte: Er dienete umbs Geld/ und wer ihm am meisten gaͤbe/ waͤhre ihm der lieb- ste Herr/ vor dessen Wolfahrt er seinen Saͤbel auff Feindes Waffen wetzen/ und auff der Widerwertigen Knochen stumpff hauen wolte. Als Bagophanes diesen Toͤlpel vor den Koͤnig brachte/ fing er ohn alle Hoͤfligkeit an also zureden: Grosser Koͤnig; gegenwaͤrtiger Herr hat mich berichtet/ daß Ihre Hocheit mich begehren zusprechen/ und in Dienste an- zunehmen; so erbiete ich mich nun/ Euer Hocheit zum besten/ diesen wichtigen Saͤbel (wel- chen er uͤber die Helffte bloͤssete) zugebrauchen/ dem noch keiner entgangen ist/ auff welchen ich ihn gezuͤkt habe. In den Indischen Landschafften/ disseit uñ jenseit des Ganges Flusses/ habe ich von dem funffzehnden Jahre meines Alters an/ mich nunmehr achtzehn Jahr in kaͤmpffen und streiten gebraucht/ und manchen Skythen und andere Feinde erleget/ daß ich offt Fuͤnftes Buch. offt biß an die Enkel in ihrem Blute gangen bin. Ich habe 598 Kaͤmpffer in absonderlichẽ Streiten ertoͤdtet/ und deren bißweilen fuͤnff oder sechs zugleich auff einen Bissen genom- men. Der mich kennet/ huͤtet sich wol vor meinen Streichen/ die zu grunde richten/ was sie treffen; und wann Eure Hocheit mir den Sold vergnüget/ sollen ihre Feinde wie Asche von dem Winde verstaͤuben. Artabanus besahe ihn von unten an biß oben aus/ und ver- wunderte sich seiner Groͤsse und starcken Gliedmassen; dann in ganz Parthen wahr nie- mand/ der ihm mit dem Haͤupte die Unter schulder beruͤhren moͤgen; sonst wahr er dabey nicht ungeschikt oder toͤlpisch von Leibe/ wuste sich auch des Vortels im Streit wol zu ge- brauchen. Er wolte aber dem Koͤnige einen Beweißtuhm seiner Staͤrke sehen lassen/ leg- te seine flache Hand auff den Tisch/ und hieß Bagophanes mit beyden Fuͤssen drauff tretẽ/ welchen er mit steiffem Arme in die Hoͤhe huhb; foderte hernach zwey neugeschmiedete Huefeisen/ die er von den anwesenden besehen ließ/ daß sie sehr fest wahren/ und beugete sie zugleich auff einmahl mit freyen Haͤnden gerade/ als waͤhren sie von Horn oder Wachs gewesen. Er kunte einen Ochsen mit einem Hiebe im Leibe mitten von ander hauen; auch mit der Faust ihn mit einem Schlage vor den Kopff/ zur Erden stuͤrzen machen. Der Koͤ- nig hielt eben diesen vor den rechten Mann/ der seinen Feinden solte gewachsen seyn/ und versprach ihm ein ganzes Jahr hindurch/ monatlich 10000. Kronen/ auch acht Pferde uñ sechs Leibschützen zuhalten; dagegen solte er zween Juͤnglinge bestreiten/ und sie ihm ent- weder tod oder lebendig liefern/ die seine abgesagte Feinde waͤhren/ und ihm mannichen Schimpff erwiesen haͤtten. Ihre Leibeskrafft waͤhre nicht besonders/ aber in uͤbung der Waffen vortrefflich/ daß er nach ihrer uͤberwindung sich wol ruͤhmen duͤrffte/ er haͤtte den trefflichsten Helden der Welt angesieget; solte sie aber ja nicht beyde zugleich/ sondern einẽ nach dem andern vornehmen/ und über seinen Sold vor jedes geliefertes Haupt 50000. Kronen; da er sie aber lebendig fahen und uͤberschicken koͤnte/ vierdoppelt so viel haben. Ga- maxus gab zur Antwort: Ihm genuͤgete an dem versprechen und vermachtem Solde/ weil auch dem Koͤnige mit den lebendigen Gefangenen mehr als mit den todten gedienet waͤhre/ denen er sonst ohn einigen Schwertschlag das Genick brechen wolte/ solten sie ihm erster Zeit eingehaͤndiget werden; nam von Artabanus baͤurischen Abscheid/ und begehre- te/ daß man ihm alsbald des folgenden Tages an die Grenzen geleitete/ damit er das Geld ehist verdienen und den Koͤnig befriedigen koͤnte. Als der Koͤnig von den Verwundeten hinweg gangen wahr/ besuchte Vologeses seinen Oheim Tiribazus/ der ihm nicht allein den bestelleten Kaͤmpffer/ sondern auch des Koͤniges Vorhaben wegen der Vergifftung offenbahrete; uͤber welches lezte er sich hefftig entsetzete/ und an solcher Boßheit ein abscheu trug/ unterließ auch nicht/ seinem Oheim Pakorus es zuvermelden/ der ihn hoͤchst ermah- nete/ daruͤber zuarbeiten/ daß eine so unverantwortliche Taht abgewendet wuͤrde; Wie er aber vernam/ daß der Koͤnig es mit ihm nicht berahtschlaget hatte/ sagte er: Der schaͤndli- che Fuchsstreicher Bagophanes staͤrcket ihn in solchem Unwesen/ und wird der Bube nit auffhoͤren ihn zureizen/ biß ihm der Hals gebrochen ist. Sie beklageten beyde den elenden Zustand des Reichs/ und daß eine grosse Enderung sich merken liesse/ welche den Persen erheben/ und Artabanus unterdruͤcken dürffte; bezeigeten sich auch uͤberaus betruͤbt/ dann ihr Herz wahr ihnen uͤber dieser Boßheit fast erstorben; endlich nam Vologeses auff sich t den Fuͤnftes Buch. den Koͤnig zubesuchen/ ob er sich vielleicht dessen etwas wuͤrde vernehmen lassen. Aber er gedachte seiner Hirkaner mit keinem Worte/ nur den grossen Gamaxus ruͤhmete er/ und daß er ein Fuͤrstentuhm drumb geben wolte/ daß ihm dieser unerschrockene Held vor der Schlacht zugezogen waͤhre/ als welcher nicht allein die Persischen Weichlinge solte ge- daͤmpffet/ sondern auch die Teutschen Wagehaͤlse als die Muͤcken nidergeschlagen haben; jedoch wolte er noch zufrieden seyn/ wann er ihm nur die beyden Buben Herkules und La- disla lebendig einbraͤchte/ an denen er sich dergestalt zu raͤchen vorhabens waͤhre/ daß ande- re sich an ihnen spiegeln solten. Vologeses gab zur Antwort: Was durch einen oͤffentlichẽ Kampff geschaͤhe/ wolte er mit ruͤhmen; meynete auch/ es waͤhren noch wol Ritter zufin- den/ so den beyden gewachsen waͤhren; hielte doch davor/ sie würden sich schwerlich leben- dig greiffen lassen/ sondern viel lieber von Feindes Hand sterben; Daß aber Ihre Koͤnigl. Hocheit ihnen so abscheuhliche Straffen draͤuete/ da sie doch freye Koͤnige und Groß Fuͤr- sten waͤhren/ die in ihren Laͤndern grosse Gewalt haͤtten/ schriebe er seinem Zorne zu/ nach dessen Linderung seine Hocheit sich wol eines andern bedenken wuͤrde; welche Erinnerung er aber mit grossem Unwillen aufnam/ uñ ihn fragete/ ob er Persiche oder Teutsche Jahrs- bestallung haͤtte/ daß er so fleissig vor seine Feinde strebete; denen wir/ sagte er/ das Herz wol- len aus dem Leibe reissen/ und den Hunden zufressen vorwerffen lassen/ und Troz gebohten/ der uns ein solches wehren sol/ da er sonst nicht in gleiche Straffe fallon wil. Ihre Koͤnigl. Hocheit machen alles nach belieben/ sagte er; jedoch wann ich wissen solte/ daß dieselbe den allergeringsten Verdacht auff mich geworffen haͤtte/ ob s o lte ich mit den Reichsfeinden ei- nige Verstaͤndniß haben/ und durch das verfluchte Geld/ dessen ich zeit meines Lebens eben so wenig als des schlimmen Kohts geachtet/ mich bestechen und zur Verraͤhterey bewaͤgen lassen/ muͤste mir leid seyn/ daß ich je gebohren waͤhre; bitte demnach/ zum untertaͤhnigsten/ Ihre Koͤnigl. Hocheit wolle mich alsbald meines Ampts allergnaͤdigst erlassen/ und mir den Ort benennen/ woselbst ich mein uͤbriges Lebẽ in aller Einsamkeit/ als in einem Gefaͤng- niß zubringen solle/ wil ich solches vor eine gnugsame Vergeltung aller meiner bißher ge- leisteten traͤuen Dienste halten. Wir haben euch in keinem Verdacht/ antwortete er/ koͤnnet auch eures Ampts durchaus nicht erlassen werden; nur vor unsere Erzfeinde allemahl so frey zu reden koͤnnen und wollen wir von niemande gewaͤtig seyn. Fragete hernach/ wie es mit den Werbungen beschaffen waͤhre/ daß man solche alsbald fortsetzete/ und befahl/ daß die Grenze Staͤdte wol versehen/ und der tapffere Gamaxus mit 40000 Reutern dahin begleitet wuͤrde; welches zubefodern Vologeses versprach/ und doch nicht unangezeiget ließ/ wo nicht ein vorsichtiger Feld Herr daruͤber gesetzet würde/ duͤrffte das ganze Heer verlohren gehen; dann der Feind wuͤrde keines weges unterlassen/ ihnẽ mit ganzer Macht auff den Leib zufallen; welches er zu dem Ende anzeigete/ daß ihm schier heut oder morgen nichts ungleiches zugemaͤssen würde. Worauff der Koͤnig nur sagte: Er wüste schon/ daß die Ungluͤks Weissagungen zum Ende gelauffen waͤhren. Das verleihen uns die guͤtigen Goͤtter/ und daß ich doch auch einmahl zum Luͤgener werden moͤge/ wornach mich bißher immer verlanget hat/ antwortete Vologeses; ging hin/ und zeigete Pakorus alles an/ der grossen Verdruß dran hatte/ daß der Koͤnig keinen heilsamen Raht mehr annehmen/ und uͤberdas die wichtigsten Reichsgeschaͤffte mit seinen hoͤchsten Bedieneten nicht mehr be- reden Fuͤnftes Buch. reden wolte; hielt es vor ein Zeichen grossen Verblendung/ und so bald er allein wahr/ setze- te er folgenden Brieff auff: Ein auffrichtiger Freund/ welcher vor diesem den Durchleuchtigsten Groß Fuͤrsten aus Teutsch- land/ Hn. Herkules gewarnet/ sich denen nicht zuvertrauen/ die aus Parthen sich gegen ihn freundlich stellen/ kan vor dißmahl nicht umhin/ vertraulichst anzudeuten/ daß man sich vor Gifftmischer huͤte/ die redlichen Helden den Tod in die Handschuch und Kleider/ oder an Messer und Degen Gefaͤß an- schmieren werden. So laͤsset fich auch ein wildes Ungeheur finden/ die beyden fremden Fuͤrsten zum Kampff auszufodern/ unter was Schein/ kan man nicht erforschen. Der Schreiber dieses Brieffes scheuhet sich seinen Nahmen zunennen/ und mit gewoͤhnlicher Hand die Buchstaben zu zihen; sendet aber dem Durchl. Groß Fuͤrsten zur Wieder geltung einen Ring/ welcher am Finger getragen/ allen gegenwertigen Gifft durch seine wasserbleiche Verenderung anzeiget/ und verbleibet er Zeit seines Le- bens dessen Durchl. ergebener getraͤuer Diener/ Der Auffrichtige. Hiebey wahr ein ander Brief zum uͤmschlage/ von ihm an Pharnabazus geschriebẽ/ nebest den 60000 Kronen/ welche die drey Teutschen wegen Intaphernes und seiner Ge- sellen zuheben hatten; vermachete die Gelder in 120 Beutel/ und stellete sie so viel Reutern zu/ welche Tag und Nacht reiten/ und sie biß nach Persepolis an Fuͤrst Pharnabazus uͤ- berbringen musten; doch wolte er den Brief an Herkules niemand vertrauen/ sondern versteckete ihn in einen schoͤnen Sattel/ welchen er auff seiner Handpferde eines legete/ und einem Reuter befahl/ es Fuͤrst Pharnabazus zuzustellen/ mit dem ers verspielet haͤtte. So bald diese in der Persichen Haupt Stadt anlangeten/ ward das Pferd mit dem Neben- Schreiben alsobald Pharnabazus eingehaͤndiget/ welcher diese Worte drinnen fand: Meiner Buͤrgschafft/ mein Herr und Freund/ waͤhre ich gerne loß/ deßwegen die wolgewon- nenen Gelder in 120 Beuteln versiegelt uͤbergeschikt werden/ und eia Pferd/ welches Euer Liebe zuge- stellet werden sol; der Sattel aber ist vor Groß Fuͤrst Herkules/ denselben durchzublaͤttern/ und das gefundene in hoͤchster geheim zuhalten. Uns alle in den Schuz des Himmels befehlend/ verbleibend sein williger F. P. Pharnabazus seumete sich nicht/ nahm den Sattel mit sich nach Herkules/ und gab ihn Libussen und Brelen auffzuschneiden/ welche den Brieff samt eingelegten Ring bald funden/ und verwunderten sich unsere Helden uͤber dieses Fuͤrsten Redligkeit/ massen das geschriebene Merkzeichen den Uhrschreiber bald kund machete. Zween Tage hernach mel- deten sich vier Hirkanische aͤdelknaben an/ ihres alters von 18 Jahren/ und erbohten sich/ seiner Durchl. Groß Fuͤrst Herkules als Leibdiener auffzuwarten; sie waͤhren bißher drey Jahr in Koͤnigl. Parthischen diensten gewesen/ und von ihren Eltern schrifftlich vermah- net/ ingeheim davon zureiten/ damit sie nicht als Feinde des Vaterlandes dermahleins moͤchten gestraffet werden; denen sie billich gehorsamet/ und sich hieher begeben haͤtten/ ihrer Durchl. vor andern zu dienen; legten auch ihrer Eltern warhafte Schreiben auff zum Zeugnis. Valisken trug der Sinn nicht viel gutes zu/ daher sagte sie auff Teutsch zu Herkules: Vielleicht haben die Gifftmischer sich schon eingestellet/ und duͤrfte der Kaͤmp- fer auch nicht lange verweilen. Ey nicht so argwoͤhnisch/ mein Schaz/ antwortete er: Diese Juͤnglinge sind eines adelichen freimuͤhtigen Gesichtes/ haben auch ihrer Eltern schrifftliches Zeugnis/ daß man von ihnen solche Untaht nicht muhtmassen kan/ und wird Artabanus nicht wenig schmerzen/ wann er hoͤren muß/ daß seine Auffwarter in unsere Dienste treten. Wendete sich hierauff zu ihnen/ und ließ sie durch einen Handschlag an- t ij geloben/ Fuͤnftes Buch. geloben/ daß sie from und getraͤu seyn wolten. Noch wolte die Groß Fuͤrstin nicht trauen/ sondern befahl etlichen Boͤmischen Knaben/ auff dieser Hirkaner tuhn und lassen gute acht zu haben; welche sich aber so scheinbar verhielten/ daß Valiska selbst allen argwohn fallen ließ/ weil sie nichts ungeheissen anruͤhreten. Gamaxus eilete nicht minder/ sein Vorhaben ins werk zurichten/ wuste nicht/ wie er vor hochmuht gehen oder reiten wolte/ weil ein Paꝛ- thischer Feld Herr/ nahmens Katenes mit 40000 Reutern ihm zur begleitung zugege- ben wahr. Nun hatte Artabanus gleichwol diesen Voͤlkern ernstlich eingebunden/ sich in kein Handgemenge zu wagen/ es waͤhre dann/ daß Gamaxus nach erhaltenem absonder- lichen Kampfe von Feinden solte uͤber fallen werden. Nach der Hirkaner ankunfft/ etwa fünff Stunden/ ließ sich ein Parthischer Heerhold anmelden/ er haͤtte bey Herkules und Ladisla eine Werbung abzulegen; und als er vorgelassen ward/ fing er nach gebehtener verzeihung also an: Des grossen Koͤniges Artabanus bestalter Kaͤmpfer/ Herr Gamaxus/ der Sieghafte (diesen Nahmen hatte er in Indien erworben) uͤbersendet den Durchleuch- tigsten Fuͤrsten Herrn Herkules uñ H. Ladisla diesen Absagsbrieff/ welchen ihre Durchll. zu lesen unbeschweret seyn werden. Wer ist dann der bestalte sieghafte Kaͤmpfer/ H. Ga- maxus? fragete Herkules/ daß ich gleichwol seines tuhns und wesens etwas wissenschafft habe/ ehe ich mich weiter einlasse. Der Heerhold ruͤhmete ihn gewaltig; er waͤhre zwar der ankunfft eines Bauren Sohn aus Indien/ aber durch seine Tapfferkeit haͤtte er einen unsterblichen Nahmen uͤberkommen/ und mit dem Saͤbel den hoͤchsten Adel erstritten. Ein Baur? ein Indianischer Baur? sagte Herkules; sol ich mich nun mit Bauren zu- droͤschen? bald packet euch hinweg/ mit eurem Baͤurischen Absags-Brieffe/ und saget eu- rem Koͤnige/ wann er selbst/ oder irgend ein ritterlicher Fũrst meines Bruders Ladisla oder meiner Haar begehret/ sollen sie ihnen ungewegert seyn; aber einen unflaͤtigen Bauren zu kaͤmmen oder zu laussen/ halte ich mich viel zu gut. Wisset ihr aber nicht/ wer den Bauren die Absags-Brieffe an Koͤnige uñ Fuͤrsten zu stellen mag gelehret haben? ich moͤchte wuͤn- schen/ dz ich einen groben Sachsen Bauren bey mir haͤtte/ der solte ihm etliche gute Strei- che mit dem Flegel zeigen/ daß ihm sehen und hoͤren verginge. Und ihr/ Heerhold sollet wissen/ dafern hernaͤhst ein ander mir von Bauren Absags-Brieffe anbieten wird/ sol er Streiche zu lohn tragen. Dieser muste mit solcher Antwort zu frieden seyn/ und mit sei- nem Brieffe abzihen/ da Valiska zu ihm sagte: Mein Freund/ hat der Baurknecht auch eine feine starke Baurdirne bey sich/ die ihm den Flegel oder die Mistgabel nachtraͤget? Dieser muste des auffzuges selber mit lachen/ und gab zur Antwort: Er wuͤste wol/ daß Gamaxus nicht viel waͤhlens machte unter dem Frauenzimmer/ dann beydes in Staͤdten und Doͤrffern waͤhren sie ihm alle gerecht/ wann sie nur frey stark waͤhren. Wie er dañ der Unzucht uͤberal ergeben wahr/ daß er so wenig der Eheweiber als der unverheirahteten sich enthielt/ dessen er bey Bagophanes ein Beweißtuhm ablegete; dann als derselbe ihn des Abends vor seinem abreisen auff des Koͤnigs befehl in seinem Hause zugaste bitten/ und allerhand sachen mit ihm abreden muste/ merkete er an dessen Gemahl Parasitis die buhlerischen Blicke/ machte den guten Hoffmeister trunken/ und erhielt sein Begehren leicht bey ihr/ redeten auch miteinander ab/ daß er nach seiner Wiederkunft Ursach zu Ba- gophanes suchen/ ihn er schlagen/ und sie wieder heirahten solte; wie sie auch von ihm mit einem Fuͤnftes Buch. einem Sohn sol befruchtet worden seyn/ bey welchem sie in der Geburt gestoꝛben/ der Sohn aber zum beschrihenen Moͤrder worden und auffs Rad geleget ist. Als Gamaxus sein Schreiben wieder bekam/ und die Spotreden/ welche ihm rund aus vorgetragen wurden/ anhoͤren muste/ meinete er vor herzensprast zu bersten/ biß die Zaͤhne im Kopffe/ verwen- dete die Augen/ und stellete sich als ein Unsinniger. Katenes gab den Raht/ daß der Heer- hold mit abgewechselten Pferden auffs geschwindeste nach dem Koͤnige ritte/ umb zuver- nehmen/ wessen man sich weiters zuverhalten haͤtte; hingegen meynete Gamaxus mit sei- nem Frevel durchzubrechen/ und noch einen Außfoderer abzuschicken; doch als er Herku- les draͤuungen vernam/ ließ er sich bereden/ daß dem Koͤnige es heimgestellet wuͤrde. Vo- logeses und Pakorus (der schon wieder gehen kunte) wahren gleich bey Artabanus/ da der Heerhold die Sache vortrug/ und zu lacheten sich dessen rechtschaffen. Ihre Koͤnigl. Hoch- heit verzeihe mir gnaͤdigst/ sagete Pakorus/ daß ich Groß Fuͤrst Herkules hierin nicht ver- denken kan/ sintemahl ich einem Baurenflegel nicht anders begegnen wuͤrde; waͤhre dem- nach mein Raht/ man liesse diese Außfoderung anstehen/ dann eure Hocheit wird mit die- sem Untihr nur Schimpff und Spott einlegen; ich meyne ja/ man rede davon/ wie der Unflaht hin und wieder die unzuͤchtigen Hurenwinkel durchlauffe; mag auch wol deren Weiber mißbrauchet haben/ denen mans nicht zutrauet; solte aber ein solcher Gewissen- loser wol rechtschaffene Tugend und Tapfferkeit an sich haben? Zwar den Bericht nach/ sol er groß und schwer genug seyn; aber ich wette/ daß Groß Fuͤrst Herkules ihm durch seine vorsichtige Ringfertigkeit werde überlegen seyn/ und ihn vom Brodte tuhn. Er sey Tugendhafft oder nicht/ antwortete der Koͤnig; wann er nur leistet/ was unsere Tugend- hafte nicht geleistet haben; ist er dann gleich ein Baur von geburt/ solches kan ihn nichts hindern/ und wollen wir ihn schon zum Fuͤrsten in Ober Meden erklaͤren/ daß die Teutschẽ nicht Uꝛsach haben/ diesen Kampff abzulehnen. Die Schimpfrede ging ihnen beyden sehr zu Herzen/ gaben auch dem Koͤnige zuverstehen/ daß ihre Traͤue und untertaͤhnigkeit ge- gen ihren Koͤnig viel groͤsser waͤhre/ als daß sie durch solche Worte sich wolten geschmaͤ- het halten/ wolten aber nicht desto weniger ihre Koͤnigl. Hocheit getraͤulich warnen/ daß sie gegen andere sich dessen maͤssigen wolte/ es moͤchte sonst deren Herz dadurch von ihrer Hocheit abgewendet werden. Uberdas wuͤrde der Koͤnig es reiflich uͤberlegen/ ehe er den Kaͤmpffer zum Fuͤrsten machete/ daß nicht die Auffruͤhrer und andere anlaß bekaͤhmen außzuschreihen/ der Koͤnig verschenkete die Fürstentuͤhmer den verlauffenen Indianischẽ Bauren/ und die getraͤue Reichssassen nicht zugleich unwillig wuͤrden/ daß der grobe Fle- gel ihen solte vorgezogen werden. Ich vor mein Haͤupt/ sagete er/ begehre nichts mehr/ als ich schon habe und besitze/ aber wie lange hat Oxatres dessen Koͤnigl. Zusage gehabt/ und ist doch sein nie gedacht worden/ als wann er wegen des Vaterlandes hat muͤhe und arbeit uͤber sich nehmen muͤssen. Ey so sind wir gleichwol noch Koͤnig/ sagte Artabanus/ und weꝛ- den trauen unsern Worten Kraft geben koͤnnen/ wo wir sonst nicht nur bitsweise und als ein Afterkoͤniglein herschen; deßwegen halte nach diesem ein jeder ein mit dergleichen un- erheblichen einwuͤrffen/ damit wir nicht gezwungen tuhn und vornehmen muͤssen/ was uns selbst leid seyn wuͤrde. Eure Koͤnigl. Hocheit fahre nach belieben/ sagte Pakorus/ aber sie werden erfahren/ daß Pakorus ein redliches Herz gegen den Parthischen Stuel traͤ- t iij get; Fuͤnftes Buch. get; solte er aber druͤber in Ungnade und Gefahr fallen/ so muß ihm endlich gleich gelten/ ob sein Blut durch Feindes oder seines Koͤniges Hand vergossen wird; er wird doch nit nachlassen/ so lange er lebet/ eurer Hocheit bestes zu rahten. Solches sol ihm mit allen gna- den vergolten werden/ sagte Artabanus; Aber in diesem Stuͤk/ welches dem Reiche nicht schaͤdlich/ ader wol ersprießlich seyn kan/ wollen wir unsern Willen haben; ließ auch ein Koͤnigliches Schreiben unter seiner Hand und Pitschaft auffsetzen/ in welchem er Ga- maxus vor einen Fuͤrsten in Ober Meden erklaͤrete/ nebest der Verheissung/ daß ihm nach erhaltenem Siege ein Heer von 60000 Mann solte untergeben werden/ damit er das Fuͤrstentuhm einnehmen koͤnte. So bald der grobe Droͤscher dieses Schreiben empfing/ ließ ers vielmahl abschreiben/ und hin und wieder anschlagen/ legte auch eine Abschrifft bey seinen andermahligen Außfoderungs Brieff/ welchen er unsern Helden zuschickete. In Persepolis stund ihnen ein ander Ungluͤk bevor/ welches bloß allein Gottes baꝛm- herzigkeit von ihnen abwendete; dann es hatten die vier Hirkaner in erfahrung bracht/ daß ihre Herren den Kampff wieder Gamaxus abgeschlagen hatten/ auff welchen Fall sie be- fehlichet wahren/ ihr Vorhaben mit erster gelegenheit ins Werk zurichten/ wurden auch eines gewissen Tages eins/ an welchem sie ihrer Herren Stieffeln oder Handschuch der- gestalt inwendig salben wolten/ daß nach verfliessung 48 Stunden sie keine mehr anlegen solten. Einer unter ihnen/ nahmens Bazaentes/ hatte an Herkules Freundligkeit sich so sehr verliebet/ daß ihn unmoͤglich dauchte/ diese Mordtaht zu volbringen/ waͤhre auch ewig schade/ daß ein solcher lieber Herr so jaͤmmerlich umbkommen solte; beschloß deßwegen die lezte Nacht festiglich/ es zuoffenbahren/ und seinem Herꝛn das Leben zuretten/ was hart verbindliche Verheissung er gleich dem Koͤnige getahn hatte; machte sich zu Tyriotes/ und baht ihn/ die Groß Fuͤrstin zubewaͤgen/ daß sie ihn absonderlich/ ohn seiner dreyen Gesellen vorwissen zu sich fodern liesse/ nachdem ihrer Durchl. er etwas vorzutragen haͤtte/ welches keinen Verzug leiden wolte. Dieser wahr willig ihn anzumelden/ und kam bald hernach ein Persischer Knabe/ welcher ihn zu der Groß Fuͤrstin foderte/ gleich da die andern aus- gangen wahren/ alles noͤhtige zu ihrer Flucht fertig zu machen. Als er zu ihr ins Gemach trat/ schossen ihm die Traͤhnen in die Augen/ baht untertaͤhnigst/ sie moͤchte die Anwesen- den abweichen heissen/ setzete sich hernach auff die Knie/ und fing mit weinender Stimme also an: Durchleuchtigste Groß Fuͤrstin/ ich armer Suͤnder/ der ich aus unbedachtsamen Frevel ein abscheuhliches Bubenstuͤk zuverrichten/ auff mich genommen/ komme/ dessen gnaͤdigste verzeihung zu bitten/ und das uͤbel abzuwenden/ ehe und bevor es von andern volfuͤhret werde/ die sich dessen nicht bereden koͤnnen/ daß es boͤßlich gehandelt sey. Alsbald gedachte sie/ es wuͤrde die Vergifftung antreffen/ welche sie schon aus dem Sinne geschla- gen hatte/ und antwortete ihm gnaͤdig also: Mein Bazaentes/ du tuhst sehr wol/ daß du das boͤse bereuest/ ehe es vollendet wird/ und erzeigest hiedurch dein auffrichtiges Herz/ wel- ches von untugend zwar kan angesprenget/ aber nicht überwunden werden; daher du dich nicht allein gaͤnzlicher verzeihung/ sondern grosser uͤberwichtiger Gnade wol versichern magst/ wann du nur redliche anzeige tuhst/ damit das boͤse/ ehe es volbracht wird/ abge- wendet/ und gleichwol kein unschuldiger verleumdet werde. So stehe nun auff/ und offen- bahre mir kuͤhnlich/ was du auff dem Herzen hast. Hierauff fing er an zuerzaͤhlen/ was ge- stalt Fuͤnftes Buch. stalt Artabanus ihn und seine drey Gesellen mit herben Gifft ausgeruͤstet haͤtte/ Koͤnig La- disla und Groß Fuͤrst Herkules damit hinzurichten/ wovor jedem eine freye Herrschaft zu- gesaget und verbriefet/ auch aus dem Koͤnigl. Frauenzimmer die Wahl der schoͤnsten Jungfrauen versprochen waͤhre/ die Bagophanes ihnen schon gezeiget haͤtte. Nun wolte er aber/ nachdem ers recht erwogen/ lieber seine ganze Lebenszeit im Elende zubringen/ als dieses Bubenstuͤk begehen; meldete hernach/ daß sie verabscheidet haͤtten/ da sie der Stie- feln heut nicht koͤnten bemaͤchtiget seyn/ die Handschuch heut uͤber der Mahlzeit inwendig zu vergifften/ und waͤhre die Salbe der Wirkung/ daß wann sie die Haut nur beruͤhrete/ der Mensch ohn alle Huͤlffe nach Verlauff 48 Stunden des Todes seyn/ und inzwischen unsaͤgliche Schmerzen ausstehen muͤste. Valiska stellete sich/ als haͤtte sie dessen nie keinen Argwohn gehabt/ hieß ihn schweigen/ und aller Gnade gewaͤꝛtig seyn/ ging nach ihres Bru- ders Gemach/ woselbst sie auch Herkules und Fabius fand/ und redete sie mit nassen Augẽ also an: Meine allerliebste Herzen; billich fallen wir auff die Knie/ und danken unserm GOtt und Erloͤser vor seine unaussprechliche Barmherzigkeit/ daß er mir gleich diese Stunde die teuflische Vergifftung kund werden lassen/ welche heut diesen Tag an meinem Bruder und Gemahl hat sollen erfuͤllet werden/ und man sie menschlicher Vernunfft nach nicht haͤtte meiden noch verhuͤten koͤnnen. Sie entsetzeten sich alle/ hoͤreten der Erzaͤhlung fleissig zu/ und rahtschlageten/ wie den Sachen ferner zu tuhn waͤhre; wurden endlich eins/ die vier Hirkaner neben vier Boͤhmischen bey der Mahlzeit auffwarten zulassen/ und ihnẽ vorsezlich/ doch als ohngefehr die Handschuch hinzureichen/ daß sie auff scheinbahrer Taht ergriffen/ desto besser uͤberzeuget/ und hernach absonderlich wegen des Anstiffters befraget werden koͤnten/ welches dem Parthischen Wuͤterich unabwischlichen Schimpff geben wuͤrde. Fabius ward von ihnen nach Pharnabzus gesendet/ er moͤchte unbeschweret zur Mahlzeit kommen/ weil etwas wichtiges wuͤrde zubereden seyn. Sie aber setzeten sich auff die Knie/ hielten ihr andaͤchtiges Gebeht zu Gott/ und danketen ihm vor diese unaussprech- liche Gnade/ daß er des einen Herz gelenket/ und zur Bekaͤntniß angetrieben haͤtte/ bahten auch ihren Heyland/ er wolte sich ihrer ferner annehmen/ und sie frisch und gesund in ihr Vaterland fuͤhren. Hernach verwieß Valiska ihrem Herkules seine Leichtglaͤubigkeit/ und daß er ihre erste Warnung so gar in den Wind geschlagẽ; man muͤste nicht alles vor Gold halten/ was da schimmert; die Boßheit koͤnte ja so wol/ und viel besser unter auffrichtiger aͤusserlicher Gestalt/ als niedergeschlagenen Augen verborgen liegen. Als sie zur Mahlzeit gingen/ machten sie Artaxerxes und andern anwesenden Fuͤrsten den schaͤndlichen Meu- chelmord zuwissen/ der mit seinem Anstiffter aͤusserst verfluchet ward. Die Hirkaner stelle- ten sich hinter ihre Herren zur Auffwartung/ an denen man die geringsten Zeichen einer Verenderung nicht merken kunte/ und da sie die Handschuch nebest den Schwertern em- pfingen/ trugen sie alles in ein Neben Gemach; Weil sie sich nun dafelbst allein befunden/ und Bazaentes auff die Schildwache stelleten/ strichen sie den Gifft unvermerket hinein/ da Fabius in Geselschafft seinen Teil auch bekam. Bey wehrender Verrichtung sagte ei- ner zu dem andern: Heut wollen wir unser Gluͤk verdienen/ und ein mehres leistẽ/ als Fuͤrst Vologeses mit 500000 Mann nicht vermocht hat; Du aber/ sagte einer zu Bazaentes/ solt dieses Ruhms nur halb geniessen/ weil du nicht Hand mit angeleget hast. Dieser gab lachend Fuͤnftes Buch. lachend zur Antwort: Ich hoffe noch den besten Preiß davon zutragen/ weil ich ihnen den Gifft zustellen wil. Nach verrichtetem Bubenstuͤk traten sie mit ernstlichem Angesicht vor den Tisch/ und gingen mit flüchtigen Gedanken umb/ des Vorsatzes/ so bald sie sehen wuͤr- den/ daß sie ihre Handschuch wuͤrden angezogen haben/ zu ihren Pferden zulauffen/ welche sie nicht weit vom Osten Tohre in ein Hauß gezogen hatten/ vorgebend/ sie solten mit etli- chen Herren auff die Jagt reiten. Unter der Mahlzeit befahl Artaxerxes alle Diener abzu- treten/ weil man geheime Sachen zu bereden haͤtte/ welches niemand argwoͤhnisch machte/ weil es offt zugeschehen pflag. Weil sie nun nicht wissen kunten/ ob die Beschmierung ge- schehen waͤhre/ stund Valiska auff/ ging nach ihrem Gemache/ und hieß Bazaentes und zween Boͤhmische Knaben mit ihr gehen/ deren jedem sie eine Schachtel zu tragen gab/ als wolte man etliche Sachen heraus nehmen/ und sagte sie zu dem Hirkaner: Mein Sohn/ ist der Anschlag zu werke gerichtet/ so sage mir die Warheit. Ja Durchl. Groß Fuͤrstin/ antwortete er; sie haben den Tod in meiner gnaͤdigstẽ Herren/ und Herrn Fabius Hand- schuch geschmieret. Gab ihr hernach sein Gifftbuͤchslein/ und deutete an/ man wuͤrde ein gleichmaͤssiges bey aͤllen dreyen finden; uͤberdas stuͤnden ihre Pferde gesattelt/ allernaͤhest beym Tohr in der Herberge zum guͤlden Loͤuen. Beweißtums gnug/ sagte sie/ schweige nur stille/ und verrahte dich selber nicht; ging hinter diesen dreyen her/ nam ihnen die Schach- teln ab vor der Saal Tuͤhr/ und nachdem sie der Geselschafft bericht getahn hatte/ ließ sie durch die drey Hirkaner die Schachteln in Libussen Begleitung wieder nach ihrem Ge- mache tragen. Bald darauff wurden die Diener saͤmtlich wieder herein geruffen/ uñ taht ihnen Valiska Befehl/ so bald man mit den Hirkanern reden würde/ solten sie acht auff ihre Haͤnde geben/ damit sie weder sich selbst noch andere zu verletzen Gelegenheit haͤtten; doch hielt man ein/ biß die Speisen abgetragen wahren/ und Phraortes die drey Hirkaner (den vierden hatte man vorsezlich weggeschikt) vor sich foderte/ welche er fragte/ ob sie den Bau- ren Gamaxus bey Artabanus nicht gesehen haͤtten; auch was sonsten neues nach verlohꝛ- ner Schlacht vorgangen waͤhre. Der fuͤrnehmste unter ihnen/ nahmens Trountes/ ant- wortete: Sie wuͤsten von keinem Gamaxus zusagen/ und haͤtte der Koͤnig sich gar freudig gestellet/ als ob er die Schlacht gewonnen/ zweifelte auch nicht/ er wuͤrde sich mit sehr gros- ser Macht bald wieder zu Felde begeben. Du redest sehr gut Parthisch/ sagte Phraortes/ und solte mich dieses fast bewaͤgen/ einem vertraulichen Schreiben Glauben beyzumessen/ in welchem ich von Charas aus berichtet werde/ Artabanus habe etliche verwaͤgene Bu- ben durch grosse Verheissungen auffgemacht/ die sich eines unglaͤublichen Bubenstüks un- terfangen wuͤrden; seyd ihr nun dieselben/ so bekennet es/ weil die Gnaden Tuͤhr offen stehet/ alsdann wird man den gelindesten Weg mit euch gehen; im widrigen duͤrffte es hernach scharffe Abstraffung geben; ist aber die Unschuld auf eurer Seite/ sol euch meine War- nung an euren Ehren hernaͤhst unschaͤdlich seyn. Vorerst aber koͤmt mir sehr verdaͤchtig vor/ daß ihr alle vier es so zugleich soltet eins worden seyn; Vors ander/ sehe ich keine wich- tige Ursachen/ warumb ihr eben euch hieher begeben/ dessen ihr ja in eurer Eltern Schrei- ben keinen Befehl habet/ wisset auch keine Beleidigung anzuzeigen/ damit euch Artabanus zur Flucht bewaͤget haͤtte; und welches das vornehmste ist/ redet ihr sein bestes nach Ver- moͤgen/ da ich das Widerspiel viel besser weiß. Die Juͤnglinge stelleten sich freidig; sie waͤ- ren Fuͤnftes Buch. ren Hirkanisches Adels/ und nicht der Meynung/ ihrem ehrlichen Geschlechte einigen Schandflek anzuwerffen/ baͤhten untertaͤhnigst/ Ihre Groß Fuͤrstl. Durchl. wolte sie des ungleichen Verdachts gnaͤdigst entheben/ oder zum wenigsten bey ihrem gnaͤdigsten Herꝛn ihnen Erlaͤubniß erwerben/ in ihr Vaterland zuzihen. So wisset ihr euch alles boͤsen Vor- nehmens so gar frey und unschuldig? sagte Phraortes. Ja/ gnaͤdigster Herr/ antworteten sie/ wolten auch lieber sterben/ als unzimliche Sachen vornehmen. Phraortes lachete ihreꝛ Ernsthafftigkeit/ und sagte: O wer sich warnen liesse/ ehe er uͤberzeuget würde; dann her- nach wird es viel zu lange geharret seyn. Diese drey sahen sich untereinander an/ und miß- dauchte sie Bazaentes Abwesenheit/ wolten sich doch selbst nicht verrahten/ sondern bahten/ ihr vierder Geselle moͤchte zur Verantwortung dieser schweren Auflage auch gefodert werden. Aber Phraortes gab zur Antwort: Seyd ihr drey from/ so wird der vierde wol mit from seyn; oder ist er schlimmer als ihr/ dann haben wir an euch dreyen schon mehꝛ als gnug; wiewol euer Geselle nach befindung eben so wenig als ein ander frey ausgehen sol. Machet euch aber hin/ und hohlet die drey par Handschuch her/ daß sie euer geruͤhmeten Unschuld Zeuge seyn. Was vor Handschuch/ gnaͤdigster Groß Fuͤrst? fragete Trountes/ der gewoͤhnliche Worthalter. Du stellest dich sehr fremde/ sagte Phraortes; Ich fodere dieselben/ welche ihr ins Neben Gemach getragen/ und sie daselbst mit einem wolriechenden Saͤlbelein bestrichen habt. Der eine wahr willens zubekennen/ und umb Gnade zu bitten/ weil er hoͤrete/ daß die Sache verrahten wahr; aber Trountes sing seiner Verwaͤgenheit nach an: Hat etwa Bazaentes/ der dabey nistelte/ etwas daran geschmieret/ wovon mir gleichwol nichts bewust ist/ so straffe man ihn; ich und meine Gesellen wollen gern selbst mit Hand anlegen. Bistu da zurissen/ sagte Phraortes/ so muß Meister Haͤmmerlein uͤ- ber dich kommen; und meynestu Bube/ diese Hoch Fuͤrstl. Geselschafft werde sich durch deine schlauhe Verstellung hintergehen lassen? Hierauff wurden die anwesende Diener befehlichet/ ihnen die Kleider zubesuchen. Worauf der eine/ nahmens Orontes/ alsbald einẽ Fußfall taht/ legte sich auff die Erde/ und rief immerzu/ Gnade/ Gnade! die anderen beyde aber straͤubeten sich/ zuͤcketen ihr Brodmesser/ und traten dem Tische naͤher/ des willens/ un- sere beyde Helden zuerstechen; aber die anwesende Diener begriffen sie/ brachen ihnen die Messer aus den Faͤusten/ und wurden drey Boͤhmische darüber verwundet. Die Fuͤrstli- che Geselschafft kehrete sich nicht groß dran/ und wurden etliche Trabanten hinein geruf- fen/ welche die Buben mit Stricken bunden/ und Herkules ihnen nochmahl zu reden er- laubete; Worauff der vorige zu seinem Mit Schelme/ nahmens Mazezes sagte: Mein redlicher Geselle und lieber Bruder/ du sihest und hoͤrest/ daß der meinaͤidige Bazaentes zum Verraͤhter worden ist/ wie ich allemahl gefuͤrchtet/ und der furchtsame Orontes das Herz verlohren hat; Laß uns aber geherzt sterben/ nachdem wir nicht laͤnger gluͤklich leben/ noch unserm allerliebesten Koͤnige weiter dienen koͤnnen; wir wollen trauen weder Aufruͤh- rer noch Abtruͤnnige werden/ sondern deren Boßheit vielmehr verfluchen. Den Fürsten ging solche Schmach durchs Herz/ und befahl Artaxerxes/ daß sie drunten im Vorhofe am ganzen Leibe mit Ruhten biß auffs milde Blut gestrichen/ hernach in absonderliche Ge- faͤngniß gelegt/ und auff der Folter straͤnge solten gezogen werden; da man die Gifftbuͤchs- lein bey ihnen fand/ und ihre Uhrgicht mit Bazaentes Bekaͤntniß ganz uͤberein stimmete. u Oron- Fuͤnftes Buch. Orontes gestund alles gutwillig/ und erlangete durch Herkules Vorbitte die Gnade/ daß er auff vier Jahr in einen Thurm gefangen geleget ward/ seine Sünde aldabey geringer Speise zubuͤssen/ und nachgehends milderer Gnade gewaͤrtig zuseyn. Ihre gesamte Be- kaͤntniß ging dahin/ daß ob zwar der Koͤnig selbst sie zu solcher Taht vermocht/ haͤtte doch Bagophanes und sein Weib durch Reiz- und Verheissung sie immer hefftiger getrieben/ biß sie ihre Traͤue mit hohen Beteurungen angelobet/ und sich behaͤglich erklaͤret haͤtten. Artaxerxes sprach den beyden boßhafften die Urtel/ der Gifft solte ihnen angeschmieret/ und sie hernach/ weil sie noch lebeten/ auffs Feuer gesetzet/ und zu Aschen verbreñet werden; wel- ches des folgenden Tages den Anfang nam; da sie alle drey auff eine Stellung gefuͤhret/ und ihnen die Uhrgicht vorgelesen ward/ welche sie bestaͤndig bejaheten; worauff Orontes oͤffentlich um Gnade bitten/ und vor die schon erlangete danken muste/ ward auch darnach hingebracht/ seine bereitete Herberge zubewohnen. Den andern beyden wurden Haͤnde uñ Fuͤsse mit ihrem Gifft gesalbet/ welcher sie diesen und folgenden Tag erbaͤmlich peinigte. Bazaentes ward hernach vor die gesamte Fuͤrsten gefuͤhret/ und von Valisken also ange- redet: Mein Sohn/ du solt dich erinnern der Verheissung/ so ich dir wegen deiner Anzeige getahn habe/ und demnach an meinen Gemahl eine Vergeltung untertaͤhnig begehren/ welche dir geleistet werden sol. Dieser fiel auff die Knie/ fing an bitterlich zuweinen/ und baht durch alle Goͤtter/ ihm vorerst seine vorgenommene Missetaht gnaͤdigst zuverzeihen; hernach vor Artabanus ihn Verfolgung zuschützen; und endlich/ daß GFuͤrst Herkules ihn entweder Zeit seines Lebens in Dienst behalten/ oder in abgelegenen unbekanten Land- schafften Lebensmittel verschaffen wolte/ damit er nicht wieder vor seines Vaters Augen kaͤhme/ als welcher ihn wegen der vorgenommenen Ubeltaht ungezweifelt selbst erwuͤrgen wuͤrde/ weil er Fuͤrst Menapis geheimter Raht/ und dem Parthischen Wuͤterich biß auff den Tod gehaͤssig waͤhre; Dafern er nun diese dreyfache hohe Gnade erlangen koͤnte/ schaͤt- zete er sich gluͤkselig gnug/ und wolte Zeit seines Lebens es in untertaͤhnigstem Gehorsam er- kennen. Die Fuͤrsten hiessen ihn einen Abtrit nehmen/ ruͤhmeten hernach seine rechtschaffe- ne Erkaͤntniß/ und nam ihn Herkules an vor seinen Hof Junker/ hielt ihm auch einen Leib- knaben und zween reisige Knechte sampt vier Reitpferden und so viel Gutschpferden/ und vermachte ihm monatliche Bestallung 1000 Kronen; so schossen der Medische/ Persische und Susianische Fuͤrst 80000 Kronen zusam̃en/ und Gallus brachte ihm bey den Kriegs- Obristen auch so viel zuwege/ welches alles er wider seinen Willen zu sich nehmen muste; Weil dann Libussa gemerket hatte/ daß er der Groß Fürstin Valiska neu angenommene aͤdle Kammer Jungfer/ die schoͤne Laudize geneñet/ gerne sahe/ welche ein Jungfraͤulein von 15 Jahren wahr/ befoderte sie es/ daß sie ihm zur Ehe versprochen ward. Sechs Stunden vor der verurteileten Verbrennung kam abermahl ein Heerhold von Gamaxus an/ wel- cher vor des Gerichts Volstreckung/ dem er selbst beywohnen muste/ nicht gehoͤret ward; da er dann anhoͤrete/ was gestalt nach wiedergehohlter Uhrgicht Artabanus der Parthi- sche Wuͤterich vor einen unredlichen Gifftmischer dreymahl ausgeruffen ward; nach wel- cher Verrichtung man ihn vortreten ließ/ da er dieses anbrachte: Der Durchleuchtige Fuͤrst in Ober Meden/ Herr Gamaxus der Sieghaffte/ hat an die Durchl. Fuͤrsten/ Herꝛn Herkules und Herrn Ladisla mich abgefertiget/ und ihnen dieses Schreiben einzureichen/ mir Fuͤnftes Buch. mir gnaͤdig anbefohlen. Wie nun zum Henker/ sagte Ladisla/ ist der Baur so schleunig zum Fuͤrsten/ und zwar zum Fũrsten in Meden worden? O ihr aͤdlen Meden/ ist euch von dem Gifftmischer Artabanus so schwere Straffe zugemaͤssen/ daß ein fremder Baur uͤber euch herrschen sol/ so wird euch hart genug gefluchet seyn; aber saget mir doch/ Heerhold/ wie komt ihr darzu/ daß ihr diesen Bauren vor einen Fuͤrsten in Meden scheltet? sehet ihr den wahrhafften Groß Fuͤrsten in Meden nicht hie gegenwaͤrtig sitzen/ und seinen Erben nicht weit davon? Ich habe dieses nicht zurechtfertigen/ antwortete er/ nachdem mein allergnaͤ- digster Koͤnig ihm den Nahmen aufgetragen hat/ und mir anbefohlen ist/ ihn also zuneñen. Phraortes sagte mit einem Gelaͤchter: Artabanus der Giftmischer verschenket mein Groß Fuͤrstentuhm/ und weiß nicht/ wie lange er seinen Stuel besitzen sol; waͤhre ich aber mit ihm allein im freyen Felde/ muͤste er mir deswegen Rechenschaft geben. Weil nun die- ser hierauff nicht antworten wolte/ nam Herkules das Schreiben/ hieß den Abgesanten ab- treten/ und verlase diesen Inhalt oͤffentlich: Gamaxus der Steghaffte/ erhobener und bestetigter Fuͤrst in Ober Meden/ der bißher 18 Jahr lang seinen Saͤbel gebraucht und denselben nunmehr unuͤberwindlich gemacht/ nachdem er ihn nie- mahls/ als nach erhaltener uͤberwindung in die Scheide gestecket; hat die schimpfliche Antwort des rasenden Teutschen Fraͤulein Diebes abwesend vernommen/ die er gegenwaͤrtig von seiner zwanzigen nicht ohn ihrer Zermalmung wuͤrde angehoͤret haben. Damit er nun solchen Frevel gebuͤhrlich ab- straffe/ und die verwaͤgene Laͤsterzunge hemme/ fodert er denselben nebest seinem Gesellen Ladisla/ der nicht umb ein Haar besser als er selbst ist; auch Artaxerxes den abtruͤnnigen Persen/ und Phraortes den vermeynten Medischen Fuͤrsten ritterlich aus/ daß sie alle vier zugleich auff dem Platze/ welchen mein Abgesanter benennen wird/ erscheinen/ die ich allesamt in einem Kampffe bestehen/ und sie mit vier Streichen mitten von einander spalten wil. Solte ihnen aber vor meinem durchdringenden Saͤ- bel grauen/ daß sie mir zuentlauffen meyneten/ wil ich nicht allein sie vor verzagete Buben durch alle Morgenlaͤnder ausruffen und oͤffentlich anschlagen/ sondern sie zuverfolgen nicht ruhen/ biß ich sie ertappen/ und mein Herz durch billiche Rache befriedigen werde/ wann gleich biß in den unachtsamen Winkel Teutschlandes ich ihnen nachreiten muͤste/ massen der Weg dahin/ so wol den herzhafften als verzagten offen stehet. Solches draͤuet/ uñ wird unfehlbar vollenden F uͤrst Gamaxus der Sieghafte. Dieser ist ohn zweiffel noch einer von den Himmel-Stürmern/ sagte Herkules nach verlesung/ und haͤtte ich nie gemeinet/ daß in einem Menschen ein so unbesonnener Fre- vel stecken koͤnte; sehe aber/ daß er sein Maß erfuͤllet/ und der Almaͤchtige Gott diesen uͤber- muht laͤnger nicht dulden wil; wollen demnach meine Herren mir volmacht geben/ ihm eine Antwort zuerteilen/ die ich mit der huͤlffe meines GOttes zubehaͤupten willens bin/ hoffe auch nicht/ daß mich Gott deßwegen aus so mannicher Gefahr errettet habe/ daß ich von diesem Bauren solte erschlagen werden. Als ihm nun dessen vollige Gewalt einge- raͤumet ward/ nachdem man dem Abgesanten auff Herkules begehren die Straffe gelin- dert hatte/ war derselbe hinein geruffen/ zu welchem Herkules sagete: Heerhold/ des un- geschlieffenen Bauren Gamaxus Feder ist gewaltig grob geschnitten/ und sihet man wol/ daß ihm der Flegel oder die Mistgabel besser als an Fuͤrsten zu schreiben/ anstehe. Wann diese Hoch Fuͤrstliche Geselschaft meine Vorbitte nicht haͤtte wollen gelten lassen/ haͤtten sie Ursach gnug/ euch an den Galgen zu henken/ daß andere eures gleichen abscheuh bekaͤh- men/ sich vor solche Brieffetraͤger bestellen zu lassen. Aber der baͤurische Garsthammel ist unsers Zorns nicht wirdig/ welches euch zur Lebensfristung dienen muß/ jedoch/ dafern ihr u ij euch Fuͤnftes Buch. euch gleich alsbald ohnwegerlich durch einen aͤid verbinden werdet/ daß ihr auff der Ruͤt- reise nichts durchaus/ als Wasser und grob Bauren-Brod/ welches man euch zustellen wird/ geniessen/ und so bald ihr vor dem Stadtohr ankomt/ da der Baur sich auffhaͤlt/ ihr euch auff einen Esel ruͤklings setzen/ gleich also biß zu diesem Bauren reiten/ und ihm diese Mistgabel und Droͤsche Flegel im nahmen unser aller zustellen/ auch diese Antwort ihm sagen wollet: Ob der Bauren Unflaht zwar billiger durch Henkers-als eines Fuͤrsten Schwert solte abgestraffet werden/ wil ich doch am fuͤnfften Tage von diesem an zu rech- nen/ auff bestimmetem Platze erscheinen/ und versuchen/ ob ich seine ungespitzete Bauren Feder mit meinem Schwerte nicht beschneiden/ und ihm die ruhmraͤtige Ochsenzunge spannen koͤnne. Werdet ihr aber euch dessen zu verbinden nicht willig seyn/ so stehet der Buͤttelknecht haussen vor dem Schlosse/ welcher euch an den Galgen knuͤpffen sol. Die- ser entsetzete sich vor der Straffe/ wahr willig den aͤid zu leisten/ und alles getraͤulich zu ver- richten; nur allein baht er/ ob die Antwort ihm nicht schriftlich koͤnte gegebẽ werden. Aber Herkules gab ihm zum abscheide dieses: Bald packe dich/ und bilde dir nicht ein/ daß eini- ger Fuͤrst mit einem bengelichten Baurwocken werde Schreiben wechseln. Also muste dieser abzihen/ und auff der Reise sich küm̃erlich gnug behelffen/ da ihm ein lahm geschos- sener Parthischer Gefangener zugegeben ward/ welcher ihm den Flegel tragen/ er aber selbst die Mistgabel zu sich nehmen muste. Frau Atossa hatte nunmehr sich zur Reise nach Meden fertig gemacht/ und mit Ar- bazes die Eheteidung mit Frl. Tarinea geschlossen/ wolte auch des folgenden morgens in Geselschaft etlicher Medischen Herrn fortzihen; aber durch neue Wiederwertigkeit ward sie noch vier Tage auffgehalten; dann Herr Pharnazes/ des Assyrischen Fuͤrsten Arma- methres Bruder Sohn/ der von grossen mitteln/ und in lezter Schlacht sich wolgehalten hatte/ auch nach seines Vettern tode der naͤheste Erbe dieses Fuͤrstentuhms wahr/ verlie- bete sich hefftig in sie/ uñ als er sahe/ daß sie hinweg wolte/ brach die Begierde seine Furcht/ daß er sich an Groß Fürstin Saptina machete/ ihr seine Liebe zuwissen taht/ und fleissig an- hielt/ ihm diese Heyraht zu werben; es stuͤnde ihm auff der eile zwar nicht/ wann nur nach abgelegter trauer ihm kein ander vorkommen moͤchte. Weil diese ihm nun gute vertroͤ- stung gab/ und allen ihren fleiß versprach/ zweiffelte er am guten verfolg weiter nicht stelle- te ihr auch ein koͤstliches Kleinot zu/ es Fr Atossen seinetwegen einzureichen. Die Groß- Fuͤrstin wolte diese Gelegenheit nicht verabseumen/ setzete nach gehaltenem Abendmahle sich zu ihr/ und meldete an/ es fielen wichtige Ursachen ein/ daß man ihr abreisen noch nicht ein willigen koͤnte; sie solte den Unfal ihres Seel. Gemahls bey seit setzen/ die Goͤtter wol- ten ihren Willen haben/ und koͤnte geschehen/ daß sie nach dieser truͤbsaal ein hoͤher Gluͤk als vorhin zugewarten haͤtte. Fr. Atossa fuͤrchtete sich alsbald/ sie ginge mit neuen Hey- rahtsgedanken umb/ wovor sie den Tod zuwaͤhlen bedacht wahr/ und antwortete: Der Himmel haͤtte den groͤsten teil ihrer Froͤligkeit hinweg genommen/ und waͤhre billich/ daß sie den Tod ihres Seel. Gemahls betraurete/ welcher ja von dem Taͤhter selbst betraures wuͤrde; baͤhte demnach untertaͤhnig/ sie nicht auffzuhalten/ weil ihr nach ihrer betruͤbten Fr. Mutter hoͤchlich verlangete/ und dieser froͤlichen Geselschaft mit ihrer wehmuͤhtigen gegenwart nicht gedienet waͤhre. Euer Mutter/ sagte die Groß Fuͤrstin/ gehets noch wol/ und Fuͤnftes Buch. und wann gleich dieselbe nicht waͤhre/ so wil ich bey euch ohndas Mutterstelle vertreten/ weil ich schon weis/ daß ich eine gehersame Tochter an euch habe/ gehe auch schon damit umb/ wie ich euch zu hoͤheꝛem Gluͤcke verhelffen moͤge/ als eure leibliche Mutter nicht tuhn kan; wollet demnach auff mein begehren euch foͤrder nicht wegern/ bey mir zuverharren/ weil es einig nur zu euer wolfahrt angesehen ist; und was duͤnket euch? haͤttet ihr mir nit zu danken/ wann ichs fuͤgete/ daß ihr dereins auff einem Fuͤrsten Stuel saͤsset. Dieser Ehre schaͤtze ich mich allerdinge unwirdig/ antwortete sie/ und weil es nicht anders als durch heiraht geschehen würde/ gebühret mir nicht darauff zu antworten/ nachdem ich meinen lieben Ehegatten/ des Groß Fuͤrsten so nahen Anverwanten erst vor weniger Zeit verloh- ren habe; bedanke mich nicht destoweniger gegen eure Durchl. untertaͤhnig/ der gaͤnzli- chen zuversicht gelebend/ sie werde meine Antwort vielmehr gut heissen als tadeln/ und wissen die Goͤtter/ daß ich zu solcher Hocheit weder Sinn noch willen trage/ wann ichs gleich erlangen koͤnte. Fr. Saptina wolte nicht ablassen/ und durfte gleichwol ehrenhal- ben so stark nicht in sie dringen/ doch als diese in steter wegerung blieb/ und sie ihr gleichwol das Kleinot gerne beygebracht haͤtte/ sagte sie endlich: Geliebte Tochter/ ihr sollet mit mir nicht als mit einer fremden umbgehen; euer redliches Gemuͤht ist mir gnug bekant/ und daß ihr meinen Oheim Seel. auffrichtig geliebet; weil ihr aber noch sehr jung seid/ und unmoͤglich/ eure uͤbrigen Tage einsam zuzubringen/ muß man trauen des Gluͤckes anbieten nicht außschlagen; ich gehe damit nicht umb/ daß ich eure gebuͤhrliche trauerzeit stoͤren o- der kuͤrzen wolte/ nur allein/ daß nach verflossenen Wochen ihr wieder mit einem wirdigen Gemahl moͤget verschen seyn; derwegen lasset euch rahten/ und gebet eine andere Erklaͤ- rung von euch/ wie ich mich dessen zu euch versehe; da ist Pharnazes naͤhester Erbe des Fuͤrstentuhms Assyrien/ welcher euch sein Herz zugewendet/ und umb eheliche Heyraht an- suchet/ dem kein Fuͤrst in diesen Morgenlaͤndern sein Fraͤulein versagen wuͤrde. Sehet da/ beweißtuhms gnug/ daß er euch in ehren meinet/ weil er keine falsche Kuplerin/ sondern mich/ eure nahe Anverwantin gebrauchet/ und mir dieses Kleinot eingehaͤndiget hat/ euch zum Zeichen inbruͤnstiger gewogenheit zu liefern; nicht dz er gleich diese Stunde mit dem Beylager gedenket fortzufahren/ sondern nur versichert seyn mag/ daß nach abgelegter trauer ihr die seine seyn wollet. Fr. Atossa wuste vor angst nicht zubleiben; sie durfte die Groß Fuͤrstin nicht erzuͤrnen/ und wolte doch vielweniger das Kleinot nehmen; endlich fassete sie einen Muht und antwortete: Durchleuchtigste Groß Fürstin; hat Pharnazes auff Artobarzanes Tod gehoffet/ als dann sol er nun und nimmermehr an meine Seite kommen; treibet ihn aber sonst eine ehrliebende Gewogenheit/ so weiß ich ihm dessen fleis- sigen dank; aber daß ich mich ihm versprechen/ oder einiges Geschenke jetziger Zeit schon von ihm annehmen solte/ bin ich keines weges gesinnet/ in betrachtung er hernach selbst mirs vor eine grosse Leichtfertigkeit außdeuten wuͤrde. Haben die Goͤtter es veꝛsehen/ wird es wol geschehen muͤssen/ wiewol ich wieder zu heirahten nicht willens bin. Valiska ver- stoͤrete dieses Gespraͤch durch ihre ankunft/ welches Atossen sehr lieb wahr/ aber des fol- genden morgens/ da Herkules mit seiner grossen Geselschaft nach den Parthischen Gren- zen auffbrach/ kunte ihr die Reise nicht zugelassen werden/ wiewol es ihr Gluͤk wahr/ daß Pharnazes mit fort muste; und ob gleich die Groß Fuͤrstin sich sehr bemuͤhete/ sie biß auff u iij dessen Fuͤnftes Buch. dessen Wiederkunft auffzuhalten/ muste sie doch endlich nachgebẽ/ daß sie nach ihrer Mut- ter fuhr/ und gleichwol weder durch gelinde noch harte Reden es dahin bringen kunte/ daß sie ihr das Jawort hinterlassen/ oder das Kleinot angenom̃en haͤtte. Surinas wahr nun- mehr an seinen Wunden genesen/ wuste auch den Weg den sie zihen wuͤrde/ und wartete ihr mit 30 Reutern auff den Dienst; es dauchte ihn ihr verweilen einige Gefahr auff sich haben/ weil die Abrede anders lieff/ und als sie mit ihrer begleitung 200 Pferde stark in den Medischen Grenzen anlangete/ schikte sie ihre Voͤlker biß auff 12 Mann alle wieder zuruͤcke; traff des andern Tages hernach ihren Liebsten in einer Abendherberge unver- mutlich an/ dessen sie halb er schrocken halb froͤlich wahr. Sie erzaͤhleten einer dem andern ihre begebnis/ und auff sein unablaͤssiges anhalten/ veꝛehelichte sie sich mit ihm voͤllig/ doch in grosser stille und geheim/ da er sie unter dem Schein ihrer nahen verwantnis biß an ih- rer Mutter Schloß begleitete/ und sich in der naͤhe bey ihrer nahen veꝛarmeten Anverwan- tin auffhielt/ welche wegen der statlichen verehrungen/ die ihꝛ von beyden teilen zukahmen/ ihnen zu dienste wahr/ daß sie fast taͤglich beyein ander wahren. Dem auffgeblasenen Gamaxus ward in der Parthischen Grenzestad angemeldet/ was gestalt sein Abgesanter vorm Tohr sein Pferd umb einen unflaͤtigen Esel verwechselt haͤtte/ und auff demselben ruͤklings daher ritte/ so daß er auff einer Schulder eine Mistga- bel/ auff der andern einen Droͤscheflegel hielte; welches er hiemit beantwortete; er wuͤrde etwa seine Sinne gefressen haben. Derselbe aber wolte seinem getahnen aͤide nachkom̃en/ deßwegen ließ er ihm anzeigen/ er koͤnte Kraft geschwornen starken aͤides/ darzu er durch bedraͤuung des Todes gezwungen waͤhre/ nicht anders/ als entweder sterben/ oder auff solche weise erscheinen. Dieser unverstaͤndiger kunte es noch nicht außrechnẽ/ was vor ei- ne bedeutung solches mit sich fuͤhrete/ und gab zur Antwort; so wird Fuͤrst Gamaxus hin- aus treten/ umb zuvernehmẽ/ was dieses vor ein Auffzug sey. Sein Abgesanter/ nahmens Sisenes/ ritte zu ihm hinan/ und redete also: Gnaͤdiger Fuͤrst/ ich bin einmahl euer Gn. Heerhold gewesen/ aber nach diesem nimmermehr wieder; euer Gn. Brieff muß harte schmaͤhungen in sich gehabt haben/ daher mir zum Bohtenlohn der Galgen schon bereitet wahr/ wovon Groß Fuͤrst Herkules mich loßgebehten/ mit dieser bedingung/ daß ich auff der ganzen Ruͤkreise mit Wasser und groben Bauren-Brod vor liebnehmen/ und die ant- wort/ wie sie mir gegeben ist vortragen zuwollen/ aͤidlich angeloben muste; wil nun eure Gn. dieselbe anhoͤren/ wil ich sie vorbringen. Gamaxus begunte die Baͤurischen Werk- zeuge und deren deutung zuerkennen/ lief auch so vol Zorn/ daß er schiene von Siñen kom- men seyn/ und da Sisenes nicht reißaus genommen/ wuͤrde er ihn er schlagen haben. Ka- tenes aber trat zu ihm/ und sagte: Ein Fuͤrst muͤste sich über Feindes Schimpff uñ Spot nicht zu hefftig eifern/ sondern es großmuͤhtig verlachen/ und es an dem rechtschuldigen zu raͤchen/ Gelegenheit suchen. Weil er dann diesen Herrn ohndas gerne hoͤrete/ ließ er Sisenes vor sich kommen/ und befahl ihm alles/ klein und groß zu sagen; welcher seines aͤides sich erinnernd/ klaren Wein einschenkete. Da haͤtte man nun auffs neue ein graͤuli- ches Wuͤten sehen moͤgen; er verkehrete die Augen im Kopffe/ und bruͤllete/ daß alle An- wesende sich davor entsetzeten; endlich schwuhr er bey allen hoͤllischen Goͤttern/ so bald er nur den Laͤsterer ansichtig wuͤrde/ wolte er ihn mit seinen Helffern in kleine Stuͤcke zerhau- en/ und Fuͤnftes Buch. en/ und ihr Fleisch samt dem Ingeweide den Hunden und Raben vorwerffen/ dann es waͤhre ihm unmoͤglich/ des Koͤniges Willen nach/ sie leben dig anzunehmen/ weil ihm nit anders zu Sinne waͤhre/ als ob der Schimpff ihm das Herz abstossen wolte. Nun wuste Artaxerxes wol/ daß der Feind die Grenzestaͤdte nicht allein mit gnugsamer Mannschafft versehen/ sondern auch mit obgedachter Reuterey verwahret hatte/ deßwegen er die auß- erlesensten Meden und Persen 30000 stark zu sich nam/ denen Herkules Ladisla und Fa- bius alle Teutschen/ Boͤhmen und Roͤmer zu gaben/ und zogen mit diesem wolbewehrten Heer fort/ des gaͤnzlichen vorhabens/ den Feind zur Schlacht außzulocken. Groß Fuͤrstin Valiska wolte nicht dahinden bleiben/ und hielt mit ihrem Gemahl und Bruder taͤglich dreymahl Behtstunde/ daß Gott diesen trotzigen Riesen daͤmpffen/ und seine Almacht an ihm beweisen wolte. An dem spaͤten Abend nach des Heerholds Wiederkunft langeten sie nahe bey der Stad an/ woselbst Gamaxus mit grossem verlangen wartete/ laͤgerten sich ins freie Feld unter ihre Zelten gar enge/ ruheten wol aus/ und liessen durch einen auffgefan- genen Parthischen Einwohner den Feind ihre ankunft wissen/ und fragen/ ob ein redlicher Feld Herr bey dem Heer waͤhre/ der Kriegs- und Fuͤrsten gebrauch wuͤste und hielte/ wol- te man durch einen Gesanten handeln/ so bald man etliche Geisel von ihnen haͤtte/ weil man vernaͤhme/ daß der Baur sich in solche Handlungen gar nicht zuschicken wuͤste. Ka- tenes ließ solches an Gamaxus gelangen/ und unterrichtete ihn/ wessen er sich zuverhalten haͤtte; welcher sich endlich weisen ließ/ uñ drey vornehme Parthische Obristen vor Geisel einsendete. Darauf ward Tyriotes zum Heerhold erwaͤhlet/ welcher/ da er zu Gamaxus gebracht ward/ ihn also anredete: Die Großmaͤchtigsten Fuͤrsten und Herꝛen/ Groß Fuͤrst Artaxerxes in Persen; Groß Fuͤrst Phraortes/ einiger wahrer Groß Fuͤrst über Meden/ Koͤnig Ladisla aus Boͤhmen/ und Groß Fuͤrst Herkules aus Teutschland; alle uhraltes Koͤnigliches geblüts/ und keine Bauren (hier fing Gamaxus schon an/ sich selbst zuzerren und inwendig zu brummen/ daran aber Tyriotes sich nicht kehrete/ sondern fortfuhr) ha- ben sich der unbescheidenen außfoderung des Indiers Gamaxus/ welcher des ersten Boh- ten außsage nach/ aus einem Baurenhuͤtlein sol entsprossen seyn/ nicht gnug verwundern koͤnnen/ daß ein solcher unwerter ihm in den Sinn nehmen darff/ ob wolten sie ihr hoch- fürstliches Blut ihm darstellen/ da sie etliche tausend hochaͤdle Ritter haben/ deren jeder dem Gamaxus nicht allein am adel/ sondern auch herzhaffter Kuͤhnheit und ritterlicher Erfahrung es weit b e vor tuht/ und ihm die Stange wol halten sol/ auch der geringste un- ter ihnen bereit ist/ den Kampff wieder ihn anzutreten. So hat auch Koͤnig Artabanus/ und alle seine tapffere redliche Feld Herrn es ja erfahren/ daß Groß Fuͤrst Herkules und Koͤnig Ladisla ritterliche Kriegs Helden sind/ und viel zu gut/ sich mit einem Bauren her- um zu droͤschen. Jedoch daß der Indier sich nicht ruͤhme man habe sich vor seinem draͤu- en und Moͤrdersaͤbel gefuͤrchtet/ ist der Durchleuchtigste Groß Fuͤrst/ Herr Herkules bewo- gen/ seine Hocheit an die seite zulegen/ und dem Gamaxus Streits sat zugeben/ so bald ihm zuerscheinen nur belieben wird/ doch daß er mit Ritter-gebraͤuchlichem Gewehr uñ Har- nisch sich stelle/ oder aber seiner Durchl. erleubet und unnachteilig sey/ sich nach seinem Willen zuwapnen/ und solches Gewehr zubrauchen/ wie es ihm gefaͤllig; und hierauff be- gehre ich Antwort und erklaͤrung. Gamaxus kunte sich nicht laͤnger uͤberwinden/ uñ fing mit Fuͤnftes Buch. mit greßlicher Stimme an; Warumb gibstu mir meine Fürstliche benahmung nicht/ du unbescheidener Bohte? Darumb/ antwortete er/ weil du kein Fuͤrst/ ja nicht eins ein Ritter bist; und schilt mich ein unbescheidener. Du bist ein verwaͤgener Bohte/ sagte jener/ und moͤchtest mich leicht auff andere wege finden. Wans redlich geschihet/ sagte er/ bin ich vor dich und deines gleichen unerschrocken; aber die Verwaͤgenheit/ deren du mich zeihest/ schlaͤgt dir gar uͤber dem Kopffe zu; sonsten stehe ich hier/ nit als ein Bohte/ der den Bau- ren umbs Geld laͤufft/ sondern als ein Gesanter eines grossen Herrn. Katanes/ der ihm allernaͤhest saß/ raunete ihm ins Ohr/ es waͤhre keines Fuͤrsten Brauch/ sich uͤber eines Gesanten rede zu eifern/ sondern was zur sache dienete/ zubeantworten/ und das übrige veraͤchtlich vorbey gehen zulassen; insonderheit moͤchte er sich ja nicht an diesem vergreif- fen/ damit es nicht an ihren Geiseln haͤrtiglich gerochen wuͤrde. Aber Gamaxus gab uͤber laut zur Antwort: Was? solte ich mich von einem liederlichen Bohten beschimpffen las- sen? doch/ sagte er/ sich uͤber macht erhohlend ich wil dich der Freyheit eines Gesanten ge- niessen lassen/ sonst wolte ich dich mit diesem Saͤbel (welchen er fast zur helffte außzog) von oben an biß unten aus/ in einem Streiche vonander hauen. Groß und schwer genug sehe ich dich davor an/ sagte Tyriotes; aber es wuͤrde wol ein schoͤnes Fuͤrstenstuͤk seyn/ wann du Hand an einen Gesanten legtest; warte aber/ biß wir draussen mit einander sind/ und draͤue alsdann weiter; jezt gib mir bescheid/ oder laß keinen bescheid auch einen seyn; dañ meinem gnaͤdigsten Groß Fuͤrsten ists ungelegen/ auff dich vergeblich zu warten. Was? rieff Gamaxus/ woltestu Bube einen Fürsten rechtfertigen. Du Baurenflegel kanst kei- nen redlichen Ritter schelten/ dañ ein Bube st i rbestu wol/ antwortete Tyriotes. Da sprang nun das grosse Ungeheur auff und wolte uͤber ihn herwischen mit seinem schon entbloͤsse- ten Saͤbel; aber die Anwesende stelleten sich darzwischen; so trat auch Tyriotes zur Tuͤhr hinaus/ setzete sich auff sein Pferd/ und ritte eilends davon/ weil er sich vor gewalt befah e- te; Aber Katenes schickete ihm schleunig etliche nach/ ließ sich auffs freundlichste bey ihm entschuldigen/ und daß an seinen Geiseln es nicht gerochen wuͤrde/ weil er gar keinen Ge- fallen an solchem Unwesen trüge. Gamaxus wuste vor eifer nicht zubleiben/ foderte end- lich seiner Diener einen/ und befahl ihm/ was er Herkules vortragen solte. Die unsern sa- hen Tyriotes daher rennen/ und vor Zorn brennen/ gedachten wol/ es wuͤrden Bauren- streiche vorgangen seyn/ und als sie seine Erzaͤhlung angehoͤret/ ruͤhmeten sie seine Herz- haftigkeit/ und versprach ihm Phraortes davor ein Landgut in Meden. Er beschrieb ihnẽ des ungeheurs groͤsse und staͤrke/ und zeigete seinem Herrn Ladisla an/ daß der ehmahlige Hages gegen diesen gar nicht zu rechnen waͤhre. Der abgeschikte Knecht folgete bald her- nach/ wahr mit so hohen Leuten nie umbgangen/ und erschrak vor ihrem heꝛlichen ansehen; fragete auch anfangs/ ob er seines Herrn/ Fürst Gamaxus befehl anzeigen duͤrffte; und als ihm solches erleubet wahr/ fing er an: Mein gnaͤdiger Herr/ Fuͤrst Gamaxus hieß mich dieses sagen; Der junge Bettel Fuͤrst Herkules/ waͤhre nicht werd/ allein vorseinem Groß- maͤchtigsten Saͤbel zuerscheinen/ sondern solte selb sechse kom̃en/ doch daß der frevelmuh- tige Schelm der abgesante mit unter dieser Zahl waͤhre/ alsdann wolte er sie alle in stuͤc- ken zerhauen; es kaͤhme ihm aber naͤrrisch vor/ daß man ihm wolte vorschreiben/ was vor Gewehr und Harnisch er solte mit bringen; die Außgefoderten moͤchten ja wol jeder sechs Har- Fuͤnftes Buch. Harnische/ uͤbereinander anlegen/ und in jede Hand zehn Schwerter und zehn Sch i lde nehmen/ und solte ihnen doch nichts helffen/ wann gleich auch ein Gott an ihrer seiten mit foͤchte; seine eigene Kraft waͤhre sein Gott/ die solte ihnen bald fuͤhlen lassen/ was seine Ar- me vermoͤchten. Herkules gab ihm zur Antwort; guter Geselle/ reite wieder hin/ uñ brin- ge deinem Herrn zur Antwort: Groß Fuͤrst Herkules/ den er vor einen Betrel-Fuͤrsten schilt/ habe seines wissens noch keinen Pfennig vor seiner Baurhuͤtte gesucht; er merke aber wol/ daß dem Bauren Gamax die Haut jucke/ die wolle er ihm/ nicht selb sechse/ son- dern unter dem Schuz Gottes/ den er laͤsterlich schmaͤhet/ einzig und allein dergestalt krau- en/ daß ers hefftiger nicht begehren sol; und moͤge er mit seinen Waffen ankommen/ wie es ihm beliebet/ ich wil auch nach meinem Willen erscheinen/ uñ ihm arbeit schaffen. Ach mein schoͤner Herr/ sagte dieser mit nassen Augen/ wie wollet ihr doch diesem starken Rie- sen Wiederstand leisten? sein Saͤbel ist so schwer/ daß ich dran zu heben habe/ und sein Harnisch ist so dicke/ daß nichts hindurch dringen kan; tuht mir demnach von herzen leid/ daß ihr unter seine Haͤnde gerahten sollet. Du bist bescheidener als dein Herr/ sagte Her- kules/ aber fūrchte dich nicht meinetwegen sondern nachdem ich Gamaxus werde bestrit- ten haben/ soltu bey mir alles guten gewaͤrtig seyn; gab ihm auch eine Handvol Kronen zum Trinkgelde. Die Goͤtter seyn euer beystand/ sagte dieser; Zog hin und vermeldete al- les duͤrre hin/ was ihm befohlen wahr/ wodurch der Unhold noch mehr in eifer geriet; leg- te seinen Harnisch an/ setzete sich auff seinen sehr grossen schwarzen Hengst/ und ging fort unter der Begleitung 6000 Reuter/ denen er vorschwatzete/ wie er mit seinen Feinden ge- berden wolte. Sein Pferd hatte gnug an ihm zutragen/ so schwer wahr er mit Waffen behaͤnget/ hatte den Harnisch/ seinen Fuͤrstenstand zuzeigen/ ganz verguͤlden lassen; auf dem Helm führete er einen Feurspeien den Drachen/ an dessen Brust diese hochmuͤhtige Wor- te stunden: Was ich beruͤhre/ daß verzehre ich. Sein Schild wahr wie ein kleiner Tisch mit staͤhlen reiffen uͤberlegt/ nur daß in der mitte eine eiserne Plate wahr/ auff welchem ein ge- mahlter Loͤue einen Hasen zureiß/ mit dieser umbschrifft: Also zureisset Fuͤrst Gamaxus sei- ne Feinde. Den Schild/ weil er lieber links fochte/ fuͤhrete er am rechten Arme/ hatte in der Linken ein Speer/ nicht viel uͤber die gewoͤhnliche Laͤnge/ aber so dicke/ daß ein zimlicher Mann es mit beyden Haͤnden kaum umbfangen mochte/ dessen Eisen etliche Pfund wog. Die unsern veꝛwunderten sich des uͤberaus grossen Ungeheuers/ und wahr Herkules wol der rechte David gegen diesen Goliath. Ladisla sagte zu ihm; Herzen Bruder/ unser HErr JEsus wird diesen graͤulichen fellen/ sonst kan eines Menschen Kraft wieder ihn nicht be- stehen. Auff dessen huͤlffe verlasse ich mich auch/ antwortete er/ und werde mich huͤten/ daß mich weder sein Speer noch Saͤbel beruͤhre. Doch sendete er ihm seinen Gallus entgegẽ/ und ließ ihm sagen; wann er streiten wolte/ dann solte er die grossen Baͤume im Walde stehen lassen/ und mit gebraͤuchlichem Speer rennen/ oder er wuͤrde ihn nicht anders als ein unvernuͤnftiges Tihr angreiffen; dem er zur Antwort gab; Grauet dem unnuͤtzen Jun- gen schon/ und sihet mich nur von ferne/ wie wird ihm dann die Haut schauren/ wann ich ihn treffen werde/ daß er wie Spreu verstieben muß? Dieses mein ringfertiges Speer/ welches er vor einen Baum ansihet/ sol ihm das Herz in seinem zarten Leibe zubrechen/ und mit diesem Saͤbel wil ich ihn so klein hacken/ daß tausend Hunde/ und tausend Raben x ein Fuͤnftes Buch. ein bißlein bekommen sollen. O antwortete Gallus/ du pochest auff deine viehische Kraft/ aber der dir begegnen wird/ hat denselben zum Vorfechter und Schuͤtzer/ der dich und deines gleichen zubendigen weiß. So laß ihn dann mit seinem Schützer und Vorfechter ankom̃en/ sagte Gamaxus/ ich wil ihnen beyden nach verdienst lohnen. Du verstehest mich nicht/ antwortete er; Meines Herrn Beystand hat seinen Siz dort oben/ den wirstu wol ungetrotzet lassen. Was trotzestu dann mit ihm/ sagte jener/ wann er dort oben sitzet? mas- sen er alsdan weder mich treffen/ noch jenen schuͤtzen wird. Wolan/ sagte Gallus/ deine Zeit ist kommen/ und dein Frevel laͤuft zum Ende. Kehrete wieder umb/ erzaͤhlete Herku- les die Gotteslaͤsterung/ und sagte: Eure Gn. werden in diesem Kampffe Gottes augen- scheinliche Huͤlffe empfinden/ bin auch des herlichen Sieges so gewiß/ als waͤhre er schon erstritten; aber der Unhold wil sein Gewehr durchaus nicht endern. So viel lieber ist mirs/ antwortete er. Valiska lag mit Libussen und Brelen auff den Knien unter dem freien Himmel/ und behtete die Groß Fürstin also zu ihrem Heylande: Almaͤchtiger Gottes Sohn/ du HErr der Heerscharen; wende dein Antliz nach dem Sche- mel deiner Fuͤsse/ von dem Koͤnigs Stuel/ auff welchem du zu der Rechten deines Vaters sitzest/ und lege diesen Feind nider/ der deine Huͤlffe laͤst erlicher weise schaͤnden und schmaͤhen darff. Er ist nur ein Staͤublein vor deinen Augen/ wie hoch er sich erhebet und straͤubet. Brich seine Macht/ uͤberhaͤuffe ihn mit Furcht und Schrecken/ und laß auch den Unglaͤubigen sehen HErr/ daß du wahrer Gott bist/ und ein Helffer aller die dir vertrauen. Herkules hoͤrete ihr Gebeht/ welches sie in teutscher Sprache verrichtete/ und sagte zu ihr: Fuͤrchtet euch nicht/ mein Schatz/ ich empfinde meines Heylandes Beystand in meinem Herzen/ und mehr als nie vor diesem; der zur Rechten seines Vaters erhabene JEsus wird seine Herligkeit ungezweifelt sehen lassen/ und diesen Laͤsterer zum Schemel seiner Füsse legen. Hierauff nam er den Bogen und nur zween Pfeile zu sich/ und muste ihm Gallus das Speer und den Schild nachfuͤhren. Gamaxus sahe ihn freidig auff seinẽ Blaͤnken daher rennen/ und trabete ihm mit eingelegtem Speer entgegen; aber Herkules/ da er ihn uͤberall so fest gewapnet sahe/ legte den Pfeil auff/ und durchborete seines Fein- des Hengste die Kaͤhle/ daß er alsbald anfing zuschwanken/ und er ihm ohn Gefahr naͤher reiten kunte/ da er mit dem andern Pfeile auff Gamaxus linkes Auge zielete/ und ein we- nig zu hoch traff/ daß er zwar das Auge ihm nicht verletzete/ aber doch gerade uͤber dem Au- ge ihm ein ziemliches Loch bohrete; Inzwischen nun Gamaxus den Pfeil heraus zihen wolte/ muste er nohtwendig das Speer von sich werffen/ welche Gelegenheit Herkules nit verabseumen wolte/ sondern nam sein Speer/ setzete mit allen Kraͤfften auff ihn an/ uñ traff ihn recht an die linke Schulder/ daß er mit samt dem Pfe r de uͤbern hauffen fiel/ und jeder- man meynete/ das Ungeheur haͤtte den Hals zubrochen; daher die unsern ein grosses Freu- den Geschrey erschallen liessen; wiewol er von dem Falle keinen sonderlichen Schaden ge- nommen/ sich auch bald unter dem Pferde hervor machete. Aber Herkules wahr ihm ge- schwinde auff der Hauben/ und so offt er sich auffzurichten bemuͤhe t e/ rante er ihn danider/ und ließ seinen Blaͤnken weidlich uͤber ihn her tanzen/ welcher ihm Arme und Beine der- massen zerschlug/ daß er vor Schmerzen ein uͤberlautes Geschrey ausließ/ und allen Goͤt- tern hefftig fluchete. Die Zuseher verwunderten sich des Pferdes/ welches solch Wunder trieb/ ob waͤhre es witzig gewesen; dann es fassete ihn beym Helme/ und zog ihm denselben vom Fuͤnftes Buch. vom Kopffe/ daß er ihm ganz bloß wahr. Als Herkules diesen Vortel sahe/ sprang er vom Pferde/ in Meynung/ ihn lebendig zufahen/ weil er seiner Haͤnde nicht wuͤrde gebr auchen koͤnnen. Aber Gamaxus hatte sich schon auff die Knie gesetzet/ da er zu ihm trat/ und ob er gleich den Saͤbel noch nicht gebloͤsset/ beschuͤtzete er doch das Haͤupt mit dem Schilde/ daß er ihn nicht beschaͤdigen kunte; wie zerknirschet er auch wahr/ kam er doch endlich auff die Fuͤsse/ achtete Herkules Hiebe nicht/ welche den harten Stahl nicht durchdringen moch- ten/ griff auch mit der linken nach ihm/ die mit einem eisern Handschuch verwahret wahr/ in Meynung ihn zufahen; aber er entweich ihm/ und traff ihm die Faust/ daß es ihn sehr schmerzete/ und ein wenig wund ward/ daher er den Schild von sich werffen muste/ damit er die rechte gebrauchen koͤnte/ mit welcher er auch endlich seines blossen Saͤbels maͤchtig ward. Valiska sahe dieses/ fiel nider auf die Knie/ und fing ihr Gebeht wieder an. Da mey- nete nun Gamaxus/ er haͤtte schon gewonnen/ und sagte mit grausamer Stimme: O du Schand Bube/ wie wird Fuͤrst Gamaxus sich gnug an dir raͤchen koͤnnen? moͤchtestu nun zehn Haͤlse haben/ ich wolte sie dir alle brechen; fuͤhrete auch einen solchen Hieb auff ihn/ welchen kein Stahl haͤtte abhalten moͤgen; aber Herkules sprang ihm behende aus dem Schlage/ daß dieser in dem grimmigen Eifer sich verhieb/ und den Saͤbel etliche Spannen tief in die Erde schlug/ dessen sich Herkules zu nuͤtze machete/ und ihm eine starke Wunde uͤber das Hinter Haupt gab/ daß der rohte Saft ihm an beyden Ohren herunter lief. Der Riese gewan seinen Saͤbel wieder/ und trat auff ihn zu/ in Meynung/ durch einen Quehr- schlag ihn in der mitte vonander zuhauen; aber der Blaͤnke rante herzu/ und schlug ihn wider den Arm/ daß ihm der Saͤbel aus der Faust fiel/ und er den Arm nicht mehr brau- chen kunte/ sprang ihm hernach mit den voͤrder Füssen von hinten zu auf beyde Schulteꝛn/ und zerbiß ihm das Haupt/ daß ihm das Blut beyde Augen fuͤllete; noch staͤrkete er sich/ daß er sich gegen das Pferd wendete/ mit demselben zuringen begunte/ und wenig fehlete/ eꝛ haͤtte es gar nider geworffen/ unge achtet er nur den linken Arm recht zugebrauchen hatte. Diese Zeit uͤber wolte Herkules ihn nicht verwunden/ sondern erlustigte sich an dieser au- genscheinlichen Huͤlffe Gottes/ nam ihm auch gaͤnzlich vor/ wo moͤglich/ ihn lebendig zufa- hen; legte deswegen sein Schwert nider/ fassete den grossen schweren Saͤbel in beyde Haͤn- de/ und gleich da sein Pferd Abtrit nehmen wolte/ schlug er ihn so kraͤfftig wider den Bein- harnisch/ daß ihm der linke Beinknoche davon zubrach/ und er mit einem schweren Fall zuꝛ Erden stürzete. Er aber trieb sein Pferd ab/ nam sein eigen Schwert wieder zur Hand/ uñ trat zu ihm mit diesen Worten: Wie duͤnket dich nun Gamaxus/ sol ich dir noch selb sech- se kommen? Ich meyne/ du werdest schier umb Gnade bitten/ wo sonst Vernunfft bey dir ist. O du Bettel Bube/ antwortete dieser; solte ich bey dir umb Gnade anhalten? Du hast mich nicht redlicher weise angegriffen/ sondern mit deinem Pferde mich bezaͤubert; rich- tete sich mit dem Worte auf/ und mit dem linken Ellebogen warff er ihn wol vier Schritte von der Seiten/ daß er auf die Erde zuliegen kam; doch machete er sich bald wieder auff/ schaͤmete sich des versehens nicht wenig/ und schnitte den Zuͤgel von dem todten Pferde ab/ mit welchem er ihn meynete anzufesseln; sendete auch Gallus hin/ etliche Teutsche zuhoh- len/ die ihn gefangen hinweg tragen solten/ dann er wolte ihn gerne lebendig behalten. Ga- maxus merkete dieses wol/ hatte noch keine toͤdliche Wunde bekommen/ und wahr ihm das x ij Herz/ Fuͤnftes Buch. Herz/ der linke Arm und das rechte Bein noch vermoͤgen gnug/ haͤtte auch nach dem uͤbri- gen nicht gefraget/ wann er nur haͤtte stehen koͤnnen; Er wolte aber viel lieber sterben/ als gefangen seyn/ deswegen fing er an unsere Helden schaͤndlich zuschmaͤhen/ daß ja Herkules ihn erschlagen solte; welcher aber alles nicht achtete/ sondern gleich gegen ihn über trat/ uñ zu ihm sagete: Gebrauche dich nur rechtschaffen deiner schandsuͤchtigen Zunge/ du unge- schliffener Baur/ ich werde schon Mittel finden/ sie dir zahm zumachen/ und waͤhrestu wit- zig/ wuͤrdestu vielmehr in die flehe fallen. Ladisla rante mit fuͤnf Teutschen selber herzu/ wel- ches die feindliche Reuter ersehend/ 25 Mann gegen sie angehen liessen/ dann sie wahren willens/ Gamaxus zuretten. Fabius begegnete ihnen mit 300. Reutern/ und bekahmen die Feinde auch 500 zum Entsaz/ daher sich das Spiel fein anzettelte. Pharnabazus und Le- ches ermahneten die Meden und Persen/ unverzagt zuseyn. Neda und Prinsla machten sich fertig mit den Teutschen und Boͤhmen/ und bereiteten sich ingesamt zum instehenden Treffen. So bald die fuͤnf Teutschen bey Gamaxus ankahmen/ und ihres Groß Fuͤrsten befehl hatten/ traten sie zu ihm hin/ und fasseten ihn bey dem linken Arm uñ rechten Schen- kel/ hatten doch Muͤhe gnug/ daß sie ihn zwungen/ dann er stieß den einen mit dem Fusse wi- der das Bein/ daß er sich selbst muste hinweg schleppen lassen; endlich bunden sie ihm bey- de Arme und beyde Beine zusammen/ da muste er sich geben/ dann wann er das starke loß- reissen wolte/ schmerzete ihn das beschaͤdigte zu hefftig. Sie nahmen ihm den Harnisch a- be/ auch den doppelten Panzer/ bunden ihm den Kopff auf sein Sattelkuͤssen/ und schleppe- ten ihn auf der Erden nach ihren Zelten/ da Tyriotes ihn mit 50 Meden bewachete/ und aufs fleissigste verbinden ließ/ welches er doch nicht gestatten wolte/ sondern bisse von sich wie ein gefangener Wolff; aber Tyriotes gab ihm mit dem blechen Handschuch so man- nichen Backenstreich/ daß er endlich gebendiget ward. Herkules lag aufseinen Knien/ und dankete Gott vor die herliche uͤberwindung/ setzete sich auf sein Pferd/ uñ ritte mit Ladisla hin nach Valisken/ die ihn als einen neugebohrnen empfing/ und zu ihmsagete: Dieser Kampf sol mit Gott der lezte in diesen Morgenlaͤndern seyn; welches er selber mit wuͤnschete. Fa- bius hielt sich im Treffen sehr wol mit seinen Roͤmern/ und weil die Feinde sich immer staͤꝛ- keten/ riet Herkules/ man solte mit der halben Macht auf sie gehen/ daß man sie in Unord- nung und auf die Flucht braͤchte; nam auch die Teutschen/ Boͤhmen und Roͤmer/ und stuͤrmete mit ihnen dergestalt zu ihnen ein/ daß sie alsbald weichen musten; dann ob sich ih- re Manschaft zwar biß auf 12000 gestaͤrket hatte/ wahren doch die uͤbrigen 28000 ihnen zu ferne/ daß sie so schleunig nicht herzu kunten/ daher sie nach kurzem Gefechte in die Flucht getrieben wurden/ daß sie ihrer Stad zuflohen/ woselbst sie vermeyneten sicher zuseyn. Aber Herkules und Ladisla wahren ihnen zu geschwinde auf dem Ruͤcken/ und kahmen zugleich mit ihnen in die Stad/ besezten das Tohr mit 500 Boͤhmen/ daß ihre Voͤlker einen freyen Einzug hatten/ und nahmen alle Gassen ein; Und ob gleich Katenes sich auf dem Markte gesamlet hatte/ und gute Gegenwehre taht/ wahr er doch uͤbermannet/ und schlug ihn Her- kules vom Pferde/ ließ ihn hinweg fuͤhren/ und nam alle Voͤlker in der Stad gefangen/ weil sie das Gewehr hinweg wurffen/ und umb Lebensfristung bahten. Artaxerxes be- setzete die Stad mit seinen Voͤlkern/ und hielt mit unsern Helden Kriegs Raht/ wie mans weiter halten wolte; da Herkules den Vorschlag taht/ man solte die eroberten Parthi- schen Fuͤnftes Buch. schen Reuter Faͤhnlein nehmen/ und mit 10000 guten Voͤlkern nach der andern naͤhst- gelegenen Grenze-Stad als ein Parthisches Heer zihen/ alsdann wuͤrde man sie leicht uͤberrumpeln koͤnnen; mit der uͤbrigen Macht wolte er auff das annoch uͤbrige Reu- ter Heer gehen/ unter der Hoffnung/ sie bald zur ergebung zubringen. Welches sie alle vor gut hielten/ und wurden Pharnabazus und Fabius die Faͤhnlein zugestellet/ da- mit sie alsbald fortgingen/ sich nahe bey der Stad niderliessen/ daß man von den Mauren ihre Fahnen kennen kunte/ und alsbald eine kleine Schar von 12 Reutern hinein schicke- ten/ als wolten sie ihre Pferde beschlagen lassen. So bald diese auff der Bruͤcken hielten/ folgeten ihnen 30 zu fusse nach/ unter ihren Reitroͤcken wol geharnischt/ die man zwar ehe man sie einliesse/ rechtfertigen/ und zuvor bey dem Obristen des Staͤdleins/ welches uͤber- aus feste/ und mit 4500 guten Kriegsknechten besetzet wahr/ anmelden wolte/ aber diese drengeten sich hinein daß sie des Tohrs sich bemaͤchtigten/ zogen von Leder/ und fingen den Streit unerschrocken an/ wurden auch anfangs hart gedrenget/ daß ihrer neun erschlagen wurden/ aber eine Saar von 60 Mann entsetzete sie zu fusse ritterlich/ denen noch 500 zu fusse folgeten/ welche die Parthische Wache niderschlugen/ und das Tohr besetzeten/ daß 3000 zu fusse in guter Ordnung hinein zogen/ welche doch in der Stad nichts taͤhtliches anfangen/ sondern nur auff Parthisch ruffen musten/ man solte alsbald den Obristen der Besatzung nebest seinen vornehmsten Befehlichshabern unbewehret herzu fuͤhren/ auff welche Koͤnigl. Hocheit wegen beschuldigter verraͤhterey mit dem Feinde/ zu sprechen haͤt- te. So bald dieses vor den Obristen kam/ der mit seinen vornehmsten auff dem Markte sich zum Streite fertig machte/ hies er seine Leute dz Gewehr niderlegen/ ging mit den Haͤupt- leuten nach unsern Voͤlkern/ die in der Stad in guter Ordnung hielten/ und redete Buba- zes/ der die unsern fuͤhrete/ also an: Mein Herr/ ob bey Koͤniglicher Hocheit/ ich und mei- ne Haͤuptleute moͤgen verunglimpffet seyn/ kan ich nicht wissen/ getroͤste mich aber meiner herlichen Unschuld/ und stelle mich ohn alle Furcht zu meines lieben Koͤniges erkaͤntnis/ und nach befindung/ zur Straffe. Bubazes ließ sie alsbald gefangen hinaus fuͤhren nach dem Lager/ und hielten noch 2000 Reuter ihren Einzug in die Stad zu Pferde/ die sich durch alle Gassen verteileten/ und außrieffen/ es solten alle Inwohner sich in ihren Haͤu- sern stille halt e n/ die Koͤnigl. Parthischen Kriegsknechte aber ohn Gewehr sich samlen/ als dann solte ihnen Lebensfristung zuteile werden. Weil nun dieselben weder ein Haͤupt noch andre anfuͤhrung hatten/ ergaben sie sich/ und wurden gefangen angenommen/ hin- gegen die Stad mit 2000 Persen besetzet/ ūber welche Bubazes Obrister blieb biß auff weitere Anordnung. Inzwischen gingen Herkules und Ladisla mit der ganzen uͤbrigen Macht auff das Parthische Heer loß/ welches sich zwar zur Gegenwehr stellete uñ anfangs tapffer gnug fochte/ aber es hatte keinen langen bestand/ weil sie nach verlauff einer halben Stunde von den unsern umbgeben wurden/ daß/ weil ihnen die Gegenwehr benommen wahr/ sie sich auff angebohtene Lebensfristung ergaben/ da sie von ihren Pferden steigen/ und das Gewehr samt ihren Harnischen von sich legen musten. Die unsern erfreueten sich dessen sehr/ weil sie kaum 600 Mann in dieser Schlacht eingebuͤsset hatten/ liessen die Ge- fangenen mit 8000 Reutern bewahren/ und gingen nach Pharnabazus/ der ihnen zeitig auffsties/ und den gluͤklichen Verlauff anzeigete. Sie ruͤcketen ingesamt fort nach der drit- x iij ten Fuͤnftes Buch. ten Grenzestad/ welche die groͤsseste/ aber die schwaͤcheste/ doch mit 6000 guter Mañschaft besetzet wahr. So bald sie davor anlangeten/ funden sie die Parther in voller bereitschaft/ dann ein Buͤrger aus der ersten Stad/ wahr hinuͤber gelauffen/ und hatte ihnen Katenes Gefaͤngnis kund gemacht. Artaxerxes ließ den Ort alsbald aufffodern/ mit der Bedraͤu- ung/ dafern er stuͤrmend uͤbergehen wuͤrde/ solte keines Menschen drinnen verschonet wer- den; aber er bekam zur Antwort: Sein Koͤnig haͤtte ihm und seinen Voͤlkern die Stad anvertrauet/ dieselbe niemand/ als der Koͤniglichen Schein braͤchte/ zulieffern/ wuͤrde dem- nach der Persische Groß Fuͤrst es ihm als einem redlichen Kriegsmanne nicht verdenken/ daß er seines Koͤniges Befehl/ welchen er aͤidlich beschworen/ getraͤulich nachzusetzen/ ent- schlossen waͤhre. Herkules sagte hierauff zu der Fuͤrstlichen Versamlung; so werden wir gleichwol den Versuch tuhn muͤssen/ ob wir mit so grosser Mannschaft nicht koͤnnen die- sen geringen Ort behaͤupten; hies 16000 Persen und Meden/ nebest 2000 Teutschen/ auch so viel Boͤhmen und Roͤmer absteigen/ und mit zusammen geschlossenenen Schilden uͤber dem Haͤupte der Stad naͤhern/ denen es so wol geriet/ daß sie an zwey Tohren die Bruͤcken einbekahmen/ ehe sie von den Feinden kunten abgeworffen werden; bald legten sie Feur an diese zwey Tohre/ und viel duͤrres Reisich darauff/ daß in kurzer Zeit dieselben verbranten. Zwar die Feinde tahten ein hefftiges Schiessen von der Maur/ aber weil die unsern ge- harnischt wahren/ kunten sie ihnen keinen Schaden tuhn. So bald die Tohre nidergefal- len wahren/ trug man Wasser und Erde zu/ das Feur zu loͤschen/ welches alles wol von statten ging. Die Feinde stelleten sich inwendig der Stad gegen die geoͤffneten Tohre mit ihren Pfeilen/ aber die unsern drungen hinter ihren Schilden frisch hinein/ liessen die Pfei- le umb sich her sausen/ wovon auch ihrer etliche beschaͤdigt wurden/ und setzeten doch dessen ungeachtet fort/ biß sie den Feind mit ihren Schwertern erreichen kunten/ da die Teutschẽ 40 stark voran gingen/ und gar zeitig einen zimlichen Plaz in der Stad gewonnen/ so daß in kurzer Zeit uͤber 2000 Mann driñen wahren/ und ganze Gassen einnahmen. Die Fein- de mit ihrem Obristen/ nahmens Astrazes/ wahren mehrenteils auff der Maur/ daß sie den unsern in der Stad keinen Wiederstand leisten kunten/ als deren Zahl in einer Stun- de uͤber 8000 Mann bestund/ welche gutenteils sich nach der Maur zogen/ und die Abtritte davon besetzeten. Herkules nahete sich mit der Reuterey auch/ und brachte solchen schrec- ken in den Feind/ daß sie umb Gnade und Lebenss t iftung bahten; worauff sie alle mit ein- ander gefangen genommen wurden/ nach dem ihrer 800/ der unsern 200 erschlagen wah- ren. Herkules foderte den Obristen der Feinde vor sich/ und sagte zu ihm: Mein Kerl/ wer hat dich so frech gemacht/ daß du einen so liederlichen Ort wieder ein solches grosses Heer zubeschirmen wollen/ dich verlauten lassen darfst. Dieser gab unerschrocken zur Antwort: Durchl. Groß Fuͤrst/ ein Knecht ist schuldig in viel einer liederlicheren Sache vor seinen Herrn zusterben; weil ich nun mein Leben nicht allein meinem Koͤnige verkauft hatte/ son- dern es dem Vaterlande uͤberdas schuldig wahr/ habe ich an meiner Seite nicht zu frech handeln koͤnnen. Du hast recht geredet/ sagte Herkules/ und weil du so redliches Herzens bist/ magstu nach verlauff dreier Tage frey zihen wohin dichs geluͤstet. Vor welche Gnade er dan untertaͤhnig dankete. Es musten aber diese drey Staͤdte dem Persischen Groß Für- sten den aͤid der Traͤue und untertaͤhnigkeit ablegen/ und alle eingefloͤhete Guͤter bey Le- bens- Fuͤnftes Buch. bensstraffe angeben/ sich auch mit drey Tonnen Schaz von der Plunderung loßkaͤuffen/ da dann ein grosses Gut zusammen geliefert/ und unter das Heer außgeteilet ward. Die unsern hatten uͤberal etwa 1500 Mann eingebuͤsset/ und dagegen uͤber die 13000 erschla- gen; der gefangenen Reuter wahren an die 32000; des Fußvolks aus den dreyen Gren- zestaͤdten uͤber 11000; und kahmen nur 140 Reuter mit Gamaxus leztem Heerhold da- von/ welche auffs schnelleste nach Charas zugingen. Katenes ward wegen seiner Hoͤflig- keit/ dem Tyriotes erzeiget/ sehr wol gehalten/ daß er zihen moͤchte wohin er wolte; weil er aber das Spiel so liederlich versehen hatte/ grauete ihn vor Artabanus/ ließ seine Baar- schaften/ die sehr groß wahren/ heimlich von Charas hinweg hohlen/ und setzete sich in Me- sopotamien/ da er eine kleine Herrschaft kaufte/ und in guter Ruhe sein Leben zubrachte; jedoch zuvor an Vologeses/ der ihm sehr gewogen wahr/ seine entschuldigung schrieb/ daß alles durch die Reuter/ welche Gamaxus erledigen wollen/ versehen/ und durch ihre Flucht die Feinde in die Stad gebracht waͤhren/ woselbst ihn Herkules uͤberwunden und gefan- gen angenommen haͤtte. Zween Tage ruheten unsere Voͤlker hieselbst aus/ und ward Ty- riotes zu Gamaxus Auffseher bestellet/ der ihn auff befehl also verbinden ließ/ daß ihm zu- vor beyde Arme musten entzweigebrochen/ und nachgehend krum und lahm (wie auch dz linke Bein) geheilet werden. Er suchte zwar alle Mittel/ sich selbst umbs Leben zubringen/ aber die Macht wahr ihm benommen/ daß er endlich geduldig seyn muste/ wie hefftig er auch von den Stalbuben genarret ward/ die ihn nicht anders als den Baur Flegel und Droͤscher-Fuͤrsten hiessen. Als sie nun auffbrechen wolten nach Persepolis/ gingen alle Fuͤrsten zuvor hin den elenden Gamaxus zusehen/ dessen sie ihn bißdaher nicht gewirdiget hatten. Wie sie zu ihm hinein traten/ stunden sie ein wenig stille/ umb zuvernehmen/ ob er auch umb Gnade anhalten wolte; weil er aber sie weder anredete noch ansahe/ fing Herku- les also an: Kanstu baurischer Toͤlpel noch nicht erkennen/ daß deine viehische Staͤrke/ darauff du bißher getrotzet/ dir zu nichts/ als zum Ungluͤk gedienet hat? sihe also gehets al- len Gotteslaͤsterern/ die sich auff sich selbst verlassen/ uñ die Almacht/ welche alles meistert/ verachten; daß du nun gleichwol deine gebuͤhrliche Straffe wissest/ so habe ich dich dem Durchleuchtigsten Medischen Groß Fuͤrsten Herꝛn Phraortes zum Leibeigenen geschen- ket/ biß dich Artabanus loßmachen/ und als einen Fuͤrsten in Ober Meden einsetzen wird; weil ich mich aber berichten lassen/ daß/ demnach dirs wieder mich gesehlet/ er dein nicht achte/ so mache dir keine andere rechnung/ als daß du Zeit deines Lebens ein Kroͤppel und lahmer seyn/ und als ein gebohrner Baur/ Steine/ Holz und Wasser tragen solt; von wel- cher Urtel dich nichts als der Tod erloͤsen wird; drumb schicke dich in die Zeit/ und lerne dich demuͤhtigen/ damit du der taͤglichen Peitsche enthoben bleibest. Gamaxus hatte ihn noch nicht ungewaffnet gesehen/ wunderte sich/ daß er so viel Herzens gehabt/ ihm zube- gegnen/ und hoͤrete seine Reden mit grossem Herzensprast an. Er kunte noch zur Zeit we- der Arm noch Bein regen (dann das Rechte wahr ihm auch zubrochen;) aber das Maul wahr ihm noch gesund/ und fing er an/ alle anwesende Fuͤrsten so heftig außzuschelten/ daß wenig fehlete/ Artaxerxes haͤtte sich an ihm vergriffen/ welches er nur einig suchete. Aber Phraortes redete ihm mit lachen ein; was wolte mein Bruder sich uͤber meinen Erben des Ober Medischen Reichs eifern? sagte er; ich wil versuchen/ ob ich ihm die Indian i - sche Fuͤnftes Buch. sche Bauren-Grobheit nicht austreiben kan. Ließ ihn darauff ganz entkleiden/ und auf den Bauch gestrekt legen/ hernach vier Buͤttelknechte mit Ruhten kommen/ die ihm anfangs die/ grossen Lenden/ hernach den Ruͤcken/ und endlich die Beine biß an die Knie ganz wund streichen musten; kehreten ihn hernach umb/ auf den Ruͤcken/ und frageten/ ob er from seyn wolte; Weil er nun keine Antwort gab/ fingen sie von neuen an/ ihm den Bauch zugeisseln/ daß er endlich durch Schmerzen uͤberwunden/ umb Gnade anhielt/ und Phraortes zu ihm sagete: Wuste ichs nicht/ man koͤnte die kleinen Kinderchen mit der Zucht Ruhte from machen? Trotz und laß noch ein Schmaͤhewort aus deinem Maule gehen/ dann wil ich diꝛ noch viel eine schaͤrffere Zucht beyzubringen wissen; Die Elefanten sind auch groß und schwer/ aber man kan sie doch zaͤhmen; warumb solte man dann einen buͤbischen Bauren nicht sittiger machen? Fuͤnff gefangene Parther musten dieses ansehen/ denen Herkules die Freyheit schenkete/ und sie nach Charas reiten hieß/ Fürst Pakorus d i enstlich zugruͤssen/ und alles was sie gesehen haͤtten/ zuerzaͤhlen. Diese eileten so geschwinde/ daß sie wenig Stunden nach der flüchtigen Reuter Ankunfft daselbst anlangeten/ machten sich hin nach Pakorus/ den Befehl abzulegen/ welcher gleich dazumahl Vologeses/ Osazes und Vono- nes bey sich hatte/ und in deren Gegenwart von Sisenes/ Gamaxus gewesenen Heerhold berichtet ward/ wie er haͤtte zween aͤdle Hirkanische Juͤnglinge zu Persepolis lebendig ver- brennen sehen/ und ihre bestaͤndige Uhrgicht angehoͤret/ daß der Koͤnig sie abgefertiget die beyden fremden Fuͤrsten mit Gift hinzurichten/ deren Handschuch sie auch schon vergifftet/ aber von ihrer Gesellen einem verrahten/ und auffrischer Taht ergriffen waͤhren. Hernach meldete er den Verlauff des Kampfs zwischen Herkules und Gamaxus/ und daß ihr gan- zes Heer/ teils geschlagen/ teils gefangen/ auch die drey Grenze-Staͤdte fast ohn Verlust eingenommen/ und mit Persischen Voͤlkern besetzet waͤhren. Sie erschraken dieser Zeitung uͤber alle masse/ und wahr ihnen zumuhte/ als waͤhre die Hauptstat selbst eingenommen/ be- rahtschlageten auch/ wie man dem Unwesen abhelffen/ und des Koͤnigs Sinn/ wo nit mit guten/ doch mit scharffen Worten auf einen bessern Weg bringen moͤchte. Auf dem Wege nach dem Schlosse begegneten ihnen obgedachte fünf Parther/ und berichteten eigentlich/ wie viel ihrer geblieben und gefangen waͤhren/ und wie Gamaxus gebendiget wuͤrde; wel- ches lezte ihnen sehr wol gefiel; dann es hatte der Großsprecher auf die Parthischen Feld- Herren/ nicht allein gegen Bagophanes/ sondern den Koͤnig selbst heftig loßgezogen; es waͤhre Schande/ daß man mit so grossem Volke das Feld verspielet/ und die Feldherren aus Furcht des Todes teils davon gelauffen/ teils sich des Feindes Gnade ergeben haͤtten; welches Pakorus und Osazes dergestalt empfunden/ daß sie sich verschworen/ im fall Ga- maxus wuͤrde wieder kommen/ sie ihn niderschlagen lassen wolten. Als sie vor den Koͤnig gelassen zuwerden begehreten/ der eben mit Bagophanes von seinem Gamaxus sprachete/ wie er nunmehr den Kampf schier angehen wuͤrde/ durfte er ihnẽ den Zutrit nicht wegern; doch muste Bagophanes als geheimer Raht (worzu er ihn vor fuͤnf Tagen erklaͤret hatte) bey ihm bleiben. Die Fuͤrsten hatten Pakorus das Wort aufgetragen/ weil er nicht allein wol bered/ sondern von dem Koͤnige mehr als einiger ander gefuͤrchtet ward/ und fing er nach gebuͤhrlicher Begruͤssung also an: Großmaͤchtigster Koͤnig/ allergnaͤdigster Herr; Demnach uns sehr traurige Zeitungen von Persenwerz zukommen sind/ welche nicht al- lein die Fuͤnftes Buch. lein die Parthische Macht/ sondern auch Ehr und guten Leumut schwaͤchen/ so haben wir gegenwaͤrtige/ als Ihrer Koͤnigl. Hocheit getraͤue Untertahnen und Reichssassen nicht umhin gekunt/ derselben solches redlicher und aufrichtiger Meynung vorzutragen/ mit un- tertaͤhnigster Bitte/ alles was von uns vorgebracht wird/ mit gnaͤdigstem Willen an zuhoͤ- ren. Ihre Koͤnigl. Hocheit hat neulicher Zeit ohn/ ja wider unsern Raht/ denen sie doch die Kriegs Last aufgebuͤrdet/ ein herliches Volk/ unter Katenes befehl/ an die Persischen Gren- zen abgeschikt/ einen unbekanten Landstreicher und gebohrnen Baurflegel dahin zubeglei- ten/ vielleicht daß derselbe Schindhund/ welchen ich nicht wirdige zunennen/ wieder gut machen solte/ was die verzagete Parthische Feld Herren (wie der Unflaht sie gescholten) verderbet haben; dero behuef er auch zum Fürsten in Ober Meden sol gemacht worden seyn. Aber wie reiflich es bedacht ist/ so wol ist es auch gelungen; Dann Ihre Hocheit wol- le sich nicht entsetzen/ daß ich ihr die leidige Zeitung bringen muß/ was gestalt nicht allein von 40000 Mañ nur 140 sich durch die Flucht gerettet/ sondern die herlichstẽ drey Gren- ze Staͤdte in Feindes Haͤnde gerahten/ gebrandschatzet/ und mit Persischen Voͤlkern besetzet sind. Ein solches Unglük/ sagte der Koͤnig/ wollen wir nimmermehr hoffen. Ja wolte Gott/ antwortete Pakorus/ daß dieses das schlimmeste waͤhre. Man hat zu Persepolis ein offent- liches Gerichte gehaͤget/ und etliche Hirkanische aͤdelknaben lebendig verbꝛant/ wobey man ausgeruffen: Koͤnig Artabanus zu Charas sey der Gifftmischer selbst/ der gehe mit solchen unredlichen Stuͤcken umb/ welche man an einem jeden Menschen verflucht. Den Goͤttern sey es geklaget/ daß man solche schmerzliche Zeitungen vernehmen muß! Ich vor mein Haͤupt moͤchte wuͤnschen/ daß Groß Fürst Herkules mir im neulichen Treffen den Sche- del herunter geschlagen haͤtte/ so duͤrffte ich mich mit solchen verweißlichen Dingen nicht mehr betruͤben. O du elender Parthischer Stuel/ ist es schon umb dich so bewand/ dz man zu deiner Beschuͤtzung Giffttraͤger aussenden muß/ dann so ist uns nichts bessers/ als daß wir den Persen und Meden die Haͤlse nur hinstrecken. Lieber wes zeihen sich Eure Koͤnigl. Hocheit/ daß sie zu solchen unverantwortlichen Dingen sich verleiten lassen? Hat Arsazes auf solche weise den Reichs Stuel erworben und befestiget; haben dessen ruhmwirdigste Nachfolger die Arsazier/ Gift Schmierer ansgeschikt ? Eure Hocheit wolle allergnaͤdigst erwaͤgen/ wie es muß geklungen haben/ als der Buͤttel oͤffentlich ausgeruffen hat: Arta- banus zu Charas ist ein Gifftmischer/ und hat vier Diener ausgesand/ Koͤnig Ladisla und Groß Fuͤrst Herkules durch diesen Meuchelmord hinzurichten. O des Jammers/ dz man solches hoͤren muß! Aber so gehets allemahl/ wann man getraͤuen Reichs Raͤhten nicht folgen wil/ sondern nur denen die Ohren leihet/ die uns nach dem Maul reden/ und durch ihre Schmeichelworte uns umb Ehr und guten Nahmen bringen. Eure Koͤnigl. Hocheit erinnern sich unserer aller viere bißher gegebenen Rahts/ man solte die fremden Fuͤrsten mit ihrem Gemahl und Schwester zihen lassen/ und sie nicht weiter zu unserm Schaden reizen; aber was hats geholffen? Wir sehen ja/ daß sie die Goͤtter auf ihrer Seite haben/ wo sie nicht selbst Goͤtter sind/ oder doch Goͤtterkinder. Sie wahren ja anfangs nicht gesin- net/ unß des unsern zuberauben/ sondern das ihre gebuͤhrlich zuloͤsen; das solte man ihnen gegoͤnnet/ oder da mans zu ehelicher Liebe begehret/ besser bewahret haben; dann wie koͤnte ich mich doch bereden/ einem Landsmann zu meinem Gefangenen freyen Zutritt zugoͤnnẽ/ y und Fuͤnftes Buch. und allen andern den Eingang zu versperren? Man sihet ja/ daß die Goͤtter selbst es also gefuͤget haben/ wie es ergangen ist; koͤnten wirs nur noch erkennen/ so stuͤnde uns leicht zu helffen; wo nicht/ gehet der Parthische Stuel inwendig Jahrsfrist/ das der Himmel ja ab- wende/ ganz verlohren; dann was kan Menschen Gewalt wider der Goͤtter Doñerschlag? Was hilfft alles unser tichten und uͤberlegen/ wann der Himmel uns seinen Beyfall ent- zeuhet? Eure Koͤnigl. Hocheit frage nur den Bauren Gamaxus aus Indien/ Groß Fuͤrst Phraortes in Meden leibeigenen Knecht; verwundert sich Eure Hocheit meiner Rede? Ich versichere dieselbe/ daß Groß Fuͤrst Herkules unuͤberwindlicher Arm ihn im absonder- lichen Kampffe Mann an Mann angegriffen/ und den frechen Großpraler dergestalt ge- zaͤhmet/ daß er ihm mit seinem eigenen schweren Saͤbel das eine Bein gar entzwey geschla- gen/ lebendig gefangen genommen/ und ihn obgedachten Medischen Groß Fuͤrsten vor leib- eigen geschenket hat/ welcher ihn lahm und kruͤppel an Armen und Beinen heilen/ und taͤg- lich als einen kleinen Knaben mit Ruhten zuͤchtigen laͤsset/ darff ihn auch niemand anders als den kleinen Gamaxus und das zarte Wiegen Kalb nennen. Ist es aber Euer Koͤnigl. Hocheit nicht zuvor gesagt/ daß sie mit ihm Schimpf einlegen wuͤrden? noch muste er zum Fürsten in Ober Meden erklaͤret seyn; und wolte sich freylich geziemen/ daß ihre Hocheit diesen ihren Fuͤrsten mit einer Heersmacht errettete. Aber verflucht sey der Parthische Ritter/ der seinetwegen ein Pferd zaͤumet/ oder einen Sporn umguͤrtet. Dem Baur Och- sen ist recht geschehen/ ja ihm ist recht geschehen; nur ist mir von grund meines Herzen leid/ daß Eure Koͤnigl. Hocheit mit muß eingewickelt seyn. Ich rede frey/ allergnaͤdigster Koͤnig/ und haͤtte wol vielmehr zureden/ wann ich nicht seines betruͤbten Herzens schonete; breche demnach hieselbst ab/ und melde nur die Ursach/ alles bißher erlittenen Jammers/ nehmlich/ daß Eure Koͤnigl. Hocheit sich nicht wil bereden lassen/ die vergebliche Liebe zu einer verheyrahteten aus dem Sinne zuschlagen/ welche zuerlangen unmoͤglich ist. Es hat der grosse Koͤnig so manniche schoͤne Jungfrau in seinem Zimmer/ mit denen er sich zur gnuͤge erlustigen moͤchte; deren gebrauche sich Ihre Hocheit/ und suche eines andern Ehe- weib wider ihren Willen nicht; dann ich weiß/ daß kein Parthischer Fuͤrst oder Herr umb dieser Sache willen ein Pferd beschreiten wird. Bagophanes merkete/ daß er mit unter- schiedlichen Stichen getroffen wahr/ und hatte Intaphernes ihm schon gemeldet daß Pa- korus ungehalten auff ihn waͤhre; wolte deswegen diese Gelegenheit/ sich zuverantwortẽ/ in acht nehmen/ und fing an/ seine Entschuldigung zutuhn. Aber Pakorus fragete ihn/ was er bey Berahtschlagung der Reichs- und Kriegshaͤndel zuschaffen haͤtte/ oder sein Gewaͤ- sche mit einzumengen; Er solte zusehen/ daß wann der Baur Flegel etwa ausrisse/ er ihm von seinem Weibe bliebe/ die vor diesem des unzuͤchtigen Handels gewohnet/ an diesem starken Bauren den rechten Habnen oder vielmehr Ochsen bekommen haͤtte; wie sein Ge- sinde solches gnug ausbreitete/ daß vor deren Augen er sie mißbrauchet haͤtte; wuͤste er dañ guten Raht/ koͤnte er ihn alhie anwenden. Dieser gab der guten Worte wieder nicht viel/ daß er den Fuͤrsten endlich an seinem ehrlichen Nahmen griff/ und ihm vorlegte/ er suchte ein Herr uͤber den Koͤnig selbst zu seyn/ und wer wuͤste/ warumb er die Reichsfeinde allemal so hoch erhoͤbe. Aber Pakorus wolte sich nicht lange mit ihm zanken/ sondern sagte zum Koͤnige: Haͤlt Eure Koͤnigl. Hocheit mich in dem Verdacht/ dessen dieser Verleumder mich Fuͤnftes Buch. mich zeihet/ so nehme dieselbe dieses Schwert/ und haue mich stuͤndlich nider. Wir wissen von euch nichts boͤses/ antwortete er/ sondern haben euch allemahl einen Beschuͤtzer unser Koͤnigl. Hocheit erkennet; nur eure milde Zunge mag vielleicht unsern geheimen Raht zum Verdacht leiten. So wil ich nach diesem mich aller Rede gerne enthalten/ sagte Pakorus/ nur wolle Eure Koͤnigl. Hocheit mir allergnaͤdigst erlaͤuben/ daß ich gegen diesen schaͤndlichen Verleumder und Ehrendieb meinen Fürstl. Nahmen retten moͤge; fassete daꝛ- auf das Schwert/ und zerspillete ihm damit das Haͤupt biß an beyde Ohren/ da er zugleich also redete: Fahre hin/ du schaͤndlicher Fuchs schwaͤnzer/ der du bißher so mannichen guten Raht verhindert hast; Du und deines gleichen sind das allerbeste Opfer/ welches den Paꝛ- thischen Schutz Goͤttern kan abgeschlachtet werden. Artabanus haͤtte sich dessen zu Pako- rus nicht versehen/ uund da sichs ein ander unterstanden/ wuͤrde er ohn abscheuhliche straf- fe nicht davon kommen seyn; aber ihm muste ers nicht allein uͤbersehen/ sondern uͤberdas noch gut heissen/ wiewol er dem entleibeten das Leben gerne mit 20 und mehr T o nnen Gol- des gerettet haͤtte; Weil ihn dann sein Gewissen druͤckete/ legte er alle Schuld der Vergif- tung und des Kampffes auff Bagophanes/ erkennete/ daß es unkluͤglich gehandelt waͤhre/ wolte sich hernaͤhst besser vorsehen/ und begehrete freundlich/ daß sie viere als die vornehm- sten Reichs Seulen ihnen das Hauptweꝛk wolten lassen angelegen seyn/ damit das verspie- lete wieder gebracht wuͤrde. Mit welcher Erklaͤrung sie dann sehr wol zufrieden wahren/ ihn bester massen troͤsteten/ und allen moͤglichen Fleiß versprachen. Zu Persepolis stelleten sich alle Fürsten der Verbuͤndniß ein/ daß sie unsere Helden vor ihrem Abzuge sprechen/ und bessere Kundschafft mit ihnen machen moͤchten; und hatte Artaxerxes Schreiben bey ihnen so wol gewirket/ daß die sechs Fürsten aus Assyrien/ Hir- kanien/ Baktriana/ Margiana/ Arien und Drangiana 100 Tonnen Goldes an Gold/ Peꝛ- len/ aͤdlen Steinen/ Kleinoten/ guͤldenen und silbern Stuͤcken/ Indianischer koͤstlicher Sei- de und Tuͤchern mit sich gebracht hatten. Herr Mazeus/ der nach gehaltener Schlacht nach Ekbatana verschicket wahr/ kam auch wieder an/ nachdem er auf seines Groß Fuͤrsten Befehl von den Landstaͤnden 30 Tonnen Schaz zusammen getrieben hatte/ worzu noch 10 Tonnen aus der Schazkammer geleget wurden. Pharnabazus ließ aus seinem Schaz zu Susa 30 Tonnen Goldes hohlen/ und hatte von den Staͤnden 20 Tonnen darzu gelihen. Artaxerxes legte 30 Tonnen dabey/ und die Stadt Susa 10 Tonnen Goldes. So musten die angrenzenden Parthischen Staͤdte und Landschafften/ unter Bedraͤuung der gaͤnzli- chen Verwuͤstung ihm 20 Tonnen auffbringen. Die gesamte Morgenlaͤndische Kriegs- Heere schossen 20 Tonnen zusammen/ und bahten Fuͤrst Arbianes/ sie unsern Helden ihret- wegen untertaͤhnig einzuliefern. Die eroberte Beute aus der Schlacht mit Dorylaus/ wahren 10 Tonnen; die Helfte der Beute aus der Haͤupt Schlacht/ wahren 200 Tonnen Goldes/ welche Artaxerxes zusammen gelegt/ und unsern Helden zum bestẽ verwahret hat- te/ machte alles ingesamt 480 Tonnen Goldes. Als die Fuͤrsten beysammen wahren ward ein sehr grosses Freudenfest/ auf welches alle Kriegs Obristen gebehten wurden/ angestellet/ welche die grosse Kosten betrachtend/ dem Persischen Groß Fuͤrsten eine eigenwillige Zu- steur auf 10 Tonnen Goldes tahten. Groß Fuͤrstin Valiska brachte alles Parthische Frau- enzimmer/ so bey ihr blieben wahr/ nach ihrem Stande zu Ehemaͤnnern/ deren Hochzeit y ij bey Fuͤnftes Buch. bey diesem fuͤnfftaͤgigen Fest mit gehalten ward/ wobey etliche tausend Menschen gespeiset wurden. Des andern Tages baht Valiska ihren Bruder/ Gemahl und Fabius zu sich auf ihr absonderliches Zimmer/ und redete sie also an: Meine allerliebste Herzen; wie hefftig Artabanus sich bemuͤhet/ uns zubeschaͤdigen/ und aus dem Mittel zuraͤumen/ hat er in we- nig Tagen uͤberfluͤssig erwiesen/ wird auch zweifels ohn nicht nachlassen/ unsern Untergang zu suchen/ so lange er unser kan maͤchtig seyn. Inzwischen sitzen unsere herzliebe Eltern uñ Anverwanten unsertwegen in steter Bekuͤmmerniß/ und hundert tausend Soꝛgen/ als wel- che sich taͤglich neue Gefahr von uns einbilden/ und von herzen niemahls koͤnnen froͤlich seyn; die Ursach solches ihres Kummers ist keine andere als wir selbst; dann ob uns der barmherzige Gott gleich in Freyheit gesetzet/ wovor wir ihm nimmermehr gnug danken koͤnnen/ so halten wir uns doch selbst von unser Reise auff/ und rennen aus einer Gefahr in die andere. Bißher haben wir in unserm Beruff vielleicht gewandelt/ vielleicht auch wol mehr Gefahr uͤber uns genommen/ als wir bedurfft haͤtten/ und Gottes Guͤtigkeit hat uns dannoch allemahl augenscheinlich loßgerissen; Lasset uns/ bitte ich/ der himlischen Gnade nicht mißbrauchen/ daß Gott nicht ursach bekomme/ uͤber uns zuzuͤrnen; ja lasset uns be- denken/ daß wir alle Muͤhe ausgestanden/ damit wir in unser geliebtes Vaterland wieder kommen moͤchten/ woran uns nichts/ als unser selbst eigener Wille hinderlich ist. Wolte Gott/ ihr moͤchtet mit mir einig seyn/ so wolten wir morgen/ oder ja uͤbermorgen umb diese Zeit schon auff der Reise seyn; und ist einige Begierde bey meinem H. Bruder/ nach sei- nem Gemahl/ Soͤhnlein/ Mutter und Schwieger Eltern/ ja nach seinem Koͤnigreiche/ welches mit Schmerzen nach ihm aussihet/ so wird er mir mein Gemahl erbitten helffen/ daß er sich durch gute Wort laͤnger nicht auffhalten lasse. An H. Fabius guten Willen gebuͤhret mir nicht zuzweifeln/ und muͤste mir heꝛzlich leid seyn/ wann mein Schatz Heꝛkules allein gegẽ halten wuͤrde/ welchen ich vorerst nirgends lieber als zu Jerusalem/ hernach zu Padua/ und dann zu Prage sehen moͤchte. Mein allerwerdester Schaz/ antwortete Her- kules/ warumb beschuldiget sie mich einer Sache/ deren ich gar unschuldig bin? GOtt ist mein Zeuge/ daß sint Gamaxus Erlegung ich taͤglich mit den Gedanken umbgangen bin/ aber mich nicht habe loßwirken koͤnnen; nunmehr aber werde ich meinen Schluß/ wann es ihnen saͤmtlich also gefaͤllet/ nicht brechen/ und von heut an zurechen/ uͤber drey Tage (dann das Fest muͤssen wir Ehrenhalben mit aushalten) die Reise in Gottes Namen an- treten/ auch auff dem Wege nicht seumen/ biß wir Jerusalem erreichet haben/ woselbst ich durch Verheissung verbunden/ einsprechen muß. Sie wahren dessen ingesamt von Herzen froh/ und foderten Leches neben Libussen zu sich/ denen sie ihren Schluß zuwissen macheten/ und daß sie den uͤbrigen anzeigeten/ sich gefasset zuhalten/ damit man sich laͤn- ger nicht auffhalten duͤrffte. Herkules ließ den Obristen Wedekind ruffen/ und gab ihm zuvernehmen/ daß seine Reise nunmehr erstes Tages vor sich gehen wuͤrde; Weil aber Artaxerxes bey ihm angehalten/ daß die Teutschen/ Boͤhmen und Roͤmer bey ihm auf ei- ne gewisse Zeit bleiben moͤchten/ koͤnte man/ wie er saͤhe/ ihm solches nicht wegern; zweifel- te nicht/ sie wuͤrden sich dessen nicht entbrechen/ sondern diese gute Gelegenheit/ Ehre und Ruhm zuerwerben/ in acht nehmen; waͤhren aber etliche unter ihnen/ zum hoͤchsten/ auff 300 Koͤpffe/ Teutsche/ Boͤhmen und Roͤmer/ (mit den 300 aͤdelknaben haͤtte es seine we- ge) Fuͤnftes Buch. ge) die nach ihrem Vaterlande verlangen truͤgen/ solten dieselben sich angeben/ dañ so viel waͤhren sie willens mit sich zufuͤhren; und wer seine erworbene Gelder mit uͤberschicken wolte/ koͤnte sie fein zusammen gepacket/ und auff Wagen oder Last Tihre geladen/ herbey bringen/ welches alles den ihren unverruͤcket solte eingeliefert werden. Wedekind gab zur Antwort; die Voͤlker haͤtten ihn schon vermocht/ ihretwegen untertaͤhnigst anzuhalten/ daß sie dieser oͤrter noch etwas verbleiben moͤchten. Ihre Baarschaften erstrecketen sich sehr hoch/ welche sie taͤglich nach ihrem Vaterlande wuͤnscheten; wolten deßwegen Pfer- de und Wagen verschaffen/ daß sie mit koͤnten fortkommen; so waͤhren auch etliche/ die nach ihrem Vaterlande verlangen truͤgen/ deren Nahmen er ehist eingeben wolte. Fabius redete eben dieses mit den Roͤmern ab/ wie auch Klodius und Markus/ und funden/ daß sie Lust hatten/ noch laͤnger zu dienen/ und ihre Guͤter mit uͤberzumachen; welches sie ihnen gerne zuliessen. Bey der Mittagsmahlzeit/ so bald die Speisen abgetragen wahren/ stund Groß Fuͤrstin Valiska auff/ neigete sich tieff gegen die anwesende Fuͤrsten/ und hielt zu ih- nen diese Rede: Großmaͤchtige Durchleuchtigste Fuͤrsten/ Hochgebohrne Herren und Freunde; was massen mein Herr Bruder und mein Gemahl/ in diese/ von unserm Vater- lande weit abgelegene Landschaften/ nur zu dem Ende sich begeben/ daß sie mich geraubete wiederumb in freien Stand setzen moͤchten/ ist unnoͤhtig/ nach der laͤnge vorzutragen/ weil euren Liebden es samt und sonders gnug wissend ist. Wann dañ der grundguͤtige GOtt nach seiner vaͤterlichen barmherzigkeit es also gefchicket / daß ich aus der leidigen Gefaͤng- nis entrissen bin/ und unsere eigene Notturft/ in sonderheit meines Herrn Bruders Koͤnig- reich durchaus erfodert/ daß wir die Reise nach unserm Vaterlande ehist vor uns nehmẽ/ und uͤberdas mir unmoͤglich ist meine herzgeliebte Fr. Mutter in ihrem taͤglichen Herz- leide laͤnger ungetroͤstet zu lassen; als gelanget an eure Durchll. und Liebden meine sehr instaͤndige Bitte/ dieselbe wollen/ in erwaͤgung obangezogener wichtigen Ursachen/ dem jeztfolgenden ansuchen meines H. Bruders und Gemahls nicht entgegen stehen/ sondern mir als einer betrũbeten Tochter gnaͤdig und willig zulassen/ daß ich meine Herzallerliebste Fr. Mutter ehist wieder umbfahen moͤge/ deren angenehmen gegenwart ich so lange Zeit entbehren muͤssen. Solches erbiete ich mich Zeit meines Lebens/ nach aͤusserstem vermoͤgẽ zuerkennen/ und bedanke mich zugleich untertaͤhnig/ daß eure Durchll. und Liebden/ meine Erloͤsung durch allerhand Vorschub befodern/ mich in ihren kraͤftigen Schuz nehmen/ und wieder die grosse Macht des graͤulichen Wüterichs Artabanus beschirmen wollen; welche hohe erbarmung mir elenden erzeiget/ die ganze erbare Welt zuruͤhmen/ und der Himmel zuvergelten unvergessen seyn wird. Nach diesem stunden Ladisla und Herkules auff/ und fing dieser also an: Großmaͤchtige Unuͤberwindliche Groß Fuͤrsten/ auch Durch- leuchtige Fuͤrsten/ Hochwerte Herren: Mein geliebter Bruder und ich/ bedanken uns bil- lich und von Herzen wegen der uͤbermilden Guͤte und Huͤlffe/ die von ihren Durchll. uns in unsern noͤhten so reichlich erwiesen ist/ daß wir viel zu geringe seyn werden/ es bey den unsern nach gebühr zu preisen. Nun muͤssen wir sonder sparung der Warheit gestehen/ daß uns schwer fallen wird/ folche gewogene Herꝛn und Freunde zuverlassen/ mit denen unser ganzes Leben zuzubringen/ auch Lieb und Leid mit ihnen außzustehen wir begehren/ und billich wuͤnschen solten/ wuͤrden auch an unser Vaterland wenig gedenken/ wañ ni cht y iij die Fuͤnftes Buch. die eingepflanzete Neigung/ und der Untertahnen erheischende Notturft uns unser Schul- digkeit erinnerten/ und uns gleich sam antrieben/ bey ihren Liebden sehr dienstfleissig anzu- halten/ daß uns hochguͤnstig moͤge erlaͤubet seyn/ morgendes Tages ohn einige Sperrung Abscheid zu nehmen; solten wir dañ schier heut oder Morgen von ihren Liebden um Teut- sche und Boͤmische Voͤlker ersucht werden/ wollen wir ihnen biß auff 150000 Reuter ger- ne zu dienste seyn/ auch/ da sie es begehren unsere annoch Anwesende/ ausser einer geringen Begleitung/ willig hinterlassen; zweiffeln nicht/ dieselben werden nit weniger in unserm abwesen/ als vorhin/ sich redlich und geherzt finden lassen. Die Fürstliche Geselschaft haͤt- te nicht gemeinet/ daß unsere Helden so gar schleunigen Abscheid begehren solten/ uñ freue- te sich Artaxerxes sehr/ daß die Schenkungen alle richtig beysammen wahren; wolte doch vor sich hierauff keine Antwort geben/ sondern trat mit seinen Bundsgenossen in ein Ne- bengemach/ unter welcher Zeit Valiska den jungen Medischen Fürsten Arbianes zu sich foderte/ und ihn/ wessen er sich verhalten solte/ unterrichtete. Nach verlauff einer halben Stunde stelleten die Fuͤrsten sich wieder ein/ und brachte Phraortes diese Antwort vor: Großmaͤchtige Durchleuchtigste Herrn/ Koͤnig Ladisla/ und GFürst Herkules/ hochwer- te Herrn und Bruͤderl iche Freunde: Wie gluͤkselig diese Landschafften seyn muͤssen/ denen eure Liebden Zeit ihres Lebens mit Raht und Schuz vorstehen werden/ kan aus diesem ich und ein jeder unschwer ermaͤssen/ was unser Vaterland diese kurze Zeit durch euren trefli- chen Beystand genossen/ so daß auch die kleinen Kinder die lieben Nahmen Herkules und Ladisla allenthalben schon im Munde führen/ und mit gebrochener Außrede preisen. O wie wuͤrden sich hohe und nidꝛige/ streitende und ruhende/ Land und Leute freuen/ wann sie hoͤren solten/ daß die fremden Freunde noch manniche Zeit in Persen leben/ uñ nur durch ihres Nahmens laut/ der Feinde stolz brechen und in Hasenfurcht verwandeln wuͤrden/ wie schon mehr als einmahl geschehen. Aber leider! Persen ist des Gluͤks unwirdig; der Himmel hat den Morgenlaͤndern diese Ebenbilder der Volkommenheit/ diese Kleinoter der Welt nicht zu eigen geben/ sondern nur leihen wollen/ umb uns sehen zulassen/ was vor ein gewuͤnschtes Gut er der Teutschen und Boͤmischen Welt mitgeteilet/ welches wir ihr zwar nicht mißgoͤnnen muͤssen/ und doch/ wans moͤglich waͤhre/ gerne mit ihnen gemein haben wolten; weil es aber schwerlich wird geschehen koͤñen/ stehet uns gleichwol als dank- willigen zu/ daß wir den bißher empfangenen nutzen erkennen/ wie dañ unsere Fuͤrstl. Ver- buͤndnis solches gerne erkennet/ und euren Liebden sich mit Land und Leuten/ mit Gut und Blut verpflichtet halten/ weil sie ihr Leben vor unsere Wolfahrt gewaget/ ihr Blut vor uns und unsere Leute vergossen/ und keiner Muͤhe/ Gefahr und arbeit sich verdriessen las- sen; ja angebohtene Koͤnigreiche außgeschlagen/ nur daß sie unsere Herrschaft befestigen/ und des Wuͤtrichs Ungerechtigkeit abwenden moͤchten. Blind ist/ der dieses nicht sihet; unachisam/ der es nicht besihet; undankbar/ der es unvergolten laͤsset/ so weit nur sein ver- moͤgen reichen kan. Also werden wir uns bemuͤhen/ uns selbst zu durch suchen/ ob wir der schuldigen Dankbarkeit einiges Zeichen finden und leisten koͤnnen. Den Ernst ihres vor- genommenen abzuges haben wir nit ohn betruͤbnis verstanden/ aber unsern Ohren duͤrfen wir nicht trauen/ daß hierzu der allernaͤhstfolgende Tag solte berahmet seyn. Nein hochge- bte Freunde/ so werden sie ja ihren verbundenen/ die sich der Zahlung schuldig wissen/ die Fuͤnftes Buch. die Zeit zur Dankbarkeit nicht entreissen. Wann die Noht sie triebe/ wolten wir noch heut einwilligen; aber ausser diesen Fall/ der Gott Lob sich nicht findet/ ist uns der morgende Tag gar zu unertraͤglich/ und hoffen zum wenigsten/ bey ihnen zuerhalten/ daß sie nuꝛ so lan- ge in ruhe und friede ihre angenehme Gegenwart uns goͤnnen/ als sie der Fehde und dem Streit unsertwegen beygewohnet/ damit wir nicht angesehen werden/ als gebrauchten wir uns der Freunde in der Noht und Gefahr/ und jageten sie hernach von uns; welchen Verdacht von uns abzuwenden/ sie nach ihrer hohen Vernunft und Gewogenheit selbst werden gefliessen seyn. Herkules gab zur Antwort: Großmaͤchtige Fuͤrsten/ Hochwerte Herrn; wann ein leichter Kindischer Pfeil von einem staͤhlenen Armbrust abgeschossen wird/ flattert er nur/ oder zubricht gar in stuͤcken; gleich also treibet ein unverdientes Lob mehr nider als in die hoͤhe. Wir sind im wenigsten nicht bestand/ nur mit Gedanken zuer- greiffen/ was man uns als taͤhtlich zulegen wil. O nein! Ladisla und Herkules wissen sich ihres unvermoͤgens wol zuerinnern; aber an euer Liebe Reden finden sie ein lebendiges Beyspiel/ wie leicht freundes Gemuͤht duꝛch gewogenheit verleitet/ zu weit gehen kan; wel- che eriñerung eure Liebe uns nit vor uͤbel halten wolle. Wir haben bey neulicher Schlacht etwa eine Handvol Voͤlker gehabt/ die neben eurem wolgeruͤsteten Heer daß ihre mit zu tuhn/ sich befliessen/ aber ohn derer und unserer huͤlffe/ die sehr klein/ und des gedenkens nit wert ist/ haͤtten der hochloͤblichen Verbuͤndnis Heerfuͤhrer und Kriegsleute eben solches verrichten koͤnnen was in unser Gegenwart geschehen ist; zweiffeln auch nicht/ Gott wer- de ihnen in kurzen voͤlligen Sieg uͤber ihre Feinde verleihen/ dessen treflichen anfang wir mit Augen angesehen/ und uns hoͤchst freuen daß wir einen geringen Teil mit hinzugetahn/ und vor ihren uns geleisteten Schuz/ eine dankbare Seele zuerzeigen/ Gelegenheit gehabt; der Durchleuchtigsten Groß Fuͤrsten/ Fuͤrsten und Herrn hohe Gewogenheit gegen uns/ ist so reichlich und überfluͤssig schon erwiesen/ daß sie keines Augenbliks mehr bedarff/ und daher unsere hochnoͤhtige Reise keine Stunde auffzuschiebẽ ist/ wuͤrde uns auch leid seyn/ wann ihre Liebden noch ein mehres zuerzeigen/ sich unternehmen wolten. Wir haben uns bißher dieser Wegerung nicht versehen koͤnnen/ sonsten wuͤrden wir zeitiger umb Urlaub angesuchet haben; dann die Zuversicht zu dem Durchl. Groß Fürsten/ Herrn Phraortes/ dessen Liebe uns die Versprechung getahn/ daß wir uͤber Gelegenheit keinen Tag solten auffgehalten werden/ hat uns beredet/ es wuͤrde ein schleuniger Abzug/ uns vor keine Un- hoͤfligkeit oder undankbahres Abstreichen außgedeutet werden; hoffen auch festiglich/ ihre Liebden werdẽ nicht allein die beschehene Zufage/ sondern auch meines Gemahls angeleg- te Bitte gelten lassen/ uñ unsern Abscheid/ den wir fast ungerne nehmen/ weiter nicht hem- men; wie wir dann an ihrer Hoch Fuͤrstl. Gewogenheit durchaus nicht zweiffeln duͤrffen/ also erbieten wir uns hinwiederumb/ ihren Durchll. und Liebden/ nach unserm wenigen vermoͤgen allemahl bereit und auffwaͤrtig zu seyn. Phraortes kunte seines versprechens nicht in Abrede seyn/ und gab diese Wiederantwort: Ich erinnere mich billich/ was eure Liebe allemahl in Vorbehalt gesetzet/ daß sie unverbunden seyn/ und zu jederzeit Freiheit hinweg zu scheiden/ haben wolten/ welches ihnen auch von unser Fuͤrstl. Verbuͤndnis nie- mahln gewegert werden sol; haben auch ihre grosse Gewogenheit daher verspuͤret/ daß da sie gar zeitig/ und ohn einige Wagnis gegen den Feind haͤtten koͤnnen ihren Abzug neh- men/ Fuͤnftes Buch. men/ sie dannoch der Hauptschlacht zuvor beywohnen/ und ihre eigene Sachen biß dahin außsetzen wollen/ wozu sie weder durch Pflicht noch Schuld verbunden wahren; in Er- kaͤntnis dessen/ erkuͤhnen wir uns durchaus nicht/ ihre Liebden laͤnger aufzuhalten/ unge- achtet wir nichts liebers sehen moͤchten/ als daß sie gar bey uns bleiben/ und der Feinde Landschaft zum eigenen Besiztuhm annehmen wolten. Weil aber die Liebe zu ihrem Va- terlande und angebohrnen Unterthanen (welche wir billich mit unter ihre hoͤchste Tu- genden rechnen) sie dessen nicht bereden lassen kan/ und die Verschenkung des Fürsten- tuhms Sustana uns ihre Gemuͤhter gar zu kundbar gemacht hat/ wollen wir nicht allein hievon gar keine Meldung tuhn/ sondein ihren Liebden auch die versprochene Freiheit ab- zuziehen/ gerne goͤnnen; jedoch daß sie gleichwol die Zeit so gar kurz nicht bestimmen/ und wir zuvor wissen moͤgen/ daß sie reisen wollen/ ehe wir ihre Gemaͤcher und Staͤlle ledig se- hen. Ihr Erbieten wegen beharlicher Freundschaft ist uns lieber/ als mit Worten auß- gesprochen werden kan/ geleben auch der troͤstlichen Zuversicht/ sie werden an unser Seite einigen Zweifel nicht tragen/ daß wir seyn und bleiben wollen dieselben/ welche ihren hoch- verdienten Ruhm außzubreiten/ und ihrer lieben Gedaͤchtnis sich stets zu erinnern/ auch allen moͤglichen Willen zu bezeigen/ werden unvergessen seyn. Durchleuchtigste Groß- Fuͤrsten und Fuͤrsten/ gab Herkules zur abermaligen Antwort: Die blosse Schuldigkeit vor empfangene Woltaht/ und die Begierde solchen lieben Freunden noch laͤnger beyzu- wohnen/ hat uns so lange alhie aufgehalten/ weil wir die nahe Gelegenheit/ ein dankwilli- ges Herz zu erzeigen/ vor der Tuͤhr sahen; hat nun solch es ihren Liebden gefallen koͤnnen/ ist uns dadurch alles tausendfach schon ersetzet. Billich solten wir zwar unsere gegenwaͤr- tige wirkliche Dienste laͤnger leisten; weil ihnen aber nunmehr damit wenig kan gedienet seyn/ und unsere eigene Geschaͤfte uns die Ohren Tag und Nacht vol schreien/ ja auch mei- nem lieben Herrn Bruder/ Koͤnig Ladisla und Herrn Fabius herzgeliebte Gemahlin diese Erinnerung vergeselschaften/ dereins an sie zu gedenken/ als ist unsere emsige Bitte/ uns uͤber heut/ morgen und uͤbermorgen nicht aufzuhalten. Ihr hohes Erbieten koͤnnen wir weder er wiedern noch außschlagen/ erkennen es mit dankschuͤldigem Herzen/ und ver- bleiben zeit unsers Lebens Ihrer Liebden bereitwilligste Knechte. Ladisla redete mit ein; Ihre Liebden moͤchten insonderheit bedenken/ daß er eine so lange zeit her aus seinem Koͤ- nigreich waͤhre/ und keinen Anverwanten/ als seine Frau Mutter haͤtte/ der dem Reiche vorstuͤnde; so duͤrften auch seine ungetꝛaͤue Nachbarn/ insonderheit die frechen Pannoniet/ seines Abwesens sich zu nuͤtze machen/ und in einem Monat ihm mehr Schaden zufuͤgen/ als in Jahres frist koͤnte wie der gebracht werden; wolte diesem nach/ der gaͤnzlichen Zu- versicht leben/ man würde ihren Abzug weiter außzusetzen/ nicht anhalten/ und wiederho- lete schließlich das vorige Erbieten. Hierauf gab nun Artaxerxes zur Antwort; Sie muͤ- sten gestehen/ daß jedem sein eigenes billich am meisten an gelegen waͤre/ koͤnten demnach Ihre Liebden wider ihre selbst eigene Wolfahrt nicht aufhalten/ wie schwehr ihnen gleich ein so gar schleuniger Abweich fallen wuͤrde/ damit ihre Liebes- und Freundschaft-Begier- de nicht in eine Unbilligkeit verwandelt/ mehr strafbar als lobwirdig waͤre. Aber eine Bit- te haͤtte die Fuͤrstl. Verbündnis an die Durchl. Groß Fuͤrstin Fr. Valiska vor ihrem Ab- zuge abzulegen/ deren Wegerung sie sich nicht versehen wolten/ und zu seiner Zeit solte vor- Fuͤnftes Buch. vorgetragen werden. Dieser Erlassung freueten sich die unsern hoͤchlich/ und erklaͤrete sich die Groß Fuͤrstin/ denen/ die ihr zubefehlen haͤtten/ wuͤrde sie keine Bitte versagen/ dafern die Leistung nur in ihrer Gewalt stuͤnde. Jederman meynete/ es wuͤrde nunmehr alles ge- endet seyn; aber hie trat Arbianes auf/ und wie Valiska ihm eingegeben hatte/ sing er zu sei- nen Eltern also an: Gnaͤdiger Herr Vater und Fr. Mutter; wie hoͤchlich dieselben mir allemahl dieser Fuͤrsten Gemuͤhter zuruͤhmen pflegen/ welche auf ihr Fuͤrstliches Erbe nit verbacken sind/ sondern in der Jugend/ durch lobwirdige uͤbungen/ Besichtigung fremder Laͤnder und Sitten/ und andere loͤbliche Tahten/ die tugendliche Volkommenheit und Eh- re suchen/ werden sie sich gnaͤdig erinnern koͤnnen. Wann nun zeit meines Lebens mir hieꝛ- zu bessere Gelegenheit nicht werden kan/ als das Gluͤk mir jetzo anbent; so gelanget dem- nach an dieselbe mein kindlich-untertaͤhniges ersuchen/ mir vaͤter- und muͤtterlich zugoͤn- nen/ daß mit dem teuren Groß Fuͤrsten/ Herrn Herkules/ ich nach Italien/ und so weiter nach Boͤhmen und Teutschland reisen moͤge/ damit ich die Landschafften und Schloͤsser sehe/ auf welchen diese volkommene Fuͤrsten gezeuget sind; und daß ich dieses bey meinen Eltern desto leichter erhalten koͤnne/ bitte den Großmaͤchtigen Groß Fuͤrsten/ Herrn Arta- rerxes/ und die saͤmtliche anwesende Fuͤrsten/ meine hochgebietende Herren Oheimbe ich untertaͤhnig/ mit ihrer kraͤfftigen Vorbitte mir behuͤlflich zuseyn/ und dieses mein instaͤndi- ges ansuchen zubefodern. Sein Vater antwortete: Lieber Sohn/ du hast an meiner seiten keines Vorbitters vonnoͤhten/ sondern sihe dich nach denen umb/ welche bey Groß Fuͤrst Herkules dir solches zuwege bringen; Ich vor mein Haͤupt sehe viel lieber/ daß dein Ge- muͤht nach Erfahrung als Wollust; nach reisen als suͤsser Ruhe stehet. Zwar ich halte es keinem jungen Fuͤrsten vor uͤbel/ daß er daheim bleibet/ wann er wegen fruͤhzeitigen Abfalls seiner Eltern/ die Landesbeherschung anzutreten gezwungen wird/ oder sonst wichtige Ur- sachen hat/ in seinem Lande zubleiben; oder die Besichtigung fremder Landschafften ihm schaͤdlicher als zutraͤglich oder nuͤzlich sind; oder wann er daheim eben das sehen und er- fahren kan/ was in andern Reichen hochgehalten wird; oder wann ihn Leibesschwacheit abhaͤlt; oder endlich/ wann die Gefahr solcher Reise groß/ und der Vortel klein oder nicht guͤltig ist; aber die/ so aus blosser Faulheit und Lust dem Fleische sanfte zutuhn/ auf ihren Land Schloͤssern bey stetem fressen und sauffen veralten/ so daß sie kaum wissen/ ob die ganze Welt zehn Meile breit und lang sey; Diese/ sage ich/ sind unwirdig/ daß sie eines Fuͤrsten Namen fuͤhren. Ich kenne einen preißwirdigen Fuͤrsten/ welchen ich nicht nennen wil/ der in seiner Jugend genoͤhtiget ward/ die Landesbeherschung wider seinen Willen anzuneh- men/ gleich da er sich geschicket hatte/ nach einer schon zimlich fernen Reise/ eine viel weite- re über Meer und Land zutuhn. Aber seines hochgepriesenen Herr Vaters unvermuhtli- cher Todesfall riß ihn zuruͤk/ wie hefftig er auch umb Erlassung etlicher Jahre anhielt. O wehe mir/ pflag er zusagen/ daß ich meine Jugend mit diesem schweren Joche muß lassen überladen; da er doch in diesem Jünglings Alter Wiz und Verstand gnug hatte/ nicht al- lein seine Herschafft/ sondern viel eine groͤssere zuverwalten. Solche Nohtwendigkeit/ mein Sohn/ bindet dich an Ekbatana nicht/ sondern du hast Freyheit/ dich zuversuchen/ und sa- gest recht daran/ daß du bessere Gelegenheit/ etwas zufassen/ nimmermehr finden werdest/ dafern dir nur diese werden kan. Groß Fuͤrstin Saptina merkete schon/ daß Valiska mit z dahin- Fuͤnftes Buch. dahinter steckete/ deswegen stund sie auff/ und hielt sehr fleissig bey ihr an/ sie moͤchte bey ih- rem Gemahl helffen loßwirken/ daß seine Liebe ihren herzgeliebten Herr Sohn/ zu seiner Geselschafft und ferneren Unterweisung ihm wolte lassen anbefohlen seyn. Aber Herkules antwortete selbst hierauf: Ihm koͤnte liebers nichts wiederfahren/ als wann er seinen hoch- geliebten Herr Bruder/ Fuͤrst Arbianes zum Reise-Gesellen haben/ und dessen angenehme gegenwaͤrtige Freundschafft noch laͤnger geniessen solte; weil ihm dann solches angeboh- ten wuͤrde/ welches er vor ein sonderliches Zeichen der Gewogenheit erkennete/ wolte er hiemit Fuͤrstlich versprechen/ sich dieses Tugendergebenen Fürsten nicht weniger als eines leiblichen Bruders anzunehmen/ und allen Fleiß anzuwenden/ daß er gesund und frisch bey den lieben seinigen wieder anlangen moͤchte; welches von allen anwesenden Morgenlaͤn- dischen Fuͤrsten/ mit hohem erbieten angenommen ward. Nach Endigung dieses Gespraͤchs/ meldete Gallus Herrn Fabius an/ es waͤhre eine ansehnliche junge F r au in Trauerkleidern vor dem Schloß Thor/ die nach seinem Nahmẽ fragete/ und ihrem vorgeben nach/ aus dem Fuͤrstentuhm Susiana kaͤhme. Er gedachte alsbald/ es wuͤrde Statira seyn/ ging zu ihr/ und hieß sie freundlich wilkommen. Die ver- lauffenen unzimlichen Liebessachen machten sie sehr schamroht/ baht auch demuͤhtig umb Vergebung/ da ihm ichtwas widriges von ihr begegnet waͤhre; die Goͤtter wüsten/ daß sie nicht als durch aͤussersten Liebes-zwang sich an ihm versuͤndiget haͤtte/ hoffete dessen Ver- gebung/ und wünschete/ daß sein hoher Stand ihr haͤtte moͤgen wissend seyn; dann wolte sie schon so viel Macht geh abt haben/ ihn der billigen Knechtschafft zubenehmen. Er gab zur Antwort: Sie moͤchte ihr gefallen lassen/ alles geschehene zuvergessen; Ihr getraͤues Herz gegen ihn haͤtte verdienet/ daß er sich ihrer Wolfahrt als seiner eigenen annaͤhme/ welches zuleisten er ziemliches Vermoͤgens waͤhre. Aber/ sagte er/ ist auch der gute Nabarzanes un- gehalten/ daß meine Seele so unbarmherzig mit ihm verfahren? Ach/ sagte sie/ ich kan be- teuren/ daß ers mit keinem Worte geahnet hat/ so lange er im Leben gewesen/ welches aber nur wenig Stunden nach erfahrner Zeitung wehrete; dann er ritte des folgenden Tages auf die Jagt/ da ihn ein hungeriger Loͤue in stuͤcken zurissen/ und er mir von den Jaͤgern so elendig zu Hause gebracht ist/ daß ich gleichwol ihm noch eine Standeswirdige Begraͤb- niß ausrichten koͤnnen; Und ob ich zwar meinem Herrn gestehen muß/ daß ich schlechte Liebe zu ihm getragen/ so ist mir dannoch der Unfall so sehr zu herzen gangen/ daß ichs biß an diesen Tag nicht vergessen moͤgen. Fabius troͤstete sie mit freundlichen Worten/ sie solte sich zufrieden stellen/ es waͤhren unter den Susianischen Voͤlkern unterschiedliche treffliche Rit: er Herren Standes/ deren einen er ihr zufreyen wolte/ welches auszuschlagen er nicht rahten koͤnte. Sie zwar wolte sich dessen viel entschuldigen aber er setzete sich zu ihr auff die Gutsche ließ ihm sein Pferd nachführen/ und brachte sie in eine vornehme Herberge/ mit Versprechung/ wo nicht heut/ doch gewiß morgen sie zubesuchen; kehrete wieder nach dem Schlosse/ und zeigete Groß Fürstin Valiska an/ daß die Susianische Frey Frau/ die in sei- ner Dienstbarkeit ihm so manniche Guttaht erzeiget/ und aus Gobares Haͤnden sein Le- ben entrissen/ Ihrer Durchl. untertaͤhnigst auffzuwarten/ ankommen waͤhre. Ey so haͤtte der H. Bruder sie herauff noͤhtigen sollen/ antwortete sie; rief alsbald ihrer Hofmeisterin Libussen neben Kleofis/ daß sie ihre Leib Gutsche anspannen lassen/ und die fremde Frau her- zu Fuͤnftes Buch. zu hohlen solten; welches alsbald geschahe/ und Statira der hohen Ehre nicht wenig er- schrak. Sie ward vou dem Fuͤrstl. Frauenzimmer wol empfangen/ dann ihre getriebene Buhlerey wahr allen unbewust/ kunte sich auch so hoͤflich bezeigen/ daß sie aller anwesenden gute Gunst bekam/ auch dem Fuͤrstlichen Frauenzimmer allernaͤhest bey ihrer Landes Fuͤr- stin Barsenen gesetzet ward/ deren sonderliche Hulde sie erwarb. Nach geendigtem Abend- mahl ward ein zierlicher Tanz gehalten/ wiewol mehrentheils von den jungen Eheleuten/ da Valiska gelegenheit suchete/ mit Statiren zureden/ bedankte sich sehr/ daß sie ihrem bruͤ- derlichen Freunde Herrn Fabius in seinem Elende so grosse Freundschafft und maͤchtigẽ Schuz erwiesen/ und baht Fürstin Barsenen/ ihr solches geniessen zulassen. Diese wolte nun alsbald/ wie sie sagte/ ihren Gehorsam erzeigen/ hohlete ihren Gemahl herzu/ und sagte: Sie haͤtte die Ehre eines Befehls von ihrer gebietenden Groß Fuͤrstin erhalten/ daß bey ihrem Gemahl sie dieser anwesenden aͤdlen Frauen gute Gunst und Gewogenheit erwer- ben solte/ der nicht weniger als sie selbst Ihrer Durchl. Gehorsam zuleisten/ bereit seyn wuͤꝛ- de. Ja antwortete er/ solches erfodert unsere Schuldigkeit/ und was diese aͤdle Frau von euch und mir begehren wird/ sol ihr unwegerlich und Fuͤrstlich geleistet werden/ dessen gebe ich ihr diesen Ring zum Pfande; zog denselben von seinem Finger/ und stekte ihn Statiren an/ welches alsbald Barsene ihm nachtaht. Jene aber/ die ihr so gar hohe Gnade nit ver- muhten wahr/ und wol gedachte/ daß alles von Fabius herruͤhrete/ antwortete sehr demuͤ- tig: Sie waͤhre so grosser Ehre unwirdig/ muͤste ihren Landes Fuͤrsten ja billich zu unter- taͤhnigem Gehorsam aufwarten; wuͤste auch nicht/ ob sie die Gnaden Ringe behalten dürf- te; Sie untergaͤbe sich Ihrer Durchll. beyderseits zueigen/ und waͤhre erboͤtig/ alles ihr Vermoͤgen in deren Haͤnde einzuliefern. Fabius trat mit hinzu/ ruͤhmete auffs neue ihre vielfaͤltige Guttaht/ die er zuvergelten nicht gnug waͤhre; Daher Pharnabazus ihr nicht allein das von Gobares geschenkte Land Gut bestaͤtigte/ sondern noch ein dabey gelegenes verehrete/ nam auch Nabarzanes Soͤhne erster Ehe vor aͤdle Leibknaben an/ und versahe sie nachgehends mit hohen Ehrenaͤmptern und grossen Landguͤtern/ weil sie ihrem Vater nicht in der Furchtsamkeit nacharteten/ sondern tapffere Ritter wurden. Kein ernstlicher Gespraͤch ging auff dem Saale vor/ als zwischen Artaxerxes und Ladisla; dieselben redeten von allerhand Geschichten Teutschlandes/ insonderheit von den schweren Kriegen/ welche Herkules Vorfahren mit den Roͤmern gefuͤhret/ und ihnen so mannichen Sieg abgedrungen haͤtten; daher Artaxerxes Gelegenheit nam/ bey Ladisla an- zuhalten/ daß er ihm Herkules Lebenslauff weiter erzaͤhlen moͤchte/ weil er vor diesem durch des verfluchten ungenanten Ankunfft daran verstoͤret worden. Er wahr ihm hierin gerne zu willen/ und huhb an: Ist mir recht/ so habe ich zulezt gemeldet/ was gestalt wir beyde aus Schweden von meinen Eltern nach Boͤhmen abgefodert wurden/ woselbst wir sehr wil- kommen/ und des ganzen Landes Augen auff uns hingerichtet wahren/ massen hohe und geringe uͤber unsere Eintraͤchtigkeit/ beydes an Willen und Kleidern sich verwunderten/ und erzeigeten meine Eltern uns gleiche Liebe und Gewogenheit/ daß mein Herkules nicht anders als ein Sohn gehalten ward/ insonderheit von meiner Fr. Mutter/ die ihn zum of- tern kuͤssete/ und einsmahls in meiner Gegenwart zu ihm sagete: Herzlieber Sohn Her- kules/ die Goͤtter wissen/ wie inbruͤnstig ich euch liebe/ hoffe auch Gelegenheit zufinden/ es z ij dereins Fuͤnftes Buch. der eins in der Taht zuerweisen; aber ihr sollet mir versprechen/ daß wann ihr zu den Jah- ren komt/ ihr ohn mein Vorwissen nicht heyrahten wollet. Welches er ihr willig verhieß/ und durch dunkele Reden so viel Anzeige gab/ ihm wuͤrde kein lieber Mensch/ als sie/ ein angenehmes Gemahl zuführen koͤnnen; worauff wir dazumahl wenig acht gaben/ und der Ausgang mirs wieder zu Gedaͤchtniß ruffet. Wir wahren wenig Wochen zu Prag gewe- sen/ da uns Zeitung kam/ die Groß Fuͤrstin/ meines Herkules Fr. Mutter laͤge schwer da- nider an einem hitzigen Fieber/ und truͤge grosses Verlangen/ ihren Sohn zu sehen; deswe- gen wir uns zur Hinreise fertig macheten/ daran wir doch durch eine Begebniß verhindeꝛt wurden/ die meinem Herkules zu sonderlichen Ehren ausschlug. Ein sehr grosser starker Pañonier/ nahmens Bato/ kam zu Prag an/ meinem H. Vater in seines Koͤniges Mnata Nahmen eine Schatzung abzufodern/ welche man ihm weder gestaͤndig noch schuldig war. Das Ungeheur brachte seine Werbung in unser beyden Gegenwart mit groben Troz und baͤurischer Unhoͤfligkeit vor/ welches ihm mein H. Vater uͤbersahe/ weil dieser Leute plum- pe Sitten ihm wol bekant waren; aber mein Herkules beiß daruͤber die Zaͤhne im Kopfe zu- sammen/ und fragte den Gesanten/ ob die Pannonier mit freyen Koͤnigen umzugehen nicht besser gelehret waͤhren? Trauen/ sagte er/ wann ich ein Koͤnig waͤhre/ und man wuͤrde mir solchen Troz beweisen/ duͤrffte ich einen Gesanten zuvor etliche Jahr in die Schuele der Eꝛ- barkeit abfertigen/ ehe ich ihn vor meinen Stuel treten liesse. Solche Rede ging dem Un- flaht sehr nahe/ er sprang und draͤuete/ kni rete mit den Zaͤhnen/ und hielt sich so unbendig als ein besessener; dessen doch Herkules nur lachete/ und ihn sanftmuͤhtig erinnerte/ zube- denken/ daß er vor einem herschenden Koͤnige stuͤnde. Dagegen fing dieser an: Was hastu spitziger Lecker des unuͤberwindlichsten Pannonischen Koͤniges Gesanten und bestelleten Feldherrn zu rechtfertigen? Trauen wann ich dich am andern Ort haͤtte/ wuͤrde ich dir den zarten Arsch so weidlich abstreichen lassen/ daß du in vier Wochen des sitzens nicht froh werden soltest. Ich moͤchte wuͤnschen/ Eure Liebe haͤtten dazumahl meinen Herkules sehen sollen; das kan ich mit hoͤchster Warheit bezeugen/ daß weder vor noch nach der Zeit ich ihn so eiferig gesehen habe; es schien/ als haͤtten sich die Haare auff seinem Haͤupte auffge- richtet/ und spruͤtzete ihm das Blut aus Nase und Lippen; welches er bald abwischte/ sich vor meinem H. Vater in die Knie setzete/ und in Kindlicher Demuht untertaͤhnigst baht/ ihm Freyheit zu goͤnnen/ sich an diesem wilden Ochsen gebuͤhrlich zuraͤchnen. Niemand wuste/ was vor eine Rache er vor hatte/ und gab ihm mein H. Vater zur Antwort: Lieber Sohn Herkules/ du weissest/ daß ich dich eben so lieb habe als mein eigen Kind; aber du hoͤrest/ daß dieser ein Gesanter ist/ der nach aller Voͤlker Recht grosse Freyheit hat/ und se- he nicht/ was vor Rache du gegen ihn anstellen koͤntest/ sonsten wolte ich dir gerne zugefal- len seyn. Diese Antwort deutete er vor sich aus/ bedankete sich der gnaͤdigsten Erlaͤubniß/ und kehrete sich gegen den Pannonier/ ihn fragend/ ob er so viel Herzeus haͤtte/ daß er sich seines Gesanten Rechts auff wenige Zeit verzeihen/ und wegen angelegten Schimpfs ihm zu Ritters Recht stehen duͤrfte. Dieser/ wie auch mein H. Vater selbst/ meineten nicht anders/ er wuͤrde etwa einen Boͤmischen Ritter vermoͤgen/ sich gegen ihn gebrauchen zu lassen; und als jener mit einem hoͤnischen Gelaͤchter zur Antwort gab/ er solte nur ein Par stellen/ wann er an einem nicht gnug haͤtte; warff ihm Herkules seinen Handschuch mit diesen Fuͤnftes Buch. diesen Worten zu; So nim dieses Pfand auff/ du verwaͤgener Hund/ daß noch heut du oder ich vor freier Faust erschlagen werden muß. Mein H. Vater erschrak der Außfode- rung hoͤchlich/ stellete sich zwischen sie/ in meynung/ den ungleichen Streit auffzuheben/ dann wie duͤrfie ich vor deinem Vater erscheinen/ sagte er/ wann ich dir solches zuliesse? Er aber gab zur Antwort: Tausendmahl ehrlicher/ alsbald gestorben/ als diesen Schimpff auff mich ersitzen zulassen/ der von allen redlichen Rittern mir koͤnte Zeit meines Lebens vorgeworffen werden; wil auch meinen Eltern nicht unter die Augen kommen/ ehe und bevor ich mich an diesem Schaͤnder gerochen habe/ und solte ich ihn uͤber tausend Meile verfolgen. Bato verwunderte sich uͤber der Kuͤhnheit eines so jungen Menschen/ und mochte ihn vielleicht der vorigen Rede gereuen/ erboht sich auch gegen den Koͤnig/ die Tohrheit der Außfoderung dem Buben zuverzeihen; welchen Schimpff aber Herkules nicht verschmerzen wolte/ sondern trat hinzu/ und schlug ihn ins Gesichte/ daß ihm das Manl an der Seite ganz erroͤhtete/ da er zugleich sagete: Soltestu ungeschliffener Schelm einen gebohrnen freien Fuͤrsten vor einen Buben schelten/ der schon Waffen getragen hat? Der Pannonier taht/ ob wolte er von sinnen kommen/ fiel auff Herkules mit seinem Dol- che ein/ der sein blosses Schwert in der Faust hielt/ in welches jener schier rasend gelauffen waͤhre; aber die Trabanten wahren bald darzwischen mit ihrem Gewehr/ und redete mein H. Vater dem Pannonier hart zu/ er wuͤrde von seinem Koͤnige nicht befehlichet seyn/ die- sen gebohrnen Groß Fuͤrsten und naͤhesten Erben Teutschlandes vor einen Buben außzu- schelten/ und ihm mit Staͤnpruhten zu draͤuen. Nicht destoweniger wuͤtete er doch im̃er- fort/ und vermaß sich mit hoher Verfluchung/ diesen unabloͤschlichen Schimpff zu eifern; rieff auch meinem Herkules zu; du buͤbischer Tropff/ erinnere dich deiner Ausfoderung/ und bleibe nicht aussen/ ich wil mich dir splitternacket/ nur mit meinem Schwerte darftel- len und dir Schild und Harnisch goͤnnen; lieff die Steige hinunter in den Plaz/ zog sich nacket aus/ und band ein kleines Schuͤrztuch umb sich. Mein H. Vater wahr uͤber die masse betruͤbet/ redete Herkules hart ein/ man muͤste Koͤnigliche Gesanten nicht beschimp- fen/ ob sie gleich grob und ungeschikt waͤhren/ und wolte gerne eine Herrschaft drum geben/ daß er noch in Schweden saͤsse. Was geschehen ist/ antwortete er/ habe ich zur erhaltung euer Koͤnigl. Hocheit getahn/ und taͤhte es noch/ wans ungetahn waͤhre; sein Koͤnig wird ihm nicht befohlen haben/ eure Hocheit zubeschimpffen; oder hat ers befohlen/ muß an diesem Orte es gebuͤhrlich beantwortet werden; was fraget mein H. Vater nach dem Pannonier Koͤnige? und was hoͤret eure Hocheit die schimpfliche Anfoderung der begeh- reten Schatzung so geduldig an? ist dieselbe willens/ es einzugehen/ moͤchte mein Bruder Ladisla lieber eines Bauren Sohn seyn/ als dereins ein zinsbahres Koͤnigreich erben; wil sie es aber nicht eingehen/ so ist ohn zweiffel der Krieg schon so gewiß als angekuͤndiget. Jedoch habe ich hiervon nicht zureden; ich wil und muß meine Ehre wieder diesen Hund handhaben/ oder mein Schwert wieder mich selbst brauchen; mein H. Vater bedenke sich kurz/ welches unter diesen beyden er am besten zuverantworten habe. Meine Fr. Mutter kam geschwinde mit meiner Frl. Schwester darzu gelauffen/ weil das Unwesen ihr kund getahn wahr; sie fiel Herkules umb den Hals/ und mit vielem Weinen fragete sie/ ob er sie so un selig/ und bey seinen Eltern so verhasset machen wolte? aber sein jetziges Gemahl/ z iij wie Fuͤnftes Buch. wie jung und Kindisch sie wahr/ sagte hingegen: Herzen Fr. Mutter/ die Goͤtter werden meinem Herkules Schuz halten; aber viel besser ists/ ehrlich gestorben/ als schaͤndlich ge- lebet; Kehrete sich hernach zu Herkules/ und sagete zu ihm: Herzgeliebeter Oheim/ raͤcher den Schimpff/ oder ich wil ihn mit meinem Bogen an dem Pannonier raͤchen. Ja mein Frl. Wase/ antwortete er/ es sol gerochen/ oder gestorben seyn/ ehe ich dieses Schwert von mir lege. Ich ging hin/ meine Wasfen anzulegen/ dann meine Meynung wahr/ im falle Herkules den kuͤrzern zihen wuͤrde/ mich an seine Stelle zu setzen. Meine Eltern sahen/ dz es durchaus nicht wolte anders seyn/ goͤnneten ihm derwegen seine Freyheit/ mit der Be- dingung/ sie wolten vor seinen Eltern entschuldiget seyn. Ich folgete ihm gewapnet/ und ließ seinen Harnisch nachtragen; aber er hatte sich in ein Untergemach versperret/ uñ wie ich seinen Nahmen rieff/ antwortete er mir/ jezt wolte er auffmachen/ sprang auch Mut- terleibes nacket mit dem Schwerte heraus/ hatte sein Hembde entzweigerissen/ und ein Stuͤcke davon umb den Unterleib gebunden/ dessen ich trauen nicht wenig erschrak/ und ihn fragete/ ob er unwitzig waͤhre. Nein mein Bruder/ sagte er: Aber sihestu nicht/ daß der Hund auch entkleidet ist? was haͤtte ich vor Ehre/ wann ich geharnischt einen Nacketen erschluͤge? sagte kein Wort mehr/ als daß er die Augen gen Himmel kehrete/ und diesen kurzen Wunsch hinzu taht: Ihr Goͤtter/ straffet Hochmuht und Frevel/ der euch nie ge- fallen hat. Damit sprang er als ein Hirsch in den Plaz. Meine Eltern sahen ihn kommen/ dann sie hatten nebest dem Fraͤulein sich an ein Fenster gelegt/ und wie sie ihn so nacket da- her lauffen sahen/ fiel meine Fr. Mutter in tiefse Ohmacht. Der Pannonier hatte mit schmerzen auff ihn gewartet/ in meynung/ er wuͤrde sich entweder fürchten/ oder die Zeit mit bewapnung zubringen; wie er ihn nun mit so zartem Leibe uñ freien Augen daher ren- nen sahe/ merkete ich eine Verenderung an ihm/ ging doch eiferig auff ihn loß/ und sagte: Komstu zarter Lecker mit entbloͤssetem Leibe/ so muß ich dir deine Verwaͤgenheit zuerken- nen geben; hieb auch so erschreklich zu ihm ein/ als wolte er mitten durch ihn her schlagen; aber Herkules ging sehr behutsam/ welche Tugend ich allemahl am meisten an ihm gelo- bet habe/ und weich ihm diesen Hieb artig aus; und als sein Feind ihm nachtrat/ und den- selben Sreich wiederhohlete/ zog er den Leib tieff gekruͤmmet ein/ und schlug ihm mit dem Nachhiebe eine tieffe Wunde in die linke Schulder/ wiewol er oberhalb des Nabels von dem Pannonier ein wenig mit der Spitze geritzet ward/ daß etliche troͤpflein Blut heraus fielen. Jener hub sein Schwert auff/ ihm den Kopff zuspalten/ aber Herkules wahr mit einem Unterhiebe geschwinde fertig/ und traff ihm den rechten Ellebogen/ daß er sein Ge- wehr fallen ließ/ welches Herkules mit der Linken gerade auffhub/ und zu ihm sagete: Wie nun du wuͤtiger Hund/ bin ich noch dein ruhtenmaͤssiger Bube? bald ergib dich meiner Gnade/ so wil ich mich bedenken ob ich dir das Leben schenke. Dieses kunte derstolze Narr uͤber sein Herz nicht bringen/ sondern winkete seinen anwesenden Leuten/ ihm ein Schwert zu reichen; denen ich aber zurieff; dafern einiger sich unterstehen wuͤrde/ in diesen Kampff sich zu mischen/ solten sie alle in stuͤcken zerhauen werden; jedoch wahren dieselben so red- lich/ daß keiner sich ichtwas unterstund. Herkules vermahnete seinen Feind nochmahls/ sich heraus zulassen/ ob er Gnade begehrete/ aber jener lieff unbewehrt zu ihm ein/ und zuͤc- kete den Fuß/ ihn damit nider zustossen; worauff Herkules zween Schritte zurücke trat/ und Fuͤnftes Buch. und zu ihm sagte: Weil dich dann der hochmuhts Teuffel gar besessen hat/ mustu billiche Straffe annehmen; gab ihm darauff mit dem erworbenen Schwerte einen Querhieb in den dicken Wanst/ daß ihm das Gedaͤrm umb die Fuͤsse fiel/ fuͤhrete alsbald mit der Rech- ten einen kraͤfftigen Streich/ und schlug ihm den Schedel bey der Schulder glat hinweg/ daß er mit des niderstuͤrzen den Blute uͤber den ganzen Leib begossen ward/ da ich meine Frl. Schwester ruffen hoͤrete: Herzen Fr. Mutter/ erhebet euch/ der Pannonier ist schon erschlagen/ sein Gedaͤrm und Haͤupt liegen auff der Erde. Herkules in meiner und andrer Ritter begleitung trat hin zu der Pannonischen Schaar/ welche 30 Mann stark wahr/ und den Kampff angesehen hatten/ und redete sie also an: Dieser euer stolzer Herr/ da er von seinem Koͤnige außgeschicket wahr/ in dessen Nahmen bey meinem H. Vetter und Vater dem Boͤmischen freien Koͤnige etwas zuwerben/ hat mich/ einen gebohrnen Groß Fuͤrsten der Teutschen/ mit schmaͤhe Worten angetastet/ und da ich solches gebuͤhrlich beantwor- tet/ meiner zween im vollen Harnische gegen seinen nacketen Leib außgefodert/ dessen ich ihn/ wie ihr gesehen/ im auffrichtigen Kampff gelohnet habe; so nehmet nun eures schon nicht mehr so stolzen noch verwaͤgenen Herrn Kopf/ Rumpf/ Gedaͤrm/ Kleider/ Harnisch und Pferd zu euch/ nur sein Schwert behalte ich mir zum Gedaͤchtnis/ weil ichs ihm/ da er noch lebete/ aus der Faust gebracht/ und redlich erobert habe. Damit kehrete er mit beyden Schwertern umb nach dem Gemache/ seine Kleider anzulegen. Aber meine El- tern und Fraͤulein Schwester kahmen gleich mit grossen freuden herunter gelauffen/ und erschraken nicht wenig/ da sie ihn so blutig sahen; doch halff ich ihnen bald aus dem zwei- fel/ und befahl Wasser zubringen/ damit wusch meine Fr. Mutter selbst und meine Fraͤu- lein Schwester ihm das unsaubere Blut allenthalben ab/ dessen er sich zwar hefftig schaͤ- mete/ und sichs doch nicht entbrechen kunte. Die Pannonier wahren sehr betruͤbt und er- klaͤreten sich/ ihrem Koͤnige alles auffrichtig zuhinterbringen/ und ist derselbe des unfals so hart erschrecken/ daß er von der Zeit an/ so viel mir bewust ist/ sich nicht unternehmen duͤr- fen/ einige Schatzung zufodern/ wiewol ich mich eines gewissen Krieges mit ihm vermuh- ten bin/ welcher nicht wenig Blut kosten duͤrfte. Auff mein Vorhaben wieder zu kom̃en/ so entstund bey den meinigen ein solches Frolocken/ als nur die geringe Schramwunde sich an Herkules zeigete/ daß sichs schwerlich erzaͤhlen laͤsset. Mein Herr Va t er trat zu ihm/ da er noch nacket wahr/ uͤmfieng ihn freundlich/ und sagete: Mein teurer Sohn Her- kules/ goͤnnen die Goͤtter euch Gesundheit und Leben/ werdet ihr die Siege uñ den Ruhm turer ritterlichen Voreltern/ durch die eure verdunckeln/ und bey allen Menschen in ver- geß bringen; so befinde ich mich auch gehalten/ bey euch umb Verzeihung zu bitten/ daß diese eure Ehre zu hindern/ ich so emsig gewesen bin. Aber verzeihet mir mein Herr Bru- der/ sagte Ladisla zu Ataxerxes/ daß in Erzehlung dieses Streits ich mich so lange aufhal- te. Mein Herr Bruder/ antwortete er; nicht weniger hat mich die Erzehlung dieses Kampfes beluͤstiget/ als der neuliche/ welchen ich zwischen diesem teuren Held und dem Bauren Gamaxus mit Augen ansahe/ wil ihn auch erstes Tages in diesem grossen Gast- Saal auff sechs grosse Tuͤcher zu stetswaͤrendem Gedaͤchtnis abmahlen lassen/ so daß auff dem ersten Tuche des Pannoniers fehlhieb/ und Herkules gerader außwich; auff dem andern Herkules Bauch schram hieb/ und des Pannoniers linke verwundete Schul- der; Fuͤnftes Buch. der; auff dem dritten des Pannoniers rechte Ellebogen Wunde; auff dem vierdten/ dessen zum Stosse aufgehobener linke Fuß/ und außgeschuͤttetes Gedaͤ r me; auff dem fuͤnf- ten/ die Abschlagung seines Haupts; und auff dem sechsten und letzten/ euer liebe Frau Mutter und Frl. Schwester Abwaschung sol gesetzet werden. Aber ich moͤchte gerne wis- sen/ mit was Siegesgepraͤnge der Groß-Fuͤrst sein Herr Vater diesen seinen tapfern Sohn uͤmb solcher herrlichen Taht willen empfangen habe. Ach er hat ihn sieder dem/ und schon zwey Jahr vorher nicht gesehen/ antwortete Ladisla/ denn ob wir gleich sechs Tage heꝛnach dahin zu reisen willens wahren/ umritten wir doch zuvor mit meinem Herꝛn Vater die Boͤhmischen Grenzen Suͤdwertz/ die mit 6000. Mann solten besezt werden/ und als mein Koͤnigreich mit einem grossen Walde uͤmschlossen ist/ ritte ich mit Herku- les und fuͤnf Jungen vom Adel in dem Walde auf die Jagt/ stiegen ab/ und schliechen durch das Gestaͤnde den Hasen nach/ deren wir auch etliche fingen; wehrete aber nicht lange/ da sahen wir 12. Raͤuber von der Seiten herzuschleichen/ und hatten wir nichts als ein leichtes Seitengewehr und Jaͤgerspießlein zur Hand/ da hingegen jene mit guter Rüstung versehen wahren. Auf/ sagte Herkules zu mir/ uñ geschwinde nach unsern Pfer- den zu; und half das Ungluͤk mir so wol/ daß ich gerade auf meines kam/ und hinweg ran- te/ nicht anders gedenkend/ Herkules jagete hinter mir her/ weil ich unterschiedliche rei- ten hoͤrete; aber da ich einen guten Weg hatte fortgespraͤnget/ und mich umsahe/ folgeten mir nur vier Leibjunckern/ der fuͤnfte und Herkules wahren nicht zu spuͤren; und blieb ich doch guter Hofnung/ er wuͤrde sich bald finden/ oder einen andern Weg genommen haben. Endlich mißdauchte michs/ und schickete an meinen Herrn Vater daß er mir et- wa 50. Reuter senden moͤchte/ weil ich befuͤrchtete/ Herkules waͤhre unter Raͤuber Haͤnde gerahten. Es stund wol anderthalb Stunde an/ da kam mein Herr Vater selbst mit 200 Reuteꝛn/ wahr unmuhtig/ daß wir ohn Geselschaft uns so weit vertahn hatten/ uñ ritte mit mir nach der ungluͤklichen Stelle/ funden vor erst der unsern Pferde/ und bald hernach den Hofjunkern mit 15 Wunden erbaͤrmlich zugerichtet/ den wir aufs beste labeten/ uñ aus seiner schwachen Erzaͤhlung vernahmen/ Herkules und er haͤtten ihre Pferde nicht fan- gen koͤnnen/ waͤhren von 12 gepanzerten Pannonischen Raͤubern uͤberfallen/ da Herkules sich zur Wehr gestellet/ und er nach vermoͤgen ihm Beistand geleistet/ auch daruͤber also zugerichtet waͤhre; Es haͤtten aber die Raͤuber Herkules wegen seiner Schoͤnheit nicht wollen verwunden/ sondern ihn ermahnet/ sich zu ergeben/ sonst wolten sie ein abscheuli- ches Spiel mit ihm halten. Worauf er sich erklaͤret/ dafern ihm Lebens- und Ehren-Si- cherheit wuͤrde verheissen und gehalten werden/ wolte er sich gefangen geben/ und vor er- legtem Loͤsegelde von ihnen nicht abweichen/ welches sie ihm zugesagt/ uñ ihn zwischen sich hinweg gefuͤhret. Er selbst hatte zwar/ unangesehen seiner vielen Wunden/ mitgehen sol- len/ aber Herkules hette gebehten/ ihn liegen zu lassen/ weil ihm das gehen unmoͤglich waͤh- re/ er wolte/ weil er sein leiblicher Bruder waͤhre/ vor ihn mit bezahlen. Welches sie dann angenommen/ sich ins Gestraͤuche nach ihren Pferden begeben/ und mit vollem rennen sich davon gemacht. Mein Vater fragete mich/ wie lange es wol waͤhre; und als er ver- nam/ daß schon drey Stunden vergangen/ seufzete er tief/ schikte 192 Reuter in zwoͤlf glei- che Abteilung/ auf so vielen unterschiedlichen Wegen fort/ dem Huefschlag/ wo moͤglich/ zu Fuͤnftes Buch. zu folgen; er aber kehrete mit mir und den uͤbrigen uͤmb nach Prag/ und wie herzlich ger- ne ich gleich mit den Nachsuchern gezogen waͤhre/ muste ich doch gehorsamen/ uñ mit ihm reiten. Was vor Schmerzen ich nun wegen seines Verlusts in meiner Seel empfand/ ist unnoͤhtig zu erzaͤhlen/ und nahmen dieselben erst recht zu/ da die Außreiter nach einan- der wieder kahmen/ und alle nichts gewissers mitbrachten/ als daß sie nichts wusten. Der Groß Fuͤrst aus Teutschland schickete auch die andere Bohtschafft nach Prag/ daß sichs zwar mit seinem Gemahl ziemlich besserte/ aber sie nicht weniger ihres lieben Sohns Ge- genwart heftig begehrete/ weil die Pfaffen aus den Opfern und anderen glaubwirdigen Zeichen andeuteten/ Herkules müste dieses und folgende Jahr aus Teutschland nicht ge- lassen werden/ oder er wuͤrde in gotlose Geselschafft gerahten/ und zu einem neuen Aber- glauben verleitet werden/ wodurch er aller Teutschen Goͤtter Feindschaft und Straffen uͤber sich ziehen wuͤrde. Da wahr nun guter Raht bey meinen Eltern sehr teur; man kun- te seinen Verlust nicht verbergen/ und durffte ihn doch niemand offenbahren; Ich hinge- gen empfing gute Hoffnung aus des Schreibens Inhalt/ und sagte zu meinen Eltern; sol dann mein Herkules seine Goͤtter beleidigen/ wird ers nit tod/ sondern lebendig tuhn muͤs- sen; deswegen getraue ich mich/ ihn bald wieder zufinden/ wann mein Herꝛ Vater mir nur Urlaub gibt/ ihn zusuchen. Ich wolte mehr reden/ aber er fiel mir ins Wort/ und sagete: Schweige/ und laß dich das nicht vernehmen/ wo du sonst mein Sohn seyn wilt; Ists noch nicht gnug/ daß ich einen verlohren habe/ und solte dich darzu in die Rappuse geben? Zwar ich muste schweigen/ aber mein Schluß wahr schon gemacht/ darumb ging ich hin zu dem Teutschen Gesanten/ und sagte: Er solte Herkules Eltern meinen kindlichen Gruß ver- melden/ und sie bester massen troͤsten/ ich wolte nicht auffhoͤren zureiten/ biß ich ihn wieder gefunden haͤtte; machte mich hernach zu meiner Fr. Mutter/ und führete ihr zu gemuͤhte/ was Herkules Eltern wol gedenken wuͤrden/ daß ich ihn zusuchen mich so gar nicht bemuͤ- hete/ da er doch meinetwegen gefangen waͤhre/ und ich ihn zu der Jagt verleitet haͤtte; gab ihr nachgehends meines Herrn Vaters Hartnaͤckigkeit zuvernehmen/ und baht instaͤndig/ es mir nicht zuverargen/ daß ich heimlichen Abscheid nehmen wuͤrde/ nachdemmahl mir eine lautere Unmoͤgligkeit waͤhre/ ihn lebendig zuverlassen. Da mein Frl. Schwester/ die sider seinen Verlust kein froͤlich Auge auffgeschlagen/ mir zu huͤlffe kam; es waͤhre billich/ daß getraͤue Bruͤder einander in der Noht nicht verliessen/ und koͤnte ich ja mit so starker Begleitung gehen/ daß ich vor Raͤuber Anfall gesichert waͤhre. Meine Fr. Mutter aber hieß mich schweigen/ und wolte/ aus ursach/ daß ich einiger Sohn/ und der Vater zimlich schwach waͤhre/ mich von diesem vornehmen abschrecken; doch wie sie merkete/ daß alles umsonst wahr/ stellete sie mir koͤstliche Kleinot/ und ein ziemlich Stuͤk Geldes zu/ bewehrete heimlich 12 Ritter/ und vermahnete mich/ einen fremden Nahmen anzunehmen/ und mich vor einen vom Adel auszugeben/ als ob ich ein Teutscher waͤhre. Naͤhst kindlicher Dank- sagung/ versprach ich/ alles fleissig zubeobachten; hinterließ einen Brief an meinen H. Vater/ in welchem ich wegen meines heimlichen abreisens mich bester massen entschuldig- te/ und machte folgenden Morgens/ des neunden Tages nach seinem Verlust mit meiner Geselschafft mich zeitig auff/ nennete mich Winnibald/ und bin sider dem in mein Vater- land nicht wieder kommen. Nun ging meine Reise eben des Weges zu gutem Gluͤk/ dahin a a Herku- Fuͤnftes Buch. Herkules gefuͤhret wahr/ biß ich in den Pannonischen Grenzen anlangete/ da ich auff 11 Raͤuber traff/ welche fuͤnff Weibesbilder gefangen hatten/ und sie gleich schaͤnden wolten; Ich setzete mit meinen Leuten an sie/ und biß auff drey wurden sie nidergehauen/ von denen ich allerhand neues fragete/ und ob sie mir nicht Nachricht von einem wolgestalten Juͤng- linge geben koͤnten/ der umb die und die Zeit im Boͤhmer Walde von 12 Pannonischen Raͤubern gefangen waͤhre. Einer von ihnẽ bezeichnete mir alsbald den Ort/ und bekenne- te/ er waͤhre selber in der Geselschafft gewesen/ und haͤtte der schoͤne Juͤngling sich dermas- sen tapffer bezeiget/ daß sie ihn mehr vor einen Gott als Menschen schaͤtzen muͤssen/ daher sie sein nach Moͤgligkeit geschonet/ ihn auch endlich gefangen angenommen/ und durch lauter Abwege und Kruͤmme mit sich gefuͤhret/ des vorhabens/ ihn dem Pannonischen Koͤnige zu schenken; Aber vor vier Tagen waͤhre eine Roͤmische Schaar auff sie gestossen/ haͤtten den meisten Teil ihrer Leute nidergemacht/ und den Juͤngling mit sich gefuͤhret; mehr wuͤste er davon nicht zuberichtẽ. Ich ward dieser Zeitung uͤber die masse froh/ vorerst/ weil ich hoͤre- te/ daß er noch im Leben/ und vor dem Pannonischen Koͤnige sicher waͤhre; hernach/ daß ich Anleitung hatte/ an was Ort und Enden ich ihn suchen muͤste; begehrete demnach von die- sem/ er solte mich des Weges nach dem Roͤmischen Heerlager fuͤhren/ und guter Beloh- nung gewaͤrtig seyn. Hier gab ich mich bey einem Roͤmischen Ritmeister an/ mit meinen Leuten frey und ohn Sold unter ihm zudienen/ da mir vergoͤnnet seyn koͤnte/ allemahl nach getahner Auffkündigung abzuzihen; welches ich bey ihm leicht erhielt; dann wir gaben uns vor Teutsche vom Reinstrohm aus/ mit denen die Roͤmer Friede hatten. Meinem Ritmeister schenkete ich einen Ring von ungefehr 300 Kronen/ umb nachzuforschen/ ob nit eine Roͤmische Schaar/ 20 Reuter stark/ einen schoͤnen Teutschen Juͤngling von ehnge- fehr 19 Jahren/ zwoͤlff Pannonischen Raͤubern abgenommen; versprach ihm auch 2000 Kronen/ da er wieder gefunden/ oder ich nur Gewißheit erhalten würde/ wo er anzutreffen waͤhre/ sintemahl seine Mutter eine wolvermoͤgende Witwe ihn zu dem Ende in Lateini- scher und Griechischer Sprache haͤtte unterrichten lassen/ daß er dereins bey den Roͤmern sich in Dienste begeben solte. Dieser wahr ein geitziger Mensch/ der in seiner Jugend seine Guͤter verschwendet hatte/ und wieder etwas zuverdienen bemuͤhet wahr; aber er kunte durchaus nichts ausspüren; Ursach/ weil er nicht von Roͤmern dieses Heers/ sondern von einem zusammen gelauffenen Hauffen wahr gefangen/ die ihn/ weil er den Feinden abge- nommen wahr/ vor leibeigen gehalten/ und nach Rom an einen vornehmen Herrn/ nah- mens Zinna/ umb 4000 Kronen verkaufft/ der ihn nicht so sehr wegen seiner Schoͤnheit und gutten Sitten/ als daß er vor einen Bereiter und Schuͤtzen sich ausgegeben/ und ihm darin guten Beweißtuhm sehen lassen/ gekaufft hatte. Anfangs wahr dieser bitter-saure Mensch meinem Herkules sehr hart mit gefahren/ und seine Geduld zupruͤfen/ ihm manni- chen Schimpf bewiesen/ ihn mit Holtzhacken/ Wassertragen uñ grober Hausarbeit schweꝛ uͤberladen/ und nachdem er alles willig erduldet/ ihm etwas mehr Gnade erzeiget/ so daß er ausser der Pferde Abrichtung/ und Anweisung seiner Soͤhne im Schiessen und auff der Laute/ keine andere Arbeit verrichten duͤrffen. Dieser sein Herr Zinna hatte eine schoͤne Tochter/ ihres Alters im 15 Jahre/ die bald anfangs meinem Herkules gute Gewogenheit erzeiget/ und durch Vorbitte mannichen Unwillen von ihm abgewendet hatte; Nachdem sie Fuͤnftes Buch. sie aber je mehr und mehr Gunst gegen ihn gefasset/ hatte dieselbe sich in eine inbruͤnstige Liebe verkehret/ so gar/ daß sie nur immerdar Gelegenheit gesuchet/ seiner Gegenwart zuge- niessen/ woraus er zwar ihr Anliegen leicht gemerket/ aber sich allerdinge tumb gestellet/ und nach Moͤgligkeit die Gelegenheit geflohen/ mit ihr allein zuseyn/ oder weitlaͤufftige Spra- che zuhalten; Welches alles sie seiner Bloͤdigkeit/ Einfalt und Ehrerbietung zugeschrie- ben/ doch endlich beschlossen/ ihm ihre Liebe zuoffenbahren; worzu sich gute Bequemligkeit finden lassen; nehmlich H. Zinna wahr mit seiner jungen Frauen/ die er vor drey Jahren geheirahtet/ auff sein Landgut gefahren/ und hatte auff seiner Tochter Zezilien Bitte Her- kules befohlen/ sie zeit seines abwesens im Bretspiel zuunterrichtẽ/ welches er nicht abschla- gen duͤrffen. Es wahr aber der guten Jungfer umb dieses Bretspiel nicht zutuhn gewesen/ sondern da er zu ihr ins Gemach getreten/ wahr sie ihm/ ungeachtet es im Winter gewesen/ in duͤnner Sommerkleidung uñ reizender Bloͤsse entgegen gangen/ ihn auch nicht anders als einen Buhlen empfangen/ hatte anfangs aus Scham kein Wort reden koͤnnen/ biß sie sich erhohlet/ und also loßgebrochen: Mein geliebter Oedemeier (diesen Nahmen hatte er an sich genommen) haltet mir/ bitte ich/ nicht voruͤbel/ daß ich euch fragen darff/ von was Gebluͤt und Eltern ihr eigentlich entsprossen seyd/ dann ich kan nimmermehr glaͤuben/ daß euer Stand geringer als der meine sey/ angesehen der treflichen Schoͤnheit/ Sitten und Tugend/ die euch beywohnen/ und versichert euch/ daß ich diese Frage/ umb eure Gluͤkselig- keit zubefodern/ an euch gelangen lasse. Herkules hatte ihr zur Antwort gegeben: Er bedan- kote sich unterdienstlich der hohen Gunst/ damit ihre Hoch aͤdle Tugend ihm/ wiewol unwiꝛ- digem stets zugetahn gewesen/ und er nimmermehr zuverschulden wuͤste; Jn Betrachtung nun solcher Gewogenheit wolte er ihr begehren willig erfuͤllen/ wiewol er ihm sonst gaͤnzlich vorgenommen gehabt/ es keinem Menschen dieses Orts zuvertrauen/ weil er seiner Eltern Schande niemand gerne offenbahrete; Ich Oedemeier/ hatte er gesagt/ kan mich nicht er- innern/ daß ich jemahls Eltern gehabt/ massen ein Teutscher Pfaff/ da ich 29 Wochen alt gewesen/ mich aus Barmherzigkeit angenommen und aufferzogen; meine Ankunfft habe ich lange nicht erfahren koͤnnen/ biß etwa vor neun Jahren/ da ich mich mit einem Knaben in der Nachbarschafft zankete/ dessen Mutter darzu gelauffen kam/ gleich da ich denselben in den Koht niderstieß/ und sie aus Zorn mich eines erhenketen Diebes/ und ausgestriche- ner Mutter Sohn schalt/ welches ich meinem Pflege Vater zwar klagete/ aber er mir den geringen Trost gab/ ich solte mich daran nicht kehren/ das Weib waͤhre eine boͤse Haut/ die keines Menschen schonete/ der sie beleidigte; nach welcher Zeit ich mich schaͤmete/ nach mei- nen Eltern zufragen; Nun unterrichtete mich dieser Pfaffe im reiten/ schiessen/ und andern guten Kuͤnsten/ biß ich das 17de Jahr erreichete/ und darauff unter dem freyen Him̃el mich den Teutschen Goͤttern zur ewigen Muͤncherey und Jungfrauschafft durch erschrekliche Fluͤche verloben muͤssen/ uͤber welches Geluͤbde diese Goͤtter so fest halten/ daß wann ein sol- cher ein Weibesbild beruͤhret/ werden sie beyderseits entweder aussaͤtzig oder rasend/ wie man dessen unterschiedliche Begebnissen hat. Ich wundere mich der trefflichen Einfaͤlle/ sagte Artaxerxes/ in welchen dieser Fuͤrst sich so artig zufinden weiß; aber mit was unge- nehmen Ohren muß das verliebete Mensch solches angehoͤret haben. Wegen seiner unehꝛ- lichen Eltern/ sagte Ladisla/ hatte sie sich entfaͤrbet/ und daher ohn zweifel die Heyrahts Ge- a a ij danken Fuͤnftes Buch. danken fallen lassen; daß aber die Liebesbrunst hiedurch nicht geloͤschet worden/ hat ihꝛe wei- tere Nachfrage an den Tag gelegt/ da sie von ihm zuwissen begehret/ ob die Teutschẽ Goͤt- ter auch wol saͤhen und straffeten/ was zu Rom oder sonst ausser Teutschland geschaͤhe? worauff er geantwortet: Die Goͤtter/ denen er gewidmet/ waͤhren die Sonne und die Er- de; und soweit deren Gegenwart reichete/ so weit straffeten sie; dessen sie noch vor vier Jah- ren ein abscheuhliches Beyspiel haͤtten sehen lassen/ da ein solcher Verlobeter aus Veꝛdruß seines Geluͤbdes/ Teutschland verlassen/ und zu Schiffe nach Engeland sich begeben haͤtte/ der Meynung/ weil dieses eine andere Erde waͤhre/ durch das Meer von Teutschland abge- schieden/ wuͤrde er daselbst ungestraffet bleiben/ ob er sich gleich zu Weibesbildern halten wuͤrde; aber diese Einbildung haͤtte ihn sehr betrogen/ massen/ wie er sich das erste mahl ihr genaͤhert/ und nur ihre Brüste beruͤhret/ waͤhre seine Hand/ und des Weibes Busem von dem allerscheußlichsten Aussaz eingenommen/ auch sie alle beyde des Witzes beraubet/ dz sie als tolle Hunde auf deꝛ Gassen nacket umheꝛ gelauffen/ biß man sieaus geheiß eines Pfaffen haͤtte verbrennen muͤssen. Dieser Rede wahr die gute Jungfer hefftig erschrockẽ/ hatte ihrẽ Busem verhüllet/ und alle unbilliche Gedanken fallen lassen/ jedoch hoͤchlich beklaget/ dz die Goͤtter ihm seiner fast übermenschlichen Schoͤnheit Anwendung mißgoͤnneten/ damit sie ihn vor allen andern ausgezieret und volkommen gemacht haͤtten. Er aber darauf gesagt: Er wuͤste nicht/ was vor sonderliche Schoͤnheit an ihm waͤhre/ aber eben umb dieser Ursach willen/ daß auch die Pfaffheit ihn voꝛ schoͤn geschaͤtzet/ haͤtte er dieses Geluͤbde uͤber sich neh- mẽ muͤssen; dañ es wuͤrden nur die schoͤnsten/ und zwar aus den geringsten Leuten darzu er- waͤhlet/ weil die Reichen und Vornehmen sich dessen mit Gewalt entbrochen haͤttẽ. Wor- auff sie sich mit ihm zuspielen gesetzet/ und auff sein bitliches ansuchen ihm nicht allein seinẽ Stand zuverschweigen/ sondern ihm ferner nach wie vor alle Gunst und Freundschafft zu erzeigen/ angelobet. Dieses uͤbel wahr kaum vor zween Tagen abgewendet/ da hatte sich viel ein aͤrgers angesponnen/ also dz die Liebe/ so die junge Tochter verlassen/ sich in ihrer Stief- Mutter Brust gesetzet/ weil sie ohngefehr seines schoͤnen Leibes gewahr worden. So viel aͤlter nun diese wahr (eine Frau von 24 Jahren) so viel staͤrker hatten die Begierden sie ge- reizet/ daß wie des folgenden Tages H. Zinna ausgereiset/ sie Herkules vor sich gefodert/ und mit allerhand freundlichem Gespraͤch umher gehauen; endlich ihn umfangen/ und sol- cher gestalt angeredet: Du mein allerliebster Oedemeier/ nim wahr der hoͤchsten Gunst/ welche ich dir zulege/ und geneuß meiner Schoͤnheit nach unser beyder Lust/ dann du kanst dich in deinem Herzen ruͤhmen/ daß die Hochaͤdle/ darff auch wol sagen/ schoͤne Frau Sul- pizia/ dich in ihrem Herzen hoͤher haͤlt/ als den vornehmsten Herrn in ganz Rom. Herku- les hat mir beteuret/ er habe sich nie in so grosser Angst/ als dazumahl befunden; haͤtte auch nicht gewust/ was er antworten sollen/ biß er endlich sich begriffen/ vor ihr in die Knie gefal- len/ und diese Antwort gegeben: Gnaͤdige Frau/ ich demuͤhtige vor Ihrer Gn. mich bil- lich/ als ein gehorsamer untertaͤhniger Knecht/ demnach des Gluͤckes Widerwaͤrtigkeit mich zum andern mahl in den leibeigenen Stand gesetzet/ dem ich durch sonderliches Glük schon entrissen wahr; habe dannoch Gott hoch zudanken/ daß ich eine so gnaͤdige Frau uñ guͤtigen Herrn angetroffen/ bey denen ich wol gelitten und gehalten bin. Nun erzeiget Eu- re Gn. mir unwirdigẽ eine sonderliche Gunst und Liebe/ welche der Roͤmische Kaͤyser selbst nicht Fuͤnftes Buch. nicht ausschlagen wuͤrde/ da sie ihm nur werden koͤnte/ und ich daher mich derselben aller- dinge unwirdig erkenne; wiewol deren zugeniessen mein hoͤchster Wunsch ist/ wann nicht im siebenden Jahre meines Alters ich durch einen Ungluͤksfall meine Gesundheit verloh- ren/ und der Manheit beraubet waͤhre. Ich bitte aber lauter um Gottes willen/ diesen mei- nen Mangel keinem Menschen zuoffenbahren/ weil ich bißher aller Unbilligkeit frey bliebẽ/ auch lieber tausendmahl sterben/ als in einige Schande gehehlen wil; zweifele nicht/ Ihre Gn. werden mir ihrem gehorsamsten Knechte nicht minder nach wie vor gnaͤdig gewogen bleiben/ und sich versichern/ daß weder Pein noch einiges ander Mittel/ von mir bringen oder erzwingen sol/ wessen Eure Gn. sich anjezt gegen mich vernehmen lassen. Das un- barmherzige Ungluͤk sey verflucht/ hatte sie geantwortet/ das einen so volkommenen schoͤnẽ Leib geschaͤndet/ und der Manheit beraubet hat. Du aber hast sehr wol getahn/ daß du sol- ches bißher in geheim gehalten/ dessen doch mein H. Zinna von dir stark muhtmasset/ und wann ers wuͤste/ dich vor ein grosses Geld loßschlagen koͤnte. So behalte nun meine Redẽ in deinem Herzen/ ich wil deine Heimligkeit hinwiederumb vertuschen/ und dir allen guten Willen erzeigen. Diese Zusage hatte sie auch redlich gehalten/ daß er nach der Zeit fast Kindes gleich mit Kleidern und Speisen versehen worden. Doch hatte er stets besor- get/ sie wuͤrde nach der Warheit fleissiger Kundschaft legen/ und deßwegen ihm vergenom- men/ ein gut stük Geldes (welches er hernach reichlich erstatten wolte) seinem Herrn zu- entwenden/ und bey erster guten Gelegenheit davon zustreichen. Mich betreffend/ kunte ich in anderthalb Jahren nicht das geringste von ihm erfahren/ und wahr wol zuverwun- dern/ daß er sein Ungluͤk zuertragen/ sich selbst also halßstarrigte/ und es weder mir noch seinen Eltern zuwissen taht/ wiewol eure Liebe dessen Ursach hernach vernehmen wird. Die blosse Hoffnung/ seinen Zustand zuerforschen/ hielt mich die ganze Zeit in Roͤmischen Diensten/ und schrieb ich zwar etlichemahl an meine Fr. Mutter/ aber an was Ort ich mich auffhielte/ ließ ich sie nicht wissen/ sondern die Gelder muste sie mir auff Aquileja uͤberma- chen/ von dannen ich sie abhohlen ließ; was vor bekümmernis seine liebe Eltern erlitten/ daß sie so lange nichts von ihm in erfahrung bringen kunten/ ist leicht zuerachten/ weil er ihnen so ein lieber Sohn wahr. Doch wolte die Goͤttliche Versehung ihn der Welt end- lich wieder goͤnnen/ damit er das von dem Himmel ihm verlihene koͤstliche Pfund nicht in die Erde vergraben/ noch sein tugendergebenes Herz unter den Ketten der Leibeigenschaft ersticken moͤgte; dann nach verlauff 16 Monat/ nam mein Rittmeister einen Freireuter an/ der mich ohngefehr klagen hoͤrete/ daß ich einen Verwanten verlohren/ und zwar durch raͤuberische entfuͤhrung/ beschrieb ihn auch nach seiner Gestalt und Kleidung/ und erboht mich abermahl/ 2000 Kronen zugeben/ der mir seinetwegen nur etwas nachricht zuertei- len wuͤste; worauff dieser Reuter/ nahmens Minutius alsbald sagete: Er haͤtte vor fuͤnf- viertel Jahren den allerschoͤnsten und herzhafftesten Jungling der Welt/ 12 Pannonischẽ Raͤubern helffen abnehmen/ welchen sie nach Rom gebracht/ und daselbst umb 4000 Kro- nen verkauft hatten. Ich wuste nicht/ was ich vor freuden antworten solte/ hoͤrete alsbald/ daß es kein ander als mein Herkules seyn muͤste/ fragete alles fleissig nach/ uñ ließ die 2000 Kronen herlangen/ welche von mir anzunehmen ich ihn fast noͤhtigen muste. Das schlim- meste wahr/ daß er mir den Roͤmischen Kaͤuffer nicht zu nennen wuste/ wiewol ich der a a iij Hoff- Fuͤnftes Buch. Hoffnung lebete/ seinen ertichteten Nahmen zu Rom wol außzufragen/ und daß seiner Schoͤnheit und Tugend halben er wol bekant seyn wuͤrde; bald aber fiel mir ein/ er würde gewißlich schon Tod seyn/ weil er von Rom aus gute Gelegenheit gehabt haͤtte an mich zu schreiben nach Prag/ uñ doch dessen sich nichts fuͤnde; endlich speisete mich die Hofnung/ der Himmel wuͤrde ihm Schuz halten; ging zu meinem Ritmeister/ gab ihm zuverneh- men/ wie seine fleissige Nachforschung so viel gewirket/ daß ich meines verlohrnen Freun- des Zustand erfahren haͤtte/ schenkete ihm die versprochenen 2000 Kronen/ und wirkete damit Minutius loß/ welchen ich mit meines Herkules ehmahligen aͤdlen Leib diener Ek- hard (der sich stets bey mir auffhielt/ uñ unter der Zahl meiner 12 Reuter wahr) nach Rom schickete/ allen moͤglichen fleiß anzuwenden/ daß sie ihn nur außkundschaffen/ und mir ge- wisse Zeitung von ihm bringen koͤnten; welches ihnen des vierden Tages nach ihrer an- kunfft daselbst/ gelungen wahr. Dann Ekhard hatte ihn des morgens sehr fruͤh vor seiner Herberge sehen hergehen/ und in ein grosses ansehnliches Gebaͤu einkehren/ woselbst der Christen Gottesdienst in stiller geheim wahr gehalten worden. Er wahr ihm gefolget/ hat- te ihn aber unter der Versamlung nicht sehen koͤnnen/ biß die andern alle hinaus gangen/ und er fast allein auff den Knien sitzen blieben wahr/ auch mit auffgehobenen Haͤnden und fliessenden Augen sein Gebeht so inbruͤnstig verrichtet/ daß das Wasser ihm uͤber die Wan- gen auff die Erde gefallen/ deßwegen er nicht zu ihm gehen duͤrffen/ und vor mitleiden ge- weinet hatte/ weil ihm dergleichen anstellung niemahls zugesichte kommen wahr; endlich wahr ein alter ansehnlicher Lehrer zu ihm getreten/ der mit sonderlichem troste ihm zuge- redet; er solte in seinem schmerzlichen anliegen sich mit Geduld wapnen/ und im Gebeht nicht laß noch zweiffelhaftig werden/ sondern mit fester zuversicht sich auff Gottes Huͤlffe gruͤnden/ und versichert seyn/ das dessen alwissen des Auge seine Traͤhnen ansehen/ sie zaͤh- len/ in seinen Sak aufffassen/ und in gar kurzer Zeit sie in Lust und Freude verkehren wür- de. Worauff Herkules sich gegen diesen Alten sehr ehrerbietig erzeiget/ und mit froͤlichem Angesicht und lach enden Augẽ aus dem Hause hinweg gangen war/ da Ekhard mit diesen Worten zu ihm getreten: O Durchleuchtigster Groß Fuͤrst/ wes zeihen eure Durchl. sich an diesem Orte? koͤnnen die ihres lieben Ladisla so gar vergessen/ daß sie demselben ihr Le- ben und Zustand nicht eins kund machen? Ja koͤnnen die sich ihrer Eltern und Geschwi- steren so gar begeben/ als ob sie nicht mehr in der Welt waͤhren? eure Durchl. kan nim- mermehr glaͤuben/ was vor Angst Fuͤrst Ladisla sider ihren Verlust erlitten/ und von der Zeit her biß auff diese Stunde sich unter einem schlechten Ritmeister in Roͤmischen dien- sten bey dem Roͤmischen Grenz Heer auffgehalten/ nur daß er einige Kundschaft von euer Gn. einzihen moͤge/ zu welchem Ende dann er mich außdruͤklich hieher gesand hat. Herku- les wahr ihm um den Hals gefallen/ und hatte geantwortet: O du mein getraͤuer Ekhard/ wie treffe ich dich alhie zu so gluͤklicher Stunde an? meinestu aber/ daß du mit Fuͤrst Her- kules aus Teutschland redest? O nein! sondern mit Oedemeier/ einem verkaufften Knecht und Leibeigenen Sklaven/ (wie diese Kette es außweiset) welcher mañichen herben Trunk der Knechtischen Bitterkeit eingesoffen/ und ihm Gott Lob eine zeitlang so gut worden ist/ daß er sein Brod/ wiewol als ein Knecht mit abrichtung der Pferde verdienen koͤnnen. Hier auff hatte Ekhard angefangen uͤberlaut zuweinen/ und gefraget/ warumb er doch an seine Fuͤnftes Buch. seine Eltern/ oder an Fuͤrst Ladisla in so geraumer Zeit nicht geschrieben/ daß man ihn aus diesem elenden Stande der dienstbarkeit heraus gerissen haͤtte/ welches ja leicht geschehen koͤnnen/ inbetrachtung/ daß beydes sein H. Vater und der Boͤmische Koͤnig mit dem Roͤ- mischen Reiche frieden haͤtten. Da er ihm zur Antwort gegeben; Ich haͤtte es gerne/ und mit leichter muͤhe tuhn koͤnnen/ waͤhren nicht zweierley im wege gestanden; als erstlich ha- be ich gezweifelt ob ich auch noch Eltern/ und einen Ladisla haͤtte; hernach und vors an- der ist diese jetzige Knechtschaft meiner Seele viel ertraͤglicher und behaͤglicher als mein ehemahliger Fuͤrstenstand/ gestaltsam ich hiedurch zur seligen Erkaͤntnis des einigen wah- ren Gottes kommen bin/ und mein ehemahliges unruhiges Gewissen dermassen fest ge- ankert habe/ daß die ganze Welt mir so hefftigen Sturm nicht erwecken sol/ welchen mit hülffe meines Gottes zuhintertreiben und zu uͤberwinden ich nicht solte bestand seyn. Ek- hard hatte diese Rede teils nicht verstanden/ teils vor grossen freuden nicht beobachtet/ sondern ihn gebehten/ mit nach seiner Herberge zu gehen/ und nach eingenom̃enem Fruͤh- stuͤcke/ heimlich davon zu reiten; welches er ihm vor der Faust abgeschlagen/ einwendend/ er wuͤrde vielleicht nicht allein seinen Eltern/ sondern auch seinem Ladisla selbst ein unge- nehmer Gast seyn/ wann sie erfahren solten/ daß er die Teuflischen Abgoͤtter der Teutschen und Boͤhmen verleugnet/ und dagegen den Christlichen Glauben angenommen haͤtte; er liebete zwar seine Eltern und Ladisla von Herzen/ koͤnte aber zu ihnen nicht hinüber reisen/ ehe und bevor er versichert waͤhre/ daß sie ihn wegen seines neuen Glaubens nicht zuhas- sen/ sondern ihm denselben frey zu lassen sich redlich und auffrichtig erklaͤren wuͤrden. Je- doch wahr er mit ihm in die Herberge gangen woselbst er zwey Schreiben/ eines an mich/ das ander an seine Eltern auffgesetzet/ und mit ihm Abscheid genommen/ er wolte sein er ehist wieder gewaͤrtig seyn/ und aus Ladisla Antwortschreiben schon sehen/ wessen er sich zu verhalten haͤtte. Auch wahr er des Minutius gewahr worden/ den er alsbald gekant/ uñ zu ihm gesaget: O der gluͤkseligen Stunde/ in welcher ihr mich zu Rom verkaust habet; weil ich dadurch zu der einig/ wahren Glükseligkeit gerahten bin. Nun hatte Ekhard ger- ne von ihm wissen wollen/ auf was Gasse sein Herr wohnete/ und wie dessen Nahme waͤhre; welches er ihm aber abgeschlagen/ mit dem versprechẽ/ er wolte ihn in diesem Hause schon finden/ wann er wieder kommen wuͤrde/ und koͤnte er alsdann seinen Nahmen mit Roͤhtel- stein an die Haußtuͤhr schreiben. So bald diese beyden wieder bey mir anlangeten/ wahr meine erste Frage/ ob mein Herkules annoch im Leben waͤhre; worauff mir Ekhard zur Antwort gab: Das aͤusserliche an ihm lebet ja noch/ aber das Gemuͤht ist gar verschlim- mert/ daß ich ihn kaum vor Fuͤrst Herkules halten kan; massen es scheinet/ als habe die Knechtische Dienstbarkeit seinen Fuͤrsten-muht gefesselt/ und ihm ein Sklaven Herz ein- gegossen. Ich ward dieser Rede so unwillig/ daß ich mich an dem Zeitungs-bringer schier vergriffen haͤtte/ welcher doch auff sein Wort bestund/ ich wuͤrde es selbst also befinden/ wo sonst das Schreiben mit seinen Reden uͤberein stimmete. Die Auffschrifft hatte er auff Ekhards Raht nach meinem willen gemacht/ aber da ichs brach/ wunderte ich mich nicht wenig des befremdlichen Inhalts. Ich fing an zu lesen/ legte es bald hinweg/ und nam es bald wieder zu mir/ dann ich kunte vor Herzenprast es weder durchbringen noch zureissen. Die Hand wahr mir gnug bekant/ aber der Begriff weder nach meinem/ noch nach seinem ehmah- Fuͤnftes Buch. ehmahligen Sinne; uñ weil ichs nachdem wol hundertmahl gelesen/ habe ichs von Wort zu Wort behalten/ daß ichs muͤndlich erzaͤhlen kan. Dem Durchleuchtigsten Fuͤrsten und Herrn/ etc wuͤnschet der von Gott erleuchtete Herkules Gottes Barmherzigkeit/ zur heilbringenden Erkaͤntniß des Christlichen Glaubens. Ich ehmahls unseliger ewig-verdammeter Fuͤrst Herkules/ jezo angenehmes Kind Gottes/ wiewol vor der Welt verachteter leibeigener Knecht Oedemeier/ habe/ GOtt Lob! GOtt Lob! dereins funden/ was mein Herz von Jugend auff zum hoͤchsten gewuͤnschet; die Erkaͤntniß des einigen wahren Gottes/ und das erquikliche Seelenliecht/ welches meinen blinden Verstand erleuchtet/ und mir den schmalen Weg nach dem Himmel gezeiget hat. O Gluͤk! O Seligkeit! O du angenehmes Rom! O du suͤsse Knecht- schafft! die mich zum freyen Himmels Fuͤrsten gemacht/ und aus dem Rachen des Teuffels und des hellischen Feuers loßgerissen hat. Verzethet mir/ Durchleuchtigster Fuͤrst/ daß ich verstossener Knecht diese meine hohe Vergnuͤgung vor eurem annoch unverstaͤndigem Herzen ausschuͤtte. O JEsus/ wie erquiklich bistu! O Welt/ wie verfuͤhrisch bistu! O Suͤnde/ wie graͤulich bistu! O Verdamniß/ wie er- schreklich bistu! Das verfuͤhrische lerne ich Gott Lob meiden; das graͤuliche/ so ich neben euch vor die- sem geliebet/ hassen; des erschreklichen bin ich gar loß worden/ durch die Erkaͤntniß des allerkraͤfftigst- suͤssen Nahmen JEsus. Die Liebe dieses Nahmens/ hat alle Ehrenpracht und Herligkeit der Welt/ zu meinen Fuͤssen geworffen; dann ich sehe und empfinde/ daß ausser diesem JEsus/ solches alles ein Dunst und Rauch/ ja eine Rennebahn ist zur hellischen Verdamniß; daher dann mit meinem JEsus ich viel lieber ein leibeigener Knecht/ als ohn ihn ein Kaͤyser des ganzen Erdbodems seyn wil. Zwar ich waͤhre annoch herzlich gerne des Groß Fuͤrsten aus Teutschland lieber Sohn; des Boͤhmischen Fuͤrsten vertraueter Bruder/ wann sie meinen JEsus leiden/ und mich deswegen nicht hassen wolten/ daß ich das teuflische Geschmeiß aller Teutschen und anderer falschen Goͤtzen verfluche/ und dagegen den einigen Gott/ welchen sie nicht kennen/ anbehte und ehre; aber koͤnnen sie mir solches nicht goͤn- nen/ so verleugne und hasse ich Vater und Mutter/ Bruder und Schwester/ auch meinen Ladisla/ und begebe mich meines vaͤterlichen Erbes in Ewigkeit/ ob gleich meine leibliche Augen ihre Traͤhnen taͤg- lich vergiessen/ daß ich sie meiden muß. Dieses einzige zuwissen veꝛlanget mich herzlich/ ob Ladisla den jeztbeschriebenen Herkules leiden und lieben/ und die alte Vertrauligkeit mit ihm weiter bauen; ja ob er nicht allein einen Christen umb sich leiden/ sondern dessen getraͤuem Raht zur Seligkeit auch fol- gen koͤnne/ damit ich ihn als einen/ O weh/ O weh! ewig verdamten nicht beweinen muͤsse. Nichts su- chen meine Traͤhnen so hefftig/ als bey Gott zuwirken/ daß der teure Fuͤrst Ladisla/ der weltliche Tu- gend/ daran er wol tuht/ so hoch liebet/ auch das himlische Liecht ergreiffen/ und den Christlichen Glau- ben annehmen moͤge/ welches dann wuͤnschet und flehet desselben ehmaliger getraͤuer Welt-Bruder/ anjetzo inbruͤnstiger Vorbitter zu Gott/ Odemeier der Leibeigene. Nach verlesung muste ich selbst Ekhard fragen/ ob er auch der warhaffte Herkules waͤhre/ und wann ers waͤhre/ ob er dann seinen Verstand und Wiz noch haͤtte. O ja/ ant- wortete er; freillch ist ers/ aber nicht der vorige; so hat auch seine angebohrne Leutseligkeit nich abe/ sondern treflich zugenommen/ aber seine Reden sind nur von himlischen Dingen/ die seinem vorgeben nach er zu Rom gelernet/ und dadurch in die allerhoͤchste Gluͤkselig- keit versetzet sey; wann er hierauff zu reden komt/ stehet er/ als ob sein Geist verzuͤcket wer- de; die Augen wissen nicht/ wie sie des Herzen Freude gnug wollen zuerkennen geben/ und trieffen ihm mit lauter Freuden-Traͤhnen. Einen fremden Nahmen/ JEsus/ fuͤhret er viel im Munde/ und wann er ihn nennet/ bewaͤget sich sein innerstes. Er beuget die Knie/ er falzet die Haͤnde/ er schlaͤget die Augen auff gen Himmel/ und meinete ich in der War- heit nicht anders/ als daß ich einen Engel vor mir stehen saͤhe. Es muß ja eine sonderliche Kraft in diesem Nahmen seyn; dann wañ er ihn nennete/ klang er mir in den Ohren so lieblich Fuͤnftes Buch. lieblich/ und mein Herz bewaͤgete sich in meinem Leibe/ daß ich schier willens wahr/ ihn zu bitten/ daß er mir sagen moͤchte/ was diß vor ein süsser Nahme waͤhre. Aber diese Erzaͤh- lung wolte bey mir nicht wirken/ sondern meinete gaͤnzlich/ Herkules muͤste durch Zaube- rey auff diesen Weg gebracht seyn; machete mich demnach zu einem gelehrten Roͤmer/ meinem guten bekanten/ und gab ihm zuverstehen/ ich wuͤrde berichtet/ daß zu Rom ein neuer Glaube seyn/ und die sich darzu bekenneten/ Christen solten genennet werden/ welche einen fremden Nahmen/ JEsus/ viel im Munde fuͤhreten. Aber dieser mahlete mir die Christen (wiewol mit hoͤchster Unwarheit) solcher gestalt ab/ daß ich mich davor entsetzete; nehmlich/ es waͤhre derselbe JEsus ein verfuͤhrischer Jude gewesen/ haͤ t te durch teuflische Kuͤnste (Gott verzeihe mir die luͤgenhaffte Erzaͤhlung) viel Wunderzeichen sehen lassen; noch haͤtten die verfuͤhrete so fest an ihm gehalten/ daß nach seinem Tode sie sich durch alle Laͤnder ausgebreitet/ und vorgeben duͤrffen/ der erhenkete JEsus waͤhre wieder lebendig worden/ und gen Himmel gefahren; Ja/ sagte er/ sie duͤrffen zu Rom selbst sich finden las- sen/ da sie frühzeitig eingenestet/ und verfuͤhren daselbst mañichen Menschen/ Adel und Un- adel; und ob man gleich viel Mühe anwendet/ sie abzuschaffen/ ist es doch bißher vergeblich gewesen. Man saget sonsten von diesen Leuten sehr abscheuhliche Dinge/ und unerhoͤrete Schande/ welche sie in ihren Versamlungen in grosser geheim begehen sollen/ daß auch die Goͤtter/ die von ihnen nur verspottet und geschaͤndet weꝛden/ ihreth alben manniche straffen uͤber Rom und ihre Laͤnder ausgegossen haben/ und die Obrigkeit nicht umhin koͤnnen/ das Schwert uͤber sie zuzücken/ und als das allerschaͤdlichste Unkraut sie auszurotten. Wie? fragete ich; hat man sie dann nicht daͤmpffen/ und im ersten Grase abhauen koͤnnen/ ehe sie den reiffen Unkrauts Samen uͤberal streueten? Man hat es offt versuchet/ gab er zur Ant- wort/ und sie bey hundert und tausenden hingerichtet daß die Menge fast unzaͤhlig ist; aber nichts hats gewirket; dann dieser Gifft ist viel zustraͤnge. Hoͤret mein Herr/ ich habe es mit meinen Augen nicht ein/ sondern wol hundert mal angesehen/ fuhr er fort/ daß wann ein Christ zu der allergrausamsten Pein hingefuͤhret wird/ er nicht allein freudig als zum Tan- ze dahin ging/ sondern seine Glaubensgenossen/ die umb ihn wahren/ vermahneten ihn zur Bestendigkeit/ er solte den kurzen Tod und Fleisches Leiden nicht fuͤrchten/ sondern um des Nahmen JEsus willen alles gerne ausstehen; und wann diese Troͤster mit angegriffen wurden/ wegerten sie sich dessen nicht/ sondern wahren alsbald fertig/ sungen und behteten mit/ nicht allein erwachsene Mannesbilder/ sondern auch Weiber/ Jungfrauen/ Knaben/ Maͤgdlein/ Herr und Knecht durcheinander/ erzeigen hie gleichen Muht/ und lassen sich immerhin henken/ koͤpfen/ brennen/ kreuzigen/ geisseln/ und auff der Folter recken/ biß ihnen die Seele ausfaͤhret dann hiedurch/ sprechen sie/ werde ihnen eine unvergaͤngliche Krone aufgesetzet/ daß sie mit ihrem Gott ewig herschen sollen. Verwundert mein Herr sich des- sen? ich sage ihm mehr/ welches viel tausend mit mir bezeugen muͤssen; offt wann diese an ihrem Leibe dergestalt zugerichtet werden/ daß man abscheuh daran traͤget/ bitten sie GOtt vor die/ so ihnen solches antuhn/ und werden offt unter den Zusehern etliche durch ihre be- staͤndigkeit bewogen/ alsbald zu ihnen zutreten. Ists nicht zuverwundern? wann der Rich- ter auf dem Stuel sitzet/ die Henkersknechte neben sich hat/ und die Urtel uͤber die Christen ausspricht/ kom̃en andere mit hauffen herzugelauffen/ uñ meldẽ sich an/ sie seyn auch Chri- b b sten; Fuͤnftes Buch. sten; Dann sie halten die Verleugnung ihres Glaubens vor die allerschreklichste Suͤnde/ die ein Mensch begehen koͤnne. Daher ists offt kommen/ daß der Richter hat muͤssen auff- hoͤren die Urtel zuvolstrecken/ damit die Landschafften von Leuten und Inwohnern nicht gar oͤde wuͤrden. Was der Kaͤyser und seine Grossen offt vor Muͤhe hiemit gehabt/ stehet nicht auszusagen/ aber endlich hat man befunden/ daß der Christenhauffe durch Verfol- gung nur zunehme; dann auch der Roͤmische Raht selbst hat unter sich/ die diesem Glau- ben zug tahn sind; der jetzige Kaͤyser Alexander goͤnnet ihnen Ruhe/ und haͤlt ihren JE- sus mit vor einen Gott; aber weil er andere Neben-Goͤtter hat/ wird er nicht vor einẽ Chri- sten gehalten/ wiewol seine Mutter Fr. Mammea eine Christin seyn sol. Ich erschrak die- ser Erzaͤhlung sehr hart/ und hielt meiner damahligen Meynung nach/ das Christentuhm vor eine lautere Bezauberung/ welche des Menschen Wiz und Verstand hinweg naͤhme/ fragete auch/ ob man dañ kein einiges Mittel wuͤste/ ihrer etliche von dieser Verführung ab- zubringen. Ja/ sagte er/ es begibt sich offt/ daß man etliche/ die in dem Irtuhm nicht so gar tieff ersoffen/ mit harter Bedraͤuung und angelegter Pein auch Unterweisung der Gelehr- ten/ wieder zurechte bringet; aber die sind mehrenteils die ganze Zeit ihres Lebens traurig/ und gehen/ als waͤhren sie erschlagen; komt ein Christ zu ihnen/ der ihnen Hoffnung ma- chet/ ihr JEsus wolle sie wieder annehmen/ da gehet es dann tausendmahl heftiger als voꝛ- hin/ lauffen ungefodert nach dem Richter/ und bekeñen/ daß sie durch vorige Verlaͤugnung sich hoch versuͤndiget haben; Zeuhet man sie dann zur Straffe/ so gehen sie mit groͤsserer Freude zum Tode/ als eine Jungfer zum Tanze; Jedoch haben wir etliche/ die nicht allein v o m Christentuhm wieder abgetreten sind/ sondern auch bestaͤndig bey uns verharret/ und den Christen viel Schimpffs angelegt haben. Ich kunte der Erzaͤhlung laͤnger nicht zuhoͤ- ren/ sondern stellete ein Schreiben an Herkules/ in welchem ich ihm hart verwieß/ dz er mir den Bruder Nahmen entzogen haͤtte; seine Knechtschafft irrete mich nicht/ nur truͤge ich ein herzliches Mitleiden mit ihm/ daß er durch den neuen Aberglauben bezaͤubert/ und sei- nes unvergleichlichen Fuͤrstenmuhts beraubet waͤhre/ hoffete/ er wuͤrde davon abstehen/ der Pfafferey sich entschlagen/ und aller Ungebuͤhrligkeit/ die den Christen einhellig nach- gesagt wuͤrde/ muͤssig gehen/ damit er nicht als ein Ubeltaͤhter dürffte hingerichtet werden. Seiner angenehmen Antwort hierauff wolte ich erwarten/ in welcher er des weitlaͤufftigẽ Predigens sich enthalten/ und mir schreiben moͤchte/ ob er Ritterlichen uͤbungen den Kauf noch nicht gar aufgesagt/ dann wolte ich bald bey ihm seyn/ ihn der Leibeigenschafft beneh- men/ und was weiter anzufangen waͤhre/ mit ihm abreden. Das Schreiben/ so er an seinẽ Herr Vater getahn/ ließ ich nach Aquileia bringen/ von dannen es nach Teutschland kam/ woran ich doch unweißlich handelte; dann so bald der Groß Fuͤrst es gelesen/ und seines Sohns Christentuhm/ auch daß er die Teutschen Goͤtter so heftig schalt/ vernommen/ hat ers mit seinen Pfaffen und aͤdlen in Raht gezogen/ sich heftig darüber geeifert/ und meinen Herkules des Erbes entsetzet/ biß dahin er sich eines andern bedenken/ und den Goͤttern vor erwiesenen Schimpff Abtrag machen wuͤrde. Solches hat er ihm nach Rom zugeschrie- ben/ welches er auch vor meiner Ankunfft daselbst/ empfangen hat. Mein Antwort Schrei- ben sendete ich ihm bey Ekhard schleunig zu/ und stieß mir folgenden Tages ein Gluͤk zur hand/ welches zu seiner Befreyung mir hernach wol dienete. Es gab sich ein gewaltiger Pan- Fuͤnftes Buch. Pannonier in unserm Lager an/ der nach abgelegter Werbung/ wozu er ausgeschikt wahr/ mit schimpfflichen Worten fragete/ ob nicht etwa ein streitbahrer Roͤmer Lust haͤtte/ einen Gang mit ihm zu Roß oder zu Fuß zuwagen/ moͤchte er dessen Manheit gerne empfinden; Bald ließ sich ein Haͤuptman angeben/ welcher den Schwertstreit zufusse mit ihm antrat/ aber den kuͤrzern zog/ so daß dieser unverletzet blieb; dessen er sich nicht wenig ruͤhmete. Sol- ches verdroß einen Roͤmischen Ritmeister heftig/ setzete sich zu Pferde/ und foderte ihn aus; hatte aber schlechter Gluͤk als der vorige/ massen er mit dem Speer durch den Unterleib ge- rennet ward/ daß er des andern Tages verschied. Unser Feldherr Dio ward dessen sehr be- truͤbet/ daß die seinen solchen Schimpf einlegeten/ da hingegen des Pannoniers Troz nur zunam/ weil er seine Streiche sehr ungeheur fuͤhrete. Der verwundete wahr mein sonder- licher Freund/ welcher/ als ich ihm auffhalff/ fragete/ ob niemand ihn raͤchen wolte. Dio selbst trat hinzu/ und taht Verheissung/ der Uberwinder an diesem Pannonier solte einer sonderlichen Roͤmischen Gnade gewaͤrtig seyn; daher ich mich erboht einen Ver s uch mit ihm zutuhn; wovor er mich nicht duͤchtig ansahe; welches mir nit wenig zu Haͤupte stieg/ und mich daher erklaͤrete/ weil ich nur ein Frey Reuter waͤhre/ und keine Roͤmische Gelder hoͤbe/ dem Pannonier vor mich selbst nachzufolgen/ und mein Heil an ihm zuversuchen/ de- ro behuef ich von meinem Ritmeister Erlassung begehrete; worauf mir der Kampf gerne erlaͤubet ward; ging hin zu dem Trotzer/ und sagete: Nicht deine Manheit/ sondern der blosse Unfall hat deine Gegener erleget/ und wann mirs nichtschimpflich waͤhre/ einen aus- zufodern/ der schon mit zween gekaͤmpffet/ muͤstestu oder ich der dritte erleget seyn. Ja/ ant- wortete er mir/ wann du dich selb ander stellen wilt/ wil ich diꝛ zugefallen seyn/ weil du in dei- ner Jugend so viel herzens hast/ dich mit einem Manne zuschlagen. Nun hoͤre ich/ sagte ich hinwieder/ daß in dir weder Tugend noch scham ist/ weil du die Ruhmraͤtigkeit zum Schil- de brauchest/ darumb mache dir die gewisse Rechnung/ daß du mit mir an den Tanz must; hastu dich aber heut abgemattet/ so ruhe aus biß morgen fruͤh/ laͤnger gebe ich dir keine frist. Dio selbst ließ mir treffliche Waffen/ und ein festes Pferd bringen/ und sagte zu mir: Teut- scher Ritter/ dafern euer Nahme Winnibald mit der Taht einstimmen sol/ werdet ihr den schoͤnen Sieg bald gewinnen/ wozu ich euch Gluͤk wil gewünschet haben. Der Pannonier aber hielt meine Rede vor gar zu trotzig/ und fing an/ sich bedraulich vernehmen zulassen/ wie er mich zurichten wolte; dessen ich wenig achtete/ die Waffen anlegete/ und ihn mit die- sen Worten anredete: Laß nun sehen/ ob dein Speer und Saͤbel so wol stossen und schnei- den kan/ als dein Maul groß sprechen; Wir begegneten einander zum drittenmahl/ ohn ei- nigen Sattelwank/ aber im vierden Satze half mir das Gluͤk/ daß er stuͤrzete/ und sich doch wieder zu Pferde setzete/ ehe ich bey ihm anlangete. Da musten nun die Schwerter nicht feyren/ und trieben wir uns eine halbe Stunde umb/ daß das Blut beyderseits sich sehen ließ/ biß endlich ich ihm den Helm loͤsete/ und mit einem Schnitte ihm die Gurgel oͤffnete/ daß er ruhig ward/ wiewol ich zwo zimliche Fleischwunden davon brachte. Nach erhalte- ner uͤberwindung warff Dio mir eine trefliche Kette umb den Hals/ und nante mich den Teutschen Sieger/ versprach mir das Roͤmische Buͤrger Recht/ und machte mich zum Ritmeister an des toͤdlich verwundeten Plaz/ der seinen Feind noch vor seinem Ende stuͤr- zen sahe/ und aus Dankbarkeit mir sein Leibpferd/ welches uͤberaus wol gewand wahr/ veꝛ- b b ij machete. Fuͤnftes Buch. machete. So bald ich verbunden wahr/ nam ich meines Herkules Erloͤsung in acht/ und setzete ein Schreiben auff an Herrn Dio/ in welchem ich untertaͤhnig baht/ mir mit einer Vorschrifft behuͤlflich zuseyn/ daß mein zu Rom verkauffter naher Anverwanter mir gegẽ Erlegung eines gnugsamen Loͤsegeldes/ unwegerlich moͤchte abgefolget werden/ weil er nit im Streite gefangen/ sondern durch Raͤuberhand entfuͤhret waͤre/ gleich da er mit mir auf der Reise gewesen/ sich in Roͤmische Dienste zubegeben. Worauff er mir einen offenen Brie f an Kaͤyserl. Hocheit zustellete/ dieses Inhalts: Demnach Zeiger dieses/ Winnibald/ Teutscher aͤdler Ritter einen verwaͤgenen Pannonier im absonderlichen Kampff ritterlich erleget/ und dadurch verdienet hat/ daß er nicht allein mit dem Roͤ- mischen Buͤrgerrecht/ sondern auch andern Kaͤyserlichen Gnaden angesehen werde/ und aber zur Er- stattung seiner Dienste/ nur seines ohn ursach gefangenen und verkaufften Freundes Oedemeiers Er- loͤs- und Befreyung bittet/ als wird Kaͤyserl. Hocheit hiemit von mir untergezeichnetem allerunter- taͤhnigst ersuchet/ ihm darin allergnaͤdigste Huͤlffe zuleisten/ welche ich wol versichere/ daß Zeit meiner Feld Herrschafft ein so grosser Trotzer uud verwaͤgener Pannonier sich nicht finden lassen/ als der durch dieses aͤdlen Ritters sieghaffte Faust gebendiget und erschlagen ist; solte aber Kaͤyserl. Hoch- heit nicht belieben/ das Loͤsegeld aus gemeinem Seckel zuerlegen/ erbiete ich mich/ es von dem meinen als eine schuldige Dankbarkeit auszuzahlen. Dio. Als ich an meinen Wunden genesen wahr/ stellete Ekhard sich wieder ein/ berichtete/ wie hoͤchlich Herkules uͤber meiner unverruͤkten Liebe sich erfreuete/ und lieferte mir sein Schreiben/ ohngefehr dieses Inhalts: Seine Seele haͤtte die hoͤchste Erquickung aus mei- ner beharlichen bruͤderlichen Gewogenheit eingenommen/ weil ihm doch unmoͤglich waͤh- re/ seinen Ladisla nicht zulieben. Daß ich seinen hellsamen Christlichen Glauben vor eine Zauberey hielte/ legte er nicht meiner Bosheit/ sondern Unwissenheit zu/ welche sein HErr JEsus mir gnaͤdig verzeihen wuͤrde; dz er aber davon abzustehen/ von mir angesucht waͤh- re/ koͤnte er nach meinem Willen nicht beantworten/ haͤtte doch seines Muhts und herzens noch das allergeringste nicht verlohren/ sondern waͤhre willens/ der Ritterschafft nachzu- ziehen/ so bald ihm nur Antwort von seinem Herr Vater zukaͤhme/ und moͤchte ich die Ge- danken ja nicht fassen/ als ob ein Christ mit einem Un Christen nicht koͤnte weltliche Ver- trauligkeit haben; Ich solte nach belieben nur kommen/ dann wuͤrde ich spuͤren/ daß er kei- ner Ungebuͤhrligkeit anhinge/ deren ich ihn beschuldigte/ und wuͤrde Ekhard mir eine Her- berge/ gerade gegenseiner Wohnung uͤber/ zeigen/ dahinein ich mich legenkoͤnte. Ich bilde- te mir ein/ mein Schreiben haͤtte ihn schon weicher gemacht/ daß er vom Christentuhm koͤnte abgebracht werden/ insonderheit/ weil Ekhard mich berichtete/ er haͤtte ihn etwas milder als vorhin befunden; welches mich hoffen machete/ ich wuͤrde vor meiner Ankunft zu Rom/ ihn gar davon abschrecken koͤnnen/ und schickete ihm ein bedrauliches Schreiben zu/ dieses Inhalts: Ich muͤste leider mit Schmerzen vernehmen/ wie er añoch mit der neuen Tohrheit (ach so schrieb ich ja) behafftet/ seine vorige Liebe zu seinen Land- Goͤttern nicht hervor suchen koͤnte/ dessen ich mich zu ihm nicht versehen; seines Herrn Vaters Antwort/ dafern er demselben seinen Glauben haͤtte kund getahn/ wolte ich ihm wol vorher sagen/ nehmlich/ er würde ihn als einen Abtruͤnnigen und Verleugner seiner Goͤtter verfolgen/ und vor seiner Bekehrung ihn vor keinen Sohn erkennen/ so wenig ich mich zu ihm einiger bestendigen vertrauligkeit versehen koͤnte; wolte demnach hoffen/ er würde Fuͤnftes Buch. wuͤrde angesichts dieses/ seinen Sinn endern/ die verzauberte Neuerung ganz ablegen/ und mir nicht Ursach geben/ ihn bey der Roͤmischen darzu verordneten Obrigkeit anzumelden/ daß er durch Zwangmittel gehalten wuͤrde/ dem guten zu folgen/ und die verfluchte Gesel- schafft der Veraͤchter aller alten Goͤtter zu meiden. Ekhard muste hiemit schleunig fort/ dem ich des folgenden Tages mit Minutius folgete. Aber O wunder! dieses mein Schrei- ben war Herkules gleich so angenehm gewesen/ als haͤtte ich ihm die freundlichste Antwoꝛt zuentbohten. Nun nun/ mein lieber Ekhard/ hatte er gesagt/ ich habe nicht unterlassen wollen/ meiner Eltern und geliebten Bruders Ladisla Seligkeit zu suchen; kan ichs dañ nicht erhalten/ O so schicke du es/ mein Heyland/ nach meinem Tode/ daß ich sie nur nicht in der Helle moͤge verderben sehen. Damit wahren ihm die Traͤhnen haͤuffig aus den Au- gen hervorgeschossen/ hatte sich endlich wieder erhohlet/ und zur schließlichen Antwort ge- geben: Ich sehe aus meines Ladisla Schreiben/ daß er gesonnen sey/ wegen meines Chri- stentuhms mich bey der Obrigkeit anzuklagen; ja ja/ wie es meinem Gott gefaͤllet/ bin ich zu frieden; und O wie mit freudigem Herzen wil ich zu der Hochzeit des Lammes mich einstellen/ und mitten in der Feuersglut nicht unterlassen/ vor ihn zu bitten/ daß eꝛ von Gott moͤge bekehret werden. Reitet ihr nur hin/ mein Ekhard/ und saget/ daß mein Herzlieber Bruder Ladisla nicht seume/ sondern sich bald herzu mache/ und daß ich duꝛch meines Got- tes Beystand geschikt sey/ umb des nahmens JEsus willen/ gehenkt/ versenkt/ ertraͤnkt/ ge- schunden/ gebraten/ und durch alle Pein hingerichtet zu werden; dann hiedurch wird mir auffgesezt/ nicht eine jrdische und vergaͤngliche/ sondern eine himlische ewige Krone/ da ich in der Zahl aller außerwaͤhlten/ mit hoͤchstem Schmuk angetahn/ uͤber Welt/ Suͤnde/ Tod und Helle den ewigen Sieges-dank erhalten und davon bringen werde. So kom nur bald mein Bruder Ladisla/ daß ich durch dein angeben die geistliche Ritterschaft ehist vol- lenden moͤge. Dieses alles hatte er mit solcher freudigkeit vorgebracht/ dz Ekhard anders nicht gemeinet/ dann es redete ein Engel Gottes mit ihm/ hatte ihm auch wegen Herzens bewaͤgung in guter Zeit nicht antworten koͤnnen/ doch endlich zu ihm gesagt: Durchleuch- tigster Fuͤrst; wer wolte eure Gn. zu solchem erschreklichen Tode befodern? meinet die/ daß Fuͤrst Ladisla zum Wolfe oder Baͤhren worden sey? Nein/ er ist schon auff der Reise/ seinen herzlieben Bruder Fuͤrst Herkules zubesuchen/ nach welchem in das Verlangen nunmehr anderhalb Jahr fast zu Tode gequaͤlet hat. Kein Mensch ist mir mehr wllkom̃en/ als mein Ladisla/ hatte er geantwortet/ aber reitet ihm entgegen/ und meldet ihm an/ ich lasse ihn durch unsere ehmalige inbruͤnstige Liebe bitlich eriñern/ er wolle auff seine ankunft alles nach belieben anstellen/ aber dafern er durch schimpfliche Reden oder laͤsterungẽ wie- der meinen Gott mich zubeleidigen willens ist/ solle er sich meines Angesichts enthalten/ damit ich nicht gezwungen werde/ ihm taͤhtlich sehen zulassen/ wie viel mehr und hoͤher ich Gottes Ehr als Menschen Liebe achte; dann weder er noch kein ander Mensch bilde sich ja nicht ein/ daß ich solches mit geduldigen Ohren anhoͤren werde. Als Ekhard mir dieses alles erzaͤhlete/ ward ich durch Liebe und erbarmung dergestalt eingenommen/ daß mein Herz im Leibe auffwallete/ daher ich sagete; der Brieff muͤsse verflucht seyn/ welcher mei- nem Herkules den Willen zusterben/ und mir zu draͤuen Ursach gegeben hat. Nam mir a uch gaͤnzlich vor/ ihm des Glaubens wegen weiters nicht einzureden/ und wahr nur dar- b b iij auff Fuͤnftes Buch auff bedacht/ wie ich von ihm die Freyheit meines Heidentuhms/ unser Freundschaft un- getrennet/ erhalten moͤchte; ritte ohn auffhoͤren fort/ daß ich des andern Tages nach Ek- hards wiederkunft zu Rom anlangete/ uñ in die bezeichnete Heꝛberge mich einlegete. Nach einer Stunde sahe ich ihn aus dem Hause gegen uͤber/ in adelicher Kleidung reiten/ dann er muste ein Pferd tummeln/ welches er treflich abgerichtet/ und sein Herr meinem Feld- Herrn Dio zum Geschenke senden wolte. Ekhard muste sich auf der Gasse zeigen/ daher er sich meiner Ankunft alsbald vermuhten wahr/ ritte auch kurz darauff das Pferd wieder hinein/ und trat in seine Hauß Tuͤhr mit uͤberaus freidigem gemuͤhte. Ich ging gleich mit meinem Haußwirt unten im Hause umbher/ welcher zu mir sagete: Mein Herr/ sehet dor- ten meines Nachbars Leibeigenen/ des gleichen in ganz Rom nicht zu finden ist; jederman verwundert sich seiner Schoͤnheit/ Geschikligkeit/ uñ unvergleichlichẽ Art/ uñ haben gros- se Herrn umb ihn/ mit darbietung ansehnlicher Gelder angehalten/ aber Zinna sein Herr/ wil ihn durchaus nicht folgen lassen. Ihr saget recht/ antwortete ich/ daß seines gleichen/ Kaͤysers Hocheit außgenommen/ in ganz Rom nicht ist/ es wird aber Herr Zinna mir ihn schon außfolgen lassen müssen/ als der ich ohn zweiffel das naͤheste Recht zu ihm habe/ der dann trauen des Gebluͤts nicht ist/ daß er Zinna oder einigem Menschen vor Leibeigen auf- warten solte/ nachdem er mannich tausend freie Leute zu Untertahnen hat. Ich habe den Juͤngling/ sagte der Wirt/ allemahl vor Hochaͤdel angesehen aber von Zinna wird er übel zu bringen seyn. So getraue ich aber/ sagte ich/ er werde sich nichtlange wiedersetzen/ dann ich habe Kaͤyserl. Hocheit selbst an der Hand; kunte auch mein Herz laͤnger nicht abhalten/ sondern lieff zu ihm hinuͤber; und als er mich kommen sahe/ trat er zu seines He r rn Tuͤhr mit traͤhnenden Augen hinein da wir uns herzlich umbfingen/ und vor inniglichster bewaͤ- gung kein Wort sprechen kunten/ biß er endlich sagete; Herzallerliebster Bruder/ bistu kommen/ deine Draͤuung zuerfullen/ so handele nach deinem belieben; nur schilt mir ja meinen Gott nicht in meiner Gegenwart/ daß ich nicht Ursach haben moͤge/ dich zu hassen; kanstu dessen dich enthalten/ so goͤnne mir nur drey Tage/ mich an dir zuergetzen/ dañ soltu erfahren/ wie freidig und getrost ich sein werde/ umb meines Gottes/ umb meines allerguͤ- tigsten Gottes und seines Sohns JEsus willen zusterben. Ich gab ihm mit gebrochener Rede zur Antwort: Herzlieber Bruder kraͤnke doch deinen ergebenen mit solcher herzens Angst nicht; mein unbedachtsames Schreiben habe ich aͤusserst verfluchet/ dann wer dich toͤdten wolte muͤste mir den Hals zugleich mit brechen/ ob ich gleich in deinen neuen Glau- ben nicht gehehlen kan; hoffe aber/ du werdest mir meine alten Goͤtter frey goͤnnen/ alsdañ soltu eben wenig von mir in deinem Gottesdienste gehindert werden/ nur daß unsere Her- zen moͤgen verbunden bleiben/ wie sie von anfang her gewesen sind/ und du sehr wol weist/ daß deine Seele meines Lebens einige Ergezligkeit und auffenthalt ist. Hiedurch ward nun mein Herkules deꝛgestalt erfreuet/ daß er nicht wuste/ wie freundlich er sich gegen mich hal- ten solte/ und kunten wir des kuͤssens und umbfahens nicht muͤde werden. Hierzu kam die Hauß Jungfer Zezilia/ und als sie solches unser unnachlaͤssiges kuͤssen sahe/ sagte sie: Mein Oedemeier/ was habt ihr da voꝛ einen lieben Freund angetroffen/ dessen beginnen mich fast in meiner meynung staͤrken doͤrfte/ daß ihr nicht ein Mann/ sondern Weibesbild waͤhret. Ich trat alsbald zu ihꝛ hin/ uñ nach geleistetem Handkusse antwortete ich; Hochaͤdle Jung- fer/ Fuͤnftes Buch. fer/ daß ich Oedemeier lieber Freund bin/ koͤnnen weder er noch ich in abrede seyn; weil ich dann seinen jetzigen knechtischen Zustand nach langer forschung endlich erfahren/ ha- be in ansehung unser nahen Btutfreundschaft ich nicht umbhin gekunt/ mich hieher zu machen/ damit er seiner Leibeigenschaft enthoben/ in seinen angebohrnen freien und Hoch- aͤdlen Stand wieder gesezt werde. Sie antwortete mir kein Wort/ nur daß sie sagete: O Oedemeier Oedemeier/ wie habt ihr mir eine Nase gemacht! muß man gute Freunde so aͤffen? ging hiemit hin zu ihrem Vater/ und brachte vor/ es waͤhre ein fremder Ritter an- kommen/ welcher vorgeben duͤrste/ Oedemeier waͤhre ein freigebohrner Herr von hohem Adel/ den er wieder loß haben wolte kam auch bald wieder mit ihm her/ und fing Zinna mit sauren Geberden an zu fragen/ wer so kuͤhn waͤhre/ seines Leibeigenen halben Einsprache zu tuhn. Derselbe bin ich/ gab ich zur Antwort/ und hoffe leicht zuerhalten/ daß er mir ge- gen darlegung seiner verschlossenen Gelder meinen geliebten Hochfreigebohrnen/ uñ durch Raͤuber Haͤnde entfuͤhreten Oheim folgen lasse. Er hingegen schnarchete immerfort/ ich solte mich ja bey zeiten packen; er wuͤste schon mittel/ seine Diener vor dergleichẽ Anspren- ger zu schuͤtzen; und da sein Oedemeier die guten Tage laͤnger nicht ertragen koͤnte/ solten ihm schlimmeꝛe gnug folgen. Ich gab hierauf der freundlichen Worte auch nicht viel von mir; Was? sagte ich/ bin ich ein Ansprenger? und dürffet meinem Oheim noch draͤuen? habt ihr ihn etwa gnaͤdig gehalten/ seid ihr solches/ in ansehung seiner Tugend und hohen Standes schuldig gewesen; und mache mein Herr mir nur nicht viel pochens; ich frage ihn nur/ ob er von mir die außgelegeten Gelder wieder empfangen/ oder meinen Oheim lieber durch Roͤmische Kaͤyserl. macht wil loßgesprochen haben? diese Wahl gebe ich ihm aus blosser freig e bigkeit/ dessen er diesen Brieff/ von meinem Gn. Feld Herrn Dio selbst geschrieben und untersiegelt/ zum Zeugnis lesen mag; reichete ihm denselben/ welchen er mit grosser betruͤbnis lase/ auch alsbald naͤhern kauff gab und mir antwortete: Ich erken- ne billich des Roͤmischen Feld Herrn Vorschrifft/ bin auch nicht der Meynung/ mich euch/ als einem wolver dienten meines Vaterlandes/ zu wiedersetzen; weil ich aber gleich jetzo einen auff der Gasse gesehen/ der mir diesen Juͤngling vor leibeigen verkauft hat/ wil ich schon wissen/ mich an ihm zuerhohlen. An diesem/ sagte ich/ werdet ihr wenig gewinnen/ als welcher in Roͤmischen diensten/ und mein bestalter Reuter-Faͤhndrich ist/ sehe auch nicht/ wie ihr dessen Ursach habt/ in dem ich mich schon erbohten die Gelder von dem mei- nen willig zuerlegen/ und daß ihr euch nicht zubeschweren habt/ wil ich alles/ was er an Kleidern und Zehrung euch gekostest/ vierdoppelt bezahlen/ damit ihr sehen moͤget/ ihr habt keinen Betler an ihm gehabt/ sondern der euch mit allen euren Guͤtern von dem minsten- teil seiner Auffkuͤnfte leicht eigen kauffen solte; werdet ihr euch nun willig finden lassen/ koͤnnet ihr die Gelder stuͤndlich empfangen/ auff welchen fall ich nicht willens bin/ Kaͤyserl. Hocheit einigerley weise zubemuͤhen. Als er dieses hoͤrete/ gab er zur Antwort; Ihr seid ungezweiffelt ein redlicher Ritter/ und gebet eure Liebe zu eurem Oheim gnugsam an den Tag; wie gerne ich nun gleich meinen Oedemeier behielte/ muͤste mir doch von herzen leid seyn/ daß ein so aͤdles Herz mit leibeigenschaft weiteꝛs solte belegt werden/ wuꝛde mich auch viel anders gegen ihn bezeiget haben/ wann seyn Hochaͤdler Stand/ an welchem ich gar nicht zweiffele/ mir waͤhre bekant gewesen. Zwar was vor einen guten Willen ihm zube- zeigen/ Fuͤnftes Buch. zeigen/ ich etliche Tage vorgehabt/ ist unnoͤhtig/ und zu spaͤht zuerzaͤhlen; damit aber ich in der Taht sehen lasse/ wie gewogen ich ihm bin/ so schenke ich ihm nicht allein seine Freyheit ohn entgelt wieder/ sondern er sol von mir 8000 Kronen zur verehrung gewaͤrtig seyn; damit ich verhoffe zuersetzen/ was ich ehmahls verbrochen habe. Ich bedankete mich des guten Willen/ und angebohtenen Geschenks/ mit anzeige/ daß ich wol wuͤste/ mein Freund/ dessen ertichteter Nahme Oedemeier waͤhre/ solches nicht annehmen wuͤrde. Und weil Ekhard mit 5000 Kronen sich einstellete/ ließ ich dieselben Herkules zun fuͤssen setzen/ und sagete zu ihm; Mein wirdigster Bruder/ schaffe du hiemit deinen Willen. Fr. Sulpizia/ Herrn Zinna Gemahl kam auch hinzu gegangen/ und verwunderte sich sehr über dieser begebnis/ da Herkules diese Rede anfing: Hochgeehrter Herr Zinna/ auch tugendreiche Fr. Sulpizia und Jungfer Zezilia; daß diese Zeit uͤber ich den Unfall meiner Knechtschaft geduldig ertragen/ ist unter andern auch diese Ursach/ daß ihrer saͤmtlichen gewogenheit ich wol genossen/ und fast wie ein leiblich Kind gehalten bin; wovor ich mich dienstlich be- danke/ nebest dem erbieten/ schier dereins gelegenheit zu suchen/ was gestalt solche woltah- ten vergolten werden. Wann dann der allerhoͤchste Gott es vor dißmahl also fuͤget/ daß ich meine vorige Ritter- und adeliche Freyheit wieder antreten sol/ und mein werter Herr Zinna nicht allein darein williget/ sondern mir dieselbe ohn entgelt zustellet/ so erkenne ich daher seine Gewogenheit umb so viel klaͤrer/ unter der Hoffnung/ mein Herr werde mir verguͤnstigen/ daß ich dieses gegenwaͤrtige/ meinen hochwerten Freundinnen Fr. Sulpi- zien/ und Jungfer Zezilien zum Gedaͤchtnis meiner geleisteteten Dienstbarkeit/ und nun- mehr angebohtenen Freundschaft einliefern moͤge. Reichete hiemit eineꝛ jeden einen Beu- tel von 2500 Kronen mit diesen Worten: Ich ihr bereitwilliger Diener/ bitte sehr/ mir dieses geringe nicht außzuschlagen/ auch da deren Willen ich wegen unvermoͤgens alle- mahl nicht erfuͤllen koͤnnen/ großguͤnstig zuuͤbersehen. Sie wegerten sich dessen aber/ biß ich mit hinzutrat/ und Herrn Zinna freundlich ersuchete/ eine Vorbitte bey den lieben sei- nigen zutuhn/ daß sie meinem Freunde die erste Bitte in seiner wieder erlangeten Freyheit nicht abschlagen moͤchten; worauff ers gerne zuließ/ und die Frau also antwortete; Herr Oedemeier; eure hoͤfliche Tugend hat nichts als gewogenheit verdienen koͤnnen; aber sehꝛ unguͤtlich hat er bey uns gehandelt/ daß er seinen Stand und Wesen so gar ungemeldet gelassen. Es ist geschehen/ sagte Herr Zinna/ und wuͤnsche ich nur/ daß das ergangene al- lerdinge moͤge beyderseits koͤnnen vergessen werden/ damit die folgende Freundschaft desto gewisser bestehe. Inzwischen reichete ich der Frauen und Jungfer zwey zimliche Kleinot ein/ da Zinna/ seinen guten Willen sehen zulassen/ der Tochter befahl/ ihres verstorbenen aͤltesten Bruders bestes Kleid Oedemeiern zu hohlen; welches sie ihm mit diesen Worten einreichete: Sehet da Herr Oedemeier/ kleidet euch nun eurem Stande in etwas gemaͤß/ und erinnert euch eurer Schuld/ mit euch selbst/ und zugleich mit mir abtrag zumachen/ daß ihr euch selbst geschmaͤhet/ und mich gehoͤhnet/ dann ich spuͤre wol/ daß ihr der Verlo- bete nicht seid. Er aber empfing es mit hoher ehrerbietung/ welches wir etwas abgefernet sahen/ aber ihre Reden nicht hoͤren kunten; da er ihr geantwortet hatte: Er haͤtte sich be- fahret/ die Erkaͤntnis seines Standes moͤchte ihm schaͤdlich seyn/ und weil er ein ertichte- ter Oedemeier gewesen/ haͤtte er ihm auch seines knechtischen Standes wirdige Eltern tichten Fuͤnftes Buch. tichten müssen; sonst waͤhre er gewißlich ein Verlobeter; ging hierauff in eine Kammer/ und legete sich daselbst an. Die Frau nahm ihren Abtrit/ die Mahlzeit anrichten zulassen; und fragete Zinna nach unsers Kriegsheers Beschaffenheit/ biß Herkules wieder kam/ uñ nach seiner ehmaligen Fuͤrstlichen Art daher trat; worüber die gute Jungfer sich dermas- sen in ihn verliebete/ daß sie die Flammen nicht bergen kunte/ und ihr Vater selbst merkete/ daß des Herzen Feur ihr durch die Augen leuchtete; welcher mich sehr baht/ ihm Oede- meiers Stand etwas eigentlicher zuberichten/ weil er sich allemahl vor einen Unaͤdlen aus- geben; Worauff ich kuͤrzlich antwortete: Er wuͤrde seinem treflichen Verstande nach/ sol- ches aus hochwichtigen Ursachen getahn haben; sonst moͤchte er mir glaͤuben/ daß er ein sehr vornehmer Teutscher Herr waͤhre/ der in wenig Stunden viel tausend Reuter ins Feld sühren koͤnte/ die seine angebohrne Untertahnen waͤhren; haͤtte auch schon eine Feld- Herschafft uͤber 40000 Mann bedienet/ wie jung er anzusehen waͤhre. Ich haͤtte mich des ersten billich vermuhten sollen/ sagte er/ dann alles sein tuhn und vornehmen/ sonderlich zu Pferde/ stehet ihm ungleich anders/ als einem Bereiter an. Jungfer Zezilia hoͤrete meiner Erzaͤhlung fleissig zu/ und meynete/ den Fisch schon gefangen haben/ der groͤsser als ihr gan- zes Meer wahr. Bey der Mahlzeit wurden wir treflich bedienet/ insonderheit von dem Frauenzimmer/ ohn zweifel ihre Dankbarkeit an den Tag zugeben. Hernach noͤhtigte mich Herkules/ seine Pferdezucht zubesehen/ die er eine zeit her abgerichtet/ da ich im Mahrstalle alles dermassen ordentlich fand/ daß es nicht zuverbessern wahr; Es stunden 24 Reitpferde allerhand Farben in der Ordnung/ welche/ wann er ihnen zurief/ zuwrinschen/ und mit den Fuͤssen zukratzen anfingen/ und wahren Zinna vor 34000 Kronen nicht feile/ welcher ge- stund/ daß er uͤber 40000 Kronen aus Pferden geloͤset/ die ihm Oedemeier abgerichtet. Er hatte es aber mit seiner Frauen und Tochter abgeredet/ daß sie uns die drey besten mit al- lem Zubehoͤr schenketen/ welche wir auch zu dank annamen. Herkules kunte der guten Ze- zilien nicht nach ihrem Willen stete Unterredung goͤnnen/ weil ich meinen Anteil auch an ihm haben wolte/ und wahr uns nicht wenig verdrießlich/ daß man unsertwegen eine gros- se Gaͤsterey auf folgenden Tag anstellen wolte/ welches abzuwehren/ wir vorgaben/ morgen sehr fruͤh nach dem Heer zureisen/ weil ich nicht laͤnger Urlaub haͤtte. Bey dem Abend- mahle ging das noͤhtigen wieder an/ und schenkete das Frauenzimmer uns schoͤne guͤldene Ringe zum Gedaͤchtniß/ welches wir mit gleichmaͤssigem vergolten. Hernach wolte man uns in absonderliche Schlafkammern legen/ und kunten wir kaum erhalten/ daß man uns beysammen schlaffen ließ. Ich erfuhr diese Nacht/ worinnen meines Herkules sein Chri- stentuhm bestund/ da er etliche Stunden auff blosser Erde in seinem Gebeht verharrete/ und vor die Erloͤsung von dem knechtischen Joche seinem Heyland dankete. Fruͤh morgens machete Ekhard unsere Pferde fertig/ und ob man uns gleich auff das Fruͤhstuͤk noͤhtigte/ wolten wir doch nicht einwilligen/ sondern ritten weit zur Stadt hinein/ und legeten uns bey einem Wirt/ Sabihn genand/ dz sie von uns nichts erfahren solten. Ekhard muste als- bald nach Teutschland/ und Herkules Eltern die Zeitung bringen/ daß er wieder frey/ und mit mir von Rom schon hinweg waͤhre/ den ritterlichen uͤbungen nachzusetzen. Er begehre- te an seine Fr. Mutter absonderlich/ ihm zuschreiben/ wie sein Herr Vater gesinnet/ und dz auff den fall seines beharlichen Zorns/ sie ihn mit jaͤhrlichem rittermaͤssigem Unterhalt veꝛ- c c sehen Fuͤnftes Buch. sehen moͤchte. Ich aber zog alsbald wieder nach dem Roͤmischen Lager/ und erhielt willige Erlassung/ insonderheit/ da ich aus freyen stuͤcken angelobete/ wider die Roͤmer nicht zudie- nen; meine Leute aber musten noch ein Jahr lang sich verpflichten/ hernach solte ihnen der Abzug frey stehen. Ich schrieb auch nach Prag/ man solte mir keine Gelder mehr nach A- quileja uͤbermachen/ weil ich meinen Herkules wiedergefunden/ und mit ihm der Ritter- schafft nachzoͤge/ wolte schon schreiben/ da ich etwas wuͤrde benoͤhtiget seyn; dieses taht ich zu dem Ende/ daß man mir nicht nachfragen solte/ weil ich uͤber eine Tonne Baarschafft und Kleinot bey hatte/ und eine zeitlang damit wol auskommen kunte. Ich bekam aber bey Ekhard (dessen Wiederkunfft ich im Lager erwartete) ein Schreiben an Herkules von sei- ner Fr. Mutter/ darin sie ihm seines Herr Vaters beharlichen Zorn wegen seines neuen Glaubens anzeigete/ und daß er von ihm erbloß gemacht waͤhre/ auf den fall er nicht wie- derkehren/ und mit den Teutschen Goͤttern sich aussoͤhnen wuͤrde; jedoch versprach sie ihm alle Notturfft zur Reise nachzusenden; und begab ich mich schleunig wieder nach Rom zu meinem Herkules/ der mein schmerzlich wartete/ und lebeten wir wenig Tage in stiller ein- gezogener Ruhe beyeinander/ biß wir nach Heilung unser Wunden/ die uns von 16 verwaͤ- genen Raͤub e rn in Rom geschlagen wurden/ endlich Italien zubesichtigen/ uns ausmache- ten/ und nach Padua ritten/ woselbst ich durch Abenteur an mein jetziges Gemahl geriet/ und meine Frl. Schwester auff der Reise nach meinem Beylager/ gefangen ward/ wel- ches diese Laͤnder zubesuchen uns hat veranlasset. Aber mein H. Bruder wolle miꝛ verzeihẽ/ sagte er zu Artaxerxes/ daß seiner Liebe ich mit meiner ungestalten Erzaͤhlung so lange ver- drießlich gewesen bin. Artaxerxes bedankete sich des erzeigeten Willens der angenehmen Erzaͤhlung/ und ordnete an/ daß ein zierlicher Tanz von dem Persischen Frauenzimmer muste gehalten werden. Des folgenden Tages ward die Fuͤrstliche Gaͤsterey viel koͤstlicher gehalten/ weil es zum Abzuge galt/ und fand sich ein vornehmer Susianischer Freyherr/ nahmens Phraatazes dabey/ der seinem Fuͤrsten 800 Reuter auf eigene Kosten zugeführet hatte; derselbe verliebete sich in Fr. Statiren/ und weil Obrister Bubazes sein sonderli- cher Freund wahr/ machete er sich an dessen Liebste Kleofis/ und baht/ ihm hierin behuͤlflich zuseyn; die es bald an die Groß Fuͤrstin Valiska brachte/ und diese an Fabius/ welcher nach vermoͤgen bemuͤhet wahr/ ihre Ehre zubefodern/ uñ ihr traͤulich riet/ dieses Gluͤk nicht aus- zuschlagen/ weil dergleichen Heyrahten nicht alle Tage vorfielen; und ob sie zwar einwen- dete/ daß ihr unmoͤglich waͤhre/ ihr Herz einem andern zuergeben/ welches den aͤdlen Kleon in sich gefasset haͤtte; redete er ihr doch ernstlich zu/ sie moͤchte sich eines andern bedenken/ weil er vermaͤhlet waͤhre; Worauff sie dann sich erklaͤrete/ sie wolte ihm Gewalt geben/ mit ihr nach seinem Willen zuschaffen/ doch daß der Freyer umb der Leute willen/ biß auf geen- dete Trauer sich mit der heimlichen Zusage begnuͤgen liesse/ insonderheit/ weil sie von ihrem Kleon sich schwanger befuͤnde; worzu Fabius nicht sonderlich liebe wahr/ und doch begeh- rete/ daß sie ihm die Frucht/ wann sie etwas wuͤrde erwachsen seyn/ zuschicken solte/ welches sie nach Verlauff zehn Jahr getraͤulich leistete/ da sie ihm einen wolgeschaffenen Sohn uͤbersendete/ welcher nachgehends bey Herkuladisla/ Herkules Sohn grosse Traͤue sehen ließ/ und durch einen willigen Tod dessen Leben rettete. Der verliebete Phraatazes ließ sich mit der Zusage befriedigen/ und muß ihr hieselbst zum Ruhm nachgesagt werden/ daß sie nicht Fuͤnftes Buch. nicht allein sich nachgehends in dieser Ehe ehrlich und wol verhalten/ sondern auch auf der Groß Fuͤrstin Fr. Klaren Raht/ den Christlichen Glauben angenommen/ und in demsel- ben gottselig gestorben ist. Am lezten Tage liessen die Morgenlaͤndische Fuͤrsten 200 starke Pakwagen mit ge- muͤnzetem Golde/ Kleinoten/ Perlen/ aͤdlen Steinen und allerhand koͤstlichen seidenen Tuͤ- chern beladen/ deren solten Leches sechs; Neda/ Prinsla/ Klodius und Markus/ jedem 4/ ingesamt 16/ geliefert werden; welche alle mit rohtem Tuch uͤberzogen wahren/ und die er- sten sechse vier Tonnen Schatz; die anderen sechszehn/ acht Tonnen Schatz geladen hattẽ; dabey fuͤnff Maul Esel wahren/ deren jeder vor 4000 Kronen/ guͤldene und silberne Tuͤ- cher; und vor 12000 Kronen Kleinot trugen. Die uͤbrigen Wagen wahren viel schoͤner und ansehnlicher/ deren anfangs 24/ einerley Gattung/ mit braunem Sammet überzogen/ an denen der Nahme VRSVLA mit gruͤner Seide gesticket wahr/ und funden sich gleich so viel Maul Esel dabey; hatten funffzig Tonnen an gemuͤnzetem Golde/ drey Tonnen Schaz an guͤlden und silbern Tuͤchern/ und sieben Tonnen an Kleinoten auff. Diesen folgeten 70 Wagẽ mit rohtem Sam̃et uñ silbern Schnüren verbremet/ an welchẽ der Name SOPHIA mit silbern Faͤden gesticket wahr/ und daruͤber ein guͤldenes Kroͤnichen. Hierauff wahren 160 Tonnen gepregtes Goldes/ 10 Tonnen an silbern und guͤldenen Tuͤchern/ und 20 Ton- nen an Kleinoten/ jedoch daß 30 Kamehle davon auch ihren Teil zutragen hatten. Endlich folgeten 84 Wagen mit gruͤnem Sammet bekleidet/ an welchen der Nahme VALISCA mit einer guͤldenen Krohn von Goldfaͤden gesticket/ gesehen ward/ und dabey 40 Kameh- le/ welche mit den vorgedachten gleichmaͤssige Ladung hatten/ nur daß 30 Tonnen Baar- schafft mehr darauff wahren/ welche Pharnabazus wegen des Fuͤrstentuhms Susiana hinzu getahn hatte. Jeder Wage wahr mit sechs Pferden bespannet; die ersten 22 mit 132 Rappen; die andern 24 mit 144 Braunen; die dritten 70 mit 420 Apfelgrauen; die leztẽ 84 mit 504 Blaͤnken; da die ersten mit schwarzen Sam̃eten; die andern mit rohten Sam- meten; die dritten mit silbernen; und die lezten mit guͤldenem Zeuge ausgeputzet wahren; und hatten die Kamehl und Maul Esel gleichen Zeug mit den Wagenpferden/ zu welchen sie gehoͤreten. Vor Gallus wurden keine Wagen bestellet/ sondern die Fuͤrsten liessen ihm 212000 Kronen einhaͤndigen/ wozu er schon 10 Tennen an Gold und Kleinoten beyeinan- der hatte; dann weil er fast mit allen Obristen in bruͤderlicher Freundschafft stund/ und die- selben wusten/ wie viel Herkules auf ihn hielt/ hatten sie ihm sehr grosse Verehrungen ge- tahn/ welches alles er auff 10 Wagen packete. Die beyden Sprachmeister Mardus und Timokles bekahmen jeder eine Tonne Goldes/ und solches umb ihrer traͤuen Dienste wil- len/ da vorhin schon Timokles von Artaxerxes/ Phraortes und Pharnabazus statlich be- schenket wahr. Nach dem Mittagsmahl hielt Artaxerxes eine trefliche Dankrede an un- sere Helden/ daß sie ihre Feld Herschafft so wol verwaltet/ und ihnen den Sieg erstritten/ so daß in unterschiedlichen Schlachten der Feinde uͤber 100000 gefangen/ uñ in die 500000 erschlagen waͤhren/ welche Schlappe der Parthische Wuͤterich nicht leicht ersetzen wuͤrde/ weil ihre versuchte Manschafft mehrenteils drauf gangen. Hernach erzaͤhlete er/ was ge- stalt er unserer Helden erste Kundschafft erhalten/ da er unbekanter weise mit ihnen zu Ek- batana gestochen/ und von ihnen die Freundschafft-Ringe gegen die seinen bekommen. c c ij Weiters Fuͤnftes Buch. Weiters bedankete er sich wegen Hinterlassung der Teutschen/ Boͤhmischen und Roͤmi- schen Voͤlker/ und hielt zugleich an/ daß Arbianes moͤchte vergoͤnnet seyn/ 16000 Teutsche und 4000 Boͤhmen zuwerben/ von denen 6000 die Schlacht Schwerter zu fuͤhren duͤch- tig waͤhren/ wozu ihm gnugsame Werbungs Gelder solten mitgegeben werden. Schließ- lich erinnerte er die Groß Fuͤrstin Valiska ihrer getahnen Zusage/ die Fuͤrstl. Geselschafft einer Bitte zugewehren/ dessen sie/ dafern sonst ihre Liebe einige Gewogenheit zu ihnen truͤge/ ungewegert seyn wolten/ und alle abschlaͤgige Antwort vor einen Widerwillen hal- ten; nehmlich/ es waͤhre eine Anzahl beladener Wagen/ und auff denselben ein Zeichen dankwilliges Gemuͤhts beygelegt/ deren ein Teil Ihrer Liebe selbst; der ander/ Koͤnigin Sophia; der dritte Fr. Ursulen/ Herrn Fabius Gemahl von den saͤmtlichen Fuͤrsten dar- gebohten wuͤrden/ mit Bitte/ nicht allein ihren Anteil willig und geneigt anzunehmen/ son- dern auch das uͤbrige/ hochgedachten Frauen unbeschweret einzuhaͤndigen. Herkules gab ihm eine leutselige Antwort/ darinnen er das hohe Lob hoͤflich ablehnete/ sich im Nahmen ihrer aller vor empfangene Guttaht und Ehre bedankete/ und umb fernere Gewogenheit baht/ nebest dem versprechen/ daß die begehrten Voͤlker gern und willig solten ausgefolget werden. Vor die ihren Gemahlen beigelegete Schenkungen bedankete er sich hoch/ und baht/ daß es bey einem ziemlichen gelassen werden moͤchte/ damit sie nit uͤber zu grosse an- gewendete Kosten sich zubeschweren haͤttẽ; welches Valiska mit einer zierlichen Rede wie- derhohlete. Diesen Abend teileten Tyriotes und Bubazes unter Ladisla 300 Aedelknaben vier Tonnen Goldes aus/ an Baarschafft/ Ringen/ und schoͤnem seidenen Gewande zur Kleidung mit silbern Verbreme/ welches auff drey Wagen gepacket ward/ weil mans wegen der Eile nicht kunte verfertigen lassen; und bekahmen die vier adeliche Frauen/ Li- bussa/ Euphrosyne/ Brela und Agatha von der Fuͤrstin Barsene/ im Nahmen der Fuͤrstli- chen Verbuͤndnis/ jede 25000 Kronen zu Zehrgeld/ und etliche koͤstliche Kleinot/ eins so hoch geschaͤtzet. Frau Statira haͤtte der Groß Fuͤrstin und Herrn Fabius gerne ein wirdi- ges Gedaͤchtniß gelassen/ und baht Kleofis/ ihr bey einem Kleinot Haͤndler auff eine Ton- ne Goldes Glauben zumachen/ welche in wendig acht Wochen solte bezahlet werden; da- vor nam sie zwey Kleinot aus/ wickelte jedes absonderlich in ein weisses seidenes Tuͤchlein/ und stellete es obgedachten beyden zu/ mit untertaͤhnigster demuͤhtiger Bitte/ solches von ihr gnaͤdigst und willig anzunehmen; bedingete daneben/ wann durch Wiederstattung es solte vergolten werden/ müste sie es vor eine Verschmaͤhung rechnen. Der grosse Gama- xus wahr nunmehr so weit genesen/ daß er keines Arztes mehr bedurfste/ aber die zubro- chenen Glieder/ so ihm krum geheilet wurden/ damit er hinfuͤro zu den Waffen unduͤchtig waͤhre/ wahren noch sehr schwach. Sie liessen ihn auff den Saal bringen/ umb zuverneh- men/ ob er sich in seinen jetzigen Stand schicken koͤnte. Als er gefodert ward/ wegerte er sich zuerscheinen/ biß man ihm die Ruhten zeigete/ die er schon sechs mahl gekostet hatte; da ging er endlich sehr traurig mit. Er wahr als ein Narr gekleidet/ ganz bund von aller- hand Farben; an der Seite hing ihm ein grosser lederner Saͤbel/ und die Muͤtze sahe einem Helme gleich/ auff welcher ein Hase einen lahmen Loͤuen peitschete. Er ging Schwacheit halber auff einer Kruͤcke/ die ihm unter dem Arme fest gemachet wahr. Als er in den Saal trat/ und die Fuͤrsten samt dem Frauenzimmer so koͤstlich gekleidet sahe/ erschrak er nicht wenig/ Fuͤnftes Buch. wenig/ und wuͤnschete nichts als den Tod. Die Gesellschafft hatte angelegt/ daß niemand sich an ihn kehren wolte/ nur etliche Knaben musten ihr Affenwerk mit ihm treiben/ wel- ches alles er gehen ließ/ als saͤhe ers nicht. Er sahe im̃erzu gleiche saur vor sich nider/ hatte in einem offenen Winkel sich angelehnet/ und ließ anfangs etliche Seuffzer gehen/ die uͤbeꝛ den ganzen Saal gehoͤret wurden; endlich als die Knaben des Kinderspiels zuviel mache- ten/ und er sich doch weder durffte noch kunte raͤchen/ fing er mit erschreklicher Stimme an zu heulen/ und sagete: O du verteufelter Tod/ kanst du dann Gamaxus nicht das Herz abstossen/ daß er diesem unleidlichen Spot und Hohn entrissen werde? Herku- les und Valiska traten ihm naͤher/ sahen ihn an/ und hoffeten/ er wuͤrde umb Gna- de bitten; aber er taht/ als saͤhe er sie nicht; biß Valiska zu ihm anfing: Du unbarm- herziger graͤulicher Bluthund; womit hatte ich dich jemahls beleidiget/ daß du mei- nen Liebsten Gemahl zuerwuͤrgen/ und mit seinem unschuldigen Leichnam die Hunde und Vogel speisen woltest? hat man auch dessen einige Begebnis/ daß mit Fuͤrstlichen Haͤup- tern also verfahren waͤhre? oder wahrestu so hoch beleidiget/ daß du hierzu gnugsame Ur- sach hattest? Gamaxus blickete sie an/ betrachtete ihre volkommene Schonheit/ und gab zur Antwort: O Koͤnig Artabanus/ ich halte euch nicht vor uͤbel/ daß ihr umb besitzung dieser Schoͤnsten das aͤusserste waget. Meinestu das? antwortete sie; aber sage mir ja hiervon kein Wort mehr/ wiltu sonst nicht gestriechen seyn/ und gib mir Antwort auff mei- ne Frage. Ich wahr bißher nicht anders gewohnet/ sagte er/ als nach meinem Willen zu handeln/ hatte auch dergleichen beschimpfung/ so mir damahls begegnete/ noch nie auff mich ersitzen lassen. O du grobes Vieh/ antwortete Herkules/ kuntestu dañ deinen Zustand nicht erkennen daß du aus einer Baurhuͤtte hervor gekrochen wahrest/ und bißdaher nach Gottes verhaͤngnis durch deine Vihische Staͤrke nur gewuͤtet hattest/ welche sich ja vor Gott billich haͤtte fuͤrchten sollen/ als du keinen Menschen scheuhetest. Seid ihr dañ Gott? fragete er/ so soltet ihr mich mit Donner und Bliz/ und nicht mit dem tollen Pferde uͤber- fallen haben/ des haͤttet ihr und ich Ehre gehabt. Jederman verwunderte sich der Hal- starrigkeit/ und sagte Herkules weiter; Nei n / ich bin nicht Gott; aber Gott hat mich als sein Werkzeug gebrauchet/ daß du gezaͤhmet wuͤrdest. Doch sage mir/ was woltestu mich wol sehen lassen/ wann du meiner so maͤchtig waͤhrest/ als ich deiner bin? Ich wolte dich in hundert tausend Stuͤcken zerhauen/ bruͤllete er überlaut; und bistu ein redlicher Ritters- mañ/ so tuhe mir deßgleichen. Du kanst mich weder schelten noch zornig machen/ antwor- tete Herkules/ und weil du so ungelernig bist/ uñ durchaus keine Demuht fassen kanst/ mustu so lange gestaͤupet werden/ biß dir der Baurenstolz vergehet. Darauff ward er hinunter geführet/ und so heftig gestriechen/ daß er am ganzen Leibe rohe Fleisch wahr/ da er endlich umb Gnade baht/ und demuͤhtig zu werden angelobete. Diesen Abend kam Sysigambis Valisken ehemahlige Parthische Hoffweisterin mit ihrem Sohn an/ fiel vor der Groß Fuͤrstin nider/ und baht untertaͤhnigst/ ihr gnaͤdig- sten Schuz bey Artaxerxes zuerwerben/ daß sie sicherheit vor Artabanus haͤtte. Valiska hub sie von der Erden auff/ ließ ihr 12000 Kronen zaͤhlen/ und erhiel t b ey Pharnabazus/ daß er ihr Zeit ihres Lebens in seinem Frauenzimmer unterhaltung gab; ihr Sohn aber nam bey Arbianes Dienste/ und reisete mit ihm nach Teutschland. Auch offenbahrete Fr. c c iij Sapti- Fuͤnftes Buch. Saptina ihrem Gemahl Phraortes/ was gestalt Valiska mit Arbianes eine Heyraht vor haͤtte/ und wie er durch dz Brustbilde in Liebe gerahten waͤhre/ auch ohn zweifel sich selbst darin wuͤrde verzehret haben/ dafern die Groß Fuͤrstin sein anliegen nicht ausgeforschet/ welche schon ihre Gesanten nach Teutschland geschicket/ die Anwerbung zu tuhn; woruͤ- ber Phraortes sich hoͤchlich verwunderte/ und seinen Sohn gluͤkselig pretsete/ dafern er in solche trefliche Schwaͤgerschafft gerahten solte; aber ihr habt uͤbel getahn/ sagte er/ daß ihr mir solches nicht zeitiger angemeldet/ damit man ihn mit wirdigen Geschenken versehen moͤgen/ und er seine Macht uñ Herligkeit bey fremden koͤnte sehen lassen/ worzu dañ kosten gehoͤren. Ja/ antwortete sie meinet dann mein Groß Fuͤrst/ daß Groß Fuͤrstin Valiska ihn werde lassen Mangel leiden? und wañ solches gleich nicht waͤhre/ so habe ich ihn mit Per- len/ aͤdlen Steinen und Kleinoten dergestalt bespicket/ daß er wol bestehen sol/ auch von meinem Bruder zehn Tonnen Goldes gelihen/ und auff sechs Wagen beygelegt. Phra- ortes ruͤhmete ihre Vorsorge/ welche sein Sohn nach seinem Tode unvergolten nicht las- sen wuͤrde. Des folgenden morgens wahren die unsern fruͤhzeitig wache/ liessen alle ihre Wagen anspannen/ und hinaus vor das Tohr bringen. Herkules und Ladisla hatten 60 Wagen/ darauff sie ihre Gelder/ Kleider und Sachen fuͤhreten/ nebest 30 Maul Eseln und 12 Kamehlen. Fabius 12 Wagen/ neun Maul Esel und vier Kamehle. Arbianes 12 Wa- gen/ 12 Maul Esel und sechs Kamehle. Gallus 12 Wagen 10 Maul Esel/ und zwey Ka- mehle. Leches/ Neda und Prinsia ingesamt 18 Wagen/ 20 Maul Esel/ und sechs Kamehle. Klodius und Markus 12 Wagen 18 Maul Esel und vier Kamehle. Die Teutschen Voͤl- ker 100 Wagen; die Boͤhmen gleich so viel/ wie auch die Roͤmer/ alle mit sechs Pserden bespañen. Hieruͤber wahren 26 Gutschen welche den unser zustunden/ auch jede mit sechs Pferden. Der Reitpferde wahren eine gute Anzahl. Herkules und Ladisla hatten 280. Fabius 34. Arbianes 30. Leches 20. Neda/ Prinsla/ Klodius/ Markus und Gallus/ jeder 16. Wahren ingesamt 444 Reitpferde; 2712 Wagen- und Gutschpferde; 34 Kamehle; 99 Maul Esel. Bey jedem Wagen funden sich zween Fuhrleute; bey jedem Kamehl zween Leiter/ und bey jedem Maul Esel einer; aber je zwey und zwey Reitpferde wurden von ei- nem Diener gewartet/ die eines ritten und das andere an der Hand fuͤhreten; alle diese Diener uñ Fuhrleute wahren gefangene Parthische Kriegsleute/ zu Leibeigenen gemacht/ und ihre anzahl 1293 Mann. Die 203 Pakwagen auff welchen der Morgenlaͤndischen Fuͤrsten trefliche Geschenke geladen wahren/ hielten haussen vor dem Groß Fuͤrstlichen Schlosse/ samt den 29 Maul Eseln und 70 Kamehlen/ denen nach obgedachter art Fuhr- leute und Leiter zugegeben wahren/ an der Zahl 575 gefangene Parther/ welche alle dieses Zeichen  auff der linken Brust fuͤhreten. Es wahren die unsern der Meynung/ un- gessen auffzubrechen/ aber sie musten zuvor wieder ihren Willen das Fruͤhstuͤk einnehmen/ ungeachtet noch 40 Wagen mit allerhand Speisen/ und 16 mit koͤstlichen Weinen ihnen mit gegeben wurden. Bey der Mahlzeit trat ein Persischer Magus oder Gelehrter vor den Tisch/ bedankete sich gegen unsere Helden im Nahmen aller Gelehrten untertaͤhnigst/ das durch ihr kraͤftiges Schwert sie den kuͤnsten sicheren Siz erworben/ und den endlichen Untergang von ihnen abgewendet; wuͤnschete ihnen Gluͤk und alle wolfahrt zur Reise/ uñ reichte ihnen ein Lobgeticht ein/ in welchem er ruͤhmete/ daß eine neue Zusammenkunfft der Fuͤnftes Buch. der dreyen Irresternen oder Planeten/ als des Jupiter/ Mars/ und der Venus ihre Laͤn- der beschirmet/ und die Draͤuungen des grimmigen blutgierigen Saturn abgewen det haͤtten/ und lautete also: 1 G Luͤkseligs Land/ dem selbst der Him̃el dienet/ Und floͤsset ihm den reichen Stegen ein! Was solcher Art nicht freudig ist und gruͤnet/ Muß an sich selbst nicht Hellers-duͤchtig sein. O grosser Gott/ du alles wunders vol/ Was hastu doch an Persenland erblicket/ Dz es nach wunsch mit deineꝛ Gunst verstricket/ Beseliget und voller Lust seyn sol. 2 Es draͤuet uns Saturn der Menschen-Wuͤrger/ Brand/ Raub uñ Mord/ verwuͤstũg/ untergang. Es galt ihm gleich/ Fuͤrst aͤdler/ Bauer/ Buͤrgeꝛ/ Alt/ jung/ reich/ arm; wir fuͤhltẽ schon den zwãg/ Der wie ein Bliz auff uns hernieder schoß; Der Henker wahr zu wuͤrgen schon gefliessen/ Ganz Persen mit Blutstroͤhmen zubegiessen; So ging Saturn auff ihr’ Einwohner loß. 3 Sein grosser Stolz wolt’ auch den Him̃el brechẽ; Die Venus selbst/ die Troz nicht leiden kan/ Hielt er in haft; den Jupiter zu schwaͤchen/ Und Mars darzu/ greiff er die Ruhten an. O stolzer Tropf! darfstu mit Goͤttern noch Den schweren Streit vermaͤssentlich aufnehmẽ/ Als woltestu sie bendigen und zaͤhmen? Ist Narrenwerk/ sie sitzen viel zu hoch. 4 Ihꝛ Heldẽmuht empfand den Schimpf zu schweꝛ/ Deßwegen sie zusammenkunfft verschrieben. Bald griffen sie ihn an mit ihrem Heer; Des ward sein Volk bey tausend auffgerieben. Er selber lieff/ (wie hinkend auch) davon/ Nicht anders als der Schuͤler vor der Ruhten/ Daß auch sein Volk nicht kunte recht verbluten/ Das wahr Saturn des tollen Wuͤters Lohn. 5 O Persenland/ jezt kanstu froͤlich ruͤhmen/ Daß Venus selbst/ daß Mars und Jupiter Dich sicher macht. So wil dir nun geziemen/ Daß du (es sey jung/ alt/ Knecht oder Herr) Den schoͤnen Dank anstim̃est; sprich nur frey/ Daß Noht und Tod/ durch huͤlffe dieser Goͤtter/ In dem Saturn/ der Wuͤterige Spoͤtter Gedaͤmpf et ist/ von dir genommen sey. 6 Ihr Kinder ihr/ spielt ihnen stets zu ehr en; Ihr Musen singt/ das Echo Wiederschal Vernehmlich sey/ last keine Furcht euch wehren; Trometer gebt auch euren starken Hal. Ihr Waͤlder/ wolt ihr dann die lezten seyn? Risch auf/ frisch auf! last euer Laub frey rauschẽ Die Fluͤsse stehn vor freuden schon und lauschẽ/ Umb/ ihren Klang zu stimmen mit darein. 7 Als lange Laub und Graß in Persen grünet/ Die Sonne laͤufft/ der Monde waͤchst und faͤlt/ Sol unser Dank (der sich jezt hat erkuͤhnet) Ohn fehlen gehn biß an des Himmels Zelt. O Venus/ Mars/ O Jupiter/ fahrt fort/ Den graͤulichen Saturn zu unterdruͤcken/ Daß Persen er nicht moͤge gar ersticken/ Und in das Me er hinwerffen uͤber Bort. 8 Eur heller Glanz hat uns bißher beschienen/ Jezt draͤuet ihr/ O weh! den Untergang. Ach lasset uns euch ferner noch auffdienen/ Volfuͤhret den wol angelegten Fang. Zu staͤubert/ was Saturn uns zum verdruß Anstifftet; bloß eur Nahme kan ihn daͤmpffen/ So dz sein Schwert nit siegen mag noch kaͤmpfẽ/ Besondern in der Scheide stecken muß. Nach geendeter kurzen Mahlzeit ging es an den Auffbruch/ welches dem Frauen- zimmer/ fonderlich Frr. Saptinen und Barsenen manniche Traͤhnen aus den Augen drückete. Herkules hatte 50 Teutschen; Ladisla so viel Boͤhmen; Fabius 100 Roͤmer/ und Arbianes 200 Meden/ welche mit ihnen biß in Teutschland solten; uͤber diese musten noch 6000/ gleichenteils Teutsche/ Boͤhmen und Roͤmer/ neben 8000 Meden und Persen/ sie biß an die Roͤmischen Grenzen begleiten. Als sie aus dem Saal in den innersten Plaz kah- men/ stund Artabanus Leib Elefante/ der in der Schlacht gefangen wahr/ in seiner besten Zier/ uͤber drey Tonnen Schaz am wert/ daselbst fertig/ und wahr ein Haͤußlein auff ihn gesetzet/ von treflicher Arbeit/ in welchem 12 Menschen sich wol behelffen kunten. Naͤ- hest dabey eine Gutsche/ außwendig mit schwartzem Sammet uͤberzogen/ aber wann man solches Fuͤnftes Buch. solches hinweg nam/ glaͤnzete sie aus- und inwendig von aͤdlen Steinen; der ganze be- schlag wahr klammer Silber/ sehr stark verguͤldet/ und gingen acht artige Schecken einerley Gestalt davor/ deren Schwaͤnze und Maͤhne biß an die Erde herunter hingen; vier Gutscher dabey/ wahren in guͤlden Stuͤk bekleidet/ und hatten trefliche Saͤbel an der Seite/ dann sie wahren Parthische gefangene von hohem Adel. Dieses beydes ward Frau Valisken von Artaxerxes absonderlich verehret. Im voͤrderen grossen Platze wahren neun schoͤne Gutschen und 400 Handpferde mit allem Zubehoͤr/ davon La- disla/ Herkules und Valiska 300; Fabius 30; Leches 20; die uͤbrigen fuͤnffe offtgenante jeder 10 bekahmen; wie auch jeder eine Gutsche mit sechs Pferden/ alles nach Unterscheid Standes nnd Gebuͤhr. Bey den Gutschen wahren 18 Fuhrleute/ wie auch 200 bey den Handpferden/ alle gefangene Parther. Ausserhalb des Schlosses traffen sie die obgedach- ten Wagen/ Kamehle und Maul Esel an/ woruͤber sie sich hoͤchlich entsetzeten/ und ganz ungehalten wahren/ so daß sie schwuhren/ wann sie solches solten gewust haben/ wolten sie heimlich davon gezogen seyn/ weil sie sich durch Woltaht gar zu heftig uͤberladen befuͤndẽ; wiewol sie nicht meineten/ daß so uͤbergrosse Schaͤtze darauff waͤhren. Hier ging es nun an ein Pauken/ Trometen und Freudengeschrey/ daß keiner sein eigen Wort vernehmen kunte/ biß unsere drey Helden samt Fr. Valisken und Arbianes auff den Elefanten steigen wolten/ da Phraortes zu ihnen trat/ und einem jeden absonderlich seinen Sohn vaͤterlich anbefahl/ bey Fr. Valisken aber zugleich anhielt/ ihm ein Fraͤulein ihres Gebluͤts/ da ers wirdig/ zuzuschanzen/ ob sie gleich nur Herren Standes waͤhre; dann er wolte es vor seine hoͤchste Glükseligkeit rechnen/ wann er mit diesen trefflichen Fuͤrsten in Schwiegerschafft leben solte. Worauff sie zur Antwort gab: Seine Liebe moͤchte des Sohns wegen unbe- kuͤmmert seyn/ sie haͤtte das Eisen schon unter dem Hammer/ wie sein Gemahl berichten wuͤrde/ und solten sie am gluͤklichen Fortgang nicht zweifeln. Die Morgenlaͤndische Fuͤr- sten hatten auch einen Elefanten bereiten lassen/ auff welchen sie mit Saptinen und Bar- senen stiegen; dann sie wolten die unsern auff drey Meilen begleiten/ und zogen in schoͤner Ordnung daher/ biß sie an die ersten Wagen (so voraus gangen wahren) anlangeten/ da sie sich alle vergeselschaffteten/ daß sie 629 Pakwagen/ 36 Gutschen/ 104 Kamehle/ 128 Maul Esel/ und 2290 Reitpferde bey sich hatten; dann die gesamte Persische Reuterey hatten 400 von den besten erbeuteten Pferden zusammen bracht/ und sie gleich wie Arta- xerxes die vorigen/ ausgeteilet/ auch mit Parthischen Leitern versehen. Vor obgedachten Pakwagen und Gutschen gingen 4000 Pferde (dann fuͤnff unter den Gutschen wahren mit achten bespannet/ welche 16 Gutscher hatten)/ und wahr die gesamte Anzahl der ge- fangenen Parther 2500 Mann. Doch wurden unter die obgedachten Pakwagen die Speise- und Weinwagen nicht mit gerechnet/ weil die unsern solche von den Roͤmischen Grenzen wieder zuruͤcke sendeten. Der grosse Gamaxus/ wie wund er von den gestrigen Ruhten an seinem Leibe wahr/ muste er doch in seinen bunten Narrenkleidern vor dem E- lefanten her reiten/ da man ihm an jeden Arm eine grosse Henkers Ruhte gebunden hatte/ auff daß er sehen solte/ was vor Helden er vor Bettel Fuͤrsten gescholten. Als sie in dieser grossen Herligkeit daher zogen/ gingen Fr. Valisken die Augen uͤber/ und sagete in Teut- scher Sprache; O du Almaͤchtiger Gott/ was vor Gnade und Barmherzigkeit hastu mir unwirdi- gen Fuͤnftes Buch. gen erzeiget! Ich ward von vier Raͤubern in diese Laͤnder gefuͤhret/ und so viel Fuͤrsten muͤssen mich wieder hinaus begleiten; Ich nahm Geld von einem Raͤuber auff Borg/ daß ich einen Nohtpfennig haben moͤchte/ und nun fuͤhre ich des Landes Mark mit mir fort. Nun mein Heyland/ du hast uns las- sen groß werden/ dein Segen hat uns reich gemacht/ deine Hand hat uns geschuͤtzet/ dein Schutz hat uns erhalten/ deine Huͤlffe hat alles allein getahn; unsere Ohmacht gekraͤfftiget/ unsere Gefaͤngniß eroͤffnet/ unsere Bande zurissen/ unsere Feinde gedaͤmpffet/ und uns mit Guͤtern uͤberschuͤttet. O so fahre fort/ du kraͤfftiger Gott/ gutes zutuhn denen/ die dir vertrauen; gib daß wir in diesem Gluͤcke uns ja nicht uͤberheben/ sondern in der Demuht verbleiben/ damit wir nicht von deiner Hand gestuͤr- zet werden; geleite und fuͤhre uns auff unsern Wegen/ daß ich und andere ungetauffte Christen/ die bey uns sind/ das gnadenreiche Bad der Suͤnden-Abwaschung an dem Orte empfahen moͤgen/ da du wegen unser Suͤnde dich selbst hast wollen taͤuffen lassen/ und gib uns deinen Heligen Geist/ daß wir nach dieser Abwaschung uns ja nicht mit groben Suͤnden/ die wider dich und unser Gewissen streiten/ auffs neue besudeln/ sondern einen Christlichen Wandel fuͤhren moͤgen/ in aller Gottseligkeit und Erbarkeit/ Amen; mein Heyland/ Amen. Billich danken wir dem allerhoͤchsten Gott/ sagete darauff Herkules/ und ist unmoͤg- lich/ daß wir dessen unaussprechliche Gnade/ Schuz/ und Woltaht recht erkennen koͤnnen/ massen es unsern Verstand uͤbertrifft/ und unsere Wirdigkeit weit uͤbergehet; doch wird der grundguͤtige Gott mit uns schwachen Geduld tragen/ und wann wir nur den steiffen Vorsaz/ ihm zudienen/ behalten/ und den Sünden taͤglich absterben/ wird er uns seine Gna- de nicht entzihen. In solchem Christlichen Gespraͤch gingen sie fort/ biß sie bey einer Stad anlangeten/ woselbst sie das Mittagsmahl schon des vorigen Tages hatten bestellen lassen; blieben daselbst drey Stunden beyeinander/ namen hernach Abscheid/ und zogen die Mor- genlaͤndische wieder zuruͤk/ welche 4000 Reuter auf Herkules begehren mit sich nach Per- sepolis nahmen. Ladisla ordnete das Heer/ daß die Persen den Vorzug haben/ die Roͤmer bey den Wagen bleiben/ die Teutschen und Boͤhmen aber von hinten zu und an beyden sei- ten schliessen musten. Valiska nam ihr Frauenzimmer zu sich auff den Elefanten/ und tah- ten unsere Helden ihr zwar bißweilen Geselschafft/ aber die meiste Zeit ritten sie. Fr. Sta- tira reisete mit ihnen fort/ biß an die Susianischen Grenzen/ woselbst sie Abscheid nam/ und sich nach ihren Guͤtern hinmachete/ da sie drey Wochen nach ihrer Heimkunfft eines un- ehelichen Kindes genaß/ welches sie Statikleon nennete/ und seinem Vater sehr aͤhnlich wahr/ so daß er seinen begangenen Fehler den seinen nicht verbergen kunte/ da er diesen sei- nen Sohn von Statiren bekam; woruͤber zwar Fr. Ursul dieses Weibes Unzucht verflu- chete/ ihn aber ruͤhmete/ daß zur Rettung seines Lebens er eingewilliget/ weil er ohn das noch ein Unglaͤubiger gewesen waͤhre. Orsillos erboht sich biß ans Meer mit zureiten/ aber Fa- bius ließ ihm solches nicht zu/ sondern erhielt bey Statiren/ daß sie ihn zum Verwalter und Auffseher über ihre Landguͤter annam. Als sie bey dem Tigerflusse anlangeten/ und ihre Manschafft ausser ihrer absonderlichen Begleitung unter Wedekind/ Tyriotes und Bu- bazes wieder zuruͤksenden wolten/ erfuhren sie/ daß Sysimithres 8000 Mann Fußvolk/ nicht weit von dannen/ beysammen haͤtte/ und sie nach Parthen fuͤhren wolte/ wurden der- halben zu raht/ diesem noch eine Mummen Schanze zubringen/ nahmen 5000 Reuter zu sich/ und traffen sie des andeꝛn Tages im offenen Felde an/ gleich da ihnen das Gewehr solte ausgeteilet werden; Sie umgaben dieselben alsbald/ daß sie nicht entfliehen kunten/ und d d sich Fuͤnftes Buch. sich gefangen geben musten/ da sie alsbald in Persischen aͤid genom̃en/ und von 2000 Reu- tern nach Persepolis begleitet wurden. Sysimithres wahr mit angepacket neben 50 Wer- bern/ welche 20 Tonnen Schaz bey sich fuͤhreten/ 12000 Reuter damit im Roͤmischen Ge- biete zubestellen. Diese nam Herkules alle vor Leibeigene an/ und wurden von den Geldern jedem Reuter durch die Bank 115 Kronen gegeben/ auch 33000 Kronen unter die Fuhr- leute und Pferdeleiter/ sie lustig zumachen/ ausgeteilet/ und Sysimithres 1000 Kronen zum Zehrgelde; die uͤbrige Halbscheid/ als 10 Tonnen Goldes nam Valiska zu sich/ vor aꝛ- me Christen/ da sie welche antreffen wuͤrden. Sie foderte auch Sysimithres vor sich/ rede- te freundlich mit ihm/ und erteilete ihm einen Scheinbrief biß nach Parthen; befahl ihm auch/ Koͤnig Artabanus ihretwegen zugruͤssen/ und dz sie numehr ihren Zug nach Teutsch- land vorgenommen haͤtte. Ich bin eurem Koͤnige/ sagte sie/ allemahl in Ehren gewogen ge- wesen/ aber nachdem er sich unredlicher Stücke unterwunden/ und Gifftmischer ausge- schicket hat/ habe ich nichts von ihm halten koͤnnen/ und moͤget euch wol versichern/ daß er sich hiedurch bey seinen Feinden verhasseter/ als durch keine andere Beleidigung/ gemacht hat; jedoch/ wil ich noch nicht unterlassen/ ihm das beste zurahten/ nehmlich/ daß er in sich gehe/ seine geschwaͤchete Macht erkenne/ von der vielfaͤltigen Unkeuscheit abstehe/ uñ in glei- chem Stande mit andern Morgenlaͤndischen Fuͤrsten sich halte/ sonst wird er nicht lange mehr Koͤnig seyn. Koͤnte er nun seine Begierden einzwingen/ und umb Heyraht mit dem Baktrianischen Fraͤulein anhalten/ wuͤrde er schier heut oder morgen erfahren/ wie traͤu- lich mein Raht gemeynet sey. Sysimithres bedankete sich untertaͤhnigst/ aller erzeigeten Gnade/ und hielt instaͤndig an/ die Werbung an seinen Koͤnig/ schrifftlich aufzusetzen; wel- ches sie ihr gefallen ließ/ doch daß er bey Ritterlichen Ehren versprechen muste/ nicht allein dem Koͤnige solches getraͤulich einzuhaͤndigen/ sondern den Inhalt auch den beyden Fuͤr- sten/ Vologeses und Pakorus wissen zulassen/ denen Herkules sehr freundlich schrieb/ und ihnen kostbahre Demant Ketten zum Gedaͤchtniß seiner Freundschafst uͤbersendete; ließ alle Voͤlker mit Sysimithres zuruͤk nach Persepolis gehen/ und behielt nur die obgedachten 400 Teutschen/ Boͤhmen/ Roͤmer und Meden/ neben den 300 Boͤhmischen aͤdelknaben bey sich. Es unterstunden sich zu unterschiedlichen mahlen etliche Parthische Fuhrleute und Pferdeleiter auszureissen/ welche aber alle wieder ertappet/ erschreklich gepruͤgelt/ und an die Baͤume aufgeknuͤpffet wurden/ an der Zahl 29/ deren Stelle von den gefangenen Parthischen Werbern wieder ersetzet ward. Weil sich aber Herkules wegen seiner gerin- gen Manschaft eines algemeinen Aufstandes von ihnen befahrete/ taht er ihnen die Ver- heissung/ daß wann sie sich bestaͤndig und traͤu bezeigeten/ wolte er ihnen eine viel groͤssere Gnade beweisen/ als sie ihnen nicht einbilden moͤchten; wuͤrde aber einer oder ander sich geluͤsten lassen auszureissen/ solte derselbe/ da er ertappet wuͤrde/ lebendig gespiesset/ und sei- ne sechs naͤheste Gefaͤrten/ darumb/ daß sie seine Flucht nicht gehindert haͤtten/ ohn Gnade aufgeknuͤpfet werden. Die lezte Draͤuung waͤhre gnug gewesen/ sie inne zuhalten/ aber die angebohtene Gnade machte sie so freudig/ daß sie bey geleistetem Fußfalle sich erklaͤreten/ der Gnade abzuwarten/ und bey ihm zuleben und zusterben. Sie setzeten ihre Reise straͤnge fort/ biß sie uͤber den Eufrat kamen/ und Damaskus in Syrien erreicheten/ dahin wir sie in guter Sicherheit und aller ehrliebendẽ Ergetzung wollen zihen lassen/ uñ uns nach Teutsch- land Fuͤnftes Buch. land wenden/ umb nachzufragen/ wie es Groß Fuͤrstin Valisken ihren Gesanten/ Ruprecht und Neklam ergangen. Dieselben seumeten auf ihrer Reise nicht/ segelten auch mit gutem Winde auff Bi- sanz/ jezo Konstantinopel genennet/ und gingen von darab den naͤhesten Weg nach Teutsch- land zu Pferde/ biß sie Magdeburg/ Groß Fürst Henrichs Schloß erreicheten/ welcher auf die Jagt ausgeritten wahr; wurden doch von der Groß Fuͤrstin und dem Fraͤulein wol empfangen/ die sich sehr verwunderten/ daß diese von Valisken/ welche sie eine Groß Fuͤr- stin der Teutschen nenneten/ und von niemand anders mehr/ den Gruß uͤberbrachten; fra- geten deswegen alsbald nach/ wie es Herkules und Ladisla ginge/ und ob das Fraͤulein aus ihrem Gefaͤngniß loßgemacht waͤhre. Worauff Neklam alles berichtete/ auch in was ho- hen Ehren die unsern bey den Morgenlaͤndischen Fürsten waͤhren/ und man der Groß Fuͤꝛ- stin ein treffliches Geld- und Volkreiches Fuͤrstentuhm erbeigen geschenket/ sie aber dassel- be nicht behalten wollen/ sondern es einem Persischen Herrn wieder verehret/ weil Ihre Durchl. bedacht waͤhre/ mit ihrem Gemahl ihr Lebẽ in Teutschland zuschliessen. Der gros- sen Reichtuͤmer/ welche sie zu Padua haͤtten/ und bey sich fuͤhreten/ waͤhre keine Zahl. Daß er aber seines gnaͤdigsten Koͤniges Ladisla/ und Groß Fuͤrsten Herkules Gruß nicht mit- braͤchte/ waͤhre die Ursach/ daß die Groß Fuͤrstin ohn deren Vorbewust/ und auf dem Zuge wider den Hauptfeind/ sie abgeschicket/ uñ ihnen etliche Schreiben überzubringen/ gnaͤdigst anbefohlen haͤtte; reichete auch der Groß Fürstin das an sie haltende/ gebuͤhrlich ein/ die es begierig brach/ und folgende Worte lase: Der Durchleuchtigsten/ Großmaͤchtigsten Fuͤrstin und Frauen/ Fr. Gertrud/ Groß Fuͤrstin in Teutschland/ wuͤnschet deroselbten gehorsamste Tochter Valiska/ GOttes Barmherzigkeit und alle Wolfahrt. Hoͤchstgeliebete gnaͤdigste Fr. Mutter; aus erfreulichem Herzen kan derselben anzumel- den ich nicht unterlassen/ wie daß nach unsers Almaͤchtigen Gottes sonderbahre Wunderschickung/ mit dem Durchleuchtigsten Fuͤrsten und unvergleichlichen Helde/ Ihrem herzgeliebeten Sohn/ meinem herzallerteuresten Schatze Herkules/ auff Anfoderung und begehren meines herzlieben Herrn Bru- ders/ Koͤniges Ladisla/ ich mich ehelich eingelassen/ und wir unser Hochzeitfest auff dem Koͤniglichen Persischen Schlosse mit Hoch Fuͤrstlichem Pracht gehalten. Ob nun zwar solches hohen Gluͤckes ich mich selbst unwirdig schaͤtze/ und gerne gestehe/ daß weder ich noch einige andere dieses Ehegemahls werr ist/ so ehret und liebet er mich dannoch dermassen/ daß mir alle Vergeltungs-Mittel benommen werden. Seine herrliche Tahten/ denen andere nicht zuvergleichen sind/ und meine durch ihn gluͤklich- verrichtete Erloͤsung wird Zeiger Neklam/ und sein Gefaͤrte Ruprecht (denen wir den Adel-Stand mitgeteilet) ausfuͤhrlich berichten koͤnnen. Mir zweifelt nicht/ euer muͤtterliches Herz werde unsere selige Ehe gut heissen/ und vor ihre liebe Tochter mich annehmen/ als welche zeit meines Lebens kind- lich zuehren und lieben ich nicht auffhoͤren wil. Die bewaͤgende Ursach/ die Botschafft abgehen zulas- sen/ ist meine herzallerliebste Fraͤulein Schwester/ Frl. Klara/ deren Wolfahrt mir nicht weniger als meine selbst eigene anlieget/ dessen ich Gott zum Zeugen ruffe. Ach wie hat der treffliche junge Herr Arbianes/ gebohrner Groß Fuͤrst und einiger Erbe des grossen Medischen Reichs/ ein Fuͤrst von etwa 20 Jahren/ seines Lebens ein Held; wie hat derselbe in meiner Frl. Schwester Brustbildichen/ wel- ches er ohngefehr von meiner Libussen kommen/ sich so hefftig verliebet/ daß er weder Tag noch Nacht ruhen kan/ und deswegen bey mir inbruͤnstige Ansuchung getahn/ ihm diese hochgewuͤnschte Heyraht zuwerben Ich versichere meine Fr. Mutter/ daß er an Tugend/ Herzhafft- und Froͤmmigkeit/ keinem einigen Morgenlaͤndischen Fuͤrsten im geringsten bevor gibt/ und maͤchtig gnug waͤhre/ mit 2 oder 300000 Mann/ ihm ein Gemahl einzuhohlen. Ist es nun/ daß diese meine erste Bitte bey ihrem muͤt- d d ij terli- Fuͤnftes Buch. terlichen Herzen stat finden kan/ wil ich mich selbst zu Pfande setzen/ daß meiner Frl. Schwester diese Heyraht sehr wolstaͤndig seyn wird. Meine Meynung ist eben nicht/ daß das Beylager so schleunig erfolgen solte/ nur daß der verliebete Fuͤrst/ seiner auffrichtigen Liebe festen Fuß setzen moͤge/ welcher zu rechter Zeit sich nach Groß Fuͤrstlicher Wirdigkeit schon einstellen/ und seinen Schatz/ den er tau- send mahl hoͤher als sich selbst liebet/ gebuͤhrlich abhohlen wird Wegen der Aussteur hat meine Fr. Mutter sich nicht zubekuͤmmern/ massen mein Gemahl und ich dergestalt von unsern grossen Schaͤtzen sie versehen wollen/ daß nie kein Teutsches Fraͤulein den zehnden Teil je einem Gemahl zugebracht haben sol. So wird auch hochgedachter Groß Fuͤrstlicher junge Herr gegen meine Gnn. Eltern und hochgeliebete Frl. Schwester sich also einzustellen und zubezeigen wissen/ daß verhoffentlich sie alle- samt daran gutes genuͤgen haben werden. Ich erwarte meiner Fr. Mutter gewierige Antwort/ und empfehle dieselbe der starken Obhuet Gottes/ verbleibend/ weil ich lebe/ Euer Groß Fuͤrstl. Hocheit ganz ergebene gehorsame Tochter und Dienerin Valiska. Unter dem lesen lieffen ihr die Freuden Traͤhnen uͤber die Wangen/ und nachdem sie den Inhalt zum Ende gebracht/ fing sie an: O du mein gewuͤnschter Sohn! O meine aus- erkohrne Fr. Tochter! Wann werde ich an euer hoͤchstbegehreten Gegenwart mich erge- tzen? Das Fraͤulein haͤtte des Schreibens Inhalt gerne gewust/ und wie sie ihrer Frau Mutter einige und liebe Tochter wahr/ die nicht bald sündigen kunte/ baht sie um Verguͤn- stigung den Brief zulesen/ welches ihr aber mit einem freundlichen lachen abgeschlagen ward/ unter dem einwenden/ ihr Herr Vater muͤste ihn zuvor sehen. Weil dann dessen An- kunfft ihr vermeldet ward/ ging sie ihm entgegen/ und befahl dem Fraͤulein/ mit den Abge- santen zusprachen; Welche Gelegenheit Neklam nicht verabseumen wolte/ und sie also an- redete: Durchleuchtigstes Fraͤulein; die auch Durchteuchtigste Groß Fuͤrstin Fr. Va- liska laͤsset Ihrer Gn. Schwesterlichen Gruß und Liebe durch mich unwirdigen entbieten/ hat mir auch ein hochvertrauliches Schreiben zugestellet/ Euer Gn. untertaͤhnigst und in groͤster Geheim einzureichen/ dafern dieselbe/ wie sie gaͤnzlich hoffet/ es verborgen zuhalten sich versprechen würde. Das Fraͤulein fragete/ vom wem dann der Brief aufgesetzet waͤh- re; und als er antwortete/ die Groß Fuͤrstin selbst haͤtte ihn geschrieben/ auch dabey ange- deutet/ er hielte eine Heimligkeit in sich/ welche ihren Herr Bruder/ Groß Fuͤrst Herkules anginge; erklaͤrete sie sich; Ihre gebietende Fr. Schwester moͤchte wol versichert seyn/ daß ihrem Herr Bruder Herkules zudienen/ sie weder Muͤhe noch Gefahr scheuhen wolte/ da- her er ihr den Brief kuͤhnlich moͤchte anvertrauen/ nachdem Ihrer Fr. Schwester Willen und Befehl zugeleben/ sie bereit und schuldig waͤhre; nam auch das Schreiben ohn weite- res bedenken zu sich/ und steckete es biß auff bequeme Gelegenheit zulesen/ in ihren Busem. Als die Groß Fuͤrstin ihren Gemahl auff dem Obergange antraf/ und das offene Schrei- ben in der Hand trug/ fragete er sie/ was neuer Zeitung seine Fr. Schwester aus Boͤhmẽ/ oder ihr Herr Bruder aus Schweden ihr zugeschrieben haͤtte? aber sie antwortete: Mei- net mein Gemahl/ daß ich nirgend anders her Schreiben zugewarten habe? Nein trauen; meine herzallerliebste Fr. Tochter Valiska/ meines teuresten Sohns Herkules Gemahl/ laͤsset mich alhie ihre eigene Hand lesen/ und durch dieselbe ihr ergebenes Tochterherz. Deꝛ Groß Fuͤrst verwunderte sich dieser Rede/ und fragete; was neues sie dann schriebe. Wel- ches er aber aus dem Briefe selbst lesen muste/ da er nach dessen Endigung sagete. Verzei- het mir/ ihr Land Goͤtter/ daß ich eine lautere Unmoͤgligkeit bey mir befinde/ einen solchen Sohn Fuͤnftes Buch. Sohn dergestalt zuhassen/ wie ihrs durch die Pfaffen von mir fodert; O des grossen Un- gluͤks/ daß du der ganzen Welt ein Wunder wegen deiner Tugend und Manheit/ und dei- nem Vaterlande/ ja das abscheuhlich zusagen/ deinen leiblichen Eltern ein Fluch uñ Gꝛaͤuel seyn must! die doch ihr Leben vor deine Wolfahrt gerne zusetzeten. Davor behuͤten ihn die Goͤtter/ sagte sie; Er ist mir trauẽ bißher noch in unverruͤcketer Liebe ein angenehmer Sohn und kein Graͤuel gewesen. Und warumb solte ich mein Fleisch und Blut hassen/ welches uͤber alle der meinen und seinen Ehre steiget/ und von aller Welt vor den vollkommensten und froͤmmesten gepriesen wird? Meynet mein Gemahl/ daß ich den losen Pfaffen aller- dinge Glauben gebe? Wer weiß/ ob sie ihre schaͤndliche Weissagungen nicht tichten/ umb daß sie fuͤrchten/ der ehrliebende Herkules werde ihnen den Muhtwillen besalzen/ wann er schier heut oder morgen wieder kommen solte; es hat ja noch kein Gott sich bey uns ange- meldet/ uñ einẽ solchen Fluch aus unserm Sohn gemacht; so findet sich auch kein Mensch/ der Zeitung von ihm einbringet/ daß er in abscheulichen Sunden leben solte. Ein verdaͤch- tiges werk ist es/ dz die heillosẽ Pfaffẽ von nichts als der Goͤtter Zorn plaudern; mein Sohn mus ja dessen warnehmẽ/ wie er sich auch davor nit dz alleꝛgeringste fuͤrchtet; uñ waͤre mein Raht/ man goͤnnete ihm freien zutrit; haben dann die Goͤtter auff ihn zusprechen/ werden sie ja so maͤchtig seyn/ und einem Juͤnglinge den Muht legen/ wann nur wir selbst nicht durch boßhaffte verleitung uns an unferm Sohn versuͤndigen/ dessen Lob und Preiß schon in erster Blüte allen Ruhm seiner Vorfahren veraͤchtlich machet; mein geliebter Gemahl wird von den Gesanten hoͤren/ wie man ihn in der Fremde ehret/ und ihm groͤssere uñ rei- chere Fuͤrstentuͤmer anbeut und schenket als sein ganzes vaͤterliches Erbe/ nur daß sie die- ses Ebenbilde der Tugend bey sich behalten moͤchten; und wir grimmigen Woͤlffe verban- nen ihn von uns/ ehe wir ihn als beklageten gehoͤret! mich wundert/ wie er noch an seine Eltern und Vaterland/ ja an das undankbare Vaterland gedenken und es lieben kan. Solte auch wol meine Furcht nicht vergeblich seyn/ daß etwa die Pfaffen und aͤdlen sich wieder ihn zusam̃en verschwoꝛen/ aus furcht/ eꝛ moͤchte den ehmahs empfangenẽ Schimpf dereins raͤchen? Einmahl ist gewiß/ daß sie die Koͤpffe vielfaͤltig zusammen stecken/ und ihre groͤste bemuͤhung ist/ den einfaͤltigen Untertahnen einzubilden/ daß sie ja bey ihren alten Goͤttern bleiben/ und keine neue sich auffdringen lassen sollen; welches unser Sohn wol nicht willens ist. Zwar ich habe nicht lust zu Krieg und Unfrieden; aber unterliesse ichs eu- retwegen nicht/ ganz Schweden und Boͤhmen muͤsten ihm den Weg in Teutschland oͤfnẽ/ und ihm den Groß Fuͤrstlichen Stuel befestigen/ welchen er doch vor seines lieben Vaters absterbẽ nicht begehret. Schweiget O schweiget mein geliebtes Gemahl/ sagte der Groß- Fuͤrst/ und lasset ja solche Gedanken in eurem Herzen nimmermehr auffsteigen; ich werde nach diesem schon hierauff bedacht seyn/ wie mein Herkules ohn Krieg und Auffruhr sein Erbe behalte; vordißmahl muͤssen wir uns wegen der vorgetragenen Heyraht besinnen/ dann ich sehe/ daß unsere liebe Tochter Valiska zum hefftigsten darauf dringet. Wir haben Zeit gnug/ antwortete sie/ eine Erklaͤrung zu fassen/ nachdem wir der Gesanten anbringen außfuͤhrlicher werden vernommen haben. Gingen also miteinander auff das Gemach/ woselbst das Fraͤulein mit Neklam sprachete. Ruprecht sahe ihn hinein treten/ kuͤssete ihm die Hand/ und meldete Valisken Gruß an/ da ihm der Groß Fuͤrst fragete: Wie gehets/ d d iij mein Fuͤnftes Buch mein Ruprecht uͤber Meer zu? gibts auch frische Stoͤsse? Ja etwas gnaͤdigster Herr/ ant- wortete er/ aber ungleich frischer Geld; wiewol unsere Voͤlker dem Feinde/ der sich uͤber 450000 Mann stark schrieb/ nebest andern Morgenlaͤndischen entgegen gingen/ da aus be- fehl meiner gnaͤdigsten Groß Fuͤrstin ich mit dieser Geselschaft so eilig fort muste/ daß mein gnaͤdigster Herr/ Groß Fuͤrst Herkules dessen nicht eins berichtet ward. Darauff fing er an zuerzaͤhlen/ wie bey ihrer ankunfft sie Frl. Valisken aus Gobares Haͤnden loßgemacht/ den Raͤuber gefangen/ enthaͤuptet/ und sein Fuͤrstentuhm ihr geschenket waͤhre/ welches er mit sonderlicher freude hoͤrete. Neklam brachte her nach eben denselben Gruß an/ und lieferte dem Groß Fuͤrsten auch ein Schreiben/ also lautend: Großmaͤchtiger Herr und Vater; wegen unsers zustandes/ beruffe ich mich/ teils auff mein an meine Gn. Fr. Mutter getahnes Schreiben/ teils auff meiner Abgesanten muͤndliche Erzaͤhlung; hoffe ihrer Hocheit wolergehen zuerfahren/ und die angenehme Antwort zuerhalten/ daß mein Vor- trag wegen der Heyraht zwischen meiner Herzgeliebeten Frl. Schwester/ Frl. Klaren/ und dem Durchleuchtigsten Medischen Fuͤrsten Arbianes nicht unangenehm seyn werde/ wie ich dann von grund meiner Seele nicht anders als darzu rahten kan; nicht allein/ daß hochgedachtes Fuͤrsten H. Vater/ Groß Fuͤrst Phraortes/ meines Herkules und meine eigene Wolfahrt nach hoͤchstem vermoͤ- gen gesucht und befodert/ sondern der junge Fuͤrst vor sich selbst wirdig gnug ist/ des maͤchtigsten Koͤ- niges Fraͤulein zu heyrahten; der dann meiner Frl. Schwester zur ersten anzeige seines diensterge- benen Herzen etliche Kleinot uͤbersendet/ welche Zeiger dieses Neklam einliefern wird. Vor die uns zugeschickete tapffere Voͤlker bedanke ich mich untertaͤhnig/ welches auch euer Gu. ergebener Sohn Herkules nicht wuͤrde unterlassen haben/ wann nicht meiner Abgesanten Reise ohn sein Vorwissen von mir angestellet waͤhre. Schließlich empfele meinen gnaͤdigsten Herr Vater dem getraͤuen Schuz Gottes zu allem Groß Fuͤrstlichen wolergehen/ als untertaͤhnigst-gehorsamste Tochter Valiska. Fraͤulein Klara merkete daß nichts ungenehmes in den Brieffen wahr/ daher ver- langete ihr immer heftiger/ solches zu wissen/ und erschrak nicht wenig/ als Neklam/ nach- dem der Groß Fuͤrst sein Schreiben gelesen/ zu ihr trat/ und wie ihm befohlen wahr/ die 16 koͤstliche Kleinot in einem zusammen gelegeten seidenen/ mit den teuresten grossen Per- len reichlich besticketen Tüchlein/ ihr also einreichete: Durchleuchtigstes Fraͤulein; eure Durchleuchtigkeit laͤsset der auch Durchleuchtigste Groß Fuͤrstliche junge Herr/ Herr Arbianes/ einiger Erbe des Medischen Reichs durch mich unwirdigen freundlichst gruͤs- sen/ und in ansehung der brüderlichen Vertrauligkeit/ welche er mit Groß Fuͤrst Herkules hat/ uͤbersendet er euer Durchl. diese Kleinet/ befihlet sich und sein Groß Fuͤrstentuhm de- roselben guter Gewogenheit/ bittet/ das uͤbergeschikte mit geneigetem Herzen und Haͤn- den anzunehmen/ und sich zu versichern/ daß/ als lange er lebet/ seyn und bleiben wolle euer Durchl. dienstergebener gehorsamster Knecht Arbianes; schlug hierauff das Tuͤchlein vonander/ und ließ ihr die Kleinot sehen. Das liebe fromme Fraͤulein wahr nicht allein wegen des ihr bißher ungewoͤhnlichen anbringens/ sondern auch des treflichen Glanzes der wichtigen Demanten fast nicht bey ihr selber/ durffte auch das angebohtene nicht be- rühren/ sondern gab zur Antwort: Guter Freund/ ich kenne ja diesen gewaltigen Fuͤrsten nicht/ der so demuͤhtige Worte und stolze Schenkungen mir vorbringen laͤsset/ daß ich nit weiß/ ob die Rede auff mich ziele/ und mir/ die fuͤnkelnde Kleinot anzunehmen/ geziemen wolle/ ehe und bevor von meinen herzgeliebeten Eltern ich dessen erlaͤubnis habe. Du hast wol Fuͤnftes Buch. wol geredet/ sagte ihr Herr Vater; weil es aber dir zur Unhoͤfligkeit koͤnte außgeleget weꝛ- den/ wann du diesem maͤchtigen Fürsten seine Schenkungen zuruͤk sendetest/ soltu sie mit gebuͤhrlicher Ehrerbietigkeit annehmen; vielleicht eraͤuget sich Gelegenheit/ es in andere Wege zuersetzen. Also wegerte sie sich ferner nicht/ nam die Kleinot zu sich/ und ging hin/ sie in ihr Laͤdichen einzuschliessen/ woselbst sie die von Herkules ehmahl geschikte in eigener verwahrung hatte. Der Schein dieser kostbahren Sachen hielt sie eine gute weile auff in der Beschauung/ biß sie des Schreibens in ihrem Busem sich erinnerte/ welches sie ohn ferneres Nachdenken brach/ und als sie noch eines darinnen beschlossen fand/ auch mit den Fingern leicht fuͤhlete/ daß etwas in demselben verborgen wahr/ oͤffnete sie auch dieses/ sa- he den koͤstlichen Ring/ und steckete ihn an den Finger/ des vorhabens/ alsbald hinzugehen/ und ihrer Fr. Mutter denselben zuzeigen/ doch als sie auff dem umbkehren wahr/ sagete sie zu sich selber; bin ich nicht einfaͤltig/ das geschikte zu zeigen/ ehe ich den Brieff lese? fing also an/ Valisken umbschlag durchzusehen/ und nach verlesung etlicher Zeilen sagte sie; Ach ich armes Kind/ daß ich mich von dem Abgesanten so listig habe hintergehen/ und die- se Brieffe mir beybringen lassen; Ach haͤtte ich sie nur nicht erbrochen/ alsdann koͤnte ich sie meinen Eltern ohn einigen Verdacht zustellen. Hierauff wahr sie willens/ alle beyde un- gelesen zuzerreissen; bald bedachte sie sich/ es waͤhre besser/ sie den Eltern einzuhaͤndigen; Und als ihr Valisken harte Vermahnung einfiel/ daß alles in geheim solte gehalten wer- den/ wolte ihr dieses auch nicht gefallen/ damit sie ihre Fr. Schwaͤgerin nicht erzuͤrnete; doch muste sich Neklam abermahl rechtschaffen außschelten lassen. O du betrieglicher Fuchs/ sagte sie/ ist dirs so grosse Ehre/ daß du mich dergestalt geaͤffet und hinter das Licht gefuͤhret hast? Aber/ sagte sie bald darauff/ vielleicht ist ihm des Brieffes Inhalt verbor- gen/ uñ zuͤrne unbillich auff ihn. In solchem zweiffelmuht wahr sie bey einer Viertelstun- de begriffen/ ehe sie sich erklaͤren kunte/ was sie tuhn wolte/ biß ihꝛ endlich der Muht wuchs/ daß sie sich also auredete; vor wem fuͤrchtestu dich mein Herz/ daß du zweiffels nicht ab- kommen kanst? ist doch weder der Fuͤrst selbsten noch meine Fr. Schwester gegenwaͤrtig. Wendete damit die augen auff den Ring/ und dauchte sie/ nie so treflichen Stein gesehen haben/ massen er nicht anders funkelte als ein klarer Stern/ und doch zugleich an stat eines reinen Spiegels dienete. Ey so wil ich meiner Fr. Schwester Schreiben zu Ende lesen/ sagte sie/ demnach ich nicht glaͤuben kan/ daß sie mir ichtwas unbilliches zumuhten solte; durchsahe alles mit guter bedachtsamkeit/ und fand folgende Worte: Durchleuchtigstes Fraͤulein/ herzgeliebtes Schwesterchen; vor erst zweiffelt mir nicht/ eure Liebe werde die Zuver sicht zu mir tragen/ daß derselben ich von ganzem Herzen wie mir selbst gewo- gen bin/ wozu mich die gedoppelte nahe Anverwandschafft treibet/ und sie daher ferner leicht schlies- sen kan/ das ihr Gluͤk und Wolfahrt zubefodern/ ich mir aͤusserst werde lassen augelegen seyn. Wann dann nun der Durchleuchtigste Fuͤrst Arbianes/ Groß Fuͤrst und einiger Erbe des gewaltigen Medi- schen Reichs/ ein Fuͤrst von 20 Jahren/ durch den blossen Anblik euer Liebe Brustbildichens (welches sie meiner Libussen geschenket) sich dermassen in ihre Schoͤnheit verliebet hat. (Hier hielt sie ein/ sich vor folgendes gar zu hart fuͤrchtend/ wagete es doch endlich/ und lase weiter) daß er sei- ne einige Lust und Freude auff die Beschauung ihres holdseligen abgemahleten Angesichtes gesetzet/ und solches nicht anders als eine Goͤttin ehret/ auch nichts mehr wuͤnschet/ als in ihrer Liebe Dienstẽ zusterben Als habe zu Abwendung seines aͤussersten Verderbens nicht umhin koͤnnen/ an Eure Liebe/ und Fuͤnftes Buch. und dero herzgeliebete Eltern zuschreiben/ umb zuvernehmen/ ob Euer Liebe Herr Vater und Frau Mutter in solche Heyraht gehehlen/ auch sie selbst einem solchen wirdigen Fuͤrsten ihr Herz goͤnnen/ und in demselbẽ ihm die Wohnung einraͤumen koͤñen. Ich ruffe Gott zu Zeugen/ dz ich nicht das aller- geringste meines Eigennutzes hierunter suche/ ohn was Euer Liebe Wolfahrt halber mir zustossen kan. Bitte demnach/ mir unter Schwesterlicher Traͤue in geheim anzudeuten/ ob Eure Liebe diesem herzinbruͤnstigen Ansuchen stat zugeben/ und dem hochverliebeten Fuͤrsten durch genehme Antwort seine bißher gefuͤhrete Schwermuͤhtigkeit zulindern sich bereden koͤnne/ wie dessen ich ungezweifelt e Hoffnung trage/ und sie dem gewaltigen Gott in seinem Schutz empfehlen wil/ als die ich zeit mei- nes Lebens verbleibe/ Euer Liebe getraͤueste und ergebene Schwester Valiska. Ach ihr Goͤtter/ sagte sie bey sich selber; sol ich dann lieben/ ehe ich unterrichtet bin/ was lieben heisse? Libussa/ Libussa! ich haͤtte mich dessen zu euch nicht versehen/ daß ihr mit meinem unachtsamen Bildniß mir so grossen Kummer machen wuͤrdet. Jezt gedachte sie auff den andern Brief/ aus welchem sie den Ring genommen/ und sagte: Ey lieber/ wer muß doch dieses geschrieben haben? Etwa mein herzallerliebster Herr Bruder/ Herkules; oder mein geliebter Oheim und Bruder Koͤnig Ladisla? deren einer mir ohn zweifel den koͤstlichen Ring wird zugeschicket haben. Dann des fremden Fuͤrsten wegen sind mir schon so teurbare Sachen zugestellet. Sie kuckete zuunterst in den Brief/ den untergezeichneten Namen zusehen/ da sie diese Worte fand: Euer Durchl unwirdigem/ doch biß in den Tod bereit- willigstem Knechte Arbianes. O weh mir/ sagte sie/ daß dieser Brief geoͤffnet ist/ welchen ich ja meiner Fr. Schwester unversehret haͤtte koͤnnen zuruͤk senden; woꝛaus meine Jungfraͤuli- che Zucht ihr waͤre kund getahn. Aber du unbedachtsame Hand/ sagete sie zu ihreꝛ Rechten/ hast mir diese Angst zugerichtet. Wie hefftig sie nun mit sich selbsten schalt/ begunte doch dz auffrichtige Herz verlangen zutragen/ ob er auch in seinem selbsteigenen Schreiben so ver- liebet waͤhre/ als Valiska ihn machete; begab sich in einen Winkel/ um/ sich vor sich selbst zu verbergen/ und versuchete/ ob ihre Schahm zugeben koͤnte/ eines Verliebeten Brief zulesen/ dessen Inhalt in Lateinischer Sprache dieser wahr: Der/ welcher die Vollkommenheit der trefflichsten Fraͤulein dieser Unterwelt anbehtet/ straffet sich selbst der dumkuͤhnen Verwaͤgenheit/ wel- che er durch Ansetzung seiner frevelmuͤhtigen Feder begehet; wuͤrde auch nimmermehr so viel herzens haben/ nur deren Bildniß anzuschauen/ die fast hoͤher scheinet/ als daß sie unter das irdische solte ge- rechnet werden; wann er sich nicht gruͤndete auff das Mitleiden/ welches die volkommene Tugend al- lemahl mit den Unverstaͤndigen traͤget. Sonne der Teutschen Welt/ wie hefftig brennen eure Strah- len die jenigen/ die sich duͤrffen geluͤsten lassen/ mit ihren gar zu bloͤden Augen in dieses flam̃ichte Licht hinein zuschauen; welches der geblendete Arbianes zwar bekennen muß/ aber das wenige uͤbrige sei- nes fast erloschenen Gesichtes lieber zusetzen/ als von diesem gar zu angenehmen Lust-Himmel ab- kehren wil. Verzeihet Durchleuchtigstes Fraͤulein Klara/ eurem Knechte/ (O wehe mir/ sagte sie bey Verlesung ihres Nahmens/ woher kommen mir Unwirdigen solche gar zu hohe Eh- renbenennungen/ daß ich mich der Sonnen vergleichen lassen muß/ und dem allerdunkel- sten Sterne die Wage nicht halten kan; und was zeihet sich dieser grosse Fuͤrst/ daß er sich so unzimlich vor mir demuͤhtiget? Doch lase sie diese Worte noch einmahl/ umb den rech- ten Verstand zufassen) Verzeihet/ Durchleuchtigstes Fraͤulein Klara/ eurem Knechte/ welcher durch alle Liebesangst gepeiniget/ und auff der Folter der hunderttausendfachen Begierden ausgedeh- net/ vor der grausamen Anstraͤngerin und Peinigerin (die Verzweifelung meyneter) seine Missetaht auszubeichten gedrungen wird/ und durchaus keinen andern Richter leiden kan/ als den Ausspruch Euer Fuͤnftes Buch. Euer Durchleuchtigkeit/ welche/ da sie ihrer Wirdigkeit den Stab reichen wird/ muß er freylich uͤber meine Seele gebrochen werden; solte aber (O Gluͤk!) das Hoch Fuͤrstliche Mitleiden sich auff den Richterstuel setzen wollen/ wuͤrde mir verhoffentlich/ so viel Gnade begegnen/ daß einige Hoffnung annoch uͤberbleiben koͤnte/ Euer Durchl. unwirdigem/ doch biß in den Tod bereitwilligstem Knechte Arbianes. O daß dich ja kein Mensch mehr sehe/ sagte sie zu dem Briefe/ ich doͤrffte sonst meine Augen foͤrder vor niemand auffschlagen; legte ihn wieder zusammen/ und ging hin/ ihn in das naͤheste Feur zuwerffen; aber da sie hinzu trat dauchte sie/ es haͤtte sie jemand zuruͤcke gezogen; ja sie meynete nicht anders/ als laͤge ein kleines Bildichen (wie etwa dieser Fuͤrst aussehen moͤchte) in der Gluht/ welches mit betruͤbten Augen umb Huͤlffe ansuchete; zuͤc- kete demnach/ und wolte ihn in den Busem stecken/ aber sie fuͤrchtete sich/ der klagende Ar- bianes saͤsse leibhafftig drinnen/ und wuͤrde zugleich mit hinein fahren. O sagte sie/ in was Angst bin ich! wo lasse ich doch dieses Schreiben/ welches ich weder verbergen noch hin- weg werffen kan? Als sie aber ihren Herꝛ Vater von ferne daher kommen sahe/ fuhr sie ohn weiteres bedenken damit zum Busem hinein/ und nam sich durchaus keines Dinges an. Der Groß Fuͤrst hatte inzwischen seinem Marschalk befohlen/ den Gesantẽ guͤtlich zutuhn/ und wahr mit seinem Gemahl hingangen/ sich mit ihr zubereden/ da er ihr offenbahrete/ wz gestalt der Wendische Fuͤrst vor dreyen Wochen an ihn geschrieben/ und seines Sohns wegen umb eine Heyraht mit seiner Tochter angehalten; dem er zwar keine ausdruͤkliche Zusage/ aber auch keine gar abschlaͤgige Antwort erteilet/ sondern seines lieben Kindes Ju- gend eingewand/ und daß er mit seiner Fr. Schwester der Koͤnigin in Boͤhmen es zuvor bereden wolte. Das wil ich ja nimmermehr hoffen/ antwortete sie/ daß mein geliebtes Kind dem Erz Raͤuber zuteile werden solte; dann was hoͤret man von Krito dem Wenden/ und seinem Sohn Gotschalk anders/ als daß sie zu Wasser und Lande die Wege unsicher ma- chen/ und die Kauffleute uͤberfallen/ so daß fast alle Handlung nidergeleget ist; Ich wil nit sagen/ wie schaͤndlich dieser junge Raͤuber sol zugerichtet seyn/ daß er nicht allein am linken Arme lahm/ und am rechten Beine hinkend/ sondern darzu auch einaͤugig ist. Solches ist ihm nicht schimpflich vorzuwerffen/ sagte der Groß Fuͤrst/ dann er hats im Gefechte von seinen Feinden bekommen. Ja auf dem Strassenraube antwortete sie/ da ihn die Kaufleu- te ertappet/ und gebuͤhrlich abgestraffet haben; Wil demnach nimmetmehr hoffen/ dz mein Gemahl dergestalt unser Kind verrahten/ und in die tiefste Ungluͤkspfuͤtze stuͤrzen wolle/ wel- che/ ungeachtet ihrer frommen Einfalt/ hierin nimmermehr gehehlen wird. Es ist noch we- der ja noch nein gesprochen/ sagte er; aber meynet ihr/ daß der jetzige Vorschlag besser seyn werde/ da wir unsere Tochter einen so fernen Weg uͤber Meer in fremde Landschafften schi- cken muͤssen? Warumb nicht/ antwortete sie; es ist besser tausend Meilenüber Feld nach Ehren auszihen/ als vor der Tuͤhr in Schande leben; so wissen wir ohndas/ daß wir unsere liebe Tochter nicht stets bey uns behalten koͤnnen/ und wuͤrde unsere Fr. Tochter Valiska uns hierzu nicht rahten/ wann es uns irgend verweißlich seyn koͤnte. Ich wil euch hierin e- ben so hart nicht zuwider seyn/ sagte er/ aber voͤllige Verheissung von mir zugeben/ bin ich nicht willens; Ist es ihm dann Ernst/ wird er auff eine ziemliche Hoffnung schon weiter anhalten; Sie ist noch jung/ und etwa von 15 Jahren/ auch der Freyer in dem Alter/ da er e e billich Fuͤnftes Buch. billich noch nicht auff Heyraht gedenken solte; aber es ist ja leider jezt die Zeit/ daß Kinder freyen/ wie uns dessen unser Herkules und sein Gemahl Beyspiels gnug sind. Jung ge- freyet/ antwortete sie/ hat niemand gereuet/ wann es nur wol getroffen ist; doch koͤnnen sie es beyderseits noch eine zeitlang ansehen/ weil weder dem jungen Herrn der Bart so bald ausfallen/ noch unser Tochter das Haͤupt grauen wird. Auf diesen gemachten Schluß gingen sie vonander/ dann es wahr schier Zeit/ die Abendspeise einzunehmen; doch solte die Mutter ihrer Tochter Sinn ein wenig erforschen/ welche sie zu sich fodern ließ/ und zu ihr sagete: Allerliebstes Kind/ wie gefallen dir die Kleinot/ welche der treffliche Groß Fuͤrst aus Meden dir geschenket; ich halte gaͤnzlich davor/ er stehe in den Gedanken einer kuͤnfftigen Heyraht. Das liebe Fraͤulein erroͤhtete hieruͤber/ und antwortete: Herzen Fr. Mutter; wie solte dieser Fuͤrst dessen gesinnet seyn/ nachdem er mich so gar nicht kennet/ auch der Brauch nicht ist/ daß die Fuͤrsten aus den weitabgelegenen reichen Morgenlaͤndern ihre Gemahlen aus Teutschland hohlen; doch wie dem allen/ so bin ich noch ein Kind/ und habe etliche Jahr dahin/ ehe ich auff solche Sachen gedenken muß. Es ist nichts neues/ antwor- tete die Mutter/ daß Fuͤrst- und Koͤnigliche Fraͤulein in kindlichen Jahren/ und wol in den Windeln verlobet werden/ welcher Kindheit du schon entgangen bist; Wann aber dieser Fuͤrst nach dir wuͤrbe/ und deine Eltern und Bruͤder/ auch Fr. Schwester Valiska es vor gut ansaͤhen/ wuͤrdestu ja mit solchem Gluͤk koͤnnen friedlich seyn/ nachdemmahl Fuͤrstliche Fraͤulein nicht allemahl ihren Eltern in der naͤhe bleiben koͤnnen. Die Tochter hoͤrete sie wol gehen/ scheuhete sich aber zubekennen/ dz sie zimliche Neigung in ihrer Seele empfand/ und gab zur Antwort: Sie verstuͤnde dieses nicht/ und liesse billich ihre liebe Eltern sorgen/ was denen dermahleins gefallen wuͤrde/ muͤste sie sich mit belieben lassen; doch haͤtte es ja keine Eile hiemit. Es moͤchte auch wol Eile haben/ sagte sie; dann ich gebe dir in hohem Vertrauen zuwissen/ daß der hinkende/ lahme/ einaͤugige/ Wendische Gotschalk Anschlaͤge auf dich machen darff. Davor behuͤten mich die Goͤtter/ antwortete sie/ viel lieber wolte ich mich durch Raͤuberhaͤnde/ wie meine Fr. Schwester/ ans Ende der Welt schleppen/ als diesem mich ehelich zufuͤhren lassen. Der Meynung bin ich auch/ antwortete die Mutter; und ist demnach am sichersten/ daß du beyzeiten versprochen werdest/ auf daß dieseꝛ und an- dere seines gleichen dich unbemuͤhet lassen. Ich hoffe ja nicht/ sagte das Fraͤulein/ daß mich einiger Mensch wider meiner lieben Eltern Willen zum Gemahl fodern koͤnte; so bin ich auch der Schoͤnheit nicht/ daß die jungen Fuͤrsten sich um mich rauffen und schlagen wer- den/ wiewol ich mich dannoch diesem Raͤuber Gotschalk viel zu schoͤn und aͤdel schaͤtze. Voꝛ dem soltu nunmehr wol gesichert bleiben/ sagte die Mutter/ aber dem Medischen Fuͤrsten muß billich etwas gewisses zur Antwort werden; dann aus des Abgesanten Rede erschei- net gnug/ mit was Vorsaz er umgehe/ welches auch Frau Valiska ausdrüklich schreibet. Hier schwieg das Fraͤulein stok stille/ kunte kein Ja/ und wolte kein Nein sagen/ sondern blieb dabey/ sie waͤhre noch jung; wiewol sie endlich sich so weit heraus ließ/ daß sie ihren Eltern allen Gehorsam schuldig waͤhre. Bey der Abendmahlzeit (wobey der Groß Fuͤrst vorsezlich nicht erschien) fragete die Groß Fuͤrstin nach allerhand Begebnissen/ und auff was weise Ihre Fr. Tochter von ihrem Sohn Herkules erloͤset waͤhre/ biß sie auff die uͤbergeschikten Kleinot zureden kam/ da sie sagete: Es muͤste der Medische junge Fuͤrst mit den ihren gros- se Ver- Fuͤnftes Buch. se Vertrauligkeit pflegen/ daß er einem unbekanten Fraͤulein so koͤstliche Sachen uͤberschie- kete. Neklam bekam alhier Gelegenheit/ Fürst Arbianes zurühmen/ wie ihm von der Groß- Fuͤrstin Valiska befohlen war/ zeigete an/ wie freundlich und kuͤhn er in dieser Jugend waͤh- re/ daß er schon ein fliegendes Heeꝛ fuͤhrete/ und Leches zum Feldmarschalk haͤtte; seine Laͤn- der waͤhren so groß/ und mit Staͤdten erfuͤllet/ daß drey Fuͤrsten sich damit zum grossen uͤ- berfluß behelffen koͤnten; und machete des ruͤhmens/ dar an er gleichwol die Warheit nicht sparete/ so viel/ daß das Fraͤulein grosse Lust bekam/ ihn schier zusehen/ redete aber doch kein Wort darzu/ sondern wuste sich zustellen/ als ob sie die Sache nicht anginge; woraus die Mutter ihre Verschlagenheit wahrnam/ deren sie sich zu ihr nicht versehen. Nach diesem fragete die Groß Fuͤrstin/ ob ihr Sohn in den Laͤndern wegen seines neuen Glaubens ange- fochten wuͤrde/ weil man vor gewiß sagete/ es waͤhre derselbe also beschaffen/ daß eꝛ keine an- dere Goͤtter neben sich leiden koͤnte; welches Neklam beantwortete: Ihre Groß Fuͤrstliche Durchl. moͤchte wol versichert glaͤuben/ daß der teure Fuͤrst Herkules wegen seiner Gottes- furcht und Froͤmmigkeit dermassen von hohen und nidrigen geruͤhmet und geliebet wuͤrde/ als einiger Mensch in der Welt. Von seinem Glauben wüste er keinen Bericht zugeben/ aber einmahl waͤhre gewiß/ daß seine Glaubensgenossen anjezt hin und wieder geduldet wuͤrden/ da man sie vorhin auffs aͤusserste verfolget haͤtte. Es fuͤnde sich ein ansehnlicher alter Lehrer bey ihm/ den er als einen Vater ehrete/ und neben anderen Christen sich von ihm taͤglich unterrichten liesse; und haͤtte er mit Augen angesehen/ daß derselbe Groß Fuͤr- sten Herkules und das Koͤnigliche Fraͤulein (die man billich das Weltwunder nennete) nach Christlicher Art zusammen gegeben und vertrauet haͤtte. Es waͤhre unleugbar/ daß Groß Fuͤrst Herkules dieser Lehre festiglich anhinge/ und ob gleich Koͤnig Ladisla lange nit haͤtte koͤnnen darzu gebracht werden/ waͤhre er doch anjezt fast eiferiger als Herkules selbst; die Groß Fuͤrstin Valiska aber freuete sich uͤber nichts in der ganzen Welt so hoch/ als daß sie zu dieses Glaubens Erkaͤntniß kommen; und haͤtte er angehoͤret/ daß sie mit sonderlichẽ Eifer gesprochen: Sie wolte sich ehe tausendmahl schinden/ und hundert tausendmahl bra- ten lassen/ als diesen ihꝛen jetzigen Gott verleugnen/ oder neben denselben einen andern Gott ehren/ weil in hoͤchster Warheit kein ander wahrer Gott waͤhre/ als bloß dieser nur allein/ welcher Himmel/ Erde/ Meer/ und alles was drinnen ist/ durch seine Almacht erschaffen habe/ und es in seinem Wesen erhalte; Was man aber von andern Goͤttern vorbringe/ sey nichts als Menschengeticht und teuflische Luͤgen/ dadurch die Menschen von der Seligkeit abgefuͤhret/ und in das ewige Verderben gestuͤrzet werden. Ihr singen/ damit sie Gott lo- ben/ fuhr Neklam fort/ dringet durch Mark und Bein/ dem der es anhoͤret/ und wann sie behten/ sehen sie als Engel Gottes aus/ dann es scheinet/ ob habe die Seele des Leibes ver- gessen/ und steige hinauff durch die Wolken/ mit Gott Sprache zuhalten. Ich vor mein Haͤupt schreibe ihnen alle ihꝛe Gluͤkseligkeit wegen dieses Glaubens zu/ dañ es daͤucht mich unmoͤglich seyn/ daß andere Leute ihnen im unstraͤflichen Wandel es nachtuhn koͤnnen. Kein unnuͤtzes Wort gehet aus ihrem Munde; Unzucht/ Mord/ Dieberey/ Fressen/ Sauf- fen/ Verleumdung/ und dergleichen Laster darff vor ihnen nicht auffblicken/ und wer ihr Diener seyn wil/ muß der Mißhandelungen sich allerdinge enthalten. Mich verlanget/ daß ich bald wieder bey ihnen anlangen moͤge/ damit ich diesen koͤstlichen Glauben/ welchen sie e e ij den Fuͤnftes Buch. den Seligmachenden nennen/ auch sasse; dann ob sie gleich niemand/ auch ihre Diener nicht/ darzu noͤhtigen/ so nehmen sie doch ohn Unterscheid einen jeden an/ der es nur begeh- ret/ mit der Verwarnung/ man muͤsse nicht waͤhnen/ ob wolte man bey diesem Glauben gu- te Tage in der Welt haben/ sondern vielmehr muͤsse man sich schicken/ ein Ungluͤk uͤber das ander anzunehmen/ weil ihr Gott den Glauben und die Froͤmmigkeit nicht in diesem Lebẽ/ sondern in dem zukuͤnfftigen ewigen/ mit unaussprechlicher Freude/ Wollust und Herlig- keit ersetzen wolle. O das muß wol ein maͤchtiger Gott seyn/ sagte das Fraͤulein/ welcher meineꝛ Fr. Wasen und Schwester eine solche Kraft ins Herz drücken kan/ daß weder durch Tod noch Pein sie sich von ihm gedenket scheiden zulassen. Sage dieses nit/ mein Kind/ ant- wortete ihre Fr. Mutter/ daß es dein Herr Vater hoͤre/ sonst wuͤrdestu seiner Gnade wenig übrig behalten; viel weniger rede es/ wann Pfaffen zugegen sind/ dann sie wuͤrden dir ohn zweifel ein schlimmes Bad zurichten. Solten sie an meinem lieben Herr Bruder ihren Muht noch nicht gnug gekuͤhlet haben? sagte das Fraͤulein; jedoch/ wer weiß/ wie ers ih- nen dereins wieder eintraͤnket/ wañ er/ geliebts Gott/ frisch und gesund seinen eigenẽ Grund und Bodem wieder betreten wird; einmahl ist gewiß/ daß der Herr Abgesanter mir nicht geringen Lust gemacht/ diesen seinen herlichen Gott anzunehmen. Mit solchen Gespraͤchen brachten sie den Abend zu/ biß die Zeit der Ruhe kam/ da Neklam sich zu dem Fraͤulein ma- chete/ und sehr instaͤndig anhielt/ ihr Antwort-Schreiben frühzeitig auffzusetzen/ auch eben dasselbe bey ihren Eltern zu befodern/ weil ihre Reise sehr eilig waͤhre. Sie erboht sich/ bey den Eltern solches zubestellen/ ihre Antwort aber wuͤrde verhoffentlich wol muͤndlich koͤn- nen verrichtet werden. Nach Ihrer Gn. Willen/ sagte er; aber das habe ich wol verstan- den/ daß meine Gnaͤdigste Groß Fuͤrstin von Ihrer Durchl. gar unfehlbar der schrifftlichẽ Antwort gewaͤrtig ist; massen/ da von derselben ich hinweg ritte/ sie mir nachrief: Eriñert meine Frl. Schwester meines begehrens/ daß sie mir/ was wegen ihres Bruders meines Gemahls/ ich an sie gelangen lassen/ schrifftliche Antwort/ und diese unter eigener Hand/ zu- sende/ dafern sie mich vor eine Schwester erkennet. Das ist eine hohe Erinnerung/ antwoꝛ- tete sie/ nach welcher ich mich billich richten/ und meinen begierigen Gehorsam sehen lassen muß; stund auch des morgens fruͤh auff/ und schrieb folgende Antwort/ auff welche sie diese Nacht uͤber sich fleissig bedacht hatte: Großmaͤchtige Durchleuchtigste Groß Fuͤrstin/ gnaͤdige Frau Wase/ Schwaͤgerin und Schwester; Euer Liebe Schreiben ist mir von Ruͤkbringern dieses wol eingehaͤndiget; weil aber durch Lesung wenig unvermuhtlicher Zeilen (deren Inhalts ich keinen Verstand habe) in gar zu grosse Scham gestuͤrzet/ ich das Herz nicht ergreiffen koͤnnen/ es ganz durchzulesen/ vielweniger/ das andere aus kindischer Unvorsichtigkeit erbrochene/ weiter zu oͤfnen/ die Kuͤhnheit gehabt/ ohn daß ein koͤstlicher Ring daraus gefallen/ welchen ohn zweifel mein Herꝛ Bruder Herkules mir geschenket; als gelebe ich der troͤstlichen Zuversicht/ Eure Liebe werden mir freundlichst verzeihen/ das zu fernerer Antwort ich nicht gehorsame. Dem Groß Fuͤrstlichen Herrn Arbianes bitte ich/ vor uͤbergeschikte unverdienete Kleinot hoͤchlich zudanken/ welches zuverrichten ich unvergessen seyn muͤste/ wann dessen Liebde Ange- sicht dermahleins zusehen sich zutragen wuͤrde; Und wie ich nicht zweifele/ Eure Liebe mir von herzen zugetahn seyn/ also ist mein einiges Ansuchen/ in solcher Gewogenheit unverruͤkt zuverharren; Da- gegen ich mich erbie te / Zeit meines Lebens zu seyn und bleiben/ Eurer Liebe gehorsamste und auff- waͤrtigste Dienerin Klara. Dieses Fuͤnftes Buch. Dieses salzete sie artig zusammen/ vermachte es mit einem durchzogenen Goldfadem/ und versiegelte es mit festem Lak/ stellete es Neklam in geheim zu/ und befahl ihm/ nie- mand/ als der Groß Fuͤrstin selbst/ es einzuliefern. Es wahr schon des vorigen Abends ein Roͤmischer Abgesandter von Koͤln ankommen/ mit Bericht/ Herr Julius Lupus/ Kaͤyserl. Stadthalter daselbst/ haͤtte sich nach dem benanten Orte schon hinbegeben/ und wuͤrde der Groß Fürst nicht seumen/ sich einzustellen/ damit die schwebende Streitig- keiten in guͤte moͤchten beygelegt und verglichen werden. Aus diesen Ursachen hatte er sich gestriges Abends bey der Mahlzeit nicht finden lassen/ sondern mit den vornehmsten verschriebenen Staͤnden seines Landes sich beredet/ auff was masse/ und wie weit man sich in Handelung mit den Roͤmern einlassen wolte. Er brach diesen Morgen mit dem Ta- ges-Liechte auff/ und befahl seinem Gemahl das Antwort-Schreiben auffzusetzen/ und sei- ner Nicht-Antwort Ursach zu melden. Neklam aber muste mit seiner Geselschaft das Früstuͤk mit der Groß-Fuͤrstin und dem Fraͤulein einnehmen/ da die Mutter jhre Toch- ter fragete; was sie dem Medischen Fuͤrsten zur Vergeltung schicken wolte; worauff sie antwortete; Ihr als einem Fraͤulein würde nicht anstehen/ jungen/ und zwar fremden Herren einige Verehrung uͤberzumachen/ hoffete/ die Abgesandten wuͤrden die Muͤhe uͤber sich nehmen/ und jhre freundliche Dancksagung an gebuͤhrenden Orten verrichten; dessen Neklam/ welcher den Brief schon von jhr empfangen/ sich untertaͤhnigst anerboht/ und doch dabey meldete/ wie angenehm seiner Gn. Groß Fürstin jhrer Frl. Schwester ei- genhaͤndige Antwort seyn wuͤrde. Die Mutter antwortete/ Sie wolte nicht allein vor sich schreiben/ sondern dir wil gebuͤhren/ sagte sie zu dem Fraͤulein/ daß du deiner Frau Schwester und Wasen die schuldige Ehr durch einen Brief erzeigest/ in welchem du naͤhst gebührlicher Dancksagung wegen des überschikten/ dich deroselben zu allem Ge- horsam anerbieten/ und das vor sechs Wochen dir von mir geschenkete Halsketchen jhr zusenden solt/ mit Bitte/ daß sie es in deinem Nahmen dem Medischen jungen Groß- Fürsten/ als ein Zeichen gebuͤhrlicher Ehrerbietung und Dankes/ einhaͤndigen wolle. Die- ses Ketchen war nun sehr zierlich gemacht/ an welchem 28. Demant als Gloͤcklein hin- gen/ und zu unterst ihr in Gold abgegossenes Brustbildichen/ ganz eigen getroffen/ und mit aͤhnlichen Farben gemahlet/ an welchem ein grosser Rubin hing/ in dem ein Stern ge- stochen wahr; die Umschrifft hieß: Klara/ Frl. aus Teutschland Sie erroͤhtete ganz über ihrer Fr. Mutter Rede/ und wahr ihr leid/ daß sie den ersten Brief schon von sich gege- ben hatte/ hoffete ihn doch wieder zu bekom̃en/ und als ein gehorsames Kind/ taht sie nach ihrer Fr. Mutter Befehl/ da ihr dann recht liebe wahr/ daß sie dem jungen Fuͤrsten eini- ges Zeichen der Gewogenheit senden solte/ weil sie in ihrem keuschen Herzen befand/ daß die Furcht und Abscheu wegen des Wendischen Freiers die Liebe zu dem Medischen alle Stunden vermehrete; dessen sie sich in ihrem Schreiben gerne unter verdecketen Worten haͤtte vernehmen lassen/ wann sie der Mutter Augen/ die es zuvor lesen wolte/ nicht ge- scheuet haͤtte; daher sie es dieser gestalt abfassete: Durchleuchtigste Groß Fuͤrstin/ Gn. Fr. Wase/ Schwaͤgerin und Schwestek; wegen ange- bohtener grosser unverdieneter Hulde/ auch uͤbergeschikten Kleinoten von dem Durchl. Medischen Groß Fuͤrsten/ Herrn Arbianes/ bedanke mich untertaͤhnig und freundligst; und auff außdruͤklichen Befehl meiner Gn. Fr. Mutter uͤbersende dessen Liebde zur anzeige eines dankwilligen Gemuͤhts/ e e iij beyge- Fuͤnftes Buch. beygefuͤgtes Halßkatchen/ unter der Hoffnung/ hochgedachter Fuͤrst werde das geringe aus gutem Horzen herruͤhrend/ von meiner Fr. Schwester Hand/ meinetwegen anzunehmen sich nicht wegern; Uns hiemit allerseits dem Schuz des Himmels empfelend/ bin und verbleibe euer Liebe gehorsamste und ergebene Dienerin Klara. Die Mutter erinnerte sie bey der Verlesung/ es haͤtte wol etwas zierlicher und auß- fuͤhrlicher koͤnnen gestellet werden/ doch würde die eilfaͤrtigkeit sie entschuldigen; vermach- te das Ketchen in einem guͤldenen Schaͤchtelchen/ und gab dadurch dem Fraͤulein Gele- genheit/ mit Neklam zu reden/ welchen sie ersuchete/ ihr das vorige Schreiben wieder zu- zustellen/ weil an dem jezt auffgesetzeten es gnug seyn koͤnte. Er aber gab demuͤhtig zur Ant- wort: Nachdem von ihrer Gn. er bereit einen ernstlichen befehl erhalten/ solches niemand/ als ihrer Fr. Schwester einzulieffern/ hoffete er untertaͤhnigst/ es wuͤrde dabey sein ver- bleiben haben/ weil er mit zehn als einem Schreiben viel angenehmer seyn wuͤrde. Dessen das Fraͤulein lachete/ und es geschehen ließ. Als die Mutter wieder kam/ stellete sie Neklam alles zu/ schenkete ihm und Ruprecht jedem eine güldene Kette/ dem Dolmetscher aber 150 Kronen zur Verehrung zu/ nebest 800 Kronen zum Zehrgelde ingesamt auf den Ruͤkweg/ da sie dann nicht auffhoͤreten zu eilen/ unter der Hoffnung in Persenland schier wieder anzulangen. Fuͤrst Baldrich/ Herkules einiger Bruder/ der nunmehr von 19 Jahren/ wahr nicht einheimisch/ dann sein Herr Vater hatte ihn mit 20000 Mann seinem Schwager dem Koͤnige in Schweden/ wider die Reussen zu huͤlffe gesand/ woselbst er die erste bewehrung seiner Ritterschafft ablegen solte. Dazumahl herschete in Schweden Koͤnig Haron/ Koͤ- nig Ragwalds Enkel/ Koͤnig Amunds Sohn/ dessen Sohn Fuͤrst Siegward/ ein Herr von 21 Jahren/ mit nicht geringerer Liebe an Baldrichen hing/ als Ladisla an Herkules/ hatten sich auch vereiniget/ nach geendigtem Kriege der Ritterschafft/ wie ihr Bruder uñ Oheim/ nachzusetzen/ daher sie Koͤnig Haron embsig bahten/ mit der ganzen Macht auff den Feind loßzugehen/ auff daß man den gewuͤnscheten Frieden desto schleuniger wieder- bringen koͤnte; welches sie auch erhielten/ und durch eine herbe Feldschlacht den Sieg er- stritten/ daß die Reussen gezwungen wurden/ den Frieden mit schweren bedingungen ein- zugehen; worauff Baldrich und Siegward von dem Koͤnige abscheid nahmen/ vorge- bend/ nach Teutschland zu reisen; setzeten sich mit zwoͤlff aͤdlen Rittern/ teils Teutschen/ teils Gothen zu Schiffe/ und fuhren zu Lande/ wo jezt die Stad Wißmar belegen/ ritten auch mit ihrer Geselschafft durch Teutschland/ des naͤhesten auff Italien zu/ da ihnen un- terschiedliche Abenteur zustiessen/ wodurch sie sich doch nicht auff halten liessen. Unter an- dern traff an den Italiaͤnischen Grenzen eine Pannonische Schaar von 20 Reutern auff sie/ mit welchen sie ein herbes Treffen hielten/ daß sie fast allemiteinander verwundet wur- den/ und doch keiner das Leben zusetzete/ da hingegen ihre Feinde biß auff acht/ ins Graß bissen/ und diese durch die Flucht ihr Leben retteten. Den unsern kam es zu statten/ daß sie eine ansehnliche Baarschaft und viel Kleinot bey den Erschlagenen funden/ auch deren Pferde mit sich fortnahmen/ weil sie stark und wol abgerichtet wahren. Herkules und seine Geselschaft spareten ihren Weg auch nicht/ biß sie die Stad Damaskus erreicheten/ da Fabius mit 20 Roͤmern voraus setzete/ dem Stathalter/ seinem nahen Fuͤnftes Buch. nahen Anverwanten/ Herrn Sulpitius ihre Gegenwart zu melden/ welcher sich deren Ankunft hoch erfreuete/ und ihnen auff eine Viertelmeile entgegen zog. Herkules kennete ihn von ferne/ eilete auf ihn zu/ und bedankete sich der vormahls erzeigetẽ Ehre uñ Freund- schaft/ haͤtte zwar seine Ruͤkreise etwas richtiger nehmen koͤnnen/ aber sein Versprechen zu halten/ ihn wiederumb besuchen wollen. Sulpitius hieß ihn freundlich wilkommen/ verwunderte sich des Koͤniglichen Prachtes/ der vielen Wagen/ und koͤstlichen Pferde/ und da die Groß Fuͤrstin mit dem Frauenzimmer ihm zu ehren von dem Elefanten stieg/ entsetzete er sich fast über ihrem herlichen anfehen/ und volkommener Schoͤnheit/ erzeigete sich ganz hoͤflich gegen sie/ und geleitete sie biß an ihre Gutsche/ auff welche sie sich setzete/ und ingesamt den Einzug in die Stad hielten/ woselbst schon das Geschrey aus des Stat- halters Hofe erschollen wahr/ was vor grosse Fuͤrsten verhanden waͤhren/ daher die Gas- sen allenthalben vol Menschen wahren/ daß man kaum zwischen her kommen kunte. Sie wurden von dem Stathalter Fürstlich bewirtet/ der sie/ ungeachtet alles einwendens/ des andern Tages noch nicht zihen lassen wolte; Herkules ließ den Bischoffdaselbst/ mit dem er auff der Hinreise Kundschafft gemacht/ zu sich fodern/ ihm und seinen Leuten eine Pre- digt uͤber den 9 und 10 vers des 32 Cap. des ersten Buchs Mose zu halten/ welche Fabius mit anhoͤrete/ der bißher des Christlichen Glauben sich wenig angenommen/ wiewol ihm Ladisla schon offenbahret hatte/ daß sein Gemahl Fr. Sophia/ so bald sie seiner Bekehrung von Leches verstaͤndiget/ sich zum Christlichen Glauben begeben/ und dadurch ihre Frau Mutter auffs hoͤchste erfreuet haͤtte; In dieser Predigt aber begunte der heilige Geist in ihm zu wirken/ welches Herkules merkend/ bey dem Bischoff anhielt/ auff den Mittag ei- ne Rede zum Beweißtuhm der Warheit unsers Christlichen Glaubens zu tuhn; welches er gerne bewilligte/ und anfangs aus weltkuͤndigen und vernunftmaͤssigen Ursachen be- haͤuptete/ daß nohtwendig ein GOtt seyn muͤste/ nach dem ja kein Mensch sagen duͤrffte/ das dieses grosse Weltgebaͤu keinen Auffseher haͤtte/ sondeꝛn seine zierliche Ordnung und unwandelbahre Abwechselung der Zeiten/ von einer unendlichen Almacht herfliessen und eꝛhalten werden muͤste; dann daß etliche vorgaͤben/ die innerliche Kraft dieser Welt waͤh- re GOtt/ solches koͤnte mit der gesunden Vernunft nicht zustimmen/ weil mann offt solche Begebnissen saͤhe/ welche von dieser innerlichen Kraft nicht herruͤhreten/ sondern dersel- ben ganz entgegen lieffen/ oder doch anzeigeten/ daß dieselbe mit deren Art/ zeugung/ und fortsetzung gar nichts zu schaffen haͤttẽ; bliebe also dieses fest das ein solches Almaͤchtiges Wesen seyn muͤste/ welches der Welt Herr und Erhalter waͤhre. Hernach bewehrete er unser Seelen unsterbligkeit/ und daß nach diesem zeitlichen Leben nohtwendig ein ander folgen muͤste/ nachdem ja alhie die Gottlosen gemeiniglich das beste Gluͤk haͤtten/ und hin- gegen die frommen mannichem Elende unter worffen waͤhren/ welches die Gerechtigkeit Gottes nicht wuͤrde nachgeben koͤnnen/ dafern nicht inkuͤnftig eine andere Zeit oder E- wigkeit verhanden waͤhre/ da die Boͤsen ihre gebuͤhrliche Straffe/ die frommen aber/ so nach Gottes Willen einhergingen/ die Belohnung empfahen solten. Hierauff fuͤhrete er starcken Beweißtuhm/ daß Gott inbetrachtung seiner Guͤte/ sich des Menschlichen Ge- schlechts/ als seines alleraͤdlesten leiblichen Geschoͤpffes nicht entschlagen koͤnte/ sondern stete Sorge vor ihnen truͤge/ weil er ja der allergeringsten Dinge sich annaͤhme/ daß sie mü- sten Fuͤnftes Buch. sten erhalten werden/ und keine Art der Tihre unterginge. Sorgete nun GOtt vor die Menschen/ wie nicht anders seyn koͤnte/ so wuͤrde er ja vor ihren aͤdlesten Teil/ welches die Seele waͤhre/ nit weniger/ als vor ihren Leib sorgen/ insonderheit/ weil diese unsterblich/ und nach diesem Leben ungetoͤdtet bliebe. Als er diesen festen unbewaͤglichen Grund gelegt hatte/ fuhr er fort/ uñ erzwang daher/ Gott muͤste dem Menschen nohtwendig geoffenbah- ret haben/ durch was mittel/ und auff was Weise er in der Gnade Gottes verbleiben/ und nach diesem zeitlichen Leben die Wolfahrt seiner Seele erlangen koͤnte. Nun solte man alle Heidnische Buͤcher durchsuchen/ da wuͤrde man vergebliche Arbeit anlegen/ und hie- von ausser etlichen wenigen eingepflanzeten Fuͤnklein nichts gewisses antreffen/ sondern mehrenteils kindische/ ungoͤttliche/ und wieder sich selbst streitende meynungen/ die mit leichter muͤhe/ auch aus der Vernunft koͤnten wiederlegt werden. Besaͤhe man der Heiden Gottesdienste unter dem ganzen Himmel/ waͤhren ja die naͤrrische Possen handgreiflich/ welche sie von den Goͤttern getichtet haͤtten; daß man also alle muͤhe vergeblich anwende- te/ wañ man bey ihnen nachfragete/ wie der ewigen Scligkeit nachzustreben waͤhre. Keh- rete man sich aber zu dem Judischen Volk/ so fuͤnde sich vor erst diese Gewißheit/ daß ihre Buͤcher die alleraͤltesten/ und ihre Schrifften den Heidnischen weit vorgingen/ so daß Moses vor dem Castor, Æsculapius, Bacchus, Mercurius, Apollo, und vielen andern/ die man nachgehends vor Goͤtter außruffen duͤrffen/ gelebet. In dieses Mose Buͤchern aber waͤh- re der Christliche Glaube fest gegruͤndet/ dann es haͤtte Mose von dem HErrn Christus geweissaget/ anderhalb tausend Jahr zuvor/ ehe er an diese Welt als ein Mensch geboh- ren worden. Also schloß nun dieser Lehrer/ daß entweder der Judische heutige/ oder aber der Christliche Glaube der Seligmachende seyn muͤste/ oder es waͤhre gar kein wahrer Glaube in der Welt. Nun waͤhre aber dieses lezte schon vor unmoͤglich erwiesen/ und koͤn- te gleichfals den Juden leicht dargelegt werden/ daß ob sie zwar die Schrifften Mose uñ der Propheten annoch haͤtten/ so mangelte ihnen doch der rechte Verstand/ weil sie den darin versprochenen Heyland nicht erkeñen noch des Geistes deutung annehmen wolten/ sondern alles auff das Irdische außlegeten/ und ihnen eine weltliche Gluͤkseligkeit trau- men liessen/ die ihnen nun und nimmermehr wiederfahren wuͤrde/ angesehen/ sie den ge- rechten Zorn Gottes durch hinrichtung des ihnen zugeschikten Heylands/ sich uͤber den Hals gezogen haͤtten/ daß sie nunmehr kein geliebtes außerwaͤhltes/ sondern verstossenes Volk waͤhren; müste demnach endlich nohtwendig folgen/ daß die Christliche Lehre die wahre und Seligmachende waͤhre. Nach diesem außfuͤhrlichen Beweißtuhm erklaͤrete er des Christlichen Glaubens heilige Volkommenheit/ als welche uͤberaus nichts ungoͤttli- ches in sich begriffe/ viel weniger billichte/ sondern die Menschen nur auff Gottes und des naͤhesten Liebe hinfuͤhrete/ auch wie man im Kreuz und Leiden geduldig seyn/ und der von Gott gesetzeten Obrigkeit Gehorsam leisten muͤste/ in alle dem/ was nicht wieder Gottes Ehre und der Erbarkeit fleissige bewahrung stritte. Schließlich fuͤhrete er des Menschen dreyschiedlichen Stand ein/ wie er nehmlich anfangs von Gott gerecht/ volkommen und heilig erschaffen/ abtr bald darauff durch den leidigen Satan verfuͤhret/ sich und alle seine Nachkommen des treflichen Ebenbildes Gottes in geistlichen Sachen allerdinge berau- bet/ und ins zeitliche und ewige Verderben gestuͤrzet/ Gott aber sich ihrer wieder erbar- met/ Fuͤnftes Buch. met/ und seinen Sohn vor sie in den Tod dahin gegeben/ auff das durch dessen Leiden und büssung die Gerechtigkeit Gottes vergnuͤget/ und seiner Barmherzigkeit der freie Lauff ge- oͤffnet wuͤrde/ deren alle diese zugeniessen haͤtten/ die sich auff das verdienst des Sohns Gottes verlassend/ in allen Christlichen Tugenden sich uͤbeten/ und da sie durch fleisches schwachheit in eine oder andere Suͤnde gerieten/ sich bald wieder erhohleten/ und durch wahre Busse zu Gott umbkehreten. Hiemit wolte der Christliche Lehrer seine Rede schlies- sen; aber Ladisla/ welcher ihm den Beweißtuhm/ daß die Christliche Lehre allein die wah- re seligmachende Lehr waͤhre/ sehr wol gefallen ließ/ hielt bey ihm freundlich an/ er moͤchte ihm und anderen Anwesenden Christen zum besten/ noch diesen Knoten auffloͤsen/ und sie ingesamt unterrichten/ wodurch man eigentlich und unstreitig behaͤupten koͤnte/ daß die- selben Christen allein die wahre Kirche Gottes waͤhren/ und die rechtglaͤubigen/ die also lehreten und glaͤubeten/ wie die Christen zu Rom/ zu Padua/ zu Korinth/ zu Damaskus/ und andere/ so sich zu ihres Glaubens einigkeit bekenneten; hingegen aber dieselben den unrechten und falschen Glauben haͤtten/ welche nicht mit ihnen uͤbereinstim̃eten/ sondern in vielen oder doch etlichen Stuͤcken eine andere Meynung behaͤupteten. Der Lehrer lo- bete an Ladisla/ daß er so gefliessen waͤhre/ den festen Grund der Warheit zuerkennen/ und das Zeichen/ durch welches alle Ketzer und falsche Lehrer sich selbst verrieten/ daß sie irre- ten/ und eine nichtige Lehre fuͤhreten; und fing darauff an diesen Unterricht vorzutragen: Es ist wol zubeklagen/ daß der abgesagte Feind der Warheit der leidige Teuffel/ so grosse Macht und Gewalt hat/ daß er auch in der Kirchen Gottes sich darf finden lassen/ das schaͤdliche Unkraut der verdamlichen Lehre daselbst außzustreuen; wiewol auch durch sol- ches schaͤdliche uͤbel unser Gott etwas gutes wirket/ nehmlich/ daß die rechtschaffenẽ Chri- sten offenbahr werden/ in dem sie solchen Irtuhmen sich eiferig wiedersetzen/ und die reine Warheit zubehaͤupten/ alle moͤgligkeit anwenden. Ich wil hieselbst nicht anfuͤhren/ was gestalt die Phariseer und Sadduzeer unserm Heylande und dem Worte Gottes haben wiedersprechen duͤrffen; sondern meinen jetzigen Zuhoͤrern und ihrem Christlichen begeh- ren zufolge/ nach vermoͤgen einfaͤltig melden/ daß bald nach unsers lieben Erloͤsers Him- melfahrt/ die falschen Bruͤder sich haben hervorgetahn/ und ihre menschlichen Getichte unter dem Nahmen der Christlichen Lehre/ hin und wieder außgebreitet/ wodurch manni- che glaͤubige Seele ist geaͤrgert und in zweiffel und Irtuhm gestuͤrzet worden. Halte auch gaͤnzlich davor/ es sey die obangefuͤhrte Frage mir bloß zu dem Ende zubeantworten auff- erlegt/ umb den eigentlichen Grund darzustellen/ auff welchen ein glaͤubiger Mensch sicher bauen und trauen mag/ so daß er kraͤftig bewehret sey und bleibe/ die Lehre/ welche er hat angenommen/ sey die rechte auffrichtige und unbetriegliche Warheit. Dieses fest zustellen/ muͤssen wir uns versichern/ daß die Apostel und Juͤnger des HErrn den Menschen alle die- selbe Lehre haben vorgetragen und mitgeteilet/ welche ihnen zur Seeligkeit zu wissen noͤh- tig ist/ und Gott nach dieser ersten Lehrer abscheid/ uns keine neue offenbahrungen wieder- fahren lassen wolle/ solche glaubens Stuͤcke uns beyzubringen/ von denen obgedachte Jün- ger des HErrn nichts geschrieben noch gelehret haben; wie solches der heilige Maͤrterer Iren æ us/ des heiligen Polycarpus Schuͤeler in seinem vierdten Buche wieder die Ketze- reien bestetiget/ da er diese Worte fuͤhret: Der Juͤnger des HErrn ihre Lehre/ welche biß f f auff Fuͤnftes Buch. auff uns gekommen/ vor allen menschlichen Getichten behuͤtet/ und in der ganz vollen Ab- handelung der Heilgen Schrifft verfasset ist/ kan durchaus nicht leiden/ daß man etwz hin- zu tuhe oder davon nehme. Woraus dann dieses folget/ daß alles/ was ein Stuͤk des wah- ren Christlichen Glaubens seyn sol/ müsse richtig und klar erwiesen werden/ daß es von des HErrn Juͤngern gelehret sey. Welchem nach die reinen Lehrer aller ihrer Lehre Beweiß- tuhm aus der H. Schrifft Altes und Neuen Bundes nehmen/ und dasselbe alles verwerf- fen/ was darinnen nicht zufinden ist. Und zwar nicht allein dieses halten wir vor falsch/ was gerade wider das Wort Gottes streitet/ sondern auch/ was ausser demselben Worte Gottes wil vorgebracht und ertichtet werden/ als zur Seligkeit noͤhtig. Nun findet sich aber ins- gemein dieses beydes bey den Ketzern und falschen Lehrern/ daß sie neue Glaubens Stuͤcke schmieden/ und daß sie der uhralten Lehre widersprechen. Wiewol sie dieses lezten nicht ger- ne sich wollen lassen beschuldigen/ weil dadurch ihres Vorbringens Nichtigkeit auffgedec- ket wird. Aber gleich wie der Wolff sich nicht verbergen kan/ ob er gleich einen Schafspeltz anleget; noch die Schlange/ ob sie gleich den Kopff unterm Steine verstecket; also verraͤht sich ein jeder Ketzer und falscher Lehrer durch sein Vorbringen/ wie scheinbar er gleich sei- nen Irtuhm vorbringen mag; welches wir bald finden/ wann wir ihn nur nach und aus dem Worte Gottes richten. Weil aber einem einfaͤltigen Christen es nicht gegeben ist/ daß er die Geister allemahl solte prüfen koͤnnen/ ob sie aus Gott sind; so haben zu deren Unter- weisung ein und ander Lehrer/ des Christlichen Glaubens noͤhtige Stuͤcke in kurze Auszuͤ- ge verfasset/ welche die Einfaͤltigen mit leichter Muͤhe begreiffen/ und sich deren als einer Richtschnuhr der Lehre gebrauchen/ daß wann ihnen etwas neues vorgetragen wird/ sie alsbald zumutmassen haben/ es muͤsse solches zuvor wol uͤberlegt werden/ ehe mans añimt. Und dieses ist das beste Mittel/ wodurch die Unwissenden vor Ketzereyen und falsche Lehren koͤnnen bewahret werden. Ladisla fragete weiter; ob dann die Ketzereyen und falschen Leh- ren unter den Christen so mannigfaltig waͤhren. Welches der Lehrer beantwortete: Es wehren schon unterschiedliche Arten der Ketzereyen/ und liesse sich ansehen/ der listige Men- schenfeind würde nicht ruhen/ deren je laͤnger je mehr auszuhecken. Der erste Ketzer zeit des Neuen Bundes/ sagte er/ von welchem die andern alle als aus der allergifftigsten Wurzel scheinen entsprungen seyn/ wahr Simon der Erz Zaͤuberer/ seines Herkommens ein Sa- mariter/ dessen in den Geschichten der Apostel/ von Lucas auffgezeichnet/ Meldung getahn wird/ welcher auch endlich den Lohn der Boßheit empfing/ als die beyden teuren Knechte Gottes/ der Heilige Peter und Paul ihn zu Rom vor aller Welt zuschanden macheten; massen als derselbe vorgab/ er wolte sichtbarer weise gen Himmel fahren/ da behteten diese zu ihrem Gott und Heylande/ welcher diesen Erz Ketzer aus der Lufft herunter stuͤrzete/ daß er an seinen Gliedmassen zerschmettert ward. Dieser verwaͤgene Bube durffte sich selbst vor den wahren Gott/ ja vor Vater/ Sohn/ und Heiligen Geist zugleich ausgeben/ und sein unzuͤchtiges Weib die Selenen oder Helenen vor eine Mutter aller Geschoͤpffe/ von wel- cher auch die Engel gemacht waͤhren/ von denen nachgehends diese Welt erschaffen wor- den. Er versprach allen das ewige Leben/ die an ihn und sein Weib wuͤrden glaͤuben/ uñ gab ihnen Freyheit/ nach allem Muhtwillen zuleben/ welches ihnen an der Seligkeit durchaus nicht solte schaͤdlich/ sondern vielmehr befoderlich seyn. Nach seinem erschreklichen Tode warff Fuͤnftes Buch. warff sein Landsman der schnoͤde Menander sich vor das Haupt dieser schaͤndlichen Rot- te auff/ und wahr ja so ein grosser Zaͤuberer/ als sein Lehrmeister Simon. Wenige Zeit nach diesem Leutebescheisser entstunden die unflaͤtigen Nicolaiten/ deren in Johannes heimlicher Offenbahrung gedacht wird. Diese durfften sich auch vor Christen ausgeben/ und waren doch ein abgeschaͤumeter Unflaht aller unverschaͤmten Buben/ weil sie allerhand Schan- de und Unflaͤterey betrieben/ und ihre Weiber unter sich gemein hatten. Aus dieser frechen Geselschafft entstunden die alten Gnostici oder die Wissende und Erleuchtete genennet/ welche in den Fleisches unzimlichen Werken noch mehr ersoffen wahren als die vorigen; dann sie gaben vor/ daß durch solche Schandenbetreibung man eigentlich zur Seligkeit gelangete. Und damit auch diese moͤchten die reine Lehre von unserm Heylande zerruͤtten/ gaben sie vor/ derselbe waͤhre nicht von Marien der Heilig hochgelobeten Jungfrauen gezeuget/ sondern sie haͤtte denselben uns nur gezeiget oder gewiesen; es haͤtte dersel- be auch nicht die wahre Menscheit angenommen/ sondern nur eine Gestalt/ derselben aͤhn- lich. Der Nazareer/ wie auch des Korinthus und Ebions Ketzerey trat auff die Bahn/ ohn gefehr/ da Jerusalem von Vespasian zerstoͤret ward. Diese lebeten zwar nit so gar unrein/ aber die Heilige Lehre verfaͤlscheten sie gewaltig; gaben vor/ nicht Gott selbst haͤtte die Welt erschaffen/ sondern eine andere Nebenkrafft/ die nicht Gott sey. So waͤhre auch der HErr JEsus nicht wahrer Gott/ noch Gottes Sohn/ sondern von Joseph und Marien gezeu- get; doch waͤhre er kluͤger und heiliger gewesen als andere Menschen. Ihr erster Ketzer- Meister Cerinthus tichtete; es waͤhre JEsus von Marien gebohren/ Christus aber waͤh- re in denselben JEsus kommẽ/ als er die Tauffe empfangen/ und zwar in gestalt einer Tau- be/ und durch diesen empfangenen Christ haͤtte JEsus Zeichen und Wunder getahn. Als nun JEsus gelitten/ waͤhre Christus wieder von ihm gewichen und gen Himmel geflogẽ/ als welcher nicht haͤtte leiden koͤnnen. Ebion aber hielt es in diesen Stuͤcken nicht mit dem Cerinth/ sondern gestund beydes/ daß Gott selbst die Welt gemacht/ und daß Jesus und Christ ein einziges Wesen oder eine Person wehre/ nur steckete er in dem Irtuhm/ daß der- selbe nicht Gott/ sondern ein blosser Mensch wehre; und eben dieses meyneten auch die Na- zareer/ welche nebest den beyden jeztgedachten vorgaben/ es muͤsten die Christen so wol die Beschneidung und andere Judische Gesetz halten/ als nach dem Evangelion leben. Es hat aber der Evangelist Johannes die wahre Gottheit unsers Heylandes wider diese Ketzer/ in seinen Schrifften gewaltig verteidiget. Nachgehends/ etwa vor hundert Jahren/ ist des Simons und Menanders Schule groß worden/ durch die teuflischen Ketzer/ den Satuꝛ- ninus/ Basilides und Karpokrates/ welche zwar unter sich selbst nicht allerdinge einig wa- ren/ aber doch dergestalt mit einander leicheten/ daß sie die Schoͤpfung der Welt nicht Gott selbsten/ sondern den Engeln zulegten/ und zugleich unsers Heylandes wahre Gottheit un- verschaͤmt leugneten; uͤberdas auch die schaͤndlichen Werke des Fleisches vor gut und wol zugelassen hielten/ und hingegen den Heiligen Ehestand schaͤndeten. Insonderheit enthielt sich des Saturninus Anhang alles Fleischessens/ und betrogen durch solchen aͤusserlichen Schein viel einfaͤltige Herzen. Diese miteinander verneuerten den ehmahls von andern gebrauchten Nahmen/ und nenneten sich Gnosticos, die Erfahrnen und Hochverstaͤndigen/ da sie doch von dem Satan am Verstande allerdinge verblendet wahren/ daß sie das boͤse f f ij gut/ Fuͤnftes Buch gut/ uñ das gute boͤse neñeten. (Es hat der Leser von diesen Teufelskindern schon Nachricht im Andern Buche dieser Geschichte am 387 Blade.) Nach der Zeit erweckete der Satan zween schaͤdliche Ketzer/ den Valentin und Marcion. Des Valentihns Anhang gehoͤretẽ mit unter die Zunfft der Gnosticorum oder vermeyneten Hochweisen/ welche solche wun- derliche Traͤume von Gott/ von der Welt Schoͤpfung und andern Lehrstuͤcken fuͤhren/ daß sie des auszischens mehr wert sind/ als Hesiodus mit seiner Goͤtter Geburt/ und Ovidius mit seinen Verwandelungen. Aus unserm Heylande machen sie weder einen GOtt noch einen Menschen/ sondern einen geistlichen Leib/ der vom Himmel kommen/ und durch der Jungfrauen Marien Leib hindurch gelauffen sey/ wie das Wasser durch eine Roͤhre/ des- sen Wesen es nicht an sich nimt; geben auch nicht zu/ daß unsere Leiber die Aufferstehung von den Todten zuhoffen haben. Das menschliche Geschlecht teilen sie in dreyerley Arten aus/ als die Irdische/ Seelenmaͤssige/ und Geistliche. Die Irdische sollen ganz vergehen. Die Seelenmaͤssige/ da sie gutes tuhn/ sollen an einem Mittelorte zur Ruhe kommen; Die Geistlichen aber (vor welche sie keine als sich selbst halten) bleiben ewig/ kommen an den Ort der volkommenen Seligkeit/ und werden mit den Engeln verheirahtet; Welchen Geistli- chen dann frey stehe/ nach allem Willen ihr Leben zufuͤhren/ so daß kein Laster/ Unzucht noch Frecheit ihnen an der Seligkeit koͤnne schaͤdlich oder hinderlich seyn. Marcion aber nam des ehmahligen Zerdons Fantastereyen vor Warheit an; Es waͤhren zween Goͤtter/ ein guter und boͤser. Der boͤse hette die Welt gemacht/ und die Gesetzes Lehr gegeben/ daher er das Alte Testament der Heiligen Schrifft verwarff; gab vor/ der Menschen Leiber ver- gingen ewig. Den Ehestand verboht er/ und hielt unsern Heyland vor einen solchen/ der weder ein wahrer Mensch/ noch jemahls gebohren/ sondern nur ein Gespenst waͤre/ oder ei- ne Erscheinung ohn Leib/ daher er auch nicht gelitten haͤtte/ noch leiden koͤnnen. Den Bru- der Moͤrder Kain/ die Leute zu Sodom/ und andere unglaͤubige Heyden preisete er vor se- lige; Den Abel/ Enoch/ Noah und andere Gottselige Altvaͤter aber vor verdamt; Dann jene waͤhren dem H. JEsus/ da er hinunter zur Helle gestiegen/ entgegen gangen/ uñ haͤtten seiner Lehre geglaͤubet; Diese aber haͤtten ihm nicht geglaͤubet/ daher sie in der Helle bliebẽ. Und ob gleich diese Ketzerey sehr ungereimt ist/ und nirgends Grund hat/ so findet sie doch hin und wieder Anhang/ in der naͤhe und ferne. Bald nach diesen Schwaͤrmern kahmen Hermogenes/ Montanus und Tatianus angestiegen/ und hatten ihre absonderliche falsche Lehren. Hermogenes gab vor/ nicht allein Gott waͤhre von Ewigkeit her/ sondern auch das Zeug/ aus welchem alle Dinge gemacht sind. Daß nun etliche Dinge boͤse sind/ solches ha- ben sie nicht von Gott (welches dann wahr ist) sondern von des Zeuges oder der Matery Mangel/ daraus sie gemacht sind (welches falsch ist/ weil ganz kein Ding seinem wesen nach boͤse ist). Der Montanus ist ein sehr schaͤdlicher Ketzer gewesen/ uñ hat auch gelehrte Chꝛi- sten verfuͤhret; Seine Glaubensgenossen werden sonst Cataphryges genennet. Sich selbst hielt er vor den von unserm Heylande versprochenen Paracletum oder Vorsprach und Troͤ- ster. Zwey Weiber/ die Priscilla und Maximilla hatte er bey sich/ gab sie an vor sonderli- che Weissagerinnen/ deren Schrifften er die heiligen Buͤcher nennete. Den Ehestand veꝛ- warff er gar; welches auch der Tatian taht/ und nam dieser grossen teils des Valentins Lehre an; Wein trinken und Fleisch essen hielt er vor eine grosse Suͤnde; Und hat auch die- ser Fuͤnftes Buch. ser bey vielen unbe dachtsamen Menschen Beyfall gefunden. Endlich hat vor etwa dreyssig Jahren sich ein neuer Schwaͤrmer auffgeworffen/ nahmens Praxeas/ welcher getichtet/ Gott der Vater selbst waͤhre JEsus Christ/ welcher gestorben/ gen Himmel gefahren/ und zu seiner selbst eigenen Rechten sich gesetzet habe; Seine Glaubensgenossen werden Patro- passiani genennet/ weil sie/ wie gesagt/ vorgeben duͤrffen/ GOtt der Vater selbst habe am Kreuz gelitten. Diese angefuͤhrete sind die vornehmsten Ketzer/ welche inwendig diesen 193 Jahren nach unsers Heylandes Him̃elfahrt entstanden sind; und ob deren zwar mehr erzaͤhlet werden/ so sind doch die uͤbrigen der jeztgemeldeten ihre Schuͤler/ und haben nach belieben einen Irtuhm von diesem/ einen andern von jenem entlehnet und angenommen/ und also vermischte Ketzereyen angerichtet. Daß ich aber nach dieser Erzaͤhlung zur Sa- che schreite/ und die mir auffgetragene Frage aus dem Grunde beantworte/ nehmlich/ wo- her es zuerweisen sey/ daß alle dieselben genanten Christen/ falsche und nicht-recht-glaͤubi- ge Christen sind/ welche mit uns/ die wir die algemeine oder Catholische Kirche sind und genennet werden/ nicht uͤbereinstimmen; so ist dieses der klare und grundfeste Beweiß- tuhm; weil solche Menschen/ teils neue Lehre vorbringen/ welche wir von den Juͤngern o- der Bohten des HErrn nicht empfangen haben; teils auch sich unterstehen duͤrffen/ das Heilige uhr alte Wort Gottes/ in des Mose und der Propheten Schrifften verfasset/ zu leugnen/ auffzuheben/ und eine ganz widerwertige Lehre vorzuiragen/ durch welche jenes Wort Gottes Luͤgen gestraffet und verworffen wird. Da wird nun kein verstaͤndiger/ und aus Gottes Wort unterrichteter Mensch so unbedachtsam verfahren/ daß er solchem blos- sen vorbringen der falschen Lehrer alsbald wolte Glauben beymaͤssen/ sondern da wird er nachfragen/ woher er sein Vorbringen zubehaupten bedacht sey. Berufst er sich auf goͤtt- liche Offenbahrungen/ so hat man ihm entgegen zustellen/ daß der warhaffte Gott/ welcher bestaͤndig ist in seinen Worten und Tahten/ sich ja selbst nicht werde zum Luͤgner machen/ noch seine eigene Warheit auffheben. Und wolte dann gleich ein solcher Schwaͤrmer sich erbieten/ sein Vorgeben durch Zeichen und Wunder zubestetigen/ so muͤssen wir ihm doch nicht glaͤuben/ sondern solche Wunder vor des Sataus Werke halten/ weil nicht allein unser Gott Zeit des Alten Bundes uns schon gewarschauet hat/ daß wir auch den Wun- dertaͤhtern nicht sollen glaͤuben/ die wider Gottes Wort etwas vorbringen/ sondern unser Heyland hat solche Warnung wiederhohlet/ und uns angezeiget/ daß viel falsche Prophe- ten und Schwaͤrmer werden auffstehen/ und viel Zeichen und Wunder tuhn/ durch des Satans Huͤlffe/ ihre falsche Lehre damit zubekraͤfftigen/ so daß nicht allein die einfaͤltige si- chere Herzen/ sondern wol gar die auserwehlten Kinder Gottes/ wanns moͤglich waͤhre/ dadurch moͤchten verführet werden. Derwegen so haben wir kein sicherer Mittel/ die Gei- ster zupruͤfen/ ob sie aus Gott sind/ als wann wir ihre Lehre aus Gottes Wort richten/ uñ zugleich nachfragen/ ob dann die algemeine Kirche Gottes von Anfang her also gelehret habe; finden wir dann eines von diesen beyden nicht bey dieser Pruͤfung/ so sollen wir ge- trost sagen: Teuffel du leugest/ du bringest nicht die wahre Lehre GOttes/ sondern deine schaͤndliche Luͤgen hervor/ die Menschen dadurch von Gott abzusuͤhren/ und sie durch Ir- tuhm ins Verderben zustuͤrzen/ derwegen so traue ich dir nicht/ ob du dich gleich in einen Engel des Lichts verstellen/ und von aͤusserlicher Scheinheiligkeit/ wie die Sonne gleissen f f iij moͤchtest. Fuͤnftes Buch. moͤchtest. Als nun der Lehrer hiemit seiner Rede die Endschafft gab/ dankete ihm Ladisla vor solche Unterweisung/ und sagte zu den anwesenden: Ich wundere mich nicht ein ge- ringes/ daß solche Rotten und Irrgeister von einigem Menschen beyfall erlangen koͤnnen/ da sie ihre eigene Tichtereyen vortragen/ welche nohtwendig muͤssen Luͤgen seyn; Und wuͤꝛ- de ich trauen dem Hesiodus/ Ovidius und andern viel ehe Glauben zustellen/ als welche nicht ihre eigene Erfindungen vorbringen/ sondern was sie von ihren Vorfahren gehoͤret haben. Dessen bin ich mit meinem Bruder eins/ antwortete Valiska/ moͤchte nur wuͤn- schen/ einen solchen falschen Lehrer selbst zusprechen/ umb zuvernehmen/ wie er doch auff die unhintertreiblichen Gegenwuͤrffe der Rechtglaͤubigen antworten wolte/ deren einen einzigen umzustossen oder zweiffelhafftig zumachen ihm ja allerdinge unmoͤglich ist. Her- nach hielt sie bey dem Lehrer freundlich an/ er moͤchte sein jetziges vorbrigen etwas weit- laͤufftiger auffsetzen/ und ihr solches bey erster Botschafft auff Jerusalem nachschicken; Welches er dañ nit aus der acht ließ/ und vor solche Muͤhe eine reiche Vergeltung bekam. Fabius hatte diesem Lehrer und alle seinem Vorbringen mit sonderlichem fleisse zu- gehoͤret/ worauff unsere Helden gute acht gaben/ und die Hoffnung fasseten/ er würde sich zum Christentuhm begeben. Dem Bischoff stellete Valiska sonsten vor dißmahl 100000 Kronen zu/ unter den armen Christen in den Syrischen Staͤdten außzuteilen. Fabius gab ihm derobehuef absonderlich/ ohn der unsern wissen/ 5000 Kronen/ mit begehrẽ/ er moͤch- te Gott vor ihn bitten/ daß er in seinem angehenden Glauben zur Seligkeit gestaͤrket wuͤr- de; welches er ihm getraͤulich versprach/ auch einen Catechißmus oder Glaubens-Buͤch- lein verehrete/ in welchem er fleissig lesen/ und vor sich selbst Gott im Himmel anruffen solte/ daß er ihn ferner erleuchtete. Herrn Sulpizius Gemahl/ Fr. Justinen schenketen sie etliche kostbahre Kleinot/ und begabeten alles sein Gesinde reichlich/ nahmen auch den jun- gen Sulpizius seinen Sohn gerne mit sich in ihrer Geselschaft fort/ der ein guter Ritter/ seines alters von 24 Jahren wahr/ und zu Rom seine versprochene Braut Frl. Benig- nen hatte/ Herrn Klaudius Krispinus Tochter/ die er besuchen wolte. Als sie nun des an- dern Tages nach ihrer ankunft von Damaskus hinweg zogen/ und unsere Helden inge- samt mit dem Frauenzimmer auff dem Elefanten sassen/ redete Ladisla seine Schwester also an; Ich erfreue mich von Herzen/ daß ich den Jordan schier erreichen/ und zu abwa- schung meiner Suͤnde die heilige Tauffe empfangen werde/ deßwegen ich dann gesonnen bin/ mich durch wahre Busse und fasten darauff zuschicken/ daß ich dieses selige Bad wir- dig empfahen moͤge; zweifele auch nicht/ die so eben dasselbe mit mir zunehmen willens sind/ werden sich gleicher gestalt darzu bereiten. Valiska bedankete sich der bruͤderlichen Erinnerung/ gab es Leches und seiner Geselschaft zuverstehen/ und ordneten von dem Tage biß an ihre Tauffe eine Fasten unter sich/ da sie des Tages nur einmahl gegen Abend Spei- se nahmen/ und dabey nichts als Wasser trunken/ hielten auch taͤglich dreymahl Beht- stunde/ des morgens wañ sie auffbrachen/ des Mittages wañ sie ruheten/ und des Abends wann sie sich niderliessen; wobey Fabius sich immer mit finden ließ/ der doch sein Vorha- ben noch keinem Menschen offenbahret hatte. Wie sie an die Galileischen Grenzen kah- men/ besuchten sie alle nahmhaffte oͤrter/ deren in heiliger Schrifft meldung geschihet/ dañ diese hatte Valiska mit sonderlichem fleisse ausgezeichnet/ und in ein Buͤchlein geschriebẽ. Erstlich Fuͤnftes Buch. Erstlich besahen sie Kana/ im Galileischen Lande belegen/ und liessen sich das Haus zeigen/ in welchem der HErr Christus Wasser hatte zu Wein gemacht. Von darab zogen sie gen Nazareth/ besahen den Ort/ wo der Erz Engel Gabriel der keuschen Jungfrauen Marien die froͤliche Botschaft gebracht/ daß sie den Heyland zur Welt gebehren solte/ und zeigeten ihnen die Christen einen Brunnen/ aus welchem das Kindlein JEsus seiner Mutter hatte pflegen Wasser zu hohlen/ daher unsere andaͤchtige Pilgrim Lust bekahmen/ anfangs aus diesem Brunnen zu trinken/ und nachgehends sich daraus zu waschen. Von dannen reiseten sie nach Kapernaum/ da der HErr Christus sein meistes Wesen und Wohnung gehabt/ und ward ihnen daselbst mannicher Ort gezeiget/ an welchen er seine Wunder- werke verrichtet. Von dannen zogen sie uͤber den Jordan/ und besahen Chorazin; kehre- ten wieder zuruͤk nach Bethsaida/ und von darab nach den Bergen Tabor und Hermon/ auch nach der lustigen Stad Naim/ woselbst unser Heyland den Todten Juͤngling im Sarge zum Leben aufferwecket hatte. Ferner reiseten sie nach Tyberias/ und wieder West- werz nach Sichem. Von Sichem nach Samaria/ und endlich nach dem gewünscheten Ort Bethabara/ da sie die heilige Tauffe empfangen wolten. In allen diesen Staͤdten tei- lete Valiska unter den Christen so reichlich aus/ daß sie damit uͤber eine Tonne Schaz ver- taht/ und wo Christliche Schuelen wahren/ gab sie auff 10 Jahr lang den Lehrern und Schuͤlern reichen Unterhalt/ worzu sie drey Tonnen Schaz anwendete. Fabius meldete erst zu Bethabara den unsern sein Vorhaben an/ daß er von Damaskus her die Christli- che Lehre zimlich gefasset haͤtte/ auch willens waͤhre/ die heilige Tauffe anzunehmen; dessen sie hoͤchlich erfreuet wurden/ uñ Valiska ihm etliche Stunden lang die schweresten Glau- bens Stuͤcke einfaͤltig erklaͤrete. Herkules sendete seinen Gallus mit verstelletem Ange- sicht nach Jerusalem zu dem Bischoff/ ließ ihn seine Ankunft vertraulich wissen/ und daß etliche hohes Standes mit ihm kommen waͤhren/ die heilige Tauffe zu empfahen; moͤchte demnach die Mühe auff sich nehmen/ und mit dem alten Lehrer/ der ihn getauft haͤtte/ auff dem geschikten Wagen hinaus kommen/ daß der Stathalter dessen nicht inne wuͤrde/ dem er sich zu rechter Zeit schon wolte zuerkennen geben. Der Bischoff freuete sich über Herku- les ankunft/ und daß ihm Gott gluͤklichen fortgang seines vor habens verlihen/ zog des fol- genden morgens mit Gallus in aller fruͤhe fort/ uñ ward von den unsern sehr wol empfan- gen/ denen er eine herliche erklaͤrungs Predigt von der Einsetzung und nuzbarkeit der H. Tauffe hielt; hernach vor erst das Frauenzimmer/ nachgehends die Mannesbilder ver- hoͤrete/ und sie dermassen gegruͤndet befand/ daß weitere unterweisung unnoͤhtig wahr; insonderheit verwunderte er sich des Christlichen Eifers/ welchen er bey der Groß Fuͤrstin und ihrem Bruder/ wie auch bey Leches spuͤrete/ vermahnete sie zur beharligkeit/ und blie- ben fast den ganzen Tag im Gespraͤch vom Christlichen Glauben/ dan die unsern nahmen den Tag gar keine Speise zu sich/ und die ganze Nacht uͤber blieben sie im Gebeht. Des folgenden morgens gingen anfangs das Frauenzimmer mit dem Bischoff an den Jordan/ und empfingen die heilige Tauffe/ hielten ihr Danksagungsgebeht am Ufer eine Stunde lang/ und wurden inzwischen Ladisla und Fabius; und nach ihnen Leches/ Klodius/ Mar- kus Neda und Prinsla; endlich Timokles und Mardus getauft. Nach verrich t etem an- daͤchtigen Gebeht/ setzeten sie sich zu Tische/ und hielten Mahlzeit in aller Gottesfurcht; da Fuͤnftes Buch. da die Groß Fuͤrstin mit dem Bischoffe allerhand Christliche Gespraͤch fuͤhrete/ der ihr allernaͤhest sitzen muste. Nun hatte aber Herr Pompejus die Zeitung zu Jerusalem schon bekommen/ daß etliche vornehme Herrn mit einer grossen Anzahl Reuter und Wagen/ auch einem sehr statlichen Elefanten zu Samarien (dann hieselbst musten ihre Leute liegen bleiben) ankommen waͤhren/ deßwegen er einen Reuter dahin schickete/ um nachzufragen/ was vor Leute sie waͤhren/ und von wannen sie kaͤhmen. Herkules hatte sich dessen schon besorget/ und dem jungen Sulpitius auffgetragen/ was auff diesen Fall solte geantwortet werden/ welcher demnach den Abgeschikten berichtete/ es waͤhren etliche vornehme Roͤ- mische Herrn mit statlichen Kaͤyserl. Geleitsbrieffen ankommen/ diese Landschaft zubese- hen/ weil sie Christen waͤhren/ und fuͤnden sich etliche des Herrn Stathalters nahe Anver- wanten mit unter ihnen; waͤhren ein wenig außgeritten/ und wuͤrden ihren Weg (wohin/ wuͤste er nicht) erstes Tages weiter fortsetzen. Unsere getauffete machten sich deßselben Ta- ges wieder zuruͤk nach Samarien/ wurden dieser Nachfrage berichtet/ brachen alsbald mit allen Voͤlkern und Wagen auff nach Jerusalem/ und nahmen die Nacht zu huͤlffe/ daß sie des andern Tages fruͤh morgens vor dem Tohr wahren/ meineten auch ohn sonderbah- re Nachfrage in die Stad gelassen zu werden/ welches ihnẽ doch fehlete/ massen der Wacht- meister ihnen etliche entgegen lauffen ließ/ und geboht/ der Stad nicht zu nahen/ biß ihnen solches vergoͤnnet wuͤrde; sie aber zogen algemaͤhlig fort/ einwendend/ daß sie Roͤmer/ und des Stathalters Freunde waͤhren/ die ihn zubesuchen kaͤhmen. Pompejus sendete ihnen bald darauff zehn Reuter entgegen/ und ließ nachfragen/ was vor Leute sie waͤhren. Plau- tus wahr mit unter ihnen uñ ersahe Gallus/ dessen er sich hoͤchst erfreuete/ nicht zweifelnd/ Herr Herkules wuͤrde mit dabey seyn; aber Gallus redete ihn alsbald auff Medisch an/ daß er sich keiner Kundschaft merken liesse/ weil sein Herr unerkennet seyn wolte/ biß er sich dem Stathalter selbst meldete. Diese außgeschikte bahten Herrn Fabius/ (dann unsere Helden liessen sich nicht sehen) er moͤchte mit den seinen stille halten/ biß einer hinritte/ dem Stathalter seine Antwort zu melden; dann Fabius hatte gesagt/ er kaͤhme von Padua/ seinen Herrn Vetter auff der Reise zu gruͤssen. Die unsern sahen/ daß sie mit ihrem gan- zen hauffen nicht würden ungemeldet eingelassen werden/ daher Herkules/ Ladisla und Ar- bianes sich in eine Gutsche; Valiska mit Libussen und Euphrosynen sich in eine andere set- zeten/ und Fabius mit Sulpitius/ Leches und Gallus zu Rosse folgeten/ denen dann der Einzug nicht gewegert ward/ da ein Reuter kurz vor ihnen her ritte/ uñ seinem Herrn dem Stathalter anzeigete/ daß seine Verwanten/ die sich durchaus nicht melden wolten/ mit geringer Geselschaft seinem Hofe naheten/ daher er seinem Gemahl und Tochter befahl/ sich in Eile zuschmuͤcken. Als sie noch einen zimlichen Weg von des Stathalters Woh- nung wahren/ stiegen sie ab/ und gingen zu fusse hin. Herkules und Ladisla traten voraus/ Arbianes und Fabius folgeten auff dem fusse/ Leches und Gallus/ welche Sulpizius be- gleiteten/ traten hinten nach/ allesamt in treflicher Kleidung nach standes Unterscheid/ ohn einige Waffen/ nur mit leichtem Seitengewehr. Die drey Fuͤrsten und Fabius hat- ten sich auff eine Weise gekleidet/ in einem glaͤnzenden Silbern Stuͤcke mit Demanten besezt/ und auff den Huͤten grosse weisse Federbuͤsche. Kurz nach ihnen folgete Groß Fuͤr- stin Valiska in gleicher Kleidung/ und ihre genante Begleiteriñen hinter ihr. Das Burg- Tohr Fuͤnftes Buch. Tohr wahr verriegelt/ und ehe dann es geoͤffnet ward/ meldete sie zuvor ein Diener an/ es begehreten etliche trefliche Herrn/ eingelassen zu werden. Der Stathalter befahl alsbald auffzutuhn/ ging ihnen entgegen/ und ward im Vorplatze Herkules gewahr/ dem er umb den Hals fiel/ und ihn mit diesen Worten empfing: Ich rechne diesen Tag vor einen mei- ner gluͤkseligsten/ nach dem mein GOtt an demselben meinen hochgeliebten Herr Sohn mich frisch und gesund sehen laͤsset/ und zwar/ wie ich merke/ nach glüklicher verrichtung seines vorhabens. Herkules bedankete sich der hohen Ehrerbietung/ und antwortete: Ja mein hochgeliebter Herr Vater; der Almaͤchtige Gott hat das geraubete Koͤnigl. Fraͤu- lein durch mich erloͤset/ und sie mir zum Gemahl bescheret/ welche dort her komt/ sich mei- nem Herr Vater als eine gehorsame Tochter darzustellen/ auch grosses verlangen traͤgt/ mit meiner Frl. Schwester Frl. Lukrezien Kundschaft zu machen. Meiner Zusage mich eriñernd habe ich auff der Ruͤkreise nicht vorbey zihen/ sondern meinem Herr Vater zu- sprechen sollen/ da ich dann meine geliebte bruͤderlichen Freunde/ Ladisla/ Boͤhmischen Koͤnig/ Arbianes Medischen Groß Fuͤrsten/ auch Herꝛn Fabius und Sulpizius mit mir fuͤhren wollen. Pompejus empfing dieselben nach Standes Wirdigkeit/ sehr freundlich/ und erzeigete Ladislaen so hohe Ehre/ daß dieser sich dessen endlich beschwerete; Weil aber die Groß Fuͤrstin schon stund/ und auf ihn wartete/ hieß er sie sehr ehrerbietig wilkommen/ und sagete: Durchleuchtigste Groß Fuͤrstin; meine schlechte Wohnung hat sich/ als lan- ge sie stehen wird/ zu ruͤhmen/ daß ihre Vortreffligkeit nicht vorbey zihen/ sondern bey ih- rem bereitwilligsten Herberge nehmen wollen; und weil mein Gemahl und Tochter vor- laͤngst gewuͤnschet/ Ihrer Durchl. auffzudienen/ wolle dieselbe freundlichst gebehten seyn/ unsere Geselschafft ihr gefallen zulassen/ und mit einem bereit stehenden Willen vorlieb zu nehmen. Valiska neigete sich tieff gegen ihn bedankete sich der hohen unverdieneten Eh- re/ waͤhre vor sich so kuͤhn nicht gewesen/ dem Hochmoͤgenden Herrn Stathalter Ungele- genheit zumachen/ sondern vorerst ihrem Gemahl zugehorsamen/ dann auch Gelegenheit zusuchen/ seiner Liebe vor die ihrem Gemahl erzeigete grosse Freundschafft zudanken/ und mit dem trefflichen Fraͤulein schwesterliche Freund- und Kundschafft zumachen/ deren hohe Tugend ihr Gemahl nicht gnug haͤtte ruͤhmen koͤnnen; baͤhte demnach sehr dienst- fleissig/ ihrer Kuͤhnheit zuverzeihen/ und mit uͤberfluͤssiger Ehre sie hochguͤnstig zuverscho- nen. Pompejus wuste/ daß die seinen verlangen trugen/ die fremden Gaͤste zuerkennen/ trat mit den Mannesbildern unter den gewoͤlbeten Bogen/ und sendete hin/ sie ohn anmeldung der fremden herzufodern/ denen die Groß Fuͤrstin mit ihren beyden Nachfolgerinnen ent- gegen trat/ und jene sich wegen ihrer ausbündigẽ Schoͤnheit nicht gnug verwundern kun- ten/ biß nach freundlicher umfahung Valiska also anfing: Durchl. Fr. Stathalterin/ auch Hochgebohrnes vorteffliches Fraͤulein; meine Verwaͤgenheit/ dieselben unangemeldet zu uͤberlauffen/ habe ich durch nichts zuentschuldigen/ nur daß auff die hohe Gunst ich mich verlasse/ mit welcher sie meinem Gemahl Muͤtter- und Schwesterlich verwand und zuge- tahn sind/ dessen kind- und bruͤderlichen Gruß anzumeldẽ/ ich unvergessen seyn wolte/ wañ er solches nicht selbst zuverrichten willens waͤhre. Ach Gott/ antwortete das Fraͤulein/ ist dann Eure Hocheit etwa meines hoͤchstwerten Herrn Bruders/ des Durchleuchtigsten Groß Fuͤrsten/ Herrn Herkules Gemahl? welches ich daher muhtmassen muß/ weil sonst g g keiner Fuͤnftes Buch. keiner in der Welt sich meiner schwesterlichen Liebe ruͤhmen kan. Valiska umfing sie mit einem inniglichen Kusse/ und sagete: Eben dieser ist mein Gemahl/ hochgeliebtes Fraͤulein/ uud bin ich so erboͤhtig als schuldig/ Ihrer Liebe wegen der ihm geleisteten schwesterlichen Dienste/ nach aller Moͤgligkeit dankbar zuseyn. Wann auch meine Hochwerte Freundin- nen belieben tragen/ ihren Sohn und Bruder zusprechen/ sehen sie ihn dort her kommen. Das Fraͤulein erwartete ihrer Fr. Mutter Begleitung nicht/ sondern ging ihm entgegen/ und ward von ihm mit einem bruͤderlichen Kusse empfangen/ da er zu ihr sagete: Hoch- werte Frl. Schwester; wegen vertraulicher Freundschafft habe ich nicht unterlassen koͤn- nen/ ihre Liebe zubegruͤssen/ und ihr mein Gemahl sehen zulassen/ welche nichts hoͤhers wuͤn- schet/ als in ihre vertrauliche schwesterliche Freundschafft auffgenommen zuseyn. Ach wie angenehm/ sagte sie/ ist mir meines Durchl. Herrn Bruders Gesundheit und gluͤkliches Wolergehen/ moͤchte von herzen wünschen/ daß seinem Koͤniglichẽ Gemahl ich der gebuͤhr nach auffwarten koͤnte/ deren gleichen an Schoͤnheit und anderen Volkommenheiten/ ohn Zweifel in dieser Welt nicht ist. Meine Frl. Schwester/ antwortete er/ wird an ihr ein er- gebenes Herz finden/ und bitte sehr/ sie wolle alle Gedanken solcher unzimlichen Demuht ablegen/ dafern sie sonst mein Herz nicht betruͤben wil. Sie haͤtte gerne geantwortet/ aber wie sie berichtet ward/ was vor welche die mit ihrem Vater herzunahende waͤhren/ ging sie ihnen entgegen/ und empfing sie mit sonderlicher Hoͤfligkeit/ da sie gegen Ladisla sich des Wunsches gebrauchete/ daß sein geliebtes Gemahl moͤchte zugegen seyn; Welches ihm kei- ne schlechte Begierde nach ihr in seinem Herzen erweckete/ insonderheit/ weil das Fraͤulein ihr sehr aͤhnlich wahr. Inzwischen hatte Herkules sich zu der Stathalterin gemacht/ von welcher er muͤtterlich gewilkommet ward. Valiska aber nahete sich wieder zu dem Fraͤu- lein/ deren froͤliche Bezeigungen ihr sehr wol gefielen/ hielt manniche holdselige Unterre- dung mit ihr/ und legten mit einander eine vertrauliche Liebe an/ deren doch das Fraͤulein sich unwirdig schaͤtzete/ und sich zu allen dienst- und Auffwartungen erboht. Herr Pompe- jus ließ die Wagen auff einen grossen Plaz zusammen fuͤhren/ da sie Tag und Nacht fleis- sig bewachet wurden; die Reit- und Wagenpferde aber auf die Doͤrffer verlegt/ die 400 Reuter blieben in der Stad/ und der Elefant ward auf die Burg gefuͤhret/ da er gute Stal- lung fand. Es wahr allerseits grosse Freude/ nicht anders/ als waͤhren Kinder und Eltern/ Schwester und Bruͤder zusammen kommen/ daß niemand wuste/ mit wem er am liebsten teden wolte; welches allermeist an dem Fraͤulein erschien/ massen sie bald mit Herkules ein Gespraͤch anfing/ und mitten in demselben abbrechend/ mit der Groß Fuͤrstin anlegete; bald ihren Oheim Fabius seines ergehens fragete. Das Mittagsmahl ward auf dem gewoͤhn- lichẽ Saal angerichtet/ wobey Geminus der Bischoff sich einstellete/ zu welchem der Stat- halter sagete: Ihr habt sehr wol getahn/ Ehrwuͤrdiger Vater/ daß ihr dieser Fürsten und Herren Ankunfft mir verhehlet/ damit ich wegen schlechter Bewirtung mich desto besser zuentschuldigen haͤtte. Er merkete diesen Stich wol/ gab zur Antwort/ daß er zwar schuldig gewesen/ Ihrer Gn. alles zeitig anzumelden; weil er aber selbst nicht gewust/ was vor Her- ren ihn hinaus gefodert/ er auch gleich jezt von Bethabara zu Hause angelanget waͤhre/ hoffete er/ Ihre Gn. wuͤrden ihn wol entschuldiget halten. Es ward niemand als die Fuͤr- sten/ nebest Fabius und Sulpizius an diesen Tisch gesezt/ und muste Frl. Lukrezie mit Ge- walt sich zwischen Herkules und Valisken setzen/ der Bischoff aber blieb vornen an bey dem Stat- Fuͤnftes Buch. Stathalter. Nach geendigter Mahlzeit haͤtten sie die heiligen oͤrter der Stad gerne besich- tiget/ aber diesen Tag kunte es ihnen nicht gegoͤnnet werden/ und wahr der Stathalter be- dacht/ auff den Abend einen Tanz anzustellen/ welches Herkules hiemit abwendete/ daß sie ingesamt willens waͤhren/ des folgenden Tages das Heilige Abendmahl zugebrauchen/ uñ zugleich ein Dankfest zuhalten/ daß ihr Heyland sie bißher so vaͤterlich bewahret/ und an diesen gewuͤnschten Ort sicher gebracht haͤtte; welches er ihm wol gefallen ließ/ und sich er- boht/ des wahren Leibes und Blutes des Sohns Gottes mit zugeniessen; dann er hatte mit seinem Gemahl und Tochter schon vorm halben Jahre sich taͤuffen lassen. Als nunsolches des naͤhesten Tages von fruͤh Morgens an biß auff den hohen Mittag verrichtet wahr/ hielten sie das Mahl in Froͤligkeit mit einander; nach dessen Endigung der Bischoff etli- che mit Seitenspiel herzu foderte/ die allerhand Christliche Gesaͤnge erklingen liessen/ und mit der Stimme darein sungen; da endlich Valiska die Laute foderte/ etliche schoͤne Vor- laͤufchen spielete/ und bald darauff folgendes Lied/ welches sie diese Nacht getichtet hatte/ darein sang: 1 N Un der Winter ist dahin/ Ja der Winter meiner Schmerzen/ Dem ich jezt entrissen bin/ Liegt mir nicht mehr auff dem Herzen; Der mich vor so hart geplagt/ Und durch tieffen Schlam getrieben/ Ist/ wie Artaban jezt klagt/ Hinter mir in Parthen blieben. 2 Du mein Heyland/ du mein Schuz/ JEsus/ hier vor mich gelitten/ Hast des wilden Parthers Truz Vor der Faust rein abgeschnitten; So daß O HErr deine Gunst/ Mitten unter Ungluͤks wuͤten Vor des frechen Tigers Brunst Meiner gnaͤdig wollen huͤten. 3 Du mein JEsus bist mein Schild/ Der Verderben abgekehret/ O du Gottes Ebenbild/ Uber alles hochgeehret; Was vor Dank sol deiner Macht Ich Unwirdige doch singen? Die mir Heil und Leben bracht/ Wie man ging/ mich zuverschlingen. 4 HErr/ ich trat daher ohn Licht/ Lag im finstern Todes-Grabe/ Kante deinen Namen nicht/ Den ich jezt im Herzen habe; Darumb stieß des Unfals Wuht Meine Seele leicht danider/ Weil ich nichts/ als Fleisch und Blut Suchte/ das mir huͤlffe wieder. 5 Aber nun des Vaters Wort/ JEsus/ sich mir offenbahret/ Hab ich einen starken Hort/ Der mir Leib und Seel bewahret/ Der in mir des Glaubens Feur/ Und der Liebe Brunst entzuͤndet/ Daß kein Hellisches Geheur Raum und Stelle bey mir findet. 6 O du Himmels-Gnade du! O du Trost der schwachen Seelen! O du hochgewuͤnschte Ruh! Nimmer kan es denen fehlen/ Die in deinem Schutze seyn. Nun so hilff HErr/ und vollende/ Daß ja deiner Guͤte Schein Nimmermehr sich von uns wend e 7 Laß im Glauben uns bestehn/ Biß wir diesen Leib der Erden Durch des Todes uͤbergehn Abzutuhn gezwungen werden/ Dann fuͤhr unsre Seele hin Zu der Ruhe deiner Gnaden/ Wie dein Bruder-Herz und Sin n Uns dahin hat eingeladen. 8 O wie werd ich mich alsdann/ Hoͤchstes Heil/ an dich ergetzen! Hier leid ich/ so viel ich kan; Dort wirstu die Pein ersetzen Mit der Unaussprechligkeit. JEsus/ wann wird es geschehen/ Daß dein arme Christenheit In das Paradeiß sol gehen? g g ij Alle Fuͤnftes Buch. Alle anwesende hoͤreten ihrer geistlichen Andacht fleissig zu/ und verwunderten sich uͤber die Inbrunst/ welche sie durch aͤusserliche Geberden scheinen ließ/ daß auch die Freuden- Thraͤnen ihnen saͤmtlich aus den Augen drungen/ weil sie die ihren fliessen sahen; daher der Bischoff Gelegenheit nam/ durch ein Christliches Gespraͤch sie zu staͤrcken/ und sagte zu ihr: Durchleuchtigste Groß-Fuͤrstin; das ist die durchdringendeste Hertzens-Freude/ zu welcher wir von Gott erschaffen sind/ wann wir an unserm Heylande alle unsere Seelen- belustigung haben; dann hiedurch empfinden wir auch noch in diesem Lebẽ den suͤssen Voꝛ- schmak jener unsaͤglichen Wollust/ die unser Heyland durch sein Leiden und Tod uns in dieser Stad erworben hat. Ja Ehrwuͤrdiger Vater/ gab sie zur Antwort: Wolte GOtt/ daß unser muhtwilliges Fleisch sich nur stets koͤnte oder wolte zwingen lassen/ dem irdischen abzusterben/ und dem Geiste die himlische Betrachtung zugoͤnnen; aber leider! ich empfin- de mit dem teuren Apostel Paulus auch das Gesez der Suͤnden in meinen Gliedern/ das da widerstreitet dem Gesez in meinem Gemühte/ und nimt mich taͤglich gefangen/ indem es mir bald dieses/ bald jenes einwirfft/ und offt mitten in der Andachts Gluht meine Gedan- ken mit der Angiessung des Weltwassers stoͤret/ daß sie der Betrachtung nicht gebuͤhrlich nachsetzen/ sondern in dem ich mein bekantes Gebeht mit den Munde spreche/ der Siñ wol auff ein anders hingezogen wird/ und die Zunge das ihre volfuͤhren laͤsset; Und wann ich mich bißweilen von dieser mir selbst widrigen Schwebung loßreisse/ wil sie doch immer anhalten/ und der Andacht den Lauff verhindern. Nichts neues/ Durchl. Groß Fuͤrstin/ nichts neues/ sagete der Bischoff/ sondern diß ist eben der Streit und Kampff/ welchen die Glaͤubigen in dieser Irdischeit taͤglich erfahren muͤssen; dann wir duͤrffen unsern Feind nicht weit suchen/ sondern tragen ihn in unserm Busem mit uns umher. Aber daruͤber sollen wir keinen Zweifelmuht an uns nehmen/ sondern uns troͤsten/ daß unser Alkraͤfftiger Verfechter JEsus/ uns in diesem Kampfe nicht ohn huͤlffe lassen/ sonďn mit seiner Gnug- tuhung beyspringen wil/ auff daß/ wo unser schwaches Vermoͤgen zukehret/ seine Almacht gelten/ und unsern Abgang reichlich ersetzen sol; fehlen wir dann bißweilen aus Fleisches Schwacheit/ und sehen/ daß der faule Esel nicht folgen wil/ wie der Geist treibet/ sondern durch Gegenwuͤrffe des Gesichtes oder Gehoͤrs/ oder anderer Beglerden abgeleitet wird/ muͤssen wir uns doch an der Gnade Gottes genuͤgenlassen/ wann wir nur unser Gewissen rein behalten/ oder da wir gestrauchelt/ uns in der Zeit wieder auffrichten. Wer dann also streitet/ dem wird der gerechte Richter an jenem Tage die Ehren Kron nicht versagen. A- ber wie schwer dieser Kampff zugehet/ und wie wenig denselben recht antreten duͤrffen/ si- het man an den Welt-ergebenen/ die nicht allein den Irrungen der Andacht sich nicht ent- gegen setzen/ sondern des unbendigen Fleischesbegierden nit eins wiederstehen wollen/ weil sie nach ihrer Zaͤrtligkeit dem Fleische nicht versagen koͤnnen/ was ihm sanffte tuht. Es ist wahr/ antwortete die Groß Fuͤrstin/ daß der ungezaͤumete Welthauffe den uͤppigkeiten spo- renstreichs nachhaͤnget/ welches zwar die innerliche Boßheit in ihnen bruͤtet/ aber die Ge- wohnheit leget dessen bey ihnen noch den allerfestesten Fuß/ daß man sie weder durch Ver- mahnung noch Zwang abhalten kan; daher muß der Geist bey ihnen nohtwendig erliegẽ/ wie stark man gleich/ ihn loßzureissen/ bemuͤhet ist; und tuht hierzu der Unglaube nicht we- nig/ welcher der blinden Vernunfft die Gewißheit des zukuͤnfftigen Gutes überal zweiffel- hafftig Fuͤnftes Buch. hafftig machet/ da sie den gegenwaͤrtigẽ Schatten waͤhlet/ damit sie nit um beydes betrogẽ werde/ weil sie doch das verborgene vor nichts haͤlt. Ich bekeñe/ dz vor meiner Bekehrung ich mañichen unnuͤtzen Gedankẽ angewendet habe; ob die anreizung zur Tugend/ nit nur al- lein um des gemeinen nutzen willẽ angesehẽ/ denen aber/ die dariñen sich uͤbẽ/ nur ein einge- bildeter Wahn waͤhre. Ja/ gedachte ich/ wz hat jener davon/ dz er um eines anderen willen sich schlagen/ verwunden und erwuͤrgen laͤsset/ und koͤnte von seinem uͤberflusse alle erdenk- liche Wollust einnehmen? Bald fiel mir ein; was man mir von Goͤttern sagete/ koͤnte nit allerdinge ertichtet seyn/ und muͤste man denen zum schuldigen gehorsam die Tugend uͤben; aber der Zweifel wolte sich hiedurch noch nicht daͤmpfen lassen/ sondern der verworrene Sinn rennete der vorigen Bahn wieder nach; wer hat jemahls einen Gott gesehen? viel- leicht werden sie uns zum Schrecken eingebildet/ auff daß wir durch solche Furcht einge- halten werden/ unserer Wollust nachzuhaͤngen/ gleich wie man eine Klapper auff den Baum stellet/ die Vogel abzuschuͤchtern/ daß sie den Kirschen keinen Einfall tuhn; oder wie man einem Knechte den rauchen Pelz umbhaͤnget/ die schreien den Kinder damit zu stillen. Also wahr mein Herz in stetem Wankelmuht/ welcher vielleicht wol andere mehr einnimt/ und zur Frecheit antreibet/ als lange ihnen das Licht der Warheit nicht scheinet/ und ich daher uͤber der Heiden Gottlosigkeit eben so hoch mich nicht verwundere; aber wann ich erleuchtete Christen sich in Suͤnden und Schanden waͤlzen sehe/ solches gibt mir uͤberaus grosse aͤrgernis/ und verfluche diese unmenschliche Boßheit/ daß sie wieder Wis- sen und Gewissen streben/ nicht anders/ als lieffe ein Verurteileter mutwillig ins Feur/ da ihm doch der Richter Gnade und Lebensfristung anbeut/ wann er nur seinem Frevel steu- ren/ und des Feurs sich enthalten koͤnte. Der Bischoff wolte ihr dieses beantworten; aber Libussa meldete ihr an/ daß ihr eingesperretes Hündichen sieder gestern morgen stets ge- trauret/ und keinen Bissen haͤtte essen wollen. Sie meinete aber ihren zahmen Loͤuen/ den sie in einen Kasten gesezt hatte/ welcher keinen Tag von ihr bleiben wolte/ so heftig liebete er sie/ und sie daher ihn ihr Schoßhuͤndichen zu nennen pflegete. Sie hoͤrete Libussen anbrin- gen nicht gerne/ und ging hin/ ihn zubesehen. Als sie nun zu ihm trat/ und die Tuͤhr am Kasten oͤffnete/ daß er hervor gehen kunte/ sprang er froͤlich um sie her/ daß die Diener sich verwunderten; sie aber ihn speisen ließ/ und ihn mit sich auff den Saal fuͤhrete/ welches dem anheimischen Frauenzimmer und anderen mehr/ nicht geringen Schrecken brachte/ dessen sie doch bald benommen wurden/ als sie sahen/ wie gehorsam er sich gegen die Groß- Fuͤrstin erzeigete/ dann er stellete sich hinter ihr/ und wartete nicht anders auff als ein Die- ner. Nach mittages gingen sie hin/ alles denkwirdige zubesichtigen/ an was Orte Pilatus Richthaus gestanden; auff welcher staͤte der HErr JEsus gegeisselt/ gekreuziget/ und be- graben worden; hernach fuhren sie ingesamt hin nach dem Oelberge/ wo der Garte Geth- semane gelegen wahr/ an welchem Platze Herkules den Juden bestritten/ und die andern gekreuziget wahren/ und brachten hiemit die Zeit zu biß an den Abend. Die damahl gebrau- cheten Kreuze stunden noch allesamt auffgerichtet/ und solches den Juden zur Warnung und schrecken/ doch sahe man an denselben/ daß sie viel alte und neue Hiebe zeigeten/ wel- che ihnen die Juden taͤglich gaben/ damit sie bald niderfallen moͤchten. Gallus besahe die Kreuze gar genaue/ und ward an denselben gewahr/ daß viel Ebreisches daran gekritzelt g g iij stund/ Fuͤnftes Buch. stund/ welches Plautus lesen und verdolmetschen muste/ da sich dann befand/ das erschrek- liche grausame Verfluchungen über Herkules und den Stathalter von den Juden daran geschnitten wahren/ wiewol mit sehꝛ kleiner und uͤbel leserlicher Schrifft/ welches Herr Pompejus gerne alsbald geeifert haͤtte/ aber auff Herkules Raht unterdruͤckete er seinen Zorn/ und stellete etliche heimliche Schildwachten aus/ welche zu Tag und Nachte fleissi- ge acht geben solten/ ob ein oder ander Jude bey solchen Kreuzen sich wuͤrde finden lassen; welches kaum vier Stunde anstund/ massen 16 junge verwaͤgene Juden hinzugingen und nicht allein unterschiedliche neue Hiebe daran tahten/ sondern noch schlimmere Fluͤche über Herkules/ den Stathalter/ und den Roͤmischen Kaͤyser selbst hinein schni t ten. Die bestelleten Huͤter nahmen dessen wahr/ sendeten einen ihres mittels nach dem Stathalter und liessen ihm solches anmelden/ welcher unter Gallus anführung 30 bewehrte Mann hinaus schickete/ denen obgedachte Juden begegneten und von ihnen gefangen angenom- men wurden; auch besichtigte Plautus die Kreuze fleissig/ schrieb die neuen Buchstaben ab/ und brachte sie dem Stathalter; welcher solches nicht unbillich empfand/ die Taͤhter befragete/ auch auff ihr freimuhtiges Bekaͤntnis sie geisseln/ und als Auffruͤhrer wieder die hoͤchste Obrigkeit kreuzigen ließ; welches die gesamte Judischeit hoch empfand/ und doch dawider nichts vornehmen durfte. Bey spaͤtem Abend/ da sie über Tische sassen/ und die Stadthor schon verschlossen waren/ kam der Wachtmeister und meldete an/ es hielten drey Reuter haussen vorm Thore/ begehreten eingelassen zu werden/ uñ gaͤben vor/ sie kaͤh- men aus Teutschland/ und waͤhren von der Groß Fuͤrstin Valiska auff ihre Wiederkunft hieher bescheiden. Die Groß Fürstin bejahete/ daß es ihre Leute waͤhren/ daher sie alsbald eingelassen/ und zu ihr auff ein absonderliches Gemach gefuͤhret wurden/ da Neklam alle begebnissen erzaͤhlete/ und nach gemeldetem Grusse die Schreiben einlieferte/ welche sie brach/ und der alten Groß Fuͤrstin Fr. Gertrud zu erst lase/ also lautend: Herzallerliebste Fr. Tochter; deren gewuͤnschete Erloͤsung und Heyraht mit meinem lieben Sohn Herkules/ hat meine Seele hoͤchlich ergetzet/ insonderheit/ weil euer Liebe gute Gewogenheit zu meiner Fr. Tochter ich aus ihrem beliebten Schreiben uͤberfluͤssig gesehen/ welches mit Elter- und Schwesterlichem Herzen an unser Seite nach moͤgligkeit sol ersetzet werden; dafern auch der Durchl. Fuͤrst aus Meden das vorgetragene weiter gebuͤhrlich suchen wird/ wil ich aͤusserst mich bemuͤhen/ euer Liebe zu gefallen/ es also zubefodern/ daß andern Freiern sie versaget/ und da es den Goͤttern also gefallen solte/ diesem gefolget werde/ weil unsere Zuversicht nicht zweiffeln kan/ eure Liebe werde uns keinen unwirdigen vorschlagen. Vor uͤbergeschikte Kleinot wird freundlich gedanket/ und die Vergel- tung versprochen; daß aber mein Gemahl selbst nicht geantwortet/ wird Einbringer dieses/ berichten koͤnnen. Lebet wol herzgeliebete Fr. Tochter mit eurem Gemahl meinem allerliebsten Sohn/ uñ naͤhst Muͤtterlicher begruͤssung dessen/ und eures Herrn Bruders/ meines auch herzgeliebten Sohns Koͤni- ges Ladisla/ seid goͤttlicher Obhuet unter der Vermahnung befohlen/ daß ihr ingesamt mit eurer hoch- gewuͤnschten Gegenwart bald erfreuet/ eure getraͤueste Mutter Gertrud. Bald hier auff durchsahe sie auch der Fraͤulein beyde Antwort Schreiben/ und ward der uͤbergeschikten Halskette an Arbianes sehr froh/ welche sie zu sich nam/ wieder zur Ge- selschafft ging/ und den dreyfachen Gruß an Herkules und Ladisla ablegete/ welches Arbia- nes mit sonderlicher begierde anhoͤrete/ aber wol gedachte/ daß sie ihm seyn Gluͤk oder Un- glük in geheim melden wolte; wie sie dann/ da sie zu Bette gingen/ zu ihm sagete: Gelieb- ter Fuͤnftes Buch. ter Herr Bruder/ morgen wil ich eure Liebe auch erfreuen/ weil sichs hinte nicht hat schickẽ wollen; welches er mit grosser Hoffnung annam/ und daß er diese kurze Zeit gerne abwar- ten wolte. Diese Nacht begehrete die Groß Fuͤrstin Frl. Lukrezien zur Schlaffgesellin/ wel- ches ihr uͤberaus lieb wahr/ dann sie hatte sich dermassen in sie verliebet/ daß ihr dauchte unmoͤglich seyn/ sich wieder von ihr trennen zu lassen. Des morgens fruͤh wartete Arbia- nes mit verlangen/ was vor Zeitung ihn erfreuen oder betruͤben wuͤrde/ da die Groß Fuͤr- stin ihn spaͤter als er wuͤnschete/ fodern ließ/ und mit diesen Worten ihn empfing: Mein Herr Bruder/ welcher gestalt eure Liebe ich allemahl zur bestaͤndigen Hoffnung angespor- net/ ist ihm nicht unwissend/ und mag er sich wol versichern/ daß ich nicht zweiffele/ wir werden unser Vorhaben zum gewuͤnscheten Ende ausfuͤhren/ dessen ich dann in dem em- pfangenem Schreiben gnugsame Zeugnis habe. Es laͤsset aber der Groß Fuͤrst und sein Gemahl eure Liebe freundlich grüssen/ und bedanket sich nicht allein meine Frl. Wase vor uͤbergeschikte Kleinot/ sondern übersendet zugleich euer Liebe dieses Halsketchen mit ih- rem Brustbildichen/ unter der Zuversicht/ mein Herr Bruder werde es willig annehmen/ und als ein Zeichen ihres dankwilligen Gemuͤhts ihr zum steten Gedaͤchtnis tragen. Ar- bianes wuste nicht/ mit was Ehrerbietigkeit er dieses annehmen und beantworten solte/ be- dankete sich zum hoͤchsten/ daß sie seinen Wunsch schon so weit fortgesetzet/ und erbot sich/ nach jhren willen alles zurichten. Nachgehends taht Valiska jhrem Herkules alles kund/ und daß sein Herr Vater sich keines Unwillen gegen die Abgesanten wieder jhn haͤtte ver- merken lassen; sie begehrete auch von ihm/ daß der Morgenlaͤndischen Fuͤrsten Geschenke moͤchten abgeladen und besichtiget werden/ damit dieselben es nicht vor eine Verachtung außlegeten/ wann sie dereins von Arbianes solche Unterlassung vernehmen solten. Also wurden den ganzen Tag uͤber alle Sachen von den 200 Wagen auff die Burg getragen/ da sie eine so uͤberaus grosse Menge an gemuͤnzetem Golde/ Kleinoten/ aͤdlen Steinen/ Perlen/ und koͤstlichen Tuͤchern sahen/ daß sie sich daruͤber entsetzeten und ganz unwillig wurden/ daß sie sich gegen Arbianes vernehmen liessen/ wann sie nicht fuͤrchteten daß die vereinigte Fuͤrsten es vor eine Beschimpfung auffnehmen wuͤrden/ wolten sie ihnen alles wieder zuruͤk senden/ dann sie muͤsten sich schaͤmen/ so uͤbermachte Schaͤtze vor ihre geringe Dienste anzunehmen; welches aber Arbianes hoͤchlich verbaht/ und daneben beteurete/ dz/ da es geschehen wuͤrde/ er seinem Herr Vater nicht duͤrffte unter die Augen kom̃en. Weil auch angezeiget ward/ daß etliche Juden die vergangene Nacht sich zwischen die Wagen verstecket und dieselben zubestehlen vorgehabt/ wurden auch die uͤbrigen Wagen abgela- den/ und die Taͤhter nach empfangenem Staupbesem des Landes auff 20 Meile von Je- rusalem/ verwiesen. Des folgenden Tages zogen die unsern samt dem Stathalter und den seinen auff dem geputzeten Elefanten aus nach Bethlehem und andere oͤrter/ allerhand denkwirdiges in Augenschein zu nehmen/ und gelangeten des andern Tages umb den spaͤ- ten Abend wieder zu Jerusalem an/ dann sie durfften nicht weiter gehen/ weil die Groß- Fuͤrstin ihrem Herkules zu wissen taht/ daß sie die Geburtzeit heran nahen merkete; wie sie dann von Gott des folgenden morgens umb sechs Uhr ihrer weiblichen Buͤrden entbun- den ward/ und sie eines sehr wolgestalten Herrleins ohn sonderliche Schmerzen genase/ wuste auch die Geburtswehe dergestalt zuverbergen/ daß man gar geringe verenderungen an Fuͤnftes Buch. an ihr spuͤrete. Was nun vor grosse Freude nicht allein bey den lieben Eltern/ sondern allen Anwesenden hieruͤber entstund/ gaben sie alle an den Tag; und ließ Herkules dem Bischof behueff der Armen Christen im Judischen Lande/ eine Tonne Goldes einreichen/ auch vor die gnaͤdige Entbindung eine oͤffentliche Danksagung in ihren Versamlungen anstellen. Es wahr der achte Tag des Wintermonats/ des 226sten Jahrs/ heutiger gemeinen Rech- nung/ nach der Geburt unsers Heylandes/ da das Herrlein zur Welt gebohren ward/ uñ hatte die liebe Mutter in wehrenden sechs Wochen allerhand bedienung von Fr. Teren- zia/ Frl. Lukrezien und ihrem eigenen Frauenzimmer/ unter welcher Zeit unsere Helden dem Gejaͤgte und andern Fuͤrstlichen uͤbungen oblagen/ insonderheit aber den Loͤuen und andern grimmigen Tihren nachstelleten. So bald die sechs Wochen zum Ende gelauffen/ ließ Herkules sein liebes Soͤhnlein durch die heilige Tauffe dem HErrn Christus zufuͤh- ren; wobey als Gezeugen erbehten wahren Ladisla/ Pompejus und Fabius/ die ihn Her- kuliskus nenneten/ und hiemit der lieben Eltern Wunsch unvermuhtlich erfuͤlleten. Nach verrichteter Tauffe stellete Herkules ein Fuͤrstliches Mahl drey Tage lang an/ wobey ein Ringelrennen gehalten ward; wor auff das Gedaͤchtniß Fest der Geburt unsers Heylan- des einfiel/ welches die unsern mit grosser Andacht hielten. Die Groß Fuͤrstin hatte zeit ihrer Sechs Wochen ein Reim Geticht auffgesetzet uͤber die Rede des grossen Engels an die Hirten/ und uͤber den Lobgesang der himlischen Heeꝛscharen/ welches sie dem Bischoff zuverlesen gegeben/ weil es in Lateinischer Sprache auff Pindarische art geschrieben war; derselbe ließ es von etlichen Christlichen Schuͤlern auswendig lernen/ welche es an diesem Feste auff des Stathalters grossem Saal/ mit maͤnnigliches Vergnuͤgung sungen/ und allemahl das Seitenspiel mit einstimmete/ so daß in den ersten fuͤnff Satzen der grosse En- gel/ in den dreyen lezten aber die himlischen Heerschaaren den Anfang macheten/ denen immerzu die Hirten antworteten/ und darauff ein Haͤuflein an stat der Christlichen Kirchẽ die andere Antwort gab/ gleich wie die Groß Fuͤrstin es eingerichtet hatte/ und hieselbst voꝛ- gestellet wird. Weihnacht-Lied Nach Pindarischer Weise eingerichtet. Der Erste Saz. Des grossen Engels Rede. Luc. II. v. 10, 11. Fuͤrchtet euch nicht. I Hr Hirten sollet Furcht und zagen Hinweg aus euren Hertzen jagen; Den Schrecken leget von euch hin/ Der eure Seel hat uͤberwogen; Ich komme nicht mit Schwert und Bogen/ Ich der ich Gottes Botschaft bin/ Euch grosses Wunder anzumelden Nach welchem Vaͤter und die Helden So manches Seufzen und Geschrey Zu Gott gen Himmel hingeschicket/ Damit sie wuͤrden frank und frey Vom Tode der sie hart bestricket. Das klare Licht/ der helle Schein/ Damit ich gaͤnzlich bin uͤmbgeben/ Sol euren Augen/ eurem Leben Zu diesem mahl unschaͤdlich seyn. Der I. Gegen Saz. Der Hirten Antwort. O heller Glanz! der Seraphinen/ Die unserm Himmels-Fuͤrsten dienen/ Bistu gewißlich erster Man. Dein klarer Bliz hat uns erschrecket/ Der Fuͤnftes Buch. Der alle Wolken auffgedecket/ So daß man durchhin sehen kan. Es zittern unser Herz und Glieder/ Doch staͤrkt dein Trost sie etwas wieder/ Nach dem du uns versichert hast/ Es sol uns keinen Schaden bringen. So sez uns nun in Ruh und Rast/ Und mache kund vor allen dingen Was Wunder du erzaͤhlen wilt. Wir wollen unsern Sin herneigen/ Und uns dir dankbarlich erzeigen/ Wo unser Dank sonst bey dir gilt. Der I Nach Saz. Christlicher Weynacht-Herzen andaͤchtige Betrachtung. S Ollen wir andere Voͤlker der Erden Unseren Schrecken nicht legen beyseit/ Welcher in dieser truͤbseligen Zeit Taͤglich sich mehret durch Kriegesbeschwerden? Sollen wir nimmer erlediget werden/ Klagen und sagen nur immer von Streit? Leget sich einig derselbigen Leid/ Welche mit ihren bewolleten Heerden Hecken und Waͤlder und Felder durchzihn? Unser so lange geplageter Sinn/ Bleibet der immer in F urchten und Zagen? Glaͤnzender Engel die grosse Gefahr Ruͤcket und druͤcket die glaͤubige Schaar/ Welche den Schmerzen nicht laͤnger kan tragen. Der II Saz. Des Engels Rede. Sihe ich verkuͤndige euch grosse Freude. I Ch bringe nach so schwerem Leide Euch Freud uñ Lust; nach Hunger/ weide; Nach harten Schlaͤgen sanfte Ruh. Die Schlange hat euch vor betrogen/ Und Gottes Gnaden-gunst entzogen/ Die fuͤhr ich euch jezt wieder zu. Mein predigen ist Himmels-freude/ Wie Gott euch mit dem Ehren-Kleide Nach diesem selber zieren wil. Vernehmet doch das Wort der Gnaden/ Das allerbeste Lebensziel/ Worauff ich euch jezt muß einladen, Hier ist der Satzen Donner nicht/ Der nichts als Schrecken kan erregen; Mein Wort ist lauter Gluͤk und Segen/ Das euch den Himmel selbst verspricht. Der II Gegen Saz. Der Hirten Antwort. W As sind dann das vor grosse Gaben/ Die wir aus deiner Predigt haben? O schoͤner Engel mach’ es kund! Sol etwa gute Zeit entstehen/ Da unsre Schaffe weiden gehen/ Daß weder Schaͤffer noch sein Hund Die Dieb’ und Woͤlfe darf abtreiben/ Die selten von den Huͤrden bleiben? Wird etwan ein gewuͤnschtes Jahr Den Staͤll- und Auen Segen bringen? O reicher Gott/ wird dieses wahr/ So wollen wir den Reihen singen; Wir wollen den Schalmeien-Klang Dir Gottes Engel zugefallen Auf Berg- und Tahlen lassen schallen/ Und opfern dir ein Lamb zu Dank. Der II Nach Saz Christlicher Weihnacht-Herzen andaͤchtige Betrachtung. L aͤsset der Himmel uns Freude vortragen? Predigt der Engel noch selber von ihr? Lieber was leiden und fuͤhlen dann wir Immer und immer die blutigen Plagen? Wissen Betruͤbte von Freude zu sagen? Herꝛscher der Erden/ ach hoͤre doch schier! Deine Geaͤngsteten winseln vor dir/ Bitten du wollest auffhoͤren zu schlagen. Goͤnne nach langer erlittener Pein Deinen Geliebten eins froͤlich zu sein. Sollen die Straffen uns gaͤnzlich auffreiben? Wuͤrge den Wuͤrger/ ertoͤdte den Tod; Treibe den Treiber/ und zwinge die Noht/ Ferner aus deiner Behausung zu bleiben. h h Der Fuͤnftes Buch. Der III Saz. Des Engels Rede. Die allem Volk wie- derfahren wird. V Ernehmets/ O ihr bloͤde Hirten/ Die ihr euch bey den gruͤnen Myrthen Den langen Tag zu halten pflegt. Die Lust und Freude/ die ich bringe/ Ist nicht so kindisch und geringe/ Als sie von euch wird außgelegt. Es sol der ganze Kreiß der Erden Der grossen Freude faͤhig werden; Da wo die Sonne fruͤh aufsteht; Da wo sie alles schwarz anstreichet; Da wo sie Abends untergeht/ Und da der Winter nimmer weichet/ Sol diese Freude lautbar seyn; Der Menschen Seel und Herz erquicken/ Sie mit des Himmels Gunst anblicken/ Und nehmen ihre Sinnen ein. Der III Gegen-Saz. Der Hirten Antwort. D As mag wol Freude seyn und heissen/ Die alle Welt sol zu sich reissen! O lieber Engel/ werden dann Wir/ die wir durch die Felder ziehen/ Und grosser Staͤdte Wollust fliehen/ Auch dieser Lust seyn zugetahn? Vielleicht wird sie nur denen bleiben/ Die Wunder mit dem Degen treiben? Vielleicht wird der Gelehrten Schaar Uns diese Freud’ und Lust nicht goͤnnen? Vielleicht wird/ der die Gelder baar Außzaͤhlt/ sie an sich kaͤuffen koͤnnen? Wo bleibet dann mein Korydon? Was sol Menalkas dann beginnen/ Und Mops/ der ohn das grober Sinnen? Dann muͤssen wir ohn Trost davon. Der III Nach Saz. Christlicher Weihnacht-Herzen andaͤchtige Betrachtung. H Imlischer Bohte/ du Froͤligkeit-Bringer/ Deine Zeitungen sind Zucker und Wein; Fuͤhren die groͤssesten Guͤter herein/ Welche durch Gottes Allmaͤchtigen Finger Leides- und Neides- und Hellen-Bezwinger Immer und ewig geordenet seyn. Weiche von dannen du fressende Pein/ Mache das quaͤlen nach diesem geringer; Himlische Freude geht staͤrcker als du; Machest du Schmerzen so machet sie Ruh. Sollen die Grenzen der Erden beschmecken Diese verkuͤndigte Freude; so muß (Welches ich hoffe) mein einiger Fuß Ewig im Leide nicht bleiben bestecken. Der IV Saz. Des Engels Rede. Dann euch ist heut der Heyland gebohren. I Hr Hirten fuͤrchtet euch vergebens; Der Fuͤrst und Herzog eures Lebens/ Das Heil der Menschen ist gebohrn. Euch armen Welt-geringen Leuten Koͤmt Er/ den Himmel zu erstreiten/ Den jhr aus Frevel habt verlohrn. Des Degens Macht/ das tieffe wissen/ Das blanke Geld trit er mit Fuͤssen/ Es ist vor ihm nur Staub und Koht. Er ist ein Heiland aller Armen/ Die ihr’ Unwirdigkeit und Noht Erkennen/ laͤst er sich erbarmen. So frischet nun Herz/ Sinn und Muht/ Geht/ euren Heiland zu empfangen/ Zu Bethlehem solt ihr erlangen Das allergroͤste Himmels Gut. Der IV Gegen Saz. Der Hirten Antwort. O Werter Engel/ dein erzaͤhlen Vertreibet unser Sinnen quaͤlen. Ist unser Heiland in der Welt? Ist Er zu Bethlehem zu finden? So wollen wir den leichten Winden Gleich lauffen uͤber Puͤsch’ und Feld/ Des Lebens Hertzog zu beschauen/ Auf/ auf ihr Hirten/ muͤst euch zauen/ Ver- Fuͤnftes Buch. Verseumet dieses Gluͤcke nicht. Wir wollen die Sakpfeiffen stimmen/ Und spielen ihm ein Lobgeticht/ Das sol biß an die Wolken klimmen. O sollen wir zum Fuͤrsten gehn/ Vor welchem sich die Engel neigen/ Und alle Sklaven-Dienst erzeigen? O Freude! sollen wir den sehn? Der IV Nach Saz. Christlicher Weihnacht-Herzen andaͤchtige Betrachtung. G uͤtiger Heiland/ so bist du verhanden/ Welchen die Vaͤter so heftig begehrt? Werden wir heute des Gluͤckes gewehrt/ Welches wir froͤlich vom Engel verstanden? Loͤsest du heute die Ketten und Banden? Werden uns himlische Guͤter beschehrt? Werden die hellische Flammen verheert? Machest du Teufel und Suͤnde zu schanden? Guͤtiger Heiland/ wir freuen uns dein. Kehre bey deinen Geliebten ein/ Welche kein Bleiben auf Erden mehr finden. Wende den Jammer und stille das Blut; Sende den Frieden und daͤmpfe die Glut/ Ehe wir unter den Straffen verschwinden. Der V Saz. Des Engels Rede. Welcher ist Christus der HErr. D Er Heiland/ welcher euch vom Boͤsen Durch Kreuz und Marter wil erloͤsen/ Koͤmt nicht aus Mannes Samen her. Er ist der grosse Schlangen-Treter/ Der grosse Gott und Wunder-Taͤhter/ Emanuel von hoher Ehr Und starker Macht; Er ist bekleidet Mit Fleisch und Blut/ darin Er leidet/ Und ist doch Gott von Ewigkeit/ Der selbst den Himmel hat geruͤndet/ Wird Mensch zu dieser letzten Zeit; Der Meer und Erden hat gegruͤndet; Der mit dem hellen Blitze spielt; Der Berge mit dem Donner splittert; Vor welchem Hell’ und Tod erzittert/ Wird von Marten heut gezielt. Der V Gegen Saz. Der Hirten Antwort. O Seht den wunder-schoͤnen Knaben/ An dem wir unsre Wollust haben/ Der hier in dieser Krippen liegt! Bist du das sehnliche Verlangen/ An dem die Vaͤter stets gehangen? Bist du/ der uns das Heil zufuͤgt? O grosser GOtt und HErr der Erden/ Wie must du dann so elend werden? Wo ist dein Reichs Stab/ Schwert und Krohn? Wo ist die Koͤnigliche Wiegen? O Himmels-Kind; O Jungfern Sohn! Must du alhie so nacket liegen? Was ist das vor Tapezerey? Ein altes Tuch/ ein duͤnnes Kuͤssen/ Das dir kaum reichet biß zun Fuͤssen; Ein Buͤndlein Stroh/ ein wenig Heu’! Der V Nach Saz. Christlicher Weihnacht-Herzen andaͤchtige Betrachtung. M aͤchtiger Schoͤpfer! was sol es bedeuten? Sage/ was treibet zu solchem dich an? Welcher den Himmel uͤmkeuselen kan/ Monden und Sternen hat koͤnnen bereiten; Meeres Ziel setzen und Wasser ableiten/ Koͤmmet als waͤhre schier uͤbel getahn/ Maͤchtig zu bleiben. Was treibet dich dann/ Unter den Tihren dein Bette zu spreiten? Herscher der Erden/ wo bleibet dein Schein? Wickelt man diesen in Windelen ein/ Welcher durch seine Macht alles muß tragen? Wunder O Wunder/ der ewige Gott Leidet Gebrechen/ Frost/ Hunger und Noht; Welches ich naͤhrlich vor Wunder darf sagen. Der VI Saz. Der himlischen Heerscharen Lobgesang. Ehre sey Gott in Hoͤhe. N Un gebet Lob dem grossen HErren/ Was Odem schoͤpfet nah und ferren/ Besinget diesen euren Hort/ Der seine Macht im Himmel fuͤhret/ h h ij Und Fuͤnftes Buch. Und weißlich alle Welt außzieret/ Weil Er euch das selbstaͤndge Wort Zum Heiland runter hat geschicket. Steht vor ihm hurtig und gebuͤcket/ Besinget seine hohe Macht. Ihr seyd nun unserm Heilgen Orden/ Der euretwegen stetes wacht/ Von neuen einverleibet worden. Drum preiset Gottes Gnaden-Raht/ Und last die Dankbarkeiten spuͤren/ Wie sich von rechte wil gebuͤhren/ Weil er euch so geliebet hat. Der VI Gegen Saz. Der Hirten Antwort. O Grosser Gott/ du HErr der Staͤrke; Wie wunderlich sind deine Werke; Wie praͤchtig gehet deine Macht. Der du die Sonne fruͤh ansteckest/ Und Abends spaͤt den Monde weckest/ Machst Sommer/ Winter/ Tag und Nacht. Und (das zum hoͤchsten ist zu preisen) Pflegst immer Gnade zu erweisen/ Uns die wir doch nur boͤse seyn. Laß unser Opfer dir gefallen/ Und schau in unser Herz hinein/ Ob wir gleich wie die Kinder lallen/ Ist doch der Sinn und Wille gut. O laß das baͤuerische singen Biß hin zu deinen Ohren dringen/ Und halt uns stets in Schuz und Huht. Der VI Nach Saz Christlicher Weihnacht-Herzen andaͤchtige Betrachtung. G uͤtiger Vater/ was koͤnnen wir geben? Lieber/ wie koͤnnen wir danken der Gunst/ Welche nach deiner unmaͤßlichen Brunst/ Unsere Guͤter/ Gemuͤhter und Leben Haͤget und pfleget. Wie heftig wir streben/ Finden wir leider nur Nebel und Dunst; Wolten zwar gerne mit hoͤhester Kunst Deine hochruͤhmliche Tahten erheben. Aber O Vater/ das himlische Licht Ruͤhmet vor deinem Gesichte sich nicht/ Solte dann Erde dir koͤnnen gefallen? Vater ersetze/ was mangelt annoch/ Tilge der Suͤnden beschwerliches Joch/ Froͤlich sol unser Getichte dann schallen. Der VII Saz Der himlischen Heerschaaren Lobesang. Friede auf Erden. N Ach diesem bleibt der grosse Frieden Von eurer Seelen ungeschieden/ Der Frieden welcher Gott gefaͤlt/ Der Herzens-Quahl und Unmuht stillet/ Der das Gewissen stets anbruͤllet Und wegen Schuld zu rede stellt. Der Frieden/ welcher Gottes Straffen Durch Christus Wunden abzuschaffen Ihm laͤsset angelegen seyn. Wer diesen Frieden bey sich traͤget/ Bleibt ewig frey von Hellen-Pein/ Die durch den Teufel wird erreget. Er bleibet stets in Gottes Schuz. Und ob ihm gleich der Hellen Rachen/ Und eigne Schuld angst wolten machen/ Beut er doch ihnen allen Truz. Der VII Gegen Saz. Der Hirten Antwort. I st nun die liebe Zeit erschienen/ Da Fried in unserm Lande gruͤnen/ Und allen Krieg vertreiben sol? Esa. XI. v. 6, 7, 8. Da Woͤlffe bey den Laͤmmern liegen/ Da Pardel sich zun Boͤcken fuͤgen/ Und bleibet doch die Heerde vol? Da Raͤuberische freche Loͤuen Dem Kalb uñ Mastvieh nicht mehr draͤuen; Da Kuͤh’ und Baͤren friedlich gehn/ Und eine Weid in Ruh befressen/ Die Jungen bey einander stehn/ Und Loͤuen Ochsen-Futter essen. Da Kinder an der Mutter Brust Beim Otter-Loche werden spielen/ Des Basilisken Nest durchwuͤhlen Und haben an den Schlangen Lust. Der Fuͤnftes Buch. Der VII Nach Saz. Christlicher Weinacht-Herzen andaͤchtige Betrachtung. S Elig O selig/ die Frieden bewohnen! Selig O selig/ des Acker und Land Werden mit Pferden ohn Sattel berant! Selig die ihrem Gesinde nur lohnen/ Duͤrffen nicht unter der Kriegeslast frohnen/ Sehen nie keine Feurspeiende Hand/ Keine Feld-Schlachten/ kein Lager noch Brand/ Essen sie gleich nur gesalzene Bohnen. Himlischer Vater; die die geistliche Ruh/ Sendestu heute den Deinigen zu. Weltlicher Frieden/ wann koͤmmestu wieder? Schwerter und Spiesse die wuͤrgen noch fort/ Rauben und Stehlen/ Verheerung und Mord Schlaͤget noch immer die Frommen darnider. Der IIX Saz. Der himlischen Heer Schaaren Lobgesang. I Hr Menschen Kinder last euch rahten/ Vnd den Menschen ein Wolge- fallen. Und nehmet Gottes Wundertahten Mit hochgeneigtem willen an. Ihr habet seine Gunst nun wieder/ Die laͤsset sich zu euch hernider/ Woldem der sie recht fassen kan! Vor diesem seid ihr abgewichen/ Und falschen Goͤttern nachgeschlichen/ Der rechte Gott wahr unbekant/ Der hat sich klaͤrlich offenbahret/ In dem er seinen Sohn gesand/ Der euch vor Hellen-Gluht bewahret. Erwecket euren Sinn und Muht/ Eur Herz und ganzes Wolgefallen/ Und lobt denselben mit uns allen/ Der euch so viel zu gute tuht. Der IIX Gegen Saz Der Hirten Antwort. O gꝛosser GOtt/ richt’ unsern Willen/ Den deinen gerne zuerfuͤllen. Die boͤse Wurzel stecket fest In unsern innersten Gedanken/ Die uns im guten machet wanken/ So gar sind wir der Suͤnden Nest. Dein guter Geist muß unser Tichten Nach deinem heilgen Willen richten/ Sonst ist es lauter Ubeltaht. Wir straucheln stets auff unsern Wegen Und wissen weder Trost noch Raht/ Weil Suͤnd’ und Tod uns Stricke legen. O milder Heyland spring’ uns bey/ Daß wir au deinen Himmels-Gaben Von Herzen Wolgefallen haben/ Und unser Wille deiner sey. Der IIX Nach Saz. Christlicher Weihnacht-Herzen andaͤchtige Betrachtung. F Leischliche Kraͤffte sind ledige Baͤume/ Zeigen viel schoͤnes und geben es nicht. Unser Vermoͤgen/ wie viel es verspricht/ Bleibet doch lauter vergebliche Traͤume. Unsere Sinnen sind nimmer daheime/ Welche dem HErren die schuldige Pflicht Sollen abtragen; das Geistliche Licht Lieget im Brunnen erloschen. Ich zaͤume Meine Gedanken/ so rennen sie doch. Hetliger Vater/ das suͤndige Joch Druͤcket zu straͤnge; du schaffe den Willen; Schaffe die Kraͤffte/ mein tichten ist schlim/ Sollen wir lieben/ so steiget der Grim; Deine Gunst aber kan alles erfuͤllen. Nach Endigung dieses Liedes hielten unsere Christen allerhand Unterredung von geistlichen Sachen/ da endlich Herkules im Nahmen der ganzẽ Geselschaft bey dem Stat- halter fleissige Ansuchung taht/ umb schleunigen Abscheid/ wobey er dieses vorbrachte: Hochmoͤgender Herr Stathalter/ Hochgebohrne Fr. Stathalterin/ als Vater und Mut- ter zuehren; Was vor hohe Gewogenheit Eure Liebden mir und meinen Gefaͤrten diese Zeit uͤber sehen lassen/ leuchtet heller zu Tage/ als daß es meiner weitlaͤufftigen Erzaͤhlung beduͤrfte; Vor ungefehr fuͤnf Viertel Jahren bin ich/ ein Wildfremder/ vor der boßhaften h h iij Juden Fuͤnftes Buch. Juden Gewalt beschuͤtzet; bald darauff als ein Sohn angenommen/ und mit allem uͤber- flusse zur Reise versehen; Ja es sind alle mir erzeigete Woltahten dermassen vielfaͤltig und wichtig/ daß ich sie zuerkennen/ meine ganze Lebenszeit darauf wenden muß. O wolte Gott/ daß meine Landschafften also belegen waͤhren/ daß aufs wenigste ich alle Jahr meine hoch- werte Eltern besuchen/ und an ihrer gewuͤnschten Gegenwart mich ergetzen koͤnte; wiewol ich hoffe/ Gott werde es schicken/ daß wir zuzeiten uns noch besuchen koͤnnen. Vor dißmahl erinnert uns unserseits die hohe Nohtwendigkeit/ dereins aufzubrechen/ und die unsern zu erfreuen/ welche ohn allen zweifel mit grosser Furcht und sehnlichem veꝛlangen taͤglich nach uns aussehen werden/ wo sie uns wol nicht gar als ermordete beweinen/ weil in so langer Zeit ihnen keine Schreiben oder andere Zeitung von uns zukommen ist/ welche wir zu dem Ende hinterhalten wollen/ dz wir unsere Wolfahrt ihnen selbst uͤberbringen/ und ihre freu- de umb so viel groͤsser machen moͤchten; Gelanget demnach unser bitliches ersuchen/ daß mit ihrer guten Bewilligung Abscheid zunehmen/ uñ erstes Tages zu Schiffe zugehen uns moͤge erlaͤubet seyn/ damit wir das ungewoͤhnliche Wetter und guten Wind nicht verab- seumen/ und hernach die unfreundlichen Stuͤrme ausstehen duͤrffen/ welche insonderheit den Schwangern und Saͤuglingen/ so bey uns sind/ sehr gefaͤhrlich seyn wuͤrden. So ge- wiß wir nun unsers Herrn Vaters guteꝛ Gewogenheit versichert sind/ so ungezweifelt veꝛ- sprechen wir uns auch von dessen Liebe eine freundwillige und schleunige Erlassung/ dem- nach wir nunmehr eine geraume Zeit hieselbst ausgehalten/ und nit wenig Ungelegenheit gemacht haben. Pompejus gab zur Antwort: Durchleuchtigster Groß Fuͤrst/ Hochgelieb- ter Herr Sohn; Eure Liebe rechnet das wenige so hoch/ was etwa ich und die meinigẽ aus Pflicht geleistet haben/ und verschweiget daneben das unermaͤßliche/ welches von derselbẽ durch Gottes gnaͤdige Schickung uns zukommen ist/ nehmlich die heilsame Erkaͤntniß des wahren Gottes/ ohn welche wir ewig haͤtten muͤssen verlohren seyn; Jedoch/ wann Eure Liebe sich der neulich uͤberschikten Kleinot nur erinnert/ wird sie befinden/ daß auch dz zeit- liche schon mit Zinsen ersetzet ist/ und ich das geringe auf teuren Borg wider meinen Wil- len habe austuhn muͤssen. Ob ich nun zwar liebers nicht wuͤnsche/ als dz solche liebe Freun- de biß an mein Ende von mir nicht moͤchten getrennet werden/ und aber wegen ihrer Wol- fahrt solches nicht geschehen kan/ so schaͤtze ich mich nicht allein gluͤkselig/ daß ein so tꝛeflicheꝛ Fuͤrst/ von dessen Ruhm alle Welt erfuͤllet ist/ mir den Nahmen eines Vaters zugeben sich nicht wegert/ sondern zugleich mir auch die Hoffnung machet/ gelegenheit zusuchen/ dz wir uns zuzeiten gegenwaͤrtig erlustigen moͤgen. Den begehreten Abscheid/ in ansehung meines Durchl. Herrn Schwagers/ Koͤniges Ladisla/ muß ich billich nicht hemmen/ zweifele doch nicht/ meine Herren werden unbeschweret seyn/ noch etwa 9/ oder 10 Tage bey mir zuver- harren/ damit eine gnugsame Anzahl Schiffe herbey gebracht/ und die Guͤter eingeladen werden moͤgen/ alsdann dieselben laͤnger aufzuhalten mir nicht gebuͤhren wil. Die Groß- Fuͤrstin beantwortete ihm solches also: Durchl. Herr und Vater/ auch herzgeliebete Fr. Mutter; wir erkennen uns schuldig/ Ihrer Liebe hierinnen gerne zugehorsamen/ und die zur Bereitung nohtwendigen Tage auszuhalten/ auf daß wir zur gebuͤhrlichen Danksa- gung Zeit und Gedanken gewinnen; Ich habe aber zugleich eine kindliche Bitte an die- selbe abzulegen/ ob mir koͤnte gegoͤnnet seyn/ meine herzgeliebete Frl. Schwester/ Frl. Lukre- zien Fuͤnftes Buch. zien mit mir nach Padua zufuͤhren/ deren Heil und Wolfahrt mein Herr Bruder und mein Gemahl neben mir/ als unser selbsteigenen uns werden lassen angelegen seyn. Herr Pompejus hatte sich dieses begehrens schon zeitig versehen/ wolte ihr auch solches nicht ab- schlagen/ und gab diese Antwort: Durchleuchtigste Groß Fuͤrstin/ hochwirdige Fr. Toch- ter; in was Geselschafft koͤnte mein geliebtes Kind Lukrezie mehr Zucht und Gottesfurcht fassen/ als bey Ihrer Durchl. die ich sonder Schmeicheley wol einen Spiegel der volkom- menen Tugend nennen und preisen kan/ daher Ihre Liebe ein solches bey mir suchet/ war- umb ich vielmehr zubitten haͤtte/ und gezwungen bin/ vor diese hohe Zuneigung gegen mein Fleisch und Blut mich dienstlich zubedanken/ nicht zweifelnd/ dieselbe werde mit der Un- volkommenheit meiner Tochter geduld tragen/ und sie vor ihre Dienerin annehmen/ sie auch biß zu meiner Abfoderung/ oder ihren weiteren Abzug/ ihrer Unterweisung teilhaftig machen/ ob ich gleich keine Mittel es zuvergelten weiß. Das liebe Fraͤulein hatte bißher gezweifelt/ ob die Eltern ihr diese Reise goͤnnen wuͤrdẽ/ erfreuete sich solcher Einwilligung/ und nach geleistetem Handkusse sagte sie: Gnn. Herr Vater und Fr. Mutter; ich bedanke mich kindlich dieser willigen Verguͤnstigung/ mit dem versprechen/ allen moͤglichen Fleiß anzuwenden/ daß in meiner Aufwartung ich der Durchleuchtigsten Groß Fürstin/ die mich unwerte des Schwester Nahmens wirdiget/ gebuͤhrlich an die Hand gehe/ und mit willen sie nicht erzuͤrne. Die Groß Fuͤrstin sagte gleichmaͤssig Dank/ und wiederhohlete ihr vori- ges versprechen. Ward demnach alles zum Aufbruche fertig gemacht/ und noch desselben Tages 50 treffliche Schiffe verschrieben/ in den naͤhesten Hafen einzulauffen/ weil sie von allem mitgebrachten nichts hinterlassen wolten/ da die Parthische Leibeigene/ umb ihre Freyheit zubefodern/ sich vor Ruderknechte anerbohten. Neklam und Ruprecht/ nebest ih- rem Dolmetscher Azores/ hatten sich angegeben/ daß sie den Christlichen Glauben anzu- nehmen grossen Willen truͤgen/ deßwegen sie nach fleissiger Unterrichtung/ so von Leches geschahe/ die Heilige Tauffe empfingen/ da inzwischen Arbianes alle Tage zwo Stunden sich mit Fr. Valisken und Brelen in der Teutschen Sprache uͤbete/ wozu er schon zu Per- se polis den Anfang gemacht hatte. Als nun am achten Tage nach Herkules Ansuchung/ alle Sachen zu Schiffe gebracht wahren/ lieferte Fr. Valiska dem Stathalter sehr koͤstli- che Kleinot und Gewand/ ließ auch dem Fraͤulein drey Tonnen Schaz auszaͤhlen/ Kleino- te aber und andere Sachen solten ihr zu Padua geliefert werden. Arbianes bezeigete sich auch gar freygebig/ weil ihm viel gutes geschehen war/ uñ bezahleten die unsern alles reich- lich/ was ihre Leute und Pferde verzehret hatten. Des folgenden Tages brachen sie auff/ und geleitete sie Herr Pompejus und sein Gemahl biß nach Joppen/ woselbst die Schiffe im Hafen lagen. Es trug sich aber mit dem Elefanten ein sonderliches zu; nehmlich sein Meister ein Indianer wahr unwillig/ mit nach Padua zureisen/ dann er hatte sich zu Per- sepolis mit eines Buͤrgers Tochter ehelich versprochen; Nun wuste er/ daß ihm Lebensge- fahr drauff stünde/ wann er heimlich davon lauffen wuͤrde/ darumb legete ers mit dem Ele- fanten an/ daß er sich wegern solte/ weiter zuzihen/ welches er also verꝛichtete: Eꝛ hatte schon etliche Tage her dem Elefanten vorgesaget/ man wolte ihn uͤber Meer in ein fremdes rau- hes Land fuͤhren/ woselbst ihm schlimmes Futter solte gereichet/ auch aller Zieraht entwen- det werden/ wuͤrde nur Holz/ Steine und Wasser tragen muͤssen/ und das veraͤchtlichste Tihr Fuͤnftes Buch. Tihr unter allen seyn; derhalben wolte er ihn getraͤulich warnen/ daß er sich nicht solte lassen zu Schiffe bringen/ damit er dieses uͤbels entfreyet bliebe. Man hat sich uͤber dieses Tihrs Art billich zuverwundern/ gestaltsam dasselbe von den gemeinen Leutẽ vor vernuͤnf- tig gehalten wird/ weil es des Menschen/ insonderheit seines Meisters Reden verstehet/ uñ darnach sich zuhalten weiß/ welches an diesem gnugsam erschien; dann vorerst hatte man viel Muͤhe/ ehe man ihn zu Jerusalem aus dem Stalle bringen kunte; ging auch den gan- zen Weg nach Joppen so traurig/ daß jederman meynete/ er waͤhre mit einer Krankheit behafstet/ welches sein Meister ihnen artig wuste einzubilden/ biß man ihn aus Schiff brachte/ und uͤber eine darzu gemachte Bruͤcke hinein leiten wolte; dann da stund das Tihr am Unfer ganz stille und unbewaͤglich/ daß mans weder mit Schlaͤgen noch harten Wor- ten aus der Stelle bringen kunte. Ein Mede aber war unter Arbianes Reuterey/ welcher dieses Tihrs Eigenschafft wuste/ und sahe/ daß die Schuld an dem Indianerlag/ welches er Herkules offenbahrete/ es wuͤrde gewißlich der Meister dem Elefanten etwas widriges eingebildet haben/ zweifelte nicht/ da man ihn mit harten Straffen draͤuete/ wuͤrde das Tihr schier folgendes Tages mit froͤlichem willen hinein gehen. Herkules kam dieses zwar ungereimet vor/ doch wolte ers versuchen/ und draͤuete den Indianer mit Ruhten streichẽ und kreuzigen zulassen/ wo er das Tihr nicht willig machete/ welches er abgeschrecket haͤt- te. Dieser wolte die Taht zwar nicht gestehen/ und furchte sich doch vor der Straffe/ daher er allen moͤglichen Fleiß versprach/ ob er das Tihr auff bessere Meynung bringen koͤnte; nam es im Stalle absonderlich vor/ und redete ihm sehr freundlich zu: Er haͤtte zwar biß- her gemeynet/ sie wuͤrden in ein unfreundliches wildes Land gefuͤhret werden/ aber nun- mehr vernaͤhme er gar das Widerspiel/ daß nehmlich ihre Reise nach dem aͤdlesten Ort der Welt gerichtet waͤhre/ woselbst das allerniedlichste Futter anzu t reffen/ und er uͤberdas mit dem koͤstlichsten Zeuge solte beleget werden; muͤste deßwegen einen frischen Muht ha- ben/ und sich ferner nicht wegern/ zu Schiffe zugehen/ gab ihm auch ein sehr gutes Futter/ und sagete/ dieses waͤhre aus demselben Lande/ und nur das geringste/ dorten aber wuͤrde es viel besser fallen. Nun hatte sich Herkules im Stalle heimlich verstecket/ dz er alles hoͤ- rete/ und mit Verlangen erwartete/ was hieraufferfolgen wuͤrde; da er des andern Mor- gens mit Verwunderung sahe/ wie freudig das Tihr nicht allein nach dem Meer ging/ son- dern selbst uͤber die gemachte Bruͤcke in das Schiff eilete. Hieselbst nam nun Herr Pom- pejus und sein Gemahl freundlichen Abscheid von unser Geselschafft/ und befahl sie der Gnade Gottes zu allem Wolergehen; vermahnete auch seine Tochter/ sich gegen Herrn Fabius zu Padua nicht anders zuhalten/ als ob er ihr leiblicher Vater waͤhre/ an welchen er ihr auch einen Brief mitgab. Die unsern wuͤnscheten ihm hinwiederumb allen leiblichẽ und Geistlichen Segen/ da die Groß Fuͤrstin im scherze sagete: Wann etwa zu Padua sich ein wirdiger Freyer angeben wuͤrde/ baͤhte sie umb Volmacht/ neben Herrn Fabius dar- in zuschaffen/ hoffete auch/ sie wuͤrden alsdann auff das Hochzeit Fest gerne erscheinen. Worauff der Vater ebenmaͤssig im scherze antwortete/ es solte ihr alles heimgestellet seyn. Darauf gingen sie froͤlich zu Schiffe/ und saͤgelten mit gutem Winde ohn Sturm und Gefahr den geraden Weg auff das Eiland Kreta zu. Die in Mesopotamien Gefangene/ wahren schon bey guter Zeit zu Persepolis an- gelan- Fuͤnftes Buch. gelanget/ und wurden durch deren Ankunft die vereinigten Fuͤrsten hoͤchlich erfreuet/ ga- ben ihnen allen Gewehr/ und liessen sie den Faͤhnlein schwoͤren/ da diese Knechte hernach sich offt glükselig preiseten/ daß sie in Artaxerxes Dienste gerahten wahren. Sysimithres kam auch daselbst an/ zeigete seinen Geleits-Brieff/ und ward darauff wolgehalten/ und als ein Freund zur Mahlzeit geladen/ da er sich nicht scheuhete der Groß Fürstin Wer- bung an Artabanus/ dem Persischen Groß Fuͤrsten anzumelden/ welcher aber wol sahe/ daß es vergeblich seyn wuͤrde/ wie es dann nicht anders erging; massen/ als dieser zu Cha- ras anlangete/ reichete er zum ersten Vologeses und Pakorus ihre Schreiben von Her- kules ein/ auch die treflichen Demant Ketten/ die er ihnen zum Gedaͤchtnis sendete/ welche sie willig annahmen/ und nur beklageten/ daß sie nicht Gelegenheit haͤtten/ es zuvergelten. Sie gingen aber mit Sysimithres zu dem Koͤnige/ umb zuvernehmen/ wessen er sich auff der Groß Fuͤrstin Schreiben erklaͤren würde/ weil sie wol wusten/ daß solcher Raht umb- sonst wahr/ sie auch selbst ihn nicht gut heissen kunten. Als sie nun vor den Koͤnig traten/ sing Pakorus also an: Großmaͤchtigster Koͤnig/ allergnaͤdigster Herr; mein bruͤderlicher Freund/ Fuͤrst Vologeses/ und ich/ treten mit hoch erfreuetem Herzen vor eure Koͤnigl. Hocheit/ nachdem gegenwaͤrtiger Herr Sysimithres gleich jetzo die laͤngst gewuͤnschete Zeitung wegen geschehenen Abzuges Groß Fuͤrst Herkules und Koͤniges Ladisla mit sich übergebracht/ und hiedurch den erlittenen Schaden wol erstattet hat. Parthen mag sich billich dieses Tages freuen/ nach welchem mich einig und allein verlanget; dann es wird derselbe unsers Glüks wiederbringung und des Persen Untergang und verderben seyn/ so daß ich nicht zweiffele/ den Abtruͤnnigen solle die bißher eingenom̃ene Freude eh ist ver- salzen werden/ deren sie durch andere Leute wolverhalten genossen. Eure Koͤnigl. Hocheit fasse nur ein gutes Herz/ und freue sich mit uns/ daß die Goͤtter das Gewitter aus Teutsch- land dereins von uns abgekehret haben; wir unsers teils versprechen allen moͤglichen fleiß anzuwenden/ damit der bißher erlittene Schade nicht allein wiederbracht/ sondern die Paꝛ- thische Gewalt noch eins so weit außgebreitet werde. Wir haben zwar mannichen guten Kriegsmann verlohren/ aber alle sind sie gleichwol noch nicht drauff gangen. Ich habe diese Tage bey der Landesbesichtigung mehr Mannschaft funden/ als ich nicht gemeinet; nur ist noͤhtig/ daß sie im Gewehr wol geuͤbet werden/ und wird ihre Koͤnigl. Hocheit ih- ren Kriegs Obristen etwas freundlicher begegnen/ als neulich dem redlichen Surinas ge- schehen; dann solte ein ehrlicher Ritter sich aus blossem Argwohn vor einen Verraͤhter schelten lassen/ moͤchte er lieber wünschen/ daß er nie kein Schwert an die Seite gegürtet haͤtte/ sondern in stiller Ruhe auff seinen Guͤtern sitzen blieben waͤhre; dann was sol dieser Ritter machen? wolte er sich wieder in Parthische Dienste begeben/ wuͤrden andere seines gleichen von ihm begehren/ sich des Argwohns gebührlich zuentschuͤtten; ob er aber sol- ches durch leugnen taͤhte/ würde ihm solches wenig nutzen/ sondern sich alle Tage herumb schlagen muͤssen; und geben nur die Goͤtter/ daß andere sich hieran nicht stossen/ und ge- denken/ es sey besser/ bey Zeit der Gefahr entgangen/ als mit solchem Dank gelohnet wer- den. Artabanus achtete dieser Vermahnung wenig/ daß er sie gar unbeantwortet ließ/ uñ sich doch heimlich daruͤber entruͤstete/ aber das erste machte ihn uͤberaus bestuͤrzt/ daß er Pakorus nicht wolte weiter reden lassen/ fondern Sysimithres fragete/ woher er diese Zei- tung braͤchte/ und was vor Schaden er dann gelitten haͤtte. Welcher darauff erzaͤhlete/ i i was Fuͤnftes Buch was gestalt ihn Herkules bey seinem Abzuge in Mesopotamien uͤberfallen/ seine Knechte gefangen/ den Reuterwe i bern alle Gelder abgenommen/ und sie selbst vor Leibeigene mit gefuͤhret. Die Groß Fuͤrstin haͤtte ihm eine muͤndliche Werbung an ihre Koͤnigl. Hocheit anbefohlen/ hernach selbige schrifftlich auffgesetzet; welche er hiemit uͤberreichte. Der ver- liebete Mensch durfte ihm noch Hoffnung machen/ daß etwas Trostes in dem Brieffe ent- halten waͤhre/ dann sein Verlangen nach ihr/ wahr ihm noch nicht verschwunden/ zuͤrnete auch heimlich auff Pakorus/ daß er Bagophanes entleibet/ und ihn dieses Troͤsters berau- bet hatte/ wiewol dessen hinterbliebene Wittib seine Stelle in der Schmeichelung wol zu- vertreten wuste/ die er gleich diesesmahl bey sich hatte/ und ihr doch verbohten/ einigen Un- willen gegen Pakorus merken zulassen/ mit dem Versprechen/ daß er den Mord schier heut oder morgen an ihm schon raͤchen wolte. Damit er aber das Schreiben unverstoͤret lesen koͤnte/ ging er in ein Nebengemach/ und fand folgenden Inhalt: Von Gottes Gnaden Valiska/ gebohrne aus Koͤniglichem Stamme Boͤhmen/ verheirahtete Groß Fuͤrstin in Teutschland/ wuͤnschet Koͤnige Artabanus alle Wolfahrt/ und hat nicht unterlassen wollen/ auch auff ihrer Heimreise/ seiner Liebe kuͤnftiges beste zubeobachten/ und dieselbe zuermahnẽ/ daß sie nach diesem ihren Koͤniglichen Nahmen durch so abscheuhliche Gifftmischung weiter nicht beschmitze/ welches ihre eigene Untertahnen/ da sie redlich sind/ nicht gut heissen werden, Mein einig- geliebter Gemahl Groß Fuͤrst Herkules (dem zu ehren und Gedaͤchtnis ich mich ehmahls Herkuliska genennet) hat nunmehr mit mir und meinem Herr Bruder Koͤnig Ladisla/ die Persischen Laͤnder veꝛ- lassen/ werden auch auff der Reise nicht ruhen/ biß wir bey den unsern (die gleiches Standes mit euer Liebe sind) uns wieder finden; und hieraus eure Liebe gnug zuermaͤssen hat/ daß sie mein Angesicht nimmermehr wieder sehen/ oder einige Hoffnung zu meiner Heyraht haben koͤnne/ deren sie auch ohn zweiffel (wo sie sonst gesundes verstandes ist) sich allerdinge werden begeben haben; solte nun mein wolgemeinter getraͤuer Raht bey euer Liebe hafften koͤnnen/ bitte ich sehr/ mir zu folgen/ also/ daß sie das Baktrianische Fraͤulein eheliche/ und eine billiche Rachtung mit den vereinigten Fuͤrsten zutref- fen sich bemuͤhe/ damit ihr Stuel nicht gar umbgekehret werden moͤge. Wird sie aber diesen Vorschlag verachten/ duͤrffte sie solches zu spaͤt beklagen/ welches zuvernehmen mir unlieb seyn wuͤrde/ dann vor erzeigete Guttaht bin und verbleibe ohn nachteil meiner Ehren/ euer Liebe ich allemahl bereitwillig- ste und getraͤue Freundin Valiska. Nach verlesung dieses/ da niemand als Parasitis bey ihm wahr/ fing er an/ sich so traurig zugeberden/ daß sie nicht anders meinete/ ob wuͤrde ihm die Seele außgehen. Ach du Schoͤnheit der Welt/ sagete er: Wie sol und kan mein Herz dasselbe außbannen/ wel- ches darinnen mit Demanten Ketten befestiget ist? Ach ihr Goͤtter! warumb habt ihr eu- rem Artabanus das Meisterstuͤk eures volkommenen Kunstwerks gezeiget/ daß er durch dessen anfchauung der ungluͤkseligste dieses ganzen Erdbodems werden solte? Hat dann der maͤchtigste Koͤnig der Welt nicht koͤnnen ein Fraͤulein vor einem einzigen Raͤuber be- schuͤtzen/ noch die geraubete wieder erstreiten/ welcher sein ganzes Reich vor der maͤchtigen Roͤmer Gewalt so leicht verteidiget hat? Parasitis redete ihm mit grosser freundligkeit zu; Ihre Koͤnigl. Hocheit moͤchten doch nicht soviel die Schoͤnheit dieser Ungetraͤuen/ als ih- re Falscheit und leichtfertiges Gottloses Herz betrachten/ welche ihren aͤidschwuhr nicht allein dem Koͤnige/ sondern auch der Goͤttin Vesta gefaͤlschet/ und sich dadurch beydes bey Menschen und Goͤttern unwert und verhasset gemacht haͤtte; und wer wuͤste/ mit was Straffe sie der Himmel schier heimsuchen duͤrfte. Diesesbrachte sie nicht allein daßmahl vor/ sondern drey Wochen hernach bestellete sie etliche unbekanten/ welche als durchreisen- de Kauff- Fuͤnftes Buch. de Kauffleute nach Indien/ außsprengen musten/ es waͤhre zu Tyrus die gewisse Zeitung eingebracht/ daß als der Teutsche Groß Fuͤrst Herkules und sein Gemahl Valiska oben auff dem Schiffe/ da sie nach Italien gefahren/ sich umbschauend erlustigen wollen/ haͤtte ein starker Wirbelwind sie gefasset/ und uͤber Bort in das Meer geworffen/ da sie alsbald von einem ungeheuren Fische verschlucket worden; ihr Bruder Koͤnig Ladisla mit etlichẽ tapfferen Rittern/ haͤtte sich in ein Boht gesetzet/ umb sie aus dem Wasser zuzihen/ waͤhren aber ingesampt von demselben Meerwunder verzehret/ wie solches uͤber 40 Kauffleute uñ Schiffknechte zu Tyrus aͤidlich außgesagt/ welche nahe bey ihnen hergefahren/ und es mit leiblichen Augen angesehen haͤtten. Dieser Luͤgen ward nun so fest geglaͤubet/ daß sie auch nach Persepolis erscholle/ und nicht wenig betruͤbnis daselbst vtrursachete; wiewol Phra- ortes und sein Gemahl immerzu wieder sprachen. Auff unser vorhaben wieder zukom̃en/ als Parasitis dem Koͤnige obgedachter massen zuredete/ begriff er sich in etwas/ und brach endlich in grossem Eifer also loß: Nun so fahre hin du leichtsertiges/ traͤuloses Weib/ du solt uns ein Beyspiel weiblicher Untraͤue und falscheit seyn/ und wollen wir die gebuͤhrli- che Rache gegen dich uñ den Erz Raͤuber/ auch alle deine Helffershelffer vorzunehmen wis- sen/ solten wir gleich ein unzaͤhliges Heer biß in Teutschland fuͤhren/ und die Landstreicher daselbst heimsuchen; machte sich darauff wieder in das grosse Gemach/ und wolte Sysi- mithres viel zu Rede stellen/ warumb er sich nicht besser vorgesehen/ und den Raͤubern ent- gangen waͤhre. Welches aber Vologeses beantwortete: Dafern ihre Koͤnigl. Hocheit den Sachen gebuͤhrlich nachdenken wuͤrde/ zweifelte er nicht/ es würde Sysimithres bey dero- selben schon voͤllig entschuldiget seyn; nachdem ja kein Mensch dergleichen Ungluͤksfaͤlle vorhersehen oder vermeiden moͤchte; uͤberdas haͤtten neugeworbene Fußvoͤlker/ so annoch unbewehret/ einer solchen Macht der allergeuͤbtesten Reuter nicht wiederstehen koͤnnen. Worauff er naͤhern kauff gab/ uñ nach anderen Unterredungen fragete/ ob Gamaxus von den Raͤubern mit fort geschleppet waͤhre. Er aber antwortete: Elender Mensch ist nie ge- bohren/ als dieser unselige/ dessen Jammer mich zum Weinen bewogen hat; er lebet an- noch zu Persepolis/ da habe ich ihn gesehen/ als er bey der Mahlzeit in bunter Narrenklei- dung dem Persen/ Meden und Susianer auffwartete/ und von den Knaben sich tummeln lassen muste/ welche ihn den Groß-Narren aus Meden nenneten. So oft er sich mit einem Worte verlieff/ wurden ihm die lahmen Faͤuste mit Ruhten gestriechen/ daß das Blut heꝛ- unter tropffete. Er suchte Gelegenheit mit mir zu reden/ und als er endlich so viel Raum hatte/ sagte er mit klaͤglicher Stimme; Seid gebehten/ mein Herr/ und nehmet mir mein elendes Leben/ damit ich dieses unleidlichen Spottes abkom̃en moͤge; oder gebet mir nur ein wenig Gift/ den ich einnehme/ dañ ich suche nichts mehr als den Tod. Wañ aber mein Koͤnig einiges mittel wuͤste/ mich loßzumachen/ weil ich ja in seinen Diensten in dieses E- lend gerahten bin/ wuͤrden die Goͤtter ihm solches tausendfach belohnen/ und koͤnten her- nach meine Arme und Beine mir wieder zu brochen/ und gerade geheilet werden/ da ich dann mich dergestalt erzeigen/ und meinen Schimpff einbringen wolte/ daß des Koͤniges Feinde sich dessen nicht solten zuerfreuen haben. Wir wolten ihn gerne loßmachen/ sagte Artabanus/ wañ es nur moͤglich waͤhre/ aber sein aͤrgestes ist/ daß er die Parthischen Fuͤr- sten so hoch erzuͤrnet hat. Ich werde den Ehren-Schaͤnder wol vor meinen Augen nicht leiden/ sagte Pakorus/ sondern da er seyn wird/ wil ich weg bleiben. Parasitis kunte ihre i i ij Traͤh- Fuͤnftes Buch. Traͤhnen nicht bergen/ und ungeachtet das ungeheur lahm und ein Kroͤpel wahr/ haͤtte sie ihn doch gerne loßgemacht/ und zur Ehe genommen/ oder zum wenigsten die stete Buhle- rey mit ihm getrieben/ daher sie nicht unterlassen kunte/ den Koͤnig nachgehends/ da sie mit ihm allein wahr/ heftig zu bitten/ daß er ihn ohn der Fürsten wissen erloͤsen/ uñ ihn an einem Orte auffhalten moͤchte/ daß die Fuͤrsten nichts von ihm erfahren koͤnten; worzu aber Ar- tabanus weder gelegenheit noch mittel sahe. Vordißmahl aber fing er an/ wie er den Per- sen und Meden straffen wolte; wahr doch ein vergeblicher Stolz; dann Artaxerxes nahm ihm nach anderthalb Jahren das ganze Koͤnigreich Parthen/ und bald hernach erwuͤrge- te er ihn mit eigener Faust/ wie solches von einem andern Geschicht Schreiber gemeldet wird/ da dañ Vologeses und Pakorus heftig verwundet/ gefangen/ aber wegen ihrer red- ligkeit von dem Persen hoch erhaben wurden. Die Ursach daß Pakorus in vorigem Ge- spraͤch des Surinas erwaͤhnung taht/ wahr diese: Es hielt derselbe sich mehrenteils in Meden auff/ damit er mit seiner geliebeten Atossen heimliche Fꝛeude haben koͤnte waꝛd deß- wegen bey Artabanus von seinen gehaͤssigen verunglimpfet/ er haͤtte einen heimlichen ver- stand mit den Auffruͤhrern/ und waͤhre willens sich bey ihnen in Dienste zubegeben. Wor- auff ihn der Koͤnig vor sich fodern ließ/ uñ als er vor ihn trat/ schalt er ihn vor einen Land- kündigen Verraͤhter/ und meinaͤ i digen Tropfen; welches er bester massen entschuldigte/ und sich erboht/ wieder seine Verleumder solches gebuͤhrlich außzufechten; weil er aber kein gehoͤr erlaugen kunte/ klagete er solches Pakorus wehmuͤhtig/ vertrauete ihm seine a- bermahlige Liebe mit Atossen/ ging wieder zu dem Koͤnige/ und erboht sich/ seine Unschuld durch einen Kampf außzufuͤhren; vermochte es aber nicht zuerhalten; deßwegen er umb gnaͤdigste erlassung seiner Kriegsdienste anhielt/ nebest ritterlicheꝛ beteuꝛung/ daß/ wie un- gnaͤdig ihm auch seine Koͤnigl. Hocheit seyn moͤchte/ er doch nimmermehr an Persischer Seite gegen dieselbe dienen wolte. Worauff er endlich erlassen ward/ da er alle seine Guͤteꝛ in Parthen und Meden verkauffte/ die Gelder nach Antiochia in Syrien uͤbermachte/ uñ nach Damaskus reisete/ da er bey H. Sulpizins Freyheit im Lande zu wohnen erhielt/ auch ein schoͤnes Landgut kaufte/ und seine vertrauete Atossen heimlich und in guter sicherheit davon brachte/ gleich umb die Zeit/ als unsere Helden auff dem grossen Mittel Meer froͤlich und mit gutem Winde fortsaͤgelten/ biß sie Kreta erreicheten/ und in eben den Hafen ein- liefen/ woselbst Valiska/ uñ hernach Herkules vor diesem außgestiegen wahren/ dessen doch ihrer keiner wahrnam/ biß sie ihr ehmaliges Elend betrachtend/ aus Ufer traten/ und Va- liska der Baͤume gewahr ward; woruͤber ihr die Freuden Traͤhnen aus den Augen hervor- drungen. Sie fassete ihren Gemahl bey der Hand und ging mit ihm hin/ tꝛaff ihren Baum bald an/ an welchem sie ihre und Herkules Schrift fein außgewachsen und unverletzet sahe/ nahm ihr Messerchen hervor/ und schnitte diese Worte darunter: VALISCA per DEI gra- tiam liberata, patriam repetit cum suo HERCVLE. Das ist: Valiska durch Gottes Gnade erloͤ- set/ kehret wieder in ihr Vaterland mit ihrem Herkules. Sie zogen von dannen nach der Stad Gnossus/ woselbst sie drey Tage stille lagen/ und den Ort besahen/ da Herkules den falschen Ladisla erschlagen hatte. Als nun des Landes Inwohner in erfahrung brachten/ daß die warhafften Helden bey ihnen angelanget waͤhren/ kahmen viel tausend Menschen herzu/ dieselbigen zu sehen/ von denen sie hoͤchlich geehret wurden. Auff Euphrosynen und Aga- then fleissiges anhalten fuhren sie ingesamt nach Korinth/ blieben auch in Griechenland wegen Fuͤnftes Buch. wegen des Ungewitters etliche Wochen/ und besahen daselbst die oͤrter/ wo Herkules und Ladisla gefangen/ und zum schnoͤden Gericht außgefuͤhret wahren/ auff welche Stellen die Landes Obrigkeit ihnen herliche Ehrenseulen auffrichten ließ wovor ihnen Herkules nach- gehends von dem Roͤmischen Kaͤyser sonderliche Freiheiten erhielt. Sonst liessen unsere Helden zu Korinth 50000 Kronen unter die armen Christen außteilen/ und belegten eine Tonne Goldes/ davon die jaͤhrlichen Rente zu behueff der Lehrer Unterhalt solten ange- wendet/ auch Schreiber davon bestellet werden/ welche der Christlichen Lehrer ihre Buͤ- cher abschrieben/ damit dieselben nit untergingen. Am fuͤnfften Tage nach ihrer Ankunft zu Korinth/ stellete sich Fr. Artonis/ des Perdickas nachgelassene Wittib/ bey den unsern ein/ von denen sie ganz freundlich empfangen und mit vielen Kleinoten beschenket ward/ weil sie dem Persischen Groß Fuͤrsten Artaxerxes und Fuͤrsten Pharnabazus nahe ver- wand wahr. Sie hinwiederumb ließ solche Huld und Ehre den unsern/ insonderheit der Groß Fuͤrstin spuͤren/ daß sie ihr von Herzen gewogen wurden. Ihrem Oheim Fuͤrst Ar- bianes versprach sie/ daß auff seine gluͤkliche Ruͤkreise sie sich gefasset halten/ und mit ihm/ nach verkaͤuffung ihrer Guͤter/ in Meden zihen wolte/ da sie dañ nicht allein der Groß Fuͤr- stin Klaren geheime Kammer Frau worden (massen sie nicht wieder heirahten/ noch eigene Guͤter besitzen wolte) sondern auch zum Christlichen Glauben sich bekehret hat. Klodius und Markus samt ihren Eheliebesten wahren nicht willens/ in Griechenland zu wohnen/ und verkauften alle ihre liegende Gruͤnde und Guͤter/ der Stad Korinth/ wovon Herku- les sie zwaꝛ anfangs gedachte abzuhalten/ und mit dem Kauffe nicht zu eilen/ ob ihnen viel- leicht dermahleins gefallen moͤchte in Griechenland zu wohnen; bekam aber von ihnen zur Antwort/ daß da sie nur koͤnten gelitten werden/ sie nicht bedacht waͤhren/ ihre Herren Zeit ihres Lebens zuverlassen/ sondern mit ihnen in Teutschland zuzihen/ und daselbst ihre ungeenderte Wohnung zu nehmen; welche traͤue unsern Helden so wol gefiel/ daß/ weil Euphrosyne von Fr. Valisken schon bestallung hatte/ machte Herkules ihren Markus zu seinen Hoffmarschalk; Ladisla aber nam Klodius zum Landdrosten/ Hoff- und Kriegs- Raht an/ neben versprechung/ daß Fr. Agatha neben Brelen/ seiner Gemahlin Fr. So- phien Hoffmeisterin und Kam̃er Frau seyn solten; welches diesen vieren lieber wahr/ als haͤtte man ihnen ganz Griechenland zu eigen gegeben. Der gute Attalus/ der sich umb ein grosses gebessert hatte/ kam mit seiner hurtigen Eurydize auch/ unsere Helden zu sprechen/ uud seiner ehmaligen Tohrheit verzeihung zu bitten/ und wurden wol begabet weg gelas- sen. Sie brachten sonst ihre Zeit zu Korinth in aller Gottesfurcht zu/ und liessen ihnen taͤglich Gottes Wort erklaͤren/ biß ein sehr fuͤglicher Wind enstund/ da sie wieder zu Schif- fe gingen/ und mit grossem verlangen nach dem Adriatischen Meer Nordwest saͤgelten/ in Hoffnung/ den naͤhesten Hafen bey Padua bald zuerreichen/ da dann die Parthische Leib- eigene/ welche als freie Leute gehalten wurden/ dergestalt die Faͤuste an die Ruder legeten/ daß man sie von der garzuhefftigen Arbeit abmahnen muste. Ende des Fuͤnften Buchs. i i iij Des Des Christlichen Teutschen Herkules Sechstes Buch. B Leich umb dieselbe Zeit/ da Herkules mit seiner froͤlichen Geselschaft seine Schif- fart von Korinth nach Italien fortsetzete/ kahmen die beyden jungen Fuͤrsten/ Baldrich aus Teutschland/ und Siegward aus Schweden in den Italiaͤnischẽ Grenzen an/ woselbst sie mit ihren zwoͤlff Ritterlichen Dienern sich auf Roͤmisch kleideten und ausruͤsteten/ des Vorsatzes/ ihrem Bruder und Oheim/ Herkules und Ladis- la in die abgelegenen Morgenlaͤnger zufolgen/ weil sie in Erfahrung brachten/ daß sie da- selbst sich annoch auffhieten/ und den Krieg wider den Parthischen Kaͤyser hefftig fortsetze- ten/ dem sie/ wie das verlogene Geschrey ging/ seine Reiche entwenden/ und unter ihre Ge- walt bringen wolten; ja es durfften etliche ausstraͤuen/ sie haͤtten anfangs mit dem Roͤmi- schen Reich eben dasselbige vorgehabt/ und waͤhren bloß durch Ladislaen Heyraht davon abwendig gemacht. Es uͤberlegeten aber hochgedachte beyde junge Fuͤrsten/ ob sie des naͤ- hesten bey Aquileja zu Schiffe treten/ oder zuvor unter unbekanten Nahmen die Stad Pa- dua besehen/ und daselbst Herkules Zustandes sich eigentlicher erkuͤndigen wolten/ welches ihnen endlich am besten dauchte/ und daher sich auffmacheten/ des Orts bald anzulangen. Hieselbst wahren Fr. Sophia und ihre Eltern uͤber die masse sehr betruͤbt/ weil ihnen sint Leches Abscheid/ und also nunmehr inwendig Jahresfrist keine Zeitung zukommen wahr; wiewol der Stathalter seinen Leuten allemahl den Trost vorhielt/ es waͤhre nicht moͤglich/ daß/ wann es den ihren ungluͤklich ginge/ ein solches lange stille und verschwiegen bleiben koͤnte; das Geschrey/ wie wenig er demselben gleich trauete/ braͤchte dannoch lauter gute Zei- tung ein/ und waͤhre vor weniger Zeit ein Egyptischer Kauffmann zu Rom gewesen/ wel- cher daselbst bestaͤndig ausgesagt/ was gestalt der Persen Fuͤrst durch Hülffe und Beystand der Teutschen Fuͤrsten/ den grossen Koͤnig der Parther/ und dessen fast unzaͤhlige Macht aus dem Felde geschlagen/ und biß in seine Haupt Stad Charas getrieben haͤtte/ womit des Stathalters zu Damaskus Schreiben an Kaͤyserl. Hocheit allerdinge uͤbereinstimmeten; waͤhre demnach nicht zuzweifeln/ sie wuͤrden ehistes froͤliche Zeitung und Briefe von ihnẽ zugewarten haben. Fr. Sophia vertrieb ihre Zeit viel mit Lustfahren/ und besuchete die ih- rem Ladisla und Herkules geschenketen Landgüter zun oftern/ da Fr. Ursula und Frl. Si- bylla ihre untrenliche Gefaͤrtinnen wahren. Drey Tage vor Herkules Ankunft zu Padua/ wolte sie ihren neu-angelegeten Garten auf ihrem Landgute besichtigen/ welchen sie mit al- lerhand fremden Gewaͤchsen und schoͤnen Blumen besetzen ließ/ weil es numehr gegen den Fruͤhling ging/ und es der 19 Tag des Hornungs wahr/ da sie obgemeldete ihre beyde Wa- sen/ ihre Leibdienerin Beaten/ und einen aͤdelknaben mit sich nam/ und des morgens fruͤh mit dem Tage davon fuhr/ weil es sich zu einem schoͤnen Wetter ansehen ließ/ welches sie doch betrog/ massen der Wind aus dem Westen einen hefftigen Plazregen zusam̃en trieb/ daß sie die Gutsche umher zumachen/ und vor dem Regen sich verbergen musten. Ihr Gutscher hatte auf diese Gelegenheit schon etliche Wochen gehoffet/ gebrauchte sich dem- nach Sechstes Buch. nach der jetzigen/ und fuͤhrete sie von der Landstrassen auf einen ungebahneten Weg/ hoͤrete auch zwo ganzer Stunden nicht auf zurennen/ biß sich der Regen gelegt hatte/ da endlich das Fraͤulein sagete: Wie koͤmt es doch/ daß mir der Weg ungleich laͤnger vorkomt/ als vor nie/ und gleichwol die Pferde immerzu in Fluͤchten gangen sind? gewißlich hat der Gutscher des Weges verfehlet. Fr. Sophien mißdauchte es gleich so wol/ oͤfnete den Wa- gen/ und als sie sich umsahe/ merkete sie alsbald/ daß sie auf dem rechten Wege nicht wah- ren/ deswegen schalt sie den Gutscher aus/ wie er darzu kaͤhme/ und ohn ihr Geheiß einen andern Weg vor sich nehmen duͤrffte. Dieser entschuldigte sich auffs beste/ er haͤtte aus gu- ter Wolmeynung solches getahn/ der gemeine Weg waͤhre gar zu kotig in diesem Regen- wetter/ daher haͤtte er einen andern gesuchet/ welcher zwar etwas umb/ aber nun schier ge- endiget waͤhre. Das Frauenzimmer empfand grosse Angst im Herzen/ und rieffen einhel- lig/ er solte wieder umkehren/ und nach Padua fahren; aber der Bube taht/ als hoͤrete ers nicht/ und wie er merkete/ daß sie absteigen wolten/ jagete er mit verhaͤngeten Zügeln nach einem dicken Gepuͤsche zu; Worauf Frl. Sibylla sagete: Ach ihr Goͤtter/ wir sind gewiß- lich verrahten/ oder wol gar verkaufft; woruͤber Fr. Ursul sich dergestalt entsetzete/ daß ihr eine Ohmacht zustieß; doch weil Fr. Sophia ihr hart zuredete/ sie solte sich fest halten/ und das Ungluͤk nicht haͤuffen/ fand sie sich bald wieder/ gleich da 20 Raͤuber aus dem naͤhesten Gepuͤsche hervor sprungen/ die Gutsche umgaben/ und ihr Führer das Frauenzimmer al- so anredete: Ihr schoͤnen Bilderchen seyd uns dieses ungewoͤhnlichen Orts sehr wilkom- men/ als deren wir schon unterschiedliche mahl/ aber bißher vergeblich erwartet haben; weil dann nun das heutige Gluͤk uns so guͤnstig ist/ werdet ihr euch nicht wegern/ mit uns zuge- hen/ dann wir sind nicht willens/ euch einiges Leid oder Betruͤbniß anzufuͤgen; nur allein werde ich mich bemuͤhen/ durch euren Vorschub und Befoderung meine Gelder wieder zuerlangen/ die mir vor zwey Jahren ungefehr entwendet sind/ und eurer etliche darumb gute Wissenschafft tragen. Ich habe zu dem mahle Muͤhe gehabt/ mich zuerretten/ da die wolerbauete Hoͤhle unvermuhtlich gestuͤrmet ward/ aber nunmehr bin ich willens/ die Zin- sen samt dem Hauptstuel einzuhohlen. Das Frauenzimmer erschrak der Rede heftig/ doch erhohlete sich Fr. Sophia mitten in der Augst/ fassete ein Herz/ und gab ihm diese Antwort: Mein Freund/ ich vermerke aus allen euren Reden/ daß wir euch nicht unbekant sind/ wil euch daher erinnert haben/ daß ihr bescheidentlich mit uns umgehet/ und euer keineꝛ sich ge- luͤsten lasse/ ichtwas wider unsere weibliche Ehre und Zucht vorzunehmen; Hat man euch dann/ wie ihr vorgebet/ und wol seyn kan/ eure Gelder entwendet/ so versichert euch/ daß sie annoch unverzehret und in guter Gewarsam sind/ auch mit leichter Muͤh wieder koͤnnen beygebracht werden. So lasset mich nun wissen/ wie hoch eure Anfoderung sey/ und trauet meinem versprechen/ welches ich aͤidlich leisten wil/ daß euch noch heut diesen Tag solche Gelder sollen eingehaͤndiget werden/ und kein andeꝛ Mensch als wir dessen jemahl ichtwz in Erfahrung bringen/ viel weniger einiger/ solches an euch zueifern sich unterstehen sol; lasset mich nur mit meiner Geselschaft unbeschimpfet nach Padua wieder umkehrẽ; oder deucht euch ein solches einige Gefahr auf sich zuhaben/ welche doch ferne ist/ so behaltet unser eine in redlicher Verwahrung/ biß die Auszahlung und eure gaͤnzliche sicherheit euch vergnuͤ- get ist; ein mehr es werdet ihr ja weder fodern noch begehren koͤnnen. Dieser Vortrag wol- te fast Sechstes Buch. te fast der ganzen Raͤuber Geselschafft gefallen/ aber ihr Fuͤhrer Furius wolte durchaus nit einwilligen/ und redete seine Leute also an: Wie nun dann ihr Bruͤder/ ist euch dann der Weiber List und Boßheit so gar unbekant/ daß ihr diesen geschmiereten Worten glaͤuben duͤrffet? Sie suchet uns nur zuentwischen/ das ist ihr vorhaben; ist sie einmahl wieder zu Padua/ dann wird sie uns viel ehe so viel Kreuze aufrichten/ als die Gelder uns zustellen lassen; bedenket wie heut das Gluͤk über alles verhoffen den Regen hergeschicket hat/ ohn welches Mittel unser getraͤuer Bruder diese Gutsche schwerlich so weit wuͤrde gebracht haben; wollen wir nun so toͤhrich seyn/ und den Vogel aus deꝛ Hand fliegen lassen/ so wird uns das Gluͤk selbst verfolgen/ weil wirs nicht haben erkennen wollen. Ist demnach mein fester und unbewaͤglicher Schluß/ sie allesamt mit uns zunehmen/ und bey uns in Verwah- rung zubehalten/ biß uns die Gelder geliefert werden. Die Raͤuber durfften ihrem Haupt- man nicht widersprechen/ und gaben durch ihr stilleschweigen an den Tag/ daß sie mit ihm einig waͤhren; Furius aber ermahnete das Frauenzimmer/ ohn weitere Sperrung einen kurzen Weg mit ihnen zugehen/ an ihren Ehren solte ihnen durchaus nichts wiedriges be- gegnen. Fr. Sophia fragete ihn/ auf was weise sie ihnen dann die Gelder liefern koͤnten/ wann er sie allesamt mit sich nehmen wolte? Der kleine Bube/ antwortete er/ sol uns dieses zu Padua schon verrichten. Befahl ihnen darauf/ abzusteigẽ/ oder da sie dessen sich wegern/ und ein Geruffe anrichten wuͤrden/ wolte man sie bey Hals und Beinen fortschleppen/ und sich ihrer nach allem willen gebrauchen; ja sie solten ohn Hoffnung der Erloͤsung als Bey- schlaͤfferinnen stets bey ihnen seyn und behalten werden. Hiedurch wurden sie bewogen/ gute Worte zugeben/ und sagte Fr. Sophia: ja sie wolten folgen/ wann man zuvor ihren Ehren sicherheit zugesaget haͤtte; welches dann die Raͤuber/ insonderheit der Gutscher/ mit heftigen Schwuͤren verrichtetẽ/ und sie bey einer Stunde durch Puͤsche und Hecken mit sich fuͤhreten/ biß sie bey einem Felsen anlangeten/ in welchem eine zimliche Hoͤhle wahr/ so daß in die 60 Mann sich darinnen haͤtten aufhalten moͤgen. Es wahr zwar renlich/ aber wüste in diesem Moͤrderloche; uͤmher wahren die Schlafstaͤten mit schlechtem Gitterwerk von dem Mittelplatze abgesondert/ und zu den Speisen hatten sie eine Neben Hoͤhle. Nun empfand Furius eine heftige Begierde in seinem Herzen gegen Frl. Sibyllen/ und nam ihm gaͤnzlich vor/ seinen unkeuschen Willen an ihr zubuͤssen; stellete sich deswegen inson- derheit gegen sie freundlich/ dessen sie wegen grosser Betruͤbniß nicht wahr nahm/ wiewol Fr. Sophia es bald merkete/ und auf alle Mittel bedacht wahr/ dieses Unheil abzuwenden. So bald sie in die Hoͤhle ankahmen/ begehrete das Frauenzimmer/ man solte ihnen einen absonderlichen Ort eingeben; welches ihnen nicht gewegert ward/ da dann Fr. Sophia ihre Wase Frl. Sibyllen getraͤulich warnete/ sich wol vorzusehen/ weil Furius sie bulerisch anblickete/ und zubefuͤrchten waͤhre/ er duͤrffte sich eines mehren unterwinden; wurdẽ dem- nach eins/ ihre Brodmesser fertig zuhalten/ und sich damit aufs aͤusserste zuschuͤtzen. Der mutwillige Raͤuber kunte die ungestuͤme Glut nicht lange daͤmpfen/ durfte doch wegẽ seiner Gesellen keine Gewalt anlegen/ sondern machete sich mit angenommener Gleisnerey und Sanftmuht zu ihnen hin/ und ließ ihnen etliche Speisen und einen Trunk Wein aufftra- gen/ so gut ers hatte/ setzete sich zu ihnen nider/ und noͤhtigte sie zum essen/ dessen sie sich nicht sonderlich wegern wolten/ damit sie nicht durch Hunger zur Mattigkeit gebracht/ und zu ihrer Sechstes Buch. ihrer selbst eigenen Beschuͤtzung unvermoͤgen wuͤrden; nur wendeten sie ein/ dz sie gar ohn Messer waͤhren. Furius schnitte ihnen vor/ und suchete alle seine Hoͤfligkeit hervor/ sich be- liebet zu machen/ und ihnen die Furcht und das Mißtrauen zubenehmen. Nach gehaltener kurzen Mahlzeit setzete er sich zu dem Fraͤulein/ und hielt an/ ihm ihre gute Gunst mitzutei- len/ gab ihr seine heftige Liebe zuverstehen/ uñ wie hoch er geneiget waͤre/ ihr zudienen; Zwar die Geselschafft haͤtte auf ihr Haͤupt auch 250000 Kronen geschlagen/ dieselben aber wolte er ihr als eigen wieder zustellen/ da sie ihrer treflichen Schoͤnheit genieß ihm nur geringe Zeit goͤnnen wuͤrde. Er wolte sie hierauf kuͤssen/ und umfahend zu sich druͤcken; aber Frau Sophia stellete sich zwischen sie/ und sagete: Nicht also ihr verwaͤgener/ dieses euer begin- nen ist trauen dem aͤidlichen Versprechen nicht gemaͤß/ und moͤget wol wissen/ daß wir lie- ber alle mit einander sterben/ als in euer Vornehmen gehehlen wollen. Das Fraͤulein fas- sete auch ein Herz/ und gab ihm duͤrre zuverstehen; Er solte sich der Gedanken nur entschla- gen/ daß er meynete/ sie lebendig zu seinem unzuͤchtigen Willen zuhaben/ dann sie waͤhre ei- ne versprochene Braut/ und gesinnet/ lieber den Tod als Ehrenverlust anzugehen; die Gel- der/ so auf ihr Haupt gesetzet waͤhren/ wuͤrden schon entrichtet werden/ und begehrete diesel- ben von ihm nicht wieder; welches sie dann mit so harter Stimme redete/ daß die anderen es wol hoͤreten/ und deswegen naͤher hinzu traten/ umb zuvernehmen/ was vorginge. Frau Sophia sahe an ihren Geberden/ daß sie nicht willens wahren/ Gewalt zuüben/ und redete sie also an: Guͤnstige gute Freunde/ erinnert euch/ bitte ich/ der teuren Verheissung/ welche ihr uns ingesamt getahn habet/ und gebet nicht zu/ daß einige unter uns an ihren Ehren be- leidiget werde; die Gelder/ so ihr fodert/ wie viel dessen gleich ist/ und auf acht Tonnen Gol- des sich erstrecket/ sollen euch ohnfehlbar/ wie ich weiß/ geliefert werden/ und wil ich euch uͤ- ber das versprechen/ daß euer keinem das geringste Leid unser Entfuͤhrung halben wieder- fahren sol/ ob man gleich schier heut oder morgen eurer koͤnte bemaͤchtiget seyn; nur allein beredet diesen euren Haͤuptman/ daß er seine unzimliche Begierden maͤssige/ und uns un- angefochten lasse/ damit wir nit verursachet werden/ uns des Lebens selbst zuberauben/ wel- ches euch zu keinem guten erspriessen wuͤrde; dann ihr koͤnnet leicht gedenken/ daß wañ wiꝛ nicht solten wieder bey den unsern anlangen/ man durch alle Hecken und Schlupffloͤcher uns zum fleissigsten nachspuͤren werde; Was vor abscheuhliche Straffen aber ihr alsdañ muͤstet zugewarten haben/ ist leicht zuvermuhten. Bald trat Genutius ihr Gutscher her- vor/ und sagte: Ihr Herren und gute Freunde; es ist euch ingesamt/ und einem jeden in- sonderheit wol bewust/ daß/ wie ich uͤber mich nam/ diese Geselschafft eine zeitlang zumeidẽ/ und mich vor einen Gutscher bestellen zulassen/ ob mir moͤglich seyn wuͤrde/ eine oder ande- re dieses Hochaͤdlen Frauenzimmers in eure Gewalt zuliefern/ ihr mir hinwiederumb die aufrichtige Verheissung getahn/ daß auf solchen Glückesfal ihnen weder am Leben noch an der Ehre ichtwas solte gekraͤnket werden/ wann ihr nur die begehreten Gelder erhaltẽ wuͤꝛ- det; und beteure ich bey meinem aͤide/ daß/ wo ich das geringste an diesem euren versprechen gezweifelt haͤtte/ wolte ich lieber mein Leben selbst aufgeopffert/ als dieses keusche hochaͤdle Frauenzimmer in eure Haͤnde uͤbergeben haben; ist demnach billich/ dz wir unserm Haͤupt- man einreden/ dessen eingedenke zuseyn/ und von seinem Vorhaben abzutreten; dann was meine gnaͤdigste Frau euch anjetzo vorgehalten/ wird in der Warheit nicht aussen bleiben/ k k da Sechstes Buch. da ich dann wuͤnschen moͤchte/ eure Geselschaft/ die mir sonst so angenehm ist/ nimmermehr gesehen zuhaben. Hierauff gingen sie mit einander hinzu/ und bahten Furius mit bewaͤgli- chen Worten/ er moͤchte durch blinde und Vernunfftlose Begierden sich nicht verleiten lassen/ ein solches zuwagen/ was ihm und der ganzen Geselschaft das unvermeidliche Ver- derben uͤber den Hals zihen wuͤrde. Furius entsetzete sich der unvermuhtlichen Einrede/ kehrete sich mit freundlichen Worten zu dem Frauenzimmer/ einwendend/ sie beschwereten sich unbillich und ohn ursach uͤber ihn/ weil er ja nichts ungebuͤhrlichs angefangen/ sondeꝛn bey dem Fraͤulein nur durch untertaͤhnige Bezeigung umb eine geringe Gunst angehaltẽ/ und naͤhme ihn wunder/ daß sie sich dergestalt hochmuͤhtig erzeigen und ihn anklagen duͤrf- ten/ so daß sie nicht eins bedaͤchten/ daß sie gefangene Leute/ und in seiner Gewalt waͤhren. was er ihnen versprochen haͤtte/ und wie weit ihn solches verbünde/ wuͤste er gar wol/ solte auch von ihm nicht gebrochen werden/ aber sie dagegen solten auch wissen/ daß ihnen ein solcher Hochmuht nicht zustuͤnde/ und sie gar uͤber ihn herschen wolten. Hernach trat er mit seiner Geselschafft zusammen/ und beklagete sich anfangs/ daß Genutius wider aͤid uñ gebuͤhr sich ihm widersetzet/ und seinem Ansehen unleidlichen Eintrag getahn haͤtte/ indem er die Geselschafft auf eines gefangenen Weibes falsche Anklage wider ihn auffmahnen duͤrffen/ woruͤber dann billich Urtel und Recht ergehen müste; Daß nun die eine draͤuete/ sich selbst zuentleiben/ waͤhre gar liederlich/ und wuͤrde sie ehe alles eꝛdulden/ als zu dieseꝛ veꝛ- zweiffelten Taht greiffen; jedoch dieses alles vor dißmahl beyseit gesetzet/ so ginge die Ver- heissung nur bloß auf die beyden verheyrahteten Frauen/ das Fraͤulein und die adeliche Leib Jungfer waͤhren nicht mit eingeschlossen/ so daß/ wann einer oder ander zu dieser etwa Anmuht haͤtte/ koͤnte er seinem Willen wol ein genuͤgen tuhn. Aber auch dieses ungeachtet/ so suchte er durchaus nicht/ der Fraͤulein unzuͤchtig zumißbrauchen/ sondern er haͤtte sich in dieselbe hoͤchst verliebet/ und waͤhre des gaͤnzlichen vorhabens/ sie zuehlichen/ daher er ei- niger Ungebuͤhr nicht koͤnte beschuldiget werden/ weil ja in ehelicher Liebe keine Schande steckete; hoffete demnach/ seine ehrliche Gesellen und Bruͤder wuͤrden ihm hierin nicht zu- wider seyn/ sondern vielmehr befodern/ daß er seine inbruͤnstige Liebe zum gewuͤnschten En- de ausfuͤhren moͤchte; dagegen wolte er ihnen 100000 Kronen von seinem Anteil (er be- kam aber den dritten Teil aller Beute) zuwenden/ und vor sein Haͤupt aus dieser Hoͤhle mit seiner Liebsten nicht weichen/ biß sie alle mit ihren Geldern sich in sicherheit gebracht haͤttẽ. Genutius hielt bitlich an umb Erlaubniß/ vor sich zureden/ aber Fannius ihr Unterhaupt- man fing an: Es muͤste durchaus die Uneinigkeit zwischen ihm und ihrem Hauptmann beygeleget und in deꝛ Asche gedaͤmpfet werden/ weil daraus nichts anders als ihr aller ver- derben entstehen wuͤrde; baht darauf den Hauptman/ daß er Genutius die gefuͤhrte Rede guͤnstig verzeihen moͤchte/ weil er solche vorzutragen/ gleichwol ein und andere Schein- gruͤnde gehabt haͤtte; Hingegen solte jener von aller weiteren Einrede abstehen/ und der ganzen Geselschafft Ausspruch billichen; welches sie beyderseits eingingen. Hernach ward Furius Vortrag in bedacht gezogen/ welchen sie vor billig hielten/ und die versprochenen Gelder mit grosser Danksagung annahmen/ als ob sie schon gezaͤhlet waͤhren; doch eriñer- ten sie ihn/ daß er aufs glimpflichste verfahren/ und alle Mittel versuchen moͤchte/ der Fraͤu- lein Willen zuerlangen; wañ aber keine Freundligkeit zulangen wolte/ wuͤrde er schon wis- sen/ Sechstes Buch. sen/ sie ihm verbindlich zumachen. Bald setzete Furius zehn Schildwachten aus; hieß auch die uͤbrigen einen Abtrit nehmen/ und verfuͤgete sich wieder nach dem Frauenzimmer/ des gaͤnzlichen Vorhabens/ entweder durch Zulassung oder Gewalt seinen boßhaften Willen zuvergnügen. Diese hatten ihres Gutschers vorbringen angehoͤret/ und verwunderten sich der unerhoͤreten Verraͤhterey/ entschuldigten ihn gleichwol in etwas/ und hielten ihn noch vor den redlichsten unter allen; Als sie nun alle andere sahen einen Abtrit nehmen/ und den Hauptman allein bleiben/ sagete Fr. Sophia zu ihren Gespielen; Dieser Schelm wird nit unterlassen/ Gewalt zugebrauchen/ ihr aber mein Schwesterchen haltet euch so fest ihr im- mer koͤnnet/ solte er euch dann uͤberwaͤltigen wollen/ hoffe ich ihn durch die Huͤlffe meines einigen wahren Gottes dergestalt anzugreiffen/ daß er keinem ehrlichen Weibesbilde mehꝛ sol Schande anmuhten. Dieser nun stellete sich mit angenommener Freundligkeit bey ih- nen ein/ und verwieß es Fr. Sophien als im scherze/ dz sie sich dergestalt über ihn beschwe- rete; entschuldigte sie bald darauff/ weil sie seines Standes und Wesens keine Kundschaft haͤtte/ koͤnte er ihr solches nicht allerdinge verargen; taͤhte ihnen demnach ingesamt zuwis- sen/ daß er hohes Roͤmischen Adels/ und wegen Verfolgung seiner unbefugten maͤchtigen Feinde aus Rom gewichen waͤhre/ haͤtte sich in Pannonien nidergelassen/ und daselbst eine gewaltige freye Herschafft an sich gebracht; so mangelte es ihm weder an Baarschafften noch anderem Reichtuhm/ daß er als ein Fuͤrst zuleben Mittel gnug haͤtte; allein es fehlete ihm ein wirdiges Gemahl/ die er biß daher nicht antreffen koͤnnen/ als heut diesen morgen/ da er am wenigsten daran gedacht/ haͤtte ihn das hochgeneigete Gluͤk dieses überaus schoͤ- ne/ und seinem Stande gemaͤsse Fraͤulein/ ja seine hochgeliebte Frl. Landmaͤnnin zugefuͤh- ret/ deren er sich ganz zueigen ergeben/ und in ehelicher Liebe uñ Traͤue mit ihr zuleben/ auch sie zur gebietenden Frauen uͤber sich selbst zumachen/ sein endlicher Vorsaz waͤhre; koͤnte demnach ihn niemand anklagen/ als suchete er ihre Ehre und Zucht zuschwaͤchen/ weil seine Liebe auff eheliche Traͤue gegruͤndet waͤhre/ die er hiemit aͤidlich wolte versprochen haben/ nicht zweifelnd/ sie wuͤrde sich in die Zeit schicken/ und solches erbieten annehmen/ dann ob sie gleich vorschützete/ daß sie mit einem andern schon verlobet waͤhre/ koͤnte ihn solches nicht hindern/ dann wer die Braut haͤtte/ ginge billich mit ihr zu Bette. Das liebe Fraͤulein waꝛ nicht anders als eine Todten Leiche/ daß sie auch in starrende Ohmacht niderfiel/ und wedeꝛ Hand noch Fuß regete/ welches Fr. Ursul ersehend/ zu ihr nahete/ und sie bester massen er- quickete/ biß sie endlich zu sich selber kam/ und zu Fr. Ursulen sagete: Liebe Fr. Schwester/ warumb verbeut sie mir zusterben/ da ich ehrlich zuleben nicht mehr bemaͤchtiget bin? Un- terdessen hatte Fr. Sophia ihre Unterredung mit dem wuͤtigen Furius/ und vermahnete ihn durch allerhand bewaͤgliche Uꝛsachen/ sich eines bessern zubedenken/ sintemal er ja weder leichtfertige Metzẽ noch gemeiner Leute Toͤchter/ sonďn hochgeborne Roͤmische Frauen uñ Fraͤulein vor sich haͤtte/ welche lieber den Tod als Schande waͤhlen wuͤrden; sein eheliches vorgeben waͤhre umsonst/ dann hierzu würden beyderseits Gemuͤhter erfodert; waͤhre er a- ber ein so grosser Herr/ als er vorgaͤbe/ und dergestalt beguͤtert/ muͤste er umb ihre Wase nit in der Raͤuber Hoͤhle/ sondern bey ihren Eltern werben/ und vor allen dingen sie zuvor frey lassen/ damit es nicht ein Zwang waͤhre; haͤtte es dann GOtt also versehen/ wuͤrde solche Heyraht wol vor sich gehen. Aber der wuͤtige Mensch lachete des vorbringens/ und gab k k ij zur Sechstes Buch. zur Antwort: Sie moͤchte ihn doch nicht gar vor einen Narren halten; auff solche art fin- ge man die jungen Fũchse; wolte sie demnach warnen/ mit dergleichen Reden und kindi- schen Anmuhtungen sein zuverschonen. Er waͤhre freylich ein vornehmer Herr/ und ein Kriegs Obrister von der Zahl der ehemaligen tapfferen Verbuͤndniß aus der verstoͤreten Hoͤhle/ auch bey dem Gefechte mit gewesen/ uñ durch sonderlichen Schuz der Goͤtter dem Tode entrunnen/ wovon dismahl zureden unnoͤhtig/ weil er mit ehr- und ehelichen Liebes- gedanken umginge/ und seinen Willen alsbald mit dem Fraͤulein zuvergnuͤgen bedacht waͤhre; wolten nun die uͤbrigen ihre gebuͤhrliche Schamhafftigkeit sehen lassen/ solten sie einen Abtrit nehmen/ daß er mit seiner Braut allein waͤhre; wo nit/ waͤhre diß ihre straf- fe/ daß sie alle mit einander solten geschaͤndet werdẽ; machte sich hiemit zu dem Fraͤulein/ welche auf der Erden saß/ und ließ sich dergestalt unzuͤchtig in Worten und Geberden veꝛ- nehmen/ daß Fr. Sophia augenscheinlich sahe/ ihre Wase wuͤrde ihre Ehre laͤnger vor ihm nicht erhalten koͤnnen/ stellete sich gleichwol nochmahls zwischen sie/ und fing an: Herꝛ Furius/ ich erinnere euch nochmahls eures geschwornen aͤides/ dz ihr dieser Fraͤulein Eh- re ungekraͤnket lasset/ dann ihr werdet im widrigen befinden/ daß wir alle lieber sterben/ als in diese Schande gehehlen wollen. Er aber stieß sie mit ungestuͤm zur seiten hinweg/ daß sie auf die Erde zuliegen kam/ und nahete mit solchem rasen zu dem Fraͤulein/ als einer der al- len Wiz und Scham ausgezogen hat. Aber Fr. Sophia wahr bald wieder auff den Bei- nen/ erwog sich ihres Lebens fiel uͤber Furius her/ und stach ihm ihr Messerlein in die Keh- le/ dz an stat der Rede er alsbald anfing das Blut auszugurgeln; Ihre Leibdienerin Bea- ta wolte sie nicht verlassen/ gab ihm sechs Stiche in den Leib/ daß er alsbald niderfiel/ mit Haͤnden und Fuͤssen zappelte/ und bald darauff seinen unflaͤtigen Geist auffgab. Fr. So- phia befand durch Gottes Gnade eine sonderliche Kekheit in ihrem Herzen/ lief geschwin- de hin nach dem andern Ende der Hoͤhle/ da etliche Schwerter lagen/ nam deren viere zu sich/ ging zu ihrer Geselschafft/ uñ teilete ihnen das Gewehr mit diesen Worten aus: Habt nun gute Hoffnung ihr meine Schwestern/ der groͤste Feind ist erleget/ welcher so wenig des Loͤse-geldes als der eingebildeten Heyraht sich erfreuen wird; nehmet nur ein frisches Angesicht an euch/ haltet die Schwerter auffrecht in den Haͤnden/ und lasset mich allein re- den/ wann die Raͤuber sich wieder einstellen werden. Deren kamen nun mit Fannius sech- se wieder/ nach Verlauff einer halben Stunde/ und zweifelten nicht/ ihr Hauptman wuͤr- de mit seinem erwaͤhleten Gemahl gute Rachtung getroffen haben; als sie aber das Frau- enzimmer mit den blossen Schwertern sahen/ entsetzeten sie sich/ und frageten/ was solches vor eine Bedeutung haͤtte. Fr. Sophia antwortete ihnen mit diesen sitsamen Worten: Ihr gute Herren und Freunde; diese Schwerter haben wir nicht ergriffen/ einigen Men- schen zubeleidigen/ wozu wir ohn das viel zu schwach sind/ sondern da uns weiter an unsern Ehren solte zugesetzet werdẽ/ wollen wir den Ansprengern die Spitze bieten/ oder uns selbst den Lebensfadem abschneiden/ weil wir ungezweifelt sterben/ oder unsere Ehre behalten wollen. Ihr wisset/ was vor teure Verheissungen ihr mir und meinen Gespielen geleistet/ welches aber von eurem Haͤuptman nicht gehalten worden/ sondern er hat sich unterstan- den/ meine Wase in meiner Gegenwart zuschaͤnden/ davor hat er von meiner Hand den Lohn empfangen/ und lieget zu meinen Fuͤssen gestrecket; dessen ihr euch dann nicht bekuͤm- mern Sechstes Buch. mern sollet/ gestaltsam alle seine Gelder unter euch als rechtmaͤssigen Erben koͤnnen aus- geteilet werden. So haltet ihr nun redlich/ was ihr uns versprochen habt/ und zweifelt nit an unserm verheissen/ daß nehmlich nicht allein die begehreten Loͤsegelder sollen ausgezaͤh- let werden/ sondern auch keinem unter euch wegen dieses vornehmens leid geschehen sol. Die Raͤuber erschraken hieruͤber/ daß sie anfangs kein Wort sprechen kunten/ schleppeten den Leichnam bey den Fuͤssen hervor/ und als sie kein Lebenszeichen mehr an ihm sahen/ seuffzeten sie daruͤber/ lieffen zur Hoͤhle hinaus/ und meldeten den uͤbrigen diesen unfall an/ auch wie das Frauenzimmer alles auffs aͤusserste gesezt haͤtte. Genutius hoͤrete solches nit ungerne/ dann er zweifelte nicht/ es wuͤrde ihm Furius meuchlischer weise das Leben ge- nommen haben; Weil er dann unter allen der verstaͤndigste wahr/ hub er also an: Ihr meine Herren und Freunde; da sehet ihr/ was gestalt die Goͤtter uͤber ihre Ehr und furcht halten/ und keinen Meinaͤid ungestraffet lassen. Unser gewesener Hauptman wahr von sol- cher Staͤrke und Waffen-erfahrenheit/ daß nicht leicht jemand ihm darinnen etwas be- vor tuhn wird/ uñ nun hat ein schwaches Weibesbild ihn müssen abschlachten als ein ver- bannetes Opffer zu der Goͤtter Versoͤhnung. Lasset uns solches dienen zur Warnung/ dz wir keine Goͤtter verspotten/ damit wir nicht auff gleiche/ oder noch wol schaͤndlichere wei- se umkommen. Vorerst wird noͤhtig seyn/ daß unter uns ein Hauptman gesetzet werde/ dem wir allen Gehorsam angeloben/ welcher nachgehends das Frauenzimmer beguͤtigen wird; Und weil ich nicht zweifele/ es werde Herr Fannius uns allen zum Hauptmann ge- fallen/ werden wir demselben unsere Schuldigkeit abzulegen keine Bedenkzeit vonnoͤhten haben. Sie liessen ihnen ingesamt diesen Vorschlag gefallen/ leisteten ihrem neuen Haupt- man den aͤid/ und wurden eins/ daß dem Frauenzimmer auffs freundlichste solte zugespro- chen/ und alle Versicherung ihrer Ehren getahn werden; gingen auch unbewaffnet in die Hoͤhle/ und fing Fannius also an: Versichert euch/ ihr schoͤnen Frauen und Jungfern/ dz unser gewesener Haͤuptman diese Untaht wider unser wissen und willen veruͤbet hat/ und wir daher nicht gesinnet sind/ seinen Tod zuunbillichen/ vielweniger zuraͤchen/ sondern wann uns die versprochene Gelder zugestellet werden/ wollen wir euch samt und sonders auff freyen Fußstellen/ auch euch keinerley weise an euren Ehren kraͤnken/ welches wir hie- mit aufs neue aͤidlich angeloben. Unser Frauenzimmer ward hiedurch hoͤchlich erquicket/ bedanketen sich des versprechens/ und bahten/ daß ihnen ein reiner Winkel zu ihrem Auff- enthalt eingeraͤumet/ und mit allerhand Sachen umleget wuͤrde/ damit niemand unver- merket koͤnte zu ihnen kommen; alsdann wolten sie gerne beyeinander bleiben/ biß ihnen die Gelder vergnuͤget waͤhren; welches begehren dann von den Raͤubern alsbald verrich- tet ward/ und vor allen andern Genutius dabey sehr gefliessen wahr/ so daß nur ein Loch offen blieb/ durch welches ihnen Speife und Trank kunte gereichet werden. Anfangs/ da dieses Frauenzimmer gefaͤnglich angenommen ward/ musten vier Raͤu- ber die Gutsche samt dem aͤdelknaben ins Gestraͤuche fuͤhren/ daß sie von niemand ausge- spuͤret wuͤrde/ woselbst sie auch den ganzẽ Tag verblieben/ biß der Abend einbrach/ da brach- ten sie dieselbe des naͤhesten Weges an das Meer/ und lag der Knabe drinnen mit verbun- denen Augen; drey Raͤuber aber sassen bey ihm/ welche demselben einẽ blauẽ Dunst vorzu- mahlen/ ertichteter weise mit einander überlegeten/ wie zeitig sie ihre Geselschafft wuͤrden k k iij erreichen Sechstes Buch. erreichen koͤnnen/ die mit ihren schnellen Rolwagen schon nach dem Meer sich fortgema- chet/ und das Frauenzimmer uͤbergefuͤhret haͤtten; wodurch sie den Knaben so irre mache- ten/ daß er nichts als Ungewißheit nach Padua zubringen wuste. Endlich/ als sie kurz vor Tage bey des Meeres Ufer anlangeten/ unterrichteten sie den Knabẽ/ wie mit Einlieferung der Gelder sie es wolten gehalten habẽ/ unter der bedrauung/ dafern man ihnen zu Wasser oder Lande nachfragen wuͤrde/ soltẽ die gefangene Weibsbilder ohn alle gnade geschaͤndet und getoͤdtet werdẽ. Die Pferde kehreten sie im Fahrwege nach Padua hin/ traten an des Meeres Ufer/ uñ machtẽ ein grosses Geraͤusche im Wasser/ als ob sie auf einẽ Schiffe davõ fuhren/ uñ kehretẽ des naͤhestẽ Weges wieder umb nach ihrer Hoͤhle. Fuͤrst Baldrich und Siegward begegneten ihnen mit ihrẽ Dienern/ hielten aber keine Unterredung mit ihnen/ sondern ritten ihres weges fort und sahen die Gutsche von ferne stehen/ hoͤreten auch bald darauff/ daß ein Mensch sich mit jaͤmmerlichem Geschrey vernehmen ließ/ daher sie hinzu ritten/ ihm die Bande auffloͤseten/ und frageten/ was ihm wiederliches begegnet waͤhre. Ach meine Herrn/ antwortete der Knabe mit weinender Stimme/ seid durch Gott gebeh- ten/ und lasset mich auffs allerschnelleste nach Padua bringẽ/ damit durch meine verseum- nis/ nicht die vortreflichsten Frauen derselben Stad/ umb Ehr und Leben kommen. Fuͤrst Baldrich wolte hievon mehr wissen/ und befahl dem Knaben alles in moͤglicher kuͤrze zuer- zaͤhlen/ welcher andeutete/ daß des Boͤmischen Koͤniges Herrn Ladisla Gemahl samt zwo ihren Wasen von etwa 20 Raͤubern gestriges Tages von dieser Gutsche geraubet/ uñ viel- leicht gar uͤber Meer hinweg geführet/ er aber hieher gebracht waͤhre/ mit dem bedinge/ dz er in eben dieser Kleidung heut uͤber zween Tage acht Tonnen Goldes an einem gewissen Ort im offenen freien Felde ohn beyseyn einiges Menschen als zweer Fuhrleute einliefern solte; im wiedrigen wuͤrde hochgedachtes Frauenzimmer umb Ehr und Leben kommen. Die Fuͤrsten erschraken dieser Zeitung/ und frageten/ ob dann Koͤnig Ladisla/ der ihnen un- bekant/ nicht bey seinem Gemahl gewesen waͤhre. Ach nein/ antwortete er/ es ist dieser Koͤ- nig mit seinem Gesellen Groß Fuͤrst Herkules aus Teutschland/ annoch in den weit abge- legenen Morgenlaͤndern/ und weiß niemand eigentlich zu sagen/ ob sie lebendig oder Tod sind/ weil man in geraumer Zeit keine gewisse Zeitung von ihnẽ gehabt hat. Baldrich fra- gete/ an was ende das Frauenzim̃er gefangen/ wohin sie gefuͤhret/ und wie er mit der Gut- sche hieselbst angelanget waͤhre. Worauff er antwortete: Der Ort ihrer raubung waͤhre ohn zweiffel etliche Meilen von hinnen/ haͤtte von vier Raͤubern/ die ihn hieher gebracht/ verstanden/ daß sie schon uͤber Meer gefuͤhret/ welche auch selbst vor ungefehr einer Vier- telstunde zu Schiffe gangen waͤhren/ wie er aus dem Geraͤusche im Wasser gemerket. Baldrich fragete weiter/ wie diese vier Raͤuber waͤhren bekleidet gewesen; und als der Knabe anzeigete/ daß sie auff Kauffmans Art gingen/ auch einer von ihnen einen langen schwarzen Knaͤbelbart/ tieffe Augen/ und eine zimliche schmarre uͤber der rechten Wangen haͤtte; ein ander aber feurrohte Haar und nur ein Auge; sagte Siegward; es sind eben die so uns dort nach der rechten Hand begegneten; drum raht mein Bruder/ was tuhn wir/ daß wir sie erhaschen. O nein/ ihr meine Herrn/ sagte der Knabe; dann wo diese auffge- halten wuͤrden/ daß sie bey ihrer Geselschaft nach genommener abrede nicht wieder ankaͤh- men/ haͤtte meine Gn. Frau samt ihren Gespielen/ nichts gewissers als Schande und den Tod Sechstes Buch. Tod zugewarten/ und solches noch vor Abends; ist auch denen nichts heilsamers als daß ich bald nach Padua komme/ und sie durch das Loͤsegeld frey gemacht werden. Die Fuͤrsten hielten hierauff kurzen Raht/ befahlen ihren zwoͤlff Dienern/ sich auffs schnelleste mit die- sem Knaben nach Padua zu machen/ mit vorgeben/ sie waͤhren Teutsche Reuter/ und sie beyde ihre Herrn/ Teutsche von Adel/ von dem GFuͤrsten außgeschikt/ nach seines Sohns Fuͤrst Herkules Zustand zu fragen; solten sich doch alsbald aus der Stad weg begeben/ und im naͤhesten Dorffe oder Flecken disseit/ herberge nehmen/ fuͤnff oder sechs Tagelang die Strassen da umbher bereiten/ und zu Padua unter dem Tohr verlassen/ wo sie sich auf- hielten. Sie aber legeten ihre Harnische ab/ wapneten sich mit verdecketen Panzern und ihrem Seitengewehr/ setzeten sich auff ungesattelte Pferde/ und hoͤreten nicht auff zu ren- nen/ biß sie die vier Raͤuber nahe bey einem Dorffe erblicketen/ folgeten ihnen von ferne/ kehreten mit ihnen in eine Schenke ein/ und stelleten sich gar furchtsam; heischeten auch von dem Wirte Speise und Trank/ und genossen dessen so geizig/ als haͤtten sie etliche Tage her hunger gelitten. Die Raͤuber sahen ihnen fleissig zu/ urteileten aus ihren Kleidern und Pferden/ daß sie nicht schlechte Leute seyn muͤsten/ und frageten endlich/ nach gebehtenem Urlaub/ woher sie kaͤhmen/ und wohin sie gedaͤchten. Baldrich gab zur Antwort/ sie waͤh- ren Bruͤder/ Herrn Standes/ nicht weit von Aquileja/ haͤtten aus Zorn und rachgier ei- nen vornehmen Herrn ihren Vormund erschlagen/ und sich aus dem Staube gemacht/ das Leben zuretten/ sucheten irgend einen Ort zu ihrer Sicherheit/ wo sie den auch antref- fen moͤchten/ weil man sie ohn zweiffel bald verfolgen wuͤrde; weil er sie nun vor redliche Leute ansaͤhe/ die mit ihnen mitleiden tragen würden/ haͤtte er ihnen ihr Ungluͤk erzaͤhlen wollen/ unter der Hoffnung/ sie würden von ihnen nicht verrahten/ noch in groͤsser Ungluͤk gestuͤrzet werden. Der vornehmste unter den Raͤubern sagte hinwieder; ihr jungen Herꝛn mich dauret eurer sehr/ und wann ich wuͤste/ daß euch mit einer Geselschaft koͤnte gedienet seyn/ die nicht allein in guter sicherheit sich auffhaͤlt/ sondern uͤberdas mit leichter muͤhe ohn sonderliche Gefahr/ Reichtuhm und Schaͤtze erwirbet/ sollet ihr in dieselbe wol auff- genommen werden; welches ich euch auff eben den Glauben wissen lasse/ den ich euch durch verschwiegenheit leisten wil. O daß waͤhre uns ein gewuͤnschtes Gluͤk/ sagte Bal- drich/ und wann ihr uns hierzu werdet befoderlich seyn/ sol es von uns dankbarlich erken- net werden/ sind auch erboͤhtig/ unsere Pferde alsbald zuverkaͤuffen/ und alles Geld neben den Kleinoten/ so wir bey uns haben/ dieser loͤblichen Geselschafft einzulieffern/ deren wir uns mit Leib und Leben verbinden wollen/ nur daß wir bey ihnen sicherheit und auffenthalt haben moͤgen. Der Raͤuber nam dieses erbieten an/ hieß sie ihre Pferde bald verkaͤuffen/ weil ihr Weg sehr eilig waͤhre/ und sie noch diesen Abend bey den ihren anlangen muͤsten. Also machten sie sich miteinander auff/ und gingen eine Zeitlang im gebahneten Wege/ da ihnen zween Reuter begegneten/ auff welche die beyde Fuͤrsten einen Anschlag macheten/ ihnen unversehens in den Zaum fielen/ sie vom Pferde warffen/ und etliche hundert Kro- nen baarschaft bey ihnen funden/ welche sie zu sich nahmen/ den beraubeten Haͤnde und Fuͤsse bunden/ und sie ohn weitere beschaͤdigung liegen liessen/ entzaͤumeten doch ihre Pfeꝛ- de und jageten sie in das weite Feld. Die Raͤuber verwunderten sich ihrer Kuͤhnheit/ und daß sie diese Heldentaht ihrem Haupman wolten zu ruͤhmen wissen. Gegen Abend kah- men Sechstes Buch. men sie bey der Hoͤhle an/ vernahmen anfangs mit schmerzen/ daß Furius entleibet wahr/ und berichteten nachgehends/ dz sie diese beyden ohngefehr angetroffen/ welche um Moꝛds willen außgerissen waͤhren/ und bey ihnen sicher heit und unterhalt sucheten/ braͤchten auch auff 3000 Kronen baarschaft und Kleinot mit sich/ alles der Geselschaft zuzustellen/ und sich damit einzukaͤuffen; zweiffelten nicht/ sie wuͤrden mit der Zeit guten nutzen schaffen/ wie sie ihrer Kuͤhnheit schon eine statliche bewehrung abgelegt haͤtten. Der neue Haupt- man Fannius gab den beyden Fuͤrsten darauff Urlaub/ ihr begehren selbst vorzutragen/ da Baldrich also anfing: Wol aͤdle Mannhafte und veste/ hochwerte Herrn und Freunde; nachdem mein Bruder Veturius und ich/ nahmens Anton/ in das Ungluͤk leider gerah- ten sind/ daß wir unsern nahen Anverwanten und Vormund erschlagen/ weil er uns unse- re Guͤter nicht einraͤumen/ sondern sie wie vorhin/ noch etliche Jahr unter seiner Verwal- tung/ aus antrieb des schaͤndlichen eigennutzes behalten wollen/ hat das gute Gluͤk uns zu diesen unseren Gefaͤrten gebracht/ die unsern Unfall mitleidig beklagend/ von wegen die- ser loͤblichen tapfferen Geselschaft uns sicherheit und auffenthalt versprochen/ und wir hingegen angelobet/ mit ihnen samt und sonders Leib und Leben zu wagen; bitten demnach/ sie wollen dieses mit ihrem gutheissen bekraͤfftigen/ damit wir von unsern Verfolgern nit moͤgen ertappet werdẽ. Wir erbieten uns/ vor erst mit blossem Unterhalt friedlich zu seyn/ und keinen teil an ihren Guͤtern zu haben/ biß wir zuvor ihren Schaz mit einer ansehnlichẽ Beute vermehret und uns so verdienet gemacht/ daß sie samt und sonders uns wirdig er- klaͤren/ ihres Gutes mit zugeniessen. Fannius hieß sie in aller Nahmen wilkommen seyn/ und wuͤnschete daß ihre Geselschaft mit dergleichen tapfferen Leuten taͤglich moͤchte ver- mehret werden; die uͤbergebrachten Gelder und sachen naͤhme er an/ doch daß sie davon/ wie auch von aller kuͤnftigen Beute/ ihrer gemachten Ordnung nach/ ihren anteil haben solten. Das Frauenzimmer hoͤrete ihr anbringen/ sahen sie in so schoͤner junger Gestalt/ und jammerte sie sehr/ daß sie in diß schaͤndliche Leben gerahten solten. Ach Gott/ sagte Fr. Sophia/ ists nicht immer und ewig schade/ daß diese junge Maͤnner zu Raͤubern gedeien muͤssen/ die ohn zweiffel der Welt in vielen sachen koͤnten nuͤzlich seyn. Wir muͤssen sehen/ sagte Fr. Ursul/ daß bey unserm abzuge wir ihnen Hofnung machen der vergebung ihres begangenen frevels/ damit sie die loͤbliche Tugend fortzusetzen angelocket werden. Bey der Abendmahlzeit ward gefraget/ wer dem Frauenzimmer die Speise zutragen solte/ uñ weil die alten Raͤuber von geringer Hoͤfligkeit wahren/ und sich darzu gebrauchen zu lassen we- nig belieben hatten/ ward Baldrich darzu befehlichet/ welcher sich anfangs entschuldigte/ er waͤhre die wenige Jahr seines Mannbahren alters mehr mit Gewehr und Waffen als mit hohem Frauenzimmer umbgangen/ aber bloß seinen Gehorsam zuerzeigen/ wolte er sich dessen nicht wegern. Er hatte schon vernommen/ welcher gestalt wegen vorsorge ihrer Ehren sie die blossen Schwerter bey sich haͤtten/ und mit allerhand gezeug umbschanzet waͤhren; ging zu ihnen mit entbloͤssetem Haͤupte/ stellete sich gar hoͤflich/ und in dem er ih- nen die Speise reichete/ sagte er: Den Tag meiner hoͤchsten gluͤkseligkeit/ wil ich den heu- tigen halten/ an welchem der Himmel mir die Gelegenheit verleihet/ so treflichen Frauen und Fraͤulein auffzudienen. Fr. Sophia wolte ihm antworten/ aber verdacht zu meiden/ ging er alsbald von ihnen hinweg; wodurch sie in grosse furcht gerieten/ als ob diese beyde junge Sechstes Buch. junge Herꝛen ihnen aufs neue zusetzen/ oder aufs wenigste ihre schleunige Loßlassung ver- hindern würden. Siegward muste bald hernach ihnen den Trank reichen/ welchen er also uͤberantwortete: Hochgebohrne Frauen und Fraͤulein/ wirdiget/ bitte ich/ euren ergebenen Knecht der Ehren/ dieses unwirdige Trinkgeschir von ihm anzunehmen/ als welcher zu ih- rem Dienste sich allemahl bereitwilligst finden lassen wird; nam auch/ wie zuvor Baldrich/ ohn Erwartung einiger Antwort/ seinen Abtrit/ und verließ sie in grosser Furcht/ so daß sie die ganze Nacht uͤber umb einander wacheten/ ob einer oder ander sich ihnen nahen wuͤr- de. Den beyden Fuͤrsten ward vor Mitternacht die Ruhe gegoͤnnet/ aber hernach musten sie auf/ und die Schildwache bestehen/ wahr ihnen doch sonderlich liebe/ dz sie nicht getren- net wurden/ und beredeten sich/ welcher gestalt sie ihren Anschlag vornehmen/ und dz Frau- enzimmer erloͤsen wolten. So bald der Tag anbrach/ baten sie umb Urlaub auszugehen/ und nach Beute sich umbzusehen/ welches ihnen selbdritte gegoͤnnet ward/ doch daß sie be- hutsam fahren/ und durch Vermaͤssenheit sich nicht in Gefahr stuͤrzen solten. Es gluͤckete ihnen/ daß sie vier Kauffleute antraffen/ denen sie ohn des dritten Huͤlffe die Knaͤbelspiesse aus den Faͤusten rissen/ und mit blossem Gewehr sie zwungen/ ihre Baarschafften herzuge- ben/ wo sie sonst ihr Leben retten wolten/ erhielten solches leicht/ und empfingen auff 6000 Kronen Gold und aͤdelgesteine von ihnen/ stiessen bald in der Kaufleute Gegenwart ihren Gesellen mit dem Knebelspiesse durch/ und bahten die beraubete/ sich drey Tage in der naͤhe aufzuhalten/ uñ nach deren Verlauff bey dem Stathalter zu Padua sich zumelden/ woselbst ihnen alles gedoppelt solte bezahlet werden/ musten ihnen aber einen aͤid schwoͤren/ vor En- digung solcher Tage keinem Menschen ichtwas von ihnen zu melden/ und verehreten ihnen hernach 20 Kronen Zehrgeld. Gingen darauff wieder hinter sich nach der Hoͤhle/ und schleppeten den ertoͤdteten mit sich. Bey Einlieferung eines teils der Beute (dann etwas hielten sie zuruͤcke) gaben sie an/ was gestalt sie die Kaufleute beraubet haͤtten/ weil aber ihr Geselle Nachpluͤnderung halten/ und sich nicht wollen abwehren lassen/ haͤtte ihn ein Kauf- man erstochen/ ehe sie ihm zu huͤlffe kommen moͤgen/ weil sie von ferne eine staͤrkere Gesel- schafft gemerket/ daß sie abzihen müssen/ da sie doch den todten Leichnam nicht im Stiche lassen wollen. Fannius empfing den Raub/ ruͤhmete ihr wolverhalten/ und warnete die Ge- selschafft/ ein Beyspiel an dem erschlagenen zunehmen/ und sich nicht zuweit zuwagen. Auf den Mittag lieffen sie beyde abermahl aus/ doch ohn andere Geselschafft/ umb/ wie sie vor- gaben/ frischer Beute nachzustellen/ machten sich aber aufs geschwindeste nach dem Dorf- fe/ woselbst sie ihre Pferde verkaufft hatten/ besprachen dieselben mit hoͤherem Gelde zuloͤ- sen/ gaben auch dem Kaͤuffer 12 Kronen auf die Hand/ und bestelleten zween Wagen/ die auff allen fall stets solten fertig stehen; eileten wieder nach der Hoͤhle/ und haͤndigten Fan- nius das uͤbrige vom heutigen ein/ vorgebend/ es waͤhren ihnen zween Kaufleute begegnet/ denen sie dieses abgenommen/ and auf Bedraͤuung erfahren haͤtten/ daß morgen zu fruͤher Tageszeit/ 6 Kleinothaͤndler mit zween Karren sehr grosses Werts vorbey gehen wuͤrden; daher ihnen nicht rahtsam gedaucht/ diese beyden leben zulassen/ sondern nach derẽ Ermor- dung und Fortschleppung in einen Busch/ waͤhren sie umgekehret/ damit der Anschlag auf morgen koͤnte gemacht/ und glüklich vollendet werden/ wann es ihnen also gefiele; der Ort waͤhre so gar bequehm/ daß ihnen niemand entgehen solte/ wann er nur an dreyen stellen nit l l weit Sechstes Buch. weit von einander/ besetzet wuͤrde/ welches mit 14 Mannen sehr wol geschehen koͤnte. Das Maul begunte den Raͤubern schon nach dieser Beute zuschmecken/ lobeten der unsern fleiß uͤber alle masse/ und verhiessen ihnen einen Anteil von des Frauenzimmers Loͤsegeldern/ des- sen sie sich doch eiferig weigerten; nur erinnerte sie Siegward/ es wuͤrde sich gebuͤhren/ daß etliche ihres Mittels dem Frauenzimmer Trost einredeten/ damit sie nicht i n gar zu grosser Traurigkeit/ ihnen selbsten Leid antaͤhten. Diese ungeschlieffene wahren mit dergleichen Hoͤfligkeiten nie umgangen/ hielten demnach an/ daß die beyde Fuͤrsten solches auf sich neh- men/ und bester gestalt verrichten moͤchten/ denen dann nichts angenehmers wahr/ wiewol sie sich dessen nicht wolten merken lassen/ liessen sich auch dazu noͤhtigen/ und auf har tes an- halten gingen sie hin/ da Siegward das Frauenzimmer also anredete: Wann der Him̃el uns Menschen den Gnadenschein allemahl nach Wirdigkeit mitteilete/ wuͤrde Tugend der Gewalt niemahls kniebeugen/ sondern uͤber alle Widerwertigkeit herschen; aber die Goͤt- ter handeln zum offtern nach ihrem freyen Willen/ indem sie unsere Standhafftigkeit auf die Bewehrung stellen/ und dem Ungluͤk goͤnnen/ der Unschuld Eingriff zutuhn/ damit der schoͤnen Tugend helle Strahlen auch im finstern leuchten/ oder da es ihnen noch an der Volkommenheit mangelt/ sie von aller truͤben Unsauberkeit entleeret/ immerzu besser her- vor brechen/ und der Welt gezeiget werden. Lasset euch deswegen/ Hochgebohrne Frauen und Fraͤulein/ lasset euch nicht befremden/ daß sie in diese schaͤndliche Raͤuberhoͤhle sich ha- ben muͤssen fuͤhren lassen/ woselbst das helle Licht ihrer Tugend schon anfaͤhet die finsteren Winkel der Boßheit zuerleuchten/ so gar/ daß aller gegenwaͤrtigen Raͤuber Frevel durch den Glanz ihrer Volkommenheit gebrochen/ und wie Schnee zerschmolzen/ von aller Ge- walttaͤhtigkeit sich enthalten muß. Ich und mein Geselle werden uns aͤusserst bemuͤhen/ ih- nen angenehme und behaͤgliche Ehrendienste zuleisten/ und nicht ruhen/ biß sie dieser Ge- faͤngniß entnommen/ ihrer ehmahligen Frey- und Sicherheit voͤllig geniessen; Gelanget demnach an Ihre Durchll. unser untertaͤhniges bitten/ sich aller Sorge und Befahrung zuentschlagen/ damit die Furcht sie nicht in Ungelegenheit stuͤrze/ und ihrer Gesundheit schaͤdlich sey. Das Frauenzimmer hielt schon hoch auf diese junge Raͤuber/ haͤtten sich abeꝛ solcher Hoͤfligkeit bey ihnen nicht versehen/ sondern fuͤrchteten sich mehr vor ihnen/ als vor den uͤbrigen allen; hoͤreten demnach dieses Erbieten mit lachenden Herzen und Augen an/ und antwortete Fr. Sophia also: Ihr tapffere junge Herren; ich weiß nicht/ ob wir unser oder euer Ungluͤk mehr beklagen sollen/ angesehen den veraͤchtlichen Stand/ in welchẽ ihr/ ohn zweifel aus hoͤchstdringender Noht gerahten seyd/ und lasset es ein Zeichen seyn unser guten ehrliebenden Gewogenheit/ daß wir erboͤtig sind/ euren Unfall mit eben so grossen Loͤ- segeldern abzulehnen/ als unsere Gefaͤngniß; wir bedanken uns sehr eurer Gutwilligkeit/ wodurch wir ungleich mehr erquicket sind/ als der Zungen Schall vorzubringen weiß; bit- ten auch/ ihr wollet in diesem ruͤhmlichen Vorsatze bestaͤndig verbleiben/ und verspre- chen euch hinwiederumb/ daß so bald wir uns in Freyheit befinden werden/ ihr einen offe- nen Zutrit zu meinem Herr Vater haben sollet/ welcher nach seinem zimlichen Wolver- moͤgen bey Roͤmischer Kaͤyserl. Hocheit euch voͤllige Vergebung eures ehmahligen verse- hens erhaltẽ wird. Großmaͤchtigste Koͤnigin/ allergnaͤdigste Frau/ antwortete Siegward/ wie koͤnte meinem lieben Gesellen und mir ein hoͤheres Gluͤk zustossen/ als daß Eure Vor- trefflig- Sechstes Buch. treffligkeit nebest dero Durchll. Gespielen gegen uns unwirdige ein so mitleidiges Herz traͤget/ welches allein tausendmahl gnug ist zu unsers unkraͤfftigen willens gnugsamer ver- geltung; unser Ungluͤk moͤchte vielleicht durch ihre befreyung sich endigen/ und ob es gleich nicht erfolgete/ wuͤrden wir dannoch satsame Vergnuͤgung haben/ wann nur ihre Trau- rigkeit wird beyseit geleget seyn. Nachdem aber uns ein langweiliges Gespråch koͤnte ver- dacht werden/ wollen Eure Durchll. samt und sonders wir dem guten Glük befehlen/ und sie daneben versichern/ daß mein Geselle und ich/ als lange wir leben/ seyn und bleiben wer- den allergetraͤueste Diener Ihrer Durchleuchtigkeit/ und unserer allerbesten Freunde der unvergleichlichen Helden/ welche sind und genennet werden Ladisla und Herkules. Hiemit neigeten sie sich tieff/ und gingen davon/ dem gesamten Frauenzimmer eine herzliche Be- gierde hinterlassend zuwissen/ wer doch immermehr diese beyde seyn moͤchten/ aus deren re- den sie schon so viel abnahmen/ daß sie Fuͤrsten Standes/ auch Ladisla und Herkules wolbe- kante/ und ohn zweifel nahe Anverwanten waͤhren/ die sich bloß umb ihrer Rettung willen in diese Raͤuberzunfft begeben haͤtten. Ach mein Heyland/ sagte Frau Sophia/ wie so ein herzlicher Trost ist uns doch in diese Angsthoͤhle zugeschicket/ weil ja unmoͤglich ist/ daß wir bey meines Ladisla und Herkules besten Freunden/ uns einiger Unbilligkeit befuͤrchten sol- ten. Das Fraͤulein insonderheit erfreuete sich dieses Trostes hoͤchlich/ und ruͤhmete/ daß ihꝛ Herzschon einer hundertpfuͤndigen Last leichter waͤhre als vorhin; da Fr. Sophia ihr zur Antwort gab: Ich habe euch ja heut und gestern ohn unterlaß damit getroͤstet/ mein Gott und mein JEsus dem ich andaͤchtig diene/ wuͤrde uns unfehlbare Huͤlffe und Rettung sen- den; dann dieser almaͤchtiger Helffer verlaͤsset die seinen nicht/ deswegen haltet ihr nur mit eurem Gebeht zu den ohmaͤchtigen ertichteten Goͤtzen zuruͤcke/ und lasset mich allein solches verrichten/ was gilts/ mein HErr JEsus wird euch in meiner Geselschafft zugleich mit gnaͤdig seyn/ und O wann ihr solches nur erkennen koͤntet! Nun wahr Frl. Sibylla schon zum offtern von ihr vermahnet/ den heydnischen Aberglaubẽ abzulegen/ aber biß daher ohn alle Furcht und Verfolg/ dann der Vesta Dienst/ und der Dianen Gottheit wahr ihr so tief eingebildet/ daß sie davon nicht abstehen kunte; in dieser Stunde aber ward sie durch solche Rede dermassen bewaͤget/ daß ihr dauchte/ ihr Herz wuͤrde durch den genenneten suͤssen Nahmen JEsus/ mit sonderlicher Freude erfuͤllet/ daß sie sich erklaͤrete/ sie wolte fort- hin eine Christin leben/ und hiemit ihren vorigen heydnischen Unglauben ablegen und ver- leugnen; welches Fr. Sophien eine grosse Freude zuhoͤren wahr/ vermahnete auch Frau Ursulen ein gleiches zutuhn; welche aber auf ihrer alten Leir verblieb/ sie wolte und müste zuvor wissen/ ob ihr Liebster Fabius ein solches zugeben koͤnte/ alsdann solte die erste Stun- de ihr die liebste seyn. Als unser Frauenzimmer sich in dieser Vergnuͤgung befand/ wahr zu Padua nichts als Leid und Klage durch des aͤdelknaben Ankunfft erwecket; dañ der Stat- halter furchte sich/ es wuͤrden die Raͤuber mehr der Rache/ als dem Gelde nachtrachten/ weil er vernam/ daß einer und ander von den ehmals bestrittenen sich dabey funden; doch wie er hoͤrete/ was vor aͤidliche Zusage sie dem Frauenzimmer zu ihrer Ehren- und Lebens- versicherung geleistet hatten/ fiel ihm der schwerste Stein vom Herzen. Er uͤberlegete zwaꝛ alles gar fleissig/ wie die seinen koͤnten gerettet werden/ aber aus des Knaben Erzaͤhlung be- fand er/ daß gewaltsame Hand ehe schaͤdlich als vortraͤglich seyn wuͤrde/ weil ausser zweifel l l ij die Sechstes Buch die Raͤuber ihre heimlichen und verkleideten Kundschaffer und Schildwachten haͤtten/ welche/ da sie einigen Anzug gewafneter Leute merken solten/ den seinen an Ehr und Leben schaͤndlich seyn duͤrffte. Dannoch verlangete ihn unter dieser Bekuͤmmerniß zuwissen/ w - vor fremde Ritter sich so einsam unterstanden haͤtten/ den Raͤubern nachzureiten/ ließ derẽ Reuter etliche vor sich fodern/ und taht fleissige Nachfrage; kunte aber doch ausser dem ge- gebenen Befehl nichts erfahren/ womit er sich vor dißmahl muste begnuͤgen lassen. Die Erloͤsung der seinen betreffend/ hielt er am rahtsamsten/ der Raͤuber Geiz mit den begehrtẽ Geldern zuersaͤttigen/ nachgehends aber ihnen aͤussersten Vermoͤgens nachzutrachten; deswegen die Gelder noch diesen Abend abgezaͤhlet/ und auf sechs Karren geladen wurden/ damit sie fruͤh morgens zeitig gnug auf den bestimten Plaz/ zwo Meilen von der Stad/ ge- gen Norden zu/ koͤnten geliefert werden. Das gefangene Frauenzimmer lag diese Nacht wol in tausenderley Gedanken/ wer doch diese junge Herren seyn moͤchten; Ihre Gestalt traff mit Ladisla und Herkules in vielen Stuͤcken uͤberein/ vielmehr aber ihre Sitten und Geberden; doch weil sie nichts gewisses ersinnen kunten/ fielen sie auf andere Sorge/ wie diese tapffere Herren es immer und ewig anschlagen wolten/ daß sie aus der Raͤuber Haͤn- den errettet wuͤrden/ biß sie endlich aus grosser Muͤdigkeit einschlieffen. Die beyde Fürsten nahmen auch die Ruhe biß eine Stunde nach Mitternacht/ da wecketen sie ihre Gesellen/ es waͤhre Zeit/ den Anschlag ins Werk zustellen; waͤhleten fuͤnfe aus den Raͤubern/ welche sie ihrem vorgeben nach auf den engen Weg verlegen wolten/ schwaͤtzeten ihnen auff dem Wege viel schoͤnes dinges vor/ und unterrichteten sie/ wessen sie sich verhalten/ den ankom- menden sich nicht zeigen/ sondern wann sie durch den engen Weg waͤhren/ unvermerket nachfolgen muͤsten/ biß sie den Anfal vernehmen wuͤrden/ als dann solten sie mit ansetzen/ uñ die Kauffleute erschlagen helffen. Diese gedachten an nichts anders/ als wie sie dieser Un- terrichtung sich gemaͤß verhalten wolten/ und sagte der eine zu den beyden Fürsten: Gelieb- te Bruͤder/ ich halte davor/ es haben euch die Goͤtter uns zum sonderlichen Gluͤk zugeschi- cket/ daß wir durch eure Anschlaͤge zu schleunigem Reichtuhm gelangen sollen/ daher die ganze Geselschafft schuldig ist/ euch solches zuvergelten. Ja freylich halte ichs mit davor/ sagte Baldrich/ daß nicht ohn der Goͤtter sonderbahre Schickung wir eure Geselschaft an- getroffen haben/ und zwar zu dem Ende/ daß deren Gerechtigkeit durch unsere Hand an euch volstrecket werde; Mit welchem Worte sie beyde ihre Schwerter entbloͤsseten/ uñ alle fünffe/ einen nach dem andern in solcher Eile niderstiessen/ daß keiner das Gewehr zuent- bloͤssen Zeit hatte/ schnitten ihnen hernach/ ehe sie gar verschieden/ die Koͤpfe abe/ nahmen sie mit sich/ und legten sie nicht weit von der Hoͤhle hinter einen grossen Stein. Bey der Ge- selschafft gaben sie vor/ es koͤnte der Ort von fuͤnfen nit zur gnuͤge besetzet werden/ und wuͤr- de noͤhtig seyn/ daß noch fuͤnfe mit ihnen gingen/ welches Fannius gerne einwilligte/ und ihnen Gluͤk wuͤnschete zu ihrem vorhaben. Sie gingẽ in zimlicheꝛ Eile fort/ uñ begunte der Tag anzubrechen/ da sie nit weit mehr von den erschlagenen wahren/ deswegen die beyden Fuͤrsten einander winketen/ den Angriff vorzunehmen; Der Raͤuber einer/ welcher sich al- lenthalben fleissig umbsahe/ ward gleich dazumahl der enthaͤupteten Leichnam gewahr/ uñ fing an zuruffen/ Verꝛaͤhterey/ Verꝛaͤhterey! aber Baldrich stieß ihm dz Schwerd durchs Herz/ daß er ruhig ward/ und traff Siegward den andern/ daß er ohn Geschrey stuͤrzete. Die Sechstes Buch. Die uͤbrigen drey wurden ihrer Schwerter maͤchtig/ und traten zusammen/ den Fuͤrsten Widerstand zutuhn/ wehreten sich auch ihrer Haut dergestalt/ daß sie gnug sehen liessen/ wie lieb ihnen das Leben waͤhre/ so dz auch Siegward daruͤber am linken Arm eine Fleisch- wunde bekam/ die doch nicht viel auff sich hatte; wehrete aber auch nicht lange/ daß die Raͤuber gleich den vorigen ihre Koͤpffe hergeben musten. Baldrich verband Siegwarden die Wunde auffs beste/ ließ ihn aber/ weil er so blutig wahr/ nicht mit in die Hoͤhle gehen/ sondern stellete ihn nicht weit davon hinter einen dicken Baum/ und uͤbeꝛlegtẽ kuͤrzlich/ wie es ferner anzustellen waͤhre. Die Raͤuber Schaar wahr anfangs mit Furius 22 Mann stark/ davon wahren noch 10 im Leben; In der Hoͤhle wahren ihrer neun beyeinander/ uñ der zehnde nicht weit davon in der Neben Hoͤhle/ die Speise zubereiten. Baldrich trat frey- muͤhtig hinein/ und meldete an/ es waͤhre nunmehr der Weg solcher massen besezt/ daß ihm die Beute nicht entgehen solte; der Hauptmann moͤchte nur selbsechse in der Hoͤhle bey dem Frauenzimmer bleiben/ so wolte er mit den uͤbrigen dreyen sich fortmachen/ weil an der Eile alles gelegen waͤhre/ und die Karren wol nicht weit mehr seyn duͤrfften. Drey veꝛ- waͤgene Buben/ die handfestesten unter allen gingen mit ihm hatten sich mit Panzern wol verwahret/ uñ eiletẽ frisch mit ihm fort. Der eine sahe/ dz er an den Kleid’n mit Blute etwz bespruͤtzet war/ welches ihm widrige gedankẽ uñ ein grausen verursachete/ fragete auch mit ungestuͤm/ woher ihm diese verdaͤchtige Zeichen kaͤhmen? Er aber antwortete freimühtig/ er haͤtte solches in der Hoͤhle nicht melden wollen/ daß seyn Geselle mit einem andern Mit- gesellen auff dem Wege in uneinigkeit gerahten waͤhre/ und sich miteinander geschmissen/ und weil sie beiderseits Wunden davon getragen/ er aber sich zwischen ihnen gestellet/ und die Sache endlich beygelegt/ haͤtte er diese Blutzeichen davon auffzuweisen. Dieses brach- te er vor/ weil sie der Hoͤhle noch zu nahe/ und dem Baume/ hinter welchem Siegward auflaurete/ zu ferne wahren. Die Raͤuber aber blieben in der Furcht/ wolten ihm nicht trauen/ sondern liessen ihn voraus gehen/ und folgeten sie mit entbloͤsseten Schwertern nach/ welches er aber nicht achtete/ und sie hieß gutes muhts seyn/ weil es heut an reicher Beute ihrer keinem fehlen wuͤrde; endlich da er sich nahe bey Siegwarden befand/ zog er auch von Leder/ und sagte: Wiltu nun wissen was vor Blut an meinen Kleidern haftet/ so versichere dich/ daß deine zehn Gesellen das Loͤsegeld wegen des gefangenen Frauenzim- mers schon empfangen/ und euch dreien euer anteil gleich jetzt auch werden sol. Siegward hoͤrete ihn reden/ sahe auch/ daß er von den dreien grausam uͤberfallen ward/ aber er trat geherzt mit ein/ und schlug tapffer auff die Raͤuber/ daß einer gar zeitig stuͤrzete/ und der an- deram rechten Arme hart verwundet ward; den dritten machten sie wehrloß/ bunden ihm und dem verwundeten Haͤnde und Fuͤsse/ und schleppeten sie hinter einen Dornpusch/ die umb nichts bahten/ als daß sie moͤchten erschlagen werden; aber Baldrich gab zur Ant- wort: Sie solten nur so hohes verlangen nach dem Tode nicht tragen/ er wuͤrde ihnen schon mehr als zu fruͤh kommen; schnitten dem erlegeten das Haͤupt ab/ und gingen nach der Hoͤhle zu/ des vorsatzes/ alle uͤbrigen auff einmahl ritterlich zubestehen. Genutius der ver- raͤhterische Gutscher begegnete ihnen auff halben Wege/ erschrak so heftig/ da er das ab- geschnittene Haͤupt/ welches seines nahen anverwanten wahr/ in Baldrichs Hand sahe/ daß er keinen Schrit/ weder hinter noch vor sich tuhn kunte; Siegward griff in an/ warff l l iij ihn Sechstes Buch. ihn zur Erden/ band ihm alle viere/ und fragete/ warumb er aus der Hoͤhle gangen waͤhre; er aber baht an fangs umb einen schleunigen Tod/ zeigete hernach an/ Fannius haͤtte selb viere ein heimliches Gespraͤch gehalten/ und ihn heissen zusehen/ wie es draussen stuͤnde/ auch den sechsten/ nahmens Appius auff die Schildwache inwendig der Hoͤhle gestellet/ daß gaͤnzlich zubefuͤrchten waͤhre/ dem Frauenzimmer duͤrfte Gewalt angelegt werden; deßwegen sie mit vollem lauffe herzueileten/ nahmen zween feste Schilde/ die sie des vorigẽ Abends zu rechte gesezt hatten/ zu sich/ und gingen hinein vol eifers und rachgier/ weil sie ein klaͤgliches Geschrey drinnen vernahmen; dann Genutius argwohn wahr nicht falsch/ massen Fannius dreien seinen vertrautesten/ seine Liebe zu Fr. Sophien angezeiget und mit ihnen abrede genom̃en hatte/ daß jeder eine unversehens/ und weil sie im festen Schlaf- fe laͤgen/ uͤberfallen/ und ihrer leicht geniessen wolten/ in Hoffnung/ sie wuͤrden nach began- gener taht wol schweigen/ und sich selbst nicht in ein boͤses Geschrey bringen. Weil sie aber wusten/ daß Genutius nicht einwilligen/ sondern alle verhinderungen hervorsuchen wuͤr- de/ schicketen sie denselben hinweg/ und muste der uͤbrige den Eingang verwahren; sie aber gingen in aller stille hinzu/ schliechen einer nach dem andern durch das Tuͤhrlein/ welches sie unvermerket oͤffneten/ namen die Schwerter hinweg/ und legten sich ganz unverschaͤmt zu ihnen nider. Das Frauenzimmer lag als im tieffen Schlaffe begraben/ weil die Furcht sie biß daher stets munter gehalten hatte; doch ward das Fraͤulein ihres unkeuschen Buh- lers am ersten gewahr/ und ließ ein hartes Geschrey gehen/ wovon die uͤbrigen eꝛwacheten/ und ein elendes Geheule anfingen/ stiessen mit den Fuͤssen/ kratzeten mit den Haͤnden/ und tahten alle moͤgliche Gegenwehr/ wodurch doch diese Unflaͤter nur mehr und mehr in ihren begierden entzuͤndet wurden/ und wahr gleich an dem/ daß Fr. Sophia haͤtte Gewalt er- leiden muͤssen/ fehlete auch den uͤbrigen wenig/ da die beyde Fuͤrsten in die Hoͤhle traten/ dem Geschrey eilig zulieffen/ und die Gewalttaͤhter anschriehen/ sie solten das Frauenzim- mer erlassen/ oder eines abschenhlichen Todes sterben. O ihr Herrn/ rieff Fr. Sophia ret- tet unsere Ehre/ die wir sonst nicht laͤnger beschuͤtzen moͤgen. Die drey Raͤuber entsetzeten sich vor der angehoͤreten Draͤuung/ und tahten gemach/ aber Fannius ließ sich nichts ir- ren/ sondern rieff uͤberlaut/ dafern ihm jemand einredẽ würde/ solte er schaͤndlich erwuͤꝛget werdẽ. O du frecher Schelm/ sagte Baldrich/ darfstu auch noch trotzẽ? risse ihn mit gewalt hinweg/ uñ sties ihn mit dem Fuß in die Seite/ dz er ohmaͤchtig ward; den andern draͤuetẽ sie den Tod/ dafern sie sich der Geselschaft Straffe nicht unterwerffen wuͤrden. Appius der mit dieser Schande nicht zu tuhn hatte/ trat mit hinzu/ und eꝛmahnete sie/ diese anmuh- tung einzugehen/ welches sie aus furcht des Todes tahten/ und wurden mit starken Riemen hart gebunden. Der Speise bereiter hatte den Lermen gehoͤret/ und kam gelauffen/ umb zuvernehmen was vorginge/ aber Baldrich packete ihn alsbald an/ und sagte: Kom her Bruder/ du must die Fessel auch annehmen/ biß du deine Unschuld wirst dargetahn haben; Siegward nam ein gleiches mit Appius vor/ welcher sich dessen anfangs verwunderte/ aber der erste merkete daß die Sache nicht richtig wahr. Fannius kam wieder zu sich selbst und sahe sich nach seinem Schwert umb/ aber Baldrich warff ihn gleich wieder zur erden/ trat ihn mit Fuͤssen/ und band ihn gleich den andern da er zu ihm sagete: Siehe du unver- schaͤmter Bube/ auff diese Weise gehe ich mit allen denen umb/ die durch Raub und Mord geden- Sechstes Buch. gedenken groß zu werden; deßwegen must du nicht waͤhnen/ daß du annoch mein Haupt- man/ sondern mein Gefangener seist; ging hernach hinaus mit Siegward/ hohleten die abgehauene Koͤpfe alle herein/ uud sagten: Sehet da ihr diebische Raͤuber/ diese eilffe ha- ben den Lohn ihres verdienstes von unsern Haͤnden schon empfangen/ der eure wird auch schon folgen/ dafern ihr nur der Zeit erwarten koͤnnet. Ist daß redlich gefochten/ antwor- tete Fannius/ solches kan ich noch nicht absehen/ doch ein Gefangener muß geduldig seyn/ und bitte ich nur umb einen schleunigen Tod. Was sagestu vom redlichen fechten/ sagte Baldrich/ hastu wol je mahls redliche tahten getahn? dieses hohe Frauenzimmer sol dir die Urtel sprechen/ hastu dann redlich gefochten/ darfstu dich keiner wiedrigen besorgen. Inzwischen hatten Fr. Sophia und Fr. Ursul sich hervor gemacht/ ihren Erloͤsern zu dan- ken/ denen die Fuͤrsten entgegen traten/ und ihnen die Haͤnde demuͤhtig küsseten/ Fr. So- phta aber also anfing: Ihr hochgepreisete Helden habt in warheit euch umb uns so ver- dient gemacht/ daß alles unser vermoͤgen viel zu wenig seyn wird/ das geringste von dem unzaͤhligen zuersetzen; goͤnnet uns aber/ bitte ich sehr/ den Anfang mit worten zu machen/ so lange kein wirkliches vermoͤgen sich bey uns findet uñ nehmet eine recht herzliche Dank- sagung von uns an/ daß ihr durch eure kraͤftige Faust unsere Ehre gerettet/ und die aller- naͤheste Schande von uns abgekehret habet; und glaͤubet uns/ daß wir nicht ruhen/ noch uns vor gluͤkselig halten werden/ ehe und bevor wir unser Schuldigkeit moͤgliche leistung haben sehen lassen/ welches in dieser schanden Hoͤhle nicht geschehen kan/ da wir zu nichts als woltahten zu empfahen/ duͤchtig sind/ deren ich hieselbst noch eine einzige von euch mei- nen Herrn bitte/ daß mir vergoͤnnet seyn moͤgen/ zu fragen/ wer doch unsere Erloͤseꝛ eigent- lich seyn/ und welcher gestalt sie meines Gemahls Koͤniges Ladisla/ und meines Herrn Bruders Groß Fuͤrst Herkules kund- und freundschaft haben. Baldrich setzete sich wie- der ihre verwilligung vor ihr nider auff ein Knie/ kuͤssete ihren Rockes Saum/ und gab diese Antwort: Großmaͤchtige Durchleuchtigste Koͤnigin/ gnaͤdige Fr. Wase: Ich dan- ke dem Himmel und meinem Gluͤcke/ daß mir die Ehr zugestanden/ euer Durchl. einige Dienste zuerweisen; sehr leid aber ist mirs/ daß ich mich draussen so lange geseumet/ und durch meine abwesenheit verursachet/ daß die verzweifelten Buben wieder aͤidliches ver- sprechen euer Durchl. und deren wirdigsten Gespielen einige Unbilligkeit haben anmuh- ten duͤrfsen/ und dannoch die guͤtigen Goͤtter alles schaͤdliche gnaͤdig abgewendet haben. Euer Durchl. meines liebsten Gesellen und meinen Nahmen anzumelden/ sind wir so wil- lig als schuldig/ ungeachtet dieselben in der Welt so unbekant und geringe sind/ daß sie sich schaͤmen vor ihrer vortrefligkeit genennet zu werden; doch/ wie gesagt/ ich gehorsame/ uñ zeige an/ daß dieser mein Freund ist und heisset Siegward/ meiner Fr. Mutter Bruder Sohn/ ein gebohrner Koͤniglicher Fuͤrst und naͤhester Erbe des Koͤnigreichs Schweden; ich aber bin des Teutschen Groß Fuͤrsten Herkules leiblicher und einiger Bruder/ genen- net Baldrich; daß wir also in ansehung der nahen Blutfreundschaft gehalten wahren/ euer Durchl. uns zu dienste darzustellen/ so bald wir durch sonderliche schickung ihr Un- gluͤk in erfahrung gebracht. Fr. Sophia kunte ihm laͤnger nicht zuhoͤren/ sondern umfing ihn mit herzfreundlichem Kusse/ richtete ihn auff/ und sagte: Ach ihr Durchleuchtigste Fuͤrsten/ muß ich unwirdige dann allemahl ursache seyn/ daß gebohrne Koͤnige und Groß- Fuͤrsten Sechstes Buch. Fuͤrsten sich in Lebensgefahr setzen? Nun nun/ der gnaͤdige Gott hat sie ohn allen zweifel hieher zu unser errettung geleitet/ der uns inkuͤnftig bessere und erfreulichere Kundschaft goͤnnen wird/ und wollen meine in ehren hoͤchstgeliebte Fuͤrsten und Schwaͤgerliche Freun- de nicht gedenken/ daß ihre hochberühmte Nahmen mir so unbekant seyn solten/ massen de- ren mein Gemahl/ und Herr Bruder Groß Fuͤrst Herkules zum offtern gedacht haben. Hernach ward Siegward auch sehr freundlich von ihr empfangen/ und lieff Baldrich ungeseumet hin/ die bestelleten Wagen zuhohlen/ nam auch auff dem Wege einem Reuter sein Pferd/ umb desto geschwinder fortzukommen/ und versprach ihm/ solches bald wieder an dieser stelle einzuliefern. Siegward fragete den gebundenen Koch/ ob auch Schaͤtze und kostbahre sachen in der Hoͤhle verhanden waͤhren; worauff Fannius zur Antwort gab/ Mein Herr/ schenket mir Leben und Freyheit/ so sol euch alles vor eigen geliefert werden. Du Schelm/ sagte Siegward/ meinestu dann noch teil daran zu haben? Alles was hie- selbst vorhanden ist/ gehoͤret dem Durchl. Frauenzimmer zu/ und du must billich deiner boßheit erkaͤntnis durch schwere Straffe einnehmen. Fr. Sophia stund nicht weit von Appius/ welcher mit klaͤglicher bitte bey ihr umb Gnade anhielt/ andeutend/ wie er kaum vor dreyen Wochen in diese Raͤuberzunfft gerahten waͤhre/ und noch keine einzige Boß- heit haͤtte begehen helffen. Welches sie ihr dann zu herzen gehen ließ/ und ihm das Leben schenkete/ da ihn Siegward die Bande loß schnitte/ und er darauff alle Gelegenheit und Reichtuhm der Hoͤhle anzeigete. Es stunden etliche Kasten neben einander her/ welche sie oͤfneten/ und 400000 Kronen an Baarschafft und Kleinoten funden/ wie auch allerhand Mannes- und Weibeskleider zimlich kostbar/ deren eines Frau Ursul zu sich nam/ und es dem Fraͤulein brachte/ welche biß daher von ihrem Lager nicht auffgestanden wahr/ dann die Kleider wahren ihr so gar zurissen/ daß sie ihren Leib nicht bedecken kunte. So bald sie dieses angelegt hatte/ rief Fr. Sophia ihr zu: Herzgeliebete Frl. Wase und Schwester/ kommet uns/ bitte ich/ naͤher/ und bedanket euch gegen diesen Koͤniglichen Fuͤrsten euren Erloͤser. Sie trat geschwinde zu ihm hin/ neigete sich tief/ und sagte mit anmuhtiger stim- me: Verzeihet mir/ bitte ich/ Durchleuchtigster Fürst/ daß ich bißdaher nohtwegen unhoͤf- lich seyn/ und die wolgebuͤhrliche Danksagung auffschieben muͤssen/ wie wol ich schon weiß/ daß in meinem gar zu schlechten Vermoͤgen/ einige Ersetzung weder stat noch Raum fin- det/ jedoch sol ob Gott wil/ die Betrachtung der geschehenen Huͤlffe nim̃ermehr aus mei- nem Gedaͤchtniß verschwinden/ und was von mir nicht ersetzet werden kan/ wil ich dereins meinen Herrn Bruder Groß Fuͤrst Herkules durch Bitte dahin vermoͤgen/ daß dessen Durchl. meiner Armuht zusteuer lege/ und meinen lieben Eltern diese Woltaht vergelten helffe. Siegward sahe das Fraͤulein steiff an/ verliebete sich an ihrer Schoͤnheit und hold- seligen Hoͤfligkeit im Augenblicke/ küssete ihr die Hand sehr ehrerbietig/ und gab zur Ant- wort: Hochgebohrnes Fraͤulein/ ich bitte die Goͤtter/ sie wollen Eure Liebe bey ihrer Vol- kommenheit stets erhalten/ deren Vermehrung ich nicht wuͤnschen kan/ weil dieselbe schon auff der hoͤchsten Staffel ruhet/ moͤchte von ganzem Herzen wuͤnschen des Vermoͤgens zu seyn/ ihrer Vortreffligkeit gebuͤhr- und behaͤglich aufzuwarten; Vor erwiesene schlech- te Dienste zudanken/ ist ein blosser uͤberfluß/ sind auch schon tausendfach mit dem guten Willen vergolten. Fr. Sophia gab an der Fraͤulein stat zur antwort: Durchleuchtigster Fuͤrst/ Sechstes Buch. Fuͤrst/ es wuͤrde meiner Frl. Schwester zur groben Unhoͤfligkeit billich ausgelegt/ wann sie einen solchen Fuͤrsten/ von dessen Durchl. sie uͤberdas so hohe Woltaht empfangen/ nit vielmehr vor ihren Gebieter als Diener erkennen und halten wuͤrde. Sonsten ist unsere gesamte Bitte an Eure Liebe und den Durchl. Fuͤrst Baldrich/ sie wollen mit uns nach Padua reisen/ und alda unsers dankbegierigen Herzen einigen Beweißtuhm uns goͤñen; wir wollen uns nicht wegern/ den Weg mit unsern Fuͤssen zumaͤssen/ nachdem unsere Er- retter uns begleiten werden. Siegward antwortete mit wenigem/ er waͤhre schuldig Ihrer Durchl. zugehorsamen; aber kein Auge kunte er von dem Fraͤulein wenden/ dessen sie sich fast schaͤmete/ und doch keinen Unwillen fassen durffte; so wolte Fr. Sophia ihm in seinen Liebesgedanken keine Verstoͤrung einstreuen/ sondern trat mit Fr. Ursulen zuruͤk/ da der un- gebundene Raͤuber Appius etliche Speisen herzuschaffen bemuͤhet wahr. Als sie bey Fan- nius herging/ trat sie denselben mit Fuͤssen/ und draͤuete ihm alle Pein und Straffen. Un- terdessen wolte Siegward die gute Gelegenheit mit dem Fraͤulein zureden/ nicht verab- seumen/ kuͤssete ihre zarten Haͤnde/ und sagte: Er wuͤrde sein Gluͤk/ welches ihn zu dieser Hoͤhle getragen/ zeit seines Lebens nicht gnug rühmen koͤnnen/ dafern er bitlich erhalten koͤnte/ daß in ihre gute Gnade er moͤchte aufgenommen werden; Zwar seine Unwirdigkeit waͤhre nicht zuleugnen/ aber vielweniger das Feur zuverbergen/ welches ihre Vortrefflig- keit in seiner Seele angezuͤndet haͤtte/ so daß solches entweder durch einen schleunigen Tod muͤste erloͤschet/ oder durch ihr ehrliebendes Mitleiden ertraͤglich gemacht und abgekuͤhlet werden. Durch dieses unvermuhtliche anstraͤngen ward das schon ohn das schamhaffte Fraͤulein dermassen angeroͤhtet/ daß sie solches zuverbergen/ mit ihrem Wischtuͤchlein etli- che mahl uͤber ihr Angesicht herfuhr/ und sich endlich also erklaͤrete: Durchleuchtigster Fuͤrst/ wie unbestand ich bin/ diese Reden zubeantworten/ welche aus ihrer Durchl. Mun- de ich anjezt angehoͤret/ ist denen bewust/ die meiner Bloͤdigkeit Kundschafft haben; so be- finde uͤber das ich an meiner Unvolkommenheit nicht das allergeringste/ daß einen so gros- sen Fuͤrsten und vortrefflichen Helden einiger weise befriedigen koͤnte. Wie hoch Euer Durchl. ich wegen geschehener Erloͤsung verbunden bin/ ist mir nicht unwissend/ daß aber wegen Unverstand ich deren anmuhten nicht zubeantworten weiß/ bitte ich demuͤhtig umb Vergebung/ wil auch an deren ehrliebenden keuschen Herzen nicht zweifeln/ weil ein solcher Tugendreicher Fürst dasselbe nicht ersticken wird/ was er mit Vergiessung seines Blutes und Wagniß seines Lebens errettet/ und von dem instehenden Veꝛderben befreyet hat. Hie- mit schauete sie sich umb/ und gab ihrer Wasen einen Wink/ herbey zutreten; die ihr gerne zugefallen seyn wolte/ und durch gesuchte Unterredung ihn von ihr abzihen/ da sie zu ihm sagte: Durchl. Fuͤrst/ ich sehe ja nicht/ wo Fuͤrst Baldrich muß geblieben seyn/ wie fleissig ich mich gleich nach ihm umtuhe. Durchl. Fr. Wase/ antwortete er/ mein lieber Bruder ist hingangen/ die Wagen herzuhohlen/ welche wir schon gestern auff diesen fall bestellet ha- ben; Es faͤllet mir aber ein/ daß wir draussen noch drey Gefangene gefesselt/ deren ich mich etwas besser werde versichern muͤssen; nam den begnadeten Appius mit sich/ und hohlete Genutius herzu/ der sich schier loßgearbeitet hatte/ striegelte ihn zimlich abe/ und schleppete ihn in die Hoͤhle/ welchen Fr. Sophia mit Fuͤssen trat/ und zu ihm sagete: Du Henkermaͤs- siger Bube/ was habe ich dir jemahls zu leide getahn/ daß du mich in diese grosse Noht und m m aͤusser- Sechstes Buch. aͤusserste gefahr meiner Ehren gestuͤrtzet hast? Dieser bereuete seine uͤbeltaht sehr/ und gab zur Antwort: Allergnaͤdigste Frau; ich bin ein grosser Sünder/ und unwirdig von ihr an- geredet zuwerden/ weil ich solche fromme Gottfuͤrchtige Frauen und Fraͤulein verrahten/ und in der Raͤuber Haͤnde geliefert habe/ wil mich auch der Todesstraffe gerne und willig unterwerffen; Aber dem Himmel sey Dank/ daß weder Furius noch Fannius gottloses und unkeusches Vornehmen zu Werk gerichtet/ sondern ihrer aller Ehre erhalten ist; dañ der wahre Gott/ den ich ehmahls schaͤndlich verleugnet habe/ ist mein Zeuge/ daß ich viel lie- ber haͤtte sterben/ als ihren Nohtzwang erleben wollen; in betrachtung dessen bitte ich fle- hentlich und lauter umb Gottes willen/ Eure Gn. wollen mir meine Suͤnde vergeben/ und mir eine Todesstraffe ohn sonderliche Pein aufflegen/ die ich willig ausstehen/ und zugleich den wahren Gott/ welchen ich ehemahls verleugnet habe/ inbruͤnstig anruffen wil/ daß er meiner armen Seele wolle gnaͤdig seyn. Fr. Sophia ward durch diese wahre Reue zum Mitleiden bewaͤget/ insonderheit/ da sie hoͤrete/ daß er ehmahls ein Christ gewesen/ und als ein Christ sterben wolte/ und sagte zu ihm: Du tuhst wol bey deiner Seele/ daß du deine Suͤnde erkennest/ und bedacht bist/ wie dir zur Seligkeit moͤge geholffen werden; bleibe in solcher Buß Andacht/ so werde ich dich mit der peinlichen Straffe verschonen/ die du wol verdienet hast. Der Almaͤchtige Gott/ antwortete er/ wolle Euer Gn. dieses erbieten hier zeitlich und dort ewig vergelten. Sie wolte sich bey ihm laͤnger nit auf halten/ sondern weil Siegward hingangen wahr/ die beyden uͤbrigen auch herzuholen/ trat sie zu dem Fraͤulein/ und sagte im Scherze: Lieber saget mir mein Schwesterchen/ wie gefaͤlt euch dieser Fuͤrst? mir zweifelt nicht/ er sey eben so stark geschossen/ als vor diesem mein Ladisla/ da er mich un- ter den Baͤumen fand; seyd aber hoͤchlich gebehten/ und stosset ihn mit abschlaͤgiger Ant- wort nicht vor den Kopff/ dann sein Stand und Wesen ist wert/ daß er von euch geliebet werde. Das Fraͤulein kunte vor Scham nicht antworten/ sahe sie eine zeitlang an/ und sag- te nachgehends: Herzgeliebte Fr. Schwester/ ich bitte sehr/ wollet mit diesen Reden mich nicht gar zu schamroht machen/ der Fürst ist mir in diesem Stuͤk allein Mannes gnug/ wel- cher solche verliebete Reden gegen mich fuͤhret/ daß denen wegen meiner Geringfuͤgigkeit ich weder trauen noch antworten darff. Hernach hielt sie bitlich an/ sie moͤchte nicht mehr von ihr hinweg treten/ auf daß/ wann ihr an Worten gebraͤche/ sie sich auf ihren Beystand zihen koͤnte. O du falscher Mund/ sagte Fr. Sophia/ wer wolte dir glaͤuben/ daß du in Lie- besberedungen meine Gegenwart leiden koͤntest? Nein/ nein/ ich bin in dieser Seuche auch krank gelegen/ und weiß/ wie hoch die Liebe begehret ohn Aufmerker zu seyn. Herzen Frau Schwester/ antwortete sie/ ich bitte durch Gott/ mich dessen nicht zuzeihen/ sondeꝛn sich mei- ner ernstlichen Meynung zuversichern/ deßwegen so tretet mir/ bitte ich/ zu huͤlffe/ und lauf- fet mich mit Reden loß. Ja/ sagte Fr. Sophia/ wer lehrete mich reden/ als mein Ladisla miꝛ in etlichen Stunden kein Augenblik Ruhe goͤnnete? daß ihrs nun nicht besser habt/ als ich jens mahl/ wil ich weit gnug von euch bleiben/ damit ihr erfahret/ wie einer gejagten Hin- din zumuhte sey/ welche den blutgierigen Woͤlffen entsprungen/ sich unter Jaͤgers Hand befindet. Das Fraͤulein fiel ihr umb den Hals/ und baht umb aller Freundschafft willen/ sie nicht zuverlassen/ nur aufs wenigste/ biß sie zu Padua wuͤrden angelanget seyn/ wolte auch von ihr nicht ablassen/ biß sie dessen Zusage hatte/ welche ihr Fr. Sophia mit dieser Bedin- gung Sechstes Buch. gung gab/ daß sie nach Moͤgligkeit sich gegen den Fuͤrsten freundlich erzeigen/ und ihres Herzen Meynung ihr offenbahren solte/ ob sie ihm ihr Herz zuwenden wolte oder nicht/ da- fern er/ wie sie nicht zweifelte/ ernstlich darumb ansuchen wuͤrde. Das Fraͤulein meynete dieses mit stilleschweigen zubeantworten/ aber als sie ihre Beteurung hoͤrete/ daß sie den Fuͤrsten selbst zur Anstraͤngung reizen wolte/ erklaͤrete sie sich/ zu Padua ihres willens zuge- leben. Siegward brachte die beyden Raͤuber auch herzu/ die er mit pruͤgeln vor sich her trieb/ und Appius ihm traͤulich halff; Sie verwunderten sich sehr/ als sie Fannius selb sech- se gebunden antraffen/ durfften doch einer dem andern kein Wort zureden/ nur daß sie aus- ser Genutius/ alle umb einen geschwinden Tod anhielten/ welches aber die hochbeleidigten Frauen nicht willigen wolten; Als sie nun merketen/ daß alles ansuchen umbsonst wahr/ fingen sie an/ die beyden Fuͤrsten vor falsche meinaͤidige Verraͤhter auszuschelten/ dessen a- ber Siegward lachete/ und ihnen zur Antwort gab/ es solte ihnen frey stehen/ alles zusagen/ weil sie in dem Stande waͤhren/ daß sie keinem redlichen Menschen mit schaͤnden koͤnten schaͤdlich seyn. Genutius kehrete sich an nichts/ lag in seinen heissen Traͤhnen/ und rief Got- tes Barmherzigkeit an/ daß er ihm die Sünde der Verleugnung/ und andere begangene Untahten gnaͤdig vergeben/ und seine arme Seele mit dem Schecher am Kreuz in dz Pa- radeiß aufnehmen wolte; welches das Fraͤulein hoͤrend/ zu Fr. Sophien sagete: Wolte Gott/ daß dieser Mensch vor drey Tagen solche gute Gedanken gehabt haͤtte/ waͤhren wedeꝛ er noch wir in diß Ungluͤk gerahten. Ich habe ihm schier verzihen/ antwortete sie/ zweifele auch nicht/ wo ich ihm das Leben schenke/ werde ich die Zeit seines Lebens einen getraͤuen Knecht an ihm haben; doch muß er noch nicht wissen/ wessen ich gegen ihn gesinnet bin. Siegward machte sich wieder nach dem Frauenzimmer/ und suchte Gelegenheit/ mit dem Fraͤulein allein zureden/ wovor sie sich aber mit allem Fleiß huͤtete/ uñ ihm daher einen Arg- wohn verursachete/ ob waͤhre sie ihm ungewogen/ trat deswegen mit Fr. Sophien an einẽ absonderlichen Ort/ und redete sie also an: Großmaͤchtigste Koͤnigin; hat Eure Hocheit einige Vergnuͤgung aus meinen untertaͤhnigen Diensten empfangen/ so bitte dieselbe ich zum hoͤchsten/ mir Gewogenheit und Gunst bey dem vortreflichen Fraͤulein zuerwerben/ deren liebreiche Augelein mein Herz dermassen durchscheinen/ daß ohn sie zuleben mir fort- hin unmoͤglich seyn wird; mein Ansuchen ist auf Ehre gebauet/ dieselbe dereins zur gewal- tigen Koͤnigin in Schweden zuerheben/ und wil solche Befoderung zuerkennen/ zeit mei- nes Lebens aͤusserst geflissen seyn. Fr. Sophia entschuldigte sich anfangs des Koͤniglichen Nahmens/ welchẽ vor Betretung des Boͤhmischen Reichs sie zufuͤhren oder anzunehmen nicht willens waͤhre; bedankete sich nachgehends der hohen Gewogenheit gegen ihre Frl. Wase/ welche zwar des hoͤchsten Roͤmischen Adels/ und Kaͤyserlichen Gebluͤts waͤhre/ aber doch ihrem kuͤnftigen Gemahl kein Land und Leute zum Heyrahtgut bringen koͤnte/ ob sie gleich mit Baarschafften und Kleinoten von ihren Eltern Koͤniglich koͤnte versehen wer- den/ nachdem sie ein einiges Kind/ und uͤber 40 Tonnen Goldes in gewisser Erbschafft al- lein von ihren Eltern zugewarten haͤtte. Sie baht ihn aber freundlich/ seine Begierden/ so viel moͤglich/ zumaͤssigen/ und da es sein Ernst waͤhre/ einer kurzen Zeit abzuwarten/ alsdañ wolte sie ihm hiemit aufrichtig versprechen/ es nach seinem begehren dergestalt zubefodern/ daß er ihr bereitwilliges Gemuͤht ihm zudienen/ mehr in der Taht als schoͤnẽ Worten spuͤ- m m ij ren Sechstes Buch. ren solte/ dessen/ sagte sie/ gebe Euer Liebe ich dieses Ringelein zum Pfande; welches sie aus ihren Kleidern hervor zog/ und ihm auf den kleinen Finger steckete. Diese Verheissung brachte den Fürsten zu einer sonderlichen Froͤligkeit/ versprach auch nach allem Vermoͤgẽ sich einzuhalten/ und in ungezweifelter Hofnung der angenehmen Zeit geduldig zuerwar- ten; jedoch würde ihm verguͤnstiget seyn/ mit dem Fraͤulein zureden. Welches Fr. Sophia beantwortete: Es koͤnte ihre Frl. Schwester eines solchen treflichen Fuͤrsten geneigten Willen und Unterredung nicht anders als vor ein sonderliches Gluͤk halten; machte sich auch zu ihr hin/ weil Fr. Ursul mit ihr redete/ und sagete zu ihr: Seyd ihr meine Schwe- ster/ so scheuhet euch nicht/ diesem Fuͤrsten Hofnung seines begehreus zumachen/ dessen ehr- liebendes Gemuͤht ich schon erforschet habe. Die Liebe begunte dieses Fraͤulein schon zim- lich zubeschleichen/ nam diese Erinnerung nicht allein mit gutem Willen auf/ sondern da Siegward sich wieder zu ihr fand/ und die herzliche Inbrunst seiner ehrlicher Liebe ihr mit bewaͤglichen Worten abermahl vortrug/ auch auffs hoͤchste beteurete/ daß seine Seele an nichts als ihrer volkommenen Schoͤnheit und Tugend Rast und Ruhe fünde/ gab sie die- se Antwort: Durchleuchtigster Fuͤrst/ ich bedanke mich dieser Gewogenheit von ganzem Herzen/ welche dankbarlich zuersetzen ich mich schuldig weiß/ wil mich auch befleissigen/ ih- rer Durchl. darzutuhn/ daß deren hohe Woltaht zuerkennen/ ich unvergessen seyn werde; allein gelanget an dieselbe mein ehrendienstliches Ersuchen/ mit uns nach Padua zukehrẽ/ woselbst mich weiter zuerklaͤren ich bessere Kuͤhnheit haben werde/ so bald nur mein Herr Vetter der Stathalter/ welcher nicht mindere Gewalt als mein leiblicher Herꝛ Vater uͤ- ber mich hat/ von seiner Tochter Fr. Sophien/ des Ansuchens Euer Durchl. wird berich- tet seyn; Inzwischen wolle dieselbe sich zu mir alles dessen verschen/ wz ein zuͤchtiges Fraͤu- lein einem hoͤchstverdienten Freunde ohn Abbruch Jungfraͤulicher Zucht leisten kan; mit welchem Erbieten mein Fuͤrst/ wie ich weiß/ wol wird friedlich seyn. Siegward hatte hier- an zimliche Vergnuͤgung/ und hielt sein freundliches Gespraͤch in zwo Stunden noch mit ihr/ biß Baldrich mit den Wagen und ihren ungesattelten Pferden ankam/ die er wieder eingeloͤset hatte. Er berichtete/ wie es ihm auff dem Wege ergangen waͤhre/ daß der Reu- ter/ dem er das Pferd/ umb schneller fortzukommen/ wiewol wider seinen Willen/ abgebor- get/ ihn biß an das Dorff verfolget/ und daselbst vor dem Schultheiß ihn als einen Stras- senraͤuber angeklaget/ auch die Hafft über ihn begehret haͤtte/ so daß er Muͤhe gehabt/ sich der Bande zuentbrechen/ und durch Bedraͤuung mit dem Stathalteꝛ/ seines Weges Frei- heit zuerhalten; Zwar den Reuter/ welcher ein verzagter Hudler/ haͤtte er ausgefodert/ sich mit ihm zuschmeissen/ welcher aber den Ernst sehend/ sein Pferd beym Zuͤgel genommen/ sich darauff gesetzet/ und stilschweigens davon geritten waͤhre; worauf endlich der Schult- heiß diese gewierige Urtel gefunden: Wo kein Klaͤger ist/ da ist auch kein Richter; doch haͤtte er ihm diesen Spruch mit fuͤnf Kronen/ die er ihm heimlich zugestekt/ abgekauft. Sie lacheten dieser Rechtfertigung/ und nach eingenommenem Inbiß machten sie sich fertig zum Aufbruch. Die Gefangenen wurden an die Wagen gebunden/ daß sie beyher mit fort- lauffen musten; die abgehauene Koͤpffe aber nebest Furius Leichnam und Genutius (wel- che Gnade ihm Fr. Sophia taht) auf die Wagen gelegt samt den Schaͤtzen und Kleidern/ und muste das Frauenzimmer mit schlechten Sitzen/ von Kleidern gemacht/ auff dem einẽ Wagen Sechstes Buch. Wagen vorlieb nehmen/ damit sie auch sehr wol zufrieden wahren. Die Fuͤrsten ritten auff ihren ungesattelten Pferden neben dem Frauenzim̃er so zierlich daher/ machten auch allerhand Spruͤnge und Ringelaͤufchen mit ihnen/ als haͤtten sie die bequemsten Sattel auffgehabt. Ihren Weg setzeten sie fort/ so viel ihre schwer beladene Wagen uñ angebun- dene Gefangene folgen kunten/ und weil die Pferde davor ermuͤden wolten/ ließ Fr. So- phia sich von Baldrich/ und Frl. Sibylla sich von Siegward vor sich auff dem Pferde führen/ da ihnen Kleider untergelegt wurden/ daß hiedurch das Fraͤulein mit ihrem lieben Fuͤrsten in zimliche Kundschafft geriet/ dem sie etliche Kuͤsse goͤnnen muste/ weil sie dessen auff dem Pferde sich nicht entbrechen kunte/ da sie ihn gleichwol seiner zugesagten Maͤssig- keit erinnerte/ und auff der Zuchtbahn stets erhielt. Es wahr ihr Gluͤk/ daß ihre Reuter sich in das naͤhstgelegene Dorff eingelegt hatten/ deren etliche auff sie stiessen/ mit welchen sie daselbst einkehreten/ ihre koͤstliche Harnische anlegeten/ und grosse rohte Federbuͤsche auff den Helm stecketen/ namen auch ihre schneeweisse wolgeputzete/ und mit schoͤnen De- cken gezierete Handpferde/ auff welchen sie den Einrit halten wolten. Fr. Sophia leihete daselbst von einer reichen adelichẽ Witwen eine schoͤne Gutsche/ setzete sich mit dem Frau- enzimmer drauff/ und zogen mit wolbefriedigtem froͤlichen Herzen des geradesten Weges nach Padua zu. Der Stathalter hatte diesen Morgen sehr fruͤh die Loͤsegelder durch die- ses Dorff fortgeschikt/ welches Fr. Sophien angezeiget ward/ welche ihnen zween Teut- sche Reuter nebest Appius nachschickete/ ihnen das wiederkehren anzudeuten. Die El- tern zu Padua erwarteten ihrer Kinder Ankunfft mit Schmerzen/ unter der herznagen- den Furcht/ es moͤchten die Raͤuber nach empfangenen Geldern nicht Glauben halten/ sondern durch Unkeuscheit und ihrer Toͤchter Schoͤnheit gereitzet/ ihren Ehren Abbruch tuhn/ gedachten deßwegen hin und her/ wie es am fügligsten anzugreiffen waͤhre/ kunten aber kein ander mittel finden/ wie klug sie sonst wahren/ und sagte der Stathalter zu Herr Kornelius; wir muͤssen der himlischen Vesehung alles befehlen/ welche sie bißher gnaͤdig bewahret hat/ sie auch ferner erhalten/ und vor unehr schuͤtzen kan. Er hatte dieses kaum außgeredet/ da hoͤrete er von allen Tuͤrmen lermen blasen/ und als er nachfragen ließ/ ward ihm zur Antwort gebracht/ daß etliche tausend Reuter mit sehr vielen Wagen/ Gutschen/ und einem getuͤrmeten Elefanten sich im offenen felde sehen liessen/ und der Stad gerade zu zoͤgen. Der Stathalter hielt vor gewiß/ es wuͤrde der Roͤmische Kaͤyser selber seyn/ und machte sich fertig ihm entgegen zu reiten/ und in aller untertaͤhnigkeit ihn zu empfahen. A- ber eben dieses befuͤrchteten sich Herkules und Ladisla/ deßwegen ritten sie mit dem jungen Fabius spornstreichs vorhin/ wurden auch vor dem Tohr alsbald erkennet/ und unweger- lich eingelassen/ und als auff ihre frage nach des Stathalteꝛs gesundheit/ ihnen dessen wol- ergehen vermeldet ward/ ritten sie gleich nach seinem Hofe zu/ stiegen im vorderplatze ab/ und gingen miteinander ohn einiges anmelden die Stiege hinauff in den grossen Gastsaal/ woselbst der Stathalter auff einem Stuel saß/ und ihm die Sporn umbguͤrten ließ. Da er nun seinen geliebten schwieger Sohn in einem treflichen Tyrischen Purpur mit den kost- bahresten Demanten besetzet hinein treten sahe/ stieß ihm beydes vor freuden und betruͤb- nis eine geringe Ohmacht zu/ daß ihm unmoͤglich wahr/ so schleunig auffzustehen/ und ih- nen entgegen zu treten/ erhohlete sich doch/ in dem sie sich vor ihm stelleten/ fiel anfangs La- m m iij disla Sechstes Buch. disla umb den Hals und kuͤssete ihn aus vaͤterlicher neigung; hernach empfing er Herkules und seinen Sohn/ und sagte: O seid mir wilkom̃en ihr meine hochwerte allerliebste Herꝛn/ Freunde und Soͤhne/ deren ankunft ich mir diese Stunde nicht vermuhten wahr/ und weiß nicht/ warumb mir der Himmel allemahl zwischen der Vergnuͤgung den bittern Wermutsafft einmischet/ dessen ihr nicht erschrecken sollet/ uñ ich euch doch nicht verber- gen kan/ wie daß nehmlich vorgestern meine herzliebe Toͤchter Sophia/ Ursul und Sibylla/ auff eins ihrer Landguͤter außgefahren/ und von etlichen Raͤubern angehalten sind/ biß ih- nen ein gewisses Loͤsegeld eingeh aͤndiget werde/ worauff sie alsbald und ohn alle schmaͤle- rung ihrer ehren wieder sollen loßgelassen werden; habe demnach solche Gelder schon an den mir benenneten Ort fortgeschicket/ und werden die geraubete noch heut/ oder gewiß morgen fruͤh sich wieder einstellen. Dieser Rede erschraken sie sehr/ insonderheit Ladisla/ welcher von Korinth biß hieheꝛ groͤsser verlangẽ/ als die ganze Zeit uͤber nach seinem herz- geliebeten Gemahl getragen hatte/ und gab zur Antwort: Hochgeneigter Herr Vater/ es ist mir dises eine sehr traurige Zeittung/ werde auch nicht ruhen/ biß ich mein Gemahl angetroffen/ und den Raͤuberischen boͤsewichten den verdienten Lohn erteilet habe. Der Stathalter baht ihn/ er moͤchte sich nicht uͤberschnellen/ damit er nicht groͤsser Ungluͤk ver- ursachete/ wann ihre gegenwart von den Raͤubern gemerket wuͤrde; zwar in gar weniger Geselschaft hin nach dem Platze zu reiten/ da die Gelder außgezaͤhlet wuͤrden/ wolte er ih- nen nicht verbieten/ aber daß vor des Frauenzim̃ers ankunft daselbst/ sie sich ja nicht sehen liessen/ damit die Raͤuber sich nicht einer gefaͤhrlichen Nachstellung befahreten. Ach Gott/ sagete Ladisla/ so vernehme ich leider/ daß es umb mein Gemahl gefaͤhrlicheꝛ stehet/ als voꝛ nie/ muß demnach mich der Geduld ergeben; aber unmoͤglich ist mirs/ daß ich sie ungesu- chet lassen solte/ ob mir gleich der gewisse Tod daruͤber zustossen wuͤrde/ und hoffe noch mit- tel zu finden/ den Raͤubern beyzukommen da mir Gott das Leben fristet. Herkules befand rahtsam daß man eilete/ liessen deßwegen etliche ihrer ehmahls hinterlassenen Ritterlichen Kleider und Waffen herzubringen/ legten sie an/ und macheten sich mit vier Reitknechten des Stathalters auff/ noch ehe Fr. Valiska mit ihrer Geselschaft ankam. Im hinreiten uͤberlegten sie alles fleissig/ und machten den Schluß/ daß Herkules allein nach dem liefe- rungs Platze sich hinmachen/ und die andern weit genug zuruͤk bleiben wolten/ biß eꝛ etwas Zeitung erfahren/ und durch den mitgeschikten aͤdelknaben ihnen seine meynung uͤber bie- ten koͤnte. Sie wahren kaum eine gute halbe Meile geritten/ da sahen sie zween ansehnli- che Ritter mit zwoͤlff bewapneten Dienern gegẽ sie anzihen/ denen eine schoͤne Gutsche mit Frauenzimmer/ und zween beladene Wagen samt etlichen gefangenen nachfolgeten. Je- ne wurden dieser auch zeitig gewahr/ und weil Siegward seinem lieben Fraͤulein sein gutes Herz/ und daß er nicht allein mit Raͤubern/ sondern auch mit ehrlichen Rittern kaͤmpffen koͤnte/ gerne wolte sehen lassen/ auch Baldrich nit dawieder redete/ sendeten sie ihren Ita- liaͤnischen Leibknaben ihnen entgegen/ und liessen ihrer zween auff ein ritterliches Speer- brechen ersuchen; welches ihnen zum erstenmahle hoͤflich abgeschlagen ward/ mit vorge- ben/ sie haͤtten anjezt noͤhtigen geschaͤften nachzureiten/ wodurch sie gehindert wuͤrden/ in ihr begehren einzuwilligen/ auff eine andere und bequemere Zeit aber solte ihnen gerne ge- wilfahret werden. Jene kunten damit nicht friedlich seyn/ wusten nicht/ ob sie es vor eine Verach- Sechstes Buch. Verachtung oder Zagheit außdeuten solten/ und bohten ihnen hinwieder zu; ob zwar ihr gebrauch nicht waͤhre/ andere als ihre und der Tugendfeinde zum Streit zu noͤhtigen/ auch ihnen ihren Weg gerne goͤnneten/ wolten sie ihnen dannoch zubedenken geben/ obs ihrem herlichen ansehen nicht wol anstuͤnde/ etwa durch einen Rit allen ungleichen Verdacht von sich abzulehnen. Worauff Herkules antwortete: Feiner Knabe/ sage deinen Herren/ ihre Hoͤfligkeit mache/ daß wir viel von ihnen halten/ und weil sie unser eilfertigkeit unbe- richtet sind/ ich sie dessen nicht verdenke/ wann sie ungleiche gedanken von uns schoͤpffen; wir wollen ihnen aber solche benehmen/ und ihnen den Rit zu willen seyn/ daß sie nur bald loßdruͤcken. Jene liessen ihnen diese Antwort wolgefallen/ und machten sich an beyden sei- ten fertig/ da Siegward auff Ladisla/ Baldrich auff Herkules seinen Bruder loßging/ und traffen beyderseits dergestalt/ daß die Splitter in die Luft fuhren/ doch ward keiner gefel- let/ wiewol Siegward und Baldrich im Sattel schwanketen/ aber doch fest sitzen blieben/ dessen unsere Helden sich nicht wenig wunderten/ und sagte Herkules zu Ladisla/ ich haͤtte nicht gemeinet/ daß mir ein Ritter diesen Stoß ungefellet außhalten sollen. Sie nahmen beyderseits neue Speer/ wageten den andern Rit heftiger als zuvor/ und empfunden der Stoͤsse alle viere/ aber Baldrich und Siegward wurden Stegreiff loß/ daß sie des falles sich mit noht enthielten/ welches sie heftig verdroß. Herkules und Ladisla/ sahen sich umb/ der Meynung/ ihre Bestreiter solten erleget seyn/ welche sich aber geschwinde wieder ein- gerichtet hatten/ daß jene ihrer Gefahr nicht eins inne wurden/ daher Ladisla zu Herkules sagete; Dieses sind trauen zween handfeste Ritter/ aber als viel ich merke/ trauen sie dem Speer weiter nicht/ sondern gedenken es auch mit dem Schwerte zuversuchen/ welche sie schon entbloͤsset haben. Ey so werde ich ihnen auch so geschwinde noch nicht entlauffen/ sagte Herkules/ sondern versuchen/ ob dem Hochmuht nicht zu steuren sey/ nachdem wir keine Feindschaft wiedereinander haben; damit ging der Schwertstreit an/ und trieben ein solches gehacke/ daß die Stuͤcke von den Schilden flogen/ und sie in kurzer Zeit davon wenig uͤbrig hatten; weil sie dann des Feindes Streiche nicht außnehmen kunten/ wur- den ihre Harnische hin und wieder sehr zuschlagen/ wiewol die beyden jungen Fuͤrsten em- pfunden/ daß sie ihre Meister angetroffen hatten. Frau Sophia kunte dem gefaͤhrlichen Kampfe laͤnger nicht zusehen/ sprang von der Gutsche/ und rieff Baldrichen als dem naͤ- hesten zu: Groß Fuͤrst Baldrich/ ich ermahne euch bey der Liebe/ damit ihr euren Eltern verbunden seid/ daß ihr diesem unnoͤhtigen Streite die Endschaft gebt. Dieser taht als hoͤrete ers nicht/ und stuͤrmete immer hefftiger auff seinen Gegenkaͤmpfer zu/ welcher aber/ da er seines lieben Bruders nahmen hoͤrete/ auch Fr. Sophien erkennete/ keinen Schlag mehr fuͤhrete/ sondern auff Teutsch zu ihm sagete: Liebster Bruder Baldrich/ du hast dich mit deinem Bruder Herkules gnug versuchet/ und satsam an den Tag gegeben/ daß du dei- nem Manne wol stehen darfst. Auff welche Rede Baldrich sein Schwert hinweg warff/ den Helm auffschlug/ und sagte; So muͤsse dieses Schwert verfluchet seyn/ dessen ich so groͤblich mißbrauchet habe; sprang vom Pferde/ und wolte seinem Bruder die Hand kuͤs- sen; der aber ja so bald auff der Erden stund/ und ihn freundlich umbfing/ legten die Hel- me ab/ und kuͤsseten sich vor grossen freuden ohn einiges Wort sprechen/ dann es gab Her- kules die hoͤchste vergnuͤgung da er seinen Bruder ihm so gewogen sahe/ weil er wol wuste/ wie Sechstes Buch. wie verhasset ihn die Teuffelspfaffen bey seinen Anverwanten gemacht hatten. Zwischen Ladisla und Siegward ging es etwas schaͤrffer zu/ dann weil sie sich weiter ins Feld gezo- gen hatten/ kunten sie nicht so bald von Fr. Sophien gescheiden werden/ wiewol sie schleu- nig hinzu lieff/ auch diesen Streit auffzuheben/ so daß sie nicht acht gehabt/ daß Herkules verhanden wahr. Ladisla sahe ohngefehr daß jene beyden sich mit entbloͤsseten Haͤuptern so freundlich umbfingen/ daher sagte er zu Siegward; Ritter/ was mag jenes bedeuten/ daß euer und mein Geselle dort so grosse freundschaft machen/ und die Helme samt den Schwertern hinweg getahn haben? Siegward rante eilig dahin/ biß er Herkules Ange- sicht erkennete und doch etwas zweiffelte/ kehrete wieder umb nach Ladisla uñ sagete: Mein Herr/ ist jener nicht mein Oheim der unvergleichliche Held Groß Fuͤrst Herkules? ja/ ant- wortete er/ Herkules ist sein Nahme/ und ist er euer Oheim/ so muͤsset ihr mir seinem Ladis- la ohn zweifel auch verwand seyn. Als Siegward solches hoͤrete/ sprang er vom Pferde/ und sagte: Durchleuchtigster Oheim/ verzeihet/ bitte ich/ eurem Diener dem Schwedi- schen Siegward/ seinen unbesonnenen Frevel/ dessen die Unwissenheit einzige Ursach ist; Herzlieber Bruder/ gab er zur Antwort/ empfahen wir einander so unwürsch in der Frem- de/ wuͤrde solches unser so fest beschwornen Freund/ uñ Bruͤderschaft sehr nachteilig seyn/ wann es vorsetzlich geschaͤhe/ weil aber der blosse Irtuhm hieran schuld traͤget/ sind wir beyderseits wol entschuldiget. Aber Omein herzgeliebtes Gemahl komt ja dorther gelauf- fen! Hiemit warfer den Helm hinweg/ und rante ihr eilends entgegen. Sie erkennete sein Angesicht alsbald/ und kunte vor freuden keinen Schrit weiter tuhn/ dann die Ohmacht wahr ihr sehr nahe; welches er merkend vom Pferde sprang/ und zu rechter Zeit bey ihr anlangete/ gleich da sie nidersinken wolte/ umbfing sie inbruͤnstig und sagte: Wie mein al- lerliebster Schaz/ wollet ihr euren Ladisla nicht freundlicher als mit sterbenden Augen em- pfangen/ welcher sider seinem abscheide niemahls von herzen froͤlich gewesen ist? Sie in ihres Liebsten Armen sich befindend/ erhohlete sich bald/ schlug die Augelein auff/ und mit einem lieblichen Anschauen sagte sie zu ihm: O ihr meiner Seelen Lust und einige Freude in dieser Welt; welches hohe Gluͤk erfuͤllet heut meinen Wunsch/ und laͤsset mich meinen Gemahl und Koͤnig wieder sehen und umbfahen? wie so gar unvermuhtlich und doch uͤ- berreichlich ersetzet Gott meine zweitaͤgige außgestandene Ungluͤkseligkeit durch die An- kunst meines herzgeliebten Gemahls. Mit diesen Worten umbfing sie ihn aus inbruͤnsti- ger Liebe/ und hing als eine Klette an ihm/ daß sie ihrer selbst drüber vergaß; biß Ladisla sie fragete/ ob sie seinen Herkules uñ ihren Bruder Fabius nicht gesprochen haͤtte; Ach nein/ sagte sie/ wo sind sie dann? Ihr habt ja/ antwortete er/ den Streit zwischen Herkules und Baldrich auffgehoben. Ich habe seine Erkaͤntnis nicht abwarten koͤnnen/ sagte sie/ damit ich auch euer Gefechte beylegen moͤchte/ als ich sahe/ daß jener Feindschaft so bald geendi- get wahr. Aber O mein Schaz/ ist dann unsere Frl. Schwester Frl. Valiska auch erloͤset? Ja Gott lob/ sagte er/ sie wird mit ihrem Soͤhnlein Herkuliskus und Frl. Lukrezien Pom- peien schon zu Padua angelanget seyn. Hievor sey dem almaͤchtigen Gott lob und preiß gesaget/ antwortete sie; aber versichert euch mein Schaz/ dafern diese beyde trefliche Fuͤr- sten uns nicht durch sonderliche wunder-schickung Gottes zu huͤlffe kommen waͤhren/ wuͤr- det ihr mich lebendig nicht wieder gesehen haben/ dann nach verlust meiner ehren (die mir niemahls/ Sechstes Buch. niemahls/ auch vor zwey Jahren unter den Baumen nicht naͤher/ als heut diesen Morgen gewesen) wuͤrde vor euren keuschen Augen ich mich lebendig nicht haben finden lassen. Herkules und Baldrich hatten ihr umbfahen auch zum Ende gebracht; Beata aber/ Fr. Sophien Leibdienerin ward von dem Fraͤulein befehlichet/ von der Gutsche zu steigen/ um zuvernehmen/ was vor fremde Ritter nach beygelegtem Gefechte mit den beyden Fuͤrsten solche Freundschaft pfloͤgen/ welche bald wieder umbkehrete/ schlug in die Haͤnde/ und rief ihnen zu: O Gott lob/ Gott lob/ Koͤnig Ladisla und Groß Fuͤrst Herkules; Koͤnig Ladisla und Groß Fuͤrst Herkules! Fr. Ursul kunte auff diß Wort nicht laͤnger verzihen/ lieff Her- kules entgegen/ und rieff ihm von ferne zu/ ob ihr Fabius nicht mit uͤberkommen waͤhre; welcher aber mit entbloͤsseten Haͤupte schon daher sprengete/ machte sich herunter/ und em- pfing sie mit froͤlichem Herzen. Das Fraͤulein stieg auch ab/ und nahete sich zu Herkules/ welcher sie umfahend bruͤderlich kuͤssete/ und zu ihr sagete: In Ehren herzgeliebete Frl. Schwester/ ich erfreue mich von herzen ihrer Erloͤsung und guten Gesundheit/ und bitte Gott/ daß er sie in stetem Auffnehmen ihrer Ehren und Vergnuͤgung erhalten wolle. Das liebe Fraͤulein bedankete sich sehr freundlich/ erfreuete sich seiner gluͤklichen Wiederkunst/ und fragete nach seines hochwirdigẽ Gemahls wolergehen/ dessen sie bald berichtet ward. Diese lieben Freunde kunten des wilkommens nicht zum Ende gelangen; Ladisla und Bal- drich/ Herkules und Siegward liessen alle bruͤderliche Bezeigung sehen/ und ob gleich La- disla und Siegward etwas verwundet wahren/ achteten sie dessen doch nicht/ biß Fr. So- phia das Blut an ihnen spuͤrete/ und sie die Waffen abzulegen erinnerte/ welches doch nit geschahe/ sondern weil es schon zimlich spaͤte auff den Nachmittag wahr/ setzeten sie sich auff/ und zogen nach der Stad. Die Stathalterin hatte ihren Sohn und Schwieger- Sohn noch nicht gesehen/ sondern da sie wieder hinaus geritten wahren/ meldete ihr Ge- mahl ihr deren Ankunfft an/ und troͤstete sie in ihrer Betruͤbniß; dann sider ihrer Tochter Verlust hatten ihre Traͤhnen sich nicht gestillet. So bald aber deren Erloͤsung ihnen durch einen Reuter zuwissen getahn ward/ da erhuhb sich Froͤligkeit/ und wusten nicht/ was sie vor Freuden anfahen wolten; legten schoͤne Feirkleider an/ und putzete insonderheit die Großmutter die beyden jungen Herrlein auffs koͤstlichste/ welche schon anfingen das Abba zusprechen; dann der kleine Fabius wahr ein Jahr und 16 Wochen alt; Herkuladisla eils Wochen und drey Tage juͤnger/ nach dem jener am 28 des Weinmonats/ dieser am 18 des Jenners im folgenden Jahr/ zur Welt gebohren wahr/ und man heut diesen Tag den 22 des Hornungs schrieb. Als unsere Geselschafft zur Stad einritten/ kehreten Baldrich uñ Siegward in eine Herberge/ woselbst dieser seine Wunden verbindẽ ließ/ deren die schlim- meste wahr/ welche er von dem Raͤuber empfangen hatte/ daß er den Arm in einer Binde tragen muste/ weil er schon ein wenig entzuͤndet wahr. Sie legeten beyde einerley Kleider an/ von Graßgruͤnem Atlaß mit Golde reichlich gesticket; auff dem Hute hatten sie eine Schnuhr von Demanten/ und eine lange weisse Feder/ die ihnen auff dem Ruͤcken herun- ter hing; die Stiefeln wahren von weissem zarten Leder/ und die Sporn guͤlden/ und fuͤh- reten in der rechten Hand einen weissen Elfenbeinen Stab mit guͤldenem Beschlage. La- disla mit seinen Gefaͤrten machten sich hin zu den ihren/ und erwartete der Stathalter uñ sein Gemahl im Mittelplatze ihrer lieben Kinder/ da die jungen Herlein nachgetragen n n wurden. Sechstes Buch. wurden. Sie empfingen die drey Helden mit froͤlichen Geberden/ hielten den beyden Vaͤ- tern ihre Soͤhnlein zu/ und sagte die Großmutter: Da sehet ihr eure wolgestalte liebe Kin- derchen zum ersten mahle/ welche euch der mildreiche Gott in eurem abwesen bescheret hat. Ladisla trat mit grosser Herzensfreude hinzu/ da sein Herkuladisla ihn lieblich anlachete/ uñ das Abba dreymahl lallete/ noch ehe er ihn anruͤhrete/ woruͤber ihm die Freudentraͤhnẽ aus den Augen hervor drungen/ daß wie feste er sich hielt/ dieselben doch nicht hinterbleibẽ wol- ten/ nam deswegen das liebe Kindichen auf seine geharnischtẽ Arme/ herzete es etliche mahl und sagte: Der Almaͤchtige Gott und Schoͤpffer Himmels und der Erden verleihe dir seine Gnade/ und lasse dich in Erkaͤntniß der Himlischen Warheit auffwachsen/ daß du ein Erbe bleibest des ewigen Lebens. Fr. Sophia und Ursul kahmen aus der Gutsche darzu gangen/ und da sie ihre Gemahlen sich dergestalt mit den Kindern ergetzen sahen/ wurden sie vor Freuden laut weinen/ daß es im ganzen Platze gehoͤret ward/ und fing Fr. Sophia zu ihrem Soͤhnlein an: Du mein herzallerliebstes Schaͤzchen/ an dem ich diese Zeit uͤber alle meines Kummers Vertreibung gehabt/ jezt sihestu deinen Herr Vater zum ersten mahle; aber der barmherzige Gott verleihe mir und dir/ daß er uns ja nimmermehr solcher gestalt entwanderen moͤge. Der Stathalter trat mit hinzu/ und sagte zu seiner Tochter: Geliebtes Kind/ du hast mir nun zum andern mahle durch dein gar zu kuͤhnes ausfahren grosses Herzleid gemacht/ welches du leicht haͤttest verhuͤten koͤnnen/ wann du nur etliche wenig Reuter zu dir genommen; doch weil der heutige Tag uns zur sonderlichen Freude gemacht ist/ wil ich mit scharffen Reden dir dein Verbrechen nicht aufruͤcken/ haͤttest aber bey deinem Gemahl wol verdienet/ daß an stat freundlicher Begruͤssung er dir einen guten Auswischer erteilete/ damit du hernaͤhst dir solches liessest zur Warnung dienẽ. Ladisla ant- wortete an ihrer stat. Es kan seyn/ mein Herr Vater/ daß mein allerliebstes Gemahl in die- sem falle gefuͤndiget hat/ und ihren Eltern grosse Bekuͤmmerniß erwecket/ aber ich bitte/ dz ihr auch vor dißmahl noch dieser Fehler moͤge verzihen werden/ dañ wil ich mich in Buͤrg- schafft stellen/ daß sie nach diesem vorsichtiger gehen wird. Ja/ Gott weiß/ sagte Frau So- phia/ daß mir in diesem Unfal meiner lieben Eltern Kummer ja so sehr als meine eigene ge- fahr zu herzen gangen ist/ und weiß nicht/ durch was Hinderniß ich vergessen/ etlichen Reu- tern zubefehlen/ daß sie mir folgen solten/ wie ich mir festiglich vorgenommen hatte. Ich ha- be es ja angehoͤret/ sagte das Fraͤulein/ daß ihr des Abends zuvor es bey dem Gutscher also bestelletet/ der ohn zweifel aus Vorsaz es unterlassen hat. Was sol ich dann weiter machen? fuhr Fr. Sophia fort/ Gott schicket den lieben seinen auch zuzeiten wegen ihrer Suͤnde ein Ungluͤk zu/ in welchem er doch am kraͤfftigsten bey ihnen stehet/ und hieduꝛch viel gutes wiꝛ- ket/ erstlich/ daß wir unsere Bosheit erkennen/ und/ daß wir noch viel haͤrtere Straffen mit unsern Suͤnden bey Gott verdienen/ wann er nach seinem strengen Rechte mit uns verfah- ren wolte; dann auch/ daß wir in unferm Gebeht zu Gott ange frischet werden/ dessen wir in Gluͤckes Zeiten viel in vergeß stellen; endlich auch/ daß wir Gottes almaͤchtige Huͤlffe erfahren/ und ihm davor von herzen danken. Ja wer weiß/ ob nicht zum sonderlichen Gluͤ- cke meiner Frl. Schwester es also hat ergehen muͤssen? Sibylla erroͤhtete hierob im gan- zen Angesichte/ und wahr ihr unmoͤglich/ es zubeantworten. Ladisla hoͤrete seines Gemahls gottfuͤrchtige Reden mit grosser Herzensfreude an/ und wunderte sich/ daß sie in Erkaͤnt- niß Sechstes Buch. niß des heiligen Willen Gottes schon so weit kommen wahr/ hielt sich auch fertig/ ihr eine Christliche Antwort zugeben; aber sie fassete ihn beym Arme/ und sagte: Kommet mein geliebtes Herz/ der Wund Arzt wartet schon auff euch/ und werde ich nicht froͤlich seyn/ ehe ich weiß/ ob eure Wunden ohn gefahr sind. Er folgete ihr mit lachendem Munde/ und versicherte sie/ daß er nicht eins der Verletzung empfuͤnde; wie dann nach der Entwafnung erschien/ daß er nur am rechten Arme einen Schramhieb bekommen/ welcher kaum ein Troͤpflein Blut geben moͤgen/ wann nicht ein Blutaͤderchen waͤhre getroffen wordẽ. Her- kules ward an seine Valisken gedenken/ nam von Fr. Sophien Abscheid/ und wolte hin aus reiten/ sie einzuhohlen; Sie aber erboht sich/ neben Frl. Sibyllen mit zufahren/ fragete ih- ren Bruder/ in was Farbe die Groß Fuͤrstin sich gekleidet haͤtte/ legte gleichmaͤssige Kleideꝛ an/ und zog mit Herkules und Ladisla/ welche ihre vorigen Kleider wieder angetahn/ ihr entgegen. Der Stathalter hatte inzwischen von seinem Sohn verstanden/ was gestalt die beyden jungen Fuͤrsten das Frauenzimmer erloͤset/ und in eine Herberge/ sich auszukleiden/ eingekehret waͤhren/ denen er alsbald seine Leib Gutsche entgegen sante/ und ritte der junge Fabius mit dahin/ mit dem sie ohn Verzug auf ihren weissen Pferden fortgingen; Weil dann Fr. Sophia ihnen auf der Gasse begegnete/ die Groß Fuͤrstin einzuholen/ zogen sie in Geselschafft mit fort/ und traffen Klodius und Prinsla nahe vorm Tohre an/ die von der Groß Fuͤrstin abgeschikt wahren/ umb zuvernehmen/ aus was Ursachen ihr von Herkules/ genommener Abrede nach/ kein Bescheid zuentbohten würde. Prinsla kennete alsbald die beyden Fuͤrsten/ sprang vom Pferde/ und kuͤssete ihnen die Haͤnde/ muste aber alsbald wie- der auffsitzen/ dann sie ranten so wol zu Wagen als Pferde aufs schnelleste fort/ kahmẽ auch inwendig einer geringen halben Stunde bey den Voͤlkern und Wagen an. Fr. Valiska saß mit Frl. Lukrezien und dem uͤbrigen Frauenzimmer auf dem Elefanten/ hatte allerhand Gedanken wegen des langen aussenbleibens ihres Gemahls/ und zeigete an/ daß sie sehr be- fuͤrchtete/ es müste zu Padua nicht recht zugehen. Sie sahe etliche gemeine Leute aus der Stad gegen sie daher gehen/ welche sie fragen ließ/ was neues man daselbst haͤtte/ und obs dem Herrn Stathalter und den seinen wolginge? Worauf diese antworteten: Es ginge dem Stathalter wol/ nur lieffe ein ungewisses Geruͤchte/ ob solte dessen Fr. Tochter neben andern hohen Frauenzimmer von etlichen Raͤubern auf freyer Heerstrasse angegriff e n uñ entfuͤhret worden sey. Die Groß Fuͤrstin erschrak dessen von ganzem Herzen/ und fing an: Ach du almaͤchtiger grundgütiger Gott/ wende doch dermahleins nach deinem vaͤterlichen Willen und gnaͤdigem Wolgefallen dieses Ungluͤk von uns deinen ergebenen Kindern/ uñ goͤnne nicht/ daß mein lieber Herr und Gemahl nebest meinem Bruder ihre beste Lebens- zeit in Ausspuͤrung der gottlosen Raͤuber zubringen muͤssen. Sie stieg mit ihrem Frauen- zimmer von dem Elefanten auf die Erde/ legten sich unter dem freyen Him̃el auf ihre Knie/ und tahten ihr andaͤchtiges mit Traͤhnen vermischetes Gebeht zu Gott/ dz er seine Barm- herzigkeit uͤber sie großmachen/ auch dieses Ungluͤk bald enden und in Freude verkehren wolte. Nach geendetem Gebeht stiegen sie wieder auff den Elefanten/ und muste Klodius samt Prinsla nach der Stad zureiten/ dessen Wiederkunfft und eigentliche Zeitung sie mit Schmerzen erwarteten. Frl. Lukrezie sagte zu der Groß Fuͤrstin: Es naͤhme sie wunder/ dz man den Raͤubern dieses Orts so viel uͤbersaͤhe/ daß dieselben sich auch nicht scheuheten/ deꝛ n n ij Obrig- Sechstes Buch. Obrigkeit ihre Kinder hinweg zufuͤhren/ da doch in dieser Landschafft Leute wohneten/ wel- che dem Roͤmischen Reiche als eigene Glieder einverleibet waͤhren. Daß vor diesem im Judischen Lande die Raͤuberhoͤhlen dergestalt zugenommen/ daß fast das ganze Land hin und wieder waͤhre untergraben/ und vol unzaͤhliger Raͤuberhoͤhlen gewesen/ waͤhre so hoch nicht zuverwundern/ weil die Juden/ der Roͤmer groͤsseste Feinde/ solches also getrie- ben haͤtten/ denen gleichwol nunmehr ziemlich gesteuret waͤhre; aber in Italien solchen Muhtwillen zudulden/ duͤrffte fast ein Zeichen seyn/ daß die Obrigkeit ihr Amt nachlaͤssig verwaltete. Ich weiß selbst nicht/ sagte die Groß Fuͤrstin/ wohin ichs deuten sol/ halte wol davor/ wann den Raͤubern etwas eiferiger nachgetrachtet/ und ihre Schlupfloͤcher fleissig gesucht wuͤrden/ solte man ihnen das Handwerk bald legen; Aber es finden sich unter den Inwohnern in Doͤrffern und Flecken offt so gottlose Leute/ die solche Raͤuber hausen und haͤgen/ ja ihnen wol Anleitung geben/ weil sie Nahrung von ihnen haben/ und der Beute offt am meisten genissen. Da waͤhre nun hochnoͤhtig/ daß wann solche ertappet wuͤrden/ man sie gleich so hart als die Raͤuber selbst bestraffete/ was gilts/ wo nicht hundert sich an einem spiegeln solten/ und sich scheuhen/ mit solchen Buben Gemeinschafft zuhaben. Das ist meines Herrn Vaters Gebrauch/ antwortete das Fraͤulein; der pfleget allemahl nach diesem Spruche zuurteilen/ daß weil Hehler und Stehler gleiche gut seyn/ muͤssen sie nicht allein in einer Geselschafft geniessen/ sondern auch leiden/ und hats in kurzer Zeit dahin ge- bracht/ daß mehr Raͤuber von des Landes Inwohnern angegeben/ als durch schaꝛffe Nach- forschung betroffen werden. Als die Groß Fuͤrstin dieses so bald nicht beantwortete/ baht Fr. Euphrosyne umb gn. Vergebung/ und sagte: Wolte dann Gott/ gnaͤdiges Fraͤulein/ daß Euer Gn. Herr Vater nur ein Jahr Roͤmischer Stathalter in Griechenland seyn/ und solchen Ernst wider die Raͤuber und Moͤrder gebrauchen moͤchte/ dann solte dem un- menschlichen Wesen/ welches leider daselbst eingerissen ist/ endlich noch abgeholffen werdẽ. Ich habe etwas davon gehoͤret/ sagte die Groß Fuͤrstin/ und daß der freye Adel viel Unbil- ligkeit begehen sol. Ja gnaͤdigste Groß Fuͤrstin/ anrwortete sie/ weil Griechenland von den Roͤmern ihre eigene Herschafft und uhralten Freyheiten und Gebraͤuche erhalten/ wil deꝛ Adel/ welcher im Lande fast alles allein ist/ ihre Freyheit auch wider die Gesetze der Ver- nunfft ungestoͤret wissen; daher/ wann einer ihres Mittels durch uͤbermaͤssiges Wolleben das seine vertahn hat/ klopffet er auff den Pusch/ und fuchet durch Beraubung der Kauff- leute sich wieder zubereichẽ; Ob auch von ihnen eine und andere Mordtaht begangẽ wird/ solches wollen sie durchaus nicht am Leben gestrafft haben/ sondern erlegen ein geringes Geld/ damit sol das unschuldige Blut bezahlet seyn. Die Groß Fuͤrstin antwortete: Sol- che Aedelleute solte man umb ihrer Untaht willen wieder in den niedrigsten Stand herun- ter stossen/ gleich wie ihre Voꝛaͤltern umb ihrer Tugend willen in den Adelstand erhoben sind; dann solte es erst dahin kommen/ daß ein aͤdelman ihm groͤssere freiheit/ boͤses zutuhn/ nehmen wolte/ als ein Unaͤdler/ duͤrffte in kurzem das gemeine Wesen noht leiden. Von adelichen Eltern gebohren seyn/ ist ein grosses Gluͤk/ aber es machet solches niemand weiter aͤdel/ als nur nach dem Nahmen; die Tugend aber/ die er hernach selber hinzu tuht/ giebt ihm die wahre adeliche Hocheit/ ohn welche das blosse Herkommen in meinen Augen kein Haͤrlein mehr gilt/ als ein Esel/ den man in eine Pferdehaut naͤhet. Libussa sahe stets nach der Sechstes Buch. der Stad/ und daͤuchte ihr/ daß Klodius laͤnger aussen bliebe/ als sich in solchem Zustande gebuͤhren wolte/ biß sie der Fuͤrstlichen Geselschafft von ferne gewahr ward/ auch die Gut- sche dabey sahe/ deßwegen sie voller freude anfing zuruffen: Gluͤk/ lauter Gluͤk! die unsern sind Gott Lob ver handen/ und mein Sin traͤgt mirs eigentlich zu/ meines gnaͤdigsten Koͤ- niges Gemahl Fr. Sophia finde sich bey ihnen in der Gutsche. Gott gebe/ antwortete die Groß Fuͤrstin/ daß du vor dißmahl eine wahrhaffte Weissagerin seyst/ so wil ich dir auf ein andermahl eine grosse Luͤgen gerne zugute halten. Sie stiegen aber miteinander von dem Elefanten/ was vor Frauenzimmer auch in der Gutsche seyn moͤchte/ sie freundlich zuem- pfahen. Als Fr. Sophia solches ersahe/ hieß sie ihren Gutscher eilen/ und als/ sie auff 100 Schrit nahe hinzu kam/ stieg sie mit Frl. Sibyllen ab. Libussa stund hinter der Groß Fuͤr- stin/ erkennete die abgestiegenen alsbald/ und sagte zu der Groß Fuͤrstin: Ich bin eine gluͤk- selige Wahrsagerin/ dann dorten koͤmt Fr. Sophia mit Frl. Sibyllen her. Frl. Lukrezie bestaͤtigte solches/ drumb fassete die Groß Fuͤrstin dieselbe bey der Hand/ und trat ihnẽ frei- muͤhtig und mit einem laͤchelnden Angesicht entgegen. Diese aber verwunderten sich der- massen über ihrer volkommenen Schoͤnheit/ daß sie meyneten/ mehr ein himlisches als ir- disches Bilde zusehen/ wolten sich zwar viel gegen sie neigen/ aber Valiska eilete ihnen ent- gegen/ umfing Fr. Sophien mit einem inbruͤnstigen Kusse/ und redete sie also an: Verzei- het mir/ meine herzallerliebste Fr. Schwester/ daß ich des so langwierigen abwesens ihres Gemahls leider ursach seyn muͤssen; mein Gott weiß/ wie offt und viel mir solches unru- hige Gedanken gemacht/ und ich gewuͤnschet habe/ mein herzlieber Herr Bruder waͤhre bey seinem allerliebsten Gemahl daheim geblieben/ welches ihm ja nicht gefallen/ sondern noch dißmahl seinem Herkules folgen wollen; ich wil mich aber aͤusserst bemuͤhen/ diese Schuld auffs wenigste zuerkennen/ erfreue mich von ganzem Herzen ihrer Liebe guten ge- sundheit und Wolergehens/ der gaͤnzlichen Zuversicht zu unserm Gott gelebend/ er werde uns nach diesem goͤnnen/ in friedlicher Ruhe und fchwesterlichem Vertrauen manniche Zeit mit einander zuleben. Frau Sophia antwortete ihr mit zuͤchtiger Ehrerbietung: Durchleuchtigste Groß Fuͤrstin; es klaget Eure Durchl. sich gar unbillich einer sache an/ dieweder in ihrer Macht noch Willen gestanden; mein Gemahl hat wegen bruͤderlicher Schuldigkeit nicht anders gekunt/ als derselben Raubung zueifern/ weil sie umb seinet uñ meinet willen in dieses Ungluͤk gerahten wahr. Die Abwesenheit meines teuren Gemahls beklage ich durchaus nicht/ nachdem Eure Durchl. gluͤklich erloͤset ist/ daher mich daͤucht/ als waͤhre er kaum gestern von mir gezogen/ und danke dem allerhoͤchsten Gott/ daß er sie alle miteinander nach uͤberstandener Gefahr/ gluͤklich und gesund alhie hat anlangen las- sen; bitte sehr/ Eure Durchl. wolle ihr gn. gefallen lassen/ auff meines H. Vaters Hof mit uns einzukehren/ wofelbst deroselben nach meinem wenigen Vermoͤgen gehorsam auffzu- warten mich befleissigen wil. Die Groß Fuͤrstin ward uͤber solcher Demuht sehr unwillig/ und fing an: Ey meine herzgeliebete Fr. Schwester/ ich bitte durch Gott/ mit dergleichen nidertraͤchtigen/ und in mir Schahm und Unmuht wirkenden Reden mich hinfuͤro zuver- schonen; dann was solte mich mehr betruͤben oder kraͤnken/ als wann eine Großmaͤchtige Koͤnigin/ und meines leiblichen Herrn Bruders Gemahl/ mit mir anders als schwester- lich umgehen wolte; sihet aber Eure Liebe mich vor so stolz an/ muͤste mir leid seyn/ daß ich n n iij mich Sechstes Buch. mich vor deren Augen habe finden lassen; wo nit/ wird sie/ wann sie mich liebet/ mich nim- mermehr so hoch wieder betruͤben. Fr. Sophia entschuldigte sich bester massen/ und erklaͤ- rete sich/ weil ihrer Liebe es also gefiele/ ihrem Willen genuͤge zutuhn. Inzwischen hatten die beyden Fraͤulein sich herzlich/ und wol mit hundert Kuͤssen empfangen/ hernach sagte Frl. Lukrezie zu der Groß Fuͤrstin: Durchl. Fr. Schwester/ alhie sihet Eure Gn. unsere geliebte Freundin Frl. Sibyllen/ derẽ wir in unserm Gespraͤch so oft Erwaͤhnung getahn/ und stehet sie bereit/ Euer Gn. die Haͤnde zu kuͤssen. Sie ist mir eine sehr geliebte Freun- din/ antwortete sie/ umfing sie lieblich/ und versprach ihr alle Schwesterliche Liebe und Traͤue zuerweisen. Hingegen bezeigete sich das Fraͤulein sehr untertaͤhnig/ und baht/ dz sie ihre schlechtguͤltige Auffwartung ihr gn. moͤchte gefallen lassen. Es stunden aber die beydẽ jungen Fürsten eine geraume Zeit mit entbloͤssetem Haͤupte/ ehe sie ihr wilkommen verꝛich- ten kunten/ haͤtten auch weiters noch warten muͤssen/ wann nicht Herkules sein Gemahl erinnert haͤtte/ da er zu ihr sagte: Geliebter Schaz/ sehet da eure beyden Oheimbe/ den Koͤ- niglichen Fuͤrsten aus Schweden/ und meinen geliebten Bruder Fuͤrst Baldrich/ welche Gott aus sonderlicher Versehung biß hieher geleitet hat/ und bereit stehen/ eure Liebe zu gruͤssen. Die Groß Fuͤrstin erroͤhtete gar wegen ihrer unvermuhtlichen Gegenwart: und antwortete: Ach mein Gott/ sol dann der heutige Tag so voller Gluͤkseligkeiten seyn/ und mir die laͤngstgewuͤnschete Kundschafft dieser so angenehmen Oheimben und Freunde eꝛ- teilen? neigete sich zugleich sehr ehrerbietig gegen dieselben/ da Siegward zu ihr trat/ und auff ein Knie sich niedersetzend/ ihr die Hand kuͤssete/ nachgehend also anfing: Nachdem der guͤnstige Himmel mir den langgewuͤnscheten Tag scheinen laͤsset/ an welchem mir Ge- legenheit faͤllet/ Ihrer Gn. unvergleichlicher Vortrefligkeit aufzudienen/ habe ich den ge- wuͤnschten Zweg meiner Gluͤkseligkeit schon erreichet/ vor dißmahl demuͤhtig bittend/ daß in die Zahl ihrer bereitwilligsten Knechte ich moͤge untergenommen werden. Valiska beschwerete sich der Ehrerbietung gar zu schwerer auffgeladener Bürde/ welche zuer- tragen sie allerdinge sich unbestand befuͤnde/ baht deswegen den Fuͤrsten/ auffzustehen/ damit sie nicht gezwungen unhoͤflich seyn muͤste. Sie gward kuͤssete ihr die Hand zum an- dernmahle/ hub sich sittig auff/ und nach berührung des Saumes ihres Ober Roks gab er vor/ es waͤhre alle Welt schuldig/ vor ihrer hoͤchstruͤhmlichen Tugend sich zu demuͤhtigen/ und des Himmels volkommenes Meisterstuͤk gebührlich zuverehren/ baͤhte demnach/ ihre Gn. ihm sein unvermoͤgen in ablegung der schuldigen Ehre gnaͤdig zu gute halten/ und sich versichern moͤchte/ daß mit Gedanken er leisten wolte/ was in aͤusserlicher volbringung ihm unmoͤglich waͤhre. Herkules selbst gedauchte diese Hoͤfligkeit zu groß seyn/ setzete deß- wegen seine Reden ins mittel und sagete: Geliebter Bruder und Oheim/ eure Liebe duͤrf- ten mein Gemahl wol gar zu einer Stummen machen/ nach dem ihr schwer fallen wird/ dergleichen uͤber-ruhm zubeantworten. Dem ist freilich also/ sagte sie/ und behalte ich mir dieser unbilligkeit Rache billich bevor/ wo mir sonst nicht abtrag gemacht wird; neigete sich abermahl gegen ihn/ und trat hin zu Baldꝛich/ welcheꝛ gleichergestalt niderkniete/ und nach geleistetem Handkusse mit anmuhtiger Rede sagete: Durchl. Frau Schwester und Wase/ zu meines Herrn Bruders und eurer Durchl. Heyraht wuͤnsche ich den himlischen Se- gen/ erfreue mich ihrer gluͤklichen erloͤsung/ und moͤchte wůnschen/ daß unsere liebe Eltern dessen Sechstes Buch. dessen wissenschaft haben solten; im uͤbrigen wird meine Fr. Schwester an meiner wenig- keit einen stets bereitwilligen Diener haben. Die Fuͤrstin umbfing ihn freundlich/ bedan- kete sich der geschehenen Gluͤkwuͤnschung/ und erboht sich hinwieder zu aller schwesterli- chen Freundschaft. Nachgehends ward Frl. Lukrezie von ihnen auch hoch geehret/ da un- tedessen Fr. Sophia mit dem andern ankommen den Frauenzimmer ein freundliches Ge- spraͤche hielt; weil aber die Sonne ihren Untergang draͤuete/ und Libussen nach der Stad verlangete/ sagte sie aus scherz zu der Groß Fuͤrstin; Gnaͤdigste Frau/ sol ich bestellen/ daß die Zelten hervorgesucht und auffgeschlagen werden/ alsdann wird meine Schwester Eu- phrosyne umsuchen was vor eine kalte Kuͤche uns uͤbrig sey/ damit diese Fuͤrstl. Geselschaft den Hunger stille. Der Groß Fuͤrstin wahren ihre schwaͤnke bekant/ und gab ihr zur Ant- wort: Fuͤrchtestu dich schon/ daß du mit deinem Leches nicht gut geschir gnug haben/ und noch eine Nacht unsanft liegen werdest? noͤhtigte darauff alles Frauenzimmer auff den Elefanten/ uñ hielten auff demselben den Einzug. Es wahr schon gar fruͤh durch ganz Padua erschollen/ daß ihre Erretter wieder zu lande geschlagen/ und diesen Abend ankom- men wuͤrden; weil dann die ihnen erbauete trefliche Burg aller dinge fertig/ und mit aller Haußnohtturft uͤberfluͤssig versehen wahr/ sendete der Paduanische Raht/ Herꝛn Zezilius Antenor und eilf andere Herrn ihres mittels mit allen Stadspielleuten vor das Tohr/ sie zuempfahen/ und auff ihre Burg zu fuͤhren. Unsere Helden kanten sie alle/ stiegen deßwe- gen von ihren Pferden/ weil auch diese zu fusse gingen/ und wurden von wolgemeldetem Herrn also angeredet: Großmaͤchtigster Koͤnig Herr Ladisla/ uñ Durchleuchtigster Groß- Fuͤrst Herr Herkules; es erfreuen sich alle Einwohner dieser Stad uͤber der gluͤklichen Wiederkunft ihrer Erloͤser/ insonderheit der Raht und die Stad Obrigkeit hieselbst/ als welche mich und gegenwaͤrtige meine Amtsgesellen abgefertiget/ eure Durchll. und dero Geselschaft/ untertaͤhnig und gebuͤhrlich zuempfahen/ und auff ihre schon vor 12 Wochen verfertigte Burg zu fuͤhren/ mit untertaͤhniger und dienstfreundlicher bitte/ solches Ge- baͤu als ihr ewiges Erbe gnaͤdig und guͤnstig anzunehmen/ es nach ihrem belieben zube- wohnen/ und was daran noch gebauet zu werden/ ihnen gnaͤdig gefallen moͤchte/ kuͤhnlich anzuzeigen/ auch mit den schlechten Speisen/ die in solcher Eile haben koͤnnen zuwege ge- bracht werden/ freundlich voꝛ lieb zunehmen/ und unser aller gnaͤdige und gewogene Herꝛn stets zuverbleiben. Herkules bedankete sich in ihrer beyder Nahmẽ/ der hohen Ehre/ moͤch- te wuͤnschen/ daß die Stad der grossen Kosten des Gebaͤues haͤtten sparen wollen/ weil es ihnen aber also gefallen/ erkenneten sie daraus ihre hohe gewogenheit/ und ob sie gleich dem Herrn Stathalter ihre Geselschaft diesen Abend schon versprochen/ wolten sie dannoch ihnen gerne folgen/ auch sonst alle moͤgliche gelegenheit suchen/ ein dankbahres Herz sehen zu lassen/ verpflichteten sich der Stad zu dienste/ und bahten umb bestaͤndige gewogene freundschaft/ auch/ daß die Herrn Abgeordenten diesen Abend bey ihnen in Geselschaf t veꝛ- bleiben wolten. Hierauff ging Blaß-Trommel- und Seitenspiel durch einander/ daß man sein eigen Wort nicht hoͤren kunte. Die Abgeordenten stiegen auff ihre Gutschen/ uñ fuh- ren vorhin/ Herkules und Ladisla folgeten nach/ liessen Leches und Klodius alsbald nach des Stathalters Hoff reiten/ und ihn nebest seinem Gemahl nach ihrer neuen Burg hoh- len. Markus und Neda musten Herr Kornelius und Emilius mit den ihren herbitten/ sie Sechstes Buch. sie aber zogen mit ihrer Geselschaft fort/ biß sie auff den Markplaz kahmen/ da ihre gegosse- ne Bildnissen stunden/ und mit den ersten Merzenblümlein außgezieret wahren. Die klei- nen Kinder stunden umb denselben her/ sungen ihr gewoͤhnliches Liedlein (im ersten Bu- che am 211 Blade gemeldet) mit voller Stimme/ und drungen damit der Groß Fuͤrstin die Traͤhnen aus den Augen/ welche hieselbst mit dem Frauenzimmer von dem Elefanten stieg/ und nach besichtigung der auffgerichteten Bilder von den Abgeordenten treflich em- pfangen/ hernach mit Ladisla und Herkules in den Vorderplaz der neuen Burg gefuͤhret ward/ denen die andern alle folgeten. Der Abend verhinderte es/ daß alle denkwirdige sa- chen von ihnen nicht kunten besichtiget werden/ gingen durch einen treflichen Schwiebo- gen in den innern Plaz/ der mit Marmel uͤbersetzet und mit Blumen bestreuet wahr. Der grosse Gastsaal wahr gegen Mitternacht gebauet/ auff welchem 60 Tische kunten ange- richtet werden. An einer Seite stund die Stad Padua/ auff der andern die bestuͤrmung des Raubnestes so artig abgemahlt/ daß Herkules sich daruͤber zum hoͤchsten verwunderte. Der Stathalter und andere erbehtene Gaͤste kahmen bald herzu/ und nach bezeugung ih- res grossen mitleidens wegen der Groß Fuͤrstin muͤheseliger/ nunmehr geendeter Unruhe/ empfingen sie dieselbe sehr freundlich/ wurden auch dergestalt von ihr hinwiederumb ge- ehret/ daß sie daher schon ihren hohen Verstand und Tugend erkenneten. Nicht weniger bedankete sich der Stathalter und sein Gemahl gegen Fürst Baldrich und Siegwa r d/ wegen geschehener erloͤsung/ und erbohten sich zu aller Freundschaft und Liebediensten. Bey anrichtung der Abendmahlzeit nahm Herr Antenor die W i rtschaft auff sich/ hatte drey lange Tische auff diesem Saal decken lassen/ und wurden an dem ersten/ der Stathal- ter nebest allen Fuͤrsten/ auch seinem Sohn und dem jungen Sulpizius gesetzet/ da dañ H. Antenor wieder seinen willen hieselbst die Stelle nehmen muste. Ein jeder hatte sein Ge- mahl neben sich sitzen/ und ward Baldrichen Frl. Lukrezie/ Stegwarden Frl. S i bylla/ Ar- bianes Frl. Helena/ und Sulpizius Frl. Luzilla Antenoria/ Herrn Antenors Tochter bey- gefuͤget. Die übrigen Anwesenden nahmen die andern Tische mit ihren Ehegemahlen ein. Die Trachten wahren sehr koͤstlich/ daß jeden wunder nam/ wie man in so kurzer Zeit darzu haͤtte raht schaffen koͤnnen; so griffen auch die unsern frisch zu/ weil ihrer etliche die- sen Tag grosse muͤhe und wenig Speise genossen hatten. Nach geendeter Mahlzeit hiel- ten sie ein freundliches Gespraͤch/ und gab der Stathalter allemahl der Groß Fürstin an- laß zu reden/ weil jederman ihrer anmuhtigen vernuͤnftigen Erzaͤhlung gerne zuhoͤrete/ dz auch Frl. Helena in ihrem Herzen bekennen muste/ Herkules haͤtte inbetrachtung ihrer volkom̃enheit wenig Ursach gehabt/ sich einer andern zuergeben. Siegward hielt mit Frl. Sibyllen mancherley unterredung und mischete/ so oft sichs schicken wolte/ sein ansuchen/ umb geliebet zu werden/ mit ein/ worauff er zwar keine abschlaͤgige/ aber doch so genuͤgli- che Antwort nicht bekam/ als er wuͤnschete. So empfand auch Baldrich nicht geringe nei- gung gegen Frl. Lukrezien/ dessen er sich doch nicht merken ließ/ weil er weder mit ihr be- kant wahr/ noch ihr einzige Dienste geleistet hatte; verdienete aber nicht desto weniger gu- te Gunst bey ihr durch sein ehrliebendes zuͤchtiges Gespraͤch/ daß sie ihm diesen Abend sehr wol gewogen ward. Herkules uñ Ladisla redeten gar wenig mit der Geselschaft/ aber mehꝛ mit ihrem Gott im herzen/ und danketen ihm vor seine gnaͤdige huͤlffe/ die er ihnen bißher so Sechstes Buch. so reichlich erzeiget hatte. Der Stathalter meinete/ die muͤdigkeit und unlust der außge- standenen Meer-reise/ waͤhre ihres stillschweigens Ursach/ deßwegen stellete er ihnen frey/ nach belieben sich zur Ruhe zubegeben/ welches ihnen nicht unangenehm wahr/ nicht/ daß sie alsbald schlaffen gehen/ sondern ihrer gewohnheit nach/ ihr Dankgebeht zu Gott halten wolten/ weil sie vor dem Essen darzu keine Gelegenheit gehabt/ nahmen demnach freund- lichen abscheid von der ganzen Geselschaft/ da ihnen der junge Fabius und die andere Chri- sten Mannes und Weibesbilder auff dem Fusse nachfolgeten/ weil sie durcheinen Wink verstaͤndiget wurden/ daß der Gottesdienst solte gehalten werden. Als sie nun in einem ab- gelegenen Gemache sich allein befunden/ schicketen sie sich zur Andacht/ setzeten sich mitein- ander auff die Knie/ uñ nam die Groß Fürskin ihr Buch zur Hand/ aus welchem sie unter- schiedliche Dankgebehte mit heller Stimme lase/ auch hernach aus Koͤnig Davids Ge- behtbuche/ der Psalter genennet/ den 9/ 11/ 16/ 18/ 23/ 30/ 34/ 40/ 46/ 92/ 96/ 103/ 111/ 118/ uñ 145/ Psalm; danketen also ihrem Gott zwo Stunden von ganzem herzen vor seinen au- genscheinlichen/ ihnen in allen noͤhten geleisteten beystand; stimmeten auch miteinander den 107 Dankpsalm Davids/ gesangsweise an/ welchen Herkules auff der Meers-Reise in Lateinische verse eingerichtet hatte/ und sein Gemahl sie hernach also übersetzete: Der CVII Psalm. 1 P Reist unsern Gott von wegen seiner Guͤte/ Dann sein barmherziges Gemuͤhte Bestehet biß in Ewigkeit. Diß sagen/ die der HErr hat frey gesprochen/ Und in der hochbetruͤbten Zeit Die schwere Last der herben Noht gebrochen. 2 Die Er von den weit abgelegnen enden Hat lassen wiederumb anlaͤnden Von dannen da die Sonn’ auffsteht/ Und da sie sich zu Abendzeit verstecket/ Da wo die Norden Kaͤlte geht/ Und wo das Meer den Boden gar bedecket. 3 Sie gingen in der Wuͤsteney verirret/ Der Weg wahr einsam und verwirret/ Und traffen nirgend keine Stad Zur Wohnung an. Sie wahren aus der massen Von durst und hunger muͤd’ und mat/ Daß sie auch schier die Seele musten lassen. 4 Da traten sie zum Herrn mit ihrem behten/ Der brachte sie aus Angst und noͤhten/ Und fuͤhrete sie richtig an/ Daß sie den Weg gebuͤhrlich vor sich nahmen/ Und wandelten die ebne Bahn/ Zur Stad/ da sie zur freyen Wohnung kahmen. 5 Die sollen nun dem HErren Dank beweisen Vor seine Gunst/ und hoͤchlich preisen Die grossen Wunder die Er tuh t Hier unter uns; daß er die Seel / erfuͤllet Mit seinem allerhoͤchsten Gut/ Und ihren Durst und Hunger fein gestillet. 6 Die welche da in todes Schatten lagen Und in die Eisen eingeschlagen/ Weil sie des HErren Lehr und Wort/ Des hoͤchsten Raht so durften untertreten; Drumb plaget’ Er sie fort und fort/ Sie fielen hin/ und durfte keiner retten. 7 Da traten sie zum HErrn mit ihrem behten/ Der brachte sie aus Angst und noͤhten/ Und fuͤhrete sie her ans Licht/ Aus dunkelheit und aus des todes Schatten/ Die schweren Ketten blieben nicht/ Die sie vorhin so hatt gebunden hatten. 8 Die sollen nun dem HErren Dank beweisen Vor seine Gunst/ und hoͤchlich preisen Die grossen Wunder die Er tuht Hier unter uns/ daß Er die Ehrnen Tuͤhren Durch hin zu bricht/ und macht die Huht Der Riegel gar zu Wasser/ wie wir spuͤren. 9 Die Narren die von ihrer Suͤnde wegen Und uͤbeltaht/ mit harten schlaͤgen Sind heimgesucht von ihrem Gott; Daß ihre Seel’auch ekelt vor den Speisen/ Die musten nunter in den Tod Durch Krankheit und viel ungemach hinreisen. o o 10 Da Sechstes Buch. 10 Da traten sie zum HErrn mit ihrem behten/ Der brachte sie aus Angst und noͤhten/ Und sendete sein Wort herzu/ Er machte sie gesund von allen Seuchen/ Schafft ihnen Fried und suͤsse Ruh/ Daß Noht und Tod von ihnen muste weichen. 11 Die sollen nun dem HErren Dank beweisen Vor seine Gunst/ und hoͤchlich preisen Die grossen Wunder die Er tuht Hier unter uns; sie sollen Gott danksagen/ Und alle saͤmtlich wolgemuht Des HErren Werk mit freuden weit außtragẽ. 12 Die auff dem Meer mit vollem Saͤgel fahren/ Und hohlen ihre frische Waaren Von fern auff grossen Wassern her/ Die haben recht des HErren Werk gesehen Und seine Wunder in dem Meer/ Dz wañ er spricht/ wind uñ sturm muß loßgehẽ. 13 Da fuhren sie gen Himmel auff den Wellen/ Die musten sie gleich wieder fellen Biß in den allertiefsten Sand. Deß wolt ihr Geist vor bangigkeit verzagen/ Weil ihnen saͤmtlichen geschwand Wie Trunkenen und wusten nichts zu sagen. 14 Da traten sie zum HErrn mit ihrem behten/ Der brachte sie aus Angst und noͤhten; Da ward der truͤbe Himmel klar; Das Wetter brach/ darob sie freude nahmen/ Daß es so schoͤn und stille wahr/ Und sie durch ihn zum lieben Hafen kahmen. 15 Die sollen nun dem HErren Dank beweisen Vor seine Gunst/ und hoͤchlich preisen Die grossen Wunder die Er tuht Hier unter uns. Sie sollen bey den Leuten Aus Herzenbrunst und Andachtgluht Ihn ruͤhmen/ und bey alten stets ausbreiten. 16 Der Fluͤsse macht zu duͤrren Wuͤsteneyen/ Und Brunnen/ die sonst Wasser speyen/ Laͤst uͤberal versieget seyn. Der alle Frucht des Ackers laͤst verschwinden/ Daß er saur wird/ und traͤgt nichts ein/ Von wegen der Einwohner groben Suͤnden. 17 Der trocken Land mit Wasser reichlich fuͤllet/ Daß duͤrrer Sand viel Guͤsse bringet/ Gleich einer aufgelauffnen Bach; Und macht/ das die dem Hunger musten frohnẽ/ Nunmehr da bleiben vor und nach In Staͤdten/ die sie bauen zubewohnen. 18 Auff daß sie da dem Acker Samen geben/ Und den Weinbergen schoͤne Reben/ Daß sie zu recht-gelegner Zeit Die reiffe Frucht mit voller Erndte kriegen/ Da geht sein Segen weit und breit/ Sie nehmen zu/ ihr Vieh muß nicht erliegen. 19 Doch werden sie gemindert und verstossen/ Wann uͤber sie wird ausgegossen Angst und beschwere Grausamkeit. Wann er den Spot auff ihre Fuͤrsten schuͤttet/ So gehen sie ohn Unterscheid Auff falscher Bahn/ und werden gar verruͤttet. 20 Noch schuͤtzet er die Armen vor gefaͤhrde/ Und mehret sie gleich einer Heerde. Das siht ein jeder frommer Mann Mit Lust; da muß das Maul die Bosheit haltẽ/ Wer ist klug und merkt dieses an? Der kan verstehn/ wie Gottes gunst wird waltẽ. Nach Endigung dieses Gesanges lase die Groß Fuͤrstin diesen ihren gewoͤhnlichen Abend- segen: Das walte Gott Vater/ Sohn/ und Heiliger Geist/ Amen. Gnaͤdiger und barmherziger Gott und Vater/ ich danke dir durch deinen lieben Sohn JEsus Christ/ meinen Heyland und Erloͤser/ daß du mich heut diesen Tag und die ganze Zeit meines Lebens so gnaͤdig- und vaͤterlich behuͤtet und bewahret hast vor Schaden und Gefahr/ vor des Teuffels Trug und List/ vor der Welt verfuͤhrischem Graͤuel/ vor Leibes und Seelen unfall/ vor unvermuhtlichen schnellen Tod/ und vor alle dem/ was mich von deiner Liebe haͤtte abzihen koͤnnen. Ich bitte dich von ganzer Seele/ verzeihe mir alle meine Suͤnde und Missetaht/ damit ich dich jemahls erzuͤrnet/ und nicht allein zeitliche Straffen/ sondern auch den ewigen Tod wol verschuldet habe. Nim dich hinte und die ganze folgende Zeit meines Lebens meiner getraͤulich an/ und fasse mich unter die Beschtrmung deiner Gnaden Fluͤgel/ damit weder mein Fleisch/ noch der leidige Teuffel/ noch boͤse gottlose Menschen mich beruͤcken und in unfal stuͤrzen. Die Obhuet der lieben heiligen Engel laß uͤber mich walten/ daß ich sicher ruhen/ und gesund wieder auff- stehen Sechstes Buch. stehen moͤge. In deine Haͤnde/ mein Gott und Erloͤser/ befehle ich mein Leib und Seele/ mein Ge- mahl/ Eltern/ Soͤhnlein/ und alle Anverwanten; bekehre HErr GOtt/ die noch in der heydnischen Blindheit stecken/ und die schon erleuchtet sind/ bestaͤtige in deiner Warheit und Liebe/ daß weder Troz noch Gewalt/ weder Ehre noch Schande/ weder Gluͤk noch Unfal/ weder Leben noch Tod sie von dei- ner Liebe und Bestaͤndigkeit abschrecke. Laß mein uͤbriges Leben nach deinem Wolgefallen angestellet seyn/ zu Lobe deinem hochheiligen Nahmen/ und zu meiner Seelen Heil und Seligkeit/ Amen/ Amen. Hierauff behteten sie das heilige Vater Unser/ den Christlichen Apostolischen alge- meinen Glauben/ und beschlossen mit diesem Spruͤchlein des 33sten Psalmes: Unsere Seele harret auff den HErrn/ er ist unser Huͤlffe und Schild; dann unser Herz freuet sich sein/ und wir trauẽ auf seinen heiligen Nahmen; Deine Guͤte/ HErr/ sey uͤber uns/ wie wir auff dich hoffen. Hernach verfuͤgeten sie sich/ ein jeder auf sein zubereitetes Schlafzimmer/ ohn daß Fr. Sophia und Frl. Lukrezie wieder nach den Gaͤsten gingen. Sie gward hatte unter dessen bessere Gelegenheit gefunden/ mit seinem geliebten Fraͤulein zureden/ uñ bemuͤhete sich sehꝛ/ eine unbedingete Antwort bey ihr zu erhalten/ welches ihr aber die Jungfraͤuliche Zucht nicht goͤnnen noch zulassen wolte/ ob sie gleich ihr Herz schon darzu geschicket hatte; Zwar sie gestund/ daß wegen beschehener Rettung sie ihm hoch verpflichtet waͤhre/ weil sie aber über sich selbst keine Gewalt haͤtte/ sondern ihren Eltern und Anverwanten billich muͤste untergeben seyn/ würde er nach seiner Fürstlichen Vernunfft leicht ermaͤssen/ wie in solchen sachen ihr nicht geziemen wolte/ schließliche Antwort zugeben/ zweifelte auch nicht/ er wuͤr- de solches vielmehr an ihr loben/ als tadeln oder hassen. Er aber kunte sich hiemit nicht be- friedigen lassen/ sondern erwiederte/ daß in dergleichen Teidungen deren Wille eigentlich der vornehmste waͤhꝛe/ denen es zum naͤhesten anginge; wolte gleichwol dieses nicht zu dem Ende geredet haben/ als ob er ihre hochansehnliche Eltern und Anverwanten vorbey zuge- hen oder zuverachten willens waͤhre/ nur allein baͤhte er umb so viel Versicherung/ dz wañ er an solchen Orten ein solches suchen wuͤrde/ sie ihm nicht verhinderlich oder zuwider seyn wolte. Hieselbst befand sich das Fraͤulein gefangen/ durffte es doch unbeantwortet nicht lassen/ und gab ihr gleichwol die gewoͤhnliche Scham nicht zu/ eine richtige Erklaͤrung von sich zugeben/ ungeachtet Fr. Sophia sie dessen schon gnug versichert hatte/ dz ihren Eltern angenehmers nicht wuͤrde begegnen koͤnnen/ sondern sagte zu ihm: Durchl. Fuͤrst/ Eure Liebe halten bey mir umb ein solches an/ wovor ich billich hoͤchlich Dank sage/ mich auch wol erinnere/ daß demselben meiner Ehren heutige Rettung naͤhest Gott zudanken habe/ und daher ihm nach Moͤgligkeit zubegegnen schuldig bin; Ich bitte aber sehr/ Eure Liebe wollen mir in diesem Stuͤcke bedenkenszeit goͤnnen/ und inzwischen sich versichern/ dz mei- ner herzgeliebeten Eltern und Anverwanten Wille/ des meinigen die unfehlbahre Richt- schnur seyn und bleiben muß; wobey dieses anzuhaͤngen ich mich selbst uͤberwinden wil/ dz meine Eltern und Freunde wol erkennen werden/ wie viel Euer Liebe sie schuldig sind. Fr. Sophia setzete sich zu Siegward nider/ und fragete ihn/ wie er sich an der von dem Raͤu- ber empfangenen Wunde befuͤnde; Worauf er zur Antwort gab: Dieser Verletzung waͤhre leicht raht zuschaffen/ wann das Fraͤulein nur zuerbitten seyn moͤchte/ daß sie ihm feine Herzenswunde/ welche sie ihm geschlagen/ wieder heilen wolte/ koͤnte aber weder huͤlf- fe noch Verwerffung bey ihr erlangen/ indem sie mit zweifelhafter/ und auf Schrauben ge- stelleter Antwort je mehr und mehr sich vernehmen liesse; wann aber Ihre Liebe der heut o o ij fruͤh Sechstes Buch. fruͤh getahnen Verheissung gnaͤdig eingedenke seyn/ und ihm seinen Wunsch erhalten wol- te/ wuͤrde sie ihn sich dergestalt verbunden machen/ daß zeit seines Lebens er sich vor ihren verschuldeten halten und erkennen muͤste; dafern aber diese seine Bitte nicht stat haben koͤn- te/ würde die Unertraͤgligkeit ihm die lezte Urtel bald sprechen/ deren zuunterwerffen er sich schon gefasset hielte. Wie meynet Eure Liebe/ antwortete Fr. Sophia/ daß meine Fraͤulein Schwester zu solcher Undankbarkeit angewiesen ist/ daß sie dessen Verderben suchen solte/ der ihre Ehr und Leben von dem schaͤndlichen Verderben/ mit Darstreckung seines Koͤ- niglichen Blutes errettet hat? Eure Liebe wollen sie des Verdachts freundwillig erlassen/ und von mir die Versicherung nehmen/ daß ihre Vernunfft dessen viel anders unterwie- sen ist. Zwar ihre Zucht und Scham ist mir wol bekant/ und muß sie billich in dieser Sa- che bedachtsam fahren/ damit Eure Liebe nicht schier heut oder morgen selbst daher Ursach nehme/ ihre gebuͤhrliche Zucht in Argwohn zuzihen. Wolle demnach dieselbe sich ein wenig gedulden/ biß ich Gelegenheit habe/ meiner Frl. Schwester Eltern es zuhinterbringen/ welches keinen Tag sol auffgezogen werden/ da dann Eure Liebe an billicher Dankbarkeit nicht zweifeln sol. Siegward ging hierauf in sich/ und befand/ daß seine Anwerbung viel zu hefftig getrieben wahr/ bedankete sich anfangs gegen Fr. Sophien/ und sagete nachge- hends zu dem Fraͤulein: Verzeihet mir/ Hochgebohrnes Fraͤulein/ daß meine Kuͤhnheit durch gar zu hefftige Liebesregungen sich hat aufftreiben lassen/ die lohbrennenden Flam- men meiner Begierden ohn Zumengung einiger Hoͤfligkeit heraus zustossen; ich bekenne meinen gar zu groben Fehler/ und wil mich aͤusserst bemuͤhen/ denfelben zuersetzen/ dafern nur bey euer Vortrefligkeit ich des ergangenen Vergebung erhalten kan. Sie antwortete ihm mit holdseliger Stimme: Durchl. Fürst/ ich vernehme ganz gerne/ daß Eure Liebe sich in ihrer Anstraͤngung maͤssigen wollen/ denen zubegegnen ich mich unbestand befinde/ wil demnach hernaͤhst mit Euer Liebe desto kuͤhner reden/ und stets nachfinnen/ wie vor besche- hene Rettung mit deren guten Vergnuͤgung ich mich dankbarlich einstellen koͤnne. Aber/ sagte sie zu Fr. Sophien/ warumb bleibet sie nicht bey ihrem liebsten Gemahl/ und laͤsset denselben allein schlaffen? Ich danke Gott von herzen/ gab sie zuꝛ Antwort/ daß ich ihn wie- der habe/ werde mich auch nach Trennung diefer Geselschaft bald hey ihm finden; wie dañ solches nicht lange anstund/ weil der Stathalter aufbrach/ und die Gaͤste alle folgeten/ die beyden Fuͤrsten auch auff ein schoͤnes Schlaf Gemach gefuͤhret wurden/ und die beyden Fraͤulein allernaͤheft bey Herkules Zimmer ihre Kammer hatten. Die beyden Fuͤrsten/ so bald sie allein wahren/ offenbahreten einander ihre Liebe/ und troͤsteten sich/ daß vermittels Frr. Valisken und Sophien sie ihren Zweg noch wol erreichen koͤnten. Es hatte aber Frl. Lukrezie Siegwarden gute Zuneigung zu Frl. Sibyllen fleissig angemerket/ kunte daher nicht unterlassen/ sie nach ihrer Entkleidung damit zustechen/ und fing an: Herzgeliebtes Schwesterchen/ was schenkete mir Fuͤrst Siegward drumb/ wann ich ihm hinte meine Schlaffstelle uͤberliesse? Sibylla bezahlete sie baar mit dieser Antwort: Hierzu wuͤrde dich/ geliebte Schwester/ nichts bewaͤgen/ als daß du mit ihm einen angenehmen Tausch halten moͤchtest; aber gib dich zufrieden/ ich wil Fuͤrst Baldrichen deine gute Gunst und Gewogenheit mit ehestem zuerkennen geben/ und deinen schrifftlichen Aufzug mit Silvan zuvergelten wissen/ welcher mir zwar uͤberaus grossen Schrecken verursachete/ aber gegen den Sechstes Buch. den heutigen wahr es kaum zurechnen; erzaͤhlete hiemit/ wie nahe ihr die Gewaltsamkeit gewesen/ welche einig dieser Fuͤrst abgekehret haͤtte. So bistu ihm billich verpflichtet/ sagte Lukrezie; aber dein Einwurff hat weder Schmak noch Klang; dann vorerst weistu/ daß ich Fuͤrst Siegwards stelle nicht einnehmen wuͤrde/ da er sie mir gleich anboͤhte/ wuͤste auch nicht/ daß du unser beyder wegen einigen Verdacht fassen koͤntest/ ohn daß er bey mir geses- sen. Hastu dann mehr ursach zuargwohnen? fragte Frl. Sibilla/ oder hat er dich/ mir seine Liebe vorzutragen/ irgend begruͤsset? betriegen mich meine Augen nicht/ so haben die deine dich schon zimlich verrahten/ welche Fuͤrst Baldrichen viel fleissiger beschaueten/ als einigẽ andern anwesenden. Ach nein/ antwortete die verschlagene Lukrezie/ meine Augen musten wol ruhen/ dann die Ohren hatten viel zuviel zufchaffen/ euer beyder verliebete Reden ein- zunehmen/ daß deiner Kuͤhnheit mich nicht wenig wunder nam. Das from̃e Sibyllichen meynete nicht anders/ sie haͤtte alles gehoͤret/ welches jene doch nur tichtete/ gab deswegen zur Antwort: Herzen Schwesteꝛchen/ ich habe ihm ja die Rede nit veꝛbieten koͤnnen/ vielwe- niger mich ihm unwuͤrsch erzeigẽ/ wolte ich nicht vor unhoͤflich angesehen seyn. Ich weiß ja wol/ wie viel ich ihm schuldig bin/ und dafern er ein Christ waͤhre/ wuͤrde ich ihn auf meiner lieben Eltern geheiß nicht ausschlagen/ aber einem Heyden vermaͤhle ich mich nun nicht/ sondern sterbe viel lieber im Jungfern Stande; und wie froh wolte ich feyn/ wann du dich auch finden/ und den allein seligmachenden Christlichen Glauben annehmen koͤntest/ wel- cher von meiner Schwester Fr. Sophien mir schon lange ausgelegt und vorgetragen ist/ ich ihn aber erst gestern Abend angenommen habe/ und daher/ Gott Lob/ einen sonderlichen Trost emfinde. Frl. Lukrezie umfing sie auff diese Rede/ und sagete: O wie angenehm ist mir diß zu hoͤren/ daß du dich zu unserm heiligen Glauben gegeben hast! dein Wunsch ist an mir schon lange erfuͤllet/ massen ich schon albereit eine getauffte Christin bin/ und habe naͤhst Gott meine Bekehrung bloß allein Groß Fuͤrst Herkules zudanken/ dem ich bißher mit keuscher schwesterlicher Liebe zugetahn bin/ daß ich umb Heyrahtsachen mich nicht be- kümmert/ oder davon hoͤren moͤgen/ ungeachtet meine Eltern nicht allein von dem naͤrri- schen Prokulus/ sondern auch von Herrn Karvilius und andern vornehmen Roͤmifchen Rittern eine zeither Ansprache gnug gehabt; dann so wenig sie als ich/ haben Lust/ mich ei- nem Heyden zuvermaͤhlen/ und weil Fuͤrst Baldrich eben so wenig als Siegward dem Christentuhm zugetahn ist/ wuͤrde er umsonst hoffen/ wann er in den Gedanken stehen solte. Wie aber/ antwortete Frl. Sibylla/ wann deinetwegen ich mich bemuͤhete/ ihn zum Christ- lichen Glauben zubringen/ woltestu dich dann weiters noch wegern/ mit Fuͤrst Siegward die Schlafstelle zuvertauschen? Aber ich vernehme ganz gerne/ daß du und ich einen Freier an Prokulus gehabt/ der/ wie ich berichtet bin/ bey meinen Eltern neulicher Zeit einen stat- lichen bodem-losen Korb bekommen; Da nun deine Meynung/ welche du von Fuͤrst Sieg- ward gefasset hast/ vor sich gehen solte/ koͤnte in dieser Heiraht mit Prokulus ich dir gute Dienste leisten. Frl. Lukrezie lachete des erbietens/ und antwortete: Unser Gott wird uns schon bescherẽ/ wz er uns gnaͤdig ausersehen hat; Und vielleicht gibt es die gelegenheit/ schieꝛ morgen oder uͤbermorgẽ bessere Kundschaft mit den liebẽ Fuͤrsten zumachen/ nur bleibe dem deinen getraͤu/ und mache mir den meinẽ durch deine veꝛloͤffelte Augẽ nit abspenstig. Fuꝛcht ist allem ahl bey den verliebeten/ sagte Frl. Sibylla/ drum wird es an dir nit fehlen; nam sie o o iij bey Sechstes Buch. bey der Hand/ uñ fuͤhrte sie mit sich nach Bette. Der junge Fabius war fruͤzeitiger mit sei- ner liebsten Ursulen schlaffen gangẽ hatte ihr alsbald sein Christentuhm offenbaret/ uñ sie ernstlich erinnert/ ihrer Seligkeit wahrzunehmen/ und nach dem Beyspiel seiner Schwe- stet/ ihr den Christlichen Glaubẽ gefallen zu lassen/ welches sie zu seiner vollen vergnuͤgung beantwortete: Es haͤtte seine Schwester sie darzu oft und viel/ auch noch gestern Abend in der Raͤuber Hoͤhle ganz fleissig vermahnet/ so waͤhre sie auch davon nicht abgeneigt gewe- sen/ nach dem sie ihr diesen Glauben fleissig vorgetragen und erklaͤret/ nur weil sie an seiner einwilligung gezweifelt/ haͤtte sie es auffgeschoben/ und wolte sie von nun an mit Gottes huͤlffe eine Christin leben und sterben/ worauff sie beyderseits ihr andaͤchtiges Gebeht zu Gott verrichteten/ und daruͤber von herzen erfreuet wahren. Siegward und Baldrich wahren des folgenden morgens am ersten munter/ und so bald jener sich hatte verbinden lassen/ legten sie himmelblaue Kleider an/ mit Silber reichlich gesticket; die Bein Kleidung und darzu gehoͤriger Schmuk wahr alles von schneweisser Seide mit Silber durch webet und besetzet/ welches ihnen zierlich anstund. Die Fraͤulein erwacheten auch mit der Son- nen auffbruch/ umbfingen sich herzlich/ und tahten ihr Christliches Morgengebeht/ und als sie etwas waches im innersten Platze vernahmen/ sahen sie aus dem Fenster/ und wurden der beyden Fürsten gewahr/ die ein langes Bret hatten setzen/ und die eilf Haͤupter der er- schlagenen Raͤuber darauff stellen lassen. Das unvermuhtliche anschauen dieser bey den faͤrbete die Fraͤulein feurroht unter dem Angesicht/ daß je eine die andere fragete/ was die- se starke verenderung bedeutete/ uñ weil keine trauen wolte/ gingen sie bey de vor den Spie- gel/ da Lukrezie sagete: Was verbirgestu mir deine zuͤchtige flammen/ mein Schwesterchẽ? sihe da/ diesen Kuß gebe ich dir im nahmen und von wegen Fuͤrst Siegwards. Ich bedan- ke mich/ antwortete sie/ und werde ihn hernach fragen/ ob du dessen von ihm befehl habest; abeꝛ diesen Kuß schicket dir Prokulus von Rom uͤbeꝛ. Das Fꝛaͤulein haͤtte sich dessen schieꝛ geeifert/ und sagte: Pfui des ungenehmen garstigen Kusses! nimmer mehr werde ich den- selben an meinen Lippen sitzen lassen; fassete alsbald ein Tuch/ und rieb damit ihren schoͤnen Mund/ gleich als waͤhre er beschmitzet. Aber Fraͤulein Sibylla sagte: Nun nun Schwe- ster/ wegere dich nicht zu hart; das alte Sprichwort ist wol ehe wahr worden/ die sich gra- men/ die sich nahmen. O weh! antwortete sie/ davor wolte ich mir den bittern Tod kiesen. Und wie kanstu mir so schlechten dank erzeigen/ da ich dir deinen besten Schaz zugewuͤn- schet habe? Ich weiß noch von keinem Schatze/ sagte sie/ doch so viel ich merke/ muß ich mein verbrechen wol verbessern/ kuͤssete sie zum andernmahle viel freundlicher und sagete: Diesen Kuß gibt dir der Durchl. Groß Fuͤrst Baldrich/ uñ bittet dessen vergeltung. Nun faͤhrestu ja noch etwas bescheidener/ antwortete Frl. Lukrezie/ und wann ich gleich diesen auch abwischen wolte/ darff ich doch nicht wegen meines Herr Brudern Groß Fürst Her- kules/ welchen ich dadurch erzuͤrnen moͤchte; Also trieben diese keusche Fraͤulein ihre ehr- liebende Kurzweil miteinander/ und wurden eins/ sich den beyden Fuͤrsten gleich zu kleiden/ als ob es ohngefehr geschehen waͤhre/ putzeten sich auch ohn zutuhn ihrer Leibdienerinnen dermassen koͤstlich aus/ daß der Stathalter selbst und sein Gemahl dessen Ursach merketen. Sie hatten sich kaum angetahn/ da kam die Groß Fuͤrstin und Fr. Sophia zu ihnen/ und brachten eine grosse menge treflicher Kleinot mit sich/ welche sie den beyden Fraͤulein im nahmen Sechstes Buch. nahmen Herkules und Ladisla zum Beutpfennige einhaͤndigten/ und wie fast Sibylla sich wegerte/ muste sie doch dieselben annehmen/ weil die Groß Fuͤrstin ihr solche selbst anlegete/ da sie zu ihr sagete: Gott gebe/ daß ich meine geliebte Frl. Schwester bald als eine wirdige Braut moͤge helffen außkleiden/ worauff an meinem Orte ich wil bedacht seyn. Lukrezie kunte das schmuzerlachen nicht einhalten/ und sagte: Durchl. Groß Fürstin/ meiner Frl. Schwester hat hinte schon von einem Braͤutigam getraͤumet. Schweig du Plaudermaz/ antwortete Frl. Sibylla/ ich weiß nicht/ wer dich zu Jerusalem das Tichten (haͤtte schier was groͤbers gesagt) so artig gelehret hat. Es ist kein Tichten/ sagte Fr. Sophla dañ mich duͤnket/ das Eisen liege schon in der Schmide/ welches ihr das Frauenzeichen brennen sol. Ach wie gehets allemahl uͤber die froͤmmesten und einfaͤltigsten/ wann sich die Spoͤtter rot- ten/ klagete das Fraͤulein; doch litte ichs alles gerne/ wann nur die Durchl. Groß Fuͤrstin daher mich nicht in vergeblichen argwohn zihen moͤchte. Valiska getranete Sophien/ hoͤ- rete es doch mit innerlichem unwillen/ dann sie hatte ihr schon einen Braͤutigam im her- zen außersehen/ deßwegẽ sagte sie: Mir zweiffelt nicht/ meine geliebte Frl. Schwester wer- de mit keinem unwirdigen sich in verloͤbnis einlassen/ wiewol hievon zu reden mir nicht gebuͤhren wil; Frl. Lukrezien betreffend/ bin ich schon versichert/ daß sie mich umb solche sachen werde mit wissen lassen/ wann sie dergleichen vornehmen solte. Sibylla wolte sich viel entschuldigen/ aber die Gelegenheit ward ihr benommen/ massen Herkules und Ladis- la zu ihnen hinein traten/ da nach geschehener empfahung Frl. Lukrezie in ihrer Rede fort- fuhr/ und zu der Groß Fuͤrstin sagete: Ich habe meiner geliebten Schwester/ Frl. Sibyllen gestern Abend und heut früh einen gefreiet/ und von ihr schon volkommene Zusage erhal- ten/ daß ihrer Eltern willen und unwillen ungeachtet/ sie diesem Braͤutigam sich ergeben/ und seine Gedaͤchtnis aus ihrem Herzen nimmermehr kommen lassen wolle/ nachdem ich sie dessen traͤue und ungefaͤrbeter Liebe versichert habe. So wil ich der erste seyn/ sagte Her- kules/ der hierzu von herzen Gluͤk wuͤnschet. Ladisla folgete/ und die uͤbrigen Anwesenden/ daher das gute Fraͤulein so bald zu keiner Antwort kommen kunte; endlich gegen Frl. Lu- krezien sich kehrend/ also anfing: Geliebte Schwester/ warumb erkuͤhnestu dich/ diese Hoch- Fuͤrstl. Geselschaft mit ungleichem bericht auffzuzihen/ dessen zu dir ich mich nim̃ermehr versehen haͤtte? bitte demnach eure Liebden ingesamt/ mir zuverzeihen/ daß deren vergebli- che Gluͤkwuͤnschung zubeantworten ich vor überfluͤssig schaͤtze; hat aber meine Frl. Schwe- ster etwa ein Scherzwort geredet/ muͤste sie ja billich verschwiegen halten. Schweige lie- bes Kind/ sagte Frl. Lukrezie/ und verrahte dich selber nicht/ ich rede von dem himlischen Braͤutigam unserm Heylande/ zu dem du Gott lob getreten/ und dadurch ein Gliedmaß der Kirchen Gottes worden bist; im uͤbrigen weiß ich mich keiner andern Rede zuerin- neꝛn/ es waͤhre dann sache/ daß meinen Scherz mit Prokulus du in ernst verstehen woltest. Dieses ist ohn zweiffel die beste Heyraht/ fagte Herkules/ und wird dieser Seelen-Braͤuti- gam b meiner Frl. Schwester ihren Leiblichen schon außersehen haben. Also gab sich das Fraͤulei n zu frieden/ und wahr ihr leid/ daß sie sich so weit schon bloß gegeben hatte/ welches dann zuv er bessern sie zu Lukrezien sagte: Ob ich gleich deine aufftreiberey mit dem elenden Prokulus vo r e ine kurzweil gehalten habe/ muste ich mich doch befahren/ andere/ denen solches unwisse n / moͤchten es anders außdeuten; weil du aber selbst ihnen allen mißver- stand Sechstes Buch. stand benommen hast/ muß ich dir deinen willen zu gute halten. Fr. Sophia noͤhtigte die Geselschafft mit nach dem Saale zu gehen/ woselbst ihre Eltern sich schon eingestellet haͤt- ten/ und ihrer warteten; Als sie nun auff dem Obergange fortgingen/ begegneten ihnen Baldrich und Siegward/ welche frenndlich empfangen wurden/ und sagte Fr. Valiska zu ihnen: Geliebte Herrn Oheimbe und Bruͤder/ wann sie vor einer guten Stunde kom- men waͤhren/ haͤtten sie gelegenheit fundẽ/ mit diesen beydẽ lieben Engelchen allein zuspra- chen/ welches nun verabseumet ist; dann weil ich zu gegen bin/ wil mein Vorwiz allemahl mit im Spiele seyn. Aber Fuͤrst Siegward/ wie stehets umb enre Wunden? Dieser ant- wortete; Seines gluͤckes verseumnis waͤhre ihm sehr leid; die im Raͤuberstreite empfan- gene Wunde haͤtte sich in etwas entzuͤndet/ wuͤrde aber des Arztes außsage nach/ bald ge- heilet seyn. Fr. Sophia stoͤrete ihr Gespraͤch/ einwendend/ es würde Zeit gehens seyn/ weil die boßhaften Raͤuber den Lohn ihres verbrechens noch vor der Mahlzeit einnehmen sol- ten; hernach wuͤrden die vornehmsten des Rahts auff ihrer Eltern Hofe zur Gaͤsterey er- scheinen; damit wir aber/ sagte sie/ nicht ohn ordnung gehen/ wolle der Durchl. Fuͤrst Bal- drich meine Frl. Schwester Lukrezien hinzufuͤhren unbeschweret seyn; gab sie ihm damit an die Hand/ welches er mit hohem Dank annam/ und nach gebohtenem Handkusse das Fraͤulein baht/ einen so unwirdigen Geleiter nicht zuverstossen; sie hingegẽ bedankete sich der hohen Ehre/ wuͤste wol/ daß sie unwirdig waͤhre von Groß Fuͤrstlichen Herren beglei- tet zu werden/ und sie daher sein erbieten bloß vor eine sonderliche Gunst und Gewogen- heit rechnen muͤste/ deren ersetzung annoch in ihrem vermoͤgen nicht waͤhre. Ach mein Fraͤulein antwortete er; Warumb tuht eure Liebe ihrer eigenen Wirdigkeit solchen un- verantwortlichen Schimpf an/ welchen einer anderen Zungen ich nimmer mehr zu gute halten wuͤrde; ich vor meine wenigkeit moͤchte wuͤnschen der Ehren uñ Gluͤkseligkeit wert zu seyn/ daß vor ihrer vortrefligkeit Ritter uñ Diener ich mich halten/ und von ihrer Liebe davor angenom̃en wuͤrde/ alsdañ wuͤrde unter der bescheinung ihrer guten Gunst und ge- wogenheit ich in Streit-uñ kaͤmpfen desto mehr bestand seyn/ und mich ruͤhmen koͤnnen/ daß mein bleicher Monde von der treflichsten Sonnen einigen Strahlen zu empfahen gewuͤrdiget worden/ wie unwirdig ich mich gleich solches hohen gluͤckes halten und er- kennen muß. Das Fraͤulein wahr willens ihm solches mit guter Vergnuͤgung zuerset- zen/ weil aber Siegward mit Frl. Sibyllen zu ihnen naheten/ sagte sie: Mein Durchleuch- tigster Fuͤrst wolle nach seiner Gewogenheit mir verzeihen/ daß seinem gar zu hohen er- bieten Antwort zu geben/ ich durch anderer ankunft abgehalten werde; doch gab sie ihm ihren guten Willen durch einen sanfften Handdruk zu verstehen. Siegward kunte seine Liebesschmertzen weniger als Baldrich verbergen/ und baht Frau Sophien/ wie sie ihm das Fraͤulein an die Hand lieferte/ sie moͤchte bey diesem allerliebsten Engelchen durch ihre volguͤltige Vorbitte ihm das Gluͤk erhalten/ daß sie seiner Seele durch genehme Eꝛ- klaͤrung die hochgewuͤnschte Ruhe erteilen wolte; welches sie mit lachen der Rede brant- wortete: Ihre Frl. Schwester waͤhre noch bißher mit allen hochverdienten F re unden dankbarlich uͤmgangen/ und haͤtte seine Liebe gar nicht zu zweifeln/ sie wuͤrde dem Aller- hoͤchstverdienetẽ auch den hoͤchsten Dank in allem tugendhafften Wolsta nd e mitteilen. Das Fraͤulein selbst antwortete ihm: Sie befuͤnde sich dieser des Fuͤrst en Auflage wegen hart Sechstes Buch. hart beleidiget/ durch welche er sie bey ihrer Fr. Schwester in verdacht bringen wolte/ als ob sie ihm zu einiger Unruhe Ursache zu geben/ sich geluͤsten liesse/ welches von ihr so ferne/ als der Himmel von der Erden waͤhre/ daher sie dessen Erstattung zu fodern unvergessen seyn wuͤrde. Worauff Siegward sagete: Hochgebornes Fraͤulein/ ich suche durchaus nicht/ mit euer Liebe zu rechten/ dann alsdann muͤste ich auch in der allersichersten Sache unten liegen/ nur allein geschiehet alles bitsweise/ in dem ich nichts als Mitleiden suche/ welches sie mit ihrem Gefangenen tragen moͤge/ welcher in dem grausamsten Gefaͤngnis der Verzweifelung sich befindend/ auff keine andere Weise/ als durch ihre Huͤlffe/ das ist/ angenehme Erklaͤrung/ kan heraußgezogen werden. Das Gluͤk goͤnnete ihm die Antwort nicht/ damit sie vor dißmahl ihn ziemlich zu befriedigen willens wahr/ dañ wegen der an- deren herzunahung muste er mit ihr fortgehen/ und Baldrichen folgen. Auff dem Saale wurden sie von dem Stathalter freundlich empfangen/ und verwunderte sich derselbe der vielen unbekanten Kleinot/ damit die Fraͤulein außgezieret wahren. Er suchte Gelegen- heit mit Baldrichen zu reden/ und sagte zu ihm: Eure Liebe verzeihe mir/ daß gestern duꝛch uͤberfluͤssige hohe Gluͤkseligkeiten verhindert/ nach euer Liebe Eltern und deren Wolerge- hen zu fragen ich unterlassen habe. Baldrich antwortete: Hochmoͤgender Herꝛ Stathal- ter/ wegen solcher freudlichen Nachfrage bedanke ich mich hoͤchlich/ hoffe nicht anders/ meine Eltern werden annoch in guter Gesundheit seyn; die ich aber in Jahres frist und laͤnger/ weder gesehen noch einige Zeitung von ihnen gehabt/ massen von meinem Herꝛn Vater mit einem Teutschen Kriegs Heer von 20000 Mann ich meinem Herꝛn Oheim dem Schwedischen Koͤnige wider seine raͤuberische Nachbarn die Reussen zu Huͤlffe ge- sand bin/ von dannen ich nach gluͤklich geendigtem Kriege/ ohn meiner Eltern Vorwissen mit meinem Oheim und Bruder/ gegenwaͤrtig/ in diese Landschaft mich begeben/ den rit- terllchen uͤbungen nachzusetzen/ und meinem geliebten Bruder Herkules in den Morgen- laͤndern zu folgen/ daß also den Gruß von meinen lieben Eltern ich niemand anmelden koͤnnen. Nach solcher Erzaͤhlung trat Fr. Sophia hervor/ und hielt diese Rede an ihren Vater. Hochgeliebter Herꝛ Vater; nach dem gestriges Tages ich schon erzaͤhlet/ mit was treflicher Kuͤhnheit gegenwaͤrtige tapffere Helden/ die Durchleuchtigsten Fuͤrsten/ Herr Siegward und Herꝛ Baldrich mich uñ meine Gespielen aus den Haͤnden so vieler Raͤu- ber loßgerissen/ und unsere Entehrung abgewendet/ bitte ich kindlich/ daß ohn laͤngeres verweilen/ den annoch uͤbrigen Raͤubern ihre Boßheit vergolten werde/ jedoch daß Ap- pius Leben und Freiheit nach meinem getahnen versprechen erhalte/ auch mein ungetreueꝛ Genutius nebest dem Koche unter meiner freien Anordnung verbleibe; den uͤbrigen sech- sen aber die Straffe nach Recht wiederfahre. Der Stathalter zeigete an/ es solten ihr die drey nach ihrem Willen geschenket seyn/ wiewol sie alle/ als Raͤuber/ den Tod verschuldet; im uͤbrigen/ damit er nicht aus vaͤterlichem Eifer die masse im Urteilen uͤberschritte/ haͤtte er die Vornehmsten des Rahts darzu verordnet/ welche schon an der Gerichtsstelle saͤs- sen/ und der Missethaͤter Gegenwart erwarteten. Es wurden dieselben alle mit einander vor die Richter gestellet/ welche folgende Urtel uͤber sie sprachen: Appius/ ob er zwar nach einhelliger Zeugnis der anderen/ noch keine Boßheit haͤtte verrichten helffen/ muͤste er doch von Rechtswegen mit dem Schwerte vom Leben zum Tode gebracht wer- p p den/ Sechstes Buch. den/ darumb/ daß er sich in die hoͤchstverbohtene Raͤuber-Geselschaft begeben/ und sich de- nen zum Gehorsam verbunden haͤtte; jedoch wuͤrde ihm Krafft von Fr. Sophien getah- ner Versprechung/ Leben und Freiheit geschenket/ solte aber zwey Jahr lang auff der neu- erbaueten Burg Holz hacken/ und die Vorplaͤtze sauber halten. Der Koch welcher gleich- wol schon eine und andere Untaht begangen/ solte mit dem Strange am Galgen getoͤdtet werden. Der verraͤhterische Gutscher Genutius/ ob er zwar haͤrtere Straffe verdienet haͤtte/ solte als ein Meinaͤidiger zween Finger/ und durchs Schwert den Kopf verlieren/ und solches auff Fr. Sophien Begnadigung. Die eilf Koͤpffe der erschlagenen Raͤuber solten auf Stangen gestekt; des ertoͤdteten Furius Leichnam ans Kreuz geheftet; die bey- den im Steit gefangene Raͤuber geraͤdert/ und Fannius samt den andern dreyen Gewalt- taͤhtern/ gegeisselt und lebendig gekreuziget werden. Als die Verurteileten hinaus gefuͤh- ret wurden/ wolte die Fürstliche Geselschaft der Volstreckung beywohnen/ und ließ Frau Sophia unterschiedliche kleine Reit Gutschen mit zwey Pferden anspannen/ auff deren jedweder zween sitzen solten/ und musten auff ihre Anordnung Siegward Sibyllen/ Bal- drich aber Lukrezien Geselschaft leisten/ welches ihnen allerseits angenehme wahr. Auf der Gerichtsstat/ so bald die Koͤpffe aufgestekt/ uñ Furius Leichnam ans Kreuz geheftet wahr/ muste Appius hervortreten/ welcher durch einen demuͤtigen Fußfal vor die ihm erteilete Gnade dankete/ und sich erboht/ die ganze Zeit seines Lebens in Fr. Sophien Diensten als ein Leibeigener zu verbleiben/ weil ohn das die Armut ihn in die Raͤuber-Hoͤhle getrieben haͤtte. Der Koch und Genutius/ wurden von einem Richters Mann (dann so wahr es an- geleget) angemahnet/ ob ihnen irgend etwas Gnade begegnen koͤnte/ solten sie es durch ei- nen Fußfal vor Fr. Sophien/ versuchen. Da dann der Koch der erste wahr/ und mit hef- tigen Traͤhnen umb Lebensfristung anhielt/ worauf sie durch Markus den Richtern an- sagen ließ/ was vor Gnade sie ihm zuerzeigen willens waͤhre; welche ihn wieder vor sich treten liessen/ und anmeldeten/ es solte ihm das Leben geschenket seyn/ muͤste aber zwoͤlff Ruhtenstreiche von dem Buͤttel über den Ruͤcken annehmen/ und darauf Appius als ein Mitarbeiter zugegeben werdẽ/ die Straffe aber solte eꝛ auf eine andere Zeit ausstehen. Deꝛ ernstlich buͤssende Genutius hatte alle seine Gedanken/ Herz und Sinne nach Gott hinge- richtet/ und hielt bey demselben umb die aller ersprießlichste Gnade an/ daß ihm seine eh- mahlige Verleugnung und andere begangene Ubeltahten moͤchten vergeben/ und die Se- ligkeit mitgeteilet werden/ so gar/ daß er nicht acht drauff gab/ als er von dem Richter zum Fußfall ermahnet ward. Herkules und Valiska sahẽ aus seinen Geberden/ daß er mit sol- chen Gedanken umginge/ und wurden dadurch zum mitleiden bewaͤget. Der Richter er- innerte ihn zum andern mal/ durch einen Fußfall umb Linderung der Straffe anzuhalten; worauff er vor Fr. Sophen Wagen niderfiel/ und diese Rede vorbrachte: Hochgebohrne Gnaͤdigste Frau; die zwo schweresten uͤbeltahten/ so unter allen meinen Sünden ich die ganze Zeit meines Lebens begangen habe/ sind diese/ daß vor drey Jahren ich meinen Gott und Heyland aus furcht des zeitlichen Todes verleugnet/ und vor vier Tagen Eure Gn. so schaͤndlich verrahten/ und in der Raͤuber Haͤnde eingeliefert. Die erstgedachte ist ohn zwei- fel eine ursach gewesen aller nachfolgenden/ weil ich dadurch des Heiligen Geistes Ein- wohnung verscherzet/ und der Gnade Gottes mich unwirdig gemacht habe. Ich danke aber Sechstes Buch. aber dem grundguͤtigen Gott/ daß er mich durch diese Gefaͤngniß zur Erkaͤntniß gebracht/ und mir ein bußfertiges Herz verliehen/ welches (meinem Heylande sey Dank gesaget) schon den Trost empfindet/ dz er meine Bußtraͤhnen ansehen/ und mit dem glaͤubigen Sche- cher am Kreuz mich wieder zu Gnaden annehmẽ wolle. So seyd nun gebehten/ Gn. Frau/ und vergebet mir auch meine Suͤnde/ die ich wider euch begangen/ und einen schmaͤhlichen Tod wol verdienet habe/ wil auch die mir gesprochene Urtel nicht allein gerne und willig uͤ- ber mich nehmen/ sondern bedanke mich auch vor die hohe Gnade und der Straffe Linde- rung unter diesem Wunsche/ daß der Allerhoͤchste Gott Eure Gn. und alle die ihrigen hin- fuͤro vor solche und dergleichen gefahr gnaͤdiglich bewahren wolle/ in welche sie durch mei- ne Untraͤue gerahten ist; auch wolle Ihre Gn. neben andern anwesenden Christen mich bey unserm Heylande helffen verbitten/ daß er meiner armen Seele wolle gnaͤdig seyn. La- disla/ der bey seinem Gemahl in der Gutsche saß/ sagte zu ihm: Du tuhst sehr wol/ daß du uͤber alle deine Suͤnde Reu und Leid traͤgest/ und ob du zwar den Tod freylich verschuldet hast/ wil ich doch sehen/ ob bey meinem Gemahl ich dir noch eine bessere Gnade erlangen koͤnne; moͤchte aber auff solchen fall wol wissen/ wessen ich mich zu dir nach diesem zuverse- hen haͤtte. Solcher Barmherzigkeit/ Gnaͤdigster Herr/ bin ich allerdinge unfaͤhig/ antwor- tete er/ habe mir deren auch nit die geringste Hofnung gemacht/ und wann meine Gn. Frau nicht aus ungezwungenem Willen mir das Leben schenken kan/ wil ich lieber sterben als in ihrer Ungnade leben. Herkules und Valiska hatten sich nahe herzu fuͤhren lassen/ daß sie alles Gespraͤch eigentlich hoͤren kunten; Und weil die Groß Fürstin sehr mitleidiger art wahr/ ging ihr dieses armen Suͤnders Busse sehr zu herzen/ daher sie Fr. Sophien zurief: Meine Fr. Schwester sey gebehten/ und schenke mir diesen verurteileten armen Suͤnder. Er ist ohndas Euer Liebe eigen/ antwortete sie; Drumb gehe hin Genutius/ sagte sie zu dem verurteileten/ ich habe dir alle dein Verbrechen von herzen vergeben/ und die zeitliche straf- fe von dir abgekehret; Sihe aber zu/ daß deine Busse keine Heucheley sey/ und vernim/ was diese Durchl. Groß Fuͤrstin dir befehlen wird. Dieser nach geleisteter traͤhnender Danksa- gung und angelobeter Besserung/ ging hin/ setzete sich vor Fr. Valisken auff die Knie/ und sagete: Daß Gottes Barmherzigkeit sich zu mir gewendet habe/ uñ meine Busse mit Gna- den Augen angesehen/ erkenne unter andern ich daher/ dz ihr/ Durchleuchtigste Frau/ mich/ einen so schaͤndlichen Ubeltaͤhter loßzubitten bemuͤhet seyd; Ich weiß mich unwirdig sol- cher Gnade/ und stelle mich in untertaͤhnigstem Gehorsam dar/ nach Euer Gn. Ausspruch zuleben oder zusterben/ wann ich nur einen gnaͤdigen Gott im Himmel behalten mag. Va- liska ließ ihm die Ketten und Bande abnehmen/ und befahl/ daß er biß auf weitern bescheid/ hinter ihrer Gutsche hergehen solte. Als die uͤbrigen sechs Raͤuber dieses sahen/ meyneten sie/ die Gnadenordnung wuͤrde nunmehr an ihnen seyn/ bezeigeten sich aber uͤber alle masse ungeduldig/ da sie des Richters Befehl an den Buͤttel hoͤreten/ daß er die Urtel an ihnen volstrecken solte; Weil sie dann alle Hoffnung hiemit verlohren/ fingen sie an/ die beyden Fuͤrsten hefftig auszuschelten/ daß sie von ihnen zu diesem schmerzhafften Tode behalten wahren. Die Geisselung ward an allen sechsen zugleich vorgenommen/ und hernach die Raͤderung an den zween verrichtet/ da ihnen alle Glieder von unten auff zustossen wurden/ biß ihnen endlich das Genicke getroffen ward. Die Kreuzigung wahr erbaͤrmlich anzuse- p p ij hen/ Sechstes Buch. hen/ und trieben die Ubeltaͤhter ein solches Zetergeschrey/ daß das Frauenzimmer Augen und Ohren zuhielten/ und Frl. Sibylla insonderheit so grosses Mitleiden er z eigete/ daß sie von ihrer Gutsche stieg/ und die Groß Fürstin untertaͤhnig baht/ die Richter dahin zuver- moͤgen/ daß sie durch einen schleunigen Tod der hefftigen Pein moͤchten entnommen wer- den; welches sie ihr dann nicht versagen wolte; und ward dem Büttel der Befehl erteilet/ mit einem Speer ihnen das Herz durchzustechen. Als das Fraͤulein sich wieder zu Sieg- warden auffsetzete/ fing er diese Rede zu ihr an: Ach wie wunderlich spielet doch das Gluͤk mit uns Menschen auff dieser Unterwelt! diesen frechen Buben kan so hefftige Pein nicht angeleget werden/ daß durch ihre Ubeltaht sie nicht viel ein schaͤrfferes verdienet haͤtten/ uñ gleichwol kan deren Leiden das Gemuͤht meiner hochwerten Fraͤulein dermassen zuꝛ barm- herzigkeit bewaͤgen/ daß sie ihnen den Jammer zukuͤrzen alle zulangende Mittel angewen- det hat/ da hingegen ein ander/ der nur durch Gedanken und auffrichtige Liebe an ihrer voꝛ- treffligkeit sich vergriffen/ dieselbe zu keinem Mitleiden reizen/ vielweniger einigen gegrün- deten Trost erlangen kan/ wie andaͤchtig und herzlich er gleich darumb ansuchet. Mein Fraͤulein fasset die Pein und Schmerzen dieser gottlosen Raͤuber so hefftig zu Gemuͤht/ welche doch ertraͤglicher als die meinen sind; dann ihr Leiden wird in kurzer Zeit durch den Tod geendet/ da hingegen der erschrekliche Peiniger meine Seele dergestalt ohn unterlaß geisselt/ raͤdert und kreuziget/ daß sie kein Augenblik Ruhe nehmẽ kan/ so lange mein hoͤchst- geliebtes Fraͤulein die Barmherzigkeit mir versaget. Das Fraͤulein wuste ihm hierauf nit so schleunig zuantworten/ sondern schwieg ein wenig stille/ deswegen eꝛ also fortfuhr: O ich ungluͤkseliger/ der ich weder Erlassung noch Urtel/ weder Gnade noch Straffe/ ja weder Zu- sage noch Abdankung erhalten kan! Erkuͤhnet euch doch/ mein Fraͤulein/ durch Brechung des Stabes/ das ist/ durch ausdruͤkliche Verwegerung eurer Liebe und Gunst/ mir meines Lebens Ende anzudeuten/ wann ja wegen meiner gar zu verwerflichen Unvolkommenhei- ten deren Hulde und Begünstigung ich zu unwirdig bin; Ich wil die Urtel meiner gar zu kuͤhnen Liebe bestaͤndig anhoͤren/ und deren Volstreckung auch mit dieser meiner Hand zu verrichten nicht unwillig seyn/ umb zubezeugen/ daß wann ich lebendig nicht gehorsamen kan/ ich dannoch durch Leistung ihres begehrens andeuten wil/ und ein unfehlbahres Zeug- niß hinter mir verlassen/ daß mein Herz und Seele sich ihrem Befehl allerdinge unterworf- fen habe. Diese Rede brachte der Fuͤrst aus halb verzweifeltem Herzen vor/ weil ihm diese Nacht unterschiedliche Einbildungen vorkommen wahren/ er wuͤrde von dem Fraͤulein und ihren Anverwanten mit guten Worten hingehalten/ und am Ende schimpflich abge- wiesen werden/ welches ihm so steiff im Sinne lag/ daß er der Fraͤulein stilleschweigen vor eine Ungunst/ ihre Reden vor eine Auftreiberey/ und ihre Freundligkeit vor eine Falscheit ausdeutete; Weil er dann seinen Begierden nicht mehr zugebieten wuste/ ließ er sich vor dißmahl mit solcher Heftigkeit heraus/ daß nach geendeter Rede er in Ohmacht fiel/ mit sei- nem Haͤupte in ihre Schos nidersank/ und die Leidenstraͤhnen ihm aus den Augen hervor brachen; dessen das Fraͤulein/ weil es ihr ganz unvermuhtlich kam/ zum hoͤchsten erschrak/ und seine inbruͤnstige Liebe daher gnug abnehmen kunte/ wuste auch nicht/ wie sie sich hier- in verhalten solte; doch ruͤttelte sie ihn so viel/ daß er als aus einem tieffen Schlaffe auff- fuhr/ und mit schweren seuffzen sagete: O einzige Ursach meines Todes/ warumb goͤnnet sie Sechstes Buch. sie ihrem ergebenen Knechte vor alle seine Neigungen/ und da ichs sagen darff/ vor alle seine Dienste nicht so viel Gnade/ daß weil er ja sterben muß/ er unter ihren Haͤnden sterben moͤge; gebet nit zu/ mein Fraͤulein/ dz ich euch so barmherzig spuͤre/ weil einer groͤsserẽ Ver- gnuͤgung ich nicht wirdig bin. Nam hiemit ihre Hand/ und kuͤssete dieselbe ohn auffhoͤren; daher sie sich des schreckens in etwas erhohlete/ und ihm diese Antwort gab: Durchleuch- tigster Fuͤrst und Retter meiner Ehren; warumb leget Eure Liebe mir ein solches zu/ das mir nimmermehr zu Sinne kommen wird? oder was ursach hat dieselbe/ mich einer Haͤr- tigkeit zubeschuldigen/ die ganz ferne von mir ist? der Almaͤchtige Gott gibt meinem Gewis- sen Zeugniß/ daß ich mich nicht erinnern kan/ Eure Liebe mit einem Worte oder Gedanken beleidiget zuhaben/ sondern vielmehr/ wie ich mich schuldig weiß/ also auch willens bin/ die- selbe nach aller ehrenbillicher Moͤgligkeit zuvergnuͤgen; dann solte ich die hohe Woltaht nicht erkennen/ welche mein hochwerter Fuͤrst in Rettung meiner Ehre und Lebens erzei- get hat/ so waͤhre ich des Lebens unwirdig. Ich bitte aber von grund meiner Seele/ so hart und hefftig in mich nicht zudringen/ noch mir zuverargen/ daß seinen Begierden ich mich nicht gleich stellen kan; dann wuͤrde Eure Liebe nicht dermahleins mirs zu einer Leichtsin- nigkeit auslegen/ wann in so wichtigen Sachen ich unbedachtsam verfahren wolte? Es muß ja ein züchtiges Fraͤulein billich ihrer lieben Eltern und Anverwanten Raht und be- willigung zuvor einhohlen/ ehe sie ihre Erklaͤrung von sich giebet/ dz ich mich auch befuͤrch- te/ schon uͤber Jungfraͤuliche gebuͤhr gehandelt zuhaben/ indem ich mich bereit so viel ver- nehmen lassen/ daß an meinem guten Willen zuzweifeln/ er nicht die allergeringste Ursach hat. Aber wer weiß/ Durchl. Fuͤrst/ ob nicht etwas an mir haffte/ welches da Eure Liebe es erfuͤhre/ dieselbe wol alle Neigung und Liebe von mir abwenden moͤchte/ und zu deren Nach- richt und besten ich nicht laͤnger verhehlen wil/ daß ich nehmlich eben des Christlichẽ Glau- bens bin/ umb des willen der teure Groß Fuͤrst Herkules von seinem Herꝛn Vater und Va- terlande gehasset wird; diesen aber abzulegen/ sol kein Ding in der Welt mich bewaͤgen/ auch meine eigene Eltern nicht/ sondern wolte mich viel lieber/ wie diesen Raͤubern geschi- het/ geisseln/ raͤdern und kreuzigen lassen/ angesehen/ diese Leibespein in wenig Stunden ih- re Endschafft gewinnet/ die Verleugnung der Warheit aber/ die unablaͤssige ewige Hellen- quahl gebieret/ deren keine Weltangst zuvergleichen ist; mag demnach Eure Liebe wol be- denken/ was sie bey mir suchet; dann gleich wie er das Christentuhm vielleicht hasset/ so ha- be ich hingegen meinem Gott angelobet/ entweder in meinem Jungfraͤulichen Stande zu sterben/ oder nur einen Christen zuheyrahten. Siegward hoͤrete diese Rede an/ nit anders/ als ob ihm waͤhre ein Schwert durchs Herz gestossen; dann nachdem Herkules den Christ- lichen Glauben angenommen/ hatten die Pfaffen in Teutschland/ Schweden und Boͤh- men denselben so gar scheußlich abgemahlet und beschrieben/ daß jederman ihn vor einen Greuel und abscheuh hielt/ welches insonder heit diesen beyden Fuͤrsten fest eingebildet war/ daher Siegward dem Fraͤulein diese Antwort gab: O ihr Goͤtter/ warumb gebet ihr zu/ dz die vortreflichsten Blumen der Welt in solche Unvernunfft gerahten koͤnnen? Und ihr zuͤchtiges keusches Fraͤulein/ wie hat Eure Liebe doch in einen so boshafften Glauben ge- hehlen moͤgen/ welcher nicht allein die alten Goͤtter alle uͤbernhauffen schaͤndet/ sondern ein abgesagter Feind aller Ehr und Tugend seyn sol; daß man auch/ wo man solche Leute an- p p iij trifft/ Sechstes Buch. trifft/ mit allerley Straffen hinter ihnen her ist/ auff daß so ein verfluchtes Unwesen gaͤnz- lich moͤge abgetahn/ und aus der Welt geraͤumet werden/ weil die Goͤtter selbst hiedurch so hoch beleidiget werden/ daß sie die Welt umb solcher Boßheit willen/ mit Verwuͤstung/ Auffruhr/ Pestilenz/ schaͤdlichem Ungewitter/ und anderen Landstraffen heimsuchen und uͤberschwemmen. Sibylla/ ungeachtet sie kaum vor zween Tagen zum Christentuhm ge- treten wahr/ hatte sie doch dessen eine zeit her gute Unterrichtung von ihrer Wasen einge- nommen/ hoͤrete deswegen diesen Einwurff mit geduldigen Ohren an/ und antwortete mit einem sanfften Gelaͤchter: Wie nun dann/ Durchleuchtigster Fuͤrst/ haͤlt Eure Liebe die unvergleichlichen Welt Muster/ Herren Ladisla und Herkules/ ja auch die in allen Tugen- den volkommenste Fuͤrstin dieser Welt/ Groß Fuͤrstin Valisken/ samt meinen Wasen Fr. Sophien und Frl. Lukrezien vor solche nichtige und schaͤndliche Leute/ und ehret nicht de- stoweniger dieselben aͤusserlich so hoch? so kan ich ja daher nicht anders schliessen/ als daß Eure Liebe durchaus kein Freundesherz zu ihnen traͤget/ sondern sie inniglich hassen muß/ weil mein Fuͤrst keine boßhaffte Feinde der Tugend und Erbarkeit lieben kan. Siegward bestuͤrzete hieruͤber/ und sagete: Wie so? haben dann die jeztgenennete denselben Glau- ben auch angenommen? Ja freilich/ antwortete sie; und zwar eifern sie uͤber dieser Er- kaͤntniß der Himlischen Warheit ja so hefftig/ als Fuͤrst Herkules selbst; aber dieses al- les beyseit gesetzet; Haͤlt dann Eure Liebe den frommen Tugendergebenen Fuͤrsten Herrn Herkules vor einen Ehr- und Tugendlosen/ so entaͤussere die sich seiner Freundschafft/ und uͤberweise ihn solcher Laster/ alsdann wil ich seiner auch muͤssig gehen; kan aber eure Liebe solches nicht leisten/ wie sie es in Ewigkeit nicht leisten wird/ und gleichwol den unbil- lichen argwohn nicht ablegen/ sonder der Meynung bleiben wil/ daß der Christen Nahme dieser beschuldigung unterworffen sey/ so wende sie ja zugleich alle bißher vorgegebene nei- gungen von mir abe/ und beschmitze sich nicht mit einer solchen vermeineten lasterhaften/ umb deretwillen seine vermeineten (aber O der elenden!) Goͤtter sein kuͤnftiges Erb Reich mit verwüstung/ Auffruhr/ Pestilenz und dergleichen Straffen heimsuchen moͤchten; ich werde trauen so wenig zugeben/ daß man mich vor solchen Fluch außtrage/ als wenig ich denselben lieben kan/ der mich ohn beweißtuhm/ der Schande und Laster zeihen darff. Hie wahr Siegward mit einem zweyschneidigen Schwert geschlagen; er durffte seine beschul- digung nicht rechtfertigen/ uñ gleichwol wahrẽ die Worte aus goͤtzeneiferiger unbedacht- samkeit geredet/ bemuͤhete sich deßwegen/ seinen fehler zuverbessern/ in dem er vorgab/ er wolte dieses nicht von allen Christen insgemein/ sondern nur von den vornehmsten und verfuͤhrern verstanden haben/ welche die einfaͤltigen und unwissenden zu solcher neuerung antrieben/ und dem gemeinen vorgeben nach/ durch Zaͤuberey ihr Gemuͤht blendeten/ wel- che dañ ohn zweisel ihre boßheit artig wuͤrden zuverbergen wissen/ daß sie von den wenig- sten kaum erkennet wuͤrde/ mit denen sie ihre Schande und Boßheit begingen; in dieser meinung waͤhre er allemahl steiff gewesen/ was gleich seine Pfaffen ihm von allen Chri- sten durch die Bank hin vorschwaͤtzeten. Aber sie antwortete ihm: O nein Durchl. Fuͤrst/ so leicht entwischet man hier nicht; dann last seyn/ daß er die ein faͤltigen außnehme/ uñ die Gelehrten/ welche er verfuͤhrer nennet/ allein wolle verstanden haben/ wird doch solches seinen Markt nich verbessern/ massen Groß Fuͤrst Herkules ein außbuͤndig gelehrter Christ/ und Sechstes Buch. uñ unser aller bekehrung naͤhst Gott die einige Ursach ist. So glaͤube eure Liebe nur kuͤhn- lich daß nichts uͤberal so heimlich in den Christlichen versamlungen vorgehet/ da bey Koͤ- nig Ladisla/ Groß Fuͤrst Herkules und sein Gemahl Fr. Valiska sich nicht haͤtten finden lassen/ weil wegen empfangener Tauffe ihnen solches alles frey gegoͤnnet ist. Bleibet also nach wie vor/ daß eure Liebe/ als lange sie ihre beschuldigung handhabet/ auffs wenigste diese Hochgedachte drey Fuͤrsten ver Feinde der Tugend haltẽ muß; wiewol ich die schuld dieser unverantwortlichen bezichtigung nit auff euer Liebe/ sondern vielmehr auff die gott- losen Pfaffen lege/ als welche den unschuldigen Christen solche Laster auffbuͤrden/ deren sie nicht allein muͤssig gehen/ sondern ihnen auch von herzen/ wie dem Teuffel selbst abhold sind. Ich werde mir aber vorbehalten/ daß eure Liebe mich mit unter die Zahl der Ehrlosen rechnet/ und dessen sehr schweren abtrag fodern; uͤberdaß schicke die sich nuꝛ gar wol dꝛauf/ was vor vergnuͤgung der Groß Fuͤrstin wegen dieser allerdinge unleidlichen beschuldi- gung koͤnne geleistet werden. Davor behuͤte mich der Himmel/ und der hoͤchste GOtt/ der drinnen herschet/ gab Siegward mit einem demuͤhtigen Handkusse zur antwort/ daß sol- che und dergleichen volkommene Spiegel aller Ehr und Tugend ich vor feinde und fein- din derselben schelten oder halten solte/ ehe muͤsten alle meine Psaffen geschaͤndet und ver- fluchet seyn/ wil mich auch nicht wegern/ dem Christlichen Glauben beyfall zu geben/ wañ mir nur kan dargetahn werden/ daß alle Christen insgemein der Tugend ergeben sind und den Lastern zu wieder. Eure Liebe sodern gar zu viel/ sagte das Fraͤulein/ massen ja unter Juden/ Heyden und Christen sich Lasterhafte und Tugendergebene finden; aber dieses wil ich gar leicht darstellen/ das unser Christentuhm durchaus keine Boßheit billichet/ sondeꝛn von uns erfodert/ daß wir I den wahren Gott uͤber alle dinge ehren/ fuͤrchten und lieben/ II dem Naͤhesten getraͤulich beistehen/ ihn herzlich meinen/ und ihm nach vermoͤgen helssen. III Und endlich uns vor allen Sünden/ als da sind/ Geiz/ Hoffart/ Unzucht/ Haß/ Neid/ Mord/ Voͤllerey/ Raub/ Dieberey/ Verleumdung/ Ungerechtigkeit/ Betrug/ Lügen/ und dergleichen huͤten/ hingegen aber aller Tugend/ Erbarkeit/ Demuht/ Geduld/ Genuͤglig- keit und Heiligkeit in gedanken/ worten und werken uns die ganze Zeit unsers Lebens be- fleissigen sollen. Sehet Durchl. Fürst/ diß ist die Lehre/ welche eure Liebe vor so abschenh- lich haͤlt/ aber wie ich davor achte/ aus blosser unwissenheit/ und verleitung eurer boßhaff- ten Pfaffen/ die unsers Glaubens gar keine Erkaͤntnis haben/ und diese Luͤgen von uns tichten/ deren uns bißher kein Mensch hat uͤberzeugen koͤnnen/ wil auch euer Liebe mein Leib und Seele zum Pfande setzen/ daß nichts unbilliges in unser Lehre verfasset ist/ als wie ich kuͤrzlich eingefuͤhret habe. Siegward sahe sie an/ verwunderte sich ihrer eiservoͤlli- gen worte/ baht hoͤchlich umb verzeihung seiner durch unverstand außgestossenen Reden/ verfluchte der Heidnischen Pfaffen Boßheit/ daß sie so schaͤndliche Luͤgen auff die Beine setzen/ uñ redliche Leute ohn allen Grund verleumden duͤrfften/ uñ erklaͤrete sich endlich/ in diesem Stuͤk/ das Christentuhm betreffend/ dergestalt sich finden zu lassen/ daß sie deßwegẽ sich uͤber ihn nicht solte zubeschweren haben; bestuͤnde dann der Christliche Glaube in ob- gedachter Lehre/ wie er solches ihrer Liebe zutrauete/ so lehrete ihn ja die Vernunfft selbst/ daß solches alles gut und heilig waͤhre/ und haͤtte er bißher der erkaͤntnis des wahren Got- tes gemangelt/ wolte er sich gerne unterrichten lassen/ und der ewigen Seligkeit nachzu- streben Sechstes Buch. streben geflissen seyn. Uber welches erbieten sie sich hoͤchlich erfreuete/ und daher gewisse muhtmassung nam/ Gott wuͤrde ihre Ehe versehen haben. Er aber fuhr fort/ und baht in- staͤndig/ ihm durch klare Antwort sein Leyden zu ringern/ oder wo moͤglich gar auffzuhe- ben. Worauff sie zu ihm sagete: Es ist mir von herzen angenehm/ daß eure Liebe sich zu unserm Christentuhm zubegeben erboͤtig ist/ woruͤber Groß Fuͤrst Herkules neben andern sich zum hoͤchsten erfreuen wird; anlangend die ehrliebende Anwerbung/ und daß eure Lie- be mich vor ihr kuͤnftiges Gemahl wirdiget/ bedanke ich mich demuͤhtig/ werde es auch nach moͤgligkeit zuerkennen geflissen seyn; voͤllige Erklaͤrung aber darauff zu geben/ streit- tet wieder Jungfraͤuliche Zucht und wieder mein Christentuhm/ welches mich heisset Vater und Mutter ehren/ und alle die an deren stat mir von Gott gesetzet sind; daher muß ich zuvor derselben bewilligung einhohlen/ ehe und bevor eure Liebe ich mit voͤlliger Mun- des erklaͤrung vergnuͤge; hat dann Gott eure Liebe mir versehen/ wil ich mich derselben nicht wiedersetzen/ und wird mein Durchl. Fuͤrst mit dieser Antwort wol koͤnnen friedlich seyn/ angesehen ich mich schon weiter heraus gelassen/ als Jungfraͤuliche Zucht leiden kan. Siegward nach Art aller verliebeten/ hielt diese Rede noch auff Schrauben gesetzet seyn/ dann seine Nacht einfaͤlle wolten ihm nicht aus dem Kopffe/ wolte deßwegen alle hindernis aus dem Wege raͤumen/ und antwortete ihr. Ach wie furchtsam ist doch des Menschen Herz bey der Hoffnung dessen/ daß er so hoch begehret/ und doch wegen der Vortrefligkeit eines so koͤstlichen Schatzes in stetem zweifel stehen muß; welcher auch vor dißmahl mich ereibet/ von meinem Fraͤulein instendig zu bitten/ mir nur in so weit sicherheit zu geben/ daß wegen meines Ansuchens und dessen erlangung/ sie bey ihren Eltern und Anverwanten mir nicht wolle hinderlich seyn/ noch nach deren bewilligung fernere auffschiebung ein- straͤuen; ja wo moͤglich/ mich ihres bestendigen willens zuversichern. Das Fraͤulein sagte hierauff mit einem freundlichen Lachen; Bey meiner traͤue/ eure Liebe haͤtte einen guten und vorsichtigen Baumeister geben/ nachdem sie weder zimmern noch richten wollen/ biß der unbewaͤgliche feste Grund geleget sey; ich weiß aber nicht ob einer jungen Tochter die- ses zubeantworten anstehe/ es waͤhre dann/ daß ich betrachten muͤste/ wie weit eure Liebe den Koͤniglichen Stand uͤberschritten/ und meinetwegen sich als einen Sklaven der nichti- gen Raͤuber gehalten/ wodurch sie mich ihr dermassen verpflichtet/ daß ich vielleicht mehr meiner schuldigkeit als Jungfraͤulicher Scham nachsetzen muß; in ansehung dessen wil ich nun euer Liebe mich in so weit versprechen/ dafern dieselbe meiner Eltern Willen erhal- ten wird/ welches sie durch meine Fr. Schwester Fr. Sophien am fuͤglichsten suchen kan; jedoch mit vorbehalt meines Geluͤb des/ daß sie zuvor ihr Heydentuhm ablegen/ und zu der Christlichen Kirchen sich begeben wolle/ ehe und bevor die verheirahtung vor sich gehet. Solten aber uͤber vermuhten meine Eltern nicht einwilligen koͤnnen/ muß dieses alles un- geredet seyn; und da mein Fuͤrst weiter in mich dringen wolte/ wuͤrde er meine neigung gar von sich wenden; dann ich kan und wil nicht vorsezlich wieder meines Gottes Befehl handeln. Der Fuͤrst nam bloß nur die Worte der versprechung in acht/ wuste nicht/ mit was aͤusserlichen Geberden er seine vergnuͤgung solte sehen lassen; er kuͤssete ihr die Haͤn- de/ umbfing sie nachgehends ehrerbietig/ und redete sie also an: Diesen Tag/ Hochgebohr nes herzallerliebstes Fraͤulein/ wil ich zum anfange aller meiner kuͤnftigen Gluͤkseligkeiten setzen/ Sechstes Buch. segẽ/ als an welchem von Euer Liebe mir die allerhoͤchste Woltaht begegnet/ die meine Zun- ge auszureden nicht bestand ist/ sintemahl mein Fraͤulein zugleich und auff einmahl mei- ner Seelen ewige Wolfahrt suchet/ und der Liebe die vergnuͤgliche Folge zuleisten mir veꝛ- spricht. So wil ich nun von dieser Stunde an/ unter der Begierde des Christentuhms mich vor Euer Liebe versprochenen Braͤutigam halten/ und zugleich mich verpflichten/ daß weil meine Seele in mir wallet/ ich meiner vertraueten alle moͤgliche Ehre und Liebe zuerzeigen/ und nach keinem andern Weibesbilde/ ihr zubegehren/ mich umsehen wil; stec- kete ihr hiemit ein koͤstliches Ringelein an den Finger/ und sagte: So vermaͤhle nun mei- nem herzgeliebten Fraͤulein ich mich in dieser Stunde/ als ein des Christentuhms begie- riger/ biß an ihrer lieben Eltern voͤllige Bewilligung. O nein/ Durchl. Fuͤrst/ antwortete das Fraͤulein/ diese Meynung hat es nicht/ und nimt Eure Liebe mein versprechen gar zu raum auf/ kan demnach/ eine solche Vermaͤhlung einzugehen/ mich nicht erklaͤren/ es waͤh- re dann/ daß Eure Liebe nicht eine eheliche/ sondern bruͤderliche verstehen wolte/ zu welcher/ angesehen ihres hohen Verdienstes/ ich mich gerne wil finden lassen/ und dieselbe Schwe- ster-getraͤulich halten/ biß meine Eltern mir eine naͤhere gebieten werden; auff diese weise/ uñ nicht anders nehme ich diesen Ring von Euer Liebe an. Und ich/ Hochgebohrnes Fraͤu- lein/ sagte er/ lasse an diesem erbieten biß dahin mich herzlich genuͤgẽ/ da dañ meine hoͤchst- geliebte Frl. Schwester mir goͤnnen wird/ ihr den bruͤderlichen Kuß zuerteilen; dessen sie sich zwar mit Worten und Haͤnden erwehrete/ aber doch zulassen muste/ weil auf der Gut- sche die Gelegenheit nicht wahr/ sich aͤusserst zustraͤuben; und ob er gleich wegen solcher Kuͤhnheit einen scharffen Verweiß hoͤren muste/ kunte er doch seine Entschuldigung so wol anbringen/ und der guten Gelegenheit wahr nehmen/ daß er solche Gunst/ ehe sie von der Gutsche stiegen/ noch mannichmahl erhielt/ und das unbetrogene Fraͤulein dessen zim- lich gewohnet ward/ so daß auch auff sein bitliches anhalten sie ihm ein Ringelein zur Be- kraͤfftigung gemachter Freundschafft folgen ließ/ wiewol mit dem bedinge/ daß noch zur Zeit er solches keinen Menschen solte sehen lassen/ damit ihr versprechen nicht offenbahr wuͤrde. Nun wuste aber das Fraͤulein schon zuvor/ daß ihren Eltern diese Heyraht nicht unangenehm seyn wuͤrde/ wie sie dessen von Fr. Sophien versichert/ auch hoͤchlich gebeh- ten und vermahnet wahr/ dem Fuͤrsten auff sein ernstliches ansuchen behaͤgliche Antwort zuerteilen/ sonsten wuͤrde sie sich dessen nimmermehr unterstanden haben. Der gute Baldrich/ ob er gleich nicht weniger als Siegward sich verliebet befand/ wahr doch nicht so kuͤhn und zutaͤppisch/ daher ihm gleiche Vergnügung nicht wiederfahren kunte; jedoch befand er sich sehr wol bey seinem geliebten Fraͤulein in der zugemachten Gutsche/ aber die Ehrerbietung/ welche er ihr trug/ wahr groͤsser/ als daß er sich haͤtte erkuͤhnen duͤrffen/ ihr sein Leiden recht vorzulegen; und durch solche Zucht erhielt er gleichwol mehr Gunst bey ihr/ als wann er gar zu harten Sturm auf dieses Schloß gewaget haͤtte/ weil ihr Siñ al- so beschaffen wahr/ daß/ wohin sie von ihr selbst sich nicht lenkete/ sie weder durch Zwang noch liebkosen kunte gezogen werden. Ihr Gespraͤch wahr mannicherley; dann sie fragete bald nach Herkules/ bald nach Ladislaen Verhaltung in ihrer Jugend; welches alles er mit kurzer Antwort ersetzete/ weil er alle Gelegenheit suchete/ ihr seine Liebe zuentdecken/ worzu er gute Anleitung bekam/ da sie den Vorhang an der Gutsche zumachte/ weil vor q q der Sechstes Buch. der abscheuhlichen Kreuzigung sie sich entsetzete; daher er so viel Kuͤhnheit nam/ daß er anfangs ihre zarte Haͤndichen ergriff/ und sie bald hernach zu unterschiedlichen mahlen kuͤssete/ ruͤhmete hernach deren Volkommenheit/ und nach etlichen tief ausgelassenen seuf- zen/ wiederhohlete er seine heut f r uͤh angelegte Bitte/ daß er vor ihren Ritter moͤchte ange- nommen werdẽ; welches sie nur vor einen Scherz ausdeutete/ einwendend/ die so der Rit- terschafft nachzoͤgen/ suchten fast allenthalben dergleichen Teidung; dessen sie an einem Roͤmischen Ritter/ nahmens M. Anizius einen unbetrieglichen Spiegel haͤtte/ und einen solchen falschen Hund darstellen koͤnte/ der inwendig halben Jahꝛesfrist/ 63 Roͤmischen aͤd- len Jungfern und hochaͤdlen Fraͤulein sich zum Ritter verpflichtet/ so daß er einer jeden teur versprochen/ ausser ihr keiner andern aufzuwarten/ woduꝛch ihrer 18 verleitet/ auf sein straͤnges anhalten ihm eheliche Liebe versprochen/ und deren 6 gar von ihm zu unfall ge- bracht waͤhren. Sehet Durchleuchtigster Fuͤrst/ sagte sie/ dieser traͤulose Bube/ der es end- lich gar mit einem Schelmen verlauffen muͤssen/ hat dannoch durch seine Bosheit so viel gutes gestifftet/ daß wir jungen einfaͤltigen Fraͤulein uns fein lernen vorsehen/ und nicht einer jeden suͤssen Pfeiffe gehoͤr geben. Zwar Eure Liebe sehe ich nicht vor einen solchen an/ dann wie koͤnte der allergetraͤueste Liebhaber Groß Fuͤrst Herkules einen so ungleichen be- trieglichen Bruder haben? aber obgedachtes Roͤmische Frauenzimmer haben den Boͤ- sewicht Anizius auch nicht vor einen solchen gehalten/ und daruͤber ihre Leichtglaͤubigkeit gar zu spaͤt bereuen und beweinẽ muͤssen. Der Erz Schelm hat ver dienet/ sagte Baldrich/ daß ein jeder redlicher Ritter Rache an ihm uͤben solte/ weil durch solche Buͤberey der loͤblichen Ritterschaffter diesen Schandflek angehaͤnget/ daß eines auffrichtigen ritterli- chen Herzen standhaffte Traͤue in zweifel muß gezogen werden; ich vor mein Haupt gelo- be hiemit an/ wann ich wuͤste/ an was Ort und Ende er sich auf hielte/ ich nicht ruhen wol- te/ biß er durch Büttels Hand die verdiente Straffe empfangen haͤtte/ und wanns moͤg- lich waͤhre/ 63 mahl gekreuziget wuͤrde; versichere auch Eure Liebe bestaͤndig/ daß wann ein solcher Bube in meinem Vaterlande sich wuͤrde finden lassen/ der nur einer einigẽ Her- ren-Standes-Fraͤulein solche Untraͤue beweisen duͤrffte/ muͤste er allenthalben durchaͤch- tet/ und da er nicht zufin den waͤhre/ als ein verlauffener Schelm an den Galgen geschlagẽ werden; baht hierauff instaͤndig/ ihre Vortrefligkeit moͤchte doch dergleichen Argwohn von ihm nicht fassen/ nachdem er lieber ungebohren/ als seinem Herr Bruder so ungleich seyn wolte; fassete endlich ihre Haͤnde/ kuͤssete sie abermahl inbruͤnstig/ und sagete: Ihr Goͤtter/ die ihr den Ritterstand zur Beschuͤtzung weibliches Geschlechts ohn zweifel in- sonderheit eingesezt habet/ straffet ja bitte ich alle dieselben/ welche ein ehrliebendes Fraͤu- lein oder ander Weibesbild zubetriegen die Gedanken fassen duͤrffen/ absonderlich aber su- chet mich mit eurem Donnerstrahl heim/ wann ich jemahl einem andern Fraͤulein mich vor ihrem Ritter anbiete/ als dieser Hochgebornen Fraͤulein Lukrezien Pompejen. Be- huͤte Gott/ Durchleuchtigster Fuͤrst/ antwortete sie/ warum verwuͤnschet er sich dergestalt? Mein Gott und Schoͤpffer weiß/ daß mir solches von herzen zuwider ist; nicht daß Eure Liebe ich zu solchem Freunde ausschlagen wolte/ dessen Wirdigkeit ich ja nicht eins gleich legen kan/ sondern derselben anderwerz viel hoͤhere Gluͤkseligkeiten zubefodern/ wil ich meinen Gott bitten/ daß er Euer Liebe jeztgefuͤhrete Reden/ als ungesprochen rechnen und vorbey Sechstes Buch. vorbey gehen lassen wolle. Er hingegen brachte vor: Was ein bedachtsames Gemuͤt aus steiffem Vorsaz redete/ koͤnte den Goͤttern nicht verborgen bleiben; waͤhre auch nicht wil- lens/ dieses Geluͤbde Zeit seines Lebens zuwiderruffen; haͤtte er aber ihre Vortrefligkeit dadurch beleidiget/ baͤhte er ganz demuͤhtig um Verzeihung. Der anderen von ihr gedach- ten Gluͤkseligkeiten wolte er sich herzlich gerne begeben/ wann er nur der jeztgewuͤnscheten koͤnte faͤhig seyn; woran ihm ohn zweifel nichts als seine gar zu grosse Unwirdigkeit ver- hinderlich waͤhre; Hielt nochmahls an/ das Fraͤulein moͤchte ihm die grosse Ehre uñ gna- de erzeigen/ und goͤnnen/ daß er in seinem Herzen und gegẽ ihr allein/ sich ihren Ritter hal- ten und nennen duͤrffte. Warumb nicht/ Durchleuchtigster Fuͤrst/ antwortete sie/ das sol Euer Liebe frey stehen/ mich so hoch zuehren/ und zwar solcher gestalt/ daß ihr die freyheit sol unbenommen seyn/ sich schier heut oder morgen einer wirdigern Fuͤrst- oder Koͤnigli- chen Fraͤulein im rechten Ernst darzustellen/ jedoch mit diesem ausdruͤklichen bedinge/ daß gleichwol meiner alsdann nicht spoͤtlich gedacht werden moͤge/ als haͤtte ich mir andere als Scherzgedanken hieruͤber gemacht. Ach mein Hochgebohrnes Fraͤulein/ gab er zur Antwort/ welche toͤdliche Seelenstiche sind das; wolte Gott/ ich koͤnte meines ergebenen Herzen auffrichtige Gedanken derselben augenscheinlich darlegen/ umb zubekraͤfftigen/ dz in dieser Welt meine Geister durch nichts anders/ als Euer Liebe Volkommenheit koͤnnẽ vergnüget werden; doch der beguͤnstigten Gnade mich zugebrauchen/ nehme ich mit in- brünstigem Willen an/ daß mein Fraͤulein mir goͤnnet/ ihr Ritter zuseyn/ gelebe auch der troͤstlichen Zuversicht/ sie werde mir die Kuͤhnheit verzeihen/ daß ich einen Ring von ihren allerschoͤnsten Fingern raube/ damit dieses hochgeneigten versprechens ich einiges War- zeichen haben moͤge. Dieses wolte sie ihm nicht versagen/ sondern goͤnnete ihm die Wahl unter allen/ ausgenommen/ den sie am linken kleinesten Finger trug/ weil Groß Fuͤrst Her- kules ihr denselben auff bruͤderliche Traͤue geschenket hatte. Baldrich rechnete sich schon auff der hoͤchsten Stuhffe der Gluͤkseligkeit/ zog einen schoͤnen Demant Ring von ihrem Goldfinger/ kuͤssete ihn/ und band ihn unten in die Goldfaͤdem/ mit welchen sein linker Zopf eingeflochten wahr/ mit Beteurung/ er wolte lieber sein Leben als diesen Ring verlieren. Bald darauf zohe er viel einen koͤstlichern aus seinem Schieb Sak/ steckete ihn an den ent- bloͤsseten Finger/ und baht sehr/ ihn so hoch zuwirdigen/ und umb seinet willen an ihrem Finger zudulden; welches sie mit anmuhtiger Danksagung annam. Sie hielt sonsten mit ihm ein freies Gespraͤch/ da sie unter andern zu ihm sagte: Durchl. Fuͤrst/ wann mirs nit verarget wuͤrde/ eine vorwitzige Frage zutuhn/ und ihre Liebe solche bey sich behalten wol- te/ moͤchte ich von derselben wol berichtet seyn/ durch was gelegenheit meine Frl. Schwe- ster Frl. Sibylla mit dem Durchl. Fuͤrsten Herrn Siegward in so kurzer Zeit so gute Kundschafft gemacht habe/ dann/ aͤusserlichem ansehen nach/ duͤrfften dieselben wol eine solche Handlung treffen/ daß uns daher ein oder etliche froͤliche Tanz Tage gemacht wür- den. Hochgebohrnes Fraͤulein/ antwortete er mit einem lachen/ ob gleich Fuͤrst Siegward mein getraͤuester bruͤderlicher Freund ist/ wuͤrde ich doch nicht unterlassen/ Euer Liebe diese Heimligkeit zuoffenbahren/ wann sie mir eigentlich kund waͤhre; aber ausser zimlicher Muhtmassung habe ich nichts gewisses. Darff ich aber solche Muhtmassung mit wissen/ sagte sie/ hat Eure Liebe sich bey mir alle Verschwiegenheit zuversichern. Warumb nicht/ q q ij mein Sechstes Buch. mein Fraͤulein? antwortete er/ weil das Herz ganz ihr eigen ist/ findet sich nichts in dem- selben/ welches vor ihrer Liebe begehret verborgen zu seyn. Meine Muhtmassung aber ist diese: Als wir der Raͤuber ingesamt waren maͤchtig worden/ machte ich mich alsbald hin- weg/ umb etliche Wagen aus der naͤhe zuhohlen/ noch ehe ich das Fraͤulein gesehen oder gesprochen hatte/ dann ich merkete/ daß wegen ihrer zurissenen Kleider sie sich in einem Winkel verborgen hielt; Als ich nun nach Verlauff zwo Stunden wieder kam/ traf ich meinen Freund an/ daß er mit dem Fraͤulein gar ein ernstes Gespraͤch hielt/ welches ich merkete von Liebeshaͤndeln seyn; worin ich sie dann nicht stoͤren wolte/ sondern Raum ge- nug goͤnnete; Ausser zweifel aber ist es/ daß mein Freund durch Liebe zu diesem Fraͤulein sehr gepeiniget wird/ und wann ich mich erkuͤhnen dürfte/ Eure Liebe seinet wegen unter- taͤhnig zubitten/ daß dieselbe bey dem Fraͤulein ihm mit einer kraͤfftigen Vorbitte wolte zu huͤlffe kommen/ haͤtte ich nicht zuzweifeln/ er wuͤrde zu dem Zweg seiner ehrlichen begier- den leicht gelangen. Mein Freund/ antwortete sie/ gedenket Eure Liebe/ daß dieser Fuͤrst meiner Vorbitte bey dem Fraͤulein in dieser Sache beduͤrffe? hat er ihr doch ihren teurestẽ Schaz/ die Keuscheit-Ehre gerettet und erhalten/ wie solte sie dann sich ihm in ehelicher Liebe nicht wollen ergeben/ angesehen des hohen Fuͤrstlichen Standes/ in welchem dieser ihr Liebhaber lebet/ wann gleich der hohe Verdienst nicht dar waͤhre? reize derwegen mein Durchl. Fuͤrst seinen Freund nur an zur beharlichen Ansuchung/ alsdann wird er seinen Zweg schon ohn meine huͤlffe erhalten/ wiewol Eure Liebe spuͤren sol/ daß dero Vorbitte bey mir guͤltig gewesen ist. Baldrich wuste sich in dieser Fraͤulein art nit zuschicken/ durfte ihm auch die Gedanken machen/ er selbst würde hierunter zur eiferigen Nachstellung ange- frischet/ welches ihn auch so muhtig machete/ daß er willens wahr/ umb ehelich Liebe aus- druͤklich anzuhalten/ deren er biß daher noch keine Erwaͤhnung getahn hatte/ aber sie wah- ren schon bey des Stathalters Hofe angelanget/ und traten die Diener herzu/ ihnen die Gutsche auffzumachen. Die ganze Geselschafft ging hinauff in den Gast Saal/ woselbst der Stathalter nebest den vornehmesten Herren der Stad sie empfingen/ und zehn lange Tische mehrenteils in bunter Reihe besetzet wurden. Nach gehaltener Mahlzeit teileten Herkules und Ladisla die aus Persen übergebrachtẽ grossen Schaͤtze aus/ uͤber deren gros- se Menge sich jederman zum hoͤchsten verwunderte/ insonderheit aber entschuldigten sich Fr. Sophia und Fr. Ursul/ daß sie solches annehmen solten/ da sie doch ihren Gemahlen nicht haͤtten koͤnnen in der fremde Geselschafft leisten. Leches und die uͤbrigen empfingen auch neben ihren Eheliebsten die beygelegten Gelder und andere Sachen; nur vor Gallus fand sich nichts/ dessen Ladisla sich verwunderte/ und nicht anders meynete/ es wuͤrde von den Morgenlaͤndischen Fuͤrsten wegen der Eile vergessen seyn/ deßwegen er zu ihm sage- te: Machet euch keine Gedanken Gallus/ finde ich gleich euren Anteil hier nicht/ soler euch doch unverruͤcket bleiben/ wie ihr solches mit euren getraͤuen Diensten wol verdienet ha- bet. Ach Gnaͤdigster Herr/ antwortete er/ was koͤnte ich doch vor einige Gnade verdienet haben? wolte Eure Durchl. mit mir nach Verdienst handeln/ so muͤste ich heut dem Raͤu- ber Fannius Geselschafft geleistet haben. Auff welche Rede/ die er kaum endigen kunte/ drungen ihm die Traͤhnen so haͤuffig aus den Augen/ daß er einen Abtrit nehmen muste/ auch Ladisla selbst vor Mitleiden ihm keine Antwort geben kunte. Er stellete sich aber bald wieder Sechstes Buch. wieder ein/ und zeigete an/ daß er die Schenkungen von den Fuͤrsten zu Persepolis und an- dern Kriegs Obristen in so grosser menge empfangen haͤtte/ daß er des nehmens uͤberdruͤs- sig worden/ und es auf viel Wagen fortschleppen muͤssen/ wovon er seinem Geluͤb de nach/ der armen Christenheit hin und wieder den zehenden traͤulich entrichtet/ welcher uͤber an- derthalb Tonnen Goldes sich erstrecket. Es ist mir lieb/ sagte Ladisla/ daß ihr diese Reise nicht umsonst getahn/ und ist unser aller ernstlicher Befehl und Wille/ daß hinfort ihr eu- res ehmahligen Verbrechens keine Erwaͤhnung/ als etwa bey euch selbst und vor GOtt tuht/ weil eure folgende Traͤue alles vorige bey uns gaͤnzlich ausgeloͤschet uñ vertilget hat. Sonst werde ich mich unterstehen/ mein liebstes Gemahl zuersuchen/ daß sie euch zur Hey- raht verhelffe/ nachdem es euch noch an dieser zeitlichen Gluͤkseligkeit mangelt. Er bedan- kete sich dessen untertaͤhnigst/ und bekennete/ daß er seinem Gott angelobet haͤtte/ da es ihm so gut werden koͤnte/ eines verarmeten aͤdelmans Tochter/ die ehrlich und eine Christin waͤhre/ oder zuwerden gedaͤchte/ zuheirahten/ deren Eltern und Geschwistern sich seines grossen Gutes mit solten zuerfreuen haben. Er hatte sich aber in Fr. Sophien Leibdiene- rin/ Jungfer Beaten hefftig verliebet/ und ihres Standes Kundschaft eingezogen/ daß sie von gutem Paduanischen Adel/ aber ihre Eltern durch alte Schulden in tieffe Armuht gerahten waͤhren. Sie wahr ohngefehr von 24 Jahren/ from/ schoͤn und eine Christin/ und hatte Fr. Sophien von ihrer Jugend her auffgewartet. Weil dann dieselbe ihres Ge- mahls erbieten hoͤrete/ fassete sie alsbald die Gedanken/ ihre getraͤue Dienerin zubefodern/ gab vor/ sie haͤtte etwas zubestellen/ und wolte sich bald wieder herzu machen/ hieß Beaten ihr nach folgen/ und da sie mit ihr allein wahr/ sagte sie: Ohn zweifel gedenket der liebe Gott auch an dich wegẽ deines Christlichen Wandels; dafern du nun dein Gluͤk erkeñen kanst/ wird dir leicht geholffen seyn; Du hoͤrest/ wessen Gallus sich erbeut/ welcher/ ob er gleich kein gebohrner aͤdelman ist/ so wird er doch von Koͤnigen und Fuͤrsten dergestalt geliebet/ daß ihm ein mehres als der gemeine Adelstand erfolgen kan; drumb erklaͤre dich bald/ wes- sen du gesinnet bist/ alsdann wil ich eure Heyraht ohn verweilen befodern/ und kanst duꝛch dieses Mittel deine Eltern und Geschwister alle mit einander aus ihrer Armuht loßreissen. Diese gab zur Antwort: Sie haͤtte ihr vorgenommen/ Ihrer Gn. Frauen Leib-bedienung nimmermehr zuverlassen/ wolte ihr aber gerne gehorsamen und ihres Willens leben/ hoffete auch/ es würde Gallus so übermuͤhtig nicht seyn/ und hernaͤhst ihre Armuht ihr schimpflich vorwerffen. Ey was wolte er dir vorwerffen/ sagte sie/ ich wil dir vor alles Buͤrge seyn; ging wieder mit ihr hin/ da Gallus mit verlangen wartete/ und nicht wenig fuͤrchtete/ man wuͤrde ihm eine ungenehme zu freien wollen/ hoͤrete aber mit freuden/ daß ihn Fr. Sophia also anredete: Guter Freund Gallus/ ich habe meines Herrn Koͤniges uñ Gemahls begehren an mich wol verstandẽ/ in dem dessen Liebe von mir gewaͤrtig ist/ euch ei- nen Ehegatten zuzufreien; weil ihr dann euer Christliches Gemuͤht gnugsam habt erklaͤ- ret/ daß euchs weder umbs Geld noch andere uͤppigkeit zu tuhn ist/ sondern bloß allein umb Ehr und Tugend/ wil ich euch einen Vorschlag tuhn/ aus welchem ihr mein gutes Gemuͤht gegen euch spuͤren sollet; nam einen Abtrit mit ihm/ und sagte: Ich kan meiner Leibdiene- rin Jungfer Beaten das Zeugnis geben/ daß sie nicht allein von adelichen Eltern gezeuget/ sondern vor sich selbst from und tugendreich ist; ihre gute Gestalt hat schon unterschiedli- q q iij che Sechstes Buch. che aͤdle Anwerber erwecket/ denen ich sie bißher versaget/ ohn zweiffel/ weil sie ihrer keinem von Gott versehen gewesen/ und ob sie gleich zeitliche Guͤter von ihren Eltern nicht zu hof- fen hat/ bin ich doch des vorhabens sie ehrlich und ihrem Stande gemaͤß außzusteuren. A- ber ich muß zuvor wissen/ ob sie euch zum Ehegattẽ freiwillig gefallen kan/ weil ich durchaus nicht willens bin/ euch wieder euren Willen eine auffzudringen. Gallus bedankete sich un- tertaͤhnigst/ und zeigete an; er truͤge keinen zweifel der Allerhoͤchste wuͤrde ihm diese aͤdle Jungfer gnaͤdig außersehen haben/ weil eben auff dieselbe/ und auff keine andere er sein ab- sehen gehabt; dafern nun die Jungfer ihm ihr Herz zuwenden/ und sein Gn. Herr Groß- Fuͤrst Herkules gnaͤdigst einwilligen koͤnte/ wuͤrde ihm angenehmers in dieser Welt nicht begegnen. Vor dieses lasset mich sorgen/ antwortete sie/ und ist mir lieb daß ich die rechte getroffen habe; ging zu Herkules und taht ihm alles zu wissen; welcher Jungfer Beaten ihm bey der Hand zufuͤhrete/ und zu ihm sagete: Mein Gallus/ ich habe schon unterschied- lichemahl darauff gedacht/ euch zu einer loͤblichen Heyraht zuverhelffen/ aber eine andere als Italiaͤnische/ ja daß ichs recht sage/ als eben diese Jungfer meine Freundin euch zuzu- fuͤhren/ bin ich niemahls willens gewesen/ sonst solte euch die Wahl unter Artabanus ge- fangenen unberuͤhrten Frauenzimmer frey gestanden seyn; weil dann meine Fr. Schwe- ster mir zuvorkommen ist in der Versprechung/ merke ich daher Gottes sonderbahre schie- kung/ wil aber anfangs/ damit ihr ein wirdiger Braͤutigam seyn koͤnnet/ euch in den aͤdlen Teutschen Ritterstand auffnehmen/ und bey Roͤmischer Kaͤyserl. Hocheit befodern/ daß ihr unter die Roͤmische und Paduanische Geschlechter gesetzet werdet; hernach wil bey dieser Jungfer ich Vatersstelle vertreten/ und wegen eures wolverhaltens ihr 50000 Kro- nen zur Heimsteur einreichen lassen/ damit weder sie sich wegen eures unadels/ noch ihr wegen ihrer Armut euch zubeschweren haben sollet. Sie bedanketen sich beyderseits mit einem Fußfalle/ und baht Gallus untertaͤhnigst/ ihre Durchl. wolten die versprochenen Gelder zuruͤk behalten/ weil er schon ein mehres haͤtte als seine wirdigkeit sich erstreckete. Fr. Sophia aber fuͤhrete sie zusammen/ daß sie mit ihrem Jaworte ihre eheliche traͤue be- staͤtigten/ und solte die Verloͤbniß alsbald gehalten worden seyn/ wann nicht die Braut bey ihrer Frauen untertaͤhnigst angehalten haͤtte/ daß ihren lieben Eltern es zuvor moͤchte kund getahn werden/ welches/ da ihrer Gn. es nicht zu wieder/ sie selbst gerne verrichten wolte. Es ward ihr solches leicht verwilliget/ und gab ihr Gallus sechs Gutschpferde samt einer statlichen Gutsche/ fuͤnff Persische Reitpferde vor ihren Vater und vier Brüder/ noch ei- ne Gutsche mit vier Pferden vor ihre Mutter und vier Schwestern/ einen Pakwagen mit allerhand Seidenen Tüchern und 20000 Kronen baarschaft beladen/ auch Kleinot und Ringe auff 9000 Kronen wert/ davon ihre Eltern samt allen ihren Kindern sich adelich außputzen solten/ welches sie mit grosser Danksagung zu sich nam/ und nach ihres Vaters armseligen Meierhof fuhr/ nam auch zehn Schneider mit sich und auff einem andern Wa- gen allerhand Speise und Trank. Inzwischen fuhren Herkules und Ladisla mit ihrer auß- teilung fort/ stelleten Frl. Lukrezien und Sibyllen trefliche Kleinot zu/ jeder auff 80000 Kronen/ neben allerhand guͤldenen und silbern Stuͤcken/ und von allem was sie sonst koͤst- l iches mit uͤbergebracht hatten; Frl. Helene bekam halb so viel/ aber Fr. Pompeja alles gedoppelt/ daß sie gar unwillig drüber ward. Ihre beyde aͤdelknaben von Rom/ Publius und Sechstes Buch. und Tullius hatten sich bißdaher stets zu Padua bey Fr. Sophien auffgehalten/ deren je- dem 12000 Kronen geschenket/ und damit ihren Eltern zugeschikt wurden. Der getraͤue Timokles und Mardus wurden von ihnen anfangs in den Adelstand auffgenommen/ her- nach jeder mit 60000 Kronen/ Gutschen/ Reitpfer den und Leibdienern verehret/ und daß jeder/ so lange er lebete/ jaͤhrlich 2000 Kronen besoldung haben solte; weil sie dann beyder- seits sich erbohten/ in ihrer Herren Dienste zuverbleiben/ wurden sie vor Zeugmeister von ihnen bestellet. Timokles hatte schon zu Jerusalem mit Frl. Lukrezien Leibdienerin/ einer Roͤmerin/ sich verliebet/ offenbahrete solches seiner Gn. Fuͤrstin Valiska/ und bekam als- bald Zusage der Heyraht. So gab Mardus sich bey Frl. Sibyllen Leibdienerin an/ wel- che Herkules samt dem Fraͤulein aus Silvans Haͤnden erloͤset hatte/ und erhielt gleicher- gestalt sein ansuchen. Unter diesem Verlauff/ ward dem jungen Fabius angemeldet/ es waͤhre ein feiner junger Geselle im Vorhofe/ welcher untertaͤhnig anhielte/ ob ihre Gn. ihn ein Wort hoͤren moͤchten. Er ließ denselben alsbald vor sich fodern/ umb sein Vorbringen zuvernehmen/ welcher ihm eine in Lateinischen zierlichen Versen auffgesetzete Glükwuͤnschung wegen sei- ner gluͤklicher Wiederkunft einreichete/ die er selber gemacht hatte/ und baht untertaͤhnig/ weil er Lust zu den freien Kuͤnsten truͤge/ und geringe Mittel haͤtte/ sein Vorhaben außzu- fuͤhren/ moͤchten ihre Gn. ihn mit einer Beysteur gnaͤdig ansehen/ deß wolte er den wah- ren Gott herzlich bitten/ daß es ihrer Gn. tausendfaͤltig hier zeitlich und dort ewig moͤchte vergolten werden. Fabius vernam aus seinen reden/ dz er ein Christ wahr/ lieff das Brief- lein gerade durch/ und gefiel ihm der Inhalt sehr wol/ deßwegen er sich gegen ihn freund- lich bedankete/ und daß er Morgen vor der Mittagsmahlzeit sich wieder einstellen solte/ da er ihm seinen guten willen schon wolte vergelten. Der Schuelknabe/ seines alters von 14 Jahren/ nahmens Vibius Mela/ ward der Zusage sehr froh/ und stellete sich zu rechter Zeit ein. Es hatte aber Fabius seinem Buchhalter befohlen/ so bald er wieder kaͤhme/ ihm 100 Kronen zur verehrung zu geben/ welcher aber nach gebrauch seines schon mehr getriebenen Handwerkes ihm nur 20 Kronen zustellete/ und die uͤbrigen 80 in seinen Sekel steckete/ der Hoffnung/ weil ihm dergleichen Diebesgriffe schon manniche angangen waͤhren/ solte ihm dieser auch gelingen. Fabius ließ das Verßgeticht Herkules und Ladisla sehen/ denen es wolgefiel/ und sich erbohten/ wann sie den Knaben außfragen koͤnten/ solte ihrethalben ihm auch eine Verehrung zugestellet werden/ weil ohndas sie mit darinnen benennet wah- ren. Nun wolte dieser Knabe sein dankbahres Gemuͤht sehen lassen/ und brachte abermahl sein Brleflein ein/ in welchem er ruͤhmete/ daß er vor jeden Verß (deren zwanzig wahren) eine Goldkrone bekommen/ und das unwirdige Geticht mit gutem recht aureum Carmen, oder ein güldenes Geticht nennen koͤnte; welches da es Fabius von seinem Leibknaben ein- gehaͤndiget ward/ erkennete derselbe daraus seines Buchhalters oder Zahlmeisters Diebe- rey/ ließ sich doch dessen nicht merken/ wie saur es ihm gleich ward zuver beissen/ sondern fo- derte ihn vor sich/ und mit sanftmuht sagte er zu ihm; ist der gestrige Knabe heut wieder da gewefen/ und hastu ihn nach meinem Befehl beschenket? Ja/ Gn. Herr/ antwortete er/ es ist alles nach ihrer Gn. anordnung ergangen/ und zu richtiger Rechnung gebracht. Der Knabe/ welches dieser nicht wuste/ wartete annoch im Vorhofe auff/ und muste der Zahl- meister Sechstes Buch. meister einen Abtrit nehmen/ dieser aber auff das Gemach kommen/ welcher eine kurze/ a- ber zierliche und schamhafte Rede hielt/ durch welche er seine Unhoͤfligkeit entschuldigte/ und nochmahls vor das ansehnliche Geschenk in Griechischer Sprache dankete. Der jun- ge Fabius redete ihn an und sagte: Lieber Knabe/ sage mir die Warheit/ wie viel dir mei- net we gen zur Verehrung zugestellet sey. Gn. Herr/ antwortete er/ zwanzig Kronen/ und mehr als ich gehoffet hatte. Der Zahlmeister muste alsbald wieder hervor treten/ welchen er mit ernster Stim̃e fragete; Hastu diesem Knaben die 100 außgezaͤhlet? dieser verstum- mete hierauff/ und verriet sich durch seine anroͤhtung/ fing schon an umb Gnade zu bitten/ weil er sich erinnerte/ daß er nicht alles geleistet haͤtte. Er ward aber alsbald ins Gefaͤng- nis gelegt/ und auff fleissige nachfrage befand sichs/ daß er allen Dienern und Arbeitsleuten abgeknappet/ und doch alles vol zur Rechnung gebracht hatte/ so daß er eines halbjaͤhrigen Diebstals/ auff der Reise begangen/ uͤber 9000 Kronen uͤberwiesen ward/ und er andern zum Beyspiel den Galgen bekleiden muste. Es ging diese Untraͤue der Groß Fuͤrstin sehr zu herzen/ deßwegen fing sie also an: Wie ein grosses Ungluͤk ist es den von Gott ihn hohen Stand gesetzeten/ daß sie nicht alles selbst verwalten koͤnnen/ sondern ihren Bedieneten viel wichtige Sachen anvertrauen müssen; sind dann unsere Leute untraͤu und dem Geiz erge- ben/ alsdann kan es nicht anders ergehen als dieses Beyspiel zeiget/ welches uns vor Augen stehet; was vor grossen und schimpflichen nachteil aber uns solches gebieret/ bedarff keines weitlaͤuftigen beweißtuhms; es entstehet uns daher boͤse Nachrede/ Mißgunst/ und der Leu- te ungewogenheit; niemand wil Fuͤrsten und Herrn arbeiten/ dann/ sprechen sie/ es wird uns unsere Muͤhe und Waare nicht bezahlet; niemand wil uns zu ehren ein oder ander Lobgedichte auffsetzen; dann es wird nicht vergolten. Sehet ein solches Ubel verursachen unsere ungetraͤue Rentmeister/ welche man viel haͤrter als andere Diebe abstraffen muß/ weil sie die aller groͤssesten Diebe der Welt sind/ in dem sie nicht allein denen daß ihre steh- len/ welchen sie nicht redlich lohnen/ sondern ihren Herrn stehlen sie den guten Namen/ uñ der Leute gewogenheit/ welchen Verlust ich viel schaͤdlicher achte/ als wann man uns umb viel Tonnen Goldes betreuget. Herkules gab ihr zur Antwort: Wie aber mein Schaz/ wie kan man diesem weit eingerissenen Ubel steuren? es hat der jetzige Dieb/ wie gesagt wird/ sich schon verlauten lassen/ daß wann man ernstliche untersuchung tuhn wolte/ wuͤr- de seine Geselschaft bald vermehret werden; man solte nur eine Fuͤrstliche Außgabe durch viel Haͤnde gehen lassen/ wuͤrde man sehen/ daß an allen Haͤnden etwas wuͤrde kleben blei- ben/ und waͤhre nichts neues/ daß aus des Herrn Hand eine Krone dem armen Betler zu- gedacht/ in des Dieners Hand in einẽ Groschen verwandelt wuͤrde/ ja wol gar verschwün- de/ und der Betler mit Schimpff- und Scheltworten abgespeiset/ GOtt darzu dankete/ dz er ohn Schlaͤge davon kaͤhme. Es ist zubeklagen/ sagte Valiska/ daß der Geiz die Menschẽ dergestalt untraͤu machet/ welche ihren Herren durch leiblichen aͤid sich zu aller Traͤue ver- bunden haben; Ich halte aber davor/ man koͤnte dem Unwesen durch zweyerley Mittel ab- helffen; Erstlich/ daß man den Bedienten ehrlichen Sold gaͤbe/ davon sie sich und die ih- ren zur gnuͤge erhalten koͤnten; Hernach/ daß man bey ihrer Bestallung ihnen zugleich den Strik vorlegete/ unter der Bedraͤuung und unbegnadeten Volstreckung/ daß wo man sie auff einer einzigen Dieberey/ sie waͤhre gleich nur einer Kronen wert/ ertappen wuͤrde/ ih- nen Sechstes Buch. nen die Ablohnung von dem Buͤttel solte erteilet werden; Ich bin dessen gewiß/ es solten nicht zwanzig gehenket werden/ daß nicht etliche hundert sich daran spiegeln solten. Und ob mir jemand einwerffen wolte/ es würde dieses gar zu straͤnge gestraffet seyn/ dem gebe ich zur Antwort/ daß weil man keinen gelindern Weg sihet/ muͤsse Fuͤrsten und Herren Anse- hen und redlicher Nahme durch solche Schaͤrffe erhalten werden. Der Stathalter gab der Groß Fuͤrstin recht/ und ließ allen seinen Bedieneten ansagen/ daß wo jemand/ wer der auch waͤhre/ sich mit dergleichen Diebsnaͤgeln kratzen wuͤrde/ solte dem erhenketen ohn al- le Gnade Geselschafft leisten. Dem frommen Schuelknaben aber schenkete der junge Fa- bius noch 100 Kronen/ Herkules vermachte ihm jaͤhrlich gleich so viel/ als lange ervon noͤhten haͤtte von andern unterrichtet zuwerden/ und des erhenketen gestohlene 9000 Kronen wurden zur Unter haltung der Armen angewendet. Jungfer Beata kam noch bey guter Tageszeit in ihres Vaters Huͤtchen an/ welches zwo Meile von der Stad gelegen wahr; sie fand ihre Eltern im Kuͤchen Garten arbeiten/ und zwo Schwestern neben zween Brüdern das graben verrichten/ woruͤber ihr die Traͤh- nen aus den Augen drungen/ ging zu ihnen hin in ihrer statlichen Kleidung/ womit Frau Sophia sie ausgeschmuͤcket hatte/ und sagte zu ihnen: Herzliebe Eltern/ Schwestere und Bruͤdere/ leget solche Bauren Arbeit ab/ und nehmet euren Adelichen Stand an/ nachdem der barmherzige Gott mir einen Braͤutigam bescheret hat/ der uns aller schmaͤhlichen Ar- mut benehmen wil. Die Eltern sahen die trefflichen Kleinot an ihr blaͤnken/ und frageten/ wer dann dieser Braͤutigam waͤhre; insonderheit durffte die Mutter/ ungeachtet ihrer kuͤmmerlichen Armuht nachforschen/ ob er auch aͤdel gebohren/ dañ sie gedaͤchte ihre Toch- ter nicht in den schlechten Buͤrgerstand zuverheyrahten. Aber die Jungfer wahr viel kluͤ- ger/ und antwortete: Liebe Mutter/ leget doch solchen eitelen Hochmuht ab/ was pochet ihr auff das eingebildete Blut/ und verachtet den Buͤrgerstand/ da ihr doch Armuhtswegen euch bißher als eine Bauerin habt ernaͤhren/ den Flachs spinnen/ und aus Oepffel/ Bir- nen/ Kraut und Nuͤssen/ etliche Groschlein kaͤuffen muͤssen/ wovon ihr das liebe taͤgliche Brod haben moͤget/ noch duͤrffet ihr auff euren Adel trotzen/ der euch keinen Heller eintraͤ- get/ und von den vermoͤgenden schlimmen Bauren verachtet wird. Ist mein Liebster dann gleich kein gebohrner aͤdelman/ so ist er doch an Tugend aͤdel gnug/ und hat durch seine ge- traͤuen Dienste den Adel- und Ritterstand von Koͤnigen und Fürsten erlanget/ neben der Zusage/ daß er auch in den Roͤmischen Adel sol auffgenommen werden/ welchen Stand auszufuͤhren er reich genug ist/ und uͤber 15 Tonnen Goldes vermag. Als solches ihr Va- ter hoͤrete/ welcher auch ein Christ wahr/ sagete er: Ach du mildreicher Gott/ du verlaͤssest ja die deinen nicht/ wann sie nur im festen Vertrauen auf dich bleiben/ wie ich anjezt in der Taht erfahre. Jungfer Beata erinnerte sie/ daß alsbald an ihre uͤbrigen zwo Schwestern und zween Bruͤder (welche bey andern vom Adel sich in der naͤhe auffhielten/ und ihnen zu dienste wahren) ein Bohte abgefertiget würde/ sich ohn verweilen einzustellen/ gingen mit einander in das Haͤußlein/ und ließ sie daselbst alle Sachen abladen; dem Vater stel- lete sie die uͤbergebrachten Gelder zu/ als ein Geschenk von ihrem Braͤutigam/ welche er des folgenden Tages an etliche benachbarte vom Adel einschickete/ uñ damit seine verpfaͤn- dete Guͤter einloͤsete/ die so bald nicht aussinnen kunten/ was vor einen gluͤklichen Fund r r dieser Sechstes Buch. dieser alte verarmete Opimius (diß wahr sein Nahme) getahn haͤtte. Die Schneider musten Tag und Nacht an den Kleidern arbeiten/ damit sie zu Padua bald anlangen koͤn- ten/ und stelleten die Schwester uñ Bruͤder sich gar zeitig ein. Zu Padua ward des abends/ da Beata weg gereiset wahr/ ein zierlicher Tanz gehalten/ und wahren aller anwesenden Augen auff Herkules und Fr. Valisken hingekehret/ da sie auf Fr. Sophien Anfoderung einen Tanz mit einander verrichteten/ in solcher kuͤnstlichen Zierligkeit/ als jemahls moch- te gesehen seyn/ daß auch der Stathalter zu Kornelius sagete: Ich glaͤube nicht/ daß so lan- ge die Welt gestanden ein volkommener paar Eheleute gelebet haben/ und erscheinet aus allen ihren Geberden/ mit was herzlicher Neigung sie einander meynen; in welchen Ge- danken er dann nicht irrete/ massen ihre Liebe sich von Tage zu Tage stets mehrete/ daß sie kaum eine Stunde mit Herzensruhe von einander seyn kunten. Ja es wahr so ein ein- traͤchtiger Wille zwischen ihnen/ daß nicht anders zuurteilen stund/ sie haͤtten beyde nur ei- ne Seele gehabt; gingen sie mit einander/ so fasseten sie sich bey den Haͤnden/ welche man- nichen Kuß einnehmen musten; sassen sie beyeinander/ so schaueten sie sich mit freundlichem lachen an/ und bemuͤhete sich ein jeder/ wie er dem andern Vergnuͤgung schaffen/ und ehꝛ- liche Ergezligkeit geben moͤchte. Wie offt klagete er ihr/ daß sein Herz viel zu voll waͤhre/ und als ein angestecketes Faß/ dem keine Lufft gegeben wird/ dessen nichts von sich auslas- sen koͤnte/ was drinnen verschlossen waͤhre. Wann ihm dann sein Gemahl antworten wol- te/ ging es ihr gleich also/ und muste das stumme umfahen die beste Rede seyn/ weil die Zun- ge als gelaͤhmet/ ihr Amt nicht verrichten kunte. Zu zeiten kam es/ daß die Vernunfft in ihnen sich loßwirkete von der Liebesklammer/ und alsdann fingen sie an einen so haͤuffigen Strohm der verliebeten Reden auszugiessen/ daß man haͤtte meynen sollen/ das Herz waͤh- re gar ausgeleeret/ und ihre inbruͤnstige Liebe biß an das innerste ausgedruͤcket/ da hinge- gen sie vermeyneten/ kaum die aͤussersten Borken gezeiget zuhaben. Zu verwundern aber wahr es/ daß diese straͤngst-gespannete Liebe die Ehrerbietigkeit des einen gegen den an- dern im allergeringesten nicht minderte/ so wenig/ wann sie allein/ als in Geselschafft wah- ren/ und geschahe gar selten/ daß sie ihre Unterredungen nicht mit Geistlichen Sachen sol- ten vermischet haben. Als sie vor dißmahl den Tanz zum Ende gebracht hatten/ so derte die Groß Fürstin Frl. Lukrezien und Sibyllen auff/ und fuͤhrete sie den beyden jungen Fuͤrsten mit diesen Worten zu: Geliebete Herren Oheime; hie bringe Euren Liebden ich meine herzgeliebeten Fraͤulein Schwestere zu/ welche dort nicht anders als zwey verlassene Tur- tel Taͤubelein sassen/ und vielleicht eine der anderen ihre ungluͤkselige Einsamkeit klageten/ welches mir nicht wenig zu herzen gehet; bitte demnach hoͤchlich/ sie wollen dieselben zum Tanze fuͤhren/ und nach dessen Endigung sie in ihrer guten Geselschafft behalten. Die Fraͤulein wurden hier uͤber etwas schamroht/ weil ihnen einfiel/ wie weit sie heut auff den Gutschen sich mit ihnen eingelassen hatten/ und antwortete Frl. Lukrezie also: Durchl. Groß Fuͤrstin/ was solte uns und unsers gleichen angenehmer als die Einsamkeit seyn? insonderheit die wir als vertrauete Schwestern eine gute Zeit nicht beysammen gewesen/ und die uns begegnete Abenteur einander zuerzaͤhlen grosse Begierde tragen; wie dann gleich jezt meine Frl. Schwester zum Ende gebracht/ in was Furcht und Gefahr sie neu- lich in der Raͤuberhoͤhle gewesen/ wovon sie durch dieser Fuͤrsten Heldentaht errettet/ und bey Sechstes Buch. bey ihren Jungfraͤulichen Ehren erhalten sey; und wahr ich gleich bemuͤhet/ ihr zu gemuͤht zufuͤhren/ wie viel sie den Durchleuchtigsten Fuͤrsten schuldig waͤhre/ habe ihr auch in et- was an die Hand gegeben/ wie sie ihr dankbares Herz gegen dieselben koͤnte sehen lassen/ wozu ich sie doch nicht bereden kan/ nicht/ dz Undankbarkeit sie davon abhaͤlt/ sondern weil sie/ wie sie selbst bekennet/ ihren Durchll. gar zu viel schuldig sey. Nun habe ich dagegen ein- gewand/ es sey besser/ einen moͤglichen Anfang zur Bezahlung zumachen/ als gar nicht zah- len wollen/ insonderheit/ weil Hoch Fuͤrstliche Gemuͤhter groͤssere Beliebung an dem guten Willen/ als an unwilliger Ablegung der Schuld tragen; Hierauff/ Durchleuchtigste Groß Fuͤrstin habe ich ihre Antwort noch nicht erhalten/ welche ich vor dem Tanze gerne wissen/ oder zum wenisten von Euer Durchl. hoͤren moͤchte/ ob ich ihr nicht recht gerahten habe. Ey geliebte Schwester/ antwortete Frl. Sibylla/ du bist gar zu ausschlaͤgern/ und breitest alles aus/ was man mit dir ingeheim redet/ welches mich warnet/ daß ich dir nach diesem nichts mehr vertrauen/ vielweniger auff dein anbringen Antwort geben/ sondern meine Durchl. Groß Fürstin/ dir einzureden/ bitten/ und zugleich bey derselben mich rahts erhohlen werde/ wie ich mein dankbahres tiefverschuldetes Gemuͤht diesen beyden Fuͤr- sten am fuͤglich- und annehmlichsten koͤnne sehen lassen. Wol zufrieden/ sagte Frl. Lukre- zie/ daß du mir so wenig trauest/ vielleicht koͤmt der Tag/ daß dichs gereuen duͤrffte/ alsdañ wil ich deiner so wenig achten/ als du anjezt meiner tuhst. Du gibst grosse Sachen von dir aus/ antwortete jene/ muß aber dein draͤuen lassen dahin gestellet seyn/ und auff solchen fal tuhn/ als wann du noch zu Elia jenseit des Meers bey deinen Juden saͤssest. Groß Fürstin Valiska lachete dieses ertichteten Zankes/ und wolte ihn laͤnger unterhalten/ daher sagete sie zu Lukrezien: Geliebete Frl. Schwester/ ich wil unserer auch geliebten Schwester Frl. Sibyllen gnugsames Vermoͤgen zur Dankbarkeit durchaus nicht in Zweifel zihen/ aber allem ansehen nach/ duͤnket mich/ Eure Liebe leisten bey ihr nicht das Werk einer getraͤuen Schwester/ dann weil dieselbe/ eurem eigenen vorbringen nach/ ihrer Unvermoͤgsamkeit/ den Dank beyden zuleisten/ gegen Eure Liebe sich beklaget/ stuͤnde derselben/ meines erach- tens/ als einer vertraueten Schwester sehr wol an/ wann sie in dieser Bemuͤhung sich ihr zur Huͤlffe anerboͤhte/ und die Helffte der Last von ihr uͤber sich naͤhme. Frl. Sibylla be- dankete sich der gnaͤdigen Urtel; jene aber/ wie sie gar erfindsam wahr/ sagete: Es hat aber meine Frl. Schwester mich hierumb nicht eins begruͤsset/ und weiß man wol/ daß an- gebohtene Dienste in schlechtem Wert und geringer Achtung stehen. So bitte ich dich noch darumb/ antwortete jene/ du wollest diese Muͤheverwaltung auff dich nehmen; und zwar eben diese Bitte an dich zulegen/ wahr ich bedacht/ da unsere Gn. Groß Fuͤrstin uns aufffoderte. Das lasse ich auff seinen Wert und Unwert beruhen/ sagte Frl. Lukrezie/ aber was wuͤrden diese verstaͤndige Fuͤrsten von mir vor Gedanken fassen/ wann ich mich zu et- was erbieten wolte/ worzu mein Vermoͤgen nicht bestand ist/ daher dero Lieb den sich von mir sehr wenig oder wol gar nichts zuversprechen haben/ ich ihnen auch getraͤulich rahten wil/ daß sie sich an den Selb-schuldigen halten/ welcher ungleich besser als ich/ zuzahlen hat; zugeschweigen/ wie frech und vermaͤssen ich muͤste geschaͤtzet seyn/ wann zwischen ihre Heimligkeiten ich mich einstecken wolte. Nicht also/ sagte die Groß Fuͤrstin/ sondern es werden eurer zwo der Schuld besser/ als nur eine einzige abhelffen koͤnnen/ insonderheit/ r r ij weil Sechstes Buch. weil sich zween Glaͤubiger finden/ die ohn zweifel die Schuldfoderung nicht auffs hoͤchste treiben werden/ deßwegen nehme Frl. Lukrezie die Schuld mit auff sich/ nebest der Erklaͤ- rung/ daß sie Selb-schuldige wolle mit seyn/ alsdann wil ich vernehmen/ ob nicht einer von diesen Fuͤrsten ja so gerne auff sie/ als auff Frl. Sibyllen sehen wolle. Der muͤste gerne in Schulden stecken/ antwortete sie/ der sich selbst eines hoͤheren verpflichtete/ als sein Ver- moͤgen sich erstrecket. Fuͤrst Siegward gab sich mit ins Gespraͤch/ baht anfangs umb ver- zeihung/ daß neben seinen Freund und Gesellen/ er in des Durchleuchtigen Frauenzim̃ers Erloͤsung/ sich so faul und nachlaͤssig erzeiget/ und nicht bald der ersten Stunde ihrer An- tunfft sie der Angst benommen haͤtte/ daher ihnen mehr die Zuͤchtigung und Straffe/ als einige Vergeltung nachstuͤnde; hielt hernach bey der Groß Fuͤrstin an/ sie moͤchte ihren Unvolkommenheiten zu huͤlffe kommen/ und bey diesen vortreflichen Fraͤulein ihnen diese Gunst erwerben/ daß sie ihre begierigen Dienste nicht nach dem Vermoͤgen/ sondern Wil- len urteilen wolten. Worauff die Groß Fuͤrstin zur Antwort gab: Als viel ich merke/ waͤh- re dieser Streit bald geschlichtet/ weil meine Durchll. Oheimbe nur alles vor eine unver- dienete Gunst rechnen wollen/ was von meinen Frll. Schwestern ihnen etwa gutes begeg- nen moͤchte. So erklaͤren nun dieselbe sich ohnbeschweret/ ob sie diese Bedingung einge- hen koͤnnen/ alsdann werden sie ihre Schuld voͤllig bezahlen/ und dannoch vor solche ge- halten werden/ die zubezahlen nicht schuldig sind. Die Fraͤulein merketen wol/ wohin dieser Vortrag zielete/ tahten doch nicht deßgleichen/ stunden unter deß und sahen eine die ande- re an/ weil keine gerne hierauff antworten wolte; biß endlich Frl. Sibylla anfing: Durch- leuchtigste Groß Fuͤrstin/ ob gleich dieser Durchll. Fuͤrsten Hoͤfligkeit so groß ist/ daß sie ih- re mir erzeigete Woltahten so geringe schaͤtzen/ muß doch ich so vergessen nicht seyn/ diesel- be in den Wind zuschlagen/ es waͤhre dann/ daß ich etwas uͤber meine Ehre liebete/ welche naͤhest Gott Ihren Durchll. ich einig zudanken habe; erkenne mich deßwegen schuldig/ al- les mein ehrenwilliges Vermoͤgen/ in Erzeigung der hoͤchstschuldigen Dankbarkeit ger- ne anzuwenden/ nicht zweifelnd/ weil dieser Last ich nicht allein bestand bin/ meine herzge- liebete Frl. Schwester werde einen Teil auff sich nehmen/ welches in allen Begebenheiten zuerkennen/ ich mich willig erbiete; daß sie aber dieser Durchll. Fuͤrsten Anfoderung hier- zu erwarten wil/ ist nichts als eine stilschweigende Wegerung; massen sie hoͤret und ver- nimt/ daß unsere Rechnung so weit vonander stimmet/ daß dieselben meine Schuld nicht eins wissen noch erkennen wollen. Geliebte Frl. Schwester/ sagte Frl. Lukrezie/ du legest es über in die laͤnge oder quere/ muß ich doch zuvor wissen/ ob ich gnugsam bin/ dir deine Last tragen zuhelffen/ damit mirs nicht gehe/ wie jenem stolzen Rehe/ welches dem Hengste die Buͤrde ab- und uͤber sich zunehmen wagen durffte/ und unter solcher Last erdrücket ward. Du wilt gar zu vorsichtig spielen/ antwortete Sibylla/ welches allemahl eben so hoch nicht zu loben ist; versprich mir nur auff den fall der gnugsamen Duͤchtigkeit deinen Beystand/ so wird sich das übrige algemach schicken. Du spannest die Pferde hinter den Wagen/ antwortete jene; ich muß ja nicht ehe versprechen etwas zuleisten/ sondern vorher mich pruͤfen/ obs in meinem Vermoͤgen sey oder nicht; und hoͤre doch deines Anschlages Un- guͤltigkeit aus einer gleichen Anfoderung: versprich mir nur/ daß du mich wollest zur Koͤ- nigin in Parthen machen/ so wird sich das übrige algemach fein schickẽ. Du bist eine Ver- drehe- Sechstes Buch. dreherin meiner Reben/ sagte Frl. Sibylla/ und reimet sich dein Einwurff gleich als eine Bradwurst auff dein Naͤhekuͤssen. Sie wolte weiter reden/ aber Fr. Sophia/ welche ih- rem Gespraͤch eine zeitlang von ferne zugesehen hatte/ und nicht wissen kunte/ was dessen Ursach oder Inhalt wahr/ trat gleich hin zu ihnen/ und ward dieselbe von der Groß Fuͤr- stin also angeredet: Herzen Fr. Schwester/ Eure Liebe/ bitte ich sehr/ helffen mir den streit dieser beyden allerliebsten Fraͤulein glüklich beyzulegen/ welcher daher entstanden ist/ daß Frl. Sibylla an ihrer Frl. Schwester begehret/ in Abtragung der Dankbarkeit/ womit sie diesen beyden Durchll. Fuͤrsten sich meynet verschuldet seyn/ ihr moͤglichen Beystand zu leisten/ dessen sie sich zugleich erbeut und wegert. Daran tuht meine geliebte Frl. Schwe- ster Lukrezie recht und wol/ antwortete sie/ wann sie dieser Anmuhtung sich bestaͤndig ent- schlaͤget/ dann bey meiner Frl. Schwester Sibyllen ist das Vermoͤgen/ sich vor ihr Haͤupt dankbarlich zuerzeigen/ insonderheit gegen den Durchl. Fuͤrsten Herrn Siegward/ dessen Liebe vornehmlich ihrer Ehren Retter gewesen ist; Weil aber der Durchl. Fuͤrst H. Bald- rich sich gleich so hoch umb mich verdienet gemacht/ und unter seine schuld mich gebracht/ aber solches zubezahlen weder Gelegenheit noch Krafft habe/ ist mein gaͤnzlich tichten/ mei- ne herzgeliebete Frl. Schwester Lukrezien an meinen Plaz hinzustellen/ der gewissen Zu- versicht/ sie werde mir diese Bitte nicht versagen/ die nach aͤusserstem Vermoͤgen ohn eini- ge Bedingung zuersetzen/ ich mich hiemit wil verpflichtet haben. O wie klungen die ersten Worte so wol vor mich/ antwortete Frl. Lukrezie/ und hielt ich mich schon gar vor eine loß- gesprochene/ befinde aber/ daß durch die folgenden ich aus der Bach ins Meer gejaget wer- de/ weil ich dorten selb andere/ hier aber ganz allein zahlen sol. Nun muß zwar meiner Frau Schwester ich billich zu gehorsam stehen/ und ihꝛ gebieten uͤbeꝛ mich nehmen/ ob ich gleich darunter gar erliegen solte/ nur werde ich gezwungen/ bey hochgedachtem Fuͤrsten demüh- tige Ansuchung zutuhn/ daß er mein Unvermoͤgen uͤbersehen/ und nit groͤssere Erstattung von mir fodern wolle/ als meine schwachen Kraͤffte zulassen. Nicht ist meine Frl. Schwe- ster mir schuldig/ sagte Fr. Sophia/ aber mir genuͤget an diesem erbieten/ und bitte sehr/ sie wollen ihren Tanz laͤnger nicht auffschieben/ nach dem ich verhoffe/ die wichtige Streitig- keit sey nunmehr beygelegt. Noch eines nur/ Fr. Schwester/ sagte Frl. Lukrezie/ daß ich wissen moͤge/ wie hoch dem Durchl. Fuͤrsten ihretwegen ich muͤsse verpflichtet seyn. Sie lachete der Frage/ und gab zur Antwort: Weil meine Frl. Schwester mir solches abfo- dert/ ist sie dem Fuͤrsten so hoch verschuldet/ daß sie ihm volkommene Gewalt zustelle/ von ihr nach belieben zufodern/ und sie ihm keine Bitte versage/ weil dessen Liebe weder unge- buͤhrliche noch unmoͤgliche Dinge von ihr begehren wird. Meine Fr. Schwester beden- ket es kaum halb/ sagte sie/ was sie iezt redet/ welches ich ihr nach diesem weitlaͤuftiger aus- legen werde. Also setzeten sie ihren Tanz in guter Zierligkeit fort/ nachgehends liessen die Fuͤrsten sich bey dem Fraͤulein sitzend nider/ und wageten sich/ allerhand verliebete Reden vorzutragen/ insonderheit Siegward/ als welcher in guter Hoffnung stund/ noch diesen Abend von seinem Fraͤulein das unbedingete Jawort zuerhalten; weil aber solches von ihr nicht zuerzwingen wahr/ sondern sie auff ihrer heutigen Antwort fest bestund/ und ihn zu- gleich freundlich erinnerte/ er moͤchte alle unstaͤndige Eile aus seinem Herzen verbannen/ damit alles sein erbar zugehen moͤchte; machte er sich zu Fr. Sophien/ erinnerte sie des in r r iij der Sechstes Buch. der Hoͤhle getahnen versprechens/ daß nach anlangung zu Padua/ sie ihr seine Sache be- stes vermoͤgens wolte lassen angelegen seyn; dessen moͤchte sie sich gnaͤdig erinnern/ nnd die Befoderung tuhn/ daß die langwierige Brunst ihm das Blut nicht gar austroknete; zwar er befuͤnde das allerliebste Fraͤulein ihm nicht allerdinge abhold/ nur daß sie alles auf ihrer Eltern und Anverwanten Bewilligung aussetzete/ welches den Zweifel in seiner Seele immerzu vermehrete; Weil ihm dann nicht unwissend waͤhre/ daß Ihre Liebe ihm sein suchen bey hochgedachten Eltern hernaͤhst wol wuͤrde erhalten koͤnnen/ welches er aus der ihm gemacheten Hoffnung schliessen muͤste/ baͤhte er instendig/ ihm zufoderst der Fraͤulein volstaͤndige Einwilligung zuerwerbẽ/ damit er aller furchtsamen Angst entnom- men/ seinen Geistern ruhe und sicherheit erteilen koͤnte. Sie antwortete ihm; daß sie nicht allein ihrer Zusage/ sondern auch ihrer schuldigkeit sich wol erinnerte/ daher sie schon heut fruͤh mit ihrem Herr Vater alles verabscheidet haͤtte/ dessen gutwilligkeit sie in der Taht verspuͤret/ in dem derselbe alsbald einen reitenden Bohten nach Rom an der Fraͤulein El- tern/ ihren Willen einzuhohlen/ abgefaͤrtiget/ der mit abgewechselten Pferdẽ Tag uñ Nacht eilen wuͤrde; weil aber das meiste bey dem Fꝛaͤulein selbst stuͤnde/ wolte sie hinte ihr Schlas- geselle seyn/ und versuchen/ wie weit sie es gegen Morgen fruͤh fortsetzen koͤnte/ und er sich eine kurze Zeit gerne gedulden wuͤrde. Aber saget mir/ bitte ich/ (taht sie hinzu)/ wessen mag der liebe Fürst Baldrich gesinnet seyn? ich hoffe ja nicht/ daß er willen trage/ uns so bald zuverlassen/ und genehmere oͤrter zu suchen/ welches ich aus seiner angenommenen schwer- muht argwohnen muß. Siegward verstund diesen Possen nicht/ welcher nur angeleget wahr/ Baldrichs Liebe gegen Fraͤulein Lukrezien außzuforschen/ antwortete deßwegen in aller einfalt: Er waͤhre versichert/ daß sein lieber Freund die allergroͤste Vergnuͤgung an diesem Orte haͤtte/ und nichts so sehr befuͤrchtete/ als daß er denselben gar zu zeitig wuͤrde verlassen müssen/ sintemahl er in Frl. Lukrezien sich dergestalt verliebet befuͤnde/ daß er sein selbst daruͤber vergaͤsse/ uñ doch wegen ihrer ernsthaftigkeit/ deren sie sich gegen ihn gebrau- chete/ und daß er ihr keine Dienste geleistet/ sein heftiges anliegen nicht loßdruͤcken duͤrfte; gaͤbe vor/ er merkete in ihren Augelein einen scharffen Nebenblik/ den sie auff ihn schoͤsse/ wann von seiner verliebung er zu reden anfinge/ und weil er denselben nicht ertragen koͤnte/ wuͤrde er aus furcht/ sie zubeleidigen/ in seinen begierden lieber vergehen/ als einer so gros- sen Wagniß sich unternehmen; und ist dieses/ sagte er/ nicht der geringsten Ursachen eine/ daß ich mein Vorhaben so eilends fort treibe/ damit ich meinem Liebsten Freunde desto bes- ser zu huͤlffe treten moͤge. Ist dieses die Ursach seiner Traurigkeit/ antwortete sie/ so wird euer Liebe gebuͤhren/ ihn zu troͤsten/ und ihn auff meine traͤue zuversichern/ daß den Stoß/ welchen er dem Raͤuber Fannius gab/ ich zuvergelten/ und dieser Fraͤulein gewogenheit ihm zuerwerben/ mich aͤusserst bemuͤhen wil; nur reize eure Liebe ihn an/ daß er sich etwas freier gegen sie gebrauche/ und nicht unterlasse/ auff gute gelegenheit ihr seine Liebe zu offen- bahren/ auch ungeachtet aller wiedrigen Antwort/ nicht ablasse/ dann ihre Art und eigen- schaften sind mit Frl. Sibyllen nicht einer ley/ sondern gehen viel frischer/ bewaͤglicher und spizfindiger; und ob sie gleich sich weit werffen wolte/ wird der liebe Fuͤrst doch allemahl et- liche eingemischete Reden hoͤren/ die ihr ertichtetes wegern und wiedersprechen selbst gnug wiederlegen werden. Siegward ward ihres erbietens sehr froh/ verließ sich zwar auff ihr verspre- Sechstes Buch. versprechen/ und wolte doch selbst versuchen/ wie weit ers bringen koͤnte. Vor erst aber machte er sich zu Baldrichen ließ ihn alles wissen/ und staͤrkete ihn/ seine Anwerbung unge- scheuhet anzubringen. Die Groß Fuͤrstin hatte unterdessen mit Arbianes einen Tanz ge- halten/ und ihn erinnert/ mit Baldrichen gute Kundschaft zu machen/ welches ihm zu sei- nem Vorhaben sehr dienlich seyn wuͤrde; gab ihm auch an die Hand/ sein Vermoͤgen an den Tag zu legen/ und ein Frei-rennen auff seine Kosten anzustellen/ auch nichts zu sparen/ ob gleich alle seine Schaͤtze (welches doch unmoͤglich) drauff gehen solten/ damit er ihm einen Nahmen erwuͤrbe. Er bedankete sich wegen des getraͤuen Rahts/ trat vor den Stat- halter/ und redete ihn also an: Hochmoͤgender Herr Stathalter/ nachdem der guͤtige Him- mel meine Gnn. Herrn und Bruͤderliche Freunde/ Koͤnig Ladisla/ Groß Fuͤrst Herkules und Herrn Kajus Fabius glüklich und gesund wieder hieselbst angelangen lassen/ bin ich willens/ hieruͤber etliche Freuden Tage anzustellen/ und dabey ein Freistechen zu halten/ da alle ankommende Ritter von mir sollen aus den Herbergen frey außgeloͤset werden/ so viel deren sich bey dieser ritterlichen Ubung wirklich gebrauchen/ bitte demnach eure Gn. wol- len hierin gnaͤdig gehehlen/ und mir zu diesem Vorhaben den Plaz goͤnnen/ auff welchem Koͤnig Ladisla sein allerliebstes Gemahlaus Raͤuber Haͤnden erloͤset hat. Dem Stathal- ter wahr nicht unbewust/ daß er grosse baarschaften bey sich fuͤhrete/ willigte deßwegen nit allein gerne ein/ sondern bedankete sich zugleich/ daß er seiner gegenwart eine so wiꝛdige und ritterliche Gedaͤchtnis hinterlassen wolte. Baldrich hatte durch seines Gesellen einrahten sich nicht wenig gestaͤrket/ nam ihm vor alle moͤgligkeit anzuwenden/ ob er seinem Vorha- ben einen bestaͤndigen Fuß setzen moͤchte/ und weil er sein liebes Fraͤulein allein sitzen fand/ nam er nach gebehtener erlaͤubniß den naͤhesten Siz bey ihr/ und bedankete sich/ in nider- traͤchtiger Demuht/ daß auff der Durchl. Fr. Koͤnigin in Boͤhmen anmuhten/ sie sich er- bohten haͤtte/ derselben Stelle zuvertreten. Nun haͤtte er aber von hoͤchstgedachter seiner Fr. Schwaͤgerin so hohe woltahten empfangen/ daß er solches nicht anders/ als mit dar- bietung seiner selbst zuersetzen wuͤste/ wuͤrde demnach das hochgebohrne Fraͤulein an ihrer Fr. Wasen stat ihn vor einen Knecht und Diener annehmen/ und sich der Gewalt uͤber ihn gebrauchen/ daß sie ihm voͤllig und ohn einige bedingung befoͤhle/ alsdann wolte er mit darstreckung seines Blutes und aͤussersten vermoͤgens sich bereit halten/ ihren gebohten entweder genuͤge zu tuhn/ oder einen willigen Tod anzutreten. Worauff sie also antworte- te: Ich getraue nicht/ Durchl. Fuͤrst/ es vor meiner Fr. Schwester verantworten zu koͤn- nen/ wann sein gar zu hohes erbieten ich annehmen wuͤrde/ massen von derselben ich außge- fodert bin/ nicht in noch tieffere Schulden mich zusetzen/ sondern die ihre nach vermoͤgen abzutragen; wiewol sein getahnes hohes erbieten ich billich erkenne/ und wie daraus seine gute gewogenheit ich zur genuͤge verspuͤre/ also werde ich gelegenheit suchen/ mich dankbar finden zu lassen/ als gegen einen/ der mich schon gewirdiget hat/ sich mir ritterlicher Weise zuverbinden/ welcher ehren ich mich doch/ wie schon heut erwaͤhnet/ unwirdig halte/ und dürfte ohn zweifel schier heut oder morgen euer Liebe Gemahl mirs zum Hochmuht ausle- gen/ daß ich einen solchen hohen Fuͤrsten vor meinen Ritter anzunehmen/ mich nicht ge- scheuhet. Baldrich merkete aus dieser Antwort/ daß sie sein ansuchen nicht veꝛstehen wolte/ daher er auff Siegwards anmahnung sich steurend/ seine runde meynung dergestalt vor- brachte. Sechstes Buch. brachte. Hochgebohrnes Fraͤulein/ wie kan doch eure vortrefligkeit von ihrem diensterge- benen Knechte diese Gedanken fassen/ ob wuͤrde er irgend einer andern als ihr/ sein Herz zuwenden/ oder ausser sie ein Gemahl suchen? eine solche unteutsche Seele hat mir der Himmel nicht eingegossen/ muͤste auch billich verfluchet seyn/ wañ gegen ihres gleichen ich anders reden als gedenken wuͤrde. Wolle demnach ihre Liebe bey meinen Ritter- und Fuͤrstlichen ehren/ die ich nimmermehr zu schaͤnden bedacht bin/ sich versichern lassen/ daß meine Seele nichts anders suchet noch sehnet/ als von deroselben vor einen kuͤnftigen Ge- mahl angenommen zu werden/ welches da ichs erhalten kan/ mir die allerhoͤchste Vergnuͤ- gung geben wird/ im widrigẽ/ werde ich nichts so emsig suchen/ als meinem Fraͤulein durch die allerkraͤftigste bewaͤhrung darzutuhn/ daß mein Herz niemand anders als ihrer vortref- ligkeit koͤnne ergeben seyn. Das Fraͤulein hielt diese Anwerbung vor gar zu duͤrre uñ kuͤhn/ stellete sich etwas erschrocken/ und gab zur Antwort: Durchl. Fuͤrst/ dieses euer Liebe Ziel habe aus dero vorigen reden wegen meiner einfalt ich nicht absehen noch mir vorstellẽ koͤn- nen/ als die ich dergleichen anmuhtungen bißdaher allerdinge ungewohnet bin; bedanke mich zwar der hohen gewogenheit gebuͤhrlich/ aber weil einem Roͤmischen Fraͤulein/ die ih- ren lieben Eltern und Anverwanden unterworffen und zum gehorsam verbunden ist/ in dergleichen teidungen sich einzulassen/ keines weges geziemen wil/ wird eure Liebe fernere erklaͤrung von mir nicht gewaͤrtig seyn/ deren sonsten getraͤue freundschaft biß an mein En- de zuerzeigen ich mich nicht wegern wil/ uñ da ich mich selbst ruͤhmen darff/ leiste eben hie- durch euer Liebe ich schon eine wirkliche Freundschaft/ wann dieselbe ich von solchem vor- nehmen und ihr selbst gar zu schaͤdlichen Gedanken abrahte/ weil ich weiß/ daß da ihre Liebe dieses fortsetzen und erhalten würde/ dieselbe sich ihrer lieben Eltern und aller Fürstlichen Erbschaft ewig verzeihen muͤste. Baldrich gedachte nicht anders/ als das Fraͤulein suche- te nur ertichtete außfluͤchte/ sich seiner zuentbrechen/ ließ deßwegen einen tieffen Seuffzer aus dem innersten seines Herzen/ und sagte mit gebrochener Stimme: Nun meine Seele/ so bitte dieses mehr als irdische Fraͤulein demuͤhtig umb verzeihung/ wegen deines unbe- sonnenen frevels/ nim auch/ ob gleich peinlich/ dannoch willig an/ was durch diese Frecheit du dir selbst auffgebuͤrdet hast; ihr aber/ trefliches Fraͤulein/ gedenket ja nicht/ daß ich deren außdrükliche wegerung unter einer ertichteten Furcht mir vorgehalten/ vor unrecht auß- geben oder anklagen wolle; nein/ der Gehorsam euer Liebe versprochen/ erfodert viel ein anders; sondern weil ich mir unternehmen duͤrffen/ ihre Ohren durch meine verwaͤgene Anwerbung zubeleidigen/ wil ich der Straffe mich willig unterwerffen/ nur allein wuͤn- sche ich/ daß diese allerliebste Hand (die ihre druͤckend) die volstreckung der billichen Rache uͤber sich nehmen/ und mein gar zu freches Herz abstossen wolte. O du gluͤkseliger Baldrich/ daß du diese so trefliche volkommenheit gesehen hast! aber O du unglüklich-verwaͤgener/ daß du derselben dich hast duͤrffen faͤhig schaͤtzen! So bestaͤtiget nun/ hochgebohrnes Fꝛaͤu- lein/ meine ge t ahne verpflichtung/ wodurch ich mich verbunden/ niemand als nur ihr zu le- ben und zu sterben; und weil ich des ersten unwerd bin/ mich auch nunmehr selbst vor einen solchen halten muß/ weil ihre Urtel so gehet/ wil ich das andere ja so bestendig volstrecken/ als ich die Schuld des Todes uͤber mich mutwillig gezogen habe; nur lasset diese meine willigkeit ein Zeichen meiner geschwornen traͤue seyn. Hiemit stund er auff/ und wolte ab- scheid Sechstes Buch. sch eid von ihr nehmen/ des gaͤnzlichen vorhabens/ noch diesen Abend hinaus in einen Wald zu reiten/ und daselbst sein Leben durch Hunger zuendigen. Aber das Fraͤulein befuͤrchtete noch ein schwerers/ fassete ihn bey der Hand/ und da er auffstund weg zugehen/ sagte sie mit ganz verworrenem Gemühte zu ihm: Durchl. Fuͤrst/ und mein Ritter/ wohin gedenket eure Liebe so eilig? Nach dem Ende meines Ungluͤks/ antwortete er: Wo meinet aber eu- re Liebe solches anzutreffen? fuhr sie fort; ist es in der naͤhe/ so nehmet mich mit/ dann ich wolte des Ungluͤks auch gerne entladen seyn. Diesen Wunsch/ sagte er/ wird eure vortref- ligkeit alsbald nach meinem Abwich erhalten/ wann die Ursach ihres Ungluͤks wird aus dem Wege geraͤumet seyn. Daß sind dunkele Reden/ antwortete sie/ deren Verstand ich nicht begreiffen kan/ bitte demnach/ mich dessen klaͤrern bericht zu tuhn/ oder ich muß billich an seiner mir so teur versprochenen gewogenheit zweiffeln. Eben diese Gewogenheit/ sagte er/ weil sie mich gar zu verwaͤgen gemacht/ sol davor moͤgliche Busse angehen/ und bitte die Goͤtter/ eure vortrefligkeit in stetem Schuz zu halten/ mir aber zuverzeihen/ daß ich habe lie- ben duͤrffen/ welches ich nur solte angebehtet habẽ. Eure Duꝛchl. leget mir grosse beschimp- fung an/ sagte sie/ in dem sie mich uͤber gebuͤhr erhebet/ dessen ich dann zu seiner Zeit gebuͤhr- lichen abtrag fodern werde; nur bitte ich dißmahl/ mich eigentlich zuberichten/ wo des Un- gluͤks endschaft anzutreffen sey/ auff daß ich zugleich mit ihm dahin gelangen koͤnne. Da werde ichs finden/ antwortete er/ da es keine Gewalt mehr uͤber mich hat; ihre Liebe aber hat hieran keinen teil/ weil sie keines verbrechens kan beschuldiget werden; bitte demnach mein Fraͤulein wolle ihren unwirdigen Knecht gnaͤdig beurlauben/ einen kurzen abtrit zu- nehmen. Ich habe uͤber eure Durchl. mich hoͤchst zubeschweren/ antwortete sie/ daß diesel- be sich vor unwirdig schelten/ und mir einige Gnade uͤber ihre Fuͤrstliche Hocheit zulegen darff/ und sol trauen alles auff ein Klaͤuel gewunden werden; sonsten willige in euer Liebe abtrit ich gar gerne/ dafern dieselbe mir angeloben wird/ auffs schleunigste sich wieder ein- zustellen. Dafern die Goͤtter mir solches goͤnnen/ sagte er/ gehorsame ich auch in diesem/ wie in allen andern; aber was ist euer Liebe mit dessen Wiederkunft gedienet/ der wegen began- genen frevels seine Augen nicht auffschlagen darf/ uñ daher sich unwirdig achtet/ den Him- mel anzuschauen/ weil er dessen allervortreflichstes Geschoͤpff zu hart beleidiget hat? Das Fraͤulein zweiffelte an seinem wütigen Vorhaben nicht mehr/ wuste aber vor Angst nicht/ wessen sie sich erklaͤren solte; dann sie merkete/ daß er auch ohn ihre Bewilligung aufstehen wolte/ davon zugehen/ welches zuverhindern sie ihr gaͤnzlich vornam/ und zu ihm sagete: Durchl. Fuͤrst/ ich trage sehr hohe begierde/ mit euer Liebe Frl. Schwester/ Frl. Klaren in Kundschaft zugerathen/ und derselben gehorsamlich aufzuwarten/ nach dem deren vortref- liche Schoͤnheit und Tugend mir von Fr. Libussen hoch geruͤhmet ist; da ich dann von de- ren Durchl. auch einen gedaͤchtnis Ring zu uͤberkommen hoffe. Alsdann wolle eure Liebe/ antwortete Baldrich/ meiner Frl. Schwester meinen Gruß anmelden/ und zum Wahr- zeichen unbeschweret andeuten/ ich habe ihr begehren in Schweden getraͤulich verrichtet/ aber die erhaltung sey mir erst uͤber ein Jahr versprochen/ alsdann sie alles nach belieben werde abfodern koͤnnen. Wie? sagte sie/ wil dann eure Liebe nicht mit uns in ihr Vater- land reisen? daß waͤhre trauen ein schlechter Ritterdienst/ dessen zu euer Liebe ich mich nit versehen haͤtte. O eure Liebe kraͤnke doch meine Seele weiter nicht mehr/ antwortete er/ s s weil Sechstes Buch. weil dieselbe ja willig und bereit ist/ den Sold/ welchen sie verdienet/ zuempfahen; man ge- brauchet sich ja gegen arme Suͤnder wol der Folter/ aber nicht/ wann sie gutwillig alle Schuld bekennen/ und ja so fertig sind/ die Straffen auszustehen/ als der Richter ist/ sie anzulegen. Das Fraͤulein kunte so Herztreffende Reden nicht laͤnger anhoͤren/ sagte des- wegen zu ihm: Durchleuchtigster Fuͤrst/ ist einige ungetichtete Liebe in seiner Seele gegen meine Wenigkeit/ so wolle er sich in dergleichen vorbringen maͤssigen/ damit ich nicht ur- sach habe/ mich seiner Unbilligkeit zubeklagen. Daß Eure Liebe ich vor meinen wahren Freund halte/ habe ich schon heute nicht schlechten Beweißtuhm dargelegt/ es waͤre dañ/ daß man uͤber zuͤchtiger Fraͤulein gebuͤhr von mir fodern wolte/ welches/ wie ich weiß/ eu- re Redligkeit nicht begehren kan. Mein Freund vernimt ja von mir/ wie traͤulich ich es mit ihm meyne/ indem ich ihm so auffrichtig vorstelle/ was vor Ungluͤk ihn wegen meiner Hey- raht zustossen wuͤrde; nennet er dann solches eine Folter? haͤlt er das vor eine Peinigung? Baldrich ergriff sich in etwas durch diese Reden/ wuste doch nicht/ wie ers verstehen solte/ daß ihm diese hoͤchstgewuͤnschete Heyraht so schweres Unheil erwecken koͤnte/ und antwor- tete ihr: Durchl. Fraͤulein/ was koͤnte mir doch ein so glükseliges Engelchen vor Ungluͤk bringen? oder meynet Eure Liebe/ daß meine liebe Eltern uñ mein Teutsches Vaterland/ solche Tugend und Schoͤnheit hassen/ die an ihr in solcher Volkommenheit hervor leuch- ten? Wolte der Himmel/ daß ich sonst kein widerwaͤrtiges in dieser Welt zugewarten haͤt- te/ wuͤrde ich dieses mit gutem Willen ertragen. Ja mein Durchl. Fuͤrst/ fagte sie/ eben durch diese Reden gibt er an den Tag/ daß er die meinen nicht recht verstehe/ erachte mich demnach schuldig/ ihm solche zuerklaͤren; Anfangs aber ersuche ich Eure Liebe/ meine Ge- ringfuͤgigkeit nicht uͤber ihren Wert zuloben/ damit vor derselben ich nicht schamroht ste- hen dürffe; Hernach erinnere ich dieselbe/ daß ihr nicht unbewust ist/ was gestalt sein Herr Bruder/ Groß Fuͤrst Herkules/ unangesehen seines gleichen an Ehre/ Froͤmmigkeit und Tugend in der Welt schwerlich zufinden/ dannoch von seinem Herr Vater und dem gan- ten Vaterlande/ bloß wegen seines Christentuhms und gottseligen Lebens angefeindet wird/ daß man auch damit umgehet/ ihn des Reichs nicht allein zuenterben/ sondern noch darzu als einen Feind der Teutschen Goͤtter in die ewige Acht zuerklaͤren. Nun kan Euer Liebe aus auffrichtigem Herzen ich nicht verhehlen/ daß nicht alle in ich und meine liebe El- tern Christen sind/ sondern uͤber das ich meinen Leib lieber zu Aschen verbrennen lassen/ als denselben allein seligmachenden Glauben verleugnen/ oder einen Un Christen an meiner Seite warm werden lassen wolte; und weil dieser mein Vorsaz weder durch Macht noch Guͤte/ ja weder durch Pein noch Tod kan gebrochen werden/ so sihet und verstehet Eure Liebe/ wie grosse Ursach ich gehabt/ dieselbe von ihren verliebeten Gedanken abzuzihen/ die mir sonsten nicht unangenehm seyn koͤnten/ angesehen deren hohẽ Fuͤrstlichen Stand/ doch vielmehr deren Tugend und Froͤmmigkeit/ und daß dieselbe mit meinem groͤsten Freunde Groß Fuͤrst Herkules in so naher Blutfreundschafft stehet. Au weh! antwortete Baldrich; nehmen dann so vor trefliche Fraͤulein auch diesen neuen Glauben an/ welcher von aller weltlichen Obrigkeit mit hoͤchster Straffe verfolget wird? Je warumb nicht? sagte sie/ warum solten nicht so wol Weibes-als Mannesbilder ihrer ewigen Seligkeit acht haben? und zweifelt eure Liebe hieran? oder meynet sie/ daß die Groß Fuͤrstin Fr. Valiska/ und Fr. Sophia/ Sechstes Buch. Sophia/ ja auch meine Wase und Schwester Frl. Sibylla/ neben Koͤnig Ladisla und vie- len anderen unser Geselschafft eines anderen Glaubensleben? Ey mein Fraͤulein/ antwor- tete er/ so kan ich/ was sie mir auch sagen mag/ weder sie noch jeztge dachte Tugendergebene Herzen vor unkeusch und viehisch halten/ und daher sie des unzuͤchtigen Christentuhms mit nichten beschuldigen; und ob der uͤbrigen Art und Sitten mir gleich unbekant sind/ weiß ich doch ungezweifelt/ daß weder Koͤnig Ladisla/ noch mein Bruder Herkules mit unzuͤchtigen Gemahlen sich schleppen koͤnnen/ noch meine Wase Frau Valiska einigem Menschen in ungebuͤhr zuwillen seyn. Das Fraͤulein entsetzete sich vor dieser Rede/ und gab ihm mit zimlicher Ungestuͤm zur Antwort: So haͤlt Eure Liebe unser Christentuhm und die viehische Unzucht vor ein Ding? O der grundguͤtige GOtt verzeihe euch ja diese schwere Gotteslaͤsterung/ weil sie verhoffentlich nicht aus Boßheit/ sondern blosser Unwis- senheit entspringet; Aber was muß doch vor ein abgefeimeter Bube seyn/ der solche Ab- scheuhligkeiten von den unschuldigen Christen aussprengen darff/ da keine heiligere noch keuschere Gesetze/ als eben der Christen/ koͤnnen gefunden werden/ nachdem dieselben nicht allein aͤusserliche Unreinigkeit/ sondern auch die innerliche unzimliche Gedanken und Be- waͤgungen vor Suͤnde halten/ und davon abmahnen. Baldrich antwortete hierauf: Wird mein erzaͤhletes von den Christen mit Unwarheit ausgegeben/ so muͤssen alle unsere Pfaf- fen die gottlosesten Schelmen unter der Sonne seyn; dann ein solches bilden sie taͤglich grossen und kleinen/ hohen und nidrigen ein/ und erwecken dadurch einen solchen unver- soͤhnlichen Haß in aller Menschen Herzen/ daß wann ein einziger sich in meinem Vater- lande solte finden lassen/ der sich vor einen Christen angaͤbe/ oder nur ihren Glauben/ wañ dessen gedacht wird/ ungeschaͤn det liesse/ wuͤrde er ohn einige Gnade unsern Goͤttern/ als das angenehmeste Opffer abgeschlachtet. So gebet ihr nun/ Durchl. Fuͤrst/ selber zuver- stehen/ sagte sie/ was grosse Gefahr Euer Liebe auff meiner Heiraht stehen wuͤrde/ und er daher meiner auffrichtigen Traͤue sich wol versichern kan/ weil ich ihn von diesem Vorsa- tze so herzlich abrahte/ massen eine lautere Unmoͤgligkeit ist/ daß umb seinet/ oder einiges Menschen willen/ wer der immer seyn mag/ ich meinen Glauben verlassen/ und einem an- dern zugefallen zum Teuffel fahren wolte/ sondern vielmehr willig und bereit bin/ umb mei- nes Gottes willen mein zeitliches Leben herzlich gerne einzubuͤssen/ wans von mir solte ge- fodert werden/ worzu auch ein jeder rechtschaffener Christ sich gefasset haͤlt und haltẽ muß; Und ob zwar zwischen Heyden und Christen die Heiraht zugelassen ist/ wie dann Euer Lie- be ich vertraulich offenbahre/ daß die Frau Stathalterin meine Fr. Wase/ den Christlichẽ Glauben mit ihres Gemahls Zulassung stets bekennet hat/ so habe ich doch in meinem Herzen es meinem Gott aͤidlich angelobet/ daß nimmer mehr kein Un Christ mein Braͤu- tigam oder Gemahl seyn sol; Wolle demnach mein Fuͤrst und Ritter erkennen und erwaͤ- gen/ daß unsere Ehe durch seine garzu grosse Gefahr und durch meine lautere Unmoͤglig- keit gehindert wird/ massen ich gar nicht zweifele/ er werde dieses bey ihm gelten lassen/ daß ich schuldig bin/ mehr meinen Gott/ als einigen Menschen zulieben. Ach mein außerwaͤhl- tes Fraͤulein/ antwortete er/ ich bitte sie durch ihren Gott/ dem sie so fest anhanget/ sie wolle ihre Liebe mir nicht so gar vor der Faust abschlagen/ und mir diese Frage beantworten; daß wann ich ihrem Gott mich auch ergeben/ und denselben unter die meinen auffnehmen s s ij wuͤrde/ Sechstes Buch. wuͤrde/ ob dann nicht die Unmoͤgligkeit an ihrer seiten zerginge. Nein/ Durchl. Fuͤrst/ ant- wortete sie; eine solche Beschaffenheit hat es gar nicht mit unserm Glauben/ daß man zu- gleich unsern Gott/ welcher der einige wahre Gott ist/ bekennen/ und nebest demselben an- dere Goͤtter/ die alle uͤbern hauffen falsch und ertichtet sind/ verehren koͤnte; sondern der allererste Grund unser Christlicher Lehre ist dieser/ daß wir allein allein unsern einigẽ wah- ren GOtt/ als einen Gott fuͤrchten/ lieben/ ehren/ und alle andere falsche/ betriegliche/ oh- maͤchtige und nichtige Goͤtter verachten/ verwerffen/ und aus unserm Herzen verbannen muͤssen; und weil wir krafft unser Lehre/ und bey Verlust der ewigen Seligkeit/ nicht an- ders koͤnnen/ so ist diß die vornehmste Ursach/ daß die Heyden uns so hart verfolgen/ und mit grossen Hauffen toͤdten. Es ist ein hartes/ sagte Baldrich/ das in diesemstuͤk euer Gott von euch erfodert. Ach nein/ sagte das Fraͤulein laͤchelnd/ es ist nichts als die hoͤchste Bil- ligkeit; dann sehet/ mein Fuͤrst/ wann jemand von euch erfodern wolte/ ihr soltet nicht al- lein die Tapfferkeit/ sondern auch die Furchtsamkeit; nicht allein die Gerechtigkeit/ sondern auch die Ungerechtigkeit; nicht allein die Keuscheit/ sondern auch die Unzucht und Ehe- bruch; nicht allein die Warheit/ sondern auch die Luͤgen vor herliche Tugenden und vor gut halten; woltet ihr ihm auch folge leisten? So waͤhre ich nicht wert/ daß mich der Erd- bodem truͤge/ antwortete er/ wañ ich nicht lieber tausend Toͤdte uͤber mich naͤhme/ als dieses einwilligte. Und so muͤste ich/ sagte das Fraͤulein/ lieber tausendmahl tausend Toͤde uͤber mich nehmen/ als dasselbe vor meinen Gott halten/ was falsch/ ertichtet/ nichtig und teuf- lisch ist; dann Gott ist mehr als Tugend. Mein Fraͤulein redet recht und wol/ sagte er/ a- ber woher wil man erweisen/ daß euer einiger Gott nur der wahre/ und alle andere falsch und nichtig sind? Dessen bin ich so gewiß und versichert/ antwortete sie/ daß ich allen uͤbri- gen Goͤttern/ meinen einigen ausgenommen/ Troz biete/ ob einer so maͤchtig sey/ dz er mir ein einziges Haͤaͤrlein kraͤnke; und wann wir diese ganz unfehlbahre Gewißheit nicht haͤt- ten/ so waͤhren wir die allerelendesten und unwitzigsten Menschen; und was koͤnte uns doch so bestaͤndig im Glauben/ und so willig zum Tode machen/ wann wir diese Gewißheit nicht haͤtten: O nein mein Fuͤrst/ wir sind Gott Lob unserer Sinnen nicht beraubet/ noch der Vernunfft entlauffen/ sondern unser Glaube ist das allergewisseste Vertrauen/ welches durch keinen Teuffel noch Menschen kan gebrochen werden/ wann wirs nicht selbst boß- haffter weise tuhn; Und dafern Euer Liebe dereins gefallen koͤnte/ sich dessen berichten zu lassen/ wird sein Herr Bruder/ oder dessen Gemahl (die eine ausbündig-gelehrte Christin ist) ihm ein solches nicht versagen. Gnaͤdiges Fraͤulein/ sagte er hierauff/ darf ich noch um einer einzigen Frage Beantwortung anhalten? Nicht nur um eine/ antwortete sie/ sondeꝛn umb alle. Ich traue ihrem versprechen/ sagte er/ sonst wuͤrde ich mich nimmermehr so weit erkuͤhnen; moͤchte demnach herzlich gerne wissen/ ob dann/ im falle ich ein Christ wuͤrde/ mein voriges ansuchen stat finden koͤnne; und damit Ihre Liebe desto gewissern fuß habe/ verspreche ich hiemit und kraft dieses festiglich/ daß wann nichts schaͤndliches in ihrer Christlichen Lehre enthalten wird/ wie ich solches nunmehr schon vor gewiß halte/ ich mor- gen umb diese Zeit schon verhoffe ihres Glaubens zuseyn. Das Fraͤulein/ weil sie ihn herz- lich liebete/ ward dieses erbietens uͤberaus froh/ ließ sich doch nichts sonderliches merken/ und gab zur Antwort: Durchl. Fuͤrst/ waͤhre ich bedachtsam verfahren/ haͤtte unter allen Fragen/ Sechstes Buch. Fragen/ die mir koͤnnen vorgestellet werden/ ich diese einzige billich sollen außnehmen/ weil einem Fraͤulein nicht geziemet/ ein solches zubeantworten/ ehe und bevor sie dessen von ih- ren Eltern/ oder die ihnen an Eltern stat gesetzet sind/ außdruͤklichen Befehl hat/ wie dann solches unsere Christliche Lehre im Munde fuͤhret; Weil ich aber durch mein Versprechẽ zu einer Antwort mich habe verbindlich gemacht/ wil ich leisten/ so viel mir der Wolstand goͤnnet/ und Ihrer Durchl. verheissen/ daß derselben ich frey stelle/ bey meiner Gn. Groß- Fuͤrstin hierumb zuwerben/ welche von meinen lieben Eltern Volmacht hat/ mich zuver- heirahten/ so hoch halten sie dieselbe; inzwischen gebet/ bitte ich/ eurem instaͤndigen ansu- chen bey mir selbst/ einen geringen Auffschub/ und lasset/ als ein vernuͤnfftiger Fuͤrst und Tugendhaffter Ritter die guͤldene Maͤssigkeit in eurem Herzen nicht ersterben; Ich lauffe ja diesen Abend nicht hinweg/ habe auch Euer Liebe schon mehr anlaß gegeben/ als mir ge- ziemet; doch ehe etwas weiters gesucht und vorgenommen wird/ muß Eure Liebe zuvor bessern Unterricht wegen des Christentuhms einnehmen/ welches aber vor morgen fruͤh nicht geschehen kan; Wolle demnach dieselbe alle Schwermuͤhtigkeit beyseite legen/ und sich froͤlich erzeigen/ dafern ich dieselbe vor meinen Ritter und wahren Freund halten sol; Vor allen dingen aber muß sie noch zur zeit unsere Unterredung keinen Menschen wissen lassen/ es waͤhre dann/ daß sein lieber Geselle seiner innigsten Heimligkeiten in wahrer ver- schwiegenheit duͤrffte teilhafftig seyn/ als welcher/ wie mich duͤnket/ mit meiner herzlieben und vertraueten Schwester Frl. Sibyllen gleiche Handlung fortzusetzen bemuͤhet ist/ daß ich fast argwohnen muß/ sie seyn dessen beyde eins worden/ uns unwitzige schwache Toͤch- ter mit solchem hefftigen Liebessturm zuuͤberwaͤltigen; welches sie mit einem freundlichen lachen beschloß. Baldrich richtete hierdurch seine fast nidergeschlagene Geister wieder auf/ hatte aber keine gelegenheit es zubeantworten/ weil er von Fr. Ursulen zum Tanze auf- gefordert ward. Siegward fand unterdessen viel eine volkommenere Vergnuͤgung; dañ wie er seine harte Ansprengungen abermahl ergehen/ und seiner grossen Liebesangst sich vernehmen ließ/ nebest dem hochbeteureten erbieten/ wie inbruͤnstig er zeit seines Lebens ihr dienen wolte/ gab sein Fraͤulein ihm dieses zur Antwort: Vor dieses hohe Versprechẽ bedanke ich mich billich und von herzen/ sol auch zu seiner Zeit/ da ich dessen groͤssere freiheit haben werde/ unvergolten nicht bleiben; daß aber Eure Liebe sich uͤber mich noch beklagen/ und ein mehres/ als ihm schon heut versprochen und gewilfahret/ suchen darff/ befremdet mich nicht wenig. Kan ich mehr/ als schon geschehen ist? oder begehret mein Herr Bru- der/ daß seine Schwester die Zuchtbahn uͤberschreiten sol/ dessen sie von ihm dereins hohẽ Verweiß einnehmen muͤste? Welches Fraͤulein hat einem Mannesbilde mehr freihet ge- goͤnnet/ als Euer Liebe ich heut uͤbersehen muͤssen? dessen ich mich mehr als keines Dinges schaͤme/ und die Augen vor ihm kaum auffschlagen darff. Also gelebe zu meinem vertraue- ten Freunde ich der festen Zuversicht/ er werde sich am geschehenen biß dahin vergnuͤgen lassen/ und das uͤbrige bey meiner Fr. Schwester suchen/ damit ich nicht ursach habe/ ihn einiger Unbescheidenheit anzuklagen/ dessen ich von herzen gerne moͤchte geuͤbriget seyn/ wuͤrde mich auch sehr schmerzen/ wann mein Erloͤser sich geringer Maͤssigkeit in dieser Stad/ und in meines H. Vettern Behausung/ als in der Wuͤsteney und Raͤuberhoͤhle ge- brauchen wolte/ und er/ wann ichs sagen sol/ meine Fr. Schwester dergestalt an seiner sei- s s iij ten Sechstes Buch. ten hat/ daß er wenig ursach hat/ sich groß zufuͤrchten. Es kunte Siegward in seinem her- zen nicht lengnen/ daß er dem Fraͤulein durch etliche gar zu kuͤhne Reden/ gnug ursach ge- geben hatte/ ihm den eingemischeten Verweiß zupredigen/ baht deßwegen demuͤhtig umb Verzeihung/ und erboht sich/ hinfuͤro der gebuͤhrlichen Bescheidenheit zugebrauchen. Es machte sich aber Frl. Lukrezie hin zu der Groß Fuͤrstin/ und erzaͤhlete ihr/ was vor abscheu- liche Meynungen Fuͤrst Baldrich von dem Christentuhm führete/ und nach dem sie ihn ei- nes andern berichtet haͤtte/ er außfuͤhrlichere Erklaͤrung alles dessen begehrete/ worin ei- gentlich solcher Glaube bestuͤnde/ auch was Gesetze zuhalten den Christen vorgeschrieben waͤhren/ damit er seinen Herrn Bruder bey seinen Eltern entschul digen/ und ihm sreyen Zutrit zu sein Erb Fuͤrstentuhm machen koͤnte. Die Groß Fuͤrstin ließ solches alsbald an Herkules und Ladisla gelangen/ denen hierzu so liebe wahr/ daß sie ihre freude nicht kunten verbergen/ insonderheit/ da Frl. Sibylla ihnen daneben anzeigete/ daß Fuͤrst Siegward ihꝛ schon verheissen/ den Christlichen Glauben anzunehmen; welche doch nur Schamroͤhte davon zum Botenlohne trug/ dann Herkules sagte zu ihr: Ich duͤrffte aus dieser Schic- kung fast vor gewiß schliessen/ meine Frl. Schwester habe den Fuͤrsten durch ihre Schoͤn- heit darzu anlaß gegeben; und dafern dem also; wuͤnsche ich meiner Frl. Schwester zu dieser Heiraht Gottes Segen/ und alles gedeiliche Fuͤrstliche Wolergehẽ/ dieselbe zugleich versichernd/ dz in der Welt ich ihr keinen zum Gemahl lieber/ als eben diesen Fuͤrsten wuͤn- sche. Ach mein Durchl. Groß Fuͤrst/ antwortete sie/ verdiene ich dann durch meine Einfalt dermassen beschimpffet zu werden? gewißlich/ da ich solches haͤtte wissen sollen/ wuͤrde ich einen andern außgeschicket haben/ euer Liebe dieses zuvermelden. Vertrauete Frl. Schwe- ster/ sagete er/ habe ich dann nicht macht/ ihr meines herzen Wunsch und Meynung zu of- fenbahren/ nachdem sie ja meine ihr zugetahne Seele wol erkennet? nam hiemit ihre Hand/ küssete ihr dieselbe/ und fuhr also fort: Eure Liebe wolle mich dann berichten/ ob sie so gros- sen Wiederwillen gegen meinen Oheim und naͤhesten Anverwanten traͤget/ daß sie meinet/ durch dessen ahnung beschimpfet zu werden/ alsdañ wil ich mich schon hüten/ daß ich nicht allein seinen Nahmẽ nicht mehr nenne/ sondern werde allen fleiß anwenden/ ihn zubereden/ daß er gleich Morgen alsofort davon reite/ umb durch seine gegenwart eure Liebe keine wie- derwertigkeit zuverursachen. Frl. Sibylla wuste nicht/ ob sie dieses vor Schimpf oder Ernst annehmen solte/ biß Ladisla mit darzu redete/ und also anfing: Hochgebohrne Frl. Wase und Schwester/ sie wolle sich/ bitte ich sehr/ an meines lieben Bruders Reden nicht aͤrgern/ massen derselbe allemahl im brauche hat/ die verliebeten Herzen umzutreiben. Ach nein/ antwortete sie/ hohe Zeit ist es/ daß ich gehe/ damit ich nicht gar zum Spotte werde; jedoch versichert euch/ Koͤnig Ladisla/ daß ich mich an euch beyden raͤchen wil/ dafern mir nicht diesen Abend abtrag geschiehet; kehrete sich hiemit umb/ und ging hin zu Fr. Sophi- en/ ihr diesen Spott zu klagen/ von welcher sie noch kurzweiliger empfangen ward/ massen dieselbe fragete/ auff welchen Tag sie dann das Beylager bestimmet haͤtten; worauff sie zur Antwort gab: Nun erfahre ich des alten Sprichworts unleugbahre Warheit; Gute Freunde in der Noht/ gehen wol hundert auff ein Loht; Ich habe eures rahts nie mehr/ als eben jezt von noͤhten/ und muß nur euren Spott in mich fressen; ich bitte euch aber von herzen/ machet daß vor schlaffen gehens ich mit euch allein reden moͤge; wo nicht/ und ihr mich ferner Sechstes Buch. ferner umbzutreiben gesonnen seid/ schwoͤre ich/ daß ich morgen nach Rom fahren/ uñ mich meiner Eltern Rahts gebrauchen wil. Gebet euch zu frieden/ mein Schwesterchen/ sagte sie/ Ihr und Frl. Lukrezie sollet hinte meine Schlaffgesellen seyn/ da wir uns Schwesterlich zubereden Zeit genug haben werden. Unter die/ em Liebes-getrieb (den fast alle Anwe- sende merketen/ und schon ein mehres als wahr/ urteileten) hatte Arbianes sein Gespraͤch mit Frl. Helenen/ die in ihrem Herzen den beyden Fraͤulein sehr neidig wahr/ daß ihnen von den Teutschen Fuͤrsten so wol auffgedienet ward/ und sie bey dem Meden sitzen muste/ welcher ihr von keiner Liebe schwaͤtzete/ suchete auch gelegenheit/ abscheid zu nehmen/ wie sie dann unbegruͤsset alles Frauenzimmers davon ging/ nur daß sie bey Fr. Sophien sich ei- ner Unpaͤßligkeit annam/ und mit einem bitteren Lachen sie erinnerte/ bald darzu zutuhn/ daß den Verliebeten zu ihrem Zwegk verholffen wuͤrde. Welche aber sich mit ihr einzulas- sen nicht gemeinet wahr/ sondern sie auff ihr begehren willig erließ; und bekam hiedurch Arbianes gelegenheit/ hin zu Baldrich und Siegward zu ruͤcken/ mit denen er diesen Abend vertrauliche Bruͤderschaft machete/ welche biß an ihr Ende steiff und fest wehrete. Als die Zeit wahr/ schlaffen zu gehen/ meldete Fr. Sophia ihrem Ladisla an/ sie haͤtte sich diese Nacht einem andern Schlaffgesellen versprochen/ wuͤrde deßwegen nit ungeduldig seyn/ massen die beyden Fraͤulein ihres rahts und trostes begehreten/ koͤnte leicht muhtmassen/ daß sie von den beyden Fuͤrsten zimliche anfechtung erleiden muͤssen. Ladisla ermahnete sie/ allen fleiß anzuwenden/ daß solche Heyrahten vor sich gingen/ woraus viel gutes entstehen koͤnte/ er wolte diese Nacht bey Herkules bleiben/ und moͤchten sie seine Fr. Schwester mit sich nehmen; dessen sie hoch erfreuet ward/ weil sie nur immerzu suchete/ bey und umb ihr zu seyn/ welche auch nicht minder freundlich sich gegen sie anstellete/ ward dieses vorhabens von ihrem Herkules bald berichtet/ deßwegen sie sich zu Frl. Lukrezien machete/ und zu ihr sagete: Herzen Schwesterchen/ ihr werdet hinte mein Schlaffgeselle seyn/ weil mein Ge- mahl und Bruder beysammen bleiben werden/ und haͤtten wir so ein raumes Lager/ wolten wir unsere beyden Schwestern zu uns nehmen. Fr. Sophia kam gleich darzu gangen/ und sagete: Daran sols nicht fehlen/ wann nur ihre Liebe uns bey sich dulden kan. Geschahe auch kurz hernach ein algemeiner Auffbruch/ und wurden die beyden Fraͤulein von den verliebeten Fuͤrsten biß vor ihre Schlaffkammer begleitet/ woselbst auff bitliches ansuchen ihnen ein ehrliebender Kuß gegoͤnnet ward/ doch mit dem bedinge/ wie Frl. Lukrezie vorgab/ daß dessen Morgen nicht gedacht/ viel weniger es wiederhohlet wuͤrde/ welches Baldrich mit anwuͤnschung einer seligen Nachtruhe beantwortete; Fr. Sophia aber Siegwarden erinnerte/ daß wann sie ihrer Liebe gluͤklichen fortgang haben wolten/ muͤste es durchaus zu vor wegen des Christentuhms seine richtigkeit haben/ sonst waͤhre alles vergebens und um- sonst; wuͤrde demnach er mit seinem Gesellen abrede nehmen/ und Morgen fruͤh gar zeitig vor diesem Gemache sich finden lassen/ alsdann wolten die Fuͤrsten und sie deßwegen mit ihnen fernere unterredung pflegen/ und nachgehends das übrige zuverrichten ihnen lassen angelegen seyn. Siegward versprach demselben nachzukommen/ und schied mit seinem Gesellen wolvergnuͤget davon/ wie auch das Frauenzimmer nach abgelegter Kleidung sich zur Ruhe legeten; jedoch nam Fr. Sophia zuvor Frl. Sibyllen absonderlich vor/ mit bit- te/ ihre Liebesheimligkeit ihr nicht zuverschweigen/ damit man den Sachen einen gewuͤn- scheten Sechstes Buch. scheten außschlag geben koͤnte/ nach dem ja billich waͤhre/ und die Dankbarkeit wegen gelei- steter sehr hohen verdienste erfoderte/ daß man einen solchen Koͤniglichen Fürsten nicht mit vergeblichen Worten hinhielte/ ihm eine solche Hoffnung zu machen/ und wann es an den Schluß gehẽ solte/ ihn schimpflich abzuweisen worzu ich doch euer Gemuͤt/ sagte sie/ viel zu redlich weiß; zwar mir ist wol bekant/ setzete sie hinzu/ wie schwer es einem Fraͤulein einge- het/ dasselbe andern zu offenbahren/ was von einem Mannesbilde mit ihr in Heyrahtsachẽ gehandelt wird/ weil ihr aber mein Schwester Herz kennet/ und daß eure Wolfahrt ja so hoch als meine eigene mir anlieget/ werdet ihr kein bedenken tragen/ mir zu melden/ ob ihr willens seid/ den lieben Fürsten zu ehelichen oder nicht. Das Fraͤulein antwortete hierauff: Herzalleꝛliebste Fr. Schwester/ ich glaͤube nicht/ daß einiges Fraͤulein in so kurzer Zeit mehꝛ bestuͤrmung ausgestanden/ als ich gestern und heut/ sehe auch nicht/ wie ich mich sein end- lich erwehren sol; zwar wann wegen beschehener Rettung/ ich ihm nicht Ehren- und dank- barkeit halben so viel uͤbersehen muͤste/ haͤtte er wol etliche gute auswischer verdienet/ nicht daß er mir ungebuͤhrliche sachen angemuhtet haͤtte/ sondern daß in den zulaͤssigen er das Ziel der maͤssigkeit uͤberschreitet. Mein geliebtes Kind/ sagte sie/ wann unsere Buhler/ die uns herzlich und in ehren meinen/ nicht aus den Schranken der Erbarkeit weichen/ muͤssen wir ihnen einen kleinen muhtwillen uͤbersehen/ insonderheit/ wann die erste Liebe/ die am hefftigsten faͤhret/ sie antreibet/ dann sie koͤnnen ihren willen nicht so wol hinterhalten/ als die Fraͤulein/ sintemahl alles ihr beginnen zu Schimpf und Ernst feurig und begierig ist/ so daß sie mehr mit bescheidenheit als hartem verweiß sich lenken lassen; aber ihr habt mir meine Frage noch nicht beantwortet/ ob ihr des lieben Fuͤrsten ansuchen stat zugeben geson- nen seid. Ach ach! antwortete das Fraͤulein/ ich bin noch viel zu bloͤde/ diese erklaͤrung ab- zustatten/ sonsten da mir Gott diesen Fuͤrsten zum Gemahl versehen haͤtte/ und meinen lie- ben Eltern es nicht zu wieder waͤhre/ koͤnte ich mit ihm sehr wol friedlich seyn/ würde auch nicht minder an ihm/ als eure Liebe an Koͤnig Ladisla einen ergebenen Gemahl haben/ wo sonst seinen reden einiger Glaube beyzumaͤssen ist. Wollet ihr dann/ sagete Fr. Sophia/ es in meine Hand stellen/ nach belieben zuverfahren/ wie vor euren Eltern ichs werde verant- worten koͤnnen? so wil euer bloͤdigkeit ich dergestalt zu huͤlffe kommen/ daß ihr meine traͤue daher spüren sollet. Und wessen solte ich mich hierin lieber gebrauchen/ antwortete sie/ als eben der ich meine himlische gluͤkseligkeit allein zu danken habe/ dann ich bin gewiß/ daß die- selbe mir weder boͤses rahten noch mich verrahten wird; aber wir muͤssen von unseꝛn El- tern unskeine groͤssere einwilligung einbilden/ als etwa erfolgen moͤchte/ daher michs noͤh- tig daͤucht/ daß man deren Erklaͤrung erwarte. An deren bewilligung/ sagte Fr. Sophia/ trage ich nicht den allergeringsten zweiffel/ und hat mein H. Vater volkom̃ene gewalt von euren Eltern/ euch nach gutdünken außzusteuren/ wie ihr dann wol wisset daß sie euch als einer verstaͤndigen und zuͤchtigen Tochter den freien Willen gegeben/ und uͤber das euch be- kant ist/ daß sie nicht willens sind/ euch zu Rom zuverheyrahten/ weil an keinem Orte der Welt redlicher Weiber Ehre mehr angefochten wird/ als eben daselbst/ insonderheit/ wañ die frechen neuen Kaͤyser die Herschaft antreten/ und ihren Lieblingen und andern Gewalt- habern allen muhtwillen verstatten. Woldann/ sagte hierauff das Fraͤulein/ wann meiner Fr. Schwester es also gut und rahtsam deucht/ verfahre dieselbe ihres gefallens/ jedoch daß unser Sechstes Buch. unser Beylager nicht so schleunig fortgesetzet werde/ wie ihrs jenesmahls mit Fr. Libussen und Brelen triebet. Ich wil ihm schon wissen recht zu tuhn/ sagte sie/ deß solt ihr euch zu miꝛ Schwesterlich verlassen; nam sie damit bey der Hand/ und fuͤhrete sie an den Ort/ wo die Groß Fuͤrstin mit Frl. Lukrezien von gleicher teidung schwaͤtzete/ die sich aber sehr weit zu werffen wuste; es haͤtte der Fuͤrst zwar seine gute Gewogenheit mit nicht unzierlichen Re- den ihr zuverstehen gegeben/ daß sie aber solche als unter dem schein einer Heyraht solte an- genommen haben/ haͤtte gar keine Gefahr; so waͤhre sie auch der Freyheit nicht/ in solchen sachen vor sich selbst zu handeln/ weil sie sich wol erinnerte/ daß sie der Groß Fuͤrstin ange- lobet/ ohn ihr vorwissen und willen dessen nichts zubeginnen/ massen ihr in staͤtem Gedaͤcht- nis laͤge/ daß ihr H. Vater/ ihr ernstlich befohlen/ ihrer Liebe nicht anders als einer Mut- ter zugehorsamen. Die Groß Fuͤrstin haͤtte der Reden gerne gelachet/ hoͤrete aus ihren Worten/ wie saur es ihr ward/ den eingeschlucketen Angel zuverbergen/ stellete sich doch al- lerdinge einfaͤltig/ und sagte: O du geliebter Bruder/ Fuͤrst Baldrich/ an was unseligen Ort hastu dein Herz gewendet/ nehmlich zu dieser unbarmherzigen Fraͤulein/ die in der naͤ- he deine bittere Seufzen nicht hat hoͤren koͤnnen/ die ich von ferne so klar erkennete/ als haͤt- testu sie mir in die Ohren geruffen; wie ists aber moͤglich/ meine allerliebste Frl. Schwe- ster/ daß eure Seele so rauch und hart seyn/ und die wachende auffmerkende Sinnen aller- dinge unempfindlich machen kan? Ich wil anjezt nicht streiten/ ob mein Bruder Baldrich wirdigkeit halben sich bey euer Liebe angeben dürffe/ nur fuͤhre ich ihr dieses zugemuͤhte/ er ist eures ergebenen Bruders Herkules leiblicher und einiger Bruder/ ihm weder am verstande noch Tugend so gar ungleich. Nun erinnert sich eure Liebe gleichwol billich/ wie hoch sie sich demselben verbunden/ und moͤget sein Fleisch und Blut so veraͤchtlich halten. Mir zweifelt nicht/ er muͤsse diesen Tag von euer Liebe mannichen herben Trunk eingenom- men haben/ dann ich sahe eigendlich/ wie ihm nach empfangener saursichtigen Antwort/ die Augen vol Wassers stunden/ daß ich etlichemahl willens wahr/ ihn von euer Seiten hinweg zufuͤhren/ damit ihm die Augen wegen gar zu grosser Angst nicht brechen moͤch- ten. Nun erkenne ich ja euer Liebe gewoͤhnliche Sanftmuht gar wol/ daher ich schliessen muß/ er werde aus gar zu inbruͤnstiger Liebe sich gegen dieselbe etwas verhauen haben; a- ber/ mein Schwesterchen/ es koͤñen die jungen Maͤñer nicht eben die Worte auff der Gold- wage fuͤhren/ insonderheit/ wann sie durch Schoͤnheit zur Liebe angedrungen werden/ dañ koͤnnen sie nicht umhin/ durch Worte an den Tag zugeben was sie im Herzen wuͤnschen. Jedoch wil ich ihn eben nicht entschuldigen/ nur eine Vorbitte vor ihn als meinen naͤhestẽ Anverwanten anzulegen/ bemuͤhe ich mich/ ob ich so gluͤkselig seyn/ und ihm dieses Fehlers Verzeihung erhalten koͤnte. Das Fraͤulein wuste hierauff nichts ertichtetes vorzubringẽ/ das einigen Schein der Warheit haͤtte/ wolte sich doch selber nicht verrahten/ sondern gab zur Antwort; Ob der Fürst so traurig und bestuͤrzt solte gewesen seyn/ haͤtte sie nicht mer- ken koͤnnen viel weniger haͤtte sie ihn einiger Unhoͤfligkeit oder ungebührlicher Reden zu beschuldigen; nachdem aber ihre Liebe so genaue acht auff ihre Unterredung gehabt/ muͤste sie bekennen/ daß er sehr instaͤndig auff eine ihr unmoͤgliche Erklaͤrung gedrungen/ waͤhre aber von ihr beantwortet/ daß Jungfraͤuliche Zucht nicht wuͤste/ solcher gestalt sich her- aus zulassen/ welches er ihr nicht verargen wuͤrde/ nachdem sie unter ihrer lieben Eltern t t Gewalt Sechstes Buch. Gewalt sich befuͤnde; Daß aber Eure Liebe/ sagte sie ferner/ mir einigen Unwillen gegen diesen Fuͤrsten zuleget/ so antworte ich hierauff wol bedaͤchtlich/ daß ich ihn vielmehr ehre und zuͤchtig liebe/ auch durchaus keine Ursach habe/ ihn anzufeinden; Wolle demnach mei- ne Gn. Groß Fürstin dieses Verdachts mich gnaͤdig erlassen/ massen ich dieselbe hoch und teur versichere/ daß ich lieber sterben/ als einigem von den ihrigen widrige Gedanken zu- wenden wolte. O wie hoch erfreuet mich dieses/ antwortete die Groß Fuͤrstin/ ja viel hoͤher als ich ausreden kan/ und solches nicht allein meinet/ sondern auch ihrer lieben Eltern we- gen/ dann mein Schwesterchen weiß/ wie hoch dieselben auff meinen Gemahl halten/ bin auch versichert/ daß ihnen die angenehmeste Zeitung seyn wuͤrde/ wann sie vernehmen sol- ten/ Eure Liebe waͤhre mit meines Herkules Bruder verheirahtet. So bitte ich nun schwe- sterlich/ sie wolle mir den Grund ihres Herzen entdecken/ ob sie mir volle Macht geben koͤn- ne/ hierin zuhandeln/ damit eure Seele beyderseits/ und hiedurch zugleich die meine ver- gnuͤget werde. Das verliebete Fraͤulein kunte die ertichtete Stellung weiters nicht fort- setzen/ kuͤssete der Groß Fürstin die Hand/ und gab diese Antwort: Durchleuchtigste Groß- Fuͤrstin/ womit hat ihre unwirdige Dienerin doch verdienet/ dermassen inniglich von ihr geliebet zuwerden/ da doch einige Wirdigkeit an ihr nicht ist noch entstehen kan; meine Seele hat nie hefftigers in dieser Sterbligkeit gewuͤnschet/ als ungetrennet bey ihrer Liebe zuseyn/ und an dero Holdseligkeit sich zuergetzen/ und spuͤre anjezt/ daß meine Groß Fuͤrstin damit schon umgehet/ dessen einen unbewaͤglichen Grund zulegen. Als mir nun unmoͤg- lich ist/ derselben zuwiderstreben/ auch neben meinen lieben Eltern die Gewißheit habe/ Eure Liebe werde ausser meiner Wolfahrt durchaus nichts mit mir vornehmen/ so unter- gebe derselben ich mich in dieser Sache/ wie in allen andern/ ganz und gar/ mit Bitte/ mei- ner lieben Eltern stat neben Groß Fuͤrst Herkules zuvertreten/ und nach ihrem gutachten zuverfahren. Sie wolte weiter reden/ aber Valiska umbfing sie freundlich/ kuͤssete ihren Mund zu unterschiedenen mahlen/ und sagte zu ihr: Herzallerliebstes Schwesterchen/ al- so wird mein Wunsch erfuͤllet/ daß wir ungetrennet moͤgen bleiben; und O moͤchte ich die- se Erklaͤrung vor einer halben Stunde gewust haben/ alsdann solte der liebe Fuͤrst nit mit solchem Unmut von uns geschieden seyn; aber seyd gebehten/ uñ verleihet Fuͤrst Siegwar- den ein gut Wort bey Frl. Sibyllen/ damit er gleiche Erklaͤrung von ihrer Liebe erhalten moͤge. Das würde ein lauter uͤberfluß seyn/ antwortete sie/ massen ich schon weiß/ daß ih- re Zusage biß an der Eltern Bewilligung sich heraus gelassen hat/ so sind sie auch einem andern zimlich geheim/ daß mich wundert/ woher sie diese Kuͤhnheit genommen/ angesehen der grossen Scham/ deren sie bißher sich allemahl gebrauchet hat. Gleich traten Frau So- phia und das Fraͤulein zu ihnen hin/ und nach Erzaͤhlung/ wz jedwede verrichtet/ entstund allerseits grosse freude; jedoch bahten die Fraͤulein/ daß den Fuͤrsten ihre Erklaͤrung nicht alsbald moͤchte zuwissen gemacht werden/ hielten mit einander ihr andaͤchtiges Abendge- beht/ und legten sich alle viere auff ein Lager. Die Fuͤrsten erzaͤhleten gleicher gestalt einan- der/ wie es mit ihren liebsten Fraͤulein ihnen ergangẽ waͤhre/ insonderheit hielt Siegward seinem Gesellen vor/ daß ihrer Liebe Niessung keines weges erfolgen wuͤrde/ dafern sie nit den Christlichen Glauben annaͤhmen/ den sie biß daher so abscheuhlich gehalten/ er aber schon so viel von seinem Fraͤulein verstanden/ daß nichts heiligers koͤnte erdacht noch ge- funden Sechstes Buch. funden werden. Ja/ sagte Baldrich/ unsere Pfaffen muͤssen gewißlich selbst von andern hintergangen/ oder die abgefeimdesten Buben seyn/ und in Ertichtung solcher Schand- luͤgen nur ihren Nutzen suchen; Dann vorerst geben sie vor/ es trete niemand zu dieser Leh- re/ als offentliche uͤbeltaͤhter/ und die von allen Tugendergebenen gehasset werden; ja/ kei- nerley art der Unzucht werde von ihnen/ so wol Weibes- als Mannesbildern unterlassen; bey ihren Zusammenkunfften werden so abscheuhliche Laster begangen/ wovor ich mich entsetzet/ und es nicht anhoͤren moͤgen. Wer wolte aber von meinem Bruder und Oheim/ ja von ihren zuͤchtigen Gemahlen und den Tugendliebenden Fraͤulein ein solches gedenkẽ/ geschweige glaͤuben koͤnnen? Dieses alles/ antwortete Siegward/ ist mir von meiner herz- geliebten Fraͤulein heut früh auf der Gutsche zu voller gnuͤge benommen/ und dagegen an- gezeiget/ alle ihre Gesetze bestehen in der Ehre des wahren Gottes/ des naͤhesten Liebedien- sten/ und Enthaltung von allen Lastern. Ja nicht allein boͤse Tahten/ sondern auch unzim- liche Gedanken/ werden ihnen allerdinge verbohten; Sihe Bruder/ wer kan solches ta- deln? koͤnnen auch die Goͤtter selbst heiliger leben? Zwar dieses gestund mein Fraͤulein/ dz sie alle unsere Goͤtter vor nichts achten/ schalt sie vor ertichtete und allerdinge ohmaͤchtige/ und bestaͤtigte/ es waͤhre nur ein einziger wahrer Gott/ der Himmel und Erden erschaffen/ und von Ewigkeit allemahl gewesen sey. Hievon muͤssen wir nun bessern Bericht einneh- men alsdann koͤnnen wir uns erklaͤren/ was wir tuhn oder lassen wollen. Das allerhaͤrte- ste in dieser Sache ist dieses/ sagte Baldrich/ daß ihr Gott keinen andern neben sich leiden wil; ich wolte der Christen Gott gerne ehren/ wann ich nur auch die unsern nicht schaͤndẽ duͤrffte/ denen ich mich gleichwol bey den Opfern ehemahl aͤidlich verbunden habe. Bistu der Meynung/ sagte Siegward/ so mustu dich fertig halten/ deiner Goͤtter Gottheit zube- weisen/ deßwegen suche hervor/ was du irgend weist oder gehoͤret hast/ die Irmen Saͤul o- der den Krodo oder deine Goͤttin Freia ausgerichtet zuhaben/ das der unfehlbaren Gott- heit wert sey. Dessen koͤnte noch wol etwas auff die Bahn gebracht werden/ antwortete er/ wann ichs alles genau uͤberlegen wolte; aber meynestu dann/ daß deine Schwedische uñ Gothische Goͤtter/ der Thorr/ Othin/ Methon/ Wagnost/ Haddig/ Wodan/ Fricko/ Ro- stioff/ und Rostar/ wie auch deine Goͤttin Frigga/ allerdinge nichtig und ertichtet seyn? trauen was man so lange Zeit her vor Gott gehaltẽ uñ verehret hat/ muß gleichwol nit vor gar nichts geachtet werden. Doch wir werden uns zur Ruhe legen/ und morgen zuverneh- men haben/ was uns davon vorgetragen werden sol. Diese Nacht brachten Herkules und Ladisla mehrenteils mit behten zu/ daß Gott diese beyden Fürsten erleuchten/ und zur Er- kaͤntniß der Warheit moͤchte kommen lassen/ und erwarteten des Morgens mit verlangẽ. Baldrich aber und Siegward hatten wol eine rechte Angst Nacht; dann kurz nach Mit- ternacht/ da sie im tieffen Schlaffe lagen/ kahmen ihnen zwoͤlff feurige Goͤtzenbilder vor/ unter denen die eine schien ein Weibesbild seyn; In ihren Haͤnden hielten sie teils grosse Kriegsfahnen; andere/ blutige Schwerter; etliche Korn und Milch; etliche breñende Ker- zen; die Goͤttin aber einen Liebes Bogen mit zierlichen Pfeilen/ und auff der Schulder ein zartes Knaͤbelein. Sie sahen alle mit einander anfangs sehr grimmig aus/ und hinter ih- nen wahr ein schwefelbrennendes Feur angezuͤndet. Die beyde Fuͤrsten empfunden daher im Schlaffe ein grosses grausen/ und wahr ihnen nicht anders zumuhte/ als wolte ihnen t t ij das Sechstes Buch. das Herz aus dem Leibe steigen/ insonderheit Baldrichen/ als welchen sie am grimmigsten ansahen/ und zwar anfangs ohn einiges Wortsprechen/ biß endlich Irmen Seul also zu den andern Gespensten anfing: Was duͤnket euch ihr lieben Bruͤder und Mit-Goͤtter/ in- sonderheit Bruder Krodo und Schwester Freia/ was duͤnket euch dieselben verschuldet zu haben/ welche undank bahrer meinaͤidiger weise sich unterstehen duͤrffen/ nicht allein von uns abzutreten/ sondern unsere Gottheit als ein Geticht und nichtige Erfindung zuverach- ten und zulaͤstern? Uns dreyen haben es die Teutschen zudanken/ daß sie von der Roͤmer Joch frey blieben/ daß sie ihr altes Vaterland bewohnen/ und darinnen in gutem Friede und Wolstande leben; Wir haben das alte Koͤnigliche Geschlecht bey ihnen erhalten/ uñ alles Verderben von ihnen abgekehret. Ihr anderen Mit-Goͤtter habt das freye Schwe- den- und Gothen-Volk unter eurem Schuz gehabt/ und ihnen gleiche Traͤue und Huͤlffe erzeiget; und nun wlrd uns von ihren jungen frechen und Gottschaͤndigten Fürsten der Dank davor/ daß sie unsere Gottheit gar zu nichte machen/ und in ein Getichte verkehren wollen. Wollen wir aber solches gedulden/ und diesen Frevel an ihnen ungestraffet lassen? se so waͤhren wir alle mit einander nicht eines Hellers wert. Krodo gab ihm zur Antwort: Wañ ein Untertahn seinen Koͤnig oder Fuͤrsten beleidiget/ muß er die Straffe des Lasters der beleidigten Hocheit ausstehen; warumb solten dann dieselben frey ausgehen/ welche ihren Goͤttern alles gebrante Herzleid anfuͤgen/ und von deren Gehorsam sich aushalstern wollen? Nein/ wir muͤssen unsere Goͤttliche Macht und Ansehen vor ihrer Boßheit schuͤt- zen/ folten sie auch mit allen ihren Helffern und Helffers-Helffern zu grund und bodem gehen; Und dieser Meynung werden unsere Mit-Goͤtter die Schwedischen und Gothi- schen auch seyn. Ja/ warumb nicht/ fing das Gespenste Thorr an/ hat man uns doch eben den Schimpff und Spot erwiesen/ welcher euch angelegt ist/ darumb wollen wir alle vor einen stehen/ und den neuen Gottes-Feinden und Himmels-Stuͤrmern ihren verdienten Lohn geben. Hierauff gedauchte die beyde Fuͤrsten im Schlaff/ es haͤtten die Gespenster ei- nen runden Kreiß geschlagen/ und untereinander ein langes heimliches Gespraͤch gehal- ten/ biß Krodo diese Urtel außgesprochen: Demnach es billich und noͤhtig ist/ daß die hoͤch- ste Obrigkeit ihr Ansehen und von undenklicher Zeit hergebrachte Macht und Gewalt ge- gen jeder maͤnniglich schuͤtze/ welcher ihnen Eintrag zutuhn/ sich unterstehen darff; und a- ber dieser unsinniger meinaͤidiger Teutsche Baldrich/ neben seinen frechen Gesellen den Schwedischen Siegward/ sich nicht scheuhen/ ihre allerhoͤchste und himlische Obrigkeit/ von denen sie und ihre Vorfahren alles gutes haben/ zuverachten/ zuschaͤnden/ zuverleug- nen/ und deren Gottheit zum Getichte zumachen/ als erkennen wir Teutsche und Schwe- dische Goͤtter vor Recht/ daß jeztgedachte beyde Freveler/ andern ihres gleichen zum Bey- spiel/ mit harter und ansehnlicher Straffe beleget werden/ damit unsere goͤttliche Ehre ge- rettet/ und ihr ganzes Vaterland vor unserm verderblichen Zorn erhalten werde. Hier- auff wolte er gleich den Stab uͤber die verurteileten brechen/ aber das weibliche Gespenst die Freia trat hinzu/ und sagte: Halt ein mein Bruder Krodo/ wir wollen ihnen zuvor den Zweifel benehmen/ welcher ihnen wegen unser Gottheit von den verfuͤhrischen Roͤmerin- nen beygebracht ist. Ganz Teutschland und Schweden hat seine Pfaffen/ unter denen ihrer viel mit dem Geist der Weissagung begabet sind/ zukuͤnfftige Dinge zuoffen bahren; Wo- her Sechstes Buch. her haben sie aber solches/ als durch Eingebung ihrer Goͤtter? oder kan ein ertichtetes/ das da nichts ist/ auch wol wirken/ und einem andern kuͤnfftige Dinge offenbahren? Da ver- richten die Teutschen und Schweden/ wie andere Voͤlker/ ihren Goͤttern die gebuͤhrliche angenehme Opffer/ aus deren Eingeweide und anderen Zeichen sie ihre kuͤnfftigen Gluͤc- kes- und Ungluͤks-faͤlle erkennen. Woher kompt solches anders/ als aus ihrer Goͤtter Schik- und Versehung/ welche ihnen solche Opfer lassen gefallen/ und dieselben durch die- se Gnade vergelten; massen ja die Tihre solche Zeichen von sich selbst nicht haben koͤnnen. Kan aber ein ertichtetes/ das da nichts ist/ auch wol wirken/ und den Tihren diese Gluͤckes- Zeichen verleihen? Man weiß/ wie offt wir Goͤtter ingesamt einen und anderen Laͤsterer mit abscheuhlicher Straffe haben beleget/ daß jederman hat erkennen muͤssen/ unsere goͤtt- liche Krafft habe sich an solchen unsern Veraͤchtern gerochen; kan aber ein ertichtetes/ das da nichts ist/ solche Rache anstellen? oder wird eine andere Krafft/ welche uns neben sich nicht leiden wil/ durch solche Straffen unser ansehen bey den Menschen erhalten? Daß ich nicht sage/ wie unsere Wachsamkeit es allein ist/ welche Teutschland und Schweden vor ihren Fein den schuͤtzet/ ihren Kriegsvoͤlkern den Sieg verleihet/ ihnen Brod und Milch giebet/ ihre Freiheit (O ein aͤdles Kleinot) erhaͤlt/ und der Inwohner Zahl vermehret; wel- cher Vernuͤnfftiger wolte dann an unser Gottheit zweifeln koͤnnen? Daß ich aber zu dem Zwegk meines Vorhabens gelange/ so bin ich vor dißmahl bloß zu dem ende aufgetreten/ eurer aller goͤttlichen und gerechten Zorn zumiltern/ und die außgesprochene Urtel von diesen beyden unbesonnenen Fuͤrsten abzulehnen/ oder zum wenigsten ihnen Zeit zur Busse und besseren Gedanken zuerhalten/ weil sie nicht auß Boßheit/ sondern durch Weiberlist/ sich zu dieser Suͤnde haben verleiten lassen. Hierauff kehrete sie sich zu den beyden Fuͤrstẽ/ und redete sie also an: Ihr meine lieben Soͤhne/ was haben ich und eure andere Goͤtter euch doch zu leide getahn/ daß ihr unser in so kurzer Zeit müde worden/ und andere unbe- kante anzunehmen gewilliget seyd? treibet euch die Liebe gegen die beyden schoͤnen Roͤmi- schen Fraͤulein darzu? O bleibet bestaͤndig in meinem Dienste/ ich wil euch wol andere zu- fuͤhren/ denen diese das Wasser nicht reichen; oder meinet ihr/ unserer eurer alten Goͤtter Vermoͤgen sey nicht kraͤfftig genug/ euch weiter zuschuͤtzen? Ich versichere euch/ daß bey unserm Dienste euch die allerhoͤchste Gluͤkseligkeit begegnen sol. So gehet nun in euch/ be- trachtet eure Pflicht/ damit ihr euren Land Goͤttern verbunden seyd/ und lasset ab von eu- rein jetzigen Vorhaben/ alsdann wil ich euch alle eure Goͤtter wieder zu Freunde ma- chen; Werdet ihr aber auff eurem Unsinne verharren/ so schreibets eurem Muhtwillen zu/ wann die von Gott Krodo jezt ausgesprochene Urtel an euch erfuͤllet wird/ welche euch jenes Feur vorstellet/ und nichts anders bedeutet/ als Ungluͤk/ Verachtung/ Schan- de und Verderben. Als sie dieses ausgeredet hatte/ fingen die teuflischen Gespenste ein unerhoͤrtes Gepoͤlter an/ als ob sie alles uͤber einander geworffen haͤtten/ daß auch die beyden Fuͤrsten daruͤber erwacheten/ und weil sie schon im Angstschweisse lagen/ sich die Furcht noch mehr einnehmen liessen/ daß sie schier nicht zu bleiben wusten. Es hielt aber das Gepolter bey einer Stunde an/ biß die erste Morgenroͤhte sich sehen ließ/ wel- che zeit uͤber die Fuͤrsten stille hinlagen/ biß endlich Siegward sich ermannete/ und seinen Leibdiener/ welcher bey ihnen auff der Kam̃er schlieff/ auffzuwecken/ ihm mit harter Stim- t t iij me Sechstes Buch. me rieff/ kunte ihn aber nicht ermuntern/ biß es zimlich helle wahr. Baldrich/ nachdem es stille worden wahr/ redete seinen Gesellen an/ und sagete zu ihm: Bruder was habe ich hin- te eine elende Angstnacht gehabt/ uñ wundert mich/ daß mir dz Herz vor furcht und schrec- ken nicht gar zersprungen ist. So bin ichs nicht allein gewesen/ antwortete Siegward/ der sich von den erzoͤrneten Landgoͤttern hat muͤssen rechtschaffen aͤngsten lassen. Daß waͤhre wunder/ sagte jener/ dañ eben diß hat mich so heftig gepeiniget. Sie macheten/ daß die bey- den Leibdiener zuvor auffstehen und einen Abtrit nehmen musten/ hernach gabs ihre erzaͤh- lung/ daß beyden ein gleichmaͤssiges begegnet wahr/ und sie es daher vor keine Traͤumerey/ sondern warhafte begebniß hielten/ welches die Furcht in ihnen vermehrete/ daß sie nicht wusten wessen sie sich verhalten solten. Der abscheid wahr/ daß sie gar fruͤh sich bey der Groß Fuͤrstin solten anfinden/ umb den Inhalt des Christlichen Glaubens von ihr zuver- nehmen; aber solches wolte die Furcht vor den erzuͤrneten Goͤttern ihnen nicht zulassen; und gleichwol wolten sie an ihrer verheissung nicht gerne fehlen; endlich wurden sie eins/ sich dessen bey der Groß Fuͤrstin durch ein Brieflein zu entschuldigen/ welches Siegward auffsetzete/ und ihr solches bey seinem Diener zusendete. Dieser begegnete Frl. Sibyllen ihrer Leibmagd/ und baht/ die Groß Fuͤrstin zuvermoͤgen/ daß sie dieses Schreiben nebest Fr. Sophien in geheim lesen moͤchte; welches diese Dienerin wol bestellete/ und die Groß- Fuͤrstin nicht ohn verwundern zu sich nam/ trat mit Fr. Sophien in ein Nebengemach/ und lasen folgendes mit hoͤchster bestuͤrzung. Durchleuchtigste Groß Fuͤrstin/ Gn Fr. Wase; ob zwar einem jeden redlichen Ritter/ die Schuldigkeit/ sein Versprechen zu leisten/ oblieget/ und wir beyde zu ends benante uns gleich jetzo einstellen solten/ den Inhalt des Christlichen Glaubens zuvernehmen/ so faͤllet uns doch eine so wich- tige Verhinderung darzwischen/ welche zu unser entschuldigung uns duͤnket gnug seyn; weil aber sel- biges der Feder zu weitlaͤufftig fallen wuͤrde/ es umbstaͤndlich anzufuͤhren/ moͤchten wir wuͤnschen/ die Gelegenheit zu haben/ euren Liebden es muͤndlich zuerzaͤhlen/ und zugleich ihres rahts uns zugebrau- chen/ als erschrockene Leute/ welchen der Goͤtter draͤuung diese Nacht kaum das Leben uͤbrig gelassen hat; wie solches anmelden werden/ euer Liebden untertaͤhnigst-gehorsamste; Siegward uñ Baldrich. Da wird der lose Teuffel sein Spiel diese Nacht wol rechtschaffen gehabt haben/ sag- te die Groß Fuͤrstin; ließ den beyden Fuͤrsten muͤndlich sagen/ sie wolte nach ihrem begeh- ren bald bey ihnen seyn/ ging doch zuvor hin zu ihrem Gemahl und Bruder/ und gab ihnen den Brieff zuverlesen/ welche daruͤber nicht wenig erschraken/ es mit ihr uͤberlegeten/ und ihre meynung ihr zuverstehen gaben; worauff sie zu den beyden Fuͤrsten auff ihr Gemach sich verfuͤgete/ und Fr. Sophien mit sich nam. Als sie zu ihnen hinein traten/ entsetzeten sie sich uͤber ihrer bleichen todten Farbe/ und traurigen Gestalt/ und nach wuͤnschung eines gluͤkseligen morgens/ fragete die Groß Fuͤrstin/ was vor anfechtung sie gehabt haͤtten. Es hatten sich die Fürsten in etwas erhohlet/ zweifelten doch/ ob durch erzaͤhlung der Begebnis sie ihre Goͤtter nicht beleidigen wuͤrden/ massen die begierde nach dem Christentuhm ihnen gar vergangen wahr; endlich fing Baldrich also an: Durchleuchtigste Frr. Wasen; daß nicht ohn wichtige Ursachen wir unser Versprechen zuleisten unterlassen haben/ moͤgen sie uns wol sicherlich trauen/ und ob wir uns zwar fuͤrchten/ durch die erzaͤhlung unser Aben- teur noch in eine schlimmere zu fallen/ koͤnnen wir doch nicht umbhin/ ihren Liebden es zu offenbahren; sagte also alles her was sich begeben hatte/ uñ verwunderte sich uͤber alle mas- se/ Sechstes Buch. se/ daß die beyde Fuͤrstinnen sich daruͤber nicht allein gar nicht bewaͤgeten/ sondern mit zim- lichem Gelaͤchter es anhoͤreten/ so daß Siegward sich nicht enthalten kunte/ sie zuerinnern/ sie moͤchten es nicht als ein Maͤhrlein annehmen/ sondern sich versichern lassen/ daß sichs in der Warheit also begeben haͤtte/ weil ihnen beyden zugleich solches begegnet waͤre. Wel- ches die Groß Fuͤrstin beantwortete: Durchll. Herren Oheime und Bruͤder; nehmet/ bitte ich/ unser beyden Gelaͤchter nicht also auff/ als ob wir euch Luͤgen zumaͤssen wolten/ sondern vernehmet die wahre Ursach/ die uns hierzu bewaͤget; Es hat der leidige boͤse Teuffel aus der Hoͤlle/ ingestalt dieser zwoͤlff ertichteten Goͤtter euch ein Blaͤrspiel angerichtet/ bloß daß er euch von dem Christentuhm abschrecken/ und in dem eitelen Heidnischen Wahn staͤrken und erhalten moͤge/ und weil er kein fuͤglicher Mittel darzu gewust hat/ als eben dieses/ so hat er diesen Schrek-pelz umbhaͤngen/ und unter diesem ohmaͤchtigen Gespenst euch aͤng- stigen wollen/ welches ihm dann leicht zu tuhn wahr/ weil ihr keinen Gott kennet/ an dem man sich in solchen faͤllen halten kan. Ich versichere euch aber/ daß wie dieses dz erstemahl ist/ also sol es auch das leztemahl seyn/ und wollen wir ihm durch beystand und hülffe mei- nes Gottes/ dieses Mittel/ euch ferner zuerschrecken/ schon benehmen. Ihr muͤsset aber zu- vor ein Herz ergreiffen/ diesen Auffzug verlachen/ und euer vertrauen auff den wahren Gott setzen/ alsdann sollet ihr ob Gott wil eben so leicht uͤber diß Gespenste lachen/ wie ich getahn habe. Jedoch/ weil eure Gemuͤhter zimlich verwirret sind/ wollen wir diesen Tag so hingehen lassen/ uñ werdet ihr auff mein wolgemeintes gutduͤnken euch heut diesen Tag aller froͤlichen Geselschaft enthalten/ so wollen wir wils Gott/ morgen fruͤh vornehmẽ was wir heut zu tuhn willens waren. Damit ihr gleichwol aber nicht allein seyd/ sollen euch Le- ches und Klodius auff diesem Gemache geselschaft leisten/ mit euch Speise nehmen/ und allerhand heilige Gespraͤche in euer gegenwart haltẽ/ ich wil eure abwesenheit bey der gan- zen Geselschaft schon gebuͤhrlich zuentschuldigen wissen. Sie liessen sich dieses nicht allein wolgefallen/ sondern auch den Schrecken algemach aus ihrem Herzen vergehen; da dann die Groß Fuͤrstin alles mit Leches abredete/ wie er nebest Klodius sich bey den Fuͤrsten be- zeigen solte; die solches auch wol in acht nahmen/ und den Fuͤrsten ein solches Herz mache- ten/ daß ihnen nach der Nacht verlangete; Als der spaͤte Abend da wahr/ legten die beyden Fuͤrsten sich wieder zusammen/ Leches und Klodius aber auff das Nebenbette/ hiessen jene in Gottes Nahmen sicher schlaffen/ und blieben sie inzwischen die ganze Nacht im andaͤch- tigen Gebeht zu Gott. Den beyden Fraͤulein ward die rechte Ursach ihrer abwesenheit von von der Groß Fuͤrstin kund getahn/ denen ihre außgestandene Angst sehr zu Herzen ging/ und sie in ihr andaͤchtiges Gebeht nahmen/ dessen die vier nahe Anverwanten auch unver- gessen wahren. Die beyden Fuͤrsten schlieffen die ganze Nacht hindurch sehr wol/ und so bald die annoch hinter der Erden versteckete Sonnenstrahlen den Himmel begunten anzu- roͤhten/ fing die Nachtigal unfern von ihrer Schlaffkammer auff einem lustigen Baume ihr angebohrnes Stimlein sehr krauß und bund durcheinander zu zwitzern/ daß Siegward da er erwachete/ eine sonderliche Lust darob empfand/ stieß auch seinen Gesellen an/ und fra- gete/ ob er nicht schier außgeschlaffen haͤtte. Leches/ als er sie wache seyn vermerkete/ fragete er nach getahnem Morgenwunsch/ wie ihre Durchll. geruhet haͤtten. Sehr wol und nach allem Wunsche/ antwortete Siegward/ und so bald euchs geliebet/ wollet ihr der Durchl. Groß- Sechstes Buch. Groß Fuͤrstin andeuten/ daß wir verlangen tragen bey ihrer Liebe uns anzufinden/ und un- ser vorhaben unerschrocken fortzusetzen. Ja sagte Baldrich/ eben diß ist auch meine Mey- nung/ und koͤnnet solches erster moͤgligkeit bestellen. Jene beyden nahmen hieraus ab/ daß die Fuͤrsten gerne allein seyn wolten/ deßwegen sie alsbald auffstunden (dann sie hatten sich in ihren Kleidern nidergelegt) und davon gingen. Bald darauff sagte Baldrich zu Sieg- warden; Mein Bruder/ nun habe ich Gott lob eigentlich erfahren/ daß das gestrige Ge- blaͤrre ein lauter Gespenst gewesen ist des schwachen Teuffels/ welcher wieder der Christen Gott weniger dann nichts vermag/ und ich demnach kein bedenken mehr trage/ alle deine und meine teuflische ertichtete Goͤtter zuverlassen und zuverachten; aber hoͤre doch/ wie mirs gangen ist; als ich in sanfter Ruhe und tiefem Schlaffe lag/ ließ mein ehmaliger Gott Krodo sich abeꝛmahl vor mir findẽ/ aber mehr saursichtig als erschreklich/ taht doch so viel/ wie mich dauchte/ daß er meines Herzen maͤchtig ward/ und mir dasselbe aus dem Leibe ris- se/ da dann kein Vermoͤgen bey mir wahr/ ihm solches zu wehren; als ers nun zu sich ge- rissen hatte/ und es in eine schwarze Lade einschliessen wolte/ trat die Groß Fuͤrstin in beglei- tung meiner geliebten Fraͤulein ihm unerschrocken entgegen/ setzete mit einem helblitzenden Schwerte auff ihn zu/ und aͤngstete ihn dermassen/ daß wie ungeꝛne gleich/ er ihꝛ doch mein Herz uͤberlassen muste/ und lieff er heulend davon als einer dem kein herzhaftiges aͤderchen mehr uͤbrig ist/ daher ich ihm nachschrihe; O du elender Tropff/ bistu der starke Gott/ und kanst dich eines schwachen Weibesbildes nicht erwehren? Inzwischen nam die Groß Fuͤr- stin mein Herz mit lachendem Munde zu sich/ und hielt es einer schneweissen Taͤubelein zu/ die mit ihrem güldenen Schnabel es hin uñ wieder fleissig reinigte/ auch viel Unflahts her- aus zog; endlich wischete es die Groß Fuͤrstin mit einer zarten Linnewand/ gab es Frl. Lu- krezien hin/ und sagete: Sehet da Frl. Schwester/ von nun an lasset euch dieses Herz stets anbefohlen seyn/ weil in seiner vorigen unreinigkeit es euch nicht gefallen kunte. Diese we- gerte sich dessen gar nicht/ sondern/ nachdem sie es zu unterschiedenenmahlẽ gekuͤsset/ oͤffnete sie ihre Brust/ steckete es in ihre linke Seite/ zog ihr eigen Herz wieder heraus/ drückete es in meinen Leib hinein/ und sagte: Dieser Tausch wird unser keinen gereuen. Zeit dieser be- gebnis aber sahe ich Koͤnig Ladisla und meinen Bruder Herkules von ferne stehen/ die mit auffgehobenen Haͤnden vor unser beyder Wolfahrt zu Gott im Himmel fleissig behteten/ und gedauchte mich/ als wann die vorige weisse Taube sich oben auff ihre Finger setzete/ uñ nachgehends gen Himmel floͤge. Geliebter Bruder antwortete Siegward/ hieraus schlies- se ich/ daß nicht allein durch der Groß Fuͤrstin bemühung/ die ich vor sehr heilig halte/ wir zum Christentuhm gebracht werden sollen/ sondern du auch deiner Fraͤulein volkommene hulde durch eben ihren vorschub erhalten werdest/ Gott gebe/ wie es mit meiner Liebe koͤmt/ an welcher ich doch nicht verzweiffeln wil. Betreffend sonst meine Nachtruhe/ ist dieselbe auch ungestoͤret blieben/ nur kurz zuvor ehe ich erwachete/ sahe ich der Christen Gott mit ei- nem rohten Kreuz/ welcher alle meine nichtigen Goͤtter mit einem einzigen Augenwink zur Erden niderschlug/ nicht anders/ als ob sie durch den Donner waͤhren geruͤhret worden/ dz ich demnach derselben unveꝛmoͤgen schon ja so hoch verlache/ als gestriges tages die Groß- Fuͤrstin. Sie macheten sich mit dem Tage von dem Lager auff/ legeten Schneweisse seide- ne Kleider an/ mit guͤldenen Blumen durchwirket/ und gingen hin/ vor dem bezeichneten Gema- Sechstes Buch. Gemache auffzuwarten/ biß ihnen geruffen wuͤrde. Die Groß Fuͤrstin wahr von Euphro- synen des wolstandes der beyden Fuͤrsten nach Leches begehren schon berichtet/ dann sie schlieff diese Nacht abermahl bey Fr. Sophien und den beyden Fraͤulein/ welche sie in ih- rer Ruhe liegen ließ/ und mit Fr. Sophien hinging in das naͤheste Gemach/ fuͤhrete die bey- den Fuͤrsten mit sich/ und fragete kuͤrzlich nach ihrem zustande/ und als sie den eigentlichen bericht (ohn was Frl. Lukrezien betraff/ welches ihr verschwigen ward) eingenommen hat- te/ fing sie diese Christliche Rede an: Durchleuchtigste Fuͤrsten/ hochgeliebte Herren Ohei- me und Bruͤderliche Freunde; ich zweiffele durchaus nicht/ es muͤsse Gottes sonderbahre schickung seyn/ welche uns an diesen Ort zusammen gefuͤhret hat/ umb/ eure Seligkeit/ wel- che das hoͤchste Gut ist/ und zugleich eure zeitliche Vergnuͤgung/ durch gewuͤnschete hey- rahten zubefodern/ auch hiedurch uns andere/ eure naͤheste Anverwanten hoͤchlich zuer- freuen. Nun weiß ich zwar wol/ wie hart es unserm Fleisch und Blute eingehet/ wann wir den Glauben/ in welchem wir gebohren und aufferzogen sind/ fahren lassen/ und dagegen einen neuen/ entweder zuvor unbekanten/ oder doch bey den unsern verhasseten und verflu- cheten annehmen sollen. Wann wir aber dagegen bedenken/ wie eine hohe wichtigkeit die- sem oblieget/ daß man den wahren Almaͤchtigen Gott recht erkenne/ dann so pfleget sich un- ser Sinn schon in etwas besser zihen zu lassen/ insonderheit/ wann wir vorerst zu dieser Er- kaͤntnis gelangen/ daß nach diesem zeitlichen kurzen Leben unsere Seele nicht verschwindet/ sondern entweder zur ewigen Straffe wegen begangener boßheit behalten/ oder mit unauf- hoͤrlicher Himmels Lust von Gott beseliget werden sol; alsdann wil unser Verstand gerne nachsinnen/ wie mans anfahen muͤsse/ daß man der Verdamnis entrissen/ und der goͤttli- chen Geselschaft einverleibet werde; aber ohn leit- und fuͤhrung der himlischen Taube/ nehmlich Gottes des Heiligen Geistes/ arbeitet man alhie vergebens und umbsonst; dann nachdem der Mensch aus dem Stande der heiligen volkommenheit in die boßhafte Suͤn- de gerahten ist/ kan ihm der Weg zur Himmelstuͤhr ohn Gottes gnaͤdige offenbahrung nicht gezeiget werden; massen bloß allein sein heiliges Wort der Brunnen ist/ aus dem wir das seligmachende Wasser der geistlichen erkaͤntnis schoͤpffen/ so dz unsere blinde vernunft hieselbst nicht herschen/ sondern sich demuͤhtig vor Gott erzeigen/ und demselben sich unter- geben/ auch gewiß glaͤuben muß/ wessen wir in seinem Worte unterrichtet werden. Wer nun anfangs diese erste Gnade von Gott dem Heiligen Geiste uͤberkommen hat/ daß er ihm vornimt/ den Christlichen Glauben anzutreten/ derselbe muß vorerst solches nicht nur zum schein/ oder andern zugefallen tuhn/ sondern sein Herz muß sich bloß wegen der Ehre Got- tes/ und umb seiner eigenen Seligkeit willen darzu schicken/ sonst ists nur eine Heucheley/ und waͤhre tausend mahl besser/ man liesse es gar bleiben; gestaltsam solche vorfezliche Got- tes Veraͤchter nach diesem Leben hundert tausendfach mehr und haͤrter/ als die aͤrgesten Moͤrder/ Raͤuber und Diebe gestraffet werden. Vors ander muß ihm keiner durch Anneh- mung des Christentuhms Hoffnung zu zeitlicher Glükseligkeit und Leibes Wollust machẽ/ daß er gedenken wolte/ Gott wuͤrde ihm wegen dieses Glaubens in diesem Leben allerhand Lust und Freude goͤnnen und geben/ oder er duͤrffte alsdann schalten und walten/ wie es sei- nem mutwilligen Fleische am besten daͤuchte. O nein! Unser Gott hat uns wissen lassen/ und selbst angedeutet/ je lieber ihm ein Kind in dieser Welt sey/ je mehr wolle ers unter sei- u u ner Sechstes Buch. ner Straff Ruhte halten/ damit er ihn zaͤhme/ und von Suͤnden ableite/ in welche wir ge- meiniglich durch zeitliches Gluͤk gestuͤrzet werden. Uberdas ist unserm Christentuhm die uͤppigkeit dermassen zuwider/ daß ob gleich jemand die Erkaͤntniß unsers Gottes erlanget hat/ und aber nicht daneben die Laster und Untugend meidet/ sihet Gott solche Erkaͤntniß gar nicht an/ sondern straffet ihn nach diesem Leben viel haͤrter/ als die unwissenden Hey- den/ weil ihnen der Wille Gottes bekand ist/ und sie nur aus Vorsaz dagegen handeln. Sehet ihr meine geliebete Herren Oheimbe und Bruͤder/ dieses habe Euren Lieb den ich anfangs vorhalten wollen/ worauff sie sich zubedenken haben/ ob unter diesen Bedingun- gen ihnen geliebe/ zu der allein seligmachenden Warheit unsers Christlichen Glaubens zu treten/ oder ihnen besser gefalle/ in ihrem vorigen Heydentuhm zuverbleiben/ auff welchen fall ich mich weiter heraus lassen werde; dann ob man zwar billich die Unwissenden zur Erkaͤntniß der Warheit anmahnet/ so muß doch niemand zu dem Glauben gezwungen werden/ sondern man muß dem Allerhoͤchsten ein ungezwungenes freywilliges Herz auf- opffern/ weil es unmoͤglich ist/ daß bey dem Zwange solte koͤnnen ein Beyfal und Glaube seyn. Baldrich gab hierauff zur Antwort: Durchleuchtigste Groß Fuͤrstin/ gnaͤdige Fr. Schwester/ Euer Liebe andaͤchtige und gottfuͤrchtige Reden haben mein Herz dergestalt durchdrungen und zur Begierde der Erkaͤntniß des wahren Gottes/ auch zur Niessung der kuͤnfftigen ewigen Seligkeit hingerissen/ daß/ ungeachtet aller Widerwertigkeit/ Feind- schafft/ Hasses/ Verfolgung/ ja des zeitlichen Todes selbst/ ich durch des wahren GOttes Beystand bey mir entschlossen bin/ mein Haͤupt nicht sanffte zulegen/ noch einiger Haͤndel mich zuunterfangen/ biß ich darzu gelanget/ uñ den Namen eines Christen empfangen ha- be; bitte demnach/ von wegen unser nahen Blutfreundschafft/ Eure Liebe wolle mir hier- zu ungeseumet behülflich seyn/ gestaltsam auch mein geliebter Bruder Siegward eben den gottseligen Vorsaz hat; Dann nachdem wir unsere verführische Kroden- und Irmen- Psaffen auff dieser oͤffentlichen luͤgenhafften Verleumdung ertappen/ ob solte der ganze Christliche Glaube auff lauter Schande/ Unzucht/ und viehische Vermischung hinleitẽ/ wie sie solches ungescheuhet voꝛgeben dürffen/ und wir dagegen ein widriges handgreiflich befinden/ koͤnnen wir nicht anders schliessen/ die Buben ertichten solche Abscheuhligkeiten/ nur das Volk dadurch abzuschrecken/ damit ihnen ihr Nuz und Vortel nicht entzogen werde; Daß ich nicht einfuͤhre/ was gestalt wir Gott Lob diese Nacht in Erfahrung ge- bracht/ daß unsere falsche Teuflische Goͤtter gegen der Christen Gott nichts vermoͤgen/ sondern dessen Almacht und Straffe unterworffen sind. Also ist nun unser Herz geschikt und begierig/ von Euer Liebe zuvernehmen/ was ein Christ sey und heisse/ was derselbe wis- sen und glaͤuben/ und wie er sich beydes gegen Gott und Menschen verhalten muͤsse. Sieg- ward bezeugete auch mit wenigem/ dz eben dieses sein herzlicher Wunsch und steiffer Vor- saz waͤhre/ und baht umb klare und einfaͤltige Unterrichtung. Worauff die Groß Fuͤrstin also fortfuhr: Nun wolan/ geliebte Herren Bruͤder/ so verleihe uns der grundguͤtige Gott seine Gnade/ und erleuchte eure Herzen/ daß ihr mein folgendes Vorbringen nicht allein verstehen und fassen/ sondern mit uns euer ganzes Leben darnach richten/ und mit allen Außerwaͤhlten Gottes nach dieser Sterbligkeit/ Kinder und Erben der ewigen Seligkeit werden moͤget; worzu Fr. Sophia mit traͤhnenden Augen aus wahrer Andacht ein herz- liches Sechstes Buch. liches Amen sprach. Die Groß Fuͤrstin aber fuhr fort/ und wie sie die Haͤupt Stuͤcke des Christlichen Glaubens sehr wol gefasset hatte/ fing sie an zuerzaͤhlen/ wie der wahre Gott nur ein einiger Gott/ und ausser dem kein ander Gott mehr waͤhre/ sondern die uͤbrigen Goͤtzen/ wie sie immer Nahmen haben moͤchten/ waͤhren durch des Teuffels eingeben und getrieb von vorwitzigen Menschen ertichtet; da dann derselbe Feind Gottes und der War- heit/ solche Abgoͤtterey zustaͤrken/ durch Gottes Verhaͤngniß/ sich zuzeiten in einer gestalt solcher Abgoͤtter haͤtte sehen lassen/ auch wol durch dieselben geredet/ geweissaget/ uñ wun- derbahre Dinge verrichtet/ so daß daher die ohndas unwissende Menschen in ihrem Ir- tuhm waͤhren gestaͤrket worden. Der einige wahre Gott aber waͤhre von Ewigkeit her/ ohn Anfang/ ohn Ende/ unbegreiflich/ unermaͤßlich/ Almaͤchtig/ Gerecht/ ein Geist/ der al- lenthalben/ im Himmel/ auff Erden und in allen Tieffen gegenwaͤrtig/ saͤhe und erkennete aller Menschen Tuhn/ Tichten/ und innerste Gedanken/ und haͤtte er ohngefehr/ wie mans rechnete/ vor 4175 Jahren/ Himmel/ Erde und Meer aus nichts erschaffen/ da vor dersel- ben Zeit nichts ausser Gott gewesen. Auch haͤtte derselbe Gott eine unzahlbare menge Gei- ster oder Engel erschaffen/ alle zu seinem Dienste und Gehorsam/ deren doch etliche viel tausend tausend von Gott abgefallen/ zu Teuffel worden/ und deswegen in die ewige Ver- damniß gestuͤrzet waͤhren. Das allerlezte Geschoͤpff Gottes waͤhren die ersten Menschen/ Adam und Eva/ jener aus einem Erdenkloß/ diese aber aus Adams Rieben einer von Gott gemacht/ welcher ihnen eine unsterbliche vernuͤnftige Seele eingeblasen/ auch dieselbe mit seinem Geistlichen Ebenbilde/ nehmlich/ mit volkommenem Verstande/ Krafft/ heiliger folge Gottes und gerechtem Willen ausgeschmuͤcket/ welches Ebenbilde ihnen von den Teufeln mißgoͤnnet worden/ welche sie zum Abfall gereizet/ und sie durch solchen ihren un- gehorsam des jeztgedachten treflichen Seelen Schatzes beraubet haͤtten. Hier erzaͤhlete sie allen Verlauff der ersten Menschen im Paradeiß/ und daß GOtt wegen solcher uͤber- tretung uͤber sie erzuͤrnet/ auch willens gewesen waͤre/ sie mit samt den Teuffeln zuverdam- men; aber endlich durch Barmherzigkeit bewogen/ haͤtte er sich ihrer erbarmet. Saget mir nun/ geliebte Herren Brüder/ fing sie darauff an/ ob ihr dieses alles wol begriffen ha- bet; Und als sie es mit einem Ja gestunden/ fuhr sie fort: Nun muͤsset ihr ferner wissen/ dz zwar schlechter dinge nur ein einiges goͤttliches Wesen ist/ aber nicht desto weniger ist in dem einigen Wesen eine dreyfache Unterschiedligkeit/ oder wie die Gelehrten reden/ sind drey unterschiedene Personen in dem einigen goͤttlichen Wesen/ und heissen/ Vater/ Sohn/ und Heiliger Geist . Diese drey aber sind nicht drey unterschiedliche Goͤtter/ sondern nur ein einiger Gott in einem unzertrenneten Wesen/ und dannoch sind diese drey unter sich/ nicht nach dem Wesen/ sondern nach dem Selbstande/ oder nach der Persoͤnligkeit/ wie man redet/ warhafftig unter schieden/ so daß der Vater nicht der Sohn/ der Sohn nicht der Heilige Geist/ der Heilige Geist nicht der Vater noch der Sohn/ sondern eine Person von der andern nach ihrer Persoͤnligkeit/ auch inner- und aͤusserlichen Eigenschafften un- terschieden/ und gleichwolein einiges/ nicht zusammen gesetzetes/ sondern schlechtes We- sen/ und der einige wahre Gott sind. Eure Liebden sollen sich nicht verwundern/ daß ich ih- nen ein solches vortrage/ welches das allerhoͤchste Geheimniß unsers Glaubens ist/ uñ von keinem Menschen recht mag verstanden werdẽ; wir muͤssen alhier unsere blinde Vernunft u u ij gefan- Sechstes Buch. gefangen nehmen/ und was wir durch den Verstand nicht ausgruͤblen koͤnnen/ muß ein einfaͤltiger schlechter Glaube fassen/ und durchaus nicht daran zweifeln/ weil unser GOtt sich uns Menschen also in seinem heiligen Worte/ welches nicht liegen kan/ offenbahret hat. Eines muß ich nur hinzu fetzen/ das zu wissen noͤhtig ist/ nehmlich/ daß Vater/ Sohn/ und Heiliger Geist in dem einigen goͤttlichen Wesen durchaus gleicher Ehre/ Krafft und Herligkeit sind/ keiner groͤsser oder geringer/ keiner ehe oder spaͤter als der ander/ sondern schlechter dinge gleich. Die erste Person wird darumb Vater genennet/ weil sie den Sohn von Ewigkeit her aus ihrem goͤttlichen Wesen gezeuget hat; und weil die andere also ohn Anfang und ohn Ende gezeuget wird/ heisset sie der Sohn. Der Heilige Geist aber/ die dritte Person/ hat den Namen daher/ daß sie von alle Ewigkeit her vom Vater und Sohn als ein ausgeblasener Geist/ wesentlich ausgehet. Und ob eure Vernunft hieselbst viel nach- suchens machen wolte/ was vor eigentliche Beschaffenheit es hiemit haͤtte/ so wehret ihr ja/ und heisset sie ruhen/ weil solches nicht allein alles vergeblich/ sondern auch wider Got- tes Willen ist/ welcher dieses von uns nur schlechter dinge wil geglaͤubet haben. Nach Fest-legung dieses ersten Hauptgrundes der Christlichen Lehre/ erzaͤhlete sie vor dißmahl nur Inhaltsweise/ was gestalt Gott der Sohn sich des zur Hellen-Straffe verurteileten menschlichen Geschlechtes aus sonderlicher Barmherzigkeit und Liebe angenommen/ in der fuͤlle der Zeit Mensch worden/ und durch seine gnugtuhung/ Leiden und Sterben vor unsere Suͤnde gebüsset/ wodurch er den Zorn Gottes und die hellischen Straffen von uns abgewendet/ und die Seligkeit uns wieder verdienet und zuwegen bracht/ welche uns auch dermahleins nach diesem Leben wirklich wuͤrde zugelegt werdẽ/ wañ wir mit festem Glau- ben uns auff solches Verdienst unsers Heylandes verlassen/ uns von aller Boßheit ent- halten/ und die Werke der Christlichen Liebe und wahren Gottseligkeit nach Erheischung der Heiligen zehn Gebohten ernstlich fortsetzen. Nachgehends sagte sie ihnen den algemei- nen Christlichen Glauben vor/ und erklaͤrete ihnen denselben nach allen noͤhtigen Umstaͤn- den gar einfaͤltig/ welches alles sie anderthalb Stunde lang in hoͤchster Andacht anhoͤretẽ/ und sich uͤber der holdseligen Rede verwunderten/ die aus ihrem Munde ging/ dann sie wahr als verzukt anzusehen/ die Augen stunden ihr gen Himmel/ und erschien eine solche Freudigkeit in ihrem Angesichte/ als waͤhre sie ein Engel Gottes gewesen. Auff ihre geen- digte Reden aber fing Baldrich also an: Hocherleuchtete und in goͤttlicher Weißheit wol- erfahrne Groß Fürstin; billich halte ich diesen Tag vor meinen Geburts Tag/ an dem mir so uͤber hohe Gnade und Barmherzigkeit wiederfahren ist/ daß davor dem guͤtigen Gott und Euer Liebe ich nimmermehr gnug danken kan. Mein Herz ist durch ihre Unterrich- tung erleuchtet/ meine Seele getroͤstet/ mein Muht gestaͤrket/ mein Geist wider die Teufli- schen Gespenster/ die mich gestern verunruheten/ gewapnet/ und mein Wille unterwiesen/ daß er nunmehr tugendhafft und gottselig fahren kan/ weil mir der Verstand geoͤffnet ist/ und ich/ Gott Lob/ nun mehr weiß/ woran ich mich in Anfechtung halten/ und wohin ich in meinem anliegen mich wenden sol; unmoͤglich aber ist mirs/ meine iñigliche Vergnügung auszusprechen. Die Teufelin Freia/ der Teufel Krodo und Irmen Seul/ und wie sie sonst Nahmen haben moͤgen/ sollen mich durch Gottes gnade nicht mehr schrecken/ weil ich den wahren ewigen und einigen Gott/ ihm sey Lob/ erkenne und im Herzen habe; derselbe Gott/ der Sechstes Buch. der mich erschaffen und erloͤset hat/ wolle seine gnade in mir vermehren/ daß ich ohn wan- ken mich an ihm steif halte/ und durch keine Wiederwertigkeit von ihm getrennet werde. Siegward gab gleichmaͤssige Erklaͤrung von sich/ welches die Groß Fuͤrstin mit sonderli- cher Freude vernam/ sie zur Dankbarkeit gegen Gott vermahnete/ und mit ihnen nider- kniend folgendes Gebeht sprach: O du grundguͤtiger Gott/ wir danken dir von herzen/ daß du uns nach deiner vaͤterlichen Guͤte aus dem verdamlichen Unglauben hervor gerissen/ und zur heilsamen Erkaͤntniß deines lieben Sohns/ auch zur Erbschafft des ewigen Lebens gebracht hast; Wir bitten dich herzlich/ erhalte uns in solcher Gnade/ staͤrke unsern neuen annoch schwachen Glauben/ vermeh- re in uns die Hoffnung und Liebe/ und setze uns fest in Christlichen guten Werken und heiligem Wan- del/ daß wir dir O Gott gefallen/ und nach dieser Sterbligkeit mit dir ewig leben moͤgen/ Amen. Hierauff behtete sie mit ihnen abermahl den Christlichen Glauben und das Vater Unser so offt/ biß sie es ohn Anstoß nach sagen kunten/ erklaͤrete es auch gar einfaͤltig/ und erinner- te sie/ daß sie etliche Tage aneinander fruͤh morgens sich bey ihr einstellen/ und den noͤhtigẽ Unterricht so offt mit ihr wiederhohlen solten/ biß sie denselben zur gnuͤge wuͤrden gefasset haben. Solte sich aber/ sagte sie/ der Teuffel noch weiters wollen geluͤsten lassen/ euch bey Nachtzeiten (wie er dann nicht ein Geist des Lichtes/ sondern der Finsterniß ist) zuverun- ruhen/ und mit seinem Gepoͤlter zuerschrecken/ so verachtet ihn nur mit alle seinem Wesen/ und sprechet in wahrer Andacht den Christlichen Glauben und das Heilige Vater Unser/ als- dann werdet ihr sehen/ wie schimpflich er abzihen/ und eurem Glauben den Sieg wird las- sen muͤssen/ dann es wird in der Heiligen Schrifft unser Glaube an den Sohn Gottes ein Schild genennet/ nebest der Versicherung/ daß wir damit alle feurigen Pfeile dieses Boͤ- sewichts ausloͤschen koͤnnen. Nach Endigung dieser Rede umfing sie beyde Fuͤrsten/ und nach gebohtenẽ Kusse sagte sie: Nun werde ich mich erst recht vor Eurer Liebden Schwe- ster/ und dieselben vor meine Bruͤder halten/ nach dem wir an Gott einen Vater/ und an der Christlichen Kirche eine Mutter haben/ daß wir also nicht allein leibliche oder fleisch- liche/ sondern auch geistliche Brüder und Schwestern sind. Sie nam aber Baldrichen/ und Fr. Sophia Siegwarden bey der Hand/ und gingen mit ihnen nach Herkules Ge- mache/ der mit Ladisla schon auffgestanden wahr/ und ihr Morgengebeht in einer Andacht verrichteten/ kunten auch leicht gedenken/ was die ursach ihrer Ankunfft wahr/ wiewol sie dessen sich nichts merken liessen. Die Groß Fuͤrstin aber ließ sie nicht zu Worten kommen/ sondern fing also an: Der gluͤkseligste Tag nach meiner Bekehrung ist mir der heutige ge- wesen/ an welchem durch Gottes gnade ich diese beyde Durchll. Fürsten/ meine geliebte Herren Oheime und Bruͤder aus des leidigen Teuffels Rachen loßgerissen/ und zur Ge- meinschafft der Christlichen Kirchen gebracht habe/ wovon ich zu gelegener Zeit ein meh- res erzaͤhlen werde. O mein allerliebstes Herz/ antwortete Herkules/ der Tag muͤsse geseg- net seyn/ an welchem mein geliebter Bruder und Oheim zur Erkaͤntniß GOttes sind ge- bracht worden; ist mir auch insonderheit lieb/ daß solches ohn mein zutuhn und vorwissen verrichtet ist/ damit mein Herr Vater nicht dereins mir beymaͤsse/ ich haͤtte meinen Bru- der verleitet/ und die kuͤnfftige Beherschung des Vaterlandes ihm mißgoͤnnet/ wovon er dieses Glaubens wegen mich zuenterben sol gesinnet seyn; Im uͤbrigen wuͤnsche ich den beyden neuen Christen Gottes beharliche gnade/ und des Heiligen Geistes Inwohnung/ u u iij der Sechstes Buch. der in ihnen den Glauben vermehre/ und sie zugleich neben uns dereins in die ewige Her- ligkeit auffnehme. Geliebter Herr Bruder/ antwortete Baldrich; wegen des Christlichen Wunsches bedanke ich mich herzlich; was aber meinen Herr Vater und dessen Vorha- ben wegen deiner Enterbung betrifft so ist Gott mein Zeuge/ wie hart mir solches zuwider gewesen ist/ daß ich nicht allein unserm Herr Vater geschworen/ viel lieber zusterben/ als in deine Enterbung zugehehlen/ oder dir als dem aͤltern vorzugreiffen/ sondeꝛn da mich ein buͤbischer Pfaffe hierzu anmahnen wollen/ und sich unternehmen durffte/ deiner in unglei- chen zugedenken/ umb/ bey dem Vater dich noch weiters verhasset zumachen/ habe ich aus bruͤderlichem Eifer ihn mit meinem Seitengewehr durchstossen/ und hiedurch meinen H. Vater so hoch erzuͤrnet/ daß wenig fehlete/ er haͤtte mich gefaͤnglich einziehen lassen/ wann meine Fr. Mutter mich nicht vor seinem Zorn etliche Tage verborgen gehalten haͤtte. Ge- liebter Herr Bruder/ sagte Herkules/ mir ist dein Gemuͤt schon gnug bekant/ aber hiedurch hastu es so viel klaͤrer zuverstehen geben/ und verheisse ich dir deswegen/ daß ich nicht lassen wil/ meines Herrn Vaters Groß Fuͤrstentuhm entweder mit dir zuteilen/ oder dir helffen ein Reich zngewinnen/ welches deinem Stande gnug sey. Es wahr uͤberaus grosse freude unter ihnen/ welche auch Ladisla mit vielfaͤltigem gluͤkwuͤnschen und erbieten zuerkennen gab biß endlich Siegward in ihrer beyder Namen also anfing: Großmaͤchtigster Koͤnig/ auch Durchleuchtigster Groß Fuͤrst/ gnaͤdige Herren Oheime und Bruͤder; Nach dem der Alguͤtige Gott meinem lieben Freunde und mir die allerhoͤchste geistliche Gluͤkseligkeit zugewendet/ da wir am wenigsten darauff bedacht wahren/ haben wir das Vertrauen zu seiner Barmherzigkeit/ er werde uns in derselben biß an unser Ende/ ja biß in alle Ewigkeit erhalten; Wann wir dann hieneben wuͤnschen/ daß auch die lieblichste irdische Gluͤkselig- keit/ welche in Erhalt- und Besitzung eines tugendreichen frommen und gottseligen Ehe- gemahls bestehet/ uns von Gott moͤge mitgeteilet werden/ und wir dieselben an den beyden Hochgebohrnen Roͤmischen Fraͤulein/ Frl. Lukrezien Pompejen/ und Frl. Sibyllen Fa- bun uns gaͤnzlich eingebildet haben/ und demnach willers sind/ umb dieselben gebuͤhrlich zuwerben/ geleben wir der ungezweifelten Hoffnung und Zuversicht/ Eure Liebden werden uns hierin/ ihrem gutem Wolvermoͤgen nach/ alle befoderung leisten/ welches mit unserm Blute zuersetzen wir stets willig und bereit seyn wollen. Herkules fing schon an/ seine Ant- wort zugeben/ aber die Groß Fuͤrstin fiel ihm in das Wort/ und sagte: Nicht also/ Durchl. Fuͤrst Siegward/ meine Fr. Schwester und ich haben dieses biß daher traͤufleissig unter- bauet/ und da es solte ausgefuͤhret und gluͤklich geendiget werden/ wolten andere herzu treten/ und den Dank verdienen? Wir wollen unserer Gemahlen Mit Arbeit in die- sem Werke mit nichten zulassen/ sondern Eure Liebden sollen gleich jetzo mit uns gehen/ uñ vernehmen/ wie weit durch unsere Bemuͤhung es schon fortgesetzet sey. In Gottes Nah- men/ sagte Herkules/ ich weiß ohn das wol/ daß ihr in Heirahtsachen nicht allein euch ger- ne gebrauchen lasset/ sondern auch zuzeiten gut gluͤk damit habet; und weil ich meinem lie- ben Herrn Oheim/ wie auch Bruder keine liebere Fraͤulein wuͤnschen kan/ nach dem beyder Zucht/ Tugend und Froͤmmigkeit mir insonderheit wol bekant ist/ so seyd erinnert/ mein Schatz/ und leget allen moͤglichen Fleiß an/ daß ich dessen bald genehme Zeitung erfah- ren moͤge. Nun hatten dannoch diese beyde Fuͤrstinnen des vorigen ganzen Tages nicht Sechstes Buch. nicht unterlassen/ den beyden verliebeten Fraͤulein ihre Buhler noch immerzu angeneh- mer zumachen/ welche/ weil sie ihr Herz schon allerdinge darzu geneiget hatten/ so viel desto leichter konten eingenommen werden/ und dauchte ihnen der vorige Tag sehr lang und unlustig/ weil ihrer Augen bester gegenwurf sich nicht wolte finden lassen/ daß auch Frl. Lukrezie sich nicht einhalten kunte/ zu Frl. Sibyllen/ wiewol als im Scherze zu sagen: Herzen Schwesterchen/ mich deucht du fingest heut fruͤh eine Froͤligkeit an/ die da scheinet/ sich bald geendet zu haben/ und wann ich meinem fragenden Herzen solte eigentliche Ant- wort geben/ würde ich gestehen muͤssen/ daß ich gleiches anliegen habe welches/ wann ichs recht taͤuffen sol/ halte ichs vor ein Fieber/ weil mir bald heiß bald kalt ist; nun habe ich sol- ches gleichwol nicht uͤber Meer mit mir gebracht/ dessen mir mein Gewissen und meine ganze Geselschaft Zeugnis gibt/ und ich demnach nicht anders schliessen kan/ ich muß die erste Nacht/ da ich bey dir geschlaffen/ es von dir geerbet haben. Frl. Sibylla lachete der Re- de/ und gab ihr zur Antwort: Gewißlich mein Schwesterchen/ du beichtest fein heraus mit deinem Liebes-Fieber/ aber die wahre Ursach dessen triefstu gar nicht. Ey sagte jene/ bistu dann eine von denen/ welche der Dinge Ursachen zuerkennen wissen/ und daher die gluͤkse- lige genennet werden/ so laß mich doch deine Gedanken vernehmen/ aber trifstu nicht recht/ werde ich dich uͤber laut außzischen. Ists dann wahr/ antwortete diese/ daß du ein solches vor so ein grosses Geheimnis haͤltest? so frage nur in dieser ganzen Geselschaft/ welchen du wilt/ auch allerdinge die geringesten Auffwarter/ es wird keiner seyn/ der dieses Ziel nicht leicht treffensolte. Bin ich dañ allein so but uñ unwissend/ sagte jene/ daß ich den Ursprung meines Fiebers nicht finden kan/ so benim mir doch solchen Unverstand. Was man liebet/ antwortete ihre Freundin/ ob mans gleich nicht sihet/ hoͤret man doch gerne davon reden/ daher werde ich dir kein mißfallen erzeigen/ wann ich vorbringe/ was du selbst besser weissest als ich; erinnere dich/ wer es wahr/ dem du des Abends deiner Ankunft bey der Mahlzeit so nahe ruͤcketest/ derselbe hatte das Fieber/ wie es seine veraͤnderung außwieß/ und ist also gar kein Wunder/ daß du von demselben damit angestecket bist; O Schwester Schwester sagte Frl. Lukrezie/ wie uͤbel und unschwesterlich hastu dann bey miꝛ gehandelt/ daß du mich nicht bey zeiten gewarnet hast; dann bey meiner traͤue/ haͤtte ich wissen sollen/ daß ich bey ei- nem Fieberkranken saͤsse/ wuͤrde ich mich balde von ihm hinweg gemacht haben; aber diese Reue und Klage duͤrffte nun schier zu spaͤte seyn/ deßwegen biß gebehten/ und gib mir guten Raht und heilsame Arzney zu dieser Krankheit vertreibung/ weil deiner Meynung nach/ du deren Ursach so wol und eigen erkennest. Verwaͤgen gnug vor ein junges Maͤdchen/ antwortete die andere; wisse aber/ daß ich keine Liebes-Arztin bin/ habe gleichwol heut fruͤh ohngefehr aus unserer Frr. Schwesteren Gespraͤch verstanden/ das dein Fieber deren Art sey/ welche durch eben dasselbe müssen vertrieben werden/ durch welches sie entstandẽ sind. O du Erzverschlagene/ sagte jene/ ich merke schon/ daß deine Arztin dir vor dein Fieber was geordnet hat/ und wilt mir solches nicht offenbahren; doch wann ich sehen werde/ daß du diese Arzney einnimst/ wil ichs auch wagen/ aber ohn einen Vorgaͤnger tuhe ichs nicht/ weil die Arzney gar zu gefaͤhrlich ist. Du soltest dich vom Galgen loßschwaͤtzen/ antwortete die- se; aber daß du wissest/ wie weit du fehlest/ so bezeuge ich diꝛ/ daß ich von keinem Fieber/ noch von einiger anderen Krankheit getroffen bin. O Schwester/ wiederantwortete jene/ daß sind Sechstes Buch. sind schlimme Kranken/ welche ihre Krankheit verleugnen/ man haͤlt sie vor unwitzig/ und verzagen alle Arzte an deren wiederstattung; lege deßwegen diesen Unsin ab/ und laß dir helffen; sihe ich weiß daß dein Fieber ungleich gefaͤhrlicher ist als meines/ dañ du hast dich eine geraume Zeit unter dem Gewoͤlbe der Raͤuberhoͤhle auffgehalten/ da du den ersten An- stoß bekommen/ welches uber alle masse schaͤdlich seyn sol; du bist uͤber Wasser gangen/ wel- ches auch die heftigkeit des Fiebers vermehret/ ja ich merke daß es ein stetsanhalten des Fie- ber ist/ welches entweder kurze wendung machet/ oder gar zu beschwerliches viertaͤgiges verursachet/ damit man sich etliche Jahr schleppen muß; Nein nein/ so toͤricht wil ich nicht seyn/ mich in solche Lebensgefahr zu stürzen/ sondern so bald meine Arztin mir die Arzney darbieten wird/ wil ich sie begierig annehmen/ und mich hernach im Bette fein stille halten/ damit dem uͤbel bey zeiten gerahten werde; und wo sonst guter Raht bey dir haften kan/ so tuhe du ihm auch also/ was gilts/ du wirst deines beschwerlichen und feurhitzigen Fiebers alsdann auch entlediget werden. Ich schaͤtze es vor eine Kunst und Woltaht/ sagte Fraͤu- lein Sibylla hierauff/ wann man kranke gesund machet/ aber daß du so bemühet bist/ mich gesunde krank zu machen/ muß ich zum wenigsten vor eine Tohrheit halten; ist dir aber die Arztney so noͤhtig/ wil ich aus getrieb unser Freundschaft die Groß Fuͤrstin erbitten/ daß sie dir beyzeiten rahte/ damit nicht das ganze aͤdle Frauenzimmer durch dich beschimpfet werde. Mit solchen und dergleichen auffzuͤgen/ trieben diese Fraͤulein sich diesen Tag umb/ welches sie des folgenden Morgens wieder anfingen/ als die Groß Fürstin von ihnen auff- gestanden und mit den Fuͤrsten in dem Bekehrungswerke wahr/ daß sie daruͤber zimlich lange in den Federn blieben/ und sie kaum die noͤhtigsten unter-Kleider angelegt hatten/ als die beyden Fuͤrsten mit ihren Begleiterinnen zu ihnen hinein traten; dessen dann die Fraͤu- lein nicht wenig erschracken/ kehreten ihnen den Ruͤcken zu/ und bahten die Groß Fuͤrstin sehr/ einen gar geringen Abtrit zunehmen/ biß sie sich voͤllig wuͤrden bekleidet haben. Aber sie gab ihnen zur Antwort; nicht also meine herzgeliebete Schwesterchen/ ihr sollet diesen beyden Fuͤrsten Gluͤk wünschen/ wegen ihres angenommenen Christentuhms/ und die un- zeitige Scham bey seit legen/ nachdem ihr guten Freunden schon gnug bekleidet seid; jedoch warff sie selbst ihnen kurze Nacht- oder Halsmaͤntelchen von klarer Linnewad uͤber die Schultern/ und fuͤhrete Frl. Lukrezien hin zu Baldrich/ da inzwischen Fr. Sophia sich mit Siegwarden nach Frl. Sibyllen verfuͤgete/ welche ihn gar schamhaftig empfing/ weil sie wol wuste/ daß es nunmehr zum voͤlligen Schlusse angesehen wahr. Die Groß Fuͤrstin a- ber/ da sie ihre beyde verliebeten zusammen fuͤhrete/ lies sie ihnen nicht so viel Zeit/ sich un- tereinander zu gruͤssen/ sondern redete das Fraͤulein also an: Herzgeliebete Frl. Schwesteꝛ/ dafern das feste Band unserer verknuͤpfeten Freundschaft in eurem Herzen nicht zubro- chen ist/ wird eure Liebe sich erinnern/ wie offt wir gewuͤnschet haben/ von Gott zuerlangen/ daß wir nimmermehr voneinander moͤchten getrennet werden/ weder in dieser noch in je- ner Welt. Diesen Wunsch ins Werk zu richten/ habe ich taͤglich nachgesonnen/ aber ver- gebens/ biß dieser Durchleuchtigster Fuͤrst/ ein gebohrner Groß Fürst und uhraltes Koͤnig- liches Gebluͤts aus Teutschland/ meines herzgeliebeten Gemahls einiger Bruder/ mir ver- traulich zuverstehen gegebẽ/ was gestalt eueꝛ Liebe Zucht/ Tugend/ Gottesfuꝛcht uñ Schoͤn- heit ihm sein Herz dermassen eingenommen/ daß in dieser Welt er nichts anders suchet/ als euer Sechstes Buch. euer Liebe zu dienen/ und deren gegen-Liebe in unzertrenlicher Ehe gottselig zugeniessen/ wodurch er gezwungen sey/ mir als seiner naͤhesten Blutsverwantin solches zu offenbah- ren/ und meiner huͤlffe in erwerbung eurer Gunst und guten willens zugebrauchen; wann ich dann nicht zweiffele/ mein geliebter Oheim und Bruder suche dieses von Herzen/ so hof- fe ich zugleich/ eure Liebe werde sein inbruͤnstiges ansuchen nicht ausschlagen/ sondern auff meine unterhandlung ihn vor ihren Schaz und kuͤnftigen Gemahl annehmen; hingegen versichere ich dieselbe hinwiederumb/ daß eure Liebe er Zeit seines Lebens ehren/ lieben und schuͤtzen/ auch dieselbe auff ein solches Leibgedinge setzen sol/ dessen kein Fraͤulein sich wird schaͤmen duͤrffen; und ob etwa eure Liebe durch vorschuͤtzung der Nohtwendigkeit eurer Eltern gutheissen einzuhohlen/ die endliche Erklaͤrung auffschieben wolte/ so erinnere ich dieselbe/ was massen ihre Eltern mir volkommene Gewalt/ sie zuverheirahten/ auffgetragẽ/ und sie daher an derselben einwilligung nicht zweiffeln darff. Das Fraͤulein gab zur Ant- wort: Durchleuchtigste Groß Fürstin/ daß dieser auch Durchleuchtigster Fuͤrst und ge- bohrner Groß Fuͤrst aus Teutschland zu mir unwirdigen so hohe Gunst und Liebe gefasset/ und zu seinem Gemahl mich in seinem Herzen erkiesen wollen/ erkenne ich billich mit ge- buͤhrlicher Dankbarkeit; nachdem aber euer Liebe Vortrag mir so schleunig und allerdin- ge unvermuhtlich vorkomt/ als bitte untertaͤhnig/ mir etliche Monat bedenkfrist zu goͤñen/ damit ich nicht durch unvorsichtige Antwort mich uͤbereile/ wie dann ein Fraͤulein in sol- chen teidungen bedachtsam fahren sol und muß. Der Groß Fuͤrstin wahren ihre Schwaͤn- ke wol bekant/ lachete deswegen/ und fragete/ wie viel Monat sie dann bedenkzeit foderte. Ich stelle es in euer Liebe bestimmung/ antwortete sie/ wanns nur nicht unter sieben oder acht Monatseyn wird/ wie dann gut Ding weile haben wil; bey welcher vorbringung sie selbst das Lachen nicht allerdinge einbeissen kunte. Wolan/ sagte die Groß Fuͤrstin/ ich gebe euer Liebe nicht allein acht/ sondern achtzehn Monat meines Jahrbuchs/ in welchem jeder Monat einen Augenblik haͤlt/ und laͤnger nicht; und ob ihr bedacht waͤhret/ weitere Aus- flucht zusuchen/ schlage ich diesen Kreiß umb euch beyde/ bey Straffe meiner hoͤchsten Un- gnade/ und Auffkündigung aller Freundschafft und Hulde/ wo euer einer den Fuß druͤber setzet/ biß ihr einer dem andern diese Ringe auff schierkuͤnftige Heiraht/ wechselsweise ein- geliefert habet; steckete hiemit ihnen beyden uͤberaus koͤstliche Ringe auff die Finger/ gab dem Fraͤulein einen herzlichen Kuß/ und trat damit aus dem Kreise. Das Fraͤulein stelle- te sich etwas ungeduldig/ und gab vor/ sie haͤtte sich über gewalt zubeklagen/ indem sie in diesen Kreiß ungleich fester/ als in das allerwolverwahreteste Gefaͤngniß versperret waͤh- re/ auch keines weges daraus zubrechen wuͤste/ als entweder durch ihre gnaͤdige Aufloͤsung/ welche sie hoffete/ oder gaͤnzliche Erfuͤllung des Befehls/ welches ihr unmoͤglich daͤuchte; worauff aber die Groß Fuͤrstin kein Wort antworten wolte. Hingegen wuste Fr. Sophia ihrem Fraͤulein dergestalt zubegegnen/ daß dieselbe sich bald darauff mit dieser Antwort heraus ließ: Nach dem ihre Fr. Schwester sie versicherte/ daß ihre herzgeliebete Eltern mit dieser Heiraht wuͤrden friedlich seyn/ und es ihr also gefiele/ daß diesem Durchl. Fuͤr- sten sie sich zu ehelicher Traͤue versprechen solte/ erinnerte sie sich billich/ daß anfangs sie gehalten waͤhre/ ihr hierinnen zugehorsamen/ dann auch/ daß sie diesem Fuͤrsten mehr als niemand anders sich verbunden seyn wuͤste/ als ohn dessen Huͤlffe und Rettung ihre Ehre x x nicht Sechstes Buch. nicht haͤtte moͤgen erhalten werden; In Betrachtung dessen/ wolte sie hiemit demselben sich in aller Demuht ergeben/ unter der festen Zuversicht/ was ihrer Unvolkommenheit ab- ginge/ wuͤrde dessen Durchl. geduldig uͤbersehen/ und mit seinem reichen uͤberflusse erstat- ten. Gleich am Ende dieser Erklaͤrung/ da die Groß Fuͤrstin sich eben auch von Frl. Lukre- zien hinweg wendete/ kam Euphrosyne geschwinde herzu gelauffen/ und baht sehr/ ob die Groß Fuͤrstin und Fr. Sophia nicht belieben moͤchten/ alsbald mit nach Libussen und Bre- len zugehen/ denen zugleich die Kindesweh angestossen waͤhren. Diese beyden wurden froh/ daß sie gelegenheit bekahmen/ die Verliebeten allein zulassen; dagegen schaͤmeten sich die Fraͤulein nicht ein geringes/ mit ihren Fuͤrsten in so unvolkommener duͤnnen Kleidung allein zuseyn; bahten demnach Fr. Sophien/ die Befoderung zutuhn/ daß von ihren Leib- dienerinnen ihnen ihre weisse Seidene Oberkleider herzugebracht wuͤrden; welches aber unbeantwortet blieb/ nur daß die Groß Fuͤrstin ihre beyden nochmahl erinnerte/ alles ein- wendens (von dem Fraͤulein geschehen) ungeachtet/ den Kreiß vor ihres begehrens Er- fuͤllung nicht zuverlassen. Da dann nach ihrem Abscheide Fuͤrst Baldrich sich erkuͤhnete/ und bitlich anhielt/ das Fraͤulein moͤchte an seiner bißher erlittenen Liebespein ein genuͤgẽ tragen/ und ihn nicht weiter mit Verzweifelungsgedanken ringen lassen; versprach hin- gegen/ sie zeit seines Lebens dergestalt zubedienen/ daß sie in der Taht spuͤren solte/ wie ihm in der Welt nichts angenehmers seyn wuͤrde/ als in ihrer Auffwartung zusterben. Wor- auff sie dann ihn nicht laͤnger auffhalten wolte/ sondern ihm diese vergnuͤgliche Antwort gab: Durchleuchtigster Fuͤrst/ Euer Liebe bißher geschehenes Erbieten gegen mich Unweꝛ- te/ ist viel zu hoch/ und kan mein Unvermoͤgen in Ewigkeit daran nicht reichen/ ob gleich zeit meines Lebens ich mich hierzu bemuͤhen würde; Verspreche demnach auf geheiß mei- ner gebietenden Groß Fuͤrstin/ die mir an Eltern stat zubefehlen hat/ daß Euer Durchl. ich in aller gebuͤhrlichen Demuht schuldigen gehorsam/ und solche unbruͤchige Traͤue leisten wil/ die von einem kuͤnfftigen Gemahl erfodert wird/ zugleich bittend/ Ihre Liebe wollen nit schier heut oder morgen mir verweißlich auffruͤcken/ daß deren nicht gleich anfangs mich genehm erklaͤret/ nachdem ich ja billich der Jungfraͤulichen Scham und Zucht eingeden- ke seyn muͤssen. Der Alwaltige Gott aber staͤrke Eure Liebe in dem wol angefangenen Chri- stentuhm/ und lasse Ihr an mir alle Lust und geziemliche Freude finden/ die mein hochgelie- beter Fuͤrst sich von mir je einbilden mag/ wiewol meiner Unvolkommenheit ich mir gar wol bewust bin; je doch/ was an Taͤhtligkeit bey mir abgehet/ wolle Eure Liebe durch einen inbruͤnstigen Willen ersetzen lassen. Baldrich hatte sich solcher Erklaͤrung nicht versehen/ daher ihm nicht anders als einem verzucketen zu muhte wahr/ stund und besan sich/ ob er auch warhafftig solche Worte gehoͤret/ oder in einer Einbildung sie ihm selber getichtet haͤtte; welches das Fraͤulein merkend/ und daß sein stilleschweigen aus zu uͤbermaͤssiger Freude herruͤhrete/ fassete sie ihn bey der Hand/ und sagte: Wie nun mein Durchl. Fuͤrst/ kan er mit solcher Erklaͤrung noch nicht vergnuͤget werden? Ich meyne ja/ nachdem ich mich ihm ergeben/ alles das geleistet zuhaben/ was sein ehmahliges hefftiges ansuchen be- gehret/ und meine gebietende Groß Fuͤrstin mir ernstlich aufferleget hat. Hiedurch begrif er sich/ setzete mit ihrem hoͤchsten Unwillen sich vor ihr auff ein Knie/ fassetete ihr die Hand/ und nach vielfaͤltigem kuͤssen derselben/ da er von ihr aufzustehen/ eiferig angefodert ward/ redete Sechstes Buch. redete er auf vorgeleisteten gehorsam sie also an: Ach mein auserwaͤhltes Fraͤulein woher sol ich immermehr wirdige Antwort nehmen/ ihrer hohen Gunst gebuͤhrlich zudankẽ? Ich erkenne mein Unvermoͤgen/ und bitte sehr/ mir es nicht zur Grobheit auszudeuten daß ich weder meine gedanken recht zufassen/ noch meine Schuldigkeit abzulegen bestand bin; je- doch verspreche ich/ als lange ich leben werde/ diese mir erzeigete hoͤchsterquikliche und ge- nuͤgliche gunst in meiner Seele steiff und unverruͤcket zuverwahren. So nehmet nun/ O mein teurester Schaz/ mich euren Diener mit beharlicher gewogenheit an/ und uͤbersehet freundlich/ was ich nicht aus Verachtung/ sondern blosser Unmoͤgligkeit unterlasse; Ich wil stets unter der Bemuͤhung mich bearbeiten/ daß mein ihr durchhin ergebenes Herz in der Taht erzeige/ wie hoch eure Vortrefligkeit ich liebe und ehre. Nam hierauff den Ring von seinem Finger/ steckete ihr denselben an/ und sagete: Hiemit uͤberliefere ich meiner herzgeliebeten Fraͤulein mein Herz und alle meine Lebenskraͤffte zueigen/ so daß meine be- gierden an keine andere als allein an sie gedenken oder hangen sollen/ und da mein Fraͤulein (welches Gott gnaͤdig abwende) mir durch Todesfal fruͤhzeitig solte entrissen werden/ daß ich nimmermehr einer andern schuldig werden wil. Bey Leibe nicht/ Durchl. Fuͤrst/ sagte sie/ so hohe Verpflichtung nehme ich keines weges an/ daß Eure Liebe nach meinem Tode nicht Macht haben solte/ eine neue Heyraht zuergreiffen/ sondern es ist mir gnug und uͤbrig gnug/ daß bey Lebenszeit euer Traͤue und Schutzes ich versichert bin; zaͤhle demnach Eu- re Liebe von solchem Versprechen loß und ledig/ und verbinde mich hingegen/ daß in Ewig- keit kein ander Mannesbilde eheliche Versprechung von mir haben oder bekommen sol; nam zugleich den von der Groß Fuͤrstin ihr gelieferten Ring/ steckete ihm denselben an/ uñ sagete weiter: Von nun an bin ich nicht mehr mein eigen/ sondern dem ich diesen Ring mit gutem Wolbedacht uͤberliefere/ zum Zeichen/ dz mein Wille demselben nach Priester- licher Einsegnung in allem untergeben ist. Baldrich umfing nach getahner Danksagung seine Braut/ wiewol mit etwas ihrer Wegerung/ und erteilete ihr mannichen Liebeskuß/ daß endlich das Fraͤulein ihn erinnerte/ die Maͤssigkeit nicht zuuͤberschreiten/ dann sie waͤh- re gesinnet/ biß an des Priesters Hand ihre Freiheit zuhandhaben; werde auch/ sagte sie/ nunmehr ohn meiner Fr. Schwester der Groß Fürstin Ungnade aus diesem Kreisse tretẽ duͤrffen/ nachdem ihren Willen ich halte erfuͤllet seyn. Ja mein herzgeliebtes Fraͤulein/ ant- wortete er/ nur daß sie meiner inniglichen Freude nicht so gar zeitig abbrechen/ und mich alsbald verlassen wolle; nam sie bey der Hand/ und setzete sich mit ihr auff die naͤheste Bank/ hoͤchlich wuͤnschend/ daß ihr Beylager nicht lange moͤchte auffgeschoben werden. Das liebe Fraͤulein taht ihm auff sein bitliches ansuchen gerne geselschafft/ und hatte mit ihm manniche Unterredung/ wiewol er gemeiniglich gar ungereimet antwortete/ welches sie ihm nicht vor uͤbel hielt/ weil sie sahe und spuͤrete/ daß es aus hefftiger Liebe herruͤhrete. Siegward genoß nicht mindere Gunst von seinem Sibyllichen/ als die wegen Bloͤdig-uñ Offenherzigkeit sich weniger als Lukrezie zuwegern wuste/ auch auff ihres liebsten Fuͤrsten anhalten ihm frey stellete/ das Beylager nach belieben zubefodern/ so bald ihrer Eltern be- willigung zur Heiraht einkommen wuͤrde. Nach zweystuͤndigem Gespraͤch und ehrlieben- der Buhlerey erinnerten die Fraͤulein ihre Liebsten/ es wuͤrde zeit seyn/ abzuweichen/ damit sie nicht von andern dergestalt beyeinander angetroffen wuͤrden/ dann sie wuͤnscheten/ daß x x ij ihre Sechstes Buch. ihre Verlobung noch etliche Tage in geheim verbleiben moͤchte. Ich werde mich aber/ sag- te Frl. Lukrezie/ an meiner Fr. Schwester/ Fr. Sophien zuraͤchen wissen/ dann ich bin des- sen gewiß/ daß sie uns zum Schimpff/ und unsern Fürsten zur Behaͤgligkeit uns die Klei- der so lange hinterhaͤlt/ zweifele auch nicht/ da es nur in ihrem Vermoͤgen gewesen/ sie haͤt- te unsere Fuͤrsten uns gar vor das Bette zugefuͤhret/ welches ich ihr in Ewigkeit nicht haͤt- te verzeihen koͤnnen. Die Fuͤrsten gedauchte selber Zeit zum Abscheide seyn/ nahmen dem- nach auff erhaltene Umfahungs-vergünstigung von ihren Fraͤulein Abtrit/ und begaben sich hin auff ihr Gemach/ da kurz hernach Fr. Sophia mit den begehreten Kleidern an- kam/ und die Zeitung brachte/ Libussa waͤhre zweer wolgestalter junger Soͤhne/ Brela abeꝛ einer schoͤnen Tochter genesen/ und wiewol die Muͤttere sich beiderseits zimlich schwach be- fuͤnden/ hoffete man doch gute Besserung; Aber/ sagte sie/ habt ihr Herzen Kinderchen eu- re Fuͤrsten dann so unwuͤrsch gehalten/ daß sie euch gar entlauffen sind? Ich hoffete als ge- wiß/ euch zubeschleichen/ umb zuerfahren/ welche ihrem Liebsten die gewogenste Gunst wuͤr- de widerfahren lassen. Sehr gut/ antwortete Frl. Lukrezie/ daß die Fr. Schwester so un- barmherzig mit uns verfaͤhret/ und unsere Kleider uns vorenthaͤlt/ dann die lieben Fuͤrsten sind einig nur deswegen von uns geschieden/ daß sie uns so dünne besponnen nicht laͤnger anschauen mochten. Gebet euch zu frieden/ ihr lieben Herzchen/ sagte sie/ habe diesen Mor- gen ich mich etwas verspaͤtet/ und ihre Liebsten ihnen nicht zeitig gnug zugefuͤhꝛet/ hat einig nur die Unterweisung im Christentuhm verursachet/ daher ich dieses Verbrechens Ver- zeihung von euch noch wol verhoffe/ insonderheit/ da ich mich erbiete/ bey meinem H. Va- ter zuverschaffen/ daß ihr Beilager diesen Tag gehalten werde. Daran trage ich keinen Zweifel/ sagte Frl. Lukrezie aus scherz/ weil ich mit meinem Liebsten dessen schon einig bin/ und ein solches nicht laͤnger auffschieben werde. Aber Frl. Sibilla/ die solches vor wahr hielt/ erschrak dessen nicht wenig/ und bedingete sich hefftig/ ob ihre Schwester Frl. Lukre- zie des Jung fern-Standes so muͤde waͤhre/ moͤchte sie immerhin beyliegen/ welches ihr doch wenig Ruhm nachtragen wuͤrde; sie vor ihr Haͤupt wolte hiemit angelobet haben/ unter 14 Tagen keines weges in den Ehestand zutreten/ dann sie hoffete unterdessen Ant- wort von ihren lieben Eltern. Hernach verwieß sie es derselben/ daß sie so leichtsinnig waͤh- re/ und ohn der Groß Fuͤrstin Vorwissen das Beilager so fruͤhzeitig bestimmen dürffte. Welches ernstes diese bey sich selbst lachete/ und aus begierde sie etwas besser aufzutreibẽ/ sagete sie: Je Herzen Kind/ warum hastu dich dann mit deinem Fuͤrsten versprochen/ wañ du nicht gedenkest mit ihm in den Ehestand zutreten? Ich bitte dich sehr/ beschimpfe dich und mich nicht so hoch/ daß ich auffs wenigste 14 Tage vor dir her/ Beylager halten solte; doch wil ich deinen Liebesten noch wol dahin bereden/ daß er dich auf eine andere Meinung bringen sol. Je so waͤhrestu das leichtfaͤrtigste Tihr/ antwortete Frl. Sibylla/ wann du sol- ches vorzunehmen dich unterstehen wuͤrdest. O du leichtglaͤubige Einfalt/ sagte jene/ kanst du dann so gar keinen Scherz vom Ernste unterscheiden? oder gedenkestu/ ich werde ohn genommene Unterredung mit dir und anderen dessen meinen Fuͤrsten gewehren? O nein/ solche Eile hats noch trauen nicht; gelebe auch der gaͤnzlichen Zuversicht zu meiner Frau Schwester Fr. Sophien/ ihre Reden seyn nur zum Scherze gemeynet/ dann sonst wuͤrde sie mir ursach geben/ ihr zum ersten mahle etwas zuversagen/ weil ich eben so wenig als du willens Sechstes Buch. willens bin/ nach art der gemeinen Knechte und Maͤgde nach dem Beilager zueilen/ da weder meiner Eltern Befehl/ dem man billich gehorsamen muß/ noch einige instehende Nohtwendigkeit mich darzu anstraͤnget; werde es also mit dir rechtschaffen zutuhn habẽ/ daß du mich ohn alle ursach der Leichtfertigkeit/ und zwar in unser Fr. Schwester Gegen- wart zeihen darffst. Ja wie schoͤn wirstu mir kommen/ antwortete Sibylla/ fahe nur an/ was dich geluͤstet/ ich wil dir zu rechte stehen/ vor was Richter du auch treten magst/ und ist mir sonderlich liebe/ daß ich so guͤltige Zeugen fuͤhren kan/ welche mit ihren Ohren es an- gehoͤret/ wie du ohn einiges Schimpflachen es selbst gestanden und ungefꝛaget ausgebeich- tet hast; daß du aber/ nach dem du eine widrige Meynung an meiner Seiten vernimst/ nu- mehr einen Scherz daraus machen wilt/ sol dir ohn Zweifel mißlingen/ sondern ich wil un- sere Fr. Schwester/ wie auch die Groß Fuͤrstin selbst und ihren Gemahl bitlich ersuchen/ und auffs haͤrteste anliegen/ daß deinem so hohen begehren ein genuͤgen geschehe. Billich das/ sagte Fr. Sophia/ umb ihren Streit zuunter halten/ dann wer wolte verliebete Herzen von einander trennen/ die ohn Verletzung der Erbarkeit ehelich leben koͤnnen/ und dessen bereit eines sind? Ihr werdet ja nicht uͤbern hauffen naͤrrisch seyn/ sagte Frl. Lukrezie/ und fangen etwas an/ da ihr alle miteinander nur mit Schimpf bestehen muͤstet/ massen mein Vertraueter/ wie ich schon weiß/ wider meinen Willen sich hierzu von keinem Menschen wird bereden lassen; jedoch/ wanns ja geschehen solte/ weiß ich in Warheit untriegliche Mittel/ daß Fuͤrst Siegward sich nicht sol abweisen lassen; deswegen so gib mir nur bald auffrichtige Erklaͤrung/ wessen du dich verhalten wilt/ alsdann weiß ich mich desto besser darnach zurichten; dann gehe ich unser Fr. Schwester Vortrag ein/ so geschihets bloß/ dz ich entweder dich befriedigen/ oder mich an dir raͤchen wil. Du soltest fuͤnff Zungen-Droͤ- scher uͤbertaͤuben/ antwortete sie/ und inzwischen Zucht und Scham in die Rappuse geben/ daher lasse ich mich mit dir weiter nicht ein/ und magstu immerhin nach deinem Fuͤrsten senden/ und den Kirchen Lehrer herzu ruffen lassen/ daß er euch zusammen gebe/ noch ehe ei- niger Mensch der Verlobung inne wird; Ich vor mein Haͤupt zweifele an meines Fuͤrstẽ ehrlieben dem Sinne gar nicht/ der mein begehren mir schon eingewilliget/ und sein Ver- sprechen Fuͤrstlich halten wird. Aber wie schoͤn wird es nun stehen/ wann Frl. Lukrezia Pompejin hin zu dem Herrn Stathalter und anderen hohen Haͤuptern treten/ und die- selben bitlich ersuchen wird/ ihren Braͤutigam dahin zubereden/ daß er das Beilager fer- ner nicht auffschieben/ sondern noch vor angezuͤndeter Kerze mit ihr zu Bette zugehen un- beschweret seyn wolle. Ja warumb nicht? sagte die lustige Lukrezie/ wann ichs allein durch meine Bitte nicht wuͤrde erhalten koͤnnen/ wirstu/ in betrachtung unser Freundschafft/ mir dein gültiges Wort verleihen/ dann ich habe mir vorgenommen/ nicht abzulassen/ biß ich werde erhoͤret seyn; dich aber betreffend/ weiß ich schon wol/ daß du gerne wilt genoͤhtiget seyn/ doch sol dirs so gut nicht werden/ sondern ich wil verschaffen/ daß du deinen Liebsten noch selbst darumb bitten solt/ daß er das Beilager nicht auff die lange Bank schiebe. Leere Baͤume sind es/ da nichts drauff sitzet/ antwortete Sibylla/ und moͤchte sich noch wol zutra- gen/ daß du vor Abends auff gelinderen Seiten spieletest/ und mich saͤuberlich gnug baͤh- test/ diese deine Reden nicht weiter zubringen. Darumb ists auch alhier unter der Rose geredet/ sagete jene. Ja ja/ fiel Sophia ein/ so duͤrffte mein Anschlag zu Wasser werden; x x iij Wollen Sechstes Buch. Wollen sich demnach meine Frll. Schwestere ohn verweilen kleiden/ weil es schon hoher Tag ist/ und wir den heutigen im Garten zubringen/ morgen aber nach der Moͤrdergrube fahren/ und sie verstoͤren wollen. Die Groß Fuͤrstin kam darzu gangen/ hatte von den Fuͤr- sten alle Begebniß eingenommen/ und wuͤnschete den Fraͤulein Gluͤk und Segen/ dabey andeutend/ sie haͤtte Schneider bestellet/ die von den besten guͤlden und silbern Stuͤcken ih- rem Gemahl/ Bruder und beyden Oheimben eine zimliche Anzahl Kleider machen soltẽ/ und wolten sie (das gesamte ihnen zubehoͤrige hohe Frauenzimmer) auf gleiche art mit je- nen gekleidet seyn/ damit Zeit des Beylagers ihre Bruͤder- und Schwesterliche Einigkeit etlicher massen daher gespuͤret würde. So bald die Fraͤulein angelegt wahren/ gingen sie mit einander in den Garten/ da die Fuͤrsten und andere ihrer warteten/ nahmen allerhand kurzweilige Spiele und Ergezligkeit vor/ wobey die Fraͤulein von Frau Sophien manni- chen Stich ihrer Verliebung bekahmen/ und der Stathalter daher an ihrer Verlobung nicht mehr zweifelte/ welches ihm von herzen angenehm wahr/ auch die Gleichheit der Kleidung/ die vorgestern und heut sich an ihnen sehen ließ/ zum unfehlbaren Zeichen nam/ und zu den Fraͤulein sagete: Herzliebe Kinder/ billich seyd ihr bedacht/ diese treffliche Fuͤrsten gebuͤhrlich zuehren/ massen dieselben in Rettung der einen/ sich um alle beyde gnug verdienet gemacht haben/ und gefaͤllet mir insonderheit wol/ daß meine Toͤchtere ihnẽ sich in der Kleidung so aͤhnlich halten/ daher ich ihrer Gemuͤhter Einigkeit fast urteilen duͤrff- te/ wie sie dann billich mit ihren Woltaͤhtern einig sind. Frl. Lukrezie gab zur Antwort: Gn. Herr Vater/ ich bekenne/ diesen beyden Fuͤrsten/ wegen rettung meiner Wasen mich mehr verschuldet seyn/ als mit alle meinem vermoͤgen ich nicht werde bezahlen koͤnnen; bin deswegen neben ihnen billich darauff bedacht/ wie hierzu ich meine Gutwilligkeit erzeige. Die gleicheit aber unser Kleidung traͤget entweder sich ohngefehr zu/ oder meine Frau Schwester Fr. Sophia wird davor stehen/ welche uns beyden diese Roͤcke nach ihrem ge- fallen hat zustellen lassen. Diese wolte alhie eine Kurzweil machen/ und sagete: Je mein Frl. Schwester/ wer hatte ihnen dann vorgestern die blauen Roͤcke angelegt? mus ich dann al- lemahl die Schuld tragen/ wann etwas gutes geschiehet? gewislich duͤnket mich/ meine Frll. Schwestere haben mit den beyden Fürsten eine gewisse Kleiderordnung gemacht. Die schamhafte Sibylla erroͤhtete hieruͤber dergestalt/ dz jederman ihrer lachen muste; aber Lukrezie achtete dessen wenig/ und fing also an: Gewislich Fr. Schwester/ wer sich/ wie un- sere Schwester Frl. Sibylla/ leicht schrecken liesse/ muͤste mit ihr kein Gespraͤch oder Kurz- weil antreten; weil ich aber ihrer lustigen Schwaͤnke wol gewohnet bin/ und allen Anwe- senden solche bekand sind/ fuͤrchte ich mich vor keinem Verdacht; jedoch/ wann wir diesen Fürsten zugefallen etwas taͤhten/ daß wir einem andern nicht tuhn würden/ unsere Ehr uñ Zucht gleichwol verwahret/ solte ein solches uns schimpflich in dieser Geselschaft/ und der Durchl. Fuͤrsten gegenwart auffgeruͤcket werden/ und zwar von ihr selbst/ als deren es mit zugefallen geschehen wuͤrde? Ey daß wird sich schwer verantworten lassen; uñ ihr Durch- leuchtigster Groß Fuͤrst/ sagte sie zu Herkules/ Eure Liebe waͤhle ich zum Richter/ ob nicht unsere Fr. Schwester wieder gebuͤhr und Freundschaft gehandelt/ und deswegen mit ei- ner harten Busse zubelegen sey? So recht so recht/ sagte der Stathalter zu seiner Tochter/ da hastu dereins deinen Meister bekommen/ dann meine liebe Tochter Sibylla ist dir zu from; Sechstes Buch. from; und dafern meine Tochter Lukrezie mich nicht vorbey gangen waͤhre/ solte sie eine genehme Urtel angehoͤret haben/ die Groß Fürst Herkules vielleicht so scharff nicht sprechẽ wird. Durchaus nicht/ Herr Vater/ sagte Lukrezie/ daß ich denselben solte vorbey gangen seyn/ sondern weil ich mich befahre/ noch eines Ober Richters zubeduͤrffen/ habe ich miꝛ den- selben vorbehalten/ und ihm mit meiner Klage nicht verdrieslich seyn wollen/ dafern der wichtige Streit durch Groß Fuͤrst Herkules koͤnte beygelegt werden. Herr Fabius ver- wunderte sich ihrer leichtbesinlichen schlauheit/ und sagte zu ihr: Bey glauben/ geliebete Tochter/ es ist immer schade/ daß sie zum Fraͤulein/ und nicht zum Sohn gedien ist. Wie so mein Herr Vater? antwortete sie/ darff ich auch in dieser Sache einen Richter waͤhlen? Und als er nun seine bewilligung gab/ sagte sie zu Baldrich: Durchl. Fuͤrst/ ich bitte eure Liebe freundlich/ hierin zu urteilen/ ob ich besser ein Fraͤulein oder junger Herr bin. Nein meine Tochter/ antwortete der Stathalter mit einem Gelaͤchter/ ich erwarte dieser Urtel nicht/ und wil lieber gewonnen geben/ dann dieser Durchl. Fuͤrst duͤrfte den Ausspruch aus einem andern Grunde hervor suchen/ daß ichs mit ihm wol muͤste einig seyn; aber wie we- nig sich die Warheit bergen laͤsset/ ist hiedurch schon erwiesen/ und zweiffelt unser keinem/ waͤhre diese Sache dem Durchl. Fürsten nicht in etwas bekant/ oder zum wenigsten der- selben ungewogen/ meine Tochter wuͤrde dessen Liebe nicht so kühnlich zum Richter erkieset haben. Das gute Fraͤulein hatte fich verhauen/ wolte sich doch so offentlich nicht schuldig geben/ sondern antwortete also: Daß diesen Durchl. Fuͤrsten ich zum Richter erwaͤhlet/ ist die Ursach/ daß dessen auffrichtiges Herz meine Fr. Schwester Sophia mir diese Tage so treflich geruͤhmet hat; und weil ich meiner guten Sache traue/ welche auff diesem grun- de beruhet/ daß ich weder blosse Schwerter/ noch vergossenes Menschen- Blut sehen mag/ dessen dieser Durchl. Fuͤrst bey der Raͤuber abstraffung inne worden/ habe dessen Liebe ich vor andern zum Richteramt ersuchet/ und solches umb so viel mehr/ weil er als ein mir un- bekanter nicht kan in verdacht gezogen werden/ ob würde er wegen Kund- oder verwand- schaft/ oder aber aus Unwissenheit eine ungerechte Urtel sprechen. Es sey aber diesem/ wie ihm wolle/ so habe nicht ich/ sondern dieser unschuldige Fuͤrst sich dessen zubeschweren/ daß man ihn ohn alle Urfach in Verdacht zihet. Der Stathalter wuste nicht/ was er ihr vor eine Antwort geben wolte/ trat hin zu ihr/ und nach einem vaͤterlichen Kusse sagete er: Herz- geliebte Tochter/ der Himmel gebe eurem guten verstande ein gleichmaͤssiges Gluͤk/ dann werdet ihr uͤber Unfal euch nicht zubeschweren haben. Ach mein hochwerter Herr Vater/ antwortete sie/ ich bitte demuͤhtig/ meine gar zu baͤurische Kuͤhnheit mir zuverzeihen/ dem- nach ich meine fehler willig erkenne/ und damit mein Herr Vater seiner ergebenen Toch- ter gehorsames Herz desto eigentlicher erfahre/ wolle er mit mir auff ein kurzes absonder- liches Gespraͤch einen geringen Abtrit nehmen. Dieses redete sie mit sanfter Stimme/ daß kein Anwesender es verstehen kunte. Er aber wahr ihr gerne zu willen/ und da sie allein von den andern abgesondert stunden/ redete sie ihn also an: Mein Herr Vater/ ich gestehe ge- gen ihn nunmehr gerne/ daß der Durchl. junge Fuͤrst aus Teutschland/ bey mir umb ehe- liche Liebe sehr instaͤndig angehalten/ und weil die Groß Fuͤrstin es daneben treibet/ die von meinen lieben Eltern ungemaͤssene Volmacht hat/ mich wirdig zuverheirahten/ weil sie doch nicht willens sind/ mich einem andern als Christen zuvermaͤhlen. Wie? verwundert sich Sechstes Buch. sich mein Herr Vater hieruͤber? ich versichere ihn als einen vertraueten so nahen Bluts- verwanten zugleich/ daß nicht allein ich/ sondern meine herzliebe Eltern getaufte Christen sind/ und viel lieber alles verlassen/ ja Leib und Leben verlieren/ als diesen Glauben wieder ablegen wollen. So sihet nun mein Herr Vater/ ob mir/ diese Heyraht auszuschlagen/ rahtsam sey/ nachdem ich diesen Fuͤrsten schon dahin beredet habe/ daß er neben seinen Ge- sellen unsern Glauben angenommen hat. Der Stathalter antwortete: Liebes Kind/ ihr saget mir sehr unvermuhtliche Zeitung/ die einem andern ich nicht glaͤuben wũrde/ nicht sage ich solches wegen eurer Heyraht/ die ich nicht zuverbessern wuͤste/ sondern daß mein Oheim und Bruͤderlicher Freund euer Vater den Roͤmischen Glauben abgeleget hat/ wo- von auff erste zusam̃enkunft ich mit ihm weiter reden werde. Aber berichtet mich/ wie Fuͤrst Siegward mit meiner Tochter Sibyllen stehe; Gleich also/ antwortete sie/ als Fuͤrst Bal- drich mit mir/ und erwartet sie nur ihrer lieben Eltern einwilligung/ wovon Fr. Sophia dem Herr Vater schon berichten wird. Wie aber? fuhr er fort; wil dann dieser Fuͤrst eine heirahten/ die nicht seines Glaubens ist? O nein sagte sie/ dann eben durch ihr getrieb hat er sich zum Christentuhm begeben. So hoͤre ich wol/ antwortete er/ mein Haus ist voller Chri- sten. Ja Herr Vater/ sagte sie/ ist euch solches unbewust? eure Tochter/ euer Sohn/ euer Eiden/ eure Schnuhr/ Klodius/ Markus und die uͤbrigen mit ihren Eheliebsten sind alle aus freiem willen unsers Glaubens worden/ weil die himlische Weisheit sie uͤberschattet und erleuchtet hat/ daß sie gesehen und erkennet/ wie bloß allein hierinnen ihre ewige Se- ligkeit besteht/ deren wir uͤber alle dinge nachtrachten muͤssen; kan nun mein Herr Vater solche Leute nicht bey sich leiden/ wolan/ Teutschland/ Schweden/ Boͤhmen stehen uns of- fen/ wir begeben uns gerne unsers Vaterlandes/ nur daß uns der Himmel bleiben moͤge. Nicht also geliebetes Kind/ antwortete er/ habe ich so lange Jahr eine Christin im Ehebette leiden/ und mit ihr mich wol begehen koͤnnen/ so werde ich umb des Glaubens willen meine Kinder nicht verstossen. Ich wil euch aber traͤulich rahten/ daß ihr diese Heyrahten ja nit ausschlaget/ und meine Tochter Sibylla sich nicht wegere dem Schwedischen Fuͤrsten dz Jawort zugeben/ ihrer Eltern Wille wird da seyn/ insonderheit/ wann sie vernehmen wer- den daß sie eine Christin ist. Fr. Sophia trat zu ihnen hin/ und nach gebehtener verzeihung meldete sie an/ daß ihrer Beaten Eltern mit ihren Kindern ankommen waͤhren/ gingen demnach miteinander nach dem grossen Saal/ und ward der gute alte Opimius wol em- pfangen/ welcher sich gegen den Stathalter und Fr. Sophien alleꝛ geschehenen befoderung bedankete. Gallus und Leches wahren diesen Morgen miteinander auff die Jagt geritten; als er nun wieder heimkam/ uñ seines kuͤnftigen Schwiegervaters ankunft berichtet ward/ ging er in den Saal/ ihn zuempfangen/ wobey sich nicht geringe verwirrung zutrug; dann so bald ihn Opimius sahe zu sich nahen/ kennete er ihn/ ward auch von ihm wieder erkennet/ verwandelten sich beyderseits/ und fing jener mit sonderlichem Eifer an: Hochmoͤgender Herr Stathalter/ da sehe ich einen schaͤndlichen Raͤuber/ meinen aͤrgesten Feind/ der mich leider in meinen bißher gefuͤhreten elenden Stand gesetzet hat/ und ich schon lange bemuͤ- het bin/ ihn auszuspehen/ damit ihm nach verdienste gelohnet werden moͤchte/ weil dann der gerechte Gott mir denselben alhier ohngefehr in die Haͤnde liefert/ als dessen Rache ohn zweiffel hinter ihm her ist/ und seinen schandboͤsen Muhtwillen laͤnger nicht dulden kan/ als begeh- Sechstes Buch. begehre und bitte ich demuͤhtig/ und als ein Roͤmischer Untertahn/ daß der gottlose Bube fest gemacht werde/ damit ihm nach seinem Verdienst als einem schaͤndlichen Raͤuber und Strassendiebe gelohnet werde. Gallus bestuͤrzete dergestalt uͤber dieser Anklage/ daß er an- fangs kein Wort machen kunte/ und bildete der junge Fabius ihm gaͤnzlich ein/ er wuͤrde an ihm irren/ deswegen er zu ihm sagete: Mein Herr/ er fuͤhret eine sehr harte und ehrenruͤ- rige Klage wieder diesen Ritter/ der in grosser Herren bestallung und wirklichen diensten ist/ wolle sich demnach wol bedenken/ und zuvor sich fleissig erkuͤndigen/ ob eꝛ auch den recht- schuldigen angetroffen habe. Gnaͤdiger Herr/ antwortete Opimius/ ob gleich zuzeiten ein Mensch dem andern sehr aͤhnlich ist/ erkenne ich doch an meinem unfehlbaren Abzeichen daß ich meinen allerboßhaftigsten beleidiger angetroffen habe. Gallus hatte sich inzwischen etwas erhohlet/ trat naͤher zu Opimius/ und mit demühtiger neigung und traurigen geber- den sagte er zu ihm: Mein hochgeehrter Herr/ ich bekenne vor diesen hohen Haͤuptern/ daß er an mir den rechtschuldigen angetroffen/ welcher vor diesem ein solcher Ungenanter ge- wesen ist/ wie ihr mich genennet und ausgescholten habet/ erinnere mich auch des gottlosen verbrechens wodurch ich mich an euch/ einen frommen unschuldigen Herrn sehr versuͤn- diget habe/ aber ich bitte denselben durch Gott und durch seine eigene froͤmmigkeit/ mein Herr wolle mir meine grobe Missetaht und veruͤbete Bosheit vergeben/ weil mir dieselbe von herzen leid ist/ und ich davor abtrag zu machen/ mich solchergestalt anerbiete/ daß ich vor jedwede abgenommene Krone/ hundert erstatten/ und vor die angelegte Schmach eine gleichmaͤssige anzahl Gelder erlegen wil. Herkules kunte leicht ermaͤssen/ was es antreffen wuͤrde/ redete deßwegen ins mittel/ und sagete: Herr Opimius/ hat dieser mein lieber ge- traͤuer etwa sich ehmahls an euch vergriffen/ wollet ihr solches der Vergeb- und vergessung anbefehlen/ nachdem er nicht allein seine vorige Untugend abgelegt/ und aller auffrichtigen redligkeit sich befleissiget/ sondern/ welches euch etwa mag unwissend seyn/ mit eurer gelie- beten Tochter ehelich versprochen ist. Er erblassete von neuen uͤber dieser Zeitung/ und ant- wortete: Durchl. Groß Fuͤrst/ ich bin gar zu hart von diesem euren Diener beleidiget/ und sehe nicht/ wie ich mich dergestalt uͤberwinden/ und ihm mein liebstes Kind goͤnnen sol; zwaꝛ er hat mir vorgestern durch uͤberschickung grosser Gelder und anderer kostbahren sachen/ ein gutwilliges Herz sehen lassen/ welches ich auch mit gebuͤhrlichem dank angenommen/ unter diesem Vorsaz/ ihn vor meinen lieben Schwiegersohn auffzunehmen/ aber so wenig ich gewust/ wer der Geber ist/ so wenig ists ihm kund gewesen wem er gutes getahn hat. Und wann ihre Durchl. wissen solte/ nicht allein was vor Schaden und Spot er mir angefuͤ- get/ sondern auch/ was vor Elend/ Armut und Mangel mir dadurch verursachet worden/ so daß ich in diesem meinen unbehuͤlflichen Alter mich meiner Haͤnde Arbeit/ die dessen nit unterrichtet wahren/ kuͤmmerlich ernaͤhren uñ das Brod des truͤbsaals mit meinem Wei- be und Kindern essen muͤssen/ wuͤrden meine anwesende Gnn. Herren mir meinen unwil- len nicht veruͤbeln. Ladisla wolte des verlaufs gerne ausfuͤhrlichen bericht haben/ und sage- te zu Gallus: Lieber erzaͤhlet uns/ was vor Ursach ihr diesem guten Herrn zu so hefftigem Zorn gegeben habt/ alsdann werde ich mich bemuͤhen/ euren Span beyzulegen. Ja gnaͤ- digster Koͤnig/ antwortete er/ ich habe mich dermassen schwer an diesem Herrn vergriffen/ daß er Ursach gnug hat/ nicht allein mich anzufeinden/ sondern auch peinlich anzuklagen: y y dann Sechstes Buch. dann ohngefehr vor drey Jahren und etwas druͤber/ da ich annoch unter der verfluchten Raͤuber Rotte wahr/ bin ich selb sechse diesem Herrn auffgestossen/ habe ihm drey Pferde vor dem Wagen abgespannet/ 3000 Kronen Baarschafft geraubet/ und ihn neben seinen Sohn und Fuhrman in harter Kaͤlte fast nacket an einen Baum gebunden/ damit sie uns nicht verfolgen und den Raub wieder abjagen moͤchten; erinnere mich uͤberdas/ wie etli- che meiner Gesellen ihm und seinem Sohn grossen Schimpff und Beleidigung angele- get/ welches ich als ihr Haͤupt und Fuͤhrer wol haͤtte ablehnen koͤnnen/ da mirs Ernst waͤ- re gewesen. Unter diesen Reden drungen dem alten Opimius die Traͤhnen aus den Augẽ/ und taht hinzu: Er haͤtte solche Gelder von etlichen guten Freunden/ auff alle seine uͤbrigẽ Pfandeentlehnet/ einen sehr harten und ungestuͤmen Glaͤubiger damit zubefriedigen/ auff daß er von seinen Guͤtern nicht gar vertrieben würde/ und als er wegen dieses Verlustes nicht haͤtte bezahlen koͤnnen/ waͤhren ihm alle seine Landguͤter/ ausgenommen ein einziges Bauren Huͤtlein/ abgedrungen/ in welchem er sider dem sehr kuͤm̃erlich sich behelffen muͤs- sen; Die Anfesselung waͤhre nach seiner Erzaͤhlung ergangen/ da er mit den feinen biß in den dritten Tag gestanden/ und wegen Anlauffs der wilden Tihre sich des Lebens erwogen haͤtte/ biß endlich ein Betler sich durch Gottes sonderliche Schickung des Weges verir- ret/ und sie abgeloͤset/ haͤtten aber vor Frost/ Hunger und Durst weder gehen noch stehen koͤnnen/ endlich noch aus der Noht eine Tugend gemacht/ auff allen vieren davon gekro- chen/ und zulezt bey einem bekanten/ geringe Kleider und Speise uͤberkommen. Die Groß- Fuͤrstin antwortete ihm hierauff: Mein Freund/ ich muß bekennen/ daß ers grob genug gemacht/ und euch sehr hart beleidiget hat/ aber zur unversoͤhnlichen Feindschaft ist es viel zu wenig. Dañ vernehmet; eben dieser Gallus hat mich/ ein Koͤnigliches Fraͤulein mit ge- waltsamer Hand und Vergiessung vieles unschuldigen Blutes geraubet/ und ursach ge- geben/ daß ich uͤber Meer gefuͤhret/ verschencket/ und in aͤusserste Ehren- und Lebensgefahr und Armut gerahten bin; Was unsaͤgliche Muͤhe und Gefahr hat deswegen mein Herr Bruder/ mein Gemahl/ und andere Freunde angehen muͤssen/ sind unter Henkers Haͤnde gerahten/ und in hoͤchste Beschimpffung und Schande; noch dannoch haben wir ihm nicht allein gnaͤdig verzihen/ sondern zum vertrauetesten Diener angenommen/ daß er un- serer verborgensten Heimligkeiten Wissenschafft gehabt; haben ihn endlich zu grossem Reichtuhm verholffen/ in den Adel Stand gesezt/ und alle Gnade erzeiget/ nicht daß er sol- ches haͤtte verdienen koͤnnen/ sondern bloß/ weil wir gesehen/ daß nach geschehener Busse er sich gebessert/ und alle Boßheit abgeleget/ so daß er jezt billich unter die redlichsten und froͤmmesten gezaͤhlet/ und daher von Fuͤrsten und Herren geliebet wird; So lasset nun/ mein Freund Opimius/ allen Zorn und Wiederwillen fahren/ und nehmet von mir seinet- wegen zum Abtrag 10000 Kronen an/ die ich nach geendigter Mahlzeit euch baar auszaͤh- len lassen wil. Gallus selbst hielt nochmahls sehr umb Verzeihung an/ und verpflichtete sich/ die Beleidigung nach Moͤgligkeit zuverbessern/ auch ihm/ seiner Eheliebsten und acht übrigen Kindern die versprochenen 300000 Kronen redlich einzuliefern/ und in zehn glei- che Teile auszuteilen. Worauff Opimius sich erklaͤrete/ weil so gewaltige Fuͤrsten und Herren ihm das Zeugniß seiner Besserung gaͤben/ er selbst auch durch uͤbermildes erbieten seine Reue gnugsam an den Tag legete/ wolte er das ergangene der Vergessenheit befehlẽ/ und Sechstes Buch. und ihn hinfuͤhro als einen lieben Freund und kuͤnfftigen Schwieger Sohn halten/ unter der Hoffnung/ er wuͤrde sich gegen sein liebes Kind gebührlich/ und als ein getraͤuer Ehe- gatte bezeigen. Herkules bedankete sich seines Dieners wegen/ setzete Opimius zum Ver- weser aller seiner im Paduanischen Gebiet geschenketen Landguͤter/ und daß er deren Auf- kuͤnffte ein Jahr frey geniessen/ auch die neugebauete Burg daselbst/ bewohnen solte. Die Groß Fuͤrstin erboht sich/ alle seine versetzeten Guͤter und Pfande ihm einzuloͤsen/ und La- disla sagte zu Gallus: Ich wil euch die Mantuanischen Guͤter mit gleicher Bedingung eintuhn/ daß ihr in der naͤhe bey euren Schwieger Eltern wohnen koͤnnet; welcher hohen Gnade er sich zwar untertaͤhnigst bedankete/ wendete aber ein/ er haͤtte seinem gnaͤdigsten Groß Fuͤrsten sich zu untrenlichen Diensten verbunden/ auch von dessen Durchl. gnaͤdig- ste Zusage erhalten/ ihn nimmermehr/ als lange er sich redlich halten wuͤꝛde/ abzuschaffen. Es ist also/ sagte Herkules/ bin auch willens/ euch zu meinem Schaz- und Ober Waffen- meister zusetzen/ nach dem ich vernehme/ daß ihr bey mir zubleiben Lust habet. Also wahr nun diese Fehde geschlichtet/ und beredete man sich/ folgendes Tages das Raub Nest zu verstoͤren/ zu dessen Behuef 400 Bauren mit Hacken und anderm noͤhtigen Werkzeuge auffgemahnet wurden. Die Verliebeten brachten diesen Tag in aller Froͤligkeit zu/ und er- hielten die beyden Fuͤrsten bey ihren Fraͤulein/ daß das Beylager auff Gallus Hochzeitfest solte angestellet werden/ welches auff den 14den Tag bestimmet ward. Des naͤhstfolgen- den Tages wahren sie fruͤhzeitig auff/ ihr Vorhaben ins Werk zurichten. Das Fuͤrstliche Frauenzimmer setzete sich zusammen auff eine weite Gutsche/ die Fuͤrsten und Herren mit ihrer Ritterschafft legeten ihre Waffen an/ und ritten mit 100 Pferden hinaus/ kahmen anfangs an die Stelle/ woselbst die Bruͤder und Oheimbe ihren Kampff mit einander ge- halten/ da sie ihrer zerhacketen Schilde noch etliche Stücke antraffen; nachgehends errei- cheten sie der erschlagenen Raͤuber Leichnam/ die von den wilden Tihren schon zurissen/ uñ biß auffs blosse Gerippe verzehret wahren; Von darab macheten sie sich durch das Ge- staͤude nach der Hoͤhle/ liessen die Bauren alles zuschlagen und abbrechen/ und funden noch zimlichen Vorraht an Speisen und Gewehr; dann die Gelder und Kleider wahren schon alles hinweg gefuͤhret/ und den beyden Fuͤrsten als ihr Eigentuhm eingehaͤndiget. Weil nun keine Feindseligkeit daselbst verspuͤret ward/ legeten die Fuͤrsten ihre Waffen ab/ fuͤhreten ihre Gemahlen und versprochene Fraͤulein hie und da in dem lustigen dicken Gehoͤlz umher/ und suchete ein jedweder mit seiner Liebesten allein zuseyn. Baldrich mit sei- nem Fraͤulein wahr einen zimlichen Weg in seinen Liebes Gedanken zum Walde hinein gangen/ und ersahen einen lustigen dicken Baum/ unter welchen sie sich nidersetzeten/ etwz Ruhe zunehmen. Als sie nun in ihrem Liebes Gespraͤch auff nichts anders bedacht wahrẽ/ als wie sie einander in aller Zucht die anmuhtigsten Liebeszeichen erweisen moͤchten/ da sa- he das Fraͤulein ohngefehr zween starke Baͤhren zu ihnen heran eilen/ und mit erschrekli- chen Spruͤngen ihrer zubegehren/ daher sie aus grossem Schrecken rieff: O mein Schaz/ nun sind wir beyde des Todes! Das wende Gott ab/ antwortete er/ sprang auff/ entbloͤs- sete sein gutes Schwert/ und stellete das vor Angst bebende Fraͤulein hinter sich an den Baum/ daß sie Schuz und Sicherheit haͤtte. Die Baͤhren scheuheten sich vor ihm nicht/ sondern lieffen zugleich daher/ welches Baldrich ersehend/ und seines Gewehrs sich troͤ- y y ij stend/ Sechstes Buch. stend/ zu ihnen eintkat/ und in dem sie zu ihm naheten/ dem einẽ straks angesichts das Maul und die rechte Voͤrder Tatze in einem Hiebe dergestalt zurichtete/ daß er mit greulichem Geheule sich hinweg stahl. Der andere verließ ihn auch/ und lief gerade nach dem Baum auff das Fraͤulein zu/ welche den gewissen Tod vor sich zusehen meynend/ ihrem Gott die Seele schon befahl; und zwar/ haͤtte Baldrich sich umb ein Augenblik geseumet/ würde er ihrer Liebe nimmermehr genossen haben; weil sie ihm aber tausendmahl lieber als sein Lebẽ wahr/ setzete er dem Baͤhren mit vollen Spruͤngen nach/ und gleich da derselbe das Fraͤu- lein mit der linken Tatze angriff/ und ihr den Rok an der Seite gar zuriß/ hieb er ihm die- selbe Tatze reine hinweg/ jedoch mit einem so ungluͤklichen Streiche/ daß er zugleich seinem Fraͤulein eine zimliche Wunde oben ins Bein schlug/ daß wann er einer guten Hand breit hoͤher getroffen/ er ihr das Gedaͤrm im Leibe wuͤrde beschaͤdiget haben; der Baͤhre aber wolte nicht weichen/ sondern setzete auff Baldrich an/ traff ihn auch mit der Rechten Tatze an den linken Arm dermassen/ daß ihm das klare Blut heraus drang/ wiewol er ihm davor geschwinde lohnete/ und den Kopff vor die Fuͤsse legete/ gleich da das Fraͤulein sich nieder auff die Erde setzete/ und zu ihm sagete: Ach mein Herzen Schaz/ mich deucht/ ich bin hart verwundet. Bald lief er hinzu/ den Schaden zubesichtigen/ dessen sie anfangs sich aus Scham wegerte/ aber wegen Todesfurcht/ und weil sie das Blut haͤuffig sahe herablauf- fen/ endlich zuließ; Da er nun sahe/ daß er sie mit dem Schwerte verwundet hatte/ fehlete wenig/ er haͤtte sich selbst entleibet/ wo das Fraͤulein ihm nicht frisch zugesprochen haͤtte/ da sie zu ihm sagete: Mein allerliebstes Herz/ dafern ihr euch einiges Leid antuht/ sollet ihr aller meiner Hulde ewig entsetzet seyn. Ich danke meinem Gott/ daß er unser Leben gefristet hat/ und ihr wollet euch selbst schaden? O du unbesonnene Faust/ uñ schandloses Schweꝛt/ sagte er; fassete es grimmig/ und schlug es wider den Baum/ in Meynung/ es zuzerbrechẽ/ welches ihm aber wegen seiner güte unmoͤglich wahr. Das Fraͤulein redete ihm freund- lich zu/ stellete sich/ als empfuͤnde sie des Schmerzen wenig/ und baht/ er moͤchte ihr sein Schnupftuch reichen/ damit sie die Wunde verbinden koͤnte; nahm ihren koͤstlichen Blut- stein hervor/ und stillete damit das Blut/ wischete das vergossene Blut rein abe/ und durch Baldrichs Huͤlffe/ dem seine Trauer-Traͤhnen flossen/ verband sie die Wunde/ nicht ohn grosse Schahm/ daß sie dergestalt sich vor ihm entbloͤssen muste; Er aber legete sich vor ihr in die Knie/ und baht lauter umb Gottes willen/ ihm diesen unvorsichtigen groben Fehler hochguͤnstig zuverzethen/ weil es ohn allen Vorsaz geschehen/ und ihr Leben zuretten fast nicht anders haͤtte seyn koͤnnen. Das Fraͤulein umfing ihn freundlich/ mit Bitte/ sich der Verwundung halben keine Gedanken zumachen; es waͤhre Gott ihr Zeuge/ daß ihr seine Angst und Wehmuht tausendmahl hefftiger/ als eben die Wunde schmerzete; Ihrer not- wendigen Entbloͤssung aber truͤge sie die allergroͤste Schahm/ welches sie doch/ weil er ihr versprochener Gemahl waͤhre/ noch endlich verschmerzen wolte; umfing ihn darauff zum andern mahle/ und entsetzete sich nicht ein geringes/ da sie seines hartblutenden Armes ge- wahr ward/ welchen er alsbald entbloͤssen/ und von ihr verbinden lassen muste. Nun sorge- te er vor nichts so sehr/ als wie er sie ohn sonderliche Bewaͤgung nach der Geselschaft brin- gen koͤnte/ leitete sie anfangs mit langsamen Tritten fort/ sahe aber/ daß ihr weiter zugehen unmoͤglich wahr/ hieb geschwinde einen zimlichen Teil Straͤucher/ band dieselben zusam- men/ Sechstes Buch. men/ setzete sie drauff/ und zog sie als auff einem Schlitten daher/ wurden auch eins/ vorzu- geben/ der Baͤhr haͤtte ihr das Bein verletzet. Der andern Geselschafft kam verdaͤchtig vor/ daß diese so lange ausblieben/ und begunten sich zuverteilen/ ihnen nachzusuchen/ abeꝛ die Groß Fuͤrstin und Frl. Sibylla sahen sie endlich daher zihen und lacheten des vermei- neten Auffzuges/ daß diese sich von dem Fürsten also schleppen ließ; wiewol die Groß Fuͤr- stin bald ein schlimmers muhtmassete/ und zu dem Fraͤulein sagete: Ohn zweifel ist unser Frl. Schwester ein Unfal zugestossen; mit welchem Worte sie von der rechten Seite her noch zween grimmige Baͤhren herzu lauffen sahe/ nam ihr Schwert zur Hand/ welches sie auff Reisen selten von sich legete/ und sagte zu ihrer Gefaͤrtin: Stellet euch dort hinter jenen Baum/ mein Fraͤulein/ biß diese Raͤuber werden gebendiget seyn; Sie aber lief ge- schwinde Baldrichen zu/ welcher gleich der Un Tihre gewahr ward/ und ihnen/ weil er die Groß Fuͤrstin mit blossem Schwerte muhtig herzu eilen sahe/ herzhafft entgegen sprang/ das Fraͤulein bittend/ nur ein gutes Herz zuhaben. Sie gelangeten fast zugleich bey den wuͤtigen Baͤhren an/ welche sich teileten/ und jeder seinen naͤhesten Raub suchete/ aber die Groß Fuͤrstin taht auff den ihren einen dreyfachen doppelten Hieb/ wodurch derselbe zu grunde gerichtet wahr. Baldrich verwunderte sich dessen zum hoͤchsten/ wolte seine Er- fahrenheit auch sehen lassen/ und hieb den Baͤhren den Leib auff/ daß er das Ingeweide ausschuͤttete. Der Kampff ist wol gerahten/ sagte Valiska/ aber so viel ich merke/ hat mein Herr Bruder schon mit dergleichen Ansprengern zuschaffen gehabt/ und gebe nur GOtt/ daß das Fraͤulein unbeschaͤdiget blieben sey. Ich wuͤnschete solches von herzen/ antwortete er/ aber sie hat leider eine Wunde davon getragen/ welche doch mit Gottes Huͤlffe keine ge- fahr haben sol. Also gingen sie alsbald dem Fraͤulein zu/ deren blutige Kleider der Groß- Fuͤrstin nicht geringen Schrecken macheten/ jedoch sich zufrieden gab/ weil ihr die Farbe in etwas wieder kommen/ und zimlich frisch redete. Ihre Leibdienerin Lektoria gehuhb sich sehr uͤbel/ bestellete alsobald/ daß etliche Reuter sie fein sanfft nach der Gutsche tragen/ und sie gestrekt darauff legen musten; Baldrich aber geleitete die Geselschafft nach dem Orte des beschehenen Anfalles/ traffen auff dem Wege den entlauffenen ersten Baͤhren an/ wel- cher wegen schmerzens nicht weiter kommen kunte/ und von Baldrich vollend hingerich- tet ward. Die anwesende verwunderten sich der ungeheuren grossen Tihre/ und bekennetẽ/ daß diese kuͤhne gluͤkliche Taht wol unter die vortreflichsten zurechnen waͤhre. Als sie bey der Gutsche wieder anlangeten/ und das Raubnest gaͤnzlich verstoͤret wahr/ machten sie sich auff die Heimreise/ uñ setzete sich Baldrich zu dem Fraͤulein/ deren verwundetes Bein er stets auff seiner Schoß hielt/ biß sie zu Padua anlangeten/ und eine vernuͤnftige Aerztin sie verband/ welche/ weil ihr Baldrich 500 Kronen versprach/ allen fleiß anwendete/ daß sie am achten Tage ganz heile wahr. Diese Zeit uͤber/ weich Baldrich nicht weit von ihr/ und nam Siegward daher Gelegenheit/ seinem Fraͤulein gleichmaͤssige Beywohnung zulei- sten/ weil diese ihre geliebte Schwester nicht verlassen wolte. Nach wieder erlangeter Ge- sundheit muste das gute Fraͤulein zimliche Auffzuͤge uͤber sich nehmen; dañ weil Frr. Va- liska und Sophia die Wunde zeit ihrer Schwacheit etliche mahl besichtiget/ und befundẽ hatten/ daß sie mit dem Schwert geschlagen wahr/ gab es Gelegenheit zu allerhand kurz- weiliger Ausdeutung; woran sie sich doch wenig kehrete/ sondern beteurete/ sie haͤtte sieder y y iij dieser Sechstes Buch. dieser Verwundung zehnfache Liebe zu dem Fuͤrsten bekommen/ weil sie wuͤste/ daß es nicht vorsezlich/ sondern ohngefehr/ und zu ihres Lebens Erhaltung geschehẽ waͤhre. Also ward nun diese Zeit in aller ehrliebenden Kurzweil verzehret/ biß der angesezte Tag zu Gallus Hochzeit herzu nahete/ da ein Christlicher Lehrer gefodert ward/ der anfangs die Fuͤrsten mit ihren Fraͤulein/ hernach Gallus mit seiner Beaten nach damahligem Kirchen Ge- brauche einsegnete; aber die Fuͤrstliche Hochzeit ward auff etliche Wochen ausgesetzet/ damit der Fraͤulein Eltern dabey erscheinen koͤnten. Die Groß Fuͤrstin richtete Gallus Hochzeit auff ihrem neuerbaueten Hofe statlich aus/ und wurden der ganze Raht und vor- nehmste Adel der Stad darauff geladen. Des spaͤten Abends fuͤhreten die Groß Fuͤrstin und Fr. Sophia den Fuͤrsten ihre geliebeten Fraͤulein zu/ und setzeren sie ihnen auffs Bet- te/ wiewol sie nicht auff einem/ sondern unterschiedlichen Gemaͤchern schlieffen. Arbianes hatte inzwischen alles zum Stechen auffs praͤchtigste versehen lassen; da wahren grosse Huͤtten vor die Pferde/ und trefliche Zelten vor Ritter und Herren auffgeschlagen; Gar- Koͤche/ Weinschenken und Kraͤmer hatten vor sich selbst herliche Buden auffgerichtet/ mit deren etlichen der Fuͤrst ein Verding machete/ alle ankommende Ritter/ so mitstechẽ/ und ihre Schilde auffhengen wuͤrden/ auch deren Leibdiener nach Standesgebuͤhr zuspei- sen; Insonderheit wahren unterschiedliche Schaubuͤhnen auffgerichtet/ umb und umb mit Gitterwerk verwahret/ daß man an denen/ die drauff sassen/ nichts sehen kunte/ es waͤ- re dann/ daß sie die Fenster oͤfneten/ und wahren die Stiegen so artig gelegt/ daß man we- der von oben her/ noch in den Schranken jemand auf oder absteigen sahe. Des morgens/ ehe die jungen Eheleute auffstunden/ kam die Groß Fuͤrstin und Fr. Sophia zu thuen aufs Schlaffgemach/ und frageten/ ob nicht bald zeit waͤhre auffzustehen/ brachten auch beydes den jungen Fuͤrstinnen und ihren Gemahlen nengemachte Kleider/ einerley Gattung wie sie sich mit ihren Gemahlen geputzet hatten/ und wahren an denen weder Demanten noch Perlen gesparet. Die neuen Eheleute haͤttẽ lieber eine gedoppelte Nacht haben moͤgẽ/ mustẽ aber heraus/ und sich anlegen/ damit sie dem Ritterspiel zeitig gnug beywohnen moͤchtẽ/ dessen Vortrefligkeit daher leicht abzunehmen war/ weil sie die Stad Padua mit fremden Rittern angefuͤllet sahen. Die so bey dem Stechen sich gebrauchẽ wolten/ waren schon des Abends zuvor in dẽ aufgeschlagenẽ Zeltẽ angelanget/ woselbst sie diesen Abend um̄ ihr Geld zehretẽ; Als deꝛ Stathalteꝛ mit deꝛ Füꝛstlichẽ Geselschaft kam/ sties man gewaltig in die Tro- meten/ uñ begab sich derselbe mit Herrn Zezilius Antenor/ Kornelius uñ Emilius/ auch an- deren Paduanischen Herren auff die ihnen zugeordnete Schaubuͤhne. Herkules/ Ladisla und der junge Fabius setzeten sich mit ihren Gemahlen auff die allernaͤheste dabey. Die drit- te nahmen Baldrich/ Siegward und Arbianes/ mit den beyden jungen Fuͤrstinnen ein. Die vierde und groͤsseste ward mit dem Paduanischen aͤdlen Frauenzimmer und Rahts- Herren angefuͤllet. Bald darauff klopffete ein alter Greiser mit einem Stabe zum dritten- mahle auff/ und redete ein ander folgende Worte: Nachdem auff bewilligung des Roͤmischen Stathalters hieselbst/ Herrn Q. Fabius/ der Durchl. Groß Fuͤrst aus Meden/ Herr Arbianes/ aus Liebe zur Ritterschaft/ dieses ansehnliche Speerbrechen angeordnet/ sind die gewoͤhnliche Satzungen und Gebraͤuche dabey gefuͤget/ daß vor erst niemand als volkom̃ene aͤdle Ritter/ denen keine Untaht mit Warheit koͤnne nachgesaget werden/ sich auff der Bahn finden lassen. Zum andern/ niemand aus Feind- Sechstes Buch. Feindschaft den andern ausfodern; Zum dritten/ niemand/ da er herabgestochen wuͤrde/ auf den uͤber- winder einigen Neid oder Haß werffen/ oder ihn ferner umb einen Rit begruͤssen und sonsten alles dz tuhn und lassen sol/ was Ritters brauch erfodert und bißhergeuͤbet hat. Darauff ward die Bahn frey gelassen und die Schranken geoͤffnet/ zwischen denen etliche hundert Ritter sich setzetẽ/ in mancherley ansehnlicher Rustung. Doch hatten alle Zuseher auff drey/ welche in Gesel- schaft ritten/ insonderheit die Augen gerichtet/ als welche vor andern gar praͤchtig auffge- zogen kahmen. Der in der mitte hatte einen schwarzglaͤnzenden Schild/ in welchem zu oberst eine helleuchtende guͤldene Sonne stund/ und in der mitte ein Silbernes V; naͤhest darunter wahr die bleich-roht-scheinende Morgenroͤhte sehr artig entworffen/ und zu un- terst diese Worte gesetzet. CLARAm Solis Auroram spero . Das ist: Zur hellen Morgenroͤhte der Sonnen stehet mein hoffen. Auff dem Helme führete er ein Tiegertihr/ in dessen linken Tatze ein Schildlein hing mit dieser Schrifft: Amor absens gravis Entfernete Liebe ist schwer zuerdulden. Der zur rechten führete einen blauen Schild mit eben solcher Soñen und dem Silbern V. naͤhest darunter stund der schimmernde Morgenstern/ mit dieser Unterschrift: LVCIferum Solis gero . Der Sonnen Morgenstern trage ich bey mir. Auff seinem Helme stund eine nackete Jungfer/ welche in der Rechten ein Taͤflein hielt/ mit dieser Auffschrift: Amor præsens suavis . Nahe Liebe ist suͤsse. Der dritte hatte einen rohten Schild mit eben der vorigẽ Sonnen und dem V. In der mitte den helleuchtenden Abendstern mit dieser bezeichnis: SIderis Hesperum sub Sole fero . Des Himmels Abendstern trage ich unter der Soñen bescheinung. Auff dem Helm aber ein Schaͤflein/ an dessen Brust diese schwarze Buchstaben geetzet wah- ren; Amor favet gnavis . Die Liebe beguͤnstiget die Unverdrossenen. Hinter ihnen her ritten drey ansehnliche frische Ritter in blanker Rustung mit guͤldenen Blumen sehr artig bestreuet/ jeder fuͤhrete einen rohten Loͤuen im Schilde mit dieser umbschrift: Pro Lege \& Rege . Alles dem Gesez und Koͤnige zu dienste Auff dem Helme hatten sie lange weisse Federbuͤsche/ und auf einem daran geheftetẽ Schildlein diese Worte: DEO DVCE . Durch Gottes anfuͤhrung. Diese sechse nahmen die obriste Stelle ein/ und foderten eine zimliche anzahl Speere/ daß mann leicht urteilete/ sie waͤhren nicht willens/ ohn stechen abzuzihen; wie dann die drey ersten alsbald sich auff die Bahn setzeten/ hatten einen zierlich geputzeten aͤdelknaben/ wel- cher mit heller Stimme also anfing: Hochloͤbliche preißwirdige Ritterschaft; demnach gegenwaͤrtige diese drey Ritter Gebruͤder/ auff ihrer schleunigen Reise nach Griechenland ohngefehr vernommen/ daß ein auslaͤndischer Fuͤrst dieses Ritterspiel angeordnet/ haben sie etliche wenig Tage abgebrochen/ diesem Stechen ein oder zwo Stunden beyzuwohnen/ dienst- und freundlich gesinnend/ ihnen diese Bahn ein wenig zu goͤnnen/ biß sie durch tap- fere Speere/ denen sie wolgewogen bleiben wollen/ herunter geworffen werden/ jedoch mit dem bedinge/ daß sie von niemand uͤber den dritten Rit angefodert werden; des erbieten sie sich hinwiederumb/ einem jeden nach Standes gebuͤhr und hocheit ihre Freundschaft und Dienste an. Hiemit nam der Knabe abscheid/ und ritte aus den Schranken/ da seine Her- ren sich fertig hielten/ mit allen/ so es begehren wuͤrden/ ein Treffen zu tuhn; wie sich dann gar bald drey ansehnliche Ritter funden/ die sich ihnen entgegen setzeten. Der erste hatte ei- nen Baͤhren im Schilde/ welchen eine schoͤne Jungfer an der Hand leitete/ mit diesem Merkworte: Feritas mansuescit amore . Das Wild wird durch Liebe Zahm. Sein Helm wahꝛ ganz Sechstes Buch. ganz verguͤldet/ worauff der Hoffnung ihr Bilde stund/ und in deren linken Hand ein Taͤf- lein/ mit diesen Worten: Spes non confundit; Hoffnung laͤsset nicht zuschanden werden. Die- ser hatte sich gleich gegen den mit den Morgenstern gestellet. Der andere fuͤhrete ein Lamb im Schilde/ welches einen Hund in den Schenkel bisse/ mit dieser umbschrifft: Furor fit læsa sæpius patientia . Die zu offt beleidigte Geduld wird endlich grimmig. Auff seinem Helme stund ein halber Monde/ und naͤhest darunter diese drey Buchstaben S. L. S. welche diesen Inhalt hatten: Sors Lunæ Similis . Das Gluͤk endert sich/ wie der Monde. Dieser bekam den mit der Morgenroͤhte zum Gegener. Des dritten Schild wahr sehr künstlich gemahlet; als brennete er von hellen Flammen/ die mit einem Dampffe unterhalten wurden/ daß sie nicht kunten uͤber sich schlagen/ und stunden diese Worte umbher: Flamma sub fumo, Amor adversus Ungluͤkliche Liebe ist wie Feur unter dem Rauche. Sein Helm kam mit dem Schilde nicht uͤber ein/ sintemahl oben drauff ein nacketes Knaͤblein stund/ an dessen Vorderleibe dieses Zeichen wahr; Aperta simplicitas fallere nescia . Offenherzige Einfalt ist ohn Betrug. Dieser hatte sein Speer gegen den mit dem Abendstern gerichtet. Sie seumeten sich bey- derseits nicht lange/ ritten straͤnge auff einander an/ und traffen zu allen seiten wol/ so daß niemand wankete; den andern Rit tahten sie mit heftigerm ungestuͤm/ in welchem der mit dem Baͤhren sich des falles mit muͤhe enthielt/ auch der mit dem Lamb schier die Erde haͤt- te kuͤssen muͤssen/ da doch ihre Gegenstecher nicht umb das geringste sich bewaͤgeten/ die bey- den mittelsten aber auch noch dißmahl in gleicher wage blieben. Niemand zweiffelte/ es wuͤrde im dritten Saz schaͤrffer daher gehen/ wie sichs dañ bald fand/ massen die drey aus- geforderte/ wie ungerne sie auch wolten/ die Erde suchen musten/ und hatte der mit dem Baͤhren diesen Vortel vor seinen Gesellen/ daß ihm sein Pferd im falle Geselschaft leistete/ woruͤber er doch einen Arm verrenkete. Die Obsieger nahmen alsbald die Bahn wieder ein/ und warteten/ ob sich mehr an sie machen würden/ die sich bald funden; aber im ersten Treffen den unwilligen Absprung nahmen; ihnen folgeten drey andere/ deren zween glei- cherstalt durch ihrer Bestreiter erstes Speer gefellet wurden; aber des mit dem Morgen- stern sein wiederstand wagete den andern Saz/ in welchen er stuͤrzend den Ruͤcken zubrach/ davon er in wenig Stunden verschieden/ welches dem Sieger sehr leid wahr. Jedoch kah- men noch drey unterschiedliche drey- par/ welche alle miteinander im ersten Treffen den Sattel raͤumeten. Herkules und Ladisla ruͤhmeten der Uberwinder Wolverhalten/ nicht zweiffelnd/ da sie also fortfahren wuͤrdẽ/ duͤrften sie den Preiß davon tragen/ preiseten auch den Vater selig/ dem Gott so ritterliche Soͤhne bescheret haͤtte. Es stund nicht lange an/ da taht sich ein gewaltiger Ritter hervor/ voller Hoffnung/ den hoͤchsten Gewin davon zutra- gen/ welchen er in 16 Ritterspielen behaͤuptet hatte. Sein Harnisch wahr blau angelauf- fen mit guͤldenen Striemen; die Pferdedecke schneweis mit koͤstlichen rohten Korallen be- sticket/ und unten herumb mit drey reihen Rubinen. Auff dem Helm steckete eine koͤstliche Siegesfahne/ mit diesen worten: Virtus non latet . Tugend haͤlt sich nicht in Winkeln. Im Schilde schwebete ein Adler/ dabey diese Lobschrift: Meruit Laurum . Er hat den Lorberkranz erworben. Im Halse hatte er eine grosse guͤldene Kette/ an welcher zu unterst Kaͤysers Ale- xander Severus Bilde hing. Dieser ritte hin zu den dreyen Obsiegern/ und foderte den mit Sechstes Buch. mit dem Morgenstern mit diesen Worten aus: Mannhafter Ritter/ eure Faust hat bißheꝛ anzeige getahn/ daß es euch eben so wenig an Kraft als erfahrenheit mangelt/ welchẽ Preiß ich euren Gesellen zugleich nachruͤhmen muß/ daß ich nicht zweiffele/ euer jeder sey geschikt genug dieses zuerwerben/ was viel hoffen und wenig erlangen moͤgen. Vordißmahl aber ist mein gesinnen an euer Speer/ das es auff meiner Brust/ oder wo es am besten treffen kan/ einen Versuch tuhn wolle/ wo sonst das meine euch nicht zugeringe deucht; wil mich bemuͤhen/ es auff begebenheit zuverschulden so weit mein Vermoͤgen reichet. Es ist ein un- verdientes Lob/ mein Herr/ antwortete dieser/ welches mir seine gewogene Zunge zuleget/ und mich ihm sehr verbunden machet/ daß zu seinem Willen ich mich schuldig erkennen muß/ werde auch unbetruͤbet meinen Sattel leeren/ wann sein Speer solches wirken solte/ und haͤtte Ursach/ mich zu ruͤhmen/ wann der Unfal mich uͤbersehen wolte/ daher ich mich auff allen Fall fertig halte. Mein Herr/ antwortete dieser: Es muͤste ein verwaͤgener Rit- ter seyn/ der ihm selbst vor treffens den Sieg zuschreiben duͤrfte; lasset uns aber den Spee- ren anbefehlen/ daß sie uns den Ausgang wissend machen; kehrete sich hiemit um/ und stel- lete sich dermassen unerschrocken/ daß alle Anwesende die Gedanken fasseten/ es wuͤrde die- ses das gedenkwirdigste Treffen seyn. Sie liessen beyderseits ihr Herz und geschikligkeit se- hen/ traffen auch dergestalt/ daß die Zuseher/ solche Puͤffe zuerdulden koͤnnen/ vor unmoͤg- lich hielten; massen sie dann nicht allein die Speere in kurze Stuͤcke zu splitterten/ sondern auch mit den Leibern einander dergestalt begegneten/ daß die Waffen knarreten/ und sie bey- de hinter sich bogen; welches Herkules ersehend/ zu Ladisla sagete; er haͤtte dergleichen Treffen wenig gesehen. Sie empfunden beyderseits/ daß sie es nicht mit Kindern zu tuhn hatten/ hielten sich demnach feste auff den Pferden/ und schicketen sich zum andern Satze/ welcher mit neuen starken Speeren volfuͤhret ward/ und ihrer keiner nicht den allergering- sten Wank taht/ ob gleich die Splitter in die Luft fuhren. Im dritten gange aber legete der mit dem Morgenstern alle Macht und geschikligkeit an/ empfing auch seinen Mann so tap- fer/ daß er denselben samt dem Pferde uͤbernhauffen warff/ wiewol ihm und seinem Rosse der Fall auch nicht weit wahr/ dessen er sich bloß durch seine geschikligkeit entbrach/ und sich der Niderlage seines Gegeners hoͤchlich freuete/ der sich kuͤmmerlich wieder erhub/ uñ zu seinem Obsieger sagete: Teurer Ritter/ ich goͤñe euch den Preiß/ den ihr an mir behaͤup- tet/ wann ich nur euren Nahmen wissen moͤchte. Mein Herr/ antwortete jener/ wir werden einer dem andern wenig angewonnen haben/ ohn daß mein Pferd sich ein wenig fester ge- halten hat; daß ich aber meinen Nahmen verberge/ zwinget mich mein Geluͤbde/ welches der morgende Tag enden/ und meinem Herrn mich zuerkennen geben wird. Hiemit muste der Abgestochene sich begnuͤgen lassen/ foderte von seinen Leuten ein Pferd/ und ritte aus den Schranken hinweg/ gleich da ein ander sich auff die Bahn stellete/ und des mit dem A- bendstern begehrete/ ward aber im andern Treffen auff die Erde gelegt. Der mit der Mor- genroͤhte fand auch seinen Bestreiter/ der ihm zween harte Stoͤsse aushielt/ und im dritten abspringen muste/ dessen sich nicht allein der Obsieger/ sondern auch seine beyde Gesellen er- freueten/ dann im andern gange haͤtte er schier den kuͤrzern gezogen. Nach erhaltung die- ses Sieges neigeten sich diese drey Gesellen gegen die anwesende Ritterschaft/ und mache- ten sich aus den Schranken ins Gehoͤlze hinein/ deren Plaz die drey/ so mit ihnen den Ein- z z zug Sechstes Buch. zug gehalten/ einnahmen/ funden auch bald/ die ihrer begehreten/ so daß ein jeder fuͤnff Rit- ter niderlegete/ und ihrer keiner gefellet ward; weil sie aber nicht gesinnet wahren/ an dem Gewin teil zu haben/ machten sie sich gleich den ersten hinweg. Hierauff ging das Stechen unter den andern erst recht an/ und verdienete mannicher ein gutes Lob/ deren wolverhal- ten von den Richtern fleissig angezeichnet ward. Als nun der Stathalter das Stechen vor dißmahl aufruffen wolte/ bließ man mit allen Trometen/ und traten die Richter/ H. Kor- nelius/ Emilius/ und Antenor zusammen/ schlossen auch einhellig/ die beyden mit dem Mor- gen- und Abendstern haͤtten den ersten; der mit der guͤldenen Kette/ und der mit der Mor- genroͤhte den andern; die drey ebengleiche aber den dritten Dank erworben. Die jungen Fuͤrstinnen beyde/ solten den ersten Preiß/ zwo schwere guͤldene Ketten mit angehaͤngeten koͤstlichen Kleinoten/ jede zu 5000 Kronen geschaͤtzet/ den beyden obgedachten austeilen/ welche aber/ wie oft man sie gleich durch den Ausschreier foderte/ doch nicht erschienen. Die Groß Fuͤrstin und Fr. Sophia hatten den andern Gewin/ zwey par Armbaͤnder/ jedes par zu 3500 Kronen; aber auch diese Gewinner wahren nirgend anzutreffen/ daher aus- geruffen ward/ dafern inwendig sechs Stunden sie sich nicht stellen wuͤrden/ solte Morgen umb diese vier Gewin auffs neue gestochen werden. Die drey ebengleiche aber wurden durch ungeschichte vor Leches/ Neda und Prinsla erkennet/ daher sie/ ungeachtet alles we- gerns von der Stathalterin/ Fr. Ursulen/ und Frl. Helenen den dritten Preiß/ als jeder ei- nen schoͤnen Demant Ring/ 2000 Kronen an wert/ zu sich nehmen musten. Bald darauff trat Arbianes hervor/ und baht/ dafern der trefliche Ritter mit der Kette zu gegen waͤhre/ er sich guͤnstig anmelden moͤchte/ warumb der Groß Fuͤrst aus Teutschland H. Baldrich/ der mit ihm gestochen/ und seine Mannheit uͤbrig empfunden haͤtte/ freund- und dienstlich bitten liesse. Dann die beyden nebest Siegward hatten sich in aller stille von ihrer Schau- buͤhne gemacht/ und ihre Waffen angelegt/ da Baldrich seine Lukrezien dem Morgenstern; Siegward seine Sibyllen dem Abendstern; und Arbianes Frl. Klara aus Teutschland der Morgenroͤhte verglichen/ welche alle drey der Sonnen aller Schoͤnheit Groß Fuͤrstin Valisken sie untergeben hatten. Es wolte aber auff Arbianes anfodern der Ritter sich nit angeben/ daher man weitere nachforschung unterließ/ und baht Arbianes alle Ritter/ die sich in den Schranken hatten finden lassen/ sie moͤchten an Speise und Trank/ die ihnen sol- ten vorgetragen werden/ neben ihren Leibdienern guͤnst- und freundlich vor lieb nehmen/ wie dann alles auffs reichlichste angeordnet wahr/ und Herr Fabius etliche Auffseher be- stellet hatte/ acht zu geben/ daß alles richtig herginge. Des folgenden Tages ward das Ste- chen wieder zeitig angefangen/ wo bey unter andern sich ein Ritter fand/ der in kurzer Zeit 15 den Sattel raͤumen machete/ und er nur einmahl auff die Weichseite gebracht ward. Herkules und die andern sahen aus seinem verhalten/ dz er der gestrige mit der Kette wahr/ wiewol er sich gar anders ausgeputzet hatte/ dann seine Waffen wahren blank/ mit schwar- zer gebluͤmeter Etzung. Im Schilde stund ein Schlaffender gemahlet/ dem das Bilde der Tugend mit dem Fusse in die Seite sties/ und diese Worte dabey: Evigila post somnum . Hastu ausgeschlaffen/ so ermuntere dich wieder. Auff dem Helme führete er einen Falken/ der uͤbersich nach der Sonnen sahe/ und in der rechten Klaue ein Schildlein mit diesen Wor- ten hielt; Radiis impar . Den Sonnen-Strahlen bin ich nicht bestand. Er tummelte sich derge- stalt Sechstes Buch. stalt auff dem Platze/ daß wenig mehr Lust hatten/ sich an ihm zu reiben; und als ihrer zween seiner ohngefehr auff einmahl begehreten/ foderte er beyde zugleich/ ward auch von ihnen wol getroffen/ welches er nicht allein ohn wank aushielt/ sondern den einen vom Pferde warff/ daß er ohmaͤchtig liegen blieb. Endlich da er sich zimlich abgearbeitet hatte/ ritte er an die Seite/ und verließ die Bahn/ auff welche sich ein treflicher Ritter setzete/ der kaum vor einer halben Stunde in Geselschafft sechs anderer in den Schꝛanken ankommen war; In seinem Schilde ließ sich ein heller Strahl sehen/ welchen ein Kranker auffzufahen sich vergeblich bemühete/ mit dieser Umschrifft: Aut fove, aut occide, Erquicke oder toͤdte mich. Auff dem Helme hatte er eine gekroͤnete Schlange/ die ihre Zunge in Gestalt eines Pfeils heraus steckete; sein Pferd wahr herlich ausgeputzet/ und sehr wol abgerichtet/ wobey der Ritter selbst sich gar hoͤflich erzeigete/ und der Zuseher gute Gunst erwarb/ hielt sich auch im Treffen nicht minder hurtig als kraͤfftig/ so daß Klodius/ der bißher grosse Ehre einge- legt hatte/ von ihm im dritten Ritte abgestochen ward; welchen Markus zuraͤchen mey- nete/ aber im andern Satze ihm Geselschafft leisten muste. Baldrich waͤhnete alsbald/ es wuͤrde eben der seyn/ mit welchem er voriges Tages zu allererst gestochen hatte/ ward auch in seiner Meynung nicht betrogen. Nach diesem kahmen zween in einerley Ruͤstung auff- gezogen/ und tahten ihren Ehren gutes genuͤgen/ daß ich der anderen/ die jeztgedachten nit gleicheten/ geschweige/ weil alles zuerzaͤhlen viel zuverdrießlich seyn wuͤꝛde/ massen das heu- tige Spiel sich viel laͤnger als das gestrige auff den Tag verzog/ ungeachtet es wol andert- halb Stunden zeitiger angangen wahr/ biß endlich die Richter ihm Anstand gaben/ und obgedachte beyde junge Fürstiñen den mit der Tugend/ uñ den mit der gekroͤneten Schlan- gen herzufodern liessen/ welche gehorsamlich erschienen/ und von Fr. Sibyllen alsbald er- kennet wurden; dann der erste wahr Herr Q. Skaurus/ der ander Herꝛ Kajus Pupienus/ des damahligen Buͤrgemeisters zu Rom leiblicher Bruder/ und beyde der jungen Fuͤrstin- nen nahe Anverwanten/ daher sie sich unter einander grosse Hoͤfligkeit erwiesen/ und Si- bylla zu Lukrezien sagete: Sehet da/ geliebte Schwester/ unsere Herꝛen Oheime haben mit eurem Gemahl gestriges Tages unwissend gestochen/ und ihre Manheit gnug dargelegt/ dero behuef wir dann gevolmaͤchtiget sind/ sagte sie zu den Rittern/ Euer Liebden das Zeug- niß euer Tugend mitzuteilen; nehmet demnach diese Ketten im Nahmen des Durchl. Fuͤrsten Arbianes von unsern Haͤnden/ und tuht unsern Fuͤrstlichen Gemahlen/ insonder- heit dem unvergleichlichen Groß Fuͤrsten Herkules und seinem Koͤniglichen Gemahl/ der Krone des ganzen weiblichen Geschlechts/ dann auch ihrem Herr Bruder/ dem Groß- maͤchtigen Koͤnige Ladisla die Ehre eurer Geselschafft/ welches sie mit aller moͤglichen Freundschafft erkennen werden. Diese beyde Ritter danketen sehr wegen beschehener Eh- re/ hielten sich unwert/ so hohen Preiß anzunehmen/ nachdem sie des vorigen Tages von dem ritterlichen Helden Groß Fuͤrst Baldrich herunter geworffen waͤhren; jedoch ihnen/ als vortreflichen Fuͤrstinnen zugehorsamen/ müsten sie billich ihres Willens leben; wuͤn- scheten ihnen nachgehends zu ihrer Heyraht G l uk/ und bahten/ ihrer bey der Hoch Fuͤrstl. Geselschafft im besten zugedenken. Groß Fuͤrstin Valiska und Frau Sophia stelleten den beyden gleichgewaffneten Rittern den andern Dank zu/ und wahren eben die/ so des vori- gen Tages zu allererst mit Siegward und Arbianes gestochen hatten. Den dritten Preiß/ z z ij welcher Sechstes Buch. welcher ein grosser weisser Federbusch mit einem angeheffteten Kleinot war/ bekamen Klo- dius und Markus von Fr. Ursulen und Frl. Helenen/ dessen sie sich hoͤchlich bedanketen. Als nun Sibylla der saͤmtlichen Geselschafft zuwissen taht/ wie Herr Skaurus und Pu- pienus ihre nahe Anverwanten waͤhren/ wurden dieselben alsbald von Leches und Neda in das Fuͤrstliche Gezelt eingehohlet/ dahin sie nach abgelegten Waffen mit ihnen gingen/ und anfangs von der Groß Fuͤrstin sehr hoͤflich empfangen wurden/ deren Volkommen- heit sie vor übermenschlich schaͤtzeten/ tahten ihr demnach uͤber aus grosse Ehr/ und nach geleistetem Handkusse sagte Skaurus: Durchleuchtigste Groß Fuͤrstin; das Lob ihrer ho- hen Volkommenheit/ nachdem es die weiten Morgenlaͤnder erfuͤllet/ und ganz Asten duꝛch- strichen/ kan in diesen Orten sich so wenig als die Sonne selbst verbergen; mein Geselle und ich schaͤtzen uns sehr gluͤkselig/ wegen der Ehre/ die wir haben/ ihre Haͤnde zukuͤssen/ dienstlich bittend/ Ihre Durchl. wolle durch ihr gebieten uns wirdigen/ in die Zahl ihrer Diener auffzunehmen. Ihr meine hochwerte Herren/ antwortete sie; das Lob meiner We- nigkeit muß sehr dunkel seyn/ nachdem der Nebel der Unvolkommenheit meine Kraͤfte al- lerdinge uͤberzogen hat/ da hingegen Eurer Liebe tapffere Tahten sich uͤberal hoͤren lassen/ deren meine Fr. Schwester/ Fuͤrstin Sibylla mir schon etliche gnug denkwirdige erzaͤhlet hat; werde demnach auff gebuͤhrliche Dankbarkeit bedacht seyn muͤssen/ daß Ihre Liebden mir ihre Kundschafft goͤnnen. Der Stathalter kam mit den gesamten Fuͤrsten darzu/ da es uͤberal viel Hoͤfligkeiten abgabe/ gestaltsam den unsern nicht un bewust wahr/ in wz gros- sem Ansehen diese beyde am Kaͤyserl. Hofe wahren/ daher auch Skaurus bey der Mahlzeit zwischen die Groß Fuͤrstin und Fr. Sophien; Pupienus zwischen Frr. Lukrezien und Si- byllen den Siz wider ihren Willen nehmen musten/ da allerhand lustige Gespraͤche vor- gingen/ und diese Roͤmer insonderheit gute Kundschafft mit ihrem Obsieger macheten/ der seiner überwindung ursach bloß nur dem Gluͤk zulegete/ und durch seine Hoͤfligkeit sich ihnen sehr beliebt machete. Sonst redete Pupienus die Mahlzeit uͤber gar wenig/ saß als in tieffen Gedanken/ und betrachtete nach emsiger beschauung der Groß Fuͤrstin/ ihre vor- trefliche Schoͤnheit; dann fing er zwar etwas an/ mit Fuͤrstin Lukrezien zusprachen/ hatte aber so gar keinen Schmak/ daß sie leicht merkete/ seine Gedanken waͤhren nicht bey dem Gespraͤch; und weil sie seiner Blicke nach deꝛ Groß Fürstin acht hatte/ geriet sie in argwoͤh- nische Gedanken/ einer unzimlichen Begierde/ welches/ weil Herkules es ohngefehr sahe/ selbst besorgete; wahr aber ein blosser Irtuhm; dann er befand sich gegen ein treffliches Roͤmisches Fraͤulein hefftig verliebet/ und bildete ihm ein/ die Groß Fuͤrstin waͤhre dersel- ben fast aͤhnlich/ deshalben er sich ihres an schauens nicht enthalten kunte. Sibylla wuste etwas von seiner Liebe/ hatte auch dieser Fraͤulein sehr geheime Kundschafft/ daher frage- te sie ihn/ wie es ihrer Wase und Schwester Frl. Virginien erginge; woruͤber er dermas- sen bestuͤrzete/ daß ihm das Feur unter die Augen schoß/ und eine geraume Zeit es unbeant- wortet ließ/ endlich zu ihr sagete: Er wuͤste nicht anders/ als daß sie annoch in des Kaͤysers Mutter ihrem Frauenzimmer sich fast wider ihrer Eltern Willen auffhielte/ weil dieselbe so hohe Gunst ihr zugelegt/ daß sie ohn ihre Geselschafft nicht gerne seyn wolte; ginge ihr sonst annoch wol/ verharrete aber steiff in ihrer Unbarmherzigkeit gegen ihn/ so daß er nit zweifelte/ sie wuͤrde in kurzem seines Untergangs ursach seyn. Fuͤrstin Sibylla troͤstete ihn bester Sechstes Buch. bester massen/ mit dem versprechen/ erster Gelegenheit an sie zuschreiben/ und ihr solches zum hoͤchsten auffzuruͤcken/ auch zugleich sie eines bessern zuunterrichten/ der guten Zuver- sicht/ dafern sie annoch frey und unversagt/ ihm ihre Gunst zur foͤrderlichsten Heiraht zu erwerben; auff welche Zusage er sich zimlich erhohlete/ und der angenommenen Schwer- muͤhtigkeit Urlaub gab. Herkules ließ sich auch mit ihm ein/ und fragete nach Keyserl. Hocheit Wolergehen; empfing darauff Bericht/ es waͤhre dieselbe annoch wol auff/ wuͤr- de auch erster Gelegenheit hieselbst zu Padua anlangen/ und die Teutschen und Pannoni- schen Grenzen besichtigen; welches er nicht ungerne hoͤrete/ und fing an/ dieses Kaͤysers loͤbliche Beherschung zupreisen/ auch daß er zeit seiner Dienstbarkeit zu Rom mit Ver- wunderung gesehen/ wie ernsthafft und freundlich Kaͤyserl. Hocheit/ ungeachtet ihrer Ju- gend/ (massen er mit Herkules gleiches Alters wahr) sich verhalten/ und allezeit ansehnli- che alte Maͤnner umb sich gehabt/ daß seine Herschafft nicht andeꝛs als gluͤklich ausschla- gen koͤnte/ und wolte er vor sein Haͤupt sich gluͤkselig schaͤtzen/ die Ehre zuhaben/ daß er sei- ner Hocheit auffwarten moͤchte; wuͤste sich auch wol zuerinnern/ daß er schuldig waͤhre/ vor seinem Abzuge dieselbe zubesuchen/ dafern Ihre Hocheit nicht alhier zu Padua erschei- nen solte. Nach auffgehobenen Speisen ward ein zierlicher Tanz gehalten/ und nahete Skaurus sich sehr zu Frl. Helenen/ welches Fr. Sophia nach Moͤgligkeit befoderte/ wie- wol er sich diesen Abend nicht sonderliches vernehmen ließ. Des folgenden Tages ging das Stechen wieder an/ und ward manniches Speer gebrochen. Den ersten Preiß bekam ein vornehmer Sizilischer Herr; den andern ein Paduanischer Ritter; den dritten der junge Ritter Neklam/ welche Fr. Euphrosyne/ Agatha und Therba austeileten/ und wahꝛ Libussen und Brelen leid genug/ daß sie des Wochen Bettes hüten musten. Weil dann die saͤmptliche Geselschafft nicht Lust hatte/ laͤnger unter den Zelten zuschlaffen/ macheten sie sich nach dem neuerbaueten Hofe/ und ließ Arbianes auch noch diesen Abend den anwe- senden Rittern nach allem uͤberflusse aufftragen/ wobey ihrer etliche sich frischer als bey dem Rennen bezeigeten. Frl. Helena hatte auf Fr. Sophien anhalten sich diesen Tag stat- lich ausgeputzet/ und wahr sie gleichwol ein sehr wolgestaltes Bildichen/ die sich adelich gnug zuhalten wuste/ hatte auch Skaurus gute Gewogenheit wolgemerket/ dem sie durch ihre anmuhtige Freundligkeit je mehr und mehr ursach zur Liebe gab/ welche dann dermas- sen bey ihm wuchs/ daß er sich nicht enthalten kunte/ ihr diesen Abend etwas naͤher zutretẽ/ und sie umb Liebe zubegruͤssen/ welches sie aber anfangs mit einem hoͤflichen Scherz beant- wortete; es begaͤbe sich wunderselten/ daß die Roͤmische Herren zu Padua Liebe sucheten/ und koͤnte sie nicht glaͤuben/ daß er nicht schon zu Rom/ oder daselbst in der naͤhe haben sol- te/ was sein Herz befriedigte/ gestaltsam deren ends ein überfluß an schoͤnen Fraͤulein sich befuͤnde/ deren gleichen man zu Padua nicht eins hoffen duͤrffte. Er hingegen beteurete/ daß er bißher an heirahten nicht gedacht haͤtte/ versicherte sie seines dienstergebenen Her- zen/ und baht umb behaͤgliche Antwort; dessen sie nicht geringe Scham empfing/ und es widersetzete; Sie bedankete sich sehr des guten Willen/ wüste denselben nicht anders als mit ehrliebendem stilleschweigen zubeantworten/ weil sie nicht ihres eigenen willens/ son- dern unter ihrer Eltern Gewalt lebete/ denen sie nach eingepflanzetem und Roͤmischẽ Recht hierin nicht vorgreiffen koͤnte; und wuͤrden dieselben schon rahten und schaffen/ was ihnen z z iij belie- Sechstes Buch. beliebete/ und ihr muͤste gefaͤllig seyn/ an welche sie ihn auch freundlich wolte verwiesen ha- ben. Fr. Sophia kam zu ihrem Gespraͤch/ und fragete/ ob sie nicht koͤnte mit in den heimli- chen Raht auffgenommen werden; bekam auch alsbald von ihm zur Antwort: Seine Seele haͤtte dieses allerliebste Fraͤulein erwaͤhlet/ dafern er ihrer Liebe wirdig koͤnte geschaͤ- tzet werden/ wuͤrde aber auff sein inbruͤnstiges Ansuchen schlecht auf ihre Eltern hingewie- sen/ und muͤste die Gefahr stehen/ daß ob er gleich daselbst gute Erklaͤrung bekaͤhme/ er bey ihr nichts behaͤgliches erhalten duͤrfte/ baͤhte demnach Fr. Sophien/ ihm hierin behuͤlflich zuseyn/ welches zuerkennen/ er zeit seines Lebens sich bemuͤhen wolte. Herꝛ Oheim/ antwor- tete sie; meine Frl. Schwester kan nach Roͤmischen Sitten ja nit anders/ als ihre Eltern hierin schaffen lassen; und weil derselbe mich vor eine Anwerberin erwaͤhlet/ wolle er in- zwischen/ weil ich solches verrichte/ mit dem Fraͤulein ihm die Zeit nicht lange wehren las- sen; Ich weiß schon sehr wol/ daß kein Roͤmischer Herr/ wer der auch seyn mag/ meinem Oheim sein Fraͤulein versagen wird. Ging damit hin/ und ließ Herrn Emilius mit Fr. Julien seinem Gemahl eilig zu sich fodern/ trug ihnẽ Skaurus ehrliebende Werbung vor/ und bekam von ihnen ungemaͤssene Volmacht/ mit ihm zuschliessen/ weil sie sich dieses Gluͤks nicht wenig freuetẽ. Zeit wehrender dieser Unterredung hatte Skaurus das Fraͤu- lein so hart genoͤhtiget/ daß sie ihm biß an der Eltern Bewilligung ihre Liebe und Traͤue verhieß; dann sie zweifelte nicht/ sie würden hierin gerne gehehlen/ nahm auch den ange- bohtenen Ring vor Fr. Sophien Wiederkunfft von ihm an/ und ließ gerne geschehen/ daß er von ihrem Finger wiederum einen zohe/ nur daß sie gebuͤhrlich bedingete/ sie wolte Un- hoͤfligkeit zumeiden/ sich ihm nicht widerspenstigen. Fr. Sophia eilete bald wieder zu ihnẽ hin/ und redete Skaurus also an: Mein Herr Oheim/ begehret ihr meine Frl. Wase und Schwester nach Roͤmischer Traͤue zum Ehegemahl/ so saget mir solches/ bitte ich/ im rech- ten Ernst/ auff daß ich alsdann nach eurem Willen ferner handeln koͤnne. Auf sein innigli- ches Ja und bitten/ fuhr sie nun gegen das Fraͤulein also fort: Herzgeliebete Frl. Schwe- ster/ seyd ihr dann gesonnen/ diesen vornehmen Roͤmischen Herrn vor euren liebsten Ge- mahl anzunehmen/ so last michs wissen/ daß ich nach habender Volmacht weiter schreiten moͤge. Diese aber wolte anfangs ein mehrers nicht antworten/ ohn daß es bey ihren lieben Eltern stuͤnde/ sie zuversprechen/ und nicht bey ihr selbst; und weil sie mit denselben noch kein Wort davon geredet haͤtte/ wuͤrde ihr weitere Erklaͤrung uͤbel anstehen. Wollet ihr aber dann euren Eltern nicht gehorsamen/ sagte Fr. Sophia/ wann sie euch diesem Herꝛn zusagen wuͤrden? Meine Fr. Schwester fraget gar zuscharff in dieses Herꝛn Gegenwart/ antwortete sie mit einer Schamroͤhte/ worauff ich weder ja noch nein sagen darff. Wollet ihr dann/ fuhr sie fort/ wider eurer Eltern Willen wol nein sagen? dessen versehe ich mich trauen nicht zu euch. So wird auch der Himmel mich vor solchem Ungehorsam wol be- wahren/ antwoꝛtete sie/ dann ich habe ohn unzeitigen Ruhm zumelden/ noch allemahl mich nach ihrem Willen gerichtet/ wie die Erbarkeit mir solches befihlet. Nun wolan/ sagte sie hierauff/ so verspreche ich euch/ Herr Skaurus/ dieses Fraͤulein zu eurem Gemahl/ nebest 10 Tonnen Goldes Brautschaz/ nach der mir von ihren Eltern erteileten Volmacht/ und gefaͤllet es euch/ koͤnnet ihr die Zeit eures Beilagers mit einander abreden. Skaurus be- dankete sich der genehmen Antwort/ umfing das Fraͤulein mit hoͤflichem Kusse/ und ver- sprach Sechstes Buch. sprach sich ihr zu aller Liebe und Traͤue; welches nicht allein von ihr gebuͤhrlich angenom- men ward/ sondern sie goͤnnete ihm auch auff sein anhalten/ daß er sie nach ihres Vaters Hofe geleiten moͤchte; ließ ihren Eltern solches andeuten/ und ward er von denselben nit allein wol empfangen/ sondern auffs neue mit seiner Liebsten versprochen/ erhielt auch/ daß bald des naͤhstfolgenden Tages das Beilager eingewilliget ward. Diesen Abend kam die Groß Fuͤrstin bey Sibyllen zu sitzen/ von welcher sie uͤberaus herzlich geliebet ward/ und sie hinwiederumb nicht geringe neigung zu ihr trug/ welches zu- bezeugen/ sie mit den Armen sich umbschraͤnket hielten/ und fing Sibylla also an: Durchl. Fr. Schwester/ ich bin ganz unwirdig der Ehren/ die von ihrer Liebe mir angetahn wird; doch wie dem allen/ so beteure ich bey meinem teil des Himmels/ daß meine inbruͤnstige Liebe und neigung mich dergestalt gegen sie entzuͤndet hat/ daß mich unmoͤglich daͤucht/ de- ren trennung erdulden koͤnnen. Ach daß ich doch nicht uͤber Meer mit meinem liebsten Fuͤr- sten fahren duͤrfte/ damit ihrer Liebe gegenwart ich stets geniessen moͤchte. Aber Durchl. Fr. Schwester/ ich habe schon erfahren/ daß man derselben hat vorbringen duͤrffen/ als waͤhren zwischen dem Durchl. Groß Fuͤrsten Herkules und meiner wenigkeit einige Hey- rahtsgedanken vorgangen/ welches zwar in des Poͤfels/ und vielleicht auch wol anderer Leute Wahn/ aber in mein Herz niemahls kommen ist/ gestaltsam ich mich dessen allemahl unfaͤhig erkennet habe/ ungeachtet von ihrer beyder Liebe mir durchaus nichts bewust ge- wesen/ biß des allerliebsten Fuͤrsten Ohmacht und Klagereden/ wegen damahligen verlu- stes eurer Liebe/ mich davon in etwas berichteten/ wiewol auch dazumahl noch/ Koͤnig La- disla davon nicht das geringste weder gestehen noch wissen wolte; wie ich auch davor hal- te/ ihm solche Liebe verborgen gewesen sey; moͤchten demnach meine Fr. Schwester So- phia und ich/ herzlich gerne wissen/ wie doch ihre Durchl. eine so volkommene Liebe in sol- cher Jugend dermassen bedachtsam fuͤhren und heimlich halten koͤnnen/ daß weder ihre Eltern noch ihr Bruder deren inne worden; solten wir uͤberdas auch koͤnnen gewirdiget seyn/ den Anfang und die beharligkeit ihrer beyder Liebe zuerfahren/ wuͤrde es uns die aller angenehmste Geschichte seyn/ die uns koͤnte vorgetragen werden; jedoch wann wir hierin zuviel wuͤnschen/ hoffe ich bey meiner Fr. Schwester dessen noch wolvergebung zuerlangẽ. Die Groß Fuͤrstin laͤchelte hierauff/ kuͤssete sie inniglich/ und antwortete ihr also: Mein auserwaͤhltes Schwesterchen/ sie erinnert mich einer Sache/ daran ich lieber gedenke/ als viel Worte davon mache/ wiewol in ansehung unser vertrauligkeit ich euer Liebe solches nicht verschweigen kan/ und mag sie demnach sich wol versichern/ daß sie/ meine einige Li- bussen/ als meines Herzen erkennerin ausgenommen/ die erste ist/ die es aus meinem Mun- de erfaͤhret. Ich bedinge mich aber hiebey anfangs/ daß eure Liebe mir es nicht zum Hoch- muht auslege/ wann in erzaͤhlung etlicher von meinem allerliebsten Schatze gefuͤhreten re- den/ ich mir unverdienete stolze Ehrennahmen gebe/ deren ich mich zwar allerdinge unwir- dig weiß/ und doch die wahre begebenheit erfodert/ daß ichs hinan haͤnge. Sibylla wolte hier mit vielen behaͤupten/ es waͤhre ihre unvergleichliche volkommenheit also beschaffen/ daß sie nicht wirdig gnug moͤchte benahmet werden; aber die Groß Fuͤrstin verhinderte ihre reden/ mit einem Kusse/ und fuhr also fort: Es sind nunmehr vier Jahr und zween Tage Sechstes Buch. Tage (so eigen weiß ichs) daß mein teurer Herkules mit meinem H. Bruder aus Schwe- den zu Prag ankam/ da er gleich das neunzehnde Jahr auff wenig Wochen vollendet/ und ich dz vierzehnde erst vor sieben Wochen angefangen hatte. Sie schicketen aber einen Reu- ter voraus/ und liessen meinen Eltern ihre Ankunft anmelden/ denensolches von herzen lieb und angenehm wahr. Ich bekuͤmmerte mich zu der Zeit mehr umbs reiten/ schiessen und umb die Buͤcher/ als umb der Fraͤulein Zier und Schmuk/ welches meinem Herr Vater nicht so gar zu wieder/ aber meiner Fr. Mutter fast unertraͤglich war/ welche zu die- semmahle mich erinnerte/ ich solte mich gebuͤhrlich putzen lassen/ damit mein Bruder La- disla (welchen ich in neun Jahren nicht gesehen hatte) und mein Oheim Herkules (der mir allerdinge unbekant wahr) gleichwol einigen gefallen an mir haben/ und zugleich erkennen moͤchten/ daß ich dannoch nicht unter den groben Baurdirnen auffgewachsen waͤhre. Die Schoͤnheit und Tugend meines Herkules wahr von meiner Fr. Mutter Leibdienerin (die etlichemahl mit ihr nach Teutschland gewesen/) mir oft erzaͤhlet/ wobey sie/ mich zuer- lustigen/ gemeiniglich den Wunsch ergehen lies; O daß mein Fraͤulein diesem Fuͤrsten veꝛ- maͤhlet werden solte/ weil ohndas euer Gn. er so aͤhnlich ist/ und seines gleichen in alleꝛ Welt nicht lebet. Ja ich gestehe gerne/ mein Schwesterchen/ daß mein zartes Herz/ welches von der Liebe noch durchaus nichts wuste/ dermassen in reinen keuschen Flammen gegen diesen mir unbekanten Fuͤrsten enttzundet ward/ daß ich nichts so heftig suchete/ als ihn nur ein- mahl zusehen; daher ich mich uͤberaus hoch erfreuete/ als ich dessen ankunft innen ward/ meinete auch/ da mir einige Schoͤnheit beywohnete/ muͤste ich solche vor dißmahl nicht durch unachtsamkeit verbergen/ damit deßwegen von den ankommenden ich nicht beschaͤ- met würde. Ich legte ein duͤnnes sittichgrünes Kleid an/ mit Golde durch und durch ge- wirket/ und ließ meinen Busem/ mit einem zarten Flohr bedecken/ dann ich wahr viel Mañ- bahrer anzusehen/ als mein Alter mit sich brachte. Meine Haar/ von ihnen selbst zu aller- gnuͤge gekraͤuselt/ ließ ich an beyden seiten zopfsweise uͤber die Schuldern hangen/ die uͤbri- gen wurden mir als ein erhabenes Kroͤnichen aufs Haͤupt gelegt/ auff welche ein Perlen Kranz gesetzet ward; und ob gleich meine Libussa/ die ich etwa zwey Jahr in meinem Zim- mer gehabt hatte/ mir einbilden wolte/ sie haͤtte mich noch nie keinmahl so schoͤn gesehen/ ge- fiel ich mir doch gar nicht/ daß ich auch mit ihr schalt/ warumb sie mich eben zur unzeit so unachtsam anlegete. Ich wahr willens/ mich gar von neuen auffbinden zulassen; sie aber rieff unterschiedliche des Frauenzimmers herzu/ umb mir solche einbildung zubenehmen/ welche einhellig bejaheten/ es koͤnte nicht zierlicher gemacht werden/ daß ichs also muste sit- zen lassen/ wiewol je laͤnger je mehr ich mir selber mißfiel. Kaum wahr ich voͤllig angetahn/ da hoͤrete ich sechs Trometen/ und zwo Heerpauken auffmachen/ deren Art und Weise mir unbekant wahr/ und ich daher muhtmassete/ meine liebsten Freunde wuͤrden schon verhan- den seyn/ wie dann in demselben Augenblicke meine Fr. Mutter zu mir in mein Gemach trat/ und mich auffmahnete/ mit ihr in den grossen Saal zugehen/ und meine beyden Herꝛn Bruͤder (so sagte sie) zuempfahen. Ich ging in guter kuͤnhnheit mit ihr hin/ dann es hatte bißher keine furcht mein Herz eingenommen/ und wahr sonderlich erfreuet/ weil meine Fr. Mutter/ die mich zwar ohn unterlaß herzlich liebete/ doch zu diesemmahle mir insonderheit ihre inbruͤnstige Neigung sehen ließ/ in dem sie mich an ihre Brust druͤckete/ und nach et- lichen Sechstes Buch. lichen erteileten kuͤssen zu mir sagete: O mein herzliebes Kind/ was grosse vergnuͤgung ha- be ich an dir/ wann ich nur den Tag erleben solte/ daß du mit einem wirdigen Gemahl fol- test versehen seyn. Es dauchte mich diese Rede gar selzam/ dergleichen ich nie von ihr gehoͤ- ret hatte. Sie ist/ sagte alhie Fuͤrstin Sibylla/ ohn zweiffel mit eurer Liebe und Groß Fuͤrst Herkules Heyraht schon schwanger gangen. Ich kan nicht wissen/ antwortete die Groß- Fuͤrstin/ mit einem suͤssen Lachen/ aber wir wahren wenige Zeit im Saal gewesen/ da tra- ten mein Bruder und Herkules zugleich zur Tühr hinein/ weil einer vor dem andern den Vorzug nicht nehmen wolte. Aber O mein herzen Schwesterchen/ wann ich daran geden- ke/ wie mir dazumahl zumuhte wahr/ dann gehet mir eine kitzelnde Schauderung uͤber den ganzen Leib/ als wuͤrde ich mit kleinen haͤuffigen kuͤhlen Troͤpflein bespruͤtzet. Ich sahe den allerfreundlichsten Juͤngling in seiner unvergleichlichen Bluͤte daher treten; Er hatte ein graßgruͤn Seiden/ mit Gold durchwebetes Kleid an/ und einen langen schneweissen Feder- busch (dessen Art ich von der Zeit her hoch gehalten) auf seinem schwarzen Huhte/ welchen er unter dem linken Arme trug. Die Augen stunden ihm wie einem Falken/ klar und helle/ das Goldgelbe Haar hing ihm kraus umb die Achseln/ und stund ihm alles so hoͤff-zuͤcht- Fürstlich an/ daß mein Herr Vater selbst sich uͤber ihn verwunderte/ und ihm die Freuden- traͤhnen in die Augen stiegen. Er stund mitten im Saal (mich daͤucht/ es schwebe mir noch vor Augen/ als waͤhre es gestern geschehen) und ließ seine Soͤhne gegen sich daher treten/ welche sich zugleich vor ihm in die Knie setzeten/ und jeder eine Hand fassete/ welche sie in- niglich kuͤsseten/ stunden auch ehe nicht auff/ biß mein Herr Vater zu ihnen sagete: Seyd mir wilkommen/ geliebte Soͤhne/ und erhebet euch/ daß eure Fr. Mutter euch empfahen moͤge/ die ohndas mehr als ich/ teil an euch zuhaben vermeynet. Bald im Augenblik stun- den sie auffrecht/ gingen meiner Fr. Mutter entgegen/ setzeten sich gleich maͤssig vor ihr in die Knie/ und kuͤsseten ihr die Haͤnde; welche aber vor freuden schier in Ohmacht niderge- sunken waͤhre. Sie huhb beyde zugleich auff fiel ihnen zum offtern umb den Hals mit in- niglichen Kuͤssen/ und fing endlich an: Ach ihr meine herzallerliebste Kinderchen/ ich er- freue mich von Herzen/ daß ich euch frisch uñ gesund bey mir habe/ werde euch auch so bald nicht von mir lassen/ sondern meinem Herr Bruder die Rechnung zumachen wissen/ wie lange ich euch ihm habe muͤssen goͤnnen. Sie beyde danketen ihr kindlich vor solche muͤt- terliche Gewogenheit; und als mein Bruder mich stehen sahe/ fragete er meine Fr. Mut- ter in geheim/ was vor ein fremdes Fraͤulein ich waͤhre; auch/ warumb seine Frl. Schwe- ster sich alhie nicht anfuͤnde; dessen sie lachete/ und ihm zur Antwort gab: Wie meynestu dann/ geliebter Sohn/ daß diese eine andere/ als deine geliebte Frl. Schwester sey? Laß dich nicht wundern/ daß sie so zeitig auffgeschossen ist/ dann das Unkraut reiffet allemahl am er- sten. Ja Herzen Schwesterchen/ ich muß bekennen/ daß diese meiner Frau Mutter Reden mir durchs Herz schnitten/ bloß nur/ weil ich mich fürchtete/ mein schoͤnster Herkules/ der schon voͤllig in meiner Seele wohnete/ haͤtte daher einigen Argwohn meines unverhaltens fassen moͤgen; fing deswegen an: Gnaͤdige Fr. Mutter/ ich erkenne meine Unvolkommen- heit/ und daß wegen der Jugend Unverstand ich nicht allemahl eurem Willen mich ge- maͤß verhalte; nur allein bitte ich kindlich/ mich nicht so gar zeitig vor meinem Herr Bru- der und H. Oheim anzuklagen/ noch ehe deren Liebde zuempfahen ich gewirdiget bin. Ach a a a mein Sechstes Buch. mein Herzchen/ antwortete sie/ du hast mich ja Zeit deines Lebens nie kein mahl erzuͤrnet/ warumb solte ich dich dann anklagen? Daß ich dich aber dem Unkraut vergleiche/ geschi- het nicht deines Unverhaltens wegen/ sondern weil man dz weibliche Geschlecht im scher- ze also zunennen pfleget. Unter dieser Antwort trat mein Bruder zu mir/ umfing mich bruͤ- derlich/ und gab mir unterschiedliche Kuͤsse/ die wegen Herkules Gegenwart ich ihm aus Schahm nicht vergelten durffte; endlich sagete er zu mir: Herzgeliebtes Schwesterchen/ ich erfreue mich von Herzen deines guten wolergehens/ zweifele nicht/ du werdest allemahl mit schwesterlicher Liebe mir gewogen bleiben/ wie ich dir solches hinwieder festiglich ver- spreche; aber sihe da meinen teuren Herkules/ das rechte Wunder dieser Welt/ desgleichẽ der Erdbodem noch nicht gezeuget hat/ demselben wil ich dir bester massen befehlen/ dz wie du sihest/ er von unsern Eltern kindlich/ und von mir mehr als bruͤderlich geliebet wird/ du imgleichen ihn als einen wirdigen Bruder ehrest. Ich wahr bedacht/ ihm darauff zu seiner guten Vergnuͤgung zuantworten/ aber mein allerschoͤnster Herkules/ nachdem er mich ei- ne zeitlang/ und als erschrocken angesehen hatte/ daß ihm auch der mehrerteil seines Roh- tes in Milchweiß verkehret ward/ setzete sich vor mir auff ein Knie/ kuͤssete mir die Hand sehr ehrerbietig/ und mit zimlicher bloͤder Rede fing er also an: Verzeihet/ Durchleuchtig- stes Fraͤulein/ eurem unwerten Knechte/ der sich erkuͤhnen dürffen/ ihre Haͤnde zukuͤssen/ dessen er sich doch unfaͤhig weiß/ und seyd/ bitte ich/ damit hochgünstig zufrieden/ daß Eure Koͤnigliche Eltern mich/ einen solchen unvolkommenen Menschen des Sohns-Namens gewirdiget haben/ der ich viel lieber als ein Diener aufwarten wuͤrde/ wann mirs nur koͤn- te gegoͤnnet werden. Im uͤbrigen wil ich nicht unterlassen/ ihrer Vortrefligkeit hochver- dienten Ruhm/ an was Ort und Enden ich auch seyn werde/ nach Vermoͤgen auszubrei- ten/ als welche der Himmel selbst mit allen mehr als menschlichen (ach verzeihet mir diese Erzaͤhlung/ Herzen Schwester Sibylla) Volkommenheiten ausgezieret/ und der Welt zum Beyspiel seiner Wunderwirkung vorgestellet hat. Er hat hieran die lautere und ei- gentliche Warheit geredet/ sagte Sibylla. Worauff die Groß Fuͤrstin ihr einen gelinden Backenstreich mit diesen Worten gab: Ich kan meiner Frau Schwester Beschimpffung nicht ungerochen hingehen lassen/ werde es auch hernaͤhst schaͤrffer zueifern wissen/ aber lasset mich/ bitte ich/ in meiner Erzaͤhlung fortfahren. Mein Herr Vater/ wie er meinen Herkules also reden hoͤrete/ trat in ein Neben Gemach/ und sahe ich eigentlich/ dz die Freu- den Traͤhnen ihm aus den Augen hervor drungen. Meine Fr. Mutter aber lief herzu/ hub ihn auff von der Erden/ und sagete: Herkules mein Schaz/ warumb stehet ihr nicht auff? oder meynet ihr/ daß ich meine Valisken so hochmuͤhtig erzihe/ daß sie eures gleichẽ/ Groß- Fuͤrstliche Herren/ deren Ruhm schon gewaltig auffsteiget/ sol vor sich niderknien lassen? Herzallerliebste Fr. Mutter/ antwortete er/ nachdem er gleichwol auffgestanden wahr; Eure Koͤnigl. Hocheit/ bitte ich/ vergoͤnnen mir/ dasselbe in ihrer Frl. Tochter anzubehtẽ/ was die guͤnstigen Goͤtter ihr vor allen andern mitgeteilet haben. Ich schaͤme mich Frau Schwester/ sagte sie zu Sibyllen/ daß ich solches selbst erzaͤhlen sol/ aber weil mein Gewis- sen mir Zeugniß gibt/ daß ich niemahls mich vor eine solche gehalten/ wie ich auch eine sol- che nimmermehr werden kan/ hoffe ich/ Eure Liebe werde mirs zu gute halten/ und keinen Argwohn einiges Stolzes daher auff mich werffen/ insonderheit/ weil schon jens mahl/ da Sechstes Buch. da ich noch eine blinde Heydin wahr/ es mir hoͤchlich mißfiel/ und michs doch nicht durffte merken lassen/ versuchte gleichwol auff solches angehoͤrete uͤbermaͤssige Lob zuantworten; aber die Zunge blieb mir am Gaumen kleben/ daß ich mit hoͤchstem Unwillen/ auff mich selbst/ schweigen muste; endlich noch erhohlete ich mich auf meiner Fr. Mutter Geheiß/ umfing ihn/ wie sie mir geboht (doch ohn einiges kuͤssen/ weil die Schahm und Zucht mei- ne Begierden hinterhielt) und redete ihn also an: Durchleuchtigster Fuͤrst/ hochwerter Oheim/ ich weiß nicht/ ob uͤber sein niderknien/ oder uͤber seine mir gar zu ungenehme Re- den ich mich mehr beschweren sol/ deren ich so wenig das eine/ als das andere zuertragen weiß/ und haͤtte ich dieser Beschimpffung nur den allergeringsten Argwohn haben sollen/ wuͤrde vor Ihrer Liebe Angesicht ich mich nicht habẽ finden lassen; jedoch wil ich mich des- sen nichts begeben/ sondern ich fodere Eure Liebe vor den Recht Spruch der unbetriegli- chen Billigkeit/ daß wegen angefuͤgten Schimpfs sie mir volle Rede und Antwort gebe; Mein geliebter Herr Bruder befihlet mir/ und zwar billich/ daß Eure Liebe ich gebuͤhrlich ehren sol; aber wie kan bey so gestalten Sachen ich ihm schuldigen Gehorsam leisten? Mein Durchl. Fraͤulein/ gab er zur Wiederantwort; wie sol dann ohn aͤusserste Beleidi- gung der Goͤtter ich dieses ungeehret lassen/ welches sie als ein Wunder uns zur Verwun- derung vorgestellet haben? meynet etwa eure Vortrefligkeit/ Herkules habe von ihrer un- vergleichlichen Tugend so gar keine Wissenschafft/ welche doch bereit uͤber Meer gesetzet/ und die weit abgelegenen Reiche erfuͤllet hat? Ach meine Fr. Schwester/ sagte sie alhie a- bermahl zu Fuͤrstin Sibyllen/ hoͤret doch/ bitte ich/ mit geduldigen Ohren an/ was ich hie vorbringe/ wie ichs dazumahl anhoͤren muͤssen/ was mein Herkules aus gar zu uͤberfluͤssiger Hoͤfligkeit vorbrachte. Warum entschuldiget sich meine Fr. Schwester so hoch/ antwor- tete Sibylla; ich darff ihren Zorn wider mich zureizen/ mich nicht erkuͤhnen/ sonst wolte ich leicht dartuhn/ wie grosse Ursach Groß Fuͤrst Herkules gehabt/ dasselbe zuehren/ wessen sich alle Welt verwundert; bitte aber sehr/ Eure Liebe wolle ihre so angenehme Erzaͤhlung foͤr- der nicht mit dergleichen unnoͤhtigen Entschuldigungen stoͤren/ damit mir die Zeit/ das Ende zuerfahren/ nicht geraubet werde; dañ mein Schlaf wuͤrde diese ganze Nacht nichts seyn/ wann ich ohn volkommene Wissenschafft von ihr scheiden solte. Ich solte meine Fr. Schwester wegen des uͤbermaͤssigen Ruhms abermahl billich zuͤchtigen/ sagte die Groß- Fuͤrstin/ aber mit Vorbehalt wil ich in meiner Erzaͤhlung fortfahrẽ. Ich war jensmahls bereit/ meinem Herkules das so gar unverdiente Lob zubeantworten/ aber meine Fr. Mut- ter redete ihm ernstlich ein: Herzlieber Sohn/ sagte sie/ dafern ihr nicht wollet/ daß ich un- willig auff euch werde/ und mein liebes Kind nicht gar von euch hinweg fuͤhren sol/ muͤsset ihr dergleichen unnoͤhtige und unzimliche Hoͤfligkeiten beyseit setzen; dann ihr seyd nicht bey fremden/ sondern bey naͤhesten Blutverwanten; sehet/ dieses mein Kind ist eures Herꝛ Vaters Schwester Tochter/ darumb sollet ihr sie als eine Schwester lieben/ und ihr nach diesem nimmermehr hoͤhere Ehre leisten/ als welche unter Bruͤder und Schwestern stat finden kan; wegert ihr euch aber dessen/ so handelt ihr meinem muͤtterlichen Geboht und Willen schnurgleich zuwider. Was meine gnaͤdigste Fr. Mutter mir befihlet/ antwortete er/ dem muß ich aus Pflicht gehorsamst nach setzen/ nur habe bey meiner Durchl. Frl. Wa- sen ich demuͤhtig anzuhalten/ ihre Liebe werde mir nicht zur Unhoͤfligkeit ausdeuten/ was a a a ij aus Sechstes Buch. aus Kindlichem Gehorsam zuleisten ich gezwungen werde. Hier kam mein Herr Vater wieder zu uns/ und redete mit Herkules von allerley neues/ was in Schweden sich zugetra- gen/ biß die Mahlzeit angerichtet ward/ da ich gleich gegen meinen Herkules uͤberzusitzen kam/ auff welchen ich etlicher massen einen Unwillen/ wegẽ mir angelegter Beschaͤmung/ geworffen hatte/ der sich aber von ihm selber verlohr/ uñ hatte nach dem ich niemahls das Herz/ ihm solches verweißlich vorzuhalten. Bey der Mahlzeit redeten wir beyderseits gar wenig/ sondern weideten die Augen fast immerzu einer an dem andern/ daß ich als blind mich nicht begreiffen kunte/ was mir wol oder uͤbel anstuͤnde. Wie aber mein Herkules sich seiner Vernunfft allemahl so bescheidentlich zugebrauchẽ weiß/ also besan er sich auch bald/ nam eine andere Art und seine gewoͤhnliche Freidigkeit an/ und ergetzete mit seinem holdseligen Gespraͤch meine Eltern/ daß ich mir einbildete/ er achtete meiner wenig/ oder wol gar nicht; dann so offt sichs begab/ daß er mit mir in Gegenwart anderer redete/ mach- te er wenig Worte/ und sahe mich fast nicht an/ daß ich druͤber in die Gedanken geriet/ ob ich ihn etwa unwissend beleidiget haͤtte/ oder er vielleicht etwas an mir saͤhe/ welches sein Gemüht von mir abwendete; aber wañ er allein mit mir zureden kam/ ward ich der furcht bald entladen; dann nachdem (allen unvermerkt/ das wahr seine Gewohnheit) er mir die Hand gekuͤsset hatte/ baht er bald darauff umb Verzeihung/ massen seine Maͤssigkeit und Zucht/ deren er sich noch diese Stunde gebrauchet/ ich uͤber alle seine andere Tugenden er- hebe; wiewol er nicht unterließ mir taͤglich zubeteuren/ daß seine Seele mir allein verbun- den waͤhre/ wann sie nur dessen koͤnte gewirdiget seyn. O wie offt nam ich mir vor/ ihm sol- ches mit behaͤglicher Antwort zuersetzen; dann (warumb solte ichs meiner Fr. Schwester verschweigen?) mein Herz wahr ihm so gar ergeben/ daß ich Tag und Nacht an nichts/ als nur an seine Holdseligkeit gedenken kunte; und gleichwol verzohe sichs etliche Tage/ ehe ich die Kuͤhnheit ergreiffen kunte/ ihm meine ehrenliebende Gutwilligkeit zubekennen/ biß ich endlich mich selbst uͤberwand/ und da er sehr instaͤndig umb Gewogenheit bey mir anhielt/ ihm dieses zur Antwort gab: Durchl. Fuͤrst; warumb wolte Eure Liebe an mei- nem guten Willen zweifeln/ da sie/ meines wissens dessen ja die allergeringste Ursach nicht haben? dann in Betrachtung unsers herkommens und Standes/ sind wir allerdinge ein- ander gleich/ und zwinget uns ja die nahe Verwandschafft zur vertraulichen guten Ge- wogenheit; bitte demnach/ mich hinfuͤro des Verdachts freundlich zuentheben/ als ob zu Euer Liebe ich ein anders/ als in Ehren hochgewogenes Herz tragen solte/ nachdemmahl ich dieselbe wol versichern kan/ daß sie an mir keine andere Freundin/ als an meinem Herr Bruder einen ergebenen Freund haben sol; welches so kuͤhn auszureden ich mich nicht scheuhe weil seine Tugend mich/ seine nahe Blutfreundin/ ihm umb so viel mehr verbind- lich gemacht hat. Dieser Erklaͤrung erfreuete sich Herkules/ wie ich eigentlich sahe/ von Herzen mit vorgeben/ sein Gemuͤht waͤhre nicht verstaͤndig gnug/ eine Antwort abzufas- sen/ durch welche er seine Vergnuͤgung an den Tag legen koͤnte/ und als er sahe/ daß meine Fr. Mutter sich zu uns nahete/ sagte er zum Beschluß; Sein Herz solte nun und nimmer- mehr einer andern Fraͤulein/ als mir zur Liebe und Bewohnung offen stehen/ dafern es nur wirdig waͤhre/ einen so treflichen Schaz in sich zufassen/ wolte auch meinem hochguͤn- stigen Erbieten gerne Glauben zumaͤssen/ wann ich nur sein geschehenes ansuchen noch zuꝛ zeit Sechstes Buch. zeit vor jedermaͤnniglich moͤchte verborgen halten; welche Erinnerung aber gar unnoͤtig wahr; dann haͤtte einiger Mensch ausser meiner getraͤuen Libussen dieser meiner Liebe iñe werden sollen/ wuͤrde mirsunertraͤglicher als der Tod selbst gewesen seyn. Jedoch halte ich wol/ daß mein Bruder unser Vorhaben in etwaß gespuͤret/ weil er aber gemerket/ daß dessen Meldung zutuhn/ meinem Herkules zuwider wahr/ halte ichs gaͤnzlich davor/ er ha- be seinem Herzen selbst gebohten/ es nicht zuwissen/ damit er ihm ja nicht moͤchte zuwider handeln. Ich wahr willens/ das obgeahnete ihm zubeantworten/ aber meine Fr. Mutter trat zu uns/ und fragete/ wovon wir mit einander Unterredung hielten; da ich ihr zur Ant- wort gab: Ich erkuͤndigte mich/ wie meine Frl. Wase/ Frl. Schulda in Schweden lebe- te/ und wie es beydes meinem Bruder und Oheim bißher daselbst ergangen waͤhre. Dei- nem Bruder und deinem Oheim? sagte sie; warumb nennestu Fuͤrst Herkules nicht auch deinẽ Bruder? nachdemmahl du ja weist/ daß er und Ladisla mir gleiche liebe Soͤhne sind/ und ich zwischen ihnen durchaus keinen Unterscheid mache; darumb soltu ihn forthin nit anders als deinen Bruder halten/ auch gleich jetzo solches mit einem zuͤchtigen wolzugelas- senen Kusse und schwesterlichen umfahen bestaͤtigen. Auff welchen Befehl ich mich darzu erkuͤhnete/ welches ohn ihre Gegenwart zutuhn/ ich das Herz nicht haͤtte haben koͤnnen; a- ber hier kunte ich ehrenhalben nicht anders/ da ich meinen Herkules also anredete: Weil die Erbarkeit mir gebeut/ meinen Eltern zugehorsamen/ als wird mein Herr Oheim mir nach diesem die Kuͤhnheit nicht verargen/ wann ich ihm den Bruder-Nahmen zulegen werde/ da hinwiederumb ich von ihm des Schwester Nahmens gewaͤrtig bin. Mein Her- kules wahr fast nicht bey ihm selber// so durchging ihn die Vergnuͤgung/ und weil ihm eh- renhalben anders nicht gebuͤhren wolte/ nahm er mich wieder zur Vergeltung in seine Ar- me/ da er dañ nach geliefertem zuͤchtigen Kusse zu mir sagete: Vortrefliches Fraͤulein; O wolte der Him̃el/ ich haͤtte einige Wirdigkeit an mir/ den suͤssen Bruder Namen von ihrer Liebe anzunehmẽ; nun weiß ich aber schon vorhin wol/ daß dieser mein Wunsch weiter als mein vermoͤgen reichet/ es waͤhre dañ/ dz dieselbe den Abgang meiner Geringfuͤgigkeit mit dem Reichtuhm ihres uͤberflusses eꝛsetzen wolte; jedoch werde ich mich nit scheuhẽ/ vor diß- mahl unverschaͤmt zuseyn/ und die mir zugelegte Ehre ihrer schwesterlichen hohen Gewo- genheit anzunehmen/ insonderheit/ weil meine gnaͤdigste Fr. Mutter dessen die Gebieterin ist. Ihr bleibet der ihr seid/ sagte sie zu ihm/ ungeachtet ihr von mir gnug vernommen habt/ wie sehr mir eure unmaͤssige Ehrerbietigkeit gegen mein Kind zu wieder ist/ werde auch nit unterlassen/ euch erster gelegenheit bey euren Eltern hieruͤber hart gnug anzuklagen. Ich hoffe gaͤnzlich/ antwortete er/ meine geliebte Eltern werden mir vielmehr gebieten/ meine wirdige Frl. Schwester zu ehren/ als sie mich darumb straffen solten; habe aber an eure Hocheit ich mich anderwerts versuͤndiget/ wil ich selbst lieber mein Anklaͤger seyn/ als duꝛch verleugnen mich der gebuͤhrlichen Straffe entbrechen; wie ich dann nicht zweiffele/ ihre Hocheit werde mich erstes Tages gnaͤdigst erlauben/ nach meinen Eltern zu reiten/ weil sie nach meiner gegenwart verlangen tragen/ uñ hoffe ich/ mein geliebter Bruder Ladisla wer- de nunmehr sich nicht wegern/ hieselbst zuverbleiben/ biß wir etwa unsere Ritterschaft fort- setzen moͤchten. Je mein herzen Sohn/ sagte sie; wollet ihr dann schon umb abscheid anhal- ten/ da ihr kaum mich gegruͤsset habet? was ist euch alhie so hart entgegen/ daß lasset mich a a a iij wissen/ Sechstes Buch. wissen/ auff daß es durch meine vorsorge verbessert werde; eure anwesenheit habe ich eu- ren Eltern schon zuentbohten/ welche auch wol zufrieden seyn werden/ wann sie eure Ge- sundheit/ und daß ihr wol überkommen seid/ vernehmen sollen. Meiner Gn. Fr. Mutter gehorsame ich billich/ antwortete er/ nur wolle dieselbe ja von mir die Gedanken nicht fas- sen/ als waͤhre mir an diesem Orte ichtwas zu wieder/ da ich so wol/ als bey meinen leibli- chen Eltern bin. Mein Bruder kam auch zu uns gangen/ und wurden wir eins/ hinunter in den Lustgarten zugehen/ da mein Herkules sich abermahl so fremde gegen mich bezeigete/ daß ich/ muß bekennen/ mich in seine stellungen nit zu schicken wuste. Des folgenden mor- gens sehr frühe/ befahl meine Fr . Mutter meiner Libussen/ daß sie meinen Bruͤdern weiß Leinengeraͤhte auff das Bette bringen/ und ich ihr solches aus meiner Lade geben solte; des- sen ich mich nicht wegerte; aber diese wolte es durchaus nicht hintragen/ es waͤhre dann/ daß ich mit ihr ginge; worzu ich mich endlich von ihr bereden ließ/ als die ohndas mein Herz in ihren Haͤnden hatte. Im hingehen sagte sie zu mir: Ach mein allerliebstes trauten Fraͤulein/ was habe doch eurer Gn. ich einen allerschoͤnsten Braͤutigam ausersehen/ wel- cher allein/ und sonst niemand in der Welt eurer Schoͤnheit wirdig ist. Meine wirdigkeit/ sagte ich/ erstrecket sich nicht so gar weit; aber wie hastu solches tuhn koͤñen/ weil du ja nicht von diesem Schlosse kommen bist? und meinestu wol so viel gewalt uͤber mich zu haben/ dz du mir nach deinem gutduͤnken/ einen mir vielleicht ungenehmen anfuͤgen woltest? O nein Libussa/ so weit erstrecket sich deine Herschaft nicht/ du muͤstest sonst hint diese Nacht eine gar großmaͤchtige Frau und Koͤnigl. Gebieterin worden seyn; dieses brachte ich mit sol- chem Scherzlachen vor/ daß sie meine zufriedenheit daher erkennete/ und merkete ich schon/ wo sie hinaus wolte/ lehnete mich auch meiner gewohnheit nach an sie/ welches ihr ein Zei- chen meines guten willens wahr/ daher sie in ihrer Kühnheit also fortfuhr: Ach mein aus- erwaͤhltes Fraͤulein/ ihr treflichster Weltschaz (so nennete michdie Schmeichlerin) wie meinet dann eure Gn. ich werde derselben etwa einen schlechten unbenahmeten Fuͤrsten zu freien? O nein; er ist der allerschoͤnste/ allertugendreichste und allervolkommenste/ der je- mahl von Menschen erzeuget ist; eben derselbe ist es/ von dem alle so ihn kennen/ diese Urtel fellen/ er werde in kurzem der ganzen Welt ein Wunder seyn; und was schenket ihr mir/ mein Fraͤulein/ daß ich seinen Nahmen/ seinen Helden-nahmen nenne? Sihe da/ sagte ich/ was hastu dann wol hinte vor einen wunderstatlichen Menschen im Traum gemahlet/ und unter was vor einen Nahmen wiltu ihn springen lassen? Ja freilich ists ein wunderstat- lich gemahltes/ aber lebendiges Bilde/ antwortete sie/ aber der Himmel selbst hat ihn an die Welt gestellet. Hierauff nahm sie Kreide/ und schrieb diese Buchstaben H. R. K. L. S. an die Wand/ mit bitte/ ich moͤchte diese stum̃en durch etliche selbstlautende lebendig machen; Und als ich sagete/ ich wuͤste mich in ein so schweres Raͤtzel gar nicht zu findẽn/ brach sie also loß: Ach was ist doch der Groß Fuͤrstliche junge Herr und naͤhester Erbe des allermaͤch- tigsten Teutschen Reiches ein vortreflicher erkenner/ eurer Durchl. Schoͤnheit/ welche ihm sein Herz dergestalt bestricket/ daß er seine Begierden an nichts/ als an euren liebreichesten Augelein weidet. Schweige du Naͤrrin/ antwortete ich/ daß ja kein Mensch deine Reden vernehme/ du muͤstest sonst aller meiner Hulde in ewigkeit entsetzet seyn/ und an mir deine grausamste Feindin haben; und hastu mich zu dem Ende mit auffgesprochen/ werde ich dir keinen Sechstes Buch keinen Fuß weiter folgen. Dieses brachte ich mit solchem ertichteten Ernste vor/ daß sie hoͤchlich erschrak/ und mit wehemuͤhtigen Worten umb verzeihung baht/ vorwendend/ es waͤhre ihr Scherz/ und haͤtte sie nicht gemeinet/ daß sie mich damit so hart erzuͤrnen koͤñen/ sonst wolte sie es wol haben stecken lassen/ da es niemand als die Goͤtter finden koͤnten; wo- durch ich mich dann beguͤtigen lies/ ihr alle verzeihung versprach/ als ob es nicht geschehen waͤhre/ und mit ihr/ biß an meiner Bruͤder Kammertuͤhr ging/ welche sie so leise aufzuma- chen wuste/ daß niemand dessen inne ward; und weil sie beyde noch fest schlieffen/ legte sie ihnen das Geraͤhte unvermerkt zu ihren Füssen/ trat leise wieder zu mir heraus/ und berich- tete/ daß sie noch im harten Schlaffe laͤgen; daher ich auff ihr anhalten mich erkuͤhnete/ mit ihr vor das Bette zu treten/ da mein Herkules vorne an schlieff/ hatte den linken/ biß uͤber den Ellenbogen entbloͤsseten Arm heraus gelegt/ und war nicht anders als ein Gemahleter Engel in sehr freundlicher Gestalt anzusehen. Ich bekenne euch/ meine Fr. Schwester/ daß seine dazumahl verschlossene Augen mein Herz mit spitzigeꝛn Stralen durchschossen/ als sei- ne in liebe brennende noch nie getahn hatten/ und dauchte mir unmoͤglich seyn/ lange zu le- ben/ wo ich seiner Liebe nicht bald vergewissert wuͤrde/ daher ich als in der Liebe entzücket voꝛ ihm stehen blieb/ und mit unverwendetem Gesicht ihn anschauete/ endlich wieder meinen Willen einen tieffen Seufzer aus dem innersten meiner Seele gehen ließ/ daß mir leide wahr/ sie wuͤrden davon erwachet seyn. Die verschlagene Libussa merkete wol/ wo mich deꝛ Schuch druͤckete/ wolte mich doch in meiner Betrachtung nicht stoͤren/ aber als sie meinen Seufzer hoͤrete/ winkete sie mir/ und gingen wir ihnen unvermerket wieder davon/ zwar ich meines teils/ nur mit dem Leibe/ dann die Seele blieb bey meinem Herkules. Auff dem ruͤk- wege/ da Libussa meine vorige gewogenheit sahe/ baht sie mich sehr bewaͤglich/ ihr zu offen- bahren/ warumb ich mich doch uͤber ihre vorige Rede so sehr geeiffert haͤtte; die Goͤtter waͤhren ihre Zeugen/ daß es nicht aus boͤser meynung geschehen/ koͤnte auch mit ihrem ein- faͤltigen verstande nicht absehen/ daß solches meiner Ehr und standes Hocheit im gering- sten abbruͤchig waͤhre; verdroͤsse michs aber vielleicht/ daß sie den allerschoͤnsten liebreichstẽ Fuͤrsten so hoch ruͤhmete/ moͤchte ich nur gnaͤdigst bedenken/ daß er mein so naher Anver- wanter waͤhre/ den ich uͤberdz/ nach eigenwilliger geheimer anvertrauung/ zum lieben Bru- der auffgenommen haͤtte. Ich merkete sehr wol/ was vor Raͤnke das verschlagene Taußes hatte/ und sie hiedurch nur forschete/ mir hinter die Kuͤnste/ oder daß ichs eigentlich sage/ hinter meine allerheimlichste Heimligkeit zukommen/ dessen ich mich aber nicht merken ließ/ sondern ohn alle bewaͤgung zu ihr sagete; Vielleicht erfaͤhrestu die Ursach in kurzem/ wel- che dir und allen Menschen noch zur Zeit verborgen ist und seyn muß; darumb huͤte dich/ daß du mir hievon nichts sagest/ biß ich selbst anheben moͤchte/ dann wirstu mir schon recht geben mũssen. Worauff sie dieses Faß wol zuzuschlagen wuste. Mein Herkules aber/ wie fremde er sich gleich in beyseyn andrer stellete/ begunte doch etwas kühner zu werden/ und schwaͤtzete mir unter allerhand verdecketen reden so viel vor/ daß ich daher seine verliebeten Geister wol abnehmen kunte/ und mich doch als eine Unverstaͤndige merken ließ/ biß er sich etwas deutlicher erklaͤrete/ da zohe ichs alles auff eine Bruͤderliche Gewogenheit/ und ver- sicherte ihn hinwieder meiner Schwesterlichen Traͤue/ wodurch er alsbald abgeschrecket ward/ mir sein Gemuͤht weiter zueroͤffnen/ biß er einsmahls mit mir allein im Garten her- umb Sechstes Buch. umb ging; O ich weiß noch den Ort/ den Tag und die Stunde so gar eben/ ist mir auch kein Woͤrtlein seines vorbringens entwischet. Er stund eine zeitlang in Gedanken/ und als mit Furcht beladen/ seine Farbe enderte sich zu unterschiedlichen mahlen/ brach doch endlich sein schweigen/ und nachdem er mir die Hand nicht ohn Seuffzen sehr inbruͤn- stig gekuͤsset hatte/ ließ er diese Reden an mich abgehen: Durchleuchtigstes Fraͤulein/ verzeihet/ bitte ich/ eurem an Leib und Seel zueigen ergebenen Knechte/ daß er vor euch diß- mahl sein Herz auszuschütten/ durch die allerhitzigsten/ jedoch nit minder keuschen Flam- men/ gezwungen wird; Meine Seele/ wie unwirdig sie auch seyn mag/ hat dannoch in eu- re unvergleichliche Schoͤnheit sich dergestalt verliebet/ daß mir tausendmahl ertraͤglicher ist/ den Tod und alle Pein anzugehen/ als die sehnlichen Begierden in mir zudaͤmpffen; Ich rede von nichts anders/ mein Fraͤulein/ als was Zucht und Ehre zum Grunde hat/ und verfluchet sey mein Herz vor aller Welt/ wann es etwz anderssuchet/ oder begehret. Dar- umb/ O ihr meiner Seelen innigste Wollust/ verzeihet doch eurem Knechte/ daß er in die- ser Jugend auff Liebe gedenken darff/ der ihm sonst vorgenommen hatte/ wann eure Vor- treftigkeit in der Welt nicht waͤhre/ sein ganzes Leben ohn eheliche Liebe zuverschliessen/ und seine Seele ohn Hinterlassung trauriger Waͤysen und Wittib/ in den Waffen auffzuge- ben; aber bloß nur die unvergleichliche Valiska hat diesen Muht in mir gebrochen/ vor deren Trefligkeit alles weichen muß. Ich suche nicht/ mein Fraͤulein/ mich in kindlichen Jahren ins Ehebette zusetzẽ/ so wenig mir lieb seyn wuͤrde/ dz einiger Mensch in der Welt/ ohn allein sie/ wissen oder nur argwohnen solte/ daß umb Liebe ich mich schon bemuͤhen duͤrffte; dann haͤtte ich die gebuͤhrlichen Jahre erlanget/ wuͤrde ich mich unterstehen/ bey Ihrer Liebe Eltern und Bruder selbst zuerhalten/ was ich vor mein hoͤchstes Gut in die- ser Welt schaͤtze; aber meiner Jugend stehet solches nicht an. Ja mein Fraͤulein/ ich haͤtte noch diese Gewalt uͤber mich selbst erzwingen wollen/ auch ihrer Liebe meine Flammen zu verbergen/ wann nicht die furcht mich antriebe/ da moͤglich/ vorzubauen/ daß nicht einan- der vor meinen maͤnlichen Jahren dasselbe erstreitẽ moͤge/ welches schon die naͤheste Ernd- te aller Liebligkeit zeiget. Dieses machet mich kuͤhn/ O mein Seelichen/ dieses macht mich verwaͤgen/ O meine Vergnuͤgung/ mich selbst zuuͤberwinden/ und die bißher anhaltende Schahm in so weit zuruͤk zulegen/ daß Ihre Liebe ich von Grund meiner Seele bitte/ mir hochgeneiget anzudeuten/ ob meine Unwirdigkeit von ihr koͤnne verdecket/ und meine in- bruͤnstige Liebe/ als eines kuͤnfftigen Braͤutigams angenommen werden; alsdann verspre- che ich derselben an aͤidesstat/ und aus wolbedachtem Muht und Willen/ daß ihrer Vor- trefligkeit ich Zeit meines Lebens als ergebenster Knecht dienen und auffwarten wil. Sol- te aber derselben meine Wenigkeit nicht koͤnnen annehmlich seyn/ wolan/ so verpflichte ich mich auch hiemit bestaͤndigst/ daß ihre Liebe ich mit solcher ungenehmen Anmuhtung wei- ter nicht beschwerlich seyn/ sondern nach empfangener Urtel dieser meiner Verwaͤgenheit/ mit ja so froͤlichem Herzen die Volstreckung an mir selbst verrichten wil/ als lieb und an- genehm ihr die Hintertreibung eines so mutwilligen Frevelers seyn kan und mag. Hie- mit schwieg er stille/ und erwartete meineꝛ Antwort/ die ich so schleunig bey mir nit einrich- ten kunte; welches er vor ein boͤses Zeichen annam/ und also fortfuhr: Warumb schwei- get mein Fraͤulein so gar stille/ und laͤsset mich ohn einige Antwort? Ist die Urtel uͤber mein Ver- Sechstes Buch. Verbrechen in ihrem hochvernuͤnfftigen Gemuͤhte schon abgefasset/ so wil ich die Stand- hafftigkeit nehmen/ sie nicht allein anzuhoͤren/ sondern ihr ohn auffschieben ein genuͤgen zu leisten/ es waͤhre dañ/ daß sie von einem Menschen nicht koͤnte verrichtet werden. Ich kun- te mich noch nicht begreiffen/ wessen ich mich erklaͤren solte/ wiewol meine Seele den unbe- waͤglichen Schluß schon vor dieser seiner Anmuhtung abgefasset hatte; endlich sagete ich zu ihm: Durchleuchtigster Fuͤrst/ warumb dringet Eure Liebe in dieser meiner kindlichen Jugend so stark in mich/ und zwar auff ein Ding/ welches ihr nach diesem leicht gereuhen duͤrffte? gestaltsam ich meine Unvolkommenheit in guter Erkaͤntniß habe/ und mir daher nichts so hart zuwider seyn kan/ als das gar zu ungebuͤhrliche Lob/ welches Eure Liebe nicht ohn meine Beschaͤmung mir aufleget/ und ich zu mehr gelegener Zeit davor Abtrag fodern werde. Vor dißmahl erinnere ich nur Eure Liebe/ wie leicht sich es zutragen koͤnne/ dz sein Herz durch weit groͤssere Schoͤne und Volkommenheit an einem andern Orte moͤchte ein- genommen werden/ da mein Herr Bruder dann zugleich sich und mich verfluchen wuͤr- de/ daß meinetwegen er aus seiner eigenen Schuld/ seines willens nicht leben koͤnte. Je- doch diesen fall ausgesetzet; wie kan in so weit ich mich selbst versprechen/ die ich doch nicht mein selbst eigen/ sondern unter meiner Eltern Gewalt bin/ und es demnach bey ihnen muͤ- ste gesuchet werden. Aber auch dieses beyseite getahn/ weil Eure Liebe/ daß sie es noch zur Zeit daselbst nicht suchen koͤnne/ mit ihrer jetzigen Jugend zu aller gnüge entschuldiget hat; nur bedenke mein Fuͤrst/ ob ein so junges unverstaͤndiges Fraͤulein/ welche kaum das 13de Jahr ihres Alters vor sieben Wochen hinter sich gelegt/ auf dergleichen ansuchen schahm wegen antworten duͤrffe; insonderheit/ die bißher weder von Liebe weiß/ noch von der Liebe ichtwas gehoͤret hat. Ich erkenne ja Euer Liebe gutes Herz gegen mich; seine Auffrichtig- keit zihe ich nit in zweifel; seine Wirdigkeit lieget noch heller am Tage. Nun ich setze dage- gen/ was ich im innersten meines Herzen/ als das allerverborgenste trage/ und nicht gerne wolte/ daß einiger Mensch ausser uns beyden es hoͤren solte/ nehmlich/ ich liebe den Durch- leuchtigsten Fuͤrsten Herkules mehr und inniglicher als meinen leiblichen Bruder/ und scheinet fast/ daß meine Fr. Mutter ein gleiches tuhe/ nicht ohn meines Bruders Vergnuͤ- gung/ als der seinen Herkules uͤber sich selbst liebet. Ich erkuͤhne mich noch weiter zubeken- nen/ daß mir unmoͤglich seyn wird/ des Durchl. Fuͤrsten Herkules Abscheid erdulden zu koͤnnen/ welcher mich vor seine Schwester gewirdiget hat/ dessen ich mich sonst unwirdig weiß. Die Goͤtter sind meine Zeugen/ daß wann der Himmel Eure Liebe mir zum leiblichẽ Bruder gegeben haͤtte/ ich die ewige Jungfrauschafft geloben/ und von meinem Bruder nimmermehr/ auch nicht in offener Feldschlacht weichen wolte; daher sol kein Mannes- bilde in Ewigkeit nicht bey mir erhalten/ daß ausser Herkules ich ihn lieben solte. Ich sahe eigen/ daß er hiedurch auffs allermerklichste in seiner Seele geruͤhret ward/ welches die Froͤligkeit seines Angesichts nicht verbergen kunte/ daher ich diese verwaͤgene Kuͤhnheit gebrauchete/ daß nach Zulassung eines bruͤderlichen zuͤchtigẽ Kusses/ ich ihn bey der Hand fassete/ und dieses Geluͤbde taht: Duklarer und keuscher Himmel/ unter welchem wir in reiner Liebe stehen/ hoͤre du selbst meine Reden an/ und biß ein unbetrieglicher Zeuge des- sen/ was ich anjezt diesem Durchl. Fuͤrsten auff sein innigliches ansuchen/ umb seine Gei- ster zubefriedigen/ verspreche: Kein Mensch in aller Welt/ ist mir lieber/ als Herkules; kein b b b Man- Sechstes Buch. Mannesbilde sol meinen Willen beherschen/ als dieser geborne Groß Fürst der Teutschen. Hastu dann/ O du goͤttliche versehung/ ihn mir dereins zum Gemahl zugeordnet/ und koͤn- nen die meinen/ unter welchen ich bin/ darein gehehlen/ so wil ich diese himlische Verord- nung vor meine Vergnuͤgung schaͤtzen; solte ich ihm aber/ da er ungeendert auff meiner Liebe beharren wuͤrde/ nicht zu teile werden koͤnnen/ wie dann die faͤlle sich wunderlich zu- tragen/ so gelobe ich doch auffs wenigste hiemit an/ mich nimmermehr in den Ehestand zu begeben/ sondern in dieser heiligen Liebe/ und versprochenen Traͤue bestaͤndig zuverharren/ so daß weder Furcht noch Angst; weder Zwang noch Geschenke; weder Troz noch liebko- sen; weder Noht noch Tod mich davon abwenden sol; und breche ich dieses Geluͤbde/ so straffet mich ihr himlischen und hellischen Goͤtter als einen Fluch/ ohn alle Barmherzig- keit; jedoch/ unter diesem Bedinge/ daß ich dieses zuleisten ungehalten bin/ da etwan Fuͤrst Herkules/ welches ich ihm nit zugetraue/ sich von mir solte lassen abwendig machen/ wel- ches die Goͤtteꝛ an ihm ungestraffet nit lassen wuͤrdẽ. Mein Herkules stund vor mir als ent- zuͤcket/ und wolte sich in die Knie setzen/ ich aber wehrete ihm/ mit dieser Bedraͤuung/ da- fern er solches taͤhte/ wolte ich ohn Anhoͤrung seiner Antwort von ihm hinweg gehen/ und seine Gegenwart auffs fleissigste meiden; welches dann sein Vornehmen brach/ und re- dete er solcher gestalt. Mein herzallerliebstes Fraͤulein/ es sol der heutige Tag zeit meines Lebens von mir hochfeirlich begangen werden/ an welchem ich den groͤssesten Schaz dieser Welt in Hoffnung empfangen habe/ dessen mich zubegeben/ keine menschliche Gewalt/ Wiz noch Beredsamkeit bey mir erhalten sol. O mein allerholdseligstes Engelchen/ wie weit uͤber hoffen bin ich vergnuͤget; wie weit uͤber Verdienst und Wirdigkeit wede ich ge- liebet. O ihr guͤtigen Goͤtter/ gebet gebet/ bitte ich/ daß keine Schlange sich zwischen unsere Seelen eindringe/ sondern erhaltet dieses geknüpfte Band/ so daß zu rechter Zeit und nach eurer Versehung/ unsere Liebe zum wirklichen Genieß kommen und gelangen moͤge. Ich wuͤnschete dieses mit in meinen Gedanken/ aber wer mir damahls gesagt haͤtte/ daß solches zu Charas in Parthen haͤtte sollen zum ersten mahle erfuͤllet werden/ wuͤrde mir sehr trau- rige Zeitung angemeldet haben. Es fuhr aber mein Herkules also fort in seiner Rede: Mein Fraͤulein wolle sich nunmehr erinnern/ was gestalt ihre Fr. Mutter in unterschied- lichen verdecketen Reden sich hat vernehmen lassen/ wie angenehm ihr unsere schierkuͤnff- tige Heyraht seyn wuͤrde. So gebuͤhret mir ja an meines lieben Bruders Ladisla Bewilli- gung nicht zuzweifeln; dann was koͤnte/ in Betrachtung unser Freundschafft/ ihm ange- nehmer seyn? Unter diesem Vorbringen gingen unsere zuͤchtigen Kuͤsse zimlich durchein- ander/ und wahr ich schon so kuͤhn/ daß ich mirs vor eine Unhoͤfligkeit auslegete/ wann ich ihm einen einzigen solte haben unvergolten gelassen. Endlich loͤsete er mir ein schwarzes seidenes mit Silber durchwirketes Band von meinem Leibe ab/ und als ich fragete/ aus was Ursachen solches geschaͤhe; antwortete er: Dieses allerliebste Band sol mir/ als lan- ge ich aufser meiner Fraͤulein Ehe lebe/ ein taͤgliches Denkzeichen der jetzigen teuren Ver- heissung seyn/ wil ihr auch solches nicht wieder einhaͤndigen/ biß ich die Hoffnung habe/ sie erstes Tages zuehelichen. Ich gab zur Wiederantwort: Das elende Band waͤhre viel zu unwirdig/ den Nahmen solcher Gedaͤchtniß zutragen/ baht demnach/ mir es wieder zu- zustellen/ vielleicht koͤnte vor seinem Abzuge ich ihm noch wol ein besseres einreichen. Ach mein Sechstes Buch. mein Fraͤulein/ sagte er/ lasset mir/ bitte ich/ dieses liebe Band/ weil es wirdig gewesen ist/ ihren allerschoͤnsten Leib zuumfassen/ und nehmet von mir dieses Ringelein zum Gegenge- daͤchtniß an/ welches meine geliebte Fr. Mutter mir angestecket/ da ich von ihr schiede; je- doch bitte ich/ es hinzulegen/ daß es von meinem Ladisla nicht gesehen werde/ dann ich habe hoͤchstwichtige Ursachen/ ihm unsere Liebe noch zur Zeit zuverbergen. Eben diese Ver- schwiegenheit/ sagete ich/ ist mein einiger Wunsch; nam den Ring mit einer Schamroͤh- te/ ließ ihm das Band ohn fernere Einrede/ und verhieß/ bey kuͤnfftiger gluͤklicher Einlie- ferung es mit einer gewissen Anzahl Kuͤsse einzuloͤsen/ steckete ihm auch einen Ring an/ uñ sagete: Dabey gedenke mein Fuͤrst und Bruder seiner Valisken/ ja der seinen/ sage ich/ da- fern es durch der Goͤtter Almacht und unserer Eltern Widerspenstigkeit (dessen ich keines hoffen wil) nicht gehindert wird. Also wahr unser Ehe Verloͤbniß fester geschlossen/ als ich mir selber einbilden kunte/ wiewol ich sie viel fester wuͤnschete; und lebeten wir in solcher keuschen Zucht beyeinander/ sonderlich wann wir allein wahren/ daß je laͤnger wir mit ein- ander umgingen/ je mehr sich einer vor dem andern schaͤmete. Fuͤrstin Sibylla baht umb Verzeihung/ und fragete/ ob dann Groß Fuͤrst Herkules ihr das Leib Band auch wieder zugestellet haͤtte. Ja/ sagete sie/ zu Charas auff meinem Schlosse habe ichs von seinen Haͤn- den empfangen/ so weit hat er mirs nachgeschleppet/ bin daher auch/ vermoͤge meiner Zu- sage/ gehalten gewesen/ ihm bald darauff das eheliche Beylager zugoͤnnen/ dessen ich an die- sem meinem allerliebsten Herkuliskus (welchen sie auff der Schoß hielt) Beweißtuhms gnug habe; Ich haͤtte aber schier vergessen/ meiner Fr. Schwester zumelden/ dz bald dar- auff meine Libussa das Band an meinem Leibe vermissete/ ging stille schweigens hin/ holete ein anders/ und sagete nach ihrer Verschlagen heit zu mir: Gnaͤdigstes Fraͤulein/ ich bitte untertaͤhnigst/ mir zuvergeben/ daß ich heut vergessen habe/ Ihrer Gn. das Leibband umb- zubinden; und ohn weiteres Wortsprechen legete sie mir ein schneeweisses an/ mit guͤlde- nen Faͤden durchzogen/ da ich vor freuden nicht unterlassen kunte/ mit einem lachen zu ihr zusagen: O du leichtfaͤrtiger Sak/ wiewol ist dir bewust/ daß du mir schon eines umgebun- den hast; nur woltestu gerne wissen/ wohin es kommen sey; aber so gut sol dirs nicht wer- den/ es fey dann/ daß du auff den Abend es in drey mahlen errahten wirst. Ja/ antwortete sie/ wann ich nur die Freiheit haben mag/ nach Willen zurahten/ wil ich den Groß Fuͤrstli- chen jungen Herrn zuallererst nennen/ ob derselbe es etwa ohngefehr moͤchte abgeloͤs-wol- te sagen/ gefunden haben. Ich gab ihr darauff einen gelinden Backenschlag/ aus welchem sie meine Gewogenheit zuurteilen pflegete/ und fing sie darauff an zubitten/ ob ich etwa ei- ner getraͤuen und verschwiegenen Dienerin benoͤhtiget waͤhre/ moͤchte ich keine andere als sie waͤhlen; redete mir auch den Abend (dann sie muste stets bey mir schlaffen) so bewaͤg- lich zu/ daß ich meines Herkules ansuchen/ aber nicht mein getahnes Versprechen ihr of- fenbahrete/ da sie dann durch allerhand kraͤfftige Ursachen suchete mich zubereden/ daß ich solche Liebe ja nicht ausschlagen vielweniger verachten solte/ in betrachtung/ daß kein andeꝛ Fuͤrst der Welt mit diesem zuvergleichen waͤhre; welches ich zwar mit einem lachen an- hoͤrete/ aber doch den Angel/ welchen ich schon eingeschlukt hatte/ nicht verbergen kunte; wie sie dann des morgens mir vorhielt/ daß ich im Schlaffe allerhand Liebes Reden ge- pflogen/ und unter andern geruffen haͤtte: O Herkules/ Herkules/ was vor ein Feur habt b b b ij ihr Sechstes Buch. ihr in meiner Seele angezuͤndet/ welches mich entweder beglükseligen oder verbrennen wird. Und erhielt sie bey mir in kurzer Zeit/ daß ich ihr mein ganzes Herz in dieser Liebessa- che sehen ließ/ so gar/ daß ich manniches ehrliebendes Liebe-Gespraͤch mit ihr hielt/ da sie Herkules stelle zimlich zuvertreten wuste; muß auch bekennen/ daß nach dessen Verlust sie mein einiger Trost und Auffenthalt meines Lebens gewesen ist/ so daß naͤhst Gott ich ihr zu danken habe/ daß ich nicht durch Verzweifelung mir selbst Gewalt angeleget; einmahl ist gewiß/ daß ohn ihre taͤgliche Troͤstungen ich meines allerwerdesten Schatzes Verlust nicht haͤtte ertragen koͤnnen. Es ist aber nunmehr Zeit/ meinen unlieblichen Erzaͤhlungen die Endschafft zugeben/ und mit einander die Nachtruhe einzunehmen/ weil diese Zeither das vielfaͤltige Getuͤmmel und die staͤtige Gaͤstereyen unsern Schlaff sehr gestoͤret haben; A- ber diese Ruhegedanken vergingen ihr bald/ weil Euphrosyne ihr die Zeitung brachte/ Fr. Therba empfuͤnde die Geburtswehe/ bey welcher sie dann die ganze Nacht mit behten zu- brachten/ weil es ihr schwer ankam/ biß sie gegen Morgen eines jungen Soͤhnleins genase. Desselben Tages ward die oͤffentliche Verloͤbniß mit Herr Skaurus und Frl. Helenen gehalten/ wurden auch des Abends ehelich beygeleget/ da der Stathalter ein Schreiben von seinem Bruder aus Rom/ dieses Inhalts bekam: Freundlicher geliebter Bruder; daß es dir samt den lieben deinen nicht allein wolgehet/ son- dern auch dein teurer Schwieger Sohn mit seinem unvergleichlichen Gesellen Groß Fuͤrst Herkules/ nach wolv errichteter Erloͤsung ihrer Schwester und Gemahl frisch und gesund wiederumb bey dir angelanget/ erfreuet mich sehr. Die Gefahr und Befreyung meiner lieben Tochter/ hat mir Angst uñ Freude erwecket; erkenne dem streitbahren Schwedischen Fuͤrsten mich davor verbunden; da auch hochgedachter Koͤniglicher Fuͤrst eheliche Liebe bey meinem Kinde/ wie gemeldet wird/ suchet/ und du es vor gut und rahtsam achtest/ sol sie ihm zu ehren unversaget seyn; wollest mir demnach weiter schreiben/ was vorgehen wird/ damit ich der Vermaͤhlung/ wo moͤglich/ selbst beywohnen/ und meine Tochter nach Standesgebuͤhr aussteuren moͤge. Kaͤyserl. Hocheit duͤrffte ehist auffbrechen/ die Pan- nonischen Grenzen zubesichtigen/ und ihren Weg auff Padua zu nehmen/ insonderheit/ da Ihr der hochgedachten Herren gluͤkliche Wiederkunfft vorkommen solte. Gehabe dich wol/ und melde der Hoch Fuͤrstlichen Geselschafft/ nebest anderu Anverwanten und Freunden meinen Gruß und Dienste an. Ich bin und verbleibe dein getraͤuer Bruder Markus Fabius. Nach Verlesung rief er seine Tochter und Fr. Sibyllen zu sich/ und sagete zu ihnen: Lieben Kinder/ jezt wird guter Raht sehr teur seyn/ und mag den besten geben/ der ihn hat; dann mein Bruder/ wie ich aus diesem seinen Schreiben vernehme/ kan in Fuͤrst Sieg- wards Heyraht durchaus nicht einwilligen; nicht daß er ihn dessen unwirdig achte/ son- dern/ weil er schon einem andern sein Kind versprochen hat/ da Kaͤyserl. Hocheit nicht al- lein Freywerber gewesen/ sondern durch ihn der Schluß geschehen ist/ welcher durch kein Mittel kan auffgeruffen werden; und erfreuet mich noch in diesem herben Ungluͤk/ daß wenig Menschen Wissenschafft drumb haben/ daß meine Tochter Sibylla schon ins E- hebette getreten/ kan auch wol vertuschet werden/ und muß der Fuͤrst mit der vier oder fünfftaͤgigen Niessung zufrieden seyn/ nachdem er euch/ geliebtes Kind/ doch nicht behaltẽ kan. Der frommen Fürstin wahr nicht anders zumuhte/ als haͤtte man ihr die lezte Todes- Urtel gesprochen/ sagte daher zu Fr. Sophien: Ihr wisset/ herzliebe Fr. Schwester/ wie sehr ich euch gebehten/ das Beylager biß auff meiner lieben Eltern Bewilligung auffzu- schie- Sechstes Buch. schieben/ da hingegen ihr mich deren gutheissen stets versichert habt; nicht rede ich solches/ euch etwas vorzuwerffen/ sondern mich zuentschuldigen/ daß meine Eltern vorbeyzugehen ich nicht willens gewesen bin. Nachdem aber nun meinem werten Fuͤrsten ich durch Prie- sters Hand einmahl zugefuͤhret/ und die Ehe allerdinge volzogen ist/ sol mein Gott mich schon davor bewahren/ daß ich in Ehebruch einwilligen wolte; sondern weil man GOtt mehr als Menschen gehorchen muß/ wil ich entweder meinen Fuͤrsten behalten/ oder froͤ- lich und wolgemuht sterben. Kaͤyser und Eltern moͤgen hierunter nach belieben waͤhlen/ wann nur mein herzgeliebeter Fuͤrst ausser Noht und Gefahr bleibet/ welchen ich gleich jezt erinnern wil/ sich stuͤndlich aus dem Staube zumachen; mit mir schicke es mein Gott nach seinem Willen; eins weiß ich wol/ daß ein ander Mannesbilde mich nimmermehr lebendig auff solche weise beruͤhren sol. Unter dieser Rede gab Fabius seiner Tochter durch winken zuverstehen/ daß es Scherz wahr/ deswegen nam sie die Antwort auff sich/ und sa- gete: Herzliebe Schwester/ es ist mir dieses Unglük sehr leid/ und weiß nit/ wie man dem- selben begegnen sol; Ich frage aber nur/ ob das Beylager schon biß heut waͤhre aufgescho- ben/ wolte sie auff diese ihres Herrn Vaters Erklaͤrung wol ruͤkfaͤllig werden/ und dem Fuͤrsten die Zusage auffruffen? nimmermehr bilde ich mir solches ein/ weiß auch ver- sichert/ der Fuͤrst wuͤrde sich damit nicht haben befriedigen lassen. Ist demnach das ergan- gene nicht anzuklagen/ sondern das kuͤnfftige zubetrachten/ worin ich doch wenig Raht weiß; dann was wil man gegen den Kaͤyser einwenden? Euer Herr Vater hat es dero Hocheit in die Haͤnde übergeben/ und kans nicht wiederruffen; so mag auch solche Hey- raht wol ehe als die unsere geschlossen seyn. Ey so last es immerhin so wichtig und gefaͤhr- lich seyn/ antwortete Sibylla/ ich kan ja noch mit meinem Blute bezahlen/ seyd nur bemuͤ- het/ meinen liebsten Gemahl in gute Sicherheit zubringen/ in Betrachtung/ daß vor we- niger Zeit er nicht allein euer Leben/ sondern auch eure Ehre gerettet hat. Ja meinet ihr/ sagte Fr. Sophia/ euer Gemahl werde euch verlassen/ und seine Sicherheit suchen? das sind alles vergebliche Gedanken; dann was euch begegnet/ wird gewißlich ihm auch wie- derfahren muͤssen. Hiemit nam sie das Schreiben aus ihres Vaters Haͤnden/ und lase daraus/ als waͤhre dieses der Begriff: Geliebter Bruder; ich habe dein Schreiben gelesen/ und zwar mit hoͤchstbetruͤbtem Herzen; muß zwar gestehen/ daß wann der Sachen Beschaffenheit es lei- den koͤnte/ ich diesem wirdigen Fuͤrsten mein Kind fast schuldig waͤhre; weil aber Kaͤyserl. Hocheit bey mir selbst Anwerbung getahn/ sie dem vornehmen Roͤmischen Herrn und tapfferen Helden/ Rit- ter Prokulus zuverheirahten. Als Fr. Sibylla den Nahmen Prokulus hoͤrete/ merkete sie den Auffzug alsbald/ fas- sete den Stathalter bey der Hand/ welche sie ihm kuͤssete/ und sagte zu ihm: Komt Herr Vater/ lasset uns wieder nach der Geselschafft gehẽ/ daselbst wollen wir Kaͤyserl. Hocheit/ und meines Herrn Vaters Gesundheit/ uñ des elenden Stuͤmpers Prokulus Ungesund- heit trinken; der Auffzug ist schon verrahten/ und aller Angstschweiß mir abgewischet; dañ Prokulus ist noch lange der Mann nicht/ nach dem meine liebe Eltern sich groß umsehen solten. Aber Fr. Schwester/ ich gelobe euch hiemit im rechten Ernste/ daß ich mich in kur- zem an euch raͤchen wil/ solte ich auch aller meiner guten Freunde Raht darzu gebrauchẽ. Der Stathalter kuͤssete sie freundlich/ und sagete: Geliebte Tochter; ich erfreue mich eu- b b b iij res Sechstes Buch. res guten Verstandes/ und gebe euch mit euer Schwester zusammen/ wann ich nur ausser Gefahr bleibe; reichete ihr damit das Schreiben zulesen/ und erinnerte seine Tochter/ da- hin zusehen/ daß das Hochzeit Fest gegen des Kaͤysers Ankunfft angesetzet wuͤrde/ weil H. Pompejus ohn zweiffel inwendig solcher Zeit auch wuͤrde gegenwaͤrtig seyn; gingen her- nach wieder zu der Geselschafft/ und brachten den Tag froͤlich zu/ weil es einem jeden nach Wunsch erging. Des folgenden morgens als die Fuͤrstliche Geselschaft aus der Christlichen Versam- lung wieder nach des Stathalters Hofe fuhren/ und Groß Fuͤrstin Valiska im rechten aus- hange saß/ begegnete ihr ein fremder Ritter zu fusse/ hinter welchem zween aͤdle Juͤnglinge als Diener hertraten/ der sie sehr ehrerbietig gruͤssete/ und auff Teutsch zu ihr sagete: Die Goͤtter schuͤtzen euch/ O schoͤnste der Welt/ und seyn einem from̃en Fuͤrsten gnaͤdig/ der eu- retwegen im groͤsten Elende lebet. Es daͤuchte sie/ diesen Ritter ehmahls gesehen zu haben/ hieß ihren Gutscher stille halten/ und gab ihm zur Antwort: Mein Freund/ ich bedanke mich eures guten wunsches/ und bitte/ er wolle sich kund geben/ dann wo ich nicht irre/ habe ich ihn vor diesem gesprochen/ weis aber nicht wo. Durchl. Groß Fuͤrstin/ antwortete er; Als Klogio der Sikambrer ihre Durchl. zu Prag begruͤssete/ bin ich/ sein Gefaͤrte Fara- bert/ nicht weit davon gewesen/ und wuͤrde mir eine sonderliche Gnade seyn/ wann bey der- selben ich auff ein halb Stuͤndichen Gehoͤr erlangen koͤnte/ und zwar in geheim/ ohn aller Menschen vorwissen. Der Groß Fuͤrstin kam solche Anmuhtung etwas fremde vor/ und antwortete ihm: Mein Freund/ ich habe noch keinem Menschen Gehoͤr versaget/ wuͤrde auch ihm solche nicht wegern/ wañ ich wuͤste/ wessen ich mich zu ihm zuversehen haͤtte; aber einem unbekanten und in etwas verdaͤchtigen so gar einsam zu hoͤren/ moͤchte ich leicht be- denken tragen. Durchleuchtigste Groß Fuͤrstin/ sagte er/ ich bin ein ehrlicher auffrichtiger Fraͤnkischer Ritter/ und waͤhre billich verflucht/ wann mit einiger unbilligkeit ich schwan- ger ginge/ moͤchte auch wol leiden/ daß hundert Menschen bey meiner verhoͤrung umb mich waͤhren/ wann sie nur unsere Teutsche Sprache nicht verstuͤnden/ wiewol ich nicht bedacht bin/ ichtwas vorzubringen/ daß eurer Durchl. im wenigsten koͤnte nachteilig seyn. Ich bin willig/ antwortete sie/ euch zu hoͤren/ und werdet ihr auff den Nachmittag umb zwey Uhr auff jenem neuerbaueten Hofe euch anfinden/ da ich mich gleichergestalt werde einstellen. Er bedankete sich mit wenigen/ und daß er unfehlbar erscheinen wolte. Nun haben wir im andern Buche dieser Geschichte vernommen/ was gestalt der Franken- und Sikambrer Koͤnig/ Herr Hilderich diesen Ritter Farabert nach Padua gesendet/ sich ingeheim daselbst auffzuhalten/ ob er der geraubeten Fraͤulein Valisken Zustand erfahren koͤnte; welcher dann/ solches desto besser zuverrichten/ sich in einer Herberge gegen des Stathalters Hofe uͤber auffhielt/ uñ sich vor einen Teutschen von Adel Roͤmisches Gebiets ausgab/ umb desto sicherer zu seyn. Ladisla aͤdler Leibknabe Tullius hielt sich stets zu Padua auff bey Fr. So- phien/ mit welchem dieses Ritters aͤdler Juͤngling Anther Kundschaft machete/ ging viel mit ihm umb/ und gerieten dadurch in vertrauliche Freundschaft mit einander/ welches al- les auff Faraberts getrieb zu dem Ende geschahe/ daß er desto besser der unsern Zustand in der fremde erfahren koͤnte/ wie dann eben durch dieses mittel er alles dessen innen ward/ wz Fr. Sophien von den unsern zukam/ so gar/ daß ihm die vermuhtliche Heyraht zwischen Herku- Sechstes Buch. Herkules und Valisken des andern Tages angemeldet ward/ als Leches die Schreiben von den unsern nach Padua brachte/ und wie es sonst umb das zu Charas gefangene Fraͤulein stund/ welches alles er seinem Koͤnige Hilderich getraͤulich zuschrieb/ auch bald hernach/ was vor Voͤlker aus Teutschland/ Boͤhmen und Italien den unsern in die Morgenlaͤn- der zugeschicket waͤhren; Aus welchen allen dieser hochverstaͤndige Koͤnig nichts anders/ als die gewisse Ehe zwischen Herkules und dem Fraͤulein schliessen kunte/ und es zwar be- seufzete/ aber doch mit der himlischẽ Versehung friedlich wahr/ weil ohndz sein lieber Sohn Markomir noch im̃erzu als ein Wahnwitziger in Ketten und Gefaͤngnis verwahret ward. So bald nun unsere Helden aus den Morgenlaͤndern zu Padua anlangeten/ hielt sich Fa- rabert stille und eingezogen in seiner Herberge/ aus furcht/ er moͤchte von Fr. Valisken odeꝛ von Libussen/ (welche ihn zu Prag gesehen hatten) erkennet werden/ ließ aber seinen Wal- ther geschwinde nach seinem Koͤnige reiten/ und demselben allen Zustand der unsern an- melden/ welcher zu seinem Gemahl sagete: Wir muͤssen mit der Goͤtter schickung zufrie- den seyn/ und vor gewiß halten/ es sey dieses vortreflichste Fraͤulein der Welt niemand an- ders/ als dem loͤblichen Fuͤrsten Herkules bescheret gewesen/ welches wir zum teil aus un- sers wahnwitzigen Sohns Reden zuerkennen haben; nur wollen wir die guͤtigen Goͤtter anflehen/ daß sie unserm Sohn gnaͤdig seyn/ und seinen Verstand ihm wieder zuwenden wollen/ da er noch eine zeitlang leben sol. Es hatte vor zehn Tagen sich ein Gallischer Arzt bey dem Koͤnige anmelden lassen/ welcher uͤber die 30 im Haͤupt verstoͤrete Menschen gluͤk- lich geheilet/ und zu voͤlliger Vernunft wiedergebracht hatte/ begehrete auch den jungen Fuͤrsten zu sehen und seinen mangel recht zubetrachten/ welches ihm aber erst vor zween Tagen gegoͤnnet ward/ da er dann befand/ daß hochnoͤhtig waͤhre/ ihm vernuͤnftige Leute zuzuordnen/ welche/ wann er etwas ruhig waͤhre/ gebührlich mit ihm zureden wuͤsten/ in- sonderheit solte man ihm vortragen/ daß Fuͤrst Herkules todes verblichen/ und Fraͤulein Valiska nicht allein bey den ihren gesund wiedeꝛ angelanget/ sondern ihm auch mit sondeꝛ- licher Hulde zugetahn waͤhre; Hierbey gebrauchte er seine Kunst/ ließ ihm die Ader sprin- gen/ gab ihm innerliche Arzney ein/ und schmierete ihm eine kraͤftige Salbe an beyde seiten des Haͤupts/ welches schon zimliche wirkung taht/ so daß die rasichte Wuht/ die ihn taͤglich aufftrieb/ sich legete/ wie wol er in seinen reden keine vernunft spuͤren ließ. Als nun Wal- ther obgedachte Zeitung von Valisken Heyraht und wiederkunft nach Padua dem Koͤni- ge anmeldete/ kam dieser Arzt gleich darzu/ und zeigete an/ es wuͤrde dem jungen Fuͤrsten zu seines verstandes wiederbringung sehr dienlich s eyn/ wann man bey dieser Groß Fuͤrstin erhalten koͤnte/ daß ungemeldet ihrer getahnen Heyraht/ sie ihm ein freundliches Brief- lein zuschreiben moͤchte/ in welchem sie sich gegen ihn zu aller freundschaft und Schwester- lichen Liebe erboͤhte. Sein Vater der Koͤnig ließ solches bey schleunigster Eile an Farabert gelangen/ welcher solches zu werben/ vor dißmahl bey der Groß Fuͤrstin umb verhoͤrung anhielt. Als er sich nun zur ernenneten Zeit einstellete/ empfing ihn Valiska (welche ihrem Gemahl und Bruder sein begehren schon verstaͤndiget hatte) gar freundlich/ und in Gal- lus/ Klodius/ und Markus gegenwart/ welche die Teutsche Sprache nicht verstunden/ hies sie ihn seine Werbung ungescheuhet vortragen/ welche sie anzuhoͤren bereit und willig waͤhre. Worauff er also anfing: Durchleuchtigste Hochgepreisete Groß Fuͤrstin/ gnaͤdig- ste Sechstes Buch. ste Frau; unter andern hohen und lobwirdigen Tugenden/ welche eure Durchl. in dieser ihrer Jugend schon durch den groͤsten teil der Welt beruͤhmt gemacht haben/ ist nicht die geringste/ daß ihren aͤrgesten Feindẽ zuvergeben/ und der Elenden sich anzunehmen/ aus getrieb ihrer angebohrnen guͤtig- und barmherzigkeit/ sie so gar willig und bereit ist/ wo- durch sie dann ihren Stuel den himlischen Goͤttern schon sehr nahe gesetzet hat. Nun weis ich nit/ ob ihrer Durchl. es mag kund getahn seyn/ was gestalt meines allergnaͤdigsten Koͤ- niges Herr Sohn/ der Durchleuchtigste/ anjetzo leider! allerelendeste Fuͤrst Markomir/ bald nach eurer Durchl. gewaltaͤhtige entfuͤhrung/ umb dero Heyraht zum andernmahl anwerbung getahn/ und durch die hochbetruͤbte Zeitung ihres verlustes/ in so tieffe und schwermuͤhtige traurigkeit und bekuͤmmernis gerahten/ daß er endlich seiner Vernunfft beraubet ist/ und in banden muß verwahret werden/ woran seine Koͤnigliche Eltern ein un- aussprechliches Herzleid sehen/ und vor grosser betruͤbnis kaum zubleiben wissen. Es hat sich aber vor weniger Zeit ein beruͤhmter Arzt bey ihnen angemeldet/ und zur wiederbrin- gung des jungen Fuͤrsten Gesundheit den trostlosen Eltern gute Hoffnung gemacht/ dessen Arzney die himlischen Goͤtter gesegnen wollen; und ist desselben wolmeintlicher Raht und gutduͤnken/ es wuͤrde kein Ding in der Welt seinen Pflastern und anderen Arztneien staͤr- kere Kraft mitteilen/ als wann ihre Durchl. gnaͤdigste Groß Fuͤrstin/ sich dieses elenden wizlosen jungen Fuͤrsten in so weit erbarmen/ und durch ein freundliches Brieflein seine zuschlagene uñ nidergedruͤckete Geister wolte helffen auffrichtẽ; welches wie ihrer Durchl. es weder Schimpff noch Schaden bringen kan/ sondern vielmehr zu groͤsserer ausbreitung ihres Lobes dienen wird/ also wird dieselbe dadurch meinen Großmaͤchtigsten Koͤnig sich dergestalt verbunden machen/ daß er mit rechtschaffener vaͤterlicher neigung derselbẽ wird zugetahn und ergeben seyn; daß ich geschweige/ was vor Ruhm uñ Ehre derselben zuwach- sen wird/ wann durch dieses mittel/ sie dem jammervollen Fuͤrsten seinen Verstand; den traurigen Eltern ihren Sohn; und dem Franken- und Sikambern Volke ihren kuͤnftigen Beherscher wieder geben wuͤrde. Dieses/ Durchleuchtigste Groß Fuͤrstin/ habe auff mei- nes Koͤniges begehren/ kraft dieses Befehl-brieffes (welchen er der Groß Fuͤrstin ehrerbie- tig einlieferte) vortragen sollen/ nicht zweifelnd/ eure Durchl. werde solches gnaͤdigst ver- merken/ und sich nicht wegern/ demselben seine Gesundheit und menschlichen Verstand wie- der zubefodern/ der bloß allein aus gar zuheftiger Liebesbegier nach eurer unvergleichlichen vortrefligkeit/ solches aͤdle Kleinot verlohren/ und einem unvernuͤnftigen Vieh fast aͤhn- lich worden ist. Womit er unter traurigen geberden seiner Rede die Endschaft gab. Die Groß Fuͤrstin ließ nicht weniger bey seinem vorbringen ihr mitleiden sehen/ und nach ver- lesung des Brieffes antwortete sie also: Mein Freund/ Herr Farabert; das unverdienete Lob/ welches in seiner Rede er mir zulegen wollen/ muß ich billich von mir ablehnen/ uñ doch seine gute gewogenheit daraus erkennen; sonst mag er sich wol versichern/ daß der leidige Unfal/ welcher den Durchleuchtigsten Koͤniglichen Fuͤrsten/ Herrn Markomier getroffen/ mir nicht weniger zu herzen stosset/ als saͤhe ich denselben gegenwaͤrtig an meinem leiblichẽ Bruder/ insonderheit aber schmerzet michs uͤber die masse/ daß ich dessen eine Ursach sol ge- halten oder genennet werden/ daher ich weder Gefahr/ noch muͤhe und kosten sparen wolte/ wann ich einiges ehrenbilliches Mittel zubedenken wuͤste/ den lieben Fuͤrsten/ dem ich in warheit Sechstes Buch. warheit Schwesterliche Hulde trage/ von seinem Ungluͤk zuerledigen; warumb solte ich mich dann wegern/ dessen Liebe mit einem Schreiben zubegruͤssen. Ich habe aus seinem vornehmen zur gnuͤge verstanden/ daß dieser euer Fuͤrst mir von herzen gewogen gewesen/ wuͤrde mich auch nicht gewegert haben/ seinem ehrliebenden ansuchen stat zugeben/ wann ich nicht schon vorhin mich an den Durchleuchtigsten Groß Fürsten/ Herrn Herkules/ meinen jetzigen Gemahl aͤid-ehelich verspꝛochen gehabt/ welches doch dazumahl meine leib- liche Fr. Mutter nicht wuste/ ich auch lieber hundert tausendmahl haͤtte sterben/ als solches Geluͤbde bꝛechen wollen/ dessen verknuͤpfung so fest gewesen/ daß michs auch/ unter der alleꝛ- groͤssesten gefahr/ von dem grossen Koͤnige Artabanus in Parthen loßgetrieben/ und mei- nem versprochenen Gemahl mich geliefert hat. Ich habe von eures Fuͤrsten/ meines gros- sen und lieben Freundes Unfal etwas in Persen erfahren/ und sint der Zeit seine Liebe mei- nem Almaͤchtigen wahren Gott in meinem taͤglichen Gebeht vorgetragen/ zweiffele auch nicht/ derselbe werde meine Seufzer erhoͤren/ und die Mittel zu des treflichen Fürsten Ge- sundheit gnaͤdig verleihen. Ihr solt euch aber/ mein Freund/ gar nicht scheuhen/ meinem Gemahl dieses euer Ansuchen zu offenbahren/ sondern versichert seyn/ daß derselbe nicht minder als ich/ oder als sein getraͤuester Bruder ihm zu helffen/ bemuͤhet seyn/ und sich ganz glükselig schaͤtzen werde/ wann er darzu einige Gelegenheit haben mag. So werde ich mich nun zu demselben hin machen/ ihm euer billiches begehren anzumelden/ uñ da derselbe euch etwa zu sich fodern wuͤrde/ habt ihr ihm zu trauen als eurem Koͤnige selbst. Farabert hoͤrete diese freundwilligkeit mit hoͤchster verwunderung an/ kuͤssete ihr die Hand/ welche sie ihm darboht/ und wolte seine Dankrede kniend verrichten/ welches sie ihm doch keines weges gestatten wolte/ sagete/ es gebuͤhrete ihr kein Dank/ ehe und bevor sie etwas dankwirdiges geleistet haͤtte; ging zu ihrem Gemahl und Bruder/ zeigete ihnen alles an/ und erhielt leicht bey ihnen/ daß er zur Abendmahlzeit gebehten/ und an den Fuͤrstlichen Tisch/ als eines gros- sen Koͤnigs vornehmer Raht uñ Diener gesetzet ward/ da dañ Herkules mit solcher freund- ligkeit ihm begegnete/ daß er sich daruͤber sehr verwunderte/ demselben alle elende begeben- heit des jungen Frankischen Fuͤrsten erzaͤhlete/ und daß er willens waͤhre erstes tages wie- der nach seinem Koͤnige zu reisen. Des folgenden Tages umb den Nachmittag ward er von Herkules und seinem Gemahl wieder vorgefodert/ und von ihm also angeredet: Mein Freund/ Herr Farabert; ich kan nit unterlassen/ ihm zubezeugen/ wie schmerzlich des hoch- benahmten ritterlichen Fuͤrsten Herrn Markomirs Unfal mir zu herzen gehet/ insonder- heit/ daß mein liebstes Gemahl/ wiewol ganz wieder ihren willen/ darzu Ursach geben muͤs- sen; wolte Gott/ ich wuͤste mittel und wege zuerdenken/ seiner Liebe Gesundheit wieder zu- erhalten/ ob mirs gleich etliche viel Tonnen Goldes/ ja mein Blut kosten solte. Mein Ge- mahl hat nicht unterlassen wollen/ an seine Liebe zuschreiben/ Gott helffe/ daß es ersprießlich sey. Was sonsten in diesen Wetschern vermacht ist/ werdet ihr unbeschweret seyn/ meiner Gn. Fr. Mutter/ der Fr. Koͤnigin/ im nahmen meiner Gemahl einzuliefern/ und solches als einen aus Asien mitgebrachten Beutpfennig/ zum gedaͤchtnis und beweißtuhm alles moͤglichen Kindlichen gehorsams; zu dessen uͤberbringung euch zween Maul Esel sollen zu- gestellet werden. Dem Großmaͤchtigsten Koͤnige und Herrn/ Herrn Hilderich/ wollet ihr meinen Kindlichen und bereitwilligsten gehorsam anmelden/ und daß in seinem schweren c c c Hauß- Sechstes Buch. Haußungluͤk dessen Koͤnigl. Hocheit/ ihrem hochweisen und tapfferen Helden-verstande nach/ einen muht fassen/ dem Almaͤchtigen Gott stille halten/ und von demselben unfehlbah- re Huͤlffe gewertig seyn wolle; ich würde es unter meine hoͤchsten gluͤkseligkeiten mit rech- nen/ wann ihrer Hocheit Angesicht zusehen/ ich nach diesem die Ehre haben solte/ als deren hoher Nahme durch alle Welt berühmet ist. Solte auch Gottes barmherzigkeit/ wie ich hoffe/ über den Durchl. Gtoß Fuͤrsten/ Herrn Markomir zur Gesundheit walten/ bitte ich/ mir solches ehist zuzuschreiben; endete hiemit seine Rede/ und schenkete diesem Frankischen Ritter eine schwere guͤldene Kette/ ein par Armbaͤnder und andere ritterliche Kleinot/ auf 8000 Kronen wert/ nebest 4000 Kronen baar/ uͤber welcher Freygebigkeit er sich entsetze- te. Die Groß Fuͤrstin wiederhohlete schier ein gleichmaͤssiges/ uñ sragete ihn/ als im scher- ze/ ob er ein Liebste haͤtte; woruͤber er erroͤhtete/ und gerade zu mit ja bekennete; da sie also fortfuhr: So muͤsset ihr derselben ein Zeichen meiner gutẽ gewogenheit uͤbrberingen; rei- chete ihm auch allerhand Kleinot/ auff 6000 Kronen wert/ und sagete: Wann ihr mir zuꝛ guten Zeitung zuschreiben werdet/ daß der liebe Fuͤrst Herr Markomir genesen sey/ wil ich euch solches mit 10000 Kronen baar ersetzen; stellete ihm endlich den Brief an den jun- gen Fürsten zu/ wobey etliche eingewickelte Kleinot wahren/ und im Vorhofe ließ sie ihm ein trefflich geputzetes Schneeweisses Reitpferd zufuͤhren/ nebest einen mit guͤldenen Tuͤ- chern beladenen Maul Esel/ alles vor den jungen Fürsten/ daneben sie anzeigete/ daß 2000 Kronen dabey befindlich waͤhren/ dem Gallischen Arzt einzuhaͤndigen/ nebest dem Ver- sprechen/ daß auff kuͤnfftige Gesundheit des jungen Fuͤrsten ihm gedoppelt so viel solte ü- bergemacht werden. Da dann Farabert hoͤflichen Abscheid nam/ voller Hoffnung zu sei- nes Fuͤrsten Gesundheit. Sonst brachten die unsern die hinterstelligen 20 Tage biß zu dem angesezten Hoch- zeit Feste/ mit aller zulaͤssigen Lust hin/ da der junge Sulpitius/ nebest Klodius und Mar- kus/ auch ihren Eheliebesten nach Rom reiseten/ die ihren zubesuchen/ bey denen Herkules und Ladisla an Urban den Bischoff daselbst/ 50000 Kronen/ behuef der armen Christen; an ihren alten Wirt Sabihn 4000; an den Arzt Galehn 1000 Kronen/ und an Herrn Zinna/ sein Gemahl und Tochter/ viel Kleinot auff 12000 Kronen wert uͤbermacheten/ und unterließ Fuͤrstin Sibylla nicht/ an ihre vertrauete Freundin Frl. Virginia/ Herrn Aquilius Tochter zuschreiben/ da sie ihr dann ihre und Lukrezien Heyraht zuwissen mache- te/ und sie auff das Hochzeit Fest einladeten/ sendete ihr auch sehr schoͤne Kleinot über. Heꝛ- kules und Ladisla unterliessen nicht/ an Kaͤyserl. Hocheit zuschreiben/ und entschuldigten sich zum hoͤchsten/ daß ihrem Versprechen nach/ sie derselben/ wegen eingefallener Entfuͤh- rung ihrer Frl. Schwester/ zu Rom nicht haͤtten auffwarten/ noch die schuldige Danksa- gung vor erzeigete hohe Kaͤyserl. Gnade mündlich ablegen koͤnnen/ erbohten sich danebẽ/ vor ihrem Abzuge solches zuleisten/ und verpflichteten sich zu ihrer Hocheit Diensten/ uͤber- sendeten auch des Kaͤysers Mutter Fr. Mammeen sehr koͤstliche Kleinot/ und allerhand Persische Seidene/ silberne und guͤldene Tuͤcher/ daneben vier Tonnen Schaz/ gemuͤnze- tes Parthisches Goldes. Dem Kaͤyser aber 20 Parthische Handpferde mit koͤstlichem Zeuge geputzet/ welches uͤber 4 Tonnen Goldes austrug/ wahr auch bey jedem Pferde ein Parthischer Leibeigener/ von den leztgefangenen Werbern/ in guͤlden Stuͤk gekleidet. Klo- dius Sechstes Buch. dius und Markus nahmen alles zu sich/ und unter der Begleitung von 300 Reutern zo- gen sie geschwinde fort/ biß sie zu Rom gluͤklich anlangeten/ da man sie anfangs nicht ein- lassen wolte/ und gleichwol wahren sie nicht willens/ ihre Herren zumelden/ darumb gaben sie sich bey der Wache an/ sie waͤhren von dem Stathalter zu Padua an dessen Bruder Herrn M. Fabius abgeschicket/ kahmen auch unter diesem Schein fein durch/ kehreten bey T. Bellizius ein/ welcher Klodius Schwester Mann wahr/ und wurden von den ihrẽ sehr wol und freundlich empfangen. Bey Herr Fabius gaben sie sich noch desselben Tages an/ welcher mit seinem Gemahl sich schon zu der Reise fertig gemacht hatte/ hoͤrete auch mit Freuden die loͤblichen Tahten und Fuͤrstlichen Tugenden ihres geliebten Schwieger- Sohns. Er wahr einuͤberaus reicher Herr/ wolte auch solches vor dißmahl erscheinen lassen/ indem er seiner Tochter Schmuk gegen kuͤnfftige Hochzeit auff Koͤniglich zurichtẽ ließ/ der sich auff 6 Tonnen Goldes belief. Er hielt aber vor dißmahl dienlich/ daß Klodius und Markus sich noch desselben Tages bey dem Kaͤyser und seiner Fr. Mutter angeben liessen/ weil das Geschrey von der Helden Wiederkunfft vor wenig Tagen ausgebrochen waͤhre/ machte sich auch selbst nach dem Kaͤyserl. Hofe/ und gab an; es haͤtten die Teut- schen Fuͤrsten/ Koͤnig Ladisla und Groß Fuͤrst Herkules ihre Leute von Padua hergesand/ welche umb allergnaͤdigstes Verhoͤr bey Ihrer Kaͤyserl. Hocheit und dero Fr. Mutter/ alleruntertaͤhnigst anhielten. Der Kaͤyser vernam dieses gerne/ ließ seine Mutter zu sich bitten/ und befahl/ daß die Gesanten alsbald vorgefuͤhret wuͤrden/ da Klodius diese Rede hielt: Allergroßmaͤchtigster Unüberwindlichster Kaͤyser/ Allergnaͤdigster Herr; wie auch Großmaͤchtige Durchleuchtigste/ gnaͤdigste Frau; Meine gnaͤdigste Herren/ die Durch- leuchtigste Großmaͤchtige/ Herr Ladisla/ Koͤnig in Boͤhmen/ und Herr Herkules/ Groß- Fuͤrst und naͤhester Erbe Teutschlandes/ auch erwaͤhleter Fuͤrst des Landes Susiana/ ent- bieten Eurer Kaͤyserl. Hocheit und Hoch Fuͤrstl. Wuͤrde/ ihren untertaͤhnigen Gruß/ und bereitwilligste Dienste; entschuldigen sich mit dem Unfal ihrer Fr. Schwester und Ge- mahls/ wegen ihrer ehmahligen Nicht-einstellung/ wie ihre Schuldigkeit sonst haͤtte erfo- dern wollen/ und uͤbersenden Ihrer Hocheit dieses Schreiben. Der Kaͤyser bedankete sich des geschehenen Grusses und freundlicher Anerbietung seiner lieben und wirdigen Herrẽ Bruͤder und Freunde/ hielte die getahne Entschuldigung vor uͤberflüssig/ erfreuete sich ih- rer gluͤklichen Wiederkunfft/ und hoffete sie vor ihrem Abzuge zusprechen/ und bessere Kund- und Freundschafft mit ihnen zumachen; brach das Schreiben/ und nach Verle- sung sagte er; Er moͤchte wuͤnschen/ daß sie die Muͤhe auff sich genommen haͤtten/ uñ selbst uͤberkommen waͤhren/ alsdann wuͤrde er ihnen das Geleite von Rom ab/ biß an ihre Gren- zen gegeben haben; nun aber moͤchte sichs vielleicht zutragen/ daß er sie vorher zu Padua besuchete. Klodius antwortete: es würde ihren Gnn. Herren solches zuvernehmen/ die allergroͤste Vergnuͤgung und Freude seyn. Nun hoͤrete der Kaͤyser die auff den innern Plaz gestellete Handpferde/ und fragete seine anwesende Diener/ was solches bedeutete/ dz man die Pferde daher gefuͤhret haͤtte? worauff Klodius zur Antwort gab: Unuͤberwind- lichster Kaͤyser; meine obhochgedachte Gnaͤdigste Herren uͤbersenden Ihrer Hocheit et- liche aus Parthen/ Meden/ Persen/ Hirkanien/ und andern Asiatischen Fuͤrstentuhmen mitgebrachte Pferde/ und Parthische aͤdelgebohrne gefangene Leibeigene/ untertaͤhnig c c c ij bittend/ Sechstes Buch. bittend/ Ihre K. Hocheit wolle dieselben als ein Zeichen ihrer durch Gottes Gnade daselbst erlangeten Ehr und Beute/ mit hochgeneigetem Herzen von ihrer Hand annehmen/ und allezeit ihr hochgewogener Kaͤyser verbleiben. Es hat den teuren Helden nicht so wol er- gehen koͤnnen/ antwortete der Kaͤyser/ daß ichs ihnen nicht besser wuͤnschen und goͤnnen sol- te/ und haben unsere Beamten in Syrien schon schrifftliche Meldung getahn/ was gestalt der Persische Fuͤrst Artaxerxes bloß durch dieser Helden Raht uñ unuͤberwindliche Faust/ des Parthers Artabanus Macht gebrochen/ dessen eigentlichen Verlauff wir von ihnen in kurzem einzunehmen verhoffen. Ging hin/ und besahe die koͤstlich geputzeten muhtigen Pferde/ unter denen insonderheit zwey Skytische schneeweisse vorne an stunden/ mit guͤldenen Huefeisen und Gebiß/ auch so uͤberaus statlichen Decken/ mit den außerlesensten Indischen Perlen reichlich besticket/ an denen Sattel und Zeug von lauter Demanten glaͤnzete/ daß der Kaͤyser anfing: In Warheit/ dieses ist gar zu ein grosser Beutpfennig/ dessen Vergeltung wir noch nicht absehen koͤnnen. Befahl den Leibeigenen auffzusitzen/ und die Pferde zu tummeln/ an deren sehr guter Abrichtung er ein grosses Wolgefallen hatte. Der Kaͤyserlichen Mutter überschikte Wagen/ deren Pferde mit koͤstlichen guͤlde- nen Zeuge beleget waren/ kamen auch herzu/ welche Markus also einlieferte: Großmaͤch- tige/ Durchleuchtigste/ Gnaͤdigste Frau; Meine Gnaͤdigste Frauen/ die Durchleuchtigste Groß Fuͤrstin Fr. Valiska/ Groß Fuͤrst Herkules Gemahl/ und die auch Durchleuchtig- ste Fr. Sophia/ des Boͤhmischen Koͤniges/ Herrn Ladisla Gemahl/ haben Ihrer Hoch- Fuͤrstl. Wuͤrde ein geringes Gedaͤchtniß ihres untertaͤhnigen/ gehorsamen und kindlich- ergebenen Willens/ von der Parthischen eroberten Beute uͤbersenden wollen/ untertaͤhnig bittend/ solches von ihren bereitwilligsten Haͤnden hochgeneigt und gnaͤdig anzunehmen/ und ihre hochgeneigete und gnaͤdige Frau und Mutter stets zubleiben. Es ist des vereh- rens schon zu viel an dem gemacht/ antwortete sie/ daß nicht allein die teure Fuͤrsten kurz nach Eroberung des Raubnestes mir übergeschicket/ sondern auch meine herzgeliebete Fr. Tochter/ Fr. Sophia mir unlaͤngst selbst eingeliefert hat/ und muß nun zum dritten mahl durch Annehmung so grosser Geschenken mich wider meinen Willen unhoͤflich erzeigen jedoch/ weil die Wegerung meinen hochgeliebeten Freundinnen und Toͤchtern ungenehm und widrig seyn wuͤrde/ wil ich ihnen gehorsamen; bedanke mich der Ehren freundlich/ und hoffe in meiner bißher unbekantẽ Fr. Tochter der treflichen Groß Fuͤrstin Kundschaft schier zukommen. Als die Guͤter abgeladen wurden/ und sie so grosse Schaͤtze an Kleinotẽ/ Gold und Tuͤchern funden/ ward der Kaͤyser fast unwillig/ daß er auch zusagen sich nit ent- halten kunte; Diese Fuͤrsten wollen uns mit Gewalt zum unhoͤflichen machen; dann wo- mit sollen so grosse Schaͤtze doch vergolten werden? Nachdem aber er vernam/ was vor grossen Reichtuhm sie mit sich gebracht hatten/ gab er sich zufrieden/ uñ befahl Anordnung auff seine Reise zumachen/ dann er wolte am dritten Tage hernach auffbrechen. Herr M. Fabius stund ihm zur seiten/ berichtete/ was gestalt sein Schwieger Sohn der Koͤnigliche Schwedische Fuͤrst Siegward/ innerhalb 12 Tagen das Hochzeit Fest mit seiner lieben Tochter/ auch Groß Fuͤrst Herkules einiger Bruder/ Fuͤrst Baldrich/ mit Herꝛ K. Pom- pejus Tochter/ zu Padua halten wuͤrden/ und baht untertaͤhnigst/ Ihre Kaͤyserl. Hocheit/ und dero Fr. Mutter moͤchten allergnaͤdigst geruhen/ diesem Ehrenwerke beyzuwohnen. Dem Sechstes Buch. Dem der Kaͤyser zur freundlichen Antwort gab: Ja mein lieber Getraͤuer/ es sol euch ver- sprochen seyn; machet nur Anordnung/ daß alles zur Reise verfertiget werde/ wie es unser Hocheit gebuͤhret; Wir werden diesen Fuͤrsten zuehren uns uͤber unsere Gewohnheit klei- den (dann dieser Kaͤyser stets in schlechten Kleidern auffgezogen kam) zweifeln auch nit/ unsere Fr. Mutter werde die Muͤhe zur Reise gerne uͤber sich nehmen. Wie sie dann sich willig darzu erboht. Diesen Abend musten Klodius und Markus bey dem Kaͤyser Mahl- zeit nehmen/ die nicht unterliessen/ ihrer Herren Ruhm und Tahten zuerzaͤhlen/ insonder- heit was von ihnen in Schlachten und absonderlichen Kaͤmpffen vorgangen wahr; da al- le anwesende wuͤnscheten/ Herkules moͤchte den ungeheuren Gamaxus zum schauen mit uͤbergebracht haben. Des folgenden Morgens legten sie ihre Werbungen und überge- brachte Sachen/ anfangs bey dem damahligen Roͤmischen Bischoff Urban ab/ nachge- hends bey Sabihn und Galehn/ endlich auch bey Herrn Zinna/ welcher sich zugleich freue- te und schaͤmete/ daß der hochberuͤhmte Herkules sein ehemaliger Oedemeier und Leibei- gener waͤhre; wie nicht weniger sein Gemahl und Tochter/ welche die uͤbergeschikte koͤstli- che Sachen mit grossem Dank annahmen/ wiewol die gute Frau sich sehr unmuhtig be- fand/ daß Herkules geheirahtet/ und vor diesem sie mit Vorschuͤtzung seiner Unmoͤgligkeit abgespeiset haͤtte/ daher ihr unmoͤglich wahr/ sich bereden zulassen/ daß sie mit ihrem Ge- mahl und Stief Tochter nach Padua auff die Hochzeit gezogen waͤhre/ sondern wendete eine eꝛtichtete Leibesschwacheit ein/ uñ blieb daheim. Nun haͤtte Klodius mit seinen Freun- den und Anverwanten/ denen seine Eheliebste grosse Verehrungen taht/ sich gerne noch eine zeitlang ergetzet/ aber seinen Herren die gebuͤhrliche Traͤue zuerweisen/ nam er des an- dern Morgens nach seiner Ankunfft von ihnen Abscheid/ und verließ/ daß sie mit seiner Lie- besten und mit Markus nach Padua uͤberkommen solten; machte sich mit 12 Reutern ge- schwinde fort/ umb zuberichten/ daß Kaͤyserl. Hocheit mit einer grossen Geselschaft sich bey der Hochzeit wuͤrde finden lassen. Gleich da er zu Padua in der Morgenstunde ankam/ ward dem Stathalter daselbst die Zeitung gebracht/ Herr K. Pompejus Stathalter von Elia oder Jerusalem/ waͤhre ausgestiegen/ und kaͤhme mit Gutschen und beladenen Wa- gen an; dessen Fr. Lukrezie sich herzlich erfreuete/ erhielt auch leicht/ daß die gesamte Fuͤrst- liche Geselschafft sich in einerley trefliche Kleidung ausputzeten/ und ihm entgegen zogen. Herkules und Ladisla macheten das erste; Baldrich und Siegward das andere; Arbianes und der junge Fabius (der schon abwesend in den Roͤmischen Raht erkohren wahr; das dritte; Skaurus und Pupienus das vierdte Glied. Ihnen folgeten vier kleine statliche Reit Gutschen; In der ersten wahr die Groß Fuͤrstin und Lukrezie; In der andern Fr. So- phia und Sibylla; In der dritten Fr. Ursul und Helehn; In der vierden Beata/ Gallus Ehe Liebste und Lektoria/ Lukrezie aͤdle Leib Jungfern/ mit den beyden jungen Herrlein/ Her- kuliskus und Herku Ladisla. Ihnen folgeten 50 Teutsche und Boͤhmische Reuter in trefli- cher Zierde/ welche von Leches und Neda gefuͤhret wurden. Da sie eine grosse Teutsche Meile von Padua wahren/ sahen sie den Stathalter von ferne daher fahren/ stiegen von ihren Pferden und Gutschen/ und nahmen ihre Gemahlen bey der Hand/ mit denen sie sanfftmuͤhtig fortgingen; welches Fr. Terenzia ersehend/ zu ihrem Gemahl sagete: Ach mein Gott/ dort kommen unsere Kinderchen her; stiegen auch herunter/ und begegneten c c c iij ihnen Sechstes Buch. ihnen zu fusse. Als sie aneinander gerieten/ umfing Herr Pompejus zu anfangs Her- kules und dessen Gemahl; hernach Ladisla und Frau Sophien/ ihres Wolergehens sich hoch erfreuend; als er aber an Baldrich und seine liebe einige Tochter kam/ ergriff ihm sein Schwieger Sohn die Hand/ kuͤssete dieselbe mit grosser Ehrerbietung/ und sagete: Hochansehnlicher Herr Stathalter/ Gn. Herr Vater; nachdem der Almaͤchtige GOtt nach seiner gnaͤdigen Versehung/ Euer Liebe wolerzogene Tochter/ mein gelieb- tes Gemahl mir zugefuͤhret hat/ als bitte ich sehr und kindlich/ Eure Liebe wollen vor ihren Sohn mich annehmen/ und dabey sich versichern/ daß mit kindlichem Gehor- sam meinen hochwirdigen Schwieger Eltern/ und herzlicher Traͤue gegen meinen teure- sten Ehe Schaz/ ich Zeit meines Lebens mich werde finden lassen. Herr Pompejus um- fing ihn freundlich/ bedankete sich des hohen erbietens/ und gab ihm seine Tochter an die Hand mit diesen Worten: Ich habe meiner Fr. Tochter/ der Durchl. Groß Fuͤrstin die- ses mein liebes einiges Kind uͤber geben/ welche dann freilich sie an keinen unwirdigen hat verheyrahten wollen; und was vor einen angenehmern Schwieger Sohn koͤnte mir Gott zuschicken/ als eben den/ der mit dem teuren Groß Fuͤrsten Herrn Herkules unter einem Herzen geruhet hat/ und daher nicht anders seyn kan/ er muß in ansehung dessen/ nichts als alles loͤbliches an sich haben/ wie er dañ solches in errettung meiner geliebten Wasen uͤbeꝛ- fluͤssig erwiesen hat. Lukrezie setzete sich vor ihrem Vater in die Knie/ bedankete sich Kind- lich dieser vaͤterlichen einwilligung/ küssete ihn hernach/ und sagete: Gn. herzallerliebster Herr Vater; nachdem die Durchl. Groß Fürstin von mir begehret hat/ diesem werten Fuͤꝛ- sten vor meiner lieben Eltern ankunft mich ehelich zuergeben/ hoffe ich/ sie werden keinen unwillen deßwegen auff mich werffen. Meine Fr. Tochter/ die Durchl. Groß Fürstin hat es sehr wol geordnet/ sagte der Vater; weil nach der Gemuͤhter vereinigung nichts heilsa- mers noch sicherers/ als die Heyraht ist/ und merke ich wol/ nachdem dirs mit Groß- Fuͤrst Herkules gefehlet/ hat es gleichwol niemand anders als dessen Herr Bruder seyn sollen. Der barmherzige Gott verleihe dir seine Gnade/ daß du dich gebuͤhrlich gegen ihn zu halten wissest/ und goͤnne mir den Tag/ an welchem ich meine hochgewuͤnschete Kindes- kinder sehen moͤge. Hierauff empfing er die uͤbrigen auch/ da inzwischen Fr. Terenzia von der Groß Fuͤrstin und den andern sehr freundlich gewilkommet ward/ welche/ da sie an ihre liebste Tochter geriet/ die Traͤhnen haͤuffig vergoß/ ihr umb den Hals fiel/ und aus muͤtter- licher neigung sagete: Mein allerliebstes Kind/ es gehet mir zwar sehr nahe/ daß ich dich so weit von mir hinweg schicken mus; jedoch ist mirs eine sondeꝛliche herzens freude/ daß du in die Verwandschaft deren auffgenommen bist/ welche dir die allerliebsten in der Welt sind. Herzgeliebete Fr. Mutter/ antwortete sie/ es ist ebenwol auch meine groͤsseste beküm- mernis/ daß ich euch so ferne seyn mus/ doch koͤnnen wir ja noch zu zeiten beyeinander seyn; vordißmahl aber wollen wir solche traurige Gedanken bey seit legen/ und unsere Freude durch die Traͤhnen nicht stoͤren/ sondern zu meinem liebsten Fuͤrsten und Gemahl treten/ damit er euch seine Fr. Mutter auch kennen und sprechen moͤge. Baldrich trat gleich her- zu/ setzete sich auff ein Knie vor ihr nieder/ welches aber weder sie noch Lukrezie gedulden wolte/ und ihn wieder auffhuben/ da die Mutter ihn in die Arme nam/ und aller muͤtterli- chen Liebe und Traͤue sich erboht. Er hingegen wuste ihr dergestalt mit lieblichen reden zu begeg- Sechstes Buch. begegnen/ daß sie ihre Tochter wegen dieser Heyraht gluͤkselig schaͤtzete. Nach geendigtem umbfangen/ setzeten sie sich wieder auff/ und muste H. Pompejus zwischen Ladisla und Her- kules reiten/ Lukrezie aber vergeselschaftete sich mit ihreꝛ Mutter/ und berichtete sie alles des- sen/ was bißher vorgangen wahr/ zeigete ihr auch die Beinnarbe/ welche ich/ sagte sie/ zum stetswehrenden Zeichen und unabloͤschlichem Gedaͤchtnis meines herzliebsten Gemahls und seiner ungefaͤrbeten Liebe tragen wil. Also zogen sie auff Padua zu/ uñ wurden daselbst von neuen wol empfangen/ woselbst sie des Kaͤysers ankunft erwarteten/ und alles Koͤnig- lich anordnen liessen/ dann sie wolten das Hochzeitfest in dem neuerbaueten Hofe halten/ dessen Gemaͤcher mit den kostbahresten Persischen Tüchern behaͤnget wurden/ und bestelle- te der Stathalter auff Herkules ersuchen/ daß in allen Flecken und Staͤdten eine Tagereise nach Rom hin/ reitende Diener heimlich befehlichet wurden/ des Kaͤysers ankunft mit schnellen Pferden nach Padua zuberichten. Zween Tage vor der angesezten Hochzeit kam Zeitung/ der Kaͤyser in Geselschaft 30 Gutschen und 300 Pferde/ wuͤrde drey grosser Mei- len von Padua das Nachtlager halten/ daher macheten sich Herkules und Ladisla mit den dreyen Fuͤrsten zu rechter Zeit auff/ ihm eine gute Meile von der Stad zubegegnen/ da sie eine Reuterey von 150 Mann mit sich nahmen. Herkules und Ladisla ritten vorne an/ ih- nen folgeten die drey Fuͤrsten/ und zwar Arbianes in Medischer Kleidung/ denen Klodius und Prinsla in vollem koͤstlichen Reitharnisch nachritten; aller naͤhest hinter denen/ 150 Boͤmische aͤdelknaben/ in ihren rohten Scharlaken Manteln mit Golde reichlich verbre- met; zulezt wahren Leches und Neda/ welche obgedachte wolbewapnete Reuterey fuͤhre- ten/ und auff ihren Helmen allemiteinander die allerschoͤnsten langen schneweissen Feder- buͤsche aufgestecket trugen. Die vier Fuͤrsten wahren gleich gekleidet in Persischem Guͤl- den Stuͤk/ mit herlichen aͤdelgesteinen besetzet/ die einen grossen Schein von sich gaben. Auff ihren Huͤten hatten sie weisse Federbuͤsche/ an welchen trefliche Kleinot geheftet wah- ren. Der Kaͤyser wahr der Hofnung/ seine ankunft wuͤrde zu Padua ungemeldet seyn/ doch auff wiedrigen fall hatte er sich uͤber seine Gewohnheit herlich angelegt/ und in eine verdec- kete Gutsche sich gesetzet/ vor welcher 50 Mann her ritten/ und 250 hinten nach folgeten. Nun wurden die Vorreuter der unsern in ihreꝛ schim̃ernden Kleidung von ferne gewahꝛ/ jedoch unwissend/ wer sie seyn moͤchten/ meldeten es dem Kaͤyser an/ und fuͤhreten ihm sei- nen hochmuhtigen Hengst zu/ auff welchen er sich setzete/ und zween Hoffjungkern an die unsern abschickete/ mit freundlicher Frage/ ob sie von Padua kaͤhmen; denen Herkules zuꝛ Antwort gab; Ja/ sie als fremde/ die sich zu Padua eine Zeitlang auffgehalten/ waͤhren ih- rer Kaͤyserlichen Hocheit ankunft inne worden/ haͤtten demnach/ ihre Schuldigkeit abzu- legen/ deroselben auffwaͤrtig entgegen reiten wollen. Diese jageten schleunig zuruͤk/ und uͤ- berbrachten solche Antwort/ daneben vermeldend/ es saͤhen die vier ersten den Goͤttern aͤhn- licher als den Menschen/ insonderheit der/ so ihnen die Antwort gegeben. Also zweifelte der Kaͤyser nicht mehr an der Warheit/ ritte sanftmuͤhtig f o rt/ und sahe mit grosser verwun- derung an/ was gestalt Herkules seinen Blaͤnken tummelte/ und wie artige Spruͤnge das Pferd sehen lies; biß sie etwa auff 50 Schritte beysam̃en wahren/ da sprungen unsere Fuͤr- sten ab von ihren Pferden/ entbloͤsseten die Haͤupter/ und erzeigeten dem Kaͤyser sehr grosse Ehrerbietung; und als sie so nahe kamen/ fasseten sie seinen Stegrieff an/ welches er ihnen doch Sechstes Buch. doch nicht zulassen wolte/ sondern einem nach dem andern die Hand sehr freundlich boht/ die von ihnen hoͤflich gekuͤsset ward. Nach solcher verrichtung traten sie etliche Schritte zuruͤk/ und fing Herkules diese Rede an: Großmaͤchtigster unuͤberwindligster Kaͤyser/ gnaͤ- digster Herr; niemahls ist von meinem Gesellen Ladisla und mir/ groͤssere Undankbarkeit begangen/ als die eurer Kaͤyserl. Hocheit wir leider haben sehen lassen müssen/ in dem vor die hohe unverdienete Gnade und Ehre/ uns vor zweien Jahren angetahn/ eurer Hocheit wir uns zu Rom nicht dargestellet/ umb/ den hoͤchst schuldigen Dank in etwas blicken zu- lassen/ welchen gaͤnzlich abzulegen/ unser vermoͤgen viel zu unvermoͤgen ist. Wann wir dañ dieses unser verbrechen billich und willig erkennen/ auch ihrer Hocheit hoͤchstruhmwirdi- ge Sanftmuht und Guͤtigkeit uns wol bewust ist/ als bitten wir untertaͤhnigst/ diesen unsern groben Fehler uns gnaͤdigst zu uͤbersehen/ insonderheit/ weil zwar unser Herz hierzu ganz willig und bereit wahr/ und nur durch den unvermuhtlichen Verlust meiner Frl. Wasen/ jetzigem Gemahl hinterkrieben/ und biß auff diese unsere Wiederkunft auffgeschoben seyn müssen. Da wir gleichwol nicht willens gewesen sind/ diese eurer Kaͤyserl. Hocheit eigen- tuͤhmliche Laͤnder zuverlassen/ ehe und bevor wegen empfangener hohen Kaͤyserl. Gnade/ vor eurer Hocheit/ wir uns zu Rom wuͤrden eingestellet/ uñ nach aͤusserstem/ wiewol schwa- chen vermoͤgen/ unsere untertaͤhnig-dankbegierige herzen ausgeschüttet haben. Weil aber solches anjezo hieselbst geschehen kan; sey eurer Kaͤyserl. Hocheit vor die unerhoͤrte hoͤchst milde Kaͤyserliche Gnade und Guͤte von uns untertaͤhnig Dank gesaget; und ob solche wir gleich nimmermehr ersetzen koͤnnen/ wollen dannoch eurer Kaͤyserl. Hocheit/ wir/ uñ gegenwaͤrtige/ mein Oheim Siegward und Bruder Baldrich/ Fürst- und traͤulich ange- loben/ daß wir Zeit unsers Lebens seyn und bleiben wollen/ vor unser Haͤupt/ eurer Kaͤyserl. Hocheit ergebene Knechte/ und in kuͤnftiger Herschung/ Freunde des Roͤmischen Reichs/ dergestalt/ daß wir alles/ was Teutsche/ Boͤmische und Schwedische Freiheit nicht bricht/ dem Roͤmischen Reich zugefallen tuhn/ gegen deren Feinde (die nicht unsere eigene Lands- leute oder Bundgenossen seyn moͤchten) auff begehren hülffe leisten/ und Zeit unsers Le- bens alle Teutschen/ Boͤhmen und Schweden/ von aller feindseligkeit wieder den Roͤmi- schen Nahmen/ nach vermoͤgen abhalten wollen; solten auch in unsern Koͤnigreichen/ Fuͤr- stentuͤhmern und Herschaften einige Roͤmische Leibeigene und Gefangene sich befinden/ wollen wir dieselben entweder ohn entgelt/ oder doch durch unsere Kosten loßmachen/ und biß an die Roͤmischen Grenzen sicher geleiten lassen/ auch im uͤbrigen uns dergestalt bezei- gen/ daß eure Kaͤyserl. Hocheit unsere willige begierde zur dankbarkeit/ ob Gott wil/ spuͤren wird. Nach geendeter Rede/ traten sie wieder hin zu dem Kaͤyser/ uñ kuͤsseten ihm die Haͤn- de demuͤhtig. Der Kaͤyser saß als ein Verzuͤcketer auff seinem Rosse; bald betrachtete er Herkules Schoͤnheit/ bald seine suͤsse beredsamkeit/ bald das hohe Lob seiner herlichen Tah- ten in dieser Jugend/ da ihm der Bart erst zu wachsen anfing; bald erwog er ihresaͤmtliche Fuͤrstliche Geberden/ frische unerschrockene Angesichter/ und anmuhtige funkelnde Augẽ/ und antwortete endlich mit sanftmuͤhtiger Stimme: Ihr Durchleuchtige Fuͤrsten und hochgepreisete Helden/ die ihr der ganzen Weltscheinet zu dienste gebohren seyn; was ge- brauchen eure Liebdẽ vor entschuldigung? ja was klagen sie sich einiger undankbarkeit an mit Worten/ und erzeigen nicht desto minder in der Taht viel groͤsseren Dank/ da sie gar keinen Sechstes Buch. keinen schuldig sind? Eure Dienste und Woltahten/ durch preißwirdige tapfere bestreit- und vertilgung der verschwornen Raͤuber/ dem Roͤmischen Reiche erzeiget/ deren auch eurer Liebden Herrn Bruder und Oheim neulich teilhafftig worden sind/ haben Ehre und vergeltung verdienet/ und zwar ein mehres/ als bißher geschehen ist; und dannoch muͤssen wir uns noch durch schwere lasten/ eurer in Asien erstrittenen Schaͤtze uͤberladen lassen/ des- sen unsere Fr. Mutter und wir/ uns nicht unbillich beschweren; welches auff bessere gele- genheit sol ausgesetzet seyn. Die angebohtene Freundschaft und Verbuͤndnis nimt dz Roͤ- mische Reich willig und mit auffrichtigem Heꝛzen an/ erklaͤret euch/ eure Koͤnigreiche/ Fuͤꝛ- stentuͤmer und Herschaften nochmahl vor freie Freunde/ und beut euch wieder eure Fein- de/ die nicht unter Roͤmischen Schuz gehoͤren/ Huͤlffe und beystand an/ insonderheit/ weil eure Liebden durch Roͤmische heyrahten/ wozu wir Gluͤk/ Heyl und Segen wünschẽ/ ihre Freundes-Gemuͤhter gegen das Roͤmische Reich zur gnuͤge erscheinen lassen. Wir werdẽ uns aber in dieser unser Beredung unter dem freien Himmel maͤssigen/ und nach Padua uns erheben/ das hinterstellige daselbst zuverrichten. Begehrete hierauff/ daß unsere Fuͤr- sten sich wieder zu Pferde setzen moͤchten/ mit Vorwendung/ es unvonnoͤhten gewest waͤh- re/ daß sie davon abgestiegen. Ladisla winkete ihren Pferdeknechten/ da zween starke Teut- schen Herkules Blaͤnken leiteten/ der sich uͤberaus unbaͤndig stellete/ daß deꝛ Kaͤyser fuͤrch- tete/ er wuͤrde seinen Reuter nicht auffsteigen lassen; welcher aber hinzu trat/ und ihm ei- nen Streich mit der Geissel uͤber die Lenden gab/ welches das Pferd geduldig litte/ und sich wie ein Lamb oder Hund von ihm streicheln ließ. Der Kaͤyser fragete Ladisla/ was art die- ses Pferd waͤhre; dem er zur Antwort gab: Der Groß Fuͤrst aus Meden/ des gegenwaͤr- tigen Fuͤrst Arbianes Herr Vater haͤtte es eine zeitlang im Stalle gehabt/ aber wegen sei- ner halsstarrigen Unbendigkeit nie gebrauchen koͤnnen/ biß seine Frl. Schwester/ dazu- mahl unter 16 Jahren ihres Alters/ es gebendiget und zuerst beritten; nach deren Abschied es vorige Wildheit wieder angenommen/ biß sein Bruder Herkules es zum sonderlichen Geschenke von hochgedachtem Groß Fuͤrsten bekommen/ und es unter dẽ Sattel gebracht/ wiewol es noch diese Stunde keinen Menschen/ als diese beyden seine ersten Reuter auff- sitzen liesse. Der Kaͤyser hoͤrete solches mit Verwunderung an/ sahe unterdessen fleissig zu/ wie artig Herkules hinauff sprang; da das Pferd wegen seines aͤdlen Reuters mit solchẽ Stolze die Fuͤsse warff/ sich richtete/ und zierliche Spruͤnge verrichtete/ an denen doch das allergeringste nicht zutadeln wahr. Es wolten zwar unsere Helden hinter dem Kaͤyser her- reiten/ aber sie musten ihm zur Seite bleiben/ und ihn zwischen sich nehmen/ und folgeten die drey Fuͤrsten allernaͤhest nach/ da es allerhand freundliche Gespraͤch unter ihnen gab/ und ihnen der Kaͤyser sein Verlangen nach ihrer Kundschafft wissen ließ/ mit dem erbie- ten/ er wolte ihnen aus seinen Landschafften gerne ein Heer von 50000 und mehr/ in Per- sen zugeschikt haben/ da er nur ihre Meynung haͤtte wissen moͤgen. Eine halbe Meile von der Stad kahmen die beyden Stathalter/ Fabius und Pompejus mit dem treflichsten Pa- duanischen Adel ihm entgegen/ und geleiteten ihn biß vor den neuen Hoff/ weil unsere Fuͤr- sten ihn umb solche Ehre sehr hart anlagen/ und er viel lieber sie alsbald mit sich auff das daselbst in der Stad belegene Kaͤyserliche Schloß gefuͤhret haͤtte. Die Groß Fuͤꝛstin Va- liska mit ihrer Fuͤrstlichen Geselschafft/ stunden haussen vor des Hofes Tohr in praͤchtigeꝛ d d d Klei- Sechstes Buch. Kleidung/ den Kaͤyser daselbst zuempfahen/ welcher sie ersehend/ zu Herkules sagete: Ge- liebter Herr Bruder/ die Goͤtter haben in Warheit Euer Liebe ein wirdiges Gemahl zu- gefuͤhret; Und als er merkete/ daß sie ihm entgegen trat/ stieg er vom Pferde/ ging zu ihr hin/ und empfing sie sehr hoͤflich; Wir erfreuen uns/ sagte er/ wegen Euer Liebe gluͤklichen Errettung/ heissen sie hieselbst freundlich wilkommen/ und erbieten uns zu aller angeneh- men Freundschafft. Die Groß Fuͤrstin neigete sich sehr tieff vor ihm/ und antwortete: Eu- re Kaͤyserl. Hocheit ich unwirdige Dienerin/ bedanke mich dieser gar zu hohen Gnade in Untertaͤhnigkeit/ verbleibe derselben in Ehren gehorsamste/ demuͤtig bittend/ dieselbe wol- len meinem Bruder/ Gemahl und Oheimben mit Kaͤyserl. Hulde allezeit gewogen ver- bleiben. Der Kaͤyser erboht sich abermahl zu aller bruͤderlichen Freundschafft/ und geleite- te die Groß Fuͤrstin in den Hoff auff den grossen Gast Saal/ dem Herkules mit Frau So- phien/ Ladisla mit Fr. Lukrezien/ und Baldrich mit Fr. Sibyllen folgeten. Jedoch baht das Fuͤrstliche Frauenzimmer umb gnaͤdigsten Urlaub/ wieder hinunter zutreten/ und die Kaͤy- serliche Fr. Mutter zuempfahen/ welches er auff vielfaͤltiges anhalten ihnen endlich erlaͤu- bete. Diese ansehnliche Frau hatte sich über Herkules hoͤchlich verwundert/ und in offenem Felde ihn zu aller gnuͤge beschauet; aber da sie die Groß Fuͤrstin sahe/ fing sie zu ihrem Frauenzimmer an: Ich habe nimmermehr geglaͤubet/ daß solche Volkommenheit unter der Sonnen anzutreffen waͤhre/ und ist das groͤste Wunder/ daß dieser Schoͤnheit eine so unglaͤubliche Herzhafftigkeit und Liebe zu den Waffen beywohnet. Sie stieg ab von ihrer Gutsche/ und ging ihr entgegen/ da die Groß Fuͤrstin sie mit dieser Rede empfing: Groß- maͤchtige Frau/ gnaͤdigste Fr. Mutter; Woher hat ihre unwirdige Dienerin diese hohe Gnade verdienet/ daß von ihrer Vortrefligkeit sie dieses Orts besuchet wird? viel billicher haͤtte mir gebuͤhren wollen/ Ihrer Hocheit zu Rom auffzuwarten/ und daselbst zu ihrem Dienste mich einzustellen; weil aber meiner gnaͤdigsten Fr. Mutter es gefallen/ der ange- sezten Hochzeit mit ihrer hoͤchstansehnlichen Gegenwart/ die treflichste Zierde zuerteilen/ bedanken wir anwesende uns davoꝛ untertaͤhnig/ mit demuͤhtiger Bitte/ dieselbe wolle uns kuͤhnlich anbefehlen/ worin unsere Dienste koͤnnen angenehm und behaͤglich seyn. Durch- leuchtigste Groß Fuͤrstin/ antwortete Fr. Mammea/ ich habe nie laͤngere Zeit/ als auff die- ser Reise zwischen Rom und Padua gehabt/ wegen des grossen verlangens/ welches nach ihrer Liebe Kundschafft mich hat sehnen gemacht/ erfreue mich sehr/ daß ich ihr Angesicht gegenwaͤrtig sehe; bedanke mich wegen gar zu grosser übermachten Geschenken/ deren ich mit gutem fuge mich zubeschweren haͤtte/ und erbiete mich zu allen moͤglichen und muͤtteꝛ- lichen Liebe Diensten/ hoͤchlich bittend/ Ihre Liebe wollen hin fort mit dergleichen gar zu ni- dertraͤchtigen Bezeigungen mich nicht mehr beschimpffen/ dafern sie mir sonst nicht ver- argen wil/ daß ich ihr den lieben Tochter Nahmen gebe. Umfing sie hierauff gar freund- lich/ wie imgleichen die uͤbrigen drey Fuͤrstinnen/ und ging mit ihnen auff den Saal/ wo- selbst der Kaͤyser ihr Sohn sich mit den Fuͤrsten besprachete/ von denen sie daselbst sehr hoͤflich empfangen ward. Fuͤrst Siegward und der junge Fabius empfingen die uͤbrigen Roͤmische Herren; der erste wahr M. Klodius Pupienus Maximus/ dazumahl sitzender Buͤrgemeister zu Rom; der ander Herr Kassius Dio/ Roͤmischer Feld Herr. Ihm folgete Herr M. Fabius/ welcher Siegwarden von dem jungen Fabius gezeiget ward; daher die- se bey- Sechstes Buch. se beyden sich vaͤter- und kindlich empfingen/ und einer an dem andern gutes genügen hat- ten. Nach ihm kam Herr Aquilius/ Frl. Virginien Vater/ ein maͤchtiger Roͤmer/ und nach ihm noch 16 andere Roͤmische Herren/ unter denen auch Zinna/ Herkules ehmahli- ger Herr wahr. Zulezt kahmen Klodius Schwaͤger mit Markus/ und endlich Sabinus mit Galehn/ welche beyde/ Herkules und Ladisla Bildnissen am Halse trugen/ die ihnẽ neu- lich geschicket wahren. Hierauff folgete das Roͤmische Frauenzimmer; die Fraͤulein zu- erst/ unter denen Frl. Kordula/ des Roͤmischen Buͤrgemeisters Pupienus Tochter/ und Frl. Virginia/ H. Aquilius Tochter den Vorgang hatten; hernach Frl. Felizitas/ des anwesenden Herrn Lollianus Tochter/ und Frl. Benigna/ des jungen Sulpitius Braut; nach ihnen noch 14 hochaͤdle Roͤmische Fraͤulein/ unter denen auch Frl. Zezilia/ Herrn Zinna Tochter wahr. Hinter ihnen her gingen die Roͤmische Frauen/ unter welchen die dritte Fr. Plazida wahr/ Herr M. Fabius Gemahl/ die mit ihrem lieben Schwieger- Sohn unter dem empfangen auch die erste Kundschafft machete. Sonsten ward dieses saͤmtliche Frauenzimmer auff dem Saal von unsern Fuͤrstinnen auffs neue gewilkom̃et/ da Sibylla von ihrer Mutter mit Freuden Traͤhnen umfangen ward. Noch ehe man sich zum essen setzete/ begab sichs/ dz Herr Dio mit Ladisla zum absonderlichen Gespraͤche kam/ welcheꝛ zu ihm sagete: Hochwerter Herr/ Euer Liebe Diener/ der ehmalige Winnibald/ erinnert sich billich der hohen Befoderung/ ihm in Erloͤsung seines lieben Freundes des Oedemeiers erzeiget/ und verpflichtet sich zu ihrer Liebe angenehmen freundschafft. Dio sahe ihn an/ erkennete auff solche Erinnerung ihn alsbald/ und fing an: Wie dann/ Groß- maͤchtiger Koͤnig/ ist dann Eure Hocheit selbst der Manfeste Ritter und Sieger Winni- bald/ dem auch unter diesem Nahmen das Roͤmische Reich/ wegen Erlegung des Panno- nischen Trotzers schuldig ist? gewißlich hat Eure Durchl. ihr selbst groß unrecht getahn/ daß dieselbe ihren Koͤniglichẽ Stand uns allen verborgen gehalten/ uñ von einem schlech- ten Reuter Haͤuptman sich befehlichen lassen. Ladisla gab zur Antwort; seines liebsten Freundes Oedemeiers/ gegenwaͤrtiges Groß Fuͤrsten Herkules damahliger knechtischer Zustand haͤtte es nicht anders leiden wollen. Der Kaͤyser hoͤrete diese Reden/ und gewan Lust/ es ausfuͤhrlich zuvernehmen; weil aber die Tische mit Speise schon besetzet wahren/ machte man sich hinzu/ so daß bey dem ersten niemand als Fr. Mammea/ Valiska/ So- phia/ der Kaͤyser/ Herkules/ Ladisla/ Buͤrgemeister Pupienus/ und der Feld Herr Dio ge- setzet wurden. Den andern nahmen Lukrezie und ihre Mutter; Sibylla und ihre Mutter; Baldrich und Siegward mit ihren Schwieger Vaͤtern ein. Bey dem dritten funden sich Arbianes und Kordula; Skaurus und Helena; Pupienus und Virginia; der junge Fa- bius und Fr. Ursula. Darauff folgeten vier lange Tische/ deren zween mit Frauenzim̄er/ und zween mit Herren besetzet wurden. Bey den uͤbrigen Tischen ward keine sonderliche Ordnung in acht genommen. Vor dem obersten Tische warteten Klodius und Leches ne- best Euphrosynen und Agathen auff/ und hatten Boͤhmische aͤdelknaben hinter sich stehẽ/ welche das Geschir von ihnen nahmen. Zeitwehrender Mahlzeit erschallete allerhand Seitenspiel; da etliche wol abgerichtete Knaben mit drein sungen. Nach abgetragenen Speisen hielt Herr Pompejus eine trefliche Rede an Kaͤyserl. Hocheit/ und deren Frau Mutter/ in welcher er sich vor ihre allergnaͤdigste Gegenwart im Nahmen der jungen E- d d d ij heleu- Sechstes Buch heleute und saͤmtlichen Anverwanten untertaͤhnigst bedankete; wie imgleichen hernach M. Fabius an die Roͤmische und andere anwesende Herren und Frauenzimmer ein glei- ches verrichtete; Nach dessen Endigung die Groß Fuͤrstin dem Kaͤyser Fuͤrstin Lukrezien zuführete/ den ersten Ehren Tanz mit ihr zuhalten; wobey der Kaͤyser ihr eine freye Bitte gab; worzu nach geschehener Danksagung/ sie 24 Stunden Bedenkzeit baht. Den an- dern Tanz hielt Herkules mit Sibyllen; den dritten Ladisla mit Helenen; den vierden Baldrich mit Frl. Kordula; den fuͤnfften Siegward mit Frl. Virginia; den sechsten Skaurus mit Frl. Luzilla Antenoria; den siebenden der junge Pupienus mit Frl. Felizi- tas; den achten Sulpitius mit seiner Benigna. Es wahr aber Kordula mit einem Roͤ- mischen Ritter/ nahmens M. Zelius Balbinus/ des Roͤmischen Buͤrgemeisters/ D. Ze- lius Balbinus Bruder ehelich versprochen/ welcher erst folgendes Tages sich einstellete/ und ritte Prokulus der Roͤmer in seiner Geselschafft unerbehten mit/ des Vorsatzes/ sich an Baldrich und Siegward zuraͤchen/ daß sie ihm die beiden Fraͤulein so stilschweigens vor der Nase/ wie er vorgab/ hinweg gefreiet haͤtten/ deren eine nach freier Wahl er gesin- net gewesen zuheyrahten. Unter dem Tanzen saß der Kaͤyser bey Ladisla/ und hatten ihre Unterredung von Herkules/ insonderheit von seiner Knechtschafft zu Rom/ da der Kaͤyser sich nicht muͤde hoͤren kunte/ dann er wahr unserm Herkules dermassen gewogen/ daß er mit den Gedanken umging/ ihn vor einen Neben-Kaͤyser zuerklaͤren/ welches er ihm noch desselben Abends durch den Stathalter zu Padua antragen ließ; Er aber lehnete solches demuͤtig ab/ vorgebend/ er befuͤnde solche Wirdigkeit und Vermoͤgen bey ihm gar nicht/ haͤtte auch kein belieben einige Herschafft anzutreten/ sondern/ wo moͤglich/ sein Leben in stiller Ruhe zuzubringen; dessen der Kaͤyser sich zum hoͤchsten verwunderte. Fuͤrstin Si- bylla wahr diesen Abend sehr bemuͤhet/ wie sie ihrem Oheim Pupienus Frl. Virginien gu- ten Willen erwuͤrbe/ fuͤhrete ihr sein trefliches Herkommen/ adeliche Sitten/ hochberuͤm- te Tapfferkeit und grossen Reichtuhm zu gemuͤhte/ beklagete sein Elend/ in welchem er we- gen ihreꝛ Haͤrtigkeit sein Leben fuͤhrete/ ruͤhmete seine getraͤue Liebe gegen sie/ uñ baht durch ihre Schwesterliche Vertrauligkeit/ ihm die wolwirdige Gunst mitzuteilen. Das Fraͤu- lein gab ihr alles gerne nach/ ohn das lezte/ sagte sie/ waͤhre ihr unglaͤublich/ daß er einige Liebe zu ihr tragen solte/ nachdem alle mahl/ wann er mit ihr redete/ seine Worte so kalt und unzierlich sich vermerken liessen/ als ob er mit einer unwertẽ sprachete/ oder auf eine andeꝛe gedaͤchte. Ach herzliebe Schwester/ antwortete sie/ wie faͤlschlich urteilestu von der Liebe; massen eben diese ungereimete Reden vielmehr sein verliebetes Herz als abgekehreten Siñ anzeigen/ wie ich an meinem herzgeliebeten Gemahl mehr als einmahl erfahren habe; vor- nehmlich/ ehe und bevor er meiner Gegenliebe voͤllig versichert wahr. Erzaͤhlete hiemit/ wie schwermuͤhtig er diese Tage zugebracht/ und alle lustige Kurzweile gemieden/ auch im Baumgarten hin und wieder an die jungen Baͤume den Nahmen Virginia mit verdec- keten Zuͤgen eingeschnitten/ und manniches Geticht ihr zuehren und Liebe auffgesetzet haͤt- te; dessen ich dir/ sagte sie/ einen guten Beweißtuhm auffzulegen habe/ weil ich deren un- terschiedliche ihm heimlich abgenommen/ und wo mir recht ist/ noch eines bey mir habe/ welches ich gestern Abend auff seinem Gemache fand; zohe hiemit dasselbe hervor/ und gabs ihr zulesen/ dessen Inhalt dieser wahr: Vir- Sechstes Buch. V Irginia! O maͤssiget die Strahlen/ Den hellen Glanz/ dem keiner sonstẽ gleicht; Vor welchem selbst des Himmels Schein erbleicht/ Wie feurig ihn gleich Sonn und Sternen mahlẽ. Ich muß ohndas den Frevel teur bezahlen/ Den Frevel/ der verwaͤgen nach euch streicht/ Und dannoch als unwirdig sich verkreucht/ Wie hoch er bey sich selber auch mag pralen. Ach aͤdles Bild/ wie offters nam ich mir Die Kuͤhnheit/ euch mein Leid zuklagen/ fuͤr; Und habe doch vor Furcht und scheuh nicht koͤnnen Ein einzig Wort aus meines Herzen Schrein Loßdruͤcken/ dann die klaren Augelein Verblenden mir Vernunfft und alle Sinnen/ ꝛc. Nach Veꝛlesung sagte sie: Ach meine Herzen Schwester/ es ist gewißlich eine andere Vir- ginia als ich/ deren Augen er alhie so heftig anklagete; dann versichere dich/ daß ich ihm die meinen niemahls recht gegeben/ sondern sie allezeit niedergeschlagen/ wann er mit mir ge- sprachet hat. Nicht also meine Schwester/ antwortete Sibylla/ rede nicht so veraͤchtlich von diesem vornehmen Herꝛn; es verdienet solches weder sein Adel/ nach welchem er dir gleich ist/ noch sein aufrichtiges Gemuͤht/ welches ihn dir ganz unterwirffet; und kan ich wol schwoͤren/ dz so ein hartverliebeter mir zeit meines lebens nit vorkommen ist. Schaue doch/ bitte ich/ wie er dorten sitzet/ uñ sich mit Grillen schlaͤget/ da er vor diesem ein so freier lustiger Mensch wahr/ der ganze Geselschaften froͤlich machen kunte. Verzeihe mir Frau Schwester/ gab sie zur Wiederantwort/ da meine Worte zu weit gangen sind; die warheit aber ohn Scherz zu reden/ kan ich die Einbildung nicht fassen/ daß er auf mich solte ein son- derliches absehen haben; aber das weiß ich wol/ daß vor diesem das gute Fraͤulein Perilla seinet wegen manniche heisse Traͤhnen vergossen/ und ihn doch zu keiner Liebe hat bewaͤgen koͤnnen/ biß sie endlich des bittern Todes druͤber seyn muͤssen. Hierumb habe ich gute Wis- senschaft/ sagte Sibylla/ aber wie kanstu/ geliebete Schwester/ ihm solches so verkehrt aus- legen/ da er bloß umb deiner Liebe willen dieses Fraͤulein verachtet hat? Vielmehr soltestu daher ein unfehlbares Kennezeichen seiner aufrichtigen Traͤue nehmen/ und ihm solches hinwiederumb geniessen lassen. Fr. Schwester/ antwortete sie/ es haͤtte Herr Pupienus einẽ bessern Voꝛsprach in ganz Rom nicht angetꝛoffen/ als eben dich/ so dz ich fast zweifeln muß/ ob ich dir auch meines Herzen Gedanken offenbahren darf. Zweifelstu an meiner Traͤue/ sagte Sibylla/ so handelstu wider Schwesterliche Aufrichtigkeit; Was bißher ich vorge- bracht/ ist nicht mehr ihm als dir zum besten geschehen; dann wer ist in Rom deiner mehr wirdig/ als eben Herr Pupienus? daher ich nicht absehen kan/ auß was ursachen du ihm so gar ungnaͤdig bist. Die Ursach kan ich dir leicht sagen/ antwortete sie: Ich habe mich berichten lassen/ er habe anfangs das gute Frl. Perilla mit suͤssen Worten zu seiner Liebe ge- reizet/ und sie hernach gehasset/ da sie sich nach seinen Willen nicht hat wollen auffs Eyß leiten lassen. Daß mirs nun nicht eben also wiederfahre/ habe ich vor sicherer gehalten/ ihn zu meiden/ als mich in Gefahr zu setzen/ dann du weist/ wie leicht zu Rom ein Fraͤulein an- ruͤchtig werden kan. Wie aber? sagte Sibylla/ wann ich meinen Glauben vor ihn setze/ nit allein/ daß er dir nimmermehr untraͤu werden sol/ sondern auch/ daß er mit dergleichen ge- danken niemahls umgangen ist; Ja versichere dich/ Herzen Schwester/ daß ich ihn viel zu scharf auf die bewehrung gesetzet habe/ in dem ich ihm zu unterschiedenen mahlen die treff- lichsten Fraͤulein vorgeschlagen/ aber mit so grossem seinen Unwillen/ daß er daher meines Gespraͤchs sich zuentaͤussern angefangen; sagte mir auch duͤrre in die Augen/ eine einzige nur lebete in seinem Herzen/ die uͤbrigen waͤhren ihm alle tod. Solches betrachte doch/ d d d iij bitte Sechstes Buch. bitte ich freundlich/ uñ lasse ihn meiner Vorbittegeniessen. Das Fraͤulein laͤchelte hierauf/ und antwortete: Ich glaͤube schier/ Herzen Fr. Schwester/ du duͤrfftest mich gar bereden wollen/ daß ich hin zu ihm lieffe/ und ihm meine Liebe und Hulde anboͤte; hastu es dañ mit deinem Fuͤrsten auch so gemacht/ so muß das Paduanische Brod dein Gemuͤht gar ver- endert/ und auß einer schamhaften die allerverwaͤgenste gemacht haben. Uber das kan ich ja Herrn Pupienus nicht ins Herz sehen/ oder aus seinem stilleschweigen vernehmen/ wie er mir gewogen sey; befinde ich aber dereins seine Anwerbung also beschaffen/ daß ich ver- wahret bin/ werde ich wissen mich zu erklaͤren/ daß du mit mir guten Frieden haben solt; dann meine Eltern haben mir freie Wahl gegeben/ einen Braͤutigam zukiesen/ und weiß schon wol/ daß ihnen keiner so angenehm/ als eben dieser sein wuͤrde. Hieraus vernam Si- bylla/ daß das Herz schon gewonnen wahr/ baht demnach/ sie moͤchte bey diesem Vorsaz be- stendig bleiben; es würde Pupienus/ dafern er Ehrerbietung halben nur koͤnte/ sein ganzes Herz vor ihr außschuͤtten. Sie suchete darauf gelegenheit/ mit ihm zureden/ und erinnerte ihn/ wie sehr er geirret haͤtte/ in dem er ihm so wiedrige Gedanken von dem Fraͤulein einge- bildet; der ganze mangel laͤge an ihm selbst/ weil er gar zu bloͤde mit ihr uͤmgangen/ und sich gar zu sehr gedemuͤtiget haͤtte; solte demnach mit vernuͤnftiger und bescheidener Herzhaf- tigkeit sich zu ihr machen/ und am gluͤklichen Fortgange nicht zweifen. Pupienus ging auf solche Rede in sich selber/ erkennete den Sachen zu wenig und zu viel getahn haben/ und be- dachte sich in kurzer frist/ was gestalt er forthin sich verhalten wolte. Hierzu ward ihm nun gute anlaß an die Hand gegeben/ dann Fr. Sophia foderte ihn auff/ mit dem Fraͤulein zu tanzen/ welches er sehr wol verrichtete/ nachgehends sie wieder an ihren Ort fuͤhrete/ und sich/ weil Raum gnug da wahr/ zu ihr niedersetzete/ suchete auch gelegenheit/ auff seine Liebe zukommen/ wozu sie selbst ihm gute Anleitung gab/ indem sie ihn fragete/ wie ihm die Pa- duanischen Fraͤulein gefielen/ welche ihrer Urtel nach/ den Roͤmerinnen in vielen stuͤcken es zuvor taͤhten; und ob er seinem Oheim Herrn Skaurus nicht folgen wolte/ dem/ wie der Ausgang bezeugete/ kein Roͤmisches Fraͤulein gut gnug gewesen/ und daher seine Liebe bey dem vortreflichen Fraͤulein/ Frl. Helenẽ nidergelassen haͤtte/ als welcher/ muͤste sie gestehẽ/ nicht bald eine Roͤmerin an Schoͤnheit uñ hoͤflichen geberden gleich waͤre. Pupienus ant- wortete ihr: Hochgebornes Fraͤulein/ ich habe mich wegen meines Oheims Skaurus umb zweyerley hoch zuverwundern; als vor erst um seine schleunige Eꝛklaͤrung/ dz/ da er nie der Liebe sich angenom̃en/ eꝛ so geschwinde uñ in eines Tagesfꝛist sich seinẽ Fꝛaͤulein eꝛgebẽ hat. Virginia fiel ihm in die Rede/ und antwortete; Solches waͤhre hoͤchlich an ihm zu loben/ massen ihrer viel etliche Jahr lang mit deꝛ Wahl zubraͤchten/ und dannoch unter tausenden ihnen nicht eine gerecht waͤhre; diese/ sagte sie/ ist ihnen zu lang; jene zu kurz; diese zu feist; jene zu mager; diese zu roht/ jene zu bleich; diese zu freundlich/ jene zu saur; diese lachet zu viel/ jene mutzet zu sehr; ja es magsleicht ein Haͤrlein an ihr versehen/ welches sie der Liebe unwert machet; aber diese Wahl-Hansen trift doch zu lezt die bahꝛe bezahlung/ daß sie dem Gluͤke noch darzu danken/ wann sich eine uͤber sie erbarmet/ und die eheliche Liebe ihnen nit versaget. Seid aber gebehten/ Herr Pupienus/ sagte sie/ und lasset mich das andere auch wissen/ dessen ihr euch wegen Herr Skaurus so hoch verwundert. Gar willig mein Fraͤu- lein/ antwortete er; nur daß ich zuvor ihre Urtel bestaͤtige/ und allen solchen Waͤhlern das zeit- Sechstes Buch. zeitliche und ewige Ach und Weh wuͤnsche. Was ich nun weiter an meinem Oheim in veꝛ- wunderung zihe/ ist noch das vornehmste/ nehmlich die unbegreifliche Gluͤkseligkeit/ die in dem heyrahten ihm zugestossen; gestaltsam sein ansuchen so schleunig stat gefunden/ daß wie er des spaͤten Abends umb Liebe anhielt/ er des folgenden Tages des Beylagers geweh- ret ward. Solches hat sein getraͤues Herz verdienet/ antwortete sie; dann wie haͤtte sein Fraͤulein ehrenhalben anders gekunt/ als einem solchen auffrichtigen Liebhaber sich gerne zu goͤnnen/ deren es in der Welt zu dieser Zeit sehr wenig gibt; ja sie sind ohn zweifel selza- mer als die Feurrohte Schwanen und graßgruͤne Raben. Pupienus ließ uͤber solche Re- den einen tieffen Seufzer aus/ und sagete: O ihr Goͤtter! wie faͤhret das Gluͤk auff dieser Welt so gar wunderlich! Skaurus muß vor einen volkommenen Liebhaber ausgeruffen werden/ und hat seinem Fraͤulein seine Liebe zu offenbahren kaum Zeit gehabt/ ehe er ins Ehebette getreten ist. Hingegen/ wie mannichen vergeblichen gang habe ich unseliger tuhn muͤssen/ und nicht eins einen guͤtigen Anblik erhalten koͤnnen. Ich weiß nicht/ mein Fraͤu- lein/ warumb dieselbe ihres ergebenen Dieners bißher so wenig geachtet/ oder nur nicht wahrgenommen hat/ welcher doch bereit und willig ist/ ihretwegen den Tod mit froͤlichem Herzen anzutreten. Zwar seine unwirdigkeit ist ihm wol bewust/ aber wo wil dann mein Fraͤulein noch endlich denselben antreffen/ der sich ihrer wirdig schaͤtzen darf? ich sage noch mehr/ und kan bey meinen ritterlichen ehren dartuhn/ daß nie keines Menschen Liebe mein Herz beruͤhret/ ich geschweige/ beherschet hat/ als deren ich mich einmahl ergeben. Kan nun deren zuneigung von mir durchaus nicht gewonnen werden/ so wil und muß ich auch zufrieden seyn; nur ist auff solchen Fall mein einiger Wunsch/ daß sie mir eine schleunige Urtel sprechen wolle/ damit ich wisse/ ob hinfuͤro das Leben oder der Tod mich beherschen sol. Erhoͤret solches/ bitte ich/ mein Fraͤulein/ und gebet nicht zu/ daß ein Knecht deßwegen sterben muß/ daß er seinem Herrn gar zu traͤulich gedienet hat. Hiemit schwieg er/ und sa- he sie inniglich an/ daß sie seine Stralen nicht ertragen kunte/ daher sie anfangs zu ihm sa- gete: Ich bitte euch/ Herr Pupienus/ maͤssiget euch in anschauung meines bloͤden Ange- sichts/ damit die Anwesenden nicht geꝛeizet weꝛden/ nur allein nach uns umzusehen. Eure beschwerung betreffend/ weis ich solche nicht zubeantworten/ weil dieselbe mir Boͤmische Doͤrffer sind/ und mir dieses Fraͤulein ganz unbekant ist/ deren unbarmherzigkeit ihr so hef- tig anklaget. Solte ich aber meine meynung anzuzeigen Freyheit haben/ halte ich davor/ Frl. Perilla suche ihre billiche Rache/ als deren Liebe ihr so gar verschmaͤhet/ daß sie den Tod druͤber leiden muͤssen. Dafern nun dem also ist/ ey so lasset euch dieses nicht befremdẽ/ daß es euch zu Hause gebracht wird; seid aber nicht so einfaͤltig/ wie dieses gute Fraͤulein/ sondern gebrauchet euch guter Freunde. Sehet da/ ich wil mich gerne bemuͤhen/ euren Schaz zubereden/ daß sie forthin nicht so straͤnge mit euch verfahren/ noch Frl. Perillẽ Tod raͤchen sol. Der gute Pupienus meinete nicht anders/ als sein Herz muͤste ihm wegen sol- cher Rede zuspringen/ lies etliche tieffe Seuffzer/ und sagete: O so sey es dem Himmel ge- klaget/ daß wegen meiner auffrichtigen Traͤue ich heut muß gerechtfertiget werden. Glaͤu- bet mir doch/ mein Fraͤulein/ daß kein Ding in der Welt meine Liebe zu Perillen gehindert hat/ als daß mein Herz ich schon einer andern geschenket/ und daruͤber durchaus nichts mehr zubefehlen hatte/ so gar/ daß wann 100000 Perillen gewesen waͤhren/ und haͤtten mich Sechstes Buch. mich in 1000000 Stuͤcke zerleget/ wuͤrde doch ihrer keine ein Sonnen Staͤublein davon zu ihrer Liebe erhalten haben/ nachdem ich mit Leib und Seel einem Fraͤulein ergeben bin/ die ich ungleich hoͤher/ als hundert tausend Perillen schaͤtze; ja bey der ich viellieber Tod als bey jener lebendig zu seyn begehre. So verzeihet mir nun/ mein Fraͤulein/ daß ich der Pe- rillen/ wann sie neigung zu mir solte getragen haben/ nicht gehorsamen/ noch ein gleiches darbieten koͤnnen/ weil einer viel groͤsseren Gewalt ich mich schon unterworffen hatte/ und derselben zuwiederstehen/ viel zu schwach und unvermoͤgen wahr/ die ich dannoch lieber/ als einiges in der Welt uͤber mich genommen/ welches mich dann nit gereuen sol/ ob ich gleich gar darunter ersticken müste. Ich weis dieses nicht zubeantworten/ sagte Virginia/ weil solches/ dermassen bey euch guͤltige Fraͤulein mir gar unbekant ist/ ich auch von solcher be- gebenheit allerdinge unberichtet bin/ wie mir dann nicht geziemet nach der verliebeten Zu- stande zu forschen/ und daher nicht weis/ ob dieses Fraͤulein euch trost und vergnuͤgung ab- oder zugesaget habe. Pupienus/ auff Sibyllen Rede sich steurend/ wolte nicht laͤnger un- term Huͤtlein spielen/ und fuhr also fort: Hochwertes Fraͤulein; ich ihr getraͤuester Die- ner bitte von grund meiner Seele/ sie wolle doch dereins die auffrichtigkeit ihres ganz erge- benen Pupienus erkennen/ welche er zu ihrer vortrefligkeit bißher ohn einiges wanken ge- tragen. Und warumb verstellet sie mir ihre wissenschaft so gar/ als ob sie davon biß an diese Stunde keine nachricht haͤtte? glaͤubet doch/ auserwaͤhlete Seele/ daß sie/ ja allein sie/ in mein Herz geheftet ist/ deren allergeringstes Haͤaͤrlein der jezgedachten Perillen kein einiges stellichen hat einraͤumen koͤnnen oder wollen/ obs gleich ohn ihrer Liebe bewust oder einwil- ligung solte geschehen seyn. O viel zu ein stumpfer Stachel ist Perilla/ daß derselbe den teu- ren und werten Nahmen Virginia aus meiner Seele kratzen solte. Ist es nun moͤglich/ auserwaͤhltes Fraͤulein/ daß mit ihrem guten Willen dieser suͤsse Nahme in meinem her- zen wohnen kan/ ey so erfreuet und vergnuͤget doch endlich euren ergebenen Diener mit so angenehmer Zeittung. Wo nicht/ so lasset ihn doch auffs wenigste eure unuͤberwindliche ungewogenheit anhoͤren/ auff daß er daraus das Werkzeug hervor suche/ welches den gar zu grossen Frevel abstraffe/ der mein Herz so verwaͤgen gemacht hat/ sich zur Wohnung de- ren zubereiten/ die nach ihrer wirdigkeit zuurteilen/ viel ein wirdigers verdienet uñ heischet. Scheuhet euch nur nicht/ mich alsdann die Urtel hoͤren zulassen/ die ich weder vor unrecht erkennen/ noch ihr mich entzihen wil. Als er diese Rede geendiget/ und das Fraͤulein sich in ihrem Herzen schon erklaͤret hatte/ wie sie diese Werbung beantworten wolte/ kam Sibylla darzu/ und fragete/ was ihres langweiligen/ ihrem bedünken nach/ schwermuͤhtigen Ge- spraͤchs Inhalt doch waͤhre. Worauff das Fraͤulein zur Antwort gab: Herzgeliebete Fr. Schwester; du weist/ wie vertraulich wir von Kindesbeinen auff miteinander umbgangẽ sind/ und ich nichts unter meinem Herzen haben koͤnnen/ daß dir haͤtte muͤssen verschwiegen bleiben; warumb solte ich dann einiges Gespraͤch mit diesem oder jenem halten/ davon ich dich ausschliessen koͤnte? viel weniger werde ich unser leichten beredung/ in welchem nur kurzweilige Auffzuͤge enthalten sind/ das allergeringste verbergen? und weil dich geluͤstet es zu wissen/ so hat Herr Pupienus dein Oheim mich anjezt mit einem Roͤmischen Herrn ge- schossen/ da ich ihm dann mit etwa einem Paduanischen Fraͤulein wieder zutreffen/ mich unter- Sechstes Buch. unterstehen wil; wuͤste es aber nicht gewuͤnschter auszufuͤhren/ als wann du mir dieselbe zeigen woltest/ mit welcher seine Liebe diese Zeit uͤber/ die langeweile hingebracht hat; und wird ja dieselbe ohn allen zweiffel hieselbst ihm zugefallen eingeladen und erschienen seyn/ ob er gleich umb verdacht zu meiden/ sich ihr nicht nahen wil. Die unbetriegliche Sibylla hielt dieses vor wahr/ und schickete sich schon/ ihren Oheim zuentschuldigen/ ward aber von Fr. Sophien abgefodert/ nach ihrer Fr. Mutter zukommen/ die auff der Steige ohngefehr einen Fuß verrenket hatte/ welcher ihr doch bald wieder eingerichtet ward/ wiewol sie noch grosse schmerzen daran empfand. So wolte nun Virginia dem huͤlfbegierigen Pupienus den Trost laͤnger nicht versagen/ uñ gab ihm diese Antwort: Mein Herr/ sagte sie/ ich schaͤtze mich unwirdig der Ehren/ die in seiner/ wie ich hoffe/ ehrliebenden Anwerbung er mir zu- geleget/ bin auch zu diesem unverantwortlichen Stolze von meinen lieben Eltern nicht an- gewiesen/ daß ich hohen Roͤmischen Herrn ohn einrede/ sich vor meine Diener anzugeben/ goͤnnen oder zulassen solte. Eurer Liebe hoher Adel und beschriehene Tugend ist miꝛ ja nicht unbekant/ und daß er in beyden/ keinem Roͤmer bevor gibt; so vernehme ich nun meines Herrn begehren an mich/ wie auch sein getahnes erbieten/ zu aller auffrichtigen getraͤuen Liebe/ welchem mit hochmuͤhtigem Undank zubegegnen ich keine Ursach habe/ viel weniger daß ich mich unterstehen solte/ ihm eine oder andere eingefuͤhrete Urtel zusprechen/ nach- demmahl ich uͤber ihn nicht zugebieten habe. Hat nun die gute Perilla meinetwegen/ wie ich anjezt vernehme/ umbsonst lieben/ und daß mehr ist/ sterben muͤssen/ ist mir zwar von her- zen leid/ jedoch eurer Liebe zuvergelten/ daß sie mich unwirdige allen anderen vorzeuhet/ achte ich mich schuldig/ und gebe demnach eurer Liebe volkommene Gewalt/ mit meinen lie- ben Eltern deßwegen zu handeln/ was vor mein Haͤupt ich biß an derselben einwilligung annehme/ unter der gebuͤhrlichen Danksagung/ daß eure Liebe mich vor andere hat zu sei- nem kuͤnftigen Gemahl waͤhlen und erkiesen wollen; gelebe auch der Hoffnung/ dieselbe werde hinfort sich uͤber meine haͤrtigkeit zubeklagen auffhoͤren/ auch ein weiteres an mich nicht begehren/ inbetrachtung/ daß ich ein Fraͤulein/ und dem Willen und Geboht meiner lieben Eltern unterworffen bin. O wie eine unversehene Freude entstund hiedurch in dem Herzen dieses Verliebeten. Er haͤtte ihr gerne die Haͤnde zur Dankbarkeit ge- kuͤsset/ aber wegen der Anwesenden muste er einhalten/ entschuldigte sich demnach bey ihr/ daß ihm die Gelegenheit benommen waͤhre/ sein dankbahres und mit freuden angefuͤlletes Herz sehen zu lassen; versprach ihr auffs neue alle auffrichtige Liebe biß an sein Ende/ und brachte ihr unvermerket ein Ringelein an ihren Finger/ welchen zubehalten sie sich doch wegerte/ mit hoͤflicher Zucht einwendend/ sie haͤtte fast schon über Jungfraͤuliche Gebuͤhr sich heraus gelassen/ und muͤste ihre Beruffung auf ihre Eltern nur ein lehrer Schein seyn/ wann sie durch Ringe-nehmen sich ihm ganz verpflichtet machete; wil aber mein Herr sein Vorhaben beschleunigen/ sagte sie/ kan er leicht Gelegenheit finden/ meinen Herr Va- ter deswegen anzureden/ dessen Erklaͤrung mich diesen Ring entweder zunehmen oder auszuschlagen heissen wird. Der gute Pupienus baht seiner Unbedachtsamkeit Verzei- hung/ wolte in so gutem Anfange keine Zeit verspillen/ und suchete Gelegenheit/ mit Herrn Aquilius zureden. Sein guter vertraueter Freund Skaurus wuste sein anliegen sehr wol/ und trug groß Mitleiden mit ihm/ weil er sich befuͤrchtete/ es moͤchte endlich seine gar zu e e e heffti- Sechstes Buch. hefftige Liebes-Einbildung zur Vernunfft-losen Raserey ausschlagen; welchem uͤbel vor- zubauen er gleich diese Stunde ihm vorgenommen hatte/ wo moͤglich/ die Heyraht bey der Fraͤulein Eltern zubefodern/ redete damnach mit Herr Aquilius auff diese weise: Es fuͤn- de ein vornehmer tapfferer Roͤmischer Herr/ sehr hohes Adels und grosser Guͤter/ sich ge- gen seine Frl. Tochter in allen Ehren auffs hefftigste verliebet/ so gar/ daß/ wo ihm diese Heyraht nicht gelingen wuͤrde/ derselbe in Lebensgefahr stuͤnde/ wolte demnach vor sein Haͤupt Herrn Aquilius hiemit freund- und gebuͤhrlich ersucht haben/ daß wann derselbe verliebete sich bey ihm angaͤbe/ er ihm gewierige Antwort wiederfahren lassen moͤchte/ dañ er wolte hieselbst seine Ehre und Redligkeit verbuͤrgen/ daß derselbe solcher Gunst und Hei- raht wirdig waͤhre. Nun wahr zu Rom ein vornehmer junger Herr/ Nahmens Kajus Julius Silanus/ dem Aquilius uͤber die masse gewogen wahr/ uñ ihn gerne zum Tochter- Mann gehabt haͤtte/ und weil derselbe mit Skaurus zimlich nahe befreundet/ stund dieser ganz in den Gedanken/ er redete von niemand anders/ als von diesem; daher er Skaurus diese Antwort gab: Mein Herr und wahrer Freund/ weil ich keines weges zweifele/ er su- che nicht weniger meines lieben Kindes/ als seines guten Freundes beste/ so wil ich ihm hiemit die Verheissung getahn haben/ daß wann derselbe/ wer es auch seyn mag/ sich ge- buͤhrlich melden wird/ ich mich dergestalt heraus lassen werde/ daß er damit wird koͤnnen friedlich seyn. Gingen hierauff von einander/ und wahr Skaurus bedacht/ seinem lieben Freunde Pupienus folgenden Morgens die angenehme Zeitung vorzutragen. Derselbe nun geriet bald darauff an Herrn Aquilius/ und gab ihm mit ehrerbietigen Worten zu vernehmen/ was gestalt seine Seele sich in seine herzgeliebete einzige Frl. Tochter ehren- gebuͤhrlich verliebet haͤtte/ und sein hoͤchster Wunsch/ ja alle seine Gluͤkseligkeit auff dieser Heiraht bestuͤnde/ baͤhte demnach/ er wolle ihn wirdigen/ vor einen Schwieger Sohn an- zunehmen/ des wolte er hinwiederumb sich in allem moͤglichen Gehorsam finden lassen. Herr Aquilius entsetzete sich der ganz unvermuhtlichen Anwerbung/ und ob ihm gleich deꝛ eingebildete Silanus sehr angenehm wahr/ schaͤtzete er doch Pupienus (wie ers auch waꝛ) viel hoͤher/ so daß ihn der Zusage schon gereuete/ welche er Skaurus getahn hatte/ und als er so schleunig sich nicht zubesinnen wuste/ gab er ihm zur Antwort/ er moͤchte von Herzen wuͤnschen/ daß vor einer halben Stunde er diesen seinen Vorsaz gewust haͤtte/ damit er ihn deswegen gebuͤhrlich haͤtte koͤnnen befriedigen/ welches nunmehr schwerlich wuͤrde gesche- hen koͤnnen/ nachdem gleich jetzo Herr Skaurus vor einen andern Anwerbung getahn/ und das Jawort von ihm erhalten haͤtte. Dieser meinete solcher Antwort wegen/ teils vor be- truͤbniß/ teils vor Eifer in die Erde zusinken/ nam ihm auch vor/ sich an Skaurus zuraͤchẽ/ oder daruͤber zusterben; welches bald ins Werk zurichten/ er den jungen Fabius ersuchete/ seinet wegen mit Skaurus zureden/ und ihm anzumelden/ daß weil er ihm durch vorsezli- che Abspenstigung dessen/ das ihm am liebsten in der Welt waͤhre/ gar zu grob beleidiget haͤtte/ muͤste er solches alsbald durch einen Kampff auff Leib und Leben mit ihm austragẽ. Fabius hoͤrete solches ungerne/ und baht/ ihm der Sachen etwas bessern Bericht mitzu- teilen; kunte aber ein mehres nicht aus ihm kriegen/ als daß Skaurus es am besten wuͤrde anzeigen koͤnnen; ging auch hiemit gleich hin zu dem Fraͤulein/ und sagete: Mein allerteu- rester Lebens- und Seelen Schaz; nachdem das neidische Gluͤk gleich diese Stunde durch Getrieb Sechstes Buch. Getrieb eines falschen Freundes mich aller Hoffnung/ sie von ihren Eltern zuerlangen/ entsetzet hat/ so wil durch Auffopfferung meines Blutes ich ein unfehlbahres Zeichen mei- ner unbruͤchigen redlichen Traͤue hinter mir verlassen/ welches entweder durch des Ver- raͤhters/ oder durch mein einiges Schwert muß verrichtet werden/ und quaͤlet dieses mei- ne Seele am allerheff t igsten/ daß nach meinem Tode ein ander eingeschlichener dessen ge- niessen sol/ wessen er nicht wirdig ist. Das Fraͤule in entsetzete sich dieser Rede/ erhohlete sich doch so best sie kunte/ und gab ihm zur Antwort: Mein Herr; er uͤberschnelle sich nit/ sondern stelle seine Geister in Ruhe/ und versichere sich/ daß meine ihm getahne Zusage ich so fest halte/ als waͤhre die Heiraht schon volzogen; dafern er mich auch wissen lassen kan/ was es eigentlich ist/ daß ihn solcher gestalt verwirret/ werde ich mich bemuͤhen/ sein unge- nehmes zuhintertreiben. Ach mein Fraͤulein/ antwortete er/ wie kan ich immermehr dieses erbieten und ihre Redligkeit vergelten/ deren ich nicht wirdig bin? Zeigete ihr hierauff ih- res Vaters Rede an/ woruͤber sie sich dergestalt bewaͤgete/ daß sie sich nicht enthalten kun- te also zuantworten. Ich hoffe ja nicht/ daß mein Vater durch Zauber Kunst eingenom- men sey/ mich/ bloß auff Skaurus ansuchen/ wider meinen Willen zuversprechen. Seyd ihr aber getrost mein Herr/ und zugleich versichert/ daß ich eurer getraͤuen Liebe die schul- dige Vergeltung leisten wil/ solte gleich mein Herr Vater zu einem andern Vornehmen/ welches ich doch schwerlich glaͤuben kan/ verleitet seyn/ dann ich verlasse mich in diesem Stuͤk auff meiner gnaͤdigsten Frauen/ Fr. Mam̄een Hulde/ welche an mir keinen Zwang wird veruͤben lassen/ wann gleich 20 Skaurussen darhinter stecketen. Werdet ihr mir nun versprechen/ ruhig zuseyn/ und vor meiner Wiederkunfft nichts taͤhtliches vorzunehmen/ wil ich gleich hingehen/ und meines Vaters Vorhaben eigentlich ausforschen. Der jun- ge Fabius wolte die Ausfoderung an Skaurus so bald nicht gelangẽ lassen/ ging aber doch zu ihm/ und suchte Gelegenheit nachzufragen/ ob er mit Herr Pupienus in Unwillen ge- rahten waͤhre/ wie man ihm solches gleich jezt haͤtte wollen einbilden. Welches er mit ei- nem lachen beantwortete: Ihre Freundschafft waͤhre fester gegruͤndet/ als daß sie koͤnte getrennet werden. Wie aber/ sagte Fabius/ wann etwa Luͤgen Maͤuler euch suchten anein- ander zuhetzen? Die muͤsten druͤber zu schanden werden/ antwortete er. Wol wol/ mein Bruder/ sagte Fabius/ so vernehme ich schon/ daß er an aller Beleidigung seines Freun- des unschuldig ist/ die ihm etwa mag eingebildet seyn/ und bitte sehr/ er wolte sich nichts irren lassen/ ob Herr Pupienus aus Unwissenheit einigẽ Zorn wuͤrde merken lassen. Skau- rus erschrak dessen/ und baht ihn/ sich nach Gewißheit zubemuͤhen/ damit allerhand Unge- legenheit vermieden wuͤrde. Als das Fraͤulein ihrem Vater durch ihre Leibdienerin sagen ließ/ sie haͤtte nohtwendig mit ihm zureden/ kam er alsbald zu ihr in ein Neben Gemach/ da- hin sie Fuͤrstin Sibyllen mit sich gefuͤhret hatte/ und trug dem Vater ohn alle furchtsame Bezeigung dieses vor: Geliebter Herr und Vater/ ob ich gleich schuldig bin/ euch allen kindlichen Gehorsam zuerzeigen/ so wil euch doch nicht geziemen/ meine Wolfahrt und Freiheit in Skaurus Haͤnde zustellen/ worzu ich denselben viel zu wenig schaͤtze; solte euch aber einige Neigung darzu verleittet haben/ so beruffe ich mich auff meine gnaͤdigste Frau Mutter/ Fr. Mammeen; welche meine freiheit gebuͤhrlich schuͤtzen und handhaben wird. Der Vater haͤtte sie gerne mit harten Worten angegriffen/ aber der Kaͤyserlichen Frau e e e ij Mut- Sechstes Buch. Mutter Gewalt und bekanter harte Zorn schreckete ihn abe/ daß er sich eines andern be- dachte/ und ihr zur Antwort gab: Mein Kind/ was ich getahn habe/ ist zu deinem besten ge- schehen/ kanstu nun solches nicht erkennen/ und wilt dich meiner vaͤterlichen Gewalt entzi- hen/ muß ichs dahin lassen gestellet seyn/ wiewol ich ein solches umb dich nicht verschuldet habe. Herzlieber Herr und Vater/ antwortete sie; ich unterwerffe mich eurem Gehorsam/ in aller Moͤgligkeit/ aber dem stolzen Skaurus meine freiheit zuuͤbergebẽ/ ist mir ungleich besch werlicher als der Tod. Ich bitte aber kindlich/ mir zuoffenbahren/ was vor einen Ge- mahl mir derselbe zugedacht habe. Hier stutzete ihr Vater/ und antwortete: Die reine Warheit zusagen/ hat er mir denselben nicht genennet/ jedoch mir denselben also beschrie- ben/ dz ich gaͤnzlich muhtmasse/ er habe alles sein absehen auf den jungen Herrn Silanus. Das Fraͤulein stund und sahe Sibyllen starre an/ welche gleich muhtmassete/ sie wuͤrde mit Pupienus ihres Dinges schon eins worden seyn; mischete sich deswegen mit in ihr Ge- spraͤch/ und sagte zu Aquilius: Mein Herr Vetter/ es ist zumahl kuͤhn gehandelt (verzei- het mir diese meine Kühnheit) eine Tochter/ ja seine eigene wolgerahtene zuversprechen/ ehe der Freyer genennet wird. Das Fraͤulein fing hierauff an zuweinen/ und sagte: Mein Herr Vater/ seyd ihr meiner dann so müde und überdruͤssig/ so haͤttet ihr michs billich wis- sen lassen/ alsdann wolte ich diese Reise wol gesparet haben. Ey was koͤnte es schaden/ sag- te Sibylla/ wann ich mich mit einmengete/ und meinen Oheim Skaurus darzu hielte/ miꝛ den Freyer zunennen/ und seiner empfangenen Volmacht sich zubegeben. Es stehet dir sol- ches frey Herzen Fr. Schwester/ sagte das Fraͤulein/ und das erste zu Skaurus gefallen/ das andere sol ihm schon abgezwungen werden. Sibylla wolte nicht seumen/ ging hin zu Skaurus/ gleich da der junge Fabius Abtrit von ihm nehmen wolte/ welchen sie zubleiben baht/ und jenen also anredete: Mein Herꝛ Oheim/ ihr habt (zweifels ohn aus Unwissenheit) ein schlimmes und gefaͤhrliches Ungluͤk gestifftet/ welches doch in eurer Macht stehet/ wie- der gut zumachen. Dieser erblassete hieruͤber/ nebest hochbeteureter Entschuldigung/ daß ihm solches allerdinge unbewust waͤhre/ wo es ihm wol nicht gar zur ungebuͤhr auffgele- get wuͤrde/ und seine Fr. Wase mit Unwarheit hintergangen waͤhre. Habt ihr nicht/ mein Oheim/ fragete sie/ dem jungen Silanus meine Frl. Schwester/ Frl. Virginien zufreyen wollen/ an welcher eures Freundes Pupienus Seele und Leben hanget/ wie euch gar wol bewust ist? Der muͤste mir ein hartes Recht stehen/ antwortete er/ der mir dessen wolte zei- hen/ massen ich gleich diese Stunde bemuͤhet gewesen bin/ eben dieses Fraͤulein meinem be- sten Freunde und Bruder Pupienus zuerhalten/ wiewol ich seinen Nahmen noch nicht genennet/ und dannoch von ihrem Herr Vater schon so viel Zusage habe/ daß ichs heut o- der morgen hoffe zum gewuͤnschten Ende auszufuͤhren/ solte ich mich auch meiner gnaͤ- digsten Frauen/ Fr. Mammeen Beystandes gebrauchen. Sibylla umfing ihn mit einem Kusse/ und sagte: O ihr redlicher Freund/ wie haͤlt man euch in so schlimmen Verdacht/ welcher gar leicht zur Blutstuͤrzung ausschlagen folte. Ja mein Bruder/ sagte Fabius/ es hat sich Pupienus schon erklaͤret/ du muͤssest ihm/ oder er dir den Tod antuhn/ und zwar aus diesem Verdacht. Ich waͤhre auch eines schaͤndlichen Todes wert/ sagte Skaurus/ wann ich so schelmisch gehandelt haͤtte; mein Bruder aber wolle hingehen/ ihm den Arg- wohn zubenehmen/ ich werde inzwischen nicht seumen/ ihn zubefriedigen. Machte sich mit Sechstes Buch. mit Sibyllen alsbald hin zu Aquilius/ da die Tochter noch bey ihm wahr/ und fing also an: Mein Herr/ er wolle sich/ bitte ich/ meiner heutigen Anwerbung erin- nern/ in dem ich einem vornehmen Herrn und redlichen Freunde zum besten/ umb das hochgebohrne/ und mit allen Tugenden begabte Fraͤulein/ Frl. Virginien/ instaͤndig ange- halten. Hieselbst wolte ihn das Fraͤulein in die Rede fallen/ aber Sibylla hielt sie davon mit Hand und Mund ab/ welches Skaurus zwar merkete/ aber sich nichts dran kehrete/ sondern also fort fuhr: Nun hat zwar mein Herr Vetter mir grosse Macht und Freyheit zugestellet/ in solcher Heyrahtsache nach willen zuverfahren/ weil ich aber dessen mich nicht faͤhig erkenne/ ists von mir mit einem stilschweigen beantwortet/ habe auch noch zur Zeit meinen Freund nicht nahmhaftig gemacht/ welches ich aber nunmehr verrichten/ und mei- nen Herrn versichern werde/ dz ich keines andern Menschen/ als meines herzlieben Freun- des und Bruders/ Herrn Pupienus sein Wort geredet habe/ da ich dann nicht ruhen wer- de/ ich habe dann zuvor solches mein vorhaben auff gute und gewisse Wege gerichtet/ und bin willens gleich stehendes fusses hinzugehen/ und meine gnaͤgigste Fr. Mammea unter- taͤhnigst zuersuchen/ daß sie meiner Frl. Wasen guten willen zu dieser wolgemeineten Hey- raht erwerben helffe. Durch diese Rede ward das Fraͤulein so voller Scham/ daß ihr die Sprache stehen blieb/ und Sibylla sie also aufffrischete: Geliebte Frl. Schwester/ es ist kein Mensch alhie zugegen/ vor welchen du dich zuschaͤmen Ursach habest/ deßwegen erklaͤꝛe dich ohn scheuh. Der Vater fing darauff also an: Herr Skaurus/ ich hatte mir auff einen andern Freier gedanken gemacht/ daher ich Herrn Pupienus/ der gleich nach eurem ab- scheide umb eben dieses bey mir angehalten/ abschlaͤgige Antwort erteilet/ unter diesem vor- wenden/ daß Herr Skaurus vor einen andern das Jawort gleich diese Stunde erhalten haͤtte. Es muß dem redlichen Pupienus dieser Wahn benommen werden/ sagte Skaurus/ und bitte sehr/ meine Frl. Wase wolle denselben ihr zu aller ehrliebenden Gewogenheit las- sen anbefohlen seyn. Diese hatte sich nunmehr erhohlet/ und allen unwillen gegen Skau- rus fallen lassen/ gab ihm auch diese Antwort: Ich kan euch nicht veruͤbeln/ mein Oheim/ daß ihr euch eures guten Freundes annehmet/ und bedanke mich zugleich/ daß ihr mich so wol zuversorgen bedacht seid; weil es mir aber nicht zustehet/ einen Ehegemahl zuwaͤhlen/ sondern mein Herr Vater gewalt uͤber mir hat/ wird derselbe sich erklaͤren/ und mir befeh- len was ich hierin tuhn oder lassen sol. Mein liebes Kind/ antwortete Aquilius; wiltu mei- nem Willen folge leisten/ so goͤnne ich dich niemand lieber als Herrn Pupienus zum Ge- mahl. Ich gelebe meines Gn. Herrn Vaters Willen/ antwortete sie/ und wann mein O- heim Herr Skaurus/ feinem versprechen nach/ meiner gnaͤdigsten Fr. Mutter/ Fr. Mam- meen einwilligung erhalten wird/ wird nichts übrig seyn/ als daß man vernehme/ ob Herr Pupienus auch guten Willen zu mir trage; welches lezte sie mit einem Schmuzerlachen vorbrachte. Nun hatte Pupienus ohngefehr gesehen/ daß Skaurus zu Aquilius in das Nebengemach gangen wahr/ meinete nicht anders/ als daß er wuͤrde bemuͤhet seyn seine Liebe zuhintertreiben; welches ihn als halb-wuͤtig auffmahnete/ sich auch dahin zuverfuͤ- gen/ oͤffnete die Tühr/ und trat mit einer solchen bleichen Zornfarbe hinein/ daß sie ingesamt leicht urteileten/ er wuͤrde mit einem schlimmen Vorsatze kommen/ insonderheit/ weil er die Hand schon an das Seitengewehr gelegt hatte/ und das Fraͤulein meinete/ jezt würde er e e e iij auff Sechstes Buch. auff Skaurus einstuͤrmen/ wie dann ungezweifelt geschehen waͤhre/ wann sie/ durch furcht getrieben/ nicht also angefangen haͤtte: Herr Pupienus/ versuͤndiget euch nicht an euren allerbesten und getraͤuesten Freund Herrn Skaurus/ ihr und mein Herr Vater seid durch einen blossen oder vielmehr stummen Irtuhm betrogen/ und hat Herr Skaurus nieman- de anders als bloß allein euch das Wort geredet/ zu erlangung meiner Heyraht. Ja mein Bruder/ sagte Skaurus zu ihm; haͤtte ich bey dir gehandelt/ wie deine einbildung ist/ als- dann waͤhre ich nicht deines/ sondern des Henkers Schwerts wirdig/ ich haͤtte aber gehof- fet/ du wuͤrdest deinem Freunde ein bessers zugetr auethaben. Habe ich geirret/ antwortete Pupienus/ so verzeihe mir mein Bruder/ und fodere von mir abtrag biß an mein Blut; ihr aber Herr Aquilius/ seid gebehten und lasset euch diese meine Liebe nicht zuwieder seyn/ wel- che mich eurer Frl. Tochter so gar eigen gemacht hat/ daß ohn sie/ ich ohn allen zweifel ver- derben muß. Ich bedanke mich gegen euch mein Oheim/ antwortete er/ daß ihr mein liebes Kind zu ehren euch erwaͤhlet habt/ und damit ihr wissen moͤget/ wie ich darzu gewilliget sey/ so uͤbergebe ich euch alles Recht/ das ich an meiner Tochter habe/ und zur ersten aus- steuer ihrer Seel. Frau Mutter ganze verlassenschaft. Da wahr nun allenthalben grosse freude/ welche niemand besser/ als das Fraͤulein zu unterdruͤcken wuste; welche also anfing; Ich erkenne mich schuldig/ meinem Herr Vater zugehorsamen/ halte aber allerdinge noͤh- tig seyn/ daß Herr Skaurus bey meiner Gn. Fr. Mutter Fr. Mammeen umb mich an- werbung tuhe/ und zwar unter dem schein/ als wann dessen zwischen uns nichts vorgangen waͤhre/ damit wir in ihrer guten Gnade verbleiben moͤgen. Sie hielten solches alle vor gut/ ward auch alsbald ins werk gerichtet/ und bekam zur gnaͤdigen Antwort/ sie waͤhre selbst schon etliche Zeit her auff diese Heyraht bedacht gewesen/ nur daß sie Pupienus Willen nicht gewust haͤtte. Fuͤrstin Sibylla ging mit dem Fraͤulein wieder hin nach ihrer Gesel- schaft/ und fragete sie/ was vor eine gute Luft sie angewaͤhet/ daß sie dem guten Pupienus sich so bald ergeben. Worauff sie antwortete: Es ist sehr gut mit dir Fr. Schwester; aber meinestu/ daß ich nicht rieche/ wie dein Blasebalg einen so heftigen Geist in Herr Pupie- nus gebracht/ daß er seine meinung mir so gar ohn allen umschweiff hat vortragen duͤrfen/ und haͤtte ich mich ja billich vor dir huͤten sollen/ inbetrachtung/ daß die neulich verheirahte- te/ ihren vertrauesten Schwestern den allerlieblichsten Jungfernstand allemahl mißgoͤn- nen. Ey wie unrecht bistu daran/ sagte sie: Gute Freunde goͤnnen einander so viel gutes als ihnen selbst/ welches mich auch bewaͤget hat/ deine Wolfahrt zubefodern/ deren dich ob Gott wil nimmermehr gereuen wird; daß verleihe mir der Himmel/ antwortete sie/ aber schaue dort/ bitte ich/ wie eine ernstliche Unterredung Herr Skaurus mit der Kaͤyserlichen Fr. Mutter haͤlt/ welche/ wie ich weis ihm vorweniger Zeit etwas ungnaͤdig worden ist/ hoffe doch er werde durch diese Anwerbung wieder Gnade erlangen; zwar ich danke den Goͤttern daß in ihrer steten Gewogenheit ich geblieben bin/ aber ich habe nicht anders gele- bet/ als ein Mensch uͤber dessen Haͤupt ein Schwert an einem duͤnnen Haͤaͤrlein hanget/ weil ihre Gnade sehr unbestaͤndig/ und ihr Zorn schier unversoͤhnlich ist; und kan man in ihrer Gnade nicht besser bleiben/ als wann man sie offt beschenket/ und selten sihet. Es stund nicht lange an/ daß Skaurus wieder nach dem Nebengemache ging/ und das Fraͤulein da- hin fodern liß/ woselbst ihr Vater und Pupienus annoch bey einander wahren/ und einen festen Sechstes Buch. festen Grund zur unbewaͤglichen Freundschaft legeten. So bald das Fraͤulein mit Sibyl- len sich einstellete/ trug Skaurus der Kaͤyserlichen Mutter einwilligung vor/ und ließ ihre Frl. Tochter vermahnen/ sich ihrem Willen nicht zuwiedersetzen; welche aus Ehrerbietig- keit hin zu ihr ging/ und ihr untertaͤhnigst vor ihre hohe Mutterliche Vorsorge dankete/ auch von ihr einen koͤstlichen Ring empfing/ welchen sie ihrem Braͤutigam schenken solte. Sie machte sich bald wieder hin nach dem Nebengemache/ da die Gluͤkwünschung von den wenigen Anwesenden verrichtet ward/ und baht Sibylla umb volmacht/ das Beyla- ger zubestimmen/ nach deren erhaltung sie den verliebeten aufflegete/ daß naͤhst folgenden Tages damit fortzufahren; wo gegen das Fraͤulein sich hefftig straͤubete; ihr Vater aber erklaͤrete sich/ sie moͤchten sich deßwegen untereinander selbst vergleichen; ging mit Skau- rus und Sibyllen davon/ und ließ sie beyde beyeinander/ da dann Pupienus bey seinem ge- liebeten Fraͤulein sich so zutaͤhtig machete/ auch mit allerhand koͤstlichen verheissungen an- hielt/ daß sie endlich in die bestimmete Zeit einwilligte/ und ward das uͤbrige dieses Tages in aller zulaͤssigen Lust verzehret. Des folgenden Morgens kam der aͤdle Roͤmer M. Ze- lius Balbinus an/ vernam mit freuden/ daß sein bruͤderlicher Freund Pupienus den Zweg seiner muͤhseligen Liebe erlanget/ und diesen Abend das Beylager angesetzet waͤhre/ mach- te sich zu ihm/ und nach abgelegter Gluͤkwuͤnschung hielt er bey ihm an/ seinen Herr Bru- der den Roͤmischen Buͤrgemeister zuerbitten/ daß in dieser hochansehnlichen Geselschafft ihm mit seiner schon versprochenen Kordula ein gleiches begegnen moͤchte. Der junge Pupienus durffte seinem Bruder dieses nicht vortragen/ weil wegen seines fruͤhzeitigen Beylagers er etliche stacheireden hatte fliegen lassen/ machete sich deßwegen an Sibyllen/ und gab ihr den Einraht/ Gros Fuͤrst Herkules zubewaͤgen/ daß er solches nach seinem Wolvermoͤgen zu werk richten moͤchte. Welcher dann diesem Roͤmischen Herrn solchen Dienst gerne leisten wolte/ wie er auch von dem Buͤrgemeister nicht allein dessen herzlich gewehret ward/ sondern derselbe sich uͤberdas bedankete/ daß er seiner Tochter eingedencke seyn/ und auff so Hoch Fuͤrstlichem Hochzeit Feste deren Beylager befodern wollen. Es hat- te des vorigen Abends ein junger frischer Aedelman von Mantua/ Namens K. Perpeña/ bey Frl. Zezilien sich mit Liebe angetragen/ und durch Fr. Euphrosynen es fleissig getrie- ben/ wozu er nicht allein durch ihre gute Gestalt bewogen ward/ sondern weil er sahe/ daß Herkules und die Groß Fuͤrstin sich so freundlich gegen sie bezeigeten/ so gar/ daß sie auch deßwegen von den vornehmen Roͤmischen Fraͤulein geneidet ward; dann Valiska hatte sie nicht allein ihrem Gemahl zum Tanze zugefuͤhret/ sondern auch in des Frauenzimmers Gegenwart/ nach beschehener Danksagung/ daß sie ihrem Herkules so hohe freundschafft zeit seines Elendes erwiesen/ ihr sehr koͤstliche Kleinot eingereichet. Jedoch bekam dieser Buhler nicht die gewünschete Erklaͤrung von ihr/ sondern ward hiemit abgespeiset: Ihr wolte nicht gebuͤhren/ dergleichen Teidungen anzutreten; Ihr Herr Vater wuͤrde schon bey sich beschliessen/ welchen vor einen Eidam anzunehmen er beliebung trüge/ unter des- sen Macht und Willen sie noch allemahl sich gehalten haͤtte. Perpenna ward dieser Ant- wort sehr betruͤbet/ daß er kaum die Macht bey sich befand bey ihr seines ungenehmen an- suchens wegen umb Verzeihung anzuhalten/ klagete seiner Schwester/ Jungfer Rosinen sein Ungluͤk/ und baht/ ihm mit getraͤuem Raht beyzuspringẽ; welche ihn hieß gutes muhts seyn/ Sechstes Buch. seyn/ machte samt Euphrosynen sich alsbald nach Fr. Sophien/ und hielt demuͤhtig an/ bey der Groß Fuͤrstin es dahin zurichten/ daß Ihre Durchl. ihrem Bruder das Fraͤulein gewogen machen wolte. Perpenna war sehr hohes Adels von ansehnlicher Freundschaft/ dem Fr. Sophia gerne einen Dienst leisten wolte/ nam es willig auff sich/ und neben der Groß Fuͤrstin legete sie es mit Herkules an/ daß Zinna sich gerne finden ließ/ und diese also das dritte Par macheten/ welche diesen Abend solte Beylager halten. Der rasende Prokulus hielt sich in einer Herberge heimlich auff/ und lies bey Kaͤyserl. Hocheit durch Skaurus umb allergnaͤdigstes gehoͤr anhalten/ erlangete sein begehren/ und gab dem Kaͤyser untertaͤnigst zu verstehen/ Er waͤhre von einem und andern Ritter unver- schuldet sehr hart beleidiget/ welches in ansehung seines Ritterstandes er nicht verschmer- zen koͤnte/ baht umb allergnaͤdigste erlaubung/ sich nach Ritters Brauch zu raͤchen/ und sei- ne Ehre zu handhaben. Der Kaͤyser wahr ihm alsobald zuwillen/ sonder einige nachfrage/ mit wem ers zutuhn haͤtte/ und stellete ihm frey/ sich Ritterlich zuverantworten; wovor er gebührlich dankete/ und nach seiner Herberge sich verfuͤgete. Fuͤrstin Sibylla sahe ihn von dem Kaͤyser hinweg gehen/ und nam sie wundeꝛ/ was dieser Mensch hieselbst suchen moͤch- te/ ging hin zu Fuͤrstin Lukrezien/ und sagte zu ihr; Herzen Kind/ ich habe gleich jezt deinen alten Schatz gesehen/ und tuht mir leid/ daß ich ihn dir nicht zeigen koͤnnen. Was vor einen Schaz/ mein Herzchen/ antwortete sie; ich wuͤste mich ja keines zuersinnen/ wann es nicht dein Schatz Prokulus waͤhre? Ja dein Schatz sagte Sibylla/ du hast es in warheit errah- ten; aber was mag er bey Kaͤyserl. Hocheit zu verrichten haben? Er ging neben mir hin/ und als ich mich zur neigung an die seite stellete/ trat er voruͤber/ als haͤtte er mich nicht ge- sehen. Er hat auch weinig Ursach/ dich zu gruͤssen/ sagte Lukrezia/ nachdem du ihm so einen ungebodenten Korb gegeben/ dessen er vielleicht bey dem Kaͤyser sich wird beklaget haben. Also trieben diese ihren Schertz/ und haͤtten den Handel schier errahten sollen. Vber eine gute halbe stunde/ da der Kaͤyser mit der Fürstlichen Geselschaft im grossen Saal freundli- che Unterredung hielt/ ließ sich ein Ritter bey Baldrich und Siegward angeben/ er haͤtte wegen eines Roͤmischen Herren mit ihnen zu reden; worauff sie antworteten/ dafern es nicht heimliche Sachen waͤhren/ moͤchte er sichs gefallen lassen/ zu ihnen auff den Saal zu kommen. Dieser wahr darzu willig/ gruͤssete alle anwesende gebuͤhrlich/ und uͤberreichete beiden Fuͤrsten/ jedem ein Schreiben gleiches Inhalts: Nachdem du Baldrich aus Teutschland (Siegward aus Schweden) wider Recht und Billig- keit mich hoͤchlich beleidiget und beschimpffet/ und mein geliebtes Fraͤulein Lukrezien Pompejin (Si- byllen Fabiin) mir und meiner herzinniglichen Liebe entzogen hast/ wodurch an meinem Ritterlichen Ansehen und Stande ich mich allerhoͤchst beleidiget befinde/ und daher solcher Schimpf ohn Rache nicht kan ausgetragen werden/ als fodere auff Erlaubniß meines allergnaͤdigsten Kaͤysers ich dich Baldrich aus Teutschland (Siegward aus Schweden) nach Rittersbrauch/ daß du mit dem Speer und Schwerte zu Roß/ an was Ort und Ende dichs geluͤstet/ erscheinest/ und wegen obgedachtes Schimpfs mir Rede und Antwort gebest/ wo du sonst des Ritterstandes nicht unwirdig wilt geschol- ten seyn. Prokulus der Roͤmer. Die Fuͤrsten beide erroͤhteten uͤber solcher unvermuhtlichen Ausfoderung/ und em- pfundenshoch/ dz der Kaͤyserlichen erlaubnis dabey gedacht wahr/ traten anfangs zusam- men/ und zeigeten einander das Schreiben; und als sie sahẽ/ daß einziger sie beide foderte/ rechne- Sechstes Buch. rechneten sie sichs nit zum geringen Schimpf/ beredeten es auch mit Herkules und Ladisla/ die sich darüber bestuͤrtzt befunden/ und ihnen/ was vor Erklaͤrung sie voꝛ gut hielten/ anzei- geten; traten darauff wieder an ihre stelle/ und als der Kaͤyser und andere Anwesende mit Schmerzen erwarteten/ was ihre Verenderung verursachen moͤchte/ gab Baldrich diese antwort: Mein Geselle Siegward/ Koͤniglicher Fuͤrst aus Schweden/ ein ehrlicher Rit- ter; und ich/ geborner Fuͤrst aus Teutschland/ haben mit wissen niemahls wieder Recht uñ Billigkeit gehandelt/ sondern der blosse muhtwille treibet den Ausfodereꝛ/ uns solches auf- zubürden; und weil er sich auff allergnaͤdigste Kaͤyserliche Erlaͤubniß beruffet/ welche wir untertaͤhnig ehren und billichen/ mag er uns die stelle zum Kampf stuͤndlich ernennen; obs dann zu erst mir wieder ihn mißlingen solte/ wird mein lieber Geselle sein bestes hernach auch tuhn; wiewol es uns beiden sehr laͤcherlich vorkoͤmpt/ daß er umb unsere Gemahlin- nen mit uns fechten wil/ die wir nicht allein mit ihrer Eltern guter Bewilligung geheirah- tet/ sondern auch mit ihrem belieben schon im Ehebette besitzen. Den anwesenden kam diese rede sehr fremde vor/ insonderheit dem Kaͤyser/ welcher den Briefebringer mit zorni- gen Geberden fragete/ wer ihn abgeschikt haͤtte; und als dieser den Prokulus nennete/ be- gehrete der Kaͤyser beide Schreiben zusehen/ redete nachgehends Pompejus und M. Fa- bius an/ sie fragend/ ob sie dem Prokulus ihre Toͤchter versprochen haͤtten. Diese gaben zur antwort: Er haͤtte zwar deswegen teils schrift-teils muͤndliche Anwerbung getahn/ aber gar keine antwort erhalten/ und waͤhre ihnen trauen zumahl selzam dabey/ daß sie ih- re einzige Toͤchter ihm haͤtten erzihen sollen; stuͤnde auch fast aberwitzig/ daß er sich beider zugleich anmassete/ da ihm/ Roͤmischen sitten nach/ nur eine haͤtte zu teil werden koͤnnen. Das Fuͤrstliche und Roͤmische Frauenzimmer kam auch darzu/ und vernahmen Proku- lus beginnen/ woruͤber Fuͤrstin Sibylla sich uͤber ihre gewohnheit eiferte/ und Kaͤyserl. Hocheit untertaͤnigst baht/ solche unbilligkeit zustraffẽ/ nachdem wed’ sie noch ihre Wase/ nie kein wort/ so wenig muͤndlich als schriftlich/ oder durch einen andern mit ihm gewech- selt haͤtten/ auch grosses bedenken würden getragen haben/ nach Prokulus oder seines glei- chen sich umzusehen. Wolan/ antwortete der Kaͤyser/ sie geben sich allerseits zufrieden/ wir werden dem Prokulus seine Buhlerey (dann Proculus heisset zu teutsch ein Buhlerchen oder kleiner Buhler) besalzen. Befahl darauff/ ihn straks angesichts/ frey/ oder gebunden herzuholen. Baldrich aber und Siegward bahten Kaͤyserl. Hocheit demuͤhtig/ diesem Roͤmischen Ritter gnaͤdig zu erscheinen/ damit man sie nicht schier heut oder morgen be- schuͤldigen moͤchte/ daß umb ihret willen einigem Roͤmer etwas hartes zugestanden waͤh- re; und koͤnte vielleicht sein/ daß er seines Gehirns Verruͤckung/ wegen heftiger eingebil- deter Liebe empfuͤnde; sie verzihen ihm von Herzen/ wolten auch im Kampfe dergestalt mit ihm verfahren/ daß ihre gutwilligkeit daher solte zuspuͤren sein: Herkules und Ladisla halfen den Kaͤyser erbitten; welcher endlich einwilligte/ der Tohrheit lachete/ und ihnen erzaͤhlete/ was gestalt Prokulus ohn einiges meldung/ sich beschimpfet zusein beklaget/ und des Kampfs freiheit begehret haͤtte/ weil ohn solchen der Streit nit koͤnte geschlichtet wer- den. Eure Kaͤyserl. Hocheit wissen/ sagte Herkules/ daß die Liebe oft zugleich der vernunft und den Augen Sand einstraͤuet/ daher diesem Ritter meines erachtens zuverzeihen ist; gelebe auch der troͤstlichen Zuversicht/ Eure Kaͤyserl. Hocheit werde ihm unser aller vor- f f f bitte Sechstes Buch. bitte gnaͤdigst geniessen lassen. Prokulus wahr gleich bemuͤhet/ seine Ruͤstung anzulegen/ als ein Kaͤyserlicher Hellebarter ihn abfoderte/ und zu gleich warnete/ er moͤchte sich wol schicken/ des Kaͤysers Ungnade abzulehnen. Er aber meynete sein Vorhaben leicht und aus gutem Grude zubehaupten/ und ging verwaͤgen gnug fort/ wie er dann ein fester stark- gesetzeter Rüter wahr/ der mir Skaurus und andern sich ehemahls versuchet/ und ihnen gnug zuschaffen gegeben hatte. Als er nun vor die saͤmtliche Geselschafft trat/ und sich be- dingete/ sein Gruß und untertaͤhnige Dienste wuͤrden allen/ ohn seinen beyden Wiedersa- chern/ nach Standesgebuͤhr angebohten; redete der Kaͤyser ihn also an: Wie ist dir heut geschehen/ du Gehirnloser Mensch? hastu etwa von einer tollen Sau/ oder wol gar vom Narren gefressen/ daß du so toͤlpische Sachen vornehmen darffst? da stehen die beyde Fuͤr- stinnen; da stehen ihre Vaͤter Pompejus und Fabius; ihre Muͤttere sind auch nicht aus der ferne zuhohlen. Darumb sage geschwinde an/ ist dir dieser Fraͤulein halber einige Zu- sage geschehen? zwar zu beyden kanstu ja keinen Anspruch haben/ du moͤchtest dann etwa Roͤmische Satzungen und Sitten/ durch Verlierung deines Kopffes aufzuheben bedacht seyn. Dieser baht anfangs/ Ihre Kaͤyserl. Hocheit moͤchten einige Ungnade auff ihn nicht werffen; taht auch hinzu/ er haͤtte gebuͤhrliche Anwerbung an beyden Orten getahn/ un- ter der ungezweifelten Hoffnung/ ihm wuͤrde ja an einem/ gewierige Antwort werden. In- zwischen haͤtten der Teutsche und Schwede/ so bißher vor Feinde des Roͤmischen Reichs gehalten worden/ ohn der Eltern wissen sich an die Fraͤulein gewaget/ uñ durch listige Hin- tergehung/ wo nicht wol gar durch Nohtzwang/ sie ihm abspenstig gemacht/ massen ja be- staͤndig berichtet wuͤrde/ es waͤhre Frl. Lukrezie von dem Teutschen durch Verwundung/ im Walde geschehen/ sich ihm zuergeben/ gezwungen worden. Was hastu Luͤgener/ sagte der Kaͤyser/ von Roͤmischen Feinden zuschmaͤhen? doch setzẽ wir dieses vor dißmahl aus. Aber wie getrauestu dir zubehaupten/ daß diese Heyrahten ohne der Eltern wissen gesche- hen seyn? und wollen wir anjezt hoͤren/ was ihre Vaͤter darzu sagen werden. Pompejus/ nach gebehtener verzeihung/ fing also an: Hoͤret Prokulus/ welcher Wahnwiz treibet euch/ mich meines tuhns und lassens zubesprechen/ und sonderlich in dem/ was euch im gering- sten nicht angehet? Zwar ich weiß schon/ daß ich euch wegen keines einzigen Dinges Re- chenschafft zugeben habe/ dann ich unterwerffe mich bloß allein Gotte/ meinem allergnaͤ- digsten Kaͤyser/ und dem Vaterlande; doch hoͤchstgedachter Kaͤyserl. Hocheit zuunter- taͤhnigstem schuldigen Gehorsam/ rede ich mehr als mir noͤhtig ist/ und beruffe mich auff mein Gewissen/ daß gegen Fuͤrst Baldrichs und meiner Tochter Heyraht ich nicht das geringste/ weder gedacht noch geredet habe/ welches ohndas wol wahr bleiben wird/ es waͤhre dann/ daß ihr ein anders erweisen wuͤrdet; euch Prokulus aber mein Kind zugebẽ/ ist nie in mein Herz kommen. Hastu aber/ sagte er zu seiner Tochter/ ihm etwa einige Zu- sage aus Schimpff oder Ernst getahn/ das zeige mir an/ weil ohn das wider meinen Wil- len es nicht haͤtte moͤgen buͤndig seyn. Diese laͤchelte dem Vater zu/ und gab zur Antwort: Ich habe diesen Menschen in vier Jahren nicht gesehen/ und bin heut etwa 16 Jahr alt; so wird er vielweniger die Unterhaͤndler od’ Kupler zeigen koͤnnen/ die zwischen uns gangẽ waͤhren/ und muͤste mir von herzen leid seyn/ ja tausend mahl unertraͤglicher als der Tod/ daß ich ihm zu gute leben solte/ nachdem ich Gott Lob/ den Unterscheid zwischen Tugend und Sechstes Buch. und Tohrheit gelernet habe/ womit ich gleichwol seinen Ehren nichts ungebuͤhrliches an- werffen wil. Unter diesem Vorbringen erroͤhtete Prokulus von Zorn/ suchte aus seinem Schieb Sak zwey Brieflein hervor/ in rohtem Taffet eingewickelt/ und wolte darauff sei- ne Antwort tuhn; aber der Kaͤyser hieß ihn schweigen/ und M. Fabius reden; Welcher dieses vorbrachte: Er erinnerte sich etlicher massen/ daß Prokulus ihm mit seinem unge- nehmen ansuchen beschwerlich gnug gewesen/ haͤtte ihm doch/ Unhoͤfligkeit zumeiden/ m i t duͤrrem Nein/ nicht wollen vor den Kopff stossen/ sondern ihn ermahnet/ sitsam zuverfah- ren; sein Kind waͤhre jung/ haͤtte keine Lust schon zuheyrahten/ und waͤhre uͤber das nicht einheimisch/ daß er ihren Willen nicht wissen koͤnte. Hierauf zwar haͤtte Prokulus geruͤh- met/ wann er nur seinen Willen haben wuͤrde/ solte es ihm an der Tochter Neigung nicht ermangeln; welches er aber nicht ohn ursach vor eine nichtige Einbildung gehalten/ und ihn ernstlich ermahnet/ er solte sich in Rom oder ausserhalb besser umsehen/ alsdann wuͤr- de er anderwerts sein Gluͤk schon antreffen; welches sein Kind auch tuhn solte. Woraus dann dieser Freyer leicht vernehmen moͤgen/ sagte Fabius/ daß ich nicht gewilliget wahr/ ihm mein Kind zuverrahten/ wolte sagen/ zuverheirahten; jedoch wil ich von meiner Toch- ter auch vernehmen/ ob sie etwa hinter meinem Ruͤcken mit ihm sich eingelassen habe. Hochgeliebter Herr Vater/ antwortete Sibylla; ich weiß nit/ ob ich mir so hohe Gedan- ken/ als biß an Herrn Prokulus Heyraht haͤtte machen duͤrffen/ welches ich vor dißmahl aussetzen wil; kan er aber dartuhn/ daß zeit meines Lebens ich ein Woͤrtlein mit ihm ge- wechselt habe/ wil ich euer Straffe mich gerne unterwerffen. Wolan Prokulus/ sagte der Kaͤyser/ so ist nun die Ordnung an dir/ deinen guͤltigen Gegenbeweiß zufuͤhren/ nachdem al- lemahl/ nach der gesunden Vernunft Ausspruch/ dem Bejaher einer Taht/ solches oblie- get; hernach sol nach scharffem Recht gesprochen werden. Daß Eure Kaͤyserl. Hocheit mir Recht und Gerechtigkeit wiederfahren lassen wil/ bedanke ich mich untertaͤhnigst/ ant- wortete er; da ich dann anfangs bey den beiden gewesenen Fraͤulein anzuhalten habe/ daß meines/ bey Ritters Ehr und Glauben geschehenen Versprechens sie mich erlassen moͤgẽ/ weil ich sonst mein gutes Recht nicht darstellen darff. Die beiden Fuͤrstinnen fingen an zu lachen/ und sagte Lukrezie: Mein guter Herr Prokulus/ ich habe ja niemahls einige Ver- sprechung/ weder mündlich noch schrifftlich von euch empfangen/ vielweniger begehret; solte es aber eurer Einbildung nach geschehen seyn/ wil ich dieselbe hiemit auffgeruffen/ und ganz abgetahn haben. Und als Sibylla nicht ohn Gelaͤchter sich ein gleichmaͤssiges er- boht fing Prokulus/ in beiden Haͤnden etliche Schreiben haltend/ also an: Allergnaͤdig- ster Kaͤyser/ und andere anwesende Herren; was man im gemeinen Sprichwort saget: Mannes List ist behende/ aber Weiber List hat kein Ende/ davor habe ich mich stets wol vorgese- hen/ und bester massen verwahret/ daß ich dessen Warheit nicht mit meinem Spot und Schaden erfahren moͤchte/ und bin doch nicht desto weniger in ihr Nez gefallen; wie aber/ und auf was weise/ werden sie allerseits aus meinem allerkraͤfftigsten Beweißtuhm zuver- nehmen haben. Nachdem mir von einer guten Freundin ist gesagt worden/ wie daß Herr Pompejus/ und Herr Fabius/ jeder eine einzige/ sehr schoͤne wolgezogene Tochter haͤtte/ und mir nicht bald fehlen wuͤrde/ eine oder andere zum Gemahl zuerhalten/ habe ich nach Roͤmischen Sitten meine Anwerbung an Herr Pompejus schriftlich uͤber Meer an Herꝛ f f f ij Fabius Sechstes Buch. Fabius aber muͤndlich abgelegt/ und von jenem gaꝛ keine/ von diesem aber zum eꝛsten mah- le diese Antwort erhalten/ daß sein Kind nicht einheimisch/ darzu jung/ und vielleicht schon einem andern zugedacht waͤhre. Worauff ich etwas in Ruhe gestanden/ und nach Ver- lauff etlicher Wochen von Frl. Lukrezien dieses angenehme Brieflein (welches er loßwic- kelte und zeigete) bekom̃en. Von mir ein Brieflein? sagte Lukrezie mit einem Gelaͤch- ter. Wollet ihr solches/ und eure eigene Hand leugnen? sagte Prokulus. So muͤste ichs acht Tage vor meiner Geburt geschrieben haben/ antwortete sie/ biß dahin ich dann nicht gedenken kan. Ihr Vater aber redete ihr ein/ sie solte ihn zuvor ausreden lassen. Also fuhr jener weiter also fort: Fuͤnff Tage nach Empfahung dieses/ ist mir ein anders (welches er auch zeigete) von Padua aus/ von Frl. Sibyllen zugeschrieben worden. Ey behuͤte Gott/ sagte dieselbe/ was wil endlich aus diesen Luͤgen werden? Ein freies Affenspiel/ antwortete Lukrezie mit einem untergedrukten Lachen; Jene aber fuhr fort: Schaͤmet ihr euch nicht/ Prokulus/ euren Kaͤyser/ und andere anwesende grosse Herren dergestalt umzutreiben? Weil aber ihr Vater sie schweigen hieß/ setzete jener sein Vorbringen also fort; Es gebuͤh- ret sich nicht/ das geschehene zuleugnen/ wo man ehrlich ist/ insonderheit/ wann es mit ei- genhaͤndiger Schrifft kan erwiesen werden/ halte auch davor/ dafern der Teutsche und Schwede nicht Zauber Kuͤnste gebraucht haͤtten/ wuͤrden sie dieser beyder Fraͤulein guten und ergebenen Willen gegen mich/ mit keinem Wasser abgespuͤlet habet. Du vermissest dich ein grosses auff deine Briefe/ sagte der Kaͤyser zu ihm/ und wann es niemand von den Anwesenden zuwider seyn wuͤrde/ muͤsten sie oͤffentlich verlesen werdẽ. Alle gegenwaͤrtige/ insonderheit die beyden Fuͤrstinnen/ bahten sehr/ daß es geschehen moͤchte. Worauff der Kaͤyser den ersten von Prokulus nahm/ und es seinem geheimen Schreiber reichete/ da Prokulus die Fuͤrstinnen umb Verzeihung baht/ daß durch ihre Untraͤue er gezwungen wuͤrde/ ihre Heimligkeiten zuoffenbahren; woruͤber diese beyde sich schier zum Schiefer gelachet haͤtten. Der Diener aber fing zuerst an die stolze Auffschrifft zulesen/ welche auff diese Art eingerichtet wahr: Dem Wolgebohrnen Herrn und Ritterlichen Helden/ Herrn Sextus Marzius Prokulus/ Roͤ- mischer Kaͤyserl. Hocheit gewirdigtem Ritter/ Hof- und Kriegs Naht/ ꝛc. meinem hochgeneigeten Herrn/ und in Ehren herzangenehmen allerliebsten Freunde. Wir lassen diesen Streich jetzo hingehen/ sagte der Kaͤyser/ nur moͤchten wir gerne be- richtet seyn/ von welchem ehemahligen Kaͤyser du magst zu solchem Raht bestellet seyn? Allergnaͤdigster Kaͤyser/ antwortete er; ich habe niemahls mir unwirdigen diese Ehren- benennung zugelegt/ und bin in den Gedanken gestanden/ das liebe Fraͤulein wuͤrde durch ein falsches Geruͤchte betrogen seyn. Ja mein/ sagte Lukrezie/ wann ihr nur nicht selbst gar zu heßlich beschmissen waͤhret. Der Diener falzete inzwischen den Brief von einander/ und lase folgenden Inhalt: Wolgebohrner Herr/ und durch diesen Weltkreiß hochgepreiseter Ritterlicher Held. Was gestalt Eure Liebe mein Herr/ bey meinem Herr Vater umb meine Heyraht ganz ehrerbietige und wolstaͤndige Ansuchung getahn haben solle/ bin ich von meiner herzlieben Fr. Mutter in hoͤchster ge- heim berichtet worden/ auch daß mein harter Vater nicht willens sey/ Eurer Liebe einige Antwort zu erteilen/ unter der Hoffnung/ Euer Liebe gute Neigung gegen mich/ durch solches stilschweigen in eu- rem Herzen zuersticken/ weil er willens seyn sol/ mich mit einem Ravennischen reichen Witwer zuver- heyrah- Sechstes Buch. heyrahten/ welcher auff seinem hoͤckerichten Puckel mehr dann 65 Jahr traͤget. Nachdem aber mei- nem zarten Herzen allerdinge eine Unmoͤgligkeit ist/ einen solchen ekelhafften unvermoͤgenden Greisen und Leisen/ an der Seiten zuerdulden/ und meinen schoͤnen Leib den abgelebeten duͤrren Knochen un- terwuͤrffig zumachen/ insonderheit da ich einen solchen gewuͤnscheten Buhler an Euer Liebe habe; Als gelanget an dieselbe mein ehrendienst- und herzfreundliches ersuchen/ mich dieses ausgedorreten Un- gluͤks zubenehmen/ und durch seine bluͤhende gruͤne Krafft mich zuerfreuen; das ist/ mit seiner Wer- bung fleissig anzuhalten/ oder/ wo moͤglich/ mich gar aus meines Vaters Gewalt hinweg zuhohlen/ als seine ganz ergebene; jedoch mit dem ausdruͤklichen bedinge/ daß/ dafern seine Liebe diesen Brief und dessen Inhalt einigem Menschen der Welt offenbahren wird/ er von aller meiner Hulde in Ewig- keit sol entsetzet seyn/ werde auch auff solchen fall mir einen andern Buhlen und Retter erkiesen; son- sten aber bin und verbleibe ich meines herzgeltebeten Herrn und allerangenehmesten Freundes/ weil ich lebe/ ganz ergebene gehorsame Lukrezie Pompejin. Fr. Lukrezia muste Zeit des lesens ihren Mund mit einem Wischtuche zuhalten/ damit sie sich des lachens erwehrete/ nachgehends sagte sie zu Prokulus: Tapfer Ritter/ wer mag doch immermehr des Narren mit euch so ungescheuhet und handgreiflich gespielet haben? Mein Herr Vater aber wolle doch den Brief besehen/ ob er die Hand kenne/ dann daß es meine nicht sein wird/ bin ich gnug versichert. Aber der Kaͤyser baht/ ein wenig/ iñe zu halten/ biß daß übrige auch verlesen waͤhre. Welches dann dem elenden Prokulus sehr angenehm wahr/ und zu Lukrezien sagete: Ja eben dieses komt mit eures Bohten rede uͤberein/ welcher mir muͤndlich anzeigete/ dafern ich diesen Brief lautbahr machen würde/ wolte sie alles/ auch ihre eigene Hand verleugnen. Es ist gut/ antwortete sie; man pfleget den geheimen Bohten wol so viel in den Mund zu legen; sonst zweifele ich nicht/ wann der Schau-Spiel-Schreiber Plautus oder Terentius wieder aus der Asche hervor kaͤhmen/ wuͤrden sie an euch zeuges gnug haben/ woraus sie ein gaukel- volles Spiel tichten koͤnten. Er aber kehrete sich daran wenig/ baht nur/ der hoͤnischen zunge ein Gebiß anzulegen/ und reichete den andern Brief hin/ welcher also verlesen ward/ daß vor erst die Aufschrift mit dem ersten nach allen worten uͤberein kahm/ da doch der eine zu Jerusalem/ der ander zu Padua solte geschrieben sein; und alle anwesende daher die Auftreiberey leicht merketen; darauf folgete nun dieser Inhalt: Wann die liebe Sonne durch ihre glaͤnzende Strahlen so wol meines Herzen Lust und Freu- de/ als den klaren Tag hervor bringen/ und dieselbe euch mein Herr/ zeigen koͤnte/ wuͤrdet ihr/ hoͤchst- werther Schaz erkennen moͤgen die Herligkeit/ in welche ich durch Euer Liebe Anwerbung nach mei- ner Heyraht gesetzet bin; hingegen muß ich mich dannoch plagen und graͤmen/ daß meine unbedacht- same Eltern (wie ich aus deren Schreiben mit hoͤchstem Unwillen vernehme) bedenken tragen/ Euer Liebe mich alsbald zuversprechen. Ach mein Seelen-Freund/ wie herzlich danke ich euch vor solche Gunst und Liebe/ kan auch nicht absehen/ warumb meine Eltern dieses Gluͤk nicht mit mir zugleich mit beyden Haͤnden ergreiffen/ es waͤhre dann/ daß sie dem hinkenden einaͤugigen Nummius Lelia- nus noch weiters zuhoͤretẽ/ welcher ihnen grosse guͤldene Berge von seiner Liebe gegen mich vorschwaͤ- tzen sol/ von dessen ungluͤklicher Ehe mich doch entweder Herrn Prokulus kundbare Tapfferkeit und getraͤue Gegenliebe/ oder zum wenigsten mein eigenes Brodmesser frey sprechen wird. Euer Liebe der Verschwiegenheit dieses meines Schreibens zuerinnern/ achte ich vor unnoͤhtig/ massen dessen hoher Verstand leicht zuermaͤssen hat/ daß durch ein widriges er mich in das tieffste Ungluͤk/ ja in den Tod selbst stuͤrzen wuͤrde; und zwar die ihm zu aller Liebe und Traͤue ganz ergeben ist/ auch in alle Ewigkeit eine solche verbleiben wird/ Sibylla Fabiin. f f f iij Gelieb- Sechstes Buch. Geliebete Fr. Schwester/ sagte Lukrezia zu dieser; du kanst anmuhtigere uñ zierlichere Liebes Briefe tichten/ als ich/ welches sie mit einem grossen Gelaͤchter vorbrachte; diese aber begunte Ernst daraus zumachen/ und gab zur antwort: Herzen Fr. Schwester/ du und ich muͤssen zuvoꝛ des schaͤndlichen verdachts allerdinge enthoben sein/ ehe du schimpfen wilt. Mein Gewissen/ sagte jene/ hat mich schon loßgesprochen/ und muͤste mir leid sein/ daß meinen Allergnaͤdigsten Kaͤyser und andere gegenwaͤrtige Fuͤrsten und Herren ich so stumpf schaͤtzen solte/ daß sie diese Auftreiberey und kurtzweiligen Aufzug/ wer ihn auch muß angelegt haben nicht merken und erkennen solten. Niemand antwortete daꝛauf/ wiewol sie alle gnug sehen liessen/ daß sie ihrer meinung waͤhren. Der Kaͤyser aber fragete Prokulus schon mit gelindern worten/ was die Briefe in seiner andern Hand bedeuteten/ und ob sie zum weitern Beweißtuhm dienetẽ koͤnte er sich deren gebrauchen. Ja allergnaͤdigster Kaͤy- ser/ sagte er/ diese Briefe/ ungeachtet diese junge Frauen sich mit gnug hoͤnischen worten suchen auszuwickeln/ werden der Sache den endlichen außschlag geben. Das wird nie- mand lieber sein/ als eben mir und meiner Fr. Schwester/ sagte Lukrezie/ drum so lasset hoͤrẽ/ was ihr noch weiters vor aufgeschriebene Getichte zur Ergaͤntzung dieses Affenspiels mit euch gebracht habet/ hernach wollen wir mit einem Handklopfen und Freuden Geschrey Anzeige tuhn/ wie uns diese Handlung gefallen habe. Es wahren aber zwey Antwort- Schreiben/ welche er auf der beyden Fraͤulein empfangene Briefe hatte auffgesezt und vermeintlich uͤbergeschicket/ deren der erste nach Jerusalem also lautete: Wolgebohrnes Fraͤulein/ herzgeliebete und einig-vertrauete. Euer Liebe angenehmes Brief- lein ist mir wol eingeliefert/ zweifele nicht/ sie werde in der gefasseten Liebes Gunst bestandigst ver- harren/ und den alten Teuge-nicht-mehr in den bodemlosen Korb setzen/ dem ich/ da ich ihn kennen sol- te/ mit wenigem zuschreiben wolte/ er moͤchte sich mit weichem Brey speisen/ weil die Milchzaͤhne ihm ausgefallen seyn. Euren Herr Vat er noch weiters mit Schreiben zuersuchen/ achte ich vor einen uͤ- berfluß/ werde inwendig Viertel Jahres Gelegenheit suchen/ mich selbst zustellen/ und wann Briefe o- der muͤndliche Ansuchung unsern Vorsaz nicht heben kan/ ihren getahnen Vorschlag ins werk zurich- ten beherzt gnug seyn. Inzwischen lebet wol mein Herz/ und versichert euch aller Traͤue von eurem ergebenen S. M. Prokulus/ dem Roͤmer. Der Herr hat seine Sache nicht allein durch sein selbsteigenes Schreiben sehr wol behauptet/ sagte Lukrezie lachend/ sondern über das sich sehr wol verantwortet. Aber was vor Zaͤhne/ meynet er wol/ ihm mein alter Greiser und Leiser nunmehr zuschreiben werde? Wind Zaͤhne/ sagte Sibylla. Es gab ein gemeines Gelaͤchter/ aber der Diener lase den andern Brief an Fr. Sibyllen/ wie folget: Mich wundert sehr/ mein Fraͤulein/ daß meine Geister mir ihre grosse Liebe gegen mich/ nicht vor ihrem Antwort Schreiben geoffenbahret haben; versichere sie hinwiederumb/ daß die Lust/ Freude und Herligkeit/ welche sie noch zur Zeit nur in der Hoffnung hat/ gar bald in der Taht erfolgen solle; und weil mir an der Niessung eurer vortreflichen Schoͤnheit sonsten nichts/ als der elende Lelianus hinderlich ist/ wird seine Seele schier auf der Spitze meines Rauffdegens tanzẽ muͤssen; werde gleich- wol auff Gelegenheit bedacht seyn/ ihren Herrn Vater noch einmahl zubegruͤssen/ und nachdem die Antwort fallen wird/ mich weiters wissen zuverhalten/ dessen sie versichert Ihrer Liebe ganz ergedeneꝛ und bestaͤndiger Liebhaber S. M. Prokulus. Nach verlesung fürchtete sich Prokulus/ man würde ihn nicht zu Worten kommen lassen/ daher er alsbald also anfing: Weil ich dann nun/ allergnaͤdigster Kaͤyser dieser bey- den Sechstes Buch. den Roͤmerinnen/ eigenhaͤndigen Beweißtuhm hervor gebracht habe/ in welchem sie Son- nenklar zuerkennen gegeben/ daß ich mehr von ihnen/ als sie von mir zur ehelichen Liebe er- suchet bin/ wird und kann nichts mehr uͤbrig seyn/ als daß mein gerechtester Richter in die- ser Sache die Urtel felle/ welche/ angesehen der bestendigen Kaͤyserlichen Gerechtigkeit/ nit anders/ als vor mich und meine auffrichtige traͤue/ wieder die Falscheit dieser beyden Roͤ- merinnen stehen mus. Allergerechtester Kaͤyser/ fing darauff Furstin Sibylla an; daß ge- genwaͤrtiger Prokulus von etwa einem Schalke oder einer Schaͤlkin frey auffgezogen/ und mit abgel e senen ersten Brieffen/ welche unser keine nie gesehen/ tapffer bey der Nase umbgefuͤhret sey/ liegt mehr als zu helle am Tage/ massen so wenig ich von dem Lelianus/ als meine Fr. Schwester von dem alten Greisen leisen ungeneñeten Buhler ichtwas weis/ oder jemahls gehoͤret habe. Ob nun Prokulus die ertichteten Brieffe beantwortet habe oder nicht/ kan uns weder Schaden noch Vortel geben/ und muͤste er ja bestaͤndig erweisen/ daß ihm die Brieffe von uns zugeschrieben und uͤbergeschicket/ auch seine Antwort/ davon wir nie etwas gehoͤret oder gesehen/ uns eingelieffert waͤhren. Er bringe die Brieffetraͤger an den Tag/ und lasse sie scharff fragen/ dann wird sichs finden/ wie weit sein Beweißtuhm reiche. Weil ihm aber vielleicht solches unmoͤglig seyn wird/ und durch diesen possierlichen Auffzug meiner Fr. Schwester und mir durchaus keine boͤse Nachrede erwachsen kan/ wiewol/ wann der Anstifter uns kund waͤhre/ wir ihn aufs wenigste daruͤber zurede stellen wuͤrden/ uͤberdas auch Herr Prokulus durch seines Gehirns bloͤdigkeit mag uͤberschnellet und zur leichtglaͤubigkeit angetrieben seyn/ als gelanget an ihre Kaͤyserl. Hocheit meiner Fr. Schwester und mein demuͤhtigst-untertaͤhnigstes bitten/ dieselbe wollen allen ungnaͤ- digen Willen gegen Herrn Prokulus fallen lassen/ und von dessen Wiz ein mehres nicht fodern als der unguͤtige Himmel ihm verlihen hat. Daß waͤhre wol eine wunderliche Sa- che/ sagte Prokulus/ wann in diesem Gerichte ich unterliegen und den kuͤrzern zihen solte; und dafern diese Schreiben von irgend einem andern/ als von den beyden Fraͤulein her- kommen waͤhre/ wuͤrde ich solches eifern biß an mein Ende. Der Kaͤyser fiel ihm hieselbst ein/ und sagete: Ohn allen zweiffel haͤttestu verdienet/ das dein unbesonnenes Vornehmen nicht mit Waffen/ sondern mit Hundepeitschen gestraffet wuͤrde/ und haͤtten wir solche gro- be Narrey nimmermehr hinter dir gesuchet. Es mus aber dieser teuren Fuͤrsten und Fuͤr- stinnen vorbitte dir zum besten kommen/ mit denen/ wegen angelegten Schimpffes abtrag zu machen/ befleissige dich ja bald/ oder du duͤrfftest nicht gar lange mehr Prokulus heissen. Dieser kam zur erkaͤntnis/ taht vor dem Kaͤyser einen Fußfall/ und baht seiner unbesonnen- heit allergnaͤdigste verzeihung; und weil er nicht wuste/ wer Baldrich und Siegward wah- ren/ ließ er sich dieselbe zeigen/ da ihm Baldrich naͤher trat/ und zu ihm sagete: Ritter/ daß ihr meinem geliebten Gemahl in ehren nicht abhold gewesen seid/ kan ich euch wol goͤnnen/ wie auch/ daß mit den ertichteten Liebes-Brieffen ihr euch bißher erlustiget; aber nunmehꝛ muͤsset ihr solcher Gedanken muͤssig gehen/ wuͤꝛde auch unritterlich gehandelt seyn/ wañ ihr einem andern sein Gemahl zuentwenden euch unterfangen woltet; ich vor mein Haͤupt moͤchte euch noch viel eine schoͤnere goͤnnen; aber daß ihr gleichwol mich habt unter dem Schein einer guten Sache/ nicht ohn meine Beschimpfung ausfodern duͤrffen/ muͤste euch so leicht nicht geschenket seyn/ wann es euch nicht leid waͤhre. Jedoch/ wie jung ich bin/ ha- be ich Sechstes Buch. be ich doch meines wissens nie keine ausfoderung umbsonst und ohn darstellung angenom- men/ und mus deßwegen der Kampf durchaus/ zum wenigsten mit dem Speer vor sich ge- hen/ um darzutuhn/ wer unteꝛ uns beyden meineꝛ Lukrezien gluͤklichster Liebhaber sey. Pro- kulus sahe ihn so schwank und jung in duͤnner Kleidung vor sich stehen/ und wahr ihm sehr lieb/ daß der Streit seinen fortgang gewinnen solte/ nahm ihn gerne auff sich/ und gab zur Antwort: Ritter/ ob ich gleich/ mus bekennen/ der gluͤklichste Liebhaber dieser Fraͤulein nit bin/ hoffe ich doch mit dem Speer leicht zuerhalten/ daß ich der erste unter uns beyden/ und nicht untraͤu gewesen bin. Nicht untraͤu? sagte Baldrich; Je was ist daß dann vor eine Traͤue/ daß ihr zugleich umb meine Fr. Schwester/ Fuͤrstin Sibyllen habt anwerben dür- fen? sehet guter Freund/ was ihr redet/ und kaͤmpfet unter so augenscheinlicher boͤsen Sa- che nicht/ es duͤrfte sonst die Traͤue selbst suchen/ sich an euch zu raͤchen. Meine Traͤue ist da- durch nicht gebrochen/ antwortete er/ sondern im fall dieses Fraͤulein dieselbe nicht haͤtte erkennen wollen/ wahr mein Anschlag auff Frl. Sibyllen hingerichket. Ey sehet da/ ein schoͤ- ner Anschlag/ sagte Sibylla/ und mus ich alhie noch schamroht stehen/ weil mir ins Ge- sichte gesaget wird/ daß ich habe Noht-bedarff seyn sollen. Das Gelaͤchter hieruͤber wahr nicht geringe/ da der Kaͤyser den beyden Fuͤrstinnen ihre vermeineten Liebes-Brieffe zum laͤcherlichen angedenken einhaͤndigte/ auch auff Baldrichs anhalten den Kampf einwillig- te/ welcher inwendig der Kaͤyserlichen Burg/ da es eine gute Rennebahn gab/ solte gehal- ten werden/ weil man ohndas daselbst speisen wolte; machten sich also beyde Kaͤmpfer fer- tig/ welches Baldrich bloß taht/ umb eine Kurzweil zu machen. Ihnen wurden gleichmaͤs- sige/ aber auff des Kaͤysers befehl/ stumpfe Speer gegeben/ da Lukrezie ihrem Gemahl ein koͤstliches Faͤhnlein dran heftete/ woruͤber sein gutes Herz treflich zunam. So durfte Pro- kulus nicht weniger sich des Sieges getroͤsten/ und mangelte ihm weder an guten Waffen noch starkem wolgewanten Pferde. Sie schicketen sich beyderseits zum Treffen/ und ran- ten aus allen kraͤften zusammen; doch hielt Prokulus diesen ersten Stoß aus/ wie wol er dem falle sehr nahe wahr/ und Baldrich hingegen unbewaͤget voruͤber ging/ da er sagte; Hiemit mag Prokulus erwiesen haben/ daß er der erste Liebhaber unter uns beyden gewe- sen sey. Der Kaͤyser sahe daß Prokulus gezwungen ward sich an seines Pferdes Maͤhne zu halten/ weil er Stegreiff-loß gemacht wahr/ und wunderte sich nicht wenig/ weil ihm dessen Leibeskraͤfte nicht unbewust wahren; welcher dann des Stosses wol empfand/ auch des Schimpfs zu bersten meinete/ verwandelte die Herzhaftigkeit in raserey/ und ging zum andernmahle loß/ unter der Hoffnung/ es wieder einzubringen/ nachdem sie beyderseits mit neuen Speeren versehen wahren; aber es ging ihm ungluͤklicher weder vorhin; dann ob er gleich sein Speer auff Baldrichen zum andernmahle brach/ vermochte er ihn doch nicht wankend zu machen; da hingegen er nicht allein den Sattel raͤumen muste/ sondern es fuhr ihm auch ein Splitter von seines Gegeners Speer unter dem Helm durch den Hals/ daß ihm das Blut uͤber den Harnisch herab lieff/ und er als Tod auff dem Platze liegen blieb/ welches Baldrichen sehr leid wahr/ sprang vom Pferde/ loͤsete ihm den Helm ab/ und zog ihm den Splitter aus der Wunde; und als er sahe/ daß er sich erhohlete/ troͤstete er ihn/ er solte gutes muhts seyn/ die unvermuhtliche Ungluͤks-wunde waͤhre ihm leid/ moͤchte des Arztes gebrauchen/ uñ sich versichern/ daß er bemuͤhet sein wolte/ ihm einen gnaͤdigen Kaͤy- ser Sechstes Buch. ser zu machen. Dieser empfand der Schmerzen/ bedankete sich gleichwol des guten willen/ und baht/ wegen des ergangenen umb guͤnstige verzeihung/ lies sich von der Burg leiten/ und verbinden/ wiewol er sein lebelang einen schiefen Kopff tragen muste/ weil ihm eine Sehnader gelaͤhmet wahr. Der Kaͤyser sahe dieses Treffen mit verwunderung an/ dann er wuste daß Prokulus nicht so leicht abzustechen wahr/ und weil H. Dio neben ihm stund/ sagete er zu ihm: Was wird dieser junge Fuͤrst dereins vermoͤgen/ wann er die stehenden Jahre erreichen sol? Lukrezie freuete sich des Sieges am meisten/ ging ihrem Gemahl auff dem Platze entgegen/ und halff ihm daselbst die Ruͤstung abzihen/ welches dem Kaͤyser der- massen gefiel/ daß er sie oͤffentlich die andere Roͤmische Lukrezie nennete/ und sie vor sich fo- derte/ sie fragend/ ob wegen ihrer anfoderung sie sich schier bedacht haͤtte. Worauff sie ant- wortete: Großmaͤchtigster unuͤberwindlichster Kaͤyser/ allergnaͤdigster Herr; Euer Kaͤy- serl. Hocheit ich unwirdigste Magd/ erkenne mich so hoher Kaͤyserl. Gnade und Hulde un- faͤhig/ würde auch so weit mich nicht erkuͤhnen duͤrffen/ wann die kindliche Begierde/ mei- nen lieben Eltern nahe zu seyn/ mich nicht antriebe; unter welcher Zuversicht an ihre Kaͤy- serl. Hocheit ich mein untertaͤhnigstes Ansuchen abgehen lasse/ umb zuvernehmen/ ob mein herzlieber Vater des Syrischen Stathalter Amtes nicht koͤnne erlassen/ und etwa zu einer Roͤmischen Bedienung in Teutschland/ zu Koͤllen oder der Ends befodert werden/ woselbst er vielleicht seinem allergnaͤdigsten Kaͤyser und geliebten Vaterlande der Stad Rom zu dienste auch noch etwas gutes schaffen moͤchte. Der Kaͤyser wunderte sich dieser Bitte/ meinete auch nicht/ daß ihr Vater damit friedlich seyn wuͤrde/ uñ antwortete ihr: Geliebte Freundin; sie bittet/ meinen wir/ mehr ihre kindliche Liebe sehen zu lassen/ als ihres nutzen wahr zunehmen/ halten auch nicht/ daß ihr Vater darein gehehlen werde/ inbetrachtung/ er sich aus der Sicherheit in Gefahr/ aus friedlichem Stande in Unruhe versetzen wuͤrde; wollen nicht sagen/ daß die jaͤhrlichen Einkommen gegen einander nicht zu rechnen sind. Ihrer Kaͤyserl. Hocheit zuwiedersprechen/ wil mir nicht gebuͤhren/ sagte Lukrezie; wann aber deroselben allergnaͤdigst gefallen koͤnte/ meinen Vater daruͤber selbst zu hoͤren/ wuͤrde er seine meinung anzeigen. Ja/ warumb nicht/ antwortete er; rieff ihn selbst herzu/ und taht ihm seiner Tochter Bitte zu wissen. Worauff er diese Antwort gab; Allergnaͤdigster Kaͤy- ser; wann mirs umb meinen eigen nutzen zu tuhn waͤhre/ wuͤrde ich mein Kind dieser bitte wegen anfeinden; weil aber alles mein tichten und trachten dahin stehet/ wie euer Hocheit und dem lieben Vaterlande ich nuͤzliche uñ ersprießliche dienste leisten moͤge/ habe ich mei- ner Tochter dieses selbst an die Hand gegeben/ weil ich davor halte/ die Freundschaft zwi- schen diesen Teutschen Fürsten und mir/ sey so fest gelegt und unterbauet/ daß meine nahe Anwesenheit/ sie und die ihren in Roͤmischer Freundschaft zu unterhalten/ mehr/ als etliche tausend Kriegsknechte wirken sol; bitte diesem nach untertaͤhnigst/ ihre Kaͤyserl. Hocheit wolle meines Kindes anwerbung nicht ungnaͤdig vermerken/ und nach ihrer freien Wahl und Macht darin ordnen und schaffen/ auch mir allergnaͤdigst verzeihen/ wann ihrer Kaͤy- serl. Hocheit diese Bitte solte zuwieder seyn. Woldann mein Pompejus/ sagte der Kaͤyser/ dieser Redligkeit und auffrichtigen Traͤue muͤsset ihr geniessen. Foderte den Buͤrgemeister Pupienus und andere Roͤmische Rahts Herren zu sich/ gab ihnen dieses bewaͤglich zuver- stehen/ und ward der Schluß gemacht/ ihm hinfuͤro eine sonderliche Mildigkeit zueꝛweisen. g g g Wie Sechstes Buch. Wie ihm dann nicht allein das Stathalter Amt zu Koͤllen geliefert ward/ sondern empfing jaͤhrlich aus des Reichs Schazkammer 30000 Kronen uͤber das ordentliche vermachte Einkommen/ und gab ihm der Kaͤyser und die Stad Rom den Zunahmen PIVS, das ist/ der Gottfuͤrchtige. Nun suchete Groß Fuͤrstin Valiska alle Gelegenheit/ wie sie dem Kaͤyser eine Beluͤ- stigung machen/ und ihre ritterliche Erfahrenheit sehen lassen moͤchte/ daher sie mit Her- kules redete/ ob ihr koͤnte zugelassen seyn/ etliche verdeckete Auffzüge anzulegen; und nach guter bewilligung muste Gallus mit etlichen Reutern schleunigst nach dem Walde reiten/ in welchen sie vor zwey Jahren gefuͤhret wahr/ auff daß er das uͤbrige des Kunstpulvers uͤberbraͤchte/ dessen er noch uͤber verhoffen einen guten Anteil fand/ und neben Herkules Schwert/ welches er jensmahl mit dem Stabe verwechselt hatte/ zu sich nam/ da er fast den ganzen Ruͤkweg/ sich seiner vorigen Suͤnden erinnernd/ mit gebeht und flehen zubrachte. Gegen den Abend streich Valiska einen Boͤmischen aͤdelknaben/ der mit ihr gleicher Leibes groͤsse wahr/ das Gesichte an/ machte ihm ein falsches Haar/ gab ihm ein Amazonisch Kleid anzuzihen/ und ordnete ihm Timokles mit verstelletem Angesicht vor einen Dolmetscher zu/ nebest voͤlligen unterricht/ wessen sie sich verhalten solten. Diese/ wie ihnen befohlẽ wahr/ liessen sich desselben Abends angeben/ dafern sie von Kaͤyserl. Hocheit und den anwesenden Fuͤrsten und Herren/ gnaͤdigst/ gnaͤdig und freundlich koͤnten gehoͤret werden; traten nach Erlaubniß in den Saal/ neigeten sich hoͤflich/ wiewol auff fremde Art/ und redete Timo- kles also: Unuͤberwindlichster Kaͤyser/ Durchleuchtige Fuͤrsten und Herren/ Fuͤrstinnen/ Frauen und Fraͤulein; gegenwaͤrtige mein gnaͤdigstes Fraͤulein/ Frl. Minithea/ der Groß- maͤchtigsten Fuͤrstin Thalestris/ herschender Koͤnigin der Amazonen leibliche Schwester/ die nach Afrika zusaͤgeln willens/ hieher verschlagen ist/ hat die hoͤchstansehnliche Versam- lung Kaͤyserl. Hocheit mit so vielen Fürsten und Herren/ auch Fürstinnen/ Frauen und Fraͤulein/ ohngefehr in Erfahrung gebracht/ und der ursach halben sich hieher begeben/ daß sie moͤchte sehen lassen/ ob nicht auch ihre weibliche ritterliche uͤbungen sich bey dieser Landesart Rittern angenehm/ und in etwas beliebt machen koͤnten; bittet demnach unter- taͤhnigst und freundlich/ daß ihr moͤge vergoͤnnet seyn/ morgen vor essens ein vierfaches Ritterspiel zur kurzweiligen Lust anzustellen/ als nehmlich eine Reit Schuele/ ein Ringel- rennen/ eine Fechtschuele und ein Freyschiessen; stellet auch Ihrer Kaͤyserl. Hocheit un- tertaͤhnigst anheim/ ob dieselbe die Gewin setzen/ oder ihr solches daneben erlaͤuben wolle. Da nun dieses ihr Ansuchen stat finden wird/ wil sie solches an ihrem orte dereins hoͤchst zu ruͤhmen haben. Der Kaͤyser und alle anwesende verwunderten sich dieses vorbringens zum hoͤchsten/ macheten anfangs ein Gelaͤchter druͤber/ weil allen und jeden gnug bewust wahr/ daß die Amazonischen Weiber vorlaͤngst schon gedaͤmpfet und ausgerottet waͤhren/ und kunte doch niemand/ ohn Ladisla und Arbianes außsinnen/ wer dieses Aufzugs Mei- ster sein moͤchte. Nicht destoweiniger blieb die ertichtete Amazonin stehen/ und erwartete der genehmen Antwort/ mit vorwendung/ sie wolte nicht hoffen/ daß Kaͤyserl. Hocheit und den Anwesenden Fuͤrsten und Herren ihr ritterliches Ansuchen einiges mißfallen erweckẽ solte; im widrigen baͤhte sie umb gnaͤdigste und freundliche Vergebung ihrer gebrauch- ten Kuͤhnheit. Als nun der Kaͤyser ihr beharliches Ansuchen sahe/ gab er Dion Vol- macht/ Sechstes Buch. macht/ ihr als einer Amazonischen Fuͤrstin zuantworten/ und alles nach ihrem begehren einzuwilligen; daher dieser also anfing: Durchleuchtiges ritterliches Fraͤulein/ tapffere Amazonin; die sonderliche Ehre/ welche Kaͤyserl. Hocheit/ auch den anwesenden Durchll. Fuͤrsten und Herren/ Fuͤrstinnen/ Frauen und Fraͤulein durch diesen Vortrag wiederfaͤh- ret/ wird von allerhoͤchstgedachter Ihrer Kaͤyserl. Hocheit und anderen anwesenden gnaͤ- digst und freundlich auffgenommen/ und wie Euer Durchl. dieses tapffere Vornehmen zu allem Ruhm ausschlagen muß/ also wird man nit unterlassen/ ihren ritterlichen uͤbun- gen/ teils als Mituͤbende/ teils als Zuseher beyzuwohnen/ da dann Kaͤyserl. Hocheit gnaͤ- digst geruhen wird/ allen obgedachten uͤbungen dreifache gedoppelte Gewin zusetzen/ so daß je zween den ersten/ andern und dritten in allen vier Ritterspielen zugewarten haben sollen; und wird endlich Ihre Durchl. gnaͤdigst und freundlich ersuchet/ gegenwaͤrtige Gesel- schafft mit ihrer Gegenwart diesen Abend zuvermehrẽ. Die Amazonin bedanke sich durch ihren Dolmetscher der gnaͤdigst- und guͤnstigen Wilfahrung/ haͤtte diesen Abend annoch noͤhtige Geschaͤffte zuverrichten/ wolte aber morgen fruͤhzeitig gnug im Schloßplatze sich finden lassen; nam hiermit Abscheid/ und verließ die Geselschafft in wundersamen nach- denken/ was sich morgen begeben wuͤrde. Es stund der Amazonin alles weiblich gnug an/ das Angesicht wahr auch unbekant/ weder Teutsch noch Italiaͤnisch. Ihrer viel stunden in den Gedanken/ der Kaͤyser selbst wuͤrde es also geordnet haben/ nur daß er unserer Fuͤrst- lichen Helden ritterliche Erfahrenheit sehen und pruͤfen moͤchte. Hingegen gab der Kaͤy- ser es auff Herkules oder Ladisla/ oder Arbianes. Die Groß Fuͤrstin/ welche zwischen Fr. Mammeen und dem Kaͤyser saß/ wuste sich so wol in die Possen zuschicken/ daß kein Roͤmer auff sie argwohnete/ auch die unsern selbst/ ausser Herkules/ zweifelten; dann sie fing mit dem Kaͤyser ein Gespraͤch an von den Amazonischen Heldinnen/ ob man auch trauen duͤrf- te/ daß dergleichen/ wie man schriebe/ je gewesen waͤhren; etliche gaͤben vor/ sie waͤhren von Herkules dem beruffenen Griechischen Heldẽ gedaͤmpft; andere dagegen hielten mit dem Homerus/ sie haͤtten sich noch nach Herkules Tode mit vor Troja wider die Griechen ge- brauchen lassen; ja man duͤrffte bejahen/ daß sie annoch zur Zeit des grossen Alexanders gewesen waͤhren. Worauff der Kaͤyser zur Antwort gab: Weil nicht allein die Geschicht- Schreiber einhellig es bejaheten/ sondern man auch noch auff diesen Tag etliche trefliche Gebaͤu zeigete/ die von ihnen solten gerichtet seyn; ja überdas ihrer vornehmsten Koͤnigin- nen Nahmen und Nachfolge verhanden waͤhren/ haͤtte man seines erachtens nicht groß dran zuzweifeln. Ward also dieses Gespraͤch auffgehoben/ und der Abend mit tanzen und kurzweilen hingebracht. Des folgenden Morgens stellete der Amazonin Dolmetscher sich wieder ein/ und ließ bey Kaͤyserl. Hocheit und den Fuͤrsten anhalten/ eine gute Anzahl wol abgerichteter muhtiger Pferde/ teils gesattelt/ teils nur schlecht gezaͤumet auff den Reit- plaz fuͤhren zulassen; auch ein Gestelle zum Ringelrennen auffzurichten/ und etliche stum- pfe Schwerter nebest unterschiedlichen Bogen und Pfeilen dabey zuordnen/ welches alles zur gnuͤge verrichtet ward. Der Kaͤyser und die alten Roͤmischen und Paduanischen Herren stunden auf einem absonderlichen Gemache Ostenwerts. Das fremde/ Roͤmische und Paduanische aͤdle Frauenzimmer/ hatten allernaͤhest dabey ihren Stand. Gleich ge- gen uͤber wahren die Fuͤrstinnen alle mit einander/ nebest Fr. Kordula/ Virginia und He- g g g ij lena. Sechstes Buch. lena. Die Groß Fuͤrstin ließ sich anfangs an ihrer stelle oͤffentlich sehen/ gruͤssete auch in- sonderheit den Kaͤyser durch ihr Guk Fenster/ umb allen Argwohn abzulehnen/ und mustẽ hernach alle ihre Geselschafft die Angesichter mit schwarzem Flohr behaͤngen/ da sie ihre Euphrosynen an ihren Plaz stellete/ Haar/ Angesicht/ Haͤnde und Arme braunschwarz an- strich/ und ein Amazonisch Kleid anlegete; hatte zween Boͤhmische mit gleicher Kleidung verstellete aͤdelknaben bey sich/ welche ihr einen koͤstlichen Bogen/ Elffenbeinen Koͤcher mit Pfeilen/ und ein stumpffes Schwert nachtrugen. Als sie in den Plaz trat/ erzeigete sie allen Zusehern/ und die zur ritterlichen uͤbung sich eingestellet hatten/ nach Standes Gebuͤhr/ hoͤfliche Ehr/ und ließ darauff durch ihren Dolmetscher folgende Werbung vortragen: Durchleuchtigste Fuͤrsten/ Hochgebohrne Herren und hochaͤdle tapffere Ritter; gegen- waͤrtige mein gnaͤdigstes Fraͤulein bedinget sich ausdruͤklich/ daß sie weder aus hochmuͤh- tiger Einbildung/ noch schaͤndlichem Ehrgeiz diese übung angestellet/ vielweniger ihr die Gedanken machet/ ob solte sie so treflichen Helden etwas angewinnen koͤnnen/ deren hoͤchst: ruͤhmliche Ritterschafft so weit erschollen/ daß sie auch den Amazonischen Ritterinnen nit verborgen bleiben moͤgen/ sondern bloß nur die Ehre und das Gluͤk zuhaben/ sich in ihrer Geselschafft mit zuuͤben/ hat sie diese Ritter Spiele mit antreten wollen/ unter der unge- zweifelten Zuversicht/ sie werde hiedurch niemand einige Verdrießligkeit erzeigen oder zum Widerwillen anreizen. Bittet daneben dienst- und freundlich/ einer unter ihrer Hoch- Fuͤrstlichen Geselschafft wolle den Anfang mit dem Pferde bereiten machen. Ladisla/ wel- cher nunmehr seine Schwester gar aus dem Verdacht gelassen/ weil er sie niemahls mit verstelletem Angesicht gesehen hatte/ gab ihr diese Antwort: Durchleuchtigstes Fraͤulein/ tapffere Amazonin/ wie solte einiger Ritter an diesem hochloͤblichen beginnen Verdruß tragen/ oder deren ritterliches Vornehmen einiger Ungleicheit beschuldigen? Vielmehr erkennen wir ingesamt und jeder insonderheit/ Euer Liebe uns davor zu Dienst verbundẽ/ nachdem sie uns gewirdiget/ daß in ihren ritterlichen uͤbungen wir uns zugebrauchen ge- legenheit haben koͤnnen; und weil ihre Liebe dieses vierfachen Ritterspiels Uhrheberin ist/ wird sie unbeschweret seyn/ in allen nach ihrem guten belieben den Anfang zumachen/ da- mit aus ihrem vorgehen wir lernen moͤgen/ wie wir folgen sollen. Die Amazonin neigete sich abermahl/ sahe frisch umher/ erblickete ein gesatteltes hohes und muhtiges Pferd un- ter dem Hauffen/ und ließ die Diener/ die es hielten/ es auff die Bahn zihen. Der Kaͤyser/ dem es zustund/ und es uͤber alle seine Leib Rosse schaͤtzete/ wiewol ers selber zureiten nicht getrauete/ und schon bedacht wahr/ Gelegenheit zusuchen/ daß Herkules es tum̄eln moͤch- te/ sahe dieses nicht ungerne/ dann er meinete/ sie wuͤrde mit Schimpff bestehen/ und das uͤbermuͤhtige Tihr nicht zwingen koͤnnen; aber sie lief mit vollem Sprunge darauff zu/ schwang sich als im Augenblik in den Sattel/ fassete den Zuͤgel/ und beritte es so artig/ daß alle Zuseher zweifelten/ ob ihr jemand solches nachtuhn wuͤrde; anfangs sprengete sie da- mit hinter und vor sich/ und zu beyden Seiten aus; hernach ließ sie es im einfachen und ge- doppelten Kreisse lauffen/ und trieb es zu so hohen gewaltigen. Sprüngen an/ daß jeder- man meynete/ sie würde den Hals zubrechen/ saß doch nicht destoweniger dermassen fest im Sattel/ als waͤhre sie darauff geleimet/ daß auch der Kaͤyser zu seinen Beystehern anfing: Ich habe dieser verstelleten Amazonin in meinem Herzen sehr unrecht getahn/ daß ich die- ses Sechstes Buch. ses Pferd ihr nicht zugetrauet/ da sie es doch ungleich tapfferer und witziger als alle meine Bereiter/ getummelt hat. Gleich da sahe er/ daß sie im vollen rennen herunter sprang/ und sich gegen die anwesende hoͤflich neigete. Herkules nam eben dasselbe Pferd/ und machte ihr alles genaue nach was sie hatte sehen lassen/ ließ auch einsmahls seinen Huet mit gu- tem Willen auff die Erde fallen/ und hueb ihn mit seinem Staͤblein in vollem rennen auff. Ladisla und die drey Fuͤrsten tahten auch ihr bestes/ aber an die Amazonin und Herkules kahmen sie nicht. Die Roͤmischen Ritter verzageten alsbald/ hieselbst Ehre zugewinnen/ haͤtten viel lieber weit davon seyn moͤgen; aber ehrenhalben musten sie mit machen/ da der junge Pupienus sich vor andern wol hielt. Als der junge Sulpitius in seiner uͤbung war/ sihet die Amazonin Herkules aͤdlen Blaͤnken stehen/ der von vier Dienern gehalten ward/ bedachte sich/ ob Verdacht zumeiden/ sie ihn unbeschritten solte lassen/ und ließ sich endlich durch Begierde reizen/ daß sie hinzu trat/ den Zaum ergrif/ und sehr gerade hinauf sprang. Das Pferd seinen ersten Reuter kennend/ hielt sich zahm und gehorsam/ ließ sich lenken uñ kehren nach allem Wink/ und rante sie wie ein Pfeil auff demselben hin und wieder/ biß es zimlich ermuͤdet war/ daher Ladisla von neuen gedachte/ es muͤste ohn zweifel seine Schwe- ster seyn/ Gott gaͤbe/ wie sie auch unvermerket von der Schaubühne kommen waͤhre/ und mit der ihm wolbekanten Farbe sich verstellet haͤtte. Arbianes wankete auch/ und haͤtte sich schier erkuͤhnet/ Groß Fuͤrsten Herkules seine Meinung zuentdecken/ hielt aber doch inne/ aus furcht/ sie zubeleidigen/ da sie es waͤhre. Endlich ergriff sie ein ungesatteltes doch ge- zaͤumetes sehr unbendiges Pferd/ sprengete damit hin und her/ und tummelte sich recht- schaffen/ klemmete sich auch mit den Beinen so feste darauff/ daß sie keinen Wank taht/ un- geachtet das Pferd nur immer sich bemuͤhete/ sie abzuwerffen; welches dem Kaͤyser und andern Roͤmern/ als eine unbekante uͤbung fremd vorkam/ und sehr zweifelten/ ob auch ih- rer Leute einer solches wagen duͤrffte; wie sie dann in Warheit sich dessen alle enthielten; aber die Fuͤrsten ingesamt braucheten sich in dieser ungesattelten Renne Schule sehr wol/ daß keiner dem andern nachgab. Nach Vollendung dieser uͤbung/ welche anderthalb stun- den wehrete/ nam die Amazonin ein Speer zum Ringelrennen/ taht den ersten Rit auff ih- rem Schecken/ und nam den Ring artig hinweg. Herkules und Ladisla tahten desgleichẽ; Baldrich stach ein wenig zu hoch. Siegward traff. Arbianes und die uͤbrigen alle fehleten zum ersten mahl/ ohn Skaurus brachte ihn davon. Nach diesem ward noch 20 mahl um- gestochen/ da die Amazonin und Herkules kein mahl; Ladisla einmahl; Baldrich und Ar- bianes viermahl; Siegward dreymahl/ wie auch Skaurus; die uͤbrigen offter fehl stachẽ. Sie haͤtten gerne noch etliche Ritte getahn/ aber weil die Sonne schon hoch stund ward auch diese uͤbung aufgeruffen; daher nam die Amazonin ihr stumpfes Schwert zur hand/ und foderte anfangs Herrn Skaurus aus/ mit dem sie drey zierliche Gaͤnge hielt/ ihm auch eines über die linke Schulter und das rechte Bein anbrachte/ da er sie doch nicht treffen kunte. O nun verzweifele ich an allen uͤbrigen Roͤmern/ fing der Kaͤyser an/ nachdem mein Skaurus/ der seines gleichen in Rom nicht hat/ den kuͤrzern zihen muß; kan auch nimmer- mehr nicht glaͤuben/ daß sein Gegener ein Weibesbild sey; aber was vor ein treflicher A- chilles muß doch immermehr unter diesem Amazonischen Kleide verborgen liegen? Der Teutschen Fuͤrsten ist es ja keiner/ als die ich alle vor mir in der uͤbung sehe; ist demnach nit g g g iij anders/ Sechstes Buch. anders/ es muß etwa Groß Fürst Herkules diesen seinen lieben Diener also abgerichtet ha- ben. Nach Skaurus Abtrit/ der sich nicht wenig schaͤmete/ weil er seine groͤste Hoffnung auff die Fechter Kunst gesetzet hatte/ trat des Kaͤysers Ober Fechtmeister hervor/ und be- gehrete der Amazonin; die ihm gerne zu willen wahr/ seinen ersten ungestuͤmen Doppel- hieben und Stoͤssen auswiche/ doch dabey ihren Vortel ersahe/ und ihm eins uͤbers Maul versetzete/ daß die rohte Suppe folgete/ und er mit Schimpff das Gewehr niderlegen mu- ste. Nachgehends uͤbeten sich die saͤmtliche Fuͤrsten mit den Roͤmern/ und erlangeten ho- hen Preiß wegen ihrer treflichen Erfahrenheit/ wiewol Skaurus und Pupienus ihnen wenig nachgaben. Nun wahr ein grosser Fechter unter den Umstehern/ der seine Fecht- terkunst zuruͤhmen anfing/ und wie manniche Schuele er ohn einigen empfangenẽ Schlag gehalten haͤtte/ moͤchte sich auch gerne mit der Amazonin versuchen/ wann er dessen koͤnte gewirdiget seyn. Der eine Boͤhmische aͤdelknabe hoͤrete solches/ hinterbrachte es der Ama- zonin/ die ihm ein Schwert in die Hand gab/ welches er dem Fechter einreichen/ und ihn herzu fuͤhren solte. Dieser war hierzu willig/ uñ gedachte sonderliche Ehre einzulegen; hielt sich nach seiner grobẽ Art zimlich/ machte sein Aufheben/ mit neigẽ/ Handstellung in die sei- te/ Schraͤnkung der Fuͤsse uñ Beinschnitten/ so gut ers gelernet hatte/ welches doch von der Ritterschafft als eine unnuͤtze Gaͤukeley verlachet ward/ uñ die Amazonin durch ihren Dol- metscher zu ihm sagete: Guteꝛ Freund/ es ist kramantschens gnug/ und habt eure Auffhe- be Kunst durch Anbehtung eures Schwerts zur gnuͤge sehen lassen/ so kommet nun her/ dz ich der Streiche auch empfinden moͤge. Ja wol/ antwortete dieser Ungeschliffene/ gar zu fruͤh werde ich euch kommen/ hoffe auch/ mir werde vergoͤnnet seyn/ meine Kunststreiche anzubringen. Darumb sind wir hie/ sagte sie/ trat ihm entgegen/ und befand daß er in der guͤldenen Kunst sehr gut wahr/ und sich im gestrekten Lager mit guter Vorsichtigkeit zu hal- ten wuste/ daß ihm so leicht nicht beyzukommen wahr; deswegen sie anfangs sich auch ei- nes langen/ bald aber darauff eines kurzen Lagers gebrauchete/ ließ ihm sein Spiegelfech- ten ein wenig antreiben/ trat ihm endlich ein/ und versetzete ihm eins uͤber die Stirn/ daß ihm das Gesichte verging; wiederhohlete den Streich/ und schlug ihm die Voͤrderzaͤhne aus dem Maule/ fuͤhrete alsbald darauff einen starken Unterhieb/ und richtete ihm das lin- ke Schienebein also zu/ daß er in die Knie niderschoß/ und ein starkes Geschrey ausließ. Da erhub sich nun ein solches Gelaͤchter unter den Anwesenden/ daß niemand sein eigen Wort hoͤren kunte. Die Amazonin aber ließ ihm durch ihren Dolmetscher eine Hand vol Kronen zu seiner Schmerzen linderung einreichen/ welche er vor lieb nahm/ und als waͤh- re alles wol verrichtet/ davon ging. Herkules waꝛ anfangs nicht willens mit ihr zu fechten/ endlich kam ihn eine Lust an/ sie zuversuchen/ da dann ein so uͤberaus zierlicher und kuͤnstli- cher Kampff von ihnen gehalten ward/ daß alle Anwesende daruͤber Augen und Mund auffsperreren; doch bekam die Amazonin im dritten gange einen sanften Schlag uͤber den Arm/ und ward damit auch das Gefechte geendiget. Das Schiessen wahr noch uͤbrig/ wo- rin Herkules sich selbst fuͤrchtete uͤberwunden zu werden. Die Amazonin ergriff ihren Bo- gen/ und begehrete von der Geselschaft/ sie moͤchten nach belieben das Ziel stecken und ord- nen. Worauff Skaurus den Pfahl schlug; Pupienus aber einen schwarzen Flecken eines Reichstahlers in der mitte deꝛ Scheibẽ mahlete/ welches der Amazonin gar zu gꝛoß dauch- te; Sechstes Buch. te; daher sie hinzu trat/ ein weisses Fleklein einer Haselnus groß in das Schwarze mache- te/ hernach einen schwarzen Quehrstreich mitten uͤber die Scheibe zohe/ und durch den Dolmetscher anmelden ließ/ sie wolte den gemahleten Strich von der Rechten nach der Linken zu/ biß an das weisse Fleklein vor sich nehmen/ und voller Pfeile schiessen/ die andern moͤchten von der Linken nach der Rechten zu/ ihren Schuß nehmen/ und den Strich mit Pfeilen füllen/ hernach solte das Weisse den Meisterschuß geben. Die Anwesende hielten solches vor eine Unmoͤgligkeit/ und sahen ihrem beginnen fleissig zu/ da sie einen Pfeil nach dem andern/ dem geraden Zuge nach/ in die Scheibe schoß/ als waͤhrẽ sie nach der Schnuhꝛ hinein gestecket; und da sie den achten abdruͤcken wolte/ flog ein Geier hoch in luͤften uͤber ihr her/ welchen sie ohngefehr sahe/ und ihn alsbald herunter schoß/ daß er Skaurus auff die Achsel fiel; volfuͤhrete darauff ihr Vorhaben/ biß 19 Pfeile in der Reihe stecketen/ und drey Daumen breit von dem weissen Flek uͤbrig wahr. Der Kaͤyser sahe diesem mit hoͤch- ster verwunderung zu/ und sagte zu Dio: Ich wahr schier halb willens/ das Schiessen mit zu halten (wie er dann ein guter Schuͤtze wahr) aber nun ist mirs Lieb/ daß ich mich des Bogen geaͤussert; dann dieser vermummeten Amazonin gleichen lebet nicht. Es ließ sich niemand im Platze finden/ der lust hatte dieses Schiessen mit anzutreten/ biß die Amazo- nin sie anreden ließ/ wer in vorigen uͤbungen sich mit gewaget haͤtte/ wuͤrde ihr auch in der lezten Geselschaft leisten. Also trat Ladisla zu erst hin/ schoß seinen Pfeil ans aͤusserste der Linken in den Strich/ doch daß er nicht gar in die mitte kam/ sondern ein wenig zu hoch stec- kete/ weil er aber den Strich uͤber die Halbscheid ruͤhrete/ ließ man ihn steckẽ. Herkules fol- gete/ und schoß den seinen recht nach gebuͤhr. Baldrich kam etwas zu niedrig/ deßwegen ward er ausgezogen. Siegward hoffete es besser zu machen/ aber er traff nicht allein zu hoch/ sondern auch zu weit nach der Rechten. Arbianes hatte das Gluͤk/ daß seyn Pfeil/ gleich Ladislaen stecken blieb. Pupienus schoß gar fein/ aber er beteurete daß es ein blosser Gluͤckesschuß waͤhre; die uͤbrigen alle schossen groͤblich fehl. Also kam die Ordnung wieder an Ladisla/ der traff dißmahl recht. Herkules im gleichen; die uͤbrigen fehleten alle. Zum drittenmahl fehlete Ladisla des Streichs/ auch alle anderen/ ohn Herkules/ und machte es Pupienus am schlimmesten/ daher sich niemand mehr wolte gebrauchen lassen/ ohn allein Herkules fuͤllete die Zeile/ wiewol nicht so gar gleich als die Amazonin/ wolte doch nit desto weniger den Meisterschuß mit halten/ da ihm dann der Vorschuß gegoͤnnet ward/ welcheꝛ so wol geriet/ daß er mitten auff das Weisse zustecken kam; dessen die Amazonin sich herz- lich erfreuete/ ließ das Loͤchlein nach ausgezogenem Pfeile zupfloͤcken/ legete an/ und schoß in eben dasselbe Loch/ welches Herkules gemacht hatte/ wie es dann von allen/ die sich mit übeten/ besichtiget ward. Arbianes wolte nicht mehr zweiffeln/ es muͤste die unvergleichli- che Schuͤtzin Valiska seyn/ trat zu ihr hin/ und sagete auff Medisch: Fr. Schwester/ sie ist es und keine andere; welche ihm dann lachend antwortete: Ein Freund verraͤht den an- dern nicht; legte ihren Bogen nider/ setzete sich auff ein gerades Pferd/ und ließ ihr das Ge- schoß wieder reichen; bald kahmen nach ihrem geheiß etliche Hasen hergelauffen/ denen sie nachsetzete/ und alle/ die sich nicht unter die Leute und Pferde verstecketen/ im vollen rennen/ zu bodem schoß/ daß der Kaͤyser uͤberlaut sagete: O wunder der volkommenheit/ wiltu nicht schier auffhoͤren zu wundern! sie taht hierauff noch etliche zierliche ritte/ schoß einen Pfeil gerade Sechstes Buch. gerade uͤbersich in die Hoͤhe/ daß es zischete/ schwang sich sehr artig vom Pferde/ und hielt durch ihren Dolmetscher folgende Rede: Großmaͤchtigster unuͤberwindlichster Kaͤyser; auch Durchleuchtigste Hochgebohrne Fuͤrsten und Herren; Fuͤrstinnen/ Frauen und Fraͤulein; es bedanket sich mein gnaͤdigstes Fraͤulein/ Frl. Minithea untertaͤhnigst/ dienst- und freundlich/ daß man ihr diese Ubung nicht allein goͤnnen/ sondern auch ihren unvol- kommenheiten gnaͤdig und guͤnstig uͤbersehen wollen; den ritterlichen Mituͤbern erkennet sie sich zu ehrliebender Freundschaft schuldig/ wie sie auch uhrboͤtig ist/ allen Anwesenden nach Standes gebuͤhr auffzuwarten/ und behaͤgliche angenehmligkeiten zuerweisen. End- lich muste ihr Dolmetscher anzeigen/ es moͤchte der unglükliche Fechter des folgenden Ta- ges sich bey ihr anmelden/ welchen sie noch weiter ergetzen wolte/ nachdem sie nicht gerne einigen ungewogenen in dieser Landschaft verlassen moͤchte. Hiemit nam sie einen Abtrit in ein Untergemach/ ließ den Boͤmischen aͤdelknaben/ der des vorigen Tages sich angege- ben hatte/ unvermerket an ihre Stelle treten/ stieg duꝛch ein Nebentuͤhrlein auf ihre Schau- bühne/ da Gallus ihr aufs schleunigste die Farbe weg nam/ und legte sie ihre Kleider an/ des verfolgs erwartend. Der Kaͤyser sendete hin nach dem Fuͤrstlichen Frauenzim̃er/ mit begehren/ es moͤchten ihrer sechse unbeschwert herzu treten/ und die Gewin nach der Rich- ter Urtel austeilen. Also gingen Valiska/ Sophia/ Lukrezie/ Sibilla/ Ursula und Kordula hin/ solches zuverrichten. Den hoͤchsten Preiß von allen vier Spielen empfing die Amazo- nin von Sophien/ und Herkules von seinem Gemahl; als wegen des Bereitens ein par guͤldener Pferde Stangen mit einem Gebiß von aͤdlen Steinen; wegen des Ringelren- nens einen treflichen Kranz von den kostbahꝛestẽ Perlen; wegen des Fechtens ein Schweꝛt/ dessen Gefaͤß von Demanten schim̃erte; und wegen des Schiessens ein Kleinot in gestalt eines Handbogen zugerichtet. Der ander Gewin ward Ladisla und Skaurus eingereichet/ wegen des Fechtens; Ladisla und Baldrich wegen des Reitens; Ladisla und Siegward wegen des Ringelrennens; Ladisla und Arbianes wegen des Schiessens; welches ihnen Lukrezie uñ Sibylla lieferten; nehmlich jedem wegen des Reitens ein par guͤldener Spoꝛn mit Rubinen ausgesezt; wegen des Ringelrennens/ auch einen Perlen Kranz; wegen des Fechtens ein Kleinot in gestalt eines Adlers; und wegen des Schiessens des Kaͤysers Bil- de umb und umb mit Saphiren versetzet. Den dritten und lezten Preiß teileten Ursula uñ Kordula aus; Siegwarden und Arbianes wegen des Reitens/ ein par guͤldener Sporn/ etwas geringer als die vorigen; Baldrich und Skaurus einen Perlen Kranz wegen des Ringelrennens; Baldrich und Siegward ein par guͤldener Armbaͤnder wegen des Fech- tens; wie auch eben diesen beyden wegen des Schiessens eine guͤldene Kette; und belieff sich der saͤmtliche erste Gewin auff 100000 Kronen; der ander auff 60000; der dritte auff 35000 Kronen. Es hatte sich der Tag zimlich schon auff die Spaͤte gezogen/ und wahren so wol Zuseher als Ubende noch nuͤchtern/ dz jeden nach der Spise verlangete. Die Groß- Fuͤrstin machete hieselbst noch einen blinden Auffzug/ in dem sie die Amazonin baht/ mit ihr zu Tische zu gehen/ welche sich aber hoͤflich entschuldigte/ mit einwendung/ sie haͤtte annoch sehr noͤhtige Sachen zuverrichten/ baͤhte umb verzeihung/ und wolte nach verlauff wenig Stunden sich unfehlbar einstellen/ Kaͤyserl. Hocheit untertaͤhnigst/ und der Hoch Fuͤrstl. Gesel- Sechstes Buch. Geselschaft dienstlich auffzuwarten; mit welchem erbieten dann der Kaͤyser und die ande- ren alle/ zu frieden seyn musten/ weil sie ja noch das Gluͤk haben wuͤrden/ diesen so treflich fertigen Menschen zuerkennen. Zeit wehrender Mahlzeit über/ wahr alles Gespraͤch von Herkules und dieser Amazonin/ daß auch der Kaͤyser sagete: Ihn verlangete sehr/ diesen wunder geuͤbeten Menschen zukennen/ und wer er auch seyn moͤche/ koͤnte er ihn doch vor kein Weibesbild halten. Fr. Sophia antwortete: Es liesse diese Amazonin sich anmelden/ daß ihrer Kaͤyserl. Hocheit sie sich gerne untertaͤhnig darstellen wolte/ im falle sie bey der- selben eines Frevels gnaͤdigste Vergebung erhaltẽ koͤnte/ welchen an ihrer Hocheit sie eins- mahls/ doch nicht aus boͤsem willen veruͤbethaͤtte/ und wolte sie vor ihr Haupt ihre Hoch- heit wol versichern/ dz die verstellete Amazonin/ so die ritterliche Ubung verrichtet/ ein wah- res Weibsbild waͤhre. Ist sie eine solche/ sagte der Kaͤyser/ so ist sie die volkommenste in rit- terlichen Ubungen; jedoch beteuren wir/ daß wir uns durchaus nicht erinnern koͤnnen/ von einigem Weibsbilde einen Frevel eingenommen zuhaben/ und ob solches gleich ge- schehen waͤhre/ muͤste ihr doch willig verzihen seyn/ insonderheit/ weil es nicht aus boßheit/ sondern vielleicht aus blossem Irtuhm wird geschehen seyn. Dieser gnaͤdigen verzeihung/ antwortete Fr. Sophia/ bedanke wegen meiner Fr. Schwester der Teutschen Groß Fuͤr- stin/ ich mich untertaͤhnigst/ und wil ihrer Kaͤyserl. Hocheit nicht laͤnger verschweigen/ daß die ritterliche Amazonin keine andere gewesen/ als die Durchleuchtigste Groß Fuͤrstin/ Fr. Valiska/ die ihrer Hocheit an der Seite sitzet. Der Kaͤyser entsetzete sich fast/ wegen dieses vorbringens/ wuste nicht/ wovor er sie haltẽ solte/ wendete ihr sein Angesicht zu/ und sagete: Wie ist es dann moͤglich/ daß eure Liebe auff einmahl und an einem Orte in zween durch Angesicht/ Leben und Kleidung unterschiedliche Menschen sich verstellen kan? Nun habe ja ihre Liebe ich nicht allein auff der Schaubuͤhne gesehen/ sondern ihr auch die Gewin aus- zuteilen selbst in die Hand gegeben; uͤberdas mit leiblichen Augen angesehen/ daß Fr. So- phia der Amazonin die wolgewonnenen Kleinot zugestellet. Die Groß Fuͤrstin erroͤhtete in etwas/ und gab zur Antwort: Unuͤberwindlichster Kaͤyser; nachdem allergnaͤdigste ver- zeihung dieses meinen kuͤhnen Frevels ich schon erhalten/ wil ihrer Kaͤyserl. Hochheit ich untertaͤhnig berichten/ daß ich zwar die Amazonin in den Ritter Spielen/ aber weder die gestrige/ so sich angab/ noch die heutige so den Gewin empfing/ gewesen bin. Dañ nachdem ich nach vollendung der Spielen einen geschwinden Abtrit nam/ habe ich jene zum betrug in bereitschaft gehabt/ und ist mir solches so wol gelungen/ daß keiner/ so nicht zuvor es ge- wust/ mich ungezweifelt erkennet/ ohn Fuͤrst Arbianes haͤtte mir das Spiel schier verderbet/ als welcher mich beim Schiessen/ dessen er mehr von mir gesehen/ aushohlete/ und da mei- ne warnung nicht gewesen/ mich vielleicht verrahten/ uñ in offentlichen Spot gesetzet haͤtte. Alle anwesende Roͤmer und Roͤmerinnen kunten sich der Groß Fuͤrstin nicht gnug ver- wundern/ so daß ihrer unterschiedliche sie vor eine himlische Goͤttin zuhalten anfingen/ uñ der gaͤnzlichen Meynung wurden/ sie muͤste entweder die algebietende Juno/ oder die streit- bare Pallas/ oder das Schoͤn-Muster die Venus seyn. Ja man fand folgendes Tages un- terschiedliche Zettel ausgestraͤuet/ auff welchen dieses Heidnische Verßgeticht geschrie- ben stund. h h h Ihr Sechstes Buch. 1 I Hr Roͤmer nehmt des Gluͤckes wahr; Jezt habt ihr das versprochne Jahr/ Da euch die Goͤtter selbst besuchen; Wie koͤnt ihr dann dem Gluͤcke fluchen? Erkennet doch die Seligkeit/ Womit euch Jupiter erfreuet; O der genehmen lieben Zeit/ Die uͤber uns diß Gluͤk ausstreuet! 2 Hilff Juno! deine Himmelspracht/ Hastu zu uns hernieder bracht. Hilff Pallas! dein unglaͤublich reiten/ Dein Ringelrennen/ Schiessen/ Streiten/ Hab ich mit Augen angesehn. Hilff Venus! deiner Schoͤnheit prangen/ In welchem deine Glieder stehn/ Kan nicht an Menschen Schwacheit langen. 3 Vor diesem wahr der Weisen Schluß; Die Juno/ Pallas und Venus Bestuͤnden nicht in einem Wesen. Sie haben warlich falsch gelesen. Hilff Juno! du bist Pallas mit; Du/ du bist Venus gleicher massen; Und fehl’ ich hie umb einen Trit/ Wil ich mich wol verbrennen lassen. 4 O du dreyfacher Gottheit-Sin/ Bistu nun ein’ Amazonin? Und laͤst dich fast Barbarisch nennen? Daß nicht die Welt dich moͤg’ erkennen. Valiska muß sehr heilig seyn! Ihr Roͤmer schreibt den hohen Nahmen In die Stat-Buͤcher fleissig ein/ Zum guten Nachricht eurem Saamen. 5 Nicht weiß ich/ ob auch Phoͤbus sich Hier bey uns findet sichtbarlich In Herkules Gestalt und Leibe. Recht/ wann vor Ladisla ich schreibe/ Gott Merkur/ oder Mars vielleicht. Doch/ weil wir sie nicht duͤrffen ehren/ Und mein Spruch ihrer Hocheit weicht/ Wil ich mich nur zur Goͤttin kehren. 6 Dreyfache Goͤttin! ich dein Knecht Begehre keines Menschen Recht/ Noch Gnade/ dich wil ich besingen/ Und mein Lob Opffer willig bringen. O schuͤtze du diß unser Land; Wend’ ab Krieg/ Seuchen/ teure Zeiten/ Durch deine Krafft und starke Hand/ Und laß die Feind’ ungluͤklich streiten. Noch kunte der Kaͤyser sich in die Sache nicht schicken/ wie sie dann ihr Angesicht/ und gleich als im Augenblicke haͤtte verstellen koͤnnen/ und gar in eine als von der Sonnen an- gebrante Farbe verendern; welches sie nur mit einem sittigen Lachen beantwortete/ und umb verguͤnstigung eines kurzen Abtrittes anhielt/ damit sie ihrer K. Hochheit diesen zweifel benehmen moͤchte; machte sich auff Bewilligung mit allen Fuͤrstinnen und neu- lich verheirahteten Roͤmischen Fraͤulein in den Garten/ und strich ihnen saͤmtlich das Gesicht/ Haar und Haͤnde an; kehreten hernach wieder miteinander nach dem Saal/ und stelleten sich in die Reihe vor dem Tische her/ da sie so gar unkentlich wahren/ daß ihre El- tern selbst an der Warheit/ daß sie ihre Kinder waͤhren/ zweifeln musten/ meineten auch nicht anders/ es muͤste diese verenderung durch eine heimliche Zauber Kunst verrichtet werden. Aber Herkules benahm ihnen diesen Wahn bald/ und berichtete sie kuͤrzlich/ durch was mittel diese Farbe angestrichen und wieder abgetahn wuͤrde; lies auch dem Kaͤyser ein weinig reichen und zeigete ihm/ wie mans damit machen müste. Nun duͤrfte ich schweren/ sagte der Kaͤyser/ das Frauenzimmer anschauend/ daß Prokulus sich aller Ansprache wil- lig begeben/ und keines streits begehren wuͤrde/ wann er Fuͤrstin Lukrezien und Sibyllen in dieser Gestalt sehen solte. Allergnaͤdigster Kaͤyser/ antwortete Lukrezia/ so muͤste er mir dan- noch zum Eheliebsten viel zu schlim sein/ wann mir gleich eine zehnmahl heßlichere Ge- stalt angebohren waͤhre; nicht daß ich ihn wegen seines Standes oder Herkommens ver- achte/ sondern weil die bloͤdigkeit seines Gehirns und sein Tugend-mangel noch wol hun- dert mahl heslicher als mein jetziges Angesicht erscheinen wuͤrde/ wann mans sehen koͤnte. Ich Sechstes Buch. Ich gebe diesem recht/ sagte der Kaͤyser; aber wisset ihr nicht/ fragete er Gallus/ wie dieses Kunstpulver zugerichtet wird? Nein/ allergnaͤdigster Kaͤyser/ sagte er; Mein Obrister/ da ich noch ein Raͤuber wahr/ hatte diese Kunst vor sich allein/ und gab vor/ es waͤhre seine eigene erfindung/ die er noch keinem einigen Menschen mitgeteilet haͤtte; erboht sich gleich- wol/ mich dieselbe zulehren/ welches aber seine Niederlage im Walde/ und meine gluͤkliche Bekehrung verhindert hat. Der Kaͤyser hoͤrete solches ungerne/ lies ihm einen teil geben/ und verwahrete es fleissig/ im Nohtfalle zugebrauchen/ da ihm Valiska an dem Frauenzim- mer sehen lies/ wie mans wieder abreiben koͤnte. Er richtete diesen Abend eine vertrauliche freundschaft mit Herkules und seinem Gemahl auff/ so daß er ihn invictissimum Heroa, o- ptimumq́ue Imperatoris fratrem; Einen unuͤberwindlichen Held/ und des Kaͤysers allerbesten Bru- der. Sie aber/ Incomparabilem Heroinam, optimamq́ue Imperatoris sororem; Eine unver- gleichliche Heldin/ und des Kaͤysers allerbeste Schwester nennete; sich auch erboht/ mit ihnen al- le seine Hocheit zuteilen und gemein zu haben; dessen sie doch beiderseits sich unwirdig ner- neten/ und vor die hohe gewogenheit sich untertaͤhnig bedanketen. Des folgenden Tages kahmen der Grosfuͤrstin die obgesetzete Reimen zur Hand/ uͤber welche sie sehr unwillig ward/ dem Tichter/ dafern sie ihn ausforschen koͤnte/ schwere Rache draͤuete/ zureiß die schrift in kleine stuͤcken und sagete; es muͤste ihr ewig leid sein/ die Stad Padua jemals gesehen zuhaben/ wann zu solcher Abgoͤtterey sie Ursach und Anlaß geben solte; ja sie gelo- bete 2000 Kronen aus/ wann man ihr den Uhrschreiber anmelden wuͤrde. Ach du mein Gott/ sagte sie uͤberlaut bey der Mahlzeit/ sol man die wahre aller hoͤchstheilige Gottheit so schimpflich halten/ daß man sie einem schwachen Menschen Kinde/ um etwa eines Rittes oder Schusses willen zuleget? ja solte ich elende vor eine Goͤttin angesehen sein/ die ich doch so grossem Vngluͤck unterworfen gewesen/ und uͤber Meer und Land mich habe muͤssẽ schleppen lassen? Mein Gefaͤngnis ist ja in ganz Asten bekant; meine Unfaͤlle wissen die kleinen Kinder daselbst zu erzaͤhlen. Owas vor unbesonnenheit treibet doch die Menschen an/ daß wann Gott etwa einem eine geringe Leibes Zierligkeit verleihet/ solches alsbald vor himlisch und goͤttlich sol gehalten und ausgeruffen sein. Narren sind es/ und unverstaͤn- dige grobe Klozhoͤlzer/ die dem goͤtlichen wesen schwache menschliche Leiber/ Fleisch/ Blut und Knochen zulegen. Die verstaͤndige Weltgelehrte habens viel besser/ als die Wahnwitzi- ge Tichter/ so man Poeten nennet gewust; dann sie verstehen und bekennen/ daß Gott ein Geist/ nicht ein Mensch; eine Kraft und unbegreifliches Wesen/ nicht ein kleines ümschrie- benes Geschoͤpf sein muͤsse; und waͤhre sehr gut/ daß man auß deren schriften die jugend etwas fleissiger in der Erkaͤntnis Gottes unterrichtete/ und der Tichter Luͤgen Buͤcher im Feur gen Himmel schickete/ so lange ein Mensch dadurch geaͤrgert und verfuͤhret werden kan. Ich moͤchte den jetzigen Tohren gerne fragen/ warumb er nicht mit einer Goͤttin fried- lich ist/ und auß mir eine dreifache/ als eine hochmuͤhtige/ blutgierige und Unzuͤchtige zu machen gedenket/ und kan mir doch in alle Ewigkeit nicht beweisen/ daß auch nur eine ein- zige Goͤttin im Himmel oder auf Erden oder unter der Erden sey. Dann worzu solte sie doch sein? oder wie solte ich glaͤuben/ daß Gott ein Weib habe? dann lieber worzu hat er sie doch? ein Geist suchet ja keine fleischliche Wollust; so zeuget er auch ja keine Kinder oder Geisterlein mit ihr; dann wer lachet des Ovidianischen Mehrleins nicht/ daß er den Hoͤch- h h h ij sten Sechstes Buch. sten Gott/ welchen er Jupiter nennet/ zum Ochsen umb Frl. Europen willen machet? O du blinde Vernunft/ lerne doch erkennen/ daß Gott ein reines keusches unverendertes ewiges Wesen sey/ dem kein Abzug kein Zufal/ kein Muhtwille/ keine Frecheit/ aber auch keine Schwach- und Unvolkommenheit kan noch muß zugeleget werden; dann wie koͤnte Gott alle dingeordnen/ schaffen und erhalten/ wann einiger Gebrech an ihm waͤhre? wie koͤnte er das hoͤchste Gut sein/ wann einige zuneigung zum Boͤsen bey ihm waͤhre? Ich re- de kühnlich/ weil ich einen gnaͤdigsten Kaͤyser habe/ und umb so viel kuͤhner/ weil ich dem wahren Gott nichts unbilliches/ nichts vorwerfliches/ nichts gebrechliches antichte; weiß auch/ daß die Grosmaͤchtige Kaͤyserliche Fr. Mutter mit mir allerdinge einig ist. Dann warumb solte ich leugnen/ daß ich eine Christin bin? so weiß ich ja auch/ daß mannicher Christ bey meinem Gnaͤdigsten Kaͤyser wol gelitten ist/ und dessen Hocheit meinem HErrn und Heiland Jesus Christ selbst nicht verachtet (dieses sagte sie/ weil der Kaͤyser denselbẽ auch mit unter seine andere Haus Goͤtter rechnete). Weil dann die Christen/ fuhr sie fort/ den Tichtungen von den falschen Goͤttern und Goͤttinnen hertzlich feind sind/ hat der heu- tige schaͤndliche Luͤgen Tichter keine andere Belohnung bey mir zu hoffen/ als verachtung/ Feindschaft/ Haß/ Schmach und Straffe/ dafern ich seiner nur maͤchtig werden kan. Alle Anwesende hoͤreten ihr fleissig zu/ sahen ihr die Augen im Kopfe vor Zorn fuͤnkeln/ und sprach der Kaͤyser sie zufrieden; sie moͤchte diesen Naͤrrischen Tichter ihres aͤdlen Eifers unwirdig halten; koͤnte er ihn in eꝛfahrung bꝛingen/ solte es ihm ungestꝛaffet nicht hingehẽ. Worauf sie sich dann zufrieden gab/ und bey dem Kaͤyser bitlich erhielt/ daß ausgeruffen ward/ da iemand dergleichen Zettel gefunden/ solte er sie straks Angesichts einliefern/ derẽ 25 eines Inhalts herzugebracht und mit Feur verbrennet wurden. Es wahr dieses der Sechste Tag der Hochzeit/ an welchem Herkules und Ladisla allen Roͤmischen Herren/ Frauen und Fraͤulein koͤstliche Kleinot und Ringe/ teils aus der Raͤuber Hoͤhle/ teils aus Asten mitgebracht/ austeileten/ ihrer Freund- und Kundschaft dabey zudenken; insonder- heit bestelleten sie bey Herr M. Fabius/ daß dem Kaͤyser in der Stad Rom/ nicht weit von ihren aufgerichteten Bildnissen/ ein Siegesbogen/ und eine hohe Spitze solte aufgebauet werden/ dero behuef sie ihm dann 4 Tonnen Goldes einlieferten; Welches er dem Kaͤyser unangezeigt nicht lassen durfte/ der ihre Gewogenheit daraus erkennend/ hinwiederum je- dem einen guͤldenen Koͤnigs Stab/ als freien Bundgenossen/ und des Roͤmischen Reichs Freunden/ schenkete. Des naͤhstfolgenden Tages zimlich fruͤh/ ward dem Kaͤyser angemeldet; es hielte ein sehr grosser starker Ritter/ scheußliches Angesichts mit 12 Gewapneten/ und 10 Leibdie- nern vor dem Stad Tohr/ gaͤbe sich an vor einen Pannonischen Herren und Gesanten sei- nes Koͤniges/ und begehrete vor den Roͤmischen Kaͤyser gelassen zuwerden/ als welchen er wegen seines Koͤniges und des Pañonischen Reichs etwas vorzutragen haͤtte. Vielleicht/ antwortete Dio/ wil Pañonien sich dereins bequemen/ nachdem es uns etliche Jahr an- einander manniche Ungelegenheit verursachet hat/ und verlanget mich zuwissen/ was die- ser guts neues bringen wird. Der Kaͤyser befahl/ man solte ihn neben den seinen in die Stad lassen/ und in eine gute Herberge legen/ biß er nach gehaltenem Fruͤhstuͤcke (dann sie wahren willens auf die Jagt zureiten/ welches hiedurch auffgeschoben ward) vorgefodert wuͤrde; Sechstes Buch. wuͤrde; Wie dann nach verlauf einer guten Stunde geschahe/ und der Kaͤyser mit Herku- les/ Ladisla/ und den gesamten Roͤmischen Herren sich in ein grosses Gemach begab/ da Herkules ihm zur Rechten/ Ladisla zur Linken/ und die Roͤmer gegen uͤber sitzen musten. Bald trat dieses erschroͤkliche Ungeheur/ welches einem wilden/ als vernuͤnfftigen Men- schen aͤhnlicher sahe/ mit ungewischeten Stiefeln und Sporen hinein/ und ohn einige Ehr- erbietung hielt er diese Rede mit grausamer Stimme: Es ist durch die Welt bekant/ daß der bißher zwischen euch Roͤmern und uns Pannoniern gefuͤhrte Krieg an beyden seiten gute Stoͤsse und wenig Nutzen abgeben hat/ uñ wir allerseits lieber den Frieden als Krieg haben moͤchten. Wer unter uns die wichtigste ursach habe/ das Schwert zugebrauchen/ wird ein unverdaͤchtiger Richter leicht finden/ weil wir unsere Freiheit/ in welcher wir eh- mahls gelebet/ wieder suchen/ ihr aber ein unbefugtes Joch uns anzuwerffen bemuͤhet seid. Doch habe ich keinen Befehl/ mich hieruͤber zuzanken/ sondern dem Roͤmischen Kaͤyser o- der seinen Gevolmaͤchtigten anzusagen/ daß mein Koͤnig zum Frieden wol geneigt sey; weil er aber nicht absihet/ was vor Mittel zum schleunigen Vergleich moͤchten vorgeschla- gen werden koͤnnen/ oder ablanglich seyn/ und dannoch durch Würffel oder Kartenspiel sichs weder gewinnen noch verlieren lassen wil/ als meynet seine Koͤnigl. Hocheit/ den sa- chen nicht besser abgeholffen werden moͤge/ als daß auff eines Mannes Spitze das ganze Hauptwerk gestellet werde/ da sonst eine solche tapffere Erklaͤrung von euch Roͤmern an- genommen werden darff. Jedoch/ warumb woltet ihr euch dessen wegern/ die ihr euch ja vor die Ritterlichsten und Streitbahresten der Welt haltet/ auch durch uͤberwindung vie- ler Laͤnder und Staͤdte gnug erzeiget/ daß euch die Faͤuste nicht schlaffen/ noch die Waffen verrosten. So hoͤret dann nun meines Koͤniges Vortrag/ worin sein ganzes Reich einge- williget hat; Ich wil im Nahmen meines Koͤniges und des Pannonischen Reichs (des- sen ich satte schrifftliche Volmacht auffzulegen habe) euch einen Kaͤmpffer stellen/ mit Schild/ Helm/ Speer und Schwert/ auch gnugsame Versicherung tuhn/ daß/ dafern der- selbe von eurem Gegenkaͤmpffer solte gefellet/ das ist/ erschlagen oder lebendig gefangen werden/ der Pannonier Koͤnig und sein Reich dem Roͤmischen Kaͤyser jaͤhrlich die ange- muhtete Schatzung/ zehn Jahr lang aneinander unwegerlich geben und entrichten sollen und wollen. Hingegen wann der unsere uͤber eurem Kaͤmpffer die Oberhand/ wie er hof- fet/ erlangen wuͤrde/ wil der Pannonische Koͤnig und sein Reich von euch zehn Jahr lang aller Ansprache entlediget und benommen seyn/ auch wehrender Zeit uͤber sich aller Taͤht- ligkeit (da ihm sonst nicht Ursach gegeben wird) enthalten. Sehet da eine billiche Rach- tung/ weder euch schimpflich noch uns verweißlich/ und kan vielleicht in einer Viertelstun- de aller Span geschlichtet/ und der Krieg vertragen werden/ wann ein solches euch nur anstehet/ dessen ich gerne bald moͤchte verstaͤndiget seyn. Der Kaͤyser hieß ihn nach geen- digter Rede einen Abtrit nehmen/ und beredete sich mit den anwesenden; da die Roͤmer ingesamt Herrn Dions Meinung beypflichteten/ man solte diesen Vorschlag nicht einge- hen; massen die Pannonier in solchen absonderlichen Streiten sehr verwaͤgen und doch glüklich waͤhren/ und mannichen streitbahren Roͤmer auff solche weise oft schimpflich gnug erlegt haͤtten. Wolte man ihnen die Schatzung erlassen/ koͤnte solches aus freier Mildig- keit geschehen/ so bliebe man ausser furcht der Beschimpffung. Es traͤffe ohn das nicht so h h h iij gar Sechstes Buch. gar ein uͤbermaͤssiges an/ und waͤhre zu dieser Zeit nicht undienlich/ daß man einen Still- stand mit ihnen machete/ damit das Reich in etwas ausruhen/ und sich erhohlen koͤnte. Ehre gnug/ daß sie umb Friede anhielten/ und stuͤnde Roͤmischer Hocheit nicht unruͤhm- lich an/ einem so maͤchtigen Feinde denselben auff ersuchen mitzuteilen. Als die Roͤmer dieses Schlusses fast einig wahren/ baht der Kaͤyser unsern Herkules/ seine meinung hier- uͤber zuentdecken; welcher nun ihren Schluß nicht tadeln wolte/ und diese Antwort gab: Ich bin zu geringe/ Unuͤberwindlichster Kaͤyser/ so vieler hochweiser Herren Raht zuver- werffen/ oder vor unduͤchtig zuhalten/ angesehen mir uͤberdas des Roͤmischen Reichs Not- turfft ganz unbewust ist/ wuͤrde mir auch unbesoñen anstehen/ mich in fremde Haͤndel ein- zumischen; nur/ da mirs nicht solte verarget werden/ gebe ich ihren vernuͤnftig zubetrach- ten/ ob diese ohndas toͤlpische Pannonier es den Roͤmern nicht vor eine Zagheit auslegen werden/ daß man ihnen die Schatzung erlaͤsset/ und doch des angebohtenen Kampffs sich entbricht. Freilich werden sie sich ruͤhmen/ und in ihren Zechen davon fingen/ ein einiger Ritter habe dem Roͤmischen Kaͤyser diesen Vertrag abgetrotzet/ und ganz Rom dermas- sen in Furcht gesetzet/ daß man wegen Erlassung des Kampffs Gott noch darzu gedanket habe. Versichert euch/ meine Herren/ es wird nicht anders ergehen; Ihr angebohrner Stolz und eingesenkte Ruhmraͤtigkeit pfleget nicht anders zuverfahren; Duͤrffte demnach ich schier der unvorgreiflichen Meinung seyn/ im falle man den unnoͤhtigen Kampff nicht annehmen wolte/ bey der Anfoderung der Schatzung zuverharren/ aufs wenigste noch ei- ne zeitlang/ als ihnen solche alsbald nachzulassen. Ich vor mein Haͤupt/ nachdem ich vor einen Roͤmischen Buͤrger auffgenommen/ und in ihren hoͤchsten Adel eingeschrieben bin/ habe Roͤmischer Kaͤyserl. Hocheit noch kein Zeichen der tiefschuldigen Dankbarkeit/ viel weniger dem Roͤmischen Reich einigen Dienst erweisen koͤnnen; moͤchte wuͤnschen/ daß ich koͤnte gewirdiget werden/ diesen Kampff auff mich zunehmen/ wolte ich durch Gottes Huͤlffe und Beystand an der uͤberwindung nicht gar verzweifeln/ ungeachtet ich schon merke/ daß dieser Unhold selbst der Kaͤmpffer seyn werde. Der Kaͤyser umfing ihn hierauf mit bruͤderlicher Gewogenheit/ und antwortete ihm: Mein allerliebster Freund und bester Bruder; Euer Liebe erbieten ist zu groß/ und kan von uns und dem Roͤmischen Reiche nit ersetzet werden; muͤste uns auch ewig leid seyn/ dafern Eure Liebe hiedurch in Lebensgefahr gerahten solte; und dannoch dessen Ehre und Ruhms Auffnahme zuhindern/ wil uns gleichwol nicht gebühren; stellen demnach Eurer Liebe heim/ hierin nach gutduͤnken zuveꝛ- fahren. Bürgemeister Pupienus bedankete sich imgleichen gegen ihn/ wegen des Roͤmi- schen Rahts/ vor solches erbieten/ welches nach Vermoͤgen zuersetzen/ nebest Kaͤyserlicher Hocheit sie alle wolten gefliessen seyn. Diese Volmacht nahm Herkules mit Danksagung an; ward also der Pannonier wieder hinein gefodert/ welchen Herkules also anredete: Hoͤret ihr Gesanter; nicht unbillich verwundert sich unser allerseits gnaͤdigster Kaͤyser uñ Herr/ eures unhoͤflichen/ Ehrerbietungs-losen und frevelmuͤhtigen Vorbringens/ und dz eure Anfoderung ihr vor Darlegung schrifftlicher Volmacht so duͤrre und verwaͤgen habt vortragen duͤrffen; jedoch sey dieses verhalten eurer Unbedachtsamkeit zugeschrieben/ wo- durch ihr uns zuerkennen gebet/ daß mit hohen gewaltigẽ Fuͤrsten zuhandeln eures Hand- werks nicht sey. Meinet aber euer Koͤnig/ Roͤmischer Wiz und bedachtsame Vernunfft fahre Sechstes Buch. fahre so unvernuͤnfftig/ und stelle des ganzen Reichs Wolfahrt auff eines Menschen Faust/ oder wie ihr vielleicht gerne sehen moͤchtet/ auff Wuͤ r ffel und Kartenspiel/ wie die Hollun- ken ihre Diebespfennige? Die Verzweifelung gibt solche Vorschlaͤge an die Hand/ nicht verstaͤndige Herzhafftigkeit und Staͤrke; dann solte dieses allemahl guͤltig seyn/ wie wolte dann der Schwaͤchere sein Recht behaͤupten? Es moͤchte sich vielleicht ein verwaͤgener Wagehalß unter euch finden/ welcher nit durch Tugend/ sondern aus Raserey und Wahn- wiz angetrieben/ sein viehisches wuͤten suchte anzubringen/ wie ich dessen vor vier Jahren ein Beyspiel in meiner blühenden Jugend am Boͤhmischen Hofe erlebet habe/ da ich eh- renhalben nicht umhin kunte/ mich mit einem euch nicht unaͤhnlichen frechen Pannonier nacket zuschlagen/ worzu ihn bloß seine Unbescheidenheit brachte/ und daruͤber mir zur Busse den Kopff lassen muste. Daß ich aber auff mein voriges komme/ haͤlt man nicht al- lein unnoͤhtig/ sondern auch unverantwortlich/ dergleichen Vortrag einzugehen/ es waͤhre dann/ daß ein Ritter sich von freien stuͤcken anmeldete/ Pannonischen Hochmuht abzu- straffen/ und euch mit seiner Faust erkennen zugeben/ wie wenig Roͤmische Tapfferkeit eu- ren unvernuͤnfftigen Frevel achtet. Koͤnnet demnach euren so gutwilligen Kaͤmpfer mel- den/ alsdann duͤrffte sich etwa einer finden/ welcher Roͤmischer Kaͤyserl. Hocheit zu unter- taͤhnigen Ehren einen oder etliche Ritte mit wagete. Der Pannonier stund und bisse die Zaͤhne im Kopffe zusammen/ daß es ein starkes Geknirre gab/ sagte auch bald darauff zu Herkules: Seid ihr wol derselbe/ der meinen Bruder den ritterlichen Bato sol erschlagẽ haben? dem ich nun so manniche Zeit vergeblich nachgefraget/ uñ nicht anders gemeinet/ er waͤhre mir aus der Welt entlauffen. Ich hoffe/ die Goͤtter werden uns Gelegenheit ge- ben/ dereins bessere Kundschafft mit einander zumachen/ wornach ich mich aͤusserst bemuͤ- hen wil. Vor dißmahl habe ich auff getahnẽ Verweiß zuantworten/ daß wir Pannonier nicht absehen koͤnnen/ warumb ein ritterliches ausfodern vor unbillich oder unvernuͤnftig solte geachtet werden/ zumahl wann solches Mann an Mann/ Ritter an Ritter geschihet; ja wann hiedurch dem algemeinen lieben Vaterlande kan gedienet/ und groͤsserem Unheil und blutstuͤrzen abgeholffen werden. Ob wir dann gleich so zaͤrtlich geschikt nit sind/ noch weibisch-hoͤfliche Spruͤche gelernet haben/ fuͤhren wir dannoch unsere Schwerter mit gu- ter Vorsichtigkeit/ und geben wol acht/ daß wir uns an des Feindes seinem selber nit spies- sen. Daß aber mein Koͤnig diesen Vorschlag tuhn wollen/ stehet zu meiner Verantwor- tung nicht; nur allein hoffe ich/ das lezte erbieten werde nicht nur zum schein geredet seyn/ und ist mir gleich/ was der kuͤnftige Kaͤmpfer vor bedenken haben mag/ sich in den Streit zuwagen/ wann nur die Bedingung/ die Schatzung betreffend/ eingegangen wird/ ohn welche an unser Seiten der Kampf nicht kan angetreten werden. Die schrifftliche Vol- macht aufzulegen/ hat mich noch Zeit genug gedaucht/ massen ich ja nicht entlauffen wil; und wer sie zusehen begehret/ kan sie hie von mir nehmen; werde mich schließlich nicht scheuhen/ den Kaͤmpfer nahmhafft zumachen/ dann derselbe bin ich/ wann nur der Gege- ner sich findet/ und meiner Geselschafft schrifftliche Versicherung geschihet/ daß auff ge- tahnen Vorschlag der Kampff angenommen sey/ alsdann werden wir hernach umb den Sieg fein zierlich zuspielen haben. Herkules lachete des Hochmuhts/ und indem Dio sei- ne schrifftliche Volmacht durchlase/ sagete er zu ihm: Mein Kerl/ ihr werdet nach diesem in Sechstes Buch. in Kaͤyserl. Hocheit Gegenwart etwas bescheidener verfahren/ oder uns darlegen/ ob sol- chen Hochmuht sehen zulassen/ von eurem Koͤnige euch ausdruͤklich befohlen sey; und wañ es an diesem ermangeln wuͤrde/ haͤtte man euch vor keinẽ Gesanten zuhaltẽ; solte sichs aber findẽ/ so muß euer Koͤnig wissen/ dz man nit ursach habe/ solchẽ Troz zudulden/ viel weniger sich davor zufuͤrchten/ massen ihr ja mit keinen uͤberwundenen handelt/ sond’n als von denẽ ihr den Frieden gerne habẽ wollet. Im uͤbrigẽ/ dz ihr euch eures Spiels so hoch ruͤhmet/ so komt ihr mir ohndz als ein zierlicheꝛ Spieler vor/ welches ich auf seinẽ wert ersitzẽ lasse; nuꝛ moͤchte ich gerne wissen/ wie ihr so nach meiner besseren Kundschaft trachtet/ und ihr doch unberichtet seid/ ob sie mir angenehm seyn wuͤrde; dañ ist gleich jener von mir erlegte Pan- nonier euer leiblicher Bruder gewesen/ werdet ihr ja deßwegen keine Rache uͤben wollen/ inbetrachtung/ er mir durch seine Unhoͤfligkeit/ deren er sich beydes wieder den Boͤmischen Koͤnig hoͤchstsel. andenkens/ und wieder mich gebrauchete/ grosse Ursach darzu gab. Ich handele alhier auff Pannonisch/ antwortete dieser/ und bringe die Sache ritterlich vor/ habe auch schon angezeiget/ daß ich keine zierliche Spruͤche gelernet habe. Was ich aber vor ein Spieler bin/ sol sich ausfuͤndig machen/ wann mirs nur gegoͤnnet wird/ wil auch nicht zweiffeln/ da ich euch nur an Ort uñ Ende haben kan/ ihr mir eure bessere Kundschaft wol goͤnnen sollet/ es benehme mir dann ein solches euer schnellauffendes Pferd/ dem ich etwa nicht wuͤrde folgen koͤnnen. Gut mein Pannonier/ sagte Herkules/ daß ihr mich so traͤulich warnet; werde mich demnach meiner Haut versicheren muͤssen/ wann mir vor euch grauet; doch truͤge ich schier belieben/ diese Stunde solche Kundschaft mit euch zu machen. Weil aber das gemeine Wesen dem eigenen vorzuzihen ist/ wird mein gnaͤdigster Kaͤyser in eure ausfoderung/ nicht aus pflicht/ sondern eurẽ muhtwillen zu daͤmpfen/ schon gehehlen/ und die begehrete Versicherung alsobald ausfertigen lassen. Wann ich dann et- was eigentlicher vernehmen werde/ mit was bedingung ihr den Streit zu fuͤhren gesoñen seid/ wil ich einen meiner guten Freunde vermoͤgen/ daß er euch Fuß halten sol- Der Pan- nonier ward dieser Erklaͤrung froh/ und erboht sich/ zu Roß und Fuß in vollem Reithar- nische unter Schild und Helm mit Speer und Schwert nach ehrlichem Ritters brauch zu kaͤmpfen/ mit bedingung/ daß sein Bestreiter Zeit seines lebens sein Leibeigener seyn muͤ- ste/ da er ihn im Kampf lebendig fahen koͤnte/ und erboͤhte er sich hinwiederumb zu gleich- maͤssigem. Herkules ließ hieruͤber ein Gelaͤchter aus/ und sagete: Als viel ich hoͤre/ mein Ponnonier/ suchet ihr auch euren eigenen nutzen hierunter/ ob ihr etwa die Zahl eurer leib- eigenen Knechte vermehren moͤchtet. Wie aber/ wann ich euer Gegener waͤhre/ und ihr mich griffet/ wuͤrdet ihr euch meiner wenig zuerfreuen haben/ dañ ich bin zimlich steiff von sinnen/ und lasse mich nicht gerne peitschen. Daß ich euch aber nicht zu lange auffhalte/ so gehet hin und wapnet euch aufs beste; ich nehme nicht allein den Kampf/ sondern auch des- sen bedingung an/ meinem gnaͤdigsten Kaͤyser zu ehren/ weil der Sinn mirs noch nicht zu- traͤget/ daß ihr der erste seyn werdet/ der einen gebohrnen Groß Fuͤrsten der Teutschen aus offentlichem Kampfe zum Leibeigenen hinweg fuͤhren solte/ ob gleich eure Landsleute als Raͤuber mir ehmahls die Dienstkette angeleget haben; doch wo ihr von der Reise noch mūde seid/ so ruhet aus biß Morgen/ laͤnger werde ich euch nicht Zeit geben. Der Panno- nier wahr voller freuden/ lachete uͤber laut und gab zur Antwort: Ich danke den Goͤttern/ daß Sechstes Buch. daß sie mir heut einen gedoppelten Sieg in die Hand spielen wollen/ auff einmahl mein Vaterland zubefreien/ und meinen Bruder zu raͤchen. Der Reise beschwerligkeit hat mich gar nicht muͤde gemacht/ wann ihr nur bald gnug erscheinen moͤchtet; und wann ihr nun mein Leibeigener seyn werdet/ dann habe ich schon mittel/ steiffe Siñen zu beugen/ und ver- waͤhnete Gedanken einzurichten. Daß ich aber bey dem Roͤmischen Kaͤyser einen gebohr- nen Groß Fuͤrsten der Teutschen zum Verfechter Roͤmischer Ehre antreffe/ ist mir sehr fremde/ weil dieselben bißdaher nicht gut Roͤmisch gewesen sind. Nahm hiemit seinen Ab- scheid/ und verließ Herkules in grossem Zorn/ welchen Ladisla also anredete: Mein Bru- der/ biß gebehten/ und laß mich deine stelle vertreten/ dañ dieser Hund ist deines Schwerts unwirdig. So ist er auch gewislich nimmermehr der Ehren/ antwortete Herkules/ das eines herschenden Koͤniges Gewehr uͤber ihn solte gezuͤcket werden; und weil ich weis/ daß du allemahl meiner ehren Befoderer bist/ hoffe ich/ du werdest dich hierin nicht sperren. Alle Anwesende verwunderten sich ihrer Herzhaftigkeit und getraͤuen Freundschaft/ hat- ten auch nebest dem Kaͤyser gute Hoffnung zum Siege. Wie sie nun nach der Geselschaft gingen/ und ihnen den verhandelten Kampf zu wissen macheten/ verenderte die Groß Fuͤr- stin in etwas ihre Farbe/ gab sich doch bald zu frieden/ da sie hoͤrete/ daß er ehrenhalben nicht anders kunte/ ließ seine festesten Waffen herzubringen/ und halff ihm dieselben auffs fleissigste anlegen/ neben der erinnerung/ seiner gewoͤhnlichen Vorsichtigkeit eingedenke zu seyn/ und einen Vortel/ den ihm Gott zeigen wuͤrde/ nicht auszuschlagen; dann sagte sie/ ich halte es vor eine Verwaͤgenheit/ wann man sich des Feindes Unfal nicht gebrauchen wil/ welchen Gott allemahl uns zum besten schicket; ich wil Zeit wehrendes Kampfes euch in meinem andaͤchtigen Gebeht der Barmherzigkeit und schuznehmung unsers Gottes und Heylandes befehlen. Als er allerdinge gewapnet wahr/ ließ der Kaͤyser einen koͤstlichẽ Helm von dem reinesten und festesten Stahl herbringen/ setzete ihm denselben mit eigenen Haͤnden auff/ und sagete: Mein werter Herr Bruder; Gott verleihe euch Gluͤk uñ Sieg zu steter aufnahme eures unsterblichen Preises. Besahe hernach sein Schwert/ und dauch- te ihn solches nicht stark gnug seyn; stellete ihm ein anders zu/ dessen Klinge der erste Kaͤyser Julius/ seinem vorgeben nach/ solte gefuͤhret haben. Er besan sich/ was vor ein Pferd er nehmen wolte; aber auff seines Gemahls und Ladisla anhalten muste er sich seines aͤdlen Blaͤnken gebrauchen. Die anwesende Fuͤrsten und Ritter wapneten sich auch/ und hielt insonderheit Baldrich bey seinem Bruder instaͤndig an/ daß er an seine stat den Kampff antreten moͤchte/ welches er ihm mit sittigen Worten abschlug. Die Streitbahn wahr be- stimmet/ wo Ladisla vor diesem seinen Feind Fulvius erleget hatte/ dahin sie ingesamt rit- ten/ und Herkules von dem Kaͤyser und Buͤrgemeister Pupienus in der mitte begleitet ward. Er ritte sehr freudig/ fuͤhrete einen guͤldenen Roͤmischen Adler auff dem Helme/ der eine Siegsfahne in der rechten Klauen führete; in seinem Schilde wahr ein strahlender Him̃el/ Gottes Reinigkeit zubedeuten/ angemahlet/ unter welchẽ ein Ritter in vollem Har- nische auff den Knien mit erhobenen Haͤnden sein Gebeht verrichtete/ mit dieser umschrift: Clypeus omnibus in te sperantibus tu DEVS es . Du Gott bist ein Schild allen die auf dich hoffen. Das Frauenzim̃er setzete sich mit der Groß Fuͤrstin auff ihren Elefanten/ dem sie ein neues kostbahres Zeug hatte machen lassen/ und muste Arbianes wieder seinen Willen ihr dar- i i i auff Sechstes Buch. auff Geselschaft leisten. Der ungeschliffene Pannonier/ nahmens Pines/ hatte mit seinen wolgewapneten handfesten Rittern/ auch allen Dienern sich schon hinaus gemacht; wel- chen Ladisla ersehend/ alsbald seinen Leches zu ihm abfertigte/ und ihn fragen ließ/ was er so viel gewapneter mit sich fuͤhrete; sie solten sich entweder erklaͤren/ ob sie lust zum Streit haͤt- ten/ weil die Pannonier seine Feinde waͤhren/ oder da sie sich dessen wegerten/ solten sie sich von der Bahn packen/ oder auffs wenigste alle Rustung/ gleich den andern ihren Dienern ablegen. Diese verdroß solche Anmuhtung/ und gaben zur Antwort: So einer oder ander auff sie zu sprechen haͤtte/ waͤhren sie ja so willig als fertig/ einen ritterlichen Saz zu wagen; ihre Waffen truͤgen sie mit ehren/ und wolten sie schuͤtzen als lange sie warm dariñen waͤh- ren. Ladisla entboht ihnen darauff; so solten sie sich dann bereit halten/ unter der Bedin- gung (das gemeine Wesen ausgesezt) zu kaͤmpffen wie ihr Fuͤhrer/ es würden sich Ritter finden/ die ihnen zeigen solten/ wie man in Feindes Lande die Waffen zu rũcke lassen muͤste/ wann man umb Frieden ansuchete; und als die Pannonier sich aber mahl erklaͤreten/ seines willens/ so weit den Kampff betraͤffe/ unter der angemuhteten Bedingung zugeleben; sag- te Ladisla zu seiner Geselschaft: Ey so wil uns das Gluͤk noch so wol/ daß wir uns neben un- sern Freund mit wagen koͤnnen. Foderte darauff Baldrich/ Siegward/ Leches/ Neda uñ Prinsla zu sich/ und sagete: Komt ihr geliebte Bruͤder und Ritter/ das Gluͤk/ nach Got- tes schickung/ suchet uns auch zu ehren. Der junge Fabius und Skaurus hoͤreten solches/ und fingen an: Wie dann? Durchleuchtigster Fuͤrst/ wil dann eure Durchl. uns ihrer Geselschaft nit auch wirdigen/ da wir doch noch zween Feinde vor uns uͤbrig sehen? war- umb nicht? antwortete er/ wir wollen ob Gott wil ritterlich gewinnen/ oder ruͤhmlich ster- ben. Setzeten sich hiemit neben einander auff den Plaz/ uñ hoͤreten froͤlich an/ wie so freund- lich ihnen der Kaͤyser zuredete/ und ihre Tapferkeit ruͤhmete. Ladisla/ Baldrich und Sieg- ward erhielten durch viel bitten/ daß ihnen der Anfang zu streiten gegoͤnnet ward/ liessen auch die drey ansehnlichsten Pannonier alsbald fodern; aber deren Fuͤhren Pines wolte es durchaus nicht gestatten/ er haͤtte dann zuvor seinen Kampff geendiget. Ja sagte er/ fuͤrchtet sich etwa mein zarter Kaͤmpffer/ dem ich so unhoͤflich vorkom̃e/ und sihet mich nur von ferne; was wird es abgeben/ wann er das Gewicht meiner unhoͤflichen Arme empfin- den mus? Du unbehoͤfelter Kloz antwoꝛtete Leches/ legestu dieses meinem gnaͤdigstẽ Herꝛn zur Furcht aus/ bistu in Warheit heßlich betrogen/ und gedenke ich noch heut dich dessen zuerinnern. Je du nichtwerter Tropf/ sagte Pines/ was hastu mich zu schelten? Siehe da/ ich schwere dir bey Pannonischer Ritterehre/ daß/ so bald dein Gnaͤdigster Herr/ wie du ihn nennest/ von mir wird gezaͤhmet seyn/ welches in einer viertelstunde geschehen sol/ ich dich schon finden/ und nach verdienst abstraffen werde. Grober Buͤffels Ochse/ antwortete Leches/ es gehoͤren ihrer zween zu einen Kauffe/ und duͤrfte ich meinem Gn. Herꝛn voꝛgreif- fen/ muͤstestu mir zeigen/ wie fein du die Leute zuzaͤhmen weist; bin aber versichert/ daß dir ein solcher aufwarten wird/ nach dessen Abtrit du des andern Bestreiters nicht begehren solt/ es waͤhre dann/ daß du als ein ungehorsamer Knecht mit Peitschen und Ruhten muͤ- stest bestritten werden. Rante hiemit zuruͤk/ und hinterbrachte das ergangene Gespraͤch; wodurch Herkules Zorn nicht umb ein geringes vermehret ward/ schikte auch den Pan- noiern alsbald eine zimliche Anzahl fester Speere/ darunter er ihnen die erste Wahl gab/ nam Sechstes Buch. nam hernach die ihn gut dauchten/ befahl sich seinem Gott/ und erwartete freudig/ wann sein Feind loßgehen wuͤrde. Sein Pferd hielt sich so unbendig unter ihm/ daß dem Kaͤyser nicht wol dabey wahr/ und sich fuͤrchtete/ es moͤchte ihm am Siege hinderlich seyn; da hingegen ihm solches als ein gewisses Zeichen seines guten Muhts gar angenehm wahr. Der Pannonier nam ihm vor/ alle Vorsichtigkeit anzuwenden/ dann er sahe und vernam/ daß sein Feind gutes Herzens wahr/ und als er innen ward/ daß Herkules nicht allein sein wartete/ sondern durch Speerwinken und schwaͤnken zuverstehen gab/ daß er sein begehre- te/ gab er seinem grossen Hengste die Sporen/ legte ein/ und rante mit grimmigem Eifer auff ihn zu; aber sein Pferd wahr kaum 10 Schritte gelauffen/ da fiel es im Augenblicke tod unter ihm nieder/ daß seine Diener ihn loßreissen und auffheben musten. Herkules wahr schon auff dem Wege/ ihm zubegegnen/ sahe diesen Unfall/ kehrete wieder umb/ und hielt es vor ein gewisses Zeichen seines künfftigen herlichen Sieges; wie dann alle anwe- sende darüber nicht wenig frohlocketen. Hingegen rasete der Pannonier so hefftig/ daß er das schon todte Pferd mit einem Streiche fast halb in der mitte von ander hieb/ und die unsern sich des ungeheuren Schlages entsetzeten. Doch muste der vornehmste Pannonieꝛ absteigen/ und ihm sein Pferd uͤberlassen/ welches er beschritte/ und zum andern mahl loß- brach. Herkules seumete sich auch nicht dann sein Blaͤnke flog daher wie ein Pfeil/ da sie dann dermassen heftig traffen/ daß sie beyderseits hinter sich bogen/ und doch keinen Steg- reiff verlohren/ trabeten also dieses mahl mit aller Zuscher und ihrer selbst eigenen Ver- wunderung neben einander her/ da der Kaͤyser hoch betenrete/ er haͤtte nicht allein zeit sei- nes Lebens ein solches Treffen nicht gesehen/ sondern ihm desgleichen nie einbilden koͤñen. Der Pannonier empfand des Puffes wol/ dann er wahr auff die Oberbrust getroffen/ daß ihm das Gerippe knackete/ und er dessen nicht wenig erschrak/ massen ihm nie kein Mensch (auch sein Bruder Bato nit/ mit dem er einsmals unwissend gestochen) einen so schmerz- lichen Stoß beygebracht hatte. Die Speere wahren zersplittert/ und scheuheten sie sich fast beyde/ den andern Rit zutuhn/ haͤtten es lieber zum Schwertstreit kommen lassen; doch gedachte Herkules zuversuchen/ ob er ihn fellen koͤnte; ließ neue Speer austeilen/ und be- gegnete dem Pannonier zum andern mahle/ da er sich im Sattel drehete/ daß Pines neben hin stechen muste/ und hingegen er seinen Feind so kraͤfftig fassete/ daß er auf seines Pferdes Hals zuliegen kam/ und mit grosser Muͤhe sich des Falles enthielt. O du teurer Held/ sag- te der Kaͤyser/ der du billich vor die außerlesenste Kron aller Ritterschafft gepreiset wirst! Es gab Herkules ein grosses Vergnuͤgen/ dz er diese Ehre eingelegt hatte/ warff sein Pferd schnelle umb/ ehe er den ganzẽ Lauff volbrachte/ und machte sich mit entbloͤssetem Schwer- te an seinen Mann/ der sich seiner nicht so bald vermuhten wahr/ sich auch noch nicht recht wieder eingerichtet hatte/ daher er etliche schwere Hiebe/ die doch ohne Wunden abgingẽ/ empfing/ ehe er zur Gegenwehr kam/ ward endlich seines Schwertes auch maͤchtig/ und ging darauff ein uͤberaus herber Kampff an/ daß die Schilde in kurzer frist sehr schadhaft wurden. Nun hatte Herkules einen grossen Vortel wegen seines wolgewanten Pferdes/ welches mit schlagen und beissen dem Pannonier sehr zusetzete/ daß es auch endlich dessen Pferd die Nase und Ober Lippen hinweg bisse/ wodurch es in eine Wuht geriet/ und seinen Auffsitzer wider seinen Willen davon trug. Dieser erzuͤrnete sich hieruͤber hefftig/ daß er i i i ij vor Sechstes Buch. vor einen Feldfluͤchtigen solte angesehen werden/ sprang herunter/ und begegnete unserm Herkules zu fusse/ welcher zwar lieber den Pferdestreit fortgesetzet haͤtte; aber weil er sich fuͤrchtete/ es moͤchte Pines ihm den Blaͤnken beschaͤdigen/ stieg er ab/ und trat ihm freudig entgegen/ da sein Feind ihm schon die gewisse Rechnung des Sieges machete/ nachdem er meinete/ es wuͤrde unserm Herkules unmoͤglich seyn/ ihm zu fusse auszuhalten/ haͤtte auch duͤrffen grosse Gefahr abgeben/ wann Gottes Schuz nicht gewesen/ und Herkules durch Ringfertigkeit nicht zuersetzen gewust/ was ihm an Leibesschwere abging; dann es tobete der Pannonier mit seinen Hieben so kraͤfftig/ daß kein Stahl vor ihm hart genug wahr. Der aͤdle Blaͤnke kunte seinen lieben Herrn nicht verlassen/ rante hinzu/ und schlug nicht allein den Pannonier auff den linken Arm/ daß ihm der Schild entfiel/ sondern zerrete ihm den Helm auff dem Kopffe/ daß er sich endlich aufloͤsete. Dieser vermeynete des Unfals rasend zuwerden/ fassete das Schwert/ und gedachte ihm das Haͤupt herunter zuschlagen/ traf aber zu kurz/ und gab ihm gleichwol eine zimliche Halßwunde/ daß es endlich wiche/ und auf Herkules Abtreibung sich hinweg machete/ auch alsbald verbunden ward. Als der Pannonier dieses Unfals enthoben wahr/ ergreif er wieder frischen Muht/ dann ihm wahr noch wenig an Kraͤfften abgangen/ ohn daß ihm der linke Arm sehr schmerzete/ uñ verdroß ihn hefftig/ daß ihm der Schild entfallen wahr/ legete sich deswegen in ein gestrek- tes Lager/ daß ihm nicht beyzukommen wahr/ ruͤckete vorerst den Helm wieder gleich/ und buͤckete sich unter seines Schwertes Beschirmung zur Erden/ den Schild auffzuheben. Herkules verschief diese Gelegenheit nicht/ sondern trat ihm zur Seiten/ und gab ihm un- ter dem Helm mit einem Schnitte eine zimliche Halßwunde/ mit diesen Worten: Du wuͤtiges Tihr/ hiemit bezahle ich dir an stat meines Pferdes. Der Pannonier achtete des Schaden wenig/ nur der Spot taht ihm weh/ welcher ihm diese Schmachrede austrieb: O du elender Wurm/ daß du annoch lebest/ hastu deinem Pferde zudanken/ dann nachdem du dessen Huͤlffe beraubet bist/ so schicke dich willig zum knechtischen Joche/ welches dich hart gnug drücken sol. Je du tum̄er Kloz/ antwortete er/ bestehestu dann noch auff diesem Vorsatze? Ich gelobe dir bey meiner Redligkeit/ dz du schwehr abtrag machen solt. Fingen hiemit aufs neue einen grausahmen Streit an/ daß die Funken auß ihren Helmen und Waffen sprungen/ auch Herkules nachgehends bekennete/ daß nach Gamaxus seines glei- chen ihm nicht vorkommen waͤhre. Der Pannonier wahr am Halse und in der Rechten Seiten wund; Herkules hatte einen Hieb oben an das Rechte Bein bekommen/ und ver- gossen beiderseits zimlich viel Blut/ wiewol Pines am meisten/ welcher noch endlich sei- nes Schildes wieder maͤchtig ward/ da sie sich zum andernmale verpausteten. Nun merke- te der Pannonier gleichwol/ daß der Abgang seines Blutes ihm die Kraͤfte umb ein grosses verringerte/ wolte sich deswegen der annoch uͤbrigen recht und mit vortel gebrauchen/ und ging zum drittenmahl grimmig loß/ fand aber solche gegenwehr/ daß er sich verwunderte/ wie ihm dieser junge Ritter aufhalten moͤchte; fassete endlich den Schild/ und warf damit Herkules wieder die Brust/ daß er drey Schritte zuruͤk prallete/ trat ihm nach/ und wahr des ganzen vorhabens ihn zugreiffen/ und vor leibeigen anzunehmen/ hatte ihm auch den Arm schon uͤmb den Hals geleget/ worüber Ladisla/ die Gros Fuͤrstin/ und andere/ hoͤchlich erschraken: Er aber drehete sich ringfertig loß/ und versetzete ihm einen Schnitt uͤber die Linke Sechstes Buch. Linke Hand/ daß drey Finger davon zur Erde fielen. Noch dannoch wolte der Unhold nicht gewonnen geben/ hieb ihm den Schild mitten voneinander/ mit einem Streich/ daß er zur Erde fiel/ und also ein jeder sich mit dem Schwerte schuͤtzen/ und den Feind angreiffen mu- ste; worin aber Herkules dem Pannonier zu fertig und erfahren wahr/ hatte etlichemahl Gelegenheit/ ihn niderzustossen/ suchte aber nur/ wie er ihn lebendig in seine Gewalt brin- gen moͤchte/ welches ihm folgender Gestalt gluͤckete: Er gebrauchete sich eines kurzen La- gers/ daß ihn Pines sehr nahe treten muste/ welcher einen starkẽ Streich auff ihn fuͤhrend/ sich verhieb/ daher Herkules ihm die Rechte Hand verwundete/ daß er sein Schwert nicht mehr fuͤhren kunte/ dessen er uͤber die masse traurig ward/ und doch sein schandsuͤchtiges Maul nicht zu zaͤhmen wuste/ sondern zu Herkules sagete: O du unwerder nichtiger Tropf/ du Verlaͤuffer deines Vaterlandes; haben die Goͤtter mich zu dem Ende durch meine Kraft in so mannicher Gefahr geschuͤtzet/ daß ich unter deinem kindischen Schwert erlie- gen sol? Sihe da/ du leichter Bube/ vollende an mir den Sieg/ dessen du unwirdig bist. Warf hiemit das Schwert von sich/ und erwartete unerschrocken/ wann Herkules ihn niderstossen wuͤrde; der sich aber durch diese Schmachrede nicht zu uͤbermaͤssigem Zorn bewaͤgen lies/ sondern zu ihm hintrat/ den Helm herunter risse/ und mit dem Schwert- knauffe ihm eins wieder die Stirn versetzete/ daß er taumlich zur Erden stuͤrzete; also rief Herkules seinen Gallus und Neklam herzu/ welche ihm Haͤnde und Fuͤsse binden/ und wie ein Vieh hinweg schleppen mustẽ/ dessen er sich als ein Rasender gehuhb. Die Grosfuͤrstin und alle andere/ wurden dieses Sieges hoͤchlich erfreuet/ dz sie vor freudẽ jauchzeten; doch ging Herkules mit grosser Unmacht in das naͤheste Lusthauß/ ließ sich daselbst abzihen/ und die Beinwunde verbinden/ uͤber welcher er noch drey andere/ wie wol geringere empfangen hatte/ da sein Gemahl mit Frr. Lukrezien und Sibyllen hin zulief/ uͤmb seine verwundung zubesichtigen; und nach dem sich gar keine Todesgefahr noch Laͤhmung befand/ sondern Galehn sie einer schleunigen Heilung versicherte/ lacheten und weineten sie zugleich vor Freuden/ gingen hin/ uñ brachten den andern diese froͤliche Zeitung/ deren der Kaͤyser sich nicht minder als Ladisla und Baldrich erfreuete/ lies auch den gefangenen Pannonier la- ben und das Blut stillen/ damit er von mattikeit nicht verginge. Die andern Pannonier hatten sich über ihres Fuͤhrers Gefaͤngnis so heftig entsetzet/ daß ihnen Herz und Muht entfallen wahr/ und weinig Lust hatten/ den Kampf anzutreten/ biß der vornehmeste unter ihnen sie ermunterte/ und diese Rede hielt: Es ist viel zuspaͤt/ ihr redlichen Bruͤder/ den Streit abzuschlagen/ und viel zu fruͤh/ das Herz sinken zulassen/ dann sehet/ unser Haͤupt ist uͤberwunden/ und mit ihm leider das ganze Koͤnigreich auff 10 Jahr lang/ welches aber doch leidlicher ist/ als daß wir ihn solten in der Noht und knechtschaft stecken lassen. Ich halte die an uns getahne ausfoderung vor eine sonderliche Schickung der guͤtigen Panno- nischen Goͤtter; lasset uns nur zur gewoͤhnlichẽ Herzhaftigkeit greiffen/ und unsern Fein- den die Spitze bieten/ alsdann zweifelt mir nicht/ wir wollen ihrer etliche lebendig fahen/ und unsern Fuͤhrer/ welcher dem Vaterlande noch trefliche Dienste leisten/ und uns groß- machen kan/ gegen sie auswechseln. Ladisla eiferte sich uͤber ihrem lange stille halten/ und lies sie fragen/ ob sie ihr versprechen aus Schrecken vergessen/ und allen Muht verlohren haͤtten. Nein sagte dieser/ wir erwarten des Angrifs von den Ausfoderern. Also gieng das i i i iij Spiel Sechstes Buch. Spiel von neuen an/ da Ladisla/ Baldrich/ Siegward/ und Fabius sich auff die Bahn setzeten/ und ihrer Feinde wahrnahmen. Ladisla traf mit seinem Manne sehr gluͤklich/ dann er rennete ihn im erstenmahle daß er mit samt dem Pferde uͤbern Hauffen fiel/ und den linken Schenkel ganz entzwey brach: Dieser/ da er deß Schmerzen empfand/ und daß er zum weitern Gefechte unduͤchtig wahr/ zog sein Schwert aus/ in willens sich damit zuent- leiben; aber Ladisla wahr ihm zugeschwinde aufm dache/ risse ihm das Schwert aus der Faust/ und sagte; wie nun du frecher Hund/ wiltu wieder dich selbst wuͤten/ nachdem dirs wieder mich nicht hat wollen gelingen? zog ihm den Helm ab/ und lies ihn gebunden vom Platze schleppen/ setzete sich wieder auff/ und dankete Gott inniglich/ daß er ihm diesen her- lichen Sieg ohn alle muͤhe bescheret hatte. Der Kaͤyser ritte ihm froͤlich entgegen/ wuͤn- schete ihm Gluͤck/ und umfing ihn als seinen geliebeten Bruder. Baldrichs Gegener hielt festeren Stand/ ward erst im dritten Treffen zur Erden geworffen/ welches so ungestuͤm zu gieng/ daß er auffs Genicke stuͤrzete/ und den Hals zubrach; da hingegen auch Baldrich mit dem Speer am linken Beine verwundet ward. Siegward/ nach dem sein Feind ihm zween stoͤsse ausgehalten/ wolte des dritten nicht abwarten/ sondern machete sich mit dem Schwerte fertig/ und hielten diese gar ein ernstliches Gefechte zu Roß/ in welchem dieser Schwedische Held beides sein tapfferes Herz/ und Erfahrenheit zu kaͤmpffen zur gnuͤge sehen lies/ und ein hohes Lob davon trug/ biß der Pannonier an mannichem Orte verwun- det/ fast alle Kraft verlohr/ und doch mit schaͤndlichen Schmaͤheworten den Fuͤrsten im- merzu reizete/ schaͤrffer anzusetzen/ damit er durch einen schleunigen Tod die ungenehme Leibeigenschafft abwenden moͤchte/ welches ihm aber fehlete/ massen Siegward endlich Gelegenheit bekam/ daß er ihm das Schwert aus der Hand risse/ und ihn zu bodem warff/ auch bald darauff ihn von der Bahn in gewahrsam bringen lies; jedoch hatte er auch drey zimliche Wunden davon getragen. Fabius brachte mit seinem Manne am laͤngsten zu/ welchen er zwar im dritten Treffen auff die Erde geworffen hatte/ fiel aber wegen grosser Bemühung mit seinem Pferde selbst uͤber und uͤber; und weil der Pannonier zeitiger als er/ auff die Fuͤsse kam/ fehlete gar weinig/ er waͤhre von ihm erschlagen worden/ so daß ers bloß der Barmherzigkeit Gottes zudanken hatte/ daß er noch den Sieg erhielt; dann als sein Feind ohn unterlaß auff ihn zuschlug/ und ihm keine zeit goͤnnete auff zustehen/ begab sichs/ daß derselbe hinten aus glitschete/ und ruͤklings einen schweren Fal taht/ da er mit dem Haͤupte auff einen Stein schlug/ daß ihm eine Ohmacht zusties. Fabius wahr schon hart verwundet/ hatte sich auch deß Lebens bereit erwogen/ aber wie er seinen Feind in die- sem Stande ersahe/ ermannete er sich auffs beste/ riß ihm Schwerd und Schild aus der Hand/ und loͤsete ihm den Helm gar vom Haͤupte/ wodurch dieser zu sich selber kam/ und in dieser Noht sich befindend/ nach Fabius griff/ ihm den linken Schenkel fassete/ und bey nahe ihn gar zur Erden gerissen haͤtte/ weil er wegen verlust seines Blutes gar machtloß wahr; aber in dem der Pannonier ihn also nach sich zohe/ laͤhmete er ihm den Arm mit ei- nem Hiebe/ daß er ablassen muste/ verwundete ihm auch den rechten Schenkel/ daß er dar- auff nicht treten kunte/ und lies ihn hinweg tragen/ sich aber von Galehn verbinden. Wahren also diese vier ersten durch herliche Siege niedergelegt. Die vier uͤbrigen gerietẽ hiedurch in eine grimmige Wuht/ und begehreten alsbald zu treffen/ welches ihnen von Skau- Sechstes Buch. Skaurus und seinen dreien Boͤmischen Gesellen nicht versaget ward. Es wahr ein kurzer unansehnlicher/ aber untersezter Baumstarker Mañ/ mit dem Leches es zutuhn hatte/ wel- cher auch drey Ritte ohn enigen Wank aushielt/ so daß im dritten der Unfal Leches schier getroffen haͤtte/ welcher im vierden Gange es auff die Spitze setzete/ und einen so gewaltigẽ Rit taht/ daß sie beide uͤbern Hauffen purzelten; doch schikte es Gott/ daß Leches der erste wieder zu Beinen wahr/ und auff seinen Feind frisch angieng/ welcher sich unter seinem Pferde hefftig bemühete/ hervorzukriechen/ und vermehrete ihm Angst und Zorn seine ohn das starken Kraͤfte dermassen/ daß er sein gelaͤhmetes Pferd vom Leibe abwalzete; durch welche Bemuͤhung ihm der Krebsriemen zubrach. Er hatte sich gleich auff alle viere gesetzet/ da Leches ihm nahete/ und sich über seine starke Gliedmassen sehr verwunderte/ auch aͤusserst darnach trachtete/ wie er ihm das aufstehen verbieten moͤchte/ stieß ihn mit ei- nem Fusse/ daß er auff den Ruͤcken zu liegen kam/ und nachdem er nicht gesinnet wahr/ die- sen Vortel aus den Haͤnden zugeben/ schlug und stach er gewaltig auff ihn zu/ woruͤber der Pannonier meynete vor Eifer zubersten/ lag und bruͤllete als ein wilder Ochse/ daß ihm der Dampff zum Helm Gesichte ausging; woraus Leches die unfehlbaren Zeichen nam/ mit wem ers zutuhn haͤtte; und ob er gleich sich stets bemuͤhete/ ihm das auffrichten zuverbietẽ/ kunte er doch endlich nicht verwehren/ daß er auff den Hindern zusitzen kam/ und seines Schwerts maͤchtig ward/ womit er so grausam von sich hieb und stach/ daß ihm Leches nit zu nahe treten durffte/ der sich dann gewaltig schaͤmete/ daß ihn ein sitzendeꝛ so lange abhal- ten solte; dann Neda und Prinsla wahren mit ihren Feinden schon fertig/ dergestalt/ daß sie sie beyde im andern Treffen zu boden warffen/ und im Fußstreite nach hefftiger Ver- wundung lebendig gefangen nahmen; welches Leches ersehend/ zu seinem Gegener sage- te: Ey so muͤste ich nicht eines faulen Apffels wert seyn/ wann ich deine viehische Verwaͤ- genheit nicht endlich legen solte. O du nichtiger Tropf/ antwortete dieser; haͤtte mich der Unfal nicht getroffen/ du wuͤrdest schon laͤngst in meiner Gewalt seyn/ dann ich getraue mich/ deiner viere zubestehen/ und auf einmahl lebendig davon zutragen; und bistu ein red- licher Ritter/ so laß mich zun Beinen kommen/ dann wil ich es ohn Schild mit dir austra- gen. Ich habe dich einmahl nidergeworffen/ sagte Leches/ und sol auch das lezte mahl seyn; fing darauf an/ eiferiger als vorhin auf ihn zuschlagen/ dann er fuͤrchtete sich/ alles sein An- sehen wuͤrde ihm verschwinden/ gab auch gar genaue acht/ an was orten er ihn am besten verwunden moͤchte/ und ward gewahr/ daß sein Krebs sich in der Seite von ander zog/ so offt er von sich hieb; nam deßwegen den Schild/ und warff ihn damit vors Gesichte/ trat bald darauf ein/ und hieb ihm die Faust lahm/ in welcher er das Schwert fuͤhrete/ trat ihm auff den Halß/ und durchstach ihm den linken Arm/ daß er denselben auch nicht gebrauchẽ kunte; woruͤber er ein so erschrekliches Geschrey fuͤhrete/ dz es uͤber die Maur in die Stad erscholle/ fing an seinen Goͤttern zufluchen/ und schalt Leches uͤberaus schaͤndlich/ daß er ihn ja vollends hinrichten solte. Aber da Gallus und Neklam diese uͤberwindung sahen/ traten sie mit etlichen Stecken Knechten herzu/ welche ihm anfangs beyde Beine zusammen fes- selten/ dessen er sich hefftig straͤubete/ aber doch endlich gebendiget ward; doch kam Leches nicht ohn Wunde davon/ sondern es hatte ihm dieser sitzend das rechte Bein an der Wa- de zimlich verletzet. Skaurus und sein Gegener wahren dazumahl noch in voller Arbeit; dann Sechstes Buch. dann weil sie mit den Speeren sich nicht hatten fellen koͤnnen/ wahren sie mit den Schwer- tern zu Roß aneinander gerahten/ biß der Pañonier aus Unvorsichtigkeit Skaurus Pferd am rechten Voͤrderbug laͤhmete/ daß sein Reuter absteigen muste/ und sein Feind sich auch herunter machete/ fingen auffs neue zu fusse einen ganz herben Streit an/ daß sie fast gleiche Wunden davon trugen; triebens auch so lange/ biß dem Pannonier das Schwert vor der Faust absprang/ welcher doch deswegen den Muht nicht fallen ließ/ sondern seinem Fein- de glüklich unterlief/ und nach hingeworffenem Schilde mit ihm zuringen anfing/ worin er schier solte des Roͤmers Meister worden seyn/ wann dieser nicht beyzeiten sich seines Dol- ches erinnert haͤtte/ welchen er hervor suchete/ und mit dreyen Stichen ihm das Lebẽ nam; ward aber Mattigkeit wegen durch Neda und Prinsla von der Bahn geleitet. Der Kaͤy- ser und alle anwesende erfreueten sich des voͤlligen Sieges von ganzem Herzen/ wuͤnschetẽ den Uberwindern Gluͤk/ liessen die annoch unverbundene fleissig versehen/ die beyden er- schlagenen Pannonier entwapnen und in die Erde verscharren/ und musten die 10 unbe- wapnete Diener der Kaͤyserlichen Geselschafft folgen/ deren viere wegen ihrer Herren Unfal sehr leidig und betruͤbt wahren/ die übrigen 6 aber sich daruͤber freueten/ und auf bit- liches ansuchen von dem Kaͤyser frey gelassen wurden/ da sie sich in Ladislaen Dienste be- gaben/ dann sie zeigeten an/ wie sie in ihrer zarten Jugend aus Boͤhmen hinweg geraubet/ und in diesen Stand gerahten waͤhren. Die sieben Gefangene/ wie mat und verwundet sie wahren/ wolten sich nicht lassen verbinden/ sondern stelleten sich als waͤhren sie rasend/ und hielten mit schaͤnden und schmaͤhen stets an/ insonderheit Pines meinete mit schelten es dahin zubringen/ daß man ihn vollend hinrichten solte; aber Herkules machte es mit ihm/ wie ehemals mit Gamaxus/ ließ ihn auff ein Bret binden/ daß er sich nicht ruͤhren kunte/ hernach muste der Arzt ihm die Arzney aufflegen/ und allen Fleiß zur Heilung an- wenden; welchen Ernst die übrigen sehend/ sich endlich drein gaben/ und die Verbindung annahmen. Die vier Pannonische Diener wurden des Abens wolgehalten/ und folgendẽ Morgens in beiseyn Neda und Neklam/ welche Pannonisch verstunden/ auff ihr instaͤndi- ges ansuchen zu den Gefangenen gelassen/ die von ihnen begehreten/ mit dem Koͤnige und Landstaͤnden/ insonderheit mit Herr Dropion Pannonischen Stathalter/ Pines Bruder zureden/ daß/ in betrachtung ihrer getraͤuen Dienste/ sie auf ihre Erloͤsung bedacht seyn moͤchten. Der Kaͤyser ließ hernach diese Diener aͤydlich belegen/ daß sie ihrem Koͤnige und allen andern/ die reine ungefaͤlschte Warheit wegen alles Verlauffs anzeigen wolten/ gab ihnen ein ehrliches Geschenke/ ließ alles an den Pannonischen Koͤnig schrifftlich gelangẽ/ und erinnerte ihn/ sein erbieten redlich zuhalten/ alsdann solte der begehrete zehnjaͤhrige Anstand ihm zugelassen seyn. Es wahr uͤberal grosse Freude in Padua/ wegen dieses gluͤk- lichen Sieges/ und schrieb der Kaͤyser allen Verlauff an den Roͤmischen Raht/ ruͤhmete vornehmlich Herkules Tapfferkeit/ und taht ihnen zuwissen/ wie er solches zuerkennen be- dacht waͤhre. Nun musten gleichwol unsere ritterliche Helden/ ausserhalb Ladisla/ etliche Tage des Bettes huͤten/ bey denen Galehn grossen Fleiß anwendete/ daß Herkules und Baldrich des sechsten Tages auffstunden. Mit Prinsla/ Neda und Leches besserte sichs noch zeitiger. Siegward/ Fabius und Skaurus wahren am haͤrtesten verwundet/ daher es mit ihrer Besserung langsamer zuging. So wahr den Gefangenen nichts so sehr/ als die Sechstes Buch. die Heilung zuwider/ daß sie auch gesinnet waren/ sich durch Hunger zutoͤdten; dann weil sie alle Herren Standes/ Hochaͤdles Geschlechtes/ und von grossen Mitteln waren/ kuntẽ sie in knechtische Dienstbarkeit sich nit schicken/ welche sie doch muhtwillig erwaͤhlet hattẽ. Ja ihr Fuͤhrer hoͤrete noch nit auf/ allerhand Schmachreden uͤber Herkules auszuschuͤttẽ/ in meinung/ hiedurch den Tod zuerhalten/ welches Gallus anzeigete/ aber zur Antwort be- kam/ er solte ihn mit Hofnung speisen/ dz neben seinen Gesellen er durch wichtiges Loͤsegeld sich wol wuͤrde koͤñen frey kaͤuffen/ als warum es seinen Herren eigentlich zutuhn waͤhre; welcher Trost sie in gute Ruhe setzete/ dz sie Speise namen/ die Ketten willig trugen/ uñ die Gesundheit wieder erlangeten; da dann der Kaͤyser mit den Fuͤrsten hinging/ sie zu sehen/ und zuvernehmen/ wie sie sich doch bezeigen wuͤrden/ verwunderten sich sehr uͤber Pines verwaͤgenheit/ der hochmuhtig gnug fragen durfte/ was man vor ihre Erloͤsung foderte; Herkules aber ihm zuꝛ Antwort gab: Je du frechstolzer Kerl; deucht dichs noch nicht Zeit seyn/ daß du vor Kaͤyserl. Hocheit/ vor einem herschenden Boͤmischen Koͤnig/ und vor mir einem gebohrnen Groß Fürsten/ der uͤberdas dein Herr ist/ dich endlich demuͤhtigest/ deinen elenden Zustand erkennest und umb Gnade und Barmherzigkeit anhaltest? du must ja ohn zweifel bißher mit lauter Baurflegeln umbgangen seyn/ daß du gedenkest/ auch die hoͤchsten in der Welt seyn deiner Ehrerbietung nicht wirdig. Und was hastu zu fragen/ was man vor Loͤsegelder von dir fodere? wiltu es wissen? durchaus nichts fodert man/ so wenig vor die andere als vor dich/ sondern nachdem du dich deiner eigenen Urtel erinnern kanst/ hastu nichts gewissers/ als die ewige Ketten der schnoͤdesten Dienstbarkeit zutragen/ worzu dir die liebe Geduld wird von noͤhten seyn. Jedoch haͤttestu alsbald nach der Uber- windung die Demuht ergreiffen koͤnnen/ wuͤrdestu einen gnaͤdigen Herrn an mir gehabt haben/ der/ inbetrachtung deiner guten Faͤuste/ mit dir viel anders wuͤrde umbgangen seyn. Nun aber ist die Gnadenzeit vorbey/ insonderheit/ weil du diese Zeit deiner Knecht- und Leib- eigenschaft dich des schaͤndens nicht hast enthalten wollen. Drumb glaͤube mir/ wann du gleich vor dein Haͤupt mir hundert tausend Tonnen Goldes liefern koͤntest/ wuͤrde ichs we- niger als diesen Stab achten. Als Pines dieses hoͤrete/ speiete er ihn an/ schalt ihn aus vor einen Zaͤuberer/ Verraͤhter/ Landlaͤuffer/ und des Kaͤysers Schmarotzer; daß er ihn ja zum Zorn reizen moͤchte; wie dann die anderen alle es ihm also nachmacheten. Aber Herkules lachete dessen nur/ und sagete zu ihnen: Je ihr ehrvergessene Buben/ wisset ihr dann nicht/ daß ihr Gefangene/ ja daß ihr Leibeigene Knechte seid/ und durch euch selbst darzu verurtei- let/ und dürffet solche Schmachrede wieder mich ausstossen? Ja du Unhold/ sagte er zu Pines/ scheuhestu dich nicht/ mich gar anzuspeien? Ich erinnere dich deiner ehemahligen draͤuung/ wie du mittel wuͤstest/ meinen steiffen Sinn zu lenken; deren werde ich mich nun auch gebrauchen muͤssen/ umb zu versuchen/ ob ich dein teuflisches Laͤstermaul nicht zaͤhmen und zaͤumen koͤnne/ wie dann wol ehe einem staͤrkeren/ als du/ wiederfahren ist. Ließ hierauf sechs Steckenknechte mit scharffen Ruhten fodern/ jeden gefangenen an eine Saͤule bin- den/ entkleiden/ und von oben an biß unten aus rechtschaffen streichen; welcher Schimpff ihnen dermassen zu Herzen ging/ daß sie allen ihren Goͤttern flucheten/ auch durchaus umb keine Erlassung noch Gnade anhielten; daher Herkules sagete: Man mus die halsstarri- gen Schelmen noch besser antasten; ließ Salzwasser herzu bringen/ den volgestriemeten k k k Hin- Sechstes Buch. Hinterleib damit abwaschen/ und sie ein viertelstuͤndichen zappeln/ da sie zwar ein elendes Geheule trieben/ aber keine Gnade sucheten. Es muste ihnen hernach das Salzwasser ab- gespuͤlet/ und an dessen stat heilsames Oel daruͤber geschmieret werden/ welches ihnen gros- se linderung gab/ und sie nicht anders gedachten/ es wuͤrde hiemit seine Endschaft haben. Aber Herkules ließ sie an den Pfaͤlen umbkehren/ mit befehl/ es solte ihnen der ganze Vor- derleib gleich also zergeisselt werden/ welches sie aber noch nicht zur helfte ausgestanden hatten/ da sie anfingen umb Gnade zu bitten/ ohn allein Pines meinete durch raserey zu uͤ- berwinden/ deswegen man an ihm mit der Geisselung tapffer fortfuhr/ biß gar an den Un- terleib/ da rieff er endlich: Ich mus meinen steiffen Sinn brechen/ und umb erlassung an- halten. Deine Demuht mus groͤsser seyn/ sagte Herkules/ hies doch die Geisselung einstel- len/ aber viel ein schaͤrffer Salzwasser/ als das vorige auff die frischen Striemen giessen; wovor er erzitterte/ und sagete: Gnade mein Herr/ Gnade/ und erinnert euch/ daß ihr auch unter der Goͤtter gewalt seid. Des erinnere ich mich taͤglich ohn dein erinnern/ daß ich un- ter Gottes gewalt bin/ sagte Herkules/ und ist dieses bloß darumb geschehen/ daß du auch nunmehr anfahen moͤgest zuerkennen/ du seist unter Gottes und deines jetzigen leiblichen Herrn gewalt dem du Ehre/ Demuht und Gehorsam schuldig bist; und koͤnnen diese erste Ruhten dich zu solcher Schuldleistung nicht antreiben habe ich deren noch mehr im vorbehalt/ ja/ spitzige hoͤlzerne Keilichen/ welche dir an Haͤnden und Fuͤssen unter die Nagel sollen eingedruͤkt werdẽ/ biß du tuhst was dir oblieget. Bey meinen Goͤttern/ antwortete er/ mir geschihet endlich recht/ weil ich mir ein gleiches auff den verhoffeten Gluͤckesfall vor- genommen hatte; aber diese meine Gesellen sind unschuldig in die Leibeigenschaft gerahten/ und von mir verleitet/ deswegen lasset sie durch ein ansehnliches Loͤsegeld sich frey kaͤuffen. Kein einziger mache ihm die Hoffnung zur Freyheit/ sagte Herkules; zu spaͤte zu spaͤte! der Stab ist gebrochen/ drumb gebet euch nur willig drein/ weil ihrs nicht anders habt wollen haben; erkennet aber dabey/ daß Gott ein gerechter Richter ist/ und allen Hochmuht stuͤr- zet/ dessen wir ein Sonnen-klares Beyspiel an euch sehen/ dann sonst wuͤrde noch wol einer unter euch den Sieg davon gebracht haben. Diese scharffe Urtel ging ihnen sehr zu herzen/ doch weil sie es nicht endern kunten/ musten sie sich endlich darein geben/ und die wenige Zeit uͤber/ weil unsere Helden sich daselbst auffhielten/ taͤglich acht Stundenlang im Kar- ren zihen/ und den Unflaht von den Gassen abfuͤhren/ wiewol sie sich noch Hofnung mach- ten/ nach etlicher Zeit Gnade und Freyheit zuerlangen. Als die Verwundeten alle ihre Gesundheit erhalten/ erinnerte Valiska ihren Ge- mahl und Bruder/ es würde Zeit seyn/ ihrer herzgeliebeten Fr. Mutter dereins die Klage- traͤhnen abzuwischen/ und waͤhre ihr fast leid/ daß sie solches nicht durch Botschaft verrich- tet haͤtte/ weil uͤber verhoffen sie so manniche Paduanische Nacht machen muͤssen/ und ih- re Reise so lange auffschieben. Herkules gab ihr recht/ und erinnerte doch zugleich/ daß er dem Keyser verheissen/ die Wiederkunft seiner Botschaft biß auff den 16den Tag nach de- ren hinreisen zuerwarten/ wohin nur noch zween Tage ausstuͤnden/ und moͤchte sie neben Fr. Sophien/ durch Leches/ Klodius und andere/ alles zum Auffbruch verfertigen lassen; was an Wagen und Pferden annoch zuverschaffen waͤhre/ wuͤrden Gallus und Neklam schon von etlicher Zeit her wol in acht genommen haben; der vierde Tag/ von diesem an- zurech- Sechstes Buch. zurechnen/ solte hiemit zum unfehlbaren Auffbruch bestimmet seyn. Fr. Sophia taht sol- ches ihren Eltern zu wissen/ die sich zwar betruͤbeten/ daß ihr liebes Kind von ihnen schei- den wuͤrde; weil sie ihnen aber jaͤhrliche Besuchung versprachen/ gaben sie sich zu frieden/ und legeten ihr die Heimsteur zurechte. Herr M. Fabius gab seiner Tochter Sibyllen 15 Tonnen Goldes in baarschaft/ und acht Tonnen an Kleinot und Kleidern. Pompejus stellete seinem Schwieger Sohn 20 Tonnen gemuͤnztes Goldes zu/ und 10 Toñen an Klei- not und Kleidern/ daneben vermachte er ihm die vom Kaͤyser jaͤhrlich versprochene 30000 Kronen aus der Rentkammer. Valiska und Sophia vermehreten dieser beyden Braut- schaz/ jedweder mit 10 Tonnen baarschaft/ und sechs Toñen an Geschmuk/ welches sie wie- der ihren willen nehmen musten. So kam die Botschaft von Rom zur bestimmeten Zeit an/ und brachte daß vom Kaͤyser begehrete/ teils mit/ teils aber folgete nach. Als vor erst vier Koͤnigliche Kronen/ welche der Kaͤyser unsern beyden Helden und ihren Gemahlen auffsetzete/ sie invictissimos, Unuͤberwindlichste; Decus equestre, Zier der Ritterschaft; carissimos Imperatoris Fratres des Kaͤysers allerliebste Bruͤder; und endlich Herkules einen Freien Koͤnig der Teutschen; Ladisla einen Freien Koͤnig der Boͤhmen und darzu gehoͤrigen Voͤlker; auch beyde des Roͤmischen Reichs liebe angenehme Bundgenossen nennete; Valisken aber Miraculum Orbis, das Wunder der Welt; incomparabilem pietate, virtute, formâ Heroinam : Die unver- gleichliche Heldin an Gottesfurcht/ Tugend und Schoͤnheit; dilectissimam Imperatoris sororem; Des Kaͤysers allerliebste Schwester; Exemplar fidelitatis conjugalis; Das Muster ehelicher Traͤue/ Und schließlich/ eine Koͤnigin der freien Teutschen. Fr. Sophien bestaͤtigte er ihren alten Eh- ren-Nahmen: Romanarum mulierum decus . Aller Roͤmischen Weiber Zierde; gab ihr uͤberdas diesen Nahmen: Vinculum \& Origo amicitiæ Bohemicæ-Germanicæ-Romanæ . Das Band un̄ der Anfang der Boͤmisch-Teutsch-Roͤmischen Freundschaft; und nante sie eine Koͤnigin der Boͤh- men und darzu gehoͤrigen Voͤlker. Fuͤrst Baldrichen und Siegwarden stellete er trefliche/ mit Demanten ausgesetzete Reitharnische/ samt allem darzu gehoͤrigen Pferde Zeuge zu/ reiche- te ihnen Speere mit guͤldenen Spießlein/ an denen trefliche Siegesfahnen hingen/ guͤrte- te ihnen koͤstliche Schwerter an/ warff ihnen grosse schwere guͤldene Ketten mit seinem Brustbilde umb den Hals/ und nennete sie Imperij Romani amicos \& Imperatoris Consan- gvineos Des Roͤmischen Reichs Freunde/ und des Kaͤysers Blutverwantẽ; nachdem er sie schon vor Roͤmische Buͤrger des hoͤchsten Adels erklaͤret und auffgenommen hatte. Schließ- lich waͤhlete er auch Leches/ Neda und Prinsla in den Roͤmischen Adelstand/ gab ihnen schoͤne/ mit Golde eingeschmelzete Reitharnische/ auch trefliche Speer und Schwerter/ und nante sie Imperij filios \& Imperatoris dilectos . Des Roͤmischen Reichs Soͤhne/ und des Kaͤy- sers geliebete. Als alles geschehen wahr/ noͤhtigete sie der Kaͤyser mit sich in den Schloß- plaz zu gehen/ da er Herkules und Ladisla jedem 100 Handpferde/ mit Purpur-Decken be- haͤnget/ und bey jedem Pferde zween freygelassene Teutsche Leibeigene in statlicher Klei- dung/ verehrete; daneben jedem 100 Gutschpferde/ mit noͤhtigem zierlichen Zeuge/ welche von 50 Teutschen Leibeigenen gewartet wurden. Hieruͤber 400 Fuder der besten Griechi- schen und Italianischen Weine/ ingesamt/ wobey die Wagen und Pferde/ sie biß Prage zufuͤhren/ schon bestellet wahren. Den beyden Koͤniginnen/ jeden eine von guͤldenem Stuͤc- ke mit Perlen gezierete Gutsche/ und vor jeder acht schneweisse Pferde mit guͤldenem Zeu- k k k ij ge uñ Sechstes Buch. ge und vier leibeigenen Gutschern. Koͤnigin Valisken aber absonderlich ein uͤberaus wol abgerichtetes Kloͤpperchen/ sehr bund und zierlich geschecket; und ein grosses Kleinot/ ih- rem Elefanten vor die Stirn zuhaͤngen. Den beyden Fuͤrsten/ jedem 20 Handpferde/ und bey jedem zween Teutsche Freygelassene; Ihren Gemahlen aber jeden eine Gutsche von silbern Stuͤk mit Perlen gesticket/ und vor jede 6 schneeweisse Pferde mit silbern Zeuge/ und dreyen Gutschern. Schließlich bekahmen Leches/ Neda und Prinsla jeder 5 Hand- Pferde/ und bey jedem einen freygelassenen Teutschen; Ihre Eheliebsten/ jede eine braune Sammete Gutsche mit silbern Schnüren verbremet/ und vor jeder 4 weisse Pferde mit zween leibeigenen Gutschern. Herkules wahr unwillig wegen der gar zu grossen Schen- kungen/ welche doch nit durfften ausgeschlagen werden; hielt darauff eine zierliche Dank- rede an den Kaͤyser und Roͤmischen Raht/ strich des Kaͤysers loͤbliche Tugenden herlich aus/ und preisete die Roͤmer gluͤkselig/ daß ihnen Gott diesen loͤblichen Kaͤyser gegeben/ vor dessen Gesundheit und langes Leben sie zubitten wol befuget waͤhren. Die Roͤmer ver- wunderten sich uͤber seine Beredsamkeit mehr/ als uͤber seine andere Volkommenheiten/ und bekenneten oͤffentlich/ daß in ganz Rom schwerlich einer auffzubringen waͤhre/ der in zierlichem Latein und wolgestelleter Rede es ihm gleich tuhn solte. Valiska/ als er sein Vorbringen geendiget hatte/ fing auffs neue an/ mit solcher Anmuhtigkeit/ daß maͤnnig- lich daruͤber bestuͤrzet ward/ indem sie den Kaͤyser wegen seiner Gerechtigkeit/ Weißheit und Guͤtigkeit biß an die Wolken erhuhb/ auch vor die ihr und den ihren gar zu grosse an- gelegete Ehre hoͤchlich dankete/ wobey sie einfuͤhrete/ es haͤtte Kaͤyserl. Hocheit heut diesen Tag ihren ehmahligen Traum erfuͤllet/ welcher ihr wenige Zeit vor ihrer ungluͤklichẽ Rei- se nach Padua vorkommen waͤhre; wie sie in dieser Stad aus einem Pusche eine schoͤne Koͤnigliche Kron/ gleich der empfangenen hervor gezogen/ ungeachtet die Dornen sie an- fangs sehr verhindert/ und die gifftigen Schlangen ihr hefftig gedraͤuet haͤtten. Worauff der Kaͤyser antwortete; Es waͤhre ohn zweifel die Erfuͤllung/ wie sie waͤhnete/ geschehen/ weil dieses sein Schloß ohndas Dumus, das ist/ Dornhecke genennet wuͤrde. Arbianes wol- te des naͤhstfolgenden Tages dem Kaͤyser seine Freygebigkeit auch sehen lassen/ und lud ihn nebest den Roͤmischen und vornehmsten Paduanischen Herren auff eine zweytaͤgige Ga- sterey/ worauff er schon etliche Zeit hatte zurichten lassen/ und alles Koͤniglich in grossem uͤberflusse verschaffet ward/ da er dem ganzen anwesenden Frauenzimmer zierliche Ge- denk Ringe 50 Stuͤk ingesamt/ jedes 150 Kronen wert/ schenkete; dem Kaͤyser aber liefer- te er einen Medischen Saͤbel/ dessen Gefaͤß von klarem gegossenen Golde/ mit teuren De- manten eingelegt wahr/ steckete in einer Elffenbeinen Scheide kuͤnstlicher Arbeik/ und hing an einer schweren guͤldenen Kette. Bey der Einlieferung bedankete er sich aller Kaͤyserli- chen Gnade/ so ihm diese Zeit begegnet/ und erboht sich zu allen untertaͤhnigsten Diensten. Der Kaͤyser nam alles mit freundlicher Danksagung an/ und schenkete ihm hinwiederum eine Demant Kette/ an welcher sein Brustbilde hing/ und zuunterst ein koͤstlich Kleinot. Weil dieses also vorging/ kam Libussa auff den Saal/ und zeigete Koͤnigin Valisken an/ es waͤhren 12 von ihren Parthischen Leibeigenen in dem innersten Hofe/ und baͤhten mit uͤberaus bewaͤglichen Geberden/ daß sie vor Ihre Koͤnigl. Hocheit/ deroselben etliche wenig Worte anzumelden/ allergnaͤdigst moͤchten gelassen werden. Sie werden gewißlich umb Sechstes Buch. umb eine Gnade anhalten wollen/ sagte sie/ machte es ihrem Gemahl zuwissen/ und ging auff dessen Erlaubniß zu ihnen hin in den Vorhof. Diese/ so bald sie der Koͤnigin Ankunft von ferne vernahmen/ tahten einen demühtigen Fußfall/ stunden bald wieder auff/ gingen etwas naͤher hinzu und fielen abermahl nieder auff die Erde; stunden endlichauff/ und als sie noch fuͤnff Schritte von ihr wahren/ legten sie sich zum dritten mahl nider ohn einiges Wortsprechen/ biß die Koͤnigin sie auffstehen hieß/ und daß sie ihr begehren ohn furcht an- zeigen solten. Worauff sie sich alle auf die Knie setzeten/ ihre Haͤupter niderbogen/ und der vornehmste unter ihnen einen Brief in der Hand hielt/ welcher diese Rede vorbrachte: Großmaͤchtigste unuͤberwindlichste Koͤnigin/ allergnaͤdigste Frau; Was hohe und uͤber- milde Gnade unsere gnaͤdigste Herren/ Koͤnig Herkules und Koͤnig Ladisla uns unwirdi- gen ihren Leibeigenen schon jenseit des Meers haben wiederfahren lassen/ indem Ihre Koͤ- nigll. Hocheiten uns die schierkuͤnfftige Freiheit/ gegen des Durchleuchtigsten Groß Fuͤr- sten Arbianes Ruͤkreise/ oder noch wol ehe/ gnaͤdigst versprochen/ wissen wir samt und son- ders uns wol zuerinnern/ werden uͤberdas mit Kleidung/ Speise/ und anderer Notturfft so reichlich versehen/ daß wir in der Warheit solche uͤbermaͤssige Woltahten zuerkennen/ viel zuwenig sind. Nicht desto weniger haben wir ingesamt uns vorgenommen/ noch umb eine Gnade zubitten/ welche in diesem Bitte Schreiben enthalten ist/ und ersuchen Eure Koͤnigl. Hocheit alleruntertaͤhnigst/ dieselbe wolle es wirdigen allergnaͤdigst anzunehmẽ/ und wo moͤglich/ dessen Inhalt bey unsern allergnaͤdigsten Koͤnigen und Herren/ durch ih- re kraͤfftige und volguͤltige Vorbitte uns zuerlangen; davor wir bereitwilligst seyn wollen/ alles unser Vermoͤgen/ Blut und Leben ungesparet/ vor ihre Wolfahrt uñ zu ihren Dien- sten auffzuopffern. Die Koͤnigin hieß sie auffstehen/ nam das Schreiben zu sich/ und be- fahl/ daß morgen fruͤh/ drey Stunden nach der Sonnen Auffgang sie sich wieder bey ihr solten melden lassen/ alsdann sie ihnen/ dafern sie nichts ungebuͤhrliches sucheten/ gnaͤdig- ste Einwilligung erhalten und mitteilen wolte. Ging mit unerbrochenem Briefe zu ihrem Gemahl und Bruder/ und nach Erzaͤhlung alles Vorbringens der Leibeigenen/ lasen sie ingesamt diesen Inhalt: Großmaͤchtigste unuͤberwindlichste Koͤnige/ allergnaͤdigste Herren; was vor sonderliches hohe Gluͤk der Himmel uns armen gefangenen Parthern vor andern unsers gleichen zugeschikt/ in dem/ daß in ihrer Koͤnigll. Hochheiten Gewalt und Leibeigenschaft wir gerahten sind/ ist niemand unter uns/ der es nicht erkennen/ und sich darob allerhoͤchst erfreuen solte/ nach dem wir ganz nicht zweiffeln/ die aus lauter Gnade uns erteilete Koͤnigl. Zusage der kuͤnftigen Freylassung auff Groß Fuͤrst Arbi- anes Durchl. Heimreise werde uns nicht unmilder gehalten werden. Wann wir dann bißdaher eife- rigst nachgesonnen haben/ auff was Weise wir unsere schuldige Dankbarkeit hinwiederumb moͤchten sehen lassen/ und bey uns besinden / daß solches in den Pferdestaͤllen und bey Wagen und Maul Eseln nicht geschehen kan; nicht daß solcher Arbeit wir uns zuentbrechen suchen/ ungeachtet wir fast alle gebohrne von Adel/ und von Jugend auff unter den Waffen uns geuͤbet haben/ sondern bloß nur der Gelegenheit nachstreben/ unsern allergnaͤdigsten mildreichesten Herren/ welche wir als unsere eigene Seele lieben/ etwa behaͤglichere und nuͤtzlichere Dienste zu leisten. Als gelanget an unsere allergnaͤ- digste Herꝛn unser untertaͤhnigstes bitten/ dero Koͤnigliche Hocheiten ihnen unsern herzlichen Wunsch nicht ungnaͤdig wollen mißfallen lassen/ welcher in diesem bestehet/ daß/ wo moͤglich/ zu ihrer Hochei- ten Diensten wir mit ritterlichen Waffen moͤchten versehen werden/ auff daß wir auff begebenheit unser dankwilligstes Herz koͤnten sehen lassen; wiewol nach ihrer Koͤnigll. Hocheiten allergnaͤdig- k k k iij stem Sechstes Buch. stem belieben/ wir bereit sind/ in unserm jetzigen Stande/ auch biß an unsers Lebens Ende gehorsamst zuverbleiben/ als eurer Koͤnigll. Hocheiten alleruntertaͤhnigste und allergehorsamste Knechte und Leibeigene/ sonst alle ehmahls freygebohrne Parther. Die Auffschrift des Brieffes wahr: Denen Großmaͤchtigsten unuͤberwindlichsten Fuͤr- sten und Herren/ Herrn Herkules/ Koͤnige der Teutschen; und Herrn Ladisla/ Koͤnige der Boͤhmen/ unsern aller gnaͤdigsten Koͤnigen und allermildesten Woltaͤhtern. Als sie den Brieff zum Ende gelesen hatten/ sagte Ladisla: mir zweifelt nicht/ es ist mannicher geherzter Ritter und Kriegesmann unter diesen Parthen/ die uns freilich im Harnische und mit dem Schwerte viel nuͤzlicher/ als bey der Mistgabel sein koͤnten; so ha- ben wir auff unser schierkuͤnfftigen Reise getraͤuer Voͤlker von noͤhten/ wañ uns etwa das Pannonische oder ander Raͤuber Gesindle auß Hoffnung grosser Beute auffwarten soltẽ/ bin auch dessen versichert/ daß wegen gemachter Hoffnung der Freiheit/ und weil sie von ihrem Vaterlande so weit abgefernet sind/ sie uns keine Untraͤue beweisen/ viel weiniger die Flucht vor sich nehmen werden. Herkules schwieg ein weinig stille/ in meinung/ er solte sich weiter heraus lassen/ wessen er zutuhn gesinnet waͤhre; weil er aber damit abbrach/ und also beide nichts redeten; fing Valiska an; ich sehe wol/ eure Lieb den wollen einer dem an dern nicht vorgreiffen/ und gleichwol merke ich schon/ wessen sie beiderseits willens sind; meine unvorgreiffliche Meinung dabey zusetzen/ muß ich bekennen/ daß dieser Leute Leibei- genschafft und veraͤchtliche Dienstleistungen mir sehr zu Herzen gangen/ in Betrachtung daß sie weder wegen Ubeltaht noch Standes-art darzu verdammet sind/ sondern bloß al- lein/ daß sie vor ihr Vaterland redlich gestritten/ und ihrem Herrn und ungezweifelt wah- rem Koͤnige getraͤulich gedienet haben/ dahero ich mir ein Gewissen druͤber gemacht/ daß man sie nicht ohn jhr bitten in freyen Stand gesetzet/ insonderheit/ weil von der Zeit her der getahnen Vertroͤstung/ sie ihnen weder Muͤhe noch Arbeit haben verdriessen lassen. Herku- les laͤchelte hier auff ein weinig/ und kurzweilhalben sagte er zu ihr; mein Schaz/ ich erinne- re mich des alten Sprichworts; Alte Liebe rustet nicht; und kan sie nicht wol bergen/ wie ge- wogen sie des guten Artabanus Leuten ist. Verzeihe es euch Gott/ mein Schatz/ antwortete sie/ daß ihr hieruͤber scherzet/ und mich noch darzu wol einiger Liebe gegen Artabanus zei- hen koͤnnet; jedoch gestehe ich/ daß ich Ursach habe ihn zulieben/ weil er meine alte Liebe/ wie er wol durch Gewalt haͤtte tuhn koͤnnen/ ungestoͤret gelassen hat. Damit ich aber wegẽ dieses Unrechts Abtrag haben moͤge/ wil ich/ daß ihr euch meinem Willen vor dißmahl ge- maͤß bezeiget/ und diesen Parthern ihr begehren leistet/ da ich dann meinen Herr Bruder Schwesterlich ersuchen wil/ daß er mit gleich stimmen moͤge. Ja herzen Fr. Schwester/ sagte Ladisla/ wann du mir nur zuvor versprechen wirst/ daß du meinen Herkules nimmer- mehr wegen der Liebe zu Artabanus uͤbergeben wilt. Hierauff bedarff es eine gute weile Bedenkzeit/ antwortete Valiska/ und wer weiß/ ob ich nicht bald verlangen bekommen moͤchte/ mein praͤchtiges Schloß zu Charas wieder zusehen. Diese Begierde und Reise ab zuwenden/ sagte Herkules/ wil ich meinem Schaz in Teutschland gleich ein solches Schloß auffbauen lassen/ und zwar daß die kosten mit lauter Parthischen Geldern abge- tragen werden/ wovon wir aber zur andern zeit mit bessern Mues werden zuscherzen habẽ/ und daß vorgenommene vor dißmahl abhandeln/ da dann/ die Wahreit zubekennen/ ich schon vor etlichen Wochen mir vorgenommen gehabt/ diese guten unschuldigẽ Leute durch die Sechstes Buch. die zustellung der Freyheit zuergetzen/ bin aber allemal durch andere Einfaͤlle daran verhin- dert worden/ und zweiffele nicht/ mein Bruder Ladisla wird dessen mit mir einig seyn. Der- selbe wahr nun wol zufrieden/ und muste Gallus vernehmen/ wie viel Ritter/ aͤdle/ und Kriegsbeamten unter ihnen waͤhren/ auch wie groß eigentlich ihre Anzahl sich befuͤnde. Welcher zur Nachricht brachte/ ihrer waͤhren annoch 2496 Mann uͤberal/ unter denen 50 geschlagene Ritter/ 1584 aͤdle/ und die uͤbrigen 862 sonst nahmhaffte Maͤnner und Kriegs- leute/ so daß sie alle/ ausser etwa 200 Befehlichshaber gewesen. Leches und Klodius bekah- men darauff befehl/ daß sie 50 ganze Ritterharnische/ 2000 volstaͤndige Oberharnische/ und 446 blosse Bruststuͤk oder Krebse auß ihrer Rüstkammer/ welche sie auß der Raͤuber- hoͤhle erobert hervornehmen/ das uͤbrige Gewehr alles auff Kamehl und Wagen laden/ und gnugsahme Fuhrleute/ Eseltreiber/ und Pferdeleiter uͤmbs Gelt biß nach Prag mietẽ solten/ welches Markus und andere verrichteten/ und solche auß der Stad Padua Gebiet inwendig 24 stunden zusammen brachten/ da dann die 565 ihnen von dem Kaͤyser geschen- kete Teutsche leibeigene/ gleicher Gestalt bewafnet wurden. Diesen Abend ließ Herkules seine innigliche Bitte an den Kaͤyser abgehen/ daß ihm sein Abzug gnaͤdigst moͤchte zuge- lassen werden/ da dann sein Gemahl sehr bitten halff/ so daß der Kaͤyser ihren Ernst mer- kend/ ihr Begehren nach Willen zuließ/ wie wol er sie gerne noch etliche Wochen auffgehal- ten/ und sie gar mit sich nach Rom genommen haͤtte/ durffte ihnen aber solches nicht an- muhten/ insonderheit/ weil ein halbstuͤndichen hernach der alte Wenzesla mit einem Koͤ- niglichen Schreiben an Koͤnigin Sophien ankam/ welcher eine Tagreise von Padua unserer Helden Wiederkunfft berichtet wahr/ und es doch schwerlich glaͤuben wolte/ biß er unter dem Tohr daselbst seines Zweifels benommen ward/ ritte auch gleich hin nach dem Neuerbaueten Hofe/ woselbst Arbianes das Gastmahl hielt/ und ließ sich bey Koͤni- gin Valisken angeben/ es waͤhre einer von ihren alten Dienern von Prag ankommen/ welcher ihre Koͤnigl. Hocheit untertaͤhnigst zusprechen begehrete. Sie ging alsobald zu ihm hinauß/ unwissend wer erwaͤhre; welcher/ da er sie in ihrem Koͤniglichen und trefflichẽ Pracht sahe/ ward er daruͤber so vol Freuden/ daß er vor Ohmacht niedersank: Sie ließ ihn aber bald erquicken/ und sagte zu ihm: Mein Getraͤuer Frommer Wenzesla/ wie geber- det ihr euch so klaͤglich? bringet ihr uns etwa traurige Zeitung von Hause? O nein/ ant- wortete er; wann ich nur eigentlich wissen solte/ wovor ihre Durchl. ich anreden muß. Vor eure Gnaͤdigste Frau/ und Koͤnig Herkules Gemahl/ antwortete sie/ welche eure ehmalige getraͤue Dienste schier belohnen wird. Vor Koͤnig Herkules Gemahl? sagte er; O wie hat dann eure Hocheit ihre gluͤkliche Erloͤsung und Ankunfft an diesen Ort/ ihrer hoͤchstbetruͤbten Fr. Mutter verhehlen koͤnnen? als die wegen ihrer Kinder Verlust taͤg- lich weinet und zu weinen nicht auffhoͤren kan. Gebet euch zufrieden/ sagte sie/ wir wollen ob Gott wil/ sie gar bald mit unser Gegenwart erfreuen; fassete ihn bey der Hand/ fuͤhrete ihn mit auff den Saal/ und sagte zu Herkules: Herzgeliebter Schaz/ hier bringe ich un- sern getraͤuen alten Wenzesla mit mir/ welchen meine Fr. Mutter in ihrer Bekuͤmmerniß abgeschicket hat. Herkules und Ladisla nebest Koͤnigin Sophien sprungen in ihren koͤnig- lichen Kronen auff/ liessen ihn mit Speise und Trank laben/ und hatte er kaum Zeit zu essẽ/ weil er hie und da nach der Koͤnigin Wolstande befraget ward/ dessen sich zuentbrechen/ er Sechstes Buch er sein Schreiben an Koͤnigin Sophien hervornam/ und es mit diesen Worten einreiche- te: Allergnaͤdigste Koͤnigin/ meine auch allergnaͤdigste Koͤnigin entbeut ihrer Hocheit muͤt- terlichen Gruß und liebe/ und uͤbersendet deroselben dieses Schreiben/ worauff ihre Hocheit/ wie ich getroͤstlich hoffe/ nunmehr die Antwort selbst muͤndlich uͤberbringen wird. Das sol ob Gott wil geschehen/ antwortete sie; brach den Brief/ und lase ihn zugleich mit Koͤnigin Valisken/ welcher also lautete; Hedewieg/ verwittibte Koͤnigin in Boͤhmen/ entbeut ihrer herzgeliebten Fr. Tochter/ Koͤni- gin Sophien/ Muͤtterliche Liebe und Traͤue; Herzallerliebste Fr. Tochter; es muͤssen ja noch leider meine unauffhoͤrliche Traͤhnen/ wegen des verlustes meiner allerliebsten Kinder/ mein Angesicht und ganzen Leib Tag und Nacht befeuchten/ weil von deren Zustande mir in so langer Zeit keine einige Nachricht zukommen ist. Ach ihr Goͤtter; wie hart habet ihr mich angetastet/ und aller der meinen ohn alle barmherzigkeit mich beraubet! Mein einiger Trost und Hoffnung ist das allerliebste Soͤhn- lein Herkuladiska (ach des lieben doppelnahmens/ der mich meiner Soͤhne so offt erinnern wird) wel- chen zu sehen mein Herz so gar entzuͤnder ist/ daß/ dafern eure Liebe sich noch laͤnger wegert/ mit ihm heruͤber zukommen/ ich die Reise auff Padua/ ungeachtet meiner Leibes-unvermoͤgenheit/ alsbald nach dieses meines Dieners Wiederkunft auff mich zu nehmen/ gaͤnzlich entschlossen bin; welches meiner Fr. Tochter zuzuschreiben ich nicht umbhin koͤnnen/ Muͤtterlich bittend/ ihre herzgeliebete Eltern meinetwegen Schwesterlich zu gruͤssen/ und was vor Zeitung sie von den unsern haben mag/ mich ehist wissen zu lassen. Inzwischen bin und verbleibe ich meiner herzgeliebten Frau Tochter Muͤtter- lich ergebene Hedewieg. Valiska kuͤssete den Brieff/ und stiegen ihr die Freuden Traͤnen aus den Augen/ fing endlich an und sagte; ich danke dem Almaͤchtigen Gott von Herzen/ daß meine allerliebste Fr. Mutter annoch beim Leben und Gesundheit ist/ und hoffe vor Ausgang dreier Wochẽ sie zu uͤmfahen/ und ihr die Trauer Traͤnen abzuwischen. Aber mein Wenzesla/ ich habe euch schier zu lange mit dem verdienten Bohtenlohn auffgehalten/ welches ich mit guten Zinsen verdoppeln wil; hielt auch bey ihrem Bruder an/ er moͤchte ihn in den Boͤhmischen Adelstand auffnehmen/ sie wolte ihm schon ein Gut in Boͤhmen kauffen/ und ihn mit ihrer alten Hoffmeisterin verheirahten/ daß er nach diesem nicht mehr dienen/ sondern als ein Herr leben solte; welches der gute alte anfangs vor scherz annam/ doch als er den Ernst sahe/ mit demuͤhtigstem niederknien sich untertaͤhnigst bedankete/ da ihm Herkules 6000/ Ladisla auch so viel/ und Sophia 2000 Kronen versprachen. Des folgenden morgens/ wahr der andere und lezte Tag der Fuͤrstlichen Medischen Gaͤsterey/ und der naͤheste vor dem Auffbruch/ stelleten die 12 Parther sich wieder ein/ denen befohlen ward/ daß sie alle ih- re Mitgesellen inwendig drey Stunden mit sich herzufuͤhren solten; welche/ da sie zugegen wahren/ Koͤnig Herkules/ in beiseyn des Kaͤysers und aller Fuͤrsten und Fürstinnen also anredete: Durch was vor Ungluͤksfal ihre Parther in den unseligen Stand der leibeige- nen Dienstbarkeit gerahten seid/ ist unvonnoͤhten/ euch weitlaͤufftig vor zuhalten; ihr wis- set daß durch Feindes Macht ihr uͤberwunden/ und von dem Persischen Koͤnige/ dem Großmaͤchtigsten Fuͤrsten/ Herrn Artaxerxes darzu verurteilet seid/ daß weil ihr gegen sei- ne Voͤlker die Waffen gebraucht/ und daruͤber den kürzern gezogen/ ihr biß an eures Le- bens Ende die knechtischen Ketten tragen/ und zu schnoͤder Arbeit soltet verdammet seyn/ wie dann dero behuef ihr mir und Koͤnige Ladisla/ auch andern Rittern geschenket und zu- gestellet worden seyd; Weil wir aber eure Demuht/ Gehorsam und guten Fleiß gesehen/ und Sechstes Buch. und mein liebes Gemahl bey Einlieferung eures untertaͤhnigsten Bitte-Briefes mich und ihren Herr Bruder fleissig ersuchet/ daß ihretwegen wir euch ingesamt eine son- derliche Gnade erzeigen moͤchten/ haben wir uns lassen euer Ungluͤk zu herzen gehen/ sind auch gewilliget/ euch dieselbe alsbald wiederfahren zulassen/ wann ihr uns zuvor aͤidlich versprechen werdet/ Zeit eures lebens es mit redlicher unbruͤchiger Traͤue zuerkennen/ uñ bey dem Durchleuchtigsten Groß Fürsten Arbianes/ als seine Leibschaar/ so lange dessen Liebe ausser Persischem/ Medischem und Parthischem Gebiet sich befinden wird/ ungespa- ret Leib und lebens/ Gutes und Blutes euch gebrauchen zulassen/ auch ohn dessen geheiß oder einwilligung euch nicht von ihm zu scheiden; worauff ihr euch alsobald werdet zube- reden und zuerklaͤren haben. Der meisteteil fing an/ vor freuden die Traͤhnen zuvergiessen/ und hielt der vornehmste unter ihnen/ ein Ritter von 44 Jahren diese Rede: Großmaͤch- tigste Unuͤberwindlichste Koͤnige/ allergnaͤdigste Herrn; was vor unglaͤubliche Helden- tahten von euren Koͤnigll. Hocheiten wir in den Morgenlaͤndischen Schlachten mit Au- gen angesehen/ werden wir wol Zeit unsers lebens aus unserm Gedaͤchtnis nicht kommen lassen. Aber die Heldentaht/ anjetzo uns erzeiget/ erheben wir billich uͤber alle die vorigen/ da eure Hocheiten aus recht Koͤniglichem erbarmen uns eine solche allergnaͤdigste Ver- heissung getahn/ welche wir nimmermehr bestand seyn werden/ zuerkennen; wir geloben hiemit alle und jede aͤidlich an/ dasselbe alles nach ungefårbeter Auffrichtigkeit und hoͤch- stem vermoͤgen zu leisten/ was eure Koͤnigll. Hocheiten dißmahl an uns allergnaͤdigst be- gehret/ und was dieselbe hernaͤhst von uns erfodern werden/ so gar/ daß wir auff erlangete lebens und standes Freyheit/ bereitsind/ unser Leben und Blut als ein Zeichen der Dank- barkeit gleich dieses Augenblik mit unsern eigenen Haͤnden auff die Erde zu schuͤtten; sol- ten wir aber noch uͤberdas in ritterlichen Kriegsdiensten gebraucht werdẽ/ wollen wir uns dergestalt bezeigen/ daß verhoffentlich unsere allergnaͤdigste Herren erkennen werden/ sie haben ihre barmherzigkeit an solche Maͤnner gelegt/ welche tausendmahl lieber sterben/ als einmahl undankbar wollen erfunden werden. Unseren Helden gefiel diese Erklaͤrung so wol/ daß sie dieselben des wirklichen Aids erliessen/ und mit dem Handschlage zu frieden wahren. Worauff die Ritter an einen besondern Ort; die aͤdlen an einen andern/ und die unaͤdlen allein treten musten/ woselbst ihnen die Waffen ausgeteilet/ und sie in 20 Geschwa- der gesetzet/ auch alle Ritter/ und andere mehr unter ihnen/ zu Befehlichshaber geordnet wurden/ nachdem sie schon zuvor hohe Kriegsaͤmter bedienet hatten. Ihnen wurden 20 schoͤne Reuterfaͤhnlein ausgeteilet/ in welchen zween Loͤuen (wie sie es selbst waͤhleten) stunden/ und unter denen diese Worte: Vitam pro libertate solte so viel heissen; Wir opffern unser Leben vor die geschenkte Freyheit. Und haben nachgehends diese Parther in dem Wen- dischen und Panonischen Kriege/ davon im siebenden und achten Buche folgen wird/ sich so ritterlich gehalten/ daß sie fast ja so grossen Ruhm in Teutschland und Boͤhmen/ als die Teutschen und Boͤhmen in Persen erworben. Dem Kaͤyser gefiel diese Freylassung so wol/ daß er unter diesen Parthen 20000 Kronenzum Gnadenpfennige austeilen ließ/ ne- best dem versprechen/ so bald er zu Rom wieder anlangẽ wuͤrde/ wolte er seine ihm geschen- kete 20 Parther frey geben/ und sie nach Boͤhmen wolberitten fortschicken. Vor welche Gnade die gesamten Parther einen untertaͤhnigsten Fußfal tahten/ und wegen ihrer weni- l l l gen Sechstes Buch. gen Gesellen sich herzlich freueten. Weil dañ nun des naͤhst folgenden Tages die scheidung geschehen solte/ hielten die Paduanische/ Mantuanische und Ravennische Abgeordenten bey Koͤnig Herkules und Ladisla fleissig an/ daß sie ihren neuerbaueten Hoͤfen und Land- guͤtern gewisse Verwalter und Bewohner verordnen wolten; da dann Herrn Opimius der Hoff samt dem zugehoͤrigen Gute zu Padua; Herrn Perpenna Fr. Zezilien Gemahl der zu Mantua; und Sabihn von Rom der zu Ravenna eingetahn ward/ die nach Abzug ihrer jaͤhrigen Bestallung/ wegen des übrigen dem Paduanischen Stathalter Rechnung einlieffern solten. Auch bestelleten sie Galehn vor ihren Leibarzt/ umb 3000 Kronen jaͤhri- ges Soldes/ wogegen er sich vier Jahr verpflichten muste/ und daß in solcher Zeit er 20 Teutschen/ und so viel Boͤhmen in der Arzneykunst fleissig und getraͤulichst unterrichten solte/ wovor ihm nach verlauff solcher Zeit 8000 Kronen versprochen wurden. Sie hatten ihm wegen heilung der Verwundeten Fuͤrsten/ Ritter und gefangenen Pannonier 5000 Kronen zugestellet/ und daneben 9000 Kronen/ wovor er allerhand Arzney einkauffen und mit uͤbernehmen solte. Weil auch Ladisla sich eines harten Krieges von den Pannoniern zubefahren hatte/ ließ er vor etliche tausend Reuter und Fußvolk zu Padua und in den naͤ- hesten Staͤdten Waffen einkaͤuffen/ welches ihm nicht allein wol zugelassen wahr/ sondern der Kaͤyser verehrete ihm aus der Staͤdte Rustkammer 1600 Reuterharnische/ Schwer- ter und Schilde/ 3000 Speereisen/ und auff 6000 Fußknechte gute Rustung/ nebest dem versprechen/ daß da der Pannonier seinem Reiche den Krieg anmuhten wuͤrde/ wolte er ihm nach belieben Rustung gnug ausfolgen lassen/ und ob er gleich wegen des geschlossenẽ zehnjaͤhrigen Stillestandes ihm keine Reichshuͤlffe mit Voͤlkern leisten durfte/ solte doch allen seinen Leuten frey stehen/ ihm in solchem Kriege zu dienen/ massen ihm hiemit alsdañ freie Werbung im ganzen Roͤmischen Reiche solte erlaͤubet seyn. Es ward diesen Abend ein sehr herliches Seitenspielwerk angestellet/ da Koͤnigin Valiska dem Kaͤyser zu ehren/ ihre Laute und suͤsses Stimlein hoͤren ließ/ wiewol er des Gesanges Inhalt nicht verstund/ weil es folgender Teutscher/ von ihr selbst gesetzeter Abendsegen wahr. 1 H Err GOtt/ laß es gnaͤdig walten/ Vater/ Sohn/ und heilger Geist! Dir Herr dank ich allermeist/ Daß du mich hast heut erhalten. Du hast deiner Engel Schaaren/ Mich vor unfal zu bewahren/ Umb mich rings umbher gesezt. Du hast mich vor Satans wuͤten Wollen diesen Tag behuͤten/ Der sein Schwert auff mich gewezt. 2 Dich mein Helffer wil ich preisen Vor so hohe Gnaden-gunst; Gib daß ich aus rechter Brunst Dir mag Lob und Dank beweisen. Ich bin schlim und voller Suͤnden/ Und muß deinen Schuz empfinden/ Dem kein ander gleichen mag. Ich bin unwert des erbarmen/ Welches du O Gott mir armen Hast erzeiget diesen Tag. 3 Herr/ vergib mir meine Schulden; Was ich boͤses außgericht/ Ruffe vor Gerichte nicht/ Sieh mich an nach Vaters Hulden. Ich bin ja von Staub und Erden/ Und muß solches wieder werden; Kein Mensch ist vor dir gerecht. Sol ich meine Schwacheit klagen/ Und dir/ was ich bin/ ansagen? Herr ich bin ein schlimmer Knecht! 4 Du hast Gutes mir befohlen/ Boͤses hab ich nur getahn/ Ich Sechstes Buch. Ich bin suͤndlich umb und an/ Und bekenn’ es unverhohlen. Liebster Vater/ laß verschwinden/ Was an mir boͤß ist zu finden/ Dann mein Heyland JEsus Christ Hat vor mich den Tod gelitten/ Dessen Leyden und verbitten Mein Erloͤsung worden ist. 5 JEsus hat vor mich bezahlet/ Meine Schulden gut gemacht/ Er hat alles wiederbracht/ Da sein Blut ihn roht gemahlet. Seine Striemen/ seine Wunden Haben mich der Last entbunden/ Sein unschazbar teures Blut Hat mir Suͤnder Heylund Leben Und das Himmelreich gegeben/ Und macht alles wieder gut. 6 Jedoch/ daß ich Gottes Willen Nach rechtschaffner Glaubensart/ Aller Kraͤfften ungespart Auch sol embsiglich erfuͤllen. Sol vom uͤbeltuhn abstehen/ Und auff Gottes Wegen gehen/ Brechen Fleisches uͤppigkeit; Sol die Heiligkeit anzihen/ Glaubens-Fruͤchte lassen bluͤhen/ Und Gott dienen allezeit. 7 Heilger Gott/ gib Krafft und Staͤrke/ Fuͤhre mich zum guten an. Dein Geist/ welcher alles kan/ Mehr’ in mir die Glaubenswerke. Dir befehl ich Leib und Leben/ Und was du mir sonst gegeben; Laß mich deinen Geist/ O Gott/ Auff den guten Wegen leiten/ So werd ich zu allen Zeiten Halten dein Recht und Gebot. 8 Laß mich deinen Engel schuͤtzen/ Weil ich schlaff’ in dieser Nacht/ Daß ich frey von Satans Macht/ Unter deiner Huht mag sitzen. Laß mich deine Fluͤgel decken/ Laß mich kein Gespenst erschrecken/ Treibe von mir Angst und Noht. Laß mich friedlich schlaffen gehen/ Und frisch wiederumb auffstehen. Amen/ Amen/ hilff O Gott! Unter dem singen brachen ihr zu unterschiedlichen mahlen die Andachts-Traͤhnen loß/ und begehrete des Kaͤysers Mutter von ihr/ sie moͤchte ihr den Inhalt dieses Teutschen Gesanges in die Lateinische Sprache uͤbersetzen; worauff sie zur Antwort gab: Ja von Herzen gerne/ Gn. Fr. Mutter/ massen Euer Liebe als einer Christin ich nicht verhehlen wil/ daß es mein Abendsegen-Gesang ist/ welchen nach meiner schlechten Einfalt ich mir selber auffgesetzet habe; ging in ein Neben Gemach/ und brachte es von Wort zu Wort ins Lateinische/ so viel die Art derselben Sprache es goͤnnen wolte/ welches dann Fr. Mam- meen so wol gefiel/ daß sie hernach es durch einen Christlichen Kunst-Tichter in gleichmaͤs- sige Lateinische Verse bringen ließ. Die weil/ daß Koͤnigin Valiska im abschreiben begrif- fen wahr/ baht Koͤnigin Sophia Herkules/ er moͤchte auch eines in die Laute zusingen ihm gefallen lassen/ welches/ weil Fuͤrstin Lukrezie und Sibylla ihr mit bitten zu huͤlffe kahmen/ er nicht abschlagen kunte/ nahm die Laute/ und nach etlichen Vorspielen/ stimmete er fol- gendes Lied/ über den kraͤfftigen/ heilsamen und süssen Nahmen JEsus/ von ihm selbst in Teutscher Sprache auffgesetzet/ mit ganz bewaͤglicher und anmuhtiger Stimme an: 1 S uͤsser JEsus! meine Freude/ Meine Seel- und Augenweide. Suͤsser JEsus! meiner Brust Allerangenehmste Lust. JEsus/ du mein Trost und Leben/ Dem ich mich zueigen geben; Du in Gluͤk und Ungluͤksfal Mein Heil und mein ganzes-Al. 2 JEsus/ deines Nahmens prangen/ Wil ich/ was ich kan ablangen/ Jezt besingen mit Gebuͤhr. Oefne du die Sinnen mir/ Daß ich moͤge Worte finden/ Die in Andacht uns entzuͤnden/ Und zu deinem Ehren-Schein Nicht zu schlecht noch irdisch seyn. l l l ij 3 JE- Sechstes Buch. 3 JEsus Nahm’ ist groß und praͤchtig Uberal geehrt und maͤchtig/ Als den Gott ja selber fuͤhrt. Grosser JEsus/ dir gebuͤhrt Alles was die Engel koͤnnen/ Die zu deinem Dienste rennen; Ihr unzaͤhlig-grosses Heer Rufft dir zu Lob/ Preiß und Ehr. 4 Vor dir zittert und erschricket Was von Gott zum Argen ruͤcket. Teuffels Wuht und Hellen-Brand Scheuhet sich vor deiner Hand. Und wann sie sich regen wieder/ Legt dein Donner sie bald nieder. Ihr Zorn/ ist er noch so heiß/ Wird er doch durch dich zu Eiß. 5 Vor dir muß der Himmel biegen/ Und die Erde sich einschmiegen; Das Meer sinket wie ein Stein/ Und die Berge fallen ein. Die zum argen sich verschworen/ Gehen alzumahl verlohren/ Und der Tod hat kein Enthalt/ Wo der Nahme JEsus schalt. 6 Vor dem Nahmen JEsus muͤssen Groß und klein die Erde kuͤssen/ Und sich beugen alle Knie/ So dort oben als auch hie. Dann der Nahme JEsus fuͤhret Alle Macht/ so man je spuͤret; Alles was man wissen kan/ Ist ihm gaͤnzlich untertahn. 7 Doch diß troͤstet unsre Herzen, Und vertreibet allen Schmerzen/ Daß der Nahme JEsus Christ Uber alles heilsam ist. Wann der Gottes Zorn herdringet/ Wann Gesetzes-Fluch erklinget/ Und macht seinen Donner groß/ Reisst uns JEsus Nahme loß. 8 Wann des Teuffels scharffe Klauen Unser Mark und Bein durchhauen; Wann die Suͤnd uns nagt und beisst/ Und Gewissens Ruh zureist. Wann Tod und der Hellen Rachen Uns vor Angst Blut schwitzen machen; Macht uns JEsus Nahme frey Von al solcher Wuͤterey. 9 JEsus Nahm’ hat alle Schaͤtze/ Dran ich einig mich ergetze; Er bringt Gottes Huld und Gunst/ Oefnet seine Liebes-Brunst. JEsus laͤst uns nicht verderben/ Er vertreibet Angst und sterben; JEsus wendet Noht und Leid/ Und schenkt alle Seligkeit. 10 JEsus Nahm’ im Gnaden-Bunde/ Ist wie Honigseim im Munde; In den Ohren klingt sein Hal Lieblicher dann Lautenschal; Und dem Herzen/ das erschrocken/ Bringt er lustiges frohlocken; Er vergnuͤget Sin und Muht Mehr als Wollust selber tuht. 11 Wer den Nahmen JEsus liebet/ Bleibt wol ewig unbetruͤbet/ Nichts ist/ das ihm schaden kan; Laͤufft ihn alle Welt gleich an. JEsus bringet Muht im Trauren/ Laͤsset Furcht nicht bey uns tauren; JEsus Nahm ist Schild und Schuz/ Und beut allen Feinden Truz. 12 JEsus Nahm’ heilt allen Schaden/ Und wann wir in Schwermuht baden/ Jaget er sie von uns hin/ Und befriedigt Herz und Sim JEsus ist im Hunger Speise/ Und ein Trank auff Durstes Reise/ Kuͤhlung in der’ Hitzespein/ Und erwaͤrmt im Froste fein. 13 JEsus ist ein Arzt der Kranken/ Bricht unzimliche Gedanken; JEsus ist der Armen Schaz/ Der Gefangnen freyer Plaz. Er ist der Verlaßnen Segen/ Helffer unter Zwang und Schlaͤgen; Ist in Ohmacht feste Krafft/ Und im sterben Lebens Safft. 14 JEsus zahlt vor alle Schulden; Und die straͤngen Frevel dulden Setzet er in Sicherheit. JEsus wendet alles Leid. Er Sechstes Buch. Er bricht aller Teuffel wuͤten/ Und wil wiederumb verguͤten/ Was der erste Mensch zuvor Durch den Suͤnden-fall verlohr. 15 Vor wem solt’ uns dann wol grauen/ Wann wir hin auff JEsus trauen? Allerliebster JEsus Christ/ Bin ich gleich sehr schwach; du bist Kraͤfftig gnug; steck’ ich vol Suͤnden; Du wilt mich der Schuld entbinden. Bin ich der Untugend Knecht; Du bist heilig und gerecht. 16 Ich wil nichts von mir angeben; Ich bin tod/ du bist das Leben; Ich bin nichtig umb und an/ Und du bist der alles kan. Solt’ ich dann nicht froͤlich sprechen? Liebster JEsus mein Verbrechen Schadet meiner Seelen nicht/ Dann du bist mein Heil und Liecht. 17 Jedoch muß ich nach Vermoͤgen/ Wie die Kinder Gottes pflegen/ Nicht der Suͤnden Dienst’ hinfort Leisten/ sondern HErr/ dein Wort Mir zur Lebens-Richtschnuhr waͤhlen/ Und wuͤrd’ ich aus Schwacheit fehlen/ Muß ich buͤssend in mich gehn/ Und vom Suͤndenfall auffstehn. 18 Alsdann kan ich Gnade finden/ Und du wilt mich fort entbinden Von der Hellen Pein und Noht/ JEsus du mein Heil und Gott. O laß weder Gluͤk noch Leiden Mich von dir ja nimmer scheiden/ Sondern deines Nahmens Schein In mein Herz gedruͤcket seyn. Amen. Baldrich und Siegward hoͤreten den Geistreichen worten/ die andern/ so kein Teutsch verstunden/ der lieblichen Gesangsweise zu. Aber Koͤnigin Sophia/ welche wol wuste/ daß ihr Eheschaz nicht allein die Laute wol spielete/ sondern auch eine reine und artige Stimme drein sang/ hielt bey denselben bitlich an/ der hohen Geselschafft zuehren auch eines anzu- stimmen/ welcher ihr dieses nicht abschlagen wolte/ und weil es gleich uͤmb die heilige O- sterzeit wahr/ da man in der werten Christenheit die Gedaͤchtnis der Siegreichen Aufer- stehung unsers Heilandes hielte/ ließ er dieses Osterlied aus andaͤchtigem Herzen erschallẽ: 1 D Ie Leidensangst ist nun vorbey/ Der HErr ist auffer standen! Und wir Gefangne sind schon frey Von schweren Hellen-Banden. JEsus hat durch seine Macht Uns Leben/ Heil und Segen bracht/ Kein Leid ist mehr verhanden. Lobt den HErrẽ. Alleluja. 2 Des Vaters Zorn fiel auff uns zu; Den hat der Sohn gestillet. Gesetzes Fluch brach uns die Ruh/ Das JEsus nun erfuͤllet/ Und bezahlt der Suͤnden Schuld/ Daß unsers Gottes Gnad und Huld Nun reichlich wieder quillet. Lobt den HErren. 3 Die Schlang hatt’ uns zu falle bracht; Der Heyland hats gerochen; Wir lagen in der Hellen Acht; Christ hat uns loßgesprochen. Satan legt uns Ketten an/ Die Menschen Hand nicht loͤsen kan/ Gott selbst hat sie zubrochen Lobt den HErren. 4 Verdamniß wahr der Suͤnden lohn; Christ bringt uns Heil und Leben/ Durch seine Schmerzen/ Angst und Hohn Hat er uns Friede geben/ Und daß wir nach dieser Zeit Bey Gott in steter Seligkeit (O Freude!) solten schweben. Lobet den HErrẽ. 5 Du suͤsser Heyland JEsus Christ; Was grosse Himmels Gaben Sind es/ die wir zu dieser frist Durch dein’ Erstehung haben. Dein Grab ist so gnaden-reich/ Daß alle Welt sich kan zugleich An solchem voͤllig laben. Lobt den HErren. 6 Wie freudig must’ Israel seyn/ Als Mose sie ausfuͤhrte! Du JEsus hast der Hellenpein/ Die unser Herz schon spuͤrte/ Von uns Menschen abgewand/ Und frey gemacht von Satans Hand/ Die uns ganz grimmig ruͤhrte Lobt den HErrẽ. l l l iij 7 Wer Sechstes Buch. 7 Wer woltedann sich freuen nicht In diesen Oster-Tagen? Da uns Gott frey von Suͤnden spricht/ Und wendet alles klagen. Freue dich du Christen-Schaar/ Du bist befreyet von Gefahr/ Und loß von Hellenplagen. Lobt den HErren. 8 Drumb muͤssen wir diß Oster Fest Im suͤssen Teige feiren/ Das unser Gott erscheinen laͤst/ Dem Sauerteige steuren/ Und in voller Seelen Zier Zu Gottes Lobe gehn herfuͤr/ Das heisset sich erneuren. Lobt den HErren. 9 Hilff Heyland/ daß wir deine Gunst Nach Wirdigkeit erkennen/ Und in rechtschaffner Glaubens Brunst Bestaͤndig dich anrennen; Daß auch unser Muht und Sin Von heisser Andacht immer hin Und Liebe moͤge brennen. Lobt den HErren. 10 Und weil du die Verdamniß hast Durch deinen Sieg vernichtet/ So nim die schwere Zornes-Last/ Die dein Tod hat geschlichtet/ Liebster Heiland/ von uns ab/ Dann haben wir den Trostes-Stab/ Der unsern Geist auffrichtet. Lobt den HErren. 11 Laß endlich auch die Friedes-Lust In unsern Herzen wohnen/ Daß/ wie du deinen Feinden tuhst/ Wir auch der unsern schonen/ Und ohn Zorn versoͤhnlich seyn/ Auff daß dein suͤsser Gnaden-Schein Uns ewig moͤge lohnen. Lobt den HErren. Der Kaͤyser und andere anwesende Heiden merketen leicht/ daß alle diese Gesaͤnge nichts anders als Christglaͤubige Lieder waͤhren/ welches sie ihnen doch nicht liessen zuwieder sein/ weil die Saͤnger bey ihnen so angenehm wahren. Die gefangenen Pannonier hatten den herannahen den Auffbruch unserer Gesel- schafft in Erfahrung bracht/ und wahren biß daher immerzu in Hoffnung gestanden/ man wuͤrde sie mit nach Boͤhmen oder Teutschland nehmen/ welches dann ihr einiger Wunsch wahr/ nach dem sie hoffeten/ dereins Gelegenheit der Erloͤsung oder deß außreis- sens zubekommen; aber sie wahren dem Kaͤyser schon vor eigẽ geschenket/ der sie diesen Tag auß dem Karren spannen/ und ihnen ansagen ließ/ sie solten sich gefasset halten/ daß sie des naͤchstfolgenden Tages nach dem Tyrrhenischen Meer gefuͤhret wuͤrden/ woselbst man sie auff unterschiedliche Schiffe an die Ruder schmieden solte/ weil man ihnen keine unleidli- chere Knechtschafft als diese/ wuͤste/ und ihnen recht geschaͤhe/ als die auß lauterm Mut- willen sich in dieses Ungluͤk gestuͤrzet haͤtten; insonderheit solte der vornehmste unter ihnẽ taͤglich zweymahl vor essens/ wegen der außgestossenen frechen schmachreden wieder Koͤ- nig Herkules/ rechtschaffen abgestriegelt werden. Welche Urtel ihnen dermassen hart vor- kam/ daß sie wuͤnscheten/ ihrer Haͤnde nur ein halb viertelstuͤndichen maͤchtig zusein/ uͤmb ihr muͤhseliges Leben zuendigen/ wusten auch ihre Zunge nicht zuzaͤhmen/ daß sie nicht auffs neue allerhand Laͤsterung außgegossen haͤtten. Leches und andere Bedienete/ wahren diese Zeit uͤber sehr geschaͤftig/ daß alle annoch ungeladene Guͤter und Waffen auff Wagen gebracht wurden/ welche des naͤhstfolgenden Tages mit dem Tage loßbrachen/ an der Zahl 1075/ vor denen 6000 Pserde gingen; ihnẽ folgeten 40 Gutschen/ welche weil sie ledig wahren/ von 80 Pferden gezogen wurden. Darnach gingen die Wagen mit Wein/ und endlich die Maulesel/ Kamehl und Reitpfer- de/ den Fuͤrsten und Rittern zustaͤndig/ an der Zahl 800/ dann die übrigen wahren unter die Freigelassene Parther (welche in lauter Freuden Spruͤngen gingen) außgeteilet/ und hatte Sechstes Buch hatte man die vom Kaͤyser freigelassene Teutschen/ an der Zahl 565/ auch beritten ge- macht. Der Kaͤyser gab ihnen 1200 Roͤmische Reuter und 4000 Fußknechte zur beglei- tung zu/ biß an die Boͤmischen Grenzen/ da das Fußvolk vorne und zu beiden Seiten der Wagen außgeteilet daher zogen; naͤhest hinter den Wagen folgeten 600 Roͤmische Reuter/ welche Klodius fuͤhrete; nach den ledigen Handpferden gingen 200 Roͤmische Reuter/ deren Fuͤhrer ein tapfer Roͤmischer Ritter war/ nahmens K. Sempronius Valens. Der Elefant zohe diesen nach/ und ward von den uͤbrigen 400 Roͤmischen begleitet/ deren Fuͤhrer Markus wahr. Unsere Fuͤrstliche Geselschafft muste mit dem Kaͤyser vor ihrem Abzuge noch fruͤstuͤcken/ welches an die drittehalb stunden wehrete/ da nahmen sie freund- lichen Abscheid/ und ritte der Kaͤyser mit ihnen biß vor das Tohr/ unsere Helden versiche- rend/ daß er nie unwilliger von einigen Menschen sich geschieden haͤtte. Haussen vor der Stad hielten ihre Reuter als 615 Teutschen/ 350 Boͤmen (dann die 300 aͤdel Knaben wah- ren wehrhafftig gemacht/ und mit ritterlichen Waffen versehen)/ und 200 Meden; diese hielten zur rechten in dreyen unterschiedlichen Hauffen. Zur linken hatten sich die freige- lassene Parther in zierliche Ordnung gestellet/ denen Leches zum Obersten gegeben wahr. Diese rieffen den unsern Gluͤk/ Gesundheit und langes Leben zu. Sie nahmen ihren Weg auff den unseligen Flecken zu/ woselbst sie das erste Nachtlager halten wolten. Die vorgedachte zur rechten haltende Reuter nahmen den vorzug unter Neda und Prinsla; darauff ritten unser Fuͤrsten und Herren in folgender Ordnung: Koͤnig Herkules und Herr Pompejus (dann dieser und folgende Roͤmische Herꝛen wolten diese Nacht bey ihnẽ im Flecken bleiben) Koͤnig Ladisla und Herr M. Fabius von Rom/ Fuͤrst Baldrich/ und Q. Fabius der Stathalter zu Padua; Fürst Siegward/ und der junge K. Fabius (wel- cher samt seinem Gemahl gar mit biß nach Prag zog); Fuͤrst Arbianes und Herr Korne- lius; denen Gallus und sein Schwaͤher Opimius folgeten/ und zulezt Neklam nebest Baldrichs und Siegwards zwoͤlff ritterlichen Dienern. Ihnen folgete das gesamte Frau- enzimmer in schoͤnen Gutschen; Koͤnigin Valiska/ Fürstin Lukrezie/ samt deren Fr. Mutter/ und Libussa/ welche den kleinen Herkuliskus auff der Schoß hielt/ sassen in der er- sten. In der andern Koͤnigin Sophia/ und Fuͤrstin Sibylla mit ihren Muͤttern. Auff der dritten/ Fr. Ursul mit ihrer Mutter/ samt Euphrosynen und Brelen. Auff der vierden Fr. Agatha/ Fr. Therba/ nebest Gallus Eheliebsten und Lukrezien gewesenen Leib dienerin Lekto- ria. Auff der fuͤnften/ sechsten und siebenden wahren der Fürstinnen und Frauen Dienerin- nen samt den Saͤuge Muͤttern und Kinderwarterinnen. Auff dem achten zween alte ge- lehrte Christliche Lehrer; auff der neunden und lezten Gutsche wahr der Arzt Galehn mit seinen fuͤnf Gesellen/ und folgete ihm ein leichter Ruͤstwage/ auff welchen er allerhand Arz- neien auff den Nohtfal hatte. Die Parther unter ihren 20 Faͤhnlein zogen hinten nach/ in solcher Vergnuͤgung/ daß sie sich ihrer außgestandenen Dienstbahrkeit gluͤkselig schaͤtze- ten/ ohn welche sie nicht wuͤrden Gelegenheit gehabt haben/ einen solchen Zug zutuhn/ wuͤnscheten auch oͤffentlich erstes Tages Gelegenheit zuhaben/ durch eine tapfere Taht ihrẽ Herren ein dankbares Herz sehen zulassen. Auff diesem Wege fing das Christliche Frauen- zimmer an/ ihre andaͤchtigen Danklieder mit heller Stimme zusingen/ als/ den 3/ 23 und 121 Psalm/ des Koͤniges David/ welche Herkules in lateinische Reimen gebracht hatte/ und zu Teutsch also lauten: Der Sechstes Buch. Der III Psalm. 1 A Ch HErr du Herscher aller Welt/ Wie viel ist meiner Feinde! Wie truͤglich wird mir nachgestelt/ Und finde keine Freunde. Es setzen sich Viel wider mich/ Und sagen meiner Seelen/ Es wolle Gott In Noht und Spot Sie immer lassen quaͤlen. 2 Doch bistu HErr vor mich der Schild/ Ob man mich gleich vernichtet; Zu Ehren du mich setzen wilt/ Hast mein Haͤupt auffgerichtet. Wann mein Geschrey Ich bring herbey/ Und zu dem HErren flehe; So hoͤret er/ Und kehrt sich her Von seiner heilgen Hoͤhe. 3 Ich lieg und schlaff in guter Ruh/ Hernach erwach’ ich wieder/ Und sehe/ daß Gott immerzu Komt uͤber mich hernieder; Drumb fuͤrcht ich nicht/ Was man mir spricht Von hundert tausend Schaaren/ Die mich so gar Bald hier/ bald dar Zufressen sich nicht sparen. 4 Auf Helffer auf! du starker Gott/ Triff meiner Feinde Backen Im Grim/ und mache sie zu spot/ Die mich so boͤßlich zwacken; Greiff hefftig an Den frechen Zahn/ Zuschmetter’ ihr Gebeine/ Dann bey dir hat Schutz/ Huͤlff und Raht/ Wer spricht/ ich bin der deine. Der XXIII Psalm. 1 D Er grosse Gott HErr Zebaoht/ Dem ich mich hab ergeben; Der ist mein Hirt/ Drumb er mich wird In meinem ganzen Leben Gleich wie ein Schaf ohn irren fuͤhren/ Daß ich nicht werde Mangel spuͤren. 2 Er weidet mich Ganz sicherlich Auff einer gruͤnen Aueñ; Alwo ich muß Den uͤberfluß Der reichen Guͤter schauen; Er fuͤhrt mich hin zum kuͤhlen Brunnen/ Da nie frisch Wasser ist zerrunnen. 3 Er richtet zu Trost/ Lust und Ruh/ Zum Labsaal meiner Seelen; Ich tret’ heran Auff rechter Bahn/ Da muß mein Fuß nicht fehlen. So wil mich Gott mit Trost erfuͤllen Nur bloß umb seines Nahmens willen. 4 Geh’ ich zumahl Im finstern Tahl/ Da Tod und Teuffel wuͤten/ Acht’ ich Gefahr Nicht umb ein Haar/ Weil mich Gott wil behuͤten/ Und mit dem Stab’ und Hirten Stecken Bey mir den Freu den Trost erwecken. 5 Zum vollen Tisch Hastu mich risch Und praͤchtig hingefuͤhret/ Weil mich der Feind Zudaͤmpfen meint/ Mein Haͤupt hastu gezieret Mit Oel/ und mir frisch eingegossen Den Becher/ des ich wol genossen. 6 Barmherzigkeit Und gute Zeit Die werden mich begleiten/ So daß mir nicht An dem gebricht/ Was Lust kan zubereiten. Ich werde/ Gottes Wort zutreiben/ In seiner Kirchen immer bleiben. Der Sechstes Buch. Der CXXI Psalm. 1 I Ch habe mein Gesicht Hin zu der Berge Spitzen Andaͤchtig hingericht/ Die mich so wol beschuͤtzen; Da ich sonder Grauß und Graͤmen Rettung pflege herzunehmen. 2 Mein hoffen bistu Gott/ Bey dem ich Schuz empfinde; Ich fuͤrchte keine Noht/ Dann der hilfft mir geschwinde/ Der den Himmel hat bereitet/ Und die Erden ausgebreitet. 3 Er leitet meinen Fuß Zu diesen boͤsen Zeiten/ Daß er fest treten muß Ohn Anstoß und ohn gleiten/ Dann der dein zuhuͤten pfleget Hat sich nie zur Ruh geleget. 4 Sieh diesen Huͤter an/ Auff den Israel trauet/ Er ist kein solcher Mann/ Daß ihm vor wachen grauet/ Hat man ihn doch nie gesehen Schlummern oder schlaffen gehen. 5 Der HErr von grosser Macht/ Der dich so sicher leitet/ Hat dich an oͤrter bracht/ Da keiner dich bestreitet; Er gibt deiner Rechten Schatten/ Drumb geht alles dir von statten. 6 Der heisse Sonnenstrahl/ Den wir des Tages fuͤhlen/ Macht dir gar keine quahl/ Er muß vielmehr dich kuͤhlen; Wil der Mond zu Nachte schaden/ Bleibstu dessen doch entladen. 7 Der HErr/ der alles kan/ Behuͤte dich vor boͤsen/ Der wolle dich fortan Durch starke Hand erloͤsen/ Vor des boͤsen Teuffels wuͤten Woll’ er deinen Geist behuͤten. 8 Gott wolle bey dir seyn/ Und maͤchtig dich bewahren/ Wann du koͤmst wieder ein/ Wann du hinaus wirst fahren/ Wolle dich der HErr geletten/ Jetzund und zu allen Zeiten. Sie blieben in solcher Andacht/ biß sie in den Flecken kahmen/ da Valiska mit Libussen ab- stieg/ nach ihrer bekanten Herberge ging/ und den Wirt/ welcher vor der Tuͤhr stund/ also anredete: Guter Freund/ habt ihr nicht Zeitung von dem Juͤnglinge gehabt/ welcher vor ohngefehr zweien Jahren/ nebest zwo Jungfern aus diesem Hause entfuͤhret worden? Ja/ Durchleuchtigste Koͤnigin/ antwortete er; Eure Koͤnigl. Hocheit ist mir wol bekand/ wel- che diese Zeit her zu Padua ich oft gesehen/ auch wol weiß/ daß dieselbe eben der Juͤngling ist/ und bitte untertaͤhnigst/ mit dieser geringen Huͤtten/ wie es bey mir bestellet ist/ gnaͤdigst vor lieb zu nehmen. Sie boht ihm die Hand/ stieg die Leiter hinan auff ihre ehmahlige Schlaffkammer/ und hielt ihr Dankgebeht daselbst eine halbe Stunde nicht ohn Traͤhnẽ/ vor die gnaͤdige Beschuͤtzung ihrer Ehr und Lebens. Hernach nahmen sie die mitgebrach- te kalte Kuͤche hervor/ hielten froͤlich Mahlzeit/ und wiederhohleten daselbst durch erzaͤh- lung ihre vielfaͤltige Muͤhseligkeit. Klaudius der Raͤuber/ welchen Herkules jensmahl im Walde unter den andern Erschlagenen hart verwundet angetroffen/ wohnete in dem- selben Flecken/ dann er hatte vor die Gelder/ so ihm von Ladisla auff Herkules begehren zum Bohtenlohn zugestellet wahren/ ein Bauren Gütchen gekauft/ auff welchem er sich mit sei- nem jungen Weibe saurer Arbeit nehrete. Dieser sahe Gallus ohngefehr auff der Gassen in seiner koͤstlichen Kleidung stehen/ ging zu ihm/ demuͤhtigte sich sehr/ uñ erfreuete sich hoch wegen seines gluͤklichen wolergehens. Gallus kennete ihn gleich/ führete ihn bey der Hand in die Stube/ und sagte zu Herkules: Gnådigster Herr/ hier stelle ich unsern ehmahligen ge- m m m traͤuen Sechstes Buch. traͤuen Bohten/ welchen wir unter den erschlagenen Raͤubern antraffen/ und sind also wir beyden von der gottlosen Geselschaft noch allein uͤbrig/ welche so hohen Haͤuptern so un- saͤgliche Muͤhe und Gefahr erwecket haben; auff welche Worte ihm die Traͤhnen hervor- drungen. Herkules antwortete ihm; wie oft habe ich euch erinnert/ daß ihr euch deßwegen nicht anklagen oder betruͤben sollet/ und koͤnnet dannoch nicht unterlassen/ mich dadurch zu beleidigen. Du aber/ sagte er zu Klaudius; hastu dein Leben auch gebessert? Dieser setzete sich auff die Knie/ baht untertaͤhnigst umb Gnade/ und berieff sich auff das Zeugnis aller Inwohner; da ihn der Wirt offentlich ruͤhmete/ daß kein fleissiger Ackerman in der gan- zen Gegend waͤhre/ lebete mit seinen Nachbarn friedlich/ und beklagete taͤglich seine ehmah- lige Boßheit. Ladisla und Fabius lobeten im gleichen/ wie getraͤulich er dazumahl die Wer- bung verrichtet/ ungeachtet er mattigkeit wegen kaum reden koͤnnen. Koͤnigin Valiska kennete ihn auch/ und sagete zu ihm: Wie da mein Kerl/ treffen wir uns hier an? gestehe mir nur/ ob du nicht eben derselbe bist/ welcher mir den alten lumpigten Rok um den Kopf schlug/ da ich mich im Felde aufs Pferd setzen muste. Dieser erschrak der Erinnerung/ und gereute ihn sehr/ daß er sich gegen Gallus kund gegeben hatte/ fiel abermahl nieder/ baht um Gnade/ und berieff sich darauff/ daß Herkules im Walde ihm Leben und Freyheit verspro- chen hatte. Die Koͤnigin aber sagte zu ihm: Fuͤrchte dich nit/ ich habe dir schon vor laͤngst verzihen/ stehe nur auff/ und vernim/ was dir mein Gemahl vortragen wird. Der erschroc- kene Mensch kam hiedurch wieder zu sich selbst/ und als ihn Herkules fragete/ ob er in der Jugend irgend ein Handwerk gelernet/ oder sonst mit Pferden umbzugehen wuͤste; gab er zur Antwort; er haͤtte zwar in der Jugend bey einem Rademacher gelernet/ waͤhre aber/ ehe er die Lerne-jahr gar aus gehalten/ von boͤser Geselschaft verfuͤhret/ und endlich in die Raͤuberzunft gerahten. Herkules sagte Gallussen auff Medisch/ er solte ihn in bestallung nehmen/ daß er als ein Wagenmeister fleissige Auffsicht haͤtte/ uñ da etwas zubrochen wuͤꝛ- de/ er solches bey zeiten wieder machen liesse. Gallus trug ihm nach genommenem Abtrit solches vor; welcher aber einwendete/ er haͤtte vorm halben Jahr sich in den Ehestand be- geben/ auch ein geringes Guͤtlein gekauft/ welches durch seinen grossen fleiß und Arbeit sehr gut und geschlacht worden/ wuͤrde aber in grund wieder verderben/ wann er nicht selbst dabey waͤhre. Weil nun Gallus seine Einfalt bekant wahr/ lachete er der Entschuldigung/ wolte sich nicht lange vergeblich bey ihm bemuͤhen/ sondern befahl ihm/ sein junges Weib herzuhohlen. Diese hatte sich etliche Jahr bey adelichem Frauenzimmer in Dienste auff- gehalten/ und wuste einem jeden nach gebuͤhr zimlich zubegegnen/ wahr ihres alters von 28 Jahren/ und von geringer ankunft/ dann ihr Vater wahr im Flecken Kuͤhhirte. Da sie ank am/ neigete sie sich zuͤchtig vor Gallus/ und sagete: Ihr Eheman haͤtte ihr angezeiget/ daß ihre Gestr. sie unwirdige zusprechen begehrete; haͤtte sich gehorsamst einstellen sollen/ umb zuvernehmen/ was ihr Herr seiner Magd zubefehlen haͤtte. Frau/ sagte Gallus/ seid ihr Klaudius Ehegatte? und auff bejahung gab er ihr zuvernehmen/ was vor ein Gluͤk ih- nen bevorstuͤnde; da ihr dann bey meiner Eheliebsten/ setzete er hinzu/ als eine Schaͤfnerin seyn/ und alles wessen ihr beduͤrfet/ haben sollet. Sie bedankete sich dessen sehr/ und baht um befoderung; worauff er mit ihrem Manne wieder zu Herkules ging/ des Weibes Hoͤflig- keit ruͤhmete/ und daß er Dienste zunehmen willig waͤhre. Wem wiltu aber dein Hauß uñ Gut Sechstes Buch. Gut vertrauen? fragete Herkules. Meinem Schwiegervater/ antwortete er/ wann er nur seines tragenden Kuͤhhirten dienstes wegen es gebührlich bestellen koͤnte; zwar er hat die Mittel nicht/ meine acht Morgen Acker in gutem Bau zuerhalten/ drumb mag er sie aus- tuhn/ und die Pacht davon nehmen; dann meine zwey Pferde muß ich nun wol verkaͤuf- fen/ und mich samt meinem Weibe etwas hoͤsischer kleiden. Die Geselschaft lachete des ernstlichen vorbringens/ und sagte Herkules: Wie hoch haͤltestu dann deine Pferde? Ich habe sie/ antwortete er/ mit 15 Kronen bezahlet/ aber diesen Fruͤhling sie sehr abgetrieben/ dz sie uͤber 12 Kronen nicht gelten werden. Daß werden keine sonderliche muhtige Hengste seyn/ sagte Herkules; befahl Gallus in fremder Sprache/ er solte ihm und seinem Weibe ihrer bestallung nach/ Kleider geben/ und 300 Kronen herbringen; welches alsbald gescha- he/ da Klaudius ein gutes Ledernkoller/ graue Hosen uñ Reitrok mit einer silbern Schnuhꝛ/ Stiefeln/ Sporn und ein gutes Pferd mit allem Reitzeuge; sein Weib des gleichen ein ehrbares Kleid bekam/ welches sie beyderseits anlegen/ und zu Herkules hinein treten mu- sten/ der ihm 100 Kronen Anreitsgelder/ und noch andere 100 Kronen gab/ die er seinem Schwiegervater zustellen solte/ daß er den Ackerbau recht in acht nehmen koͤnte; seinem Weibe gab er die dritten 100 Kronen/ sie ihrer Mutter zum Geschenke zu bringen. Wovot sie dankete/ mit dem Wunsch/ der allerhoͤchste wahre Gott moͤchte ihrer Koͤnigl. Hocheit solches hier zeitlich uñ dort ewiglich vergelten. Daß ist ein feiner Wunsch/ gute Frau/ ant- wortete er; aber kennet ihr auch denselben Gott/ von welchem ihr redet? sie stutzete hier auf/ und erroͤhtete druͤber; welches Herkules sehend/ zu ihr sagete: Antwortet mir nur frey und scheuhet euch in geistlichen Sachen vor keinem Menschen. Daß wil ich auch nicht tuhn/ gnaͤdigster Herr/ sagte sie/ demnach mein Gott ernstlich erfodert/ daß man ihn aus Furcht nicht verleugnen sol/ dann ich bin eine Christin/ und glaͤube festiglich/ daß ich den almaͤch- ten wahren Gott/ und seinen lieben Sohn JEsus Christ/ so viel meine einfalt zulaͤsset/ er- kenne. Umb so viel angenehmer werdet ihr mir und meiner Geselschaft seyn/ sagte Herku- les; aber von wem habt ihr diese allein seligmachende Lehre gelernet? Von meinem lieben alten Vater/ antwortete sie/ welcher Gott lob in diesem Glauben unter mannichen Ver- folgungen bestaͤndig verharret ist/ und sein herliches Landgut in seiner Jugend verlassen/ damit er bey seinem Heylande bleiben koͤnte; daher sich Gott auch sein erbarmet/ und ihm das taͤgliche Brod bescheret hat/ ob ers gleich saurlich verdienen muͤssen. Meine Mutter aber ist Roͤmisches Glaubens/ und weil sie zu der Christlichen Lehr gar kein belieben traͤget/ noch davon hoͤren mag/ laͤsset sie mein Vater so hingehen/ Gott wolle sie erleuchten/ und zu sich zihen/ daß sie der hellischen Verdamnis entrinnen moͤge. Was glaͤubet dañ euer Klau- dius? fragete er weiter. Antwortet vor euch selbst/ sagte sie zu ihm/ damit euer gnaͤdigster Herr wisse/ wie ihr mit Gott stehet; derselbe fing nun an: Ich bin leider in der Jugend nicht unterrichtet/ was man von den Goͤttern wissen sol; aber dieses bilde ich mir gaͤnzlich ein/ daß dieselben von uns das boͤse wollen gelassen und das gute getahn haben. Warumb aber laͤssestu dich nicht von deinem Schwaͤher und von deinem Weibe unterrichten was du nicht weist? sagte Herkules. Ich habs ihnen nicht zugetrauet/ antwortete er/ daß sie von so hohen Sachen gewißheit haben solten; wann aber ihre Gn. mir solches befehlen/ wil ichs gerne tuhn. Herkules trug es Gallus auff/ er moͤchte gefliessen seyn diese arme Seele m m m ij zu Sechstes Buch. zu retten; und begehrete an Klaudius Frau/ daß sie hinginge und ihre Eltern herzuhohlete/ ihnen aber noch zur Zeit von der getahnen Verehrung nichts sagete. Sie ging froͤlich hin/ zeigete ihnen kuͤrzlich an/ wie es ihr sonst ergangen waͤhre/ und hies den Vater gutes muhts seyn/ weil sie gaͤnzlich davor hielte ihr Gn. Herr waͤhre ein Christ. Der gute alte/ nahmens Dametas/ wahr ungewohnt mit solchen hohen Leuten umbzugehen/ und durfte sich doch nicht wegern/ hatte aber mit seinem Weibe viel zu tuhn/ ehe er sie/ mit zu gehen/ bereden kun- te. Er entsetzete sich/ als er die Fuͤrstliche Versamlung sahe; aber Herkules machte ihn be- herzt/ als er ihn also anredete: Mein guter Alter/ ihr habt eure Tochter in diesem euren armseligen Zustande fein erzogen/ und insonderheit wol bey ihr getahn/ daß ihr dieselbe in der Christlichen Lehre unterrichtet; moͤchte aber wol wissen/ wie ihr unter den Verfolgun- gen euch habt retten koͤnnen. Gnaͤdiger Herr/ antwortete er: Weil ich gehalten bin/ zu ant- worten/ wolle ihre Gn. mir verzeihẽ/ wann ich mit derselben nicht wuͤrde nach gebuhr reden/ weil ich nie in solche Geselschaft kommen bin/ noch dergleichen je mit Augen gesehen habe. Betreffend mein Christentuhm/ wuͤrde ich lange Zeit haben muͤssen/ da ich alles erzaͤhlen solte/ dann ich bin schon 74 Jahr alt/ und habe umb meines Glaubens willen/ ohn ruhm zu melden/ viel erlitten. Saget nur her alter/ antwoꝛtete Heꝛkules/ ich wil euch gerne zu hoͤren. Darauff fuhr Dametas also fort; Mein lieber Vater Seel. hatte ein feines Landgut nicht gar weit von Rom/ und wahr dem Christlichen Glauben eiferig ergeben/ wiewol meine Mutter eine Heidin wahr und blieb. Im neunden Jahre meines alters entstund unter dem damahligen Roͤmischen Kaͤyser Marcus Aurelius Antoninus Philosophus, wie er genen- net ward/ eine heftige Verfolgung wieder die Christen/ in welcher des folgenden Jahrs der trefliche Kirchenlehrer Justinus der Maͤrterer genand/ mit Ruhten gestrichen und ent- haͤuptet ward; und vier Jahr hernach muste der alte Lehrer Polykarpus/ des Evangeli- sten Johannis sein Juͤnger oder Schuͤler/ auch umb des nahmens JEsus willen sein Le- ben zu setzen in der Stad Smyrna/ in klein Asien gelegen/ da man ihn anfangs auff einen Holzhauffen gesezt/ und lebendig verbrennen wollen/ weil aber das Feur nicht wolte wir- ken/ ist er mit dem Schwert erstochen worden. Zeit dieser Verfolgung/ welche 18 Jahr lang anhielt/ hatte mein Vater mich anfangs zu einem Christen in Rom getahn/ welcher mich in der seligmachenden Lehre fleissig unterrichtete/ ward aber mit andern Christen ge- toͤdtet/ und entran ich heimlich/ kam zu meinem Vater/ welcher gleich in der Zubereitung zu der Flucht begriffen wahr/ weil die Glaͤubigen hin und wieder ausgespehet wurden. Wir nahmen zimliche Baarschaft zu uns/ und als wir in einem abgelegenen Walde eine verfallene Hoͤhle antraffen/ richteten wir dariñen unseꝛe Wohnung zu/ hatten etwas Brod und Salz mit uns genommen/ und lebeten daselbst von den Wurzeln etliche Wochen/ nach deren Verlauff wir uns erkuͤhneten/ bißweilen auszugehen/ und auff den naͤhesten Doͤrf- fern Speise einzukaͤuffen/ und ob gleich die wilden Tihre daselbst sich haͤuffig hielten/ lebten wir doch unter Gottes Schuz sicher/ und hatten von ihnẽ keinen Anfal. Nach verlauff zehn Jahr (so lange wahren wir Einsideler) begaben wir uns hin nach meines Vaters Gute/ und sunden/ daß meine Mutter schon vor drey Jahren todes verbliechen wahr/ und sie ih- res Brudern Sohn zum Erben aller Guͤter eingesezt hatte/ bey dem wir uns meldeten/ uñ von ihm begehreten/ er moͤchte uns ein stuͤk Geldes heraus geben/ alsdann wolten wir ihn in ru- Sechstes Buch. in ruhigem Besitze lassen; welcher uns zur Antwort gab: Dafern wir ihm nicht alsbald würden einen leiblichen und unbruͤchigen aͤyd schwoͤren/ daß wir in Ewigkeit uns aller Ansprach an solchen Guͤtern freywillig verze ihen wolten/ wuͤste er schon Mittel/ uns anzu- melden/ daß wir durch den abscheuhlichsten Tod hingerichtet wuͤrden/ als Erzfeinde der Roͤmischen Goͤtter. Welches uns kuͤrbe machte/ daß wir ihm ein genuͤgen tahten/ uñ dar- auff einen geringen Zehrpfennig von ihm bekahmen/ wovor wir Speise kaufften/ nach un- ser Hoͤhle gingen/ und unserm Gott andaͤchtig dieneten/ da dann mein Vater durch den zeitlichen Tod von Gott abgefodert ward/ 9 Wochen/ nachdem wir seine Guͤter verschwo- ren hatten. Ich wahr dasmahl im 20sten Jahre meines Alters/ kunte mich allein in der Einoͤde nicht behelffen/ machte mich deswegen hinweg/ und nach dem ich acht Tagereise mich nach der fremde disseit her begeben hatte/ vermietete ich mich bey einem Bauren/ dem ich schier als ein Leibeigener dienete 12 Jahr lang/ als 6 Jahr unter der Verfolgung/ und so lange unter der Freiheit/ welche nach vorgedachten Kaͤysers absterben/ sein Sohn und Nachfolger im Reich/ Kaͤyser Marcus Aurelius Commodus Antoninus, den Christẽ gab; suchete hernach einen andern Herrn bey dem ich des Viehes huͤtete/ und an gegenwaͤrtige meine Haußfrau mich verheirahtete/ welche zwar heidnisches Glaubens/ aber mir dan- noch allemahl getraͤu verblieben ist/ ob ich gleich wenig Jahr hernach von ihr zuzihen ge- zwungen ward/ und solches wegen einer noch hefftigern Verfolgung/ so vor 28 Jahren unter dem Kaͤyser Septimius Severus entstund/ und uͤber aus hart wahr/ so gar/ daß hin und wieder Roͤmische Befehl ausgingen/ in welchen gebohten ward/ daß bey schwerer Straffe sich kein Mensch zum Christlichen Glauben begeben solte. Ich ward von einem gottlosen Buben/ dem nach Vermoͤgen ich alles gutes getahn hatte/ angegeben/ wegen meines Christentuhms/ haͤtte auch muͤssen das Leben einbuͤssen/ wann ich nicht waͤhre ge- warnet/ da ich mich auff die Flucht begab/ und mein Weib mit schwerem Leibe verlassen muste/ hielt mich bey andern Einsiedlern in den Wüsteneien auff/ und erlitte grossen Hun- ger und Kum̃er drey ganzer Jahr/ nach welcher Zeit ich mich wieder nach meinem Wei- be machete/ die sich und diese ihre Tochter kümmerlich ernehrete/ machte mich mit ihnen auff/ und liessen uns nieder zu Padua/ wo selbst wir uns unser Haͤnde fleissiger Arbeit er- nehreten/ biß nach Verlauff fuͤnff Jahr der grundguͤtige Gott mir diesen Ort zugewiesen/ da ich von solcher Zeit an den Inwohnern ihrer Ochsen und Kuͤhe gehuͤtet/ und Gott Lob mein taͤgliches Auskommen gehabt. Mein liebes Kind unterwieß ich fleissig in der selig- machenden Lehre/ brachte sie auch zeitig bey eine aͤdle Frau/ jenseit Padua wohnend/ wel- che eine Christin wahr/ und mein Kind zu aller Gottesfurcht gehalten hat/ biß mit meinem Willen sie gegenwaͤrtigen Klaudius/ als einen fleissigen Hauswirt gefreyet. Ihr seyd bey eurem Gott und Heylande/ so viel ich vernehme/ bestaͤndig verblieben/ sagte Herkules/ der- selbe hat auch euren Glauben angesehen und eurem Elende nunmehr ein Ende machen wollen/ in dem er euch meine Kundschafft gegoͤnnet/ und euch durch mich in eurem Alter vergelten wil/ was ihr seinet wegen auszustehen euch nicht gewegert habt. Redete darauff Opimius an/ und sagete zu ihm: Ihr solt diesen guten Alten zu euch nehmen auff den euch eingetahnen Hof/ ihm daselbst zwo Stuben und so viel Kammern einraͤumen/ und so lan- ge er noch von ziemlicher Leibeskrafft seyn wird/ ihm ein Reitpserd und einen Diener hal- m m m iij ten/ Sechstes Buch. ten/ daß er nach seiner guten Gelegenheit zuzeiten auff die darzu behoͤrige Landguͤter reite/ und Auffsicht habe/ daß der Ackerbau getraͤulich in acht genommen werde/ und sollet ihm meinet wegen alle Monat 20 Kronen samt gnugsamer Speise/ Trank/ und Bürgerlicher Kleidung ausfolgen lassen; Und dafern ihr euch aus gutem freien willen auch zum Christ- lichen Glauben hinbegeben koͤnnet/ sagte er zu Dametas seiner Frauen/ sollet ihr alles gu- ten mit zugeniessen haben/ wo nicht/ wil ich euch zwar von eurem Ehegatten nicht abschei- den/ aber doch werdet ihr euch selbst Unterhalt schaffen muͤssen. Der fromme Alte fiel nie- der in die Knie/ und bedankete sich vor solche hohe Gnade mit weinenden Augen; hernach wendete er sich zu seiner Frauen/ und vermahnete sie/ daß sie sich ihres offemahligen Ver- sprechens erinnern/ und ihrer Seelen und Leibes Wolfahrt wahrnehmen/ ja auch seines Gottes Gnade und Schickung erkennen solte. Welche sich darauff neben ihn auf die Knie setzete/ und also anfing: Ihr grosse Fuͤrsten und Fuͤrstinnen gegenwaͤrtig; ich bekenne/ daß biß daher mein lieber Mann mich auf keinerley weise hat koͤnnen zum Christlichen Glau- ben bewaͤgen/ wie hefftig ers ihm gleich hat lassen angelegen seyn; dessen aber meiner mei- nung nach er selbst mit ursach ist; gestaltsam/ da ich vor viel Jahren ihm verweißlich vor- warff/ wie er doch so albern waͤhre/ und umb eines Gottes willen/ der seine Glaͤubigen so verfolgen liesse/ alle andere Goͤtter verachtete/ und diesem einigen so fest anhinge/ daß er um dessen willen alles das seine verliesse; gab er mir zur Antwort: Sein Gott waͤhre so gnaͤ- dig und reich/ daß er seinen Glaͤubigen alles hundertfaͤltig zuvergelten versprochen haͤtte/ was sie etwa an zeitlichen Guͤtern umb seinet willen verlassen wuͤrden. Nun habe ich biß- her auff solche Vergeltung geharret/ des steiffen Vorsatzes/ daß/ so bald selbe sich blicken liesse/ ich den Christlichen Glauben annehmen wolte. Und weil dieselbe schon vorhanden ist/ so erkenne ich daher/ daß der Christen Gott warhafftig sey/ und wil forthin bey demsel- ben leben und sterben. Herkules antwortete: Gute Frau/ ich wil in eurem schwachẽ Glau- bensanfange euch nicht irre machen/ wiewol ihr eures Mannes Reden unrecht verstandẽ/ und Gottes Vergeltung auff diese zeitlichen Guͤter hingezogen habt/ welche von den kuͤnf- tigen ewigen zuverstehen ist; wie ihr dann nach diesem euch werdet unterrichten lassen. Hieß sie beyde auffstehen/ und musten Klaudius und sein Weib ihren Eltern die 200 Kronen zustellen/ denen die andere anwesende eine Beysteur tahten/ daß sie 800 Kronen baar bekahmen/ und sich wegerten alles anzunehmen; erhielten endlich auch durch einen Fußfall gar leicht/ daß sie die uͤbrige Zeit ihres Lebens in dem Flecken zubringen moͤchten; da ihnen dann der Stathalter zu Padua verhieß/ ihnen zu ihrem Unterhalt alles gnug zu verschaffen. Nun wohnete ein armer frommer Christ in demselben Flecken/ dem Dametas eine Almosen baht/ und von Herkules zur Antwort bekam/ er solte demselbẽ seines Schwie- ger Sohns Hauß und Acker schenken/ er wolte ihm solches schon wieder ersetzen/ gab ihm darzu 50 Kronen/ daß er Mittel haͤtte/ den Acker zubestellen. Dem Klaudius aber verma- chete er manatlich 60 Kronen Bestallung/ und hielt ihm einen reitenden Diener; dagegẽ solte er getraͤu und fleissig seyn/ auff Wagen und Gutschen gute achtung geben/ und das baufaͤllige zeitig bessern lassen/ dero behuef ihm unterschiedliche Rademacher zu Dienern untergeben wurden. Der einfaͤltige Klaudius wuste nicht/ was er vor freuden beginnen solte/ bedankete sich in aller Demuht/ und versprach moͤglichsten Fleiß anzuwenden; wozu er Sechstes Buch. er dann von dem alten Dametas ernstlich vermahnet ward. Herr Pompejus nam mit seinem Schwieger Sohn Abrede/ er wolte mit Gottes Huͤlffe innerhalb Viertel Jahrs alle seine Sachen von Jerusalem abhohlen/ seine Guͤter zu Rom loßschiagen/ und alle Baarschafften auf Koͤlln mit sich nehmen/ dann er waͤhre bedacht/ mit seinem Gemahl da- selbst/ oder wol gar in Herkules Gebiet sein Leben zuenden; welches seiner Tochter eine grosse Freude wahr. Siegward hatte vorhin Koͤnigin Sophien verheissen muͤssen/ daß er sich etliche Jahr mit seinem Gemahl zu Prag auffhalten wolte/ wo er inzwischen nicht zuꝛ Schwedischen Kron gefodert würde/ versprach auch seinen Schwieger Eltern/ sie jaͤhr- lich zubesuchen. Mit diesen Begebnissen und Gespraͤchen ward der Abend hingebracht/ biß man die Feld Betten hervor suchete/ da Kinder und Eltern eine gemeine Straͤu ma- cheten/ so bald das Abend Gebeht gehalten wahr/ dann die beyde Gebruͤdere Fabiussen hat- ten durch Pompejus Anmahnung den Christlichen Glauben angenommen/ in welchem sie biß an ihr Ende bestaͤndig verblieben. Des Morgens sehr fruͤh/ nahmen Eltern und Kinder traͤhnenden Abscheid/ befohlen sich allerseits dem Schuz Gottes/ und nam jeder seinen Weg vor/ da dann unsere Helden mit zimlichen Tage Reisen/ so viel der Wagen Menge zuließ/ forteileten/ die Boͤhmischen Grenzen zuerreichen/ weil Valiska uͤberaus hohes Verlangẽ trug/ ihre Fr. Mutter zusehen und zuerfreuen/ und nam sie wunder/ daß der alte Groß Fuͤrst derselben so gar nichts wegen ihrer voͤlligen Eꝛloͤsung zuentbohten hat- te/ welches Neklam doch kund genug gemacht; aber die Ursach wahr/ daß derselbe waͤhne- te/ es waͤhre ihr von den unsern selbst zugeschrieben worden. Die vier Pannonische Diener hinterbrachten des Gesanten Pines und seiner Ge- sellen Unfal ihrem Koͤnige gar zeitig/ nebest dem Kaͤyserlichen Schreiben/ woruͤber dersel- be und seine Land Staͤnde so hefftig erschraken/ daß sie in guter Zeit sich nicht begreiffen kunten/ was ihnen zutuhn waͤhre/ wiewol der groͤste teil den verwaͤgenen Pines verfluche- te/ daß er seinen Koͤnig durch sein großsprechen und vermaͤssenes verheissen darzu beredet haͤtte/ einen solchen Vertrag einz u gehen/ welcher nicht koͤnte wiederruffen werden. Sein Bruder Dropion/ Koͤniglicher Stathalter/ der seine beiden Bruͤder an Boßheit und Stolz uͤbertraff/ lag eben dazumahl an einer beschwerlichen unsaubern Krankheit hart da- nieder/ daß er bey der Versamlung nicht erscheinen kunte/ und durfte man ihm die ungluͤk- liche Zeitung nicht anmelden/ damit er nicht durch gar zuhefftigen Eifer ihm selbst schadẽ taͤhte. Zwar es gingen viel Stimmen dahin/ weil man dem Kaͤyser/ was ihm freiwillig an- gebohten waͤhre/ redlich und unbruͤchig halten muͤste (dann hierin wahren sie einig) solte man nicht seumen/ alsbald ein maͤchtiges Heer zusamlen/ dem Boͤmischen Koͤnige ins Land zufallen/ damit man sich an demselben raͤchete/ und von den Boͤhmen ablangete/ w as den Roͤmern muͤste entrichtet werden; welchen Vorschlag der Koͤnig ihm anfangs wolgefallen lies; aber etliche ansehnliche Reichs- und Kriegs Raͤhte fuͤhreten mit wichti- gen Gruͤnden an/ es wuͤrde rahtsahm sein/ bedachtsam zufahren/ und den Roͤmischen Frie- den fest zusetzen/ damit dem Kaͤyser die Haͤnde zu der Boͤhmen Huͤlffe gebunden würden; welches auch vor beschlossen angenommen ward/ insonderheit/ weil die Arzte gute Hoff- nung gaben/ daß der Stathalter schier genesen wuͤrde. Weil aber die vier Diener zugleich anzeige tahten/ daß der Boͤmische uñ Teutsche Fuͤrst in kurzen wieder in ihr Vaterland zi- hen Sechstes Buch. hen würden/ und einen uͤberauß grossen Schaz mit sich nehmen/ die doch nicht uͤber 300 bewerter Mann bey sich haͤtten/ es waͤhre dañ/ daß der Kaͤyser sie/ wie wol zuvermuhtẽ/ mit mehr Voͤlkern sterken wuͤrde; so ward vor gut angesehen/ daß etwa 6000 handfeste Ren- ter ihnen auff zuwarten/ an die Grenzen solten verlegt werden/ mit Befehl alles was sich wieder setzen wuͤrde ohn Barmherzigkeit nider zuhauen/ und die uͤbrigen gefangen zuneh- men; jedoch nicht anders/ als wañ sie vor sich selbst Raͤuber waͤhren/ und keinen Koͤnig- lichen Befehl haͤtten. Diese Voͤlker hatten die Grenzen schon drey Tage beritten und al- lenthalben Schildwachten außgesetzet/ ehe die unsern daselbst ankahmen. Neklam muste mit 16 Boͤhmen und 26 Roͤmern/ in drey gleiche Hauffen im̃erzu voraußhauen/ ob irgend einige Gefahr sich eraͤugete/ da er dann endlich 6 Schildwachten zu Pferde auff einem Huͤgel erblickete/ und noch 12 auff einem andern zur Seiten auß/ welche/ sobald sie sein inne wurden/ mit verhaͤngetem Zaume davon flohen/ welches er Herkules an melden ließ/ der zu Ladisla sagete; gilt Bruder/ es werden uns noch heut die Pannonier eine Mum- menschanze bringen/ sendete auch bald darauff Leches mit 150 Parthern (dann diese hiel- ten instaͤndig darumb an)/ sich mit Neklam zusammen zusetzen/ und durchaus in kein Handgemenge sich einzulassen/ wie sehr man ihn auch darzu noͤtigen wolte/ es waͤhre dann/ daß er zuruͤkweichend fechten/ und seiner Haut sich nohtwendig erwehren muͤste. Diese gingen in außgedehneter breite fort/ und durchsahen das weite Feld/ da sie von fer- ne einer Reuter Schaar/ von ohngefehr 800 Mann gewahr wurden/ welche doch mehr schienen hinter sich zuweichen/ als vor sich zu zihen. Inzwischen wahren unsere Helden bemuͤhet/ wie sie ihre Wagen in solche Ordnung bringen/ und mit ihren 4000 Roͤmischen Fußknechten besetzen moͤchten/ daß nicht etwa an einem oder andern Ort die Feinde einen unversehenen Anfal taͤhten/ und eine Bente davon braͤchten; musten daher die Wagen mit den Schaͤtzen in die mitte gefasset/ und zu beiden seiten die mit Waffen beladene her- gestellet werden/ zwischen denen sich das Fußvolk setzen muste mit ihrem Geschoß/ als in eine Wagenburg. Zu hinterst den Wagen blieben die ledigen Handpferde/ welche nur mit 80 Reutern versehen wahren/ weil man sich daher keines Angriffs vermuhten wahr. Vor den Wagen gingen die Reuter in dieser Abteilung; Herkules fuͤhrete 1200 Parther und 245 Teutschen zur rechten Hand/ und hatte bey sich seinen Bruder und Prinsla; Ladisla nam den linken Flügel 1146 Parther 250 Boͤhmen uñ 135 Teutschen/ und war Siegward und Markus bey ihm. Arbianes wurden seine 200 Meden/ 100 Boͤhmen/ und 235 Teut- schen zugestellet/ damit er den nohtleidenden entsaz tuhn solte. Aber die Roͤmische Reute- rey/ welche von Neda/ Klodius/ Gallus und Valens dem Roͤmer gefuͤhret wurden/ mu- sten zuhinterst schier den ledigen Pferden zur seite bleiben/ und solten dieselben nicht ehe/ als wann die hoͤchste Noht es erfodern wuͤrde/ das Gewehr wieder den Feind gebrauchen. Diese kleine vier Reuter Heere gingen mit solchem Muhte fort/ daß sie des gaͤnzlichen Schlusses wahren/ dem Feinde/ ob er gleich viermahl so stark waͤhre/ ritterlich Fuß zuhal- ten/ und wahr ihr sonderliches Gluͤk/ daß sie sehr erfahrne Wegweiser bey sich hatten/ unter denen der alte Wenzesla nicht der geringste wahr. Als Herkules von Leches obgedachte Zeitung bekam/ ließ er ihm sagen/ mit seinen Leuten in guter Vorsichtigkeit mit unentbloͤs- setem Gewehr/ schrit vor schrit fort zugehen/ denen endlich die andern nur 50 Reuter ent- gegen Sechstes Buch. gegen schicketen/ und mit guter Freundligkeit fragen liessen/ was vor Leute sie waͤhren/ wo hin sie gedaͤchten/ und wessen sich unbekante zu ihnen zuversehen haͤtten. Leches gab zur antwort; er dienete einem Herrn/ welcher nicht wolte genennet seyn/ so waͤhre auch ihre Reise also beschaffen/ daß man davon nicht viel sagen muͤste/ aber ein jeder der ihnen begeg- nete/ er moͤchte auch seyn wer er wolte/ haͤtte sich zu ihnen aller Redligkeit und Freund- schafft zuversehen. Der Abgeordnete fragete ihn/ ob er sichs gefallen lassen koͤnte/ etwas deutlichere antwort zugeben. Und als Leches sagete/ er haͤtte nicht weiter Erlaubnis/ ritten diese mit freundlichem Grusse davon/ es anzudeuten. Die unsern gingen auch fort/ als waͤhren sie ohn alle Furcht eines Anfals/ und wehrete nicht lange/ da sahen sie von einer Seiten in die 1200/ von der andern in die 2000 Reuter herzueilen/ die mit obgedach- ten 800 sich zusammen setzeteten/ und in zimlicher Ausdehnung ein ansehnliches Heer macheten/ schikten auch dreissig Reuter an Leches/ und als ob er noch nicht waͤhre be- fraget worden/ liessen sie ihm obgemeldte dreyfache Frage mit eben den Worten vor- tragen; als aber Leches bey seiner ersten Antwort verharrete/ fing dieser an zu trotzen/ er muͤste sich klaͤrer heraus lassen/ oder man wuͤrde mittel suchen/ ihn darzu zu noͤhtigen. Des- sen mus man gewaͤrtig seyn sagte Leches/ von mir aber werdet ihr ein mehres nicht bringẽ/ viel weniger von meinen Leuten/ dann dieselbe sind alle sprachloß. Mein Kerl/ antwortete dieser/ du wirst heut noch muͤssen anders reden/ des wil ich dir meinen Kopff zum Pfande geben. Gib her zum Pfande/ antwortete Leches/ so wil ich ihn meinem Herrn liefern. Die- sen verdroß der Spot/ schuͤttelte den Kopf und die rechte Hand/ und ging wieder zu den sei- nen/ welche sich des Trotzes verwunderten/ und stund nicht lange an/ daß noch 2000 Mañ der Feinde Heer vermehretẽ. Hier wird es noch heut Kappen abgeben/ sagte Leches zu Ne- klam/ welcher aufs schnelleste hinter sich gehen/ und Herkules das ergangene melden muste/ er aber blieb mit seiner Mannschaft stille halten/ biß er sahe 600 auff ihn angehen/ vor de- nen er hinter sich/ doch in guter Ordnung wiche. Neklam wahr schon wieder auf dem Rük- wege nach Leches/ sahe solches von ferne/ kehrete wieder umb/ und brachte 300 Parther mit sich von Herkules/ die gleich ankahmen/ als die Pannonier Leches seinen Leuten zuschrihen/ sie solten halten/ weil man gerne wissen wolte/ ob so viel stumme Betler in einer Schaar sich unter einem verwaͤgenen Fuͤhrer versamlet haͤtten. Leches sahe seinen Entsaz/ vermer- kete daher/ daß ihm erlaubet seyn wuͤrde sich zu wehren/ schwenkete seine Schaar und ritte den Pannoniern mit entbloͤssetem Gewehr entgegen/ weil jene das ihre schon um den Kopf gehen liessen/ und als er ohn ferner Wort wechseln angegriffen ward/ drengete er sich der- gestalt in die Feinde hinein/ daß/ wie stark sie auch wahren/ dannoch zuruͤk weichen musten; doch erhohleten sie sich bald/ und suchten Gelegenheit/ die unsern zu umringen/ ehe Neklam sich mit ihnen zusammen setzete; welches ihnen aber mißriet/ dañ dieser ging zu schnelle fort zum beystande/ da dann die Parther an beyden Seiten mit solchen Wuht anfielen/ daß die Pannonier alsbald zu weichen gedrungen wurden/ und in diesem Anfal uͤber die helffte sit- zen liessen/ da hingegen von den unsern nicht ein einziger erschlagen/ uñ nur 26 etwas/ doch nicht sonderlich verwundet wurden; Leches durfte ihnen nicht nachsetzen/ ging ja so schnel- le hinter sich als die Feinde/ und nam ihn wunder/ daß er nicht verfolget ward/ welches der Feind bloß aus furcht einer hinterlist unterließ. Unser Heer kam algemach heran/ daß sie n n n einan- Sechstes Buch. einander sehen kunten/ und ging Leches mit den seinen nach Ladisla/ ihm rühmend/ wie tap- fer seine Leute gefochten/ und uͤber 300 ohn einigen verlust auffgerieben haͤtten. Es kahmen aber noch 3000 Reuter zu dem Feindlichen Hauffen/ daß die unsern es sahen/ dann ob die Pannonischen Staͤnde gleich im anfange nur 6000 auszusenden geschlossen hatten/ ver- mehreten sie doch solche Zahl biß zur helffte. Herkules hatte alle seine Leute vorhin schon unterrichtet/ daß sie beydes tapfer gegen den Feind und behutsam auff sich selbst seyn solten/ wolte in Feindes Angesicht sein Heer nicht sonderlich ausbreiten/ noch sich alsbald zur Schlacht stellen/ sondern sendete Neklam mit 20 Reutern an sie/ umb zuvernehmen/ aus was ursachen man seine Leute im freien Felde uͤberfallen haͤtte. Als dieser mit sanftmuht solches vorbrachte/ fehlete wenig/ er waͤhre mit den seinen nidergehauen worden/ dafern es nicht ein einziger Obrister verhindert haͤtte; jedoch zwang man ihn zu sagen/ was vor Leu- te sie waͤhren/ und wohin ihr Weg ginge/ welches er dann willig taht/ weil er dessen befehl hatte. So bald er nun die beyden Koͤnige genennet/ gab man ihm zur Antwort; dafern der erste diese Erklaͤrung wuͤrde haben ausgelassen/ håtte man mit ihm koͤnnen friedlich seyn/ und solte er hinreiten/ seinen beyden Herren anzumelden/ es haͤtte eine tapfere Schaar Pannonier ohngefehr in erfahrung bracht/ daß diese fremde Fuͤrsten mit grossen Schaͤtzen auff dem Wege nach Prag waͤhren/ welche aus ehrerbietung zubegleiten sie sich stelleten/ nachdem sie der Hoffnung gelebeten/ man wuͤrde sie der Muͤhe lohnen. Ich kan meinen gnaͤdigsten Fuͤrsten solches leicht vortragen/ wegere mich dessen auch nicht/ sagte Neklam/ tuhe ihnen aber den Vorschlag/ daß von ihren Leuten etliche mit reiten/ entweder es anzu- melden/ oder anzuhoͤren/ daß ichs redlich hinterbringe/ denen ich alle Freyheit verspreche/ zureden/ was ihnen gefallen wird. Die vornehmsten Obristen ritten zusammen/ beredeten sich kuͤrzlich/ und machten einen ihres Mittels aus/ welcher mit 30 Reutern fortgehen/ uñ die Werbung gesagter massen anbringen solte. Herkules hoͤrete solches mit auffgeschla- genem Helme an/ und gab zur Antwort: Ja wann man meine Leute nicht so moͤrderisch- und raͤuberischer weise uͤberfallen haͤtte/ wuͤrde ich dem suͤssen Pfeifchen trauen/ nun aber habt ihr schon so viel sehen lassen/ daß der Wolff unterm Schaf Pelze verborgen lieget; Werdet demnach eurer Geselschafft ansagen/ daß sie ihren Glauben bey mir verlohren/ und ich sie in schwerem Verdacht halte/ daher ich mir Sicherheit zuschaffen bedacht bin/ und ihnen anzeigen lasse/ sie sollen sich denen vor Geleitsleute antragen/ die ihrer begehren und beduͤrffen/ ich vor mein Haͤupt beduͤrffe ihrer ganz nicht; und wo sie sich wegern wuͤr- den/ als bald von einander zugehen/ und mir den freien Weg zugoͤnnen/ muͤste ich noht- wendig mit Gewalt durchbrechen/ dessen ich doch gerne moͤchte geuͤbriget seyn. Dieser hoͤrete solches geduldig an/ und gab zur Antwort: Er verstuͤnde die Erklaͤrung sehr wol/ und wann keine andere verhanden waͤhre/ wolte er sie gebuͤhrlich zuhinterbringen wissen. Keine andere vor dißmahl/ sagte Herkules mit einer sonderlichen Herzhafftigkeit/ und ließ ihn damit fortgehen/ verfolgete doch nicht desto minder seinen Weg in guter Ordnung. Die Pannonier eiferten sich uͤber alle masse wegen der Antwort/ und als sie vernahmen/ welche grosse Menge der Wagen/ und wie schwach ihre Reuter waͤhren/ des vermischeten Fußvolkes aber zwischen den Wagen nur etliche hundert Mann (dann es hatten sich die- se mit Vorsaz verborgen gehalten); stelleten sie ihre Ordnung/ als 6000/ welche fechten/ die Sechstes Buch. die uͤbrigen aber die Wagen anfallen/ sie auffhauen/ und die Beute zu sich nehmen solten/ die man hernach bruͤderlich teilen wolte. Jedoch sendeten sie zuvor einen Ritmeister selb sechse an die unsern ab/ ihnen vorzutragen; weil man sie so schimpflich abgewiesen haͤtte/ und ihre angebohtene Dienste verachtet/ koͤnten sie sich daher nichts anders als Feindse- ligkeit vermuhten/ wolten die Antwort vor eine Absagung gehalten haben/ und ihrer keines schonen/ es waͤhre dann/ daß ihnen die Fürsten/ so viel ihrer waͤhren/ nebest allem Frauen- zimmer gefangen zugestellet/ und alle Wagen und Pferde vor freie Beute geliefert wuͤrdẽ. Herkules haͤtte sich der Anmuhtung schier geeifert/ und sagte zu ihm: Reite hin du Unver- schaͤmter/ ich wil dir bald folgen. Das Pannonische Heer diese Antwort vernehmend/ gingen nach gemachter Ordnung als die hungerigen Woͤlfe loß; drey tausend gegen Her- kules/ und gleich so viel gegen Ladisla/ so daß sie gar keine zum Entsaz hinterliessen/ und mu- sten die uͤbrigen zugleich sich mit an die Wagen machen. Herkules scheuhete sich nicht/ ei- nem solchen Hauffen mit den seinen zubegegnen/ dann er sahe/ wie muhtig seine Voͤlker wahren/ deren 60 mit Speeren sich versehen hatten/ daher sie den ersten Angriff tahten/ und ein jeder seinen Mann niderwarff. Die Schwerter feireten auch nicht/ so daß der klei- ne Hauffe den groͤsseren draͤngete/ dann die Parther hatten sich vereiniget/ daß sie ihren Plaz entweder lebendig oder tod behaͤupten wolten. Nun wolte aber Herkules ihrer scho- nen/ daher ließ er Klodius mit 800 Roͤmern zu huͤlffe ruffen/ welche von der seiten her in den Feind brachen/ daß sie wie Muͤcken von den Pferden stuͤrzetẽ; eine Parthische Schaaꝛ 400 stark setzete sich zusammen/ und schlugen sich mitten durch den Feind hindurch/ daß sie hinter sie kahmen/ und sie also zwischen sich fasseten/ deren Fuͤhrer Fuͤrst Baldrich wahr/ welcher seinem Bruder wolte sehen lassen/ daß er auch gelernet hatte/ die Faust zugebrau- chen/ deꝛ doch solchen verwaͤgenen Saz doch nicht lobete/ nur weil er gluͤklich geriet/ nichts dawider redete. An Ladisla Seiten gings gleich so scharff daher/ dann es wolte auch hie- selbst Siegward sein Herz und Faust erzeigen/ uͤber welchen Ladisla gleichsam eiferte/ wel- cher nach Herkules Beyspiel die uͤbrigen Roͤmer zu sich foderte/ und seinen Feinden so ge- drange taht/ daß sie Muͤhe hatten ihre Ordnung zuerhallen. Herkules sahe/ daß an ihrer seiten der Sieg bald folgen wuͤrde/ und ließ Arbianes anzeigen/ er solte dem dritten Hauf- sen wehren/ daß sie den ihren nicht koͤnten zu huͤlffe kommen. Diese hatten ihnen die unge- zweifelte Hoffnung gemacht/ es wuͤrde wenig Gefahr und Muͤhe mit Abplünderung der Wagen haben/ daher sie als blindling auff dieselben ansetzeten/ wurden aber von den Roͤ- mischen Fuß Schuͤtzen dergestalt gewilkommet/ daß ihrer durchs Geschoß uͤber 800/ teils ertoͤdtet/ teils zum Gefecht unduͤchtig gemacht wurden/ und nachdem sie so nahe kahmen/ daß die Pfeile sie weiters nicht verletzen kunten/ musten Spiesse und Schwerter das beste tuhn/ daß sie das Herz nicht hatten einen einzigen Wagen anzugreiffen. Ihre Leute/ wel- che gegen Herkules stritten/ und nicht mehr stand halten kunten/ liessen diese zu ihrem Ent- saz abfodern/ aber Arbianes griff sie von der Seite an/ und ließ den Fußvoͤlkern anzeigen/ sie solten sich zwischen den Wagen hinweg begeben/ und ins offene Feld treten/ damit der Feind desto besser koͤnte angegriffen werden/ welches sie nach Wunsch verrichteten/ so daß dieser Plunder Hauffe am ersten auff die Flucht gebracht ward/ welches ihnen doch das Le- ben nicht fristen mochte/ dann die Roͤmischen Fußvoͤlker fielen auff der Erschlagenẽ Pfer- n n n ij de/ Sechstes Buch. de/ Arbianes aber verlegte ihnen den Weg/ daß von dieser Feinde Schaar nicht uͤber 140 Mann davon kahmen/ und die uͤbrigen alle das Leben zusetzeten. So bald Herkules dieser Flucht inne ward/ samlete er 400 Parther und 50 Teutschen umb sich/ hieb damit um den Feind/ und setzete sich hinter ihn/ daß er nicht Gelegenheit haben kunte auszuweichen/ drang auch dergestalt in sie/ daß ihre Ordnung endlich getrennet/ und sie wie Schafe nider- geschlagen wurden/ da dann Baldrich mit 200 Mann auff Ladislaen Feinde ansetzen mu- ste/ welche gar eingeschlossen/ das Gewehr nicht mehr brauchen kunten/ als deren ohndas uͤber 800 nicht uͤbrig wahren. Herkules nam 160 Feinde gesangen/ Ladisla 400; die uͤbri- gen lagen alle auff dem Platze gestrecket/ dergestalt/ daß nicht ein einziger Obrister/ und nuꝛ drey Ritmeister das Leben davon brachten. Nach erhaltenem Siege ward gemeine Pluͤn- derung gehalten/ und fing man der Erschlagenen Pferde auff; Es wahr zuverwundern/ daß von den Parthern nur 16 tod und 30 verwundet wahren; wie dann die Roͤmer auch nur 23; die Teutschen 12; die Boͤhmen 8; die Meden keinen einzigen misseten/ und unter dem ganzen Heer nicht 200 Verwundete wahren/ welche alle wieder genasen. Die Gefan- gene wurden ernstlich befraget/ wer sie zu diesem Angriff ausgeschikt haͤtte/ brachten aber einmuͤhtig vor/ ihre Obristen haͤtten ihren Anzug von Padua in Erfahrung bracht/ daher sie aus Hoffnung guter Beute sich zu diesem Wagestuͤcke ohn ihres Koͤniges und der Land Staͤnde Vorbewust/ vereinigt haͤtten/ weil sie dessen von ihrem Koͤnige gute Erlaub- niß zuhaben/ nicht gezweifelt/ nachdem Zeitung erschollen waͤhre/ der junge Boͤhmische uñ Teutsche Fuͤrst haͤtten die Pannonischen Gesanten zu Padua bestritten. Welches Vor- bringen ihnen geglaͤubet ward/ und ließ man sie unbewehret und nacket hinlauffen. Nach- gehends hatten die unsern keinen Anfall mehr/ sondern gingen gluͤklich fort/ biß sie die Boͤh- mischen Grenzen betraten/ da sie mit ihren Gemahlen und Christlichen Rittern abstiegen/ und ihr Dank Gebeht zu Gott eine Stunde kniend verrichteten/ Herkules aber anfangs von dẽ andern abgesondert/ diese Andacht vor Gott ausschuͤttete: HErr mein Gott/ sagte er/ Du Vater aller Gnadin und Barmherzigkeit; wie sol ich erkennen die unaussprechliche Woltahten/ die du mir deinem unwirdigen Knechte erzeiget hast? Ich wahr ohn alle Erkaͤntniß der allein seligma- chenden Warheit/ als ich von den Raͤubern dieses Weges gefuͤhret ward; ich wahr von aller mensch- lichen Huͤlffe verlassen/ da ich der Boßheit hieselbst gehorsamen muste/ und leicht umb Ehr und Leben/ ja auch umb meine Seligkeit haͤtte kommen moͤgen; dann ich steckete annoch in der heidnischen Blind- heit; Ich wahr O HErr dein Feind/ handelte dir zuwider; hielt die Teuflischen Abgoͤtter vor meine Schuͤtzer/ und alles mein Tichten wahr schlim/ irdisch und eitel. Aber du mein Gott hast mich aus der Unwissenheit hervor gerissen/ und aus der hoͤllischen Verdamniß mich errettet; davor danke ich dir von Herzen/ davor preise ich dich mein Heyland! Ja HErr/ was sol ich sagen? Ich bin viel zugeringe aller deiner Guͤte; viel zu unwirdig aller deiner Barmherzigkeit und Traͤue/ die du an deinem Knechte getahn hast; dann ich hatte nichts eigenes/ da ich uͤber diese Grenzen geschleppet ward/ und nun bin ich durch deinen Segen mit uͤberaus grossen Guͤtern versehen; Mein liebes Gemahl hastu mir zuge- fuͤhret/ und sie mitten unter der Schande bey Ehren erhalten/ sie auch/ welches das vornehmste ist/ zum Christlichen Glauben gebracht. Nun HErr/ ich weiß mich in deiner uͤberschwenglichen Gnade selbst nicht zu finden; Kein Mensch hat desgleichen genossen; kein Mensch hat mehr ursach/ deine Guͤte zu erheben/ deinen Ruhm auszubreiten/ dein er Gnade zudanken/ als ich/ HErr/ dein Knecht. O so nim von mir an das Opffer meiner Lippen; O so laß dir wolgefallen das Gespraͤch meines Herzen/ HErr mein Gott! Ich schuͤtte vor dir aus meine Seele/ mein Heyland; Ich uͤbergebe dir das innerste mei- ner Sinnen/ das wirken meiner Gedanken/ und alles was ich gar bin. Mein Helffer/ verschmaͤhe sol- ches Sechstes Buch. ches nicht wegen seiner Unduͤchtigkeit/ sondern weil es bloß auff deine Gnuͤgtuhung sich im festẽ Glau- ben steuret/ so laß es gelten HErr; Ja HErr laß es gelten/ und erbarme dich forthin allezeit uͤber dei- nen armen Knecht; gib ihm HErr deine Gnade/ daß er seine blinde Eltern/ Schwester und Anver- wanten zu dir fuͤhren moͤge; verleihe seinen Worten Anmuhtigkeit und Krafft/ daß sie angenommen werden/ und durchdringen moͤgẽ; behersche und erweiche der meinigen Herz/ daß sie dir folgen/ und zur ewigen Seligkeit sich zihẽ lassen. Ist es auch dein gnaͤdiger Wille/ so bekehre mein ganzes Vaterland/ daß dein Wort moͤge auffgenommen/ und deine Kirche unter ihnen erbauet werden. Dieses mein Gott/ wollestu gnaͤdig erhoͤren/ umb der blutigen Wunden deines lieben Sohns meines HErrn und Heylandes/ Amen/ Amen. Nach dieses Gebehts endigung trat er hin zu den andern/ da sie ingesamt den Lobge- sang des Mose/ aus dessen anderm Buche; hernach den Lobgesang des alten Zacharias; wie auch das herliche Danklied der heiligen Jungfrauen Marien/ der Mutter unsers Hey- landes/ mit andaͤchtiger Stimme sungen/ und daneben andere geistreiche Gesaͤnge mehr; nachgehends lase ein Christlicher Lehrer den 84/ 91/ 96/ 100/ 103/ 107/ 112/ 118 136 145/ und 147 Psalm des Koͤniges David/ beschlossen mit dem heiligen Vater Unser/ und hielten darauf eine geringe Mahlzeit unter den gruͤnen Baͤumen. Weil sie dann nicht zweiffelten/ ihre grosse menge Wagen/ Rosse und Voͤlker wuͤrden ein grosses Geschrey im Lande erwecken/ liessen sie die Roͤmischen Voͤlker wieder zuruͤk gehen/ denen sie eine Tonne Schaz austeile- ten und hatten bereit nicht allein gute Gelder von den Pannoniern zur Beute/ sondern auch jeder ein statliches Pferd erhalten. Die Weine wurden ins freie Feld abgelegt/ und die Wagen wieder zuruͤcke gesand. Baldrich und Siegward musten mit 30 Reutern vor- angehen/ und ausgeben/ sie haͤtten etlichen Roͤmischen Kauffleuten viel Waaren vor gute Beute abgenommen/ die ihnen nachgefuͤhret wuͤrden. Als diese zur ersten Grenzestad kah- men/ und die Besatzung ihrer gewahr ward/ schicketen sie etliche zu ihnen hinaus/ stille zu halten/ und der Festung sich nicht zu naͤhern; denen Baldrich die verabscheidete Antwort gab/ welche dem Befehlichshaber verdaͤchtig vorkam; dann wie leicht/ sagte er/ kan sich ei- ner vor des Groß Fuͤrsten Sohn ausgeben. Ward derhalben fleissig nachgefraget/ ob nicht jemand in der Stad verhanden/ dieses Fuͤrsten Kundschaft haͤtte. Der alte Pribisla/ Leches Vater/ hatte einen Rittersiz in dieser Stad vor weniger Zeit von seinem ohn leibes Erben verstorbenen juͤngeren Bruder geerbet/ auff welchem er sich dazumahl auffhielt; seiner Diener einer wahr eine Zeitlang am Teutschen Hofe gewesen/ welcher den jungen Fuͤrsten wol kennete. Pribisla selbst gewan Lust/ mit hinaus zuzihen/ ließ seine Gutsche anspannen/ und fuhr mit seinem Knechte fort. Baldrich sahe den Wagen von ferne kommen/ und zohe sich gemehlich wieder zuruͤk nach der geschlagenen grossen Wagenburg/ in welcher unter- schiedliche grosse Zelte auffgerichtet wahren. So bald Pribisla daselbst ankam/ muste sein Diener ihn bey dem jungen Fuͤrsten melden/ die einander alsbald kenneten. Valiska wolte vor diesem alten lieben Freunde sich nicht verbergen/ ward von etlichen Teutschen nach dem Fuͤrstlichen Zelt gehohlet/ und gaben dieselben vor/ es waͤhren etliche gute bekanten bey dem Fuͤrsten/ die ihn gerne sprechen wolten. Der gute Alte gedachte an nichts weni- gers/ als an seine Obrigkeit/ und ging als in Gedanken/ biß er in das Gezelt hinein trat. Als er nun Koͤnigin Valisken gleich gegen uͤber erblickete/ geschwand ihm vor freuden/ daß er zur Erden nidersank/ da sein Sohn Leches alsbald hinzutrat/ und mit Neda huͤlffe ihn er- n n n iij quicke- Sechstes Buch. quickete/ zu ihm sagend: Wie nun/ geliebter Vater/ wollet ihr durch euren Unfall die Froͤ- ligkeit unser gluͤklichen Wiederkunft betraurigen? Pribisla schlug die Augen auff/ sahe die Koͤnigin starre an/ daß er der uͤbrigen keine acht hatte/ und sagete: O ihr mein gnaͤdig- stes Fraͤulein/ was vor guͤtige Goͤtter haben eure Gn. wieder zu Lande gebracht? O des gluͤkseligen Tages/ welchen mich der Himmel noch hat wollen erleben lassen! Valiska ging zu ihm hin/ umbfing ihn freundlich/ und antwortete: Mein lieber Freund; ja mein GOtt hat mich gnaͤdig wieder hergefuͤhret; aber sehet ihr euren Koͤnig Ladisla/ uñ mein Gemahl Groß Fuͤrst Herkules (also wolte er wieder genennet seyn) nicht dorten sitzen? O du glük- seliger Tag! sagte er; stund auff/ und wolte seinen Koͤnig mit vielen Worten wilkommen; aber die Rede blieb ihm stehen/ daher fassete ihn Ladisla bey der Hand/ hieß ihn nidersitzen/ und sagte: Es waͤre ihm sehr lieb/ daß er solchen getraͤuen aufrichtigẽ Untertahnen gesund fuͤnde. Hernach fragete er/ wie es seiner Fr. Mutter ginge. Sie ist hoͤchlich betruͤbet/ gab er zur Antwort/ und beweinet den Tod ihrer lieben Kinder/ als haͤtte sie davonschon gewis- se Zeitung; wollen demnach eure Hocheit nicht seumen/ sie zu troͤsten. Libussa wahr hingan- gen/ ihre zwilling Soͤhnichen herzuhohlen/ und den Großvater damit zuerfreuen/ nahm sie beyde zugleich auff die Arme/ und sagete: Herzlieber Herr Vater/ daß ich gleichwol euer vaͤterliches Herz auch mit einem Beutpfeñige erfreuen moͤge/ schenke ich euch zween Soͤh- ne auff einmahl/ welche uns Gott vor ohngefehr eilff Wochen bescheret hat/ und haben wir den aͤltern Pribisla/ den juͤngern Leches genennet. Dem alten qual sein Vaterherz im Leibe auff/ daß er sich muste halten lassen/ daher ihm ein Stuel gesetzet ward/ worauff nach gebeh- tener verzeihung er sich niderließ/ die Kinderchen auff seine Schoß nam/ und also anfing: Ihr guͤtigen Goͤtter/ mus mir die algemeine Freude noch nicht gnug seyn/ daß ich auch ein absonderliches Gluͤk meines Hauses auff meiner Schoß halten sol? O so lasset uns diese Freude ja mit keiner bitterkeit verwermuten; wuͤnschete endlich/ daß er nur noch zehn Jahꝛ zuruͤk haͤtte/ und dieses Gluͤks neben andern laͤnger geniessen koͤnte. Sie beredeten sich aber hieselbst/ daß sie alle Wagen/ Reuter und Pferde in dieser Stad stehen lassen/ und in enger Geselschaft mit ihren Gemahlen und Kindern nach Prag fortruͤcken wolten/ ehe das Ge- schrey von ihrer Wiederkunft ausbraͤche; gaben sich auch in der Stad nicht kund/ sondern Pribisla muste wieder vorhin fahren/ und berichten/ daß sichs alles nach geschehener anzei- ge verhielte/ ward ihm auch Wenzesla/ umb mehrer beglaͤubigung zugegeben/ welcher mit dem Befehlichshaber wol bekant wahr. Also wurden sechs Gutschen mit Frauenzimmer und Kinderchen beladen/ und setzeten sich die fuͤnff Fuͤrsten mit fuͤnff Rittern zu Pferde/ da auch Pribisla mit ihrer Geselschaft auff Valisken Gutsche fortzohe. So bald sie vor Prag anlangeten/ und Pribisla nebest Wenzesla von der Schildwache gesehen wurden/ ließ man sie ungewegert in die Stad; aber vor dem Schlosse liessen sie sich angeben/ die Fuͤrsten Baldrich und Siegward waͤhren ankommen/ und wolten der Koͤnigin die Haͤn- de kuͤssen. Dieselbe nun saß in ihrem absonderlichen Zim̃er/ da ihꝛ solches angemeldet waꝛd/ und erwartete ihres Wenzesla alle Stunden. Ihr wahr aber sehr liebe/ daß die jungen Fuͤrsten ankahmen/ von denen sie lange keine Zeitung gehabt; ließ sie demnach durch einen aͤdelknaben zu sich hinauff bitten. Die unsern hatten sich sehr praͤchtig/ und auff einerley Art gekleidet; Herkules und Ladisla setzeten sich mit ihren Gemahlen auff eine Gutsche zu- sammen/ Sechstes Buch. sammen/ und machten sie ringsumbher zu. In die andere musten sich Leches und Neda mit ihren Eheliebsten setzen/ und hatten zween Reichsstaͤbe/ und vier Koͤnigliche Kronen bey sich. In der dritten wahren die beyden Fuͤrstinnen/ mit Euphrosynen und Agathen/ welche die beydenjungen Herrichen bey sich hatten. Die drey Fuͤrsten/ und hinter ihnen Prinsla und Wenzesla ritten voran (Fabius wahr bey den Voͤlkern blieben) biß sie in den inner- sten Plaz des Schlosses kahmen/ da sie den abgeschikten aͤdelknaben schon hatten vorhin gehen lassen/ mit bericht/ sie braͤchten sehr gute Zeitung mit sich von dem verlohrnen Fraͤu- lein und ihrem Herr Bruder; welches sie ihr zu dem Ende sagen liessen/ damit durch gar zu schnelle unversehene Freude ihr nicht etwas wiedriges zustossen moͤchte. Die Besatzung des Schlosses hatte sich mit ihrem Gewehr an beyden Seiten des Platzes gestellet/ unter denen Valiska viel bekante Angesichter/ auch den Befehlichhaber selbst kennete/ und nicht wol wuste/ wie sie unerkennet auffs Gemach kommen solte; endlich rieff sie dem Hauptman und sagete: Schweiget/ wann ihr uns kennet/ uñ gebietet euren Knechten bey lebens straf- fe/ daß sie ein gleiches tuhn. Stiegen darauff ingesamt abe/ so daß die Koͤniginnen neben einander voran/ Libussa aber und Brela mit den beyden Kronen ihnen zur Seite gingen; hinter ihnen her Ladisla und Herkules/ und mit beydẽ Kronen neben ihnen/ Leches und Ne- da. Naͤhest den Koͤnigen/ Fürstin Lukrezie/ die von Arbianes/ und Fuͤrstin Sibylla/ die von dem alten Pribisla geleitet ward. Baldrich und Siegward gingen gar voraus/ biß vor der Koͤnigin Gemach/ traten auff erfoderung hinein/ und wurden Muͤtterlich empfangen. Die Koͤnigin wunderte sich/ daß Baldrich so groß und maͤnlich worden wahr/ dann sie hatte ihn in mehr als vier Jahren nicht gesehen/ kunte auch ihr muͤtterliches Herz nicht lange bergen/ und fragete alsbald/ was vor Zeitung sie von ihren lieben Kindern braͤchten/ und ob sie von Padua kaͤhmen. Gleich auff dieses Wort oͤfnete Valiska die Tuͤhr/ und trat mit einem laͤchelnden Angesicht hinein/ wodurch sie ehmahls ihr Mutterherz offt gewon- nen und ergetzet hatte. Weil dann die alte Koͤnigin gegen der Tůhr uͤbersaß/ ward sie ihrer allerliebsten Tochter alsbald gewahr; woruͤber sie laut ruffẽ ward: O mein Herzen Kind! Hiemit blieb ihr die Rede stehen/ und ließ die Haͤnde in ihre Schos sinken/ dann die unver- sehene Freude belief ihr Herz dermassen/ daß wenig fehlete/ sie waͤhre in der Ohmacht ver- schieden; welches Valiska ersehend/ schleunig hinzu lief/ ruͤttelte und schuͤttelte sie mit So- phien Huͤlffe/ daß sie endlich die Augen auffschlug/ und ihr liebes Kind fest an ihre Brust druͤckete/ aber doch vor Freuden kein Wort sprechen kunte. Valiska kuͤssete sie ohn un- terlaß/ und sagete: Herzallerliebste Fr. Mutter; darff eure ungehorsame Tochter sich auch wieder vor euren Augen finden lassen/ die durch ihr Lustfahren euch so mannich tausend Herzleid gemacht hat? Ach mein Herzen Schaz/ antwortete sie/ habe ich dich dañ warhafftig in meinen Armen/ oder ist es nur eine blosse Einbildung? Allerliebste Fr. Mut- ter/ sagte sie; ja mein gnaͤdiger Gott hat mich wieder hergefuͤhret; und sehet da meine herz- liebe Fr. Schwester/ Koͤnigin Sophia/ eure auch ergebene Tochter. Die Mutter erhoh- lete sich hierauff/ kunte aber ihre Valisken so schleunig nicht verlassen/ sondern hing fest als eine Klette an ihr/ biß sie aller dinge sich besan/ da sie ihre Schnuhr auch mit küssen und um- fahen wilkommen hieß/ kehrete sich hernach wieder zu Valisken/ und sagete: Ich hoffe ja/ daß dein Bruder/ und mein Sohn Herkules sich auch werden wieder gestellet haben. Ja/ Fr. Mut- Sechstes Buch. Fr. Mutter/ antwortete sie; sie werden beyde bald bey euch seyn. Gleich damit traten sie zur Tuͤhr hinein/ und begegnete ihnen die Koͤnigin mit offenen Armen/ umfing sie zugleich/ und kuͤssete einen umb den andern/ unter welcher Zeit Libussa und Brela die jungen Herri- chen hohleten/ da Sophia den ihren seiner Großmutter darboht/ welchen sie alsbald zu sich nam/ und ihn herzete und kuͤssete. Valiska hielt sich mit ihrem Herkuliskus hinter den andern verborgen/ biß sie diesen Herkuladisla wieder von sich gab/ trat hernach unvermut- lich/ zu ihr/ und sagete: Sehet da Fr. Mutter/ ich wil euch auch meinen und meines Her- kules Soͤhnlein schenken/ meinen allerliebsten Herkuliskus/ damit ich nicht mit geringerem Beutpfennige komme/ als meine Fr. Schwester Koͤnigin Sophia. Die Mutter bewaͤge- te sich hieruͤber noch zum aller meisten/ daß man ihr einen Stuel setzen muste/ geberdete sich auch mit dem schoͤnen Kindichen über alle masse freundlich/ und sagte zu ihm: Ach du mein trauten Schaz/ bistu schon dar/ du schoͤnste Frucht der ehelichen Liebe/ welche ich so offt ge- wuͤnschet habe? welches das Kindlein mit einem lieblichen Lachen anhoͤrete. Hernach sa- gete sie zu ihnen ingesamt: Ihr allerliebsten Herzen/ wie komt ihr mir doch so gar ungemel- det/ daß kein einiger Mensch euer Ankunfft Wissenschafft hat? O des gluͤklichen Tages/ den wir jaͤhrlich feiren sollen! Valiska hatte Brelen schon hinaus geschikt/ die beiden Fuͤr- stinnen zuhohlen/ welche/ da sie zur Tuͤhr hinein traten/ sagte Ladisla: Gn. Fr. Mutter/ ihr habt eure Kinder noch nicht alle gewilkommet; sehet da Fuͤrst Baldrichs und Siegwards Gemahlen/ meines Ehe Schatzes naͤheste Blutverwanten/ welche mit uns kommen sind/ euch kindlich zugruͤssen. Ey so haben meine geliebte Herren Soͤhne sich auch verheirahtet? sagte sie; trat ihnen entgegen/ und mit einem freundlichen Kusse hieß sie dieselben sehr wil- kommen seyn; wie auch zulezt Fuͤrst Arbianes wol empfangen ward. Der Koͤnigin Hof- meisterin sahe diesem allen mit Verwunderung zu/ lief endlich nach dem Frauenzimmer/ und taht ihnen zuwissen/ das verlohrne Fraͤulein mit ihrem Herr Bruder und Gemahl waͤhren wieder zu Hause angelanget/ und schon bey der Koͤnigin auf ihrem Gemache; wo- durch eine neue Freude entstund/ da sie ingesamt hinlieffen/ ihr umb den Leib/ Arm uñ Bei- ne fielen/ daß sie sich nicht ruͤhren kunte/ und ihnen solche freude doch nicht wehren wolte. Es ist nicht zubeschreiben/ wie viel Freuden Traͤhnen uͤber ihr vergossen wurden/ inson- derheit wuste die liebe Mutter nicht/ wessen sie sich geberden folte/ dann die Freude wahr zu groß/ welche sich nicht halten ließ/ und doch auff einmahl nicht loßbrechen kunte. Doch erzeigete sie sich uͤber niemand anmuhtiger/ als wann sie ihre Tochter und den kleinen Her- kuliskus im Arme hatte. Ladisla sendete Leches hinunter auff den Plaz/ der Besatzung an- zudeuten/ sie solten sich uͤber ihres Koͤniges und seiner Fr. Schwester gluͤklicher Wieder- kunfft freuen/ daher sie ein solches Freuden Geschrey (Koͤnig Ladisla lebe/ Fuͤrstin Valiska lebe) anfingen/ daß es durch die ganze Stad erscholle/ und alle Inwohner herzu lieffen/ um zuvernehmen/ was solches frohlocken bedeuten moͤchte; darum ward Leches zu ihnen hin- aus geschickt/ der ihnen anmeldete/ ihr Koͤnig mit seinem Gemahl und Frau Schwester waͤhren auff dem Schlosse gluͤklich angelanget. Da haͤtte man nur ein Gejauchze und gluͤk wünschen durcheinander hoͤren sollen; dann die Gassen wurden je laͤnger je mehr mit Menschen angefuͤllet; Die vornehmstẽ Frauen und Jungfern der Stad lieffen in ihren haͤußlichen Kleidern durch das gemeine Volk hin und her/ und wahr alles ihr wuͤnschen und Sechstes Buch. und bitten/ ihr Koͤnig und seine Fr. Schwester moͤchten ihnen doch ihr Angesicht sehen lassen; welche ihnen solches nicht versagen wolten; massen Ladisla mit seinem Gemahl/ samt seiner Fr. Schwester und Herkules/ stelleten sich auff die Zinnen der Schloßmaur/ daß sie von allen kunten gesehen werden/ da Herkules/ nach dem er mit winken ihnen ein Zeichen/ daß er wolte gehoͤret seyn/ gegeben hatte/ also anfing: Ihr loͤblichen Einwohner dieser Stad und des ganzen Koͤnigreichs; billich habt ihr Gott hoch zudanken/ daß der- selbe euren Koͤnig nach ausgestandener Gefahr und erworbenen grossen Ehren uñ Reich- tuhm euch zum besten/ frisch und gesund wieder her geführet hat. Ich wil eure vorigen Koͤ- nige zwar nicht verachten/ aber an diesen gegenwaͤrtigen reicht ihrer keineꝛ mit seinen Tah- ten; dann dieser euer Koͤnig ist in den weit abgelegenen Asiatischen Koͤnigreichen und Her- schafften dermassen beruͤhmt/ daß auch die kleinen Kinderlein/ ihn vor einen Schuz-Gott/ und die Feinde vor ihren Verderber besingen. Die Zeichen seineꝛ Koͤniglichen Ehre wer- det ihr morgen sehen/ nachdem er mehr Gold und Kleinot mit sich gebracht/ als das gan- ze Koͤnigreich nicht den zehnden Teil auffzubringen vermoͤgens ist/ wann sie gleich alles zusammen rassen. Eures Koͤniges wirdige Gemahl sehet ihr zu seiner Seiten stehen/ wel- che ihm schon einen Erben/ und da er leben sol/ einen Nachfolger im Reich/ an diese Welt gebohren hat. Euer angebohrnes Koͤnigliche Fraͤulein hier an meiner Hand gegenwaͤrtig/ hat mir Gott zum Ehe Schatze bescheret/ und wird unvonnoͤhten seyn/ daß ich euch meinẽ Nahmen/ Herkules gebohrner Groß Fuͤrst aus Teutschland/ nenne. So seyd nun froͤlich uͤber eurem Koͤnige und dessen gluͤklicher Wiederkunfft/ und versehet euch zu demselben aller Gnade/ Schutzes und Liebe/ worzu seine Koͤnigl. Hocheit sich gnaͤdigst anerbeut. Hierauff erhub sich ein neues frolocken von Jungen und Alten/ daß es auff den naͤhesten Doͤrffern und Flecken gehoͤret ward; Jederman ließ seine Handtihrung liegen/ schlach- teten ihren Goͤttern Opfer (welches man ihnen nicht wehren durffte) und richteten unter einander Freudenmahle an. Koͤnig Ladisla sendete noch desselben Tages reitende Bohten durch sein ganzes Koͤnigreich/ die saͤmtlichen Land Staͤnde zuversamlen/ damit bald im Anfange alle Irrungen und Streitigkeiten zwischen der Ritterschafft und den Staͤdten auffgehoben und gaͤnzlich abgetahn/ gute Reichs Satzungen gestellet/ die Grenze Staͤdte besichtiget/ an Graben/ Wahl und Mauren gebessert/ und die Besatzungen gestaͤrket/ auch die junge Manschafft durch das ganze Reich mit Gewehr versehen/ und darinnen fleissig geuͤbet wuͤrde. Des folgenden Tages gegen Abend/ kahmen die beladene Wagen/ Kameh- le und Maul Esel/ samt den vielen Gutschen/ Hand Pferden und dem grossen Elefanten an/ neben welchem der Loͤue in seinem Kefich auff einem eigenen Wagẽ hergefuͤhret ward/ uͤber welches alles sich die Inwohner und die Koͤnigin selbst verwunderten/ und das unge- heure Tihr/ desgleichen nie zuvor daselbst gesehen wahr/ nicht gnug beschauen kunten. Als die Land Staͤnde sich eingestellet hatten/ hielt Koͤnig Ladisla drey Tage offenen Hof/ und wurden die vornehmste Herren sehr wol gehalten/ so daß in der Zeit 20 Fuder des mitge- brachten koͤstlichen Weins drauff gingen. Am dritten Tage muste die junge Ritterschafft ein Stechen halten/ da sich ausfuͤndig machete/ daß deren ein grosser Teil besser gelehret wahr/ die grossen Trinkgeschir auszusauffen/ als die ritterlichen Waffen zugebrauchen/ welches Ladisla ihren Eltern verweißlich vorhielt/ und die aͤdlen ganz ernstlich vermahne- o o o te/ sich Sechstes Buch. te/ sich eines nuͤchtern und maͤssigen Lebens zubefleissigen/ und in allerhand ritterlichen uͤ- bungen sich taͤglich zugebrauchen; ob sie nicht wuͤsten/ was vor einen grimmigen Feind sie an dem Pannonischen Volk haͤtten/ welche den Waffen Tag und Nacht oblaͤgen; wuͤr- den sie nun im Muͤssiggange die Zeit zubringen/ uñ die Streit Kunst hindan setzen/ wuͤrden sie ausser allem Zweifel in kurzer frist den Pannoniern zu Leibeigenen gedeien/ da sie dann nicht allein sich selbst/ sondern auch ihre Eltern verfluchen wuͤrden/ daß sie von ihnen nicht zur Ritterschafft waͤhren angehalten worden. Welche Vermahnung dann so grossen Nu- tzen schaffete/ daß sie ingesamt versprachen/ sich zubessern/ und dessen uͤber wenig Wochen einen Beweißtuhm vor ihrem Koͤnige abzulegen. Die junge Manschafft in Staͤdten und auff den Doͤrffern ward auch zum Gebrauch der Waffen angefuͤhret/ und musten alle Waffen Schmiede fleissig arbeiten/ daß deren ein guter Vorraht gemacht wuͤrde/ dero be- huef ihnen Ladisla zwo Tonnen Goldes austeilen/ und eine gewisse Anzahl einsetzen ließ/ wie viel Schwerter/ Spiesse/ und andere Waffen sie inwendig zehn Wochen einschaffen sol- ten; endlich ward der Schluß gemacht/ daß Ladisla und sein Gemahl des fünfften Tages hernach oͤffentlich solten gekroͤnet werden/ worzu fleissige Zubereitung gemachet ward. Des naͤhst folgenden/ als des vierten Tages vor der angesetzeten Kroͤnung/ brachtẽ die Jaͤger Knechte ein abscheuliches Wunder Tihr mit sich aus dem Walde/ welches einẽ Leib hatte wie ein Baͤhre/ zween Koͤpfe neben einander/ der rechte wahr ein gezaͤumter Pferde Kopf mit zween spitzigen Hoͤrnern/ fast einer halben Ellen lang; der linke ein gros- ser Wolffes Kopf mit einer langen außhangen den Zungen; der Leib wahr zottich rauch und Feurroht/ und lieff auff zween Menschen Fuͤssen (welche die foͤrdersten) uñ auff zween Ochsen Fuͤssen (welche die hintersten wahren) sehr geschwinde/ daß die Jaͤger einen ganzen Tag zu tuhn gehabt hatten/ ehe sie es ermuͤden und fahen koͤnnen. Unsere Fuͤrstliche Gesel- schafft muhtmassete daher wenig gutes/ und bahten Gott/ daß nach seiner Barmherzig- keit er alles Ungluͤk von ihnen und ihren Herschafften gnaͤdig abwenden wolte. Farabert der Fraͤnkische Ritter eilete auff der Reise nach seinem Koͤnige/ gewaltig fort/ welchem Herkules uͤm mehrer sicherheit willen 20 Roͤmische Reuter zur Begleitung zugegeben hatte. So bald er bey seinem Koͤnige anlangete/ trug er anfangs kuͤrzlich vor/ wie ganz gnaͤdig er beides von der Groß Fuͤrstin Valiska/ und dem unvergleichlichen Gros Fuͤrsten Herkules selbst/ gehalten waͤhre/ meldete deren anbefohlnen mündlichen Gruß sowol der Koͤnigin als dem Koͤnige selbst an/ und uͤberlieferte ihr die beiden belade- nen Maul Esel/ als einen Beutpfennig/ von Gros Fuͤrstin Valisken auß kindlicher Liebe uͤbergemacht/ nebest demuͤhtiger Bitte/ solchen gnaͤdig von ihr anzunehmen; welches al- les die Koͤnigin nicht wenig befremdete/ insonderheit da sie die uͤbergeschikten koͤstlichen Sachen in des Koͤniges Anwesenheit hervor nam/ als 12 guͤldene Ringe von allerhand kostbahren Steinen; 12 Kleinot zum gnugsahmen Koͤniglichen Schmuk; eine Demant- Kette/ ein par Armbaͤnder von Demant; 12 Schuͤsseln/ 24 Teller; 4 Leuchter; 4 Scha- len von reinem Silber und stark uͤberguͤldet; ein grosses Trinkgeschier/ in Gestalt eines Schiffes; 12 Becher in einander gestekt; 4 Salzfaͤsser; und 4 Gieskannen; und zwar die- se viererley von reinem Golde gegossen; endlich allerhand teurbahre Tuͤcher von Guͤlden und Silbern Stuͤk; welches alles die Koͤnigin mit Verwunderung ansahe/ und von Fa- rabert Sechstes Buch. rabert zuwissen begehrete/ ob sie glaͤuben duͤrffte/ daß ihr solches von der jungen Teutschen Gros Fuͤrstin auß einem rechten Freundesherzẽ geschicket wuͤrde. Worauff er antwortete/ daß bey seinen ritterlichen ehren er nicht anders glaͤuben koͤnte/ angesehen der hohen Be- teurungen/ welche er auß ihrem und ihres Gemahls munde gehoͤret haͤtte/ zeigete danebẽ an/ was grosse Geschenke er vor sich selbst haͤtte annehmen muͤssen. Der Koͤnig fing dar- auff an; das muͤssen redliche und sehr ehrliebende Herzen seyn/ welche sich dergestalt gegen unserzeigen. Er sahe den Brieff an/ und das beigefuͤgte Schaͤchtelchen/ welches von Klei- noten zimlich schwehr wahr/ und als ihm das praͤchtig geschmuͤkte Pferd und der belade- ne Maul Esel darzu gezeiget ward/ sagte er; ihr Goͤtter/ helfft meinem Sohn zur voͤlligen Gesundheit/ wie ich dessen auß dem guten Anfange eine starke Hoffnung habe/ und gebet mir Gelegenheit/ mich diesen trefflichen wunder Leuten dankbar zuerzeigen. Er haͤtte sei- nem Sohn den Brieff gerne ungebrochen eingehaͤndiget/ fuͤrchtete sich aber/ es moͤchte ein oder anders darinnen begriffen seyn/ welches zu seiner Besserung mehr schaͤdlich als befode r lich waͤhre; ließ den Arzt zu sich fodern/ und fragete nach seines Sohnes Zustande/ nebest Anmeldung/ daß ein Schreiben von der jungen Gros Fuͤrstin ankommen waͤhre; Der Arzt gab zur antwort/ es liesse sich je laͤnger jemehr zur besserung an/ und waͤhre nicht allein die wahnsinnige raserey hinweg/ sondern er finge schon an sich fein zubegreiffen/ und verstaͤndig zureden/ wie wol mit wenig Worten. Der Koͤnig fragete weiter/ ob er vor raht- sam hielte/ ihm das Schreiben zuzustellen/ und was ihm vor Geschenke dabey uͤbermacht waͤhren. Er bedachte sich darauff ein wenig/ und gab sein bedenken/ dafern das Schreiben ñichts Herzenruͤhriges in sich begreiffen wuͤrde/ koͤnte es wol geschehen/ daher es wuͤrde noͤhtig seyn/ es zubrechen und durchzusehen; welches der Koͤnig alsbald leistete/ und die- sen Inhalt fand: Durchleuchtigster Koͤniglicher Groß Fuͤrst/ freundlicher in Ehren geliebter Herr Oheim; Wie mannicher Gefahr ich gleich eine zeitlang unterworffen gewesen bin/ habe ich dannoch nicht um- hin gekunt an Ihre Liebe zugedenken/ in betrachtung der hohen Zuneigung/ welche dieselbe durch An- werbung umb mich zu einem Gemahl/ Sonnenklar hat sehen lassen; da ich dann mich schuldig ge- wust/ Eurer Liebe begehren in Ehren zuerfuͤllen/ dafern nicht eine lautere Unmoͤgligkeit mich daran verhindert haͤtte. Weil aber ein jeder Tugendliebender Mensch gehalten ist/ redliche und auffrichtige Freundschafft nach allem Vermoͤgen zuvergelten/ so versichere Eure Liebe ich hiemit und kraft dieses/ bestaͤndigst/ daß ich zeit meines Lebens seyn und bleiben werde/ des treflichen Koͤniglichen Groß Fuͤr- sten Markomir in ehren ergebene getraͤue Schwester/ bin auch willig und erboͤtig/ mit dessen Liebe al- le meine Gluͤkseligkeit gemein zuhaben/ nichts uͤberal ausgenommen/ nach dem ich versichert weiß/ dz dieselbe/ ihrem Tugendergebenen Herzen nach/ nichts als ehrenzulaͤssige Freundschafft an mich und meines gleichen gesinnen kan. Es hat mich zwar eine fliegende Zeitung von Euer Liebe Unpaͤßligkeit und Gemuͤhts Traurigkeit nicht wenig erschrecket/ hoffe aber zu dem Almaͤchtigen wahren GOtt/ es werde mein teurer Fuͤrst alle unnuͤtze Bekuͤmmerniß aus seiner Seele verjagen/ worzu ich dessen Liebe schwesterlich wil ermahnet haben/ auch deren Gewogenheit daher erkennen/ wann sie mir hierinnen bruͤderliche Folge leisten wird. Beigefuͤgtes Persische Pferd/ und andere geringfuͤgige Sachen/ wolle mein Herr Bruder von seiner in Ehren ergebenen Schwester Valisken anzunehmen unbeschweret seyn/ und beygefuͤgte 2000 Kronen seinem Arzt in meinem Nahmen einreichen/ zur Bezeugung/ daß denselben ich bey seinem Gewissen erinnere/ allen moͤglichen Fleiß zu Eurer Liebe Gesundheit anzu- wenden/ und auff kuͤnfftige gute Zeitung Ihrer Liebe voͤlligen Besserung/ ein gedoppeltes von mir ge- o o o ij waͤrtig Sechstes Buch. waͤrtig zuseyn. Ich bin und werde seyn (naͤhst Begruͤssung Eurer Liebe Eltern/ als meines Gn. Herrn Vaters und Fr. Mutter) meines hoͤchstgeliebeten Herrn Bruders/ des teuren Fuͤrsten Markomir eh- renbereitwilligste Schwester Valiska. Dem Koͤnige uͤberlieffen die Augen von Freuden Traͤhnen/ und der Arzt freuete sich nicht wenig des uͤbergeschikten Geschenkes/ rieht/ daß dem jungen Fuͤrsten das Schrei- ben alsbald gelieffert wuͤrde/ welches sie/ weil das Pitschafft unverletzet wahr/ fein und unvermerket zumachten: nahmen die Wetscher und Kleinot Schachtel mit sich/ und gin- gen zu dem jungen Fuͤrsten in sein Gemach/ welcher auff seinem Lager lag/ und allerhand Gedanken in seinem Gehirn herumb schweben ließ/ da der Vater ihn also anredete: Ge- liebter Sohn/ wir werden dir Zeitung bringen von grosser Wichtigkeit/ und erinnern dich beiderseits/ daß du solches ohn sonderliche Gemuͤhts Bewaͤgung annehmest. Gn. Herr Vater/ antwortete er; was kan einem solchen elenden Menschen/ als ich bin/ vorgebracht werden/ daß ihn sonderlich bewaͤgen solte? Er wolte weiter reden/ aber der Vater fiel ihm ins Wort/ und sagte: Was nennestu dich einen elenden? ist dir ein Ungemach zugestossẽ/ das schlage auß dem Sinne/ und danke den gütigen Goͤttern/ daß sie deiner Gesundheit dich wieder vergewissern wollen. Damit wir dich abeꝛ nit zulange auffhalten/ so wisse/ daß deine allerbeste und angenehmste Freundin und Schwester dir diesen Brieff sendet/ und andere Sachen mehr; hoffen/ du werdest es gerne annehmen/ und dich bruͤderlich gegen dieselbe erklaͤren. Markomir/ als auß einem tieffen Schlaffe erwachete/ fragete den Vater/ was vor eine Freundin er dann haͤtte? je mein Sohn/ antwortete er/ eben dieselbe/ uͤmb deret Willen du dich diese ganze Zeit her gehermet hast. Ach mein Herr Vater/ sagte er/ ist dieselbe meine Schwester und Freundin? ja ist dieselbe annoch im Leben? freilich ist sie noch im leben/ antwortete er; und ob sie deine Freundin sey/ wird/ meinem vermuhten nach/ dieser Brieff dir sagen/ dafern du ihn nur lesen wirst. O mein Herr Vater/ ein Brief? sagte er/ ein Brieff von dem unvergleichlichen Fraͤulein an mich Unwirdigen? rede nicht so veraͤchtlich von dir selbst/ antwortete der Vater; du weist ja wer du bist; nim vielmehr dieses Schreiben und liese es sein bedachtsam durch. Er griff mit beiden Haͤnden darnach/ besahe das Pitschafft/ umb welches der Nahme Valiska gegraben wahr/ kuͤssete den Brieff/ laß ihn langsam durch mit Traͤhnen fliessenden Augen/ und als er ihn gar zu Ende gebracht hatte/ sagte er mit einem Seuffzer: Ihr Goͤtter/ O ihr guͤtigen Goͤtter; euch danke ich von Herzen/ daß ihr dieser allerwirdigsten Fraͤulein Gnade und Gewogenheit mir erworben und zugewendet habet/ und mich wirdig gemacht/ einen Gruß und Befehl von ihr zuerhalten. O ihr mein lieber Arzt/ wendet allen Fleiß an zu meiner Gesundheit/ damit ich dieselbe bald sehen moͤge/ welche nach diesem als meine allerwirdigste Frl. Schwester ich ehren wil/ weil ich deren ehelicher Liebe mich ganz unwirdig weiß. Der Va- ter und der Arzt hoͤreten diese Worte mit sonderlicher Herzens Freude an/ und oͤffnete der junge Fürst darauff die Schachtel/ auß welcher er sechs koͤstliche Ringe/ so viel maͤnliche Kleinot/ und eine Demant Kette hervor nam/ aber das unterste/ welches in einem seidenẽ Tüchlein eingewickelt wahr/ erfreuete ihn noch am meisten/ nehmlich ein Armband auß ihren Haaren/ mit den koͤstlichsten Perlen durchwickelt/ wobey dieses kleine Brieflein lag: Meinem Sechstes Buch. Meinem hochwerten Herrn Bruder/ Groß Fuͤrst Markomir/ zur Bezeugung und Festhaltung Schwesterlicher Traͤue und Liebe. Viel zuviel/ allerwerteste Fuͤrstin/ sagte er nach Verlesung; an dessen Vergeltung ich auch durch auffopferung meines Blutes nicht reichen kan; band es geschwinde umb seinen rechten Arm/ und sagte: dieses wuͤrde mich vom Tode zum Leben aufferwecken/ wa- rumb dann nicht viel leichter von der Gehirns Verwirrung zur voͤlligen Vernunfft? die Wetscher ließ er auch auffschliessen/ auß welchem allerhand koͤstliche Guͤlden und Silbern Stuͤk zu seiner Kleidung genommen wurden/ insonderheit ein grosser schneeweisser Feder- busch/ welchen er auff seinen Huht zustecken befahl. Und weil die genennete 2000 Kronen sich auch funden/ reichete er sie dem Arzt/ und sagete; erinnert euch eurer Schuld/ und ver- sichert euch von mir aller Gnade. Endlich legte er seinen Schlaffrok an/ und ließ sich auff den Gang leiten/ das uͤbergeschikte Pferd zusehen/ welches ihm sehr wol gefiel/ und wuͤn- schete/ daß ers bald beschreiten moͤchte. Der Arzt verwunderte sich seiner Freidigkeit und vernunfftigen Rede/ dergleichen er von ihm noch nicht gehoͤret hatte/ bedankete sich unter- taͤhnigst wegen des grossen Geschenkes/ und ermahnete den Fuͤrsten/ er moͤchte nur bey solcher angenommenen Weise bestaͤndig bleiben/ aller schwermuͤtigen Traurigkeit Ur- laub geben/ und seine Arzney fleissig gebrauchen/ als dann solte er mit der Goͤtter Huͤlffe inwendig vier oder funf Wochen seine voͤllige Gesundheit und Kraͤffte wieder erlangen. Worauff er antwortete: Mein Freund/ alle Ursach meiner Bekuͤmmernis ist verschwun- den/ warumb solte ich dann meine Seele noch weiters peinigen? der Himmel goͤnne mir nur das Gluͤk/ daß ich dieser Fuͤrstin Angesicht sehen moͤge/ deren schwesterliche Hulde mir ungleich lieber ist als aller Welt Schaͤtze. Seine Fr. Mutter kam auch darzu und weine- te vor Freuden uͤber ihres Sohns gutem Zustande/ welcher dann von Tage zu Tage an Verstand und Kraͤfften zunam/ biß er inwendig versprochener Zeit zu voͤlliger Gesund- heit gelangete. Unsere Fuͤrstliche Geselschafft zu Prag lebete inzwischen in aller zulaͤssigen Ergetz- ligkeit/ und erwarteten des angesetzten Tages der Koͤniglichen Kroͤnung/ wobey Valiska einen sonderlichen Auffzug zumachen/ in voller Zubereitung wahr/ und nicht desto we- niger mit ihrem Herkules taͤglich uͤberlegte/ auff was Mittel und weise er bey seinem Herr Vater voͤllig moͤchte koͤnnen außgesoͤhnet werden. Ende des Sechsten Buchs. o o o iij Des Des Christlichen Teutschen Herkules Siebendes Buch. D Aß dieser Welt Freude und Wollust kurz und unbestaͤndig sey/ und immerzu mit Leid und Unfal versalzẽ werde/ solches muste auch unseꝛe froͤliche Geselschaft zu Prag vor dißmahl erfahren/ welche an nichts widriges gedachten/ sondern allenthalben Anordnung macheten/ was zur praͤchtigen Kroͤnung des neuen Koͤ- niges und der jungen Koͤnigin dienen koͤnte. Drey Tage vor solchem bestimmeten Land- Feste/ meldete sich ein Teutscher Reuter vor dem Koͤniglichen Schlosse an/ er kaͤhme aus Teutschland von dem Groß Fuͤrsten/ und begehrete von der Koͤnigin Verhoͤr/ welches kei- nen Auffschub leiden wolte. Es ward solches der Fuͤrstlichen Geselschafft angedeutet/ wel- che daher schon schlechte Hoffnung zur guten Zeitung fasseten/ insonderheit da sie bald darauff Herkules ehmaligen aͤdlen Diener/ den getraͤuen Ekhard (der diese zwey Jahr her sich wieder bey dem Groß Fürsten in Dienste begeben hatte) sahen zur Tuͤhr hinein tre- ten/ und von seinem ehmaligen Herrn der ihn alsbald keñete/ also angeredet ward: Mein guter Ekhard/ lebestu noch? was verursachet deine schnelle einsame Ankunfft? gehets auch daheim noch wol zu? und was gutes neues bringestu uns von meinen lieben Eltern? Die- ser entsetzete sich uͤber der unvermuhtlichen gegenwart dieser Hoch Fuͤrstlichẽ Geselschaft/ ließ einen tieffen Seufzer gehen/ und gab zur Antwort: Ihr Durchleuchtigste Fuͤrsten/ ich freue mich von herzen ihres guten Wolergehens/ und tuht mir sehr leid/ daß ihre Froͤ- ligkeit ich stoͤren/ und der unselige Bohte seyn muß/ Eure Durchll. klagend zuberichten/ was gestalt der meinaͤidige Wendische Raͤuber Fuͤrst Krito und sein Sohn Gotschalk/ meinen gnaͤdigsten Groß Fuͤrsten/ samt dessen Gemahl und Fraͤulein Tochter/ verraͤhte- rischer weise/ und unter dem schein einer freundschafft/ mit einem Heer überfallen/ sie ge- fangen mit sich nach Frießland gefuͤhret/ und seine Diener/ wenig ausgenommen/ erschla- gen haben. Die ganze Geselschafft erschraken zum hefftigsten wegen dieser Zeitung/ inson- derheit Fuͤrst Arbianes/ welcher fuͤrchtete/ daß nun alle Hoffnung der so hochgewünschetẽ Heyraht in Brunnen fallen wuͤrde. Herkules und Ladisla stun den alsbald auf/ denen Va- liska/ Baldrich und Siegward folgeten/ und nach kurzer Beredung entschlosse sie sich/ ihrer Eltern und Verwanten Rettung ungeseumet vorzunehmen/ da ihnen dann sehr wol zustatten kam/ daß nicht allein die Voͤlker aus den Besatzungen in die 8000 stark/ sondern ein guter Teil der Ritterschafft/ 12000 zu Pferde sich zu Prag eingestellet hatten/ worzu noch desselben Tages alle naͤhstanwohnende junge Manschafft mit ihrem besten Gewehr auffgemahnet ward/ deren sich 14000 gegen folgenden Morgen einstelleten/ und ward die Nacht uͤber alles zum schleunigen Aufbruch fertig gemacht/ die Wagen mit Speisen beladen/ und dem Fußvolk alle mitgebrachte Pferde zum reiten ausgeteilet/ so daß sie schon ein ansehnliches Heer beyeinander hatten/ da Arbianes alle Parther und andere Mor- genlaͤndische Voͤlker zu sich foderte/ und ihnẽ zuverstehen gab/ was man vor einen Zug vor- haͤtte/ bey welchem Ehre zuerwerben stuͤnde/ hoffete/ sie wuͤrde sich als redliche Leute haltẽ/ und Siebendes Buch. und ihrer getahnen Zusage eingedenke seyn/ auff welchen Fall er sie zu sich nehmen/ und als seine Leibvoͤlker fuͤhren und gebrauchen wolte. Diese erfreueten sich dessen hoch/ erbohten sich Leib und Leben bey ihm auffzusetzen/ und nicht minder bemuͤhet zu seyn/ in diesen Laͤn- dern einen Nahmen zuerstreiten/ gleich wie in ihrem Vaterlande die Teutschen und Boͤh- men getahn haͤtten. Das saͤmtliche Frauenzimmer wahr überaus betruͤbet/ da sie sahen/ daß Gefahr und Blutvergiessen von neuen wieder angehen solte/ und ließ die alte Koͤnigin ihre heisse Traͤhnen fliessen/ daß sie ihre liebstẽ Soͤhne so bald wieder von sich lassen muste/ und sie doch keines weges von der Reise abhalten kunte; nur suchte sie bey ihnen instaͤndig an/ sich weder vor noch nach geschehener Erloͤsung zu seumen/ alsdañ wolte sie mit ihren Ehegemahlen und Kinderchen ihrer froͤlichen Wiederkunft geduldig erwarten; welches Valiska also beantwortete: Herzen Fr. Mutter/ ich wil euch zwar mein allerliebstes Soͤhn- lein Herkuliskus hie lassen/ aber von meinem Herkules scheide ich lebendig nimmermehr/ zweiffele auch nicht/ euer muͤtterliches Herz werde mir diese Reise gerne zulassen. Fr. So- phia sagte desgleichen; sie haͤtte ihrem Heylande angelobet/ ihren Ladisla nicht mehr zuver- lassen; so wolten Frr. Lukrezie und Sibylla auch nicht dahinden bleiben sondern mit ihren Gemahlen gleiche Gefahr gerne ertragen; troͤsteten daher die alte Koͤnigin ingesamt/ sie moͤchte ein gut Herz haben/ ihre Reise ginge nicht über Meer/ noch in die Wildfremde/ son- dern sie blieben auff Teutschen Grund und Bodem. Ekhard ward zwo Stunden nach sei- ner Ankunft mit Leches und Prinsla wieder nach Teutschland fortgeschicket/ so viel guter Mañschaft/ als moͤglich/ im nahmen der Boͤmischen Koͤnigin uñ Fuͤrst Baldrichs zusam- men zutreiben/ und musten 20 Teutsche/ so mit aus Asien kommen wahren/ mit ihnen fort/ nachdem sie alle aͤidlich angelobethatten/ daß ihrer keiner von Herkules und Ladisla Wie- derkunft nicht daß aller geringste in Teutschland melden wolten. Niemand trieb den Auff- bruch schleuniger als Arbianes/ dann er befahrete/ das Fraͤulein wuͤrde durch Zwang sich dem Wendischen jungen Fuͤrsten muͤssen beylegen lassen; daß wo Valisken Trost nicht ge- wesen/ wuͤrde er vor Angst vergangen seyn. Er foderte nochmahls seine Landsleute vor sich/ ließ ihnen 30000 Kronen austeilen/ und daß ein jeder sich mit guten Waffen und Ge- wehr auffs beste versehen solte. Die Fürsten ingesamt haͤtten gerne gesehen/ dz ihr Frauen- zimmer dahinden geblieben waͤhre; weil aber alle abmahnung vergeblich wahr/ und die ü- brigen beteureten/ sie muͤsten und wolten durchaus bey ihrer allerliebsten Fr. Schwester Valisken bleiben/ musten sie ihnen diesen Zug ein willigen/ und sprach Valiska die alte Koͤ- nigin durch allerhand bewaͤgliche Ursachen zufriedẽ/ sie versichernd/ daß die reitende Boh- ten ihr woͤchentlich alles verlauffs bericht einbringen solten; Worauff sie als gezwungen einwilligte/ und daß sie inzwischen an ihren lieben Kinderchen/ den beyden jungen Herlein sich ergetzen wolte. Ja Fr. Mutter/ sagte Valiska/ sie sind freilich eure Kinder/ der fleischli- chen Geburt nach/ aber ich bitte euch von Herzen/ lasset mir ja die Teuffels Pfaffen und aberglaͤubigen Weiber keine daruͤber kommen; dann sie sind Christen Kinderchen/ und haben die heilige Tauffe schon empfangen/ in welcher sie von allen ihren Suͤnden abgewa- schen und gereiniget/ und von ihrem Gott vor himmels Erben angenommen sind. Die Mutter fragete/ ob dann solche kleine Kinder auch schon Suͤnde an sich haͤtten/ welche ja noch mit keinen Gedanken/ geschweige Worten oder Werken einiges Ubel begehen koͤnten. O ja Siebendes Buch. O ja Fr. Mutter sagte Valiska/ es ist kein einiger Mensch/ der nicht solte Suͤnde an sich haben; dann ob gleich die unmuͤndigen kleinen Kinder mit Gedanken/ Worten und Tah- ten noch nicht suͤndigen/ so haben sie doch die boͤse Art durch die fleischliche Geburt von ihrẽ Eltern geerbet/ da an stat des geistlichen ebenbildes Gottes/ worzu anfangs der Mensch er- schaffen ist/ eine durchgehende Verderbung alle unsere geistliche Seelen- und Leibeskraͤfte eingenommen hat/ so daß an stat der erkentnis Gottes eine klaͤgliche Blindheit; an stat der Liebe Gottes/ eine wiederstrebende Frecheit; an stat des willens zum guten/ eine starke Be- gierde zur boßheit uns angeerbet wird/ welcher verderbte Saame in dem kindlichen Alter in uns verborgen lieget/ und mit den Jahren je mehr und mehr hervorbricht. Aber dieses sind hohe und eurer Vernunft verborgene Sachen/ davon meine Fr. Mutter noch zur Zeit den Verstand nicht begreiffen kan/ und ich doch nicht zweiffeln wil/ daß wañ der barmher- zige Gott uns gluͤkliche Wiederkunft goͤnnen wird/ wir von diesen und andern zur Selig- keit gehoͤrigen Sachen ausfuͤhrlicher reden wollen. Die Fuͤrsten ingesamt/ nach dem sie ge- wapnet und ihre Voͤlker zum Auffbruch fertig wahren/ nahmen des anderen Tages nach empfangener boͤsen Zeitung von der alten Koͤnigin Abscheid auff ein kuͤrzes/ verliessen Fr. Agathen und Brelen bey den jungen Herlein/ und gingen mit dem Heer auf Teutschland zu/ da sie ritten/ und das Frauenzimmer auff dem Elefanten fort zohe/ welcher allenthalben in Staͤdten und auff dem Lande nit vor ein Tihr sondern vor einen Teuffel gehalten ward. Valiska nam auff den Fall der glüklichen Erloͤsung viel Kleinot und Kleider mit sich/ wel- ches Arbianes an seinem Orte auch nicht verseumete/ und ward zur bezahlung des Heers eine grosse Baarschaft auf Maul Eseln mit gefuͤhret. Auff deꝛ Reise hielten sie taͤglich zwey- mahl Behtstunde/ und sungen allerhand geistreiche Lieder/ welche Herkules mehrenteils selber gemacht hatte/ unter welchen dieses ihr taͤglicher Morgensegen wahr: 1 W As sol ich dir vor dank/ mein Jesus bringẽ/ Vor den Brun deiner Guͤtigkeit/ Den du mir laͤst ohn unterlaß neu springen/ Und mich in freier Sicherheit Beschirmest; O Herr deine Gunst Hat ja in mir die Finsternis gebrochen Und allen falschen Goͤtzendunst/ Wodurch ich bin von Suͤnden loßgesprochen. 2 Du hast mich Herr durch deiner Engel wache In dieser ungestuͤmen Nacht/ (Da seinen Grim der hocherzuͤrnte Drache Ohn zweiffel mir gar nahe bracht) Beschuͤtzet/ daß mir weder Fuß Noch Haͤupt von ihm veletzet ist/ deßwegen Empfind’ ich/ daß ich billich muß Dir O mein Heyl der Lippen Opffer legen. 3 Vergib mir Gott/ was ich gesuͤndigt habe/ Vergib umb deines Sohnes Blut/ Und goͤnne/ daß mich solches kraͤfftig labe In rechter Glaub- und liebes-Glut; Laß mich dir heut befohlen seyn/ Damit dein Schuz den Feinden mich entreisse/ Und schreib’ins Lebens-Buch mich ein/ Demnach ich ja nach deinem Nahmen heisse. 4 Angst und Gefahr/ versehrung meiner Glieder/ Unehr/ und was mir schaden kan/ Wend’ab von mir/ laß deinen Geist hernider/ Und zeug mir wahren Glauben an/ Daß nicht mein Fleisch in frecher Lust Die Boßheit dir zu wieder moͤge staͤrken/ Erfuͤlle mein Gemuͤht und Brust Mit froͤmmigkeit und allen guten Werken. 5 Dir geb’ich mein Gemahl/ mein eigen Leben/ Mein’Eltern/ Bruͤder/ Schwester/ Kind; Gib allen/ was du mir schon hast gegeben/ Daß keiner von uns geistlich-blind Verderbe; laß des lebens Geist In ihnen das Verstaͤndnis auch enttzuͤnden/ Daß ich nach Wunsch/ wie du Herr weist/ Sie alle moͤg’in deinem Reiche finden. 6 O Va- Siebendes Buch. 6 O Vater! O durch deines Sohnes Wunden/ Durch seine Geissel/ Angst und Noht/ Loͤß’ alle die vom Teuffel sind gebunden/ Zubrich den ewiglichen Tod; Erhalte deine Christenheit/ Wie klein sie ist/ daß nicht der Feind sie daͤmpfe/ Hilff daß in dieser Sterbligkeit Ich wieder Welt uñ Fleischeslust recht kaͤmpfe. 7 Biß du mir wirst des Lebenskron auffsetzen/ Und aller auserwaͤhlten Schaar; Dañ werd ich mich an deiner Gunst ergetzen/ Dann werd ich ruͤhmen immerdar. O uͤber- hochgewuͤnschtes Gut/ Wann sol ich doch der Guͤter recht geniessen; Die durch dein teur- vergoßnes Blut Hernider auff uns deine Kinder fliessen. Ihr Zug ging gewaltig schnelle fort/ so viel die Pferde es erleiden wolten/ und nahmen ihrẽ Weg von Prage Nordwest dem Elbestrohm nach/ biß sie/ da jezt Dreßden liegt/ ankah- men/ woselbst 5000 Teutsche Reuter zu ihnen stiessen. Zwischen da und Wittenberg (wel- ches der Zeit noch nicht erbauet wahr) wurden sie noch mit 4000 gestaͤrket. Von darab gingen sie den naͤhesten Weg nach Magdeburg/ wo die Groß Fuͤrstliche Hoffhaltung wahꝛ/ und funden daselbst 6000 wolgeruͤstete Reuter/ seumeten hier nicht lange/ und zogen den Streich/ da jezt Helmstaͤd/ Braunschweig/ Hildeßheim/ Poppenburg (woselbst sie uͤber die Leine setzeten) Hameln im Braunschweigischen/ und Oldendorff im Schaumburgi- schen gelegen ist/ gelangeten endlich an/ wo nachgehends die Stad Minden in Westfalen/ von dem grossen Karl und Fuͤrst Wedekind erbauet worden/ hielten daselbst an der Weser algemeine Heerschauung/ uñ befunden ihr ganzes Volk/ 58000 stark/ so hatte sich die Mañ- schaft auff dem Wege gemehret; und ob sich zwar mehr einstelleten/ wolten sie doch keine mehr zu sich nehmen/ weil sie nicht zweiffelten/ mit dieser Anzahl den Feinden gnug gewach- sen seyn. Herkules in angestrichener Farbe/ Siegward/ und Arbianes (welcher immer mit unter den foͤdersten seyn wolte/) nahmen 8000 wolberittene zu sich/ und hielten damit den Vorzug/ massen sie gnugsame Kundschaft hatten/ welches weges der Feind gangen wahr/ daher sie/ wo jezt Osnabruͤgk lieget/ eigentlich erfuhren/ daß sie mit kurzen Tagereisen in al- ler sicherheit fortgingen/ haͤtten vor vier Tagen der Ends 36 Stundenlang geruhet/ und vorgegeben/ sie laureten/ ob nicht ein Heer zusammen gelauffener Sachsischer Bauren ih- nen folgen/ und eine gute Last frischer Stoͤsse abhohlen wolten; ihr Heer waͤhre groß/ daß man sie auff 60000 stark schaͤtzete/ deren dritter Teil zu fusse/ und die uͤbrigen wol beritten waͤhren; haͤtten vorgehabt den Groß Fuͤrsten samt den seinen mit gewaltsamer Hand von seinem Festungs-Sitze hinweg zunehmen/ wann die List ihnen nicht waͤhre angangen; sie wuͤrden nunmehr schon auff jenseit der Emß seyn/ und sich der Isel nahen/ weil sie ihren Zug nach Gelderland richteten. Dieses alles taht Herkules seinem Ladisla zu wissen/ und daß sie mit dem Haͤuptheer ja nicht seumeten/ sondern dasselbe in grossen Schaaren nach einander forthauen lassen solten/ ob man den Feind noch im Felde disseit der Isel ertappen und die lieben seinigen loßwirken koͤnte. Er ging mit den seinen bey Rheen uͤber die Emß/ und bekam Zeitung/ daß des Feindes Nachtrab etwa drey Meilen von ihm waͤhre/ uñ laͤge ganz sicher/ ohn alle Furcht einiger feindlichen Nachfolge. Siegward setzte ihnen mit 1200 Pferden nach/ und zeigete sich dem Feinde von ferne/ welcher ihm 2000 entgegen schickete/ umb zuvernehmen was Volk sie waͤhren/ mit befehl/ da sie dem Groß Fuͤrsten angehoͤreten/ sie alsbald niderzuhauen/ und niemand lebendig zu lassen; aber sie wurden ohn einige Ant- wort auff ihre Frage dergestalt empfangen/ daß sie mehrenteils mit blutigen Koͤpffen um- p p p kehre- Siebendes Buch. kehreten/ nachdem 800 von ihnen auff dem Platze gestrekt lagen/ und 100 gefongen wah- ren/ erhaschten doch drey Teutschen/ welche sie mit sich fuͤhreten/ und auf bedrauliche nach- frage diese einhellige Antwort (dann also wahr es beschlossen) bekahmen; es haͤtte sich ein Sachsisches Heer auff 16000 zu Roß gesamlet/ ihren Groß Fuͤrsten zuretten/ meinetẽ nit/ daß die Wendischen Voͤlker uͤber 12000 stark waͤhren. Woruͤber ihr Fuͤrst Krito sehr muhtig ward/ legete sich unweit von Deventer an die Isel/ und machte anordnung/ die Sachsen umbher zubezihen/ und sie miteinander niderzuhanẽ. Herkules schickete Bohten uͤber Bohten an Ladisla/ mit den Voͤlkern zu eilen/ damit der Feind nicht uͤber den Strom ginge/ noch ihrer grossen Mannschaft inne wuͤrde; ließ hin und wieder Kundschaffer aus- reiten/ auff des Feindes Vornehmen acht zu haben/ welcher seine drey Gefangene/ nehm- lich den alten Groß Fuͤrsten Herrn Henrich sampt dessen Gemahl und Frl. Tochter in ei- nem Dorffe/ nahe am gemeldeten Iselflusse gelegen von 1000 Reutern und 1500 zu Fusse bewachen ließ; ging mit der ganzen Macht von allen Seiten loß/ und fuͤrchtete nichts so sehr/ als daß ihm der Feind/ die Handvol Sachsen Bauren/ wie er sagete/ ohn empfangene Schlaͤge/ entlauffen wuͤrde. Herkules erfuhr seinen Anzug gar fruͤh/ zog sich mit den seinen zurük/ und baht Gott instaͤndig/ daß er ihm Gluͤk zu seiner Eltern und Frl. Schwester Er- loͤsung verleihen wolte. Des Feindes Vortrab ging als blindlings fort/ den eingenom̃e- nen Schimpff zuraͤchen/ und da sie an die Wahlstat kahmen/ und die erschlagenen autraf- fen/ bissen sie vor Zorn die Zaͤhne im Kopffe zusammen/ unter hefftiger Bedraͤuung/ wie grausame Vergeltung darauff erfolgen solte/ und musten beides die erschlagene uñ fluͤch- tige sich von ihnen gnug laͤstern und ausschelten lassen/ daß sie Wendischer Tapfferkeit ei- nen solchen Schandflek angelegtj und sich von den unerfahrnen Bauren erschlagen und abtreiben lassen. Ein Obrister unter ihnen besahe die Todten/ betrachtete ihre Wunden/ und sagete: Er koͤnte nimmermehr glaͤuben/ dz uner fahrne baͤurische Haͤnde die Schwer- ter so geschiklich zufuͤhren/ und den leichtesten ort zur Toͤdtung an ihren Feinden zufinden wuͤsten/ es muͤsten ausser Zweifel erfahrne Kriegsleute seyn/ denen man behuhtsam begeg- nen solte/ damit man die Reue nicht zu spaͤht/ und nach empfangenem Schaden sehen lies- se. Aber die uͤbrigen verlacheten ihn/ daß sie auch mit hoͤhnischen Worten frageten/ ob er sich hefftiger vor der Bauren rostigen Schwertern als vor ihren Droͤscheflegeln fuͤrchte- te? welches er mit einem stilleschweigen beantwortete. Dieser Hauffe 6000 stark/ ging fast eine halbe Meile vor dem Heere her/ welches Herkules verkundschaffet ward/ und un- vermuhtlich mit seiner ganzen Macht 12000 stark (dann 4000 wahren schon zu ihm ge- stossen) auff sie anging/ daß inwendig einer halben Stunde 4000 erschlagen/ 800 gefan- gen/ und die übrigen mehrenteils verwundet/ ihr Leben durch die flucht erretteten/ da Sieg- ward auff des Feindes Fuͤhrer traf/ welchen er nach kurzem Gefechte gefangen nam/ und ihn Herkules uͤberlieferte/ der unter harter Bedraͤuung ihn fragete/ wie es dem gefangenẽ Groß Fuͤrsten und den seinen erginge. Dieser sahe ihn vor einen Roͤmischen Herrn an/ der etwa vom Rein Strome her dem Groß Fuͤrsten zu huͤlffe kommen waͤhre/ und bekante so viel wegen harter Verwundung ihm moͤglich wahr/ in sonderheit/ dz im gedachten Dorf- fe sie zimlich stark verwahret wuͤrden. Gleich dazumahl stiessen inwendig zwo Stunden/ drey Hauffen/ jeder 2000 stark zu Herkules/ und brachte der lezte die Zeitung/ das uͤbrige Heer Siebendes Buch. Heer folgete in unterschiedlichen grossen Abteilungen nach Moͤgligkeit/ waͤhren aber sehr abgeritten/ daß sie auch grossen teils bey ihren ermuͤdeten Pferden zu fusse hergingen/ und sie mit Brod erquicketen/ welches ihm ungenehm zuhoͤren wahr; muste sich daher wieder zuruͤk zihen/ und wurden der ankommenden Pferde ins Graß gejaget/ dessen daselbst gros- ser Vorraht wahr/ die Voͤlker aber ingesamt musten mit ihrem Gewehr sich zu fusse fertig halten/ und von vornen zu einen kleinen Wahl/ in gestalt eines halben Monden geschwinde auffwerffen/ hinter welchem sie vor Reuterey gesichert waren/ und bereit/ eines Fußheers Anlauff redlich zuempfahen. Aber es bedurffte dessen nicht/ weil der Abend herzu nahete/ und der Feind wegen empfangener harten Schlappe nicht ein geringes erschrak/ daß er sich zur Ruhe begab/ wiewol unter dem gewissen Vorsatze/ des folgenden Morgens sein Schart auszuwetzen; Und kam solches den unsern wol zustatten/ massen Herkules auf sei- ner Stelle diese Nacht ein bequehmes Lager abstechen/ und in etwas auffwerffen ließ/ vor das ganze ankommende Heer/ welches kurz nach Mitternacht sich einstellete/ Speise nam/ und drey Stunden ausrnhete. Unsere Helden aber hielten Kriegs Raht/ und beschlossen/ die Schlacht alsbald diesen Tag solcher gestalt zuordnen: Herkules und Arbianes (wel- cher schon 38 Wochen lang sich in Teutscher Sprache fleissig hatte unterweisen lassen) sol- ten 20000 auserlesene Reuter im rechten Fluͤgel fuͤhren; Baldrich uñ Siegward 17000 im linken; und Ladisla 18000 Boͤhmen zu fusse in der Mitte. Die übrigen 3000 solten zur Beschuͤtzung des Lagers behalten werden. Arbianes erkundete sich fleissig bey den Gefan- genen/ wo das Dorff laͤge/ in welchem die gefangene Fuͤrstliche Haͤupter verwahret wuͤr- den; hielt hernach bey Herkules an/ ihm zugoͤnnen/ daß er mit seinen Parthern frey ab uñ zureiten/ und nach Befindung den nohtleidenden beyzuspringen urlaub haben moͤchte/ wel- ches er ihm gerne einwilligte/ weil er seines gefaͤhrlichen Anschlages keine Wissenschafft trug. Valiska hatte die ganze Reise uͤber seiner Schwehrmuht genaue acht gehabt/ und weil ihr die ursach gnug bekant wahr/ machte sie sich vor der Schlacht mit ihrem kraͤffti- gen Trost an ihn: Er solte dem wahren Gott vertrauen/ ob er denselben gleich nicht ken- nete/ derselbe wuͤrde das Fraͤulein schon retten/ und zu seinem besten gnaͤdiglich erhalten; nur begehrete sie vor dißmahl von ihm zuwissen/ ob er auch zugeben wolte/ daß das Fraͤu- lein den Christlichen Glauben annaͤhme; dann im falle er sich dessen beschweret befuͤnde/ duͤrffte es wegen seiner kuͤnfftigen Heiraht hart halten/ in Betrachtung/ daß Herkules uñ Baldrich/ ja sie selbst/ vor Gott im Himmel und vor ihrem eigenen Gewissen es nicht wuͤ- sten zuverantworten/ daß ihre einige herzgeliebete Schwester der Erkaͤntniß des wahren Gottes mangeln/ und hernaͤhst an ihrer Seele ewig schaden leiden solte. Und O wolte Gott/ sagte sie weiter/ daß mein geliebeter Freund und Bruder selbst zu unserm heiligen Glauben sich begeben moͤchte/ damit er nach dieser kurzen Vergaͤngligkeit der ewigẽ Him- melsfreude mit uns teilhafftig würde/ welches ich ihm von grund meiner Seele wuͤnsche: Er hat biß daher unserm Gottesdienste vielfaͤltig beygewohnet/ und gnugsam erfahren/ daß unser Christlicher Glaube auff nichts heilloses oder schaͤndliches bestehe/ welches ich doch nicht zu dem Ende vorbringen wil/ ob wolte Euer Liebe ich wider ihren Willen ein solches auffdringen/ sondern sage nur bloß mein Gutduͤnten/ worzu mich die schwesterli- che Gewogenheit antreibet/ welches mir zu keinem argen wird ausgeleget werden koͤñen; p p p ij Was Siebendes Buch. Was aber meine Frl. Schwester betrifft/ muß derselben der Christliche Glaube/ wie auch ihren kuͤnfftigen Erben durchaus und schlechter dinge gegoͤnnet und zugelassen werden; kan nun ein solches Eure Liebe nit eingehen/ wird sie mir solches offenherzig anvertrauen/ damit ich wisse/ wie hierin weiters zuverfahren sey. Arbianes/ nach geliefertem demuͤtigen Handkusse/ schwieg ein wenig stille/ laͤchelte darauff/ und gab diese Antwort: Es zwinget mich vor dißmahl Eure Durchl. ihr mein Herz zuoffenbahren/ welches vor meiner Hey- raht ich sonst nicht willens wahr; Daß nun dieselbe dieses ihres Kummers/ den Glauben betreffend/ abkomme/ beruffe ich mich auff des einigen wahren Gottes Zeugniß/ daß sie der des Juden erschreklichem falle zu Ekbatana ich mir gaͤnzlich vorgenommen/ dem Christ- lichen Glauben zufolgen/ bin auch nach der Zeit darinnen solcher massen gestaͤrket/ daß zu Bethabara ich mich herzlich gerne haͤtte tauffen lassen/ wann ich nicht betrachtet haͤtte/ dz das Groß Fuͤrstliche Fraͤulein annoch im Heydentuhm steckete/ und vielleicht ihre Eltern mir dieselbe wegen meines Christentuhms versagen moͤchten; hernach/ daß ich mich be- fuͤrchtet/ die Fürstliche Geselschafft haͤtte waͤhnen duͤrffen/ ich taͤhte es nur zum schein/ ih- re bessere Gunst und Gewogenheit zuerlangen. Dieses/ sagte er/ ist die Ursach meines auf- schiebens; habe sonst mein Gebeht taͤglich zu Gott und seinem lieben Sohn JEsus Christ/ meinem wahren Heyland und Erloͤser abgehen lassen/ und den Christlichen Glauben zim- lich gefasset/ auch meinem Gott dieses Geluͤbde getahn/ daß/ wo das liebe Fraͤulein mir zu teile werden/ und ihr von ihren Eltern das Christentuhm nicht solte gegoͤnnet werden koͤn- nen/ ich dahe im nichtruhen wolte/ biß ich sie zu dieser allein seligmachenden Lehre wuͤrde gebracht haben/ demnach mein Gewissen dergestalt versichert ist/ daß wir allein in diesem Glauben koͤnnen selig werden/ daß/ ob Gott wil/ weder Teuffel noch Menschen/ weder Ge- fahr noch wolergehen mich davon abfuͤhren sol/ und meine Fr. Schwester in diesem stuͤk mit vergeblichen Sorgen beladen ist/ die ich herzlich hiemit wil ersuchet haben/ in bißher geleisteter Traͤue fortzufahren/ und die gewünschte Heyraht zubefodern/ welche mir ver- hoffentlich weder Groß Fuͤrst Herkules/ noch sein Herr Bruder mißgoͤnnen wird. Die Groß Fuͤrstin wahr dieser unvermuhtlichen Erklaͤrung fo froh/ daß sie ihn aus wahrer Lie- be umsing/ und nachgehends zu ihm sagete: Nun werde ich erst Eure Liebe vor einen war- hafften Bruder halten/ nachdem ich weiß/ daß dieselbe ein Kind Gottes/ und Mit Erbe der himlischen Seligkeit ist. Aber wie hat mein herzvertraueter Freund sein Christentuhm vor mir dergestalt verbergen koͤnnen/ da er doch weiß/ daß mir angenehmere Zeitung nicht zukommen mag? Arbianes zeigete an/ er haͤtte sich nicht allein hoͤchlich verwundert/ son- dern auch mannichmahl herzlich betruͤbet/ ja allerhand mißtroͤstliche Gedanken daher ge- fasset/ daß er weder von ihr/ noch von Groß Fuͤrst Herkules nie kein mahl zum Christen- tuhm angemahnet waͤhre; deswegen er sich nicht erkuͤhnen duͤrffen/ ihnen sein Vorhaben zueroͤffnen; merkete aber nunmehr/ daß sie ihn darzu nicht haͤtten reizen wollen/ umb ihm seinen eigenen und freien Willen hierin zugoͤnnen; baht/ seine Verschwiegenheit ihm nit zuverargen/ und ihn in ihr andaͤchtiges Gebeht einzuschliessen/ daß er in der himlischen Warheit bestaͤndig verharren/ und in der heilsamen Erkaͤntniß je mehr und mehr zunehmẽ moͤchte. Valiska gab ihm zur Antwort: Er haͤtte die eigentliche ursach ihres nicht-ermah- nens voͤllig errahten/ und waͤhre sie zum oftern willens gewesen/ ihn bloß zufragẽ/ wie ihm ihr Siebendes Buch. ihr Gottesdienst/ dem er so fleissig beywohnete/ gefiele/ haͤtte sich aber allemal eines and’n be- dacht/ um ausser Verdacht zubleibẽ/ als wolte sie ihn zu ihrẽ Glauben noͤhtigẽ; sonst wuͤꝛde sie nit erst anfangẽ/ ihn in ihr Gebeht zunehmẽ/ welches sie von anbegin ihꝛes Christentums her fleissig getahn haͤtte/ uñ doch mit freudẽ vernaͤhme/ dz er zeitiger als sie selbst darzu einẽ rechten Vorsaz gehabt haͤtte. Sie gingen hierauf von einander zur kurzen Ruhe/ und lies Valiska dem Frauenzimmer dieses ihres lieben Freundes sein Christentuhm nicht ungemeldet. Des morgens sehr fruͤh musten die Voͤlker Speise nehmen/ und in aller stil- le auffbrechen/ weil die Schildwachten und Kundschaffter einbrachten/ der Feind ruͤstete sich schon/ haͤtte sein Lager etwa anderthalb Meile von hinnen/ und waͤhre wegen der erlit- tenen Niederlage so vol grimmiges Eifers/ daß er des Tages kaum erwarten moͤgen. Die- se Zeitungstraͤger irreten gar nicht; massen der alte Wendische Fuͤrst vor Unsin zu berstẽ meinete/ und zu seinen Obersten sagete: Pfui uns nichtwerten! wir moͤgen uns wol in un- ser Blut und Herz hinein schaͤmen/ daß wir von einer solchen Handvol Landstreicher und Bauren Flegel dergleichen Spot einnehmen muͤssen/ dessen diese hochmuhtige Sachsen sich nit gnug werden ruͤhmen koͤñen/ weil sie uns nicht den dritten Teil an Manschaft glei- chen. Lasset uns auff sie angehen/ den Schimpf einzuhohlen/ und zwar also/ daß ihrer kei- ner entrinne/ der des geschehenen Zeitung uͤberbringen koͤnne. Die Obristen gaben ihm mit traurigen Geberden zur Antwort; sie waͤhren berelt/ teils als gebohrne Untertahnen/ teils als dem Gewalthaber ihres Koͤnigreichs zufolgen/ ja Leib und Leben willig vor ihn und seine Wolfahrt auffzusetzen; fuͤnden aber schier das ganze Heer uͤberal unwillig zu der Schlacht/ so daß weder das Fußvolk noch die Reuterey einiges Zeichen ihres frischen Muhts von sich gaͤben; moͤchte demnach ihre Durchl. gnaͤdigst bedenken/ was vor Vn- raht hierauß entstehen duͤrffte/ wann sie in des Feindes Gegenwart sich wegern solten zu- fechten; ihr einhelliger Raht waͤhre/ daß man sich in die Zeit und das Gluͤk schickete/ und dem Kriegs Heer ihre instaͤndige Bitte einwilligte/ damit übel nicht aͤrger wuͤrde; es waͤh- re ja sein leiblicher und einiger Sohn/ welchen er so haͤrtiglich am Leben zustraffen suchete/ und dagegen von dem Heer in Schuz genommen waͤhre. Zwar sie erkenneten dessen schweres Verbrechen wol; weil es aber nicht aus Boßheit/ sondern aus Liebesgetrieb her- ruͤhrete/ moͤchte ihre Durchl. mit ihm ins Gnaden Buch sehen/ und uͤm der mannigfaͤltigẽ Vorbitte Willen ihm Vaͤterliche Verzeihung und Gnade wiederfahren lassen. So duͤr- fet auch ihr begehren/ antwortete Krito/ daß ich den Verwaͤgenen unverschaͤmten Bubẽ nicht allein lebendig und ungestraffet lassen solte/ sondern ihn auch wie der vor einen Sohn annehmen/ der mein allerhoͤchstes Gut mir zuentfuͤhren/ sich blutschaͤndiger Weise hat duͤrffen geluͤsten lassen? ehe wolte ich gleich jezt hinreiten/ und ihn mit eigenen Haͤnden erwuͤrgen/ auff daß mit des Boͤsewichts Tode die Auffruhr meines Kriegs Heeres zugleich auffhoͤre/ und sie erkennen moͤgen/ waß sie ihrem Fuͤrsten/ Koͤniglichen Verwalter und algemeinem Feld Herren schuldig sind. Eure Hoch Fuͤrstl. Durchl. sagte der vornehmste/ fahren nach belieben/ wann ja unser getraͤuer Raht nicht Stat finden kan; aber/ wo ich nicht hefftig irre/ halte ich gaͤnzlich davor/ es werde das Heer hiedurch noch auffruͤrischer gemacht/ und dannoch der junge Fürst zur Straffe nicht herauß gegeben werden/ weil die gemeinen Knechte/ insonderheit die Wenden/ ihn vor Gewalt zuschuͤtzen/ sich aͤidlich p p p iij ver- Siebendes Buch. verbunden haben; daß also hiedurch nichts anders gewirket wird/ als daß man dem Fein- de den Sieg willig in die Hand spielet; und wer weiß/ ob nicht der junge Fürst auß Hoff- nung der Heyraht/ den Feinden einen Vertrag anbieten/ und seinen Herr Vater mit allen seinen Getraͤuen dem gefangenen Groß Fürsten gefangen liefern duͤrfte? was vor Gnade aber wir bey demselben werden zugewarten haben/ wird unsere begangene Taht uns leicht berichten koͤnnen. Aber dieses erfolge nicht/ wie ich auch nicht hoffen wil/ so bin ich dau- noch versichert/ daß das Haͤuptheer kein Schwert wieder den Feind zuͤcken wird (es wer- de dann von ihm gewaltsam angegriffen)/ wo nicht der junge Fuͤrst zuvor wird begnadet der Ketten entlediget/ auff freien Fus gestellet/ und aller Straffe loß gesprochen seyn. Kan nun eure Durchl. ein solches uͤber ihr hoch beleidigtes Herz nicht bringen/ noch auß der Noht eine Tugend machen; wolan! so habe ich meines Lebens mich schon getroͤstet; dann es ist/ in eurer Durchl. Diensten sich selbst auff zuopfern/ willig und bereit; und erwarte ich nur/ wann der Feind/ oder unser eigen Volk ansetzen/ ünd mich niederhauen wird/ dann kein Mensch sol mich/ so wenig gefangen/ als Untraͤu und meinaͤidig sehen; nur allein be- traure ich meines Gnaͤdigsten Fuͤrsten gewissen Vntergang/ und so wol des Friesischen Reichs/ als des Wendischen Fuͤrstentuhms Verwuͤstung/ welches hierauß nohtwe n dig erfolgen muß. Als dieser außgeredet hatte/ tahten alle Obristen einen Fußfal/ und bahten/ ihre Durchl. moͤchten ihrer selbst schonen/ und durch unzeitigen Zorn sich nicht in den ge- wissen Tod stuͤrzen/ sintemahl ja alles mit ihrer Durchl. hoͤchster Ehr beygelegt und ver- glichen werden koͤnte/ und nicht allein der junge Fuͤrst/ sondern auch die saͤmtlichen Voͤlker erboͤhtig waͤhren/ ihr verbrechen durch einen demuͤhtigen Fußfal abzubitten/ dafern nur ihre Durchl. die von ihrem Sohn Fuͤrst Gotschalk begangene Vnbilligkeit gnaͤdigst und Vaͤterlich vergeben und vergessen wuͤrde; auch waͤhre ihres untertaͤhnigsten ermaͤssens hiebey zu beobachten/ daß der junge Fuͤrst durchaus nichts unzuͤchtiges vorgenommen/ ja nicht eins begehret/ sondern nur einwendete/ sein Herr Vater selbst haͤtte ihm schon ein jahr lang dieses Fraͤulein zugefreyet/ waͤhre auch außdruͤklich unter diesem Vorgeben außgezogen/ ihm als seinem Sohn und künfftigen Nachfolger in der Herschafft/ ein wir- diges Gemahl durch Gewalt zuhohlen/ weil ihre Eltern sich wegerten ihm das Fraͤulein in guͤte abfolgen zulassen. O des Ungerahtenen Buben/ an wortete Krito/ welcher nim- mermehr von meinem Leibe kan gezeuget seyn/ dann sonst wuͤrde er wieder kindlichen ein- gepflanzeten Gehorsam nich handeln/ noch diese zum Gemahl begehren/ die sein Vater ihm selbst im Herzen vertrauet hat; sein einwenden zubeantworten/ achte ich nicht schul- dig/ und habe ich gleich vor diesem ihm das Fraulein zugedacht/ hatte es damahls eine andere Beschaffenheit mit mir/ weil mein liebes Gemahl annoch im Leben wahr; nach- dem aber dieselbe mir mit Tode abgangen ist/ wie euch allen bewust/ habe ich mich nach einer andern uͤmtuhn wollen/ die mir kein Mensch/ er sey wer er wolle/ abspenstigen oder entfremden sol dessen sich gleichwol dieser Bube durch heimliche entfuͤhrung hat duͤrffen geluͤsten lassen; wuͤrde es auch ungezweifelt verrichtet haben/ wann ich ihm nicht haͤtte auff der Flucht mit ihr ertappet und eingehohlet. Daß nun mein Kriegs Volk so meinaͤidig an mir handelt/ wird sich zu seiner Zeit finden/ und ungestraffet nicht bleiben/ nur muß ich wegen des Feindes Gegenwart viel vertuschen und verschmerzen. So gehet nun hin zu dem Siebendes Buch. dem Heer/ und versuchet/ ob sie zugeben koͤnnen/ daß der leichtfertige Bube auff eine Fe- stung in Gefaͤngniß geleget werde/ biß der Feind gedaͤmpfet ist/ alsdañ wil ich bloß den Voͤlkern zugefallen/ Fuͤrstlich versprechen/ daß ich ihm am Leben nicht straffen wil. Die Obristen wusten schon wol/ daß dieser Versuch wuͤrde vergebens seyn/ doch ihrem Furstẽ zugehorsamen/ gingen sie hin/ und tahten den Voͤlkern diesen Vorschlag; bekahmen aber zur antwort; ihre Durchl. moͤchte ihr gnaͤdigst gefallen lassen/ dem jungen Fuͤrsten die be- gangene Fehler gaͤnzlich und auß vaͤterlichem Gemuͤht zuvergeben/ als ob es nicht gesche- hen waͤhre/ auch ihn zuversichern/ daß nach seinem ableiben (welches die Goͤtter lange ver- huͤten wolten) er algemeiner Erbe und Nachfolger in der Herschafft seyn und bleiben sol- te; dann auch/ daß dem ganzen Kriegs Heer eine durchgehende und unbedingete Verge- bung wiederfahren moͤchte/ so daß kein einiger wegen deß Schutzes/ dem jungen Fuͤrsten erteilet/ angefochten/ oder unter einigerley Schein und Einwendung zur Straffe gezogen wuͤrde; koͤnte nun ihrer Durchl. ein solches nicht belieben/ waͤhre ihr einhelliger Schluß/ mit den Sachsen Friede zutreffen/ ihnen den entfuͤhreten Groß Fuͤrsten nebest den seinen wieder einzuliefern/ und in dessen Schuz sich zubegeben/ unter der Hoffnung/ dersel- be wuͤrde solche Woltaht erkennen/ und ihrem jungen Fuͤrsten seine Frl. Tochter nicht versagen; sonsten da ihr bitliches und untertaͤhnigstes suchen Stat haben wuͤrde/ wolten sie alle einen Fußfal tuhn/ uͤm Gnade bitten/ und alsbald wieder den Feind zu Felde gehẽ/ auch nicht ümkehren/ biß derselbe gaͤnzlich wuͤrde auffgerieben/ und die gestrige Schande mit ganzen Stroͤmen Sachsen Blutes abgewaschen sein. Die Obristen wolten dem Heer einreden; es waͤhre zuviel/ daß man dem Fuͤrsten und Feld Herren nicht allein Gesetze vor- schreiben/ sondern auch trotzen wolte. Aber es erhuhb sich ein algemeines Geschrey; wol- ten sie es dem Fuͤrsten nicht hinterbringen/ koͤnten sie es ja wol lassen; das Heer haͤtte end- lich an Fuͤrst Gotschalk Haͤuptes gnug/ wann es anders nicht sein wolte/ und wuͤrden sich unter ihnen auch deren gnug finden/ welche der Obersten stelle vertreten koͤnten. Die Ab- gesanten befahreten sich eines groͤssern uͤbels/ meldeten dem alten Fuͤrsten alles an/ und bahten sehr/ sich eines andern in der Noht zubedenken; welcher aber vol Zorn und Eifer lief/ mit Befehl/ dieselben ihm gefaͤnglich einzuliefern/ die das Wort den Auffruͤhrern zum besten gefuͤhret hatten; weil man aber ihn erinnerte/ daß/ wo er nicht alsbald dem Heer ei- ne angenehme Erklaͤrung und voͤllige Einwilligung geben wuͤrde/ es ihn in kurzem gereuẽ moͤchte/ und auff solchen fall wol gar bald des gefangenen Groß Fürsten sein Gefangener seyn; fuhr er gelinder/ uͤberwand sich selbst/ und ließ beydes dem Sohn und Kriegs Heer voͤllige Verzeihung anbieten/ und was sie sonst begehret haiten/ des gaͤnzlichen Vorha- bens/ hernaͤhst bald ursache zufinden/ daß eines mit dem andern abgestraffet wuͤrde. Die ausgestelleten Schildwachten kahmen haͤuffig an/ mit vermeldung/ der Feind zoͤge in vol- ler Schlachtordnung daher/ und hielte man sie zwar nicht uͤber 16000 Mann stark/ nach der Gefangenen aussage/ jedoch liesse sich ein grosser Staub hinter ihnen zur Seite spuͤrẽ/ welches anzeige gaͤbe/ es muͤsten mehr Voͤlker verhanden seyn. Sie kommen/ antwortete Krito/ zu meines muhtwilligen Sohns Gluͤke. Hieß die Obristen/ den Fuͤrsten seinẽ Sohn/ und einen Ausschuß des Heeres herzuruffen/ im Nahmen des ganzen Kriegvolks eine Abbitte zu tuhn/ und die uͤbrigen inzwischen zuordnen/ daß dem Feinde koͤnte begegnet wer- den. Siebendes Buch. den. Fuͤrst Gotschalk ward an einer Kette/ die ihm sein Vater vor zween Tagen hatte anle- gen lassen/ herzugefuͤhre t ; dann ob zwar das Heer ihn in Schuz nam/ wolten sie doch die Fuͤrstlichen Bande nich t brechen. Mit ihm stelleten sich 40 Haͤupt- und Unter-Haͤupt- leute/ neben gedoppelt so vielen gemeinen Fußknechten und Reutern ein/ den Fnßfal ge- buͤhrlich zuleisten; und als der junge Fuͤrst sich vor seines Vaters Fuͤssen niederlegete; fing er mit standhaftem Gemuͤht also an: Großmaͤchtiger Fuͤrst (den Vater-Nahmen ihm zu geben habe ich keine Ursach/) nachdem mir die begehrete rechtmaͤssige Liebe zu dem Durch- leuchtigsten Teutschen Fraͤulein/ meinem erwaͤhleten und bestaͤtigten Gemahl von euch nicht wil gegoͤnnet werden/ gilt mir gleich/ ob mir diese Ketten/ oder meine lebendige Geister abgenommen werden; massen ich doch mein Blut nicht laͤnger in meinen Adern begehre zu tragen/ als nur so lange ich eure vorgenommene Blutschande verhindern und abwen- den kan; bleibe auch nach wie vor der Meynung/ es stuͤnde eurem sechs und funfzigjaͤhri- gen Alter sehr wol an/ daß sie an der Jugend so hoch nicht straffete/ was ihr selbst bey euren grauen Haaren zehnfach suͤndiget/ und zwar mit schlechter Fuͤrstlicher Ehre; meinet ihr etwa noch immerhin/ mir sey unwissend/ daß meine fromme Fr. Mutter nich Tod/ vielwe- niger begraben/ sondern annoch im Leben/ und von euch auff einem Schlosse heimlich ein- gesperret sey/ nur bloß der Ursach/ daß ihr mit dem Groß Fuͤrstlichen Fraͤulein/ eure un- zimliche Lust buͤssen/ hernach meine Fr. Mutter/ eines herschenden Koͤniges in Daͤñenmark leibliche Schwester heimlich hinrichten/ und dieses Fraͤulein ehelichen koͤnnet? O nein/ eu- re Durchl. versichern sich/ daß mir alles mehr dann zu wol wissend sey/ und ich solches biß- her nur bloß eure Schande zuverbergen/ verschwiegen habe/ immittelst doch in dieser Sa- che solche anstellung gemacht/ daß meine Fr. Mutter vor Henkers-uñ Moͤrders Schwert/ oder schaͤndlicher Giftmischung noch wol gesichert bleiben wird. Glaubet mir/ daß unser Heer (ja unser; dañ ich habe als nåhester ungezweiffelter Erbe der Wendischen Herschaft auch Teil daran) schon nach Wendland mit mir solte auffgebrochen seyn/ meine Fr. Mut- ter zuerloͤsen/ wann der Feind uns nicht so schleunig gefolget waͤhre/ welchem zubegegnen/ im falle ich voͤllige Erlassung bekomme/ ich nicht werde hinderlich seyn. Ja umb eben dieser Ursach willen stelle ich mich ein/ meiner ganz billichen Liebe zu dem Groß Fuͤrstl. Fraͤulein/ oder vielmehr wegen derselben versuchten Errettung verzeihung zu bitten/ ungeachtet ich uͤberdas keusch/ und an keinem unwirdigen Orte geliebet habe; wil zugleich auch eure Durchl. zu Gemuͤht fuͤhren/ daß sie betrachten/ wie in dero beschuͤtzung/ und ihr Leben zu- erretten/ ich ehmahls mein Leib und Leben in die Schanze geschlagen/ und einen grossen teil meiner Gesundheit an meinen Gliedmassen eingebuͤsset/ welches mir billich mit besserer Vergeltung/ als durch entwendung meiner kuͤnftigen Gemahl/ und anlegung dieser Kettẽ solte ersetzet worden seyn. Was leugest und schaͤndestu? antwortete sein Vater mit verwir- retem Gemuͤht; darfstu mich noch verleumden/ uñ bey meinem/ ja bloß bey meinem Kꝛiegs- Heer mich so schaͤndlich angiessen/ ob haͤtte ich mein liebes Gemahl/ deren Sohn zu seyn du nicht wirdig bist/ versperret/ umb eine andere zu heyrahten/ da doch das ganze Land weiß/ wie herzlich ich sie geliebet/ sie auch gebuͤhrlich/ als eines Koͤniges Schwester und Hoch- Fuͤrstliches Gemahl zur Erden bestatten lassen? heisset daß Abbitte tuhn? heisset daß/ sich demühtigen/ da man zu groͤsserm Auffruhr/ Luͤgen tichtet/ schmaͤhet und laͤstert? ja heisset das Siebendes Buch. das einen Fußfal tuhn/ da man sich selbst rechtfaͤrtiget/ und trotzige Draͤuungen heraus stos- fet? Er wolte in seiner verweißlichen Rede fortfahren/ aber es kam eine Zeitung über die andere; der Feind liesse sich nunmehr recht sehen/ waͤhre an Mañschaft ihnen gleich/ mit treflichen Waffen und Gewehr versehen/ und hielte schon in voller Schlachtordnung/ wuͤꝛ- de auch ohn zweiffel stuͤndlich angreiffen/ und des Groß Fuͤrsten Erloͤsung versuchen. Was angreiffen/ was versuchen? sagte Krito: Diese Landstreicher sollen uns wenig mühe schaf- fen/ wann nur dem innerlichen Span wird gerahten seyn. Jedoch/ weil er sahe/ daß gefahr verhanden wahr/ und er den Sieg nicht wuͤrde erhalten/ wo er nicht vorsichtig spielete/ rieff er uͤberlaut: Er vergaͤbe hiemit seinem Sohne und dem ganzen Kriegs Heer voͤllig/ und nach allem ihrem begehren/ setzete dessen seine Fuͤrstliche Traͤue zu Pfande/ und ließ alsbald seinem Sohn die Ketten abnehmen/ umbfing ihn aus ertichteter Liebe/ und versprach/ nach gehaltener Schlacht ihm seinen Willen zuvergnuͤgen; welches zwar der Sohn nicht glaͤu- bete/ und ihm doch liebe wahr/ daß er die Freyheit erlangete/ nicht allein mit zu fechten son- dern auch den rechten Fluͤgel zufuͤhren/ welcher in 17000 Reuter bestund; da er dañ nach angelegter Rustung 2000 seiner getraͤuesten Leute umb sich nam/ die er wuste/ nach alle sei- nem Willen fertig und bereit zu seyn/ massen er in steter Furcht lebete/ der Vater wuͤrde ihm durch Meuchelmoͤrder/ auch wol mitten in der Schlacht nachstellen. Der linke Fluͤgel/ 20000 Reuter stark/ ward von einem Wendischen Herrn/ nahmens Plusso/ angefuͤhret/ welcher ein uͤberaus verwaͤgener starker Ritter/ und in Feldschlachten wol geuͤbet wahr. Der alte Fuͤrst ordente seinem Sohn einen Feldmarschalk zu/ nahmens Niklot/ welcher ihm sehr getraͤu/ und in allen Buͤbereien beypflichtig wahr/ und solte derselbe acht auff seinen Sohn geben/ ob er irgend sich etwas gefaͤhrliches unternehmen wuͤrde/ weil er offentlich bekennen duͤrfte/ daß er sich der Liebe zu dem Fraͤulein noch nicht begeben haͤtte. Und wann die Goͤtter diesen meinen ungerahtenen Sohn hinnehmen wolten/ sagete er/ es geschaͤhe auff was weise es moͤchte oder koͤnte/ haͤtte ich ihnen/ und die darzu behuͤlfflich waͤhren/ hoch zu danken. Welches dieser wol verstund/ und seinem Fuͤrsten versprach/ ihn/ wo moͤglich/ dieser Furcht zubenehmen. Das Fußvolk 20000 Mann/ fuͤhrete Krito selbst zwischen der Reuterey/ und wahr Herr Gunderich/ seines verstorbenen Bruders Sohn daruͤber Ober- ster Statverweser. Das ganze Heer/ weil ihnen alles nach willen versprochen wahr/ stellete sich uͤberaus freidig zum Treffen/ fingen ein starkes Feldgeschrey an/ und meineten/ es koͤn- te ihnen an dem Siege durchaus nicht fehlen. Herkules (der sich bey seinem Heer noch immerzu in angestrichener Farbe vor einen Persischen Abgesanten halten ließ) schickete Leches und Klodius mit 1000 Pferden vorne an/ unter dem befehl/ durchaus nicht ernst- lich zu treffen/ sondern sich/ wo moͤglich/ nur ein wenig mit des Feindes ausgeschikter Reu- terey zu tummeln/ und etliche Gefangene zuerhaschen/ von denen man des Feindes Vor- haben berichtet werden koͤnte; gingen demnach sehr behutsam fort/ biß ihnen eine feindliche Schaar 1500 stark auffstieß/ die mit grimmiger Wuht in sie fielen/ daß sie sich nohtwendig wehren musten/ da sie dann/ ungeachtet sie zur helfte uͤbermannet wahren/ sich der gestalt ih- ren Feinden zuerkennen gaben/ daß jene den ersten Eifer bald ablegten/ und ihrer Schanze besser acht nahmen: jedoch zog sich Leches gerne zuruͤk/ hatte in diesem kurzen Treffen 200 Mann eingebuͤsset/ und an Feindes Seiten 650 erleget/ und 25 gefangen/ mit welchen er q q q nach Siebendes Buch. nach Herkules eilete/ und alles Zustandes berichtet wurden/ daß der Zwiespalt zwischen Vater und Sohn gleich diesen Morgen/ mehr auffgeschoben als auffgehoben waͤhre; haͤtten demnach die Voͤlker noch keine Speise genossen/ weil sie mit diesem Vergleich zu- tuhn gehabt. Wolan/ sagte Herkules/ diese beyden Raͤuber und Menschen Diebe sollen ob Gott wil/ uͤber meine Frl. Schwester sich nicht lange mehr zanken/ und unsere Zeit ist kom- men; gab das Feldgeschrey aus: Hilff Gott! ließ auffblasen und trummeln/ und zog in wolgesezter Ordnung und guter freidigkeit loß. Ihre Feinde wahren gleich zuspeisen be- dacht/ weil sie aber die vielen glaͤnzende Ritter Harnische und blanke Waffen sahen/ gꝛiffen sie auch zum Gewehr/ wiewol nicht alle mit gleichem Muht und Herzen/ dann die Frie- sen/ deren ohngefehr der dritte Teil wahr/ so wol zu Rosse als zu fusse/ waͤhren lieber aus der Gefahr gewesen/ als die ohndas die unverantwortliche Taht des Wenden nicht billichtẽ/ und wol merketen/ daß derselbe ihre freiheit zuschwaͤchen/ alle gelegenheit suchete; jedoch musten sie wider ihren Willen fechten/ weil ihnen nit allein lauter Wendische Befehlichs- haber gesetzet/ sondern sie auch durch die Wendischen Voͤlker dergestalt verstecket wahren/ daß sie weder einer dem andern ihre Meinung offenbahren/ noch Abtrit nehmen kunten. So bald beide ansehnliche Heere sich ins Feld gesetzet/ und einer den andern ins Gesichte bekam/ sendete Ladisla einen Heerhold/ seinen Leches an Krito ab/ und ließ ihm sagen: Der Großmaͤchtige Koͤnig aus Boͤhmen/ Koͤnig Ladisla/ nachdem er vernommen/ daß sein H. Vetter und Vater der Groß Fuͤrst aus Teutschland Herr Henrich/ nebest seinem Gemahl und Frl. Tochter/ von dem Wendischen Fuͤrsten Krito/ und seinem Sohn Gotschalk/ un- abgesaget/ und unter dem schein einer Bruͤderlichen Zusammenkunfft und Beredung/ ge- fangen hinweg gefuͤhret worden; haͤtte seine Pflichtschuldigkeit ihn auffgemahnet/ dem- selben kindliche Traͤue zuerweisen/ als welcher ihn in der Jugend vaͤterlich aufferzogen; begehrete demnach an den Wendischen Fuͤrsten/ entweder gnugsame Ursachen der gesche- henen Entfuͤhrung anzuzeigen/ oder in Mangel deren (wie ihm dañ unmoͤglich seyn wuͤr- de/ eine so schaͤndliche Taht zurechtfaͤrtigen) vor erst/ den Groß Fuͤrsten samt den seinigen alsbald auff freye Fuͤsse zustellen; und hernach/ wegen begangener unfuͤrstlicher ganz un- verantwortlicher Entfuͤhrung umb Verzeihung zubitten/ und gebührlichen Abtrag zuma- chen; im fall aber er sich dessen wegern wuͤrde/ solte ihm hiemit nicht allein als einem Erz- feinde und offentlichen Strassen Raͤuber abgesagt/ fondern auch die Feld Schlacht ange- kuͤndiget seyn/ da dann der wahre Gott als ein gerechter Richter und Raͤcher aller Untah- ten/ der gerechten Sache schon beistehen/ und den Verbrecher zur gebuͤhrlichen Straffe zihen wuͤrde; jedoch foderte der Boͤhmische Koͤnig ihn den Wendischen Fuͤrsten/ und der gebohrne Groß Fuͤrst aus Teutschland Fuͤrst Baldrich/ seinen Sohn Gotschalk aus zum absonderlichen Kampffe/ da sie sonsten so viel herzens haben duͤrfften zuerscheinen; worauff er als ein Gesanter der Antwort wolte gewaͤrtig seyn. Krito wahr zu stolz/ selbst zuantworten/ rief seinen Verweser Gunderich zu sich/ und legte ihm die Worte in den Mund; welcher dann dieses vorbrachte: Der freye Fuͤrst und Beherscher der unuͤber- windlichen Wenden/ auch erwaͤhleter Großmaͤchtiger Schuz Herr des Friesischen Koͤ- nigreichs/ haͤtte keinem Menschen in der ganzen Welt seines tuhns und lassens Rede oder Antwort zugeben/ vielweniger dem vermeyneten Boͤhmischen Koͤnige/ von welchem man bißher Siebendes Buch. bißher nichts gehoͤret/ als daß umb eines Weibes willen er der Roͤmer Joch ohn einigen Schwertschlag uͤber sich genommen/ und ihnen als ein Knecht bedienet waͤhre; daher man ihn mehr vor einen Sklaven als Koͤnig achten muͤste/ und zugleich unwirdig schaͤtzẽ/ mit welchem ein freier Fuͤrst absonderliche Handwechselung hielte; So wuͤste man uͤber- das schon/ daß kein Teutscher junger Fuͤrst mehr im Leben waͤhre/ und sein Sohn viel zu ã- del/ mit einem ertichteten Fuͤrsten sich zuschmeissen; den begehreten Abtrag wolte er ihm diese Stunde machen/ und ohn weitere Anfoderung willig und gerne vergnuͤgen/ daß er dessen forthin nicht mehr begehren solte: Leches antwortete hierauff: Daß mein gnaͤdig- ster Koͤnig seine freiheit den Roͤmern uͤbergeben/ und deren Dienstbarkeit solte uͤber sich ge- nommen haben/ ist eine offentliche Land- und Schandluͤge/ und wird von deinem Fuͤrsten nur zu dem Ende ertichtet/ daß er sich des absonderlichen Kampffs entbrechen moͤge/ wel- ches ihm doch sein Leben nicht lange fristen wird. Ob auch der Durchl. Fuͤrst Baldrich tod oder im Leben sey/ wird seine streitbare Faust gar bald Kundschafft geben. So sage du nun deinem Fuͤrsten zum endlichen Schlusse: Mein gnaͤdigster Koͤnig halte deinen Fuͤr- sten als einen uͤberzeugeten oͤffentlichen Strassen Raͤuber und Menschen Dieb unwirdig seines Schwerts/ und sich zu hoch/ seine Haͤnde mit solchem nichtigen Blute zubesudeln/ gelebe auch der Hoffnung/ es werde der gerechte Gott seiner guten Sache beypflichten/ uñ ihm goͤnnen/ daß der ruchlose Raͤuber zur gebuͤhrlichen Straffe gezogen werde. Gunde- rich wiedersprach diesem/ als einer unbillichen Schmaͤhung/ die einem Heerhold nicht frey hingehen muͤste. Aber Leches sagte zu ihm: Mein Kerl/ hier gilt nicht lange zankens/ son- dern ich bleibe auff meinem Vorbringen/ dessen ich gnugsame Volmacht habe/ und weil du mir draͤuest/ fodere ich dich auff einen absonderlichen Kampf/ welchen du mit mir aus- tragen must/ wo du sonst Ritter Standes nicht wilt unwirdig gescholten seyn. Kehrete hie- mit umb/ und rennete Sporenstreiches nach ihrem Heer/ weil er etliche sich hervor tuhn sahe/ die ihn schelmichter weise angreiffen wolten/ und darzu von ihrem Fuͤrsten ausdruͤk- lich hingeschikt wurden. Nun wahr Gunderich nicht allein ein sehr verwaͤgener/ sondern auch wol geuͤbeter starker Ritter/ welcher ihm schon die Hoffnung gefasset hatte/ des Va- ters und Sohns Zwiespalt solte zu seiner Erhoͤhung dienen/ ob sie unter einander sich auf- reiben moͤchten/ weil alsdann er der naͤheste Erbe waͤhre; daher er sich auch bey solcher Uneinigkeit bezeigete/ daß er so wenig dem einen als dem andern Beystand leisten wolte/ und ob er gleich von beiderseits Anhange darzu gereizet ward/ wendete er bestaͤndigst ein/ es wolte ihm durchaus nicht gebuͤhren/ sich zwischen seines gnaͤdigsten Fuͤrsten und dessen Sohns Streithaͤndel einzumischen/ wann sie aber ihn zu ihrer Versoͤhnung gebrauchen wolten/ waͤhre er willig und schuldig alle seine Kraͤffte daran zustrecken. Die Ausfoderung von Leches nam er getrost an/ und mit diesen Worten baht er seinen Fuͤrsten umb Verguͤn- stigung den Kampff auszuuͤben: Großmaͤchtiger Fuͤrst; mein Sinn/ der mich noch nicht betrogen hat/ saget mir gaͤnzlich zu/ dieser schmaͤhsuͤchtige Gesanter muͤsse den Lohn seines frechen Mauls von meinem Schwerte einnehmen/ welches er so frevelmuͤhtig ausgefo- dert hat; bitte demnach untertaͤhnigst/ Eure Durchl. wolle mir gnaͤdig erlauben/ daß un- serm Heer ich die Bahn oͤfne/ und dem herlichen Siege uͤber die toͤlpischen Boͤhmen und Sachsen den rühmlichen Anfang mache; hernach wollen wir des Boͤhmischen Koͤniges q q q ij unbe- Siebendes Buch. unbesonnenes Haͤupt bald auff einer Stangen stecken sehen. Niklot taht seinem Fuͤrsten zugefallen den Vorschlag/ obs nicht ein Ding waͤhre/ daß dem tapfern jungen Fuͤrsten Got- schalk der Kampff wider den jungen Sachsen Fuͤrsten zugelassen wuͤrde; aber derselbe ant- wortete im Eifer: Wo euch nicht gebuͤhret zureden/ Niklot/ da schweiget/ biß mans euch abfodere; haͤtte ich aber meiner Gliedmassen Gesundheit noch/ die in Beschuͤtzung meines Gn. Herrn Vaters ich freudig und willig zugesetzet habe/ wolte ich nicht harren/ biß ihr mich darzu anmahnen wuͤrdet. Dieses redete der Fuͤrst/ weil ihm wol bewust wahr/ wie gerne dieser seines Vaters Bosheit pflegete auszuuͤben/ zweifelte auch nicht/ da er sich vor einigen Meuchelmoͤrder zubefuͤrchten haͤtte/ wuͤrde es dieser seyn; welcher sich vor des jun- gen Fuͤrsten Zorn fuͤrchtend/ sich sehr demühtigte/ und seiner Unbedachtsamkeit gnaͤdige Verzeihung baht/ welches Gotschalk mit einem stilleschweigen beantwortete. Der Va- ter stellete sich/ als haͤtte er dieser Rede keine acht/ wendete sich nach Gunderich/ und sagte zu ihm: Reite hin mein Oheim/ uñ biß eingedenke/ dz du dich als ein Voꝛbilde Wendischer Tapferkeit erzeigẽ muͤssest/ weil du zu dem Ende von mir abgeschicket wirst/ da dir dañ nach erlangetem Siege/ dessen wir schon versichert sind/ die gebuͤhrliche Kron auffgesetzet/ und das Ehrengedaͤchtniß zugestellet werden sol. Leches hinterbrachte auch die erhaltene Ant- wort/ und daß er ehrenhalben nicht umhin gekunt/ seines Koͤniges Redligkeit zu handha- ben/ und den Freveler auszufodern/ baht umb gnaͤdigste Verguͤnstigung/ und hoffete/ Gott wuͤrde ihm Kraͤffte/ und dem Heer durch seinen Sieg/ frischen Muht verleihen. Warum nicht/ antwortete Ladisla/ nach dem ihr das Wort gesprochen/ und mirs so gut nicht werdẽ kan; deswegen schaffet es nach eurem Willen/ weil ihr ohndas wisset/ daß ich eurer Ehren steter Befoderer bin. Auff diese Volmacht sendete er Neklam selb sechse an den Feind/ um zuvernehmen/ ob dem Ausgefoderten das Schwert in der Scheide loß/ und das Speer in der Faust feste waͤhre/ solte er gar alle in zwischen beyden Lagern sich finden/ seine Manheit sehen lassen/ und vor allem unredlichen uͤberfall gesichert seyn. Ja/ antwoꝛtete Gunderich/ ich erwarte des Laͤsterers schon/ und wil ihm sein leztes einschenken. Er ist kein Laͤsterer/ sa- gete Neklam/ sondern ein Laͤstermaul redet solches/ habe auch wol ehe gesehen/ daß eine großsprechige Zunge gehemmet ist. Kehrete damit umb/ und hinterbrachte den Bescheid/ daher Leches alsbald fortritte/ weil er seinen Mann sahe desgleichen tuhn. Sie wahren beyderseits eiferig/ aber Leches behuhtsamer/ traffen allerseits wol/ und hielten/ das erste mahl redlich aus/ haͤtten auch den andern Saz gerne gewaget/ aber die Speer wahren zu- brochen/ und so bald keine neue verhanden/ daher sie zu den Schwertern griffen/ und einen grimmigen Streit anfingen/ in welchem doch Gott und die gerechte Sache endlich schei- dung machete/ dann nachdem sie eine gute Viertelstunde gearbeitet hatten/ warff Leches den Wenden vom Pferde/ sprang ihm nach/ und nach abgezogenem Helme schlug er ihm den Kopff mit einem Streiche hinweg/ welchẽ er samt des Feindes Schwerte zu sich nam/ und beides zu seines Koͤniges Fuͤssen mit diesen Worten niderwarff: Diese goͤttliche Ra- che sol verhoffentlich ein Beyspiel sein unsers kuͤnfftigen herlichen Sieges/ nachdem ich durch Gottes gnaͤdigen Schuz allerdinge unverwundet und bey ganzen Kraͤfften blieben bin. Unser Heer ließ auff erhaltenen Sieg ein starkes Freuden Geschrey aus/ dagegen er- schrak der Wendische Fuͤrst des Unfals/ daß er erblassete; welches zubemaͤnteln er zu den seinen Siebendes Buch. seinen sagete: Der gute Gunderich haͤtte den Sieg leicht erhalten/ dann ich habe eigent- lich gesehen/ daß er unter dem Gefechte in die fallende Sucht/ die ihn zuzeiten anstosset/ (welches doch ertichtet wahr) geriet/ und daher seinem Feinde zuteil worden ist; welches uns aber wenig irret/ und sol sein Blut bald gerochen werden. Herkules ließ alsbald durch 3000 Reuter unter Klodius den ersten Anfal tuhn/ denen der Wendische Plusso so viel entgegen schickete/ die sich dann rechtschaffen zuwetzeten/ doch spieleten die Teutschen bald Meister; wiewol ihren Feinden zeitig gnug der Entfaz zukam/ daß Herkules gezwungen ward/ unter Neda einen geruheten Hauffen 2000 stark fortzuschickẽ/ welche alles vor sich nidermacheten/ und Plusso mit seiner ganzen Macht loßzubrechen vor gut ansahe; dem Herkules nicht lange Ruhe goͤnnete/ aber doch Arbianes mit der Halbscheid seiner Par- ther und 2000 Teutschen zum Entsaz im Felde stehen ließ. Baldrich hatte den linken Fluͤ- gel mit Siegward geteilet/ und taht dieser mit 4000 den ersten Angriff; dem Niklot mit 6000 frisch begegnete/ und sich im Felde weidlich umtrieben/ daß keiner sich eines sonder- lichen Vorzuges zuruͤhmen hatte; dann dieser Wende wahr ein sehr geschikter Kriegs- mann/ und bemuͤhete sich allezeit mit Vortel zuspielen; jedoch als jener von Markus mit 2000 frischen Reutern entsetzet ward taht der Feind gemach/ daß ihnen Verstaͤrkung noͤ- tig fiel/ die ihnen zu rechter Zeit zu huͤlffe ging/ und die unsern auffs neue zuruͤk geprallet wurden/ so daß Prinsla mit 3000 zur Seiten einbrechen muste/ wodurch er der unsern fuß gegen den Feind wiederumb fest setzete/ daß sie etliche Acker laͤnge den Feind weichen ma- cheten. Die Fußvoͤlker wolten nicht die schlaͤfferigsten seyn/ dann Ladisla frischete seine Boͤhmen geherzt an; Er haͤtte bißher in Feld Schlachten mehrenteils fremde auslaͤndi- sche Voͤlker an seinen Feind gefuͤhret/ welche ihm allemahl so traͤulich beigestanden/ daß er nie ohn den voͤlligen Sieg abzug genommen haͤtte; jezt wolte er acht geben/ wie fest und tapffer seine angebohrne Untertahnen sich bey ihm halten wolten/ dessen er sich zu ihnen un- gezweifelt getroͤstete; taht hiebey die Versprechung/ daß er einem jeden/ der ihm einen Be- fehlichshaber lebendig liefern/ oder daß er einen gefellet haͤtte/ mit Zeugen beweisen koͤnte/ zehn Kronen uͤber seinen Sold/ und ein Frey Jahr geben wolte auff alle seine Haabe und Guter; hernach setzete er 15000 Kronen auff des Wendischen Fuͤrsten Haͤupt/ und wahr Fabius sein Feldmarschalk/ Leches und Gallus aber Groß Oberwachtmeistere. Es trug sich zu/ daß wie er diese seine Rede hielt/ sahe er unweit von ihm einen Kriegs Knecht stehẽ/ mit einem grossen Schlacht Schwert/ stark von Leibe uñ Gliedmassen/ welcher sehr bleich aussahe/ und fast an allen Gliedern zitterte; dessen er lachete/ und zu ihm sagete: Mein Kerl/ wie fuͤrchtestu dich so hart? grauet dir vor des Feindes Geschrey/ so trit nur zuruͤk/ und mache dich wieder nach dem Lager. Dieser erhohlete sich bald/ und antwortete: Gnaͤ- digster Koͤnig; ich bin ungezwungen von mir selbst mit fortgezogen/ da ich wol haͤtte koͤñen daheim bleiben/ aber die begierde meinem Koͤnige zudienen/ und dessen Feinde zuverfolgẽ/ hat mir dẽ Harnisch angelegt/ uñ dz Schwert in die Faust gegebẽ/ dessen ichmich/ ohn ruhm zumeldẽ/ mehr gebraucht habe; ich bin mir abeꝛ wegẽ dieseꝛ unart selber feind/ welche ich al- mal empfinde/ wañ ich sechtẽ sol; dafern ich aber meinẽ Plaz lebendig verlasse/ od’ im Treffẽ einige Furchtsamkeit sehen lassen werde/ sol mein naͤhester Spießgeselle das Recht an mir veruͤben. So verzeihe mirs mein Freund/ sagte der Koͤnig/ und wil ich dir vor diese bezich- q q q iij tigung Siebendes Buch. tigung gerecht seyn. Nun redete dieser Boͤhme die Warheit; dann er hielt sich in der Schlacht so wol/ daß er 21 von den Feinden erlegete/ und dagegen neun Wunden mit dem Leben davon brachte; sein nahme aber wahr Miezla. Fuͤrst Krito muhtigte die seinen auch mit grossen verheissungen/ deren er doch wenig zu leisten willens wahr/ hielt ihnen daneben vor/ wie gehaͤssige Feindschaft die Sachsen zu ihrem Geschlecht truͤgen/ und sie fast den Hunden gleich schaͤtzeten/ daher sie ihn und seinen Sohn unwirdig geachtet haͤtten/ ihnen das Fraͤulein zum Gemahl abfolgen zulassen; diesen Schimpf zu raͤchen/ haͤtte man anjezt die gewuͤnschteste Gelegenheit/ darumb solten sie auff ihn sehen/ und ihm immer nach wuͤr- gen/ alsdann müste ohn allen zweiffel der Sieg auff ihre Seite fallen. Der erste Angriff zwischen ihnen wahr sehr herbe; Leches und Gallus musten den ersten Fall wagen/ die sich zwar aͤusserst bemüheten einzubrechen/ aber sie funden gleichmaͤssigen Wiederstand/ weil Krito ihnen sehr tolkuͤhne Wagehaͤlse entgegen gehen ließ/ welche den untergesteckten Frie- sen mit ihrem Beyspiel einen Muht eingossen/ daß sie nicht weniger kühne Gegenwehr tah- ten/ und niemand hinter sich zu weichen bedacht wahr. Also wuͤtete nun das Schwert an allen Orten/ aber am hitzigsten ging es dißmahl zwischen Baldrich und Gottschalk zu/ wo- selbst Niklot und Siegward einander noch die Wage hielten/ biß sie beyde selbst aneinan- der gerieten/ und sich rechtschaffen zwageten. Baldrich fuͤrchtete sich sehr/ er wuͤrde an sei- nem Orte sich am schlechtesten halten/ weil der Feind so leicht nicht weichen wolte/ deswe- gen er mit seiner uͤbrigen ganzen Mannschafft ansetzete/ und den seinen zurieff/ ob sie allein sich wolten uͤberwinden lassen; der rechte Fluͤgel haͤtte schon geobsieget; so waͤhre des Fein- des Fußvolk auff der Weichseite; was sie gedaͤchten/ daß sie als schlaffende die Haͤnde sin- ken und den Muht fallen liessen. Gottschalk hoͤrete dieses/ und wie die Liebe ohndz allemahl furchtsam ist/ gedachte er/ ihm wuͤrde also seyn/ ließ sich doch nichts merken/ sondern sendete seinem Feldmarschalk das übrige seines Heers zu/ Baldrich entgegen/ ob sie Wiederstand tuhn/ und seinen ungestuͤmen Einbruch zurük halten moͤchten. Seine 2000 getraͤuen aber nam er zu sich/ rante mit ihnen auffs allerschleunigste dem Dorffe zu/ woselbst der Groß- Fuͤrstneben den seinen verwahret ward. So bald er daselbst anlangete/ erteilete er seines Vaters Leuten befehl/ auffs geschwindeste nach der Schlacht zu reiten/ und sich zu dem lin- ken Fluͤgel zuschlagen/ als wo man ihrer benoͤhtigt waͤhre/ das Fußvolk aber nach des La- gers beschuͤtzung zu gehen; welche sich dessen wegerten/ einwendend/ es waͤhre ihnen bey Leib und lebens Straffe gebohten/ von den Gefangenen nicht zu weichen/ viel weniger dem jungen Fuͤrsten zu goͤnnen/ daß er zu ihnen nahete. Er aber wolte sich nicht lange mit ihnen zanken/ und weil er an Reuterey ihnen uͤberlegen wahr/ ließ er ihrer zwoͤlffe alsbald nider- hauen/ draͤuete auch dem ganzen Hauffen gleiche Straffe/ dafern sie nicht alsbald abzihen und seinem befehl nachkommen wuͤrden; Er waͤhre von seinem liebsten Herr Vater selbst hergeschikt/ die Gefangenen an einen andern Ort zu bringen/ damit sie nicht von ihren Voͤl- kern loßgemacht wuͤrden; zwar es merketen diese den Auffsaz wol/ aber weil sie überman- net/ und unversehens umbringet wahren/ liessen sie sich weisen/ und zogen auff seinen befehl ab. Gotschalk erfreuete sich des guten anfangs hoͤchlich/ besetzete das Dorff mit seinen Leu- ten auffs beste/ machete sich darauff mit etlichen wenigen zu dem Groß Fuͤrsten/ und redete ihn also; Gnaͤdigster Herr/ als Vater zu ehren; nachdem kein Ding in der ganzen Welt/ als Siebendes Buch. als der bittere Tod/ meinen Vorsaz brechen kan/ das Durchl. Fraͤulein vor meines unge- rechten Vaters unbi ll igem vornehmen zu schuͤtzen/ und aber derselbe annoch der Billigkeit in seinem Herzen nicht raum geben wil/ da hingegen ich/ die dem Fraͤulein versprochene Rettung zu halten/ mir gaͤnzlich vorgenommen/ als kan ihrer Hocheit ich nicht bergen/ daß mein Vater allerdinge gesinnet/ und entschlossen ist/ diesen Abend das ehebrecherische Bey- lager mit ihr zu halten/ welches/ da man der Zeit abwarten wird/ kein Mensch wird hindeꝛn koͤnnen; beliebe derowegen ihre Hocheit/ meinen Vorschlag ihr gnaͤdigst gefallen zu lassen/ und mir zu goͤnnen/ das dero Frl. Tochter ich von dieser Schande befreien/ und in gute sicherheit fuͤhren moͤge; ob dann gleich vor vier Tagen der Anschlag mir nicht hat wollen gluͤcken/ nach dem er zu unvorsichtig gewaget wahr; so zweiffele ich doch nicht/ vor dißmahl meinen Vorsaz durch der guͤnstigen Goͤtter beystand/ zum gewuͤnschten Ende hinaus zu- fuhren; massen ich mit 2000 Reutern versehen bin/ welche bereit sind/ Leib und Leben bey mir auffzusetzen; über das auch die uͤbrigen Voͤlker mir versprochen haben/ sich zu meiner Verfolgung nicht gebrauchen zu lassen. Die Groß Fuͤrstin/ wie from sie sonst wahr/ kunte sich hieselbst nicht enthalten/ so wol des Sohns als des Vaters Verraͤhterey auszuschelten/ und ließ sich ausdruͤklich vernehmen/ daß sie dem einen eben so wenig als dem andern tꝛaue- te. Seid ihr Fuͤrsten? sagte sie/ und handelt wie Raͤuber und Strassendiebe. Wollet ihr mein liebes Kind heyrahten/ und schleppet sie mit ihren Eltern umbher als gefangene Hun- de? Der Groß Fuͤrst redete ihr ein/ man muͤste den Goͤttern nicht allein im guten wolerge- hen/ sondern auch im Ungluͤk geherzt aushalten/ dieselben schicketen offt den frommen der- gleichen Wiederwaͤrtigkeiten zu/ umb zuerforschen/ wie man sich in ihre Weise finden wol- te/ und waͤhre denselben nichts so hart zu wieder/ als die Ungeduld. Hernach kehrete er sich zu Gotschalk/ und sagete ihm mit duͤrren Worten; Es kaͤhme ihm sein Vorbringen wan- kelmuͤhtig und verdaͤchtig vor/ haͤtte auch wenig Ursach/ sich auff seyn Wort zuverlassen; jedoch/ dafern er ihm aͤid- und Fuͤrstlich angeloben wuͤrde/ daß er sein liebes Kind nicht al- lein vor anderer gewaltsamkeit beschuͤtzen/ sondern auch selbst aller taͤhtlichen Unzimligkeit sich enthalten wolte/ die ihrer Zucht und jungfraͤulichen Keuscheit irgend koͤnte nachteilig seyn/ waͤhre er zu frieden/ daß er sie zu sich naͤhme/ und in gute gewahrsam braͤchte; solte er aber mit unerbaren Gedanken schwanger gehen/ wolte er sie lieber selbst erwuͤrgen/ als ihre Schande erleben; nicht/ daß er sie ihm hiemit vor der Faust zum Gemahl abschluͤge/ son- dern er wolte durchaus nicht einwilligen/ daß sie als eine geraubete solte entfuͤhret und ge- ehlichet werden. Gotschalk befand es sehr hart/ diese Verheissung zu tuhn/ wolte doch nicht mit gewalt verfahren/ sondern/ weil es anders nicht seyn kunte/ leistete er den aͤid/ und em- pfing darauff das Fraͤulein/ welche uͤber die masse heftig weinete/ daß sie nicht allein von ihren Eltern solte geschieden/ sondern auch von diesem Einaͤugigen ungestalten Raͤuber/ als sein Gemahl/ in die fremde hinweg gefuͤhret werden/ da sie vielleicht wol in wenig stun- den seiner Gewaltsamkeit weichen/ uñ seinem muhtwillen raum geben muͤste; jedoch wahr ihr des alten Wenden Beylager ungleich abscheuhlicher/ insonderheit/ weil Gotschalk ihr seiner Fr. Mutter Leben und Zustand offenbahret hatte; in dessen betrachtung sie sich end- lich in etwas zu frieden gab/ und sich von ihrem Herr Vater zu ihm auff sein Pferd heben ließ/ weil sie aus zweien Ubeln unvermeidlich das geringere waͤhlen muste/ und noch etwas Hoff- Siebendes Buch. Hoffnung hatte/ der Fuͤrst wuͤrde/ inbetrachtung seines jezt geleisteten aͤides sich der Unbil- ligkeit enthalten/ wozu ihn ihr Herr Vater beim Abscheide sehr ernstlich vermahnete. So bald Gotschalk diese herzliebe Beute vor sich auff dem Pferde hatte/ und umb besserer Eile willen seinen Harnisch ablegete/ ließ er den Groß Fuͤrsten und sein Gemahl mit 400 Reu- tern bewahren/ 1600 ließ er zurük gehen nach dem Heer/ den ihren Beystand zu leisten/ und mit hunderten setzete er uͤber die Isel/ unter dem Vorsaz/ daß er des naͤhesten Weges durch Holland nach der Westsee reiten/ sich mit dem Fraͤulein zu Schiffe setzen/ und nach Daͤ- nenmark zu dem Koͤnige/ seiner Fr. Mutter Bruder sich verfuͤgen wolte/ woselbst er nicht allein vor seines Vaters Grim und Verfolgung/ im falle er die Schlacht erhalten wuͤrde/ verhoffete sicher zu seyn/ sondern durch dieses Koͤniges Vorschub bey dem Teutschen Groß- Fuͤrsten ausgesoͤhnet zu werden und die Einwilligung zur Heyraht zuerhalten. Unterdes- sen ging es in der Schlacht scharff daher/ insonderheit/ wo Herkules mit seinem aͤdlen Blaͤnken sich den Feinden zuerkennen gab/ deren er die vornehmsten niederschlug daß je- der vor ihm auswiche/ der ihn sahe; er hatte seiner aus Persen mitgebrachten Teutschen 20 umb sich/ welche allen Anfall/ so Schaarsweise auff ihn gerichtet wurden/ von ihm ab- kehreten; noch wolten die Feinde nicht hinter sich weichen/ als lange ihr Fuͤhrer Plusso sich auff dem Pfeꝛde hielt; welcher nicht geringe Tahten verrichtete/ und mit Klodius gleich in der Arbeit wahr/ ihn lebendig gefangen zu nehmen/ haͤtte es auch sonder zweiffel ins Werk gerichtet/ wann nicht Herkules darzu kommen waͤhre/ welcher die Gefahr ersehend/ als ein Bliz durch drang/ und den Wenden dergestalt uͤberfiel/ daß er von Klodius ablassen/ und wie der ihn sich kehren muste; meinete auch/ diesen Kaͤmpfer bald niderzulegen oder doch hinter sich zutreiben/ welche Rechnung aber er ihm zu fruͤh machete/ massen ihm Herkules bald im anfange den linken Arm laͤhmete/ daß eꝛ sein Pferd nicht nach Willen zwingen kun- te/ setzete immer eifferiger auff ihn/ und sagete unter dem Gefechte: Ihr gottlosen Diebe und meinaͤidige Strassenraͤuber muͤsset dannoch wissen und empfinden/ daß ein Gott im Himmel sey/ welcher der Menschen Bosheit auff Erden sehen und abstraffen kan; schlug ihn auch so oft und viel umb die Ohren/ daß er endlich betaͤubet zur Erden stuͤrzete/ und der Blaͤnke ihm das Genicke abtrat/ welchen er auff der Erden liegend/ zuerstechen meinete. Sein Fall brachte seinen Leuten ein solches Schrecken/ daß ihnen der Muht gar entfiel/ uñ ihrer nicht wenig sich schon nach der Flucht umbsahen; aber ein unverzageter Wendischeꝛ Obrister/ nahmens Gilimer/ der zuvor den Vertrag zwischen dem Vater und Sohn ge- macht hatte/ taht sich hervor/ samlete etliche tausend umb sich/ und brachte diesen Hauffen wieder zum zimlichen Stande. Fürst Arbianes hatte sich bißdaher nicht gereget/ sahe/ daß nach Plussons hinrichtung Herkules Meister spielete/ und seinen Feinden uͤbrig gewach- sen wahr/ daher fassete er die unbewaͤgliche Erklaͤrung/ sein Vorhaben ritterlich auszufuͤh- ren/ oder willig zu sterben/ kehrete sich zu seinen Meden und Parthen/ und redete sie also an: Nun auff/ ihr redlichen Landsleute und Bruͤder; unser Oberhaͤupt/ welches ihr kennet/ und von ihm noch grosse Gnade zu hoffen habet/ hat mir den Befehl erteilet/ den gefange- nen Groß Fuͤrsten und die seinigen/ durch euren ritterlichen Beystand zuerloͤsen/ welche Ehre er euch vor andern goͤnnen wollen/ umb seine hohe Gewogenheit euch vorzulegen/ so gedenket nun an euer getahnes versprechen/ und haltet euch also/ daß ihr Ruhm und Eh- re Siebendes Buch. re über Meer nach eurer Heimat davon traget; ich verspreche euch hiemit Fuͤrstlich/ daß euch der Mühe nicht gereuen sol. Seine Leute gaben durch Schwingung ihrer Schwer- ter umb die Koͤpffe/ ein Zeichen ihrer freidigkeit/ gingen mit ihrem Fuͤhrer loß/ und liessen sich durch einen gestriges Tages gefangenen/ des naͤhesten Weges nach dem Dorffe fuͤh- ren. Die daselbst ausgestellete Schildwache sahe ihn herzu eilen/ erkennete bald die feind- lichen Faͤhnlein/ und rennete dem Dorffe/ zu/ der Besatzung solches anzuzeigen; welche dann nicht anders gedachten/ als daß an ihrer seite das Feld allerdinge wuͤrde verlohren seyn/ daher sie ohn langes bedenken auff ihre Pferde fielen/ und nach der Abseite den Fluß hinunter die sicherste flucht vor sich nahmen/ so daß kein einziger bey dem Groß Fuͤrsten blieb/ und der lezte/ so Abscheid von ihm nam/ zu ihm sagete: Eure Hocheit muß bey den Goͤttern in sonderlichen Gnaden stehẽ/ als welche derselben eine so schleunige und unver- muhtliche Rettung zugeschikt haben/ welches ausser Zweifel meinem Fuͤrsten das Leben kosten wird. Der Großfuͤrst verwunderte sich ihrer schnellen flucht/ noch mehr dieser ge- führeten Rede/ und kunte vor freuden nicht antworten. Arbianes/ der sich jezt Karl nenne- te/ eilete dem Dorffe zu/ sahe die fluͤchtigen gar zeitig/ uñ weil er in furchten stund/ sie moͤch- ten den Großfuͤrsten mit sich fuͤhren/ schickete er ihnen den Halbscheid seiner Voͤlker nach/ welche sie bald ereileten/ umringeten/ und ohn alle Gnade nidersaͤbelten/ daß kein einziger davon kam; zwar etliche und zwanzig suchten durch die Isel sich zuerretten/ aber am an- dern Ufer kunten sie nicht auskommen/ und ersoffen mit einander. Der Medische Fuͤrst zweifelte anfangs/ ob er nach dem Dorffe gehen/ oder diesen fluͤchtigen nachsetzen solte/ end- lich waͤhlete er den Dorffweg/ fragete nach des gefangenen Großfuͤrsten Herberge/ und wuste vor freuden kaum zubleiben/ weil er voller Hoffnung wahr/ den so lang gewuͤnsche- ten Schaz seiner Seelen schier anzutreffen; Er stieg mit etlich wenig Teutschen/ die seinẽ Voͤlkern zugegeben wahren/ im Hofe ab/ ging in das Bauren Huͤttlein/ und so bald er den Großfuͤrsten samt dessen Gemahl erblickete/ verwunderte er sich uͤber ihrem treflichen An- sehen/ weil sie kein ander Angesicht sehen liessen/ als ob sie auff ihrem Schlosse gewest waͤh- ren. Er trat zu ihnen hin mit sehr tieffer und demuͤhtiger Ehrerbietung/ kuͤssete ihnen die Haͤnde/ und erfreuete sich/ wie er sagete/ des gehabten grossen Gluͤks/ ihre Großfuͤrstliche Hocheiten aus der schaͤndlichen Raͤuber Haͤnden zuerloͤsen. Der Großfuͤrst zweifelte nun- mehr an der Warheit nicht/ nachdem er sahe/ daß dieser weder Wendisch noch Friesisch gewapnet wahr/ auch ihre Sprache nicht fuͤhrete; hielt sich zwar freundlich gegen ihn/ und erzeigete doch solche Standhafftigkeit/ als waͤhre ihm nichts widriges begegnet/ wiewol ihn groß Wunder nam/ was Rettung diese seyn moͤchte/ massen ihm weder der Voͤlker Ankunfft/ noch der gehaltenen Schlacht einige Meldung geschehen wahr; unterließ dem- nach nicht/ nachzufragen/ von wannen ihm diese kraͤfftige Huͤlffe zukaͤhme/ und durch was mittel er sich getrauete/ ihn nebest seinem Gemahl sicher und ohn feindliche Verfolgung davon zubringen. Arbianes antwortete: Seine Hocheit wuͤrde verhoffentlich schon be- richtet seyn/ was massen sein Sohn Fuͤrst Baldrich/ und dessen Geselle/ Fuͤrst Siegward aus Schweden/ mit dem boßhafften Wenden in voller Arbeit der blutigen Feldschlacht waͤhren/ und den Sieg ehist erhalten wuͤrden/ weil bey seinem Abzuge so wol die feindliche Reuter-flügel als das Fußvolk schon angefangen haͤtten/ hinter sich zuweichen/ und deren r r r eine Siebendes Buch. eine grosse Anzahl mit seinen Augen gesehen haͤtte zur Erden stuͤrzen; Daß nun der Groß- fuͤrst mit den seinen nicht etwa beleidiget oder entfuͤhꝛet weꝛden moͤchte/ waͤre er abgeschikt/ dem Unheil vorzubauen/ und ihre Hocheiten ingesamt frey und sicheꝛ durchzubringen; fra- gete auch bald darauf/ wo dann das Durchleuchtigste Großfuͤrstliche Fraͤulein/ Frl. Kla- ra waͤhre. Ach wir elenden/ antwortete die Großfürstin; wie buͤbisch und meinaͤidig hat uns der Wendische Fürst hintergangen/ welcher kaum vor einer halben Stunde unter deꝛ Begleitung von 100 Reutern sie uͤber den Strohm gefuͤhret/ und zweifele nicht/ da ihnen stuͤndlich nachgesetzet wuͤrde/ koͤnte man sie bald erreichen. Dem verliebeten Arbianes brach wegen dieser Zeitung der kalte Schweiß aus/ hieß seine Voͤlker mit dem Großfürstẽ und seinem Gemahl alsbald den Ruͤtweg nehmen/ er aber waͤhlete 150 von den berittenẽ/ ließ sich den Ort zeigen/ wo sie uͤbergangen wahren/ und sahe deren noch etliche von ferne reiten/ setzete hindurch/ welches nicht ohn Gefahr zuging/ weil die Ufer von den vorigẽ sehr schluͤpferig/ und zum teil eingetreten wahren; ging als ein Unsinniger immer fort/ und wie eine Loͤuin/ deren ihre jungen entfuͤhret werden/ hoͤrete auch nicht auff nachzujagen/ biß er seinen Feind erreichete/ und sein Heil bester massen versuchete. In der Schlacht ging es inzwischen alles über und über; dann nach Arbianes Abzu- ge erhielt nicht allein Herkules an seinem Orte die Vberwindung/ nach dem er den Gi- limer gestenzet/ und seinen versamleten Hauffen zutrennet hatte/ sondern er ging alsbald hin/ seinem Bruder Baldrich zuhuͤlffe; und ließ Klodius das uͤbrige bey seinem Fluͤgel verrichten/ welcher auch mit solchem Eifer den lezten Anfal wagete/ daß die Feinde wie Muͤcken von einander stoben/ und die Wendische mehrenteils in den Tod gerietẽ/ die Frie- sen aber uͤmb Gnade anhielten/ und sich darauff berieffen/ daß zu dieser schaͤndlichen Taht sie gezwungen waͤhren; weil dañ keiner dieses Orts einige Gegenwehr vornam/ wurden sie durcheinander/ Wenden und Friesen gefangen angenommen. An Baldrichs Seiten ließ der Sieg auff Herkules Ankunfft sich auch wolan/ weil dessen mitgebrachte Voͤlker 2000 stark/ uͤber laut rieffen gewonnen beym rechten Teutschen Fluͤgel. Es hatten die beid e n Fuͤꝛ- sten hieselbst uͤberauß grosse Manheit sehen lassen/ unter der Hoffnung/ am ersten fertig zu werden/ aber des Feindes Wiederstand wahr zuhefftig/ welche sich lieber auff der gefasse- ten Stelle liessen niederhauen/ als daß sie haͤtten weichen sollen; doch wie Siegward den handfesten Niklot nach zimlicher Verwundung gefangen hinweg schleppen ließ/ erstarre- ten gleichsahm seinen Voͤlkern die Haͤnde/ daß eine grosse Blutstuͤrzung erfolgete/ welches auch an diesem Ort meist uͤber die Wenden ging. Ladisla sahe/ dz sein Leches kein Loch in des Feindes Fußvolk gewinnen kunte/ uñ war willens ihm selbst zu huͤlffe zutꝛeten/ welches aber Fabius ihm nit goͤnnen wolte/ nam 3000 geruhete Boͤhmẽ zu sich/ uñ trat damit den Fein- den zur Seite ein/ wodurch Leches alsbald Lufft bekam und seiner gegenstreiter Ordnung trennete. Krito sahe Fabius Einbruch/ waͤhnete als vor gewiß der Koͤnig wuͤrde selbest an diesem Ort fechten/ schickete ihm die Handfestesten entgegen/ wo moͤglich/ ihn selbst leben- dig zufahen/ dann er sahe/ daß die Reuterey schon so gut als verlohren ging/ und hoffete durch seine Gefaͤngnis zur guten Rachtung zugelangen. Dieser Hauffe 2000 stark/ wolten ihres Fuͤrsten Anschlag ins Werk richten/ draͤngeten als blind und taub zu Fabius hinein/ und entstund daher ein blutiges Gemaͤtsche. Leches und Gallus sahen Fabius noht leiden Siebendes Buch. leiden/ draͤngeten mit 200 Mann hindurch/ und hoffeten ihn zuentsetzen/ aber sie kahmen zuspaͤt/ und musten ansehen/ was Gestalt er von sechs Gepanzerten angefasset und davon getragen ward; woruͤber diese beiden sich der Gestalt eiferten/ daß sie ungescheuhet aller Gefahr hinein fielen/ und einen grossen Raum ümb sich macheten/ biß Krito selbst mit sei- nem besten Kern auff sie loßging/ und sie beide anpackete/ nach dem Gallus zimlich verwun- det wahr. Ladisla wuste eigentlich nicht/ wie es hieselbst zuginge/ nur/ weil er das Haͤupt- Banier daselbst fliegen sahe/ zweiffelte er nicht/ den alten Fuͤrsten daselbst anzutreffen/ fiel mit 4000 der besten Manschafft gleich daꝛauf zu/ risse es dem Faͤhndrich mit eigener Hand hinweg/ welcher auch sein Leben dabey zusetzen muste/ und hielt mit unablaͤssigem stechen und hauen an/ daß ihm niemand mehr stehen durffte. Krito wahr nicht weit davon/ sahe wol/ daß er endlich erliegen müste/ wolte doch solange moͤglich/ Widerstand tuhn/ und sein Leben verkaͤuffen/ so teur es gelten koͤnte. Er haͤtte seine Manschafft gerne wieder zum Stande und in Ordnung gebracht/ aber der Feind goͤnnete ihm so viel Zeit nicht; endlich funden sich noch 400 Mann zu ihm/ deren Fuͤhrer zu ihm sagete: Gnaͤdigster Fuͤrst/ sehet daß ihr eur Leben durch die Flucht rettet/ nachdem alles schon verlohren ist/ ich wil/ wo moͤglich/ des Feindes Nachdruk so lange auffhalten/ biß ihr auß dem Gedraͤnge seyn wer- det. Zu spaͤte/ zu spaͤte/ antwortete er; hier ist weder Pferd noch andere Gelegenheit/ davon zukommen/ wo wir nicht mit dem Schwerte uns den Weg mitten durch den Feind oͤffnẽ; wollen demnach fechten/ so lange warm Blut in uns ist/ ob wir die Haͤupter dieses feindli- chen Heers treffen/ und sie mit uns in den Tod nehmen koͤnten; setzete damit auff Ladisla mit grimmiger Wuht/ und musten alle die es sahen/ bekennen/ daß wo das ganze Heer sei- ne Schuldigkeit solcher Gestalt geleistet haͤtte/ wuͤrde der Sieg an unser Seiten sehr blu- tig gewesen seyn/ oder wol gar verlohrẽ. Nun war Ladisla nicht gewohnet/ den Fus hinter sich zusetzen/ und muste gleichwol diesern tapfern Schaar anfangs Willen goͤnnen/ aber nach dem er sich mit 600 Mann vergeselschafftet/ und eine feste Ordnung geschlossen hat- te/ trat er diesem Feinde muhtig entgegen/ und nach kurzem Gefechte geriet er an Fuͤrst Krito/ mit welchem ers wagete/ und ihn auß aller Krafft bestund/ so daß derselbe endlich strauchelte/ und wie hefftig er sich gleich straͤubete/ gefaͤnglich angenommen/ auß dem Ge- draͤnge gefuͤhret/ verbunden/ und in gute Verwahrung geleget ward. Worauff es nicht lange anstund/ daß das feindliche Heer zuruͤk wiche/ die Waffen von sich warff/ und uͤmb Gnad und Barmherzigkeit flehete. Ladisla befahl alsbald/ daß man das Blutvergiessen angaͤbe/ und alles was sich demuͤtigte/ lebendig gefangen naͤhme/ welches zwar geschahe/ aber doch also/ daß die Gefangenen aller ihrer Waffen und Kleider beraubet/ und wie das unvernuͤnfftige Vieh zusammen getrieben wurden. So bald Arbianes die feindlichen Hinter Schaaren erreichete/ hieb er alles nider/ und galt ihm gleich/ ob sich einer zur Gegenwehr stellete oder uͤm Gnade baht/ daher der Wendische junge Fuͤrst bewogen ward/ seine Voͤlker uͤm sich zusamlen/ und sich zum Tref- fen fertig zuhalten/ meinete Anfangs nicht anders/ es waͤhren seines Vaters Leute/ so ihm nachgeschikt/ das Fraͤulein auß seinen Haͤnden zureissen/ und ihn nider zumachen/ welches er dem Fraͤulein fest einbildete/ die er 4 Reutern zu verwahren gab/ ein wenig abwertz mit ihr zureiten/ und beklagete hoͤchlich/ daß er nicht mit mehrer Mannschafft sich auff den r r r ij Weg Siebendes Buch. Weg begeben hatte; doch wolte er lieber sterben/ als unter seines Vaters Haͤnde wieder gerahten/ setzete sich mit den seinen/ und wolte nicht ungerochen erleget sein. Als Arbianes den Stand und die ernstliche Gegenwehr merkete/ setzete er immer eiferiger an/ und rieff ihnen zu; Ihr Schelmische Strassen Raͤuber/ jetzt muͤsset ihr euren Frevel buͤssen/ daß ihr das Groß Fuͤrstliche Blut auß ihrem Lande habt hinweg fuͤhren duͤrfen; worauß Got- schalk erst verstund/ daß es Feindes Voͤlker wahren; wuste nicht/ wessen er sich verhalten solte/ und gedachte/ sie waͤhren vielleicht mit des Groß Fuͤrsten vorwissen und Geheiß ihm nachgeschicket/ darumb er einige Hoffnung der guͤtlichen Handlung fassete/ auch selbst/ wie erunbewaffnet wahr/ darumb anhielt. Aber da wahr den Tauben geprediget/ dann Ar- bianes und die seinen matzeten immer vor sich weg/ und rieffen als zur Losung/ Schlage tod/ Schlage tod. Wodurch diese endlich gezwungen wurden/ sich nach bestem vermoͤgen zu- schützen/ weil weder Barmherzigkeit noch Gehoͤr verhanden wahr; und wehrete dieses Blutbad so lange/ biß Gotschalk durch Arbianes Hand erschlagen wahr/ mit dem die wenig uͤbrigen als im Augenblik drauff gingen. Noch dannoch fand sich das Fraͤulein nit unter diesem Hauffen/ woruͤber sich Arbianes sehr hermete/ und einen Verwundeten fragete/ wohin sie gefuͤhret waͤhre; welcher ihm nachricht erteilete/ sie wuͤrde von 4 Reu- tern hinter jenem Gehaͤge Nordwerz verwahret. Er sahe gleich dieselben Reuter davon streichen/ und bald darauff das liebe Fraͤulein in Himmelblaueꝛ Kleidung hinter ihnen her/ bald folgete er ihr gar allein nach/ nachdem er seinen Leuten den Befehl erteilet hatte/ mit des erschlagenen Gotschalks Leiche uͤmzukehren und einen bequemern Durchrit am Ufer zusuchen/ steckete sein Schwert ein/ warf den Schild auff die Schulder/ haͤngete den Helm an den Sattel Knauff/ und rante ihr mit entbloͤssetem Haͤupte nach/ weil sie ohn das nicht so gar geschwinde jagen kunte/ und ihre Reuter sich schon auß dem Gesichte ver- lohren hatten. Als er ihr nahete/ sprang er vom Pferde/ in Meinung ihr die Hand zukuͤssẽ/ und ihr Pferd beym Zuͤgel zuleiten; sie aber/ welche annoch der Meinung wahr/ sie solte dem alten Wendischen Fuͤrsten zur Erfuͤllung seiner Unzucht/ zugefuͤhret werden/ stieß ihr Pferd an/ und jagete auffs schnelleste hinweg. Arbianes kunte so bald mit seinem Pferde nicht fertig werden/ daß sie ihm einen zimlichen Vorsprung abgewan/ doch erreichete er sie zeitig wieder/ fassete ihr Pferd bey dem Zuͤgel/ und griffe ihr nach der Hand/ da er schon abgestiegen wahr/ woruͤber sie dermassen erschrak/ daß sie in eine starke Ohmacht geriet/ und vom Pferde stuͤrzete/ nam doch keinen Schaden/ weil Arbianes ihrer Schwacheit bald innen ward/ und sie als eine todten Leiche ihm in den Arm fiel. Er wahr uͤber diemas- se bekuͤmmert/ daß er sie ohn Geist und Leben mit verschlossenen Augen sahe/ und sagete auß wahrer Andacht; O du barmherziger Gott/ erhalte mir diesen werten Schatz/ daß nach vollendeter ihrer Gefahr sie nicht gar auß vergeblicher Angst vergehen moͤge; legte sie damit auff seinen Reit Rok/ den er abgezogen hatte/ eꝛsahe eine nahe stiessende Bach/ dar- auß schoͤpfete er mit seinem Helme des frischen Wassers/ bestrich sie damit unter dem Ge- sichte und an den Haͤnden/ biß sie endlich zu sich selber kam/ mit einem starken Seuffzen die Augen auffschlug/ den Fuͤrsten als einen unbekanten ansahe/ und mit gebrochener bewaͤg- licher Stimme ihn also anredete: Guter Freund/ wer ihr sein moͤget/ ich weiß nicht/ ob vor geleistete Dienste zu meiner Erquickung ich euch danken sol/ nachdem mir nichts lie- bers Siebendes Buch. bers als ein sanffter Tod begegnen koͤnte/ so daß alle die mich sterbens wehren/ eine lautere Unbarmherzigkeit an mir begehen/ dafern sie willens sind/ mich dem boßhaften Wuͤterich dem alten Wendischen Raͤuber zuzufuͤhren/ dessen eigener Sohn mitleiden mit mir getra- gen/ und mich seiner Gewaltsamkeit hat entfuͤhren wollen. Arbianes geriet hiedurch in so grosses mitleiden/ daß ihm die Traͤhnen haͤuffig uͤber die Wangen ablieffen/ welches ihr gute Hoffnung gab/ und sie daher also fort fuhr; eines troͤstet mich/ junger Herr/ daß es scheinet/ ob truͤgen eure trieffende Augen mitleiden und Erbarmung mit meinem schwerẽ Unfal/ wovor ich billich dankbahr sein werde/ wann mir nur so viel vermoͤgen uͤbrig blei- bet; seid ihr aber befehlichet/ mich dem Schandsuͤchtigen Raͤuber zuzufuͤhren/ so tuht die- ses Werk der Barmherzigkeit an mir/ und stosset euer Sieghafftes Schwert durch mei- nen Leib/ damit der schnoͤde Wendische Hund seinen unkeuschen Willen an mir nicht er- fuͤllen moͤge; und da ihr wegen solcher Taht Ungnade fuͤrchtet/ so gebet/ bitte ich/ nur vor/ ich habe mich selbst entleibet/ alsdann werdet ihr mich beseligen/ und euch alles ungleichen Verdachts entledigen. Arbianes saß vor ihr auff den Knien/ kuͤssete ihr die Haͤnde/ daß sie von seinen Traͤhnen genetzet wurden/ und antwortete: Durchleuchtigstes Fraͤulein/ ich bitte durch Gott/ Ihre Durchl. wolle alle furcht und schrecken aus ihrem Herzen jagen/ und sich versichern/ daß sie des boßhafften Wendischen Bluthundes und Raͤubers wegen durchaus keine Anfechtung mehr haben wird; dann ihrer Durchl. Herr Bruder/ Fuͤrst Baldrich ist gestern mit einem starken Heer ankommen/ und haͤlt jezt die Feldschlacht mit den Feinden/ von dem auff ausdruͤklichen Befehl ich mit einer guten Anzahl Reuter ab- gangen bin/ Eure Durchl. samt dero herzgeliebten Eltern loßzumachen/ welche ich dann mit einer starken und sichern Begleitung schon fortgeschicket/ und aus Feindes Hand er- lediget habe; auch so bald Eurer Durchl. Entfuͤhrung ich von ihnen verstaͤndiget wordẽ/ habe ich nach aller Moͤgligkeit hinter ihnen angesetzet/ und die Raͤuber/ wie sie ohn zweifel gesehen/ durch Gottes Beistand erleget; Wolle demnach Eure Durchl. ihr gnaͤdigst ge- fallen lassen/ mit mir umzukehren/ auff daß ihr Herꝛ Bruder/ uñ andere angenehme Freun- de/ durch ihre hochbegehrte Gegenwart erfreuet werden. Ich meines teils verspreche ih- rer Durchl. so viel Sicherheit und Schuz/ als mein und der meinen Schwert biß auf den lezten Mann wird schaffen koͤnnen. Das liebe Fraͤulein wolte anfangs nicht trauen/ mey- nete/ er suchte mit guten Worten und ertichtetem Mitleiden sie zubetriegen/ und antwor- tete: Mein Herr/ wie solte mein herzlieber Bruder Fuͤrst Baldrich in der naͤhe seyn/ von dem wir sieder seiner Abreise aus Schweden nicht die allergeringste Zeitung haben moͤgẽ/ sondern wird nebest seinem Oheim Fürst Siegward vor tod geschaͤtzet und beweinet. Durchleuchtigstes Fraͤulein/ wieder antwortete er; sie versichere sich bey dem wahrẽ Gott/ daß ich ihr die reine Warheit geredet habe/ massen eben dieser Fürst Siegward bey Fürst Baldrich sich befindet/ und bitte sie umb ihrer eigenen Wolfahrt willen/ sich alhie weiter nicht auffzuhalten/ damit wir nicht dem fliehen den Feinde in die Haͤnde fallen/ welcher allem vermuhten nach sich bald wird sehen lassen; Zweifelt sie aber an meiner Auffrichtig- keit und Traͤue/ wil ich sie des Argwohns bald entheben; dann ich habe an Ihre Durchl. einen Brüder- und Schwesterlichen Gruß/ von dem teuren Groß Fuͤrsten/ Herrn Herku- les/ und der unvergleichlichen Großfuͤrstin Fr. Valisken/ als von denen ich aus Persen in r r r iij einer Siebendes Buch. einer ansehnlichen Gesandschafft an ihrer Durchl. Großfuͤrstliche Eltern abgefertiget bin/ da ich die schelmische Entfuͤhrung erfahren/ und ihren Herr Bruder Fuͤrst Baldrich zu gutem Gluͤk in Prag angetroffen habe; Ja zum unfehlbaren Warzeichen liefere Ihrer Durchl. ich dieses Schreiben gehorsamst ein/ von hoͤchstgedachter Großfuͤrstin an diesel- be selbst geschrieben/ deren Hand und schoͤn-gezogene Buchstaben derselben nicht werden unbekant seyn. Sie nam diesen Brief ganz begierig an/ erkennete alsbald die Hand/ und nach abgelegtem Zweifel sagete sie: O du allerliebstes Brieflein/ wie grosse Angst uñ Kum- mer vertreibestu aus meinem Herzen! Aber mein Herr und Freund/ wie sol ichs immer- mehr erkennen/ daß er uͤber das noch meine Wolfahrt und Rettung ihm so hoch laͤsset an- gelegen seyn? stekete hiemit nach des Pitschaffts Besichtigung das Brieflein in ihren Busem/ und sagete: Nun nun mein Herr und Freund/ ich wil ihm und seinen Worten gerne trauen/ auch hiemit versprechen/ dafern er mich ungeschimpffet in Gewarsam brin- gen wird/ sollen ihm solche Freundschafftdienste nach aͤusserstem Vermoͤgen vergolten werden. Jedoch wolle mein Herr und Freund mir zuvor sagen/ wer er ist/ damit ich wissen moͤge/ mich der gebuͤhr gegen ihn zuverhalten. Durchl. Fraͤulein/ antwortete er/ ich bin der Durchl. Großfuͤrstin Fr. Valisken ganz ergebener Knecht/ und werde uͤber meine Wir- digkeit von ihr geschaͤtzet/ bin sonst ein naher Anverwanter des Medischen Großfuͤrsten Herrn Phraortes/ dessen einiger Sohn und Erbe/ Fuͤrst Arbianes mit mir aufferzogen ist/ welcher inwendig Viertel Jahrs mit hoͤchstgedachter Großfuͤrstin/ dieser Laͤnder an- kommen wird. Als das Fraͤulein solches hoͤrete/ stund sie auff/ neigete sich gar ehrerbietig gegen ihn/ hub ihn auch in die Hoͤhe/ weil er noch auff den Knien saß/ und baht sehr/ seine Liebe ihr durch so demuͤtiges niderknien nicht gar zu grossen Schimpff erweisen moͤchte/ angesehen er ohn zweifel Großfuͤrstliches Standes seyn muͤste/ nach dem er eines so maͤch- tigen Großfuͤrsten Anverwanter waͤhre. Und weil nun Eure Liebe/ sagete sie ferner/ mir Fuͤrstlich versprochen/ meiner Jungfraͤulichen Zucht und Ehren Schuͤtzer zuseyn/ so wil ich mit gutem Willen mit ihm fort reiten/ unter dem Versprechen/ daß meine liebe Eltern diese seine hohe Dienste werden zuerkennen wissen. Arbianes verhieß ihr nochmahls aͤid- lich/ sie lebendig nicht zuverlassen/ noch einigerley weise ihr ungebühr anzufuͤgen; kuͤssete ihr den Rockes Saum wider ihren Willen/ stieg auffs Pferd/ und setzete sie vor sich/ weil ihr eigenes davon gelauffen wahr/ hoffete auch in weniger Zeit sie in gute Sicherheit zu bringen/ welches ihn doch fehlete/ wie wir vernehmen werden. Im fortreiten erzaͤhlete er ihr/ wie zeit seines anwesens es in der Schlacht ergangen waͤhre/ und daß der Feind schon die Wankseite genommen/ da er nach dem Dorffe geeilet/ endlich auch/ daß er den jungen Wendischen Fuͤrsten mit eigener Hand nidergehauen/ uñ seinen schnoͤden Leichnam durch seine Reuter schon fortgeschicket haͤtte; Worauff sie zur Antwort gab: Es haͤtte dieser Fuͤrst zwar viel gutes bey ihr getahn/ und seines leiblichen gottlosen Vaters Gewalt/ doch mehr aus gefasseter Hoffnung ihrer Heyraht/ als rechtschaffenem Mitleiden von ihr ab- gewendet; weil er dann mit diesen ihr gar widrigen Gedanken umgangen waͤhre/ sie nach Daͤnnemark zufuͤhren/ und sie daselbst zu ehlichen; waͤhre ihr lieb/ daß sie forthin seinetwe- gen unangefochten seyn wuͤrde/ ob sie ihm gleich einen solchen Tod nicht goͤnnete. Sie rit- ten in diesem Gespraͤche fort/ und wurden gewahr/ daß seine Reuter von ferne ihnen stark winke- Siebendes Buch. winketen/ auch bald darauff zur Seite aus Sudwerz wichen; bald hernach sahen sie viel zustreuete Voͤlker uͤber die Isel setzen/ und bey hundert stark ausreissen; daher Arbianes zu dem Fraͤulein sagete: Als viel ich merke/ ist Gott Lob/ der herliche Sieg an unser seiten erstritten/ wann wir nur gluͤklich moͤchten hinüber seyn; Wollen wir aber nicht in der flüch- tigen rachgierigen Feinde Haͤnde gerahten/ muͤssen wir uns von dem Wege gegen Suden begeben/ weil die Feinde sich West- und Nordwest-werz wenden; hieb damit seinen starkẽ Gaul an/ und ließ ihn immer durch das offene Feld hin lauffen/ biß er auff einen schmalen Fußpfad geriet/ auff welchem er hinritte/ und nicht anders meynete/ weil er seinen bißher so hochgewuͤnscheten Schaz vor sich auff der Schos fuͤhrete/ koͤnte es ihm an nichts mehr gebrechen. Umb diese Zeit kam der Groß Fuͤrst auff der Wahlstat an/ sahe daselbst die uͤberaus grosse Menge der Erschlagenen liegen/ und hielt sich nicht lange unter denen auff/ sondern nam den naͤhesten Weg nach dem Lager/ hielt seine Voͤlker enge umb sich zusammen/ weil er sich eines uͤberfalles befuͤrchtete/ und ihm schon etliche Schaaren auffgestossen wahren. Als er unser Sieghaftes Heer/ welches sich zur Plunderung fertig machete/ von ferne er- sahe/ schickete er 30 Reuter voraus/ seine ankunft anzumelden/ da dann Baldrich und Sieg- ward neben Leches (der samt Fabius und Gallus den Feinden zeitig wieder entrissen wahr) ihm mit entbloͤsseten Haͤuptern entgegen ritten/ wurden auch mit freuden empfangen/ son- derlich da sie noch frisch und ohn sonderliche Verwundung wahren. Geliebter Sohn/ fing der Groß Fuͤrst an/ ob dein Bruder Herkules in den abgelegenen Morgenlaͤndern ihm ei- nen grossen Nahmen erwirbet/ so muß doch deiner billich vorgesetzet werden/ weil du in ret- tung deiner Eltern dich gebrauchest/ und dein Vaterland zu schuͤtzen/ dir laͤssest angelegen seyn; und wie bistu doch eben zu so gluͤklicher Stunde wieder zu Hause angelanget/ da wir dich schon vor Tod beklaget haben? Gn. Herr Vater/ antwortete er; Euer Unfal ist mir sehr zu herzen gangen/ dessen ich doch bald vergessen wil/ nach dem ich euch neben meiner herzlieben Fr. Mutter frisch und gesund sehe. Er wolte mehr reden/ aber die Mutter fiel ihm umb den Hals/ herzete und kuͤssete ihn/ sprechend: O mein herzlieber Sohn/ ich habe dich schon etliche Zeit als einen erschlagenen oder im Meer ersoffenen beweinet; wie füh- ren dañ die guͤtigen Goͤtter dich bey so gelegener Zeit zu unser Rettung her? Allerliebste Fꝛ. Mutter/ antwortete er; Ich habe Gott lob bißher sehr wol gelebet/ und neben meinen Bru- der Fuͤrst Siegward hie gegenwaͤrtig/ Ruhm und Ehre/ Geld und Gut erstritten; dz wir aber zu euer Rettung ankommen sind/ haben wir der barmherzigkeit des Almaͤchtigen Got- tes allemiteinander billich zu danken/ wiewol ich das wenigste dabey getahn/ sondern die trefliche Persische Herren Gesanten/ die wir zu Prag angetroffen/ haben durch ihre Sieg- hafte Schwerter und hochverstaͤndige anordnung den Feind erlegt/ und den schoͤnen Sieg erstritten. Diese sind von meinem lieben Herr Bruder Groß Fuͤrst Herkules/ und Koͤnig Ladisla heraus gesand/ haben etliche hundert Wagen mit Golde und Kleinoten geladen/ aus den Asiatischen Laͤndern gebracht/ welche ihnen zustehen/ und koͤnnen diese nicht gnug rühmen/ wie hoch sie beyde daselbst geliebet und geehret werden; und ob man ihnen gleich grosse Koͤnigreiche auffgetragen/ wollen sie es doch nicht annehmen/ weil sie entschlossen sind/ in ihrem Vaterlande zu sterben/ und daselbst ihr uͤbriges Leben zuzubringen/ dessen ich mich Siebendes Buch. mich dann herzlich erfreue/ und ungleich mehr/ als wañ mir das ganze Roͤmische Reich geschenket wuͤrde. Mir kan nichts angenehmers zu Ohren kommen/ sagte der Vater/ als wann den meinen Ruhm uñ Ehre nachgesagt wird/ moͤchte aber wuͤnschen/ daß dein Bru- der aus Teutschland nie kom̃en waͤhre/ oder zum wenigsten nunmehr bliebe wo er ist/ nach- dem er seine Landgoͤtter verleugnet/ und ich daher gaͤnzlich entschlossen bin/ dir mein Groß- fuͤrstentuhm nach meinem tode zuzuwenden. Mir? sagte Baldrich/ mir? Gn. Herr Va- ter/ und zwar bey meines unvergleichlichen Herrn Bruders lebezeiten? solches wende ja der grundguͤtige Gott in allen Gnaden ab; dañ ehe ich einem solchẽ Bruder/ dessen Ruhm alle Welt durchstreichet/ vorgreiffen/ und ihn als rechtmaͤssigen Nachfolger erbloß machẽ wolte/ wuͤrde ich lieber dieses Schwert durch mein eigen Herz stossen/ oder ja ein Feind meines eigenen Vaterlandes werden; dann viel ehrlicher waͤhre mirs/ ich stuͤrbe standhaf- tig/ als daß ich einem solchen Bruder mich entgegen setzen solte/ den die ganze Welt liebet uñ ehret; ja der die ganze Welt zubeherschen gnug wirdig ist; hat mir Gott eine Herschaft ausersehen/ wird er mir solche schon zuweisen; ich habe den Verraͤhter Krito in meiner haft/ der mus mir nicht alle in mit dem Halse bezahlen/ sondern sein Land sol es ihm zugleich mit kosten/ und Frießland wird seine Gefahr auch stehen/ weil sie ihre Schwerter mit in der Schlacht gebrauchet/ und den Strassenraub verfochten haben; aber meinem H. Bruder und seinem unvergleichlichen Gemahl Groß Fuͤrstin Valisken/ sol von mir alle Gewalt/ nach belieben damit zuschalten/ zugestellet werden; ihnen zum besten aber beydes zugewin- nen/ habe ich Gott lob Macht und Mittel genug/ gestaltsam ich ein Heer von 58000 Mañ mit mir gebracht/ und durch Gottes gnaͤdigen Schuz nicht 4000 in der Schlacht einge- buͤsset habe/ da hingegen der Feinde an die 30000 erschlagen sind. Wir werden hievon zu besserer gelegenheit reden und handeln/ sagte der Groß Fuͤrst; vor dißmahl wird billich seyn/ daß wir nach dem Lager reiten/ und wegen geleisteter Huͤlffe den Persischen Herren Ge- santen uns dankbar erzeigen. Aber lieber/ wer ist der frische junge Held/ welcher deiner Frl. Schwester gefolget ist/ umb sie aus des jungen Wendischen Fuͤrsten Haͤnden loßzumachẽ/ auch mich neben deiner Mutter so tapffer errettet/ und die feindliche Wache auffgerieben hat? Baldrich hatte davon keine wissenschaft/ sahe aber/ daß die Parther seine Eltern be- gleiteten/ und fragete einen Teutschen/ der bey ihnen wahr/ wer sie gefuͤhret haͤtte. Welcher zur Antwort gab; Ihr Oberster Herr Karl waͤhre/ seinem vorgeben nach/ von dem Persi- schen Gesanten bevolmaͤchtiget worden/ den Groß Fuͤrsten zuerloͤsen/ und nach dem er ver- nommen/ daß das Durchl. Fraͤulein entfuͤhret/ waͤhre er mit 150 Mann gefolget/ hoffete/ er wuͤrde sich bald wieder einstellen. Baldrich ward der Zeitung sehr froh/ und sagete: Es wuͤste kein Mensch im ganzen Heer von dieser geschehenen Rettung/ welche ohn allen zwei- fel dieser junge Groß Fuͤrst aus Meden aus eigener bewaͤgnis vorgenommen haͤtte; und weil man nicht wuͤste/ wo er moͤchte geblieben seyn/ beklageten ihn schon die hoͤchsten Haͤup- ter des Heers/ als einen erschlagenen oder gefangenẽ; er ist aber eben der junge Groß Fuͤꝛst/ sagte er/ welcher vor etlichen Monaten umb meine Frl. Schwester sol anwerbung getahn haben/ und in betrachtung seines Standes und loͤblicher Ritterschaft wol wert ist/ daß er in unsere Freundschaft auffgenommen werde. Wol zu frieden/ sagte der Vater; haben die Goͤtter sie ihm ausersehen/ und uͤberdas ihn aus Meden hergesand/ sie zuerretten/ werde ich Siebendes Buch. ich sie ihm auch wol goͤnnen/ wann er nur ihren guten willen erwerben kan; wiewol/ die Warheit zu sagen/ ich sie an einen solchen Ort in meinem Herzen gewuͤnschet habe/ daher ich ein gleichmaͤssiges nehmen koͤnte/ welches beydes Baldrich und Siegward verstunden/ aber sich dessen nicht merken liessen; dann er haͤtte sie diesem gerne gegeben/ und dagegen Frl. Schulda aus Scheden seinem Sohn gefreiet/ welches nunmehr zu spaͤte wahr. Sie ritten ingesamt nach dem Lager/ woselbst Herkules und Ladisla nebest Neda und Neklam auffwarteten/ den Groß Fuͤrsten und sein Gemahl ehrerbietig zu empfahen/ da sie/ als der Sprache unerfahrne durch Neda das Wort tuhn liessen/ welcher also anfing: Großmaͤch- tigster Groß Fuͤrst/ gnaͤdigster Herr; die auch Großmaͤchtige Fuͤrsten und Herren/ Koͤ- nig Ladisla und Groß Fuͤrst Herkules/ eurer Groß Fuͤrstl. Hocheit gehorsamste untertaͤh- nige Soͤhne/ dañ auch die Durchleuchtigste Groß Fuͤrstin/ und erwaͤhlete Fürstin zu Su- sa/ Fr. Valiska/ eurer Hocheit ganz ergebene Tochter/ entbieten ihrem Gn. Herr Vater uñ Gn. Fr. Mutter durch uns kindlichen Gruß/ wünschen ihnen alles wolergehen an Leib und Seel/ und lassen ihnen wissen/ was gestalt sie annoch frisch und gesund leben/ auch willens sind/ ihre herzgeliebete Eltern schier kuͤnftig zubesuchen/ haben uns gegenwaͤrtige Gesanten/ nebest den Durchleuchtigsten Großfuͤrstlichen Herrn aus Meden/ Fuͤrst Arbianes (der si- der eroberter Schlacht gemisset/ aber sich geliebts Gott wieder finden wird) abgeschicket/ beydes an die Großmaͤchtigste Koͤnigin in Boͤhmen/ und an ihre Großfuͤrstl. Hocheit/ um etwas gewisses zu werben/ welches zu gelegener Zeit sol vorgetragen werden/ unterdessen befehlen wir uns eurer Hocheit zu aller gewogenheit und Gnade/ wuͤnschen derselben Gluͤk wegen jezt geschehener Erloͤsung/ und bitten/ daß Gott dieselbe hinfuͤro vor solcher und der- gleichen gefahr gnaͤdiglich bewahren wolle. Der Großfuͤrst sahe die Gesanten an/ verwun- derte sich ihrer Fürstlichen geberden/ bedankete sich des geschehenen Wunsches und gelei- steter Rettung/ hieß sie wilkommen seyn/ erfreuete sich seiner geliebeten Kinder gluͤklichen wolergehens/ und ließ sich vernehmen/ daß ihre vorgenommene Werbung ihm nicht solte unangenehm seyn. Baldrich ließ in seinem Zelt alsbald Mahlzeit anrichten/ so gut mans im Felde haben kunte/ und noͤhtigete seine Eltern/ mit ihm vor lieb zunehmen. Diese liessen sich hierzu nicht lange bitten/ weil sie den ganzen Tag noch keiner Speise genossen hatten/ nur begehreten sie/ die beyden Herrn Gesanten moͤchten mit ihnen Mahlzeit halten; welche sich aber durch einwendung etlicher noͤhtigen geschaͤften entschuldigten/ wolten hernach ihrer Hocheit untertaͤhnigst auffwarten; insonderheit/ eilete Herkules von ihnen hinweg/ dañ sein Herz wallete ihm im Leibe auff/ dz er die Traͤhnen laͤnger nicht einzwingen kunte; ging also mit Ladisla nach dem Zelte/ woselbst das gesamte Fürstliche Frauenzimmer sich in praͤchtiger Kleidung auffhielt/ welche durch die Zeitung von Arbianes hoch erfreuet wurden/ insonderheit Valiska/ die ihn schon als einen erschlagenen schwesterlich betraure- te. Das Heer trug verlangen nach der Pluͤnderung/ aber es ward ihnen bey Lebensstraffe gebohten/ sich dessen diesen Tag zuenthalten/ mit Verheissung/ sie solten morgen fruͤh alle Beute gemein haben. Bey dem Großfürsten und seinem Gemahl hielt niemand Mahl- zeit/ als Baldrich/ Siegward und Leches/ und gingen allerhand Gespraͤche unter ihnẽ vor/ da insonderheit der Großfürst Leches fragete/ wie seine Teutschen sich in den Morgenlaͤn- dern hielten; Ich zweifele nicht/ sagte er/ sie werden Beute zumachen wol abgerichtet seyn/ s s s massen Siebendes Buch. massen sie von Jugend auff sich darzu gewehnet. Leches gab zur Antwort: Sie haͤtten in unterschiedenen Haͤupt Schlachten und Scharmuͤtzeln einen solchen Nahmen erworben/ daß die Feinde sich einzig und allein vor ihnen fuͤrchteten; Der Persen Großfuͤrst/ nun- mehr Koͤnig/ gaͤbe ihnen durch die Bank hin dreifachen Sold/ und waͤhre keiner unter ih- nen/ der nicht etliche viel tausend Kronen wert vor sich gebracht haͤtte/ wie sie dann 100 Wagen mit Silber/ Gold/ und andern koͤstlichen Sachen beladen/ mit heraus biß nacher Prag geschikt/ von dannen die ihren es abhohlen solten; durchgehend hielten sie Leibdiener und Handpferde/ weniger und mehr; insonderheit haͤtte Obrister Wedekind an die 200 koͤstliche Handpferde uñ so viel Parthische Leibeigene/ uñ erstreckete sich sein baarer Schaz neben Kleinodien/ Kleidern und Waffen auff die 8 Tonnen Goldes. Das wird dir ein gefunden fressen vor meine Huͤhnerfaͤnger seyn/ sagte der Großfürst/ und wolte ich nicht gerne/ daß meine Untertahnen solches erfahren solten/ sie duͤrfften sonst alle den Pflüg an die Wand haͤngen/ und den Weg nach Persen suchen. Baldrich trachtete nach Gelegen- heit/ sein Vorhaben ins Werk zurichten/ und als er mit seiner Fr. Mutter Sprache hielt/ sagte er: Wegen jeztgescheher Erloͤsung freue ich mich von herzen/ daß meine Reise nach Persen durch meine hoͤchstwirdige Fr. Schwester/ Koͤnig Ladislaen Gemahl ist verhindeꝛt worden/ dann sonst wahren mein Bruder Siegward und ich/ des ganzen Vorhabens/ un- sere Herren Bruͤder zusuchen/ und von ihnen in Kriegssachen etwas zulernen. Wie dann mein lieber Sohn/ antwortete die Mutter/ bistu dann bey der jungen Koͤnigin in Italien gewesen? Ja/ sagte er/ wir haben beyde die Ehre und das Glük gehabt/ sie und ihre Frl. Wase aus Raͤuber Haͤnden loß zuwirken/ und sie nach Prag zubegleiten/ woselbst sie anjezt sich bey ihrer Fr. Schwieger Mutter neben ihren jungen Herrlein Herkuladisla auffhaͤlt/ und mag sich meine Fr. Mutter wol versichern/ daß dieser Heyraht wegen Koͤnig Ladisla vor gluͤkselig zupreisen ist/ massen er und mein Bruder Herkules hiedurch bey dem Roͤmi- schen Kaͤyser in brüderliche Kund- und Freundschafft gerahten sind/ so gar/ daß wie ich euch bey hoͤchster Warheit vergewissern kan/ Kaͤyser Alexander meinem lieben Bruder Herkules zu unterschiedenen mahlen auffgetragen hat/ ihn zum Neben Kaͤyser zumachen/ und alle Gewalt mit ihm gemein zuhaben/ welches er doch bestendig ausgeschlagen hat; Betrachte demnach mein Herr Vater/ was vor einen Sohn er zuenterben gesonnen ist/ der mit einem Fußtrampffe die ganze Welt in Harnisch bringen/ und Teutschland mit Grund und Bodem ins Meer hinein schieben koͤnte/ da doch derselbe hingegen seinen El- tern und dem Vaterlande mit so kindlicher traͤuen Liebe anhanget/ daß vor deren Heil uñ Wolfahrt zusterben/ er sich nimmermehr wegern wuͤrde/ welches wol klar genug daher er- scheinet/ daß er das rauhe Teutschland mehr liebet und hoͤher achtet/ als die allergeschlach- testen Landschafften der ganzen Welt. Wolle daher mein Herr Vater in betrachtung des- sen/ auffhoͤren/ einen solchen Sohn zuhassen/ damit er nicht wider seinen Willen genoͤhti- get werde/ sein Schwert wider sein eigen Vaterland zuwendẽ/ welches ohn dessen Grund- verderbung nicht geschehen kan/ ich auch/ ihm zuwiderstehen viel zu geringe und schwach seyn wuͤrde/ wann gleich ganz Schweden und Daͤnnemark bey mir stuͤnden. Der Vater antwortete ihm mit einem halben Eifer: Was mein Sohn? legestu mir zu/ daß ich meinẽ Herkules hasse/ den meine Seele von seiner ersten Jugend an/ uͤber mich selbst geschaͤtzet/ uñ vor Siebendes Buch. vor eine sonderliche Gabe der Goͤtter/ ja vor ein Muster eines volkommenen Menschen gehalten hat? mit welchem Worte ihm die Bewaͤgungs-Traͤhn en aus den Augen hervoꝛ drungen/ daß sie auff den Tisch fielen/ und sagte weiter: Ehre gnug Teutschland/ Ehre gnug/ dz man deinẽ Erbfuͤrsten hat wollen auff den Kaͤyserlichen Stuel setzen. Aber O mein teurer Herkules/ warum hastu doch durch einen neuen Aberglauben dich deinen Elteꝛn ent- rissen/ und deines lieben Vaterlandes unfaͤhig gemacht? Was? antwortete Baldrich/ sei- nes Vaterlandes unfaͤhig? schwieg hiemit stille/ sahe vor sich nider/ und sagte weiteꝛ. Gn. Herr Vater/ ist dann mein teurer Bruder Herkules wegen seines gottseligen Christen- tuhms/ des Vaterlandes unfaͤhig worden/ so werde ich zugleich mit ihm das Elend bauen muͤssen; dann ich halte es vor meine hoͤchste Seligkeit/ daß meine Fr. Schwester Koͤni- gin Sophia mich und meinen Bruder Siegward zu eben diesem allein seligmachenden Glauben gebracht hat. Weil dann die verteuffelte/ boßhaffte und verlogene Kroden-Pfaf- fen meinen Herr Vater leider so weit eingenommen/ daß er umb der Erkaͤntniß willen des einigen wahren Gottes/ seine Kinder enterben wil/ wolan/ so mag hernaͤhst der Schelmen- Pfaffen einer die Großfuͤrstliche Kron auffsetzen/ und sich ruͤhmen/ daß ihm solches durch seine boßhaffte Luͤgen so wol gelungen ist/ jedoch/ wo mein Herr Bruder und Koͤnig Ladis- la/ ja auch gegenwaͤrtiger Koͤniglicher naͤhester Erbe in Schweden/ und ich/ als ein verban- neter/ euren Tod (welchen Gott lange verhuͤten wolle) ableben solten/ wuͤrden wir ihnen den Reichs Stab dergestalt angluͤen/ daß sie beyde Faͤuste daran verbrennen muͤsten. Der Almaͤchtige Gott verleihe meinen lieben Eltern nur ein langes Leben/ dann bey ihrer Zeit sol dergleichen Unruhe wol verbleiben; aber hernach duͤrffte alles mit zehnfachen Zinsen eingefodert werden/ und auff solchen fal das gottlose Pfaffenblut meinen Zorn schon loͤ- schen. So hoͤret nun mein Herr Vater/ und wisset/ daß ihr in diesem Stuͤk an mir einen andern Herkules habt/ auch bemaͤchtiget seyd/ mit mir nach eurem Willen zuschalten/ ohn was mein Christentuhm betrifft/ in welchem ich meinem Gott mehr/ als den Eltern/ Ge- horsam leisten muß/ wann ich auch durch tausend uñ noch tausend Peinigungen solte hin- gerichtet werden. O Sohn/ O Sohn/ sagte der Vater mit betruͤbter Stimme/ haͤltestu so dein aͤidliches versprechen/ welches du mir bey dem Opfer geleistet hast/ daß du deine uhr- alten Land Goͤtter/ die uns bißher so wol und traͤulich geschuͤtzet/ und in Freiheit erhalten/ nun und nimmermehr verlassen/ noch andere neue annehmen woltest? Ja Gn. und liebster Herr Vater/ antwortete er; wann ich gleich zehn tausend und noch zehn tausendmahl tau- send aͤide daruͤber geschworen haͤtte/ muͤstẽ sie doch alle gebrochen und verflucht seyn. Dañ wer ist schuldig/ ungerechte und gottlose aͤide zuhalten/ insonderheit/ welche dem allerhoͤch- sten einigen wahren Gott/ dem Schoͤpffer Himmels und der Erden selbst zuwider lauffẽ? es bedenke nur mein Herr Vater/ wann jemand ihm sagete: Der Mensch in jenem Ne- ben Zelte waͤhre sein Erzfeind/ der Wendische Strassen Dieb und Menschen Raͤuber/ und er darauff einen hohen aͤid schwuͤre/ er wolte ihn lebendig verbrennen; befuͤnde aber her- nach/ daß nicht dieser/ sondern sein leiblicher guttaͤhtiger Vater drinnen waͤhre/ wolte er sich wol schuldig halten/ dem geleisteten aͤide nach/ ihn zuverbrennen? Ich meyne ja nicht/ Herr Vater/ sondeꝛn er wuͤrde seinen aͤid brechen/ uñ es damit entschuldigen/ dz er schaͤnd- lich hintergangen waͤhre. Gleich also haben die buͤbischẽ Kroden Pfaffen mir ganz faͤlsch- s s s ij lich Siebendes Buch. lich eingebildet/ der Gott/ welchen mein Herr Bruder/ dessen Gemahl/ Koͤnig Ladisla/ ich/ Gott Lob/ und andere Christen mehr verehren/ waͤhre ein falscher verführischer GOtt/ da wir doch im widrigen wissen und befinden/ daß er unser Schoͤpffer/ unser Erhalter/ unser himlischer Vater/ und der allein wahre Almaͤchtige Gott ist; solte ich dann wol gehalten seyn/ diesen Gott zuschaͤnden/ wie ich aus blinder Unwissenheit in meinen kindlichen Jah- ren/ auff der Buben Verleitung versprochen habe? Tausend und noch tausend Herzen liesse ich mir lieber aus meinem Leibe reissen/ wann sie darinnen waͤhren; Feur/ Wasser/ und aller Buͤttelpeinigung liesse ich auff mich zustuͤrmen/ ehe ich diesen Gott verleugnen/ oder ein Schmaͤhewort auff ihn auslassen wolte. Bitte demnach meinen Herr Vater kindlich/ er wolle doch den teuflischen Pfaffen nicht so leicht Glauben beymaͤssen/ wann sie der unschuldigen Christenheit zulegen/ wie sie in aller Suͤnde und Schande ihr Leben wie das unvernuͤnfftige Vieh zubringen. Wahr ist es/ daß etliche gottlose Buben unter dem Nahmen der Christen sich aller Schande haben geluͤsten lassen; aber dieselben wahren nit Christen/ sondern Erz Boͤsewichter/ sind auch von den rechtschaffenen Christen nie vor Glaubensgenossen gehalten/ sondern ausgestossen/ so bald sie ihrer Gottlosigkeit innen woꝛ- den; dann die wahren Christen/ zu denen wir uns halten und bekennen/ die unbillichen sol- che Boßheit von ganzem Herzen/ und haben durchaus keine Gemeinschafft mit diesem Wuhst/ sondern befleissigen sich aller Zucht und Erbarkeit/ dz meinen Herr Vater ich wol versichern kan/ dieses der Pfaffen widriges angeben bestehe nur in lauter Luͤgen und Boß- heit/ welche der Teuffel in ihnen aushecket/ damit den elenden Menschen der Weg zur Se- ligkeit versperret werde. Dieses sind allemahl auch meine Gedanken gewesen/ sagte seine Mutter; dann meines allerliebsten Herkules Art und Eigenschafft trug ja kein belieben zu der Unreinigkeit/ sondern wahr aller Unzucht von ganzem Herzen feind/ wie er auch hie- durch in grosse Gefahr geriet/ und nicht allein das Gefaͤngniß druͤber erdulden muste/ son- dern haͤtte nach des Adels Willen wol gar den Kopff hergeben muͤssen/ wann sein getraͤuer Ladisla ihn nicht gerettet haͤtte; Wie solte er dann/ da er verstaͤndiger worden ist/ sich des guten so gar abgetahn/ und dem boͤsen ergeben haben? Ja wie haͤtte er koͤñen solchen Glau- ben annehmen/ in welchem nicht allein jedem erlaubet ist/ alle Schande zutreiben/ sondern auch keiner gelitten wird/ wo er nicht allerley Unflaͤterey mit machet? nimmermehr glaͤu- be ich ein solches; nimmermehr fasse ich diesen Argwohn von meinem züchtigen Sohn Herkules. Weil Baldrich seine Rede vorbrachte/ sahe sein Vater vor sich nider/ und wu- ste nicht/ was er antworten solte/ dann er sahe seine Freidigkeit/ vernam auch aus seinen Worten/ daß weitere Abmahnung vom Christentuhm/ allerdinge vergebens und umsonst seyn wuͤrde/ endlich sagete er zu ihm: Lieber Sohn/ wann dann dieser dein und deines Bru- ders Gott so stark und maͤchtig ist/ und dein Glaube so gut und heilsam/ welches ich so heff- tig nicht wiederfechten wil/ weil ich sein keine Erkaͤntniß habe/ so wil ich weder dich noch deinen Bruder hinfuͤhro noͤhtigen/ denselben zuverleugnen/ sondern mich eines bessern un- terrichten lassen; nur allein muͤsset ihr euren Gott vor euch allein haben und ehren/ und dẽ Untertahnen ihre Goͤtter und gewoͤhnlichen Gottesdienst goͤnnen/ sonsten werdet ihr ein solches Ungluͤk erwecken/ welches das ganze Land verstoͤren/ und zu grunde richten wird. O wie erfreuete sich Baldrich dieser Erklaͤrung! Er bedankete sich kindlich der vaͤterli- chen Siebendes Buch. chen Zuneigung/ und versprach ihm im übrigen allen moͤglichen und bereitwilligen Ge- horsam/ mit Beteurung/ ihr Glaube waͤhre nicht also beschaffen/ daß man die Menschen mit Gewalt darzu zwingen muͤste/ sondern wann die Untertahnen sich nicht wolten durch Freundligkeit leiten lassen/ waͤhren sie nicht willens/ jemand zunoͤhtigen; wiewol sie auch nicht zugeben koͤnten/ daß die Unte rtahnen sie und andere/ wegen solches Glaubens verfol- gen solten/ da etliche aus gutem freyen Willen ihn annehmen wuͤrden. Bald darauf nam Leches einen Abtrit/ vorgebend/ er wolte etlicher Geschaͤffte halber bey dem Heer Anord- nung tuhn/ verfuͤgete sich hin zu Herkules/ mit der erfreulichen Zeitung/ der Großfuͤrst haͤtte auff Fuͤrst Baldrichs Rede und gegebenen Bericht/ sich nach Wunsch erklaͤret/ wol- te seinen Kindern/ und jederman Glaubens Freiheit goͤnnen/ und deswegen niemand ge- haͤssig seyn; erkennete schon guten teils/ daß seiner Pfaffen Verleumdung auff Luͤgen be- ruhete/ und liesse sich vernehmen/ daß er nicht abgeneigt sey/ von der Christlichen Lehre besseren Unterricht anzuhoͤren/ nachdem Fuͤrst Baldrich durch sein ernstliches Vorbrin- gen ihn zur mildiglichen Vergiessung seiner Traͤhnen bewaͤget haͤtte; welches sie alle hoffen machete/ er wuͤrde mit der Zeit selbst koͤnnen gewonnen/ und zur Erkaͤntniß der himlischen Warheit angefuͤhret werden. Herkules wuste nicht/ wie er seine Vergnuͤgung hieruͤber auslassen solte/ und fing an: Dir sey Dank und Preiß/ O mein HErr JEsus/ daß du mir meines Vaters Herz wieder zugewendet/ und dem Christentuhm ihn gewogener gemacht hast/ daß ich nunmehr in guter Hoffnung stehe/ ich werde nach diesem Leben nit allein vor mich/ sondern zugleich mit meinen hezlieben Eltern der himlischen Seligkeit geniessen. Eꝛ und Ladisla rieben die angestrichene Farbe ab legten ihre Kleider an/ und eꝛwartetẽ nichts/ als daß Baldrich/ genommener Abrede nach/ mit seinen Eltern des Weges hergehen sol- te/ wie dann bald darauff geschahe/ und er dessen zeitig gnug berichtet ward; deswegen er sein Gemahl bey der Hand fassete/ und seinen Eltern entgegen ging/ hielt sich auch fest/ die Freuden Traͤhnen einzuzwingen/ die wider seinen Willen loßbrechen wolten. Seine El- tern sahen ihn von ferne in der von Demanten schimmernder Kleidung daher treten/ und frageten Baldrich/ wz vor trefliche Leute jene waͤren/ die in mehr als Koͤniglichem Pracht sich sehen liessen? Herzlieber Herr Vater und Fr. Mutter/ antwortete er; es ist eben der tapffere Held/ welcher heut die Feld Schlacht wider den Feind geordnet/ den ersten Angrif getahn/ und durch seine hohe Erfahrenheit zustreiten/ das Feld erhalten hat- Die/ so er bey der Hand fuͤhret/ ist sein einiggeliebtes Gemahl/ die Ehre und Kron des ganzen weiblichẽ Geschlechtes; und sehet/ wie sie eilen/ euch wirdig zuempfahen; hoffe demnach/ meine ge- liebete Eltern werden nunmehr in der naͤhe ihren wirdigsten Sohn Herkules/ und die un- vergleichliche Valiska erkennen/ dann eben die sind es/ und keine andere. Uber dieser Rede erstarreten die Eltern/ daß sie weder vor sich gehe n noch ein einziges Wort sprechen kun- ten. Herkules aber eilete mit seiner Valisken ihnen stark entgegen/ dann die kindliche In- brunst trieb ihn fort; und als er nahe vor sie kam/ setzete er sich vor dem Vater auf die Knie/ kuͤssete ihm die Hand ganz anmuhtig/ und fing also an: Gnaͤdigster herzallerliebster Herr und Vater/ euer Sohn Herkules/ welchen der grosse Gott in dieser seiner Jugend wun- derlich/ aber sehr gnaͤdig und wol gefuͤhret hat/ stellet sich in kindlichem Gehorsam unter- taͤhnigst ein/ nachdem er erfreulich vernommen/ daß euer liebreiches Vaterherz seine Ge- s s s iij gen- Siebendes Buch. genwart ertragen kan/ wuͤrde sonst die Kuͤnheit nicht gehabt haben/ sich vor eurem Ange- sicht finden zulassen. Ich danke aber dem grundguͤtigen Gott/ daß er mir so hohe Gnade verlihen/ meinen herzlieben Eltern in ihrem Gefaͤngniß beypflichtig zuseyn/ und die raͤube- rische Boßheit straffen zuhelffen. O mein lieber Sohn/ stehe auff/ sagete der Vater/ wolte auch weiter mit ihm reden/ aber die uͤbermaͤssige Herzens-Bewaͤgung zog seine Le- bens-Geister zuruͤk/ daß er zur Erden nidersank/ und von den seinen Erquickung einneh- men muste/ da es dann der alten Großfuͤrstin nit anders erging/ welche schon vor ihm in tieffer Ohmacht lage/ und von Valiska gerieben und geschuͤttelt ward. Der Großfuͤrst er- hohlete sich bald wieder/ stund auff und umfing seinen Herkules mit diesen Worten: Nun du mein teurer Sohn/ du unsterblicher Ruhm und Ehre deines Vaterlandes; die Goͤtter werdẽ mir verleihen/ daß ich auch teil an dir haben moͤge/ nachdem sie mir schon eine gros- se Erfuͤllung meines unauffhoͤrlichen Wunsches goͤnnen/ und dich mir wiederumb sehen lassen/ werde mich auch dergestalt gegen dich zubezeigen wissen/ daß du nicht Ursach haben solt/ dich uͤber mich zubeschweren/ oder aus deinem Erbreiche zuweichen. Aber wer sind dann jene/ die dort gegen uns daher treten? Es ist mein getraͤuer Bruder/ Koͤnig Ladisla/ und sein wirdiges Gemahl/ antwortete Herkules/ die wol verdienet/ daß sie von ihm gelie- bet und geehret werde. Der Großfuͤrst ging ihm entgegen/ und nach freundlichem umfa- hen sagte er: Herzgeliebter Oheim und Sohn; euer Liebe gesundheit und wolergehen ist mir eine vergnuͤgliche Freude/ und danke dem guͤtigen Himmel/ daß er uns dereins gesund und frisch wieder zusammen gefuͤhret hat/ wie ich dann euer Liebe mich wegen geschehener Erloͤsung nicht wenig verbunden befinde und erkenne. Die alte Groß Fuͤrstin hatte sich in- zwischen auch erhohlet/ herzete und druͤckete ihre Schwieger Tochter ohn einiges Wort- sprechen/ biß sie auch an ihren Herkules geriet/ an welchen sie sich mit beyden Armen hen- kete/ endlich aber anfing: Nun wil ich gerne und willig sterben/ nachdem die Goͤtter mich dein Angesicht wiederumb haben sehen lassen. O du mein herzallerliebster Sohn/ den ich uͤber mich selbst geliebet habe/ wie hastu doch uͤber dein liebreiches Herz bringen koͤñen/ daß du dich mein so lange entaͤusserst/ und kaum etliche wenig Schreiben mir zugeschicket hast? hastu an meinem Mutterherzen gezweiffelt/ so verzeihe dirs dein GOtt; hat dich aber die Furcht und die Ernsthaftigkeit deines Vaters abgehalten/ haͤtte ich noch wol mittel finden wollen/ ihn zubeguͤtigen/ weil er wieder seinen Willen und als gezwungen dich verlassen muͤssen. Der Almaͤchtige wahre Gott hat uns fruͤh genug zusammen gefuͤhret/ antwortete er/ nachdem derselbe zuvor meines Herꝛ Vaters Herz mir zugewendet hat. Ladisla trat auch zu ihr hin (da unterdessen der Großfuͤrst seine liebe Schwieger Tochter wilkommen hieß) meldete ihr seiner Fr. Mutter Gruß an/ und baht umb vezeihung/ daß er bißdaher sich vor ihr verborgen gehalten; da sie zur Antwort gab: Freundlicher herzgeliebeter Herꝛ Sohn/ ich bin euch mich selbst schuldig/ vor die bruͤderliche Traͤue/ welche ihr meinem Herkules in seinen hoͤchsten noͤhten erzeiget/ und ihn nicht habt verstossen wollen/ da er von seinen Eltern selbst hat muͤssen verlassen/ ja verstossen seyn; uͤber welche Worte sie eine so grosse Menge Traͤhnen vergoß/ daß ihr Wischtuch feuchtenaß ward/ und alle Anwesende mit ihr uͤber- laut weineten; dann ihnen ward hiedurch Herkules ausgestandenes Leid zu gedaͤchtnis bracht/ und daß er so lange Zeit in Leibeigenschaft hatte leben muͤssen; doch nam diese Be- truͤbnis Siebendes Buch. truͤbnis bald ein ende; dann Baldrich und Siegward wahren hingangen/ ihre Gemahlen auch herzufuͤhren; welche der alte Großfürst von ferne sehend/ zu Herkules sagete: Mein lieber Sohn/ was vor Fuͤrstliches Frauenzimmer wird von deinem Bruder und Fuͤrst Siegwarden dort her gefuͤhret? Mein Herr Vater/ antwortete er; ich wil nicht hoffen/ daß eurem Vaterherzen ich unangenehme Zeitung sagen werde/ in dem ich melde/ daß die zwo Frauen/ meiner Fr. Schwester Koͤnigin Sophien allernaͤheste Blutverwanten sind/ der vornehmsten Roͤmischen Herren und Stathalter leibliche und einige Toͤchter des uhr- alten Fabius und hochberühmten Pompejus Geschlechts/ deren Brautschaz und vaͤter- liches Erbe sich auff viel Tonnen Goldes erstrecket. Valiska fiel ihm in die Rede/ und sa- gete: Ja Gn. Herr Vater/ sie sind meine herzvertrauete Schwestern/ und gnug wirdig/ daß sie in unsere nahe Freundschaft auffgenommen werden/ daher ich sie auch den beyden lieben Fuͤrsten/ Baldrich und Siegward zugefreiet/ da Roͤmische Kaͤyserl. Hocheit selbst auff ihren hochzeitlichen Ehrentagen erschienen ist/ hoffe kindlich/ mein Herꝛ Vater wird in solche Heyrahten gnaͤdigst einwilligen/ und diese hochgebohrne Roͤmerinnen/ die von froͤmmigkeit und Tugend mehr/ als von Gold und aͤdlen Steinen glaͤnzen/ vor liebe Toͤch- ter auff und annehmen. Der Großfuͤrst antwortete ihr mit einem freundlichen Lachen: Herzgeliebete Fr. Tochter/ es muͤste einzumahl widriges Werk seyn/ welches mir mißfal- len solte/ wann von euer Liebe es herruͤhret/ und habe ich vielmehr mit Dank zuerkennen/ daß meine Fr. Tochter meines Sohns wolfart ihr so hoch hat wollen lassen angelegen seyn/ wiewol michs schier etwas fruͤhzeitig deucht/ daß mein Baldrich schon hat heyrahten dür- fen; weil mir aber nicht zustehet/ der Goͤtter Versehung zu wiedersprechen/ und er ein so grosses Gluͤk nicht hat verseumen sollen/ muß ich ihm recht geben/ und mich selbst beschul- digen/ daß mein heyrahten ich zu weit hinaus gesetzet habe. Empfing hierauff die beyden Fuͤrstinnen sehr freundlich/ wuͤnschete ihnen allerseits Gluͤk zum Ehestande/ und erboht sich gegen sie zu aller Vaͤter- und Schwigerlichen Liebe und Hulde. Es wehrete dieses em- pfahen uͤber eine grosse Stunde/ dz das spaͤte Dunkel daruͤber einbrach/ und diesen Abend Herkules ankunft dem algemeinen Kriegsheer nicht kund ward/ welches gleichwol diese Nacht in froͤligkeit zubrachte/ ungeachtet ihrer etliche tausend ihre in der Schlacht em- pfangene Wunden wol auffzuweisen hatten/ welche ihnen doch auffs sleissigste verbunden wurden. Die alte Großfuͤrstin kunte dannoch nicht unterlassen/ wegen ihrer entfuͤhreten Tochter sich zubekuͤmmern/ daher sie sagete: Ach du guͤtiger Himmel; nun lebe ich in so grosser Vergnuͤgung/ nach ausgestandenem herben Ungluͤk/ und habe alle meine verlohr- ne Kinder beyeinander neben mir sitzen/ nur daß ich die bißdaher bey mir stetig anwesen- de meine liebe Tochter entrahten muß/ damit ja zwischen unser Freude eine bittere beküm- mernis eingestraͤuet werde. Herkules selber trug nicht wenig sorge ihretwegen/ ließ auch 2000 wolberittene Teutschen uͤber die Isel setzen/ daß sie alle Felder auff drey Meilweges durchreiten solten/ ob ihnen Fuͤrst Arbianes auffstossen/ oder sonst kund werden moͤchte. Als nun der alte Großfuͤrst auff vorgesagte Klage sein Gemahl troͤsten wolte/ gab sich ein Kriegsknecht bey Leches an/ ihm vermeldend/ er waͤhre aus der Zahl/ welche den gefange- nen Wendischen Fuͤrsten bewacheten/ koͤnte unangezeiget nicht lassen/ wie frech er sich be- zeigete/ und sich sehr unnuͤz machete/ daß man ihn so lange ungespeiset und ungetraͤnket lies- se/ noch Siebendes Buch. se/ noch einigen hohen Kriegsbeamten ihm zugaͤbe/ welcher ihm mit Gespraͤch die Zeit ver- kürzete. Herkules gab Leches (da er solches anmeldete) zur Antwort: Es haͤtte sich gebuͤh- ret/ daß er beyzeiten solches geordnet/ und ihm Fuͤrstlichen Unterhalt verschaffet haͤtte/ als er aber vernam/ wie schlim und veraͤchtlich seine liebe Eltern von ihm waͤhren gehalten/ uñ man ihnen zu unterschiedlichen mahlen in 24 Stunden weder Essen noch Trinken geboh- ten/ muste der Kriegsknecht ihm anzeigẽ/ ob er besser waͤhre als der unuͤberwindliche Groß- Fuͤrst der Teutschen; dessen Herr Sohn ihn auff solche Weise zu halten bedacht waͤhre/ wie seinen Eltern es begegnet; doch ward ihm ein wenig kalte Küche und ein Trunk ge- ringe Bier dargebracht/ welches er auff die Erde schuͤttete und mit Füssen zu trat/ vermei- nend/ durch solchen frevel unsern Fuͤrsten eine Furcht einzujagen/ und ihm selbst ein Anse- hen zu machen/ welches ihm aber so gar mißriet/ daß bald darauff ein Gewaltiger uͤber die Steckenknecht zu ihm gehen/ uñ ihm eine schwere Kette anlegen muste/ mit dieser verweiß- lichen Rede/ weil er sich als ein toller Hund bezeigete/ und sein bevorstehendes Ungluͤk aus hochmuht nicht erkennen koͤnte/ muͤste er empfinden was solcher frevel verdienete; dawie- der er zwar mit scharffen Draͤuungen sich bedingete/ halff aber nichts/ und muste er sich den Ketten untergeben/ in welchen er etwas schmeidiger ward. Fuͤrst Arbianes setzete auff dem angetroffenen Fußpfade mit dem Fraͤulein zimlich fort/ und begegnete ihm auff dem ganzen Wege kein Mensch/ den er umb des Landes Gele- genheit haͤtte fragen koͤnnen/ biß gegen den Abend stieß ein Baur ihm auff/ welchen er fra- gete/ ob nicht in der naͤhe ein Staͤdlein oder Flecken/ oder sonst ein bequemer Ort zur gu- ten Nacht Herberge anzutreffen waͤhre; und bekam zur Antwort; allernaͤhest nach der lin- ken zulaͤge ein Dorff/ dahin muͤste er sich wenden/ sonst wuͤrde er im offenen Felde bleiben muͤssen/ haͤtte aber dorten eine gute Schenke/ da essens und trinkens gnug zubekommen waͤhre. Der verliebete Arbianes nam den Weg vor sich/ und hatte manniches Gespraͤch mit dem Fraͤulein schon geführet/ wahr auch etlichemahl Willens/ sich zuerkennen zuge- ben/ zuͤckete aber doch wieder/ wann er den Anfang machen wolte; endlich fing er an/ sein gewoͤhnliches kurzes Liedlein zusingen/ welches dieses wahr. 1 O Du klare Sonne du/ O erleuchte meine Sinnen/ Wende deine Gunst mir zu/ Und laß gelten mein beginnen/ Gib auch meinen Geistern Ruh/ Daß sie nicht vor Angst zurinnen. 2 O du klarer Himmels-schein! O wo bistu doch zufinden? Kanst abwesend kraͤfftig seyn/ Und in mir die Gluht anzuͤnden; Schenke mir die Kuͤhlung ein/ Sonst wird meine Krafft verschwinden. Das Fraͤulein hoͤrete seiner anmuhtigen Stimme fleissig zu/ und erriet gar bald/ daß es auff sie selbst gemeinet wahr/ argwohnete auch von anbegin/ es wuͤrde Fuͤrst Arbianes selber seyn/ welches zuerfahren/ sie auff ihre Wase Fr. Valisken zureden kam/ und zu ihm sagete; Durchleuchtiger Fuͤrst/ ich bitte ihn durch das Fraͤulein/ zu deren Andacht er die- ses gesungen hat/ daß er mir eigentlich sagen wolle/ wie neulicher Zeit er bey meiner herz- allerliebsten Fr. Schwester Fuͤrstin Valiska gewesen ist. Ach mein Durchleuchtigstes Fraͤulein/ antwortete er/ die Erinnerung ist so hoch und stark/ daß mir unmoͤglich ist/ die Warheit zuverschweigen; versichere sich demnach eure Liebe/ daß die Großfuͤrstin Fr. Va- liska/ meine hoͤchstgewogene Fr. Schwester neben ihren Gemahl/ Großfuͤrst Herkules/ und Herr Siebendes Buch. Herr Bruder Koͤnig Ladisla/ wie auch Fuͤrst Baldrich und Fuͤrst Siegward auß Schwe- den (welche samt und sonders ihre neulich geheyrahtete Gemahlen bey sich haben) mitein- ander im Lager sind/ und mit eurer Liebe Eltern sich schon herlich ergetzen werden/ und ist mir überauß leid/ das ich der ungluͤkselige Arbianes (bey solcher Freude nebest ihr nicht seyn sol/ wolte er sagen; aber sie fiel ihm auff den außgesprochenen Nahmen in die Rede) was? sagte sie/ ist dann eure Liebe der Großfürstliche Herr auß Meden/ Fuͤrst Arbianes selber? Ja mein Gn. Fraͤulein/ antwortete er/ ich bin ja derselbe/ dem eure Durchl. mit ei- nem einzigen Worte sein Leben ab- und zusprechen kan; halte auch davor/ wann ich das kleine allerliebste Brustbildichẽ/ welches bißher abends und morgens von mir ist verehret worden/ wie auch das auß sonder bahrer Gnade uͤbergeschikte Hals Ketchen zeigen werde/ habe ich glaubwirdigen Beweiß dargelegt/ daß ich ihrer Durchl. zu Leib und Seel ergebe- ner Arbianes sey. Zeigete hiemit die Kette/ so er stets am Halse auff blosser Haut trug/ lan- gete auch das Gemaͤhlde hervor/ und nachdem ers hatte sehen lassen/ sagte er; ich danke dem wahren und alwaltigen Gott auß dem innersten Grunde meines Herzen/ daß er mir die Gnade verlihen hat/ den hoͤchsten Schatz meiner Seele auß Raͤuber Haͤnden zuerloͤsẽ/ zweiffele auch nicht/ er werde mich ferner geleiten/ sie unangefochten und sicher den lieben ihrigen zuzufuͤhren/ moͤchte von Herzen wuͤnschen/ daß der vergebliche Schrecken eure Lie- be nicht uͤbernommen und in Ohmacht gestuͤrzet haͤtte/ weil diese Verweilung uns von der rechten Bahn abgeleitet hat. Zwar ich fuͤrchte mich vor mein Haͤuptwenig/ nur daß euer Liebe keine Ungelegenheit zustossen moͤge/ welche zuschuͤtzen ich mein Blut und Seele gut- willig und mit suͤsser Wollust anwenden wil. Das Fraͤulein/ ohn daß sehr schamhafftig/ befand sich in so grosser Verwirrung/ daß ihr das Hertz im Leibe schlug; dannoch hielt sie billich seyn/ ihrem Erloͤser alle moͤgliche Dankbarkeit zuerzeigen/ und gab ihm diese Ant- wort; Durchleuchtigster Fuͤrst/ eure Liebe erzaͤhlen mir die angenehmeste Zeitung/ so mir in dieser Welt zuhanden kommen moͤchte/ daß mein herzgeliebeter Herr Bruder Herku- les und dessen Gemahl wieder zu Lande kom̃en sind/ wodurch in dieser Betruͤbniß ich hoͤch- lich erfreuet werde/ daß aber mein hochwerter Fuͤrst mir die allerdinge unverdiente freund- schafft erzeigen/ und in Rettung meiner Wenigkeit/ sein Blut und Leben willig darbieten und wagen wollen/ gibt mir ein uͤberfluͤssiges Zeugniß seiner guten Gewogenheit/ welches auch nach vermoͤgen zuverschulden die lieben meinigen neben mir/ sich aͤusserst werden las- sen angelegen seyn/ so bald nur unsere Sicherheit und Zusammenkunfft es zugeben wird/ welche eure Liebe zubefodern sich/ bitte ich herzlich/ bemuͤhen wolle/ nachdem dieselbe den Anfang und den groͤsten Teil meiner Rettung so willig uͤber sich genommen haben. Aber auß was Ursachen haben meine geliebete Herren Bruͤder euer Liebe solche Muͤhe auffge- buͤrdet/ die von andern ihren Rittern ja wol haͤtte koͤnnen verrichtet werden? und daß ich schlieslich dieses mitfrage/ warum hat eure Liebe an dem unwerden nichtigen Gemaͤhlde so grosses Gefallen/ daß sie es der Gestalt in Ehren haͤlt/ welches doch in meinen Augen sehr geringe geschaͤtzet wird/ ungeachtet es mehr Schoͤnheit zeiget/ als diese selbst/ nach welcher es gemahlet ist? der hoch verliebete Fuͤrst hoͤrete ihren freundlichen Reden als ein Ver- zuͤkter zu/ kuͤssete ihre Haͤnde/ und antwortete/ wann er hundert Leben bey sich haͤtte/ und je- des Beraubung ihm den allergrausamsten Tod gebehren solte/ muͤsten sie doch alle in derẽ t t t Diensten Siebendes Buch. Diensten angewendet werden/ die er vor seines Lebens Leben/ vor seiner Seelen Seele hielte/ liebete und ehrete; welches ihn dann angetrieben/ nicht/ wie er anfangs vorgegebẽ/ auß Geheiß/ sondern allen unwissend/ sich ihrer Erloͤsung zu unterfahen/ weil ihm sein Herz ihre Gefahr und Entfuͤhrung angesagt haͤtte/ daß er auß der Schlacht hinweg ge- ritten waͤhre/ um zuversuchen/ ob er ihre Gefaͤngniß brechen koͤnte/ welches ihm Gott lob/ so weit gegluͤcket. Erinnerte sich aber seiner Ehemahligen Kuͤhn- und Grobheit/ daß er sich unterstehen duͤrffen/ ihre hochwirdigsten Augelein mit einem unhoͤfflichen Schreiben zu- beleidigen/ baͤhte ganz inniglich/ und von Grund seiner Seele/ sie wolte die Unterhandlung der Großfuͤrstin ihrer Fr. Schwester guͤltig sein lassen/ und mit derer Wirdigkeit seine Un- guͤltigkeit durchkneten/ damit ihm gegoͤnnet seyn moͤchte/ sich vor ihrer Vortrefligkeit be- reitwilligsten Knecht und Diener anzugeben. Es wahr schon zimlich spaͤte/ als er diese Rede endigte/ sahe daß er bereit vor dem Dorffe wahr/ vernam auch einen Stein-alten Mann vor der aͤussersten Huͤtten des Dorffes stehen/ zu dem er sich nahete/ und zu ihm sagete: Lieber Vater/ seyd gebeten/ mir und dieser meiner Schwester Nachricht zugeben/ wo wir diese Nacht sichere Herberge haben moͤgen/ und nehmet diese Gold Krone von uns zur Verehrung an. Der Alte wegerte sich des Geschenkes/ ließ einen schweren Seuffzen auß/ und sagete: Mein Herr/ reitet doch geschwinde in dieses mein Huͤtchen/ und lasset euch laͤnger nicht auff der Gassen sehen. Bald merkete Arbianes/ daß er wenig Sicherheit in diesem Dorffe finden wuͤrde/ taht nach des alten Vermahnung/ und kehrete bey ihm ein/ stieg mit dem Fraͤulein ab vom Pferde/ und fragete den Alten/ warumb er einen so schweren Seuffzen haͤtte von sich gelassen; waͤhre etwan einige Gefahr verhanden/ moͤch- te er ihm dasselbe auffrichtig offenbahren/ damit er nur seine Schwester/ deren Eheliebster ohn gefehr 10 Meile von hinnen wohnete/ in gewarsam bringen koͤnte. O ihr Lieben Kin- der/ antwortete er/ mich jammert euer Schoͤnheit/ Froͤmmigkeit und jugend/ darum habe ich euch vertraulich warnen wollen/ nicht in das Dorff zureiten/ ihr wuͤrdet sonst ohn allen Zweiffel umb eures guten Pferdes und schoͤnen Kleider Willen diese Nacht ermordet werden; und wer weiß/ ob ihr nicht ausserhalb Dorffes schon gesehen seid? Nein sagte Arbianes/ nur daß vor einer halben Stunde uns ein Mann mit einem rohten Barte und grosser Glatze begegnet ist/ welcher uns den Weg nach diesem Dorffe bezeichnet/ auff gute Herberge vertroͤstet/ und alsbald sich von uns gewendet hat. Ja eben dieser ist der rechte Mause Kopff/ antwortete der Alte/ und wird ohn Zweifel mehr Beute zusammen treiben wollen; waͤhret ihr nur gleich fort geritten/ haͤttet ihr schon ein Staͤdchen erreichet/ wo- selbst ihr gute und sichere Herberge antreffen moͤgen. Das Fraͤulein zitterte vor grosser Angst und sagte zu Arbianes: Ach mein herzlieber Bruder/ lasset uns ja eilends von hinnẽ reiten/ daß wir diesen grimmigen Moͤrdern nicht in die Haͤnde gerahten. Lieber Vater/ sag- te Arbianes/ ich bedanke mich freundlich dieser getraͤuen Warnung/ und wie es mein gros- ses Glük ist/ daß ich in eure Kundschafft gerahten bin/ also sol es nicht weniger euch zur son- derlichen Wolfahrt gedeien/ dafern ihr es redlich mit uns meinen werdet/ dann ich wil euch in diesem euren Alter dergestalt versorgen/ daß ihr Zeit eures Lebens alle Tage drey Kro- nen sollet zu verzehren haben/ wann ihr gleich noch hundert Jahr leben wuͤrdet; helffet nur/ daß ich diese meine Schwester in sicherheit bringe/ da sie ohn Gefahr diese Nacht außruhẽ kan/ Siebendes Buch. kan/ alsdann wil ich ihr mit meinen Waffen nach vermoͤgen Schuz halten/ daß von einem Dutzet Bauren sie sobald nicht sol beraubet werden. O mein Herr/ antwortete der Alte/ das waͤhre gar zu grosse Belohnung vor diesen schlechten Dienst/ ich untergebe aber eurer gutẽ Gnaden mich und die meinen/ und verspreche euch und seiner Schwester/ mein aͤusserstes anzuwenden/ sollet auch mit der Goͤtter Huͤlffe morgen fruh vor Tage schon vor obgedach- tem Staͤdlein seyn; aber ihr werdet euch biß nach mitternacht heimlich bey mir verbergen muͤssen/ welches zu oberst auff meinem Haͤu wol geschehen kan; dahin wil ich eure Waffen und Pferdezeug tragen helffen/ uud euer Pferd in die gemeine Weide straks hinter meiner Huͤtten treiben/ damit es nicht bey mir gefunden werde. Arbianes ward dieses Trostes sehr froh/ sattelte sein Pferd ab/ und halff es hinauß treiben/ koppelte ihm auch die Voͤrder Beine zusammen/ und ließ es gehen. Als er wieder in das Hauß kam/ fand er das Fraͤulein auff ei- nem Klotze sitzen/ und vor grosser Herzens Angst zittern nnd beben. Er troͤstete sie aber mit kraͤfftigen Worten/ sie moͤchte sich zufrieden geben; Gott haͤtte ja die groͤste Gefahr durch dieses frommen Mannes Warnung schon abgekehret/ und wuͤrde weiter helffen. Ja schoͤne Jungefran/ sagte der Alte/ ob euch schon mehr Leute als der Roht Bart/ moͤchten gesehen haben/ sollet ihr doch vor aller Gefahr wol versichert seyn; aber ihr muͤsset hier nicht lange verweilen/ sondern jene steigere Leiter hinauff klettern/ und das uͤbrige mich nur machen las- sen. Wir wollen euch gerne gehorsamen/ sagte das Fraͤulein/ nehmet ihr euch unser nur ge- traͤulich an; loͤsete hiemit ein koͤstliches Armband von ihrem Arme/ und reichete es ihm mit diesen Worten: Sehet da lieber Vater/ nehmet dieses güldene Armband von mir an/ als ein Zeichen meiner schierkuͤnfftigen Dankbarkeit/ ihr koͤnnet es willig vor 1000 Kronen verkaͤuffen. O nein/ meine liebe Jungefrau/ antwortetete er/ was solte mir das Kleinot nuͤt- zen? Ich duͤrffte es ja keinem Menschen zeigen/ dann jederman wuͤrde sprechen/ ich haͤtte es gestohlen/ und solte wol gar drüber an den lichten Galgen kommen; gebet ihr euch nur zufrieden/ ich wil eurer gutwilligen Gnade biß dahin wol erwarten/ und dessen kein ander Pfand als eure Verheissung begehrẽ/ nur bitte ich/ ihr wollet nach eurer Erledigung mich in eure Landschafft nehmen/ und in diesem meinem hohen Alter mir noͤhtigen Unterhalt verschaffen/ worzu der dritte Teil dieses Kleinots nicht wird noͤhtig seyn. Erinnerte sie hierauff/ daß sie sich auff das Haͤu macheten/ da dann der Fürst anfangs seine Waffen hinauff trug/ welches ihm saur genug ward/ kam bald wieder/ und ließ das Fraͤulein vor sich hinauff steigen/ nachdem er sie fleissig ermahnet hatte/ mit den Haͤnden sich feste zuhal- ten/ und eine Staffel nach der andern zuergreiffen/ wann sie mit den Fuͤssen hinauff treten wuͤrde. Anfangs dauchte ihr solches unmoͤglich seyn hinauff zukommen/ aber die Gefahr machte das versuchen/ und die Angst/ die Kühnheit es zuvollenden/ da der Fuͤrst allernaͤ- hest hinter ihr hinauff stieg/ und mit einer Hand ihr nach Moͤgligkeit halff/ daß sie endlich das Haͤu erreichete. Als sie sich nun gar zu oberst nach der Gassen hin gelagert hatten/ sag- te sie; Ach mein werder Fuͤrst/ solte der gute Alte mir nicht zu einem Trünklein Wassers verhelffen koͤnnen? Ich habe diesen ganzen Tag in aller meiner Angst weder gegessen noch getrunken/ daher ich mein mattes Herz weiters nicht zustillen weiß. Der Fuͤrst/ in dem sch er-tunkelen sich erkuͤhnend/ kuͤssete sich freundlich/ beklagete ihre Mattigkeit/ und baht/ sich ein wenig allein zugedulden/ biß er hinunter steigen/ und etwas verschaffen koͤnte; eile- t t t ij te ge- Siebendes Buch. te geschwinde/ gab dem Wirte 10 Kronen/ er moͤchte/ wo moͤglich/ sich bemuͤhen/ daß sei- ne Schwester vorerst einen Trunk/ und hernach etwas Speise bekaͤhme. Der Alte hatte ein Maß Bier stehen/ gab ihm solches in einem irdenen Gefaͤß/ und sagete: Er moͤchte sich ein wenig gedulden/ das Gold duͤrffte er nicht sehen lassen/ wolte aber doch Mittel schaf- fen/ etwas herbey zubringen/ so gut es zubekommen waͤhre. Der Fuͤrst war bey dem Fraͤu- lein kaum wieder angelanget/ und taht sie den ersten Trunk mit grosser Begierde/ da sie bey der Stimme erkennete/ daß der Roht Bart/ so ihnen begegnet wahr/ mit dem Alten vor der Tuͤhr redete/ ihn fragend/ ob nicht ein junger weißmaͤulichter Ritter mit einer sehr schoͤnen Jungfer in Himmelblauer seidenen Kleidung/ mit breiten Silber Schnuͤren verbremet/ zum Dorffe hinein geritten waͤhre; dem der Alte zur Antwort gab: Es koͤnte wol gesche- hen seyn/ uñ daͤuchte ihn schier/ als haͤtte er jemand mit einem Geklapper reiten hoͤren/ haͤt- te aber Schwacheit halben sich darnach nicht umsehen koͤnnen; dann das leidige Bauch- grimmen/ sagte er/ plaget mich so hart/ daß ich vor Angst nicht zubleiben weiß/ welche Schmerzen ich doch leicht zuvertreiben wuͤste/ wann mirs nicht an Mitteln mangelte; seyd demnach gebehten/ lieber Nachbar/ und strecket mir einen Guͤlden oder anderthalb vor/ ich wil es euch inwendig sechs Tagen wieder geben/ weil mir etwas ausstehet/ gegen selbe Zeit zuheben. Ihr seyd schon in meiner Schuld/ antwortete dieser/ und habt noch nit abgezahlet/ duͤrffte also die Schuld endlich zu groß werden; lasset mir aber euer fettes Rin- dichen uͤber/ das wil ich euch bezahlen/ und das vorige abrechnen. Es ist zwar alles mein Vieh/ das ich habe/ sagte der Alte/ koͤnte auch von den Stad Schlaͤchtern wol 12 Guͤlden davor heben/ aber weil ihr auch zuzeiten in meinen Diensten seyd/ moͤget ihrs umb zwoͤlff- tehalb Guͤlden hinnehmen/ und mir zween Guͤlden auff Rechnung tuhn. Dieser dingete so lange/ biß ers ihm umb eilfftehalb Guͤlden zuschlug/ die zween Guͤlden empfing/ und ihn baht/ er moͤchte seine Magd nach der Schenke lauffen lassen/ daß sie seinen Sohn heimho- lete/ ihm in seiner Schwacheit Handreichung zutuhn. Dieser erboht sich/ es selber zu be- stellen/ weil er gleich nach der Schenke wolte/ und daselbst nachforschen/ ob der junge Rit- ter da eingekehret waͤhre/ welcher ihn ersuchet haͤtte/ morgen sehr fruͤ ihn nach dem Rein- strohm zubringen/ hoffete ein gutes Trinkgeld zuverdienen. Die unsern auff dem Haͤu hoͤ- reten dem Gespraͤch fleissig zu/ verwunderten sich nicht wenig uͤber des Rohtbarts Luͤgen/ als auch uͤber des Alten Verschlagenheit/ und sagte dz Fraͤulein: Durchleuchtigster Fuͤrst/ ich erkenne mich diesem Alten viel schuldig seyn/ wil ihn auch seiner Traͤue lohnen/ da mich die Goͤtter in Sicherheit bringen werden/ und habe ich mich durch den Biertrunk schon zimlich gelabet. Die groͤste Gefahr ist Gott Lob voruͤber/ antwortete er/ und wird man in dieser Huͤtten uns nicht mehr nachfragen; Ich bitte aber mein Fraͤulein demuͤhtig umb Verzeihung/ daß ich die Kuͤhnheit gehabt/ ihr den Nahmen einer Schwester ohn gebeh- tenen Urlaub zugeben/ und sie darzu noch vor eine verheyrahtete anzumelden/ daher auch der gute Mañ verleitet/ sie vor eine Jungefrau gescholten hat. Es bedarf dieser Entschul- digung durchaus nicht/ sagte sie/ dann unangesehen mir hiedurch keine Beschimpffung wiederfahren/ erfodert es die Nohtwendigkeit fast unvermeidlich/ und beklage ich billich vielmehr/ daß ein so maͤchtiger Groß Fuͤrst meinetwegen sich in diesem engen Baurenhüt- lein verstecken/ und sein Leib und Leben diesem alten unwirdigen Menschen anvertrauen muß. Siebendes Buch. muß. Worauff er zur antwort gab: O ihr mein hoͤchsterwaͤhltes Fraͤulein/ ihr einige Wol- lust aller meiner Kraͤffte und Gedanken; Gott dem Herzenkuͤndiger ist es bekant/ daß auff diesem duͤrren Grase ich tausend mahl sanffter/ als auff dem Koͤniglichen Schlosse zu Ek- batana sitze/ nuch dem ich das Gluͤk habe/ euer Vortrefligkeit Gegenwart zugeniessen/ deren mein Leib und Leben nur durch den Anblik des Gemaͤhldes ich zueigen uͤbergeben habe; uñ wolte Gott/ daß meine Geringfuͤgigkeit von ihrer Liebe dessen koͤnte gewirdiget werden/ wz mein Herz suchet/ und mein untertaͤhniges Schreiben vor diesem instaͤndig gebehten hat/ alsdann wil Euer Liebe ich vor dem Heiligen Angesicht Gottes versprechen/ ihr nach aͤus- serstem Vermaͤgen auffzuwarten/ und alle meine Kraͤffte zuuͤben/ daß ihrer Vortrefligkeit sie in etwas moͤgen scheinbar und angenehme seyn; bitte des wegen durch die herliche Vol- kommenheit/ welche der Himmel ihr mitgeteilet/ sie wolle ihren ergebenen Knecht mit ge- wieriger Antwort erfreuen/ oder wann derselbe ja lebendig nur ungluͤkselig seyn sol und muß/ ihn solches wissen lassen/ damit er auffhoͤren koͤnne/ dasselbe zusuchen/ wessen er/ ange- sehen seiner Geringfügigkeit sich selbst unwirdig schaͤtzen muß. Weil er dieses vorbrachte/ hielt er ihre beyden Haͤnde umfangen/ kuͤssete dieselben nach geendeter Rede ehrerbietig/ und erwartete mit hoͤchstem Verlangen/ was ihm vor Erklaͤrung folgen wuͤrde. Es wahr schon zimlich finster/ daß man fast wenig sehen kunte/ welches der Fraͤulein Schahm in et- was ringerte/ die sich ein wenig besinnend/ bald hernach also anfing: Durchleuchtigster Fuͤrst/ die Goͤtter geben meinem Gewissen Zeugniß/ daß ich der Liebe keine einige Wissen- schafft gehabt/ noch ihr im geringsten nachgesonnen/ ehe dann Euer Liebe und meiner Frau Schwester Schreiben mir eingehaͤndiget worden sind/ welches meines behalts noch nicht 40 Wochen ist. Mit was Schahm ich auch dieselben gelesen/ erinnere ich mich/ so offt ich auff meines Herr Vaters Schlosse an die stelle gelange/ wo selbst es geschahe. Nun bedan- ke ich mich aber sehr freundlich/ so wol der dazumahl uͤbergeschikten kostbahren Kleinot/ als der hohen gar unverdienten Gewogenheit/ welche eure Liebe/ so wol dazumahl im Schreiben/ als jetzo muͤndlich mir erzeiget hat/ erkenne zugleich die mir heut geleistete Ret- tung billich/ und daß ich davor euer Liebe hoch verschuldet bin. Dafern auch die Goͤtter mir Gnade verleihen werden/ daß neben euer Liebe ich auff meines Herr Vaters Schloß und in seine Gewarsam anlange/ wil nach eingenommenem Raht und Willen meiner Eltern/ Bruͤder und Fr. Schwester/ auff euer Liebe freundliches gesinnen mich dergestalt zuerklaͤren wissen/ daß verhoffentlich dieselbe mit mir wird koͤnnen friedlich seyn. Dieses brachte sie aus gutem Bedacht vor/ umb zuerforschen/ ob er ihre eheliche Versprechung biß dahin koͤnte anstehen lassen/ welche sie ihm alsdann zugeben/ schon entschlossen wahr/ weil an ihrer Eltern und Verwanten Einwilligung sie nicht zweifelte. Dieser aber erin- nerte sich/ dz die Großfürstin ihn etliche mal seiner Bloͤdigkeit wegen zimlich angegriffen/ nebest Ermahnung/ er solte in allen ehrliebenden Teidungen/ so wol beym Frauenzimmer als Mannesbildern sich frischer finden lassen/ damit er durch gar zu tieffe Bloͤdigkeit nicht einen Argwohn eines unaͤdlen Herzen erweckete. Dieses munterte ihn zu weiterer Ansu- chung auff/ weil ohndas nach art der Liebe er das aͤrgeste fürchtete/ ob suchete das Fraͤulein durch diese ungewisse Antwort ihn nur hinzuhalten/ auff daß sie hernaͤhst den ihrigen selbst andeuten koͤnte/ wessen sie sich nach ihrem Willen erklaͤren solten; fassete demnach ihre t t t iij Haͤnd Siebendes Buch. Haͤnde auffs neue/ kuͤssete dieselben/ und fing also an: Mein allerschoͤnstes Fraͤulein/ ich be- danke mich vorerst ganz demuͤhtig/ daß ihre Liebe dieses mein anmuhten mit geduldigẽ Oh- ren angehoͤret/ und mit keinem aͤusserlichen Unwillen auffgenommen hat; und wolte Gott/ daß meine Seele mit der gegebenen Antwort sich koͤnte befriedigen lassen/ uñ dieselbe mich nicht anstraͤngete/ ihrer Liebe weiters noch beschwerlich zuseyn; aber die Furcht/ welche al- lemahl rechtschaffene Liebe begleitet/ zwinget und noͤhtiget mich/ umb eine bestaͤndige Er- klaͤrung auff mein inbruͤnstiges ansuchen anzuhalten/ damit ich der hefftigen Peinigung/ welche die Ungewißheit in mir erwercket/ entrissen/ nach so langer Angst und quahl in ruhe gesetzet werden/ und Erleichterung empfinden moͤge. Es erwaͤge doch mein Fraͤulein in ihrem hochvernuͤnfftigen Herzen/ was unleidliche Schmerzen heut unter den Haͤnden ih- rer Raͤuber/ und hernach wegen des Alten anzeige sie empfunden/ da sie anfangs durch Ohmacht vom Pferde herunter geworffen/ und wegen des lezten in solche Erschuͤtterung gerahten ist/ daß sie ihrer eigenen Gliedmassen nicht maͤchtig seyn moͤgen. Nun beteure ich aber bey meinen ritterlichen Ehren/ daß die Liebesangst in mir ungleich groͤssere Pein und Schmerzen verursachet/ als wann mein Leib von Raͤubern und Moͤrdern in hundert tau- send Stücken zerhacket wuͤrde; Ja solte die Hoffnung welche meine Durchl. Fr. Schwe- ster durch ihren Trost biß daher in mir geetzet und erhalten/ nunmehr ersterben und ganz abe seyn/ wolte ich lieber gleich diese Stunde mich in die Haͤnde der moͤrderischen Baurẽ ergeben/ damit nur mein Jammer dereins zur Endschafft gelangen moͤchte. Mit welchen Worten er als ein todter Mensch bey ihr niderstuͤrzete/ und ihr daher schier ein gleichmaͤs- siges begegnet waͤhren; ruffen durffte sie nicht/ weil sie sich dadurch in Lebensgefahr stuͤr- zen moͤchte; so hielt auch anfangs die Bloͤdigkeit sie abe/ dem Fuͤrsten Huͤlffe zuerzeigen/ biß sie endlich durch Liebe uͤberwunden/ ihn nach vermoͤgen schuͤttelte; hernach etwz mehr sich erkuͤhnend/ ihm das Wammes auffrisse/ und da solches noch nicht helffen wolte/ ihm des uͤberbliebenen Biers unter das Angesicht streich/ wodurch eꝛ endlich wieder zu sich sel- ber kam/ da er mit schwacher Stimme sagete: Ach mein Gott/ was sanffter Tod wuͤrde mirs seyn/ wann in den allerschoͤnsten Armen ich sterben solte/ von denen lebendig umfan- gen zuwerden ich vielleicht gar zu unwert bin; fing hierauff an seinen dreyfachen doppelten Reim mit leiser Stimme herzusagen/ wiewol mit einer geringen Verenderung der beyden lezten im ersten Satze/ auff diese Art: O Du klare Sonne du/ O erleuchte meine Sinnen/ Wende deine Gunst mir zu/ Und laß gelten mein beginnen/ Wo nicht/ muß in einem Nuh/ Mein verliebter Geist zerrinnen. Das Fraͤulein/ die solcher straͤngen anlaͤuffe allerdinge ungewohnet wahr/ antwortete ihm mit sehr trauriger Rede: Ach mein Fürst/ sagte sie/ was vor Ursach hat eure Liebe/ sich uͤber mich zubeschweren/ ja sich und mich in so herzlichen Kummer zuversenken? ist es nit schon ungluͤks gnug/ daß wir unserer Fuͤrstlichen Hocheit vergessen/ und umb eines schaͤndlichen Moͤrders willen/ unsere Lebensfristung in einer elenden Bauren Huͤtten suchen muͤssen? und wollen uns durch unnoͤhtige Gedanken uñ falsche einbildungen selbst ersticken/ da doch wildfremde zu unserer Erhaltung bemuͤhet sind? wird mein Fürst solcher gestalt fortfah- ren/ so bestelle er nur bey dem Alten/ daß etliche Moͤrder herzugeruffen werden/ die koͤnnen uns Siebendes Buch. uns mit leidlichern Schmerzen abschlachten/ als daß wir uns selbst durch langwierigen herzaͤngstenden Jammer algemehlich verzehren; und O wie wol haͤtte mein Fuͤrst an mir getahn/ wann er mich nur heut bey erster Erloͤsung in meiner Ohmacht haͤtte ersticken und vergehen lassen. Sie wolte weiter reden; so wahr auch Arbianes schon mit einer guten Antwort fertig; Sie hoͤreten aber/ daß jemand mit hartem Ungestuͤm ins Hauß trat/ und den Alten zurede stellete/ ob er wahnwitzig worden waͤhre/ daß er das schoͤne Rind umb so ein liederliches verkauft haͤtte. Der Alte gab zur Antwort; biß zu frieden/ lieber Sohn/ ich wil keinen Pfennig davon zu Beutel stecken; meine grosse Schwacheit noͤhtiget mich dar- zu/ und wann ich nur die zween empfangene Gülden davon verzehre/ magstu das uͤbrige alles einfodern/ und nach deinem Willen anlegen; kanstu auch ein mehres davor bekom- men/ goͤnne ich dirs gerne/ und wil dich nicht auffhalten/ wann du liebere Geselschaft als deinen alten schwachen Vater hast; nur laß Wolfgang meines Bruders Sohn zu mir kommen/ der heut aus der Stad hieselbst angelanget ist/ daß er mir ein wenig handrei- chung tuhe; ich sehe doch wol/ daß dir kein sonderliches Glük bescheret ist. Der ungerahte- ne Sohn wahr mit dieser Antwort sehr wol zufrieden/ rieff Wolffgangen herzu/ und ging wieder nach der Schenke/ soffe und spielete vier Tage und Nachte aneinander/ biß das ver- kaufte Rind verzehret wahr. Wolffgang aber kam geschwinde gelauffen/ und fragete seinẽ alten Vetter/ was er von ihm begehrete/ erboht sich auch zu aller auffwartung/ als lange er von seines Herrn Dienst abseyn koͤnte. Der alte antwortete ihm: Lieber Sohn/ nach dem mein leibliches Kind das bevorstehende Gluͤk nicht erkennen kan/ noch dessen wirdig ist/ so warte du mir diese Nacht nur wenig Stunden auff/ des wil ich dir lohnen/ daß du mirs Zeit deines lebens solt zu danken haben; dann wie Arm ich mich gleich bißher gestellet/ bin ich doch der allerreicheste in dieser ganzen Dorffschaft/ und wil dir/ wann ich sterbe/ meinen heimlichen Schaz zum Erbe vermachen. Der junge Knecht wuste umb seine kurzweiligen Schwaͤnke sehr wol/ lachete daruͤber/ und sagete: Ja lieber Vetter/ seid meiner eingedenk bey auffsetzung eures lezten willens/ daß ich des vergrabenen Schatzes mit geniesse/ welcher bißher ungezaͤhlet und unsichtbar gewesen ist. Was? sagte der Alte/ meinestu/ es sey mein Scherz? sihe/ da gebe ich dir alsbald fuͤnf Kronen zum neuen Kleide/ damit du wissest/ was du schier heut oder Morgen von mir zugewarten habest. Wolffgang nam sie zu sich/ in mei- nung es waͤhren einzelne Groschen; und als er sie beim brennenden Kreusel besahe/ weil er des Goldes gute erkaͤntnis hatte/ sagte er mit nicht geringer verwunderung; lieber Vetter/ woher kommen euch diese wunder schoͤne Kronen/ dergleichen ich bey meinem Herrn nie gesehen habe? Was gehets dich an/ woher ich sie habe? anwortete der Alte/ laß dirs gnug seyn/ daß ich sie habe; nim sie zu dir/ und lege sie zu deinem besten an/ unter der Versiche- rung/ dz du deren noch vielmehr von mir erben wirst. Dieser bedankete sich des gar zu gꝛos- sen Geschenkes/ und erboht sich aller moͤgligkeit. Ja umsonst schenke ich sie dir auch nicht/ sagte der Alte/ sondern daß ich deiner Dienste dagegen geniessen wil/ welche doch also be- schaffen sind/ daß sie dir weder unmoͤglich noch beschwerlich seyn koͤnnen; nur nim diese Groschen/ gehe nach der Schenke/ und hohle mir Wein und Speise/ so gut es zubekom̃en/ und als viel auff drey hungerige Menschen gnug ist; hast aber nicht noͤhtig zu sagen/ wem du es hohlest/ damit nicht jemand wegen meines Reichtuhms Argwohn fasse; dann diese Ver- Siebendes Buch. Verschwiegenheit fodere ich von dir am allermeisten. Dieser wahr willig/ ginghin/ und verrichtete den Befehl. Arbianes hatte sein herzliebes Fraͤulein auff seiner Schoß sitzen/ lehnete sein Haͤupt an ihres/ und horcheten miteinander fleissig zu. Unterdessen nun Wolf- gang nach der Schenke wahr/ fing Arbianes an/ da ers zuvor gelassen hatte/ und sagte zu ihr: O du allersüsseste Vergnuͤgung der gluͤkhaften Liebe! O wann werde ich mich deiner dereins auch zuerfreuen haben? mein auserwaͤhltes Fraͤulein/ goͤnnet bitte ich/ eurem be- reitwilligsten Knechte/ daß durch betrachtung eurer vortreflichsten Volkommenheit er sei- ne Gedanken/ welche fast leztzuͤgig sind/ ergetzen moͤge/ und labet doch seine verzweiffelten Geister mit dem allersuͤssesten erquikwasser eurer kraftbringenden Barmherzigkeit und guͤ- te/ damit meine schwachen Glieder gestaͤrket und zur Reise/ welche wir diese Nacht werden tuhn muͤssen/ duͤchtig und bestand seyn moͤgen; kan aber dieses mein inbrünstiges ansuchen nicht erhoͤret werden/ so freue ich mich doch/ daß der junge Baur sich ohnzweiffel bemuͤhen wird/ mein Fraͤulein zu den lieben ihrigen sicher durchzubringen. Dieses redete er mit so schwacher Stimme/ und abgebrochenen Worten; daß daher gnug erschiene/ wie heftig seine Geister von der Liebe geplaget wurden. Dem Fraͤulein ging diese Rede sehr zu herzen/ kunte doch schamhalber ihm die vergnuͤgliche Versprechung nicht leisten/ ob gleich ihr Heꝛz darzu willig wahr/ sondern fing also an: O wehe mir armen verlassenẽ Tochter! wil mein Fuͤrst so unbarmherzig mit mir handeln/ und in dieser allerhoͤchsten Gefahr/ meine Ehr uñ Leben einem groben unverstaͤndigen Baurenflegel anvertrauen/ der umb eines Groschen willen mich verrahten und verkaͤuffen duͤrfte/ da doch seine so wol schrift-als muͤndlich mir getahne verheissungen viel anders klungen; so haͤtte er weit besser an mir getahn/ daß er mich mit samt den Raͤubern erschlagen haͤtte/ dann so waͤhre ich ja dem Ungluͤk auff ein- mahl entgangen/ und duͤrfte mich nicht aufs neue einiger Entführung und angedraͤueten Schande befuͤrchten. O Traͤue/ O Glaube wo bistu? schwebestu auch nur in der maͤchti- gen Fuͤrsten Feder und Munde/ und bist von ihren Herzen so weit entfernet? Mit welchen Worten die Traͤhnen haͤuffig aus ihren aͤugelein hervor drungen/ daß sie uͤber Arbianes Haͤnde flossen/ aber sein Herz viel staͤrker traffen/ als die allerheftigsten Meerswellen/ wann sie gegen die Felsenschlagen/ und ganze Fuder Steine hinweg reissen. O ihr allerschoͤnsten Augelein; sagte er/ wollet ihr dann durch diese Traͤhnen- Bach mein bißher lichterlohe brennendes Herz nun ganz und gar ersåuffen? O stillet stillet euch/ und lasset meine Augen dieses verrichten. Aber O ihr Traͤhnen/ bin ich eures fliessens Ursach/ so machet mirs kund/ damit wegen dieses unverantwortlichen frevels ich mich gebührlich abstraffe. Nein/ sagte sie/ kein lebendiger Mensch ist dieser Traͤhnen Ursach/ nur das leidige Gluͤk/ welches mich in diese Gefahr gestuͤrzet/ dem boßhaften Wendischen Raͤuber mich uͤberliefert/ und einen solchen Fuͤrsten mir zum Erretter/ zugeschicket hat/ welcher ohn Ursach mich in der einsa- men Fremde verlassen/ und mich einem unflaͤtigen Bauren anvertrauen wil. Arbianes wischete ihr mit seinem Tuͤchlein die Traͤhnen ab/ und sagete: Ach Gott/ ich bekeñe willig/ daß meine unvorsichtige Reden ihre Durchl. veranlasset haben/ meine Traͤue und Glau- ben in zweiffel zuzihen/ und wåhre ungleich besser gewesen/ ich haͤtte meines Herzen mattig- keit verschwiegen gehalten/ und meine Reise so weit fortgesetzet/ als mein Leben mich beglei- ten wird/ wann ihrer Liebe ja nicht gefallen kan/ durch eine bestaͤndige Erklaͤrung meine ar- beitende Siebendes Buch. beitende Geister auffzurichten. Kuͤssete hiemit ihre annoch nassen Augelein/ und traff zu unterschiedlichen mahlen ihr Muͤndichen/ gleichsam als aus Irtuhm/ so daß/ wie geherzt er sich zuerzeigen bedacht wahr/ doch alles sein beginnen entweder in einer gar zu kühnen Furcht/ oder zu furchtsamen Kuͤhnheit bestund; wodurch er dannoch so viel schaffete/ daß sich das hochbekuͤmmerte Fraͤulein im Weinen maͤssigte/ und zu ihm sagete: Ach mein hochwerter Fuͤrst; wie froh werde ich seyn/ wann ich uns nun aus dieser Gefahr wissen sol; mein Herz aber traͤgt mir eigen zu/ wir werden so leicht nit entgehen/ doch es gerahte nach der Goͤtter Schluß/ so danke ich ihnen dannoch/ daß sie mich aus des Wendischen Raͤu- bers Faͤusten erloͤset/ und dieses Fuͤrsten Kundschaft mir gegoͤñet haben/ auff welchen mei- ne Fr. Schwester so hoch haͤlt (wie aus deren Schreiben euer Liebe ich hoffe zuerweisen/) ja welcher meiner wenigkeit viel hoͤhere Gunst und Liebe zugewendet/ als mit alle meinem vermoͤgen ich nicht ersetzen kan/ und doch nach vermoͤgen zuersetzen/ mich stets werde be- fleissigen. Dieser Rede gebrauchete sie sich zu dem Ende/ ihm seinen zweiffel zubenehmen/ schaffete auch hiedurch so viel bey ihm/ daß er seiner schwermuͤhtigen Gedanken einen gros- sen Teil fallen ließ/ und ihr solcher gestalt antwortete: Durchleuchtigstes Fraͤulein/ ist es wol moͤglich/ daß ihre vortrefligkeit wegen des unwerten Arbianes Kundschaft einige ver- gnuͤgung haben solte? O mein auserwaͤhlt er Seelen Schaz/ verfolget/ bitte ich/ dieses hold- selige erbarmen/ bekraͤftiget diese mitleidige Gunst duꝛch eine ehꝛenverbuͤndliche Erklerung/ die meinem fast abgezehreten Herzẽ mehr staͤrkung als das kraͤftigste Korallen- oder Per- len Wasser mitteilen wird. Als er dieses redete/ griffe das Fraͤulein in ihren Busem/ und fragete den Fuͤrsten/ ob dann das heut ihr eingelieferte Schreiben von ihrer Fr. Schwe- ster selbst durchhin geschrieben waͤhre/ oder sie nur die Auffschrift mit eigener Hand verfer- tiget haͤtte; auch/ was doch der eigentliche Inhalt seyn moͤchte. Daß sie es selbst geschriebẽ/ antwortete er/ kan ich wol beteuren/ wird auch die Hand schon ausweisen; den Begrieff aber weiß ich in wahrheit nicht/ nur als ich gestern Abend in meinem Herzen beschlossen hatte/ mich vornehmlich in ihrer Liebe Erloͤsung zugebrauchen/ baht ich die Groß Fuͤr- stin/ sie moͤchte mir einen kleinen Schein zustellen/ bey welchem mein hoͤchstwertes Fraͤu- lein mich erkennen koͤnte/ da mir etwa der almaͤchtige Gott die Gnade verleihen wuͤrde/ sie aus Raͤuber Haͤnden zuerretten/ und sie vielleicht aus Furcht mir nicht trauen wuͤrde; da sie dann alsbald in ihrem Zelte sich nidersetzete/ dieses Brieflein schrieb/ und nach versiege- lung zu mir sagete: Sehet da/ mein Bruder/ goͤñet euch Gott das Glük/ meine Frl. Schwe- ster in meinem abwesen anzutreffen/ so gebet ihrer Liebe/ wann ihr so viel raum allein haben koͤnnet/ dieses Brieflein/ und das ich naͤhst vermeldung Schwesterlicher Liebe und Traͤue sie herzlich ersuchen und bitten lasse/ diesen Brieff selbst zu lesen/ den Inhalt keinem Men- schen/ als dem Einhaͤndiger zuverstaͤndigen/ und dafern sie ein troͤpflein Blut in ihren A- dern zu meiner Liebe ubrig hat/ meinem Schwesterlichen ansuchen genuͤge zu tuhn. Diese Werbung/ Durchl. Fraͤulein/ haͤtte bey einreichung/ ich herzlich gerne verrichtet/ dafern beydes ihr Kummer und die Eilefortzureiten es nicht verhindert haͤtten. Das Fraͤulein antworte ihm: Daß muͤste gar ein unmoͤgliches seyn/ und uͤber meine Kraft sich erstrecken/ welches bey so hoher Errinnerung ich meiner werten Fr. Schwester versagen solte/ nach- dem ich mir ohndas vorgenom̃en/ ihr in allem schlechter dinge/ als einer gebietenden Mut- u u u ter Siebendes Buch. ter zugehorsamen/ weil nach ihrem hochgewogenen Herzen sie mir nichts unmoͤgliches/ viel weniger unanstaͤndiges zu muhten wird noch kan. Ach mein Gott/ sagte der Fuͤrst/ daß wir doch nur so viel Licht haͤtten/ dieses Schreiben zu lesen/ ob vielleicht etwas drinnen ent- halten waͤhre/ daß zu meiner Vergnuͤgung koͤnte ersprießlich seyn. Dem Fraͤulein kam schon die Reue/ wegen gar zu offenherziger Erklaͤrung/ daß sie sagete: O mein Fuͤrst/ wie- wol wird Euer Liebe der Inhalt bewust seyn/ solte er auch meiner Fr. Schwester den Brief selber in die Feder gesaget haben/ welches mich dann bald zum Wiederruff bewaͤgen solte/ sintemahl das Schreiben solcher gestalt mehr euer Liebe/ als meiner Fr. Schwester begeh- ren an mich fodern wuͤrde. Dieser hingegen bekraͤfftigte mit sehr teuren Worten/ es waͤh- re ihm kein Woͤrtlein daraus bewust/ nur daß er aus der Groß Fuͤrstin froͤlichen Geberden gemuhtmasset haͤtte/ es wuͤrde seinem hefftigen Seelen-Wunsche nicht allerdinge zuwideꝛ seyn. Das Fraͤulein fing an/ ihre getahne Erklaͤrung in gewisse Schranken der Jungfraͤu- lichen Zuchtbedingungen einzuzihen/ und sagete: Meiner Fr. Schwester Sin zur gebuͤh- renden Keuscheit ist mir schon gnug geruͤhmet/ daher sie derselben zuwider an mich nichts begehren wird/ und solte gleich ihr Schreiben wegen etlicher Redearten auff etwas meh- res/ als ein schamhafftiges Fraͤulein leisten kan/ durch gelehrte Ausdeutelungen koͤnnen gezogen werden/ getraue Eurer Liebe ich dannoch ohn boͤsen Argwohn zu/ sie werde meiner Fr. Schwester Scherz-Schreiben als ein Zuchtliebender Fürst schon zuverstehen wissen. Arbianes wolte hierauff Antwort geben/ hoͤrete aber/ daß Wolffgang wieder kam/ und mit dem Alten ein heimliches Gespraͤch hielt/ auch bald darauf mit einer alten dunkelen Leuch- te zu ihnen hinauff stieg/ und neben einem guten Kruge Wein/ Brod/ kalt Gebratenes und etliche Kaͤhse ihnen mit diesen Worten vorlegete: Hochgeehrter Ritter/ verdenket es mei- nem alten Vettern nicht/ bitte ich demuͤhtig/ daß er mir unwirdigen ihre Anwesenheit of- fenbahren wollen; ich gelobe ihnen bey fester unbruͤchiger Traͤue/ daß ich weder durch Ge- walt noch Geschenke mich bewaͤgen lassen wil/ euch gegen einigen Menschen zumelden/ sondern mich hiemit zu allen ihren Diensten verbunden haben/ dann unter dieser ausdruͤk- lichen Bedingung habe ich ihres Geldes 5 Kronen von meinem Vetter gehoben/ welche ich nicht anders als Miet Gelder rechnen wil. Guter Freund/ antwortete Arbianes/ uns wil nicht gebuͤhren/ an eines redlichen Menschen Auffrichtigkeit und Traͤue zuzweifeln/ moͤget euch aber wol versichern/ daß da ihr euer Versprechen haltet/ ihr vor einen kurzen Dienst dergestalt sollet belohnet werden/ daß ihr zeit eures Lebens solche Gluͤkseligkeit nicht haͤttet hoffen koͤnnen. Ach ja/ guter Freund/ sagte das Fraͤulein/ lasset euch keine unbilliche Gedanken zur Verraͤhterey bewaͤgen/ und nehmet diesen Ring von mir an/ als ein Zeichen der kuͤnfftigen Belohnung/ welchen ihr umb 400 Kronen verkaͤuffen koͤnnet. Davor behuͤ- ten mich die Goͤtter/ antwortete er; Ihrer Gnaden Zusage ist mir Versicherungs gnug der zukuͤnfftigen Leistung/ und bitte ich untertaͤhnig/ sie wollen sich zu mir aller Traͤue ver- sehen/ die ich nimmermehr zubrechen/ bey Straffe aller himlischen und hellischen Goͤtter verheissen wil. Ließ ihnen hierauff die Leuchte/ bittend/ sich vor Feurschaden zuhuͤhten/ und mit den geringen Speisen vorlieb zunehmen; womit er von ihnen hinweg ging. Fraͤulein Klara wahr von Herzen hungerig/ schikte sich zum essen/ und mit ihrem kleinen Brodmes- ser schnitte sie ihrem lieben Fuͤrsten Brod und Fleisch in die Hand/ sagend: Hochwerter Freund/ Siebendes Buch. Freund/ Eure Liebe wird mir zu sonderlichem gefallen dieses wenige zu sich nehmen/ und die erste Mahlzeit mit mir halten/ unter dem Wunsche/ daß deren mehr und bessere erfol- gen moͤgen. Er hingegen hielt instaͤndig an/ weil das Gluͤk ihm so viel Licht gegoͤnnet/ das Schreiben erst zulesen/ ob etwa er daher seiner hungerigen Seelen hochbegehrete Speise zunehmen haͤtte/ alsdann wolte er der Leibes Kost gerne etliche Tage entbehren; uͤber wel- che Worte sie eine sonderliche Liebesbewaͤgung in ihrem Herzen empfand/ daß sie zusagẽ sich nicht enthalten kunte: Mein hochwerter Fuͤrst/ wessen besorget er sich doch widriges an meiner Seite/ da er mich auff seiner Schoß haͤlt? findet sich etwas in meinem Schrei- ben/ daß ihm behaͤglich und zutraͤglich ist/ wird es ja unter so kurzer Zeit weder schaͤdlich werden noch verschwinden; Dafern er aber die angebohtenen Speisen verschmaͤhet/ und im essen und trinken mir nicht Geselschafft leistet/ wil im rechten Ernste ich den Brieff vor morgen Abend nicht lesen/ oder ihn wol gar ungelesen zureissen. Ey mein Fraͤulein/ ant- wortete er; wie koͤnte eure Liebe eine solche Grausamkeit an den allerliebesten Buchstaben veruͤben/ die von so angenehmer Hand in schwesterlichem Vertrauen geschrieben sind? Jedoch bin ich schuldig einen bereitwilligsten Gehorsam zuerzeigen/ und wil uͤber mein Vermoͤgen essen und trinken/ auff daß in dessen Wegerung Eure Liebe hernaͤhst nicht ge- legenheit uñ ursach suche/ des lieben Briefes Lesungs weiter aufzuschieben. Mein Freund/ antwortete sie/ hat sehr grosse Hoffnung auff diesen Brief gesetzet/ und moͤchte vielleicht wol ein solches daꝛinnen enthalten seyn/ welches zuleisten/ uns/ wegen abwesenheit von den unsern beiderseits unmoͤglich waͤhre. Solches kan nicht seyn/ antwortete er/ in Betrach- tung/ daß unsere Fr. Schwester bey Auffsetzung solches Briefes der gewissen Hoffnung gelebete/ wir wuͤrden diesen Abend bey ihr und der ganzen Fuͤrstlichen Geselschafft anlan- gen. Zum wenigsten hat sie nicht muhtmassen koͤnnen/ daß wir beyde uns allein in solcher Einsamkeit beyeinander finden wuͤrden. Ein solches gestehe ich/ sagte sie/ werde auch desto williger seyn/ des Briefes Inhalt mir wolgefallen zulassen. Fingen hierauff beyderseits an mit gutem Lust der Speisen zugeniessen/ und ruͤhmete Frl. Klara/ daß die ganze Zeit ih- rer Gefaͤngniß über/ ihr die Speisen nicht den tausendsten teil so wol geschmaͤcket haͤtten. Bald ergriff sie auch das Trinkgeschir/ und brachte ihm eins auff Großfuͤrstin Valisken Gesundheit und Wolergehen/ wiewol ich nicht zweifele/ sagte sie/ alle die meinen neben ihr/ werden unsers aussebleibens herzlich bekuͤmmert seyn/ wo sie uns nicht wol gar als erschla- gene oder doch als gefangene beweinen. Sie hielten eine frische Mahlzeit mit einander/ bey welcher Arbianes sich immerzu an ihren liebreichen Augelein speisete/ so viel er diesel- ben bey der tunkelen Leuchte beschauen kunte. So bald das Fraͤulein ruͤhmete/ daß sie sich allerdinge gesaͤttiget haͤtte/ hielt er auff ein neues an/ das Brieflein zuverlesen/ dessen sie nur zum Scherze/ umb sein Vornehmen zuerforschen/ sich wegerte/ vorgebend/ sie haͤtte bey dem tunkeln Wasser- oder Knatterlichte kaum die Speisen erkennen koͤnnen/ wie sie dann so klein geschriebene Bnchstaben dabey lesen solte? Aber weil sie sahe/ daß nach kurz- gebehtener Verzeihung er sich erkuͤhnen wolte/ den Brief aus ihrem Busem hervor zulan- gen/ kam sie diesem mit einem freundlichen lachen (welches die ganze Zeit ihrer Entfuͤh- rung das erste wahr) selber zuvor/ nam das Schreiben in die Hand/ und entschuldigte sich/ daß sie so viel Herzens nicht haͤtte/ es zuerbrechen. Ließ auch gerne geschehen/ daß er solches u u u ij verrich- Siebendes Buch. verrichtete; da er nach Eroͤffnung denselben Brief küssete/ und ihn solcher gestalt anrede- te: O du allerliebstes Briefelein/ hastu einige Glükseligkeit in dir/ so teile doch dem bißher allerungluͤkseligsten Arbianes etwas mit/ auff daß er in seinem Leiden nicht gar untergehe/ noch dieses Haͤu sein Todten Bette seyn moͤge. Reichete ihn hiemit dem Fraͤulein ganz ehrerbietig uͤber/ und baht mit freundlicher Umfahung/ diesem Schreiben die Lesens-wir- digung anzutuhn/ in betrachtung der Herz Schwesterlichen Liebe/ damit die Groß Fuͤrstin ihr zugetahn waͤhre. Dieses ist eine hohe und kraͤfftige Ermahnung/ sagte sie/ derẽ ich mich nicht zuwider setzen weiß; legete den Brief von einander und lase/ da Arbianes ihr leuchte- te/ folgenden Inhalt/ ohn einiges Wortsprechen. Herzallerliebste Fraͤulein Schwester; nach dem der guͤtige Gott uns ingesamt wieder nach Hau- se geleitet/ auch unsern Lieben Eltern und Euer Liebe Rettung zutuhn/ Gelegenheit bescheret hat/ ha- ben Euer Liebe Herren Bruͤder und ich/ den Durchleuchtigsten Groß Fuͤrstlichen Herren auß Meden/ Fuͤrst Arbianes/ dessen hefftiger Verliebung gegen eure Vortreffligkeit/ keine andere gleichen mag/ mit uͤber bringen/ und ihr denselben als ihren versprochenen Braͤutigam und Gemahl zufuͤhren wol- len/ nicht zweiffelnd/ dieselbe werde unserm festgemachten Schlusse keines weges wiedersprechen/ son- dern/ wann dem lieben Fuͤrsten seine vorgenommene Bemuͤhung/ Eure Liebe aus Raͤuber Haͤnden zu- reissen/ gluͤcken solte/ ihn dessen nach seinem ehrliebenden Begehren geniessen zulassen/ uñ nicht anders gedencken/ als daß sie in Begleitung ihres versprochenen Braͤutigams sich befinde/ massen wir unsers Orts gar nicht zweiffeln/ es werden eure liebe Eltern in diese Heyraht einwilligen/ und ihrer Herꝛen Soͤhne/ wie auch meinen wolgemeineten Vortrag gelten lassen; daher wir der gaͤnzlichen Zuversicht zugleich leben/ Eure Liebe werde/ ehe sie bey uns anlanget/ also bald nach Lesung dieses Brieffleins/ ihr Herz und Willen dem unsern gleichstimmend machen/ und diesen Lieben ihr gantz und gar zu eigen er- gebenen Fuͤrsten ihr Herz zur steten Wohnung einraͤumen/ dafern sonsten noch ein einziges Blutaͤder- chen an ihrem Leibe uͤbrig ist/ welches ihren Herꝛen Bruͤdern und mir mit Schwesterlichem Willen zu- getahn verbleibet. Inzwischen bewahre der Allmaͤchtige Gott eure Ehre/ Leben und Gesundheit vor den boßhafftigen Raͤubern/ und bringe uns in wenig Stunden wieder zusammen/ wie solches wuͤn- schet und hoffet/ Euer Liebe inbruͤnstig-ergebene Schwester und getraͤue Freundin Valiska. Der Fuͤrst gab fleissige Achtung auff ihr Gesichte/ weil sie den Brieff lase/ und auß ihren unterschiedlichen Verenderungen merkete er/ daß seiner Sache bester massen darin- nen wuͤrde gedacht seyn/ baht daher instaͤndig/ dafern moͤglich/ ihm des Brieffes Inhalt wissen zulassen. Ja warumb nicht Durchl. Fürst? sagte sie/ legte inzwischen das Schreiben wieder zusammen/ steckete es an den vorigen Ort/ und fuhr in ihrer Rede fort/ sie wuͤrde/ von ihrer Fr. Schwester wegen gluͤklicher Wiederkunfft ihrer Herrn Bruͤder berichtet und daß ihre Liebe auß guter Gewogenheit gegen ihre Wenigkeit mit überkommen waͤhre/ umb bey ihren lieben Eltern zuvernehmen/ ob einige Heyraht zwischen ihnen koͤnte gefliff- tet und verabredet/ auch uͤber etliche Zeit/ wann sie zu den verstaͤndigen Jahren wuͤrde kom- men seyn/ volzogen werden; da dann ihre Fr. Schwester bey ihr ansuchete/ sich hierin ge- gen ihrer lieben Eltern und Bruͤder Willen nicht zu wiederspenstigen. Dieses ist der gan- ze Inhalt/ Hochwerter Fuͤrst/ sagete sie/ welchem nachzukommen/ ich mich schon im Anfan- ge von mir selbst erklaͤret habe. Sie brachte dieses mit einer angenommenen Ernsthafftig- keit vor/ und gedachte nochmals/ ihn damit hinzuhalten/ wuͤrde auch in ihren Gedanken nicht betrogen seyn/ wann sie nur der weiten Außstellung des Beylagers nicht gedacht haͤt- te; welches dem verliebeten Fuͤrsten allen Glauben benam/ sintemahl die Großfuͤrstin ihm viel Siebendes Buch. viel andere Verheissungen getahn hatte/ und er daher/ nach freundlicher Umfahung/ die ihm zuͤchtig gegoͤnnet ward/ diese Antwort gab: Mein Fraͤulein/ ich bedanke mich sehr der beschehenen Erzaͤhlung deß schrifftlichen Inhalts; habe aber durch Einlieferung des Brie- fes meiner Fr. Schwester Befehl und Willen nur zur helffte eꝛfuͤllet/ nach dem sie mir ernst- lich aufferleget/ ich ihr auch mit einem Handschlage mich verbindlich machen muͤssen/ alle Mittel zugebrauchen/ daß/ nachdem ihre Vortreffligkeit das Schreiben wuͤrde gelesen haben/ ich solches auch zu lesen bekommen moͤchte; zweiffele nicht/ es werde Eure Liebe ihr solches gefallen lassen/ und mir dasselbe zuzeigen unbeschweret seyn. Ich weiß nicht/ Durchl. Fuͤrst/ antwortete sie/ ob meine Fr. Schwester diesen Befehl erteilet habe/ wiewol Euer Liebe vorbringen der Unwarheit zubeschuͤldigen/ mir nicht gebuͤhren wil; nur dieses weiß ich wol/ daß die Auffschrifft nicht zugleich an Eure Liebe mit/ sondern nur allein an mich gerichtet ist/ es waͤhre dann/ daß mein werter Fuͤrst an meiner auffrichtigen Erzaͤh- lung zweiffel tragen/ und der Ursach wegen das Schreiben selbst lesen wolte/ welches ich doch nicht eins fuͤrchten noch gedenken wil. Dieses sey ferne von mir antwortete er; nur muß ich dem Befehl meiner Fr. Schwester getraͤulich nachkommen/ dafern ich sonst nicht in ihre schwere Ungnade/ die mir gar zu unertraͤglich seyn wuͤrde/ fallen wolte. Bitte dem- nach von Herzen/ mein Fraͤulein wolle umb eine frevelhaffte Bemuͤhung zu hinterhalten/ mir das Briefflein unbeschweret zeigen/ nachdem ich so auffrichtig gespielet/ daß/ ob ichs gleich brechen muͤssen/ mich dannoch der ersten Lesung gebuͤhrlich enthalten habe. Ach nein mein Fuͤrst/ gab sie zur Antwort/ dann ob er dieses gleich noch so ernsthafftig vortragen wuͤrde/ versichere ich ihn doch/ daß ohn anßdruͤklichen schrifftlichen Beweißtuhm ich sol- ches ihrer Liebe gar nicht trauen werde. Diesem nach stehe er nicht so hart auff des Briefes Besichtigung/ sondern glaube meinen Worten/ weil ich ja nicht hoffen wil/ daß er mich von Anfang her dieser unser gemachten guten Kundschafft falsch gespuͤret haben solte. Nicht rede oder begehre ich solches/ meiner Fr. Schwester/ oder deren Willen mich zu wi- dersetzen/ wann es ja von ihr also solte geordnet seyn/ sonden weil nur etliche wenig Worte darinnen enthalten find/ die mir eine Roͤhte abjagen koͤnten/ bitte ich nochmahls freund- lich/ seine Lesungs Begier den ein zustellen/ und wil Eure Liebe ich versichern/ daß meine Fr. Schwester deßwegen gar keine Ungunft auff ihn legen sol. Ach mein Fraͤulein/ sagte er/ sie wolle/ bitte ich/ ihren ergebenen Knecht durch solche Wegerung nicht zu hoch betruͤben/ dafern sonst meine Hoffnung ich nicht auff ungewissen und betrieglichen Trieb Sand sol gebauet haben/ sondern meiner gebehtenen Verzeihung stat geben/ damit sie nicht schier heut odeꝛ morgen mir meine Bloͤdigkeit vorzulegen und schimpflich auffzuruͤcken habe; umfing sie damit sehr inbruͤnstig/ und nam die Kuͤhnheit den Brieff in ihrem Busem zu suchen/ wogegen sie sich/ als viel Hoͤffligkeit leiden wolte/ sehr straͤubete/ aber endlich doch gewonnen geben muste/ da er das Schreiben mit den spitzen Fingern ergriff/ und zu sich nam. Als dieser Raub erhalten wahr/ wolte dannoch das Fraͤulein sich einer schlauheit ge- brauchen/ und griffe nach der Leuchte/ in Meinung das Licht auß zuloͤschen; aber der Fürst kam ihr zuvor/ baht anffs neue um verzeihung/ nam einen Abtrit und durchlase den Brief mit guter Bedachtsamkeit/ loͤschete nachgehends daß Licht auß/ setzete sich vor ihr in die Kute/ und hielt folgende bewaͤgliche Rede: Allerschoͤnstes Fraͤulein/ Euer Liebe haͤndige u u u iij ich Siebendes Buch. ich dieses Schreiben gebuͤhrlich wieder ein/ dessen Inhalt ich weder loben noch schelten darff/ so lange Eure Liebe ihre Wolmeinung darüber außzulassen bedenken traͤget; nur bitte ich nochmals um hochguͤnstige Verzeihung/ daß ich mich der Gewaltsamkeit gebrauchet/ und es durchzulesen/ ihrer Liebe hinweg geraubet habe. Zwar ich gestehe ja willig und alle- mahl/ daß der Liebe und Gunst ich unwirdig bin/ welche von Euer Liebe mir erzeiget zuwer- den/ meine Durchl. Fr. Schwester unter so hoher Erinnerung ansuchet/ daher ich forthin nicht weiters als noch dieses letzemahl/ mich unterstehen wil/ Eure Vortreffligkeit mit meiner inbrunstigen Bitte anzuliegen/ daß/ wofern moͤglich/ dieselbe mir unbeschweret anzeigen wolle/ ob von ihrer Gnade ich meine Vergnuͤgung zugewarten/ oder wegen mei- ner gar zu hoch gefasseten Gedanken/ welche meine Fr. Schwester in mir ernaͤhret/ die end- liche Urtel meines verbrechens anzuhoͤren habe/ dann wo dieselbe meinen wuͤrde/ mich et- wa in fernerer Ungewißheit hinzuhalten/ muß ich zwar in ihren Willen mich schicken; weil ich aber uͤber mein Herz und dessen Wirkungen weiter nicht zugebieten habe/ als wann durch ihre troͤstliche Erquickung/ das geringe uͤbrige Fuͤnklein des Lebens darinnen auffge- blasen wird/ so hoffe ich/ es werde Eure Liebe nicht uͤber wuͤterichs Art mit mir handeln/ und mir nicht befehlen zuleben/ wann alle Lebens Mittel mir entrissen sind/ die einig und al- lein in diesem bestehen/ und erhalten werden/ was meiner Durchl. Fr. Schwester freund- liches gesinnen von ihrer Durchl. bittet. Hiemit entging ihm alle Krafft/ sich laͤnger auff den Knien zuerhalten/ legte sich sanfft neben ihr nieder/ und gedauchte ihn nicht anders/ als daß ihm die Seele außfahren würde. Das liebe Fraͤulein kunte wegen der Tunkelheit seine Mattigkeit nicht erkeñen/ und befahrete sich doch deren/ deßwegen sie ihm die Hand fassete/ und als er dieselbe als ein Todter Mensch hangen ließ/ empfand sie daher seine harte Ohmacht/ welche sie mit Traͤhnen beweinete/ und bald darauff allen moͤglichen Fleiß an- wendete/ ihn mit den Wein aufzumuntern/ welchen sie ihm nicht allein unter das Gesichte spruͤtzete/ sondern nachdem sie ihm das Wammes gar auffgertssen/ in den Busem goß/ dz er dessen Krafft endlich emfindend/ seine Entwerffung durch einen schweren Seuffzen zu verstehen gab/ da sie zu ihm sagete: Hat mein Fuͤrst so grosse Beliebung/ sich und mich zu- toͤdten/ warumb hat er solches dann nicht heut bald anfangs mit seinem blutigen Schwer- te verrichtet? dann also haͤtte ich dieser Angst ja noch entübriget sein koͤnnen. Ach davorbe- huͤte mich Gott/ allerschoͤnstes Fraͤulein/ antwortete er/ daß zur Verkuͤrzung ihres Lebens ich behuͤlfflich seyn solte; nur bitte ich dienstlich/ sie wolle doch eines so unwerten Menschẽ halben/ als ich bin/ sich weiters nicht bemuͤhen/ sondern ihn den Ungluͤks Lauff dereins en- digen lassen/ weil nach dessen leztem ihn bißher stets/ aber unter viel süsserer Hoffnung/ verlanget hat. Mein Fuͤrst hat durchauß keine Ursach/ sagte sie/ dergleichen Rede zufuͤhrẽ/ es waͤhre dann/ daß er mir gar verbieten wolte/ meine Erklaͤrung auff meiner Fr. Schwe- ster begehren außzulassen/ auff welchen fal ich mehr ihn/ als er mich vor einen Wuͤterich anklagen muͤste; solches nun abzuwenden/ wolle mein Fuͤrst Zeit nehmen/ sich zuerhohlen/ und mir auch selbige zugoͤnnen/ damit ich mich ein wenig bedenken moͤge. Hier auff richtete er sich wieder in die hoͤhe/ druͤckete und kuͤssete ihre Haͤnde mit solcher inbruͤnstiger Bewaͤ- gung/ daß sie es laͤnger mit stilschweigen nicht ertragen kunte/ ein Herz ergriff/ und ihm diese Erklaͤrung gab: Durchleuchtigster Fuͤrst; wann die Jungfraͤuliche Bloͤdigkeit und Schahm/ Siebendes Buch. Schahm/ die mein Herz bißher stets unter ihrem vollen Gehorsam gehabt/ mir so viel Kuͤhnheit zugeben wolte/ daß der Mund außreden duͤrffte/ was das Hertz ihm gnug bewust ist/ alsdann wuͤrde ich nicht allein hie in dieser Einsamkeit/ sondern vor der ganzen Welt frey oͤffentlich bekennen/ daß Eurer Liebe ich mehr als aus einer Ursach/ zu alle seinem ehr- liebenden Willen ohn Ausrede verbunden bin. Vor erst sehe ich an die Vertrauligkeit/ welche zwischen Euer Liebe und meinen Herꝛn Bruͤdern/ auch meiner Fr. Schwester ist/ die allein gnug waͤhre/ mich Euer Liebe willen zu unterwerffen. Hierzu koͤmt die hohe Be- dienung/ welche dieselbe meinen ietzgedachten naͤhesten Blutsverwanten Zeit ihres Elen- des erzeiget/ welche von Leches und Neklam mir grosses teils erzaͤhlet sind. Aber wañ sol- ches alles schon nicht waͤhre/ meinet dann mein Fuͤrst/ daß ich so unempfindlich seyn/ und nicht mit Dankbarkeit erkennen wuͤrde/ daß er bloß durch das anschauen meines unacht- samen Brustbil des sein Herz mir zugewendet/ und darauff alsbald so wol bey mir als bey meinen lieben Eltern gebuͤhrliche und mehr als gebührliche Ansuchung getahn? was wirds dann erst seyn und gelten/ wann ich der heutigen Erloͤsung eingedenk bin/ die weder Zeit noch Ungluͤk noch wolergehen auß meinem Gedaͤchtniß reissen sol? muß ich dann nicht gestehen/ mein Fuͤrst/ daß ich schüldig bin/ mich vor die Eure zuhalten? aber ich vernehme uͤber diß alles/ daß meine Herren Bruͤder/ und Fr. Schwester/ die mir zugebieten haben/ den Schluß schon abgefasset/ ich solte des Durchleuchtigsten Großfürsten auß Meden sei- ne verlobete seyn; da sie zugleich die Versicherung hinzu tuhn/ meine Herzliebe Eltern wer- den solches vorgenehm halten/ wie ich dann an deren Willen zu zweiffeln keine Ursach ha- be/ zugeschweigen/ daß inkuͤnfftig mir noch dergleichen Gefahr zustossen moͤchte (ach ja/ ich fuͤrchte sehr/ sie werde nicht aussen bleiben) auß welcher ohn ihrer Liebe Huͤlffe und Bei- stand ich nicht errettet werden koͤnte; und also mein hochwerter Fuͤrst mich noch mehr ihm verbunden machen duͤrffte/ wann ich gleich anjetzo aller Vergeltungs-Schuld frey waͤh- re; haͤtte schier wegen Menge meiner Pflichten ausgelassen/ daß ohn gegebene endliche Er- klaͤrung ich meiner hochgeliebeten Fr. Schwester Hulde und Liebe schwerlich wuͤrde er- halten koͤnnen. Dieses alles und jedes/ Durchl. Fuͤrst/ draͤnget mich nicht weniger als sein muͤndliches bitten/ und aͤngstiges verhalten/ seiner Liebe dessen voͤllig und ohn alle Bedin- gung zuversprechen/ was einer getraͤuen verlobeten Braut ihrem Braͤutigam und kuͤnff- tigen Gemahl schuldig ist/ wil solches auch hie mit und krafft dieses/ Euer Liebe mit gutem Wolbedacht unwiederruflich geleistet haben/ jedoch mit diesem billichen und ernstlichen Vorbehalt/ daß Eure Liebe mit mir als seiner verlobeten Braut zugeberden/ zwar freye Macht haben/ aber doch meiner Jungfraͤulichen Zucht und Keuscheit nicht weniger wider sich selbst/ als wider andere Schuz haltẽ/ und dieselbe in keinerley weise anfechten/ viel we- niger beleidigen oder kraͤnkẽ sol/ biß dahin aus freyem ungezwungenẽ willen/ uñ ungenoͤh- tigter einwilligũg ich in unsere endliche Heiraht gehehlẽ weꝛde/ welche dañ über die gebuͤhꝛ ich nit auffschiebẽ/ sond’n hierin meiner Fr. Schwester willen/ uñ der meinigẽ Anordnung gerne folgẽ wil. Also hat nun eure Liebe/ hochwerter Fuͤrst uñ Braͤutigam/ von mir alles/ wz ein zuͤchtiges Fraͤulein uͤber ihr Herz und Zunge bringen kan; und solte er mir die hinan- gesetzete Bedingung/ die nur auff kurze frist sich erstrecken moͤchte/ zweiffelhaftig machen wollen/ so wil und kan ich ihn nicht anders als einen muhtwilligen Feind meiner wolge- buͤhr- Siebendes Buch. buͤhrlichen Zucht/ ja als einen boßhaftigen Freveler/ der kein Haͤaͤrlein als die vorigẽ Raͤu- ber besser sey/ vor allen meinen Anverwanten anklagen/ und was Dienst er mir gleich tuhn moͤchte/ doch alles vor nichts rechnen/ sondern vielmehr umb Rache wieder seine (wie ich nicht verhoffe) geübete Boßheit/ bey allen Goͤttern und Menschen instaͤndig anhalten/ wo zu doch mein allerliebster Fuͤrst und versprochener Braͤutigam/ weiß ich gar gewiß/ keine Ursach geben wird. Arbianes aus uͤbermaͤssiger Freude bezwungen/ kunte seine hohe ver- gnuͤgung laͤnger nicht einhalten/ umfing sie mit inniglichen ehrliebenden kuͤssen/ deren ihm etliche in zuͤchtiger Scham bezahlet wurden/ und fing nachgehends also an: Durchleuch- tigstes herzallerliebstes Fraͤulein/ mit was düchtigen Worten sol odẽr kan vor diese uͤber- hohe Gunst und Gnade ich mich bedanken? Ach nehmet von mir das begierige Herz/ wel- ches bereit ist/ viel lieber alle Welt Angst auszustehen/ als zu goͤnnen/ daß in meiner gegen- wart ihrem Leibe oder Willen einige Wiederwertigkeit angetahn würde. Ich gestehe zwar/ mein unvergleichlicher Schaz/ daß der hinzugesetzete Vorbehalt meinen hitzigen Liebes- begierden sehr zuwieder ist/ nachdemmahl ihre Liebe dasselbe vor ein ungebuͤhrliches haͤlt/ und anklagen wil/ was Gott den jungen Eheleuten selbst goͤnnet und frey gibt; jedoch aber wil ich mich auch in diesem Stuͤk ihrem Willen gemaͤß verhalten/ mit angehaͤngter sehr demuͤhtiger bitte/ mir eine gewisse Zeit zubestimmen/ zu welcher diese Bedingung sol auff- geruffen seyn. Ach mein Schaz/ antwortete sie/ dringet nicht weiter in mich/ sonst werde ich gezwungen/ mich vor euch mehr zufuͤrchten/ und zuverwahren/ als euch zu lieben; Zeit zu berahmen/ stehet keinem Fraͤulein zu/ und fuͤrchte sehr/ meine Fr. Schwester werde mehr eilen als mir lieb seyn wird; aber dessen sey mein Fuͤrst und wahrer herzens Freund versi- chert/ daß wo ich meinen lieben Eltern nicht in reiner jungfraͤulicher Keuscheit wieder ge- liefert werde/ wil ich demselben nun und nim̃ermehr/ weder getraͤu noch hold seyn/ der mir solches hindern und abzwingen wolte. Sonsten hat mein Fuͤrst sich gar zu weiter ausset- zung unser Heyraht so groß nicht zubefuͤrchten/ weil er mit meiner Fr. Schwester so wol und bruͤderlich daran ist/ daß dieselbe ihm allen Vorschub tuhn wird. Dieses sagete sie mit grosser Scham/ nur daß sie seiner heftigkeit durch solche gemachte Hoffnung einen Zaum anlegen moͤchte; wie er dann sich hierauff erklaͤrete/ sich selbst zu uͤberwinden/ und in den Schranken ihres Willens sich zuverhalten; welches dann das liebe Fraͤulein so froh und kuͤhn machete/ daß sie ihm mannichen Kuß lieferte/ biß ihr endlich die muͤdigkeit den Schlaf brachte/ da sie ihn hoͤchlich baht/ seine Ruhstete von ihr absonderlich zunehmen/ wo er sonst ihr die Freyheit ohn Furcht zuschlaffen goͤnnete. Ja mein auserwaͤhltes Seelichen/ ant- wortete er/ ich erkenne mich allerdinge schuldig/ ihrer Liebe hierin zugehorsamen; hielt doch noch umb ein Viertelstuͤndichen an zum Gespraͤch/ und daß er sich aller ehrliebenden erget- zung an ihrer unsaͤglichen Schoͤnheit/ als ein versprochener Braͤutigam gebrauchẽ moͤch- te; welches sie ihm nach vorgeschriebener gemaͤssigter Weise einwilligte. Ehe dann diese kurze Zeit versloß/ wurden sie etlicher Reuter auff der Gasse hin uñ wieder reitend gewahr/ welche vor der Inwohner Hauß Tuͤhren anklopfeten/ deren einer auch mit zimlichem un- gestuͤm an ihr Tuͤhrlein stieß/ und eingelassen zu werden begehrete. Woruͤber das Fraͤu- lein so heftig erschrak/ daß sie als ein Espinlaub zitterte. Wolfgang machte die Tuͤhr als- bald auff/ und fragete nach seinem begehren; da dieser von ihm wissen wolte/ ob nicht ein junger Siebendes Buch. junger Ritter in blau angelauffenem Harnische mit guͤldener Verbluͤmung/ eine schoͤne adeliche Jungfer im himmelblauen Silberstuͤk bekleidet/ in oder durch/ oder neben dieses Dorff hinweg gefuͤhret haͤtte; welches das Fraͤulein hoͤrend/ nicht anders meinete/ als der Wendische Raͤuber haͤtte sie schon wieder in ihrer gewalt; ruͤckete auch gar hart an ihren Liebesten und sagete mit sanfter wehmuͤhtiger Stim̃e und zitterndem Leibe; Ach mein aus- erwaͤhlter Freund uñ Lebensschaz/ ach schuͤtzet die eurige; gewiß gewiß laͤsset der alte Raͤu- ber mich suchen/ dem ich doch lebendig nicht zuteile werden wil. Mein Seelen Schaz/ ant- wortete er/ gebt euch doch zu frieden/ und erschrecket nicht so hart/ wir sind ja nicht alsbald gefunden/ ob man uns gleich nachfraget; dann des jungen Bauren Antwort gibt uns an- zeige gnug/ daß er uns zuverrahten nicht gemeinet ist. Wie er dann dem Reuter diesen be- scheid erteilete; er haͤtte den ganzen Tag biß in die sinkende Nacht hart vor dem Dorffe in einem Garten ohn unterlaß gearbeitet/ aber dergleichen Leute nicht vernommen/ wuͤrde auch ausser allem zweiffel hieselbst vergeblich nachfragen/ massen eine Stunde vor Abends ein voruͤbergehender Bohte/ welchen er kennete/ berichtet/ er haͤtte ein sehr schoͤnes Weibes- bild mit einem geharnischten Ritter nach dem Iselstrohm zureiten sehen/ und wie ihn ge- daͤuchte/ waͤhre sie mit gutem willen von dem Ritter gefuͤhret worden. Wo ist diser Bohte dann geblieben? fragete der Reuter. Davon weiß ich nichts zu melden/ antwortete er/ nur daß er wegen seiner Reise grosse Eile vorgab/ und noch vier Meile diese Nacht zu lauffen haͤtte/ wohin er sich nun gewendet/ kan ich gar nicht wissen. So hoͤre ich wol/ sagte deꝛ Reu- ter/ ich werde meinem Fuͤrsten das Bohtenlohn nicht abverdienen; kehrete sich hiemit zum Dorffe hinein und ritte seinen Gesellen nach/ deren Wolfgang 10 gezaͤhlet hatte/ und sie al- le miteinander/ wie fleissig sie auch nachfrageten/ gar keine weitere Nachricht erhalten kun- ten. Unsere Verliebeten zweiffelten nicht/ es wuͤrden des Wendischen Fuͤrsten Ausspeher seyn/ welcher etwa mit etlichen Voͤlkern aus der Schlacht entrunnen/ und an einen sichern Ort sich gelagert haͤtte; woran sie doch sehr irreten/ und dadurch sich in grosse truͤbselig- keit und angst stuͤrzeten. Dann es wahren die von Herkules ausgeschikte Reuter/ mit wel- chen sie fein sicher haͤtten koͤnnen uͤberkommen; aber die himlische Versehung wolte ïhnen ihre Vergnügung so fruͤhzeitig nicht zuschicken/ sondern sie musten zu ihrer besserung zuvor scharff bewehret werden/ und einen herben Becher der Wiederwertigkeit austrinken/ wie hernacher folgen wird. Wir wenden uns aber wieder hin nach dem sieghaften Kriegsheer/ bey welchem der alte Groß Fuͤrst mit seinen Kindern sich in aller froͤligkeit finden ließ/ weil sie annoch gute Hoffnung hatten/ Arbianes wuͤrde sich schier einstellen; wie dañ dazumahl seine 150 Reu- ter mit dem erschlagenen jungen Wendischen Fuͤrsten/ wiewol zimlich spaͤte ankahmen/ uñ den Bericht einbrachten/ ihr Oberster haͤtte diesen mit eigener Hand nidergehauen/ und nachgehends nicht geringe muͤhe gehabt/ das fluͤchtige Fraͤulein/ welche ihn vor einẽ Feind gehalten/ zuerhaschen/ und aus der Ohmacht wieder zurechte zubringen/ da er inzwischen ihnen hart befohlen/ nicht zuseumen/ sondern mit dem erschlagenen fortzugehen; doch haͤt- ten sie ihn endlich gesehen das Fraͤulein vor sich auff dem Pferde fuͤhren/ und als sie in die 400 fluͤchtige Feinde durch den Strom gesehen hindurchsetzen/ und durch winken ihm sol- ches zuverstehen gegeben/ waͤhren sie gewahr worden/ daß er mit ihr den sichersten Weg x x x Suͤd- Siebendes Buch. Suͤdwerz genommen/ worauff sie ihn bald aus dem Gesichte verlohren/ weil sie selbst umb gefahr willen den Strom auffwarz gehen muͤssen/ und den gar zu haͤuffig herzu dringendẽ fluͤchtigen Feinden sich entzihen. Worauff Valiska die Anwesende troͤstete/ und zu ihnen sagete: So wollen wir uns zufrieden geben/ dann Arbianes ist ein so verstaͤndiger Fuͤrst/ welcher mit Gottes huͤlffe schon Mittel und Wege finden wird/ entweder durch zukom̃en/ oder sie auff eine kurze Zeit in gute gewahrsam zubringen. Die alte Groß Fuͤrstin ward hiedurch in etwas getroͤstet/ daß sie bey ihren Schwieger Toͤchtern sich froͤlicher erzeigete/ weder vorhin/ zwischen welche sie sich gesezt hatte/ und es nicht wenig beklagete/ daß sie mit Fr. Lukrezien nicht Unterredung halten kunte/ weil sie kein Teutsch verstund/ wiewol Va- liska sich als eine Dolmetscherin bey ihnen vielfaͤltig gebrauchen ließ. Es meldete sich a- bermahl ein Teutscher Kriegs Knecht an/ vorgebend/ man haͤtte mit dem gefangenẽ Wen- dischen Obersten Niklot viel Muͤhe/ welcher nicht allein seine verbundene Wunden auff- risse/ sondern alle Gelegenheit suchete/ sich selbst zuentleibẽ; wuͤrde demnach das beste seyn/ daß er fest gebunden wuͤrde. Der alte Groß Fürst antwortete: Dieser wird ohn zweifel der verraͤhterische Bube seyn/ welcher mich nicht allein mit List von meinem Schlosse geloc- ket/ sondern hand an mich gelegt/ und gleich einem gemeinẽ Bauren mich gebunden fort- geschleppet/ massen ich mich erinnere/ daß derselbe von seinen Leuten Herr Niklot geneñet ward. Also ward ernstlich befohlen/ man solte ihn fest an einen Pfal oder Leiter binden/ den Wunden auffs beste Raht schaffen/ und ihm allerhand Labung beybringen/ dann es muͤ- ste ihm seine Boßheit andern zum abscheuhlichen Beyspiel vergolten werden. Da wusten nun die Kriegsknechte ihm schon recht zutuhn/ daß er gezwungen/ Speise und Trank neh- men/ und ihres willens geleben muste. Den unsern wolte die Zeit ohn Gespraͤch zu lange wehren/ weil sie willens wahren/ der Fraͤulein Ankunfft biß an die Mitternacht zuerwartẽ; Weil dann die alte Groß Fuͤrstin gerne gewust haͤtte/ durch was gelegenheit ihr lieber Her- kules zu dem neuen Glauben kommen waͤhre/ welchen er so hoch und uͤber alles schaͤtzete/ und sich gleichwol erinnerte/ wie lieb ihm ehemahls ihr landuͤblicher Gottesdienst gewe- sen/ bey dem er so manniches andaͤchtiges Opffer vor sich haͤtte verrichten lassen/ begehre- te sie an ihn/ ihr die ursach und gelegenheit solcher seiner Glaubensverenderung anzuzei- gen. Herkules hoͤrete ihr begehren mit sonderlicher Freude an/ und taht einen inniglichen Seuffzer zu Gott/ er moͤchte seinem Donner durch seine unverstaͤndige Zunge Krafft uñ Nachdruk verleihen/ und die Herzen seiner lieben Eltern ruͤhren/ daß sie zur Erkaͤntniß der Warheit gebracht wuͤrden. Wie er in diesem andaͤchtigen Wunsche stilleschweigend saß/ gedachte sein Gemahl/ er truͤge dessen etwa bedenken/ daher sie ihn in Persischer Sprache erinnerte/ diese gute gelegenheit zu seiner Eltern Bekehrung nicht vorbey zulassen/ sondern vielmehr mit beyden Haͤnden zuergreiffen; vielleicht schickete es Gott also/ daß seine Fr. Mutter selbst anlaß darzu geben muͤste; fuhr nachmahls fort/ und sagete auff Teutsch zu ihm: Mein allerwerdester Schaz/ lieber wegert euch nicht/ unser Fr. Mutter begehren zu erfuͤllen/ dann ich selbst habe vorlaͤngst gerne wissen wollen/ wie sichs mit euer Bekehrung zu dem seligmachenden Glauben begeben hat. Herkules gab durch ein freundliches Lachen seinen guten Willen zuverstehen/ und fing also an: Gnaͤdigste herzallerliebste Fr. Mutter; euer muͤtterliches Herz ruffet mir eine solche unaussprechliche Freude in mein Gedaͤcht- niß/ Siebendes Buch. niß/ welche mich des zeitlichen pfleget vergessen zumachen/ so daß meine Seele nichts hoͤ- hers wuͤnschet/ als diesen suͤndlichen unnuͤtzen Leib zuverlassen/ und mit allen außerwaͤhlten Kindern Gottes der himlischen Wollust in ihres Heylandes Gegenwart zugeniessen/ de- ren Herligkeit keines Menschen Zunge beschreiben kan. O was elender Mensch und nich- tiger Erdwurm wuͤrde ich seyn/ wann ich zu dieser Erkaͤntniß der goͤttlichen allein selig- machenden Warheit nicht kommen waͤhre/ welche nunmehr mein Herz in dem Vertrauẽ zu Gott dermassen fest geankert hat/ daß alles übrige/ wie hoch es von der Welt mag gehal- ten seyn/ mich nur wie ein unflaͤtiger Koht anstinket. Nicht sage ich dieses/ ob verachtete ich Gottes zeitliche Gaben/ die er mir in kurzeꝛ Zeit haͤuffiger als einigem Menschen mag mit- geteilet haben/ und ich/ wann ein maͤchtiges Koͤnigreich zu kauffe waͤhre/ solches mit Gol- de wol an mich bringen koͤnte/ nachdem meines getraͤuen Bruders/ Koͤniges Ladisla/ und meine Gelder fast nicht zuzaͤhlen sind/ als die nach Silberwerd angeschlagen/ an die 70000 Zentner oder Hundert schwehr sich belauffen; zugeschweigen aller zeitlichen Ehre und Herschafft/ die mir unwirdigen im Parthischen/ Persischen und Roͤmischen Reiche auf- getragen sind/ und zum teil fast auffgedrungen werden wollen. Noch wolte ich solches alles verfluchen/ und als einen Wust in des Meeres Abgrund versenken/ wann ich das allerge- ringste der zur Seligkeit nohtwendigen himlischen Erkaͤntniß davor entrahten solte. Mir zweifelt nicht/ Gn. Fr. Mutter/ diese meine Reden duͤnken euch kin disch/ ja laͤcheꝛlich seyn; und zwar eben so ist mirs anfangs mit meinem Bruder Ladisla auch gangen/ daß er mich vor einen aberwitzigen Menschen hielt/ welches ihn sider deß offt gereuet hat/ aber es dazu- mahl nicht endern kunte; dann ehe Gottes Geist in des Menschen Seele den Glauben wirket/ haͤlt er goͤttliche Weißheit vor ein kindisches Affenwerk; und solches alles koͤmt von dem argen Menschen-Feinde dem leidigen Teufel her/ als der nicht leiden kan/ daß dem Menschen das Licht der Erkaͤntniß Gottes scheine/ uud dadurch sein schaͤndliches Reich verstoͤret oder doch verringert werde; wie er dann ein Hasser und Verleumder alles gu- ten ist. Wo aber die Furcht Gottes sich nur zuregen beginnet/ so daß der Mensch gedenket und nachsinnet/ was doch nach diesem kurzen vergaͤnglichen Leben seyn werde/ weil unsere Seel nicht verschwindet/ sondern ewig bleibet/ dann ist er schon bemuͤhet/ etwas zufassen/ worauff er sich eigentlich verlassen/ sein Gewissen befriedigen/ und sein kuͤnfftiges hoͤchstes Gut fest gruͤnden und bauen moͤge/ weil doch in dieser Sterbligkeit nichts gewissers ist/ als die Ungewißheit unsers wolergehens; nichts bestaͤndigers/ als des falschen Gluͤckes Un- bestaͤndigkeit. Diese Gedanken/ herzliebe Fr. Mutter/ haben in meinen kindlichen Jahren mich offt angefochten und gereizet/ auch in eurer Gegenwart (wo ihrs euch erinnern koͤn- net) zu wuͤnschen/ wie gerne ich wissen moͤchte/ was eigentlich Gott waͤhre/ wie er von uns wolte geehret seyn/ und womit er nach diesem Leben die wahre Froͤmmigkeit beseligen wol- te. Ein solches aber lehrete mich weder Krodo noch die Irmen Seul/ noch die vermeinete Goͤttin/ die man zu Magdeburg verehret. Fragete ich dann die Pfaffen darum/ lacheten sie mich noch darzu hoͤhnisch aus; warumb ich durch die Wolken steigen/ und in der him- lischen Goͤtter geheimen Raht mich einmischen wolte; Ich solte mich an ihren Gottes- dienst halten/ dem Vaterlande gute Dienste leisten/ und der Tugend mich befleissigen/ dann wuͤrde mir nach diesem wol seyn/ und koͤnte ich wol gar dadurch erwerben/ daß ich dereins x x x ij unter Siebendes Buch. unter die Zahl der Goͤtter auffgenommen wuͤrde; an welcher lezten Rede ich ein Greuel hatte/ und mit den ersten muste ich mich abspeisen lassen/ ohn daß wol etliche hinzu setzeten/ ich solte mich der Froͤligkeit dieses Lebens gebrauchen/ und mit guter Geselschafft lustig und guter dinge seyn. Andere; ich solte nur frey auff die Feinde der Teutschen Freyheit streiffen/ und von der eingehohleten Beute der Pfaffheit milde Opffer zukommen lassen/ alsdann wuͤrde ich eine hohe Stuhffe im Himmel erwerben; Und also ging ich unwitziger und verwirreter von ihnen/ als ich kommen wahr. Mein damahliger Roͤmischer Lehrer Tibullus/ gab mir des Roͤmischen Buͤrgemeisters Tullius/ und anderer gelehrter Heiden Schrifften von der Goͤtter Wesen zulesen/ in welchen ich gleichwol noch etwas fand/ a- ber in Warheit/ nur ein Fuͤnklein/ welches unter der Vernunfft-Aschen ein wenig glim̃e- te und hervor blickete/ und ich dannoch dadurch auffgemuntert ward/ den Sachen etwas fleissiger nachzudenken; sahe und befand/ dz gewißlich ein Gott seyn muͤste/ der dieses gros- se Rund erschaffen haͤtte/ und in unverruͤkter Ordnung/ welche wir vor Augen sehen/ er- hielte/ auch demnach seine Herschafft ungleich weiter/ als uͤber das enge Teutschland rei- chen würde. Mein Bruder Ladisla wird sich erinnern koͤnnen/ wie offt ich mich gegen ihn vernehmen lassen/ daß weder Krodo/ noch Irmen Seul derselbe Gott seyn koͤnte/ welcher die Welt in ihrem Stande und Wesen erhaͤlt; und daß ichs vor einen Unverstand hielte/ daß man Gott unter so ungestalter Bildung schnitzen und mahlen duͤrffte. Wie offt hat dieser mein Bruder/ wann wir mit einander zur Lust ausritten oder gingen/ mich gefra- get/ worauff ich so emsig gedaͤchte/ und was ich so viel und offt hinauff saͤhe gen Himmel/ daß ich alles Gespraͤchs druͤber vergaͤsse; ich ihm aber allemahl zur Antwort gab: Ich be- trachtete entweder der Sonnen Wunderlauff/ oder etwas anders am Himmel; wiewol alsdann meine Gedanken sich immerzu nach dem mir unbekanten Gott richteten/ und ihn herzlich anfleheten/ er wolte sich mir gnaͤdig offenbahren/ damit ich ihn erkennen/ und nach seinem Willen leben moͤchte/ weil ich keinen Menschen zusuchen noch zufinden wuͤste/ von dem ich dessen koͤnte berichtet werden. Lieber Sohn/ sagte hieselbst die Großfuͤrstin/ war- umb aber stundestu so hefftig nach solcher Erkaͤntniß und Wissenschafft? Gn. Fr. Mut- ter/ antwortete er; ich wahr dessen versichert/ daß unsere Seelen nicht umkommen/ wann sie von dem Leibe durch den zeitlichen Tod abgeschieden werden/ sondern daß ihnen her- nach von Gott also gelohnet werde/ wie mans in diesem Leben verdienet hat; solte ich dañ nicht geflissen seyn/ mich umb mein kuͤnfftiges/ das ewig wehret/ mehr zubekuͤmmern/ als umb das hiesige/ dessen wir keine Stunde lang versichert sind? Nun sahe ich aber/ daß ich meiner Seele nicht fuͤglicher noch bestaͤndiger rahten koͤnte/ als wann ich des wahrẽ Got- tes Erkaͤntniß erlangete/ unter dessen Gewalt wir alle sind; auff daß ich hernach eigentlich lernete/ was derselbe Gott von denen erfodert und haben wil/ denen er das hoͤchste Gut nach dieser Sterbligkeit gedenket mitzuteilen. Zwar es bekuͤmmern sich leideꝛ wenig Men- schen umb dieses/ aber mit ihrem unaussprechlich grossem Schaden/ welches sie in dieser Welt nicht empfinden/ aber es ihnen doch nicht aussebleiben wird. Nun auff mich selbst wieder zukommen/ ob ich gleich dazumahl des einigen wahren Gottes Erkaͤntniß annoch nicht hatte/ so erstrecketen sich dañoch so weit meine kraͤfftige Nachsinnungen/ daß demsel- ben die Unflaͤterey/ Unreinigkeit/ Ungerechtigkeit und Bosheit nicht gefallen koͤnte/ weil er selbst Siebendes Buch. selbst das volkommenste Gut seyn/ und nichts als gutes/ das ist/ Erbarkeit und Tugend/ von uns Menschen begehren muͤste; daher ich weiters schloß/ es wuͤrde eine vergebliche Hoff- nung seyn/ wann man Gottes Zorn wider die Gottlosigkeit durch Opffer und der unver- nuͤnfftigen Tihre Blut versoͤhnen und stillen wolte/ sondern es muͤste das boͤse hinweg ge- tahn/ und nach Ordnung der loͤblichen Gesetzen gestraffet werden/ welches mich dañ jens- mahl bewaͤgete/ den frechen unzuͤchtigen Buben Ingevon/ wiewol vor freyer Faust zufel- len/ wodurch ich schier in Lebensgefahr haͤtte gerahten duͤrffen. Ich muß mich aber erin- nern/ was vor eine Erzaͤhlung meine Gn. Fr. Mutter vor dißmahl von mir gewaͤrtig ist/ damit ich deren/ und anderer anwesenden Geduld mich zuhoͤren/ nicht mißbrauche; welche ingesamt an mir ein Beyspiel vor Augen haben/ an dem die Barmherzigkeit GOttes so wunderlich und kraͤfftig hat wollen erscheinen lassen/ daß niemand von der Seligkeit solle ausgestossen werden/ der ihr herzlich nachtrachtet/ und der allerhoͤchste GOTT sich keinem Menschen wolle verbergen/ der ihn von herzen zuerkennen begehret; dann ich bin dessen in meinem Glauben versichert/ Gott habe meine Seuffzen/ die in meinem Heydentuhm ich ihm zuschickete/ gnaͤdig erhoͤret/ wiewol auff solche Weise/ die ein Unver- staͤndiger mehr vor eine Straffe/ als vor eine Woltaht schaͤtzen wuͤrde/ und ist doch meine aller groͤste Gluͤkseligkeit gewesen/ so mir jemahls begegnet ist/ und in dieser Welt begegnen kan; nehmlich/ da ich im Boͤhmer Walde von den Pannonischen Raͤubern gefangen/ von Roͤmischen Buschkloͤpfern ihnen wieder abgenommen/ und von ihnen in der Stad Rom vor einen Leibeigenen verkauffet ward. O der gluͤkseligen Leibeigenschaft! dann dieselbe hat mich nicht allein zu der Erkaͤntnis Gottes fein geschikt gemacht/ in dem sie den hohen Muht des stolzen fleisches in mir gebrochen/ und zur Demuht mich angehalten/ sondern mir auch anlaß gegeben/ meine Seuffzer je mehr und mehr nach Gott zu wenden/ welche auch nicht vergebens noch umbsonst vor der Himmelstuͤhr angeklopffet haben. So ver- nehmet nun/ Fr. Mutter/ was Gott an mir vor ein Wunder getahn hat/ und erkennet da- her seine Liebe damit er uns armen Suͤndern zugetahn ist. Ich dienete dazumahl meinem Herrn zu Rom getraͤu und fleissig/ mich schaͤmend/ daß ich meinen elenden Zustand den lie- ben meinigen zuschreiben und offenbahren solte; dann ich gedachte/ es wuͤrde mir schimpf- lich seyn/ wann ich nicht vor mich selbst Mittel und Weise ergreiffen koͤnte/ mich wieder in freien Stand zu setzen; welches sich doch nach meinem Willen nicht fugen wolte. Ich hat- te anfangs einen harten Herrn/ dessen Tochter bald darauff mir gar zugeneiget ward/ und endlich sein Eheweib mich noch schlimmer liebete; ich aber baht den wahren mir an- noch unbekanten Gott/ daß er mich vor aller Unzucht und Schande gnaͤdiglich bewahren/ und mich wieder in mein Vaterland geleiten wolte. Als ich nun einsmahls mit solchen Gedanken des Abends auf meinem schlechten Lager einschlieff/ kam mir in derselben Nacht dieses Gesichte im tieffen Schlaffe vor; Ein kleiner schoͤner Engel Gottes trat vor mir/ mit uͤberaus freundlichen Geberden/ hatte in der rechten Hand einen offenen Brieff/ an welchem ich diese Worte lase; Gottes Erkaͤntnis gehet uͤber alles. In der Linken hatte er eine kleine Ruhte/ daran hing ein Brieflein mit dieser Schrifft: Diese zuͤchtiget und beilet. Als ich solches alles mit grosser herzensfreude (wie mich schlaffend daͤuchte) ansahe uñ betrach- tete/ redete der Engel mich also an: Mein Bruder/ Gottes erbarmung beut sich allen Men- x x x iij schen Siebendes Buch. schen an/ und wirket bey denen die ihn suchen und seine Erkaͤntnis begehren; so mache dich nun fruͤh mit dem Tage auff die Strassen/ da wirstu einen Mañ antreffen/ welcher dir des Himmels Schluͤssel zeigen/ und auff deine Bitte gerne mitteilen wird. Nach welcher Re- de endigung/ daͤuchte mich/ er in einen Winkel getreten/ und unsichtbar worden waͤhre. Bald hernach stellete sich ein heßlicher ungestalter Teuffel vor mir/ mit feurspeiendem Ra- chen/ und scheußlichen Geberden/ ohn zweiffel/ den die unwissende Teutschen unter dem nahmen Krodo verehren; derselb draͤuete mir mit einer grossen Keule/ uñ ließ sich zugleich vernehmen/ dafern ich diesem falschen und verfuͤhrischen Bilde (so nennete er den Engel) folge leisten wuͤrde/ solte mit seiner Straffkeule ich Zeit meines lebens geschlagen werden. Er waͤhre derselbe wahre Gott/ welcher bisdaher den Teutschen Koͤnigen und Fuͤrsten wie- der alle ihre Feinde Schuz geleistet/ und des Landes Freyheit erhalten haͤtte. Kaum kunte er diese Draͤuungen ausreden/ da ging vorgedachter Engel auff ihn loß mit einem feuri- gen Schwert/ vor welchen er sich im geringsten nicht schuͤtzen kunte/ sondern unter zittern- der Furcht davon lauffen muste. Gleich hieruͤber erwachete ich/ hoͤrete meine Pferde wrin- schen und kratzen (dann ich schlieff im Mahrstalle) empfand anfangs etwas grausen wegen des teuflischen Gespenstes/ aber bald darauff eine herzliche Freude/ mich auff des Engels Trostund beystand verlassend/ daher ich des lieben tages mit grossem verlangen erwartete/ welcher kaum hervor ragete/ da ich meine Kleider anlegete und mich auff die Gassen hin- aus machete/ die eine ab/ die andere auff ging/ wie mirs vorkam/ der gewissen Hoffnung/ Gott wuͤrde mir den durch seinen Engel verheisse n en Lehrer zuschicken; stund auch nicht lange an/ daß ein alter und hagerer Mann/ ehrbahres ansehens mir auffsties/ welcher un- ter einem langen Mantel ein zimlich grosses Buch verborgen trug. Diesen gruͤssete ich freundlich/ und fragete ihn/ was vor ein Buch das waͤhre; dann der Mantel schlug ihm ohngefehr vorne auf/ dz ich dasselbe eigentlich sehen kunte. Er aber nach geschehenem Wie- dergrusse antwortete mir; Lieber Sohn/ wer seid ihr/ uñ warumb fraget ihr darnach? Ich bin ein Leibeigener Knecht/ antwortete ich/ wie meine Kette ausweiset/ und durch blossen unglüksfal aus Fürstlichen Stand in dienstbarkeit gerahten; habe sonst vor diesem auch meine Lehrer gebabt/ und liesse mich noch gerne in allem guten/ sonderlich in goͤttlichen Sa- chen unterrichten/ hoffe auch schier einen solchen anzutreffen/ der meinen Begierden/ die nach der erkaͤntnis des wahren Gottes streben/ ein genuͤgen tuhn werde; massen ich dessen versicheꝛt bin/ daß/ wann ich nur dessen Erkaͤntnis haben moͤchte/ wolte ich durch unablaͤssi- ges Gebeht schon bey demselben erlangen/ daß ich aus der Knechtschaft wieder in freien Stand gesetzet wuͤrde. Der alte sahe mich an als in hoͤchster verwunderung/ weiß nicht was ihm an mir gefallen moͤchte/ und gab mir zur Antwort: Schoͤnster aͤdler jüngling/ ich halte euch in warheit mitten unter eurer knechtischen Kette vor einen solchen/ und wün- sche euch des almaͤchtigen wahren und einigen Gottes Gnade zu eurem Gottseligen vor- haben/ kan auch inbetrachtung eures aͤusserlichen wesens/ nicht glaͤuben/ daß ihr aus Spot oder verachtung solches redet; darumb folget mir unvermerket nach/ dann dieses (auff sein Buch zeigend) ist des Himmels Schluͤssel/ und die einige geoͤfnete Pforte zur heilsa- men erkaͤntnis des wahren Gottes/ der allein Gott ist; dann alle Goͤtter der Heyden sind falsche Goͤtzen/ aber der HErr/ der einige/ ewige almaͤchtige Gott hat den Himmel gemacht/ und Siebendes Buch. und uns denselben zum ewiglichen Sitze erworben. O mein lieber Vater/ antwortete ich; des Himmels Schluͤssel ist mir hint diese Nacht im Gesichte verheiffen/ und zweifele nicht/ eben ihr seid derselbe/ welcher ihn mir mitteilen sol. Der Alte boht mir einen Kuß/ und sa- gete: Lieber Sohn/ nehmet von mir an den Kuß des Friedes/ uñ folget mir nach/ der Him- mels Schluͤssel sol euch mitgeteilet/ und das Geheimnis der erkaͤntnis Gottes zur Selig- keit offenbahret werden. Ich wahr hierzu gar willig/ und ließ mich von ihm in ein Hauß fuͤhren/ da wir miteinander auff ein Gemach allein gingen/ und er anfing mich zu unter- richten/ was zur erkaͤntnis des wahren Gottes zu wissen und glaͤuben noͤhtig ist; und als ich ihn fragete/ woher ihm diese Wissenschaft und himlische Lehre kaͤhme/ davon ich noch nie etwas gehoͤret/ auch in andern Büchern nichts davon gelesen haͤtte/ sagte er: Dieses Buch/ welches ihr bey mir auff der Gassen gesehen/ haͤlt diese goͤttliche Weißheit in sich/ und ist das aller aͤlteste Buch und dz allerheiligste auff der ganzen Welt/ in welchem durch- aus nichts falsches kan gefunden werden/ sintemahl es nicht aus Menschlichem Gehirn entsponnen/ sondern etlichen wenigen sehr heiligen Maͤnnern von Gott selbst eingeblasen ist/ auff dessen Befehl sie auch haben schreiben/ und diese Lehre zu unser unterrichtung und Seligkeit hinterlassen muͤssen/ da zwar die Feinde der Warheit allen Mensch- und moͤgli- chen fleiß angewendet/ wie sie dieses Buch samt der darinnen enthaltenen Lehre moͤchten vertilgen und aufheben/ ist ihnen aber unmoͤglich gewesen/ und wird ihnen wol/ so lange die Welt stehet/ unmoͤglich bleiben/ nachdem unser Gott selbst uns die versicherte Zusage ge- tahn hat/ daß weder Teuffel noch Menschen diese Lehre ausrotten/ oder dieses Buch ver- tilgen sollen. Hierauff fuhr er fort/ mich in den ersten Haͤuptstuͤcken der Christlichen Lehre zu unterweisen/ und vermahnete mich endlich/ wañ ich des vorhabens waͤhre/ den wahren Gott aus der Christlichen Lehre zuerkennen/ muͤste ich zugleich auch den steiffen Vorsaz ha- ben/ die wahre ungefaͤrbete Gotseligkeit in meinem ganzen Leben fortzusetzen/ aller Gottlo- sigkeit/ Untugend/ Unzucht/ Voͤllerey/ und andern Lastern/ wie sie nahmen haben moͤchten/ mich zuenthalten/ und hingegen die Warheit/ Keuscheit/ Gerechtigkeit/ Versoͤhnligkeit/ Geduld/ Maͤssigkeit und insgemein alle Zucht und Erbarkeit zu lieben und nach aͤusserstem vermoͤgen zu uͤben geflissen seyn; insonderheit muͤste ich an der einmahl erkanten Warheit fest und bestaͤndig halten/ und weder durch Wollust/ noch Noht/ weder durch Gefahr noch Leyden/ weder durch Lebensbegierde noch Todesfurcht mich davon abtreiben lassen; wel- ches da ichs ihm aus gutem Herzen versprochẽ hatte/ fuͤhrete er mich mit sich in die Christ- liche Versamlung/ woselbst ein ander Lehrer aufftrat/ etliche Christliche geistreiche Gebeh- ter ablase/ und darauff etliche Worte aus obgedachtem heiligen Buche/ welches man die heilige Schrifft/ oder Gottes Wort nennet/ erklaͤrete; nachgehends die Anwesenden zur bestaͤndigkeit im Glauben/ zur Geduld/ Gottesfurcht und froͤmmigkeit vermahnete/ das Gebeht wiederumb zu Gott hielt/ und damit die Versamlung von einander gehen ließ/ ih- nen daneben vermeldend/ welches Tages/ und zu welcher Stunde die zusammenkunft zum Gebeht uñ zur unterrichtung solte wieder gehalten werden. Mein erster Lehrer aber schen- kete mir ein Gebeht- und Glaubens-Buͤchlein/ welches man die Christliche unterrichtung neñet/ befahl mir/ alle tage eine Stunde zu ihm zukom̃en/ uñ troͤstete mich herzlich in meiner Leibeigenschaft/ unterrichtete mich auch taͤglich/ und zeigete mir die unbewaͤglichen Grund- feste/ Siebendes Buch. feste/ auff welche diese Lehre gebauet ist/ und fest bestehet/ daß die Pforten der Hellen selbst sie nicht uͤberwaͤltigen noch erschuͤttern koͤnnen/ da ich dann in Erkaͤntniß dieses heilsamen Glaubens wol zunam/ und dem frommen Lehrer zeit meines Lebens werde zudanken habẽ. Ich gestehe auch gerne/ daß bloß allein die Liebe zu dem Christentuhm mich abgehaltẽ hat/ meinen lieben Eltern den Zustand meiner Knechtschafft zuzuschreiben/ weil ich mich gar zeitig fuͤrchtete/ man wuͤrde mir diesen unbekanten Glauben in meinem Vaterlande schweꝛ- lich zulassen/ wie ich dann dessen gnug zu funde kommen bin; ja mein liebster und getraͤue- ster Ladisla selbst durffte mir bedraulich gnug zuschreiben/ wie er mich wegen meines Chri- stentuhms anklagen/ und zum Wiederruff zwingen wolte; nachdem er aber sahe/ daß alles vergebens wahr/ geduldete er meinen Glauben/ und ich seinen Unglauben/ biß ihn Gottes Barmherzigkeit erleuchtete/ daß er seine nichtige falsche Goͤtzen fahren/ seiner armen See- le rahten ließ/ und den wahren einigen Gott bekennete. Also sehet ihr nun/ Gn. Fr. Mut- ter/ daß meine damahlige Leibeigenschafft/ welche die meinen vor einen sonderlichen Un- fal und Straffe rechnen/ mir ungleich besser und heilsamer/ als meine Freiheit und Fuͤr- sten Stand/ ja als mein zeitliches Leben gewesen sey/ weil eben dieselbe mich an solchen Ort gebracht hat/ woselbst mir die heilsame Lehre zur kuͤnfftigen himlischen Seligkeit hat koͤn- nen mitgeteilet werden/ und hat mein Gott an mir erfuͤllet/ was ein grosser Christlicher Lehrer/ Paulus genant/ an einem Orte schreibet/ daß denen/ die Gott lieben/ alle Dinge/ dz ist/ nicht nur die gluͤklichen/ sondern auch die wiederwertigen Dinge zum bestẽ dienen muͤs- sen. Sehet/ herzliebe Fr. Mutter/ also hat mein wunder-gnaͤdiger Gott mich gefuͤhret/ uñ sich uͤber mich erbarmet/ welches mir doch der hellische Feind nicht goͤnnen wollen/ der sich durch seine Werkzeuge die leidigen Pfaffen bemuͤhet hat/ mich und meinen heiligen Glau- ben bey meinen lieben Eltern in Verdacht zubringen/ ob haͤtte ich mich zu einem hauffen gottloser frecher Buben gesellet/ welche nichts als uͤppigkeit und Schande begehen/ ab- scheuhliche Vermischungen/ heimlichen Mord und zaͤuberische Kuͤnste treiben/ die wahre Gottheit verachten/ und mit kurzen zusagen/ die aͤrger als das tumme Vieh leben/ und nit werd seyn/ daß sie der Erdbodem trage und ernaͤhre. Nun stelle ich euch aber diese meine Geselschafft dar/ umb nachzusinnen/ ob jemand unter ihnen allen sey (dann wir sind Gott Lob/ alle eines Christlichen Glaubens) von dem ihr solchen gottlosen teuflischen Sinn euch auch nur vermuhten koͤntet/ und hoffe zu meinem Gott/ er werde den boßhafftigen Pfaffen auff ihren Kopff vergelten/ was sie mir zugerichtet/ und ihnen doch/ Gott sey ewig Lob/ nit hat gelingen muͤssen; dann ich vor mein Haͤupt bin ganz nicht willens/ mich im geringstẽ an ihnen zuraͤchen/ weil ich dem/ der uͤber alles herschet/ vorlaͤngst schon alle Sache und Rache befohlen und heimgestellet habe. Hierauf fing Baldrich an: Ja mein Herr Bru- der; freylich hat das teuflische Pfaffengeschmeiß alle Luͤgen-mittel hervor gesuchet/ Eure Liebe bey unsern geliebten Eltern schwarz und verhasst zumachen/ und kenne ich die Red- lensfuͤhrer sehr wol/ denen mit der Huͤlffe Gottes kan gelohnet werden. Koͤnig Ladisla mischete sich mit ein/ und fing also an: Großmaͤchtigster Groß Fuͤrst/ Gn. Herr Vater; ich erinnere mich/ was Gestalt ich der erste gewesen bin/ der Euer Liebe meines Her- kules Christentuhm zuwissen gemacht/ und seine Schreiben von Rom uͤbergeschicket/ auch dazumahl grosses mißfallen an solcher seiner Enderung getragen; aber niemahls ha- be ich Siebendes Buch. be ich mir einbilden koͤnnen/ daß seine Tugendhaffte Seele einen solchen Glauben solte an- genommen haben/ in welchem man zu allen Lastern Freiheit suchete und fuͤnde; dann ich bin seines Lebens und Wandels bester Zeuge; so gedenke mein Herr Vater nicht/ daß die- ser sein Sohn/ den alle Welt liebet und ehret/ deswegen nach seinem Vaterlande verlangẽ getragen hat/ daß er dereins die Herschafft daselbst uͤberkaͤhme/ wiewol er von Gottes und Rechtswegen der billiche Erbe ist/ dafern er uͤberleben sol; sondern bloß die Begierde seine Eltern zusehen/ und deren Wolfahrt zusuchen/ hat ihn uͤber Meer und Land geführet/ da er sonst das trefflichste Fuͤrstentuhm Morgenlandes/ nehmlich Susiana wol besitzen moͤchte/ in welchem mehr Goldguͤlden/ als in Teutschland Pfennige zuheben sind/ welches ihn auch so lange er lebet/ vor seine Obrigkeit erkennen/ und ihm jaͤhrlich und alle Jahr/ drey Toñen Goldes uͤbermachen wird/ ob er sich gleich dessen zuentbrechen/ aͤusserste Bemuͤhung an- gewendet hat. Und wann gleich dieses nicht waͤhre/ so stehet ihm zu Rom der gleichmaͤssi- ge Gewalt- und Ehren-Stuel neben dem Kaͤyser schon fertig/ wann er sich nur darauff setzen wolte. In betrachtung dessen alles/ wolle nun mein Herr Vater den Unwillen gegen seinen Sohn gaͤnzlich fallen lassen; da er auch durch falsche Verleumdungen hintergan- gen ist/ wiꝛd er mit Gottes Huͤlffe erfahren/ wann er meinem und der ganzen erbaren Welt Zeugniß nicht glaͤuben kan/ was vor einen Sohn er allen from̃en zum besten an diese Welt gezeuget hat. Der Groß Fuͤrst hatte diese ganze Zeit über sich des Koͤniglichen Ansehens sehr verwundert/ welches Ladisla zuhalten wuste/ hoͤrete auch aus seinen ernstlichen Reden/ daß ihm sein Vorbringen von Herzen ging/ und antwortete ihm also: Großmaͤchtigster Koͤnig/ geliebter Herr Sohn; es ist nicht ohn/ daß mein Vaterherz aus Mißverstand mei- nem Sohn der Gebuͤhr nicht begegnet ist/ aber bloß aus Furcht der Goͤtter/ deren Ehre ein jeder Mensch ihm billich laͤsset angelegen seyn/ als lange er sie vor Goͤtter achtet. Meinen Sohn habe ich nie vor einen Freund der Laster gehalten/ aber wol dieselben/ welche ihn zu dem neuen Glauben verleitet/ weil man mirs dazumahl einmuͤhtig also vorgetragen hat/ und ich dessen nunmehr viel eines andern berichtet werde. Nun kan ich zwar den begange- nen Irtuhm nicht allerdinge entschuldigen/ dann ich haͤtte der blossen Anklage und Ver- leumdung nicht sollen alsbald Gehoͤr geben/ sondern der Verantwortung erwarten; je- doch kan mein Fehler/ wie ich meyne/ leicht verbessert/ und das unterlassene ersetzet weꝛden. Vor dißmahl hat meine Seele ihre voͤllige Vergnuͤgung/ daß der guͤtige Gott mir meine Soͤhne/ Toͤchter und Anverwanten auff einmahl hat wollen zuschicken/ von denen ich mei- nete/ keinen nimmermehr wieder zusehen; Insonderheit aber/ und vor allen andern/ bin Euer Liebe ich hoch verpflichtet/ daß dieselbe meinem lieben Sohn Herkules so getraͤue Geselschafft/ und ein besser Herz/ als seine Eltern selbst/ hat erzeigen wollen/ werde mich auch aͤusserst bemuͤhen/ es nach allem Vermoͤgen zuersetzen. Nachdem es aber sehr spaͤte ist/ wil mir nicht gebuͤhren/ Eure Liebden ingesamt von der Ruhe noch laͤnger auffzuhalten/ in betrachtung/ sie heut in der Schlacht ihre volle Arbeit gehabt/ und ich selbst deren in et- lichen Nachten sehr wenig genossen/ ich auch nicht glaͤuben kan/ daß in 24 Stunden eini- ger Schlaff in ihre Augen kommen sey; uͤberdas werden wir geliebts Gott morgen zeitig gnug beyde Haͤnde vol zurahten und zuschaffen finden. Dem Frauenzimmer wahr solche Erlassung nicht unangenehm/ und begab sich ein jeder nach seinem Schlaffzelte/ die Ruhe y y y einzu- Siebendes Buch. einzunehmen/ wiewol die Groß Fuͤrstin ihrer lieben Tochter wegen die ganze Nacht schlaf- loß blieb/ und ihrer Traͤhnen nicht schonete. Inzwischen lag dieses Fraͤulein mit ihrem lieben Fuͤrsten auff dem Haͤu in grosser Herzens Angst/ und haͤtte ohn Zweiffel vergehen muͤssen/ wann der verliebte und nunmehr zimlich befriedigte Arbianes sie nicht mit allerhand Trost Reden gestaͤrket haͤtte. Dann die auß geschikten Reuter gingen schier die ganze Nacht/ und kahmen vier unterschiedliche Hauffen an/ da einer in der Guͤte/ der ander mit pochen wissen wolte/ ob nicht die in Him- melblau gekleidete Jungfer des weges hergefuͤhret waͤhre/ aber von Wolffgang alle einer- ley Bescheid bekahmen/ woruͤber dem lieben Fraͤulein der Schlaff bald verging/ daß sie zu Abianes sagete; ach mein teurer Schatz/ huͤlffen uns doch die Goͤtter nur auß dieser Ge- fahr/ alsdann wolte ich an weiterem gluͤklichen Verfolg nicht groß zweiffeln. Hingegen stellete er sich geherzt und baht sehr/ sie moͤchte ihr doch gefallen lassen/ ein stuͤndichen oder etliche zuschlaffen/ damit sie durch Muͤdigkeit an der kuͤnfftigen Reise nicht verhindert wuͤrde; worin sie ihm endlich gehorchete/ legete sich neben ihn/ wickelte die Kleider fest um sich/ und schlieff immerhin biß an den lichten morgẽ. Ehe dañ deꝛ Tag anbꝛach/ trat Wolf- gang zu Arbianes/ und sagete in aller stille zu ihm; er fuͤrchtete sehr/ die Jungefrau wuͤrde in ihren schoͤnen Kleidern schwerlich durchkommen/ es liessen sich im Felde hin und wie- der zustreuete Voͤlker ohn Waffen sehen/ als ob sie fluͤchtig waͤhren/ welche dann der Beu- te am meisten pflegeten nachzutrachten/ daher hielte sein alter Vetter vor rahtsam/ daß er Pferd und Harnisch nach der Stad braͤchte/ und daselbst schlechte Buͤrger Kleider entleh- nete/ in welchen sie den geringen Weg zu Fusse gingen/ welcher in anderthalb Stunden wol koͤnte geendiget werden; würden demnach diesen Tag sich alhier auffhalten muͤssen/ biß gegen Abend/ dann wolte er sie im langen Korn biß vor die Stad bringen/ da sie nach- gehends keine Gefahr mehr zufürchten haͤtten. Arbianes lies ihm den Vorschlag wolge- fallen/ reichete ihm 20 Kronen/ davon er alte Kleider und gute frische Speisen bezahlen solte/ und legete sich noch eine Stunde schlaffen/ biß die Sonne am klaꝛen Himmel schiene/ und durch den offenen Giebel ihre Strahlen auff sie warff/ wodurch ihm der Schlaff ge- brochen ward/ daß er sich recht gegen sein Fraͤulein ũbersetzete/ und die volkom̃ene Schoͤn- heit ihres Angesichts betrachtete/ dessen er so eigentlich noch nicht wahr genomen hatte. Das Brustbildichen stellete erneben sie/ umb zu erforschen/ ob es eigentlich getroffẽ waͤh- re/ da er als ein Kunstverstaͤndiger einẽ zimlichen Mangel befand/ dann die lebendige Far- be ihres zarten Angesichts wahr ungleich schoͤner als des Gemaͤldes/ daß er endlich anfing: O du allerschoͤnstes Engelchen/ ist dann nur Boͤhmen und Teutschland so gluͤkselig/ die volkommene Zier hervor zubringen/ so muß ich ja billich von den gluͤkseligsten mich mit rechnen/ daß ich in Teutschland kommen/ und so hohe Gunst und Liebe bey diesem wunder- schoͤnen Fraͤulein erhalten habe. Das Fraͤulein erwachete/ da er diese Rede anhuhb/ stelle- te sich doch als schlieffe sie/ um zuvernehmen/ was vor eine Endschafft er seinem Wunsche geben wuͤrde; da er also fort fuhr: O mein Gott/ wie sol ich doch der unvergleichlichen Groß Fuͤrstin Valiska gnug danken/ daß sie mein Herz auffgemuntert/ und die Kuͤhnheit in mich gebracht hat/ um dieses allerschoͤnste Tugend ergebene fromme Fraͤulein zuwerbẽ/ der ich mir sonst vorgenommen hatte/ mich in meiner verborgenen Gluht selber zuverzeh- ren/ Siebendes Buch. ren/ und dieses Gemaͤlde/ welches doch den tausendsten Teil an ihre Schoͤnheit nicht rei- chet/ Zeit meines wenigen uͤbrigen Lebens zuverehren. O aller liebreichstes Fraͤulein/ wann wird die hoͤchst gewuͤnschete Stunde erscheinen/ da an dieser volkommenen Schoͤnheit/ nach so langen unaußsprechlichen Liebes Schmerzen/ in zuͤchtiger ehelicher Liebe und ver- gnuͤgung ich mich ersaͤttigen werde? er wolte weiter reden/ aber das Fraͤulein/ welche ohn das sehr mitleidig wahr/ kunte ihm ohn Bewaͤgung laͤnger nicht zuhoͤren; so hatte sie auch ihren lieben Fuͤrsten noch nicht recht beschauet/ wie er ungeharnischt von Leibe und Ange- sicht eigentlich gestaltet waͤhre/ schlug deßwegen ihre klare Augelein auff/ und empfand wegen getahner ehelichen Zusage nicht geringe Schahm im Herzen. Als sie ihn nun in sei- ner duͤnnen Kleidung vor sich in den Knien sitzen/ und das Gemaͤhlde in der Hand halten sahe/ richtete sie sich auff/ daß sie gegen ihn zusitzen kam/ und nach Wuͤnschung eines froͤli- chen morgens ruͤhmete sie/ wie sanfft und wol sie nach außgestandenem Schrecken auff diesem Haͤu geschlaffen haͤtte/ auch sonsten sich sehr wol befuͤnde. Aber mein Hochwerter Fuͤrst/ sagte sie mit einem freundlichen Anblik/ hat auch Eure Liebe etwas Ruhe gehabt? ach in was grosse Sorge/ Angst und Gefahr ist er doch meinet wegen gerahten/ da sonst/ wann ich nicht waͤhre/ er in seinem trefflichen Großfuͤrstentuhm wol ruhig und sicher sitzẽ/ und aller zulaͤssigen Wollust geniessen moͤchte. Hierauff setzete er sich zu ihr an die Seite/ umfing sie mit inniglichen kuͤssen/ daß sie ihm einzureden nicht umhin kunte/ hernach ant- wortete er ihr also: O Sonne aller Schoͤnheit/ O einiger Glanz und waͤrmender Strahl meiner Seele! schaͤtzet mein Fraͤulein mich diese Stunde vor ungluͤkselig/ in welcher ich der allergroͤssesten Wollust genossen/ und das volkommene Meister Stuͤk des guͤtigen Him- mels/ an der Vortreffligkeit ihres wunderschoͤnen Angesichts betrachtet habe? Mein See- len Schaͤtzchen/ glaͤubet mir/ daß mein Herz in groͤsserer Freude niemals geschwebet hat. Mein Fraͤulein/ ihr/ ihr seid mein Großfuͤrstentuhm; ihr seid meine sichere Wollust/ und die einzige Ruhe aller meiner auffwallenden Gedanken/ ohn welche nach diesem ich keine Stunde werde ruhen koͤnnen. Ja hette der Himmel Eure Liebe gleich im nidrigen Baurẽ Stande lassen gebohren werden/ und nur dieses Huͤtlein ihr eigentuhm waͤre/ wolte ich mein Medisches Groß Fuͤrstentuhm gerne damit vertauschen/ und mich zum Haußknech- te hieher vermieten/ nur daß ich der allerdurchdringendesten Strahlen dieser voll-schoͤnen Augelein (die Er zugleich küssete) in meiner Seele empfinden/ und gegenwaͤrtig geniessen moͤchte. Die innigliche Liebe wolte ihm nicht mehr worte goͤnnen/ sondern er saß als ein ge- hauenes Bilde mit unverwendeten Angen/ dem allerschoͤnsten Angesichte seiner Herzgelie- beten Fraͤulein gerade entgegen; wodurch das keusche fromme Herz durch mitleiden der Gestalt bewogen ward/ daß sie selbst wuͤnschete/ schon bey ihren Eltern zuseyn/ damit sie sei- ne Seele in keuscher ehelicher Liebe voͤllig befriedigen koͤnte; vor dißmahl aber boht sie ihm einen zuͤchtigen Kuß/ legte ihr Haͤupt an seines/ streich ihn mit der zarten Hand uͤber seine Augen und Angesicht her/ und sagete; ihr mein ehren hoͤchstgeliebeter Fuͤrst und Erretter/ was finden doch eure Augen an mir sonderliches/ welches eine solche unerhoͤrete Liebe in eurem Hochfuͤrstlichen Herzen erwecken solte/ daß ihr um meinet Willen den Groß fuͤrstli- chen Stand verlassen/ und in baͤurischer Knechtschafft euch zubegeben einwilligen woltet? vielleicht hat Libussa Eueꝛ Liebe etwas von mir erzaͤhlet/ welches sich doch im wenigsten bey y y y ij mir Siebendes Buch. mir nicht finden laͤsset; es sey aber wie ihm wolle/ so befinde ich mich nicht allein unwirdig solcher gar zugrosser Liebe/ sondern auch hart verpflchtet/ dieselbe nach aͤusserstem vermoͤgẽ mit allem Gehorsam/ und was meinem Fuͤrsten kan behaͤglich seyn/ zuersetzen/ dessen ich auch/ sobald wir bey den lieben meinigen ankommen werden/ mich in keinem begehreten und mir zuleisten moͤglichen Stuͤcke entbrechen wil. Arbianes hatte sich wieder erhohlet/ zog das Fraͤulein auff seine Schoß/ und betrachtete ihr Angesicht mit sonderlicher An- muht; hernach erinnerte er sich ihrer Reden/ daß sie sich vor unwirdig so grosser Liebe ge- scholten haͤtte/ und beantwortete es folgender Gestalt/ in dem er sie immer steiff ansahe; O du unvergleichlicher Pracht aller Schoͤnheit/ sagete er; ja du volkommenes Muster der jungfraͤulichen Tugend und Wirden; koͤnnet ihr beyde zugleich der Zungen es so gar unge- straffet hingegen lassen/ daß sie sich an euch so hoch vergreiffet/ und eure Wirdigkeit in zweiffel zihen darf? mein loͤbliches und liebliches Seelichen/ hoͤret auff/ euch selbst zuverach- ten/ und gebet nicht Ursach/ daß ich etwas an euch hassen solte/ welches mir doch unmoͤg- lich ist/ glaͤubets bey meinem aͤide/ daß es meinem Herzen lauteꝛ toͤdliche Stiche sind/ wann ich solches anzuhoͤren gezwungen werde/ daß ihr unbarmherziger Mund wider die herliche Volkommenheiten wütet; lasset/ bitte ich/ die Warheit meiner Reden frey gehen/ und ta- delt nicht/ was Gott selbst uͤber andere weit erhoben hat. Was solte mir Libussa vorge- schwaͤtzet haben? zwar ich lasse sie in ihren Wirden/ als eine adeliche verstaͤndige Frau/ aber von meiner Liebe hat ausser meiner Fr. Schwester kein einiger Mensch ein Wort auß meinem Munde gehoͤret/ auch Groß Fuͤrst Herkules selber nicht. Ach mein teurer Fuͤrst/ antwortete sie; eben als wann auff diesem unachtsahmen Haͤu ich mich von ihm zu sol- chem Stolze wuͤrde auffblasen lassen/ daß ich mich wirdigschaͤtzete/ um deret Willen wol Großfuͤrstliche Herren zu Bauer Knechten gedeien solten; nimmermehr wird mein Schaz ein solches bey mir erhalten/ ungeachtet ich mich schon zu allem moͤglichen Gehor- sam/ wie billich/ verbund en habe; dann ein solches wuͤrde mich unwirdiger machen/ als kein Ding in der Welt; aber wie mein Fuͤrst; werden wir uns nicht schier zur Reise fertig machen/ oder muͤssen wir den starken Grase Geruch uns noch heut den ganzen Tag unser Haͤupter fuͤllen lassen? Arbianes erzaͤhlete ihr was gestalt sie vor abends wegen Unsicher- heit nit auffbrechen duͤrften/ würden auch ihre Kleider mit bürgerlicher schlechter Tracht verwechseln muͤssen/ damit sie ohn angefochten in die Stad kaͤhmen. Ach ach! antwortete sie/ es waͤhre alles wol angelegt/ wann nur meine wenige Schoͤnheit/ wie geringe sie auch ist/ mich nicht verrahten moͤchte/ daß ich etwas mehr als Buͤrger-Standes bin. Darauff habe ich mich bey Zeiten geschikt/ sagte er/ und mit einem Kunstpulver mich versehen/ da- mit ich mein Fraͤulein unkaͤntlich gnug machen/ und der Farbe nach/ sie wie ein heßliches Bauren-Maͤgdlein zurichten wil/ daß ihre Eltern selbst sie nicht kennen sollen; nur scheue ich mich/ ihrer außbuͤndigen Schoͤnheit diesen Schimpf anzulegen/ und moͤchte die Son- ne am Himmel selbst auff mich zuͤrnen/ daß ich ihr das anschauen eurer trefflichen Zierde/ durch diesen Nebel entzihen wolte. Ach nein ach nein mein Fuͤrst/ antwortete sie/ wie wuͤr- de ich ihm hernaͤhst in solcher heßlichen Gestalt gefallen koͤnnen? hat Eure Liebe eine zimli- che vergnuͤgung an meiner wenigen Schoͤnheit/ so beraube er mich derselben nicht/ es sey dann daß die unvermeidliche Noht es erfodern wuͤrde. Der Fürst merkete ihren Irtuhm/ und Siebendes Buch. und sagete; solte ich ihrer Schoͤnheit Abbruch zutuhn mich unterstehen koͤnnen? ehe muͤste meines Lebens Fadem selbst gebrochen werden. O nein nein mein Fraͤulein/ diese Meinung hat es durchauß nicht; sondern mein Pulver streichet ihr eine heßliche Farbe zwar an/ aber die ich/ wann michs geliebet/ abwischen und vertreiben kan. Ey das waͤhre ein gutes mit- tel durchzukommen/ antwortete sie/ daß wir aber die lange Zeit vertreiben moͤgen/ so wolle mein Fuͤrst/ bitte ich/ mir unbeschweret erzaͤhlen/ wie mein lieber Bruder Baldrich zu so schleuniger Heyraht kommen sey/ und was vor ein Fraͤulein er gefreyet/ dann ich erinnere mich/ daß er gestriges Tages seiner Gemahl gedacht hat. Arbianes wahr ihr hierin ger- ne zugefallen/ wiederhohlete alle begebnissen zu Padua/ und mifchete zugleich Siegwards Heyraht ein; wodurch sie die Zeit biß an den Mittag verzehreten/ da Wolffgang wieder- kam/ gute Speise und Trank in einem Trage Korbe neben alter Kleidung herzubrachte/ auch dabey berichtete/ es streiffeten hin und wieder Wendische und Friesische Reuter/ mehꝛenteils haꝛt veꝛwundet/ welche einhellige Zeitung bꝛaͤchten/ die Sachsen und Boͤhmẽ haͤtten ihr ganzes Heer erleget und den alten Wendischen Fuͤrsten im Streite lebendig gefangen/ daß zubefuͤrchten stuͤnde/ es wuͤrde gantz Frießland und andere einverleibete Landschafften in ihre Gewalt gerahten. Ey Gott Lob/ sagete das Fraͤulein/ so wird der gott- lose Raͤuber zweifels ohn mit dem Halse bezahlen muͤssen. Schwerlich kan ich solches glaͤuben/ antwortete Arbianes/ wofern er sonst nur demuͤtig seyn/ und zum Kreuz kriechen kan; dann Groß Fuͤrst Herkules und sein Gemahl sind viel zu barmherzig/ und ihren aͤr- gesten Feinden zuvergeben so willig/ als boßhafftig jene immer seyn moͤgen/ sie zubeleidigẽ/ dessen ich so mannichen Beweiß mit meinen Augen angesehen/ daß jederman sich über sol- che Gelindigkeit zum hoͤchsten verwundern muß. Ey so wuͤnsche ich dem verwaͤgenen Menschendiebe ein auffgeblasenes trotziges Herz/ sagte sie/ daß er nicht ungestrafft uñ mit dem Leben davon komme/ er duͤrffte sonst dereins gelegenheit suchen/ sein Schart wieder auszuwetzen/ und moͤchte der lezte Betrug wol aͤrger werden als der erste. Ich wil nicht hoffen/ antwortete er/ daß wir uns dessen vor ihm werden zubefuͤrchten haben/ dann zum wenigsten wird man ihm die Finger dergestalt beschneiden/ daß er des kratzens nicht mehr machen kan; nur moͤchte ich wol wissen/ wie seines Sohns Tod ihm gefallen werde. Sehr lieb/ sehr angenehm wird ihm derselbe seyn/ antwortete sie; dann uͤber einem Raub/ der ih- rer/ dem Himmel sey Dank/ keinem bescheret wahr/ entstund eine solche unversoͤhnliche Feindschafft zwischen Vater und Sohn/ daß wo meine Bruͤder und Freunde diese schei- dung nicht gemacht haͤtten/ wuͤrden sie ausser allem Zweifel sich unter einander auffgerie- ben haben/ massen aus des Sohns Munde ich selbst gehoͤret/ es muͤste ihm sein Vater in der Liebe/ oder durch den Tod weichen/ oder aber er wolte seinen Kopff dran strecken. Es verließ sich aber dieser auff der gemeinen Kriegsknechte und der Haͤuptleute Gunst und Beistand/ welche er als einen Mann auff seine seite gebracht hatte; hingegen verfuhr der Vater mit Troz und Verwaͤgenheit/ welcher/ nach meines Herr Vaters Meynung/ den Sohn in kurzer frist mit eigener Faust erwuͤrgen/ oder durch einen Meuchelmoͤrder es verrichten wuͤrde. Ich vernehme/ sagte Arbianes/ der Sohn sey schon einmal mit meinem Fraͤulein auff der Flucht gewesen/ und wieder eingehohlet worden. Ja/ antwortete sie; so bald er auff der Reise verstund/ daß sein Vater selbst willens waͤhre/ mich zuheirahten/ su- y y y iij chete Siebendes Buch. chete er gelegenheit/ mir solches zuoffenbahren/ nebest dem Vorschlage/ dafern ich sein Ge- mahl mit gutem Willen werden wolte/ haͤtte er ein Mittel erdacht/ mich davon zubringen; welches mein Vater mit einer zweifelhafften Zusage beantwortete/ und von ihm die aͤidli- che Verheissung nam/ daß er mich/ ehe wir ingesamt in voͤllige Freiheit gesetzet waͤhren/ nit beruͤhren wolte. Worauff er zwar mit mir davon ging/ des Vorsatzes/ mich in der Roͤmer Gebiet hinzufuͤhren/ aber er ward von seines Vaters Leuten zu früh ausgekundschaffet/ und zuruͤk gehohlet. Wir werden uns aber vor dißmahl in solchem Gespraͤch maͤssigen/ uñ uns an die Speisen machen/ weil es hohe Zeit ist/ das Mittagsmahl einzunehmen. Er ließ sich darzuleicht bereden/ legte dem Fraͤulein vor/ und assen mit gutem Lust; Hernach setze- ten sie allerhand Unterredungen fort/ biß es zeit wahr/ sich zu der Reise oder Wanderschaft fertig zumachen. Unsere Fuͤrstliche Geselschaft feirete desselben Tages auch nicht/ dañ so bald der Tag anbrach/ ward zu allererst durch das ganze Lager ausgeruffen/ daß der Groß Fuͤrsten aͤlte- rer Sohn/ Fuͤrst Herkules aus der Fremde wieder zu Lande geschlagen/ und bey der Fürst- lichen Versamlung sich befuͤnde/ waͤhre eben der ertichtete Persische Gesanter/ Valikules/ unter angenommener fremder Gestalt/ welcher die Schlachtordnung gestellet/ die Voͤlker an den Feind gefuͤhret/ und durch seine Tapferkeit die uͤberwindung erhalten haͤtte; und ob dieser trefliche Held gleich vor diesem bey seinem Herr Vater waͤhre angetragen/ als ob er einen schaͤndlichen Glauben angenommen/ der Tugend abg e saget/ und ein Feind aller Er- barkeit/ des Vaterlandes/ und der Teutschen Freyheit word en waͤhre/ so haͤtte doch sein H. Vater nunmehr das Wiederspiel gnugsam erfahren/ und d ah er diesen seinen lieben Sohn gerne und willig zu Gnaden auff und angenommen/ welche r hingegen sich gnug und uͤber- gnug verpflichtet/ seine unverschuldete Veꝛleumdung/ als welche aus unwissenheit/ und fal- schem Geschrey entstanden/ an keinem einigen Mensche n zuraͤchen/ ungeachtet ihm sehr wol bewust waͤhre/ daß ihrer gar wenig Ursach und Sch ul d daran truͤgen/ denen doch ohn Nachfrage solte verzihen und vergeben seyn. Diesen R ah t gab Herkules selbst/ damit die anwesende Pfaffen/ die sich bey dem Heer funden/ keinen A uffstand seinetwegen erwecken und aus furcht der Straffe uneinigkeit machen solten. Das Heer/ welches gleich umb er- laͤubnis zur Plunderung anhielt/ erfreuete sich dieser Zeitung sehr/ insonderheit die gemei- nen Knechte/ als denen wol bekant wahr/ was gestalt Herkules vor acht Jahren die Ge- waltsamkeit etlicher aͤdlen von ihnen abgekehret/ und sie in gute Freyheit gesetzet hatte/ stel- leten ein grosses Freudengeschrey an/ Unser junge Groß Fuͤrst Herkules lebe; und begehreten untertaͤhnig/ daß er sich ihnen zeigen moͤchte/ als welchen sie vor ihren Erloͤser hielten/ und ihn in langer Zeit nicht gesehen haͤtten. Er wahr hierzu willig/ ritte neben seinem H. Vater und Bruder Baldrich hinaus/ da ihnen alle Voͤlker entgegen jauchzeten/ er aber nach ge- gebenem Wink/ daß er gerne von ihnen moͤchte gehoͤret seyn/ also anfing: Ihr aͤdle und freie Teutschen alhie versamlet; was vor herzliche Vergnuͤgung ich an eurem guten Willen trage/ kan ich mit Worten nicht aussprechen; glaͤubet mir aber/ als einem redlichen Ritter und gebohrnen Teutschen Fuͤrsten/ daß ich nimmermehr unterlassen werde/ vor das Va- terland und die Teutsche wolher gebrachte/ und bißher loͤblich erhaltene Freyheit/ wieder alle und jede Feinde/ Roͤmische und Unroͤmische zu fechten/ und aller deren Anfal und feind- seligkeit Siebendes Buch. seligkeit abzutreiben/ als lange ich einen warmen Blutstropffen bey mir verspuͤre. Ich bin noch niemahls meines Vaterlandes oder der der Teutschen Feind worden/ dessen ich mein Gewissen/ und denselben Gott zum zeugen nehme/ welcher Himmel und Erden beherschet; wie auch die wenig Teutschen/ so mit mir aus den fremden Laͤndern wieder zu Hause ange- langet/ und sich unter euch befinden/ bezeugen werden. Darumb so bleibet auch ihr hinwie- derumb bestaͤndig/ und eurem Groß Fuͤrsten/ meinem Gn. Herr Vater/ auch uns seinen beyden Soͤhnen getraͤu/ als angebohrnen Untertahnen in ihrer ungestoͤreten Freyheit ge- buͤhret/ und versichert euch/ daß ihr an uns dreyen habet/ welche vor euer Heyl und Wol- fahrt ihr Blut zuvergiessen/ und ihr Leben in die Schanze zuschlagen sich nimmer wegern werden. Der alte Groß Fürst fing darauff an: Ihr meine redliche auffrichtige Teutschen/ und liebe getraͤue; in diesem Ritterzuge habt ihr mir eurem Groß Fuͤrsten euer Herz dar- gelegt/ und augenscheinlich sehen lassen/ wie fest ihr mir anhanget und zu meiner Rettung gefliessen gewesen seid/ welches euch mit allen vaͤterlichen Gnaden solvergolten werden. Diesen meinen Sohn Herkules hat mir der Himmel wieder zugeschikt/ welchen ich frey und unschuldig finde aller falschen und luͤgenhaftigen aufflagen/ deren ihn etliche haben zei- hen wollen/ welches weil es aus unverstand und unwissenheit geschehen ist/ sol ihnen noch- mahls durchgehend verzihen seyn; vor dißmahl gehet hin die Beute einzusamlen/ welche ihr gestriges Tages durch eure sieghaften Faͤuste habt erstritten; inzwischen werden wir dasselbe abzuhandeln vornehmen/ was zu unsers Teutschen Reichs Wolfahrt/ Ehre und Auffnahme dienet. Es erhub sich abermahl ein grosses Freudengeschrey/ welches sehr wuͤ- ste durcheinander ging/ und machte das Heer sich darauff nach der Wahlstat/ da sie mehr bey den Erschlagenen funden/ weder sie gehoffet hatten. Die gesamten Fuͤrsten aber/ denen Fr. Valiska auff des alten Groß Fürsten begehren beywohnen muste/ hielten Raht/ was weiter wuͤrde vorzunehmen seyn/ da sie einhellig schlossen/ man solte gleich mit dem Heer in Frießland gehen/ sich aller feindtaͤhtligkeit enthalten/ und bey den Staͤnden des Landes ver- nehmen/ ob sie sich gutwillig bequemen/ und einen von des Groß Fürsten Soͤhnen vor ih- ren Koͤnig annehmen/ oder des wolbefugeten Kriegszwanges wolten gewaͤrtig seyn. Wüꝛ- de das erste stat haben/ alsdann solten des Landes schwere aufflagen alsobald und wirklich abgeschaffet/ und alle Inwohner ein ganzes Jahrlang aller gewoͤhnlichen Schatzung er- lassen seyn; ihre Gerechtigkeiten solten bestaͤtiget/ die Zoͤlle geringert/ die Frohndienste aufs leidlichste gemaͤssiget/ uñ alles in den uhralten Stand gesetzet werden. Im wiedrigen wuͤr- den ihre Doͤrffer verbrennet/ ihre Staͤdte verstoͤret/ ihre Guͤter geraubet/ die Weibsbilder geschaͤndet/ sie selbsten in harte Dienstbarkeit hinweggefuͤhret/ und das Land mit neuen In- wohnern besetzet werden/ weil ohn alle gegebene Ursach/ sie den mit ihrem lezten Koͤnige auffgerichteten Frieden gebrochen/ indem sie mit dem Wendischen Erzraͤuber ihre Macht zusammen gesetzet/ nicht allein der schaͤndlichen Entführung/ sondern auch der Schlacht beygewohnet/ und alle feindliche bezeigung vorgenommen haͤtten. Nach gemachtem die- sen Schlusse ward umbgefraget/ was mit dem gottlosen Raͤuber Krito würde vorzuneh- men seyn; da Herkules vor gut ansahe/ dz der Bube Niklot allererst vorgenom̃en/ und nach befindung gestraffet wuͤrde/ welches in des alten Groß Fürsten abwesenheit geschahe/ als welcher ihn seines auschauens nicht wirdigen wolte. Als derselbe vor dieses Hochfuͤrstli- che Siebendes Buch. che Gericht gestellet werden solte/ begehrete er zuvor verguͤnstigung/ mit seinem gefangenẽ Fuͤrsten zu reden/ welches alle Fuͤrsten ihm zu wegern willens wahren/ ohn daß Ladisla riet/ man koͤnte ihm solches goͤnnen/ jedoch daß es in Leches und Prinsla gegenwart geschehen solte. So bald Niklot zu seinem Fuͤrsten nahete/ empfing derselbe ihn also: Sihe da mein lieber getraͤuer/ sind wir also beyderseits unter der Feinde Ketten und Banden gerahten? es ist mir sehr lieb/ daß du zu mir komst/ nach dem ich ein und anders in diesem Unfal mit dir zubereden habe; ihr beyden aber/ sagte er zu Leches und Prinsla/ tretet mit der übrigen Wache etwas ab/ damit ich diesem meinen Getraͤuen anzeigen moͤge/ was meinetwegen eurem Groß Fuͤrsten sol vorgetragen werden. Wir sind unter des gefangenen Wendi- schen Fuͤrsten gehorsam nicht/ sagte Leches/ sondern bereit und schuldig unsern gnaͤdigsten Herren zugebohte zustehen/ deren ausdrüklicher befehl ist/ daß wann sie miteinander reden wollen/ solches laut/ und in unser gegenwart geschehen solle. Wil man mir verbieten/ mit meinen Leuten zu reden? sagte Krito/ daß wuͤrde ein unguͤtlicher handel seyn. Fuͤrst Krito hat keine Leute mehr/ antwortete Leches/ sondern sie sind unter des Teutschen Groß Fuͤrstẽ Gewalt; so haben wir uns daruͤber nicht zuzanken; befahl auch den Steckenknechten/ mit Niklot wieder davon zugehen. Welcher aber also anfing: Mein Herr/ sagte er zu Leches/ goͤnnet mir zuvor ein Wort mit meinem Gn. Fuͤrsten zu reden/ wie mir solches von euren Gnn. Fuͤrsten erlaͤubet ist. Wendete sich hernach zu Krito/ und sagete: Gn. Fuͤrstuñ Herꝛ/ eure Hochfuͤrstl. Durchl. weiß uñ sihet/ wie ungluͤklich unser Anschlag gerahten ist/ in wel- chem ich mich als ein getraͤuer und gehorsamer Diener habe lassen gebrauchen/ und nichts uͤber Befehl getahn/ fuͤrchte aber sehr/ man werde solches nicht ansehen/ sondern allerhand Ursachen/ mich hart zustraffen/ hervorsuchen; doch helffen die Goͤtter/ daß Eure Hoch- Fuͤrstl. Durchl. einen guten und ehrlichen Vergleich erhalten moͤgen/ alsdann wil ich mit Freuden vor ihre Wolfahrt sterben. Mein Kerl/ sagte Leches/ ob du wuͤrdest sterben muͤssen/ wird solches gewißlich nicht vor eines andern Wolfahrt/ sondern wegen deines befindlichen Verbrechens geschehen/ wuͤrde euch auch beyderseits die Demuht und An- ruffung der Gnade viel zutraͤglicher seyn/ als solcher Stolz und eigene Rechtfertigung. Als auch Leches des Wendischen Fuͤrsten weiteres Großsprechen nicht anhoͤren wolte/ eilete er mit Niklot davon/ welcher als er vor die Versamlung der Fuͤrsten trat/ fragete er ohn einige Ehrerbietung/ ob sich geziemete/ einen redlichen gefangenen Ritter und freyen Her- ren des aͤdlen Wendischen Volkes mit Hundes Ketten zubelegen. Worauff Ladisla ihm antwortete: Du stolzer und verwaͤgener Tropff wirst ohn mein erinnern wissen/ daß du deine wolverdienete Ketten nicht als ein Ritter/ oder freier Herr/ wie du dich nennest/ son- dern als ein gefangener Raͤuber/ Menschendieb/ und Beleidiger eines grossen freyen Fuͤr- sten traͤgest. Hastu nun etwas einzuwenden/ welches dich von solcher kurzen aber sehr har- ten Anklage frey machen kan/ wird man dir mehr Gnade erzeigen/ als du gedenken magst. Ein Diener/ antwortete Niklot/ wann derselbe tuht und verrichtet/ was seine hoͤchste O- brigkeit ihm aufleget und anbefihlet/ sol und muß wegen seines Gehorsams vielmehr ge- ruͤhmet/ als gescholten werden/ woher wird man dann ursach finden koͤñen/ ihn zustraffen? Wann ein Diener auff seines Herrn Befehl etwas gutes und loͤbliches verrichtet/ wieder- antwortete Ladisla/ ist es lobens wert; aber die Bosheit und uͤbeltaht muß so wol an dem Knechte/ Siebendes Buch. Knechte/ der sie verrichten hilfft/ als an dem Herꝛn/ der sie anstifftet/ gestraffet werden; wie- wolman sich hierüber mit dir einzulassen nicht gesinnet ist/ sondern weil du nicht leugnen kanst/ was vor grosse und unverschaͤmte Beschimpfung du nichtwerter Tropf dem Groß- maͤchtigsten herschenden Groß Fuͤrsten der Teutschen durch Verraͤhterey/ Meinaͤid/ und schaͤndliche eigentaͤhtliche Beleidigung angetahn hast/ soltu einen kurzen Abtrit nehmen/ und deiner wolverdienten rechtmaͤssigen Urtel gewaͤrtig seyn. Er wolte in seiner Großpra- lerey fortfahren/ fing auch schon also an: Ein redlicher Diener ist seinem Herrn gehorsam wider alle seine Feinde und Beleidiger; und weil der Sachsen Groß Fuͤrst sich als einen solchen/ durch Unwerdhaltung der Heyraht mit seiner Fraͤulein Tochter/ gegen meinen maͤchtigen Fuͤrsten. Aber es ward ihm alhie gebohten zuschweigen/ und musten die Haͤ- scher mit ihm hinweg eilen/ da dieser Bube noch wol uͤber Gewalt/ und Gehoͤrs Verwe- gerung sich beschweren durffte. Die Fuͤrsten fasseten eine geschwinde Urtel in die Feder/ gingen davon/ und hinterliessen Neda/ dieselbe dem gefangenen vorzulesen/ und ohn Ver- zug/ auch ungeachtet alles einwendens/ selbe an ihm zuvolstrecken; Welcher dann den ge- fangenen vor sich foderte/ und ihm diesen Todes Spruch vortrug: Demnach des Wendi- schen Fuͤrsten Kriegs Bedieneter/ Nahmens Niklot/ nicht allein freiwillig gestehet/ son- dern es noch als eine lobwirdige Taht ruͤhmet/ daß er den herschenden Groß Fuͤrsten aus Teutschland durch falschen aͤidschwuhr von seinem Schlosse gelocket/ und wider verspro- chene Traͤue/ nebest seinem Gemahl und Frl. Tochter nicht ohn spoͤtliche Verhoͤnung ge- faͤnglich angenommen/ auch seine Diener moͤrdlich erschlagen/ und man uͤberdas gnugsa- me Nachricht hat/ daß er solches unredliche Vorhaben nicht allein gut geheissen/ sondern es seinem Fuͤrsten selbst an die Hand gegeben/ und dessen alles ungeachtet gar keine De- muht und Reue erscheinen lassen/ noch einige Gnade begehret/ Als sol ihm auch das ge- straͤnge Recht ohn Gnade wiederfahren/ und sein hohes Raͤuberisches und Menschendie- bisches Verbrechen dergestalt eingebracht werden/ daß man ihn zwanzig Schrit von die- ser Gerichtsstelle nach dem Lager zu/ lebendig spiessen sol/ und solches von Rechtswegen/ andern dergleichen gottlosen Buben zum Beyspiel/ uñ ihm selbst zur wolverdienten Straf- fe. Der Raͤuber entsetzete sich uͤber dieser Urtel/ daß er zitterte und bebete/ dann er hatte ihm nicht einbilden koͤnnen/ daß ihm ein haͤrteres als das Richt Schwert duͤrffte angemuhtet werden. Zwar er wolte nunmehr anfahen sich zustellen/ als waͤhre ihm sein Verbrechen leid/ und hielt umb Gnade an/ aber es wahr zu spaͤht/ dann Neda wahr mit Leches und Prinsla schon davon gangen/ und seumeten die Henkers Buben nicht/ die Urtel zuvolstrec- ken/ da sie ihm anfangs die Haͤnde auff den Ruͤcken bunden/ ihn oben auff den spitzigẽ Pfahl setzeten/ und ihn darauff zogen/ daß die Spitze ihm zur rechten Schulder ausging/ und er etliche Stunden lang unsaͤglichen Jammer trieb. Unterdessen berahtfragete sich unsere Fuͤrstliche Geselschafft/ mit was vor Straffe der Verraͤhter Krito solte beleget werden/ da von Koͤnig Ladisla an/ welcher seine Meynung zuerst sagẽ muste/ biß an den alten Groß- Fuͤrsten/ welcher ihm den Schluß vorbehielt/ alle Stimmen dahin gingen/ es solte/ koͤnte und muͤste das grobe Verbrechen nicht gelinder als mit dem Leben gebuͤsset werden; wo- mit der Groß Fürst einig wahr/ und dabey anzeigete/ wie er willens waͤhre/ diesen Men- schendieb mit sich nach Teutschland gefangen zufuͤhren/ und ihn auf der Stelle enthaͤuptẽ z z z zu Siebendes Buch. zulassen/ woselbst er den verraͤhterischen Raub begangen hatte. Welches alle anwesende in des Groß Fuͤrsten freyen Willen stelleten/ ohn allein Valiska hielt solches nicht vor raht- sam/ und brachte dagegen dieses vor: Gnaͤdigster Herr Vater; ich bin zu jung und unver- staͤndig/ Eurer Gn. Willen und Voꝛtrag zutadeln oder zuverbessern/ erinnere mich auch meines weiblichen Geschlechtes/ daß mir nicht geziemen wil/ in dergleichen Gerichtligkei- ten mich einzumengen; aber eure vaͤterliche Gewogenheit gegen mich/ gibt mir die Kuͤhn- heit/ meinem Herr Vater dieses zubedenken vorzustellen; obs nicht vortraͤglicher seyn wuͤꝛ- de/ daß der boßhaffte Raͤuber vor unserm Auffbruche seinen Lohn empfinge; dann also wuͤrden die Land Staͤnde dieses Reichs nicht vorzuschuͤtzen haben/ ihr Reichs-Verwalter/ dem sie mit aͤid und Pflichten verbunden/ lebete noch/ und ob er gleich gefangen waͤhre/ haͤtte man doch Hoffnung zu feiner Erledigung/ welches die Handelung gewaltig auffzi- hen und hinter halten/ und wol ursach zu allerhand Ungelegenheit geben duͤrffte. Ja wie bald koͤnten sich etliche zusammen rotten/ einen sonderlichen Dank/ nicht allein bey ihm/ sondern auch bey dem Daͤnischen Koͤnige seinem Schwager zuverdienẽ/ als welcher schon damit schwanger gehet/ seinem Sohn dieses Koͤnigreich/ nicht ohn Nachteil und Gefahr des Teutschen Reichs/ in die Hand zuspielen/ wie er darzu vermeynet nicht wenig ursach und recht zuhaben/ nachdem der ohn Leibes Erben verstorbene Koͤnig seiner Schwester Sohn gewesen. Ich geschweige/ daß es von allenthalben her an Vorschrifften/ den Raͤu- ber zubegnaden/ nicht ermangeln wird/ denen man offt/ wie ungerne auch/ weichen muß. Hingegen/ wann er kalt ist/ bricht sich solches fast alles auff einmahl; Die Untertahnen/ als von ihrem aͤide hiedurch entlediget/ werden unsere Macht scheuhen/ und vor unsern Waffen sich demuͤhtigen; ja vielleicht der Daͤnische junge Fuͤrst selber/ als ein beruͤmter friedlieben der und gerechter Herr/ duͤrffte seine Festung/ darinnen er sich auffhaͤlt/ in der Güte abtreten/ nachdem man ihm vielleicht/ da es eurem vaͤterlichen Willen also gefiele/ mit dem Wendischen Fuͤrstentuhm an die Hand gehen koͤnte. Der Groß Fuͤrst verwun- derte sich zum hoͤchsten ihrer vernunfftreichen Anfuͤhrungen/ umfing sie mit einem Kusse/ und gab zur Antwort: Meine herzgeliebete Fr. Tochter hat recht und wol geurteilet/ und kan ich mir solches sehr wol gefallen lassen. Ward demnach Prinsla abgefertiget/ nach dem Niklot eine gute halbe stunde zuvor gespiesset war/ dẽ gefangenẽ Krito diese Urtel muͤndlich vorzutragẽ: Nachdem er Krito der Wenden Fuͤrst sich sehr wol eriñern wuͤrde/ und durch- aus nit leugnẽ koͤnte/ wie unredlicher/ verraͤhterischer uñ raͤuberischer weise er den Groß- maͤchtigsten Groß Fuͤrsten/ samt seinem Koͤnigl. Gemahl und Frl. Tochter/ unabgesaget/ und unter dem schein einer freundlichen Beredung/ durch seinẽ meinaͤidigẽ Niklot hinter- gangẽ/ gefangẽ genom̄en/ uñ aus seinem eigenẽ Reiche hinweg geschleppet/ auch sonst alleꝛ- hand unverantwortliche Haͤndel vorgenommen/ die keinem ehrliebenden Menschen/ ge- schweige einem Fuͤrsten und Koͤniglichen Vorsteher zustünden/ so haͤtte er sich dadurch nicht allein der Koͤniglichen Verwaltung dieses Friesischen Reichs/ sondern auch seines eigenen Wendischen Fuͤrstentuhms/ ja seines Leib und Lebens verlustig gemacht; solte demnach auff ernstlichen Befehl des großmaͤchtigsten Großfürsten der Teutscher/ Herrẽ Henrichs/ und Beliebung des auch Großmaͤchtigsten Koͤniges auß Boͤhmen/ Herren Ladisla/ dann auch der beyden Durchleuchtigsten Großfuͤrstlichen Herren als Herrn Her- kules Siebendes Buch. kules und Hern Baldrichs/ und endlich des auch Durchleuchtigsten Koͤniglichen Schwe- dischen Fuͤrsten Siegwards/ sich zum willigen Tode gefasset halten/ und nicht uneꝛschrocke- ner zuꝛ empfahung deꝛ Stꝛaffe seyn/ als veꝛwaͤgen eꝛ gewesen/ solche zuveꝛdienen/ wie dann nach Endigung einer Stunde er durch des Nachrichters Hand als ein gewaltaͤhtiger Strassen Raͤuber und Menschen Dieb vom Leben zum Tode mit dem Schwerte solte hin- gerichtet werden. Der Fürst erschrak der gestraͤngen Urtel hefftig/ machte aber doch ihm Hoffnung/ es wuͤrde zum Schrecken angesehen seyn/ daß er seiner Koͤniglichen Verwal- tung sich desto leichteꝛ begaͤbe/ daher er diese Antwort gab: Gehet hin Ritter/ uñ naͤhst Ver- meldung meiner Dienste und Grusses/ zeiget der hochgedachten Fuͤrstlichen Geselschafft an/ daß ob ich gleich auß Liebes Zwaug habe eine Taht begangen/ die ich nicht aller Dinge zuverantworten weiß/ so ist sie dannoch der Wichtigkeit bey weitem nicht/ daß sie nicht auff andere Weise/ als mit meinem hochfuͤrstlichen Blute solte koͤnnen abgetragen und gebuͤsset werden; vielmehr zeiget ihnen an/ sie haben wol und fleissig zuerwaͤgen/ was vor ein Gewaltiger und mit vielen Koͤnigen und maͤchtigen Fürsten nahe befreundeter Fuͤrst ich bin/ dessen Blut auff unerhoͤrete Weise von den Pannoniern/ Pohlen/ Daͤnen/ Wen- den/ und andern Voͤlkern wuͤrde an ihnen saͤmtlich/ und an ihren Helffers Helffern gero- chen werden; dann auch/ daß ich nicht der erste Fuͤrst bin und gefunden werde/ der auff sol- che Weise/ die ehmals vor ruͤhmlich und Tapffer gehalten worden/ ihm ein wirdiges Ge- mahl gesuchet hat; daher ich bey ihnen bitlich begehre/ sie wollen mich dieser schmaͤhlichẽ Hafft entnehmen/ ihrem Vaͤter-Bruͤder- und schwaͤgerlichen Willen mir zuneigen/ und durch freundwillige Außfolge des Durchleuchtigsten Fraͤuleins mich vor einen Schwie- ger Sohn/ Bruder und Schwager auff und annehmen/ alsdann wil ich nicht allein dem Großfuͤrsten oder seiner Herrẽ Soͤhne einem die Verwaltung dieses Koͤnigreichs willig abtreten/ sondern auch die gar zu kuͤhne Entfuͤhung mit einer ansehnlichen Geldbusse er- setzen/ welche sie mir nach ihrer Hoͤffligkeit aufflegen werden. Prinsla wolte ihm diesen Dienst nicht versagen/ vermahnete ihn gleichwol/ seines verbrechens etwas bessere Er- kaͤntniß sehen zulassen/ und hinterbrachte diese Werbung an behoͤrigen Ort/ deren sich die Fuͤrstliche Geselschafft nicht gnug verwundern kunte/ gaben ihm endlichen Bescheid/ und liessen ihn wieder hingehen/ welcher nach empfangenem Befehl den Gefangenen also anredete; Krito/ euer anmuhten ist sehr stolz und unverschaͤmt/ welches keine Stat finden kan/ und lassen vor hoͤchstgedachte meine allergnaͤdigste und gnaͤdigste Herren euch hiemit schließ- und unwiederꝛufflich andeuten; ob ihr euch darauff beꝛuffet/ erstlich/ daß ihr Fuͤrst- liches herkommens/ und mit hohen Haͤuptern nahe befreundet seyd/ haͤttet ihr eben dassel- bige ja auch von dem Großmaͤchtigsten Großfuͤrsten wissen und bedenken sollen/ als an dessen Hochheit ihr gewaltsahme Hand unverwarnet legetet. Hernach/ daß dergleichen boßhaffte Raub- und Entfuͤhrung wol ehemals vorgangen und von unverstaͤndigen Ge- walttaͤhteꝛn gelobet/ sey dieselbe auch wol ehemahl am Leben gestꝛaffet/ wann man des Raͤu- bers hat koͤnnen bemaͤchtiget seyn; und gesetzet/ daß frevelmuͤhtige Wuͤteriche solche gottlo- se Art zu heyrahten vortrefflich moͤgen geschaͤtzet haben/ koͤnnen sie doch dessen sich nicht bereden lassen/ solches mit gut zuheissen; vernehmen aber noch nicht/ wie ihr dieses ver- antworten oder beschoͤnen wollet/ daß ihr einen so maͤchtigen Beherscher Teutschlandes z z z ij nicht Siebendes Buch. nicht allein Verraͤhterlich hintergangen/ sondern ihn nebest seinem Gemahl als Hunde fort schleppen/ und kaum noͤhtigen Leibes Unterhalt habt abfolgen lassen/ wie sie dann ge- striges Tages ungegessen und ungetrunken auff euren außdrüklichen Befehl haben in der Hitze zubringen muͤssen/ welcher Schimpf von ihnen hoͤher als die Ermordung selbst ge- rechnet wird/ daher es weder mit Abtretung einer Verwaltung (deren ihr schon wirklich entsetzet seyd) noch Außzahlung etlicher Gelder/ wans gleich etliche hundert Tonnen Gol- des waͤhren/ sondern durchauß mit eurem Blute muß außgesoͤhnet werden/ wornach ihr euch zurichten/ und nach verlauff einer halben Stunde den Tod so willig antreten werdet/ als wolbedacht und voꝛsetzlich ihr die Freveltaht an so Großfuͤrst- und Koͤniglichen Hochei- ten begangen/ und uͤberdas noch neulich den Großmaͤchtigsten Koͤnig in Boͤhmen nicht wenig beschimpffet habt/ welches mit eigener Faust an euch zuraͤchen er keines weges un- terlassen wuͤrde/ wann ihr nicht als ein Ubeltaͤhter schon verdammet waͤhret. Das wil ich nimmermehr glaͤuben/ antwortete Krito/ daß man mit einem herschenden Fuͤrsten und Koͤniglichen Verwalter dergestalt verfahren wolle. Ich weiß nicht anders/ sagte Prinsla/ als daß der Stab schier uͤber euer Haͤupt solle gebrochen werden/ und alle fernere Einrede nur ein Uberfluß sey. Ging hiemit davon/ und ließ den Gefangenen in erschreklicher Her- zensprast sitzen/ welcher nunmehr den Ernst spuͤrend/ einen von der Wache absendete/ Prinsla zurücke zuruffen/ welcher aber zuvor nach der Fuͤrstlichen Geselschafft ging/ und neben getahner Antwort berichtete/ daß Krito ihn haͤtte zu sich fodern lassen. Also gab man ihm zum drittenmahle Unterricht/ und ließ ihn gehen/ ward auch von dem Gefangenen mit neuer Hoffnung empfangen/ welcher instaͤndig um Gnade anhielt; er wolte sich sei- nes Fuͤrstentuhms auff ewig verzeihen/ und in Polen weichen/ daneben aͤidlich angeloben/ keine Ansprach nimmermehr an sein Fuͤrstentuhm zuhaben; hoffete gaͤnzlich/ man wuͤrde ihm hierin zu Willen seyn/ weil mit einer Hand vol Blut ihnen wenig/ ja gar nichts gedie- net waͤhre. O nein/ gnaͤdiger Herr/ sagte Prinsla/ ein solches darff ich meinen allergnaͤdig- sten Herrn nicht hinterbringen/ massen dieselben mit euch in keine Handelung sich einlas- sen/ sondern als einen auff scheinbahrer Ubeltaht ergriffenen euch bestraffen wollen/ als welcher durch seinen Raub zu so grosser gestriger Blutstuͤrzung Ursach gegeben/ daß ganze Baͤchlein Menschen-Blutes haben muͤssen rinnen/ und demnach ihr so gewiß mit dem Kopfe bezahlen muͤsset/ als gewiß ich lebe/ weil derselbe euch zu dieser unverantwortlichen Taht verleitet hat. Die Hochfuͤrstliche Geselschafft wuͤrde auch eurem aͤyde wenig zutrau- en haben/ sondern mit Polen ein neues Feur befuͤrchten muͤssen/ angesehen eures Vaters Bruders Sohn/ welcher doch ein redlicher Fuͤrst ist/ daselbst die Herschafft fuͤhret; so ist uͤber das nunmehr schon bey Leibes Straffe verbohten/ daß kein Mensch eurer Begnadi- gung gedenken sol; man hat euch vor der Schlacht billiche Vorschlaͤge getahn/ die habt ihr hochmuͤhtig verachtet/ und dadurch die Gnaden Zeit versessen. Demnach verzeihet mir/ daß ich euch nicht gehorsamen kan. Als Krito hierauß merkete/ daß seine ertichtete Demuht nicht helffen wolte/ ließ er seinen Trotz hoͤren und sagete; Was solte man einem Herschenden Fuͤrsten des Henkers Schwert anbieten/ und um einer Liebetaht Willen ihm den Tod ansagen/ der bißher ein Furcht und Schrecken aller seiner Feinde/ auch der Roͤ- mer selbst gewesen ist? dahin muͤste es noch in langer Zeit nicht kommen/ sondern zuvor dz oberste Siebendes Buch. oberste zu unterst gekehret werden/ duͤrffte auch eine solche Rache drauff erfolgen/ daß Kin- des Kinder daruͤber zuklagen haͤtten; darum gehet hin/ und warner eure Herren/ daß sie sich nicht selbst in das unvermeidliche verderbenstuͤrzen/ welches auff meinen Tod noht- wendig erfolgen muß. O mein Herr draͤuet ja nicht/ sagte Prinsla/ ihr habt gewißlich nicht mit Kindern und furchtsamen Memmen/ sondern mit Fürsten und Tapffermuhtigen Helden zutuhn/ deren Muht und Macht unuͤberwindlich ist; bedenket demnach vielmehr wie ihr wol sterben moͤget/ weil euch zuleben nicht mehr moͤglich ist. Wie nun zum Henker/ antwortete Krito/ nennestu Lecker mich nur schlecht hin einen Herrn/ und weist daß ich der Großmaͤchtige freie Beherscher des unuͤberwindlichen Volkes der Wenden bin? Er wol- te in seinem Trotze fortfahren/ aber Prinsla fiel ihm in die Rede und sagete: Du bist aber auch ein boßhafftiger Raͤuber und Menschendieb/ und viel zu wenig in deinen Banden/ daß du einen redlichen Ritter beschimpffen/ und vor einen Lecker schelten soltest; hast dich auch zuversichern/ daß wann du dem Henker nit schon zugesprochen waͤhrest/ ich bey mei- nem allergnaͤdigsten Koͤnige leicht erhalten wolte/ es mit dir durch einẽ ritterlichẽ Kampf auszutragen/ worzu ich dich aber nunmehr/ nicht als einen gewesenen Fuͤrsten/ sondern als einen schmaͤhsuͤchtigen schaͤndlichen Raͤuber/ der seiner uͤbeltaht uͤbeꝛwiesen ist/ unwerd halte. Hiemit ging er von ihm hinweg/ vol Zorn und Grimmes/ daß er diesen Schimpff muste ungerochen uͤber sich gehen lassen. So bald er den Fürsten solches hinterbrachte/ ward das Gericht gehaͤget/ Siegward/ Fabius/ Leches und Neda zu Richter verordnet/ uñ Gallus befohlen/ mit dem Scharff Richter und seinen Steckenknechten hinzugehen/ wel- cher die gesprochene Urtel an dem boßhafften Raͤuber ohn verweilen volstreckẽ/ auch wañ er mit willen nicht nach der Richtstat gehen wolte/ ihn durch sechs Kriegsknechte dahin schleppen lassen/ und ihm den Schedel herunter schlagen solten. Der Scharff Richter/ als er zu dem gefangenen in das Zelt trat/ ward er von ihm ganz verwaͤgen gefraget/ was sein begehren waͤhre. Worauff er antwortete: Der Fürst wuͤrde ihm gnaͤdig verzeihen/ und sichs gefallen lassen/ die Volstreckung der Urtel von seiner Hand gutwillig anzunehmen/ weil es anders nicht seyn koͤnte. Was? sagte Krito/ woltestu ehrloser Schelm einen her- schenden Fuͤrsten beruͤhren? geschwinde packe dich hinweg aus meinen Augen/ und sage deinem Groß Fuͤrsten/ ich lasse ihn wegen dieses unleidlichen Schimpffs zum Kampffe auff Leib und Leben ausfodern. Dessen habe ich keine Volmacht/ sagete dieser/ sondern ich frage nochmahls/ ob der Fürst willig mitgehen wolle/ alsdann wil ich oder meine Diener keine Hand an ihn legen; wo nicht/ ist mir aufferlegt/ den Fuͤrsten hinzuschleppen/ und das Nachrichter Amt zuvolstrecken/ da der Fuͤrst waͤhlen kan/ was ihm beliebet/ dann ich bin schuldig meines Gn. Herrn Befehl nachzukommen. Hier fing Krito an zuzittern und zu beben/ draͤngete sich in einen Winkel/ und rieff ohn unterlaß bald uͤber Gewalt/ bald umb Gnade. Gallus redet ihm etwas troͤstlich zu/ und ermahnete ihn/ sich des mitgehens nicht zuwegern/ es moͤchte leicht bey der Gerichtsstat durch bitte mehr Gnade/ als hieselbst durch Widerspenstigkeit zuerhaltẽ seyn. Also ließ der erschrockene Mensch sich bereden/ und ging hin. Er ward aber auff Befehl des Weges hergefuͤhret/ woselbst Niklot am Spiesse stec- kete/ und ein uͤber alle masse grosses Elende betrieb/ kennete ihn doch nicht/ und fragete Gal- lus/ was dieser arme Mensch so schwer verbrochen haͤtte/ daß man so grausam mit ihm z z z iij ver- Siebendes Buch. verfuͤhre. Mein Herr/ antwortete er/ es ist der verwaͤgene Schelm/ welcher meinen gnaͤ- digsten Groß Fuͤrsten durch falschen Schwuhr in die Gefaͤngniß gebracht. Was? sagte er/ ist das mein getraͤuer Niklot? So sol sein Nahme seyn/ antwortete Gallus. Krito ent- setzete sich uͤber der harten Straffe/ daß ihm alle Krafft entging/ trat ihm naͤher/ und sage- te: Du mein getraͤuer Niklot/ dein Jammer gehet mir sehr zu herzen/ weil ich dir aber nit helffen kan/ wuͤnsche ich dir einen schleunigen Tod zu Abhelffung deiner unleidlichẽ Pein. Dieser sahe zwar seinen Fuͤrsten an/ aber weil ihm die Vernunfft aus uͤbergrosser Pein schier vergangen wahr/ antwortete er nichts/ sondern bruͤllete vor Angst immerhin wie ein Ochse/ trieb auch mit den gebundenen Haͤnden und freyen Fuͤssen solchen Jammer/ daß alle Zuseher ein Abscheu daran hatten/ und doch bekenneten/ er haͤtte noch wol ein mehres verdienet. Krito kunte seine wehmuͤhtige Traͤhnen nicht einzwingen/ uñ begehrete an Gal- lus/ daß dem redlichen Ritter seine Pein verkuͤrzet wuͤrde. Aber er antwortete ihm: Waͤh- re er ein redlicher Ritter/ duͤrffte er nicht am Pfale stecken/ weil aber sein begangener hoher Verraht solches verdienet/ muß er andern zum Abscheuh und Schrecken ihm diesen Lohn gefallen lassen/ biß ihm Gott den Tod zuschicket; und nimt mich wunder uͤber wundeꝛ/ daß der Fuͤrst nicht erkennen kan noch wil/ wie hohe Beleidigung dem Großmaͤchtigsten Groß- Fuͤrsten in seinem eigenen Reiche/ unter dem schein eines guten Willen/ von ihm und die- sem seinem verraͤhterischen Niklot angetahn ist. Dieser schwieg stille darzu/ taht gleichwol als wann ers beantworten wolte/ aber als er sahe/ daß er schon bey dem Gerichte angelan- get wahr/ stellete er sich vor die obgedachte Richter/ und fragete/ wer sie waͤhren/ dz sie sich unterstehen duͤrfften seine Richter zuseyn/ da er doch keines Menschen Oberbotmaͤssig- keit unterworffen waͤhre. Siegward gab ihm zur Antwort: Es koͤnte ihm gleiche viel seyn/ wer sie waͤhren/ nachdem er leicht zuerkennen haͤtte/ daß sie von dem Großmachtig- sten Groß Fuͤrsten verordnet waͤhren/ ihm seine wolverdiente Straffe anzusagen. Ich hoͤre eurer keinen/ wiederantwortete er/ sondern wil und muß den Groß Fuͤrsten selber sprechen/ dem ich durch meine entschuldigung ein solches Vergnuͤgen geben werde/ daß er meines Blutes nicht begehren wird. Habt ihr/ Krito/ so erhebliche entschuldigungen sagte Sieg- ward/ die sollet und muͤsset ihr vor uns euren Richtern anmelden/ oder in dessen verwege- rung die Endurtel uͤber euch nehmen/ massen der Großmaͤchtigste Groß Fuͤrst seinen fre- chen/ unbefugten und meinaͤidigen Raͤuber vor seinen Augen nicht dulden kan. Er wolte antworten/ sahe sich aber ohngefehr nach der linken Hand umb/ und ward gewahr/ daß sei- nes Sohns Leichnam daselbst in der naͤhe auff dem Ruͤcken lage/ welches ihn wunder nam/ und zu den Richtern sagete: Ehe ich mich weiter mit euch einlasse/ begehre ich zu wissen/ auff was weise dieser mein ungerahtener Sohn/ welcher ohnzweiffel meines Ungluͤks und der erlittenen Niederlage die groͤste Ursach ist/ umbkommen sey. Leches gab ihm auff Sieg- wards befehl zur Antwort; Dieser sein Sohn/ weil er Zeit wehrender Schlacht sich haͤtte dürffen geluͤsten lassen/ dz Durchleuchtigste Fraͤulein als einen Raub uͤber den Iselstrohm davon zu fuͤhren/ haͤtte man ihn verfolget/ ertappet/ und als einen Raͤuber nidergehauen/ daß er noch also dem wolverdienetem Henkersschwert entgangen waͤhre. Ihm ist recht geschehen/ antwortete Krito/ massen er seinem leiblichen Vater das Herz hat stehlen und die Seele rauben wollen. Euch aber ihr vermeineten Richter frage ich nochmahl/ was euch Siebendes Buch. euch hat koͤnnen so verwaͤgen machen/ daß ihr einen freyen maͤchtigen Fürsten vor Gericht zu fodern/ und einige Urtel anzudraͤuen/ euch unterstehen duͤrffet/ noch ehe und bevor seine Sache eroͤrtert ist? Siegward gab ihm zur Antwort: Was bedarff eure Sache des er- oͤrterns? stehet eure freche übeltaht nicht Sonnenklar vor Augen? so muͤsset ihr demnach billich leiden/ was ihr dem Großmaͤchtigsten Groß Fuͤrsten/ welcher euch und die eurigen niemahls beleidiget hat/ zugemaͤssen habet/ welchen ihr ausser zweiffel umb keiner andern Ursach willen diebischer weise aus seinem Reiche hinweg gefuͤhret/ als daß ihr durch seine schaͤndliche ermordung alle Rache von euch abkehretet/ und euch wol gar zum Groß Fuͤr- sten uͤber die Teutschen machetet/ nachdem ihr den Wahn hattet ergriffen/ daß keine Teut- sche junge Herschaft mehr im Leben waͤhre. Dieses ist ja eine solche Taht die ohn allen zwei- fel das Leben verwirket/ und an deren bestraffung andere eures gleichen ein Beyspiel neh- men und sich spiegeln muͤssen/ auff daß sie hinfort sich scheuhen/ solcher boßheit sich zu un- terfangen. Weil ihr dann gleich jetzo die Urtel selbst über euren Sohn gesprochen habt/ daß ihm recht geschehen sey/ und derselbe doch viel bessere entschuldigung einzuwenden gehabt haͤtte/ so werdet ihr ja erkennen/ daß euch als vornehmsten Uhrheber dieser schaͤndlichen Entfuͤhrung/ weder unrecht noch gewalt geschehe/ wann ihr mit gleichmaͤssiger Straffe beleget werdet. Daß ihr aber auff euren freien Fuͤrstenstand euch beruffet/ so muͤsset ihr be- denken/ das Gott und das Schwert euer Oberherr sey/ welche euch als einen Raͤuber und Menschendieb aus solchem Stand gehoben und in die Fessel gelegt/ auch gleich jetzo fertig sind/ eure begangene schlim̃e Boßheit abzustraffen. Krito redete ihm ein/ er solte sich maͤssi- gen einen so grossen und gewaltigen Fuͤrsten vor einen boßhafften/ und desgleichen auszu- ruffen/ seine Taht waͤhre bey weitem so schlim und unverantwortlich nicht/ als man sie ihm auslegen wolte/ wuͤrde ihm auch leicht seyn/ daß auffgebuͤrdete von sich abzulehnen/ uñ der ganzen erbaren Welt darzutuhn/ daß er keines weges mit moͤrderischen Gedanken umb- gangen/ und also den Tod nicht verdienet haͤtte; dero behueff er keine laͤngere/ als sechswoͤ- chige Frist begehrete/ welche man ihm keines weges wuͤrde versagen koͤnnen. Krito/ ant- wortete Siegward/ ihr suchet Zeit und weile/ nicht eure Taht zurechtfaͤrtigen/ welches euch unmoͤglich ist; sondern euren Kopf zu retten/ welches nicht geschehen kan; lase ihm dem- nach die Urtel vor/ also lautend. Der gewesene Wendische Fuͤrst Krito/ weil er an dem Großmaͤchtigsten Groß Fuͤrsten der Teutschen die allerschelmichste Verraͤhterey began- gen/ so jemahls von einem Fuͤrsten ist erhoͤret worden/ und der gerechte Gott ihn in des verrahtenen Haͤnde und gewalt zur Straffe uͤberliefert hat/ sol und mus der Gerechtig- keit/ allen seines gleichen Verraͤhtern zur Warnung und abscheuh/ ein genuͤgen geschehen/ und dieser Verraͤhter durch des Henkers Schwert vom leben zum Tode gebracht werden. Krito wolte sich dawieder bedingen/ aber Leches winkete dem Scharfrichter/ welcher hin- ter dem Verurteileten stund/ daß er mit der Volstreckung verfahren solte; derselbe nun zo- he ganz leise das Richtschwert aus/ und schlug ihm also stehend den Kopf vom Rumpfe glat hinweg/ daß er ohn sonderliche Todesangst dahin fuhr. Worauff seinem Sohn der Kopf auch abgeschnitten/ und beyde auff Spiesse gestecket wurden/ da sie von dem ganzen Heer und allen Gefangenen musten beschauet werden; es wurden sonst noch 36 vornehme Wenden an Baͤume/ nach empfangener harten Geisselung/ auffgeknuͤpffet/ als welche bey der Siebendes Buch. der Verraͤhterey sich hatten wirklich gebrauchen lassen/ und weil der Tod den Niklot nicht durch die Spiessung so bald wuͤrgen wolte/ ward endlich ein Steckenknecht befehlichet/ ihm das Herz abzustechen. Drey Stunde vor Abends brach der Groß Fuͤrst mit dem Heeꝛ auff/ und ging damit Nordwerz nach der Vechte auff Frießland zu/ blieben auff der Gren- ze liegen/ und enthielten sich aller taͤhtligkeit/ sendeten aber an die Staͤnde und Staͤdte/ daß nach empfangener angebohtenen schrifftlichen Gnade sie sich stuͤndlich erklaͤreten/ oder des Ernstes gewaͤrtig seyn solten. Als sie auff dem Zuge wahren/ kahmen die ausgeschikten Reuter Schaarsweise wieder an/ aber kein einiger wuste das geringste von Arbianes oder dem Fraͤulein zu sagen/ dessen die Fuͤrstliche Geselschaft von herzen betruͤbt ward/ ohn Va- liska hatte noch gute Hoffnung/ und fragete/ vor was Leute sie sich im nachfragen ausgege- ben haͤtten; uñ als sie antworteten/ weil es in Feindes Land waͤhre/ haͤtten sie sich vor Wen- dische Reuter angemeldet; ward sie dessen sehr unwillig/ und sagete: Hiedurch habt ihr trauen die allergroͤsseste Narrey und Tohrheit begangen; dann meinet ihr nicht/ daß der Fuͤrst mit dem Fraͤulein sich etwa in einem Dorffe heimlich verstecket habe/ und bey seinem Wirte durch Geschenk und Verheissungen es leicht dahin gebracht/ daß sie ihn ungemel- det gelassen? Haͤttet ihr euch vor die ihr seid/ angegeben/ was gilts/ ihr wuͤrdet sie schon an- getroffen haben. O nein mein Schaz/ sagte Herkules/ so leicht glaͤubet man einem nachfor- schenden Reuter nicht/ daß man umb eines Worts willen sich ihm alsbald vertrauen solte; der almaͤchtige Gott nehme sie in seinen vaͤterlichen Gnadenschuz/ sonst koͤnten sie leicht in ungelegenheit/ und unter die fluͤchtigen Wenden gerahten; gelebe aber der gaͤnzlichen Hof- nung/ sie werden sich etliche Tage verbergen/ biß die fluͤchtige Schaaren vorbey gangen sind/ die sich nicht lange pflegen auffzuhalten. Baldrich scherzete drüber/ und sagete: Ohn zweifel sitzet mein Bruder Arbianes mit meiner Frl. Schwester an Ort und Enden/ wel- che er umb diß Koͤnigreich nicht vertauschete/ nachdem ich mich nit erinnern kan/ jemahls einen verliebetern Menschen gesehen zu haben. Sie sitzen/ wie es ihnen beyden beliebt/ sagte der Vater/ wann sie nur frisch und gesund wieder bey uns anlangen; das uͤbrige sey der goͤttlichen Versehung heimgestellet/ und meiner geliebten Tochter Fr. Valiska/ als deren ich sie in meinem herzen geschenket habe/ sie nach ihrer wilkuͤhr zuveꝛheyrahten. Ich bedan- ke mich dessen kindlich und demuͤhtig/ antwortete sie/ und wuͤnsche naͤhst meiner herzaller- liebsten Frl. Schwester Gesundheit nicht mehr/ als daß mein Bruder Arbianes/ das auf- richtige getraͤue Herz/ diese Worte anhoͤren moͤchte. Diese beyde Verliebeten aber sassen denselben Tag noch immerzu auff dem starkrie- chenden Haͤu/ und unter ihrem Liebes Gespraͤch und unnachlaͤssigen küssen beklageten sie dannoch/ daß die ihrigen ohn allen zweifel ihres aussenbleibens sehr betruͤbt seyn wuͤrden/ daher das Fraͤulein zu ihrem Liebsten sagete: Hoͤchster Schaz/ wir lassen uns unser Ungluͤk wenig anfechten/ und gedenken nicht eines auff das zukünfftige; meynen vielleicht auf die- ser Straͤu immerhin zufaulenzen/ oder im naͤhesten Staͤdlein das Ende unsers Kummers zufinden/ da es wol erst recht angehen moͤchte/ massen unter der Vergnuͤgung eurer herzli- chen keuschen Liebe/ mir dannoch mein Herz so schwer als ein Stein unter der Brust lie- get/ und mir nicht viel gutes verspricht; Ach daß doch meine liebe Eltern und Bruͤder nur wissen moͤchten/ wo wir uns auffhalten/ zweifelt mir nicht/ sie wuͤrden schon ein zimlich fliegen- Siebendes Buch. fliegendes Heer ausschicken/ uns abzuhohlen/ und dafern solches nicht geschihet/ sehe ich nicht/ wie wir durch die verschlagenen Voͤlker sicher kommen werden/ unter denen sehr wenig sind/ die mich nicht kennen solten. Ja wer weiß/ ob nicht unsere lieben Freunde uns ehe als erschlagene beweinen/ als daß sie errahten solten/ wir haͤtten auff diesem Haͤu unse- re Heiraht abgeredet; auch duͤrffte ich allem ansehen nach/ fast glaͤuben/ die naͤchtlichen Reuter sind unsers Volks gewesen/ und uns zum besten ausgeschikt/ massen sie sich ja nicht als flüchtige anstelleten/ und aber der Feind ja gaͤnzlich sol geschlagen seyn/ wie Wolfgang berichtet. Mein allerschoͤnstes auserwaͤhltes Fraͤulein/ antwortete er/ sie moͤgen Freund oder Feind gewesen seyn/ der Almaͤchtige Gott wird uns dannoch helffen/ dem wir ver- trauen wollen; Und O mein Gott/ goͤñe uns beyden doch/ unsere keusche Liebe durch schleu- nige Heyraht zuergetzen/ hernach beschere uns dereins die ewige Seligkeit/ die dein Sohn uns armen Suͤndern erworben/ und durch sein Verdienst zuwege gebracht hat; Inzwi- schen habe Geduld mit unsers Fleisches Schwacheit/ und leite Zeit unsers Lebens uns auf dem Wege/ den du uns selbst in deinem Heiligen Worte vorgeschrieben hast. O das ist wol ein guter und koͤstlicher Wunsch/ sagte das Fraͤulein; was mich betrifft/ wil meinem Fuͤrsten ich wol aͤidlich versprechen/ mich nach aller Moͤgligkeit der Zucht und Tugend zu befleissigen/ und wolle Eure Liebe mir nur diese Gesetze vorschreiben/ nach denen ich wan- deln sol/ und wie er meynet/ ich unter des wahren Gottes Gnade verbleiben koͤnne/ denen wil ich zufolgen mich nimmermehr beschwerlich finden lassen. Ach mein herzgeliebeter Schaz/ antwortete er/ ich nehme ein solches erbieten von ganzem Herzen froͤlich an/ wann euer Liebe mir nur in diesem Stuͤk folgen/ und den allein seligmachenden Christlichẽ Glau- ben ihr gefallen lassen wolte/ welcher von euren Herren Bruͤdern und deren Gemahlen/ auch von mir gutwillig und zu unser Seelen Wolfahrt angenommen ist/ alsdann haͤtte Eure Liebe ich nichts mehr anzufodern/ weil an ihrem Tugendergebenen Herzen mir zu zweifeln durchaus nicht gebuͤhren wil. Solte ich mich dessen wegern? sagte sie; solte ich andere Goͤtter ehren als mein Gemahl/ oder einem andern Glauben anhangen? Ich neh- me ja billig ein Beyspiel von meiner Fr. Schwester/ und wie dieselbe sich alsbald nach meines Herrn Bruders Willen gerichtet/ also wil ich ebenmaͤssig mich hierin verhalten/ insonderheit/ weil zu diesem Glauben ich von der Zeit her grosses belieben getragen/ wie Leches denselben meinem Herr Vater zu Prag so sehr ruͤhmete; und noch mehr/ nachdem Neklam dessen gegen mich absonderlich gedachte. Arbianes nam dieses erbieten mit herz- licher Vergnuͤgung auff/ und beteure/ daß ihren Herren Bruͤdern und Frauen Schwe- stern diese Erklaͤrung erfreulicher als ihre leibliche Errettung seyn wuͤrde; unterrichtete sie doch dabey/ sie müste nicht ihm/ als ihrem Braͤutigam zugefallen/ sondern bloß aus Lie- besbegierde zu der Erkaͤntniß des wahren Gottes/ und zur Erlangung der ewigen Selig- keit solche Enderung ihres Glaubens vornehmen/ dann sonst wuͤrde sie in ihrem Christen- tuhm keinen festen fuß setzen/ sondern in stetem Wankelmuht bleiben/ und nach Menschen Willen ihren Glauben endern und umwechseln/ welches eine groͤssere Sünde waͤhre/ als wann man aus Unwissenheit im Unglauben verbliebe. Hierauff unterrichtete er sie gar einfaͤltig in den vornehmsten Stuͤcken des Christlichen Glaubens/ wie nur ein einiger wahrer Gott waͤhre/ und derselbe doch dreyfaltig; hiesse Vater/ Sohn/ uñ Heiliger Geist: a a a a Dieser Siebendes Buch. Dieser Gott haͤtte Himmel/ Erde/ Meer/ und alles was drinnen ist/ vor ohngefehr 4000 und mehr Jahren erschaffen/ und den ersten beyden Menschen grosse Volkommenheit mitgeteilet/ sie auch zu Erben der Seligkeit eingesetzet/ welche aber von dem Teuffel zur Suͤnde sich verleiten lassen/ und daruͤber unter Gottes Zorn zur ewigen Verdamniß/ mit allen ihren Nachkommen/ denen die Sünde angebohren wuͤrde/ gerahten waͤhren; aber der ewige Sohn Gottes haͤtte sich uͤber alle Menschen wieder erbarmet/ und sie durch ei- ne sonderliche Gnugtuhung wieder zu Gnaden gebracht/ daß wann sie an denselben glaͤu- beten/ und im Christlichen gottseligen Wandel verharreten/ ihnen die Seligkeit wiederum solte mitgeteilet werden. Diesen kurzen einfaͤltigen Begriff trug er dem Fraͤulein vier o- der fuͤnff mahl nach einander vor/ biß sie ihm denselben fast von Wort zu Wort (wie sie dann ein uͤberaus herlich Gedaͤchtniß hatte) nachsagen kunte/ dabey sie unterschiedliche Fragen taht/ umb alles desto desser zubegreiffen/ und von ihm/ so viel sein Vermoͤgen kun- te/ guten Unterricht bekam. Hernach behtete er ihr dz Vater Unser/ den Christlichen Glauben/ und die Heiligen zehen Gebohte offt vor/ daß sie solches alles gleicher gestalt ohn Anstoß her- sagen kunte/ jedoch wuͤnschete/ daß das Gebeht des HErrn ihr moͤchte etwas deutlicher erklaͤret werden/ weil wegen der kurzen Bitten/ so darin begriffen/ es ihr etwas schwer vor- kaͤme. Mein Herz/ sagte er/ ihr tuht sehr wol uñ weißlich/ dz ihr begehret dasselbe zuverste- hen/ was ihr behtet/ massen/ wo ein Gebeht ist ohn Verstand/ da ist keine Andacht/ wo aber keine Andacht ist/ da ist auch kein Gott wolgefaͤlliges Gebeht/ und erfolget auch darauff kei- ne Erhoͤrung noch Huͤlffe. Versichert euch aber/ daß wann alle Menschen in der ganzen Welt/ sie moͤgen so heilig/ und in Gottes Wortund Erkaͤntniß so erfahren seyn/ als sie im- mer wollen/ sie doch kein besser/ noch künstlicher noch volkommener Gebeht machen koͤñen/ ja auch keines/ welches in solchen Stücken diesem gleich sey; massen in diesem kurzen Ge- beht alles dasselbe begriffen ist/ wessen wir von Gott zubitten beduͤrffen. Da wir anfangs sprechen: Unser Vater/ der du bist im Himmel; anzudeuten/ daß unser Gebeht nicht an ir- gend ein Geschoͤpff/ sondern allein an den Schoͤpffer/ an Gott muß hingerichtet werden/ der in dem Himmel der Herligkeit/ seine Almacht und Herschafft fuͤhret/ und doch allent- halben gegenwaͤrtig ist; denselben nennen wir unsern Vater/ und solches aus Befehl un- sers Heylandes/ auff daß wir durch solchen süssen liebreichen Vater Nahmen sollen versi- chert werden/ der allerhoͤchste Gott trage gegen uns ein Vaterherz/ und wolle uns keine Fehlbitte tuhn lassen/ gleich wie ein Vater seines lieben Kindes Bitte/ nach seinem Wil- len angestellet/ unerhoͤret nicht lassen kan. Also muͤssen wir durch diesen Vater Nahmen in dem Vertrauen zu Gottes Guͤte/ gestaͤrket werden/ damit unser Gebeht nicht aus Zwei- selmuht herruͤhre/ welcher alles behten unduͤchtig machet. Hierauff folgen nun die sieben kurze Bitten in einer wolgefuͤgten Ordnung. Dann sehet/ mein Schaz/ unsere hoͤchste be- muͤhung/ ja alles unser tichten und trachten sol vornehmlich und vor allen Dingen dahin gerichtet seyn/ daß es zu Gottes Ehren gereiche; daß nun solches von uns geschehen moͤge/ bitten wir von Gott in der ersten Bitte: Du unser lieber himlischer Vater/ gib und ver- leihe uns diese Gnade/ daß dein Heiliger Nahme von uns nimmermehr geunehret/ oder geschaͤndet/ sondern allemahl gebuͤhrlich geehret werde; daß wir in allem tuhn und lassen deine Ehre suchen. Das heisset: Geheiliget werde dein Nahme. Naͤhst dieser Bemuͤhung nach Siebendes Buch. nach der Ehre Gottes/ muß dieses unser vornehmstes seyn/ daß wir moͤgen in der Gnade Gottes stets verbleiben/ also/ daß wir in diesem Leben wahre Gliedmassen seines Gnaden- Reichs/ oder der Christlichen Kirchen; und in dem kuͤnfftigen ewigen Leben wahre Glied- massen seines herlichen Reichs oder der himlischen Seligkeit seyn. Dieses bitten wir von Gott/ wann wir in der andern Bitte sprechen: Zukomme dein Reich. Weil wir schwache suͤndige Menschen aber durch uns selbst nicht wissen uns also zubezeigen in unserm tuhn und lassen/ als Gottes Wille erfodert/ und wir allemahl wider Gottes Ehre handeln/ wañ wir wider seinen Willen handeln/ auch die angebohrne Suͤnde uns immerzu reizet/ dassel- be vorzunehmen und fortzusetzen/ was den fleischlichen Luͤsten und Begierden lieb und an- genehm ist/ welches dann allemahl wider Gottes Willen/ und folgends wider Gottes Eh- re streitet/ so müssen wir Gott den HErr bitlich ersuchen/ daß wie die Heiligen Engel/ und die Seelen der verstorbenen glaͤubigen Menschen nicht suͤndigen/ sondern dem Willen Gottes sich in allem gemaͤß bezeigen/ also wolle unser gnaͤdiger himlischer Vater uns mit seinem Heiligen guten Geist erleuchten und führen/ daß wir ja nicht wider seinen heiligen Willen handeln/ das ist/ daß wir ja nicht suͤndigen/ sondern uns von Sünden enthalten/ und nach seinem Willen unser Leben anstellen und fuhren moͤgen. Sehet mein Schaz/ die- ses bitten wir von Gott in der dritten Bitte/ wañ wir sprechen/ Dein Wille (du lieber Him- lischer Vater) geschehe/ (werde bey uns und von uns im heiligen Wandel geleistet) wie im Himmel (von den Engeln und von den in die Seligkeit auffgenommenen Seelen)/ also auch auff Erden (von uns annoch hieselbst lebenden Menschen). Darauff fahren wir fort/ und bitten von unserm himlischen Vater/ weil wir durch unsere eigene Krafft und Vermoͤgen uns nicht koͤnnen die leibliche Nahrung schaffen/ sondern dieselbe als arme duͤrfftige Kinder aus Gottes Gnadenhand empfangen muͤssen/ dz er uns solche Nahrung/ als viel wir zu unsers Lebens Unterhalt beduͤrffen/ alle Tage/ biß an unser Lebens Ende be- scheren wolle/ und solche Lebens Nohtturfft heissen wir das taͤgliche Brod/ da wir in der vierden Bitte sprechen: Unser taͤgliches Brod gib uns heute; Oder; gib uns alle Tage/ wessen wir Zeit unsers Lebens zu unser Unterhaltung beduͤrffen. Weiters/ so muͤssen wir uns er- innern/ daß weil wir die Erbsuͤnde an uns haben/ und wir dieselbe nicht gaͤnzlich ablegen koͤnnen/ so lange wir in dieser Schwacheit leben/ sondern solche Erbsuͤnde uns taͤglich zu suͤndigen anreizet/ so daß wir nicht allerdinge uns von den Suͤnden der Schwacheit ent- halten koͤnnen; und aber auch solche Suͤnden uns die Verdamniß zuwendetẽ/ wann sie uns nicht von Gott aus Gnaden vergeben wuͤrden; Gott aber dieselben niemand vergeben wil/ als welche ihn in wahrer Busse herzlich darumb ersuchen; sehet so haben wir hoch von noͤhten/ daß wir unsern himlischen Vater anflehen/ er wolle nicht mit uns handeln nach unsern Suͤnden/ und uns nicht vergelten nach unser Missetaht/ sondern uns dieselben um seines lieben Sohns JEsus Christus willen (welcher vor unser Suͤnde hat gnug getahn) gnaͤdiglich vergeben; daher bitten uñ sprechẽ wir in der fuͤnften Bitte: Und vergib uns unsere Schulde; unsere Suͤnden schuldẽ/ auch diese/ damit wir OGott dich taͤglich aus schwacheit beleidigen. Wir setzen aber ganz merklich diese Wort hinzu: Als wir vergeben unsern Schul- digern. Gott hat uns befohlen/ daß wann wir von andern beleidiget werden/ sollen wir de- nen solches gerne vergeben/ und sie deswegen nicht hassen noch anfeinden/ so gar/ daß/ wo a a a a ij wir Siebendes Buch. wir diesem Befehl Gottes zur bruͤderlichen Versoͤhnligkeit nicht nachstreben/ sondern uns suchen aus eigener Bewaͤgung zuraͤchen/ so wil uns Gott unsere Suͤndenschuld auch nit vergeben/ damit wir ihn taͤglich beleidigen/ sondern er wil uns unsere Suͤnde vorbehalten zur ewigen hellischen Verdamniß. Und solches hat uns unser Gott nicht allein in seinem Heiligen Wort gedraͤuet/ sondern auch hieselbst in diesem Gebeht befohlen/ daß wir uns selbst Gottes Straffe uͤber den Halß bitten sollen/ wann wir unsern Beleidigern nicht ver- geben wollen; dann wir muͤssen ja außdruͤklich sprechen: Gleich wie wir unsern Beleidi- gern ihre Beleidigung vergeben/ also wolle und solle unser Gott uns unsere Suͤnde auch vergeben. Und eben dieses treibet uns Christen an/ daß wir langmuͤhtig sind/ und unsern Feinden gerne vergeben. Das Fraͤulein fiel ihm hieselbst in die Rede/ und sagte: Ich habe Gott Lob alles wol verstanden/ was mein Schaz mir an stat einer Erklaͤrung mitgeteilet hat/ und ich solchen Verstand von mir selbst nicht wuͤrde gesunden haben. Aber es faͤlt mir bey dieser fuͤnften Bitte eine Frage ein/ ob wir dann den Wendischẽ Raͤubern/ Krito/ Got- schalk/ uñ ihren Gehuͤlffen auch die Beleidigung vergebẽ/ und sie deswegẽ ungestrafft lassen muͤssen; ich meine ja es erfodere die Gerechtigkeit selbst/ daß solche Raͤuber und Gewalt- taͤhter gestraffet werden. Der Fuͤrstantwortete: Mein Fraͤulein tuht wol/ daß sie diesen Einwurff auffgeloͤset zu werden begehret. Grobe Ubeltahten und Suͤnde/ welche vorsezli- cher muhtwilliger weise begangen werden/ als da sind/ Mord/ Raub/ Diebstahl/ Ehebruch und dergleichen/ hat Gott in seinem Wort ernstlich gebohten/ daß sie von der Obrigkeit ge- straffet werdẽ/ so gar/ daß wo dieselbe inbestraffung solcher Boßheit nachlaͤssig ist/ wil Gott diese Nachlaͤssigkeit hart und schwer an der Obrigkeit straffen; aber solche Straffe mus nit ergehen aus Rachgier oder sonderlicher Feindschafft wieder denselben der solche Boß- heit veruͤbet hat/ sondern es mus geschehen aus Liebe zur Gerechtigkeit/ und aus gehorsam gegen Gott; und mus doch inzwischen/ wann die Obrigkeit selbst durch solche Ubeltaͤhter beleidiget wird/ mus sie zwar die Ubeltaht an den Taͤhtern straffen/ aber doch so viel an ih- nen ist/ es dem Beleidiger vergeben/ der dannoch dasselbe zur Straffe ausstehen mus was ihm Gott aufferlegt hat. Ein Mensch aber/ der nicht Obrigkeit ist/ und von seinem Naͤhe- sten beleidiget wird/ mus nicht sein eigen Richter oder Raͤcher seyn/ sondern der Obrigkeit es klagen/ derselben es als Gottes Dienerin in die Hand geben/ und in allem ohn Rachgier verfahren. Jedoch ist niemand verbohten eine Nohtwehre zu tuhn/ wann er von einem andern moͤrdlich uͤberfallen wird. Ich bin hiemit zu frieden/ sagte das Fraͤulein/ und ist mir mein zweifel dadurch benommen/ wolle demnach mein Schaz in Erklaͤrung der uͤbrigen zwo Bitten fortfahren. Die sechste Bitte/ antwortete Arbianes lautet also/ Und fuͤhre uns nicht in versuchung. Die versuchung ist zweyerley; Eine heilsame/ und eine schaͤdliche Ver- suchung. Die heilsame ruͤhret her von Gott/ und ist diese/ wann er uns zeitliches Ungluͤk zu schicket/ durch welche er uns von den weltlichen Luͤsten abzihen/ und zu seinem Gehorsam leiten; oder dadurch er unsere Geduld und Bestaͤndigkeit im Glauben pruͤfen und beweh- ren wil. Welche Versuchungen/ weil sie uns gut und zur Seligkeit befoͤderlich sind/ muͤssen wir von Gott willig annehmen/ und nicht wieder seine Schickungen murren/ sondern nur bitten/ daß Gott gnaͤdig seyn/ und dieselben uns nicht zu schwer machen wolle. Die andere Versuchung ist die schaͤdliche/ da ein Mensch versuchet oder angetrieben wird zu einer odeꝛ ander Siebendes Buch. andern groben Suͤnde/ oder wann er wegen der begangenen Suͤnde versuchet und ange- trieben wird zur Verzweifelung; welche aber nicht von Gott herruͤhret/ sondern von dem Teuffel/ von den gottlosen verfuͤhrischen Leuten/ und wol von unserm eigenen boͤsen willen des uͤppigen Fleisches. Daß wir nun in dieser sechsten Bitte sprechen: Du lieber himli- scher Vater/ fuͤhre du uns nicht in Versuchung/ ist also zuverstehen; du gnaͤdiger Gott/ gib es doch dem Teuffel/ oder den gottlosen Menschen/ oder unsern sündlichen Begierden nicht zu/ daß wir von ihnen durch schaͤdliche Versuchungen zur Suͤnde/ noch hernach zur Ver- zweifelung verfuͤhret werden/ sondern steure und wehre denselben/ und wende solche Ver- suchungen gnaͤdiglich von uns abe. In der siebenden und lezten Bitte fassen wir nun alles zusammen/ daß uns Gott von allem schaͤdlichen uͤbel Leibes und der Seele erloͤsen wolle/ und solches alles wolle er nach seiner Gnade durch seine Kraft an uns verrichten. Welches wir mit einem glaͤubigen Amen beschliessen/ durch welches Wort wir bezeugen/ wir haben den ungezweifelten Glauben/ und die Hoffnung zu Gott unserm himlischen Vater/ er wer- de uns umb seines lieben Sohns willen erhoͤren/ und uns die Bitte geben/ die wir von ihm gebehten haben. Nach geendigter dieser Auslegung des Vater unsers/ ermahnete er das Fraͤulein/ daß wann unser Gott uns Unglük und Wiederwertigkeit zuschickete/ muͤsten wiꝛ nicht unwillig auff ihn werden/ oder gar von ihm abfallen/ sondern wann er uns gleich gar toͤdten und umbkommen liesse/ muͤsten wir ihm doch nicht umb ein Haar weniger/ als in der hoͤchsten Gluͤkseligkeit anhangen/ und solche zeitliche Straffen vor eine vaͤterliche und gnaͤdige Zuͤchtigung erkennen/ als welche zu unser besserung uns allemahl angelegt wūr- de/ damit wir in dieser Welt gleichsam als durch ein Feur gelaͤutert/ an der ewigen Selig- keit nicht Schiffbruch erlitten. Schließlich beschrieb er ihr die unsaͤgliche Freude des him- lischen ewigen Lebens durch Gottes eingeben (wie ers dann ehmahls in den Predigten ge- hoͤret hatte) so fein und anmuhtig/ daß sie daher eine sonderliche Wollust in ihrem Herzen empfand/ und sich verpflichtete/ sie wolte alles Ungluͤk/ was ihr auch begegnen wuͤrde/ ge- duldig ertragen/ und zu Gott das feste vertrauen haben/ es waͤhre ihm ja so leicht/ sie von diesem Haͤu/ da es ihm gefiele/ wieder auff ihres Herrn Vaters Groß Fürstliche Schloß zubringen/ als sie durch raͤuberische Entfuͤhrung davon auff dieses Haͤu gerahten waͤhre. Daß ist recht und wol geredet/ mein herzgeliebtes Fraͤulein/ sagte er; zweifele auch nicht/ der barmherzige Gott werde uns mit seinen Gnaden-Augen ansehen/ und erinnere ich mich Groß Fuͤrst Herkules taͤglichen trostes/ da er stets zu sagen pfleget: Ich bin gewiß/ und dessen versichert; daß unser Gott getraͤu ist/ der uns nicht laͤsset versuchen uͤber unser vermoͤgen/ son- dern schaffet endlich/ daß die Versuchung also ein Ende gewinne/ daß wirs koͤnnen ertragen. Ja wann uns Gott gleich eine Kreuzes- oder Ungluͤslast wegen unser Suͤnde aufflege/ so helf- fe er doch allemal uns dieselbe tragen/ lege seinen Gnaden Hand unter und hebe selbst nach; und wann wir muͤde sind/ alsdann nehme er sie gar von uns hinweg/ und werffe sie ins Meer. Mit diesen und andern troͤstlichen Reden machete er das liebe Fraͤulein so stand- feste/ daß sie sich erklaͤrete/ wann es eine solche beschaffenheit mit dem Ungluͤk haͤtte/ daß uns Gott solches nicht aus Zorn/ sondern/ wie er sagete/ unsern Gehorsam zu prüfen aufflegete/ so moͤchte sich ja ein Mensch gluͤkselig schaͤtzen/ wann ihn Gott zu seiner selbst eigenen bes- serung dergestalt mit der vaͤterlichen Zuchtruhte heimsuchete. Aber sie redete noch zur a a a a iij Zeit Siebendes Buch. Zeit als eine Unerfahrene/ wiewol sie sich dessen hernach zu ihrem besten oft erinnerte/ und ihr betruͤbtes Herz dadurch gewaltig staͤrkete. Sie gerieten endlich wieder auf das Anden- ken ihrer Verwanten/ und wolte das Fraͤulein gerne berichtet seyn/ wie sichs eigentlich mit Koͤnig Ladisla Heyraht zugetragen haͤtte/ dessen Gemahls loͤbliche Tugenden und Schoͤn- heit Libussa ihr sehr geruͤhmet/ daß sie nicht wenig verlangen truͤge/ in ihre Kundschaft zu- kommen. Ja mein Fraͤulein/ sagete er/ die Roͤmerinnen tragen auch hohe begierde/ sie zu sehen/ aber heftig beklagen sie es/ daß eure Liebe mit ihnen nicht werde unterretung halten koͤnnen/ nachdem jenen das Teutsche noch zur Zeit unbekant ist/ und neulich erst den An- fang gemacht haben/ in dieser Sprache sich unterrichten zu lassen. Je mein Fuͤrst/ antwor- tete sie/ weis seine Liebe dann noch nicht/ was vor eine gelehrte Braut dieselbe an mir be- kommen? dann meine Bruͤder/ und Koͤnig Ladisla selbst haben in meiner Kindheit mich immerzu in der Lateinischen Sprache geuͤbet/ daß ich solche nicht allein verstehen/ sondern auch zur Noht mit reden kan/ ob ich mich gleich zuzeiten auff die Worte und deren zusam- men fuͤgung etwas bedenken mus. Ey so mus mein Fraͤulein das Latein fleissig treiben/ sagte er/ dann also kan sie mit meinem Herr Vater und Fuͤrst Pharnabazus unterredung pflegen/ welches ihnen sonderlich lieb seyn wird/ biß sie etwa unsere Sprache wird gefasset haben/ die ungleich leichter zu lernen ist/ als die uͤberaus schwere Teutsche. Auch wollen wir/ da euer Liebe es gefaͤllet/ nach diesem mehrenteils Lateinisch miteinander reden/ wann wir allein sind/ weil das Teutsche mir ohndas saur genug wird. Die reine Warheit zusa- gen/ antwortete sie/ mus ich bekennen/ daß mein Fuͤrst die Teutsche Fertigkeit noch nicht gefasset/ wiewol er seines herzens anliegen noch mehr als zu deutlich an den Tag geben kan. Aber wie hat er doch immer und ewig das Reimen-tichten so wol gelernet/ daß er sie gar dreyfach schraͤnken kan? Mein Seelichen/ sagte er/ darzu waͤhre ich eben so geschikt als der Esel zum Lautenschlagen/ wann ich mich dessen unterwinden wuͤrde; aber meine Fr. Schwester hilft mir damit zu rechte/ ja daß ichs eigen sage/ sie setzet sie uͤber/ aus meiner Medischen oder Lateinischen Tichterey/ sonst wuͤrde es uͤber die masse elende Reimen und abmaͤssung der Woͤrter geben; und wann ich wissen solte/ das meinem Fraͤulein belieben koͤnte/ eines anzuhoͤren/ welches ich ehmahls in meiner Mutter Sprache gnug verwirret/ ihr zu ehren und Gedaͤchtnis getichtet/ die Groß Fuͤrstin aber hernach in das Teutsche ge- bracht/ wuͤrde ich mich erkuͤhnen/ es herzusagen/ weil doch hieselbst keine Singenszeit ist. Das Fraͤulein hielt alsbald eiferig an/ ihr diesen freundlichen Willen zuerzeigen/ weil das erste ihr sehr wol gefallen haͤtte. Worauff er dieses vortrug. 1 O Grausame Furcht im Lieben/ Wie ist deine Glut so heiß? Die noch keiner recht beschrieben/ Keiner zubeschreiben weiß! O du gar zu herbes Quaͤlen; Mus ich dann ohn Ruh und fehlen Bald nur Feur seyn/ bald nur Eiß? 2 Meine Lust ist weit entsessen; Ja bin ich dann wol so wehrt; Das die/ so ich ganz vermaͤssen Liebe/ meiner auch begehrt? O grausame Furcht im Lieben/ Die noch keiner recht beschrieben/ Er mag fahren wie er faͤhrt. 3 Freilich mus ich rund bekennen/ Daß ich gar zu freche bin. Darumb mus ich schier verbrennen/ Und doch kan ich meinen Sinn Nicht von dieser Sonnen wenden/ Haͤtt’ich gleich an andern enden Einen sicheren Gewin. 4 Nun Siebendes Buch. 4 Nun es gehe wie es wolle/ Meine Liebe brech’ich nicht/ Ob gleich auff der Parken Rolle Meines Lebens F adem bricht. Dann ohn dieser Sonnen Strahlen/ Die mein Herz so schoͤn bemahlen/ Hab ich weder Schein noch Licht. 5 Fraͤulein/ deren hohe Gaben Selbst der Himmel zeuht hinan/ Weil sie mehr als Menscheit haben/ Ach nehmt euren Sklaven an/ Der durch eurer Bildnis blicken Noch vor Liebe mus ersticken/ Und sich kaum mehr kennen kan. 6 O du klarheit laß dich finden/ Brich die Dunkelheit in mir/ Meine Geister die verschwinden/ Meine Seele berstet schier/ Und die Kraͤfte sind erlegen/ Weil vor harten Liebes-Schlaͤgen Ich mus seufzen fuͤr und fuͤr. 7 Nun ich wil des Gluͤckes warten/ Gibt das warten mir gleich Pein; Vielleicht duͤrfte sichs noch karten Daß der klare Sonnenschein Mein Anschauen wird erleiden/ Alsdann werd’ich voller freuden Und durchaus vergnuͤget seyn. Wol zufrieden mein allerschoͤnstes Seelichen; wol vergnuͤget mein aller teurester Schaz/ fuhr er weiter fort/ nach dem die Hoffnung mich nicht ganz verlassen/ sondern schon in so weit besehliget hat/ daß ich die muͤndliche Zusage erhalten/ und die hoͤchst gewuͤnschete Volstreckung nicht ferne zu seyn hoffe; daher mich forthin nicht gereuen wird/ ob gleich ih- retwegen ich mannichen schweren Herzensprast außgestanden habe. Ach mein allerwer- dester Fuͤrst/ antwortete sie; billich rechne ich mich unter die gluͤkseligen/ daß von ihm ich dermassen herzlich geliebet/ und uͤber Wirdigkeit hoch geschaͤtzet werde/ und hat er sich nicht zubefahren/ daß ich einem solchen getraͤuen Liebhaber einige Vergnuͤgung solte auf zuschie- ben Willens seyn/ so bald ich mich nur bey meinen lieben Eltern und Verwanten finden werde. Ich gelebe der troͤstlichen Hoffnung/ sagete er/ und wil in guter Geduld erwarten/ wann das Gluͤk mir die vollige Niessung ihrer Gunst und Liebe in ehelicher traͤue und zu- laͤssiger Beluͤstigung goͤnnen wird. Weil aber die Sonne ihren Lauff schier zum Ende ge- bracht/ und sich unter die Erde verstecken wil/ werde ich mein Fraͤulein bitten/ mir zugoͤn- nen/ daß ich sie mit meiner Kunst Farbe anstreiche/ und den herlichen Sonnenschein ihres liebreichsten Angesichts unter dieser Wolke verberge; endlich ihr auch diese baͤurische Kleidung anlege/ um zubesehen/ wie stolz dieselben sich werden duͤnken lassen/ daß sie diesen ihren allerwolgestaltesten Leib zubedecken gewirdiget werden. Das fromme Fraͤulein hatte vor diesem dergleichen verliebete reden nie gehoͤret/ viel weniger der Liebe Anmuht ihr ein- bilden koͤnnen/ die anjetzo ihr mit uͤberhaͤuffetem Masse eingeschenket ward/ daher sie aller- dinge sich darein nicht zuschicken wuste; dañ ihr auffrichtiges unbetriegliches Herz mei- nete nicht/ daß etwas an ihr waͤhre/ wodurch ein solcher Fuͤrst zu dergleichen hohen Nei- gungen solte koͤnnen gereizet werden/ daher baht sie ihn/ er moͤchte sie nicht uͤber Wirdig- keit erheben/ noch mit dergleichen Lobreden belasten/ die nur eine Schahm in ihr erwecke- ten/ daß sie gedenken und argwohnen muͤste/ es waͤhre zum Auffzuge angesehen/ und wolte vielleicht er sie erforschen/ ob eine toͤhrichte Einbildung und naͤrrischer Ehrgeiz hinter ihr steckete/ daß sie in unverdieneten Ruhm gehehlen koͤnte; welches er mit traurigem Gesich- te beantwortete/ O ihr meines Lebens Meisterin/ sagte er/ kan mein Fraͤulein so wiedrige Gedanken von ihrem ergebenen Knechte fassen/ oder hat sie dessen irgends an mir gespuͤret was zu ihrer Großfuͤrstlichen Hocheit Verkleinerung gereichen moͤchte? und warumb wil Siebendes Buch. wil sie ihre Vortreffligkeit doch nicht erkennen/ oder vielmehr mir verbieten/ solche zuver- ehren/ und ihr den gebuͤhrlichen Preiß zuzulegen/ welches doch weder ich noch einiger Mensch voͤllig leisten kan? Umfing sie hiemit inniglich/ und baht mit beweglicher Rede/ ihn hinfuͤro des ungleichen verdachts zuerlassen/ welcher ihn mehr als der Tod selber schmerzete. Wann es dann so seyn muß/ antwortete sie/ daß mit aller Gewalt ich mich einer sonderlichen Schoͤnheit und anderer beywohnenden Volkommenheiten in meinem grossẽ Mangel sol bereden lassen/ wil ichs meinem allerliebsten Fuͤrsten zugefallen so lange mit glaͤuben/ biß er sich eines andern besinnen/ und mir solches hernach selber wieder auß dem Sinne schwatzen wird; vor dißmahl aber wolle mein liebster mit der Verstellung meines Angesichts fortfahren/ damit ich hernach auch mein ehrbahres Kleid anlegen koͤnne. Ar- bianes hieß Wolffgangen Wasser herauff geben/ womit er die Farbe zurichtete/ und vor erst ihr Goldgelbes Haar braͤunlich machete/ uͤber welche Veraͤnderung sie sich nicht we- nig verwunderte; hernach streich er ihre Haͤnde und Arme biß zu den Ellenbogen an/ und zulezt ihr Gesicht/ Hals und Kehle/ da sie ihren kleinen Spiegel hervor suchete/ und in dem selben sich besehend/ hochbeteurete/ sie kennete sich selbst nicht mehr. Endlich verfuͤgete sie sich in einen absonderlichen Winkel/ zohe ihre Fuͤrstlichen Kleider ab/ und legte die wolzu- flicketen Lumpen an/ schuͤrzete sich in Gestalt einer Dienstmagd zimlich auff/ zohe grobe wuͤl- linne Struͤmpffe/ und breite Schuch an/ in welchen sie einen guten Teil Haͤu stopffen mu- ste/ damit sie ihr nicht von den Fuͤssen fielen. Inzwischen stürzete ihr Arbianes eine weisse Muͤtze auff/ und uͤber dieselbe eine schwarze vierdraten/ mit woͤllinen Frenseln umher be- setzet/ haͤngete ihr leztlich ein weisses grobes Leilach umb/ dessen hinter Zipffel ihr biß an die Waden herab hing/ und als sie der gestalt baͤurisch gnug außgeputzet wahr/ sagte sie zu ihm; jezt erinnere ich mich der vorigen Rede meines Fuͤrsten/ daß er sich nicht wegern wolte/ in diesem Huͤtlein vor einen Knecht zudienen/ wann ich Magd oder Tochter drinnen waͤhre; ey so betrachte er mich doch nun recht eigen/ ob ich nicht vor eine grobe Bauren Dirne mit lauffen kan. Ja/ sagte er/ nach der jetzigen Kleidung und angestrichenen Farbe zwar wol; wie aber/ mein Fraͤulein/ wann ihr die Kleider außgezogen wuͤrden! Ach da- vor bewahre mich der Almaͤchtige Gott/ antwortete sie/ und lasse mich ja lieber auff die- ser Stelle die Seele außblasen. Ich bin aber des starkriechenden Haͤues von Herzen uͤber- druͤssig/ und moͤchte wuͤnschen/ daß wir alsbald fortgehen solten/ weil ich mich sehr wol zu- fusse befinde; ist mir auch insonderheit lieb/ dz das heutige heisse Wetter sich in einen Regẽ zu verendern wollen scheinet/ und in solcher Witterung man umb soviel weniger auff uns acht haben wird/ wil auch lieber durchhin naß werden/ als im finstern gehen/ dann bey Nacht Zeit ist es gaꝛ zu gꝛauhafft/ und wann uns alsdann jemand auffstossen solte/ duͤrffte man allerhand wiedrige Gedanken wegen unser naͤchtlichen Reise fassen. Der Fuͤrst ließ ihm solches wolgefallen/ ꝛieff Wolffgangen und fꝛagete/ ob sie noch zeitig gnug in die Stad kommen koͤnten/ wann sie sich jezt mit dem Regen auffmacheten. Ja mein Herr/ sagte er/ nun waͤhre wol die gewuͤnschete Zeit/ wann nur eure Fr. Schwester sich im nassen behel- fen und den Regen leiden koͤnte; ob wir dann gleich etwas spaͤte nach geschlossenem Tohr kommen wuͤrden/ habe ichs schon mit einem Trinkgelde bey dem Tohr Huͤter bestellet/ daß wir sollen eingelassen werden. Arbianes machte sich alsbald in seine Kleider/ nam sein Geld Siebendes Buch. Geld und Kleinote/ deren er unterschiedliche bey sich hatte/ zu sich/ hing die Bauren Ploͤtze an die Seite/ und hatte mit dem Fraͤulein muͤhe gnug/ ehe er ihr von der steigerẽ Leiter hel- fen kunte. Als sie hinunter kahmen/ gedauchte den Alten/ das Fraͤulein waͤhre ihm gestern Abend im dunkeln ungleich schoͤner vorkommen/ wolte doch nach ihrer Verenderung nicht fragen/ sondern reichete ihr ein weisses Staͤblein/ wo bey sie gehen solte/ welches sie mit diesen Worten hinnam: Lieber Vater/ ihr habt wol als ein Vater bey mir gehandelt/ welches ich auch als eine dankbahre Tochter erkennen wil/ und vor diesen Stab euer Stab im Alter seyn/ so und dergestalt/ daß ihrs nicht besser wuͤnschen sollet. Wuͤrde sich nun al- hie bey euch meinetwegen weitere Nachfrage begeben/ die von dem Teutschen Großfuͤrsten oder seinen Soͤhnen herruͤhrete/ so stellet ihnen meine auff dem Haͤu hinterlassene Kleider zu/ und berichtet alles was ihr von mir wisset/ insonderheit/ da inwendig sieben Tage ihr von uns keine Botschafft haben soltet/ so schaffet euch Fuhre umb dieses Geld (dann sie legete ihm 20 Kronen in die Hand) fahret hin/ wo das Teutsche Heer sich auffhalten wird/ und bringet meine Kleider hochgedachten Herrn uͤber/ die werden euch schon des Weges zu- lohnen wissen. Dieser euer Wolffgang aber sol mein Diener seyn/ und sein kuͤnfftiges Glük noch zur Zeit nicht außrechnen koͤnnen. Ach liebe junge Frau/ antwortete der Alte/ so hohes erbietens bin ich nicht wirdig/ und moͤchte nur wuͤnschen zuwissen/ was vor liebe Leute ich beherberget habe/ welches bey mir sterben solte. Das Fraͤulein fragete den Fuͤrsten auff La- teinisch/ ob sie ihm etwas Nachricht geben duͤrffte/ und auff Erlaͤubniß nam sie ihn abson- derlich/ und sagte zu ihm; Sehet Vater/ daß ihr vor erst meinen guten Willen spuͤret/ ver- sichere ich euch in hohem vertrauen/ dz ihr Bꝛaut uñ Braͤutigam beherberget habet/ welche Gott wundeꝛlich zusammen gesellet hat/ und ihꝛes Standes so hoch sind/ als einigeꝛ Mensch in diesem Koͤnigreiche. Der Alte erschrak dessen hoͤchlich/ baht um Gnade und Verzeihung/ wuͤnschete ihnen Gluͤk und sichere Reise zu den ihrigen/ und befahl sich ihrer beharlichen Gewogenheit. Arbianes nam auch freundlichen Abscheid von ihm/ bedankete sich der er- wiesenen Traͤue/ und versprach ihm gnugsahme Vergeltung neben der Erinnerung/ er sol- te seine und seiner Liebsten Kleider beyeinander lassen/ und sie/ wann er etwa abgehohlet wuͤrde/ mit sich bringen. Welches er willig versprach/ auch zugleich eine Vorbitte wegen seines ungehorsamen Sohns einlegete/ damit derselbe auch dereins seiner Befoderung moͤchte zugeniessen haben; dann er waͤhre jung/ und von boͤser Geselschafft verleitet/ wuͤr- de alsdann das boͤse wol ablegen/ und alle Moͤgligkeit leisten. Worauff Arbianes ihm al- len freundlichen Willen verhieß; nam einen Springstecken zur Hand/ ließ Wolffgang mit dem Fraͤulein ein wenig voran gehen/ und folgete gemehlig nach/ Gott den HErrn von Herzen anflehend/ er moͤchte ihr Geleitsman seyn/ und sie in kurzen zu den ihren brin- gen. Als sie in das offene Feld kamen/ und zwischen dem Korn/ welches gleich in der Bluͤ- te stund/ daher gingen/ erhub sich ein uͤberaus ungestuͤmes Ungewitter/ da nicht allein ihnẽ der Wind gerade entgegen stund/ welcher den scharffen Regen mit zimlichen grossen Schlossen vermischet/ ihnen ins Gesichte schlug/ sondern der Bliz und Donner sich der- gestalt sehen und hoͤren ließ/ daß auch ein Herzhaffter dadurch in Furcht und Schrecken gesetzet ward. Das Fraͤulein beschirmete ihr Angesicht mit dem Leilach so best sie kunte/ und wurden sie ingesamt in kurzer Zeit so pfuͤtzenaß/ daß ihnen kein trockener Fadem uͤbrig b b b b blieb. Siebendes Buch. blieb. Arbianes beklagete das Fraͤulein sehr/ und fuͤhrete sie stets unter dem Arme/ welche sich aber keine Ungelegenheit verdriessen ließ/ vorgebend/ sie haͤtte nie keinen angenehmern Lustgang verrichtet/ und koͤnte das Wetter so ungestuͤm nicht seyn/ daß sie es nicht schaͤrffeꝛ wuͤnschete/ wann sie nur hiedurch vor Unfal gesichert wuͤrde; aber als sie den Weg zur Helffte gbracht hatten/ ließ der Regen nach/ und gingen neben etlichen grossen Baͤumen her/ hinter welchen sich drey verschlagene Wendische Fußknechte wegen des Regens auf- hielten/ deren einer ein Schwert bey sich führete/ die andern beiden aber mit langen Pruͤ- geln sich versehen hatten. Sie macheten alsbald einen Anschlag auff die unsern/ ihnen/ wz sie etwa bey sich haͤtten/ abzunehmen/ weil sie sonst keine Leute im Felde spuͤreten/ insonder- heit hatten sie Lust/ Arbianes umb seine Baurenploͤtze zubringen/ und sich damit zuwapnẽ/ daher sie alle drey mit einander loßbrachen/ und der eine sein Schwert/ noch ehe sie gar na- he kahmen/ entbloͤssete/ welches Arbianes ersehend/ dem Fraͤulein einẽ Muht einredete/ sie solte sich wegen dieses uͤberfalles durchaus nicht fuͤrchten/ sondern bey Wolffgangen blei- ben/ oder/ welches das beste/ sich nur an den einen Baum nidersetzen/ massen da diese Raͤu- ber ihnen etwas würden anmuhten seyn/ sie es bald gereuen solte. Hernach hieß er Wolff- gangen ein gutes Herz fassen/ und mit seinem Springstecken sich dem einen frisch entgegẽ setzen/ oder nur abwehren/ daß er von ihm mit dem Pruͤgel nicht getroffen wuͤrde/ er wolte mit Gottes Huͤlffe den andern beiden Mannes gnug seyn. Kaum hatte er solches ausge- redet/ da rieffen jene ihnen zu/ sie solten stille stehen/ oder alsbald niedergemacht werden. Das Fraͤulein verließ sich auff Gott und ihres Fuͤrsten Herzhafftigkeit/ daher sie ohn ei- nige Wehklage sich nidersetzete/ nicht zweifelnd/ dieser Streit wuͤrde bald geendiget seyn. Arbianes aber gab den Ansprengern zur Antwort; was sie ihnen zugebieten haͤtten zu ste- hen oder fortzugehen? sie solten sich bald packen/ und der eine das Schwert in die Schei- de stecken/ oder es wuͤrde noch vor abends mit ihnen dreckicht gehen werden. Diese liessen auff solche Draͤuung sich trotzig vernehmen/ weil sie keine Gnade erkennen koͤnten/ müsten sie ohn alles erbarmen in gruͤner Heide das Leben verlieren; da dañ der eine mit dem Pruͤ- gel auff Wolgang loßging/ der andere sich auff die Huht stellete/ ob diesen etwa ein Entsaz zukommen wuͤrde/ der mit dem Schwerte aber sich an Arbianes machete/ des festen Vor- satzes/ ihn alsbald niderzumachen; welcher aber mit seiner kurzen Ploͤtze sich zum recht- maͤssigen Gefechte stellete/ und seines Feindes getrost erwartete. Dieser erkennete hieraus/ daß der vermeynete junge Baur der Fecht Kunst nicht allerdinge unwissend seyn muͤste/ gedachte doch/ weil er selbst ein guter Fechter wahr/ ihm etliche blutige Streiche zuversetzẽ/ biß er ihn wuͤrde auffgerieben haben/ da er sich dann nicht wenig auff sein langes Schwert verließ. Arbianes aber achtete sein nit/ gab nur acht/ wie es Wolffgang mit seinem Man- ne ergehen würde/ und als er merkete/ daß diese beiden einer dem andern gewachsen wahꝛẽ/ hielt er seinen Feind mit Worten auff/ und fragete ihn/ was ihn so kuͤhn machete/ die In- wohner dieses Landes auff freyer offener Landstrasse zuuͤberfallen/ und moͤchte gerne wis- sen/ ob er ihn vor einen Moͤrder und Raͤuber/ oder vor einen abgestrichenen Landsknecht halten solte. Diesen verdroß der Spot/ und begunte hefftig auff Arbianes loßzudringen/ welcher mit einem kurzen Lager ihm auffwartete/ auch nicht lange anstund/ daß er ihm ei- nen Schnit uͤber das Maul gab/ daß die rohte Suppe mildiglich hervor flosse/ welches die- sen Siebendes Buch. sen zum wuͤtigen Eifer verursachete/ daß er ihm auch wol einen Tod durch Pein draͤuen durffte; woruͤber sich Arbianes erzuͤrnete/ ihm eintrat/ und mit einem quehrhiebe ihm den Unterbauch oͤfnete/ daß ihm das Gedaͤrme zum Leibe heraus floß/ und vor Ohmacht das Schwert fallen ließ; Arbianes machte sich alsbald hin nach dem dritten/ der auff die Huht gestellet wahr/ welcher schon mit fluͤchtigen Gedanken umging/ weil er seines Gesellen Un- fall von ferne sahe/ und uͤber das unbewehret wahr; sein Feind aber saß ihm zu zeitig auff der Haube/ dem jener sich mit seinem grossen Pruͤgel entgegen setzete/ aber denselben mit samt der abgehauenen rechten Hand bald fallen ließ/ und ihm bald darauff mit einem hie- be der Schedel geoͤffnet ward/ daß das Gehirn samt dem Blute heraus flosse. Der Obsie- ger kehrete hiemit umb nach Wolffgangen/ umb zuvernehmen/ wie es ihm ginge. Dersel- be hatte nun anfangs mit seinem Ansprenger sich rechtschaffen zudroschẽ/ und sehr herbe trockene Schlaͤge ausgeteilet und angenommen; Weil er aber merkete/ daß der Wende ihm mit Fertigkeit/ die Streiche auszunehmen und zuversetzen zu gescheid wahr/ unterlie - er ihm/ und fing an mit ihm zuringen/ da sie dann sich mit einander bey den Haaren wol zu- zauseten/ biß es Wolffgangen durch seine Leibesstaͤrke geriet/ daß er diesen zur Erden nie- derwarff/ sich auff ihn setzete/ und ihm die Augen im Kopfe dergestalt zerschlug/ daß sie ihm zuschwollen. Derselbe aber gedachte an sein Brodmesser/ und suchte es hervor/ ihn damit zuerstechen/ gleich als Arbianes herzu nahete/ welcher solches sehend/ ihm im Augenblicke vorkam/ und die Hand begriffe/ als er gleich den Stich vollenden wolte/ schnitte ihm auch mit der Ploͤtze uͤber die Finger/ daß er das Messer fallen lassen muste/ und in dieser Angst fragete/ obs recht waͤhre/ daß zween sich über einen macheten. Arbianes abeꝛ lachete dessen/ reichete Wolffgang die Ploͤtze/ und befahl ihm/ den Raͤuber damit hinzurichten/ welches er mit dreyen Hieben leistete/ und die erschlagenen Buben hinter eine Hecke schleppete. So bald das Fraͤulein des voͤlligen Sieges inne ward/ stund sie auff von ihrem andaͤchtigen Gebeht/ dankete Gott mit kurzen Worten/ und eilete hin zu ihrem lieben Fuͤrsten/ welchen sie umfahend/ also anredete: Gott Lob und Dank mein Schaz/ daß wir dieser Gefahr ge- sund und unverwundet entgangen sind; lasset uns aber unsern Weg eilig fortsetzen/ damit nicht andere Buben uͤber uns kommen/ und die Gefahr vergroͤsseren. Mein Fraͤulein re- det wol/ sagte er; dann ob wir gleich solcher Uberwindungen mehr erhalten wuͤrden/ sind sie doch unruͤhmlich/ und dürffte dem guten Wolffgang das Fell gar zu hart gegerbet wer- den/ dann wo ich nicht irre/ hat er des Raͤubers Pruͤgel zimlich gekostet. Ja mein Herr/ antwortete er/ ich werde der empfangenen Stoͤsse wol etliche Tage mich zuerinnern habẽ/ danke aber eurer Gn. vor mein erhaltenes Leben/ welches der Moͤrder bedacht wahr/ mit dem Messer mir zunehmen. Derselbe hat seinen Lohn empfangen/ und wird hinfort ruhig seyn/ antwortete er; gingen also fort/ und fragete ihn Arbianes/ ob er ihm nicht koͤnte ei- ne bequeme Herberge zuweisen/ woselbst ihm ein eigen Gemach mit einem Feurheerd und zwey bereiteten guten Betten eingeraͤumet wuͤrde. Welches er beantwortete; Er dienete bey einem Gastwirt vor einen Haußknecht/ welches ein Witwer und guter Mann/ aber sehr geizig waͤhre/ haͤtte ein feines Hintergemach/ und wuͤrden sie bey demselben besser als bey keinem andern koͤnnen bewirtet werden. Welches das Fraͤulein gerne vernam/ ging mit ihrem lieben Fuͤrsten immer fort/ und gelangeten noch vor Tohrschliessens bey der b b b b ij Stad Siebendes Buch. Stad an/ gleich da eine Geselschafft trunkener Bauren heraus schwaͤrmeten/ und Arbia- nes zurechtfertigen begunten/ woher er kaͤhme/ und wer er waͤhre; welcher aber sich mit ihnen in kein Gespraͤch einlassen wolte/ sondern Wolffgangen das Wort uͤberließ/ wickelte sich also sein von ihnen loß/ ohn mit dem lezten waͤhre er schier in ein schlimmes Bad ge- rahten; dann als dieser sich an das Fraͤulein machete/ und mit ihr zutanzen/ sie bey der Hand fassete/ weil der Sakpfeiffer vor ihnen herging/ verdroß ihn solches so hart/ daß er schon im vollen Werke wahr/ von Leder zuzihen/ und den Schimpf zuraͤchen/ dafern Wolf- gang sichs nicht angenommen haͤtte/ welcher den Bauren kennete/ und ihn erinnerte/ diese fremde Jungefrau unbeschimpffet zulassen; dieser aber mit hohen Fluͤchen (sie steiff bey der Hand haltend) beteurete/ er wolte der Dirnen kein Leid antuhn/ nur sie muͤste einmahl mit ihm tanzen/ und moͤchte hernach wol ungehindert ihres Weges gehen. Arbianes sich be- siñend/ lachete endlich des Handels/ weil das Fraͤulein/ um Unheil abzuwenden/ sich zum Tantze anerboht/ da sie sich aͤusserst bemuͤhete/ ja so unhoͤflich zuspringẽ/ wie sie wol ehmals es von den Sachsischen Bauren Maͤgdlein gesehen hatte/ wiewol dieser Tanz ihre verstel- lung leicht haͤtte verrahten moͤgen/ wann daß nuͤchterne Zuseher sich dabey angefunden/ massen der Baur seiner toͤlpischen Gewohnheit nach sie dergestalt herumb schwaͤnkete/ daß die Kleider ihr zimlich in die hoͤhe flogen/ und man das zarte ihres Beins naͤhest ober dem Knie sehen kunte/ fehlete auch wenig/ sie waͤhre mit samt dem Taͤnzer übern hauffen gefal- len/ welcher im springen wegen des glatten Erdbodems ausglitschete/ und sich mitten im Koht rechtschaffen umbwaͤlzete/ das Fraͤulein aber bloß durch ihre leichte geradigkeit sich des Falles entledigte. Wolfgang nahm ihres Beines entbloͤssung wahr/ und aus der zarten Haut muhtmassete er/ sie muͤste unter dem Angesicht und an den Haͤnden mit einer Kunstfarbe verstellet seyn/ weil der Alte ihm von ihrer Schoͤnheit gesagt hatte. Der Bauꝛ machete sich aus dem stinkenden Lachen wieder hervor/ und weil der Sakpfeiffer noch im- merzu auffspielete/ wolte dieser noch weiter an den Tanz; aber Wolfgang/ auff Arbianes anmahnung machete den Spielman durch verehrung eines Groschen auffhoͤren/ da der Baur das Fraͤulein schon wieder bey der Hand gefasset hatte/ und mit diesen Worten ab- scheid von ihr nam: Dirne/ du must deine Tage wenig mit den Haͤnden gearbeitet haben/ dann niemahls habe ich so weiche Finger angeruͤhret/ als die deine sind. Das erschrockene Fraͤulein wuste hierauf so bald nicht zu antworten/ endlich sagete sie: Sie waͤhre eine Naͤh- terin/ darumb haͤtte sie keine schwelle in den Haͤnden; zog sich hiemit von ihm nach ihrem Liebesten/ welcher zu ihr sagete: Dieses wahr gleichwol noch uͤbrig/ mein Fraͤulein/ daß ich sie nicht hatte tantzen sehen. Verzeihe es euch Gott/ mein Schaz/ antwortete sie/ daß zu mei- nem grossen Ungluͤk ihr mich noch auffzihen duͤrffet; niemahls habe ich in groͤsser angst uñ ungemach getanzet/ und behuͤte mich Gottes Barmherzigkeit ja hinfort/ daß dergleichen Taͤnzer ich nimmer wieder an die Hand bekomme; aber lasset uns schleunig fortgehen/ daß ich nicht weiter ansprach von den Trunkenbolzen bekomme/ und Wasser haben moͤge/ mei- ne besudelten stinkenden Haͤnde abzuwaschen. Fassete ihn bey der Hand/ und ging mit ihm zum Stadtohr ein/ klagend/ es haͤtte der grobe Baur mit seiner steinharten Faust ihr die Finger dergestalt zerdruͤcket/ daß sie ihr rechtschaffen schmerzeten. Als sie in das Wirts- haus anlangeten/ sagte Wolfgang zu seinem Herrn; Hie sind fremde Leute auff dem Wege zu Siebendes Buch. zu mir kommen/ und haben mich umb nachweisung einer guten Herberge gebehten/ wo ihr sie nun am besten lassen koͤnnet/ werdet ihr wissen. Sein Herr fing an mit ihm zuschelten/ ob er Kost und Lohn mit muͤssiggehen verdienen koͤnte/ moͤchte er sich nach einem solchen Herrn umbsehen; er haͤtte ihm diesen Tag uͤber durch versaͤumnis einen Gulden schaden getahn/ welches er bey der Ablohnung wol finden wolte. Ich habe es nicht endern koͤnnen/ antwortete Wolgang/ und wañ ichs nicht nachhohlen kan/ bin ich zu frieden daß ihr mirs abkuͤrzet. Der Wirt wolte noch weiters auff ihn loßzihen/ aber Arbianes fiel ihm in die Rede/ sagend: Guter Freund/ ich und diese meine Wase/ sind vom Regen getroffen und zimlich naß worden; in was Gemach weiset ihr uns/ daß wir uns fein abtroknen moͤgen? Da gehet in die Gesinde-Stube/ antwortete er/ ich werde hinte kein grosses Feur anlegen/ die Haut machet euch die Kleider wol wieder trocken/ wann ihr uͤber Nacht drinnen schlaf- fet. Solches schlimmen Ruhbettes sind wir ungewohnet/ sagte Arbianes; und weil er merkete/ daß die Schuld ihrer verachtung an den Kleidern lage/ sagte er weiter: H. Wirt/ urteilet uns nicht nach der Kleidung; ich bin ein wolhabender Kauffman/ und habe mich also verkleiden muͤssen/ weil ich vom Reinstrom herkomme; gebet mir/ und meiner Wasen ein gutes abgelegenes Gemach/ ich wil euch taͤglich eine Krone davon geben/ und auff drey Tage voraus bezahlen. Legte ihm damit solches Geld in die Hand/ womit der Wirt nach dem Liechte lieff/ es zubesehen; kam bald wieder/ zohe seinen Huht demuͤhtig ab/ und verhieß alles/ was in seinem vermoͤgen wahr/ ihnen gerne zu leisten. Ey so lasset uns ein gutes Feur anlegen/ sagte Arbianes/ und die besten Speisen zurichten/ mich aber vor die bezahlung sor- gen. Der Wirt fuͤhrete sie selber nach dem begehreten Gemache/ und fragete ob sie einen steten Auffwarter haben wolter. Ja/ sagte das Fraͤulein/ aber keinen andern/ als diesen eu- ren Knecht/ mit dem wir bereit Kundschaft gemacht/ und in seiner Geselschaft ankommen sind; hat er euch dann/ weil ich ihn auffgehalten/ etwas verseumet/ habe ich schon mittel/ es zuerstatten. Davon ist nichts zu sagen/ antwortete dieser; rieff seinen Wolfgang herzu/ uñ befahl ihm/ sich sonst an nichts zu kehren/ als bloß diesen Fremden auffzuwarten. Da ging es nun dem Fuͤrsten nach seinem willen; er machete sich mit dem Fraͤulein fein trocken/ uñ ergetzeten sich nach der mühseligen Reise/ mit guter Speise und Trank. Nach gehaltener Mahlzeit fragete der Fuͤrst Wolfgangen/ ob er die schon angelobete Verschwiegen- heit auch gedaͤchte redlich zu halten/ alsdann solte er in der elenden Knechtschaft nicht lan- ge mehr zubringen/ sondern in kurzem ein solcher Herr werden/ der selber Pferde und Die- ner halten koͤnte. Dieser versprach bey Bauch und Halse/ sich durch keines Henkers zwang zur Verraͤhterey und Traͤulosigkeit bringen zu lassen/ sondern was ihm vertrauet wuͤrde/ mit sich in die Grube zunehmen. Wolan sagte der Fuͤrst/ so soltu wissen/ daß du jezt einer Großmaͤchtigen Fuͤrstin/ und einem Fürsten auffwartest/ welche dich in kurzer Zeit zu sol- chem Ehrenstande erheben wollen/ dahin du dein lebenlang nicht hast koͤnnen gedenken. Wolfgang erschrak hieruͤber/ fiel vor ihnen in die Knie/ und gelobete freiwillig an/ vor ihre Wolfahrt gerne zusterben/ weil er lange gnug gelebet haͤtte/ nachdem er das Gluͤk gehabt/ daß hohe Fuͤrsten Haͤupter ihn vor ihren Knecht anzunehmen gewirdiget haͤtten. Nein/ sagete das Fraͤulein/ ihr sollet wils Gott nicht sterben/ sondern mit uns wol leben/ dafern ihr nur euren Worten redlich nachkommen werdet; solte euch aber leichtfertigkeit verfuͤh- b b b b iij ren Siebendes Buch. ren/ meinaͤidig zu werden/ koͤnnet ihr uns damit zwar keinen Schaden/ sondern nur Wie- derwillen tuhn; aber wir wuͤrden solches dergestalt an euch raͤchen/ daß das ganze Land daran ein Beyspiel und Abscheuh haben wuͤrde; wiewol ich mich dessen zu euch nicht ver- sehe/ daß ihr die wolangefangene Traͤue so schaͤndlich soltet uͤberschreiten. Arbianes befahl ihm darauff/ er solte haussen naͤhest vor dem Gemache seine Schlafstelle nehmen/ damit er ihn allemahl bey der Hand haͤtte/ wann er seiner Dienste benoͤhtiget waͤhre. Das Fraͤulein hatte ihre alte Lumpen noch an/ schaͤmete sich auch in des Fuͤrsten gegenwart ihren Leib zu bloͤssen/ daher sie ihn freundlich baht/ ihr die unhoͤfligkeit nicht zuverargen/ daß sie an ihm einen kurzen Abtrit begehrete/ nur so lange/ biß sie sich entkleiden/ und ihr Bette einnehmen koͤnte. Der Fürst erkennete hieraus ihre Schamhaftigkeit/ wahr gehorsam/ und fand bey seiner kurzen Wiederkunft sie im Bette/ vor welches er sich noch ein Stuͤndichen niderset- zete/ Sprache mit ihr zuhalten/ da sie ihn baht/ er moͤchte Morgen geringe Zeug zu Klei- dern einkaͤuffen lassen/ daß sie nicht so gar lumpicht gingen/ sie waͤhre ihrem zulappeten Rocke so gram/ daß sie ihn an ihren Leib nicht wieder legen wolte. Hierzu wollen wir bald raht schaffen/ antwortete er/ taht mit ihr den Schlafftrunk/ und nach gewünscheter gluͤkse- liger Ruhe/ legte er sich an sein absonderliches Bette. Des morgens da sie beyderseits wol ausgeruhet hatten/ machete sich Arbianes auff/ stellete Wolfgangen einen koͤstlichen Ring zu/ welchen er bey dem Goldschmiede umb 1500 Kronen ausbieten solte. Dieser ging zuvor nach einem reichen der aͤdlen Steine wolerfahrnen Manne/ vorgebend/ es waͤhre ein aͤdel- mann bey ihnen zur Herberge/ welcher aus noht seinem Herrn diesen Ring verkaͤuffen wolte/ der aber keinen verstand von solchen Waaren haͤtte/ und ihn bitten liesse/ ihm den Wert ohngefehr anzuzeigen. Mein Kerl/ antwortete dieser/ nach genauer besichtigung; diß ist trauen keines schlechten aͤdelmannes Ring/ der ihn aus noht verkaͤuffen muͤste/ son- dern er koͤmt zweifels ohn aus einem Fuͤrstlichen Schatze hervor/ und weiß ich gewiß/ daß seines gleichen in diesem Koͤnigreiche nicht zu finden ist/ massen seine kostbarkeit uͤber die 6000 Kronen austraͤget. Was wollet ihr mir aber davor geben/ fragete Wolfgang/ ich wil euch die Warheit sagen/ daß ich ihn ohngefehr auff dem Felde gefunden habe da eine Schaar verschlagener Wendischer Reuter vor mir hinjagete. Der Schaͤtzer haͤtte sein Wort gerne wieder zuruͤcke gehabt/ besahe ihn aufs neue/ und gab vor/ weil der Ring nur von einem Reuter herkaͤhme/ muͤsten gewißlich die drey eingefasseten Demant nicht echte seyn/ sagete auch bald darauff/ er befuͤnde es schon an unfehlbaren Zeichen/ daß es keine Morgenlaͤndische/ sondern geringe Boͤmische Steine waͤhren. Aber Wolfgang merkete den Kauffmansstreich/ und sagete/ es waͤhre zu spaͤht/ ihn zuhintergehen/ nachdem er ihn schon anderswo/ doch unter einem andern vorgebẽ haͤtte besehen lassen/ da ihm schon 4000 Kronen davor gebohten waͤhren. Dieser besahe ihn darauff zum drittenmahl/ und sagete: Er muͤste zwar bekennen/ daß er nunmehꝛ seiner guͤltigkeit innen wuͤrde/ abeꝛ solche kostbare Sachen waͤhren nicht jedermans kauff/ und müste er die Gefahr stehen/ ob er in etlichen Jahren ihn an seinen Mann bringen koͤnte; doch wann er ihm den Ring vor einem an- dern goͤnnen wolte/ waͤhre er erboͤtig/ ihm 3500 Kronen davor zu geben. Er hat mir eben das meiste auch nicht gekostet/ antwortete Wolfgang/ nur daß ich gleichwol mein Glük nit verschenken mus; ists euch aber ein ernst zu kaͤuffen/ so leget noch 800 Kronen zu/ und schaf- fet Siebendes Buch. fet mit dem Ringe euer bestes. Nach kurzem gedinge wurden sie der Sachen einig/ uñ nach traͤuer angelobeter verschwiegenheit an beydẽ Seiten/ empfing Wolfgang 4200 Kronen/ welche er ohn verweilen in einem zurissenen Futtersacke dem Fürsten brachte/ und allen Verlauff ihm erzaͤhlete/ der ihm diese Traͤue so wol gefallen ließ/ daß er ihm alles uͤbrige schenkete/ uñ nur die begehreten 1500 Kronen davon behielt; gab ihm auch urlaub/ die Gel- der alsbald seinem alten Vetter zu bringen/ der sie zu seinem besten in verwahrung nehmen solte; welcher grossen Schenkung aber dieser sich aͤusserstwegerte/ uñ doch annehmen mu- ste daher er alles geschwinde uͤberbrachte/ und dem Alten die Freiheit gab/ ihm selbst nach freien willen gütlich davon zu tuhn/ er haͤtte einen so reichen und vornehmen Herrn/ daß er wol merkete/ er wuͤrde von ihm mit grossem Reichtuhm begnadet werden. Der Alte ent- setzete sich wegen des vielen Goldes/ und gelobete Wolfgangen an/ er wolte schon wissen es zu seinem besten zuverwahren/ haͤtte aber gerne gewust/ wer sein Herr eigentlich waͤhre; a- ber bekam doch keinen andern/ als diesen bescheid/ er muͤste sich gedulden/ biß die Zeit kaͤh- me es zuoffenbahren/ sein Gelübde waͤhre zu stark/ solches zumelden/ und seinem Vetter damit nichts gedienet/ ob ers gleich wüste; nam des Fuͤrsten Pferd und Harnisch zu sich/ weil alles im Felde stille war/ uñ brachte es mit uͤber/ hatte aber schon zuvor etlich schwarz- gefaͤrbetes Zeug/ Woͤllin und Leinen durcheinander gewebet/ eingekaufft/ wovon sie alle drey sich schlecht und buͤrgerlich kleideten/ auch neue Hemder und ander leinen Geraͤhte aus mittelmaͤssiger Linnewand machen liessen; welches alles gegen Abend erst fertig ward/ und das Fraͤulein den ganzen Tag uͤber in den Federn liegen muste/ da der Fuͤrst ihr die Zeit zuverkuͤrzen/ alle Begebniß erzaͤhlete/ was zeit seines anwesens sich in Italien zugetragen hatte/ wobey er des Christlichen Glaubens nicht vergaß/ sondern auff ihr begehren die vo- rige Unterrichtung zu unterschiedlichen mahlen wiederhohlete/ daß sie zimlich weit in der Erkaͤntniß Gottes und ihres Heylandes kam/ und die Lehre fein begriff. Hernach erinner- te er sie/ was gestalt die zarte Haut ihres Beines sich unter dem Tanzen haͤtte merken lassẽ; weil man nun nicht wissen koͤnte/ was einem auff der Reise zustossen moͤchte/ wuͤnschete er/ daß der mehren teil ihres Leibes/ wo er am leichtesten koͤnte entbloͤsset werden/ mit der Far- be angestrichen seyn moͤchte; welches das Fraͤulein anfangs vor einen Scherz auffnam/ aber endlich selbst vor rahtsam hielte/ fo derte die gemachte Salbe von ihm/ und in seiner Abwesenheit richtete sie sich fast uͤberal heßlich gnug zu/ daß sie vor sich selbst abscheuh trug. Gegen Nachmittage breitete das Geruͤcht hin und wieder in der Stad aus/ der Wendi- sche Fuͤrst Krito waͤhre in der Schlacht gefangen/ und durch Buͤttelshand hingerichtet/ sein Sohn erschlagen/ und nachgehends enthaͤuptet/ und wuͤrden die Sachsen das ganze Koͤnigreich einnehmen/ weil sie keinen Widerstand haͤtten. Bey spaͤtem Abend kam ein reitender Bohte/ bekraͤfftigte nicht allein dieses/ sondern brachte mit/ die Sachsischen Voͤl- ker gingen alle zum Reich hinein/ und haͤtten die vornehmsten oͤrter alle auffgefodert. Ar- bianes ließ nachfragen/ an was Ort sie sich gelagert haͤtten/ und erfuhr/ daß sie wol 14 Mei- le von hinnen seyn wuͤrden/ und im̄er weiter ins Land gingen/ damit sie sich aller Seehafen bemaͤchtigten/ auff daß aus Daͤnnemark oder Engeland dem Daͤnischen jungen Fürsten keine Huͤlffe zukommen solte. So wird es zeit seyn/ sagte Arbianes zu dem Fraͤulein/ daß wir uns auff den Weg begeben/ dann je ferner das Heer von uns lieget/ je unsicherer die Stras- Siebendes Buch. Strassen zureisen sind/ offenbahrete darauff dem Fraͤulein/ auff was Weise er die Reise vorzunehmen bedacht waͤhre; er wolte morgen eine Karre und ein Pferd davor/ einkauf- fen/ allerhand geringe leichte Waaren/ von Korallen/ Tockenwerk und dergleichen Sachẽ von den Kraͤmern einloͤsen/ in ein Kram Faß vermachen/ und mit ihr sich darauff setzen/ da Wolffgang ihr Fuhrman seyn solte. Der Anschlag gefiel dem Fraͤulein sehr wol/ taht noch hinzu/ wie sie in ihrer angestrichenen Farbe sich vor ihrer Fr. Schwester Großfuͤrstin Valisken wolte als eine Kraͤmerin stellen/ und die schoͤnen Waaren feil bieten; duꝛffte auch schon erzaͤhlen/ wie sie ihr Wort machen/ und das Frauen Zimmer auffzihen wolte. Wie sie den Abend ihre neue Kleider bekam/ legte sie dieselben an/ und gefielen ihr recht wol/ weil sie ja noch renlich und ganz wahren; saß diesen Abend zimlich lange hin mit ihrem Fuͤrstẽ und erzaͤhlete ihm/ wie hefftig die Teutschen Pfaffen es ihnen biß daher haͤtten lassen an- gelegen seyn/ ihren Herr Bruder Herkules bey ihrem Herr Vater anzutragen/ als einen Gottlosen/ Unreinen/ und geschwornen Feind aller Teutschen Goͤtter/ welcher uͤberdas mit den Gedanken umginge/ wie er sein eigenes Vaterland verrahten/ und dessen Her- schafft den Roͤmern vollends in die Hand spielen wolte; welches auch ihr Herr Vater ei- ne gute Zeit her also geglaͤubet/ aber nach Neklams Abzuge haͤtte er angefangen daran zu- zweiffeln/ insonderheit/ weil sie ihren lieben Bruder so abscheuhlicher Unzucht beschuldig- ten/ deren ihr Herr Vater wol wuͤste/ diesen seinen Sohn von Herzen seind und zuwieder zusein. Sonst fuͤhreten sie ihr Liebesgespraͤch miteinander gar freymuͤhtig/ dann sie wahr in dieser kurzen Zeit ihm zimlich geheim worden/ daß sie mit ihm als einem leiblichen Bruder umging. Des folgenden morgens verschaffete Wolffgang alles/ was sie zu der Reise bedurfften/ daß es gegen Abend seine gute Richtigkeit hatte/ dann sie wolten des naͤhstfolgenden sehr fruͤh auffbrechen/ damit sie des dritten Tages hernach/ wo moͤglich/ bey den ihꝛigen seyn moͤchten; abeꝛ diese Rechnung macheten sie 11 ganzeꝛ Wochen zu fꝛuͤh/ und musten diese beyde neu und erst angehende Kinder Gottes zuvor ihres himlischen Vaters Zuchtruhte zimlich scharff schmecken/ daß das Blut drauff folgete/ ehe sie seiner Gnaden Güter recht und ohn Angst geniessen kunten. Die Zeitung von des Wendischen Fuͤrsten Niederlage und schmehlichen Tode ward diesen Tag von allenthalben her bekraͤf- tiget/ daß die unsern daran nicht mehr zweifeln durfften/ daher ihr Schluß wegen der schleunigen Reise desto fester gemachet ward. Arbianes sprach diesen Abend seinen Hauß- wirt an/ er moͤchte ihm seinen Wolffgang zum Diener uͤberlassen/ wo vor er ihm ein Stuͤk Geldes geben wolte. Dieser machte sich anfangs gar geschaͤfftig/ er waͤhre ihm in der Haußhaltung sehr noͤhtig/ koͤnte so bald keinen andern bekommen/ der ihm anstuͤnde/ weil es ausser der Miete Zeit waͤhre/ und was des einwendens mehr wahr/ doch als ihm der Fuͤrst 20 Kronen zum Abtrit anboht/ und ihn uͤberdaß 12 Kronen vor die Speisung be- zahlete/ wahr er zufrieden/ erboht sich auch/ des Fuͤrsten Leibpferd wolzufuttern/ und seine Waffen in Verwahrung zunehmen/ biß nach Verlauff 14 Tage/ zum laͤngsten/ ihrer Ab- rede nach/ es abgehohlet wuͤrde; nach welcher Abhandelung die unsern sich an die Ruhe legeten/ des folgenden Tages zur Reise erwartend. Nun trug sich aber ein grosses Ungluͤk in der Nachbahrschafft zu/ in dem bey Doͤrrung des Malzes/ auß des Brauer Knechtes Vnvorsichtigkeit/ kurz vor der Sonnen Auffgang eine Feuersbrunst im allernaͤhesten Hause Siebendes Buch. Hause entstund/ deren unsere verliebeten nicht eins gewahr worden waͤhren/ sondern da- rinnen elendig haͤtten umkommen und zu Aschen verbrennen muͤssen/ wann nicht Wolff- gang mit vielem klopffen und ruffen sie auß dem harten Morgen Schlaff erwecket haͤtte/ da ihnen kaum so viel Zeit uͤbrig wahr/ die Kleider anzulegen; dann weil die helle brennen- de Lohe schon zu ihrem Fenster hinein schlug/ gedachten sie an nichts/ als nur ihr Leben zu- retten/ liessen alle ihre Gelder und Kleinot liegen weil wegen der Hitze man dabey nicht wol kommen kunte/ so gedachten sie auch nicht eins daran in der Angst/ sondern sprungen mit ihren annoch unzugemachten Kleidern zur Kammer Tuͤhr herauß/ da ihnen Gott sonderlich halff/ daß sie unverletzet auff die Gasse kahmen/ woselbst Arbianes sich erst des hinterlassenen besan/ jedoch es wenig achtete/ weil er des vorigen Abends in sein Kleid 100 Kronen/ und in der Fraͤulein ihres 60 Kronen zum Nohtpfennig vermacht hatte. Die Strassen wahren schon vol Volks/ die Brunst zuloͤschen/ und ward jederman angemah- net/ zuzulauffen und Wasser zutragen; welches aber den unsern ungelegen wahr/ sondern gingen mit Wolffgangen nach dem Stad Tohr/ da sie herein kommen wahren/ in Mei- nung dahinauß zulauffen/ und ihre alte Herbeꝛge wiedeꝛ zusuchen/ weil sie es aber verschlos- sen funden/ gingen sie nach dem andern Tohre/ welches nahe an einem fliessenden Wasser lag/ woselbst die Buͤrger das Wasser schoͤpffetẽ/ und weil Wolffgang ihnẽ bekant war/ ihm und seiner Geselschafft den Außgang nicht wehreten. Das Fraͤulein empfand grosse Angst in ihrein Herzen/ und baht den Fuͤrsten/ so viel moͤglich fortzueilen/ dann der Sin trüge ihr nichts gutes zu; lieffen also miteinander alle drey zimlich fort/ daß in kurzer Zeit sie die Stad einen guten Weg hinter sich legeten. In der Stad fragete jederman/ bey wem das Feur außkommen waͤhre/ da der Rechtschuldige nicht allein sich statlich außzureden wuste/ sondern auch die Schuld eigentlich auff seinen Nachbar/ Arbianes Wirt/ legete/ dessen Hauß dann in ja so grossen Flammen als sein eigenes stund. Jederman rieff hier- auff/ man solte ihn ins Feur werffen und lebendig verbrennen/ weil durch seine Verwahr- losung dieser Jammer und Schade entstanden waͤhre; aber der gute unschuldige Mann ward gewarnet/ daß er sich versteckete/ und sein Leben erhielt/ nachdem er nicht ohn Lebens Gefahr bald nach der unsern Abscheid in ihre Kammer gangen/ und die Kleinot samt dem Golde/ uͤber 1000 Kronen baar noch zur guten Beute davon brachte/ daß er nach dem Brande reicher wahr als vorhin. Es fand sich aber einer auff der Gassen/ welcher uͤber- laut rieff; sein Knecht Wolffgang muͤste Zweiffels ohn der rechtschuldige Taͤhter seyn/ dann er haͤtte sich zeitig zum Tohre hinauß gemacht; man solte ihm mit etlichen Pferden schleunig nachsetzen/ als dann koͤnte man ihn leicht erhaschen und nach veꝛdienst abstraffen. Bald fielen vier verwaͤgene Buͤrger auff Pferde/ nahmen ihre Schwerter zu sich/ und jageten ihrer Spuhr nach/ die man wegen des gefallenen Taues sehr wol sehen kunte. Arbianes ward ihrer zeitig innen/ und daß sie ihre blossen Schwerter um den Kopff kommen liessen/ daher sagte er zu Wolffgang: Diese haben gewiß nicht viel gutes im Sin- ne/ darum halte dich fertig/ daß wann du sehen wirst/ sie auff uns anfallen/ alsdann biß nur darauff bedacht/ wie du mit meiner Liebsten auffs geschwindeste davon lauffest/ und sie in Sicherheit bringest; ich wil diese schon wissen auffzuhalten/ nam etliche pfündige Steine von der Erden auff/ und wie er im werffen sehr geschwinde wahr/ gedachte er sich bester c c c c massen Siebendes Buch. massen zuwehren. Nun wahr Wolffgang diesen Verfolgern von Angesicht unbekant/ uñ setzeten deren zween vor den andern aus/ sahen Wolffgang mit dem Fraͤulein davon lauf- fen/ und Arbianes stehen bleiben/ und sich zur Gegenwehr bereiten/ daher meyneten sie/ sie haͤtten den Rechtschuldigen angetroffen/ und stuͤrmeten grimmig auf ihn zu. Es wahr sein Gluͤk/ daß er sich neben einen Baum gestellet hatte/ und sie ihn nicht uͤberrennen kunten/ fassete daselbst gewissen Stand/ und richtete die Hand zum Wurff/ ob sie ihn anfallen würden. Diese rieffen ihm alsbald zu: Du schaͤndlicher Mordbrenner/ jezt werden wir dir den wolverdienten Lohn geben/ damit du dich deiner Boßheit nicht beruͤhmen koͤnnest/ wie viel armer Leute du gemacht habest. Hilff mir Gott/ sagte Arbianes bey sich selber/ als wahr ich unschuldig bin; rief ihnen hernach zu: Er waͤhre kein Mordbrenner/ und haͤtte nie solchen boͤsen Willen gehabt. Aber diese kehreten sich daran im geringstẽ nicht/ sondern setzeten gleich auff ihn zu/ daß er genoͤhtiget ward/ sein bestes zutuhn; da er dann dem ersten die Stirn einwarff/ daß er reine tod vom Pferde stuͤrzete. Der andere dieses ersehend/ wol- te seines Mit Buͤrgers Tod raͤchen; aber mit dem andern Steine ward er gleich vor das Maul getroffen/ daß ihm die Voͤrder Zaͤhne heraus sprungen/ und er in Ohmacht vom Pferde fiel. Arbianes nicht faul/ nam des ersten Schwert zur Hand/ und hatte noch einen Stein übrig zu seiner Beschuͤtzung/ aber der dritte wahr ihm zu nahe auff der Hauben/ wel- cher ihm/ da er sich nach dem Schwert buͤckete/ eins uͤber den linken Arm versetzete/ daß deꝛ rohte Schweiß darauff folgete/ wolte ihm auch den andern Hieb beybringen/ aber er weich ihm aus/ und mit einem Nachhiebe schlug er ihm das rechte Bein im Knie-gelenke rein abe/ daß auch dieser zur Erden stuͤrzete/ und ein klaͤgliches Geschrey trieb/ biß ihm die See- le ausfuhr. Ehe nun dieser verschiede/ kam auch der vierde herzu gesprenget/ und war wil- lens ihn zuuͤberrennen/ ward aber auch mit dem Steine dergestalt getroffen/ daß ihm der Kopff borste/ und kein Wort mehr redete. Der andere mit dem zuworffenen Maule kam wieder zu sich selbst/ fassete sein Schwert/ und lieff ganz verwaͤgen auff Arbianes zu/ trieb es auch mit seinen unauffhoͤrlichen Streichen/ daß ihm anfangs durch Fechterkunst nicht zubegegnen wahr/ aber endlich hieb ihm Arbianes die rechte Faust hinweg/ daß sie mit samt dem Schwerte auff die Erde fiel/ und im andern Streiche spaltete er ihm das Haͤupt mit- ten von einander. Das Fraͤulein hatte anfangs des Streites gar ein wenig zugesehen/ keh- rete sich aber bald umb/ und vor grosser Angst lief sie dergestalt fort/ als ob sie Fluͤgel gehabt haͤtte/ daß auch Wolffgang ihr schwerlich folgen kunte/ und/ welches das aͤrgeste war/ ver- ließ sie den vorgenom̃enen Weg/ und setzete zur Seiten aus uͤber das quere Feld. Wolff- gang lief ihr nach/ was er Leibes und Kraͤffte hatte/ rieff ihr auch zu/ sie moͤchte dem Wege folgen; aber sie wahr vor Angst nicht bey sich selber/ und gedaͤuchte sie nicht anders/ als ob ihr lauter Feinde nachlieffen/ welches sie schuͤchtern machte/ daß sie nur suchte weit von der Landstrassen abzukommen/ biß sie an ein hoch aufgelauffenes fliessendes Wasseꝛ kam/ durch welches sie ohn weiteres bedenken hindurch watete/ und sie darinnen haͤtte ersauffen muͤs- sen/ wann nicht Wolffgang sie (nicht ohn grosse Gefahr) hindurch gebracht haͤtte/ massen ihr dasselbe biß an die Gurgel reichete. So bald sie auff das Ufer trat/ gedachte Wolff- gang/ sie wuͤrde sich nun zur Ruhe begeben/ aber sie fing den Lauff von neuen in ihren nassen Kleidern an/ triebs auch noch eine gute halbe Stunde/ biß sie endlich vor grosser Mattig- keit Siebendes Buch. keit zur Erden stuͤrzete/ da sie allen Odem verlohren hatte/ und nicht anders schien/ es wuͤr- de ihr alsbald die Seele ausfahren. Arbianes befand/ daß ihn die Armwunde schmerzete/ legte seine gewoͤhnliche Salbe drauff/ die er zu allem Gluͤk zu sich gestekt hatte/ und band sein Schnupfftuch darumb/ daß er gute Linderung fuͤhlete; weil er aber mit dem Gefechte schier eine halbe Stunde zugebracht hatte/ wahr ihm sein herzgeliebtes Fraͤulein gar aus dem Gesichte kommen; doch trabete er anfangs ihrer Spuhr nach/ und hatte das einge- stekte Schwert in der Hand/ weil es ihm am Gehaͤnge mangelte. Ihm wahr fast angst/ dz er seinen Schaz nicht erblicken kunte/ ging doch immer des Weges fort/ und hatte nicht mehr acht/ ob er frisch betreten wahr/ sondern richtete seine Augen gen Himmel/ und baht instaͤndig/ Gott moͤchte ihn samt dem Fraͤulein zu den ihrigen verhelffen/ und voꝛ weiterem Unfal gnaͤdiglich bewahren; in welcher Andacht er anderthalb Meilen ging/ ehe dañ drey Stunden verlieffen/ geriet endlich an ein Doͤrflein/ und fragete/ ob nit ein junger Knecht mit einer jungen braͤunlichen Frauen/ gleich wie er gekleidet/ da eingekehret/ oder hindurch gangen waͤhren/ bekam aber zur Antwort von einem Manne: Er haͤtte fuͤnff Stunden lang aneinander vor seiner Hauß Tuͤhr gearbeitet/ aber keinen einigen fremden Menschen gesehen voruͤber gehen/ da doch nur diese einige Strasse waͤhre/ und alle durchreisende nohtwendig hier voruͤber muͤsten. Arbianes hoffete/ sie wuͤrden noch zuruͤcke seyn/ und sich etwa hinter einer Hecke verberget haben/ deswegen er ihrer daselbst in die sechs Stunden wartete/ und inzwischen nohtduͤrfftige Speise und Trank zu sich nam. Als sie aber gar nit ankahmen/ ward er herzlich betruͤbet/ und behtete inniglich zu Gott/ er moͤchte das unschul- dige fromme Fraͤulein durch den Schuz seiner lieben Heiligen Engel geleiten/ daß sie nicht von ihm getrennet wuͤrde. Aber sie wahr schon ferne von ihm/ und hatte sich zur Ruhe ni- dergesezt/ nachdem Wolffgang Mühe gnug mit ihr gehabt hatte/ sie wieder zuerquicken/ wiewol ihre Herzensangst so groß und die Mattigkeit so stark wahr/ daß die Zunge kein verstaͤndiges Wort hervor bringen kunte/ da Wolffgang endlich zu ihr sagete: Ach Frau (dann anders wolte sie von ihm nicht genennet seyn) wie so gar uͤbel haben wir getahn/ daß wir uns von dem rechten Wege abgewendet/ und dadurch meinem Herrn uns gar aus dem Gesichte gebracht; wie wollen wir doch immermehr ihn wieder antreffen? Ach mein lieber Wolffgang/ antwortete sie; meynet ihr/ daß euer Herr noch wol solte im Leben seyn? Ach nein/ ach nein/ er ist ohn zweifel schon ermordet. Fing hierauff an/ so erbaͤrmlich zu weinen/ daß es einen Stein in der Erden jammern moͤgen/ wolte auch durchaus sich nicht troͤsten lassen/ wie viel gleich Wolffgang ihr vorsagete/ und sie demuͤhtig eriñerte/ sie moͤch- te doch nicht aus blossem Argwohn sich selbst durch Sorgen ermorden; die Goͤtter haͤtten ihn ausser zweifel geschuͤtzet/ wie er dann mit seinen Augen gesehen/ daß er den ersten und andern durch zween Wuͤrffe zu grunde gerichtet haͤtte/ und weil der Verfolger nur viere gewesen/ würde er der uͤbrigen zween sich durch gleiches Mittel leicht erwehret habẽ/ nach- dem es an Steinen ihm daselbst nicht haͤtte mangeln koͤnnen; waͤhre demnach nichts raht- samers/ als daß sie wieder umkehreten/ und auff den vorigen Weg sich begaͤben. Ach nein ach nein/ sagte sie/ das Herz traͤget mir viel ein aͤrgers zu/ daß er hart verwundet oder wol gar erschlagen ist. So werde ich demnach den Ruͤkweg zugehen mich nimmermehr bewaͤ- gen lassen/ daß ich den Moͤrdern ins Schwert lieffe/ und wann ich gleich wolte/ so hat we- c c c c ij der Siebendes Buch. der mein geaͤngstetes Herz Krafft sich zuerheben/ noch meine ermuͤdeten Beine einiges Vermoͤgen mich weiter zutragen; fiel damit zum andern mahl in tieffe Ohmacht/ und lag nicht anders/ als ob sie verschieden waͤhre. Wolffgang wahr uͤber die masse betruͤbt/ wuste nicht/ was er zu ihrer Erquickung vornehmen solte/ rieb ihr den Schlag an beyden Haͤn- den/ bließ ihr in den Mund/ schriehe ihr in die Ohren/ und wendete alle Moͤgligkeit an/ daß er sie endlich wieder zurechte brachte/ da sie eine starke Traͤhnen Bach aus ihren betruͤbten Augelein hervor brach/ daß er den Jammer laͤnger nicht ansehen kunte/ auch so verwirret sich befand/ daß ihm alle Erkaͤntniß entging/ welches Weges sie kommen wahren. Endlich redete er sie mit Ernst an/ und sagte: Verzeihet mir/ geehrte Frau/ daß ich die Kuͤhnheit ge- brauche/ euch einzureden/ welches bloß allein zu eurem besten geschihet; Es wird in War- heit hoͤchstnoͤhtig seyn/ daß wir uns auff die Beine machen/ nachdem wir uͤber zwo Stun- den schon alhier zugebracht haben; auffs wenigste muͤssen wir uns erheben/ daß wir zu Leu- ten kommen/ und uns in Sicherheit bringen/ dann es scheinet an den ungebaueten Sand- Huͤgeln/ daß in der naͤhe kein Dorff werde anzutreffen seyn; und was wollen wir durch unnuͤtzes klagen uns selbst verzehren? ich sage noch/ und bleibe bestaͤndig dabey/ die Goͤtter werden meinen Herrn behuͤtet haben/ welcher tausend mahl bekuͤmmerter umb euch/ als umb sich selbst ist; ja welchen ihr durch euren Tod gewiß umbbringen wuͤrdet. Ach wolte Gott/ sagte sie/ daß er nur bekuͤmmert waͤhre/ alsdann koͤnte sein Kummer noch gebrochen werden/ ist er aber schon kummerloß/ so muß der meine sich auch durch den Tod endigen. Damit ging das weinen von neuen an/ daß Wolffgang wegen mitleidens ihm selbst den Tod wuͤnschete. Doch endlich nach Verfliessung fünff Stunden/ welche sie daselbst zu- brachten/ ließ sie sich noch bereden/ daß sie auffstund und ihm folgete/ da Sie sich dann in etwas begriff/ ihre Augen gen Himmel kehrete/ und Gott/ den sie kaum vor vier Tagen er- kennet hatte/ mit uͤberaus herzlicher Andacht anflehete/ er moͤchte nicht zugeben/ daß der fromme Fuͤrst erschlagen wuͤrde/ welcher bloß ihretwegen sich in diese Gefahr begeben haͤt- te; troͤstete sich auch zugleich dessen/ daß Arbianes ihr vorgesagt/ Gott schickete den Glaͤu- bigen zwar Ungluͤk zu/ aber liesse sie nicht drinnen stecken und verderben. Wir wollen aber diese beyde verliebten ihr Elend bauen lassen/ uñ zu der Hoch Fuͤrst- lichen Geselschaft uns wenden/ welche dann nicht feireten/ die Friesen unter das Joch zu bringen/ nahm̃en eine Stad nach der andern ein/ und erzeigeten sich den Willigen gnaͤdig/ den Wiederspenstigen aber/ deren doch wenig wahren/ sehr hart und scharff/ wodurch die uͤbrigen gewitziget/ alle Wiedersezligkeit fallen liessen. Nun hatte der lezte erblose Friesen Koͤnig des Koͤniges in Daͤñemark einigen Sohn und Reichserben/ seinen Landstaͤnden/ als einen kuͤnftigen Koͤnig und seinen Nachfolger vorgeschlagen/ der Hoffnung/ daß wañ beyde Koͤnigreiche unter einem Herrn seyn wuͤrden/ es ihnen allerseits umb so viel solte er- sprießlicheꝛ seyn. Aber den Staͤnden wahr solches durchaus nicht mit/ durften doch bey ih- res Koͤniges lebzeiten nicht dawieder reden/ aber so bald er todes verbliechen wahr/ lagen die vornehmsten dem Wendischen Fuͤrsten an/ er moͤchte sich ihres Reichs als ein Verwe- ser getraͤulich annehmen/ weil die Staͤnde uͤber der Wahl und Kroͤnung des Daͤnischen Fürsten sich so schleunig nicht vergleichen koͤnten/ und wuͤrde er ihnen solches nicht versa- gen/ inbetrachtung/ daß ihr Koͤnig seiner Gemahl leibliche Schwester zur Ehe gehabt haͤt- te. Siebendes Buch. te. Waͤhre dann dem Daͤnischen Fuͤrsten das Reich bescheret/ wuͤrde es ihm hiedurch nit entzogen. Fuͤrst Krito wolte diesen angebohtenen Vogel nicht gerne aus der Hand fliegen lassen/ wie er ohndas sehr ehrgeizig wahr/ und ihm schon die Hoffnung zur erblichen Frie- sischen Krone gemacht hatte/ trat die Verwesung an/ und gelobete den Staͤnden bey seinen Ehren/ daß er ihren befehl und freien Willen nicht ein Haar uͤberschreiten wolte; ließ dar- auff dem Daͤnischen Fuͤrsten anmelden/ wiewol im Nahmen der Staͤnde/ daß er eine Zeit- lang das Koͤnigreich raͤumen solte/ biß er durch eine freie Wahl zur Herschafft gefodert wuͤrde. Dieses fiederten die Vornehmsten des Reichs/ dañ ihnen grauete vor der Daͤni- schen Herschaft/ welche sie wol ehmahls mit ihrem grossen Schaden erfahren hatten; wie- wol sie viel ein haͤrter Joch an dem Wenden wuͤrden gehabt haben/ wann derselbe ihr vol- kommener Meister und Koͤnig solte worden seyn. Der Daͤnische Fuͤrst roch den Braten gar zeitig/ klagete es seinem Herr Vater/ bey welchem er schon zimlich wieder ausgesoͤhnet wahr; der beydes die Staͤnde und seinen Schwager Krito schriftlich erinnerte/ sie moͤchten sich des vorigen Koͤniges gemachter sorgfaͤltigen Versehung gemaͤß bezeigen/ und nicht Ursach zu grosser unnoͤhtiger Blutstuͤrzung geben/ nachdem sie/ und die ganze erbare Welt leicht ermaͤssen wuͤrde/ wie schimflich es der Daͤnischen Kron anstehen wolte/ wann diesel- be ihres Koͤnigs Sohn ohn alle gegebene Ursach aus dem wolbefugten Sattel ausheben liesse. Welches dann Krito nicht anders als eine Ankuͤndigung des Kriegs auslegte/ gleich da er mit den Gedanken schwanger ging/ das Teutsche Fraͤulein zu rauben; kunte auch den Landstaͤnden die Sache so gefaͤhrlich machen/ daß sie auff sein unnachlaͤssiges anhalten ein- willigten/ ein Heer von 68000 Mann auff die Beine zu bringen/ worzu er verstaͤndige Be- fehlichshaber aus seinem Fürstentuhm/ und 40000 Reuter und Fußknechte verhieß; a- ber ehe noch solche Anzahl beyeinander wahr/ verrichtete er obgedachte Entfuͤhrung. Der Daͤnische Fuͤrst wahr solcher Macht nicht gewachsen/ und wegerten die Daͤnischen Staͤn- de sich gegen ihren Koͤnig ausdruͤklich/ eine so harte Fehde mit Frießland anzutreten/ da sie zwar zur Ursach einfuͤhreten/ daß man nicht wuͤste wie man mit der Kron Schweden stuͤn- de; aber ihr Haͤuptbedenken wahr dieses/ daß sie nicht gerne ihren Koͤnig gar zu maͤchtig haben wolten/ welcher sich der auslaͤndischen Macht zu ihrem Zwange und ihrer Freyhei- ren verkleinerung gebrauchen koͤnte; jedoch goͤnneten sie/ daß der junge Fuͤrst in dem Daͤ- nischen Reich 1500 tapfere Kriegsknechte werben/ und uͤber See zu sich gehen ließ/ wozu er noch 1400 getraͤue Friesen hatte/ mit welchen er die Hauptfestung/ die in seiner Gewalt wahr/ zu aller Nohtturft besetzen kunte/ auch auff Anderthalbjahr allerley Vorraht an Fruͤchten/ Holz/ Salz und Fleisch hineinbrachte/ nicht zweifelnd/ die Staͤnde wuͤrden des wuͤterischen Wenden bald uͤberdruͤssig werden. Nun veꝛnam dieser Daͤnische Fuͤrst gerne/ daß der Wende Krito erleget/ und des Koͤnigreichs Macht geschwaͤchet wahr/ aber daß der Groß Fürst aus Teutschland es gar einnehmen/ und unter sich bringen wolte/ dauchte ihm gar zunahe getreten seyn. Derselbe aber kehrete sich an ihn und seine Festung nicht im geringsten/ biß er die uͤbrigen Orter alle unter seinem Gehorsam hatte/ welches doch jenem den Argwohn nicht benam/ sondern taht seinem Vater alles bey schleuniger Bohtschafft zu wissen/ man haͤtte sich vor den Teutschen wol vorzusehen/ daß sie nicht zu maͤchtig wuͤr- den/ und die ehmaligen Uberzüge/ von den Daͤnen geschehen/ zu raͤchen sucheten; aber ehe c c c c iij er Siebendes Buch. er sichs versahe/ lag der Groß Fuͤrst ihm vor der Nase/ und belagerte den Ort zu Lande der- gestalt/ daß kein Mensch weder aus noch ein kunte/ des gaͤnzlichen vorhabens/ von dannen nicht zu weichen/ biß die Festung gewonnen/ und alles in Friede und Ruhe gesetzet waͤhre; sendete demnach einen Trometer zu ihnen hinein/ und foderte den Ort als eine unstreitig Frisische Festung auff/ mit angehaͤngter bedraͤuung/ dafern inwendig dreyen Tagen sie sich nicht er geben wuͤrden/ solte ihnen hernach der Zutrit zu aller Gnade versperret seyn. In- sonderheit wurden die Frisischen Haͤuptleute und Knechte vermahnet/ sich von dem Daͤ- nen abzuzihen/ und der Staͤnde Schluß anzunehmen/ weil der Daͤnische Fuͤrst durchaus keine rechtmaͤssige Ansprache zu dem Koͤnigreiche haͤtte; dann nachdem keine Erben von des verstorbenen Koͤniges Gebluͤt und Stamme uͤbrig/ waͤhre damit der Stuel erlediget und den Staͤnden heimgefallen/ einen Koͤnig nach freiem willen zuerwaͤhlen/ also daß der verstorbene dasselbe nicht haͤtte koͤnnen nach belieben verschenken. Aber dieses wolte nichts verfangen/ sondern der Daͤne/ Fuͤrst Olaff gab zur Antwort: Es befremdete ihn sehr/ daß der Teutsche Groß Fuͤrst ihn in seiner Festung belagern duͤrfte/ da er ihm doch nicht eins abgesaget/ noch einige Ursach der bestreitung/ als seinen in den rechten ungegruͤndeten Wil- len einfuͤhren koͤnte; haͤtte er mit dem Wendischen Fuͤrsten/ seinem selbst eigenen Feinde/ und etlichen Frisischen Staͤnden/ so jenem wieder Recht angehangen/ etwas zu fechten gehabt/ ginge weder ihn noch dieses Koͤnigreich ichtwas an/ solte ihm auch nimmermehr mit Warheit uͤberbracht werden/ daß er in ihr Vorhaben eingewilliget/ einigen Vorschub darzu gelegt/ oder wolgefallen daran gehabt haͤtte. Nun waͤhre aber ja die angelegete Un- billigkeit seines ermaͤssens zur gnuͤge gerochen/ nicht allein an dem ganzen Heer/ sondern an dem Wendischen Fuͤrsten selbst/ welchen man (eine fast unerhoͤrete Straffe) durch Buͤt- tels Hand haͤtte abschlachten lassen; waͤhre dann der Teutschen Grim auch durch Blut noch nicht versoͤhnet/ je warumb erholeten sie sich dann nicht an Wendland/ welches an der Ostsee/ nicht an der Westsee belegen waͤhre. Man duͤrfte ihm vorwerffen/ er haͤtte kein recht an diesem Reiche/ waͤhre auch von den Staͤnden nicht beruffen/ als denen die Wahl heim- gefallen waͤhre; er moͤchte aber gerne wissen/ ob dann die Sachsen Recht daran haͤtten/ o- der ob die Staͤnde sie zur Herschaft eingehohlet. Mit dem Schwerte/ und durch harte draͤuungen waͤhren sie darzu gezwungen/ sonst wuͤrden sie sich wol huͤten/ daß sie denen sich nicht unterwuͤrffig macheten/ die ihnen wol ehmahls unabgesagt ihr Land durch und duꝛch gepluͤndert haͤtten. Jedoch hette vor den Sachsen er sein Recht oder Unrecht nicht zu strei- ten; der lezte Friesen Koͤnig hette ihn an Kindesstat erwaͤhlet und angenommen/ auch den Landstaͤnden es fruͤhzeitig gnug zu wissen getahn/ welche uͤberdas durch ihr nicht wieder- sprechen ihre einwilligung gnug zuverstehen gegeben; daß sie aber nach des Koͤniges Tode waͤhren rükfaͤllig worden/ solte der Teutschen Groß Fuͤrst/ wann er loͤblich handeln wolte/ vielmehr straffen als unterstuͤtzen helffen. Er saͤsse auff seinem Schlosse/ und in seiner Feste/ davon wolte er sich trauen nicht durch einen Trometer herunter blasen/ noch von einem Schreier herunter predigen/ sondern durch unuͤberwindliche Faͤuste heraus stuͤrmen las- sen/ und solte der Sachsen Groß Fuͤrst erinnert seyn/ daß Daͤnische Herzhaftigkeit noch wol so groß/ und so fest gesenket waͤhre/ daß sie Frießland uͤber Meer nicht allein beschuͤtzen/ sondern aus unrechtmaͤssiger Gewalt wieder loßzureissen/ eine Schanze wagen duͤrfften; wie Siebendes Buch. wie dann der Großmaͤchtigste Koͤnig in Daͤnnemark sein Gnaͤdigster Herr Vater ihn in seiner gerechten Sache nicht huͤlff-loß oder unentsetzet lassen wuͤrde/ dabey man sich zuer- innern haͤtte/ daß wol ehe die Sachsen der Daͤnischen Kron haͤtten muͤssen ein Knie beu- gen. Inzwischen/ da es dem Groß Fuͤrsten also gefallen wuͤrde/ koͤnte er sich an seiner Fe- stung versuchen/ vielleicht fuͤnde er mehr/ als er gemeynet haͤtte. Er wolte zwar vor dißmal dem Trometer seinen unbesonnenen Frevel uͤbersehen; würde aber noch einer nach ihm kommen/ und sich unterstehen/ ihm seine Leute abspenstig oder aufruͤhrisch zumachen/ wol- te er ihm den gebuͤhrlichen Lohn geben/ und ihn uͤber die Maur hinaus henken lassen. Die unsern vernahmen solche Erklaͤrung ungerne/ sahen auch/ daß es viel Zeit und Blut kosten wuͤrde/ die Festung mit Gewalt anzugreiffen; so ward ihnen des Daͤnischen Fuͤrsten Herz- hafftigkeit und ritterliche Erfahrenheit von allen Staͤnden hoch geruͤhmet. Herkules be- trachtete am meisten/ daß er gleichwol ein zimliches Schein Recht vor sich haͤtte/ insonder- heit/ weil die Staͤnde anfangs ihm nicht widersprochen; daher er in der Fuͤrstlichen Ver- samlung also anfing: Ich habe nie keinen Krieg mit groͤsserem Unwillen/ als diese Bela- gerung/ gefuͤhret/ und daͤucht mich/ mein Gewissen werde dadurch in etwas beleidiget; am besten waͤhre es/ man koͤnte den Fuͤrsten/ der uns ohndas verwand ist/ in der Guͤte bewaͤgẽ/ daß er sich der Ansprache dieses Reichs begaͤbe/ welches mich daͤucht auff diese weise wol geschehen koͤnte. Erzaͤhlete hierauff seine Meinung/ und bekam von allen Beifal und Vol- macht zuhandeln. Also setzete er sich/ und nach kurzem bedenken schrieb er folgenden Brief an den Daͤnischen Fuͤrsten. Ich Herkules/ gebohrner Großfuͤrst und naͤhester Erbe/ des freyen Teutschen Reichs/ erwaͤhle- ter Fuͤrst zu Susa in Asien/ und Obrister Feld Herr der Koͤnigl. und Großfuͤrstlichen Verbuͤndnis in Asien wieder den Parther Koͤnig Artabanus/ entbiete dem Durchleuchtigsten Fuͤrsten/ und naͤhesten Erben des Koͤnigreichs Daͤñenmark/ Fuͤrsten Olaff/ meinem geliebeten Oheim/ meinen Gruß und alles gutes/ und lasse dessen Liebe hiemit wissen/ welcher gestalt nach Erlegung des boßhafften Men- schen Raͤubers Krito/ die saͤmtlichen Staͤnde dieses freyen Koͤnigreichs Frießland/ meinem Gn. Herrn Vater/ dem Großmaͤchtigsten Großfuͤrsten auß Teutschland die Beherschung dieser Laͤnder einhellig auffgetragen/ und die Krone ohn Abbruch ihrer uhralten wolhergebrachten Freyheiten auffzusetzen/ sich anerbohten/ mit dem außdruͤklichen Vorbehalt/ daß sie lieber alle miteinander zum Lande außzihẽ/ als der Daͤnen Herschafft uͤber sich nehmen wollen/ und koͤnte sie nichts hindern/ daß ihr gewesen er lieber Koͤnig/ ihnen den Daͤnischen Fuͤrsten vorgeschlagen/ welchen anzunehmen sie nie Willens gewesen/ wie wol sie/ Unruhe zumeiden/ ihrem Koͤnige bey dessen Lebzeit nicht außdruͤklich wieder- sprechen wollen/ auch dessen blosser Vorschlag dem Daͤnischen Fuͤrsten kein Recht zu disem entledigten Reiche geben konne. Wann nun mein Herr Vater mich seinen aͤltern Sohn mit dieser Kron gnaͤdigst anzusehen Willens ist/ und kein Mensch/ als Eure Liebe/ mir dieselbe streitig machet/ ungeachtet die- selbe weiß und sihet/ daß mit der Staͤnde Bewilligung/ sie ihren Vorsatz nicht heben/ noch dieses Reich erhalten kan. Als wil dieselbe ich Oheimlich ermahnet haben/ sich wol zubedenken/ ob sie mit gutem Gewissen die Beherschung dieses Reichs wieder der Untertahnen Willen durch Blutvergiessung er- halten koͤnnen/ und ihr nicht ruͤhmlicher anstuͤnde/ sich ihres vorhabens willig zubegeben. Mein Oheim traue mir zu als einem auffrichtigen Fuͤrsten/ daß wann meine Wahl nicht schon geschehen waͤhre/ ich mit ihm mich den Staͤnden stellen/ und wann die Stimmen auff seine Liebe fielen/ der erste sein wolte/ der ihm hierzu von Herzen gluͤk wuͤnschete. Lasset uns demnach/ Durchl. Oheim/ nicht ohn noht Blut stuͤrzung anrichten/ meidet die Gefahr/ welche von euren Friesischen Knechten die kaum des Ernstes erwarten werden/ euch zustossen koͤnte/ und begebet euch euer vermeinten Ansp rach/ alsdann wil ich mich Siebendes Buch. mich hiemit erbieten und verpflichtet machen/ Euer Liebe F reund und Bruder zuseyn/ auch es dahin zu bringen/ daß Euer Liebe die volkommene freie Beherschung des Wendischen Fuͤrstentuhms erb- lich eingeraͤumet werden sol. Welchen Vorschlag Eure Liebe verhoffentlich waͤhlen/ und weitere Un- gelegenheit abwenden wird; auff welcher Fal ich dann Zeit meines Lebens bin und verbleibe/ Euer Liebe zudienst und Freundschafft bereitwilligster und ergebener Oheim Herkules. Als Fuͤrst Olaff dieses verschlossene Schreiben empfing/ und diese Auffschrifft lase: Dem Durchleuchtigsten Fuͤrsten und Herrn/ Herrn Olaff/ naͤhestem Erben des Koͤnigreichs Daͤnen- mark/ meinem freundlichen lieben Oheim; wahr er willig/ es zuerbrechen/ und nach Verle- sung beredete ers mit seinen Befehlichshabern/ welche es vor eine Kleinmuͤhtigkeit an Seiten Herkules außlegeten/ und vorgaben/ es waͤhre ihm ruͤhmlicher angestanden/ den Fuͤrsten zu einem absondeꝛlichen Kampf außzufodeꝛn/ als freundliche Bit Brieffe zuschꝛei- ben/ insonderheit/ da er sich vor einen Kriegs Held und bestalten Feld Herrn außgaͤbe. Riehten demnach mit einhelliger Stimme/ er solte seiner guten Sache trauen/ und es in der Goͤtter Nahmen dem Schwert anbefehlen/ weil man billich zweiffeln muͤste/ ob die Daͤnischen Staͤnde dem sieghafften Sachsischen Heer sich entgegen setzen/ und mit ihnẽ den Krieg auffnehmen wuͤrden. Und als der Fuͤrst fragete/ auff was weise sie es dann vor best hielten/ tahten sie den unvorgreiflichen Vorschlag/ sie wolten die wehrhaftesten Daͤnẽ 600 Mann/ und die tapffersten Friesen/ 400 stark/ außlesen/ sich mit dieser Schaar unter ihres lieben Fürsten Anfuͤhrung ins Feld setzen/ und den Feind mit gleicher Anzahl zur Schlacht fodern/ unter der von beiden seiten gegebenen gnugsamen Versicherung/ daß/ welcher Teil unterliegen und das Feld raͤumen wuͤrde/ dem andern alle Ansprache zu die- sem Koͤnigreich abtreten solte. Fürst Olaff lachete dieses vorschlages/ und gab ihnen zur Antwort; ob sie den Teutschen Großfürsten und andere Anwesende Fuͤrsten so Kindisch hielten/ daß sie ihres grossen vortels sich begebẽ/ und um die Frisische Kron noch erst 1000 Knechte fechten lassen wolten/ welche sie schon so gut als in Haͤnden haͤtten/ oder doch zu haben vermeineten. Er vor sein Haͤupt wolte durch einen solchen ungereimten Vortrag sich ihnen nicht zum gelaͤchter vorstellen/ sondern in freundlich-abschlaͤgiger Beantwor- tung dem beruͤmten jungen Großfuͤrsten Herkules/ so viel zuverstehen geben/ daß wann er bereit waͤhre/ er sich willig wolle finden lassen/ mit ihm in einem absonderlichen Kampf sein Heil zuversuchen/ unter der Bedingung/ daß auff den fal seines Sieges/ die Sachsen abzihen/ seine Festung unangefochten lassen/ und ihm Freyheit goͤnnen solten/ mit den Fꝛie- sischen Staͤnden sein Recht außzuführen/ und ein grosses wird es seyn/ sagte er/ wañ ich solches von ihnen erhalten werde; setzete darauff dieses Antwort-Schreiben in der eyle auff. Olaff/ gebohrner Fuͤrst und Erbe des Koͤnigreichs Daͤnenmark/ erwaͤhleter und angenom- mener Erbe und Nachfolger des Koͤnigreichs Frießland/ entbeut dem Durchleuchtigsten Großfuͤrst- lichen Herrn auß Teutschland/ Herrn Herkules/ Fuͤrsten zu Susa/ und Obersten Feld Herrn der Koͤnig- lichen und Großfuͤrstlichen Verbuͤndniß in Asien/ seinem geliebeten Oheim/ freundlichen Gruß und alles gutes; fuͤget dessen Liebe zuwissen/ daß dero Schreibens Inhalt er gelesen und reifflich erwogen habe/ selbes aber gruͤnd- und umstaͤndlich zubeantworten/ noch zur Zeit unnoͤhtig und unfruchtbar achte/ jedoch vor angebohtene Freund-Oheim- und Bruͤderschafft sich hoch bedanke und ein gleichmaͤs- siges mit auffrichtigem Herzen anerbiete/ ohn daß er in Abtretung eines Koͤnigreichs so leicht/ und ohn vorwissen seines gnaͤdigsten Herr Vaters und Koͤniges nicht gehehlen koͤnnen/ wuͤrde ihm auch fast Siebendes Buch. fast unruͤhmlich und ehren-verkleinerlich anstehen/ wann mit freundlichen Brieffen er seine wolver- sehene/ und vor Feindes Anfal gnug verwahrete Festung solte stuͤrmen und einnehmen lassen. Haͤtte er eine gleiche oder etlicheꝛ massen bestante Macht auff den Beinen/ waͤhre er unerschrocken/ dem Gluͤk im offenen Felde sein gutes Recht anzuvertrauen/ aber in Mangel dessen ist er biß dahin gezwungen sich von Wahl und Mauren zuwehren; giebet gleichwol seiner Liebe daneben zubedenken/ obs uns beiderseis zuverdenken waͤhre/ wann wir um ruhige Besitzung eines so schoͤnen Reichs/ Schwert an Schwert setzeten und Leib an Leib wageten/ damit die Goͤtter zu Richtere gesetzet/ den Außschlag in kurzer frist und ohn Blutstuͤrzung der unschuldigen geben moͤchten. Welches Euer Liebe zur Wieder- Antwort zugeben/ auch vor angebohtenes Fuͤrstentuhm zudanken sich schuldig erkennet hat/ und im uͤbrigen/ als lange erlebet/ ist und sein wil/ Euer Liebe zu dienst- und Freundschafft-bereitwilligster und ergebener Oheim Olaff. Ekhard wahr dißmahl der Heerhold/ welchem der Daͤne eine statliche guͤldene Ket- te schenkete/ und das Antwort Schreiben mit großmuͤhtigen Geberden zustellete/ sagend: vermeldet meinem Oheim dem trefflichen Helden Fuͤrst Herkules meinen Gruß und Dienste/ und daß von seinen preißwirdigen Tahten mir in Spanien und Engeland et- was vorkommen ist; moͤchte wuͤnschen/ daß dieser Span zwischen uns nicht entstanden waͤhre/ dann wuͤrde ich mein Schwert/ wie leicht es auch ist/ lieber wieder seine Feinde als ihn selbst entbloͤssen; und verlanget mich nach nichts so sehr/ als die Ehre zuhaben/ sein tapfferes kaͤmpfen anzusehen/ ja auch seiner Streiche selbst zuempfinden; ich gelebe aber zu einem so hoch beschriehenen Helde der ungezweifelten Hoffnung/ seine Liebe werde mei- ne Frage einer Antwort wirdigen. Durchleuchtigster Fuͤrst/ antwortete Ekhard/ mir zwei- felt nicht/ ihre Durchl. werde mit meinem Gnaͤdigsten Herrn/ Großfuͤrst Herkules/ der- eins in gute Kundschafft gerahten/ dessen Durchleuchtigkeit einem solchen tapfferen Fuͤr- sten und lieben Oheim ein Koͤnigreich zuschenken/ sich nicht lange bedenken wuͤrde/ wann es mit der Staͤnde Einwilligung geschehen koͤnte; massen dessen Durchl. weder nach Her- schafft noch Hocheit fraget/ und dessen zum Beweißtuhm/ den Kaͤyserlichen Stuel/ dar- auff der jetzige Roͤmische Kaͤyser seine Dürchl. hat setzen/ und zum Gleichwaltigen Mit Her- scher annehmen wollen/ außgeschlagen hat. Weil ich aber merke/ daß Eure Durchl. Be- gierde traͤget/ meines Gnaͤdigsten Großfuͤrsten Schwert zupruͤfen/ mag sie dessen sich wol gaͤnzlich versichern/ daß sie des Wunsches inwendig einer Stunde wird gewehret seyn/ dafern dessen sonst in diesem Schreiben einige Meldung geschehen ist. Ich weiß wol/ Ritter/ sagte der Daͤne/ dz Euer Fuͤrst mein Oheim/ seines Gegeners Speer und Schwert wol leiden mag/ das uͤbrige werde ich schon zuvernehmen haben. Ließ ihn hiemit zimlich bezechet zihen/ und gab ihm einen Trometer mit. Herkules verlaß den Brieff in der Fuͤrst- lichen Versamlung/ da Fuͤrst Baldrich sehr anhielt/ daß der Kampf ihm moͤchte uͤberge- lassen werden/ dessen sein Vater wol zufrieden wahr/ und er sich dessen schon freuete/ aber Herkules wolte durchaus nicht einwilligen/ sonderlich da er die muͤndliche Werbung ver- nam/ einwendend/ es muͤste ihm ja billich zur Kleinmuͤhtigkeit gerechnet werden/ wann er einem Fürsten auff Aussoderung nicht selber stehen/ sondern einen andern an seinen Plaz stellen wuͤrde. Doch trug er der Geselschafft dieses vor: Ob er zwar willens waͤhre/ im fal er unterliegen wuͤrde/ sich dieses Koͤnigreichs zubegeben/ so koͤnte er doch den Staͤnden dieses Reichs nicht auffbuͤrden/ daß sie wider ihren Willen diesen Fuͤrsten annehmen sol- d d d d ten/ Siebendes Buch. ten/ wiewol/ da er im Leben bliebe/ er nicht unterlassen wolte/ ihnen solches zurahten. Weil dann ihnen solches beliebete/ verfassete er dieses in ein kurzes Schreiben/ und als er den Trometer mit einer koͤstlichen Kette/ daran sein Brustbilde wahr/ geschenket hatte/ sagte er zu ihm: Reitet hin/ mein Freund/ und nach Anmeldung meiner Dienste und Grusses/ saget meinem Oheim: Ich nehme seine ritterliche hoͤfliche Ausfoderung willig an/ haͤtte zwar lieber auff freundlichere weise mich mit seiner Liebe abfinden wollen; weil abeꝛ solches nicht hafften mag/ ist mirs dannoch lieb/ daß unser Span durch absonderlichen Kampff kan ausgetragen werden/ jedoch solcher gestalt/ daß der uͤberwundene sich aller Ansprache zu diesem Koͤnigreiche schlechter dinge begebe/ und solches Fuͤrstlich verbriefe/ welches an meiner seiten schon buͤndig gnug geschehen ist/ und ihr in diesem Schreiben (welches er ihm einreichete) zuübergeben habet. Ob mirs dann in meiner guten Sache nicht gluͤcken solte/ muß ichs dahin rechnen/ daß es meinem Arme sehr zuwider seyn wird/ mein Schweꝛt wider meinen Oheim zukehren/ dem ich gewißlich lieber in andern Diensten auffwaͤrtig seyn wolte. Groß Fürstin Valiska stund dabey/ und taht dieses hinzu. Trometer/ vermel- det eurem Fuͤrsten/ einen Gruß von seiner unbekanten Wasen Valisken aus Boͤhmen/ uñ daß ich ihn erinnern lasse/ er wolle mit besserm Gewehr als Recht sich gefasset halten/ wañ er Hoffnung zum Siege haben wil; ich vor mein Haͤupt wolte es in dieser so guten Sa- che wider ihn mit dem Schwerte zu Roß und Fuß wagen/ und an der uͤberwindung wenig zweifeln. Der Trometer verwunderte sich nicht allein solcher Erklaͤrung/ sondern auch ihrer uͤbermaͤssigen Schoͤnheit/ machte sich fort/ und hinterbrachte alles; welches Fuͤrst Olaff lieb und angenehm wahr/ kunte es auch Herkules nicht veruͤbeln/ daß er den Staͤn- den das Recht ihrer Wahl vorbehalten wolte/ dann er gedachte/ wann nur die Teutschen wuͤrden abgewiesen seyn/ solte sein Herr Vater den Staͤnden schon so nahe treten/ daß sie ihn annehmen muͤsten; wiewol auff solchen fal die Wahl auff Fuͤrst Stegward ohn allen zweifel wuͤrde gefallen seyn/ welches sie ihm nachgehends ausdruͤklich zuerkennen gaben/ doch dabey unangezeiget nicht liessen/ daß ihm nichts schaden taͤhte/ als daß er der Daͤni- schen Kron ungezweifelter Erbe waͤhre/ ausser welcher Betrachtung er von den Staͤndẽ alsbald wuͤrde beliebet/ angenommen/ und noch bey ihres Koͤniges Lebzeit gekroͤnet wor- den seyn; mit welcher Erklaͤrung er dann voͤllig in seinem Herzen zufrieden wahr. Vor dißmahl aber dauchte ihm schimpflich seyn/ daß ein Weibesbild ihn im Kampffe bestehen wolte. Worauff der Trometer zu ihm sagete: Durchl. Fuͤrst/ ob sie mit dem Schwerte wider Eure Durchl. hafften wuͤrde/ solches weiß ich nicht/ wiewol sie scheinet muhts gnug zuhaben/ mehr als ich mir bey einigem Weibesbilde habe einbilden koͤnnen; aber ihrer Au- gen Schwerter/ Spiesse und Pfeile sind scharff und hurtig gnug/ alle Mannesbilder zu uͤberwinden/ dann ihres gleichen an Schoͤnheit und freundlichen Geberden/ lebet in der ganzen Welt nicht; so kan ich auch wol mit warheit sagen/ dz ein Fuͤrst von groͤsser Schoͤn- heit und tapffermuhtigen Bezeigungen/ als Herkules/ mir nie vorkommen ist/ aus dessen Reden und Sitten wol erscheinet/ daß er im Felde und auf der Streitbahn sich rechtschaf- fen zutummeln wisse. Ein anwesender Schmeichler/ welcher sonderliche Gnade hoffete zu verdienen/ wolte dem Fürsten liebkosen/ uñ fragete den Trometer/ ob er nicht in seiner kuͤh- nen Erzaͤhlung dem Fuͤrsten zu nahe getreten waͤhre. Aber derselbe wolte es selbst beant- wor- Siebendes Buch. worten/ und sagete: Mein Kerl/ laß du mir diesen und jedermaͤnniglich die Warheit re- den; oder meinestu/ daß ich in einer Narrenhaut stecke/ und einem tapfferen Ritter sein ge- buͤhrliches Lob nicht goͤnne? Er wolte aber/ seine Herzhafftigkeit zuerzeigen/ den Kampff nicht laͤnger auffschieben/ setzete die schrifftliche Einwilligung nach begehren auff/ suchte seine besten Waffen hervor/ und machte sich zum Kampffe fertig; und weil er wuste/ daß Fuͤrstliche Mannes- und Weibesbilder zusehen wuͤrden/ putzete er sich gar zierlich/ nam ei- nen starken Friesischen schwarzen Hengst mit einer Him̄elblauen Decke/ mit Perlen reich- lich gesticket/ und einen schwarzen mit Golde eingegossenen Harnisch; die Feldbinde wahr gleicher art mit der Pferdedecke; im Schilde stund ein Koͤnigliches Mannesbilde/ hatte eine Kron auff dem Haͤupte/ und umb sich her diese guͤldene Buchstaben: Regni Lex, Ho- nesta Regis Voluntas. Des Koͤniges ehrlicher Wille ist des Landes Recht. Womit er seinen An- spruch behaͤupten wolte. Auff dem Helme fuͤhrete er einen güldenen Loͤuen/ welcher eine Schlange zerdruͤckete/ daß ihm der Gifft anspruͤtzete/ hatte aber in der Tatzen ein Taͤffelein mit dieser Auffschrifft: Fraus Fortitudinem non frangit Betrug bricht die Staͤrke nicht. Die- se Waffen hatte er machen lassen/ der Meynung/ sich deren wider den Wenden Krito oder dessen Sohn Gotschalk im Kampffe zugebrauchen. Herkules muste auff seiner Valisken begehren sich folgender gestalt ausruͤsten. Er ritte einen starken schneeweissen Hengst (aber nicht seinen aͤdlen Meden) dessen Decke ein zartes Persisches guͤlden Tuch wahr/ mit den schoͤnsten grossen Zahl Perlen besticket/ und umher die scheinbaresten Demanten/ zwo Rei- hen über einander. Der Sattel blaͤnkete von allerhand aͤdlen Steinen; sein Harnisch war stark uͤberguͤldet/ mit geetzetem schwarzen Blumwerk; Im Schilde wahr seine Valiska gemahlet/ und umher diese Worte: In Cœlo DEVS, in terra HÆC meus amor est; Gott im Himmel/ und diese auff Erden ist meine Liebe. Auff dem Helme hatte er auch einen guͤldenen Loͤuen/ welcher sich aber von einem Schaͤflein leiten ließ und an seiner Brust diese Worte stunden: Effectus Amoris . Diß ist der Liebe Wirkung. Seine Feldbinde wahr von gleichem Zeuge mit der Pferdedecke/ uñ saß an seinem Schwerte/ welches stark über uñ uͤber verguͤl- det wahr/ ein treflicher Demant oben auf dem Knauffe/ welcher Strahlen von sich warf. Olaff hielt zwischen zween vornehmen Daͤnischen Herren/ seinen Anverwanten/ welche ihn zubesuchen/ vor weniger Zeit kommen wahren/ hatten etliche Jahr der Ritterschaft in der fremde obgelegen/ und mannichen guten Preiß erworben; der eine hieß Harald/ der ander Hunibold. Neben Herkules ritten Koͤnig Ladisla und Fürst Baldrich. Das Fuͤrst- liche Frauenzimmer hatte sich auff den Elefanten gestellet/ dem Kampffe zuzusehen/ wo- selbst Valiska als eine Sonne unter den Sternen hervor leuchtete/ und erwieß ihnen Fuͤꝛst Olaff/ so bald er sie sahe/ mit abgezogenem Helme grosse Ehrerbietigkeit/ ward auch uͤber Valisken Schoͤnheit ganz bestuͤrzet/ daß ihn schier gereuete/ den Kampff begehret zuhabẽ; doch gedachte er in seinem Herzen; wie wann du Herkules erlegetest/ und durch eine ein- zige uͤberwindung zugleich dieses Koͤnigreich und das Reich aller versamleten Schoͤnheit erstrittest? sendete auch einen zierlichen aͤdelknaben an das Frauenzimmer/ bey welchem er sich anfangs entschuldigen ließ/ daß er die unbilliche Entfuͤhrung des Groß Fuͤrstlichen Fraͤulein weder befodert noch gut geheissen haͤtte; hielt demnach umb Erlaͤubniß an/ daß ihm der Kampff mit ihrem guten Willen moͤchte zugelassen seyn; und ließ sich ihren in- d d d d ij gesamt/ Siebendes Buch. gesamt/ und jeder absonderlich gehorsamen Knecht und bereitwilligsten Diener nennen. Herkules gefiel die Hoͤfligkeit sehr wol/ und nam ihm gaͤnzlich vor/ so viel moͤglich/ sein zu schonen. Valiska aber/ welche ihren Koͤcher mit uͤberguͤldeten Pfeilen/ und den Bogen angehengt hatte/ gab dem Knaben diese Antwort: Reite hin/ und melde deinem Herrn/ dem Daͤnischen Fuͤrsten/ unserer saͤmtlichen Ehren-gewogenheit an/ und daß ich ihn traͤu- lich warnen lasse/ das Schwert in so schlimmer Sache nicht zugebrauchen/ da ihm weder Gott noch Recht Beystand leisten wil; kan er nun meinem Raht folgen/ werde ich mich bemühen/ ihm dergestalt zubegegnen/ daß ihm nach der Friesischen Kron nicht verlangen sol; bringe ihm auch diesen Ring meinet wegen zum Pfande/ daß wann er meinem aller- liebsten Gemahl im Streit angewinnen solte/ ich ihm zwar dieses Koͤnigreich nicht strei- tig machen/ aber ihn doch ausgefodert haben wil/ daß er ungeharnischt/ mit Schild und Schwert/ oder auch wol ohn Schild/ umb Leib und Leben den Kampff mit mir antreten muß. Fuͤrst Olaff entsetzete sich der ernstlichen Ausfoderung von einem Weibsbilde/ wol- te auch den Ring mit solchem bedinge nicht annehmen/ sondern schickete ihn wieder zurük/ und ließ ihr sagen: Er waͤhre bereitwilligst/ in allen moͤglichen Dingen ihr zugehorsamẽ/ aber seiner Ausfoderung sich zubegeben/ wuͤrde ihm unertaͤglicher seyn/ als der Tod; sein Schwert aber wider eine solche trefliche Fuͤrstin auffzuheben/ wolte er lieber unbewehret sich von ihrer Hand niderhauen lassen/ wie herzlich gerne er auch die Ehre haben moͤchte/ diesen Ring zu ihrem unsterblichen Gedaͤchtniß zubehalten. Zeit dieser Handelung schie- kete Baldrich an Olaffs Gefaͤrten/ und ließ ihnen sagen: Sie hielten alhie bey derseits ge- gen einander gewapnet/ nicht als Feinde/ fondern als Zuseher/ uñ verzoͤge sich der Kampf in etwas; waͤhre demnach nicht unabgeneiget/ mit ihrer einem ein ritterliches Speer/ nit aus Feindschafft/ sondern zur Lust/ und dem anwesenden Frauenzimmer zur Ergezligkeit zubrechen/ wann es ohn Unwillen koͤnte eingewilliget werden. Olaff wahr dessen wol zu- frieden/ und erlaͤubete seinem Gefaͤrten Herrn Harald solches gar gerne; welcher es ohn auffschieben annam/ und den Saz mit ihm anging; hielt sich auch im ersten Treffen wol; im andern schwankete er; und im dritten muste er seine alte Mutter die Erde kuͤssen; dessen er sich nicht ein geringes schaͤmete/ weil er sahe/ daß sein Obsieger unbewaͤglich sitzen blieb. Ladisla hatte auch belieben/ mit dem andern einen Versuch zutuhn/ welcher nicht allein eh- renhalben es nicht ausschlagen kunte/ weil es bloß dem Fuͤrstlichen Frauenzimmer zuge- fallen geschehen solte; sondern hatte auch die Hoffnung gefasset/ seines Gesellen Schimpf einzubringen/ welches ihn aber sehr betrog; dann ober gleich den ersten Stoß etlicher mas- sen aushielt/ schwankete er doch davon als ein trunkener/ muste auch im andern Gange ei- nen solchen Sprung nehmen/ daß er den rechten Schenkel zubrach; massen ihn Ladisla mit samt dem Pferde uͤber und uͤber warff. Olaff kennete der seinen Rittermaͤssigkeit/ und wunderte sich nicht wenig/ daß sie dergestalt beschimpffet stunden/ daher er auch die Rech- nung ihm leicht machete/ er wuͤrde aller seiner Kraͤffte uñ Erfahrenheit in diesem Kampf- fe wider Herkules beduͤrffen; zu welchem ende er sich fertig machete/ da er von der jungen Groß Fürstin gleich diese Antwort bekam: Sie erkennete sein ritterliches Gemuͤht aus dem/ daß er das versprochene vor unwiederruflich hielte/ und weil ihm ihre Bestreitung so gar unangenehm waͤhre/ sie auch nicht hoffete/ daß ihres Gefechtes es beduͤrffen solte/ moͤch- Siebendes Buch. moͤchte er dessen erlassen seyn/ und dannoch den Ring/ weil es ihm also gefiele/ zum Zeichen ihrer kuͤnfftigen Gutwilligkeit behalten; welchen er alsbald an seinen kleinen Finger stes- kete/ und gleich willens wahr/ Herkules mit einem Speerwinken zuverstehen zugeben/ daß er zum Treffen fertig waͤhre; Er sahe aber/ daß Valiska ihren Bogen zum Schuß anlege- te/ umb nach einer Taube zuschiessen/ deren drey hoch oben her in Luͤfften schwebeten; und lachete/ seiner Meynung nach/ ihrer Tohrheit bey sich selbst/ daß sie einen so unmoͤglichen Schuß in Gegenwart so vieler Fürsten wagen/ und sich dadurch nur in Spot setzen wol- te; aber als er gewahr ward/ wie geschwinde sie die eine getroffen/ dz sie mit samt dem Pfeil tod herunter flad derte/ verwunderte er sich dessen uͤber alle massen/ insonderheit/ als sie fast im Augenblik darauff die andere/ und endlich/ ehe man sichs versahe/ auch die dritte/ ohn einigen Fehlschuß herunter hohlete; sagte auch zu einem Ritter/ der hinter ihm hielt: Da- fern dieses Wunder Bild so fertig mit dem Degen/ als mit dem Bogen ist/ wuͤrde ich mich nicht unterwinden/ einen Gang mit ihr zutuhn/ und wann ich diese drey Schuͤsse mit mei- nen Augen nicht haͤtte angesehen/ wuͤrde ichs vor eine lautere Unmoͤgligkeit halten; wie- wol ich bey mir anstehe/ obs eine warhaffte Taht/ oder eine Augen-Verblendung ist. Die- ser verwunderte sich daruͤber nicht weniger/ erinnerte aber den Fuͤrsten/ es schiene/ daß sein Gegener auff ihn wartete. Es ist mein Vorhaben durch diese Wunder wirkung mir schier aus dem Gedaͤchtniß gefallen/ antwortete er; gab auch Herkules ein Zeichen/ daß er loß- brechen wolte. Derselbe pflegete sich nun in dergleichen Geschaͤfften nicht gerne zweymal ansprechen zulassen/ legete ein/ und begegnete dem Daͤnischen Fuͤrsten sehr artig/ traff ihn auch dergestalt/ daß er hinter sich bog/ und wenig fehlete/ er haͤtte sich auff der Erden aus- strecken muͤssen; dessen er sich gleichwol entsetzete/ und schon merkete/ daß Speer wuͤrde ihm die Friesische Kron nicht erstreiten/ weil sein Wiedersacher fest im Sattel blieb; je- doch hoffete er im andern Treffen sich besser zuhalten/ da es Herkules bald ungleich ergan- gen waͤhre; dann als er meynete den Stoß anzulegen/ ward sein Pferd schuͤchtern/ sprang zur seiten aus/ und lief wider seinen Willen mit ihm eine zimliche Ecke hinweg/ biß er end- lich wieder Meister ward/ sich aber des Fehls/ der ihm sonst nie begegnet wahr/ sehr schaͤ- mete/ und dannoch das Pferd umzuwechseln bedenken trug/ sondern sich wieder auff die Bahn setzete/ und seinen Feind dergestalt empfing/ daß er ihn mit samt dem Rosse zur Er- den warff. Sein Vater sahe den gewaltigen Rit/ und sagte: Hilff Gott/ wie koͤnnen eines Juͤnglings Arme solche Macht volbringen! Nun gluͤckete es gleichwol dem Daͤnen/ daß er weder unter das Pferd zuliegen kam/ noch sonst einigen Schaden empfing/ sondern da ihm sein Leibdiener ein frisches Roß zufuͤhrete/ setzete er sich darauff/ und mit dem entbloͤsse- ten Degen hielt er sich fertig/ weil er lieber zu Pferde als zu Fusse kaͤmpffen wolte. Herku- les schickete Neda an ihn/ und ließ ihn warnen/ er moͤchte den Streit lassen auffgeruffen seyn/ nach dem er saͤhe/ daß das Gluͤk ihm in dieser Sache nicht beypflichten/ noch nach wil- len fugen wolte/ alsdann solte er sein Freundes Gemuͤht in der Taht spuͤren; welches er- bieten ihn etwas schimpflich dauchte/ und zur Antwort gab: Ob sein Pferd lieber fallen/ als zur seite aussprengen wollen/ koͤnte er nicht endern/ hoffete/ das angefangene zuvollen- den/ wuͤrde ihm Fuͤrst Herkules nicht versagen. Wol dann/ antwortete er hierauff/ so kan es ja nicht anders seyn; Setzete auch dergestalt auff ihn zu/ daß Valiska fuͤrchtete/ der Daͤ- d d d d iij ne Siebendes Buch. ne wuͤrde mit dem Leben bezahlen müssen/ daher sie zu dem Großfuͤrsten sagete: Ich sehe ungern/ daß der Daͤnische Fuͤrst keine freundliche Anmuhtung/ weiß nicht/ aus Tapffer- keit oder Verstockung/ wil gelten lassen/ und duͤrffte ihm vielleicht die Reue zuspaht kom- men. Das Gehacke ging unter diesen beyden rechtschaffen an/ und ließ Olaff wol spuͤren/ daß er muht und herzens gnug hatte/ umb ein Koͤnigreich das Schwert zuführen/ meinete auch/ in dem ersten Anfal der uͤberwindung einen festen Grund zu legen; aber Her- kules betrachtete/ daß er in seiner Eltern und des ganzen Kriegsheers gegenwart stritte/ wolte demnach sehen lassen/ daß das Geruͤchte von seinen Tahten nicht aus blosser gewo- genheit erschollen waͤhre/ daher er alles mit Doppelhieben dem Daͤnen dergestalt zusetzete/ daß er in kurzer Zeit an unterschiedlichen Orten seines Leibes die blutigen Merkzeichen der empfangenen Verwundung von sich gab/ wiewol wegen guͤte seiner Waffen es nicht tieff durchgangen wahr. Groß Fuͤrst Henrich/ der bey dem Frauenzimmer auff dem Elefanten wahr/ fing an: die Streiche hat mein Sohn in Teutschland nicht gelernet/ noch von eini- gem Kaͤmpfer gesehen. Gn. Herr Vater/ antwortete Valaska/ ich achte dieses Gefechte fast vor nichts; aber wann man ihn unter einem ganzen Hauffen solte maͤtschen sehen/ würden die Hiebe wol anders zischen und krachen/ versichere auch meinen Herr Vater/ daß mein Herkules noch Hoͤfligkeit gegen Fuͤrst Olaff gebrauchet/ dann sonst wuͤrde er ihn schon laͤngst vom Pferde gerissen und abgeschlachtet haben. Nun hielt sich dannoch der Daͤhne/ daß ihn niemand tadeln kunte/ und die Warheit zu sagen/ wuͤrde ausser Herkules und La- disla nicht leicht ein ander ihm uͤberlegen gewesen seyn. Dann er ging sehr behutsam/ versetzete so viel ihm moͤglich wahr/ und gab sich nicht bloß/ ohn wann er meinete/ seinen Feind mehr zubeschaͤdigen/ als von demselben getroffen zu werden. Nachdem es aber Her- kules verdroß/ daß er so lange Wiederstand hielt/ taht er einen heftigen Anfal/ gleich da sein Gegener die Hofnung fassete/ er würde sich nunmehr zimlich abgemattet haben/ und doch dagegen seine Hiebe nur verzwiefaͤltigte/ ihm auch dergestalt den Helm zuhaͤmmerte/ daß ihm vor den Augen zu funkeln begunte/ und er sich zuerhohlen/ zur Seiten ausweich; aber Herkules setzete ihm auff dem Fusse nach/ schlug den Helm auff/ uñ rieff ihm zu; Fuͤrst Olaff/ lassets dereins gnug seyn gefochten/ und gebet dem Streit anstand/ dann ich wolte ungerne einen so guten Ritter/ als ihr seid/ toͤdlich beschaͤdigen; ihr sehet ja vor Augen/ daß es euch weder an gutem Herzen noch kraͤftigen Faͤusten/ sondern bloß an gerechter Sache mangelt. Dieser Schimpf/ wie ers auslegete/ schmerzete ihn mehr als die empfangenẽ Wunden/ daß er derselben gar daruͤber vergaß/ kehrete umb/ und antwortete mit kurzen; O nein Fuͤrst Herkules/ diese Rechnung ist noch zur Zeit zu fruͤh gemacht. Woldann/ sage- te er/ so werde ich die Kreide zum andernmahl ansetzen muͤssen; damit erhub sich der Streit von neuen/ ob haͤtten sie noch keinen Schwertschlag gefuͤhret; aber Glük/ Erfahrenheit uñ geschikliche Kraft hing nicht in gleicher Wage/ sondern an Herkules Seite im grossen Ausschlage/ der seinen Feind zu unterschiedlichen mahlen haͤtte niderstossen koͤnnen/ wolte aber nicht/ sondern da er seinen Vortel ersahe/ warf er ihn vom Pferde herunter und sprang ihm nach/ wiewol er ihm selber auff die Beine halff/ und ihm Zeit genug goͤnnete/ sich zum Fußkampfe zubereiten/ welcher auch ernstlich angetreten/ aber nicht so gar lange gefuͤhret ward; und wahr wunderlich anzusehen/ daß/ nachdem die Kaͤmpfer Sattellos wahren/ die Siebendes Buch. die Pferde einander so grausam anfielen/ als waͤhren sie rasend worden/ schlugen und bis- sen sich so lange/ biß sie beyde niderfielen/ und das Leben einbuͤsseten; woraus etliche Zuse- her ein Ungluͤkszeichen nehmen durften/ als wuͤrden die beyde Fürsten sich ebenmaͤssig hin- richten; aber Valiska weissagete viel anders/ und zwar recht/ es solten diese Pferde das Opffer vor ihre Herren seyn/ wie dann bey denen die Gefahr nicht so groß wahr; massen/ nachdem Herkules seinen Feind Schildloß gemacht/ und ihm den Helm geloͤset hatte/ ris- se er ihm denselben gar vom Haͤupte/ setzete ihm die Schwertspitze an die Kehle/ und sagete; Ich ermahne euch nochmahls/ mein Oheim/ daß ihr Lebensfristung nicht muhtwillig aus- schlaget/ welches weder euch noch mir ruͤhmlich seyn wuͤrde/ uñ ich doch genoͤhtiget/ etwas wieder meinen Willen tuhn mũste/ welches mir eben so leid als der ganzen Kron Daͤnen- mark seyn solte; ihr wisset daß man mit Gottes schickung mus friedlich seyn/ welcher nur einem den Sieg goͤnnet/ welchen ich doch an euch zubehaͤupten nicht begehre; begebet euch dieses Koͤnigreichs/ welches lieber untergehen/ als euch zum Herrn annehmen wil/ und ge- denket daß Daͤnenmark seinen kūnftigen Herrn und Koͤnig wol ernehren koͤnne; alsdann wil ich mein aller erstes erbieten erwiedert haben/ uñ diesen Kampf als ungeschehen rechnẽ. Olaff antwortete ihm mit geherzter Rede; besser im Streit geblieben/ als gefangen hinaus geschleppet/ und mißgoͤnne ich meinem Obsieger das minste nicht/ welches mein Blut ist/ nachdem er das meiste/ die Ehre davon getragen hat. Nicht ein Haͤaͤrlein Ehre verlohren/ sagte Herkules/ werde auch nach auffhebung des Streits euch vor keinen Gefangenen o- der uͤberwundenen/ sondern vor meinen bruͤderlichen Freund añehmen und halten. Wel- che Worte den Daͤnischen Fuͤrsten/ der ohndas der Tugend herzlich ergeben wahr/ derge- stalt bewaͤgeten/ daß er ihm sein Schwert willig darboht/ und zu ihm sagete: Unvergleich- licher Held; eure Kraͤfte haben zwar meinen Leib/ aber eure Hoͤfligkeit meine Seele uͤber- wunden/ schaͤtze mich unwirdig einem solchen frommen redlichen Fuͤrsten ein Koͤnigreich zuvorenthalten/ wann es auch mein angebohrnes waͤhre/ und ist mir leid/ daß aus unbe- dachtsamkeit ich eure Liebe zur Feindschaft wieder mich fast genoͤhtiget/ welches aber wie- der einzubringen ich mich bemuͤhen wil/ wuͤnsche deroselben Gluͤk und alle gedeiliche Wol- fahrt zu dieser Kron/ und verbleibe Zeit meines uͤbrigen lebens zu deren wolgefallen. Als Herkules dieses hoͤrete/ legte er seinen Helm abe/ umbfing ihn bruͤderlich/ und sagte: Er sol- te mit ihm alle seine Gluͤkseligkeit gemein haben; mag auch euer Liebe nicht bergen/ setzete er hinzu/ daß wir vordißmahl umb ein Reich gestritten/ welches nunmehr weder eure Lie- be noch ich begehren; nam ihn bey der Hand und ging mit ihm hin nach dem naͤhesten Zelt/ daß seinen Wunden alsbald moͤchte raht geschaffet werden. Die gesamte Fuͤrstliche Geselschaft machte sich hin/ ihn zubesuchen/ nachdem er verbunden wahr/ und trat Valiska vor hinein/ welche anfangs mit wenig Worten ihren Herkules (der von ihm noch nicht gewiechen wahr) anredete/ und/ wie sie sagete/ sich von Herzen erfreuete/ daß er unbeschaͤ- diget aus dem Kampfe getreten wahr; wendete sich hernach zu dem Daͤnischen Fuͤrsten/ und sagete zu ihm: Durchleuchtigster Fuͤrst und Oheim; ich moͤchte von ganzem herzen wuͤnschen/ daß die Gelegenheit es haͤtte leiden wollen/ auff andere Weise/ als vor dißmahl geschehen ist/ mit euer Liebe Kundfchaft zu machen; jedoch/ weil Gott lob aller Zwiespalt verglichen/ und die Mißhelligkeit beygelegt ist/ erfreuet mich hoͤchlich/ daß eure Liebe so wol/ als Siebendes Buch. als mein hoͤchstgeliebter Gemahl den Kampf ohn toͤdliche Wunden geendiget haben/ wo- vor ich dann nicht geringe Sorge getragen. Es hat in Warheit eure Liebe durch auffruf- fung des Kampfs und der ganzen Fehde/ sich uns alle zu ihren verbundenen gemacht/ und verspreche derselben ich meinesteils in kuͤnftig alle Dienste und Freundschaft/ die ohn Eh- ren-verletzung von mir koͤnnen geleistet werden; dessenich euer Liebe dieses schlechte Pfand nunmehr selbst einliefern/ und ihrer kuͤnftigen Koͤniglichen Braut mit einer halben Mil- lion Goldes verfallen seyn wil/ selbe Zeit des Beylagers auszuzahlen; nahm hiemit einen sehr koͤstlichen Ring/ steckete ihm denselben an den Finger und sagete; Wann sie ein wichti- gers als ein Koͤnigreich erdenken koͤnte/ wolte sie ihm darzu/ als viel an ihr waͤhre/ schwe- sterlich behuͤlflich seyn. Der Fuͤrst vergaffete sich fast an ihrer Schoͤnheit und freundli- chen Reden/ nam den Ring mit hoher Ehrerbietung von ihr an/ vermeldend/ daß noch nie kein angenehmer Geschenk ihm dargebohten waͤhre/ als dieser Ring; das uͤbrige erbieten wuͤste er nicht zubeantworten/ weil es gar uͤber sein verdienst reichete; baht hernach/ dz das vorgelauffene gaͤnzlich moͤchte abgetahn/ und als ungeschehen in vergeß gestellet werden/ nachdem er numehr aller Ansprach an dieses Koͤnigreich/ sich willig begaͤbe/ welches er nie- mand lieber als ihrer hohen vortrefligkeit goͤnnete/ deren auch seine Festung einzuraͤumen/ er alle Augenblik bereit und willig waͤhre. Sie nam dieses Erbieten mit hohem Danke an/ und versprach im Nahmen ihres Herkules/ daß das grosse Fuͤrstentuhm der Wenden ihm erblich solte erstritten und zugestellet werden/ wurden auch dero behueff Siegward/ Leches und Neda alsbald gevolmaͤchtiget/ mit 8000 Teutschen und Boͤhmen/ denen 9000 Frisi- sche Voͤlker/ und 7000 gefangene Wendische Reuter solten beygefuͤet werdẽ/ nach Wend- land/ welches jetzo Mekelnburg heisset/ zu gehen/ die alte Fuͤrstin ihrer Haft zuerlassen/ und den Untertahnen anzutragen/ ob sie mit gutem Willen/ den Daͤnischen Fuͤrsten/ Herrn Olaff (welcher alle ihre Landes Freiheiten bekraͤftigen wuͤrde) zu ihrem Fuͤrsten annehmẽ/ oder der gaͤnzlichen Verwüstung wolten gewaͤrtig seyn. Sie muhteten zwar Fuͤrsten O- laff an/ ob ihm gefallen koͤnte/ als ein Feldherr mit zuzihẽ/ aber er wegerte sich dessen/ einwen- dend/ weil er nichts hoͤhers wünschete und begehrete/ als mit den Koͤnigl. und Fuͤrstlichen Helden in bessere Kundschaft zugerahten/ baͤhte er sehr/ ihm zu goͤnnen/ daß er ihrer Gesel- schaft sich eine Zeitlang gebrauchen moͤchte. Niemand wolte ihm dieses versagen/ deßwe- gen rieff Valiska Siegwarden zu sich/ und baht/ er moͤchte die muͤhe uͤber sich nehmen/ und seiner Frl. Schwester/ Frl. Schulda das Heyrahtgut erstreiten/ sie verhoffete zwischen ihr und dem Daͤnischen Fürsten eine gluͤkliche Ehe zu stiften; die Wenden wuͤrden zweifels ohn erschrocken seyn/ weil nicht allein ihre Fürsten/ sondern auch ihre geuͤbete Mannschafft erschlagen und gefangen waͤhren/ daß also die Eile alles nach Wunsch erhalten wuͤrde. Siegward bedankete sich der schwesterlichen Vorsorge/ wegen seiner Frl. Schwester/ und machte sich fertig zum Auffbruch; nahm auch sein Gemahl mit sich/ deren Libussa ge- selschaft leistete/ unteꝛ genom̃enem Abscheide/ daß inwendig sechs Wochen sie mit der huͤlffe Gottes zu Magdeburg seyn woltẽ. Groß Fuͤrst Henrich hielt sich insonderheit gar freund- lich gegen Olaff/ dann er hatte in der Jugend mit seinem Vater gute Freundschaft gepslo- gen/ als sie miteinander in Engeland und Reussen der Ritterschaft obgelegen; daher er sich auch gegen den jungen Fuͤrsten aller wilfahrung erboht; worauff er antwortete: Eure Groß- Siebendes Buch. Großfürstl. Hocheit erfreuen sich billich des gluͤklichen Sieges/ aber tausendmahl billi- cher ihres Sohns Fuͤrst Herkules/ als den ich vor einen unvergleichlichen Held und bestẽ Kaͤmpffer des Erdbodems schaͤtze/ mehr als von einigem Ritter ich mir niemahls einbildẽ koͤnnen; und nachdem die Goͤtter mir seine Kundschafft auff keine andere/ als diese weise goͤnnen wollen/ bin ich damit gerne friedlich/ der ungezweifelten Gewißheit/ wie dieses un- ser erster Streit gewesen/ also solle er auch der lezte seyn. Nachgehends foderte er selber an/ daß man ihm Schreibezeug hergeben moͤchte/ da er folgenden Brief an seinen Oberhaupt- man der Festung auffsetzete: Olaff/ Fuͤrst aus Daͤnenmark/ entbeut seinem Verweser Erich/ daß er straks angesichts dieses/ mit der ganzen Daͤnischen und Friesischen Besatzung sich hieselbst bey mir in des Großmaͤchtigsten Groß Fuͤrsten der Teutschen Heerlager einstelle/ und die Schluͤssel der Stad Tohre mit sich bringe/ Zeigern dieses aber mit seiner Manschafft einzihen/ Mauren/ Wahl und Tohre nach seinem gefallen besetzen/ und ihm nach alle seinem belieben schalten und walten lasse/ als lieb euch meine Huld und Gna- de ist. So bald er dieses geschrieben hatte/ begehrte er an Herkules einen Obersten mit ohn gefehr 1000 Mann nach der Festung abgehen zulassen/ daß sie alsbald/ wann seine Leute auff diesen Befehl abzihen wuͤrden/ den Ort fleissig besetzeten/ welches Prinsla und Klodius anbefohlen ward/ die auch ohn seumen fortzogen/ aber nicht eingelassen wurden. Dann ob gleich der Daͤhnische Obriste seines Fuͤrsten Hand und Siegel sahe/ wolte er doch so bald nicht trauen/ sondern argwohnete/ er wuͤrde diesen Brieff zuschreiben genoͤhtiget seyn/ gab demnach zur Antwort/ es koͤnte leicht geschehen/ daß zween einerley Hand schrieben/ und moͤchte seinem Gnaͤdigsten Fuͤrsten das Pitschafft wol abgehaͤndiget seyn/ daher er zuwilfahren bedenken truͤge/ wann aber Herr Harald/ oder Herr Hunibold/ oder sein Gnaͤ- digster Fuͤrst selber zur Festung kommen/ und ihm muͤndlichen Befehl erteilen wuͤrde/ be- fuͤnde er sich schuldig zugehorsamen. Olaff meinete/ die Fuͤrstliche Geselschafft wuͤrde ihm solches nicht goͤnnen/ dahin zureiten/ weil Harald mit Gallus und Ekhard auff die Jagt außgeritten wahr/ als aber Valiska selbst anhielt/ wann seine Verwundung es leidẽ wolte/ ihm seines Dieners Vorschlag der auß redlicher Pflicht herrührete/ gefallen zulas- sen/ ritte er bis an den Graben/ und rieff ihm zu/ dafern er seinem schrifftlich gegebenen Befehl nicht folge leisten/ die Festung raͤumen/ und wegen geschehener Wegerung bey der Durchl. Großfuͤrstin Valiska um Gnade anhalten wuͤrde/ solte er als sein Erzfeind ster- ben/ wolte auch keine Antwort von ihm anhoͤren/ sondern ritte alsbald mit seinem Diener wieder zuruͤk. Erich/ dem sein Gemuͤht wolbekant wahr/ machte sich geschwinde fertig/ fuͤh- rete die Voͤlker mit weissen Staͤben ab/ und ging er selber ohn alles Gewehr/ nur daß ihm fein Leib Diener das Schwert nachtrug/ hielt die Tohr Schluͤssel in der Hand/ und als er vor Valisken nider fiel/ legte er dieselben/ wie auch sein Schwert zu ihren Fuͤssen nider/ baht vor sich und seine herbeygefuͤhrete Soldaten um Gnade/ wegen Wegerung der Ubergabe/ und erboht sich zu allem untertaͤhnigsten Gehorsam. Valiska aber redete ihm mit diesen Worten freundlich zu: Stehet auff mein Freund/ und guͤrtet alsbald euer Schwert an/ dann ihr tuht euren eigenen Ehren unrecht/ daß ihr mit einem Fußfalle euch als ein Ubeltaͤhter einstellet/ und doch nichts gehandelt habet/ als was einem redlichen und getraͤuen Diener zustehet. Warff ihm damit eine guͤldene Kette um den Hals/ und e e e e ver- Siebendes Buch. versprach ihm daneben ein gutes Ritter Pferd/ samt einem volstaͤndigen Reit Harnische/ und 6000 Kronen baar/ welches dieser in unvermuhtlicher Freude mit untertaͤhnigster Danksagung annam; seinen Voͤlkern aber/ deren 2900 wahren/ ließ Herkules durch die Bank hin drey Monat Sold baar außzahlen/ und musten hernach auff Olaffs Befehl fich mit den Friefischen Voͤlkern/ so nach Wendland solten/ zusammen tuhn/ daß er Wil- lens wahr/ deꝛen nur 12 bey sich zubehalten/ aber Herkules und Valiska lagen ihm hart an/ daß er 400 alle gebohrne Daͤnen/ zu seinem Leibschuz und Auffwartung unter seinem Leib Faͤhnlein zuruͤk behalten moͤchte/ welche alle von Valiska absonderlich beschenket wurden/ und auff deren getrieb ihrem Fuͤrsten aufs neue schwoͤren musten ihm getraͤu zu seyn/ und ihn in keiner Noht zuverlassen/ dessen sich Olaff nicht gnug verwundern kunte. Als nun jederman der Meinung wahr/ Herkules wuͤrde mit seinem Gemahl sich kroͤnen lassen/ und die Herschafft antreten/ foderte er seinen Vater den Großfursten und seinen Bruder Baldrich zu sich/ und in beyseyn der saͤmtlichen Landstaͤnde hielt er diese Rede: Hochansehnliche Staͤnde dieses Großmaͤchtigen freyen Frisischen Reichs/ geliebte Herren und Freunde; daß dieselben nach einhelligem Schlusse meinem Gnaͤdigsten Herr Vater/ dem Großfuͤrsten und maͤchtigen Beherscher der Teutschen/ auch die Erb Herschafft ih- res Vaterlandes aufgetragen/ und dessen Hocheit zu ihren Koͤnig erwaͤhlen wollen/ nach dem der Alte Koͤnigliche Friesische Stam abgangen ist/ solches erkennet seine Hochheit mit gnaͤdigster Gewogenheit/ unter gleichmaͤssigem gnaͤdigsten erbieten/ als ein getraͤuer Koͤnig und Vater des Vaterlandes/ ihre Rechte/ Gerechtigkeiten/ Fꝛeyheiten und loͤbliche Satzungen/ auch wasdem allen sonst anhaͤngig ist; wie dann alle und jede Einwohner samt und sonders/ aͤdel und Unaͤdel/ hoch und nidrig/ Buͤrger und Baur/ in Schuz und Schirm zunehmen/ und alles das zutuhn und zulassen/ was von einem Friesischen Koͤnige nach Uhralten Rechten und Gebraͤuchen erfodert wird. Wiederhohlet gnaͤdigst die schon getahne Verheissung/ daß alle Einwohner von heut anzurechnen/ ein ganzes Jahr aller Schatzung/ wie die Nahmen haben moͤgen/ sollen enthoben/ die in funfzig Jahren neu an- gelegete Landes Beschwerungen ewig abgeschaffet/ die Frohndienste auffs leidligste ange- schlagen/ und alles in den uhralten Stand hiemit und Krafft dieses gesetzet seyn/ welche Gnade die Einwohner mit dankbahrem Gemuͤht und Herzen erkennen werden. Nachdem aber hoͤchstgedachte ihre Hocheit/ ihr angebohrnes Teutsches Erbreich nicht uͤbergeben/ noch ihren Siz in Frießland versetzen kan/ sondern mit ihren Reichs Geschaͤfften vor sich gnug zutuhn hat; als wil ihre Hocheit den Herren Land Staͤnden einen von uns seinen beiden Soͤhnen gegenwaͤrtig/ zum Koͤnige vorgestellet habẽ/ wie solches diesem ihren Rei- che am sicheꝛsten/ zutraͤgligsten und erbaulichsten seyn wird/ hat auch mir als dem aͤltern solches mit Beliebung der gesamten loͤblichen Landstaͤnde gnaͤdigst Vaͤterlich auffgetra- gen/ welches ich dann um Ungehorsamkeit zumeiden/ in Kindlicher Demuht uͤber mich genommen habe bedanke deßwegen so wol gegen meinen Gnaͤdigsten Herr Vater/ als die saͤmtlichen Staͤnde mich Kind dienst- und freundlich/ und wie ich darauß ihrer aller gute Gewogenheit verspuͤre/ also erkenne ich mich schuldig und verbunden/ es an jedem Orte nach gebuͤhr/ mit kindlichem Gehorsam und freundwilligen Bezeigungen/ nach vermoͤgẽ zuersetzen. Weil aber ich mich wol erinnere/ daß die Teutsche Beherschung nach meines Gn. Siebendes Buch. Gn. Herr Vaters ableben (welches Gott lange Zeit gnaͤdigst verhuͤten wolle) auff mich als den aͤltern Erben bestehen wird/ und zwey Koͤnigreiche unter einem Herrn sich nim- mer mehr so ruhig befinden/ als wann jedes seinen eigenen Koͤnig hat/ welcher sich seines einigen dergestalt annimt/ daß er keinen fremden die hohen Bedienungen einraumet/ und dadurch der einheimischen Haß und Wiederwillen (es geschehe dann mit deren freien be- lieben) auf sich ladet; als habe in Betrachtung dessen/ ich vordißmahl meine Rede an ihre Großfuͤrstl. Hocheit/ meinen Gn. Herr Vater/ an seine Durchl. meinen geliebten Bru- der Fürst Baldrich/ und an die Hochansehnlichen gesamten Land Staͤnde richten wollen/ Kind-Bruͤder-freundlich bittend/ sie wollen allerseits dieses Reichs beste wol und fleissig beobachten/ und ohn Einrede darein gehehlen/ daß die Beherschung desselben von mir ab- genommen/ und meinem jeztgedachten lieben Bruder Fuͤrst Baldrich auffgetragen wer- de/ welcher dann seinem Fuͤrstlichen Verstande und begnadeten Gaben nach/ diese Buͤr- de wol wird tragen/ und dem Reiche als ein loͤblicher Koͤnig vorstehen koͤnnen. Versehe mich dessen zu ihnen allen samt und fonders/ und wiederhohle hiemit mein voriges erbietẽ. Der Alte Großfuͤrst/ welcher dieses sein vorhaben schon zeitig an ihm gemerket hatte/ ant- wortete darauf; ob er zwar des Vorsatzes gewesen waͤhre/ ihn als seinen aͤltern Sohn ehe in eine wirkliche Herschafft einzusetzen/ als den Juͤngern/ so wolte er dannoch ihm hierin seinen freien Willen goͤnnen/ insonderheit/ weil er betrachtete/ daß den beiden grossen Her- schafften besser mit unterschiedlichen/ als einem Koͤnige gedienet waͤhre/ damit die Friesẽ nicht ihr Recht und Schuz in Teutschland suchen dürfften/ welches einen Schein einiger Dienstbarkeit und Vnterwerffung haben koͤnte/ und mannichem unruhigen Kopffe Ur- sach zur Neuerung an die Hand geben; zweifelte also nicht/ die Land Staͤnde wuͤrden ihr und des Landes beste beobachten/ und seinen juͤngern Sohn Baldrich vor ihren Koͤnig erkennen. Hie wahr nun der Land Staͤnde Vorsteher und Worthalter fertig/ gewierige Antwort zugeben; aber Fuͤrst Baldrich winkete ihm/ ein wenig zuverzihen/ und huhb also an: Gnaͤdigster Herr Vater/ und freundlicher lieber Herr Bruder/ ob sie wol allerseits gedenken moͤchten/ mir geschaͤhe durch diese Vaͤter- und Bruͤderliche Hulde eine sonder- bahre Annehmligkeit/ so zeuget doch mein Gewissen/ daß/ wo diese nicht weniger wieder- waͤrtige als unvermuhtliche Anerbietung mir solte bewust gewesen seyn/ ich ohn genom- menen Urlaub mich so lange wolte hinweg gemacht haben/ biß die Kroͤnung meines Herr Bruders wuͤrde geschehen seyn/ sintemahl nicht allein wegen meiner Jugend und Liebe zu ritterlichen übungẽ ich dieser Reichs Last mich unbestand befinde/ sondern wuͤrde mir auch zumahl verwaͤgen und frech anstehen/ wann meinem aͤltern Herr Bruder/ der zum Reichs- Stabe ungleich geschikter und begabter ist/ ich vorgreiffen/ und also eine Herschafft betre- ten solte/ ehe und bevor dessen Liebe auff dem Gewalt Stuele sitzet. Ist es dann gleich/ daß diese beyden Reiche von einem einzigen Koͤnige nicht solten verwaltet werden/ welches doch meines Herr Bruders Liebde ich von Herzen goͤnnen wolte/ ey so nehme nur diesel- be die Herschafft bey unsers Gn. Herr Vaters Lebezeit uͤber sich/ alsdann wird sichs her- nach schon schicken/ wie es ferner wird anzuschlagen seyn; warum ich dann kind- und brü- derlich anhalten/ und die Land Staͤnde/ solches einzugehen und zuschliessen/ gebehten haben wil. Nein/ geliebter Bruder/ antwortete Herkules/ du weist ohn mein erinnern/ was vor e e e e ij ein Siebendes Buch. ein verwirretes Wesen aus solchem uͤmtauschen erfolgen/ und wie gar beschwerlich es die- sem Koͤnigreiche und mir fallen wolte; hoffe auch/ dafern du mich liebest/ wie ich dann dar- an im geringsten nicht zweifele/ du werdest hinfuͤro dich dergleichen Entschuldigungen be- geben/ und dieses dir von Gott versehene Koͤnigreich nach seinem Willen annehmen/ wie ich dann mich dessen versichert halte/ die Land Staͤnde werden in diesem falle des Landes Wolfahrt reiflich erwaͤgen/ und sich schließlich zuerklaͤren wissen. Baldrich wolte seine Ge- gen Antwort tuhn/ aber sein Herr Vater redete ihm ein; er solte sich nicht wegern/ seines Bruders Willen und seinem gutheissen gemaͤß zuleben. Worauff der Friefische Wort- halter diese Landes Erklaͤrung ablegete: Gegen Eure Groß Fuͤrstliche Hocheit und Durch- leuchtigkeiten bedanken sich die saͤmtlichen Land Staͤnde dieses loͤblichen Koͤnigreichs un- tertaͤhnigst/ daß dieselben in hochweiser Betrachtung/ was diesem Lande am vortraͤglich- sten seyn moͤchte/ uns einen Herscher und schierkuͤnfftigen Koͤnig auff unser einhelliges un- tertaͤhnigstes Begehren/ gnaͤdigst bestimmen und setzen wollen/ wie auch nicht weniger vor die mildreiche Erlassung der einjaͤhrigen Schatzung/ dann endlich Auffheb- und Milte- rung der ungewoͤhnlichen Zoͤlle/ Auflagen und Frohndienste/ untertaͤhnigst gedanket wird; nehmen darauff den Durchleuchtigsten Groß Fuͤrsten und Herrn/ Herrn Baldrich/ vor ihren herschenden allergnaͤdigsten Koͤnig untertaͤhnigst auff und an/ uñ sind bereitwilligst/ uͤber drey Tage die Erb Huldigung und gewoͤhnliche Kroͤnung mit gebuͤhrlicher Feirlig- keit ergehen zulassen; wuͤnschen ihrem gnaͤdigsten Koͤnige Friede/ Gesundheit/ langes Le- ben/ gluͤkliche Herschung und alles Koͤnigliche Wolergehen/ und ergeben demselben sich mit alle dem ihrigen ohn einige Ausrede und Bedingung untertaͤhnigst/ demuͤhtigst bit- tend/ Ihre Durchl. und Wuͤrden/ ihrer aller gnaͤdigster Koͤnig seyn und verbleiben wolle. Hierauff ward von allen Seiten Gluͤk gewuͤnschet/ und am bestimmeten Tage die Kroͤ- nung vorgenommen/ da Baldrich und sein Gemahl Fuͤrstin Lukrezie mit treflichem Pracht gekroͤnet/ auch dabey allerhand Freygebigkeit vorgenommen ward; aber die Froͤligkeit wol- te bey der Fuͤrstlichen Geselschafft nicht recht loßdruͤcken; dann weil das Großfürstliche Fraͤulein schon 11 Tage verlohren wahr/ und man nicht die allergeringste Zeitung von ihr erfuhr/ besorgeten sie sich sehr/ es muͤste nicht recht mit ihr und Arbianes stehen. Des ersten Tages nach der Kroͤnung sassen die Fuͤrsten und Fuͤrstinnen ingesamt an einem Tische/ da unter der Mahlzeit der alten Großfuͤrstin die Klaren-Traͤhnen von den Augen herunter flossen/ und sie zugleich also zu ihrer Schwieger Tochter Fr. Valisken anfing: Ach meine Herzen Fr. Tochter/ wie froͤlich wuͤrde ich seyn/ wann mir nur ein Mensch die Zeitung braͤchte/ daß mein allerliebstes Kind Klaͤrichen annoch am Leben waͤhre/ kan mir aber nun- mehr keine Hoffnung darzu machen/ dann mein Herz traͤgt mirs eigen zu/ sie muͤsse entwe- der tod/ oder in uͤberaus grosser Truͤbsaal seyn. Mein Gott weiß/ antwortete Valiska/ daß ich bey keiner froͤlichen Geselschaft trauriger/ als ebẽ bey dieser gewest bin/ jedoch hat mein Geist annoch gute Hoffnung/ der allerhoͤchste Gott werde das allerliebste grundfromme Herz neben den Gottfürchtigen Fuͤrsten (dañ sein Christentuhm hatte sie ihnen allen schon zuwissen getahn) vor Lebens- und Ehren-Gefahr gnaͤdiglich erhalten. Ich trage eben die- ses Vertrauen zu meinem Heylande/ sagte Herkules/ wiewol ich mich nicht darein zufindẽ weiß/ daß sie uns so gar nichts zuentbieten/ welches kaum moͤglich seyn koͤnte/ wann sie in der Siebendes Buch. der naͤhe waͤhren. Als sie mit diesen traurigen Gedanken und Unterredungen sich also pla- geten/ trat Neklam zu dem Groß Fuͤrsten/ und meldete an/ es waͤhre ein alter abgelebter Mann auff einem Bauren Wagen ankommen/ truͤge einen volgestopften Sak auff dem Ruͤcken/ und gaͤbe vor/ er müste den Groß Fuͤrsten aus Teutschland selber sprechen/ dessen haͤtte er ausdrüklichen Befehl. Lasset ihn herkommen/ sagete der Großfuͤrst/ wer weiß/ was er vorzutragen hat. Neklam verrichtete diesen Befehl/ wolte nicht lange nachfragen/ von wannen er kaͤhme/ und was er suchete/ sondern erinnerte ihn bloß/ den Sak haussen stehen zulassen; Worauff dieser zur Antwort gab: Ich werde ja dasselbe nicht von mir legen/ wel- ches einzuliefern ich eigentlich uͤberkommen bin. Also ließ ers gerne geschehen/ daß er nach seinem Willen verfuhr. Als dieser mit seiner Buͤrde zur Tuͤhr hinein trat/ und den grossen Fuͤrstlichen Pracht sahe/ waͤhre ihn schier geschwunden/ setzete den Sak neben sich auff die Erde/ und lehnete sich dran/ endlich erhohlete er sich wieder/ zohe sein Huͤhtlein ab/ loͤsete dẽ Sak ohn einiges Wortsprechen auff/ zohe hernach der Fraͤulein rohten Unter Rok/ und das Himmelblaue Silber Stuͤcken-Oberkleid hervor (dann er wahr der alte Wittho/ bey dem sie auff dem Haͤu ihre erste Herberge hatten) trat vor den Groß Fuͤrsten/ und wolte seine Erzaͤhlung anfahen/ da er beyde Kleider im Arme trug; aber die alte Groß Fuͤrstin kennete dieselben straks ansehens/ und fing an uͤberlaut zuruffen: O du almaͤchtiger Gott/ das sind ja meiner lieben Tochter Kleider! bald saget mir/ mein guter Alter/ ob sie lebe oder tod sey. Der gute Mann erschrak der Rede/ wuste nicht/ was er antworten solte/ und in der Verwirrung fing er an: Was weiß ichs/ ob sie lebendig oder tod ist/ wann sie hie nicht ist? Darauff fing die betruͤbete Mutter an zuklagen und weinen/ daß ihr Gemahl ihr gnug ein- zureden hatte: Sie moͤchte doch in Geduld stehen/ und dem alten einfaͤltigen Manne Zeit goͤnnen/ anzudeuten/ was er davon wuͤste; befahl auch diesem/ sein Wort vorzubringen/ welcher also redete: Gnaͤdigster Großfuͤrst/ ich habe des abends nach gehaltener Schlacht einen jungen Ritter und eine Jungfer in meiner Huͤtten auff dem Haͤu/ umb Gefahr zu meiden/ heimlich verstecket/ welche sich anfangs vor Bruder und Schwester angaben/ a- ber ich nachgehends wol merkete/ dz es eine andere Beschaffenheit mit ihnen haben moͤch- te/ davon ich doch eigentlich nicht zusagen weiß/ wiewol sie mir so viel anvertraueten/ daß sie des hoͤchsten Adels in diesem ganzen Koͤnigreiche waͤhren; Diese haben nach ihrem Ab- scheide mir befohlen/ wann inwendig sieben Tagen nicht Nachfrage kommen/ oder sie mir nicht einen Wagen senden wuͤrden/ solte ich mich nach dem Groß Fuͤrsten der Teutschen machen/ ihm diese Kleider bringen/ und zur Nachricht anzeigen/ daß sie bey mir gewesen waͤhren. Das ist mir ja wol eine recht wunderliche Sache/ sagte der Groß Fuͤrst; ist dann diese Schwester mit ihrem lieben Bruder mutternacket davon gesprungen/ und hat Un- ter- und Ober Kleider verlauffen wollen? Nein/ antwortete er; sondern sie durfften in die- sen statlichen Kleidern im Felde nicht wanken/ wegen der fluͤchtigen streiffenden Reuter/ und hatten alte Lumpen angelegt/ daß sie sicher durchkommen moͤchten. Das wird ihr we- nig helffen/ sagte der Groß Fuͤrst; die Haut und Farbe wird sie bald verrahten/ daß sie kei- ne Bauren Magd ist. Davor haͤtte ich sie in dieser Kleidung leicht angesehen/ sagte der Alte/ dann wie zart und schoͤn sie mir des ersten Abends bey ihrer Ankunfft vorkam/ so heß- lich und fahlbraun sahe ich sie im wegreisen/ daß ich nicht wissen kan/ wie sich ein Mensch e e e e iij so Siebendes Buch. so schleunig verendern moͤgen. Valiska merkete bald/ daß Arbianes sie wuͤrde angestrichen haben/ und vermeldete solches den Eltern/ fragete hernach den Bauren/ wohin sie dann ih- ren Weg genom̃en haͤtten. Davon sagten sie mir nichts eigentliches/ antwortete Wittho/ nur daß aus allen Umstaͤnden ich wol merkete/ sie wolten sich hieher begebẽ/ wie mich auch des folgenden Tages ihr neuer Diener/ meines Bruders Sohn Wolffgang berichtete/ gegen welchen sie wegen seiner Traͤue sich sehr freygebig erzeiget/ und ihm einen grossen Beutel vol guͤldener Pfennige/ welche man Kronen nennet/ verehret haben/ die er bey mir nidergesetzet/ und ich wol drey Tage darauff zugebracht/ ehe ich sie alle zaͤhlen koͤnnen/ habe endlich durch fleissiges anmerken die rechte Zahl getroffen/ als nehmlich 135 Stiege (eine Stiege aber ist 20)/ davon ich/ weil er michs geheissen/ etliche wenige verzehret/ und die uͤ- brigen mit mir gebracht habe. Es ist mir aber unlieb/ daß ich sie hieselbst nicht finde/ wil ja nicht hoffen/ daß sie in der Feuersbrunst drauff solten gangen seyn. Ach mein Gott/ sagte die alte Groß Fuͤrstin; sind sie dann in Feuersnoht gerahten? Ja/ Gn. Frau/ antwortete er/ das Staͤdchen/ darinnen sie lagen/ ist mehrenteils abgebrand/ und sollen in die 30 und mehr Menschen im Schlaffe elendig umkommen seyn. Da ging es nun an ein klagen/ weinen und heulen/ dann es wahr niemand/ der ihm nicht gaͤnzlich eingebildet haͤtte/ sie waͤhren zu Staub und Aschen verbrand/ so daß Herkules selbst das aͤrgeste vor wahr hielt; endlich noch gab Valiska den Raht/ man solte 100 schnelle Reuter ausschicken/ und ver- nehmen lassen/ ob kein Mensch von ihnen Nachricht zugeben wuͤste; welches alsbald zu werke gerichtet/ und dem alten Wittho eine Renne Gutsche angespannet ward/ mit uͤber- zufahren. Prinsla und Ekhard musten ihre Hauptleute seyn/ eileten geschwinde fort/ und auff scharffe Nachfrage zogen sie den Bericht ein/ Wolffgang waͤhre mit einem unbekan- ten jungen Manne/ und mit einer fremden jungen Frauen davon gestrichen/ gleich als der Brand angangen/ und hielte man gaͤnzlich davor/ das Feur waͤhre von ihnen angelegt/ daher vier Bürger auff Pferden ihnen nachgesezt haͤtten/ welche man des andern Tages/ teils mit Steinen zu tode geworffen/ teils nidergehauen angetroffen haͤtte/ und wüste kein Mensch zusagen/ wo jene muͤsten geblieben seyn. Der alte Wittho wider sprach dieser Be- schuldigung/ und erboht sich/ sein Leben zulassen/ dafern sein Oheim oder diese fremden sol- ches Bubenstuͤk verrichtet haͤtten; es moͤchte dann ohngefehr geschehen seyn/ oder aus Un- vorsicht; begehrete auch Nachricht/ wo ihr Wirt anzutreffen waͤhre. Man gab zur Ant- wort; weil man ihm wegen des Feurschadens mit dem Tode gedraͤuet/ haͤtte er sich heim- lich davon gemacht/ und ginge das Geschrey/ er hielte sich auff dem naͤhesten Dorffe auff/ unter der Hoffnung/ von der Obrigkeit Schuz und Freyheit zuerlangen/ daß er sein abge- brantes Hauß wieder bauen moͤchte. Es musten also bald 20 Reuter dahin jagen/ welche in demselben Dorffe ihn antraffen/ und begehreten/ daß er unter ihrem Schuz und auff gutem Glauben mit nach seiner Stad zihen solte; welches er willig leistete/ und den unsern alles offenbahrett/ so viel ihm bewust wahr; taht endlich hinzu/ wie boͤßlich sein Nachbar ihn wegen des Feurschadens verleumdet/ welches aus dem Brauhause nohtwendig muͤ- ste entstanden seyn/ und erboht sich/ daß er sich mit demselben auff Leib- und Lebensstraffe wolte setzen lassen/ wuͤrde auch die Warheit bald an den Tag kommen/ wann nur dessen Gesinde unter harter Bedraͤuung absonderlich befraget wuͤrde; welches auch erfolgete/ massen Siebendes Buch. massen dieselben aus Furcht des Todes bekenneten/ was gestalt ihr Herr es ihnen hart ein- gebunden/ ihnen auch Geschenke versprochen/ daß sie den Ursprung des Brandes seinem Nachbar zulegen solten; daher dann dieser unschuldige Mann nicht allein von der Buͤr- gerschafft frey gesprochen/ sondern sein Verleumder gefaͤnglich gelegt/ und nachgehends des Landes verwiesen ward. Prinsla freuete sich anfangs dieser Gewißheit/ dz die unsern nicht im Feur drauff gangen wahren/ hatte aber daran noch kein genuͤgen/ sondern ließ sich den Weg zeigen/ welchen sie ohngefehr muͤsten gereiset seyn/ da er dañ nicht irrete/ sondern in dem Dorffe anlangete/ woselbst Arbianes seiner Fraͤulein Ankunfft etliche Stunden erwartet hatte; ließ die Inwohner zusammen ruffen/ und erfuhr so viel: Es waͤhre des Ta- ges/ da der Brand sich zugetragen/ ein junger sehr betruͤbter Mann daselbst angelanget/ haͤtte nach einem andern jungen Manne und einer Jungefrauen ernstlich gefraget/ ob sie daselbst nicht durchgereiset waͤhren/ und als er Nein vernom̄en/ haͤtte er ihrer etliche Stun- den vergeblich gewartet/ hernach mit Vergiessung vieler Traͤhnen sich wieder auff den Ruͤkweg begeben/ von dem sie fieder dem nicht das allergeringste vernommen; meldeten auch dabey/ er haͤtte eine frische Wunde am linken Arme gehabt/ welche er selbst verbun- den. Ein mehres zuerforschen wahr den unsern unmoͤglich/ deswegen sie wieder umkehre- ten/ der Fuͤrstlichen Geselschafft alles hinterbrachten/ und dieselbe zimlich zufrieden stelle- ten/ weil sie gewiß wahren/ daß das Feur sie nit verzehret haͤtte/ und demnach der Hofnung lebeten/ Gott wuͤrde sie in ihrem vermuhtlichen Elende/ und auff der Reise gnaͤdiglich be- wahren/ und sie wieder zu Lande bringen; und wer weiß/ sagte Valiska/ ob sie nicht schon ihren Weg nach Magdeburg/ oder wol gar nach Prag genom̄en haben. Der alte Wittho hatte Ekharten angezeiget/ wessen das Fraͤulein/ seine Unterhaltung betreffend/ sich gegen ihn gnaͤdigst erbohten haͤtte; deswegen gab man ihm eine bequeme Wohnung in einer Stad/ und daß er die mitgebrachten Gelder sicher angreiffen/ und nach belieben alle Wo- chen drey oder vier Kronen davon verzehren/ nachgehend von der Obrigkeit ein mehres fodern solte; sein Oheim/ wann er ankaͤhme/ solte das seine schon wieder bekommen. Unse- re Fuͤrstliche Geselschafft machte sich hierauff zur Heimreise fertig/ welches Valiska aus verlangen nach ihrem Soͤhnlein sehr besoderte. Zwar die Land Staͤnde des Koͤnigreichs hatten ihnen die Hoffnung gemacht/ ihr Koͤnig Baldrich wuͤrde nunmehr bey ihnen blei- ben/ und das Reich selbst in guten Stand bringen/ als sie aber vernahmen/ daß er wieder mit nach Prag reisen/ uñ doch bald sich wieder einstellen wolte/ gaben sie sich zufrieden/ dañ er hatte die Gerichts Stuͤle und hohen aͤmter alle mit den verstaͤndigsten auffrichtigsten Leuten bestellet/ und dem Reiche aus eigener Bewaͤgung diese Freyheit erteilet/ daß er kei- nen einzigen Auslaͤnder zu einem Amte im Koͤnigreiche befodern wolte/ sondern lauter Landsassen/ es waͤhre dann/ daß die Staͤnde aus eigenem Wilkuͤhr einen oder andern wol- ten befodert haben. Sie wolten ihn aber vor dißmahl nicht ohn seine eigene Leute zihen las- sen/ sondern gaben ihm 8000 Reuter mit zum Leib Schutze/ und erbohten sich/ da es noͤh- tig seyn wuͤrde/ ihm und seinen Anverwanten mit des ganzen Landes Macht beyzusprin- gen. Die uͤbrigen Teutschen und Boͤhmischen Voͤlker bestunden annoch in 46000 Mañ/ welche nicht allein alle zu Pferde wahren/ sondern (gar wenig ausgenommen) ihre Hand- Pferde aus der Schlacht mit sich fuͤhreten. Prinsla wahr Feldmarschalk/ dann die Fuͤrst- liche Siebendes Buch. liche Geselschafft hatte sich in Gutschen verteilet/ daß jeder sein Gemahl bey sich hatte; wie- wol der Groß Fuͤrst offtmahl mit Valisken/ und die Groß Fuͤrstin mit ihrem lieben Sohn Herkules fuhr/ umb die Christliche Lehre recht zubegreiffen/ welche mit gutem Willen an- zunehmen/ sie sich schon des andern Tages nach ihrer Erloͤsung erklaͤret hatten. Wie nun der Abgesagte arglistige Menschen Feind der leidige Teufel der wahren Christlichen Gotseligkeit allemahl wiederstrebet/ also fuͤrchtete er sich vordismahl sehr/ es moͤchte ihm durch unsere Fuͤrstliche Helden sein Reich und Dienst in Teutschland/ Schweden und Boͤhmen zerstoͤret/ und die heidnische Abgoͤtterey durch Einfuͤhrung des Christlichen Glaubens abgeschaffet werden/ welchem vorzubauen/ er des Nachtes vor ge- haltener Schlacht einem Teutschen Pfaffen bey dem Kriegs Heer in Gestalt der Goͤttin Freia erschien/ und ihn folgender massen anredete; Lieber Sohn/ verwundere dich nicht/ meines ungestalten zitternden Leibes/ Traͤhnen fliessender Augen und hochbetruͤbten Ge- berden/ in welchen du mich anjetzo sihest/ sondern biß einzig darauf bedacht/ wie du deinem Vaterlande außhelfen/ und ihre bißher fleissig bedienete/ auch nit minder gnaͤdige Schutz- Goͤtter retten; ja den algemeinen Untergang des freien Teutschlandes durch deine Vor- sorge abwenden moͤgest/ und versichere dich/ daß die schierkünftige blutige Schlacht den Teutschen Grund und Bodem umkehren/ Staͤdte und Doͤrfer verwuͤsten/ und alle Ein- wohner zu Roͤmische Leibeigene machen wird/ dafern du nicht wirst bey Zeiten darzu tuhn/ und alle Kriegs geuͤbete Manschafft auffmahnen/ ihrer selbst wahrzunehmen. Dann sihe/ die jungen Fuͤrsten/ die sich den Roͤmern zu Dienste ergeben/ und ihre verfuͤhrische Toͤchter geheyrahtet/ welches bißher unerhoͤret/ gehen mit diesem Vorhaben schwanger/ nicht allein den Uhralten aͤdlen Gottesdienst gar auffzuheben/ wobey ihr Pfaffen alle des Hungers sterben müstet/ sondern alle Laͤnder den Roͤmern zinßbahr zumachen/ welches Joch sie in Ewigkeit nicht werden von sich werffen koͤnnen/ dafern sie einmahl unterdruͤcket find. So reite nun eilend fort/ wecke dein sicheres Vaterland auff vom Schlaffe/ und nach Vermel- dung meines unfehlbahren Schutzes und Beistandes/ auch reicher Belohnung ihrer Traͤue/ zeige ihnen an/ des Großfuͤrsten Kinder und Oheime seyn Willens/ ihnen neue Roͤ- mische Goͤtter aufzudringen/ und die alten wolverdieneten abzuschaffen. Werden sie nun ein solches einwilligen/ alsdann wil ich mit zutuhn meiner Bruͤder/ Krodo/ Irmen Seul und anderer Gotter/ alle umliegende Voͤlker wieder sie in Harnisch bringen/ die sollen ihre Manschaft erschlageu/ ihre Guͤter und Vieh rauben/ und die wenige so uͤberbleiben wer- den/ in ewige Dienstbarkeit hinweg schleppen/ dann werden sie mit Schmerzen erfahren/ aber gar zuspaͤht bereuen/ daß sie ihren Schuz Goͤttern den Dienst und Gehorsam aufge- kuͤndiget/ und einen Gekreuzigten an ihre Stat angenommen haben. Nach Endigung die- ser Rede fing die vermeinete Goͤttin an/ des Teutschlandes Untergang von neuen zube- weinen/ draͤuete auch diesem Pfaffen alle Strafe und Verfolgung/ dafern er nicht stuͤndlich sich erheben und sein Vaterland warnen wuͤrde. Bald ließ ein ander Teufel in Gestalt des Abgottes Krodo sich sehen/ welcher ihm ein schoͤnes Land mit Staͤdten/ Doͤrffern/ Waͤl- dern/ Ackern und Wiesen außgezieret vor Augen stellete/ und dabey diese Rede fuͤhrete: Sihe da du Teutschland/ durch meinen Schuz und Beistand bistu so schoͤn worden/ da du zuvor eine Wuͤste und Einoͤde wahrest/ der Woͤlffe und Fuͤchse Wohnung/ wirstu nun meine Siebendes Buch. meine Woltahten nicht erkennen/ sondern meinen Gottesdienst aufheben und einen neuẽ dir aufdringen lassen/ so wil ich dir hiemit zeigen/ durch was vor eine grausame Straffe ich mich an dir raͤchen wil; nam einen Topf mit Sand gefuͤllet und streuete ihn auß uͤber die Wiesen und Felder/ wovon alles Gewaͤchse im Augenblik verdorrete; uͤber die Waͤl- der goß er einen giftigen Dampf auß/ welcher dieselben versengete und algemehlich ver- zehrete; uͤber die Staͤdte und Doͤrffer aber speyete er ein grosses Feur auß seinem Rachen/ wovon sie biß auff den Gꝛund verbrennet wurden/ daß weder Stok noch Stiel davon uͤ- brig wahr. Worauff er zu der Freia sagete/ sihe meine Schwester und Mit Goͤttin/ gleich also sol Teutschland zugerichtet werden/ wo die Inwohner so frech und verwaͤgen sind/ daß sie von uns ab zu neuen Goͤttern tꝛeten. Ach nein/ mein Bꝛuder/ schone schone/ antwor- tete Freia/ wir wollen ein besseres von den frommen Teutschen hoffen/ und uns dieses un- sers getraͤuen Dieners Siegwieß gebrauchen/ welcher des Landes bestes wissen/ und sein eigenes nicht unter die Fuͤsse treten wird. Damit verschwand alles/ und erwachete dieser auß dem Traum/ voller Angst und kummers/ wie er dann vor vielen andern ein Andaͤchti- ger Diener der Freia wahr/ und bey dem gemeinen Volk wegen seiner aͤusserlichen Schein- heiligkeit in grossem ansehen: wolte demnach solchen vermeineten goͤttlichen Befehl nicht in den Wind schlagen/ sattelte alsbald fruͤh morgens sein Pferd/ und begehrete von seinem Obersten Urlaub/ nach Hause zureiten/ unter dem einwenden/ er haͤtte sein Weib daheime gelassen/ welche der Geburt sehr nahe waͤhre/ und er auß seinem gestrigen Opfer und ange- merketen Vogelgeschrey/ gewisse Merkzeichen genommen/ daß die Geburt sehr gefaͤhrlich zugehen duͤrffte/ wann er nicht solte dabey seyn/ welches Ungluͤk von seinem Hause abzu- wenden/ er billich muͤste gefliessen seyn. Sein Obrister wolte ihm solches weder verbieten noch zulassen/ gab ihm doch zum Bescheide/ er als einer deꝛ bey deꝛ Schlacht das Schweꝛt nicht fuͤhren wolte/ würde wol koͤnnen Erlassung erhalten/ nur muͤste er den jungen Fuͤrstẽ Baldrich selbst darumb begruͤssen. Dieseꝛ taht solches mit eben dem vorbꝛingen/ und ward von dem Fuͤrsten mit freundlicher Antwort angesehen; es solte ihm seine Heimreise/ und allen Pfaffen/ die es begehren wuͤrden/ nicht gehindert noch gehemmet werden; habt euch aber/ sagte er/ wegen eures lieben Weibes nicht so hart zubefuͤrchten/ dañ ich wil euch ihret wegen bessere Nachricht geben/ als eure Opffer und luͤgenhaffte Vogel nicht getahn/ nehm- lich/ sie hat einen jungen Sohn zur Welt gebracht/ der nach verlauff eines Jahrs wird an- fangen zu gehen und zusprechen. Dieses redete er auß blossem Scherze/ und wahr doch in der wahrheit also eꝛgangen. Damit er abeꝛ keinem Pfaffen ursach geben moͤchte/ ihn zuveꝛ- leumden/ gab er diesem 12 Kronen Zehrgeld/ mit dem versprechen/ er wolte auff seine An- kunft in Teutschland ihm eine bessere Verehrung tuhn. Dieser bezeigete sich aͤusserlich zim- lich demuͤhtig/ und setzete alsbald seine Reise fort. So bald er in Teutschland kam/ suchete er hin und wieder die Pfaffen heim/ erzaͤhlete ihnẽ seine gehabte Erscheinung/ hielt ihnen alles mit einem sonderlichen Eifer vor/ und unterließ nicht/ es zum aͤrgesten außzudeuten/ daß Baldrich von seinen Opffern und Vogelgemerk so veraͤchtlich haͤtte reden duͤrfen; wo- bey er als ein sonderliches Wunderwerk vermeldete/ daß sein Pferd/ sonst von geringer Kraft/ ihn auff dieser Reise taͤglich 12 Meilen fortgetragen/ und kein Spier Graß oder ander Futter dabey gefressen/ welches die unfehlbahre goͤttliche Begleitung ausser Zwei- f f f f fel Siebendes Buch. fel gewirket haͤtte/ ihn in diesem seinem heiligen Vorsaz dadurch zustaͤrken/ und andere zuer- muntern/ daß sie ihrer Goͤtter sich annaͤhmen/ damit das Land in seinem guten Wesen uñ Wolstande erhalten wuͤrde. Es bewaͤgete dieses alle/ zu welchen er kam/ und ritten die Pfaffen mit Hauffen auß/ allen Inwohnern des Landes zwischen Elbe/ Weser und Rein/ diese goͤttliche Warnung vorzutragen/ da dann ihr Vorschlag allenthalben angenommẽ ward/ daß man eine grosse Kriegsmacht versamlen/ den Fuͤrsten entgegen zihen/ und ihnẽ weder den Einzug in das Land verstatten/ noch sie vor ihre Obrigkeit erkennen solte/ biß sie die neuen Goͤtter verleugnet und abgeschaffet/ dem Uhralten Gottesdienst volkommene Freyheit/ und ihren Land Goͤttern Liebe/ Gehorsam und Schuz versprochen haͤtten. Sie sendeten auch alsbald unterschiedliche Pfaffen nach Frießland/ ein gleichmaͤssiges bey dem Fuͤrstlichen Heer vorzutragen/ und wo moͤglich/ den Fuͤrsten alle Manschaft/ so wol Boͤh- men als Teutschen abspenstig zumachen/ welches dann von ihnen allerseits unverdrossen und nach Wunsch fortgesetzet ward/ und kahmen diese des andern Tages nach dem Auff- bꝛuche bey dem Heer an/ unter dem Schein/ ob wolten sie ihrem Großfuͤrsten wegen der geschehenen Erloͤsung und des erhaltenen Sieges Gluͤk wuͤnschen/ da sie bey den vorneh- mesten Teutschen und Boͤhmischen Kriegsbeamten es so verschlagen zutreiben wusten/ dz sie alles dessen/ was sie begehreten/ voͤllige Verheissung empfingen. Koͤnig Baldrich mer- kete im fortzihen/ daß die Voͤlker den groͤsten Teil ihrer Freidigkeit abgeleget hatten/ und so traurig/ als uͤberwundene daherzogen/ und ob er ihnen gleich etlichemahl/ insonderheit seinen alten bekanten freundlich zuredete/ kehreten sie doch das Angesicht von ihm hinweg/ und liessen gar kein Zeichen eines gewogenen Willens sehen/ daher er zu der Fuͤrstlichen Versamlung sagete; er koͤnte sich uͤber dem Unmuht des Heers nicht gnug verwundern/ hielte gaͤnzlich davor/ die neulich herzugeschlichene Teufels Pfaffen/ müsten durch hellischẽ Getrieb nichts gutes im Schilde fuͤhren; hielte demnach vor noͤhtig/ getraͤue Leute nach seinem Koͤnigreiche zusenden/ und von den Staͤnden zubegehren/ daß man ihnen eine star- ke bewehrete Mannschaft nachschickete/ weil man sich einer Auffruhr/ dem Friesischen Rei- che sehr schaͤdlich/ befahrete. Aber sein Vater wehrete ihm solches/ man muͤste auß blossem Argwohn nit so hefftig fahren/ das Heer waͤhre in Pflicht und Aiden/ dagegen kein Mensch in Teutschland/ welcher bey seiner Lebzeit nach der Herschafft streben duͤrfte. Aber bey Bal- drich wolte solches nicht hafften/ wie wol er sich weiters nicht merken lies/ und nicht desto weniger etliche Friesen ingeheim zuruͤk gehen hieß/ daß ihm straks Angesichts 30000 be- wehreter Mann biß an die Grenzen folgen solten/ und noch 40000 auffgebohten wuͤrden/ sich stets fertig zuhalten/ welches er mit Koͤniglichen Gnaden ersetzen wolte. Ekhard der Teutsche wahr mit unter den Abgefertigten/ ritten Tag und Nacht fort/ und funden alle Untertahnen hoch und niedrig/ zu ihres Koͤniges Diensten willig und gehorsam. Prinsla brachte seinem Koͤnige auch zur neuen Zeitung/ die Pfaffen gingen ausser Zweifel mit ge- faͤhrlichen Sachen um/ und duͤrfften wol fragen/ wer den jungen Fuͤrsten Herkules so ver- waͤgen gemacht haͤtte/ in sein Vaterland zukommen/ ehe und bevor er mit den Land Goͤt- tern voͤllig außgesoͤhnet waͤhre; so gaꝛ/ daß sie hinzusetzeten ihr Herschender Großfuͤrst wuͤꝛ- de es schweꝛ zuverantwoꝛten haben/ daß eꝛ ihn auff und angenommen. Doch/ sagte Pꝛinsla/ verwundert mich am meisten/ daß auch unsere Boͤhmische Voͤlker nicht viel anders/ als die Siebendes Buch. die Teutschen/ scheinen gesinnet seyn. Die Fuͤrsten nahmen dises nunmehr besser zu Herzẽ/ wolten sichs aber bey den Voͤlkern nicht merken lassen/ und zogen algemach fort/ biß sie auf drey Meilen die ersten Saͤchsischen Grenzen erreicheten/ da ihnen 4000 Reuter von 20 Pfaffen angefuͤhret/ entgegen ritten/ und im Nahmen des ganzen Teutschlandes/ so viel dessen von der Roͤmer Joche annoch befreyet waͤhre/ anfangs um Verzeihung bey ihrem herschenden Groß Fuͤrsten anhielten/ nachgehends diese Werbung vorbrachten: Es wuͤn- schete das ganze Reich ihrem lieben Großfuͤrstẽ Gluͤk und Heil/ wegen seiner Erloͤsung uñ erstrittenen Sieges/ und erkenneten sich nach wie vor Ihrer Groß Fuͤrstl. Hocheit zu allem Gehorsam als getraͤue Untertahnen verbunden; nur eines muͤsten sie/ des algemeinen Vaterlandes heischender Nohtdurfft nach/ ungemeldet nicht lassen/ was gestalt von den Land Goͤttern selbst angedeutet waͤhre/ daß der junge Großfuͤrst Herr Baldrich/ nebst dem Boͤhmischen Koͤnige/ und Schwedischen jungen Fuͤrsten ankommen waͤhren/ einen neuẽ Gottesdienst einzufuͤhren/ und die uhralten Teutschen Goͤtter abzuschaffen/ welches dann nichts anders/ als des algemeinen Vaterlandes aͤusserstes Verderben mit sich auff dem Ruͤcken fuͤhrete; solches nun abzuwenden/ waͤhren alle Einwohner von den Goͤttern selbst auffgemahnet/ haͤtten einen grossen Ausschuß bewaffnet und ausgeschikt/ ihrem lieben Großfuͤrsten entgegen zuzihen/ und denselben untertaͤhnigst zubitten/ ihre Hocheit moͤchte gnaͤdigst geruhen/ mit ihrem Heer ausserhalb den Grenzen sich zuhalten/ biß sie ihren ge- horsamen Untertahnen diese grosse herzklemmende Furcht gaͤnzlich benommen/ und dem uhralten Teutschen Gottesdienst Schuz und durchgehende Sicherheit versprochen haͤt- ten. Solten sie aber über alles verhoffen solches nicht erhalten koͤnnen/ muͤsten sie mehr des Vaterlandes Heil und Wolfahrt/ als der jungen Fürsten Luͤsternheit beobachten/ und mit gewapneter Hand ihren gnaͤdigen und hochverdienten Goͤttern beyspringen/ auff daß durch deren Zorn sie nicht den Roͤmern und andern grim̃igen Feinden zur ewigẽ Knecht- schafft uͤbergeben wuͤrden/ wie auff solchen fall die Goͤtter ihnen ausdruͤklich gedraͤuet haͤt- ten. Der alte Groß Fuͤrst/ ohn das ein eiferiger Herr/ fragete alsbald/ wersie so kühn gema- chet haͤtte/ daß in seinem Abwesen sie sich in Harnisch begeben duͤrffen. Und als sie trotzig gnug antworteten; des algemeinen Vaterlandes Nohtdurfft/ dem jeder mit seinem Blute verbunden waͤhre/ haͤtte sie auffgemahnet/ vor welches zusterben sie alle miteinander bereit waͤhren; hieß er sie anfangs etwas harren/ damit er mit seinem Sohn und Oheimen hie- von reden koͤnte/ und fragete sie zugleich/ ob etwa ein durchgehender Wahnwiz seine Teut- schen durchwehet haͤtte/ nachdem ja kein Mensch wegen Abschaffung des alten Gottes- dienstes jemahls einigen Gedanken gefasset/ vielweniger ein Woͤrtlein davon haͤtte entfal- len lassen. Die Fuͤrstliche Geselschafft trat zusammen/ und bekümmerten sich wegen dieses gewaltigen Auffstandes nicht ein geringes/ weil Adel/ Pfaffheit und Bauren der Sachen ganz einig wahren. Jedoch wahr der alte Großfuͤrst nicht willens/ ihnen eine Antwort zu erteilen/ sondern mit seinem Heer fortzuruͤcken; welches aber schon zuruffen begunte: Hier muͤste man die Waffen niderlegen/ biß ihre guͤtigen Goͤtter gnugsame Sicherheit und Frieden haͤtten; im übrigen waͤhren sie ihrem Groß Fuͤrsten mit Gut und Blut verpflich- tet; Da dann die Boͤhmen mit den Teutschen durchaus ein Liedlein sungen/ nur 350 Mañ/ als seine ehmahlige aͤdelknaben/ und andere/ die er mit aus Persen gebracht hatte/ nebest f f f f ij den Siebendes Buch. den 50 Teutschen von derselben Persischen Reise/ und alle Parther und Meden/ samt O- laffs 400 Daͤnen/ ingesamt 4300 Mann/ sonderten sich von dem Heer/ und machten sich hin zu den Fuͤrsten/ zu welchen sich alsbald die 8000 Friesen/ uñ 6000 untergestekte Wen- den hinbegaben/ deren unsere Fuͤrsten uͤber die masse froh wahren/ und ihnen alle Speise- Wagen zubeschuͤtzen untergaben/ von welchen sie eine statliche Wagenburg macheten/ in welche sich das Frauenzimmer mit begab; Nur mit 6000 Reutern ging der Groß Fuͤrst eilig wieder hin nach den abgeordneten 4000 Teutschen/ und geboht ihnen bey Leib und Lebensstraffe/ daß sie straks angesichts eine gute halbe Meile zuruͤk gehen/ und daselbst gu- ter und gnaͤdigster Erklaͤrung solten gewaͤrtig seyn; dem sie alsbald gehorsamlich nachka- men/ so daß ihnen keine gelegenheit gegoͤnnet ward/ mit dem ungehorsamen Fuͤrstlichen Heer ein Wort zureden. Inzwischen musten die 12300 gehorsame alsbald anfangen/ die geschlagene Wagenburg mit einem Wahl und Graben einzufassen/ worzu bald die uͤbri- gen 6000/ so mit dem Groß Fürsten den kurzen Rit getahn hatten/ sich begaben/ und die Arbeit zum eiferigsten fortsetzeten/ wobey die Wenden das beste tahten/ welches Herkules so wol gefiel/ daß er ihnen allen die Freyheit/ und Land Guͤter gnug in ihrem Vaterlande versprach/ wovor sie sich demuͤhtigst bedanketen. Unsern Fuͤrsten wahr sonst nicht gar wol bey dieser Sache/ dann sie sahen vor Augen/ daß die algemeine Empoͤrung nahe wahr/ uñ stunden nicht in geringer Gefahr/ die freche Pfaffheit wuͤrde ihnen zumuhten/ den wahren Gott zuverlaͤugnen/ und den Teuflischen Abgoͤttern Opffer zutuhn/ wovor sie lieber tau- send Haͤlse verlohren haͤtten. Sie rieten aber dem Groß Fuͤrsten/ er moͤchte sich zu dem Kriegsheer machen/ und auffs best er koͤnte/ sie befriedigen und zum Gehorsam bringen. Weil nun demselben seiner Teutschen Hartnaͤckigkeit und verstokter Sin auff ihren Got- tesdienst gar zu wol bekant wahr/ hielt er solches genehm/ und ließ dem Heer durch Prins- la andeuten/ sie solten Teutsche Redligkeit und ihren aͤid beobachten/ und durch heimliche Auffwiegeler sich ja nicht zum Auffruhr anfuͤhren lassen/ wodurch sie dem Teutschen Na- men eine unabloͤschliche Schande anhenken wuͤrden; Er wolte sich jezt unter ihnen finden lassen/ und dergestalt sich erklaͤren/ daß ihnen ihres tuhns von sich selbst gereuen wuͤrde; folgete auch bald darauff/ von wenig Friesischen Reutern begleitet/ uñ begehrete anfangs/ daß/ weil er den Boͤhmen eigentlich nicht zugebieten haͤtte/ solten die Teutschen sich allein lagern; welche aber durch einen Obersten sich entschuldigten/ sie waͤhren biß daher ein Heer und ein Hauffe gewesen/ und koͤnten sich nicht trennen lassen/ ehe und bevor sie wuͤ- sten/ wie man bey ihren lieben Land Goͤttern halten wolte. Der Groß Fuͤrst ließ sich dieses nicht irren/ hieß die Befehlichshaber ohn Unterscheid zusammen vor sich treten/ damit sie seine Rede vernehmen koͤnten/ und trug dieses vor: Was vor Ungluͤk/ ihr meine lieben Soͤhne/ hat sich zwischen euch und mich geleget? Welche Widersinligkeit hat euch an mei- ner vaͤterlichen Hulde zweifeln machen koͤnnen? Wisset oder erkennet ihr nicht mehr/ daß ich euer alter Groß Fuͤrst bin/ Groß Fuͤrst Henrich/ der biß daher sich aͤusserst bemuͤhet hat/ wie er Teutsche Freyheit und Vaterlandes Wolfahrt erhalten/ und der Roͤmer Troz und anderer Feinde Wuͤten von unserm Reiche abwenden moͤge/ welches ihm auch noch nie mißglücket hat? Was hat euch dann/ und zugleich alle Landsassen bewogen/ meine alte wol- bekante Redligkeit in Zweifel zuzihen/ als ob ich Teutschland zuverderben vorhabens waͤh- re? Siebendes Buch. re? Habe ich etwa solche Schelmenstuͤcken von dem Buͤbischen Wenden Krito gelernet? Dem habe ich ja den Schedel herunter hauen lassen. Oder haben meine Soͤhne und O- heime diesen unredltchen Willen aus fremden Laͤndern gebracht/ und mir eingebildet? Ey die haben ja kein fremdes Kriegsvolk umb sich/ sondern neben euch/ ja vor euch ihr Leben in der Schlacht gewaget; und was wolten doch wir einzelne wider den Willen aller In- wohner beginnen? Habe ich etwa heimliche Werbungen in Feindes Gebiete? Lasset her- vor treten/ der mich dessen zeihet. Ich versichere ihn bey meinen Großfuͤrstlichen Ehren/ und bey diesem meinem grauen Haͤupte/ daß da er mich dessen ichtwas überzeugen kan/ ich als ein Verraͤhter mich binden und henken lassen wil. Nun wo bistu mein Anklaͤger/ wo bistu? trit kuͤhnlich hervor/ du hast mit mir nicht als mit deinem Großfuͤrsten/ sondern als mit einem gemeinẽ Landsknechte/ ja als mit einem schlechten Bauren zuschaffen. Si- he da/ ich ermahne dich bey deiner Redligkeit/ verbirge dich nicht laͤnger/ sondern zeige nur bloß an/ was du aus meinen Geberden habest muhtmassen koͤnnen/ daß ich Teutschland zu beleidigen/ oder ihnen ihre Goͤtter wegzuschaffen solte willens gewesen seyn; ich wil deiner Anklage erwarten/ und dieses mein Heer (welches ich doch durchaus nicht schuldig bin/ auch nie kein Beherscher der Teutschen vor mir eingangen ist) gerne und willig zum Rich- ter leiden. Hiemit schwieg er stille/ legte sein Schwert abe/ und setzete sich nider auff die Er- de. Als nun keiner sich finden wolte/ stund er wieder auff/ und fing abermahl an: Bin ich nun nicht eins mehr wirdig/ daß mir geantwortet werde? ey so bin ich schon gar zu lange euer Groß Fuͤrst gewesen. Ich meynete/ man wuͤrde aus hochbewaͤglichen Ursachen mir zufolgen sich gewegert haben/ so sehe ich aber/ daß es nur ein frecheꝛ Stolz und verwaͤgener Muhtwille ist/ und wird demnach mein bestes seyn/ daß ich mit meinem Sohn nach Frieß- land umkehre/ und daselbst das Gnaden-Brod die uͤbrigen wenig Tage meines Lebens fresse. Hierauff fing ein Unter Befehlichshaber an zuruffen: Wes zeihẽ wir uns/ ihr Bruͤ- der? Warum treten die Hauptleute nicht zusammen/ und vergleichen sich einer gebuͤhr- lichen Antwort? Oder ist etwa ein Klaͤger verhanden/ er sey geistlich oder weltlich/ aͤdel o- der unaͤdel; der trete hervor/ und versichere sich alles Schutzes/ nachdem der gewaltige Groß Fuͤrst selber sich vor das Kriegs Recht stellet/ welches freilich unerhoͤret ist/ und uns schier heut oder morgen von unsern Nachbarn fast schimpflich duͤrffte vorgeleget werden. Die Hauptleute folgeten diesem Raht/ weil kein Klaͤger sich finden wolte/ und nach kurzer Berahtschlagung redete der ansehnlichste unter ihnen also: Unuͤberwindlichster Groß- fuͤrst/ Gnaͤdigster Herr; Euer Hocheit anwesendes Kriegsheer ist erboͤtig und bereitwillig/ Leib und Blut vor dero Wolergehen einzubuͤssen; nur allein bitten sie untertaͤhnigst/ es wolle dieselbe daruͤber nicht ungeduldig werden/ daß das gemeine Vaterland bemuͤhet ist/ ihren uhralten Gottesdienst unverendert zuerhalten/ damit nebest Hinfallung dessen/ nicht auch ihre Freiheit zugleich mit untergehe/ wovor sie lieber alle mit einander tausendmahl sterben wollen. Wann nun Ihre Hocheit ihren Untertahnen solches versichern wird/ ist alles Unwesen schon gaͤnzlich auffgehaben. Man hat in Erfahrung bracht/ ob solte unsere junge Herschafft neue Goͤtter mit sich von Rom hergeführet haben/ die so hochmühtig uñ stolz seyn sollen/ daß sie keine andere Goͤtter neben sich leiden oder dulden koͤnnen/ sondern alles allein seyn wollen/ gleich wie der Roͤmische Kaͤyser alles allein seyn wil; Diese neuen f f f f iij Goͤtter Siebendes Buch. Goͤtter einzufuͤhren/ und die alten wolverdienten abzuschaffen/ sollen die jungen Fuͤrsten des gaͤnzlichen Vorhabens seyn. Weil aber Teutschland so wenig der Roͤmer Goͤtter/ als sie selbst zu Ober Herren leiden kan/ als wird Ihre Hocheit sich in diesem Werke dergestalt gnaͤdigst erklaͤren/ daß so wol sie selbst/ als die Fuͤrstliche junge Herrschafft und das ganze Land der Gefahr befreyet werde. Ey lieber/ sagte hierauff der Groß Fuͤrst/ sollen dann ge- schworne Untertahnen/ umb eines blossen nichtigen Verdachts willen/ sich ihrer hoͤchsten Obrigkeit im algemeinen Auffruhr/ mit Schwert und Spieß widersetzen/ und ihr den Durchzug in ihr Erbreich gewaltsam verlegen und verbieten? Welche unsere Vorfahren haben sich jemahls unterstanden/ wider ihre Koͤnige sich auffzulehnen/ und durch falschen nichtigen Argwohn zu dergleichen unerhoͤrten Aufwiegelung sich reizen zulassen? ich muß aber anjetzo zweierley vernehmen/ welches uͤber meine Soͤhne geklaget wird/ als vor erst/ sie haben neue Roͤmische Goͤtter; vors ander/ sie wollen solche den Teutschen vorstellen/ die alten abschaffen/ und zugleich das Vaterland umb ihre teur erkauffte/ und bißher wol erhaltene Freiheit bringen. Niemand wird mirs verdenken/ daß ich vor meine Soͤhne re- de/ dann sie sind mein Fleisch und Blut. So sey es nun also/ daß meine Soͤhne einen Gott (dann mehr als einen Gott glaͤuben sie nicht) in der fremde erkennet haben/ von dem sie vormahls nichts gewust; sol man sie umb solcher Erkaͤntniß willen dann des Landes vertreiben/ welche keinem Menschen schaden kan? Ja sprechet ihr/ sie haben Roͤmi- sche Goͤtter/ die koͤnnen wir nicht dulden. Roͤmische Goͤtter? hoͤret mir/ bin ichs wirdig/ diß einige nur/ dann wird das uͤbrige schon alles geschlichtet seyn. Meine Soͤhne haben den Christlichen Glauben angenommen/ das gestehen sie; ist aber dieser der Roͤmische Glaube? Ey sendet doch hin in der Roͤmer Gebiet/ und nur biß gen Koͤllen am Rein/ fraget nach/ ob die Roͤmer Christen sind/ ja ob sie der Christen ihren Gott verehren? Ich ver- sichere euch bey meiner Redligkeit/ ihr werdet keine andere/ als diese Antwort von ihnen bekommen: Das Roͤmische Reich/ und dessen Vorsteher/ sind der Christen abgesagete Feinde/ wollen durchaus ihren Gott vor den wahren Gott nicht erkennen/ vielweniger annehmen/ sondern ihren Wiederwillen gegen denselben zubezeigen/ verfolgen sie die Chri- sten auffs haͤrteste sie es nur erdenken koͤnnen. Nun dann/ ihr lieben Teutschen/ haben dann nun eure junge angebohrne Fuͤrsten Roͤmische Goͤtter angenommen? Roͤmische Gelder haben sie mit sich gebracht/ die wollen sie den Teutschen zum Beutpfennige außteilen; das sind die Roͤmischen Goͤtter/ koͤnnet ihr die nicht leiden/ so muͤsset ihr ja die Geld Liebe in kur- zer Zeit abgeleget haben. Aber ich muß nachfragen/ ob dann die Erkaͤntniß eines neuen oder vorhin unbekanten Gottes einigem Menschen/ wil nicht sagen/ Koͤnigen und Fuͤrsten in ungleichem außzulegen sey? Wer ist unter euch Teutschen/ der nicht wissen solte/ was vor Goͤtter man in Daͤnnenmark/ Schweden/ ja in Italien selbst verehre? hat euch jemand deswegen zu Rede gesetzet? Nein/ sprechet ihr/ solches ist die Frage nicht/ sondern wir wis- sen solches zwar/ aber daneben verehren wir dannoch die unsern/ nnd stossen sie nicht von der Bruͤcke in die Weser oder Elbe. Gut; ihm sey also; es wird euch solches auch niemand wehren; ihr ehret sie; und zwar billich/ dann ihr haltet sie noch vor wahrhaffte Goͤtteꝛ. Mei- ne Soͤhne aber zweifeln an ihrer Gotheit/ daher enthalten sie sich solches Gottesdienstes/ biß sie von unsern Geistlichen eines bessern unterwiesen werden. Ja/ werffet ihr ein/ und zwar Siebendes Buch. zwar als den schweresten Knoten: unsere junge Herschafft/ ist daran nicht vergnuͤget/ daß sie einen fremden Gott vor sich haben/ sondern sie wollen denselben auch ihren Untertahnẽ auffdringen/ und die alten Land-Goͤtteꝛ abschaffen/ auch zugleich die Teutsche Freiheit in Roͤmische Dienstbarkeit und Leibeigenschafft verwandeln. Hilf Gott! wer hat eine solche erschrekliche schandbahre Verleumdung auff die Beine setzen dürfen? koͤnnen dann mei- ne Soͤhne ein solches durch sich selbst verrichten? oder haben sie euch darum jemals be- gruͤsset/ daß ihr ihnen hierzu moͤchtet behülfflich seyn? oder ist etwa Frießland in Bestal- lung genommen/ solches ins Werk zustellen? O ihr nicht mehr beherzete/ sondern furcht- same Teutschen! werden dann zween einzelne Maͤnner/ die den Jahren nach noch unter die Jünglinge zurechnen sind/ euch und alle eure Goͤtter zum Lande außjagen? Ich meine ja/ Teutschland habe noch seine Grenz Voͤlker liegen/ die werdens ohn Zweifel nicht ver- schlaffen/ wann etwa die Roͤmer kommen/ und uns als Leibeigene auß dem Lande schleppẽ wolten. Doch ihr lieben Spieß Gesellen/ vielleicht moͤchte sich jemand finden/ der meinen Soͤhnen solches zeihen dürfte/ lasset deswegen den Schreier ankuͤndigen/ daß er hervortre- te/ als wahr ich ein ehrlicher Großfurst bin/ und ein solcher zu sterben begehre/ wil ich ihm wieder meine Soͤhne Schuz halten/ und wann er nur die aller geringste glaubwirdige an- zeige tuht/ daß meine Soͤhne des einen oder andern sich nur haben verlauten lassen/ wil ich sie dem Heer zur wilkuͤhrlichen Straffe uͤbergeben. Verflucht sey/ wer einem Roͤmer/ zum Nachteil des Vaterlandes hold ist/ und solte ein solches von meinen Soͤhnen mit War- heit koͤnnen gesagt werden/ solte diese Faust sie vom Leben zum Tode richten. Aber O nein/ diese haben der Freiheit suͤsse Wollust und Ergezligkeit viel zu tieff in ihr Herz gesenket/ und wuͤrden sich lieber zehnmahl henken als unter der Roͤmer Joch zwingen lassen. Drum so hoͤret nun/ wessen ich mich/ und zugleich meine Soͤhne sich bestaͤndig erklaͤren/ dabey es auch sein verbleiben haben sol: In ganz Teutschland sol keinem einigen Menschen/ er sey adel oder unadel/ der alte gebraͤuchliche Gottesdienst verbohtẽ oder verwehret sein/ sondern ein ieder mag dabey nach Gewohnheit seiner Vorfahren verbleiben. Eure Landes und Le- bens Freiheit sol im wenigsten nicht gekraͤnket werden/ die jetzige Wiederspenstigkeit sol tod und vergessen seyn/ ohn daß man die Redlensfuͤhrer und ersten Auffwiegeler/ andern zum Abscheu mit gebuͤhrlicher Straffe ansehen muß/ deren doch/ ob ihrer etwa viel waͤhrẽ/ nicht uͤber vier ihre Koͤpffe verlieren/ die uͤbrigen begnadet werden sollen. Habt ihr nun hieran ein Genuͤgen oder nicht/ so erklaͤret euch bald/ auffdaß ich wissen moͤge/ ob ich noch der Teutschen Großfuͤrst/ oder ihr Verbanneter sol genennet werden. Hierauff fing das ganze Heer/ da es ihnen durchgehends kund getahn ward/ an zuruffen: Der Großfuͤrst und unsere junge Herschafft lebe/ und halte der Teutschen Freiheit und ihren Goͤttern Schuz. Mit welcher Erklaͤrung unsere Fuͤrstliche Geselschafft vor dismahl wol zufriden wahr/ wurden auch etliche Haͤuptleute außgewaͤhlet/ welche mit Prinsla nach den abge- schickten 4000 Reutern sich hinmachen solten/ daselbst anzuhoͤren/ was Gestalt derselbe jenen ihres Großfürsten anffrichtiges erbieten anmelden solte/ dañ erselbst vor sein Haͤupt wolte sich mit den Aufruͤhrern in keinen Zank einlassen/ viel weniger auff ihren ungegruͤn- deten Argwohn Rede und Antwort geben/ und gleichsam vor ihrem Gerichte stehen. Als aber jenen die vorgemeldete gnaͤdige Erklaͤrung des Großfuͤrsten von Prinsla vorgetra- gen Siebendes Buch. gen ward/ dieselbe den ihrigen/ so auff der Grenze in grosser Menge lagen/ zuhinterbringen/ mit dem ernstlichen Befehl/ daß sie darauff alsbald in Ruhe stehen/ und hinter sich in ihre Gewahrsam zihen solten/ wolten die 20 Pfaffen damit durchaus nicht friedlich seyn/ fra- geten die Gegenwertigen Haͤuptleute/ so mit Prinsla kommen wahren/ ob sie mit solcher Erklaͤrung koͤnten einstimmen; und als dieselben zur Antwort gaben/ sie haͤtten zuverneh- men/ wessen der groͤsseste Teil ihrer Lands Leute gesinnet waͤhre/ trugen diese Pfaffen im Nahmen des ganzen Teutschlandes vor/ es muͤste sowol der Großfuͤrst selber/ als die An- wesende junge Fuͤrsten/ der Boͤmische Koͤnig mit eingeschlossen/ sich aͤidlich verpflichten/ und schrifftlichen Schein von sich geben/ daß sie nicht allein den alten Gottesdienst ihren Inwohnern frey lassen/ sondern auch vor ihr Haͤupt denselben gut halten/ die neuen Goͤt- ter abschaffen/ den Christlichen Glauben verleugnen und verfluchen/ und die uhral- ten Land Goͤtter vor die wahren und rechtmaͤssigen erkennen wolten; wuͤrden sie die- ses eingehen/ alsdann waͤhren sie nach wie vor ihre liebe Obrigkeit; wo nicht/ wuͤr- de man der Teutschen versamleten Macht es nicht verdencken/ daß sie die Großfuͤrst- liche Erklaͤrung vor gefaͤhrlich und als auff Schrauben gesetzet/ halten muͤste. Daß auch der Großfuͤrst so hart und strenge auf einen Anklaͤger druͤnge/ waͤhre nicht anzusehen/ ge- staltsam es klaͤrlich am Tage laͤge/ daß sein Sohn und Oheim sich oͤffentlich vor Christen außgaͤben/ und nach des Großfürsten Anzeige ungescheuet gestuͤnden/ daß sie allein ihren einigen Gott vor den wahren Gott hielten. Nun würden sie ja nicht leugnen/ daß die Chri- sten alle andere Goͤtter in ihren Herzen verflucheten/ und vor Luͤgen-Teufel hielten; wie koͤnte dann Teutschland zugeben/ daß ihre Obrigkeit alle Inwohner in ihrem Gottesdienste verfluchen und vor einen Abscheu halten solten? koͤnte dieses wol einige Vertrauligkeit se- tzen? ja koͤnte es wol moͤglich seyn/ daß unter dieser Mißhelligkeit das Teutsche Reich be- stehen solte? Die abgeschikten Hauptleute fingen auf diese Rede schon wieder an zu wan- ken/ ungeachtet sie sich Großfuͤrstlich erklaͤret hatten/ wegerten sich aber doch gleich so wol/ als Prinsla selbst/ diese Antwort dem Großfuͤrsten zu hinterbringen/ sondern begehreten/ es moͤchten etliche ihres Mittels solches selbst verrichten; dessen sich diese gar nicht scheue- ten/ waͤhleten 6. Pfaffen/ welche mit fortritten/ dieses Anmuhten mit gleich so duͤrren wor- ten vorzutragen. Als diese ankamen/ wahren des Großfuͤrsten seine getreue Leute sehr ge- schaͤftig/ die Schanze umb die Wagenburg aufzufuͤhren/ welche schon in solchem Stande wahr/ daß man sich daraus aller ihrer Menge erwehren kunte/ und hatte man bey diesem Graben unterschiedliche Quellen angetroffen/ die ein kleines Wasser in guter Menge her- vor gaben. Nun wusten die neu ankommende Teutsche Voͤlcker noch nicht/ daß Herkules wieder zu Lande geschlagẽ waͤhre/ weil er/ da der erste Pfaffe von dem Heere nach Teutsch- land gieng/ sich den Voͤlckern noch nicht kund gegeben hatte/ daher wolte er auch noch diß- mal sich von diesen 6. Pfaffen nicht sehen lassen/ als sie vor die Fuͤrstliche Geselschaft (de- nen Fuͤrst Olaf stets beyzuwohnen genoͤhtiget ward) sich stelleten/ und ihre unverschaͤmte Meinung mit eben den vorigen Worten verwaͤgen gnug vortragen durften; ja der aͤlteste unter ihnen grief Koͤnig Baldrichen solcher gestalt absonderlich an: Großmaͤchtigster Koͤnig/ ich erinnere mich dessen ehmahliger Teutscher Gottseligkeit/ welche er mir zum oͤf- tern bey unserm uhralten koͤstlichen Gottesdienste hat sehen und erscheinen lassen/ so gar/ daß Siebendes Buch. daß er auch aͤidlich versprochen/ sich davon nimmermehr abzuwenden/ und mus ich dan- noch mit grossem Unmuht und inniglichen Seelen-Schmerzen hoͤren und vernehmen/ daß derselbe solches so liederlich hindan gesetzet/ und nach dem Beyspiel seines abtruͤnnigen Bruders den gekreuzigten falschen Gott und verfuͤhrer angenommen; haͤtte nimmermehr gemeinet/ daß ein solcher frommer tugendliebender Fuͤrst zu einem so lasterreichen Unglau- ben sein Gemuͤht haͤtte koͤnnen hinwenden: Er wolte in seiner verweißlichen Schmachre- de fortfahren/ aber Baldrich ward durch die dreyfache schaͤndung/ welche dieser Bube sei- nem Gotte/ seinem Bruder und ihm selbst anlegete/ zu so heftigem Zorn bewaͤget/ daß ihm das Blut vor die Augen schoß/ daher er ihn alsbald schweigen hieß/ und die andern fuͤnff Pfaffen fragete/ ob diesem ihren Worthalter ausdrüklich befohlen waͤhre/ ihn der gestalt absonderlich vorzunehmen; welches sie aus furcht weder mit ja noch nein beantwortẽ durf- ten/ biß endlich dieser freche sich vernehmen ließ/ ob ihm solches gleich so eben nit waͤhre auf- getragen/ so haͤtte er doch gnugsame Volmacht/ die Warheit zu reden/ und die Fürsten im nahmen des ganzen Volkes ihrer Schuldigkeit zuerinnern. Baldrich ergriff sich inzwi- schen in etwas/ und antwortete ihm: Wolan/ ich bin mit dieser dir gegebenen Volmacht zu frieden/ daß du die Warheit reden solt; aber Lügen vorbringen/ und deineꝛ Obrigkeit sel- be auffbürden stehet dir nicht frey. Also mustu nun deine ausgespeiete Reden wahr machẽ/ oder als ein frevelmuͤhtiger Luͤgener und Verleumder deiner angebohrnen Obrigkeit/ die Straffe leiden. Sol ich aber deine Rede vor wahr halten/ so mustu anfangs Sonnenklar darlegen/ daß mein Gott ein falscher und verfuͤrischer Gott sey; hernach daß mein Glaube ein Lasterreicher sey/ und endlich wie du vor diesem meinen Herr Bruder zu verleumden pflagest/ daß derselbe in allerhand Uuzucht nnd Unflaͤtereyen sich mit andern Schand-er- gebenen waͤlzete; und werde ich willig seyn/ deinen dreyfachen Beweißtuhm anzuhoͤren/ aber auch/ wann dirs daran fehlen wird/ soltu mit mir in Ungluͤks Kuͤche kommen. Die- ser beantwortete es mit einem kaltsinnigen einwenden; was oͤffentlich am Tage laͤge/ be- duͤrffte keines grossen Beweißtuhms/ dañ es waͤhre schon Sonnen-klar; so waͤhre er auch vor dißmahl nicht abgeschicket/ sich in solche weitlaͤufftigkeit hinein führen zulassen. Pfaf- fe Bertram/ bedenke dich ja bald einer bessern Antwort/ sagte Baldrich; ich sage/ daß du alles dreyes schaͤndlich gelogen hast; wiltu nun dein Leben retten/ so fuͤhre Beweißtuhm/ oder bekenne dein gottloses Verbrechen; dann bistu nicht ausgeschikt/ dich in Weitlaͤuff- tigkeit einzulassen/ so wirstu viel weniger ausgeschikt seyn/ meinen Herr Bruder und mich mit falschem luͤgenhafftem Maule zuverleumden. Der Pfaffe fing darauff an: Gn. Koͤ- nig/ draͤuet mir und meinem Leben nicht/ auff daß ihr euer eigenes nicht in gefahr setzet; was ich geredet habe/ wil ich zu seiner zeit gnugsam verantwortẽ. Da kunte nun Baldrich seinen Zorn laͤnger nicht einzwingen/ sondern griff ihn mit dieser Rede an: Je du gottloseꝛ ehrvergessener Schelm und Verleumder; wer hat dir dann die Kuͤhnheit und Gewalt erteilet/ meinen Gott in meiner Gegenwart zuschmaͤhen/ meinen Herrn Bruder vor einen Abtruͤnnigen/ und mich/ einen herschenden Koͤnig/ vor einen Meinaͤidigen auszuschelten? ist dirs nicht gnug/ was du vorhin schon gelogen/ und bey meinem gn. Herr Vater/ hoch- gedachten meinen preißwirdigen Herr Bruder/ als einen Tugend/ Feind und der abscheu- lichsten Laster ergebenen angetragen hast? Dieser wolte noch nicht zum Kreuz kriechen/ g g g g son- Siebendes Buch. sondern blieb steiff dabey/ er wolte die Warheit zu seiner Zeit vorstellen; welches dem er- zuͤrneten Fuͤrsten zuverschmerzen unmoͤglich wahr/ zog sein Schwert aus/ und schlug ihm mit einem Hiebe den Schedel reine hinweg/ sagend: Du wirst mir forthin die Auffruhr wol nicht weiter schuͤren. Die uͤbrigen Pfaffen erschraken dermassen/ daß sie kein Wort sprechen kunten; so wahr auch der Groß Fuͤrst selbst nicht allerdinge damit zufrieden/ mei- nete/ man haͤtte ihn allemahl noch finden koͤnnen. Doch die Taht wahr geschehen/ und nu- mehr zubedenken/ wie sie eine zeitlang vertuschet bliebe; wurden also die fünff uͤbrige Pfaf- fen fleissig bewachet/ und setzete Baldrich sich alsbald zu Pferde/ ritte in Geselschafft 50 Friesischer Reuter zuruͤcke/ ũmb zubefodern/ daß die begehrete Mannschafft aus seinem neuen Koͤnigreiche herzu eilete. Den abgeordenten Reutern und Pfaffen aber ließ der Großfuͤrst andeuten/ sie solten sich straks angesichts nach den ihrigen machen/ und ihnen seine getahne Groß Fuͤrstliche Erklaͤrung vortragen; die 6 Pfaffen muͤsten bey ihm in freier Hafft bleiben/ biß man sich erkuͤndigen wuͤrde/ ob ihre hochmuhtige frevelhaffte An- werbung nebest angefuͤgeten graͤulichen Schmachreden wider die jungen Fuͤrsten/ ihnen von seinen Untertahnen einhellig auffgetragen waͤhre oder nicht. Zwar die annoch uͤbrige Pfaffen durfften trotzig anhalten/ daß sie ihre Amts Bruͤder auff freyen Fuͤssen haben/ und das Fuͤrstliche Heer sprechen wolten; bekahmen aber von Prinsla zur Antwort: Das lez- te wuͤrde man ihnen durchaus nicht goͤnnen/ nachdem der Auffwiegeler schon mehr als zu viel unter dem Heer waͤhren; das erste duͤrffte niemand als sie selbst bey dem Großfuͤrstẽ werben/ welches ihnen dann solte erlaͤubet seyn; aber die guten Herren rochen Lunten/ und nahmen mit ihren Reutern den Abzug/ wie wol nicht ohn hefftige Draͤuungen/ welche doch Prinsla/ wie ihm befohlen wahr/ unbeantwortet ließ/ als haͤtte er sie nicht gehoͤret. Ladisla wuste nicht/ was er vor Zorn wegen seiner Boͤhmen Traͤulosigkeit anfahen solte/ nam Prinsla und Neklam zu sich/ ritte nach dem Heer/ und hielt zu ihnen diese Rede: Ihr Teut- schen; ich als Boͤhmischer Koͤnig/ habe euch wegen eures tuhns und lassens weder zube- fehlen noch zuverbieten; nur mit meinen anwesenden Untertahnen des Boͤhmischen Reichs rede ich/ und frage dieselben/ ob sie auff mich auch etwas zusprechen haben/ das deꝛ Auffruhr und ihres Ungehorsams wert sey; solches sollen sie alsbald durch einen Gevol- maͤchtigten andeuten; Ich erinnere mich/ daß ich den Kern meiner jungen Ritterschafft alhie bey mir habe; wie es nun ihren frommen redlichen Eltern und Anverwanten gefallen wird/ wann sie dieses von ihnen erfahren sollen/ stehet zu erwarten; Ich meyne/ sie werden es empfinden/ wann ihre Soͤhne erbloß gemacht/ vor ihres Koͤniges Verraͤhter ausge- ruffen/ des ganzen Koͤnigreichs von meiner Fr. Mutter und den saͤmtlichen Land Staͤnden in Ewigkeit verbannet/ und vor Vogelfrey ausgeruffen/ wo nicht wol gar die Ketten der Leibeigenschafft ihnen angelegt werden. Darum so vernehmet meine Koͤnigliche Gnade/ und gebraucht derselben zu eurer Wolfahrt/ wo euch sonst nicht aller Wiz entgangen ist; Ein jeder Boͤhme/ der gleich diese Stunde zu mir treten/ ein Zeichen der Rene an den Tag legen/ mir auffs neue den aͤid leisten/ und wie ein redlicher Untertahn sich nach diesem ver- halten wird/ sol volle Erlassung des jezt ergangenen/ krafft dieses meines Koͤniglichen ver- sprechens haben/ so gar/ daß dessen/ als waͤhre es nie geschehen/ in Ewigkeit nicht gedacht werden sol. Da haͤtte man ein elendes Geschrey hoͤren sollen. Alles was Boͤhmisch wahr/ so bald Siebendes Buch. so bald des Koͤniges Rede durch die Voͤlker von einer Schaar zur andern lief/ das rief umb Gnade/ Gnade/ sonderten sich von den Teutschen ab/ fielen von ihren Pferden/ und tahten einen wehmuͤhtigen Fußfal/ einwendend/ sie waͤhren verleitet und hintergangen; die Teutschen Pfaffen waͤhren Luͤgener und Boͤsewichter/ und ihr Koͤnig gerecht uñ from; trieben dabey ein solches Geheule/ daß Ladisla selbst zu Mitleiden bewaͤget ward; gab ihnen einen freundlichen Wink mit dem abgezogenen Hute/ daß sie auffstehen solten; und als er sie gestillet hatte/ redete er sie also an: Nun ihr redliche auffrichtige Boͤhmen/ und liebe Ge- traͤue; Ich weiß und sehe vor Augen/ daß ihr nicht aus Boßheit/ sondern blosser Einfalt gesuͤndiget habet; stehet auff/ setzet euch zu Pferde/ und folget mir nach; wer des ergange- nen gegen mich im guten oder unguten gedenket/ sol mein Freund nicht seyn. Nam sie hie- mit auffs neue in Pflicht und aͤide/ und wahr sehr froh/ daß er noch 28000 Boͤhmen zaͤhle- te/ da der Teutschen kaum 16000 mehr sich funden/ weil die uͤbrigen mit Siegward nach Wendland fortgangen wahren. Diese Teutschen nun erschraken der unvermuhtlichen Absonderung hoͤchlich/ dann sie sahen/ wie leicht sie von den andern haͤtten koͤnnen nider- gemacht werden/ welches auch auff ihre beharliche Widersezligkeit wol erfolget waͤhre. Ladisla muhtmassete leicht/ daß ihnen das Herz wuͤrde entfallen seyn/ darumb redete er sie also an: Ihr bißher so redliche Teutsche Herzen/ und gewesene liebe Spießgesellen; mich wundert nicht wenig/ wie ihr so unbedachtsam verfahret/ und von eurem liebreichen Va- ter dem Groß Fuͤrsten euch absondern koͤnnet/ welcher sich doch gegen euch dergestalt erklaͤ- ret hat/ daß ich nimmermehr ein gleiches tuhn wuͤrde/ auch kein erbarer Mensch ein meh- res von ihm fo dern kan; und dannoch wisset ihr nicht/ ob ihr ihn vor euren Herrn erkeñen wollet oder nicht; gedenket ihr nicht/ daß er euch alle auff der Rolle hat/ ja das Hauß weiß/ aus welchem ein jeder entsprossen ist? ich saͤhe ungerne/ daß euch etwas wiedriges zustehen solte/ weil ihr in neulicher Schlacht euch so ehrlich und tapffer gehalten/ und kan doch nit ersinnen/ wie man euch zu huͤlffe treten sol/ nachdem ihr die Gnadenzeit als recht unsinnige Leute vorbey streichen lasset; Trotzet ihr aber etwa auff eure auffruͤhrischen Landsleute/ die sich ohn alle ursach wider ihre Obrigkeit setzen duͤrffen? Oder machet ihr euch Gedanken/ euer Großfuͤrst werde von allen Menschen verlassen seyn/ weil seine Untertahnen ihn hoͤh- nen duͤrffen? O weit gefehlet! Ganz Frießland ist schon im Harnisch; der Schwedische Fuͤrst ist mit seinem Heer zuruͤk gefodert; nach Boͤhmen gehen meine Bohten Tag und Nacht ohn Ruhe fort/ darinnen ich keinen wehrhafften Mann sitzen lassen wil/ er sol auff das ungehorsame Teutschland angehen/ wo sie sich nicht in kurzem eines bessern bedenken werden; alsdann werdet ihr aber gar zu spaͤte beklagen/ daß ihr meinen wolgemeineten Raht so unfinnig verachtet habet; wiewol/ wo ihr eure Vernunfft nicht gar gefressen/ ihr leicht euch die Rechnung machen werdet/ daß man euren Muhtwillen die laͤngste zeit schon geduldet habe. So hoͤret nun meinen getraͤuen Raht/ und folget demselben erstes Augen- bliks; sendet etliche eures Mittels an eure annoch gutherzige Obrigkeit ab/ welche euren Frevel verbitten/ und umb Barmherzigkeit und Gnade anhalten; was ich zu eurem besten werde tuhn koͤnnen/ sol euch hiemit versprochen seyn; bleibet ihr aber aufruͤhrisch nach wie vor/ so wil ich unter euch hauen und stechen helffen/ biß mir der Arm erstarret/ und ihr alle werdet vertilget seyn. Hiedurch ward ihnen eine solche Furcht eingejaget/ daß sie sich auff g g g g ij ihren Siebendes Buch. ihren Pferden nicht halten kunten/ wurffen das Gewehr von sich/ fielen auff die Erde ni- der/ rieffen nur umb Barmherzigkeit und Gnade/ und daß der Koͤnig ihr kraͤfftiger Vor- bitter bey dem Großfuͤrsten seyn wolte. Ladisla sendete seinen Prinsla geschwinde nach dem Großfuͤrsten/ mit Bitte/ samt Herkules dem Heere zu nahen/ stellete doch inzwischen seine Boͤhmen zum Schrecken in Schlachtordnung/ und kahmen die Fuͤrsten mit allen Parthi- schen und Wendischen Voͤlkern darzu/ nicht anders/ als wolten sie gleich auff die Teutschẽ hinein setzen/ und alles nidermachen. Ladisla rennete ihnen mit wenig Reutern entgegen/ und nach kurzer Beredung kehrete er wieder umb nach dem Heer/ da der alte Großfuͤrst in vollem Harnische/ und das Schwert in der Faust haltend/ sie auff seinem Pferde also an- redete: O ihr Unbesonnene/ haͤtte schier gesagt/ Ungetraͤue/ welches der Teutschen Redlig- keit gar zu unertraͤglich waͤhre; ich meyne ja/ ich euer herschender Großfuͤrst habe mich gnug vor euch gedemuͤhtiget/ mein Schwert abgeguͤrtet/ und mich gar auff die Erde gele- get; und dannoch kuntet ihr weder mein Vaterherz sehen/ noch eure Suͤnde erkennen. Wuͤrde ich euch nun ungleich tuhn/ wann mit diesem entbloͤsseten (sein Schwert zeigend) ich euch niderschluͤge/ welches ihr in der Scheide so liederlich geschaͤtzet habet? Sehet/ diese redliche Boͤhmen/ welche ihr schaͤndlich verleitet hattet/ finden sich alsbald wieder zu ihrem Koͤnige/ da sie sein Angesicht sehen/ und seine Stimme hoͤren/ und ihr liesset mich in Ungewißheit von euch/ da auff den fal meines Verbrechens ich mich euch zur Straffe daꝛ- gestellet hatte. O ihr Undankbahren! betrachtet euer Verbrechen/ und lasst hoͤꝛen/ welches die geringste Straffe sey/ die ihr verdienet. Sehet diese redliche und ehrliche Wenden an; die wahren anfangs meine Raͤuber/ und nun sind sie mein getraͤuer Beystand worden wi- der meine Untertahnen/ welche kommen wahren/ mich aus Raͤubeꝛs Haͤnden loßzureissen. Was sol ich aus euch machen? Wie sol ich euch nennen? Schaͤmet euch in euer Herz und Blut/ daß ihr eurem ehrlichen Nahmen einen solchen schlimmen Schandflecken anhaͤn- get; schaͤmet euch ihr aͤidvergessene/ daß ihr von eurem Landes Fuͤrsten abtretet/ ohn alle gegebene ursach. Hier fing das Volk an/ sich so jaͤmmerlich zugeberden/ daß dem Groß- Fuͤrsten selbst die Augen uͤbergingen/ dann er sahe/ daß etliche/ die ihm nahe wahren/ sich fertig macheten/ sich selbst zuentleiben/ welches er ihnen ganz ernstlich verboht. Herkules aber/ der sich beliebt zumachen/ gefliessen wahr/ fing also an: Gnaͤdigster Herr und Vater/ ich bitte untertaͤhnigst/ mir zuverzeihen/ daß ich die Kuͤhnheit fasse/ mich als ein Vorsprach dieser eurer Untertahnen anzugeben. Als sie dieses erbieten hoͤreten/ ging das algemeine Geschrey an: O Groß Fuͤrst Herkules tretet zu uns in dieser Noht/ und erlanget uns Gna- de; davor wollen wir euch unser Blut verpflichten. Herkules winkete ihnen/ stille zu seyn/ und fuhr in seiner Rede fort: Hoͤret doch mein Herr Vater; ja hoͤrets als ein Vater die- ser eurer Untertahnen; hoͤret wie sie ihr Verbrechen bereuen/ und noch beyzeiten wieder- kehren/ ehe sie etwas wirkliches wider eure Hocheit vorgenom̄en haben; Mein Herr Vater lasse doch vor dißmahl Gnade vor Recht ergehẽ/ und vergebe ihnen allerdinge/ gleich wie Koͤnig Ladisla seinen Leuten vergeben hat. Ist gleich das jetzige verbrechen groß/ so haben sie doch vor weniger Zeit sich rühmlich uñ wolverhalten/ werdẽ auch durch die gegenwaͤrtige Gefahr sich warnen lassen/ nimmermehr deßgleichen vorzunehmen/ wovor ich nicht allein mich als einen selbschuldigen Buͤrgen darstellen/ sondern die verhoffete Gnade nicht an- ders/ Siebendes Buch. ders/ als mir selbst geschehen/ rechnen wil; stieg hiemit von seinem Pferde/ und taht einen demuͤhtigen Fußfal. Der Groß Fuͤrst aber gab ihm diese Antwort: Geliebter Sohn/ das Verbrechen ist fast zu grob/ es ohn Straffe hinstreichen zulassen; dann ob sie gleich zu mei- ner Rettung sich ehmahls haben eingestellet/ mus ich doch aus diesem ihren jetzigen verhal- ten abnehmen/ sie haben solches nicht mir zum besten/ sondern aus begierde zur Beute ge- tahn. Mit den redlichen Boͤhmen hats viel eine andere Beschaffenheit; die sind von den meinen verfuͤhret/ und daher zimlichermassen zuentschuldigen; diese aber haben das Unheil gestiftet; da ich ihnen fortzuzihen befahl/ hoͤꝛete ich wol Teutsche/ aber keine Boͤhmen schrei- hen/ hier müste man die Waffen niderlegen. Jedoch mein Sohn/ damit du sehen moͤgest/ wie guͤltig deine Vorbitte bey mir sey/ sihe da/ so schaffe alles nach deinem gutduͤnken und belieben/ ich wil solches genehm halten/ und mit meinem Haͤuptschlusse bekraͤftigen/ nur durchaus sollen sie anzeige tuhn/ welche die ersten Uhrheber dieser Auffwiegelung sind/ dieselben sollen und müssen sie melden/ und gaͤnzlich von sich absondern. Bald hierauff rieffen die Befehlichshaber; was Pfaffen Nahmen traͤget/ packe sich von dem Heer hin- weg; ja sie fasseten sie bey den Armen/ schleppeten sie hervor/ und bekenneten oͤffentlich/ diese waͤhren die einige Ursach alles Auffstandes; welche der Groß Fuͤrst/ an der Zahl 15 anpac- ken ließ. Ein gemeiner Fußknecht trat herzu und trug vor/ es waͤhren drey unter diesen Pfaffen/ welche sich haͤtten verlauten lassen/ man wuͤrde die Landgoͤtter nicht befriedigen/ noch ihren Zorn und Unwillen abwenden koͤnnen/ ehe und bevor vier Koͤpfe auff Stangen stecketen; und als ein ander gefraget/ welches diese Koͤpfe waͤhren/ haͤtten sie zur Antwort gegeben/ es waͤhren die vier schweresten/ fettesten/ und teuresten. Alsbald wurden diese drey Pfaffen von einander gebracht/ und absonderlich befraget/ was vor Koͤpfe sie gemeinet haͤt- ten; da der eine diß/ der ander daß zu seiner entschuldigung vorbrachte/ und ihre ausfluͤch- te gar nicht uͤbereinstimmen wolten/ biß endlich ihnen die Folter gedraͤuet ward/ welcher zuentgehen/ sie einmuͤhtig bekenneten/ die vier Koͤpfe hiessen/ Henrich/ Ladisla/ Herkules/ Baldrich. Diese Uhrgicht ward den Voͤlkern vorgetragen/ und umbgefraget/ was diese drey verdienet haͤtten; denen der groͤste Teil zusprach/ daß sie lebendig solten gespiesset oder geviertelt werden/ aber der Groß Fuͤrst ließ ihnen die Koͤpfe abschlagen/ und auff Spiesse stecken; die übrigen 12 Pfaffen wurden zu den andern fuͤnffen geleget/ die mit hoͤchstem Schrecken des vornehmen Groß Pfaffen Bertrams Haͤupt auff einer Stange stecken sa- hen/ und nicht anders meineten/ es wuͤrde ihnen gleich also ergehen. Herkules erteilete den Voͤlkern durchgehend voͤllige erlassung/ allerdinge wie Ladisla seinen Boͤhmen getahn hat- te/ nur daß sie diese Nacht biß an den Morgen von 3000 Friesen und 2000 Wenden be- wachet werden/ wehrloß bleiben/ und weder Speise noch Trank geniessen musten/ welches alles sie gerne erduldeten. Die Boͤhmen hingegen tahten diese Nacht aus freiwilligem er- bieten eine fast unglaͤubliche Arbeit/ in dem sie den schon gemacheten Wahl/ mit noch einem viel dickeren/ und weiteren Graben umbschanzeten/ so daß gegen Morgens das Lager mit einer doppelten Festung dergestalt eingeschlossen wahr/ daß ihnen mit gewalt nicht wahr beyzukommen. Des folgenden Morgens wurden 20 Boͤmische und gleich so viel Teutsche Reuter mit harten aͤiden belegt/ und unter gewissem befehl nach der Auffrührer Lager ge- schikt/ als nehmlich/ sie musten dieselben von dem ganzen Fuͤrstlichen Heer gruͤssen/ sie aller g g g g iij be- Siebendes Buch. bestaͤndigkeit versichern/ und anhalten/ daß man ihnen auff drey Tage gnugsame Speise mitteilete/ damit sie zu leben haͤtten/ nachdem die Fuͤrsten ihnen alles versageten/ und aus dem festumbschossenen Lager durch gewalt nichts zuerhalten waͤhre. Der Anschlag geriet gluͤklich/ und ward die Speise fein fortgebracht/ da die Teutschen mit zutuhn der Boͤhmẽ/ so viel deren sich willig anerbohten noch den dritten Graben und Wahl umb das Lager zo- gen/ und es unuͤberwindlich macheten. Die 4000 Reuter samt ihren uͤbrigen Pfaffen hat- ten des vorigen Abends den versamleten Auffruͤhrern des Groß Fursten Erklaͤꝛung hin- terbracht/ und daß man die sechs abgeschikte Geistlichen in Haft zuruͤcke behalten/ welches die Pfafheit hoch empfand/ und alle beredsamkeit anwendeten/ die Voͤlker auffzumuntern/ daß sie auffs schleunigste den rechten Ernst darzu taͤhten/ den Groß Fuͤrsten und die junge Herschaft zur schriftlichen Versicherung und ablegung des Christentuhms anstraͤngeten/ und mit ihrer unuͤberwindlichen Faust/ so wol des Landes Freyheit/ als den uhralten Goͤt- tern zu huͤlffe kaͤhmen/ alsdann koͤnte das Feur in der Asche gedaͤmpfet werden/ welches/ wo es uͤberhand naͤhme/ und die Teutschen Grenzen uͤberschritte/ nicht würde zu loͤschen stehen; erhielten auch bey der Versamlung so viel/ daß sie des folgenden Tages/ bald nach abhoh- lung der obgedachten Speisen/ andere 6000 Mann abfertigten/ ihrem Groß Fuͤrsten an- zuzeigen/ die sechs Pfaffen haͤtten durch vortragung der Landeswerbung/ und daß sie dem jungen Fuͤrsten Baldrich etwa die Warheit in die Nase gerieben/ nicht wieder befehl ge- handelt/ wie dann dem hochgelerten Geistlichen Herrn Bertram noch wol so viel Frey- heit zustuͤnde/ daß er die jungen irrenden Fuͤrsten von der Laster Bahn ab/ auff den guten Weg wieder anfuͤhrete; begehreten demnach/ daß sie alsbald auff freien Fuß gestellet/ und auff des Landes Vortrag bestendige Erklaͤrung moͤchte gegeben werden/ weil man mit der schon herausgelassenen nit koͤnte friedlich seyn. Würde dann der Großfuͤrst sich dessen we- gern/ soltẽ sie nur ausdruͤklich sich vernehmen lassen/ dz das Land dẽ Goͤttern uñ ihrer Frey- heit mehr/ als dem Groß Fuͤrsten uñ der jungen Herschafft verbundẽ waͤre. Insonderheit solten sie dz Kriegsheer zur bestaͤndigkeit vermahnẽ/ und denẽ bey ihnen anwesendẽ Pfaffen es verweißlich gnug vorhalten/ dz wideꝛ genom̃enẽ abscheid sie ihnẽ so gaꝛ keine Zeitung zu- entboͤhten. Sie setzeten dieses hinzu/ weil die 40 Reuter/ welche die Speisewagen abgeho- let/ ihnen auffgebunden hatten/ die Pfaffen bey ihnen/ waͤhren ihrer Sachen uneins wor- den/ und haͤtten die helffte sich wollen an die Fuͤrsten henken/ aus Furcht/ es duͤrffte der Handel ungluͤklich ablauffen. Ja daß zuverwundern/ haͤtten ihrer drey ausdruͤklich vorge- geben/ das Christentuhm waͤhre nicht so schnoͤde als mans austrüge. Je doch haͤtten sich die vornehmesten Obersten zwischen ihre Streitigkeiten geleget/ und sie mit einander wie- der verglichen/ da sie dann bey ihrem abreiten schon damit umgangen waͤhren/ drey ihres Mittels an die grosse Landes Versamlung abzuschicken/ welche ohn Zweifel sich bald wuͤr- den einstellen. Weil nun diese sich nicht anfunden/ und sie die Erzaͤhlung der Reuter vor gewiß hielten/ fuͤrchteten sie/ es wuͤrde eine Unlust sich zwischen ihnen zugetragen haben/ da sie dann den dreien Christen-Freunden keine gelindere Straffe als den lichten Galgen draͤueten. Als die unsern der Herzunahung obgedachter 6000 Reuter verstendiget wur- den/ muste Neklam ihnen mit allen Parthern und 3000 Wenden entgegen reiten/ ihr Be- gehren zuvernehmen/ und da sie auff ihren vorigen Troz verharren würden/ sie ab zuweisẽ. Zwoͤlf Siebendes Buch. Zwoͤlf Pfaffen/ welche dẽ Hauffen suͤhretẽ/ stelleten sich ganz verwaͤgen/ so dz sie auch etliche Schmaͤhe Worte mit einmengeten/ und durchaus begehreten/ man solte ihre sechs Amts Bruͤder (dann von den uͤbrigen wahr ihnen noch nichts kund getahn) loß geben/ sonst wolten sie sich von allem daraus entstehendem Unheil auffs zierlichste bedinget haben. Prinsla/ welcher Neklam auff Herkules gutheissen/ gefolget wahr/ zeichnete die Redlens- Fuͤhrer fleissig an/ und antwortete; man haͤtte keinen Befehl sich mit ihnen zuzanken; stuͤn- de ihnen doch frey/ selbst hin zureiten/ und dem Großfürsten ihre Werbung vorzutragen. Sie nicht saul/ ritten alsbald mit ihnen fort/ und wurden geschwinde vorgelassen. Weil sie sich dann nicht weniger trotzig als zuvor im freyen Felde vernehmen liessen/ ungeachtet sie vor Augen sahen/ daß das ganze Heer sich zu dem Fürsten geschlagen hatte/ sprach ihnen der Großfurst diese Urtel/ daß den sechs Worthaltern der Grind solte herunter geschmissẽ werden; welches sie anfangs vor eine blosse Bedrauung hieltẽ/ aber da der Scharf Richter bald daꝛauff mit seinen Knechten zu jhnen nahete/ ihnen auch deꝛ vieꝛ hingeꝛichteten Haͤup- ter vor Augen gestellet wurden/ begunte ihre frecheit sich in eine Reue zuverkehren/ wiewol sie sich bedingetẽ/ dz man nach aller Voͤlker Recht mit ihnen handeln/ uñ sie als des Landes Abgeordente uͤnbeschimpfet lassen solte; Aber Ladisla gab ihnen zur Antwort; sie waͤhren nicht des Landes/ sondern der Auffrührer Abgeordente/ und zwar solche/ die ihnen dieses Amt selbst erwaͤhlet haͤtten; weil sie dann an ihrer Obrigkeit sich nicht allein durch Em- poͤrung/ sondern auch durch frevelmuhtige Schmachreden hart vergriffen haͤtten/ solten sie alsobald zum willigen Tode niderknien/ oder aber lebendig gespiesset werden; welches so viel bey ihnen wirkete/ daß/ weil es anders nicht seyn wolte/ sie den gelindern Tod an- namen/ und nichts hoͤhers wuͤnscheten/ als dz ihre uͤbrige Amts Bruͤder nur wissen moͤch- ten/ wie es ihnen hieselbst erginge. Worauff Neklam zur Antwort gab/ wann dieselben mit Troz sich anfinden wuͤrden/ koͤnte ihnen eben der Groschen zum Arbeits Lohn ausgezahlet werden. Ihre abgehauene Koͤpffe wurden inwendig des Lagers auffgestecket/ und die uͤbri- gen sechse zu den andern gefangenen getahn/ da sie mit Brod und Wasser sehr kaͤrglich gespeiset wurden. Nach solcher Volstreckung ging Prinsla mit allen Parthen/ 3000 Wen den und gleich so viel Friesen den Auffruͤhrischen sechstausenden abermahl entgegen/ ihnẽ gebietend/ sie solten auff Befehl ihres herschenden Großfuͤrsten stehendes Fusses sich hin- weg packen/ und da sich nach diesem jemand mit dergleichen trozigen Reden als die heu- tigen Pfaffen wurde finden lassen/ solte es ihm den besten Hals kosten; ihr Großfuͤrst haͤtte sich gestriges Tages erklaͤret/ ganz Teutschland bey ihren Geist- und weltlichen Freyheiten zulassen/ dabey haͤtte es sein verbleiben; waͤhre dann solches den Landsassen noch nicht gnug/ solten sie morgen gegen Abend ihre Abgeordenten/ jedoch keine schmaͤhsuͤchtige trotzige Pfaffen/ sondern hoͤfliche vom Adel und von der Gemeine abschicken/ die ihre Wer- bung mit geziemendeꝛ Untertaͤhnigkeit vortruͤgen/ als dann solte eine gebuͤhꝛende gnaͤdigste Antwort erfolgen. Die 12 Pfaffen haͤtte man wegen ihrer Unhoͤfligkeit und Schmaͤhe- worte angehalten/ mit denen ihre Großfuͤꝛstl. Hocheit schon also wuͤrde zuverfahren wissẽ/ wie sichs gebuͤhren wolte. Diese wolten mit solcher Antwort nicht friedlich seyn/ und be- gehreten insonderheit etliche Pfaffen von dem Fuͤrstlichen Heer zusprechen; aber Prinsla umzog sie mit seinen Voͤlkern/ reiß den Worthalter vom Pferde/ und draͤuete ihm den Tod/ Siebendes Buch. Tod/ wo er sich noch eines Worts wieder seine hohe Landes Obrigkeit wuͤrde verlauten lassen/ fragete auch die ganze Schaaꝛ/ ob sie willens waͤꝛen/ in güte odeꝛ gezwungẽ abzuzihẽ; welche als uͤbermannet sich erbohten zu gehorsamen/ und den gegebenen Befehl zuhinter- bꝛingen. Ihre Ankunft erweckete nicht geringen Aufstand/ insonderheit/ weil alle ihre Pfaf- fen zuruͤk blieben/ woruͤber die Geistligkeit nicht wenig erschrak/ da sie noch uͤber daß anhoͤ- ren musten/ daß der Großfuͤrst ihrer keinen mehr hoͤren/ sondern nur mit den weltlichen Handlung pflegen wolte; gingen daruͤber fleissig zuraht/ verteileten sich durch das ganze Lager/ und macheten die Sache so gefaͤhrlich/ als ob ihnen allen/ grossen und kleinen/ das Leben schon abgesprochen waͤhre. In des Fuͤrstlichen Heers Zustand aber wusten sie sich gar nicht zurichten/ scholten auf ihre Amts Bruͤder hefftig/ daß dieselben unter sich selbst zwiespalt angefangen haͤtten/ und dem gemeinẽ Wesen dadurch nicht geringe Ungelegen- heit zuzoͤgen; gerieten zugleich auf die Gedanken/ der Großfuͤrst muͤste dem Heer die We- ge versperret haben/ daß keine Botschafft von ihnen durchkommen koͤnte. Durch ihr un- gestuͤmes anhalten aber brachten sie es vor dismahl dahin/ daß die Einwilligung geschahe/ es solte morgen zeitig fruͤh/ ungeachtet alles Großfuͤrstlichen Verbohts/ diese ernstliche und/ wie sie es nenneten/ schließliche Anfoderung eingeschicket und vorgetragen werden/ daß I ihre Pfaffen alle miteinander auff freien Fuß gestellet. II Die begehrete schrift- liche Versicherung wegen Erhaltung des Uhralten Gottesdienstes von dem Großfürstẽ und der jungen Herschaft innerhalb 24 Stunden ausgefertiget; III der Christliche Glaube von allen und jeden so ihn angenommen haͤtten/ abgelegt und verschworen; IV Allen und je- den/ wie sie Nahmen haben moͤchten/ so zu dieser Handlung Raht und Taht gegeben/ auch dabey sich wirklich finden liessen/ durchgehend/ verzihen/ und dessen in Ewigkeit nicht ge- dacht werden solte. Dieses solten 20 Pfaffen/ 20 aͤdle/ und 20 von der Gemeine dem Groß- Fürsten und der jungen Herschafft ungescheuhet vortragen/ und zur Begleitung 40000 Mann zu sich nehmen. Die aͤdlen hielten die auffgezeichneten Foderungen gaꝛ zu fꝛech seyn/ wolten auch den Aufbruch verhindern/ und den gelindern Weg gehen; aber der Pfaffen Geschrey drang durch/ da sie vor gaben/ man saͤhe numehr schon wol/ wie hoch man die Goͤtter achtete/ deren Ehre und Beschuͤtzung man um eines bedraͤulichen Wortes Wil- len wolte fahren lassen. Ihnen ward geantwortet; es haͤtte diese Meinung durchaus nicht/ aber doch muͤste man Vernunft gebrauchen/ und wol bedenken/ daß man nit mit Feinden/ noch mit Fremden/ noch mit seines gleichen/ sondern mit der angebohrnen hoͤchsten O- brigkeit zuhandeln haͤtte; dieselbe nun begehrete an ihre Untertahnen zweyerley; vor erst/ daß man vor morgen abends keine Handlung vornaͤhme; hernach/ des Landes Anfoderung nicht durch geistliche sondern weltliche vorgetragen wuͤrde; was nun davon nicht koͤnte beliebet werden/ muͤste nicht von einem Stande allein vor sich geschlossen/ und den andeꝛn beiden Staͤnden einzuwilligen auffgedrungen/ sondern ihnen reifflich zubedenken vorge- stellet/ und ihr Wolmeinen daruͤber gehoͤret werden; ja daß allem Dinge sein Recht ge- schaͤhe/ waͤhre noͤhtig und heilsam/ daß die Verstaͤndigsten aus allen dreyen Staͤnden sich zusammen taͤhten/ alles wol erwoͤgen/ einen Entwurff aufsetzeten/ nachgehends der ganzẽ Gemeine vortruͤgen/ und geschickte Maͤnner erwaͤhleten/ die als Abgeschickte gebraucht/ und ihnen schrifftlicher Unterricht erteilet wuͤrde/ was und wie weit sie handeln solten/ als- dann Siebendes Buch. dann wuͤꝛde man am gluͤklichen Verfolg nicht zuzweifeln haben; dann was biß daher vor- genommen waͤhre/ haͤtten nur ihrer etliche von der Geistligkeit/ nach getrieb ihres eigenen Willens/ und vielleicht aus gar zuhefftiger Bewaͤgung ihrer Begierden geschlossen und verrichtet/ daher man sich nicht verwundern duͤrffte/ daß es keinen Verfolg gehabt; Und solten sich die Herren Geistlichen dieses versichern/ daß der Adel und die Gemeine ihren Goͤttern ja so fest anhingen als sie/ nur daß man gleichwol die Obrigkeit nicht mit Fuͤssen treten/ das ist/ sie weder beschimpffen noch trotzen/ sondern sie gebührlich ehren/ und alles auffs glimpflichste suchen muͤste/ so lange man Hoffnung zur Einwilligung truͤge. Die Pfaffen musten gleichwol hierauff geschehen lassen/ dz eine Rahtschlagung von den Haͤup- tern aller dreyen Staͤnde vorgenommen ward; aber sie drungen hiemit durch/ daß sie voꝛ- erst antworteten: Der Groß Fuͤrst suchete den Sachen Auffschub zugeben/ und zwar zu dem ende/ daß anfangs des ganzen Volks Gemuͤhter sich enderten/ und die Liebesbrunst gegen ihre Goͤtter erkaltete; dann auch/ daß zwischen ihnen der Same der Uneinigkeit aus- gestraͤuet würde/ worzu das beste Mittel schon vor die Hand genommen waͤhre/ indem man die Geistligkeit ausschliessen/ und ihnen der Zungen Freiheit abschneiden wolte/ wel- chem Unwesen aber beyzeiten muͤste vorgebauet werden. Dann wer waͤhre so blind und un- verstaͤndig/ der nicht sehen und merken solte/ was gestalt der Großfuͤrst/ oder vielmehr die junge Herschafft der Staͤnde Trennung suchete/ indem man die Geistligkeit ausschloͤsse/ weil man versichert waͤhre/ daß diese sich des Gottesdienstes ungleich mehr und ei- feriger als andere annehmen wuͤrden; koͤnte auch wol seyn/ daß man Hoffnung schoͤpffete/ man wuͤrde etliche Haͤupter der uͤbrigen Staͤnde durch Schenkungen oder statliche Ver- heissung gewinnen/ und auff der Fuͤrsten Seite bringen koͤnnen. Dieses ward den unru- higsten des gemeinen Volks von den Pfaffen tapffer eingeblasen/ welche ein wuͤstes Ge- schrey anfingen; man muͤste diese Sache niemand als den Geistlichen anvertrauen/ damit man vor Verraht und Betrug sicher bliebe. Wodurch dann aller guter Raht Krebsgaͤn- gig gemacht/ und das ganze Werk nach der Pfaffen willen angestellet ward. Als die aus- gesetzete Fuͤrstliche Schildwachten die Zeitung brachten/ daß so ein starkes Heer/ halb zu Pferde und halb zu Fusse sich sehen liesse/ besetzeten die Fürsten ihr Lager mit aller Man- schafft/ die sie durch einander gemischet hatten/ und sendeten ihnen Prinsla und Neklam mit 2000 Wenden und so viel Parthen entgegen/ umb zufragen/ wer sie so verwaͤgen kuͤhn gemacht haͤtte/ daß ohn ihres Groß Fürsten ausdruͤklichen Befehl sie ihre Wohnungen verlassen/ und als in einer offentlichen Fehde sich sehen lassen duͤrfften; doch begehrete ihre Großfuͤrstl. Hocheit von ihnen vor dißmahl mehr nicht zuwissen/ als wer dieser Aufwiege- lung Ursach/ Anfaͤnger/ und des Heers Fuͤhrer waͤhre. Hieselbst wolte sich nun so bald kein Weltlicher melden/ nur die Pfaffen fingen ihr Geblaͤrre an/ und begehreten/ daß Prinsla dem Groß Fuͤrsten obgedachte Anfoderungen alsbald einreichen solte/ wann ihnen nicht koͤnte erlaubet seyn/ vor ihren Groß Fuͤrsten zutreten. Das werde ich wol nicht tuhn/ ant- wortete er/ daß ich mich von euch Pfaffen vor einen Bohten und Briefetraͤger solte bestel- len lassen; ich diene meinem Groß Fuͤrsten als ein Auslaͤndischer/ und euer keinem nicht/ daher werde ich mich schon huͤten/ uͤber Befehl nichts auff mich zunehmen; halte auch nit davor/ daß Ihre Großfuͤrstl. Hocheit vor Abends einige Werbung anhoͤren werde/ nach- h h h h dem Siebendes Buch. dem sie Arzney eingenommen hat. Inzwischen ritte der/ welchen er vorigen Tages vom Pferde gerissen/ zu ihm hinan/ und fragete ihn/ warumb er ihm den Schimpff angeleget/ welches er ihm nicht gut heissen koͤnte/ sondern muͤste sich deswegen ritterlich mit ihm ver- gleichen. Gar willig und gern/ mein guter Kerl/ antwortete er/ so bald ich dessen nur von meinem Allergnaͤdigsten Koͤnige Erlaubniß habe/ sol dir ein solcher Rittertanz unversa- get seyn/ dessen zum Pfande ich dir diesen Handschuch gebe. Dieser wolte so lange nicht harren/ aber die aͤdlen redeten ihm ein: Er solte der Sachen einen geringen Anstand gebẽ/ weil dieser Herr sich aller Billigkeit erboͤhte. Sie wolten aber auff vorgebrachte Groß- fuͤrstliche Frage ein mehres nicht antworten/ sondern zogen/ Prinslaen Einrede ungeach- tet/ frisch fort nach des Groß Fuͤrsten Lager zu. Herkules verdroß dieser Troz nicht wenig/ nam Prinsla mit seinen Reutern in die Festung/ und gab ihm Urlaub/ wieder hinaus zu reiten/ und dem Ausfoderer Fuß zuhalten; welches er geschwinde verrichtete/ und im ach- ten Hiebe ihm den Schedel herunter schlug/ welches die Pfaffheit nicht vor ein gutes Zei- chen hielt/ deren doch 12 sich nach geendigtem Kampffe nahe an den aͤussersten Graben ma- cheten/ und hinuͤber rieffen: Der Großfuͤrst moͤchte sichs gefallen lassen/ den Abgeordentẽ Gehoͤr zugeben; ward ihnen aber durch Neklam geantwortet: Seine Großfuͤrstl. Hocheit koͤnte sich uͤber diesen grossen Frevel nicht gnug verwundern/ warumb sie mit so starker Manschafft herzu nahen duͤrfften/ und uͤberdas wider sein ausdruͤkliches Verbot diesen Morgen umb Handelung anhalten; Ihr Groß Fuͤrst waͤhre anjetzo ganz unmuͤssig/ und mit andern Wichtigkeiten beladen/ solten biß gegen den Abend verharren/ und alsdann/ was vorzubringen waͤhre/ durch verstaͤndige und hoͤfliche des Teutschen Adels und der Gemeine antragen lassen; Es waͤhren Reichs Haͤndel/ die man vor haͤtte; die Pfaffen sol- ten ihres dinges warten/ und sich umb solches/ was sie nicht anginge/ unbekümmert lassen/ welches ihnen bey Vermeidung hoher Ungnade und unausbleiblicher Straffe hiemit sol- te gebohten seyn. Koͤntet nun ihr anwesende alle miteinander euch rahten lassen/ setzete er auff Befehl hinzu/ soltet ihr straks angesichts euren Frevel erkennen/ umb Gnade anhaltẽ/ und wie das Fuͤrstliche Heer alsbald getahn/ euch zu eures Groß Fuͤrsten Schuz einstellẽ/ alsdann wuͤrdet ihr redlich bey eurer Obrigkeit/ und wol bey euch selbst handeln. Diese Pfaffen kunten solches Vorbringen kaum abwarten/ und gaben zur Antwort: Sie muͤsten es dahin lassen gestellet seyn/ daß ihr Groß Fuͤrst in so hochwichtiger Sache ihnen Gehoͤr versagete/ dessen man in Teutschland bißher ganz ungewohnet waͤhre; doch wuͤrden die Goͤtter es in kurzem anders schicken; fingen darauff an/ die Großfuͤrstlichen Voͤlker hef- tig auszuschelten/ daß sie widersinnisch worden/ und das gemeine Wesen stecken liessen/ sie wuͤrden solches alle miteinander in wenig Tagen mit dem Leben bezahlen muͤssen/ wo sie nit alsbald wieder kehreten. Es rief aber einer von dem Heer über den Wahl ihnen zu/ er waͤh- re von dem ganzen Heer befehlichet/ ihren Landsleuten zudanken vor die guten Speisen/ welche sie ihnen zukom̃en lassen/ hoffeten/ wann sie verzehret seyn wuͤrden/ duͤrfte man um ein mehres ansuchen. O ihr meinaͤidige Betrieger rief ein Pfaffe darauff/ freuet euch des Diebstahls nicht/ Gott Krodo wird euch die Speise gesegnen/ daß sie euch das Herz ab- stossen muß. Herkules ließ 26 Parther ausgehen/ welche diese Pfaffen alle griffen/ und ins Lager suͤhreten; Ihre Voͤlker solches sehend/ ranten in zimlicher Anzahl herzu/ in Mei- nung Siebendes Buch. nung sie zuretten/ kahmen aber zu spaͤte/ und wurden die foͤrdersten/ mit blutigen Koͤpffen zuruͤk gewiesen/ die 12 Pfaffen aber auff den aͤussersten Wahl gefuͤhret/ uñ den 6 Worthal- tern der Grind oͤffentlich herunter geschlagen/ daß die Auffruͤhrer es sehen kunten/ bey de- nen guter Raht sehr teur wahr; dann die Pfaffen reizeten den Poͤfel an/ das Lager zustuͤr- men/ und den Schimpff ungerochen nicht zulassen. Der Adel hingegen widerstund nach aller Moͤgligkeit/ einwendend/ sie haͤtten nicht allein dessen gar keinen Befehl von der Ver- samlung/ sondern würden uͤberdas den Fuͤrstlichen nicht eins gewachsen seyn im offenen Felde/ wie wolten sie dann dieselben in ihrem Vortel und festem Lager angreiffen koͤnnen; moͤchten demnach die Herren Geistlichen diese Voͤlker nicht ins mutwillige Verderben stuͤrzen/ sondern ihrer schonen/ auff bessere gelegenheit warten/ und von Vermaͤssenheit abstehen/ auch an dem klaͤglichen Fal ihrer Gesellen sich spiegeln/ und der Vernunft raum und gewalt uͤber den Zorn goͤnnen. Aber die Pfaffen wolten ihnen gar nicht lassen einre- den/ scholten den Adel aus vorungetraͤue Leute/ denen ihr Gottesdienst kein Ernst waͤhre. Es muͤste das unschuldige Blut gerochen werden/ und wuͤrde Gott Krodo voran treten mit seiner grossen Keule/ und ihnen freyen Weg uͤber den Wahl machen. Der Adel war- nete sie nochmahl traͤulich/ welcher in 2000 stark war/ aber der gemeine Mañ/ als sie von ihres Gottes Huͤlffe und Beystand hoͤreten ruͤhmen/ wahren mehrenteils bereit ihren Pfaffen zufolgen/ und wurden 25000 stark zum Anfal angefuͤhret/ 13000 aber derselben blieben bey dem Adel zuruͤcke. Die unsern haͤtten sich dieser Verwaͤgenheit nicht versehen koͤnnen/ wiewol Ladisla/ Olaff/ Fabius/ Klodius/ Markus und Gallus der Stuͤrmenden Ankunfft redlich erwarteten/ und ihnen die Kolben deꝛgestalt lauseten/ daß ihrer wenig mit dem Leben davon kahmen. Herkules und Prinsla nahmen die Parther und Wenden zu sich/ fielen damit aus/ und hieben die schlecht bewehreten Auffruͤhrer wie das unvernünff- tige Vieh nider/ daß vor endigung einer halben Stunde 9000 erschlagen/ 2000 hart ver- wundet/ und 8000 gesunde gefangene ins Lager geschicket wurden. Die unsern meyneten/ daß die hinterbliebene 15000 Auffruͤhrer zum Entsaz ihrer Gesellen sich wuͤrden finden lassen/ als aber dieselben sich nicht allein gar nicht bewaͤgeten/ sondeꝛn die 6000 fluͤchtigen kaum wieder zu sich nehmen wolten/ ließ man sie unangefochten/ biß man gewahr ward/ daß sie sich ins freie Feld setzeten/ in gestalt eines Heers/ welches zuschlagen willens ist; da gingen Ladisla und Herkules ihnen mit 20000 Reutern frisch nach/ und liessen ihnẽ durch einen Trometer andeuten/ sie solten stehen; man wuͤrde nichts feindseliges wider sie vor- nehmen. Worauff sie stille hielten/ und ihrer Ankunfft erwarteten/ da Ladisla sie also anre- dete: Was vor Unsinnigkeit treibet euch wahnwitzige Leute/ daß ihr eures herschenden Groß Fuͤrsten Lager mit Sturm anzulauffen euch nicht scheuhet? gedenket ihr etwa/ die Reichsfeinde ligen drinnen? O nein/ es ist eure angeborne Obrigkeit/ eure Landsleute/ eu- re Bundgenossen und nachbarliche Freunde. Antwortet mir nur nichts ich weiß schon euer Vorbringen wol; man hat die 12 rasichte Pfaffen gefaͤnglich angenommen/ und ih- rer 6 enthaͤuptet; ja es ist billich/ und mit gutem Recht geschehen; dann durfften diese got- lose Schelmen sich nicht scheuhen/ ihren Groß Fuͤrsten zulaͤstern/ ihm selbst zudraͤuen/ und seine Leute ihm abspenstig zumachen/ ja dieselbe vor meinaͤidige auszuschelten/ da sie selbst die meinaͤidigsten Schelmen wahren/ so hat man ihnen ja den Lohn davor erteilen muͤssen. h h h h ij Erken- Siebendes Buch. Erkennet nur die hohe Gnade/ daß man sie nicht alle 12 hingerichtet und lebendig gespies- set hat. Aber betrachtet daneben/ was ihr druͤber angefangen/ und ein so grosses Blutbad gestifftet/ da hingegen an unser Seiten kaum 40 Menschen verwundet/ und kein einziger erschlagen ist. Wolte man mit euch nach Verdienst handeln/ solte uns ein geringes seyn/ euch allen die Haͤlse zubrechen; aber Gott behuͤte mich davor/ daß ich einiges Menschen Blut vergiessen solte/ der mirs nicht mit Gewalt abhohlete. So leget nun euer Gewehr auff guten Glauben nider/ begrabet eure Todten/ und verbindet eure Verwundeten/ euch sol in solcher Zeit kein Mensch ein Haͤaͤrlein kraͤnken/ auch kein ungenehmes Wort sagen. Wann ihr nun bey den euren wieder anlangen werdet/ koͤnnet ihr/ da es euch gut deucht/ sie warnen/ sich ja beyzeiten zubedenken/ und die Gnadenzeit nicht zuversitzen; euch ist von eu- rem Groß Fuͤrsten ein gnugsames gebohten/ seyd ihr witzig/ so werdet ihr eurer Wolfahrt wahr nehmen. Die aͤdlen und andere verstaͤndige tahten sich hervor/ wendeten zur Ent- schuldigung ein/ es waͤhre der Sturm wider ihren Willen auff unnachlaͤssiges Getrieb ih- rer Pfaffen vorgenommen; bedanketen sich/ daß man ihren Todten die Ruhe in der Erde goͤnnete/ und zogen alle mit einander 21000 stark hin/ dieselben zubegraben/ da ihnen uͤber- das gegoͤnnet ward/ die besten Sachen/ und alles was sie wolten/ von den erschlagenen zu beuten; dann die Großfuͤrstlichen Voͤlker durfften keinen einzigen Todten besuchen oder pluͤndern. Nach gehaltener Begraͤbniß wurden diese Voͤlker ihrer Sachen uneins/ ob sie zu ihrem Groß Fuͤrsten sich schlagen/ oder wieder umkehren wolten/ da dann 8000 sich an- geben liessen/ wann sie koͤnten zu Gnaden angenommen werden/ wolten sie in ihres lieben Groß Fuͤrsten Dienste und Gehorsam wieder treten/ und bey demselben leben und sterben. Ladisla ritte zu ihnen hinaus/ versprach ihnen im Nahmen des Großfuͤrsten (der sich heut nicht wolte sehen lassen) voͤllige Vergebung/ und fuͤhrete sie ins Lager/ da sie hin und wieder unter die Voͤlker verstecket wurden/ doch wahr kein einziger vom Adel unter den hinter- bliebenen/ sondern die gingen mit den 11000 gar traurig wieder zuruͤk/ und musten ihre Verwundeten mit sich nehmen/ hatten nur noch einẽ einzigen Pfaffen in ihrer Geseschaft/ dann die uͤbrige 6 hatten im Sturm ihren Lohn bekommen. Als sie bey spaͤtem Abend ihr grosses Lager erreicheten/ ward alles Volk rege/ und frageten/ wo dann ihre uͤbrige Gesel- schafft bliebe; da nach Erzaͤhlung ein wunderlicher Zustand im Lager wahr/ nicht anders/ ob haͤtte einer den andern erwürgen wollen; etliche rieffen/ welche die verstaͤndigsten wah- ren/ warumb man solchen Frevel gebraucht/ und des Groß Fuͤrsten Lager gestuͤrmet; man haͤtte sich ja hiedurch oͤffentlich vor Feind erklaͤret/ welches traun ein jeder nicht wuͤrde uͤ- ber sich nehmen. Andere scholten mit den uͤberkommenden/ warumb sie sich getrennet/ und ihren Bundsverwandten/ ja Bruͤdern nicht Beystand geleistet; aber die/ so dem Sturm beygewohnet/ auch der uͤbrige Pfaffe selber/ musten gestehen/ es waͤhre unmoͤglich gewe- sen/ denen im Lager ichtwas abzugewinnen/ weil nicht allein sie gar zu fest verschanzet laͤgẽ/ sondern eine sehr grosse Manschafft bey sich haͤtten/ und zwar die allergeübtesten Teutschẽ und Boͤhmen; so haͤtten sich etliche tausend Mann ganz unbekanter Sprache unter ihnen gefundẽ/ welche nicht anders als lauter Teufel mit ihren Schwertern gewütet. Niemand aber wahr/ der den 8000 Abtruͤnnigen (wie sie sich musten schelten lassen) nicht alles uͤbels gewuͤnschet haͤtte. Wie hart und schwer man auch die Traͤulosigkeit des Fuͤrstlichen Heers raͤchen Siebendes Buch. raͤchen wolte/ kunte man sich so bald nicht erklaͤren/ insonderheit/ daß sie ihnen eine solche Menge Speise betrieglich entwendet/ deren sie ohn das nicht viel uͤbrig hatten. Doch ließ die groͤste Traurigkeit sich bey den Geistlichen spuͤren/ dann sie merketen schon/ daß es endlich uͤber sie auslauffen duͤrffte/ wann das Messer unmahl fallen solte/ wurden auch von etlichen Einfaͤltigen befraget/ warumb Gott Krodo und Goͤttin Freia zugeben wollen/ daß ihre ergebene und getraͤue Verfechter so liederlich nidergeschlagen/ und doch den Wiederwaͤrtigen kein Abbruch geschehen waͤhre. Die Pfaffen bemaͤn- telten solches best sie kunten/ und bearbeiteten sich/ das noch ein Heer 50000 stark mit der Sonnen Auffgang fortgehen/ und die obengesetzeten Anmuhtungen ungeendert vortra- gen solten. Umb Mitternacht kam Koͤnig Baldrich/ mit 24000 Reutern an/ denen Ek- hard mit 30000 zu Fusse folgete. Herkules und Ladisla wurden des Entsatzes froh/ dann auch die 8000 Gefangene hatten sich gutwillig untergestellet/ das nunmehr ihr Heer uͤber die 102000 Mann bestund/ und folgendes Tages mit Ekhards Fußvolk umb so viel gestaͤr- ket ward/ denen eine grosse menge Speisewagen folgeten/ und von allenthalben her ihren Pferden Futter zugetragen/ auch von den Reutern selbst eingehohlet ward. Die Fürsten hielten vor undienlich/ das ganze Heer in dem verschantzeten Lager einzuschliessen/ mache- ten noch ein sonderliches Reuter Lager/ und legeten fuͤnff kleine sehr feste Schanzen eine kleine halbe Meile von ihrem Lager auff den engen Durchzug/ daher die Auffruͤhrer alle- mahl kommen musten/ wann sie zu dem Groß Fuͤrsten wolten; wurden inwendig drey Stunden verfertiget/ und mit 15000 Mann/ mehrenteils Schuͤtzen/ (welche Baldrich mit sich gebracht) wol besetzet. Die Aufruͤhrer erfuhren solches von ihꝛen ausgesetzeten Schild- wachten/ hatten aber das Herz nicht/ es zu hindern/ sondern erwarteten des Tages/ und set- zeten ihr Vorhaben ins Werk. Ihr Anzug ward den Fuͤrsten zeitig kund getahn/ die nach gehabtem Raht die junge Groß Fürstin und Koͤnigin Frr. Valisken und Lukrezien ver- mochten/ auff dem wolgeputzeten Elefanten ihnen in begleitung 40000 Reuter (denen noch 20000 folgen musten) entgegen zuzihen/ noch ehe sie bey den fuͤnff Schanzen anlange- ten/ und solte Herkules/ doch unerkant/ die Voͤlker fuͤhren/ welcher alle Wenden und Par- ther nebest 31000 Teutschen/ Boͤhmen und Friesen in gleicher Anzahl zu sich nam/ und drey viertelmeilen vom Lager auff sie sties/ sendete Prinsla mit 500 Reutern voran/ und ließ ih- nen sagen; sie solten stille halten/ und keinen Fuß naͤher ruͤcken/ oder des feindlichen Angrifs gewaͤrtig seyn. Ihr hoͤchstgebietender Groß Fuͤrst haͤtte eine ansehnliche Gesandschaft an sie abgehen lassen/ von welcher sie dero Hocheit schließliche Meinung würden zuverneh- men haben. Die Pfaffen wahren bedacht/ fortzugehen/ aber der Adel wolte durchaus nicht; man muͤste sich dañoch schaͤmen/ der Obrigkeit vorsezlich zu trotzen; die Geistligkeit moͤchte doch dermahleins auffhoͤren/ sich in das mutwillige Verderben zu stuͤrzen/ und betrachten daß ihres mittels schon 52/ teils in Haft/ teils in den Tod gerahten waͤhren/ so truͤge an der neulichen Niderlage niemand schuld als der Geistlichen Troz und Verwaͤgenheit. Man hielte ja den Groß Fuͤrsten annoch vor ihre Obrigkeit/ wessen wolte man sich dañ zeihen/ dz man ihm allen Gehorsam versagete? Vielleicht waͤhren die Vorschlaͤge so beschaffen/ daß sie einen guten Grund zur guͤtlichen Handelung setzen koͤnten/ und moͤchten al endlich die Herrn Geistlichen wissen/ daß man nicht schuldig waͤhre/ ihnen/ als die Ochsen ihren Hir- h h h h iij ten/ Siebendes Buch. ten/ blindlings und ihres gutduͤnkens zu folgen; wuͤrden sie diese herlichen Voͤlker in gefahꝛ setzen/ wie sichs ansehen liesse/ solten sie es hernaͤhst vor der Versamlung zuverantworten haben. Hiedurch wurden sie eingehalten/ daß sie der Gesandschaft erwarteten. Als sie nun das ungewoͤhnlich grosse wolgeputzete Wunder-Tihr sahen/ und die zwey allerschoͤnsten Weibesbilder oben darauff/ welche sich in Koͤniglichem Pracht biß an den Guͤrtel zeigetẽ/ entsetzeten sich groß und klein/ daß ihrer viel sie vor warhaftige Goͤtter hielten. Valiska meꝛ- kete ihre verenderung/ und als sie sahe/ daß der meisteteil sich ehrerbietig erzeigete/ schoͤpfete sie gute Hofnung/ etwas fruchtbarliches auszurichten/ und fing diese Rede an: Von Got- tes Gnaden/ ich Valiska/ gebohrnes Koͤnigliches Fraͤulein aus Bohmen/ des Durchleuch- tigsten unuͤberwindlichen Helden/ Herrn Herkules/ gebohrnen Groß Fuͤrsten und unstrei- tig-naͤhesten Erben des freien Teutschen Reichs/ erwaͤhleten Fuͤrsten zu Susa in Asien/ und der Koͤnig- und Groß Fuͤrstlichen Verbündnis daselbst/ Feld Obristen sein Gemahl. Der ganze Adel dieses vernehmend/ neigete sich sehr tief mit dem Haͤupte auff ihren Pfer- den/ da sie in ihrer Rede unverruͤcket also fortfuhr. Ja ich Valiska/ Teutsches Gebluͤts uñ eures hochverdienten Groß Fuͤrsten Frauen Schwester einige Tochter/ bin von seiner Großfuͤrstl. Hocheit an euch seine Untertahnen und Soͤhne abgefertiget/ von euch zuver- nehmen/ was vor ein sonderbahres Ungluͤk und schwere Gottesstraffe es doch immer und ewig seyn moͤge/ daß/ in dem er auff der Fahrt ist/ seinen lieben freien Teutschen sich wieder als ein gnaͤdigster Vater darzustellen/ und durch seine gluͤkliche Erloͤsung nach gehaltenem Siege sie zuerfreuen/ er mit schmerzhafen Augen ansehen und bestuͤrzetem Herzen verneh- men mus/ daß dieselbe ihm den siegpraͤchtigen Einzug in sein Reich zuverhindern sollen ge- meinet seyn; da er doch seinen Untertahnen mit keinem Wort oder Gedanken zu solchem Auffstande einige Ursach gegeben/ noch den allergeringsten unter ihnẽ beleidiget hat. Wes- sen zeihet ihr euch/ ihr redlichen Teutschen/ wessen zeihet ihr euch? seid ihr eures frommen Großfuͤrsten und Vaters in so kurzer Zeit muͤde worden/ darumb daß er von Raͤubern hinweg gefuͤhret ist/ die doch ungestraffet nicht haben bleiben müssen? wo ist dañ der praͤch- tige Herr/ den ihr vielle icht schon an seine Stelle erkohrẽ habt? trit hervor/ du neu-erwaͤh- leter Groß Fuͤrst/ daß wir deine Hocheit sehen/ wo wir dessen sonst koͤnnen gewirdiget seyn. Bistu ein Auslaͤndischer/ so ruͤhme dich/ daß du der erste Unteutsche bist/ dessen Herschafft die Teutschen ertragen koͤnnen. Bistu ein Teutscher/ so lege mir deinen Adel vor/ ob er hoͤ- her sey als meines Gn. Herrn Schwiegervaters/ dann ich wil nimmermehr hoffen/ daß du aus dem Pfaffen Stande zur Herschaft werdest erhaben seyn. Jedoch ruͤhme dich noch nicht des Großfuͤrstlichen Sitzes/ du wirst aufs wenigste mit meinem freundlichen lieben Herrn Oheim und Bruder/ dem Großmaͤchtigsten Friesen Koͤnige/ Herrn Baldrich den Kampf darumb angehen muͤssen/ welchen du vielleicht gestern in seinem Lager hast bestuͤr- men wollen/ aber vergeblich/ weil er hingeritten wahr/ und die Mannschaft seines Reichs/ zu seinem und der seinigen Entsaz hohlete; kom nun wieder und suche ihn/ wie dichs gelü- stet/ er wird sich finden lassen; aber kom nur nicht mit Teutschen Kriegsknechten/ sondern mit auslaͤndischen; dann sein eigen Blut zuvergiessen/ traͤget dieser tapffere junge Held groß bedenken/ und hat schon heut herzlich beklaget/ daß er seinen Wahl mit deren Blut be- spruͤtzet hat sehen muͤssen/ deren man lieber haͤtte schonen wollen/ wann sie nicht muhtwillig an Siebendes Buch. an der unsern Schwertern und Spiessen sich selbst gespiesset haͤtten. Nun/ geschehene din- ge sind wol zu tadeln/ nicht zu endern/ wañ nur das zukuͤnftige Ungluͤkverhindert wird/ ha- ben wir dem wahren Gott im Himmel zu danken. O ihr meine herzliebe Teutschen/ was vor fehl sehet ihr doch an meinem und eurem Herr Vater/ daß ihr ihm so auffsetzig seid? Hasset ihr ihn vor sein eigen Haͤupt? so habt ihr dessen noch die allergeringste Ursach nicht angezeiget; hasset ihr ihn wegen seiner lieben tapferen Soͤhne? wie sichs ansehen laͤsset/ so bedenket ja wol was ihr beginnet. Mein Gemahl Herr Herkules ist sein Erstgebohrner/ ein Held/ ohn unzeitigen und doch mit warhaftigen Ruhm zu melden/ welchen das Roͤmi- sche Reich zum Kaͤysertuhm hat befodern wollen; aber nein/ sagete er; ich wil bey meinen lieben Teutschen bleiben/ und ihre Freiheit wieder das Roͤmische Reich und alle andere Feinde beschuͤtzen helffen; ein Held/ dem man in Asien ein Fuͤrstentuhm geschenket hat/ nur daß er daselbst bleiben/ und die hoͤchste Herschaft verwalten moͤchte; aber nein/ sagte er/ ich wil lieber in Teutschland von meinen kuͤnftigen Untertahnen schlechte Heller/ als hieselbst Kronen und aͤdle Steine zur Schatzung einnehmen. Koͤnte er auch seine Liebe und Zu- neigung dem Vaterlande klaͤrer darlegen? noch verachtet ihr ihn/ ja eure Geistligkeit hat sich bemuͤhet/ ihn gar zuverbannen/ welches an ihnen und dem ganzen Lande zu raͤchen/ ihm gar ein leichtes waͤhre/ und daß er mit 1000000 wolbewehreter Mannschaft kaͤhme/ und Teutschland zur Einoͤde machete; aber daß wende ja derselbe gnaͤdig ab/ welcher droben im Himmel der Sonnen den Glanz/ und uns allen den Athem giebet. Sehet meine gelieb- te Teutschen/ diese Koͤnigin/ welche neben mir stehet/ ist Koͤnig Baldrichs allerliebstes Ge- mahl/ und hat zugleich mit mir einen demuͤhtigen Fußfal getahn vor eurem erzuͤrneten Groß Fürsten/ daß uns moͤchte gegoͤnnet seyn/ mit euch zu reden/ ehe und bevor er mit sei- nem Heer auffbreche/ und seinen Eifer durch Rache zu stillen suche. Ihr gebet zwar vor/ ihr redliche Teutschen/ eure Waffen seyn zum Schuz eurer uhralten Goͤtter ergriffen; aber wer wil euch dann dieselben nehmen? Ja/ ihr muͤsset Teutsche Freiheit verfechten; aber wer wil euch solche dann wol streitig machen? etliche mutwillige Buben sind es/ die euch solches einbilden/ ob wolten eures Groß Fuͤrsten Herrn Soͤhne in diesen beyden Stuͤcken euch eintrag tuhn. Sie liegens/ ja sie liegens durch ihren Halß/ die Gottschaͤndichte Auff- wiegeler; und wollet ihr mir glaͤuben; es ist ein Geticht zu eurem verderben ausgestraͤuet. Wollet ihr mir nicht glaͤuben/ O ihr Teutsche Herzen/ so lasset mir einen einzigen in meine gegenwart kommen/ der ein wiedriges wahr mache. Kan ers; gut; ich wil alsdann leider seyn/ und an hochgedachter Herren stat mich eurer wilkuͤhrlichen Straffe unterwerffen. Bringet er aber verleumdungen vor/ so sol ihm diese weibliche Hand/ wie schwach sie auch scheinet/ abstraffen/ wiewol ehemahl ein Boshafter durch dieselbe ist gezuͤchtiget worden. Aber ich wil schliessen/ ihr redliche Teutschen/ und euch zu allem uͤberflusse zu gemüht gezo- gen haben/ was euer Groß Fuͤrst sich zu unterschiedlichen mahlen erklaͤret hat/ nehmlich/ er wolle in seinem ganzen Reiche keinen einigen Menschen zu einem neuen Glauben oder Gottesdienst zwingen/ auch nicht ansuchen noch bereden lassen/ sondern ein jeder/ hoch und niedrig/ reich und arm/ Geist- und Weltlich moͤge seines alten Glaubens leben/ wie es ihm gefaͤlt/ und von alters gebraͤuchlich ist. So sol auch euer Gottesdienst an keinem Orte/ we- der gehindert noch beschimpfet/ vielweniger verbohten werden. Eure weltliche Gerechtig- keit/ Siebendes Buch. keit/ Freiheit/ und was dem anhaͤngig ist/ bestaͤtiget er/ daß sie seyn und bleiben sollen/ wie sie Zeit seiner Herschaft stets und unverruͤcket gewesen sind/ nichts durchaus davon ausge- schlossen. Ja er laͤsset durch mich seine Schwieger Tochter allen seinen Untertahnen eine algemeine durchgehende Verzeihung noch- und zum leztenmahl ankuͤndigen/ und solches aus sonderlicher angebohrner Gnade/ nur etliche wenige der Straffe vorbehaltend/ die als Uhrheber dieses unverantwortlichen Auffstandes etwa moͤchten überzeuget werden/ und zwar also/ daß deren Anzahl nicht uͤber 30 seyn solle. Ob ihr nun dieses sein Großfuͤrstliches gnaͤdigstes Erbieten annehmen/ euer eigen bestes beobachten/ dem Lande Friede und Ruhe goͤnnen/ und das aͤusserste Verderben durch mutwillige halßstarrige Wiederspenstigkeit euch nicht selbst uͤber den Halß zihen wollet/ solches sollet und muͤsset ihr euch inwendig 30 Stunden erklaͤren/ dann hernach wird die Gnaden-Tuͤhr versperret seyn. Ich vor mein Haͤupt wil mich hiemit erbohten und verpflichtet haben/ bey eurem Groß Fuͤrsten alles dasselbe zu werben/ was euch seinen Untertahnen kan ersprießlich/ und seiner Hocheit und dessen Herren Soͤhnen nicht nachteilig oder schimpflich seyn; welches nicht eins zu- begehren/ ihr selbst verstaͤndig gnug seyn werdet. Hiemit gab sie ihrer Rede ein Ende/ und erwartete der Antwort. Der Adel und das gemeine Volk wahren im Herzen so geruͤhret/ daß sie nichts mehr begehreten/ als bey ihrem Groß Fuͤrsten auff solchen Vortrag ausge- soͤhnet zu seyn; aber die Pfaffheit/ und welche sich der Auffruhr schuldig wusten/ wolten diesen Weg nicht hinaus/ daher fing der Vornehmste unter ihnen also an: Ihr redliche Teutsche Gott ergebene Herzen und auffrichtige Biederleute; euch ist/ meine ich/ nicht unbewust/ was gestalt bißher die maͤchtigen Schuzgoͤtter Teutschlandes/ Krodo/ Freia/ Irmen Saͤul/ und andere mehr/ euch vor aller auslaͤndischen Herschaft behuͤtet/ und allen Gewalt der Reichsfeinde kraͤftig hintertrieben und abgekehret haben/ und wir uns daher schuldig wissen/ uns denselben dankbar zuerzeigen uñ auf alle Wege zuverhuͤten/ dz ihnen kein Spot oder Schimpf angetahn/ vielweniger sie gar verworffen oder von unser Obrig- keit bey seite gesetzet werdẽ. Ihr habt von dieser gnug schoͤnen uñ beredsamẽ jungen Fuͤrstin halte ich/ wolverstanden/ wessen euer GFuͤrst sich anerbeut (dañ dz uͤbrige berühre ich nicht/ nur wz zur sache dienet) nehmlich/ seine Hocheit wolle allen uñ jeden Untertahnẽ den uraltẽ Gottesdienst frey lassen. Je/ moͤchte jemand sagen/ genug genug/ wann wir dieses haben/ das ist eben was wir suchen/ was wolten wir mehr? Aber ist dieses gnug ihr meine lieben Soͤhne/ ist dieses gnug? Weit O weit gefehlet! unsere Goͤtter wollen trauen nicht allein der Untertahnen/ sondern auch der Obrigkeit ihren Gehorsam/ Herz und Ehrerbietung habẽ/ sonst straffen sie die Verachtung ihnen angelegt/ so wol an den Untertahnen als an den Veraͤchtern selbst. Ich wil von unserm jetzigen Großfuͤrsten nicht muhtmassen/ daß er sich bald eines andern bedenken/ die Zusage endern/ und seine Nachfolger es wol gar aufheben koͤnten; nur dieses einige gebe ich euch ingesamt zuerwaͤgen/ ob sich nicht gebuͤhre; ja ob nicht des ganzen Reichs Heil und Wolfahrt es ersodere/ daß Obrigkeit und Untertahnẽ einen gleichmaͤssigen Glauben/ einen durchgehenden Gottesdienst/ einen Gott haben. O wie jammert mich schon des Elendes/ welches aus den unterschiedlichen/ ja/ wiederwaͤr- tigen Gottesdiensten entstehen wird. Der Herr wird zu dem Knechte sagen; warum ma- chestu es nicht nach/ wie ich dirs vormache/ damit du meine Gnade behaltest/ und zu hohen Ehren- Siebendes Buch. Ehrenaͤmtern befodert werdest? der Knecht wird sich mit seinem Gewissen schuͤtzen/ er koͤn- ne die uhralten Goͤtter nicht hindan setzen/ und durch deren Verwerffung alle seine Vor- Eltern uͤbern Hauffen verdammen. Dann wird sein Herr fortfahren: O du elender Narr/ was uhralte Goͤtter/ was uhralte Goͤtter? das alte gilt nicht mehr/ es klappert/ aber das neue klinget und ist angenehm; deine Goͤtter sind falsche Goͤtzen/ Luͤgen-Goͤtzen/ nichtige Goͤtzen; deine Vor Eltern sind durch Irtuhm verfuͤhret; sie habens nicht besser gelernet/ die himlische Erkaͤntnis und Wissenschafft ist ihnen nicht mit geteilet. Dieses darff der Knecht nicht aus dem Grunde wiederlegen/ wie leicht es ihm auch waͤhre/ wo er sonst nicht ohn Kopf nach Hause gehen wil/ (aus welcher Ursach ohn Zweifel meine sechs Liebe und hochselige Mit Bruͤder haben muͤssen ihr unschuldiges Leben lassen)/ er darf nicht sprechẽ; Herr woher wisset ihrs/ daß meine und eure Vor Eltern geirret haben/ und ihr nicht irret? Er darf nicht wieder antworten; Herr euer Gott ist ein solcher/ wie ihr die meinen mit unwarhaftem Maule ausschreihet/ sondern er mus alles stilschweigend in sich fressen; das wird ihm ein Schwert im Herzen/ ein Brand in der Seele/ ein Denkmahl im Gewissen seyn/ und ihn von der schuldigen Traͤue abwendig machen/ weil er seinen Herrn vor einen Feind der Goͤtter halten muß. Ist er dann ein Bidermann/ wird er die Goͤtter gerne ge- schuͤtzet sehen/ und kan ers selber nicht/ muß er wol auslaͤndische Huͤlffe heꝛzu ruffen. Ey ich meine/ da werde es alsdann ein schoͤn fressen geben/ da werde es an ein Katzebalgen gehen/ welches nicht auffhoͤren kan/ biß Teutschland der Feinde Beute/ und der auslaͤndischen Spot worden ist. Was sol ich aber von Recht und Gerichte sagen? die Ehrgeizigen un- ter uns/ wann sie kein ander Mittel sehen/ uͤber andere zusteigen/ werden bey der Obrigkeit sich melden/ ihr alter Gottesdienst gefalle ihnen nicht mehr/ sie haben Lust ihrer Obrigkeit sich gleich zu halten und ihren Gott anzunehmen/ damit werden sie Gnade erlangen/ und zu Ehrenaͤmtern befodert werden; ja diese werden unsere Richter seyn/ und die Urtel nicht nach Billigkeit und Recht/ sondern nach Gunst und Gewogenheit abfassen/ insonderheit/ da ein Liebhaber der alten Goͤtter mit einem Neuling oder Christen wird uͤber den Fuß ge- spannet seyn. Da wird jener in seiner gerechtesten Sache unterliegen muͤssen/ und dieser wird Freyheit haben/ dem Richter vorzuschreiben/ wie ersprechen sol. Es wird kommen/ ihr redliche Teutschen/ ja es wird kommen/ und dahin gelangen/ daß wann der im alten Glau- ben bestaͤndiger/ wil huͤlffe haben/ wird er zuvor seinen Goͤttern muͤssen ungetraͤu werden/ und den Glauben endern: Und also wird Teutschland sich verwundern muͤssen/ uͤber sich selbst/ wie es so schleunig von seinem heilsamen Gottesdienst abgefuͤhret/ und eine Gottes- Verlaͤugnerin worden ist; aber man wirds muͤssen an Gütern/ Hals und Bauche empfin- den/ wann Gott Krodo seine Keule zuͤcken/ und Goͤttin Freia die Steine zum Wurf fassẽ wird/ daß alles über und uͤber gehen muß/ und kein verschonen wird zu hoffen seyn/ biß Teutschland zur Einoͤde/ und ihre Einwohner zu Staub und Koht worden sind. Beden- ket dieses wol/ O ihr in Gefahr schwebende Teutschen/ bedenket es/ und bauet im Anfange vor/ daß ihr nicht ansehen duͤrfet/ wie eure Weiber und Kinder in Dienstbarkeit wegge- schleppet/ und ihr alle miteinander jaͤmmerlich abgeschlachtet werdet. Bestehet festiglich auff dem gemachten Schlusse/ daß unser Großfuͤrst und alle seine Kinder/ Erben/ Nach- folger und Angehoͤrige sich aͤyd- und schriftlich verbinden/ nicht allein den Untertahnen dẽ i i i i uhral- Siebendes Buch. uhralten Gottesdienst frey zulassen/ sondern auch selbst vor sich denselben schlechter Dinge zubehalten/ und durchaus keinen fremden Gott/ wie der auch Nahmen haben moͤge/ neben einzufuͤhren. Werden sie sich dessen wegern/ alsdann muͤssen ablangliche Mittel an die Hand genommen werden/ oder aber Teutschland ist schon so gut/ oder vielmehr/ schon so schlim als eine Wuͤsteney und Mordgrube; wohin es aber mit der Goͤtter Huͤlffe nim- mermehr kommen sol. O Krodo/ O Irmen Seul/ O Freia/ O ihr Teutschen Goͤtter groß und klein/ sehet an die Noht und Gefahr eures/ ja eures Teutschlandes/ schuͤtzet euch selbst und eure Ehr/ auch zugleich alle/ die eurem Dienste auffrichtig ergeben sind. Die aber so euch wiederstreben/ und andere Goͤtter einzufuͤren sich bemuͤhen/ die greiffet an mit Druͤ- sen/ Pestilenz und fallender Sucht/ daß vor Angst/ weh und Schmerzen sie nicht wissen/ wo sie daheime sind/ biß nach eurer billichen Rache sie durch ihr eigen Schwerdt sich ge- faͤllet haben/ und ihre innerliche Galle ihnen zu Schlangen Gifft gedeie/ der jhnen das gott- lose Hertz brenne und brate/ biß sie ihre verfluchte Seele hinden und fornen/ und zu allen Loͤ- chern außspeyen. Die Großfuͤrstin hatte seine Rede mit grossem Verdruß angehoͤret/ aber wegen dieser teuflischen Verwuͤndschung meinete Sie vor Zorn zu bersten; doch weil Sie sahe/ daß der Pfaffe nicht geringen Beyfall bekam/ ob gleich niemand oͤffentlich redete/ maͤssigte Sie sich selbst als best Sie kunte/ und gab ihm diese Antwort: Heilloser Pfaffe/ wann du so wol behten und segnen koͤntest/ als du fluchen gelernet hast/ muͤste deines glei- chen in frommer Andacht erst gebohren werden; weil aber dein gottloser Fluch nur in den Wind gehet/ und keine Christen treffen kan (dann Trotz allen deinen Goͤtzen/ daß sie ihn an mir erfuͤllen)/ so wil vor dißmahl ich deiner unergruͤndlichen Bosheit nicht antworten. Eines lobe ich an dir/ daß du es mit dem Vaterlande gut meynest/ wo sonst deine Reden/ wie ich sehr fuͤrchte/ nicht wegen deines Eigennutzes ausgestossen sind. Daß du aber dich unternehmen darffst/ deine dir von Gott vorgesetzete Obrigkeit dergestalt zu verunglimp- fen/ und sie ungescheuhet zubeschuldigen/ als wuͤrde sie Recht und Gerechtigkeit verkehrẽ/ und die Urtel nach eigenen Luͤsten sprechen und sprechen lassen/ daran handelst du als ein meinaͤidiger Boͤsewicht. Wohin aber sol ich diesen deinen teuflischen Frevel rechnen/ daß du schlimmer Bube dir die Gewalt zueignest/ deiner hoͤchsten Obrigkeit nach deinem Wil- len Gesetze vorzuschreiben/ und sie zunoͤhtigen/ daß sie ihr Gewissen besudeln? Glaͤubet mir ihr redlichen Teutschen; Obrigkeit und Untertahnen koͤnnen gar wol in weltlichem Frie- de und guter Einigkeit leben/ ob sie gleich nit einen Glauben habẽ; nur allein dieser schmaͤh- suͤchtige Pfaffe gebrauchet sich dieses Grundes/ euch wider euren getraͤuen Groß Fuͤrsten zu eurem Verderben auffzuwiegeln. Dann ist es nicht ein unbesonnenes Vornehmen/ dz er seine Großfuͤrstl. Hocheit und dessen Herren Soͤhne zur aͤid- und schrifftlichen Versi- cherung zwingen wil/ nach seinem gefallen/ wider ihre Ehre uñ Gewissen/ als ob er sie schon im Stokhause sitzen haͤtte/ da euch schwehr fallen wird/ ihrer Waffen Macht zuentgehen/ wo es nicht durch Bitte und untertaͤhnigstem Gehorsam geschihet? Bist du der Mann/ Pfaffe/ dem ich nachgefraget habe/ daß er des Groß Fuͤrsten Stuel besitzen wil? Zum Zun- gendroͤscher bistu schier gut genug/ was die Glocke betrifft/ wann das Gelaͤute nur nicht so gar garstig waͤhre; aber Herr und Groß Fuͤrst zuspielen/ bistu viel zu unbesonnen. Du hast viel Geifers ausgespeiet/ welcher deines Groß Fuͤrsten und seiner Herren Soͤhne Hoch- Fuͤrst- Siebendes Buch. Fuͤrst- und Koͤnigliche Ehre dermassen geschaͤndet/ daß du verdienet hast/ man schnitte dir Rienen aus dem Leibe/ und henkete dich dran. Aber es tuht mir leid/ daß uͤber dich Unflat ich meinen viel zu aͤdlen Zorn auslasse. Euch rede ich forthin an/ ihr redliche Teutschen/ schlaget meinen Raht ja nicht aus/ wollet ihr sonst leben. Nehmet die angebohtene Gnade und eingewilligte unbruͤchige Sicherheit eures Gottesdienstes ohn ferner bedenken an/ und fuͤrchtet euch nicht vor den schwarzen Raben/ welche dieser Schaͤnder nur mit Was- serfarbe mahlet/ und nimmermehr ausgehecket werden sollen. Er wird nur bloß von dem boͤsen Teufel getrieben/ welcher an dem gestrigen Blutbade noch kein genuͤgen hat/ sondeꝛn euer noch viel tausend gerne auff die Fleischbank opfern wolte/ woran er eine grosse Freu- de haben wuͤrde/ dafern es ihm nach Wunsch gerahten solte. So sey nun euch aͤdlen er- laͤubet zureden/ ja auch den verstaͤndigen aus der Gemeine/ was eure weitere Ansoderung seyn moͤchte; ich wil euch gnaͤdigst hoͤren/ und meinem Gn. Herr Vater alles gerne hin- terbringen; aber was Pfaffe ist und heisset/ das schweige hinfuͤro/ dann deren Geifer ist so hoher Ehren nicht wirdig/ werde mich auch nach diesem mit keinem mehr einlassen/ es ge- schehe dann zu seinem Verderben/ und zu Erhaltung meiner Fuͤrst- und Koͤniglichen Eh- re. Die Pfaffen sahen wol/ wo dieses hinaus wolte/ daher sie nicht bedacht wahren/ ihnen die Zunge hemmen zulassen/ sondern der vorige/ Nahmens Wilken/ fing seine Schmach- rede von neuen also an: Ich wil ja nimmermehr hoffen/ daß die hochaͤdle tapffere Teutsche Ritterschafft/ und die ganze Gemeine/ sich von einer jungen Frauen/ welche erst von dem Spiegel hinweg getreten ist/ werde vorschreiben/ und von unserm hochloͤblichen Werke ab- wendig machen lassen; ich meyne ja nicht/ daß dem Adel es Nachteil geben koͤnne/ wann sie mit der Geistligkeit an einem Joche zihen/ und zwar daselbst/ wo man vom Gottesdienst handelt. Es wuͤrde trauen dem Teutschen Adel hoͤchst schimpflich seyn/ daß man heut oder morgen sagen solte/ sie haͤtten den gemachten Bund auff Einrede einer schoͤnen jungen Frauen/ welche sie vor niemahls gesehen/ zerfliessen lassen/ und des Vaterlandes Wolfahꝛt zuruͤk gestellet. Bißher haben wir Maͤnner in Teutschland unsere Weiber befehlichet/ und ihnen nicht gegoͤnnet/ sich in Reichshaͤndel zumischen; und nun mehr scheinet es/ als wuͤr- den wir unwerd geachtet/ mit denen man durch Maͤnner handele/ daß diese Jungefrau ge- harnischten Maͤnnern Gesetze vorschreiben/ und im Nahmen der hoͤchsten Obrigkeit an- tragen sol. Valiska wolte ihm laͤnger nicht zuhoͤren/ und fing an: Was sagestu schaͤndli- cher Verleumder? Wiltu mir antichten/ ob solte ich den loͤblichen Teutschen Adel zu un- verantwortlichen Sachen anreizen wollen? Ja hastu so gelernet/ deines angebornen jun- gen Groß Fuͤrsten und kuͤnfftigen Herschers Ehegemahl zuehren/ daß du sie einem gemei- nen Weibe vergleichest/ uñ unwert ausschreihest/ die im Namen ihres Gn. Herꝛn Schwie- gervaters/ mit dessen Untertahnen zu ihren eigenen besten handele? Dieser Schimpff muͤste auff mich nicht ersitzen/ oder ich unwirdig seyn/ eines Fuͤrsten Gemahl zuheissen. Fassete hiemit ihren Bogen/ und schoß ihm einen Pfeil ins Herz/ daß er ohn Wortspre- chen niderstuͤrzete. Die Pfaffen lieffen geschwinde zu/ huben den zappelnden auff/ in mey- nung/ er wuͤrde dem Tode noch so nahe nicht seyn/ daher ihm einer zurief: Herr Wilken/ Herr Wilken/ was vor ein Mordpfeil hat euch uͤbereilet? Dieser verkehrete die Augen im Kopffe/ brüllete wie ein Ochse/ und fuhr damit zu seinem Gott Krodo. Das anwesende i i i i ij Pfaf- Siebendes Buch. Pfaffengeschmeiß fing darauff ihr Zetergeschrey an/ und ermahneten die ihrigen zur Ra- che; nun saͤhe man augenscheinlich/ wie es gemeynet waͤhre; ohn zweifel wuͤrden alle ihre abgeschikte Amts Bruͤder schon solcher gestalt hingerichtet seyn/ auff daß man die gesam- te Geistligkeit abschlachtete/ uñ keiner uͤbrig bliebe/ der sich ihrer Goͤtter getraͤulich annaͤh- me/ und den alten Gottesdienst erhielte. Aber Valiska fiel ihnen in die Rede/ und fing mit freundlichen Geberden an: Ihr redliche fromme Teutschen/ lasset euch ja von diesen Bu- ben nicht zu weiterem Auffruhr verleiten; Ihr sehet/ daß man euch gewachsen ist; befodert euren Untergang nicht selber mutwillig; ich habe den Schand Buben wegen seiner Laͤste- rung billich gestraffet/ ihr aber sollet so viel groͤssere Gnade zugewarten haben. Doch rahte ich euch als eure getraͤue Freundin; lasset die Pfaffen abtreten/ oder zum wenigsten das Schaͤnde-Maul halten/ dann sie verhindern eure Wolfahrt; und erklaͤret euch/ ob ihr eu- res gnaͤdigsten Groß Fuͤrsten gehorsame Untertahnen oder muhtwillige Auffruͤhrer seyn wollet; werdet ihr aber laͤnger schweigen/ muß man solches vor eine augenscheinliche Wi- derspenstigkeit halten/ welche euch den garaus machen wird. Das gemeine Volk/ ohndas der Pfaffheit ergeben/ ward hieruͤber entruͤstet/ meineten/ man verfuͤhre mit ihnen gar zu straͤnge/ begunten sich auch fertig zum Streit zumachen/ und wahr an dem/ daß sie den Angriff auff Herkules Voͤlker wagen wolten. Aber der Adel begütigete sie/ mit dem ver- sprechen/ es wuͤrde noch alles nach ihrem Willen ergehen/ lauffen und kauffen wolte nicht zu hauffe; die ansehnliche Groß Fuͤrstin haͤtte den ihr angelegten Schimpf nach Teutschẽ Gebrauch gerochen; Der Pfaffe solte hoͤflicher gefahren seyn/ dessen ungestuͤme veraͤchtli- che Reden kein vernuͤnfftiger Mensch billichen koͤnte; Koͤnige und Fuͤrsten müsten dan- noch ihre Wirde und Hocheit behalten/ und waͤhre kein Untertahn befuget/ dieselbe solcheꝛ gestalt zubeschimpffen/ massen auch fremde den hohen Haͤuptern Ehrerbietigkeit zuerzei- gen schuldig waͤhren. Herkules/ so bald er des Poͤvels Vorhaben merkete/ taht den 20000 Reutern die ihm folgeten/ Befehl/ umb des Feindes Voͤlker herzuhauen/ und ihnen den Weg nach ihrem Lager zuverlegen/ seine 40000 Reuter aber stellete er ihnen entgegen in einer ausgedehneten ansehnlichen Schlachtordnung/ und wahren 8000 Schuͤtzen aus den fuͤnff Schanzen mit herzu gefodert. Die Kriegserfahrne unter den Auffruͤhrern sahen wol/ mit was Vorsaz Herkules (den sie noch nicht kenneten) umging/ daß er sie einschlies- sen/ und aller gelegenheit zur Gegenwehr berauben wolte/ daher sie die Obersten warnetẽ/ ihres Tuhns wahrzunehmen/ und sich weit genug von einander zusetzen; aber ehe sie dieses ins werk richten kunten/ wahren sie dergestalt schon eingefasset/ daß ihnen unmoͤglich war/ sich der unsern zuerwehren; woruͤber der Adel hoͤchlich erschrak/ den großsprechigen Pfaf- fen ihren Hochmuht verwieß/ und zu ihnen sagte: Weil sie alles nach ihrem steiffen Sinne richten wolten/ solten sie sich nun auch des Streits annehmen/ und die Schlacht ordnen/ nun sie von allen Seiten her umgeben waͤhren/ daß sie sich nicht regen noch wenden/ noch das Gewehr gebrauchen koͤnten. Herkules fuhr in seiner Bereitschafft immer fort/ hatte sein Reuterheer in zween gleiche Fluͤgel geteilet/ die sich von beyden Seiten zimlich nahe an den Feind gehenket hatten. Hinter ihnen/ wie gesagt/ stunden auch 20000 Reuter unter Prinsla Anfuͤhrung/ und die Schuͤtzen hielten Stand vor dem Feinde. Neklam muste mit 500 Reutern nahe hinzu reiten/ und ihnen anmelden/ es taͤhte dem Großfuͤrstlichen Heer- Siebendes Buch. Heerfuͤhrer leid/ daß er gezwungen seines Groß Fuͤrsten Untertahnen niederschlagen muͤ- ste/ und wegen ihrer Widersezligkeit doch nicht anders koͤnte/ weil sie den Anfang zum Tref- fen an ihrer Seite gemacht/ welches verfolget seyn muͤste/ es waͤhre dann/ daß sie das Ge- wehr niderlegeten/ Gnade begehreten/ und die saͤmtlichen Pfaffen auslieferten/ als welche an allem Unheil allein Schuld trügen; denen doch nicht aͤrgers wiederfahren solte/ als daß sie zu den uͤbrigen schon gefangenen solten hingefuͤhret werden; wuͤrden sie dessen aber sich wegern/ solte es ihnen allen das Leben kosten. Die Voͤlker sahen/ daß ihnen unmoͤglich wahr/ sich gebuͤhrlich zur Gegenwehr zusetzen/ willigten deswegen ein/ daß sie die Pfaffen zuruͤk lassen/ aber mit ihrem Gewehr Abscheid nehmen wolten. Neklam vermahnete sie abermahl/ die Gnade/ so ihnen gebohten wuͤrde/ anzunehmen/ und zu ihrem Groß Fuͤrsten zutreten/ damit sie ihr Leben retten moͤchten; Und als sie sich dessen wegerten/ druͤcketen die Schuͤtzen loß/ felleten 3000 nider/ und verwundeten 5000/ daß sie zum Gefechte unduͤch- tig wahren. Nach solchem Treffen setzeten die Reuter von allen dreyen Seiten in sie hinein/ und trieben sie dergestalt enge in einander/ daß sie sich nicht regen kunten/ und sich unter einander selbst haͤtten erdrücken muͤssen/ weil sie nicht eins gelegenheit hatten/ sich an ei- nem Ort durchzuschlagen. Es wurden über die vorgemeldete noch 4000 nidergehauen/ und 6000 verwundet/ biß Herkules abermahl an sich hielt/ ob sie sich eines bessern bedenken wuͤrden/ da sie dann das Gewehr von sich wurffen/ umb Gnade bahten/ und sich erklaͤretẽ/ zu ihrem Groß Fuͤrsten zutreten/ und unter dessen voͤlligen gehorsam sich zubegeben; wor- auff sie als gefangene/ 32000 stark in vier achttausichte Schaaren nach des Großfuͤrsten Lager hingefuͤhret/ die 11000 verwundete aber zurük nach den ihren gelassen wurden/ wie- wol 40 verwundete vom Adel lieber mit dem groͤsten Hauffen nach ihren Fuͤrsten mit wol- ten/ daher man sie verband/ und gerne mit nahm. Als diese grosse Menge gefangene bey dem Lager ankahmen/ ritte der Groß Fuͤrst zu ihnen hinaus/ und fragete sie mit guͤtlichen Worten: Aus was ursachen sie sich wider ihn aufflehneten/ da er doch keinen Menschen zubeleidigen willens waͤhre. Die gefangene fielen nider/ bahten umb Gnade/ und entschul- digten sich/ daß sie von den Pfaffen darzu angetrieben waͤhren/ unter dem hochbeteurlichen Vorgeben/ die junge Herschafft wolte die alten Goͤtter abschaffen/ neue einfuͤhren/ ünd das ganze Vaterland den Roͤmern zinßbar und unterwuͤrffig machen. Es funden sich bey die- sem Hauffen 33 Pfaffen/ und 17 wahren im Treffen drauff gangen/ der von Valisken er- schossene mitgerechnet. Der Groß Fuͤrst hieß dieselben vor sich treten/ und fragete sie inge- samt/ welcher hellische Geist ihnen eingeblasen haͤtte/ solchen algemeinen Auffstand des Lan- des zumachen. Welches ihrer 10 beantworteten: Die Pflicht/ damit sie ihren Goͤttern verbunden waͤhren/ haͤtte solches von ihnen erzwungen. Es wurden diese Worthalter al- lein gestellet/ und fing der Groß Fuͤrst abermahl mit sanfftmuͤhtiger Rede an: Dasern ihr dieses gnugsam werdet behaͤupten koͤnnen/ wil ich euch recht geben/ und euer Vornehmen loben; darumb beweiset mirs/ ob dann jemand sey/ welcher gewilliget ist/ eure Goͤtter euch zunehmen/ und euch den gewoͤhnlichen Gottesdienst zuverbieten. Dieses/ antworteten je- ne/ waͤhre die kundbahre Warheit/ und unleugbar/ daß die junge Herschafft solchen Vor- saz haͤtten. Ihr tuht wol/ daß ihr mir solches anzeiget/ sagte der Groß Fuͤrst/ und wann ihr solches behaͤupten koͤnnet/ werde ich wissen/ meine Kinder deswegen ernstlich anzusehen; i i i i iij Befahl Siebendes Buch. Befahl auch/ daß seine Soͤhne und Koͤnig Ladisla alsbald hervor gefodert wuͤrden; welche geschwinde da wahren/ und der 10 Pfaffen Beschuldigung von ihrem Herr Vater anhoͤ- reten. Da sagte nun Herkules zu denselben: Haltet ihr eure Anklage vor die kundbahre Warheit/ wolan so überweiset uns dessen/ alsdann sind wir bereit/ des Landes Straffe uͤ- ber uns zunehmen; Wir aber wissen uns dessen unschuldig/ und ist solcher Vorsaz nie in unser Herz kommen. Diese Pfaffen wahren ihnen eines solchen gerichtlichen Verfahrens nicht vermuhten/ schwiegen stille/ und sahen sich nach ihren uͤbrigen Amts Bruͤdern umb/ daß sie zu ihnen treten solten; Aber der Großfuͤrst zeigete an/ die uͤbrigen solten schweigen/ oder so etliche unter ihnen waͤhren/ die sich getraueten die Anklage gebuͤhrlich zubehaͤuptẽ/ solten sie zu den zehnen nahen; dessen sich doch keiner unterstehen wolte; Und draͤngete er stark in die Zehne/ ihren Beweißtuhm wieder seine Soͤhne zufuͤhren/ und sich zu versichern/ daß ihnen dessen volkommene Freiheit hiemit solte gegeben seyn. Dieses machte ihnen einen Muht/ und fing der eine also an: Es ist eine preißwirdige Liebe zur Ge- rechtigkeit/ daß eure Großfuͤrstl. Hocheit in diesem Gerichte uns die Freiheit gibt/ des Lan- des Notturft wieder ihre Soͤhne zubehaͤupten/ als welche ihre alten Land-goͤtter verlaͤug- net/ und einen neuen angenommen haben; welches/ weil sie es nicht werden in abrede seyn/ halte ich daher unsere Anklage vor schon erwiesen. Herkules wolte/ daß Baldrich dz Wort fuͤhren solte/ welcher darauff sagte: Nein Pfaffe/ deine und deiner Gesellen Klage ist da- durch nicht erwiesen; massen dein voriges also lautete; eure junge Herschaft waͤhre gewil- liget/ eure alten Goͤtter euch zu nehmen/ und euren Gottesdienst euch zuverbieten; dieses mustu und deine Mitklaͤger als eine kuͤndliche Warheit darstellen; dann ob mein H. Bru- der und ich einen andern Gott erkennen/ und wissen daß eure Goͤtter falsche Goͤtter sind/ ist ganz eine andere Frage/ und gestehe ich dir nicht/ mich deswegen zubesprechen; deswe- gen fuͤhre einen redlichen Beweiß deiner beschuldigung/ oder wisse/ daß ich dich als einen luͤgenhaften Verleumder peinlich anklagen werde. Dem Pfaffen entfiel das Herz/ wuste hierauff nichts gründliches zu antworten/ und brachte halb zitternd vor/ er koͤnte nicht an- ders schliessen als daß die junge Herschaft den uhralten Gottesdienst auffzuheben wuͤrde gesinnet seyn/ weil sie denselben vor sich abgelegt haͤtten. Hat niemand unter euch Pfaffen einen bessern Beweißtuhm als diesen? fragete der Groß Fuͤrst; dann die jungen Fuͤrsten wahren auff getahne Antwort wieder davon geritten. Die Pfassen schwiegen alle/ biß der Worthalter anfing: Gott Krodo und die Goͤttin Freia haͤtten es selbst angedeutet/ daß die junge Herschaft mit solcher Verenderung umginge. Ja mein Pfaffe/ sagte der Großfuͤrst/ so mustu solche Zeugen darstellen/ oder als ein Luͤgener und Verleumder gestraffet werden. So ruffe nun deine Goͤtter herzu/ daß sie dich vertreten/ sonst wirstu den Ausspruch des Rechtens bald zuvernehmen haben. Wendete sich darauff zu den Gefangenen aͤdlen/ und fragete sie/ was sie meineten/ solche Untertahnen verdienet zu haben/ welche ihrer angebohꝛ- nen hoͤchsten Obrigkeit dessen schuld gaͤben/ daß allerdinge falsch und ertichtet waͤhre/ und sie nicht desto weniger dadurch eine algemeine Auffruhr erwecketen. Diese nach kurzer un- terredung antworteten: Es haͤtten solche Untertahnen verdienet/ daß sie lebendig gespies- set wuͤrden. Und solches waͤhre ihr rechter Lohn/ sagte der Großfuͤrst. Weil mir nun bewust ist/ daß meine lieben Soͤhne dieser Beschuldigung allerdinge unschuldig sind/ ich auch sol- ches Siebendes Buch. ches meinen Untertahnen habe anmelden/ und ihres Glaubens Freiheit sie versichern las- sen/ diese gottlose Pfaffen aber nicht desto weniger auff solcher Verleumdung steiff beste- hen/ und deren doch den allergeringsten Beweißtuhm nicht fuͤhren koͤñen/ solte ihnen zwar die Straffe der Spiessung angelegt werden/ aber meine angebohrne Gnade und Barm- herzigkeit ihnen wiederfahren zu lassen/ sollen sie mit dem Schwert vom Leben zum Tode gebracht werden; wie dann solches alsbald an diesen zehnen volstrecket ward. Die uͤbrigẽ 23 Pfaffen wurden von dem Groß Fuͤrsten auch befraget/ ob sie gnugsame Ursachen der Auffwiegelung anzufuͤhren wuͤsten; welche sich aber durch ihrer Gesellen Unfal witzigen liessen/ daß sie ingesamt mit einem Fußfal umb Gnade anhielten/ und daß sie von andern verleitet waͤhren. Haͤtten die andern auch also geredet/ sagte der Groß Fuͤrst/ solte ihnen gnaͤdigste vergebung wiederfahren seyn; daß demnach diese zu den andern Gefangenen hingeführet wurden. Darauff nun wendete sich der Großfuͤrst zu den Gefangenen Voͤl- kern/ und verwieß ihnen ernstlich/ daß sie von den leichtfertigen Pfaffen wieder ihre hoͤchste Obrigkeit/ deren sie mit Pflicht und aͤiden verwand/ sich so leicht und unbesonnener weise haͤtten lassen in Harnisch bringen/ wodurch sie ja ausser allem zweifel ihr Gut und Leben verwirket haͤtten. Doch Gott sey dank/ sagte er/ daß solche Auffruͤhrer mich und die meini- gen noch bey zeiten gewarnet haben/ ich haͤtte sonst dürffen in Gefahr gerahten/ da ich allem Ungluͤk meinete schon entgangen seyn. Ihr aber erklaͤret euch alle miteinander/ ob ich euer Groß Fuͤrst/ und ihr meine Untertahnen seid/ dañ ich wil wissen/ wie ich mit euch dran bin/ und was ich wieder euch vorzunehmen habe. Der Adel/ welcher 3000 stark/ allein getreten wahr/ machte den Anfang mit einem Fußfalle/ bahten umb Gnade und vergebung ihres unbesonnenen ungebuͤhrlichen und straffwirdigen Vornehmens; die Großfuͤrstliche Er- klaͤrung waͤhre ihnen bald anfangs voͤllig gnug gewesen/ haͤtten aber mit fuge und ohn Le- bensgefahr nicht koͤnnen von der Versamlung sich loßwirken/ hielten diese ihre Gefaͤngnis vor ihr hoͤchstes Gluͤk/ und waͤhren so bereit als schuldig von neuen in ihrer Hocheit Pflicht und aͤide zu treten/ und ihr Leib/ Gut und Blut bey derselben auffzusetzen. Als der gemeine Hauffe dieses hoͤrete/ rieffen sie gleicher gestalt umb Gnade/ sie haͤtten nicht aus Bosheit noch unwillẽ wieder ihre liebe Obrigkeit die Waffen ergriffen/ sondern aus Andacht zu ih- ren Goͤttern/ waͤhren von den Pfaffen verleitet und hintergangen/ auch nunmehr willig vor ihre Obrigkeit zu leben und zu sterben. Musten demnach ingesamt den aͤid ablegen/ uñ sich auff weitern bescheid unbewehret bewachen lassen da ihnen vor ihre bezahlung Speise und Trank zur Notturft ausgefolget ward/ weil man solches aus Frießland uñ andern or- ten gnug zuführete. So bald die Verwundeten bey der auffruͤhrischen Versamlung an- kahmen/ und allen Verlauff erzaͤhleten/ da erhub sich ein solcher Auffstand/ daß jederman meinete/ es müste nun uͤber und uͤber gehen; dann es wurden die einfaͤltige Bauren (deren Anzahl der groͤste wahr) so rasend gemacht/ daß sie als die Unsinnigen hin und wieder lief- fen/ und durch einander schrihen/ man haͤtte dem dinge viel zu lange zugesehen; es waͤhre vor den Landgoͤttern unverantwortlich/ daß man keinen Ernst darzu taͤhte/ dann auff sol- che weise wuͤrden sie endlich alle miteinander auffgerieben und gefangen werden/ ehe man sichs versaͤhe; der Goͤtter gerechte Straffe traͤffe sie/ weil man so schlaͤfferig handelte/ und die Haͤnde als lahm sinken liesse. Endlich fingen sie auff der Pfaffen reizung an/ auff den Adel Siebendes Buch. Adel loßzuzihen; es waͤhre das gemeine Wesen ihnen kein Ernst; sie wolten und wolten auch nicht; mit dem linken Auge saͤhen sie nach den Goͤttern/ doch nicht auffrichtig; mit dem rechten nach Großfürstlicher Gnade und eigener Ehre. Die aͤdlen traten zusammen/ und entschuldigten sich/ ihr Herz waͤhre nicht so gesinnet/ nur allein wuͤnscheten sie/ daß das Werk mit besserem Nachdenken und reiffer Vernunft beobachtet würde/ alsdann waͤhre ihre Macht noch groß genug/ die Obrigkeit dahin zu halten/ daß dem algemeinen Landes- begehren ein genuͤgen geschehen muͤste; erbohten sich auch/ ihre redligkeit dergestalt sehen zu lassen/ daß inwendig 24 Stunden alles auff einen festen Fuß gesetzet werden solte. Aber sie hatten kein Gehoͤr; massen ein vewaͤgener Schmid von den Pfaffen darzu angehetzet/ aufftrat/ und ungescheuhet vorbrachte; es waͤhre das rahtsamste und sicherste/ daß man die Befehlichshaber aus der Gemeine naͤhme/ und den Adel daͤmpfete/ oder zum wenigsten sie jagete/ daß ihnen die Schuch entfielen/ dann sie haͤtten bereit schon voriges tages erwie- sen/ wie untraͤulich sie den Goͤttern anhingen/ und heut moͤchten sie es wol nicht besser ge- macht haben/ nach dem man vernehmen muͤste/ daß sie des jungen Weibes Mord an dem vornehmen geistlichen Mannebegangen/ gebillichet haͤtten. Und was wolte man an ihrer Traͤulosigkeit zweifeln; haͤtten sie doch bey heutigem feindlichen Anfalle sich alsbald zufech- ten gewegert/ und verlohren geben ehe sie angegriffen worden; so haͤtten die verwundete von Adel nicht mit den andern fortgewolt/ sondern die willige Gefaͤngnis davor gewaͤhlet. Dieses ward von vielen Handwerksleuten ganz begierig angenommen/ und schüreten die Pfaffen es weidlich/ daß die aͤdlen/ so annoch 15000 stark wahren/ sich in nicht geringer ge- fahr und furcht befunden/ so gar/ daß wann sie ihre entschuldigung vortragen wolten/ man ihnen kein Gehoͤr gab. Sie vereinbahreten sich aber untereinander/ daß keiner von ihnen absonderlich austreten/ vielweniger zu dem Groß Fürsten weichen solte/ damit die hinter- bliebenen nicht gefaͤhret und einer Verraͤhterey verdacht würden/ und sie alle miteinander das Leben unter des Poͤvels Hand zusetzen muͤsten; beredeten sich demnach kuͤrzlich/ und liessen der Versamlung/ die sich am gemeinen Volke auff 190000 Mann erstreckete/ guͤt- lich vortragen; es taͤhte ihnen schmerzlich weh/ daß sie sich vor Verraͤhter muͤsten halten und austragen lassen/ da sie doch nit weniger als andere dahin trachteten/ daß der gemach- te Schluß ins Werk gerichtet würde. Also wuͤsten sie sich in ihrem Gewissen der Bezich- tigung frey und unschuldig. Nicht destoweniger/ weil man ihnen mißtrauete/ und die aͤm- ter abstrickete/ wolten sie es dahin lassen gestellet seyn/ und hiemit ihren Abscheid/ nicht nach des Großfuͤrsten Lager/ dann deshalben waͤhren sie nicht ausgezogen/ sondern nach ihrer Behausung nehmen/ weil sie nicht mehr koͤnten gelitten werden. Wuͤnscheten nicht desto- weniger dem hinterbliebenen maͤchtigen Heer Gluͤk und alle gedeiliche Wolfahrt/ uñ daß sie dem Vaterlande ihre alten Goͤtter und wolerstrittene Freyheit erhalten moͤchten. Die Pfaffen wahren schon im vollen werke begriffen/ wie sie andere Haͤuptleute an ihre stelle verordnen moͤchten/ und liessen sich gutenteils selbst gebrauchen/ daß also ihr Wort nun- mehr allenthalben ohn wiedersprechen galt/ haͤtten auch ohn zweifel dem Adel grossen Schimpf angelegt/ wann sie nicht deren Rache/ nach vollendetem diesen Zuge sich befuͤrch- ten müssen; und nur dieses hielt sie ein/ daß sie ihre eigene Zunge maͤssigten/ und den Hand- werkern das Wort in den Mund legeten/ was auff diese Werbung ihnen solte vor bescheid gege- Siebendes Buch. gegeben werden/ da vorgedachter Schmid zur Antwort gab; man waͤhre an den aͤdlen solcher geschmeidigen Worte ganz ungewohnet/ denen man daher umb so viel weniger zu trauen haͤtte; solten aber wissen/ dz wañ sie gleich nit waͤren/ odeꝛ diese Stunde an des Groß- Fuͤrsten seite stuͤnden/ sich dañoch aufrichtige Teutschen Herzẽ anfinden wuͤrdẽ/ die vor ihre Goͤtter/ da es die noht erfoderte/ auch zu sterbẽ bereit waͤhrẽ. Dz sie nun umb erlaͤubnis an- hieltẽ des freien abzuges/ solte ihnẽ derselbe nit gehindert werdẽ/ uñ moͤchtẽ nur gehen/ wo- hin sie es geluͤstete. Der Adel wahr sehr froh dieses zimlichẽ bescheides/ beschleunigtẽ ihꝛen Abscheid also/ dz sie alle ihre Speisewagen uñ Knechte unabgefodert hinterliessen/ uñ umb die Abendzeit ihren Weg vor sich nahmẽ/ als wolten sie des geradesten nach ihrer Heimat reisen; aber da sie eine Viertelmeile vom Lager wahren/ hieben sie zur linken umhin/ nah- men einen Umschweiff auff drey Meilen/ und kahmen vor der Sonnen Auffgang biß eine halbe Meile an des Großfuͤrsten Lager/ da sie 150 ihres Mittels an ihre Obrigkeit abschicke- ten/ unter denen Friderich und Luther (deren im ersten Buche Meldung geschehen) mit wahren/ als die von ihren Nachbahren gezwungen/ sich hatten in die Auffruhr mitbegeben mũssen. Ihr vorbringen aber wahr dieses. Es haͤtte der Adel nunmehr in augenscheinli- che Erfahrung bracht/ daß die heilose Pfaffen diesen Aufstand mehr um ihres eigen Nutzes als des Gottes dienstes Willen angerichtet haͤtten/ und weil sie in ihre unverschaͤmte Boß- heit nicht einwilligen koͤnnen/ waͤhren sie fast alle miteinander um ihr Leben kommen/ mas- sen die Pfaffen den Poͤvel auff sie als Großfuͤrstliche Getraͤue zu verhetzen/ in vollem Werke schon begriffen gewesen/ und sie ihrer rasichten Wuht zuentrinnen/ sich aus dem Staube machen muͤssen; stelleten sich in der Gnadenzeit untertaͤhnigst ein/ bey ihrer Groß- fuͤrstl. Hocheit ihres unbesonnenen verbrechens demuͤhtigste Abbitte zutuhn/ und als ge- traͤue Untertahnen/ vor dessen Wolfart und Ehre/ ihr Gut und Leben gerne aufzusetzen/ nachdem an Großfuͤrstlicher gnaͤdigster Erklaͤrung/ wegen Glaubens und Landes Freyheit sie ein satsames Genuͤgen haͤtten. Herkules/ Ladisla und Baldrich wahren mit 300 Par- thern hinaus geritten/ ihre Werbung mit zugemachten Helmen/ um nicht erkennet zuweꝛ- den/ anzuhoͤren/ und als sie ihre Beraͤuung und erbieten vernahmen/ sagten sie ihnen im Nahmen des Großfuͤrsten voͤllige Vergebung und alle Gnade zu. Nun ward Herkules der beyden vorgedachten ohngefehr gewahr/ wunderte sich ihrer Undankbarkeit/ und ließ sie durch Neklam an die Seite absonderlich fodern/ setzete den Helm ab und sagete zu ihnẽ: Ist diß der dank/ welchen ihr mir zu Padua versprochen habt? O ihr unbesonnenen/ und habt euch mit in die Verbuͤndniß koͤnnen schreiben lassen/ welche mich erbloß zumachen bedacht ist? Friderich kennete alsbald sein Angesicht/ sprang vom Pferde/ kuͤssete ihm die Fuͤsse/ und sagete mit traͤhnenden Augen: Durchleuchtigster Großfuͤrst/ gnaͤdigster Herr; die Goͤtter sind meine Zeugen/ daß ich aus Zwang/ wie viel andere mehr/ habe mitreiten muͤssen/ da ich mir nicht den Hals wolte brechen lassen/ aber habe ich oder dieser mein Ge- selle von eure Durchl. Gegenwart das geringste gewust oder bißher vernommen/ wollen wir aller Straffe uns gerne unterwerffen; von Herzen lieb aber ist mirs/ daß meines Eꝛloͤ- sers Angesicht zusehen ich begluͤkseliget werde/ und bitte untertaͤhnigst/ ihre Durchl. wol- le mich in ihre Dienste auff und annehmen/ so geringe und schlecht die Anbefehlung im- mer seyn mag/ wil ich mich doch glükselig schaͤtzen/ wann ich solches erhalten werde. Luther k k k k baht Siebendes Buch. baht desgleichen/ daher Herkules ihnen zufolgen befahl/ untergab auch alsobald jedem 4000 Mann zuführen/ doch/ sagete er/ daß ihr mir die rechten Redlens Fuͤhrer dieser Auf- ruhr getraͤulich/ und ohn einigen Haß oder Gunst anzeiget. Ja warumb nicht/ sagte Frie- derich/ meldete auch von den schon Gefangenen annoch lebendigen Pfaffen 7/ und von de- nen die annoch bey den Auffrührern wahren 16. Die Gefangene wurden alsbald befraget/ schuldig befunden/ und mit dem Schwert gerichtet/ gleich da Ekhard mit den 20000 Frie- sen Fußvolk ohn Pfeiffen und Trummeln Schlag angezogen kahm/ mit welchen die gestri- ges Tages Gefangene 59000 Unaͤdle Teutschen vermischet wurden/ daß nunmehr ihr gesamtes Heer in die 180000 Mann stark wahr/ und so wol geruͤstet/ daß Herkules und Ladisla sich vermassen/ den halben Teil der Welt damit zuuͤberwaͤltigen/ wann ihnen Gott nicht zuwieder waͤhre: wie sie dann schon des vorigen Abends den Schluß gemacht hat- ten/ ob gleich Ekhard sich nicht stellen wuͤrde/ wolten sie doch mit ihren Voͤlkern aufbre- chen/ auf deꝛ Auffruͤhrer Lager gerade zu zihen/ und ihnen die oft angebohtene Gnade noch- mahls vortragen/ auch sonst allerhand guͤtliche mittel versuchen/ daß sie in Ruhe stuͤnden/ und von der Empoͤrung abliessen; wuͤrde aber in der Guͤte nichts zuerhalten seyn/ wolten sie einen Angriff in Gottes Nahmen wagen/ nicht zweifelnd/ es wuͤrden solche zusammen gelauffene und grossen Teils unveꝛsuchte Bauren leicht auff die Flucht zubringen seyn; aber sie wurden von dem Ankommenden Adel berichtet/ die Abtruͤnnigen wuͤrden sich die- sen Tag unterstehen/ ihren Willen entweder durch ihres Großfuͤrsten Einwilligung/ oder durch bewehrete Hand zuvergnuͤgen; daher die unsern ihrer Ankunft um so viel lieber er- warten wolten. Dieselben nun wurden sehr froh/ daß sie des Adels auff solche Weise wah- ren loß woꝛden/ haͤtten auch liebeꝛ ihꝛen Voꝛsaz stuͤndlich ins Weꝛk geꝛichtet/ als diese Nacht es auff geschoben; so bald aber die Morgenroͤhte hervorblickete/ wahren sie munter/ und gingen aus ihrem Lager loß/ aber mit solcher Unordnung und Sicherheit/ daß alle die des Kriegs ein wenig Verstand hatten/ alsbald urteileten/ es wuͤrde ihrem Frevel mit gerin- ger Macht zusteuren seyn/ wie wol sich dessen keiner wegen der Pfaffen Trotz durfte ver- nehmen lassen/ als welche durch Abschaffung des Adels den hoͤchsten Gewalt an sich gezo- gen hatten/ daß jederman ihnen ins Maul sahe/ und ihre Worte nicht anders als eine goͤtt- liche Rede annam. Ehe sie aus ihrem Lager aufbrachen/ trat ein sehr frecher und verwaͤge- ner Pfaffe auf/ nahmens Seifart/ und deutete an/ sein Gott Krodo/ von seiner Schwester Freia und seinem Bruder Irmen Saͤul begleitet/ waͤhre ihm diese Nacht erschienen/ haͤt- te ihm ein feuriges Schwert in die Hand gegeben/ und dabey diese Worte gedrauchet: Nim hin mein lieber getraͤuer Sohn dieses goͤtliche Schwert/ und haue damit nider/ alles was sich mir und dir zuwiedersetzet; dann dieses ist eben das Schwert/ welches vor 218 Jahren Großfuͤrst Herman/ Siegmeiers Sohn auff mein Geheiß und unter meiner An- fuͤhrung wieder den Roͤmer Quintilius Varus und seine Voͤlker gebrauchet/ und mein liebes Teutschland dadurch in die Freyheit gesetzet hat. Dieser hatte solches kaum zu Ende gebracht/ da entstund ein grosses Geschꝛey; Gott Krodo haͤtte klaͤrlich hiemit andeuten wollen/ daß dieser heilige tapfere Mann ihr Heerfuͤhrer und algemeiner Feld Oberster seyn solte; welche Ehre dieser willig annam/ als worauff seine Luͤgen eigentlich angesehen wahren/ wie wol er des Kriegs aller Dinge unerfahren wahr/ ob es ihm gleich an verwaͤ- gener Siebendes Buch. gener Kuͤhnheit nicht mangelte. Ein ander Pfaffe trat alsbald zu ihm her/ und nach getah- nem Gluͤkwunsche zu solchem wirdigen Amte sagte er/ die Goͤttin Freia haͤtte ihm diese Nacht offenbahret/ daß ihr aͤlter Bruder Gott Krodo diesen heiligen Mann mit gnug- samer Weißheit und tapfferer Staͤrke ausgerüstet haͤtte/ solches Amt zuverwalten. Wo- mit dieser Schmeichler verdienete/ daß der obgedachte ihn zu seinem obersten Statver- weser einsetzete/ und wahr sein Name Hardek. Dieser teilete hinwiederumb seinen guten Sauff Bruͤdern die aͤmter aus/ daß er desto groͤssern Anhang haben moͤchte. Sonst fuͤhre- ten sie ein greßliches geschrey durch einander: Es muͤste vor der Sonnen Untergang sich ausfuͤndig machen/ ob Teutschland noch von einem freien unbezwungenen Volke/ oder von Roͤmischen Sklaven bewohnet wuͤrde. Die unsern erfuhren ihren Auffbruch zeitig gnug/ dann der flũchtige Adel hatte gerahten/ daß man die Schildwachten etwas weiter hinaus setzete/ welche den unordentlichen Anzug anmeldeten/ daher die Unsern nach ge- nommener Speise eine artige ansehnliche Schlachtordnung ins Feld stelleten/ ob sie gleich nicht willens wahren zu treffen. Die fuͤnff Schanzen wahren diese Nacht viel staͤr- ker befestiget/ und mit den Schützen besetzet/ denen befohlen wahr/ dem ankommenden Teutschen Heer anzudeuten/ daß sie vor der Schanze stille hielten/ es wuͤrden sich Gevol- maͤchtigte von dem Groß Fuͤrsten zu ihnen verfuͤgen/ und alles ohn Schwertschlag in der güte beylegen. Aber ein solches wahr den hochmuhtigen Pfaffen ungelegen/ darumb sie nach angehoͤrter Werbung die Schanzen durch etliche Trommelschlaͤger aufffoderten/ unter der Bedraͤuung/ dafern sie nicht alsbald abzihen/ und sich bey ihnen unterstellen wuͤrden/ solten sie alle gehenket werden. Prinsla/ Friederich und Luther lagen mit in den Schanzen/ liessen sich auff der Brustwehr sehen/ und gaben zur Antwort: Sie waͤhren nit bedacht/ einigen Pfaffen der Antwort zuwirdigen; Ihr gnaͤdigster Groß Fuͤrst/ dem sie dieneten/ haͤtte ihnen diese Schanzen anvertrauet/ welche sie lebendig nicht verlassen wol- ten. Friederich und Luther wahren dem Heer sehr wol bekant/ deren Fuͤhrer nicht wusten/ was sie gedenken solten/ als sie ihrer ansichtig wurden/ biß endlich ein Pfaffe rief: Oho Verraͤhterey/ Verraͤhterey! der Adel ist Groß Fuͤrstlich worden und uͤbergetreten; O haͤt- ten wir ihnen allen nur die Haͤlse gebrochen/ oder das Genik eingedruͤkt! Friederich rief hinuͤber zur Antwort/ nachdem er ihnen ein Friedenszeichen gegeben hatte: O ihr redliche Teutschen/ bedenket euch eines bessern/ wie wir aͤdle getahn haben/ und ergebet euch eurer angebohrnen Obrigkeit zum Gehorsam/ wie ihr schuldig seyd/ damit ihr leben moͤget. Ihr Pfaffen aber gehet hin/ und wartet eures Gottes dienstes abe/ darzu ihr bestellet seyd/ und fuͤhret diese unwissende einfaͤltige Leute nicht muhtwillig auff die Fleischbank; dann was wollet ihr Kriege fuͤhren/ darzu ihr gleich so geschikt seyd/ als der Esel zum Lautenschlagen. Du abtruͤnniger Bube/ antwortete der vorige Pfaffe; was hastu der Geistligkeit ihr vor- nehmen zulaͤstern/ dessen die Goͤtter selbst Stiffter und Uhrheber sind/ denen wir dich und deinen ganzen Beystand zum angenehmen Opfer abschlachten wollen; lieffen auch als- bald alle fuͤnff Schanzen zugleich an/ als blinde erzuͤrnete Ochsen. Aber die Pfeile wurdẽ ihnen in solcher Menge zugeschicket/ daß/ ungeachtet die voͤrdersten mit Schilden wol ver- sehen wahren/ ihrer doch 5000 erschossen/ und 6000 hart verwundet wurden/ ehe sie den Graben erreicheten. Noch dannoch drang ihr Wuht durch; dann sie fuͤlleten die Graben k k k k ij mit Siebendes Buch. mit den Erschlagenen/ und brauchten dieselben an stat einer Bruͤcken/ biß sie an den Wahl kahmen/ da sie mit langen Spiessen/ Morgensternen und anderem Baͤurischen Gewehr elendig hingerichtet wurden/ daß ihrer noch 12000 das Leben einbuͤsseten/ und 14000 mit blutigen Koͤpffen zuruͤk gingen; wodurch dann die uͤbrigen sich warnen liessen/ es naͤhern Kauffs zugeben/ weil sie sahen/ daß es mit dem Kopffe gegen den Stein gerennet wahr. Herkules gelebete der Hoffnung/ wann sie ihre grosse Macht saͤhen/ wuͤrden sie das Herz fallen lassen/ deswegen er auff den Schanzen ein weisses Faͤhnlein zum Zeichen eines guͤt- lichen Vergleichs ausstecken ließ; welches die Pfaffen den unsern zur Furchtsamkeit auslegeten/ und die ihren zum andern Sturm anmahnetẽ/ nebest getahner Versicherung/ der Feind wuͤrde nicht fuß halten. So bald Herkules solches merkete/ und aber das Blut- vergiessen nach aller Moͤgligkeit verhuͤten wolte/ geboht er der Besatzung ohn weitere Ge- genwehr alsbald abzuzihen/ und zu den seinen sich hin zubegeben; Daß also die Aufruͤhrer vor dißmahl sich der Schanzen ohn einigen Schwertschlag bemaͤchtigten/ uñ den Durch- zug oͤffneten/ auch fast im Augenblik die Schanzen schleiffeten. Da ging es nun an ein jauchzen und frohlocken; der Feind duͤrffte nicht stehen; Gott Krodo haͤtte sich ihnen in seiner greßlichen gestalt sehen lassen/ daß sie vor Schrecken davon geflohen waͤhren. Ma- cheten darauff ihre Ordnung/ und gingen auff die unsern freihmuͤhtig zu/ der gaͤnzlichen Meinung/ sie wuͤrden alle schon in der Flucht begriffen seyn; aber als sie ihre trefliche aus- gedehnete Schlachtordnung sahen/ stutzeten sie/ und wolten Kriegs Raht halten/ dann der Schrecken wahr sehr groß/ weil Herkules seine Voͤlker dergestalt im offenen Felde aus- gebreitet hatte/ daß es dreymahl groͤsser schiene als es wahr. Der Groß Fuͤrst und Olaff führeten das Fußvolk/ 60000 stark; Herkules und Fabius den rechten; Ladisla und Bal- drich den linken Fluͤgel/ jeden 60000 Reuter/ da die geharnischten alle die voͤrdersten Glie- der halten/ und bey den Auffruͤhrern die Furcht mehren musten/ welche nur zusammen ge- lauffene/ und leichte Reuter mit Schwertern und Spiessen versehen wahren; So wusten die Pfaffen nicht/ wie sie es angreiffen solten/ daher sie fast vor Augst erstarreten/ und kein Wort sprechen kunten; welches die unsern zeitig wahr nahmen/ und Herkules an seiner Seiten mit der Helffte seiner Reuterey/ Ladisla mit gleicher Menge an seinem Orte loß- ging/ da doch Prinsla und Neklam/ jeder mit 30 Pferden voraus setzeten/ und ihnen ansa- gen musten: Ob sie dann ihre Vernunfft und alle Sinnen gefressen haͤtten/ daß sie muht- willig sterben/ uñ wie das tum̄e Vieh sich wolten nidermatzen lassen/ da sie doch alle mitein- ander wol leben koͤnten. Es taͤhte ihrem Groß Fuͤrsten noch diese Stunde leid/ daß er in dem Blute seiner Untertahnen baden muͤste/ deren er lieber tausend beym Leben erhalten/ als einen einzigen erschlagen wolte. Er bliebe annoch bey seinem ersten und gnaͤdigsten er- bieten/ welches ihre aͤdlen angenommen/ und sich diesen Morgen samt und sonders einge- stellet haͤtten/ waͤhren auch ohn einige Straffe oder verweißliche Rede gnaͤdigst auff und angenommen/ ja zu ihres Groß Fuͤrsten Leib Schuz verordnet. So moͤchte doch nun die Gemeine auch in sich gehen/ als welche ihrem Groß Fuͤrsten ja so lieb als die aͤdlen waͤhrẽ/ weil durch sie das Land muͤste gebauet und der Feind abgetrieben werden. Sie solten sich zu ihrem Groß Fuͤrsten nichts als aller Gnade und vaͤterlichen Gewogenheit versehen/ da- fern sie ohn genommene Bedenkzeit sich bequemen/ und umb Verzeihung anhalten wür- den. Siebendes Buch. den; Wo nicht/ solten sie alle nidergehauen/ Weiber und Kinder erwuͤrget/ und ihre Guͤ- ter den Boͤhmen/ Friesen und Wenden vor erbeigen eingeraͤumet werden/ welches dann keines weges ausse bleiben wuͤrde/ gestaltsam sie vor Augen saͤhen/ daß ihnen unmoͤglich waͤhre/ solchem uͤberausgrossen und wolgeruͤsteten Heer zuwiderstehen. Die verzagtesten und unschuldigsten machten alhie den Anfang/ trenneten die Ordnung/ welche ohndas uͤ- bel versehen wahr/ wurffen das Gewehr von sich/ liessen ihre Pferde lauffen/ und gingen ganz gebuͤcket den unsern entgegen/ mit geaͤngsteter Stim̄e ruffend: Gnade/ Gnade! Und belief die Anzahl dieses ersten Hauffen sich auff 25000 Mann; Woraus Herkules ge- wisse Hoffnung schoͤpffete/ die uͤbrigen wuͤrden sich auch finden; ließ aber doch 20000 Mann umb die Auffruͤhrer hinhauen/ ihnen den engen Durchzug von hinten zuverlegen/ damit die Redlensfuͤhrer nicht durch die Flucht sich davon machen/ und heimlich entwi- schen moͤchten. Andere 18000 folgeten der vorigen Schaar nach/ und macheten mit ihrem Abtrit/ daß kein einziger mehr auff die Gegenwehr bedacht wahr. Herkules rennete unter der Begleitung 6000 Reuter dem uͤbrigen grossen Hauffen mit eingestecketen Schwer- tern entgegen/ schlug seinen Helm auff/ und rief ihnen zu: Ihr redliche Teutschen/ uñ mei- ne geliebete Landsleute; was bedenket ihr euch noch lange/ ob ihr lieber gluͤklich leben oder schaͤndlich sterben wollet? Sehet ich bin Herkules/ eures Groß Fuͤrsten aͤlter Sohn/ der ich schon in der Jugend mich eurer wider den Adel angenommen habe; darum so trauet mir/ und versichert euch/ daß ich euch allen alle Gnade und Vergebung bey meinem gn. Herr Vater schon erbehten habe/ dafern ihr nur die Haͤupter und Uhrheber dieser unbefugten Auffruhr nicht werdet lassen davon streichen/ als durch deren weniges und gottloses Blut aller Zorn und Eifer eures Groß Fuͤrsten kan gestillet und ausgeloͤschet werden. Damit wahr alles geschlichtet; Der ganze Hauffe trieb die Pfaffen/ und die ihnen fest anhingen/ in eine Schaar zusammen/ ja wol mannicher Mitschuldiger stellete sich am unwuͤrschesten wider die Pfaffen/ auff daß sie ihres begangenen Frevels sich entbrechen moͤchten. Herku- les taht seinen Helm gar ab/ hub beyde Haͤnde auff gen Himmel/ und dankete dem grund- guͤtigen Gott/ daß er diesem Blutbade so gnaͤdiglich gesteuret/ und des moͤrderischen Kro- den Teufels Anschlaͤge zunichte gemacht haͤtte; ließ die ganze Menge der Auffruͤhrer mit seinem Heer umgeben/ und die Pfaffheit zusammen führen/ zu welchen die schon gefange- ne auch hingeführet wurden/ und ihre Anzahl sich auff 320 erstreckete; welche Koͤnig Bal- drich also anreden muste: O ihr meinaͤidige Pfaffen/ was vor ein boͤser blutgieriger Geist und Teufel hat euch getrieben/ ein solches unverantwortliches Wesen wider eure hoͤchste Obrigkeit und seine Soͤhne anzurichten? Wer kan von eurem Vornehmen anders urtei- len/ als daß ihr in diesen Hochmuht gerahten seyn muͤsset/ das ganze weltliche Gericht uñ Oberbotmaͤssigkeit an euch zubringen/ und die Fuͤrstliche Herschung uͤbern hauffen zu werffen? Dann vorerst habt ihr alle Untertahnen wider euren Groß Fuͤrsten und dessen Soͤhne auffgewiegelt; nachgehends euch auch des ganzen Adels entlediget/ die hoͤchsten Kriegsbedienungen und aͤmter euch angemasset/ eures Groß Fuͤrsten Schanzen unabge- sagt bestuͤrmet/ und seiner angebornen Untertahnen/ die in Pflicht und aͤiden sitzen/ so man- niche tausend auffgeopffert/ ja mit wenigen zureden/ alles das getahn und vorgenommen/ was ihr nur eurem Groß Fuͤrsten und dessen Soͤhnen zu Troz habt erdenken koͤnnen. Nun k k k k iij ist Siebendes Buch. ist eure Boßheit euch auff eure Scheitel gefallen; Ihr stehet als die verlassene und auff dem Diebstahl ergriffene/ wie es dann allemahl den Auffwiegelern zuergehen pfleget/ daß sie doch endlich das Bad austꝛagen muͤssen. So spꝛecht euch nun selbst die Uꝛtel/ was duꝛch solche Boßheit ihr verdienet habet; koͤnnet ihr einiges Recht in der Welt finden/ welches euch zustatten kommen moͤchte/ das wil man euch gerne goͤnnen. Aber euer eigenes Ge- wissen/ der unbetriegliche Richter rufft eure Schuld und Straffe euch selber zu/ welches ein jeder vernuͤnfftiger euch vor der Stirne lesen kan. Damit ihr aber eures Groß Fürsten und seiner Soͤhne angebohrne Gnade erkennen und geniessen moͤget/ sol dem groͤsserẽ Teil verzihen/ und die Boßheit geschenket seyn; aber alsbald gebet eure Verführer und Auff- wiegeler heraus/ und die vor andern sich des Unwesens angenommen; lasset auch diesen vor allererst hertreten/ welcher in Frießland von mir Urlaub baht/ nach Hause zureisen/ und sein schwangeres Weib zubesuchen/ da er selbst von einem schaͤndlichen Teufel ge- schwaͤngert/ mit der gottlosen Frucht der algemeinen Auffruhr beladen wahr/ und wie mir schon bewust ist/ die andern zu solchem uͤbel angereizet hat. Derselbe nun trat willig her- vor/ weil er sahe/ daß es doch nicht anders seyn kunte/ und brachte ein; Er waͤre vor diesem allemahl ein getraͤuer Großfuͤrstlicher Diener gewesen/ haͤtte dieses Werk nicht aus eige- nem Getrieb getahn/ sondern auff der grossen Goͤttin Freia ernstlichen Befehl und ange- haͤngte Draͤuung verrichten muͤssen/ die ihm nit allein gluͤklichen Fortgang/ sondern auch Schuz und Schirm verheissen und zugesagt haͤtte; und waͤhre er viel zu wenig gewesen/ sich ihrer Macht und hohem Ansehen zuwidersetzen/ deswegen er in solcher Verrichtung wol wuͤrde zuentschuldigen seyn. Zuentschuldigen? sagte Koͤnig Baldrich; wolan/ laß uns deine Entschuldigung besehen. Du wendest ein/ deine Goͤttin Freia habe dichs geheis- sen. O mein Kerl; der boßhafftige Luͤgen Geist/ der leidige Teuffel hat dich gereizet/ du Erz- Boͤsewicht; derselbe hat gefallen an Unfrieden/ Krieg und Blutstuͤrzung/ und ist ihm dan- noch/ dem allerhoͤchsten Gott sey Dank/ nach seinem Willen nicht gelungen/ dann er hatte euch allen viel ein groͤsseres Verderben zugeschnitten/ wann nicht viel ein staͤrker es gnaͤ- digst abgewendet haͤtte; aber gesetzet/ deine Freia habe es dir befohlen; haͤttestu dann nicht deiner weltlichen Herschafft es zuvor anzeigen sollen? Wie leicht haͤttestu mirs koͤnnen sagen/ als du umb Urlaub der Reise bey mir anhieltest/ und das waͤhre deine Schuldigkeit gewesen. Aber Gott Lob/ daß es schon so weit kommen ist/ und du erkennest/ auch bekennen must/ deine vermeinete Goͤttin habe dich hinter das Licht gefuͤhret/ weil du augenscheinlich sihest/ daß dein Vornehmen den glüklichen Fortgang nicht erreichet; so wirstu auch diese Stunde empfinden/ ob sie dir wider des Henkers Schwert Schuz halten werde; meinest du aber/ daß die wahre Gottheit wol koͤnne mit Luͤgen umgehen/ und ichtwas wider die Warheit vorbringen? Nein; die gesunde Vernunfft lehret dichs ja/ daß Gottheit/ das volkom̄enste Gut/ mit dem schaͤndlichen Laster der Luͤgen und Betriegerey durch aus keine Gemeinschafft haben koͤnne. Dann was Gott oder goͤttlich ist/ das leuget nicht und wz da leuget und treuget/ das muß oder kan ja kein Gott seyn. Nach dieser Rede End i gung muste der angemassete Feldherr Großpfaffe Seifart mit seinem Statverweser Großpfaffen Hardek/ und andern Redlensfuͤhrern hervortreten/ und die ganze Zahl der recht schuldigen mit ihrem ja bekraͤftigen/ deren annoch 22 lebendige Pfaffen und 16 Handwerker uñ Bau- ren Siebendes Buch. ren wahren/ denen ihr Verbrechen vorgehalten/ die Urtel gesprochen/ und alle durch des Henkers Schwert abgetahn wurden. Die uͤbrigen Pfaffen wurden vorgefodert/ und be- fraget/ ob sie mit ihres Groß Fuͤrsten und seiner Soͤhne gnaͤdigstem anerbieten und gege- bener Erklaͤrung friedlich/ und wie der Adel und Gemeine gutwillig getahn/ solches anzu- nehmen bedacht waͤhren; welche alle einen demuͤhtigen Fußfal leisteten/ ihren Irtuhm uñ Missetaht bekenneten und beraͤueten/ auch allen Gehorsam versprachen/ bahten daneben untertaͤhnigst/ daß die Großfuͤrstliche Zusage wegen des alten Glaubensfreyheit in ihrer Kraft verbleiben moͤchte. Der Adel und die Gemeine bahten sehr vor ihr Leben/ und bekah- men darauff ohn fernere nachforschung ihres verbrechens vollige verzeihung/ und noch- mahlige versicherung ihrer Geist- und weltlichen Freyheit; daher ein solches Frolocken unter den Voͤlkern entstund/ daß auch die Pfaffen selbst es bereulich beklageten/ daß sie wie- der solche fromme gnaͤdige Herrn sich auffgelehnet haͤtten. Als nun der Groß Fuͤrst sahe/ daß die Untertahnen uͤberal ein gutes Herz gegen ihn gefasset hatten/ ritte er selbst/ von we- nigen seines Landadels begleitet/ bey ihnen umbher/ hieß sie diesen Abend ruhen/ die Todten begraben/ und folgenden Morgens mit alle ihrem Gewehr erscheinen/ so daß die Teutschẽ alle miteinander allein/ die Boͤhmen und Friesen aber zur seite halten solten; welches al- les nach seinem willen ging/ da er den Elefanten ausruͤsten hieß/ und vor das Teutsche Heer stellen/ stieg mit seinen Soͤhnen und Ladisla hinauff/ welche sich Schneeweiß uñ Koͤ- niglich gekleidet hatten/ und musten von den aͤdlen/ Pfaffen und gemeinem Manne 300 in gleicher Anzahl umb den Elefanten hertreten; er aber fing diese Rede zu allen Anwesendẽ an: Liebe getraͤue Untertahnen und Landsassen; ich und wir alle miteinander haben Gott hoch zu danken/ daß er des boͤsen Feindes Vorhaben gesteuret/ und das angestiftete Elend gnaͤdig abgewendet hat/ da die Obrigkeit und Untertahnen/ Vaͤter und Kinder/ Bruͤder und Anverwanten einander grimmig auffreiben solten; nun aber/ Gott lob/ an stat dessen/ eine loͤbliche Vertrauligkeit und fester Friede angerichtet und gestiftet ist/ nachdem gleich- wol/ welches ich hoch beklage/ über die 30000 meiner Untertahnen dz Leben einbuͤssen muͤs- sen. Euch allen ist wol bewust/ und bedarfs keines weitlaͤuftigen erzaͤhlens/ was gestalt vor wenig Jahren ich meinen herzlieben aͤlteren Sohn/ Fuͤrst Herkules/ aus meinem Reiche verbannet habe/ umb daß er nicht allein einen fꝛemden/ uns unbekanten Gottesdienst in der Fremde angenommen/ der uns uͤberal abscheuhlich beschrieben ward/ und wir doch weit anders befinden/ sondern auch zugleich sich hiemit dem Roͤmischen Reiche als ein Lehntraͤ- ger und Untertahn verpflichtet haͤtte/ so daß bey künftiger seiner Herschaft er der Roͤmer Willen geleben/ und ihnen die Teutschen Voͤlker zinßbar machen wolte; welches gleicher- gestalt eine abgefeimete grobe Luͤgen ist/ und die Ertichter und Ausstraͤuer derselben ihren Lohn nach Gottes wunderbahrem Gerichte schon empfangen haben. Beklage deßwegen billich und von Herzen/ daß durch falsches angeben ich mich dazumahl zu ungerechtem Zorn und Eiser wieder diesen meinen Sohn Herkules/ der mir allernaͤhest alhie zur Linken stehet/ verleiten lassen/ und ihn als einen Durchaͤchteten halten muͤssen/ welches doch mein eigen Herz dergestalt abgezehret hat/ daß wo es laͤnger haͤtte wehren sollen/ ich in kurzer Zeit des Todes druͤber seyn müssen/ und mich dessen doch gegen niemand habe duͤrfen merken lassen. Wie hart und unbillich nun ich mich gleich gegen ihn erzeiget/ so hat er doch hinge- gen Siebendes Buch. gen seinen kindlichen Gehorsam von mir nicht abgekehret/ sondern ist stets geblieben/ der er vorhin wahr/ nehmlich ein ergebener Sohn seiner Eltern/ ein Freund der Tugend/ uñ ein Liebhaber seines undankbahren Vaterlandes/ welches augenscheinlich daher zusehen ist/ daß ob ihm gleich der Roͤmische Kaͤyserliche Stuel (O welch eine Ehre den Teutschen!) angebohten und auffgetragen ist/ er dañoch solchen nur deßwegen ausgeschlagen hat/ weil er alsdann haͤtte muͤssen ein Feind seiner Teutschen werden/ und sie nohtwendig bestreiten. Zweifele nun dann einer/ ob er seinem Vaterlande die gebuͤhrliche Liebe und Traͤue erzei- get habe oder nicht. Den kindlichen Gehorsam wird kein Mensch an ihm leugnen koͤnnen/ wer nur betrachtet/ daß so bald er meiner Entfuͤhrung innen worden/ er mit Leib und Le- bensgefahr (dann er wahr ja ein Verbanneter) sich nach Teutschland gemacht/ und zu reiten nicht auffgehoͤret/ biß er mich und die meinen loßgerissen/ und des gottlosen Raͤubeꝛs frevel gebuͤhrlich abgestraffet hat. Also wil ich euch nun diesen meinen Sohn laͤnger nicht verbergen/ welchen ihr gutenteils ohndas schon wieder kennet; denen aber seine gluͤkliche Wiederkunft bißdaher unwissend gewesen/ die sehen nur sein Angesicht an/ sie betrachten seine Gestalt und Wesen/ so werden sie befinden/ daß er nicht so gar sich verendert hat/ daß man ihn nicht mehr kennen solte. Von seinen herlichen Tahten zu ruͤhmen/ die er in Itali- en und andern weit abgelegenen Laͤndern begangen/ wil mir als seinem Vater nicht anste- hen/ und sind etliche hundert Teutschen und Boͤhmen in dem Heer/ welche als grossenteils sehende Zeugen/ davon werden bericht geben koͤnnen. Dem almaͤchtigen grundguͤtigen Gott sey Lob und Dank gesaget/ dz er den unschuldigen erretten/ diesen meinen lieben Sohn dem Vaterlande zum besten hat wollen in der Fremde unter so mannicher grosser Gefahr erhalten/ und sein Herz also lenken/ daß er fremde angebohtene Herschaften ausgeschlagen/ und nach seinem Teutschlande verlangen getragen hat. So vernehmet nun meinen ernst- lichen Willen und Meynung/ und richtet euch darnach; ihr wisset/ daß diesem meinen Sohn Herkules/ als dem erstgebohrnen/ mein Teutsches Reich von Gott und Rechtswe- gen zustehet/ (dann die ergangene Acht und der Ban mus Tod/ rein abe/ und als ungesche- hen seyn) so daß er mit keinem fuge davon kan ausgeschlossen werden. Nun bin ich zwar euer Groß Fuͤrst annoch im Leben und zimlicher Gesundheit/ wiewol den Abgang meiner Kraͤfte ich schon merke/ habe aber mir gaͤnzlich vorgenommen/ meine uͤbrigen Tage/ wie weit sie noch reichen werden/ in guter Ruhe und sanfter Stille zuzubringen/ und meinem Gott zu dienen; daß nun gleichwol das Reich nicht ohn ein gewisses Haͤupt seyn moͤge/ so wil ich gleich jezo diesen meinen Sohn Herkules euch vor erst als euren Groß Fuͤrsten hie- mit vorgestellet haben/ und zugleich des Aides/ damit ihr mir verbunden seid/ euch Kraft dieses erlassen/ auch alsbald auff diesen euren Groß Fuͤrsten euch verweisen/ dem ihr alsbald auff stehendem Fusse die Huldigung abstatten sollet; hingegen wird er sich verbinden/ alles daß ungeendert zu halten/ was ich euch heut und vorige Tage/ Groß Fuͤrstlich versprochen habe. Damit aber unser Teutsches Reich sein ehmaliges Ansehen unter diesem euren jun- gen Herscher wieder bekommen moͤge/ sol er forthin nicht mehr den Nahmen eines Groß- Fuͤrsten/ sondern Koͤniges der Teutschen führen/ wovor ihn unsere Reichsfeinde die Roͤ- mer selbst ehren/ halten und erkennen. Herkules erschrak dieses vorbringens von herzen/ machete sich auch schon gefasset/ die Antretung der Herschaft durch erhebliche Ursachen abzu- Siebendes Buch. abzulehnen; aber die ganze Menge fing ein solches Freuden-geschrey an/ daß die Er- de erzitterte/ uñ die Luft sich zerteilete/ auch eine Viertelstunde nichts anders gehoͤret ward/ als; Gluͤk zu unserm neuen Koͤnige Herkules; Gluͤk zu unserm lieben Koͤnige Herkules; Gluͤk zu dem tapfern/ glükhaften/ unuͤberwindlichen Koͤnige der Teutschen! Einem Ehr- geitzigen haͤtte kein angenehmer Lied koͤnnen gesungen werden/ aber der demuͤhtige Herku- les hoͤrete es mit grosser ungeduld an/ daß er auch dem Volke endlich durch unterschiedli- che Zeichen andeutete/ er wolte gerne gehoͤret seyn/ da er also anhuhb: Gnaͤdigster Herr uñ Vater/ ich ruffe mein Gewissen zu zeugen/ daß/ wann ich dieses solte gemuhtmasset haben/ ich eurem liebreichen Vaterherzen mich diese Stunde noch nicht haͤtte wollen zuerkennen geben; wie ich dann durchaus nicht willens bin/ einen Fuß in die Koͤnigliche Herschaft zu setzen/ als lange der grundbarmherzige Gott euch meinen Herr Vater bey Leben und Ver- nunft erhalten wird; nicht wegere ich mich dessen aus ungehorsam/ sondern aus gebuͤhrli- cher kindlicher Demuht/ zweifele auch nicht/ mein Herr Vater so wol/ als das ganze hoch- loͤbliche Koͤnigreich der Teutschen werde mich alles ungleichen verdachts gnaͤdigst und freundlich erlassen/ und wil ich zugleich meine herzliebe Bruͤder/ Koͤnig Ladisla und Koͤ- nig Baldrich gebehten haben/ da sonst einige rechtschaffene Liebe in ihrẽ Herzen gegẽ mich uͤbrig ist/ meinen Gn. Herr Vater dahin helffen zubereden/ daß er seine gefassete Meynung Vaͤterlich endern/ und die wiꝛkliche Beherschung Zeit seines lebens behalten wolle/ sonsten/ wann es ja so seyn muͤste/ wil ich gerne einwilligen/ daß ich vor einen erwaͤhleten Koͤnig uñ kuͤnftigen Herscher der Teutschen gehalten werde. Ladisla und Baldrich sahen seinen ernst/ und nicht geringe Bewaͤgung/ daher sie allerhand Ursachen hervorsucheten/ den Groß- Fuͤrsten zur enderung seines Vortrages zubereden/ unter welcher Zeit Herkules von dem Elefanten stieg/ und sein liebes Gemahl vermochte/ ihm bey seinem Vater zu hülffe zu tre- ten/ welche alle Reden wol vernommen hatte/ dann sie hielt allernaͤhest bey dem Elefanten auff ihrer Gutsche; stieg demnach willig abe/ stellete sich gegen den Groß Fuͤrsten gleich ü- ber zu fusse/ da Fuͤrst Olaff ihr eine Sammete Decke hinspreiten ließ/ und hielt diese Rede: Großmaͤchtigster/ gnaͤdigster Herr Vater; euer vaͤterliches Herz und hochgeneigter Wil- le gegen mich/ ist in weniger Zeit mir dermassen bekant worden/ daß ich eine Todsuͤnde be- gehen wuͤrde/ wann in denselben ich einigen zweifel setzete; daher ich dann die feste Zuver- sicht gefasset/ es werde euer Vaterherz das untertaͤhnige demũhtige Ansuchen euer Hoch- heit ergebenen Tochter nicht verstossen/ sondern ihr behaͤgliche und erfreuliche Antwort wiederfahren lassen. Vor erst aber erkuͤhne ich mich zu fragen/ warumb doch mein Herr Vater meinen herzallerliebsten Gemahl Fuͤrst Herkules so hart beschweren/ und ihm als- bald die lastsame Buͤrde der Herschaft aufladen wil/ da doch nicht allein mein Herr Vater sein Reich bißdaher so loͤblich beherschet/ sondern auch noch stark/ vermoͤgen und verstaͤn- dig gnug ist/ demselben weiter vorzustehen; hingegen mein Gemahl Fuͤrst Herkules bißda- her vor wirkliche beherschung Land und Leute sich aufs hoͤchste gehuͤtet/ uñ dazu sich durch- aus nicht hat bereden koͤnnen. Wil dann mein Herr Vater dieses nicht lassen guͤltig seyn/ ey so endere ihre Hocheit doch diese ihre gefassete Meinung nur umb meinetwillen/ uñ goͤn- ne mir nach so grossem ausgestandenen Herzleide/ daß ich mich an meinem herzallerliebstẽ Gemahl ein wenig ergetzen moͤge/ welches die unaufhoͤrlichen Reichsgeschaͤfte sonst nicht l l l l zulassen Siebendes Buch. zulassen wuͤrden; massen/ wann ich meinete/ ich haͤtte ihn bey mir am Tische sitzen/ wuͤrde er sich hinweg machen/ den Koͤniglichen Stuel besteigen/ und den Untertahnen Recht spre- chen muͤssen. Nun mir zweifelt nicht/ mein Herr Vater werde diese meine erste oͤffentliche Bitte mir nicht ungnaͤdig abschlagen/ sondern uns ein wenig ruhe goͤnnen/ nachdem wir bißdaher die weit abgelegenen Weltwinkel durchkrochen/ und fast keinen Tag allein mit einander reden koͤnnen; es ist uns gnug uñ ūbrig gnug/ daß wir schon wissen/ was wir nach unsers Herrn Vaters Tode (welchen Gott ja lange verhuͤten wolle) dereins seyn sollen/ daß wir noch zur Zeit nicht begehren. Hierauff kehrete sie sich umb nach dem Heer/ und re- dete dasselbe also an: O ihr unuͤberwindlichen Teutschen! wie koͤnnet ihr mit geduldigen Ohren anhoͤren/ daß euer Groß Fuͤrst/ der euch bißher so wol und redlich vorgestanden/ sich euer gar abzutuhn vorhabens ist? lieber gebet nicht zu/ daß durch seine abdankung eure schuldige dankbarkeit gehindert werde/ welche zuerzeigen ihr nach eingepflanzetem Recht gehalten seid; deswegen helffet mir und meinem Gemahl bitten/ daß euer Groß Fuͤrst/ der euch bißdaher so wol geschuͤtzet/ den Reichsstab in der Hand behalten/ und ja nicht ablegen moͤge. O ruffet ihm den Nahmen eines Koͤniges zu/ dz wie ihr dem Boͤmischen/ Frisischen und andern umliegenden Koͤnigreichen weder an Macht noch Adel/ noch weitleuftigkeit ichtwas bevorgebet/ auch an der Benahmung nicht geringer seid/ weil eure Voreltern von undenklichen Jahren her/ unter Koͤnigen gelebet haben. Sehet da; werdet ihr helf- fen/ daß meine Bitte haften kan/ wil ich dem ganzen Teutschen Kriegs Heer durch die Bank hin ein Denkgeschenk austeilen/ und einem jeden ohn unterscheid zwo Kronen ein- reichen lassen. Die Kriegs Obersten liessen sich hierzu leicht bereden/ traten vor den Ele- fanten/ und fing ein vornehmer Herr unter ihnen also an: Großmaͤchtigster/ unuͤber- windlicher Groß Fuͤrst/ gnaͤdigster Herr und Landes-Vater; wie gnaͤdig eure Hocheit sich gegen uns seine ungehorsame Untertahnen hat erzeiget/ und nach erlassung aller miß- handelung und Straffe/ ihren geliebten Herr Sohn den unvergleichlichen Held/ G Fuͤrst Herkules/ uns zur hoͤchsten Obrigkeit vorstellen wollen/ werden wir Zeit unsers Lebens zu preisen Ursach haben/ und doch nim̄ermehr gnug preisen koͤnnen. Ob nun zwar an ihre Hochfuͤrstl. Durchl. unserm gnaͤdigsten Groß fürsten/ Herrn Herkules wir im geringsten nit zu tadeln haben/ sondern bekennen muͤssen/ auch willigst bekennen/ daß seine preißwir- dige Tahten des ganzen Teutschen Nahmens Ehre seyn und ewig bleiben werden/ so ist doch auff dessen/ wie auch der unvergleichlichen Großfürstin und Frauen/ Fr. Valiska/ instaͤndiges begehren/ an Eure Hocheit unser aller flehendliches suchen und untertaͤhnig- stes bitten/ dieselbe wollen ihren Untertahnen nicht so schleunigst aufdanken/ sondern den- selben etwas Zeit goͤnnen/ daß vor erzeigete vaͤterliche Gnade sie ihr dankbegieriges Herz in etwas sehen lassen koͤnnen. Damit aber Eure Hocheit sehe und gnaͤdigst merke/ wie ge- nehme derselben Vortrag uns allen sey/ so verpflichtet sich hiemit und Krafft dieses/ das Teutsche Reich/ daß wir seine Großfuͤrstl. Durchl. Herrn Herkules nicht weniger ehren/ fuͤrchten und lieben wollen/ als ob er schon auff dem Reichs Stuel saͤsse/ aber doch/ wie schon eꝛwaͤhnet/ wollen ihꝛe Hocheit wir unteꝛtaͤhnigst und demuͤhtigst nochmahls eꝛsuchet haben/ dieselbe wolle bey Lebzeit/ den Reichs Stab nicht aus den Haͤnden legen. Schließ- lich zeiget der Adel und die ganze Gemeine an/ daß sie nach diesem nicht mehr zugeben koͤn- nen/ Siebendes Buch. nen/ daß ihre Hocheit den Nahmen eines Großfuͤrsten/ sondern Koͤniges der Teutschen fuͤhre/ wie denselben ihrer Hocheit Vorfahren vor langen Jahren/ nicht ohn Schrecken der Feinde geführet haben; erklaͤren auch hiemit dieselbe vor ihren Koͤnig/ wie dann seine Durchl. Großfuͤrsten Herkules gleicher Gestalt vor ihren schon erwaͤhleten und bestaͤtigten Koͤnig; als auch die beiden Durchl. Großfuͤrstinnen und Frauen/ Fr. Gertrud/ und Fr. Valiska vor ihre allergnaͤdigste Koͤniginnen. Worauff das Geschrey wuͤste durcheinan- der ging/ da etliche den beiden Koͤniginnen Gluͤk/ Heil/ Friede/ Gesundheit und langes Le- ben zurieffen/ daß der Redener sein Wort nicht ausfuͤhren kunte/ welcher willens war vor das von Fr. Valisken angebohtene Gnadengeschenk untertaͤhnigst zudanken/ und Koͤnige Baldrich im Nahmen der Teutschen Staͤnde zu der Friesischen Kron gluͤk zu wuͤnschen. Der alte Großfuͤrst sahe nunmehr/ daß er seinen Vorsaz nicht kunte zu Werk richten/ und gab sich in des Landes und seiner lieben Kinder Willen. Das uͤbrige dieses Tages ward mit aller Froͤligkeit zugebracht/ und sahe man seinen wunder/ wie die Teutschen Voͤlker eine solche unzaͤhlige Anzahl Kraͤnze/ in Gestalt Koͤniglicher Kronen von Laub/ Graß/ Korn/ Kraͤutern/ Blumen/ und was sie haben kunten/ flochten und herzu trugen/ daß sie bey un- terschiedlichen Hauffen in die zehn Ellen hoch/ und eins so breit aufeinander lagen. Die Fuͤrstlichen Haͤupter hielten sich in einem grossen Zelt beyeinander/ da Koͤnig Baldrich (weil sie von dem ergangenen Wendischen Kriege ihr Gespraͤch hattẽ) zu Koͤnigin Valis- ken sagete: Wann der allerhoͤchste Gott diese Welt und alle Koͤnigreiche mit Vaͤterlichen Gnaden-Augen ansehen/ und sie mit einander zum Christentuhm bringen moͤchte/ alsdañ wuͤrde ohn Zweifel zuhoffen seyn/ daß Krieg und Unfriede wuͤrde auffhoͤren/ und durchge- hends vertrauliche Christliche Einigkeit gestifftet werden/ nachdem unser Heiland seinen Juͤngern und glaͤubigen in seinem heiligen Worte einen so gar ernstlichen Befehl erteilet hat/ daß sie sich untereinander lieben/ und nit allein alle ungebuͤhrliche Feindschaft ablegen/ sondern man auch seinen Feinden gutes tuhn/ und dem Beleidiger alle Freundschafft und Liebe-Dienste erweisen solle/ welches alsdann ein jeder/ hohes und niedriges Standes wuͤrde muͤssen in acht nehmen/ wo er sonst nicht wolte vor einen Unchristen gehalten seyn. Valiska schwieg auff solche Rede ein wenig stille/ bald hernach sagte sie zu Herkules: Ich muß bekennen/ daß mein lieber Bruder/ Koͤnig Baldrich sehr wol und vernuͤnfftig geur- teilet hat/ und halte ichs mit ihm/ daß wann die Christliche Lehre durch alle Welt wird an- genommen/ und das Heidentuhm auffgehaben seyn/ wie man ja dazu uͤber aus grosse Hof- nung hat/ alsdann werde nicht allein das unbefugte Beleidigungs Schwert/ sondeꝛn auch das eigentaͤhtliche Rach Schwert zubrochen/ und aus der Welt verbannet werden. Aber Herkules gab ihr diese Antwoꝛt. Ja mein tꝛauten Schatz/ so muͤste es zwaꝛ billich seyn/ wañ nach algemeiner Einfuͤhrung des Christlichen Glaubens ein jeder/ wes Standes er seyn moͤchte/ seinen Glauben mit seinen Werken zuzeigen gefliessen seyn wuͤrde. Abeꝛ meinet ihr dann/ daß der hellische Friedenstoͤrer alsdann schlaffen/ und die Menschen/ insonderheit/ ho- he weltliche Haͤupter unangefochten lassen werde? Es hat ja der Sohn Gottes uns viel ein anders zuvor gesaget/ daß nehmlich am Ende der Welt/ oder in den lezten Zeiten man noch am allermeisten von Kriegen und Kriegsgeschrey hoͤren werde; welches ohn zweifel von den Christen selbst zuverstehen ist/ wann alle Welt sol Christlich werden. Valiska ant- l l l l ij worte- Siebendes Buch. wortete hierauff: Je was werden dann diese wol vor Christen seyn/ welche wider ihres Heylandes Befehl und Willen so vorsezlich zuhandeln/ uñ oͤffentliche Beledigungs Krie- ge anzufahen sich nicht scheuhen werden? Ach mein Seelichen/ sagte er hierauff; weiß sie dann nicht/ daß heut schon unter den Christen viel gefunden werden/ welche sich zwar zur Kirchen Gemeinschafft bekennen/ und nicht desto weniger einer und anderer Boßheit ihre Seele gewiedmet haben? Betrachtet nur den schaͤnd- und schaͤdlichen Lehr-Krieg/ wel- cher von den Ketzern in der Kirche geführet wird/ die sich alle vor Christen angeben/ und dannoch biß auffs aͤusserste sich katzebalgen. Es werden aber/ sagte Valiska/ die Christli- chen Lehrer und hohen Haͤupter der Kirchen wol durch ihr einreden und vermahnen/ die unbefugten Kriege koͤnnen hintertreiben/ und durch angefuͤhrte Ursachen/ deren sie aus Gottes Wort mehr als tausend zunehmen haben/ die Koͤnige und Fuͤrsten zu friedlieben- den gedanken bewaͤgen. Ja/ sagte Herkules/ wañ dieselben allemahl moͤchten gehoͤret wer- den. Wie sol aber ein grosser Koͤnig oder Fuͤrst es machen/ wann er von einem andern sei- nes gleichen hefftig und hart beleidiget wird? sol er darzu stille schweigen/ und solche Un- billigkeit zustraffen allerdinge vergessen seyn? Valiska/ nach kurzem stilleschweigen und tief- fem nachsinnen/ gab zur Antwort: Es muͤsten alle Koͤnige und Fuͤrsten/ die niemand vor ihren Obern/ als Gott und das Schwert erkennen/ dieselben/ sage ich/ muͤsten vermoͤge ih- rer geistlichen Gemeinschafft dessen einig seyn/ daß wann einer ihres Mittels/ einem an- dern unrecht tuhn/ oder sonst taͤhtliche Beleidigung anfuͤgẽ wuͤrde/ die andern sich alsbald darein mischen/ und beyden Teilen aufflegen muͤsten/ daß sie der uͤbrigen allen Machtspruch sich unterwerffen/ und der Beleidiger endlich dem Beleidigten gnugsame Erstattung lei- sten muͤste. Wuͤrde aber der eine Teil sich dessen wegern/ so daß der beleidigte nicht wolte ohn Rache sich lassen befriedigen/ oder der Beleidiger seinen Fehler nicht wolte erkennen noch verbessern/ alsdann stuͤnden die uͤbrigen alle an des Friedfertigen Seite/ und zwuͤngẽ den Kriegsuͤchtigen zur Billigkeit. O mein Schaz/ antwortete Herkules/ wie schwerlich wuͤrde sich dieses werkstellig machen lassen. Der eine wuͤrde einen Verwanten/ einen son- derlich gewogenen Freund/ einen getraͤuen Nachbar haben/ umb dessen Beystand er sich wuͤrde bewerben/ und dadurch unter allen Koͤnigen Uneinigkeit machen/ daß sie leicht in zween Hauffen ritten/ und beide streitende Teile ihren Anhang haͤtten/ worauff es uͤber uñ uͤber gehen/ und der boͤse Friedenstoͤrer der leidige Satan keine bessere gelegenheit ihm wuͤnschen koͤnte/ die ganze Christenheit aneinander zuhetzen; da er sich insonderheit wuͤrde bemühen/ der Koͤnige ihre hohen Bedienetẽ zum Geiz zuverfuͤhren/ durch dessen getrieb sie von den Gewalttaͤhtern wuͤrden Geld nehmen/ und mit Judas Ischarioth wol ihre Her- ren gar verrahten. Dann wo der Geiz herschet/ oder die Geizigen gewalt und gehoͤr habẽ/ da hat Satan seine getraͤuen Leute im Spiel/ durch welche er seinen Vorsaz/ das ist/ Krieg und Mord leicht erhalten kan. Sonsten gestehe ich gerne/ daß wann die ganze Welt zum Christlichen Glauben gebracht waͤhre/ und ein jeder Koͤnig oder grosser Herr sein Gewis- sen in acht naͤhme/ insonderheit aber dessen sich erinnerte/ daß er am grossen algemeinen Gerichts Tage/ von alle dem Blute/ welches auf seine Veranlassung vergossen ist/ Rechen- schafft geben muͤste/ wuͤrde Satan nicht so leicht koͤnnen blutige Kriege anzetteln/ es waͤh- re dann/ daß einer oder ander Koͤnig das Christentuhm im Munde/ und des boͤsen Teufels Willen Siebendes Buch. Willen im Herzen fuͤhren moͤchte. Zugeschweigen/ daß zwischen etlichen Laͤndern und Voͤlkern eine solche eingewurzelte Feindschafft ist/ dz deren Vergleichung und Liebe schei- net eine lautere Unmoͤgligkeit seyn. Ladisla redete mit darein/ weil er sahe/ dz seine Schwe- ster hieselbst eine geraume Zeit ihre Antwort hinterhielt/ uñ sagte: Ich vor mein Haͤupt wil diesen Sachen so weit nicht nachdenken/ nur moͤchte ich gerne berichtet seyn/ ob dann kei- nem Christlichen Koͤnige von Gott zugelassen sey/ einigen Beleidigungs Krieg anzufahẽ; dann daß er sich und seine Untertahnen wider frevelmuͤhtige Anfaͤlle wol schuͤtzen/ und ge- walt durch gewalt abtreiben duͤrffe/ daran wil ich schier nicht zweifeln/ demnach wir ja in Gottes Worte lesen/ daß recht fromme gottselige Koͤnige und Obrigkeiten/ zeit des Alten Bundes/ das Schuz Schwert mit gutem Gewissen/ ja wol gar auff Gottes Befehl das Rach Schwert ergriffen/ und dessen gluͤklich gebraucht haben. Diese Frage/ mein gelieb- ter Bruder/ kan viel leichter eroͤrtert werden/ sagte Herkules; Und ist diß meine Meinung/ daß so lange einiger beleidigten Obrigkeit der Weg Rechtens offen stehet und gegoͤnnet wird/ kan sie mit gutem Gewissen keinen Krieg anfahen noch fuͤhren/ man moͤge den Krieg auch taͤuffen wie man wil. Solte aber dem beleidigten aller Weg Rechtens verlegt und ab- geschnitten werden/ dann wird derselbe nicht zuverdenken seyn/ wann er mit dem Schweꝛ- te suchet/ sich der Unbilligkeit und gefahr zuentschuͤtten/ oder auch sein Recht zusuchen. Wiewol eine Christliche Obrigkeit alle und jede Umstaͤnde vorher wol und fleissig zuerwaͤ- gen hat/ ehe sie den Harnisch anleget. Insonder heit muß alsdann solche Obrigkeit sich huͤ- ten/ daß sie sich nicht lasse zu einer groͤsseren Rache verleiten/ als die eingenommene Belei- digung erfodert; noch unschuldig Blut vergiesse/ da sie dessen kan geuͤbriget seyn. Dann Menschen Blut ist vor unserm Gotte sehr teur und wert geschaͤtzet/ und mag eine jede O- brigkeit sich dessen wol versichern/ daß wann dieselbe Krieg und Blutvergiessen veranlas- set/ sie vor dem hohen Gericht des Aller hoͤchsten Gottes von solchem unschuldig vergosse- nen Blute wird Rede und Antwort geben muͤssen; Und O weh denen/ die solches nicht vor ihres Lebens Ende erkennen und rechtschaffen bereuen; denẽ wird Gottes Strafhand gar zu schwer und unleidlich fallen. Betreffend die grossen und blutigen Kriege/ welche Moses/ Josua/ David und andere wider die Unglaͤubigen gefuͤhret haben/ damit hat es seine sonderliche Beschaffenheit; dann weil solche heydnische Voͤlker/ wider welche diese Kriege gefuͤhret wurden/ durch ihre uͤbermachte Suͤnden es dahin gebracht hatten/ daß Gott uͤber sie die Straffe der Ausrott- oder Vertilgung beschloß/ und solches sein Gericht an ihnen zuveruͤben diesen seinen from̃en Dienern anbefahl/ waren solches keine menschli- che/ sondern des HErrn Kriege/ wie sie auch in Gottes Wort genennet werden/ uͤber wel- che alhie kein Mensch seine Urtel fellen/ sondern mit Koͤnig David sagen muß: HErr du bist gerecht/ und deine Gerichte sind gerecht. Sonsten daß unser Gott kein gefallen an denẽ Kriegen haben koͤnne/ welche unter Christen gefuͤhret werden moͤchten/ solches wird wol niemand in Zweifel zihen/ es waͤhre dann/ daß er Gottes Wort und Warheit wolte zu Luͤgen machen; Dann was der grosse Lehrer Paul den Christen insgemein gebeut/ da er spricht: Ist es moͤglich/ so viel an euch ist/ so habt mit allen Menschen Friede. Und der Sohn Gottes: Selig sind die Friedfertigen/ dann sie werden Gottes Kinder heissen; sol- ches ist nicht allein den Untertahnen/ sondern auch der Obrigkeit angesagt/ und stehet an l l l l iij stat Siebendes Buch. stat eines gnug samen Beweißtuhms/ daß alle Kriege/ deren man irgend kan muͤssig gehen/ den Glaͤubigen keines weges erlaͤubet sind; haben auch solche Kriegsuͤchtige schon die ge- draͤuete Straffe/ daß sie Gott zustreuen wolle. Sie wurden endlich in dieser Unterredung verstoͤret/ weil bey den Voͤlkern ein uͤberaus grosses Geschrey sich erhub/ dessen ursach zu erfahren sie aus ihrem Gezelt hervor gingen/ und sahen/ daß etliche hundert Mann einen Kranz von Graß/ Korn/ Laub und Blumen hinzu trugen/ in solcher groͤsse und weite/ daß alle Fuͤrsten sich dessen verwunderten; weil alle Traͤger in dessen Kreise stehen/ und darin- nen rings umher gehen kunten. Es wahren aber lauter Friesische Untertahnen/ welche ihn gemacht hatten/ brachten auch denselben ihrer neuen Koͤnigin Fr. Lukrezien herzu/ legten ihn zu ihren Fuͤssen/ und wuͤnscheten ihr so mannichen gluͤklichen Tag/ als Blumen/ Graß/ Kornhalme und Laub an diesem Kranze waͤhren. Welches ihr Gemahl/ Koͤnig Baldrich mit guter Freundligkeit beantwortete/ und allen Traͤgern eine sonderliche milde Gabe ver- sprach. Sie machten sich darauf wieder in ihr Gezelt/ uñ suchten durch allerhand Unterre- dungen sich zuergetzen; aber es wolte dañoch die Froͤligkeit bey den Koͤnigl. Haͤuptern nit volkom̄en seyn/ wegen der eingemischeten Trauer- uñ Leidgespꝛaͤche/ welche von dem verlor- ne Fraͤulein/ bald von einem bald vom andern angefuͤhret wurdẽ; da insonderheit die liebe Mutter sich im̄erzu aͤngstete/ und sich gar nit wolte bereden lassen/ dz sie añoch im Leben seyn solte/ insonderheit als ihr um dieselbe Zeit im Schlaffe vorkam/ wie sie zwey tieffe Wasser saͤhe/ in deꝛen einem ihꝛe liebe Tochter biß an dẽ Halß wadete/ uñ mañichmahl gar unter die Wellẽ kam; in dem andern aber Fuͤrst Arbianes noch groͤssere gefahr ausstund/ weil unter- schiedliche ungeheure Fische auff ihn ansetzeten/ und ihn zuverschlingen draͤueten. Sie er- zaͤhlete solches ihren lieben Kindern nicht ohn Traͤhnen/ welche daher auch wenig gutes zu deuten wusten/ ohn daß Koͤnigin Valiska sie versicherte; es waͤhre ihrer Gn. Fr. Mut- ter dieses zweifels ohn noch zum troste von Gott also vorgestellet/ massen sie daher die siche- re Hofnung fassete/ daß sie noch beyderseits im leben/ aber in unterschiedlicher Gefahr/ auch wol von einander getrennet seyn moͤchten. In welcher Auslegung sie dann nicht umb ein Haar fehlete. Des andern Tages nach der geendigten Fehde ließ Baldrich seine Friesen wieder zurük gehen/ gegen welche er sich gebuͤhrlich bedankete/ uñ wegen getraͤuen beystan- des ihnen alle Koͤnigliche Gnade versprach/ neben der Verheissung/ daß allen die ihm zu- gezogen waͤhren noch ein halbes freies Jahr/ nach dem schon versprochenen ganzen Jahre/ solte geschenket seyn; uͤber welche mildigkeit sie sich zum hoͤchsten verwundertẽ. Er behielt aber auff Herkules gutachten deren 9000 bey sich/ die er biß nach Prag mitfuͤhren solte/ ob etwa der Teufel auch in Boͤhmen loß werden wolte/ daß man einen nohtschuz bey sich haͤt- te/ und wurden dieselben mit den 6000 Wenden in ein Heer zusammen gesezt/ doch daß je- de Landes-Art ihre eigene Befehlichshaber und Geschwader hatten. Die Teutschen mu- sten gleicher gestalt ausser 12000/ alle miteinander nach hause gehen/ die genennete aber bey ihren nunmehr bestaͤtigten Koͤnigen bleiben/ da alles Volk nebest den Pfaffen angeloben musten/ daß sie von der Christen Gott und ihrem Glauben nichts spoͤt- oder veraͤcht- liches/ vielweniger laͤsterliches reden wolten; dagegen solten sie in ihrem Gottesdienste auch ungestoͤret/ unangefochten und unbespottet bleiben; wiewol einem jeden Untertahnen freistehen solte/ wann ihm aus ungezwungenem freien willen belieben wuͤrde/ den Christli- chen Siebendes Buch. chen heiligen und allein seligmachendẽ Glauben anzunehmen/ wiewol gar wenig sich an- funden/ deren Herz von Gottes Geiste zu solcher heilsamen Bekehrung geruͤhret ward/ so gar wahren sie in ihrem heidnischen Irtuhm und vaͤterlicher gewohnheit ersoffen. Als sie sich auff den Weg nach Magdeburg begaben/ saͤumeten sie auff der Reise nicht lange/ und behielt Ladisla umb mehrer sicherheit willen/ alle seine Boͤhmen bey sich/ biß sie zu Magde- burg anlangeten/ da musten sie alsbald fort nach ihrer Heimat gehen/ jedoch 9000 bey ih- rem Koͤnige verbleiben. Weil nun hieselbst auff fleissige Nachfrage kein Mensch das aller- geringste von dem verlohrnen Fraͤuleinzu sagen wuste (dann die Mutter hatte Hofnung gehabt/ hieselbst etwas zuerfahren) da ging das Herzleid von neuen bey ihr an/ so daß sie al- le Hofnung verlohr/ sie Zeit ihres lebens wieder zu sehen/ drunge auch stark darauff/ daß man ihres todeswegen die Trauer anlegen solte/ welches sie aber nicht erhalten kunte. Ihr Hoffgesinde/ so dem Heidentuhm annoch ergeben wahr/ sucheten vor sich selbst bey ihren Pfaffen an/ aus den Opffer-zeichen oder anderen üblichen nachforschungen ihnen anzu- melden/ wie es mit dem Fraͤulein moͤchte beschaffen seyn/ dann sie ward von hohen und ni- drigen wegen ihrer Demuht und Froͤmmigkeit uͤberaus heftig geliebet; aber es wolten die Pfaffen sich weder durch schenkungen noch verheissung bewaͤgen lassen/ das allergeringste davon zu melden/ aus furcht/ sie wuͤrden ihre Obrigkeit dadurch beleidigen/ weil ihnen be- wust wahr/ daß die Christen solches alles vor ein Affenwerk und Narrentand hielten. La- disla waͤhre gerne bald wieder zu Prag gewest/ aber Koͤnig Henrich wolte ihn vor seiner und seines Sohns Herkules beschehener Kroͤnung nicht lassen/ welche des neunden Ta- ges nach ihrer Ankunft angesetzet wahr/ und die Teutschen aͤdlen/ so voraus gezogen wah- ren/ solches durch das ganze Land ausbreiten musten. Herkules ließ seine und seines Ge- mahls Krone bey schneller Botschaft von Prag hohlen/ nebest etlichen Tonnen Goldes Baarschaft/ vielen Kleinoten/ und 50 Fuder der mitgebrachten koͤstlichsten Italianischen und Griechischẽ Weine/ ward auch eine herliche Bahn zum Ringelreñen vor dem Schlos- se angeleget/ und bemuͤheten sich die Jaͤger allerhand Wildbraͤt herbey zuschaffen/ da die Fuͤrsten selbst alle Tage dem Weidewerk oblagen. Der Ausschuß von den Landstaͤnden stelleten sich gebührlich ein/ aber uͤber dieselbe eine solche menge Volkes/ welche der Koͤnig- lichen Kroͤnung zusehen wolten/ daß umb das Koͤnigliche Schloß her von allen seiten fast eine halbe Meile Zelten und Huͤtten auffgerichtet wurden. Koͤnig Henrich und Herkules wurden mit der Kron gekroͤnet/ welche der Kaͤyser selbst unserm Herkules zu Padua auff- gesetzet hatte/ die beyden Koͤniginnen aber mit Valisken Kron/ welche sie eben an dem Ort hatte empfangen/ und ist unmoͤglich zubeschreiben was vor ein Freudengeschrey dabey ge- trieben ward. Man warff ganze Saͤcke vol Silbergeld/ und ganze Tonnen vol guͤldener Muͤnze bey der Kroͤnung aus/ dessen man dazumahl in Teutschland allerdinge ungewoh- net wahr/ und legten die einfaͤltigen Bauren solches also aus/ als wann sie es nur auflesen/ und alles wieder einliefern muͤsten. Wie sie aber ein wiedriges vernahmen/ daß ein jeder behalten solte/ was er ergriffen haͤtte/ da speiete sich mannicher selber an/ daß er das auffge- lesene andern hingereichet hatte/ und doch nicht wuste wem. Ja etliche durften fragen/ wie viel Tage solches Geldaus saͤen wehren wuͤrde. Bey der Koͤniglichen Gaͤsterey ging alles praͤchtig zu/ nur daß die rechte Kunstweise zu Singen und auff Seiten zu spielen/ von Koͤ- nig Siebendes Buch. nig Henrich an seinem Hofe annoch nicht angeordnet wahr/ daher nach gehaltener Mahl- zeit Valiska an dem obersten Tische mit ihrer Lauten sich lustig machete/ da die anwesende Abgeordente von den Staͤnden hinzudrungen/ dem herlichen Spielwerk und eingerichte- ten Gesange zuzuhoͤren/ gleich als sie den 45sten Psalm des Koͤniges David in einer lieb- lichen Weise sang/ welcher also lautete. Der XLV. Psalm. 1 W Je treibet mich mein Herz und Sin/ Und reisset mein Vermoͤgen hin/ Ein Lied ein feines Lied zu tichten/ Vom Koͤnige wil ich zurichten Den aller lieblichsten Gesang; Gleich wie ein schneller Schreiber fuͤhret Die Feder/ die er richtig spuͤret/ Sol klingen meiner Zungen Dank. 2 Du bist der allerschoͤnste Mann/ Der unter Menschen leben kan/ Deß Lippen auch von Honig fliessen; Drum wird dich Gott zusegnen wissen Mit Freud und Wollust fuͤr und fuͤr. Du starker Held in Ungluͤks Zeiten/ Dein blankes Schwert guͤrt an die Seiten/ Und schmūcke dich mit Pracht und Zier. 3 Recht/ daß der Streit und Kampf dir gluͤkt/ Weil du so praͤchtig bist geschmuͤkt. Fahr her zu uns auff deinem Wagen Der Wahrheit/ und las dir behagen/ Was Sanfftmuht und das Recht begehrt; So wird die Staͤrke deiner Rechten Dich wunderbahrlich lehren fechten Zu wieder dem der dich beschwehrt. 4 Scharff und durchdringend ist dein Pfeil/ Und straͤnger als kein Donner Keil/ Kein Volk mag dessen Schuß ertragen; Zur Erden werden sie geschlagen/ Da wo der Feinde Schaar sich haͤlt. Dein Stuel O Gott kan nicht vergehen/ Dein Reichs Stab muß gerader stehen Als wol kein ander in der Welt. 5 Gerechtigkeit die haͤltstu wert/ Und hassest den/ der Gottloß faͤhrt/ Es muß ihm fehlen allenthalben/ Drum hat dein Gott mit solchen Salben Dich Gott und Herscher schoͤn geschmiert/ Die Froͤligkeit in uns entzuͤnden/ Mehr als die sich bey dir empfinden/ So treflich bistu auß geziert. 6 Es riechen deine Kleider ja Wie Aloes und Kasia/ Und wie die Myrren/ wo du stehest/ Und her aus grossen Haͤusern gehest Von Elffenbeinen auffgebaut. So tritstu her in deinem Prangen/ Wie solchen Schmuk auch um sich hangen Die Koͤnigs-Toͤchter und die Braut. 7 Zur rechten Seiten steht sie dir In aller reinster Goldes Zier/ So gut als mans aus Ophir bringet. O schoͤnste Tochter/ was hier klinget/ Da hoͤr und sihe du nach aus/ Neig her die Ohren: Unterdessen Must deines Volkes du vergessen Und deines lieben Vaters Hauß. 8 So wird der Koͤnig allemahl Dich lieben wie sein Einig-Al/ Und deiner Schoͤnheit stets begehren. Er ist dein HErr/ den mustu ehren/ Und ganz demuͤhtig vor ihm stehn. Die Tochter Zor wird Gaben bringen/ Und Reiche werden zu dir dringen Daß sie vor deinen Augen flehn. 9 Der Koͤnigs-Tochter schoͤner Pracht Ist innerlich vor hoͤchst geacht/ Mit guͤlden Stuͤk ist sie geschmuͤcket/ Und ihre Kleider sind gesticket; So wird sie an den Koͤnig bracht; Das Frauen Zimmer auch daneben/ Die ihr zu Dienst Gefaͤrten geben Sind allesamt in deiner Macht. 10 Die Heimfahrt ist mit Lust geschehn/ Ins Koͤnigs Hoff siht man sie gehn. Du wirst viel schoͤner Kinder saͤugen An Vaͤter stat/ und Fuͤrsten zeugen Der ganzen Welt. Zu aller Zeit Wil deines Nahmens ich gedenken/ Drum werden dir die Voͤlker schenken Sehr hohen Dank in Ewigkeit. Die Siebendes Buch. Die heidnischen Zuhoͤrer verstunden dieses Gesanges Inhalt ganz nit/ meineten/ es waͤh- re von eines jr dischen Koͤniges Tapferkeit und Heyraht getichtet/ und hatten mehr gefal- len an der gesanges Weise/ als an den Worten. Ihre Fr. Mutter selbst/ die alte Teutsche Koͤnigin/ zweifelte/ worauff sie zielete/ deßwegen Valiska mit lauter Stimme zu ihr sagete: Gn. Fr. Mutter; dieser Gesang ist nichts anders/ als ein Geistliches Lied/ welches ein geist- reicher weissagender Koͤnig des Israelitischen Volkes/ nahmens David/ unserm Heylan- de und Erloͤser Jesus Christ/ uñ der glaubigen Christlichen Kirchen zu ehren getichtet hat/ mehr als 1000 Jahꝛ vorher/ ehe deꝛselbe unseꝛ Heyland seineꝛ Menscheit nach an diese Welt gebohren ist/ dañ der heilige Geist Gottes hat ihm solches eingegeben/ er aber hat es auffge- setzet den damahligen Glaͤubigen zu trost/ daß dieser versprochene Himmels Koͤnig gewiß- lich kommen und nicht ausbleiben wuͤrde/ wie lange sichs gleich damit verzoͤhe; Und ruͤh- met alhie der Tichter den Sohn Gottes als einen himlischen Braͤutigam seiner glaͤubigen Kirchen/ wie derselbe so schoͤn/ freundlich- beredsam/ maͤchtig und gerecht sey; seine Braut aber/ daß dieselbe auch von ihrem Braͤutigam treflich ausgeschmuͤcket sey/ durch welchen Schmuk die iñerliche Zierligkeit des Glaubens/ der Hoffnung/ Liebe/ Geduld/ und anderer Christlichen Tugenden verstanden wird; dañ vor dem heiligen Gotte gilt kein aͤusserlicheꝛ Pracht von Gold/ Perlen und aͤdlen Steinen/ sondern ein Herz/ welches sich von den suͤndlichen Werken des Fleisches und von der Liebe der uͤppigen Wollust abzeuhet/ und hingegen seinen Gott sich zu allem Gehorsam ergiebet. Diese Rede hoͤreten alle im Saal versamlete Heiden mit grosser befremdung an/ und begunten etliche zu sagen: Wañ der Christen Glaube also beschaffen waͤhre/ daß er nur zur uͤbung der Tugenden anfuͤhrete/ so muͤsten es gottlose Verleumder seyn/ die den Christen alle Freiheit zur Suͤnde uñ Schan- de aufbuͤrdeten. Herkules nam auff seiner Fr. Mutter begehren die Laute auch zur Hand/ und gab ihr zuvernehmen wie bereit er waͤhre ihr zugehorsamen/ nebest anzeige/ er wolte ein Lied hoͤren lassen/ in welchem angezeiget wuͤrde/ was vor einen herlichen und kraͤftigen Trost eine glaͤubige Seele daher zunehmen haͤtte/ daß dieser unser himlischer Braͤutigam JEsus Christ seiner Menscheit nach erhaben waͤhre/ und zur rechten der Kraft Gottes im Himmel sich gesetzet haͤtte; da er dañ nach einem uud anderem kurzen Vorspiel (umb die reinstimmung der Lauten zuvernehmen) dieses Lied erschallen ließ. Seelen-Trost Uber unsers zur Rechten Gottes sitzenden Heylandes Vertretung seiner Glaͤubigen bey GOtt. 1 G Ott Lob! das Heil ist wieder bracht/ Die Noht ist uͤberwunden; Weil JEsus Christ in grossem Pracht Sich hin zu Gott hat funden Dann weil er nun im Himmel sitzt/ Und kraͤfftig seine Schaar beschuͤtzt/ Ist sie der Angst entbunden. 2 Der schwarze Satan stund vor Gott/ Der uns sehr hart verklagte; Die Suͤnde macht’ uns grosse Noht/ Die das Gewissen plagte; Der Tod trat her mit vollem Lauff/ Die Helle taht den Rachen auff/ Daß alle Welt verzagte. 3 Der Eifer Gottes brante sehr/ Gesetzes Spruch wahr herbe; Die Urtel druͤkte gar zu schwehr/ Wer suͤndiget der sterbe; Dann Missetaht kan anders nicht/ Als daß sie stuͤrzet ins Gericht/ Und raubt des Himmels Erbe m m m m 4 Wie Siebendes Buch. 4 Wie wiltu armer Suͤnder dann Der Hellen Pein entgehen? Kom schaue deinen Heiland an/ So wirstu wol bestehen; Der dir zur Rettung ist gesand/ Sizt hoch zu Gottes rechten Hand/ Da horet er dein flehen. 5 Daselbst vertrit er dich mit Krafft Und reinigt dich von Suͤnden. Umsonst sucht Satan deine Hafft/ Dann Christ wil dichs entbinden. Der Tod zeucht seine Klauen ein/ Die Helle muß verstopfet seyn/ Und was dich quaͤhlt/ verschwinden. 6 Dein JEsus stillet Gottes Zorn/ So groß ist sein vermoͤgen; Bricht des Gesetzes steifes Horn/ Und macht aus Urtel Segen; Ja alle deine Missetaht/ Die Gottes Grim erwecket hat/ Muß sich in Abgrund legen. 7 Was fuͤrchtestu O Suͤnder dann/ Was stehestu in Zagen? Nur schaue deinen Heyland an/ Der deine Schuld getragen; Der ist/ so weit der Himmel geht/ Hoch uͤber Engels-Krafft erhoͤht/ Mehr als wir koͤnnen sagen. 8 Dein Fleisch O Mensch/ herscht uͤberal In JEsus deinem HErren/ Darum bewaͤget dich kein Fal/ Er sey nah oder ferren. Wer koͤnt uns doch/ wo JEsus Christ Dein Bruder Ober Meister ist/ Die Himmels Tuͤhr versperren? 9 Er ist des Vaters liebster Sohn/ Dem Gott noch nichts versaget; Durch sein Verdienst ist aller Hohn Gott Lob/ vor uns gejaget; Als er vor uns sein teures Blut Vergossen hat mit grosser Fluht/ Und sich in Tod gewaget. 10 Der herschet nun mit voller Macht Als Gott und Mensch zusammen; Und weil er uns zum besten wacht/ Wird uns wol nichts verdammen; Der Teufel sey noch eins so groß/ So gibt ihm JEsus doch den Stoß Und wirfft ihn in die Flammen. 11 Uns aber wil er nach dem Tod’ Aus Gnaden zu sich zihen/ Und schaffen/ daß wir aller Noht Durch seine Hulff’ entfliehen. Drum trit zu diesem JEsus her/ So wird dein Heyl je mehr und mehr Auff wachsen und vol bluͤhen. 12 Ach ja/ du suͤsser JEsus Christ/ Der du hinauff gestiegen/ Und Herscher uͤber alles bist/ Laß uns nicht unter liegen. Vertrit dein armes Haͤuffelein/ Und gib/ das wir nach dieser Pein Uns hin zu dir verfuͤgen. Amen. Es ist ein uͤberaus grosses/ sagte seine Fr. Mutter nach dieses Liedes Endigung/ daß ein ar- mer suͤndiger Mensch von dem allerhoͤchsten Gott die Freiheit hat/ sich in seinen Noͤhten zu ihm durchs Gebeht hinzuwenden/ und dessen hohe Kraft zu seinem besten zugebrauchẽ. Zwar ich habe zeit meines Heydentuhms ja auch wol die Hofnung gehabt/ meine damah- lige vermeynte Goͤtter wuͤrden zeit der Noht bey mir stehen/ und mir Rettung widerfah- ren lassen/ aber keine Zuversicht/ kein Vertrauen wolte sich dabey eraͤugen/ und wahr nicht viel anders/ als wann mich der kalte Schweiß erwaͤrmen solte. Ja gn. Fr. Mutter/ ant- wortete Koͤnigin Valiska; wie kan man trauen/ da kein grund ist? Wie kan man auff den Trieb Sand fest bauen? Ich muß ja vorhin in meiner Seele dessen versichert seyn/ daß der- selbe warhafftiger Gott sey/ der mir helffen sol/ ehe ich mich verfichern kan/ daß ich die ge- wisse Huͤlffe von ihm zugewarten habe. Ja ich muß zuvor auch wissen/ ob derselbe geneigt und willig sey mir zuhelffen/ zu dem ich meine Zuflucht nehmen sol. Dann wo es an die- sem gedoppelten Grunde mangelt/ da ist es dem listig-verschlagenen Teufel ein leichtes/ des Siebendes Buch. des Menschen Herz aller Zuversicht zuberauben/ und die voͤllige Verzweifelung ihm bey- zubringen. Ja es hat noch Muͤhe gnug/ daß ein glaͤubiger frommer Christ vor den Anfech- tungs Pfeilen dieses Hundert-Tausend-Kuͤnstlers gesichert bleibe/ deren freilich die Hei- ligen Kinder Gottes/ als lange sie in dieser gebrechligkeit wallen/ nicht koͤnnen allerdinge enthoben seyn; massen dieser Feind unserer Seligkeit ein unverschaͤmter Gast ist/ und sich lieber einstellet/ da er nichtgeladen wird/ als da er seine Stelle schon weiß. Jedoch sind wir in der Schuz Hand unsers Almaͤchtigen Gottes/ der uns mit seinem Gnaden Schilde dec- ket/ daß die Anfechtungs-Schuͤsse leer und ohn Blut abgehen muͤssen. Aber uns lieget in- zwischen ob/ Gottes Barmherzigkeit hieruͤber inbruͤnstig anzuruffen/ und dabey uns fleis- sig zuhuͤten/ daß wir nicht durch unsere Sicherheit und uͤppiges getrieb den Schuz Got- tes von uns wenden/ und dem Versucher uns unbewaffnet darstellen. Wann wir nun hieselbst das unsere nach Vermoͤgen tuhn/ und mit Furcht und Zittern im Glauben unsere Seligkeit wirken/ ob wir gleich zuzeiten aus Fleisches Schwacheit straucheln/ wil doch Gott darumb nicht alsbald die Hand gar abzihen/ sondern auf ergangene Berenung gnaͤ- dig seyn/ und gerne wie der auffhelffen. Ich erinnere mich/ daß meine gn. Fr. Mutter mir schon mehr als einmahl ihres Herzen Anliegen zuverstehen gegeben/ daß sie den Anfech- tungẽ nicht allemahl zusteuren wisse; aber wir muͤssen den Teuffel nicht zuviel hofiren/ noch auff alle seine Einwuͤrffe uns zur Verantwortung einlassen/ sondern uns auff unsers Got- tes Barmherzigkeit und seines lieben Sohns Verdienst beruffen/ alsdann wird der Het- lige Geist seinen kraͤfftigen Trost in unser Herz fest einsenken/ daß Satan mit allen seinen Versuchungen zu schanden werden muß. Meine herzgeliebte Fr. Tochter hat mir vor et- lichen Tagen auff der Reise/ da wir auf dem Elefanten beyeinander wahren/ ein troͤstliches Lied hoͤren lassen/ sagte die alte Koͤnigin/ dessen Anfang dieser wahr: Ach wie angst ist unser Seelen/ wann der Teufel auff uns sticht; und moͤchte ich dasselbe noch gerne einmahl hoͤren. Valiska gab zur Antwort: Mein Herr Bruder Koͤnig Ladisla hat dasselbe auffgesetzet/ uñ wird verhoffentlich seiner Fr. Mutteꝛ nicht versagen/ es alsbald anzustim̄en. Ihr Bruder sagte mit einem Lachen: Geliebte Schwester/ du weist allerhand Mittel zuerfinden/ mich und andere zum Schuelrecht anzufodern/ so daß man nicht bald gelegenheit haben kan/ diꝛ dein begehren zuversagen; nam die Laute zur Hand/ gab ihr eine andere Verstimmung/ und sang dieses Lied darein. Umb Beystand des Heiligen Geistes zeit der Anfechtung. 1 A Ch wie angst ist unser Seelen Wann der Teuffel auf uns sticht; Wann er/ Herz und Geist zu quaͤhlen/ Unsern Trost-Stab gar zubricht; Wann er seine Pfleil’ ohn Ruh Scheust auff uns Elenden zu/ Und macht uns mit seinen Waffen Unertraͤglich viel zuschaffen. 2 O da ist kein Trost zu finden/ Da faͤlt alle Freude hin: Unsre Kraͤffte die verschwinden/ Und der hart geplagte Sin Schreiet lauter weh und Ach/ Laͤsset keine Stunde nach/ Kan die Pein nicht mehr ertragen/ Noch sein Herzleid von sich sagen. 3 Geiliger Geist/ du Kraft der schwachen/ Du im tunkeln helles Licht/ Wirstu uͤber uns nicht wachen/ Wirstu uns erleuchten nicht/ So ist es um uns getahn. Keiner ist der helffen kan/ Wann du wirst dein Heil versagen/ Und vor uns nicht Sorge tragen. m m m m ij 4 Schau Siebendes Buch. 4 Schau’ auff uns elende Kinder; Ohn dich sind wir Vater loß Satan bleibt wol Uberwinder Wann du Gott uns laͤssest bloß. Heiliger Geist/ beut uns die Hand/ Und feucht unser duͤrres Land; Las dich als ein Schuͤtzer finden/ Und Anfechtungs-Feur verschwinden. 5 Hoͤchster Trost in allen Noͤhten/ Sieh’ uns arme Suͤndeꝛ an/ Und laß vor dich unser behten. Nichts ist das uns retten kan/ Wann du nicht die Hand anlegst Und den Feind zu ruͤcke schlaͤgst; Nichts ist/ das der Teuffel scheuhet/ Als wann deine Kraft ihm draͤuet. 6 Dann weiß er nicht Fus zuhalten/ Sondern muß die Flucht angehn; Sein’ Anfechtung muß erkalten/ Wann dein Heil du laͤssest sehn; Wann du uns zur Seite stehst/ Und zu unser Huͤlff’ außgehst/ Dann so muͤssen seine Flammen Ihn selbst brennen und verdammen. 7 O so kom du Rettungs-Bringer! Unsre Seele sey dein Hauß. So wird alle Noht geringer/ So reist Satan furchtsam aus/ Und des schwachen Menschen Muht Waͤchset unter deiner Huht/ Daß er allem Teuffels-wuͤten Und Anfechtung Troz kan bieten. 8 Wir sind willig unsre Herzen Dir zu liefern; nim sie an/ Und laß deines Wortes Kerzen/ Welches dunkel brechen kan/ Bey uns scheinen fuͤr und fuͤr; HErr entzuͤnde die Begier/ Daß wir glaͤubig zu dir rennen/ Und von heisser Liebe brennen. 9 Dann sol aller Teuffel Schrecken Uns forthin nicht schrecklich seyn/ Wann wir deinen Trost nur schmecken/ Wann du zu uns kehrest ein. Ach erhoͤr uns Gottes Geist/ Der du heilig bist und heist; Dann so wollen wir dort oben/ Und hie niden dich stets loben. Amen. Herkules wolte auch eines hinzu tuhn/ welches gleiches Inhalts waͤhre/ und ließ dieses er- schallen: 1 W ann unsre Macht des Satans List und Pfeil/ Und seine Wuht nicht kan zu ruͤcke treiben; Wann unser Fleisch uns selbsten alleweil Verfuͤhren wil/ auf boͤser Bahn zu bleiben; Wann Suͤnden-Angst zu giftig auf uns schlaͤgt/ So daß wir uns auch vor uns selbst entsetzen; Und unsern Geist durch Zweifelmuht erlegt/ Daß gar kein Trost ihn wieder kan ergetzen; 2 Sotrit uns zu/ du grosse Himmels Kraft/ Gott Heilger Geist/ gib Kraft in solchẽ Noͤhten; Las Satans Pfeil und List seyn abgeschaft/ Und daß der Geist das Fleisch moͤg’ untertretẽ; Die Suͤnden-Angst nim gnaͤdig von uns hin/ Daß sie uns nicht in dieser Noht erdruͤcke; Hilf wieder auf und staͤrke Muht und Sin/ Daß unser Geist sich/ HErr Gott/ zu dir schicke. 3 Du bist ia HErr der armen Suͤnder Trost/ Der schwachen Krafft/ die Hofnung der Elenden; Wann Satans Grim auff Sie gewaltig stost/ Pflegstu die Noht in Gnaden abzuwenden. Du richtest auf was sonst er schlagen liegt; Dein Gnaden-Strohm erquicket matte Seelẽ; Dein Schutz ist/ der die frommen nicht betriegt/ Vñ unser Herz frey macht von Satans quaͤhlẽ. 4 Diß frischet uns/ O hoͤchster Troͤster/ an/ Daß wir nicht gar in diesem Kampf erliegen/ Den sonst kein Mensch zum Sieg’ aus fuͤhrẽ kan/ Wann wir nicht Kraft durch deine Gnade kriegẽ. Ach Heilger Geist/ so steh uns schwachen bey/ Las deine Macht und Guͤte troͤstlich scheinen; Zu dir erhebt sich unser Noht-Geschrey/ Derwegen kom und rett’ O Gott die deinen. Amen. Fuͤrst Olaff wunderte sich/ daß diese Fuͤrsten und Valiska das Seiten spiel und die Sin- gekunst so wol begriffen hatten. Sein Leibdiener ein gebohrner Engelaͤnder/ wahr dersel- ben auch wol erfahren/ und hatte unter schiedliche anmuhtige Lieder aus den heydnischen Geschich- Siebendes Buch. Geschichten/ die nicht uneben gesetzet wahren/ welches Koͤnigin Valiska wuste/ und ihm die Laute reichete/ den anwesenden aͤdlen eines auffzumachen; Welcher in gebuͤhrlichem Gehorsam solches leistete/ und aus dem Ovidius das Getichte von dem Pyramus und der Thysbe in diesen Reimen anstimmete: Thysben Klage uͤber ihres Pyramus Tod. 1 P Yramus mein bester Freund/ Meines Lebens Sonne; Meine Freud und Wonne/ Der mich traͤulich hat gemeint! Was vor Vngluͤk hat dich troffen? Wer hat dich alhie ermordt? Stilstu so mein sehnlich hoffen/ O du meiner Seelen Hort? Wer hat dich erschlagen? Wiltu mirs nicht sagen? 2 Pyramus erhoͤre doch Deiner Thysben Schreihen; Wiltu so erfreuen Ihr angst-schweres Liebe-Joch? Ach was sol ich nun beginnen? Weh O weh der grossen Noht! Ach der Herzog meiner Sinnen Ligt vor meinen Fuͤssen tod! Leiden uͤber Leiden Wirket Todes scheiden! 3 Mein Ziel wahr in dich gericht Vnd dir wahr ergeben Mein Herz/ Geist und Leben; O freundlich Angesicht/ Wo ist deine Schoͤnheit blieben? Warumb bistu doch so bleich? Das zulieben mich getrieben/ Ist nun eine todte Leich’. O du bittre Liebe/ Darin ich mich uͤbe! 4 Dieses Schwert sey stets verflucht/ Welches hat dein Leben In den Tod gegeben/ Vnd dein keusches Blut versucht. Trag’ ich schuld an deinem sterben/ Wie mir zeiget diß mein Kleid; Bin mit dir gleich zuverderben Ich ganz willig und bereit; Wil mit meinen Haͤnden Gern mein Leben enden. 5 Ich wil dein Gefaͤrte seyn/ Vnd dich nicht verlassen Auff des Todes Strassen; Dieses wuͤnsch’ ich nur allein: Vnsre Leiber moͤgen liegen Fein in eines Grabes Raum; Darzu wil ich dieses fuͤgen: O du blutger Maulbeer Baum! Deine Beerlein faͤrbe Blutroht/ wann ich sterbe. Valiska lobete den Tichter/ und sagete zu Olaff: Solche und dergleichen weltliche Ge- saͤnge/ die weder von Goͤttern noch Menschen schandbahre Sachen in sich begreiffen/ son- dern entweder der Warheit aͤhnliche Erzaͤhlungen/ und keusche Liebes-Reden/ oder sonst der Tugend Lob uns vorstellen/ sind mir nicht unangenehm. Der Lauten Spieler hoͤrete die- ses/ und ließ folgendes noch darzu erklingen: Koridons Morgen-Seuffzer. 1 N Vn die finstre Nacht ist hin/ Hoffnung hat mich jezt umfangen. Fillis liebste Schaͤfferin Bistu schon hinweg gegangen! Warumb geh’ ich nicht mit dir? O du Sonne meines lebens/ Lieb’ ich dich dann so vergebens? Bricht dein Glanz noch nicht herfuͤr? 2 Zwar der Sonnen-Fackel wacht/ Und die Morgenroͤhte scheinet/ Alles Wild im Walde lacht; Und mein Herz im Leibe weinet. Fillis laͤufstu’ noch vor mir? O du Sonne meines lebens/ Lieb’ ich dich dann so vergebens? Bricht dein Glanz noch nicht herfuͤr? 3 Hoͤre doch die Nachtigal/ Wie sie schon ihr Stimlein fuhret/ Wann sie klaget ihren Fal/ Daß sie unktusch ist beruͤhret. m m m m iij Fillis Siebendes Buch. Fillis aller Waͤlder Zier/ O du Sonne meines lebens/ Lieb’ ich dich dann so vergebens? Bricht dein Glanz noch nicht herfuͤr? 4 Schaue deine Schaͤffelein/ Wie sie in den Auen spielen/ Weil auch sie des Tages Schein Und der Sonnen Hitze fuͤhleu. Fillis Fillis kom doch hier! O du Sonne meines lebens/ Lieb’ ich dich dann so vergebens/ Bricht dein Glanz noch nicht herfuͤr? 5 Vnsre Heerden weiden all/ Welche Berg’ und Tahl besteigen/ Vnd der Schaͤffer-Pfeiffen-Schall Laͤst die Echo nimmer schweigen. Fillis Fillis koͤmstu schier? O du Sonne meines lebens Lieb’ ich dich dann so vergebens/ Bricht dein Glanz noch nicht herfuͤr? 6 Deine Schaͤflein weiden nicht/ Wer wil deine Laͤmmer traͤnken? Gib mir deiner Augen Licht/ Die mein Herz abwesend kraͤnken. Deiner wart’ ich mit begier. O du Sonne meines lebens/ Lieb’ ich dich dann so vergebens? Bricht dein Glanz noch nicht herfuͤr? 7 Hat dich Vngluͤk uͤbereilet? Hat dich wa der Wolf verletzet? Hastu dich wa sonst verweilt/ Oder untern Baum gesetzet? Scheuhstu wa das wilde Tihr? O du Sonne meines lebens/ Lieb’ ich dich dann so vergebens/ Bricht dein Glanz noch nicht herfuͤr? 8 O ihr Hirten jauchzet nicht/ Lasset die Schalmeten schweigen; Lasset euer Traur-geticht Hin biß an die Wolken steigen; Ruffet/ rufft/ (was schweiget ihr?) O du Sonne meines lebens/ Lieb’ ich dich dann so vergebens? Bricht dein Glanz noch nicht herfuͤr? Das Koͤnigliche Kroͤnungs Fest ward drey Tage feirlich gehalten/ da unter andern/ sechs grosse Baͤhren mit so viel Ochsen kaͤmpffen musten/ welches eine feine Lust zu sehen wahr/ uñ vier Ochsen auch zween Baͤhren das Leben einbuͤsseten. Die versamleten Bauren hatten auch ihre gewoͤhnliche uͤbungen mit dem Steinwurff und dergleichen; unter anderẽ kurz- weilen hatten sie eine Gans an einen Quehrbalken bey den Fuͤssen auffgehenket/ unter wel- chem sie mit vollem rennen herjagen/ und nach der Gans greiffen musten/ da der/ so ihr den Hals abrisse/ eine Tonne Bier zum Gewin davon brachte. Nach geendigtem solchem Fest schicketen sich die unsern zur Reise/ welche die beyden jungen Koͤniginnen vor allen andern befoderten/ weil nach ihren jungen Herrlein ihnen sehnlich verlangete. Es wird aber Zeit seyn/ daß wir dem hoͤchst betrübten Großfürstlichen Fraͤulein ein wenig nachfolgen/ umb ihren elenden Zustand anzuschauen/ welches ohn mitleiden nit geschehen kan. Dieselbe hatte auff ihres getraͤuen Wolfganges emsiges anhalten sich end- lich noch erhoben/ und einen ungebahneten Weg/ Leute anzutreffen/ vor sich genommen/ aber biß eine Stunde vor Abends sahen sie keinen Menschen/ endlich stiessen drey/ dem aͤus- serlichen ansehen nach/ erbare alte Maͤnner auff sie von der linken Seiten her; welche auff ihre nach frage/ ob in der Naͤhe kein Dorff waͤhre/ zur Antwort gaben; nicht weit von hin- nen haͤtten sie in einẽ Flecken ihre Wohnung; ermahneten sie mitzugehen/ und vertroͤsteten sie guter Herberge. Das Fraͤulein ward ihrer Geselschaft froh/ und sagete: O ihr ehrliche Maͤnner und gute Freunde/ des muͤsse euch Gott im Himmel lohnen/ daß ihr uns zu rechte weiset/ damit wir nicht in dieser Einoͤde dürffen liegen bleiben; und moͤchte ich wuͤnschen/ daß euer Flecken nicht gar zu weit waͤhre/ ich werde sonst schwerlich so weit gehen koͤnnen. Wir werden gar bald dahin gelangen antwortete der eine/ fragete auch darauff/ was vor Leute Siebendes Buch. Leute sie waͤhren; dem Wolffgang antwortete; diese junge Frau waͤhre seines Bruders Eheweib/ und wohnete in Frießland jenseit der Isel/ dahin sie zu gehen willens waͤhren. Nun hatte sich aber Wolfgang in der Welt gar verlohren/ und da er meinete nach der Isel zukommen/ ging er immer weiter davon abe; welches diesen dreyen die gewisse muhtmas- sung gab/ sie würden zweifels ohn dieser Laͤnder unbekant seyn; sageten doch/ sie gingen gar recht/ und wuͤrden die Isel bald zusehen bekommen; aber ehe Wolfgang sichs versahe/ nah- men ihrer zween ihn bey den Armen/ der dritte setzete ihm das Messeꝛ an die Kehle/ uñ zwang ihn/ anzuzeigen/ ob er Geld bey sich haͤtte/ solte ers albald hergeben/ oder seines lebens berau- bet seyn. Dieser/ mehr wegen der Fraͤulein als sein selbst vor dem Tode sich fürchtend/ er- boht sich zu alle ihrem Willen/ und langete die 100 Kronen hervor/ die er bey sich vernaͤhet hatte. Das Fraͤulein gedachte hieselbst/ sie muͤste auch Geld geben/ oder sterben/ rieff aus grosser Angst/ und sagte mit klaͤglichen Geberden: Ach ihr guten Leute/ toͤdtet diesen meinẽ Schwager nicht/ damit er mich durchbringen koͤnne/ ich habe auch noch Geld bey mir/ daß wil ich euch alles gerne einhaͤndigen; langete auch allenthalben hervor/ da sie meinete et- was vernaͤhet zu seyn. Diese drey Diebe/ welche eigentlich Pferde aus der Weide zustehlẽ ausgangen wahren/ erfreueten sich der guten Beute/ kehreten sich weiter nicht an sie/ son- dern liessen sie immer vor sich hingehen/ schenketen auch Wolfgangen auff sein bitliches anhalten drey Kronen Zehrgeld/ und machten sich von ihnen hinweg/ wolten ihnen gleich- wol nicht anzeigen/ wo sie Leute antreffen koͤnten/ dann sie fuͤrchteten/ man wuͤrde sie ver- folgen/ da das Fraͤulein anfing: Ach du almaͤchtiger Gott/ wie greiffestu mich doch so gar hart und ernstlich an; du hast mich von meinen lieben Eltern/ hernach von meinem aller- liebesten Fuͤrsten geschieden; nun bin ich uͤberdas noch aller Lebensmittel beraubet/ welche mehrenteils im Feur auffgangen/ und das wenige uͤberbliebene mir nun gar abgenom̃en ist; doch mein Gott/ erhalte nur den lieben Fuͤrsten beim Leben/ und mich bey ehren/ daß wir endlich frisch und gesund wieder moͤgen zusammen kommen. Sie hatte diesen ganzen Tag weder gegessen noch getrunken/ und wahr vom lauffen so müde/ daß sie keinen Fuß mehr nach sich zihen kunte. Wolfgang wuͤnschte nichts mehr/ als nur ein Dorff oder Stad zuerreichen/ da er das Fraͤulein bey Leute bringen/ und er einen des weges erfahrnen Men- schen antreffen moͤchte/ der ihn wieder auff den Weg nach seinem alten Vetter braͤchte/ dañ wolte er schon Gelder finden/ und dem Teutschen Groß Fuͤrsten nachzihen/ der das Fraͤu- lein mit gnugsamer begleitung abholen wuͤrde. Als er aber sahe/ daß sie vor mattigkeit nit weiter fortgehen kunte/ sagte er zu ihr: Frau/ der Abend faͤlt mit macht herein/ und wir sind im offenen Felde da keine Bahn ist; lieber staͤrket euch aufs beste/ ich hoffe/ wir werden bald bey Leute kommen/ dann wir haben die Sandhuͤgel uͤberwunden/ und gerahten an be- sametes Land/ welches dort von ferne sich blicken laͤsset/ da wir dann einen Landweg an- treffen werden/ so haben wir wils Gott unsere muͤhselige Reise abgelegt. Ja wol abgelegt/ mein guter Wolfgang/ ja wol abgelegt/ sagete sie; ich fuͤrchte sehr/ sie werde erst recht an- gehen/ machte sich doch aufs staͤrkeste/ und ließ sich von ihm bey der Hand leiten/ biß sie gar nicht mehr folgen kunte; da fassete er sie/ wie er ein starker untersezter Mensch wahr/ und trug sie eine grosse Viertelstunde/ biß er bey eine Heerstrasse kam/ woselbst er sie nidersetze- te/ umb ein wenig zu ruhen/ und wahrzunehmen/ ob nicht ein Mensch des Weges reisen wüꝛde. Siebendes Buch. wuͤrde. Endlich sahe er einen Lastwagen daher fahren/ welcher zimlich schwehr beladen wahr/ und baht den Fuhrman/ er moͤchte diese Frau/ welche sich sehr muͤde gangen/ biß an das naͤheste Dorff auffsitzen lassen. Der boßhaffte unbarmherzige Mensch aber wegerte sich dessen; seine Pferde waͤhren auch muͤde/ und den ganzen Tag abgetrieben; so muͤste er uͤberdas eilen/ damit er das Dorff vor spaͤter Nacht erreichete; sie waͤhre ein junges fri- sches Weib/ die den Weg noch wol gehen koͤnte/ welcher in einer halben Stunde wuͤrde geendiget seyn; wie wolte sie ihm getahn haben/ wann er gar nicht kommen waͤhre. Das Fraͤulein hatte sich ein wenig ausgeruhet/ nur daß sie die Fuͤsse wund gangen/ und erboht sich gegen Wolffgang/ sie wolte so weit noch wol gehen; weil er aber ihr hinken uͤber sein Herz nicht bringen kunte/ nam er sie wieder auff den Ruͤcken/ und trug sie fort/ da sie von dem mehr als halbtrunkenen Fuhrman so viel schimpflicher Reden annehmen muste/ daß ihr die Traͤhnen aus den Augen schossen/ und doch alles geduldig erlitte. Du fauler Balg/ sagte er unter andern zu ihr/ laͤsst du dich als ein jaͤhriges Kind von dem Kerl auff dem Puckel tragen? pfui schaͤme dich du Muz; wann ich dein Kerl waͤhre/ ich wolte dich mit der Peitsche dergestalt wissen zustriegeln/ du soltest mir wie ein Tanzpfer dichen springen. Bald griff er auch Wolffgangen an; mein Kerl du must lieber tragen als ich/ daß du das junge faule Weib auff dem Ruͤcken fortschleppest; laß das Weib lauffen auff den Fuͤssen die ihr angewachsen sind/ und wann du ja etwas tragen wilt/ wil ich dir schon eine Last auf- legen/ daß meine Pferde etwas Leichterung empfinden. Nun wolte Wolffgang sich mit ihm nicht gerne uͤberwerffen/ sondern sagte/ er solte ihn seines Weges gehen lassen/ wie er ihm ja an seinem fahren nicht hinderlich waͤhre; koͤnte er erkennen/ daß seinen Pferden ei- ne Muͤdigkeit zustossen koͤnte/ warumb solte dann ein schwaches Weib nicht koͤnnen matt werden. Worauff der Unflaht so garstige Reden ausschuͤttete/ daß das zuͤchtige Fraͤulein daruͤber erstarrete/ insonderheit als er anfing/ sie unzuͤchtig zubegreiffen/ und ihr bald dar- auff einen Groschen boht/ seines Willens zupflegen. Wolffgang redete ihm ein/ er solte wissen/ daß er mit keinem unzuͤchtigen Weibe fortginge/ uñ dafern er sie weiter mit schaͤnd- lichen Worten und anderer Ungebühr antasten würde/ solte ers mit ihm zutuhn haben/ nachdem er schuldig waͤhre/ sich seiner Schwaͤgerin anzunehmen. Ja du Knolle/ antwor- tete er/ ich fuͤrchte mich gleich so wenig vor dir/ als vor dieser jungen Metzen/ und nun sol und muß sie meines Willens seyn/ oder ich wil euch beyden die Haͤlse umdrehen; fassete zugleich die Peitsche/ und hiebe das Fraͤulein umb die Beine unbarmherzig gnug; woruͤ- ber Wolffgang alle Geduld verlohr/ und in solchen Eifer geriet/ daß er einen Stein fassete/ und damit auff den Buben loßging. Derselbe nun fiel ihm alsbald in die Haar/ und ge- dachte ihn zur Erde niderzureissen/ welches ihm aber fehlete/ kahmen mit einander zurin- gen/ und weil Wolffgang sich durch das gehen zimlich abgemattet hatte/ solte der ander ihm schier uͤberlegen gewesen seyn/ arbeitete sich endlich von ihm loß/ und als er sahe/ daß jener sein Brodmesser hervor suchete/ ihn damit zuerstechen/ er aber den Stein noch in der Hand hatte/ schlug er ihm damit die Hirnschale ein/ daß er alsbald niderfiel/ und nach we- nig zappeln das Leben auffgab. Erst geriet das Fraͤulein in die allergroͤsseste Angst/ und sa- gete: O du barmherziger Gott/ nun fallen wir ja erst in die allerschlimmeste Lebensgefahr. Ach Wolffgang/ Wolffgang/ haͤttet ihr ihn doch nur immerhin peitschen lassen/ er wuͤrde vielleicht Siebendes Buch. vielleicht nichts ungebuͤhrliches vorgenom̃en habẽ. Davor wolte ich zehnmahl sterbẽ/ ant- wortete er/ ich habe dẽ gottlosen Schelm schon viel zuviel zu gute gehaltẽ/ uñ schaͤme mich/ dz ich ihm nicht gleich anfangs das Schandmaul gestillet habe; grif dem schon verschiede- nen in den Schiebsak/ fand einen zimlichen Beutel mit Gelde/ und eine frische Semmel bey ihm/ gab solche dem Fraͤulein/ und steckete das Geld zu sich/ schleppete hernach die Lei- che hinter einen dicken Pusch/ trieb den Wagen nach der andern Seite vom Wege ab/ da die Pferde einen jehen Huͤgel hinunter renneten/ und der Wagen gar umschlug/ daß die Pferde weder hinter noch vor sich kunten; Er aber fassete das Fraͤulein wieder auff/ und lief/ so viel ihn Angst und Gefahr treiben kunte/ biß er endlich vor dem Dorffe anlangete/ da es schon zimlich finster wahr/ ging nach der Baurschenke/ und ließ ihm Speise uñ Trank geben/ so gut es zubekommen wahr/ da dann das Fraͤule in sich des Schreckens zimlich er- hohlete/ auch eine gute Mahlzeit hielt/ und bald darauff ihr eine Straͤu machen ließ/ darauf sie die ganze Nacht hindurch wegen der grossen Muͤdigkeit schlief. Zwo Stunden nach ihrer Ankunfft entstund das Geschrey im Dorffe/ des Schenken Wage laͤge mit samt den Pferden unten am Huͤgel/ eine halbe Viertelmeile vom Dorffe/ und waͤhre kein Mensch dabey; welches seinem Weibe angesaget ward/ die darauff anfing uͤber ihren Mann sich hefftig unnuͤtze zumachen; es waͤhre des versoffenen Bier Toͤlpels sein Brauch also/ daß er in allen Kruͤgen schwabbelte/ und die Pferde ihren Weg vor sich hingehen liesse/ weil er sich darauff troͤge/ daß sie die Strasse kenneten; würde demnach wol wieder kommen/ wañ er den Rausch hinter etwa einem Zaune ausgeschlaffen haͤtte/ wo er wol nicht gar mit ei- nem unzuͤchtigen Balge abfeit gangen waͤhre; doch schickete sie ihre beyden Hausknechte hin/ den Wagen auffzuheben/ und nach Hause zubringen/ damit nichts von den auffgela- denen Sachen davon gestohlen wuͤrde. Aus welchem allen Wolffgang leicht muhtmasse- te/ er laͤge bey der Wirtin zur Herberge/ und haͤtte ihr den Mann erschlagen. Es wahr ihm das beschwerlichste/ daß eꝛ nicht wuste/ wo er wahr/ setzete sich zu einem reisenden Boh- ten/ der das Nachtlager auch daselbst suchete/ bezahlete vor ihm eine Kanne Bier/ und fra- gete/ welchen Weg man nehmen muͤste/ wann man an den und den Ort an der Isel belegẽ/ reisen wolte. Dieser berichtete ihn/ es laͤge ein Staͤdchen fuͤnff Meile von hinnen an einem Waͤsserchen dadurch man reisen muͤste. Nun wahr dieses eben dasselbe/ welches gleich diesen Morgen abgebrand wahr und sie mit Lebensgefahr verlassen hatten; daß er dem- nach leicht sahe/ wie so gar er des Weges verfehlet/ und sich vergangen haͤtte/ wuste also diesen Abend keinen Schluß zumachen/ weil er das Fraͤulein in ihrer suͤssen Ruhe nicht verstoͤren wolte. Fruͤh morgens taht er ihr alles zuwissen/ und baht/ sich heraus zulassen/ ob ihr nicht gefallen koͤnte/ daß er einen Karren im Dorffe mietete/ und sie an einen sichern Ort fuͤhren liesse/ woselbst sie sich in einer Herberge auffhielte/ biß er nach ihrem Herr Va- ter lieffe/ und sie mit gnugsamer Begleitung abhohlete; welches sie aber durchaus nicht eingehen wolte/ sondern er solte selbst mit ihr hinfahren/ und sehen wo sie bliebe; dann wañ er sich alhie von ihr scheidete/ und sie auff dem Wege in groͤssere Gefahr geriete/ daß sie den vorgenom̄enen Ort nit erreichen koͤnte/ waͤhre es abermal vergebens/ und sie uͤberdas ohn alle Geselschafft. Also muste er bey ihr bleiben/ dingete einen Karren/ und setzete sich fruͤh morgens mit ihr darauff/ noch ehe die Zeitung von dem erschlagenen Wirte eingebracht n n n n ward; Siebendes Buch. ward; da sie dann den Weg nach dem Rein auff der Fraͤulein begehren vor sich nahmen/ von dannen sie nach dem Elbstrohm sich wenden/ und des naͤhesten Weges nach Magde- burg zihen wolten. Wolffgang gab dem Fraͤulein die drey uͤbergebliebene Kronen/ welche die gestrigen Raͤuber ihm wieder geschenket hatten/ mit Bitte/ sie in ihre Kleider zuver- machen/ und ob schon Raͤuber an sie kommen wuͤrden/ sich dessen nicht merken zulassen; des Erschlagenen Geld aber/ welches sich auff 9 Gülden Silbermuͤnze erstreckete/ behielt er bey sich. Sie wahren etwa drey Meilen gefahren/ da kahmen fuͤnff verschlagene Wen- dische Landsknechte zu Fusse an sie/ nahmen Wolffgangen alles Geld/ worffen ihn samt dem Fraͤulein gebunden in ein Stuͤcke Rogken/ schlugen den Fuhrman/ weil er sich straͤu- bete/ und sein Pferd nicht gerne verlieren wolte/ halb tod/ setzeten sich auff den Karren/ und fuhren davon. Frl. Klara wuͤnschete ihr nur den Tod/ und gleichwol wann sie die Hoff- nung fassete/ ihr Arbianes wuͤrde annoch im Leben seyn/ nam sie sich vor/ alle Ungluͤks Wi- derwertigkeiten zuerdulden/ insonderheit danckete sie Gotthoͤchlich/ daß sie sich am ganzen Leibe uͤber und uͤber mit der Farbe angestrichen/ und heßlich gnug gemacht hatte. Sie lagen beyderseits gar elendig/ doch wirkete Wolffgang so lange mit seinen Haͤnden/ dz sich der Strik loͤsete/ machte hernach seine Fuͤsse/ und bald das Fraͤulein auch loß/ welche er nach seinem Vermoͤgen troͤstete; das Gluͤk wuͤrde sie ja noch endlich ansehen/ und ihnen freundlicher werden/ wann es seinen Muht gnug würde gekuͤhlet haben. Das aͤrgeste war/ daß er keinen Weg kennete/ und ihre Füsse zum gehen unduͤchtig waͤhren/ sonst wolten sie noch sehen/ daß sie wieder bey Leute kaͤhmen. Ey ich wil frisch mit lauffen/ sagte das Fraͤu- lein/ und an die Fußs c hmerzen nicht gedenken/ weil das schmieren/ welches mich gestern Abend die Wirtin lehrete/ mir sehr wol geholffen hat; aber den Weg/ welchen die Raͤuber gefahren sind/ wollen wir meiden/ und uns auf einẽ andern wenden/ so bald nur ein Schei- de Weg zusehen ist. Sie gingen sanfftmuͤhtig fort/ und kehreten sich nach der Linken zu; kahmen auch des Nachmittags ganz ermuͤdet in ein geringes Doͤrflein/ da nichts als Brod und Butter/ und sehr schlechtes Getraͤnke zubekommen wahr; so wusten ihnen die Leutlein keine Anzeige zutuhn/ wohin sie sich wenden solten/ deswegen sie uͤber Nacht daselbst blie- ben/ und sich fein ausruheten; aber als des folgenden Morgens sie fort wolten/ und kein klein Geld bey sich hatten/ die geringen Speisen zuzahlen/ auch niemand die Gold Kronen kennete/ ob sie gut waͤhren oder nicht/ muste Wolfgang an stat der bezahlung seine Schuch im stiche lassen/ wie ungerne er auch wolte. Sie brachen doch wieder loß/ und tanzete die- ser auff den Soͤcken/ dessen er dann nicht ungewohnet wahr/ und dannoch das Fraͤulein groß Mitleiden mit ihm trug/ beteurend/ wann sie solches haͤtte wissen sollen/ wolte sie un- gessen blieben seyn; dessen er aber lachete/ sie versichernd/ wann er sich vor ihr nit gescheu- het/ wuͤrde er des vorigen Tages seine Schuch lieber unter dem Arme/ oder auff einem Stecken uͤber der Schulter/ als an seinen Fuͤssen getragen haben; dann es ist mit einem Menschen/ sagte er/ als mit einem Pferde/ welches wann es nicht von Jugend auff zu den Huefeisen gewehnen ist/ gehet es unbeschlagen viel besser; also finden sich unter uns Bau- ren/ die stoͤlpern immerfort/ wann sie in Schuhen gehen/ da hingegen sie barfuß fest und ge- schwinde fort treten. Nun mein lieber Wolffgang/ antwortete sie/ last es geschehen/ daß ihꝛ meinet wegen einen Tag barfuß gehen muͤsset/ uñ zweifelt nicht/ daß/ so bald mir mein Gott zu Siebendes Buch. zu meinen lieben Eltern hilfft/ es euch an Stiefeln und verguͤldeten Sporn nicht mangeln sol. Behuͤte Gott/ Frau/ antworte er/ wie solte ich darzu kommen/ ich moͤchte sie dann mei- nem Herrn in der Hand oder unterm Arme nach tragen. Ihr solt sie keinem Herrn nach- tragen/ sagte sie/ sondern selbst ein Herr seyn/ und seyd dessen gewiß/ daß ich noch einen Ae- delman aus euch zumachẽ gedenke. O gn. Fr. antwortete er; so wuͤrde gar nichts guts aus mir werdẽ; dañ weiß sie nit dz bekante Sprichwort: Kein Schermesser so scharff je schiert/ als wañ ein Baur zum Herrn wird. O nein/ ich wil gern uñ lieber in meinẽ nidrigẽ Stan- de mich halten/ wañ ich in demselben zimliche Lebensmittel habe/ als hoch steigen/ uñ unge- wiß sitzen; dañ wer wolte mich doch vor einen Aedelman haltẽ/ da ich in einer gꝛoben uñ toͤl- pischen Baurenhaut stecke. Wañ ich demnach wissen solte/ dz meine gn. Frau ein solches aus Ernst redete/ wolte ich keinen Schrit weiter gehẽ/ ehe dieselbe mir gnaͤdig versprochen haͤtte/ mein mit solcher Ehre uñ Hocheit zuverschonẽ. Gebt euch zufriedẽ Wolfgang/ sagte sie/ ich verspreche euch hiemit/ dz wieder euren willen euch nichts begegnẽ sol/ lasset uns nur Gott fleissig anruffen/ daß er uns zu meinen Eltern bringe. Also verkuͤrzete er dem Fraͤu- lein sonst des weges Ungelegenheit mit allerhand einfaͤltiger Uuterredung/ da er ihr ange- loben muste/ daß in dieser Fremde er sich vor ihren Ehman ausgeben solte/ welches zu ihrer Ehren rettung am dienstlichsten seyn wuͤrde. Sie gelangeten des spaͤten Abends bey ihrer geringen Speise/ welche sie zu sich gestecket hatten vor einem Flecken an/ da das Fraͤulein vor mattigkeit keinen Fuß mehr von der Stete bringen kunte. Ihnen begegnete ein armer Betler/ welcher sie umb eine Gabe ansprach/ zu dem sie sagete: Ach ich solte euch ja wol billich etwas geben/ aber ich habe nichts damit ich euch aushelffen kan; gehet aber mit mir in den Flecken/ und zeiget mir eine Herberge/ daselbst wil ich nach meinem geringen ver- moͤgen euch gerne mitteilen. Dieser wahr darzu willig fuͤhrete sie zu einer Witwen/ und empfing von ihr einen Groschen/ nachdem die Wirtin ihr eine Krone gewechselt hatte/ da sie zu dem Betler sagete: Ach ihr guter Mann/ seid ihr doch noch elender als ich bin/ aber vor dißmahl weiß ich euch weiters nicht zuhelffen; soltet ihr aber etwa nach Magdeburg kommen/ und vor des Groß Fuͤrsten Schlosse eine Almosen suchen/ so fraget nach einer/ nahmens Klara/ alsdann wil ich euch ein mehres schenken. Dieser nahm den Groschen vorlieb/ und gedachte/ der Weg waͤhre ihm viel zu weit/ eine Verehrung daher zu hohlen. Das Fraͤulein ließ ihr gute Speise und Trank reichen/ und wahr ihr ein grosses/ daß ihr alles auff der Reise so wol schmeckete. Sonsten wahr Gottes Kraft in dieser Schwachen sehr maͤchtig/ daß sie gar ein gutes Herz fassete/ Gott wurde sie zwar wegen ihrer Suͤnde zuͤchtigen/ aber ihr gnaͤdig wieder helffen; woruͤber sie oft vor Geistes-freude lachete/ und in ihrem Herzen sagete: Ach du frommer Gott/ ich bin ja durch meines lieben Fürsten un- terweisung (welchen du dir in deinen gnaͤdigen Schuz wollest lassen befohlẽ seyn) dein Kind worden/ und erfreue mich auch/ daß du so zeitig anfangen wilt/ meinen Glauben und Ge- horsam durch deine vaͤterliche Zucht-ruhte zubewehren; aber ach mein lieber Vater/ han- dele mit mir schwachen nach deiner Gnade/ und lege mirs doch nicht schwereꝛ auff/ als ichs ertragen kan/ alsdann wil ich dir in Kindlicher Geduld gerne aushalten/ wañ du nur mein Vater/ uñ ich dein Kind bleibe; bey welchen Gedankẽ sie auch vordißmahl ihre Andachts- Traͤhnen vergoß/ als die Wirtin sich zu ihr niedersetzete/ und sie fragete/ von wannen sie n n n n ij kaͤh- Siebendes Buch. kaͤhme/ und wohin sie gedaͤchte. O sagte sie/ ich komme von der Isel/ und mein weg ist nach der Elbe/ wann ich ihn nur finden koͤnte. Nach der Elbe? antwortete sie/ das ist weit hin; doch zu zeiten kehren Karren und Wagen bey mir ein die des Weges hinreisen/ mit wel- chen ihr fuͤglich werdet uͤberkommen; und wann ihr euch mit naͤhen behelffen koͤntet/ wolte ich biß zu solcher Gelegenheit euch gerne bey mir behalten/ dann mein Mañ ist mir leider vorm halben Jahre mit Tode abgangen/ und hat mich schwanger hinter sich verlassen/ daß ich nunmehr alle Tage der Entbindung gewaͤrtig bin; wollet ihr mir nun etlich Kinder- zeug verfertigen/ wil ich euch dessen gebuͤhrlich lohnen/ und eurem Manne auch im Hause Arbeit verschaffen/ daß er die Kost haben sol. Dem frommen Fraͤulein gefiel dieser Vor- trag sehr wol/ weil ihr unmoͤglich wahr/ auff ihren Fuͤssen zu wandern; ließ sich mit ihr ein/ und machete alles was sie begehrete/ wolte aber kein Geld zu lohne haben/ sondern baht/ daß sie umb so viel besser gespeiset wuͤrde/ weil ihr Magen die harten Speisen nicht wol verdauẽ koͤnte; schmierete auch diese Zeit über ihre Fuͤsse fleissig/ daß sie in kurzer Zeit ganz heile wurden/ und bezeigete sich im Hause nit andeꝛs als eine Dienstmagd/ welche von Jugend auff darzu gewaͤhnet waͤhre/ daß Wolfgang sich dessen nicht gnug verwundern kunte. Ih- re Frau aber gewann sie sehr lieb wegen ihrer traͤue und fleisses/ daß sie sich erboht/ sie so lange zubehalten/ als es ihr selbst gefallen wūrde. Einsmahls fragete sie Wolfgang/ ob ihr das Herz nicht weh taͤhte/ daß sie einer so geringen Frauen muͤste auffwaͤrtig seyn; dem sie zur Antwort gab: Mein guter lieber Freund/ warumb solte mir deswegen mein Herz we- he tuhn? Der Almaͤchtige Gott/ dem wir Menschen alle mit einander auff gleiche weise unterworffen sind/ hat mir seinem Kinde solches aufferleget/ solte ich dann demselben ent- gegen murren? Nein O nein! derselbe verfaͤhret ja noch gnaͤdig mit mir/ giebet mir das taͤgliche Brod/ und bewahret mich vor Unehr und Schande; davor bin ich schuldig ihm von herzen zudanken/ und daneben nicht zuzweifeln/ daß es ihm gar ein geringes und leich- tes sey/ mich in vorigen Stand wieder zusetzen. Diesem gingen wegen solcher Rede die Traͤhnen aus den Augen/ und fing darauff also an: Ach Frau (anders muste er sie nit nen- nen)/ ich bitte euch lauter umb Gottes willen/ goͤnnet mir doch/ daß ich allein nach euren Eltern reise/ ihnen euren Zustand anzumelden/ damit ihr diesem Elende moͤget entrissen werden; Ihr seyd ja nun an einem Orte/ da ich euch zufinden weiß/ und sollet meinem gu- ten Raht nach/ hie selbst verbleiben/ biß euch gnugsame Begleitung zugeschicket werde; solte aber solches in dreyen Wochen nicht erfolgen/ daß ich etwa auff meiner Reife in Un- fal kaͤhme/ welches ich doch nicht hoffen wil/ so gebet euch dieser Wirtin nur kuͤhnlich kund/ dieselbe wird alsdann alles ihr Vermoͤgen (aus Hoffnung grosser Vergeltung) gerne daran wenden daß euch gebuͤhrlich geholffen werde; Und dafern ihr in diesen meinen ge- traͤuen Raht nicht werdet einwilligen/ wird mir entweder mein Herz aus Mitleiden zer- springen/ oder ich werde wider euren Willen mich auff den Weg machen. Welche Rede er mit einem hefftigen weinen beschloß/ und (weil sie allein wahren) durch einen Fußfal baht/ ihren Willen in seine Reise zugeben. Das Fraͤulein kunte seiner grossen herzlichen Traͤue sich nicht gnug verwundern/ umfing ihn als ihren Bruder/ und sagte: Mein lieber und wahrer Freund/ was hat doch mein Gott mir vor eine grosse Gnade und Woltaht eꝛ- zeiget/ daß er euch zu mir gefuͤhret hat. Zwar ich habe mir bißher steiff vorgenommen/ euch Siebendes Buch. euch keines weges von mir zulassen/ sondern auff gelegene Fuhre zuwarten/ und alsdañ mit euch zugleich auffzubrechen; aber weil ihrs anders vor gut ansehet/ wil ich einwilligen/ dz nach Verlauff dreyen Tagen ihr diese Reise mit einem des Weges kuͤndigen Bohten in Gottes Nahmen vor euch nehmet/ dafern inzwischen keine gelegenheit zu meiner Mitreise sich eraͤugen wird. Aber O wie wol haͤtte sie getahn/ wann sie seinem Raht gefolget waͤhre; doch wolte des Allerhoͤchsten Versehung/ daß sie noch etwas besser in die Kreuz Schuele solte gefuͤhret/ und daselbst bewehret werden. Der hochbekümmerte Arbianes muste nicht weniger/ als ein angehender Christ durch die Zucht Ruhte Gottes des HErrn fein zugerichtet/ und zur Geduld angewaͤhnet werden/ welcher wegen des Verlustes seiner lieben Fraͤulein in unsaͤglichen Sorgen wahr/ massen als er im obgedachten Dorffe von ihr nichts erfahren kunte/ lief er wieder zuruͤk/ und rief zu zeiten im offenen Felde den Nahmen Klara mit lauter Stimme/ wie wol ver- gebens und umsonst; wo er eine Hecke in der ferne oder naͤhe sahe/ lief er hinzu/ und meine- te/ sie würde dahinter ruhen/ wendete sich auch zwar nach der Seite hin/ nach welcher sie gelauffen wahr/ aber da er das auffgeschwollene tieffe Wasser erreichete/ sagete er bey sich selbst; nun bin ich gewiß/ daß sie diesen Weg nicht gangen ist/ stund also und bedachte sich/ ob er auf oder nider gehen solte; und in diesen Zweifel fiel er nider auff die Knie/ und baht Gott von Herzen/ er wolte ihn des rechten Weges geleiten/ daß er sein Fraͤulein antreffen moͤchte. Nach vollendetem eyferigen Gebeht lief er mit dem Strohme fort/ biß in die fin- stere Nacht/ und weil er keinen Menschen in der naͤhe merkete/ legete er sich hinter einen Pusch nider zur ruhe/ da er zuvor einen guten Trunk aus der Bach getahn/ und seine Arm- Wunde aufs neue verbunden hatte/ schlieff auch in der Herzens Angst biß die Mogenꝛoͤh- te anbrach. Als er des Tages Gegenwart spuͤrete/ nam er nach getahnem Gebeht seinen Weg wieder vor sich/ biß er der Bach Ende erreichete/ da sie in das Wasser lief/ welches bey dem abgebranten Staͤdle in voruͤber floß; da ging nun sein Jammer erst recht an; Ach mein gnaͤdiger Gott/ sagete er/ verlaß mich doch nicht in dieser meiner grossen Noht; ach HErr zeige mir die rechte Bahn/ daß ich ihrer nicht verfehle. Nun sahe er wol/ daß er noht- wendig wieder zuruͤk/ und uͤber die Bach muste/ dann unmoͤglich wahr es/ daß sie solte einẽ andern Weg gangen seyn; brachte also drey Stunden auff dem Ruͤkwege zu/ biß er einen schmalen Steg antraff/ uͤber welchem das Wasser einer Handquer ging/ und ihm unmoͤg- lich wahr/ einen festen Trit darauff zu tuhn; gedachte endlich/ vielleicht hat das Fraͤulein einen bessern Weg angetroffen/ welchen du nicht finden kanst; wagete sich hinein ins Was- ser/ hielt sich mit der Hand an dem Stege/ und kam mit grosser Lebens Gefahr noch hin- durch/ weil es in der mitte tieffer wahr/ als daß ers haͤtte ergründen moͤgen. Als er das Ufer erreichet hatte/ ging er in seinen nassen Kleidern immer fort/ und sahe doch keine Bahn/ blieb in steten Gedanken zu Gott/ und meinete/ wie er seinen Weg fort setzete/ also geleitete ihn die Goͤttliche Versehung/ traff doch keinen Menschen an/ sondern ging biß an den spaͤten Abend/ daß er endlich ungessen sich hinter eine Hecke legen und ausruhen muste. Des folgenden morgens sahe er weit um sich/ und ward dreyer Maͤnner (welche Wolffgangen und das Fraͤulein des vorgestrigen Tages beraubet hatten) gewahr/ ging zu jhnen hin/ und fragete/ ob man nicht in der Naͤhe an ein Dorff gelangen koͤnte; auch/ ob sie n n n n iij nicht Siebendes Buch. nicht eine junge Frau und einen jungen Mann/ wie Er gekleidet waͤre/ vernommen haͤtten. Diese gedachten alßbald/ Er muͤste auch des schoͤnen Goldes bey sich haben/ welches ihre gewisse Beute seyn solte; und gaben jhm zur Antwort: Sie haͤtten ja vorgestern solche zwey Menschen Bilder angetroffen/ die vom gehen sehr ermuͤdet gewesen/ haͤtten ihnen auch auf ihr Begehren den Weg nach einem Dorffe gezeiget/ wohin sie nunmehr selbst gedaͤchten/ und stuͤnde ihm frey/ mit ihnen zugehen. O ihr guten Leute/ sagte er/ was habt ihr ein gutes Werk getahn/ so wol/ daß ihr denen zu Leuten verholffen/ als daß ihr mir dessen Nachricht gebet/ welches ich euch unvergolten nicht lassen kan; griff in den Schiebsak/ und verehrete ihnen eine Krone. Diese sageten davor Dank/ und gingen mit ihm fort/ und weil sie wustẽ/ daß sie bald an einen wanksamen Ort gerahten wuͤrden/ da ihnen das rauben nicht wuͤrde gelingen/ sucheten sie schleunige Gelegenheit/ ihr Vorhaben ins Werk zurichten/ daher der eine/ ehe er sichs versahe/ ihm nach dem rechten Arme griff/ ihn dabey fest zuhalten; der ander wahr auch schon fertig/ ihn bey der Kehle zufassen; aber wie er von Gliedmas- sen stark und gerade wahr/ also risse er den Arm bald loß/ zog von Leder/ und stieß dem erstẽ das Schwert durchs Herz/ zu ihm sagend: Je du gottioser Moͤrder/ ist das die Vergel- tung vor mein Trinkgeld? dem andern hieb er alsbald auch den Kopf mitten von einan- der; und den driten/ welcher schon das Messer gezuͤkt hatte/ ihn zuerstechen/ und nunmehr vor Angst davon lieff/ verfolgete er/ hohlete ihn bald ein/ warf ihn zur Erde/ und draͤuete ihm den Tod/ dafern er ihm nicht sagen wuͤrde/ ob die beiden Menschen/ denen er nach ge- fraget haͤtte/ annoch im leben/ oder von ihnen erwuͤrget waͤhren. O mein Herr/ antwortete dieser/ schenket mir das Leben/ ich wil euch die ganze Warheit sagen/ dz wir ihnen alles ihr Gold abgenom̄en/ uñ sie ohn beschaͤdigt gehen lassen. Wohin aber haben sie sich gewendet? fragete er; wir haben sie uͤber einẽ Sandhuͤgel heissen gehen/ gab er zur Antwort/ da sie ohn Zweifel bey spaͤtem Abend zu einem Dorffe kommen sind. So mustu mir keine weitere Un- gelegenheit machen/ sagte Arbianes/ und ich wil dir als einem Raͤuber und Moͤrder lohnẽ/ hieb ihm den Kopf herunter/ und nach dem er ihm 50 Kronen aus dem Schiebsak genom- men hatte/ besuchete er auch die andern beiden erschlagenen/ fand alles geraubete Gold wieder/ machte sich schleunig uͤber die Sandhuͤgel/ kam auff den rechten Weg/ und eilete dem Dorffe zu/ voller Hoffnung/ sein Fraͤulein daselbst noch anzutreffen/ als welche vom gehen ermuͤdet/ hieselbst ansruhen wuͤrde; ging in die Bauren Schenke/ und sahe mitten im Hause auff einer Straͤu eine Leiche liegen/ dessen er nicht wenig erschrak/ und doch die Ursach seines entsetzens selbst nicht wuste. Die Wirtin gab acht auff seine Verenderung/ uud fragete/ was er sich so entsetzete? ob er etwa der Moͤrder waͤhre/ welcher ihren Mann gestern oder vor gestern Abend im Felde auff freier Land-Strasse erschlagen haͤtte? Wor- auf er herzhaft zur Antwort gab; solte ich mich nicht entsetzen/ daß man eine schier ganz nackete Leiche so dahin wirft/ nicht viel besser als obs ein Vieh waͤhre? Aber Frau/ wañ ein Mann solche nachteilige Frage an mich wuͤrde abgehen lassen/ wuͤrde ich ihm eine hart treffende Antwort geben; ist euer Ehwirt erschlagen/ so suchet den Taͤhter/ oder habt ihr Ursach auf mich zu aꝛgwohnen/ so saget es rund aus/ als dann weꝛde ich euch schon begeg- nen. Sie hingegen fuhr ihn an; er solte ihr nicht viel trotzens im Hause machen/ es waͤhre ihr Ungluͤks gnug/ daß ihr Mann ermordet waͤhre; und da er sich nicht bald packen wuͤr- de/ Siebendes Buch. de/ wolte sie ihm Fuͤsse machen/ dieses redete das Weib aus Zorn/ dann gleich da Arbianes zur Haus Tuhr hineintrat/ wahr das lose Weib Willens ihre Buhlerey mir ihrem Knech- te zutreiben/ mit dem sie in Ehebruch lebete/ auch schon mit denselben angelegt hatte/ daß er ihren Mann/ als welcher ihr ungetraͤu waͤhre erwuͤrgen/ und sie wieder heyrahten solte/ daher sie in den festen Gedanken stund/ er haͤtte die Taht selbst begangen/ und daß er ihr sol- ches nicht offenbahren wolte; daß sie demnach Arbianes nicht in verdacht hatte/ nur dz sie sein gerne wolte loß seyn; welcher dann auf ihre obgedachte Rede zur Antwort gab/ weil er nicht bedacht wahr/ lange mit ihꝛ zu zanken: Wol/ in Gottes Nahmen/ Frau/ das Haus ist euer/ so viel ich vernehme/ und muß mich dessen wol aͤussern/ wann ihrs so haben wollet; aber des Mords beschuldiget mich ja weiters nicht/ oder ihr werdet mit mir in Ungluͤks Kuͤche kommen. Ging damit zur Tuͤhr hinaus nach des naͤhesten Nachbars Wohnung/ welchen er um etliche Stunden Herberge baht/ und daß er ihm Speise und Trank vor dop- pelte Bezahlung schaffen moͤchte; klagete ihm auch/ wie es ihm mit der Wirtin ergangen waͤhre/ und begehrete seines guten Rahts. Worauff dieser antwortete; sie waͤhre zwar sei- ne nahe Anverwantin/ aber eine grund-boͤse Haut/ und waͤhre vorgestern Abend ein jun- ger Mann mit einer ermuͤdeten jungen Frauen/ wie er gekleidet/ zu ihr kommen/ die Nacht Herberge bey ihr gehabt/ und früh morgens davon gezogen; denselben haͤtte sie nach seinẽ abreisen eben dieses Mords geziehen/ und zwar aus dieser liederlichen Ursach/ weil dersel- be ihr eben solche Muͤnze zur Bezahlung geben/ als ihr Mann haͤtte bey sich gehabt. Arbi- anes muhtmassete selbst aus dem Zeichen/ daß Wolffgang der Taͤhter wol sein moͤchte/ weil er wuste dz er von den dreyen alles Geldes beraubet wahr/ kunte doch mit solchen Ge- danken sich nit lange auffhalten/ sondern erfreuete sich vielmehꝛ der angenehmen Zeitung/ dz er der Mahlzeit kaum abwarten kunte/ und erkundigte sich/ wohin diese beyde ihrẽ Weg genommen/ dankete Gott in seinem Herzen vor erst/ daß sein liebes Fraͤulein annoch im Le- ben waͤhre/ und einen getraͤuen Menschen bey sich haͤtte; hernach/ daß er ihn diesen Weg so ganz wunderbahrer Weise gefuͤhret/ und baht/ daß er weiter sein richtiger Gleitsmann seyn moͤchte/ damit er bald bey ihr anlangen/ und zu ihren Eltern sie bringen koͤnte/ wo zu er Mittel gnug bey sich haͤtte. Sonsten verstaͤndigte ihn sein Wirt/ daß gestern fruͤh diese beiden einen Karren gemietet/ darauff sie hinweg gefahren waͤhren/ wolte sich ihres We- ges bey dem Fuhrmann erkundigen/ wo er wieder zu Hause waͤhre angelanget; aber des- sen Weib wuste noch nichts von ihm zusagen/ dann er wahr wegen seiner empfangenen Wunden auf dem naͤhesten Dorffe liegen blieben/ weil er nit weiter fort kommen koͤnnen; doch gabe sie Nachricht genug/ wohin er die fremden zufuͤhren/ gedinget waͤhre; welchen Weg auch Arbianes nach gehaltener kurzen Mahlzeit/ mit einem Bohten/ ihm den Weg zu zeigen/ vor sich nam. Er wahr nicht weit gangen/ da begegnete ihm der Fuhrmann auff einem Wagen/ welchen der Bohte als sein Nachbar fragete/ wie er zu diesem Ungluͤk kommen waͤhre; welches er ausführlich berichtete/ und Arbianes mit Haͤnden greiffen kunte/ was vor welche von den Raͤubern gebunden/ und ins Korn geworffen waͤhren; ließ sich deßwegen den Ort und die Stelle fleissig bezeichnen/ wo es geschehen waͤhre/ gab dem Fuhrmann aus mitleiden etliche Kronen/ eylete des weges fort/ und fand es also/ besahe den Ort wo sie gelegen/ traf auch die Stricke an/ damit sie wahren gebunden gewesen/ abeꝛ keinen Siebendes Buch. keinen Menschen dabey/ doch schoͤpffete er guten Trost/ sie muͤsten von voruͤberreisenden Leuten loßgemacht/ und davon kommen seyn; nahm auch den Weg nach derselben Stad vor sich/ in Meinung/ sie wuͤrden alles ungeachtet/ gleichwol noch dahin gereiset seyn. Wie wollen ihn aber seinen muͤhseligen Unglüks Weg fortgehen lassen/ und zu rechter Zeit ihn im elenden Betlers Stande wieder finden. Das liebe Fraͤulein wahr willens/ ihren getraͤuen Wolffgang nach ihren Eltern lauf- fen zulassen/ als sie sechs Tage im erwaͤhneten Flecken bey der Wittiben in fleissiger Naͤhe- Arbeit sich auffgehalten hatte; aber es kam eine neue Verhinderung darzwischen; dann des Abends kehrete ein fremder Herr mit seiner Frauen und jungen schier manbaren Toch- ter in ihrer Herberge ein/ da diese Frau der Fraͤulein schoͤnes Naͤhewerk besichtigte/ und sie fragete/ ob sie sich zu ihr vermieten wolte/ solte sie gut essen uñ tꝛinken/ auch ein gewiß Jahr- lohn haben/ und koͤnte ihr Mann wol bey ihr bleiben/ weil ihr Herr solcher Leute bedurffte. Sie aber bedankete sich dessen/ einwendend/ sie muͤste mit ihrem Mañe nach dem Elbstrom reisen/ woselbst ihre nahe Anverwantin wohnete/ welche zubesuchen/ sie keinen umgang ha- ben koͤnte/ weil sie ihre Verlassenschafft ihr erblich zuvermachen bedacht waͤhre. Diese Frau/ Nahmens Mechtild/ welche auff jenseit des Reins im Roͤmischen Gebiet wohnete/ erdachte diese List/ und fragete; ob sie und ihr Mann des Weges nach der Elbe vor diesem gereiset? Und als sie aus Einfalt Nein sagete/ fing diese an: So bin ich mit diesem meinen Herrn hieselbst zu eurem guten Gluͤk angelanget/ dann unser Weg gehet auch dahin/ und wil euch aus guter Gewogenheit zu mir auff meine Gutsche nehmen/ wañ sonst euer Mañ beyher lauffen/ und zuzeiten hinten auff sitzen wil. Wem wahr zu diesem vermeynetẽ Gluͤk lieber/ als dem grundfrommen Fraͤulein; Sie bedankete sich mit hoͤflichen Geberden/ so viel ihr vermummeter Stand zulassen wolte/ welche sie doch schier verrahten haͤtten; mas- sen die Frau nicht unterlassen kunte/ sie zubefragen von was Leuten sie waͤhꝛe; dessen ursach sie merkend/ zur Antwort gab: Ihre Eltern waͤhren arme Leute/ und gar geringes Stan- des/ und haͤtten sie in der Jugend vor vier Jahren zu einer Aedel Frauen vermietet/ welche ihr das naͤhen gezeiget/ und ihres Junkern Gutscher gefreyet haͤtte/ welcher Wolffgang sie aber Armgart hiesse. Diese ließ sich damit abspeisen/ und geboht ihren Leuten ernstlich/ da einer fragen wuͤrde/ wohin ihr Weg ginge/ solten sie nicht den Rein/ sondern die Elbe nen- nen. Wolffgang ward des guten Gluͤks von dem Fraͤulein bald berichtet/ der zugleich mit ihr sich freuete/ auch auff der Reise gerne bey dem Wagen herlief/ und nunmehr ihm die Rechnung machete/ wie bald er vom reichen Manne spielen/ und der erlittenen Unruhe sich ergetzen wolte; dann gedachte er/ wie er den hohen Adelstand/ damit ihm das Fraͤulein hatte gedraͤuet/ von sich ablehnen/ und sonsten ihm einen solchen Dienst loßbitten koͤnte/ der ihm angenehmer waͤhre/ weil doch das Fraͤulein sich hatte verlauten lassen/ daß sie ihn nimmermehr von sich lassen wolte; Aber seine gefassete Freude waͤhrete nicht lange; dañ wie sie des andern Tages den Reinstrom erreichetẽ/ und hinuͤber schiffeten/ hoͤreten beydes er und das Fraͤulein/ daß sie schaͤndlich betrogen wahren/ daher sie dann zu der Frauen sa- gete: Ach mein Gott/ warumb habt ihr so gar uͤbel an mir getahn/ uñ mich nach dem Rein gefuͤhret/ da ich doch an der Elbe zuschaffen habe? Die Frau aber/ wie sie dann ein uͤberaus boͤses und unbarmherziges Weib wahr/ gab ihꝛ diese trotzige Antwort: Schweig du junge Metze/ Siebendes Buch. Metze/ es wird dir wol gleich seyn/ ob du bey dem Rein oder bey der Elbe das Brod frissest; haͤtte ich dir dieses nicht auff solche weise beygebracht/ wuͤrdestu dich in meine Dienste nit eingelassen haben; hastu aber an der Elbe etwas Bettel-Erbschafft zugewarten/ kan dein Baurflegel immer hinlauffen/ und es einfodern; du aber must bey mir bleiben/ und meine Tochter im naͤhen unterweisen/ wovor du gebuͤhrlich in Speise und Trank solt gehalten werden/ wie ich dann wol weiß/ was Maͤgden gebuͤhret/ daß sie nicht Hungers sterben/ noch zu freche werden; und ist wol deine vorige Frau die rechte gewesen/ daß sie dir jungen halbgewachsenen Balg das heyrahten schon gegoͤnnet hat/ darzu du noch uͤber 10 uñ mehꝛ Jahren fruͤh gnug kommen waͤhrest; sie wird gewiß nicht gewust haben/ wie man sich der Maͤgde mit Nuz gebrauchen sol. Das Fraͤulein zitterte vor Angst/ aber Wolffgang/ der alles hoͤrete/ und die Gefahr besser als sie betrachtete/ sagte zu ihr: Gebet euch zufrieden/ liebe Armgart/ ihr habt Gott Lob eine gute Fraubekommen/ bey welcher ihr wol werdet le- ben koͤnnen/ weil es Gott versehen/ daß wir in diesem Lande wohnen/ und unser Brod ver- dienen sollen; es ist ohndas mit unser Reise nach dem Elbstrohme so eilig nicht; ich wil euch vorerst ein Viertel Jahr in dieses Herrn Dienste Geselschafft leisten/ und hernach zu euren Verwanten reisen; Und wann gleich dieser Herr meiner Dienste nicht benoͤhtiget ist/ wil ich doch wol Arbeit finden/ daß ich mich ernaͤhre/ nachdem ich vor euch nicht sorgẽ darff. Das Fraͤulein begriff sich darauff alsbald/ stellete sich froͤlich/ und antwortete ihm: Wol wol/ wann ihrs so vor gut ansehet/ wil ich auch zufrieden seyn/ vielleicht gefaͤlt mirs bey dieser meiner Frauen also/ daß ich in viel Jahren nicht begehre von ihr zuscheiden. Ja haͤltestu dich from/ fleissig und getraͤu/ sagte sie/ so wil ich dich hernaͤhst befodern/ daß du uͤ- ber mein Gesinde Altfrau seyn solt. Welches erbietẽ das Fraͤulein mit grosser Danksagung annam. Sie hatten etliche Tagereisen hinter Koͤln ihr adeliches Gut/ und als sie daselbst ankahmen/ muste das Fraͤulein die erste Stunde das Naͤhezeug hervor nehmen; da sie dann alles/ umb Verdacht zumeidẽ/ auffs beste und schleunigste verfertigte; nur baht sie/ ihre Frau moͤchte ihr die uͤberbliebenen Speisen von ihrem Tische zuessen geben/ sie wolte sich an gar wenigem genuͤgen lassen/ wann sie nur was verdauliches haͤtte; dann ihr Ma- gen waͤhre gar schwach/ daß sie die grobe Kost nicht vertragen koͤnte. Aber sie durffte umb ein weniges nicht bitten/ das filzige Weib gab ihr wenig gnung/ und haͤtte sie des Hungers verschmachten muͤssen/ wann nicht die Tochter/ die ihr sehr geneigt wahr/ ihr bißweilen et- was heimlich zugestecket haͤtte; welches ihr aber die gottlose Mutter endlich verboht/ und Wolffgang es doch reichlich erstattete/ welcher alles/ was er an Lohn verdienete/ an gute Bißlein legete/ und ihr solches zutrug; daher sie sich desto weniger umb Unterhalt bekuͤm- merte/ und nur geflissen wahr/ wie sie ihrer Frauen gute Gunst erlangen moͤchte/ welche sich sehr hart gegen sie bezeigete/ und fast taͤglich eine ursach vom Zaune brach/ mit Ohrfei- gen/ daß das Nasebluten drauff folgete/ sie anzugreiffen/ welches sie geduldig verschmerze- te/ und in bestaͤndiger Hoffnung zu ihrem Gott verblieb/ derselbe wuͤrde sie mit den Augen seiner Barmherzigkeit ansehen/ und die Schmach von ihr nehmen. Sonsten hielten die drey Toͤchter sie so lieb und wert/ daß sie nimmer von ihr weg wolten/ und die Naͤhekunst in kurzer Zeit zimlich von ihr fasseten/ trugen ihr insonderheit ein verborgenes Trinkgeschir mit Wein zu/ damit nicht von dem blossen Wasser und sauren Kofend ihr Magen gar veꝛ- o o o o duͤrbe. Siebendes Buch. duͤrbe. Hingegen bezeigete sie sich/ als achtete sie dessen wenig/ ja als waͤhre ihr gaͤnzlicher Wille/ nimmermehr von dannen zuscheiden. Wolffgang hielt nicht vor dienlich/ sich in dieses Herꝛn Dienste einzulassen/ wie er auch darumb nicht sonderlich angesprochen waꝛd/ sondern arbeitete den Leuten in der Stad umbs Tagelohn/ wiewol ihm vergoͤnnet wahr/ zuzeiten des Nachts bey seiner vermeyneten Frauen zuschlaffen/ da er stets auff der Erden vorlieb nam/ und doch Gott dankete/ daß er gelegenheit hatte/ zu ihr zukommen/ und seinen Anschlag ihr zuentdecken/ wann ihm ein guter Gedanke einfiele/ wie er sie fuͤglich hinweg bringen moͤchte/ welches sich doch in sieben Wochen nirgend zu schicken wolte; wel- che Zeit uͤber er ihr wie schon gemeldet/ an essen heimlich zutrug/ daß sie sich sehr wol behelf- fen kunte/ und sie daher nicht allein sein gutes Herz erkennete/ sondern solche schwesterliche Hulde zu ihm gewan als waͤhre er ihr leiblicher Bruder gewesen. Wann sie allein wahr/ brachte sie die Zeit mit vielem herzbrechenden Seuffzen zu/ hielt sich aber doch zum fleissi- gen Gebeht/ da sie unter andern auch diese Andacht aus eigenem nachsinnen vielfaͤltig Gott dem HErrn auffopfferte: O du grosser und Almaͤchtiger Schoͤpffer Himmels und der Erden; Ich danke dir von Grund meiner Seelen/ vor die hohe Gnade/ welche du in Bekehrung meiner/ mir erzeiget/ und durch meinen teuren und frommen Fuͤrsten/ mich so weit in deiner Erkaͤntniß hast unterrichten lassen/ daß ich mein Vertrauen auff deine grundlose Barmherzigkeit setzen/ und in allem Ungluͤk mich so fein troͤsten kan/ so daß ich weiß/ es wiederfahre mir nichts zum Verderben/ sondern alles zur Besserung O HErr mein Gott/ sihe auff mich in diesem Elende/ da ich vor eine Magd wider meinen Willen dienen muß/ reiß mich loß/ mein Erloͤser/ der du mich schon aus viel groͤsserem Elende erloͤset hast/ daß ich die meinen bald wieder sehen/ und von ihnen in deiner Erkaͤntniß/ (wornach mich/ wie du HErr weist/ so herzlich verlanget) besser unterwiesen werden moͤge; Bewahre mich mein Gott vor Zweifelmuht/ Mißtrauẽ und Unehre; und meinen lieben Fuͤrsten vor Ungluͤk und Verderben/ welchen du O HErr/ sonder/ zwei- fel mir zugefuͤhret hast/ und bringe uns nach diesem Leide in Froͤligkeit wieder zusammen; alsdann wollen wir dir/ mein Gott und Vater/ unsern Dank anstimmen/ und vor deine hohe Woltaht dir von Herzen Lob und Preiß sagen/ auch zugleich erkennen/ daß diese deine vaͤterliche Zuͤchtigung uns sehr gut und heilsam gewesen sey. Dieses mein Gebeht HErr mein Gott und mein Erloͤser/ wollestu gnaͤ- diglich erhoͤren/ und dich mein erbarmen/ Amen/ Amen. Ja wann dieses Fraͤulein den Schmak dieser heilsamen Gnade Gottes in ihrem Herzen nicht empfunden haͤtte/ waͤhre sie ohn allen Zweifel in ihreꝛ Betruͤbniß vergangen/ wie sie dann von Tage zu Tage abnam/ daß ein grosser Teil ihres Fleisches ihr entging/ welches alles sie doch in Hoffnung und Geduld uͤberwand. Als die Koͤnigliche Geselschafft von Magdeburg aufbrechen wolte/ ihre Reise nach Prag fort zusetzen/ ging das Wehklagen wegen der Fraͤulein Abwesenheit von neuen wie- der an/ dañ niemand wuste sich darein zuschicken/ daß sie weder von einem noch andern die aller geringste Zeitung nicht hatten/ und sie doch nicht in Feindes Lande wahren. Herku- les sagte zu seinem Gemahl: Nimmermehr wuͤrde Fuͤrst Arbianes sich so verborgen hal- ten/ wann er noch im Leben waͤhre/ und kan ich mir keine andere Gedanken machen/ als dz sie entweder in der fluͤchtigen Feinde Gewalt gerahten/ und elendig erschlagen sind/ welche etwa ihrer Fuͤrsten Tod an ihnen haben raͤchen wollen; oder aber mein Frl. Schwester ist durch Unfal umkommen/ und er hat sich daruͤber aus Ungeduld und uͤbermaͤssiger Liebe selbst entleibet; dann bedenket mein Herz/ wann sie gleich biß gar in der Roͤmer Gebiet hin- kommen Siebendes Buch. kommen waͤhren/ so weiß Arbianes wol/ wie viel ich bey denen gelte/ daß wann er sich nur kund gaͤbe/ er nach allem Wunsch sicheꝛe Begleitung biß hieheꝛ haben koͤnte; hielten sie sich aber in Friesischer oder Teutscher Landschafft auf/ wie koͤnte ihnen dann an Huͤlffe gebrechẽ/ wann sie sich nur meldeten? Welches wann ichs betrachte/ kan ich meine Gedanken nicht wol zwingen/ daß sie noch Hoffnung ihres Lebens fassen solten. Mein Schaz/ antwortete sie/ des grossen HErrn Hand ist unverkuͤrzet; so koͤnnen hundert und noch hundert Ungelegen- heiten uns in der fremde eingestraͤuet werden/ welche uns abschrecken/ dasselbe vorzuneh- men/ was uns am dienstlichsten seyn moͤchte. Wir wollen dem allerhoͤchsten vertrauen/ er werde das fromme Fraͤulein und den Christglaͤubigen Fuͤrsten gnaͤdiglich bewahren/ dann ich zweifele überdas nicht/ weil er sie etliche Tage in seiner Gewahrsam gehabt/ habe er ihr das Christentuhm schon beygebracht. Dasselbe ist mein hoͤchster Wunsch in diesem Ungluͤk/ sagte Herkules/ auff daß wir zum wenigsten in der himlischen Seligkeit dereine wieder zusammen kommen moͤgen/ wann ja in diesem Leben Gottes Versehung es nicht zulassen wolte. Inzwischen muͤssen wir meine liebe Fr. Mutter immerzu in der Hoffnung erhalten/ welche vor traurigkeit fast gar von Leibe koͤmt. Sie gingẽ nach solcher Beredung hin zu der Koͤniglichen Versamlung/ weil Ladisla sie durch Prinsla fodern ließ/ mit anzeige/ es waͤhren denkwirdige Schreiben von seiner Fr. Mutter von Prag ankommen/ welche ihnen dann weitlaͤufftig zuwissen taht/ es liessen sich im Koͤnigreiche hin und wieder trau- rige und erschreckliche Zeichen sehen und hoͤren/ die wenig gutes bedeuten koͤnten. Bey ei- ner Grenze Stad nach Pannonien haͤtte sich ein Fisch Teich in Blut verwandelt; nit weit davon haͤtte es Blut und Schwefel geregnet; eine Schaar Woͤlffe in die 30 stark von Pan- nonien wertz/ haͤtten unterschiedliche Heerde Vieh angefallen/ etliche hundert stuͤk samt den Hirten zurissen/ und waͤhren endlich mit grosser Muͤhe alle erschlagen. Am andern Orte haͤ t ten viel tausend Raben sich gesamlet/ uñ in zween unterschiedlichen Hauffen einen haꝛ- ten Streit gehalten/ daß ihrer viel tod blieben. Zween grosse Adler haͤtten sich in hoher Luft gebissen/ und waͤhren endlich ganz eꝛmuͤdet uñ sehr blutig herunteꝛ gefallen/ so dz ein Bauꝛ den einen erschlagen/ den andern lebendig gefangen haͤtte. Die Hunde fuͤhreten allenthal- ben im Reich ein ungewoͤhnliches Geheule/ und fielen in einander als ob sie rasend waͤh- ren. Ein Schaff haͤtte einen jungen Wolff zur Welt gebracht; Und in einem Dorffe haͤt- te ein Kind in Mutter Leibe uͤber eine viertel Stunde geweinet/ und endlich geruffen/ weh weh! von vielen Baͤumen haͤtte es Blut getreuffet; die Sonne waͤhre einen ganzen Tag wie Blut am Him̄el gestanden/ wie wol in ihrem gewoͤhnlichen Lauff/ uñ mit keinen Wol- ken bedecket/ und des Abends als mit einem Sacke bekleidet/ untergangen; da man dessel- ben Tages an vielen Orten grausame Gespenste gesehen haͤtte; und welches den Inwoh- nern die groͤste Furcht eintriebe/ haͤtte man bey hellem Tage in der Luft drey Kriegs Heer nach einander von Pannonien wertz gegen ein einiges zihen sehen/ die beydes zu Fusse und Rosse einen grimmigen Kampf gehalten/ da man nicht merken koͤnnen/ an welcher Seiten der Sieg geblieben waͤhre. Als dieses gelesen ward/ wahr niemand zugegen/ dem es nicht ein grauen erwecket haͤtte/ insondeꝛheit/ weil der Wundeꝛ-begebnissen so viel uñ mannicher- ley wahren/ und sagte Ladisla; ohn Zweifel stehet meinem Reiche ein grosses Ungluͤk vor/ der fromme Gott kom̄e nur mit Gnaden/ daß wirs koͤnnen ertragen/ und straffe uns doch o o o o ij nit Siebendes Buch. nit wegen der teuflischen Abgoͤtterey/ die von den Untertahnen veruͤbet wird/ und von uns leider noch zur Zeit nicht kan geendert oder abgetahn werden; ich halte es auch nicht vor umsonst/ daß ich meinen verstorbenen Herr Vater/ (ach seligen kan ich leider nicht sagen) so offt im Schlaffe uñ zwar allemahl in elender jaͤmmerlicher und armseliger Gestalt vor mir sehe. Werde dem allen nach nicht unterlassen/ so bald ich nach Prage mit Gottes Huͤl- fe kommen werde/ moͤgliche Anstalt zumachen/ damit auff den unverhoffeten Fal man sich gleichwol bereit koͤnne finden lassen; er vor sein Haͤupt legte alle Zeichen so aus/ dz daduꝛch eine schleunige und erschrekliche Kriegs Glut von den Pannoniern/ gedraͤuet wuͤrde. Her- kules antwortete ihm; es waͤhren zwar solche Begebnissen nicht in den Wind zuschlagen/ sonderlich/ wann sie in so grosser Menge vorgingen/ jedoch auch nit gar zu hoch zu schaͤtzen; bißweilen haͤtte der boͤse Menschen-Feind sein Spiel mit drunter/ die Aberglaͤubigen zu allerhand ungoͤtlichen Opfern anzutreiben. Doch wie dem allen/ waͤhre ein wachendes Au- ge allezeit zuruͤhmen/ daher ihm nicht zuverdenken stuͤnde/ daß er nach seinem Koͤnigreiche eylete/ wohin sie ihm alle/ (weil der morgende Tag zum Auffbruch bestimmet waͤhre) Gesel- schaft/ und auff den Fal Beystand leisten wolten/ welches ihm sehr angenehm wahr. Fürst Siegward wahr vor zween Tagen mit seinem Heer aus Wendland daselbst schon angelanget/ woselbst es ihm nach Wunsch ergangen wahr. Zwar es hatten etliche wenig fluͤchtige Reuter vor seiner ankunft die Zeitung gebracht/ wie ein ungluͤkliches En- de ihr vorgehabter Anschlag genommen/ und ihre beiden Fuͤrsten samt den vornehmsten Obersten und groͤsten Teil ihres Heers das Leben eingebuͤsset haͤtten; worauff dañ die Land- staͤnde sehr eilig gewesen/ durch offenen Trummelschlag ihre junge Mañschaft auffzumah- nen/ und ihre Grentzen/ Staͤdte und Festungen damit zubesetzen/ aber er waͤhre ihnen zu fruͤh ankommen/ sonst duͤrfte er mehr Arbeit angetroffen haben. Als Siegward dieses in der kuͤrze vortrug/ antwortete Valiska; Darumb halte ich viel von der Eile/ wann man et- was wichtiges vor hat; aber wie koͤmt es/ daß eure Liebe/ mit so einem kleinen Heer sich ein- gestellet hat? wil ja nicht hoffen/ daß die uͤbrigen Voͤlker solten drauff gangen seyn. Sie fragete hiernach nicht umbsonst/ weil ihr bewust wahr/ daß er ein wolgeruͤstetes Kriegsheer 24000 stark mit sich gefuͤhret hatte/ und mit Leches/ Neda/ und ihrem Frauenzimmer/ nur unter einer Begleitung von 6000 Mann/ Teutschen/ Boͤhmen und Olafs Daͤnen/ wieder kommen wahr. Siegward aber gab ihr diese Antwort: Behuͤte Gott/ meine Fr. Schwe- ster; daß wuͤrde bey so gestalten Sachen ein grosser und unverantwortlicher Verlust ge- wesen seyn. Ich habe Gott lob keinen einigen Mañ eingebuͤsset/ sondern alles ohn Schwert- schlag zum gewuͤnscheten Ende ausgeführet. Zeigete auch auff begehren an/ er haͤtte bey seiner ankunft die Grenzen und engen Durchzuͤge wol besetzet gefunden/ da man ihm auch anfangs den Einzug verhindern wollen/ biß er etliche Vorsteher solcher Voͤlker/ feine ver- staͤndige von Adel/ auff guten Glauben und eingeschikte Geisel zu sich gefodert/ und ihnen zuverstehen gegeben/ was vor eine gerechte Straffe von Gott uͤber ihre beyden meinaͤidi- gen Fuͤrsten ergangen waͤhre/ auch daneben ihnen vor Augen gestellet/ in was Gefahr und verderben sie ihr Land und alle Einwohner stürzen wuͤrden/ dafern sie in ihrem Vorsatze fort fuͤhren/ und diesem seinem Heer den fortzug wegerten/ welches von dem Groß Fuͤrsten der Teutschen/ und seinen Herrn Soͤhnen/ ausgeschikt waͤhre ihr bestes zubefodern/ da sie es Siebendes Buch. es nur erkennen koͤnten. Diese gaben zur Antwort; man koͤnte noch nicht trauen/ daß ih- res Fuͤrsten Niederlage so groß/ und derselbe samt seinem Sohn solte Tod seyn. Ich aber/ sagte Siegward/ fiel ihnen in die Rede; Ich koͤnte dieses zweifels sie bald benehmen/ und hieß sie zu meinen mitgefuͤhreten Wendischen Voͤlkern gehen/ denen ich zugleich anzeigen ließ/ daß sie alles/ was sie wuͤsten/ auch sonst gehoͤret und gesehen haͤtten/ getraͤulich berichten solten. Nun hatte ich diesen fest eingebildet/ ich zoͤge nur voran als mit einem fliegenden Heer/ umb zuvernehmen/ ob Wendland ihr bevorstehendes Gluͤk erkennen koͤnte/ und daß auff meine anfoderung alle hinterbliebene Fuͤrsten mit ihrem bey sich habenden Heer als- bald folgen/ und auff befindliche Wiedersezligkeit jung und alt/ was nur den Wendischen Nahmen haͤtte/ ausrotten wuͤrden. Dieses hatten sie nun ihren Landsleuten nicht allein als vor gewis eingebildet/ sondern auch allen verlauff ihres begangenen Menschen raubes und der darauff erfolgeten schweren Niederlage und bestraffung/ ausfuͤhrlich erzaͤhlet; wo- durch diesen das Herz dergestalt entfallen wahr/ daß als sie wieder zu mir kahmen/ und vor Seelen-Angst kaum reden kunten/ nur untertaͤhnig von mir zu wissen begehretẽ/ was man vor einen Gehorsam und unterwerffung von dem Wendischen Volke/ welches ihres ge- wesenen Fuͤrsten Untaht weder gut geheissen/ noch dessen sich teilhaftig gemacht/ erfoderte. Ich aber ihnen zur Antwort gab; sie solten zuvor wieder zu den ihrigen hinreiten/ und ih- nen zu wissen tuhn/ in was zustande sie alle miteinander begriffen waͤhren/ welches ihre Landsleute ihnen ohn zweifel anjetzo wuͤrden gemeldet haben; und sich bald wieder bey miꝛ einstellen/ alsdann wuͤrden sie zuvernehmen haben/ was grosse unverdienete Gnade man ihnen anbieten wuͤrde. Diese wurden solcher gemachten Hofnung uͤberaus froh/ hinter- brachten alles traͤulich/ und hatten dadurch eine solche Furcht erwecket/ daß sie alle geruf- fen/ man solte nur dahin sehen/ daß ihnen Leben und Freyheit uͤberbliebe/ das uͤbrige wolten sie alles gerne uͤber sich nehmen/ wahr auch niemand gewesen/ welche nicht ihre todte Fuͤr- sten und deren vornehmste Rahtgeber biß in abgrund der Hellen soltẽ verflucht haben. Die vorigen stelleten sich bald wieder bey mir ein/ deren aͤltester/ namens Hunerich/ im nahmen des ganzen Wendischen Volkes/ vortrug: Es waͤhre ihnen allen von Herzen leid/ daß ihr gewesener Fuͤrst Krito/ und seyn Sohn Gotschalk/ eine solche unverantwortliche Taht an dem Großmaͤchtigen Groß Fuͤrsten der Teutschen/ Herrn Henrich und den seinen/ began- gen/ und muͤsten bekennen daß ihnen durch die angelegte Straffe recht geschehen waͤhre. Uberdas waͤhre ihnen wol bewust/ daß allemahl die Untertahnen/ ob sie gleich allerdinge unschuldig/ dannoch mit leiden muͤsten/ wann ihre Obrigkeit etwas verbrochen haͤtte; doch dannoch haͤtten zu ihrer Großfuͤrstl. Hocheit sie das vertrauen/ dieselbe wuͤrde gnaͤdig mit ihnen verfahren/ nachdem sie sich hiemit und Kraft dieses auffrichtig wolten erbieten und verpflichten/ daß/ wann ja noch ein oder etliche (dann viel wuͤrden deren nicht seyn) in ih- rem Lande soltẽ gefunden werden/ die schuld an dem begangenen Raube truͤgen/ dieselben durch grausame Straffen vom Leben zum Tode solten gebracht werden/ gleich auff die Weise/ wie dem frechen Buben und falschen Schmeichler Niklot nach seinem verdienst begegnet waͤhre. Endlich bahten sie/ ich moͤchte nach tragender meiner volmacht ihnen an- deuten/ was von ihnen erfodert wuͤrde/ welches nach aͤusserster moͤgligkeit folte geleistet uñ erfuͤllet werden; tahten auch dabey einen demuͤhtigen Fußfal/ ganz flehlich bittend/ man o o o o iij moͤch- Siebendes Buch. moͤchte mit ihnen nach Gnade/ und nicht nach der Straͤnge verfahren. Ich hieß sie auff- stehen/ und daß alsbald ihre Leute/ so die Grenze besezt hielten ihr Gewehr von sich geben/ und alsdann meinen gnaͤdigen Vortrag vernehmen solten. Welches sie nicht allein gerne und willig leisteten/ sondern in 12000 stark/ einen klaͤglichen Fußfal tahten: da ich sie gutes muhts seyn hieß/ und ihnen vortrug; sie solten gleich jezt in der Taht erfahren/ was vor ho- he Gnade der Großmaͤchtige Groß Fuͤrst der Teutschen ihnen durch mich seinen Gevol- maͤchtigten antragen liesse: Als nehmlich/ daß ihrer Fuͤrsten verbrechen an keinem einigen Menschen mehr solte geeifert werden/ sondern alles Tod und abe seyn; das ihr Land und Fuͤrstentuhm weder mit Geldbusse noch anderer Straffe solte belegt werden; daß alle In- wohner/ aͤdel und unaͤdel bey ihren Freiheiten und Guͤtern solten gelassen werden. Daß al- le Beschwerung/ welche Krito Zeit seiner Beherschung ihnen auffgebuͤrdet/ solten aller- dinge auffgehoben und abgeschaffet seyn. Ihre alte fromme Fuͤrstin/ welche der Raͤuber eingemauret/ und vor Tod angegeben haͤtte/ solte und muͤste alsbald frey gemacht/ und ihr die voͤllige Herschaft eingeraͤumet werden/ jedoch daß ihr Land Raht von lauter eingesesse- nen Wenden/ aus allen Staͤnden ihr solte zugeordnet werden/ welche dann nebest der Fuͤr- stin und allen Untertahnen angeloben wuͤrden/ daß der Durchleuchtigste Daͤnische Fuͤrst/ Herr Olaff/ der einige und gewisse Erbe seyn/ und von der Fürstin vor einen Sohn solte angenommen werden. Als ich meine Rede hiemit beschloß/ entstund eine solche Freude un- ter dem Volk/ daß sie vor vergnuͤgung nicht wusten was sie tahten; sie rieffen durcheinan- der her: Verflucht sey Krito und Gotschalk in Ewigkeit/ dagegen lebe und hersche gluͤklich der allergnaͤdigste und allerwoltaͤhtigste Großfuͤrst der Teutschen/ welcher uns mehr gu- tes erzeiget/ als wir nicht wert sind. Ich ließ die vornehmsten vor mich fodern/ und befahl daß alsbald nachdem mir bewusten Orte geschikt/ und die eingesperrete Fuͤrstin auff mei- ner Leibgutsche zu mir gebracht wuͤrde/ doch daß man ihr von allem verlauff nichts sagete/ welches zuverhuͤten/ ich Neda mit gehen ließ. Man hatte sie im elenden Stande angetrof- fen/ und da man sie auff die schoͤne Gutsche ganz ehrerbietig gesetzet/ hatte sie gefraget/ ob ihr gottloser Gemahl oder ihr getraͤuer Sohn sie hohlen liesse; worauff ihr geantwortet wor- den; weder ihr Gemahl/ noch ihr Sohn/ sondern ein fremder unbekanter Herr/ dem wei- ter nachzufragen sie sich gnaͤdigst maͤssigen wolte/ biß er sich selbst meldete. Der Ort wahr nur eine Meile von meinem Lager/ und ritte ich ihr geharnischt entgegen/ stieg mit blossem Haͤupte vom Pferde/ ging zu ihr an die Gutsche/ und nachdem ich sie davon gehoben hatte/ boht ich ihr mit gebogenem Knie den Handkuß. Die fromme Fuͤrstin hatte ihr gaͤnzlich eingebildet ich wuͤrde kein ander als der Daͤnische Fuͤrst Olaff seyn/ weil sie dessen Liebe ohndas von Angesicht nicht kennete/ fiel mir umb den Hals/ herzete und kuͤssete mich/ und mit weinender Stimme sagte sie zu mir. Ach ihr mein allerliebster Obeim und Sohn; wie schicken die guͤtigen Goͤtter euch mir zur huͤlffe und rettung so ganz gnaͤdig zu; und werde ich meinem Gn. herzlieben Herr Bruder dem Koͤnige in Daͤnnemark nimmermehr gnug danken koͤnnen/ daß seine recht bruͤderliche Liebe und Gnade mich aus meiner elenden Ge- faͤngnis loß gemacht/ dessen Liebe flehlich zu bitten ich nicht auffhoͤrẽ werde/ mir diese Gna- de zuerzeigen/ daß ich dem gottlosen Wuͤterich Krito ja nimmermehr unter die Augen kom- me/ sondern in Daͤñenmark die uͤbrige Zeit meines lebens in stiller einsamkeit und ruhe zu- bringen Siebendes Buch. bringen moͤge. Ich gab ihr zur Antwort: Ihre Durchl. moͤchte mir gnaͤdig verzeihen/ dz ich derselbe Fuͤrst nicht waͤhre/ wiewol sie gleich einen solchen gehorsamen untertaͤhnigen Sohn und diener an mir haben solte; sagte ihr auch meinen Nahmen/ und daß von dem Großmaͤchtigen Groß Fürsten aus Teutschland ich abgeschicket waͤhre/ ihre Durchl. nicht allein aus ihrem Gefaͤngnis loßzureissen/ sondern dieselbe auch als eine maͤchtige und vol- kommene Beherscher in des ganzen Wendlandes einzusetzen und zubestaͤtigen; welches da sie aus verwunderung es nicht begreiffen kunte/ meldete ich ihr kuͤrzlich ihꝛes gewesenen Gemahls freveltaht und lebens verlust an/ auch daß ihr Sohn in der Schlacht als ein tap- ferer Held mit drauff gangen waͤhre; welches lezte ihr die Traͤhnen hervor trieb/ und sich doch bald zufrieden gab/ insonderheit/ da sie vernam/ wer ihr kuͤnftiger Erbe und Nachfol- ger in der Herschung seyn würde. Sonsten wahr eine solche Freude bey den Untertahnen/ daß es zubeschreiben unmoͤglich ist/ ward mir auch angezeiget/ daß wañ man ihnen die freie Wahl gegeben/ wuͤrden sie keinen andern als den Daͤnischen Fuͤrsten gekieset haben. Ich muste auff der frommen Fuͤrstin heftiges anhalten mit ihr nach ihrem Schlosse zihen/ und alle meine Voͤlker in ihre Staͤdte und Festungen verlegen/ daß ich muͤhe hatte/ meine mit- gebrachten loß zu bitten; uñ weil man unvermuhtlich einen sehr grossen Fuͤrstlichẽ Schaz/ auff viel Tonnen Goldes in den heimlichen Gewoͤlben fand/ davon der Fuͤrstin nichts kund wahr/ musten nicht allein meine Voͤlker drey Monat Sold/ sondern mein Gemahl und ihr Frauenzimmer Koͤnigliche Schenkungen wieder ihren willen annehmen; da dann das ganze Land nebest ihrer redlichen Fürstin sich willig anerbeut/ dem Großfuͤrsten der Teut- schen und allen den seinen mit Leib/ Gut und Blut allemahl auffwaͤrtig und bereit zu seyn. Die unsern erfreueten sich sehr/ daß alles so wol und friedlich abgangen wahr/ abeꝛ die freu- de durch ganz Wendland wahr nicht auszusprechen; dañ Krito hatte sie unter sehr schwe- ren Frohndiensten und Schatzungen gedruͤcket/ daß sie von ihm biß aufs Blut ausgesogẽ wurdẽ. Fuͤrst Olaff stellete sich bey dieser Erzaͤhlung/ als ginge einsolches ihn gar nichts an/ ohn daß er Siegwarden/ wegen der seiner Wasen erzeigeten freundschaft und dienste/ hoͤchlich dankete/ und sich zu aller moͤgligkeit hinwiederum erboht. Herkules redete ihn an/ mit bitte/ er moͤchte ihm gefallen lassen/ sich den Landstaͤndẽ des Wendischen Fuͤrstentuhms zustellen/ damit er samt der alten Fuͤrstin die Huldigung zugleich annehmen koͤnte. Valis- ka kam auch darzu/ und hielt freundlich an/ ein solches zu leisten/ und sie zu Prag wieder zu besuchen. Er aber gab zur Antwort/ er hoffetete von der Koͤnig- und Fuͤrstlichen Geselschaft die Gnade zuerhalten/ daß ihm gegoͤnnet wuͤrde/ mit ihnen in Boͤhmen zuzihen/ nachdem ihm unmoͤglich waͤhre/ ihre Geselschaft so schleunig zuverlassen. Worauff Koͤnigin Va- liska/ die ihn schwesterlich liebete/ ihm diese Erklaͤrung taht; es wuͤrde seine Liebe schwer- lich glaͤuben koͤnnen/ wie angenehm ihnen allen und jeden dieses sein Erbieten waͤhre; rech- neten auch in Warheit seine bruͤderliche Freundschaft hoͤher als das erworbene Koͤnig- reich. Er wolte ihr auff gegebene Antwort den Handkuß bieten/ aber sie umfing an dessen stat ihn als einen Bruder/ welches auch von den jungen Koͤnigen und Fuͤrsten geschahe/ die sich ihm mit Gut und Blut anerbohten/ und wahr insonderheit zwischen ihn und Koͤ- nig Baldrich eine solche innigliche Liebe/ daß sie nicht wol kunten lange von einander seyn. Noch hielt aber Valiska an/ er moͤchte sich erklaͤren/ wie bald ihm gefaͤllig seyn koͤnte/ nach Wend- Siebendes Buch. Wendland zureisen. Worauff er mit wenigem antwortete; er haͤtte noch zur Zeit nicht Ursach dahin zuzihen/ hoffete auch/ man wuͤrde ihm allerseits verzeihen/ daß er sich dessel- ben Fuͤrstentuhms unangemasset liesse. Dann ob gleich ihr gar zu mildes anbieten/ ihr ge- wogenes Herz ihm Sonnenklar vor Augen stellete/ würde ihm doch nit gebuͤhren solches anzunehmen/ ehe und bevor er saͤhe/ wie es zu verschulden seyn koͤnte; muͤste uͤberdas sei- nem Herr Vater es erstlich zu verstehen geben/ und es abwarten/ ob derselbe auch einwil- ligen koͤnte/ dz er ein solches Geschenk annaͤhme; schlieslich baht er demuͤhtig/ ihm davon ein mehres nicht zu sagen. Also schlugen sie dieses Faß zu/ und antwortete Valiska als im Scherze; sie merkete wol daß ihr getahnes doppeltes versprechen wuͤrde muͤssen bey einan- der seyn. Ihr Zug ward zimlich eilig fortgesetzet/ so daß nur 300 Reuter mit ihnen gingen/ und das ganze Heer von Teutschen/ Boͤhmen/ Friesen/ Wenden und Olafs Daͤnen/ inge- samt 34000 stark/ alle wolgewapnet und beritten/ unter Neda und Klodius folgen musten. Zu Prag ließ die alte Koͤnigin auff ihre Ankunft bester massen zubereiten/ weil ihr der Auf- bruch durch einen reitenden Bohten angemeldet ward; und als sie daselbst anlangeten/ ging sie ihnen biß an das Schloß Tohr entgegen/ und ließ die beyden jungen Herlein hinter sich her tragen. So bald sie einander erreicheten/ trat Valiska aus der Ordnung vorhin/ nahm ihr liebes Soͤhnlein auff ihren Arm/ welches nunmehr 38 Wochen alt wahr/ herzete und kuͤssete es muͤtterlich/ und gabs hernach ihrer Fr. Schwiegermutter mit diesen Wor- ten: Sehet da/ herzliebe Fr. Mutter/ diesen meinen herzallerliebsten Schaz/ an welchem ihr auch Teil habet/ habe ich euch noch nicht kund machen wollen/ auff daß ihr auch alhie zu Prag moͤchtet durch eine neue Lust erfreuet werden; so nehmet nun eures Sohns Her- kules und mein allerliebstes Soͤhnlein hin/ und erfreuet euch/ daß ihr ein Kinds Kind auff die Arme bekommet/ ehe ihr wisset/ daß ihr Groß Mutter seyd. Die Mutter ward der un- vermuhtlichen Zeitung froh/ nam das liebe Kindichen ganz begierig an/ und kunte sich an demselben nicht sat noch muͤde kuͤssen. Ach du mein herzaller liebster Herkuliskus/ sagte sie zu ihm; der allmaͤchtige Gott verleihe dir seine Gnade/ daß du in seiner Furcht auffwach- sen/ und zu allen Christlichen Tugenden moͤgest erzogen werden/ auff daß du nach dieser Sterbligkeit/ die kaum nennens wert ist/ ein klarer Stern unter allen Auserwaͤhlten er- funden werdest. Rief hernach den alten Koͤnig ihren Gemahl zu sich/ hielt ihm das Kind zu/ und sagete: Da mein Herzgeliebeter; wisset ihr noch nicht/ daß ihr Großvater seyd/ so besehet nur diesen kleinen/ ach/ allerliebsten Herkuliskus/ der seiner Eltern Gesicht so wenig als sich selbst verleugnen kan. Der Koͤnig nahm ihn alsbald auff seine Arme/ und sagte zu Herkules: Lieber Sohn/ habe ich dann nicht ehe als zu Prag mich einen gluͤkseligẽ Groß- vater kennen muͤssen? doch es ist wol angelegt/ damit wir auch alhie eine neue unvermuht- liche Freude einnehmen moͤgen; aber der allerhoͤchste Gott/ sagte er zu dem Kinde/ hat dir sehr grosse Gnade verlihen/ daß du ein Christ in deiner Kindheit schon bist/ ehe du es selbst wissen oder verstehen kanst; dein Heiland nehme dich in seinen Gnaden Schuz/ und lasse dich nach dieser Vergaͤngligkeit mit allen Kindern Gottes der ewigen Herligkeit genies sen. Die alte Boͤhmische Koͤnigin erzeigete sich nicht minder froͤlich/ daß sie die ihrigen- frisch und gesund wieder herzen und umfahen kunte/ auch ihr geliebter Bruder und dessen Gemahl erloͤset wahren; aber die traurige Zeitung wegen der Fraͤulein Verlust (die man ihr Siebendes Buch. ihr nicht hatte zuschreiben wollen) betruͤbete sie herzlich/ hoffete doch/ sie wũrde von Gott wieder zu Hause geleitet werden. Nach gehaltener Mahlzeit ward der alte Koͤnig/ sein Gemahl/ und Fuͤrst Olaff in ein grosses Gemach geführet/ in welchem Herkules und La- dislaen Gelder wie Kornhauffẽ aufgeschuͤttet lagẽ/ dessen sie sich nit gnug verwundern kun- ten; und als sie die sehr grosse Menge der koͤstlichen Kleinoten sahen/ sagten sie/ es schiene fast/ ob haͤtten sie Asien von dergleichen Kostbarkeiten ganz leer machen wollen; dessen Va- liska lachete/ und ihnen anzeigete/ daß das uͤberaus weitlaͤufftige und reiche Land diesen Ab- gang an Golde und Kleinoten nicht eins merkete; wiewol auch ein sehr grosser Teil aus der Paduanischen Raͤuber-Hoͤhle erobert waͤhre. Des ersten Tages nach ihrer Ankunfft wurden Klodius/ Markus und Neda mit 1800 Teutschen und Boͤhmischen Reutern nach Padua abgefertiget/ Herrn Q. Fabius/ Herrn Pompejus und andern guten Freun- den ihre kurze und glüklich geendigte Kriege und Siege anzumelden/ und sie zugleich ihrer Zusage der Besuchung zuerinnern/ nebest Bitte/ daß sie alsbald mit ihnen uͤberkommen moͤchten. Diese seumeten sich nicht auff dem Wege/ wurden aber von einer Pannonischen Schaar 2000 stark/ aus einem Pusche unversehens uͤberfallen/ so dz Neda mit 300 Man- nen sie anfangs aufhalten muste/ biß die andern sich in Ordnung begaben/ da dann ein sehr herbes Treffen vorging/ in welchem 600 Pannonier erschlagen/ und die uͤbrigen mehren- teils verwundet in die Flucht getrieben wurden/ sie aber auch 400 Mann einbuͤsseten/ und an die 500 Verwundete unter sich hatten. Zu Padua empfing man sie sehr wol/ wo- selbst Herr Pompejus mit aller seiner Haabe von Jerusalem schon wieder angelanget wahr. Sie erfreueten sich ingesamt unserer Helden wolergehens/ und daß Fuͤrst Baldrich mit so geringer Mühe ein Koͤnigreich erlanget/ da Pompejus nach eingenommenen Be- richt diese Urtel von Herkules fellete: Ich hoͤre und vernehme mit Verwunderung/ daß dieser unvergleichliche Held eben so gluͤklich den Teutschen als anderen Voͤlkern obsieget: und muß sein Muht ja so kraͤfftig seyn/ daß er allen seinen Kriegsleuten die Herzhafftigkeit eingiessen/ und den Feinden Schrecken bringen kan. Insonderheit wahr er herzlich froh/ daß sein geliebter Schwieger Sohn sein Koͤnigreich so nahe bey Koͤln hatte/ und sie alle- mahl in wenig Tagen zusammen kommen kunten; trug auch grosses Verlangen/ die un- sern zusehen/ und mahnete Herrn Fabius/ Kornelius/ Emilius/ Antenor und Opimius samt etlichen andern auff/ daß mit ihren Gemahlen sie sich zur Reise fertig machen mu- sten/ welche des andern Tages solten vorgenommen werden. Inzwischen wahren die un- sern in so weit vergnuͤget/ weil sie die Unruhe (ihrer Meinung nach) nunmehr zum Ende gebracht/ und die Waffen abzulegen/ Mueß und Zeit bekommen hatten (dann die vielen ergangenen Ungluͤks Zeichen schlugen sie fast gar in den Wind/ unter der Meynung/ der boͤse Feind wolte ihnen dadurch eine vergebliche Furcht einjagen); so daß sie der gaͤnzlichẽ Einbildung wahren/ wann nur Frl. Klara und Fuͤrst Arbianes wieder funden waͤhren/ koͤnte man in der Furcht des HErrn von Herzen froͤlich seyn. Koͤnig Henrich erinnerte Ladisla/ er solte seine Kroͤnung laͤnger nicht auffschieben/ sondern dadurch seine Untertah- nen erfreuen/ damit er hernach mit so viel groͤsserem Ansehen und Nachdruk gute An- ordnung in seinem Koͤnigreiche machen/ und allerhand eingeschlichene Mißbraͤuche in Staͤdten und auff dem Lande abschaffen koͤnte; Welchem er zufolgen bedacht wahr/ und p p p p solches Siebendes Buch. solches Fest 6 Wochen nach seiner Wiederkunfft zuhalten ausschrieb/ mit ernstlichem be- fehl/ daß die Ritterschafft und andere wehrhaffte Untertahnen sich dagegen auffs beste ruͤ- sten und einstellen solten. Zehn Tage vor der angesetzeten Kroͤnung meldete der Frankische Ritter Farabert sich vor Prag an/ hatte 220 wolberittene treflich geputzete Reuter und 12 beladene Maulesel bey sich/ ward auff begehren mit allen seinen Leuten willig eingelassen/ und bey der Buͤrger- schaft verlegt und Kostfrey gehalten/ da er zwar ansuchete/ dz auff den naͤhstfolgenden Tag er moͤchte vor Koͤnigin Valisken zur gnaͤdigsten Verhoͤrung gelassen werden/ aber dieselbe ließ ihm gegen die Abendmahlzeit mit ihrer statlichen Leib Gutsche nach dem Schlosse hoh- len/ raͤumete ihm und seinen Leib Dienern etliche Gemaͤcher ein/ und muste daselbst abson- derlich Koͤniglich gespeiset werden/ da ihm Leches und Klodius Geselschaft leisteten. Des folgenden morgens wurden die beladene Maulesel nach dem Schlosse gebracht/ abgela- den/ und alle Sachen in verschlossenen Wetschern von rotem und gelben Leder hinter ihm von 46 Dienern hergetragen/ welche/ da er vorgefodert ward/ inzwischen auf dem hohen Gange warten musten/ biß ihnen geruffen wuͤrde. Koͤnigin Valiska ließ ihn fragen/ ob er mit ihr absonderlich/ oder in anderer ihrer Anverwantẽ Gegenwart/ reden wolte; und als er zur Antwort gab; wann eine so hoͤchstwirdige Koͤnig- und Fuͤrstliche Geselschafft sein anbringen mit anhoͤren wolte/ wuͤrde bey seinem allergnaͤdigsten Koͤnige er solches hoch zuruͤhmen haben. Also wahren alle vier Koͤnige samt dem ganzen Fꝛauenzim̄er/ nebst Sieg- ward und Olaf versamlet/ da Koͤnigin Valiska ihrem Gemahl zur Seiten saß/ und den Gesanten/ Ritter Farabert mit einem auffstehen gruͤssete/ und die Hand zukuͤssen ihm dar- boht; welches er untertaͤhnigst verrichtete/ etliche Schritte wieder zuruͤcke trat/ und also anfing: Großmaͤchtigste unuͤberwindlichste Koͤnige und Koͤniginnen/ Durchleuchtigste Fuͤrsten und Fuͤrstinnen. Mein Allergnaͤdigster/ und Gnaͤdigster Herr/ auch allergnaͤdig- ste Frau; der Großmaͤchtigste unuͤberwindlichste Koͤnig der freyen Franken und Sikamb- rer; wie auch dessen Hocheit Gemahl die Großmaͤchtigste Koͤnigin/ und deren Hochei- ten Herr Sohn/ der Durchleuchtigste Koͤnigliche Fuͤrst Markomir/ haben mir ihrem Die- ner allergnaͤdigst und gnaͤdig anbefohlen/ alle eure Anwesende Koͤnigliche Hocheiten und Fuͤrstliche Durchleuchtigkeiten freund- und dienstlich zugrüssen/ und ihren Hocheiten uñ Durchleuchtigkeiten samt uñ sonders ihre auffꝛichtige behaꝛliche Freundschaft und Dien- ste anzumelden/ auch dabey dieselben zuversichern/ daß ihnen nicht mehr anliege/ als wann einige empfangene Freundschaft zuvergelten/ ihnen die Macht und Gelegenheit benom- men werde/ welches sie doch nie als vor dißmahl bey ihnen empfunden/ nachdem das Gluͤk ihnen noch zur Zeit die Mittel an die Hand nicht geben wil/ eine wirdige Dankbarkeit vor erzeigete Woltaht/ im Werke sehen zulassen. Absonderlich laͤsset mein Koͤnig sich gegen dẽ Großmaͤchtigsten Koͤnig/ Herrn Herkules freund-Vaͤterlich bedanken vor den angeneh- men Gruß uñ Freundschaft-Anerbietung/ uñ ersetzet dessen Hocheit ein solches mit gleich- maͤssigem. Die unvergleichliche Koͤnigin uñ Großmaͤchtigste Frau aber/ Fr. Valiska wiꝛd dessen versichert/ daß wie dero Hocheit sich erklaͤret/ meinen alleꝛgnaͤdigsten Koͤnig und Koͤ- nigin an Elteꝛn Stat anzunehmen/ also haben dieselben gegen diese ihꝛe wiꝛdigste Fꝛ. Toch- ter sich hinwiederumb erklaͤren wollen/ alles dasselbe zuleisten/ was derselben kan lieb und ange- Siebendes Buch. angenehm seyn. Mein gnaͤdigster Fuͤrst aber/ Herꝛ Markomir/ dem die Goͤtter durch ihrer Hocheit freundliches Schꝛeiben die voͤllige Gesundheit wiedeꝛ zugestellet haben/ achtet sich unwirdig dero hohen schwesterlichen anerbietens/ und verbleibet Zeit seines Lebens seineꝛ Gnaͤdigsten Koͤnigin und Frauen/ Frauen Valiska in Ehren dienstergebener Knecht. Koͤ- nig Henrich selbst bedankete sich des uͤberbrachten Grusses in ihrer aller Nahmen/ und zei- gete an/ wie lieb ihnẽ des Franken Koͤniges und der seinigen Wolergehen waͤhre/ und daß sie hoffeten/ die Ehre zuhaben/ in Ihrer Liebden Bruͤder- und Vaͤterliche Kundschafft zu kommen. Herkules setzete hinzu; Es koͤnte ihm nichts angenehmers begegnen/ als daß ei- nes so Großmaͤchtigen und Weltberuͤhmten Koͤniges vaͤterliche Gewogenheit er erhaltẽ/ daher er nicht ruhen/ noch seine Seele voͤllig befriedigen wuͤrde/ ehe und bevor seines Gn. Herr Vaters/ Koͤniges Hilderichs/ und liebwerten Bruders Groß Fuͤrst Markomirs An- gesicht er gesehen/ und seinen Gehorsam und Dienste ihnen muͤndlich angetragen haͤtte. Koͤnigin Valiska brachte ihren absonderlichen Dank mit grosser Freundligkeit und Ehr- erbietigen Benennungen vor/ und stellete sich uͤberaus froͤlich wegen des jungen Fuͤrsten wieder erlangeter Gesundheit/ wie ihr dann solches eine grosse Freude wahr; daher sie sa- gete: Der Tag muͤsse gesegnet seyn/ an welchem ihr mein Freund Herr Farabert/ mich zu Padua angesprochen/ und des liebwerten Fuͤrsten/ meines freundlichen lieben Herrn Bru- ders/ Herrn Markomirs Zustand mir zuwissen gemacht/ weil nicht allein hiedurch/ wie ich herzlich gerne vernehme/ des lieben Fuͤrsten Gesundheit befodert ist/ sondern ich auch in die Vaͤter- und Mütterliche Gunst und Gnade der Großmaͤchtigen Koͤniges und Koͤni- gin der freyen Franken auff und angenommen bin; hoffe auch dieser Tage von dem Herꝛn Gesanten den jetzigen erfreulichen Zustand meines Herrn Bruders und Oheims umb- staͤndlicher zuvernehmen. Großmaͤchtigste Koͤnigin/ antwortete er; Ihrer Koͤnigl. Hoch- heit solches zuerzaͤhlen erkenne ich mich in tieffster Untertaͤhnigkeit schuldig/ und uͤberlie- fere deroselben diese beyde Schreiben von meinem allergnaͤdigsten Koͤnige Herrn Hilde- rich/ uñ von dem Durchl. Großfürsten Herrn Markomir; nebst angehengter untertaͤhnig- ster Bitte/ Ihre Koͤnigl. Hocheit wolle mir allergnaͤdigst erlauben/ die dabey uͤbergeschic- kete Sachen/ als ein Zeichen Muͤtterlicher Gewogenheit meiner allergnaͤdigsten Fr. Koͤ- nigin/ und dienstergebenen Bereitwilligkeit hoͤchstgedachten meines gn. Fuͤrsten/ vor ihre Gegenwart einzuliefern. Sie empfing solche Briefe ganz ehrerbietig/ und daß dem Gesan- ten frey stuͤnde/ alles nach ihrer Gn. Eltern seines Herrn Koͤniges und Fr. Koͤnigin An- ordnung und Befehl zuschaffen/ brach des Koͤniges Brief zuerst/ und fand diesen Inhalt: Durchleuchtigste Großfuͤrstin (dann es wahr diesem Koͤnige ihr Koͤniglicher Stand an- noch unbewust) freundliche geliebte Fr. Tochter und Wase; je naͤher eines Menschen Art der goͤttli- chen Volkommenheit trit/ jemehr befleissiget sich derselbe andern zu dienen und deren bestes zubefo- dern/ die ihrer Huͤlffe beduͤrffen; daher uns dann keines weges wundert/ daß Eure Liebe (deren Ruhm schon in dieser ihrer jugend den Weg der Ewigkeit suchet) sich der Wolfahrt unsers freundlichen liebē Herr Sohns/ aus recht schwesterlicher Freundschafft und mitleiden/ so hoch und ernstlich angenom̃en hat; welches dann die guͤtigen Himmels-Goͤtter mit ihrem Gedeien dergestalt gesegnen wollen/ daß es mehr gefruchtet und gewirket/ als wir an unserm Orte haͤtten hoffen und wuͤnschen moͤgen/ gestalt- sam der ehmahls elende Markomir an seiner Vernunft und Leibe ungleich gesunder und gluͤkseliger worden ist/ als vor nie/ und derselbe sich nicht scheuhet offentlich zubekennen/ daß wann er gleich sein p p p p ij Leben Siebendes Buch. Leben und Blut vor Euer Liebe Wolfahrt auffopffern wuͤrde/ solches doch nicht zuschaͤtzen waͤhre ge- gen das empfangene Gut/ von Euer Liebe uͤber ihn mit vollen Stroͤhmen ausgeschuͤttet. Wir seine Eltern sind daher Euer Liebe verbundē zu aller Vaͤter- und Muͤtterlichen Liebe/ welche in der Taht deꝛ- mahleins zuerweisen/ wir das Gluͤk und die Gelegenheit uns von den Goͤttern wuͤnschen/ und uns vor ungluͤkselig achten werden/ biß wir dessen einen rechtschaffenen Anfang werden gemacht haben. Neh- met von uns den Willen an/ herzgeliebete Fr. Tochter/ und versichert euch daß die Versiegelung un- ser Freude dieses ist/ daß durch Eurer Liebe gewogene Kindliche Freundwilligkeit/ wir auch teil habẽ an den Ruhm/ welcher Eure Liebe durch ihren hohen Verdienst weit uͤber alle andere ihres gleichen setzet. Die von Eurer Liebe meinem Gemahl und Sohn uͤbergeschikte kostbahre Bezeugungen ihrer Freundwilligkeit und Liebe/ sind allerseits wol eingeliefert und begierig angenommen/ daher man de- sto weniger zweiffelt/ die geringe Gegenbezeigung einer Muͤtterlichen Ergebenheit und Bruͤderlichen dienstwilligsten Herzen (wo bey unser Vaͤterlicher Wille sich nimmermehr aus schliessen sol)/ werde hinwiederum mit gleichmaͤssiger Vergnuͤgenheit angenommen werden. Meine werte Fr. Tochter wol- le nebest ihrem hochberuͤhmten Gemahl und saͤmtlichen Anverwanten von uns freundlich gegruͤsset seyn/ deren zu aller Vaͤterlichen Moͤgligkeit wir verbunden sind und bleiben wollen/ als lange wir leben. Hilderich. Valiska lase es mit hoher Vergnuͤgung/ und reichete es nachgehends ihrem Her- kules mit diesen Worten ein: Mein Schaz/ hie gebe Eure Liebe ich zu vernehmen eine son- derliche Vaͤterliche Gunst und Gnade/ damit unser Gn. Herr Vater der Großmaͤchtigste Franken Koͤnig uns zugetahn ist; mehr als in unserm vermoͤgẽ seyn wird/ es zuverschuldẽ. Herkules nam es ehrerbietig an/ und in dem ers durchsahe/ erbrach sie auch das andere von Fuͤrst Markomir geschrieben/ unter dieser Auffschrift: Der Ruhmwirdigsten des Erdbo- dens/ Großmaͤchtigsten Großfuͤrstin der Teutschen/ Frauen Valiska/ seiner einigen Lebens-Erhal- terin/ und Vernunft-wiederbringerin/ zu ihrem selbst eigenen unsterblichen Ruhm. Nach Verle- sung dessen/ sagte sie zu Farabert: Herr Gesanter; wañ dieser Brieff mir nicht von so an- genehmer Hand zukaͤhme/ wuͤrde ich ihn zu lesen mich nimmermehr unterstehen/ in Be- trachtung der gar zu ungebuͤhrlichen Benennungen/ welche in der Auffschrift enthalten sind. Er aber ließ solches unbeantwortet/ und legte sie den Brieff von einander/ welcher also lautete: Wann der Himmel selbst/ unvergleichliche Großfuͤrstin und vollig-gewaltsahme Gebieterin uͤber mein Leben/ mit seinem Donnerschalle außblasen und uns hieniden anmelden wolte/ alle die Volkommenheit/ welche er selbst eurer Vortreffligkeit mit unermaͤßlicher fuͤlle mitgeteilet hat/ wuͤrde er dannach so wichtig nicht seyn/ es uns Menschen durch einiges ander Mittel/ als ihr seibst vorzustellen; welches doch meine armfelige Feder abschrecket/ sich dessen zuunternehmen/ was uns al- len unmoͤglich faͤllet/ daher ich bloß nur dasselbe zupreisen versuchen wil/ was wir gewesenen Elenden/ nunmehr begluͤkseligten Menschen von ihrer Erbaꝛmung und Guͤte gutes begegnet ist. Ihre Strah- len der innerlichen und aͤusserlichen Volkommenheit hatten mich am Verstande und Gesundheit ge- blendet/ und weil ich deren entrahten muste/ machten sie mich einem unvernuͤnftigen Vieh ganz aͤhn- lich; biß der helle Gnaden-blik ihrer kraͤftigen Schrift und das Zeichen eines solchen erbietens/ dessen ich nicht wert bin/ meine Vernunft durch der Augen Anblik/ wieder zu ihrer Richtigkeit brachten/ und ich wieder wuste wer ich wahr/ uñ wer ich seyn solte. Vortreflichste Großfuͤrstin/ einige Wiederbringe- rin meiner Sinnen/ goͤnnet bitte ich/ eurem gar zu tief verschuldeten/ daß ihm frey stehen moͤge/ die- ses mit vollem Munde zuruͤhmen/ was von ihrer Gnaden Hand er empfangen hat; mehr als alle Welt ihm nicht haͤtten mitteilen koͤnnen/ und lasset ihm gnaͤdig zu/ sich dessen vor dißmahl durch sei- ne Schrifft/ und erste Moͤgligkeit muͤndlich zubedanken/ in solcher untergebener Ehrerbietigkeit/ als die Siebendes Buch die empfangene Woltaht erheischet. Was mein Gn. Herr Vater mir anbefohlen/ meiner Erloͤserin zum Zeichen aller Ergebenheit zu uͤbersenden/ wird verhoffentlich die Gnade erhalten/ daß unter ihrer Vortrefligkeit gewarsam es verbleiben moͤge; und ihr gehorsamer Knecht die Freyheit habe/ dasselbe vor allen zubekennen/ was ihre kraͤfftige Huͤlffe ihm hat wiederfahren lassen/ alsdann wird derselbe sich vor recht gluͤkselig schaͤtzen/ welcher mit allem/ was er ist und hat/ ist und verbleibet der volkom̃en- wirdigsten Groß Fuͤrstin Fr. Valisken ganz verschuldeter und verpflichteter Knecht Markomir. Valiska wolte vor der ganzen Geselschaft nicht aussagen/ was an diesem Schreiben ihr so sehr mißfiel/ nur zeigete sie dem Gesanten/ wie hocherfreulich ihr die Zeitung wegen des lieben Fuͤrsten Gesundheit waͤhre. Und als des aufftragens der vielen Wetscher kein ende werden wolte/ stellete sie sich etwas ungeduldig/ und fragete/ warumb man sie doch mit solcher Last beschwerete. Farabert aber ließ dieselben/ an der Zahl 24 in zween Hauffen stellen/ da an den rohten der Koͤnigin/ an den gelben aber des jungen Fuͤrsten Nahme stund; und er untertaͤhnig anhielt/ ihre Koͤnigl. Hocheit moͤchte mit solchem Willen und Wol- gefallen dieses alles teils von der Koͤnigin/ teils von dem jungen Fürsten/ annehmen/ wie daß von ihr uͤbergeschikt waͤhre angenommen worden. Worauff sie sich freymuͤhtig er- klaͤrete; ja/ ob sie gleich augenscheinlich und an den vielen Wetschern saͤhe/ daß die Koͤnig- lichen Geschenke gar zu groß waͤhren/ wolte sie doch/ umb ihrer Gn. Fr. Mutter der Fr. Koͤnigin ihren Gehorsam/ und dem jungen Großfuͤrsten ihre schwesterliche Liebe sehen zu lassen/ sich dessen durchaus nicht wegern. Und muste der Gesante mit zur Koͤniglichen Mahlzeit gehen/ da er als eines grossen Koͤniges Diener gebuͤhrlich geehret ward. Nach der speisung foderte ihn Valiska allein vor sich in ihr Gemach/ und zeigete ihm an/ daß so hoch sie uͤber des jungen Fuͤrsten erlangeter Gesundheit sich erfreuet/ so heftig haͤtte sie sich uͤber dessen Schreibens Inhalt betruͤbet/ weil sie ein solches uͤbermachtes Lob darinnen haͤtte lesen muͤssen/ das ihr Herz sich vor ihr selbst geschaͤmet/ wolte auch hiemit angeloben/ daß ob sie zwar vordißmahl dem Fuͤrsten schriftlich antworten wolte/ sie doch hinfuͤro we- der dergleichen Briefe mehr von ihm anzunehmen/ noch zubeantworten bedacht waͤhre. Hernach muste ihr Farabert erzaͤhlen/ wie es mit dem Fuͤrsten eigentlich beschaffen waͤhre; da er ihr zuvernehmen gab/ was gestalt in den ersten fuͤnff Wochen nach ihrer Hocheit em- pfangenen Schreiben/ seine Durchl. zur volstaͤndigen gemühts und leibes Gesundheit ge- rahten/ da es sich von Tage zu Tage gebessert/ und er Farabert fast immer bey ihm seyn/ und ihrer Hocheit Wunderfaͤlle und lebens Art ihm erzaͤhlen müssen; nachgehends haͤtte er sich wieder in seinem Fuͤrstlichen Stande/ aber weit praͤchtiger als vorhin/ oͤffentlich se- hen lassen/ haͤtte auf der Jagt sich viel geuͤbet/ und allerhand Ritterspiel eiferig getrieben/ auch dabey so freimuͤhtig gewesen/ dz man sich daruͤbeꝛ verwundern muͤssen. Sein Schild dessen er sich gebrauchete/ waͤhre also bezeichnet daß aus einem verborgenen dicken Damp- fe eine ganz helle Flamme hervor schluͤge in sieben zwar unterschiedlichen/ aber nahe zusam- men stehenden Strahlen an welchen zu unterst die sieben Buchstaben V. A. L. I. S. C. A. stuͤnden/ nicht anders/ als sieben reiche Quellen dieser auffsteigenden Flam̃enstralen. Umb- her stunden die Worte mit gruͤnen Buchstaben: Cœlestis Medicina facile reparat quod per se periit . Das ist: Die himlische Arzney machet leicht wieder gut/ was durch sich selbst verderbet ist. Ein sehr herlicher Spruch/ sagte Valiska/ wann er nur recht verstanden und erklaͤret wird; p p p p iij aber Siebendes Buch. aber der Nahme oder die Buchstaben unten an den Strahlen muͤsten nicht die gesetzeten/ sondern diese seyn: C. R. E. A. T. O. R. Das ist; der Schoͤpfer/ oder der wahre Gott. Fara- bert fuhr in seiner Erzaͤhlung fort; es haͤtte Fuͤrst Markomir oben auff dem Helme einen andern Strahl/ welcher einen verwelketen Graßstengel wieder gruͤnend machete und in die hoͤhe richtete/ und darunter dieses Wort: Desuper Auxilium . Die Huͤlffe komt von oben herab. Das ist ein recht loͤbliches Wort/ sagte Valiska/ und moͤchte wuͤnschen/ daß des Für- sten Brieff hiemit zustimmete; wie aber? wird der liebe Fuͤrst meinem Gemahl und mir nicht die Ehre antuhn/ uns zuzusprechen. Wir werden gewiß nit unterlassen/ unsere Gnn. Eltern/ euren Koͤnig und Koͤnigin zubesuchen/ weil wir nicht zweifeln/ wilkommen zu seyn. Ja/ Großmaͤchtigste Koͤnigin/ antwortete er/ hoͤhere Vergnuͤgung wuͤrde meinem Koͤni- ge nicht begegnen/ werde auch keine angenehmere Zeitung nach hause bringen koͤnnen als diese. Sie besahe nachgehends die uͤberschicketen Sachen/ deren sie sich verwunderte; dañ da wahren zwo Koͤnigliche Kronen und Reichsstaͤbe; Hals- und Armketten von dik ge- gossenem Golde/ Pferdespangen und Puckeln aus gleichen Erz; und Steigbuͤgel von ho- hem wert. Hernach die allerzarteste Linnewand/ die Menschen Augen jemahls gesehen/ uñ allerhand Bettegeraͤhte/ Tisch- und Tellertücher/ und was zur überfluͤssigen auszierung eines Koͤniglichen Essesaals/ Verhoͤr-stuben/ geheimen Zimmers/ und Schlaffgemachs kan oder mag gefodert werden; welches sie hernach dem andern Frauenzimmer zeigete/ welche bekenneten/ deßgleichen nie gesehen zu haben. Es ward Farabert Koͤniglich beschen- ket samt allen seinen Dienern/ da die 46 so die Wetscher auffgetragen hatten/ alle mit koͤst- lichen neuen Kleidern versehen wurden/ und jeder 300 Kronen Baarschaft/ Farabert aber zu sechs Kleidern allerhand teurbahre Tuͤcher/ und 8000 Kronen/ auch vor 6000 Kronen Kleinot bekam; seinen uͤbrigen 204 Reutern wurden jedem 60 Kronen ausgezaͤhlet/ und bey jeder Mahlzeit jedem eine Krone verehret. Farabert hielt zwar an/ daß er des vierden Tages nach seiner Ankunft gnaͤdigst moͤchte abgefertiget werden/ aber sie vermochten ihn/ daß er die Zeit der angesetzeten Kroͤnung abzuwarten versprach; weil aber solche durch ei- nen feindlichen Uberfal verhindert ward/ ging er am Tage der ungluͤklichen Zeitung nach empfangenen Briefen eilig fort nach seinem Koͤnige. Das allerliebste Fraͤulein ward nunmehr als eine Erschlagene von ihren verwanten herzlich betrauret/ so daß auch bey Herkules selbst wenig Hoffnung ihres lebens mehr uͤbrig wahr/ dessen er aber sich nicht merken ließ/ damit der Eltern betruͤbnis nicht dadurch ver- mehret würde; aber der grundguͤtige Gott wolte sie in ihrer elenden Magdschaft nicht lan- ge stecken und veraͤchtlich halten lassen/ sondern sie den ihren nach seiner vaͤterlichen Ver- sehung wieder zufuͤhren. Dann Wolfgang sinnete Tag und Nacht/ wie er sie nach dem Elbstrom bringen moͤchte/ ob er gleich sein Leben darũber einbuͤssen solte; aber das Fraͤulein wolte/ daß er des sichersten spielen muste/ damit sie Ehr und Leben behielte. Nun arbeitete er bey einem reichen Buͤrger/ dessen erwachsener Sohn Richard/ seines alters von 22 Jah- ren/ hohes Sinnes/ und uͤber die masse ehrgeitzig/ etliche Pferde auff der Straͤu hielt/ wel- che ihm Wolfgang neben seiner verdingeten Arbeit/ fleissig wartete/ daß er seine gute Gunst erhielt/ und zuzeiten einen Trinkpfennig bekam. Es wahr dieser Kerl ein rechter Waghals durfte sich unterstehen/ was ihm einfiel/ und gluͤckete ihm allenthalben wol/ ungeachtet die Tugend Siebendes Buch. Tugend sehr duͤnne bey ihm gesaͤet/ und uͤberdas der unkeuscheit sehr ergeben wahr. Als Wolfgang merkete/ daß er eines Worts bey ihm maͤchtig wahr/ sagte eꝛ einsmahls zu ihm; es waͤhre schade und jammer/ daß ein solcher frischer und tapferer Mensch im Buͤrgerstan- de sterben/ und sein gutes Herz so zu reden/ unter dem Koht vergraben solte; wann er nun wissen koͤnte/ wessen er sich zu ihm zuversehen oder zu trauen haͤtte/ wolte er ihm Anleitung geben/ und darzu behuͤlflich seyn/ daß er in wenig Tagen durch eine tapffere ehrliche Taht nicht allein den hohen Adelstand erwerben/ sondern ein grosser reicher Herr/ und angeneh- mer Freund treflicher Fuͤrsten werden solte; die Taht/ deren auff solchen fal er sich wuͤrde unterwinden muͤssen/ waͤhre eben so schwer und unmoͤglich nicht/ wann er nur die Kuͤhn- heit nehmen duͤrfte/ ein Fraͤulein sehr hohes Standes/ die an einem Orte nicht weit von hinnen/ in dienstbarkeit wieder ihren Willen behalten wuͤrde/ zuerretten/ und nach den ih- ren zubegleiten. Dieser wolte alsbald wissen/ wo das Fraͤulein anzutreffen/ und auff was Weise die Erloͤsung vorzunehmen waͤhre. Welches aber so duͤrre auszubeichten/ ihm un- gelegen wahr/ daher er ihm diesen Dunst vormahlete: Diesseit Koͤln laͤge ein Staͤdlein/ in welchem dieses Durchleuchtige Fraͤulein von einem unwirdigen verwaͤgenen Weibe schlechtes Adels/ als eine Magd wieder ihren Willen auffgehalten würde/ wiewol dersel- ben dieser Fraͤulein hoher Stand unwissend waͤhre; wann man nun etwa zwoͤlf bewehre- te Reuter haͤtte/ koͤnte man sie ohn alle Lebensgefahr davon bringen; doch muͤste man eine Gutsche mit guten ausgeruheten Pferden in bereitschaft haben/ darauff man sie setzete/ und an einen Ort/ welchen er zu seiner Zeit nennen wolte/ hinbraͤchte. Ich weiß so schleunig nit zu rahten/ antwortete Reichard/ woher man so viel Mannschaft/ welcher man trauen duͤrf- te/ nehmen koͤnte; Gutschen und Pferde hat mein Vater gut genug/ wolte auch wol so viel Gelder schaffen/ als zu der Reise kosten erfodert wuͤrden/ dann auff dem Lande hat mein Vater hin und wieder Aufkuͤnfte zu heben/ und andere Schulden ausstehen/ welche ich bald einfodern wolte. Wie? antwortete Wolfgang/ koͤnte mein Herr nicht eine heimliche Wer- bung anstellen/ oder von seinen Eltern begehren/ daß sie ihm so viel Reuter ausrüsteten/ un- ter dem Vorgeben/ er wolte damit zu Kriege zihen/ einen Herrn suchen/ und Ehre/ Ruhm und Guͤter zuerwerben bemuͤhet seyn? Dieser bedachte sich ein wenig/ trug es seinem Va- ter vor/ und erlangete dessen bewilligung auff acht Reuter/ welche er ihm werben und ge- buͤhrlich ausrüsten wolte. Wolfgang dauchte die Zahl zum nohtfalle gnug seyn/ welche Reichard inwendig sechs Tagen zu liefern versprach/ und solte Wolfgang inzwischen es schaffen/ daß ohn verzug die Sache vorgenommen wuͤrde/ er vor sein Haͤupt wolte entwe- der sterben/ oder die Erloͤsung ritterlich zu werk richten/ haͤtte auch mit seines Vaters Gut- scher es schon angeleget/ Wagen und Pferde fertig zu halten/ und solche nur sechs Stun- den (also haͤtte ers ihm vorgeschwaͤtzet) zugebrauchen/ davor er ihm drey Guͤlden verspro- chen/ auch die helfte schon vor heraus gegeben haͤtte. Als Wolfgang sahe/ daß an dieses Menschen Traͤu und Glauben nicht zuzweifeln wahr/ taht ers dem Fraͤulein in der Nacht zu wissen/ und sagte zu ihr: Ach daß Gott wolte/ daß ihr nur einmahl Gelegenheit haͤttet/ auff das Feld zu gehen oder zu fahren/ dann wolte ich mir getrauen/ euch ohn alle Gefahr davonzubringen. Dann sehet/ vor erst koͤnte ich euch adeliche Kleider verschaffen; vors ander taͤhtet ihr die angestrichene Farbe ab; wer wolte euch dann vor die jezige Armgard anspre- Siebendes Buch. ansprechen? so habe ich schon eine Gutsche wol bespannet/ und acht beherzete Reuter/ die euch begleiten solten; O daß ihr nur einmahl hinaus vor das Tohr kommen moͤchtet/ mein Herz traͤgt mirs zu/ daß mein Anschlag gerahten wuͤrde. Mein frommer und getraͤuer Wolfgang/ antwortete sie; ich kan dem allerhoͤchsten Gott nicht gnug danken/ daß Er mir euch zugewiesen hat; dann ihr habt mir diese ganze Zeit uͤber/ solche Traͤue erzeiget/ welche ein Bruder seiner leiblichen Schwester kaum leisten wuͤrde. So fahret nun fort getraͤu zu seyn/ wie ich dann nicht zweifele/ und glaͤubet mir sicherlich/ daß ihr von mir Zeit eures le- bens dergestalt sollet geliebet und begnadet werden/ als ihr euch noch nicht einbilden moͤ- get. Aber daß ich auff euren Vorschlag komme; meinet ihr dann/ getraͤue Leute angetrof- fen zu haben/ denen ich mich sicherlich vertrauen duͤrfte/ wann ich mich in meiner wahren Gestalt stellen wuͤrde? Daß hoffe ich gaͤnzlich/ antwortete er; erzaͤhlete ihr auch den ganzen Anschlag/ und daß er seinem Gesellen den Ort noch nicht genennet haͤtte/ woselbst das vor- nehme Fraͤulein anzutreffen waͤhre. Ich verlasse mich naͤhest Gott auff euch/ sagete sie/ uñ dafern euer Anschlag aller richtig ist/ hoffe ich die groͤste Tochter/ deren ich zimlich maͤchtig bin/ wol dahin zubereden/ daß sie mich mit sich hinaus auf ihr naͤhestes Meier-Gut nehme. Daß waͤhre der sicherste Weg/ sagete er; aber ich mus es 24 Stunden vorher wissen/ weil es so schleunig nicht zu werke gerichtet werden kan. Wir wollen nach moͤgligkeit eilen/ ant- wortete sie/ dann meines bleibens ist ohndas nicht laͤnger hie/ inbetrachtung/ ich nicht weis/ wessen ich mich zu dem alten Ehebrecher/ meinem jetzigen Herrn zuversehen habe/ welcher von unzimlichen Sachen mit mir zu reden beginnet/ und Geschenke ausbieten darff; ich ihn gleichwol aber das leztemahl der gestalt abgewiesen habe/ und ihn mit der Draͤuung/ es seinem Weibe zu sagen/ erschrecket/ daß er verhoffentlich mich wol zufrieden lassen sol/ und fũrchte ich mich nur des nachtes am meisten vor ihm/ wann ihr nicht hie seid/ wiewol ich alsdann die Tühr und das Fenster so fest versperre und inwendig verbolwerke/ dz niemand ohn Gewalt herauff brechen wird. Des folgenden Morgens/ da das Fraͤulein mit der groͤ- sten Tochter die Naͤhe-arbeit trieb/ fing sie an zu wuͤnschen/ daß sie einmahl einen halben Tag in die frische Luft kommen moͤchte/ es gaͤbe eine feine Verenderung/ und befuͤnde sie sich ohndas nicht allerdinge wol auff/ welches ihre Gestalt gnug anzeigete; nun fuͤrchtete sie aber ihrer Frauen Zorn (dann sie wahr schon etlichemahl von ihr mit Maulschellen ge- lohnet) daß sie sich dessen nicht wuͤrde dũrfen verlauten lassen; haͤtte demnach hoͤchlich zu bitten/ ob sie es nicht dahin bringen koͤnte/ daß sie eins mit ihr nach ihrem Vorwerk aus- fahren moͤchte/ davor wolte sie ihr/ wann sie Braut seyn wuͤrde/ ein statliches Braͤutigams Wischtuch mit sonderlichem fleiß verfertigen. Ja warumb nicht/ antwortete sie: Dieses sol meine Mutter mir nicht versagen/ und wans euch geliebete/ koͤnte es noch wol heute ge- schehen. Ach nein/ geehrte Jungfer/ sagte sie/ ich wil zuvor eures Herrn Vaters Hemde uñ Kragen fertig machen/ woran ich heut und Morgen zu arbeiten habe; koͤnte es dañ uͤber- morgen geschehen/ waͤhre mir sehr lieb. Daß wil ich euch wol vorher zusagen/ antwortete die Jungfer/ noch ehe ich meine Mutter darumb begruͤsse. Wer weiß aber/ sagte das Fraͤu- lein/ ob sie mir so viel Feierabend goͤnnet/ daß ich mit euch fahre? Davor lasset mich rah- ten und sorgen/ antwortete sie; ich habe meiner Mutter wol ehe etwas abgebehten/ und sol mirs vordißmahl auch nicht mißlingen. Weil nun dieselbe gleich in die Stube trat/ brach- te die Siebendes Buch. te die Tochter vor/ sie moͤchte ihr erlaͤuben/ uͤbermorgen nach dem Vorwerk zu fahren/ und Armgarten mitzunehmen/ der sie ihre schoͤne Rosmarin/ Negelblumen und andere Ge- waͤchse zeigen wolte. O ja/ sagte die Mutter/ das ist eine moͤgliche Bitte; ich werde meinen Maͤgden Wagen und Pferde halten/ daß sie zur Lust ausfahren/ und sich im Kraͤutergar- ten ergetzen. Sie sol mir auf dem Hindern sitzen und naͤhen/ dann mit dem ausfahren kan sie das fressen nicht verdienen. Aber sage mir/ hat die faule Metze dir etwa solches angege- ben? die Landlaͤufferin wird des sitzens irgend schon muͤde seyn. Nein gewißlich nicht/ her- zen Fr. Mutter/ antwortete sie/ ich selbst habe sie darzu gebehten/ weil schon vor etlichen Wochen ich von ihr verstanden/ daß sie mit kuͤnstlicher Auffbindung der Rosmarin Baͤu- me fein umzugehen wisse/ davon unser Gaͤrtner wenig vergessen hat. Das Fraͤulein ent- schuldigte sich mit demuͤhtigen Worten/ und baht/ ihre Frau moͤchte sie nicht in dem Ver- dacht haben/ sie wolte gern nach ihrem Befehl bey ihrer Naͤhe-Arbeit bleiben. Aber die Tochter hielt immer an mit bitten/ weil ja die schoͤne Rosmarin sonst gar ins wilde wach- sen wuͤrde/ wo man sie nicht beyzeiten gewaͤhnete. Worauff endlich ihre Mutter sagete: Machet mir zusammen fertig was ich euch eingesetzet habe; komt dann Zeit/ so komt auch wol Raht; Womit sie hinweg ging/ und sagte die Jungfer zu dem Fraͤulein: Nun ist die Sache schon klar/ massen wann meine Mutter sich so weit heraus laͤsset/ das ist gleich so viel/ als ob sie ja gesaget haͤtte; darumb zweifelt nur nicht/ wir wollen übermorgen/ so bald es euch gefaͤllet/ auff seyn. Diesen Nachmittag wurden die Toͤchter/ ohn die juͤngste/ von dem Fraͤulein abgefodert/ anderen Hausgeschaͤfften obzuliegen/ welcher gelegenheit der Hausvater/ Namens Bernhard/ wahr nam/ sich zu dem Fraͤulein machte/ uñ ihr gewaltig liebkosete/ wie er sie so hefftig liebete/ und bedacht waͤhre/ sie nicht laͤnger als eine Magd/ sondern seinen Kindern gleich zuhalten/ dagegen wuͤrde sie verhoffentlich seine Liebe und Gunst erkennen/ und nicht/ wie bißher geschehen/ ihn veraͤchtlich von sich abweisen; nach welcher Rede er sein Toͤchterlein vermahnete hinzugehen/ und mit ihren Tocken zuspielẽ. Das Fraͤulein aber wolte in deren Abtrit nicht einwilligen/ sondern sagte zu ihm: Herr/ wann ihr wollet/ daß ich bey euch bleiben/ und euch auf euer erbieten antworten sol/ werdet ihr das liebe Kind alhie bey uns lassen/ oder mirs nicht verdenken/ daß ich zugleich mit ihr davon gehe. So wolte auch das Kind durchaus nicht hinweg/ sondern hielt sich an ihr/ und setzete sich endlich gar auff ihre Schoß/ welches dieser Unzuͤchtige/ Schande halben einwilligen muste/ sich aber zu ihr setzete/ und um freundliche Erklaͤrung bey ihr anhaltend/ sich ungebührlicher Griffe gebrauchen wolte/ dessen sie sich entbrechend/ also zu ihm sage- te: Herr/ daß ihr euch gegen mich als ein gewogener Freund erklaͤret/ und meine Magd- schafft zumiltern mir versprechet/ dessen wird euch der Himmel lohnen/ weil mein Unver- moͤgen die Vergeltung nicht zulaͤsset; daß ihr aber gedenket/ mich zu eurem unzuͤchtigen Willen zuverleiten/ da ich uͤberdas in der Ehe lebe/ solches werdet ihr hinfuͤro abstellen/ o- der mir es nicht veruͤbeln/ daß bey meiner Frauen ich umb Schuz wider euch anhalte/ und so kuͤhn bin/ euch anzuzeigen/ daß ich tausend mahl lieber den Tod leiden/ als ichtwas wider meine Zucht und Ehre begehen oder zulassen werde/ wie schlecht uñ geringe ihr mich auch halten moͤget; stellet demnach euren Mutwillen ein/ oder goͤnnet mir/ daß ich einen andern Dienst suche/ da von dergleichen unerbaren Ansprengungen ich frey bin. Der Alte (dann q q q q er Siebendes Buch. er wahr schon ein 52jaͤhriger) wolte sich zornig stellen/ und weiß nicht/ was vor Straffen draͤuen; aber seine aͤlteste Tochter kam unvermuhtlich wieder/ daß er kaum gelegenheit hatte/ heimlich zu ihr zusagen/ sie solte schweigen/ oder ihres Lebens nicht sicher seyn. Wor- auff sie zur Antwort gab: Ja Herr/ ich wil auch vor dißmahl noch schweigen/ wann ich nur hernaͤhst unbemuͤhet bleibe-Also ging er hinweg/ als haͤtte er kein Wasser betruͤbet/ dañ er fuͤrchtete sich vor seinem Weibe nicht viel weniger als vor dem Henker selbst. Sie kla- gete diese Nacht ihrem Wolffgange solches alles/ und gab ihm zugleich zuverstehen/ auff welche Zeit sie ihre Lustreise verhoffentlich ungezweifelt fortsetzen wuͤrde; welches ihm sehꝛ lieb wahr; im uͤbrigen aber ihr den Raht gab/ da sie des folgenden Tages aber eins unzim- liche Ansprache von dem Alten haben wuͤrde/ moͤchte sie sich etwas gelinder vernehmen lassen/ damit er nicht aus toller Liebe eine Erklaͤrung fassete/ die auff Gewalttaht bestuͤnde; koͤnte auch nicht schaden ihn auff etliche wenig Tage (wanns nicht anders seyn koͤnte) hin- zuweisen/ und ihm also in Sicherheit das Maul auffsperren. Aber wie sie dazu sich selbst nicht bereden kunte/ also schikte es Gott/ daß er aus Schahm und Furcht sich des folgendẽ Tages von ihr nicht sehen ließ. Wolffgangen dauchte numehr hohe Zeit seyn/ seinem Ge- sellen Reichard die rechte Warheit zuoffenbahren/ welcher ihm zuvor einen leiblichen aͤid schwoͤren muste/ was er ihm anjezt vertrauen wuͤrde/ in geheim zuhalten; dagegen ver- sprach er ihm hinwiederumb im Nahmen der Fraͤulein aͤidlich/ ihm entweder ein freies Ritter Gut erblich zuverschaffen/ oder zwo Tonnen Goldes in Baarschafft/ da ihm solches angenehmer seyn wuͤrde; gefiele es ihm auch/ solte er in den Ritterstand/ und zum Groß- fuͤrstlichen Beamten gesetzet werden. Und als sie sich darauff beyderseits auffs haͤrteste verbunden/ sagte ihm Wolffgang/ das vornehme Fuͤrstliche Fraͤulein wuͤrde morgen umb 9 oder 10 uhr aus dieser Stad nach dem und dem Vorwerk fahren; da muͤste man nun einen Anschlag auff sie machen/ daß man sie dergestalt hinweg fuͤhrete/ daß es so bald nicht ruchtbar würde; alsdann waͤhre durchaus keine Gefahr bey der Sache/ nur daß die/ so sie angreiffen und wegnehmen solten/ in vermummeter Gestalt es verrichteten/ damit sie her- naͤhst nicht erkeñet/ oder doch nicht so gar bald ausgekundschaffet werdẽ koͤnten. Reichard wahr zu allem willig und bereit/ nahm von seinen Eltern und Verwanten Abscheid/ und richtete sich nach der Zeit/ daß er auff den naͤhstfolgenden Tag sehr früh mit seiner Reute- rey hinaus ritte/ vorgebens/ er wolte uͤber den Rein/ und im Kriege sich eine zeitlang versu- chen; hatte auch die Gutsche fertig/ und fehlete ihm nichts/ nur daß das Fraͤulein sich blic- ken liesse/ die man hinweg nehmen solte. Als Wolffgang diesen lezten Abend nach seiner Gewohnheit zu dem Fraͤulein ging/ seinem Vorgeben nach/ bey seiner Armgart zuschlaf- fen/ wolte der alte Bernhard ihm solches nicht goͤnnen/ fing einen falschen Zank an/ und sagte/ er solte sich alsbald von seinem Hofe hinweg packen; Er kaͤhme in Erfahrung/ daß er hin und wieder austruͤge/ was in seiner Haushaltung vorginge/ dessen er hinfuͤro wolte geübriget seyn. Dieser wuste sich dessen unschuldig/ baht deswegen umb Verzeihung/ und erboht sich/ sein Leben zulassen/ wann ihm das allergeringste koͤnte uͤberbracht werden; Er merkete aber daher/ daß der Alte irgend auff diese Nacht einẽ gefaͤhrlichen Anschlag moͤch- te gemacht haben. Die Frau/ Nahmens Mechtild/ kam gleich darzu/ und fragete ihren Mann/ was er sich mit Wolffgang zukeiffen haͤtte? Da dieser seine jezt getahne/ Entschul- digung Siebendes Buch. digung wiederhohlete/ und die Frau instaͤndig baht/ ihm zum wenigsten noch diese Nacht seine Armgart zugoͤnnen/ alsdann wolte er lange nicht wieder kommen. Die Frau wahr diesen Morgen von ihrem kleinen Toͤchterlein berichtet/ ihr Vater haͤtte Armgart kuͤssen/ und auff seine Schoß nehmen wollen/ welches sie nicht haͤtte wollen leiden/ und sich daruͤ- ber mit ihm gescholten. Dieses fiel ihr gleich ein/ daher sie einerley mit Wolffgangen arg- wohnete/ und zu demselben sagete: Gehe hin/ und schlaffe bey deinem Weibe/ wie bißher geschehen/ kein Mensch sol dir solches wehren; ja wann du eine einzige Nacht von ihr blei- best/ wil ich dich zustraffen wissen. Ihr Bernhard solches hoͤrend/ gedachte alsobald/ die Karte wuͤrde falsch seyn/ und ging stilschweigend davon/ sie aber folgete ihm auff dem fusse nach/ und da sie mit ihm allein wahr/ fing sie also an: Sehet doch den jungẽ frischen Buh- ler/ der meine Maͤgde beginnet zukuͤssen/ und auff der Schoß zufuͤhren/ so ungescheuhet/ dz seine kleinen Kinder es ansehen und austragen muͤssen. Er fragete mit einem wunder- vollen Eifer/ wer ihn also belogen haͤtte. Ihr kleinstes Toͤchterlein Adelgund kam gleich da- her gelauffen/ zu dem die Mutter sagete: Mein Kind/ sage mir/ was taht dein Vater un- serer Armgart? Je Herzen Mutter/ antwortete das kleine/ habe ichs euch doch bereit gesagt; Er wolte sie herzen/ und auff seine Schoß nehmen/ aber unsere Armgart/ meine liebe Arm- gart/ wolte es nicht leiden. Je du loser Sak/ sagte der Vater/ wer hat dir solches zusagen eingestecket? Ja Herzen Vater/ antwortete sie/ ist es nicht wahr/ woltet ihr nicht auch ihr nach dem Busem greiffen? Wisset ihr noch wol/ als ihr mich woltet aus der Stubẽ schuͤn- nen/ und unsere Armgart wolte es nicht leiden? Gut mein Toͤchterchen/ sagte die Mutter/ wo du es aber noch einem einzigen Menschen sagen wirst/ wil ich dir den Hals abschneidẽ. Je Herzen Mutter/ sagte diese/ ich wil es keinem Menschen mehr sagen. Es kam die groͤste Tochter eben darzu gangen/ deren diese kleine entgegen lief/ und uͤberlaut zuruffen anfing: Hoͤre Alheid (also hieß diese) es ist nicht wahr/ daß unser Vater hat wollen unsere Arm- gart kuͤssen/ auff die Schoß nehmen/ und ihr in Busem greiffen; Nein es ist nicht wahr/ es ist doch nicht wahr. Diese erschrak der Rede/ und sagte: Je du Balg/ wer saget dann sol- ches? habe ichs gesagt? Nein/ antwortete die kleine/ du wahrest nicht dabey/ ich habs allein gesehen/ aber ich darffs nicht mehr sagen/ oder meine Herzen Mutter wil mir den Hals ab- schneiden. Die Mutter hieß die beyden Toͤchter hingehen/ und als lieb ihnen ihr Leben waͤhre/ das Maul halten. Hernach sagte sie zu ihrem Ehe Junkern: Psui schaͤmet euch in euer Herz und Blut/ ihr alter ehebrecherischer Narr; ist euch nun ein neuer Kitzel nach meiner Magd ankommen? Er wolte noch stark leugnen; aber sie hieß ihn schweigen; wie es doch moͤglich waͤhre/ daß dieses Kind von sechs Jahren ein solches aus ihren Fingern saugen solte; Kinder und Narren (hiesse das alte Sprichwort) sagten die Warheit; wel- ches an ihrem Toͤchterchen erschiene. Sie wolte dißmahl ihm solches zu gute halten/ wuͤr- de er aber sich noch eins geluͤsten lassen/ zu ihrer Magd zunahen/ wolte sie schon wissen ihn dergestalt die Schuͤppe zugeben/ daß er dessen vor aller Welt Schimpff und Spot haben solte. Ob er an ihr nicht ein Genuͤgen haben koͤnte/ da sie noch frisch und kaum von 32 Jah- ren waͤhre. Er gestund endlich so viel/ daß er solches aus Kurzweil getahn haͤtte/ umb zuse- hen/ wie beydes Armgart und die kleine Klapperbuͤchse sich dagegen bezeigen wuͤrde. Ich wil euch diese Entschuldigung glaͤuben/ wie die erste Leugnung/ sagte sie/ und dannoch umb q q q q ij Frie- Siebendes Buch. Friedes und eurer eigenen Ehre willen hievon nicht wissen/ nur lasset euch ja witzigen/ wol- let ihr sonst nicht/ daß ich euch oͤffentlich beschimpfen sol. Sein Gewissen sagte ihm/ daß er schweigen solte/ aber seinen Vorsaz/ ob er gleich heut vergebens waͤhre/ hoffete er doch zur andern Gelegenheit auszufuͤhren. Wolffgang meldete dem Fraͤulein des alten Buben Vornehmen an/ schlugens aber beyde aus dem Sinne/ und brachten den mehrenteil der Nacht mit andaͤchtigem Gebeht zu/ dann sie hatte ihn schon zum Christentuhm beredet; Ihr mit Traͤhnen vermischetes Flehen ging hin zu Gott/ daß derselbe nach seinem vaͤterli- chen Willen ihr Ungluͤk brechen/ und das Vornehmen zu ihrer Erloͤsung gerahten lassen wolte. Die groͤste Tochter Alheit hatte alle ihre Ketten/ Ringe/ Perlen und Kleinot ihr in Verwahrung getahn/ weil sie dieselben fein zusaubern wuste; Hievon nam sie einen zimli- chen Anteil auff die 200 Kronen wert zu sich/ deren als eines Nohtpfenniges auff der Rei- se zugebrauchen/ und hernaͤhft ihr viel ein kostbahrers wieder zuschicken; ließ Wolffgang zimlich früh von sich/ nahm ihr gewoͤhnliches naͤhen vor/ und gedachte des ausfahrens nit im geringsten/ als die Jungfer zu ihr kam/ wiewol sie schmerzlich verlangen trug/ die Ge- wißheit zuerfahren/ damit sie/ genommener Abrede nach/ ihren Wolffgang solches zeitig gnug/ mit einem weissen ausgestekten Tuͤchlein aus ihrem Kammer Fenster moͤchte zuver- stehen geben. Aber kaum hatte diese sich an Haͤnden und unter dem Gesichte gewaschen/ da fragete sie das Fraͤulein alsbald/ ob sie sich nicht fertig machen wolte/ mit hinaus zufahrẽ; der Wagen wuͤrde schon angespannet/ und duͤrffte der Auffbruch wol eine Stunde zeiti- ger geschehen/ als sie gemeynet/ weil die Mutter umb 4 uhr nachmittage wieder daheim seyn/ und selbst mit fahren wolte; Welche Antwort sie nicht ohn grosse Bekuͤmmerniß an- hoͤrete/ und doch ihrem Gott trauete/ er wuͤrde es zu ihrem besten schicken. Das Vorwerk lag eine gute Meile von der Stad/ und musten sie durch einen kleinen Wald fahren/ in wel- chem die Taht zuvolstrecken/ sie den Anschlag gemacht hatten. Wolffgang ging in seiner taͤglichen Kleidung hinter dem Wagen her/ welches die Frau ersehend/ ihn fragete/ wo er hinaus gedaͤchte/ und ob er sich befahrete/ daß sie ihm seine Armgart entfuͤhren wolte. Nein Hochaͤdle Frau/ antwortete er; sondern weil ich heut ohndas Herren loß bin/ gehe ich mit/ ob ich ihr auff dem Vorwerke zu etwas koͤnte behuͤlflich seyn. So gehe mit/ sagte sie/ ich finde allenthalben Arbeit vor deines gleichen. Die Abrede zwischen ihm und seinen Reutern wahr/ daß auff der bestimmeten Stelle er ein Zeichen geben solte/ dessen er unver- gessen wahr; massen so bald er ansing zusingen/ liessen sich 4 Reuter sehen/ welche mit an- geklebeten Baͤrten sich unkentlich gnug gemacht hatten/ und von hinten zu dem Wagen folgeten/ auch wie es angelegt wahr/ Wolffgangen mit ungestuͤm frageten/ ob er zu der Gutsche gehoͤrete/ und was vor Leute darauff saͤssen. Er aber zur Antwort gab: Er gehoͤ- rete nicht darzu/ und moͤchten sie selber zusehen/ wornach sie frageten. Frau Mechtild hoͤ- rete solches/ und nach ihrem Frevelmuht fragete sie die Reuter/ was sie sich umb ihren Wagen/ oder wer darauff saͤsse/ zubekuͤmmern haͤtten; sie solten sich ihres Weges pac- ken/ oder gewaͤrtig seyn/ was ihnen begegnen solte. Die Reuter verteileten sich/ daß zween den Gutscher zwischen sich nahmen/ die andern zween aber an den Wagen ritten/ und der eine diese Antwort gab: Wie nun Frau/ was habt ihr fremde Leute zu trotzen? oder darff man Siebendes Buch. man diesen Bauren umb nichts fragen? fahe inzwischen das Fraͤulein starre an/ und sagte als im Zorn zu ihr: Wie nun zum Henker/ wie nun Armgart? finden wir uns so ohnge- fehr hie beyeinander? wer hat dich heissen aus meinem Dienst gehen/ und einen andern Herrn suchen/ ehe du mir die versprochene Zeit ausgehalten hast? Das Fraͤulein antwor- tete/ als aus Furcht: Sehet da Herr seid ihrs? und kennet meinen Mann nicht mehr/ wel- cher hinter dem Wagen hergehet/ dem ihr ja/ und eben so wol auch mir Urlaub gegeben habt nach dem Elbstrohm zu unsern Freunden zu reisen. Ich kenne ihn wol/ antwortete er/ aber aus begierde zuerfahren/ ob du hier waͤhrest/ habe ich ihn nicht angesprochen; sage mir aber du betriegerin/ heisset dieses nach der Elbe reisen/ uñ bist uͤber den Rein gangen? Mein Herr/ antwortete sie/ die Schuld lieget nicht an mir/ sondern an dieser Frauen/ als welche mich mit List nach dem Rein gefuhret/ und nachgehends mich gezwungen hat in ihre Dien- ste zu treten/ dessen ich wol nimmermehr willens gewesen waͤhre. Je Frau/ sagte dieser dar- auff/ wie duͤrfet ihr euch dann erkuͤhnen mir mein Gesinde abzuspannen? und draͤuet mir selbst noch wol darzu? bald duͤrftet ihr mich auff dem vorsatze finden/ daß ich gleiches mit gleichem vergoͤlte/ und eure Tochter zu meiner Beyschlaͤfferin mit mir naͤhme/ wozu sie miꝛ deucht groß genug seyn. Was woltestu nehmen? sagte die Frau/ halte ja bald ein mit die- ser Pfeiffe/ oder es wird dir ein selzamer Tanz darauf erfolgen. Je du leichtfertiges freches Weib/ antwortete dieser/ kanstu dann noch nicht erkennen/ daß du mir durch entfuͤhrung meines Gesindes/ unrecht getahn hast? so wird dir das Wasser bald uͤber die Koͤrbe gehen. Hier entfiel ihr der Muht gar/ fuͤrchtete der Tochter Ehre/ und fing an sich zuentschuldigẽ; es haͤtte Armgart dieses nicht offenbahret/ daß sie in eines andern Dienste waͤhre/ würde demnach solche unwissenheit zu ihrer entschuldigung geltẽ lassen/ uñ moͤchte er seine Magd nach seinem belieben immerhin nehmen/ welche sie ohndas in kurzen lauffen zulassen wil- lens gewesen. So heissets nicht/ sagte dieser/ ich wil trauen wegen des mir erwiesenen Schimpfs und ausgestossener draͤuung abtrag haben; darumb gib alsbald Ringe/ Ketten/ Armbaͤnder/ und alles geschmeide her/ was du und deine Tochter an euch traget/ oder mei- ne draͤuung sol stuͤndlich auff dieser gruͤnen Heide erfuͤllet werden. Die Angst machete/ daß sie bald einwilligten/ und auff 500 Kronen wert von sich gaben. Ihrer zween bunden dem Fuhrman Haͤnde und Fũsse/ legten ihm einen Knebel ins Maul/ und schleppeten ihn eine gnte Ecke zum Walde hinein/ Wolfgang aber muste auffsitzen/ und die Gutsche fortfuͤhrẽ/ da die Reuter/ welche ein lediges Pferd bey sich hatten bey ihm blieben/ und denen auf dem Wagen den Tod draͤueten/ dafern sie einiges Geschrey anfahen wuͤrden. Sie brachten den Wagen zwo Meilen von der Stad an einen unwegsamen Ort in ein dickes Gepuͤsche/ da die Jungfer anfing zu zittern und zagen/ nicht zweifelnd/ es würde um ihre Ehre getahn seyn; aber das Fraͤulein troͤstete sie/ mit dem versprechen/ ihr solte durchaus kein Leid ge- schehen/ moͤchte nur wuͤnschen daß ihre Mutter sich auch also gegen sie bezeiget haͤtte/ daß sie ungestraffet bliebe/ weil aber dieselbe sehr unbarmherzig mit ihr verfahren/ ihr weder es- sen noch trinken/ noch ruhe gegoͤnnet/ und taͤglich gelegenheit vom Zaune gebrochen sie mit Faͤusten zu schlagen/ daß ihr oft Mund und Nase geblutet/ muͤste sie inne werden und in et- was empfinden was solche wuͤterische Grausamkeit verdienete. Der ertichtete Herr riß darauff die Frau von der Gutsche/ und mit einem starken Pruͤgel zerschlug er ihr die un- q q q q iij barm- Siebendes Buch. barmherzigen Haͤnde/ Arme/ und das Gerippe/ daß sie endlich druͤber in Ohmacht fiel/ und das Fraͤulein noch vor sie bitten muste. Der frommen Adelheit (oder Alheit) aber gescha- he gar kein leid/ wiewol ihrer Mutter Elend ihr die haͤuffigen Traͤhnen aus den Augen trieb/ und Wolfgang zu ihr sagete: Danket ihr Gott/ daß ihr dieser meiner vermeineten Frauen kein leid habt angetahn/ eurer wuͤrde sonst nicht besser als diesem grausamen un- barmherzigẽ Weibe gewartet werden/ bey welcher ihr diesen Tag uñ folgende ganze Nacht verbleiben sollet/ und wo ihr euch erkuͤhnen werdet vor Morgen fruͤh von diesem Orte weg zuzihen/ muͤsset ihr umb Ehr und Leben kommen/ hernach aber moͤget ihr zihen wohin ihr wollet/ koͤnnet euch auch beruͤhmẽ/ daß nie kein Mensch euꝛes gleichen/ ein vornehmer Wei- besbild zur Magd gehabt als ihr. Das Fraͤulein kehrete sich nichts an das Weib/ aber zu der Tochter sagte sie: Meine Freundin/ ich danke euch sehr vor allen erzeigeten guten Wil- len/ und versichere euch/ daß ich nicht unterlassen werde/ mich gegen euch in der Taht dank- bar zuerzeigen; eines ist mir fast leid/ daß euer alter unzuͤchtiger Vater nicht mit heraus gefahren ist/ welchen ich wegen seiner ehebrecherischen anmuhtungen haͤtte wollen eurer Mutter gleich zurichten lassen/ damit eins dem andern nichts vorzuwerffen haͤtte. War- net ihn aber/ daß er von solcher schaͤndlichen Buͤberey abstehe/ oder da ichs erfahren solte/ werde ich ihn schon finden; dann meine Hand ist so lang daß ich uͤber hundert Meilen da- mit reichen kan/ welche zu kuͤssen eure Mutter das gottlose freche Weib unwirdig ist/ und doch dieselbe zu ihrer Maͤgde-Arbeit so grausam angetrieben hat. Ihr solt auch wissen/ dz ob ich gleich anjetzo fluͤchtig davon eile/ wolte ich doch (wann ich mich nur bey dem Roͤmi- schen Stathalter zu Koͤllen meldete) bald nach euer Stad umbkehren/ und eure boͤse El- tern durch Henkers Hand abschlachten lassen. Als sie dieses geredet hatte/ machte sie die angestrichene Farbe von ihrem Angesicht und Haͤnden hinweg/ und ließ die Jungfer ihre zarte Schoͤnheit sehen/ welche sich deren hoch verwundernd/ zu ihr sagete: Ach gnaͤdige Frau; vergebet doch meinen Eltern/ was sie aus unwissenheit wieder euch gesuͤndiget ha- ben. Ja/ sagte sie/ es sol ihnen auff eure Bitte vergeben seyn/ da sie sich bessern werden; euch aber hoffe ich noch gutes zu tuhn. Wolfgang stellete sich nunmehr sehꝛ demuͤhtig gegen sie/ und weil sie sich was lange aufhielt/ sagte er: Durchleuchtigstes Fraͤulein/ ihre Durchl. wolle ihr gnaͤdigst gefallen lassen abscheid zu nehmen/ demnach es hohe Zeit seyn wird. Ja mein Freund/ antwortete sie/ wir wollen uns nicht laͤnger aufhalten. Ihr redlichen Leute aber/ sagte sie zu den Reutern/ seid mir getraͤu und beystaͤndig auff meiner kurzen Reise/ uñ versichert euch/ so wahr ich gedenke ehrlich zu leben und selig zu sterben/ daß ich euch dieses rittes dergestalt ergetzen wil/ daß ihr vor Armut sollet befreiet seyn/ und in grosser Fuͤrsten ansehnliche Dienste/ da ihrs begehret/ auffgenommen werden. Diese viere sprungen von ihren Pferden/ tahten ihr einen Fußfal/ und verpflichteten sich ihr aͤidlich/ vor ihre Wol- fahrt Leib und Leben auffzusetzen. Wolfgang nam das Fraͤulein vor sich auff das ledige Pferd/ und ritten miteinander nach ihrer Geselschaft/ welche sich nicht weit davon in ei- nem Dorffe auffhielt/ woselbst das Fraͤulein von Reichard hoͤflich empfangen und alsbald mit buhlerischen Augen angesehen ward/ dessen sie doch nicht wahr nam/ sondern zu ihm sagete: Mein Freund/ daß ihr auff meines getraͤuen Dieners Wolfgang anmuhten euch zu meiner rettung habt wollen gebrauchen/ ist eine loͤbliche Taht/ welche euch und allen eu- ren Siebendes Buch. ren Gehuͤlffen dergestalt sol vergolten werden/ wie ihr selbst wuͤnschen koͤnnet/ nur seid mir getraͤu und beystaͤndig auff den Nohtfal/ wir werden unsern Weg in etlichen Tagen endi- gen/ da ich mit Gotteshülffe zum Ende meiner truͤbsaal/ ihr aber zum anfange eures Gluͤks gelangen sollet. Reichard wahꝛ ein stolzer Mensch/ meinete/ es geschaͤhe ihm von dem Fraͤu- lein nicht Ehre und danks genug/ uñ ließ sich vernehmen; daß er ihrer Gn. mit seiner huͤlf- lichen Hand beygesprungen/ waͤhre nicht eben aus Hofnung der Vergeltung/ sondern aus mitleiden wegen ihres elendes geschehen/ wie solches einem jeden tapferen Gemuͤht zustuͤn- de/ der unterdruͤcketen sich anzunehmen. Welche Antwort sie seiner unwissenheit zulegete/ sich nochmahl aller vergeltung erboht/ und mit Wolfgang auff eine Kammer ging/ wo- selbst sie die mitgebrachten adelichen Kleider anlegete/ sich auff die herzugefuͤhrete Gutsche setzete/ und unter inbruͤnstiger anruffung Gottes froͤlich davon fuhr/ da Wolfgang sich zu ihr in den Wagen setzen muste/ mit welchem sie im Gebeht zu Gott fleissig anhielt/ und die- sen Tag und die ganze Nacht zu eilen nicht auffhoͤrete/ biß sie des folgenden morgens sehr fruͤh den Reinstrohm erreichete/ und sich hinüber setzen ließ/ eben des Orts daher sie kom- men wahr. Sie mieteten daselbst im naͤhesten Flecken einen des weges kuͤndigen Bohten/ welcher sie die richtigste Strasse nach Magdeburg bringen solte/ und hatten eine gute und sichere Reise. Reichard haͤtte nunmehr moͤgen etliche wenig Tage sich der Untugend ent- halten/ alsdann wuͤrde er in kurzen an Ehr und Reichtuhm hoͤher/ als keiner seines Ge- schlechts gestiegen seyn; aber als er der Fraͤulein ausbuͤndige und ganz volkom̃ene Schoͤn- heit sahe/ die dannoch durch ihr Elend umb ein grosses gemindert wahr/ wuchsen die un- zuͤchtigen Begierden in ihm dermassen/ daß er ihm gaͤnzlich vornahm/ das aͤusserste zuver- suchen/ damit er ihrer geniessen moͤchte/ dann der Stolz/ umb daß er etwa acht Reutern zu- gebieten hatte/ wahr so groß bey ihm/ daß er sich selbst nicht kennete; er ritte bey der Gutsche auff und abe/ ließ sich sehen/ und redete so kuͤhnlich mit ihr/ als waͤhre er ein Fuͤrst/ oder sie eines Buͤrgers Tochter gewesen. So bald sie uͤber den Rein wahren/ stellete er sich/ ob koͤn- te er wegen des Zahnewehes/ das reiten und die Luft nicht wol erleiden/ daher er an Wolf- gang begehrete/ daß er auff sein Pferd saͤsse/ und ihm die Stelle in der zugemachten Gutsche uͤberliesse; wozu dieser willig wahr/ aber das Fraͤulein ungerne sahe/ weil sie wenig hoͤfli- ches Gespraͤchs bey ihm vermuhten wahr/ und sich doch dessen nicht durfte merken lassen. Als der Freveler sich bey dem schoͤnen Fraͤulein allein befand/ und aus allen ihren Geber- den wol muhtmassete/ sie muͤste sehr hohes Standes seyn/ welches er noch zur Zeit nicht ei- gentlich von Wolfgang erfahren koͤñen/ scheuhete er sich dañoch/ plumpßweise loßzubꝛechẽ/ fing an sie hoͤchlich zubeklagen/ dz ein so trefliches uñ mit alleꝛ Schoͤnheit begabtes Fraͤulein sich als eine Haußmagd hette muͤssẽ veraͤchtlich haltẽ lassen/ erfreuete sich hoch/ dz eꝛ die Eh- re gehabt/ sie loßzumachẽ/ uñ baht schließlich/ ihm mit gnaͤdiger gewogenheit zugetahn zu- verbleiben/ nach dem er mehꝛ als bruͤderliche Traͤue an ihr erwiesen/ welches ihn Zeit seines Lebens erfreuen wuͤrde/ und daß in ihre Kundschafft er gerahten waͤhre/ deren Schoͤnheit ihn dermassen straͤngete/ daß ihm unmoͤglich waͤhre/ ihr solches zuverbergen. So wol dem Fraͤulein die ersten Worte gefielen/ so herzlich entsetzete sie sich uͤber die lezten/ daß sie kaum ihrer Vernunft gebrauchen kunte/ diese wenig Worte zusagen; Mein Freund/ daß er sich zu meiner Rettung hat wollen lassen gebrauchen; ist mir ein sonderlicher gefallen daran gesche- Siebendes Buch. geschehen/ wie wol ich mich leicht auf andere Weise haͤtte koͤnnen loßmachen/ wann ich mich nur dem Roͤmischen Stathalter zu Koͤllen/ Herrn Julius Lupus zuerkennen geben wollen; aber versichert/ sollen seine mir erzeigete Dienste und angewante Kosten/ ihm nicht unvergolten bleiben/ sondern mit Reichtuhm und Ehren Erhoͤhung zu aller gnuͤge/ und mehr als sein Stand mit sich bringet/ ersetzet werden/ welches er mir wol sicherlich trauen mag/ dafern er sonst sich weiters bereitwillig finden lassen wird/ mich nach Vermoͤgen an Ehre und Leben zuschuͤtzen/ da die Noht/ wie ich doch nit hoffen wil/ es erfodern wuͤꝛde. Mei- ne Schoͤnheit betreffend/ ist dieselbe keines sonderlichen Ruhms wirdig/ aber immer und ewig leid muͤste mirs seyn/ wann dieselbe/ wie schlecht sie auch seyn mag/ auf andere Weise/ als in Erbarkeit/ einigem Menschen gefallen solte. Welches sie auch mit solchem Ernst uñ eiferigen Worten vorbrachte/ daß er sich in etwas entsetzete/ und schon bereuete/ daß er die- sen Argwohn bey ihr erwecket hatte; dann er hoffete eine solche Gelegenheit anzutreffen/ seinen Muhtwillen dergestalt zuerhalten/ daß weder sie es verhindern/ noch jemand davon ichtwas erfahren solte; der halben/ sie aller Furcht zubenehmen/ er um Verzeihung baht/ vorgebend/ er haͤtte entweder seine Reden aus Unbedachtsamkeit anders vorgebracht als sie gemeinet waͤhren/ oder aber ihre Gn. wuͤrden sie ungleich aufgenommen und ausgele- get haben; waͤhre ihm also leid/ daß er in solches mißtrauen bey ihꝛ gerahten solte. Welche Antwort sie/ als waͤhre sie voͤllig befriediget/ aufnahm/ und doch aus seinem straͤngen an- schauen und unsittigen Gebeꝛden wol merkete/ daß er nichts gutes im Siñe haben moͤchte. Wie sie auf einem Dorffe das Fruͤhstucke von der mitgenommenen kalten Küche/ andert- halb Meile disseit Reins hielten/ merkete Wolfgang aus seinen Bezeigungen/ was er im Schilde fuͤhrete/ und suchete Gelegenheit/ allein mit dem Fraͤulein zu reden/ welche ihm aber zuvor kam/ und die leichtfertige Anmuhtung ihn wissen ließ/ daher er mit den Reu- tern in Reichards Abwesenheit redete; sie solten sich versichern/ daß ihrer keiner ohn Fuͤrst- und Koͤnigliche Geschenke bleiben solte/ wann sie ihm aͤydlich wuͤrden angeloben/ daß sie dz Fraͤulein vor alle Gewaltsamkeit/ aͤusserstes Vermoͤgens wolten schuͤtzen helfen/ wann ihr irgend Unbilligkeit solte angemuhtet werden. Diese liessen sich einhellig auf solche Zusage heraus/ als lange sie warm Blut haͤtten/ solte es keine Noht haben. Wolan/ sagte er/ so helf- fet auff den Fal euren Herrn abhalten/ wann er sich einiger Gewaltsamkeit oder unloͤblicheꝛ Taht unterfahen wolte/ biß dahin aber lasset euch nichts merken; dagegen wil ich euch aͤydlich versprechen/ daß euch bloß allein vor diese Traͤue eine Tonne Schaz sol ausgetei- let werden/ so bald wir nuꝛ bey der Elbe angelanget sind. O wie fꝛeueten sich diese aꝛme Land- laͤuffer/ neigeten sich vor ihm/ und verhiessen/ so wol Nachtes als Tages fleissig zu wachen/ und alles boͤse zu verhindern. Welches er dem Fraͤulein anzeigete/ und daß sie sich vor dem Buben durchaus nicht fuͤrchtete/ sondern/ da sie ein unbilliches Wort oder Geberde von ihm vernehmen wuͤrde/ ihm nur kuͤhnlich/ und hart genug einredete/ weil die Reuter inge- samt sich zu ihrem Schutze/ auch wider ihren Herrn selbst/ aͤydlich mit ihm verbundẽ haͤttẽ. Ey Gott lob sagte sie/ so ist mir dieser schwere Stein vom Herzen genommen/ stellete sich auch freymuͤhtig/ und lies gerne zu/ daß der freche Bube sich wieder zu ihr auf die Gutsche setzete/ weil er darumb anhielt. Er haͤtte gerne gesehen/ daß man mit der Reise so heftig nit eilen moͤgen/ wendete ein/ die Pferde koͤnten es nicht ertragen/ und wuͤrden bald tod nider fallen. Siebendes Buch. fallen. Aber da half nichts zu; dann Wolfgang antwortete/ man haͤtte an dem erbeuteten und andern geschmeide Mittel gnug/ frische Pferde zukauffen/ wann diese gleich drauff gehen wuͤrden/ weil ihre Wolfahrt auf der eile bestuͤnde; daß er also nicht weiter wieder- sprechen durfte. Auf der Gutsche fing er an sein Ungluͤk zubeklagen/ daß er in so nidrigem Stande haͤtte muͤssen gebohren werden; der Himmel haͤtte ihm wol eine so aͤdle und un- uͤberwindliche Seele gegeben/ als mannichem nicht/ der ein Fuͤrstentuhm besaͤsse; aber was diesen wol anstuͤnde/ und von jederman an ihnen gelobet wuͤrde/ duͤrften er und seines gleichen kaum mit Gedanken uͤberlegen; woraus leicht zuerkennen waͤhre/ daß es einem tapferen Manne und hohen Geiste nicht allein am Lebens-sondern vielmehr an Standes- Glücke gelegen waͤhre/ wañ man empor schweben wolte. Das Fraͤulein erkennete hieraus seinen Hochmuht/ und was er darunter verdeckete/ verließ sich auf Wolfganges Vertroͤ- stung/ und gab ihm diese Antwort: guter Freund/ es hat unser Gott selbst der Staͤnde Vn- terscheid gesetzet/ daher sie kein Mensch vermischen muß/ sondern ein jeder ist billich mit dem seinen zufrieden/ bloß darumb/ weil dem allerhoͤchsten es nit gefallen hat/ ihn in einen andern zusetzen; welches ich nicht darumb sage/ ob solte niemand nach Ehren und Stan- des Besserung trachten; dañ was hat rechtschaffene Tugend sonst vor Lohn als Ehre? nur dieses wird ein jeder Vernuͤnftiger gestehen/ daß nicht ein jeder tapferer Mann koͤnne zum Fuͤrsten Stande gelangen; und noch dannoch hat er seine Ehre und Ruhm vor der Welt; dz also alle und jede/ in was Stande sie auch leben/ Gelegenheit haben koͤnnen/ ihre Tugend und gutes Herz zu uͤben. Daß er aber sich beschweret/ ein ander duͤrfte sich dessen nicht un- terfahen/ was einem Fürsten erlaͤubet ist/ solches muß trauen mit Unterscheid gesagt wer- den; from uñ ehrlich leben/ ist allen Menschen frey gegeben/ ja sie sind durch die eingepflan- zeten Gesetze darzu verbunden. Aber wann etwa ein Buͤrger oder aͤdles Standes/ Fuͤrstli- chen Haͤuptern dasselbe nachtuhn wolte/ was sie als Fuͤrsten vornehmen/ wuͤrde ein gros- ses Stuͤk der wahnwitzigen Tohrheit seyn. Dann heissets nach dem bekantem Sprichwor- te; Wann zween ungleiches Standes/ eines tuhn/ das ist nicht einerley. Zum Beyspiel: Ein Fuͤrst gebeut den Inwohnern seines Landes/ mit dem Gewehr auf zuseyn/ und einen Zug gegen den Feind mit ihm zutuhn. Wann dessen aber ein ander sich unterstehen wolte/ duͤrfte er spot oder Schlaͤge zu Lohn tragen. Also ordnet ein Koͤnig oder Fuͤrst in seinem Lande allerhand Gesetze; ein ander muß es trauen wol bleiben lassen/ ob ergleich tausend- mahl bessere Gesetze geben koͤnte/ als dieser mit allen seinen Raͤhten. Ein ander Beyspiel; Ein Fürst trachtet nach der Heyraht einer Fürstlichẽ Fraͤulein/ als die Standes ihm gleich ist; wuͤrde nun ein aͤdler oder Buͤrgersmañ/ wie tapfer/ reich/ und ansehnlich er gleich seyn moͤchte/ ihm solches ungescheuet nachmachen wollen/ haͤtte er an stat der Braut entweder eine Narren Kappe/ oder die Striegel/ wo nicht wol gar den Staupbesem zugewarten/ nach dem er die Sache angreiffen wuͤrde. Also sehet ihr nun/ Reichard/ daß ihr und eures gleichen euch billich etlicher Sachen enthalten muͤsset/ die Koͤnigen und Fuͤrsten allein zu- stehen/ wo nicht sonst eine Verwirrung aller Stānde und Ordnung in die Welt solte ein- gefuhret werden. So beklaget euch nun nicht/ wegen eurer angebohrnen Nidrigkeit/ son- dern strebet der Erbarkeit und Tugend nach/ als weit euer Stand/ in welchen euch Gott selbst gesetzet hat/ reichen kan/ und versichert euch alsdann/ daß ihr nicht um sonst euch be- r r r r muͤhen/ Siebendes Buch. muͤhen/ sondern ohn Zweifel in einen hoͤhern (kans gleich nit der hoͤchste seyn) Stand schꝛei- ten werdet. Ich wil nur euer jezt bevorstehendes Glük euch vor Augen stellen: Ihr seid Buͤꝛ- ger Standes der Geburt nach/ jezt habt ihr euch zu meinem Diener bestellen lassen/ dessen ihr in wenig Tagen grosse Vergeltung empfahen sollet/ nicht allein an Geld und Guͤtern/ sondern auch/ wann es euch geliebet/ koͤnnet ihr in den Adel und Ritter Stand aufgenom- men werden; massen was mein getraͤuer Diener Wolfgang und ich selbst euch versprochẽ haben/ sol euch auf den Fall eures bestaͤndigen wolverhaltens (woran ich dann nicht zwei- feln wil) Fuͤrstlich geleistet werden; nur leget diese verkehrete Meinung abe/ uñ goͤnnet ho- hen Fuͤꝛstlichen Haͤuptern/ was ihnen von dem Himmel selbst und Einwilligung aller Voͤl- ker zugeeignet und uͤbergeben ist/ damit ihꝛ nicht wieder den Stachel lecket/ und euch in Un- gluͤck stuͤrzet/ welches ich euch gar nit goͤnne. Dleser verwaͤgene Tropf haͤtte ihre Meinung hieraus ja billich fassen/ und seinen gottlosen Vorsatz endern sollen/ insonderheit/ weil er die ungezweifelte Rechnung zu machen hatte/ es wuͤrde ihm solches nim̄ermehr ungestra- fet hin durchgehen; aber wie der leichtfertige Bube schon eines redlichen vornehmen Man- nes Tochter wieder ihren Willen zu Unfal gebracht/ und ihr hernach den Raht gegeben/ sie solte schweigen/ und sich nicht selbst in der Leute Maͤuler bringen/ welches sie auch vor ihr bestes gehalten; alß gedachte er/ wuͤrde ein Fuͤrstliches Fraͤulein vielmehr ihres guten Leumuts acht haben/ und sich nicht verrahten; blieb demnach in seinem steifen Vorsatze/ und antwortete ihr so ungereimtes Ding/ daß er dadurch klar an den Tag gab/ die Sinnẽ spieleten Meister uͤber die Vernunft. Jedoch enthielt er sich aller aͤusserlichen Bezeigung wodurch er den Argwohns Brunnen zustopfen meinete. Des Abends in der Herberge ei- nes Dorffes/ ihrem Herr Vater schon unterworffen (welches ihnen allen ohn dem Boh- ten/ der es vergaß anzuzeigen/ unbewust wahr) stellete sich Reichard gar wolgemuht/ ließ seinen Reutern frisch aufftragen/ und noͤhtigte sie/ insonderheit Wolffgangen/ gar freund- lich zum trinken/ dann sein Vorhaben wahr/ sie alle trunken zumachen. Aber als die Reu- ter sahen/ daß dieser sich wegerte uͤber Durst zutrinken/ neben der Erinnerung/ man koͤnte nicht wissen/ was auff einem unverschlossenen Dorffe sich zutragen moͤchte/ welches durch Nuͤchternheit muͤste abgelehnet werden/ wolte ihrer keiner sich zum sauffen bewaͤgen las- sen/ welches jenen nicht wenig verdroß/ daß er auch etlicher Draͤuworte sich vernehmen ließ; an welche sich doch niemand kehrete noch es beantwortete/ uñ er daher immer zu kuͤh- ner ward/ der Hoffnung/ niemand wuͤrde auffs aͤusserste widerstehen duͤrffen; setzete sich demnach schon halb beraͤuschet zu dem Fraͤulein nider/ mit viel groͤsserer Verwaͤgenheit als vor nie/ und trank ihr auf Gesundheit dessen zu/ der sie mehr als sich selbst liebete. Das Fraͤulein erinnerte sich bey dem Worte ihres lieben Fürsten nicht ohn seuffzen/ doch weil ihr des Buben Gedanken nicht unbewust wahren/ gab sie ihm zur Antwort: Mein guter Reichard/ ich begehre eines solchen Freundes nicht/ der mich mehr/ als sich selbst lieben sol- te; so habe ich auch auff euer hartes noͤhtigen schon mehr getrunken/ als mir dienet; wer- det mich daher mit diesem Trunke/ wie ich weiß/ gerne verschonen. Dieser rechnete ihm solches nicht vor einen geringen Schimpff/ baht/ sie moͤchte ihn doch nicht so gar unwir- dig ihrer Freundschafft halten; dann ob er gleich der Geburt nach nur Buͤrgerstandes (welchen Unterscheid der Staͤnde ein Schelm erdacht haͤtte/ nachdem sie alle eines Zeu- ges Siebendes Buch. ges waͤhren)/ so waͤhre er dannoch derselbe/ welcher ein Fuͤrstliches Fraͤulein zuerloͤsen maͤchtig gnug gewesen/ ja der umb ihrer Freiheit willen sein ganzes vāterliches Erbe an- gewendet/ seines Vaterlandes sich verlustig gemacht/ und Lebens Gefahr uͤber sich ge- nommen/ ungeachtet er sie vorhin weder gesehen/ noch ein Wort von ihr gehoͤret/ ohn was er von dem Tageloͤhner Wolffgang haͤtte/ welchen Freund/ ausser ihn/ sie in der Welt nicht finden wuͤrde; und haͤtte doch vor alle seine Dienste uñ Woltaht nichts mehr/ als veraͤcht- liche Beschimpffungen/ die ihm Herz und Seele durchschnitten; hoffete gleichwol/ sie wuͤrde dergleichen Undankbarkeit nicht ferner wieder ihn gebrauchen/ sonst muͤste er sich beyzeiten vorsehen/ und des Weges mit ihr ziehen/ den er kommen waͤhre. Das Fraͤulein verschmerzete diesen Hohn/ und antwortete ihm sehr guͤtig: Sie wuͤste sich durchaus nicht zuerinnern/ daß sie ihn mit einem Worte oder Augenwink beleidiget haͤtte/ moͤchte sie dem- nach solches Argwohns entschuͤtten. Sie haͤtte nicht gemeynet/ daß er die Verwegerung eines Trunks so ungleich empfinden wollen/ solte ihm sonst wol unversaget blieben seyn; nam auch das Glaͤselein von ihm an/ und taht uͤber Vermoͤgen bescheid. Da fing nun der schlauhe Bube an/ sich auffs neue beliebet zu machen; aber das Fraͤulein suchete sich von ihm abzuscheiden/ ließ der Wirtin ruffen/ und fragete/ ob ihr nicht in einem absonderlichẽ verschlossenen Gemache/ wie schlecht es auch waͤhre/ eine Straͤu koͤnte gemacht werden/ in welchem sie mit jenem ihrem Diener/ auff Wolffgang zeigend/ allein seyn/ und etliche wenig Stunden ruhen koͤnte. Gar wol/ sagte die Wirtin/ ich habe eine fest-verschlossene Kammer/ die wil ich euch einraͤumen. Nun hatte der Boͤsewicht schen vorher gemuht- masset/ sie wuͤrde des gemeinen Lagers sich nicht gebrauchen/ auch an die Wirtin begeh- ret/ daß sie ihr an solchem Orte ihre Ruhe Bette zurichten solte/ da er zu ihr kommen koͤn- te/ dann sie waͤhre seine versprochene Braut/ und haͤtte Recht darzu/ wiewol sie nach Art der Jungfern sich dessen wegerte; gab ihr auch eine Verehrung/ und erkauffte sie dadurch/ daß sie ihm den Schluͤssel zu der Kammer zustellete/ schmierete hernach die Hespen/ daß sie leise auffgingen/ und machete Wolffganges Lager so weit von der Fraͤulein Straͤu/ als das Gemach lang wahr. Das fromme Fraͤulein haͤtte sich solcher Verraͤhterey nicht versehen/ nam mit Wolffgang einen freundlichen Abscheid von ihren Reutern/ und vermahnete sie/ des folgenden Tages zeitig auffzuseyn. Als sie nach Bette ging/ fragete sie die Wirtin/ unter wessen Gebiet dieses Dorff gehoͤrete/ und bekam zur Antwort: Der Großfuͤrst zu Magdeburg waͤhre ihre Obrigkeit/ welchen seine Staͤnde neulich zum Koͤnige gemacht haͤtten/ und hiesse Koͤnig Henrich. Ey Dank sey dir/ du hoͤchster Gott/ sagte das Fraͤulein; meynete/ sie waͤhre nun allem Ungluͤk entlauffen/ schloß die Kammer Tuͤhr zu/ und hielt mit Wolffgang eine herzliche Danksagung: Du frommer Gott/ sagte sie/ du Vater aller deren/ die auff dich trauen; wie so gar gnaͤdig erzeigestu dich uns armen Suͤndern/ und reissest uns im Augen- blik aus der Noht und Anfechtung/ wann wir meynen am allertieffesten darinnen zustecken. Ich ge- dachte schon/ mein liebes Vaterland wuͤrde ich nimmermehr wieder sehen/ und sol nun schon diese Nacht darinnen schlaffen/ ehe ich weiß/ daß ich daselbst angelanget bin. HErr/ du hast mich zwar ge- zuͤchtiget/ aber mit gelinder Hand/ du hast mich gestaͤupet/ aber mit deiner Kinder Ruhte/ daß ich nur wenig Streiche mit der Fuhrmans Peitsche/ und etliche Schlaͤge von der Hand meiner unbarmherzi- gen Frauen empfangen habe. O wie wol wird mirs seyn/ daß ich auch von deiner Zuͤchtigung etwas bekommen habe. Mein gnaͤdiger Heyland/ gib vor dißmahl meinem Ungluͤk die Endschafft/ und laß r r r r ij mich Siebendes Buch. mich die meinen schier wieder sehen; erhalte auch meinen liebsten Fuͤrsten/ daß er in der fremde nicht verderbe/ noch umb meinet willen in Unfall gerahte/ sondern hilff uns nach deiner Gnade wieder zu- sammen/ auff daß wir HErr mit froͤlichem Munde deinen Preiß zugleich und auff einmahl anstim̃en/ und uns in deiner heilsamen Erkaͤntniß von den unsern je mehr und fleissiger unterrichten lassen moͤ- gen/ Amen. Nach geendigtem Gebeht gab sie Wolffgangen zuverstehen/ sie wolte fruͤh Morgens den Amtman/ der hieselbst zugebieten haͤtte/ zu sich fodern/ sich ihm zuerkennen geben/ die Reuter bey sich behalten/ und Reicharden wegen seiner groben Unbescheidenheit und Un- zucht Urlaub geben/ jedoch/ daß er sich nicht zubeklagen haͤtte/ ihm eine zimliche Verehrung von etliche tausend Kronen nach Koͤlln übermachen lassen/ weil sie ihn vor ihren Augen laͤnger nicht leiden koͤnte. Gott sey Lob/ sagte Wolffgang/ daß ihre Gn. schier in ihren wir- digen Stand wieder treten/ und ich dieselbe werde gebuͤhrlich ehren duͤrffen/ massen mirs im Herzen weh getahn/ daß mit derselben ich mich so gemein machen muͤssen/ da ich doch nicht wert bin/ ihr geringster Diener genennet zuwerden. Gebet euch zufrieden mein lie- ber und frommer Wolffgang/ antwortete sie/ ich weiß wol zuerkennen/ was vor Muͤhe uñ Ungemach ihr bloß meinet wegen ausgestanden/ und die allergroͤsseste Traͤue mir erwiesen habt/ die von einigem Menschen geleistet zuwerden moͤglich seyn kan/ wovor ich dann wil schuldig gehalten seyn/ euch hoͤher zuerheben/ als ihr meinet wegen euch genidriget habet. Sie hielten mit ihrem Gespraͤch noch ein wenig an/ biß das Fraͤulein aus Muͤdigkeit in ei- nen harten Schlaff geriet/ wie imgleichen auch Wolffgang/ welcher sich doch vorgenom- men hatte die Nacht hindurch zuwachen. Die Reuter lagen mit Reicharden in der Stu- ben auff gemeiner Straͤu/ und umb Mitternacht machte sich der Bube in aller stille hin- aus/ verriegelte auch auswendig die Stuben Tuͤhr/ daß ihm niemand folgen kunte/ ging hin/ schloß die Kammer sanffte auf/ und legete sich unvermerket zu dem Fraͤulein. Er spuͤ- rete/ daß sie fest schlief/ und die Kleider mehrenteils auffgeloͤset/ wiewol nicht abgelegt hat- te/ zog seine Kleider ab/ und naͤherte sich ihr gar sehr/ wie sie auff der rechten Seite mit auf- gezogenen Knien und durchwickeltem Rocke lag/ da er sie gewaltsam überfiel/ in Meinung/ seinen Mutwillen/ ehe sie recht erwachete/ zutreiben; aber sie empfand seinen ersten Angrif/ und rief uͤberlaut: Wolffgang/ Wolffgang/ wer ist bey mir auff dem Lager? fing auch bald ein Geheule an/ und stieß von sich/ daß nicht allein Wolffgang davon erwachete/ sondern geschwinde herzu lief/ über den verwaͤgenen Schelm herfiel/ und sich rechtschaffen mit ihm zausete/ daß das Fraͤulein Lufft gewan auffzustehen/ und aus der Kammertuͤhr umb Huͤlffe zuschreihen; wovon die Reuter wache wurden/ und doch aus der versperreten Stuben nit kommen kunten/ biß sie die Tuͤhr entzwey stiessen/ und der Kammer zueileten. Inzwischen zuschlugen sich die beyden auff der Straͤu/ daß ihnen Maul und Nase blutete/ und waͤhre der Boͤsewicht schier Wolffgangs Meister worden/ dann er fassete ihn bey der Kehle/ haͤt- te ihn auch erwuͤrget/ wann dieser nicht an sein Brodmesser gedacht/ und ihm damit den Arm durchbohret haͤtte/ daß er ablassen muste/ und Wolffgang Mattigkeit halber/ und daß ihm die Kehle schier eingedruͤcket wahr/ nicht weiter nachsetzen kunte/ daher Reichard ihm das Messer nahm/ und ihm mit der Linken drey gefaͤhrliche Stiche gab/ haͤtte ihn auch gar ermordet/ wann nicht gleich die Reuter herzu gelauffen waͤhren/ und ihn bey den Fuͤssen wegge- Siebendes Buch. weggezogen haͤtten/ da er zu ihnen sagete: O ihr leichtfertige Schelmen/ wie handelt ihr bey mir eurem Herrn; ist das die Traͤue/ die ihr mir schuldig seyd? fassete hiemit das Mes- ser/ und stach dem einen eine zimliche Wunde in das Bein/ welcher aber ihm das Messer bald aus der Hand brach/ und ihm damit die Schulter verletzete. Das Fraͤulein schickete einen ab/ ein Licht zuhohlen/ welcher bald wieder kam/ und das Blut auff der Fraͤulein La- ger sahe/ auch daß Wolffgang zimlich Macht-loß wahr/ welchen das Fraͤulein nicht ohn Traͤhnen selbst verbinden halff/ da unterdessen die Reuter den Taͤhter mit Fuͤssen zutratẽ/ haͤtten ihn auch umbs Leben gebracht/ wann nicht Wolffgang sie gebehten haͤtte/ sie solten ihm nicht weiter Schaden zufuͤgen/ sondern festgebunden verwahren/ und ihm die Wun- den verbinden. Weil dann Wolffgang noch keine Todes Angst empfand/ sondern nur we- gen des verblutens von Kraͤfften kommen wahr/ dankete das Fraͤulein Gott inniglich und von Herzen. Die Wirtin/ deren Ehman verreiset/ ward herzu geruffen/ und befraget/ auff was weise der Boͤsewicht durch die Kammer Tühr kommen waͤhre/ mit Bedraͤuung/ da sie Wissenschafft drumb haͤtte/ solte sie es bekennen/ oder schwerer Straffe gewaͤrtig seyn. Worauff sie mit einem Lachen antwortete: ob es dann was neues waͤhre/ daß man den Braͤutigam zu der Braut liesse? massen als sie solches von ihm berichtet worden/ haͤtte sie auff sein hefftiges anhalten ihm den Schluͤssel abfolgen lassen. O du verwaͤgener Bube/ sagte das Fraͤulein/ so darffstu dich noch wol darzu vor meinen Braͤutigam angebẽ? Nun ich wil dir deinen Lohn schon zustellen/ und das Braut Bette dergestalt zurichten lassen/ dz du kein Koͤnigliches Fraͤulein mehr gewaltsam überfallen solt. Geboht hierauff einem Reuter/ daß er von dem Hauß Knechte sich geschwinde solte hinbringen lassen/ wo der Amtman dieses Dorffs wohnete/ und demselben anzeigen/ es sey alhie seines gnaͤdigsten Koͤniges nahe Anverwantin/ die begehre gnaͤdigst/ daß er auffs schnelleste mit einem gutẽ Wund Arzt und einer gewapneten Schaar sich hieselbst einstelle. Sie nahmen beyde Pfer- de/ ranten geschwinde fort/ und brachten den Amtman samt dem Arzt mit sich. Jener/ weil er offt zu Hofe gewesen wahr/ kennete das Fraͤulein alsbald/ demuͤtigte sich vor ihr/ und baht untertaͤhnigst/ ihm die Gnade zuerzeigen/ und ihm zubefehlen/ daß er ihrer Durchl. Wiederkunfft seinem allergnaͤdigsten Koͤnige anmeldete; Aber sie antwortete ihm: Er solte ohn das schon gnaͤdigst angesehen werden; Ließ Wolffgang auffs neue verbinden/ und hoͤrete mit Freuden/ daß der Arzt guten Trost gab; wie dann auch des Taͤhters Scha- den wol in acht genommen ward/ welcher sich bezeigete/ als wann er von Sinnen kommẽ waͤhre/ und nicht wuͤste/ was er verrichtet haͤtte. Die gewapnete Begleitung stellete sich auch bald ein/ daß sie fruͤhzeitig auffbrachen/ und den naͤhesten Weg nach Magdeburg vor sich nahmen. Wolffgang muste bey ihr auff der Gutsche sitzen/ dem sie fast schwesterliche Hulde erzeigete/ welches er doch in einfaͤltiger Untertaͤhnigkeit verbaht/ als der dessen al- lerdinge unwirdig waͤhre/ und daher gerne mit einem Karren vorlieb nehmen wolte/ weil er seiner Wunden halben das reiten und gehen nicht ertragen koͤnte. Sie aber sprach ihn zufrieden: Er solte mit dergleichen Wegerungen sich nit verunruhen/ sondern alle knech- tische Nidrigkeit ablegen; sie wolte ihm schon wissen Leute zuzugeben/ die ihn in hoͤfischen Sitten unterrichten wuͤrden; welches er mit betruͤbtem Herzen anhoͤrete/ und noch hoffe- te/ es zu seiner Zeit abzulehnen. Der freche Reichard ward auff einen Karch gebunden/ r r r r iij und Siebendes Buch. und seinem Verdienste nach/ fortgeschleppet. Als sie zu Magdeburg ankahmen/ entstund grosse Freude bey allen Hofeleuten; Weil sie aber vernam/ daß die Koͤnigliche Geselschaft schon vor etlichen Wochen nach Prag verreiset waͤhre/ wolte sie daselbst nicht laͤnger als eine Nacht verharren; gab Wolffgangen ein schoͤnes Scharlaken Kleid/ dessen Wundẽ/ (wie dann die Bauren gute Haut zuheilen haben) in kurzer Zeit anfingen sich zusetzen und schliessen/ und muste noch immerfort bey ihr auff der Gutsche bleiben. Sie wahr über die masse betruͤbt/ daß man ihr zu Magdeburg so gar nichts von dem Fuͤrsten zusagen wuste/ nur daß die Koͤnigliche Geselschafft denselben nebest dem Fraͤulein sehr beklaget haͤtte/ und sie daher an seinem Leben anfing zuverzweifeln/ so daß ihre Augen selten ohn Traͤhnen/ und ihr Herz ohn Seuffzen wahr; da gleichwol Wolffgang sie nach vermoͤgen troͤstete; man müste dem Allerhoͤchsten trauen/ er wuͤrde diesen glaͤubigen und frommen Fuͤrsten ja so wol im Ungluͤk/ als sie/ erhalten haben/ wie er dann nimmermehr glaͤuben koͤnte/ daß er in dem Streite mit den Buͤrgern des abgebranten Staͤdleins solte erschlagen seyn; uñ wer weiß/ sagete er/ ob seine Fürstl. Gn. nit wol schon zu Prag ankom̃en ist/ und gleich so grosses Leid uͤber ihrẽ vermeintẽ Tod traͤgt/ als sie uͤber ihn? Sie reisetẽ ohn einige sonderliche begebniß fort/ biß sieauf 3 Meilẽ an Prag kamẽ/ da sie einẽ Jaͤger in fremder Kleidungsart/ voꝛ einẽ sitzenden Betler ganz demuͤhtig stehen/ und den Huht in der Hand halten sahen welches sie wunder nam; und weil es nicht weit von dem Fahrwege wahr/ befahl das Fraͤulein Wolf- gangen (der nunmehr geheilet wahr) hinzugehen/ und zuvernehmen/ warumb dieser wol- geputzeter Jaͤger einem so unachtsamen Menschen in zurissenen Kleidern/ diese grosse Ehr- erbietigkeit erzeigete. Dieser/ so bald er hinzutrat/ ward er/ ungeachtet seines schoͤnen unge- woͤhnlichen Kleides von dem Betler (dann derselbe wahr Fürst Arbianes) erkennet/ wel- cher voller Hoffnung und Begierden mit lauter Stimme zu ruffen anfing: Wolfgang Wolfgang/ verbirge dich nicht vor mir in deinem Ritter-kleide/ und sage mir/ wo das liebe Fraͤulein ist/ damit ich meiner grossen Herzensangst entweder lebendig oder Tod abkom- men moͤge. Gute Zeitung/ gluͤkliche Zeitung gnaͤdiger Fuͤrst/ antwortete er; wolte auch weiter reden; aber das Fraͤulein; welche alle Worte des Fuͤrsten eigentlich hoͤrete/ uñ sei- ne Stimme alsbald erkennete/ sprang herunter von ihrer Gutsche/ und wolte zu ihm lauf- fen/ aber aus grosser herzlicher Liebe/ und nicht weniger aus erbarmung uber feinen klaͤgli- chen Zustand/ fiel sie in Ohmacht zur Erden nieder. Arbianes sahe sie/ und geriet in eben denselben Zustand/ daß der Jaͤger mit ihm/ und Wolfgang mit dem Fraͤulein gnug zu tuhn hatten/ ehe sie wieder zum verstande uñ zu kraͤften kahmen. Das Fraͤulein ermunterte sich zu allererst/ lieff ungescheuhet hin zu ihrem allerliebsten Braͤutigam/ umbfing ihn in seinen Betlers Kleidern und ganz verworrenen Haaren/ herzete und kuͤssete ihn/ und sagete end- lich: O weh mir ungluͤkseligen/ daß der teure Fürst aus Meden/ meinetwegen zum Betler worden ist/ und es meinem Erloͤser viel ungluͤklicher als mir selbst hat gehen muͤssen. Nun nun mein Schaz/ der almaͤchtige Gott hat uns auf die Laͤuterung gestellet/ wir haben durch seine Gnade und Huͤlffe ausgehalten/ und sind in den Augen seiner Barmherzigkeit wert erfunden worden/ daß euer Bettelstand/ und meine elende Magdschaft (HErr Gott dir sey dank vor die Staͤupe und vor die Huͤlffe) zum ende gelauffen ist. Arbianes saß noch/ als waͤhre er verzukt/ die Zehren lieffen ihm uͤber die Wangen/ und fand so viel Kraft nicht in seinen Siebendes Buch. seinen Gliedern/ daß er sich haͤtte erheben moͤgen; endlich richtete er sich langsam in die hoͤ- he/ sahe sie starre an/ und geschwand ihm zum andernmahl/ daß er nidersank/ sie auch an- ders nicht meineten/ er wuͤrde gar verschieden seyn; sein Jaͤger welcher Zariaspes Sysi- gamben Sohn wahr/ hatte nicht weit davon eine Flasche mit Wein stehen/ welche er herzu hohlete/ und das Fraͤulein ihn damit erquickete/ da sie zugleich zu ihm sagete: Wie ist ihm nun/ Fuͤrst Arbianes/ wil mein Vertraueter nach uͤberstandenem Elende es noch schlim̃er machen/ als im anfang auff dem Heu? lasset uns doch nach dem Leide die Traͤhnen abwi- schen/ und nach dem Elende das Trauren einstellen/ damit wir nicht selbst diesen Tag zum verworffenen machen/ welchen uns Gott zur ergetzung gegeben hat. Er schlug die Augen wieder auff/ uñ sagete: Ach du gnadenreicher Heyland/ du Helffer aller die auff dich trauẽ; lebet das allerfroͤmmeste und tugendreicheste Fraͤulein der Welt noch? ja lebet sie dem biß- her elenden Betler Arbianes noch zu Trost und bestaͤndiger Traͤue? Schweiget/ mein al- lerliebstes Herz/ sagete sie/ und schaͤndet euch selber nicht; ihr wisset ja besser als ich/ daß wir geduldig mit alle dem muͤssen friedlich seyn/ was von Gott uns zukomt. Er richtete sich hiemit auff/ und gab zur Antwort: Dir sey dank HErr in ewigkeit/ daß du diesem Koͤnig- lichen Fraͤulein mit so reichem Trost-Geiste in ihrer Noht beygestanden bist/ und ihr ver- trauen auff deine Huͤlffe so fest erhalten hast. Sie aber nam ihn bey der Hand und führete ihn nach der Gutsche/ da die Anwesenden nicht anders meineten/ sie haͤtte ihren Wiz ver- lohren/ oder dieser Betler haͤtte sie bezaubert/ daß sie dergestalt sich gegen ihn bezeigete. Ar- bianes wegerte sich anfangs/ ihr zu folgen/ und taht den Vorschlag/ ihre Liebe moͤchten im Nahmen Gottes nach der Stad fahren/ dieser sein Diener solte geschwinde hinreiten/ und ihm gebuͤhrliche Kleider samt seinem Leibwagen heraus hohlen/ daß er ihr wirdig folgen koͤnte. Aber sie wolte durchaus nicht von ihm weichen. Was? sagte sie/ solte ich meinen hochwerten Fuͤrsten umb seines Betler-kleides willen verlassen/ welches er bloß meinetwe- gen angelegt und getragen hat? Eure Liebe lasse den Diener in Gottes Nahmen reiten/ dz er die Kleider heraus uns entgegen bringe auff das naͤheste Dorff der Stad/ inzwischen wollen wir ihm gemaͤhlich folgen; muste also der Fürst auff den Wagen steigen/ da dz Fraͤu- lein ihrem Amtman befahl/ hinter sich auff dem naͤhesten Dorffe mit allen seinen Leuten sich biß Morgen niderzulassen und den Gefangenen fleissig zuverwahren; redete auch ihren acht Reutern ganz freundlich zu/ sie solten bey dem Amtman verharren/ und auff Morgen ihrer ergezligkeit gewaͤrtig seyn. Wolfgang aber muste auff ein Pferd steigen/ und ihrem Wagen etwas von weitem folgen. Auff der Gutsche ging das Herzen uñ druͤcken erst recht an/ wiewol der Fuͤrst wegen seiner Lumpen/ die nicht ohn Unziefer wahren/ sich uͤbel schaͤme- te/ da hingegen sie beteurete/ er waͤhre in ihrẽ Augen mit dieser Kleidung tausendmahl schoͤ- ner als in guͤldenen Stuͤcken/ weil er sie ihretwegen truͤge. Sie erinnerten sich ihrer schul- digen Dankbarkeit gegen Gott/ der ihnen so wunder-gnaͤdig geholffen hatte/ daher Arbia- nes dieses Gebeht aus dem innersten seines herzen mit vielen Traͤhnen hervor suchete/ und das Fraͤulein ihm ganz andaͤchtig mit pfũtze-nassen Augen nachbehtete: Gott unser Helffer! ach wie groß ist dein erbarmen/ wie unaussprechlich deine Guͤte! ich haͤtte fast an deiner Huͤlffe verzweiffeln duͤrffen; der Fall wahr mir sehr nahe/ und strauchelte schon/ weil ich den Stab deines Heils und den Trost deiner Huͤlffe nicht sichtbarlich empfand. Herr Gott/ sagte ich Siebendes Buch. ich/ hastu mich dann gar von deinen Augen verstossen/ und von deiner Gnade verbannet/ daß du mich nicht sihest? hastu allen S t urm deines Grimmes uͤber mich ausgestuͤrzet/ der ich nur Staub uñ Asche bin? Ja Herr mein Gott/ ich gedachte/ die Fluht haͤtte mich gar ergriffen; die Wasser deines grim- migen Zorns waͤhren uͤber mich zusammen geschlagen. Herr sagte ich/ wo ist deine Huͤlffe? mein Gott/ rieff ich/ wo ist deine so teur verfprochene erbarmung? und finde mich/ ey Gott lob! schon auff dem Trocken/ ehe ich des Wassers abflus merke; und liege in deinen huͤlffreichen Vater-Armen/ da ich eben meinete zuversinken. O mein Gott/ groß sind deine Wunder/ die du an uns beweisest; unermaͤßlich ist deine Liebe/ welche du gegen uns traͤgest/ ob du sie gleich eine kurze Zeit/ ja kaum ein Augenblik in dei- nem Herzen verborgen gehalten. Ja Herr/ ich habe diese Betlerskleider mit meinen Suͤnden und ehe- maligen weltlichen uͤppigkeiten wol verdienet/ den erlittenen Jammer hoch verschuldet/ die empfan- genen Schlaͤge und Wunden mir selbst gemacht/ und ist mir noch nicht der tausendste Teil der gerech- ten Straffen auffgelegt/ wann du mein Gott mit mir vor Gerichte treten/ und nach melnen Werken mir lohnen woltest. Aber Herr/ deine Guͤte hat uͤberwogen/ daß meiner Suͤnde/ wegen der gnugtu- hung deines Sohns nicht hat muͤssen gedacht werden. Davor danke ich dir/ mein Schoͤpfer/ davor preise ich dich/ Herr mein Gott. O so laß nun nach dieser kurzen Walfahrt uns foͤrder nicht mehr in der Irre gehen/ nachdem wir sehr wol gelernet haben/ daß wann du Herr zuͤchtigen wilt/ ein Fuͤrst leicht an den Bettelstab gerahten; und wann du helffen wilt/ der Betler im Augenblik zu Fuͤrstlicher Hoch- heit wieder gelangen kan/ damit HErr dein Wort wahr bleibe/ daß du die Gewaltigen vom Stuel stossest/ und die niedrigen erhebest. Dir HErr unserm Gott/ dir JEsus unserm erbarmer/ sey vor dei- ne vaͤterliche Zuͤchtigung/ die uns so heilsam; auch vor deine gnaͤdige Huͤlffe uñ Rettung/ die so troͤst- lich suͤsse ist/ Lob/ Ehr/ Preiß und Herligkeit von nun an biß zu ewigen Zeiten/ Amen/ Amen. Nach volendeter herzlicher Danksagung wurden sie eins/ diesen Tag jaͤhrlich nicht anders als ihren Geburtstag in beharlicher Danksagung zu Gott/ und milder Handrei- chung den Armen Christen/ deren es in Meden viel gaͤbe/ zu feiren. Hernach fragete der Fuͤrst/ was vor einen elenden Gefangenen sie auff dem Karren mit sich geführet haͤtte. Da sie zur Antwort gab; eben dieser haͤtte sie zwar durch gnug kuͤhne Verwegenheit und an- gewante Kosten von ihrer Dienstbarkeit loßgemacht/ daß ohn sein zutuhn sie so bald nicht wuͤrde erꝛettet worden seyn; aber durch sein unkeusches beginnen haͤtte er alle vorige Wol- taht verderbet/ daher sie willens waͤhre/ ihn mit abscheuhlicher Straffe zubelegen; erzaͤhlete darauff seine Untaht/ und nam hiedurch gelegenheit/ Wolfganges uͤber-grosse und fast un- glaͤubliche Traͤue/ Zucht und Auffrichtigkeit zu ruͤhmen/ da sie endlich sagete; Es waͤhre kein Mensch auff Erden/ dem sie mehr als ihm schuldig waͤhre/ dann er haͤtte Leib und Leben/ Hunger und Kummer/ Angst und Gefahr/ Noht und Tod nichts geachtet/ wañ er ihr nur dienen koͤnnen/ deßwegen nach ihren Eltern und Braͤutig am sie ihn vor ihren allerliebsten Freund/ und ihren Bruͤdern gleich hielte; muͤste sich daneben verwundern/ daß er sich we- gen kuͤnftiger gar zu grosser Gnade und erhoͤhung mehr/ als uͤber sein voriges Elend be- kuͤmmerte. O so verzeihe mirs der almaͤchtige Gott/ antwortete Arbianes/ daß seinetwegen ich so mannichen argen Gedanken gefasset/ und mir eine uñ andere Traͤulosigkeit von ihm eingebildet habe/ welches/ inbetrachtung seines guten anfanges ich billich nicht haͤtte tuhn sollen; jedoch wird Meden noch so reich seyn/ daß ich einem so redlichen Menschen Abtrag wegen meiner ungleichen Gedanken mache. Aber dem Gefangenen/ mein werdester Schaz/ ob er wol den Tod verschuldet/ und mir das liebste in der Welt hat schaͤnden wollen/ muͤssen wir Barmherzigkeit erzeigen/ wo er sonst nur wahre Erkaͤntnis und Raͤue seiner Ubeltaht ergreif- Siebendes Buch. ergreiffen/ und die Bosheit ablegen kan; dann Gott hat uns Gnade erzeiget/ und mit uns den Bogen nicht auff das genaueste gespannet; daher muͤssen wir uns unsers taͤglichen Gebehts erinnern/ da wir von Gott bitten; du unser himlischer Vater/ vergib uns unsere Schuld/ als wir vergeben unsern Schuldigern. Dann es versichere sich nur mein Seelichen/ daß wir uns ehmahls auch an Gott hart vergriffen haben/ und wol schwerer als wir wis- sen oder meinen; und waͤhre es sonst nicht geschehen/ so ists freilich unsere ehmahlige heid- nische Abgoͤtterey/ die von Gott in senem Worte/ wie ich von Koͤnig Herkules oft gehoͤret/ eine geistliche Unzucht/ Hurerey und Ehebruch genennet wird. Der Bube sey euch/ mein Schaz/ uͤbergeben/ antwortete sie/ ungeachtet ich ihm den Tod fast geschworen habe; jedoch uͤbergebe ich ihn mit dem bedinge/ daß nach erteileter Begnadigung er nicht mehr vor mei- ne Augen komme; dann er hat aus muhtwilligem Vorsatze einer solchen Bosheit sich un- terstanden/ die nach aller Voͤlker Recht/ am Leben gestraffet wird. Arbianes saß uñ betrach- tete die grosse Traͤue des frommen Wolfganges/ daher er eine solche Gewogenheit zu ihm fassete/ daß er ihn zu sich an die Gutsche rieff/ und also anredete: Mein getraͤuer auffrichti- ger Wolfgang; nimmermehr haͤtte ich in dir oder deines gleichen ein so aͤdles Herz gesu- chet/ welches ich bey dir angetroffen/ und ich fuͤrstlich zuvergelten entschlossen bin; befleissi- ge dich nur/ das wenige uͤbrige/ welches dir von deinem vorigen knechtischen Stande noch anhangen mag/ vollends abzulegen/ dann ich wil dich zu einem solchen Manne machen/ auf welchen Laͤnder und Staͤdte sehen sollen. Ach Durchleuchtigster Groß Fuͤrst/ antwortete er/ ich bitte lauter umb Gottes willen/ ihre Durchl. wolle mich unwerten einfaͤltigen Men- schen nicht uͤber meine wirdigkeit erheben/ welches ohn zweifel euer Durchl. selbst wuͤrde nachteilig seyn; es ist ja schon zu viel/ daß euer Gn. und meiner Gn. Fraͤulein Diener ich sol genennet werden/ der ich zur Bauren Arbeit erschaffen bin. Du hoͤrest/ fuhr Arbianes fort/ was ich dir sage/ daß du alle niedrigkeit/ welche dir in deinem kuͤnftigen Stande nicht geziemen wil/ ablegen/ und ein Herren-standes Gemüht annehmen solt; dann wo ich lebe/ sol tu in meinem Großfuͤrstentuhm der naͤheste umb mich seyn/ als mein Stathalter/ weil du mir eine herliche Bewehrung abgeleget hast/ daß auff deine Traͤue ich mich verlassen darff. Nur dieses fasse zum steten Gedaͤchtnis in dein Herz/ daß wann du nun zu solchen Ehren wirst erhaben seyn/ du dich allemahl deines ehmahligen geringen Standes eriñerst/ und der Traͤue/ welche du deinem Fraͤulein und zu gleich mir/ diese Wochen uͤber erwiesen hast/ alsdann wirstu ein gewuͤnschter Mann seyn und bleiben. So entschuldige dich nun nicht mehr/ das ist mein ernstlicher Wille/ mit deiner Unwirdigkeit; du bist annoch jung uñ gelernig/ und was du nicht weist/ wil ich dir schon anleitung geben/ und dir Leute zuordnen/ von denen du es lernen kanst. Wolfgang befahl sich seines Groß Fuͤrsten Gnade/ und wahr der angebohtenen Ehre trauriger/ als daß er sich derselben haͤtte erfreuen sollen/ gelebete auch der Hofnung/ das Fraͤulein zuerbitten/ daß sie den Fuͤrsten auf andere meinung brin- gẽ moͤchte. Unsere beyde verliebeten erzaͤhletẽ sonst einander in der kuͤꝛze/ was sider ihreꝛ un- glüklichẽ treñung ihnen begegnet wahr/ woruͤber dz Fraͤulein zu unterschiedlichen mahlen ihre Traͤhnẽ vergoß/ als sie vernam/ wie mañiche Lebensgefahr den Fuͤrstẽ in so kurzer Zeit zugestossen wahr. Sonstẽ sahe Arbianes Zeit solcher erzaͤhlung sein Frl. steif an/ dz ihꝛe Haaꝛ den rechten Glanz noch nit hattẽ/ auch dz Angesicht bey weitem nicht der vorigen Zartheit s s s s wahr: Siebendes Buch. wahr; aus ursachẽ/ daß sie dz Abwische-tuch nit recht hatte zugeꝛichtet; dessen er sie eriñeꝛ- te; abeꝛ zur Antwort bekam/ nachdem sie ihres herzen Schoͤnheit wie derfunden/ uñ bey sich auf der Gutsche haͤtte/ waͤhꝛe sie schoͤn genug; gestund ihm auch/ dz sie die angestrichene Far- be von ihrem Leibe noch nicht hinweggemacht haͤtte/ auch nicht wol wuͤste/ wie sie es machẽ solte; der Fuͤrst ihr aber zur Antwort gab: die gute fromme Libussa wuͤrde mit Herzens Lust sich darzu schon gebrauchen lassen. Welcher Vorschlag ihr nicht uͤbel gefiel/ uñ sagete her- nach; mir zweifelt nicht/ die lieben unsern werden uns schon lange als ermordete beweinet haben; weil es dañoch fruh genug am Tage ist/ moͤchte ich wuͤnschen/ daß ich mich recht wie- der verstellen koͤnte/ dann wolten wir gleichwol noch unsern ersten Vorsaz mit der Kꝛaͤme- rey ins Weꝛk richten/ und einen feinen Auffzug machen. Darzu haben wir Gelegenheit gnug/ antwortete er; fuhren damit zur Stad hinein/ vorgebens/ Wolfgang waͤhre ein Koͤ- niglicher Teutscher Bedieneter/ und kaͤhme von Magdeburg bey seinem Koͤnige etwas zu- bestellen; daß sie also willig und ohn weitere Nachfrage in die Stad eingelassen wurden; so hatte Zariaspes seinem Herrn die Kleider eine halbe Meile entgegen bracht/ welcher mit dem Fraͤulein in ein Wirtshaus einkehrete/ und Leches samt Gallus zu sich fodern ließ/ un- ter dem Schein/ es haͤtten sich etliche Reuter mit einander gezanket/ uñ baͤhten sie als schei- des Leute zu sich; der abgeschikte aber muste Gallus dieses ingeheim sagen: Herr nehmet eu- re Kunstfarbe zu euch/ es wird von einem begehret/ dem ihrs nicht wegern werdet. Diese frageten weiters nicht nach/ gingen mit/ und sahen Arbianes in seinen Betlers Kleidern (welche er wieder angelegt hatte) im Gemache stehen/ woruͤber sie vor mitleiden anfingen zuweinen. Er aber troͤstete sie/ sie solten ihre Traͤhnen sparen/ nachdem die seinen ihm Gott Lob allerdinge schon abgewischet waͤhren/ deren er in diesem Kleide manniche vergossen/ massen er sein herzgeliebtes Fraͤulein vor wenig Stunden wieder gefunden/ und mit sich gebracht haͤtte; welche gleich aus einem Neben Gemache herzutrat/ und von Leches als- bald erkennet ward. Die Freuden Traͤhnen stunden ihnẽ allerseits in den Augen/ und nach Empfahung taht der Fuͤrst jenen beiden sein Vorhaben zuwissen; worauff Gallus das Fraͤulein anstriche/ und Leches dem Fuͤrsten einen falschen Bart mit Terpentin anmachte. Kleider nahmen sie in der Nachbarschaft von einem Kramer/ und allerhand leichte Waaren von gemeinen Korallen/ glaͤsern Perlen und etliche Nadeln/ deren das Fraͤulein ein Kramerlaͤdichen vol auf ihrem Ruͤcken nach dem Schlosse trug; der Fürst aber eine zimliche Buͤrde von groben schlechten weissen Zanken oder gekloppelse ihr nachschleppete/ da Leches und Gallus vor ihnen hergingen/ und durch ihre Gegenwart macheten/ daß sie allenthalben ohn Ansprach durchgelassen wurden. Libussa begegnete ihnen zum guten Gluͤk im innersten Platze/ zu welcher Leches sagete; gehet hin mein Herz/ und saget eurer Gn. Koͤ- nigin/ es seyn hieselbst fremde Kraͤmer/ die ihrem Vorgeben nach/ sonderliche koͤstliche Waaren feil tragen. Diese wahr bald fertig/ und bekam Befehl/ sie in das gemeine Koͤnig- liche Gemach zufuͤhren. Wohin sie bald gingen/ und nach abgelegtem schlechten Grusse ihre Laͤdichen auf einen Tisch setzeten/ da das Fraͤulein ihre Sachen/ ehe sie aufgemacht uñ besehen wurden/ treflich ruͤhmete: Sie haͤtte die allerschoͤnsten Korallen uñ gemachtẽ Per- len/ die Menschen Augen je gesehen haͤtten. Gemachte Perlen? sagte Valiska; das muͤs- sen mir wol unbekante und koͤstliche Sachen seyn; aber woher bringet ihr dann diese schoͤ- ne Siebendes Buch. ne Waaren? Vom Reinstrohme/ antwortete sie; und haben den Weg mit unsaͤglicher Muͤ- he/ unter mannicher Gefahr zum Ende gebracht/ ob wir hieselbst Liebhaber unserer Waa- ren antreffen moͤchten/ dann uns ward gesagt/ daß hier so viel hohe Herrn und Frauen bey einander waͤhren/ die den Kraͤmern ihr Geld gerne goͤnneten. So hat mein Mann auch fei- ne Zanken oder Spitzen. Wol wol/ sagte Valiska/ lasset eure Kostbarkeiten sehen/ wir kaͤuf- fen euch den ganzen Krahm wol auff einmahl abe/ wann er uns dienet/ und wollen uns al- le miteinander fein drein teilen. So waͤhre ich zur gluͤkseligen Stunde ankommen/ sagte das Fraͤulein/ und wolte ich euer Gn. noch wol eine Schnuͤhr Kette und einen Brief Na- deln in den kauf geben. Die Fuͤrstliche Geselschaft lachete der milden Zugabe uͤberlaut; woꝛ- an sich doch das Fraͤulein nit kehrete/ sondern in ihrer Beantwortung also fortfuhr. Wie wolte aber mein Krahm euer Gn. nicht dienen? ich habe mannichem Adel und Unadel da- von verkauft/ und darf/ dem Himmel sey dank/ allezeit wol wiederkommen/ da ich eins ge- west bin/ weil ich und mein Mann noch keinen Menschen im Handel und Kauffe betrogen haben/ welches wir wol mit guten Gewissen koͤnnen vor die Goͤtter kommen lassen. Jm̄er Schade/ sagte Valiska/ daß so aufrichtige Leute zu Kraͤhmeꝛn gedien sind; hoͤrete auch schon was vor herliche Sachen verhanden seyn wuͤrden/ und sagte zu dem jungen Koͤnigl. und Fuͤrstlichen Frauen Zimmer; komt doch her meine herzen Schwesterchen/ und lasset uns die treflichen Waaren beschauen/ welche aͤdele und Unaͤdele zukaͤuffen nicht beschweret sind. Inzwischen sahe das Fraͤulein ihre beiden Herrn Bruͤder stehen/ daher die Traͤhnen ihr vor Freuden schier loßgebrochen waͤhren; doch hielt sie sich feste/ und sagte zu ihnen: Ihr junge Herren und Fuͤrsten/ wer ihr seid/ komt uñ kaͤuffet euren Liebsten eine schoͤne Keꝛ- meß/ damit ihr euch bey ihnen sehr beliebet werdet machen koͤnnen. Ach ja mein Schaz/ sagte Valiska zu Herkules/ hie werdet ihr gnug wirdige Sachen finden/ wann sie nur erst ausgelegt waͤhren. Das Fraͤulein/ die sich ganz ernsthaftig stellete/ wahr damit bald fertig/ hatte rohte/ gruͤne/ gelbe/ blaue und schwarze glaͤserne Korallen anlangen Schnuͤren/ auch weisse/ die sie vor gemachte Perlen angab/ legete alles aus/ fein bund durch einander her/ und sagete: Sehet ihr Fuͤrstliche Jungfern/ sind das nicht so schoͤne bunte Sachen/ geluͤ- stets doch einem der es siehet/ wie die mannicherley Farben durcheinanderher spielen; und wie treflich solte eure Schoͤnheit vermehret werden/ wann ihr sie also bund durcheinandeꝛ an euren weissen Haͤlsichen uñ aͤrmichen trüget. Sehet die Schnuhr gebe ich um 8 Gꝛo- schen/ wann ich sie nur 4 Meilen auff disseit Koͤllen trage; nun muͤste ich ja billich vor den weiten Weg auch etwas haben/ daß ich etwa vor die Schnur 10 Groschen bekaͤhme/ vor welches geringe Geld ihr sie viel Jahr tragen/ und euch damit außputzen koͤnnet. Da haͤtte man nun sollen ein Gelaͤchter hoͤren; woran aber das Fraͤulein sich nicht kehrete/ sondern zu Valisken sagete. Schoͤne Fuͤrstliche Jungfer; warum verlachet ihr meine gute aufrich- tige Waaren/ und machet daß die andern desgleichen tuhn muͤssen? Zwar die Perlen uñ aͤdlen Steine/ welche ihr uͤmb euer schneeweisses Haͤlsichen und aͤrmlein traget/ moͤgen wol teurer seyn/ abeꝛ die meinen scheinen doch weit besseꝛ/ sind auch viel heller uñ duꝛchsich- tiger/ von allerhand hohen Farben/ und werden durch sonderliche Kunst zugerichtet/ da die euren nur aus dem Wasser gefischet/ und aus der Erde gegraben werden/ welche Ar- beit ein jeder ungeschliffener Baur wol verrichten kan/ aber von dieser kuͤnstlichen Zube- s s s s ij reitung Siebendes Buch. reitung seine groben Haͤnde wol lassen muß. Kraͤmerin/ antwortete Valiska/ ihr seyd wol unterwiesen/ eure Waaren zu loben. Ja/ schoͤnste Fuͤrstliche Jungfer/ sagte sie; wann mei- ne Waaren es selber koͤnten/ wolte ich kein Wort darzu reden; aber habe ich dann nicht die Warheit gesaget? Die Reden sind so gar uneben nicht/ sagte Valiska zu der ganzen Geselschafft; dann freilich ist es eine grosse Tohrheit/ daß wir Menschen mit denen Sa- chen prangen/ die im Meer von den nicht werten Muscheln gezeuget werden; und die Stei- ne hoch schaͤtzen/ welche doch nimmermehr des Werts sind. Ey warumb dann? sagte Her- kules/ (mit ihr ein Lust Gezaͤnke zuhalten) ist dann Gold und Silber nicht auch irdisch/ und viel haͤuffiger in der Erde zufinden/ als die aͤdlen Steine? Ich bekenne meinen Irtuhm/ sagte Valiska/ aber in Gegenschaͤtzung der Speisen und anderer Nohtwendigkeiten/ ist es gar zu hoch angeschlagen. Herkules antwortete zur Kurzweil: Wachsen doch solche auch aus der Erde/ und zwar in viel groͤsserer Menge; und muͤssen hohe Leute ja auch ein Nar- renspielchen haben/ daran sie den Gecken sehen lassen/ welches ausser Zweifel der Perlen und aͤdlen Gesteine Schazbarkeit ist. Die Kraͤmerin mischete sich mit ein/ deutete alles auf ihren Vortel/ und sagete: Wann ihr dann alle miteinander meine Waaren so hoch ruͤh- met/ so goͤnnet mir auch eures Geldes davor/ alsdann wil ich euch meines Mannes schoͤ- nes Gekloͤppel auch sehen lassen. Das moͤchte vielleicht von hoͤherm Wert seyn/ antwor- tete Valiska. Wie dann nun? sagte das Fraͤulein/ habe ich euch dann meine Waaren zu wolfeil gelobet/ stehet euch frey/ ein mehres davor zugeben/ welches ich als ein Geschenk rechnen wil. Herkules fragete/ was er ihr dann vor alle ihre Korallen und Perlen zahlen solte. Wir wollens fein ausrechnen/ was es tragẽ wird/ antwortete sie; zaͤhlete die Schnuͤr- lein/ foderte Kreide/ und machete eine Rechnung von 40 Guͤlden und 10 Groschen: Er a- ber zog alsbald eine Handvol Kronen heraus/ und fragete/ ob sie ungezaͤhlet zufriedẽ waͤh- re. Ja antwortete sie/ wann es nur so viel ist/ als ich gefodert habe/ sonst muͤste ich mit scha- den verkauffen/ und merke ich wol/ es werden Goldpfennige seyn/ deren ich noch alle mein Tage vor meine Waaren nicht bekommen habe/ weiß aber wol/ daß sie mehr gelten als das Silbergeld/ und wil auff solchen fal den empfangenen uͤberschuß auff meines Mannes Spitzen Krahm rechnen. So werden wir leicht Kaufleute werden/ sagte Herkules/ reiche- te ihr die Gelder/ und teilete die schoͤnen Sachen unter dem Frauenzimmer aus/ daß das gesamte junge Frauenzimmer Fuͤrstliche und adeliche mit den Korallen behaͤnget wurden/ und sie es das Koͤnigliche Geschenk nenneten. Valiska ließ die Zanken auch hervor lan- gen/ deren sie noch am meisten lacheten/ weil die vornehmsten nicht uͤber zween Groschen die Elle austrugen/ daher sie zu der Kraͤmerin mit einem Gelaͤchter sagete: Wie dann/ gute Frau/ haben euch dann auch Adel und Unadel diese Waaren abgekaufft? O ja/ vor ihr Gesinde/ antwortete sie/ denen sind sie gut genug/ und kan ja nit fehlen/ ihr werdet auch Volk haben/ denen ihr etwas buntes umb Kragen/ Hemder und Schnupfftuͤcher verbre- men lasset. Nein/ sagte Valiska aus Scherz/ mein Gesinde muß solche bunte Sachen nicht tragen/ es tuhts ihnen noch wol schlecht hin. Libussen verdroß/ daß die Kraͤmerin sich mit so geringen Sachen durch sie hatte lassen angeben/ und fuͤrchtete nicht wenig/ sie wuͤrde grossen Spot muͤssen über sich nehmen/ daher sie zu Koͤnigin Valisken sagete: Was sol der Bettel? Eure Hocheit lassen sie gehen/ und werde ich hernaͤhst mich besser vorsehen/ was vor Siebendes Buch. vor Kraͤmer ich angebe. Das Fraͤulein bekam Lust/ sich mit dieser zuzanken/ und sagte: Wz saget ihr Jungfrau? scheltet ihr meines lieben Mannes Krahm voꝛ einen Bettel? Er hat ihn trauen nicht zusammen gebettelt/ sondern sein baares Geld davor gegeben/ ob er gleich wol ehmahls gebettelt hat. Und was habt ihr mir meine redliche Waaren zuverachten/ wollet ihr sie nicht kaͤuffen/ oder mangelt es euch am Gelde/ so lasset mir meine Waaren so gut sie sind; vielleicht gereuets euch/ dz eure gn. Frau selbst mit mir handelt/ und solches nit durch euch verrichtet/ daß ihr auch euren Vortel damit haͤttet spielen koͤnnen/ wie es dann bey Fuͤrstlichen Hoͤfen ins gemein zugehet/ daß die grossen Herren viel naͤher kaͤuffen/ und gleich vor ihr Geld bekommen wuͤrden/ wann sie selbst zu Markte gingen/ oder die Kraͤmer zu sich foderten. Es entstund ein gemeines Gelaͤchter hieruͤber/ daß Valiska kaum diese Worte zu Libussen vor lachen sagen kunte: Sihe/ das schadet dir nicht kanstu nicht andern Leuten ihre Waaren so gut lassen als sie sind? Diese lief daruͤber vol Eifer/ und wolte der Kraͤmer in ihren Frevel verweißlich vorhalten. Aber dieselbe sagte zu ihr: Was habt ihr mich hieselbst auszuschelten? seyd ihr doch nicht gebietende Frau auff diesem Schlosse/ so habe ich euch auch meine Waaren nicht feil gebohten/ und sage noch einmahl/ lasset mir meine Waaren unverachtet; seyd ihr eine junge aͤdelfrau/ so bin ich eine ehrliche Kraͤme- rin; so stehets euch auch nicht fein an/ daß vor dieser Fuͤrstlichen Geselschafft ihr euch so mausicht machet. Libussa nam ihr den Schimpff so sehr zu herzen/ daß sie kein Wort ant- worten kunte/ und verdroß sie am meisten/ als sie ihren Leches daruͤber lachen sahe. Valis- ka aber sagte zu ihr aus Kurzweil: Laß dir dieses zur Warnung dienen/ und gib dich mit keinen Kraͤmerinnen mehr in Zank/ sie haben die Zunge noch besser gelernet zugebrauchen als du. Sie erhohlete sich endlich darauff/ und sagete: Mein lebelang bin ich dergestalt nicht beschimpffet worden/ und werde Eurer Hocheit Vermahnung ich hernaͤhst wissen in acht zunehmen. Dabey aber die Kraͤmer in sich stellete/ als hoͤrete sie es nicht/ sondern frag- te Valisken/ ob sie vor ihres Mannes Waaren ihr kein Geld goͤnnen wolte. Ich muß wol/ antwortete sie/ wo ich sonst ohn lose Worte gedenke von euch zukommen. Nein/ gn. Jung- fer/ sagte sie/ so boͤse bin ich nicht/ daß ich einem Menschen lose Worte geben solte/ der mirs nicht abhohlete. Wolan/ sagte sie/ so bin ich sicher vor euer Ungnade/ und wil meinem Lieb- sten und andern anwesenden jungen Herren auch ein Jahrmarkt kaͤuffen; saget mir nur in der Guͤte/ was ihr vor die ganze Lade vol haben wollet. Eure Gn. geben was sie wollen/ antwortete sie/ es sind 50 Stuͤcke drinnen/ die kosten uns 80 gute Gulden in Koͤlln bezahlet/ und wann Eure Gn. wuͤsten/ was vor Elend/ Noht und Jammer mein Mann auff dieser Reise erlitten/ sie muͤste mit ihm weinen. Ach lieber Gott/ sagete die mitleidige Valiska/ dz ihr alles lachen verging/ es kan wol seyn/ daß euch beyden das taͤgliche Brod zuerwerben durch solche Nahrung saur gnug wird/ gab ihr zwo Haͤnde vol Kronen/ und sagte/ sie koͤn- te nun in Gottes Nahmen hingehen. Mich deucht/ Eure Gn. geben mir zu viel/ sagte sie/ aber Gott belohne euch das übrige und euer Mitleiden. Wendete sich darauff zu Libussen/ und sagete: Ich bitte euch freundlich/ aͤdle Frau/ vergebet mirs/ daß ich ein wenig zu heftig wider euch im Zorn geredet habe/ es ist mir leid/ und wil/ Abtrag zumachen/ euch diesen Brief vol Nadeln verehren. Libussa haͤtte sich schier auffs neue geeifert/ wann nicht Leches ihr einen ernstlichen Wink gegeben haͤtte/ woraus sie urteilete/ diese muͤste nur eine verstel- s s s s iij lete Siebendes Buch. lete Kraͤmerin seyn/ nam deswegen die Nadeln zu sich/ und sagete: Weil ich sehe/ daß euch meine Beschimpffung leid ist/ wil ichs euch vergeben/ und dieses Geschenk zum Gedaͤcht- niß beylegẽ/ daß ihr mich so fein sauber habt ausgehechelt. So boͤse ists nicht gemeynet ge- wesen/ antwortete die Kraͤmerin/ und ist mir lieb/ daß ich mit euch wieder verglichen bin. Baldrich trat zu ihr hin/ und sagete: Gute Kraͤmerin/ wo bleibet die versprochene Schnuͤr- Kette mit dem Briefe Nadeln/ nach dem euch alle Waaren abgehandelt sind? Junger Herr/ antwortete sie/ eures Geldes habe ich noch wenig gesehen/ und duͤrffet doch eine Zu- gabe fodern; aber doch/ da habt ihrs beydes/ ich wil vor dißmahl die reicheste seyn/ nehmets hin/ und schenkets eurer Liebesten/ wann ihr dermahleins eine bekommen werdet. Valiska lachete des Auffzuges von Herzen/ trat hinzu/ und nahm das gebohtene zu sich/ sagend/ mir gehoͤret dieses/ vermoͤge unsers Kauffs/ eigentlich zu/ aber ich wils gleichwol mit dem Bedinge nehmen/ daß ichs dieses jungen Herrn seiner Liebesten zurahte haͤgen wil. Die Kraͤmerin reichete ihr solches willig ein/ und sagete: Gnaͤdige Frau/ mich deucht/ ihr ver- stehet euch sehr wol auff Kraͤmerey/ denke ja nicht/ daß ihr des Koͤniges aus Boͤhmen Frl. Tochter seyd/ von welcher ich mir habe sagen lassen/ sie sey auch wol ehmahls lieber eine Kraͤmerin als eines grossen gewaltigen Koͤniges versprochene Braut gewesen/ wodurch sie ohn Zweifel in unsere Guͤlde getreten ist/ und dieselbe Koͤniglich geadelt hat; Ist nun Eure Gn. dieselbe/ so kan ich nicht unterlassen/ dieselbe als eine ehrliche Guͤlde-Schwe- ster zugruͤssen. Valiska verwunderte sich der Rede/ sahe alle anwesende an/ und sagte: Die Karte ist falsch/ und ist diese gewißlich eine verstellete Kraͤmerin/ uns einen Auffzug zu machen. Das Fraͤulein aber kehrete sich an nichts/ ging mit Arbianes davon/ und sagete kein Wort mehr/ da Leches und Libussa (weil er ihr winkete) ihnen auff dem Fusse nachfol- geten. Valiska sagete nach ihrem Abscheide zu den anwesenden: So statlich bin ich zeit meines Lebens nicht auffgetrieben/ als vor dißmahl/ und noch wol kurzweiliger/ als ehe- mahls mein Parthisches Frauenzimmer; und was gilts/ wo meine Libussa der lose Balg diesen Possen nicht angerichtet/ und einen ertichteten Zank mit der Kraͤmerin gehaltẽ hat/ mich so viel zierlicher auffzuzihen? So bald das Fraͤulein aus dem Gemache wahr/ sagte sie zu Libussen: aͤdle Frau/ verzeihet mir/ bitte ich/ alle Grobheit/ die ich heut/ bloß ein Ge- laͤchter uͤber uns beyden anzurichten/ an euch begangen habe/ und wann dieses nicht waͤhre mein Vorsaz gewesen/ haͤtte ich euch hoch beleidiget; Je laͤnger aber ich euch ansehe/ je mehr erinnere ich mich unser ehmahligen Freundschafft/ wie wir uns dann vor diesem wol gekennet haben; Kommet und fuͤhret mich auff ein absonderliches Ge- mach/ mein Mann wird mit eurem Ehe Junkern auff ein anders gehen/ dann ich habe von Koͤlln ab einen hochvertraulichen Gruß an euch von einer Naͤhterin/ die ist wol vor diesem etwas mehr/ und eure gute Freundin gewesen. Libussa gedachte alsbald an das Fraͤulein und sagete: Ach gute Frau/ ich verzeihe euch alles gerne/ wie heftig ich mich gleich zu anfange geschaͤmet habe; nur saget mir/ wie heisset diese Naͤhterin? Sie nennet sich Armgart/ antwortete sie/ und hat im wolstande Klara geheissen. Ey Gott Lob und dank/ sagete sie/ so lebet das allerfroͤmmeste Fraͤulein der Welt noch? O daß doch nur der liebe Fuͤrst auch noch moͤchte im Leben seyn! wolte alsbald von ihr hinweg lauffen/ und ihrer Koͤnigin diese hocherfreuliche Zeitung bringen. Aber Leches hielt sie auff/ und sagete: Wie Siebendes Buch. Wie eilet ihr so/ wollet ihr als blindlinges davon springen? besehet doch diese Kraͤmerin recht/ nach dem ihr hoͤret/ daß ihr bekanten seid/ und wann ihr die Warheit erkennet/ so bit- tet wegen eures heutigen trotzes umb vergebung. Libussa meinete vor freuden zu bersten/ so bewaͤgete sich das Herz in ihr/ fiel der Kraͤmer in umb den Hals/ und sagete: Ach gnaͤdiges Fraͤulein; ich zweifele nicht/ sie sey es selbst in angestrichener Farbe. Ja Gott Lob/ antwor- tete sie; aber meldet mich nicht/ sondern schaffet/ daß ich meine Fr. Schwester Koͤnigin Valiska allein moͤge sprechen. Leches erinnerte sie abermahl/ daß sie um verzeihung anhiel- te; aber sie sagte; es beduͤrfte solches nicht/ sie haͤtte nicht mit dem Koͤniglichen Fraͤulein/ sondern mit einer Kraͤmerin sich gezanket/ und weil dieselbe schon verschwunden waͤhre/ haͤtte sie sich weiters nicht darumb zubekũmmern; lieff darauff hin/ und traff Euphrosynen vor dem Gemache an/ welche sie baht/ daß sie Koͤnigin Valisken vermoͤchte heraus zukom- men/ weil die Kraͤmerin eine heimliche Werbung an sie abzulegen haͤtte. Die Koͤnigin gab zur Antwort: Was mag meineꝛ Libussen hinte getraͤumet haben/ daß sie mich mit dieser Kraͤmerin so aͤffet/ welche sie ohnzweifel selbst ausgeruͤstet hat/ dann wie haͤtte sie sich sonst so leicht mit ihr wieder vergliechen/ als wodurch sie an den Tag leget/ daß ihr Zank nur er- tichtet gewesen; doch ging sie hin/ draͤuete auch Libussen mit einem heimlichen Wink/ uñ fragete die Kraͤmerin/ was sie begehrete; welche darauff anfing: Gnaͤdigste Koͤnigin/ ich habe neun Meile hinter Koͤlln einer aͤdelfrauen etliche Waaren verkauft/ dieselbe hatte eine Naͤhterin/ welche da sie vernam/ daß ich nach Magdeburg reisen wolte/ baht sie mich mit heissen Traͤhnen/ auf den fall der Teutsche Groß Fürst daselbst nicht seyn wuͤrde/ ich moͤchte vollends nach Prag mich erheben/ und Gelegenheit suchen/ der jungen Teutschen Groß- Fuͤrstin Valiska nur dieses wenige (dessen ich gut Trinkgeld bekommen wuͤrde) anzumel- den/ daß ihre getraͤue Dienerin Klara annoch lebete/ nur daß sie durch Unfal und betrug waͤhre zur Magd einer boshaften Frauen worden/ und von derselben manniche Ohrfeige einschlucken muͤste. Valiska sprang vor freuden auff/ uñ sagte: Ey dem allerhoͤchsten Gott sey lob und dank/ daß sie noch lebet/ die Magdschaft sol ihr bald benom̃en werdẽ/ und ihr gu- te Kraͤmer in muͤsset ohn ein reiches Trinkgeld nicht scheiden/ daß ihr dieses so traͤulich habt werben/ und solchen weiten Weg uͤber euch nehmen wollen. Lieff damit wieder nach der Geselschaft/ und wuste nicht/ wie sie vor froͤligkeit sich geberden solte. Herkules sahe solches an ihr/ und sagte: Mein Schaz/ was vor eine heimliche Verehrung hat euch die Kraͤme- rin getahn/ damit sie euch so erfreuen koͤnnen? Eine über koͤstliche Verehrung/ antwortete sie; wolte ihm aber nichts mehr sagen/ sondern trat hin zu Herkules Fr. Mutter und sage- te uͤber laut; Gn. Fr. Mutter/ der allerhoͤchste Gott wil uns nach der Traurigkeit wieder erfreuen. O heꝛzliebe Fr. Tochter/ fiel ihr diese in die Rede; ist etwa mein liebes Kind wie- der zu Lande geschlagen? Zwar noch nicht zu Lande geschlagen/ antwortete sie/ aber gnug ist es uns vor erst/ daß wir nunmehr gewiß wissen/ daß sie noch lebet und gesund ist/ wiewol in fremden Landen/ uñ daselbst vor eine Naͤhe-Magd dienet/ davon wir sie mit Gottes huͤlf- fe bald befreien wollen. Dir sey dank HErr Gott/ sagte die liebreiche Mutter/ aber an was Ort haͤlt sie sich auff? Neun Meile hinter Koͤllen/ sagte sie/ in der Roͤmer gebiet/ woselbst die fremde Kraͤmerin sie selbst gesprochen hat. Die ganze Geselschaft wolte die Zeitungs- bringerin selbst fragen/ aber Libussa zeigete an/ wie sie mit ihrem Manne hinweg gangen waͤhre/ Siebendes Buch. waͤhre/ und bald wieder kommen wuͤrde; ging damit wieder davon nach dem Fraͤulein auff ein absonderliches Gemach/ da Libussa ihren Leib von der angestrichenen Farbe reinig- te/ und ihr in die Kleider half/ welche sie von Magdeburg mit gebracht hatte; Arbianes a- ber auff einem andern Zimmer sich auch ausputzete/ dem die Freude mehr Kraft und staͤr- ke verliehe/ als er sonst an sich hatte. Als sie beyde fertig wahren/ fasseten sie einander bey der Hand/ liessen Leches und Libussen vor sich her treten/ und folgeten denen auff dem Fusse nach/ daß ihrer niemand gewahr ward/ biß das Fraͤulein nahe vor ihrer Fr. Mutter stund/ und ihr mit kuͤssen und Traͤhnen umb den Hals fiel/ welche uͤber der unvermuhtlichen ge- genwart sich entsetzend/ in Ohmacht nidersank. Arbianes stellete sich vor Valisken/ und wol- te ihr die Hand kuͤssen/ aber sie umfing ihn schwesterlich/ und sagete: Herzlieber Herr Bru- der; ach wie hat eure Liebe sich doch so lange Zeit verborgen gehalten? Gott sey Lob/ daß ich dieselbe wieder vor mir sehe/ wiewol das verfallene Angesicht gnug zu erkennen gibt/ dz er mehr boͤse als gute Stunden mus gehabt haben. Ich danke dem allerhoͤchsten GOtt/ antwortete er/ daß eure Liebe ich gesund und frisch antreffe/ und bin mit meines Gottes zuͤchtigung wol zu frieden/ nachdem von demselben ich die Gnade gehabt/ das Durchl. Koͤ- nigliche Fraͤulein wieder anzutreffen/ so das mein uͤberstandenes Elend ich nicht allein ger- ne vergessen/ sondern es als ein Gnadenzeichen/ daß Gott an mich gedacht hat/ rechnen wil. Die alte Koͤnigin kam bald wieder zu sich selbst/ umfing ihr allerliebstes Kind mit herzen und küssen/ und wolte in einem Augenblik alles ihr ergehen wissen; sie aber gab zur Ant- wort; Gn. Fr. Mutter/ wir wollen unsere Traͤhnen heut nicht weiter reitzen/ sondern dem almaͤchtigen wahren Gott/ und unserm Heylande JEsus Christ von herzen danken/ daß er nicht weniger meine Ehr und jungfraͤuliche Keuscheit/ als mein Leben vaͤterlich behuͤ- tet und errettet hat. Arbianes ward von Koͤnig Henrich freundlich empfangen/ welchen er nach geschehener Danksagung und geleistetem Handkusse also anredete: Großmaͤchtig- ster unuͤberwindlichster Koͤnig/ gnaͤdigster Herr; ob zwar zu jener Zeit/ da eure Koͤnigl. Hocheit ich erstmahls angesprochen/ mich unterstanden habe/ das Durchleuchtigste Fraͤu- lein/ eurer Koͤnigl. Hocheit Frl. Tochter aus Raͤubers Henden loßzuwirken/ und ihren Eltern sie wieder zuzufuͤhren/ hat doch ein leidiger Fal/ der gutenteils ans Irtuhm entstan- den/ nicht allein solches gehindert/ sondern von hoͤchstge dachtem Fraͤulein mich endlich gar hinweg gerissen/ welche kaum vor sieben oder acht Stunden ich drey Meile von hinnen/ durch Gottes sonderbahre schickung ohngefehr angetroffen/ und von ihrer Durchl. die Eh- re gehabt/ daß sie mich im Betlerstande und Kleidern auf ihre Gutsche genommen/ so daß dannoch nach Gottes Willen dieselbe ich nicht allein gesund und frisch/ sondern auch im unbestecketen jungfraͤulichen Stande hieher geleiten koͤnnen. Wann nun vor diesem umb eine Heiraht bey ihrer Koͤnigl. Hocheit durch meine Gn. Fr. Schwester und Koͤnigin/ Fr. Valiska/ ich untertaͤhnige ansuchung getahn/ als wil anjezt ich solche Anwerbung selbst muͤndlich in untertaͤhnigstem Gehorsam vortragen/ demuͤhtigst bittend/ ihre Koͤnigliche Hocheit wollen mit angenehmer Antwort und vaͤterlicher neigung mich beseligen/ und ih- re herzgeliebete Frl. Tochter mir versprechen; dagegen ich mich dann Christlich erklaͤren und verpflichten wil/ sie Zeit meines lebens als ein hochwirdiges Gemahl zu lieben und eh- ren/ und nach meinem Tode mit einem Grofuͤrstlichen Leibgedinge versehen. Mein gelieb- ter Siebendes Buch. ter Herr Sohn/ antwortete der Koͤnig; wem solte ich mein herzliebes Kind lieber goͤñen und geben/ als der ihretwegen/ wie ich verstehe/ aus einem maͤchtigẽ Groß Fuͤrsten gar zum Betler worden ist/ und wol unsaͤgliche muͤhe und arbeit überstanden hat/ wie euer Liebe bleich-mageres Angesicht gnugsam uñ uͤberfluͤssig bezeuget. Fassete damit seine Frl. Toch- ter bey der Hand/ und nachdem er sie etlichemahl gekuͤsset hatte/ sagte er zu ihr: Ich zweife- le nicht/ geliebtes Kind/ du werdest die Traͤue und Liebe/ dir von diesem Groß Fuͤrsten er- wiesen/ mit gebührlichem Dank zuerkennen gesonnen seyn/ und nach meinem Schlusse ihn vor deinen Braͤutigam und kuͤnftigen Gemahl annehmen. Gnaͤdigster Herr Vater/ ant- wortete sie; Dieser Durchleuchtigster Groß Fuͤrst hat meinetwegen aͤusserste Noht/ Ar- mut und Lebensgefahr ausgestanden/ und uͤber die 20 Wunden in meiner getraͤuen nach- suchung empfangen/ so das mein Ungluͤk gegen das seine nicht eins zu rechnen ist; auch haͤt- te ich weder von dem Wendischen Gotschalk/ noch von bevorstehender Todesgefahr ohn seine Huͤlffe koͤnnen errettet werden; und welches ich vor das hoͤchste halte/ hat er die drey Tage uͤber/ so er mich in seinem gewarsam gehabt/ mich nicht allein im Christlichen Glau- ben unterrichtet/ ohn welche Erkaͤntnis ich mein ausgestandenes Elend unmoͤglich haͤtte ertragen koͤnnen; sondern hat sich auch so ehrliebend und zuͤchtig gegen mich verhalten/ daß er mir nicht das allergeringste zugemuhtet/ welches meiner jungfraͤulichen Keusch- heit im wenigsten haͤtte zu wieder seyn koͤnnen; daher/ nach dem er sein ehrliebendes be- gehren mir vorgetragen/ ich ihm die Versprechung getahn/ seiner Durchl. nach eingehoh- letem Befehl und Raht/ meiner herzlieben Eltern/ Herrn Bruͤder/ uñ Fr. Schwester/ mit solcher Antwort zubegegnen/ die eine anzeige eines dankbahren willens mit sich braͤchte. Weil dañ mein H. Vater mir solches anbefihlet/ wil seinem Geboht zugehorsamen/ ich die- sen Durchl. Großfuͤrsten vor meinen Braͤutigam und kuͤnftigen hochwirdigen Gemahl annehmen/ ihm alle Traͤue uñ Liebe versprechen/ uñ daneben demũhtig bitten/ seine Durchl. wolle mit meiner Schwacheit und geringem vermoͤgen geduld tragen/ wann allemahl ich mich nicht wuͤrde der Gebuͤhr nach verhalten koͤñen/ wornach doch meine stete Bemuͤ- hung streben sol. Da ging nun nicht allein das Gluͤkwuͤnschen/ sondern auch das wilkom̄ẽ erst recht an/ und erfꝛeueten sich Koͤnigin Sophia/ Lukrezia und Fuͤrstin Sibylla von Her- zen/ als die hoͤreten/ daß das liebe zuͤchtige Fraͤulein sie mit diesen Worten in lateinischer Sprache anredete: Großmaͤchtigste Koͤniginnen/ Durchleuchtigste Fuͤrstin; weil der al- maͤchtige Gott mir diese Barmherzigkeit erzeiget/ uñ ihrer sehr angenehmen Kundschaft mich gewirdiget hat/ als bitte ihre Liebden ich demuͤhtig/ sie wollen meine gering-schatzige Gegenwart ihnen nicht lassen verdrießlich seyn/ sondern sich versichern/ daß denen samt und sonders aufzuwarten ich begierig bin/ wie dann in meiner sieben Woͤchigen Magd- schaft ich viel geringern Leuten habe müssen die Haͤnde kuͤssen/ daß mich das Angesicht da- von geschmerzet hat. Die lezten Worte bewaͤgeten die ganze Geselschaft zuweinen/ so daß die Koͤniginnen ihr kein Wort antworten kunten/ sondern an Stat der Rede ihr um den Hals fielen/ uñ noch endlich Fr. Sophia zu diesen kurzen Worten sich zwang: Durchleuch- tigstes Koͤnigliches Fraͤulein/ herzallerliebste Frl. Schwester; unserm Heilande JEsus Christ sey Lob und Preiß vor ihre Beschuͤtz- und Erhaltung; wir unsers teils freuen uns dessen von ganzem Herzen/ freundschwesterlich bittend/ ihre Liebe wolle mit so tiefen Ehr- t t t t erbie- Siebendes Buch. erbietungen uns nicht beschaͤmen/ sondern die Freyheit uns goͤnnen/ daß wir derselben als einer hochbegabten Koͤniglichen Fraͤulein moͤgliche schwesterliche Dienste/ Freundschaft und Liebe erzeigen koͤnnen. Valiska hatte sich zu ihr noch nicht genahet/ dann sie wolte un- ter dem Frauen Zimmer die letze seyn/ trat demnach zu ihr/ kuͤssete sie zum offtern auff ihr annoch bleiches Muͤndlein/ und sagte: O ihr mein tausend Schaͤtzichen und herzallerlieb- stes Schwesterchen/ warum habe ich nicht das Glük haben sollen/ ihr grosses Ungluͤk zu wissen/ auff daß ich ein so tugendreiches Herz und volkommenes Muster der auffrichtigen Froͤmmigkeit und Demuht loßwirken/ und mich ihrer Schwesterlich annehmen moͤgen. Nun/ ich habe auch Noht und Angst versuchet und geschmecket/ aber ich dancke meinem Gott noch darzu/ das er mir solches zugeschicket hat/ dann sonst wuͤrde ich weder eure Liebe noch mich selbst/ noch einigen andern Menschen haben erkennen koͤnnen. Zweifele auch nicht/ mein allerliebstes Seelichen werde dereins sich nicht weniger uͤber diese Vaͤterliche Zuͤchtigung Gottes Kindlich erfreuen/ weil solche viel boͤses aus unserm Herzen hinweg schaffet/ und die kindliche Furcht gegen Gott in uns wirket/ daß wir im guten Gluͤk nicht auffgeblasen werden/ noch uns selbst zukennen auffhoͤren/ sondern stets gedenken/ daß der Allmaͤchtige/ welcher uns ehmahls gestaͤupet/ uns allemahl wieder finden koͤnne/ auch viel schaͤrffer angreiffen/ als zuvor geschehen. Ist also/ mein herzen Schwesterchen diese Ruh- te Gottes nichts anders/ als ein kraͤfftiger Teriak und Seelen Arzney/ welche die hefftigen Zufaͤlle der angebohrnen Boßheit abhaͤlt/ daß sie nicht das Herz gar einnehmen/ sondern wañ sie auffsteigen/ vor ihren volkommenen Wirkungen abgeleitet werden. Ach wie ergetze ich mich/ wann meine Seele es bey mir uͤberleget/ wie oft ich in Noht/ Gefahr und Angst gestecket/ und dannoch allemahl meines Gottes und Heilandes Huͤlffe und Rettung genos- sen/ auch da ich sein Feind noch wahr! wir wollen aber vordismahl keines ausgestandenen Ungluͤks mehr gedenken/ sondern uns miteinander uͤber unser Erloͤsung herzlich ergetzen. Das liebe Fraͤulein hoͤrete ihren andaͤchtigen Reden fleissig zu/ und antwortete ihr: Unveꝛ- gleichliche Koͤnigin/ und wahres Ebenbild der Gottseligkeit und volkommenen Tugend; wie grosse Hoffnung mache zu ihrer Hocheit ich mir/ wegen zukünftiger traͤu fleissiger Un- terrichtung zum wahren ungefaͤrbeten Christentuhm/ weil schon zum aller erstenmahle ich eine so koͤstliche Herz Staͤrkung von ihrer hochgelehrten Zunge einnehme/ daß dieselbe wol nimmermehr aus meinem Herzen kom̄en wird/ auch solche heilsame geistliche Erquickung lieber in steter Betrachtung erhalten/ als mit meinen ungeschickten Reden beantworten wil; nur allein bedanke ich mich vor dismahl sehr dienstlich uñ von ganzem Herzen/ daß mei- ne hoͤchst gepreisete Fr. Koͤnigin/ Wase und Schwester sich um meine Wolfahrt so heftig hat bemuͤhen wollen; bitte solche hohe Gewogenheit in steter Bluͤte zuerhalten/ und an mei- ner Unvolkom̄enheit kein Mißfallen zutragen/ weil mein Herz und Seele/ ungeachtet die Folge nicht dabey seyn kan/ sich stets bemuͤhen wird/ meiner Gn. Fr. Koͤnigin und Schwe- ster nach aͤusserster Moͤgligkeit auffwaͤrtig zu sein. Ja mein Schwesterchen/ antwoꝛtete Va- liska/ sie herzlich kuͤssend/ wir wollen diese Hoͤfligkeiten den fremden überlassen/ wuͤrde mich auch sehr schmerzen/ wañ mein Schaͤtzichen an stat der so hochgewuͤnscheten Vertrau- ligkeit und Liebe mir Wortspeise aufsetzen wolte. Herkules mengete sich hieselbst ein/ um- fing seine Frl. Schwester Bruͤderlich/ und erboht sich zu aller aufrichtigen Liebe. Als das freund- Siebendes Buch. freundliche Wilkommen/ welches in die anderthalb Stunden wehrete/ ein Ende genom̄en hatte/ kunte das Fraͤulein nicht umhin/ an Leches zubegehren/ er moͤchte doch ihren lieben Freund den getraͤuen frommen Wolfgang ihm bestermassen lassen befohlen seyn/ und ihn fein unterweisen/ wie er sich bey hohen Leuten zubezeigen haͤtte. Sie ward von der Gesel- schaft gebehten/ anzuzeigen/ was dieser vor ein getraͤuer Mensch waͤhre/ der solcher Unter- richtung beduͤrfte; woruͤber/ da sie es kuͤrzlich erzaͤhlete/ was er bey ihr getahn haͤtte/ sich al- le Anwesende verwunderten/ und muste ihn Leches herfuͤhren/ daß sie ihn sehen moͤchten. Er entsetzete sich gewaltig/ als er so viel Koͤnige und Koͤniginnen sahe/ daß ihm die Farbe und Rede verging; welches Valiska merkend/ ihn mit diesen freundlichen Worten anrede- te. Wolfgang/ mein guter und lieber Freund; ihr sollet euch vor diesen grossen Herren uñ Frauen nicht entsetzen/ als bey deren Geselschaft ihr euch noch oft und viel werdet finden lassen/ sondern sollet alle unstaͤndige Niedrigkeit eures Gemuͤhts ablegen/ und von gegen- waͤrtigem Leches Bericht einnehmen/ wie ihr geliebts Gott/ morgen bey Empfahung der Belohnung eurer redlichen Traͤue/ die wol aus einem recht adelichen und nicht aus ei- nem baͤurischen Gemuͤht entstanden/ euch verhalten sollet. Ja mein frommer Wolfgang/ setzete das Fraͤulein hinzu/ versichert euch nur daß ich eben dieselbe in diesem Koͤniglichen Pracht gegen euch verbleiben werde/ die ich im Maͤgde-Kittel gewesen bin/ ohn daß wir unsere getichtete Ehe aufruffen werden/ weil ich euꝛem gnaͤdigsten Großfuͤꝛsten und Herꝛn nunmehr versprochen bin/ nach welcher Aufruffung/ wie ich wol weiß/ euch eben so heftig als mich verlanget hat. Wolfgang begrif sich hierauf in etwas/ setzete sich auf die Knie/ be- dankete sich aller Koͤniglichen Gnade/ und baht sehr flehentlich/ sie moͤchten doch seinem groben Unverstande und Baͤurischer Einfalt nicht groͤssere Gnade auflegen/ als er ertra- gen koͤnte/ und da ihm ja einige uͤber seine Wirdigkeit begegnen muͤste/ wolte er dem Fraͤu- lein in dieser ihrer Koͤniglichen Hocheit seine eꝛsie unteꝛtaͤhnigste Bitte vortꝛagen/ sie moͤch- te gnaͤdigst erhalten/ daß ihm zuvor etliche Tage frey gegoͤñet wuͤrden/ sich bey dem Hofe- leben umzusehen/ und von andern zufassen/ wie gegen Koͤnigen und Fuͤrsten er sich verhal- ten muͤste/ welches ihm als einem Bauren und Haus Knechte allerdinge unbewust waͤhꝛe. Die ganze Geselschaft legete ihm solches zur guten Vernunft auß/ wurden ihm auch drey Tage Auffschub gegoͤnnet/ in welcher kurzen Zeit Leches und Neklam ihn dergestalt anfuͤh- reten/ daß er sich adelich gnug zubezeigen wuste/ und er nunmehr bey sich befand/ daß es besser waͤhre/ in solchem Stande zuleben/ als eines Buͤrgers Hausknecht zuseyn. Diese drey Tage uͤber wurden die 8 Reuter und der gefangene Reichard mit essen und trinken wol gehalten/ wiewol dieser ihm keine andere Rechnung machete/ als daß er eines grausa- men Todes wuͤrde sterben muͤssen. Sonsten bestimmete Koͤnig Henrich noch diesen A- bend/ daß nach sechs Tagen Fuͤrst Arbianes und der Fraͤulein Beylager solte gehaltẽ weꝛ- den/ gegen welche Zeit sie der Roͤmischen Herren Ankunfft erwarteten. Wolffganges und der Reuter Begnadigung ward des angesezten Tages vorgenommen/ da Koͤnig Henrich den ersten anfangs in den hohen Teutschen Adel auffnam/ ihm Schild/ Helm und Wapen gab/ nehmlich ein Huͤndichen/ welches ein Lamb bewahrete/ und oben auff dem Helm eine Fahne/ in welcher ein gruͤner Lorbeerbaum stund/ mit diesen Wortẽ: Der Traͤue Belohnung; und nahm das Fraͤulein ihn alsbald zu ihrem Hofmeister an/ da ihm drey Reitpferde/ eine t t t t ij Gutsche Siebendes Buch. Gutsche mit vier Pferden/ zween reitende Knechte/ so viel Gutscher und zween Leibdiener gehalten wurden/ so daß etliche des Adels ihm solches mißgoͤnneten/ und davoꝛ hielten/ die Vergeltung waͤhre vor einen Bauren schier zu groß. Valiska wolte ihm alsbald Neklams Schwester/ eine zuͤchtige schoͤne Jungfer von 18 Jahren/ freyen/ und die Braut mit 12000 Kronen aussteurẽn; welche Heyraht ihm zwar sehr angenehm war/ jedoch emsig anhielt/ daß biß auff seines alten Vettern Wittho Ankunfft das Beylager und die Trauung gnaͤ- digst moͤchte verschoben werden/ welches das Fraͤulein selbst vor gut ansahe/ und alsbald Anstalt machete/ daß eine Begleitung von 30 Reutern mit einer ledigen Gutsche nach Frießland gehen/ und den alten Wittho nebest seinem ungerahtenen Sohn Gerd nach Prag hohlen solten/ auch ihm dabey anzeigen/ wann er sonst noch andere seine Verwantẽ gerne wolte befodert haben/ ihm frey stunde/ solche mit uͤberzubringen; Koͤnig Baldrich lleß zugleich einen Befehl an die Landstaͤnde abgehen/ daß alle Inwohner des Dorffes/ wo- selbst das Fraͤulein bey Wittho gelegen/ solten vorgefodert/ und der Rohtbart wegen seiner begangenen sehr vermuhtlichen Mordtahten scharff befraget/ auch nach Befindung samt allen Mitschuldigen/ andern zum abscheuhlichen Beyspiel mit dem Rade gestossen/ und darauff gelegt werden. Die 8 Reuter/ deren noch keiner uͤber 21 Jahr alt wahr/ hatten die- sen Morgen schon neue Kleider mit Golde stark verbremet bekommen/ in welchen sie nebst Wolffgang erscheinen musten/ da Arbianes sie also anredete: Ihr redliche Reuter und lie- be getraͤue; es ist der Tag eures Glückes erschienen/ da ihr erfahren/ sehen und geniessen muͤsset/ was ehrliche und getraͤue Dienste vor Belohnung zugewarten haben. Ihr habe das Durchleuchtigste Koͤnigliche Fraͤulein/ meine Vertrauete/ aus ihrer Dienstbarkeit geführet sie auff dem Wege begleitet/ Unheil nach Vermoͤgen von ihr abgewand/ uñ euch nichts von ihrem Schutze abschrecken lassen; des sol euch/ ihrem Fuͤrstlichem Versprechẽ nach begegnen/ was ihr begehret; und damit ihr sehen moͤget/ was vor angenehme Dien- ste ihr mir hiedurch geleistet habet/ als wird der aͤdle Wolffgang von Friesentahl (dieser Zunahme ward ihm von dem Fraͤulein gegeben) euch eine Tonne Schaz zum ersten Gnadenpfennige baar austeilen/ jedem drey Reitpferde/ zween Reitknechte und einen Leib- diener zustellen/ und mit monatlichem Solde versehen; geliebet euch nun meiner gnaͤdigẽ Anerbietung zugebrauchen/ sollet ihr von mir anfangs vor meine Hof Junkern bestellet/ und alsbald in den Adelstand auffgenommen werden; wo nicht/ wird man euch noch so viel Baarschaft nebest andern Verehrungen zustellen/ und euch nach belieben zihen lassen/ wohin ihr begehret. Diese bedanketen sich aller angebohtenen Gnade mit einem Fuß falle/ und erklaͤreten sich einhellig/ in ihrer Großfuͤrstl. Durchleuchtigkeit Diensten zuleben und sterben/ wiewol der angebohtenen Hofbestallung und des Adelstandes sie sich allerdinge unwerd schaͤtzeten. Es geschahe dieses alles im foͤrdersten Schloß Platze/ da die Henkers- Buben mit dem gefangenen Reichard in einem Winkel stehen/ und dieser solches alles an- sehen und anhoͤren muste. Nach der Hochfuͤrstlichen Geselschafft Abtrit ward daselbst ein Gericht gehaͤget uͤber den armen Suͤnder Reichard/ da Wolffgang und die 8 Reuter nahe dabey stehen/ Leches abeꝛ auff dem Richterstuel ihm diese Urtel vorhalten muste: Er wuͤrde ohn einiges leugnen gestehen/ was gestalt er sich durch seine verteufelte fast uner- hoͤrte Boßheit und wahnsinnigen uͤbermuht haͤtte lassen verleiten/ einem Hochfürstlichen Fraͤu- Siebendes Buch Fraͤulein (welches ihm nicht unbewust gewesen) nach Ehr und Keuscheit zustreben; wo- durch er dann verdienet/ daß er andern seines gleichen Buben zur Warnung und Beyspiel abgestraffet wuͤrde/ und zwar auff diese weise: Daß sein schandsuͤchtiger Leib an allen sei- nen Gliedern solte mit einem Rade durch des Henkers Hand zustossen/ und hernach den Raben zur Speise darauff gelegt werden; worzu er sich nach Verlauff drey Stunden sol- te gefasset halten/ weil er aus blossem vorsezlichen und muhtwilligen Frevel ein solches lie- ber haͤtte verdienen/ als der hochversprochenen Fuͤrstlichen Vergeltung abwarten wollẽ. Er erblassete anfangs in etwas über der harten Straffe/ jedoch verging ihm solches gar bald/ stellete sich standhafftig und unerschrocken/ und gab diese Antwort: Ja Herr Richter/ ich erkenne und bekenne/ daß durch meine vorsezliche Boßheit ich diese Straffe wol verdie- net habe/ und aller Begnadigung unwirdig bin/ die mir sonsten/ wann ich meine unbilliche Begierden haͤtte bendigen wollen/ mit groͤsser masse als meinen Reutern wuͤrde zugewen- det worden seyn; wil demnach die Volstreckung eurer Urtel mit moͤglichster Standhaff- tigkeit uͤber mich nehmen/ und vor die Bosheit leiden/ weil ich durch Tugend mich nicht habe wollen verdienet machen; nur allein bitte ich untertaͤhnigst/ dz das Koͤnigliche Fraͤu- lein mir nach meinem Tode vergeben wolle; und daß meinen lieben Eltern und Anver- wanten diese meine schaͤndliche Hinrichtung nicht moͤge kund gemacht werden. Wolf- gang/ wie ihm befohlen wahr/ fragete ihn/ ob er dann nicht umb Gnade anhalten wolte; es koͤnte geschehen/ daß seine demuͤhtige Bitte das Koͤnigliche Fraͤulein und die ganze Koͤ- nigliche Geselschafft bewaͤgen moͤchte/ ihm auffs wenigste einen gelinderen Tod auffzule- gen/ erboht sich auch/ ihm hierin gerne zudienen/ weil er ihm schon von Herzen die ihm an- gelegte Verwundung vergeben haͤtte. Worauff er antwortete: Euer Herz/ mein Freund/ muß gewißlich eine Wohnung vieler herlichen Tugenden seyn; und wolte Gott/ daß in meiner Kindheit ich durch Verzaͤrtelung nicht zum Muhtwillen veranlasset waͤhre/ haͤtte ich auch etwas gutes verrichten koͤnnen/ welche Reue aber nunmehr zuspaͤte ist. Ich ge- dachte/ ihr haͤttet euch hieher gestellet/ umb an meiner Verurteilung und Hinrichtung euer Herz und Augen zubelustigen/ und muß nun hoͤren/ daß solches aus Erbarmung ge- schehen ist/ ja ihr noch vor mich bitten wollet/ welches ich umb euch gar nicht verdienet ha- be. Die Goͤtter verleihen euch davor alle Gluͤkseligkeit/ die einem Menschen zufallen kan; Ich bedanke mich von Herzen/ nicht allein vor diese Gewogenheit/ sondern daß durch eu- re Vorsorge ihr das übel verhuͤtet/ welches ich zubegehen willens wahr. Jedoch/ wollet ihr auch noch solcher gestalt eure Tugend scheinen lassen/ und euch bemuͤhen/ bey dem Koͤ- niglichen Fraͤulein zuerhalten/ daß mein Leib in die Erde verscharret werde/ wil ich den Tod/ auff was weise er mir zugesprochen ist/ gerne und froͤlich ausstehen/ und die Goͤtter bitten/ daß sie euch solche Guttaht unvergolten nicht lassen. Als die Koͤnigliche Geselschaft diese Erklaͤrung vernam/ sagte Herkules: Der Mensch ist der Gnade wert/ und wird ohn zweifel zum feinen Manne gedeten; doch weil ich weiß/ daß meine Frl. Schwester ihn vor Augen nicht leiden kan/ ist mein Bedenken/ daß man ihm seine angewante Kosten nebest einer Verehrung/ die doch in unserm Nahmen nicht geschehen muß/ zuwende. Und als sie alle einwilligten/ auch das Fraͤulein selbst auff Arbianes einreden sich sein erbarmete/ in Betrachtung des guten/ das er gleichwol bey ihr getahn hatte/ wolte Herkules sein Ge- t t t t iij müht Siebendes Buch. muͤht noch etwas besser pruͤfen/ und begehrete/ daß ein gar ungestaltes Mensch in ihrem Sudelkleide (dann sie wahr in der Gesindes-Kuͤche Schuͤsselwaͤscherin) nach dem Ge- richte gehen/ und/ noch ehe Wolffgang die Gnade brachte/ dem Richter Leches vortragen muste/ sie haͤtte bey Koͤnigin Valiska gleich jetzo bitlich erhalten/ daß man ihr diesen verur- teileten jungen Mann allergnaͤdigst zum Ehegatten geben/ und ihm Leben und Freyheit schenken moͤchte/ da sie bereit waͤhre/ mit ihm in das Elende sich hinschicken zulassen/ und sie sich mit einander wol ernaͤhren wolten. Leches enderte darauff die Urtel alsbald/ und schenkete ihm unter dieser Bedingung das Leben. Er aber trat hin zu der heßlichen Dirne/ und nachdem er sie wol beschauet hatte/ ließ er einen tieffen Seuffzen aus dem innersten seines Herzen gehen/ und sagte zu ihr: Gutes Mensch/ was hastu von mir je gutes em- pfangen/ daß du dich mein so traͤulich annehmen/ und mich vom Tode erloͤsen wilt? Zohe hierauff 6 Kronen heraus/ sprechend: Dieses hatte ich dem Nachrichter zur Verehrung ganz zugedacht/ wil es aber teilen/ und euch die Helffte schenken/ mit Bitte/ solches vor eu- ren guten Willen vor lieb zunehmen; reichete ihr solches dar/ und fing zu dem Richter also an: Ob zwar kein Ding in der ganzen Welt einem Menschen angenehmer seyn kan/ als das Leben/ und mannicher/ dasselbe zuerretten/ wol eine Verheissung tuhn wuͤrde/ die er zu halten nicht gemeinet waͤhre; so ist doch nunmehr/ Gott Lob/ mein unbewaͤglicher Sinn und Vorsaz/ entweder ehrlich und redlich zu leben und handeln/ oder bald zu sterben; und weil ich sehe und merke/ daß zu diesem guten frommen Maͤdchen ich ein solches Herz nicht tragen kan/ daß ich ihr getraͤu bliebe/ wil ich immerhin sterben/ damit ich nicht veranlasset werde/ auffs neue zu suͤndigen. Wie so? fing die Dirne an; warumb woltet ihr nicht liebeꝛ euch mit mir verehlichen/ als unter des Buͤttels Hand einen so abscheulichen Tod leiden? ich bin ja/ ohn ruhm zu melden/ noch Mensch gnug/ und aͤrgert euch nicht an diesem mei- nen schmutzigen Kittel/ mit welchem ich aus der Kuͤche von meiner arbeit hergelauffen bin/ ich habe noch andere saͤuberliche Kleider/ meinem Stande gemaͤß/ und uͤber die hundert Gulden durch meine saure arbeit verdienet/ die wil ich euch geben/ uñ werde ich in meinen Feirkleidern euch schon besser gefallen. Ach mein gutes Maͤdchen/ antwortete er/ seid ge- behten/ und bekuͤmmert euch ferner nicht umb meinen Tod/ welchen ich wol veꝛschuldet ha- be; danket auch dem Him̃el/ daß ich nicht ein solcher bin/ der aus begierde des Lebens/ euch zu aͤffen bedacht waͤhre/ und euch hernach im elende wolte sitzen lassen; die Goͤtter werden euch schon denselben zum Manne bescheren/ den sie euch ausersehen haben. Wolfgang kam gleich darzu/ umb zuvernehmen wessen er sich erklaͤret haͤtte; da die Dirne Reichartẽ diese Antwort gab. Mein Liebster/ wisset ihr dann nicht/ daß man euch mit dem Rade alle eure Knochen entzwey stossen sol! O wie werdet ihr es bereuen/ daß ihr diese meine Liebe ausgeschlagen habet/ wann euch nun der erste Stoß gegeben wird/ und gedenket nur nicht/ daß ich euch alsdañ loß bitten werde. Ihr sollet/ gute Freundin aller dieser Ansprache von mir wol enthoben seyn/ sagte Reichard/ die Goͤtter nehmen euch in ihren Schuz. Kehrete sich nach Wolfgang/ und sagete: Mein Freund/ habt ihr mir die Gnade der beerdigung erhalten? Ja/ sagte er/ dieselbe ist euch ganz richtig erteilet/ aber ihr werdet vernommen ha- ben/ daß diese gute Dirne euch viel eine groͤssere/ nehmlich/ Leben und Freiheit erbehten hat. Nein/ mein Wolfgang sagte er/ ich wil nun gerne sterben/ damit ich nicht an diesem from- men Siebendes Buch. men Maͤdchen zum Schelme werde. Da haͤtte man nun diese Dirne hoͤren sollen/ wie sie mit schelten und schmaͤhen auff ihn ansetzete; Je du Galgenschwengel/ du Henkermaͤssiger Bube/ sagte sie/ bist nicht wert/ daß ein ehrlich Maͤdchen sich dein erbarme/ oder einigen willen zu dir trage; pfui mich an/ daß ich durch deine aͤusserliche gestalt mich habe bewaͤgen lassen/ dich loß zu bitten/ ich werde doch nun und nimmermehr keinen Mann bekom̃en koͤn- nen/ dann jederman wird mirs vorhalten/ ein zum Radebrechen verurteileter armer Suͤn- der/ habe lieber also hingerichtet seyn wollen/ als mich zur Frauen nehmen; fing auch ein solches gehaͤule an/ daß die Zuseher dessen gnug lacheten/ und also ging sie nach dem inner- sten Platze/ woselbst die Koͤnigliche Geselschaft auff einem Lustgange bey einander sassen. Valiska wahr dieser Magd zimlich gewogen/ massen sie wol 16 Jahr in der Kuͤchen gedie- net/ und ihr Winterzim̄er hatte pflegen einzuheitzen/ daß sie nunmehr von 36 Jahren wahr; als sie nun dieselbe also heulen sahe/ fragete sie/ was ihr begegnet waͤhre. O Gn. Koͤnigin/ der Schelm uñ Dieb wil mich nicht haben/ antwortete sie/ sondern viel lieber sterben. Va- liska lachete dessen/ und sagete: Gib dich zu frieden du solt noch wol einen bessern Mann be- kommen/ so viel Brautschaz habe ich dir zugedacht; worauff sie sich dañ endlich stillen ließ. Die Fũrstliche Geselschaft kunte sich uͤber Reichards erklaͤrung nicht gnug verwundern/ insonderheit/ als Leches kam/ und ihnen seine Worte vortrug. Gewißlich/ sagete Koͤnig Henrich/ dieser Bube duͤrfte noch so gut werden/ als schlim er bißher gewesen ist/ daher las- se man ihn lauffen/ und daß nach zweijaͤhriger fꝛist er sich/ mit aufflegung eines schriftlichen Zeugnis seines verhaltens/ bey mir anmelde/ alsdann sol er von mir einer Gnade gewaͤrtig seyn. Herkules rieff Leches zu sich/ und legete ihn in den Mund/ was er anfangs mit Wolf- gang/ hernach zu Reichard reden solte; welcher sich wieder auff den Richterstuel setzend also anfing: Reichard/ deine anfangs erwiesene Dienste/ samt der jetzigen Reue/ die du uͤber deine begangene Bosheit traͤgest/ haben die versamleten Großmaͤchtigsten Koͤnige zu die- ser hohen Gnade bewogen/ daß die Straffe/ welche deiner eigenen Bekaͤntnis nach/ du wol verdienet/ sol gemiltert werden/ wie ich hernach anzeigen wil. Damit aber dein frommer Vater/ wegen der Koͤniglichen Fraͤulein nicht umb das seine komme/ wil ich wissen/ wie grosse Kosten du zu deren Erloͤsung angewendet habest. Dieser gedachte noch nicht/ daß er mit dem Leben davon kommen würde/ und antwortete: Mein Herr/ wie ergetzet es meine Seele/ daß noch vor meinem betrübten Ende ich vernehmen sol/ daß man meinem lieben Vater das ausgelegete wieder zustellẽ wil; dasselbe nun belaͤuft sich alles in allem auf 2000 Kronen/ und etwas weniger; koͤnte aber ich elender Mensch so bitselig seyn/ daß solche Gel- der/ weil es ohndas mein vaͤterliches Erbe ist/ dem frommen Maͤdchen/ so mich loßbitten wollen/ gegeben/ und ich dagegen mit dem Schwerte begnadet wuͤrde/ zweifele ich nicht/ die Goͤtter wuͤrden alles beydes mit reicher vergeltung erstatten; doch solte mein Herr Richteꝛ davor halten/ daß durch dieses ansuchen ich das Koͤnigliche Fraͤulein zum Wiederwillen reizen wuͤrde/ wolle er dessen nur nicht gedenken. Es faͤlt mir aber gleich ein/ daß die Gut- sche mit den Pferden in die jeztgemeldete Rechnung nicht gehoͤren. Leches tꝛug grosses mit- leiden mit diesem Menschen/ ging abermahl mit Wolfgang zu der Koͤniglichen Geselschaft/ und zeigete dieser dem Fraͤulein an/ ihm waͤhre bewust/ daß Reichard in seiner Landstad ei- nes ehrlichen Mannes Tochter durch heimlichen Nohtzwang entehret/ und sie durch vor- stellung Siebendes Buch. stellung ihrer Schande/ wann sie es ruchtbar machen wuͤrde geschweiget haͤtte; hielte da- vor/ wann man ihm geboͤhte/ dieselbe zu heyrahten/ wuͤrde er solches gehorsamlich leisten. Kennet ihr das gute Mensch? fragete das Fraͤulein. Ja/ sagte er/ ich habe in ihres Vaters Hause etliche Tage Holz gehacket/ und sie gesehen/ daß allenthalben da sie ging/ ihr die Au- gen vol Traͤhnen stunden/ und mannichen elenden Seufzer von sich ließ. Das Fraͤulein sagete; tuht alles/ wessen ihr schon befehlichet seid/ und gebet ihm darzu noch 1000 Kronen/ welche er der redlichen Dirnen meinetwegen schenken sol/ unter dem einwenden/ daß ich ihr gewogen sey/ weil ihr mir ihre froͤmmigkeit geruͤhmet habet. Also ging Wolfgang hin zu Reichard/ der mit seinen acht Reutern ein Gespraͤch hielt/ und sie vermahnete/ daß sie sich an ihm spiegeln/ und durch kein ding in der Welt sich zur Untraͤu oder andern Untu- genden solten verführen lassen; welches sie von ihm nicht ohn grosses mitleiden anhoͤreten/ weil sie sich erinnerten/ daß er dannoch alles ihres Gluͤks die erste warhafte Ursach waͤhre. Wolfgang stoͤrete dieses Gespraͤch/ da er ihn also anredete: Sehet da Reichard/ die grosse Koͤnigin/ Fr. Valiska/ welche dem Koͤniglichen Fraͤulein insonderheit ergeben/ und dañoch mit eurem Unfal/ darin euch gutenteils eure unbedachtsamkeit gestuͤrtzet/ grosses mitleiden traͤget/ hat mir die 3000 Kronen zugestellet/ welche eurem Vater ihretwegen sollen uͤber- gebracht werden; und nun hoͤret die begnadigung und erfreuet euch derselben; euer schlim- mes verbrechen sol euch vergeben seyn/ Leben/ Freiheit/ und ehrlicher Nahme wird euch ge- schenket/ wiewol mit dieseꝛ bedingung/ daß wo man erfahren wuͤrde/ daß ihꝛ von neuen wie- der Ehrbarkeit handeltet/ werdet ihr in die ausgesprochene Urtel und Straffe verfallen seyn; koͤnnet ihr aber nach verlauff zwey Jahren dem Großmaͤchtigsten Koͤnige/ Herrn Henrich ein schriftliches Zeugnis aufflegen/ daß ihr ehrlich gelebet und der Tugend nach- gestrebet/ sollet bey seiner Koͤnigl. Hocheit ihr euch angeben/ und einer Gnade gewaͤrtig seyn: aber vor dißmahl sollet ihr bey Sonnenschein/ dieses/ und aller gegenwaͤrtigen Koͤ- nige und Fursten ihre Laͤnder raͤumen/ und euch nach eurem Vaterlande erheben/ dieses zu leisten/ was mein gnaͤdigstes Fraͤulein euch hiemit aufflegt; nehmlich/ sie hat Zeit ihrer Magdschaft ohngefehr vernommen/ daß ihr eines ehrlichen Mannes frommes Kind sollet schaͤndlich hintergangen und betrogen haben/ die sollet und muͤsset ihr durch aus ehelichen/ oder aller schon versprochenen Gnade verlustig seyn. Was saget ihr darzu? Ja mein Freund/ antwortete er/ ich gestehe und beraͤue diese meine Missetaht/ und wil von ganzer Seelen dieses Verbrechen durch folgende Heyraht gerne wieder gut machen/ nur bitte ich untertaͤhnigst/ daß vor dem Beylager mir moͤge verguͤnstiget seyn/ mich ein Jahrlang in fremden Laͤndern zuversuchen/ ob durch eine ruͤhmliche Taht ich meine grosse Schande in etwas abwischen koͤnte. Ich hoffe euch solches noch wol loßzumachen/ sagete Wolfgang/ aber es mus mit einwilligung euer Braut geschehen. Weiters hat der Medische Groß- Fuͤrst/ Herr Arbianes/ der Koͤnigl. Fraͤulein versprochener Braͤutigam/ mir noch 3000 Kronen zugestellet/ welche ihr in seiner Durchl. Nahmen/ eurem Vater sollet einhaͤndigen/ als zur Danksagung vor eure ausruͤstung. Hieruͤber werde ich euch noch 1000 Kronen wegen meiner Gn. Fraͤulein einreichen/ welche ihr euer Braut ihretwegen mit uͤberneh- men sollet/ bloß darumb/ daß deren grosse froͤmmigkeit ihrer Gn. ist geruͤhmet worden/ wor- zu ich noch 200 Kronen vor mein Haͤupt legen wil/ darumb daß sie bey meiner Arbeit mir etli- Siebendes Buch. etliche mahl einen guten Labetrunk hat zukom̃en lassen. Zwar euer verbrechen hindert/ daß euch selbst kein Fuͤrstliches Geschenk mag gegebẽ werden; jedoch habe ich durch einen Fuß- fal erhalten/ daß mir und diesen meinen acht Gesellen frey stehet/ euch unserer gewogenheit nach/ eine moͤgliche Verehrung zu tuhn/ da wir dann euch 9000 Kronen von unsern em- pfangenẽ Gnaden-geldern schenken/ uñ uns zu aller moͤglichen Freundschaft verbindẽ wol- len. Er hatte dieses kaum ausgeredet da schickete Leches ihm 3000 Kronen/ welche er Rei- charden seinetwegen zustellen solte/ nebest deꝛ Vermahnung dz er hinfuͤro alle untugend aus seinem Herzen verbañete/ und der Erbarkeit nachsetzete/ alsdañ wuͤrde er nicht allein voͤllige vergebung/ sondern noch wol ansehnliche Befoderung bey Koͤnig Herkules haben koͤnnen/ dessen Hocheit ihm ohndz nit ungewogen waͤhre. Die acht Reuter redetẽ ihm auch freund- lich zu/ und lieferten ihm 12000 Kronẽ/ welche er ihren armẽ uñ duͤrftigen Elteꝛn mit übeꝛ- nehmẽ moͤchte/ als welche alle in der naͤhe bey seiner Heimat/ etliche auch gar in seineꝛ Land- stad wohnetẽ. Reichard entsetzete sich vor so grossen Geschenkẽ/ welcher nunmehr die Boß- heit in seinẽ Herzen verschworen hatte/ leistete einen demuͤhtigen Fußfal in seinen Ketten/ erkennete/ daß er der erteileten Koͤniglichen Gnade allerdinge unwirdig waͤhre/ wolte aber Zeit seines lebens nicht auffhoͤren daran zugedenken/ und entweder ritterlich sterben/ oder einen bessern Nahmen als bißher/ erwerben; dankete nachgehends Wolffgangen sehr uñ seinen gewesenen Reutern/ und gab ihnen zuverstehen/ wie er gesinnet waͤhre/ sich mit 50 Pferden auszurüsten/ so bald er wuͤrde zu Hause angelanget seyn/ und nach Ehren zustre- ben/ weil er seine Gelder nicht wuͤste besser anzulegen. Seinen Gutscher/ der wegen dieser Begnadigung sich hoͤchlich erfreuete/ foderte das Fraͤulein durch Wolffgangen vor sich/ ruͤhmete/ daß er wol gefahren haͤtte/ und schenkete ihm 1000 Kronen/ da sie ihm frey stelle- te/ ob er bey ihr bleiben/ und ihr Leib Gutscher seyn/ oder lieber zu seinem vorigen Herrn zi- hen wolte. Er gab zur Antwort: Er koͤnte zwar sein Lebelang keinen bessern Herrn bekom- men/ weil er aber sich mit einem frommen redlichen Maͤdchen in Reichards Land Stad verlobet haͤtte/ wolte er derselben gerne sein Wort halten/ wann er nur zu seinem vorigen Herrn/ umb daß er dessen Gutsche und Pferde ohn sein wissen mitgenommen/ wieder kom- men duͤrffte. Welche Erklaͤrung Arbianes so wol gefiel/ dz er ihm noch 1000 Kronen ver- ehrete/ und daß er Pferde und Gutschen wieder dahin bringen solte. Reichard wolte mit dem Gutscher alsbald aufbrechen/ uñ davon scheiden/ aber ihm ward gebohten/ diese Nacht auff dem naͤhesten Dorffe zubleiben/ dahin das Fraͤulein ihm etliche Sachẽ/ an Fr. Mech- tild Kinder mit uͤberzunehmen/ zuschicken wolte. Hiebey erinnerte er sich/ man moͤchte da- heim/ wegen der Fraͤulein gewaltsamen Entfuͤhrung auff ihm einen Argwohn geworffen haben/ woruͤber er in Lebensgefahr gerahten duͤrffte/ welches er Wolffgang zuverstehen gab/ und darauff von Koͤnig Herkules an den Stathalter zu Koͤlln eine Vorschrifft be- kam. Das Fraͤulein legte alle heimlich und oͤffentlich entwendete Geschmeide zusam̄en/ es Jungfer Adelheit wieder zuzustellen/ legte dabey 4000 Kronen vor dieselbe/ 3000 Kronen/ vor deren mittelste Schwester Adelwald/ und gleich so viel vor die jüngste Adelgund; wie auch vor einer jeden ein schoͤn Kleinot und drey Ringe hohes Werts/ und dabey diesen Brief: u u u u Sonders Siebendes Buch. Sonders liebe Freundin/ Jungfer Alheid/ eurer unbarmherzigen Mutter ehmahlige armseli- ge Magd und Naͤhterin Armgart/ sonsten vor dem/ und Gott lob nunmehr wieder/ gebohrnes Koͤnig- liches Fraͤulein aus Teutschland/ Frl. Klara/ bedancket sich nochmahls alles geleisteten guten Willen/ sendet ihr alle heimlich und offentlich entwendete Geschmeide unversehret wieder/ nebest 10000. Kro- nen/ und etliche Kleinot Gnaden-Gelder/ ihr und ihren beyden Schwestern nehest begruͤssung/ und stellet ihnen allen dreyen frey/ zu ihr nach Prag zukommen/ und ihrer Koͤniglichen Hochzeit/ welche sie mit dem Durchl. Großfuͤrsten Herꝛ Arbianes aus Meden schier zu halten entschlossen ist/ bey- zuwohnen/ da ihnen alle Gnade und milde Koͤnigliche Woltaht wiederfahren sol. Zwar es waͤhre mir gar ein leichtes/ mich noch weiters an eurer grausamen Mutter/ und ehebrecherischen Vater gebuͤhr- lich zu raͤchen/ aber aus lauter Gnade sol ihnen verziehen seyn/ wiewol ich nicht ungerne gesehen haͤt- te/ daß euer Vater den Pruͤgel wegen seines huhrischen Herzens/ gleich eurer Mutter kosten moͤgen/ damit eins dem andern nichts vorwerffen duͤrffte/ doch weil mir der Zorn nunmehr vergangen/ mag er so hinlauffen/ und sich bessern. Gehabt euch wol und besucht mich kuͤhnlich nach eurem belieben 3 insonderheit gruͤsset mir die kleine Adelgund/ als welche durch ihre Gegenwart eures schlimmen Va- ters unkeusches Vorhaben (welches/ da ers vollendet haͤtte/ ihm und allen den seinen den Halß wuͤrde verlustig gemacht haben) guten teils abgewendet und verhindert hat. Ich bin und verbleibe eure und eurer beyden Schwestern gute Freundin Klara/ Koͤnigliches Fraͤulein aus Teutschland/ verspro- cheue Großfuͤrstin in Meden. Wir haben bißdaher die wol zupruͤgelte Frau Mechtild mit ihrer Angst-vollen Tochter auf ihrem Wagen im Pusche verlassen/ welche nach Wolfganges Abscheid gerne alsbald wieder nach Hause gefahren waͤhren/ aber die Draͤuung hielt sie zuruͤk/ und daß sie keinen Fuhrmann hatten/ daher sie den Tag und die Nacht daselbst außhieltẽ/ und noch ihr bestes wahr/ daß sie Essen und Trinken gnug bey sich hatten. Die Nacht wehrete ihnen sehr lan- ge/ und empfand das Weib uͤberaus grosse Schmerzen wegen der Pruͤgelung/ weil sie kei- ne Salbe zur Linderung bey sich hatte. Daß ihre Armgart ein Fuͤrstliches Fraͤulein seyn solte/ wolte ihr in den Kopff nicht/ wie wol die Tochter solches gerne glaͤubete/ weil sie nur mit einer angestrichenen Farbe sich so heßlich gemacht/ und vor dem Abzuge ihre wunder zarten Haͤnde/ Hals und Angesicht ihr haͤtte sehen lassen. Aber die Mutter sa- gete; Ey was Fraͤulein/ lag sie doch fast alle Nacht bey dem Baurflegel Wolfgang/ den sie selbst ihren Mann nennete. Nein herzen Mutter/ antwortete sie/ ich erinnere mich/ daß un- sere Haußmagd etlichemahl mir angezeiget hat/ daß sie allemahl nur eine Schlafstelle in ih- rem Bette gefunden/ und also der Baur sich ohn Zweifel auf der blossen Erde hat behelfen muͤssen. Sie sey wer sie wolle/ sagte die Mutter; haͤtte ich aber gewust/ daß ich diese schmertz- hafte Pruͤgelung von ihr sollen gewaͤrtig seyn/ wolte ich ihr den Hals zubꝛochen haben. Ach liebe Mutter/ sagte sie/ ihr seid auch alzu hart mit ihr gewesen dann ungeachtet sie kein Au- genblik bey ihrer Arbeit seumete/ suchetet ihr doch allemahl Uhrsach an sie/ daß michs oft gejammert hat. Was wiltu junge Metze mich auch noch rechtfaͤrtigen? sagte die Mutter; waͤhre ich meiner Haͤnde maͤchtig/ ich wolte dir das weise Maul dergestalt zurichten/ daß du es auff ein andermahl schon halten soltest. Ich sage nichts ungebuͤhrliches/ sagte die Tochter/ und gebe der Himmel/ daß wir nicht von diesem Fuͤrstlichen Fraͤulein noch eine groͤssere Straffe zugewarten haben. Und ach ach! was muß doch mein Vater ihr vor Un- gebuͤhrligkeit angemuhtet haben/ davon das kleine Kind gestern zusagen wuste? dein Va- ter ist ein alter verhuhreter Bube/ antwortete sie/ und haͤtte ihm wol goͤnnen moͤgen/ daß er davor Siebendes Buch. davor von den Reutern rechtschaffen abgeschmieret waͤhre. Sie brachten den Tag mit ih- rem Gespraͤche hin/ und die Nacht schlief die junge Tochter hindurch/ welches der Mutter wegen ihrer Schmerzen fehlete; fruͤh morgens aber bemuͤheten sie sich so viel/ daß sie den Wagen mit den Pferden umwendeten nach dem Wege daher sie kommen wahren/ da dañ die Pferde aus hunger im vollem Lauff davon sprungen/ und groß wunder wahr/ daß sie dẽ Wagen nicht in Stūcken lieffen; sie fehleten doch des rechten Weges nicht/ und kahmen noch vor Mittages vor dem Stad Tohr an/ gleich da ihr Fuhrmann sich auch daselbst fin- den ließ. Als sie zu Hause anlangeten/ muste sich die Mutter von dem Wagen heben lassen/ die sich erst mit ihrem Manne auffs neue uͤberwarff/ auslauterm Eiser/ daß er nicht glei- chen Lohn mit ihr empfangen hatte. Sie sinneten fleissig nach/ wer doch immermehr so verwaͤgen seyn duͤrffen/ gewaltsame Hand an sie zulegen/ erfuhren/ daß gleich denselben Tag Reichard mit seinen Reutern davon gezogen waͤhre/ in dessen Vaters Hause Wolff- gang sein meistes Wesen gehabt hatte/ daher sie denselben in starken Verdacht zogen. Als nun Reichard zu Hause anlangete/ hatte er mit dem Gutscher es abgeredet/ daß von seinem Unfal er im anfange nit gedenken solte/ dener auch schon beredet hatte/ mit ihm foꝛtzuzihẽ. Er ließ die Laden mit der Baarschaft vor Mechtilden Hoff fuͤhren/ ging kuͤhn- lich zu ihr hinein und fragete nach der groͤsten Jungfer/ welche bald hervor trat/ und er sie also anredete: aͤdle Jungf e r/ mein allergnaͤdigstes Fraͤulein/ das Durchl. Koͤnigliche Fraͤu- lein aus Teutschland laͤsset ihr durch mich ihren gnaͤdigsten Gruß anmelden/ und uͤbersen- det ihr dieses Schreiben/ neben grosser Baarschaft Gnaden Gelder und andern koͤstlichen Sachen/ welche vor dem Hofe auf meinem Wagen stehen/ und von ihren Knechten koͤn- nen abgeladen werden. Alsbald fiel ihr ihre Armgart ein/ brach den Brief/ und lase ihn teils mit Freuden/ teils mit Betruͤbniß; da inzwischen die Mutter/ alles ungeachtet/ Reichardẽ vor einen Strassen Raͤuber außrief/ und ihm alles Ungluͤk draͤuete. Er wolte sich aber mit ihr nicht einlassen/ sondern gab zur Antwort; Frau/ habt ihr auff mich zusprechen/ so tuht solches mit recht/ und nicht mit Scheltworten/ alsdann wil ich meine Taht handhaben/ die ich keines weges leugne/ wie wol ich keine Hand an euch geleget/ auch nicht dabey gewesen bin/ noch Anordnung darzu gemacht habe; Lasset die Sachen von meinem Wagen heben/ und fahret alsdann wol und gluͤklich. Die Jungfer lies alles abtragen/ sie aber hielt bey der Stad Obrigkeit um Haft an wieder Reicharden/ welcher aber sich erboht Fuß zuhalten/ und deßwegen 6000 Kꝛonen zur Verpflichtung bey dem Raht nideꝛsetzete/ auch seine Voꝛ- schrift durch seinen Gutscher Südmeier/ (diß wahr sein Nahme) eilend nach Koͤlln uͤbeꝛ- schickete/ da Herr Julius Lupus an den Raht schrieb/ bey Lebens Straffe sich an Reichaꝛ- den nicht zuvergreiffen/ sondern ihn vor frey und allerdinge unschuldig zuerkennen/ hinge- gen Mechtilden samt ihꝛem ganzen Hause in freyeꝛ gewahꝛsam zuhalten/ ob etwa sie moͤch- ten wegen ihres Verbrechens angeklaget werden; daß diese also noch um schoͤn Wetter bitten muste. Reichard gab sich bald bey der Jungfer Eltern an/ die er geschwaͤchet hatte/ erkennete seine Suͤnde/ baht um Vergebung/ lieferte die 1200 Kronen wegen der Fraͤu- lein und Wolfganges ein/ und legte 1000 Kronen von den seinen hinzu/ wodurch er bey- des von den Eltern und der betruͤbten/ nunmehr hocherfreueten Tochter/ voͤllige Verge- bung erhielt/ haͤtte zwar das Beylager gerne biß auff seine Wiederkunft aufgeschoben/ u u u u ij aber Siebendes Buch. aber beiderseits Eltern wolten durchaus nicht einwilligen/ daß er also/ wie auch Suͤdmeyer ihre Heyraht volzogen/ und darauf 56 Reuter staꝛk außgingen/ Ehre zusuchen. Die Roͤmischen Herren von Padua/ kahmen des Tages vor dem Beylager an/ und wurden nit anders als grosse freie Fuͤrsten empfangen und geehret. Niemand wahr froͤli- cher/ als Arbianes und sein Fraͤulein/ welche diese Tage uͤber von Herkules und Valisken sich fleissig in der Christlichen Lehre unterꝛichten liessen/ und nahm ihꝛe Gesundheit zusehens zu. Die Großfuͤrstliche Trauung geschahe auff dem Koͤniglichen Saal/ wobey niemand als Christen (ohn allein Fuͤrst Olaff) geduldet wurden. Dann die vornehmste Boͤhmische Herren/ Pribisla/ Krokus/ und andere/ hatte den Glauben begieꝛig angenommen/ wie auch der alte getraͤue Wenzesla/ welcher wegen seiner gefliessenen Dienste in den Koͤniglichen geheimen Raht auffgenommen ward. Die Freude der jungen Eheleute wahr sehr groß/ und hatte Koͤnig Henrich seinen Ekhard/ neben Friederich und Luther nach Teutschland geschicket/ 24000 wolgeuͤbete Teutsche Reuter zuwerben/ zu welchen Ladisla 4000 Boͤh- men/ Baldrich 4000 Friesen/ und Herkules 2000 Wenden geben wolten/ und solten diese alle Fuͤrsten Arbianes mit 20 Tonnen Goldes zur Heimsteur mitgegeben werden/ weil er ohn das die Voͤlker zuwerben befehliget wahr. Des ersten Abends/ bald nach geendigter Hochzeitlicher Mahlzeit/ trat ein kleiner zierlicher Knabe mit hoͤflicher Ehrerbietung zu der Großfuͤrstlichen Braut/ und lieferte ihr einen versiegelten Brief mit diesen Worten ein: Durchleuchtigstes Fraͤulein; es ist eine fremde Botschaft gleich jezt ankommen/ und hat dieses Schreiben/ an ihre Durchl. haltend/ mit sich gebracht/ welchen auff Befehl ich untertaͤhnigst uͤbergeben sollen. Sie nam denselben mit freundlicher Bezeigung an/ und umb dessen Inhalt zuvernehmen/ trat sie ein wenig zuruͤk/ da inzwischen der Knabe/ allen unvermerkt/ sich hinweg machte/ und sich nicht mehr sehen ließ. Nach Erbrechung aber fand sie darinnen wie folget: Zu Ehren den Hochfuͤrstlichen Hochzeitern/ welche nach ausgestandenem herben Ungluͤk/ des allerlieblichsten Gluͤckes suͤsseste Erndte halten und geniessen sollen. 1 D Je so man in Liebes Sachen Obrist uͤber alles stellt/ Raubet durch ihr suͤsses Lachen Odem und Geist aller Welt; Treibet aller Menschen Sinnen/ Hin/ das Suͤsse zubeginnen/ Eh’ die junge Krafft verfaͤlt. 2 Alles was die Lust empfindet/ Eilet zu der Suͤssigkeit/ Leistet/ eh’ es gar verschwindet/ Ihrer Gottheit ohne Streit Seine Schuld mit gutem Willen/ Alle Wollust zuerfuͤllen/ Biß hin an die graue Zeit. 3 Einsamkeit wil niemand lieben/ Traͤue Liebe waͤhlen wir; Haben Zwene was zu uͤben/ Ach das saͤttigt die Begier/ Vielmehr als wir sagen koͤnnen/ Ob mans gleich uns nicht wil goͤnnen/ Noch so sucht mans fuͤr und fuͤr. 4 Wol! so sol die Traur sich legen/ Jaget Angstaus eurer Brust/ Nach dem Sommer kompt der Regen/ Da du Kummers vol seyn must. Trauren wil uns nicht behagen/ Eh wir uns auff Kruͤcken tragen; Mein/ so suchet Liebes Lust. Nach geendeter Verlesung reichete das Fraͤulein solches Koͤnigin Valisken/ welche den Daͤnischen Fuͤrsten Olaff in Verdacht zog/ er waͤhre des Hochzeit Liedes Tichter/ wie wol derselbe sich niemahls darzu gestehen wolte; daher man sich des weitern Nachforschens enthielt. Koͤnig Baldrich aber/ welcher mit dieser seiner Frl. Schwester in der Kindlichẽ Jugend Siebendes Buch. Jugend sich nicht allemahl gleiche bruͤderlich zuvertragen pflegete/ hatte diese Zeit uͤber so herzliche Liebe ihr zugewendet/ daß ihre Eltern sich daruͤber hoͤchlich verwunderten; dann er sahe daß ihre Froͤm̃igkeit ihr von Herzen ging/ welche er sonst an ihr vor eine Heucheley gehalten hatte. Sein Gemahl Koͤnigin Lukrezia/ welche in Tichtung lateinischer Reimen eine anmuhtige Gnade hatte/ ward diesen Tag von ihm fleissig ersuchet/ seiner Frl. Schwe- ster zuehren ein Hochzeit Geticht aufzusetzen/ worzu sie dann ganz willig wahr/ es inneꝛhalb weniger Zeit zu Papier brachte/ und es Koͤnigin Valisken/ welche sie bey der Tichtung antraff/ zuverlesen geben muste; deren es dann so wol gefiel/ daß sie alsbald es in folgende Teutsche Reimen übersetzete. 1 S O muß noch dannoch Unfals Wuht/ Nicht immer zu die Frommen trillen. Es heisst nicht stets/ Gut oder Blut/ Nach frevelhaffter Raͤuber willen. Die Gottesfurcht muß endlich siegen/ Dann Gottes Wort kan nimmer liegen. 2 Ein Fraͤulein/ deren Froͤmmigkeit Und hoher Tugend nichts mag gleichen/ Hat zwar vom herben Ungluͤks Neid Sich scharff gnug muͤssen lassen streichen; Doch ihre Tugend muste siegen/ Dann Gottes Wort kan nimmer liegen. 3 Sie ward geraubt/ und schlim geliebt; Feur/ Wasser/ Schmach und Hungerbissen Hat ihren schwachen Geist betruͤbt/ Sie lag dem Frevelmuht zun Fuͤssen; Doch ihre Demuht muste siegen/ Dann Gottes Wort kan nimmer liegen. 4 Sie must’ in Unschuld fluͤchtig seyn/ Nicht anders als des Ungluͤks Ballen; Noch zwang sie sich geduldig ein/ Ließ boͤß- und gutes ihr gefallen. Des must’ auch ihre Tugend siegen/ Dann Gottes Wort kan nimmer liegen. 5 Diß Laͤmlein hatte wol die Bach Den Raube-Woͤlffen nie getruͤbet; Noch strebten sie ihr grimmig nach/ Gleich wie man leichte Kegel schiebet. Doch endlich must’ ihr’ Unschuld siegen/ Dann Gottes Wort kan nimmer liegen. 6 So pruͤfet Gottes Vater Hand/ Die er vor Kinder ihm erwehlet; Sie muͤssen manchen harten Stand Aushalten/ der rechtschaffen quaͤlet/ Und muͤssen durch Geduld doch siegen/ Dann Gottes Wort kan nimmer liegen. 7 Du wunder-frommes Seelchen hast Gott Lob/ geduldig ausgehalten/ Darumb benimt dich Gott der Last/ Und laͤsset lauter Gnade walten; So hastu kraͤfftig muͤssen siegen/ Dann Gottes Wort kan nimmer liegen. Dieses/ als es kurz vor schlaffengehens der G. fürstlichen Braut von Libussen eingehaͤndigt ward/ wie wol ohn Nennung/ von wannẽ es kaͤhme/ lase das fromme Fꝛaͤulein es nicht ohn Traͤhnen uñ echtzen durch/ erholete sich doch bald/ und aus begierde den Tichter zuerkeñen/ redete sie Libussen so bewaͤglich zu/ daß sie ihr alle beide ins Ohr raunete. Weil dann Koͤni- gin Valiska ihr zur Seite stund/ bedankete sie sich gegen dieselbe mit so demuͤhtiger Bezei- gung und Rede/ daß sie derselben die innigsten Liebe Traͤhnen aus den Augen lockete/ und sie mit solcher herzlichen Inbrunst sich kuͤssend umbfangen hielten/ daß Herkules durch freudliche Anmahnung daran ein Ende machen muste. Noch kunte das fromme Fraͤulein sich nicht zuruhe geben/ biß sie der ersten Tichterin/ Koͤnigin Lukrezien sich auf gleichmaͤssi- ge Weise dankbahrlich erzeiget hatte. Worauff sie von ihrer Fr. Mutter und Koͤnigin Va- lisken nach Bette ihrem lieben Fuͤrsten zugefuͤhret ward/ da sie sich in zuͤchtiger ehelicher Liebe zusammen hielten/ und dem aller hoͤsten herzlich danketẽ/ daß derselbe sie mit Gnaden- Augen angesehen/ und nach so mannicher Gefahr ihnen den Schein seiner Vaͤterlichen Hulde so reichlich mitgeteilet hatte. Ende des Siebenden Buchs. u u u u iij Des Des Christlichen Teutschen Herkules Achtes und Leztes Buch. Z U Prage auff dem Schloßwahle machten die Polter Geister diese erste Nacht des Beylagers ein solches Unwesen/ daß die ausgestelleten Schildwachten daꝛ- auff nicht bleiben kunten/ wie ungerne sie auch wichen; dann etliche/ die hart Widerstand leisteten/ wurden gar hinunter in den Graben gestuͤrzet/ daß sie sich durch schwimmen erretten musten; die anderen wurden mit Gewehr und Waffen abge- trieben/ und sahen doch keine Hand/ die folche fuͤhrete. Dieses Gespenste-werk hielt uͤber ei- ne Stunde an/ und kunte keiner von allen anwesenden Kriegsknechten einigen Laut von sich geben. Kaum hatte sich dieser Aufflauff gestillet/ als Neda/ dem die Ober Wachtmei- sterschafft anbefohlen wahr/ seinen Umgang hielt/ und diese ganze Seite des Wahls von allen Kriegsleuten entbloͤsset fand/ woruͤber er sich eiferte/ und schon harter Draͤuworte sich vernehmen ließ/ sahe aber eine Schildwache ganz pfuͤtzenaß den Wahl wieder herauff klimmen/ und fragete mit Troz/ welcher Henker ihm dahinunter gefuͤhret haͤtte; Die ent- wichene/ welche sich in das Wachthauß begeben hatten/ hoͤreten seine Stimme/ und gin- gen wieder zu ihm hin/ andeutend/ was sich kurz vergangen zugetragen; so rieffen etliche jenseit des Graben gegen den Wahl/ man moͤchte ihnen das Tohr oͤffnen/ weil sie mit gros- ser Gefahr hinuͤber geschwummen waͤhren/ und ihr Leben gerettet haͤtten. Neda verwun- derte sich dessen nicht ein geringes/ stellete sich doch gegen die Knechte/ als glaͤubete ers nit/ besetzete die Wachten auffs neue/ und befahl ihnen/ alsbald anzeige zutuhn/ da sich dessen mehr zutragen wuͤrde; haͤtte es auch den Koͤnigen gerne angedeutet/ aber er durffte sie nit so fruͤh aus dem Schlaffe wecken; doch so bald der helle Tag sich sehen ließ/ ging er hin zu seinem Koͤnige auff das Schlaffgemach/ und als er denselben wachend vernam/ sagete er: Gnaͤdigster Koͤnig; wann ich nit ausgelachet wuͤrde/ muͤste Ihrer Hocheit ich eine naͤcht- liche Begebniß anmelden. Ist es lachens wert/ antwortete er/ so sagets nur her. Die boͤsen Teuffel/ sagte Neda/ haben diese Nacht ihr Polterwerk auff dem Osten-wahle getrieben/ und alle daselbst sich befindende Kriegsknechte/ teils in den Graben hinunter geworffen/ teils zum Wahl Tohr hinab gejaget/ daß bey meinem Umgange ich denselben ganz ledig ge- funden. Der Koͤnig gab zur Antwort: Ich halte/ daß die Knechte der gestrigen Hochzeit mit genossen/ und mehr gesoffen/ als ihre Gaͤnse Koͤpffe vertragen koͤnnen/ daher sie selbst zu Polter Geistern worden sind. Nein/ gnaͤdigster Koͤnig/ sagte er; ich habe scharffe Nach- frage gehalten/ und befinde/ daß deren keiner im geringsten nicht ist bezechet gewesen. Als es hernach der Koͤniglichen Geselschafft angemeldet ward/ urteilete Herkules daher/ es wuͤrde dieses Beylager dem Teufel zuwideꝛ seyn/ weil viel gutes/ zu ausbꝛeitung des Christ- lichen Glaubens daraus entstehen koͤnte; Nach gehaltener Unterredung aber bahten sie Gott/ er wolte dem Teufel steuren/ und seine schaͤdliche Wiꝛkungen von ihnẽ allen in Gnadẽ abwenden. Sie hatten sich kaum zur Mahlzeit nidergesezt/ und begunten die jungen E- heleute umzutreiben/ ob die Braut ihre Unter- und Oberkleider auch vor dißmahl verlauf- fen haͤtte/ wie jensmahl auff dem Haͤu; da das fromme Christliche Fraͤulein ihre Antwort zugeben Achtes Buch. zugeben schon fertig wahr; aber Leches verhinderte sie daran/ welcher vor den Tisch trat/ und untertaͤhnigst umb Verzeihung baht/ daß er nicht unterlassen duͤrffte/ ihren Hocheiten und Durchll. anzumelden/ was gestalt eine fliegende Zeitung durch die Stad erschollen waͤhre/ die wenig gutes nach sich fuͤhrete. Ladisla fiel ihm in die Rede/ und sagete: Was vor Ungluͤk straͤuet uns dann nun der leidige Teufel zwischen unsere Christliche Froͤligkeit? Ich gedachte wol/ er wuͤrde uns dieselbe nicht lange ungestoͤret lassen; ists aber ein schlim- meres/ als welches er hinte auff dem Wahle gestifftet hat? Solches mag wol ein Zeichen eines viel schaͤdlichern gewesen seyn/ antwortete er; massen uͤber die 20 Menschen in gros- ser Angst zum Osten Tohre herein gelauffen sind/ mit vermelden/ es seyn die Pannonier mit unsaͤglicher Macht ins Land gefallen/ und verwuͤsten alles vor sich her als eine uͤber- schwemmende Suͤndfluht/ so daß sie weder Menschen noch Vieh/ weder Staͤdte noch Doͤrffer/ weder Acker noch der fruchtbahren Baͤume schonen. Ist dem also/ sagte Herku- les/ so befuͤrchte ich ein grosses Blutbad/ und schwere Landesverwuͤstung; dann es wird Koͤnig Mnata seinen Bato/ Pines/ und was er sonst finden kan/ zuraͤchen suchen. Doch dem Allerhoͤchsten sey herzlich Dank gesaget/ daß er unser Wiederkunfft von dem Wendi- schen Kriege erwartet hat/ dann sonst wuͤrde er alles uͤbeꝛn hauffen geworffen haben. Das Fuͤrstliche Frauenzimmer entsetzete sich daruͤber/ daß ihnen alle Lust zur Speise verging/ und weil das Geschrey sich in wenig Stunden hefftig vermehrete/ muste Neda mit etlichẽ Teutschen/ Ekharden folgen/ umb/ so viel Reuter und Fußvolk/ als in der Eile moͤglich seyn wuͤrde/ heruͤber zuschaffen/ und sie reicher Beute zuvertroͤsten. Diese jageten eilend fort/ und erreicheten jenen mit seiner Geselschafft an den Grenzen/ gaben ihm den Koͤnig- lichen Befehl/ und kehreten wieder umb nach Prag/ da sie 9000 Teutsche Reuter mit sich nahmen/ auch von darab biß an Prag alle wehrhaffte junge Manschafft mit ihren Waffen auffbohten. Umb Prage her geschahe desgleichen/ von Leches/ Prinsla/ Neklam und ande- ren. Herkules freuete sich seiner Teutschen/ Friesen und Wenden/ 34000 stark/ zu welchen sich 14000 Boͤhmen tahten/ und unter Baldrich und Siegward noch desselben Tages fortgingen/ denen ernstlich eingebunden ward/ nichts hauptsachliches wider den Feind vorzunehmen/ noch durch ihre bekante List sich in Gefahr locken zulassen. Ich wundere mich dieses uͤberfals nicht sagete Herkules/ sondern vielmehr/ daß er sich nicht zeitiger ge- reget hat/ weil mir stets vorgestanden/ daß der Kampff wider Pines vor Padua angefan- gen/ sich in Boͤhmen würde endigen mūssen; woran er dann gar nicht irrete; Dann weil Koͤnig Mnata und seine Staͤnde nicht allein jensmahls von den zuruͤk kommen den Die- nern vernommen hatten/ was gestalt der Teutsche Großfuͤrst Herkules nebest Koͤnig La- disla und andere mehr wider ihre Gesantẽ vor Padua gestrittẽ/ uñ sie erlegt haͤttẽ/ sondern auch wusten/ dz ihre streiffende Schaaren zu unterschiedlichẽ mahlẽ von den unsern zuruͤk geschlagen waren/ wolten die Pannonier solchen Schimpff und Schaden nicht laͤnger auf sich ersitzen noch ungerochen lassen; damit aber alles mit Raht und vorsichtigkeit angefan- gen wuͤrde/ stellete ihr Koͤnig eine Reichsversamlung an/ und solches auff unablaͤssiges ge- trieb seines Stathalters Dropion/ des verwaͤgenen Pines und Bato dritten Bruders/ welcher ein ũber aus Mañfester und hochmuͤhtiger Mensch wahr/ und nicht geringere Ge- walt im Koͤnigreiche als Mnata selbst hatte. So bald die gesamten Landstaͤnde beyeinan- der Achtes Buch. der wahren/ trat derselbe auff/ und hielt diese Rede: Ich weiß nicht/ unuͤberwindlichster Koͤnig/ und ihr tapferen hochweisen Landstaͤnde dieses unvergleichlichen Pannonischen Reichs; ich weiß nicht/ ob mirs anstehen wil/ unsere jetzige Reichsnotturft vorzutragen; oder da mirs anstehen wird/ ob ich in meinem vorbringen nicht etwa vor einen solchen an- gesehen werden moͤchte/ welcher mehr umb sein eigenes anliegen als umb des Reichs beste redet. Zwar in meinem Gewissen bin ich versichert/ daß ich nichts als gemeine Wolfahrt suche/ welches einem jeden Biderman oblieget; ob ich aber auch von eurer Koͤnigl. Hocheit/ und der anwesenden hochtapferen Versamlung davor gehalten werde/ wird ihre allergnaͤ- digste und freundliche Erklaͤrung entdecken. Wie hoch dieses unser Reich vor allen an- deren zu schaͤtzen sey/ werden uns die Roͤmer selbst Zeugnis geben/ als denen wir die einige hinderung sind/ daß ihr Reichsstab sich nicht uͤber ganz Europa ausstrecken kan; sie sind bißher wieder uns zu felde gelegen/ so lange ich ein Mann gewesen bin/ aber unsers Bluts nichts umbsonst gekostet/ und unserer Macht nicht groͤssern abbruch getahn/ als wir ihnen. Wie lange wollen wir dann des tolkuͤhnen Teutschen Juͤnglings/ der sich Herkules nen- nen laͤsset/ und seines verwaͤgenen Gesellen des After Koͤniges in Boͤhmen Hochmuht/ be- schimpf- und spottung dulden/ und ihren Geifer/ den sie uns ins Gesichte geworffen/ unab- gewischet lassen. Ich klage nicht eigentlich hierüber/ was meinem Bruder/ dem redlichen Bato/ einem Koͤniglichen Gesanten schon vor vier Jahren begegnet ist. Ich betraure eben meinen andern Bruder nicht/ den ritterlichen und umb diese Kron hochverdienten Pines/ daß er vor einen leibeigenen Ruderknecht sich auff der Roͤmer Schiffen neben seinen tap- feren Gesellen gebrauchen lassen muß; dann dieses/ moͤchte jemand gedenken/ waͤhre mein eigenes Haußungluͤk/ welches mit den Reichshaͤndeln nicht muͤsse vermenget werden; wiewol ein jeder weiß/ daß sie nicht als meine Bruͤder in ihren eigenen oder meinen ver- richtungen; sondern in des ganzen Landes Geschaͤften als Koͤnigliche Reichs-gesanten beleidiget und geschaͤndet sind. Meiner drey ausgerusteten Kriegs Schiffe habe ich auch schon vergessen/ welche der Boͤhme auff dem Adriatischen Meer schaͤndlich uͤberfallen/ uñ alle ehrliche Mannschaft/ hoch und niedrig/ durcheinander her/ an ihre eigene Masten auf- geknuͤpfet hat. Nur gehet mir zu herzen/ und peiniget alle meine Geister/ daß der Pannoni- sche Nahme/ davor ehmahs Kaͤyser und Koͤnige erzittert/ Laͤnder und Voͤlker erbeb e t/ von den leichten Boͤhmen und nacketen Teutschen als ein Spot mus gehalten werden. Es aͤngstet mir mein Blut/ daß ein Teutscher Juͤngling uns ein zehnjaͤhriges Joch an den Hals geworffen/ damit uns die Roͤmer unter ihrer Zinß- schuld halten/ welches wol kein Mensch gehoffet haͤtte/ solte auch wol unmoͤglich blieben seyn/ wann nicht der Teutsche Zaͤuberer Herkules/ welcher/ bestaͤndiger aussage nach/ einen Teufel in Pferdes gestalt rei- ten sol/ und ihm allemahl den Sieg erhaͤlt/ uns diesen Spot bereitet haͤtte. Was rahtet ihr nun/ O ihr Vaͤter des Vaterlandes? was rahtet ihr unserm gegenwaͤrtigen Koͤnige/ in dieser hochwichtigen Sache? sol es ungerochen bleiben? sollen wirs noch weiter in uns fressen/ wie bißher geschehen ist? so haben wir erstes tages die Boͤmischen Gesanten vor dem Schloßtohr/ die werden uns gebotsweise ansagẽ/ daß wir den Reichsschoß nach Pra- ge einliefern sollen/ welchen sie vor diesem hieher mit ehrerbietigkeit gebracht haben; und weil sie wissen/ daß unsere Rentkammer rechtschaffen bespicket ist/ und die Untertahnen von grossen Achtes Buch. grossen Geldmitteln sind/ so werden sie nach unser Haabseligkeit zuschnappen nicht auffhoͤ- ren/ biß sie alles hinweg haben. O der Schande! ein Koͤniglein/ ein junger Ohn-bart mus uns beschimpfen/ und der Roͤmische Kaͤyser hat uns nichts angewinnen koͤnnen. Wolte Gott/ ich waͤhre ein Weib/ so wolte ich mich in einen Winkel verkriechen/ und daselbst des Vaterlandes Ungluͤk beweinen; aber mir als einem Ritter und Kriegsmanne wollen die Traͤhnen weder anstehen noch fliessen. Waͤhren wir die alten Pannonier/ muͤsten die Oh- maͤchtigen Boͤhmen schon alle mit ihrem Koͤnige unter der Peitsche/ und der Pannonier Leibeigene seyn; aber nun geben wir mit stilleschweigen an den Tag/ daß wir uns fuͤrchten/ und noch wol dem Himmel darzu danken/ daß wir zwischen unsern vier Pfaͤlen wohnen koͤnnen/ und in unserm Lande unangefochten bleiben. Wachet auff meine Brüder/ wachet auff/ was schlaffen wir? ein vierwoͤchiger Zug/ sehet eine kurze Zeit/ eine geringe Muͤhe/ sol Boͤhmen zu grunde richten/ des wil ich euch meine Guͤter/ meine Ehr und mein Leben zu pfande setzen. Fuͤrchtet ihr euch aber vor dem Boͤmischen Schwerte/ und wollet ihnen lieber zusehen/ wie sie euer spotten/ als den Spott abwenden und raͤchen; wolan/ so wil ich meinen allergnaͤdigsten Koͤnig und die loͤblichen gesamten Landstaͤnde untertaͤhnigst und freundlich ersuchet haben/ sie goͤnnen mir auff meine Kosten/ Voͤlker/ inner- oder ausser halb des Reichs zu werben/ und daß mir frey stehe/ mein haͤußliches Ungluͤk/ an meinen loͤblichẽ Bruͤdern erlitten/ als ein redlicher Mañ zu raͤchen/ weil mirs koͤnte verdacht bringen/ wañ ich des Reichs Anspruch auff meine selbst gewachsene Hoͤrner nehmen/ und verfechten wolte. Und wann ich auch dieses nicht erlangen kan/ so mus entweder mein Koͤnig mich hinrichten lassen/ oder ich wil mein eigen Schwert wieder mich selbst gebrauchen/ weil mir unmoͤglich ist/ solche Schande noch laͤnger zuverschmerzen. Diese lezten Worte endigte er mit solchem rafichten Eifer/ daß ihm das Blut aus Maul und Nase spruͤtzete. Der Koͤnig kennete den Sinn dieses verwaͤgenen Menschen/ sahe auch/ daß er aus dem grimmigsten Eifer geredet hatte/ wolte aber seinen Willen noch nicht anzeigen/ sondern begehrete/ daß die Staͤnde zuvor sich uͤber diese beyde Fragen bestaͤndig heraus lassen solte; Ob man den von dem Koͤnig in Boͤhmen und Groß Fürsten in Teutschland eingenommenen Schimpf solte verschmerzen/ oder raͤchen; und wann er muͤste gerochen seyn/ auff was Weise und Wege man alsdann die Rache solte vornehmen. Bey der ersten Frage wahren sie über- aleinig; man muͤste Pannonische Ehre und ansehen keines weges von so geringen Fein- den schwaͤchen lassen/ sondern die Rache ernstlich vornehmen/ und es dahin spielen/ daß ihrem Koͤnige und dem ganzen Reiche satsamer Abtrag/ beydes von den Boͤhmen und Teutschen geschaͤhe. Die andere Frage aber ward auf dreyerley Weise beantwortet. Mastyes des Koͤniges Unter Stathalter/ ein verstaͤndiger Reichserfahrner Mann sehr ho- hes Adels/ welcher stets zum Friede geneiget wahr/ seinem Koͤnige getraͤu/ und dem Va- terlande ergeben/ muste auff Befehl/ und der Ordnung nach/ seine Meinung zu erst sagẽ/ welcher dann diese Stimme gab: Nach dem unser allergnaͤdigster Koͤnig und die gesam- ten Reichs Hof- und Kammer-Raͤhte dessen allerdinge einig sind/ daß von unsern Belei- digern/ anfangs den Boͤhmen und nachgehends den Teutschen/ wir des angelegten man- nichfaltigen Schimpfs wollen ergetzet seyn/ wird darauff reiflich muͤssen eꝛwogen uñ uͤbeꝛ- leget werden/ wie und auff was Weise man einen solchen tapferen und billichen Vorsaz x x x x wolle Achtes Buch. wolle ins Werk richten/ so daß unser gutes Recht in den Schranken der Billig- und Ge- rechtigkeit erhalten werde/ wie ich mir dann andere Gedanken zumachen/ nicht Ursach ha- be/ als daß wir alle und jede dahin stim̃en werden/ wir wollen nichts vornehmen/ als was recht/ loͤblich/ und vor der ganzen erbahren Welt verantwortlich sey/ so daß man allenthal- ben an uns ruͤhmen moͤge/ wir haben unsere Macht nicht mißbrauchet/ sondern vernuͤnftig und erbar gehandelt. Nun bringet aber aller verstaͤndigen und der Gerechtigkeit ergebenen Voͤlker Recht es mit sich/ dz der Beleidigte allemahl zu erst dem Beleidiger sein Verbrechẽ voꝛhalte/ uñ vor angefuͤgten Schimpf und Schaden gebuͤhꝛlichen Abtꝛag uñ Gutmachung fodern lasse/ so daß/ wann jener sich zur Billigkeit erbeut/ man den Zwiespalt und die Fehde durch friedliebende verstaͤndige Maͤñer ohn Streit uñ Blutveꝛgiessen hinzulegẽ sich bemü- het/ wil aber die Guͤte nicht haften/ dann so kuͤndiget man ihm den Krieg billig an/ und su- chet durchs Schwert/ was durch das Recht nicht zuerhalten ist. Und also halte ich vor bil- lich und best/ daß in dieser wichtigen Sache man den gelindesten Weg auch vor die Hand nehme/ damit hernaͤhst/ wann derselbe nicht zureichen wil/ man die umliegende freien Koͤ- nigreiche und Herschafften/ von solcher Ungerechtigkeit uñ erlittenen Gewalttaht Bericht tuhn/ und ihren Beistand/ da man dessen benoͤhtiget waͤhre/ suchen uñ erlangen koͤnne/ wel- che in einer so gerechten Sache ihre Huͤlffe dem Pannonischen Reiche nit versagen weꝛdẽ. Endlich setzete er hinzu/ man haͤtte wol zubedenken/ daß Boͤhmen und Teutschland in en- ger Verbuͤndniß sehr maͤchtig waͤhren/ denen nunmehr Frießland und Wendland zu Ge- horsam stuͤnde/ auch Schweden und Daͤnenmark/ ja wol das Roͤmische Reich selbst sie nit huͤlf-loß lassen duͤrften/ um welches sie neulicher Zeit sich wol verdienet gemacht/ und ihnẽ zu Dienste/ der Pannonier Feindschaft uͤber sich gezogen haͤtten; welches alles/ wañ ers bey sich erwoͤge/ nichts anders mit sich braͤchte/ als daß dieser Krieg ein grosses nach sich zoͤhe; zu geschweigen daß man von unterschiedlichen Wunder-begebnissen sagen wolte/ welche ihre geistlichen mehrenteils vor sehr ungluͤklich und dem ganzen Reich draͤuend/ auslege- tẽ; Ist demnach meine unvorgreifliche Meinung/ wiederholete er/ daß man vor erst den ge- lindesten Weg gehe/ und Abtrag in der Güte fo dere; wie wol ich bereit bin/ einem heilsame- ren und vortraͤglichern Rahte gerne zuweichen/ insonderheit dem Koͤniglichen Schlusse ohn einiges Wiedersprechen mich zu unterwerffen. Als dieser geendiget hatte/ wahr die Ordnung an Agiß/ dem Reichs- und Hof-Marschalk/ welcher ein auffrichtiger frommer Mann wahr/ und ihm seines Koͤniges Heil und gemeines Landes Wolfahrt mehr als kein ander ließ angelegen seyn; aber Dropion wahr ihm uͤberaus gehaͤssig/ trachtete ihm auch nach Ehr und Leben/ weil in unterschiedlichen Sachen er sich dessen Boßheit zu des Koͤni- ges Nutzen entgegen gesetzet hatte. Er wahr schon zimliches alters von 63 Jahren/ uñ hat- te sich beyde durch Krieges- und Friedes Haͤndel um dz Vaterland wol verdienet gemacht. Dieser hatte sich schon in etwas erkundet/ mit was Vorsaz Dropion umging/ aber er durf- te sichs gegen niemand merken lassen/ weil dieser Wuͤterich durch seinen grossen Anhang viel zumaͤchtig wahr; ging demnach auch vor dißmahl und bey dieser Sache gar behuht- sam/ und stimmete bey der ersten Frage nicht allein ganz nach Dropions Willen/ sondern ruͤhmete auch dessen Heldenmuht/ daß er ihm mit solchem Eyfer seines Koͤniges und des Vaterlandes Ehre liesse angelegen seyn. Bey der anderen Frage aber fiel er dem Unter- Stat- Achtes Buch. Stathalter Mastyes allerdinge zu/ und zwar unter diesem Scheine/ als hielte er vor gewiß/ dieser wuͤrde es mit jenem schon also uͤberleget und abgeredet haben; nur daß er hinzu setze- te/ das Geruͤcht erhoͤbe den jungen nunmehr schon gekroͤneten Teutschen Koͤnig Herku- les und den Boͤhmischen Ladisla sehr hoch/ ob haͤtten sie so trefliche Helden-Tahten in Peꝛ- sen verrichtet/ daß man sie daselbst vor die allertreflichsten/ kluͤgesten/ erfahrnesten uñ gluͤk- lichsten Helden schaͤtzete/ und man davor hielte/ es muͤste der Himmel den Sieg dahin len- ken/ wo diese Beistand leisteten; wie man sich dañ billich daruͤber verwunderte/ daß sie den tapferen Wendischen Fuͤrsten Krito/ und sein wolgeuͤbetes Heer mit so gar geringem Ver- lust nidergelegt und sich Frieß- und Wendlandes ohn Schwertschlag/ und so zureden/ im Augenblik bemaͤchtiget; uͤberdas noch den algemeinen Aufstand der Teutfchen Untertah- nen/ ehe man sichs versehen moͤgen/ beygelegt und auffgehoben haͤtten; wie solches dem Koͤ- nige schon vor etlichen Tagen durch vertrauliche sichere Hand zukommen waͤhre. Hiemit endigte er seine Rede/ und untergab sich des Koͤniges schließlichem Macht Spruche. Dem Dropion wahr dieser beider Stimme uͤberaus zuwieder/ haͤtte auch gerne dazwischen ge- redet/ wann er ihm nit dadurch ungleichen Verdacht zugezogen haͤtte/ schwieg aber um so viel lieber/ weil die Ordnung zuredẽ an Pyrechmes den Unter Marschalk wahr/ der ihm als sein Geschoͤpf und Befoderter schlechter Dinge anhing/ auch von ihm schon unterꝛich- tet wahr/ wie ers am liebsten sehen moͤchte; daher dann dieser/ ohndas ein frecher ruchloser Mensch/ allen Wiz zusammen suchete/ wie er dieser beiden Vortrag hintertreiben koͤnte/ uñ fing also an: Großmaͤchtigster unuͤberwindlichster Koͤnig und ihr tapffere und getraͤue Vaͤter unsers Vaterlandes; wann meine Pflicht und Schuldigkeit ich betrachte/ weiß ich schon wol/ daß in dieser hoͤchstwichtigen Reichs Beredung ich mein Gutduͤnken aufrich- tig und unverhohlen werde sagen muͤssen/ welches doch den Verstaͤndigern weichen/ und meinem allergnaͤdigsten Koͤnige unterworffen seyn sol. So bin ichs nun mit dem Herrn Stathalter Mastyes/ und dem Reichs- und Hos Marschalk Herr Agiß/ bey der ersten Fra- ge allerdinge eins/ als welche kein Biederman anders beantworten wird. Daß man aber des eingenommenen Schimpfes Abtrag noch lange in der guͤte fodern/ und gleichsam vor der Tuͤhr betteln/ auch den Krieg mit sonderlichem Prunk ansagen wolte/ halte ich vor un- noͤhtig/ vor schimpflich und vor schaͤdlich. Vor unnoͤhtig halte ich die Friedenshandlung; dann wie wolten uns dieselben in Ruhe und Friede leben lassen/ welche ohn ursach und ohn vorhergangene Beleidigung/ die Koͤniglichen und Reichs-Gesanten/ in Warheit die treflichsten Saͤulen dieses Reichs/ feindlich anfallen/ bestreiten und niderhauen/ bloß nur/ unser ganzes Reich zuschaͤnden und in Ungemach zusetzen. Werden wir mit solchen ver- waͤgenen Ansprengern Friede zuhandeln suchen/ da wir beleidiget sind/ und niemand belei- diget haben; ich meyne/ sie werden druͤber ruͤhmen und pralen. Die Pannonier fuͤrchten sich eines ernstlichen Angriffs werden sie sagen/ drumb kommen sie ungefodert und bieten uns die Schmukhand/ damit sie vor unserm Schwerte moͤgen sicher seyn; ey wie ein fei- nes Naͤsichen werden wir alsdann bekommen/ und unsem Koͤnige heim bringen; Zihet hin/ werden sie sagen/ und seyd fein from/ so sollet ihr keine Staͤupe haben. Und das wuͤrde auch/ muß ich bekennen/ die rechte Antwort seyn. Aber gesezt/ sie nehmen unsern Friedens- Vertrag etwas ehrerbietiger an; haben sie dann zu dem Ende uns in Spot und Schadẽ x x x x ij gesezt/ Achtes Buch. gesezt/ daß sie es wieder gut machen wollen? Haben sie uns die zehnjaͤhrige Schatzung/ wel- che wir den Roͤmern geben muͤssen/ zu dem ende abgedrungen/ daß an unser stat sie diesel- ben erlegen wollen? Ich weiß schon die glimpflichste Antwort/ welche sie uns geben koͤn- nen: Ihr Pannonier muͤsset in eurem Ungluͤk zufrieden und geduldig seyn; das Gluͤk hats also uͤber euch verhaͤnget; Wir haben unsern Leib an den euren gewaget/ und durch einen redlichen Kampff den Sieg erhalten; waͤhre das Messer an unser Seite unmahl gefallẽ/ haͤtten wir ja muͤssen damit zufrieden seyn. Sehet ihr meine Herren/ das wird ihre hoͤflich- ste Antwort uns zum Trost geben; Koͤnnen wir nun damit zufrieden seyn/ je was wollen wir dann noch Kosten auff die Gesandschafft wenden? Wil uns aber diese ihre Erklaͤrung nicht behagen/ warumb wollen wir sie dann mit unser Beschimpffung anhoͤren? Unser Schwert und Feur muß der Gesante seyn/ welcher unsere Sache werben kan/ dann eben diesen haben sie an uns geschicket. Oder sind wir schlimmer als die kahlen Boͤhmen und nackete Teutschen? Lasset uns keine Friedens Gedanken tichten/ da sie nicht hafften koͤñen/ sondern solches unnuͤtze Spiel unsern Kinderchen anbefehlen. Der Krieg/ der muhtige uñ vorsichtige Krieg muß den Schimpff abwischen/ und den Schaden mit grossen Zinsen wieder einbringen. Auff was weise aber ist dieser von uns an die Hand zunehmen? Sollen wir einem offenbahren muhtwilligen Feinde denselben noch eine zeitlang vorher ansagen/ welcher ohn alle Absagung die unsern überfallen und nidergeschlagen hat? Was waͤhre das anders/ als solchen ungerechten Feind warnen/ er solte sich rüsten/ er solte sich nach Huͤlffe umtuhn/ er solte Italien/ Schweden/ Daͤnnemark/ Frieß- und Wendland/ und al- le die sie wissen/ wider uns auffwiegeln/ und uns als eine Fluht von allenthalben her uͤber- schwemmen/ weil er vor sich selbst zu schwach ist/ uns Widerstand zuleisten. Ein schoͤner Vortel an unser Seite/ da wir unser eigen Ungluͤk erbetteln sollen. Aber wir muͤssen ihnen gleichwol vorher absagen/ moͤchte jemand einwenden/ damit wir unser Sachen Gerech- t igkeit andern Koͤnigreichen darlegen. Ey es bedarffs nicht ihr meine Herren/ es bedarfs nicht. Wir haben uns umb fremde Huͤlffe gegen diesen Feind nicht zubewerben/ die wir viel einem maͤchtigern vor uns selbst gnug gewachsen sind. So wuͤrdẽ auch unsere Nach- barn ohn zweifel es uns zum Unverstande auslegen/ dz wir einem Beleidiger durch War- nung den Harnisch selbst anzihen wolten. Am besten wird es seyn/ daß wir ihre getahne Absagung gnug seyn lassen; dann wir wollen den Feind nicht ausfodern und angreiffen/ sondern der uns durch die weltkuͤndige Beleidigung ausgefodert/ und schon angegriffen hat/ entgegen treten/ und seinen Frevel von uns abtreiben. Diesem nach muͤssen wir die auffgebohtenen Voͤlker in aller Eile zusammen führen (dann der Krieg ist schon in unser vorigen Versamlung beschlossen worden) und uns unter einander aͤidlich verbinden/ daß keiner lautkuͤndig mache/ worauff unsere Kriegsruͤstung angesehen sey. Ja es muͤssen die Grenzen nach Boͤhmen zu/ wol besetzet werden/ nebest genaufleissiger Auffsicht/ daß nie- mand von uns dahin reise/ welcher ihnen einige Zeitung unsers Vorhabens bringen koͤn- ne. Schliesse hiemit/ und wiederhohle mein anfaͤngliches erbieten. Mastyes und Agiß hoͤ- reten eigentlich/ daß dieser nicht allein die Stim̃e/ sondern auch die Worte aus Dropions Maul genommen hatte/ daher merketen sie/ daß dieser Frevel unter so scheinbahren Ursa- chen durchdringen wuͤrde/ weil ihnen die Freyheit benommen wahr/ solche heillose Gruͤn- de durch Achtes Buch. de durch wichtige Ursachen anzugreiffen und umzustossen. So ließ uͤberdas der Koͤnig schon spuͤren/ daß ihm dieses Vorbringen nicht uͤbel gefiele/ als er den tapferen Hyppasus/ seinen lieben und getraͤuen Raht und Feld Obersten Wachtmeister mit diesen Worten anredete: Lasset euch nun auch vernehmen/ mein redlicher Hyppasus/ was ihr wider unse- re frevelmuͤhtige Feinde stimmen wollet. Wir reiten schon in zween Hauffen/ allergnaͤ- digster Koͤnig/ antwortete er/ und duͤrffte ein redlicher Diener fast bedenken tragen/ sich weiter heraus zulassen/ weil er nohtwendig der einen Meinung beyfallen/ und die andere verlassen muß/ da er dann dessen seine Ursachen anzuzeigen/ und die mißfaͤllige zuwiderle- gen gezwungen wird; dessen ich mich aber nicht zubefuͤrchten habe/ weil eine zeitlang da- nider zu Bette gelegen/ und von den uns angefügeten schweren Beleidigungen/ daruͤber der Marschalk Herr Pyrechmes klaget/ wenig Wissenschafft habe; nur daß vor etlichen Jahren ich verstanden/ daß Herr Bato von dem jungen Fuͤrsten Herkules nidergehauen sey/ jedoch vor freyer Faust/ und da der Sieger mit schweren Scheltworten ausgefodert ist; So weiß ich auch/ daß unterschiedliche Pannonische Schaaren von den Teutschen und Boͤhmen etwas Abbruch gelitten haben/ aber da sie jene angesprenget/ und zu ihrem selbst eigenen Schutze sie genoͤhtiget/ welches auch in der lezten zimlich harten Niderlage also ergangen. Der ritterliche Pines ist von Herkules über wunden und zum Leibeigenen gemacht/ aber er ist ja Ausfoderer gewesen/ und meldet nit allein das Kaͤyserliche Schrei- ben/ sondern auch der zuruͤk geschicketen Diener Zeugniß einhellig/ daß Herkules von Herr Pines fast zum Kampff genoͤhtiget sey/ mit der Bedraͤuung/ da er ihm zu Padua nicht fuß halten wuͤrde/ wolte er ihn so lange verfolgen/ biß er wol solte stehen. Von anderen Belei- digungen weiß ich nicht zusagen; trage demnach billich bedenken/ mich weiter heraus zu lassen/ wiewol ich nicht zweifele/ man werde Ursachen gnug haben/ ob sie mir gleich verbor- gen sind; und bitte untertaͤhnigst/ Ihre Koͤnigl. Hocheit wolle aus beyden schon vorgetra- genen Meinungen die behaͤglichste allergnaͤdigst erwaͤhlẽ/ dem wir zweifels ohn ingesamt Beyfal geben werden. Der Koͤnig besan sich auff dieses Vorbringen/ und Drovion waͤh- re schier vor Eifer geborsten/ maͤssigte sich doch uͤber vermoͤgen/ und kunte sich nicht inne halten/ den Koͤnig also anzureden: Großmaͤchtigster Koͤnig; demnach der Feld Obrist- Wachtmeister sich mit seiner Unwissenheit entschuldiget/ wie er dañ wegẽ Leibesschwach- heit bey unser vorigen Versamlung nicht erschienen ist/ halte ich davor/ er koͤnne mit wei- terer Stimmung wol verschonet werden. Nicht also/ antwortete Mnata; sondern gleich wie ihr alle mit einander eure endliche Meinung sagen muͤsset/ und zum teil schon gesaget habet/ also muß Hyppasus auch tuhn; jedoch also/ daß/ wie unserm lieben getraͤuen Py- rechmes es kein Mensch veruͤbeln sol/ daß er wider die beyden vorhergegangenen Stim̃en seine Gedanken ausgedruͤcket hat/ also sol einem jeden in dieser Reichsversamlung nicht allein frey stehen/ sein Gutduͤnken offenherzig anzusagen/ sondern auch dessen Ursachen einzufuͤhren. Der Stathalter Herr Dropion hat recht geurteilet/ antwortete Hyppasus/ daß wegen meiner Unwissenheit ich mit weiterer Stimmung koͤnte verschonet werden; weil aber Euer Koͤnigl. Hocheit gnaͤdigster Wille mir Befehls gnug seyn muß/ und ich uͤber das noch das ernstliche Gebot vor mir habe/ wil ich ausser Zweifel setzen/ daß wir nicht vielfaͤltig solten beleidiget seyn/ und stimme darauff mit dem Stathalter Herr Ma- x x x x iij styes; Achtes Buch. styes; daß ein jedes Koͤnigreich/ krafft durchgehender Gerechtigkeit/ über das gemei- ne Recht aller Voͤlker steiff zuhalten schuldig sey/ ob gleich die unbedachtsamen Feinde solches nicht in obacht nehmen wolten. Zwar wir sind beleidiget/ wie ich nicht zweifeln wil; aber sollen wir aus diesem Grunde nicht mit Vorbehalt unser Ehren und Ansehens ver- suchen/ ob der Feind auff ergangene großmuͤhtige Erinnerung in sich gehen/ der Billigkeit stat geben/ und den groben Fehler verbessern wolle? Ja sollen wir aus eben demselben Grunde ihm auff den fal der Wegerung nicht den Krieg ankündigen/ sondern ihn unge- warnet anfallen/ so wuͤrde daraus folgen/ daß nur der erste Beleidiger solche beyderley vornehmen/ und der Beleidigte sich deren enthalten muͤste/ welche Meynung ohn zweifel viel Widersprachs bey den Kriegs- und Rechtsverstaͤndigen finden würde; Und kan uns von vernuͤnfftigen redlichen Leuten (der unwissenden muß man nicht achten) nicht vor ei- nen Unglimpff ausgeleget werden/ daß wir dem frevelhafften Beleidiger friedlichen Ab- trag anfodern/ nebest dem ansdruͤklichen Bedinge/ daß im widrigen falle uns nicht unbe- wust sey/ wie wir des empfangenen Schimpfes und Schadens halben Erstattung zusuchẽ wol befuget sind/ und das Herz haben/ uns mit dem Schwerte dessen beydes zuentschuͤtten. Wird dañ der Feind auch solches in dẽ Wind schlagen/ und sich zur Gegenwehr ruͤsten/ so stehet uns ja besser/ dz wir fechten als rauben/ dz wir unser Recht gebuͤhrlich suchẽ/ als die- bischer weise stehlẽ; es waͤhre dann/ dz wir uns vor unsern gewaffnetẽ Feinden fürchteten/ uñ dieselben lieber ermordẽ als bestreiten woltẽ. Jedoch duͤrfen wir nit gedenkẽ/ der Feind werde auf unsern unabgesagten Anfal alsbald ve lohrẽ geben/ das Land verlauffen/ und der gegenwehr vergessen. Sie kommen erst aus dem Kriege/ sind des fechtens wol gewohnet/ und wegen des neuen erst erhaltenen Sieges sind sie muhtig; ja wer weiß ob sie ihr tapferes Heer nicht mehrenteils noch beyeinander haben/ und nichts mehr wuͤnschen/ als daß wir durch unrechtmaͤssiges vornehmen unsere Sache verdaͤchtig und ihre scheinbar machen/ welches ihre Voͤlker zur herzhaftigkeit anspornen wird? Ich kan mir durchaus nicht ein- bilden/ daß ihnen unsere starke Kriegsverfassung allerdinge solte unbewust und verborgen seyn. Diesem allen nach ist mein gutachten/ man handele nach Herrn Mastyes vorschlage/ wo sonst nicht des Koͤniges Machtschluß ein anders gebeut/ auf welchen fall ich meine mei- nung billich zu endeꝛn habe. Die Anwesende/ so viel ihrer des Koͤniges und des Vaterlan- des beste sucheten/ kahmen zu weit anderen Gedanken/ als sie mit sich in die Versamlung gebracht hatten/ und wurden sehr wankelmuͤhtig/ ob man auch in warheit von dem Teut- schen und Boͤmischen Koͤnige beleidiget waͤhre; dann daß dieser seine unwissenheit vor- wendete/ geschahe bloß darumb/ daß er Dropions ungunst und Zorn nicht wolte durch die runde wiedersprechung auff sich laden. Doch sahen die in zweifel gerahtene/ das solches in obacht und beredung zu nehmen (ob man beleidiget waͤhre oder nicht) nunmehr zu spaͤte seyn wuͤrde. Der Koͤnig selbst saß als waͤhre er nicht bey sich selber/ waͤhre auch durch die eingefuͤhretẽ Haͤuptgruͤndeschier auff andere Meinung gebracht/ wann nicht der dum- kuͤhne Pelegon/ Dropions ergebener/ ein Feldhaͤuptman uͤber ein fliegendes Heer/ mit sei- ner ungestuͤmigkeit dem Fasse gar den Bodem ausgestossen haͤtte/ in dem auff Koͤniglichẽ Befehl er also anfing: Solte ich ein hocherhabener Pannonischer Koͤnig seyn/ und mei- nen mutwilligen Beleidiger mit sanften friedfertigen Worten ersuchen/ daß er den ange- legten Achtes Buch. legten Schimpff gutmachen/ und den Schaden erstatten moͤchte? davor wolte ich den Stand eines tapferen schlechten Ritters oder Fechters waͤhlen/ als welcher die Freiheit hat/ auff denselben zuzustossen und zu hauen/ der ihn angreiffet; ja ein Baur wuͤrde mehr Recht haben als unser Koͤnig/ weil er seinem Pfluggesellen eine Ohrfeige wieder beut/ wañ er zuvor eine empfangen hat. Haben wir noch nicht Schimpfs gnug erlitten/ da man sich genoͤhtiget hat zu unsern Gesanten/ wie dieselben durch schelmische Zaubergriffe angeta- stet/ beschimpfet und nidergelegt wuͤrden; und wir wollen den Frieden noch darzu betteln? dafern dieser Raht gelten solte/ werde ich mir ein ander Land suchen muͤssen/ in welchem ich ohn der Teutschen und Boͤhmen beschimpfung leben koͤnne/ dann ich sehe schon zuvor/ wie statlich uns diese nichtwerte Landlaͤuffer trillen werden/ zweifele auch nicht/ mañicher redlicher Mann werde mit mir eines vorhabens seyn. Ich moͤchte aber gerne wissen/ was vor eine Erstattung wir durch Friedeshandelung von diesen unsern abgesagten Feinden begehren wollen. Sollen sie den Schimpff und Schaden mit Gelde buͤssen? dessen ha- ben wir/ dem Gluͤk sey dank/ schon uͤberfluͤssig; oder sollen sie die Beleidiger zur Straffe heraus geben? Ey ihre Herscher sind es ja selber/ die werden sich dem Buͤttelsschwerte nit unterwerffen/ so lange sie sich wehren koͤnnen. Auch muͤsten wir solche Handelung nicht mit ihnen/ sondern mit ihren Untertahnen anstellen/ welches ja nicht geschehen kan/ und ist in aller Welt wol unerhoͤret/ daß man einen Beleidiger durch friedliche Handlung zur Le- bensstraffe fodert/ wie ich dann aus meines gnaͤdigsten Koͤniges Munde bald anfangs ge- hoͤret habe/ daß der angelegte Schimpf (von dem Schaden wil ich nicht reden) durch keine andere gnugtuhung/ als durch der frevelmuͤhtigen Blut bey seiner Hocheit koͤnne ausge- soͤhnet werden; welchen recht Koͤniglichen Schluß/ woran Pannonischen vorzuges Ehr und Ansehen hanget/ ihre Hocheit nimmermehr wiederruffen wird/ und mus aus diesem unwiedertreiblichen grunde alle guͤtliche Handelung verstieben und von sich selbst ver- schwinden. Aber unser Koͤnig sol durch der Voͤlker Recht gehalten seyn/ diesen ehrenschaͤn- digen Beleidigern den Krieg anzukündigen. Ey warumb? ich habe mich in den Rechst- haͤndeln nicht hoch verstiegen; aber dieses Voͤlker Recht/ ja dieses eingepflantzete Recht weiß ich wol/ daß ich mich unabgesaget wehren sol/ wann ich angefallen bin/ oder ich duͤrf- te mir des Feindes Schwert selber in das Eingeweide rennen. Auff auff meine Herren/ Freunde und Bruͤder/ auff auff/ und lasset uns der ganzen erbaren Welt zeigen/ daß Pan- nonische Tapferkeit annoch in voller bluͤte stehe/ und die Erndte nahe sey/ da sie ihre herliche Frucht einsamlen muͤssen; alsdann wil ich mein Haͤupt nicht sanfte legen/ der Zaͤuberer Herkules und sein Schmeichler Ladisla muͤssen dann zuvor gebendiget/ und unsere Goͤt- ter durch ihr Blut versoͤhnet seyn. Man sahe es dem Koͤnige an/ daß ihm dieser Vortrag wol gefiel/ insonderheit/ als acht Raͤhte und Obersten nacheinander dieser Stimme bey- pflichteten; und ob zwar Amythaon und seines Bruders Sohn Deon den gelindern Weg als den erbarern ihnen gefallen liessen/ welche beyde ihrem Koͤnige sehr getraͤulich dieneten/ so ging doch aller übrigen Stimme dahin/ wie es Pyrechmes und Pelegon getrieben hat- ten/ weil sie wusten/ daß ihrem Befoderer Dropion es also gefiel/ und zugleich merketen/ dz der Koͤnig auch nicht dawieder wahr. Hier muste nun der Oberstathalter Dropion seine meinung sagen/ welcher vor erst wiederhohlete/ was vor unleidlichen Schimpf das Pan- noni- Achtes Buch. nonische Reich von dem Boͤhmen und Teutschen eingenommen/ welches doch alles ver- kehret angezogen/ und unsern beyden Helden angetichtet ward/ als haͤtten sie sich nur die Pannonier zubeschimpffen in den Streit mit Pines gemischet/ wie desgleichen auch Bato ohn alle gegebene Ursach von Herkules waͤhre beleidiget/ und meuchlischer weise erlegt worden/ alles dem Pannonischen Reiche zu troz; haͤtte uͤberdas von vertraueter Hand/ dz sie von dem Roͤmischen Kaͤyser grosse Gelder empfangen/ Pannonien zubestreiten/ solches Land mit ihm zu teilen/ und alle Inwohner entweder zu toͤdten/ oder in wuͤste Laͤnder/ solche zu bauen/ zuversetzen; welches sie untereinander mit ihrem Blute solten verschrieben ha- ben; ob dann nicht ein kindisches Vornehmen seyn wuͤrde/ wann man mit ihnen gütliche Handlung wolte pflegen/ welche nicht allein dahinaus schlagen wuͤrde/ daß man Spot zu lohn bekaͤhme/ sondern man haͤtte sich zuversichern/ daß der Boͤhme ein gutes Stük des Pannonischen Reichs/ zur erweiterung seiner Herschaft fodern wuͤrde/ welches anzuhoͤren ganz unleidlich waͤhre. Hielte demnach unnoͤhtig und allerdinge überfluͤssig/ daß man ei- nem Landkuͤndigen Freveler/ welcher die begangene beleidigung weder leugnen koͤnte/ noch zubereuen willens waͤhre/ dẽ Krieg lange vorher solte ankuͤndigẽ; dañ hiedurch wuͤrde man den Feinden anlaß geben/ ihre Grenzen aufs staͤrkeste zubesetzen welche ohndas zimlich veꝛ- wahret waͤhren/ und duͤrfte man auff diese weise gnug zu tuhn bekommen/ ehe man sich der Grenz-Festungen wuͤrde bemaͤchtigen koͤnnen/ wo nicht wol gar die Feinde den Krieg auf dem Pannonischen Bodem zu fuͤhren sich bemuͤhen duͤrften. Doch stellete ers endlich ih- rer Koͤniglichen Hocheit alles anheim/ ob man den Frieden erbetteln/ oder durch tapfere Faust Boͤhmen erstreiten solte/ da er dann dessen Machtspruche sich willigst hiemit wolte unterworffen haben. Woldann in Gluͤckes Nahmen/ sagte der Koͤnig; so sey hiemit der Krieg wieder unser abgesagte Feinde die Boͤhmen und Teutschen beschlossen/ also und deꝛ- gestalt/ daß wir keines weiteren absagens noͤhtig haben/ vielweniger eine guͤtliche Hand- lung vornehmen wollen/ die uns nichts als Schimpf und verachtung bey den Feinden zu- zihen wuͤrde. Sollen demnach die Voͤlker in moͤglichster Stille/ und inwendig drey Wo- chen beyeinander seyn/ auff das unsere unbefugete Beleidiger schleunig und mit schmerzen empfinden moͤgen/ was es vor nutzen bringe/ wann man die unüberwindliche Pannoni- sche Macht zu Zorn und Eifer reitzet. Euch aber Herr Stathalter Dropion/ sol hiemit und Kraft dieses das hoͤchste algemeine Feldmarschalks Amt auffgetragen und anbefohlen seyn/ unser lieber getraͤuer Agiß aber euch/ als der naͤheste nach euch/ zugegeben werden/ mit welchem ihr alles bereden/ und in Raht stellen sollet; wird euch beyden also volkom̃ene Gewalt Kraft dieses/ erteilet/ diesen Krieg anzufangen/ zu fuͤhren/ und zu endigen/ wie euch und den hohen Kriegshaͤuptern solches am vortraͤgligsten duͤnken wird; jedoch daß/ wann der Feind Handelung und Abtrag anbieten wuͤrde/ uns solches zugeschrieben/ und unser Befehl daruͤber eingehohlet werde. Hierauff verpflichtete sich Dropion/ den Boͤmischen Koͤnig lebendig oder Tod zu liefern/ wann sein gnaͤdigster Koͤnig ihn zur belohnung mit dem Boͤmischen Reiche belehnen wolte; welcher unverschaͤmten Anfoderung nicht allein der Koͤnig und seine Getraͤuen/ sondern der groͤste teil seines eigenen anhanges erschraken/ daß wenig fehlete/ der Koͤnig haͤtte ihn deswegen scharf angegriffen/ doch maͤssigte er sich/ und gab ihm zur Antwort; er solte alle gebuͤhrliche Traͤue und moͤglichen Fleiß anwenden/ auch Achtes Buch. auch hinwiederumb aller Koͤniglichen Gnade von ihm gewaͤrtig seyn. Dropion hatte ihm die Hofnung gemacht/ nicht allein die ungemaͤssene Macht und Freiheit uͤber das ganze Heer vor sich allein zuerhalten/ sondern auch dieses seines anmuhtens gewehret zu seyn; als er aber in beyden fehlete/ verdroß ihn solches nicht wenig/ setzete doch das lezte aus/ und bemuͤhete sich den Agiß von seiner Seite zu schaffen/ als welchen nunmehr das Alter an- finge zuberuͤcken/ und oft gute heilsame Anschlaͤge zerfloͤssen/ wann die Haͤupter noch erst lange daruͤber zweieten. Aber der Koͤnig/ welcher von seinen gefaͤhrlichẽ Anschlaͤgen schon etwas nachricht hatte/ gab zur Antwort; er haͤtte nicht weniger seinen Raht und Marschalk Agiß/ als ihn Dropion darzu erwaͤhlet/ daß sie gesamter Hand an seine stat alles richten uñ fortsetzen solten/ wie solches dem Pannonischen Reich am vortraͤglichsten und heilsamsten waͤhre/ dessen auffnahme durch diesen Krieg gesuchet wuͤrde. Zwar Agiß stund auff/ und baht instaͤndig/ Koͤnigliche Hocheit moͤchte allergnaͤdigst ihre Meinung endern/ und ihn dieser Last entheben; aber er blieb bestaͤndig auff seinem vortrage/ nur daß er endlich einwil- ligte/ es moͤchten Mastyes und er das Loß drumb werffen/ wer unter solchem Amte mitge- hen/ oder im Reiche als Stathalter verbleiben solte. Welches Dropion vernehmend/ dar- zwischen redete/ es haͤtte die Meinung nicht/ als ob er Herrn Agiß unlieber als einen an- dern neben sich dulden koͤnte/ sondern weil dem Koͤnige gefiele/ ihm ein Neben Haͤupt zuzu- ordnen/ waͤhre er mit dem Marschalk wol zu frieden/ uñ hoffete in guter einigkeit mit dem- selben zu leben/ und des Vaterlandes beste zu schaffen. Dieses aber brachte er aus ertichte- tem Gemuͤht vor/ dann er wahr Agiß von herzen feind/ aber weil er vor Mastyes sich noch am meisten fūrchtete/ wolte er aus zweien vermeineten Ubeln das geringste waͤhlen. Nach dem diese Versamlung von einander gelassen wahr/ gingen Mastyes/ Agiß/ Hyppasus und Amythaon in geheim zu dem Koͤnige/ und stelleten ihm vor zubetrachten/ mit was ho- hen Gedanken Dropion umginge/ und nicht haͤtte verbergen koͤnnen/ dz er bloß zu seinem besten diesen Krieg triebe/ damit er eine Krone auff sein Haͤupt bekaͤhme/ welches ausser zweifel nirgend anders hin gespielet waͤhre/ als daß er der Pannonischen auch bald teilhaf- tig werden moͤchte; waͤhre demnach sehr noͤhtig/ daß man ihm nach aͤusserster Moͤgligkeit die Karte versteckete/ also und dergestalt/ daß ihm etliche des Koͤniges Getraͤue zu hohen Kriegs Raͤhten und Befehlichshabern zugegeben würden/ und hinwiederumb/ Verdacht zumeiden/ dem Agiß etliche verdaͤchtige; also wuͤrde allenthalben vielem Unheil vorge- bauet werden koͤnnen. Dieses ward angenommen/ und musten Hyppasus und Amythaon dem Dropion zutreten; bey Agiß aber/ welcher sonst lauter Getraͤue umb sich hatte/ Py- rechmes und Pelegon verbleiben/ welches abermahl Dropion sehr zuwider wahr/ und sich dessen doch nicht durffte merken lassen/ nahm ihm auch vor/ im Anfange behuhtsam zuge- hen/ und mit der Zeit allen Verdacht abzulehnen. Er wahr sehr geschaͤfftig/ das Heer in aller stille zusamlen/ welches mitten im Reich geschahe/ da 180000 wolgeuͤbete und beweh- rete Pannonier zusammen gebracht wurden/ als 93000 zu Pferde/ und 87000 zu fusse/ und in bestimmeter Zeit zum Auffbruch fertig lagen. Dropion bekam 55000 zu Pferde/ und 50000 zu Fusse; Agiß 38000 Reuter/ und 37000 Fußknechte; welche aber umb besserer Einigkeit willen offt durcheinander versetzet/ sich lagern und fortzihen musten. Agiß taht dem Dropion als dem Ober Haͤupt grosse Ehre an/ und willigte in alle seine Vorschlaͤge/ y y y y weil Achtes Buch. weil sie von diesem listigen anfangs also angelegt wurden/ daß man sie dem Vaterlande vor ersprießlich halten muste; So wahren auch Hyppasus und Amythaon gnugsam un- terrichtet/ wessen sie sich/ Verdacht abzulehnen/ bezeigen solten/ und nur darauf fleissig meꝛ- ken/ was vor welche dem Dropion vor andern anhingen/ und nicht unterlassen/ die gemei- nen Knechte und Unter-Befehlichshaber in des Koͤnigs Gewogenheit zuerhalten. Die- ses grosses Heer/ da es noch eine halbe kleine Tagereise von den Boͤhmischen Grenzen war/ ward in sechs Reüterhauffen und so viel Fuß Heere verteilet/ und einem jeden Befehl ge- geben/ an was Ort und Enden sie einfallen solten/ welches auff eine gewisse Stunde des folgenden Tages geschehẽ muste; wie sie auch als eine straͤnge Fluht/ ehe mans inne ward/ loß brachen/ und die Grenz Festungen zuuͤberrumpeln meyneten/ welches ihnen doch miß- riet/ dann Ladisla hatte sie aus Vorsorge bald bey seiner ersten Wiederkunfft mit starker Besatzung versehen/ uñ gute Befehlichshaber hinein gelegt; doch musten sie endlich gewon- nen geben/ dann der Feind stuͤrmete Tag und Nacht unauffhoͤrlich/ biß er sie erhielt/ und alles/ so wol Inwohner als Besatzung nidermatzete/ wiewol er uͤber 20000 Mann davor sitzen ließ/ welche zwar alsbald wieder ergaͤnzet wurden/ muhtmasseten aber daher/ daß ih- res Bluts in diesem Kriege viel drauff gehen wuͤrde. Eines taht ihnen grossen Schadẽ/ daß sie nicht alsbald fortzogen/ sondern nach eroberten Festungen den Voͤlkern dreytaͤgi- ge Ruhe gaben/ alles zuveꝛschwenden/ was in diesen Staͤdten gefunden ward; dañ hiedurch gewunnen die unsern Lufft/ daß sie sich gefasset machen kunten. Baldrich und Siegward/ wie zuvor gemeldet/ gingen ihnen mit 48000 wolgewap- neten Reutern entgegen/ da ihnen eine unglaͤubliche menge der Inwohner mit ihren Wei- bern und Kindern aufsties/ dann sie lieffen alle davon/ und liessen Vieh/ Korn und alles im Stiche/ nur daß sie ihre Baarschafften und das Leben retten moͤchten/ wie wol etliche ih- rer Pferde/ Ochsen/ uñ Kuͤhe nicht vergassen/ auf welchen ihrer viel noch die besten Sachen fortschleppeten. Baldrich ließ alle erwachsene Mannes bilder anhalten/ und sendete deren in zween Tagen 15000 nach Prag/ daß sie mit Gewehr und Waffen solten versehen wer- den. Ladisla hatte zu diesen noch 16000/ von denen allen wurdẽ die helfte beꝛitten gemacht; und unter Leches nach Baldrichs Heer fort geschicket. Der Feind drang schleunig zum Lande hinein/ und die unsern gingen ihnen nicht langsamer entgegen/ da sie des Elendes zeitig gewahr wurden/ weil sie des Nachtes von ferne viel Doͤrffer und Flecken sahen in hellem Feur stehen/ und daher zu rahte wurden/ ihnen in guter Behutsamkeit zu naͤhern/ damit solchem Land-Verderben gesteuret wuͤrde. Siegward ging mit 6000 wolberitte- nen voraus/ uͤmb zu vernehmen/ ob man dem Feinde nicht einen einfall thun/ und ihn et- was stutzen machen koͤnte/ traf viel fluͤchtige Bauren an/ und erfuhr von ihnen/ es laͤgen drey Meile von hinnen in einem grossen Dorffe 9000 Reuter/ fraͤssen/ soͤffen/ und trieben mit den geraubeten Weibern allen schaͤndlichen Muhtwillen. Er befahl sich Gott/ nam et- liche Wegweiser zu sich/ und kam zwo Stunde vor Abends daselbst an/ besetzete das Dorff auswendig mit 1000 Mann/ und fiel mit der uͤbrigen ganzen Macht zu Fusse hinein/ fun- den den mehren Teil schlaffen/ die uͤbrigen sauffen und schwaͤrmen/ und hielten ein solches Gemaͤtsche unter ihnẽ/ daß ganze Baͤchlein Blut aus den Haͤusern flossen/ weil sie in einem oft 400 antraffen. Alles was Feind wahr/ ward ohn Unterscheid nidergemacht/ ohn 50 Haͤupt- Achtes Buch. Haͤupt- und Unter Haͤuptleute wurden gefangen/ und etwa 14 gemeine Knechte verstecke- ten sich im Stroh/ und erretteten ihr Leben. Alle Pferde bekahmen sie/ welche mit statlicher Beute beladen wahren/ erloͤseten auch 6000 gefangene starke Maͤnner/ welche nach Pan- nonien in Dienstbarkeit solten gefuͤhret worden seyn. Es wahr eine grosse Freude unter ih- nen/ daß sie keinen einzigen Mann eingebuͤsset/ und etwa 30 Verwundete unter sich hattẽ/ bewehreten die Erloͤseten mit der Feinde Ruͤstung/ nahmen das uͤbrige Gewehr mit sich/ legeten selbst Feur in das Korn und Stroh dessen eine grosse Menge verhanden wahr/ da- mit es dem Feinde nicht zu Teil wuͤrde/ und zogen froͤlich davon/ da sie mit einem Freuden- Geschrey empfangen wurden/ dann es wahr heller Mondenschein/ daß sie die ganze Nacht reiten kunten. Die Gefangene wurden scharf befraget/ und mit der Folter gezwakt/ weil sie anfangs gar wiederwaͤrtiger Aussage sich vernehmen liessen/ biß sie endlich einhellig anzei- geten/ wie stark sie an Manschaft/ auch wie sie gesoñen waͤhren/ nit zuruhen/ biß ganz Boͤh- men wuͤrde eingeaͤschert und verwuͤstet/ oder doch unter des Pannonischen Koͤniges voͤlli- gem Gehorsam seyn; welches Baldrich so hoch empfand/ daß er sie alle 50 als kundbahre Mordbrenner an Baͤume aufhenken ließ. So bald die wenige uͤberbliebene diese leidige Zei- tung ihrer Niderlage uͤberbrachten/ wolte das Heer/ welches sich nunmehr zusammen ge- schlagen hatte/ des Tages kaum erwarten/ brachen im Grim̃e auf/ und wolten dieses Haͤuf- lein mit Gewalt tod haben; wie dañ Baldrich ihm gar zeitig diese Rechnung machete/ be- wehrete noch 6000 der fluͤchtigen Einwohner/ und ging mit deꝛ ganzen Macht 60000 stark ihnen entgegen/ da er einen sehr voꝛtelhaften engen Durchzug zuerhalten/ und daselbst festen Fuß zusetzen treflich eilete/ welches ihm gluͤckete/ und alsbald ein raumes Lager ab- stechen/ umgraben und aufwerffen ließ. Leches kam um Mitternacht mit 16000 Reutern zu ihm/ und brachte Zeitung das Prinsla mit 20000 Fußknechten nicht weit waͤhre/ wel- che auch (weil sie auff Bauren Pferden schnelle fortjageten) gegen den Morgen sich ein- stelleten/ und alle miteinander diesen Tag das Lager dergestalt verschanzeten/ daß sie nicht zweifelten/ etliche hundert tausend Feinde darinnen wol auffzuhalten. Herkules stund in steter Furcht/ seines Bruders gewoͤhnliche Hitze zu fechten moͤchte dem ganzen Wesen schaͤdlich seyn/ wolte daher auff die ankommende Teutschen Voͤlker nicht warten/ sondern ging mit 400 Reutern schnelle nach dem Lager/ und fand alles in gutem Wolstande/ wie ers wuͤnschete/ nur daß er die Graben/ von forne nach dem Feind zu/ etwas breiter und tie- fer machen ließ/ daß der auffgeworffene Wahl an diesem Ort wie ein zimlicher hoher und geher Berg anzusehen wahr. Dropion bekam dessen bald Zeitung/ daß die unsern auf die- ser enge Stand gefasset haͤtten/ uñ willens waͤhren/ seiner alda zuwarten/ hielt eilig Kriegs- Raht/ und befand/ daß Hyppasus Meinung der Warheit aͤhnlich wahr/ die unsern wuͤr- den hieselbst suchen/ sich aufzuhalten/ und zugleich ihrem weiteren Einbruch zusteuren/ biß sie mit gnugsahmer Manschaft aus Teutschland sich wuͤrden versehen haben/ eine Feld- Schlacht zuwagen/ wie wol er solches in den Wind schlug/ nebest hohen Fluͤchen/ wann sie gleich drey Mann gegen einen herzuführen wuͤrdẽ/ wolte er sie doch mit seiner wolgeuͤbetẽ Mannschafft niderschlagen; macheten endlich den Schluß/ die auffgeworffene Schanze zu stuͤrmen/ und hiedurch den Weg uͤberal zu oͤffnen; zu welchem Ende sie 18000 Reuter zum Vortrabe ausschicketen/ alle moͤgliche Kundschafft einzuziehen/ und alles was ihnen y y y y ij von Achtes Buch. von Menschen auffstossen wuͤrde/ ohn Barmheꝛtzigkeit niderzumachen; wuͤrde sich aber ein bewaffneter Hauffe sehen lassen/ solten sie ihn anfangs sicher machen/ und durch einen Hinterhalt beruͤcken. Herkules hielt gleicher massen vor dienlich/ daß etliche tausend Reu- ter außgeschicket wuͤrden/ umb zuerforschen ob der Feind herzunahete; welche zufuͤhren Baldrich so heftig anhielt/ daß mans ihm nicht versagen kunte/ daher gab ihm sein Bruder 2000 Teutschen/ 1000 Wenden/ 1000 Friesen/ und 2000 Boͤhmen/ alle wolversuchte Leu- te/ mit getraͤuer Vermahnung/ aufs behuhtsamste zugehen/ und ohn Vortel den Streit nicht zuwagen; und weil Siegward ihn nicht verlassen wolte/ ritten sie miteinander/ da O- laf Freyheit baht/ in Geselschaft mit zugehen. Nach ihrem Abzuge sagte Herkules zu Fa- bius; ich fuͤrchte sehr/ mein Bruder werde eine Schlappe hohlen/ wo die Feinde ihn an- treffen/ baht ihn demnach/ nebest Leches mit 8000 Mann zu seinem Entsatze fort zueilen/ und ihrem Huefschlage zufolgen; wodurch auch aller dreyen Fuͤrsten Leben gerettet ward. Dann Baldrich wahr etwa drittehalb Meile fortgangen/ da erblickete er ohngefehr 5000 Reuter von Feindes Volk/ die sich/ wie sie die unsern sahen/ enge zusammen zogen/ aufdaß sie desto kuͤhner zum Anfal gemacht wuͤrden; welcher Anschlag ihnen vorerst geriet; mas- sen der ohndas zuschlagen begierige junge Koͤnig die seinen geschwinde ordente/ mit der Helfte auf den Feind loßging/ und die andere Helfte Siegwarden und Olaf zum Entsatze ließ. Der Feind wolte ihm anfangs nicht Fuß halten/ zog sich im̃er zuruͤk/ und lockete ihn nach sich/ woraus Siegward den Betrug merkete/ und durch einen Reuter ihm sagen lies/ er moͤchte sich nicht zu weit vertuhn/ des Feindes weichen/ so ohn Noht geschaͤhe/ kaͤhme ihm viel zuverdaͤchtig vor. Er aber lies sich nichts anfechten/ meinete es muͤste gewaget seyn/ und boht den Feinden das Haͤupt mit starken Spornstreichen geꝛade zu/ welche dage- gen nur bemuͤhet wahren/ ihm an die Seite zukommen; welches er doch zuhindern wol ge- lehret wahr/ greif auch freudig an/ und erlegete in kurzer frist 5 Ritter mit seiner Fanst. Die Pannonier waͤhneten vor erst/ es würden nicht sonderliche Obristen bey diesem Vortrabe seyn/ daher sie des Anfalls nicht groß achteten/ aber da sie der Streiche empfunden/ gingen sie gezwungen zuruͤk/ welches sie ohn das vorsetzlich zutuhn willens wahren. Baldrich hieb ihm frisch nach/ wuͤrde auch diesen Hauffen bald auff die Flucht ge- trieben haben/ wann der versteckete feindliche Entsaz 13000 stark nicht gewesen waͤhre/ welche die ihren zwar Nohtleiden sahen/ und doch nicht loßbrechen wolten/ weil Bal- drich ihnen noch nicht nahe gnug wahr/ daß sie ihn haͤtten uͤmringen koͤnnen; gleichwol liessen sie 3000 geruhete auf ihn ansetzen/ welche ihn auch stutzen macheten/ daß er von den vorigen ablassen/ und gegen diese sich kehren muste/ wodurch er einen gedoppelten Feind bekam. Siegward sahe solches/ und sagete zu Olaf; dieses Aufzuges bin ich mir schon an- fangs vermuhten gewesen; nam 800 Reuter zu sich/ befahl dem Daͤnen die uͤbrigen/ und dz er nicht ehe/ biß es hohe Noht seyn wuͤrde/ damit loßgehen moͤchte. Er kam zu rechter Zeit an/ und entsetzete Baldrichen/ weil die Feinde ihn sonst haͤtten umringen duͤrffen/ ermah- nete ihn auch/ hinter sich zuweichen/ aufdaß/ wann mehr Feinde verhanden waͤhren/ sie nit ins Gedraͤnge getrieben wuͤrden; welches er auch/ so viel moͤglich in acht nam/ insonder- heit/ weil er sahe/ daß der Feind noch im̃erhin sich zuruͤk zohe/ ungeachtet er an Manschaft weit uͤberlegen wahr. Durch sein weichen nun gerieten die Pannonier auf den Wahn/ ihr Anschlag würde entdecket seyn/ deßwegen sie den añoch verstecketen zu entbohten/ sie moͤch- ten Achtes Buch. ten nur loßbrechen/ weil der Feind nit weiter anbeissen wolte; doch verweilete sich ihr An- zug zimlich lange/ daß die unsern sich gar biß auf Olaf gezogen hatten/ welcher den Nach- folgern der gestalt auf den Hauben saß/ daß die unser seits Verwundete Zeit hatten/ sich verbinden zulassen/ und die Ermuͤdeten sich in etwas erhohlen kunten. Es gebrauchete sich aber dieser Held dermassen/ daß Baldrich zu Siegwarden sagete; er haͤtte solche Tapfer- keit und vernuͤnftige Staͤrke nimmermehr hinter ihm gesuchet/ massen er mit 2000 Mañ sich gegen 5000 (dann 3000 wahren schon von den Feinden erleget) dergestalt verhielt/ dz es die Feinde selbst wunder nam. Er wahr nicht lange an einem Orte/ sondern da er die seinen frisch angefuͤhret hatte/ machte er sich unvermerkt loß/ und fiel an einem andern Or- te mit etlichen an/ da sichs der Feind am wenigsten vermuhten wahr/ daß in kurzer Zeit er 2000 von den Feinden erschlug/ und die uͤbrigen nicht mehr begehreten anzubeissen/ als welche meyneten/ er solte ihrem ausweichen immer nachsetzen; welcher Hoffnung auch die uͤbrigen wahren/ und deswegen ihren Auffbruch noch in etwas verweileten; nachdem er aber dessen nicht willens wahr/ ließ der Pannonische Entsaz 10000 stark sich mit fliegendẽ Reuter Faͤhnlein sehen; da Siegward zu Baldrich sagete: Schaue Bruder/ wie wuͤrdest du dich und uns gestuͤrzet haben/ wann du meiner Erinnerung nicht gefolget waͤhrest; nun rahte bald; gehen wir durch/ oder halten wir Stand? Olaf zog sich geschwinde mit ihnen zusammen/ und sagete: Ihr Bruͤder/ hier wil gefochten oder gestorben seyn; ich meines teils befinde mich Gott Lob also/ daß ich ein Stuͤndichen mit machen/ und ein halb Dutzet auff die Spitze nehmen wil; solte mich aber Feindes Schwert nidermachen/ so bezeuge ich hiemit/ daß ich als ein glaͤubiger Christ zusterben bereit bin/ ob ich gleich biß daher diese meine Bekehrung vor jederman heimlich gehalten habe. Der allmaͤchtige Gott wird unser Schuz seyn/ antwortete Baldrich/ welchen wir mit unsern Seuffzern mitten im Gefecht darumb ersuchen wollen; ermahnete hierauff die Reuter/ sie solten bedenken/ was vor einẽ Feind sie vor sich haͤtten/ der keines Menschen/ auch des Kindes in der Wiegen nicht scho- nete/ daher sie keine Gnade oder Lebensfristung hoffen duͤrfften/ wann sie lebendig sich fahen liessen; Er neben seinen Gesellen wolten bey ihnen fuß halten; und verflucht sey/ rief er uͤ- berlaut/ der sich den Feinden lebendig ergiebt. Sie hatten uͤberal etwa 300 Mann einge- buͤsset/ und 360 wahren verwundet/ daß der Gesunden Anzahl sich auff 5340 Mann er- streckete/ da hingegen der Feinde noch 12000 gesunde waren/ welche mit grossem Geschrey und starken Spornstreichen auff sie angingen. Die unsern fasseten eine kurze Erklaͤrung/ setzeten sich gar breit/ daß sie nicht leicht kunten umgeben werden/ weil es im offenen Felde wahr; da Baldrich zur Rechten/ Siegward in der Mitte/ und Olaf zur Linken die Voͤl- ker fuͤhreten/ auch so unverzagt an den Feind ansetzeten/ daß sie der Kuͤhnheit sich nit gnug verwundern kunten. Die Pannonier bissen anfangs weidlich ins Graß/ dann sie verliessen sich nicht allein auff ihre Menge/ sondern meineten auch/ die unsern wuͤrden sich im ersten Treffen schon abgemattet haben; weil sie aber der treflichen Gegenwehr empfunden/ gingẽ sie behuhtsamer/ und fielen die unsern Schaarsweise an/ unter der Bemuͤhung/ daß ein je- der/ wann er angegriffen ward/ seinen Feind mit in den Tod zunehmen suchete/ welches unsere Fürsten merkend/ eine gevierde Schlachtordnung in zimlicher Ausbreitung schlos- sen/ und dadurch diesen Vorsaz des Feindes brachen. Baldrich ging hieselbst am heftig- y y y y iij sten/ Achtes Buch. sten/ daher fast die Helffte des feindlichen Heers sich gegen ihn richtete/ dem aber Lufft zu machen/ Siegward allen Fleiß ankehrete. Olaff meynete den Feind mehr mit List als kraft zubegegnen/ auff daß er sich in die Harre sparen koͤnte; aber sie liessen ihm keine Ruhe/ daß er wider seinen Willen alle Kraͤffte anwenden muste. Die drey Helden wurden durch ihr Gefechte den Feinden in kurzer Zeit bekant/ und vereinigten sich drey Schaaren/ jede von 400 Mann/ sie zuuͤberfallen und hinzurichten/ unter der Hoffnung/ es wuͤrden alsdann die uͤbrigen bald zutrennen seyn. Sie hingegen versahen sich auch mit einem Schutze/ und wolten sich von ihren Voͤlkern nicht abreissen lassen/ welches dann ein greuliches Blut- stuͤrzen verursachete; aber endlich ward Baldrich/ da er kaum 150 Mann bey sich hatte/ von 400 umgeben; durch welche er sich fünff mahl hindurch schlug/ daß Freund uñ Feind ihn ruͤhmen musten; aber seine Manschafft ging mehrenteils drauff/ daß er sich ohn zwei- fel haͤtte niedermachen lassen/ oder ergeben muͤssen/ wann nicht Olaff seiner Gefahr waͤhre inne worden/ welcher dem Daͤnen Harald an seinem Orte die Auffsicht befahl/ und mit 200 Mann ihm zu huͤlffe ging/ es auch so weit brachte/ daß er sich mit ihm vereinigte/ und diesen Streit auffs neue fortsetzete/ da die Feinde ihre Schaar immerzu staͤrketen. Sieg- ward hatte inzwischen an allen Seiten zutuhn/ missete sie beyde/ und machte 500 Reuter aus/ die sich durchschlagen/ und wo sie auch seyn wuͤrden/ ihnen huͤlfliche Hand bieten sol- ten; aber es wahr ihnen unmoͤglich durchzubrechen/ daher sie beyde einen uͤberaus heffti- gen Stand zuhalten gezwungen wurden/ weil sie 250 Mann stark/ sich gegen 1600 wehren musten/ und an unterschiedlichen Orten ihres Leibes zimliche tieffe Wunden empfingen. Ihre damahlige Rettung wahr/ daß die Feinde aufingen sich gegen Siegward schlaͤffrig zubezeigen/ und er daher Lufft bekam/ mit 600 Koͤpffen sich loßzumachen; ging hin/ wo er wuste/ daß seine liebe Gesellen Noht litten; und wie hefftig eine andere Schaar von 800 Reutern sich ihm gleich wiedersetzete/ brach er doch endlich durch/ und befand/ daß sie fast alles Beystandes beraubet wahren; rief ihnen doch freudig zu/ und sagte: Haltet euch frisch/ ihr Bruͤder/ wir muͤssen vor unserm Ende ihrer noch mehr ohn Koͤpffe tanzen ma- chen. Sein Anfal wahr hieselbst so hefftig/ daß ihm niemand wiederstehen kunte; vernam aber mit Betruͤbniß/ daß Baldrichs Gegenwehr wegen der empfangenen Wunden zim- lich schlecht wahr/ deßwegen er ihn mit 150 Mann aus dem Gedraͤnge fuͤhren ließ. Der Feinde Heerfuͤhrer/ ein starker ansehnlicher Ritter/ nam sein mit 300 Pferden wahr/ und umgab ihn von neuen/ geriet endlich an ihn selbst/ und hielten ein absonderliches Gefechte mit einander/ da Baldrich wegen seiner Wunden ohn zweifel haͤtte muͤssen den kuͤrzern zi- hen/ wann nicht Olaff mit 100 Reutern zum andern mal ihn entsetzet haͤtte/ der sich an den Pannonischen Feld Herrn machete/ und nach wenig Streichen ihm den rechten Schen- kel sehr hart verwundete/ daß er vor Schmerzen vom Pferde stuͤrzete/ und in dem Getuͤm- mel vollend zutreten ward; hatte doch zuvor Baldrichen eine harte Wunde in die Schul- der beygebracht/ daß er sein Schwert nicht mehr gebrauchen kunte. Es ging das Spiel uͤ- ber und uͤber/ dann Freund und Feind hatten sich durcheinander vermischet/ wiewol O- laf den steiffesten Stand halten muste/ weil er Baldrichen beschirmete. Siegward befand sich auch zwar im Gedraͤnge/ aber er brach durch/ zog 600 Mann an sich/ und ging Olaff zu Huͤlffe. Es wahren kaum noch 2500 unbeschaͤdigte von den unsern/ da hingen der Feind noch Achtes Buch. noch mit 8000 stritte/ und den Sieg schon auszuschreyen anfing/ weil die unsern nur im- mer hinter sich wichen/ und wann sie den Feind ohn Ordnung merketen/ einen Anfal wage- ten/ damit sie nicht gar auf die Flucht getrieben wuͤrdẽ. Aber Siegward ward des Stau- bes hinter sich gewahr/ und sprach den seinen ein Herz ein; Sie solten gar ein wenig nur noch stehen/ er haͤtte den gewünscheten Entsaz schon gespuͤret; welcher auch nicht lange ver- weilete; dann Fabius hatte des Treffens von ferne wahr genommen/ ging mit 3000 vor- an/ und ließ Leches mit den uͤbrigen nach der rechten Seite zugehen. Die Feinde sahen sei- ne geringe Manschafft/ vor welcher sie sich zwar entsetzeten/ aber doch nicht weichen woltẽ/ wiewol er durch seine Ankunfft ein solches Loch machete/ daß Baldrich und Olaff/ die we- gen Mattigkeit und Verwundung fast keinen Schwertschlag tuhn kunten/ Luft bekahmen/ sich aus dem Gedraͤnge zubegeben/ und Baldrich seine Wunden im freien Felde verbin- den ließ/ auch Olaff/ sich zuerhohlen/ den Helm absetzen muste. Fabius fochte wie ein grim- miger Loͤue/ und als er Siegwarden verwundet antraff/ sagte er zu ihm: Bruder nim nur Ruhe/ und laß dich verbinden/ du wirst gar bald ein koͤstlich spiel sehen; welchen Trost er annam/ hin zu Baldrich rante/ und ihm anzeigete/ daß Fabius diesen Entsaz fuͤhrete/ und ein groͤsser Hauffe bald zugegen seyn wuͤrde; sahen auch in dem Leches mit den seinen von der seite hersprengen/ der sich in zwo Schaaren teilete; die eine muste immer forthauen/ dz sie dem Feinde den Ruͤkweg abschnitten; die andere/ welche er selbst fuͤhrete/ stuͤrmete auff den Feind grimmig ein/ daher in kurzer Zeit die Pannonier auff die Weichseite gebracht wurdẽ/ dz sie endlich zur gemeinen Flucht sich schicketen/ da sie den hintersten in die Haͤnde fielen/ und ohn Gegenwehr wie das Vieh abgeschlachtet wurden/ so daß auch nicht ein ein- ziger entran/ und nur 300 gefangen wurden/ welche Nachricht gaben/ ihr Hauptheer laͤge kaum zwo Meilen von hinnen/ und wuͤrde vor Abends noch alhier anlangen; daher die unsern geschwinde Beute macheten/ insonderheit Pferde und Gewehr (welches ihnen am noͤhtigsten wahr) zu sich nahmen/ ihre Todten auff Pferde luden/ und als voͤllige Uberwin- der froͤlich zuruͤk gingen/ wiewol sie 4700 Mann verlohren hatten/ und von Baldrichs er- stem Heer nicht ein einziger ohn Wunden wahr; dagegen hatte Fabius kaum 50 einge- buͤsset/ und 200 beschaͤdigte unter seinem Entsaz/ wunderte sich auch nicht wenig/ daß diese drey Fürsten mit so wenig Voͤlkern den Feind nicht allein auffgehalten/ sondern fast uͤber- wunden hatten/ dann was die Pannonier vor Kriegsleute wahren/ wahr ihm nicht unbe- wust. Noch fuͤrchtete Baldrich sich nicht wenig vor seinem Bruder Herkules/ und sagte: Wie werde ichs gegen ihn verantworten/ daß ich seiner Warnung nicht gefolget bin/ und mich so unvorsichtig ins Spiel gewaget? Sie wurden mit ihrer grossen Beute wol em- pfangen/ wiewol Herkules seinem Bruder etwas scharff zuredete; Er solte hinfort nicht den Eifer uͤber die Vernunfft herschen lassen/ weil solches die gefaͤhtlichste Bahn zum Tode waͤhre. Er erkennete sein Verbrechen willig/ und daß er seine Wunden wol verdie- net haͤtte/ die er mit Geduld ertragen wolte/ nur waͤhre ihm leid/ daß Siegward und Olaff (dem er die Ehre des Sieges und Erhaltung seines Lebens oͤffentlich zulegete) daruͤber in Schaden gerahten/ und seine Tohrheit mit buͤssen müsten. Sie musten alle drey wider ih- ren Willen sich in Saͤnfften nach Prag tragen lassen/ woselbst Neda bey ihrer Ankunfft mit 40000 anlangete/ die nur wenig Stunden ruheten/ und mit Ladisla/ Koͤnig Henrich und Achtes Buch. und Arbianes fortgingen/ da die junge Fuͤrstin Fr. Klara ihren Schaz sehr ungerne von sich ließ/ er ihr auch fast aͤidlich angeloben muste/ daß er sich in keine unnoͤhtige Gefahr wa- gen wolte. Die Roͤmische Herren blieben zu Prag bey dem Frauenzim̃er/ woselbst Koͤnigin Valiska dẽ Oberplaz bey der Besatzung versahe/ uñ fleissige Anordnung machete/ dz das La- ger mit Speise und Futter gebuͤhrlich versehẽ wuͤrde/ ließ auch Ekharten zum andern mahl ohn der ihrigen wissen nach Teutschland gehẽ/ in ihrem Namẽ 30000 Reuter zuwerben/ uñ jedem 25 Kronẽ auf die Hand zugeben/ welcher behuef sie ihm 8 Toñen Goldes zustellete. Das Pannonische Haͤuptheer hatte mit ihrem vortrabe verlassen/ daß sie alle Stunden ei- nen Reuter zu rük solten gehen/ und alle begebenheit zeitig gnug andeuten lassen; wie sie auch/ so bald Baldrich den ersten Angriff taht/ hinuͤber entbohten/ sie haͤttẽ ohngefehr 6000 wolbewapnete Reuter in der Falle/ deren keiner zuruͤk gehen/ noch den ihren die Zeitung ihres Unfals bringen solte; dessen Feldmarschalk Dropion froh ward/ dann er hatte einen hohen aͤid geleistet/ nicht zu ruhen/ biß er den Tod der im Dorffe erschlagenen etlicher mas- sen gerochen haͤtte. Nun harrete er eine/ zwo drey Stunden auff weitern bescheid/ und als keiner mehr folgete/ sagte er: Dieses gehet nimmermehr recht zu; vielleicht haben die un- sern ein Nez gestellet/ und sich selbst darinnen verstricket; brach mit der ganzen Menge Reu- ter/ die annoch in 66000 Koͤpfen bestund/ schleunig auff/ nachdem er zuvor einen vorneh- men Obristen zuruͤk in Pannonien gesand hatte/ bey dem Koͤnige zu suchen/ daß er noch 120000 Reuter aufs geschwindeste samlen/ und zum Entsaz nachschicken/ oder selbst fuͤhren moͤchte/ weil der Feind ihrer ankunft zu zeitig inne worden/ und eine grosse Mañschaft aus Teutschland (welches er doch nur muhtmassete) zusam̃en gefuͤhret haͤtte/ woraus er schlies- sen muͤste/ daß der heimliche Reichsschluß von seinen mißguͤnstigen/ ihn in Schande zu bringen/ den Feinden verrahten waͤhre. Weil er auch der Reuterey am meisten trauete/ ließ er von seinen Fußvoͤlkern 20000 beritten machen/ wozu sie geraubete Pferde gnug hatten. Als er gegen den Abend auff der Wahlstat ankam/ und den erbaͤrmlichen Zustand sahe/ daß alle seine Voͤlker nidergehauen/ und kein einiger Todter von den Feinden zu findẽ wahr/ wuste er nicht/ was er gedenken solte; seine Leute ritten die Erschlagenen durch und durch/ die alle nacket ausgezogen wahren/ und traffen nuꝛ einen einzigen an/ der sich ein we- nig wieder entworffen hatte/ und den ganzen Verlauff erzaͤhlete/ daß anfangs nur 6000 sich mit ihrem ganzen Heer zwo Stunden geschlagen/ und keinen Fuß gewichen/ weil ihre drey Fuͤhrer wie Loͤuen angefallen/ biß ihnen anfangs etwa 3000 zulezt schier gedoppelt so viel zu huͤlffe kommen/ und ohn alle Gnade alles nidergehauen/ Plunderung gehalten/ die Pferde zusammen getrieben/ und ihre erschlagene/ etwa 4000 Mann mit sich fortgeschlep- pet haͤtten. Die hochmuhtigen Pannonier gedachten des Schimpfs und Schadens zu ber- sten/ verschwuren sich untereinander/ es ungerochen nicht zu lassen/ und liessen sich hieselbst nieder/ damit sie mit den hinterbliebenen morgens fruͤh fortgehen koͤnten/ begruben die Er- schlagenen/ und durften ihnen noch wol fluchen/ daß sie von so wenigen Feinden sich haͤtten lassen niderhauen. Agiß sahe wol was vor eine menge Pannonisches Bluts diese Fehde fressen würde/ und gab den Raht/ man moͤchte ein wenig gemach tuhn/ und mehrer huͤlffe aus ihrem Reich erwarten/ welche einen andern Weg einzufallen muͤsten ausgeschikt wer- den/ damit der Feinde Macht getrennet wuͤrde/ die vermuhtlich einen festen Stand etwa an Achtes Buch. an einer vortelhaften Enge wuͤrden gefasset haben. Aber Dropion wolte davon durchaus nicht hoͤren/ einwendend/ man muͤste sich ja ins Blut und Herz schaͤmen/ wann man das vergossene Blut ungerochen liesse; daß demnach der Aufbruch sehr fruͤh vorgenommen ward. Herkules gedachte wol/ daß sie nicht lange ausse bleiben würdẽ/ ließ die ganze Nacht das Lager von hintenzu und an beyden seiten noch fester verschanzen/ uͤbergab Fabius das Fußvolk/ welches er auff 40000 Mann ergaͤnzete/ und wahr Gallus dabey Statverweser neben den Daͤnen Humbold. Die Reuterey bestund in gleicher Menge/ welche Herkules und Leches teileten/ und ob zwar noch 10000 Reuter uͤbrig wahren/ so hatte doch Herku- les dieselben auff die dreissig kleine Schaaren verteilet/ daß sie hin und wieder reiten mustẽ/ umb nachzuforschen/ ob die Feinde auch etwa an andern Orten mehr einbrechen wuͤrden. Die verlohrne Schildwache brachte gar zeitig ein/ des Feindes Vortrab ohngefehr 8000 stark liesse sich eine halbe Meile von hinnen sehen/ denen Leches mit gleicher Anzahl entge- gen ging/ mit dem ausdruͤklichen Verboht/ sich in kein Haͤuptwerk einzulassen/ sondern nur etlichen Gefangenen nachzutrachten/ und von ihnen noͤhtige Kundschaft einzuzihen; wel- ches er aufs fleissigste verrichtete; dañ so bald die Feinde ihn erblicketẽ/ welche einen gleich- maͤssigen Befehl hatten/ zohen sie sich zuruͤk/ ob sie Leches locken/ und etliche seines Volks erhaschen koͤnten/ weil sie durchaus keine gewißheit hatten/ wie schwach oder stark/ oder an was Ort die unsern sich/ offen oder beschanzt/ geleget haͤtten. Hingegen erteilete Leches den seinen/ welche lauter Boͤhmen wahren/ ernstlichen Befehl/ dafern sich einer lebendig wuͤr- de greiffen lassen/ solte er vor unredlich ausgeruffen/ und seine Guͤter preiß gemacht wer- den; lobete sonst vor jedwedern Feindes Gefangenen 50 Kronen aus/ und ließ 100 wolbe- rittene vorangehen/ einen behutsamen Anfal zu wagen/ wo ihnẽsonst keine staͤrkere Schaar begegnen wuͤrde. Der Feind sendete ihnen 200 entgegen/ daher Leches die seinen auch ver- staͤrkete. Nun trieben sich diese Haͤuflein rechtschaffen im Felde umb/ aber keiner wolte sich bloß geben/ oder ernstlich angreiffen/ welches Leches ersehend/ selb sechse auff den Fuͤhrer anfiel/ ihn vom Pferde warff/ und gefangen hinweg schleppen ließ. Seine Leute wageten es ihm nach/ und ob ihrer gleich 30 das Leben druͤber einbuͤsseten/ erschlugen sie doch dage- gen 50 Mañ und bekahmen 16 Gefangene/ da hingegen keiner von den unsern dem Feinde zu teile ward/ ohn ein einziger Verwundeter/ dem das Pferd im umbkehren nidergehauen ward/ gleich da sie den Abzug nahmen/ und er also sich muste mit fortschleppen lassen/ haͤtte sich auch gerne selbst entleibet/ wann er seiner nur waͤhre maͤchtig gewesen. Leches ging mit den seinen nachdem Lager/ weil er nach erhaltenem Vorsatze nicht weiter fechten wolte; so durftẽ ihm die Feinde auch nicht kuͤhnlich nachsetzen/ welche doch als uͤberwinder den Plaz einnahmen/ und den unsern schimpflich nachrieffen/ ob sie blanke Schwerter nicht koͤnten schimmern sehen/ daß sie als verzagete Hasen davon strichen; ward ihnen aber geantwor- tet; ja sie saͤhen dieselben noch wol/ aber ihre gestrige Gesellen koͤnten sie nicht sehen/ waͤhren auch zu faul/ auffzustehen/ und davonzulauffen; welcher Spot ihnen durch Leib und Leben drang/ daß sie hinter ihnen aufs neue angingen/ und Leches sich gezwungen schwaͤnken mu- ste; aber der Streit wahr bald auffgehoben; dann die unsern gingen behutsam/ und zogen sich unter dem Gefechte immer zuruͤk/ daß wenig Blut vergossen/ und kein Gefangener mehr erhaschet ward/ weilder Feind nit kuͤhnlich nachsetzen durfte. Der Gefangene Boͤh- z z z z me/ Achtes Buch. me/ nahmens Grozemißla/ wahr ein uͤberaus verschmizter Schalk/ und nahm ihm gaͤnz- lich vor/ seinem Koͤnige und Vaterlande mit seinen Luͤgen zu dienen/ weil er mit der Faust nicht kunte/ deswegen/ da er vor die Obersten des Heers gestellet wahr/ nam er sich zugleich eines froͤlichen herzens und sehr schwachen Leibes an/ und auff ihre grimmige Befragung antwortete er also: O ihr grossen Goͤtter/ die ihr euch des aͤdlen Volks der Pannonier bil- lich annehmet; vor erst sage ich euch dank/ daß ihr dannoch endlich die Gemuͤhter dieser meiner angebohrnen Landsleute erwecket/ den grossen und erschreklichen Ubermuht der Boͤhmen und Teutschen niderzulegen/ und den Schimpf an den ihrigen veruͤbet/ zu raͤ- chen. Ihr werdet schon aus meiner Sprache vernehmen (dann er redete gut und fertig Pannonisch) daß ich kein gebohrner Boͤhme bin/ ob ich gleich vom achten Jahr meines alters her/ in diesem verfluchten Lande leben müssen/ da mein lieber Vater/ nunmehr vor 16 Jahren (habe ich sonst recht behalten) mit mir zugleich von etlichen Boͤmischen Raͤu- bern gefangen/ und zum Leibeigenen gemacht ward/ welchen Schimpf/ weil ihn sein aͤdles Pannonisches Herz nit erdulden kunte/ er mit einem willigen Tode abwendete/ da er drey Jahrlang das Elend gebauet/ und mich nach moͤgligkeit fleissig erzogen hatte. Meine Dienstbarkeit nach seinem Tode/ wahr so gar herbe nicht/ weil ich bey meines Herꝛn Frauẽ in guten Gnaden lebete/ auch ihm selbst vor vier Jahren das Leben rettete/ wovor er mich mit der Freyheit begabet hat/ daß ich gar an seine stat Reuterdienste leisten mus/ habe auch auff seinen Befehl mich mit seines verstorbenen Bruders Tochter verheyrahtet/ welches allein (mus bekennen) mich von der Flucht abgehalten hat/ weil ich sie durchaus nicht be- waͤgen koͤñen/ mit mir fortzugehen/ sonsten würde ich mich vorlaͤngst schon in meinem Va- terlande wieder angefunden haben. Dann wie viel gutes mir gleich in Boͤhmen geschihet/ so stinket mir doch ihr Hochmuht zu/ massen mein Pannonisches Blut gerne oben schwim- men wolte/ welches/ den Goͤttern sey dank/ schier geschehen wird/ da ich leben sol; und wie mat ich gleich bin/ haben doch die aͤdlen Pannonier mir recht getahn/ daß sie meine Adern mit ihrem Schwerte geluͤftet/ aufdas/ wañ etwas Boͤmisches sich dahinein gesetzet haͤtte/ es auff ihrem Grund und Bodem vergossen werden/ und daselbst bleiben moͤchte. O ihr unvergleichlichen Helden/ sparet euch nicht laͤnger/ den empfangenen Schimpf zu raͤchen; lasset dorthin zur seiten nur etliche Reuter gehen/ da werden sie 50 aͤdle Pannonische Hel- den/ welche im bewusten Dorffe sind gefangen worden/ an Baͤumen auffgeknuͤpfet finden. O was vor Spot uñ Hohn musten sie erleiden/ ehe und bevor ihnen diese Gnade des Stric kes angeleget ward. Die Hundebuben traten sie mit Füssen/ striechen ihnen allerhand ab- scheuhlichen Unflat ins Maul/ pruͤgelten und striechen sie mit Ruhten/ als kleine Knaben/ umb die Lenden/ und rieffen ihnen zu (welches doch alles ertichtet wahr) ob sie es mehr tuhn wolten/ und dem Boͤmischen Koͤnige noch weiter unabgesaget ins Land fallen. Mein Herz wil mir im Leibe zerspringen/ wañ ich daran gedenke/ was vor schaͤndung wieder das hoch- aͤdle Volk die Pañonier/ ausgestossen ward; da die jeztgedachten Kriegshelden solten ge- henket werden/ und sich uͤberaus tapfer und unverzaget zum Tode finden liessen/ ihren Hen- kern zugleich verweißlich vorhaltend/ daß sie wieder Kriegsbrauch mit ihnen handelten/ welches hart und schwer wuͤrde gerochen werden/ da draͤuete man ihnen/ die Zunge aus- zuschneiden/ und muste der erste so gehenket ward/ Mnata/ der ander/ Dropion/ der dritte Mastyes/ Achtes Buch. Mastyes/ der vierde Agiß/ der fuͤnfte Pyrechmes heissen/ und so fort an/ wie viel ihnen der hohen Pañonischen Haͤupter bekant wahren. Aber auff euer begehretes/ ihr grossen Hel- den/ zukommen/ so haben die verlauffene Bauren hin und wieder ein grosses Geschrey ge- macht/ als ob euer Heer wol 100000 Mann stark waͤhre/ welches man ihnen doch nicht glaͤuben kan/ und ich/ dem Himmel sey dank/ ein uͤbriges befinde. Der junge Boͤmische Koͤnig/ und etliche seiner Anverwanden sind nicht von schlechter Verwaͤgenheit/ aber den Krieg dieser Landesart verstehen sie nicht; so hat eure Weltkuͤndige grosse Macht ihnen solche Furcht und Schrecken eingejaget/ daß sie sich ihres Lebens erwogen/ massen sie wol sehen/ wie es ihnen endlich ergehen werde; jedoch umb einen Versuch zutuhn haben sie bey die 50000 Bauren zusammen geraffet/ wobey sich etwa vier oder fuͤnff und zwanzig tausend Teutsche/ Friesische/ und Wendische zimlich geuͤbete Kriegsleute befinden; der vorgedachten aber kaum der fünffte Teil auff Kriegerisch bewehret ist/ und der zehnde mit Waffen nicht umzugehen weiß/ weil alle Trill- und uͤbunge viel Jahr lang stille gelegẽ sind; Wollen nun meine Herren eine Anzahl Affter Reuter sehen/ wie dieselben mit Mistgabeln/ Schweine Spiessen/ Haͤuvorken und dergleichen musterischem Baurgeraͤhtlein auffge- zogen kommen/ ob wolten sie auf die Wolffes Jagt reiten (dann an Pferden mangelts ih- nen nicht/ wiewol die meisten ungesattelt sind) moͤgen sie etwa eine gute Meile foͤrder zihẽ. Das gestrige Gluͤk hat sie etwas muhtig gemacht/ aber ihre drey Fuͤhrer (kan nicht eigent- lich erfahren/ ob ihr Koͤnig/ wie ich gaͤnzlich davor halte/ mit darunter gewesensey) sind gleichwol dergestalt geputzet/ daß sie des Bettes wol eine geraume Zeit werden huͤten muͤs- sen. Die Voͤlker liegen in ihrem Lager ganz sicher; dann sie haben so viel Erde umb sich hergeworffen/ daß sie meinen/ wer zu ihnen kommen wolle/ muͤsse zuvor Fluͤgel erborgen. Meine Schwacheit laͤsset mich nicht mehr reden; lieber erbarmet euch eures ungluͤklichen getraͤuen Landsmannes/ gebet ihm Pflaster auff seine Wunden/ und erwartet hernach/ wz vor Dienste er euch zuleisten kuͤndig sey. Hierauf ließ er etliche Traͤhnen fallen/ und sagete: O mein allerliebstes und einiges Soͤhnlein/ haͤtte ich dich nur bey mir/ deine Mutter/ die Boͤhmische Sau/ moͤchte daheime immerhin grunzen; aber bleibestu mir/ O mein aller- liebster Mnata (diesen meines angebohrnen Koͤniges Nahmen habe ich ihm aus sonder- licher Anmuhtigkeit gegeben) bleibestu mir zuruͤk/ so wil und begehre ich nicht eine Stun- de zuleben. Schwieg hlemit stille/ und stellete sich gnug ohmaͤchtig an. Die Pannonier hoͤ- reten ihm dergestalt ins Maul/ als waͤhre er ihnen von Gott als ein Engel vom Himmel zugeschicket/ liessen ihn fleissig verbinden/ und zeigeten Dropion alles an/ welcher mit Py- rechmes selbst zu ihm ging/ und zu ihm sagete: Guter Geselle/ wie gehets in eurem Lager zu? Dieser gab zur Antwort: Großmaͤchtiger und Unuͤberwindlicher Herr Ober Stat- halter; als es pfleget zugehen/ da Bauren und Adelleute eine Geselschafft machen; und kan wol bezeugen/ daß der hohe und teure Nahme/ Dropion/ von ihrer vielen als ein Don- ner angehoͤret wird. Dieser ließ ihm solche hohe Ehren-benennung sehr wol gefallen/ und sagte: Du hast deinem Gluͤk wol zudanken/ daß du auff solche weise gerettet bist; gab ihm etliche hundert Kronen/ und stellete ihm frey/ wieder nach Boͤhmen zureiten/ sein Soͤhn- lein abzuhohlen/ und inzwischen der Boͤhmen Macht und Anschlaͤge sich zuerkunden/ in- sonderheit/ ob sie auch nach Teutschland umb Huͤlffe geschicket haͤtten. Allergnaͤdigster z z z z ij Herr/ Achtes Buch. Herr/ antwortete er/ ich wil willig sterben/ oder das jezt empfangene Geschenk dergestalt er- setzen/ daß durch ganz Pannonien ich dessen hoffe Ehr und Ruhm zuerlangen; dann Eure Hocheit versichere ich/ daß ehe dann vier Tage zum Ende lauffen/ das feindliche Lager in vollen Flammen stehen sol. Sonsten hoffen sie auff neue Teutsche Huͤlffe/ aber sie fuͤrchten selbst/ daß sie zuspaͤt ankommen duͤrffte/ und weiß ich wol so viel/ daß des Landes Inwoh- ner ein schlechtes Vertrauen zu ihrem alten und jungen Koͤnige tragen/ weil sie die alten Land Goͤtter verleugnet/ und einen fremden Gott sollen angenommen haben. Ich wil aber/ wo es euch sonsten also gefaͤllet/ mich/ als waͤhre ich entflohen/ bey ihnen wieder einstellen/ und wie ihr michs heissen werdet/ ihnen Bericht geben; dann ich weiß/ daß sie mir mehr/ als allen euren Leuten/ welche sie gefangen hinweg gefuͤhret/ trauen werden; heut aber uͤbeꝛ zween Tage so erwartet meiner/ alsdañ wil ich euch ein unfehlbares Zeichẽ meiner Traͤue/ so ich meinem Koͤnige und dem lieben Vaterlande schuldig bin/ sehen lassen; und werdet ihr Helden inzwischen nicht unterlassen/ die Feinde in ihrem vergrabenen Lager zubegruͤs- sen. Dieses erbieten gefiel den Haͤuptleuten so wol/ daß sie zusammen schossen/ und ihm ei- nen mit Golde beladenen Maul Esel schenketen/ davor er Mordbrenner zubestellen/ und dz Lager anzuͤnden zulassen/ sich aͤidlich verband; nahm damit Abscheid/ und kam vier Stun- den nach Leches in ihrem Lager an. Als seine Mitgesellen ihn von ferne mit einem wolge- putzeten Pferde und beladenen Maul Esel sahen daher stechen/ sagte einer zu dem andern; Sehet da komt der abgefeimte Schalk her/ gilt wo er sich nicht mit seiner Pannonischen Sprache frey loßgelogen hat; lieffen ihm bey 10 und 20 entgegen/ und wolten wissen/ wie es ihm bey den Feinden ergangen waͤhre. Ihr Narren/ sagte er/ kuntet ihr euch nicht zu- gleich mit mir lassen gefangen nehmen? man wolte euch ja nichts zuleide tuhn/ sondern Gnaden-Gelder austeilen; und weil ich allein ausgehalten/ ihr aber alle mit einander aus- gerissen seyd/ haben sie mir es allein gegeben/ dz ich also nicht schuldig bin/ euch das gering- ste mitzuteilen/ als was mein guter Wille ist/ woruͤber ihr die Rappuse halten sollet; warf etliche Haͤnde vol Goldes unter sie/ und ritte nach dem Lager zu/ da er sich bey Leches mel- dete/ und seine Taht erzaͤhlete. Derselbe fuͤhrete ihn alsbald hin zu Herkules/ dem er alle sei- ne gehaltene Reden von Wort zu Wort wiederhohlen muste/ und er nicht allein des Pos- sens sich wol zulachete/ sondern ihn auch oͤffentlich ruͤhmete/ und ihm von seinem Koͤnige den Adelstand und ein Ritter-Gut verhieß/ ungeachtet er nur seines Handwerks ein Sei- ler-Geselle wahr; vermahnete alle anwesende/ von diesem getraͤuen Untertahnen ein Bey- spiel zunehmen/ und auff alle moͤgliche weise dem Vaterlande zudienen; ließ auch endlich auff sein straͤnges anhalten geschehen/ daß er seine mitgebrachten Gelder ausboht/ da ei- ner und ander Lust haͤtte/ sich freiwillig zuwagen/ und zuversuchen/ ob sie des Feindes Lager anzuͤnden koͤnten/ solte ein je der 200 Kronen davor von ihm zuheben haben. Worauf sich neun der Pannonischen Sprache erfahrne Wagehaͤlse/ alle Handwerks Gesellen angabẽ/ solches ins Werk zurichten/ und er selbst den zehnden Mann zugeben willens wahr; wel- ches ihm Herkules doch nicht zulassen wolte/ einwendend/ man kennete sein Gesicht/ und duͤrffte er den ganzen Handel verderben. Leches muste anordnen/ daß die ausgeschickete Schildwachten sich mit Lumpen behaͤngen/ und alte rostige Knebelspiesse zu Pferde fuͤhrẽ musten. Das Hauptlager ward mit dem Fußvolke auffs beste besetzet/ unter welchen eine gute Achtes Buch. gute Anzahl wolgeuͤbete Teutsche wahren/ aber die Reuterey stellete er auswendig zu bey- den Seiten hinter die Huͤgel und das Gehoͤlze/ daß sie von den Feinden nicht kunten gese- hen werden/ und nam ihm gaͤnzlich vor/ in dreyen Tagen nicht zuschlagen/ weil die Gefan- gene einhellig bekenneten/ daß in ihrem ganzen Heer kein undüchtiger oder ungeuͤbeter Mann waͤhre/ und ihnen schon begunte an Speise abzugehen/ wozu dieses kam/ daß er La- disla mit mehren Voͤlkern vermuhten wahr. Das Pannonische Heer/ da sie die erhenketẽ Haͤuptleute antraffen/ wolten an ihres Gefangenen Aussage und Traͤue weiter nicht zwei- feln/ und weil die angeknuͤpffete alle hohes Adels wahren/ und der vornehmsten Obristen nahe Anverwanten/ liessen sie sich verlauten/ sie wolten den Boͤhmischen Koͤnig mit seinem ganzen Adel gleich also erhoͤhen. Mit diesem Troz gingen sie fort/ nicht als zur Schlacht/ sondern/ ob solten sie gebundene arme Suͤnder/ wie die Scharff Richter/ ohn Gegenwehr niderhauen. Weil es aber zu spaͤte wahr/ einen Sturm oder Schlacht zuwagen/ lagerten sie sich eine halbe Meile von den unsern ins offene Feld zwischen ihre Wagenburg/ und liessen ihr gerichtetes Lager hinter sich mit 6000 Mann besetzet. Herkules bekam Zeitung von ihrer nahen Anwesenheit/ wolte sich aber nicht an ihnen reiben/ dann seine Ausspeher befunden/ daß sie sehr gute Wache hielten. Obgedachte neun Handwerks Gesellen hatten sich in drey gleiche Geselschafften getheilet/ und wolte eine von der andern nichts wissen/ lieffen auff unterschiedlichen Wegen nach des Feindes hinterstem Lager/ und gaben sich nach einander an/ sie waͤhren Pannonische Handwerkspursche/ haͤtten teils in Boͤhmen/ teils in Teutsch- und Wendland gearbeitet/ und nicht ohn grosse Gefahr ihr Leben geret- tet/ weil man sie wegen ihrer Landsleute ermorden wollen; begehreten Dienste/ und lies- sen sich von dem Obristen der Besatzung einschreiben/ wiewol alle mit falschẽ Nahmen; welcher ihnen Gewehr austeilen ließ/ und ihnen frey stellete/ ob sie lieber vor oder nach Mitternacht wachen wolten. Diese ihrem Anschlage nach/ teileten sich durch alle Nacht- Stunden/ damit es ihnen ja nicht fehlen solte; Ein jeder hatte sein Feurzeug und Zunder bey sich/ und wahren bereit/ entweder ihrem Versprechen nachzukommen/ oder vor das Vaterland zusterben; doch gingen sie behut sam/ legeten sich hinter etliche Strohhuͤtten/ als wolten sie ruhen/ und stecketen den Zunder behende hinein/ daß niemand des gewahr ward/ dann die Huͤtten wahren mehrenteils ledig/ insonderheit mitten im Lager/ da sie das Feur eingeleget hatten/ daß in kurzer Zeit eine grosse Brunst auffging/ ehe ein Mensch herzu lauffen und das Feur loͤschen kunte; Und als die Flammen hin und wieder das Stroh erreicheten/ stund das Lager in vollem Feur/ ehe man sichs versahe/ daß die Kriegsleute mit samt dem Troß hinaus zulauffen gezwungen wurden/ uñ die Uhrheber un- vermerket und in guter Sicherheit davon strichen. Beyde Kriegsheere kunten den Brand eigenlich sehen/ und freueten sich die unsern des gluͤklichen Fortganges nit wenig/ die Fein- de aber gerieten in grosse Furcht/ meineten anfangs/ es wuͤrden die Boͤhmen das ledige Lager angefallen und gestürmet haben/ daher sie sich in Ordnung stelleten/ ob sie etwa wuͤꝛ- den angegriffen werden/ wie dann Leches gerne eine Schanze gewaget haͤtte/ aber wegen hartes verbohts sich nicht regen durfte. Der Feind ward des Unfalles sehr bestuͤrtzet/ dañ alle ihre Zelten/ die sie mit sich gefuͤhret/ samt aller Speise und anderem Voraht wahren samt den mehrenteil Wagen aufgebrennet/ daß nichts mehr zufressen vor das Heer uͤbꝛig z z z z iij wahr; Achtes Buch. wahr; freueten sich aber noch/ daß das Volk auf zween Tage Brod hatte zu sich nehmen muͤssen/ und hoffeten des folgenden Tages von den unsern schon zu bekommen/ was ihnen nunmehr mangelte. Von 50000 geraubeten- und Wagen-Pferden verdurben 10000 im Feur/ die uͤbrigen nebest 9000 stuͤk Rind Vieh lieffen zum Lande hinein/ und wurden von den Einwohnern aufgefangen. Als die Morgenroͤhte anbrach/ funden sich die neun Neu- geworbene nicht/ und meinete man anfangs/ sie wuͤrden im Schlaffe vom Feur ergriffen/ und verbrennet seyn/ aber weil kein einziger davon erschiene/ muhtmasseten sie/ eben diese muͤsten diese Taht begangen haben/ wodurch sie immer heftiger zum Zorn bewaͤget wurdẽ/ daß sie einmuͤhtig aufbrachen/ und gerade zu auf der unsern Lager zogen. Unsere ausgesetze- te Schildwachten wurden ihrer zeitig iñen/ flohen davon/ und liessen die Lumpen samt dem baͤurischen Gewehr/ als aus Furcht/ dahinten/ welches die Feinde mit grossem Gelaͤchter besahen/ uñ sich wolrechtschaffen daruͤber zukitzelten/ gerieten auch hiedurch in solche Si- cherheit/ dz sie sageten; es muͤste der Pañonische Adel sich billich eines solchen elenden Fein- des schaͤhmen/ welcher ohn Zweifel/ wann er ihre Ruͤstung nur sehen solte/ alsbald davon lauffen wuͤrde/ und aus diesem eingebildeten Wahn den Schluß macheten/ straks Ange- sichts das Lager anzugreiffen/ und mit stuͤrmender Hand hinweg zunehmen; jedoch stelle- ten sie ihre Feldschlacht gar ansehnlich/ die unsern destomehr dadurch zuschrecken. Herku- les hielt auf einem Huͤgel/ betrachtete des Feindes Macht gar eigen/ und sahe wol/ daß bey oͤffentlicher Feldschlacht es an beiden Seiten viel Blut kosten wuͤrde/ und seine Voͤlker ihnen wegen Unerfahrenheit und geringer Anzahl nicht gewachsen waͤhren; ließ auch Fa- bius andeuten/ er moͤchte sich gefasset halten/ und die besten Voͤlker vorne anstellen/ den er- sten Anlauff abzuschlagen. Seine Reuter aber ließ er zwischen den Baͤumen und hinter den Huͤgeln stille halten/ daß der Feind ihrer nicht gewahr wuͤrde/ sendete auch keinen ein- zigen Reuter dem Feinde entgegen/ welches sie ihm zur sonderlichen Furcht außlegeten/ und einen Abgesanten biß aus Lager reiten liessen/ welcher ihnẽ dieses in Boͤhmischer Spꝛa- che vortragen muste: Es erinnerte sich der Großmaͤchtigste Koͤnig in Pannonien/ Herr Mnata/ und sein unvergleichlicher Adel/ was gestalt vor etlichen Jahren ihrer ansehnlichẽ Gesanten einer/ Herr Bato der Großtaͤhtige/ einen unabloͤschlichen Schimpf zu Prag einnehmen muͤssen/ welchen zuraͤchen man zwar bald aufangs vorgenommen/ aber weil ihr Koͤnig durch der Goͤtter Rache umkommen/ und sein Sohn sich in Winkeln verstecket/ haͤtte der Pannonische Koͤnig sich an einer Elenden/ vielleicht unschuldigen Wittiben nit raͤchen/ sondern biß zu gelegener Zeit veꝛspaꝛen wollen; inzwischen haͤtte man in glaͤubwiꝛ- dige Erfahrung bracht/ daß der junge Boͤhmische Koͤnig mit unter den Kaͤmpfern zu Pa- dua gewesen/ die ihre Gesanten schelmischer Weise und durch Zauberkuͤnste erleget/ wel- ches ungestraffet nicht bleiben muͤste; worzu noch dieses kaͤhme/ daß man lhre Voͤlker bey dem Abzuge von Padua feindlich angefallen/ und unabgesaget bestritten. Waͤhre demnach gegenwaͤrtiges unuͤberwindliches Krieges-Heer des Großmaͤchtigsten Pannonischen Koͤ- niges zugegen/ die Volstreckung der gebuͤhrlichen Rache vor die Hand zunehmen/ und zu- gleich mit abzulegen/ was ihre unbillicher weise erhenkete von ihnen foderten; jedoch truͤge der Pannonische Feldherr Mitleiden mit den unschuldigen Untertahnen; wolte demnach vernehmen/ ob dieselben ihr bestes erkennen/ Lebens-Gnade annehmen/ und ihren Koͤnig samt Siebendes Buch. samt allen seinen Anverwanten und gesamten Adel zur wolverdieneten Straffe heraus ge- ben wolten/ alsdann solte das Koͤnigreich mit gaͤnzlicher Verwuͤstung verschonet/ und ih- nen ein solcher tapferer Koͤnig vorgestellet werden/ der sich ihrer besser als der jetzige eine zeitlang verlauffene annehmen wuͤrde. Im wiedrigen solte keine lebendige Seele im gan- zen Koͤnigreiche uͤbergelassen werden/ wornach sie sich zuachten/ und ihre Meinung schleu- nig anzudeuten haͤtten. So bald Herkules des Heerholds Ankunft vernam/ machte er sich von hinten zu in das Lager/ und nach gemachter Anordnung/ ließ er ein Geschrey anrichten/ als ob einige Meuterey darinnenunter dem Volke waͤhre/ da etliche schreyen musten/ es waͤhre besser/ wenige gestorben/ als das ganze Land verdorben; endlich traten etliche auf die Brustwehr und zeigeten dem Pannonier demuͤhtig an/ ihr Koͤnig uñ dessen naͤheste Anverwanten waͤhren nicht zugegen/ sondern wegen ihrer empfangenen grossen Wunden nach der Haͤupt Stad gezogen/ sich heilen zulassen; der Adel waͤhre auch in geꝛin- ger Anzahl bey ihnen/ daher des grossen Pannonischen Koͤniges begehren nicht koͤnte vol- strecket werden/ ob sie gleich gerne wolten. Damit zog dieser wol gemuht ab/ hinterbrachte Dropion die Antwort/ und empfing aufs neue dieses zuwerben: Ob ihr Koͤnig und dessen Angehoͤrigen nicht zugegen waͤhren/ koͤnte nicht schaden/ man wuͤrde sie zu Prag schon fin- den und in den Tohren aufhenken; sie aber solten alsbald das Gewehr niderlegen/ den An- wesenden Adel heꝛausgeben/ dem Pannonischen Koͤnige Traͤue und Gehorsam schwoͤren/ und dessen milde Gnade gewaͤrtig seyn; bekam aber zur Antwort; sie koͤnten des Schlusses nicht so bald einig werden/ wuͤrde auch biß morgen fruͤh/ zwo Stunden nach der Sonnen Aufgang wol anstand haben koͤñen/ alsdañ wolten sie sich gebuͤhrlich zuerklaͤrẽ wissen. Wo- mit dañ die Pañonier vordismahl zufrieden wahrẽ/ der gaͤnzlichen Hofnung/ es solte alles nach ihrem Wunsch ergehen. Nur Amythaon trat auf/ und zeigete an er hielte der Boͤhmẽ Antwort sehr verdaͤchtig/ moͤchten wol diese Nacht eines starken Entsatzes vertroͤstet seyn/ wie man nit sagen koͤnte/ dann im Kriege gingen die Sachen wunderlich; hielte demnach vor rahtsam/ daß man die berittenste Reuter zuruͤk gehen/ uñ bestellen liesse/ daß ihnen Bꝛod und andere Nohtwendigkeiten auß Pannonien zugefuͤhret wuͤrden; dann im falle es mit des Lagers Ubergabe triegen solte/ muͤste das Heer sich teilen/ Speise zusuchen/ oder des Hungers verschmachten. Der hochmuhtige Dropion lachete ihn aus/ aber die andern ho- he Kriegs Beamten/ hielten diesen Vorschlag vor das sicherste/ deswegen ers auch endlich geschehen ließ/ aber zu dem ersten Rahtgeber sagete; wolan Herr Amythaon/ wir wollen euch zugefallen unserm Lande diese Beschwerung anmuhten/ aber wann wir andere mor- gen in Feindes Lager speisen/ sollet ihr am untersten Tische allein sitzen. Nun hatten sie vor deꝛ Auffoderung des Lagers nach der rechten Seiten 5000/ und nach der linken 3000 Reu- ter ins Land geschicket/ Speise von den naͤhesten Doͤrffern einzuhohlen/ und alles Vieh heꝛ- an zutreiben. Aber Heꝛkules schickete deꝛ erstgemeldeten Schaaꝛ 4000 Teutschen uñ 7000 Boͤhmen nach/ welche sie mit Verlust 400 Mann/ alle niderschlugen/ daß kein einziger entran. An seinem Orte machete Leches es nicht anders/ und buͤssete nur 100 Reuter ein; wie wol ohn gefehr 20 ledige Pferde mit Blute sehr besprenget und teils verwundet/ zuruͤk lieffen/ daher obgedachter Amythaon nichts gutes muhtmassete/ und den Vorschlag taht/ daß etliche Pannonier/ der Boͤhmischen Sprache kuͤndig/ in Bauren Kleider ausgeschikt wür- Achtes Buch. wuͤrden/ etwas bericht einzuziehen; welcher Anschlag ihnen wol zu nuͤtze kam; dañ einer von diesen begab sich bey Mondenschein in das Gehoͤlze/ und als er eine gꝛosse Menge Reu- ter von ferne vernam/ kroch er auff allen vierẽ unter den Puͤschen hinan/ da er ihr Gespraͤch hoͤrete/ was gestalt die beide feindliche Schaaren biß auff den lezten Mann nider gehauen/ und alle ihre Pferde samt den aufgebundenen Wetschern gebeutet waͤhren; welches die Pannonischen Obristen nicht allein bestuͤrtzet/ sondern ihnẽ auch die Gedanken machte/ es muͤsten mehr Voͤlker/ als die im Lager/ verhanden/ und ein gefaͤhrlicher Anschlag uͤber sie gemacht seyn/ daß sie ihre Wache fleissig versahen/ und doch wegen Furcht des kuͤnftigen Brodmangels den gewissen Schluß macheten/ das Lager in Guͤte oder mit Sturm zuge- wiñen. Des morgens zur bestimten Zeit liessen sie ihren gestrigen Gesanten wieder hinꝛei- ten und die Erklaͤrung einhohlen/ welche diese wahr; es haͤtte der unbesonnene langsame Poͤfel sich noch nit allerdinge daruͤber vergleichen koͤnnen; etliche wolten auff/ und etliche nieder/ wie es dann bey so gestalten Sachen pflegete zugehen; baͤhten demnach/ die Herrẽ Pannonier moͤchten sich noch diesen einzigen Tag gedulden/ alsdann solte ihnen unfehlba- re Antwort gegeben werden. So bald dieser hinweg wahr/ kam Koͤnig Ladisla und Koͤnig Henrich in Begleitung 2000 Reuter auf schnellen Laͤuffern an/ dann sie trugen verlangen zuwissen/ wie es mit dem Heer ginge/ hatten Nacht und Tag geritten/ und liessen Arbianes mit dem Heer folgen. Herkules wahr ihrer Ankunft herzlich froh/ uñ ließ sie mit ihren Voͤl- kern ins Lager zihen/ da dann der Abscheid wahr/ es solte die Reuterey keinen Entsaz vor- nehmen/ biß sie die rohte Blutfahne wuͤrden an einer hohen Stange außgestecket sehen. Der Pannonische Feld Herr wahr mit der gegebenen Antwort nicht vergnuͤget/ und ließ nochmahls andeuten/ sie solten stündlich abzihen/ oder deß Sturms gewaͤrtig seyn/ da dañ alles ohn erbarmen solte nider gemacht werden. Ladisla selbst gab ihm unerkant zur Ant- wort/ es waͤhren ja 24 Stunden eine kurze Zeit/ die noch wol abzuwarten stuͤnde; sie vor ihr Haͤupt duͤrften sich nit weiter in Handlung einlassen/ weil sie von ihrem Koͤnige (der nit so gar hart verwundet waͤhre) Zeitung haͤtten/ dz er um Mitternacht wuͤrde bey ihnẽ seyn; haͤtte derselbe nun Lust/ sich henkẽ zulassen/ moͤchte er selber von sich sagen/ der gegenwaͤrtige Adel koͤnte sich dessen so leicht nicht bereden lassen/ dz sie ihre Haͤlse dem Strange widmeten. Aus welchen lezten Worten dann der Heerhold den Auffzug unschwehr verstund/ und sich heftiger Draͤuworte vernehmen ließ/ wie sein Pferd in ihrem Blute biß an die Knie wa- den solte. Welches Ladisla beantwortete: Der Herr Gesanter moͤchte doch nicht zu un- willig werden/ sondern den armen Boͤhmen mit einem guten Worte zu huͤlffe kommen; in Menschen-Blute zu reiten stuͤnde abscheuhlich/ und waͤhre ihm besser/ daß er sich davor im Spanischen Weine badete; welches Spottes dieser fast bersten wolte/ auch mit solchem Eifer die Antwort hinterbrachte/ daß er noch eins so viel hinzu log/ auffdas man ja den Sturm/ welcher leicht durchdringen würde/ laͤnger nicht auffschieben moͤchte. Es taht ih- nen allen die Beschimpfung sehr weh/ und macheten alsbald Ordnung/ daß zu fusse 67000 stuͤrmen/ uñ zu beyden seiten die ganze Reuterey (welche von dem Fußvolke gestaͤrket wahr) halten solte/ wann etwa ausser dem Lager sich etwas regen/ oder den Sturm zuverhindern sich unternehmen wolte. Die Voͤlker hatten diesen Morgen ihre lezten Speisen verzehret/ und wahr nichts uͤbrig/ als etwa Pferdefleisch rohe und ungesalzen zu fressen/ welches die Ober- Achtes Buch. Obersten ihnen vorhielten/ und sie zur tapferkeit anmahneten; setzeten die Voͤlker in sieben hauffen/ daß sie zugleich und auff einmahl den Sturm antreten/ und nicht auffhoͤren solten/ biß das Lager erstritten waͤhre. Die voͤrdersten Glieder trugen Holz/ Steine/ Erde/ und was sie finden mochten/ die Graben auszufuͤllen/ welches gar schleunig geschahe/ und tra- ten sie bald darauff mit einem unmenschlichen Geschrey den Sturm an/ in welchem Eifer sie gar bald oben auff die Brustwehr kahmen/ aber dergestalt mit Steinen/ pfeilen/ und lan- gen Spiessen zuruͤk geprallet wurden/ daß sie wie die Muͤcken hinunter fielen/ wiewol im- merzu andere nach ihnen hinauff klimmeten/ und so instaͤndig anhielten/ daß sie die unsern schon mit den Schwertern erreichen kunten; welches ihnen gleichwol sehr herbe besalzen ward; dann Ladisla/ Henrich und Fabius liessen sehen/ wie feind sie denen wahren/ die ihnẽ den Galgenstrik hatten ankündigen lassen. Noch durften die draussen schon gewonnen ruf- fen/ weil sie etliche ihrer Faͤhnlein sahen auff dem Wahle stecken/ und doch die Pfeiffe bald einzogen/ da sie so gute Schuch vor ihre Fuͤsse antraffen/ daß sie den Wahl Tod oder ver- wundet hinunter purzeln musten/ welchen sie frisch und frech hinauf gestiegen wahren. An einem Orte hielten sich die Pannonier wol/ da sie schon 3000 stark auff dem Wahl in zim- licher Ordnung hielten/ und wie wütige tolle Hunde anfielen/ biß obgedachte drey Helden sich gegen sie kehreten/ und biß auff 800 alle auffgerieben/ diese aber zum Wahl hinunter tummeiten/ und von ihren eigenen Voͤlkern nidergemacht wurden/ da die unsern nur 500 misseten/ und 1200 beschaͤdigte hatten; der Feinde abeꝛ 7000 Tod/ und 6000 hart veꝛwun- det wurden. Nach des Strums endigung muste ein Boͤhme auff die Brustwehr steigen/ und hinuͤber schreihen; was man ihnen doch zu leide getahn haͤtte/ daß sie des lebens muͤde und uͤberdruͤssig waͤhren; sie moͤchten sich eines andern bedenken/ und gut Wildwerk essen/ wann sie kein Brod haͤtten; welches dann gnug wahr/ die ohndas verbitterten Gemuͤhter hitzig zu machen/ daß sie den Sturm zum andernmahl anlieffen/ und musten die Haͤuptleu- te vor ihren Knechten hertreten/ welches im ersten Sturm nicht geschehen wahr. Diese wolten nun ihr Leben teur gnug verkaͤuffen/ und fochten sehr tapfer/ in meinung/ vor diß- mahl die Oberhand zubehalten; woruͤber anderthalb Stunden unnachlaͤssig gestuͤrmet ward/ in welcher zeit der Feind fuͤnffmahl abwiche/ und so oft immer frischer wieder anset- zete. Die Haͤuptleute wahren mehrenteils Tod oder verwundet/ der Wahl und die Gra- ben lagen vol todte Leichnam/ und wahr ein so erbaͤrmliches Geheule der sterbenden/ daß der umbliegende Wald davon erschallete/ dann sie liessen in diesem andern Sturme 12000 sitzen/ und 18000 wahren hart verwundet/ weil sie es so eiferig trieben/ daß sie 40 Faͤhnlein auff die Brustwehr brachten/ und auffstecketen/ welche sie mit Spot und Schaden hin- terlassen musten; wiewol an unser Seite es auch nicht leer abging/ sondern 4000 erschla- gen/ und 8000 verwundet wurden/ so dz auch Koͤnig Henrich am Schenkel verletzet ward. Als die Feinde sahen/ daß alles vergeblich wahr/ zogen sie ab/ vol Grim und Eifer; dann keiner hatte vor drey Stunden die Gedanken gehabt/ daß es mißlingen solte. Die unsern rieffen ihnen spoͤtlich nach; wann sie Brod betteln wolten/ muͤsten sie nicht trotzen/ sondern gute Worte geben; ob dann ihre ausgeschikte Kuhdiebe vielleicht mit einer gestohlenen Heerde wiederkaͤhmen/ moͤchten sie Geld vor Salz bringen; jedoch zuvor den dritten Saz auch versuchen/ nach dem Sprichworte/ daß aller guten Dinge drey waͤhren; und als sie a a a a a keine Achtes Buch. keine Antwort bekahmen/ rieffen sie ihnen endlich zu/ sie moͤchten doch ihre Todten mit sich schleppen/ und sie nicht wie das Vieh unbegraben liegen lassen. Diesen Spot solten sie bil- lich verstanden haben/ aber ihr auffgeblasenes Herz gab ihnen ein/ daß sie abermahl einen Obersten mit zehn Rittern vor das Lager schicketen/ mit dieser Bedraͤuung/ daß da sie in- nerhalb 16 Stunden sich nicht ergeben/ und alle aͤdle und Fürstliche Haͤupter liefern wuͤr- den/ solte des Kindes in Mutterleibe nicht verschonet werden; der heutige Sturm waͤhre nur Kinderspiel gewesen/ Morgen wuͤrde die recht geuͤbete Mannschaft 120000 stark an- fallen/ und alles in grund niederreissen. Koͤnig Ladisla wolte diesen Troz laͤnger nicht dul- den/ ritte mit 50 Teutschen zu ihnen hinaus/ ließ sie alle greiffen/ schlug den Helm auff/ und redete sie also an: Je welcher Teuffel hat euch dumkuͤhnen Hunden die Sicherheit gege- ben/ ohn vor erbehtenen Urlaub an mein eures Todfeindes Lager zu reiten/ und meine Voͤl- ker mir abzuspenstigen/ ja mich gar zum Stricke heraus zu fodern? wisset ihr schaͤbichten Hunde nicht/ wie ihr mich/ einen rechtmaͤssigen Koͤnig dieses Reichs gebuͤhrlicher weise ausfodern sollet? oder gedenket ihr etwa/ Koͤnig Ladisla werde euer unverschaͤmtes bellen groß achten? waͤhre euer Koͤnig/ der schaͤndliche Mordbrenner selbst bey dem Volke/ muͤ- ste er mir mit eigenem Schwerte rechenschaft ablegen/ da er sonst nicht wolte vor einen ver- zagten Moͤrder und Raͤuber ausgeruffen seyn; aber unter euch anderen achte ich keinen der wirdigkeit/ mich mit ihm absonderlich einzulassen; dañ ihr seid alle miteinander Schel- me und Moͤrder/ die mir mein Reich unabgesaget überfallen und gutenteils verwuͤstet ha- ben/ deswegen ich den uͤbrigen allen/ so bald ich ihrer maͤchtig werde/ eben denselben Lohn ausfolgen lassen wil/ welchen ihr anjezt durch euren Frevel/ und daß ihr mich nicht gewir- diget/ umb sicher geleit anzusuchen/ verdienet habet und einnehmen sollet. Hierauf ließ er einen Galgen auff die Brustwehr setzen/ und den Obersten samt neun Rittern daran knüp- fen/ daß die Feinde sie fein kunten bammeln sehen/ dem zehnden aber wurden Ohren uñ Na- se abgeschnitten/ auch an beyden Haͤnden die ersten Glieder der Finger abgehauen/ und sag- re hernach Ladisla zu ihm; reite du nun hin/ und zeige den Mordbrennern an/ ich wolle von Mnata dem Pannonier wegen des unredlichen Raͤuberisch- und Mordbrennerischen uͤberfalles abtrag haben/ vor eins; hernach sollen sich die Mordbrenner klein und groß/ in- nerhalb 16 Stunden aus meinem Reiche fortpacken/ und mir den boshasten Schelm ih- ren Feldherrn/ samt allen Obristen zu Geissel geben/ daß sie mir allen zugefuͤgten Schaden ersetzen wollen; im wiedrigen wil ich nach erhaltenem Siege/ an welchem ich mit GOtt nicht zweifele/ sie als Mordbrenner und Raͤuber abstraffen/ und das Pannonische Reich einer Wüsteney gleich machen/ worzu ich schon mittel in Haͤnden habe. Obgedachter Sei- lergeselle Grozemisla trat in seiner neuen Rittersgestalt auch herzu/ uñ sagete: Mein Herꝛ/ v ermeldet eurem Feldherrn und allen hohen Kriegsbeamten/ welche mir das Geld/ Mord- brenner zubestellen/ verehret/ meine Dienste/ und daß ich aufs fleissigste alles verrichtet/ aber doch uͤbel mißrahten sey/ gestaltsam meine Bedienete es unrecht verstanden/ und da sie das Boͤmische Lager anzuͤnden solten/ sie irre gangen/ und dem Pannonischen ihren Zunder beygebracht haben; ob ich auch zwar selbst mit meinem ungebohrnen Soͤhnlein mich ger- ne einstellen wolte/ koͤnne von meinem allergnaͤdigsten Koͤnige ich doch kein Urlaub erhal- ten/ sondern daß ich wieder Boͤmisch Blut setzen moͤge/ hat seine Koͤnigl. Hocheit aus mir armen Achtes Buch. armen Seilergesellen einen aͤdelman und Ritter gemacht; hiemit guten Tag/ mein Herr. Der geschaͤndete Ritter kennete ihn alsbald/ durfte kein Wort dawieder reden/ welches ihm auch die abgeschnitte Nase gnug verboht/ ritte mit einem vor dreien Tagen gefange- nen und an beyden Armen gelaͤhmeten hin/ und brachte die Zeitung/ wie der Boͤmische Koͤnig selbst im Lager waͤhre/ alle seine Gefaͤrten henken lassen/ und diese Antwort gegeben; woruͤber sie alle sehr bestuͤrzt wurden/ und in die Gedankẽ gerieten/ es muͤste schon ein gros- ser Entsaz verhanden/ oder doch nicht weit zuruͤcke seyn; verzweifelten demnach an erobe- rung des Lagers/ und furchten sich vor einem naͤchtlichen Uberfal/ hoͤreten auch schon die Voͤlker/ so diesen Tag sider heut fruͤh nicht gessen hatten/ offentlich murren/ warumb man sie in solcher unvorsichtigen Sicherheit so weit ins Land gefuͤhret/ und hintersich alles ver- derbet haͤtte/ daß sie entweder den Feinden in die Schwerter und Spiesse lauffen/ oder/ wel- ches noch unertaͤglicher/ durch Hunger und Durst ihr Leben enden muͤsten. Die hohen Obristen speieten sich selbst an/ daß von einem schlim̃en Seilerknechte sie sich dergestalt hatten beruͤcken lassen/ bekenneten/ er haͤtte ihnen mehr Schaden/ als das Boͤhmische Heer getahn/ und schmerzete sie uͤberaus/ daß er sie noch darzu von neuen auffzihen durffte. Die Erhenkung der zehne/ und Zerstuͤmmelung des eilfften ging ihnen sehr zu Herzen/ aber Agiß kunte nicht umhin/ Dropion es zuverweisen/ daß er nicht haͤtte wollen nach seinem Raht bescheidener handeln/ weil man ja mit einem Koͤnige zuschaffen haͤtte/ darzu in seinẽ Lande; welches aber der Freveler mit Troz beantwortete/ und daß er in kurzen diesen Af- ter Koͤnig mit allen seinen Anverwanten auff gleiche weise wolte lassen auffknuͤpffen. Der Kriegs Raht ward gehalten/ und wolte keiner die erste Stimme geben/ biß Pyrechmes an- fing: Ihr Herren/ mich deucht schier/ es werde uns der eilfaͤrtige Auffbruch das allerbeste Mittel seyn zu unser aller Rettung; was stehen wir dann alhier als traͤumete uns? Ich muß nunmehr bekennen/ daß wir in unserm unabgesagten Einfal entweder zu unbesonnen oder zu schlaͤfferig gangen sind/ und daher sehr wenig Ehr und Ruhm mit uns nach Hause bringen werden/ welche wir uns sehr groß eingebildet hatten; doch moͤchten wir erst wie- der auff Pannonischem Grund und Bodem seyn/ koͤnte dieses erste versehen wieder ein- gebracht werden/ in welches der buͤbische Seiler-macher/ die Goͤtter schaͤnden ihn/ uns gestuͤrzet hat. Hyppasus antwortete ihm/ er haͤtte gar recht geurteilet; es waͤhre aber nicht raht/ von dem ergangenen viel Worte zumachen/ weil es unwiederbringlich/ nur hielte er davor/ der schleunige und stokstille Abzug muͤste ergriffen und fortgesetzet werden. Pelegon wahr bemühet/ seinen Befoderer Dropion zuentschuldigen/ uñ alles dem neidischen Gluͤk zuzulegen; Aber Agiß gab zur Antwort: Es waͤhre solches ein uͤberfluͤssiges/ massen ja kein Mensch/ seines wissens/ uͤber ihren Feld Herrn klagete. Derselbe aber wahr so dutzig/ daß er fast kein Wort reden kunte/ fing endlich hierauff an: Ja noch zur Zeit hoͤre ich keinen/ der mich verleumde/ aber in kuͤnftig werden sich deren ohn zweifel wol mehr als zu viel an- geben/ doch weil ich mich meiner Redligkeit und wolgemeineten Vorsatzes troͤste/ wil ich herzhafft erwarten/ was folgen wird. Amythaon sagte zu ihm: Er vor sein Haͤupt wuͤrde nicht unterlassen/ ihm dessen Zeugniß zugeben/ daß alles redlich und wolgemeinet gewesen waͤhre; das Gluͤk und dessen Faͤlle haͤtte kein Mensch zuverantworten/ und wuͤrde man Anordnung zum stuͤndlichen Auffbruch machen muͤssen. Also sagete man durch das ganze a a a a a ij Lager Achtes Buch. Lager an/ daß die Verwundeten/ welche das schnelle reiten nicht erdulden koͤnten/ alsbald voraus gehen solten; welches noch bey guter Tageszeit geschahe/ so daß die unsern dessen nicht eins inne wurden. Der algemeine Auffbruch ward mit dem dunkeln Abend vorge- nommen/ da gleichwol 6000 von den zubest berittenen zuruͤk bleiben/ und viel Feur anlegẽ musten/ und solches innerhalb der zum teil hinterlassenen Wagenburg; wodurch dann die unsern verleitet wurden/ daß vor des Tages Anbruch sie nicht das allergeringste davon erfuhren/ da die grosse stille es verriet/ weil man so gar keine ausgestellete Schildwachten vernam. Etliche von den unsern wolten sich eines Auffsatzes besorgen/ aber Herkules ließ 500 Reuter nach des Feindes Lager gehen/ und versicherte inzwischen die andern/ daß der Hunger sie fruͤhzeitig gnug wuͤrde hinweg getrieben haben; welches die ausgeschicketen gar bald einbrachten/ weil sie von 400 toͤdlich verwundeten hinterbliebenen Pannoniern (welche weder das reiten noch fahren ertragen kunten) allen Bericht eingezogen hatten. Zwar man setzete ihnen eiferig gnug nach/ aber vergebens/ weil jene gar zu grossen Vor- sprung genommen hatten/ deswegen kehreten sie wieder umb/ und danketen Gott herzlich/ vor diesen verliehenen Sieg. Des folgenden Tages/ da Arbianes mit dem wolgeruͤsteten Teutschen Entsatze kam/ hielten sie Kriegsraht/ und schlossen in der Kuͤrze/ den Feinden zu folgen/ ob man den Krieg in Pannonien spielen/ oder auffs wenigste des erlittenen Land- und Brandschadens sich am ersten Anfal erholen koͤnte/ weil nicht zuzweifeln waͤhre/ die schaͤndlichẽ Raͤuber wuͤrden sich durch diesen Unfal nit lassen abschreckẽ/ sondern in groͤsser Anzahl wieder kom̃en als vorhin. Es gingen die Pañonier nach ihrẽ Grenzen zu/ in solcher Eile/ als ihre Pferde es ertragen kunten/ deren ihnẽ doch über die 16000 niderfielen/ und 12000 verwundete Kriegs Leute mit drauff gingen; dann es mag nie keine Feldflucht ei- feriger fortgesetzet seyn/ als dieser unruͤhmlicher Abzug/ doch uͤberschritten sie die Grenzen nicht/ aus Furcht/ die Boͤhmen moͤchten in ihrem Lande eine gleichmaͤssige Verwuͤstung anrichten/ daher sie sich an einen solchen Ort lagerten/ woselbst ihnen durchaus nicht bey zukommen wahr; dann ob sie zwar auf dem Rükwege grossen Hunger erlitten/ Wurzeln und Pferde Fleisch fressen/ und allerhand Ungemach außstehen muͤssen/ funden sie doch auf den Grenzen die begehrete Zufuhre haͤuffig/ und ergetzeten sich nach allem Willen/ setze- ten sich auch muhtig/ dem Feinde zuwiederstehen/ weil ihr Heer sich annoch auf 100000 wolbewehreter Mann ersteckete. Die unsern/ deꝛen Voͤlker sich immerzu verstaͤrketen/ gin- gen ihnen mit 140000 Mann eiferig nach/ und beklageten die erschreckliche Landes Ver- wuͤstung sehr/ da Ladisla den Taͤhtern schwere Straffe draͤuete/ kunten aber von den Fein- den keine Gewißheit einzihen/ biß der Vortrab endlich ihres Lagers gewahr ward/ und sol- ches den unsern zuwissen machete. Herkules wolte den Krieg nicht gerne in die Harre spie- len/ weil er sich dem Feinde gnug gewachsen sahe/ sendete einen Trommelschlaͤger an ihr Lager/ und ließ ihnẽ die Schlacht anbieten; aber sie gaben zur Antwort; man haͤtte dem Boͤhmischen Koͤnige vordißmahl die Ehre getahn/ und auf seinen Befehl das Land biß an die Grenze geraͤumet/ auch die uͤbrigen Anfoderungen an den Pannonischen Koͤnig ge- langen lassen/ welcher sich in kurzem wuͤrde zu erklaͤren wissen; deßwegen solte er sich trollẽ/ und seinem Koͤnige anzeigen/ daß er sich in etwas geduldete/ oder da er so viel herzens haͤt- te/ sich an ihrem Lager auch versuchete/ ob es so gute Beschuͤtzer als das Boͤhmische haͤtte. Auf Achtes Buch. Auf Ruͤkbringung dieses zweifelte niemand/ es wuͤrde der Feind eine neue Macht an sich zi- hen/ dem man nach Moͤgligkeit vorbauen muͤste/ und sahe doch niemand/ wie es am fuͤg- lichsten anzugreiffen waͤhre. Leches und Klodius hielten jeder umb 8000 Reuter bey Koͤ- nig Ladisla an/ damit sie zur Rechten und Linken in Feindes Land gehen/ und Bente einzu- hohlen den Anfang machen wolten/ welches ihnẽ beyderseits zugelassen ward/ jedoch mit gesetzeter Masse/ wie weit sie sich vertuhn solten. Neda und Prinsla bekahmen gleichmaͤssi- ge Erlaͤubniß/ jeder mit 9000 Mann sein Heil zuversuchen/ und gingen eilig fort/ in Hoff- nung was gutes zuschaffen. Dropion hatte sich zwar an einen festen Ort nidergeschlagen/ daß er eine freye Seite hatte/ weil daselbst lauter Morast wahr; aber dagegen hatte er sich selbst eingesperret/ da die unsern ihn mit 18000 Mann in sechs unterschiedlichen Schan- zen dergestalt einhielten/ daß ihm unmoͤglich wahr/ auszufallen/ oder einen einzigen Boh- ten auszuschicken/ und wahren diese Schanzen mit tieffen Graben der gestalt an einander gehaͤnget/ daß die Feinde/ wie gescheid sie wahren/ bekeñen musten/ deßgleichen vortelhafte Einsperrung Zeit ihres Lebens nicht gesehen zuhaben. Unsern vier außgegangenen fliegen- den Heeren gluͤckete es nach allem Wunsch/ weil die Inwohner von der unsern Ankunst gar keine Zeitung hatten/ und sowol Bauren als Buͤrger in aller Sicherheit das ihre bey sich selbst verwahreten. Weil dann das Land dieses Orts treflich bewohnet/ und vol Früch- te und Vieh wahr/ funden sie allen Uberfluß/ massen sie 120 Doͤrffer/ 30 Flecken und 14 Staͤdchen außpluͤnderten/ und alles Korn und Speisen auff Wagen und Last Vieh ludẽ/ in solcher Menge/ daß ihr ganzes Heer die folgende Zeit des Krieges davon uͤberfluͤssig zu leben hatte; und ob sie zwar deꝛ Gebaͤu mit Feur veꝛschonetẽ/ veꝛbranten sie doch alle Fꝛuͤch- te/ welche sie nit mit fortnehmen kunten. Ihres Viehes wahr fast keine Zahl; Leches bꝛach- te 8000 feiste Ochsen/ 12000 Melke Kuͤhe/ 16000 Schaffe/ 4000 Pferde/ ohn was vor dẽ Wagen gespannet wahr/ deren Anzahl sich auff 3000 erstreckete/ mit 6000 Pferden und 16000 Ochsen bespañet. Klodius hatte so reiche oͤrter nit angetroffen/ jedoch 5000 Ochsen 3000 Pferde 8000 Schaffe und 1000 mit Fruͤchten und Wein wolbeladene Wagen er- beutet. Neda brachte auß etlichen Staͤdten 1800 Fuder Wein/ und 5000 Melke Kuͤhe/ samt 3000 jungen Rindern/ 600 Fudeꝛ Korn uñ 6000 Schaffen. Prinsla hatte viel Tuch/ gegerbet Leder/ und Kleider geraubet/ so viel 300 Wagen fortschleppen kunten/ und weil er etwas tieffer ins Land gangen wahr/ hatte er eine Heerde Ochsen und Kuͤhe 14000 stark/ 15000 Schaffe/ und 3500 ledige Pferde angetroffen/ welche sich auff die Flucht hatten ge- schicket. Als die Feinde eine solche überaus grosse Beute/ nicht gar weit von ihrem Lager nacheinander daher treiben sahen/ wusten sie nicht was sie vor Eifer tuhn oder reden wol- ten/ und verfluchten die Inwohner/ daß sie so langsam zur Gegenwehr wahren/ durften uñ kunten doch keinen Außfal wagen/ weil die unsern ihnen zufleissig aufwarteten. Es wurdẽ alle erbeutete Sachen in Eile fortgeschickt/ und durch das Land verteilet/ welches die zum Kriege unduͤchtigsten/ 3000 stark fortbringen musten/ denen 8000 erloͤsete Boͤhmische Leib- eigene zugegeben wurden/ und 6000 mit Waffen versehen und zum Heer getahn. Die un- sern wolten es hie bey nicht lassen gut seyn/ weil sie Zeitung hatten/ daß in der abgelegenen Weite die Voͤlker zusammen getrieben wurden/ muste demnach Leches alsbald wieder fort mit 10000 auß geruheten/ dem Herkules und Arbianes mit 12000 auf eine halbe Meile a a a a a iij immer- Achtes Buch. immerzu nachfolgeten; wie im gleichen Neda und Prinsla mit 12000 nach einem andeꝛn Orte/ von denen Ladisla und Markus mit 10000 nicht weit blieben. Nun wahr das Ge- schrey an dieser Seite schon durch das Land erschollen/ daß die Boͤhmen den Einfal getahn hatten/ daher der Koͤnig etliche hundert Befehlichshaber von seinem neuen Heer/ welches noch nicht gar bey einander wahr/ nach diesen Grenzen schickete/ mit Befehl/ alle erwach- sene Manschaft zusamlen nnd bewehret zumachen. Diese wurden Leches seiner Ankunft gewahr/ zogen ihm 14000 stark entgegen/ und schicketen herum/ daß sich mehr zu ihnen schlagen solten. Leches empfing sie mit unverzagtem Herzen/ welche anfangs als verzwei- felte Leute fochten/ und die unsern beide Haͤnde vol zutuhn bekamen/ biß ihre Ordnung ge- trennet ward/ und nachgehends/ weil sie sich nicht wieder setzen kunten/ wie das Vieh ab- geschlachtet wurden. Ehe sichs aber Leches versahe/ ward er von der Linken her von einem neuen Feinde 15000 stark angegriffen/ gegen welche er sich kehrete so best er kunte/ da inzwi- schen die ersten sich samleten/ voller Hoffnung/ sich rechtschaffen zuraͤchen. Aber Herkules kam zu rechter Zeit/ gab Arbianes 7000 gegen die ersten zufuͤhren; er aber ging mit 5000 Leches zu Huͤlffe/ welcher dieses unvermuhtlichen Entsatzes sich erfreuend/ den Feind geꝛa- de von fornen zu angriff/ da Heꝛkules zur Seite einfiel. Aꝛbianes empfand schwachen Wie- derstand von den schon Abgematteten/ daher er zu erst fertig ward/ daß von diesem ganzen Hauffen nicht mehr als 4000 lebendig blieben/ deren 3600 gefangen wurden/ die uͤbrigen sich durch die Flucht errettetẽ. Der andere Feindes-Hauffen hielt sich biß dahin noch wol/ weil viel handfeste Leute unter ihnen wahren/ aber so bald sie Arbianes auch herzu dringen sahen/ entfiel ihnen aller Muht/ daß sie ihr Gewehr von sich worffen/ und um Gnade rieffẽ/ welche ihnen auch gegeben ward/ wurden also hieselbst 8000 gefangen genommen/ und er. retteten sich kaum 50 durch die Flucht. Dieser herliche Sieg ward in anderthalb Stunden voͤllig erhalten/ welcher den unsern nur 1800 Mann kostete/ wiewol ihrer 2600 beschaͤdi- get wahren. Sie hielten in aller Eile Pluͤnderung/ funden bey den Lebendigen und Todten sehr viel Baarschafft/ welches alles den Kriegsleuten frey gegeben ward; und also hielten sie es auch bey dem ersten Einfall/ daß die Voͤlker alle Baarschafft vor sich raubeten/ und uͤberaus viel Gold zusammen schleppeten. Unter den Gefangenen wahren 130 Ober Be- fehlichshaber/ wurden aber den gemeinen Knechten gleich gerechnet/ und alle vor Leibeige- ne nach Boͤhmen fortgeschicket. Herkules ging noch zwo Meile weiter zum Lande hinein/ traf eine zimliche Stad an/ wiewol nicht sonderlich feste/ und weil sie an Manschafft sehr entbloͤsset wahr/ bemaͤchtigete er sich derselben ohn Blutvergiessen; sie wahr aber vol hin- ein geflehetes Guts/ von Vieh/ Korn und allerhand Waaren/ so daß die Gassen und Hoͤfe an vielen Orten mit den Wagen angefuͤllet wahren. Herkules ließ ausruffen/ daß alle Leib- eigene fich zur suͤssen Freiheit einstellen solten/ worauff in kurzer Zeit sich 4000/ mehren- teils Boͤhmen anfunden/ welche viel dankens machen wolten; aber sie musten helffen die Wagen und das Last Vich mit allerhand Raub beladen/ da dann 3000 volgepackete Wa- gen/ 6000 Maul Esel und Esel/ 8000 Pferde/ und 7000 Ochsen mit voller Ladung fort- getrieben wurden. Als Herkules mit solcher grossen Menge gefangenen/ gesattelter Pfer- de/ und Beute nahe bey des Feindes Lager herzohe/ und das Heer ihn mit grossem jauch- zen empfing/ meynete Dropion vor Herzensangst zusticken/ fluchete und schalt so wol auff seinen Achtes Buch. seinen Koͤnig selbst/ als auff dessen Leute/ daß sie mit dem Entsatze so schlaͤfferig umgingen. Neda geriet an seinem Ort an ein sehr grosses Dorff/ in welchem sich an die 16000 Pan- nonier gesamlet hatten/ das Gewehr daselbst zuempfangen/ denen er zuentboht/ ob sie sich ergeben/ oder mit samt dem Dorffe im Feur auffgehen wolten. Anfangs wegerten sie sich in etwas/ aber als Ladisla mit seinen Voͤlkern darzu kam/ bahten sie umb Gnade und Lebensfristung. Man wolte so viel Leibeigene nicht mit sich schleppen/ vielweniger sie lauf- fen lassen/ daß sie auffs neue sich haͤtten mit Waffen versehen/ und weil gleichwol Ladisla keinen gefallen an Vergiessung sv viel Menschen Blutes hatte/ musten sie alle miteinander ihnen den Daumen an der rechten Hand/ oder zween Finger laͤhmen lassen/ damit sie zum Gefechte unduͤchtig wuͤrden/ welches sie/ umb den Hals zu retten gerne angingen. In dem Dorffe traffen sie fast ja so viel hinein geflehete Guͤter an/ als Herkules an seinem Orte/ wie auch 3600 Boͤmische Leibeigene/ welche frey gegeben/ und mit Waffen versehen wur- den. Diese kahmen zwo Stunden nach Herkules an/ uñ erwecketen bey den ihren eine neue Freude/ bey den Feinden aber fast eine rasichte Verzweifelung. Gleich diese Stunde fingen die unsern fuͤnff lauffende Bohten auff/ welche von dem Koͤnige an Dropion abgeschicket wahren/ ihm muͤndlich anzudeuten/ daß nach verlauff zween Tagen derselbe mit einem wol- gerüsteten Heer 150000 stark bey ihm seyn/ und dem Feinde den verwaͤgenen Einfal besal- zen wolte; welches die unsern durch erschrekliche Peinigung aus ihnen brachten; hielten daruͤber Kriegsraht/ und fundens am dienstlichsten seyn/ daß sie wieder hinter sich nach ih- rem alten Lager gingen. Es ward aber von einem befreieten Leibeigenen/ der Geburt ein Italiaͤner/ den unsern kund getahn/ daß vier Meile von dem Lager ein verhauener Wald waͤhre/ welcher inwendig einen grossen und fruchtbahren Raum fast einer Meile im umb- kreiß haͤtte/ dahin waͤhre ein grosser Vorraht allerhand Fruͤchte/ Speisen/ Waaren/ und Viehs gebracht/ zweifelte nicht/ man konte alle Beute leicht erhalten/ wann eine zimliche Macht dahin ginge/ weil sich mehrenteils Weiber/ und nicht uͤber 8000 Maͤnner dabey fünden. Ladisla bekam Lust/ diesen Rit zu tuhn/ nam 30000 frische Reuter zu sich/ gingen die ganze Nacht fort/ und gelangeten eine Stunde vor der Sonnen Aufgang daselbst an/ funden den zimlich breiten Eingang mit bewehreter Mañschaft besetzet/ und erwarteten des Tages zum Angriff/ da inzwischen die unsern bemuͤhet wahren/ noch fuͤnff oͤrter zu oͤffnen/ und durch dieselben hinein zu dringen. Die Feinde wurden der unsern zeitig gnug wahr/ hatten sich mit Geschoß etwas/ mit Schwertern uñ Spiessen aber wol versehen/ und schos- sen anfangs verwaͤgen gnug in die unsern/ denen aber die Schilde wol zu statten kahmen/ welche sie auff diesen fal mit sich genommen hatten/ wiewol von unsern Leuten in die 300 erschossen/ und 700 verwundet wurden; es half ihnen aber zur schleunigen uͤberwindung/ daß durch die fuͤnff geoͤfneten Loͤcher in die 2500 Mann in kurzer frist hindurch drungen/ und inwendig des Platzes ein grosses Blutvergiessen anfingen/ daher ein sehr jaͤmmerli- ches Geschrey von den Weibern und Kindern gehoͤret ward/ daß allen ihren Maͤñern der Muht entfiel/ uñ die im grossen Eingange gedachten/ es wuͤrden der unsern vielmehꝛ durch gebrochen seyn/ wie gleichwol ihre Anzahl sich immerzu mehrete. Ladisla ließ diese noch- mahls zur übergabe anmahnen/ welches sie auch annahmen/ nachdem ihrer ingesamt 3200 erschlagen wahren. Sie funden einen überaus grossen Vorraht daselbst; 16000 ledige Pferde/ Achtes Buch. Pferde/ 40000 Rindvieh/ 20000 malter Früchte auff Wagen geladen; 300 Wagen mit allerhand Waaren zu Kleidungen; 1200 fuder Wein/ 19 Tonnen Goldes an Baarschaft/ 70000 Schaffe/ und sehr viel geschlachtetes und eingesalzen Fleischwerk. Bey dem Vieh und Wagen wahren uͤber 8000 Leibeigene/ mehrenteils Boͤhmen/ welches alles nach moͤglicher Eile fortgebracht ward/ so daß nach verlauff 23 Stunden sie im Lager ankah- men/ und ein durchgehendes Freudengeschrey erwecketen. Die vornehmsten Haͤupter von dem Feinde/ sahen auff ihrem erhoͤheten Wahle mit grosser bestuͤrzung zu/ und erzeigete sich Dropion nicht anders als ein Wahnwitziger/ daß ihm alle moͤgligkeit auszufallen gaͤnzlich abgestricket wahr/ er auch kaum noch auff einen einzigen Tag Lebensmittel an Speise und Trank in seinem Lager hatte/ daß wann der Koͤnig seine ankunft noch vier Tage weiter hin- aus gesetzet/ haͤtten sie aus Noht sich alle ergeben müssen/ daher ein uͤberaus grosses Leid un- ter ihnen entstund/ weil von des Koͤniges anzuge sie ganz keine nachricht hatten/ und weil die unsern noch so ungescheuhet zum Lande hinein gingen/ den Raub zu hohlen/ sie in der Furcht stecketen/ es wuͤrde keine anstalt gemacht/ solches zu hindern. Die unsern sahen daß es zeit seyn wuͤrde auffzubrechen/ liessen alle Beute samt den Gefangenen alsbald forttrei- ben/ und lagerten sich gegen den Feind/ nicht anders/ als ob sie daselbst ein Lager befestigen wolten; aber so bald die Dunkelheit einbrach/ zogen sie in aller stille fort/ ritten die ganze Nacht/ und bekahmen eine Enge hinter sich/ daß sie vor uͤberfal gesichert wahren. Dropion haͤtte sich dessen nimmermehr versehen/ ließ zwar aus seinem Lager etliche kleine Reuter- schaaren gehen/ weil er alle Schanzen ledig sahe/ und gleichwol trauete er nicht/ weil er sich einer Hinterlist befuͤrchtete/ nochmehr aber/ daß seine Knechte wegen mangels gar davon lauffen moͤchten/ wann sie das weite Feld offen haͤtten; aber als etliche Bauren/ insonder- heit fuͤnff Abtruͤnnige von den Gefangenen (welchen die Dunkelheit davon half) ihm die gewisse Zeitung brachtẽ/ der Feind ginge in aller eile hinter sich/ ward eꝛ dessen zum teil froh/ wiewol er nicht aufhoͤrete auff seinen Koͤnig und dessen Gewaltige (deren etliche dañ/ wel- ches er wuste/ ihm diesen eingelegeten Schimpf wol goͤnneten) zu schmaͤhen; aber ein ge- traͤuer des Koͤniges/ redete ihm ein/ er moͤchte alles nach belieben reden/ und nur Koͤnigl. Hocheit schonen/ als welche hieselbst keines weges zubeschuldigen waͤhre/ sondern vielmehr wir selbst/ sagete er/ in dem wir diesen Fehler begangen/ und uns so gar auff die Grenze gelegt/ da kein mittel gewesen ist/ einigen Bohten abzufertigen/ oder zubekommen; welches versehen doch unser Koͤnig uns nicht auffruͤcken wird/ weil kein Mensch einer solchen Schlauheit zu dem Feinde sich haͤtte versehen koͤnnen. Dropion stellete sich aͤusserlich/ als wann er durch solche Vermahnung voͤllig zu frieden gestellet waͤhre/ aber des folgenden morgens fand man diesen redlichen Mann auff seinem Lager Tod/ da ihm das Haͤupt an der rechten seite eingeschlagen und die Kehle abgestochen wahr. Kurz nach dem Dropion des Feindes Abzug erfahren hatte/ kam ein Koͤniglicher Bohte zu ihm/ anmeldend/ es naͤh- me den Koͤnig/ und alle seine Leute hoͤchlich wunder/ daß ihm in etlichen Tagen so gar keine Botschaft aus dem Lager zukommen waͤhre/ haͤtte daruͤber geeilet/ mit der Reuterey voran zu gehen/ mit welcher er gegen Abend bey ihm seyn/ und den Feind ernstlich angreiffen wol- te. Dropion schickete ihm 2000 Reuter/ unter der Anführung seiner ergebenen entgegen/ welche ihm alles nach seinem Willen vortragen und den Fehler beschoͤnen solten. Wir ha- ben Achtes Buch. ben aber hieselbst zuvernehmen/ mit was Gemuͤht und Willen Dropions erste Botschafft (da er von dem Koͤnige ein neues Heer/ noch ehe er der unsern Lager gestuͤrmet hatte/ be- gehrete) auffgenommen sey. In Pannonien wahr dazumahl uͤberal grosse Freude/ weil man alle Tage/ ja fast alle Stundẽ eine Anzahl Vieh nach der andern aus Boͤhmen brach- te/ und umb ein liederliches Geld verkauffte/ wobey stets zur neuen Zeitung ausgeruffen ward: das ganze Land stuͤnde mit ihrem Koͤnige in solchem Schrecken/ daß dieser davon zuzihen/ jenes sich an Koͤnig Mnata zuergeben willens waͤhre/ dann die beste Manschafft haͤtte sich in den eingenommenen Grenz Festungen auffgehalten/ nach deren Hinrichtung den uͤbrigen das Herz entfallen waͤhre. Mnata wahr etwas leichtglaͤubig/ und trauete sei- nem ungetraͤuen Dropion zu viel/ daher er sich gegen die seinen oͤffentlich vernehmen ließ: Er hielte Boͤhmen so gut als uͤberwunden/ und solte ihm Teutschland hernach vor den Schimpff auch schon gerechtseyn. Dieses wusten Dropions Zugetahne ihm dergestalt einzubilden/ daß er ganz sicher ward/ und des verstaͤndigen Mastyes Reden verachtete/ wel- cher stets auff die guten Zeitungen antwortete: Er fuͤrchtete/ man wuͤrde mit den Boͤh- men mehr zu tuhn bekommen/ als Vieh rauben und Doͤrffer brennen; das Land waͤhre reich an Manschafft; Teutschland stuͤnde ihnen bey/ als ginge sie es selbst an/ und daͤuchte ihn unmoͤglich/ daß ein so tapfferer Koͤnig in Geselschafft eines noch tapfferern getraͤuen Freundes nicht eine Schanze wagen solte/ ein Koͤnigreich zubehalten/ welches ihm ange- erbet waͤhre; riet demnach man solte sich gefasset machen/ damit man zeit der Noht bereit waͤhre; dessen aber der Koͤnig lachete/ und sich vernehmen ließ/ er waͤhre nicht willens/ sein ausgeschiltes Heer mit einem Manne zuverstaͤrken/ so gewiß waͤhre er des Sieges; mit welcher Erklaͤrung seine Getraͤuen vor dißmahl mustẽ friedlich seyn. Als aber die Zeitung erscholle/ daß die 9000 im Dorffe von geringer Manschafft nidergehauen waͤhren/ wel- ches Dropions Anhang gerne vertuschen wolte/ begunte Mnata zumerken/ daß die Boͤh- men noch nicht gemeinet waͤhren/ das Land zuverlauffen/ insonderheit/ als Mastyes und Deon/ die auff alles gute Kundschafft legeten/ ihm zu wissen tahten/ sie haͤtten von guter Hand Zeitung/ daß Teutschland und Boͤhmen ihr aͤusserstes wider Pannonien zuwagen entschlossen waͤhren/ und dero behuef sich gewaltig ruͤsteten. Weil dann Dropions begeh- ren wegen Auffrichtung eines neuen Heers darzu kam/ wobey doch der Niderlage ihres Vortrabes keine Meldung geschahe/ merkete Mastyes/ daß ein Schade muͤste eingenom- men seyn/ welches zuerforschen/ er seinen getraͤuen Diener/ der mit Dropions seines Ab- gefertigten Diener sehr vertraulich wahr/ an denselben mit fleissiger Nachfrage setzen ließ/ welcher/ ob ihm gleich ernstllch von seinem Herrn verbohten wahr/ dessen nichts zugeden- ken/ so offenbahrete er doch diesem auff versprochene Verschwiegenheit alles/ wie es er- gangen waͤhre. Mastyes hielt vor noͤhtig/ daß dem Koͤnige es vertrauet wuͤrde/ wiewohl ohn des Anbringers Meldung; Worauff dann Mnata den Abgeschickten mit ernstlichen Worten zu Rede stellete/ warumb er so verraͤhterisch mit ihm umginge/ und ihm die War- heit vertuschete/ welche ihm von unterschiedlichen andern/ so dem Heer beywohneten/ mit allen Umstaͤnden schon zugeschrieben waͤhre. Dieser verstummete anfangs/ und als er des Koͤniges Zorn merkete/ bekennete er rund aus/ daß ihm/ solches zumelden/ von dem Feld- Herrn ausdruͤklich verbohten waͤhre. Hieraus nahmen Mastyes und Deon gelegenheit/ b b b b b ihren Achtes Buch. ihren Koͤnig absonderlich mit Traͤhnen zuwarnen/ er moͤchte sich doch vorsehen/ und be- denken/ was es auff sich haͤtte/ daß nicht allein Dropion ihm den wahren Verlauff hinter- halten dürffte/ sondern auch solche Leute umb sich haͤtte/ welche ihm getraͤuer waͤhren/ als dem Koͤnige selbst. Aber es wolte diese Vermahnung noch nicht bey ihm wirken/ inson- derheit/ weil der Abgeschikte/ nachdem er sich bedacht hatte/ den Feld Herrn zuentschuldi- gen wuste/ daß derselbe seinen Koͤnig mit so ungenehmer Zeitung nicht betruͤben wollen/ sondern sich hoch verheissen/ sein Schart zuvor redlich auszuwetzen/ ehe man in Panno- nien davon etwas erfuͤhre. Der Koͤnig hielt darauff Raht mit den Gewaltigen/ was man auff Dropions begehren vorzunehmen haͤtte/ und weil dieser noch gar einen grossen An- hang bey dem Koͤnige hinterlassen/ wusten dieselben alles nach dessen Willen zufidern. Mastyes wahr sehr sorgfaͤltig/ hatte mit Deon und etlichen wenig andern schon uͤberleget/ was des Koͤniges und seines Reichs beste seyn wuͤrde/ und trieb fleissig/ daß ein Heer von 150000 Reutern moͤchte gesamlet werden/ mit welchem der Koͤnig selbst zu Felde ginge; welches zusammen zutreiben aͤusserster Fleiß angewendet ward/ dann die Teutsche Huͤlffe/ deren Dropion selbst gedachte/ hielt sie nicht in geringer Furcht/ daß die verstaͤndigsten es schon unter sich beklageten/ daß man den Krieg so liederlich angefangen/ und nicht zuvor guͤtliche Handlung versucht haͤtte. So bald aber Dropions und aller Kriegs Obersten anderes Ansuchen wegen eiligster uͤbersendung der Speise Wagen/ dem Koͤnige vorge- tragen ward/ und daß ihr Lager mit allem Vorraht durch blossen Unfall (wie sie sageten) im Feur auffgangen waͤhre/ befahreten sich Mastyes und Deon viel eines aͤrgern/ erfuhren auch durch heimliche Geschenke von einem mit uͤbergekommenen Diener/ daß alles durch Feindes List und Verraͤhterey zugangen waͤhre. Jedoch/ weil auch dieser bestaͤndigst dar- auff verblieb/ daß des Feindes Lager in wenig Stunden sich ergebẽ wuͤrde/ war die Furcht bey ihnen nicht so groß/ wiewol Mastyes gnug zuverstehen gab/ daß er solcher guten Zei- tung wenig trauete/ und Dropion mit guten listigen Worten gespeiset wuͤrde/ wunderte sich auch nicht wenig/ daß er von Agis oder Hyppasus/ genommener Abrede nach/ gar kein geheimtes Schreiben bekam; aber diesen ward viel zu fleissig auff die Hand gesehen/ daß ihnen solches zuleisten unmoͤglich wahr. Es musten alsbald 1200 Wagen auffbrechen und mit allerhand Speisen nach Boͤhmen zugehen/ welche den fluͤchtigen/ wie schon gemeldet/ wol zu gute kahmen. Weil dann Dropions abermahlige Gesandschafft (welche er gleich seiner Ankunft auff die Pannonischen Grenzen abgehen ließ) sich angab/ nebest Vermel- dung/ daß man wegen Mangel des noͤhtigen Unterhalts/ des Feindes Bodem haͤtte ver- lassen/ und sich zurük zihen müssen; entstund daher ein grosses Schrecken/ und gedachten Mastyes und Deon nicht anders/ als waͤhre das ganze Heer geschlagen; welches eigent- lich zuerfahren/ sie dem Koͤnige rieten/ er solte fich seiner Koͤniglichen Gewalt gebrauchen/ und die 8 Abgeschikte absonderlich mit Ernst vermahnen/ daß sie ihm den ganzẽn Ver- lauff umstaͤndlich anzeigeten; wodurch diese auch geschrecket/ einhellig berichteten/ daß sie uͤber 70000 Mann in zweyen Stuͤrmen und kleinen absonderlichen Schlachten ein- gebuͤsset/ und doch dagegen dem Feinde sehr geringen Schaden getahn haͤtten; insonder- heit zeigete ihrer einer dem Stathalter Mastyes vertraulich an/ wie hoch Koͤnig Ladisla und seine Verwanten von Dropion beschimpffet/ und zum Galgen gesodert waͤhren/ wo- durch Achtes Buch. durch derselbe zum Eifer gereitzet/ seiner Abgesandten zehne henken/ und dem eilften Ohrẽ/ Nase und Finger abschneiden lassen; welches dieser mit entsetzen und grossem Herzens- prast anhoͤrete/ und nebest seinen Vertraueten beklagete/ Dropions verwaͤgener Frevel und unverschaͤmter Ehrgeiz nach der Boͤhmischen Kron/ wuͤrde ganz Pannonien ins Verderben stuͤrzen. Bald hernach brach die Zeitung aus/ die Teutschen und Boͤhmen haͤtten Dropions Heer mit uͤberaus grosser Macht ganz umlagert; und als alle Stunden eingebracht ward/ was gestalt alles Vieh geraubet/ alle Fruͤchte hinweg gefuͤhret/ und was man nicht fortbringen koͤnte/ verbrennet wuͤrde/ sahen sie die Fruͤchte des unnoͤhtlgen Krie- ges vor Augen/ wolten gleichwol das Herz nicht gar fallen lassen/ sondern reizeten den Koͤ- nig/ daß er eilen/ und durch seine Gegenwart den Voͤlkern einen Muht/ und den Feinden Schrecken machen solte. Also brach Mnata endlich auff mit 150000 wolbewehretẽ Voͤl- kern/ uͤber welche er seinen getraͤuen Hyppasus zum Unter Feldherrn zusetzen willens wahr. Als Dropions 2000 Reuter auff den Koͤnig stiessen/ wusten deren Fuͤhrer nicht gnug auf- zuschneiden/ wie viel Feinde sie erschlagen/ und wie grosse Verwuͤstung sie in Boͤhmen angerichtet; aber der Koͤnig wolte solchen eiteln Ruhm nicht unbeantwortet lassen/ und fragete; wo dann die Siegszeichen/ der Feinde Faͤhnlein und Gewehr waͤhren/ und was sie bewogen haͤtte/ als fluͤchtige davon zulauffen; es waͤhre unerhoͤret/ daß ein so starkes Kriegs Heer ohn gewagete Feldschlacht das Hasen Panier aufgeworffen haͤtte; Und weil auff diesem Zuge von den Untertahnen nichts uͤberal als klagen und weinen/ wegen des uͤberaus grossen Verlustes ihrer Guͤter gehoͤret ward/ da sie zugleich sich vernehmen lies- sen/ es waͤhre der Feld Herr Dropion mit einer so grossen Macht in seinem Lager ganz stil- le dabey gewesen/ daß sichs ansehen lassen/ als haͤtte er mit den Feinden einen heimlichen Verstand gehabt/ ja als ob er ihnen einen Frey Brief/ nach gefallen zurauben/ zupluͤndern und zuwuͤrgen erteilet haͤtte/ erzuͤrnete sich der Koͤnig nicht ein geringes darüber/ so daß er willens wahr/ das Kriegs Recht uͤber die hohen Haͤupter ergehen zulassen. Als er im La- ger ankam/ gingen Agis/ Hyppasus und Amythaon in trauriger Gestalt zu ihm hin/ und klageten sich selbst an/ wie sie durch unterschiedliche Unvorsichtigkeit und Versaͤumniß dasselbe nicht geleistet haͤtten/ was ihnen gebuͤhret/ wobey sie gleichwol unangezeiget nicht liessen/ daß allemahl die groͤste Schuld bey ihnen nicht gewest waͤhre/ und daß den listigen und gluͤklichen Anschlaͤgen des Feindes sie sich nicht bestand befuͤnden/ welche allenthalbẽ durchgedrungen/ und eine grosse Anzahl ihrer Voͤlker gefressen/ da hingegen wol kaum ei- ne Hand vol der feindlichen Voͤlker drauff gangen waͤhren. Jedoch hoffeten sie/ bey des Koͤniges Gegenwart es wieder einzubringen/ wann sie des ergangenen gnaͤdige Verzei- hung erlangen koͤnten. Mnata verstund aus ihren Reden wol/ was sie gerne klagen woltẽ/ und doch nicht durfften/ beklagete die erlittene Niderlage/ und zeigete an/ daß ihnen freilich wolte gebuͤhret haben/ sich besser in Feindes Lande und Gegenwart vorzusehen; weil aber es an ihrer Auffrichtigkeit und Traͤue nicht ermangelt haͤtte/ und man das geschehene nit endern koͤnte/ solte ihnen ihr versehen hiemit zugedecket und vergeben seyn/ welches sie her- naͤhst würden wissen einzubringen; ernennete auch darauff Hyppasus zu seinem Feldmar- schalk uͤber die mitgebrachten Voͤlker/ und foderte Dropion vor sich/ welcher zu ihm tre- tend/ fragen durffte/ warumb der Koͤnig selbst mit überkommen waͤhre. Derselbe aber an- b b b b b ij zeige- Achtes Buch. zeigete/ es waͤhre billich uͤber seine schleunige Zuruͤkkunfft sich mehr zuverwundern/ und dz er sich hieselbst von den Feinden haͤtte einschliessen lassen/ als daß er kaͤhme/ ihn loßzureis- sen. Der verwaͤgene Dropion wahr ihm solcher verweißlichen Rede nicht vermuhten/ uñ fragete/ warumb der Koͤnig sich seiner uͤberkunfft verwunderte; ob dergleichen Glüksfaͤlle nicht wol ehe vorgangen waͤhren. Mnata kunte laͤnger nicht schweigen/ und sagete: Was Gluͤks-faͤlle? heisset man dasselbe auch Gluͤckesfaͤlle/ was man liederlich versihet/ und durch Verachtung des Feindes oder andere dergleichen Verwarlosungen ihm selbst zu- richtet? heisset man das Gluͤksfaͤlle/ wann man des Landes Pluͤnderung mit leiblichen Augen anschauet/ ja den Feind ungehindert abzihen laͤsset/ welcher fuͤnff mahl mehr Beute wieder gehohlet/ als man ihm abgenommen hat? Dieser Unhold sahe seinen Koͤnig mit grimmigen Augen an/ und weil er seine Gewalt fest gelegt hatte/ daß er bey den meisten Kriegs Beamten/ ja auch Reichs Bedieneten mehr als der Koͤnig selber galt/ fing er an dergestalt zuschnarchen/ und seine dem Reich geleistete Dienste zuerheben/ auch schon zu draͤuen daß er seine Hand abzihen wolte/ daß der Koͤnig gnug zuschaffen hatte/ ihn wieder zubeguͤtigen/ dann ausser Agiß/ Hyppasus und Amythaon/ hingen ihm alle Feld Herren und vornehme Obersten an/ weil sie durch seine Befoderung gestiegen wahren/ so gar/ daß welche der Koͤnig gesezt hatte/ fast nichts golten/ wiewol dieselben durch des Koͤniges Ge- genwart nunmehr anfingen/ das Haͤupt auffzurichten/ weil sie bey dem neuen Heer eine grosse Anzahl ihres gleichen funden. Agiß und Pyrechmes schlugen sich zwischen die Uneinigkeit des Koͤniges und seines Feld Herrn/ da dann die Furcht einer Auffruhr an sei- ten Mnata/ und das boͤse Gewissen bey Dropion die Vergleichung leicht befoderte/ und ward bald darauff algemeine Kriegsbesichtigung gehalten/ da sie ihre zusammen gestossene Macht also beschaffen befunden/ daß sie sich getraueten ein kurzes Spiel zumachen/ brachẽ des dritten Tages nach der unsern Abzuge auff/ und fuͤhreten 90000 Fußknechte in der Mitte/ und an beyden Seiten die Reuter/ jeden Fluͤgel 80000 stark/ alle miteinander aus- erlesene Kriegsleute; hatten auch ihre Rüstwagen bey sich/ welche auff 6 Wochen Spei- se gnug nachfuͤhreten. Siegward und Olaf waren voͤllig wieder genesen/ und kamen zween Tage nach der Unsern Wiederkunft mit 10000 gesamletẽ Boͤhmischen Reutern an/ dz ihr ganzes Heer in 160000 Mañ bestund/ unter denen aber der vierde Teil zum Kriege nit ab- gerichtet war. Sie verscharretẽ bey ihrer Ankunfft die erschlagenen Pañonier in die Erde/ umfassetẽ ihr Lager etwz weiter/ uñ befestigten es dergestalt/ dz es fast unuͤberwindlich war. Fleisch/ Butter/ Brod/ Mehl/ Salz uñ Wein hatten sie uͤberfluͤssig von der mitgebrachten Beute/ richtetẽ auch eine grosse menge Bakoͤfen uñ gemeine Kuͤchen zu/ dz die Voͤlkeꝛ/ hoch und nidrig wol verpfleget/ uñ im Gewehr ohn unterlaß geuͤbet wuꝛden/ weil sie nit zweifeltẽ sie wuͤrden den Feind bald wieder unter dem Wahle haben/ wiewol ihre Leute sehr muh- tig wahren und ihre Ankunft wuͤnscheten/ damit der Krieg bald zum Ende gebracht wuͤr- de. Neda und Prinsla musten mit 6000 Reutern gegen Feindes Land zureiten/ nnd 200 Mañ je vier und vier eine Meileweges lang vor sich hergehen lassen/ mit dem Befehl/ daß so bald die ersten etwas gewisses vernehmen wuͤrden/ solten sie ein Zeichen geben/ und so fortan/ daß die hintersten es schleunig an sie bringen koͤnten. Am sechsten Tage nach der unsern Wiederkunft meldeten diese an/ dz der Feind mit einer schier unglaͤublichen Macht und Achtes Buch. und Menge ihrer Ritterschaft im Anzuge waͤhre/ und mit solcher Grausamkeit fort gin- gen/ daß sie keines fruchtbahren Baumes verschonetẽ/ auch die Steine auf den guten Acker mit Hauffen außstreueten/ ihn zuverderben. Die unsern hielten hierauff Kriegsraht/ und teileten ihre Voͤlker solcher gestalt/ daß Koͤnig Henrich/ Ladisla/ Leches/ Prinsla und Gal- lus das Lager mit 9000 Fußknechten bewahren/ die Reuter Fluͤgel aber an beiden Sei- ten verborgen (wie vormahls) halten solten/ jeder 50000 Koͤpffe/ da Herkules/ Arbianes/ Klodius und Neda den Rechten; Siegward/ Olaf/ Markus/ und Herr Bertram/ ein Fꝛey- Herr von der Weser den Linken zubefehlen hatten. Der Feind schlug sein Haͤuptlager eine gute Meile von den unsern/ uñ erkundigte sich fleissig/ wessen man sich an dieser Seite ver- hielte/ erfuhren auch daß das Lager mit gnugsamer Manschaft besetzet/ und beide Reuter- Fluͤgel in Ansehung des vortelhaften Ortes zur Gegenwehr duͤchtig und stark genug waͤh- re/ so daß man sie weder einschliessen noch hintergehen koͤnte; waͤhre also kein besser Mittel/ als daß man den Feind zur Schlacht außfoderte. Diesem ward alsbald des ersten Tages nach ihrer Ankunft folge geleistet; aber die unsern gaben zur Antwort; haͤtten sie auff ih- rem Grund und Bodem sich gewegert zu schlagen/ solte ihnen ein solches noch zur Zeit ebe- ner gestalt versaget seyn; doch gefiele ihnen wol/ daß sie nunmehr beginneten Kriegsart vorzunehmen/ und die unredlichen Mordbrenner und Raͤuber Stuͤkchen angaͤben/ deren sie doch wol auff dem jetzigen Zuge wieder auffs neue gnug moͤchten betrieben haben/ wie wol man ihnen darzu keine Ursach gegeben/ noch in ihrem Lande einen einzigen Baum/ ge- schweige ein Haus oder Dorff durchs Feur beschaͤdiget haͤtte. Agiß hatte dem Koͤnige es zuvorgesaget/ daß sie abschlaͤgige Antwort bekommen wuͤrdẽ/ und der Feind ausser Zwei- fel den Krieg etwas in die Harre zuspielen gesonnen waͤhre. Ward darauff von ihnen aufs neue umgefraget was vor ein Mittel zum schleunigen Siege vorzunehmen seyn wuͤrde. Dropion stimmete abermahl auf eine gewaltsame Bestuͤrmung des feindlichen Lagers/ Agiß hielt vor rahtsamst/ daß man etwas wieder zuruͤk wiche/ und hernach an einem añoch unverderbeten Ort zum Lande nach der Haͤupt Stad zu/ hinein ginge/ da ihnen der Feind folgen/ oder ohn ein befestigtes Lager ihnen entgegen zihen muͤste. Welche Meinung ihm der Koͤnig nicht uͤbel gefallen ließ/ wuͤrde auch wol mit der unsern grossem Schaden ins Werk gerichtet seyn/ wañ nicht Dropions ergebene ihn uͤberstimmet haͤttẽ/ daß auch Hyp- pasus einwenden nicht geachtet ward/ in dem er mit guten Gruͤnden ihnen vorstellete/ daß solcher Sturm viel Volk fressen/ und die Erstreitung des uͤberaus festen Lagers dannoch sehr mißlich seyn wuͤrde. Dann Dropion brachte dagegen vor/ es mangelte ihnen an gutẽ Wegweisern/ uñ wuͤrde man auf den engen Durchzuͤgen auffgehalten werdẽ welche dem Feinde alle miteinander kuͤndig; hingegen/ wañ das Lager erobert waͤhre/ wuͤrde dam i t die Schlacht zugleich erhalten/ der Feind zustreuet/ und das ganze Land auff einmahl unter den Gehorsam gebracht; dem der Koͤnig Beifal gab/ insonderheit als sich Dropion mit hohen Schwuͤren verfluchete/ er wolte den empfangenen Schimpf und Schaden raͤchen/ oder daruͤber zu Grunde gehen/ auch durchaus weder Gnade erzeigen noch begehren; welches sehen zulassen er durch straͤnges anhalten den Koͤnig darzu bewaͤgete/ daß er alles wiedrigẽ rahtens/ so von etlichen geschahe/ ungeachtet einwilligte/ daß ein hoher neuer Galgen vor unser Helden Augen auffgerichtet ward/ und man zugleich einen Trometer an das Lager b b b b b iij schicke- Achtes Buch. schickete/ welcher ohn gesuchten freien Abzug ihnẽ ankuͤndigte/ dafern sie sich nit stuͤndlich ergeben/ das Gewehr niederlegen/ und umb Gnade wegen des geschehenen Verbrechens anhalten wuͤrden/ solte im ganzen Koͤnigreich Boͤhmen keine lebendige Seele bleiben/ auch des Kindes in Mutter Leibe nicht verschonet werden; das ganze Land muͤste zur Wuͤsteney gedeyen/ und Koͤnig Ladisla nebest allen seinen Anverwanten den jezt auffgerichteten Gal- gen bekleiden. Ladisla hoͤrete dieses mit dem allerbewaͤglichstẽ Eifeꝛ an/ ließ ihn hinein fuͤhꝛẽ/ und fragete ihn mit grimmigen Angesicht/ wer ihn so verwaͤgen gemacht haͤtte/ daß er ei- nem Koͤnige in seinem Reiche den Galgen and raͤ uen dürffte; befahl schleunigst einen Gal- gen oben auff der Brustwehr zu richten/ und den frechen Buben daran zu haͤngen; aber durch Koͤnig Heinrichs Vorbitte schenckete er jhm das Leben/ weil er vorgab/ er wolte end- lich gerne am Galgen sterben/ und es vor eine Gnade rechnen/ massen/ wann er sich im ge- ringsten gewegert haͤtte diese Werbung abzulegen/ wuͤrde ihm der schmerzhafteste Tod auff Dropions Befehl angetahn worden seyn. Doch ließ ihn Ladisla Mutternacket außzihen/ mit Koht beschmieren/ die Haͤnde auff den Ruͤcken/ und einen schaͤbichten Hund auff die Schulder binden/ hernach rüklings ihn auff ein reudiges Pferd setzen/ und einen gefange- nen Pannonier/ nach zustuͤmmelten Fingern/ Nase/ und Ohren/ zugeben/ der ihn unter sol- chen Schmerzen bey dem Zuͤgel hinleiten muste/ gab ihm auch diese Antwort/ seinem Koͤ- nige zubringen: Redliche Teutschen und Boͤhmen waͤhꝛen bißher nicht gewohnet/ sich auff Gnade und Ungnade zuergeben/ noch ehe sie angegriffen wuͤrden/ viel weniger dem Diebs- Henker den Hals zum Stricke darzubieten; waͤhre Mnata ein redlicher Koͤnig/ wuͤrde er deßgleichen Beschimpffung keinem Koͤnig- oder Fuͤrstlichem Blute anmuhten; er vor sein Haͤupt achtete seiner Dꝛaͤuungen gar nicht/ durch welche er sich nicht als ein Koͤnig/ son- dern als ein schaͤndlicher Wuͤterich erzeigete/ dem er aber sein Schwert entgegen setzen/ und ihn versichern wolte/ dafern die Galgen Bedraͤuung nit in 24 Stundenfrist widerꝛuffẽ wuͤrde/ wolte er eben denselben daran henken lassen/ der ihn auffzurichten befohlen haͤtte. Hiebey gab er ihm einen offenen Außfoderungs-Brief an Mnata/ welcher also lautete: Mnata/ waͤhrestu ein redlicher Koͤnig/ wuͤrdestu Koͤnigl. Hocheit nimmermehr biß an den Diebes-Galgen beschimpffen/ insonderheit/ weil man dir nicht/ als Kriegsrecht/ und zwar anff gelin- de Weise hat wiederfahren lassen. Weil dann dieser Schtmpff gar zu schaͤndlich/ und der Anstiffter dessen nicht wert ist/ daß er eines Koͤniges Nahmen tragen sol/ hastu dich solcher Benennung selbst beraubet/ die ich dir sonst nicht wuͤrde gewegert haben. Damit du aber sehest/ wie gering ich deinen Troz halte und schaͤtze/ habe ich dir deinen Bohten in solcher gestalt wieder geschikt/ wie du es verdie- net hast; Und dafern noch eine Ader eines redlichen Koͤniges und Ritters an dir ist/ so stelle dich mit rittermaͤssigem Gewehr ein zwischen meinem und deinem Lager/ woselbst ich deiner warten/ und von dir nicht scheiden wil/ es sey dann/ daß du oder ich durch das Straff-Schwert abgeschlachtet werde. Wegerstu dich dessen/ so schrecket dich deines Gewissens Brandmahl/ und machest dich selbst zu einem solchen/ der keines redlichen Koͤniges Schwerts wirdig sey. Ladisla dein geschworner Feind. Der elende Trometer brachte seinem Koͤnige diese Antwoꝛt nebest dem Absagsbrieffe; welcher nebest seinem Dropion und den andern Obersten/ sich nicht anderst geberdete/ als wolten sie unsinnig werden. Das Ausfoderungs-Schreiben ward gelesen/ und umb- gefraget/ was zu tuhn waͤhre; da Dropion zwar den Kampf nicht rahten durfte/ und ihn doch herzlich gerne gesehen haͤtte/ waͤhre ihm auch lieber gewesen/ daß sein Koͤnig/ als La- disla Achtes Buch. disla den kuͤrzern gezogen haͤtte. Aber Agiß erwies durch hochwichtige Ursachen/ daß sol- chen Kampf sein Heer keines weges zulassen koͤnte noch solte; wobey es auch sein verblei- ben hatte. Doch erklaͤreten sie sich einhellig/ den Schimpf noch vor der Soñen Untergang grausamlich zu raͤchen/ daß keinem hinfort geluͤsten solte/ dem Pannonischen Koͤnige und seinem unüberwindlichen Kriegsheer einen schaͤbichten Hund zuzuschicken. Es musten 10000 Reuter absitzen/ und zu dem Fußvolke treten/ daß ihre Zahl auff 100000 vol ward. Das Lager besetzeten sie mit Fuhrleuten und andern unnuͤtzen Gesinde/ und teilete Mnata mit Dropion die Reuterey gleich/ daß jeder 75000 Pferde fuͤhrete/ welche Zeit des Sturms in voller Schlachtordnung halten solten. Dropion wahr so stolz/ daß er an seinen Koͤnig begehren durfte/ ihm den Boͤmischen Koͤnig zur Straffe uͤberzulassen/ so bald er wuͤrde ge- fangen seyn; befahl auch dem Fußvolk/ sie solten ihn nicht erschlagen/ sondern lebendig greif- fen. Mnata munterte die seinen zur Herzhaftigkeit auff/ sie solten nur betrachten/ was vor einen unabloͤschlichen Schimpf man ihrem ganzen Volke durch uͤberschickung des schaͤ- bichten Hundes angelegt haͤtte/ welchen auszudeuten man keines Dolmetschers beduͤrfte/ gestaltsam der nichtige Boͤhme (so nennete er Ladisla) schon im vorigen Zuge die Panno- nier vor Hunde/ und ihre Ansoderung vor ein Hundisches bellen haͤtte schelten dūrffen; es waͤhre solcher Hohn tausendmahl bitterer/ als der Tod selbst; dann dieser braͤchte einem redlichen Mañe keine Schande/ jenes aber beschimpfete ihn so hoch/ als weit ein Hund ge- ringer dann ein Mensch waͤhre. Abbitte waͤhre davor viel zu schlecht/ es muͤste solcher Fre- vel mit dessen Blute ausgesoͤhnet werden/ der ihn begangen haͤtte; deswegen solten sie ih- rer angebohrnen und durch die ganze Welt beschriehenen Mannheit eingedenke seyn/ und mit wenigen zu sagen/ nur sich erinnern daß sie Pannonier waͤhren/ alsdann wuͤrde einem jeden seine Schuldigkeit es schon zuruffen/ was ihm gebuͤhren wolte; er selbst waͤhre wil- lens/ den rechten Flugel anzufuͤhren/ wann der Feind mit seiner Reuterey loßbrechen wür- de/ bißdahin er auff einem Huͤgel halten/ und eigentlich acht drauff geben wolte/ wer seine Tapferkeit am besten gebrauchen wuͤrde/ wiewol eꝛ an keinem im geringsten nicht zweifelte. Koͤnig Henrich unterließ nicht/ den seinen den Muht gleichergestalt zuerwecken; sie solten nicht des Feindes menge ansehen/ noch sein wuͤstes Geschrey achten/ sondern ihnen nach dẽ Faͤusten sehen/ uñ sie daselbst angꝛeiffen/ wo ihnen am besten beyzukom̃en waͤhre/ welches allen und jeden nicht solte unvergolten bleiben/ ungeachtet sie schuldig waͤhren/ vor das Va- terland und vor ihre Koͤnige streitend zu sterben. Damit hoͤreten sie/ daß das Zeichen zum Sturm gegeben ward/ und ein so graͤuliches Geruffe sich erhuhb/ daß wol ein gnug herz- haftiger dadurch solte bewaͤget seyn/ und wahr inwendig einer halben Stunde der doppel- te Graben an zehn Orten 25 Schuch breit ausgefuͤllet. Weil dann die Pannonier die Ge- fahr des ehemaligen Sturmes noch in frischem Gedaͤchtnis hatten/ macheten sie sich mit Hacken und Schauffeln an den auffgeworffenen Wahl/ der meinung/ ihn niderzureissen/ und einen ebenen Eingang zumachen/ welches ihnen anfangs gluͤklich von statten ging/ dz sie drey zimliche Strassen zur helfte hindurch arbeiteten. Ladisla entsetzete sich in etwas voꝛ dem graͤulichẽ toben/ aber sein unuͤberwindliches Herz fassete bald festen Stand/ und befahl er/ daß 6000 Mann ausfallen und die Arbeiter angreiffen solten/ welches so wol gluͤckete/ daß sie ohn verlust eines einzigen Mannes/ 2000 niderschlugen/ und ihr Werkzeug davon ins Achtes Buch. ins Lager brachten; doch wolte sichs in die harre nicht treiben lassen/ dann der Feind drang gewaltig auff sie zu/ umb ihnen den Weg nach der Seitenpforte/ von dannen sie kommen wahren/ abzuschneiden; daher sie sich wieder davon machen musten/ und verlohren im Ab- zuge 300 Mann/ nahmen doch dabey 1400 Feinde mit sich in den Tod/ und wurden ihres wolverhaltens von Freunden und Feinden gepreiset. Nach ihrem Abscheide ging das Hac- ken von neuen an/ doch nicht mit vorigem Eifer/ weil sie sich eines abermahligen uͤberfalles besorgeten/ welcher ihnen auch bald uͤber den Hals kam; dann auff der andern Seite ließ Koͤnig Henrich 8000 hinaus eilen/ die mit kurzem Gewehr ein heftiges Gemaͤtsche triebẽ/ daß endlich die Graͤber die Flucht nahmen/ nachdem ihrer 3000 erschlagen/ und so viel ver- wundet wahren/ davon hernach nicht 300 lebendig blieben; sie aber dagegen auch 400 ein- buͤsseten. Der feindselige Koͤnig muste dieses mit Augen ansehen/ und kunte ihnen doch den Entsaz nicht so eilig zuschicken/ daher er das niderreissen verbieten/ und zum Sturm auff- blasen ließ. Inwendig dem Lager hatten die unsern nicht gefeiret/ sondern hinter dem Wah- le/ da der Feind arbeitete/ tieffe Wolfes-gruben auffgeworffen/ und mit duͤnnen Reisich bedecket/ welcher anschlag sehr wol gelung/ dann weil an solchen Orten der Wahl am leich- testen zuersteigen wahr/ lieffen die Feinde daselbst mit grossem Eifer an/ und als ihnen we- nig Wiederstand von forne zu geschahe/ drungen sie leicht hinuͤber in das Lager/ und stuͤrze- ten sich hauffens weise in die Gruben/ worinnen sie jaͤmmerlich und mit grossem Geschrey/ teils sich mit ihren Schwertern beschaͤdigten/ teils sich unter einander erdruͤcketen/ daß ih- rer auff solche weise 1600 umbs Leben kahmen/ und die Nachfolger zuͤcketen/ die nicht hin- uͤber wolten/ weil sie sahen/ wie erbaͤrmlich es den ihren erging. Draussen wuste man nicht was der anlauffenden Stuz bedeutete; dann ob diese gleich die Ursach anmeldeten/ kunte mans doch wegen des vielfaͤltigen Geschreyes nicht vernehmen/ biß sie endlich den Betrug muhtmasseten/ und diese Luͤcken verlassend/ den ganzen Wahl teils hinauff kletterten/ teils mit Leitern bestiegen/ aber von den unsern mit langen Spiessen dergestalt empfangen wur- den/ daß ihrer im ersten Anlauffe 3000 Tod zuruͤk fielen/ welches alles ihr Koͤnig ansahe/ und mit ihnen zwar mitleiden trug/ aber aus heftigem Grim nicht desto weniger befahl/ den Sturm unauffhoͤrlich fortzusetzen. Da ging es nun über und uͤber; die ganze Sette des Wahles wahr im Augenblik mit Feinden erfuͤllet/ die mit Steinwerffen den unsern sehr gedꝛange tahten/ und man ihnen durchaus nicht steuren kunte/ daß sie drey unteꝛschiedliche Loͤcher durch den Wahl brachen/ durch deren aͤusserstes nach der Rechten zu/ sechs Mann neben einander streitend hindurch dringen kunten; wehrete auch nit lange/ daß in die 4000 Feinde inwendig des Lagers sich befunden/ welche mit den unsern einen herben Streit an- fingen/ und zugleich der ihren immer mehr und mehr an sich zogen/ welches doch Ladisla mit willen geschehen ließ/ biß ohngefehr 10000 durchgedrungen wahren/ da muste Leches und Gallus von der Rechten/ Fabius und Prinsla von der Linken die Lücke verhauen/ daß niemand mehr durchdringen kunte; Ladisla aber trat mit grossem Volke auff sie zu/ schloß sie enge ein/ und hoͤrete nicht auff/ biß sie alle nidergesaͤbelt wahren; woruͤber sie doch 3000 im Stiche liessen/ weil jene aus verzweifelung fochten/ uñ nicht ungerochen sterben wolten. Es wahr ein solches Elend und Jammer/ desgleichen nie mochte gesehen seyn/ dann aus den Tohren des Lagers flossen Baͤchlein Blut hinaus/ und stelleten sich die unsern so haͤuf- fig Achtes Buch. fig auff den Wahl/ daß der Feind nicht mehr belieben trug hinan zuklimmen/ weil sie kei- nen lebendigen wiederkommen sahen. Mnata haͤtte den Sturm gerne weiter fortgesetzet/ aber Agiß und etliche getraͤue Obersten mehr/ wiederrieten solches; es waͤhre gar zu kuͤhn gewaget/ eine so grosse menge der Feinde in ihrem Vortel anzugreiffen/ da ihrer zehn so gut drinnen/ als 60 draussen waͤhren; man muͤste den Feind durch Hunger (welches doch unmoͤglich) oder durch einẽ andern Einfal zur Feldschlacht dringẽ/ sonst wuͤrde die Gefahr und der Verlust zu groß/ auch der Gewin oder Sieg zu zweifelhaftig seyn; wodurch er sich dann bereden ließ/ daß er den Abzug goͤnnete/ dessen die unsern wol zu frieden wahren/ weil die tapfersten sich sehr abgemattet/ 7000 uͤberal eingebuͤsset/ und 5000 beschaͤdigte hatten; da hingegen der Feinde 28000 geblieben und 13000 hart verwundet wahren. Auch hatte Koͤnig Henrich fünff/ wiewol geringe Wunden bekommen/ dañ vor dißmahl hatte er den haͤrtesten Stand gehalten. Dannoch aber wolte Ladisla seinen Heldenmuht sehen lassen/ und befahl Leches und Prinsla/ mit 15000 Mann auff den abzihenden Feind auszufallen/ welche dann gnug spuͤren liessen/ wie gehaͤssig sie den Landverderbern wahren. Aber die Feinde stelleten ihnen auch keine Kinder entgegen/ daher ein hartes Treffen entstund/ wel- ches schier eine ganze Stunde wehrete/ weil ein jeder den seinen frischen Entsaz zuschickete/ daß endlich die Feinde den unsern zu schwer fallen wolten/ als welche im offenen Felde ih- rem Koͤnige zu zeigen sich bemuͤheten/ daß es ihnen weder an Kraft noch herzen gefehlet/ son- dern nur des Orts ungelegenheit hinderlich gewesen waͤhre; daher dauchte den unsern am rahtsamsten seyn/ sich zuruͤcke zuzihen/ uñ dem Gefechte anstand zu geben/ nachdem hieselbst an Feindes seiten 5000/ und der unsern 4000 gestrecket lagen. Ladisla wagete diesen Aus- fal wieder Herkules gutheissen/ als welcher solches ernstlich wiederrahten hatte/ und dem Treffen zusahe/ fand aber keine Gelegenheit/ dem Fußvolk mit der Reuterey zu helffen/ biß dieser Abzug geschahe/ da nam er seiner Schanze wahr/ brach mit 4000 Teutschen/ deren 1500 Schlachtschwerter fuͤhreten/ dem Feindes Fußvolk zur seite ein/ und fing ein solches Gehacke an/ dz ihm 20000 weichen musten/ deren er doch 6000 in den Tod schickete. Der Feind wolte diesem Unwesen laͤnger nicht zusehen/ und ließ 8000 Reuter auff ihn ansetzen/ die mit grosser muͤhe durch ihr eigen Fußvolk hindurch brachen/ und deren nicht wenig er- traten/ ehe sie Herkules erreichen kunten/ der sie zeitig gnug kommen sahe/ noch 3000 der seinen zu sich foderte/ und die herandringenden ganz unerschrocken und mit guter vorsich- tigkeit in geschlossener fester Ordnung empfing/ die doch nach kurzem Gefechte sich bald wieder zuruͤk zogen/ teils/ weil sie vor den grossen Schwertern nicht bestehen kunten/ teils in meinung/ die unsern zu locken/ daß sie mit der Menge umbgeben/ und also erschlagen wer- den koͤnten. Aber Herkules roch den Braten/ und folgete nicht so hitzig nach/ hatte doch muͤ- he/ die seinen abzuhalten/ welches er noch endlich mit dem Trometen-zeichen tuhn muste. Der Feind ward mit 6000 gestaͤrket/ und ging auffs neue auff ihn an/ dessen er sich mit sei- nem Haͤuflein nicht wegerte/ mischete sich freudig unter sie mit seinem aͤdlen Blaͤnken/ und hielt ein so ernstliches Treffen/ daß/ ungeachtet der Feind an Mañschaft fast eins so stark wahr/ er sie dannoch auff die Weichseite brachte/ nachdem er ihren obersten Fuͤhrer/ und fuͤnff andere ansehnliche Ritter mit seiner Faust erleget hatte. Die Feinde liessen noch 5000 im stiche/ und buͤsseten die unsern nur 600 ein. Es zog sich eine feindliche Schaar 8000 c c c c c stark/ Achtes Buch. stark/ enge zusammen/ des vorsatzes ihm von hinten zu den Weg zuverlegen/ aber weil er sei- ne Bestreiter schon auff die Flucht gebracht hatte/ nahm er seinen Abzug/ ehe diese ihm so nahe kommen kunten. Dropion hatte an seinem Orte dieses Reutertreffens Kundschafft erhalten/ ließ deswegen auch eine Schaar 9000 stark sich gegen Siegward nahen/ dem Olaf mit gleicher Anzahl entgegen ging und sich dergestalt bezeigete/ daß in kurzem 4000 Pañonier absattelten/ uñ die uͤbrigen sich nach Entsaz umbsahen/ welcheꝛ ihnen auch 15000 stark/ zeitig gnug kam; aber Olaf wuste/ daß man nicht willens wahr/ eine Feldschlacht zu wagen/ daher zog er sich wieder nach seinem Gewarsam/ und hinterließ 1600 Todten. Ge- gen Herkules hatten sich auch 16000 ins offene Feld gesetzet/ aber niemand fand sich/ der ihnen begegnen wolte; welches der Feind ersehend/ schier rasend worden waͤhre/ durffte doch mit den Reutern sich nicht zu weit vertuhn/ weil er allerhand hinterlistige Auffsaͤtze befahrete/ und gereuete ihn schon/ daß in Auffrichtung des Galgen er eingewilliget/ ja den unnoͤtigen Krieg angefangen hatte/ weil er nicht allein sahe/ daß die unsern sich ihrer Haut redlich erwehren/ und umb den Sieg mit ihnen spielen wolten/ sondern auch handgreiff- lich zumerken begunte/ daß Dropion alles zu seinem eigenen besten getrieben hatte. Hin- gegen zierete Ladisla seinen blutigen Wahl mit 60 Faͤhnlein aus/ welche der Feind zuruͤcke gelassen hatte/ freuete sich auch des von Gott verliehenen Sieges/ massen der Feind diesen Tag 39300 zu Fusse/ und 10000 zu Roß eingebüsset/ und sie dagegen nur 11000 Fußknech- te/ und 2200 Reuter zugesetzet hatten. Als der Feind sahe/ daß er sein Schart vor dißmahl nicht auswetzen kunte/ ließ er zwey absonderliche Reuter Heer/ jedes 14000 stark/ von bey- den Seiten ins Land gehen/ mit Befehl/ alle Menschen zuerwuͤrgen/ Flecken und Doͤrffer anzuzuͤnden/ und das Vieh uͤberzutreiben. Daß er aber die unsern in der Furcht behielte/ und ihnen die Nachfolge wehrete/ stellete er sich zur Haupt Schlacht; das uͤbrige gesunde Fußvolk 48000 in die Mitte/ und zu beyden Seiten henkete er die Reuterey als zween Fluͤ- gel an/ jeden zu 50000 stark/ und musten die uͤbrigen 12000 Pferde/ teils umb ihr Lager her halten/ teils hin und wieder im Felde reiten/ umb zuerforschen/ ob die unsern den ausge- schikten nachgehẽ wuͤrden. So bald Herkules dessen inne ward/ erklaͤrete er sich/ den Feind im offenen Felde durch eine algemeine Schlacht anzugreiffen/ weil er ihm gewachsen war/ taht Ladisla und Siegwarden solches zuwissen/ und zog alle Voͤlker zusammen. Koͤnig Henrich blieb wegen seiner Verwundung mit 6000 im Lager; Ladisla/ Fabius und Gal- lus fuͤhreten 38000 heraus zur Schlacht. Herkules/ Arbianes/ Leches und Klodius nah- men den rechten Fluͤgel 48000 Reuter; Siegward/ Olaff/ Neda/ Markus und Prinsla den Linken 50000 stark. Mnata ward dessen zeitig berichtet/ zog nicht allein die 12000 Reu- ter wieder an sich/ sondern sendete auch den beyden ausgeschikten Schaaren eilige Bot- schafft zu/ mit Befehl/ alsbald wieder umzukehren; wolte sich doch nicht in das offene Feld zihen/ sondern blieb nahe bey seinem Lager stehen/ und erwartete des Angriffs in seinem Vortel; welches Herkules nicht schreckete/ sondern Leches mit 6000 loßbrechen ließ/ dem eine gleiche Schaar begegnete/ aber mit solcher Vorsichtigkeit/ daß von den unsern mehr als der Feinde verwundet wurden/ und Leches es abzuwenden umsonst bemuͤhet wahr/ ur- sach/ er hatte grossen teils unerfahrne Boͤhmen bey sich. Im andern Fluͤgel taht Neda mit 7000 den ersten Anfal/ aber ehe er sichs versahe/ gingen ihm 9000 gerade auff den Leib/ dz er bald Siebendes Buch. er bald im Anfange 1600 einbuͤssete/ und hinter sich zuweichen gezwungen ward/ biß ihn Prinsla mit 3000 entschuͤttete/ da brachte er den Schimpff bald wieder ein/ und erschlug der Feinde 2200. Leches wolte nicht nachlassen/ so wahr sein verschlagener Wiedersacher nicht willens/ mit ganzer Macht anzubeissen/ woruͤber er seine Voͤlker zu weit wagete/ daß ihm 1600 mehrenteils Boͤhmen hart verwundet/ und 1400 erschlagen wurden/ daher Klodius ihn zuentsetzen befehlichet ward/ der mit 3000 auff den listigen Feind anging/ gar zeitig durchbrach/ und mit Leches Huͤlffe 2000 fellete/ und 600 verwundete. Herkules ließ Ladisla und Siegwarden zuentbieten/ sie solten in Gottes Namen mit der ganzen Macht den Angriff tuhn/ und ging er gleicher gestalt so eiferig loß/ daß er gnug sehen ließ/ daß er nicht willens waͤhre/ ohn eine sonderliche Taht abzuzihen. Aber die Feinde wolten doch nicht mehr/ als der unsern Anfal Beschuͤtzungsweise ablehnen/ daher das Schwert nichts sonderliches verrichtete/ ohn Ladisla mit dem Fußvolke wirkete das meiste/ daß des Fein- des/ bey welchem der Koͤnig selber wahr/ gar zeitig zuruͤk wiche/ und sich in das beschanze- te Lager zog. Als nun Ladisla hieruͤber zu kühn ward/ fiel ihm Dropion mit 9000 Reutern zur seite ein/ uñ taht ihm nit geringẽ schadẽ/ biß Siegward selbst mit 12000 zu huͤlffe ging/ und der Pannonier sich an dem verrichtetẽ wol vergnuͤgẽ ließ; wiewol er im Abzuge 1000 Reuter einbuͤssete/ nachdem er 2500 von unsern Fußvoͤlkern erschlagẽ hatte/ jedoch auch dz Pañonische Fußvolk 4000 auff dem Platze ließ/ und von den unsern nur 600 auffrieben. Endlich drang Herkules kraͤftige Faust durch an seinem Orte/ daß bey diesem Flügel es zum vollen Treffen kam/ uñ ein grosses Blutbad vorging/ da hingegen Siegward und O- laff die ihrigen mit grosser Muͤhe von der Flucht abhielten; Ladisla aber gar nichts mehr verrichten kunte/ weil Mnata wieder seine Gewohnheit sich mit den Fußvoͤlkern im Lageꝛ enthielt/ uñ der Reuterey gleicher Gestalt Befehl erteilete/ hinter sich zuweichen; wodurch Siegward Luft bekam/ und Herkules den voͤlligen Steg nicht behaupten kunte; uͤber des- sen Gefechte Mnata sich am meisten verwunderte/ und in Furchten stund/ er wuͤrde ihm den ganzen Fluͤgel zuschanden machen. Wie nun solcher Gestalt der Feind weder schlagen noch weichen wolte/ sahen die unsern von beiden Seiten einen grossen Staub auffgehen/ und merketen bald/ daß es des Feindes abgeschikte Voͤlker wahren/ deßwegen nahmen sie den Abzug/ und wahren zimlich betruͤbet/ daß so viel Volk darauff gangen/ und doch nichts Hauptsachliches verrichtet wahr; dañ uͤber vorgedachte hatte Siegward noch 4000/ uñ Herkules 600 verlohren/ ingesamt 7600 Reuter/ 3100 Fußknechte. Hingegen missete Agiß im linken Fluͤgel 8800 Mann uͤber die obgedachten/ und Dropion im rechten noch 2000; ingesamt 16000 zu Pferde und 4000 zu Fusse. Koͤnig Mnata/ wie streitbahr er sonst wahꝛ/ wolte vor dismahl nicht mit fechten/ dann ein Pannonischer Pfaffe/ welcher ihm zu unter- schiedlichen mahlen zukuͤnfftige Dinge vorher angezeiget hatte/ warnete ihn heimlich/ kuꝛz vor der Schlacht/ er solte diesen Tag sich nicht ins Gefechte begeben/ wo er sonst nicht sei- ne Gesundheit/ oder wol gar seyn Leben verlieren wolte; deßwegen hielt er sich zwischen dem Fußvolke/ und taht Befehl/ wessen man sich verhalten solte/ wodurch er aber die seinigen zaghaft machete/ weil sie dessen an ihm nicht gewohnet wahren; insonderheit entsetzete sich die Reuterey sehr daruͤber/ daß er mit dem Fußvolke so zeitig den Abzug ins Lager nam da er doch staͤrker als der Feind wahr/ und noch keinen sonderlichen Abbruch erlitten hatte/ c c c c c ij viel Achtes Buch. viel weniger sich befuͤrchten durffte/ daß ihm von des Feindes Reuterey Einfal geschaͤhe/ weil die Fluͤgel ihm Sicherheit gnug hielten. Der hochmuhtige Dropion/ welcher schon etliche Jahr her mit gefaͤhrlichen Sachen wieder seinen Koͤnig schwanger ging/ und ihn nur des gemeinen Volks Liebe zu ihrem Koͤnige abhielt/ sein Vorhaben ins Werkzurich- ten/ meinete hieselbst Gelegenheit zuhaben/ ihm eins anzuwerffen/ und beschwerete sich ge- gen die Obersten/ niemand als der Koͤnig haͤtte den Sieg durch sein furchtsames weichen verhindert/ dann sein Gegener wie kuͤhn er auch gefochten/ haͤtte sich kaum in der Ordnung halten koͤñen/ welchen er in einer halben Stunde Schachmat wolte gemacht/ und hernach dem andern Fluͤgel auch seine Faust zuerkennen gegeben haben; nun haͤtte man an Stat der Uberwindung nur Schande/ an stat der Ritterlichen Ehre/ Verachtung erstritten. Deꝛ meiste Teil war der Meinung/ es koͤnte nicht schaden/ daß man den Koͤnig druͤber zu Re- de stellete/ und seines Abzuges Ursach zu wissen begehrete; aber ihrer etliche hielten solches zustraͤnge. Er Mnata selbst zweifelte nicht/ die Reuterey wuͤrde seinen Abwich nicht zum besten empfunden haben/ dessen/ die Warheit zusagen/ die Furcht Ursach wahr/ hatte sich aber doch einer Entschuldigung besonnen/ ging zu den versamleten Obersten/ und fragete was ihre Beredung waͤhre; worauff Dropion zur Antwort gab; sie beklageten unterein- ander ihren Unfal/ daß wegen Ausweichung des Fußvolks ihr herlicher Sieg/ welchen sie schon mehrenteils in Haͤnden gehabt/ ihnen entrissen waͤhre. Der Koͤnig gab zur Ant- wort; sein Abzug waͤhre nit aus Furcht oder Unvorsichtigkeit geschehen/ sondern als er dẽ Feind haͤtte so stark auf ihn zudringen gesehen/ waͤhre eꝛ hinter sich gangen/ sein en Reutern Raum zumachen/ daß sie von beiden Seiten in der Feinde Volk fallen/ und ohn verlust ihr Fuß Heer auffreiben solten/ welches Feldmarschalk Dropion an seinem Orte sehr wol veꝛ- richtet/ wann nur der ander Fluͤgel sich gleicher gestalt auch bezeiget haͤtte; welcher aber nit allein diese Gelegenheit aus der acht gelassẽ/ sondern auch des Feindes Reuteꝛn schlech- ten Wiederstand geleistet haͤtte. Agiß der Reichs Marschalk hatte diesen Fluͤgel gefuͤhret/ und vorsichtig gnug gefochten/ nur daß ers mit Herkules zutuhn hatte. Er wahr des Koͤni- ges allergetraͤuester Raht und Diener/ hatte auch von Anfang her ihm diesen Kꝛieg wiedeꝛ- rahten/ aber durch andere uͤberstimmet/ einwilligen muͤssen/ und taht ihm sehr weh/ daß er sich unverschuldeter Sache muste rechtfertigen lassen/ deßwegen er diese Schuzrede vor- brachte. Allergnaͤdigster Koͤnig; wie ich mich bißher in meinen Ritterdiensten im Kriege und Feldzuͤgen verhalten/ weiß ihre Koͤnigl. Hocheit selbst/ und das ganze Land; scheuhe mich auch nit/ dessen allemahl Rede und Antwort zugeben; ich gestehe aber gerne/ daß die meinen vordißmahl den lezten Stand nicht gehalten/ noch des Feindes Wuht abtreiben koͤnnen/ dann sie hattens auch nicht mit Boͤhmischen Bauren/ sondern mit dem außerle- sensten Kern der Teutschen Ritterschaft und Schlacht Schwertern zutuhn; so wahr ihr Fuͤhrer nicht ein ungeuͤbeter wehrloser/ sondern der in aller Welt gepreisete Herkules/ wie man ihn an seinen Tahten und unbendigem Pferde leicht hat erkennen moͤgen/ und haben mich die Goͤtter nicht darzu ersehen/ daß ich der erste ihm anfiegen sol; dann warumb sol- te ich diesem Helden sein Lob nicht goͤñen/ welches in unsers ganzen Heers Munde schwe- bet? Ich gestehe/ daß ich ihm nicht habe koͤnnen die Wage halten/ noch seinen hefftigen Einbruch verhindern/ wiewol ich ihm dannoch nicht entlauffen bin. Darff ich aber/ gnaͤ- digster Achtes Buch. digster Koͤnig/ darff ich die Ursach meiner Niederlage bekennen? so traͤget des Fußvolks Abzug daran die groͤste Schuld/ dann hiedurch ward mir die Iñerseite gebloͤsset/ und zwaꝛ mir unbewust/ und wider alles mein vermuhten/ dessen der Feind sich gar wol hat wissen zu nutze zumachen. Aber Ihre Koͤnigl. Hocheit beschuldigen mich/ ich haͤtte es uͤbersehen/ und des Feindes Fußvolk nicht angefallen. Sehr gut/ gnaͤdigster Koͤnig/ wann ich einen ohmaͤchtigen und geringen Feind vor mir gehabt haͤtte. Weil ich aber schon beyden Faͤusten Arbeit fand/ wiekunte ich dann noch einen neuen Feind anfallen/ da mir der eine schon mehr als gewachsen wahr? Herkules laͤsset sich nicht nur oben hin auffhalten; an welchem Orte derselbe fechtet/ ist die ganze/ nicht nur halbe Auffsicht und Krafft noͤhtig. Man frage nur diese drumb/ welche schon heut mit ihm sich versuchet/ und mit gedoppel- ter Macht zuweichen sind gezwungen worden/ da ich kaum eine gleiche Manschafft mit ungleichem Gewehr wider ihn angefuͤhret. Zwar ich moͤchte wünschen/ daß ich nicht allein ihn haͤtte auffhalten/ sondern gar lebendig fahen koͤnnen/ aber in meiner Krafft/ gestehe ich gerne/ ist es nicht gestanden; solte ich nun deswegen straffbar seyn/ was wuͤrden dann die heutigen Bestuͤrmer ihres Lagers zuverantworten haben? Schließlich weiß Eure Koͤnigl. Hocheit/ daß wegen meines herzu kriechenden Alters ich mich entschuldiget und gebehten habe/ dieses hohe Amt einem andern auffzutragen; Ich wolte gerne mit fechten/ auch allen moͤglichen Raht aussinnen helffen/ aber es hat mir ja so gut nicht werden koͤnnen; bitte demnach untertaͤhnigst und von Herzen/ Ihre Koͤnigl. Hocheit wolle mich allergnaͤdigst entschuldiget halten/ und sich versichern/ daß diefelbe mich nicht allein unter ihre getraͤue- sten Diener/ sondern auch eiferigsten Liebhaber des Vaterlandes und Ihres Koͤniglichen Stuels wol zaͤhlen darff. Feldmarschalk Dropion hatte sich vor diesem Manne stets am meisten/ wegen seiner Auffrichtigkeit und Traͤue gefuͤrchtet/ und viel Mittel angewendet/ ihn auff seine Seite zubringen/ aber bißher vergebens/ weil er nicht den Eigennuz/ sondern des Reichs und seines Koͤniges Wolfahrt suchete. Hier aber meinete er ihn zustreicheln/ und wider den Koͤnig anzuhetzen/ und fing nach dessen geendigter Rede also an: Je wann ein redlicher Ritter und Kriegs Oberster deswegen zurecht stehen sol/ daß er des Feldherꝛn verschwiegene Gedanken nicht hat sehen/ und denen sich gemaͤß bezeigen koͤnnen/ wolte ich lieber ein gemeiner Landsknecht seyn; Ich zeuge/ und alle die zugegen sind/ daß Herr Agiß Groß Ober Wachtmeister an seinem Ort keine Moͤgligkeit hat ermangeln lassen/ sondern das Gluͤk ist ihm zuwider/ und auff seines Feindes seite gewesen. Der Koͤnig hoͤrete schon/ wo dieser hinaus wolte/ fiel ihm deswegen in die Rede/ und sagete: Ich habe ja meinen Groß Ober Wachtmeister und Reichs Marschalk weder angeklaget noch vor das Kriegs- Recht gefodert/ sondern bloß nur meine Meynung angedeutet; bin ich nun in derselben be- trogen worden/ wie ich nunmehr gestehe/ werde ich ja deßwegen noch zu keiner Rechtferti- gung gehalten seyn. Ich wil bekennen/ daß mein Abzug/ der sehr wol gemeynet wahr/ uͤbel gerahten ist; aber euer Abzug/ Feldmarschalk biß an des Reichs Grenzen hat uns auch we- nig Vortel gebracht/ welches ich euch sagen muß/ weil ihr euch nicht scheuhet/ mich euren Koͤnig zurechtfertigen; und haben unsere Feinde sich vor dißmahl nicht groß zuruͤhmen/ massen der Schade noch nicht so uͤbergroß/ und an beyden Setten fast gleich seyn wird; moͤchte auch wuͤnschen/ daß bey dem heutigen ganz ungluͤklichen Sturm ich deren Raht c c c c c iij gefol- Achtes Buch. gefolget haͤtte/ welche mir den zeitigern Abzug rieten/ solches solte mir ungleich groͤssern Vortel/ als mein heutiger Abzug Schaden/ gebracht haben. Die Ankunfft der ausgeschic- keten Reuter Schaaren hinderten ihn weiter zureden; dann als diese eine so grosse Menge der erschlagenen/ und doch keine Feinde sahen/ rieffen sie alle/ wo dann ihr Koͤnig/ und ob eꝛ noch im Leben waͤhre; daher er sich ihnen zeigen/ und sie befriedigen muste. Dropion hatte grossen Verdruß daran/ daß der Koͤnig ihm so verweißlich zuredete; weil es aber noch nit Zeit wahr/ sich zuraͤchen/ fraß ers in sich/ und nahm mit seinen Verschwornen gefaͤhrliche Haͤndel vor. Agis aber suchete Gelegenheit/ mit seinem Koͤnige absonderlich zureden/ und da er bey ihm allein wahr/ sagete er zu ihm: Eure Koͤnigl. Hocheit erinnern sich gnaͤdigst/ Mastyes und meiner mehrmahligen getraͤuen Warnung/ den Feldmarschalk betreffend/ und versichern sich/ daß er noch diese Stunde nicht mit guten Gedanken umgehet; die Goͤt- ter wenden nur gnaͤdig ab/ daß eben er nicht ein groͤsser Feind seines Koͤniges/ als der Boͤh- mische Koͤnig sey; eines weiß ich versichert/ daß er diesen Krieg weder unserm Reiche noch seinem Koͤnige zum besten angestifftet hat/ sondern dieses ist seine Andacht/ wann er Koͤ- nig in Boͤhmen ist/ wolle er Pannonien auch wol behaͤupten. Und warumb hindert er/ daß Eure Hocheit nicht wieder heyrahten sol? Je daß kein gebohrner Erbe zur Reichs Nach- folge seyn moͤge/ nachdem der einzige vor zwey Jahren/ durch unvermuhtlichen Tod un- ter augenscheinlichen Gifftzeichen beyseit geschaffet ist. Eure Koͤnigl. Hocheit weiß sehr wol/ wie getraͤulich ich und Mastyes diesen Krieg wiederrahten/ da wir uns nicht so sehr vor den Feind/ als vor unsern eigenen Feldherrn gefürchtet/ und dazumahl es so teutsch nit ausbeichten duͤrffen/ und wolte Gott/ man haͤtte unsere eingefuͤhrte Ursachen auf die Wa- ge der gesunden Vernunfft geleget; doch die jungen Rahtgeber/ die von Dropion alle mit einander wahren zu Ehren gebracht/ musten mit ihrer grossen Menge der eintraͤchtigen Stimmen durchdringen/ in welchen sie gewißlich mehr Beleidigungen tichteten/ als uns angetahn sind; aber lebet auch noch wol die Helffte von ihnen? 6 sind von den Feinden auffgeknuͤpffet/ und 15 in Stuͤrmen und Schlachten drauff gangen/ da sie zweifels ohn ih- ren blutgierigen und ungetraͤuen meinaͤidigen Raht viel zuspaͤt werden bereuet haben. Jedoch/ weil der Streit angefangen ist/ muß er redlich ausgefuͤhret werden/ und verhoffe ich nicht lebendig/ als nur wie ein Obsieger aus Boͤhmen zuzihen. Eure Hocheit setzen ein Geboht/ (ich rede dieses aus den allerhochwichtigsten Ursachen/ auff welchen meines Koͤ- niges Heil und Leben beruhet) daß wer inkuͤnfftig aus der Schlacht entrinnet/ und das Feld verlaͤsset er sey hoch oder niedrig/ solle Ehr/ Gut/ und Leben verwirket haben. Aber diß ist mein Raht/ daß man alle moͤgliche Mittel ergreiffe/ den Feind zur Schlacht zubrin- gen/ ehe uns ein ander Feind moͤrdlich anfalle. Ich weiß wol/ was vor Reden ich schon von dem Feldmarschalk gehoͤret habe: Dem Koͤnige sey das Herz entfallen; Er dürffe bey der Reuterey nicht fechten/ halte sich hinter dem Fußvolke/ und meide die Wunden. Was kan hieraus entstehen/ als Auffruhr? Ich rede mit meinem Koͤnige vertraulich/ und wolte wol ein mehres reden/ wanns nicht noch zur Zeit zu unzeitig waͤhre. Dieses versichere sich Eu- re Koͤnigl. Hocheit/ daß ich des Feldmarschalks Gnade und Heuchelgewogenheit/ nach bewuster ehmaliger Beschimpff- und Verfolgung leicht haben koͤnte/ welche er mir durch sich selbst und durch andere anbeut; aber ich wil lieber unter dem Meuchel Schwert/ wie schon Achtes Buch schon andern geschehen ist/ sterben/ als an meinem Koͤnige im geringsten traͤuloß werden. Ists aber moͤglich/ so unterdruͤcke Ihre Koͤnigl. Hocheit meine vertrauliche Reden/ biß sie wieder in ihr Land kommen/ und des aͤusserlichen Feindes entladen sind/ alsdann wil der- selben ich ihren innerlichen viel schaͤdlichern mit solchen unfehlbaren Beweißtuhmen vor Augen stellen/ daß Sie sich selbst verwundern wird/ wie sie dem Verderben hat koͤnnen entgehen. Im Felde fuͤrchten sich dieselbe nicht/ und befehlen mir allemahl in bey sein Dro- pions oder anderer/ daß Ihrer Hocheit ich die mir genenneten Haͤuptleute mit ihrẽ Schaa- ren zur Leibwache herschaffen solle. Auch ordnen dieselbe es nach diesem/ da es ihr gelieben kan/ also/ daß der Feldmarschalk wider des Feindes rechten Fluͤgel/ in welchem Herkules/ gewißlich ein treflicher und ehrliebender Held streitet/ gehen moͤge. Der Ruhm/ welchen er mir gab/ ging nit von Herzen/ sondern von Eurer Hocheit mich abzuzihẽ/ war es angesehẽ/ und waͤhre dieselbe ihm nit in die Rede gefallen wuͤrde er seine Boßheit wider seinẽ Koͤnig erst recht ausgeschuͤttet habẽ; aber alles deꝛ Zeit uñ Geduld befohlẽ; ich wil nit unterlassen/ vor meines Koͤnigs Heil uñ wolfahrt zuwachẽ/ welches ich durch dieses mittel bißheꝛ gluͤk- lich verrichtet/ dz des gemeinen Volkes Traͤue zu ihrem Koͤnige ich in festem Stande erhal- ten habe. Der Koͤnig erschrak dieser Rede nicht wenig/ bedankete sich der Traͤue/ welche unvergolten nicht bleiben solte/ und hieß in ja schweigen/ daß nicht zur unzeit eine Aufruhr entstünde; er hoffete diesem Tokmaͤuser dergestalt zubegegnen/ daß es ihm zun Augen aus- gehen solte. Ließ alle Voͤlker versamlen/ hielt gemeine Heerbeschauung/ und befand/ daß er noch 44000 gesunder Mañschaft zu Fusse/ welche von den Fuhrleuten (an deren stat die Troßbuben treten musten) auff 50000 ergaͤnzet wurden; die Reuterey aber in 124000 Mann bestund; und weil er sein groͤstes Vertrauen auff die Ritterschaft gestellet hatte/ mu- sten von den Fußknechten noch 10000 beritten gemacht werden. Die grund Ursach aber/ daß Agiß seinen Koͤnig so traͤulich vor dißmahl warnete/ wahr diese; es hatte Dropion ei- nen Leibdiener/ dem er sein geheimstes vertrauete/ ungeachtet er vor etlichen Jahren dessen Vater wegen einer Mordtaht gebuͤhrlich hatte hinrichten lassen/ welches aber dem Sohn nicht aus dem Sinne wolte/ wie viel gutes ihm gleich von seinem Herrn geschahe/ welcher ihm den hohen Adelstand in kuͤnftig versprochen/ und schon zimliche Landgũter zugeschan- zet hatte. Dieser machte sich des vorigen Abends in stiller geheim zu einem Faͤhndrich/ sei- nem nahen Anverwanten/ welchen er wuste sehr gut Koͤnisch seyn/ beklagete anfangs sei- nes lieben Koͤniges Gefahr/ und daß er ihm solche zu offenbahren zu ihm kaͤhme/ mit begeh- ren/ es Herrn Agiß anzumelden/ welcher schon auff Raht wuͤrde bedacht seyn. Du han- delst redlich mein Oheim/ antwortete dieser/ daß du die von deinem Herrn empfangene Guttaht geringer/ als deines Koͤniges Heyl und Wolfahrt achtest/ weil ich leicht ermaͤssen kan/ kein Mensch als eben dieser/ gehe mit gefaͤhrlichen sachen zu unsers Koͤniges verderben umb. Dem ist also/ sagete dieser; massen ich euch wol versichern kan/ daß mein Koͤnig in Leib und Lebensgefahr schwebet/ er gewinne oder verliere die kuͤnftige Feldschlacht; weil ich mit meinen Ohren den Rahtschlag angehoͤret/ daß wo das Glük uns den Sieg goͤnnen wird/ solle der Koͤnig/ wo nicht durch Feindes Hand/ doch gewiß durch Moͤrders Schwert in der Schlacht gefellet werden; welchem bestelleten Moͤrder zwar drey Tonnen Schaz versprochen sind/ aber er wird alsbald durch einen andern Moͤrder unter dem Schein der eife- Achtes Buch. eiferigen Rache nidergemacht werden/ auff daß der Anschlag schier heut oder Morgen nicht unter die Leute komme; solte aber der Feind Meister spielen/ wird mein Herr der Feld- marschalk mit den seinen (einer sehr grossen menge von beyden Fluͤgeln) aus der Schlacht reissen/ unter dem vorschutze/ man muͤsse dem Vaterlande zu helffen/ sich auffmachen; da dann der gute Koͤnig solle in der Feinde Haͤnde gerahten/ und wegen des auffgerichteten Galgen/ erhenket werden; hernach koͤnne mein Herr mit den Feinden Rachtung treffen/ und durch seinen grossen Anhang die Pannonische Kron leicht erlangen. Der Faͤhndrich hatte dieses kurz vor dem Sturme bey Agiß vertraulich abgelegt/ welcher aber biß hieher keine gelegenheit gehabt hatte/ den Koͤnig zu warnen. Gleich als nun Agiß von dem Koͤni- ge weg gehen wolte/ kam sein Leibdiener/ und reichete ihm ein wolvermachetes Schreiben von dem Stathalter Mastyes ein/ welcher in des Koͤniges Abwesenheit die Herschaft ver- waltete/ und ihm ernstlich ließ angelegen seyn/ hinter Dropions kuͤnste zukommen/ auch so viel erfuhr/ daß der Koͤnig gewiß auff diesem Zuge/ er gewoͤnne/ oder verspielete/ sein Leben einbuͤssen wuͤrde; welchem Unheil vorzubauen/ er in seines Koͤniges Nahmen und Befehl eine Macht von 80000 zu Roß in aller eile versamlete/ und an Agiß schrieb; er solte vor allen dingen den Koͤnig abrahten/ daß so lieb ihm sein Heyl und Leben waͤhre/ er in keine Schlacht sich mit dem Feinde einliesse/ ehe und bevor er ihm noch einen ansehnlichen Ent- saz würde zugefuͤhret haben/ welcher des fuͤnfften Tages nach empfahung dieses/ ihm nicht weit mehr seyn solte. Hernach/ daß er nicht in dem Reuterflügel sich streitend finden liesse/ bey welchem Dropion waͤhre; und endlich/ daß man dem Boͤmischen Koͤnige keine ehren verkleinerliche Beschimpfung antuhn liesse. Agiß hielt vor noͤhtig/ es dem Koͤnige zu offenbahren/ verschwieg doch des Faͤhndrichs anbringen/ und bewaͤgete den Koͤnig/ daß er nun mehr voͤllig glaͤubete/ daß Dropion ihm nach Leben und Kron stuͤnde/ ging auch mit Agiß hin nach dem Heer/ und sagete beydes hohen und nidrigen selbst an; ein jeder folte an seinem Orte fleissig und wachsam seyn; dann nach verlauff fuͤnff Tagen muͤste es durch ei- ne algemeine Schlacht redlich ausgetragen werden/ ob der Boͤhme ihm/ oder er dem Boͤh- men zugebieten haͤtte/ inzwischen solten sie ingesamt fein ausruhen und alles volauf haben. Dropion verdroß solches heftig/ daß er die Zeit zur Schlacht vor gehaltenem Kriegsraht/ oder doch ohn sein vorwissen bestimmete; meinete auch/ er haͤtte Agiß/ der ihm allernaͤhest stund/ und sich freundlich gegen ihn bezeigete/ nunmehr gar auff seiner Seite/ daher sagete er zu ihm: Hui! wie wil unser Koͤnig nun ohn unsern Raht wieder gut machen/ was er al- lein verderbet hat? wie aber/ wañ das Heer ihm nicht folgen wolte? Ich moͤchte wuͤnschen/ antwortete Agiß/ daß unser Koͤnig darüber Raht gehalten/ oder zum wenigsten es mit dem Herrn Feldmarschalk beredet haͤtte; weil es aber ihrer Hocheit also gefaͤllet/ deren Befehl und Wille unser Gesez seyn mus/ so wenden ja die Goͤtter dieses Ungluͤk gnaͤdig ab/ daß das Heer sich ihrem gekroͤneten Oberhaͤupte entgegen richten wolte; ich vor mein Haͤupt wolte mich lieber selbst umbringen/ damit ich ein solches Ungluͤk nicht sehen duͤrfte; dann was koͤnte dem Feinde angenehmers auff der Welt begegnen? und wuͤrde auff diesen Fal besser seyn/ daß der Herr Feldmarschalk den Koͤnig eines andern beredete/ wann seinem hohen verstande nach/ er dieses vornehmen vor undienlich befinden solte/ wobey ich dz mei- ne getraͤulich tuhn wil. Ich wil auch nicht hoffen/ gab dieser Schalk zur Antwort/ daß die Voͤlker Achtes Buch. Voͤlker sich sperren werden; und weil vor dißmahl dem Koͤnige es also gefallen/ daß er sei- nem eigenen Raht folgen wollen/ wil ichs mit gut heissen; gab damit an den Tag/ daß ihm schon leid wahr/ sich gegen Agiß so weit heraus gelassen zu haben/ weil derselbe nach seiner Leier nicht tanzen wolte. Der Koͤnig stund ein wenig/ als voller Gedanken/ welche ihm dañ im Kopffe rechtschaffen herumb lieffen/ und man leicht muhtmassen kunte/ dz sein Herz be- schweret wahr. Dropion aber gedachte/ es waͤhre ein Zeichen der Scham/ wegen seines heutigen versehens; doch erhohlete er sich bald/ nahm eine sonderbare freundliche Herz- haftigkeit an sich/ und redete die versamleten Kriegshaͤupter also an: Liebe Getraͤue; ich habe aus hoͤchstwichtigen Ursachen/ welche schier kuͤnftig sollen gemeldet werden/ bey mir beschlossen/ mit den Feinden einen viertaͤgigen Anstand zu machen/ unter dem Scheine/ dz man Zeit habe und sicherheit/ die Erschlagenen beyderseits zubegraben/ welches sie ohn zweifel gerne eingehen werden. Ist demnach mein gnaͤdigstes Gesinnen/ mir eure Mei- nung hieruͤber anzudeuten. Dropion gab zur Antwort; er koͤnte sich hier weder mit ja noch mit nein heraus lassen/ es waͤhre dann/ daß er die wahren Ursachen solches vornehmens hoͤrete/ alsdann wolte er auff dieses ganz unvermuhtliche vorbringen sich gehorsamlich er- klaͤren. Gar wol/ antwortete der Koͤnig/ und warumb solte ich meinen Kriegsfuͤrsten und Raͤhten solche Ursachen verhehlen/ wañ sie dieselben zuwissen begehren? ich habe bey mei- nem Auszuge aus meinem Reiche/ es mit meinem hinterlassenen Stathalter Mastyes ver- abscheidet/ er solle auff allen Nohtfall noch ein Reuter Heer 80000 stark samlen/ und mir solches eiligst nachschicken; weil ich dann heut nach gehaltenem Treffen von ihm Zeitung erhalten/ daß nach Verlauff vier Tagen er bey uns seyn wolle/ bin ich durchaus nicht wil- lens/ die Haͤupt Sache dem Gluͤk zuuntergeben/ biß solcheꝛ Entsaz in der naͤhe sey/ von wel- chem ich bißdaher nichts habe melden wollen/ damit den Feinden es nicht verkundschaffet wuͤrde. Dropion entsetzete sich des Vorbringens/ sahe daß ers nicht hintertreiben kunte/ und doch seinen Wiederwillen anzuzeigen/ fing er mit verwirretem Gemuͤht also an: Ich weiß nicht/ ob es rahtsam seyn wuͤrde/ dem Feinde einigen Anstand zugeben/ wann er dar- umb anhalten solte/ wiewol er darzu viel zu hochmuͤhtig ist/ und nun wollen wir selbst dar- umb ansuchen? Ich schaͤtze unsere Macht stark genug seyn/ dem Feinde anzusiegen/ des- wegen fodere man ihn aus auff Morgen zur Schlacht/ ehe er die Kuͤhnheit zu treffen ab- leget/ und durch Zeitung wegen des Entsatzes/ der mich sehr/ und nicht ohn ursach befrem- det/ davon abgeschrecket werde. Marschalk/ warumb befremdet euch der Entsaz? sagte der Koͤnig; meinet ihr/ daß er uns so gar unnoͤhtig/ und ein lauter uͤberfluß sey? Haben wir doch schon uͤber 80000 Mann/ die Verwundeten mitgerechnet/ heut diesen Tag einge- buͤsset. Und warumb schriebet ihr mir dann nechten/ wir duͤrfften dem Feinde nicht unter 250000 Mann in der Schlacht unter Augen stellen? Aber Groß Ober Wachtmeister A- giß/ was ist hieruͤber eure Meinung? Allergnaͤdigster Koͤnig/ antwortete er; es kan seyn/ daß der Herr Feldmarschalk sein hochvernuͤnfftiges absehen habe/ welches ich nicht wissen kan/ aber meiner unvorgreiflichen Meinung nach/ hat Eure Koͤnigl. Hocheit sehr vorsich- tig gehandelt/ daß dieselbe auff einen Entsaz ist bedacht gewesen/ weil wir andern solches aus der acht gelassen; wundere mich gleichwol nicht wenig/ daß Ihre Hocheit ein solches/ ohn aller deren Vorwissen/ welche mit derselben ausgezogen sind/ vorgenommen/ und mit d d d d d Herr Achtes Buch. Herr Mastyes abgeredet hat. Der mehrenteil der uͤbrigen/ ungeachtet sie gut Feldmar- schalkisch wahren/ stimmeten mit zu/ dann sie sahen nicht/ was ihnen der Entsaz schaden koͤnte/ weil ihnen das eigentliche Vorhaben des Dropions (welches kaum ihrer sechse wu- sten) annoch nicht entdecket wahr. Aber Dropion dachte den Sachen etwas tieffer nach/ und befahrete sich/ Mastyes wuͤrde diesen gewaltigen Hauffen nicht allein fuͤhren/ sondern dabey solche Befehlichshaber ordnen/ welche zu steiff Koͤnigsch waͤhren/ und ihm alle seine Vorschlaͤge zunichte machen duͤrfften/ hatte doch das Herz nicht/ weiter zuwidersprechẽ/ nur sagete er/ seine Meinung waͤhre noch/ daß man mit dem Feinde ein Treffen wagete/ ehe der Entsaz sich mit ihnen zusammen taͤhte; dann vor erst wuͤrden alsdann die Feinde aus ihrem unuͤberwindlichen Lager nicht zubringen seyn; hernach duͤꝛffte das alte Heer es ungleich verstehen/ daß die frischen Voͤlker an der Beute anteil haben solten/ welche diesel- be durch ihre Muͤhe und Blut schier erworben und in Faͤusten haͤtten. Der Koͤnig bedach- te sich ein wenig/ und gab zur Antwort: Ich nehme diese wichtige Ursachen billich zu her- zen/ und so wenig ich an meines getraͤuen Marschalks Auffrichtigkeit und Traͤue zuzwei- feln habe/ so gewiß bin ich auch/ dz er den Krieg wol verstehet; wollẽ demnach die Schlacht auff gut Gluͤk mit dem jetzigen Heer wagen/ doch nicht ehe/ biß daß unser Entsaz auff zwo Stunden hinter uns ligen wird/ da wir uns dessen gar nicht/ als nur auff den aͤussersten Nohtfal gebrauchen wollen/ und sie dañoch an der Beute keinen Teil haben sollen; ist eins. Uberdas trage ich euch meinen unbruͤchigen Schluß vor/ welchen ich mir ganz ins Herz gepflanzet/ und als ein Gesez gestifftet habe/ dem ich mich selbst ohn Ausrede mit gutem Wolbedacht unterwerffen wil/ daß wer vor erhaltenem Siege den Abzug durch die Flucht oder aus anderem Vorgeben/ nehmen wird/ sol an Gut/ Ehr und Leben gestraffet/ oder/ da man ihn nicht ertappen kan/ als ein Verraͤhter des Vaterlandes durchaͤchtet werden. Dieses nun wahr Dropion ganz ungelegen/ wie auch den Vornehmsten seines Anhangs/ welche obgedachten Anschlag uͤber den Koͤnig gemacht hatten; daher er zur Antwort gab: Er vor sein Haͤupt und andere redliche Kriegs Helden bedürfften solches Gesetzes nicht/ als welche daselbst zubleiben willens waͤhren/ wo der groͤste Hauffe ihrer Voͤlker bleiben würde. Und diesem fielen alle seine ergebene freimühtig zu/ daß Agiß und andere Getraͤue nicht stark dawider seyn durfften. Der Koͤnig aber erdachte diese List/ und sagete: Wolan/ weil wir uns hieruͤber nicht vergleichen koͤnnen/ und meinen Obersten mein Vorschlag/ den ich gerne ins Werk gerichtet haben moͤchte/ nicht gefallen kan/ ich aber dabey besorge/ daß wann die Unter Haͤuptleute und gemeinen Knechte solche Wegerung erfahren solten/ sie es ungleich auffnehmen moͤchten/ so wollen wir alsbald hingehen/ und desganzen Heers Meinung daruͤber vernehmen/ welche uns allen wolgefallen muß; ging vor hinaus/ hieß die andern folgen/ und gab es den Voͤlkern mit sonderlicher Leutseligkeit zuverstehen/ wel- che einmühtig rieffen: Dieses Koͤnigliche Gesez wuͤrde der unbewaͤgliche Grund ihres künfftigen Sieges seyn. Daher die Obersten sichs also gefallen lassen musten/ und ward Dropion/ welcher sich noch keiner Verraͤhterey befahrete/ die Karte heßlich verstecket. Noch desselben Abends schickete Mnata einen Heerhold an die unsern ab/ welcher sich ge- buͤhrlich meldete/ und wie ihm befohlen wahr/ diese Werbung vorbrachte: Der Groß- maͤchtigste Unuͤberwindlichste Koͤnig des aͤdlen hochbenahmten Pannonischen Volkes/ nachdem Achtes Buch. nachdem er dem Boͤhmischen Koͤnige seinem Feinde die Schaͤrffe seines Schwerts in etwas zuerkennen gegeben/ auch willens wahr/ mit demselben ein absonderliches Treffen auff Leib und Leben zuhalten/ wann von seinen Untertahnen es ihm haͤtte koͤnnen ge- goͤnnet werden/ laͤsset den Boͤhmischen Koͤnig durch mich seinen Heerhold/ auff den fuͤnfften Tag nach diesem/ zu einer auffrichtigen offentlichen Feldschlacht einladen/ da seine Koͤnigliche Hocheit alles Vortels sich begeben/ und die Sache auff das Glük und seine Faust setzen wil; inmittelst schlaͤget seine Koͤnigliche Hocheit einen viertaͤgi- gen Anstand vor/ daß die erschlagenen allerseits moͤgen begraben/ und den Leibern nach ihrem tapfferen Tode die Ruhe gegeben werden; im übrigen ist seine Koͤnigliche Hocheit nicht gesinnet/ dieses Land zuverlassen/ biß sie/ die ihrem Trometer angefuͤgte Schmach Koͤniglich gerochen haben wird. Ja Koͤniglich gerochen/ antwortete Ladisla/ solches waͤhre ehrlich und wol zuerdulden/ wie es auch Gott fuͤgen moͤchte; aber Galgen vor gebohrne uñ herschende Koͤnige auffzuꝛichten/ das ist noch lange kein Koͤniglich Stuͤk. Wer weiß/ sagete der Herhold/ wer diesen schnoͤden Galgen auffzurichten angeordnet hat? meinethalben wolte ich/ der Uhrheber henkete schon dran/ so versichert bin ich/ daß es nicht aus meines Koͤniges Geheiß geschehen sey. Dieses sagete er auff Agiß außdruͤklichen Be- fehl/ weil er dessen und des Koͤniges getraͤuer wahr; und gerieten die unsern hiedurch in wunderliche Gedanken; doch beantworteten sie es nicht/ sondern Ladisla gab diesen endli- chen Bescheid: Sage deinem Koͤnige/ oder vielmehr dem Pannonischen Wuͤterich; ich und gegenwaͤrtige meine hohe Anverwanten/ werden schon wissen/ wann es Zeit seyn wird eine Feldschlacht zuliefern. Er hat sich gegen mein Land und Volk nicht als ein Feind/ son- dern als ein Moͤrder und Mordbrenner erzeiget/ worinnen ich mich ihm nicht habe wollen gleich stellen/ wie ich leicht gekunt haͤtte/ sondern geschonet was mich nicht beleidiget. Voꝛ- dismahl haben wir ihm eine Mummen Schanze gebracht/ und lassen seine großpralichte Draͤuungen auff ihrem Unwerd beruhen; die begehrete Frist wegen Begrabung der Tod- ten wird ihm eingewilliget/ er handelt auch dabey redlicher (wo sonst keine Tokmaͤuserey dahinten stecket) als sein Gott- und Ehr vergessener Dropion/ welcher seine erschlagene den Raben und wilden Tihren uͤbergab/ womit er bekennete/ daß seine hingerichtete Stras- sen Raͤuber und Mordbrenner vielmehr den Galgen und das Rad bekleiden solten/ als mit der Erden uͤberkleidet werden; jedoch koͤnte es Gott schicken/ daß/ ehe sechs Tage ver- fliessen/ er mehr ursach/ deßgleichen Anstand zubegehren/ haben moͤchte. Also wurden zu bei- den Teilen die Geisel eingeschikt/ und liessen Ladisla und Herkules die ihren nicht allein ehꝛ- lich begraben/ sondern hielten ihnen auch bey dem Heer oͤffentliche Lobreden jhrer Mañ- heit. Die Feinde aber wurden nur schlechts hin in die Erde verscharret/ nach dem sie von den unsern gepluͤndert wahren/ und hielten die Pannonier ein abscheuliches Geheule und Geklapper der Waffen bey dem Begraͤbniß. Zeitwehrendes Anstandes funden sich an beiden Seiten etliche Ritter und Knechte/ welche von ihrem Koͤnige Urlaub begehreten eine gleichmaͤssige Schaar zumabsonderlichen Kampfe außzufodern; aber Herkules wol- te es an seiner Seite nit gut heissen/ darum daß man der geuͤbtesten in der Schlacht wuͤꝛde benoͤhtiget seyn/ die Ungeuͤbeten aber leicht einen Schimpff durch verwaͤgenen Unver- stand einlegen/ und dadurch bey dem Heer eine Furcht erwecken koͤnten/ weil die Aberglaͤu- d d d d d ij bischen Achtes Buch. bischen allemahl aus solchem Verlauff/ als aus einem Vorbilde und Spiegel das kuͤnffti- ge Gluͤk oder Ungluͤk der algemeinen Schlacht zu urteilen pflegeten/ wodurch sie dann ent- weder sicher oder furchtsam gemacht wuͤrden. Agiß haͤtte gleicher gestalt gerne an Panno- nischer Seite ein solches gehindert/ aber Dropions Frevel ging vor/ daß man nicht allein solchen ritterlichen Leuten diese wolstaͤndige und preißwirdige Ubung gerne goͤnnen und zulassen solte/ sondern ruͤhmete die/ welche sich angaben/ oͤffentlich vor dem Heer/ und ver- sprach ihnen eine Verehrung/ da sie sich Pannonisch/ das ist/ wie er sagete/ unuͤberwindlich erzeigen wuͤrden. Es wahr aber eine Schaar ganz verwaͤgener Buben/ 120 Mann stark/ welche in vier absonderlichen Hauffen die Freyheit zum Kampff begehreten/ deswegen sie in eine Schwade gesetzet/ und ihre vier Haͤuptleute uͤmb den obersten Befehl mit wuͤrf- feln spielen musten/ welcher dem Frechesten unter allen zufiel. Weil dann der Koͤnig auch wolgefallen daran hatte/ vermahnete er sie zur Tapfferkeit/ und daß ein ieder unter ihnen/ nicht weniger eines andern als seine eigene Gefahr und Verwundung abzuwenden ge- fliessen seyn/ auch zuschlagen und stechen nit ablassen solten/ biß sie den Feind auf die Weich- feite gebracht haͤtten. Bald darauff schickete er den vorigen Heerhold ab an die unsern/ uñ ließ ihnen anzeigen/ weil den Arbeitsamen Maͤnnern die Zeit im Muͤssiggange lange weh- rete/ und man in Zelten des Wuͤrffel- und Karten Spiels auch muͤde wuͤrde/ meldeten an Pannonischer Seiten sich eine ritterliche aͤdle Schaar 120 stark/ und nicht mehr/ hiemit an/ ob eine gleiche Anzahl von Feinden so viel Herzens haͤtte/ zwischen beiden Lagern mit ihrem ritterlichen Gewehr zuerscheinen/ damit man saͤhe/ an welcher Seite/ die rechtmaͤs- sigste Sache/ und tapffermuhtigsten Kaͤmpffer sich fuͤnden/ jedoch mit diesem außdruͤkli- chen Vorbehalt/ daß dieses anmuhten dem gemachten Anstande nicht im geringsten solte nachteilig seyn. Die unsern beredeten sich nach geendigter Anwerbung hieruͤber/ und ob sie gleich wusten/ daß es dergleichen Wagehaͤlse unter den Pannoniern nicht wenig gab/ welche durch frevelmuhtige Raserey oft wahrer Tugend uͤberlegen waͤhren/ wolten sie doch solchen Schimpff auff sich nicht ersitzen lassen/ und gaben die Antwort/ daß weil es schon zimlich spaͤt/ solte auff morgen geliebts Gott/ der Streit auff begehrete masse hiemit ange- nom̃en seyn/ daß er mit ritterlichem Gewehr/ als Speer und Schwert/ in vollem Harnisch außgefuͤhret wuͤrde; koͤnten demnach die Außfoderer zwo Stunden nach der Soñen Auff- gang/ unter der Begleitung anderer 500 Reuter/ und nicht mehr/ erscheinen alsdann wol- ten sie mit gleicher Anzahl verhanden seyn/ doch unter diesem Vorbehalt/ es fiele der Sieg auff eine oder andere Seite/ solten die 500 doch kein Schwertzuͤcken/ sondern den Kaͤmp- fern ihren freyen Willen goͤnnen/ auch zu mehrer Versicherung/ solche Begleitung ohn Harnisch verrichten. Mnata und Dropion wahren dieser Einwilligung froh/ durchsuche- ten ihre Kaͤmpffer fleissig/ ob ihnen ichtwas an guten Pferden oder Gewehr mangelte/ wel- ches sie auffs fleissigste verbesserten/ und ihnen/ da sie siegen wuͤrden/ eine Tonne Schaz außzuteilen/ veꝛsprachen. Die unsern/ damit dieser Kampff desto gluͤklicher ablauffen moͤch- te/ wurden eins/ daß Ladisla/ Herkules/ Siegward/ Olaff/ und Arbianes unerkanter Weise selbst mit Kaͤmpffen wolten; und daß solches desto unvermerketer geschehen moͤchte/ waꝛd Leches zum Obersten Fuͤhrer bestellet/ welcher dessen anfangs sich demuͤhtig wegerte/ und endlich aus Untertaͤhnigkeit gehorsamlich uͤber sich nam. Neda/ Prinsla/ Klodius/ Mar- kus Achtes Buch. kus Gallus/ wie auch Fabius/ wolten nicht zuruͤk bleiben; die Daͤnen Harald und Hum- bold/ die vornehme Teutsche Herren und sehr handfeste Ritter/ Oswald/ Sebald/ Geb- hard/ Burchard/ Bertram von der Weser/ Walfried/ Günther/ Erhard/ Ernst/ Kuͤne- bald/ Gotfried/ Adelbert/ Roland/ Gothard/ Willibald/ Arnhold/ und Ludwieg/ alle vorneh- me Obersten/ bahten sehr instaͤndig/ daß sie moͤchten gewirdiget werden/ diesen ritterlichen Zug mit zutuhn. Neklam/ und der neue Ritter Grozemisla bekahmen dessen auch Urlaub. Zu diesen wurden noch 30 nahmhaffte Teutschen/ 16 Boͤhmen/ 6 Friesen/ 8 Wenden/ und 27 Parther gewaͤhlet/ da insonderheit die lezt genenneten daruͤmb ganz flehentlich anhiel- ten. Sie gingen zu rechter Zeit loß/ alle mit schneeweissen Feldzeichen/ und hatten 500 von den tapffersten zur Begleitung mit sich genommen/ welche nach dem Pannonischen Be- gleitern ritten/ und sich ihnen zeigeten/ daß sie ganz keine Waffen/ als das Seiten Gewehr bey sich hatten/ alle mit Himmelblauen Feldzeichen und statlichen rohten Federbuͤschen außgezieret/ funden auch ihre Feinde redlich und ohn heimliche Waffẽ/ die mit rohten Feld- binden/ (wie auch ihre Kaͤmpffer) sich angelegt hatten/ und wahren Mnata und Dropion selbst mit unter ihnen/ üm den Streit desto besser zu sehen. Unsere Christen hatte vor ihrem Auszuge ihr andaͤchtiges Gebeht gehalten/ und nach angelegten festen Waffen sich in fünff Schaaren/ jede 34. Koͤpffe stark/ verteilet; den Ersten fuͤhrete Leches und wahr bey demselben Ladisla; bey dem Andern Herkules und Arbianes; bey dem Dritten Siegward; bey dem Vierden Olaff; und bey dem Fuͤnfften Fabius/ hatten sonst die tapffersten Ritter gleich unter sich geteilet. Es wolten die Pannonier mit dem Speer nicht zuschaffen habẽ/ sondern nur das kurze Gewehr gebrauchen/ daher die unsern/ um allẽ Verdacht deꝛ Furcht abzuwenden/ gerne einwilligten/ jedoch ihnen diesen Verweiß zuentbohten: Redliche Rit- ter verachteten das Speer nicht/ als welches ihr Ehren-Gewehr waͤhre/ und dabey inson- derheit erkennet wuͤrden. Sie setzeten Fuß vor Fuß auff ein ander an/ biß sie sich erreichen kunten/ und jede Schaar eine gleiche Anzahl zubestreiten hatte. Anfangs gingen sie beyder- seits sehr behutsam/ insonderheit spareten unsere Helden ihre Kraͤffte nach Moͤgligkeit/ und liessen ihre Leute fechten/ welche sich zwar als redliche Kriegsleute hielten/ und doch dem Feinde keinen Fußbreit abgewinnen kunten/ auch schier mehr Wunden annahmen als sie bezahleten. Als Mnata solches sahe/ sagete er zu Dropion: Der Feind hat unsern Rittern keine Kinder entgegen gestellet/ wie auch alle ihre Begleiter sehr ansehnliche/ tapf- fere und unerschrockene Ritter sind/ deren gleichen ich mich bey ihnen kaum versehen haͤt- te/ jedoch ist die Oberhand an unser Kaͤmpfer Seite; aber dieser stolze Ruhm waͤhrete nit lange; dann Herkules/ Ladisla/ Siegward/ Olaff und Fabius nahmen jeder sechs handfe- ste Ritter zu sich/ schwaͤnketen sich damit von der Seite ab in den Feind/ und schlugen der- gestalt von sich/ daß im ersten Anfalle ein jeder seinen ersten Mann zu grunde richtete/ wo- durch die uͤbrigen in zimliche Verwirrung gerieten. Als die andern diese Lufftung von fornen her empfunden/ setzeten sie nicht minder eiferig hinein/ da ihre Verwundeten vor Zorn weder Muͤdigkeit noch Schmerzen empfunden. Ladisla traff auff den obersten Führer/ und befand/ daß er guter Faͤuste wahr/ brachte ihm aber gar bald ei- nen Stoß unter den Krebs an/ damit er ihm die Seele mit samt dem Blute auszap- sete. Als die unsern diesen grossen Vortel erstritten hatten/ und noch keiner von ihnen d d d d d iij gefel- Achtes Buch. gefellet wahr/ sie auch in behaltener festgeschlossener Ordnung mit getrennneten stritten/ sahe Dropion bald/ daß solches kein gut tuhn würde/ woruͤber er vor Zorn und Eifer an- fing zu fluchen und schaͤnden/ daß alle ihre Kaͤmpfer seine Bernheuter und Narren seyn musten/ die sich nur auff ihre unerfahrne Frecheit verlassen/ und sich einer Sache unterfan- gen haͤtten/ deren sie durchaus nicht bestand waͤhren; sahe doch endlich mit etwas vergnuͤ- gung an/ daß die uͤbrigen algemach sich in kleine Schaaren setzeten/ und ein Haͤuflein/ 36 stark/ eine neue Ordnung schloß/ welches aber Herkules gar zu zeitig inne ward/ nam 24 Mann nebest Neda und Prinsla zu sich/ und befahl den andern/ die annoch getrenneten fein warm zu halten/ weil sie ihnen ohndas an Mañschaft überlegen wahren/ und stürmete er dergestalt auff diese Schaar/ daß sie alsbald hinter sich zu weichen gezwungen ward/ da Herkules Beystand in sie hinein brach/ und nicht auffhoͤreten/ biß sie alle gestrekt lagen/ dañ hie wahr alle Gnade auffgeruffen. Als Mnata und seine Leute dieses sahen/ bereueten sie ihre Tohrheit/ aber zu spaͤht/ kehreten auch mit ihren 500 Reutern umb/ und gingen nach ihrem Lager zu/ als haͤtten die Kaͤmpfer ihnen nicht zugehoͤret/ weil sie das Elend laͤnger nicht ansehen kunten/ und von den ihren nit 30 lebendige mehr übrig wahren/ welche schon heftig verwundet/ ohn gegenwehr nidergehauen wurden/ worauff man sie nacket auszohe/ die Koͤpfe ihnen abschlug/ und sie auff den Wahl auff Stangen steckete/ ihre Pferde/ Ge- wehr und Kleider mit nahmen/ und mit einem Freudengeschrey von der Streitbahn hin- weg ritten/ weil nur drey Boͤhmen zwey Teutsche und ein Friese das Leben eingebuͤsset hat- ten/ auch alle verwundete wieder geheilet wurden. Die Fürsten und genennete Ritter kah- men alle/ ausgenommen Guͤnter/ Adelbert und Arnold/ unbeschaͤdiget davon/ und wurden doch diese drey mit koͤstlichen Salben in 24 Stunden geheilet. Mit so geringem Verlust wahr der kleine aber ansehnliche Sieg erstritten/ worũber unser Heer so froͤlich wahr/ als waͤhre der Feind gar aus dem Felde geschlagen. Hingegẽ schaͤmete sich Mnata/ sein Kriegs- heer anzusehen/ welche in voller Schlachtordnung stunden/ ihre uͤberwinder zu empfahen; aber als sie keinen einzigen wieder zuruͤk kommen sahen/ begunten ihrer viel zu spotten/ und rieffen/ die verwaͤgene Narren haͤtten ihren verdienten Lohn empfangen/ in dem sie auff ih- re Mannheit getrotzet/ und ihnen eingebildet/ wann unter den andern sie mit foͤchten/ wuͤr- de man ihre tapffere Tahten so eigentlich nicht koͤnnen sehen/ als wañ sie allein dz Schwert gebraucheten; welches Dropion sehr verdroß/ weil er zu diesem Spiel am meisten gerah- ten hatte. Agiß redete dem Heer ein mit guter freundligkeit/ hielt nachgehends sein abson- derliches Gespraͤch mit dem Koͤnige/ und baht sehr/ in dergleichen vornehmen hinfuͤro nit zugehehlen. Die Goͤtter wolten keinen Troz von uns Menschen haben/ und pflegten alle- mahl von solchen verwaͤgenen ihre Hand abzuzihen. Sie wolten weiters mit einander re- den; aber es ward angemeldet/ daß ein Boͤmischer Trommelschlaͤger sich vor dem Lager meldete/ mit begehren/ daß jemand zu ihm heraus kaͤhme/ dem er etwas an seinen Koͤnig zu bringen/ anzeigen wolte; und als ihm einer seines gleichen zugeschicket ward/ gab er dem- selben etliche Wuͤrffel und Kartenspiel mit diesen Worten: Sihe da mein Kerl/ unsere tapfere Kaͤmpfer/ deren nur sechs auff der Wahlstat blieben/ und 27 untoͤdlich verwundet sind/ uͤberschicken eurem Koͤnige und seinen Leuten dieses/ die uͤbrige Zeit des anstandes da- mit zuvertreiben/ weil sie damit besser/ als mit dem Waffenspiel umbzugehen gelehret sind; sie Achtes Buch. sie haben an der ihren Niederlage sich wol zu spiegeln/ und koͤnnen daher/ wo sie nicht ver- blendet sind/ fein lernen/ was vor einen Lohn der allerhoͤchste Gott den Raͤubern/ Moͤrdern und Mordbrennern mitzuteilen pflege. Der ander wahr nicht viel bey solchen werbungen gewesen/ nam das eingereichete zu sich/ und ging damit nach des Koͤniges Zelt/ da inzwischẽ der unsere auff seinem schnellen Pferde gluͤklich davon kam/ sonst wuͤrde man sein uͤbel ge- wartet haben; dann so bald jener seinem Koͤnige neben erzaͤhlung der Rede/ die er fein be- halten hatte/ alles vortrug/ ward er alsbald angeknuͤpfet/ und fassete Mnata neben Dropion und andern Kriegs Obersten daher solchen Grim/ daß sie schwuren/ es ungerochen nicht zu lassen; ja/ sagten etliche/ es waͤhre dieser Schimpf mit dem vorigen schaͤbichten Hunde fast gleich zu schaͤtzen. Die uͤbrigen beyden Tage des anstandes wurden ohn alle denkwuͤrdige Begebnissen hingebracht/ nur daß man allerseits die Voͤlker uͤbete/ und das Gewehr wol versahe. Des lezten Abends bekam Koͤnig Mnata bey eiliger Botschaft die Zeitung/ daß sein treflicher Entsaz in der naͤhe waͤhre/ dessen er sich sehr freuete/ lieferte die Boͤmischen Geisel/ und foderte die seinen wieder ab/ worauff er alsbald/ noch desselbigen Abends/ den vorigen Heerhold an Koͤnig Ladisla schickete/ und ihn erinnern ließ/ daß die Zeit der offe- nen Feldschlacht Morgen fruͤh seyn wuͤrde/ dero behueff er zwo gute Meilen zuruͤk gehen wolte/ und ihnen raum gnug machen/ sich zur Schlacht einzustellen. Aber Ladisla gab ihm kurzen Bescheid/ ob seinem Koͤnige irgend traͤumete; es waͤhre ihm ja die Macht nicht ein- geraͤumet/ daß er ihm vorschreiben solte; wann seine Zeit zur Schlacht kommen würde/ solte er noch mehr als zu fruͤh erfahren/ hoffete auch in kurzen ihm so nahe zu treten/ daß er ihm freilich raum genung lassen solte. Mnata hatte sich dieses Abschlages nicht vermuh- tet/ nam nicht desto weniger seinen Abzug/ und schickete diesen Heerhold abermahl an ihn/ mit diesem vorbringen; ob die Boͤhmen unter der Teutschen Beschuͤtzung sich nicht schaͤ- meten/ daß sie ihre Feinde mitten im Lande liegen haͤtten/ und ohn wagung einer redlichen Schlacht/ sie vor sich sehen koͤnten; man haͤtte gedacht/ sie wuͤrden durch das naͤhst erhal- tene Sieglein/ da 120 Teutsche und Boͤmische Kriegs Obersten/ wieder so viel gemeine Pannonische Reuter gekaͤmpfet/ einen Muht geschoͤpfet haben/ welches sich aber nicht fin- den wolte; waͤhre Ladisla ein Kriegsheld/ wie ihn etliche nennen duͤrften/ solte er sich finden lassen/ oder es nicht vor uͤbel auffnehmen/ daß man ihn mit einem grossen feigen Herzen abmahlete. Es kaͤhme dem Pannonischen Koͤnige glaubwirdig vor/ ob solte er seine ural- ten Landgoͤtter verleugnet/ und an deren stat einen erhenketen angenommen haben; waͤhre dem nun also/ muͤste er gedenken/ die Pannonier waͤhren von den Boͤmischen Goͤttern auf- gemahnet/ ihren Schimpf zu raͤchen. Haͤtte er dann das Vertrauen zu seinem neugebacke- nen Gott/ daß er maͤchtiger als die Alten waͤhre/ warumb stellete er sich dann so zaghaftig/ und duͤrfte auff die angebohtene Schlacht keinen richtigen Bescheid geben; er der Pan- nonische Koͤnig waͤhre schon vorhin/ und hinter sich gewichen/ den Boͤhmen raum zu ma- chen/ wuͤrden sie folgen/ wolten sie auff gut Landknechtisch handeln/ wo nicht/ muͤste er ihm einen andern Streich sehen lassen/ als einer der seiner guten Sache/ seinem Gluͤk und sei- nen Faͤusten trauete. Ladisla empfand nichts uͤber al so hoch/ als daß er die veraͤchtliche Got- teslaͤsterung anhoͤren muste/ wolte dem Heerhold keine Antwort geben/ sondern ließ ihn verwahrlich anhalten/ beredete sich mit den übrigen Fuͤrsten/ und hielt mit allen Christen (unter Achtes Buch. (unter welchen nunmehr Olaff sich finden ließ) ein ernstliches Gebeht zu Gott/ daß er sei- nes Nahmens Ehre retten/ und den unschuldigen Beystand leisten wolte. Die Heerschau- ung wahr schon des vorigen Tages geschehen/ und ihnen ernstlich befohlen/ sich alle Stun- den zum Aufbruch fertig zu halten/ und auff drey Tage Speise zu sich zu nehmen/ welche ihnen zu aller gnuͤge ausgeteilet ward. Von Prag ab wurden ihnẽ fast taͤglich unterschied- liche Schaaren von neuen Voͤlkern zugeschicket/ welche mit dem Pannonischen eroberten Waffen und Pferden gnugsam versehen wurden/ so das ihr Heer vor dißmahl 100000 zu Roß/ und 50000 zu Fusse stark wahr/ welches er also austeilete/ und gegen fruͤh morgens fortgefuͤhret ward. Koͤnig Henrich/ Fabius/ Markus und Gallus hatten das Fußvolk in der mitte. Zur Rechten hatten Herkules/ Arbianes/ Olaff/ Prinsla und Klodius 50000 Reuter. Zur Linken Ladisla/ Siegward/ Leches und Neda eine gleiche Anzahl/ wovon Le- ches 6000 zum Vortrab fuͤhrete. Sie nahmen den Pannonischen Gesanten mit sich/ wel- cher uͤber ihr grosses Heer sich verwunderte. Eine halbe Meile von des Feindes neuem La- ger/ stieß Leches auff 7000 Reuter/ welche er beherzt angriff/ und nach hartem Gefechte auf die Flucht brachte; zog von den Gefangenen alle Kundschaft ein/ und taht es seinem Koͤni- ge zu wissen/ daher sie in gerichteter Schlachtordnung fortgingen/ uñ ihre Voͤlker vermah- neten/ Stand zu halten/ und nicht/ wie im ersten Treffen unter Siegwarden geschehen/ ih- re Ordnung brechen zulassen; liessen den Pannonischen Heerhold seines Weges reiten/ und zogen fort/ biß sie den Feind eine Meile von ihrem alten Lager dieser gestalt im Felde halten sahen. Das Fußvolk 44000 wolgeuͤbete Manschafft hielt in der Mitte; Zur Rech- ten gegen Ladilsla stund der Koͤnig mit 65000 Reutern; zur Linken gegen Herkules fuͤhre- te Feldmarschalk Dropion eine gleichmaͤssige Anzahl/ wie sein Koͤnig/ aber die auserlesen- ste Ritterschafft/ dann er hatte ihm gaͤnzlich vorgenommen/ vor dißmahl ein Koͤnigreich zuerstreiten/ worzu ihm sein Koͤnig nun mehr grosse Hoffnung gemacht hatte/ umb seine Verraͤhterey zu hintertreiben/ dann er hatte sonst mit Agis und Hyppasus schon abgere- det/ daß nach erhaltenem Siege er ihn vor Gericht stellen/ seines Gottlosen Vorhabens ihn uͤberzeugen/ und ihn an den Galgen wolte henken lassen. Er wahr sonst nicht allein ruhmraͤtig/ sondern von sehr grosser Leibeskrafft/ und daneben vorsichtig und gerade/ hat- te auch 26 Roͤmische Ritter in absonderlichen Kaͤmpfen erleget. Koͤnig Mnata sahe zwaꝛ/ daß er den unsern an Manschafft nicht sonderlich groß uͤberlegen wahr/ aber er troͤstete sich dessen/ daß die seinen durchgehend wol geuͤbet/ und unter den unsern nicht wenig unduͤchti- ge gesunden wurden/ welches auch unsere Helden am meisten betrachteten; Uberdas ver- ließ er sich auff seinen treflichen Entsaz/ welcher von lauter geuͤbeten Grenzvoͤlkern bestund/ an deren stelle man ungeuͤbete hingeschicket hatte/ und taht den unsern den allergroͤsten Schaden/ daß von diesem Entsatze sie nicht die allergeringeste Nachricht oder Muhtmas- sung hatten. An allen Seiten wahren die Feld Herren bemuͤhet/ den ihren ein Herz einzu- sprechen. Koͤnig Mnata hielt den seinen vor/ die Goͤtter haͤtten den Feind uͤberredet/ sich ins offene Feld zusetzen/ da ihnen aller Vortel abgeschnitten waͤhre/ hinter welchem sie sich biß daher so munter beschirmet haͤtten; es waͤhre jezt Zeit/ der angefuͤgeter Schmach ein- gedenke zuseyn/ und den schaͤbichten Hund zuvergelten; und ob des Feindes Frecheit an- fangs etwas gegenhalten wuͤrde/ solten sie nur behutsam fahren/ und keine angebrachte Wun- Achtes Buch. Wunde unvergolten lassen/ alsdann wuͤrden die ohmaͤchtigen Boͤhmen wie das Wasser zerrinnen/ die ohndas mit Ackerbau/ Holzfellen und Handwerksuͤbungen besser/ als mit Waffen umzugehen wuͤsten. Er eꝛinnerte sie seines neugemachten Gesetzes/ und ließ aus- ruffen: Wer ihm den Boͤhmischen Koͤnig oder seiner anbefreundeten Fuͤrsten einen leben- dig gefangen einliefern wuͤrde/ solte 60000 Kronen/ oder da er ein geschlagener Ritter waͤhre/ eine freie Herschafft von ihm zugewarten haben. Die unsern wusten auch/ wie sie ihrem Volk den Muht aufftreiben solten; dann Herkules/ dem hoch und nidrig/ wegen sei- ner Freundligkeit gewogen wahr/ sagte mit einem frischen laͤchelnden Angesicht: Es solte keiner der Pannonischen Raͤuber Koͤpffe (deren ohndas nicht mehr als der ihren waͤhrẽ) sondern ihre Herzen zaͤhlen/ deren sich gar wenig finden wuͤrden; dann ihr Gewissen uͤber- zeugete sie ihrer Untaht und moͤrdlichen Vornehmens. Vor fuͤnff Tagen waͤhre schon der dritte Teil ihrer Manschafft/ und zwar die tapffersten nach ihrem Verdienste abgestraffet/ und wuͤrde der Almaͤchtige Gott/ als ein gerechter Richter und Vergelter/ den uͤbrigen auch zulohnen wissen; man haͤtte an dieser Seite eine ungezweifelt-gerechte Sache; man stritte vor das Vaterland wider diese Mordbrenner; und ob gleich diese Feinde hart ge- gen halten solten/ muͤste man doch biß auff den allerlezten Blutstropffen sich tapffer hal- ten/ weil man bey ihnen weder Gnade noch Lebensfristung/ sondern nur den abscheuhlich- sten Tod zugewarten haͤtte. Ey ihr lieben Bruͤder/ sagete er/ was haͤtten wir vor einen koͤst- lichern Wetzestein unsern Schwertern und Herzen antreffen koͤnnen/ als die aͤdle Freiheit/ die Beschirmung des Vaterlandes/ die Beschuͤtzung unserer Weiber und Kinder/ wel- ches alles diese Moͤrder auf ein mahl zuverderben geschworen haben? So folget nun eurẽ Anfuͤhrern herzhaft und redlich/ und versichert euch/ alles was die Raͤuber vor Schaͤtze bey sich fuͤhren/ muß noch heut vor der Sonnen Untergang eure Beute und Reichtuhm seyn. Hierauf fing das ganze Heer ein algemeines Feldgeschrey an/ und gaben dadurch zuver- stehen/ daß sie ungefochten abzuzihen nicht gemeinet waͤhren. Jene tahten nicht minder/ und schicketen sich gleich den unsern zum Angriff. An Herkules Seite taht Olaf den ersten Anfal mit seinen eigenen Daͤhnen und Friesen/ welche aus Wendland zuruͤk kommen wa- ren/ nahm darzu alle Wenden/ und ging unverzaget loß/ dem der verwaͤgene Pannonier Pelegon mit 15000 Reutern entgegen geschicket ward/ und tummelten sich diese beyde dermassen/ nachdem keiner seines Vortels sich begeben wolte/ daß Herkules leicht muht- massete/ der Sieg würde ohn hefftiges Blutvergiessen nicht zuerhalten seyn. Olaf ward des langen auffhaltens muͤde/ setzete mit 600 Daͤnen gleich auff den feindlichen Obersten zu/ und ging hieselbst es scharff daher/ biß endlich Pelegon durch unterschiedliche schwere Hiebe taumlich gemacht ward/ welches Glüks Olaff sich gebrauchete/ ihn mit Gewalt vom Pferde riß/ und 20 Daͤnen uͤbergab/ welche ihn Koͤnig Henrichen zufuͤhren musten; jedoch schlugen sie sich zuvor rechtschaffen umb diese Beute/ weil die Pannonier ihr Haͤupt nicht gerne verlieren/ und die unsern den erhascheten Raub ihnen nicht wieder nehmen lassen wolten; woruͤber etliche hundert beyderseits das Leben einbuͤsseten/ uñ doch immerzu wuͤr- geten/ daß es nicht anders schien/ als haͤtten diese beyde Haͤuflein vor des ganzen Heers Wolfahrt kaͤmpffen muͤssen/ daß auch Olaf sich gar matt arbeitete/ und ihn Herkules durch Klodius mit 8000 entsetzete/ daß er mit den seinen freien Abzug bekam/ nachdem er 150 e e e e e Daͤnen/ Achtes Buch. Daͤnen/ 400 Friesen/ und 2000 Wenden eingebuͤsset/ dagegen aber 5000 Feinde erschla- gen hatte. Klodius bekam auch einen frischen Gegener/ nahmens Bato/ Dropions unehe- lichen Sohn/ welchen er in seiner Jugend durch Blutschaͤndung mit seines Vatern juͤng- ster Schwester gezeuget hatte. Dieser ging mit 8000 loß/ in Meinung/ die unsern im erstẽ Anfal zutrennen; aber Klodius hielt ritterlich Widerstand nebest dem Daͤnen Harald/ der in diesem Treffen ein sonderliches Lob verdienete/ und ihm nachgeruͤhmet ward/ daß er mit seiner Faust 12 Pannonier haͤtte zur Erden gestuͤrzet. Er ward zwar druͤber hart verwun- det/ aber doch aus dem Gedraͤnge gefuͤhret/ und beym Leben erhalten. Ladisla hatte nicht weniger den Anfang durch Siegwarden machen lassen/ als dem er diese Ehre schon beym Auffbruche versprechen muͤssen; gab ihm 3000 wehrhaffte Teutschen und 7000 Boͤhmen zu/ mit welchen er auff 14000 Pannonier ging/ aber solchen Ruhm einlegete/ daß alle Zu- seher sein Herz/ Krafft und Erfahrenheit ruͤhmen musten. Er schonete seiner Voͤlker/ so viel moͤglich/ und ging sehr behuhtsam/ ungeachtet sein Feind Deon mit grossem wuͤten von sich schlug/ und hatte derselbe einen verwaͤgenen Obersten unter sich/ welcher Sieg- warden uͤberfiel/ in Meinung ihn hinzurichten/ fand aber seinen Meister/ der ihm mit einem Stosse in den Unterleib das Leben nam/ und den andern der seinen Gesellen zuraͤchen mei- nete/ ohn Kopff springen lehrete. Seine Voͤlker nahmen von ihm ein Beyspiel/ und tahtẽ nach allem Vermoͤgen/ so daß in kurzer Zeit sie in gleicher Anzahl 8000 gegen 8000 strit- ten. Koͤnig Mnata sahe wol/ daß es hieselbst uͤber seine Leute ging/ machete ihm auch die ganze Rechnung/ Herkules oder Ladisla richteten ihm die seinen dergestalt zu/ und schickete einen Entsaz 8000 stark unter seinen getraͤuen Amythaon aus/ dem sich aber Leches mit 7000 entgegen stellete/ so daß die ersten ihren Streit ungehindert fortsetzeten/ daran Ladisla keine Sperrung machen wolte/ weil es Siegwarden so wol gluͤckete. Aber der Pannoni- sche Koͤnig kunte der seinen Unfal laͤnger nicht ansehẽ/ weil dieser Hauffe kaum noch 6000 Mann uͤbrig hatte/ daher er ihm 12000 zu huͤlffe schickete/ an welche Siegward sich nicht reiben wolte/ sondern nachdem er uͤber die vorigen noch 300 eingebuͤsset hatte/ mit volkom- mener Ehre abzog/ als Neda mit 9000 den einbrechenden entgegen trabete. Klodius lege- te mit einem Pannonischen Obersten absonderlich an/ dem er auch gnug gewachsen wahr - aber sein Pferd ward ihm von einem herzudringenden Pannonier erstochen/ daß er drun- ter zuliegen kam/ und waͤhre ohn zweifel zutreten worden/ wann nicht ein Teutscher und drey Boͤhmen das Leben vor ihm eingebuͤsset/ welche mit ihrer ritterlichen Faust so hefti- ge Gegenwehr tahten/ daß er von den seinen hervor gerissen/ und auff ein Pferd gesetzet ward. Er hat aber nachgehends den nachgelassenen Witwen und Kindern dieser vier ge- traͤuen Leute 40000 Kronen zur Dankbarkeit ausgezaͤhlet/ und die Witwen uͤberdas durch reiche Aussteur wieder verhetrahtet. Nun suchete er gleichwol diesen Schimpff zuraͤchẽ/ wagete sich zum andern mahl an seinen Mann/ und richtete ihn mit einem Stosse hin. Seinen Reutern ging es anfangs sehr hart/ aber nach Endigung dieses Kampffes entfiel den Feinden das Herz/ und wurden mit Hauffen niedergesaͤbelt/ daß ihrer nur 4000 uͤbrig wahren/ und der rechte Fuͤhrer Bato gefangen und verwundet hinweg geschleppet ward; welches/ da es seinem Vater Dropion angemeldet ward/ bekuͤmmerte er sich nicht wenig/ dann er liebete dieses unehrliche Laster-Fruͤchtchen hefftig/ weil er ihm im Frevel/ Unzucht und Achtes Buch. und Gottlosigkeiten fein nachartete. Er ließ auff Klodius 9000 loßgehen/ aber derselbe sagete sich aus/ und gab dem einbrechenden Arbianes Raum/ welcher alle seine Parther und Meden nebest 5000 Teutschen (deren 1600 Schlacht Schwerter wahren) mit sich fuͤhrete. Der heranstechende Pannonische Oberster entruͤstete sich sehr/ daß Klodius ihm entgehen solte/ nachdem er von Dropion den ausdruͤklichen Befehl hatte/ ihn/ weil er so grossen Schaden getahn/ ungestraffet nicht abzihen zulassen; weil ihm aber solches gehin- dert ward (dann nach Hinterlassung 2000 erschlagener begab er sich in Sicherheit)/ als wolte jener seinen Muht an Arbianes kuͤhlen/ dessen Schaar er auch mit solcher Macht anfiel/ ob haͤtte er sie auff einmahl stürzen wollen; Seine Parther aber/ welche durchaus den Vorzug nahmen/ begegneten ihm mit solchem Muht/ daß es schien/ als haͤtten sie sich unter einander den Tod geschworen/ und weil die Parther sich fleissig schuͤtzeten/ nahmen sie viel geringern Schaden/ als die Feinde/ wahren auch so eiferig im fechten/ als haͤtten sie alles allein ausrichten wollen; endlich erinnerten sie sich ihres Fuͤrsten Befehls/ welcher in die Mitte die tapfferen Schlacht Schwerter gestellet hatte/ oͤfneten ihre Glieder/ und gabẽ diesen den freien Zutrit/ welche als geruhete dergestalt den abgearbeiteten Pannoniern ein- schenketen/ daß sie als Muͤcken von den Pferdẽ stoben/ auch ihr Führer selbst welcher schon zimlich verwundet wahr/ in diesem Satze zu Grunde ging/ und von den Pferden elendig zutreten ward/ daher seine Leute aus Furcht sich zuruͤk zogen/ und nicht desto weniger nie- dergeschlagen wurden/ biß ihnen 8000 zum Entsaz kahmen/ da sie schon 5000 verlohren hatten. Diese frische Andraͤnger haͤtten Arbianes schier zu schwer fallen sollen/ dann er hatte auch 1500 verwundete unter sich/ und 300 verlohren; so dauchte Herkules nit raht seyn/ seine uͤbrige Manschafft weiter zuschwaͤchen deswegen setzete Olaff sich mit Arbianes zusammen/ und zauseten den Fein dan allen Orten/ weil sie staͤrker an Manschafft als die Pannonier wahren. Neda mit seinen 9000 Boͤhmen muste einen schweren Stand hal- ten/ dann seine Voͤlker wahren nicht sonderlich geuͤbet/ hingegen wuste sein Widersacher das Schwert wol zugebrauchen; nur die kuͤhne Willigkeit vor das Vaterland zusterben/ taht das beste bey der Sache/ daß sie endlich mehr leisteten/ als man ihnen beym Angriff haͤtte moͤgen zutrauen; massen/ wann es ja solte gestorben seyn/ gedachten sie/ waͤhre nichts bessers/ als den Feind mit sich nehmen/ oder ihn vorhin zuschicken; welcher Vorsaz ihnen dermassen gluͤckete/ daß sie 8000 niderschlugen/ und dagegen nur halb so viel einbüsseten. Der zierlichste Streit ging zwischen Leches und Amythaon vor/ massen dieser nur durch List zu siegen bemuͤhet wahr/ und jener zu tuhn hatte/ die Stricke zumeiden/ biß ihm end- lich der Handel verdrießlich ward/ und einen hefftigen Fall mit drey tausend Mann zur Seite hinein wagete/ welches ihm so wol geriet/ daß der Feind die Glieder nicht wieder schliessen kunte/ sondern uͤberal einbuͤssete/ so daß er 3500 auff der Streitbahn ließ/ und der unsern kaum 800 gefellet hatte; welches Mnata sehend/ nunmehr Zeit seyn meine- te/ daß er mit den uͤbrigen seines Fluͤgels den algemeinen Ansaz wagete. Olaff und Arbia- nes wahren an ihrem Orte noch in voller Arbeit/ dann es glückete ihnen/ daß sie es vor diß- mahl mit zimlich ungeuͤbeten zu tuhn bekahmen/ die zwar ihre Feinde zu fellen kühn gnug wahren/ aber weil sie sich vor ihnen zu schūtzen nicht gelernet hatten/ ging ihnen das Was- ser uͤber die Koͤrbe/ daß ihrer 5000 ins Graß bissen/ und die unsern dagegen kaum 600 im e e e e e ij Stiche Achtes Buch. Stiche liessen. Der Pannonische Feldmarschalk Dropion sahe/ daß sein Koͤnig sich be- gunte zusammen zuzihen/ daher er jezt gedachten Hauffen/ welcher sehr gedraͤnget ward/ durch 15000 entsetzete// brachte alle gesunde Mañschaft/ und die das Gewehr zu fuͤhren an- noch duͤchtig wahren/ beyeinander/ und ging damit gegen Herkules loß/ welcher hierauff schonlange und mit schmerzen gewartet hattee/ weil die absonderlichen Streite ihm zu viel Volk hinnahmen/ und deswegen seinen ganzen Fluͤgel geschwinde also zurichtete/ daß die geruheten vorne an gehen musten/ setzete auch seine 3000 Schlachtschwerter bey kleinen Schaaren von 50 Mann durch das ganze Volk/ also daß gleichwol 600 die erste Spitze halten musten. Als sie aneinander gerieten/ fielen sie wie grimmige Baͤhren und Loͤuen in- einander. Dropion hatte die tapfersten vorne an gestellet/ wahr auch selbst nicht weit von ihnen/ und versahe alles so wol/ daß ihn Freund und Feind vor einen guten und verstaͤndi- gen Feldherrn halten musten. Olaf und Arbianes gingen an beyden seiten/ Herkules in der mitte/ und hatte jeder 300 auserlesene Teutschen umb sich/ deren Schlachtschwerter gar bald von der Feinde Blut gefaͤrbet wurden. Dropion trieb groß wunder mit seinem Ge- fechte/ daß er sich den unsern bald bekant machete/ Herkules ließ die Faͤuste auch nicht sin- ken; so uͤbete sich sein aͤdler Blaͤnke dergestalt/ daß er nicht minder als sein Reuter anfiel und die Feinde beschaͤdigte; welches Dropion bald kund getahn ward/ der diesem Unheil bey zeiten vor zubauen/ 3000 gute Ritter zu sich nam/ und sie also anredete: Komt ihr Bruͤ- der/ ich mus versuchen/ ob dann dieser Herkules auch ein wahrer Herkules sey/ der miꝛ mei- ne beyden Bruͤder sol erschlagen haben; entweder ich mus der dritte/ oder sie gerochen seyn. Herkules sahe ihn herzu dringen/ gedachte wol/ es wuͤrde sein Mañ seyn/ nahm auch 3000 umb sich/ und ließ sich von diesem Nachsucher gerne finden. Da ging es nun an ein eiferiges schlagen/ so daß da kein weichen wahr/ biß Mann oder Roß oder beyde gefellet/ den folgenden Raum gaben/ uͤber sich hin zu reiten/ da inzwischen Olaf und Arbianes auch das ihre tahten/ und mit ihren Voͤlkern den Feind rechtschaffen draͤngeten/ weil sie nunmehr an Mañschaft gleich/ oder doch staͤrker wahren. Nicht lange/ da ward Herkules Dropions gewahr/ und rieff ihm zu/ er moͤchte gemach tuhn/ vielleicht fuͤnde er noch Arbeit vor der Sonnen Untergang. Ja kom her du Lecker/ antwortete er/ ich wil schon machen/ daß dich das Zahnweh nicht lange plagen sol. O du Hund/ bin ich dein Lecker? sagete er drauf; ging auch mit solchem Zorn auff ihn an/ daß die Anwesende bekenneten/ er müste des dinges vor mehr getrieben haben. Doch seumete der Pannonier auch nicht/ sondern so bald sie einan- der abreichen kunten/ stürmeten sie dergestalt auffeinander ein/ daß sie beyderseits ihres wie- derstreiters empfunden. Keiner ließ einiges Zeichen der Furcht noch machtlosigkeit spuͤrẽ/ aber die behendigkeit und grosse erfahrung zu streiten/ sahe man auff Herkules seiten/ wel- ches doch der wilde Mensch nicht erkennen kunte/ dañ er gedachte ihn mit schweren Hieben zu fellen/ deren ihm doch keiner nach Wunsch angehen wolte/ und er dagegen unterschied- liche Streiche uͤber den Hals annehmen muste/ daß ihm die Ohren sauseten/ und endlich zu ihm sagete: Deines gleichen ist mir wenig vorkommen/ aber doch ruͤhme dich/ daß du von einer ritterlichen Hand den Tod empfaͤhest. O du rechnest dich viel zu nahe/ antworte- te er/ und wirst vor dem Siege noch erst streiten muͤssen. Mit dem schlug der Blaͤnke Dro- vions Pferd in die Seite/ daß es niderstürzete/ und wahr Herkules nicht faul/ zuversuchen/ ob er Achtes Buch. ob er ihn also liegend hinrichten koͤnte; aber die Pannonier umgaben ihn mit aller macht/ rissen ihn unter dem Pferde hervor/ und fuͤhreten ihn aus dem Gedraͤnge; woruͤber ihrer wol 200 das Leben zusetzen musten. Koͤnig Ladisla wahr mit Mnata auch schon in voller Arbeit/ wiewol dieser nicht bald anfangs mit fochte/ sondern in begleitung 500 seiner Ge- traͤuen hin und wieder rante/ damit an allen Orten alles wol versehen waͤhre. Siegward taht ihm an der rechten Seite sehr gedrange/ hingegen litte Leches bey der Linken/ schweren uͤberfal/ welches er seinem Koͤnige/ der in der mitte zimlichen fortgang hatte/ zu wissen taht/ bekam auch unter Neda anfuͤhrung 2000 gute Teutschen zu huͤlffe/ welche alles wieder er- setzeten/ und mit den unversuchten Boͤhmen sich vermischeten/ daß sie ihrem Beyspiel fol- gen/ und von ihnen ein muster nehmen kunten. Herkules wahr sehr zornig/ daß ihm der Braten aus den Faͤusten hinweg gerissen wahr/ und meinete/ er wuͤrde etwa durch den Fal mit dem Pferde so viel schaden genommen haben/ daß er zum weiteren Gefechte unduͤch- tig worden waͤhre/ hoffete auch/ weil er abwesend/ die Feinde bald auff die Weichseite zu bringen/ wie er dañ in warheit eine ernstliche Schlacht hielt/ und des Pañonischen Blutes so viel vergoß/ daß es wie kleine Baͤchlein ran/ wuͤrde auch ohnzweifel sehr gefaͤhrlich umb sie gestanden seyn/ wañ ihr Herz/ der Feldmarschalk sich nicht wieder eingestellet haͤtte/ der noch ohn allen Leibesschaden blieben wahr/ und nur neue Waffen angelegt hatte/ weil die ersten hin und wieder zerhacket wahren. So bald er sich wieder stellete und die seinen wan- ken sahe/ rieff er uͤber laut; wie schlaffet ihr/ lieben Bruͤder/ daß ihr euch so wenig reget? es schien nicht anders/ als wann seine Stimme beydes Roß und Mann auffgemuntert haͤtte/ dañ das Blad wendete sich alsbald/ so daß die Weichende vor sich hinweg drungen/ und die Treiber getrieben wurden; welches Olaf/ der an diesem Orte fochte/ nicht ohn bestuͤr- zung ansahe/ und sein aͤusserstes anwendete/ das Werk wieder in Stand zubringen; aber es fiel ihm zu schwer; dann weil er sich schon sehr abgemattet/ und mit seiner Hand in einer Viertelstunde acht Feinde erlegt hatte/ daß auch sein Pferd nicht wol mehr fort kunte/ ward ihm dasselbe erschlagen/ und er/ wie heftig er sich gleich straͤubete/ gefangẽ hinweg gefuͤhret/ da man ihn dem Feldmarschalk einlieferte/ welcher nach seinem Nahmen fragend/ diese Antwort von ihm bekam; ich habe noch nie kein mahl meinen ehrlichen Nahmen gegen ei- nen redlichen Ritter aus Furcht verleugnet/ sondern gerne gestanden/ daß ich Olaf gebohꝛ- ner Fuͤrst aus Daͤnnemark bin und heisse. Worauff Dropion seinen Leuten befahl/ ihn wol zuverwahren/ daß er nicht entwieche. Er aber drang immerzu heftiger in die unsern/ welche an diesem Orte nunmehr ohn ein Haͤupt fochten/ und gleichwol Herkules des Fuͤrsten Ge- faͤngnis zeittig wissen liessen/ woruͤber er sich schmerzlich bekümmerte/ befahl Klodius da- selbst die Auffsicht/ und ging mit 2000 Mann den bedraͤngeten zu huͤlffe/ da ihn Dropion mit diesen Worten empfing; Komst du mir zum andermahl unter die Haͤnde/ du Hexen- meister? O du verleumder/ antwortete er/ hastu dich in einem neuen Harnisch verstecket? fiel hiemit uͤber ihn her/ daß er sich kaum zur Gegenwehr gefasset machen kunte; woruͤber er schier rasend ward/ insondeꝛheit/ da Heꝛkules zu ihm sagete: Du laͤst dich gaꝛ vom Strel- te hinweg tragen/ so furchtsam bistu/ und deine Bruͤder schaͤmeten sich davon zu lauffen. Das rasende Tihr kunte vor Eifer kein Wort sagen/ sondern brach loß wie ein Unsinniger/ meinete/ es solte ihm nun nicht fehlen; wolte ihm auch den Blaͤnken niderhauen/ der ihm e e e e e iij aber Achtes Buch. aber gar geschiklich aus dem Schlage sprang/ bald unter seines Reuters Schutze sich wie- der herbey machete/ und ihn vom Pferde zur Erden niderrisse/ wuͤrde ihn auch vollends gar zu treten haben/ wann nicht seine Leute ihn zum andeꝛnmahl auffgehoben/ und hinweg geschleppet haͤtten/ da er im falle den linken Arm verrenkete/ welchen er wieder muste ein- richten und schmieren lassen/ sich hoch verfluchend/ nicht zu ruhen/ biß er den Buben (so durfte er einen Koͤnig nennen) mit samt dem Teuffelspferde erschlagen haͤtte. Zeit seines abwesens ging es uͤber die Pañonier/ dañ Herkules blieb hieselbst in Olafs stelle/ und taht dem Feinde so gedrange/ daß er umb Entsaz ausschicken muste. Bey dem andern Fluͤgel gab es rechtschaffene Puͤffe/ woselbst Siegward eine solche Furcht in die Feinde gebracht hatte/ daß sie scheuh trugen/ ihm zu nahen. Koͤnig Ladisla/ welches ein Teutscher Ritter ge- zaͤhlet/ hatte 16 Pannonier in diesem lezten Treffen nidergehauen/ und suchete hin und wie- der/ ob er den rechten Heerführer dieses Fluͤgels nicht ertappen koͤnte; welcher aber vor seines Entsatzes ankunft nicht willens wahr zu streiten/ mehr aus Furcht wegen Dropions nachstellung/ als des Feindes; blieb daher stets bey seiner kleinen getraͤuen Schaar/ und hatte fleissige Aufsicht/ daß den bedraͤngeten zeitige hülffe geschahe. Der gewaltige Hyppa- sus nam einen absonderlichen Kampf wieder Ladisla an/ hielt sich auch eine gute Zeit/ ehe er sich geben wolte/ aber endlich siegete die Koͤnigliche Faust ob/ und nam ihn hart verwun- det gesangen/ da ihn etliche Boͤhmen aus dem Gedraͤnge nach Koͤnig Henrich fuͤhren mu- ste. Leches und Neda hatten sich zusammen gesetzet/ stunden vor einen Mann/ und schenke- ten ihren Feinden so tapfer ein/ daß sie gnug daran hatten/ dann je laͤnger ihre ungeuͤbete Boͤhmen das Ding trieben/ je besser sie sich drein schicken kunten/ und trug sich zu/ daß da Leches einen grossen starken Boͤhmen/ der sehr blutete/ fragete/ ob er hart verwundet waͤh- re/ dieser zur Antwort gab; er saͤhe zwar das Blut hin und wieder hervor quellen/ und fuͤh- lete doch keine Wunde/ fochte auch in dem gefasseten Eifer immer vor sich weg/ biß ihm die Seele ausfuhr/ da er diese lezte Worte sagete; Ey wie ein suͤsser Tod ist es/ vor das Vater- land sterben. Diesem ward nach erhaltener Schlacht/ bey seiner bestattung eine sonderli- che Lobrede gehalten. Koͤnig Mnata sahe/ daß die seinen allenthalben abbruch litten/ und hauffensweise nidergeschlagen wurden/ und wahr ihm leid/ daß er den Entsaz nicht zeiti- ger hatte herzu fodern lassen/ welcher doch nunmehr nicht gar weit mehr seyn muͤste; ließ auch bey seines Feldmarschalks Fluͤgel vernehmen/ wie es daselbst zuginge/ und als er die Zeitung bekam/ er waͤhre schon zweimahl von Herkules zur Erde geschlagen/ und allemahl gerettet/ entsetzete er sich dessen/ und befuͤrchtete sich einer algemeinen Flucht/ ehe der Ent- saz wuͤrde verhanden seyn/ dem er etliche Reuter nach einander zuschickete/ daß er/ so viel moͤglich/ eilen solte. Ladisla hatte so viel Zeitung/ der Koͤnig waͤhre selbst bey diesem Fluͤ- gel im schwarzen Harnische/ und fuͤhrete auff dem Helme einen blauen Loͤuen/ der einen Hund zuriß; deßwegen er mit 3000 Mann hin und her rante/ biß er ihn mit seiner Gesel- schafft antraf/ und uͤberlaut rief: Koͤnig Mnata/ bistu Ritters wert/ so laß deinen Feind Koͤnig Ladisla empfinden/ daß du ein Schwert fuͤhrest. Diesen Schimpff durffte er wegẽ seiner inheimischen Feinde nicht uͤberhin wehen lassen/ und stellete sich mit dieser Antwort: Wann ich mich vor deinem Schwert fuͤrchtete/ wuͤrde ich dir so nahe nicht kommen/ noch so weit nachgezogen seyn. Sie zuhaͤmmerten einander weidlich/ dann ihre guten Schwer- ter Achtes Buch. ter kunten den festen Waffen nichts angewinnen/ biß endlich Ladisla seinen Feind vom Pferde stuͤrzete/ welcher im Augenblik von den seinen umringet und auffgehoben ward/ die ihn auch vor dißmahl ferneres Streits durchaus nicht gewehren wolten. Nun hatte Herkules an seinem Orte es schon so weit gebracht/ daß die Feinde sich enge zusammen zo- gen/ und die Hoffnung des Sieges albereit hatten fahren lassen; aber da ihr Feldmar- schalk zum dritten mahl herzu kam/ entzuͤndete sich ihr Muht wieder von neuen; dann er traf auf Arbianes Hauffen/ daß er gezwungen hinter sich weichen/ und den Feinden Plaz geben muste/ deßwegen seiner Meden einer schleunig umhin rante/ und Herkules diese Zei- tung brachte; der seinen lieben Schwager zuretten nicht faul wahr/ kam auch eben dazu- mahl an/ als Arbianes sich mit ihm in einen absonderlichen Kampff eingelassen hatte/ und durch seine Ringfertigkeit und Fechterkunst/ die er sehr wol gefasset/ ihn lange gnug auff- hielt; aber endlich wuͤrde es den Stich nicht gehalten haben; dann der Pannonier taht ihm sehr gedrange/ gleich da Herkules mit 800 Teutschen herzu rante/ und ihn anschrihe: Du Hund/ werde ich dich dann nicht schier gewiß fassen koͤnnen? stellete sich in Arbianes Stelle/ der wider seinen Willen abweichen muste/ und griff ihn zum dritten mahl an; aber die Pannonischen Reuter wolten es durchaus nicht zugeben/ trenneten sie mit Gewalt/ uñ fingen mit den Teutschen einen solchen blutigen Kampff an/ daß desgleichen den ganzen Tag nicht vorgangen wahr. Es hatte diese Schlacht schon uͤber fuͤnff Stunden geweh- ret/ und wahren an des Pannonischen Feldmarschalks Seiten in diesem algemeinen Treffen 12000 erschlagen/ und 5000 verwundet/ da hingegen Herkules nur 4000 misse- te/ und 2000 beschaͤdigte hatte. In Koͤniges Mnata Fluͤgel wahren in diesem gemeinen Gefechte 14000 nidergehauen/ und 7000 hart verwundet/ daher ihnen nit moͤglich wahr/ laͤngern Stand zuhalten/ weil auch Ladisla nur 600 verlohren/ und 3000 Schadhaffte in seinem Heere fand. Als es nun gleich drauff stund/ daß die Pannonier hinter sich weichẽ wolten/ kahmen etliche Reuter herzu gerennet/ mit der froͤlichen Zeitung/ der Entsaz waͤh- re verhanden; welches doch die unsern nicht hoͤreten/ sondern immerzu muhtig ansetzeten/ als die nunmehr an dem Siege nicht zweifelten/ daß auch Koͤnig Henrich sich gefasset machete/ mit dem Fußvolke den Angriff zutuhn/ dafern nicht Gott selbst ins Mittel getre- ten waͤhre/ ohn zweifel zu der unsern augenscheinlichem besten; dann es entstund ein sol- ches erschrekliches Ungewitter mit Donner/ Bliz und Regen/ daß Mann und Roß sich entsetzete/ und keiner das Gewehr brauchen kunte; ja der Sturm- und Wiꝛbelwind wuͤ- tete dergestalt/ daß nicht allein die Huͤtten und Zelten in den Laͤgern uͤbern hauffen fielen/ sondern etliche Reuter/ deren Pferde abgemattet wahren/ wurden mit samt den Rossen zur Erde geworffen/ daher dann die feindliche Voͤlker von ander gingen/ und jedes Heer sich absonderlich stellete/ als haͤtte man den Friede ausgeblasen/ oder einen Anstand des Gesechts gemacht. Das Wetter hielt keine halbe Stunde an/ und so bald sichs gestillet hatte/ musten die unsern Speise nehmen/ dann sie wahren willens/ dem Feinde vor Abends den Garaus zumachen/ und wunderten sich uͤber alle massen/ daß die Pannonier nicht al- lein fest stunden/ sondern auch ein grosses Freuden Geschrey ergehen liessen/ dessen Ursach ihnen aber gar bald vor Augen gestellet ward; dann sie sahen die grosse Macht des Entsatzes in wolgeschlossener Ordnung mit neuẽ unbekanten Faͤhnlein daher zihen/ deren Anzahl sie auff Achtes Buch. auff 60000 schaͤtzeten/ und doch 80000 vol wahren. Unsere Christen traten alsbald zu- sammen/ und fing Herkules dieses Gebeht ūberlaut an/ welches ihm die andern im Herzen nachsprachen: HErꝛ JEsus Christ/ du Sohn des Allmaͤchtigen Gottes; du hast die Schaͤndung deines het- ligen Nahmens heut anhoͤren muͤssen/ in dem der Wuͤterich dein gespottet hat. O mein Heyland/ rette du selbst deines Nahmens Ehre/ wie du sie an dem stolzen Sanherib gerochen/ und durch einen Eu- gel ihm in einer Nacht 185000 gotlose freche Mordbrenner erwuͤrget hast; wie du den Spoͤtter Pha- rao mit seinem frechen Heer im Schilffmeer ersaͤuffet hast. Unser Haͤufflein ist geringe/ und welches noch das aͤrgeste/ ein aberglaͤubisches Haͤufflein; aber O HErꝛ sihe uns an deine Knechte/ laß unser Schwert durchdringen/ und erschrecke sie mit deiner Macht/ wie du die Heidnischen Koͤnige vor Abra- hams wenigen Knechten hast furchtsam gemacht/ auff daß ihnen ihre Gottslaͤsterung nicht frey aus- gehe. Du HErꝛ kanst so wol durch Wenige und Matte/ als duꝛch Viel und Frische helffen; ja tetz- schon hastu uns gezeiget/ daß wann dirs gefiele/ du die ganze Welt mit einem einzigen Donnerschlage uͤmkehren/ und in das ehmalige Nichts stuͤrzen koͤntest. Nun HErꝛ unser Gott/ wir deine Kinder ver- lassen uns auff deinen Nahmen/ dann unser Schwert kan uns nicht helffen; wir trauen auff deine Barmherzigkeit/ dann unsere Macht ist gegen den Feind als nichts zu rechnen; aber wann du uns dei- ne Huͤlffe sendest von deinem Heiligthum/ alsdann werffen wir Panier auff/ dann du HErꝛ bist un- sere Zuflucht in der Noht/ und der Schild unsers Heils. Deswegen unverzaget/ ihr meine Glaubigen/ mit Gott wollen wir Tahten thun/ er wird unsere Feinde untertreten. Nach gehaltenem Gebeht gingen sie zu Raht/ wie sie es best anschlagen wolten. Koͤnig Henrich meinete/ man muͤste sich zuruͤk setzen/ ob man einen Vortel/ und die alte Schanze wieder einbekommen koͤnte/ alsdañ waͤhre man geborgen; aber Herkules hielt voꝛs beste/ weil ihre Reuter eine grosse Menge Pferde von den Feinden auffgefangen hatten/ wolten sie alles Fußvolk beritten machen/ alsdann koͤnten sie noch 120000 Mann ins Feld fuͤhrẽ/ mit welcher Menge wol ehmahls 200000 geschlagen waͤhren/ woran doch die Feinde bey weitem nicht reichen koͤnten/ dann er wuͤste sicher/ daß der Feinde an diesem Tage an die 80000 und mehr/ erschlagen/ und zur Gegenwehr unduͤchtig gemacht waͤhren/ welches man bey der geringen Zahl ihrer uͤberbliebenen Reuterey leicht abnehmen koͤnte; wuͤrde demnach noͤhtig seyn/ dem Volke einen Muht zumachen/ und sie zuvertroͤsten/ ihr Entsaz aus Teutschland wuͤrde gegen Abend verhanden seyn. Dieser Raht ward vor gut gehal- ten/ und trat Herkules unter das traurige Heer/ sie mit dieser Rede auffzumuntern; ihr redlichen und ritterlichen Spießgesellen/ wie sehe ich euch doch so traurig/ als ob ihr ver- schlagen odeꝛ Feldfluͤchtig waͤhret/ da ihr doch heute diesen Tag dem Feinde an die 100000 Mann abgeschlagen/ und seine vorige und groͤste Macht bey nahe gar zu Bodem gelegt ha- bet; liebeꝛ lasset mich eure gewoͤhnliche Freidigkeit sehen/ welche mich alleꝛ Fuꝛcht des Fein- des benehmen kan. Eure Schwerter sind ja noch nicht zubrochen; eure Arme nicht Lahm oder ganz abgehauen. Zwaꝛ ich weiß wol/ was eueꝛ etliche mir einwenden wollen; der Feind habe sich gestaͤrket/ und eine grosse Manschafft zum Entsaz bekommen; ja lieben Bruͤder/ waͤhre auch dieser nit herzugenahet/ wuͤrden die uͤbrigen uns nur ein viertel Stuͤndichen gekostet haben. Meinet ihr aber/ daß sie den Kern ihres Volks auffs lezte gesparret haben? es ist ein zusammen geraffetes Gesindle/ welches durch die Menge sich selbst hindern und verderben wird. So ist ja der unsern so ein kleines Haͤufflein nicht/ daß sie uns einschliessen und lebendig fressen koͤnten; lasset ihrer den fuͤnfften Teil mehr seyn als der unsern ist/ staͤr- ker Achtes Buch. ker kan ich sie nicht schaͤtzen; woltet ihr aber vor diesem kleinen Uberschusse euch entsetzen? ich versichere euch/ meine Bruͤder/ daß ihrer fuͤnffe gegen der unsern einen auff der Wahl- stat liegen; also halte ich unser einen so gut/ als ihrer fuͤnffe/ ja als ihrer achte/ nunmehr; dann ihre wehrhafftesten sind gefallen/ und pochen sie uns nur mit der Zahl ihrer Verzage- ten. Wir haben noch ein herliches Fußvolk/ 50000 Mañ/ und ledige Pferde zum Uberfluß/ damit wollen wir uns alle beritten machen/ und 120000 redliche Reuter ins Feld setzen/ mit welcher Menge ich wol ehmals zweymahl so viel Voͤlkeꝛ aus dem Felde geschlagen ha- be/ als dorten vor uns halten; und deucht euch dieses noch nicht gnug seyn/ werde ich euch nunmehr offenbahren muͤssen/ was ich bißher aus sonderbahren Ursachen gar heimlich ge- halten/ nehmlich/ daß mein Herr Vater noch ein starkes Reuter Heer aus Teutschland ver- schrieben hat/ davon wir schon gewisse Zeitung haben/ daß sie nicht gar weit mehr von uns liegen. Wollet ihr aber leiden/ ihr meine Bruͤder/ daß dieselben uns den schoͤnen Sieg ent- wenden/ und sich zueignen sollen? darzu haben wir gewißlich es uns schon gar zu saur weꝛ- den lassen. Ja werdet ihrs mit geduldigen Augen ansehen koͤnnen/ daß sie uns den reichen Raub vor der Nase hinweg nehmen/ der uns Arbeit und Blut gekostet hat? Ey lasset uns in Gottes Nahmen ansetzen/ und die Mordbreñer vollends auffreiben; ich versichere euch/ sie werden nicht lange Fuß halten/ wann sie nur sehen/ daß ihr den Muht habet/ euch auffs neue mit ihnẽ einzulassen. Als das Heer dẽ Trost des Entsatzes hoͤrete/ fingen sie ein starkes Feld Geschrey an/ daß es in der Lufft erschallete/ welches der Feind meinete geschehen seyn/ weil Fuͤrst Olaff wieder zu ihnen kam. Dann unsere Koͤnige hatten alsbald nach dem ge- endigten Ungewitteꝛ Leches an den Feind geschicket/ und ihm andeuten lassen/ dafeꝛn sie dem gefangenen Daͤnischen Fuͤrstẽ einiges Leid zufuͤgen wuͤrden/ solte es an den vier Obersten/ welche sie in ihrer Haft haͤtten/ sondeꝛlich an Dropions Sohn ganz grausam gerochen wer- den/ derẽ zween sie sonst gegen Fuͤrst Olaff wolten loßgeben/ wie sie es waͤhlen wuͤrdẽ. Dro- pion hoͤrete solches gerne/ uñ erboht sich alsbald/ Fuͤrst Olaf gegẽ seinen Sohn uñ Pelegon der Haft zuerlassẽ. Zwar der Koͤnig stund darauf/ dz an Pelegons stat sein getraͤuer Hyppa- sus ausgewechselt wuͤrde; aber Dropion wendete ein/ weil Olaff sein Gefangener waͤhre/ stuͤnde es bey ihm/ wz vor welche er tauschen wolte. Agis uñ Mastyes setzeten dagegen/ daß ja Hyppasus dem Pelegon billich vorgezogen wuͤrde/ weil er eine hoͤhere Bedienung haͤtte; aber dieser antwortete/ Pelegon haͤtte an seiner Seite gefochten; haͤtte der andere Fluͤgel auch Gefangene/ moͤchten sie die ihren auch außwechseln. Welches Mastyes nit allerdinge unbeantwortet lassen wolte/ und zu ihm sagete; man wolte ja nicht hoffen/ daß man die bei- den unterschiedlichen Fluͤgel ansehen wolte/ als wans zwey unterschiedliche Heere waͤhrẽ/ nachdem sie alle miteinander einem Koͤnige dieneten/ welcher auch billich dieser Sache den Ausschlag zugeben haͤtte. Dropion war nicht gewohnet/ daß dieser ihm so geherzt ein- redete/ und sagete mit hoͤhnischen Worten; er haͤtte seiner Tahten noch wenig gesehen/ uñ was er sich hieselbst einzumischen haͤtte/ da er bey der Schlacht nicht eins waͤhre zugegen gewesen? wir wollen uns hieruͤber nicht zweien/ sagte Mastyes/ aber das sollet ihr wissen/ dz ich meinem Koͤnige ja so redlich und traͤu diene als ihr/ ob gleich meine Tahten schlecht und geringe sind/ moͤchte auch wuͤnschen/ daß der Feldmarschalk den unzeitigen Eyfer ein- halten koͤnte. Mnata geboht ihnen beiden ein Stillschweigen/ und sagte mit sonderlichem f f f f f Ernste/ Achtes Buch. Ernste/ so wenig als er einen Diener haben wolte/ der sich unterstuͤnde ihm vorzuschreibẽ/ so wenig koͤnte er gedulden/ daß seine vornehmste Beamten sich untereinander zweien sol- ten. Dropion entsetzete sich nit so sehr wegen des Koͤniges Rede/ als daß Mastyes ihn deꝛge- stalt anzapffen durffte/ und begunte ihm sein Gewissen zusagen es muͤste sein Anschlag veꝛ- rahten seyn; doch ließ er seine Furcht bald fallen/ und fragete Mastyes/ ob er so viel Her- zens haͤtte/ wegen gefuͤhreter nachteiliger Stachelrede es mit ihm außzutragen. Ja ant- wortete dieser/ ich wil euch zu recht stehen/ wie ihrs begehret; aber nicht ehe/ als nach vol- lendeter Schlacht/ und daß unser allerseits gnaͤdigster Koͤnig Richter sey. Mnata redete ihnen nochmahl ein/ sich alles Gezaͤnks zuenthalten/ als lieb ihnen seine Gnade waͤhre; ob sie sich untereinander beissen wolten/ daß der Feind sie desto leichter fressen koͤnte? es solte dem Feldmarschalk Dropion sein Begehren eingewilliget seyn/ und hoffete er seinen liebẽ getraͤuen Hyppasus durch Schwertes Kraft bald loß zumachen. Dropion durffte fragen/ unter wessen Befehl die neuen herzu gefuͤhreten Voͤlker seyn solten. Welches den Koͤnig verdroß/ und zur Antwort gab; unter wessen sonst/ als unter meinem/ und welche ich dar- uͤber gesetzet habe? Ich frage nicht/ gnaͤdigster Koͤnig/ sagte er/ nachdem hoͤchsten Haͤupte/ welches uns allen befielet/ sondern welcher Statverweser sie fuͤhren sol. Der sie auff dem Wege hat befehliget/ antwortete der Koͤnig/ der sol sie auch an den Feind fuͤhren/ gleich wie ich und Agiß an Hyppasus Stat meinen ersten Entsaz; ihr aber den Uberschuß eu- res Heers und zwar in meinem Nahmen. Hier merkete Dropion/ daß die Karte falsch seyn muste/ wolte derwegen den Koͤnig weiter nit reizen/ sondern sagete in ertichteter Demuht; meines Koͤniges Wille sol mein Befehl seyn/ und desto weniger Voͤlker ich unter mir ha- ben werde/ desto weniger werde ich auch zuverantworten haben; nam damit Abscheid in solcher Verwirrung/ daß ihm das Gesicht schier dunkel worden waͤhre; aber die Verwaͤ- genheit bließ ihm bald stolzere Gedanken ein. Er ließ Fuͤrst Olaff vor sich bringen/ und sa- gete zu ihm; du hast dich zuerfreuen Daͤne/ daß dieses Mittel zu deiner Erloͤsung verhan- den ist/ sonsten haͤttestu mir gewißlich sollen den Galgen bescheissen/ doch bekomme ich dich zum andernmahle/ w il ich dieser Zusage unvergessen seyn. Dem Fuͤrsten wolte das Herz im Leibe wegen des Schimpffes bersten/ und antwortete ihm; hoͤre du unbescheider Pan- nonier; wann in dir eines hoͤflichen Ritters einziger Blutstropffen waͤhre/ wuͤrdestu dich in dein Herz und Blut schaͤmen/ einem Koͤniglichen Fuͤsten den Galgen anzumuhten/ wel- cher dir nie kein Leid getahn/ nur daß er in einem redlichen Feldzuge seinen besten Freunden zugefallen/ gegen deinen Koͤnig sich ohn einige Bitterkeit hat gebrauchen lassen. Ist dir aber der Galgen bescheret/ koͤmstu noch zeitig gnug hinan. Dropion fragete ihn/ ob er auch wuͤste mit wem erredete; ja/ antwortete er/ weil du nicht der Koͤnig/ sondern sein Diener bist/ so rede ich mit einem der viel geringer ist als ich ein gebohrner Koͤniglicher Fürst/ und Erbe eines Koͤnigreichs. Der Pannonier haͤtte sich gerne gerochen/ aber wegen der noch nit eingelieferten Gefangenen durffte er nicht. Also nahm Olaff einen freimuhtigen Abzug/ und kam gleich dazumahl vor unserm Lager an/ wie das Feld Geschrey erging; klagete/ was vor Hohn im begegnet waͤhre/ und vermochte die ganze Fuͤrstliche Geselschaft/ daß sie sich verpflichteten/ es zuraͤchen; Nachgehends zeigete er an/ daß der Feind alles Fußvolk zu Pferde setzete/ und eine Macht in die 170000 stark beyeinander haͤtte/ welche dannoch die grosse Achtes Buch. grosse Menge ihrer erschlagenen sehr beklageten/ welche sich uͤber 70000 Mann belieffe; haͤtten auch den Schluß gemacht/ die unsern zuumzihen/ und von allen Orten her anzu- greiffen. Worauff sie alsbald schlossen/ auffzubrechen/ und hinter sich zuweichen/ damit ih- nen die erschlagenen nicht am Gefechte hinderlich waͤhren. Der Feind/ da er ihren Abzug sahe/ gedachte sie wuͤrden gar ausreissen/ deßwegen sie mit grossem Geschrey folgetẽ; wor- an aber Herkules/ welcher den Nachzug hatte/ sich nicht kehrete/ sondern immer in guter Ordnung fortruͤckete/ biß er einen guten Raum erhielt/ und sich zum Treffen fertig ma- chete. Ihre Ordnung hielten sie/ wie zuvor/ und muste Koͤnig Henrich mit Fabius und sei- nen berittenen Fußvoͤlkern in der Mitte halten. Herkules nam zu sich lauter Teutsche und andere Voͤlker/ aber keine Boͤhmen/ 40000 Mann; Ladisla eine gleiche Anzahl mehren- tells Boͤhmen/ und etliche tausend Teutschen/ in gleicher Anzahl; und wurdẽ Koͤnig Hen- rich gleich so viel von den berittenen Fußvoͤlkern gelassen. Hingegen führete Koͤnig Mna- ta gegen Ladisla 60000 wolgeuͤbete Reuter; Feldmarschalk Dropion gleich so viel wider Herkules/ und zwar unter denen den besten Kern seiner getraͤuen. Mastyes aber in der Mitte 50000 gegen Koͤnig Henrich. Der Feind meinete anfangs nur Schaars-weise zu streiten/ und also die unsern gemaͤhlig aufzureiben/ weil sie über Zuversicht dieselben staͤrker befunden/ als sie nicht geglaͤubet haͤtten/ daher sie an allen Orten 12000/ ingesamt 36000 Mann auf die unsern loßgehen liessen/ denen zubegegnen die unsern anfangs bedenken tru- gen aber doch endlich diesen Saz wageten/ und Olaff/ Siegward und Fabius jeden mit 8000 wolgeuͤbeten entgegen gehen liessen/ welche auch im ersten Anfal dergestalt wirketen/ daß der Feind sich der Herzhafftigkeit verwunderte; insonderheit wahr Olaff wegen des erwiesenen Schimpfs so giftig eiferig/ daß er als ein blinder zufiel/ und in kurzer Zeit sei- nen Feind draͤngete/ daß er hinter sich weichen muste/ nachdem er ihm 4000 abgeschlagen und 5000 verwundet hatte. Dropion staͤrkete sie mit 10000 wolgeuͤbeter Manschafft/ de- nen Olaff in guter Ordnung wiche/ und seine Voͤlker/ deren nur 600 tod/ aber 2000 wund wahren/ abfuͤhrete/ weil Arbianes und Leches ihn mit 5000 entsetzeten; und als dieselben dem Feinde gar zu leicht fallen wolten/ nam Olaff 3000 seiner vorigen Manschafft/ und ging ihnen damit zu Huͤlffe/ da er sich bezeigete/ als ob er den ganzen Tag noch keinen Schwertschlag gefuͤhret haͤtte/ daß die Feinde gedachten/ er waͤhre Herkules selbst in an- dern Waffen. Siegward taht auch sein bestes/ aber er hatte einen hefftigen Feind/ dz ihn Ladisla noch mit 1000 Mann unter Neda Anfuͤhrung staͤrken muste/ da waren sie gewach- sen/ und vergossen einen grossen Teil ihrer Feinde Blut/ daß deren nicht 5000 ohn Wun- den blieben/ und 3000 gefellet wurden/ da hingegen der unsern 1000 erschlagene/ und 800 verwundete wahren. Als sie nun den lezten Anfal tahten/ und ihren Feind gar auffzureiben die Rechnung macheten/ sahen sie 12000 frische heran hauen/ daher ihnen Leches mit 3400 zu Huͤlffe ging/ daß sie diesen hefftigen Anfal zimlich auffhaltenkunten. An seiner Seite schlief Fabius auch nicht/ hieb und stach umb sich/ daß ihm niemand nahen wolte/ wie dañ seine Leute/ halb Teutsche und halb Boͤhmen sich nicht traͤger erzeigeten/ daß auch hieselbst der Feinde 3500 erschlagen/ und 4300 verwundet wurden/ die uͤbrigen aber sich nach Ent- saz umtahten/ der ihnen nicht gewegert ward/ dann Mastyes schikte ihnen 8000 zu huͤlffe/ die empfangene Schlappe zuraͤchen; aber Prinsla mit 5000 Mann trat zu Fabius/ der sich f f f f f ij noch Achtes Buch. noch wol befand/ ungeachtet er 900 eingebuͤsset/ und gleich so viel verwundete hatte; Da gab es nun von neuen an allen dreyen Orten sehr harte Stoͤsse/ daß zwar an Feindes Sei- ten die meisten erschlagen und verwundet wurden/ aber dannoch der unsern eine zimliche Anzahl drauff ging/ und Herkules den uͤberschlag machete/ daß wann man also fortfahren solte/ es ihres Orts endlich an Manschafft gebrechen wuͤrde; taht deßwegen seinem Va- ter und Ladisla zuwissen/ es wuͤrde am rahtsamsten seyn/ daß man mit der ganzen Macht foͤchte/ vielleicht schikte sichs/ daß der Feinde ein oder ander Hauffe bald in die Flucht ge- trieben wuͤrde/ alsdann koͤnte man in gewisser Hoffnung des Sieges streiten. Weil dann dieser Raht vor best angenommen ward/ schicketen sie sich gemehlich darzu/ und naheten den streitenden/ die sich rechtschaffen verwickelt hatten/ und keiner dem andern eines Fus- ses breit weichen wolte. Die Feinde sahen dieses Vornehmen/ ruͤcketen mit ihrer grossen Menge auch fort/ ünd sprachen den ihren ein frisch Herz ein: Sie solten nur eine halbe Stunde Muͤhe uͤber sich nehmen/ alsdann würde kein Feindes Hund mehr uͤbrig seyn; gingen hiemit auff die unsern/ nicht anders als die Wahnsinnige und Verzweifelte/ weil sie des unbewaͤglichen Schlusses wahren/ entweder zusiegen/ oder nicht ungerochen zuster- ben. Dropion wolte sich auch als ein getraͤuer Diener seines Koͤniges aͤusserlich bezeigen/ dem nunmehr sein verraͤhterisches Herz mochte beginnen etwas leid zuwerden/ nachdem er aus allerhand Reden und Vornehmen des Koͤniges merkete/ sein Anschlag wuͤrde ihm fehlen/ oder wol schon gar verrahten seyn; wendete sich demnach zu seinem Koͤnige/ ihm des Feindes Vorhaben selbst zuhinterbringen/ und redete ihn solcher gestalt an: Wie hef- tig ich mich gleich heut und voriger Tage bemuͤhet habe/ Euer Koͤnigl. Hocheit Ansehen zuverfechten/ und den Feinden sehen zulassen/ was Pannonische Krafft und unerschrocke- ner Muht vermag/ so wil ich doch in diesem Satze eine sonderliche Bewehrung tuhn/ daß mein Koͤnig Mnata wol saͤnfftere Schmeichler und verleumderische Ohrenblaͤser/ aber keinen getraͤueren Diener und Ritter in seinem ganzen Reiche/ als seinen Dropion habe/ der aus wolbedachtem Muhte schwoͤret/ von diesem Platze nicht lebendig zuweichen/ biß der Raͤuberische Hauffe dort vor uns/ erleget und vertrieben ist; vor welchen Dienst ich keine andere Belohnung begehre/ als daß Eure Koͤnigl. Hocheit mit voriger Gewogen- heit mir gnaͤdigst zugetahn verbleibe/ und das Angeben meiner boßhafften Feinde nicht zu Herzen nehme. Mein getraͤuer redlicher Stathalter und Feldmarschalk/ antwortete ihm der Koͤnig/ ich erkenne diese Ergebenheit billich/ wil sie auch unvergolten nit lassen; greif- fet nur die Feinde an/ und machet dem Sieg einen gluͤklichen Anfang/ welcher ohndas mehrenteils auff euer Faust und Tapfferkeit bestehet; ich wil ritterlich nachfolgen/ und entweder mit euch siegen/ oder Koͤniglich sterben. Wolan/ sagte Dropion/ das Feld ist un- ser. Fiel mit dem halben Heer in die unsern als ein toller Hund/ nachdem er den seinen die- se Draͤuung hatte hoͤren lassen: Wer vor dem Feinde weichen wuͤrde/ solte von seinem Schwerte nidergehauen werden. Er setzete aber daselbst an/ wo Koͤnig Henrich mit seinẽ berittenen Fußknechten hielt/ welche solcher Hefftigkeit ungewohnet/ sich vor diesen star- ken Streichen nicht zuschuͤtzen wusten/ daher nicht allein ihrer etliche tausend alsbald nie- dergeschlagen wurden/ sondern die uͤbrigen gerieten in solche grosse Unordnung/ daß un- moͤglich fiel/ sie wieder einzurichten/ uñ welches das aͤrgeste wahr/ begunten ihrer viel schon Schaars- Achtes Buch. Schaarsweise die Flucht zunehmen/ und nach der Seiten auszureissen. Koͤnig Henrich erschrak des Unfals nicht wenig/ legete zwar allen fleiß an/ den Schaden zuersetzen/ und taht nicht geringen Abbruch denen/ die sich an ihn wagen durfften; aber er wahr von Fein- den übermannet/ und von seinen Leuten verlassen/ daß seine Bemuͤhung wenig schaffen kunte. Herkules sahe diesen Unfal/ und wahr gleich im Anzuge/ seinen lieben Vater zuent- setzen; aber Koͤnig Mnata ließ ihm durch seinen getraͤuen Agis mit 30000 Mann voꝛbeu- gen/ damit Dropion in seinem gluͤklichen Treffen nicht gestoͤret wuͤrde. Dieses gluͤckete dem Feinde so wol/ daß Herkules sein Vorhaben nicht zu Werk richten kunte/ deßwegen er Siegwarden mit 8000 Mann abschickete/ den Entsaz zuversuchen/ kam aber zu spaͤt/ und vernam mit grosser Herzensprast/ daß Koͤnig Henrich in Feindes Gewalt gerahten/ und unbarmherziger weise an Haͤnden und Fuͤssen gebunden/ davon geschleppet waͤhre; daher dann seine Voͤlker/ weil sie ohn Haͤupt wahren/ durchaus keinen Widerstand mehr tahten/ sondern teils gefangen/ teils nidergeschlagen wurden/ nur Fabius/ der Koͤnig Hen- richs Statverweser wahr/ behielt irgend 8000 Mann umb sich/ mit welchen er dem ra- senden Dropion entgegen stund/ und gleich in dem wahr/ als Siegward sich zu ihm nahe- te/ daß die seinen ausreissen wolten; wurden aber durch den Entsaz gestaͤrket/ und versu- cheten in fester Zusammensetzung ihr bestes. Nun wahr Herkules sehr ungehalten/ daß er seinem Vater nicht beispringen kunte/ und sagete ihm sein Herz schon zu/ daß es nicht wol umb ihn stehen wuͤrde/ noch ehe ihm die leidige Zeitung kam/ deßwegen er einen Reuter an Ladisla abgehen ließ/ ihn gegen Dropion auffzumahnen/ dessen Voͤlker albereit den Sieg ausrieffen; dann Siegwards Entsaz ließ nach kurzer Gegenwehr sich auch die Furcht ein- nehmen/ daß sie anfangs gar verzagt stritten/ und endlich mit Fabius Hauffen sich zur Flucht schicketen/ daher diese beyde Helden nebest Prinsla/ Markus und Gallus den Fein- den lebendig in die Haͤnde gerieten/ weil sie lieber fechtend sterben/ als schaͤndlich ausreis- sen wolten/ wurden aber uͤbermannet/ und wider ihren Willen hinweg geschleppet. Ladisla ward dieser Niederlage gewahr/ und sahe wol/ daß die Trennung dieses Hauffens dem ganzen Heer schaͤdlich seyn wolte/ ging aber doch mit den seinen unerschrocken fort/ ließ auch die Fluͤchtigen zu sich samlen/ als viel moͤglich wahr/ und machte durch seine Ankunft Dropions Voͤlker stutzen/ daß sie sich zusammen zogen/ und vom wuͤrgen abliessen/ welches ihr Fuͤhrer ihnen als eine unverantwortliche Faulheit verwieß/ sie auffs neue mit herzhaf- ten Worten auffmunterte/ und eines starken Entsatzes sie vom Koͤnige vertroͤstete/ daher ihr Muht wieder zunam/ daß sie auff Ladisla (dem sie an der Menge weit uͤberlegen wahrẽ) nicht anders angingen/ als haͤtten sie noch keinen Schwertschlag gefuͤhret. Da ging es nun an ein maͤtschen und wuͤrgen; dann Ladisla durffte sich nicht enge zusammen zihen/ daß er nicht umringet würde/ darumb wurden seine Glieder geschwaͤchet/ und setzeten bald im Anfang einen grossen Teil der ihrigen zu. So verschlief Dropion seine Wolfahrt nit/ sondern daß er auch diesem Feinde in kurzem den Garaus machen moͤchte/ foderte er von seinem Koͤnige noch 10000 zu huͤlffe/ welche dergestalt ansetzeten/ daß auch Ladisla Voͤlker zuweichen begunten/ und wuͤrden zeitig die Flucht genommen haben/ dafern nicht Olaff und Klodius mit 3000 von Herkules zu ihnen gestossen waͤhren/ welche durch ihren ritter- lichen Anfal den Feind auffhielten/ daß Ladisla sich wieder setzen kunte. Herkules tummel- f f f f f iij te sich Achtes Buch. te sich inzwischen weidlich mit Agis/ der doch nicht recht anbeissen wolte/ nachdem er be- fehlicht wahr/ nur den Feind auffzuhalten/ damit er gegen Dropion keinen Entsaz schickẽ koͤnte; aber sein Vorhaben wolte ihm nicht nach Willen gluͤcken/ dann Herkules schertzete nicht/ sondern taht ihm so gedrange/ daß er sich zuruͤk auff seinen Koͤnig zihen muste/ der ihn mit 8000 staͤrkete/ daß er zimlicher massen bestand wahr/ daher Mnata mit seinen uͤ- brigen dem Dropion zu huͤlffe ging/ der Hoffnung/ an diesem Orte den voͤlligen Sieg zu behaͤupten/ dann hernach wuͤrde es leicht seyn/ Herkules und sein Haͤuflein mit gesamter Macht anzugreiffen und niderzulegen. Nun muͤssen wir dannoch unserer elenden Ge- fangenen nicht gar vergessen/ welche in Feindes Lager gefuͤhret wurden/ woselbst man sie entwapnete/ und alsbald scheidete/ daß jeder absonderlich seyn/ und veꝛwahret werden mu- ste. Koͤnig Henrich empfand diesen Schimpff hefftiger als den Tod selbst/ dann er ward von dreyen Pannoniern mit herben Spot angefahren/ welche ihn erinnerten/ er solte sich gefasset machen/ bald nach gehaltener Schlacht den Galgen mit seinem grauen Haͤupte zu zieren; und begegnete den uͤbrigen Gefangenen keine geringere Schmach/ welche sie doch/ so best sie mochten/ verschmerzeten/ weil sie der Hoffnung lebeten/ Gott wuͤrde den Sieg auff ihre Seite fallen lassen/ daß sie mit andern ausgewechselt/ und auff freyen Fuß gestel- let wuͤrden. Ladisla/ wie droben gemeldet/ hatte sich gegen Dropion in etwas wieder geset- zet/ so daß Gewin und Verlust in gleicher Wage hing/ ja fast auff der unsern Seite aus- schlagen wolte; aber Koͤniges Mnata Ankunfft machete eine schleunige Enderung/ als welcher sich bemuͤhete/ die unsern von der Seite her anzugreiffen/ und ihre Ordnung zu trennen/ welches ihm so wol geriet/ daß er sich fast ohn Verlust hinein drang/ und unter den abgematteten Boͤhmen eine hefftige Blutstuͤrzung verursachete/ welche Olaff gerne ab- gewendet haͤtte/ oder zum wenigsten gemiltert; aber die Voͤlker wahren gar zu erschrockẽ/ und uͤberdas mehrenteils schon verwundet/ daher sie sich nach der Flucht umsahen/ welche sie voͤllig vornahmen/ als von den Feinden ausgeruffen ward/ daß Herkules Hauffe erle- get waͤhre; dann hiedurch entfiel ihnen der Muht/ die Faͤuste sunken hin/ und gedachten an keine Gegenwehr/ sondern gingen bey tausenden uñ hunderten fort/ als ob ihnen das lauf- fen angesagt/ und die Gegenwehr verbohten waͤhre. Zwar die beherzesten Teutschen hieltẽ bey ihren Haͤuptern Fuß/ wolten auch lieber sterben/ als ihre Feld Herren schaͤndlich ver- lassen/ weil aber ihr Haͤuflein gar zugeringe wahr/ wurden sie uͤbermannet und abgetriebẽ/ daher ihrer viel einbuͤsseten/ und von den Feinden erleget wurden. Ladisla wahr Zeit sei- nes Lebens in solcher Angst nicht gewesen/ auch da er unter Buͤttels Hand sich befand; Er sahe/ daß unmoͤglich wahr/ den Sieg solcher gestalt zubehaͤupten/ massen er kaum 3000 Mann bey sich hatte/ welche von den Feinden von allen Seiten so gar eingeschlossen wah- ren/ daß sie sich kaum regen kunten/ und mit ihrem Gewehr sich selbst beschaͤdigten; uͤber das wahr Olaff/ Klodius und Neda schon in Feindes Haͤnden/ und hielt nur Leches bey ihm/ welchen er in dieser Angst also anredete: Mein Freund/ es hat dem lieben Gott gefal- len/ die Abgoͤtterey meiner Untertahnen durch das Pannonische Schwert heimzusuchen und abzustraffen; Ja ich selbst habe mit meinen Suͤnden ein solches/ und noch wol ein mehres verdienet; jedoch wil ich wider meinen gnaͤdigen GOtt nicht murren/ noch meinen Muht sinken lassen/ sondern fechten/ als lange mir das Schwert in der Faust bleibet; Achtes Buch. bleibet; der barmherzige GOtt bewahre nur meinen lieben Herkules wegen seiner Froͤm- migkeit/ daß er lebendig entrinnen moͤge/ derselbe wird meinen Tod schon zu raͤchen wissen. Euer Koͤnigl. Hocheit Tod wende Gott in Gnaden ab/ antwortete Leches/ dessen Almacht kan uns retten/ da wir keine rettung sehen; nur bemuͤhe sich eure Hocheit/ mit der Flucht davon zukommen/ welches wol geschehen kan/ so wil ich den Feind nach vermoͤgen auffhal- ten/ weil ich mein Blut in keiner Bedienung besser anzuwenden weiß; uñ vielleicht ist Koͤ- nig Herkules schon in sicherheit/ so daß er aus der Noht eine Tugend gemacht/ und sein Le- ben auff ein besser Gluͤk durch die Flucht erhalten hat. Aber Ladisla kunte sich hierzu durch- aus nicht verstehen/ sondern gab diese Antwort: Die Flucht ist zu spaͤt/ und die Schande zu nachteilig/ deswegen folget mir/ und lasset uns sehen/ was Gottes Barmherzigkeit mit uns vor hat/ ohn dessen willen kein Haͤaͤrlein von unserm Haͤupte fallen kan- Macheten sich hiemit aus dem Gedraͤnge/ und in begleitung 800 Teutschen brachen sie durch/ daß sie raum zu fechten gewonnen/ und uͤber 4000 der staͤrkesten Feinde niderschlugen/ matteten sich aber so gar ab/ daß ihnen die Arme entschlieffen/ und die Schwerter aus den Faͤusten fielen/ dann sie hatten sich durch Arbeit in den schweren Waffen dergestalt erhitzet/ daß ih- nen die Zunge am Gaumen klebete/ und sie wegen durstes vermeineten den Geist auffzuge- ben, es erkenneten aber die Feinde den Boͤmischen Koͤnig an den Waffen/ deswegen ward ihnen von Mnata und Dropion ernstlich gebohten/ ihn nicht zu fellen/ sondern lebendig an- zunehmen/ welches auch geschahe/ daß er nebest Leches und 200 Reutern vom Pferde ge- rissen/ mit Zaͤumen und Sattelriemen gebunden/ und nach dem Lager gefũhret ward. Her- kules wahr dieses unglüklichen falles nicht allein berichtet/ sondern auch/ daß sein H. Vateꝛ und andere mehr gefangen wahren/ welches ihm die Seele durchschnitte/ und in dieser Ge- fahr sich nicht zubegreiffen wuste; so hatte er keinen sonderlichen Kriegsverstaͤndigen mehr bey sich/ als Arbianes/ welchen zu retten er sich aͤusserst bemuͤhete/ und ihm deswegen ernst- lich geboht/ er solte straks angesichts sich mit 1000 wolberittenen durchschlagen/ und nach Prag reiten/ daselbst anzuordnen/ daß die Stad mit noͤhtiger Mañschaft und Speise ver- sehen/ und ganz Teutschland in Harnisch gebracht wuͤrde/ weil vor dißmahl der Sieg ver- muhtlich auff Feindes seite fallen duͤrffte; welchem Befehl er wieder seinẽ willen nachkam/ aber doch aus sonderlicher schickung Gottes/ dann es gluͤckete ihm nicht allein/ daß er von Feinden unangegriffen blieb/ sondern weil sein Hauffe zimlich ansehnlich wahr/ und dan- noch vor fluͤchtig angesehen ward/ hieben ihm die andere Feldfluchtige gutesteils nach/ uñ folgeten seinem Huefschlage; es wahren aber mehrenteils Parther und Meden/ welche er anfangs mit sich nam/ welche auch redlichen Stand bey ihm gehalten hatten/ daß Herku- les bekennete/ wann ehmahls die Parther nur halb so traͤulich vor ihren Koͤnig gefochten haͤtten/ wuͤrde Artaxerxes die Feldschlacht nicht erhalten haben. Nicht lange wahr Arbia- nes hinweg/ da ging die ganze Pannonische Macht auff Herkules an/ und rieffen allent- halben ihren Sieg aus/ welches er vernehmend/ seine Leute also anredete: Gedenket/ daß ihr freygebohrne Teutschen/ und nicht gewohnet seid/ Bande und Ketten der Leibeigen- schaft zu tragen; ist unsere Stunde verhanden/ so wollen wir ehrlich sterben/ und gleichwol unser Blut so teur verkaͤuffen/ als es immer gelten kan. Seine Leute wahren willig/ mit ihm in den Tod zu gehen/ ungeachtet sie sich albereit sehr abgearbeitet hatten/ und grossen teils Achtes Buch. teils verwundet wahren; setzeten also 13000 stark dermassen in den Feind/ daß alles was sie traffen/ zu grunde gehen muste. Ihr Anfal geschahe zu gutem Gluͤk auff Koͤnig Mnata/ und ob zwar die Pannonier alle Gegenwehr versucheten/ ihn zu befreien/ so drang dannoch sein Loͤuenmuht hindurch/ da seine Voͤlker die anfallenden auffhalten musten/ daß er sein Schwert wieder den Koͤnig recht gebrauchen kunte/ auff welchen er dergestalt zuschlug/ daß ihn von wenig streichen geschwand/ ihn vom Pferde risse/ und durch drey Teutschen ihm das Haͤupt entwapnen ließ/ mit der bedraͤuung/ wo er im geringsten sich wegern wuͤr- de mit zu reiten/ wohin man ihn fuͤhrete/ solte seines lebens nicht mehr seyn; sonst solte es ihm gehen wie es seine von ihm gefangene Anverwanten haben wuͤrden. Darauf schlossen ihn 200 wolberittene Teutschen zwischen sich/ und nach Herkules Befehl gingen sie als Feldflüchtige des geradesten weges mit ihm nach Prag zu. Die Pannonier fingen hierauf ein starkes Geruffe an; Unser Koͤnig ist gefangen/ Koͤnig Mnata ist gefangen; ja sie ma- cheten sich hin zu Dropion/ mit ermahnung/ die versehung zu tuhn/ daß eine starke Schaar nachgeschicket wuͤrde/ ihn wieder loß zu machen; aber diesem wahr solche Zeitung ein ge- funden Fressen/ weil er hoffete seines Koͤniges solchergestalt ohne zu werden; befahl deswe- gen die Feinde/ so annoch gegenwaͤrtig/ anzugreiffen/ und den voͤlligen Sieg zu behaͤupten/ alsdann solte sich ihr Koͤnig schon wieder finden. Damit fielen sie als wilde Ochsen auff Herkules Leute/ beklemmeten sie umb und umb/ und wuͤrgeten alles vor sich weg/ biß Her- kules mit 5000 an einem Ende durch brach/ in meinung/ sich nach einer Enge zuzihen/ und daselbst/ als lange er lebete/ Stand zu halten; aber seine Voͤlker meineten nicht anders/ als daß er die Flucht zu nehmen vorhabens waͤhre/ daher sucheten sie sich auch zu retten/ und gingen zustreuet fort/ was die Pferde lauffen kuntẽ. Da befahl nun Herkules sich der barm- herzigkeit Gottes/ und schickete sich zum gewissenruͤhmlichen Tode. Sein Blaͤnke wolte ihn zwar wieder seinen willen davon tragen/ haͤtte auch ohnzweifel sich in sicherheit bringen koͤnnen/ aber er wolte nicht/ und muste das Pferd gezwungen umbkehren/ da er selb 300 auff eine Schaar 4000 stark anfiel/ und mit seiner Faust 15 manliche Ritter erlegete; die seinen spareten sich auch nicht/ und weil sie den gewissen Tod vor Augen sahen/ trieben sie solch Wunder/ daß ihrer keiner unter fuͤnff oder sechs Feinde niderlegete/ und die uͤbrigen vor ihnen ausweichen musten; aber ein frischer Hauffe 6000 stark uͤberfiel sie von neuen/ trieb sie enge ineinander/ daß sie biß auff 40 alle auffgerieben/ und die uͤbrigen/ unter welchen Herkules wahr/ von den Pferden gerissen/ und hinweg geschleppet wurden. Hiemit wahr der vollige Sieg in Dropions Haͤnden/ wiewol durch sehr blutige überwindung; massen der Pannonier in diesem lezten Treffen 50000 erschlagen und 16000 heftig verwundet wahren. Der unsern dagegen lagen aus dieser lezten Schlacht 45000 gestrecket/ und hat- ten sich uͤber die Gesunden 20000 verwundete durch die Flucht errettet/ auch unterschied- liche hohe Pannonische Befehlichshaber mit sich gefuͤhret. Dropion ward von des Koͤni- ges Getraͤuen vermahnet/ den Fluͤchtigen nachzusetzen/ ob ihr Koͤnig wieder koͤnte loßge- macht werden; aber darzu kunten sie ihn nicht bewaͤgen/ dann er gab vor/ das Heer waͤhre durch den heftigen und langwierigen Streit abgemattet/ und gaͤbe es vorwarts unter- schiedliche enge Durchzüge/ woselbst die Fluͤchtigen ohn zweifel sich samlen/ und stand hal- ten wuͤrden. Worauff Mastyes antwortete: Je so mus dannoch mein Koͤnig nicht so gar verlassen Achtes Buch. verlassen seyn/ solte auch alles übern hauffen gehen; ließ alsbald 12000 von seinen Leu- ten (denen Agiß 200 des weges erfahrne zu gab) nachhauen/ welches gleichwol vergebens wahr. Das uͤbrige Heer gesunde und verwundete 108000 stark ward durch den gewoͤhn- lichen Pauken- und Trometenschal zusammen geruffen/ und von der Nachfolge abgezogẽ. Der gefangene Herkules ward noch/ ehe man ihn ins Lager brachte/ vor Dropion gefuͤh- ret/ welcher ihn bey den Waffen kennete/ und im grimme ihn also anfuhr: Hastu unben- diger teutscher Hund nun dereins ausgeraset? ich wuste schon wol/ daß die Pannonischen Schuzgoͤtter nicht leiden wuͤrden/ daß meines ersten Bruders Blut/ und des andern Ge- faͤngnis ungerochen bliebe; darzu wird man dir vergelten/ daß du meinen Koͤnig hinweg geschicket hast/ wiewol zu seinem besten/ auff daß er das Koͤnigliche Schloß zu Prag ein- nehme/ noch ehe ers bestuͤrmet hat; du aber mit deinem anhange schicke dich zum standhaf- ten Tode/ und gedenke nur/ daß ich die mir bewiesene Schmach mit eifern werde. Herkules sahe ihn Zeit solcher Rede mit gar freudigen Augen an/ nicht anders/ ob waͤhre ihm nichts wiedriges begegnet/ enderte auch wegen der Schmachrede und Draͤuung seine Farbe nit im geringsten/ und gab ihm diese Antwort: Dein schaͤnden Dropion/ mus ich verschmerzen/ weil mein Gott wegen meiner Suͤnde mich dir in die Haͤnde gegeben hat; dein Koͤnig ist von mir ritterlich uͤberwunden/ und ohn einige angelegete Schmach in Sicherheit gefuͤh- ret/ da man ihn Koͤniglich halten wird/ dann unser Zorn waͤhret nicht laͤnger als des Fein- des Gegenwehr; deswegen wird dir obliegen/ daß du gleicher weise mit mir und anderen gefangenen Koͤnigen/ Fuͤrsten und Rittern also umbgehest/ wie es Kriegsgebrauch mit sich bringet/ welcher noch nie keinem redlichen Sieger unbillichen Rachgier eingeblasen hat/ und ob dir gleich diesesmahl das Gluͤk die Uberwindung gegoͤnnet/ so gedenke doch nicht alsbald/ daß du alles frey tuhn moͤgest/ was dir gefaͤlt; meinestu aber durch unterschiedliche meine Stege von mir verlezt zu seyn/ so nim mich vor nach Kriegs- und Ritters brauch/ alsdañ wil ich dir antworten/ daß jederman meine Unschuld und Auffrichtigkeit sehen sol/ nur laß nicht andere mit entgelten/ wann du meinest von mir beleidiget zu seyn. Wiltu noch pochen und schnarchen/ gab Dropion zur Antwort/ da ich dich in meiner Gewalt habe? gab hiemit einem Kriegsknechte einen Wink/ welcher hinzu trat/ und den unver- gleichlichen Koͤnig mit der Faust ins Gesichte schlug; welcher Schimpff ihn so heftig schmerzete/ daß er sich nicht enthalten kunte/ ihn also anzureden: Du bist nicht wert Dro- pion/ daß du eines Ritters Nahmen fuͤhrest/ weil du einen Koͤnig und Ritter so schaͤnd- lich halten darfst/ und ich versichere dich bey meinen Ehren/ daß Gottes Hand/ ehe du es meinest/ dich treffen wird. Er stellete sich aber/ als hoͤrete ers nicht/ und redete unterdes- sen mit einem andern/ befahl auch alsbald/ man solte den Gefangenen Teutschen Hund ins Lager fuͤhren/ damit ihm neben den andern seine Straffe angetahn wuͤrde. Bald darauff versamlete er alle seine verschworne/ welche ihm traͤulich rieten/ er solte Ma- styes und Agiß neben anderen des Koͤniges getraͤuen nicht aus dem Raht schliessen/ in be- trachtung/ es sich leicht zutragen koͤnte/ daß sie einen solchen Auffstand macheten/ in wel- chem ihnen allen die Haͤlse gebrochen wuͤrden/ weil sie den mehren Teil der Voͤlker auff ih- rer Seite haͤtten; welcher Erinnerung er/ wie wol ganz wieder seinen Willen/ folgen mu- ste/ daß er ihrer sechse fodern ließ/ dahingegen er der seinen achzehn bey sich hatte. Mastyes g g g g g und Achtes Buch. und Agiß beredeten sich kuͤrzlich/ gaben etlichen vornehmen Obersten Befehl/ was Zeit ih- res abwesens sie mit den Haͤuptleuten reden/ und wie sie sich auff Erinnerung ferner bezei- gen solten/ und gingen mit den andern fort nach der Gerichts Stat. Als sie nun bey einan- der wahren/ fing Dropion diese hochmuhtige Rede an: Die Pannonischen Goͤtter haben nunmehr den Spot und Hohn gerochen/ welchen die Teutschen und Boͤhmen unserm ho- hen Adel durch Ubersendung eines schaͤbichten Hundes angelegt haben; wird demnach un- ter uns sich keiner finden lassen/ welchem die Rache an den Urhebern nicht gefallen solte/ zumahl sie von unserm lieben Koͤnige selbst bestimmet/ und zu dem Ende der Galgen schon gerichtet ist. Was ich zur Behaͤuptung des Sieges durch meine Faust und Anfuͤhrung verrichtet/ moͤgen diese zeugen/ so es gesehen haben und die meiner Streiche empfunden; einmahl ist gewiß/ daß die Teutsche und Boͤhmische Macht dergestalt gebrochen ist/ daß sie in Ewigkeit wieder die Pañonische Behe r schung sich nit auffrichten/ noch deren Joch von sich abwerffen sol. Hiemit schwieg er/ und erwartete der Antwort mit sonderlichem Stolze. Niemand wolte hierauff Antwort geben/ weil ers von keinem foderte/ biß endlich Agiß zu Mastyes sagete: Herr Stathalter und Feldmarschalk Herr Mastyes/ euch gebuͤh- ret die Ehre der ersten Antwort/ nachdem unser aller lieber Koͤnig leider nicht zugegen ist/ daß seine Hocheit nach eigenem belieben Anordnung machen koͤnte/ denen wir uns alle ohn Einrede gemaͤß uñ untertaͤhnigst-gehorsam bezeigen muͤsten. Ja mein F r eund/ sagte Ma- styes/ ich werde euch gehorsamen/ wann es den versamleten Pannonischen Helden und Lan- desvaͤtern also gefaͤllet. Weil dañ niemand dawieder redete/ jedoch auch niemand ihn wei- ters daran eriñerte/ fuhr er dañoch also fort: Ruhmwirdiger Feldmarschalk und Reichs- Stathalter Herr Dropion; ich habe seinen Vortrag angehoͤret/ und gleichwol mich viel eines andern vermuhtet; massen ich der Andacht wahr/ einen Rahtschlag zuvernehmen/ durch was Mittel und Gelegenheit unser allerliebster Koͤnig und Herr wieder erloͤset/ und auff freie Fuͤsse gestellet wuͤrde/ damit seine Koͤnigl. Hocheit des Sieges mit uns ge- niessen koͤnte/ welchen eure ritterliche Faust/ wie jederman bekennet und ruͤhmet/ grossen Teils erworben hat; so suchet aber der Feldmarschalk nur bloß die Abstraffung der gefan- genen Koͤnige und Fuͤrsten/ dessen doch/ meiner Meinung nach/ vor unsers Koͤniges Erloͤ- sung wir uns nicht unternehmen dürffen; dann andere Ursachen zugeschweigen/ wird ja ein jeder vernuͤnfftiger Mensch es greiffen nnd fuͤhlen/ daß unser lieber Koͤnig ohn allen Zweifel durch den allerschaͤndligsten Tod hingerichtet werdẽ muͤste/ sobald des Boͤhmischẽ und der beiden Teutschen Koͤnige Gemahle ihrer Gemahlen Tod vernehmen solten; ja die erschrekliche Pein/ die man seiner Koͤnigl. Hocheit würde anlegen/ wuͤrde nit außzusprechẽ seyn. Ist demnach/ meine auffrichtige Meinung anzuzeigen/ diß mein Raht/ daß man die Gefangenen nicht allein der schnoͤden Bande erlasse/ sondern ihnen auch als Koͤnigen uñ Fürsten guͤtlich tuhe/ biß auff unsers allergnaͤdigsten Herrn und Koͤniges gluͤkliche Wie- derkunfft; alsdann wird dessen Hocheit schon weiter ordnen und befehlen/ was geschehen sol. Zwar der Herr Feldmarschalk wendet ein/ es habe unser Koͤnig den Galgen schon bau- e n lassen; aber wer weiß/ ob er annoch der Meinung ist? Ja wer weiß nit/ daß die Stricke/ damit man unsere Gefangenen henken wuͤrde/ unsers lieben Koͤniges Kehle zugleich zu- druͤcken und das Genicke brechen wuͤrden? Was haͤtten wir aber alsdann erstritten/ als unsers Achtes Buch. unsers Koͤnlges Tod und Verderben? welches abzuwenden/ wir alle schuldig/ und Krafft unsers geleisteten aͤides gehalten sind/ unser Gut/ Blut/ Ehr und Leben auffzuopffern. E y freilich/ antwortete Dropion; gerade als wann Mastyes nur allein vor den Koͤnig Sorge trüge; daß ich aber seiner Koͤnigl. Hocheit biß daher keine Erwaͤhnung getahn/ und was zu seiner heilsamen Rettung dienlich seyn kan/ wie man mich deßwegen schon verleumdẽ wil/ sondern von den gefangenen Hunden den Anfang gemacht/ ist nicht aus Vergessenheit/ viel weniger aus Nachlaͤssigkeit odeꝛ Verachtung geschehẽ/ sondeꝛn man muß duꝛch eꝛnst- liche Abstraffung der Gefangenen/ die hinterbliebenen verzageten Weiber schrecken/ dz sie ihres eigenẽ Lebens desto mehr fuͤrchtẽ/ uñ solches zuerhaltẽ/ unserm Koͤnige so viel groͤssere Ehre erzeigen. Meiner redlichen Vorsorge vor unsern Koͤnig/ sagte Mastyes/ bin ich miꝛ am besten bewust/ welche so wenig als die eure/ Herr Dropion/ sol in zweiffel gezogen wer- den; nur befremdet mich nit wenig daß ihr mein Vorbringen so hoͤhnisch halten duͤrffet/ ehe und bevor die anderen Herren und Haͤupter ihre Meinung angezeiget haben. Und was bedeutet es/ daß man bey dieser allerhochwichtigsten Rahtschlagung nur etliche/ und nicht alle vornehme Haͤupter des Pañonischen Heers hat haben wollen? duͤrfften auch die auß- geschlossene/ deren eine grosse Menge ist/ sich dessen uͤber uns beschwehren/ uñ uns wolgar die Haͤlse brechen? doch stelle ich solches zu euꝛer Veꝛantwortung/ weil ihr mich und Herꝛn Agiß/ nicht als die mit euch einerley Amt bedienen/ sondern nur als gemeine Obersten habt in eure schon angestellete Versamlung fodern lassen. Ich setze aber auch dieses aus/ und er- innere euch Herr Dropion/ daß wir beide nicht hier sind/ mit einander zuzanken/ oder allein zuschliessen/ sondern andere Stimmen auch anzuhoͤhren/ daher ich auff eure jezt eingefuͤh- rete Ursachen kein Wort antworten wil. Dropion muste sich vor diesen Mann nunmehr fuͤrchten/ weil sein Anhang der groͤste wahr/ sonst wuͤrde er ohn Urtel und Recht ihm alsbald das Leben genommen haben. Doch seinen Hochmuht zuerzeigen/ gab er ihm zur Antwort; was hat Mastyes mich zurechtfaͤrtigen/ oder mir vorzuschreiben/ wie viel/ uud was vor O- bersten ich zu mir fodern sol? und bildet er sich ein/ daß er mit mir in gleicher Hocheit sitze? Ich bin ja der Oberstathalter/ und habe in des Koͤniges abwesen zu ordnen und gebieten. Das gestehe euch einander/ und ich nicht/ fiel ihm Mastyes in die Rede/ es waͤhre dann/ dz ihr euch gar vor unsern Koͤnig auffwerffen woltet; dann ihr wisset wol/ daß in des Koͤni- ges Abwesenheit/ nicht einer allein/ sondern der ganze Raht ordnen und befehlen muß/ es sey dann dz der Koͤnig es ausdrüklich anders haben wolte. Doch wir wollen alles hieselbst als unter der Rose angehoͤret haben/ sonsten/ da zu der außgeschlossenen Obersten Wissen- schaft es gelangen wuͤrde/ daß Herr Dropion ihm die Gewalt anmassete sie nach belieben auß dem Kriegsraht zuschliessen/ duͤrffte wenig gutes daher entstehen. Dropion saß und knirrete mit den Zaͤhnen/ und wann Mastyes und Agiß nit ihre gewapneten Diener in der naͤhe gehabt haͤtten/ würde er gefaͤhrliche Dinge vorgenommen haben/ wahr auch bereit/ Mastyes zuantworten/ aber Agiß kam ihm zuvor/ und sagete: Ihꝛ Herren/ was sol das be- deuten/ daß ihr euch zweiet/ und habt dessen keine Ursach? lasset uns uͤber des Herrn Feld- marschalks Herrn Dropions Vortrag unsere Stimmen geben/ und zugleich bereden/ wie unserm lieben Koͤnige moͤge gerahten werden. Ausser allem Zweifel bestehet seiner Koͤnigl. Hocheit Leben und Heil auff dem/ was der Feldmarschalk Herr Mastyes getraͤulich ange- g g g g g ij zeiget Achtes Buch. zeiget hat/ und durch des Feldmarschalks Herrn Dropions Gegenwurff nicht umgestossen ist; dann wer weiß nicht/ was vor einẽ Heldenmuht Koͤnigin Vallska traͤget/ welche ihres Gemahls Herkules/ und ihres Bruders Ladisla der beiden Koͤnige Tod/ an unserm Koͤni- ge zum allergrimmigsten raͤchen wuͤrde/ ob sie gleich ihr aͤusserstes Verderben solte vor Au- gen sehen. Es ist der Friesische Koͤnig Baldrich/ Heꝛkules Bruder bey ihr/ wo nicht schon nach Teutschland und Frießland/ uns ehistes ein neues Heer über den Hals zufuͤhren/ und wir demnach keines Weges gedenken duͤrffen/ als sey mit dieser Schlacht der ganze Krieg zum Ende gerichtet; O nein; haben wir noch gute Manschaft bey uns und im Lande/ wer- den wir derselben wol beduͤrffen/ und moͤchte ich vor mein Haͤupt wol wuͤnschen/ wir haͤttẽ unsern lieben Koͤnig loß/ und mit den Feinden eine ehrliche Rachtung/ welches beides ich zuerlangen hoffe. Vor dißmahl ist mein getraͤuer Raht/ man nehme vor allen Dingen un- sers Koͤniges Erloͤsung vor/ welcher nachgehends die Bestraffung der ansehnlichen Ge- fangenen nach seinem Willen anzustellen hat/ und wil dieser Versamlung zur Nachricht so viel sagen/ daß ich versichert weiß/ daß unser Koͤnig durchaus nicht willens ist/ die Ge- fangenen henken zulassen; und erfahret ihr ein widriges/ so wil ich mich selbst lassen auff- knuͤpffen. Die andern Obristen/ welche dem Koͤnige getraͤu wahren/ stimmetẽ hiemit gaͤnz- lich ein; aber Dropions Anhang wolte nicht einwilligen/ wanten einhellig vor/ man muͤste gleichwol dem Feldmarschalk und Ober Stathalter nit so gar zugegen streben/ als welcher durch seine Vorsichtigkeit und unuͤberwindliche Staͤrke den Sieg erstritten/ die Feindes- Haͤupter gefangen/ und hiedurch die Pannonische Herschafft den Teutschen und Boͤh- men auffgebuͤrdet haͤtte/ wovor ihr Koͤnig ihm die Boͤhmische Kꝛon nicht mißgoͤnnen/ viel weniger versagen wuͤrde; Was Agis von einem neuen feindlichen Heer vorbraͤchte/ waͤhre eine vergebliche Furcht/ und haͤtte mit ihrem Koͤnige es keine Gefahr; aber dagegẽ muͤste der Schimpff ohn Verzug gerochen werden/ damit man das Pannonische Volk beleget haͤtte. Weil dann diese Meinung mit den meisten Stimmen bekraͤfftiget ward/ schloß Dropion/ es solte alsbald ein neuer Galgen auffgerichtet/ und alle gefangene Koͤni- ge/ Fuͤrsten und Haͤupter daran geknuͤpffet werden. Die Getraͤuen des Koͤniges ingesamt wurden daruͤber bestuͤrzet/ bahten und fleheten/ man moͤchte der Sache einen geringen An- stand geben/ bedingeten sich daneben auffs allerbeste/ wann ihrem Koͤnige daher einige Ge- fahr zustehen solte/ und fuͤhreten jenen zu Gemuͤht/ wie schwer solches vor dem Pannoni- schen Reiche wuͤrde zuverantworten seyn. Aber dieses alles verfing durchaus nichts bey Dropion/ weil er bloß nur Gelegenheit suchete/ daß sein Koͤnig umgebracht wuͤrde/ dan er zweifelte nicht/ die Kron muͤste ihm nach dessen Tode auffgesetzet werden; gab demnach auff je z terwaͤhnete der Reichsgetraͤuen Bedingung diese Autwort: Ohn Zweifel sind et- liche unter euch/ die wegen Hoffnung einer grossen Vergeltung sich bemuͤhen duͤrfften/ den Gefangenen unsern geschwornen Feinden das Leben zuretten/ wo nicht/ ihnen das Vater- land wol gar zuverrahten; rahte also einem jeden/ daß er/ solchen Verdacht zumeiden/ sich alles ferneren Einredens enthalte wo er sonst von mir nicht wil als ein Feind und Verraͤh- ter des Vaterlandes abgestraffet seyn. Zwar ich duͤrffte nunmehr auff die Gedanken ge- rahten/ das gestrige mir eingehaͤndigte Warnungs-Schreiben müsse nicht allerdinge ge- tichtet seyn/ in welchem mein Koͤnig und ich erinnert werden/ uns wol vorzusehen/ daß nit durch Achtes Buch. durch fremde Gelder unsere Haͤupter verkaufft und verrahten werden. Die Koͤnigs Ge- traͤuen antworteten unerschrocken/ sie wuͤsten sich aller Verraͤhterey ganz frey und unschul- dig/ wolten doch diese Beschuldigung keines weges auff sich ersitzen lassen/ sondern zu sei- ner Zeit anzuhalten wissen/ daß der Feldmarschalk oͤffentlich darlegete/ von was Leuten er solche Schreiben haͤtte/ und aus was Gruͤnden er sie so erschreklicher Verraͤhterey zeihen duͤrffte. Ja/ gab Dropion zur Antwort/ es sol freilich ein solches zu seiner Zeit von mir nit verseumet werden/ biß dahin ein jeder sich wird gedulden koͤnnen/ weil ichs selbst so lange verschmerzen muß. Befahl darauff einem Obersten/ die Anordnung zutuhn/ daß auffs al- lerschleunigste der Galgen auffgerichtet/ und die Gefangenen herzu gefuͤhret wuͤrden; wel- ches dann des Koͤniges Getraͤue vor dißmahl musten geschehen lassen. Agis hatte im Tref- fen eine geringe Wunde an den linken Arm bekommen/ stellete sich/ als schmerzete ihm die- selbe sehr/ und befahl seiner Diener einem/ hin nach dem Lager zureiten/ und seinen Arzt zu hohlen daß er ihm den Schaden besichtigte. Dieses wahr mit dem Diener also angelegt/ wuste wol was es bedeutete/ und ritte schleunig fort nach den Obersten/ mit welchen Ma- styes und Agis Abrede genom̃en hatten; Dieselben nun hatten eine grosse Anzahl Haͤupt- leute und Unterhaͤuptleute versamlet/ und ihnen vorgetragen/ es liesse sich ansehen/ als gin- ge Feldmarschalk Dropion mit sehr gefaͤhrlichen Dingen schwanger/ die zu ihres Koͤniges Untergang gereicheten/ hoffeten demnach gaͤnzlich/ es wuͤrde das gesamte Heer ihres liebẽ Koͤniges Wolfahrt ihnen lassen angelegen seyn/ und auff allen fal dem Feldmarschalk ein- reden/ insonderheit/ wann derselbe etwa voꝛnehmen wolte/ die Gefangenen toͤdten zulassen/ weil ungezweifelt solches an ihrem lieben Koͤnige grausamlich wuͤrde gerochen werden. Diese erklaͤreten sich alsbald/ Leib und Leben vor ihres Koͤniges Wolfahrt anzuwenden/ und solches/ wie es immermehr koͤnte und moͤchte erfodert werden; es gaͤbe ihnen schon nicht geringen Verdacht/ daß man umb des Koͤniges Rettung so gar unbemuͤhet waͤhre. Die Obristen/ deren 12 an der Zahl wahren/ bedanketen sich der Traͤue/ welche ihr Koͤnig unvergolten nicht lassen würde/ nahmen auch 40 Haͤuptleute und 30 Unter Haͤuptleute neben 1000 Reutern zu sich/ und erwarteten getrost/ was man ihnen zuentbieten würde. Zeit wehrender Auffrichtung des Galgen zeigete Mastyes in seiner Gesellen Nahmen den andern an/ sie waͤhren alle sechse gewilliget/ mit ihrem Gerichte durchaus nichts zuschaffẽ zuhaben/ damit sie deswegen ihrem Koͤnige oder dem Heer nicht duͤrfften Rede und Ant- wort geben/ dessen zur Bezeigung sie auch begehreten/ daß ihnen erlaͤubet waͤhre/ einen ab- sonderlichen Siz von ihnen zunehmen/ oder gar davon nach dem Lager zureiten. Dropion antwortete ihm gar trotzig/ sie moͤchten sich nach gefallen setzen wo sie wolten/ aber nach dem Lager zureiten/ solte ihnen verbohten seyn. Sie verschmerzeten dieses geduldig/ und hoffeten/ es solte noch anders ergehen/ als dieser ihm eingebildet hatte/ weil sie auff der 12 Obersten Redligkeit sich verliessen. Inzwischen lagen unsere Helden jedweder in einer schlechten Reuter Huͤtten absonderlich gebunden auff blosser Erde/ und ward ihnen weder Brod noch Wasser gegeben/ auch nicht eins nachgefraget/ ob sie verbunden waͤhren. Her- kules uͤberlegete bald in seinem Siñe/ wie Drop on mit ihnen verfahren wuͤrde/ hatte doch nicht desto weniger das Vertrauen zu Gott/ er wuͤrde mit seiner Errettung auch daselbst erscheinen/ wo menschliche Huͤlffe aus und verlohren wahr/ und verlangete ihn nicht we- g g g g g iij nig/ Achtes Buch. nig/ mit seinẽ Mitgefangenen zureden/ uñ seinen getraͤuen Raht ihnẽ mitzuteilẽ. Als er mit diesen Gedanken umging/ trat ein Pannonier zu ihm in die Huͤtte/ und deutete ihm in Dro- pions Nahmen an/ er solte sich zum wolverdienten Tode gefasset machen/ und mit den uͤ- brigen Gefangenen sich vor Gericht stellen/ umb zuvernehmen/ was man ihm wolte. Wel- ches er kurz beantwortete: Sein Leben und Tod stuͤnde bloß in Gottes/ und keines Men- schen Haͤnden; was derselbe uͤber ihn beschlossen haͤtte/ wolte er gerne und willig angehen/ auch ungewegert sich in seiner Unschuld vor Gericht einstellen/ umb zuvernehmen/ was Dropion sich uͤber ihn als einen Koͤnig zubeschweren haͤtte. Ging also in seinen Banden unwegerlich fort/ und sahe die uͤbrigen Gefangenen in gleicher gestalt daher zihen; welcher elende Blik an Ladisla und seinem Vater/ ihm die Traͤhnen aus den Augen trieb/ fassete doch ein Herz/ und redete sie also an: Herzlieber Herr Vater/ auch Bruder Ladisla/ und saͤmtliche allerliebesten Freunde; Ich bitte hoͤchlich/ wollet uͤber unsern frommen GOtt nicht ungeduldig werden/ daß er uns in diese Noht wegen unser Suͤnde hat wollen fallen lassen; eben seine Hand/ die uns gedemuͤhtiget hat/ kan uns hinwiederumb erheben/ und wol ehe/ als wir glaͤuben oder gedenken. Vorerst zeige ich euch an/ daß Koͤnig Mnata von mir gefangen/ und nach Prag geschicket ist. Vors ander bitte ich/ ihr wollet mir goͤnnen/ das Wort vor Gerichte zufuͤhren. Gut mein herzallerliebster Sohn/ antwortete sein Va- ter/ das erste gibt mir einen Trost das andere ist mir sehr lieb und angenehm/ und zweifele nicht/ mein Sohn Koͤnig Ladisla werde gerne einwilligen. Warumb nicht/ antwortete dieser; nur daß mir Freiheit bleibet mich zuverantworten/ da ich solte an meinen Koͤnig- lichen Ehren gekraͤnket werden. Wir muͤssen geduldig seyn/ sagte Herkules/ und nicht alles hoͤren/ viel weniger v e rantworten/ biß GOtt Besserung giebet. Sie gingen mit gebundenen Haͤnden auff den Ruͤcken freudig fort/ biß sie bey dem Geruͤste ankah- men/ auff welches Dropion mit seinen Verschwornen sich in grossem Pracht gesetzet hatten; Und da die unsern in der Reihe vorgestellet waren/ redete nicht Dropion/ sondern Pyrechmes/ der ihm am naͤhesten saß/ trug dieses vor: Es erinnert sich der gevolmaͤchtig- te Pannonische Koͤnigliche Statverweser/ der unuͤberwindliche Held/ Herr Dropion/ be- staͤtigter Koͤnig in Boͤhmẽ/ añoch sehr wol/ was gestalt seinem Koͤnige/ ihm/ und dem unveꝛ- gleichlichen ganzen Pannonischen Adel von euch Teutschen und Boͤmischen Hunden (o du Hund sagte hierauff Ladisla) durch übersendung eines eures gleichen schaͤbichten Hun- des/ und andere schmaͤhungen ist geschaͤndet worden/ welches sein Heldenmuht ungerochẽ nicht hingehen lassen kan; laͤsset demnach durch mich seinen verbundenen euch ingesamt und ohn unterscheid anmelden/ daß ihr die wolverdienete Straffe jezt diese Stunde von Henkers Hand annehmen/ und mit dem Strange an diesem auffgerichteten Galgen vom Leben zum Tode sollet gebracht werden; da dann der Zaͤuberer und seiner Brüder Moͤr- der Herkules oben an/ naͤhest ihm Ladisla der verlauffene Boͤhme/ und drittens der alte Henrich hangen sol. Alsbald brach Dropion mit freudigen Augen den weissen Stab ent- zwey/ welchen er in der Hand hielt/ und befahl ein andeꝛ den anwesenden Henkern/ ihr Ampt und gebuͤhr ohn auffschueb zuverrichten. Die Gefangenen stelleten sich unerschrocken/ und fing Herkules also an: Ich kan mich nicht gnug verwundern uͤber dieses unbesonnene vor- nehmen/ daß ihr uns so schaͤndlich hinrichten wollet/ da euer Koͤnig in der unsern Gewalt ist. Achtes Buch. ist. Er wolte weiter fortfahren/ aber Pyrechmes hies ihn mit ungestuͤm schweigen/ oder es solte ihm alsbald die Zunge aus dem Halse gerissen werden. Woldann/ sagete Herkules/ so wil ich schweigen/ und begehre nur vor mich und meine mitgefangenen ein Viertelstuͤn- dichen frist/ daß uns gegoͤnnet werde/ alhier unser Gebeht zu unserm Gott zu verrichten/ damit er unser Seele moͤge gnaͤdig seyn. Aber ihnen kunte so lange Zeit nicht zugelassen werden/ sondern Pelegon sagete: Es haͤtte kein Gott mit ihrer Seele etwas zuschaffen/ weil sie alle alten Goͤtter verleugnet und einen erhenketen angenommen haͤtten; koͤnte derselbe nun seines gleichen retten/ würde man zuvernehmen haben. Uber welche Gotteslaͤsterung die unsern ihre Augen gen Himmel richteten/ und sagte Herkules uͤber laut: O mein JE- sus/ rette deine Ehre/ und biß uns deinen Dienern gnaͤdig. Ja/ sagte Pyrechmes/ mit ei- nem hoͤnischen Gelaͤchter; er wird schier kommen und deinen Koͤniglichen Sitz/ den Gal- gen meine ich/ zuschmettern/ oder uns an deine stelle hinan bringen. Bey Gott ist kein ding unmoͤglich/ antwortete Herkules. Dieser aber befahl dem Henker/ alsbald sein Amt zu vol- strecken; welcher auch Herkules angriff und zu ihm sagete: Kom mit mir/ du sihest ja/ daß kein Gott vom Himmel komt/ dich zu retten. Ja/ antwortete er/ ich ergebe mich in meines allerguͤtigsten Gottes willen/ und ging mit ihm hin. Als er nun sein Gebeht auff dem kur- zen Wege verrichtete/ und schon mit dem Henker mitten auff der Leiter stund/ ranten die 12 Obersten mit ihren Haͤuptleuten und Reutern spornstreichs herzu/ und weil fie sahen/ daß Herkules schon auff der Leiter wahr/ ritte einer hinzu/ und geboht dem Henker/ er solte mit dem verurteileten herunter steigen oder alsbald erwuͤrget werden. Herkules wahr in vol- ler Andacht des Gebehts/ daß er der herzunahung dieser Reuter nicht eins wahr genom- men hatte/ sprach auch eben die lezte Bitte des heiligen Vater unser (sondern erloͤse uns vom uͤbel) als er diesen Obersten ruffen hoͤrete. Der Henker haͤtte sein Amt gerne verrichtet/ abeꝛ die Todesfurcht schreckete ihn ab/ daß er gehorchete/ und mit Herkules herunter stieg. Nun hatten unsere Helden sich des lebens schon eꝛwogen/ stunden und ermahneten sich unterein- ander zur glaubens bestaͤndigkeit; welches Leches mit solchen herzerfreulichen Worten veꝛ- richtete/ daß sie alle sich daruͤber verwunderten; aber die Zukunft dieser Reuterschaar/ und daß der Henker mit solchem ernst und eifer befehlichet ward/ gab ihnẽ gute Hoffnung/ Gott wuͤrde sich uͤber sie erbarmen/ und seine Almacht und Güte an ihnen sehen lassen. Dropion/ als er das Verbot hoͤrete/ gehuhb sich nicht anders als wolte er von Sinnen kom̃en/ draͤue- te auch dem Obersten/ es solte ihm socher Frevel den Hals kosten; welcher aber sich daran nicht kehrete/ weil ein ander von seiner Geselschaft diese Rede hielt. Ihr Herren Feldmar- schalke/ Herr Dropion/ Herr Mastyes und Herr Agiß; vernehmet meine Worte/ die ich euch nicht vor mich/ sondern aus geheiß und befehl des unuͤberwindlichen Pannonischen Heers vortrage: Es verwundern sich alle Obersten und Haͤuptleute/ ja alle Kriegsknech- te/ hoch und nidrig/ daß man hieselbst in so geringer Anzahl ein Gerichte uͤber gefangene Koͤnige und Fuͤrsten haͤger/ sie an den lichten Galgen auffzuknũpfen/ nicht anders/ als ge- hoͤrete niemand mehr in dieses Kriegsrecht/ als sie wenige. Noch mehr aber befremdet sie unter hoͤchster bestuͤrzung/ daß man durch hinrichtung dieser gefangenen unsern auch ge- fangenen Koͤnig an den Galgen bringen wil; moͤget euch deswegen/ ihr Herren/ wol vor gluͤkselig schaͤtzen/ daß wir noch zu rechter Zeit alhier angelanget sind/ dieses euer Vorhaben zu Achtes Buch. zu hindern; massen/ solte es volstrecket/ und unser lieber Koͤnig dadurch in Lebensgefahr ge- stuͤrzet wordẽ seyn/ muͤstet ihr alle solches mit dem Halse unter der grausamsten Peinigung bezahlen. Welchem allem nach/ im Nahmen und von wegen des ganzen Pannonischen Heers ich euch samt und sonders ansage/ daß ihr mit der Verurteilung und hinrichtung dieser Gefangenen inne haltet/ so lieb euch des Heeres Gunst und Freundschaft/ ja so lieb euch euer Leib und Leben ist. Ihr aber Herr Feldmarschalk Mastyes/ werdet Kraft dieses/ von euren Voͤlkern/ Haͤuptleuten und Obersten gefodert/ vor ihnen zuerscheinen/ und hoͤren zu lassen/ wie ihr dieses getrauet zu behaͤupten/ dz ihr alle eure hohen Befehlichshaber samt den Obersten ausschlisset/ und euch allein hieselbst finden lasset/ da Herr Dropion die seinen nicht vorbey gangen ist/ auch Herr Agiß ja noch etliche von den seinen mit sich genommen. Ich bin bereit und willig/ sagte Mastyes/ vor mein Heer mich zu stellen/ und ihnen meine Unschuld darzulegen; inzwischen ihr redlichen Bruͤder hoch und niedrig/ euch sage ich von herzen dank/ bevorab unsern Goͤttern/ dz ihr zu gluͤklicher Stunde hieselbst erschienen seid/ unsers allerliebsten Koͤniges Leben vom abscheuhlichsten Tode zuerretten/ welcher ihm auf dieser hohen gefangenen erhenkung ungezweifelt wuͤrde zu teil worden seyn. Ich/ wie ge- sagt/ wil mich bey dem Heer anfinden/ weil mirs nunmehr frey stehet/ und werdet ihr in- zwischen die Gefangenen Herren/ welche weder Diebe noch Moͤrder sind/ in euren Schuz nehmen/ damit sie vor aller gefahr sicher bleiben. Die unsern kehreten sich an nichts/ fielen plat nider auff die Erde/ und rieffen Gott inbruͤnstig an/ daß er seines heiligen Nahmens Ehre retten/ ihnen weitere huͤlffe erzeigen/ und dem schaͤndlichen Hochmuht ihrer Feinde steuren und wehren wolte. Es trat aber einer von den 12 Obersten zu ihnen hin/ und redete sie also an: Ihr gefangene Koͤnige/ Fuͤrsten und Herren/ stehet auff von der Erde/ und er- gebet euch unter den Schuz des Pannonischen Kriegsheers/ biß auff weitere anordnung unsers allergnaͤdigsten Koͤniges. Sie richteten sich alsbald auff/ und gab ihm Herkules diese Antwort; Tapferer Ritter und Freud; ihr und eure Gesellen handelt redlich bey eu- rem Koͤnige/ in dem ihr uns diesem schaͤndlichen ganz unverdieneten Tode entreisset. Ich gestehe es daß ich euren Koͤnig gefangen genommen; aber ich habe ihn in ehrliche Hast ge- schicket/ und meinen Leuten befohlen/ ihn Koͤniglich zu halten/ und dafern solches nicht ge- schihet/ sehet da/ so wollen wir alle miteinander den Tod darumb leiden; hingegen versichert euch auch dessen/ daß wann diese Urtel an uns solte volstrecket worden seyn/ wuͤrde euer Koͤnig durch die aller grausamste Straffe hingerichtet werden/ welches ohnzweifel alle die- selben ihm goͤnnen/ welche uns verurteilet haben. Dropion durfte annoch seinen Dienern befehlen/ sie solten die Gefangenen nidermachen/ aber der Obersten einer warnete ihn/ er solte ja zusehen was er taͤhte/ das ganze Heer wuͤrde sich von ihm nicht verachten lassen; be- fahl auch alsbald 300 Reutern/ welche sie zwischen sich nehmen musten. Als Mastyes wie- der von dem Heer kam/ ward er von einer grossen menge Obersten und Haͤuptleuten be- gleitet/ und hielt er diese Rede an Dropion: Herr Feldmarschalk; es ist des ganzen Koͤnig- lichen Heers ernstlicher Wille und unwiederruflicher Schluß/ daß die gefangenen Koͤni- ge/ Fuͤrsten und Herren/ weder mit Schmaͤhworten noch anderer Ungebuͤhr sollen bele- get/ sondern von ihren Ketten und Banden erlediget/ und in guter verwahrung behalten werden/ biß unser allergnaͤdigster Koͤnig selbst anordnung machen wird/ wie ers mit ihnen wolle Achtes Buch. wolle gehalten haben; dann nicht euch und euren Beysitzern/ sondern unserm großmaͤch- tigsten Koͤnige allein stehet zu/ gefangene Koͤnige zuverurteilen. So werdet ihrs auch zu verantworten haben/ daß ihr eurem Pyrechmes goͤnnet/ euch vor einen bestaͤtigten Koͤnig in Boͤhmen auszuruffen/ dessen ihr ja von unserm Koͤnige nicht die allergeringste einwilli- gung habet; sonsten sol euch eure Wirde und Marschalksamt uͤber eure Voͤlker voͤllig blei- ben/ aber an meinem Orte werde ich euch keines befehlens gestehen/ wie auch Herr Agiß an Herrn Hyppasus stelle den Koͤniglichen ersten Entsaz als ein Feldmarschalk fuͤhren wird/ wornach ihr euch zu richten habet. Dropion erschrak des Vorbringens nicht wenig/ und gab zur Antwort; es sol dir dein Vornehmen nicht gelingen Mastyes/ daß du umb Geld und Gaben traͤulos werden/ und die Verbrechere/ welche Pannonische Ehr auffs hoͤchste geschaͤndet haben/ der billichen Straffe entzihen wilt; unser Koͤnig hat keine Gefahr/ und wil ich mich dem ganzen Heer verbuͤrgen/ dz wegen dieses Gerichtes seiner Hocheit nichts arges zustossen sol. Ihr verleumdet mich ohn Ursach/ Herr Dropion/ sagte Mastyes; ich gedenke meinem Koͤnige nimmermehr untraͤue zubeweisen/ vielweniger die dem Panno- nischen Nahmen angefügete Schande ungerochen zu lassen/ nur allein gefaͤllet es dem Heeꝛ daß die Verbrecher biß auff unsers Koͤniges wiederkunft hingesetzet werden/ dann seiner Koͤnigl. Hocheit/ sage ich nochmahl/ stehet allein zu/ Koͤnigen und Fürsten die Endurtel zu sprechen; uͤberdas sihet ja kein Mensch/ woher ihr wissen moͤget/ daß unserm lieben Koͤnige dieser Gefangenen schaͤndlicher Tod nicht solte schaͤdlich seyn/ welches der geringste Lands- knecht besser verstehet. Dropion wolte hieselbst die mitgebrachten Voͤlker zu rede stellen/ warumb sie sich wieder ihn zum Auffruhr erwecken liessen/ welches ihnen schier heut oder Morgen uͤbel bekommen wuͤrde. Aber ein Oberster warnete ihn/ er solte wol bedenken was er redete; ob sie Auffruͤhrer waͤhren/ oder dieses eine Auffruhr koͤnte genennet werden/ wañ man bemuͤhet waͤhre des Koͤniges Leben zuerhalten. Es waͤhre wegen befahrung eines neuẽ feindlichen Anfalles nicht Zeit/ daß er Trennung unter dem Pannonischen Heer machen wolte; Sie stuͤnden alle vor einen Mann/ und wolten/ so bald ihr Koͤnig wuͤrde frey seyn/ schon wissen/ wie sie ihre Redligkeit vertreten solten. Endlich als Dropion sahe/ daß er sei- nen Willen brechen müste/ gab er zur Antwort: Des ganzen Heers Wille muͤste ihm end- lich gefallen/ nur hoffete er nicht/ daß man mit seiner hoͤchsten Beschimpffung ihm seine Gefangenen entzihen/ und einem andern dieselben untergeben wolte. Aber Mastyes ant- wortete: Es sind mit nichten eure/ sondern unsers Koͤniges Gefangene/ und weil ihr ihnẽ nach dem Leben stehet/ ist des ganzen Heers Schluß/ daß sie Herrn Agiß/ als Statverwe- ser bey dem Koͤniglichen ersten Entsaz sollen zum Schuz untergeben werden. So muͤssen sie gleichwol ihre Ketten und Bande billich tragen/ sagte Dropion/ damit sie es nicht besser als unser Koͤnig haben. Der Oberste/ so die unsern in Schuz genommen hatte/ antworte- te: Der junge Teutsche Koͤnig hat sein Leben davor verpfaͤndet/ daß unser Koͤnig nicht un- ter Ketten liege/ sondern auff seinen ausdruͤklichen Befehl Koͤniglich gehalten werde. Wolan/ sagte Mastyes/ so kan des algemeinen Heeres Schluß keines weges gebrochen werden/ sondern sie muͤssen ohngebunden von Agiß verwahret/ und redlich geschuͤtzet wer- den. Ich nehme diesen Befehl des Pannonischen Heers gehorsamlich uͤber mich/ ant- wortete Agis/ und wil die Gefangenen also halten/ daß ich mich stets erinnere/ sie seyn un- h h h h h sers Achtes Buch. sers Koͤniges und des Pannonischen Reichs Feinde; ritte hin zu den 300 Reutern/ wel- che mit ihnen absonderlich im freien Felde hielten/ und gab 6 Obersten und 20 Hauptleu- ten ernstlichen Befehl/ sie ingesamt mit sich in ein grosses gemeines Zelt zufuͤhren/ und kei- nen lebendigen Menschen/ werder auch seyn moͤchte/ zu ihnen zulassen. Als diese hinweg gefuͤhret wahren/ trat Dropion mit seinem Anhange zusammen/ und befrageten sich/ was hier zu tuhn seyn wuͤrde. Er hatte kaum noch 30000 Mann von seinem ersten Heer/ wu- ste auch wol/ daß nicht 3000 unter denselben es mit ihm gegen das Koͤnigliche Heer halten wuͤrden/ daher begab er sich aller Gewalttaͤhtigkeit/ und war auff List und Betrug bedacht/ wie er zum wenigsten Herkules und Ladisla ermorden lassen/ und Mastyes bey dem Heer in Verdacht einer Verraͤhterey bringen moͤchte. Pyrechmes aber/ Pelegon/ und sein Sohn Bato wiederriehten ihm das lezte traͤulich/ und sageten: Sie haͤtten den Goͤttern zudanken/ daß sie noch bey ihrer habenden Gewalt gelassen wuͤrden/ und saͤhen vor Augen/ daß sie noch zur Zeit Mastyes nicht heben koͤnten; muͤsten demnach aus der Noht eine Tu- gend machen/ und diesen Schimpff uͤber sich gehen lassen; ob man aber den beyden Hun- den (Herkules und Ladisla) den Lebens Fadem brechen koͤnte/ haͤtte man zuversuchen; wie- wol es nicht ohn ihre selbst eigene Lebensgefahr wuͤrde geschehen koͤnnen. Herkules fuͤrch- tete sich sehr vor solchen Meuchelmord/ deßwegen redete er ihrer Wachte freundlich zu/ mit Bitte/ bey Herrn Agiß anzuhalten/ daß ihnen vor heimlichen Moͤrdern moͤchte schuz geleistet werden/ bekam aber zur Antwort: Sie haͤtten sich dessen nicht zubefahren/ weil sie eben der Ursach halben in solcher Anzahl bey ihnen wachen muͤsten. Es wurden ihnen ge- ringe Speisen und ein Trunk Wasser zur Labung gegeben/ womit sie doch zufrieden wah- ren/ weil ihrer keiner verwundet wahr/ ohn allein Klodius und Gallus/ welche Herkules mit seiner Wund Salbe selbst verbunde. Nach gehaltener kurzen Mahlzeit fingen sie ihr andaͤchtiges Gebeht an zu Gott/ danketen ihm herzlich vor seine schon geleistete wunder- bahre Huͤlffe/ und bahten mit Traͤhnen/ er wolte seine Barmherzigkeit ferner groß uͤber sie machen/ und den Spoͤttern seiner Almacht zuerkennen geben/ wie leichtes ihm waͤhre/ die Elenden zuerheben/ und die Gewaltigen vom Stuel zustossen. Sie wahren aber in ih- rer Seele so wolgemuht/ daß sie mit einander den 91 Psalm des Koͤniges Davids anstim- meten/ welcher also lautete: 1 W Er in des Hoͤchsten Schirm gehoͤrt/ Und hat sein Zelt geschlagen Im Schatten des der maͤchtig faͤhrt/ Darff frey zum HErꝛen sagen; O du mein Schloß/ O du mein Gott Und fester Schuz in aller Noht/ Mein ganzes wolbehagen. 2 Dann er macht meine Fuͤsse frey Vom Jaͤger-Netz und Stricke/ Und treibt die Pestilentz vorbey Daß sie dich nicht beruͤcke/ Die sonsten leichtlich schaden tuht/ Drum nimt er dich in seine Huht/ Auff daß er dich erquicke. 3 Mit seinen Fluͤgeln wil er dich Als eine Henne decken/ Sein wahres Wort sol festiglich Dir Schirm und Schild darstrecken/ Das dich des Nachtes Grausamkeit Und Tages-Pfeil zu keiner Zeit Mag treffen noch erschrecken. 4 Vor Peste soltu sicher seyn/ Die sich im finstern reget/ Dazu von aller Seuche rein Die bey Mittage schlaͤget/ Und griffe sie gleich tausend Mann Und noch zehn tausend ander’ an/ Bleibstu doch unbewaͤget. 5 Ja Achtes Buch. 5 Ja du wirst deine Freud und Lust Mit deinen Augen sehen/ Wie uͤber aller Suͤnden Wust Die schweren Straffen gehen/ Dann Gott ist deine Huͤlff’ und Schuz/ Und der im Himmel wohnt/ dein Truz/ Drum muß dir wol geschehen. 6 Vor Ungluͤk bistu gnug befreit/ Kein Leid wird dich belegen/ Weil seinen Engeln er gebeut Daß sie auff deinen Wegen Dich schuͤtzen/ so daß auch dein Fuß An keinen Stein sich stossen muß/ So werden sie dein pflegen. 7 Du wirst die Schlangen ohn Gefahr Ertreten sampt den Loͤuen/ Der jungen Loͤuen wilde Schaar Und Drachen gar nicht scheuhen/ Dann weil er meiner so begehrt/ Wil ich ihn wieder unbeschwert Mit meiner Huͤlff erfreuen. 8 Ich helff’ ihm/ dann er kennet mich/ Er rufft/ ich wil ihn hoͤren/ Aus Noͤhten wil ich sicherlich Ihn retten und hoch ehren/ Ich wil ihm seine Lebens-Zeit Erstrecken/ und die Seeligkeit In meinem Heil beschehren. Ihre Huͤter wunderten sich uͤber alle masse/ daß sie in dieser grossen Gefahr mit so froͤlichem Munde und laͤchelndem Angesicht singen kunten/ nicht anders als wann sie in der allerbe- haͤgligsten Koͤniglichen Lust saͤssen/ brachten auch die ganze Nacht mit Erzaͤhlung geistli- cher Geschichten zu/ wodurch ihre Waͤchter desto besser vom Schlaffe abgehalten wurdẽ. Umb die Mitternacht schliechen dañoch drey verwaͤgene Meuchelmoͤrder mit kurzem Ge- wehr herzu/ welches sie unter ihren Kleidern verborgen hielten; und als sie befraget wurdẽ wer sie waͤhren/ gaben sie sich vor etlicher Obersten Diener aus/ welche die Wacht bey den Gefangenen hielten/ als aber dieselben mit Fackeln zu ihnen heraus gingen/ und solches vorgeben falsch befunden/ wurden sie in Fessel gelegt/ und m u sten hernach mit dem Leben bezahlen/ da sie bekenneten/ es haͤtte Herr Bato/ Dropions S o hn jedem 3000 Kronen versprochen/ wann sie den Boͤhmischen und jungen Teutschen Koͤn i g wuͤrden hinrichtẽ. Es wolte aber ihr Gott und Heiland dem sie so herzlich vertraueten/ seine voͤllige Huͤlffe und Rettung ihnen nicht lange hinterhalten/ sondern sich herlich bey ihnen erzei- gen/ damit sie in der Taht empfuͤnden/ was Koͤnig David Psalm 22 ruͤhmet: Gott hat nicht verachtet noch verschmaͤhet das Elend des Armen/ und sein Antliz vor ihm nicht verdorgen/ und da er zu ihm schrey/ hoͤret ers; dann bey fruͤher Tages Zeit/ eine Stunde nach der Soñen Auffgange (da Agiß und Mastyes grosse außgeschikte Schaaren/ ihrem Koͤnige nach zu- forschen/ schon vor vier Stunden wieder ankommen wahren) jageten sechs Pannonische Reuter/ so auff Mastyes Anordnung auff einem Hügel Schildwache hielten/ mit vollen Spornstreichen auff ihr Lager zu/ uñ brachten Zeitung/ es gaͤbe von ferne ein dicker Staub Anzeige/ daß ein gewaltiges Heer von Prage werts im Anzuge waͤhre/ und Zweifels ohn bald vor Augenschein kom̃en wuͤrde. Dropion wolte solches nit glaͤuben und sagete; etliche Ungetraͤue/ die es gerne also haben moͤchten liessen solches zum Schrecken außsprengen; aber Mastyes baht ihn/ er moͤchte seiner Vernunft raum goͤnnen/ und solche Zeitungen nit in den Wind schlagen/ an deren Tichtung kein redlicher Mann gefallen haben wuͤrde. Bey dieser Beredung kahmen 30 andere Reuter/ die sudwerz auff einen Raub außgangen wah- ren/ und meldeten an/ daß auch von der Seiten ein gewaltiges Heer in blanker glinzender Ruͤstung heran zoͤge/ von welchen ein starkes Trometen blasen und Heerpaukenschlagen ge- trieben wuͤrde; woruͤber Mastyes sich nicht wenig bestuͤrzet befand/ und zu Dropion sa- h h h h h ij gete; Achtes Buch. gete; wollen wir unser Vaterland und die uns anvertraueten Voͤlker nit verrahten/ wer- den wir uns fertig halten/ damit wir nicht in unserm Lager uͤberfallen und als das Vieh abgeschlachtet werden; und wird nunmehr der Feldmarschalk erkennen/ obs nicht gut und heilsam sey daß man der Koͤnige uñ Fuͤrsten verschonet hat. Ein Narr waͤhre ich/ sagte Dro- pion/ wañ ich solches vor gut hielte. Befahl darauff nach beiden Orten 500 Reuter gehen zulassen/ welche Nachforschung taͤhten/ ob den Zeitungsbringern nicht moͤchte getraͤumet haben. Wie wol er auff allen Fal im Lager auffblasen ließ/ da inzwischen Agiß die Gefange- nen in sein e igenes Gezelt hinfuͤhrete/ und ihnen 1500 getraͤue Leute zu ihrem Schutze zu- gab/ wovor sie ihm hoͤchlich danketen/ und sich aller Vergeltung anerbohten. Den Voͤl- kern kam es wunderselzam vor/ daß sobald ein gedoppeltes Heer uͤber sie kommen solte/ ga- ben sich doch zeitig ins Gewehr/ und harreten mit Schmerzen/ was vor Nachricht die auß- geschicketen bringen wuͤrden; da nach Verlauff einer halben Stunde die von Abend her anzeigeten/ sie haͤtten nicht allein den grossen Staub/ sondern bald darauff ein grosses Heer in zween abgeteileten Fluͤgeln gesehen/ deren jeder wol in 40000 Reutern bestuͤnde. Nicht lange hernach stelleten die von Suden her sich mit schnellem jagen ein/ anmeldend/ es waͤh- re ein glinzernd Heer auffs wenigste von 50000 Reutern verhanden/ deren Trometen uñ Pauken man von ferne hoͤrete. Woher fuͤhret dann der Teuffel alle die Voͤlker in solcher Eile? sagte Dropion; teilete das Pannonische Heer/ welches annoch in 104000 gesunder Manschafft bestund/ gab Mastyes 36000 gegen die von Mittage anzugehen; Agiß 30000 gegen den rechten Fluͤgel des andern Heers/ und behielt er von sich selbst 36000 gegen des Feindes linken Fluͤgel. Diese Schlacht Ordnung wahr kaum gerichtet/ da kam das erste Heer aus Westen zum Vorschein/ dessen rechter Fluͤgel in 50000 wolgewapneter Reu- ter bestund/ der Linke wahr 42000 stark erzeigete sich aber viel muhtiger und erzuͤrneter als der ander. Sie wahren sobald nicht gesehen/ da schickete Dropion eine Schaar von 3000 an sie/ um zuvernehmen/ was Volk sie waͤhren/ und zu was Ende sie unabgesaget ihm so ge- rade auff den Leib gingen; bekahmen aber von dem rechten Fluͤgel in lateinischer Sprache zur Antwort; was die Pannonier sie auff eines andern Grund und Bodem zu rechtfer- tigen haͤtten; und ob nit ihnen so wol als einem andern fremden der Weg offen stuͤnde; ihr begehren waͤhre/ daß man ihnen ohnwegerlich Raum machete/ weil ihr Zug eilig waͤhre/ sonst muͤsten sie versuchen/ es mit dem Schwerte zuerhalten. Dem Pannonier kam diese Antwort fremde und trotzig vor/ meinete/ es wuͤrde etwa ein Roͤmisches Heer seyn/ welches vom Rein her durch Teutschland nach Italien ginge/ weil die Roͤmer mit den Teutschen und Boͤhmen in guter Einigkeit stuͤnden/ daher ließ er ihnen wiedersagen; man waͤhꝛe nit der Meinung/ sich ohn Ursach jemand zum Feinde zumachen/ nachdem sie ihre Feinde die Boͤhmen und Teutschen gestriges Tages ritterlich geschlagen/ und ihre Koͤnige gefangen haͤtten/ welche so lange in Haft gehalten wuͤrden/ biß ihr gefangener Koͤnig/ Mnata sich loß gewirket haͤtte. Daß sie aber ihnen als unbekanten und fremden das Feld ohn Wiedersee- zung goͤnnen solten/ kaͤhme dem Pannonischen Feld Herrn Dropion und seinen Leuten sehr nachdenklich vor/ verhoffeten demnach/ anjetzo ohn fernere Wegerung verstaͤndiget zuwerden/ wohin sie gedaͤchten/ und ob sie den Teutschen und Boͤhmen Entsaz zuleisten ge- m einet waͤhren; wuͤrde man sich aber keiner Richtigkeit erklaͤren/ koͤnte man an dieser Sei- te sie Achtes Buch. te sie nicht anders als vor Feinde achten. Der fremde Heerfuͤhrer hoͤrete solches alles mit unwillen an/ und gab zur Antwort; es erschiene aus des Pañonischen Feld Herrn Antwoꝛt und Werbung/ daß er ein stolzer und verwaͤgener Kerl sein muͤste/ in dem er sich nit scheu- hete/ dasselbe zuwissen/ welches ihm und allen den seinen biß dahin solte verborgen seyn; sei- ne Draͤuungẽ achtete man nicht hoch/ und doch vor gnugfam/ daß hiemit die Schlacht an- gekuͤndiget waͤhre; jedoch wolte man ihm noch zum Uberfluß erinnert haben/ seinen Hoch- muht abzulegen/ das Heer von dem Felde ins Lager zufuͤhren/ und den Weg unbesetzet frey zulassen; wuͤrde er solches nicht straks Angesichts eingehen/ solte ihm damit abgesaget/ und die Schlacht angekuͤndiget seyn. Dropion hoͤrete hieraus/ was dieser Voͤlker Vorhaben wahr/ nur verwunderte er sich/ woher diese grosse Macht kaͤhme/ welche/ insonderheit der rechte Flügel/ ganz neue unbekante Reuter Fahnen fuͤhrete; so wahr auch ihr Drometen- Schal nicht nach der gemeinen Teutschen Art/ noch nach der Boͤhmischen/ sondern gar fremde und unbekant. Er sahe/ daß sie an der Zahl zwar nit überlegen wahren/ doch grauete ihn vor dem andern Heeꝛ noch am meisten/ welche gleich in dieser Handelung heꝛzunaheten/ und ein uͤberlautes Freuden Geschrey ergehen liessen/ als sie fahen/ daß diese zwey Heer zur Schlacht gegen einander hielten. Der Feld Herr/ bey dem Heere von Westen/ sahe dieses dritte Heer sich ins Feld gegen die Pannonier setzen/ und nahm ihn hoͤchlich Wunder/ was Voͤlker sie sein moͤchten/ unterließ auch nicht/ alsbald 500 Reuter an sie abzuschicken/ und den Feld Herrn bitlich zuersuchen/ ihm unbeschweret anzuzeigen/ wessen die Teutschen uñ Boͤhmen sich zu ihnen zuversehen haͤtten/ welche ihnen/ dafern sie nicht Pannonier waͤh- ren/ alle Freundschafft uñ moͤglichen Beistand wieder ihre Feinde hiemit anboͤhten. Woꝛ- auff der Feld Herr dieses treflich gewapneten Heers mit sonderlicher Freundligkeit in la- teinischer Sprache (in welcher er auch angeredet wahr) zur Antwort gab; er und alle seine Volker wuͤnscheten den Teutschen und Boͤhmen des Himmels Beystand wieder ihre un- befugetẽ Feinde die Pannonischen Mordbrenner/ und stuͤnden um keiner ander Ursach im Felde/ als daß sie vor deren Koͤnige Leben uñ Wolfahrt ihr Blut zuvergiessen bereit und fer- tig waͤhren; kehrete sich damit um/ und befahl seinem Heer daß sie ihr Feldwort ruffen sol- ten; dasselbe aber wahr der Nahme Valiska/ welchen sie mit grossem Geschrey etlichemahl wiederhohleten/ und bald darauff den abgeschikten Befehl erteilete/ sie solten hinreiten/ und ihrem Heerfuͤhrer solches anmelden. Dieser Zeitung verwunderten sich die Haͤupter der beiden Fluͤgel zum hoͤchsten/ und sagete der eine zu den uͤbrigen/ deren unterschiedliche wahren/ sehet meine Freunde/ wie wundergnaͤdig handelt unser GOtt mit denen/ die sich auff ihn verlassen! ehe dieselben solten untergehen/ muͤsten ganz unbekante kom̃en/ und ih- nen Rettung tuhn. Mastyes sendete seine Leute auch ab an dieses Suͤdische Heer/ umb zu- vernehmen/ wz die Pañonier sich zu ihnen zuverfehen haͤtte/ welche mit niemand in Feind- schafft lebeten/ noch jemand unrechmaͤssiger Weise zubeleidigen außgezogen waͤhren/ nur daß sie den von den Boͤhmen empfangenen Schimpff zuraͤchen sich nohtwendig haͤtten in Harnisch begeben müssen. Aber er bekam diese harte Antwort: Es ist Landkuͤndig/ daß die Pannonier das Boͤhmische Reich angefallen/ nicht als Kriegsleute/ welche die Fehde nach aller redlichen Voͤlker Brauch zuvor angesagt/ sondern als Mordbrenner und Raͤu- ber/ und solches darumb/ weil sie durchaus keine andere erhebliche Ursach einzuwenden ge- h h h h h iij wust Achtes Buch. wust haben/ als ihren frechen und unbendigen Muhtwillen; daher sie sich desto weniger zu verwundern/ daß er mit seinen Voͤlkern sich zu der Boͤhmen Beystand auffgemacht/ die grosse Ungerechtigkeit helffen abzustraffen/ ungeachtet er mit denselben in keiner Veꝛbuͤnd- niß stuͤnde/ moͤchten sich dannoch die Pannonier versichern/ daß er ihrer Boßheit Feind waͤhre/ und ein Freund deren/ die recht und ehrlich handeln. Als Mastyes diese Antwort hoͤrete/ seuffzete er/ und sagte: Ach ach! also muß offt ein ganzes Land buͤssen/ was ein ein- ziger verkehrter Mensch verschuldet. Sie begunten sich allerseits zum ersten Angriff zu schicken; aber uͤber alle Zuversicht kam von Norden her noch ein neues Heer 60000 stark/ als zween Fluͤgel Reuter/ jeder 20000 Mann/ welche gleich so viel wolbewehrete Fußvoͤl- ker zwischen sich eingeschlossen hatten. Das Heer von Westen meinete nicht anders/ es wuͤrde ein Pannonischer Entsaz seyn; aber als der Fuͤhrer des linken Fluͤgels 300 Reuter an sie abschickete/ zufragen/ ob sie der Teutschen und Boͤhmen Freund oder Feind waͤhren; gaben sie zur demuͤhtigen Antwort: Sie waͤhren schier zum dritten Teil Teutschen/ und zween Teil Wenden/ dem Teutschen und Boͤhmischen Koͤnige von ihrer Fuͤrstin ganz ei- lig zu Huͤlffe gesand/ weil ihre Gn. Fuͤrstin in glaubwirdige Erfahrung kommen waͤhre/ daß die Pannonier mit sehr grossen heimlichen Werbungen umgingen/ das Boͤhmische Reich zuuͤberfallen/ wie ihnen dann nicht unbewust waͤhre/ daß solches schon geschehen/ und sie demnach bereit stuͤnden/ vor Teutschland und Boͤhmen ihr Blut biß auff den leztẽ Mann zuvergiessen. Die unsern wusten nicht/ was wegen dieser Erklaͤrung sie vor Freu- den beginnen solten/ und liessen ihnen alsbald anzeigen/ sie solten alle wilkommen seyn/ und wann es ihnen gefallen koͤnte/ moͤchten sie ihre Fußvoͤlker samt der Halbscheid ihrer Reu- terey nach Osten hinter den Feind gehen lassen/ daß ihnen der Ruͤkweg zur Flucht abge- schnitten wuͤrde; der ander Teil aber ihrer Reuter koͤnten das Feld halten/ und sich nicht regen/ biß man ihres Entsatzes wuͤrde von noͤhten haben. Hier fing nun Dropion an den Muht sinken zulassen/ weil er ihm keiner neuen Huͤlffe vermuhten wahr/ bald aber verkeh- rete sich die Furcht in eine rasichte Wuht/ und schickete an dieses Nordische Heer/ sie soltẽ sich erklaͤren/ ob sie Pannonisch oder Boͤhmisch waͤhren; bekam aber zur Antwort: Sie waͤhren aller Raͤuberischen Mordbrenner geschwohrne Feinde/ und also auch der Pan- nonier. Dropion entboht ihnen hinwiederumb: Waͤhren sie dann seine Feinde/ so muͤste ers lassen dahin gestellet seyn; nur wann sie redlich waͤhren/ solten sie harren/ biß er mit seinen Feinden von Westen her Schlacht gehalten/ alsdann wolte er ihnen auch stehen; Welcher Anmuhtung nicht wenig gelachet/ und zur Antwort gegeben ward: Die Panno- nier solten wissen/ dz sie weder mit Kindern noch mit Narren zutuhn haͤtten/ denen sie vor- schreiben und gebieten wolten/ da sie doch ihre geschwohrne Feinde waͤhren. Agis schickete sich zu einem ruͤhmlichen Tode/ und sagete zu Pyrechmes/ der sein Obrister Statverweser wahr: Nun sehet ihr Herrn/ was vor einen Jammertanz ihr unserm guten Koͤnige/ dem Pannonischen Reiche und uns allen zugerichtet habt/ in dem ihr unsern Koͤnig beredet/ und uns andere gezwungen/ diesen unnoͤhtigen muhtwilligen Krieg anzufangen. Ich sehe wol daß ich sterben mus/ antwortete er/ aber ich wil mich so lange wehren als der Odem in mir ist/ und mus ja ein sonderlicher Ungluͤks Teufel alle Feinde auff einmahl zusam̃en her- gefuͤhret haben. Das Nordische Heer richtete sich nach dem empfangenen Befehl/ und zo- gen Achtes Buch. gen zween teile mit fliegenden Faͤhnlein Ostwerz/ daß sie hinter den Feind sich in ausgebrei- teter Schlacht setzen moͤchten/ welches ihnen gluͤklich anging/ und der Feind nichts dawie- der vornam. Der Heerfuͤhrer des rechten Fluͤgels von Westen her/ ließ 36000 Mann in drey gleiche Hauffen sich setzen/ und wahr willens den Agriff auff Agiß Voͤlker zutuhn/ a- ber Dropion wolte noch einmahl versuchen ob er durch Worte diesen Feind furchtsam machen koͤnte/ da er ihm sagen ließ; er wolte ihn nochmahl warnen sich voꝛzusehen/ und sich nicht in unnoͤhtige Gefahr zu geben/ noch in fremde Haͤndel sich einzumischen; dann wie durchdringend das Pannonische Schwert waͤhre/ haͤtten die Teutschen in wenig Tagen empfunden/ daß wie vor gute Kriegsleute man sie auch hielte/ waͤhren sie doch wie das Rei- sich nidergehauen/ daß sie nunmehr ihre Verwaͤgenheit zu spaͤht bereueten/ welches ihm ausserzweifel auch also ergehen würde. Ich merke wol/ antwortete der Feldherr/ man wil mich mit Worten schrecken/ da ich doch eigentlich kommen bin/ solchen Trotzern ihren ver- dienten Lohn ausfolgen zu lassen; darumb sage deinem Herrn; Kinder erschrecke man mit einer Blase vol Erbsen/ und feige Herzen mit trotzigen Worten: aber unerschrockene Maͤn- ner muͤsse man das Schwert empfinden lassen. Dieser hatte befehl auff den fal solcher Ant- wort den endlichen Troz auszuschuͤtten/ welches er also verrichtete: Nun dann ihr stolzer/ hoͤret des unuͤberwindlichen Pannonischen Feldherrn/ und bestaͤtigten Koͤniges in Boͤh- men Herrn Dropions endlichen Bescheid. Ey des schoͤnen Boͤmischen Koͤniges/ fiel ihm der fremde Feldherr in die Rede/ welcher besser zum Saͤuhirten bestaͤtiget waͤhre. Doch laß hoͤren/ was vor einen endlichen Bescheid gibt er mir dann wol/ nach seiner Koͤniglichẽ einbildung. Diß ist der Bescheid/ fuhr dieser fort/ dz/ dafern ihr nicht werdet euꝛe Schmach- reden wiederruffen/ auch straks Angesichts umbkehren/ und mit schleiffenden Panieren zwo Meilen stilschweigens/ ohn Geschrey/ Trometenklang und Trom̃elschlag hinter euch zihen/ sollet ihr alle miteinander zu kleinen Stuͤcken zerhacket werden. Wolan/ antwortete dieser; die Pannonische Kerze hat vor ihrer gaͤnzlichen Erloͤschung noch einen Blik von sich geben sollen. Ihr aber bringet dem hochmuhtigen Narren zur wiederantwort; Ob er dann von GOtt gar geblendet sey/ daß er nicht sehen kan/ was gestalt er von tapferen Fein- den ganz umbgeben ist; ich wolle jezt kommen/ und ihm mit meinem Schwert den endlichẽ Bescheid bringen/ auch zugleich vernehmen/ ob sein Saͤbel so schneidig als seine Zunge sey. Damit ließ er die drey gesetzeten gleichteile seines Fluͤgels gegen Agiß loßbrechen/ und muste der linke Fluͤgel zugleich mit fortgehen. Dropion ließ gegen diesen Linken seinen Pelegon mit 10000 Mann loßstuͤrmen/ denen nur 8000 begegneten/ aber mit solcher Verwaͤgenheit/ als haͤtten sie geschworen daß sie alle fechtend sterben wolten/ da- her sie bald im ersten Anfal 300 Pañonier niderschlugen/ griffen auch bald anfangs 30 von den Feinden lebendig/ fuͤhreten sie nach dem Feld Herrn des rechten Fluͤgels (welcher mit 14000 Reutern noch im Felde hielt/ als wolte er seine drey außgeschikte Hauffen entsetzen/ an was Ort es wuͤrde noͤhtig seyn) und wurden diese alsbald bedraulich befraget/ an was Ende des Lagers die gefangene Koͤnige und Fuͤrsten behalten wuͤrden; welches sie einmuͤh- tig außsagetẽ; worauff dieser mit seinen 14000 beherzten Leuten des rechten Weges nach dem Lager zuging/ auch die Wendischen Fußvoͤlker/ welche nahe dabey hielten/ zu sich fodeꝛ- te/ das Lager mit stuͤrmender Hand einzunehmen/ welche alsbald zum Anlauffe fertig wah- ren; Achtes Buch. ren; aber es bedurfte keines Schwerischlages/ weil solches mit lauter Verwundetẽ besetzet wahr/ die um Gnade und Barmherzigkeit rieffen; welche ihnen in so weit gegeben ward/ dz sie stuͤndlich das Lager raͤumen/ sich ins offene Feld legen/ und die Wendischen Fußvoͤlker einzihen lassen musten/ denen bey Lebens Straffe gebohten ward/ sich an keiner Beute des Lagers zuvergreiffen. Der fremde Feldherr ritte mit 3000 Pferden auch hinein/ nach Agiß Gezelt/ woselbst alle Hüter bey den gefangenen Koͤnigen schon umb Leben und Freyheit an- gehalten hatten/ welches ihnen willig versprochen ward. Alsbald ließ der unbekante Feld Herr allen gefangenen Koͤnigen Fuͤrsten und Herrn statliche Rustungen und muhtige Pfeꝛ- de außteilen/ da sie sich insonderheit verwunderten/ daß man Herkules seinen aͤdlen Blaͤn- ken darboht; und ein Teutscher uͤbeꝛlaut anfing; seyd getrost ihr Helden/ es sind diesen moꝛ- gen vier unterschiedliche Heere ganz unvermuhtlich ankommen/ zu eurem Entsaz/ deren keines von dem andern gewust hat/ ingesammt uͤber 200000 Mann stark/ welche euren Schimpff zuraͤchẽ schon in voller Arbeit begriffen sind. Die Gefangenen wusten vor Fꝛeu- den nit zuantwortẽ; aber so bald Herkules im Harnische wahr fiel er nider auff seine Knie/ und sagete dieses Gebeht uͤberlaut: HErr JEsus/ du wahrer Heiland und Helffer aller deren die dir vertrauen; jezt spuͤre ich/ daß du von dem Stuel deiner Almacht auff unser Elend gesehen/ und un- sere Schmach von uns gewendet hast/ da wir meineten/ noch mitten driñen zustecken; Herr dir sey Lob/ Preiß und Herligkeit/ von nunan biß in Ewigkeit/ Amen. Der fremde Feldherr machte sich mit 6000 Reutern alsbald wieder hinweg nach seinen Leuten/ und ließ die erloͤseten ersuchen/ daß sie sich in vier Teile setzen/ und jeder von seinen hinterlassenen 8000 Reutern/ 2000 zu sich nehmen moͤchte/ so daß Koͤnig Ladisla nach dem Sudheer/ Koͤnig Herkules nach dem Westheer des linken Fluͤgels; Koͤnig Hen- rich und Fuͤrst Siegward nach dem rechten Fluͤgel desselben Heers/ und Fuͤrst Olaff nach dem hinterbliebenen Nordheer; Leches/ Klodius/ Gallus und Neda aber nach den Wen- dischen Reutern in Osten sich verfuͤgen/ und ihr bestes pruͤfen moͤchten; worzu sie bereit uñ willig wahren. Das Treffen ging inzwischen tapfer fort/ und entsetzete sich Dropion nicht ein geringes/ daß seine Voͤlker unter Pelegon dergestalt gestenzet wurden/ schickete ihnen 6000 zum Entsaz/ und vermahnete sie/ daß sie sich redlich halten solten; aber ihnen begeg- nete eine gleiche anzahl/ und wetzeten sich der gestalt/ als ob sie einer dem andern den Tod ge- schworen haͤtten/ und wahr zuverwundern/ daß die Fremden keinen Fuß sich wolten zuruͤk treiben lassen/ sondern ja so willig zum Tode als zum Siege wahren; daher kam es/ dz die Pannonier haͤuffig gefellet/ uñ von den andern uͤber verhoffen wenig nidergelegt wurden/ dann da diese erste Schaaren samt ihrem Entsatze sich zuruͤk zogen/ hatten die Feinde 7000/ und die unsern etwa 2000 eingebuͤsset. An seinem Orte ließ Agiß seine Voͤlker auch in drey gleiche Hauffen/ jeden 10000 stark/ wieder die drey Geschwader so ihn angriffen loßbrechẽ/ da Pyrechmes in der mitte ging/ und an seinem Orte heftig wuͤtete/ weil auff den Fal der Niderlage/ er ihm den Tod erwaͤhlet hatte/ damit er nicht lebendig in der unsern Haͤnde ge- rahten moͤchte/ als die von ihm gar zu heftig beleidiget wahren. Der linke Flügel merkete die gegen Pyrechmes noht leiden/ und sendete ihnen 6000 zum Entsaz/ welche ansetzen/ die anderen aber abzihen musten; da sich dann das Blaͤtlein bald umbkehrete; massen dieser Entsaz nicht weniger den Tod oder den Sieg ihnen erwaͤhlet hatten. Agiß ging seines Orts zur Achtes Buch. zur rechten Hand/ fochte auch so geherzt/ daß hieselbst das Spiel in gleicher Wage hing: sein dritter Hauffe hielt gleichergestalt aus verzweifelung zimlich fest gegen/ so daß hieselbst allenthalben das Schwert rechtschaffen wuͤtete. Wir muͤssen aber des fremdẽ Sudheeres nicht vergessen/ welches wegen der vielen lichtblanken Harnische das scheinbahreste wahr; diese wolten nicht ehe fechten biß sie das Westenheer sahen den Angriff tuhn/ da brach die helfte 25000 stark auff einmahl loß/ mit welchen ihr Feldherr zugleich fortging/ welcher 3000 praͤchtige Ritter mit Speeren umb sich hatte; er selbst fuͤhrete auch sein Speer/ mit verguͤldetem Eisen/ und sein ganzer Harnisch wahr über und uͤber verguͤldet/ mit schoͤnen eingeetzeten gruͤnen Laubwerk. In seinem Schilde lag ein Kranker auff einem Bette/ mit Ketten gebunden/ dem ein schoͤnes Weibesbilde die Hand reichete/ und ihn auffrichtete/ mit dieser umbschrift; Cœci amoris remedium Caritas. Der blinden verliebung Arzney ist die beilige Liebe. Auff dem Helm hatte er einen grossen gruͤnen Federbusch uñ daran drey weiß geetzete aus Golde gegossene Lilien/ mit dieser Unterschrift: Marcida reflorent. Die verwelke- ten bluͤhen wieder. Er setzete sich mit seinen 3000 Speer Rittern vor die angefuͤhreten Voͤl- ker her/ und draͤngete auff Mastyes ein/ welcher ihnen die wolbewapnesten wiewol Speer- losen entgegen schickete 18000 stark/ und den voͤrdersten befahl/ sich wieder die Speer Reu- ter fest zu halten/ welches sie zwar nach vermoͤgen leisteten/ und ihrer doch in die 1700 zur Erden gefellet wurdẽ. Die fremden/ nach erbrechung ihrer Speere/ griffen zu den Schweꝛ- tern/ und schlugen sehr behuhtsam auff die Pannonier/ weil sie sahen/ daß dieselben als ra- sende Hunde wuͤteten/ und ihrer selbst eigenen beschuͤtzung wenig achteten/ wañ sie nur den Feind verletzen moͤchten. Ward demnach an diesen dreyen Orten so eiferig gestritten/ in dem der Feldherr von Westen das Pannonische Lager einnahm/ und die Gefangenen loß- wirkete/ daß die in der Schlacht dessen nicht eins wahrnahmen. Als die Gefangene Fuͤr- sten zu Pferde sassen/ und nach des fremden Feldherrn Vorschlag sich verteileten/ empfun- den sie einen sonderlichen Eifer in ihrem Herzen wegen des empfangenen Galgen-schimp- fes/ und sagete Herkules zum Abscheide zu ihnẽ; versichert euch ihr glaͤubige Kinder Got- tes/ daß unser Heyland des Gotteslaͤsterers Pyrechmes Weissagung erfuͤllen/ und Dropi- on mit seinem anhange/ an unser stat an den auffgebaueten Galgen bringen werde/ und las- set die uns geleistete wunderbahre Erloͤsung ja nimmermehr aus euren Herzen kommen. So bald Ladisla bey dem ruhenden teil des Sudischen Heers anlangete/ schlug er seinen Helm auff und sagte: Ihr aͤdle tapfere Ritter/ euch sage ich wegen Zeitmangel mit wenig Worten dank vor diesen euren Beystand/ welchen ihr mir als Boͤmischen Koͤnige zuleistẽ/ ankommen seid; gefaͤlt es euch nun so gehet mit mir an den Feind/ euren und meinen Bruͤ- dern und Spießgesellen Beystand zu leisten/ auffdas wir auch teil moͤgen haben am Siege. Diese neigeten sich vor ihm/ und riefen; seine Koͤnigl. Hocheit moͤchte sie anfuͤhꝛen/ sie wol- ten mit ihm leben und sterben/ weil sie ihrem Feldherrn/ welcher dorten im guͤldenen Har- nische ritterlich foͤchte/ keinen angenehmern Dienst leisten koͤnten. Mastyes hatte sich biß- her gefreuet/ daß die seinen/ ungeachtet sie der Zahl nach geringer/ dem Feinde gnugsam ge- wachsen wahren; aber vor dem eiferigen Einbruch dieser andern helfte/ welche noch mit 2000 Reutern gestaͤrket wahr/ entsetzete er sich/ weil er nur 12000 Mann bey sich übrig hat- te; ließ deswegen Dropion zuentbieten/ sein Feind waͤhre ihm an der menge zu weit uͤber- i i i i i legen/ Achtes Buch. legen/ daß er entsatzes beduͤrfte. Gleich kam ein ander zu Dropion hingerant/ mit anzeige/ ihr Lager waͤhre erobert/ von des Nordischen feindlichen Heers Fußvoͤlkern/ (welches lau- ter Wenden)/ besetzet/ und die gefangene Fuͤrsten frey und zu Pferde. Da schlage Donner/ Bliz und Hagel drein/ gab er zur Antwort; nun mus es heissen/ Vogel friß oder stirb. Zu dem ersten aber sagete er: Gestern wahr der Hundsnase Mastyes ja beherzt und tapfer gnug/ die verurteileten Hunde vom Galgen zuerloͤsen/ und nun er fechten sol/ hat er den Muht auff die Erde geschuͤttet; sage ihm daß er sich gefasset halte/ von denen gehenkt zu werden/ die er dem Büttel von der Leiter hinweg gerissen hat. Jedoch gab er ihm 2000 Reuter/ und befahl/ daß er gleich so viel auch von Agiß fodern/ und sie Mastyes zufuͤhren solte. Herkules wahr zwar willens sich nach dem linken Flũgel des Westen-Heers hin zu wenden/ aber weil ihm von seinen Reutern angezeiget ward/ daß ihr Feldherr/ welchen sie nicht kenneten/ bey dem rechten Fluͤgel sich hielte/ machete er sich auch dahin/ ihm moͤglichẽ Beystand zu leisten/ welchen er auch in voller Arbeit antraff da er mit seinem Gesellen (den er aus dem Gefechte vor Arbianes erkeñete) sich tapfer unter den Feinden tummelte/ zu denen er sich auch verfuͤgete/ und nebest ihnẽ beyden unsaͤgliche Tahten beging. Der frem- de Feldherr/ diesen seinen lieben Freund an seiner Seite verspuͤrend/ wahr voller Lust und Freude/ und tahten sie des Pyrechmes seinem Hauffen so gedrange/ daß er immer hinter sich weichen muste. Koͤnig Henrich und Fuͤrst Siegward/ da sie Herkules enderung sahẽ/ gingen hin zu dem linken Flügel der Westischen Voͤlker/ da sie mit unsaͤglichen freuden uñ Traͤhnen empfangen wurden; dann dieser Fluͤgel wahren die gestrigen Feldfluͤchtige Teutschen und Boͤhmen/ welche Arbianes auff dem Wege wieder gesamlet/ und der rech- te Fluͤgel/ der aus lauter neuen Voͤlkern bestund/ ihnen gedraͤuet hatte/ dafern sie die gestri- ge Schande ihrer aͤidvergessenen Flucht heut nicht wuͤrden durch ruͤhmliches verhalten rechtschaffen einbringen/ solten sie ohn alle Gnade ehrloß und zu Leibeigenen gemacht werden/ daher sie bey Koͤnig Henrichs Ankunfft umb Gnade und Barmherzigkeit bahtẽ/ und auff sein freundliches Zusprechen sich gefast macheten/ unter ihrem Fuͤhrer (der sich nicht zuerkennen gab) und diesen beiden Helden auff Dropions Heer loßzugehen/ welcheꝛ an Pelegons Gefechte merkend/ daß die Schaars-weise angestellete Treffen kein gut tuhn wolten/ vornam/ mit gesamter Macht an den Feind zusetzen/ welches ihm anfangs ziemlich geriet/ daß die unsern/ nicht wie sie wolten/ durchbrechen kunten. Fuͤrst Olaff kam bey dem Nordischen Heer an/ wolte mit demselben alsbald loßbrechen/ und dem linken Westi- schen Fluͤgel zu hülffe gehen; weil er aber von ihnen verstund/ daß der fremde Feld Herr ihnen gebohten haͤtte/ hieselbst stille zuhalten/ biß man sie zum Entsaz foderte/ muste er ge- zwungen es also geschehen lassen; jedoch weil ihn der Eifer wegen des empfangenen Schimpffs gar zu hefftig reitzete/ nahm er seine 2000 Mann zu sich/ und ging damit auff Dropions Hauffen fort/ ihm zur rechten Seite einzufallen. Mastyes muste mit seinem ge- ringen Hauffen gegen Ladisla einen sehr harten Stand halten/ so daß er schon auff der Weichseite wahr/ als die 4000 ihm zum Entsaz kahmen/ durch deren hefftigen Anfal er sich wieder setzete. Ladisla traff ihn an/ und nahm mit ihm den absonderlichen Kampf auf/ wiewol er ihn vor dißmahl nicht kennete; Er hielt aber so fest gegen/ weil er ohndas lieber sterben als gefangen seyn wolte/ daß er durch starke Gegenwehr ihm entging. Der Feld- Herr Achtes Buch. Herr dieses Suden-Heers empfand harten Wiederstand/ so daß er nicht durch ihre Ord- nung brechen kunte/ wie hefftig er sich gleich bemuͤhete; dann seine Feinde wahren trauen keine Kinder/ sondern alle handfeste beherzete Maͤnner/ daß er Mühe gnug bekam/ und die seinen/ wie gute Waffen sie auch hatten/ manniche Wunden davon brachten; doch drang endlich ihres Fuͤhrers Schwert durch/ daß er den Obersten dieser Voͤlker erlegete/ und dadurch eine grosse Furcht in sie brachte. Bey Agis stund es fast am schlechtesten/ dann Herkules schimpffete nicht/ so bezeigete sich sein aͤdler Blaͤuke nicht anders/ als haͤtte er den gestrigen Spot mit raͤchen wollen; wiewol sein Reuter mehr bemuͤhet wahr/ den fremden Feld Herrn zubeschuͤtzen/ und allen Anfal von ihm abzuwenden/ als dem Feinde zuschaden. Es begab sich/ daß der fremde Feld Herr auff Agiß traff/ und mit ihm anlegete/ aber beyder- seits Reuter trenneten diesen Kampff zeitig/ daß sie gescheiden wurden. Herkules wolte nicht gerne/ daß diesem redlichen Manne leid wiederfahren solte/ nam 300 Reuter zu sich/ und suchete ihn von neuen/ traf ihn an/ und machten ihm seine Leute Raum genug zum Kampffe. Er wolte ihn aber nicht angreiffen/ sondern redete ihn also an: Ihr redlicher A- gis; ich bin euch wegen meiner Wolfahrt verbunden/ und wuͤrde mir leid seyn/ wann ich mein Schwert wider euch gebrauchen solte/ seid demnach gebehten/ und ergebet euch mir/ damit ich Gelegenheit haben moͤge/ euch meine Dankbarkeit sehen zulassen. Preißwirdig- ster Koͤnig/ antwortete er; womit hat euer Knecht solche Gnade verdienen moͤgen/ welche leider bey mir nicht hafften kan/ damit ich nicht von andern vor einen Verraͤhter angesehẽ werde; welches mich auch antreibet/ lieber zusterben/ als meinen Verleumdern ursach zu solcher Schaͤndung zugeben. So muß ich euch nohtwendig angreiffen/ nicht zu eurem Verderben/ sondern zü eurer Erhaltung/ sagte er; stuͤrmete auch damit auff ihn an/ und nach etlichen Hieben/ welche sie mit einander verwechselt hatten/ stuͤrzete Agis mit dem Pferde uͤbern Hauffen/ weil es uͤber etliche Erschlagene herstrauchelte. Herkules aber ließ ihn auffheben/ und befahl/ daß er absonderlich verwahret/ ehrlich gehalten und gelabet wuͤrde. Uber welche Freundligkeit sich dieser so hoch verwunderte/ daß er uͤberlaut sage- te: O wir Ungluͤkseligen/ daß wir mit der Tugend selbst den Streit auffgenommen habẽ/ worzu uns der lasterhaffteste Mensch der Welt gezwungen hat/ dem die Goͤtter gebuͤhrlich lohnen wollen. Seinem Gehuͤlffen dem Pyrechmes ward seine Gefaͤngniß zeitig kund ge- tahn/ welcher sich aͤusserst bemuͤhete/ die Voͤlker wieder in Stand zubringen/ gleich da ihm Dropion zuentboht: Er solte sich nach ihm zihen/ und Mastyes ein gleiches wissen ließ; A- ber dieses wahr nicht so leicht getahn/ als gesagt; dann die unterschiedliche drey Schaarẽ hatten sich zu sehr in einander mit dem Feinde verwickelt. Ladisla an seinem Ort empfand zimlichen Wiederstand/ als Mastyes den Entsaz der 4000 Reuter bekam/ merkete auch/ daß an der andern Seite der fremde Feld Herr mit seinen Voͤlker beide Haͤnde zu tuhn hatte/ deßwegen suchete er Gelegenheit/ mit seinem Bestreiter bald fertig zuwerden/ sam- lete 4000 umb sich/ und sagete: Ihr Herren/ waget mit mir einen redlichen Ansaz/ alsdañ wollen wir durchdringen/ und die ersten seyn/ welche sich des Sieges zuruͤhmen haben. Diese ermunterten sich unter einander selbst/ und stuͤrmeten so unmenschlich zu Mastyes ein/ daß er mit den seinen weichen muste/ und wie hefftig er sich bemuͤhete/ sich wieder zu setzen/ wahr es doch vergebens. Ladisla traff zum andern mahl auff ihn selbst/ und hatte i i i i i ij freien Achtes Buch. freien Plaz/ mit ihm nach Willen zuhandeln/ merkete vor dißmahl/ daß es Mastyes wahr/ und sagte zu ihm: Ritter/ seyd ihr der redliche fromme Mastyes/ so zeiget mirs an/ auf daß ichs vergelte/ wie ihrs umb mich und die meinen verdienet habet. Ja ich bin der ungluͤkli- che Mastyes/ antwortete er/ und begehre keine andere Vergeltung/ da ich einige verdienet/ als daß ich durch eines redlichen Ritters Faust das Ende meines Lebens empfahen moͤge. Nicht also/ sagte Ladisa; ich wil euch sehen lassen/ daß ich nicht allein Woltaͤhtern gerne danke/ sondern auch die Tugend an meinem Feinde liebe. Er wolte aber weder antworten noch sich ergeben/ sondern suchte sich auff seine Voͤlker zuzihen/ ob er sie in Ordnung setzen koͤnte; welches Ladislaen ungelegen wahr/ warf ihn vom Pferde/ und ließ ihn mit 20 Reu- tern aus dem Gedraͤnge bringen. Seine Voͤlker sahen dieses/ gaben an diesem Orte ver- lohren/ und setzeten sich mit ihren andeꝛn zusammen/ so best sie kunten/ in Hoffnung/ daselbst gluͤklicher zustreiten/ aber Fabius/ der steiff bey seinem Schwager hielt/ ging ihnen in die Eisen/ daß sie keine feste Glieder schliessen kunten/ welches bald hernach eine ursach ihrer Flucht wahr. Bey des gefangenen Agiß seinen Leuten brauchte Pyrechmes grossen Fleiß/ daß er endlich alle seine verteilete in ein Heer brachte/ welches noch in zimlicher Manschaft bestund/ wolte auch damit nach Dropion zu/ wo ihm sonst der Feind so viel Zeit und Raum goͤnnen wuͤrde/ woran es ihm aber sehlete; dann Herkules/ als er sahe/ daß er diesen Hauf- fen bald daͤmpffen koͤnte/ sagte zu Arbianes: Mein Freund/ wo ich nicht irre/ daß ihr mein Bruder Arbianes seyd/ so nehmet etwa 2000 oder 3000 Mann zu euch/ umb nachzufor- schen/ wie es dem Sudischen Heer gehen moͤge/ dieses Orts wollen wir mit der Huͤlffe Gottes bald fertig werden. Ich bin zu wenig/ vor Eure Hocheit mich zuverbergen/ ant- wortete er; samlete 3000 umb sich/ und ging hin/ auch an diesem Orte sein Schwert zu versuchen. Der Westische Feldherr fuͤrchtete sich von Herkules erkennet zuwerden/ und suchete Gelegenheit/ sich von ihm zutrennen/ indem er mit 5000 Reutern nach dem linkẽ Fluͤgel ging/ und daselbst tapffer mit ansetzete. Herkules zog seine Voͤlker zusammen/ wel- che noch uͤber 38000 stark wahren/ setzete dem verwaͤgenen Pyrechmes nach/ und draͤnge- te ihn/ daß er Stand halten muste; da ging es nun an ein Treffen/ als haͤtte alles zu Grun- de gehen sollen/ daß des Feindes Glieder bald getrennet wurden; welches ihren Fuͤhrer nicht wenig verdroß/ und sich dahin machete/ in Hoffnung/ diesem Ubel noch vorzukom- men/ aber er sahe es bald an dem Pferde/ wer ihm den Schaden taht/ ging auch mit sol- chem Wuht auff denselben an/ als wolte er ihn mit samt dem Pferde zur Erden stuͤrzen/ aber er fand doppelt vor einfach/ und geboht Herkules seinen Leuten/ ihm vor andern schuz zuhalten/ damit er diesen ihren Führer zum Bahren bringen koͤnte; welcher sich auch findẽ ließ/ und durch seine Raserey sich eine zeitlang schuͤtzete/ endlich aber eine Wunde an den rechten Arm bekam/ daß er sein Schwert nicht mehr fuͤhren kunte/ welches er sonst/ da es zum aͤussersten kommen wuͤrde/ wider sich selbst zugebrauchen/ ihm gaͤnzlich vorgenommen hatte/ weil er an aller Gnade verzweifelte. Herkules reiß ihn vom Pferde/ ließ ihm den Helm abzihen (dann er kennete ihn nicht) und als er sahe/ daß es Pyrechmes wahr/ sagte er zu seinen Leuten: Bindet mir den Schelm und Boͤsewicht/ daß er sich selbst nicht leid antuhe; er muß viel anders/ als durch eines ehrlichen Ritters Hand seinen Lohn empfa- hen; welches er vor schrecken nicht beantworten kunte. Dropion trieb an seinem Orte Wunder/ Achtes Buch. Wunder/ dann die Verzweifelung verdoppelte ihm seine Kraͤffte; Olaff machte ihm zwaꝛ anfangs Ungelegenheit gnug an der rechten Seite/ aber Bato stellete sich wider ihn mit gleicher Anzahl Volckes/ und hielten gleichsam eine absonderliche kleine Schlacht/ da der eine nicht schlaͤfferiger vor sein Leben/ als der ander den Sieg zuerlangen/ fochte. Der Fuͤhrer des Westischen linken Fluͤgels hatte Koͤnig Henrich und Fuͤrst Siegwarden mit der groͤsten Macht lassen auff den Feind gehen/ er aber schwenkete sich mit 8000 Mann nach der Rechten/ daß er Dropion zur linken Seite einbrechen moͤchte/ da er dann so ritter- lich fochte/ daß jeder/ der es sahe/ ihn preisen muste. Pelegon suchte ihn auffzuhalten/ aber er wahr ihm zu schwach an Volk und Kraͤfften/ daß er endlich von ihm hart verwundet und gefangen hinweg geschleppet ward; man band ihm aber Haͤnde und Fuͤsse zusammẽ/ weil man merkete/ daß er suchete/ sich selber zuentleiben. Nach Pyrechmes Gefaͤngniß gin- gen seine Leute von einander/ weil Herkules gar zu straͤnge auff sie hinein setzete/ und sie uͤbeꝛ das weit uͤbermannet wahren. Dropion sahe diese Niderlage mit betrübten Augen an/ und erkennete/ daß ihm unmoͤglich wahr/ den Sieg zubehaͤupten/ wolte deßwegẽ sich selbst niderstossen/ damit er den unsern nicht lebendig zu teil wuͤrde; bedachte sich aber/ aus Hoff- nung/ er koͤnte noch allemahl dieses aͤusserste vornehmen/ und wolte zuvor seinen Feinden so wehe tuhn/ als ihm wuͤrde moͤglich seyn; daher er einen beherzten Obristen den Fluͤch- tigen zusendete/ sie in Ordnung zusetzen/ welches ihm zimlich geriet; dann Herkules uͤber- gab hieselbst Markus die Auffsicht/ und mit 1000 Reutern folgete er dem abgewiche- nen fremden Feldherrn/ welchen er keines weges verlassen wolte. Derselbe aber hatte sich mit dem Fuͤhrer des linken Fluͤgels zusammen gesezt/ kurz hernach als Pelegon von dem- selben gefangen wahr/ da sie dann mit gesamter Hand durchbrachen/ und unter Dropions Voͤlkern eine grosse Unordnung macheten. Arbianes ging mit seinen Leuten ein wenig zu sicher auff Mastyes hinterlassene/ daher er von 5000 frischen und frechen Wagehaͤlsen an- gegriffen ward/ daß er muͤhe hatte ihnen wiederstand zu leisten; Koͤnig Ladisla ging ohnge- fehr dahin/ nur weil er sahe daß an dem Orte sich ein neues ganz ernstliches Schlagen er- huhb/ und nam 5000 mit sich/ unter welchen eine Geschwade von 80 Reutern wahr/ deren Ritmeister einen glinzend- schwarzen Harnisch mit gruͤnen Blumwerk an hatte/ einen Schild in welchem an stat des wapens eine dicke Wolke wahꝛ/ uñ in deꝛselben diese Woꝛte: Sic meruisti; Daß hastu verdienet. Auff dem Helm stund das Laster-Bilde als ein sterben- des Weib/ und ein Taͤflein dabey mit diesem Worte Ejicior tandem . Ich werde endlich aus- geworffen. Er hatte in dieser Schlacht trefliche anzeigungen seiner Tapferkeit sehen lassen/ und gaben seine Leute ihm das Zeugnis/ daß er acht Feinde nidergehauen hatte. Dieser wuste/ daß der Boͤmische Koͤnig ihren hauffen führete/ und schwebete mit seinen Reutern hin und wieder/ umb gelegenheit zu haben/ daß er in dessen gegenwart eine ruhmwirdige Taht moͤchte sehen lassen. Das Glük fugete ihm sehr wol/ und schickete es Gott/ daß er ge- wahr ward/ was gestalt Arbianes von 600 Reutern umbgeben uñ fast eingeschlossen wahꝛ/ da er nur 200 zu seinem beystande bey sich hatte/ daher seiner Leute eineꝛ rieff: O Fuͤrst Ar- bianes leidet Noht. Dieser solches hoͤrend/ schaͤtzete sich gluͤkselig/ fragete/ an was Ort sol- ches geschaͤhe/ und auff nachweisung sagete er zu seinen Reutern; auff/ und folget mir/ dañ hier finde ich was ich gesucht habe; setzete in die Feinde hinein/ da sie sich am dickesten ge- i i i i i iij schlossen Achtes Buch. schlossen hatten/ und stuͤrzete im durchbrechen zu grunde was sich ihm wiedersetzete. Nun haͤtte er laͤnger nicht duͤrffen ausse bleiben/ dann Arbianes Leute wahren auff 24 nahe alle erschlagen/ welche wenige zu fusse fochten/ und sich sterbens schon erwogen hatten; aber dieser trieb die Feinde ab als ein wütiger Loͤue/ und als er zu Arbianes nahete/ spꝛang er vom Pferde/ reichete ihm den Zuͤgel/ und sagete: Sitzet auff gnaͤdigster Fuͤrst/ und vertrauet euch meinen Leuten. Ein Pannonier wagete einen Fal auff ihn zu/ in meinung ihn nider- zuschlagen/ er aber durchstach ihm das Bein/ warff ihn herunter/ und setzete sich auff sein Pferd; noch wolten die Feinde nicht ablassen auff Arbianes zu schlagen/ weil sie merketen/ daß er etwas sonderliches wahr/ und hatte er nicht allein sich gar abgemattet/ sondern das Schwert wahr ihm auch vor der Faust abgesprungen/ und der Schild in stuͤcken zerhauen/ daher dieser ihm beydes hinreichete/ hernach als ein Blinder einen Pannonier anfiel und demselben anfangs das Schwert bald darauff auch den Schild hinweg nam/ woruͤber er doch etliche Wunden empfing. So bald er sich hiemit versehen hatte/ setzete er Arbianes nach/ dem seine Reuter zimlichen Schuz hielten/ blieb ihm stets zur Seite/ und schlug sich glüklich durch/ daß er aller gefahr entrissen bey seinen Leuten wieder anlangete/ wiewol er so mat wahr/ daß er sich kaum auff dem Pferde halten kunte. Nach leistung dieser Taht/ baht er den Fuͤrsten untertaͤhnigst/ ihm seinen Schild wieder zu geben/ welcher nicht allein willig darzu wahr/ sondern zu ihm sagete: Mein Freund/ daß vor dißmahl ich ihm naͤhest Gott mein Leben zu danken habe/ werde ich nimmermehr in abrede seyn/ hoffe auch/ er wer- de sich mir zuerkennen geben/ damit ich sehen lasse/ daß ich der Undankbarkeit nicht gerne moͤchte gezihen werden. Dieser aber gab zur Antwort: Gnaͤdigster Fuͤrst/ ich bin nunmehr bereit und willig zu sterben/ wann nur euer Durchl. nach vollendeter Schlacht mich einer untertaͤhnigsten Bitte gnaͤdigst gewehren wil. Alles mein vermoͤgen/ mein Freund/ ist zu eurem willen/ antwortete Arbianes. Worauf dieser antwortete: Und ich ruchloser Mensch bin nicht wert/ daß eure Durchl. einige erbarmung mir erzeige/ so hoch ist dieselbe ehmahls von mir beleidiget. Dessen wuͤste ich mich durchaus nicht zuerinnern/ sagte der Fuͤrst/ solte es aber ja geschehen seyn/ wollen wirs in die unterste Erde vergraben/ und so gar der Ver- gessenheit uͤbergeben/ als waͤhre es nie geschehen. Gnade genug gnaͤdigster Fuͤrst/ antwor- tete dieser/ und tausendmahl mehr als ich nicht wert bin; spornete damit sein Pferd an/ uñ setzete mit seinen Reutern nicht weit von Ladisla/ mit solchem Grim in die Feinde/ daß er ihre Ordnung trennete; welches Ladisla sehend/ ihm 3000 nachgehen ließ/ welche hieselbst den Feind auff die Flucht brachten. Die beyden Fuͤhrer des Westischen Heers hatten sich/ wie gesagt/ zusammen getahn/ und aͤngstigten Dropions Hauffen von der linken Seiten dergestalt/ daß sie nicht mehr stehen kunten. An der rechten Seiten kunte Olaf nichts son- derliches schaffen/ wagete es derwegẽ/ die ruhende Nordische Ritterschaft ingesamt 20000 stark zu sich zu fodern/ welches Bato ersehend/ die helfte der wiedergesetzeten Voͤlker von Agiß/ zu sich hohlen ließ/ ob er dieser Macht wiederstehen koͤnte. Dropion ward also von dreien Orten her angegriffen/ noch setzete er sich so grimmig wieder seine Feinde/ daß es schien/ er wuͤrde allenthalben durch brechen/ traff endlich auff die beyden Führer des Westi- schen Heers/ und schlug bald auff den einen/ bald auff den andern/ daß sie ihm nichts ange- winnen kunten. Herkules kam gleich darzu/ sahe solches/ und rieff ihnen zu; goͤnnet mir/ meine Achtes Buch. meine Freunde/ goͤnnet mir diesen meinen Erzfeind/ dann er hat keinen Menschen hoͤher beleidiget/ als mich; rante auch mit einem ungewoͤhnlichen Eifer auff ihn dar/ und als er ihm nahete/ sagte er: Du graͤulicher Bluthund/ Gott lob/ dz ich meineꝛ Faͤuste wiedeꝛ maͤch- tig bin/ diꝛ den teuflischen Schimpf einzubꝛingen/ und meine rechtmaͤssige Rache auszuuͤbẽ. O du zum Galgen verdamter/ antwortete er/ was vor Unglük hat dich wieder in den Har- nisch verstecket? fiel zugleich uͤber ihn her/ ob wolte er ihn erstes Treffens erlegẽ; aber Herku- les wolte dißmahl gewinnen oder verspielen/ und hielt ihm die Stange mit solcher Voꝛsich- tigkeit/ dz jenem sein Rasen zu nichts dienete/ als dz er sich selbst abmattete. Die beydẽ Feld- Herren samt ihren Leuten hielten ihm Schuz genug/ dz kein ander sich in ihren Kampf ein- mischẽ kunte; daher Herkules sich desto emsiger befliesse ihn zu fellẽ/ oder wo moͤglich/ leben- dig in seine Gewalt zubekom̃en/ nit zweifelnd/ nach seiner uͤberwindung solte alles geschehen seyn; er hatte sich aber mit so festẽ Waffen versehẽ/ dz er nit leicht zubeschaͤdigẽ war/ worauf er sich dañ nit wenig verließ; doch fuͤgete es sein Ungluͤk/ dz sein Pferd auß Mattigkeit in die voͤrder Knie schoß/ und zugleich mit einem Hinter Beine einen falschen Trit taht/ woruͤber es gar nach der rechten Seiten umschlug/ daß Dropion darunter zuliegen kam/ und mit seinem Schwerte sich nicht beschaͤdigen kunte/ wie heftig er sich auch darnach bemuͤhete. Herkules nicht saul/ sprang ab/ reiß ihm das Schwert aus der Faust/ und ließ sechs Teut- sche Reuter herzu kommen/ welche ihm die Haͤnde auff den Ruͤcken zusammen binden/ und den Helm abloͤsen musten/ bald auch den Krebs und Ruͤk Harnisch/ worffen ihn auff ein Pferd in die quere/ und fuͤhreten ihn in Begleitung 80 Reuter davon/ da er Herkules diese Worte hoͤren ließ: Das sind die allergroͤssesten Wuͤteriche/ die uns heissen leben/ wann wir gerne sterben wolten/ und es also richten/ daß wir weder Freund noch Feind in der Welt haben muͤssen. Aber er bekam nicht die geringste Antwort darauff/ dann Herkules wahr in seiner Andacht begriffen/ daß er seinem GOTT vor diesen herli- chen Sieg dankete. Olaff/ so bald er die Nordischen Reuter bekam/ vermahnete er sie mit kurzen Worten/ sich redlich zugebrauchen/ und als geruhete/ den abgematteten Feind mit allen Kraͤfften anzugreiffen/ welches sie dergestalt verrichteten/ daß die Panno- nier mehr weichens als wehrens macheten. Markus ermunterte die seinen auch/ so wolten Koͤnig Henrich und Fuͤrst Siegward nicht die geringsten seyn/ daß demnach dieser Feind hinter sich außwiech/ und alles verlohren gab/ wie hefftig auch Bato sich bearbeitete/ nach seines Vaters Gefaͤngniß die Voͤlker zum Stande zubringen; auff welchen Olaff einen ge- waltigen Fal/ mit einem geruheten Pferde wagete/ ihn am rechten Arm verwundete/ und ihm das Pferd unter dem Leibe niderschlug/ daß er fluͤrzete/ und von 50 Reutern gefangen hinweg gefuͤhret ward; der Oberste/ welcher ihm den Entsaz zugebracht hatte/ ward von einem Nordischen Obersten nach harter Verwundung angenommen/ und fortgeschicket. Als Dropion zu den andern Gefangenen gebracht ward/ unter welchen auch Hyppasus sich von gestern her befand/ hieß dieser ihn also wilkommen: Es ist mir lieb Dropion/ daß/ nachdem unser lieber Koͤnig durch diesen unnoͤtigẽ von euch angezetteltẽ Krieg hat muͤssen in Gefaͤngniß gerahten/ uñ in jenem Zelte/ gleich gegen uͤber verwahret wird/ ihr als Stiff- ter und Uhrheber dieses Elendes/ ihm Geselschaft leisten muͤsset. Daß dir feihen Afte Reu- ter mein Unfal nit unangenehm seyn kan/ antwortete er/ weiß ich mehr als zu wol/ kan auch leicht Achtes Buch. leicht erachten/ dz deine Beisitzer (diese wahren Mastyes und Agiß) mehr uͤber meine Ban- de lachen/ als uͤber die ihren weinen. Aber haͤttet ihr Hudler euch redlich gehalten/ und mir mein Gestriges Gericht nit gehindert/ wolten wir alle miteinander frey und Obsieger seyn. Diese wolten ihm antwortẽ/ aber Prinsla uñ Neklam/ welche wegen ihrer Verwundung ihnen zu Auffseher gegeben wahren/ hiessen sie schweigen/ uñ daß sie foͤrder kein Wort/ we- der boͤses noch gutes miteinander reden solten/ oder man würde ihnen dz Maul mit einem Knebel hemmen. Bald nach Bato Gefaͤngniß wurden Agiß und Dropions Voͤlker ganz eingeschlossen/ daher sie um Gnade uñ Lebens Fristung rieffen/ wie wol eine Schaar 12000 stark lieber sterben/ als leibelgen seyn wolten/ schlugen sich nach Osten zu durch/ und setzeten sich in viel kleine Haͤufflein von etlichen hundert Mannen/ ob sie desto fuͤglicher durch die Flucht entriñen koͤnten/ aber Klodius uñ die andern/ welche biß daher hieselbst mit 20000 Reutern geruhet hatten/ setzeten sich gar breit ins Feld/ daß sie ihren Siñ endern/ und sich ergeben musten; Ladisla hatte nunmehr auch an seinem Orte es so weit gebracht/ daß der Feind Herz und Haͤnde sinken ließ/ uñ bey grossen Schaaren Ostwerz begunten auszureis- sen/ wurden aber gleich wie die vorigen zuruͤk gewiesen/ uñ musten sich gefangen geben; nur ein Haͤuflein 500 stark setzete sich enge zusammen/ und weil sie lieber sterben/ als leibeigen seyn wolten/ drungen sie hindurch/ daß sie das Feld einbekahmen; und die unsern sie im̄er- hin lauffen liessen/ damit sie die ungluͤklichen Bohten seyn/ und ihre gaͤnzliche Niderlage dẽ ihren ankuͤndigen moͤchten. Also wahr dieser erschrekliche grimmige Feind gedaͤmpffet/ und der herliche Sieg durch grosse Blutstroͤhme und unsaͤgliche Gefahr erhalten. Es wurden 70000 Pannonier lebendig gefangen/ unter welchen 150 Obersten/ und 1300 Haͤuptleute wahren/ mehrenteils hart verwundet. Uber diese wahren 105 Obersten in die- sem ganzen Kriege an Feindes Seiten umkommen/ und an die 2000 Haͤuptleute/ nebest 342000 Unteꝛ Haͤuptleuten/ Faͤhndrichen und gemeinen Knechten/ dieselben ungerechnet/ welche im ersten Einfal vor den Grenz Festungen blieben. In dieser heutigen Schlacht a- ber hatten die unsern dannoch auch eine merkliche Anzahl eingebuͤsset; Das Westen Heer missete von beyden Fluͤgeln 12000 Mann/ und hatte 7000 beschaͤdigte; Von dem Su- dischen Heere wahren 7500 erschlagen/ und 8500 verwundet. Das Nordische hatte den geringsten Abbruch gelitten/ massen deren nur 1500 erschlagen/ und 2000 verwundet wah- ren/ daß also die unsern noch ein Heer von 163500 gesunder Manschafft ins Feld stellen kunten/ und von den beschaͤdigten/ deren 17500 wahren/ etwa 5000 das Leben einbuͤsseten; hatten also überal 26000 Mann in dem heutigen ernstlichen Treffen zugesetzet. Nach er- haltenem Siege traffen die Koͤnige und Fuͤrsten/ die kurz zuvor gefangen gewesen waren/ wunderlich aneinander/ setzeten sich ingesamt auff die Knie/ und danketen dem Almaͤchtigẽ Gott beydes vor die vaͤterliche Staͤupe und allergnaͤdigste Erloͤsung/ eine gute Viertel- stunde lang/ hernach trugen sie grosses Verlangen/ die beiden tapfferen Helden zuerkennẽ/ welche den West- und Sudischen Entsaz herzugefuͤhret hatten. Sie sahen nicht gar weit von ihnen drey Geharnischte auff den Knien ihr Gebeht halten/ gingen zu ihnen hin/ und wurden bey ihren entbloͤsseten Haͤuptern gewahr/ daß Koͤnigin Valiska (dann eben diese hatte den rechten Fluͤgel gefuͤhret/ und des Feindes Lager eingenom̃en)/ Koͤnig Baldrich/ und Groß Fuͤrst Arbianes (der sich schon hatte lassen verbinden) dieselben wahren. Da ging Achtes Buch. ging es nun an ein umfahen/ herzen und kuͤssen/ und sagete Herkules zu ihr: Ach warumb hat mein Schaz sich vor mir so lange verbergen wollen/ nach dem ich in so grosser Lebens- gefahr gestecket/ daß wenig gefehlet/ sie wuͤrde ihren getraͤuen Herkules haben muͤssen am Galgen haͤngen sehen. Sie erschrak der Rede hoͤchlich/ und als sie den Verlauff kürzlich vernommen hatte/ baht sie anfangs umb Verzeihung/ daß ohn eingewilligten Urlaub sie sich in die Schlacht mit eingewaget haͤtte; verstaͤndigte ihn hernach/ daß aus Furcht des grimmigen Feindes sie bald nach ihrem Abzuge von Prag nach Teutschland geschicket/ und daselbst 40000 Reuter vor baar Geld werben lassen/ worzu sie 10000 Boͤhmen ge- samlet und den rechten Fluͤgel damit versehen/ da ohn Zweifel der guͤtige Gott es also ge- schicket/ daß sie eben zu rechter Zeit ankommen muͤssen/ als Arbianes auff sie gestossen/ mit dessen Zutuhn sie alle Fluͤchtigen auffgesamlet/ und daraus den linken Fluͤgel unter Bald- richs Befehl gestellet/ welche dann durch ritterliches fechten die gestrige schaͤndliche Flucht gut gemacht/ und den verwirketen Tod von sich abgewendet haͤtten. Der gefangene Blut- hund Mnata waͤhre ihr auch auff dem Wege eingeliefert/ welcher sich gar demůhtig er- zeiget haͤtte/ und unter starker Huht auff seine Straffe warten muͤste. Die Obristen des Nordischen Heers kahmen zu unsern Helden/ und lieferten ihnen ihr ansehnliches Heer im Nahmen der Wendischen Fuͤrstin/ welches alsbald Olaffen/ als volwaltigem Feld- Herrn uͤbergeben ward. Es wurden alle Koͤnige und Fuͤrsten eins/ nach dem Sudischen Heer zureiten/ von welchem sie noch das allergeringste nicht wusten/ wz vor Leute sie waͤh- ren/ oder wer sie ihnen zum Beystand ausgeschikt haͤtte; und ruͤhmete nicht allein Ladisla/ daß sie ganz eiferig und tapffer gefochten haͤtten/ sondern Arbianes zeigete zugleich an/ wie ernstlich ein handfester Ritmeister von demselben Heer sich zu seines Lebens Rettung ge- brauchet/ und davor nichts/ als seines ehmahligen Verbrechens (welches ihm doch aller- dinge unbewust) Gnade und Vergebung begehret. Valiska/ seine grosse Gefahr verneh- mend/ gab zur Antwort: Wann dieser gleich die allergroͤbeste Missetaht haͤtte begangen/ muͤste ihm doch nicht allein verzihen/ sondern auch Fuͤrstliche Geschenke mitgeteilet wer- den. Sie ritten hierauff fort nach dem Sudischen Heer/ unter der Begleitung von 100 Reutern/ da Koͤnig Ladisla mit entbloͤssetem/ die uͤbrigen mit behelmeten Haͤuptern sich stelleten/ und durch einen Gesanten freundlich begehreten/ der Feld Herr dieses maͤchtigen Heers/ dem ein grosser Teil des erhaltenen Sieges billich zugeschrieben wuͤrdt/ moͤchte sich unbeschweret gefallen lassen/ mit dieser Koͤnigl. und Fuͤrstlichen Geselschaft sich zubespre- chen/ und ihnen seine Kundschafft zugoͤnnen/ damit ihnen Gelegenheit an die Hand gege- ben wuͤrde/ sich dankbarlich zubezeigen. Dieser wolte ihnen solches nicht abschlagen/ nahm 120 ansehnliche Ritter zu sich/ und ritte mit auffgeschlagenem Helme hinzu/ da Ladisla ihn auff dem Pferde umfing/ und nachgehends ihn also anredete: Wie ersprießlich/ tapfferer Held/ uns allen eure ganz unvermuhtliche Ankunfft und Huͤlffe gewesen/ so begierig sind wir auch/ denselben grossen Herrn zuerkennen/ der uns einen solchen Beystand in unsern Noͤhten geleistet hat/ daß wir auch nicht froͤlich seyn koͤñen/ ehe und bevor uns solches kund getahn ist; zweifeln demnach gar nicht/ es werde eure Tapfferkeit uns diese hohe Gluͤkselig- keit mitteilen/ und sich versichern/ daß wir alle miteinander zu dessen Freundschafft nach aller Moͤgligkeit so erboͤtig als verbunden sind. Dieser Feld Herr fragete kuͤrzlich/ was k k k k k vor Achtes Buch. vor ein grosser Herr ihn angeredet haͤtte; und nach dessen Anmeldung/ gab er diese Ant- wort: Großmaͤchtigster unuͤberwindlicher Koͤnig/ gnaͤdiger Herr; die Anzahl Voͤlker/ welche unter meiner Anfuͤhrung zu rechter Zeit/ (wovor ich dem Himmel danke) ankom- men sind/ hat ein wahrer Freund der Teutschen ünd Boͤhmen in hoͤchster Eile bißhieher zu deren Beystand fortgehen lassen/ so bald er des unredlichen uͤberfalles der Pannonier ist berichtet worden/ und solches insonderheit zu ehren der Großmaͤchtigsten Koͤnigin/ Frau Valisken/ unter dem mir gegebenen Befehl/ daß ich meinen grossen Herrn und mich selbst niemand melden sol ehe und bevor hoͤchstgedachter Koͤnigin ich diese meine Voͤlker zu- gestellet habe. Ladisla fiel ihm in die Rede/ und sagete zu ihm: Tapfferer Held/ wann es sonsten an nichts als an diesem fehlet/ wollen wir ob Gott wil gar bald gute bekanten wer- den/ massen ich denselben versichere/ daß des Westischen Heers Fuͤhrer und Herzog kein ander/ als meine geliebete Fr. Schwester/ Koͤnig Herkules Gemahl/ Fr. Valiska gewe- sen ist/ welche hie bey ihrem Ehe Gemahl haͤlt/ und durch Ablegung des Helms sich alsbald wird zuerkennen geben. Dieselbe hoͤrete alle ihre Rede/ legete den Helm von sich/ ließ ihre Goldgelben Haare umb die Schuldern fliegen/ ritte dem fremden naͤher/ und redete ihn also an: Tapfferer Held/ wann eure Voͤlker mir insonderheit zu ehren hergefuͤhret sind/ wird mirs sehr schwer fallen/ es zuvergelten/ es waͤhre dann/ daß der grosse Herr meinen Willen vor die Werke nehmen/ und durch eine stetswillige Begier sich wolte vergnuͤgen lassen/ wiewol ich mich nicht entbrechen werde/ seinen tapfferen Leuten eine moͤgliche Ver- geltung sehen zulassen; nur bitte ich vor dißmahl unsern brennenden Wunsch zuerfuͤllen/ und so wol seinen als seines grossen Herrn Nahmen uns anzumelden. Groß Fürst Mar- komir (dieser wahr der Sudische Feld Heer) kennete alsbald ihr Angesicht/ durch dessen anschauen sein Herz und Seele auffs hefftigste geruͤhret ward/ daß er sich so bald nicht be- greiffen kunte; endlich legete er seinen Helm ab/ schwang sich vom Pferde/ und trat zu ihr/ des Vorsatzes/ ihre Fuͤsse im Stegreiff zukuͤssen/ welchem sie aber wol vorzukommen wu- ste/ und mit diesen Worten ihm die Hand boht: Mein Herr und Freund/ er wolle/ bitte ich/ mich nicht uͤber Gebuͤhr und Wolstand ehren/ sondern mir seinen Nahmen anzeigen/ damit ich wissen moͤge/ wie ich mich gegen denselben zuverhalten habe. Welches er also beantwortete: Warumb solte der tieffverschuldete Knecht Markomir unterlassen/ diesel- be uͤber alles zuehren/ von welcher er aus der Unvernunfft wieder zu seinem Verstande/ uñ aus dem Verderben zu seiner jetzigen Gluͤkseligkeit gebracht ist. Valiska dieses hoͤrend/ sprang gerade von ihrem Pferde/ trat ihm entgegen/ und nach einem schwesterlichen um- fangen und dargebohtenem ehrliebenden Kusse (wodurch er zum allerhoͤchsten ergetzet ward) sagete sie zu ihm: Durchleuchtigster Groß Fuͤrst/ ich befinde mich bereit Euer Liebe staͤrker verbunden/ als ich nimmermehr bezahlen kan/ und solches wegen der hohen und warhafften Freundschafft/ welche dieselbe zu mir traͤget; wie werde ich dann diese mehr als Bruͤderliche Huͤlffleistung vergelten koͤnnen/ ohn welche wir unsers Orts den Sieg schwerlich wuͤrden erhalten haben? Ich trage aber zu Euer Liebe diese Zuversicht und fe- stes Vertrauen/ dieselbe werde unsere Geselschafft nicht so schleunig verlassen/ daß wir nicht solten Zeit haben/ zum wenigsten durch allerhand ehrliebende Bezeigungen scheinen zulassen/ wie herzlich gerne wir bezahlen wolten/ wann nur die Schuld nicht gar zu uͤber- maͤssig Achtes Buch. maͤssig waͤhre. Der junge Fuͤrst befand sich durch diese Rede in der allersuͤssesten Vergnuͤ- gung/ wahr auch so gar von ihm selber kommen/ daß er aller Antwort vergessend/ sich vor ihr auff beyde Knie niederwarff/ und mit demuͤhtigen Geberden ihre Knie umfing/ so daß sie sich von ihm nicht loßwirken kunte/ und befuͤrchtete sie sich eines schweren Unfals/ weil sie nicht allein seiner Farbe Verenderung sahe/ und das zittern seiner Glieder wahrnahm/ sondern auch seine starken Seuffzer hoͤrete; und wahr der mit Liebe und Anmuht erfuͤllete Fürst in dem Stande/ daß wenig fehlete/ er waͤhre vor Freuden Todes verblichen. Die gesamten Koͤnige und Fuͤrsten stiegen von ihren Pferden/ ihn ehrerbietig zuempfahen/ da dann Herkules voraus trat/ und mit entbloͤssetem Haͤupte zu ihm nahete/ gleich da Valiska durch nicht geringe Bemuͤhung ihn von der Erden auffgerichtet hatte/ uñ ihn zum andern mahle umfangen hielt. Sie wolte ihm aber Zeit geben/ sich in etwas zubegreiffen/ darumb redete sie ihren Herkules also an: Sehet hier/ mein Schaz/ den teuren Groß Fuͤrsten und naͤhesten Erben des maͤchtigen Koͤnigreichs der Franken und Sikambern/ dessen Liebe so willig gewesen ist/ uns in unsern hoͤchsten Noͤhten beyzuspringen/ wovor wir ohn zweifel deroselben sehr hoch verbunden sind. Ja Durchleuchtigster Fürst/ Herr Markomir/ sagte Herkules/ was vor eine unbegreifliche Tugend euer recht Fuͤrst- und Koͤnigliches Herz be- wohne hat Eure Liebe durch diese kraͤfftige Huͤlffe dergestalt sehen lassen/ daß es klaͤrer nit haͤtte geschehen koͤnnen/ und wie ich eine geraume Zeit her Euer Liebe Kundschafft gewün- schet/ und des steiffen Vorsatzes gewesen bin/ nebest meinem Gemahl Eure Liebe zubesu- chen/ also erfreuet michs inniglich und von Herzen/ daß dieselbe ich dieser ends sehen sol/ deren ich mich samt alle meinem Vermoͤgen zu allen getraͤuen Diensten und auffrichtigeꝛ wahrer bruͤderlicher Freundschafft anerbiete. Der Fuͤrst erhohlete sich etlicher massen/ stund aber doch annoch in grosser Verwirrung/ daß er seine Zunge nicht gebrauchen kun- te; welches Ritter Farabert (der allernaͤhest hinter ihm stund) merkend/ seine Stelle ver- trat/ und also antwortete: Ihr unuͤberwindliche Koͤnige; verzeihet/ bitte ich/ meinem gnaͤ- digsten Groß Fuͤrsten/ Herrn Markomir/ daß dessen durch die allervolkommenste Vergnuͤ- gung ganz verzucketen Geister/ mit viel zu anmuhtigen Gedanken umgehen/ als daß diesel- ben durch der Zungen Laut soltẽ koͤnnen ausgedruͤcket werdẽ/ nachdem seine Durchl. ganz unvermuhtend hieselbst dasselbe antrifft/ welches zusehen/ die ganze Zeit seiner wiederer- langeten Gesundheit/ sein einiger Wunsch gewesen ist. Valiska machete sich gemaͤhlig von Markomir loß/ daß Herkules Gelegenheit bekam/ ihm nahe zutreten/ und ihn zu um- fahen; Welcher nunmehr sein Herz in etwas beruhiget befand/ und sich unterstund/ Her- kules mit ehrerbietiger Neigung zubegegnen; der ihm solches doch nicht gestattete/ son- dern ihn zum andern mahle ganz Bruͤderlich umfing; Worauff jener endlich diese Rede von sich gab: Großmaͤchtigster Unuͤberwindlicher Koͤnig/ auch Großmaͤchtigste Unuͤber- windliche Koͤnigin; mit was Gehorsam kan ich diese hohe Gnade ersetzen/ welche von Ihren Hocheiten mir Unwirdigen hieselbst begegnet und mitgeteilet wird? Ich ruffe den Himmel zu Zeugen/ daß die Beherschung der ganzen Welt/ wann sie mir zustůn- de/ ich willig uͤbergeben wolte/ wann dadurch ihre Gewogenheit und Freundschafft ich koͤnte erlangen; und diese wird mir mit so grossem uͤberflusse angebohten/ daß ich ei- ne Schuldigkeit seyn/ erachten muß/ davor zusterben/ wann einigerley weise Ihren k k k k k ij Hocheiten Achtes Buch. Hocheiten mit meinem Tode wuͤrde koͤnnen gedienet seyn. Vor dißmahl habe ich von noͤhten/ meines Unverhaltens gnaͤdige Verzeihung zu bitten/ hoffe auch/ nicht allein die- selbe zuerlangen/ sondern mit der Zeit/ da meine Gegenwart kan gelitten werden/ mei- ne Augen also zugewaͤhnen/ daß dieselben die Strahlen der allervolkommensten Tugend- Sonnen in etwas werden ertragen koͤnnen/ welche bey dem ersten unvermuhtlichen an- schauen mich allerdinge geblendet haben. Durchleuchtigster Groß Fuͤrst/ antwortete Va- liska; eure Liebe wollen/ bitte ich sehr/ dieses Wortgepraͤnge denen uͤberlassen/ welche mehr Freundschaft auff der Zungen als im Herzen fuͤhren; euer Liebe gewogenheit laͤsset sich in der Taht so helle und scheinbar sehen/ daß kein Mensch ein mehres begehren kan. Ich habe lange und gluͤklich gnug gelebet/ unvergleichliche Koͤnigin/ antwortete er/ wann mein be- müheter Wille angenehm ist/ weil ausser dem meine Schwacheit nichts erhebliches leisten kan. Die freundliche Beredung hielt bey ihnen zimlich an/ biß Markomir seiner Eltern Gruß anbrachte/ und daß dieselben die Teutschen und Boͤmischen Koͤnige und Koͤnigin- nen freundlich ersuchen liessen/ ihr wahres und ergebenes Freundes Herz aus diesem wil- faͤrtigen Beystande zuerkennen/ welche sich hiemit erboͤhten/ vor ihre Wolfahrt ihres gan- zen Frankisch- und Sikambrischen Reichs vermoͤgen willig anzuwenden. Welches mit gebuͤhrlichem dank erkennet und beantwortet ward. Herkules und Ladisla erlaͤubeten den Voͤlkern auff der Wahlstat Plunderung zu halten/ aber weder die Sudischen noch die Nordischen Voͤlker wolten daran anteil haben/ derwegen musten die Teutschen und Boͤh- men alle Beute an einen Ort zusammen tragen/ welche sich auff viel Tonnen Goldes an Baarschaft/ Geschmeide und Pferdeschmuk belieff/ welche nachgehends unter alle Voͤlker verteilet ward/ wiewol man den Franken einen grossen Vorzug gab; des Lagers Reich- thum wahr sehr groß/ welchen Ladisla unter die Koͤnige und Fuͤrsten verteilete/ wo bey Markomir sich heftig wegerte. Was man aber bey den gefangenen Pañoniern fand/ ward alles zur gemeinẽ Beute geleget. Zeit wehrendeꝛ einsamlung der Beute stelleten unsere Hel- den das Gericht uͤber ihre Gefangenen an/ liessen in aller eile auff die gestrige Stelle nahe bey dem annoch stehenden Galgen ein Gesaͤß auffbauen/ und alle vornehme Gefangene samt ihrem Koͤnige/ an der Zahl 127/ an Ketten und Banden herzufuͤhren/ unter denen a- ber Mastyes/ Agis und etliche andere mehr/ die sich ihrer gestrigen Erloͤsung angenom̃en hatten/ ehrlicher gehalten/ und von Leches ungefesselt begleitet wurden/ daß sie nicht unter den andern Gefangenen/ sondern ihnen zur Seite gingen/ uñ ihr Gleitsman sie mit freund- licher Unterredung/ wie ihm besohlen wahr/ unterhielt/ welches sie doch wenig achteten/ nachdem sie entschlossen wahren/ mit ihrem lieben Koͤnige zu sterben oder zugenesen/ wel- cher mit seinem Dropion (als einpar Hunde) zusammen gefesselt wahr. Als sie vor dz Ge- ruͤste traten/ auff welches alle Fuͤrstliche Haͤupter/ ausser Koͤnigin Valiska sich gesetzet hat- ten/ wurden diese beyden voneinander geloͤset/ und muste Mnata allein etwas naͤher kom̃en/ welchen Ladisla mit uͤberaus grimmigen Angesicht und fünkelnden Augen also zu Rede stellete: Was vor ein boͤser Geist hat dich getrieben/ du ehrvergessener gottloser Mordbren- ner/ Dieb/ Raͤuber/ und Moͤrder/ daß du nicht allein mich und mein unschuldiges Land/ ohn alle gegebene Ursach/ unabgesagt/ und mit so teuflischem Grimme angefallen/ sondern auch allen Inwohnern den Tod/ dem ganzen Lande die Verwuͤstung/ und welches erschrek- lich Achtes Buch. lich zu hoͤren/ vier unschuldigen ehrliebenden Koͤnigen und dreyen redlichen Koͤniglichen Fuͤrsten den Galgen hast angedraͤuet und auffrichten lassen/ auff daß du auff einmahl und an einem Schand- holze fuͤnff großmaͤchtige Koͤnigreiche schmaͤhen moͤchtest/ welche dir nie keine beleidigung angefuͤget hatten? und diese von ewigkeit her ganz unerhoͤrete Grau- samkeit wuͤrde dein verteuffelter Marschalk/ ohn zweifel aus deinem ehmahligen geheiß uñ anordnung zuvolstrecken/ gestriges Tages nicht unterlassen haben/ dafern der almaͤchtige barmherzige Gott nicht etliche wenige auffrichtige Herzen deines gewesenen Volkes auf- gemuntert haͤtte/ welche/ inbetrachtung deiner selbst eigenen Gefahr/ seiner unmenschlichen Wuͤterey und durch triebenem Frevel sich wiedersetzeten/ welches ihnen unvergolten nicht bleiben mus. Nun sihestu ja/ daß gleichwol noch ein Gott im Himmel wohnet/ welcher dei- nem naͤrrischen Hochmuht steuren kan/ wann du ja Menschen zu geringe achtest/ dich vor ihnen zu fuͤrchten. Und ich frage dich/ du Henkermaͤssiger/ bildetestu dir wol ein/ als du den Galgen vor meinem Lager auffrichtetest/ diese Koͤnigliche/ Hochfuͤrstliche und Ritterliche Geselschaft wuͤrde deinen Strik ohn wegern umb den Hals nehmen/ und mit dir die Leiter hinan klimmen/ daß du sie frey immerhin auffknuͤpfen moͤchtest/ da sie doch ein so wolgeset- zetes Heer umb und bey sich hatten? Doch setze ich dieses auch beyseit/ und moͤchte nur ger- ne wissen/ was vor eine unsinnige Bosheit dich getrieben hat/ daß du meinen wahrẽ leben- digen Gott/ welchen du aus teuflischem Spot einen erhenketen nennest/ laͤstern/ und gleich- sam zum Kampfe hast ausfodern duͤrfen. Sihestu noch nicht/ daß er dir redlich/ zeitig/ und mehr dann zu scharff kom̃en ist/ und uns seine Kinder zwar mit der gnaͤdigen Vater-Ruh- te/ wegen unser Suͤnde gezuͤchtiget/ wovor wir ihm herzlich danken/ dich aber mit schwerer Hand zur grimmigen Straffe/ wegen deiner laͤsterung und unmenschlichen gottlosigkeit hingerissen hat? So schicke dich nun nebest deinen mitgefangenẽ/ von dir bestelleten Mord- brennern/ Raͤubern und Moͤrdern zum wolverdieneten Tode/ dann du must den Gagen/ welchen du dieser Koͤniglichen Geselschaft/ wiewol/ Gott lob/ zu fruͤh und vergebens hast auffrichten lassen/ mit deinem gottlosen verfluchten Leibe zieren und kleiden/ und daran dei- ne zu leben unwirdige verfluchte Seele ersticken lassen; woraus du noch vor deinem Ende die Warheit des alten Sprichworts lernen kanst: Mannicher graͤbet einem andern eine Grube/ und faͤllet selber dahinein. Der gefangene Mnata entsetzete sich dieser schleunigen Urtel/ sahe den Galgen vor Augen/ und muhtmassete aus Ladislaen vorbringen/ daß Dropion ihn den gefangenen Koͤnigen wuͤrde haben auffrichten lassen/ betraurete solches sehr/ und fing an/ dieser gestalt sich zuverantworten: Wir Koͤnige haben leider das gemeine Laster an uns/ daß wir nichts so heftig/ als die Beherschung über viel andere/ und die Rache der empfan- denen Beleidigung mit aller macht zu volstrecken/ uns lassen angelegen seyn; insonderheit/ wann hohe Beamten und Raͤhte nicht allein in solchen Sachen sich vor stete Ohrenblaͤ- ser angeben/ sondern auch so viel gewalt uͤber uns erlangen/ daß wir sie hoͤren/ uñ ihrer fuͤh- rung folgen müssen. Eben dieses/ bekenne ich/ hat auch mich ungluͤkseligen Koͤnig verleitet und getrieben/ einen moͤglichen Versuch zu tuhn/ ob mir das Gluͤk/ dem ich zu viel trauete/ so guͤnstig seyn/ und meine Gewalt uͤber dieselben ausbreiten/ ja mich auch an denen raͤchen wolte/ welche mich den Roͤmern zu zehnjaͤhriger Schatzung uͤbergeben haben. Nun ist an meiner Seite alles zum aͤrgesten Ungluͤk ausgeschlagen/ und habe nicht allein den ganzen k k k k k iij Kern Achtes Buch. Kern meiner Untertahnen eingebuͤsset/ sondern auch diese Ketten annehmen/ und als ein Ubeltaͤhter mich vor Gericht schleppen lassen muͤssen; da ich dann gestehe/ daß meine Ob- siger leicht Ursach finden koͤnnen/ mit mir also zuverfahren/ wie mir anjetzo gedraͤuet ist. Ich erinnere mich uͤberdas auch meiner unbesoñenheit/ daß in auffrichtung des verfluch- ten Galgen ich eingewilliget/ welches vielleicht (doch zweifele ich dran) ich durch starkes und aͤusserstes wiedersprechen haͤtte hindern koͤnnen; daß es aber aus meinem Angeben/ o- der Geheiß und wolgefallen solte geschehen seyn/ oder ich jemahls des willens gewesen/ Koͤ- nig- und Fuͤrstliche Haͤupter hinan zu heben/ oder heben zu lassen/ wird mir kein Mensch uͤberbringen; aber wol/ dz ich anfangs dawieder geredet/ uñ den ausgesprochenẽ Schimpf nie gebillichet/ vielweniger aus meinem Munde gehen lassen. Hat mein gewesener Mar- schalk sonst gestriges Tages/ welches mir allerdinge unwissend ist/ sich einiger unbilligkeit wieder eure Koͤnigl. Hocheiten unternommen/ solches ist mir bey Koͤniglicher Traͤue herz- lich zu wieder/ und machet mich fuͤrchten/ es sey solches mehr zu meinem selbst eigenen/ als zu anderer Leute verderben und untergang angesehen gewesen/ gestaltsam ihm ja meine Ge- faͤngnis nicht hat koͤnnen unbewust seyn/ deren mich zuentheben// man ja alle guͤte/ und kei- ne grausamkeit haͤtte anwenden und gebrauchen muͤssen/ da man sonst meine Wolfart und Erledigung suchen wollen; ist mir demnach von herzen lieb/ daß etliche der meinen solchem teuflischen Vornehmen wiederstanden/ und so wol von eurem tapferen Koͤniglichen Blu- te/ als von mir selbst das Verderben abgekehret haben. Ja ihr redliche und ehrliebende Koͤ- nige/ ich ruffe den wahrhaften Himmel zu zeugen/ und alle Goͤtter/ die mich in dieses Un- glük gestuͤrzet haben/ daß wann die Wahl bey mir gestanden/ wolte ich lieber durch eure ritterliche Faust in der Schlacht nidergehauen seyn/ als durch eure schaͤndliche Erhenkung mein Leben gerettet haben. In betrachtung dessen gelebe ich der troͤstlichen Hofnung und zuversicht/ Koͤnig Ladisla werde seine gesprochene Urtel gnaͤdig maͤssigen/ und an mir un- gluͤkseligen/ der ich gestern umb diese Zeit noch ein maͤchtiger Koͤnig wahr/ seinen recht- schaffenen Heldenmuht sehen lassen/ daß er an keinem andern Fuͤrstlichen Blute gefallen traͤget/ als welches er ritterlich mit dem Schwerte vergeusset/ auff welche weise ich ihm das meine tausendmahl lieber haͤtte goͤnnen und geben wollen/ als daß ich diese Ketten tra- gen/ und vor Gerichte stehen mus. Kan mir nun solche Koͤnigliche barmherzigkeit wieder fahren/ daß nach fristung meines lebens/ durch gutwillige abtretung alles meines gehabten Rechtes/ von seiner Hocheit ich etwas Land uñ Leute behalte/ und dz uͤbrige nebest allen mei- nẽ Baarschaften/ die fast unzaͤhlig sind/ gerne verlasse uñ auf ewig verzeihe/ werde ich solche Koͤnigl. Gnade zu ruͤhmen uñ zuerkeñen habẽ. Ihr aber/ hochberuͤhmter Koͤnig Herkules/ von dessen Tugend uñ erbarmung die erbare Welt preises vol ist/ wollet von mir ganz de- muͤhtig gebehten seyn/ an mir eurem gefangenen armen Mnata (welchẽ dz Gluͤk im Augen- blik von der hoͤchsten Staffel in die tiefste Pfütze alles kum̃ers gestuͤrzet) eure so hoch geruͤh- mete Gnade erscheinẽ zulassen/ uñ durch eures allerliebsten Freundes/ Koͤniges Ladisla (des- sen Willẽ ihr beherschet) harten Zorns uñ Eifers milterung/ es zuschaffen/ dz Mnata nicht deꝛ erste Pañonische Koͤnig sey/ welcheꝛ sein Leben in Boͤhmen an einem Diebes-Galgen en- digen solte. Mit welchem Woꝛte ihm die Rede stehen blieb/ fing voꝛ grosser Angst anzuseuff- zen uñ klugzen/ uñ indem er einen demuͤhtigẽ Fußfal taht/ sagte er; verflucht sey mein Hoch- muht Achtes Buch. muht und aller deren Raht/ welche mich in diesen elenden Stand gestuͤrzet haben. O du grosser Gott/ wie bald und leicht kanstu den Stolz fellen/ und den auffgeschwollenen Hoch- muht zur Erde niderdruͤcken! unsere ganze Geselschaft ward zum Mitleiden gegen ihn be- waͤget/ liessen sichs doch nicht merken/ sondern hiessen ihn und alle Gefangene einen Ab- trit ins weite Feld nehmen/ mit ernstlichem Befehl/ daß sie unter sich kein einziges Wort/ weder in gutem noch boͤsem wechseln solten; welches dem trostlosen Mnata schon etwas Hoffnung machete. Als sie wieder vorgefodert wurden/ fing Koͤnig Ladisla nach gehaltener Beredung also an: Ich und mein ganzes Koͤnigreich/ welches ihr Mnata/ so elendig zuge- richtet habet/ moͤchten von Herzen wünschen/ daß ihr euren Hochmuht selber haͤttet brechẽ koͤnnen/ ehe und bevor Gottes schwere Hand uͤber euch kommen waͤhre/ daß ihr aber nach begangener gar zu uͤbermachter Freveltaht/ Gnade und Lebens Fristung begehret/ ist zu lange geharret; dann bedenket nur selber/ wie viel tausend unschuldiger Menschen Seelen ihr auffgeopffert/ wie viel betruͤbte Waͤysen und Wittiben ihr gemacht/ in wie grosse Ar- mut und Verderben ihr viel meiner Untertahnen gesetzet/ worzu man euch nicht die aller- geringeste Ursach gegeben/ nur daß man sich eurer boßhafften Leute redlich erwehret/ und auff ihre frevelmuͤhtige Anfoderung/ sie bestanden/ welches das eingepflanzete Recht uns selbst geheisset und aufferlegt hat; kan also euer Mutwille und uͤbermachte Beleidigung nicht wol anders/ als durch euren Tod gebuͤsset werden. Jedoch werde nach Befindung eu- rer Busse und Auffrichtigkeit ich mich zumaͤssigen wissen/ wann ihr vor erst durch gnugsa- me Zeugen euch des auffgerichteten Galgens entbrechen/ uud den wahren Angeber ohn einige Verleumdung nahmhafftig machen; hernach auch anzeigen werdet/ wer oder wel- che dieses unredlichen Mordes (dann ein Krieg kans nicht genennet werden) Stiffter uñ Uhrheber seyn. Dieses/ antwortete Mnata/ wird niemand besser darzulegen wissen/ als ge- genwaͤrtige meine allergetraͤueste und heilsamste Raͤhte uñ Beamten/ Mastyes/ Agiß/ Hyp- pasus/ Amythaon und Deon/ welche wol unschuldig mit den boshafften in dieses Elende gerahten sind/ nachdem sie mir diesen (muß nunmehr selbst bekeñen) ganz unbefugten un- redlichen Einfalgetraͤulich wiederrahten/ ich aber ihnen in etlichen Dingen nicht folgen wollen/ und in den wichtigsten nit folgen duͤrffen. Der gebundene Dropion hatte sich biß- her gestellet/ als ginge ihn dieses Gericht gar nit an/ wahr auch des Vorsatzes/ kein Wort zureden/ es geschaͤhe dann zu unserer Helden Beschimpffung; hieselbst aber fiel er seinem Koͤnige ins Wort uñ sagete/ Koͤnig Mnata; wañ guter Wille und wolgemeineter Raht ungluͤklich außschlaͤget/ gebuͤhret keinem Koͤnige/ sich dessen zubeschweren/ vielweniger sei- nen Kopff aus der Schlinge zuzihen/ und andere darinnen stecken zulassen/ sondern mit seinen Leuten gleiches Lieb und Leid außzustehen; uñ solches wuͤrde einem geherzten Pan- nonischen Koͤnige ungleich besser uñ ruͤhmlicher seyn/ als mit unabloͤschlichem Schimpfe seiner Hocheit/ sich vor seiner Feinde Fuͤssen niderwerffen/ welches auch diese unsere jetzige Richter gestriges Tages in ihrer Verurteilung nicht haben tuhn wollen. Sehet Koͤnig Mnata; diese Bande und Ketten trage ich euret wegen ruͤhmlich/ und bin eben derselbe/ der ich gestern wahr. Er wolte weiter großsprechen/ aber Koͤnig Ladisla redete ihn also an: O du abgefeimeter Bube; ruͤhret dich schon dein Gewissen? und bistu noch eben derselbe/ der du dich gestern zuseyn ruͤhmetest/ ein bestaͤtigter Koͤnig in Boͤhmen? Lieber von wem hastu Achtes Buch. hastu doch solche Bestaͤtigung? Sihe da/ ich goͤnne deinem Koͤnige wol/ daß er allerdinge sich der Untaht entbrechen koͤnte/ wie ich mich dessen schon guten teils zu ihm versehe/ da ich dann dir zu Troz mich ihm gnaͤdiger erzeigen wil/ als du ihm nicht goͤnnest. Wer mich zum Boͤhmischen Koͤnige bestaͤtigt hatte? antwortete Dropion; das Gluͤk uñ meine Faust; aber unbefugete Feinde/ mit welchen Pannonien in keiner Fehde gestanden/ haben mich wie der außgehoben/ dessen sie alles Ungluͤk lohnen muͤsse. Du frecher Teufel bist keiner Ant- wort wirdig sagte Ladisla/ und wo du deine ruhmraͤtige Zunge nicht alsbald schweigen ma- chest/ sol sie dir aus dem Schandmaule gerissen werden. Weil er nun dieselbe nicht gerne verlieren wolte (dañ er wahr bedacht/ deren hernaͤhst noch besser zugebrauchen) ließ er sich leicht stillen; und ward dem redlichen Agiß Urlaub erteilet zureden/ und seines Herrn Ent- schuldigungen/ wie wol ohn falsch und anderer unschuldigen Verleumdung vorzutragen; welcher also anfing: Ihr Großmaͤchtigste/ unuͤberwindlichste Koͤnige/ Durchleuchtigste Fuͤrsten/ und ritterliche Helden; die allergifftigste Seuche/ welche bey aller Koͤnige und Fuͤrsten Hoͤfen ein durchgehen des übel ist/ ich meine die Schmeicheley/ und ihre Tochter die Verleumdung/ hat auch den Pannonischen Koͤniglichen Hoff nicht meiden wollen/ son- dern denselben so hefftig angestecket/ daß kaum vier oder fünf Raͤhte/ samt etlichen ande- ren/ wiewol wenigen Bedieneten davon frey bleiben moͤgen/ und die frey blieben sind/ ha- ben taͤglich unter dem Meuchel-Schwerte sich wagen und besorgen můssen. Die grossen Goͤtter/ welche uns billich gestraffet haben/ ruffe ich zu Zeugen/ daß mein Koͤnig/ euer Ge- fangener/ diesen unbillichen und unseligen Zug nicht aus seinem freyen Willen und Getrieb vorgenommen/ sondern durch unnachlaͤssiges anhalten und begehren/ meinãidiger Blut- gieriger Raͤhte darzu angehetzet und fast gezwungen/ nachdem er schon uͤber anderthalb Jahr sich gewegert hat/ ihnen Folge zuleisten; haͤtte auch noch diese Stunde nit eingewilli- get/ wann nicht dieser ruchlose/ Tugend- und Ehr-vergessene Mensch/ sein gewesener/ (ja den Goͤttern sey Dank/ gewesener) Stathalter und Feldmarschalk/ der ungeheure Dropi- on/ den groͤsten Teil der Koͤniglichen Raͤhte und Beamten eingenommen und auff seine Seite gezogen haͤtte/ so daß mein Koͤnig und wenig andere wol folgen muͤssen/ wolten sie nicht gar/ als Verraͤhter des Vaterlandes/ uͤber Bort geworffen werden. Da stehet das Ungluͤk unsers Koͤniges und des algemeinen Pannonischen Reichs gegenwaͤrtig/ unter dreyen Bruͤdern der allergottloseste/ der seiner Bruͤder Tod und Leibeigenschafft zuraͤchẽ/ keine Gelegenheit aus der acht gelassen ungeachtet sie ihres Frevels wolverdienten Lohn bekommen haben; aber es ist ihm leider dergestalt gelungen/ daß ganz Pannonien mit samt ihrem Koͤnige alles druͤber haben eingebuͤsset. Wolte Gott/ seine Mutter/ das Gottlose Weib/ haͤtte ihn im ersten Bade ersaͤuffet/ oder in der Geburt erdruͤcket/ so duͤrffte Pan- nonien heut nicht seuffzen/ und den Ungluͤks Nahmen Dropion verfluchen. Doch die Goͤt- ter muͤssen ihn ja uns zur Straffe haben lassen groß werden/ sonst waͤhre unmoͤglich/ daß er nicht vorlaͤngst schon von der Erden verschlungen/ oder vom Donner erschlagen waͤh- re/ als welcher/ da er noch nicht 16 Jahr alt gewesen/ mit seines Vaters leiblicher Schwe- ster/ das Blut-schandlose Fruͤchtchen den Bato/ welcher unweit von ihm stehet/ und sein an Untugend und Gesichte ganz aͤhnlicher Sohn ist/ gezeuget; Ein Jahr nach seines Va- ters To de kam seine Mutter nider/ und hat man festiglich geglaͤubet/ kein Mensch als die- ser Achtes Buch. ser ihr Sohn trage schuld daran. Seine zwo leibliche Schwestern hat er hernach geschaͤn- det/ da sie kaum manbar gewesen/ und mit der aͤltesten eine Tochter gezeuget/ mit welchem seinem eigenen Fleisch und Blute er nachgehends die allerverfluchteste Blutschande ge- trieben; daß ich anderer/ mit Vieh und Menschen begangener Abscheuhligkeiten geschwel- ge/ die vor keusche Ohren nicht zubringen sind/ wozu er doch diesen seinen Bato selbst an- gefuͤhret und abgerichtet hat. O du hochmühtiger Freveler/ wie ist dir nun die Boͤhmische Kron bekommen/ welche du dir so fest eingebildet hattest/ und bey dieses ungluͤklichen Kꝛie- ges Beredung sie von deinem Koͤnige fodern durfftest/ wiewol sie dir dazumahl/ und biß gestern von unserm Koͤnige ist gewegert worden. Zwar du hast dieselbe in etwas geschuͤt- telt/ und teuflischer weise in ihrem wirdigsten Koͤnige beschimpffet/ aber leider deinem Koͤ- nige die seine gar vom Haͤupte geschlagen/ dannoch aber/ Gott Lob/ deren keine auff deine Stirn bekommen/ wiewol du nach beyden zugleich strebetest. O du Verderben deines Va- terlandes! O du Unehr alles Pannonischen Blutes! du stinkender schaͤbichter Hund! Dropion kunte vor Ungeduld und Rachgier laͤnger nicht schweigen noch sich einzwingen/ und sagte: O du Raben-Vieh/ ist deine Zunge doch schaͤrffer als die Schwerter aller mei- ner Feinde; zuͤckete zugleich den linken Fuß/ welcher ihm frey wahr/ und stieß diesen Re- dener/ daß er zuruͤk prallete. Welcher Frevel unsern Koͤnigen so sehr zu herzen ging/ daß er aüff Befehl von vier Buͤtteln dergestalt gepruͤgelt ward/ daß er als ein wilder Ochse brüllete/ und als ein Erdwurm sich kruͤmmete; Worauff Agis also fortfuhr: Ich wil es zu meiner Entschuldigung nicht sagen/ daß allein ich und gegenwaͤrtiger Mastyes/ nebest wenig andern/ unserm Koͤnige diesen unseligen Zug wiederrahten haben; nur allein fuͤhre ichs zu dem Ende ein/ daß Ihre Koͤnigl. Hocheiten sehen/ wie maͤchtig dieser boßhaffte Mensch in unserm Vaterlande gewesen/ daß er nicht allein aller uͤbrigen Raͤhte Willen zu sich lenken/ sondern auch seinen Koͤnig zwingen koͤnnen/ sein begehren gut zuheissen. Nie- mand wird mirs leugnen/ daß der Bluthund mich schon vor etlichen Jahren als einen Land Verraͤhter hat wollen hinrichten lassen/ weil ich uͤber Gerechtigkeit hielt/ und hat bloß meines Koͤniges muͤhselige Vorbitte mein Leben erhalten. Eben dieser/ ja allein die- ser ist des Galgen Angeber und Meister; Er hat ihn lassen zimmern und richten/ daß Koͤ- nige und Fuͤrsten daran sterben solten/ und haͤtte ihm jemand eingeredet/ muͤste deꝛselbe als ein Verrāhter hingerichtet worden seyn/ nachdem ers auch seinem eigenen Koͤnige nicht vor gut halten kunte/ daß derselbe bey der Auffrichtung zu ihm sagete: Feldmarschalk/ Feldmarschalk/ lasset uns gelinder und vorsichtiger gehen/ man henket die Koͤnige nicht so bald an Galgen; so haben wir sie auch noch nicht in unser Gewalt/ und wann das Gluͤk mit uns spielen wolte/ als in der ersten Bestuͤrmung dieses wolbefestigten Lagers/ ja wann es uns gar in unser Feinde Haͤnde liefern wolte (ach wie wahr hat unser Koͤnig geweissa- get!) wie wuͤrde es uns dann wegen dieses Vornehmens ergehen? Uberdas ist dieseꝛ Land- verderber mit der alleruner hoͤrtesten Verraͤhterey umgangen/ seinen eigenen Koͤnig aus- zuheben/ und sich auff dessen Stuel zusetzen; dann Boͤhmen wahr seiner eingebildeten Hocheit viel zu enge. Dessen muͤssen mir zwoͤlfe unter diesen Gefangenen Zeugniß geben/ unter denen Pyrechmes/ Pelegon/ Bato/ und der juͤngere Pines die Redlensfuͤhrer sind/ die uͤbrigen aber ich auch nahmhafftig machen wil; wird man diese auff der Folter befra- l l l l l gen/ Achtes Buch. gen/ sollen sie schon ausbeichten/ wie sie unsern Koͤnig in der Schlacht haben wollen ent- leiben/ dasern er vor Feindes Schwert solte erhalten werden; welches auch die einige Ur- sach gewesen ist/ daß Mastyes nach dessen Erfahrung/ aus eigener Bewaͤgniß/ uns den lez- ten Entsaz zugebracht/ daß unsers lieben Koͤniges schon verrahtenes Leben Schuz haben moͤchte; und werden jezt gemeldete zugleich außbeichten muͤssen/ wie ihr vermeineter Koͤ- nig Dropion die Ehrenaͤmter und Landschafften schon unter ihnen außgeteilet/ versprochẽ und verbriefet hat. So lasset nun/ ihr Großmaͤchtigsten Koͤnige und Durchleuchtigste Fuͤꝛ- sten/ lasset dieses zur Entschuldigung meines Koͤniges eures Gefangenen in so weit geltẽ/ daß er nicht eigenwillig/ sondern fast duꝛch Zwang diesen unverantwortlichen Zug vorge- nommen/ und des Galgen Auffrichtung/ dessen ich alle Goͤtter zu Zeugen ruffe/ in seinem Herzen nie gebillichet hat; und kan endlich meines Koͤniges Blut durch ein anderes geloͤ- set werden/ so lasset das meine an seiner Stat vergiessen/ ich wil mich gluͤkselig preisen/ wañ durch meinen Tod ich meinen lieben Koͤnig beim Leben erhalten werde/ wie ich schon in meiner Seele die allerhoͤchste Vergnuͤgung befinde/ daß mit zutuhn meines Freundes Ma- styes ich durch Vorbitte bey dem Pannonischen Kriegs Heer dem Himmel sey Dank/ es dahin gebracht/ daß dem Bluthunde Dropion sein Vorhaben hat müssen gebrochen/ und nachgehends auch sein angestelleter Meuchelmord hintertrieben werden. Herkules wende- te sich zu dem wol abgepruͤgelten Dropion/ und sagete: Du bist viel ein heilloser Schelm als deine Bruͤder wahren/ dann die stritten und strebeten noch vor ihres Koͤniges Wol- fahrt/ welchen du gar hast stuͤrzen wollen/ daher wundert michs um so viel weniger/ daß du mich und andere Koͤnige und Fürsten so schaͤndlich gehalten/ und zum Galgen hast duͤr- fen verdammen/ welchen du aber noch vor eine Gnade und Endigung deiner Pein halten wirst/ wann er dir wird koͤnnen zuteil werden. Doch achtestu uns so wirdig/ so laß hoͤren/ was vor eine Entschuldigung du habest/ damit niemand spreche/ du seist ungehoͤret und auff wuͤterisch verdammet/ wie du gestern mit uns verfahren/ und mir kein einiges Wort hast goͤñen wollẽ. Meine Entschuldigung/ wird mir wenig helffẽ/ antwortete er/ da Fꝛeund und Feind zugleich auff mich einstuͤrmen/ und mein Klaͤger auch mein Richter ist. Uber- das befinde ich in mir einen recht-Koͤniglichen Geist/ welcher sich nie hat druͤcken koͤnnẽ/ sondern stets oben geschwummen ist/ und uͤber andere herschen wollen; wer wuͤrde mirs demnach veruͤbeln/ ob ich nach einem Koͤnigreiche getrachtet haͤtte? waͤhre mirs gelungẽ/ dann so haͤtte die ganze Welt gesaget; der tapffere aͤdle Dropion hat ihm recht getahn/ sei- ne Wirdigkeit erfoderte ein solches; nun es aber mißgluͤcket ist/ darf auch dieser unnuͤtze Hund (auf Agis zeigend) mir ins Angesicht speiẽ. Jedoch es gehe nach der Goͤtter Schluß; Ich bin in meinem Gemuͤhte noch diese Stunde ein Koͤnig/ und wil nicht als mit Koͤ- niglichen Gedanken sterben. O du elender Tropff/ antwortete Herkules/ meinestu/ daß ein Koͤniglicher Muht in der Herschafft-Sucht bestehe/ und nicht viel mehr in dem/ daß man sich selber zwingen/ und die Begierde meistern kan? daher ist dein Sin noch sehr weit von einem Koͤniglichen Muhte abgescheiden/ und was du Koͤnigliche Gedanken nennest/ sind nichts als Raͤubers Gedanken/ daher auch/ weil du solche ins Werk zurichten/ alle Muͤhe uñ Gottlosigkeit angewendet hast/ du gewißlich nicht als ein Koͤnig/ aber wol als ein Dieb/ Erz Raͤuber und wuͤterischer Beleidiger der Koͤniglichen Hocheit sterben wirst/ darumb geden- Achtes Buch. gedenke nur/ wie du deinen Koͤniglichen Stuel/ welchen du selbst hast richten lassen/ nach ausgestandener Pein/ auffs zierlichste bekleidest. Herkules/ ein gebohrner Großfuͤrst und Koͤnig/ hat gut aus dem Tugend Buche zuschwaͤtzen/ antwortete dieser freche Mensch/ nachdem ihm ein Koͤnigreich angebohren ist/ und wann gleich solches nicht waͤhre/ er we- gen des vermeyneten Koͤniglichen Blutes/ leicht durch Heyraht darzu gelangen koͤnte. A- ber durch welche Tugend sol ich und ein ander meines gleichen zum Koͤnigreiche auffstei- gen/ da uns eine Koͤnigliche Seel eingegossen ist/ und es uns nur an einem Vater-Koͤnige gemangelt hat? Ich moͤchte wuͤnschen/ daß ich auch in der Gnadenzeit gelebet haͤtte/ als der tapffere und großmuͤhtige Herr Jurelio Merkwol das Koͤnigreich Dalmazien sein eigenes Vaterland unter seine gevolmaͤchtigte Herschafft brachte; da er aus heuchlischem Schein zur Tugend und Liebe der Landsassen Freyheit/ seinem zur Herschung unwirdigen Koͤnige (wie ich ihn schaͤtze) so lange nachtrachtete/ biß er ihm den Kopff vom Rumpffe brachte/ und durch gemehlichen Fuchstrit nach wunder-listiger Verschlagenheit/ mitten unter seiner Feinde wuͤten gar auff den Oberstuel kam/ welchen vor ihm kein Koͤnig hatte erlangen koͤnnen; da dann alle dieselben ohn Koͤpffe gehen/ oder in der Lufft bammeln mu- sten/ welche der von ihm so teur versprochenen Freiheit Erwaͤhnung tahten. Ja er ward zugleich allen umliegenden Koͤnigreichen eine Furcht und Schrecken/ daß die Hoͤchsten der Welt/ wie neidisch sie ihm gleich im Herzen wahren/ dannoch ihre Gesandschafften an ihn abgehen liessen/ und ihm als einem irdischen Gott schmeichelten/ so daß dieselben sich vor gluͤkselig schaͤtzeten/ die seine Hulde erlangen/ und vor seinem durchdringenden siegrei- chen Schwerte befreiet seyn kunten. Dazumahl wahr es gut/ eine grosse Herschaft an sich zubringen; aber die Zeiten lauffen nunmehr zu selzam/ und kan der gemeine Poͤfel sein ei- gen bestes nicht erkennen; Und eben diß ist die Ursach/ warumb ich und andere meines gleichen die Hocheit nicht erhalten moͤgen/ die unserm Koͤniglichẽ Geiste sonst von rechts- wegen gebuͤhrete. Aber was muß ich doch hoͤren? bin ich ein Dieb und Raͤuber/ darumb daß ich mich nach meiner Wirdigkeit umsehe? Lieber was muß doch der Mazedonische Alexander gewesen seyn/ als sein Geist viel zugroß wahr/ in dem engen Winkel Griechen- landes zubleiben/ und deßwegen der ganzen Welt Herschafft suchete? Dieser wird ja da- her von allen tapferen Helden/ ja auch in Buͤchern geruͤhmet. Aber wann er vor diesem Gerichte seines verhaltens Rechenschafft geben solte/ muͤste er ein Dieb und Raͤuber heis- sen. Und du Kajus Julius erster Kaͤyser/ wer hat dich doch zum einigen stetswehrenden Herscher zu Rom eingesetzet und erkohren? hats nicht deine eigene Faust getahn/ als dein grosser Geist wallete/ der nicht allein niemand uͤber sich dulden/ sondern auch keinen gleichẽ neben sich leiden kunte? noch wann du an meiner stelle dich befuͤndest/ muͤstestu ein Dieb und Raͤuber seyn/ da man dir nicht allein den Tod/ sondern alle ersinliche Pein draͤuen/ uñ den Galgen zur Erquickung anbieten wuͤrde. Aber O ihr ehmahlige Helden/ moͤchte ich eines gleichmaͤssigen Glückes mit euch geniessen/ wie mir der Himmel eine gleichwirkende Seele und troz-bietende Krafft eingegossen hat/ wuͤrde ausser allem Zweifel mir die Her- schafft von des grossen Griechischen Herkules Seulen biß jenseit des Ganges eingeraͤu- met seyn/ da mich nun das neidische Ungluͤk in diese enge Ketten eingefesselt/ und vor deren Gerichte gezogen hat/ denen ich vor wenig Stunden die Galgenstraffe auffgelegt hatte. l l l l l ij Die Achtes Buch. Die Koͤnigliche Geselschafft wolte sich an des Großsprechers Auffschneiderey nicht keh- ren/ stelleten sich auch als hoͤreten sie es nicht/ und befahl Ladisla/ daß alle Gefangene nach dem Stokhause gefuͤhret/ und daselbst mit Wasser und Brod unterhalten wuͤrden/ ihrer Ketten und Banden unbenommen/ nur Hyppasus/ Amythaon und Deon wurden mit ih- rem Koͤnige entbunden/ und in einem absonderlichen Reuter Zelte mit zimlicher Speise und Trank versehen/ da man Mastyes und Agiß/ nebest ihren gestrigen Schuͤtzern alle Frei- heit gab/ zureiten und gehen/ wo sie wolten; welche aber bey ihrem Koͤnige blieben/ und ihm allen Verlauff/ was nach seiner Gefaͤngniß sich zugetragen hatte/ erzaͤhleten; woraus er unschwer abnam/ daß Dropion durch Verdammung unserer Koͤnige/ allermeist nach sei- nem Haͤupte und Leben hingezielet haͤtte. Nach gehaltenem diesen ersten Gerichte/ hielt Ar- bianes bey Markomir fleissig an/ daß der tapffere Ritmeister mit der dicken Wolke im Schilde/ der ihm sein Leben ganz ritterlich errettet/ moͤchte herzu geladen werden/ damit er ihm eine wirdige Dankbarkeit sehen liesse. Derselbe aber schickete an seine stat einen von seinen Reutern ab/ mit gnugsamer Unterrichtung/ wessen er sich verhalten solte; welcher dann vor der Koͤniglichen Geselschafft erscheinend/ sich auff beyde Knie nidersetzete/ und also anfing: Großmaͤchtigste Unüberwindliche Koͤnige/ auch Durchleuchtigste Fuͤrsten; auff allergnaͤdigstes erfodern haͤtte mein Rittermeister sich in alleruntertaͤhnigstem Ge- horsam gerne eingestellet/ wann nicht seine Unwirdigkeit und ehmaliges grobes Verbre- chen ihn davon abschreckete/ wiewol er ausdruͤklich zu dem Ende sich in des Durchleuch- tigsten Groß Fuͤrsten Herrn Markomirs Kriegsdienste mit seiner von ihm selbst geworbe- nen Reuter Schaar begeben hat/ sich zubemuͤhen/ ob der guͤtige Himmel ihm einige Gele- genheit an die Hand geben wolte/ wodurch er Gnade und Vergebung seiner schweren Sünde erhalten koͤnte; da ihm dann das Gluͤk so guͤnstig erschienen ist/ daß dem Durch- leuchtigsten Medischen Großfuͤrsten er nach seinem geringen Vermoͤgen hat koͤnnen auffwaͤrtig seyn/ auch von dessen Durchl. hohe Fuͤrstliche Zusage seines begangenen ü- bels erlanget/ welche vor andern hoͤchlich beleidiget zuhaben/ er sich nicht ohn beissende herzens Reue erinnert; dafern nun die uͤbrige Koͤnigl. und Hoch Fuͤrstliche Geselschafft/ insonderheit die abwesende Durchl. Groß Fuͤrstin Fr. Klara/ ihm gleichmaͤssige allergnaͤ- digste Vergebung erteilen koͤnten/ wird er mein Ritmeister mit hoͤchster Vergnuͤgung von hinnen reiten/ nachdem eꝛ sich selbst vor ganz unwirdig schaͤtzet/ vor eure Koͤnigl. Hoch- heiten und Hoch Fuͤrstl. Durchleuchtigkeiten zu erscheinen/ verbindet sich auch in aller tief- fester Demuht/ die ganze Zeit seines lebens zu seyn und biß in den Tod zuverbleiben/ dero- selben alleruntertaͤhnigster gehorsamster Knecht Reichard der buͤssende. Unsern Helden fiel alsbald bey nennung des Nahmens ein/ wehr er wahr/ verwunderten sich seines redli- chen vornehmens die ehmahlige Boßheit zu buͤssen/ hiessen den abgeschikten Reuter einen Abtrit nehmen/ und beredeten sich miteinander kuͤrzlich; bald muste der Reuter wieder vor treten/ und gab Arbianes ihm diese Antwort: Reitet hin mein Freund/ und saget eurem Ritmeister Reicharden/ daß seine heutige mir geleistete Rettung und getraͤue Dienste/ sein ehmahliges Verbrechen weit uͤberwogen haben/ daher nicht allein diese ganze Koͤnig- und Hoch Fuͤrstliche Geselschaft ihm gnaͤdigst gewogen ist/ sondern ich ihm auch meines lieben Gemahls voͤllige Vergebung und Fuͤrstliche Hulde zuwege bringen wil; daß er aber nicht Achtes Buch. nicht davon zihe/ sondern/ wo seine Wunden/ die er umb meinetwillen empfangen/ es zuge- ben koͤnnen/ er alsbald mit seiner Geschwade sich alhie einstelle/ damit ich ihn meiner Gna- de und Gewogenheit gnugsam versichern moͤge. Dieser bedankete sich alleruntertaͤhnigst in seines Ritmeisters Nahmen/ und brachte dem aͤngstig harrenden Reichard diese gewün- schete Zeitung; welcher bey nahe vor freuden vom Pferde in Ohmacht gesunken waͤhre; ergriff sich doch bald wieder/ foderte seine Mannschaft/ die noch in 50 Koͤpfen bestund (dañ 30 hatte er bey Arbianes Erloͤsung eingebuͤsset/ und wahren die uͤbrigen biß auff sechse alle verwundet) zusammen/ und ritte mit ihnen ohn alle Waffen/ (nur daß er seinen kenli- chen Schild mit sich nam) nach der Koͤnigl. Geselschaft/ ließ seine Leute auff 100 Schrit davon stille halten/ stieg daselbst ab vom Pferde/ und ging gar allein tieff gebücket hin/ taht vor den Koͤnigen einen demuͤhtigen Fußfal/ und ob er ihm gleich vorgenommen hatte/ sich fest zu halten/ fing er doch an zu seufzen/ und seine Bußtraͤhnen so haͤuffigzuvergiessen/ daß er kein einzig Wort hervor bringen kunte. Die ganze Geselschaft trug grosses Mitleiden mit ihm/ dann sie sahen vor Augen/ daß seine Sünde ihm sehr leid wahr/ deswegen redete Herkules ihn also an: Mein Freund Reichard; ihr habet vor dißmahl in der Taht sehen lassen/ daß eure Seele ehmahl von den unbendigen Begierden zwar hat koͤnnen angespren- get und veꝛleitet/ aber nicht gaͤnzlich uͤberwunden werden/ gleich wie ein hoher Baum von einem heftigen Windsturm wol zimlich gebeuget/ und doch nicht gar abgebrochen wird/ sondern sich bald wieder gleich richtet. Mein Bruder Fuͤrst Arbianes scheuhet sich nicht/ euch vor seines lebens Erretter zu halten und oͤffentlich zu ruͤhmen/ darumb sollet ihr eures Herzen empfindnis wegen des geschehenen/ ablegen/ und euch versichern/ daß ihr von nun an/ an uns allen ingemein/ und an einem jeden insonderheit/ ganz gnaͤdige und gewogene Herren haben werdet/ nicht anders/ ob haͤttet ihr die ganze Zeit eures lebens auff der heu- tigen Tugend-bahn zugebracht. So stehet nun auff/ und haltet euch nicht mehr vor einen Verbrecher/ der sich vor der Straffe fürchtet/ sondern vor einen wolverdienten/ der grosse vergeltungen zugewarten hat; ich vor mein Haͤupt erbiete mich/ daß ich euch in meine be- harliche Dienste auffnehmen/ und mit einem wirdigen Amte versehen wil. Ihr habt euch unter meiner Anfuͤhrung wol gehalten/ sagte Ladisla weiter zu ihm/ des solt ihr bey der Beu- te austeilung zu geniessen haben/ und verbleibe ich euch mit beharlichen Gnaden gewogen. Arbianes empfand eine grosse Zuneigung gegen diesen Menschen in seinem Herzen/ wel- che sehen zu lassen/ er zu ihm trat/ hies ihn freundlich von der Erden aufstehen/ boht ihm die Hand/ welche er mit grosser Ehrerbietung kuͤssete/ und sagete zu ihm: Was vor eine Traͤue ihr heut an mir/ mit aͤusserster Gefahr eures lebens/ erwiesen/ und mich abgematteten von des Feindes Schwert loßgemacht/ muͤste ich sehr unempfindlich seyn/ wann ichs in vergeß stellen/ und zuvergelten mich nicht bemühen wuͤrde. Eur voriges euch zuvergeben ist uñ oͤh- tig/ weil es schon laͤngst vergessen ist/ daher sollet ihr alle Gedaͤchtnis des ergangenen bey seit setzen/ als waͤhre es nicht geschehen/ und euch schicken solche Vergeltung zu empfahen/ wie ihrs verdienet/ und mirs zu leisten anstehet. Reichard erhohlete sich inzwischen/ und zei- gete kuͤrzlich an/ was gestalt er seine empfangene Gnadengeldeꝛ zur ausrustung seiner Reu- ter angewendet/ und willens gewesen einen Zug in fremde Lande zu tuhn/ haͤtte des Fran- ken Koͤniges Werbung erfahren/ und daß dessen Hocheit dem Boͤmischen Koͤnige eine an- l l l l l iij sehn- Achtes Buch. sehnliche Hülffe wieder die Pannonier zuschicken wolte/ daher er sich in dessen Dienste be- geben/ und diese seine hoͤchstgewuͤnschete Gluͤkseligkeit erlanget haͤtte/ welche hiedurch vol- kommen gemacht waͤhre/ daß Koͤnig Herkules ihm gnaͤdigste Bestallung angebohten/ in dessen Diensten er zu leben und sterben begehrete. Deꝛselbe nun schlug ihn alsbald zum Rit- ter/ und als die grosse gemeine Feldbeute geteilet ward/ bekam er vor sein Haͤupt 30000 Kronen an Baarschaft und Geschmeide/ darzu 24 statlich geputzete Reitpferde/ drey Pak- wagen mit 18 Pferden und eine Gutsche mit sechs Pferden/ von der Lager Beute aber/ wel- che der Koͤniglichen Geselschaft vorbehalten ward/ wendete ihm Arbtanes 20000 Kronẽ und die andern Koͤnige und Fuͤrsten ingesamt auch so viel zu; da seine 50 Reuter ingesamt zwo Tonnen Goldes/ gleich unter sich zu teilen/ bekahmen/ welche Arbianes alle in bestal- lung nam/ und Reicharden 12 Teutsche Reuter zugab/ welche mit ihm nach seineꝛ Heimaht alsbald fortzihen solten/ umb seine Gelder und Sachen dahin zubringen/ er aber solte mit seiner Eheliebsten sich bald wieder einstellen/ und erwarten/ was vor absonderliche Gnade ihm daselbst begegnen wuͤrde. Er kam diesem Befehl willig nach/ da er Suͤdmeier den eh- mahligen Gutscher loßbaht/ welcher/ weil er sich kund gegeben hatte/ uͤber 10000 Kronen wert bekam/ nebest viel Pferden und anderen Sachen/ die er seinem lieben Weibe und ih- ren armen Eltern mit uͤbernehmen/ und sich in Herkules Dienste wieder einstellen wolte. Das uͤbrige dieses Tages brachte die Koͤnigliche Geselschaft in aller ergezligkeit zu/ da bey- des Herkules und Valiska sich uͤber der Vergnuͤgung hoch verwunderten/ welche Mar- komir an den Tag legete/ darumb dar er von ihnen so gar freundlich gehalten ward/ wie sie dann beyderseits ihn in ihre brüder- und schwesterliche vertrauliche Freundschaft aufnah- men/ dessen er sich selbst vor unwirdig schaͤtzete; und wuchs diese Vertrauligkeit von Tage zu Tage/ weil er sich so zuͤchtig gegen Valisken bezeigete/ daß leibliche Bruͤder und Schwe- ster nie heiliger mit einander gelebet haben. Des folgenden Morgens musten alle Gefan- gene mit ihrem Koͤnige (der mit einer zimlichen Kette wieder beleget ward) abermahl vor Gerichte erscheinen/ da Dropion ohn gebehtenen Urlaub alsbald diese verwaͤgene Rede anfing: Wañ das Gluͤk mit mir nach meinem Verdienste verfahren wolte/ muͤste ich trauẽ nicht gefesselt und umbkettet als ein Ubeltaͤhter vor diesem Gerichte stehen/ sondern die vor- gestriges Tages abgefassete Urtel/ wegen des uͤbergeschikten schaͤbichten Hundes an mei- nen Gefangenen/ nunmehr sitzenden Richtern gebührlich volstrecken. Meine tapfere Tah- ten sind groͤsser/ als daß sie mit der Feder koͤnnen beschrieben werden. Wann ich meiner Faͤuste maͤchtig bin/ mus vor mir stuͤrzen was ich mit meinem Saͤbel berũhre/ und mus anjetzo mich von denen rechtfertigen lassen/ denen so zu reden der Diebsstrik schon umb den Hals geleget wahr. O du verfluchte verhaͤngnis/ hastu den tapferen Dropion zum Schau- spiel der jungen Knaben/ die in Koͤniglichem Pracht sitzen/ an diesen Ort hergestellet? Er wolte fortfahren in seinem schaͤnden/ unter der Hoffnung/ die unsern zu reizen/ daß sie ihm aus Eifer einen schleunigen Tod anlegeten/ wie dann Ladisla sich schier uͤbersehen haͤtte; aber Herkules redete ihm ein/ und sagete nachgehends zu Dropion; Ey du gottloser Bube/ solte man deinen Stolz und Ubermuht dann so gar nicht vertreiben koͤnnen? dein Bruder Pines machte es nicht viel besser/ aber ich fand ein mittel zu seiner Zaͤhmung/ welches ich an dir auch werde versuchen müssen; befahl darauff/ daß man ihm die Kleider gar vom Lei- be reis- Achtes Buch. be reissen/ ihn an eine Galgenseule binden/ und am Hinterleibe mit scharffen Ruhten von den Fußsolen biß ans Haͤupt streichen muste/ daß keine ganze stelle an ihm uͤbrig blieb; da er anfangs mit schelten und laͤstern fortfuhr/ aber endlich durch schmerzen uͤberwunden/ ein schrekliches Geschrey trieb/ auch mit den angebundenen Haͤnden und Fuͤssen solche Ar- beit taht/ daß er die Galgenseule schier loßgerissen haͤtte; endlich ward er geschmieret/ wie- der abgeloͤset/ und allein hingestellet/ da er ansehen und hoͤren muste/ was vor eine Urtel man seinen Gesellen fellete; massen alsbald Pyrechmes vorgefodert ward/ welchen Herkules also anredete: Du frecher Bube/ erinnerstu dich auch noch deiner gestrigen Bosheit/ da du die Galgen Urtel uͤber uns sprachest/ uns vor Hunde und verlauffene ausscholtest/ und bey draͤuung/ daß mir die Zunge solte aus dem Halse gerissen werden/ mir keine verantwor- tung goͤnnetest; ja auch noch auff meinen kraͤftigen und guͤtigen Gott hoͤnisch reden durf- test? Wer hat jemahls erfahren/ daß einiger Mensch deines gleichen/ sich eines so verwaͤ- genen Trotzes solte gebrauchet haben? aber sihestu nun schier/ daß du damahl selbst dein Wahrsager gewesen bist/ mein Gott wuͤrde dich und deine Geselschaft an unsere Stelle an den Galgen bringen? Dieser Boshafte bedachte sich ein wenig/ was er antwor- ten solte/ biß Dropion ihm zurieff; laß den Muht nicht sinken/ du mein getraͤuer Freund/ damit unsere Feinde nicht ruͤhmen/ sie haben unserer Tapferkeit angewonnen. Durch wel- che Auffmunterung dieser ohndas verwaͤgene Mensch gleichsam wieder sich selbst wuͤtend ward/ daß er in diese Worte loßbrach: Was ich gestern geredet und getahn habe/ gereuet mich so gar nicht/ dz ichs noch tuhn wolte/ wans nur in meiner Macht stuͤnde/ ob ihr Hun- de mich gleich daruͤber zureissen wuͤrdet. Dir frechen Schelm mus der wolverdiente Lohn werden/ gab ihm Herkules zur Antwort/ ließ ihn eben wie zuvor den Dropion mit Ruhten streichen/ wobey er ein schaͤndliches Laͤstern/ Fluchen und Geschrey trieb. Pelegon ward nach ihm vor Gericht gestellet/ und von Herkules also zu Rede gesetzet: Du Gottloses Schandmaul wirst dich erinnern/ wie hoͤhnisch du mich bey dem gestrigen unbefugeten Gerichte angetastet/ und mir nicht eins Zeit zum Gebeht goͤnnen wollen/ daneben es vor unmoͤglich hieltest/ daß der Gott/ welcher Zeit seiner ernidrigung umb unser Suͤnde willen sich hat lassen ans Kreuz henken/ mich und andere unschuldigen von dem Strange befreien koͤnte; nun aber sihestu wie maͤchtig derselbe sey/ und wie er dich mit deines gleichẽ andern Buben zur wolverdieneten Straffe fodert. Du hast gut trotzen/ antwortete dieser/ aber waͤhren meine Faͤuste so wol frey als die deinen/ wuͤrde der Ausschlag es bald geben/ wer eines andern Richter zu seyn das beste Recht haͤtte/ nun aber mus ich wol schweigen und mich druͤcken/ wil ich sonst der Henkersruhten geuͤbriget seyn. Bato/ Dropions Sohn/ ward auch zu rede gestellet/ warumb er vor andern sich bemuͤhet haͤtte diese unschuldige Koͤnige und Fuͤrsten durch Meuchelmoͤrder hinzurichten; dann eben dieser hatte solches zu vollenden uͤber sich genommen; welches er auch nicht verleugnen wolte/ sondern diese Antwort gab: Ob ich meinem lieben Vater in verfolgung seiner Ertzfeinde gehorsam ge- leistet habe/ ist nicht zuverwundern/ dann die eingegossene Pflicht erfodert solches von mir/ und Odaß mir nur mein Anschlag haͤtte moͤgen gelingen/ so haͤtte ich nicht duͤrffen mit mei- nen blutigen Augen ansehen/ daß der treflichste Held unter allen Pannoniern/ mein Herr Vater Dropion mit Henkersruhten ist gegeisselt worden; welches die hellischen Goͤtter allen Achtes Buch. allen denen vergelten werden/ die es angeordnet haben. Ich sehe wol/ sagte Herkules/ daß du in Blutschande gezeugeter Bube es nicht besser als dein Vater haben wilt/ sonst wuͤr- destu deinen Fluch gesparet haben. Muste also auch dieser des Henkers Streiche unter grossen Schmerzen ausstehen/ wobey er sich sehr frech bezeigete. Der juͤngere Pines/ des aͤltern unehelicher Sohn gar ein verwaͤgener Bube/ muste nach diesem vor treten/ welcher dann zu seiner entschuldigung vorbrachte; er waͤhre gehalten gewesen seines lieben tapfe- ren Vaters Schande und Leibeigenschaft nach vermoͤgen zu eifern/ deswegen er seines vorhabens nicht um verzeihung bitten duͤrfte/ sondern erwartete mit standhaftem Gemuͤh- te des Todes/ welchen er seinen Feinden lieber haͤtte mitteilen/ als dessen von ihnen gewaͤr- tig seyn wollen. Ja daran zweifelt unser keiner/ antwortete Herkules; ließ die uͤbrigen acht sonderlich Gefangene auch herfuͤhren/ und gab ihnen Freyheit/ ihre entschuldigung vorzu- bringen/ da sie einige haͤtten; aber sie wahren erstarret/ und wusten nichts anzuzeigen/ als daß Dropion durch grosse Verheissungen sie gar auff seine Seite gezogen/ und verleitet haͤtte/ daß an ihrem Koͤnige sie traͤuloß worden waͤhren. Worauff Koͤnig Mnata mit allẽ gefangenen Obersten deren ausser den jeztgedachten noch 135 wahren/ und den gefangenen 1300 Haͤuptleuten/ abermahl vorgestellet ward/ umb anzuhoͤren/ was vor eine Urtel ihm und den andern solte auffgeleget werden. Leches muste solche muͤndlich vortragen/ welcher dann anfangs dem Pannonischen Koͤnige es auff befehl gar verweißlich vorhielt/ daß er ein solches grausames Landverderben ohn alle gegebene Ursach angerichtet/ nebest schimpf- lichen Verweiß/ daß er dem Dropion so viel Macht und Muhtwillen uͤber sein Reich uñ ũber sich selbst eingeraͤumet/ und zum Sklaven seines Knechtes sich gemacht haͤtte; hernach lase er ihm diese Urtel vor; Ob zwar der Pañonische Koͤnig Mnata/ darumb daß er ohn Ursach uñ unabgesaget das Koͤnigreich Boͤhmen uͤberfallen/ Staͤdte uñ Doͤrffer verheret und eingeaͤschert/ Vieh uñ Menschen und andere bewaͤgliche Guͤter geraubet/ Acker/ Gar- ten uñ Hoͤlzungen verwuͤstet/ die Koͤnige hoͤchst beschimpfet/ und zur auffopferung etlicher hundert tausend unschuldiger Seelen Ursach gegebẽ/ sein Koͤnigreich/ Ehr und Leben wol verwirket haͤtte/ so solte ihm doch aus angebohrner Koͤniglicher Barmherzigkeit uñ son- derlicher milden Guͤte solches geschenket seyn/ dafern er folgende bedingungen ohn alle ein- rede uñ wegerung eingehen/ uñ erster moͤgligkeit nach/ redlich uñ aufrichtig erfuͤllẽ wuͤrde. Als Erstlich solte er mit einem demuͤhtigen Fußfalle wegen des unabgesageten Einfalles/ Landes- verwuͤstung und auffgerichteten Galgen eine oͤffentliche Abbitte tuhn. II. Eine halbe Stunde im Pfluge eingespannet stehen. III. Eines gefelleten fruchibaren Baumes Blok/ eines Zentners schwer/ hundert und zwanzig Schritte auff seiner Schuldern hin und her tragen. IV. Alle Gefangene und Leibeigene Teutschen und Boͤhmen/ (auch/ dafern Franken/ Schweden/ Daͤhnen/ Friesen und Wen- den darinnen seyn wuͤrden) samt deren Weibern und Kindern durch sein ganzes Koͤnigreich/ ohn Entgelt und arge List frey und ledig machen/ mit der Verwahrung/ dafern einiger zuruͤk gehalten wuͤrde/ solte alles uͤbrige als ungeleistet gerechnet/ oder nach wilkuͤhr sehr hart gestraffet werden. V. Die vornehmsten gefangenen Roͤmer und Italiaͤner/ biß an 10000 Mann/ mit Weib und Kind/ ohn entgelt auff freien Fuß stellen/ daß sie zu Prag erscheinen. VI. Dem Boͤmischen Koͤnige und seinen Nachkommen zu ewigen zeiten ein Stuͤk seines Koͤnigreichs/ so breit es an Boͤhmen grenzet/ acht Teutsche Meilen lang einraͤumen/ damit nach belieben/ als mit seinem Eigentuhm und Erbe zuschal- ten. VII. Vor des besameten Landes verderbung 30 Tonnen Goldes/ zween teile an Baarschaft/ und einen Achtes Buch einen Teil an allerhand Getreidig erlegen und einliefern. IIX. Alles aus Boͤhmen hinweg getrlebene Vieh/ als Pferde/ Esel/ Ochsen/ Kuͤhe/ Rinder/ Schaffe/ und Schweine (deren Anzahl die beraube- ten einbringen solten) wiederstellen/ oder davor ohn zugelegete Rechnung 40 Tonnen Goldes ent- richten. IX. Alle Zimmerleute/ Bauleute und Tischer seines Koͤnigreichs herzu fodern/ nebest 15000 Frohndiensten/ welche auff Pannonische Kosten die abgebranten Staͤdte/ Flecken und Doͤrffer/ auch einstendige adeliche Sitze auffbauen. X. Vor jeden verderbeten fruchtbahren Baum zwo Kronen/ oder ungezaͤhlet davor 20 Tonnen Goldes auszaͤhlen. XI Vor die grausame Nidermatzung der Be- satzung und Einwohner der dreien Grenzfestungen fuͤnff Tonnen Goldes erlegen. XII. Vor jeden veꝛ- wundeten des Boͤhmischen und Teutschen Kriegsheers/ von der ganzen Zeit des Kriegs her gerech- net/ acht Kronen/ oder im gemeinen anschlage vier Tonnen Goldes. XIII. Vor jeden im Streit und Sturm erschlagenen 50 Kronen/ oder ohn zugelegte Rechnung 42 Tonnen Goldes. XIV. Dem an- noch uͤbrigen Boͤmischen und Teutschen Heer drey Monat Sold/ oder davor 35 Tonnen Goldes lie- fern. XV. Alle Festungen seines Koͤnigreichs anderthalb Meilen von den neu erwaͤhneten Grenzen/ so eingeraͤumet werden sollen/ belegen/ abbrechen. XVI. Vor seine erledigung 30 Tonnen Goldes ein- schaffen. XVII. Die Guͤter aller Obersten/ welche gleich jezt zum Tode wuͤrden verurteilet werden/ dem Boͤmischen Koͤnige getraͤulich ausfolgen. XIIX. Vor jeden im ganzen Kriege erschlagenen Pan- nonier/ drey Kronen/ oder ingesamt eilf Tonnen Goldes erlegen. XIX. In wirklicher Haft verblei- ben/ biß alles obgedachte voͤllig geleistet waͤhre. Und dann XX. solte er ein Jahr und alle Jahr/ 50 Jahrlang/ dem Reiche Boͤhmen 300000 Kronen baar; 4000 Sattelduͤchtige Reitpferde; 2000 Wagenpferde; 3000 Ochsen/ 5000 Kuͤhe/ 18000 Schaffe/ und 9000 Haͤuptschweine auff seine Kostẽ biß drey Meilen uͤber die Boͤmischen Grenzen liefern/ und zwar auff eben den Tag/ an welchem sein Kriegsheer den ersten Einfal in Boͤhmen getahn hatte. Diß wahr die Urtel uͤber den Koͤnig/ welche er schrifftlich begehrete/ sie desto besser ein- zunehmen. Darauff folgete der Straff-Spruch uͤber Dropion also: Der Feind aller Ehr und Tugend Dropion/ darum daß er so gar keine Demuht erzeigen wollen/ sondern in seiner teuflischen Schaͤndung verharrete/ solte anfangs als ein Meinaͤidiger seiner beiden voͤrdersten Finger an der rechten Hand beraubet; II. als ein Moͤrder/ Mordbrenner und Land Verderber lebendig gespiesset/ III mit gluͤenden Zangen an sechs Orten seines Leibes gezwakt/ IV mit einer gluͤenden eisern Krohn gekroͤnet/ V endlich an den von ihm selbst auff- gerichteten Galgen/ als ein ander Haman auffgehenket; und VI alle seine bewaͤgliche Guͤ- ter Koͤnige Ladisla eingeliefert werden. Sein gotloser boßhaffter Richter und Worthalter Pyrechmes solte gleiche Straffe/ doch die erste und vierde außgenommen/ außstehen. Pe- legon der Goͤttes Laͤsterer solte/ wie dieser/ hingerichtet werden. Bato und Pines solten je- der zweymahl mit gluͤenden Zangen angegriffen/ an allen ihren Gliedern von unten auff mit dem Rade zustossen/ und endlich nebest den andern an den Galgen geknuͤpffet werden. Die uͤbrigen acht boßhaffte Obersten solten als schaͤndliche Mordbreñer lebendig verbren- net werden. Die saͤmtliche gefangene Pannonische Obersten 135 an der Zahl muͤsten eben diese Straffe uͤber sich nehmen/ es waͤhre dann daß vor Abwendung solcher Straffe jed- weder 50000 Kronen erlegen/ und die ewige Leibeigenschafft antreten wolte/ da die Haab- seligere den unvermoͤgenden mit ihrem Uberflusse solten zu Huͤlffe kommen; doch solten sie zuvor in vierwoͤchiger Haft verbleiben/ und alle Tage acht Stunden im Pfluge zihen/ daß sie den Acker verwuͤstet/ und die fruchtbahren Baͤume gefellet haͤtten; und solten den vierwoͤchigen Unterhalt ingesamt mit 150000 Kronen bezahlen/ dieses Loͤsegeld der Ober- m m m m m sten Achtes Buch. sten machte 67 Tonnen Goldes 50000 Kronen. Die 1300 gefangene Hauptleute waͤh- ren zu gleicher Feuers-Straffe verdammet/ dafern nicht ein jeder 9000 Kronen vor sein Leben bezahlen/ und gleich den Obersten sich in willige Leibeigenschafft geben wuͤrde/ muͤ- sten sonst gleiche Straffe des Pfluges uͤber sich nehmen/ und vor den vierwoͤchigen Unter- halt eine Tonne Goldes erlegen. Ihre Loͤsegelder trugen 117 Tonnen Goldes aus. Die an- deren Befehlichshaber und gemeinen Knechte/ 68000 stark/ solten sich von der Straffe des Feuers durch die Bank hin/ jeder mit 40 Kronen loͤsen/ da die Reichen den Armen solten zu steur kommen/ uñ muͤsten dañoch zur ewigen Knechtschafft behalten seyn; mach- te ihr Loͤse- oder Feur-Geld 26 Tonnen-Goldes 20000 Kronen. Nach verlesenem Urtel hoͤ- rete man einen unsaͤglichen Jammer bey den Pannonischen Voͤlkern/ weil sie ihnen groͤ- sten Teils Hoffnung zur Freyheit gemacht hatten; die zum schmaͤhlichen Tode verdam̃e- te aber stelleten sich ganz rasend/ weil sie vor den bevorstehenden Schmerzen sich hefftig ent- setzeten/ und doch uͤber ihr hochmuhtiges Herz nit bringen kunten/ daß sie um Gnade haͤt- ten angehalten. Nachgehend wurden Agiß und Mastyes nebest den gestrigen Schuzhal- tern vorgefodert/ wegen ihrer Redligkeit geruͤhmet/ vor frey und Freunde der Teutschen und Boͤhmischen Koͤnige erklaͤret/ und den beiden ehrlichen Maͤnnern Dropions liegen- de Gruͤnde und Guͤter erblich geschenket/ den uͤbrigen aber 200000 Kronen außgeteilet. Hyppasus/ Amythaon und Deon wurden auch ihrer Hafft erlassen uñ aller Straffe/ auch stellete man ihnen (wie auch den vorgedachten) alles unverruͤcket wieder zu/ was sie im La- ger hatten. Die Volstreckung der Urtel ward bald darauff vorgenom̃en/ welche die Pan- nonischen Henker mit musten verrichten helffen/ insonderheit die/ so des vorigen Tages/ unsere Fuͤrsten zuhenken bestellet wahren. Das Gerichte nam den Anfang von den acht zum Feur verurteileten Obersten/ unter denen ihrer drey noch gar spaͤt umb Gnade anhiel- ten/ daher wurden sie an den Galgen auffgeknuͤpffet/ und die fuͤnf uͤbrige mit ihren schwe- ren Ketten lebendig ins Feur geworffen/ da sie ein grausames Gebruͤlle trieben/ ehe sie die Seele außbliesen. Bato und Pines musten diesen allernaͤhest folgen/ hielten den ersten Zangen Zwak an der rechten Brust stilschweigend aus/ aber bey dem andern an der linken Brust schriehen sie ganz erbaͤrmlich/ und gerieten darauff in Ohmacht/ wurden doch wie- der erquicket/ und befrag et/ ob ihr Verbrechen ihnen schier leld waͤhre. Worauff sie sich be- zeigeten/ als hoͤreten sie es nicht. Bey Zerstossung ihrer Arme und Beine schriehen und bruͤlleten sie viel erschreklicher/ da sie den Tag ihrer Geburt verflucheten/ biß ihnen endlich das Genik abgestossen ward/ und alsbald an den Galgen geknuͤpffet wurden. Dropion betrieb Zeit ihres Leiden ein solches fluchen und laͤstern/ daß der Himmel sich davor haͤtte entsetzen moͤgen/ biß man ihm einen Knebel ins Maul legete/ da muste er schweigen. Pele- gon und Pyrechmes zitterten und zageten/ als man ihnen die Kleider abzog/ und sie hin zu den spitzigen Pfaͤlen fuͤhrete/ da sie anfingen Dropion und seinen teuflischen Hochmuht zuverfluchen/ welcher nicht weit von ihnen stund/ und man ihm das Maul wieder loß ma- chete/ um zuvernehmen/ wessen er sich darauff verhalten wuͤrde; welcher sie also anredete; ihr lieben Spießgesellen (also mag ich euch nunmehr recht nennen) Lieber scheltet euren Fꝛeund nicht aus/ dem euer bevoꝛstehen des Leiden eben so hefftig schmeꝛzet als sein eigenes; es wird der Schmerzen nicht lange anhalten/ wr aber wollenals tapffere unverzagte Hel- den Achtes Buch. den sterben. Aber dieser Trost wolte wenig fruchten/ nur daß sie gleichwol auffhoͤreten ihn zuschelten. Als sie an die Spiesse gezogen wurden/ ging ihnen die Spitze zur rechten Schul- der heraus/ und blieben an ihrem Eingeweide fast unversehret/ daher sie biß in die vier- zehnde Stunde unaussprechlichen Jammer trieben/ und solche Gottes Laͤsterungen auß- spihen/ daß die unsern es nit anhoͤren kunten/ endlich da man sie mit gluͤenden Zangen an- griff/ nahm die gotlose Seele Abscheid vom Leibe. Eine halbe Stunde muste Dropion bey ihnen stehen/ und ihre Angst ansehen/ wie auch Koͤnig Mnata selbst/ wecher sich des bittern und mitleidigen weinens nicht enthalten kunte/ wie Ungetraͤu ihm gleich diese Buben ge- west wahren. Dropion aber redete ihn also an: Hoͤre mich Koͤnig Mnata/ du bist unter meiner Stathalterschafft ein Herr/ und ein Schrecken deiner Feinde gewesen/ und nun bistu ein Sklave und Hohn der Teutschen und Boͤhmen. Sihe mich/ und diese teils schon Verschiedene/ teils noch Leidende unverg le ichliche Pannonier an; wie tapffer stehet es/ in seiner Freyheit sterben/ und waͤhle lieber mit uns einen ruͤhmlichen Tod/ als deiner Koͤnigl. Hocheit und des ganzen Pannonischen Reichs unvergaͤngliche Schande. Aber Mnata gab ihm zur Antwort: O du Schande und Verderben meines Koͤnigreichs! haͤtte ich dich auff solche weise durch alle Pein hinrichten lassen/ als du mich zu diesem Kriege ver- leitetest/ dann haͤtte ich dir dein Recht getahn/ uñ einem grossen Unheil loͤblich vorgebauet. Nennestu aber dieses einen tapfferen Tod/ wann du umb deiner Missetaht willen gespies- set und mit gluͤenden Zangen zurissen wirst/ da du als ein Moͤrder und Mordbrenner/ der du bist/ stirbest/ mustu dir wol eine elende Tapfferkeit in deinem Gehirn abgerissen haben. Wuͤrde ich nun ein Sklave der Teutschen und Boͤhmen seyn/ haͤtte ichs niemand als dir Buben zudanken; jedoch hoffe ich mich dergestalt gegen diese hoͤchstloͤbliche Koͤnige zu verhalten/ daß sie mit mir und dem Pannonischen Reiche den schweresten Stein nicht he- ben werden/ wie sie dann schon in den begehreten Stuͤcken mich noch haben lassen einen reichen gewaltigen Herrn bleiben/ mehr als ich gehoffet. Und zwar hieran redete er die Warheit/ dann ob er gleich einen guten Teil seines Schatzes hergeben/ und ein Stuͤk Lan- des abtreten muste/ wahr doch seine Kammer so reich/ und seine Herschafft so weitlaͤufftig/ daß er dieses Abganges wenig achtete. Dropion wolte ihm antworten/ aber die unsern/ wel- che an Koͤniges Mnata Reden ein gutes genuͤgen hatten/ liessen den Henkern befehlen/ mit Dropion zur Straffe zu schreiten/ daruͤber ihm die Haut am ganzen Leibe schauerte/ und er zu den Gespiesseten sagete: Jezt meine Bruͤder/ werde ich euch gleich werden/ aber redet mir doch ein/ wann des Fleisches Leiden mich zur unzimlichen Wehmuht verfuͤhren wol- te. Diese aber wusten vor grosser Angst ihm nicht zuantworten. Bey Abhauung der beydẽ Finger stellete er sich/ als empfuͤnde er solches nicht; und als er auf dẽ Pfahl gesetzet ward/ drückete er selber nach/ unter der Hoffnung/ es solte ihm die Spitze durchs Herz oder sonst durch ein lebend-fuͤhrendes Eingeweide gehen/ aber es geriet nach der Rechten zu/ daß ihm das Eisen hinter der Schulder ausging. Als er nun also saß/ und keine Todesangst em- pfand/ winselte er zwar anfangs ein wenig/ und sagte zu den Henkern: O ihr Schelmen/ wie unredlich spiesset ihr mich; fing aber bald an/ unsere Helden so erschreklich zulaͤstern/ und wider den Himmel selbst die graͤulichsten Fluͤche auszuschuͤtten/ daß die anwesende sich daruͤber entsetzeten. Die gluͤende Kron ward ihm auffgesetzet/ jedoch daß ihm das Haͤupt m m m m m ij nicht Achtes Buch. nicht sonderlich versehret ward/ damit er desto laͤnger zur Pein behalten wuͤrde. Man ließ ihn immerhin zappeln/ und gingen die unsern davon/ Speise zunehmen/ ward auch befoh- len/ daß er mit den gluͤenden Zangen nicht gezwakt wuͤrde/ biß sie sich wieder einstelleten/ wo sonst seines Lebens so lange seyn wuͤrde; da er dann nebest Pyrechmes und Pelegon ei- nen solchen Jammer betrieb/ daß nicht auszusprechen wahr. Neklam vermahnete sie/ umb Gnade und umb einen schleunigen Tod anzuhalten/ aber sie wahren zuverstokt/ und woltẽ durchaus nicht/ daher sie biß gegen den spaͤten Abend in solcher Pein verblieben/ weil man sie mit Wein und kraͤfftigen Sachen labete. Endlich als unsere Helden wiederkahmen/ wurden Pyrechmes und Pelegon zuerst mit den Zangen angegriffen/ da dieser unter dem andern/ jener unter dem dritten Zwak verschiede/ und biß an ihr Ende zulaͤstern und schaͤn- den nicht auffhoͤreten. Dropion empfand den Tod noch so nahe nicht/ enthielt sich von al- lem Geschrey/ so daß er den ersten Angriff mit der Zange geduldig erlitte; bey dem andern seuffzete er; bey dem dritten geriet er in harte Ohmacht/ und nach geschehener Erquickung/ da er zum vierten mahle solte angetastet werden/ rief er mit erschreklicher Stimme: Ihr feurigen Teufel/ Herkules und Ladisla/ habt ihr nicht schier genug die Augen an unserm Jammer geweidet? fing darauff wegen des vierten Zwaks so hefftig an zubruͤllen/ als ob er besessen waͤhre. Der fuͤnffte und sechste angriff erfolgeten bald darauf/ worunter er auch das Leben ließ; und ward mit seinen beiden Gesellen an den Galgen zu den andern hin ge- henket. Mnata muste nochmahl alles ansehen/ und nach Vollendung sich gerichtlich er- klaͤren/ ob er die vorgeschlagenen Posten willig eingehen/ oder der Todesstraffe wolte ge- waͤrtig seyn; da er ohn einiges wegern alles einwilligte/ den Fußfal alsbald verrichtete/ und bey demselben umb Gnade und Vergebung anhielt/ nebest dem Erbieten/ das uͤbrige glei- cher gestalt gerne zuleisten/ als viel in seinem Vermoͤgen waͤhre/ nur daß vor geschehener Beredung mit seinen Landstaͤnden er den 4/ 5/ 6/ 9/ 15/ und 20 Saz nicht zuversichern wuͤ- ste/ es waͤhre dann/ daß Koͤnig Ladisla alsbald ein starkes Heer fort schicken/ und seine Leu- te durch harte Draͤuungen in Furcht setzen wolte hoffete er die Volstreckung bald zuleistẽ. Die unsern sahen aus seinem Vorschlage/ seine Reue und Gutwilligkeit/ gaben Fuͤrst O- laff als Obersten Feld Herrn 60000 Reuter/ welche Leches/ Klodius/ Neda/ Markus und Prinsla fuͤhren solten; nahmen Koͤniges Mnata Getraͤue/ den Agiß/ Hyppasus und A- mythaon (Mastyes und Deon blieben bey dem Koͤnige) mit sich/ und gingen mit gnugsa- mer schrifftlichen Volmacht fort/ da Mnata seinen Staͤnden zuwissen taht/ in was Un- gluͤk Dropion und dessen Anhang ihn gestuͤrzet/ und das ganze Vaterland krafftloß gema- chet haͤtte/ welches sie wol beherzigen/ und die begehreten Anfoderungen einwilligen moͤch- ten/ nicht allein/ daß er erloͤset und auff freyen Fuß gestellet/ sondern auch das ganze Koͤnig- reich vor algemeiner Verwuͤstung bewahret wuͤrde. Olaff ging mit seinem Heer freudig fort/ fand aber die Pannonischen Grenzen mit starker Manschafft besetzet/ die sich uͤber deꝛ unsern Ankunfft ganz verzweifelte Gedanken macheten/ nicht anders waͤhnend/ es wuͤrde ihr Koͤnigreich zur Wuͤsteney gemacht/ und in Grund geschleiffet werden; dann die 500 stuͤchtige Reuter hatten nicht geseumet/ ihr Land zuerreichen/ da sie allen Verlauff erzaͤh- leten/ und des Feindes Voͤlker groͤsser macheten als sie wahren; daher dann wenig Muht bey ihnen wahr; doch stelleten sie sich anfangs zur Gegenwehr/ welches die unsern nicht wenig Achtes Buch. wenig verdroß/ liessen sich aber von Agiß leicht begůtigen/ welcher dann mit seines Koͤni- ges Schreiben sich bey den Pannonischen Haͤuptern angab/ dessen Hafft/ und des Heers gaͤnzliche Niderlage nach der laͤnge andeutete/ und der 500 Feldfluͤchtigen Anbringen be- kraͤfftigte; daher sie nach kurz gehaltenem Raht sich hin zu Olaff macheten/ und ihm die Freiheit in das Land zuzihen/ und alle Festungen mit seinen Voͤlkern zubesetzen anbohten. Er nam solches gutwillig an/ hieß im Nahmen des Boͤhmischen und der Teutschen Koͤ- nige die versamleten Pannonier ihr Gewehr nideilegen/ und ging eine Tagereise in ihr Land/ legete sich daselbst feste/ und ließ ihm und dem Heer noͤhtigen Unterhalt zufuͤhren/ daß kein einziger Reuter sich des Raubens oder anderer Gewalttaͤhtigkeit unternehmen durf- te. Die Land Staͤnde nach gehaltener Berahtschlagung willigten alle Stuͤcke ein/ schlugen eine grosse Schatzung auff das reiche Land/ daß nicht alles aus der Koͤniglichen Schaz- kammer duͤrffte genommen werden/ und liessen ihren Ernst zu ihres Koͤniges Erloͤsung gnugsam spuͤren/ da insonderheit durch schnelreitende Bohten im ganzen Koͤnigreiche ausgeruffen ward/ daß bey hoͤchster Leib- und Lebensstraffe kein Mensch wer der auch seyn moͤchte/ einigen Teutschen oder Boͤhmischen Leibeigenen oder Gefangenen/ weder mit Worten noch in der Taht beleidigen/ sondern allen guten Willen/ als besten Freunden be- zeigen solte. Der Hingerichteten liegende Guͤter (ausser Dropions) wurden verkaufft/ uñ nebest ihren bewaͤglichen getraͤulichst eingeliefert/ die sich uͤber 40 Tonnen Goldes erstrec- keten; das uͤbrige solte inwendig vier Wochen alles folgen; und damit die Voͤlker nur bald aus dem Lande kaͤhmen welche die sechs vornehmste Festungen besezt hielten/ mache- ten sie 300 des vornehmsten Adels aus/ welche mit dem Boͤhmischen Heer 42000 stark (dann 18000 blieben in den Besatzungen) nach Boͤhmen zihen/ und sich als Geisel einstel- len solten/ biß die Anfoderung ihre Richtigkeit haͤtte. Sonst erzeigete sich das Pannonische Reich sehr milde/ teileten unter Olaffs Heer 8 Tonnen Goldes aus/ und schenketen dem Feld Herrn Fuͤrst Olaff 3 Tonnen/ auch den obgedachten fuͤnff hohen Befehlichshabern jedem eine Tonne Goldes. Die Koͤnigl. Geselschaft brach des naͤhesten Tages nach volstrecketem Gerichte auf nach Prag/ nachdem sie Markomirs hohe Kriegsbeamten mit Gelde/ Geschmeide und Pferden statlich begabet/ und dem Heer durch die Bank drey Monat-Sold uͤber ihren an- teil der gemeinen Beute ausgezaͤhlet hatten/ so daß der junge Groß Fürst daruͤber ungehal- ten wahr/ und anzeigete/ es wuͤrde seinen lieben Eltern solches sehr zu wieder seyn; aber Va- liska und Herkules wusten ihm dergestalt zubegegnen/ daß er sich zu frieden gab. Ladisla schickete Koͤnige Hilderich gar ein freundliches Dankschreiben vor geschehene statliche Huͤlffe/ und lude ihn nebest seinem Gemahl ein/ auff seine kuͤnftige Kroͤnung; wobey Mar- komir an seine Eltern schrieb/ und ihnen seine hohe vergnuͤgung uͤber Koͤnig Herkules und Koͤnigin Valisken getraͤuer Freundschaft nicht gnug ruͤhmen kunte; wie er dann in War- heit von ihnen recht bruͤder- und schwesterlich geliebet ward/ er sich auch gegen dieselbẽ sehr demuͤhtig und ehrerbietig erzeigete/ und wahr sehr fleissig/ nicht allein die Reit- und Waf- fen-Ubung/ sondern auch andere Fuͤrstliche Sitten von ihnen zu lernen/ in welchem allen er ganz volkommen ward. Er hielt nachgehends insonderheit sehr gnaͤdige Freundschaft mit Leches und seiner Libussen/ welche ihn auch algemaͤhlig zum Christentuhm brachten. m m m m m iij Die Achtes Buch. Die Wendischen Voͤlker wurden auch wolbegabet/ nach Hause geschikt/ und die alte Fuͤr- stin mit grossen Schenkungen angesehen/ auch zum Kroͤnungs Fest eingeladen. Alle Ver- wundete so das reiten nicht er dulden kunten/ musten im Lager bleiben/ da ihnen wol gedie- net ward biß sie geheilet wahren; unter diesen wahr der neue Ritter Grozemisla/ der in al- len Treffen mit gewesen wahr/ und 26 Wunden davon getragen hatte/ ward abeꝛ doch wie- der geheilet/ wiewol er hinkend an der linken Huft und lahm am linken Arme blieb; man hatte ihm aber 30000 Kronen von der Beute zugewendet/ und ward ihm ein statliches Rit- tergut in dem abgetrettenen Pañonischen teile versprochen/ welches ihm auch nebest 50000 Kronen Baarschaft geliefert ward/ da ihm Valiska eine von ihren aͤdlen Kammerjnng- fern freiete. Die Koͤnig- und Fuͤrstliche Geselschaft ward zu Prag mit grossen freuden von den beyden alten Koͤniginnen und den hinterbliebenen Roͤmischen Herren und Frauen/ auch andern/ empfangen; nur Libussa und Euphrosyne ruͤcketen es Herkules in freundli- chem Schimpfe auf/ daß er ihre Eheliebsten noch weiter hinweg geschicket haͤtte/ und sie so viel laͤnger allein schlaffen muͤsten; wurden aber mit der Vertroͤstung einer guten Beute auff ihre schleunige Wiederkunft wol begnuͤget. Gallus hatte nicht allein bey der Feldplun- derung sondern auch aus Feindes Lager ein ansehnliches bekommen/ welches er seiner lieb- sten Beaten zum Beutpfennige lieferte/ und seiner Schwigermutter davon 24000 Kro- nen schenkete. Arbianes ward von seiner Klaren uͤber aus freundlich empfangen/ entsetzete sich zwar anfangs uͤber seiner Verwundung/ aber da sie der schleunigen Gesundheit ver- sichert ward/ gab sie sich zu frieden/ und dankete Gott herzlich vor seine erhaltung; da Koͤ- nigin Valiska zu ihr sagete: Ihr tuht recht/ mein Schwesterchen/ daß ihr dem Allerhoͤch- sten danket/ als welchem alles Haͤuptsachlich mus zugeschrieben werden; wann aber unser Gott sich guter Leute gebrauchet/ die zu unser Rettung und Wolfahrt ihr leben gutwillig in die Schanze schlagen/ müssen wir denselben auch unsere Dankbarkeit sehen lassen. Ja mein Schaz/ setzete Arbianes hinzu/ es hat ein tapfer Ritmeister durch Gottes schickung vor dißmahl mein Leben erhalten/ durch eine solche Wagnis/ die nicht leicht ein Bruder dem andern leisten wuͤrde/ und haͤtte ohn dessen Rettung ich ausser allem zweifel meinen Geist aufgeben muͤssen/ wiewol weder ihꝛ noch ich/ demselben jemahls etwas gutes getahn; er erinnert sich aber/ euch ehmahls beleidiget zu haben/ und wil es voꝛ eine volkommene ver- geltung halten/ wann ihr ihm sein voriges Verbrechen nur verzeihen/ und ihn zu Gnaden aufnehmen wollet; erzaͤhlete hierauff/ wie es eigentlich ergangen/ uñ wie groß seine Gefahr gewesen. Da sie ihm zur Antwort gab; Dem almaͤchtigen und grundgūtigen Gotte sey dank in ewigkeit vor diese Rettung/ und werde ich dem tapferen Ritmeister wissen zubegeg- nen/ wans gleich Reichard selber waͤhre. Ja mein Schaz/ sagte Arbianes/ eben derselbe ist es/ und hat nicht ohngefehr/ sondern aus willigem Vorsaz sein Leben vor mich gewaget/ so daß die ganze Koͤnigl- und Fuͤrstliche Geselschaft ihm nicht allein allerdinge verzihen/ son- dern wolbegabet hinzihen lassen/ seine Eheliebste abzuhohlen/ und sich ehist in eures Herr Bruders/ Koͤniges Herkules beharliche Dienste wieder einzustellen; je gnaͤdiger ihr nun diesem redlichen Menschen (welcher seine rechtschaffene Busse durch Traͤhnen und seuf- zen mit einem hochbewaͤglichen Fußfalle sehen lassen/ und sich aller Gnade unwirdig ge- nennet hat) euch werdet erzeigen/ je mehr werdet ihr mich eurer Liebe versichern/ an welcher mir Achtes Buch. mir nicht gebuͤhret zu zweifeln. Der frommen Fuͤrstin kam dieses alles fremd vor/ endlich sagete sie: Ich bekenne es/ mein werter Fuͤrst/ daß dieser Mensch uns mehr gutes als boͤses getahn/ drumb mus das vorige ganz abe und vergessen seyn/ und werde auff eure eriñerung ich mich wol zubedenken haben/ durch was bezeigung ich ihn meiner Gnade vergewissern koͤnne. Diese Zeit fuͤhreten sonst die unsern zu Prag ein froͤliches und Christliches Leben/ und ward angeordnet/ daß uͤber fuͤnff Wochen nach ihrer Wiederkunft Ladisla und So- phien Kroͤnung/ auch zu gleich Arbianes und Klaren Hochzeitfest (welches durch den Pan- nonischen Einsal verhindert wahr) solte gehalten werden; worauff auch die Koͤnige aus Schweden und Daͤnnemark geladen/ und uͤberaus grosse bereitschaften darauff gemacht wurden. Gallus muste alsbald mit 1000 Reutern nach Rom/ dem Kaͤyser ihren gedop- pelten Sieg wieder die Wenden und Pannonier anzumelden/ und ihm 4000 Pannoni- sche Pferde nebest 2000 Pannonischen Leibeigenen/ auch 60 Pannonische Reuter- und 40 Fußfaͤhnlein/ nebest vielen erbeuteten koͤstlichen Zelten und anderen Sachen zum Siegs- zeichen und Beutpfennige uͤberbringen; welcher dann sehr eilete/ damit er bey der Kroͤ- nung sich finden moͤchte. Das Geschrey dieses blutigen Krieges und gewaltigen Sieges wahr zu Rom bereit erschollen/ dessen umbstaͤnde Gallus dem Kaͤyser und seinen Gewalti- gen erzaͤhlen muste; worauff die Roͤmer gnug merken liessen/ wie leid ihnen wahr/ daß sie den zehnjaͤhrigen Anstand mit Mnata eingangen/ nachdem ihnen nunmehr leicht zu tuhn waͤhre/ der Pannonischen Gewalt viel eine groͤssere Feder/ ja wol einen ganzen Fluͤgel aus- zurupfen. Olaf kam endlich auch nach wolverrichteter Sache mit seinen Leuten zu Prag wieder an/ denen des dritten Tages Agiß/ Hyppasus und Amythaon mit der helffte aller versprochenen Gelder (deren ganzes 217 Tonnen Goldes wahr) folgeten/ hatten überdas auff ihres Koͤniges Befehl an die 20 Tonnen Goldes wert Kleinodien und andere Kost- barkeiten bey sich/ welche Mnata uͤber die Helffte dem Koͤnig- und Fuͤrstlichen Frauen- zimmer zum Geschenk austeilete/ und dessen insonderheit Valiska und Sophia so viel neh- men musten/ daß sie sich dessen fast schaͤmeten/ wobey sich aber der Pannonier so freymuh- tig stellete/ daß er hoͤchst beteurete/ es waͤhre ihm eine groͤssere Vergnuͤgung in ihre Kund- schafft gekommen zu seyn/ als ihn die Niederlage betruͤbet haͤtte. Und eben diß wahr das rechte Mittel/ wodurch er unsern Helden das Herz abgewan/ so daß auff Valisken anhal- ten sie ihn nicht allein vor Einlieferung des hinterstelligen/ aller Huht und Hafft erliessen/ sondern ihn vor einen freien Koͤnig in Pannonien/ und Bundgenossen der Teutschen/ Boͤhmen und Friesen erklaͤreten/ auch alsbald ihre Besatzungen aus Pannonien abfoder- ten; woruͤber sein Reich sich zum hefftigsten erfreuete/ und ein dreytaͤgiges Freuden Fest hielten/ auch noch eine freiwillige Steur über sich nahmen/ welche dem Koͤnige/ behueff allerhand dankbahren Bezeigungen zugesendet ward; der dann solche sehen zulassen/ Her- kules/ Valisken und sich selbst abmahlen ließ/ schickete solches in sein Land/ und ließ auff ei- ne grosse ganz silberne Stellung ihre drey aus dem besten Pannonischen Golde gegossene Bildnissen/ jedes 250 Pfund schwehr/ setzen/ da Herkules ihm eine Kette anlegete/ und Va- liska ihm solche wieder abnam. Dieses ward des Tages vor der Kroͤnung uͤbergeschicket/ und den unsern unbewust/ auff den grossen Saal gestellet/ da Mnata selbst es Koͤnigin Va- lisken mit diesen Worten zueignete: Großmaͤchtigste unvergleichliche Koͤnigin/ vornehm- ste Achtes Buch. ste Ursach und Befoderin meiner jetzigen Freiheit; Ihrer Liebe zu Dienst ergebener Mna- ta bittet demuͤhtig/ dieses geringschaͤtzige Gedaͤchtniß seines Falles und auffstehens mit hochgeneigetem Willen anzunehmen/ und als ein ewigwaͤhrendes Pfand zubehalten; wo- bey ich mich verpflichte/ daß die mir von ihrer Liebe/ wie auch von dero Gemahl/ Herrn Bruder/ und saͤmtlichen Koͤnig- und Hochfuͤrstlichen Anverwanten geschehene Gnade nun und nimmermehr aus meinem Herzen kommen lassen werde. Nun wahr aber Va- lisken Bildniß mit so vielen koͤstlichen Perlen und anderen Kleinoten ausgezieret/ daß sol- ches nicht bald zuschaͤtzen wahr; daher gab sie ihm zur Antwort: Großmaͤchtigster Koͤnig; diese Gedaͤchtniß ist in Warheit zu kostbar/ moͤchte auch von Herzen wuͤnschen/ daß unsere Kundschafft sich auff andere und guͤtlichere weise haͤtte zutragen moͤgen; weil aber durch boͤser Buben Anstifftung es also ergangen/ wollen wir alles widrige aus dem Gedaͤchtniß legen/ und hinfuͤro die Auffrichtige Freundschafft fest setzen; welches an unser Seite zube- zeigen/ sollen eurem Lande hiemit und krafft diesem 40 Tonnen Goldes an der bestimme- ten Anlage geschenket seyn. Worauff Mnata sich gegen sie neigete/ und Mastyes im Nah- men des Landes sich davor bedankete. Als die grossen Gelder aus Pannonien ankahmen/ wurden der abgestraffeten Obersten Guͤter unter die Boͤhmischen und Teutschen Ober- sten ausgeteilet/ wovon Koͤnigin Valiska Fuͤrsten Olaff 10 Tonnen Schaz anboht/ welche doch anzunehmen/ er sich durchaus wegerte/ daher sie endlich zu ihm sagete: Je so sol auch mein Herr Bruder diese Gelder nicht eben wider seinen Willen haben/ sondern ich wil sie zu mir nehmen/ und so lange in Verwahrung behalten/ biß ich sie dereins (Gott gebe gar bald) seiner kuͤnfftigen liebesten Braut in seinem Nahmen werde einhaͤndigen koͤnnen. Dessen er sich bedankete/ mit vorwenden/ es würde ihre Vortrefligkeit noch viel Jahr zur Auslieferung haben. Die erlassene 10000 Roͤmische Gefangene und gemachte Leibei- gene stelleten sich zu Prag am zeitigsten ein/ und wurden alsbald dem Roͤmischen Kaͤyser wol bekleidet und begabet/ zugeschicket. Die anderen folgeten almehlig hernach/ und mu- sten zu Prag ihre Nahmen/ Stand und Wesen auffzeichnen lassen. Ihre Herren hatten sie auff des Koͤniges und der Landstaͤnde Befehl von Fuß auff neu gekleidet/ und mit noͤ- tigen Zehrgeldern und Reisekosten versehen/ und befunden sich 26000 Boͤhmen/ Maͤnner uͤber 24 Jahren/ die in ihrem knechtischen Stande 60000 Soͤhne und 40000 Toͤchter gezeuget hatten/ welche alle vor frey erklaͤret/ und in die neugebauete Staͤdlein/ Flecken uñ Doͤrffer verteilet wurden. Der Teutschen wahren 8000 alt und jung/ die alsbald wieder nach ihrem Vaterlande zogen/ und daselbst ehrlich empfangen wurden. Schweden/ Daͤ- nen und Friesen funden sich nicht/ nur 800 Wenden alt und jung/ und 50 Franken/ welche mehrenteils im durchreisen ehmahls auffgefangen/ und vor leibeigen verkaufft wahren. Eines Abends nach gehaltener Mahlzeit/ da Arbianes zwar alle Gefahr uͤberstan- den hatte/ sich aber noch im Bette halten muste/ sassen Valiska/ Klaꝛa und Sibylla vor ihm/ mit Gespraͤch ihm die Zeit zuverkuͤrzen/ da Valiska von ihm begehrete/ er moͤchte ihr doch erzaͤhlen/ wie es ihm Zeit seines Elendes ergangen waͤhre/ da er von dem Fraͤulein geschie- den/ und endlich in Betlers Kleidern wieder bey ihr angelanget. Gar gerne/ antwortete er/ dann meine darauff erfolgete Gluͤkseligkeit ist Gott Lob so groß/ daß ich der kurzen Wie- derwertigkeit nicht mehr achte/ auch zu Zeiten noch wol mit Lust daran gedenke. Fuͤrstin Klara Achtes Buch. Klara wahr dawieder/ und baht sehr/ es auff eine andere Gelegenheit zuverschieben/ dañ sie koͤnte es ohn Traͤhnen nicht anhoͤren. Aber Koͤnigin Valisken Wille ging vor/ und sa- gete sie/ es wuͤrden ihre Traͤhnen ihr nit so gar unangenehme seyn/ weil sie ihre Fr. Schwe- ster noch keinmahl aus Mltleiden weinen gesehen. Fing demnach Arbianes also an: Wañ ein Mensch die Verfahrung des almaͤchtigen Gottes mit uns armen Suͤndern betrach- tet/ wie dann unser Gluͤk und Ungluͤk einig von ihm herkomt/ hat man sich nicht unbillich zuverwundern/ wie bald und leicht er unsern Muht brechen/ und das auffgeblasene Herz demuͤhtigen kan. Da ich mein Herzgeliebtes Fraͤulein bey mir in einem Gemache/ und von ihr eheliche Versprechung biß auff ihrer Eltern und Anverwanten Einwilligung/ wie wol mit grosser Muͤhe erhalten hatte/ gedachte ich in meinem Herzen/ je was solte dich nun wol hindern/ daß du nicht inwendig vier oder fuͤnf Tagen mit ihr bey ihren Eltern seyn/ und durch deiner Fr. Schwester Fr. Valisken Vorschueb das Beilager gluͤklich halten soltest? Aber wie bald wuste mir Gott diese sichere Vermaͤssenheit außzutreiben! vor erst schickete er Feur uͤber mich; das wahr nicht maͤchtig gnug. Hernach vier Moͤrder/ denen entbrach ich mich nach empfangener Wunde/ aber wie ich mich umsahe/ wahr mein Schaz nicht mehr verhanden. Wie ich derselben biß in ihre erste Herberge Nachfrage getahn/ ist alles schon wissend; da ich aber an die Stelle kam/ wo man sie gebunden hatte/ ging ich im- mer mit meinem Bohten foꝛt/ die Stad zuerꝛeichen/ dah in sie zuzihen willens gewesen waꝛ. Nun hatte dieser leichtfertige Bube/ mein jeztgedachter Bohte gesehen/ daß ich etliche Kꝛo- nen aus meinem Schiebsak zog/ und mochte ihm daher Hoffnung einer grossen Beute ma- chen/ daß ihm der leidige Geiz den moͤrdlichen Anschlag ins Herz gab/ mich niderzuschla- gen uñ zuberauben/ welches er auff diese Weise vornam: Er blieb ein wenig zuruͤk/ ob muͤ- ste er etliche eingefallene Sand Steinlein auß den Schuhen machen/ dañ ich ließ ihn sonst immerzu vor mir hinlauffen/ so witzig hatten mich die drey Raͤuber zwischen den Sand- Huͤgeln gemacht. Ich ging voꝛdismahl in tieffen Gedanken/ wegen meines verlohrnen See- len-Schatzes/ welches dieser Mordschelm merkend/ gar heimlich hinter mir her schleich/ und mit seinem schweren Springstecken mir eins uͤber den Kopff versetzete/ daß ich als tod zur Erden niderfiel/ da er mich alsbald ins Korn schleppete/ des Vorsatzes/ mir mit dem Messer die Kehle abzustechen/ daß ich ja nit wieder erwachen solte. Mein Gott aber schicke- te es/ daß ich mich entwarff/ gleich da er neben mir niderknien/ und den Mord vollenden wolte/ welches ich in halber Ohmacht ersehend/ ihn mit dem Fusse stieß/ daß er strauchelte/ machte mich auch von der Erde auff/ dem Tode zuentgehen/ aber das Haͤupt wahr mir so taumlicht/ daß ich meinete/ die Erde lieffe rings mit mir umb. Der Gotlose Bube merkete meine Schwacheit/ durffte doch mit dem Messer mir nicht nahen/ sondern hohlete den Springstecken wieder her/ damit wolte er mich vollends hinrichten/ unterdessen ich meine Seuffzeꝛ zu Gott um Rettung gehen ließ/ und daß er mir nur so viel Kraft verleihen wolte/ mich vor dem Mord zuschuͤtzen; stehen kunte ich nicht/ welches der Schwindel mir nicht zulassen wolte/ setzete mich deßwegen auff die Knie/ uñ fuͤhlete zu meinem Gluͤk einen Stein neben mir in der Furche liegen/ welchen ich auffhueb/ und naͤhst Gott hierauff meine Hof- nung setzete/ gleich da der Moͤrder auff mich anging/ und die Arme zum Schlage auffhueb/ die Todes Furcht aber mir so viel Kraft verlihe/ dz ich ihm das eine Auge außwarff/ er aber n n n n n vor Achtes Buch. vor Schmerzen niderfiel und ein hefftiges Geschrey anfing; O rettet mich armen Mann aus dieses Moͤrders Haͤnden! ich erschrak dessen noch mehr/ in Betrachtung/ da es Leute hoͤren solten/ duͤrffte ich noch erst als ein Moͤrder angefallen und hingerichtet werden/ da- her ich zu ihm kroch/ und mit dem vorigen Steine ihm den Kopff so lange beklopffete/ daß ihm das Leben und die Stimme zugleich verließ/ und ich seinet wegen mich nicht weiters zubefuͤrchten hatte. Ich sahe aber einen zimlich erwachsenen Knaben quehr uͤber ein unbe- samtes Feld lauffen/ welcher das Mordgeschrey gehoͤret hatte/ gedachte auch/ ich muͤste gewiß als ein Moͤrder sterben/ wann er Leute herzu aus dem Dorffe braͤchte/ die mich bey dem Erschlagenen fuͤnden/ kroch deßwegen auff allen Vieren mit hoͤchster Unmacht aus dem Korn/ in dem Fahrwege gleich vor mir weg/ wiewol ich nicht weit fortkommen kun- te/ und nach Verlauff einer guten halben Stunde hoͤrete ich von feꝛne schreyhen; wo ist deꝛ Moͤrder/ wo ist der Moͤrder? halt ich sehe dich wol. Ich wendete mich hierauff wieder zu- ruͤk/ ihnen entgegen/ und kroch immer zu ihnen hinan/ biß sie mein inne wurden/ zu mir ge- lauffen kahmen/ und mich frageten/ was mir gebraͤche/ daß ich so daher kroͤche; denen ich zur Antwort gab; es waͤhre ein Moͤrder uͤber mich kom̃en/ und haͤtte mir den Kopff schier gar eingeschlagen/ daß ich in Ohmacht nider gesunken/ und als ich mich endlich erhohlet/ haͤtte ich mich nach meinem Bohten umgesehen/ der mir entweder entlauffen oder erschla- gen seyn muͤste; fragete sie auch/ ob sie nit einen Mann im blauen Fuhrmans Rocke lauf- fen gesehen/ moͤchten sie mir denselben nachweisen/ dann er haͤtte etliche koͤstliche Sachen bey sich/ die mir zustuͤnden. Ich hatte dieses kaum ausgeredet/ da lieffen andere herzu und sageten an/ sie haͤtten den erschlagenen Menschen funden/ wann sie nur wissen solten/ wo- hin der Moͤrder sich gewendet. Sie beschrieben mir auff mein Begehren den Todten/ wor- auff ich mich sehr uͤbel gehuhb/ es waͤhre eben mein Bohte; ob nicht ein schwerer Wet- scher bey ihm gefunden wuͤrde/ in welchem alle meine Wolfahrt steckete. Und als dieser er- tichtete Wetscher sich nirgend sehen ließ/ fing ich ein elendes Geschrey an; man moͤchte doch den Moͤrder verfolgen/ und wer ihn antreffen/ und mir meine Sachen wiederschaf- fen wuͤrde/ solte davon auff 500 Kronen wert zum Trinkgelde haben. O haͤtten sie nun dz lauffen sehen sollen/ welches diese Bauren trieben; die ganze Dorffschafft wahr bey ein- ander/ wol 50 Mann/ welche hin und wieder durch die Fruͤchte setzeten/ und zutraten mei- ner Meinung nach/ wol vor 500 Kronen Früchte/ auff daß sie 500 Kronen verdieneten/ die in der Welt nicht wahren. Verzeihet mir mein Herr Bruder/ sagte Koͤnigin Valiska/ dz ich eures Ungluͤks lache/ welches doch nicht wol haͤtte groͤsser seyn koͤnnen; ich danke aber Gott mit euch/ daß er euch diesen heilsamen Fund ins Herz gegeben hat/ und moͤgen die Bauren immerhin das Korn durchsuchen biß sie muͤde werden/ wann sie nur den Taͤhter nicht antreffen. Der ist schon geboꝛgen/ antwortete er/ aber dazumahl wahr ers noch nicht/ massen als diese Bauren biß in die sinkende Nacht sucheten/ und nichts funden/ weil nichts da wahr/ begunten sie den Schaden jhres Korns zu beklagen/ biß endlich ein altes Weib sie zu frieden sprach/ ein guter frischer Regen wuͤrde es wol wieder auffrichtẽ/ womit sie nach dem Dorffe kehreten/ und mich im Elende liegen liessen/ wie heftig ich sie gleich baht/ mich mitzunehmen. Um Mitternacht/ da ich unter dem freyen Himmel lag/ und in stetem Ge- beht vor mein Fraͤulein zu meinem Gott verblieb/ kahmen drey Bauren (die ich an der Stim- Achtes Buch. Stimme kennete/ daß sie von den vorigen wahren) zu mir/ und frageten/ was ich die Nacht im Felde laͤge/ hoͤreten weiters nach keiner Antwort/ sondern fasseten mich an/ zogen mir alle meine Kleider aus/ auch das Hemde/ und draͤueten mir/ dafern ich sie verfolgen/ oder ein Wort sprechen wuͤrde/ wolten sie mich ohn alle Barmherzigkeit binden/ und in dem naͤhesten Teiche ertraͤnken; welches mich lehrete gute Wort geben; sie moͤchten mit mei- nen Kleidern nur hingehen/ ich kennete sie ja nicht/ waͤhre auch in diesen Laͤndern unbekant/ daher sie meinetwegen sich im geringsten nicht zubefuͤrchten haͤtten; nur baͤhte ich sie um Gotteswillen/ mir das Hemde wie der zuzuwerffen; es waͤhren in meinen Kleidern eine gute Anzahl Gold Kronen vermachet/ die ich ihnen gerne goͤnnen wolte/ wann sie mir nur etliche Groschen Zehrgeld schenketen/ und mir sageten/ wohin ich meinen Weg nehmen solte/ der ihnen nicht zuwieder waͤhre. Sie funden das Gold/ wie ich sagete/ daher sie diese Barmherzigkeit mir erzeigeten/ daß der eine sich außzihen/ und mir sein altes wolzulappe- tes Hemde geben muste/ dann meines gefiel ihnen zu wol. Nach ihrem Abscheide legete ich das unflaͤtige Leilach an/ fiel auff meine Knie/ und baht den grundguͤtigen Gott/ er wolte mir nur zu Leuten verhelffen/ daß ich meinen Leib bedecken und erhalten koͤnte/ auch mich des Weges fuͤhren/ den mein allerliebstes Fraͤulein gezogen waͤhre; aber so bald bekam ich keine Erhoͤrung. Mein bestes wahr/ daß ich am Haͤupte Linderung fuͤhlete/ und noch zim- lich fortgehen kunte/ wiewol ich diesen ganzen Tag bey keinem Dorffe noch Flecken ankam/ und ob mir gleich etliche im Felde begegneten/ lieffen sie doch vor mir Unbekleideten/ und hielten mich vor einen unwitzigen Menschen; wolte ich dann fragen/ wohin ich gehen mü- ste/ kunte ich wegen Schwacheit ihnen nicht nachlauffen. Gegen den spaͤten Abend sahe ich ein altes Weib vor mir hergehen/ die am Stecken hinkete/ machte mich zu ihr hin/ und verstund mit grossen Freuden von ihr/ daß ich nicht weit von einem Dorffe haͤtte/ da sie zu Hause waͤhre; ging also in ihrer langsamen Geselschafft fort/ und erlangete auff vielfaͤlti- ges bitten/ daß sie mir die Nachtherberge zusagete. Sie hatte einen starken grossen Sohn/ welcher aus der Schenke zu Hause kam/ da er sich rechtschaffen vol gesoffen hatte/ mache- te sich nach der Scheuren/ und legte sich auffs Stroh/ den Rausch auszuschlaffen. Die Alte folgete ihm/ zog ihm die Kleider ab/ und begab sich wieder ins Hauß nach ihrem La- ger/ da sie mir gleichwol ein Stuͤk Brod und Kaͤhse/ auch einen Trunk sauren Kofend ge- geben hatte/ und ich wol schwoͤren kan/ daß mir nie kein essen oder trinken besser geschmec- ket; aber ich lohnete ihr uͤbel; dann da sie mich nach der Scheuren gehen/ und da schlaffen hieß/ besuchte ich dem Tunkenbolt seinen Schiebsak/ fand etliche Groschen drinnen/ und nam sie als eine Zehrung zu mir. Ich haͤtte ihm die Kleider gar genommen/ sagte Valis- ka/ mit dem Vorsatze/ es dereins tausendfach zubezahlen. Ich bedanke mich des guten Rahts/ antwortete Arbianes/ dann gleich also machte ichs auch; massen nach begangenem ersten Diebstal/ ließ ich mich auch zu dem andern verleiten/ schlohf in seine Kleider/ legete seine Bauren Ploͤtze an/ und ging bey Nachtzeit im Mondenschein so weit fort als mir moͤglich wahr/ biß ich in sechs Stunden wol zwo Meilen hinter mich gelegt hatte/ und bey einem Flecken anlangete/ woselbst vor dem Tohr ein eingefallenes Haͤußlein zur Linken stund. Ach mein Gott/ sagte Fuͤrstin Klara/ in eben diesem Flecken hatte ich mich vor eine Naͤhterin gleich dazumahl vermietet/ und wann es Gottes Wille gewesen/ haͤtte unser Un- n n n n n ij gluͤk Achtes Buch. gluͤk alsdann koͤnnen geendet werden/ wann nur mein Schaz an meine Herberge gerahten waͤhre. Ich hielt mich daselbst zehn Tage auff/ antwortete Arbianes/ umb meine Kraͤffte zuerlangen/ dann mein Haͤupt wolte den Fuͤssen nicht folgen/ wie willig dieselben auch wa- ren/ den Weg zumaͤssen/ der mich nach meiner Seelen Vergnuͤgung tragen moͤchte; jedoch wahr auch diese Verweilung meiner damahligen Meinung nach/ mir sonderlich gluͤkse- lig dann wie ich ohn gefehr in ein Wirtshauß/ einen Trunk zutuhn/ einkehrete/ erfuhr ich daselbst/ daß vor wenig Tagen ihre Naͤhterin mit ihrem Manne Wolffgang nach dem Elbstrome gereiset waͤhre/ erkennete auch aus allen Wahrzeichen der Kleidung und son- sten/ daß eben die ich suchte/ diese seyn wuͤrde/ daher ich mich des folgenden Morgens sehr fruͤh auffmachte/ und in Geselschafft eines mir unbekanten Bohten/ des naͤhesten Weges nach Magdeburg zulief/ der Hoffnung/ in weniger Zeit zufinden/ was ich suchete; aber mein Unfal muste so leicht nicht geendet seyn/ gestaltsam ich abermahl am dritten Tage nach meinem abreisen unter Raͤuber Haͤnde geriet/ die mich nacket auszogen/ und weil ich mich etwas straͤubete/ mir etliche Wunden schlugen/ daß ich halb tod liegen blieb/ nachdem mein Gefaͤrte sich aus dem Staube machete/ da ihm so wol als mir/ Kleider und alles ab- genommen wahr. Hieselbst haͤtte ich nun ohn Zweifel sterben muͤssen/ wann nicht Gottes Barmherzigkeit es gefuͤget/ daß ein Baur mit einem ledigen Wagen daher gefahren waͤh- re/ welcher auf mein vielfaͤltiges bitten/ mich aufflud/ und nach seinem Dorffe brachte/ da ich von seinem Sohn verbunden/ und von seiner manbaren Tochter fleissig gewartet ward/ biß ich die Gefahr Tage vorbey gebracht hatte. Dieser Baur wahr von guten Mitteln/ und reich an grossem und kleinem Vieh/ hatte nur diese beiden Kinder/ die sehr gute Nei- gung zu mir trugen/ insonderheit die Dirne/ welche mir ihre Kleider/ Korallen/ und ande- re/ ihrer Meinung nach/ gnug koͤstliche Sachen sehen ließ/ welche ich dann/ ihre gute Gunst zuerhalten/ wider meinen Willen ruͤhmen muste/ taht mir auch so viel gutes/ als ihr Bau- ren Hũtle in/ welches raum genug wahr/ vermochte/ umb mich zur Gesundheit zubefodern/ da der Sohn sich erboht/ mich vor einen lieben Gesellen anzunehmen/ wann ich mich in den Ackerbau und zur Viehzucht schicken wuͤrde; dem ich alle Moͤgligkeit und Traͤue ver- sprach. So bald ich wieder gehen und mich kleiden kunte/ wahr die Tochter mit einem neuen Kleide fertig welches sie mir selbst brachte/ und mit diefen Worten mich solches an- legen hieß: Mein geliebter Sebald (also nennete ich mich)/ ihr seyd nacket und bloß/ ver- wundet und krank in meines Vaters Hauß kommen/ aber ich werde nimmermehr zuge- ben/ daß ihr so schlecht wieder von uns hinweg scheidet/ sondern ich habe euch dieses Kleid machen lassen/ welches euch zumahl statlich anstehen sol; das Wammes ist von guter Baumseide/ die Hosen von feinem Tuche/ und ist kein Knecht im ganzen Dorffe/ der es besser haͤtte. Unsers Nachbarn Sohn Kurd meinet/ er sey der ansehnlichste und huͤbscheste im Dorffe/ aber ihr gehet ihm noch weit vor/ deßwegen habe ich ihm gestern den Korb ge- geben/ weil ich euch lieber als ihn haben wil; so haltet euch nun frisch/ und gehet meiner Mutter fein zu Wege und Stege/ als dann koͤnnet ihr noch wol bey ihr erhalten/ daß ich eu- re Frau werde/ worzu ihr meinen Willen habt/ und das Gluͤk euch bescheret ist/ daß euch das feineste und reicheste Maͤdchen im Dorffe lieb hat; mit welchen Worten sie sich zu mir nahete/ und wider meinen Willen mich baͤurisch gnug umfahend/ kuͤssete/ welches mich/ da sie Achtes Buch. sie zu kühn werden wolte/ endlich verdroß/ und sie in zimlichem Ernste abwiese/ sie solte sich dessen ja enthalten/ massen wann ihre Eltern oder ihr Bruder dessen inne wuͤrden/ duͤrff- ten sie ungleiche Gedanken fassen/ und mich wol gar als einen unzuͤchtigen niderschlagen; aber sie achtete dessen wenig/ sagte/ ihre Eltern haͤtten sie lieb/ und wuͤrden ihr den zum Manne wol goͤnnen/ den sie haben wolte und muͤste; welche Kuͤhnheit mich fast antwort- loß machete/ haͤtte auch ohn zweifel ihr noch haͤrter zugeredet/ wann nicht ihre Mutter dar- zu kommen waͤhre/ welche ihre Tochter vor mir auff dem Bette sitzen sehend/ zu uns sagete/ wir solten uns nicht zu weit vertuhn/ ein wenig ginge wol hin/ und wuͤste sie wol/ dz Knech- te und Dirnen gerne mit einander spieleten; und was des schaͤndlichen Geblaͤrres mehr wahr/ wodurch sich die Tochter so erkuͤhnete/ daß sie von der Mutter begehrete/ mich ihr zum Manne zugeben/ oder sie wolte mit mir davon lauffen/ daß kein Mensch erfahren sol- te/ wo sie gestoben oder geflohen waͤhre. Die Mutter aber zur Antwort gab/ wann sie mich dann so lieb haͤtte/ moͤchte sie mich im̃erhin nehmen; schlug die Kam̃er zu/ und ließ uns bei- de allein beysam̃en/ da das freche Tihr anfing/ mit hohẽ Schwuͤren uñ Fluͤchen sich heraus zulassen/ wie lieb sie mich haͤtte/ und dz sie mich nim̃ermehr verlassen wolte/ sehlete auch we- nig/ sie haͤtte sich gar zu mir gelegt/ wañ ich nit aufgestanden waͤhre/ uñ die Kleider angezo- gen haͤtte/ in welchen ich ihr so wol gefiel/ daß sie mich von der Kammer nicht lassen wolte/ ehe und bevor ich ihr eine gleiche Liebe versprochen haͤtte. Ich speisete sie mit guten Wor- ten/ sie moͤchte gemach tuhn/ und an meiner Liebe nicht zweifeln/ ich wolte zuvor mit ihrem Bruder davon reden/ daß er mir des Vaters bewilligung erlangete; nam sie bey der Hand welche haͤrter als ein Eichenbret wahr (massen sie straͤnge arbeiten kunte) und fuͤhrete sie zur Kammer hinaus. Ihr Vater sahe uns daher treten/ und fragete mich/ was ich mit der Dirne zu gehen haͤtte/ und wie ich zu dem statlichen Kleide kaͤhme/ dessen gleichen er sein Tage an seinem Leibe nicht gehabt; es muͤste mir ja von den seinen geschenket seyn/ weil ich nacket und arm von ihm auff den Wagen geworffen waͤhre. Welches die Tochter unge- scheuhet beantwortete: Sie haͤtte es vor ihr eigen Geld machen lassen/ wem darauff etwas mangelte; sie wuͤste schon/ woher sie die Bezahlung von mir haben solte. O du leichtferti- ger Sak/ sagte ihr Vater/ soltestu so viel Geld an ein Kleid legen/ welches unter drey oder vier Guͤlden nicht gezeuget ist/ uñ es einem Wildfremden antuhn/ der sich wol mit schwar- zer Linnewand/ gleich wie ich/ behelffen koͤnte? Welches ich also beantwortete: Guter Va- ter/ ich verspreche euch hoch und teur/ daß ich alle angewante Kosten gerne und willig be- zahlen wil/ darumb verzeihet eurer Tochter solches/ und bleibet ihr und mir gewogen. Der alte schuͤttelte den Kopf und sagete zu mir: Junger ich rahte dir in traͤuen/ daß du nicht zu grosse Kundschaft mit der Dirne machest; ich habe sie meines Nachbars Sohn verspro- chen/ der wuͤrde dir das Fell übel zu droͤschen/ wann er dessen einigen Argwohn von dir ha- ben solte. Er hatte dieses kaum ausgeredet/ da trat eben derselbe Baurknecht zur Tühr hin- ein/ hatte eine Mistgabel in der Hand/ und ohn einige Begruͤssung sagte er zu dem Alten: Er wuͤste sich seiner Zufage wegen der Tochter zuerinnern/ welche er durchaus wolte ge- halten haben/ ungeachtet die lose Dirne ihm gestriges Tages den Kauff auffgesagt haͤtte/ welches er zu seiner Zeit ihr schon wolte geniessen lassen. Die frische Tochter kunte solche Draͤuung nicht verschmerzen/ und antwortete: Hoͤre Kurd/ was habe ich mit dir zuschaf- n n n n n iij fen? Achtes Buch. fen? gehe du hin nach deines Vaters alten Magd Metten/ welche du vor drey Jahren be- schlaffen hast; ich begehre dich Hurentrecker nicht/ wil auch nicht gewaͤrtig seyn/ daß du mich deiner Draͤuung nach/ jagen und schlagen solt. Oder meinestu daß ich keinen Kerl ohn dich kriegen kan? Haha! ich habe schon einen Braͤutigam vor mich/ und wiltu ihn gerne sehen? sihe da stehet er/ und hat mehr verstand in seinem kleinen Finger/ als du in dei- nem toͤlpischen grossen Kopfe. Hiemit wahr der Tanz gepfiffen/ dann der Vater trat hin zu der Tochter und gab ihr etliche Maulschellen/ daß ihr Mund und Nase blutete/ da er zu ihr sagete: Du lose Haut/ hastu den jungen Bengel darumb so munter gekleidet/ daß du deine Hurerey mit ihm treibest? nim̃ermehr sol er dein Kerl werden; fiel damit die Toch- ter aufs neue an/ und schlug frisch auff sie loß; welche aber meinen Streit mit Kurd erse- hend/ einen Muht fassete/ sich zur wehre stellete/ und den Vater nach wenigen ringen zur Erden niderwarff. Inzwischen hatte ich auch meine Arbeit; dann als Kurd hoͤrete/ daß seiner meinung nach ich ihm vor dem Korbe fischete/ sahe er mich grimmig an/ fassete seine Mistgabel/ und in dem er mich einen Schelm und Ehebrecher schalt/ schlug er auff mich zu/ daß wo ich nicht ausgewichen waͤhre/ er mich baͤuꝛisch gnug wuͤrde gezeichnet haben/ uñ weis ich nicht/ obs mein Gluͤk oder Ungluͤk wahr/ daß in diesem Sprunge ich eines Zuber- baums hinter der Tuͤhr gewahr ward/ mit welchem ich dem Baurflegel entgegen trat/ und ihm eins uͤber den Kopf versetzete/ daß er als ein Todter zur Erden niderstuͤrzete/ und keinen Finger regete. Der Alte tummelte sich unterdessen mit seiner Tochter auff der Erden weid- lich umb/ und hoͤrete ich ihn ruffen/ sie solte aufhoͤren/ ihm die Kehle zudruͤcken; die sich aber wenig daran kehrete/ biß die Mutter hinzu trat/ und den Alten rettete/ gleich da mein Gege- ner zu bodem fiel; woruͤber die Dirne sich hoͤchlich erfreuete/ daß sie mit blutigem Maul und Gesichte mir zurieff; Halte dich frisch du mein lieber Sebald/ ich wil niemand anders als dich haben. Mir wahr trauen dazumahl nicht sonderlich wol/ massen ich mich vor des Alten Rache fuͤrchtete/ den gleichwol sein Weib zu frieden sprach/ vorgebend/ er wuͤste ja wol/ daß sie beyde es mit ihrer Ehr eben so gemacht haͤtten/ und wo er nicht in seiner Toch- ter Willen gehehlen wolte/ muͤste ohn seinen dank noch diesen Abend die Ehe volzogen weꝛ- den; wodurch er naͤhern kauff zu geben bewogen ward. Ich aber machete mich freundlich zu der Dirne/ hielt ihr meine Gefahr wegen des nidergeschlagenen voꝛ/ und baht/ mir zu helf- fen/ daß ich mit einem geruheten Pferde mich davon machen koͤnte/ der Lebensgefahr zu ent- gehen/ welches sie ihrer einfalt nach/ nicht allein gerne einwilligte/ sondern den Baurensat- tel selbst hervor nam/ und ihres Vaters beste Pferd mir fertig machete/ da die Mutter mir inzwischen 15 Guͤlden hohlete/ mit der Abrede/ ich solte nach dem naͤhesten Flecken/ drey Meilen von dar/ zu ihrer Schwester mich begeben/ sie wolte in dreyen Tagen mich wissen lassen/ wessen ich mich zuverhalten haͤtte. Wem wahr lieber als mir? ich setzete mich ge- schwinde auff/ und rante als ein Vogel davon/ dann das Pferd wahr guter Schenkel/ mie- tete im naͤhesten Dorffe einen Bohten/ der mich des naͤhesten weges nach Magdeburg/ bringen solte; aber es wolte sich annoch nicht nach willen fugen/ sondern ich ward am We- serstrohm von sechs Raͤubern uͤberfallen/ welche mir Pferd/ Geld und Kleider nahmen/ dz ich mit noht Mutterleibes-nacket/ jedoch ohn sonderliche Wunden davon kam. Also muste ich in die sechs Stunden nach art unser ersten Eltern fein leicht dahin springen/ biß mir ei- ne Achtes Buch. ne Baͤurin mit einem Pelze begegnete/ welchen ich ihr mit gewalt abborgete/ und ihn umb die Schuldern hing. Gott verzeihe mirs/ daß ich dazumahl gedachte/ ob dem guten Adam sein Pelz auch also angestanden waͤhre/ und wolte mich in dieser Kleidung noch wol haben geduldet/ wann nur mein allerliebstes Evichen bey mir gewesen/ deren ich mich doch nicht gerne in solchem Schmuk haͤtte sehen lassen/ wiewol sie mich hernach in einem lausichtern antraff. Das Weib lieff mir eine weile nach/ wolte den Pelz nicht gerne missen/ endlich als sie sahe/ daß alles vergebens wahr/ fing sie an/ mich so abscheuhlich auszuschelten und zuver- fluchen/ daß ich mich schier an ihr vergriffen haͤtte. Sie wahr kaum von miꝛ hinweg/ da be- gegnete mir ein alter Betler mit zurissenen Lumpen/ dem ich einen Tausch anboht/ welcher ihm nicht zuwieder wahr/ dann der Pelz wahr neu und gut. Ich bekleidete mich armselig gnug/ und hatte noch/ wie mir dieser Betler sagete/ 18 Meilen biß gen Magdeburg/ welchen Weg ich vor mich nam/ und des folgenden Tages eine andere Betlergeselschaft/ sieben Mann stark antraff/ unter denen ein Blinder/ ein Stummer und drey Lahme oder hinken- de wahren/ die uͤbrige zween aber risch und stark/ und kunken sich doch stellen/ als waͤhren sie an der rechten Seite vom Schlage geruͤhret. Diese macheten mit mit Kundschaft/ und frageten/ warumb ich in solcher Jugend und bey so gesunden Tagen mich aufs betteln be- gaͤbe/ und anderen elenden unvermoͤgenden Leuten das Brod vor dem Maule hinweg naͤh- me; ich koͤnte mich ja bey einem Bauren vor einen Knecht vermieten/ und das Brod wol gewinnen. Ich gab ihnen zur Antwort; es haͤtten mich sechs freche Raͤuber durch gewalt- same Plunderung in diesen Stand gesetzet/ welchen ich nicht gedaͤchte laͤnger zu fuͤhren/ als von hier ab biß nach Magdeburg/ woselbst ich mir getrauete einen Herrn zubekom̃en/ dem ich auffwartete/ dann ich waͤhre aus der ferne/ wuͤste mit Gewehr und Pferden umbzuge- hen/ und haͤtte unterschiedliche fremde Sprachen in meiner Jugend gefasset. Der eine hin- kende Betler fing darauff an; es waͤhren Narren/ die sich in Dienste begaͤben/ und der Ar- beit sich unterwuͤrffen/ wann sie beim Muͤssiggange gute Tage und alles gnug haben koͤn- ten; wann mir nun ein solches sanftes Leben auch gefiele/ wolte er mich in ihre Geselschaft/ die sich zimlich stark befuͤnde/ aufnehmen/ und zur versicherung eines guten willens/ mir sei- ne juͤngste annoch unverheirahtete Tochter nebest 2000 Guͤlden Brautschaz geben. Ich erschrak dieses erbietens/ merkete schon/ was vor eine ehrliche Geselschaft ich angetroffen hatte/ erhohlete mich bald/ und sagete ihm dank vor den guten Willen/ wolte mich bedenken/ und ihn nach Verlauff etlicher Stunden Antwort wissen lassen. Aber der eine/ welcher sich bißher als vom Schlage geruͤhret/ bezeiget hatte/ griff mit beyden Armen nach mir/ uñ indem ich auswiche/ sagete er: Nein mein Kerl/ hier gilt nicht lange Bedenkzeit/ ich merke schon wol/ daß du nicht Lust hast/ lange in Betlers Kleidern zugehen. Ich spuͤrete/ daß mirs das Leben gelten solte/ erwehrete mich sein mit meinem zimlich starken Bettelstabe/ daß er mich gleichwol nicht greiffen kunte/ und sprang immer weiter zurük/ weil ich sahe/ daß der andere gesunde Schelm sich auch nahete/ welcher dann eine kurze verdeckete Ploͤtze hervor zog/ und auff mich darlieff. Ich trauete meinen Fuͤssen/ welche mich auch eines Weges von ihnen brachten/ da ich etliche Steine auffnam/ und mich gegen sie kehrete/ sie vermah- nend/ mich gehen zulassen/ oder der Steine zugewarten. Sie hatten beide ihre Ploͤtzen fer- tig/ mit denen sie ohn zweifel mannichen reisenden Menschen mochten ermordet haben/ kehre- Achtes Buch. kehreten sich an meine Warnung nichts/ sondern lieffen als blindlings auff mich an/ da- her ich dem voͤrdersten einen zweipfuͤndigen Stein entgegen schickete/ daß ihm der Kopff borste/ und damit zur Erden fiel; der andere sahe seinen Gesellen stuͤrzen/ machete sich zur Rache gefasset/ und gedachte mir aus dem Wurffe/ damit ich ihm draͤuete/ zuweichen; a- ber weil ich zween Steine im Vorraht hatte/ warff ich ihm den ersten vor die Brust/ daß es puffete/ und er begunte nach frischer Lufft zuschnappen; worauff ich ihm den andern voꝛ das Maul legete/ daß er wie eine Garnwinde umlief/ und ich zeit hatte/ mit des ertoͤdteten seiner Ploͤtze mich zuwapnen/ mit welcher ich auch diesen andern vollends hinrichtete. Die fuͤnff uͤbrigen erschraken dessen sehꝛ/ dann sie sahen/ daß sie mir nicht entlauffen kunten/ ohn allein der Stumme/ welcher quehr-Feldein ging/ und ich mich besorgete/ er wuͤrde mehr Huͤlffe aus der Naͤhe herzufuͤhren/ nahm deßwegen gegen die uͤbrigen nichts weiters vor/ sondern besuchete die beiden Erschlagenen/ fand bey ihnen einen guten Zehrpfennig/ und nachdem ich die Ploͤtze eingestecket hatte/ ging ich eilends nach dem naͤhesten Dorffe/ sahe mich offters umb/ und ward gewahr/ daß die Moͤrder nach allem Vermoͤgen zuruͤk eiletẽ/ weil sie ohn zweifel in Furcht stunden/ ich wuͤrde die Dorffschafft ihnen uͤber den Halß schicken. Aber ich hielt reinen Mund/ aus Furcht/ an meiner Reise gehindert zuwerden; setzete demnach meinen Weg im Nahmen Gottes fort/ gerade nach Magdeburg zu/ unter der Hoffnung/ mein Schaͤzchen daselbst zufinden/ aber es wahr daselbst nichts zuerfahrẽ/ als daß die Fuͤrstliche Geselschaft vor weniger Zeit nacher Prag gereiset/ und das Koͤnig- liche Fraͤulein als eine verlohrne hoͤchlich beklaget würde. Wohin wendestu elender Ar- bianes dich nun? sagte ich bey mir selbst; Ich hatte ein Geluͤbde getahn/ die Fuͤrstliche Ge- selschafft nicht zusehen/ biß ich entweder das Fraͤulein angetroffen/ oder einige Gewißheit von ihr wuͤrde erfahren haben; legete auch fleissig bey mir uͤber/ wessen ich mich verhalten solte; endlich noch hielt ich vor rahtsam/ mich nach Boͤhmen zuwenden/ und daselbst un- fern von Prag mein Leben in der Einoͤde zufuͤhren/ biß ich meiner Fraͤulein Leben oder Tod erkuͤndigen würde; bettelte mich also durch das Land/ und lebete etliche Zeit in beschwerli- chem Elende/ daß ich mehrenteils mein Leben mit Kraͤutern/ Wurzeln und anderen Ge- waͤchsen auffhielt/ doch etliche Stunden mich bey den Landstrassen fand/ und den Bauren zuzeiten ein Stuͤklein Brod abkauffete/ weil ich noch Vorraht an Gelde hatte. O wie manniche Widerwaͤtigkeiten bekuͤmmerten Tag und Nacht mein ohn das gnug trauriges Herz. Ist meiner Seelen Leben/ Frl. Klara todes verblichen/ sagte ich/ so wird die Aufloͤ- sung meiner Seelen und Leibes mich dahin begleiten/ da sie in der Engel Geselschafft ihren Heyland und Erloͤser ohn auffhoͤren preiset; wie aber/ gedachte ich bald darauff/ wann et- wa Wolffgang zum Wolffe worden/ sich einiger Unzimligkeit haͤtte geluͤsten lassen/ und dasselbe gesuchet/ welches ohn meiner Fraͤulein aͤusserstes Verderben nicht geschehen koͤn- te? Und wañ ich mich mit dieser Vergebligkeit lange gnug gepeiniget hatte/ dañ so graue- te mir vor Raͤubern und Moͤrdern/ von denen ich selbst nicht haͤtte frey seyn koͤnnen/ wie viel weniger ein Fraͤulein mit einem Bauren Knechte; aber daß mein Schaz als eine Dienstmagd leben solte/ ist mir nie eingefallen. Wann dann alle Ungluͤksfaͤlle/ die zuersin- nen wahren/ mein Gehirn durchlauffen hatten/ folgete mein unbewaͤglicher Schluß/ ich wolte entweder als ein Betler sterben/ oder ihrer froͤlichen Ankunft erwarten/ oder sie aufs neue Achtes Buch. neue suchen. Aber Gott schickete mir wider meinen Willen etwas Linderung/ in dem mein Leib Schuͤtze Zariaspes/ meiner Fr. Schwester ehemahligen Parthischen Hofmeisterin der Sysigambis Sohn/ mich ohngefehr erkennete/ da ich so wenig seiner als er meiner ver- muhten wahr; dann als ich des Nachtes im offenen Walde unter dem freyen Himmel mein Gebeht/ und daß es niemand verstehen solte/ auf Medisch taht/ ruhete mein Schuͤtze mir unwissend hinter einem Baume/ hoͤrete nicht allein seine Muttersprache von mir/ son- dern erkennete auch meine Stimme/ dessen er nicht wenig erschrocken/ in Demuht zu mir nahete/ und ob er zwar in dem Fruͤh Lichte meine elende Lumpen sahe/ kehrete er sich doch nicht daran/ setzete sich vor mir auff die Knie/ und sagete auff Medisch zu mir: Durch- leuchtigster Fürst/ welcher guͤtiger Gott hat mich zu so gluͤkseliger Stunde hieher gefuͤhret/ Euer Durchl. Gegenwart zuerfahren? Und was vor herbes Gluͤk leget einem so maͤchti- gen Fuͤrsten diese heßlichen Betlers Kleider an? Ich haͤtte mich gerne verstellet/ und gab auff Teutsch zur Antwort: Ich verstünde seine fremde mir unbekante Sprache nicht/ weil ich ein Teutscher/ und zwar ein armer Betler waͤhre. Aber mein Zariaspes kehrete sich nichts daran/ blieb in seiner Demuht/ und baht untertaͤhnigst/ mich dergestalt selbst nicht zuverleugnen/ weil mich weder Noht noch Gefahr darzu antriebe; daher ich mich ihm end- lich zuerkennen gab/ und geboht ihm bey Lebensstraffe/ meine Gegenwart keinem einigen Menschen wissen zumachen; dessen er sich lange wegerte/ und endlich auff harte Draͤuung versprach/ doch mit dem bedinge/ daß ich taͤglich von ihm etliche Speise nehmen solte. Al- so blieb ich in diesem Stande etwa zehn Tage/ biß der allerguͤtigste Gott meinen Seelen- Schaz des Weges hersendete/ da ich in meinen Betlers Kleidern nicht weit von der Heer- strasse saß/ und von meinem Zariaspes hefftig vermahnet ward/ mich nacher Prag zuer- heben/ und zum wenigsten als ein unbekanter mich daselbst auffzuhalten; ich mich aber ge- gen ihn erklaͤrete/ wie ich diese Nacht bey mir beschlossen haͤtte/ auff dem naͤhesten Dorffe mich noch eine ganze Woche auffzuhalten/ und nach deren Verlauff in seiner und sechs anderer Meden Geselschafft mich nach dem Flecken zumachen/ woselbst ich in der Herber- ge erfuhr/ daß mein Fraͤulein mit Wolffgang nach dem Elbstrohm solte gereiset seyn; der Hoffnung/ ich wolte daselbst ihre Spuhr antreffen/ oder doch etwas bessere Zeitung von ihr erforschen/ hatte ihm auch schon befohlen/ was vor Kleider/ Waffen/ Kleinot/ Gelder und Pferde er mir bringen solte; Ja ich speiete mich schon selbst an/ daß mir dieser heilsa- mer Raht nicht zeitiger eingefallen wahr. Aber die unvermuhtliche Ankunfft meiner Fraͤu- lein machte nicht allein diesen meinen Vorsaz zu Wasser/ sondern benam mich aller Angst und Traurigkeit. Was vor Anfechtungen aber in meiner Einsamkeit und Armut ich von dem leidigen Teuffel ausgestanden/ und wie er mich/ zur Verzweifelung zubringen/ ange- lauffen hat/ davon wil ich nicht viel Worte machen/ und nur/ weil ich lebe/ dieses ruͤhmen/ daß Gottes Krafft in mir Schwachen so maͤchtig gewesen/ daß ich alles ritterlich uͤber- wunden/ ungeachtet dieser geistliche Kampff mir mannichen Schweiß ausgejaget/ und mein Fleisch redlich gezaͤhmet hat. Einen vor andern aus hefftigen Saz habe ich dem Teuffel halten muͤssen/ des Nachtes zuvor/ ehe Zariaspes mich antraff/ und zweifele ich durchaus nicht/ der boͤse Menschen Feind sey mir das mahl in leiblicher Gestalt eines Bet- lers erschienen/ wovon ich zur andern Zeit ausführtichen Bericht tuhn wil/ weil ich hoͤre o o o o o etliche Achtes Buch. etliche zu uns kom̃en/ welche mich hindeꝛn werdẽ/ mich des ergangnẽ recht zueriñeꝛn. O du wunderbarer Gott/ sagte hierauff Koͤnigin Valiska/ wie gehestu mit deinẽ lieben Kindern so wunderlich um auf dieser Welt! jedoch muß ihnen alles zum besten gereichen/ insonder- heit deine vaͤterliche Heimsuchungen; dann ich glaͤube nicht/ daß ein Mensch/ wes Stan- des er auch seyn mag/ sich recht erkenne/ oder seine Schwacheit glaͤube/ dafern er nicht un- ter deiner Zucht gedemuͤhtiget wird. Aber gnug vor dißmahl/ von diesen traurigen Be- gebnissen/ wollen auch bey besserer Gelegenheit euren ausgestandenen Straus mit dem grossen Versucher/ anhoͤren/ und nunmehr geschaͤfftig seyn/ bey des zu euer Hochzeit/ nnd zu meines Herr Bruders Kroͤnung Bereitschafft zumachen/ und daß die geladenen Koͤ- nige aus Gallien/ Schweden und Daͤnenmark wol und gebuͤhrlich empfangen werden; nur wird ein einziges Fraͤulein-Bild uns bey dieser Froͤligkeit mangeln/ welche zweifels ohn mein Herr Bruder Arbianes gerne/ meine Fr. Schwester Klara aber sehr ungerne dabey leiden moͤchte. Diese kunten nicht gedenken/ was vor eine diese seyn moͤchte/ biß Va- liska sagete: Er solte sich seines ehmahligen Braͤutigam-Standes mit dem Bauren Fraͤu- lein/ Frl. Metten erinnern; woruͤber sie beyderseits uͤberlaut lacheten/ und Fr. Klara sage- te: Ja Herzen Fr. Schwester/ gedenket eure Liebe wol/ daß ich meinen Fuͤrsten aus dieser Bauren Huͤtte so rein und zuͤchtig solte wieder bekommen haben/ als er dahinein gangen ist? gewißlich moͤchte ich dieses schoͤne Bildichen mit ihren pflaumen-weichen Haͤndichen und blut-bund-gefaͤrbeten Muͤndichen hieselbst sehr ungerne sehen; dann wer weiß/ ob sie nicht allein kuͤhne Einsprache taͤhte/ sondern mein Fuͤrst den alten Schrol wieder bekom̃en/ mich verlassen/ und mit dieser kuͤhnen Heldin/ die ihrem Vater die Kehle so freundlich zu küssen weiß gar davon zihen moͤchte. Verzeihe es Gott euch beyden/ sagte Arbianes/ aber 5000 Kronen gaͤbe ich drumb/ dz sie moͤchte zugegen seyn/ es duͤrfte noch lustige Schwaͤnke abgeben/ und erkenne ich mich schuldig/ ihr das Pferd/ Kleider und andere angewante Ko- sten zuerstatten/ in sonderheit moͤchte ich dem guten Weibe ihren Pelz gerne bezahlen/ ob sie gleich davor ein uͤbriges gescholten und gefluchet hat. Also brachten sie diese Zeit in aller geziemenden Froͤligkeit zu/ und ob zwar Koͤnig Mnata Freiheit hatte/ nach seinem Koͤnig- reich zuzihen/ baht er sich doch selbst zu Arbianes Hochzeit/ welches den unsern sehr wol ge- fiel/ und auff sein Ansuchen ihm ganz gerne einwilligten/ daß er 100 seiner besten Ritter- schafft zu sich foderte/ ihm auffzuwarten. Mit Auffbauung der verstoͤreten Staͤdte und Doͤrffer ward fleissig fortgefahren/ und alles auff Koͤnigs Mnata Befehl besser gemacht/ als es vorhin gewesen; so hielt er auch mit seinen Schenkungen bey dem Koͤnigl- und Fuͤrstlichen Frauenzimmer immer an/ daß Valiska ungeduldig druͤber ward; er aber hoch beteurete/ daß er sein halbes Koͤnigreich nicht drum nehmen wolte/ daß er in diese Tugend- Schuele nicht kommen waͤhre/ wo selbst er nunmehr in etwas gefasset haͤtte/ was einem Koͤnige anstuͤnde/ welches ihm dann uͤberaus lieb waͤhre/ ungeachtet er zuvor eine zimlich harte Staͤupe/ welche er wol verdienet/ haͤtte aushalten muͤssen. Er lebete sonst wie ein Bruder mit unsern Koͤnigen/ und erlangete bey Valisken/ daß Herkules nacketer Kampf mit seinem ehmaligen Bato gehalten/ auff seine Kosten zum zierlichsten auff vier Tuͤcher abgemahlet/ und auff dem langen Umgange auffgehenket ward. Bald nach geendigtem Pannonischen Kriege/ kam der alte Friese Wittho mit sei- nem Achtes Buch. nem ungerahtenen Sohn Gerd zu Prag an/ ließ sich bey Wolffgang angeben/ der sie bei- de wol empfing/ sie aber wegen Verenderung seiner Sitten und Wandels kaum glaͤuben wolten/ daß er der vorige ihr Vetter waͤhre. Er fuͤhrete sie unangemeldet hin zu Arbianes und seinem Gemahl/ von denen der Alte uͤberaus freundlich empfangen ward/ da sie sich nicht scheuheten/ ihn ihren Erhalter und Vater zunennen. Er hingegen bezeigete sich aufs demuͤhtigste/ und wahr sein erstes Vorbringen/ daß er vor seinen Sohn um Gnade und Vergebung anhielt/ welches ihm nicht allein gnaͤdig eingewilliget ward/ sondern es ma- chete ihn Arbianes zu seinem Unterstalmeister/ weil er mit Pferden wol umzugehen wuste. Wittho aber erhielt/ daß er Zeit seines Lebens bey Wolffgang bleiben moͤchte/ der ihm al- les gutes taht/ und wol erkeñete/ daß er seiner Wolfahrt erste Ursach wahr. Er hatte sonst noch sechs grobe einfaͤltige Bauren Knechte/ seine Anverwanten mit sich herbracht/ denen statliche Meyerhoͤfe eingetahn wurden; berichtete auch/ wasgestalt der Rohtbart auf Koͤ- niglichen Befehl angegriffen/ und wegen der vorgebrachten Lüge (ob haͤtte er Arbianes uñ das Fraͤulein sollen nach dem Reinstrom bꝛingen) befraget worden/ haͤtte anfangs alles ge- leugnet/ aber nach angelegter harter Pein/ nit allein sein Vorhaben/ den Fürsten mit dem Fraͤulein umzubringen/ sondern in die 27 Mordtahten bekennet/ auch sechs Bauren ihres Dorffes/ als seine Mitgehuͤlffen angemeldet/ welche samt ihm mit dem Rade gestossen/ uñ hingerichtet waͤhren. Vierzehn Tage vor der angesetzeten Kroͤnung schrieb Reichard aus seiner Landstad zuruͤk an Leches/ wasgestalt er daselbst zwar wol angelanget waͤhre/ haͤtte aber mit wehmuͤhtigem Herzẽ vernehmen muͤssen/ daß seine Eheliebste schon vor vier Wo- chen an einem hitzigen Fieber Todes verblichen/ wie auch Fr. Mechtild; deren hinterlasse- ne aͤlteste und juͤngste Toͤchter (die mittelste waͤhre mit ihrer Mutter gestorben) Adelheit und Adelgund nunmehr von Herzen wuͤnscheten/ ihrer Fuͤrstin und Frauen untertaͤhnigst auffzuwarten; endlich baht er Leches in diesem Schreiben/ bey dero Hochfuͤrstl. Durchl. untertaͤhnigst zuvernehmen/ ob dieselbe gnaͤdigst einwilligen koͤnte/ waͤhre er nit ungeneigt jungfer Adelheit zuheyrahten/ deren Herz/ in Betrachtung seines jetzigen Ritter Standes/ er wol zugewinnen verhoffete; befahl sich der ganzen Koͤnigl- und Hochfuͤrstlichen Gesel- schafft/ insonderheit seiner verhoffentlich nunmehr wieder gnaͤdigsten Großfuͤrstin Fr. Klaren beharlichen Gnaden/ und baht/ auff sein gesiñen ihm zuantworten. Leches trug die- ses anfangs Arbianes allein vor/ welcher nebest Koͤnigin Valisken es mit der Fuͤrstin be- redete/ die eine solche Heyraht gerne befodert sahe/ daher sie Leches befahl was er antwor- ten und bey schleuniger Botschafft uͤber senden solte; sie aber setzete dieses Brieffelein selbst an Adelheit auff. Geliebte Freundin/ Jungfer Adelheid/ ihr sollet euch im trauren wegen eurer Mutter toͤdlichen Hintrittes maͤssigen/ welches ausser zweifel Gott also zu eurem besten geschicket hat; ich verbleibe eure und eurer Schwester gnaͤdige Frau so lange ich lebe/ und wil euch besser versorgen als euer Stand nicht mit sich bringet; koͤnnet ihr auch meinen Vorschlag genehm halten/ und Ritter Reichard/ der bey mir nunmehr wieder in vollen Gnaden stehet/ vor euren liebsten annehmen/ so las- set euch von ihm in eurem Jungfern-Stande heruͤber begleiten/ alsdann wil ich euch die Hochzeit auß- richten/ und zur Außsteur euch dasselbe zuwenden/ wovon ihr und eure Nachkommen den Ritter- und Herrn Stand wol sollet fuͤhren koͤnnen. Bringet auch eure Schwester mit uͤber/ und seumet nit. Gott befohlen von eurer stets gewogenen Frauen/ Großfuͤrstin Klaren. Reichard hielt sich sehr praͤchtig in seiner Heimaht/ so viel seiner Eheliebsten absterben o o o o o ij leiden Achtes Buch. leiden wolte/ und weil er grosse Geldmittel hatte/ taht er seinen Eltern und anderen Anver- wanten viel zugute/ bezeigete sich sonst sehr hoͤfflich und Tugendreich/ daß jederman sich uͤber ihn verwunderte. Bey Jungfer Adelheiden hatte er sich schon angemeldet/ und biß auff Großfürstin Klaren (deren sie sich zueigen ergeben haͤtte) befehl und gnaͤdigste Einwil- ligung ihm gute Zusage getahn/ wiewol jhr Vater es nicht gerne sahe/ und es gleichwol nit hindern durffte. Als nun beides Leches und der Großfuͤrstin Schreiben nebest uͤber schik- ten statlichen Kleinoten/ ankahmen/ wahr allerseits grosse Freude/ und machten die beiden Schwestern nebest Reichard und seiner Reuterey sich alsbald des folgenden Tages auff den Weg/ und weil sie Tag und Nacht eileten/ kahmen sie zween Tage vor der Kroͤnung zu Prag an/ liessen sich anmelden/ und wurden von Leches und Libussen auff Fuͤrstlichen Gut- schen nach dem Schlosse gehohlet/ woruͤber dem guten Reichard die Traͤhnen haͤuffig aus den Augen fielen/ in Betrachtung/ er vor diesem als ein Ubeltaͤhter in Ketten und Banden dahingeschleppet wahr. Sie wurden nach Arbianes absonderliches Gemach hingefuͤhret/ darinnen kein Mensch/ als er und sein Gemahl wahr. Reichard muste anfangs allein hin- eintreten/ welcher die Fuͤrstin ersehend/ alsbald einen Fußfal taht/ da ihm die Leid-Ohmacht uͤberfiel daß er wie ein todter Mensch gestrekt zur Erden stuͤrzete/ woruͤber die Fuͤrstin sich entsetzete/ und zu ihrem Fuͤrsten sagete: Allein diese Reue verdienet volkommene Verge- bung; Leches wahr mit ihm hineingangen/ welcher ihn schuͤttelte und bald wieder zu sich selbst brachte/ da Arbianes zu ihm trat/ und mit freundlichen Worten zu ihm sagete: Mein lieber Freund Reichard/ ihr habt foͤrder nicht Ursach/ euer Herz wegen des ehemaligen der gestalt zuaͤngsten/ nachdem alles vergeben und vergessen ist/ wie ihr solches dann durch eure tapffere und getraͤue Rettung wol verdienet habet. Er noch auff den Knien sitzend/ gab zur Antwort; wolte Gott/ Durchleuchtigster Fuͤrst/ daß ich meiner Boßheit selbst verges- sen koͤnte/ welche meine Seele zupeinigen nicht auffhoͤren wird/ biß sie durch den Tod von ihrem Leibe außfaͤhret: Euch aber Durchleuchtigste Groß Fůrstin/ gnaͤdigste Frau/ bitte ich nochmahls lauter umb Gottes willen/ dieselbe wolle mir groben Missetaͤhter und boß- hafften Suͤnder gnaͤdigste Vergebung wiederfahren lassen/ und ihren gerechten wolbesu- geten Zorn abwenden/ nachdem ich mich noch diese Stunde nicht wegern wil/ zur voͤlligen Abtragung der begangenen gotlosen Boßheit meinen Kopff herzugeben. Die Fuͤrstin er- innerte sich zwar ihrer ehemaligen Angst und Ehren Gefahr/ aber das wolverdienen be- hielt dannoch die Oberhand/ daher trat sie ihm naͤher/ und sagte: Stehet auff Ritter Rei- thard/ ich habe alles ehemalige der Vergessenheit gaͤnzlich uͤbergeben/ so gar/ daß wer des- sen gegen mich Erwaͤhnung tuhn wird/ mein Freund nicht seyn sol; dessen zum Zeugniß ich euch meine gewogene Hand biete; hielt ihm dieselbe dar; welche doch zuberuͤhren oder zuküssen er sich viel zuunwirdig achtete/ daher er sich zu ihren Fuͤssen niderlegte/ und den Rockes Saum ehrerbietig kuͤssete/ so daß Arbianes ihm hart zureden muste/ er solte solche Bezeigung abstellen/ wo er sonst wolte sein Freund seyn. Worauff er sich endlich auffrich- tete/ und doch die Augen vor sich niderschlagend/ die Fuͤrstin nicht ansehen durffte. Sie aber hieß ihn nunmehr freundlich wilkommen/ und ließ die beiden Schwestern Adelheit und Adelgund hinein fodern/ welche auch in ihren Trauer Kleidern mit einem Fußfalle eꝛ- schienen/ da nach Reichards Unterrichtung die kleinere/ so kaum sechs Jahr alt wahr/ also anfing: Achtes Buch. anfing: Gnaͤdige Fr. Armgart/ ich bitte euch um Gottes willen/ ihr wollet meinem Vater seine Suͤnde vergeben/ die er in meinem Beywesen an euch veruͤbet hat/ er sol nicht mehr mein Vater seyn/ sondern ich und meine Schwester wollen allezeit eure gehorsame Maͤg- de bleiben. Diese Rede brachte der Fuͤrstin die Traͤhnen aus den Augen/ und gab sie zur Ant- wort; Herzliebes Kind/ dein boͤser Vater haͤtte in der Welt keinen besseren Vorbitter als dich haben koͤnnen/ daher sol ihm verzihen seyn/ und du solt mein liebes Toͤchterchen blei- ben. Hoͤre Herzen Adelheid/ sagte darauff das Kind zu ihrer Schwester/ unsere Armgart wil meine Mutter seyn/ sihe doch/ wie schoͤn ist sie jezt. Die Anwesende lacheten hieruͤber/ uñ die Großfuͤrstin hub Adelheid auff von der Er den/ kuͤssete sie/ und sagte/ wilkommen meine liebe Freundin/ verlasset euch darzu/ daß ihr bey mir allen gnaͤdigen Willen finden werdet/ gleich wie ihr ehmahls nach eurem Vermoͤgen mir alle Freundschafft erzeiget habet. Die- se bedankete sich untertaͤhnigst der angebohten ganz unverdieneten Gnade/ und erboht sich zu allem Gehorsam. Sie gingen mit einander nach dem gemeinen Fuͤrstlichen Saal/ wo- selbst Reichard sehr gnaͤdig empfangen ward/ auch Koͤnigin Valiska den beiden Schwe- stern grosse Hulde zuwendete/ deren kleinere sich hinmachete zu Heꝛkuliskus/ mit ihm zuspie- len/ welcher/ wie auch Herkuladisla nachgehend von diesem Kinde nicht lange seyn wolten; daher Valiska sie in ihr Frauenzimmer nam/ und hat sie im sechzehnden Jahre ihres Al- ters an einen vornehmen Teutschen Herrn verheyrahtet. Zwischen Reichard und Adelheit aber ward die Ehe abgeredet/ und solte uͤber zween Tage auff Arbianes Hochzeit Fest das Beilager zugleich mitgehalten werden/ wie imgleichen auch des guten Wolffganges/ der sich uͤber Reichards wolergehen sehr erfreuete. Desselben Tages um den Nachmittag kam Koͤnig Haron aus Schweden mit seinem Gemahl Koͤnigin Hedith/ und hielt mit 1200 Rittern/ Schweden und Gothen seinen Einzug/ da sie insonderheit von ihrer Schwieger- Tochter Fuͤrstin Sibylla sehr freundlich empfangen wurden/ deren Geburtzeit herzuna- hete/ und erfreueten sich die Eltern hoͤchlich uͤber ihre Tugend und Froͤmmigkeit/ hatten auch ihre Frl. Tochter Frl. Schulda mit sich gebracht/ die nunmehr das 16 Jahr hinter sich gelegt hatte/ und ein sehꝛ schoͤnes wolgezogenes Fraͤulein wahr. Des naͤhesten hernach folgete der Daͤhnische Koͤnig mit seinem Gemahl und dem Wendischen Fraͤulein/ nah- mens Vanda/ auch mit 1200 wolgeputzeten Rittern/ und hatte seine Fr. Schwester die Wendische Fuͤrstin Fr. Bochild sich mit in seine Geselschafft begeben/ welche auch wol und freundlich gewilkommet wurden. Weil diese ihren Einzug hielten kam ein Trometer/ und meldete an/ daß Koͤnig Hilderich mit seinem Gemahl Fr. Waldburg eine halbe Mei- le von Prag mit 1800 Rittern im offenen Felde hielte/ und begehrete freundlich/ berichtet zuwerden/ ob ihm erlaͤubet waͤhre mit seinen Leuten der Stad zunahen; Koͤnig Herkules wahr Willens/ ihm entgegen zuzihen/ aber weil den anderen Koͤnigen solche Ehre nicht begegnet wahr/ hielt sein Sohn Fuͤrst Markomir sehr instaͤndig an/ solches zuunterlassen; Er aber zog mit 10 Rittern seinen lieben Eltern nebest Herr Krokus entgegen/ als welcher ihn mit allen seinen Leuten einladen muste. Als der Vater seinen lieben Sohn in einem Persischen güldenen Stük/ mit Perlen und Demanten reichlich besetzet/ auff einem Per- fischen Pferde gar freidig gegen ihn daher kommen sahe/ und zwar viel eine andere Reit- art halten/ als vorhin/ erfreuete er sich sehr. Der Sohn/ als er nahe hinzu kam/ sprang gar o o o o o iij zierlich Achtes Buch. zierlich vom Pferde/ kuͤssete seinem Herr Vater anfangs das Knie/ nachgehend die Hand/ und sagete: Gnaͤdigster Herr Vater; Eurer Vaͤterlichen Hulde danke ich von Herzen/ daß dieselbe mich hieher hat zihen lassen/ woselbst meine Seele in der allervolkommensten Vergnuͤgung sich befindet/ welche erdacht kan werden/ und weil die Zeit mir nicht goͤnnet/ meine Gluͤkseligkeit zuerzaͤhlen/ wollen Eure Hocheit wissen/ daß an Koͤnig Herkules und seinem Gemahl Koͤnigin Valiska/ den unvergleichlichen allervolkommensten Menschen- bildern der ganzen Welt/ ich nicht allein getraͤue wahre Freunde/ sondern die allerbesten Lehrmeister angetroffen habe/ von denen ich nunmehr den Koͤniglichen Wolstand zulernen anfahe/ daß wann ich gleich meine Seele ihnen widmete/ ich dañoch den tausendsten Teil ihrer Gewogenheit und Woltahten damit nicht ersetzen wuͤrde. Herzlieber Sohn/ antwor- tete der Vater; dem Him̃el sey Dank vor deine Vergnuͤgung; werde nachzusiñen haben/ was gestalt den Uhrhebern derselbẽ ich mich dankbar erzeige. Krokus legete die Einladung gebuͤhrlich ab/ nebest Anmeldung/ daß dem Durchleuchtigstẽ Groß Fuͤrsten Herrn Marko- mir zugehorsamen/ die jungen Koͤnige uñ Fuͤrsten unterlassen haͤttẽ/ ihrer Koͤnigl. Hocheit entgegen zureiten. Der Koͤnig/ ein uͤber die massen weiser uñ verstaͤndiger Herꝛ/ bedankete sich mit sonderlicher Freundligkeit/ uñ zogẽ miteinander fort/ da dieser Koͤnig gleich den vo- rigen gewilkom̃et ward; doch Herkules uñ Valiska erzeigetẽ ihm eine sonderliche Ehre bey seiner Ankunft/ uñ nenneten ihn allemahl ihren gnaͤdigẽ Herr Vater/ wie er dañ in Warheit eine solche Hulde gegẽ sie fassete/ dz er hoch beteurete/ wañ es ihm an Leibes Erben mangeln solte/ müste kein Mensch in der Welt/ als sie beide seine Nachfolger in der Herschaft seyn. Dieser Abend aber ward in zimlicher stille von ihnen verzehret/ ohn daß Koͤnigin Valiska allemahl gelegenheit suchete/ dem hoch verstaͤndigen Franken Koͤnige anlaß zu geben/ von wichtigen Sachen zu reden/ da sie unter andern zu ihm sagete: Gnaͤdigster Herr und Va- ter; weil der hohe Gott meinen Gemahl und mich (da wir unsere herzliebe Eltern überle- ben sollen) darzu beruffen hat/ daß wir dermahl eins die wirkliche Herschaft uͤber unsere Untertahnen/ werden antreten muͤssen; und aber zu deren rechtschaffener Verwaltung nit allein des hoͤchsten Haͤuptes verstand und vorsorge/ sondern auch redliche und kluge Raͤh- te oder Amtsverwalter erfodert werden/ so daß ich dieselben Fuͤrsten und Koͤnige nur vor gluͤkselig schaͤtzen kan/ denen Gott duͤchtige Raͤhte zuweiset/ welche wir dannoch selber waͤh- len und bestellen muͤssen; und aber mannicher Fuͤrst und Herr nicht weiß noch verstehet/ was vor Leute er zu solcher wirde erheben sol/ die gleichsam seine andere Hand seyn muͤssen; als wuͤrde ich mirs vor ein hohes Glük rechnen/ wann dermahleins von eurer vaͤterlichen Gnaden und Hulde/ mein Gemahl und ich/ hieruͤber heilsamen unterricht anhoͤren moͤch- ten. Koͤnig Hilderich gab hierauff mit einem freundlichen Lachen zur Antwort: Hochweꝛ- te Fr. Tochter; es hat eure Liebe sehr wohl und recht fürstlich geurteilet/ in dem sie deren Koͤ- nige und Fuͤrsten Zustand vor gluͤkselig haͤlt/ denen der Himmel redliche und hochverstaͤn- dige Raͤhte gegeben hat; wie ich dann nicht zweifele/ daß der himlischen Versehung son- derliche Gnade es sey/ wann ein Landes-Herscher mit solchen Leuten zur gnuͤge versehen ist. Dann hierauff beruhet der Untertahnen Wolfahrt/ und auff dem wiedrigen/ ihr gewisses verderben. Daher mein Uhranherr Koͤnig Rahter (welcher der achte vor mich/ die Her- schaft uͤber das Sikambersche Volk geführet/ und vor 139 Jahren diese Welt gesegnet/ nach- Achtes Buch. nachdem er 21 Jahr geherschet hatte) in seinem Handbuche dieses unter andern aufgezeich- net hat; Welchem Lande und Koͤnige die guͤtigen Goͤtter gewogen sind/ dieselben versehen sie mit duͤchtigen frommen Raͤhten und Dienern. Daher ausser allem zweifel eines Fuͤrsten hoͤchste uñ erste Sorge billich seyn mus/ daß es ihm an guten Raͤhten nicht mangele. Daß aber meine Durchl. Fr. Tochter hieruͤber von mir einige unterweisung begehret und wuͤnschet/ so er- kenne daher zwar ihre hohe gewogenheit gegen mich/ aber zu gleich auch mein unvermoͤ- gen/ ihrem Willen ein genuͤgen zu leisten; nicht allein/ daß andere großmaͤchtige Koͤnige gegenwaͤrtig/ dessen viel groͤssere erfahrung und wissenschaft haben/ als ich; sondern meine Fr. Tochter/ und ihr preißwirdigster Gemahl einen so hohen verstand durch des Him̃els Gunst uͤberkommen/ daß auch die grauen Haͤupter sich nicht schaͤmen duͤrfen/ von ihnen zu lernen; wie ich dann gar nicht zweifele/ sie werden beyderseits ihre hohe gedanken schon vor laͤngst auff diese betrachtung gewendet haben. Ach mein Gn. Herr Vater/ sagte Herkules/ wie solte unsere unwitzige Jugend an so hohe Weißheit gelangen/ welche durch langwiri- ge Erfahrung muß zu wege gebracht werden? da wir überdas noch die wenigen Jahre unsers angehenden verstandes/ in steter Rittersuͤbung zugebracht/ und uns eine Abenteur uͤber die andere zugewachsen ist/ daß wir nit eins so viel mueß gehabt/ an dergleichen wich- tigkeiten zugedenken. Werde demnach nicht unterlassen/ mein liebes Gemahl zu muhtigẽ/ daß vor erlangete gn. einwilligung/ sie nicht abstehe/ eure vaͤterliche Gn. hierumb kindlich zuersuchen; zum wenigsten/ daß wir nur das Gluͤk haben moͤgen/ zuerfahren/ was etwa ih- rer Hocheit hochloͤbliche Vorfahren davon denkwirdiges auffgezeichnet/ und ihren Nach- kommen zu gute/ hinter sich verlassen haben. Meinem hochwerten Herrn Sohn/ und dessen ruhmwirdigstem Gemahl/ sagte er/ bin ich viel ein mehres schuldig/ wann ich mich selbst nur bereden duͤrfte/ solches in dieser Hochkoͤniglichen Versamlung vorzutragen. Und als so wol der Schwedische als der Daͤhnische Koͤnig darumb anhielt/ brachte er nach gebeh- tener verzeihung dieses vor. Unter andern meinen hochloͤblichen Vorfahren/ ist vor hoch- gedachter Koͤnig Rather/ und der fuͤnfte nach ihm/ Koͤnig Klodomir (welcher vor 64 Jah- ren diese Eitelkeit verlassen) vor andern/ wegen ihrer Weißheit und kluͤglich gefuͤhreten Herschaft hochbenahmet; und weil ich mirs nicht vor ein geringes Gluͤk schaͤtze/ daß ihre eigenhaͤndige Auffzeichnungen geerbet/ habe dieselben ich fleissig gegen einander gehalten/ nach vermoͤgen erwogen/ und daraus diesen Nachricht angemerket: Nehmlich/ wann ein grosser Fuͤrst oder Koͤnig seine Herschaft wol und gluͤklich fuͤhren wil/ mus er sich vor allen dingen nach guten nuͤzlichen Raͤhten/ und anderen hohen Bedieneten umbtuhn/ welche Gottfuͤrchtig/ wolerfahren/ ihrer eigenen Bewaͤgungen Meister/ dem Geiz abhold/ dem Lande und Untertahnen von herzen gewogen/ ihrem Herrn getraͤu und ergeben/ und unteꝛ- einander selbst einig als Bruͤder sind. Dann ein Mensch/ der die Goͤtter nicht ehret noch fürchtet/ gibt dadurch an den Tag/ daß er allerdinge Gewissen-loß sey/ und man sich zu ihm durchaus keiner Traͤue versehen duͤrfe. Und wie kan derselbe Menschen traͤue beweisen/ welcher der grossen Goͤtter spottet? Wer dann selbst keine erfahrung hat/ wie sol der ande- ren vorstehen? was ich selbst nicht habe/ kan ich ja anderen nicht mitteilen. Es wird ein un- erfahrner Raht nicht anders zuplatzen/ als ein Blinder/ der aus vorwiz ohn einen Fuͤhrer dahin springet; und mus nohtwendig ein solcher blinder Leiter/ die armen Untertahnen auch Achtes Buch. auch wol/ die besser sehen als er/ in die Grube stuͤrtzen. Wird er aber uͤberdas noch von sei- nen eigenen Bewaͤgungen oder Begierden uͤbernommen und beherschet/ dann wird we- der sein Gehirn geschikt seyn/ die wahre Klugheit zubegreiffen; noch seyn Herz/ die Gerech- tigkeit zu handhaben sondern durch Liebe und Haß/ wird er sich lassen zwingen/ auff nichts/ als auff seinen Willen/ alles sein vornehmen zu gruͤnden. Komt dann der schaͤndliche Geiz noch dazu/ dann ist der unerfahrneste Baur zur Rahtsbedienung geschikter/ weder der aller gelehrteste Geizhalß; dann jener wird so weit recht tuhn/ als ers verstehet; dieser aber umb Geschenke willen auch das bekanteste und noͤhtigste Recht unterdruͤcken. Uberdas muͤssen hohe Fürst- und Koͤnigliche Bedinete nichts uͤberal heftiger lieben/ als ihres Herrn Land und Leute. Dann umb derer Wolfahrt willen werden sie bestellet/ so gar/ daß wann die hohe Obrigkeit sich denen unmilde und grausam bezeigen wolte/ sie gehalten sind/ ihnen einzure- den/ und alles verderbliche von dem Lande abzuwenden. Und wie hochnoͤhtig dieses man- nichmahl bey Fuͤrsten und Koͤnigen sey/ laͤsset uns die Erfahrung auff beyden Blaͤttern le- sen. Massen/ wann die hohe Obrigkeit mehr auff ihren nutzen/ als des Landes Wolfahrt si- het/ und die hohen Raͤhte/ umb Gunst zuverdienen/ oder des Vortels mit zugeniessen/ nicht allein gar nicht wiederrahten/ sondeꝛn noch wol mit zustimmen/ und/ welches so viel schaͤnd- und schaͤdlicher/ der Obrigkeit solche Landes-verderbliche Vorschlaͤge tuhn; O so weh den armen Untertahnen! bey wem sollen sie sich Rahts erhohlen? wem sollen sie ihre noht kla- gen/ und nur erinnerung tuhn/ was vor Unheil solches nach sich zihe? Wolte Gott! daß die hohen Haͤupter und Koͤnige ihnen nur dieses stets liessen vor ihrem Gedaͤchtnis schwe- ben/ daß nicht die Untertahnen umb des Koͤniges willen/ sondern der Koͤnig umb der Un- tertahnen willen gesetzt ist. Weil ja Untertahnen noch wol seyn koͤnnen/ ob sie gleich keinen Koͤnig haben; dann sie koͤnnen ihnen eine wilkuͤhrliche Obrigkeit waͤhlen. Aber was ist ein Koͤnig ohn Untertahnen anders/ als ein Bild ohn Leib? Nun achte ichs aber einem Koͤnige gleiche verweißlich/ ob er gar keine Untertahnen/ oder aber solche Untertahnen habe/ die wegen seiner Grausamkeit und ungerechten Verfahrungen ihn im Herzen verfluchen. Dann jenes Roͤmischen Kaͤysers Sprichwort: Oderint dum metuant: Laß die Untertahnen mich nur immerhin hassen und im Herzen anfeinden/ wann sie mich nur fuͤrchten; halte ich vor das allergewisseste Kennezeichen eines allerdinge volkommenen Wuͤterichs. Gleichwol muͤs- sen die Raͤhte der Untertahnen bestes also befodern/ daß sie zugleich auch ihrem Herrn/ der sie bestellet hat/ getraͤu seyn; welches sie alsdann leisten/ wann sie dessen fuͤrstliche Ehre und guten Nahmen zuerhalten bemuͤhet sind; auch demselben/ da er etwa unrecht vornehmen/ oder ein unfuͤrstliches Leben fuͤhren wolte/ geherzt/ wiewol mit gebuͤhrlicher Ehrerbietung einreden/ und sonsten seine Wolfahrt nach vermoͤgen fortzusetzen/ seinen Schaden aber ab- zuwenden/ nimmer aus der Acht lassen; ist auch nicht ihre geringste Schuldigkeit/ daß bey den Untertahnen sie ihren Fuͤrsten in gutem vertrauen erhalten. Wann mirs nun nicht moͤchte verarget werden/ sagte alhie Koͤnig Hilderich/ koͤnte ich hiebey mit wenigen anfuͤh- ren; wie dann ein ruhmwirdiger Fürst vor sich selbst/ gegen seine Untertahnen sich müsse verhalten/ daß er in deren Liebe verbleiben moͤge/ als welches ich vor die groͤste Kunst/ und vornehmstes Stuͤk einer loͤblichen Herschaft achte. Und als Valisla mit wenigen zuverneh- men gab/ wie sehr angenehm ihnen allen solche zwischen eingeschlossene Lehre seyn würde/ fuhr Achtes Buch. fuhr er also fort: Ich setze dieses zum grunde/ daß ein jeder Fuͤrst oder Koͤnig/ krafft seines Amts und Gewissens gehalten sey/ sich dessen allemahl zuerinnern/ daß alle seine Untertah- nen/ auch die allergeringsten/ ja so wol Menschen sind/ als er selbst; dann wird er sich schon zugleich mit erinnern/ daß er sie auch menschlich handeln und ansehen müsse. Hierbey sol er bedenken/ was ein Haußvater in seiner engen Wohnung bey seinen Kindern ist/ eben daß sey ein Fuͤrst oder Koͤnig in seinem grossen Hause bey seinen Untertahnen. Darumb so mus er auch seine Untertahnen wie ein Vater seine Kinder/ lieben/ und deren Heyl und Wolfahrt ihm lassen angelegen seyn. Ist er dann seiner Untertahnen Vater/ so mus er ih- nen auch freundlich seyn; doch also/ das sein Ansehen nicht geschmaͤlert werde/ sondern die kindliche Furcht jene in stetem untertaͤhnigen Gehorsam erhalte. Und weil unter so gros- ser menge Volks sich viel mutwillige befinden/ wie dann wol eines Vaters Kinder nicht alle gleiche from sind/ so erfodert es des Landes Wolfahrt/ daß solche frevelmuͤhtige durch scharffe Gesetze von der Bosheit abgeschrecket/ uñ durch Furcht der Straffe in den Schꝛan- ken des Gehorsams gehalten werden; wiewol eine Obrigkeit billich dahin zusehen hat/ daß der Gesetze anzahl nicht uͤberhaͤuffet/ noch den Untertahnen der Gehorsam unmoͤglich ge- macht werde. Zu wuͤnschen waͤhre es/ daß die Obrigkeit allemahl mit dem Gehorsam koͤn- te zufrieden und vergnuͤget seyn/ welchen die Goͤtter im Himmel/ und die Ehrbarkeit auff Erden erfodert; aber weil ein Koͤnig und Fuͤrst so wol wegen des gemeinen besten/ als sei- nes Koͤniglichen Standes erhaltung viel anzuwenden hat/ ist es billich und recht/ daß die Untertahnen die ertraͤglichen Schatzungen und andere unpflichte gerne und willig aus- richten; wozu die vernunftlosen Bienen sie anweisen/ welche ihrẽ Koͤnig reichlich ernaͤh- ren. Doch mus solches alles/ oder ja der groͤste teil zu des Landes besten angewendet werdẽ; und waͤhre sehr gut und loͤblich/ daß grosse Fuͤrsten alle uͤppige kosten einzoͤgen/ wañ sie mit der Untertahnen beschwerung gefuͤhret werdẽ. Was aber zur erhaltung Fuͤrstlicher Hoch- heit und Wuͤrde erfodertwird/ solches muͤssen die Untertahnẽ gerne herschiessen/ weil es zu- gleich mit zu ihrẽ besten angesehẽ ist. Da auch einige sich nit scheuhen würden/ an ihrer ho- hen Obrigkeit/ durch schmaͤhung oder taͤhtligkeit sich zuvergreiffen/ alsdann mus man mit solchen verwaͤgenen trauen nicht durch die Finger sehen/ sondern andern zum Beyspiel uñ Schrecken/ harte und peinliche Straffen ergehen lassen/ inbetrachtung/ daß mannicher Bube sich nicht vor dem Tode/ aber gleichwol vor peinlicher hinrichtung fuͤrchtet; daher die Obrigkeit durch solche schaͤrffe ihr selbst gute sicherheit schaffen mus. Wie straͤnge man nun wieder solche Auffruͤhrer sich bezeigen sol/ so gnaͤdig hat man sich hingegen bey denen finden zulassen/ welche durch eine sonderliche Traͤue sich umb uns verdienet machen; und tuht eine Obrigkeit wol/ wann sie solche gehorsame Untertahnen hervorzeuhet/ und durch sonderliche Ehre und milde Schenkungen sie groß machet/ weil dadurch andere zu gleich- maͤssigem wolverhalten veranlasset werden. Der Staͤnde und Staͤdte/ von unsern Vor- fahren durch wolverhalten erlangete Freiheiten und begnadigungen/ sollen wir Nachfol- ger in der Herschaft nicht suchen zuverringern/ oder wol gar unguͤltig zu machen/ sondern ihnen dieselbe gnaͤdigst bestaͤtigen/ oder wol gar vermehren/ wann sie dessen wert sind. Dañ es ist Fuͤrstlich/ daß man Woltahten austeilet/ nicht/ daß man sie ohn wichtige Ursachen einzeuhet oder abschneidet. Wiewol eine hohe Obrigkeit billich darauff zusehen hat/ daß sie p p p p p den Achtes Buch. den verbundenen Vntertahnen nicht zu grosse Freiheiten schenke/ durch welche sie/ oder ihre Nachkommen koͤnten veranlasset werden/ sich ihreꝛ Obrigkeit gar zu entreissen/ inson- derheit/ wann ihre Macht ohndaß groß und zu fürchten ist. Vnd damit ich zum Ende eile/ mus die hohe Obrigkeit ein wachendes Auge auff ihre Vntertahnen haben/ daß dieselben nicht durch Reichtuhm und Frecheit in verschwendung und wuͤstes Leben gerahten/ son- dern dieselben vielmehr zur Maͤssigkeit und Sparsamkeit angehalten werden. Dann jenes bringet das gewisse Verderben des Landes; dieses aber die ungezweifelte Auffnahme des- selben mit sich. Hat dann unser Land die Gnade der Fruchtbarkeit von Gott/ und einen ge- schlachten Boden/ alsdann muͤssen des Landes Inwohner zum Ackerbau und zur Vieh- zucht fleissig angehalten werden/ damit das Land seine Leute speisen uñ ernaͤhren koͤnne/ und man solche noͤhtige Lebensmittel nicht aus der ferne hohlen und an sich kaͤuffen duͤrfe/ wo- durch ein Land nohtwendig in armut und verderben gerahten mus. Hat aber der Himmel unser Landschaft eine und andere nohtwendigkeit versaget/ deren wir nicht entrahten koͤn- nen/ als da sind/ Salz/ Korn/ Holz/ Wein/ Gewuͤrtz/ Zeug zur Kleidung/ und dergleichen/ (dann dz unnoͤhtige ist besser gemieden als gekauft) so sol zwar die Obrigkeit hieselbst Han- del und Wandel gerne gestatten/ und denselben durch unertraͤgliche Zolsteigerung nicht zu schwer machen; aber dabey doch/ so viel moͤglich/ verhuͤten/ daß die fremden/ sonderlich die unnoͤhtigen Waaren/ nicht durch lautere Baarschaft erkauft werden/ sondern man diesel- ben umb des Landes uͤberfluß/ (es sey Korn/ Vieh/ Leder/ Handarbeit und dergleichen) durch einen Tausch oder Wechsel an sich bringe. Dann wo die Inwohner des Landes die Freyheit haben/ ihr Geld vor allerhand Waaren ausser Landes hinzugeben/ da mus noht- wendig ein solches Land endlich an Silber und Gold erschoͤpfet werden/ insonderheit/ wañ den Kauffleuten auch die unnoͤhtigen Waaren/ die nur zur befoderung der Vppigkeit die- nen/ umbs Geld zu kaͤuffen gegoͤnnet wird. Zwar man findet etliche Landschaften/ deren Obrigkeit dieses Stuͤk gar nicht zu Herzen nimt; aber sie werden es zu spaͤt bereuen/ wann sie ihr Land von allen baaren Mitteln werden entbloͤsset sehen. Hingegen gibt es die Erfah- rung/ wie reich dieselben Koͤnigreiche an Silber und Golde bleiben/ welche dessen nichts/ als vor die nohtwendigsten Waaren/ weder heimlich noch offentlich/ bey scharffer Lebens- straffe lassen hinaus fuͤhren. Es waͤhre dann/ daß ein Inwohner umb seiner Wolfahrt wil- len sein Vaterland verlassen/ und in einem anderen Lande sich besetzen wuͤrde/ dem daß seine billich abgefolget wird/ nur daß er einen ertraͤglichen teil/ wo es die Satzungen also erhei- schen/ wird hinter sich verlassen muͤssen. Noch dieses wird noͤhtig zubeobachten seyn/ daß wann unsers Landes Inwohner Gelegenheit haben/ auff grossen Wassern/ oder wol auff dem Meer Schiffart zu treiben/ sollen sie ein solches koͤstliches Mittel zur Vaterlandes Wolfahrt ja nicht verabseumen/ oder liederlich schaͤtzen/ sondern sich dieser Gabe der guͤti- gen Goͤtter fleissig gebrauchen/ und nicht fremden Voͤlkern einraͤumen/ solches herliche Ge- werbe an sich zuzihen/ und die Inwohner dadurch auszusaugen/ sondern/ wessen sie beduͤr- fen sollen sie selbst einhohlen/ und was sie uͤberfluͤssig haben/ andern zufuͤhren. Dann was vor ein grosser Vortel hierunter stecket/ habe ich bey meines hochseel. H. Vaters Koͤniges Hunno/ und bey meiner funffzehnjaͤhrigen Herschaft nicht ohn verwunderung befunden. Aber gnug von solcher Nahrhandelung/ welche in Friedeszeiten der Inwohner Gluͤks- topf Achtes Buch topf ist. Es wil aber dannoch mit pfluͤgen/ Vieherzihen und Kauffmanschaft treiben nicht allemahl ausgerichtet seyn/ sondern weil ein Land/ daß vor andern haabselig ist/ auch so viel mehr Feinde hat/ die dessen Wolfahrt an sich zuzihen bemuͤhet sind/ so müssen trauen die Inwohner auff solchen Fal sich auch zu schuͤtzen wissen. Vnd wil sich gleichwol nicht alzeit tuhn lassen/ daß man immerzu eine grosse Kriegsmacht bey auffgerichteten und fliegenden Faͤhnlein unterhaͤlt und besoldet/ dann solches wuͤrde den Vntertahnen gar zu schwer fal- len; und stecket noch viel eine groͤssere Gefahr darunter. Massen wann solche Kriegsver- fassung zu maͤchtig wird/ daß bey des Koͤniges absterben/ die Inwohner derselben nicht ge- wachsen sind/ so pflegen die hohen Kriegsbeamten muhtig zu werden/ enttzihen den Staͤn- den (da sie das Recht haben) die freie Wahl/ oder der Erbherr mus ihnen wol gute Wor- te geben/ und die Herrschaft ihnen abkaͤuffen/ wie solches die Roͤmer mit ihrem grossen Schaden bey ihres Kaͤysers absterben erfahren muͤssen. Welchem Vnheil vorzubauen/ ist hochnoͤhtig/ daß des Landes Inwohner selbst bey Friedeszeiten zum Krige angewehnet/ uñ in ritterlichen uͤbungen getrillet werden; nicht allein/ wie sie ein Lager oder Festung hand- haben und beschuͤtzen/ sondern auch der Feinde Schanzen und Mauren stuͤrmen/ ja/ eine offentliche Feldschlacht antreten/ und auff allerhand weise dem Feinde Wiederstand lei- sten sollen. Da dann der Adel im Reiten/ Rennen und Stechen sich uͤben; Buͤrger und Bauren aber zum schiessen und andern Kriegerischen Betreibungen sollen angefuͤhret werden; so gar/ daß die/ so sich wegern wolten/ in der Jugend die Waffen anzulegen/ als nichts werte oder wol gar als ehrlose zuzeichnen sind. Ja es sol kein Inwohner des Landes seyn/ der nicht sein noͤhtiges Gewehr in seinem Hause habe. Dann diese vorsichtige An- stellung versichert das Land/ schrecket alle muhtwillige Feinde ab/ und machet den Koͤnig unuͤberwindlich; insonderheit/ wann mans fein anordnet/ dz durch ein gegebenes Rauch- oder Feurzeichen alle Inwohner in wenig Stunden koͤnnen ins Gewehr gebracht werden. Noch eins und anders ist uͤbrig/ mit wenigen hiebey anzudeuten; daß bey solcher Kriege- rischen Zubereitung/ Recht und Gerechtigkeit nicht verabseumet/ oder auf die lange Bank geschoben werde/ sondern die/ so darzu bestellet sind/ allen Rechtfertigungen schleunigst ab- helffen/ und den geizigen Vorsprachen nicht goͤnnen/ umb ihres Nutzen willen/ weitlaͤuff- tiges Schmierment auffzusetzen/ und die Rechts Zaͤnkerey unsterblich zumachen/ sondern sie sollen solche Zanksuͤchtige anhalten/ daß sie ihre Klage und Verantwortung auffs kuͤr- zeste verfassen/ ihren Beweißtuhm dabey klaͤrlich fuͤhren/ und durch Zeugen (wann solche verhanden sind) alles fest machen/ oder sonst auff gebuͤhrliche Mittel sich schicken/ dann wird es die Erfahrung geben/ daß nicht bald einiger Rechtsstreit so wichtig und schwer ist/ welcher nicht solte koͤnnen vermittels drey oder vier Satzen und Verhoͤrungen/ inwendig drey Viertel Jahrsfrist gehoben und eroͤrtert werden. Da man aber den Vorsprachen goͤnnet/ daß sie eine Sache oft vier/ zehn/ zwanzig/ und mehr Jahr aufhalten/ oder der Rich- ter durch Schenkungen sich verblenden laͤsset/ vor das meiste Geld das beste Recht zuver- kaͤuffen/ da muß endlich der Himmel ein Einsehen tuhn/ und wegen solcher Ungerechtig- keit das ganze Land abstraffen/ weil die Goͤtter der Unrecht-leidenden Traͤhnen nicht unge- rochen lassen. Schließlich hat die hohe Landes Obrigkeit auch dahin zusehen/ daß die Un- tertahnen ihnen nicht die freche Freiheit nehmen/ auslaͤndische leichtfertige Sitten und p p p p p ij Klei- Achtes Buch. Kleidungen einzufuͤhren/ sondern der uͤblichen Landesart sich gemaͤß zubezeigen; dann es gibts die Erfahrung/ daß man bald hernach deren Joch und Herschafft hat muͤssen uͤber sich nehmen/ deren Sitten und Trachten man wider Landesgebrauch sich hat geluͤsten las- sen. Verzeihet mirs/ bitte ich/ ihr gewaltige Koͤnige und andere hohe Anwesende/ daß in die- ser Frage/ wie die hohe Obrigkeit gegen ihre Untertahnen sich bezeigen/ und des Landes beste beobachten sol/ ich etwas weitlaͤufftig/ (muß wol bekennen) gewesen bin/ da doch/ umb dasselbe zuerklaͤren/ nit bin erfuchet worden; dann weil hochgedachte meine Vorfahren die- ses in ihren schrifftlichen Anmerkungen ganz fleissig untersuchet und auffgezeichnet habẽ/ so habe solches zugleich mit anzufuͤhren/ kein bedenken getragen. In Bestellung aber der Koͤnig und Fuͤrstlichen Raͤhte und hohen Bedieneten/ ist noch uͤbrig/ daß die Obrigkeit bestes fleisses verhuͤte und hindere/ damit unter ihren Raͤhten ja keine Mißhelligkeit oder Zwietracht entstehe; weil daher entweder dem Lande/ oder dem Koͤnige Unheil zuwachsen kan. Dann hat der eine etwas gutes und nuͤzliches vor/ wodurch er ihm suchet Ruhm und Ehr zuerwerben/ wird sein neidischer bemuͤhet seyn/ solches zuhindern/ nur daß jener sich nicht moͤge umb das gemeine Wesen oder den Koͤnig verdienter machen/ als er. Zwar es stehen etliche Weltweise in den Gedanken/ es koͤnne der Obrigkeit viel faͤltig zutraͤglich seyn/ wann die hohen Bedieneten Mißverstaͤnde untereinander haben; dann da muͤsse der eine sich vor dem andern fuͤꝛchten/ ichtwas vorzunehmen/ was ihm einigen Verdacht koͤnte zu- zihen. Es werde auch ein jeder sich befleissigen/ durch woltuhn des Herrn Gnade zuer hal- ten; und sey dieser Zwietracht ein gewuͤnschtes Mittel/ durch welches ein Fuͤrst seinen Raͤhten hinter ihre Heimligkeit kommen koͤnne. Ich aber weiß dieser Meinung nicht bey- zupflichten; Ursach/ die Gefahr solcher Uneinigkeit ist groͤsser/ als der verhoffete ungewisse Nutzen. Und wer seinem Herrn durch Verleumdung an derer seiner Mitgesellen gefallen/ oder dessen Gunst suchen wil/ den achte ich des Nahmens eines redlichen Mannes unwir- dig seyn. Dann er gebrauchet sich unredlicher Mittel zu seinem Vortel/ und suchet seine Auffnahme durch eines andern Unterdruckung/ wo durch er sich in Veꝛdacht setzet/ dz man ihm im grunde nicht trauen darff. Zugeschweigen/ daß wann ein Fuͤrst solchen Verleum- dungen das Gehoͤr leihen wolte/ er durch falsches angeben leicht koͤnte dahin verleitet wer- den/ daß er den schaͤdlichen Schmeichlern trauete/ und die Unschuldigen zu seinem grossen Schaden beleidigte. Mit wenigem zusagen: Ich setze in allen Handlungen/ (auff gut auff- richtig Teutsch) die redliche Auffrichtigkeit zum Grunde/ und verfluche dagegen allen Vortel/ welcher mit eines andern unbefugter Unterdruͤckung oder Schadẽ erlanget wird. Auff mein Vorhaben wie der zukommen/ so wollen hieselbst etliche einstraͤuen; die gar zu grosse Freundschafft und Einigkeit der Fuͤrstlichen Raͤhte/ koͤnne dem Herrn und seinem Lande schaden bringen/ und sie in Gefahr setzen/ wann sie sich unterstehen duͤrfften/ wider dieselben allerhand nachteilige Rahtschlaͤge zuschmieden. Denen ich zur Antwort gebe: Es muͤste ein Fuͤrst die allerschlimmesten Buben seines Landes zu Raͤhten angetroffen o- der erwaͤhlet haben/ wann nicht ein einziger frommer Mann unter ihnen seyn solte/ wel- cher sich der uͤbrigen verraͤhterischen Boßheit duͤrffte oder wolte entgegen setzen. Aber es ist eine vergebliche Furcht; massen solche Bedienete ihre Schelmstuͤcken nimmermehr so heimlich treiben koͤnnen/ daß von dem Fuͤrsten selbst/ oder von etlichen seinen Leuten es nit solte Achtes Buch. solte koͤnnen gemerket werden. Welchem allen nach ein Fürst seine Raͤhte zur Einigkeit vermahne und anhalte/ und da unter ihnen ein reudiges Schaff sich darzu nicht wolte be- quehmen/ gebe man ihm ehrlichen Abscheid. Dann was jener Roͤmischer Geschichtschrei- ber sehr nachdenklich ein führet/ Concordia res parvæ crescunt, \&c. Durch Einigkeit nehmen kleine Dinge zu/ aber durch Uneinigkeit zerfallen auch die allergroͤsten; dasselbe findet trauen auch hieselbst stat; uñ kan ein Fuͤnklein der Uneinigkeit zwischẽ den Raͤhten ein grosses verzeh- ren des Feur bey den Untertahnen anzuͤnden/ welches zu loͤschen der Fuͤrst selber nit maͤch- tig gnug waͤhre. Moͤchte jemand sprechen: Ich vernehme zur gnuͤge/ was vor Leute zu Fuͤrst- und Koͤniglichen Rahtsbedienungen tuͤchtig und geschikt sind; aber wer stecket dem Menschen beym Herzen/ oder wer kan einem andern es vor der Stirn lesen/ was er im Gemuͤhts Schilde fuͤhret? es ist nicht alles Gold/ was da scheinet/ und die abgefeimte- ste Buben wissen durch Gleißnerey sich am Tugendmildesten zustellen. Ist alles wahr/ und erscheinet daher/ wie sorgfaͤltig ein Fuͤrst in Bestellung seiner Raͤhte verfahren muͤs- se; nehmlich/ daß/ wo moͤglich/ man keine fremde und unbekante/ noch junge unerfahrne Leute aus blosser unbedachtsamer und blinder Gunst zu solchen Aemptern erhebe/ sondern die beydes ihrer Geschikligkeit und auffrichtigen Wandels bey andern ein gutes Zeugniß haben. Und handelt ein Fuͤrst sehr kluͤglich/ wann er einem neubestelleten Raht/ eine oder andere Sachen klar zumachen aufftraͤget/ da man aus dessen Vornehmen und Bezeigung guter massen wird abnehmen koͤnnen/ wie weit solches Mannes Vermoͤgen und Aufrich- tigkeit sich erstrecket. Wil man dañ einen bestelleten Raht zugleich pruͤfen/ ob er verschwie- gen sey/ und eine anvertrauete Heimligkeit unter dem Schlosse des Herzen behalten koͤñe/ so rede der Fuͤrst ein und anders mit ihm allein/ als im hoͤchsten Vertrauen (obs gleich nit viel auff sich hat)/ und sage keinem andern ichtswas davon; dann wird sichs finden/ wie weit ihm zutrauen sey. Da ich dann allen verstaͤndigen Raͤhten und Bedieneten die ge- traͤue Warnung erteilen wil/ daß niemand sein Weib/ oder Kinder/ oder Anverwanten so lieb habe/ ihnen dasselbe zuoffenbahren/ was sein Herr bey ihm/ als in geheimer Verwah- rung nidergesetzet hat; dann was drey wissen/ das bleibet nimmer heimlich. Schließlich hat ein Fuͤrst sich wol vorzusehen/ daß seiner hohen Bedienten keinem es eingeraͤumet wer- de/ Raͤhte und andere Amtleute nach seinem Gefallen zubestellen/ damit der Befoderer von seinen Geschoͤpffen oder Befoderten nicht zu grossen Anhang bekomme/ und der Herr sel- ber sich vor ihm fuͤrchten muͤsse. (Dieses als Mnata es hoͤrete/ ließ er einen tieffen Seuff- zer aus dem innersten seines Herzen; und Koͤnig Hilderich fuhr also fort:) Ich vor mein Haͤupt pflege es also zuhalten: Wann einige vornehme Bedienung durch toͤdlichen Ab- gang meines Dieners erlediget wird/ lasse ich mir von meinẽ Raͤhten unterschiedliche vor- schlagen/ nach deren Leben und Wandel ich mich unvermerkt erkuͤndige/ auch mit ihnen wol selbst Unterredung pflege; da dann die bloͤdesten/ und die eine auffgegebene wichtige Frage aufzuloͤsen/ Bedenkzeit begehren/ mir nicht allemahl die unangenehmsten sind. Hin- gegen die/ so mit ihrer Antwort zuplatzen/ und ohn Bedacht vor geschikt gnug wollen an- gesehen seyn/ kommen mir sehr verdaͤchtig vor/ daß es ihnen entweder am Verstande/ oder gebuͤhrlicher Ehrerbietigkeit mangele. Ist nun einer unter den vorgeschlagenen/ der mir wol anstehet/ so bestelle ich denselben/ und gebiete/ daß ein jeder ihn erkennen und halten sol- p p p p p iij le/ Achtes Buch. le/ vor den ich ihn gesezt habe. Kan ich aber die Wahl unter den vorgestelleten selber nicht machen; dann trage ich meinen Leuten auff/ einen davon auszulesen/ und mit einhelliger Stimme mir ihn zunennen; und wann solches geschiehet/ behalte ich mir dannoch die Freyheit/ ihn anzunehmen/ oder eine andere Wahl von ihnen zuheischen. Koͤnnen sie aber der Sache unter ihnen nicht eins werden/ so lasse ich die/ an welchen keiner etwas zutadeln hat/ zusammen treten/ und die Wahl durchs Loß ausrichten. Da dann bey Bestellung ich meinen Leuten ehrlichen und gnugsamen Unterhalt vermache/ davon sie nicht allein leben und ihren Stand fuͤhren/ sondern auch den ihren einen Noht- und Ehrenpfennig erspa- ren koͤnnen; jedoch nebest dieser ernstlichen Warschauung/ daß wo ich an ihnen einige Untraͤue oder Ungerechtigkeit spuͤren wuͤrde/ daß umb Geschenk oder Gunst willen sie das Recht verkehreten/ muͤste solches an ihnen/ andern zum Beyspiel/ ohn alle Gnade gestraffet werden. Und bey Angelobung ihrer Traͤue erinnere ich sie zum uͤberfluß/ daß diese meine Warnung sie ja nimmer aus ihrem Gedaͤchtniß sollen kommen lassen/ sondern bey allem ihren Vornehmen daran gedenken. Doch untersuche ich hernach lhr verhalten auch nicht auffs genaueste/ dann ich weiß/ daß wir alle der Schwacheit unterworffen sind/ und man zuzeiten einen Fehltrit tuht/ der nicht aus Boßheit vorgenommen wird. Wiewol ich denẽ zum fleissigsten auff die Haͤnde acht gebe/ die mit dem Koͤniglichen Schatze/ und gemeinen Einnahmen und Außgaben umgehen. Dann wo diese nicht ehrliches Gemuͤhts/ sondern dem Geiz zugetahn sind/ koͤnnen sie zu des Fuͤrsten und Landes Nachteil sehr schlim̃e Haͤn- del machen. Stehet einem und andern etwz aus bey dem Fuͤrstẽ oder bey der Landschafft/ koͤnnen sie tausend Anschlaͤge machen/ daß ihr Anteil daran/ der groͤste wird/ ob gleich ihnẽ kein Heller davon mit Recht zukomt. Ich habs erlebet/ daß meines Reichs Rentmeister/ unterschiedlicher Leute rechtmaͤssige Foderung/ umb ein gewisses Geld an sich gekaufft/ uñ mir/ als waͤhre es richtig bezahlet/ in Rechnung gebracht haben/ da auff fleissige Nachfor- schung ich ihnen zimlicher massen hinter die Kuͤnste kam/ und ihnen den Strik zum Lohn erteilet habe. Daß ich mich aber solte ruͤhmen koͤnnen/ ich haͤtte aller Diebsgriffe/ welche hiebey vorgehen koͤnnen/ voͤllige Erkaͤntniß/ ist weit gefehlet; dann ich muß bekennen/ daß mir zuzeiten/ von einem und andern ein solcher blinder und unsichtbahrer Ohksbohks vor die Augen gemacht wird/ daß ich zwar merke/ es sey nicht richtig/ kan aber den eigentlichen Betrug nicht finden/ und muß also sehend blind seyn. Zum Beschluß waͤhre noch uͤbrig/ mit wenigen anzufuͤgen/ wie mannicherley noͤhtige Rahtsbedienungen anzuordnen sind/ als da man Reichs- oder Land Raͤhte/ Hof Raͤhte und Gerichts Raͤhte zubestellen hat; was eines jeden Ampt und Verrichtung sey/ und wie man einen Rahtsbedieneten nicht mit gar zu vielen aͤmptern überladen solle/ noch solche unterschiedliche Bedienungen vermi- schen. Weil aber der spaͤte Abend uns vermahnet/ die Ruhe zunehmen/ damit man der morgenden Koͤniglichen Kroͤnung beyzuwohnen desto geschikter sey/ wil meiner ohndas schon zu weitlaͤufftiger und verdrießlicher Rede ich vor dißmahl anstand geben/ nebest freundlicher Bitte/ alles was von mir vorgetragen ist/ im besten zuvermerken/ sampt ange- fuͤgeter ausdruͤklicher Bedingung/ daß zu keines Menschen Unterweisung/ sondern bloß meiner Durchl. Fr. Tochter zu wilfahren/ ich solches alles angefuͤhret habe. Dieselbe nun bedankete sich kind- uñ demuͤhtig vor diese heilsame Unterrichtung/ nebest anzeige/ sie wuͤr- de wol Achtes Buch. de wol keinen Schlaff in ihre Augen kommen lassen/ ehe sie das angehoͤrete/ so viel ihr zu- fallen wuͤrde/ in ihr Gedaͤchtniß-Buͤchlein auffgezeichnet haͤtte/ welches sie bey besserer Mueß etwas fleissiger und nachdenklicher uͤberzulegen/ wolte bemuͤhet seyn. Des fol- genden Morgens ging es allenthalben an ein zubereiten/ so wol zu Ladisla und seiner Ge- mahl Kroͤnung/ welche umb 10 Uhr geschehen solte/ als zu Arbianes Hochzeit Fest. Koͤni- gin Valiska wahr uͤber ihre Gewohnheit sehr froͤlich/ und ruͤhmete ihrer Libussen/ daß sider ihres Herkules erstẽ Verlust ihr Herz nie so leicht uñ vergnuͤgig gewesen waͤhre. Worauf diese aus Kurzweil zur Antwort gab: Sie wuͤrde ohn zweifel heut einen guten Fund tuhn. Nach verrichtetẽ Gebeht schmuͤckete sie sich Koͤniglich/ uñ wz sonderlich anzuordnẽ war/ hatte sie uͤber sich genom̃en/ damit man bey dẽ fremdẽ ja keinen Schimpf einlegen moͤchte. Zwo Stunden vor der angesetzeten Kroͤnung kam ein junger Ritter in den Koͤniglichen Saal/ mit Anzeige/ es wuͤrde Herr Pribisla freundlich ersuchet und gebehten/ biß in das zunaͤhst gelegene Wirtshaus zukommen/ woselbst ein fremder unbekanter sein wartete; uñ als er darzu willig wahr/ empfing ihn ein alter eißgrauer Mann in schlechter buͤrgerlicher Kleidung/ dessen Bart schien in etlichen Jahren nicht abgeschnitten seyn. Die Wangen und Augen wahren ihm tieff eingefallen/ die Haͤnde hart/ und inwendig vol Schwelle/ aus- sen aber von schwerer Arbeit auffgesprungen und geborsten/ und ging gar krum gebuͤcket. Pribisla wunderte sich/ daß ein solcher ungestalter elender Mensch ihn haͤtte zu sich fodern lassen duͤrffen/ insonderheit/ da er mit diesen Worten von ihm angeredet ward; mein Herr es zweifelt mir nit/ ihn werde sehr befremden/ daß ich unachtsamer denselben zu mir fodern duͤrffen/ angesehen/ er nicht allein mit hohen Geschaͤfften beladen ist/ sondern dem ansehen nach/ ich demselben viel billicher haͤtte auffwarten sollen. Es versichere sich aber mein Herr als mir sehr wolbekanter Freund/ daß nichts von mir aus Frecheit oder Unverstand vor- genommen ist/ sondern ich ermahne ihn bey der Pflicht und Traͤue/ damit er seinem Koͤni- ge Herrn Ladisla/ und seiner Fr. Mutter/ der alten Koͤnigin verpflichtet ist/ daß er mir nicht versage/ warum ich ihn bitten werde/ und da er etwa gleich jezt/ oder nach diesem mich ken- nen wuͤrde/ er mich doch ungemeldet lasse/ biß ich mich selbst kund gebe/ und wird ihm sol- cher Dienst in kurzem vergolten werden. Pribisla sahe diesen Alten starre an/ und dauchte ihn/ den selben mehr gesehen haben; weil er sich aber keiner Gewißheit erinnern kunte/ ant- wortete er ihm; guter Freund/ ohnzweifel Vornehmer/ wiewol noch zur Zeit mir unbekan- ter Herr; es ist eingefaͤhrliches Ding/ jemande sein begehren vor dessen Erklaͤrung zuver- heissen; jedoch/ wann er mich versichern kan/ daß solches weder diesem Koͤnigreiche/ noch einigem anwesenden Koͤnige und Herrn schaͤdlich und zuwieder ist/ wil ich in sein Ansuchẽ so viel an mir ist/ gerne einwilligen. Dieses gelobe ich bey allen Goͤttern/ sagete der Alte/ und ist meine Bitte/ daß ihr nach eurer mir sehr wolbekanten Weißheit verschaffen wol- let/ daß die junge Teutsche Koͤnigin Fr. Valiska und Herr Krokus in den voͤrder- oder Mit- telplaz des Schlosses kommen moͤgen/ dahin ihr mich in Betlers Kleidern zufuͤhren unbe- schweret seyn werdet. Pribisla wahr voller Verwunderung und argwoͤnischer Gedanken/ als dieser Alte sein neues uͤberzogenes Kleid ablegete/ und inzurissenen Lumpen vor ihm stund/ daher er dieser Antwort sich nicht enthalten kunte: Guter Alter ich weiß nicht/ ob ich euch wilfahren sol oder nicht/ weil mir dadurch ein grosses Ungluͤk koͤnte auffgebuͤrdet werden; Achtes Buch. werden; zwar ich halte euch vor redlich/ aber wann je ein Meuchelmoͤrder sein Blut vor eines andern Leben verkaͤuffet haͤtte/ wie koͤnte derselbe auff bessere Gelegenheit bedacht seyn/ die Mordtaht zuvolstrecken? Der alte gedachte schon vorhin/ daß Pribisla sich dessen befah- ren wuͤrde/ und gab ihm zur Antwort; mein lieber Herr und Freund/ nicht unbillich be- fuͤrchtet ihr hoher Leute unvermutlichen Anfal/ weil deren unterschiedliche vorgehen/ und ich davon zu seiner Zeit Zeugniß gnug geben werde; aber dafern ich euch diesen Wahn nit benehmen kan/ so lasset diese meine Betlers Kleider fleissig und genau durchsuchen/ und wann ihr einiges Gewehr oder schaͤdlich Ding bey mir antreffet/ sollet ihr mich alsbald dem Henker zur grausamen Straffe uͤbergeben; ist dann auch dieses Erbieten zuwenig/ so bindet mir die Haͤnde nur fest genug/ wiewol ich ungleich lieber ungebunden vor der jungen Koͤnigin erscheinen moͤchte/ nachdem ich lange gnug sehr harte Fesseln in meiner Unschuld tragen muͤssen. Pribisla nahm das willige Erbieten gerne an/ und durchsuchete ihn selbst hin und wieder; weil er aber nichts bey jhm fand/ auch nicht außsinnen kundte/ wer dieser Alte seyn moͤchte/ und ihm doch sein Herz etwas sonderliches zutrug/ sagete er ihm zu/ allen Fleiß anzuwenden/ daß nach gehaltener Kroͤnung deren er beiwohnen muͤste/ seinem Willen ein genuͤgen geschehen solte. Aber der Alte antwortete; O nein mein Herr wann mein Vorhaben (welches wichtiger ist als ihr nicht gedenket) Auffschueb haben koͤn- te/ wolte ich hernach wol ohn euer zutuhn die junge Koͤnigin zusprechen bekommen; seyd ihr nun eurem Koͤnige gewogen und traͤu/ wie ich wol weiß/ so werdet ihr mir straks Ange- sichts zuwillen seyn. Es gedauchte Pribisla je laͤnger jemehr/ das Angesicht auch die Stim- me zukennen/ ob sie gleich heiserich wahr/ und kunte doch die eigene Watheit nicht außsin- nen/ endlich hielt er ihn vor etwa einen guten Freund seines Koͤniges/ der aus weit abgele- genen Landschafften kaͤhme/ und auff der Reise in Ungelegenheit gerahten waͤhre/ daher nam er ihn zu sich/ und ließ ihn hinter sich heꝛgehen. Die erste Schildwache haͤtte des elen- den Betlers Eingang gerne verhindert/ wie dañ ernstlich befohlen wahr/ aber seines Fuͤh- rers Ansehen wahr zu groß/ auff dessen begehren sich niemand straͤuben durffte. Derselbe nun gedachte im hingehen darauff/ wie er Koͤnigin Valisken und Herr Krokus in den Vorhoff bringen moͤchte/ weil der Alte gar nicht wolte/ daß man seiner einige Meldung taͤhte; endlich foderte er seine Schwieger Tochter Libussen zu sich/ welche sein begehren ins Werk zustellen ihm verhieß/ auch alsbald in den grossen Saal zu der Koͤniglichen Gesel- schafft ging/ und unter dem Schein ihrer Koͤnigin auffzuwarten/ baht sie dieselbe/ ein we- nig mit ihr hinaus zugehen/ welche etwas sonderliches zu seyn vermeinend/ ihr geschwinde folgete/ und von ihr hoͤrete/ der Schwedischen Fraͤulein Leibdienerin haͤtte deroselben Schwacheit geklaget/ und wuͤrde ihr vielleicht eine Ohmacht zugestossen seyn/ als sie hin- gangen waͤhre/ das Wendische Fraͤulein in ihrem Gemache zubesuchen. Das wolle Gott nicht/ antwortete die Koͤnigin/ darum lauff geschwinde hin/ es eigentlich zuerfahren. Von Herzen gerne/ sagete sie/ aber kan eurer Hocheit nicht gnaͤdigst gefallen/ mit mir zugehen/ umzubesichtigen/ wie im Voͤrder Platze/ wodurch wir gehen muͤssen/ alles so artig an- gestellet sey? Du schleppest dich allemahl gerne mit mir/ antwortete die Koͤnigin/ und wie woltestu es machen/ wann du dich von mir scheiden soltest? Ehe wird meine Seele sich von ihrem Leibe trennen lassen/ sagete sie/ ehe ich das Leben meiner Seele mit willen missen Achtes Buch. missen werde. Nun so kom dann/ sagte die Koͤnigin/ ob das Fraͤulein unser Huͤlffe duͤrftig waͤhre. In dem sie die Steige in den innern Plaz hinunter gingen/ sahen sie Krokus vor sich hertreten/ welchen Valiska herzu rieff/ ihn fragend/ wohin er so eilig gedaͤchte; und als er zur Antwort gab/ Herr Pribisla haͤtte ihn zu sich in den Voͤrderplaz fodern lassen/ sagete sie; so gehen wir mit einander/ dann mein Weg ist auch dahin. Der alte Fremde/ die Koͤ- nigin ersehend/ empfand uͤberaus heftige bewaͤgung in seinem Herzen/ und als Pribisla ihr ehrenhalben mit entbloͤssetem Haͤupte entgegen trat/ folgete ihm der Alte/ kehrete sich an niemand/ sondern mit gebogenen Knien redete er sie also an: Großmaͤchtigste Koͤnigin; ihrer Koͤnigl. Hocheit gluͤkliches wolergehen ist mir von Herzen angenehm/ als die ich lan- ge Zeit her nicht gesehen; und ob gleich dieselbe in diesem elenden Kleide/ welches ich etli- che Jahr ihretwegen getragen/ mich nicht kennet/ so versichere ich dannoch dieselbe/ daß ihr Herr Vater hoͤchstseligen andenkens/ mir nie ungnaͤdig/ sondern allemahl mit grosser Hul- de zugetahn gewesen ist/ bitte auch eure Hocheit umb dessen willen/ mir eine Gabe mit zu teilen. Als Valiska ihres allerliebsten Herꝛ Vateꝛs Gedaͤchtnis hoͤrete/ schossen ihr die Traͤh- nen haͤuffig aus den Augen/ daß sie sich auff Pribisla lehnen muste/ welcher den Alten mit unverwendeten Augen ansahe/ und ihn endlich kennete/ daher erso grosse Herzensprast empfand/ daß er mit diesen Worten (O ihr Goͤtter/ ich wil nun gerne sterben!) zur Erden nidersank. Valiska und Krokus entsetzeten sich hieruͤber nicht wenig/ und in dem sie mit Li- bussen Hülffe ihn auffrichten wolten/ fiel der Alte gleichergestalt in tieffe Ohmacht nider/ dann die Zaͤhren so Valiska vergoß/ belieffen ihm das Herz/ daß er meinete seinen Geist auffzugeben. Niemand kehrete sich an ihn/ biß Pribisla wieder zu sich selber kam/ und den Alten gestrecket liegen sahe/ dessen rechte Hand er mit grosser Ehrerbietung kuͤssete/ hernach zu Krokus/ der ihn vor unsinnig schalt/ sagete: Wie nun mein Bruder; keñestu dieses ehr- wirdige Angesicht nicht mehr/ welches niemand im ganzen Koͤnigreiche besser/ als du/ ge- kennet hat? Krokus erschrak der Rede/ besahe den Ohmaͤchtigen und gleichsam erstarreten Alten gar genaue/ streich ihm den linken wolzulappeten Ermel auff/ fand das begehrete Zei- chen/ und rieff: O unser Koͤnig Notesterich/ unser wahrhaftiger Koͤnig Notesterich! mit welchen Worten ihm die Sprache und alle Kraft entging. Valiska hatte der Rede nicht acht/ und fragete Pribisla/ was diese grosse Verenderung uͤber diesen armen alten Mann doch bedeutete/ und wer er waͤhre; beschauete ihn auch zugleich/ da Pribisla zu ihr sagete: O gnaͤdigste Koͤnigin/ ich meine gaͤnzlich/ und zweifele nicht/ dieser arme Mensch sey euer Koͤnigl. Hocheit Herr Vater/ unser Koͤnig Notesterich/ wovor ihn Krokus auch haͤlt. Sie erkennete ihn darauff alsbald/ und in dem sie uͤberlaut rieff: O mein HErr JEsus/ wie gnaͤdig bistu! bestarb gleichsam ihre Seele vor freuden/ daß sie auff ihren allerliebsten Va- ter niderfiel. Libussa wuste nicht/ was sie vor Angst beginnen solte/ rieff nach frischem Was- ser/ und bemuͤhete sich/ die Koͤnigin zu laben/ da inzwischen ein Koͤniglicher aͤdelknabe nach dem Koͤniglichen Saale lieff/ und daselbst anmeldete/ es waͤhre ein alter Betler im Voͤrder- plaz ankommen/ uͤber dessen Gegenwart/ Herr Pribisla/ Krokus/ und Koͤnigin Valiska selbst in harte Ohmacht gefallen waͤhren. Daß mus eine sonderliche Wichtigkeit auff sich haben/ sagete Herkules/ lieff mit Ladisla in Koͤniglichem Pracht hinunter/ und folgeten ih- nen die anderen so schleunig nach/ daß die Besatzung nicht anders meinete/ es haͤtten die q q q q q Koͤnige Achtes Buch. Koͤnige einen Unwillen unter sich angefangen/ daß sie sich rauffen wolten. Als die beyde Helden in den Plaz kahmen/ sahen sie Krokus sich wieder erheben/ und daß er nebest Pri- bisla den alten Betler auffrichteten/ auch ihn als einen Koͤnig ehreten. Valiska kam auch zu sich selbst/ stund auff/ fiel dem alten umb den Hals/ herzete und druͤckete ihn auch so in- bruͤnstig/ daß alle Anwesende/ denen es unbewust wahr/ meineten/ ob waͤhre sie bezaubert/ daher Herkules hinzutrat sie hinweg zureissen; woran sie sich doch nicht kehrete/ sondern zu dem alten mit heissen Traͤhnen sagete: Ach mein herzallerliebster Herr und Vater/ an was unseligem Orte hat eure Hocheit sich so lange auffgehalten? O wie schwere Rache mus demselben vorbehalten seyn/ der euch in diesen Stand gestuͤrtzet hat! Der Alte antwoꝛ- tete ihr: Herzallerliebstes Kind/ ich danke dem guͤtigen Himmel/ der mich aus meiner elen- den Gefaͤngnis und schmaͤhlichen Dienstbarkeit erloͤset/ und mich daher gefuͤhret hat/ mei- ne lieben Kinder noch vor meinem ende zu sehen. Und ihr mein herzgeliebter Sohn Her- kules/ sagete er weiter/ verwundert euch nicht uͤber eures geliebten Gemahls Bezeigung/ dann ihr werdet euren Vater Notesterich den unseligen an mir gar bald erkennen. Ladisla hoͤrete diese Worte auch/ und fiel nebest Herkules ihm umb den Hals/ dann die Zeichen des Angesichts gaben ihm bald kundschafft/ daher sagete er zu ihm: Gnaͤdiger Herr und Va- ter; mein Herr JEsus ist mein Zeuge/ daß mir angenehmers in dieser Welt nicht begeg- nen koͤnte/ als daß ich euch lebendig vor mir sehen sol; aber lasset euch doch erbitten/ und kehret mit mir auff das naͤheste Gemach/ daß man euch daselbst Koͤniglich ziere/ dann ich schwoͤre zu Gott im Himmel/ daß bey eurer Lebezeit/ welche Gott lange fristen wolle/ ich die- ses Reich nicht beherschen wil. Nicht also/ mein allerliebster Sohn/ antwortete sein Va- ter; dann wie solte dieser mein krumgebogener Ruͤcken solche schwere Last nach diesem er- tragen koͤnnen; beschaue mich nur in dieser meiner Schwacheit/ und betrachte/ ob es moͤg- lich sey/ daß ein solcher durch allerhand Ungluͤk und Elend abgemergelter Mensch/ der sei- ne Knochen kaum fortschleppen kan/ ein Koͤnigreich solte verwalten koͤnnen? daher ist miꝛ dein aͤidschwur sehr hart zuwieder. Vor dismahl aber wil ich dir zu Willen seyn/ und auff das naͤheste Gemach/ welches mir vor diesen zu Lust dienete/ mich verfuͤgen/ damit ich die- se Betlers-Kleider ablegen moͤge. Sonsten wundert mich nicht wenig/ daß noch einiger Mensch mein durch Sonnenbrand/ Hunger und Ungluͤk verstelletes Angesicht hat erken- nen moͤgen/ daher ich mich auch nicht wenig befuͤrchtet/ ich duͤrffte anfangs vor einen Be- trieger gehalten werden/ aber Gott Lob/ daß die Buben noch im Leben sind/ welche mich in dieses Elend gestuͤrzet/ und von mir Zeugniß werden geben muͤssen. Bald ward ein Feld- Scherer herzugefodert/ der ihn putzen und waschen muste/ nachgehends brachte man ihm Koͤnigliche Kleider/ und ward inzwischen seinem Gemahl kund getahn/ daß ihr Gemahl und Koͤnig lebendig zu Lande geschlagen waͤhre/ und gleich jetzo auff dem Saale sich finden würde; uͤber welche Zeitung sie vor unsaͤglicher Freude als eine Leiche dahin fiel/ und bey allen fremdẽ eine grosse Verwunderung entstund. Nachdem er gebuͤhrlich augetahn war/ kanten ihn alle/ die vorhin viel mit ihm umgangen wahren/ ward von seinem Schwager Koͤnig Henrich bruͤderlich empfangen und bey der Hand auff den grossen Saal gesuͤhret/ da gleich sein Gemahl wieder zu Kraͤfften kommen wahr. Als sie eines des andern ansich- tig wurden/ kunte keines einigen Fuß aus der stelle setzen/ biß endlich die alte Koͤnigin zu ihm Achtes Buch. ihm hingeleitet ward/ die sich straks an ihn lehnete/ endlich zu ihm sagete: O mein werter Schaz und Koͤnig; sol ich dann noch vor meinem Ende euch wieder sehen/ und des Gluͤt- tes volle Gunst geniessen? Ja mein hochgeliebtes Gemahl/ antwortete er; die Goͤtter ha- ben nach ihrem vollendeten Zorn mich wiederumb begnadet/ und nicht allein mein Koͤ- nigreich/ sondern auch mein Gemahl/ Kinder/ Anverwanten und Freunde mich sehen und umfahen lassen/ wovor ich schuldig bin/ allen Schuz Goͤttern dieses Landes mich dankbar zubezeigen. Die fremden Koͤnige traten auch herzu/ und wuͤnscheten ihm wegen seiner un- versehenen gluͤklichen Ankunfft alle Wolfahrt; so wolten Herkules/ Ladisla und Baldrich nicht von ihm weichen/ aber sein Gemahl und Tochter fasseten ihn stets in die Mitte. So- phia und Klara drungen auch herzu/ und erkuͤhneten sich die Roͤmischen Herren mit bey der Freude zuseyn/ wie auch die Boͤhmischen Grossen/ die mit Thraͤnen beklageten/ daß ih- res Koͤniges Leben und Elende ihnen so gar unwissend gewesen/ und sie ihm nicht beysprin- gen koͤnnen. Koͤnig Notesterich vergaß nicht/ alsbald zubefehlen/ daß ja seine Ankunft aus- ser dem Schlosse nicht erschallen moͤchte/ dann es waͤhren etliche wenige seiner Untertah- nen/ die ihn in dieses sein bißher gefuͤhretes Elende ganz verraͤhterischer boßhaffter weise gestuͤrzet haͤtten/ wovor ihnen der gebuͤhrliche Lohn werden muͤste; rieff Herkules zu sich/ und baht ihn/ etliche Teutsche Reuter unter Neklams und Grozemisla Anfuͤhrung (weil diese am naͤhesten stunden) auszusenden/ und einen Boͤhmischen Herrn/ nahmens Ni- nisla samt seinen Sohn Urisla/ ohn Meldung anderer Ursachen/ hohlen zulassen/ als daß ihr Koͤnig Ladisla sie nach Hofe fo dern liesse/ so daß/ wann sie willig mitzihen wuͤrdẽ/ man ihnen keine Gewalt anlegete/ aber doch auff dem ganzen Wege ihrer zum fleissigsten acht haͤtte/ damit sie von keinem Menschen/ wegen seiner Wiederkunfft Nachricht bekaͤhmen/ noch auszureissen Gelegenheit haͤtten; wuͤrden sie sich aber wegern mitzuzihen/ solte man sich ihrer/ wie man best koͤnte/ lebendig bemaͤchtigen/ weil ihm zum allerhoͤchsten daran ge- legen waͤhre. Es wahr schon zimlich weit auff den Tag/ aber des zulauffens der Gluͤkwuͤn- schenden noch kein Ende/ daher befoderte Valiska/ daß man sich zu Tische setzete. An einer Seite muste Koͤnig Notesterich mit seinem Gemahl die Oberstelle nehmen; neben ihm Koͤnig Henrich/ Koͤnig Haron/ Ladisla und Mnata/ alle mit ihren Gemahlen; und weil dieser keine hatte/ ward ihm Frl. Vanda die Wendin (des ehmaligen Krito Bruders Tochter) an die Seite gesetzet. An der andern Seite des langen Koͤniglichen Tisches sas- sen die jungen Eheleute/ Arbianes und Klara/ weil es ihr Hochzeit Fest wahr/ oben an; naͤ- hest ihnen Koͤnig Hilderich/ der Daͤhnische Koͤnig/ und Herkules mit ihren Gemahlen. Oben vor dem Tische muste Koͤnig Baldrich mit seinem Gemahl den Siz nehmen/ und an der andern Seiten vor dem Tische Herr Fabius mit seiner Pompejin/ als Kaͤyserli- cher Stathalter und Boͤhmischer Schwiegervater. Der andere Tisch ward also besetzet/ daß an der langen Ober Seite Herr Pompejus/ der junge Fabius/ Kornelius/ Emilius und Zezilius Antenor mit ihren Gemahlen; an der andern Seite/ nach langer noͤhtigung/ Fuͤrst Siegward mit seinem Gemahl/ Fürst Olaff mit dem schoͤnen Schwedischen Fraͤu- lein/ Fuͤrst Markomir mit einem jungen Sikambrischen Fraͤulein zwoͤlffjaͤhriges Alters/ seines Herr Vaters Bruders Tochter/ Herr Pribisla/ Herr Bretisla der Boͤhmische Kanzler und Herr Krokus; vorne Stanisla und Mastyes/ und gegen uͤber Agis und O- q q q q q ij pimius Achtes Buch. pimius ihre Stelle hatten. Am dritten Tische sassen Wolffgang mit seiner Braut/ und Reichard mit seiner Adelheid oben an/ weil ihre Hochzeit zugleich gehalten ward/ und wuꝛ- den die vornehmsten Franken/ Schweden/ Daͤhnen und Wenden gesetzet mit adelichem Boͤhmischen Frauenzimmer. Die uͤbrigen Tische noch zwoͤlffe an der Zahl wurden alle vol. Leches/ Klodius und Neda mit ihren Eheliebesten warteten bey dem Koͤniglichen; Markus/ Prinsla und Gallus mit ihren Liebesten bey dem Fuͤrstlichen Tische auff/ wie hart ihnen gleich befohlen ward/ sich niderzusetzen; und wahr kein Mensch zugegen/ der seine Freude uͤber des alten Koͤniges Wiederkunfft haͤtte recht ausdruͤcken oder an den Tag ge- ben koͤnnen/ weil man ihn bißher nicht allein vor gewiß tod geschaͤtzet/ sondern auch seine vermeynete Leiche schon laͤngst zur Erde bestaͤtiget hatte; welche Gedaͤchtniß algemach bey vielen Anwesenden einen Zweifel verursachete/ ob er auch der wahrhaffte Koͤnig/ und nit vielmehr ein Landbetrieger/ oder wol gar ein Schwarzkuͤnstler waͤhre/ dem vorigen Koͤni- ge in etwas aͤhnlich/ dessen Untergang er sich etwa erkuͤndiget haͤtte/ und auff den Koͤnigli- chen Stuel sich setzen wolte. Ja die alte Koͤnigin selbst geriet in Argwohn/ welches ihre zu unterschiedenen mahlen ausgelassene Seuffzer gnugsam an den Tag legeten/ und der Koͤnig ihr Anliegen leicht merkete/ deßwegen er zu ihr sagete: Herzgeliebetes Gemahl/ wie auch Kinder und andere ehmahls bekante Herren und Freunde; es nimt mich noch immer zu hoͤchlich wunder/ daß kein Mensch zugegen an mir zweifelt/ ob ich Koͤnig Note- sterich sey oder nicht/ nachdem mein Tod schon so lange geglaͤubet/ und meine vermeinete Leiche (die man wol haͤtte moͤgen etwas eigentlicher besehen) zur Erden bestattet ist; ja weil ich eben zu dieser Stunde ankomme/ da mein geliebter Sohn zum Koͤnige sol gekroͤnet werden; solte aber einer oder ander in mir einiges Mißtrauen setzen/ hoffe ich/ dieselben werden sich eine kurze Zeit gedulden/ biß der Gottlose verraͤhterische Bube Ninisla und sein Sohn Urisla ankommen werden/ welche mein Herr Sohn Koͤnig Herkules einhoh- len laͤsset; dieselben sollen durch Folterzwang schon dahin gebracht werden/ im falle sie nit guͤtlich bekennen wollen/ wie verraͤhterisch sie mit mir ihrem Koͤnige umgangen/ und mit was unaussprechlichem Jammer und Elende sie mich eine geraume Zeit belastet/ biß end- lich der guͤtige Himmel durch einen fal mich loß gemacht/ daß ich gefangen als ein Leibei- gener in Pannonien gefuͤhret bin/ woselbst ich gegenwaͤrtigem Koͤnige und allen seinen Hofeleuten unwissend/ uͤber zwey Jahr ein Gaͤnse Hirte/ auch ein Holz-Wasser- und Lei- men-Traͤger/ und dabey doch ein Spielman uñ Unflaht-Reiniger gewesen bin (hier schos- schen ihm die hellen Zaͤhren aus den Augen)/ wovon ich heut diesen Tag weiters nicht mel- den wil/ damit nicht die froͤlichen Herzen an diesem Hochzeit Feste zu hoch betruͤbet/ und ihre Lust in Traͤhnen-Baͤche verwandelt werden. Das Frauenzimmer (denen hiedurch ihꝛ Argwohn fast gar benommen ward) huben auff diese Worte an überlaut zuweinen/ daß Koͤnig Notesterich selbst gereuete/ daß er hierzu ursach gegeben hatte/ ungeachtet er selbst seine Traͤhnen nicht so bald einzwingen kunte/ und gab der Pannonische Koͤnig mit be- waͤglichen Worten sein Mitleiden an den Tag/ in dem er bey seinen Ritterlichen Ehren schwuhr/ so bald er in sein Land kommen wuͤrde/ das Haus/ in welchem ihre Liebe solch Elend uͤberstanden/ zur Einoͤde zu machen/ daß Hecken und Dornen drauff wachsen/ und ein geheiligter Ort seyn solte/ daß/ so ein uͤbeltaͤhter sich dahin verbergen wuͤrde/ er voͤllige Ver- Achtes Buch. Vergebung haben solte; wolte auch seinen unbarmherzigen Haußwirt ihm gefaͤnglich zuschicken/ oder ans Kreuz hefften lassen/ damit er sich nicht beruͤhmen koͤnte/ daß ein her- schender Koͤnig ihm vor leibeigen gedienet haͤtte. Welches erbieten den unsern sehr wol- gefiel/ daß kein Widerwille gegen ihn in ihrem Herzen uͤberblieb. Nach auffgehobenen Speisen ward einzierlicher Tanz gehalten/ und entstund zwischen Koͤnig Mnata und Frl. Vanda eine inbruͤnstige Liebe/ wie auch zwischen Fuͤrst Olaff und Frl. Schulda/ welches aber vor dißmahl ingeheim verblieb/ weil jeder sich scheuhete/ dem andern sein Anliegen zu offenbahren. Die alten Koͤnige/ Henrich und Notesterich fuͤhreten den ganzen Abend ihr Geschwaͤtze von allerhand laͤngstverlauffenen Dingen/ welches dieser zu dem Ende taht/ dz an seiner Wahrhafftigkeit nicht moͤchte gezweifelt werden; insonderheit begehrete er zu wissen/ wie sichs mit Herkules zugetragen/ auff was weise er wieder gefunden/ und mit sei- ner Frl. Tochter sich verehlichet haͤtte/ welches/ sagte er/ ihm von ganzen Herzen lieb waͤh- re/ weil er diese Heyraht von langen Jahren her gewuͤnschet und vorgehabt. Aber Koͤnig Henrich wolte ihm solches noch zur Zeit nicht erzaͤhlen/ einwendend/ weil er ihm seines E- lendes Ursach auch noch nicht haͤtte wollen kund machen. Nun wahr niemand uͤber der unvermuhtlichen Ankunfft des verlohrnen Koͤniges verwirreter/ als Libussa/ dann ob sie ihn gleich kennete/ blieben ihr doch die Gedanken/ es koͤnte ein Mensch dem andern aͤhnlich seyn/ wie man dessen manniche Begebenheit haͤtte/ insonderheit/ weil an der vermeyneten Koͤniglichen Leiche (daran das Gesicht zerhauen/ und mit Pferde Fuͤssen zutreten wahr) sie zu der Zeit vermeinete etliche Wahrzeichen gesehen zuhaben/ daß sie des Koͤniges waͤh- re; daher suchete sie Gelegenheit/ mit ihm zureden/ und durch Erinnerung etlicher verlauf- fener Geschichten/ die sonst niemand kund wahren/ ihn zubewehren/ und als ihr darzu gu- te Bequemligkeit zuhanden stieß/ sagete sie zu ihm: Gnaͤdigster Koͤnig; Euer Hocheit ich unwirdigste Magd erfreue mich ihrer glüklichen Wiederkunfft von Herzen/ deren sich kein Mensch vermuhten wahr; daß aber Ihrer Hocheit Gedaͤchtniß ich aus meinem Herzen nicht hinweg geraͤumet habe/ sol mein Eheliebster mir Zeugniß geben/ und daß an unserm Hochzeitlichen Ehrentage/ ohngeachtet wir auff der Eile Beylager hielten/ ihrer Hocheit ehmals in der neuen Laͤuben mir gnaͤdigst getahne Verheissung ich ihn wissen lassen/ auch schmerzlich beseuffzet/ daß wegen ihres vermeineten Todesfalles ich dessen nicht geniessen koͤnte. Der Koͤnig hoͤrete sie wolgehen/ und wie hoch er sich ihrer Listigkeit verwunderte/ so wahr ihm doch solche unfehlbahre Bewehrung sehr angenehm/ daher er ihr zur Antwort gab: Geliebte Tochter/ ich habe in meinem ubeꝛschwenglichen Elende auff deꝛ gleichen Sa- chen zugedenken wenig mues gehabt/ erinnere mich aber anjetzo sehr wol/ daß da ihr mein herzen Toͤchterchen Valisken auff der Schoß fuͤhretet/ und wegen meiner Ankunfft euch dessen schaͤmetet/ ich euch Koͤniglich versprach/ allen Fleiß anzuwenden/ daß ihr nach Standes Gebuͤhr soltet verheirahtet werden/ da ich dann nicht allein euch euren Braͤuti- gam zur Traͤue/ sondern auch ins Ehebette zuzufuͤhren und die Hocheit kosten abzutragen/ ihn auch mit einem Reichs Lehn anzusehen/ mich gnaͤdig anerboht/ welches ihr dazumahl mit einem unteꝛtaͤhnigsten Handkusse voꝛbekant annahmet/ uñ euch zu allen getꝛaͤuen Dien- sten/ die insonderheit meiner Frl. Tochter koͤnten geleistet werden/ darstelletet; weil ich dañ keinen Zweiffel trage/ ihr werdet solches zur Gnuͤge erfuͤllet haben/ wil ich das verseumete q q q q q iij in Achtes Buch. in andere Wege zuersetzen schon Gelegenheit finden/ wofern ich leben sol. Libussa kuͤssete ihm die Hand untertaͤhnigst/ und mit einem Herzfꝛeudigen Lachen sagete sie zu der alten Koͤni- gin; ihre Hocheit haben nunmehr Zeugniß gnug/ daß sie ihren wahrhafften Herrn und Koͤnig von Gott wieder bekommen/ und muͤssen wir alle miteinander uns billich schaͤmen/ daß wir so leichtglaͤubig gewesen/ und eine unkentliche Leiche vor unsern Koͤnig zur Erden bestattet/ nur weil derselben des Koͤniges Kleider angelegt/ und dabey sein bekantes Sei- ten-Gewehr gefunden wahr. Und/ gnaͤdigste Koͤnigin/ rieff sie Fr. Valisken zu/ hat Eure Hocheit/ meiner heutigen Ausdeutung nach/ nicht einen herlichen Fund/ an ihrem Herꝛ Vater getahn? Geliebte Tochter/ antwortete ihr der alte Koͤnig; ich halte keinem Men- schen den Zweiffel wegen meiner warhafften Gegenwart vor uͤbel/ kan und wil ihn auch jederman goͤnnen/ biß die boßhafften Schelmen und Verraͤhter oͤffentlich bekennen wer- den/ wie schaͤndlich sie mit mir verfahren. Herkules mengete sich mit ein/ und fuͤhrete Li- bussen zum Tantze/ die sich der hohen Ehr entschuldigte/ wiewol er mit ihr als mit einer sei- nes gleichen uͤmzugehen pflegete; hernach brachte er sie Baldrichen/ da inzwischen Koͤnig Mnata und Valiska ein Gespraͤch hielten/ darinnen er ihr zuverstehen gab/ er haͤtte eine Bitte bey ihr abzulegen/ und da sie ihm selbige einwilligen wuͤrde/ haͤtte er zeit seines Lebens Ursach/ sich der Vergeltung zubemuͤhen; jedoch wolte er diese Nacht zur Nachsinnung ihm vorbehalten haben/ und folgenden morgen damit einkommen. Sie hingegen erboht sich aller moͤglichen Ehren-Wilfahrung/ ohn einiges bedingen; Und wahr in Warheit dieser Koͤnig keiner boͤsen oder graͤulichen Art/ sondern die Gewohnheiten und vorige boͤse Ge- selschafft hatten ihn verderbet/ und hatte er diese wenige Zeit uͤber sich dergestalt geendert/ daß er unter die redlichen und Tugendhafften wol kunte mit gerechnet werden/ daher er sei- ne erlittene Niderlage vielmehr vor ein Gluͤk als Unfal schaͤtzete/ weil er durch dieses Mit- tel nicht allein auff die Tugend-Bahn geleitet/ sondern auch seiner boßhafften ungetraͤuen Raͤhte und Beamten/ denen er gehorsamen muste/ abkommen wahr. Als diese Koͤnigliche Geselschafft bey spaͤter Nacht zu Ruhe ging/ wolte Koͤnig Nosterich bey seinem Gemahl nicht schlaffen/ biß die Volstreckung der Straffe an den Uhrhebern seines Elendes ver- richtet waͤhre/ und hatte er diesen Abend mit Koͤnige Henrich/ Herkules und Ladisla Abre- de genommen/ etliche Reichs Beamten und Diener wegen ihres wolverhaltens/ folgendes Tages in hoͤhern Stand zuerheben/ und dadurch andere zugleichmaͤssiger Traͤue anzurei- zen/ deßwegen/ so bald die Sonne hervorbrach/ wurden Herr Pribisla/ Bretisla/ Wlodi- mir/ Vorich/ Bela/ Bugesla/ Krokus/ Wratisla/ Stanisla/ Leches/ Klodius/ Neda/ Mar- kus/ Prinsla/ Gallus/ Mardus und Timokles/ diese siebenzehn/ vor die Koͤnigliche Gesel- schafft gefodert/ und nachdem Herkules der ersten neune ihre traͤugeleistete Reichs Dien- ste/ und der anderen Ritterliche Tahten und unverdrossene Auffwartung erzaͤhlet und hoch geruͤhmet hatte/ wie sie/ hindan gesetzet ihrer Wolfahrt und Lebens/ alles das uͤberfluͤssig ge- leistet/ was redlichen tapfferen und getraͤuen Helden und Dienern obliegen koͤnte/ meldete er ihnen an/ daß ihnen davor Standes Erhoͤhung/ und darzu gehoͤrige Guͤter solten ertei- let werden. Worauff Koͤnig Notesterich die neun erstgedachten zu Reichs Grafen in Boͤh- men machete/ und ihnen auff Koͤniges Mnata Anhalten/ die Reichs Lehn uͤber die abge- tretene Pannonische Landschafften erteilete. Die fuͤnf folgende wurden von Koͤnig Hen- rich Achtes Buch. rich zu Teutsche Grafen an der Weser gemacht/ und ihnen die Herschafften zugeeignet/ wo jezt die Fuͤrstlichen Schloͤsser und Staͤdte/ Petershagen/ Rinteln (woselbst Herr Eꝛnst/ Fuͤrst des heiligen Roͤmischen Reichs Graff zu Holstein/ Schaumburg und Sterneberg eine hohe Schuel gestifftet/ da diese Geschichte an des Tages Licht kommen ist) Hameln/ Holzminden/ Hoͤxar und Muͤnden belegen sind. Herkules nam Gallus und Timokles/ La- disla seinen Mardus in den Frey Herrn Stand/ zu welcher Ehre der alte Wenzesla schon vorhin erhaben wahr. Nach solcher Verrichtung stelleten Koͤnig Baldrich und Großfuͤrst Arbianes ein Freystechen an/ von daran uͤber zwo Wochen zuhalten/ und zwar unten am weissen Berge/ und nachgehends ein Ringelrennen und freyschiessen/ liessen solches bey schleunige Bohtschafft außblasen/ und macheten auff alles gute Anordnung. Unterdessen begab sich Mnata hin zu Koͤnigin Valisken/ erinnerte sie der gestrigen Zusage/ und zeige- te ihr an/ daß er schon ins dritte Jahr Witwer gelebet/ und keine Erben von seinem Ge- mahl uͤbrig haͤtte/ wuͤrde auch berichtet/ daß der gotlose Dropion an ihrem zeitlichen hin- sterben Schuld truͤge/ welcher ihm das heyrahten biß daher gehindert haͤtte/ muͤste aber da- bey bekennen/ daß er selbst kein grosses Belieben darzu getragen/ ungeachtet er erst das 42ste Jahr hinter sich gelegt haͤtte. Es waͤhren aber seine fast erloschene liebes Begierden durch die Zucht und Schoͤnheit des Wendischen Fraͤulein dergestalt entzuͤndet/ daß ohn de- ren Liebe er hinfort nicht wuͤrde koͤnnen glükselig seyn/ wiewol er noch zur Zeit unwissend waͤhre ob dieselbe seine Huld zuersetzen/ und ihn vor ihren Gemahl anzunehmen/ sich wolle finden lassen. Weil er nun nit zweifelte/ sie/ Koͤnigin Valiska koͤnte ihm deren Gewogenheit sehr wol erwerbẽ/ haͤtte er die Kühnheit gebrauchẽ/ uñ ihre Liebe daruͤber begruͤssẽ wollẽ/ mit demuͤhtiger Bitte/ ihm solches nit abzuschlagẽ uñ allemahl seine hochgewogene volgewal- tige Gebieterin zuverbleiben. Valiska vernam sein Begehren mit guter Lust/ weil sie ohndz mit Heirahtsachen und freiwerbungen gerne umbging/ erboht sich auch/ allen moͤglichen fleiß anzuwenden/ nebest guter vertroͤstung daß alles nach seinem Wunsch ergehen koͤnte/ dafern dieses Fraͤulein annoch unversaget oder unverliebet waͤhre/ welches zuerforschen ihꝛe erste Arbeit seyn solte. Solches nun ins Werk zurichten/ machte sie sich an Olaf/ wel- chen sie folgender gestalt anredete: Durchl. Herr Oheim/ vertrauter Freund/ mir zweifelt nicht/ eure Liebe werde bißher meine Ehrengewogenheit gegen ihn in etwas verspuͤret ha- ben/ da ich sonst duͤchtig bin/ selbige erscheinen zu lassen; so machet mich uͤber das seine Auff- richtigkeit dermassen kuͤhn und verwaͤgen/ daß ich seiner Liebe mich in einer wichtigen Sa- che zugebrauchen/ unternehmen darf/ in dem ich anfangs bitte/ da es ihrer Liebe wissend/ mich zuberichten/ ob das Wendische Fraͤulein annoch frey und ausser verliebetem Stande lebe/ auff welchen fal ich derselben mit einer zweifels ohn angenehmen Heiraht an die Hand gehen wolte. Der Fuͤrst seufzete über dieser Rede/ daß er eine Zeitlang gar stille schwieg/ da- her sie vor gewiß hielt/ er wuͤrde in sie verliebet seyn/ und taht ihr sehr leid/ daß sie ihn mit dieseꝛ Rede in solche bewaͤgung gestuͤrzet hatte/ des wegen troͤstete sie ihn also: Ich bitte sehꝛ/ mein Oheim wolle mir verzeihen/ daß aus blosser unwissenheit/ die gar von keiner Arglist begleitet wird/ ich ihn in diese traurige schwermuͤhtigkeit setze/ da seine Geberden mich fast versichern wollen/ daß er an diesem Orte selbst muͤsse gefesselt seyn/ auff welchen fal ich viel mehr helffen werde ihn festeꝛ zubestricken/ als einen andern an seine stelle zusetzẽ. Olaf bedan- kete Achtes Buch. kete sich des hohen erbietens mit tieffer/ ihr unangenehmer Demuht/ uñ gab diese Antwort: Unvergleichliche Koͤnigin/ volwaltige Beherscherin alles meines vermoͤgens; meine weit hervorgehohlete Seufzer gehen nicht aus einiger liebes/ sondern tieffster Leidensquelle her- vor/ welche zu unterdruͤcken ich nicht vermocht/ als ihre Hocheit von diesem Fraͤulein zu reden angefangen; solte ich nun dessen die Ursach dartuhn/ wũrden wir die Mahlzeit druͤ- ber verseumen/ wie fruͤh es gleich annoch am Tage ist. Koͤnigin Valiska haͤtte gerne etwas mehr hierumb gewust/ und baht sehr/ dafern es keine sonderliche heimligkeit hinter sich haͤt- te/ ihr solches zuerzaͤhlen; da sie ihm dann gerne eine oder etliche Stunden zuhoͤren wolte; worauff er sich erboht/ in die kuͤrtze zugehen/ und fing also an: Ich gestehe/ Großmaͤchtigste Koͤnigin/ daß mein Herꝛ Vater nun schon etliche Jahr damit uͤmgangen ist/ daß ich dieses Fraͤulein/ von der ich in Warheit nichts als alle Fuͤrstliche Ehr und Tugend weiß/ heirah- ten/ und nach seinem Todesfall die Daͤnische Kron tragen solte; Ich weiß aber nicht/ wel- cher innerliche Wiederwille und Ekel mich von dieser Heyraht so gar abgezwungen hat/ daß ich tausend mahl lieber den Tod anzugehen entschlossen bin/ und mag wol sagen/ oder vielmehr klagen/ daß mirs in diesem Falle gehet/ als denen/ die keinen Kaͤhse oder Butter riechen noch schmaͤcken moͤgen/ ungeachtet daran nichts zu tadeln ist. Mein Herr Vater/ so bald er mein wegern vernommen/ ist mir fast gehaͤssig daruͤber worden/ und hat durch be- drauung der Enterbung mich noͤhtigen wollen/ hochgedachtes Fraͤulein zu ehelichen; wor- auff ich heimlich in Frießland gewiechen/ und mich schriftlich gegen ihn erklaͤret habe/ er sey mein Vater und Koͤnig/ auch daher wol bemaͤchtiget nach gefallen mit mir zuschalten; dafern er auch gesonnen/ mich zuenterben/ und das Daͤnische Reich darein gehehlete/ muͤ- ste ich gedultig seyn/ und ihm gehorsamen/ daß ich aber das Wendische Fraͤulein heirahten solte/ waͤhre mir schlechter dinge unmoͤglich/ weil eine gar zuheftige Abneigung von dersel- ben/ ich in meiner Seele empfuͤnde/ so daß ich lieber hundertmahl die Folter ausstehen/ als diese Ehe antreten wolte. Mein Herr Vater aber wolte sich hiemit nicht beguͤtigen lassen/ sondern schrieb an meinen Oheim den damahligen Friesischen Koͤnig; er solte mich von seinem Hofe schaffen/ und aus seinem Lande verbañen/ weil ich ihm aus frevelhaftem Muht- willen ungehorsam waͤhre/ und wie er vor gewiß berichtet wuͤrde (welches doch nie in mein Herz kommen wahr) mit einer unzuͤchtigen Metze/ geringes herkommens mich ehelich sol- te versprochen haben/ die ich nach seinem Tode der Koͤniglichen Kron teilhaftig zu machen/ entschlossen waͤhre. So bald der Friesen Koͤnig mir solches zeigete/ und ich am Ende die Bedraͤuung fand (wo ich laͤnger von ihm auffgehalten wuͤrde/ wolte er Frießland mit Feur und Schwert verfolgen)/ nam ich mir vor/ alsbald nach Daͤñenmark zu saͤgeln/ und mich meinem Herr Vater zur Straffe darzustellen; welches mir aber dieser mein Oheim hoͤch- lich wiederriet/ und mit einem ansehnlichen stuͤk Geldes mich versahe/ womit ich zu Schif- fe ging und nach Spanien fuhr/ auch daselbst ein Jahr mich vor einen schlechten Ritter hielt/ und der Ritterlichen uͤbung mit geringschaͤtzung meines Lebens fleissig oblag; ich weꝛ- de aber mein daselbst unvermuhtlich gefundenes Ungluͤk mit stilschweigen vorbey gehen. Nein/ fiel ihm Koͤnigin Valiska in die Rede/ sondern wil eure Liebe mir einen gefallen tuhn/ wird sie mir alles fein umbstaͤndlich erzaͤhlen. Wie es ihrer Hocheit gefaͤllet/ antwortete er: Und melde demnach/ daß ich etliche Schreiben/ den Ort wo ich lebete/ ungenennet/ an mei- nen Achtes Buch. nen Herr Vater abgehen ließ/ ihm ausserhalb der einigen Heiraht sache allen kindlichen ge- horsam versprechend/ und ihn zuversoͤhnen allerhand bewaͤgligkeiten einfuͤhrend; worauff ich doch nie keine Antwort empfing/ ungeachtet ihm alle Brieffe wol sind geliefert worden. Nun trug sichs zu/ daß in Spanien ein Freystechen und Ringelrennen an des Kaͤyserli- chen Stathalters Hofe angestellet ward/ welcher ein ansehnlicher Roͤmer von 68 Jahren wahr/ und ein junges Roͤmisches Fraͤulein/ nahmens Kornelia Balba/ vor weniger Zeit geheyrahtet hatte. Diese ohnzweiffel der Leichtfertigkeit ergeben/ haͤtte ihren alten Kajus Pupius Mela (so hieß der Stathalter) lieber auff der Todten Bahr/ als im Ehebette ge- sehen/ wiewol mir davon nicht das geringste bewust wahr. Sie mochte zu meinem Ungluͤk meiner bey dem Speerbrechen wahrnehmen/ und an mir ein mehrers/ als ich wahr oder leistete/ ihr einbilden/ daher sie anfangs/ ihren Begierden Raum und Gelegenheit zu ma- chen/ von ihrem Gemahl begehrete/ mich an seinen Hoff zunehmen; welches er/ als schon mit Argwohn erfuͤllet/ ihr nicht versagen wolte; bestellete aber etliche des Frauenzimmers/ die genau acht auff ihr tuhn und lassen geben musten. Ich wahr kaum 16 Tage zu Hofe ge- wesen/ da ward mir von einem alten Weibe ein Schreiben eingeliefert/ welches ich erbrach/ und der Stathalterin Nahmen darunter gezeichnet fand/ dessen ich hoͤchlich erschrak/ und nach verlesung nicht wuste/ wessen ich mich erklaͤren solte. Mit der Stathalterin hatte ich noch kein Wort gewechselt/ auch ihre Anblicke stets gemieden; noch dannoch erklaͤrete sie mir in diesem Schreiben ihre Liebe so rund und offenherzig/ daß ich ihrer Leichtsinnigkeit daher gnugsame Merkzeichen nahm. Die alte Buͤbin hielt instaͤndig bey mir an/ gewieꝛige Antwort von mir zu geben/ und der jungen schoͤnen Stathalterin Gunst und Liebe nicht zu verachten/ dafeꝛn ich nicht vor einen und ankbahꝛen und kleinmuͤhtigen wolte gehalten seyn; ob mir nicht bewust waͤhre/ daß allein ihre Gewogenheit es dahin gebracht/ daß ich an den Hoff waͤhre aufgenommen und in hohem Ansehen schwebete; welches mich dergestalt ver- wirrete/ daß ich mir selbst weder zu rahten noch zu helffen wuste; endlich erklaͤrete ich mich/ sie moͤchte der Fr. Stathalterin meinen untertaͤhnigen Gehorsam anmelden/ und daß in- nerhalb 24 Stunden ich ihr genehme Antwort (also muste ich wieder meinen Willen re- den) zuschreiben wolte. Nun hatte der Stathalter diesen mir eingehaͤndigten Brieffschon gelesen/ und drang das alte Weib bloß zu dem ende auff meine schriftliche Antwort/ daß der Stathalter in Faͤusten haben moͤchte/ wodurch er mich überzeugen/ und andern zum ab- schaͤulichen Beispiel mich bestraffen koͤnte. Er hatte aber einen unehlichen Sohn/ der ein handfester Ritter/ und mir uͤberaus wol gewogen wahr/ derselbe hatte vor seines Vaters Gemache den mit diesem Weibe über mich gemacheten Anschlag angehoͤret/ und wessen ich mich erklaͤret haͤtte; und weil ihm mein Verderben sehr zu Herzen ging/ schrieb er mir in hoͤchstem vertrauen diese Worte bey seinem Knaben zu: Geehrter Herr Bruder Nauzius (also nennete ich mich) hastu ein verdaͤchtiges Schreiben gelesen/ und genehme Antwort darauff versprochen/ so mache dich aus dem Staube/ und warte keine Stunde mehr/ doch so unvermerket und einsam/ als moͤglich ist; und daß du wegen meiner Traͤue mich nicht in Gefahr stuͤrzest/ so verbrenne dieses Brieflein alsbald; auch wann du ausserhalb Landes in Sicherheit seyn wirst/ laß michs unter dem verdecketen Nahmen Markus Salius wissen. Die Goͤtter geleiten dich/ weil ich dich vor unschul- dig halte. Es gedauchte mich jedes Wort ein Donnerschlag seyn/ dagegen dieses Ritters r r r r r Warnung Achtes Buch. Warnung ein erquiklicher Regen/ und ließ ich mich gegen den Uberbringer nichts mer- ken/ sondern befahl seinen Herrn zu gruͤssen/ und daß ich bald wolte bey ihm seyn/ wie er be- gehrete; nam etliche Kleinot und 300 Dukaten zu mir/ damit ging ich vor das Tohr hinaus als zur Lust/ hieß meinen Diener wieder zuruͤk gehen/ und eilete nach dem naͤhesten Dorffe/ da verbarg ich mich in einer Scheuren/ biß es finster wahr/ gab mich bey einem armẽ Bau- ren an/ schenkete ihm 10 Dukaten/ und baht ihn/ daß er seinen Wagen anspannen/ und mich nach dem naͤhesten Schiffhafen fuͤhren moͤchte/ dann ich waͤhre in hoͤchster geheim von ei- nem vornehmen Herrn aufs schleunigste fort geschicket/ eine Sache zuverrichten/ daran dem Stathalter sehr viel gelegen waͤhre. Ich erhielt mein Ansuchen leicht/ und rollete mich dieser hin/ da ich ihm zuvor sein bestes/ wiewol geringes Tuchen Kleid vor meines abgetau- schet hatte; kam gegen morgen bey dem Meer an/ und fand ein Schiff/ welches gleich nach Daͤnenmark zusaͤgeln fertig war. Anfangs zweifelte ich/ ob ich mich dahin begeben dürfte/ endlich dauchte mich die Spanische Gefahr groͤsser als die Inheimische seyn/ und verdin- gete mich auff dasselbe/ vorgebend/ ich haͤtte in Daͤnen mark noͤhtige Sachen zuverrichten. Wir fuhren mit sehr gutem Winde etliche Tage gluͤklich fort/ biß wir von einem ganz un- vermuhtlichen Ungewitter überfallen wurden/ und Schiffbruch erlitten/ da ich ein Stuͤk vom Brete ergriff/ und auff demselben mich 36 Stunden mit grossem Kummer und Un- gemach auffhielt/ biß mir ein Friesisches Schiff zu gutem Gluͤk ins Gesichte kam/ welches auff mich ansegelte/ und die Schiffleute nach geschehener Labung mir allen guten Willen erzeigeten. Der Schiffherr hatte seine Handlung hin und wieder getrieben/ und wahr willens in Engeland zufahren/ uñ weil es ihm an Ruderknechten mangelte/ muste ich mich mit gebrauchen lassen; da ich dann meine Stelle so fleissig vertrat/ daß der Schiff Herr mich durchaus nicht verlassen wolte/ mit Einwendung/ weil er mir das Leben erhalten/ waͤhre ich schuldig ihm zudienen; welches mir aber ungelegen war/ haͤtte auch lieber mei- nen Geist mitten in den Wellen zugesetzet/ als bey dem Ruder gefristet; dannoch durffte ich mich nicht wegern/ damit er mich nicht anschmieden/ und unter die Zahl seiner Leibeigenẽ/ die nimmer vom Schiffe kahmen/ verstecken liesse; und nicht desto weniger urteilete er aus meiner Traurigkeit/ ich wuͤrde ihm/ wann ich zu Lande kaͤhme/ nicht lange aushalten; da- her er dreyen andern ernstlich befahl/ daß sie mich nicht vom Schiffe gehen liessen/ so lange er mit seinen Leuten ins Land reisete/ seine Kauffmanschafft fortzusetzen. Dieses hoͤrete ich selbst an/ und beantwortete es mit froͤlichem Angesichte: mir waͤhre alhie besser als anders wo/ und solte er sich meinet wegen nur unbekümmert lassen/ massen wann ich in seinem Dienste nicht waͤhre/ wolte ich mich bemuͤhen/ darein zukommen; machte auch nach sei- nem Abzuge mit meinen Huͤtern bessere Kundschafft/ zog einen Dukaten hervor/ als haͤtte ich denselben von alle meinem Zehrgelde uͤbrig behalten/ und erboht mich/ denselben zum besten zugeben/ da ihrer einer in die Stad gehen/ und uns guten Spanischen Wein hohlen wolte. Diese dem Trunk ohn das sehr zugetahn/ danketen mir vor solchen Schmauß/ lies- sen den Wein eintragen/ und soffen in kurzer Zeit einen starken Rausch/ daß sie wie die Rat- zen fest einschlieffen; welche gute Gelegenheit ich nicht verabseumete/ band den eingeschlaf- fenen Haͤnde und Fuͤsse/ machte mich aus dem Schiffe/ und ließ mich von einem Bohten zu Fusse nach des Roͤmischen Stathalters Schloß bringen/ schaffete mir daselbst in der Stad Achtes Buch. Stad Ritterliche Kleider und Waffen/ und legete mich in eine Herberge/ da ich aus vie- len Laͤndern neuer Zeitung berichtet werden kunte. Bald des ersten Tages funden sich bey der Mahlzeit zween Spanische Kaufleute/ welche auff des Wirts Nachfrage berichteten/ ihrem Stathalter waͤhre sein junges Weib/ eine vornehme Roͤmerin von einem fremden unbekanten Ritter/ nahmens Nauzius/ entfuͤhret/ welches kein Mensch erfahren koͤnte/ wo- hin sie kommen waͤhren/ uud ginge die gemeine Sage/ der Stathalter waͤhre ihrer Buh- lerey wenig Stunden vor ihrer Flucht inne worden/ aber durch Nachlaͤssigkeit haͤtte er sein bestes verseumet/ welches er nun zu spaͤht beklagete/ jedoch den Schimpff hoͤher als den Schaden rechnete. Ich wunderte mich der Zeitung hefftig/ und kunte daher leicht muht- massen/ das Weib wuͤrde gewarnet seyn/ und sich beyzeiten aus dem Staube gemacht ha- ben/ so daß man meynete/ sie waͤhre mit mir davon gezogen. Weil ich dann einen Schiff- Herrn antraff/ der gleich nach Spanien fahren wolte/ schrieb ich an des Stathalters Sohn/ und begehrete von ihm verstaͤndiget zuwerden/ was nach meinem Abzuge sich zu- getragen haͤtte/ bezeugete daneben meine Unschuld/ und daß ich keinen Gedanken gehabt/ mich dergestalt an seinem H. Vater zuvergreiffen/ und seinem Ehebette einigen Schand- flek beyzubringen. Ich bekam in weniger Zeit Antwort von ihm/ er haͤtte seine Stifmutter gleich wie mich gewarnet/ worauff sie in Mannes Kleidern zu Lande durch Gallien/ und al- so in Italien geflohen waͤhre/ wuͤrde ohn zweifel sich nach ihren Veꝛwanten in Sizilien ver- fuͤget haben/ und daselbst heimlich sich auffhalten. Zwar der Stathalter/ wie er meiner uñ ihrer Flucht zugleich verstaͤndiget worden/ haͤtte/ wie auch jederman/ nicht anders gemey- net/ als daß wir mit einander davon gelauffen waͤhren/ hielte auch noch diese Stunde da- vor/ ich wuͤrde sie in ein fremdes Land gefuͤhret haben/ woruͤber er hin und wieder nachfra- gen liesse; haͤtte insonderheit Engeland/ Schweden und Daͤnenmark in Verdacht/ da wir uns etwa moͤchten nidergelassen haben. Ehe ich diese Antwort bekam/ lebete ich in En- geland sicher/ und meynete aller Gefahr entgangen seyn/ da ich doch dem Verderben bald in Rachen gelauffen waͤhre. Ich gab mich bey Hofe an/ und wartete dem Stathalter auf/ der mich in Dienste nam/ und mich vor seinen Hof Junker und Vorschneider bestellete/ dessen Bruder Tochter/ Frl. Etburg/ ein trefliches Fraͤulein/ mir ihre gute Gewogenheit unter schiedliche mahl zuverstehen gab/ wiewol mit so hoͤflicher Zucht/ daß kein anwesender dessen einigen Argwohn schoͤpffen kunte. Sie ward von dem Fuͤrstlichen Frauenzimmer etwas veraͤchtlich gehalten/ weil sie von der Mutter her nur adeliches Standes wahr/ deß- wegen sie auch selbst sich lieber mit einem aͤdlen Ritter/ als grossem Herrn verehlichet haͤt- te. Ich stellete mich einfaͤltig/ und wolte ihre Gunst nicht merken/ daher sie sich entschloß/ mir dieselbe etwas deutlicher vorzutragen/ indem sie in einem Tanze mir ein Ringelein schenkete/ mit begehren/ es ihr zu liebe und Gedaͤchtniß zutragen/ welches dann/ Unhoͤflig- keit zumeiden/ ich ihr nicht versagen wolte/ steckete es an meinen kleinen Finger/ und be- dankete mich der gar zu hohen Ehre/ die in Betrachtung meiner Geringfuͤgigkeit ich zuer- kennen nicht bestand waͤhre. Sie aber antwortete mir: Ein Ritter/ welchen Tugend und Geschikligkeit begleiteten/ haͤtte sich bey ihr keiner Unwirdigkeit anzuklagen; sie hielte mehr auff Sitten und Tapfferkeit als auff Blut/ daher sie auch an vielen geringern Leuten die Tugend hoch schaͤtzete. Ich hatte keine Gelegenheit/ ihr zuantworten/ und ward nach ge- r r r r r ij endig- Achtes Buch. endigtem Tanze mir zu meinem Ungluͤk des Stathalters Tochter/ Frl. Pondizea zugefuͤh- ret/ welche jeztgedachter ihrer Wasen an Schoͤnheit wenig nachgab/ aber sehr boßhafftig/ frech und unzuͤchtig wahr/ welche Laster sie zuzeiten wol zuverbergen wuste/ wann ihre Be- waͤgungen nicht zu hefftig gingen. Im Tanze ward sie des jeztgedachten Ringes an mei- ner Hand gewahr/ ließ sich doch nicht merken/ daß sie ihn kennete/ sondern fragete mich/ von was lieber Hand mir eine so anmuhtige Gedaͤchtniß kaͤhme; zwar sie waͤhre willens gewesen/ mir ein Zeichen ihrer guten Gunst einzuhaͤndigen/ weil sie aber fuͤrchtete/ dz schon gelieferte wuͤrde das ihrige unwert machen/ oder von diesem nicht koͤnnen gelitten werden/ wolte sie ihre hohe Gewogenheit so lange einzihen/ biß sie von mir ihrer Furcht benommen waͤhre/ noͤhtigte mich auch/ nach geendigtem Tanze zu ihr niderzusitzen/ weil sie auff solche Gelegenheit schon mehr gewartet/ und mit mir von allerhand Sachen zureden haͤtte. Ich beantwortete ihre erste Frage: Ich truͤge kein Gunstzeichen an meiner Hand/ ohn welches meine leibliche Schwester am Tage meines Abscheides mir zum freund-bruͤderlichen An- denken eingereichet haͤtte; Ihr gnaͤdiges erbieten betreffend/ waͤhre solches viel zu hoch/ und mein Finger ihres Fuͤrstlichen Ringes aller dinge unfaͤhig; wuͤrde mir auch von den vornehmen Anwesenden/ insonderheit von ihren Eltern sehr ungleich/ und zum baͤurischen Frevel ausgelegt werden/ wann ich mich zu ihrer Gnaden wuͤrde nidersetzen; baͤhte dem- nach untertaͤhnig/ mir nicht zuverargen/ dz ihrer gnaͤdigen Anmuhtung/ der ich sonst herz- lich gerne in allem gehorsame folge leisten wolte/ vor dißmahl mich ungehorsam erzeigen muͤste/ und hielt schließlich umb ihre beharliche Gnade an. Sie hingegen ließ sich nicht merken/ daß ihr solche Erklaͤrung zuwider waͤhre/ setzete sich an ihre Stelle/ und ließ sich als eine tieffsinnige eine halbe Stunde ansehen/ daß niemand/ der sie anredete einige Ant- wort von ihr bekam; endlich nach außgetichteteꝛ Boßheit/ machete sie sich hin zu ihrer Fr. Mutter/ und ungeachtet Frl. Etburg zugegen wahr/ brachte sie diese Verleumdung vor: Es hat meine Fr. Mutter sich oft verwundert/ warumb gegenwaͤrtige meine Wase hoͤher geehret und beliebet ist/ als ich/ da ich doch keines gemeinen aͤdelmans Tochter zur Mutter habe/ sondern euch/ die jederman weis von altem Koͤniglichen Blute entsprossen seyn; aber lasset euch solches hinfuͤro nicht mehr befremden/ dann Leichtfertigkeit findet leider heut zu Tage allenthalben Plaz/ und machet diese Ungerahtene so angenehm/ welche sich auch nit scheuhet/ den Rittern von fremden geringen Adel/ deren Ankunfft uns nicht eins wissend ist/ die Ringe von ihren Fingern zuverschenken; wie ich dann eben denselben jetzo an unsers neuen Vorschneiders Finger gesehen/ mit welchem ihr sie neulich angebunden habet. Frl. Etburg erschrak der Rede hoͤchlich/ daß sie daruͤber erblassete; doch wie sie sehr kluges Ver- standes wahr/ er dachte sie bald einen Fund/ und gab diese Antwort: Ach meine Durchl. Frl. Wase/ ists moͤglich/ daß der fremde Hof Junker meinen Ring haben sol/ den ich vor einer Stunde verlohren/ und aus Furcht und Schahm nicht habe nachfragen duͤrffen/ ob er gefunden sey? ging darauff zu mir/ und sagete: Herr Ritter/ ich vernehme ungefehr von meiner Bekantin einer/ daß bey ihm ein Ring gesehen sey/ den ich vor einer Stunde ver- lohren habe; da er nun denselben gefunden/ bitte ich freundlich/ mir denselben wieder zuzu- stellen/ damit ich daruͤber nicht in ungleichen Verdacht gerahten moͤge. Alsbald fiel mir ein/ was die Ursach seyn wuͤrde/ trat mit ihr nahe zu der Stathalterin/ daß sie uñ Frl. Pon- dizea Achtes Buch. dizea meine Antwort wol vernehmen kunten/ fassete den Ring zwischen zween Finger/ und sagte: Hochgebohrnes Fraͤulein; ich habe ja einen Ring funden/ unwissend wem er zuste- het/ und ist mir sehr lleb/ daß ich ihn an gehoͤrigen ort wieder einliefern kan/ haͤtte auch als- bald solches gerne verrichten wollen/ wann die Unwissenheit mich daran nicht verhindert haͤtte/ und bitte untertaͤhnig/ mir ein solches nicht ungleich auszulegen. Sie bedankete sich vor die uͤberlieferung mit kurzen Worten und schlechter Bezeigung/ kehrete sich zu ihrer Frl. Wase/ und sagte zu ihr: Ich bedanke mich billich/ daß ihre Liebe mir befoderlich gewe- sen/ meinen lieben Ring wieder zubekommen/ bitte daneben von Grund meines Herzen/ mich des ungleichen Verdachts zuerlassen/ ob solte ich durch Geschenke und Verehrun- gen suchen/ mich bey Mannesbildern beliebet zumachen/ welches mir nie in den Sin ge- stiegen ist/ wil auch/ da ich dessen kan uͤberzeuget werden/ die gebuͤhrliche Straffe der leicht- fertigen Unkeuscheit auszustehen mich nicht wegern; und solte ich von einigem Menschen hoͤher als meine Frl. Wase geehret seyn/ muͤste mir solches schmerzlich wehe tuhn/ wolte auch nicht unterlassen/ mich an solchem groben Menschen zuraͤchen; dann ich erkenne mei- ne Geringfügigkeit sehr wol/ und daß Euer Liebe Vortrefligkeit ich nicht zuvergleichẽ bin/ aber doch willens/ meiner Ehren und guten Nahmens fleissige Hūterin zu seyn. Frl. Pon- dizea lief vol Zorn/ daß sie dergestalt solte auffm fahlen Pferde ertappet werden/ rief mich deswegen herzu/ und fragete mich unwuͤrsch gnug/ ob ich nicht gestanden haͤtte/ daß miꝛ deꝛ Ring geschenket waͤhre. Ich gab ihr zur Antwort: Ich haͤtte ja solches/ aber nicht von die- sem/ an dessen Gegenwart ich nicht mehr gedacht/ sondern von einem andern Ringe gere- det/ und da ihre Gn. einen andern gemeinet haͤtte/ baͤhte ich meines Irtuhms üntertaͤhni- ge Vergebung/ welcher daher gnug koͤnte erkennet werden/ daß ich hinzu getahn/ es waͤhre mir dieser Ring/ nehmlich der am Goldfinger/ von meiner Schwester geschenket worden. Ihre Frau Mutter kam ins Mittel/ und gab vor/ es waͤhre ein schlechter Verstoß/ der sich leicht zutragen koͤnte; aber die Tochter bezeigete sich so unsittig/ daß man leicht zu- schliessen hatte/ sie ginge mit nichts gutes schwanger; wie sie dann alsbald einen Tra- banten zu sich gefodert hatte/ und ihm befehl getahn/ mir/ wann ich heimgehen wuͤrde/ selb vierde auffzuwarten/ und mich ungescheuhet hinzurichten/ welches von ihrem Herr Vater also befohlen waͤhre/ und er samt seiner Geselschafft bey Leib und Leben heimlich halten solte. Dieser wahr willig/ es ins Werk zurichten/ als zu welchem Dienst sie ohn zweiffel seiner ehemahl muste gebrauchet haben; nur geschahe zu meinem Gluͤk/ daß mein Leibknabe unvermerket anhoͤrete/ da dieser sich mit andern beredete/ auff was Weise/ und an welcher Ecke sie mich ansprengen wolten/ auch/ daß sie dessen von dem Fraͤulein eine reiche Vergeltung hoffeten. Ich ward dessen alsbald berichtet/ hieß meinen Knaben schweigen/ und unser beide Pferde geschwinde fertig machen/ wahr auch gleich willens mich unvermerket hinweg zustehlen/ da sich ein klaͤgliches Geschrey erhuhb/ Frl. Etburg waͤhre in ihr eigen Messer gefallen/ und alsbald Todes verbliechen. Bald vergaß ich meines eigenen Ungluͤks/ lieff dem Gemache zu/ da der Unfal solte geschehen seyn/ und fand es leider also/ wiewol aͤus allen Umstaͤnden gnugsam erschien/ daß Frl. Pondizea die- sen Mord mit ihrer unbarmherzigen Faust selbst begangen haͤtte/ gestaltsam der Todten Lei- che ein kleines Messerchen im Herzen steckete/ welches ja nicht kunte hinein gefallen seyn/ r r r r r iij auch Achtes Buch. auch ihre Leibdienerin geruffen hatte: O mein Gn. Fraͤulein wird erstochen; wahr aber von der Taͤhterin durch harte Draͤuung bald gestillet. Mir wahr nit anders zumuhte/ als waͤh- re der Scharffrichter hinter mir gestanden/ mir den Schedel herunter zuschlagen/ drehe- te mich bey dem grossen Getuͤmmel artig hinweg/ meidete die bestimmete Mordecke/ und durch einen zimlichẽ Umweg kam ich an meine Herberge/ woselbst mein Diener alles nach meinem Willen verfertiget hatte; setzeten uns zu Pferde/ und weil ich mit dem Tohrhuͤter wol daran wahr/ ward ich willig außgelassen; da seumete ich nun nicht/ sondern ritte nach dem naͤhesten Hafen/ da mein ehemaliger Schiff Herr mich in einer Herberge antraff/ und wegen meiner ritterlichen Kleidung/ die ich anhatte/ auch daß schon eine gute Zeit meiner Entweichung entgangen wahr/ mich/ vor den er mich hielt/ nicht anreden durffte/ biß ich mich selbst meldete/ und ihm zwar vor die Lebens Rettung dankete/ aber zugleich ihn erinneꝛ- te/ niemand sobald zur Ruderbank zuver dammen/ er haͤtte dann dessen bessere Kundschaft; zwar ich wolte ihm den Streich verzeihen/ aber wann sein Koͤnig es wissen solte/ bey dem ich in grossen Gnaden stuͤnde/ duͤrffte derselbe es ihm nit so leicht schenken/ weil ohn Ruhm zumelden ich hohes und Fürstliches Adels waͤhre/ daß noch wol ein geringer ihm das Ru- der zihen koͤnte. Er wahꝛ noch so bescheiden/ daß er umb Veꝛzeihung anhielt/ welche ich ihm voͤllig zusagte; uñ von ihm erfuhꝛ/ die drey von mir gebundene haͤttẽ zur Straffe biß in den dritten Tag also verbleiben muͤssen; beteurete nachgehends hoch/ dafern er meines Stan- des haͤtte sollen berichtet seyn/ welchen er auß meiner Kleidung nicht muhtmassen koͤnnen/ wolte er mir lieber auffgewartet/ als das Ruder anbefohlen haben. Ich schrieb hieselbst ei- nen Brieff an den Stathalter/ bedankete mich als ein gebohrner Fuͤrst aller beschehenen Ehr/ und baht um Vergebung meines stilschweigenden Abscheides/ dessen Ursach keine andere waͤhre/ als daß man ohn alles mein verschulden mir nach Leib und Leben getrach- tet/ wie sein Trabant/ wann er peinlich gefraget wuͤrde/ schon bekennen solte/ rechnete es a- ber weiblicher Bloͤdigkeit zu/ und erboht mich zu allen Freundschafftdiensten. Was aber hierauff mag erfolget seyn/ habe ich noch zur Zeit nicht koͤnnen erfahren. Auch schrieb ich von darab an den Spanischen Stathalter unter meinem ehemaligen Nahmen Nauzius/ gab ihm meine reine Unschuld zuerkenuen/ und daß Zeit meines Lebens ich keinen Gedan- ken gehabt/ einem Manne sein ehelich Weib zuverfuͤhren/ oder deren zumisbrauchen/ und da er mich in den falschen Verdacht haͤtte/ als waͤhre sein Gemahl mit mir davon gezogẽ/ moͤchte er sich dessen wol begeben/ weil ich dieselbe weder gesprochen noch gesehen. Darauf trat ich zu Schiffe/ in willens des geradesten Weges nach Frießland zugehen/ schwebete aber sechs Wochen auff dem Meer in uͤberaus grosser Gefahr/ biß wir noch endlich Frieß- land erreicheten/ und ich samt meinen getraͤuen Leib Knaben nach Wunsch bey dem Koͤni- ge anlangete/ bey dem ich mich etliche Wochen heimlich auffhielt/ und mit Freuden er- fuhr/ daß mein Herr Vater den Zorn etlicher massen gemildert haͤtte/ und entschlossen waͤhre/ mich der ungenehmen Heiraht zuerlassen/ nicht allein/ weil er sahe/ daß mir der Tod angenehmer als dieses Gemahl wahr/ sondern auch die gesamten Land Staͤnde auff des Friesen Koͤniges heimliches angeben/ an den Koͤnig meinen Herr Vater auß- druͤklich begehret/ mich dieser Heyraht wegen nicht zuverfolgen/ viel weniger meine Ent- erbung vorzunehmen/ weil das ganze Reich eine solche Zuneigung gegen mich truͤge/ daß sie Achtes Buch sie lieber sterben und verderben/ als mich verlassen wuͤrden. Uber welcher Erklaͤrung die Koͤnigin meine Fr. Stieffmutter mehr als mein Herr Vater sich entsetzet hatte/ weil man sie beschuldigen wollen/ es waͤhre alles ihr Getrieb/ um ihre Fr. Schwester zur Koͤnigin nach meines Herrn Vaters Tode zumachen/ und ihres Vortels daher zuspielen; dessen sie sich aber hoch entschuldiget/ sich auff des Koͤniges Zeugniß beruffen/ und den Staͤnden ein zimliches genuͤgen getahn hatte. Es riet mir aber nicht desto weniger mein Oheim der Frie- sen Koͤnig/ nochmahls ein bewaͤgliches Schreiben an meinen Herr Vater abgehen zulas- sen/ umb gnaͤdigste Verzeihung meines Ungehorsams anzuhalten/ und des mit den Staͤn- den ergangenen nicht zugedenken; worauff ich gleichwol eine unguͤtliche Antwort bekam/ ob ich noch nicht gelernet haͤtte/ dem vaͤterlichen Willen Folge zuleisten/ solte ich ihm nit unter die Augen kommen/ und dannoch wissen/ daß Frl. Vanda ihr ganzes Gluͤk nicht eben auff mich unbesonnenen gebauet haͤtte/ sondern meines gleichen allezeit finden wuͤrde; wañ ich aber ihm kindlichen Gehorsam erzeigen wolte/ solte ich unter angenom̃enem fremden Nahmen mich zu Rom eine Zeitlang auffhalten/ biß er mich abfodern wuͤrde; worzu ich dañ sehr geneigt wahr/ und zur Reise mich schickete/ weil ich aus Daͤnenmark Mittel gnug bekam. Aber das leidige Ungluͤk trat zwischen ein dañ mein Vetter der Friesen Koͤnig starb eines jaͤhen Todes/ nicht ohn glaubwirdige Zeichen eines beygebrachten Gifftes/ dessen Anstiffter ausser allem Zweiffel der Wendische Krito gewesen/ und von Gott zur rechtmaͤs- sigen Straffe gezogẽ ist. So bald der Koͤnig verschieden wahr/ begehreten nit wenig von dẽ Landstaͤndẽ (wiewol Krito die meisten bestochẽ hatte) ich moͤchte im Reiche bleibẽ/ biß wegẽ kuͤnftiger Herschung gewisse Anordnung gemacht waͤhre; da auch bald ihrer eine zimliche Anzahl auff meine Wahl gingen/ weil der Koͤnig ohndaß mich vorgeschlagen und mich zum Nachfolger im Reich ernennet hatte/ aber der Ungluͤksvogel Krito fidelte mir durch seine ergebenen den Tanz/ daß ich nicht auffkommen kunte/ und Gott lob dieses Koͤnigreich dem zu teil worden ist/ dem ichs/ wie mein Gott weiß/ eben so gerne/ ja lieber als mir selbst goͤnne. Nun habe ich in mehr als drey Jahren meinen Herr Vater nicht gesehen/ als auff diesem Schlosse/ und bezeiget er sich annoch nicht so guͤtig/ daß ich ihm trauen darf: ja triegen mich meine Gedancken nicht/ dürffte er noch eins versuchen/ mich zu dieser Heirath zu noͤhtigen/ wovon mich aber zum wenigsten der Tod befreien sol/ und kan mirs so gut werden/ wil ich mit Fuͤrst Arbianes in Meden reisen/ und mein angebohrnes Koͤnigreich/ als lange mein Herr Vater lebet/ aus dem Sinne setzen/ es waͤhre dann sache/ daß eure Hochheit mir gnaͤdigst befehlen wolte/ ihr meine Flammen zu offenbahren/ die mir kaum vor 20. Stunden in meiner Seele auffgangen sind; bitte daneben demuͤhtigst uͤm Ver- zeihung/ daß mit unlieblicher Erzehlung meines außgestandenen Ungluͤks dieselbe ich so lange auffgehalten/ und ihrer Geduld mißbrauchet habe; welches eigentlich zu dem Ende geschehen ist/ daß derselben ich die wiedrigen Gedancken benehmen moͤchte/ ob truͤge ich ei- niges beliben zu dem Wendischen Fraͤulein/ da mir doch angenehmers nicht begegnen kan/ als daß diese Ursach der Ungewogenheit meines Herrn Vaters solcher Gestalt aus dem Wege geraͤumet werden moͤge; worin Ihre Hochheit sich fleissigst bemuͤhen wollen/ ich demuͤhtigst bitten wil. Eure Liebe hat mir in Warheit einen sehr angenehmen Dienst und Willen durch die Erzaͤhlung ihrer denkwuͤrdigen Gluͤckes-Faͤlle bezeiget/ antwortete Koͤ- nigin Achtes Buch. nigin Valiska; sonsten gestehe ich/ daß die erst ausgelassene Seuffzer bey mir allerhand Nachdencken verursacheten/ und mein Vorhaben/ die Heirath zwischen Koͤnig Mnata und diesem Fraͤulein betreffend/ schier rükstellig gemacht haͤtten/ welche nunmehr mit gu- tem Verfolg zustiften/ ich wenig zweifele. Hier bekam Fürst Olaff erst gute Hoffnung sei- ner Liebe/ weil er in furchten stund/ dieser Koͤnig wuͤrde ihm an seinem Vorhaben hinderlich seyn/ und den suͤssen Schwedischen Braten vor sich begehren; reizete deswegen Koͤnigin Valiska mit vielfaͤltigem Bitten/ diese Heirath eiferig zu treiben/ welches sie ihm getraͤulich versprach; doch wil ich hierin nicht das allergeringste vornehmen/ sagte sie/ es sey dann/ daß eure Liebe mir ihrer erstgedachten Liebes-Flammen bessere kundschafft goͤnne/ ob ich dieselbe verhoffentlich nach ihrem Willen befodern koͤnte. Ich sehe wol/ fuhr sie auff sein stillschweigen fort daß eine unzeitige Schahm eure Zunge hemmet/ massen der Liebe Ei- genschafften mir auch zimlich bekant sind/ aber mein Oheim hat sich schon zu weit bloß ge- geben/ und was gilts/ ob diese Flammen nicht vom Schwedischen Schwefel angezuͤndet sind/ welche nicht als durch ein Wasser aus eben diesem Schwefel gebrennet/ koͤnnen ge- loͤschet werden? dafern ich nun eine untriegliche Wahrsagerin bin/ so lasse michs mein O- heim wissen/ und gebe mir Gelegenheit/ in der Taht dereins sehen zu lassen/ wie gerne ich ihm zu dienen mich gebrauchẽ liesse/ insonderheit/ weil auf diese Heiraht ich gleich damahls bedacht gewesen bin/ als eure Liebe ich das erstemahl gesprochen habe. Fürst Olaf bedankete sich mit sonderlicher Demuht/ bekennete sein Anliegen willig/ stellete ihr alles sein Gluͤk uñ Wolfahrt/ wie er sagete in ihre huͤlfreiche Hand/ und gingen hiemit voneinander/ Valiska aber alsbald nach dem Daͤnischen Koͤnige und seinem Gemahl/ trug ihnen Koͤnigs Mna- ta Anwerbung vor/ und rühmete ihn/ daß er gnug wirdig waͤhre/ mit einem solchen Fraͤu- lein eine Heiraht zu treffen. Diese bedanketen sich sehr der getahnen Werbung/ und daß sie es in bedenken zihen/ mit dem Fraͤulein bereden/ und deren Erklaͤrung ihrer Liebe wieder hinterbringen wolten. Valiska begehrete von ihnen/ daß ihr vergoͤnnet seyn moͤchte/ mit dem Fraͤulein selbst hievon zureden/ und als ihnen solches sehr lieb wahr/ ging sie zu ihr hin in ihr absonderliches Gemach/ fand sie in duͤnnen Unterkleidern/ welche ihr besser als der Fũrstliche Schmuk anstunden/ und nach freundlicher Begruͤssung suchete sie gelegenheit mit ihr von Liebessachen zureden/ welches dem frommen Fraͤulein nit eine geringe Scham- roͤhte austrieb/ insonderheit/ als sie ihr des Pannonischen Koͤniges Gruß und Dienst an- meldete/ und seine inbrũnstige Gewogenheit kund machete/ auch daß er von ihr begehret haͤtte/ ansuchung zu tuhn/ ob sie ihn in ihre Hulde nehmen/ und solche Heiraht ihr gefallen lassen koͤnte; doch erholete sie sich endlich/ bedankete sich der hohen Ehre/ nicht allein/ dz Koͤ- nig Mnata ihr solche ehrliebende Gewogenheit truͤge/ sondern auch/ daß sie solches selbst zubestellen auff sich genommen haͤtte/ wante ihre Unwirdigkeit ein/ und baht umb verzei- hung/ daß sie voͤllige Antwort zugeben so ungeschikt als unvermoͤgen waͤhre/ weil ihr gn. Herr Schwager der Großmaͤchtigste Koͤnig in Daͤnnemark ihr an Vaters stat stuͤnde/ und in diesem falle ihr voͤllig zugebieten und verbieten haͤtte; sie vor ihr Haͤupt wolte hoch- gedachtem Pannonischen Koͤnige vor diese hohe Zuneigung gebührlich gedanket haben/ als welchen sie vor einen verstaͤndigen ehrliebenden Koͤnig aus gestrigem Gespraͤch erken- nete/ und der mit ihrem unverstande mitleiden tragen wuͤꝛde/ daß sie ihm nach gebuͤhr nicht haͤtte Achtes Buch. haͤtte begegnen koͤñen. Valiska merkete hieraus/ daß ihr solche Heiraht nicht unangenehm wahr/ nam alles vor bekant an/ machte sich wieder nach dem Daͤnischen Koͤnige/ und erhielt von ihm und seinem Gemahl diese Antwort; Dafern dem Pannonischen Koͤnige das Fraͤulein zu ehren beliebete/ solte sie ihm unversaget seyn; und wann sie/ Koͤnigin Valiska der Anwerbung halben ausdruͤklich abgeschikt waͤhre/ wolten sie ihrer Liebe gebuͤhrliche Antwort geben. Worauff sie anzeigete/ es waͤhre ihr zwar volmacht gegeben/ die Hande- lung anzufahen/ aber die ordentliche Anwerbung wuͤrde zweifels ohn durch ansehnliche Herren verrichtet werden; sie haͤtte an dieser Erklaͤrung ein sattes Genuͤgen/ und baͤhte/ ihr nicht zuverargen/ daß sie mit dem Fraͤulein noch einmahl absonderlich reden wolte; ging zu ihr hinein/ taht ihres Herrn Schwagers Erklaͤrung ihr zu wissen/ und baht/ daß sie sich etwas besser heraus lassen/ und mit ihr als mit einer vertraueten Freundin reden moͤchte; erhielt auch eine solche Antwort/ daß sie gnug versichert wahr/ daher sie mit ihr nach dem Daͤnischen Koͤnige ging/ und ohn Wortgepraͤnge etliche trefliche Kleinot hervor zog/ wel- che sie ihr im Nahmen und von wegen Koͤniges Mnata uͤberlieferte/ bittend/ solche als ein Zeichen ehrliebender Gewogenheit anzunehmen/ und zu weiterer Handelung den verliebe- ten Koͤnig zuverstatten. Frl. Vanda stund als ein gehauenes Bild/ durfte die Schenkung weder ausschlagen noch annehmen/ sondern baht ihre Fr. Schwester Rusila die Daͤnische Koͤnigin/ ihr zubefehlen/ wessen sie sich verhalten solte; die mit einem freundlichen Lachen zu ihr sagete: Ob sie nicht wuͤste/ daß sie dieser treflichsten Koͤnigin der Teutschen/ welche ihr aller Menschen Herzen verbindlich machete/ zu gehorsamen schuldig waͤhre/ als die ihre Wolfahrt zubefodern/ ihr so hoch liesse angelegen seyn; warumb sie dann erst fragete/ ob sie ihre Schuldigkeit verrichten solte oder nicht? reichete ihr damit einen sehr koͤstlichẽ Ring/ und daß sie solchen dem Koͤnige zur Dankbarkeit wieder zusenden solte/ dafern sie gegen- waͤrtige Koͤnigin bewaͤgen koͤnte/ die Muͤhe der Lieferung auff sich zunehmen. Worauff das Fraͤulein ein Herzfassete/ und diese Erklaͤrung von sich gab: Ich merke wol/ daß mei- ne Fr. Schwester/ welche bißher noch allemahl Mutterstelle bey mir vertreten/ sich nun- mehr dessen begeben/ und meiner Gn. Fr. Koͤnigin/ Fr. Valisken/ solche abtreten wil/ daheꝛ dero Koͤnigl. Hocheit zu gehorsamen ich mich schuldigst erkenne/ untertaͤhnigst bittend/ mit ihrer beharlichen Gunst und Gnade mir zugetahn zuverbleiben/ auch mir gnaͤdigst zuver- zeihen/ daß diese mir angebohtene Kleinot anzunehmen/ mich so lange auffgehalten; nahm hiemit dieselben von ihrer Hand mit sonderlicher ehrerbietigkeit/ und fuhr also in ihrer Re- de fort: So empfahe ich nun/ meine Schuldigkeit zu leisten/ dieses ansehnliche Geschenk mit gebuͤhrlicher Untertaͤhnigkeit/ bedanke mich beydes gegen den Ubersender uñ die hoch- wirdigste Uberbringerin/ und wolle ihre Hocheit nach anordnung meiner Fr. Schwester/ diesen schlechten Ring hoͤchstgedachtem Koͤnige aus Pannonien hinwiederumb einzurei- chen unbeschweret seyn/ mit solcher Erklaͤrung/ die meiner gnaͤdigsten voͤllig-gebietenden Koͤnigin gefaͤllig/ und meiner jung fraͤulichen Zucht wolstaͤndig seyn wird; solte dann ein mehres von mehrgedachtem Koͤnige an mich begehret werden/ wird ihre Hocheit solches mit meiner Fr. Schwester und ihrem Koͤniglichen Gemahl schon abhandeln/ weil meine angebohrne Scham mir dergleichen teidungen nicht zulassen wil. Valiska erboht sich zu aller moͤgligkeit/ und verfuͤgete sich alsbald nach Mnata/ ihn mit ihrer guten verrichtung s s s s s zuer- Achtes Buch. zuerfreuen. Nun hatte die Daͤnische Koͤnigin es freilich bißher bey ihrem Gemahl heftig getrieben/ daß die Heiraht zwischen ihrem Stief Sohn und dieser ihrer Frl. Schwester ge- schlossen wuͤrde/ damit nach des Koͤniges absterben/ sie nach wie vor im Reiche maͤchtig bliebe/ dann sie wahr Ehrsuͤchtig/ und nam sich der Herschaft mehr an/ als ihrem Wolstan- de gemaͤß wahr/ wozu der Koͤnig durch die Finger sahe/ daß er als ein alter Herr ihre Ge- wogenheit behalten moͤchte; womit doch die Staͤnde nicht allerdinge friedlich wahren/ in- sonderheit daß sie nicht wenig Auffkuͤnfte an sich zohe/ welche von rechtswegen der Schaz- kammer haͤtten sollen einverleibet werden. Diese als sie vor gewiß sahe/ daß Fürst Olaff sein Gemuͤht durchaus nicht zu ihrer Fraͤulein Schwester neigen wolte/ und ihr die Pan- nonische Krohn zu bohte stund/ welche zu den Zeiten in sehr grossem ansehen/ und von jedeꝛ- man gefuͤrchtet wahr/ ließ sie ihren ersten Vorsaz schwinden/ und lag ihrem Koͤnige an/ er solte seinen Sohn vor sich fodern/ ihm den erzeigeten Ungehorsam gaͤnzlich vergeben/ und ihn zu vollen vaͤterlichen Gnaden wieder annehmen/ auch dabey vermelden/ daß sie ihn hierzu ermahnet und vermocht haͤtte/ damit er sie aus allem ungleichen Verdacht liesse/ welcher nach des Vaters Tode ihn zur Rache antreiben duͤrfte; wie dann der Koͤnig sol- ches alsbald verrichtete/ und das geschehene der ewigen Vergessenheit befehlend/ ihm alle vaͤterliche Hulde versprach; dessen Olaf sich von Herzen erfreuend/ beyden Eltern allen moͤglichen Gehorsam/ Liebe und Traͤue verhieß/ und sich insonderheit gegen seine Stieff- mutter hoͤchlich bedankete/ daß sie ihm seines Herr Vaters Gnade und Gewogenheit wie- der erworben haͤtte. Unterdessen Koͤnig Mnata von Koͤnigin Valisken hoch vergnuͤget/ nam etliche Kleinot hervor/ und baht instaͤndig/ sie dem Fraͤulein einzuhaͤndigen; als er aber vernam/ daß sie ein solches schon aus eigenem Getrieb ohn sein Vorwissen verrich- tet haͤtte/ und den uͤberschikten Ring von dem Fraͤulein empfing küssete er ihr die Haͤnde/ bedankete sich ihrer getraͤuen Vorsorge/ und erboht sich/ ihr zu Ehren und Gedaͤchtniß ein trefliches Schloß mitten in seinem Koͤnigreiche auffzubauen/ welches Valisken-Ehre solte genennet/ und auff demselben nicht allein die Koͤniglichen Reichs Schaͤtze verwahret/ son- dern auch alle seine Nachfolger gekroͤnet werden. Ging hernach auff ihr gutduͤnken mit ihꝛ nach Herkules und Ladisla/ welche er vermochte/ die Freywerbung bey dem Daͤnischen Koͤnige und seinem Gemahl abzulegen/ welches alsbald/ noch vor der Mahlzeit verrichtet ward/ und liessen sie nach empfangenem Jaworte ihn hinfodern/ da er mit dem Fraͤulein sich selbst verlobete/ und inwendig einer Stunde sich bey ihr durch viel Geschenke und an- dern liebkosen sehr beliebt machete/ daß sie ihm des Beylagers Zeitbestimmung heimstelle- te. Also gingen sie miteinander zur Mahlzeit/ woselbst ihnen von allen Anwesenden Gluͤk und Heil gewuͤnschet/ und daneben beschlossen ward/ daß das Beylager auff das angesetze- te Freystechen solte gehalten/ und zu Prag hochfeyrlich begangen werden; welche kurze Zeit der Daͤnischen Koͤnigin schwehr fiel/ einwendend/ sie koͤnte in solcher Eile/ und darzu noch in der fremde/ zu dem gebuͤhrlichen Hochzeit Schmuk nicht rahten. Valiska aber troͤstete sie/ mit Versprechung/ weil sie die Koͤniglichen Kleider in grosser Menge mit sich aus weitabgelegenen Laͤndern gebracht haͤtte/ und es ihr an Kleinoten auch nicht mangel- te/ wolte sie Mutterstelle vertreten helffen. Bey der Speisung wahr Valiska voller Ge- danken/ daß Herkules wol sahe/ sie waͤhre mit Anschlaͤgen beladen/ wie sie dann emsig nach- sinne- Achtes Buch. sinnete/ auff was weise sie noch heut den verliebeten Olaff befriedigen moͤchte; weil sie aber Frl. Schulda Willen und Meinung nicht wuste/ wiewol sie am Fortgange gar nicht zwei- felte/ wolte sie doch dessen sich zuvor erkundigen/ und nach geendigter Mahlzeit redete sie allererst mit Siegwarden/ offenbahrete ihm ihr Vorhaben und Olaffs hefftige Verlie- bung/ mit begehren/ ihr sein Gutduͤnken zueroͤffnen; sie vor ihr Haͤupt koͤnte nicht anders als solche Heyraht vor genehm halten/ weil obgedachter Fuͤrst nach seines Herr Vatern Hintrit das Koͤnigreich Daͤnenmark unstreitig beherschen wuͤrde/ und hiedurch die Nor- dische Kronen treflich koͤnten verbunden werden. Als nun Siegward sehr bitlich anhielt/ daß sie dieses gute Werk fortsetzen moͤchte/ suchte sie gelegenheit/ mit dem Fraͤulein zuspre- chen/ bezeugete ihr anfangs ihre schwesterliche Hulde/ und daß sie nicht anders suchete/ als dessen wirkliche Leistung sehen zulassen. Vor welche Gunst das Fraͤulein sich sehr bedan- kete/ und umb beharliche Gewogenheit anhielt/ auch hinwiederumb sich zu allem Gehor- sam anerboht; daher Valiska ursach nam/ ihr etwas naͤher zutreten/ sagete/ sie wolte sehẽ/ ob ihr Erbieten mit der Taht uͤberein stimmen wuͤrde/ und fragete sie/ ob ihr Herz annoch von der Liebe frey/ oder albereit mit einem Schatze versehen waͤhre; worauff sie mit einer ihr ohndas beywohnenden Schahm zur Antwort gab/ daß ihr biß auff diese Stunde alle Liebreizungen fremde und unbekant waͤhren/ als einer/ die noch zur Zeit/ ausgenommen dißmahl/ in keiner Geselschafft sich haͤtte finden lassen/ da junge unverheyrahtete Fürsten gewesen; ja sie haͤtte nie keinen jungen Herrn/ ohn vor etlichen Jahren in ihrer Kindheit Fuͤrst Herkules und Ladisla/ und nachgehends Fuͤrst Baldrichen/ ihre Oheimben gesehen/ und waͤhre nun der fuͤnffte (ihren Herr Bruder Siegward mitgerechnet) Fuͤrst Olaf aus Daͤnenmark/ welcher gleicher gestalt ihr mit Blutfreundschaft zugetahn waͤhre. In War- heit/ antwortete Valiska/ kan ich wol bezeugen/ daß dieser unser Oheim Fuͤrst Olaff/ einer solchen lieben Wasen/ als ihr seyd/ wol wert ist/ und verdienet seine Koͤnigliche Tugend/ die auff dem allerschoͤnsten/ aber auch bestendigsten Grunde (ich meyne die Demut) erbauet ist/ daß er von jederman geliebet und geehret werde/ moͤchte auch meines teils von herzen wuͤnschen/ daß mein Frl. Schwester ihr annoch unversagtes Herz diesem lieben Fuͤrsten einraͤumen koͤnte/ massen ich ihre Liebe versichere/ daß er nicht allein dessen wol wirdig/ son- dern mit so inbruͤnstiger Begierde zu euer Schoͤnheit und Tugend gezogen wird/ daß er tausendmahl lieber sterben/ als von ihr sich trennen lassen wil; wie dann heut fruͤh ihn die uͤberfluͤssige Liebe dahin getrieben hat/ daß er mir sein ganzes Herz sehen lassen/ mit inbruͤn- stiger Bitte/ ich moͤchte mich bemuͤhen/ ihm bey Euer Liebe Gnade zuerwerben/ umb wel- che selbst muͤndlich anzuhalten/ er seinem verliebeten vorgeben nach/ unwirdig und unge- schikt waͤhre; Wie dann/ in betrachtung unserer vertraulichen Freundschafft/ und wegen der Neigung/ damit Euer Liebe ich verpflichtet bin/ ihm solches nicht habe abschlagen koͤn- nen noch wollen; und erinnere ich zufoderst Eure Liebe herztraͤulich/ nur dieses zubedenkẽ/ daß wir Koͤnigliche Fraͤulein vor allen andern unser bevorstehendes Gluͤk nicht uͤbersehẽ/ und mutwillig vorbey streichen lassen muͤssen/ angesehen/ Buͤrger- und aͤdle-Toͤchter ihres gleichen alle Tage und allenthalben finden/ daß wann dieser sie nicht wil/ oder er ihnen miß- faͤllet/ sie bald einen andern aussehen und antreffen moͤgen/ der sie zur Traue fuͤhre; aber Koͤnigliche junge Fuͤrsten sind gar ein selzames Wildbraͤt/ welche uns nur von Gott son- s s s s s ij derlich Achtes Buch. derlich zugefuͤhret werden/ so daß manniches Koͤnigliche Fraͤulein/ wil sie sonst im Ehe- stande leben/ sich in etwas verringern/ und unter ihren Koͤniglichen Stand sich an einen nidrigen Fuͤrsten verheyrahten muß. Weil dann der guͤnstige Himmel Euer Liebe vor diß- mahl seine hohe Gewogenheit scheinen laͤsset/ zweifelt mir nicht/ sie werde ohn mein erin- nern schon wissen/ wie sie sich dabey verhalten solle/ nachdem ihr eigener Verstand sie des- sen gnug berichten kan. Hiemit endigte sie ihre Rede/ und mit einem schwesterlichen Kusse ließ sie ihre Gewogenheit spuͤren; welches das Fraͤulein nicht minder schamhafftig/ als die angehoͤreten Reden annam/ endlich noch fassete sie einen Muht/ und gab diese Antwort: Großmaͤchtigste Koͤnigin/ Gn. Fr. Wase; es hat Eure Koͤnigl. Hocheit mir solche Sa- chen vorgetragen/ welche ich weder zubeantworten/ noch schweigend vorbey gehen zulassen weiß/ nur daß ich daher die hohe unverdienete Gewogenheit erkenne/ mit welcher ihre Vortrefligkeit mir zugetahn ist/ dann eine Todsuͤnde wuͤrde mirs seyn/ wann an ihrer auf- richtigen Traͤue ich das allergeringste zweifeln solte; dafern nun gleichwol mir als einem jungen Fraͤulein nicht verarget wuͤrde/ ihrer Hocheit vorgebrachtes in etwas zubeant- worten/ gestehe ich/ daß ich meinen Fraͤulein-Stand annoch sehr weit hinaus gesetzet ha- be/ und zwar eben aus den jezt eingefuͤhrten Ursachen/ daß wir Fraͤulein wegen Mangel un- sers gleichen/ das Gluͤk abwarten muͤssen/ dessen ich mich noch nicht vermuhten kan/ ange- sehen meine Jugend und andere Unvolkommenheiten/ deren ich mich unterworffen weiß/ welche mich dann sehr zweifeln machen/ daß der Koͤnigliche Fuͤrst und einige Erbe der Daͤnischen Krone meiner groß achten/ oder sonst Neigung zu mir fassen solte/ es waͤhre dann/ daß meine Gn. Fr. Wase ihn darzu anreizete und beredete/ welches ihm sonst sein ei- gen Herz nimmermehr eingeben wuͤrde. Ach nein/ mein Schwesterchen/ sagete Valiska; eine solche Beschaffenheit hat es trauen mit der Liebe nicht/ daß sie durch eines andern Ge- boht in des Menschen Herzen koͤnte gezeuget werden/ sondern die innerlichen Bewaͤgun- gen wirken und blasen diese Funken auff/ welche durch Schoͤnheit/ Tugend und Freund- ligkeit geschuͤret/ und in kurzer Zeit in volle uͤber sich schlagende Flammen verkehret wer- den; und versichere sich meine Frl. Schwester nur kuͤhnlich/ daß hefftigere Liebes-brunst nicht bald mag gefunden werden/ als welche in dieses auffrichtigen tapffermühtigen Fuͤr- sten Seele gegen ihre Vortrefligkeit brauset/ so daß ihm unmoͤglich ist/ selbe laͤnger zuver- bergen. Ob er nun Euer Liebe wert sey/ oder nicht/ wil ich vor dißmahl nicht beruͤhren; ein- mahl ist gewiß/ daß die beyde Kronen Daͤnenmark und Schweden/ eine der andern nichts bevor gibt/ und haben wol ehe durch Heyraht vertrauliche Freundschafft gestifftet; deß- wegen wolle Eure Liebe sich etwas eigentlicher erklaͤren/ damit ich wissen moͤge/ ob der Mann ihr beliebet seyn koͤnne; dann wann die Gemuͤhter sich nicht soltẽ vereinbaren wol- len oder koͤnnen/ waͤhre viel besser gelassen/ als getahn. Ach meine Gn. Fr. Wase/ antwor- tete Frl. Schulda/ ich bitte zum hoͤchsten/ mir meine Bloͤdigkeit nicht ungleich auszulegẽ/ vielweniger mich in den Verdacht zu zihen/ ob solte ich aus frevelmuͤhtigem Stolze mich uͤber diesen Koͤniglichen Fuͤrsten erheben/ den Eure Hocheit als einen Bruder liebet; hat mir der Himmel dieses oder ein ander Gluͤk ausersehen/ wird sich mit der Zeit schon ent- decken/ welches ich aber so wenig wissen als sagen kan/ in Betrachtung/ daß ich unter mei- ner lieben Eltern Gewalt bin/ und dieselbe/ wie in allen andern/ also auch in diesem falle miꝛ voͤllig Achtes Buch. voͤllig zubefehlen haben. Koͤnigin Valiska wolte hierauff antworten/ aber sie sahe Fuͤrst Olaff herzutreten/ daher foderte sie das Fraͤulein auff/ und fuͤhrete sie ihm mit diesen Worten zu: Memento tui, \& desine latere. Das ist: Nehmet eurer selbst wahr/ und hoͤret auff/ euch so verborgen zu halten. Wodurch ihm der Muht wuchs/ daß er vornam/ dem Fraͤulein seine Liebe zuerklaͤren; wie er dann nach geendigtem Tanze sich zu ihr nidersetzete/ und also anfing: Mein Fraͤulein wolle mir/ bitte ich/ diese Grobheit verzei- hen/ die mich kuͤhn machet/ einer so treflichen Koͤniglichen Fraͤulein mein dienstergebenes Herz gehorsamst auffzutragen/ nachdem ich nicht glaͤuben kan/ daß einiger Fuͤrst der Welt sich nicht schuldig erkennen solte/ ihrer Vortrefligkeit sich zun Fuͤssen zulegen/ ungeachtet nur ein einziger unter diesen allen gluͤkselig seyn/ und die Gunst deꝛ Gefaͤlligkeit davon brin- gen wird/ da dann uͤber den Roͤmischen Kaͤyser selbst ich mich schaͤtzen wuͤrde/ wann bey ih- rer hohen Gewogenheit ich diesen Plaz erwerben/ und von ihrer Liebe zum Diener koͤnte anffgenommen weꝛden. Zwar ich kan mich meiner Unwirdigkeit sehr wol erinnern/ und daß an das minste ihrer Volkommenheit ich nit reichen mag/ es waͤhre dañ/ daß mein ge- bietendes Fraͤulein bloß aus Gunst mich vor etwas schaͤtzen/ und meine Geringfuͤgigkeit gnaͤdig uͤbersehen wolte/ welches Zeit meines Lebens zuerkennen/ ich mich befleissigen wüꝛ- de/ mit dem unbruͤchigen versprechen/ daß viel ehe der Tod meine Seele daͤmpffen/ als ei- niges Ding der Welt meine ehrliebende Gewogenheit und dienstbegierigen Willen von meinem Fraͤulein abwenden solte; und ob ich meines ansuchens genuͤgliche Erklaͤrung zu empfahen nicht wirdig bin/ so bitte ich nur zum demuͤtigsten/ mein Fraͤulein wolle mein unwirdiges Herz nicht alsbald mit Fuͤssen treten/ noch meinem Verdienste nach mich hin- ausstossen/ sondern mir gnaͤdig vergoͤnnen/ dasselbe zulieben/ welches mich mehr als aller Welt Hocheit vergnuͤget/ womit mein inbruͤnstiges Ansuchen ich schliessen/ und ihrer un- gemaͤssenen Gewalt mich ohn alle Bedingung untergeben wil. Kuͤssete darauff ihre zarte Hand/ und erwartete der genuͤglichen Erklaͤrung/ welche sie folgender Gestalt außließ: Durchleuchtigster Fuͤrst; wie ungefchickt ein saͤugendes Kind ist/ geputzete Reden vorzu- bringen/ so wenig befinde ich einiges Vermoͤgen oder Kuͤhnheit bey mir/ ihrer Liebe Vor- bringen zubeantworten/ welches ohndas wegen des mir noch zur Zeit unverstaͤndlichen uñ biß daher aller Dinge unerhoͤreten Vortrages/ sich aus meiner sehr kurzen Gedaͤchtniß schon hinweg gestolen hat; dafern aber mein kindischer Verstand mich nicht betreuget/ wil eure Liebe entweder mich pruͤfen/ ob ich koͤnne hochmuhtig seyn/ und ein mehres/ als ich nicht bin/ von mir halten; oder aber/ sie haͤlt um etwas bey mir an/ welches zubeantworten nicht mir/ sondern meinen lieben Eltern geziemen wil; im uͤbrigen weiß euer Liebe Erfah- renheit und meine kindische Jugend ich sehr wol gegen einander zuhalten/ uñ wie schlecht ich bestehen wuͤrde/ wann mit euer Liebe ich mich in ein Streit Gespraͤche einlassen wolte. Jedoch bedanke ich mich gebuͤhrlich der hohen Ehre/ die ohn meine Wirdigkeit mir ange- legt wird/ und wie ich mich nicht bereden kan/ dz ein Fürst Koͤnigliches Gebluͤts und naͤhe- ster Erbe der Großmaͤchtigen Daͤnischen Kron/ ein unwitziges Fraͤulein auffzuzihen Lust haben solte/ also wil hingegen ihre Liebe ich freundlich gebehten haben/ meiner mit so hoheꝛ ganz unverdieneter Lobrede und nidertraͤchtiger Bezeigung/ die ich durchaus nicht ersetzẽ kan/ freundlich zuverschonen/ auch eine weitere Erklaͤrung von mir nicht zufodern/ biß da- s s s s s iij hin Achtes Buch. hin solches von meinen lieben Eltern mir wird zugelassen und befohlen seyn. Diß wahr ih- re gegebene Antwort auff des Fuͤrsten Vorbringen/ und dauchte ihr unmoͤglich/ sich wei- ter heraus zulassen; jedoch ihren guten Willen zubezeugen/ meldete sie ihm an/ wie ihre lie- be Eltern sich so hoch erfreuet haͤtten/ als ihr Herr Bruder Siegward ihnen die getraͤue bruͤderliche Freundschafft zugeschriebẽ/ welche sie beide miteinander so fest gelegt/ dz nichts als der Tod sie wuͤrde trennen koͤnnen/ weil hierinnen/ ihrer Eltern Meinung nach/ beider Nordischen Reiche Wolfahrt und Sicherheit bestuͤnde. Fuͤrst Olaff ward bald nach die- sem Vorbringen von Koͤnigin Sophien zum Tanze gefodert/ da inzwischen Siegward sich zu seiner Frl. Schwester nidersetzete/ und sie zum Schimpff fragete/ was vor ernstliche Sachen sie mit dem Daͤnischen Fuͤrsten berahtschlagete; er vor sein Haͤupt wolte sie brü- derlich ersucht haben/ ihm ihrer Gewohnheit nach/ fꝛeundlich zubegegnen/ und ihm nicht zuverargen/ ob er gleich der jungen unverheirahteten Fuͤrsten Gebrauch nach/ sich etwas kuͤhn im Reden erzeigen wuͤrde; sie ihm aber zur Antwort gab; der Fuͤrst haͤtte nach seiner Hoͤfligkeit mit ihr gescherzet/ uñ sich im geringsten keiner Ungebuͤhr verlauten lassen/ schaͤt- zete ihn auch der Zucht und Erbarkeit/ daß er mit ihr weiters nicht reden wuͤrde/ als was ihr Unwiz zubeantworten tuͤchtig waͤhre. Koͤnigin Valiska hatte sich inzwischen zu der Schwedischen Koͤnigin Fr. Hedith gesetzet/ uñ nach Bezeugung ihres guten Willen/ weit- schweiffend zuverstehen geben/ daß sie an dem Daͤhnischen Fuͤrsten eine sonderliche ehrlie- bende Gewogenheit gegen ihre Frl. Tochter gespuͤret; da sie nun wissen solte/ ob ihr und ih- rem Gemahl dem Koͤnige diese Heyraht gefallen koͤnte/ waͤhre nichts dienlichers/ als daß man zur Sache taͤhte/ massen ihr schon unfehlbahr bewust waͤhre/ daß der Fuͤrst darzu hef- tiges Belieben truͤge/ dessen hohen Verstand und unerschrockenen Muht/ nebest anderen Fuͤrstlichen Tugenden sie hoch ruͤhmete/ als welcher in kuͤnfftig der Daͤnischen Kron wol anstehen wuͤrde. Koͤnigin Hedith bedankete sich der fleissigen Vorsorge und geneigeten Willens/ baht den Sachen einen geringen Anstand zugeben/ biß sie mit ihrem Koͤnige da- von geredet haͤtte/ welcher ohn Zweiffel diese gute gewuͤnschete Gelegenheit/ beide Kronen in Friede und Ruhe zuerhalten/ nicht aus der acht lassen/ noch einem so maͤchtigen Fuͤrsten und kuͤnfftigen Koͤnige sein Fraͤulein versagen wuͤrde. Nun hatte die Daͤnische Koͤnigin eine aberwitzige Auffwaͤrterin/ nahmens Heta/ welche viel naͤrrischer Auffzuͤge zumachen/ sonderliche Einfaͤlle hatte/ und daneben doch sehr einfaͤltig wahr. Diese trat in dem offenẽ Saal zu ihrer Frauen/ und baht uͤberlaut/ sie moͤchte fleiß anwenden/ dz das schoͤne Schwe- dische Fraͤulein ihrem Fuͤrsten verheyrahtet/ und noch diesen Abend beygelegt wuͤrde; und ob ihr gleich von der Koͤnigin hart und bedraulich zugeredet ward/ ließ sie doch nicht nach/ sondern ging zu der Koͤnigin in Schweden/ und hielt umb eben dieses bey ihr an/ ruͤhmete was vor schoͤne Kleider der Fuͤrst annoch in Daͤnenmark zuruͤk gelassen haͤtte/ und wie zierlich ihm dieselben anstuͤnden; so waͤhre er from/ haͤtte sie offt der Ruhte entrissen/ und ihrer gn. Frauen Zorn abgewendet/ welches zuvergelten/ sie ihm das Fraͤulein zufreyen wolte/ dann allein dieser und keiner anderen wolte sie den Fuͤrsten ihren Braͤutigam abste- hen/ welcher ihr schon vor etlichen Jahren die Ehe versprochen haͤtte. Fr. Rusila die Daͤnische Koͤnigin dieses hoͤrend/ ließ die Naͤrrin hinweg reissen/ und baht die Schwedi- sche Koͤnigin/ dieser Unsinnigen zuverzeihen; welche aber bald wieder kam/ und kurzumb gewisse Achtes Buch. gewisse Erklaͤrung haben wolte; daher die Schwedische Koͤnigin lachend zu ihr sagete: Ihre Frl. Tochter waͤhre heßlich/ und wuͤrde der Koͤnigliche Fuͤrst keine Anmuhtigkeit zu ihr haben koͤnnen/ sonsten solte sie ihm unversaget seyn. Was? ist sie heßlich? sagte die Naͤrrin; zog Fuͤrst Olaff herbey/ und fragete ihn/ ob das Schwedische Fraͤulein nicht ein wunder-schoͤnes Engelchen waͤhre; und als er solches mit gnug verwirretem Gemuͤhte bejahete/ sagte die Naͤrrin zu Koͤnigin Hedith: So hoͤret ihr ja/ daß sie unserm Fuͤrsten schoͤne gnug ist/ deßwegen saget sie ihm zu/ daß wir bald zur Hochzeit gehen. Fuͤrst Olaff wuͤnschete/ weit gnug davon zuseyn/ aber die anwesende/ auch die Eltern selbst nahmen es vor ein unsehlbares Zeichen der kuͤnfftigen Heyraht auff; wie dann Koͤnigin Valiska bald herzu trat/ und also redete: Ich weiß nicht/ ob das alberne Mensch einerley Gedanken mit mir fuͤhret/ ohn daß sie ihre Meynung beherzter ausreden darff; zwar es wuͤrde kein festeꝛ Band diese Nachbar Kronen in bessere Einigkeit erhalten/ als eben diese gewůnschete Hei- raht/ wann es Gott also versehen haͤtte/ und duͤrffte ich mich erkuͤhnen/ meine Herren O- heimbe/ die Großmaͤchtigsten Koͤnige der beyden Nordischen Reiche/ umb ihre Meynung zubegruͤssen/ hielte ich davor/ der Fuͤrst und das Fraͤulein koͤnten eins an dem andern ge- wuͤnschete Vergnuͤgung haben. Herkules meynete/ seine Valiska gebrauchte sich schier gar zu grosser Freyheit/ und wolte ihr durch einen freundlichen Scherz einreden; aber der Daͤnische Koͤnig kam ihm zuvor/ stund auff von seinem Stuel/ und antwortete ihr also: Großmaͤchtigste Koͤnigin der Teutschen/ hoͤchstwerte Fr. Wase; nicht ohn Ursach hat das Gerücht ihren Preiß uͤberal durch die Welt ausgebreitet/ daß es fast in einem Nuh von einem Ende der Welt zum andern geflogen ist; massen Eure Liebe ihr nichts so hefftig laͤs- set angelegen seyn/ als wie sie der Koͤnige Herzen mit bestaͤndiger Freundschafft verbindẽ/ und alle Fehde gaͤnzlich auffheben moͤgt; welches dann gleich an diesem Tage Eure Liebe mir so klaͤrlich zu meinem besten sehen laͤsset/ daß mein ganzes Koͤnigreich ihr davor zudan- ken schuldig ist/ wovon ich doch vor dißmahl weiter nicht reden wil/ sondern wende mich zu meinem Hn. Oheim und Nachbar-Freunde dem Großmaͤchtigstẽ Koͤnige aus Schwedẽ/ Hn. Haron/ und bitte von seineꝛ Liebe verstaͤndiget zuwerden/ ob dieselbe zugeben koͤnne/ dz das Durchleuchtigste Koͤnigl. Fraͤulein/ Frl. Schulda/ seiner Liebe herzgeliebte Frl. Toch- ter/ nach meinẽ Tode zur gewaltigẽ Koͤnigin uͤber Daͤnenmark moͤge gekroͤnet/ uñ von mei- nem freundlichẽ lieben Sohn/ ihrer hohẽ Tugend uñ Wirdigkeit nach/ gebuͤhrlich geliebet und geehret werden; dann ich zweifele nit/ es werde mein Sohn solche Gluͤkseligkeit erken- nen/ und in diesem Stuͤk seinem Stande nach sich zuverhalten wissen. Koͤnig Haron wahꝛ gleichergestalt von seiner stelle schon auffgestanden/ uñ gab folgende Antwort: Großmaͤch- tigster Koͤnig/ Herr Oheim und Nachbar-Freund; nachdem mir gleichergestalt gebuͤhren wil/ der unvergleichlichen Heldin und ruhmwirdigsten Koͤnigin/ meiner Fr. Wasen Fr. Valisken/ wegen ihrer getraͤuen Vorsorgezu danken/ in dem ihre Liebe sich bemuͤhet/ das al- lerbequemste Mittel zuersinnen und zubefodern/ wodurch die Nordischen Reiche in besten- diger Einigkeit koͤnnen erhalten werden/ wie dann hiemit ihrer Liebe/ meiner Fr. Wasen ich von Herzen danke/ und zu ihrem Dienste mich mit alle meinem vermoͤgen anerbiete; so bin ich ebenermassen auch schuldig/ die grosse Gewogenheit zuerkennen/ welche des Koͤnigs von Daͤnnenmark seine Liebe/ meiner Frl. Tochter spuͤren laͤsset/ in dem sie ihren geliebten Herr Sohn Achtes Buch. Sohn/ den hochberuͤmten Helden und treflichen Fuͤrsten/ Herrn Olaff/ naͤhesten Erben Daͤnnenmarks/ gedachter meiner Frl. Tochter zum Gemahl und Herrn goͤnnen und ge- ben wil; dafern nun der Durchl. Fürst/ mein werter Oheim zu solcher Heiraht belieben tragen wuͤrde (massen die Heirahten aus freyem Gemuͤht gehen und geschlossen werden muͤssen) sol seiner Liebe meine Frl. Tochter erwaͤhneter gestalt unversaget seyn/ nachdem seine Liebe sich daruͤber gebuͤhrlich wird erklaͤret haben. Fuͤrst Olaf stund zugegen/ voller freude und vergnuͤgung/ und als er sahe/ daß ihm zu reden gebohten wahr/ wendete er sich nach tieffer Neigung vor erst gegen Koͤnigin Valiska mit diesen Worten: Großmaͤchtig- ste Koͤnigin der Teutschen/ erwaͤhlete Fuͤrstin des grossen Fürstentuhms Susiana in Asien/ unvergleichliche Heldin/ und auserlesenste Zier des menschlichen Geschlechts. Valiska stellete sich der gar zu hohen benahmung sehr unwillig/ er aber fuhr dessen ungeachtet also fort: Wann ich alle die Gnaden und Gewogenheiten erzaͤhlen solte/ die von ihrer Koͤnigl. Hocheit mir unwirdigen/ auch da derselben Feind ich noch seyn durfte/ erwiesen sind/ muͤ- ste ich dem beruͤmten Griechischen Redener die Zunge/ und dem gedaͤchtnis-reichen Kar- thaginischen Abgesanten die Behaltnis abborgen/ und wuͤrde dannoch so wenig in einem als anderm bestand seyn/ auch das minste duͤchtig an den Tag zulegen; wiewol ich gerne gestehe/ daß ihrer Koͤnigl. Hocheit heutiges Gnadenwerk die vorigen so gar uͤberwieget/ daß ich meinen Ohren fast nicht trauen darf/ und billich umbfrage/ obs dann moͤglich sey/ daß einem Unwirdigen/ wovor ich mich bekenne/ so hohe Gunst und Gluͤkseligkeit zufliessen moͤgen/ mit welchen ich mich uͤberschwem̃et befinde/ in dem ihre Koͤnigl. Hocheit sich gnaͤ- digst bemuͤhet/ das treslichste Koͤnigl. Fraͤulein aus Schweden/ die Zier und Ausbund jungfraͤulicher Zucht und Tugend mir zufreien/ deren volkommenheit zuverehren meine Seele fertiger ist/ als deren Liebe und Heiraht mir versprechen/ weil der allergluͤkseligste ihm hoͤheres Gluͤk nicht wuͤnschen noch einbilden kan. Was sol ich dann vor dißmahl vor- tragen/ als daß gegen ihre Hocheit/ die meines Tausend-glückes einige Ursach und Koͤni- gin ist/ ich mich demuͤhtigst/ und in wahrer Untergebenheit bedanke/ von Heꝛzen wuͤnschend/ ihr Gott/ der allein wahre Gott/ den sie ehret/ wolle ihrer Hocheit solche Woltahten mit zeit- lich- und ewiger Belohnung ersetzen/ auch mir das vermoͤgen geben/ solches nicht allein zu- erkennen/ sondern in ihrer Hocheit Diensten mich koͤnnen gebührlich finden zulassen/ damit taͤhtlich erscheinen moͤge/ daß ich dero selbschuldiger Knecht in wahrer ehrliebender Erge- benheit nichts suche/ als mein Blut und Leben zu deren Wolfahrt anzuwenden/ daneben zugleich bittend/ ihre Hocheit wolle den erquiklichen Schein ihrer grossen Gewogenheit auff mich stets herunter schiessen/ damit ich auff der hoͤhesten Staffel meiner Gluͤkseligkeit befestiget/ dieser volkommenen Gaben dereins wirklich geniessen moͤge/ welche durch ihren Vorschub mir anjezt bevorstehen. Es wahr Koͤnigin Valiska schon fertig/ ihm sein hohes Lobsprechen verweißlich vorzuhalten; er aber kehrete sich daran nichts/ sondern wendete sich gegen den Schwedischen Koͤnig/ und verfolgete seine Rede also: Großmaͤchtigster unuͤberwindlicher Koͤnig/ Herr Haron/ gnaͤdigster Herr/ Oheim und Vater; ich weiß ohn jemands erinnern sehr wol/ daß nicht meine wirdigkeit/ als deren ich wenig bey mir befin- de/ sondern der allervortreflichsten Koͤnigin/ Fr. Valisken Gewogenheit bey euer Koͤnigl. Hocheit mir die Selle eines kuͤnftigen Aidams erwirbet; dann welcher Koͤnig und Her- scher Achtes Buch. scher dieser Welt wuͤrde sich nicht gluͤkselig schaͤtzen/ ihrer Hocheit Frl. Tochter/ ein sol- ches mit allen Fuͤrstlichen Tugenden ausgeschmuͤktes Fraͤulein/ auch mit seinem Blute zuerstreiten/ welche von euer Hocheit mir aus überflissender Gunst und Gnade gegoͤnnet und zugesprochen wird/ und haͤtte inbetrachtung meiner wenigkeit ich mich nicht unterste- hen duͤrffen/ umb ein solches Gemahl anzusuchen/ da mein erlegener Muht nicht durch sol- cher vermoͤgenden Aerzte huͤlffe und Kraft gestaͤrket und erhoben wuͤrde. So nehme ich nun das hoͤchst gewuͤnschte Gluͤk mit begierigem Herzen an/ umarme die Gelegenheit mit vergnuͤgung/ und verbleibe/ weil ich lebe/ euer Hocheit untertaͤhniger Knecht und ge- horsamer Sohn. Euch aber/ gnaͤdigster/ herzlieber Herr Vater/ danke ich in kindlicher De- muht vor diese vaͤterliche Liebe und Hulde/ von Herzen wuͤnschend/ dz euer Hocheit Haͤupt die Daͤnische Kron biß an mein graues Alter tragen/ und dem Koͤnigreich mit heilsamen Raht und Schuz noch manniche Jahr vorstehen moͤge/ alsdann wird mir keine Kron/ kein Koͤnigreich mangeln; bitte schließlich/ mein Herr Vater wolle bevorstehende Ehe-uñ Ehrensache nach seinem vaͤterlichen Wolgefallen handeln/ ordnen und schliessen/ dem ich mich zugehorsamen aus kindlicher Pflicht schuldig weiß. Sein Vater wahr sehr vergnuͤ- get uͤber seinem Verstande und wolstaͤndiger Fuͤrstlicher Beredsamkeit/ deren er sich zu ihm nicht versehen haͤtte/ stund auff und hielt bey der Schwedischen Koͤnigin um guͤnstige Ein- willigung freundlich an/ die sich gewuͤnscht erklaͤrete/ und ihre Frl. Tochter heran zutre- ten aufffoderte. Diese nun hatte alles gegenwaͤrtig angehoͤret/ saß wie ein Stein/ und sahe vor sich nider/ weil des ganzen Frauenzimmers Augen auff sie hingerichtet wahren. Die grosse Liebe des Fuͤrsten hatte sie zur Gnuͤge vernommen/ und alle Worte genau angemeꝛ- ket/ und weil sie einwenig Bedenkzeit hatte/ erhohlete sie sich/ und ging mit ihrer Fr. Mut- ter hin/ da der Daͤnische Koͤnig ihr entgegen trat/ und freundlich baht/ sie moͤchte ihrer El- tern Willen/ die Heyraht zwischen ihr und seinen Sohn betreffend/ gutheissen/ und die Daͤ- nische Kron inkuͤnfftig zutragen sich unbeschweret finden lassen. Worauff sie sich scham- hafftig erklaͤrete; ihre Schuldigkeit erfoderte nichts anders/ als alles das zutuhn und lei- sten/ was von ihren lieben Eltern geordnet wuͤrde; bedankete sich der hohen Gnade/ und Gewogenheit/ gegen den Koͤnig/ mit Bitte wegen ihres Unverstandes und kindischen Ge- brechligkeiten Geduld zutragen/ und mit vaͤterlicher Hulde ihr allemahl gewogen zuver- bleiben; dessen der Daͤhnische Koͤnig sich uͤberaus hoch erfreuete/ und dem herzunahenden Schwedischen Koͤnige Raum gab/ der seine Frl. Tochter dem Daͤnischen Fuͤrsten mit diesen Worten an die Hand boht: Sehet da/ Durchleuchtigster Fuͤrst/ hochgeliebter künf- tiger Herr Sohn/ nachdem Euer Liebe meine Frl. Tochter zum Gemahl hat gefallen wol- len/ sol sie derselben hiemit zugeschlagen/ und als eine Brautuͤbergeben seyn/ die dann ver- hoffentlich gegen ihren Herrn und Gemahl sich gebuͤhrlich verhalten wird/ wie sie darzu ist unterwiesen worden; Ich vor mein Haͤupt wuͤnsche euch den Himlischen Segen/ der sich uͤber euch ausgiessen wolle/ mit aller gedeylichen Wolfahrt; umfing sie hiemit beyde nacheinander/ und befahl seinem Gemahl/ einen koͤstlichen Ring zuverschaffen/ weil die Daͤnische Koͤnigin umb eben der Ursach willen schon einen Abtrit genommen hatte. In- zwischen ward den Verliebeten von allen anwesenden Gluͤk und Segen gewuͤnschet/ und da Koͤnigin Valiska solches mit einer sonderlichen liebreichen Bewaͤgung leistete/ sagete t t t t t sie Achtes Buch. sie hernach zu dem Fuͤrsten: Eure Liebe hat bloß dem Gluͤcke zudanken/ daß mir Zeit und Gelegenheit benommen wird/ mich an ihr zuraͤchen; jedoch ernstlich davon zureden/ wolle Eure Liebe hinfuͤro sich des unbillichen Ruhms enthalten/ und mit solchen unverdienten/ oder recht zusagen/ un- und uͤbermenschlichẽ preisen mich verschonen/ dafern er sonst mich zu einer steten Freundin haben wil. Vor dißmahl wollen wir die anjezt gluͤklich bestetigte Heyraht besser zuordnen vor uns nehmen/ und weiß Eure Liebe sich wol zuerinnern/ welcher gestalt dieselbe sich bißher gewegert hat/ das Wendische Fuͤrstentuhm anzunehmen/ unge- achtet die Durchleuchtigste Fürstin der Wenden/ Fr. Bochild/ auff unsern Vorschlag Eu- re Liebe zum Nachfolger in der Herschafft schon erklaͤret hat; solte nun dieselbe sich dessen noch weiter zuwegern gesinnet seyn/ wil ich die jezt hochgedachte Wendische Fuͤrstin/ Euer Liebe Herrn Vaters leibliche Fr. Schwester hiemit bitlich ersuchet haben/ sie wolle Euer Liebe solches Fürstentuhm entzihen/ und dem Durchleuchtigsten Schwedischen Fraͤulein es nach ihrem Tode (welchen Gott lange verhuͤten wolle) als zur Heimsteur zuwenden. Ja/ fing Fuͤrstin Bochild an/ weil mein Herr Sohn mein Mutterherz bißdaher nicht hat wollen erkennen/ noch der Wendischen Herschafft sich mit annehmen/ welche mir und ihm aus Koͤniglicher Teutscher Mildigkeit gegebẽ ist sol hinfuͤro das Durchlaͤuchtigste Fraͤu- lein/ Frl. Schulda die Erbin seyn/ also und dergestalt/ daß ihr künfftiger Ander-gebohrner Sohn dereins herschender Fuͤrst in Wendland gesetzet werde; welches sie alle gut hiessen. Valiska ließ darauff die verwahreten Pannonischen 10 Tonnen Goldes/ nebest den eh- mahls versprochenen fuͤnff Tonnen auch herzu tragen/ und stellete sie dem Fraͤulein hin zun Fuͤssen/ mit anmeldung/ wie sie ihr zum besten solche bißher in Verwahrung gehabt haͤtte; Vor welches alles so wol die Braut als ihre Eltern sich sehr bedanketen. Des Braͤuti- gams Stiefmutter kam gleich dazu/ brachte unter andern Kleinoten einen treflichen Ring/ und entschuldigte sich/ sie haͤtte sich nicht darauff geschicket/ daß in dieser weit abgelegenen fremde sie einen Sohn und eine Schwester zugleich und auff einmahl ehelich versprechen solte; sonsten würde sie sich ihrer Schuldigkeit besser erinnert haben. Er aber nach gebuͤhr- licher Danksagung nam die Kleinot zu sich/ vermehrete sie mit einer zimlichen Anzahl von seinen eigenen/ und lieferte sie seinem geliebeten Fraͤulein; empfing auch hinwieder von ihr einen koͤstlichen Ring/ welchen ihre Fr. Mutter ihr zugestellet hatte/ und wahr keine des vornehmen Frauenzimmers zugegen/ welche dieser Braut zur Gluͤkwuͤnschung nicht solte ein oder etliche Kleinot verehret haben/ deren Koͤnigin Valiska und Fuͤrstin Sibylla/ als kuͤnfftige Schwester/ ihr ganze Schachteln vol einlieferten/ und ward die uͤbrige Tages- zeit in aller Froͤligkeit zugebracht/ auch des folgenden Tages die Verloͤbniß gehalten/ da die beyden Braͤutigambe ihren Liebsten das Koͤnigliche Leibgedinge vermacheten/ auch Fuͤrstin Sibyllen und Koͤnigin Lukrezien ihres zugleich mit bekraͤfftiget ward. Desselben Abends kahmen Herkules und Arbianes mit ihren Gemahlen ohngefehr bey einander zusitzen/ da Valiska den Fuͤrsten erinnerte/ er moͤchte ihnen die Anfechtung erzaͤhlen/ welche er zeit seines Bettelstandes von dem leidigen Teuffel in Bettlers Gestalt ausgestanden haͤtte; worzu er willig wahr/ und zur Antwort gab: Ob ich gleich hievon lie- ber schweige/ als viel Worte mache/ weil durch Gottes sonderbahre Krafft ich diese Ver- suchung uͤberstanden habe/ so tuhe ichs doch nicht ungerne/ unter der Hoffnung/ mein Herr Bru- Achtes Buch. Bruder Koͤnig Herkules/ oder sie meine Fr. Schwester werden mich fein unterrichten/ da ich den Einwuͤrffen dieses verfuͤhrischen Betlers nicht aus dem Grunde zubegegnen ge- wust: Es wahr eine Stunde nach des zimlich helle scheinen den Monden Aufgange/ da ich hinter einer dicken finstern Hecke saß/ und wol tausenderley Gedanken in meinem Gehirn umlieffen/ welche alle mit ein ander auff meiner liebsten Fraͤulein Leben und Zustand hin- zieleten/ als ich gleich einen Menschen von ferne hoͤrete in sich selber reden/ der mir je laͤnger je mehr nahete/ biß ich ihn ins Gesichte bekam/ groß und ansehnlich von Gestalt/ aber in Betlers Kleidern/ gleich als ich; Er stellete sich/ als saͤhe er mich nicht/ und fing in Lateini- scher Sprache an: O du blindes Menschliche Geschlecht/ wie laͤssestu dich doch von so mannichem falschen Irtuhms-Winde umtreiben/ und deine arme Seele zuplagen/ da du doch wol in Ruhe leben koͤntest/ so lange dir solches von dem unvermeidlichen Verhaͤng- niß zugelassen ist; O daß doch ein verstaͤndiger sich unterfinge/ die mannicherley Tohrhei- ten den Menschen aus dem Kopffe zubringen/ damit sie aller Unruhe und Furcht entris- sen/ dereins auffhoͤreten/ dasselbe zuscheuhen/ was nichts/ als ein ertichtetes Fuͤndlein ist. Ich schloß aus diesen Worten/ es muͤste dieser etwas mehr als ein gemeiner Betler seyn/ ging zu ihm hin/ und nach Wünschung eines guten Abends/ fragete ich ihn/ was er bey Nachtzeit an diesem wuͤsten Orte suchen ginge. Dieser stellete sich/ als entsetzete er sich uͤber meiner unvermuhtlichen Gegenwart/ und gab zur Antwort: Mein Freund/ wer ihr seid/ ich haͤtte nicht gemeynet/ daß jemand anders als ich/ hieselbst bey Nachtzeit sich finden wuͤrde/ sonst haͤtte ich meiner Zungen gebieten wollen/ zwischen ihrem Zaͤhn-gemaͤure sich stille zuhalten; jedoch eure freundliche Frage zubeantworten/ gebe ich euch zuvernehmen/ daß ich wegen eines ungluͤklichen Falles gezwungen bin/ meine Heimat zuverlassen/ und umb meines Lebens Rettung mich in die unbekante wild-fremde zubegeben/ da ich schon 12 Jahr und laͤnger das Elend gebauet/ und zwischen solcher Zeit nicht allein viel Land- schafften in Asien/ Afrik und Europagesehen/ sondern auch mannicher Menschen wun- derliche Gemuͤhter und Einbildungen erkennet habe/ insonderheit was den Glauben und den Gottesdienst betrifft/ woruͤber ich mich nicht gnug habe verwundern koͤñen/ in betrach- tung/ daß sie fast alle miteinander ihr hoͤchstes Gut auff einen blossen Wahn bauen/ wel- cher keinen Grund hat. Hiemit schwieg er stille/ umb daß ich durch Nachfrage ihm Ursach geben solte/ sich weiter heraus zulassen/ wie mich dann der Vorwiz trieb/ welches ich her- nach bereuete/ und lieber gewolt/ daß ich gar geschwiegen haͤtte; Ich fing aber also an: Ob ich zwar annech jung und unerfahren bin/ so habe ich gleichwol auff der Menschen tuhn und lassen/ den Glauben und Gottesdienst betreffend/ auch etwas acht gegeben/ uñ ist zwar nicht ohn/ daß viel/ ja wol der groͤste Teil hieselbst in grossem Irtuhm stecken/ aber das wuͤr- de zu beklagen seyn/ wann sie alle miteinander des rechtschaffenen Grundes verfehlen sol- ten. Des rechtschaffenen Grundes verfehlen? fragete dieser; Je was vor ein Glaube ist dann wol zufinden/ der auff tuͤchtigem Grunde bestehen solte? Die/ so man Heyden nen- net/ werden von den Juden und Christen beschuldiget/ daß ihr Glaube und Gottesdienst falsch und nichtig sey/ und gleichwol bauen dieselben darauff ihr hoͤchstes Gut. Die Judẽ lauren auff einen versprochenen Heyland/ der sie aus allen Laͤndern/ dahin sie verstossen sind/ wieder samlen/ und ihr Reich zu Jerusalem auffrichten solle; Die Heyden verachten t t t t t ij sie Achtes Buch. sie deswegen/ und die Christen duͤrffen gar behaͤupten und schwoͤren/ daß sie sich selbst be- triegen. Was sol ich aber von den Christen sagen? hat jemand irgend auf schlim̃en Grund gebauet/ so tuhn es diese/ wovon ich aber zureden vor unnoͤhtig halte/ weil solcheꝛ Aberglau- be in diesen Laͤndern annoch unbekant ist/ und ihr davon wol niemahls moͤget gehoͤret ha- ben. Ich gab ihm zur Antwort/ das wolte ich nicht gerne/ daß ich von diesem herlichen uñ allein seligmachenden Glauben nicht solte gehoͤret haben. Aber ihr muͤsset in Warheit wol eines wunderlichen Glaubens seyn/ wann ihr den Heydnischen/ Judischen und Christlichẽ zugleich und auff einmahl uͤbern Toͤlpel werffet/ wo ihr nicht allen Glauben und allen Gottesdienst auffheben/ und gar ein Ohn-Gott seyn wollet. Ein Ohn-Gott? antwortete dieser. Ja seyd ihr dann nicht auch ein Ohn-Gott? ja sind dann nicht alle Menschen mit- einander Ohn-Gott? oder habt ihr einen Gott/ so lasset mir ihn sehen/ daß ich auch ein Nicht-Ohn-Gott werde. Er wird schon koͤnnen gesehen werden/ obs gleich anjetzo dunkel ist/ wo er sonst ein Gott ist. Ich erzürnete mich uͤber dieser Gotteslaͤsterung/ wie ichs dann billich vor die allergroͤste Gotteslaͤsterung mit rechne/ wann man Gottes Wesen ganz und gar verleugnet. Freylich ist dieses eine schaͤndliche Gotteslaͤsterung/ sagte Herkules/ wann man Gottes Wesen selbst auffzuheben sich erkuͤhnen darff; Aber was gabet ihr ihm auff solches anfodern/ ihm Gott zuzeigen/ vor eine Antwort? Ich sagete anfangs/ meldete Ar- bianes/ es wuͤrde unvonnoͤhten seyn/ mich mit ihm oder jemand anders uͤber diese Frage/ ob Gott waͤre/ oder nit/ einzulassen/ nachdem alle welt solches vor wahr hielte/ uñ aus der Welt Erhaltung klar genug erschiene/ dz notwendig ein Gott seyn muͤste/ deꝛ solches alles leistete/ uñ so wol den Lauff der Sternẽ/ als den Zustand dieser Unterwelt in seinẽ Wesen und Wir- kung fest erhielte; und waͤhre wol laͤcherlich/ Gottes Wesen darum zuleugnen/ dz man den- selben mit Fingern nit zeigen/ noch sagẽ koͤnte/ hier stehet er; da vielmehr zuschliessen waͤhre/ es muͤste Gott nit seyn/ wann mans sehẽ oder zeigen koͤnte. Dieser fragete mich darauf/ wz es dann eigentlich waͤhre/ das ich GOtt hiesse. Und ob ich meinete daß die Erhaltung der Welt nohtwendig einen GOtt erfoderte; gab mir doch nicht Zeit/ ihm diese Fragen zube- antworten/ sondern fuhr fort in seiner Plauderey; GOtt waͤhre zwar/ aber die Menschen/ wenig außgenommen/ kenneten ihn nicht/ und wolte er mir GOtt zeigen/ weil ich ihn nicht zeigen koͤnte; nehmlich/ die Krafft und das Vermoͤgen/ welches in der Welt und in allen Stuͤcken derselben sich befuͤnde/ dasselbe waͤhre GOtt/ da dann die Ober Welt oder viel- mehr deren Kraͤfte/ verstehe/ Soñe und Sternen/ die hoͤchste Gotheit oder Kraft ist/ sagte er/ welche den irdischen Dingen von ihrer Kraft oder Gotheit mitteilen/ als viel ihnen die- net/ und ihr Wesen zulaͤsset. Und also sehet ihr/ sagete er weiter/ daß aus der Erhaltung der Welt nicht mag geschlossen werden/ daß nohtwendig ein ander GOtt/ als ihre selbst eigene Krafft sey. Ich antwortete ihm mit wenigen; wann er mir dartuhn koͤnte/ daß seine Woꝛ- te Warheiten waͤhren/ wuͤrde ich ihm bald muͤssen gewonnen geben/ aber so bloß hin koͤnte ich seinem Vorgeben nit trauen/ weil ich viel ein fester Wort der Warheit haͤtte/ welches auch der Hellen Pforten wol muͤsten stehen und unuͤberwaͤltiget lassen/ das lehrete mich/ dz ein GOtt von alle Ewigkeit her waͤhre/ welcher die Welt/ Himmel und Erden/ und alles was drinnen ist/ gemacht und erschaffen/ auch jedem Dinge seine Krafft mitgeteilet haͤtte. Ja/ antwortete dieser; eben das ist der blosse grundlose Wahn/ auff welchen ihr und eures Achtes Buch. eures gleichen euren Glauben bauet/ welcher von der Vernunfft selbst umgestossen wird; wollet ihr nun meine Rede die mit der Vernunfft fein zutrifft/ nicht zulassen/ und sie durch diß vermeinete andere Wort umstossen; je so muͤsset ihr mir ja zuvor bescheinigen/ das das- selbe ein unbetriegliches Wort sey/ sonst werden wir unsers Dinges in Ewigkeit nit eins werden. Ob ich auch dieses Dinges mit euch einig werde oder nicht/ gab ich zur Antwort/ muß mir endlich gleiche viel seyn/ aber durch euren Vernunfft-Possen lasse ich mich nicht bereden/ Gottes Wort in Zweiffel zuzihen. Nun begehret ihr über das/ ich solle erweisen/ dz dieses Wort die Warheit und Gottes Wort sey. Ja/ ich wil euch solches beweisen/ wann ihr nur Augen habet/ die es sehen koͤnnen. Wann ihr mich anjetzo fragen wuͤrdet/ wie ichs beweisen wolte/ daß die Schrifften/ welche dem Homerus zugeschrieben werden/ eigent- lich seine seyn; wuͤrde ich solches nicht anders behaͤupten koͤnnen/ als daß solche Schriff- ten von Homerus Zeiten an biß hieher allemahl vor dessen Schrifften sind gehalten wor- den/ und solche Wissenschafft von einem Gelehrten immerzu auff den andern kommen ist. Eben also mache ichs auch mit dem Beweißtuhm/ daß die heilige Schrifft Gottes Wort sey; weil ja die Glaͤubigen von Anfang biß hieher die Buͤcher des Mose vor Gottes Wort gehalten/ und dessen so gewiß gewesen sind/ daß sie lieber Leib und Leben einbuͤssen/ als solchẽ Glauben sich nehmen lassen wollen; daß ich nicht sage/ wie wunderbarlich der almaͤchtige Gott dieses sein Wort wieder alles toben und verfolgen der Feinde dieser himlischen Waꝛ- heit erhalten hat. Dieser ersetzete solches mit einer hoͤhnischen Antwort/ und wahr über die massen verschlagen/ von einer Frage/ die er weiters nicht behaͤupten kunte/ auff die andere zufallen/ da er auff unsern Heiland zureden kam/ und anfing die leicht glaͤubigen Christen auffzuzihen/ welche sich haͤtten koͤnnen bereden lassen/ daß derselbe ein Gott waͤhre/ den man haͤtte am Kreuz getoͤdtet. Aber ich redete ihm ein/ er solte sich maͤssigen/ denselben zulaͤstern welchen er nicht kennete/ oder vielleicht aus teuflischer Boßheit nit wolte kennen/ weil ich verstuͤnde/ daß die Christliche Lehre ihm nicht so gar unbekant waͤhre. Ich vor mein Haͤupt wuͤste Gott Lob so viel/ daß derselbe Gottes warhafftiger Sohn/ und der versprochene Hei- land der Welt waͤhre/ weil er nicht allein durch kraͤfftige Zeichen und Wunder sich also erwiesen/ sondern nachgehends auch seine Jünger mit solcher Krafft haͤtte außgeruͤstet/ dz sie in seinem Nahmen grosse Tahten verrichtet/ und über die Teuffel Macht und Gewalt gehabt haͤtten; wie dann in Italien/ Griechenland und Asien annoch Menschen lebeten/ deren Eltern ihnen hoch beteurlich erzaͤhlet/ was ihre Groß Eltern vor Zeichen und Wun- dertahten von den Juͤngern des Herrn gesehen haͤtten; ja es geschaͤhen noch heut zu Tage von unterschiedlichen glaͤubigen Lehrern dergleichen Wunder im Nahmen und durch An- ruffung des HErrn JEsus; und waͤhren trauen dieselben Glaͤubigen nicht so gar ihres Witzes beraubet gewesen/ welche lieber haͤtten dnrch tausenderley Pein sich lassen hinrich- ten/ als daß sie die wahre Gotheit ihres Heilandes wollen in Zweiffel zihen. Daß ihr aber einwendet/ dieser mein Erloͤser sey am Kreuz getoͤdtet/ und daher kein wahrer Gott/ so weꝛ- det ihr Zweiffels ohn wissen/ daß dessen Wunder-Person aus zwoen Naturen (wie man redet) bestehe/ der goͤtlichen und menschlichen/ und derselbe nicht an seiner Gotheit sondeꝛn an seiner Menscheit solchen Tod/ uns armen Suͤndern zum besten/ außgestanden habe. Leugnet ihr aber dieses/ so bringet guͤltige Ursachen hervor/ dann mit laͤstern und hohnla- t t t t t iij chen Achtes Buch. chen ists in solchen Sachen nicht getahn. Wir wolten zur Wiederlegung solcher Einbil- dung leicht gelangen/ gab mir dieser zur Antwort/ wann ihr nur euch koͤntet weisen lassen/ daß ihr dem vermeineten Worte Gottes nicht zuviel trauetet; aber wie ists moͤglich/ daß man euch die Warheit beybringe/ wann ihr wieder euren gefasseten Irre-Wahn nichts wollet geredet haben? sehet/ dieses Buch/ wie alt es gleich ist (dann nichts ist eben daruͤm wahr daß es alt ist)/ hat solche unglaͤubliche/ und eigen zusagen/ solche unwarhaffte Dinge in sich/ die ein jeder vernuͤnfftiger Mensch besser weiß. Sehet den ertichteten Simson an/ der sol mit gewalt tausend starke Kriegs Leute mit einem faulen Esels-Kinnebacken zu tode geschlagen haben/ und nachgehends auß demselben Kinnebacken/ ja nur aus einem Zahn desselben getraͤnket seyn. Stuͤnde es beym Homerus oder Naso/ so muͤste es ein laͤcherli- ches Getichte heissen/ aber in diesem Buche wird alles zur Warheit. Sehet weiter die ein- gebildete Lehre an von den Engeln und Teuffeln; wie kan ein vernuͤnfftiger Mensch ihm lassen einpredigen/ sich vor solche ertichtete Geister zufuͤrchten oder Schuz von ihnen zu- hoffen? Nichts sind solche Geister/ als der Menschen Traͤume/ und was eines Menschen verruͤktes Gehirn in ihm leistet daß mus alsbald einem Geiste zugeschrieben werden/ der in ihm wohne. Sehet an die Lehre von der verstorbenen Menschen ertichteter Aufferste- hung zum ewigen Leben. Mein/ wie koͤnte ich doch meine Sinnen dergestalt gar fressen/ dz ich glaͤuben solte/ ein Leib/ welcher verweset ist/ ja welcher teils von Hunden und wilden Tih- ren/ teils von Voͤgeln/ teils von Wuͤrmen/ teils von der Sonnen verzehret ist/ und in der fressenden Tihre ihr Wesen verendert/ ganz wieder solte hervorkommen/ und nach etlichen tausend Jahren mit seiner ehemaligen Seele wieder vereiniget uñ unauffloͤßlich verknuͤp- fet werden? ist aber dieses noch nicht gnug/ solchen Glauben auffzuheben/ mein so sage ich euch ein mehres: Ich bin ja in einem Lande gewesen/ woselbst die Menschen einander fꝛes- sen und verzehren/ so daß sie oft ihre ganze Lebens Zeit nichts als Menschen Fleisch genies- sen; davon wachsen sie und bekommen daher ihr Fleisch/ ihren Leib; saget mir doch nun/ wie es moͤglich sey/ daß diese auffgefressene Menschen/ ein jedweder seinen eigenen ganzen Leib wieder bekommen moͤge/ der schon eines andern Menschen sein Leib worden ist? noch muß euch Christen solches alles wahr/ und ein Glaubens-Stuͤk seyn. Ich wil noch mehr sagen: Wann ein Mann mit einem Weibe/ die ihm getrauet ist/ der Lust pfleget/ das ist bey euch ja noch leidlich/ aber wann er mit mehr Weibern solche Kundschafft machet/ das muß eine Tod-Sünde seyn. Ey waruͤmb dann? Suͤndiget dann auch wol der Ochse und der Bok/ daß er einer ganzen Heerde vorstehet? in diesem Falle sind die Juden ungleich witziger als ihr Christen. Uber das machet ihr oft etwas zur Suͤnde oder zum Laster/ das an sich selbst kein Laster ist/ sondern ihr plaget und naget euch selbst mit solchen unnoͤhtigen Ge- setzen/ welche eure Froͤligkeit und Wollust hindern/ und euch lebendig in den Sarg hinein legen. Mensch/ was bistu mehr/ als ein ander Tihr? ohn daß du bessern Verstand hast; O wie naͤrrisch bistu/ daß du nach diesem Leben dir noch ein anders laͤssest einbilden; daß du umb des zukuͤnfftigen ertichteten willen/ das gegenwaͤrtige warhaffte Gut von dir stossest/ und dich selbst bestreitest/ peinigest und narrest. Wollet ihr aber wissen/ sagete dieser Laͤste- rer zu mir/ was die Menschen betoͤhret/ solches Plage-Leben zufuͤhren? nichts als das aͤus- serliche Ansehen deren/ die ihnen solche Fratzen einbilden/ welches sie zu ihrem besten tuhn/ auff Achtes Buch. auff daß sie groß geachtet/ und vor andern hochgeehret werden. Es begunte nunmehr mir die Geduld zuvergehen/ daß ich ihm also in die Rede fiel: Es wird schier Zeit seyn/ daß ihr euch im reden/ und ich mich im zuhoͤren maͤssige/ in betrachtung/ der Almaͤchtige Gott uns alle beyde wegen eurer Laͤsterung straffen moͤchte; so zweifele ich auch/ ob ich alles euer un- nuͤtzes Vorbringen werde behalten haben; es gehet aber alles dahin/ daß ihr die Heilige Schrifft/ Altes und Neues Bundes/ bey mir in Verdacht bringen moͤget/ ob fūnden sich darinnen Luͤgen und unwarhaffte Dinge/ welches doch unmoͤglich ist/ angesehen/ daß un- moͤglich der warhaffte Gott in seinem Heiligen Worte solte luͤgen koͤnnen/ und ich mir von dem Teuffel selbst es nicht werde einbilden lassen/ daß dieses nicht Gottes Wort sey/ welches mein Heyland mich und alle Menschen hat heissen hoͤren/ und darinnen fleissig nachsuchen/ weil wir das ewige Leben darinnen haben; Zwar ihr fuͤhret ein und anders ein aus Gottes Wort/ als kundbahre Unwarheiten; erstlich den starken Simson und sein ver- halten; solte aber dem Almaͤchtigen Gott wol unmoͤglich seyn/ ein solches Ding durch ei- nen Menschen zuleisten/ da es ihm nicht unmoͤglich ist/ mit einem einzigen Strohalm den ganzen Himmel herunter zuschlagen? O ihr vermaͤssener und elender Urteiler der ho- hen unendlichen Almacht! Ihr saget aber: Wann solches beym Homerus oder Ovi- dius stünde/ muͤste es ein Getichte seyn. Ich sage nein darzu; ein solches Ding koͤnte ich ihnen noch wol glaͤuben/ wiewol mirs frey stuͤnde; Aber meinem wahren GOtte nicht glaͤuben wollen/ ist eine mehr als teuflische Boßheit/ dann derselbe Feind GOttes glaͤubet es/ ob er gleich den Menschen gerne diesen Glauben hinweg rauben wolte. Aber wz hoͤre ich? ihr leugnet es/ daß Engel und Teufel seyn/ koͤñet auch nit anders/ weil ihr Gott selbst verleugnet; aber was duͤnket euch? solte ich euch trauen/ oder beyfal geben/ wann ihr mir vortragen wuͤrdet/ der Monde/ welcher dort am Himmel scheinet/ waͤhre nichts als ein eingebildetes Geticht/ so aus verrüktem Gehirn entstehet? euer verruͤktes Gehirn/ (wo ihr sonst noch eins habet) gibt euch solches ein. Ich sehe ja vor Augen/ daß Engel oder Gei- ster sind/ in dem ich hoͤre/ daß besessene Menschen wol fremde Sprachen reden/ welche sie nicht gelernet haben; solches koͤmt ja nicht aus einem mangel des Gehirns/ sondern von ei- ner neben Ursach her/ welche solches in dem Menschen wirket/ und aus dem Menschen her- vor gibt; und der solches leugnet/ dem mus man mit Nießwurz zu huͤlffe kommen. Zu ge- schweigen der vielen Gespenste/ welche sich oft und an mannichem Orte hoͤren und verneh- men lassen. Aber diese werden auch/ eurem tichten nach/ blosse einbildungen seyn. Schaͤmẽ soltet ihr euch in euer Herz und Blut/ wo ihr euch sonst nicht gar ausgeschaͤmet habet/ daß ihr mit solchen Zoten die goͤttliche Warheit zubestreiten duͤrffet auffgezogen kommen; doch leugnet ihr nur immerhin/ daß Teuffel seyn/ ich gedenke/ es werde eine Zeit kommen/ da ihr sie hart und heftig gnug empfinden werdet/ es sey dann daß ihr diese Bosheit noch in der Gnadenzeit bereuet. In dem Glaubensstuͤk von unserer Leiber aufferstehung/ machet ihr euch gewaltig mausig/ ob haͤttet ihr die Warheit der heiligen Schrift gar zu grunde ge- richtet/ da ihr doch bloß nur erwiesen habt/ dz die blinde Vernunft in dieser goͤttlichen War- heit nichts erkennet; aber solches gestehe ich ohndaß gerne/ gebe aber zugleich meinem Gott die Ehre/ daß er alles tuhn und schaffen kan was er wil. Und wollet ihr unstreitig behaͤup- ten/ daß der Almacht Gottes solches zu leisten unmoͤglich sey/ so muͤsset ihr zuvor beweisen/ daß Achtes Buch. daß es leichter und moͤglicher gewesen sey/ diß grosse rund der Welt aus nichts hervor zu bringen; mangelts euch aber alhie an Haͤuptgruͤnden/ so habt ihr mit allen euren vorigen Einwuͤrffen bey mir ein mehres nicht erhalten/ als daß ich daher erkenne/ ihr suchet nur Gottes Almacht zu umbschranken/ und ihn einer Unmacht zu zeihen; welches ich nicht an- ders zu beantworten schuldig bin/ als daß ich sage; hebe dich weg von mir Satan. Das uͤ- brige ist ganz keiner Antwort wirdig. Dann was Suͤnde oder nicht Suͤnde sey/ werde ich euch nicht zum Richter leiden/ sondern die gesunde Vernunft kan hieselbst in etwas/ Got- tes Wort aber den voͤlligen Ausschlag geben. Und ist wol ein rechter Ochsen-verstand und eine stinkend Boks-Urtel/ daß ihr eines Menschen tuhn mit der Ochsen und Boͤcke ver- halten dürffet vermischen. Das Vieh suͤndiget nicht/ und kan nicht suͤndigen/ dann es ist vernunftloß/ wie solches auch die Heiden erkennen; so hat auch Gott denselben keine Ge- setze vor geschrieben/ sondern den vernuͤnftigen Geschoͤpfen/ so daß alles daß Suͤnde ist/ was wieder Gottes Willen und Geboht streitet; dieses aber eine Tugend/ was der Mensch nach Gottes Willen und Befehl verrichtet. Endlich stosset ihr dem Fasse gar den Bodem aus/ in dem ihr der Seelen unsterbligkeit/ und das kuͤnftige ewige Leben leugnet/ welches beydes doch die klugen Heyden selbst aus vernuͤnftigen gruͤnden zur gnuͤge erwiesen haben/ und ich aus diesem eurem Vorgeben nicht anders schliessen mus/ als daß ihr der Warheit ganz ab- gesaget/ und den Luͤgen und Laͤsterungen euch mit Leib und Seele gewidmet habet/ daher ihꝛ solches alles vor eine Erfindung deren Menschen angebet/ welche dadurch suchen/ ihnen einen Nahmen und sonderliches Ansehen bey andern zu machen. Solches aber muͤsset ihr keinem verstaͤndigen/ sondern den unwitzigen vorschwaͤtzen. Ich bleibe dabey/ dz Gott war- haftig ist in allen seinen Worten und Werken/ und daß alle dieselben von dem Erzluͤgener getrieben werden/ die solches wieder ihr Gewissen leugnen duͤrfen. Ihr vermaͤsset euch ein grosses/ fing jener hierauff an; aber was duͤnket euch/ wann ich alles mein Vorgeben mit einem grossen Wunderwerk bestaͤtigte? Solches Wunderwerk wuͤrde euer eigenes Vor- bringen ja grossenteils zu Luͤgen machen/ antwortete ich; dann Wunderwerke kan kein Mensch aus eigener Kraft verrichten/ sondern es mus durch huͤlffe eines Geistes gesche- hen/ die ihr alle miteinander vor ein Geticht haltet. Jedoch/ wann ihr gleich die Sonne wuͤrdet machen vom Himmel steigen/ wolte ich euch nicht umb ein Haͤaͤrlein in diesen stuͤc- ken mehr glaͤuben/ als vorhin. Als dieser hoͤrete/ daß ich ihn so veraͤchtlich hielt/ kunte er sich laͤnger nit verbergen/ der stolze hoffarts Geist/ sondern sagete mit einer erschreklichen bruͤl- lenden Stimme: Je so mustu armer Medischer Betler dannoch wissen mit wem du biß- her gestritten hast; verwandelte sich auch augenbliklich in einẽ grausamẽ Drachen/ so groß als zehn Elefanten aneinander nicht seyn moͤgen/ und sperrete den Rachen weit auff/ als wolte er mich alsbald/ wie ein Sandkoͤrnlein verschlingen; mus auch bekennen/ daß mir der kalte Angstschweiß ausbrach/ und ich anfangs nicht wuste/ wie mir wahr; Aber Got- tes Kraft/ welche in den Schwachen (solches habe ich erfahren) maͤchtig ist/ staͤrkete mich/ daß ich endlich in diese Worte loßbrach: Ich fuͤrchte mich nicht vor viel hundert tausend/ die sich umbher wieder mich legen. Auff HErr und hilff mir mein Gott/ dann du schlaͤgest alle meine Feinde auff den Backen/ und zerschmetterst der gottlosen Zaͤhne. Hierzu behtete ich den Christlichen Glauben und das heilige Vater Unser; worauff mir nicht allein alle Furcht sondern zugleich auch Achtes Buch. auch dieses Gespenst verschwand/ daß ich endlich sagete: Odu elender luͤgen Geist/ woltestu Gottes Almacht leugnen/ welche du so hart empfunden hast/ indem dieselbe dich aus dem Himmel in die Helle gestuͤrzet/ und deine Macht dergestalt gebrochen hat/ daß du mir nicht ein einziges Haͤaͤrlein auff meinem Haͤupte ohn Gottes verhaͤngnis kraͤnken kast. Ich em- pfand aber einen schlimmen Stank/ mit welchem dieser unsaubere Gast raͤumete/ und ich Ursach nam/ ihn noch weiter hoͤnisch zu halten; dankete hernach meinem Gott vor seinen vaͤterlichen Gnaden Schuz/ und baht ihn/ daß er sich meiner und des verlohrnen Fraͤuleins gnaͤdig annehmen/ und nach diesem Leben uns in die himlische Seligkeit versetzen wolte/ welcher Bitte ich dann festiglich hoffe und glaͤube/ von meinem Gott gewehret zu werden. Und diß ist die Anfechtung welche ich ausgestanden/ und durch Gottes Kraft uͤberwundẽ habe. Herkules und Valiska wunderten sich der Erzaͤhlung zum hoͤchsten/ umbfingen ihn beyderseits/ und sageten: Sie koͤnten sich nicht gnug daruͤber verwundern/ daß eꝛ die Glau- bens Lehre so wol gefasset/ und solches doch vor allen Menschen so verborgen gehalten haͤtte/ danketen Gott neben ihn/ und wuͤnscheten ihm bestaͤndigkeit des Glaubens biß an sein ende. Des naͤhst folgenden Tages wurden die verraͤhterische Buben/ Ninisla und Urisla/ Vater und Sohn in freier gewahrsam zu Prag eingebracht/ und alsbald vor die ganze Koͤnigl- und Fuͤrstliche Versamlung (ohn daß Koͤnig Notesterich abwesend wahr) gestel- let. Sie traten mit gnug frevelhaften Geberden hinein/ aber das zuschlagene Gewissen kun- te man ihnen wol anmerken/ wiewol sie ihnen nicht einbildeten/ daß ihre verübete Bosheit haͤtte moͤgen kund werden. Der Vater fing alsbald an/ die Versamlung zu gruͤssen/ uñ sich dabey zubeschweren/ was gestalt die beyden groben Gesellen (auff Nek/ am und Grozemisla zeigend) ihn und seinen Sohn/ ungeachtet ihres Freiherrn Standes/ nicht allein mit hoch- trabender Veraͤchtligkeit/ ohn auffweisung einiges schriftlichen Befehls nach Hofe gefo- dert/ sondern auff seine rechtmaͤssige Wegerung ihn gezwungen/ mitzureiten/ und ihm nit goͤnnen wollen/ auff der ganzen Reise mit einigem Menschen Sprache zuhalten/ welches in diesem Koͤnigreiche bißher unerhoͤret/ und dem freien Adelstande hoͤchst schimpflich waͤh- re/ hoffete/ man wuͤrde solchem Frevel nach diesem steuren/ und denselben an diesen beyden unachtsamen Tropfen nicht ungestraffet lassen. Ladisla erkennete hieraus seinen Hochmut/ unterdruͤckete seinen Zorn aufs beste/ und befahl Neklam die Warheit zu sagen/ wie alles sich zugetragen haͤtte; welcher dann nach gebehtener Verzeihung andeutete: Er haͤtte in beyseyn seines Gesellen Grozemisla/ den Koͤniglichen Befehl mit gebuͤhrender Ehrerbie- tigkeit bey Vater und Sohn abgeleget/ nemlich/ daß ihr allerseits gnaͤdigster Koͤnig an bey- de begehrete/ straks angesichts mit ihnen zureiten/ und zu Prag zuerscheinen/ auch nichts/ ausser Gottes gewalt sich abhalten zulassen/ weil man wichtige Sachen mit ihnen zuhan- deln haͤtte; welches der Vater mit dem Sohn im Brete spielend/ vor endigung des Spiels mit keinem Worte beantworten wollen/ waͤhre auch alles ungeachtet/ auff seinem Stuel ohn Haͤuptes entbloͤssung sitzen blieben/ und nach verlauff einer halben Viertelstunde/ haͤtte er als unwissend gefraget/ was sein Begehren waͤhre. Worauff er/ Neklam/ den Befehl zum andernmahle vorgetragen/ aber zur hoͤnischen Antwort bekommen; Auff solche Wei- se koͤnte ein jeder Landstreicher oder Moͤrder einen Herrn von seinem Schlosse abfoderen; man solte ihm schriftlichen Befehl auflegen/ oder sich alsbald packen; er vor sein Haͤupt u u u u u wuͤste Achtes Buch. wuͤste nicht/ daß er zu Hofe ichtwas zu schaffen haͤtte/ und wuͤrde ohnzweifel/ da solches ja befohlen waͤhre/ ein Irtuhm begangen seyn/ nachdem man ihn bißdaher/ ungeachtet seines ansehens und erfahrenheit/ zu keinen Reichsgeschaͤften gezogen haͤtte; worauff er Groze- misla angesehen/ und ihn gefraget wer er waͤhre/ weil ihn daͤuchte/ das Angesicht zu kennen. Derselbe nun haͤtte weder seinen Nahmen/ noch ehmaligen Stand leugnen wollen/ uñ zur Antwort gegeben: Er waͤhre eben derselbe Grozemisla/ welcher ihm vor diesen als ein Sei- ler Geselle zum oftern Stricke zu kauffe gebracht/ haͤtte aber nunmehr von seinem aller gnaͤ- digsten Koͤnige den aͤdlen Ritterstand erlanget. Welches Ninisla also beantwortet: Wie nun zum Henker/ machet man nun in Boͤhmen die Seiler Buben zu Rittern/ so muͤssen andere redliche Ritter bey zeiten sich davon machen/ damit sie nicht gezwungen werden/ sich mit diesem Kohte zubesudeln. Welches aber Grozemisla beantwortet: Er wolte diesen Schimpff in seinem Herzen vergraben/ biß er Gelegenheit haben wuͤrde/ es gebuͤhrlich zu ahnen. Hieselbst nun hielt derselbe bey seinem Koͤnige demuͤhtigst an/ ihm zuerlauben/ daß er nach Ritters art/ ungeachtet er an der linken Seite zimlich gelaͤhmet waͤhre/ es mit die- sem Schaͤnder Ninisla austragen moͤchte/ weil er den auff der ganzen Reise erlittenen Spot sonst nimmermehr wuͤrde vergessen koͤnnen. Koͤnig Ladisla aber sagete ihm mit gu- ter Freundligkeit/ er solte sich gedulden/ und nicht zweifeln/ daß man ihm Recht wolte wie- derfahren lassen; befahl zugleich Neklam/ in seiner Erzaͤhlung fortzuschreiten; welcher dañ anzeigete; er haͤtte noch einmahl angehalten/ daß dem ernstlichen Koͤniglichen Befehl ge- lebet wuͤrde/ damit er nicht Gewalt brauchen duͤrfte/ wie ihm solches auff den unverhoffe- ten Fall gebohten waͤhre; welche Bedraͤuung dann so viel gewirket/ daß sie beyde naͤhern Kauffs gegeben/ aber mit Troz geantwortet haͤtten/ er solte seinen Frevel sparen/ und an- wenden/ da er geachtet wuͤrde; sie wolten in wenig Tagen folgen/ und vernehmen/ wz man mit ihnen zuhandeln haͤtte; weil aber der Koͤnigliche Befehl ein anders mit sich gebracht/ haͤtte er/ Neklam/ zehn Teutsche Reuter hinein geruffen/ und ihnen beyden frey gestellet/ ob sie zur Stund und willig mitreiten/ oder aber gebunden sich fortschleppen lassen wolten; wodurch sie eingetrieben/ sich zu Pferde gesetzet/ und mit fortgeritten waͤhren/ aber auf deꝛ Reise immerhin in murrender Widersezligkeit verharret/ haͤtten alle Reisende auffhaltẽ/ und nach neuen Zeitungen fragen wollen/ auch/ wie man gemerket/ etliche mahl Gelegen- heit gesuchet/ auszureissen/ daß man sie als einen Aug Apfel verwahren muͤssen. Er haͤtte auch der Verspottung ja so wenig als Grozemisla koͤnnen entfreyet seyn/ indem ihn Ni- nisla mit seinem neugebackenen Adel auffgezogen/ welches auff Begebenheit zuraͤchen/ er ihm vorbehalten wolte. Ninisla fiel hart auffs leugnen; es waͤhre alles ertichtet/ und koͤn- te nicht anders waͤhnen/ als daß seine Wiederwaͤrtigen/ die am Hofe hoch dran waͤhren/ diese beyden mutwilligen Verleumder (welche die Luͤgen ohn eine Schreibtaffel im Kopfe behalten koͤnten) nicht allein angestifftet/ sondern auch ausgeschikt haͤtten/ ihn in Ungluͤk zubringen/ da sie doch vielmehr wegen seines erlittenen Feurschadens/ Mitleiden mit ihm tragen solten. Aber Koͤnig Ladisla gab zur Antwort/ er waͤhre ganz unrecht daran; dann bloß allein durch sein Geheiß waͤhre er so ernstlich nach Hofe gefodert/ weil man allerhand mit ihm und seinem Sohn zureden haͤtte/ da er sie anfangs fragen wolte/ aus was ursachẽ sie im neulichsten Kriege keinen einzigen Lehn Reuter geschikt/ noch mit ihrer Hand dem Vater- Achtes Buch. Vaterlande Beystand geleistet/ ja wegen des aussebleibens sich nicht eins entschuldiget haͤtten; Hernach/ warumb sie auff den angesezten Tag der Kroͤnung/ darauff sie geladen waͤhren/ sich nicht eingestellet/ noch ihres aussenbleibens einige Enschuldigung eingeschic- ket. Der Alte gab verwaͤgen gnug zur Antwort: Er waͤhre durch Brand und Raub in kundbahre Armuht gerahten/ daß er keinen Reuter ausruͤsten koͤnnen/ haͤtte auch Leibes- schwacheit wegen das Vermoͤgen nicht gehabt/ sich zu Pferde zubehelffen/ und waͤhre sein Sohn etliche Zeit verreiset gewesen/ und daher wol zuentschuldigen. Seine eigene Ent- schuldigung haͤtte er nach Hofe geschikt/ und weil sein Diener/ welcher nicht wieder kom- men/ auff der Reise müste erschlagen/ oder ausgerissen seyn/ waͤhre hierin die Gebuͤhr auch geleistet. Bey der Kroͤnung zuerscheinen/ haͤtte ihn der Kleider- und Geldmangel gehin- dert/ daß er nach seinem Stande sich nicht ausruͤsten koͤnnen. Ladisla fragete Neklam/ wie ers auff seinem Schlosse befunden haͤtte; welcher antwortete: Alles vol auff/ ein neuge- bauetes praͤchtiges Schloß/ eine grosse Menge Reit- und Wagenpferde; einen Saal mit statlichen Kleidern umhaͤnget/ und bey dem Spiel haͤtte ein jeder uͤber 3000 Kronen vor sich liegen gehabt. Ninisla baht/ der Koͤnig moͤchte den ertichteten Luͤgen nicht Glauben beymaͤssen/ weil sichs in der Taht viel anders verhielte. Welcher zur Antwort gab: Wir wollen diese Frage biß auff bessere Mueß aussetzen; nur kan ich nicht umhin/ euch beyden/ Vater und Sohn vorzuhalten/ daß man mich berichten wil/ ob traget ihr nicht allein gute Wissenschafft umb den erbaͤrmlichen Tod und Mord meines Hochseel. Herrn Vaters/ eures frommen Koͤniges/ sondern kennet auch die Taͤhter gar wol; da nun dem also/ muͤste mir sehr verdaͤchtig vorkommen/ daß ihr davon meiner Fr. Mutter nicht die allergering- ste Anzeige getahn habt; welches/ wie ihrs gedenket zuentschuldigen/ ich gerne vernehmen wil. Sie erblasseten beyde uͤber dieser Frage/ deren sie sich schon anfangs fuͤrchteten/ stelle- ten sich sehr traurig/ und bahten untertaͤhnigst/ man moͤchte sie des ungleichen Verdachts gnaͤdigst erlassen/ und ihnen den oder die boßhafften Verleumder kund tuhn/ gegen welche sie ihren Fuß setzen/ und auff alle gebuͤhrliche Mittel und Weise ihre Unschuld hand haben und vertaͤhtigen wolten; sie waͤhren des freyen Reichs Adels/ und haͤtten ihrem Koͤnige den Getraͤu aͤid abgeleget/ welchen zubrechen/ und ihren uhralten Ritterstand zuschaͤnden/ sie bißher noch nie gemeynet gewesen. Ladisla fing schon an/ vor Zorn auffzusch wellen; wel- ches Herkules ersehend/ ihnen an dessen stat zur Antwort gab: Es waͤhre sehr gut/ wann sie dieser Bezichtigung allerdinge unschuldig waͤhren/ wolte auch nicht hoffen/ daß sie dessen koͤnten uͤberbracht werden; solten sie aber in ihrem Gewissen ein anders befinden/ waͤhre noch Zeit/ umb Gnade und Vergebung zubitten/ sonst da sie so hart auffs Recht druͤngen/ und vielleicht dereins uͤberzeuget wuͤrden/ duͤrffte hernach die Gnaden Tuͤhr ihnen gar ver- sperret werden. Diese boßhafften Buben aber stelleten sich sehr freudig/ und sagte Ninis- la: die Unschuld beduͤrffte keiner Gnade/ so wenig Verraͤhterey ungestrafft hingehen koͤn- te; und weil ihr Gewissen sie loß spraͤche/ wolten sie nichts als das allergestraͤngeste Recht begehren/ nur baͤhten sie ihren Koͤnig untertaͤhnigst/ er wolte den unbillichen Verleum- dern die Ohren nicht leihen; waͤhre aber einer oder ander/ welcher sie dieser Untaht beschul- digen duͤrffte/ wolten sie anhalten/ daß derselbe hervor treten moͤchte/ damit ihm gebuͤhrlich koͤnte geantwortet werden. Ist dieses eure auffrichtige Meynung/ sagte Herkules/ so darff u u u u u ij es Achtes Buch. es nicht viel zankens; solte aber euer Herz euch des widrigen anklagen/ daß ihr etwan aus Rachgier oder Feindschafft/ oder unbillicher Begierde euren alten frommẽ Koͤnig hinter- gangen/ und euch an ihm vergriffen haͤttet/ moͤchte ich zu eurem besten wuͤnschen/ ihr hiel- tet umb Vergebung an; dann der gerechte Gott laͤsset keine verdeckete Boßheit ungestraf- fet/ ob gleich anfangs die Ubeltaͤhter vermeynen in Sicherheit zuseyn. Hier fing Ninisla an/ sich unnuͤtze zumachen; er wuͤste nicht/ mit wes Standes Herren er redete/ nur daß er muhtmassete/ es geschaͤhe mit einem jungen Fuͤrsten/ weil er seinem Koͤnige allernaͤhest saͤs- se/ und vor demselben das Wort taͤhte. Dafern ihn aber ein ander nidriges Standes des- sen zeihen wuͤrde/ wolte er ihm der Gebuͤhr antworten/ und koͤnte anders nicht urteilen/ als ob man einen Unschuldigen in guͤte bereden wolte/ sich einer Missetaht/ vielleicht einem an- dern zugefallen/ schuldig zugeben/ wovor er lieber zehnmahl sterben wolte; wie er auch/ wañ er schuldig erfunden wuͤrde/ den allergrausamesten Tod ohn Anruffung einiger Barmheꝛ- zigkeit uͤber sich nehmen wolte. Wolan/ sagte Koͤnig Ladisla/ euer Frevel ist groß/ und der Troz verwaͤgen/ darumb sey hiemit der straͤngen Gerechtigkeit alles uͤbergeben/ und die Gnaden-Tuͤhr gaͤnzlich verriegelt. Hieß sie darauff abtreten/ und eines Bescheides er- warten. Sein Herr Vater/ welcher im Neben-Gemache alles gehoͤret hatte/ setzete sich o- ben an/ naͤhest bey Koͤnig Hilderich/ und wurden die Taͤhter wieder hinein geruffen/ welche mit gar verwirretem Gemuͤht sich darstelleten/ so daß sie des alten Koͤniges auff dem Koͤ- niglichen Stuel nicht eins gewahr wurden/ dann sie sahen sich nach der Seite umb/ was vor Gezeugen sich wider sie wolten finden lassen; biß Koͤnig Notesterich sie mit gewoͤhnli- cher Sanfftmuht also anredete: Lieber sage mir doch/ Ninisla/ was habe ich dir jemahls zuwider getahn/ daß du mich drey ganze Viertel Jahr mit dem Brodte der unaussprechli- chen Angst gespeiset/ und mit dem Wasser der unerhoͤrten Truͤbsaal getraͤnket hast/ dessen dieser mein krummer Ruͤcken/ weil ich lebe/ mir wol stete Erinnerung tuhn wird? Als die- se Verraͤhter den alten Koͤnig reden hoͤreten/ und sein Angesicht eigentlich kenneten/ er- starreten sie anfangs vor grossem entsetzen/ daß sie weder reden noch sich bewaͤgen kunten/ erhohleten sich aber/ zuͤcketen ihre Brodmesser/ und wolten sich damit selbst entleiben; abeꝛ die umstehende Auffwarter/ welche scharffen Befehl hatten/ ihnen wol auff die Haͤnde zu sehen/ wurden dessen zeitig inne/ und fielen ihnen in die Arme/ daß ihrer drey druͤber ver- wundet wurden/ fesselten ihnen darauff die Haͤnde/ und fragete sie Herkules/ ob sie nun- mehr Gottes Rache schier sehen koͤnten/ und was vor Entschuldigung ihre erzeigete Ver- maͤssenheit fuͤhrete. Da Ninisla zur Antwort gab: Er koͤnte nicht außsinnen/ was vor Un- gluͤk diesen Alten wieder aus dem Grabe hervor geruffen haͤtte/ dahin man ihn schon vor- laͤngst geleget/ und er von rechtswegen schon halb solte vermodert seyn; merkete aber wol/ daß das unbilliche Verhaͤngniß keine getraͤue Vorsteher des Vaterlandes leiden wolte/ und welche bemuͤhet waͤhren/ den Untertahnen die angebohrne Freyheit zuwege zubringẽ; daher er sich dann willig in den Tod geben wolte/ und da er gesuͤndiget haͤtte/ welches doch nicht boͤser Meinung geschehen/ waͤhre er bereit/ mit dem Halse zubezahlen. Sein Sohn Urisla schweig stokstille/ stund und sahe Koͤnigin Valisken mit starren unverwendeten Au- gen an; welches sein Vater merkend/ zu ihm sagete: Lieber Sohn/ das anschauen ist nun- mehr zuspaͤht und vergeblich/ weil wir sie auff unserm Schlosse nicht haben sehen moͤgen. Es Achtes Buch. Es ist gut/ sagete Koͤnig Notesterich/ daß du die Beichte so fruͤh und ohn Folterung anfaͤ- hest/ damit du desto leichter vor einen Erz Verraͤhter/ und ich vor den ungezweifelten Koͤ- nig Notesterich erkennet werde. Ladisla eiferte sich uͤber des Buben getahne Spotrede/ dz er schier nicht bey sich selber wahr/ und mehrete ihm den Zorn nicht umb ein geringes/ als er den gottlosen Buben auff diese seines Herrn Vaters Rede also antworten hoͤrete: Wolte Gluͤk/ daß ich ehe wissen moͤgen/ daß man an Notesterichs warhaffter Gegenwart gezweifelt/ muͤsten wir beyde uns noch lange daruͤber zanken/ ob du derselbe/ oder ein Be- trieger waͤhrest; daß du mir aber die Folter draͤuest/ da ich ein Hochaͤdler Herr bin/ ist mir der allergroͤste Schimpff; fing hierauff an/ so wol Ladisla uñ Valisken als den Vater selbst zuschaͤnden/ in Meynung/ sie zureitzen/ daß er aus Zorn alsbald getoͤdtet wuͤrde. Aber nie- mand kehrete sich daran/ ohn Gallus gedauchte die Stimme zukennen/ trat zu ihm/ und nach genauer Besichtigung sagete er: Wie nun Bruder Victor/ treffen wir uns alhie so unvermuhtlich und in solchem Stande? Dieser kennete ihn bald/ und gab zur Antwort: Hat dich dann der Teuffel auch noch zu dieser unseligen Stunde hergefuͤhret/ daß du mein Ungluͤk vermehren must? Hilff Gott! sagete Gallus/ sich gegen Koͤnigin Valisken wen- dend/ wie schicket es die himlische Versehung/ daß der Uhrstiffter Ihrer Hocheit ehemali- gen Gefaͤngniß in dem unseligen Flecken vor Padua/ alhie auff diesem Schlosse muß ge- fesselt/ und wegen seines Verbrechens abgestraffet werden. Ihr werdet euch irren/ ant- wortete die Koͤnigin/ massen dieser ein Boͤhmischer Landsasse ist/ und Zeit meiner Reise nach Padua auff seinem Schlosse sich finden ließ. Ich versichere eure Hocheit/ sagte Gal- lus/ daß er der eigentliche Uhrheber solches Ungluͤks ist/ wie er schon gnugsam gestanden hat/ und meine Kundschafft nicht leugnen kan. Wolan/ sagte die Koͤnigin/ so gehet mit hin/ und bey der Folterung befraget ihn auch dieses Stuͤckes wegen auffs allergenaueste und schaͤrffeste/ daß ich recht hinter meine Verfolger komme/ vielleicht ist er eben derselbe/ welcher mich aus Angst in die Moldau hat springen machen. Ja ihr Wunderschoͤne/ ant- wortete der Bube/ waͤhre ich selbst dabey gewesen/ und haͤtte meinen Leuten es nicht allein vertrauet/ wolte ich sie von der Moldau weit gnug abgefuͤhret/ und allen meinen Begier- den ein glükliches Ende gemacht haben. Je bistu doch unser aller Teuffel gewesen/ sagte sie/ wolte weiter nicht mit ihm reden/ und befahl/ mit ihm hinweg zueilen. Koͤnig Notesterich hielt nunmehr Zeit seyn/ sein ausgestandenes Elend zuerzaͤhlen/ damit aus der uͤbereinstimmung mit der peinlichen Bekaͤntnis alles desto gewisser darge- legt würde; ließ alle anwesende Landstaͤnde in grosser anzahl auf den Saal fodern/ und hielt diese Rede zu ihnen: Großmaͤchtige Koͤnige und Koͤniginnen/ Durchleuchtige Fürsten/ Fuͤrstinnen und Fraͤulein; Hoch und Wolgebohrne/ auch aͤdle/ Grafen/ Ritter/ Herren und Frauen/ saͤmtliche gegenwaͤrtige Freunde und Freundinnen/ teils herzgeliebete Kin- der und Anverwanten/ teils gehorsame Untertahnen und fonst liebe Getraͤue. Wann des Himmels sonderliche guͤtigkeit mir nicht Schuz gehalten/ und in meiner Gefaͤngnis und schweren Dienstbarkeit sich meiner gnaͤdig haͤtte angenommen/ waͤhre kein Wunder/ daß ich schon tausendmahl verzweifelt/ und mir selbst gewaltsame Hand angelegt haͤtte. Ich kan nicht ersinnen/ warumb die Goͤtter mir eben/ groͤsser Elend auflegen wollen/ als nie kei- nem Koͤnige vor mir geschehen ist/ nach dem ich ja der groben Laster mich nicht habe teilhaf- u u u u u iij tig Achtes Buch. tig gemacht/ noch gegen meine Untertahnen mich grausam und unbarmherzig erzeiget. Wie dann etliche von meinen Lands Raͤhten/ hier anwesend/ mir werden Zeugnis geben/ daß jener wolergehen ich uͤber mein eigenes gesuchet habe. Die schweren Schatzungen uñ Frohndienste habe ich nicht vermehret/ sondern gemindeꝛt/ und mich wol nie keinmahl uͤbeꝛ ichtwas so geeifert/ als da ein Schmeichler einsmahls sagen durfte: Die Untertahnen blie- ben dannoch Untertahnen/ wañ sie gleich ihrem Herrn alles hergeben muͤsten. Doch mus ich nicht zweifeln/ es mũssen die Goͤtter freylich etwas an mir wissen/ daß so harter Zuͤchti- gung wert sey/ dann wer wolte dieselben vor ungerecht schelten? Aber diese hoͤchstansehnli- che Versamlung nicht übergebuͤhr auffzuhalten/ mus ich meiner Erzaͤhlung den Anfang machen. Es wird annoch vielen von den meinen unvergessen seyn/ was gestalt ich vor drey Jahren und sechs Wochen mit wenigen Dienern etliche Meilen auff die leidige Jagd ge- ritten (meine Fr. Tochter wird sich erinnern/ was kurz vorher sie mir aus eines Pfaffen Munde vor eine Warnung erteilet) als der Verraͤhter Ninisla mir bey seinem Sohn zu- entboht/ es liessen sich etliche sehr grosse Uhrochsen in seinem Gehoͤlze spuͤren/ und weil ich ein Geboht (O des leidigen Gebohts!) ergehen lassen/ daß kein Mensch ohn mein Vorbe- wust und einwilligung selbigen nachstellen oder leid anfuͤgen solte/ haͤtte er mir deren An- wesenheit untertaͤhnigst verstendigen wollen/ ob mir gnaͤdigst gefallen moͤchte/ durch der- selben fahung mich zuerlustigen; und erinnere ich mich sehr wohl/ daß mein geliebtes Ge- mahl mich zwar wegen eines gehabten Traumes davon abriet/ welches ich aber leider in den Wind schlug/ und solche Verachtung rechtschaffen büssen muͤssen. Ich wahr behende auff/ das Wild zuerhaschen/ da der Lecker Urisla mich und meine Diener einen wunderlich- verwirreten Weg fuͤhrete/ biß wir von acht Gewapneten uns umgeben sahen/ die auff uns zudrungen/ meine vier Diener vor meinen Augen nidersaͤbelten/ und mich gefangen hin auff Ninisla Schloß fuͤhreten/ woselbst ich wilkommen geheissen/ und zur Mahlzeit gefüh- ret ward; ich aber mich erklaͤrete/ keinen Bissen anzuruͤhren/ biß ich zuvor wüste/ ob ich ver- rahten/ oder unter Freunden waͤhre. Ninisla antwortete mir gar trotzig; ich waͤhre in gu- ter Sicherheit und Ruhe/ wolte auch nach geendeter Mahlzeit mir alles Verlaufs gnug- same Rechenschaft geben/ daß ich verhoffentlich wol zufriede seyn wuͤrde. Ich dagegen wendete ein/ der Moͤrderische uͤberfal/ und daß meine Diener straks Angesichts erschlagen/ ich aber gefaͤnglich angenommen waͤhte/ koͤnte mich keiner Sicherheit bereden/ wũste viel- weniger/ wie sich eine solche Taht verantworten liesse; welches er aber mit einem hoͤhni- schen Gelaͤchter beantwortete: Der Verlust vier Diener waͤhre sehr geringe bey einem Koͤ- nige/ und koͤnte mit leichter Mūhe eingebracht werden; mich betreffend/ waͤhre ich kein Ge- fangener/ sondern ein gebietender Koͤnig/ es waͤhre dann/ daß ich mich selbst darzu machen wolte. Da schlage Ungluͤk zu/ sagete ich; Heisset daß ein gebietender Koͤnig/ der/ wie ich verstehe/ nach eines andern Pfeiffe tanzen sol? wegerte mich auch/ Speise zu nehmen/ biß er mit etwas pochen mich ermahnete/ ihm seine Wirtschaft nicht zu schmaͤhen; dann ob er gleich kein Koͤnig/ so waͤhre er doch Herr und Gebieter auff dem seinen. Ich muste mich bequemen/ und aß/ wiewol mit schlechter Begierde; aber die Gesundheiten muste ich so viel staͤrker bescheid tuhn/ da meiner Frl. Tochter/ die erste; seines Sohns Urisla die andere; meine die dritte; und Ninisla (welche der Sohn anfing) die vierde wahr. Ich begunte schon Achtes Buch. schon zu merken/ wohin dieses Beginnen zielete/ wiewol ich nicht desgleichen taht/ sondern als ein Unachtsamer mich stellete/ biß Ninisla mich fragen durfte/ wessen ich wegen meines Koͤnigreichs gesinnet waͤhre/ nachdem mein Sohn/ welcher ohndas zur Beherschung un- düchtig gewesen/ erschlagen waͤhre/ dessen er gute und gewisse nachrichtung haͤtte/ und nur eine Spil Erbin Frl. Valiska uͤbrig/ die nunmehr Mannes-duͤchtig wuͤrde/ und mit einem wirdigen Gemahl/ auch auf den Fal/ kuͤnftigen Koͤnige muͤste versehen werden. Mein Sohn Ladisla/ antwortete ich/ welchen die Goͤtter mit Koͤniglichen Tugenden zur gnuͤge versehen/ wird sich bald wieder einstellen/ von dem ich vor wenig Wochen Schreiben erhalten; und wann er gleich dahin waͤhre/ muͤste das Koͤnigreich nicht desto weniger nach meinem Tode ein Haͤupt haben/ wuͤrde auch meine Tochter den Landstaͤnden wieder ihren Willen nicht auffdringen/ deren vielleicht schon in der Fremde ein wirdiges Gemahl versehen waͤhre. Daß waͤhre zubeklagen/ gab der Bube zur Antwort/ daß ein eingebohrnes Fraͤulein des Landes muͤssig gehen/ oder ein Auslaͤndischer über die freien Boͤhmen die Beherschung nehmen solte. O nein! die Staͤnde leiden solches nicht/ und mus freilich das Fraͤulein ei- nem des vornehmsten Boͤmischen Adels verheirahtet werden/ wo sonst Unruhe und des Reichs gaͤnzliche Verwuͤstung sol vermieden bleiben. Weil ich dann ohn Ruhm zu mel- den/ der gewaltigste Landsasse dieses Koͤnigreichs bin/ und mein Sohn Urisla zur Kron scheinet gebohren seyn/ wie ihm ja alles Koͤniglich anstehet/ so wird Koͤnig Notesterich sich gefallen lassen/ daß wir zwischen dem Fraͤulein und ihm eine gluͤkliche Heiraht schliessen/ und der wirdigen Kindes Kinder mit froͤligkeit erwarten. Ein solches/ sagte ich/ wird von uns solcher gestalt nicht koͤnnen/ als auff der Jagd/ verrichtet werden/ weil uns der Land- staͤnde Wille und Meynung unwissend ist; werden demnach gemach fahren/ und der Zeit erwarten/ daß uns die Eile nicht schier heut oder Morgen gereue. Solches nun wahr ihm eine unangenehme Antwort/ fassete den Becher und sagete: Er soͤffe den Tod daraus/ wo- fern diese Heiraht vor meinem Abzuge nicht solte und muͤste volzogen/ und das heimliche Beilager auff diesem Schlosse gehalten werden; muͤste mich demnach kurz bedenken/ und vernehmen lassen/ wessen ich gesinnet waͤhre. Er taht mir überdas den Vorschlag/ daß ich mit eigener Hand und untergedruktem Pitschaft an mein Gemahl und Tochter schriebe/ daß sie mit dem Kanzler Bretisla/ Herrn Pribisla und Krokus/ ohn alle andere Geselschaft heruͤber kaͤhmen/ weil sehr geheime Sachen zuberahtschlagen vorfielen. Aber zu meinem Gluͤk hatte ich bald anfangs bey dem moͤrdlichen Anfal meinen Daumen Ring in eine Hec- ke geworffen/ dz er zu meinem Schaden nicht mißbrauchet wuͤrde; uñ kunte ich diß schaͤnd- liche anmuhten ohn Zorn nicht beantworten/ wiewol mirs vielleicht so gar schaͤdlich nicht haͤtte seyn moͤgen/ nachdem ich Zeit gehabt/ es bey mir besser uͤberzulegen; dißmahl aber verwies ich ihm seinen Frevel ernstlich/ er solte wol bedenken/ was er anfinge/ uñ sich durch Ehrsucht nicht zu hoch aufftreiben lassen; er koͤnte leicht erachten/ was voꝛ einen Ausschlag solche unbesonnenheit gewinnen duͤrfte/ wiewol ich ihm aͤid- und Koͤniglich versprechen uñ halten wolte/ alles bißher ergangene/ ihm als ungeschehen/ gaͤnzlich zuverzeihen/ dafern er in sich gehen/ sein Vorhaben endern/ und mich in Sicherheit nach Prag zihen lassen wuͤr- de. Welcher Anmuhtung er vor Eifer zu bersten meinete/ sprang von dem Tische auff/ und schwur bey allen himlisch- und hellischen Goͤttern/ ich müste ihm hierin zu willen seyn/ und den Achtes Buch. den Vorschlag mir gefallen lassen/ oder dessen erwarten/ was mir und ihm unangenehm seyn wuͤrde; der Wurf waͤhre geschehen/ und das Spiel gewaget/ es muͤste gewonnen oder verlohren seyn/ nachdem es durchaus nicht koͤnte auffgeruffen werden; der Gewin wuͤrde uns allerseits ergetzen und befriedigen/ der Verlust aber/ mich oder ihn/ oder alle beyde in dz aͤusserste Verderben stuͤrzen. Bald darauff/ wie ich gar nichts antwortete/ sondern als gin- ge michs nicht an/ freimuͤhtig hinsaß/ fing er an gelinder zuverfahren: Ich moͤchte mich doch eines bessern bedenken/ und seinem Ansuchen stat geben; sein Sohn waͤhre nicht so sehr durch Begierde der Herschaft/ als Liebe gegen das schoͤnste Fraͤulein/ zu diesem Vor- nehmen gezwungen; er waͤhre ein einiger Sohn/ und haͤtte vor sich Guͤter gnug/ Herren- stand zuführen/ nur weil das Koͤnigreich dem Fraͤulein nohtwendig folgen muͤste/ wuͤrde beydes zugleich gesucht/ und was sonsten des suͤssen pfeiffens mehr wahr. Ich gedachte/ es waͤhre nunmehꝛ Zeit/ meine Ernsthaftigkeit recht sehen zu lassen/ stellete ihn zu rede/ fragend/ ob etwa er und sein Sohn ihren Wiz gefressen/ und durch garzuheftige Begierde nach lautern unmoͤgligkeiten/ an ihrem verstande gar verblendet waͤhren; alles ihr tichten und trachten in dieser Sache/ waͤhre vergebens und umsonst/ wie bund sie es auch karten und kehren wuͤrden/ solten demnach diese nichtige Einbildung bald ablegen/ und die angebohte- ne Gnadenzeit nicht vorbey gehen lassen/ auffdaß ihnen die Reue nicht zu spaͤt kaͤhme; es waͤhre ja von einem Knaben zuerkennen/ das ihr Vornehmen nohtwendig zum aͤrgesten ausschlagen muͤste/ welches ihnen leicht vor Augen stehen koͤnte/ wann sie es nur wolten zu Herzen fassen. Aber diese Warnung kunte der Vater nicht verdaͤuen/ sondern draͤuete miꝛ/ mit blossem Gewehr/ das begehrete Schreiben alsbald zuverfertigen/ oder eines schnoͤden Todes zugewarten. Welches ich ihm also beantwortete: Es moͤchte nach der Goͤtter ver- sehung ergehen/ so schriebe ich doch einen solchen Brieff nicht/ und wuͤrde er viel kluͤglicher handeln/ wann er durch andere mittel solches an mich begehrete; ich waͤhre bißher nicht gewohnet/ mich durch Draͤuung oder den Todschreckẽ zulassen/ waͤhre auch wol versicheꝛt/ daß mein Gemahl und Frl. Tochter auff ein blosses Schreiben ohn starke Kriegsbeglei- tung nicht kom̃en wuͤrden/ da nicht einer von meinen mit ausgenom̃enen Dienern ihnen solches mündlich anbraͤchte/ und sie aller Gefahr/ die man sich einbilden koͤnte/ benehmen würde; zugeschweigen/ mein Kanzler Bretisla/ wie ihm wol bewust/ ein verstaͤndiger be- dachsamer Mañ waͤhre/ uñ in solche Reise nim̃ermehr gehehlen wuͤrde; daß er also/ ob ich gleich schriebe/ seinẽ Zweg nit erreichen koͤnte; waͤhre demnach añoch mein getraͤuer Raht/ daß er die angebohtene Gnade erkeñete/ und nicht in verderbliche Gefahr sich stuͤrzete/ wel- che ihm lauter schaden und keinen Vortel bringen koͤnte. Aber dieses alles wahr den Taubẽ geprediget; das Fraͤulein solte und muͤste daselbst sich einstellen/ und seinem Sohn beyge- legt werden; wuͤrde ich mich dann weiter sperren/ solte ich mein Ungemach zu spaͤt be- reuen. Ey so habe ich nur einen Hals/ antwortete ich/ welchen du meinaͤidiger mir nit ohn Straffe brechen wirst/ wo sonsten noch Gerechtigkeit bey den Goͤttern zufinden ist. So ha- be ich und mein Sohn jeder auch nur einen/ sagte Ninisla/ aber so liderlich wollen wir ihn nicht in die Schanze setzen/ sondern zuvor alles versuchen/ was uns moͤglich und dienlich seyn kan/ das liebe Fraͤulein zuerhaschen/ und sie auff dieses Schloß zubringen; wirst dann du (also beschimpffete er mich) und auch sie/ in diese begehrete Heyraht nicht einwilligen/ alsdan Achtes Buch. alsdann wollen wir sie vor deinen Augen mißbrauchen/ und nach etlicher Zeit sie unsern Leibeigenen zum Muhtwillen uͤbergeben; dann wirstu graͤulicher Bluthund zu spaͤte be- reuen und beklagen/ daß du zu dieser Schande Ursach und Anlaß gegeben hast. Die Goͤtter werden dieses dein schaͤndliches Voꝛhaben schon zuhindern wissen/ sagte ich; daß du mich aber vor einen Bluthund schiltest/ redestu deinen Muhtwillen/ weil kein Mensch mich biß- her einiger Grausamkeit mit Fuge beschuldigen kan/ muͤste aber in diese Zunft gerahten/ wann ich in dein gotloses Vorhaben würde einwilligen. Als ich mich solcher Gestalt ver- antwortete/ fragete er mich zum Beschluß/ ob dieses mein bestaͤndiger Vorsaz waͤhre/ uñ ich mich keines andern erklaͤren wolte; und auff meine freymuͤhtige Bejahung foderte er zween Leibeigene in die Stube/ mich zuentkleiden/ und mein zuspotten; welche/ anff mei- ne Frage/ ob sie an ihrem Koͤnige sich vergreiffen wolten/ sich dessen mit Ehrerbietigkeit enthielten. Dieses verdroß ihrẽ Herrn so hefftig/ daß er sie alsbald niderhieb/ und zween andere herzurieff/ die durch der vorigen Straffe gewahrschauet/ seinem Befehl nachkah- men/ mich entkleideten/ hin und herstiessen/ und meines Mutter-nacketen Leibes spotteten/ hernach mit einem knechtischen Kittel mich bekleideten/ und in ein enges Gewoͤlbe einsper- reten/ in welchem ich weder auffrecht stehen/ noch außgestrekt liegen kunte/ dann es wahr nur vier und einer halben Spannen hoch und lang. Ich bedingete mich von solcher Ge- waltsamkeit auffs beste/ und wuͤnschete ihm aller Goͤtter Zorn und Rache; welches er nur verachtete/ einwendend/ er waͤhre Gott auff seinem Schlosse/ in dessen Straffe ich gefallen waͤhre/ und nicht loß kommen wuͤrde/ biß das Fraͤulein mit meinem guten Willen sich heꝛ- zufuͤgete/ und die Heyraht einginge. Damit ward mein Gefaͤngnis verschlossen/ und hoͤre- te ich in 24 Stunden keinen einigen Menschen/ nach deren Verlauff ein Leibdiener die Tuͤhr oͤffnete/ vorgebend/ sein Herr liesse mich fragen/ ob ich der engen Herberge nicht schiet uͤberdruͤssig waͤhre; welcher Schimpff mich herzlich schmerzete/ durffte ihn doch nicht be- antworten/ sondern baht den Diener/ daß er mich außliesse/ biß ich meines Leibes Notturft abgelegt haͤtte; bekam aber zur Antwort; ich haͤtte raum gnug es in meinem Gemache zu- verrichten. Also ward mir ein wenig grob Brod/ und truͤbe Wasser zwischen die Beine ge- setzet/ welches meine Mahlzeit seyn solte. Ich begehrete/ daß sein Herr auff ein Wort zu mir kommen moͤchte/ welcher sich bald einstellete/ und mit Ungestuͤm mich fragete/ was mein Begehren waͤhre; da ich zur Antwort gab; wann er nicht bedacht waͤhre mich loß zulassen/ moͤchte er michauff ein raumes Gemach versperren/ da ich mich auffrichten/ außstrecken/ und bewaͤgen koͤnte. Aber er antwortete; dafern mit dergleichen Anmuhtungen ich ihn feꝛ- ner bemuͤhen wuͤrde/ solten mir Peitschen und Ruhten mitgeteilet werden; fing auch an/ sich auffs hoͤchste zuverfluchen/ ich solte weder des Tages Licht sehen/ noch aus diesem Lo- che kommen/ biß Frl Valiska in seinen Haͤnden waͤhre/ alsdann solte der Tod aus sonder- licher Gnade die Endschafft meiner Gefaͤngniß seyn/ weil ich bessere Gnadenzeit nit haͤtte erkennen wollen. Jedoch gab man mir ein kleines Gefaͤß zur Leibes Noturfft/ welches die Knechte allemahl mit Unwillen reinigten. Was ich nun dꝛeyviertel Jahr lang (die mir tau- send Jahr dauchten) in diesem elenden Gefaͤngniß erdulden muͤssen/ ist mir unmoͤglich auß- zusprechen. Ich nam mir offt vor/ mich durch Hunger zutoͤdten/ aber des Brods uñ Was- sers stete Gegenwart/ erweckete die Begierde zuessen und trinken/ daß ich mein Vorneh- x x x x x men Achtes Buch. men nicht volstrecken kunte. Ja wann die Knechte merketen/ daß ich meinen Anteil nicht verzehret hatte/ zwungen sie mich darzu/ und trieben jhr stetes Gespoͤtte mit mir. Eins- mahls erkuͤhnete ich mich/ den Diener durch statliche Verheissung zubereden/ daß er mir davon huͤlffe/ aber Ninisla stund mir unwissend hinter der Tuͤhr/ und draͤuete mir die aller- schaͤndlichste Unflaͤterey/ dafern ich mich noch einmahl unterstehen wuͤrde/ sein Gesinde zu- verfuͤhren. Ich kunte nichts anders/ als ihm Gottes schwere Hand zur Straffe wuͤnschen; woran er sich durchaus nit kehrete/ sondern mich zutroͤsten pflag/ ich solte meine Frl. Toch- ter gar bald zusehen bekom̃en/ und als dann außgelassen werden/ auch mit Augen anschau- en/ wie geschikt sie solte gemacht werden/ einen Mann zulieben/ ungeachtet sie noch zur Zeit lieber mit Geschoß und Pferden umginge. Nach Verlauff sechs Wochen/ hatte mich das Unzieffer/ welches aus meinem Leibe wuchs/ fast durch und durch wund gefressen/ welches ich einem Leibeigenen klagete/ der mich mit den Fuͤssen zur Tuͤhr hinaus legete (dann mit dem Haͤupte durffte ich aus dem stokfinstern Loche nicht hervor kucken/ des Tages Licht zu- sehen) zog mir die Kleider abe/ und schmierete mich an allen Gliedmassen mit einer stin- kenden Salbe/ wovon ich nicht allein geheilet ward/ sondern es weich auch alles Unzieffer hinweg von mir/ daß ich nach der Zeit keines mehr spuͤrete/ welches mir ja noch eine Linde- rung de r stetswehrenden Pein gab. Wie offt erboht ich mich/ mein Koͤnigreich und alle meiner Bekanten und Freunde Landschafften zuverschwoͤren/ und an die abgelegenste oͤr- ter der Welt mich zubegeben/ daß kein Mensch ichtwas von mir erfahren solte/ dafern er mich nur aus Barmherzigkeit loß lassen wuͤrde; aber alles wahr vergebens/ und bekam ich stets diese Antwort: Ob ich annoch im Leben vermeinete zu seyn/ und weite Reisen uͤber mich zunehmen? haͤtte man mich doch zu Prag schon Koͤniglich beg r aben/ daher müste ich an keine Freyheit mehr gedenken/ sondern in dieser Hoͤlle mich fein gedulden/ weil in der Gnadenzeit ich nicht haͤtte gluͤkselig leben wollen. Wann ich dann fragete/ aus was Ursa- chen er mich doch so lange peinigte/ und nicht alsbald toͤdtete/ da ich ihn die ganze Zeit mei- nes Lebens nie beleidiget haͤtte; sagete er; ich muͤste zuvor meine Tochter in Mannes Ar- men sehen und wie zie r lich er sich mit ihr begehen koͤnte. Ich erboht mich/ ihm oder seinem Sohn meine Tochter gerne zugeben; aber er wendete ein/ es waͤhre nun zu lange gehar- ret/ und aus meinen Haͤnden; am ersten Abend/ am ersten Abend/ sagte er/ waͤhre es Zeit gewesen/ nun aber ist das Spiel verschen/ und muß das liebe Haͤsichen zum Wildbraͤt auf andere Weise gefangen werden. Als ich diesen seinen endlichen Willen vernam fing ich an/ ihn zu schaͤnden und schmaͤhen/ in Meinung/ ihn zuꝛeitzen/ daß er mich erschlagen solte/ abeꝛ er hatte nur seine Lust und Kurzweile dran/ nit anders/ ob haͤtte ich ihn vor einen Ehrwir- digen Herrn außgeruffen; wiewol ich dieses zu Lohn bekam/ daß man mir das grobe Brod mit abscheulicher Unflaͤterey beschmierete/ welches ich gezwungen verschlingen und auf- fressen muste; dann wañ ich michs zuessen wegerte/ draͤueten sie mir eine solche unmensch- liche Schande/ welche zumeiden/ ich in allem gerne gehorchete. Zeitwehrender solcher Er- zaͤhlung/ lieffen dem ganzen Frauenzimmer die haͤuffigen Traͤhnen aus den Augen/ biß dz Herz das Mitleiden nicht laͤnger unterdruͤcken kunte/ daher sie auff diese des Koͤniges lezt- geredete Worte ein so hefftiges weinen anfingen/ daß es unten im Platze gehoͤret ward/ uñ beteñete Valiska/ daß ihre ehmalige eigene Noht ihr nicht so sehr zu Herzen gangen/ noch mit Achtes Buch. mit diesem Jammer zuvergleichen waͤhre. Die alte Koͤnigin waͤhre schier von Traͤhnen zer- flossen/ und musten fast alle anwesende Mannes Bilder ihr im weinen Geselschafft leisten/ daß man auch an Koͤnig Mnata die Backen Traͤhnen rinnen sahe/ und einer den andern fragete/ mit was wirdiger Straffe ein solcher verzweifelter Erz Bube zu belegen waͤhre/ der an seinem heꝛschen den Koͤnige ein solches zubegehen sich nicht gescheuhet haͤtte. Das Frauenzimmer wuͤnschete/ der Koͤnig moͤchte seiner Erzaͤhlung die Endschafft geben/ da- mit sie in den Traͤhnen nicht gar ersticketen; er aber sobald sich das starke Geheule gestil- let hatte/ fuhr also fort; versichert euch/ meine liebe Anwesende/ daß ich gerne alle Tage zwanzigmahl den Tod erlitten haͤtte/ wann mir nur haͤtte moͤgen gegoͤnnet werden/ mich des Tages ein Stuͤndichen außzustrecken; ich muste stets sitzen/ und die Knie schier vorm Maule halten/ oder so gekruͤm̃et mich auff die Seite legen; bißweilen lag ich auff Knien und Haͤnden; bißweilen wand ich den Leib wunderlich und mit grossen Schmerzen/ nur dz ich die Beine außstrecken moͤchte/ welche mir anfingen krum zuwachsen/ weil die Sehna- dern sich kuͤrzeten/ und wahr mein hoͤchster Wunsch/ nur allein zuwissen/ wie lange ich die- sen unsaͤglichen Jammer noch treiben solte/ ehe die Seele aus der beschwerlichen Herber- ge des Leibes Abscheid nehmen wuͤrde. Noch rieff ich taͤglich alle Goͤtter an/ sie moͤchten gnaͤdig abwenden/ daß meine liebe Tochter/ die von dem Himmel selbst zu aller Tugend ge- zogen wuͤrde/ dem boßhafften Menschen nicht in die Haͤnde fiele; worin ich von den guͤti- gen Goͤtter ohn Zweiffel erhoͤret bin. Als ich nun dieses Elend die drey viertel Jahr durch in der engen Finsterniß gebauet hatte/ und die liebe Sonne mich wiedersehen wolte/ trug sich zu/ daß Ninisla mit seinem Sohn außgeritten wahr/ und eine starke Schaar Panno- nischer Raͤuber sein Schloß uͤberfielen/ welche alle Menschen/ groß und klein erschlugen/ die verschlossenen Tuͤhren und Kasten oͤffneten/ und allen Raub auff Wagen luden. Ich hoͤrete den Jam̃er und das Klagen der sterbenden/ auch dz die Pannonische Sprache uͤbeꝛ- al ging/ daß sie auch endlich mein Loch mit einer Axt auffschlugen/ der Meinung/ einen ver- borgenen Schaz daselbst anzutreffen. Sie funden mich bald/ und frageten/ wer ich waͤhre. Da gab ich zur Antwort: Ich waͤhre ein armer Mann/ Buͤrger-Standes/ und haͤtte der Herr dieses Schlosses mich vor drey viertel Jahr in diß Loch geworffen/ fint der Zeit ich keines Tages Licht gesehen/ mich auch nicht auffrichten oder außstrecken koͤnnen; baͤhte sie demnach um aller Goͤtter Willen/ sie moͤchten sich meines Elendes erbarmen/ und daß ich hieselbst nit gar verduͤrbe/ mich heraus und mit sich davon nehmen. Diesen Raͤubern/ wie grausam sie sonst wahren/ ging mein Elend zu Herzen/ weil ich meiner Traͤhnen nicht spa- rete/ und zogen mich bey den Fuͤssen hervor; aber da ich an die Lufft kam/ und meine Augen des Sonnen-scheins empfunden/ wuste ich nicht zubleiben/ kunte auch auff keinen Fuß tꝛe- ten/ noch auffrechts stehen/ sondern lag auff der Erden als ein sterbender; sie schleppeten mich aber hinaus/ und legeten mich auff einen Wagen/ da ich das Angesicht unterwaͤrz kehrete/ und meine Glieder fein gemach dehnete und lenkete/ auch durch die zugetahnen Finger/ die ich vor die Augen hielt/ des Tages Liecht gar ein wenig durchscheinen ließ/ da- mit ich nicht gar erblendete. So bald die Beute zusammen getragen und auffgeladen war/ zuͤndeten sie das Schloß an allen Ecken und Enden an/ daß es ohn zweifel in kurzer frist wird eingeaͤschert seyn/ wovon ich eigentlich nicht zusagen weiß/ weil die Raͤubeꝛ nicht lan- x x x x x ij ge Achtes Buch. ge seumeten/ und ich mich in der Lufft nicht umsehen kunte. Die erste Nacht hatten wir un- ser Lager in einem dicken Gestraͤuche/ daselbst speiseten sie/ und teileten mir reichlich mit/ zeigeten mir auch an/ ich muͤste mit ihnen/ und koͤnte vielleicht noch zur taͤglichen Hausar- beit wieder angewehnet werden; wogegen ich nicht das allergeringste sagen durffte/ und baht sie nur/ sie moͤchten mir erlaͤuben/ diese Nacht zwischen ihnen ein wenig umherzuge- hen/ daß meine erstarreten Glieder wieder gelenk wuͤrden; welches ich nicht allein erhielt/ sondern weil ein Wund Arzt bey ihnen wahr/ schmierete mich derselbe an den Gelenken uñ am Ruͤcken/ gab mir auch Oel/ damit ich mich am ganzen Leibe bestreichen muste/ welches mir grosse Huͤlffe taht/ so daß ich am dritten Tage etliche Stunden aneinander mit fort- hinken kunte/ welches mir die hoͤchste Freude wahr/ ob wol der Ruͤkgrad mir nicht wieder gerade werden wolte/ wie er dann wol biß an mein Ende mich der Gedaͤchtniß meines E- lendes erinnern wird. Ich scheuhete mich/ einiges Loͤsegeldes gegen sie zugedenken/ und ge- lebete der troͤstlichen Hoffnung/ wann ich bey einem Herrn in Dienst getreten waͤhre/ wol- te ich meine Freyheit desto besser zu werk richten/ ward aber heßlich betrogen/ weil durch ganz Pannonien bey Leib- und Lebensstraffe gebohten ward/ keinen Boͤhmischen Leibeigenẽ oder Gefangenen loßzugeben/ oder umbs Geld sich loͤsen zulassen/ wie dann gegenwaͤrtiger Koͤnig/ Herr Mnata bezeugen wird. Bey Teilung der Beute/ ward ich einem verwaͤgenẽ Menschen zugeloset/ der aus Spot fragete/ was er mit dem alten Kruͤppel vor Vogel fahẽ solte/ der nirgend besser/ als auff der Schindgrube laͤge; trat auch mit dem Worte zu mir ein/ und wolte mich mit einer schweren Hacke niderschlagen; aber der mich aus dem Loche gezogen hatte/ wehrete ihm/ und erlegete vor mich den dritten Teil einer Krone; So teur ward der Boͤhmische Koͤnig dazumahl geschaͤtzet/ und auff seinem eigenen Grund und Boden verkaufft. Ich bedankete mich gegen meinẽ Kaͤuffer hoͤchlich/ versprach alle moͤg- liche Arbeit gerne zuverrichten/ und mit gar geringer Speise vorlieb zunehmen. O mein herzgeliebeter Herr und Gemahl/ fing hieselbst die alte Koͤnigin an zuruffen; ich bitte durch Gott/ Eure Liebe wolle mein Herz nicht weiter mit Erzaͤhlung dieses gar zu grossen Jam- mers quaͤhlen/ sondern vielmehr gedenken/ daß der heutige Tag zur sonderlichen Ergetzung des Frauenzimmers bestimmet ist/ daß wir demnach ihn nicht gar mit heulen und weinen zum Ende bringen moͤgen/ und lasset uns vielmehr Gottes Barmherzigkeit danken/ durch welche Eure Liebe wunderlich errettet ist; solte aber noch etwas zuerzaͤhlen uͤbrig feyn/ kan solches auff bequemere Gelegenheit verschoben werden. Das saͤmtliche Frauenzim- mer halff mit bitten/ daher der Koͤnig seiner Rede die Endschafft gab/ weil er ohndas sahe und wuste/ daß kein einiger Mensch an seiner warhafftigen Gegenwart Zweifel trug. Die Gefangenen wurden in Leches/ Neda und Gallus beywesen/ jeder absonderlich sehr scharff befraget/ da der Sohn bald anfangs alles willig bekennete/ und umb einen gnaͤdigen Tod anhielt; der Vater aber gar hart gefoltert ward/ welches er bestaͤndig erlitte/ unter der Hof- nung/ hiedurch das Leben einzubuͤssen; als er aber die hefftige Pein laͤnger nicht erdulden kunte/ begehrete er Erlassung/ und daß er alles aussagen wolte; wie er solches auch umb- staͤndlich vorbrachte/ insonderheit/ daß er selbst gegen das wunder-schoͤne Fraͤulein sich hefftig verliebet befunden/ und ihr hin und wieder auff dem Gejaͤgde/ und wann sie ausge- ritten waͤhre/ nachgetrachtet haͤtte/ wiewol allemahl vergebens/ so dz er mit Haͤnden greif- fen Achtes Buch. fen moͤgen/ die Goͤtter waͤhren ihre Beschützer gewesen/ welches sich nie augenscheinlicher haͤtte sehen lassen/ als daseine Knechte sie schon in ihrer Gewalt gehabt/ und sie durch den starken Strohm schwimmend entrunnen waͤhre/ wenig Wochen hernach/ da sein Schloß verbrunnen/ und der Koͤnig gerettet worden; noch haͤtte er sich ihrer nicht begeben koͤnnẽ/ sondern waͤhre ihr auff der Reise nach Padua stets eine Viertelmeile gefolget/ haͤtte ge- meiniglich in einem Dorffe oder Flecken mit ihr und ihrer Geselschafft Herberge genom- men/ und die Raͤuber/ welche sie erstmahls geraubet/ angestraͤnget/ nicht nachzulassen/ biß sie ertappet waͤhre/ einwendend/ sie waͤhre ein junger aͤdler Herr und von grossen Mitteln/ der sich mit etlichen Tonnen Goldes loßkaͤuffen koͤnte/ welches sie unfehlbar zugewarten haͤtten. Ja als sie in der Raͤuber Haͤnden gewesen/ haͤtte er sich wollen zu ihr hin verfuͤgen/ umb zuversuchen/ ob er sie durch Auslobung grosser Gelder loͤsen/ und mit sich auff sein Schloß bringen koͤnte; aber die Raͤuber/ insonderheit Gallus/ mit dem er unter dem Nah- men Victor/ des Abends Bruͤderschafft gemacht/ waͤhren wegen des grossen Verlustes ihrer Voͤlker uͤber ihn unwillig worden/ daß er mit genauer Noht sein Leben davon gebracht haͤtte. Als der Koͤniglichen Geselschafft diese Uhrgicht vorgelesen ward/ erblassete Valis- ka vor Zorn/ und fing also an: O du grundguͤtiger Gott/ wie grosse Barmherzigkeit hastu mir er- zeiget/ indem du mich vor dieses boßhafften Menschen Frevel beschuͤtzet; Wie hohe Gnade hastu mir sehen lassen/ und noch in meiner blinden Heydnischen Unwissenheit/ daß ich nicht umb Ehr/ Leben und Seligkeit kommen bin; davor sage ich dir von Herzen Dank/ mein Schoͤpffer; davor preise ich dich inbruͤnstig mein Heyland. Hernach erzaͤhlete sie den ganzen Verlauff/ wie sichs mit ihrer Rettung/ da sie durch die Mulda geschwummen/ zugetragen haͤtte/ wie solches im Ersten Buche dieser Geschichte ausfuͤhrlich beschrieben ist. Die anwesende/ denen solches meh- renteils unbewust wahr/ verwunderten sich zum hoͤchsten über dieses boßhafften Menschẽ verwaͤgener blinder Kuͤhnheit/ welche ihm biß daher so wol gegluͤcket/ daß er nie verrahtẽ worden/ und begehreten zuwissen/ was er doch wegen des Koͤniges vor Gedanken gehabt/ als er sein abgebrantes Schloß angetroffen/ und keinen Menschen gefunden haͤtte; woruͤ- ber er befraget ward/ und ungezwungen bekennete: Er waͤhre in den festen Wahn gerahtẽ/ der Koͤnig wuͤrde mit verbrant seyn/ weil vorerst er versichert gewesen/ daß er weder der Sonnen Strahlen haͤtte ertragen/ noch seine krumgewachsene Beine zum gehen oder ent- lauffen gebrauchen koͤnnen; und ob er gleich seinen Leichnam oder Knochen im Gefaͤng- niß nicht funden/ waͤhre er doch in den Gedanken gestanden/ die Raͤuber wuͤrden selbe ge- oͤffnet/ und ihn heraus genommmen haben/ da er entweder wegen seiner Unduͤchtigkeit von den Raͤubern erschlagen/ oder sonst im Feur umkommen waͤhre/ weil sie mehr verbrante unkentliche Menschen-Leiber gefunden/ auch kein einiger Mensch von ihrem Gesinde le- bendig blieben/ und man in so langer Zeit nicht das allergeringste von ihm gehoͤret haͤtte. Zwar sein Sohn Urisla haͤtte sich stets gefuͤrchtet/ es würde ihre Taht endlich ausbrechen/ daher er unablaͤssig angehalten/ das Schloß nicht wieder aufzubauen/ sondern sich in Pan- nonienunter Koͤniges Mnata Schuz zubegeben/ und in dessen Dienste sich einzulassen; moͤchte nunmehr von Herzen wuͤnschen/ daß er diesem heilsamen Raht gefolget haͤtte; a- ber die Goͤtter muͤsten jhm ja seine Sinnen verruͤcket haben/ sonst wolte er diesem heutigen Ungluͤk/ und was ihm noch bevoꝛ stuͤnde/ zuentgehen/ Wege gnug gewust haben. Schließ- x x x x x iij lich Achtes Buch. lich baht er Gallus/ er moͤchte bey der Koͤniglichen Geselschafft umb Gnade eines schleu- nigen Todes anhalten/ welchen er willig ausstehen wolte/ weil er denselben wol verdienet haͤtte. Was Urisla seinen Sohn betraͤffe/ waͤhre derselbe von ihm genoͤhtiget/ in diese Taht zugehehlen/ daher er ohn zweifel mit gelinderer Straffe wuͤrde zubelegen seyn. Wie aber/ fragete Gallus/ wann dein Sohn dir deine Unzucht mit dem Fraͤulein zutreiben/ nicht haͤt- te gestatten wollen/ weil sie ihm zum Gemahl außersehen wahr? gewißlich wuͤrder ihr uͤber dieser Beute unter euch selbst uneins worden seyn. Ninisla antwortete mit einem Gelaͤch- ter; Ja/ mein Sohn solte mir wol keinen Teil an dem Fraͤulein gehabt haben; Zwar ich ge- brauchte ihn zum Deckel/ und bildete ihm diese Heyraht feste ein/ dann wie wolte ich ihn sonst auff meine Seite gebracht haben? Aber mir selbst hatte ich sie ausgesehen/ sonst wuͤrde ich mich seinetwegen so tieff nicht gewaget haben. Haͤtte er mir aber Eintrag tuhn wollen/ solte er mir alsbald mit dem Leben bezahlt haben. Der boͤse Muhtwil-Teu- fel muß dein Herz ganz in seinen Stricken führen/ sagete Gallus/ sonst waͤhre unmoͤg- lich/ daß du einer solchen Boßheit dich haͤttest unternehmen duͤrffen; ging hin/ und hinterbrachte alles der Koͤniglichen Geselschafft. Worauff Valiska ihren Herr Vater fragete/ mit was vor Straffe er diesen Erz Verraͤhter zubelegen willens waͤhre/ dessen Boßheit alle uͤbertraͤffe/ so von Anfang der Welt moͤchte begangen seyn. Hie- mit rante eine kleine Traͤhnen-Bach aus ihren Augen/ und fuhr gegen ihn also fort: Gn. Herr Vater/ ich muß gestehen/ daß leider ich selbst alles des grossen Jammers Ursach bin/ welcher euch angeleget ist; dann mich/ und nicht euch hat der gotvergessene Boͤsewicht fahen/ und seinen unzuͤchtigen Willen an mir erfuͤllen wollen; daher bin ich schuldig/ eurem Vater herzen solches kindlich und demuͤhtig abzubitten/ ob ich gleich weder Raht noch Taht/ noch Willen darzu gegeben habe; haͤtte ich aber euer Elend wissen sollen/ wuͤrde ich unerschrocken mich selbst in dieses Verraͤhters Haͤnde eingestellet haben/ umb euch zuer- loͤsen/ der ungezweiffelten Hoffnung und Zuversicht zu Gott/ er wuͤrde mir Krafft und Staͤrke verliehen haben/ seinen boßhafften Begierden zuwiederstehen/ und solte mein er- stes gewesen seyn/ den Sohn auff den Vater anzuhetzen/ dem ich wuͤrde getraͤuen Beistand geleistet/ und ihn auch nach des Vaters Hinrichtung mit falscher Hoffnung erfuͤllet ha- ben/ biß ihr und ich der Gefahr waͤhren entrissen worden; doch sind dieses menschliche Ge- danken/ und haͤtten vielleicht keinen Verfolg haben koͤñen/ deßwegen auch Gott es anders geschicket hat/ dessen Gerichte und Werke uns Menschen zwar heimlich und verborgen/ und doch allemahl gut und gerecht sind. Herzgeliebte Fr. Tochter/ antwortete der Koͤnig/ warumb woltet ihr euch dessen beschuldigen/ an dem ihr aller Dinge unschuldig seyd? euer kindlicher Geh o rsam ist nie wieder mich außgetreten/ zweifele auch nicht/ die Goͤtter wuͤr- den eure Ehr und Leben auch unter dieses unzuͤchtigen Menschen Zwange wol gerettet ha- ben; aber dannoch sage ich dem Himmel Dank/ daß ihr unter seine Gewalt nicht gerahten seyd. Ich bin zwar scharff gezuͤchtiget/ als nie kein Koͤnig vor mir in der ganzen Welt; dañ was achte ich/ daß ehmahls Koͤnige sich von einem groͤsseren Koͤnige haben muͤssen lassen vor den Wagen spannen? was rechne ich solches/ daß Koͤnige von den Roͤmern erschla- gen und hingerichtet sind? jedoch/ wer weiß/ womit ichs an den Goͤttern verschuldet/ daß ich der ganzen Welt ein Beispiel seyn/ und von meinem eigenen Untertahn mich dergestalt quaͤlen/ Achtes Buch. quaͤlen/ hoͤhnen und peinigen lassen müssen? welches ich aber alles vergessen wil/ nachdem die guͤtigen Goͤtter mich mein liebes Vaterland und Koͤnigreich/ ja mein herzliebes Ge- mahl/ Kinder und Anverwanten wiederumb haben sehen lassen; daher ruffe ich den Him- mel zu Zeugen/ daß ichs wenig achte/ ob/ und auff waß Weise der Gott- und Ehr-vergesse- ne Bube gestraffet werde/ wil auch das Gericht keinesweges uͤber mich nehmen/ sondern den anwesenden Großmaͤchtigen Koͤnigen heimstellen/ insonderheit ihren Liebden/ Koͤnig Hilderich aus Gallien und Koͤnig Haron aus Schweden/ mit Bitte eine solche Urtel zu- fellen die weder aus Haß noch Rachgier herruͤhre. Großmaͤchtiger Koͤnig/ antwortete Hil- derich/ eure Liebde tuht wol und loͤblich/ daß dieselbe diese Sache bloß der Gerecht- und Bil- ligkeit anbefehlen wil/ wie dann allemahl ein Richter/ wann er beleidiget ist/ nicht sein ei- gen Richter seyn/ sondern andere daruͤber urteilen lassen sol. Jedoch ist die an eurer Liebe begangene Boßheit so groß und übermacht/ daß wann dieselbe nicht ernstlich gnug gestraf- fet wuͤrde/ koͤnte es einem und andern Anlaß gegeben/ eines gleichmaͤssigen (dann aͤrger wird ers nicht leicht machen) sich zuunterfahen. Dann gleichwie naͤhest Beleidigung der Goͤtter/ dieses Verbrechen das groͤbeste ist/ wann man der hoͤchsten Obrigkeit wirklich we- he tuht/ also muß man solchen Frevelern die schwere Hand aufflegen/ und hiedurch den ho- hen Haͤuptern Freiheit schaffen. Daß ich aber vor mein Haͤupt mir nicht unternehme/ den Ubelthaͤtern die Urtel zu sprechen in einem Koͤnigreiche/ daruͤber ich nicht zu gebieten habe/ wird weder eure Liebe/ noch jemand anders mir veruͤbeln/ gelebe auch der Zuver- sicht zu meiner allerwerdesten Fr. Tochter und grossen Freundin/ Fr. Valisken/ sie werde mein Anmuhten ihr nicht lassen zuwider seyn/ und an meine Statt das Recht über die Boßhaftestẽ der Welt außsprechen/ da ich dann schon weiß/ daß sie den Mittel-Weg wol treffen/ und den Verbrechern die gebuͤhrliche Straffe aufflegen werde. Großmaͤchtiger Koͤnig/ Gn. Herr als Vater/ antwortete sie ihm: Ich wuͤrde dieses Amt uͤber mich zuneh- men/ von einem andern mich nicht bereden lassen/ weil ich unzaͤhliche Entschuldigungen einzufuͤhren haͤtte; nachdem aber ich uͤber mein Herz es nicht bringen kan/ eurer Hocheit als meinem recht-gewogenen Herren und Vater einige Moͤgligkeit zu versagen/ bin der- selben ich demuͤtig-gehorsam/ und wil mich huͤten/ daß meine Urtel nicht aus Rache/ son- dern aus Recht herfliesse/ wie dann ohn das Ihre Hocheit/ der Koͤnig aus Schweden/ mein Herr Oheim und Vater/ als Mit-Richter mich schon wird zu fuͤhren wissen/ daß ich weder zur Rechten noch zur Lincken außweiche. Großmaͤchtige Koͤnigin/ hochwerte Fr. Wase/ und nicht minder-geliebete als Tochter/ sagte darauff Koͤnig Haron; Ich gelebe der Zuversicht zu eurer Liebe/ daß wann meine auch herzliebe Fr. Tochter/ Fr. Sibyllen ich an meine Statt derselben zur Mitrichterin zugeben werde/ wird euer Liebe solches nicht ungenehm/ noch jetztgedachter meiner Fr. Tochter zuwider seyn/ welche ich Kraft dieses darzu erbitte und bevollmaͤchtige. Die from̃e demuͤtige Sibylla rechnete dieses nit unbil- lich vor ein gewisses Zeichen sonderlicher vaͤterlicher Gewogenheit/ damit der Koͤnig ihr zugetahn wahr/ daher sie/ ihren Gehorsam sehen zulassen/ auffstund/ sich anfangs gegen ihn neigete/ und bald zu ihm hintrat/ ihm die Hand zukuͤssen/ an dessen Stat sie aber von ihm freundlich umfangen/ und an die Stirn gekuͤsset ward. Worauff Valiska also antworte- te: Gn. Herr Vater/ Herr Koͤnig Haron; es hat Eure Hocheit mir eine solche Mit Rich- terin Achtes Buch. terin zugeben wollen/ welche wegen ihrer volkommenen Froͤmmigkeit/ Tugend und Ver- stand ich von dem ersten Tage unser Kundschafft her/ so herzlich liebe/ als ob wir zugleich und auf einmal unter einem Herzen gelegen haͤttẽ/ weiß auch schon/ dz dieselbe mein Herzẽ- Schwesterchen mich schon wird einhalten koͤñen/ daß ich nirgend zu weit gehe; daher vor diese mir zugegebene Mit Richterin ich mich untertaͤhnig bedanke. Fuͤrstin Sibylla erroͤh- tete wegẽ des gesprochenen Lobes/ als derẽ wahre Demut sie nit beredẽ kunte/ dessen wert zu seyn/ wolte auch ihre Entschuldigung vortragen/ abeꝛ Herkules kam ihr vor/ und ließ eine Frage an die Koͤnigl. Geselschaft abgehẽ/ obs nicht koͤnte gewilliget werden/ daß das ganze Koͤnigl. und Fuͤrstliche Frauenzimmer das Richteramt uͤber sich genommen haͤtten; wel- ches dann beliebet ward/ jedoch also/ daß die alten Koͤniginnen keine Stimme mit geben/ sondern der juͤngeren abgefassete Urtel ihnen vorgetragen werden solte/ ehe sie den Koͤnigen und Fuͤrsten zubekraͤftigen uͤbergeben wuͤrde. Valiska wendete ein/ es duͤrfte ihr Gericht/ als ein Weibliches von schlechter guͤltigkeit seyn/ wann gar kein Mannesbilde unter ihnen sich finden solte/ hielt demnach an/ ihr die Macht zuerteilen/ einen zuerwaͤhlen; nach dessen erhaltung sie anfing: Durchleuchtigster Groß Fuͤrst/ Herr Markomir/ ehrengeliebter Herr Bruder und Oheim; eure Liebe werden vor dißmahl sich nicht wegern/ unser Auff- seher und Schrankhalter zu seyn/ damit wir nicht nach unser angebohrnen Art/ den Zank unter uns zu lange fuͤhren/ sondern zur beschleunigung des Schlusses angehalten werden/ und solches begehre von euer Liebe ich im Nahmen aller meiner Amt Schwesteren/ dessen eure Liebe sich weder wegern noch davor danken sol. Dieser erschrak der unvermuhtlichen Anmuhtung/ stund auff/ und sahe seinen Herr Vater an/ als voller zweifelmuht/ ob er reden oder schweigen/ sich entschuldigen oder gehorsamen solte; daher sein Herr Vater zu ihm sagete: Lieber Sohn/ du haͤttest wol Ursachen dich von diesem Amte loß zu bitten; weil ich aber weis/ daß deine allergroͤsseste Ehren-Freundin dir voͤllig zubefehlen hat/ wirstu nach deren Willen dich zu schicken wissen. Gn. Herr und Vater/ antwortete Valiska/ dieses sol auff bessere Gelegenheit beantwortet werden; vor dißmahl ists uns gnug/ dz mein Durchl. Herr Bruder und volkommener wahrer Freund meiner Bitte/ wie ich sehe/ stat zu geben willens ist. Ja/ Großmaͤchtige Koͤnigin und volkommene Gebieterin/ antwortete Mar- komir/ ich sehe hieselbst nicht an/ weder meine unwirdigkeit noch ungeschikligkeit/ sondern bloß meine Schuldigkeit/ und schaͤtze mirs vor eine hohe Gnade/ bey solcher Rahtsversam- lung/ dergleichen in der Welt wol niemahls vorgangen/ geheimter Diener und Schreibeꝛ zu seyn; trat damit zu ihr hin/ ihr die Hand zu kuͤssen/ an dessen stat er von ihr freimuͤhtig und ehrliebend umbfangen und mit einem züchtigen Kusse begabet ward/ dessen sein Herz vor Wollust auffwallete. Dieser Raht nun nam einen Abtrit ins Nebengemach/ wurden ihrer Sachen bald eins/ weil Valiska und Sibylla ihr gutduͤnken sagen musten/ welches die uͤbrigen/ als Koͤnigin Sophia/ Koͤnigin Lukrezie/ Groß Fuͤrstin Klara/ Fraͤulein Schul- da/ Frl. Vanda/ und das junge Frankische Fraͤulein/ Frl. Kuͤnegund/ ohn wiedersprechen vor genehm hielten/ daher Markomir es den alten Koͤniginnen vortrug/ und weil auch die- selben daran nichts zuverbesseren wusten/ gingen sie miteinander wieder hin in das grosse Gemach zu der Versamlung/ da Markomir den Koͤnigen die Urtel/ wie er sie aus Valiskẽ Munde in die Feder gefasset hatte/ vorlase/ also lautend: Es lehret uns die Vernunft und Erbar- Achtes Buch Erbarkeit/ daß Untertahnen ihrer Oberkeit/ Ehre und Gehorsam geben sollen/ wie sie dar- zu Kraft ihrer geschwornen Traͤue verbunden sind. Weil dann Ninisla und Urisla/ Vater und Sohn/ ihren Koͤnig und hoͤchste Obrigkeit (von dem sie nie keinmahl sind beleidiget worden) boͤßlich hintergangen/ geschaͤndet/ gefangen genommen/ geaͤngstet/ und aͤrger als einen Hund/ vorsezlicher bedachter Weise gehalten/ wie solches ihre eigene Aussage und bestaͤndige Bekaͤntnis ausweiset; Gott aber solche Beschimpff- und Beleidigung der O- brigkeit an den Untertahnen nicht wil ungestraffet lassen/ damit den Ubeltaͤhtern gebuͤhr- lich vergolten/ und andere ihres gleichen von solchem vornehmen abgeschrecket werden; Als sprechen wir darzu insonderheit erwaͤhlete und bestetigte Richterinnen (jedoch auf veꝛ- besserung unserer Gn. Herren Vaͤter/ Gemahlen und Anverwanten) vor recht/ daß ge- dachte muhtwillige Beleidiger der hoͤchster Wirde auff Erden/ Ninisla und Urisla ihr Le- ben verwirket und peinliche Straffe wol verdienet haben/ welche ihnen dergestalt und also sol angetahn werden; daß Vater und Sohn nach gerichtlicher Bejahung ihrer Uhrgicht/ von allen anwesenden Zusehern/ sonderlich von Gott im Himmel und ihrem hochbeleidig- ten Koͤnige mit einem demuͤhtigen Fußfalle verzeihung bitten/ nachgehends beyde zugleich an eine Seule auff offenem Markte angebunden werden/ zwo Stundenlang zur beschau- ung und zum Fluch allen Anwesenden; nach deren verlauffe sollen sie von dem Buͤttel am ganzen Leibe mit scharffen Ruhten gestrichen werden/ und weiters der Sohn/ weil er in des Vaters Bosheit gehehlet/ und seinen Koͤnig nit gewarnet/ sondern selbst ihn den Raͤubern in die Haͤnde gefuͤhret/ an vier Ecken des Marktplatzes mit zwo gluͤenden Zangen gezwac- ket/ ihm das Herz lebendig aus dem Leibe gerissen und den Hunden vorgeworffen/ der Leib aber in vier Stuͤcke geschnitten/ und auff die vier Grenzen des Pragischen Ackers zu ewi- ger Gedaͤchtnis/ neben angehefteter Schrift und bezeigung der Ursach seines Todes auff- gehenket werden/ da dañ der Vater mit umbher gehen sol/ daß er eigentlich alles sehe/ als ein Buͤttelknecht mit Hand anlege/ und ihm den ersten Zwak mit der gluͤenden Zangen gebe. Demselben aber sol eine stokfinstere bewaͤgliche Gefaͤngnis/ vier guter Spañen hoch und weit zugerichtet/ und er in derselben anderthalb Jahr mit grobem Brodte und truͤben Wasser ernaͤhret/ aber mit kraͤftigen sachen taͤglich gestaͤrket werden/ daß er bey Leben und Gesundheit bleibe; nach geendeter solcher Zeit/ sol er an allen Gliedern seines Leibes zer- stuͤmmelt/ mit gluͤenden Pfriemen zustochen/ und endlich als sein Sohn/ vom Leben zum Tode gebracht/ auch an die vier Grenzen des Boͤmischen Koͤnigreichs samt hinzugeschrie- bener Ursach seines Todes auffgehenket werden. Alle seine unter und übersich steigende Verwanten biß ins dritte Glied/ sollen des Reichs ewig verbannet/ und ihre Guͤter der Koͤniglichen Kammer heimgefallen/ des Verraͤhters Schloß aber/ nebest aller zubehoͤrigen Erbschaft sol (da es kan beliebet werden) dem alten getraͤuen Wenzesla Zeit seines lebens geschenket seyn. Diese Urtel ward von allen Anwesenden gebillichet/ bestaͤtiget/ und folgen- des Tages in gegenwart der Landstaͤnde und einer unglaͤublichen Menge des Volkes vol- strecket; wobey die erbaͤrmlichste Schauung wahr/ daß der Sohn seinen Vater aufs aͤus- serste verfluchete/ offentlich beteurend/ er haͤtte ihn durch bedrauung des Todes mit auff die Brust gesetzetem blossen Schwerte gezwungen/ daß er aͤidlich angeloben muͤssen/ seinem Willen beyzupflichten; hingegen wahr das allerabscheuhlichste/ daß der Vater bey des y y y y y Sohns Achtes Buch. Sohns schmerzlicher Pein sich als mit freuden finden ließ/ auch ohn wegern ihn mit der gluͤenden Zange angriff/ da er zugleich sagete: Es wird dir wol gleiche viel gelten/ ob hierzu meine oder eines andern Haͤnde gebrauchet werden; welches aber dem Sohn dergestalt zu Herzen ging/ dz er in der ersten Zwackung todes verbliech. Sonsten zuvor bey der Geis- selung trieb der Sohn ein grosses Geschrey/ aber der Vater unterdruͤckete das Geheule/ stellete sich doch uͤbeꝛ alle masse ungebeꝛdig/ ob waͤre er seines Witzes beraubet. Er ward als- bald mit einer Heilsalbe geschmieret/ welche ihm doch/ weil sie beizend war/ grosse schmerzen verursachete/ und nach seines Sohns hinrichtung/ sperrete man ihn in die enge Gefaͤngnis als in einen Tragekorb/ da er des Tages uͤber am offenen Markte stund/ und von allen vor- uͤbergehenden als ein Fluch angespeiet ward/ woruͤber er in solche Ungeduld geriet/ daß er nur stets den Goͤttern und seinen Koͤnigen fluchete/ ungeachtet er daruͤber fast taͤglich mit Peitschen gestriechen ward; endlich bezeigete er sich gleich einem wuͤtigen Hunde/ muste aber die bestimmete Zeit aushalten/ und die lezten drey viertel Jahr in einem tieffen tunke- len Keller zubringen/ wiewol in seinem engen verschlossenen Kefig/ da er krum ineinander wuchs/ und nach Ausgang derselben Zeit durch die ausgesprochene Straffe hingerichtet ward/ da er grossen Jammer trieb/ und die gottlose Seele nicht so leicht von dem verfluch- ten Leibe abscheid nehmen wolte/ so daß er auch/ nachdem ihm das Herz schon ausgerissen/ und damit aufs Maul geschlagen wahr/ sich noch mit Haͤnden und Fuͤssen bewaͤgete. Un- sere Koͤnigliche Geselschaft aber lebete in herzlichen ehrliebenden freuden/ da Valiska aus kindlicher Liebe nicht lange von ihrem Herr Vater seyn kunte/ und verlangete den beyden verliebeten Braͤutigams nicht wenig nach dem angesezten Tage ihres Beylagers/ welches eine Woche vor der Hochzeit und dem Freistechen bestimmet wahr/ unter welcher Zeit Va- liska und Ladisla sich bemuͤheten/ ihrem lieben Herr Vater den Christlichen Glauben bey- zubringen/ worzu er anfangs schwer zubereden wahr/ insonderheit/ weil auff seiner Heim- reise aus Pañonien ihm die Teutsche Goͤttin Freia (wie er bestendig vorgab) des Nachtes erschienen waͤhre/ haͤtte ihn seines ihr getahnen Geluͤbdes/ da er in Teutschland geheirahtet/ erinnert/ und dabey angedeutet/ daß durch ihren Schuz und Beystand er unter so manni- cher Gefahr waͤhre erhalten worden/ darumb solte er zur dankbarkeit ihr mitten auf seinem innern Schloßplatze einen sonderlichen Gottesdienst und woͤchentliches Opfer anrichten/ und zugleich bey seinen alten Landgoͤttern steiff und bestaͤndig verbleiben/ sonst wuͤrde er in groͤsser Elend gerahten als vorhin; drang diesem nach stark darauff/ daß er dieses sein Ge- luͤbde erfuͤllen wolte. Seine Kinder zeigeten ihm an/ sie koͤnten sich endlich diesem seinen Vorhaben nicht wiedersetzen/ aber dieses wolten und koͤnten sie ihm unangezeiget nicht las- sen/ daß auff solchen fall sie das Pragische Schloß verreden/ und hinfuͤro Zeit ihres lebens keinen Fuß darauf setzen wolten; woruͤber er sehr betruͤbet ward/ endlich noch wirkete Gott durch Herkules vielfaͤltige vermahnung/ (dessen Worte am meisten bey ihm golten) daß er gewonnen ward/ und die Haͤuptstük der Christlichen Lehre/ von schoͤpfung der Welt/ von des Menschen Fal/ von dem einigen goͤttlichen Wesen/ von Gottes Gnade gegen die gefal- lene Menschen/ von der Menschwerdung des Sohns Gottes/ von seinem Leiden/ Auffer- stehung uud Himmelfahrt/ von der Busse und Glauben/ von vergebung der Suͤnden und goͤttlichem Wandel/ vom juͤngsten Gericht und ewigen Leben/ auch andere zum Christen- tuhm Achtes Buch. tuhm gehoͤrige Unterrichtung fein annam/ und in kurzer Zeit begriff; und nam der Geist in ihm je mehr und mehr zu/ daß inwendig Monatsfrist er mit seinem Schwager Koͤnige Henrich so geschiklich von Geistlichen Dingen reden kunte/ daß man seine Gottesfurcht daher wol merkete. Auch fe reten Valiska und Siegward nicht/ Fraͤulein Schulda den Christlichen Glauben beyzubringen/ wozu sie sich gerne bereden ließ da sie vernam/ daß ihꝛ Braͤutigam Fuͤrst Olaff desselben Glaubens wahr; aber ihre Eltern kunten noch zur Zeit sich darzu nicht erklaͤren/ vielweniger der Pannonische Koͤnig und sein Fraͤulein Vanda/ liessen sich doch nichts Gotteslaͤsterliches merken/ sondern wendeten ein/ (insonderheit Mnata) sie duͤrfften eine solche Verenderung der Goͤtter wegen ihrer Untertahnen nicht vornehmen/ wolten sich darauff bedenken/ und nachgehends Erklaͤrung von sich geben; worauff man weiter nicht in sie dringen wolte/ weil man spuͤrete/ daß sie des Heiligen Gei- stes Gnade zuzulassen nicht willens wahren; wiewol Mnata Koͤnigin Valisten auff ihr ansuchen beteurlich verhieß/ daß in seinem Reiche den Christen freye Wohnung und Auf- enthalt gegoͤnnet/ und sie wegen des Glaubens nicht gehasset noch verfolget oder beschim- pfet werden solten. Groß Fuͤrst Markomir hielt sonderliche Kundschafft mit Leches und Libussen/ welche den ersten Grund zum Christentuhm bey ihm legeten/ worauff Valiska uñ Herkules bald hernach so fest baueten/ daß er ein eiferiger und glaͤubiger Christ ward/ und gegen sie beyde sich vertraulich heraus ließ/ was gestalt er in seinem Herzen die kuͤnfftige Beherschung seines Erb Reiches verschworen haͤtte/ welches er seinem neugebohrnen Bruder abzutreten bedacht waͤhre/ hoffete/ Koͤnig Herkules wuͤrde ihm goͤnnen/ etwa ein zimliches Schloß nicht weit von seiner Koͤniglichen Burg auffzubauen/ daselbst in enger Geselschafft sich auffzuhalten/ und ihn nach gefallen offt zubesuchen; Welches ihm nach seinem Willen beantwortet/ doch daneben erinnert ward/ mit solcher Reichs-Abdankung sich nicht zuuͤbereilen/ damit es ihn nicht dereins gereuen moͤchte. Aber er blieb bestaͤndig in seinem Vorhaben/ nam auch Richarden vor seinen Hofmeister an/ und hielt sich eine ge- raume Zeit bey den unsern auff/ ehe er sein Vaterland wieder besuchete. Sein Herr Va- ter hatte schon 14 Jahr die Herschafft verwaltet/ lebete hernach noch 25 Jahr/ so dz Mar- komir ein Jahr vor ihm her starb/ und also die Herschafft auff seinen Bruder fiel/ welcher ein weidlicher Herr und tapfferer Held wahr/ nahmens Barther. Die Zeit des Beylagers kam herzu/ und wurden die beiden Braͤute treflich außge- putzet/ wiewol Frl. Schulda mehr als Frl. Vanda/ wie sie uͤberdas an Leibes Schoͤnheit und zierlicher Hoͤfligkeit dieser weit vorging/ daß der Daͤnische Koͤnig selbst sagete; er ent- schuldigte nunmehr seinen Sohn/ daß er Frl. Vanda nicht heyrahten wollen/ da er sonst einige Hoffnung solcher Verbesserung gehabt haͤtte. Koͤnig Mnata hatte imgleichen sei- nen Koͤniglichen Schmuk herzuhohlen lassen/ auch Fuͤrst Olaff grosse Kosten an seine Klei- dung gelegt/ deren ihm doch manniche aus den besten Persischen Stuͤcken von Valisken und Sophien geschenket wurden/ die er wieder seinen Willen annehmen muste. Es ward umer ihnen berahtschlaget/ wie mans mit der Traͤue halten wolte/ uñ wurden Koͤnig Bal- drich und Fuͤrst Siegward an den Daͤnischen und Schwedischen Koͤnig abgeschicket/ im Nahmen ihrer Kinder bitlich anzuhalten/ daß die Eltern ihnen goͤñen moͤchten/ daß sie ab- sonderlich nach Christlichen Brauche eingesegnet wuͤrden/ weil sie diesen Glauben ange- y y y y y ij nom- Achtes Buch. nommen und darinnen bestaͤndig zuverharren gesinnet waͤhren; welches ihnen dann ger- ne eingewilliget ward; da hingegen Mnata sich nach heidnischer Pannonischer Weise trauen ließ/ dem kein Christ beywohnen wolte/ die Gaͤsterey dieses Beylagers wahr gar ein- gezogen/ aber acht Tage hernach/ da das Hochzeit Fest gehalten ward/ wurden uͤber 5000 Menschen acht Tage lang Fuͤrstlich/ und an die 20000 sonsten gar koͤstlich gespeiset/ wel- che Kosten jeder Braͤutigam zum vierten Teil/ die andere helffte Koͤnig Baldrich und Großfuͤrst Arbianes abtrugen/ weil sie das dabey gehaltene Ritterspiel außgeschrieben uñ angestellet hatten/ welche diese acht Tage uͤber taͤglich von sieben biß zu zehnen des morgens und des Nachmittages von eins bis viere gehalten ward; Ringel rennen/ wette rennen/ lauffen/ sechten/ ringen/ schiessen/ werffen/ Lastheben/ gerade Baͤume anklimmen/ mit Och- sen und Baͤhren streiten/ und was sonst zur Kurzweil erdacht werden kunte/ als Kegelschie- ben und desgleichen/ wobey uͤber 40000 Kronen zum Gewin außgeteilet wurden. Als die- se Tage vorbey wahren/ und nicht allein die Bauren und Buͤrger/ sondern auch der gemei- ne Adel und die iunge Ritterschafft ihre Ubungen zum Ende gebracht hatten/ da die Teut- schen und Franken im stechen/ die Schweden im Wetteꝛennen/ und Lauffen/ die Boͤhmen im Werffen/ die Friesen im Lastheben/ die Pannonier und Parther im Ringen/ die Daͤnen und Wenden im Ochsen- und Baͤhren Streit/ auch im Fechten/ die Meder und Parther aber im schiessen den hoͤchsten Preiß davon trugen; wurden drey Tage angesetzet/ auff welchen nur die Herren-Standes und in Waffen wolgeuͤbete Ritter zugelassen werden solten; alle uͤbrige wurden davon außgeschlossen/ sie koͤnten dann behaͤupten/ daß sie gutes Adels/ und in vier Haͤuptschlachten sich haͤtten finden lassen. Die Koͤnige und Fürstliche Zuseher hatten je zween und zween/ auch zwo uñ zwo ihren eigenen Schaufiz auff der Buͤh- ne/ welche uͤmher behaͤnget/ und mit Persischen Tuͤchern verdecket wurden/ da forne ein enges Gegitter auffgerichtet stund durch welches die Schauer zwar alles sehen/ aber von den Anwesenden nicht erkennet werden kunten/ und wahren vor jede Stelle die Nahmen der Einsitzenden daran geschrieben/ daß ihnen dannoch die gebuͤhrliche Ehre geleistet wuͤr- de. Gegen Morgen stunden die Mannes- gegen Abend die Frauenbilder. Unter jenen hatten Koͤnig Henrich und Koͤnig Hilderich/ die erste; Der Schwedische und der alte Boͤhmische/ die andere; Der Daͤnische und Pannonische Koͤnig/ die dritte; Herr Stat- halter Fabius und Pompejus/ die vierde; Koͤnig Herkules und Ladisla/ die fuͤnffte; Fuͤrst Siegward und der junge Fabius/ die sechste; Fuͤrst Olaff und Markomir/ die siebende; Koͤnig Baldrich aber und Fuͤrst Arbianes/ als Stiffter dieses Spiels/ die achte und lezte. Bey dem Frauenzimmer hatten Koͤnigin Vanda/ und Fuͤrstin Schulda/ als Braͤute/ den ersten; Koͤnigin Waldburg aus Franken/ und Koͤnigin Hedith aus Schweden/ den andern; Koͤnigen Rusila aus Daͤnenmark/ und Koͤnigin Gertrud aus Teutschland/ den dritten; Koͤnigin Hedewieg und Fuͤrstin Bochild aus Wendland/ den vierden; Fr. Sa- bina Pompeja und Fr. Terenzia/ den fuͤnfften; Koͤnigin Valiska und Sophia den sech- sten; Koͤnigin Lukrezie und Fuͤrstin Sibylla den siebenden; Fuͤrstin Klara/ Fr. Ursula/ uñ das Frankische junge Fraͤulein/ Frl. Kunegund den achten; Fr. Fausta und Fr. Julia/ den neunden; Fr. Konstanzia Herrn Antenors Gemahl/ und Fr. Florida/ Gallus Schwieger/ den zehnden Siz. Das uͤbrige Frauenzimmer hatten ihre Stellen etwas niedriger/ doch an Achtes Buch. an eben der Seiten. Herr Kornelius/ Emilius/ Antenor und Opimius/ nebest Grafen Pribisla/ Bretisla/ Krokus und Stanisla/ wurden zu Richtern gesetzet/ derhalben sie eine offene Stelle gegen Mittag oder Suden hatten/ so daß gegen Norden die Stechebahn unbebauet/ und nur mit Schranken verschlossen wahr. Des ersten Tages hatten sich acht Teutsche Herren vergeselschafftet/ wider alle ankommende zurennen/ erschienen in einer- ley Ruͤstung/ glaͤnzend schwarz/ mit güldenen Striemen durchzogen/ und fuͤhreten im Schilde einen Loͤuen/ welcher in der Rechten Tatzen ein Speer/ in der Linken ein Schwert hielt/ mit dieser uͤmschrifft: Alles dem Vaterlande zum besten. Auff dem Helm hatten sie ein Schneeweisses Lamb/ an dessen Halse ein Taͤflein hing/ mit dieser guͤldenen Schrifft: Auch Schimpff bringet Ehre. So funden sich auch 9 Franken und Sikambrer in glaͤnzend- weissen Harnischen/ mit guͤldenem Blumwerk; Auff den Schilden/ welche gruͤn/ wahren drey silberne Lilien mit dieser Unterschrifft: Flos perpetuo florens \& fragrans, Diese Blume bluͤhet und riechet immerzu. Auff dem Helme stund ein gekrümmeter Arm mit einem blossen Degen. Weiter stelleten sich 8 Boͤhmen mit eintraͤchtiger Ruͤstung/ unter denen Leches/ Neda und Prinsla wahren; Ihre Harnische guͤlden mit schwarzem Laubwerk; Im Schil- de stunden zween auffrechte Baͤhren/ mit einander ringend/ und diese Worte umher: Auffs minste zween zu einem Kampffe. Auff dem Helm fuͤhreten sie eine schneeweisse Taube/ mit ausgedehneten Fluͤgeln/ im Schnabel ein Lorberstraͤuchlein haltend. Acht Roͤmer ga- ben sich auch an in gleichen Harnischen/ versilbert mit guͤldenen Schlaͤngelein/ bey denen Klodius und Markus sich finden liessen; Der glaͤnzend-schwarze Adler stund im weißsil- bernen Schilde/ mit dieser Umschrifft: Nullum ex quiete lucrum: Das ist: Ruhen gewin- net nichts. Auff dem Helme ein Hecht/ in dessen Maul ein Taͤflein mit diesen Worten: Devoro \& Devoror. Ich fresse und werde gefressen. Auch ritten 10 Pannonier mit gleichmaͤssi- ger Rüstung herzu; Die Harnische blau angelauffen/ und als mit Blutstropffen bespren- get. Die Schilde gruͤn und in der mitte eine erloschene Kerze/ welche sich bey einem Son- nenstrahl wieder anzuͤnden wolte/ dabey diese Worte: Verwundet seyn/ ist noch nicht tod. Auff den Helmen kroch eine Schlange unter einem Steine hervor/ auff welchem diese Worte stunden: Unterdruͤcket/ nicht ersticket. Darauff liessen sich nicht weit von ihnen neun Daͤhnen sehen/ in gleicher wasserfarbiger Ruͤstung/ mit guͤldenen Roͤsichen bestraͤuet. Im Felde ihres Schildes saͤgelte ein Schiff auff dem Meer/ welches von dem Winde nach der Seite gebogen ward/ mit dieser Umschrifft: Niemand faͤhret stets wie er wil. Auff dem Helme flatterte ein zusam̃en gewickeltes Saͤgel gar artig/ und stunden diese Worte dabey: Richte dich nach dem Winde. Acht Schweden und Gothen kahmen auch heran/ als Voͤgel einerley Federn; Ihre Harnische wahren Kupfferfarbe mit silbern Puckeln beschlagen; hatten/ wie die Daͤnen/ ein Schiff im Schilde/ welches aber mit gutem Winde fortlieff/ und wahren diese Worte umher geschrieben: Mit vollem Winde ist gut/ ob gleich gefaͤhrlich/ saͤgeln. Oben auff dem Helme stund ein Loͤue/ der ein Buch in der Hand hiet/ an welchem diese Worte zulesen wahren: Nicht staͤrker als recht ist. Von den Friesen hatten sich acht in gleicher Art zusammen gesetzet; Die Harnische wahren als lauter Graß und Blumen al- lerhand Farben durcheinander. Am Schilde stund ein Ochs/ welcher einen Hund mit Fuͤssen trat/ und diese Worte dabey: Auffrichtigkeit daͤmpffet den Betrug. Auff dem Helm y y y y y iij hatten Achtes Buch. hatten sie ein Kaͤlbichen/ welches unter eines Baums Schatten lag/ mit dieser schrifftlichẽ Andeutung: Im Schatten naͤhert sichs wol. Sechs Parther und vier Meden kahmen in ei- ner Geselschafft mit Feur-rohten Harnischen voller silbernen Voͤgel/ die sich mit einander bissen. Im Schilde stund ein Baum/ welcher zuoberst eine guͤldene Kron hatte/ und unten umb denselben etliche Maͤnner mit Axten/ welche ihn umhieben/ mit dieser Umschrifft: Ruinam metuo fortis. Ich starker fuͤrchte mich vor dem Fal. Auff dem Helme hieb ein Reuter ein Buͤndlein Pfeile mit dem Saͤbel in stuͤcken/ dabey diese Worte stunden: Acinaces Sa- gittas domat. Der Medische Saͤbel zaͤhmet die Pfeile. Endlich fprengete die zehnde Gesel- schafft/ von 8 Wenden versamlet/ auch herzu/ mit schwarzgelbichten Harnischen voller leibfarben Rosen. Im Schilde lag ein blutiger abgehauener Buͤffels Kopff/ mit dieser Umschrifft: Zu hefftig machet rasend. Den Helm zierete ein gefluͤgelter Drache/ auff dessen Brust diese Worte stunden: Schleunigkeit machet den Eifer gluͤklich. Diese zehn Geselschaff- ten stelleten sich kurz eine nach der andern vor die annoch verschlossene Schranken/ und macheten ingesamt 86 Ritter/ deren etliche wol 30 Feldschlachten und Scharmuͤtzeln bey- gewohnet hatten/ und ob sich gleich dazumahl etliche tausend Ritter in der Gegend auff- hielten/ wolte doch dißmahl sich keiner mehr stellen/ weil sie mehrenteils argwohneten/ die Koͤnigliche Helden wuͤrden mit stechen. Nun wolte kein Haͤuflein vor dem andern in die Schranken reiten/ da sie geoͤffnet wurden/ damit sie nicht vor hochmuͤhtig angesehen wür- den/ deßwegen ihnen von den Richtern gebohten ward in der Ordnung einzuziehen/ wie sie nach einander ankommen wahren/ und hatten demnach die Teutschen den Vorzug/ die sich gleich gegen ihren Koͤnig Henrich uͤber stelleten/ und daselbst Stand fasseten. Ihnen fol- geten die Pannonier/ und setzeten sich diesen gerade entgegen. Die Franken stelleten sich hin zu den Sachsen Teutschen/ und nahmen die Roͤmer naͤhest denen ihren Stand. Die Daͤh- nen geselleten sich zu den Pannoniern/ und blieben die Friesen auch bey denselben; aber die Boͤhmen stelleten sich den Roͤmern an die Seite; da hingegen die Schweden sich zu den Friesen tahten. Die Parther und Meden blieben bey den Boͤhmen/ und die Wenden lies- sen sich gefallen/ die andere Seite nebest den Schweden zuschliessen. Nun wahr nicht al- lein die Gleicheit der Waffen in jeder absonderlicher Geselschaft lustig anzusehen/ sondern es stund sehr artig/ daß ein jeder Ritter eine Feldbinde sonderlicher art/ und teils einfaͤlti- ger/ teils gemengeter Farben fuͤhrete/ dabey er kunte vor andern erkennet werden. Weil dann niemand mehr zu den Schranken hinein begehrete/ ward drey mahl auffgeklopffet/ und folgende Gesetze abgelesen: I. So jemand unter den Stechern gefunden wuͤrde/ der nicht entweder Herrn Standes/ oder auffs minste gutes gebohrnen oder gemacheten Adels (der gleichwol in vier Feldschlachten gewest waͤh- re) solte er Harnisch/ Gewehr und Pferd verlohren haben/ und zu Fusse aus den Schranken gehen/ wiewol ohn Verletzung seiner Ehren. II. Wer eines Ehebruchs/ Mordes/ Diebstahls/ Meinaͤides/ Verleumdung/ Verraͤhterey oder Jungfern-Schaͤndung koͤnte uͤberzeuget werden/ und bey diesem Ritterspiel sich finden liesse/ solte des Ritterordens als Ehrloß entsetzet seyn/ und sechs Streiche leiden. III. Wer hinterlistig stechen/ oder verbohtene Zaͤubersachen bey sich haben/ oder seines Gege- ners Pferd vorsezlich treffen und beschaͤdigen wuͤrde/ solte wilkuͤhrlich/ und nach Befindung/ sehr hart gestraffet werden. IV. Ein Achtes Buch. IV. Ein jeder Stecher solte gehalten seyn/ vor dem Stechen den Richtern seinen Nahmen/ Stand und Vaterland anzumelden. V. So aber jemand aus gewissen Ursachen solches vor dem Treffen gerne hinterhielte/ solte er entweder einen am Hofe bekanten Ritter zum Buͤrgen seiner Rittermaͤssigkeit anmelden/ oder Koͤni- gin Valisken seinen Nahmen/ Stand und Vaterland auff einem Zettel einreichen lassen/ oder mit der rechten Hand die auffgehenkten Gesetze als aͤidlich beruͤhren/ daß er hierzu Rittermaͤssig waͤhre/ und vor dem Außzuge aus den Schranken seinen Nahmen melden wolte. VI. Vor einer Fuͤrstin oder Fuͤrstlichen Fraͤulein (und geringer nit) ihre Schoͤnheit/ moͤchte gestochen werden/ doch nur mit einem Speer/ so lange es unzubrochen bliebe. VII. Kein scharff Rennen/ noch Schwertschlag/ noch Ringen zu Fusse solte zugelassen seyn. IIX. Niemand solte alhie ichtwas aus Feindseligkeit begiñen/ wie es moͤchte Nahmen haben/ bey Lebens Straffe. IX. Keiner solte einigen Wiederwillen gegen den andern aus den Schꝛanken mit sich nehmẽ. X. Ob zwischen zween Kaͤmpffern einiger Span vorfiele/ solte derselbe alsbald den hochwei- sen Herren Richtern vorgetragen/ und durch dieselben entschieden werden. XI. Ein jeder Stecher moͤchte unter den Mitstechern außfodern/ welchen er wolte/ doch ohn Neid und Feindschafft/ auch nicht weiter als zu dreyen Ritten/ dann der vierde solte gaͤnzlich verboh- ten seyn/ und durch kein anhalten gesucht werden. XII. Wer mit zwoͤlff unterschiedlichen Rittern in diesem Spiel vor Wiederoͤffnung der Schranken getroffen haͤtte/ und ungefellet blieben waͤhre/ solte seinen Nahmen den hochweisen Herren Richtern anmelden/ und solte kein Ritter bemaͤchtiget seyn/ denselben außzufodern/ er haͤtte dann mit neun Rittern sich schon versuchet. XIII. Wuͤrden alle Ritter biß auff zehne gesellet/ solten diese zehne einer den andern weiters nicht außfodern/ es geschehe dann mit Koͤnigin Valisken verguͤnstigung/ welche in diesem Stuͤk mas- se geben wuͤrde. XIV. Welcher abgestochen wuͤrde/ daß er zugleich sein Speer auff seinem Bestreiter ritter- lich gebrochen/ oder denselben herunter geworffen haͤtte/ solte weiter zustechen berechtiget seyn/ aber nicht mit diesem. XV. Wessen Pferd im Treffen fiele/ und er im Sattel bliebe/ solte vor ungefellet gehalten werden. XVI. Wer abfiele und braͤche sein Speer nicht/ solte ferners ruhig seyn/ oder Verguͤnsti- gung/ weiter zustechen/ von Koͤnigin Valisken erwarten. XVII. Wer beide Stegreiffe und den Zaum verlieren wuͤrde/ solte vor gefellet geschaͤtzet werden. XIIX. Wer zum andernmahl abgestochen wuͤrde (verstehe/ daß er schon einmahl abgestochen waͤhre)/ so daß er beidesmahl sein Speer unzerbrochen behielte oder fallen liesse/ solte um weitere Ver- guͤnstigung zustechen nicht anhalten. XIX. Ob etliche Ritter einer gewissen Landschaft Geselschafts Weise stechen/ und sich nicht sonderlich wol veꝛhalten wuͤꝛden/ solte niemand der ganzen Landes Art ein solches ungleich oder schimp- flich auffruͤcken oder außlegen/ bey Ehr- und Lebens Straffe. XX. Dafern ganze Geselschafften groß oder klein/ wieder ganze Geselschaften stechen wuͤr- den/ solte ihnen uͤber zween gemeine Ritte nicht vergoͤnnet/ auch der Fal im Geselschaft-Rennen nie- mande am absonderlichen stechen verhinderlich seyn/ doch solte des Obsiegers Wolverhalten gerech- net/ und wer beidesmahl ohn Zerbrechung seines Speers stuͤrzete/ nach der 16den Satzung geurtei- let werden. Nach verlesung dieser zwanzig Bedingungen (welche schon vor fünff Tagen wahrẽ angeschlagen) wurde sie oͤffentlich in den Schranken aufgehenket/ da alsbald ein zierlicher aͤdel- Achtes Buch. aͤdelknabe auff der Steche-Bahn erschien/ und nach erzeigeter Hoͤfligkeit/ mit heller Stim- me dieses vorbrachte: Koͤnigin Valiska/ entbeut allen hieselbst versamleten Rittern/ nach Standes Gebuͤhr ihren Gruß und Gnade/ und weil sie zwo gleiche Schaaren/ jede 43 stark/ gegen einander halten sihet/ laͤsset ihre Hocheit dieselben fragen/ ob ihnen belieben koͤn- ne/ also Schaars weise auffeinander zutreffen/ daß ein jeder ihm einen Mañ/ der gegen ihn haͤlt/ waͤhle/ und mit demselben einen oder zween Ritte wage/ alsdann sol keinem gefelleten der Fall am kuͤnftigen Stechen/ es geschehe in kleineren Schaaren/ oder einzelner weise/ schaͤdlich seyn/ wiewol jeder Uberwinder von ihr einen sonderlichen Dank empfahen sol. Dieser Vorschlag gefiel beydes den Stechern und Zusehern/ und leisteten jene zuvor den Richtern den vierden Saz/ gaben sich in Ordnung/ wie sie hinein geritten wahren/ und em- pfing ein jeder die Hofnung/ den Sieg zuerhalten/ welches doch unmoͤglich wahr. So bald in die Trometen gestossen ward/ ranten sie in zierlicher Ordnung auffeinander loß/ legeten ein/ und traffen so wol/ daß alle Speer bey stuͤcken in die Luft flogen/ auch kein einziger den Sattel raͤumete/ ungeachtet ihrer etliche sich mit den Leibern dergestalt ruͤhreten/ daß ihnẽ sehen und hoͤren verging; wiewol drey Pannonier/ ein Teutscher/ zween Roͤmer/ drey Fran- ken/ zween Boͤhmen/ ein Parther/ zween Meden/ so viel Friesen/ Schweden und Daͤhnen/ und drey Wenden schier den kürzern gezogen haͤtten. Jederman muste gestehen/ daß sie nie kein zierlicher Treffen in so grosser Geselschaft gesehen haͤtten. Sie schicketen sich zum an- dern Ritte/ aber an der einen Seite musten auff Valisken anordnung die Ritter einer jeg- lichen Geselschaft ihre Stelle verendern/ damit keiner mit seinem ersten Wiedersacher zu- treffen kaͤhme; dieser Saz nun wahr ernstlicher als der vorige/ aber auch von mehrer Wiꝛ- kung; dann ein Teutscher fiel mit samt dem Pferde/ nach wol gebrochenem Speer uͤbern hauffen; fünff Pannonier/ drey Franken/ vier Daͤnen/ drey Roͤmer/ drey Friesen/ zween Boͤhmen/ vier Schweden/ zween Parther/ ein Mede/ und vier Wenden musten herunter/ denen etlichen ihre Pferde im fallen Geselschaft leisteten; die übrigen/ unter denen die neu- gemachte junge Boͤhmische Grafen wahren/ hielten sich sehr wol. Koͤnigin Valiska begeh- rete von den Obsiegern ein Pfand/ aber die ganze Ritterschaft hielt an/ daß ihnen das drit- te Treffen moͤchte gegoͤnnet werden; welches sie dann leicht erhielten/ da von ihnen alle Kraft angewendet ward/ so daß drey Teutsche/ fünff Franken/ sechs Roͤmer/ vier Boͤhmen/ vier Parther und zween Meden an einer; an der andern Seite aber sieben Pannonier/ sechs Daͤnen/ fuͤnff Friesen/ fuͤnff Schweden und sechs Wenden die Erde kuͤssen musten/ und wahr ein solches ungestuͤmes Treffen/ daß der mehrerteil seinen Gegener zugleich mit erlegete/ aber doch keiner/ daß zu verwundern/ sonderlichen Schaden nam. Leches/ Neda/ Prinsla/ Klodius und Markus wahren mit unter den Obsiegern/ und hatten in allen dreiẽ Treffen keinen Wank getahn/ dessen sie sehr geruhmet wurden; welchen Preiß auch zween Teutschen/ ein Pannonier/ ein Roͤmer/ zween Franken/ zween Schweden/ ein Daͤhne zween Parther/ und ein Wende erhielten/ und diese alle und jede von Koͤnigin Valisken einen guͤl- denen Ring auff 500 Kronen gerechnet/ bekahmen. Nach diesem Treffen fand sich ein je- der bey seiner Geselschaft/ und foderten die Teutschen ihre Gegener die Pannonier aus/ da ein Teutscher Herr von der Oker/ da jezt die beruͤhmte Stad Braunschweig lieget/ nah- mens Wilhelm/ in zehn ritten sechs Pannonier mit grossem Ruhmerlegete/ deren zween doch Achtes Buch. doch zuvor drey Teutsche Sattellos gemacht hatten. Die acht Roͤmer traffen mit den acht Schweden/ da alle Roͤmer biß auff Klodius und Markus abgestochen wurden/ und hin- gegen fuͤnff Schweden absattelten/ drey aber sich sehr wol hielten. Die neun Franken waͤh- leten die neun Daͤnen/ legeten mit ihnen an/ und hielten im ersten und andern Treffen ein- ander die Stange redlich/ aber im dritten fielen sechs Daͤhnen und sieben Franken/ zu Bo- dem/ und hielt Ritter Farabert sich hieselbst am besten. Die acht Boͤhmen bekahmens mit den acht Friesen zu tuhn/ da vier Boͤhmen/ aber auch alle Friesen den unwilligen Sprung tuhn musten. Die Parther und Meden rieben sich an die Wenden/ da ein Parther vier Wenden/ jeden im andern ritte herunter sties/ nur der lezte stürzete im dritten gange/ hinge- gen huhben zween Wenden drey Parther und einen Meden aus/ daß gleichwol der eine im falle Geselschaft leistete/ weil ihm die Sattelgurt zubrach. Das einzelne Rennen ging hierauff an/ welches ein Schwedischer Herr/ nahmens Haldan/ anfing und sich tapfer tum- melte/ in dem er einen festen Roͤmer im andern ritte; einen Boͤhmen im ersten/ zween Pan- nonier/ jeden im ersten/ und einen Daͤhnen im dritten/ herunter warff; aber als er sich an Leches rieb/ ward er im dritten Treffen dergestalt abgefertiget/ daß er den linken Arm im falle zubrach. Ein ander Schwede/ nahmens Schwercher/ wolte diesen raͤchen/ muste aber im andern satze dem vorigen Geselschaft leisten. Worauff der bißher sieghafte Pannonier sich an Markus machete/ und ihn im dritten gange unsauber gnug zur Erden warff/ wie- wol der Uberwundene sein Speer auff dem Uberwinder brach. Klodius verdroß dieser Unfall nicht wenig/ stellete sich an seines lieben Gesellen Plaz/ aber den Sieg kunte er nicht behaͤupten/ ob er gleich alle drey Püffe redlich aushielt und bezahlete/ und doch im lezten et- was zu wanken gezwungen ward; dessen Prinsla wahr nam/ und diesem Pannonier/ der ihn gleich ausfoderte/ begegnete; im ersten Treffen sassen sie beyde fest; aber im andern pur- zelten sie beyde mit ihren Pferden uͤber und uͤber/ so daß der Pannonier das rechte Bein im falle in etwas zuknirschete. Der Teutsche Herr von der Weser/ Herr Betram setzete sich nachdem auff die Bahn/ hatte seinen Siz/ da anjezt die Stad und Festung Hameln lieget/ (von welcher ehmahls ein muͤssiger Kopf getichtet/ ob solte ein Ratzenfaͤnger vor etlichen hundert Jahren eine grosse Anzahl minderjaͤhriger Kinder in einen Berg gefuͤhret haben/ welche unter der Erden hingangen/ und in Siebenbuͤrgen wieder hervor gesprungen waͤh- ren) dieser trefliche Ritter erlangete vor dißmahl grosse Ehre/ gestaltsam er acht handfeste Ritter herunterwarff/ daß er unbewaͤget im Sattel sitzen blieb/ biß ers mit Leches wagete/ der ihn zwar im dritten Treffen schwanken machete/ aber ihn doch nicht fellen kunte. Neda hielt sich auch wol/ doch hielt ihm ein Daͤhne die Stange zimlich/ daß er ihm nichts anha- ben mochte. Farabert bekam das Gluͤk/ daß er drey Pañonier/ zween Boͤhmen/ einen Daͤ- nen/ und zween Friesen aushuhb/ aber unter Leches seinem Speer muste er erliegen/ wel- ches auch den naͤhstgedachten starken Daͤhnen in den Sand nidersetzete. Als nun das Ste- chen vor dißmahl uͤber die gesetzete Zeit angehalten/ und die Sonne das mittages Ziel schon hinter sich geleget hatte/ ward der uͤbung vor dißmahl anstand gegeben/ und stellete sich Valiska/ Lukrezie und Klara ein/ den Uberwindern nach der Richter einhelliger Urtel/ den Preiß auszuteilen. Wegen des Stechens da eine Landes-art Geselschaft mit der andern getroffen hatte/ bekam Graff Leches/ Herr Betram und Graff Neda den hoͤchsten Gewin/ z z z z z jeder Achtes Buch. jeder eine Speer Spitze von klammern Golde mit Demanten außgesetzet/ deren jede 1000 Kronen außtrug; den andern empfingen Graff Prinsla/ Herr Wilhelm/ und Graff Klo- dius/ jeder ein Kleinot von 900 Kronen; den dritten Graff Markus/ Herr Farabert und ein Parther; jeder eine Huhtschnur zu 400 Kronen. Aber wegen des absonderlichen Tref- fens musten Leches/ Bertram/ und der frische Pannonier den ersten Preiß nehmen/ jeder ein koͤstliches Pferd mit Silbern Hueffeisen und gestiktem Sattel/ am Wert 1500 Kronen/ den andern Preiß bekam Neda/ Farabert und Wilhelm/ ein herliches Schwert auf 1000 Kronen. Den dritten Prinsla/ der Schwede Haldan/ so den Arm zubrach/ und der Daͤne/ welcher mit Neda so tapffer getroffen hatte; jeder ein Par guͤldener Sporen mit Rubinen außgelegt/ 600 Kronen am Preiß. Und damit gleichwol der ansehnlichsten Manheit ein Vorzug gegeben wuͤrde/ setzete Koͤnigin Valiska ihrem getraͤuen Leches und Bertram ei- nen gruͤnen Roßmarien Kranz auff/ und erinnerte sie/ daß in Beschuͤtzung der unschul- dig-unterdruͤkten/ sie ihre Staͤrke anwenden solten; vor welche sonderliche Gnade sie sich untertaͤhnigst bedanketen. Nach auffgehobenen Speisen bereiteten sich die jungen Koͤntge und Fuͤrsten zum Ringel Rennen/ bey welchem Valiska sich in Amazonischer Kleidung mitfinden lassen wolte/ und ward sonst niemand ohn der junge Fabius in diese Geselschafft genommen/ weil Leches und die anderen jungen Grafen sich dessen aus Unter- taͤhnigkeit wegerten/ und unter der Ritterlichen Geselschafft mitstechen wolten/ welche ih- re eigene Bahn hatten. Ladisla machete an jener Seite/ Leches an dieser den Anfang/ und hielten sich sehr wol. Herkules dort/ und Neda hier/ machtens gleich also/ wie auch Valis- ta und Klodius; Koͤnig Mnata aber (der in dieser Ubung schlechte Erfahrenheit hatte) taht den ersten Fehirit/ wie auch Prinsla an jenem Orte. Baldrich und Olaff wahren glei- che eiferig/ nicht weniger Siegward und Arbianes/ denen Markomir und der junge Fa- bius nichts nachgaben/ aber niemand taht es Herkules und Valisken gleich/ und wahr eine Lust anzusehen/ wie zierlich diese allerschoͤnste Koͤnigin den aͤdlen Blaͤnken unter der Zeit tummelte/ wann die anderen in der Ubung des rennens wahren. Die Koͤniglichen Zuse- her hatten sich vordismahl anders verwechselt/ so daß der Schwedische und Boͤhmische Koͤnig den ersten; der Teutsche und Daͤnische den andern; der Frankische und Herr Fa- bius den dritten Stand hielten/ und der Daͤne Koͤnig Henrichen glükselig preisete/ daß der Himmel ihm nicht allein einen so volkom̃enen Sohn/ sondern auch gleichmaͤssige und in al- len Tugenden vortrefliche Schwieger Tochter gegeben haͤtte/ welche sonder einige Schmei- cheley der ganzen Welt Beherschung wirdig waͤhren. Worauff er zur Antwort gab; er dankete dem wahren Gott billich/ daß er diesen seinen Kindern eine Tugend begierige Seele eingegossen haͤtte/ hoffete auch/ sie wuͤrden biß an ihr Ende dabey bestaͤndig verharren; je- doch rechnete er dieses noch nicht vor seine oder auch ihre hoͤchste Gluͤkseligkeit/ sondern dz sie neben ihm zur seligmachenden Erkaͤntniß des einigen wahren Gottes/ und zur unge- zweiffelten Hoffnung des ewigen Lebens kommen waͤhren/ als welches ihrer aller Gewis- sen/ Geist und Seele inniglich erluͤstigte/ daß sie nach dieser muͤhseligen Vergengligkeit/ die billich einem Schatten und Traum vergliechen wuͤrde/ eine ewig bestendige und aller Din- ge unvergaͤngliche Himmels-Freude von ihrem Heylande JEsus zugewarten haͤtten/ de- ren kein irdischer Pracht/ keine weltliche Ehr und Wollust moͤchte vergliechen werden/ ob man Achtes Buch. man gleich uͤber hundert Koͤnigreiche die Kronen auff dem Haͤupte truͤge. Der Daͤnische Koͤnig hatte dieser Christlichen Rede keine Empfindligkeit/ sondern schaͤtzete es vor einen eingebildeten Wahn/ dessen rechten Grund zuerforschen ihm dannoch etlicher massen an- lag; wolte aber sichs gegen Koͤnig Henrich nicht merken lassen/ sondern nahm vor/ von sei- nem Sohn sich hernaͤhst dessen zuerkunden/ welches doch etliche Jahr verbliebe/ uñ er kurz vor seinem Lebens Ende von demselben zum Christentuhm gebracht ward. Unter diesem und anderen Gespraͤchen ging das Ringelrennen beiderseits eiferig fort/ und zwar an der Ritter Seite so viel hefftiger/ weil daselbst ein dreydoppeltes Gestelle neben einander auff- gerichtet/ und drey Ringe zugleich angehaͤnget wahren/ daß allemahl ihrer drey zugleich rennen kunten/ und funden sich uͤber hundert und sechzig Ritter/ mehrenteils Grafen und Herrn Standes bey dieser Ubung/ welche biß an den spaͤten Abend anhielt. An Fuͤrst- licher Seite schaͤmete sich Koͤnig Mnata sehr/ daß er in der Jugend dieser Ubung nit fleis- siger obgelegen wahr/ dann er wahr gegen die anderen kaum ein Lehr Schuͤler zurechnen/ daß er endlich das Stechen gar angab/ und auff sich selbst zuͤrnete/ daß er als ein unerfahr- ner sich darzu hatte bereden lassen. Als der Sonnen Untergang dem Spiel sein Ende gab/ traten die jungen Fuͤrstinnen/ Klara und Schulda an Fuͤrstlicher Seite hervor/ lieferten Herkules und Valisken den hoͤchsten Preiß/ jedem ein Perlen Kroͤnichen von treflicher Zierde und Kostbarkeit/ welche sie auch von ihrer Hand annahmen/ aber Herkules das sei- ne Fuͤrstin Schulda/ und Valiska das ihre Fuͤrstin Klara auff das Haͤupt setzeten/ mit bitte/ ihrer stets dabey zugedenken. Die Koͤnigiñen Lukrezie uñ Vanda teileten den Ritteꝛn den erworbenen Preiß aus/ als Leches und Klodius/ die vor andern sich wol gehalten hat- ten/ und bekam jeder eine Halßkette von 2000 Kronen. Der Abend ward nach gehaltener Mahlzeit mit tanzen und anderer Lust zugebracht/ da Baldrich seinem Bruder anzeigete/ er haͤtte mit Siegward abrede genommen/ auff morgenden Tag in fremder Gestalt beym Stechen sich finden zulassen/ und auff ihre Schau Buͤhne andere zustellẽ/ damit sie daselbst nicht vermisset wuͤrden. Ladisla dieses hoͤrend/ erboht sich/ den dritten Mann zugeben; so kunte Herkules von ihm nicht bleiben/ trat mit ein/ und wurden eins/ in ganz gleicher Rü- stung auffzuzihen/ und sonst keinen in ihre Geselschafft zunehmen. Die Ritterschafft stel- lete sich fruͤhzeitig gnug bey den Schranken ein/ aber keiner wolte vor den andern hinein reiten/ biß die naͤhesten darzu von den Richtern angemahnet wurden; Und als die meiste Ritterschafft sich eingestellet hatte/ ließ Herkules einen verstelleten Roͤmischen Knaben hineinreiten/ welcher den Richtern diese Werbung vortrug: Hochweise und Großansehn- liche Herren; es sind vier fremde Ritter/ Gebruͤder/ gestern Abend spaͤt zu ihrem Ebenteur alhie ankommen/ gutes ungeschwaͤchten Adels/ die ohn Ruhm zumelden/ zum Schimpff und Ernst sich ehmahls haben gebrauchen lassen/ uñ nach Begebenheit staͤrkere und schwaͤ- chere angetroffen; Diese meine Herren melden allen anwesenden Koͤnigen und Fuͤrsten/ ihre untertaͤhnigste gehorsamste Dienste/ den Herren Richtern ihren Gruß/ und alle Freundwilligkeit an/ und lassen durch mich vernehmẽ/ ob ihnen mit gaͤnzlicher Hinterhal- tung ihres Nahmens/ ein oder etliche Speere zubrechen/ koͤnne erlaubet seyn/ welches sie weder aus Hochmuht noch Widersezligkeit/ sondern aus andeꝛn hochdringenden Ursachẽ begehren. Sie stelleten zwar gerne einen Buͤrgen/ aber in der fremde mißtrauen sie densel- z z z z z ij ben Achtes Buch. ben anzutreffen/ und hoffen dannoch alhie so viel Glauben zufinden/ daß man sie voꝛ redlich halten und erkennen wird/ solle auch nach geendigtem Stechen ihr Stand und Nahme gebuͤhrlich angemeldet werden/ und erbieten sich im uͤbrigen/ den Gesetzen sich gemaͤß zu verhalten. Die Richter gaben nach gehaltener Unterredung zur Antwort: Wann die Großmaͤchtigste Koͤnigin/ Fr. Valiska sich hierzu gnaͤdigst verstehen wuͤrde/ koͤnte ihnen solches gleich gelten/ deren Antwort zuerwarten stuͤnde. Weil nun diese alles angehoͤret hatte/ ließ sie durch einen Knaben anzeigen/ sie bedankete sich wegen des angetragenen Grusses gnaͤdigst/ und daß die vier tapffere Ritter Gebruͤdere diesem Stechen beywohnen wolten; weil dann ihnen noch zur Zeit nicht geliebete/ sich kund zugeben/ solte ihnen ihr an- suchen eingewilliget seyn/ mit Vorbehalt ihres getahnen Erbietens. Auff welche Erklaͤ- rung diese viere auff Apfelgrauen Rossen in so gar eintraͤchtigen Waffen den Einrit hiel- ten/ daß einiger Unterscheid an ihnen nicht zuspuͤren wahr/ ohn daß Herkules einen weissen/ Ladisla einen gelben/ Baldrich einen rohten/ und Siegward einen gruͤnen Federbusch/ auch gleich solche Feldbinden fuͤhreten. Die Harnische wahren blau angelauffen/ mit kleinen guͤldenen Striemen; jeder hatte im Schilde vier neben einander stehende Loͤuen/ mit die- ser Umschrifft: Fratrum Concordiâ nihil fortius. Nichts ist so stark/ als die bruͤderliche Einigkeit. Sie sprengeten so freudig/ und mit so hoͤflicher Art zu den Schranken ein/ daß jederman die Augen auff sie warff/ und ihre geschikliche Rittermaͤssigkeit nicht gnug loben kunte. Ge- gen Koͤnigin Valiska uͤber nahmen sie Stand/ und erzeigeten sich uͤberaus ehrerbietig ge- gen dieselbe/ mit halbverschlossenen Helmen/ daß sie nicht unterlassen kunte/ ihr Guk Fen- ster auffzumachen/ und mit Neigung des Haͤuptes ihnen ihre gute Gewogenheit erkennen zugeben; welches auch Koͤnigin Sophia/ die neben ihr stund/ mit verrichtete. Auff ihren Einzug fand sich noch mannicher Ritter in den Schranken an/ die sonst nicht willens wa- ren/ mitzustechen/ daß ihre Anzahl sich auff 250 belief. Koͤnig Mnata/ Olaff/ Arbianes/ Markomir und Fabius eiserten uͤber diese vier Bruͤder/ liessen ihre guten Reitharnische holen/ und begaben sich in die Schranken; und weil sie nicht wolten erkennet seyn/ liessen sie Koͤnigin Valisken ihre Nahmen schrifftlich einreichen. Herkules sahe sie hinein zihen/ zeigete es seinen Gesellen an/ und erkennete sie/ ausser Mnata und Markomir/ bey ihrem retten/ wuͤnschete auch/ daß sie vor dißmahl ihren Ehrgeiz gesparet haͤtten/ und beredete sich mit den seinen/ ihnen keine Ursach der Ausfoderung zugeben/ und alle Gelegenheit ihrer Handwechselung zumeiden. Anfangs tahten sich vier ansehnliche Pannonier hervor/ lies- sen die vier Gebruͤder auff ein Speerbrechen ersuchen/ und musten die mit Herkules und Ladisla traffen/ im ersten Ritte die Erde kuͤssen; Baldrich aber und Siegward wurden mit den ihren im andern Satze fertig. Mnata wunderte sich zum hoͤchsten/ daß der/ so mit Herkules stach/ so leicht gefellet wahr/ massen er gegen Olaff bekennete/ er wuͤrde unter die Handfestesten Ritter gerechnet/ als der mannichem Ritter angesieget haͤtte. Vier andere setzeten sich auff die Bahn/ den Unfal ihrer Landsleute zuverbessern/ und traff der/ so gestri- ges Tages den ersten Preiß mit davon gebracht/ auff Herkules/ hielt auch den Stoß red- lich aus/ und brachte den seinen sehr wol und geschiklich an/ dz Herkules gestund/ ihm waͤh- re die gestrige Ehre nicht unbillich zu teile worden; aber im andern Gange muste er/ wie ungerne auch/ herunter springen/ welches ihn uͤber die masse hefftig verdroß; dann er sahe/ daß Achtes Buch. daß sein Obsieger dessen von jedermaͤnnig gepreiset ward. Ladisla hatte seinen schon im er- sten Treffen nidergeworffen/ aber Baldrich und Siegward musten den dritten Saz wa- gen/ da es ihnen nach Willen fugete. Noch kunten sie nicht unangefochten bleiben/ dann ein sehr starker Daͤhne/ der sich gestern nicht hatte brauchen wollen/ foderte Herkules auff ein Speer/ setzete auch mit solcher Krafft auff ihn/ daß Olaff/ der ihn kennete/ zu seiner Gesel- schafft sagete: Dafern dieser des Streits erliegen wuͤrde/ wuͤste er dem Obsieger keinen festeren Stecher entgegen zustellen; nicht desto weniger warff ihn Herkules mit samt dem Pferde uͤber und uͤber; weil er aber im Sattel sich fest hielt/ ward ihm auff begehren der ander Rit gerne verwilliget/ in welchem er dergestalt ausgehoben ward/ daß ihm im falle die Waffenriemen zersprungen/ und er ohmaͤchtig von dem Platze getragen ward. Ladisla bekam einen Teutschen zum Ausfoderer/ der ihm zween Stoͤsse aushielt/ und im dritten ruͤklings absitzen muste/ wie dann Baldrich und Siegward mit gleichmaͤssigem Verfolge obsiegeten/ jener einem Schweden/ und dieser einem Wenden. Alle Zuseher vorwundertẽ sich der treflichen Manheit dieser vier Bruͤder/ welche allemahl die Ordnung hielten/ daß der mit der weissen Feder/ oben an/ naͤhest ihm der mit der gelben/ drittens mit der rohten/ und unterst mit der gruͤnen sich stellete/ und meyneten die Zuseher/ es geschaͤhe ihres unter- schiedlichen Alters halben. Fabius begunte seine Geselschafft schon zuvermahnen/ ob nit schier Zeitwaͤhre/ sich mit diesen tapfferen Bruͤdern zuversuchen; aber Olaff hielt vor rahtsam/ daß mans vorerst mit andern wagete/ damit sie auch zuvor einen Nahmen erhiel- ten/ da es irgend gegen diese mißgluͤcken solte; stelleten sich demnach auff die Bahn/ und traffen mit vier Boͤhmen und einem Wenden/ da Olaff mit seinem Manne im ersten; Fa- bius im andern; Markomir auch im andern; Arbianes und Mnata im dritten Stosse fer- tig wurden/ welches den vier Bruͤdern nicht unangenehm wahr/ insonderheit als sie bald darauff zween Friesen/ einen Schweden und zween Daͤnen/ im andern Treffen niderwurf- fen. Drittens wurden sie aber ausgefodert von zween Teutschen und dreyen Franken/ da Fabius und ein Teutscher in dreyen Treffen sich umsonst bemuͤheten/ den Sieg zuerhaltẽ/ wiewol sie im lezten schier beyde absatteln muͤssen. Arbianes enthielt sich des Falles bloß durch Behendigkeit/ da er seinen Gegener einen Franken herunter warff. Mnata ward von einem Teutschen im dritten Satze mit samt dem Pferde in den Sand gelegt. Mar- komir erlegete seinen Gegenstecher einen Franken im dritten Treffen. Aber Olaff ward mit den seinen bald anfangs fertig. Die vermeyneten vier Bruͤder fingen von neuen an/ ihre Pferde zu tummeln/ ehe dieser Streit geendiget war/ damit sie von diesen ihren Freun- den nicht angegriffen wuͤrden/ und stellete Herr Bertram nebest Leches/ Neda und Klo- dius sich gegen sie/ hatten sich auch verbunden/ alle Krafft anzuwenden/ ob ihnen gelingen moͤchte. Unsern vieren wahr dieses zwar nicht so gar angenehm/ jedoch musten sie ehren- halben sich finden lassen. Es traff aber Herkules zweymahl auff Bertram/ und machete ihn im andern Angriffe Stegereiffloß/ der Hoffnung/ er wuͤrde sich des dritten enthalten; weil er aber auff denselben drang/ ward er gewehret/ und mit samt dem Pferde unsanfft genug nidergeworffen; welches Koͤnig Henrich sehend/ sich verwunderte/ wer diesen Handfesten Ritter gestuͤrzet haͤtte. Ladisla muste seinem getraͤuen Leches begegnen/ der ihm den ersten Stoß ritterlich aushielt/ und weil ihm sein Koͤnig im voruͤberrennen einen z z z z z iij Wink Achtes Buch. Wink gab/ kante er ihn/ und wolte weiter nicht treffen. Baldrich aber hatte Mühe gnug/ den festen Neda im dritten ritte zu fellen/ welcher doch sein Speer ritterlich brach/ also taht auch Klodius seyn aͤusserste/ daß Siegward ihn ruͤhmen must/ ging aber auch von dem drit- ten Stosse uͤber und uͤber. Als Fabius solchen Unfal sahe/ und daß Leches weiter nicht an- hielt/ geriet er in zweifel/ ob nicht Herkules und Ladisla unter diesen Stechern waͤhren/ durf- te sich doch dessen gegen seine Mitgesellen nicht merken lassen/ aus Furcht/ er wuͤrde ihnen verdrieß erzeigen/ weil er leicht zu urteilen hatte/ sie wolten unerkennet seyn; Olaf aber rei- zete gewaltig zu/ es waͤhre hohe Zeit/ ihnen das Speer zu bieten/ weil der Sieg loͤblich/ und die Niederlage nicht schimpflich seyn koͤnte/ angesehen der grossen Mannheit/ welche diese Bruͤder haͤtten spüren lassen. Mnata hatte wenig belieben darzu/ und ob gleich Arbianes sagete/ er haͤtte sich schon auff eine Wagnis geschikt/ auch Markomir sich vernehmen ließ/ er wolte nicht laͤnger zu Pferde bleiben/ als dieser Bruͤder einer es ihm goͤnnen wuͤrde/ so suchete doch Fabius Ursach/ es aufzuschieben/ einwendend/ er truͤge belieben/ erst noch ein- mahl seine Arme gegen andere zugebrauchen; aber es fiel ganz unverhoffet eine gewuͤn- schete Verhinderung dazwischen/ gleich als Bertram und Neda ihren Gesellen Leches zu Rede stelleten/ warumb er das Stechen nicht fortgesetzet haͤtte/ welches ihm von mannichẽ zur Zagheit duͤrfte gerechnet werden; er aber zur Antwort gab/ wann nach des Stechens endigung er dessen nicht gnug guͤltige Ursachen wuͤrde einfuͤhren koͤnnen/ welche sie selbst billichen muͤsten/ alsdann wolte er Zeit seines lebens vor einen Verzageten gehalten seyn. Bey dieser Unterredung/ sage ich/ kam ein ansehnlicher Ritter eilend herzu gerennet/ der sich mit acht Rittern vergeselschaftet hatte/ schickete auch behende einen zierlichen Roͤmi- schen Knaben auff einem kleinen Zelter in die Schranken/ welcher in guͤldenem Gewande gekleidet wahr/ und mit artiger Ausrede dieses in Lateinischer Sprache vortrug: Hoch- weise ansehnliche Herren Richter dieses treflichen Speer brechens; mein gnaͤdiger/ dieses Orts unbekanter Herr/ naͤhst anerbietung seiner Dienste/ Grusses und Freundwilligkeit/ hoffet nicht allein eure gute Gewogenheit/ sondern vorab der gegenwaͤrtigen Großmaͤch- tigsten Koͤnigen und Koͤniginnen/ dann auch der Durchleuchtigsten Fuͤrsten und Fuͤrstin- nen/ und zugleich der hochansehnlichen saͤmtlichen Ritterschaft/ nach gebuͤhr gnaͤdigste und guͤnstige Vergebung/ seines fast unzeitigen und spaͤten vornehmens/ und laͤsset durch mich nachfragen/ ob ihm und seinen acht Gefaͤrten gutes Adels vergoͤnnet seyn koͤnne/ in die Schranken zu reiten/ mit der Bedingung/ daß vor endigung des Speerbrechens sie nicht genoͤhtiget werden/ ihren Nahmen zu melden/ alsdann geloben sie/ den uͤbrigen Satzungen gemaͤß zu leben. Die Richter bedanketen sich des angetragenen Grusses/ und verwiesen dz uͤbrige an Koͤnigin Valisken/ welche nicht anders meinete/ als daß ihr Herkules vor den Schranken hielte/ welches sie zwar ungerne sahe/ und ihm solches doch nicht wegern durf- te; ließ demnach durch einen Knaben diese Antwort geben; Dem fremden Herrn und sei- nen Gefaͤrten solten auff ansuchen und erbieten/ die Schranken ungewegert seyn/ wiewol man lieber gesehen haͤtte/ daß sie etwas zeitiger waͤhren zugegen gewesen. Worauff der Fremde sich bedachte/ ob er einzihen oder zurük bleiben solte; doch weil die seinen/ als welche Ehre zuerwerben hoffeten/ ihn fleissig anmahneten/ ritte er in seiner Pracht hinein. Er hatte einen ganz verguͤldeten Harnisch an; sein Pferd wahr schneweiß/ mit einer kostbaren Dec- ke von Achtes Buch. ke von der allerreinesten Seide gelber farbe behaͤnget/ auff welcher eine gute anzahl Mor- genlaͤndischer Perlen geheftet wahren; das Gebiß wahr von klarem Golde/ und der Zaum starrete von Demanten; die Steifbuͤgel wahren ganz guͤlden/ mit Rubinen und Schma- ragden eingeleget/ und der Sattel gelbe/ mit gleichen Steinen gezieret; das Schwert füh- rete er in einem gelben Feldzeichen/ mit Perlen gesticket. Im Schilde stund Koͤnigin Va- lisken Ebenbild/ die einen nidergeworffenen Loͤuen mit Fuͤssen trat/ dabey diese Umbschrifft: Virgo Bohemica Leonem Parthicum domuit. Das Boͤhmische Fraͤulein hat den Parthischen Loͤuen gezaͤhmet. Auff dem Helme stund dieses gekroͤnete  Koͤnigin Valisken ehemahlige Zei- chen/ in Gold schwarz eingeetzet/ und ein Taͤflein daneben/ darauff diese Worte: Post Lu- ctum Gaudia. Freude nach Leid. Er sprengete vor seinen Gefaͤrten her/ neigete sich gegen Koͤ- nigin Valisken sehr demütig/ und durch seine herzhafte Geberden gab er gnug zuverstehen/ daß er noch wol ein Treffen mit wagen duͤrfte; ritte hernach zu der auffgehengten Taffel/ und durch deren beruͤhrung gab er zuvernehmẽ/ daß er sich den Satzungen gemaͤß verhal- ten wolte. Seine acht Gefaͤrten folgeten ihm von ferne/ und setzeten sich mit ihm an einen absonderlichen Ort/ wehrete auch nicht lange/ daß neun Pannonier sich ihm entgegen stel- leten/ deren der fremde Herr seinen Mann im ersten Treffen niderlegete/ und ging es den uͤbrigen im andern und dritten ritte gleich also. Neun andere/ teils Boͤhmen/ teils Friesen/ funden sich an der gefelleten Plaz/ aber sie wurden mehrenteils im ersten gange abgestossen/ und die uͤbrigen im anderen/ so daß Herkules an diesem Wolverhalten grosses belieben trug/ taht auch seinen Gesellen den Vorschlag/ er wolte Leches Neda/ Bertram/ Prinsla und Wilhelm in seine Geselschaft nehmen/ und alsdañ mit diesen fremden es wagen. Die- se fuͤnffe wurden alsbald herzu gefodert/ und hermeten sich nicht wenig/ daß sie wieder ihre Herren das Speer gerichtet haͤtten/ wahren dannoch sehr froh/ daß sie von keinen andern gefaͤllet wahren/ preiseten Leches wegen der fruͤhzeitigen Erkaͤntnis gluͤkselig/ und stelle- ten sich als ohngefehr hinter Herkules/ da inzwischen drey Teutsche/ zween Franken/ drey Schweden und ein Daͤhne sich an die Fremden macheten/ und im ersten Treffen sich alle miteinander wolhielten/ wiewol sie im andern gange alle neun herunter musten/ da von den Fremden ihrer drey mit absattelten/ wiewol sie alle ihre Speer redlich gebrochen hatten/ daher Herkules die seinen vermahnete/ gute Aufsicht auff sich selbst zuhaben/ weil sie voꝛ Au- gen saͤhen/ daß sie es nicht mit Kindern wuͤrden zu tuhn bekommen. Valiska hielt den frem- den nunmehr eigentlich vor ihren Herkules/ und wahr in ihrem Herzen fast gewiß/ daß er wegen der vier Brüder Wolverhalten sich haͤtte bewaͤgen lassen/ ihre Kraͤfte zu pruͤfen/ da dieser Fremde sich noch mit etlichen einzelnen versuchete/ und sie gluͤklich herunter warff/ daher wolte Herkules sich auch sehen lassen/ und foderte einen ansehnlichen starken Gothen aus/ der sich schon wol gebraucht hatte/ und dieser Ehre sich hoch erfreuete/ ihm auch zween gewaltige Puͤffe aushielt/ abeꝛ doch zum drittenmahl einen/ wiewol sehr unwilligẽ Sprung nehmen muste; und ob zwar ein ander handfester Gohte es zu raͤchen meinete/ lief doch des- sen Pferd im andern Satze ohn seinen Reuter davon. Der Fremde hatte inzwischen ein wenig geruhet/ und wahr von den seinen verstaͤndiget/ was gestalt die vier Bruͤder ihre Anzahl ihnen gleich gemacht haͤtten/ ohnzweifel mit ihnen anzubinden/ welches er gerne hoͤrete/ und sich ihnen alsbald entgegen setzete. Aller anwesenden Augen wahren auff diese beyde Achtes Buch. beyde Haͤuflein gerichtet/ die sich in Ordnung stelleten/ und durch hurtige sprengung ihrer Pferde zuverstehen gaben/ daß sie zum Treffen unerschrocken waͤhren. Herkules bekam den Vornehmsten zum Gegener/ und traff mit ihm sehr ernstlich/ so daß dieser schon im er- stenmahl zu wanken begunte; dessen Valiska nicht wenig erschrak/ welche diesen Fremden sich so gar vor Herkules eingebildet hatte/ daß sie zu keinen anderen Gedanken greiffen kun- te/ insonderheit/ als sie sein Schild und Helm-Zeichen sahe/ deswegen sie des andern rittes sich sehr bekuͤmmerte/ und wenig fehlete/ sie haͤtte uͤberlaut geschrihen/ als sie gewahr ward/ daß er von jenem vier Bruder dergestalt getroffen ward/ daß er das übrige seines zubro- chenen Speers fallen ließ/ und an seines Pferdes Maͤhne sich halten muste/ dessen er sich nicht wenig schaͤmete/ und wuͤnschete/ er waͤhre uͤber hundert Meile davon/ dann er meine- te nicht anders/ als Herkules stuͤnde auff seiner Schau-Buͤhne/ und wuͤrde ihn nach er- kennung vor einen ohmaͤchtigen Ritter halten/ daher er den dritten Strauß wagete/ und sein Verbrechen einbringen/ oder gar verspielen wolte; welches lezte auch erfolgete/ dañ er ward dergestalt getroffen/ daß er über und uͤber ging/ und doch keinen Schaden nam/ wie- wol Herkules Pferd wegen grosser bemuͤhung schier auff den Kopf gestuͤrzet waͤhre/ wie es dann durch verrenkung eines Hinter-schenkels zum weitern Gebrauch undüchtig waꝛd/ daß er ihm ein anders muste zufuͤhren lassen. Des Fremden Gefaͤrten hielten sich sehr wol; dann Ladisla erlegete seinen Mañ im dritten Treffen/ mit solcher Muͤhe/ daß er selbst schier haͤtte mit springen muͤssen. Baldrich muste seinen Gegener in allen dreien Treffen festsit- zen lassen/ und haͤtte er selbst im lezten schier den kuͤrzern gezogen. Siegward stuͤrzete mit seinem Pferde/ als er seinen Gegenkaͤmpfer durch den dritten Stoß hatte herunter geworf- fen. Leches und sein Mañ gingen beyderseits im andern ritte zu Bodem; Neda verlohr im dritten beyde Stegreiff/ aber sein Bestreiter muste mit samt dem Pferde stuͤrzen. Prinsla ward im dritten gange gefellet/ und blieb der so ihn herunter stach/ fest sitzen. Bertram und sein Gegener hielten einer dem andern die Stange redlich; aber Wilhelm und sein Gegen- stecher stiessen sich mit den Leibern/ daß sie beyde das Maß auff der Erde nahmen. Herku- les verwunderte sich dieser ritterlichen Geselschaft dergleichen ihm nie vorkommen wahr/ Fabius kunte nicht aussiñen/ wer sie seyn moͤchten/ uñ merkete an des vornehmsten Schil- de doch/ daß sie bekante wahren. Dieser hatte sich schon wieder zu Pferde gesetzet/ des Vor- habens/ mit dem andern vier-Bruder es auch zu wagen; aber Olaf/ dem sein Herz brante/ Ehre an ihm zuerstreiten/ setzete sich ihm entgegen/ traff auch dergestalt mit ihm/ daß ih- nen beyderseits das Herz puffete/ wiewol sie unbewaͤglich sitzen blieben/ und der Fremde in den Wahn geriet/ es wuͤrde Leches seyn. Im andern Satze gebrauchten sie sich ge- waltiger/ daß nicht allein ihre Speere in die Luft flogen/ sondern sie beiderseits zimlich wan- keten und der Daͤnische Koͤnig seines Sohns Rittermaͤssigkeit (welchen er doch dazumahl nicht kennete) sehr lobete. Im dritten Treffen aber gingen sie beide mit samt den Pferden in den Sand liegen/ und wahr zuverwundern/ daß der fremde das Genik nicht zubrach/ massen seine Gefaͤrten ihm daß Pferd vom Leibe heben musten/ welchem der linke hinter- Schenkel rein abgebrochen wahr. Nun wolte Fabius seiner Gesellen einen auch pruͤffen/ und foderte den ansehnlichsten aus; aber im dritten Gange muste er springen; des Herku- les leidig wahr/ und seinen Fal dergestalt raͤchete/ daß diesem Obsieger im andern Treffen/ da Achtes Buch. da er zur Erdenstuͤrzete/ der rechte Arm verrenket ward. Die anderen Anwesende Ritter wolten nicht muͤssige Zuseher seyn/ und fingen in so grosser Menge das Stechen an/ daß ih- nen die sehr weite Bahn kaum Raum genug gab/ und ließ Arbianes sich hieselbst dergestalt gebrauchen/ daß er in 15 Ritten/ neun ansehnliche Ritter niderlegete. Baldrich und Sieg- ward/ wie auch Fabius/ gebraucheten sich nicht minder/ aber Herkules und Ladisla wolten weiter ungefodert nicht stechen/ darum hielt sich auch Koͤnig Mnata ein; aber derfremde Herr tummelte sich weidlich/ traff auch mit Siegward/ und musten einander sitzen lassen. Das Stechen verzog sich uͤber die bestimmete Zeit/ und ging so krauß und bund durchein- ander/ daß fast keine Ordnung mehr zusehen wahr/ daher auch die Richter zum Abzuge auffblasen liessen. Valiska (welche nicht anders meinete/ als daß ihr Herkules herunter ge- stochen waͤhre) und mit ihr Sophia/ Lukrezie und Klara/ traten herzu/ die Gewinn außzu- teilen/ und liessen anfangs die beiden ersten vier-Bruͤder herzuruffen/ deren jedem sie ihr Brustbild an einer Demant Ketchen/ von 4000 Kronen wert um den Hals warff/ und sie also anredete: Sehet da ihr trefliche uñ unuͤberwindliche sie greiche Ritter/ nehmet hin den Dank eures wolverhaltens/ welcher ohn einiges Richters Zweiffel euch gebuͤhret/ uñ fahret fort/ allen beleidigten zu gute/ eure Waffen zugebrauchen/ mit welchen uͤmzugehen ihr so wol gelehret seyd; ich zweifele nicht/ sie nebest ihren Bruͤdern/ werden vor ihrem Ab- zuge/ wie eilig er auch seyn moͤchte/ ihren Nahmen und Stand uns wissen zulassen/ unbe- schweret seyn. Herkules sahe/ daß er vor ihr nicht laͤnger kunte verborgen seyn/ und sagete zu ihr auf Medisch: Wie mein Schaz? kennet ihr mich und euren Bruder nicht mehr? es ist aber noch nicht Zeit daß man uns kenne/ sonst wuͤrden meine Mit Bruͤder/ Siegward und Baldrich sich bald melden. Ging hierauff mit Ladisla davon/ und ließ sie in lachender Freude und Verwunderung stehen. Nach ihrem Abscheide wurden die anderen beide vier Bruͤder/ auch der ansehnliche fremde/ und Fuͤrst Olaff gefodert/ denen Koͤnigin Sophia den andern Dank mit diesen Worten einhaͤndigte: Weil euꝛe herzhaffte Tugend/ ihr Herꝛn Ritter/ sich im heutigen Stechẽ vor vielen andern hat hervorgetahn/ muß ihr der gebuͤhr- liche Preiß billich bleiben; legete ihnen darauff eine guͤldene Kette mit ihrem Brustbilde an/ welches mit Demanten umsetzet wahr/ auff 2300 Kronen wert. Den dritten Dank or- dente man Arbianes/ Fabius/ Leches/ Betram/ und zween aus des fremden Herrn Gesel- schafft zu; nehmlich den ersten dreyen eine guͤldene Kette/ mit Koͤnigin Lukrezien Bllde/ welche sie ihnen selber um den Hals warff/ und jede 1800 Kronen außtrug. Den andern dreyen gab Fuͤrstin Klara ein gleichmaͤssiges Geschenk mit ihrem Brustbilde/ und erin- nerte sie die Fremden ihrer Schuldigkeit eingedenk zuseyn/ uñ vor dem Abzuge sich zunen- nen. Worauff der fremde Herr sich gegen Koͤnigin Valisken tieff neigete/ zog seinen Helm ab/ und setzete sich vor ihr auff ein Knie/ in Meinung/ nach geleistetem Hand Kusse seinen Gruß abzulegen; weil sie ihn aber alsbald vor Fuͤrst Pharnabazus von Susa kennete/ hub sie ihn geschwinde auff/ umfing ihn mit beiden Armen auffs freundlichste/ und sagete zu ihm: Mein in Ehren herzgeliebeter Herr Bruder und wahrer Freund/ hat eure Liebe die beschwerliche Reise auff sich genommen/ uns zubesuchen/ so gibt er dadurch seine hohe Ge- wogenheit mehr als zu viel an den Tag; wil ja nicht hoffen/ daß einige Noht oder Gefahr denselben hieher getrieben hat/ auff welchen Fall wir dann weder Muͤhe noch Voͤlker zu a a a a a a der Achtes Buch. der Hochfuͤrstlichen Verbuͤndniß Dienste sparen werden. Er aber gab zur Antwort; seine Ankunfft waͤhre auß keiner andern Ursach/ als bloß aus Getrieb seiner herzlichen und un- tertaͤhnigen Neigung geschehen/ mit welcher er ihrer Koͤnigl. Hocheit/ auch dero Herꝛen Gemahl und Bruder zugetahn uñ verbunden waͤhre. Die vermeinete Gefahr haͤtte nichts auff sich/ massen des Feindes Macht dergestalt geschwaͤchet waͤhre/ daß er sich in seinen Fe- stungen einschliessen muͤste/ wovon er zu gelegener Zeit Bericht tuhn wolte. Nun erblicke- te Fabius ohn gefehr dieses bekante Angesicht/ sprengete hin zu Arbianes/ und sagete; Herꝛ Bruder sein Oheim Fuͤrst Pharnabazus ist der fremde Herr mit Koͤnigin Valisken Bild- niß/ welchen ohn Zweiffel die hohe Begierde nach den beiden Helden hieher getrieben hat. Dieser wolte es vor Freuden kaum glaͤuben; weil aber Ladisla seinen getraͤuen Tyriotes/ Obristen Bubazes und den Teutschen Wedekind mit entbloͤsseten Haͤuptern stehen sahe/ gedachte er alsobald/ Pharnabazus wuͤrde verhanden seyn/ daher er zu Herkules sagete; gilt Bruder/ du hast heut mit unserm Freunde Pharnabazus gestochen. Mit diesem Wor- te kam Fabius herzu/ und machte Leches/ was er gesehen hatte/ zuwissen; welches Herkules bewaͤgete/ sich diesem nicht allein zuerkennen zugeben/ sondern ritte mit seiner ganzen Ge- selschafft hinzu/ fand die Warheit/ vergaß seiner Verstellung/ und nach abgezogenem Hel- me trat er hin/ und hieß ihn mit einem bruͤderlichen umfahen sehr wilkommen seyn; her- nach baht er umb Verzeihung/ daß er/ wiewol unwissend/ wider ihn gestochen haͤtte. Die- ser freuete sich von ganzem Herzen/ daß kein ander als Herkules sein Obsieger wahr/ er- zeigete ihm grosse Ehre/ und entschuldigte sich/ dz er ihn an seinem ritterlichen und unver- gleichlichen Verhalten nicht bald anfangs erkennet haͤtte/ welches nur die gemeine Sage verhindert/ daß die Koͤnige Herkules und Ladisla auff ihrer Schau Bühne sich hielten; legete sichs hernach zum sonderlichen Gluͤk aus/ daß er noch die Ehre gehabt/ mit dem trefflichsten Ritter der Welt ein Speer zubrechen/ von dem jederman uͤberwunden zuwer- den/ sich fast schuldig erkennete. Herkules wolte seiner Hoͤfligkeit laͤnger nicht zuhoͤren/ ließ Ladisla hinzu treten/ ihn zuempfahen/ und hieß inzwischen Bubazes und die uͤbrigen/ un- ter dem Nahmen seiner Freunde und Spießgesellen sehr wilkommen seyn/ mit dem erbie- ten/ ihnen die Muͤhe ihrer getahnen Reise nach Vermoͤgen zuersetzen; hernach begab er sich wieder zu Pferde/ ritten des Weges nach dem Schlosse zu/ und muste Pharnabazus wider seinen Willen zwischen Herkules und Ladisla reiten. Valiska folgete mit dem an- dern Frauenzimmer ihnen auff dem Fusse nach in ihrer schoͤnen Gutsche/ welche sie zu Persepolis empfangen hatte/ und als sie nicht weit geritten wahren/ begegnete ihnen Ma- zeus mit 50 Reutern/ welchem Herkules entgegen sprengete/ ihn zu Pferde umfing/ und zu ihm sagete: Mein allerliebster Herr und wahrer Freund/ ich weiß fast nicht/ ob ich zu Prag oder zu Persepolis mich befinde/ so unvermuhtlich ist mir die Gegenwart meiner geliebten Herren und Freunde. Mazeus wolte mit vielen Umschweiffen/ seiner Wolberedsamkeit nach/ antworten/ aber Herkules sagete/ nach gehaltener Mahlzeit wuͤrde es gelegener seyn; ritten demnach mit einander fort/ und sahen zur Seiten einen treflichen ausgeputzeten E- lefanten/ dessen Valiska zu allererst gewahr wurde/ und leicht gedachte/ es wuͤrden etliche Morgenlaͤndische grosse Freundinnen sich darauff befinden/ daher sie ihre Gutsche dahin wendete/ und die Medische Großfürstin Saptina; Roxanen/ Mazeus Gemahl; Barse- nen/ Achtes Buch. nen/ Pharnabazus Gemahl/ uñ ihre getraͤue Kleofis herunter steigen sahe/ deren samt und sonders sie sich nit wenig freuete/ und mit Fuͤrstin Klaren alsbald aus der Gutsche sprang/ sie zuumfahen. Ihre Unterredung wegen Mangel der Zeit/ wahr kurz/ und daß sie solches gleichwol gebuͤhrlich verrichten moͤchten/ stiegen sie mit einander auff den Elefanten/ da Saptina ihre Schnuhr Fuͤrstin Klaren herzlich umfing/ und sich aller muͤtterlichen Liebe und Freundschafft erboht. Diese bedankete sich kindlich/ trug ihr allen moͤglichen Gehor- sam hinwiederumb auff/ und ließ Valiska sich zwischen ihnen als eine Dolmetscherin ge- brauchen; vernam auch mit hoͤchster Vergnuͤgung/ daß nach Ableben des Erblosen Fuͤr- sten in Assyrien Herrn Armametres/ nunmehr Herr Mazeus mit selbigen Fuͤrstentuhm angesehen waͤhre/ auff dessen Todesfal/ weil er keine Leibes Erben haͤtte/ Arbianes in der Herschafft folgen solte. Auff dem grossen Saal ging das empfahen von neuen an/ und wurden die hoͤflichen Gruͤsse von Artaxerxes/ Phraortes/ und den saͤmtlichen Bundsver- wanten gebuͤhrlich abgeleget; auch erzaͤhlete Pharnabazus nach gehaltener Mahlzeit die unterschiedlichen kleinen Schlachten/ welche sider der Unsern Abzuge vorgangen wahren/ in welchen der Feinde uͤber 60000 erschlagen/ und 40000 gefangen/ auch alle Parthische Besatzungen aus Kaspien/ Hirkanien und anderen Landschafften der Fuͤrstlichen Ver- buͤndniß ausgejagt waͤhren; kurz vor seinem Abreisen haͤtten die Teutschen/ Boͤhmen und Roͤmer einen Streiff biß jenseit Charas gewaget/ daß sie 480 Kauffmans-Wagen/ so aus Indien nach derselben Stad gewolt/ angetroffen/ ihre Begleitung/ 5000 stark/ niederge- macht/ und die Beute zu Persepolis gluͤklich eingebracht; und ob ihnen zwar unterschied- liche Voͤlker nachgesetzet/ haͤtten sie doch/ als zu schwach/ keinen Anfal wagen duͤrffen; der Raub/ an Baarschafft/ aͤdelsteinen/ Perlen und anderen koͤstlichen Waaren/ haͤtte sich auf die 15 Million erstrecket/ wovon sie dem Persen Koͤnige Artaxerxes den dritten Teil einge- liefert das uͤbrige unter sich brüderlich geteilet/ und sich wol beraspelt haͤtten. Betreffend des Parthischen Wuͤterichs Zustand/ haͤtte derselbe uͤber das falsche Geschrey ihres Un- terganges auff dem Syrischen Meer/ sich hoch belustiget/ biß ihm andere Zeitung zukom- men/ und stuͤnde es umb denselben nunmehr ganz schlecht/ wuͤrde ohn Zweifel gerne einen billichen Vertrag eingehen/ wann man wegen seiner begangenen Grausamkeiten ihm veꝛ- zeihen wolte. Fuͤrsten Pakorus haͤtte ers zudanken/ daß er noch eines Koͤniges Nahmen und Ansehen truͤge/ da er zuzeiten annoch seinen auffgeblasenen Stolz und Hochmuht zim- licher massen solte blicken lassen. Vologeses waͤhre bey ihm in schlechtem Ansehen/ welcher sich auch des Kriegs haͤtte abgetahn/ und zweifelte man nicht/ Pakorus wuͤrde auch end- lich den Lohn des Undanks davon tragen. Unter diesem Gespraͤch ward der grosse Gama- xus (welchen sie bißher verborgen gehalten) im gewoͤhnlichen Narren Kleide auf den Saal gefuͤhret/ welchẽ Herkules ersehend/ zu ihm sagete: Sihe da mein Kerl/ so hastu auch noch deine Draͤuungen erfuͤllen/ und mich biß in Teutschland verfolgen wollen/ ungeachtet ich dir den Reuter Saz nach deiner Ausfoderung gehalten habe. Die anwesende/ so ihn vor- mahls nicht gesehen/ erschraken uͤber diesem Ungeheur/ und liessen sich von Valisken be- richten/ wer dieser Unmensch waͤhre; welcher auff Herkules Rede nichts antwortete/ nur daß er einen tieffen Seuffzen gehen ließ/ nachdem er schon zimlich muͤrbe gemacht wahr. Auff der Reise wahr er kaͤrglich gnug gespeiset/ und als Leches ihm etliche grobe Speisen a a a a a a ij vor- Achtes Buch. vorsetzen ließ/ fraß er dieselben geitzig in sich/ und sagete zu ihm: Mein Herr/ ihr tuht mir hieselbst bessere Freundschafft als in Persen/ und O wolte Gott/ dz ich alhie entweder gnaͤ- digere Herren/ oder den schleunigen Tod/ wie hart er immer waͤhre/ antreffen moͤchte; woruͤber Herkules zu Mitleiden bewaͤget ward/ daß er ihm von den besten Speisen auff- tragen/ und so viel er sauffen mochte/ des guten Weins einschenken ließ; da er dann uͤber- menschlicher weise in die 25 Pfund allerhand niedlicher Speise/ und daneben 6 Stuͤbichẽ Wein einschluckete; wodurch er die bißher gefuͤhrete Schwermühtigkeit in etwas ablege- te/ und Herkules also anredete: Unuͤberwindlicher grosser Fuͤrst und Herr; ich bin zwar mit harten Streichen genoͤhtiget worden/ mich auff diese Reise zubegeben/ welches mir sehr unwillig eingangen/ in Betrachtung des Spottes/ der mir von unbekanten/ wegen meines ehemaligen sehr groben und unverantwortlichen Verbrechens/ auffs neue moͤch- te angeleget werden/ daher ich dann mein Leben auff dem Meer gerne wuͤrde geendiget ha- ben/ wann man mich nicht so fest an die Ruderbank geschlossen haͤtte; Nachdem ich aber viel eine groͤssere Gnade alhier antreffe/ als ich mir einbilden koͤnnen/ so zweiffele ich nicht/ Eure Hocheit werde den uͤber mich gefasseten hefftigen und gerechten Zorn gnaͤdigst mil- tern/ und durch mein Elende sich bewaͤgen lassen/ ihre so hochgepreisete Barmherzigkeit mir mitzuteilen; bitte demnach durch denselben starken Gott/ welcher Eurer Hocheit mich uͤberliefert hat/ demuͤhtig und untertaͤhnigst/ dieselbe wolle mir ferner Gnade erzeigen/ uñ der Beschimpffung der nicht-werten Knaben mich entreissen/ alsdann bin ich erboͤhtig/ alles dasselbe gehorsamst zuleisten/ was Eure Gn. von mir begehret und haben wil. Her- kules antwortete ihm: Ich haͤtte dir diesen Geist/ der dich anjezt unterrichtet/ wol zu jener Zeit wünschen moͤgen/ welches dir sehr vortraͤglich wuͤrde gewesen seyn/ und ist mir lieb/ dz du nicht allein in der Demuht Schuele schon zimlich zugenommen/ sondern auch meines Gottes Almacht erkennet hast/ weiß dir aber auff deine Bitte nichts gewisses zuversprechẽ/ ohn daß ich an den Medischen Groß Fuͤrsten schreiben/ und eine Vorbitte vor dich einlegẽ wil/ weil ich uͤber dich nicht zugebieten habe. Großfuͤrstin Saptina zeigete an/ ihr Gemahl haͤtte ihn ausdruͤklich mit uͤbergeschikt/ daß er seiner Hocheit vor leibeigen wieder solte ein- geliefert werden/ als eine Gedaͤchtniß ihrer herlichen uͤberwindung. Als Koͤnigin Valiska solches vernam/ fragete sie Gamaxus/ ob ihm dann vorerst seine Gotteslaͤsterung/ hernach sein begangener Frevel von ganzem Herzen leid waͤhre. Worauff er antwortete: Es waͤh- re ihm beydes von Herzen leid/ baͤhte auch untertaͤhnigst/ ihre Hocheit wolten ihm ein kraͤf- tiges Wort zum besten verleihen; Er haͤtte bißher so viel Spot und Streiche erduldet/ dz ihm der Hochmuht allerdinge ausgetrieben waͤhre. Ich weiß nicht/ sagete Valiska/ ob du nach diesem so standhafftig dich im guten/ als ehmahls im boͤsen erzeigen koͤnnest/ und nach meiner Vorbitte es mir nicht ginge/ als jenem frommen einfaͤltigen Bauren/ welcher ei- ner in der Hoͤhle versperreten Schlange/ durch Mitleiden bewogen/ aushalff/ die ihn her- nach umbringen wolte. Solche Falscheit/ antwortete Gamaxus/ hat nie in meinem Her- zen Raum finden koͤnnen/ sonsten wolte ich mich des Schmeichels fruͤhzeitig beflissen/ und mannichem Elende mich entzogen haben; Versichere demnach Eure Hocheit bey der hoͤchsten Krafft des Himmels/ daß ich mich aller Untugend enthalten/ und in baͤurischer Arbeit mein Brod gerne verdienen wil/ als viel meine gekruͤmmeten Arme und Beine es vermoͤ- Achtes Buch. vermoͤgen. Ich werde es mit dir versuchen/ sagte Herkules/ und nach Befindung deines Verhaltens mich wissen zubezeigen; welches der elende Mensch mit grosser Herzensfreu- de annam/ und vor dem Tische als einer der geringsten Diener auffwartete. Des folgen- den Tages kahmen 124 beladene Wagen an mit allerhand herlichen Sachen und Baar- schafften/ welche Pharnabazus folgender gestalt austeilete: Koͤnigin Valiska empfing im Nahmen der vereinigten Fuͤrsten 30 Wagen/ auff welchen 40 Tonnen Goldes an aͤdeln Steinen/ Perlen/ Golde/ Gewuͤrz und koͤstlichen Tuͤchern wahren; und noch 20 Wagen von den Persischen/ Teutschen und Boͤhmischen Kriegs Obersten/ welche 20 Tonnen Schaz an Geld und Gut geladen hatten. Koͤnige Herkules und Ladisla lieferte er 60 Wa- gen von den vereinigten Fuͤrsten/ beladen mit koͤstlichem Gewehr/ Harnischen/ Schwer- tern/ Hand Bogen/ Pferde Zeuge/ guͤldenen Huefeisen/ Steiffbuͤgeln und Gebissen/ gestik- ten Satteln/ und jedem ein sehr grosses Trinkgeschir aus klarem Golde/ mit Demanten besetzet/ alles geschaͤtzet auff 40 Tonnen Goldes. Und endlich Valisken noch 12 Wagen/ welche 15 Tonnen Goldes/ als fuͤnffjaͤhrige Schatzung wegen des Fuͤrstentuhms Susia- na brachten; Uber welche vielfaͤltige Schenkungen die unsern sich hoͤchlich beschwereten. Auch lieferte Fuͤrstin Saptina ihrer Schwieger Tochter den treflich geschmuͤkten Elefan- ten/ im Nahmen ihres Gemahls Phraortes/ und von wegen Koͤniges Artaxerxes von Waaren/ Kleinoten/ Perlen/ Gewürz und Baarschafften auff 10 Tonnen Goldes. Hernach kam die Geselschafft auff das ergangene Stechen zureden/ und gelobete Va- liska ihrem Herkules/ weil er sie dergestalt auffgetrieben haͤtte/ und seinen Nahmen ihr nicht melden wollen/ wuͤrde sie nicht ruhen/ ehe und bevor ihm ein gleiches angebracht waͤhre/ worzu sie dann schon gute Mittel wüste/ wie lange sichs auch verzihen wuͤrde. Unter dieser Beredung empfing Koͤnig Mnata ein Schreiben von Mastyes seinem hin- terlassenen Stathalter/ wie daß des erhenketen Dropions Bruder Pines/ sich seiner Leib- eigenschaft loßgemacht/ und in elender Gestalt auff den Grenzen des Koͤnigreichs ange- langet waͤhre; haͤtte sich aber daselbst ritterlich ausgeruͤstet/ und wie man sagete/ nach er- fahrung des schmaͤlichen Todes seines Bruders/ etliche Schmachreden wieder den Koͤ- nig und dessen jetzige Bedieneten ausgestossen/ woruͤber er ihn beim Kopfe nehmen lassen/ und ihrer Koͤnigl. Hocheit zusenden wollen; zweifelte nit/ dafern er loßkommen und im Koͤ- nigreiche geduldet werden solte/ würde er nicht unterlassen/ Dropions uͤberbliebene wieder auffzuwecken/ und das Reich in neue Unruhe zustuͤrzen. Mnata verwunderte sich dieser Zeittung sehr/ so dz er unter dem lesen die Farbe etlichemahl verenderte/ daher des Schrei- bens wichtigkeit wol vernommen ward/ und Valiska sich nicht erhalten kunte nachzufragẽ/ ob es auch in seinem Koͤnigreiche wol stuͤnde/ deren er zur Antwort gab: Er bedankete sich gegen ihre Liebe der getraͤuen Vorsorge/ und ginge daheim noch alles wol zu/ nur daß man ein unvermuhtliches selzames Wild in seinem Lande gefangen/ und ihm zugeschicket haͤtte/ welches er Koͤnig Herkules als eigen uͤbergeben und zufuͤhren lassen wolte/ ob ers vielleicht kennen moͤchte/ weil ihrer Liebe der Koͤnigin damit gar nicht gedienet waͤhre. Erteilete daꝛ- auff den Befehl/ und ließ alle Anwesende in verwunderlicher Begierde/ was Wild dieses seyn moͤchte. So bald der Unhold an seinen schweren Ketten in den Saal gefuͤhret ward/ und Herkules ihn sahe/ sagte er zu ihm: Wie nun zum Henker? wie schmaͤcket dir verwaͤ- a a a a a a iij genen Achtes Buch. genen das Brod nicht so wol auff der See/ als auff dem Troknen/ daß du/ wie ich gaͤnzlich muhtmasse/ durch eine frische Untaht dich von der Ruderbank hinweg gestohlen/ und Pan- nonien wieder gesuchet hast? erkeñe doch nun dereins/ daß des allerhoͤchsten Gottes Rache allenthalben hinter dir her ist/ so daß du von neuen in deiner eigenen Heimat mit Ketten must belegt werden/ woselbst du am allersichersten zu seyn/ dir eingebildet hattest. So beken- ne mir nun gutwillig/ auff was Weise du loß kommen bist/ weil ich ohndas die Warheit von Rom alsbald erfahren/ und da ich dich auff Luͤgen betreffe/ gebuͤhrlich straffen werde. Der Gefangene/ nach ausgehohletem schweren Seufzen/ antwortete ihm: Ich unseliger mag wol klagen/ daß das verfluchte Gluͤk mir den Ruͤcken zugekehret/ und nach ehemahli- gem wolergehen mich in die tiefste Pfuͤtze aller Wiederwertigkeit gestuͤrzet hat; und rech- ne mir nicht vor das schlechteste Ungluͤk/ daß mein ehemahls gnaͤdigst-gewogener Koͤnig und Landes Herr/ ohn alles mein Verbrechen mir Ungnade zugeworffen/ ungeachtet vor seine Hocheit und des Landes Wolfahrt ich mich willig gewaget/ und in diesen leidigen Stand gerahten bin/ dem ich durch meine Vorsichtigkeit allerdinge meinete entgangen seyn. Warumb trage ich diese Ketten? Koͤnig Mnata/ eure Hocheit frage ich; warumb schleppet man mich als einen Ubeltaͤhter gefangen? geschihets irgend meines Bruders wegen? ie hat derselbe mißgehandelt/ mus ja mir unschuldigen solches nicht zugeleget wer- den; und hat er/ meine ich/ durch einen zuvor unerhoͤrten schaͤndlichen Tod sein Verbre- chen bezahlen koͤnnen. Zwar Koͤnig Herkules hat Ursach/ mich zu rechtfaͤrtigen/ aber nicht Koͤnig Mnata/ mich ihm zu übergeben/ wo er sonst nicht das Ziel der billichen Belohnung uͤbertreten wil. Man leget mir zu/ ich habe wieder den Koͤnig geredet. Ich leugne es be- staͤndig/ und ist allerdinge unerweißlich/ nur etliche Worte sind mir aus hohem mitleiden entfahren/ als ich den elenden Zustand meines geliebeten Vaterlandes gesehen habe/ wel- che meine Wiederwertigen/ so vielleicht eine falsche Sorge tragen/ durch ungleiche Aus- legung mir verkehren/ und dadurch meinen Koͤnig wieder mich auffmachen. Ich bin in mein Vaterland verstohlner weise kommen/ habe gemeinet dasselbe in seinem ehemaligen guten Zustande wieder zu finden/ aber leider da ich kaum den ersten Fuß hinein gesezt hatte/ solch klagen/ seufzen/ winseln und jammern gehoͤret/ daß ich vor Angst meinete zuvergehen. Ich fragete/ ob dann alle wehrhafte Mañschaft durch den Donner vom Himmel herab er- schlagen/ oder durch eine algemeine Seuche nidergefallen waͤhre; und vernam aus der Antwort/ daß eben der Bliz meinen Koͤnig/ und seine drey grosse Kriegsheer getroffen/ durch welchen ich und meine kleine Geselschaft vor Padua versenget sind/ ehe wirs noch recht empfunden. Nun sehe ich aber/ den Goͤttern sey dank/ daß mein Koͤnig alhie Koͤnig- lich gehalten wird/ welches mich in diesem meinem Ungluͤk ja noch ergetzet/ weil Koͤnigliche Pannonische Hocheit noch nicht gar unter die Fuͤsse getreten ist. Ey so mag dann mein Bruder immerhin am Galgen verdorren/ wann nur mein Koͤnig lebendig und ein Koͤnig bleibet. Ja ich wil diese meine Ketten lieber tragen/ weil mein Koͤnig ein Koͤnig bleibet/ als ohn Ketten in Freiheit ansehen/ daß mein Koͤnig solte veraͤchtlich gehalten werden; und wann mich jemand eines andern uͤberzeugen wird/ wil ich gerne und willig groͤssere Straf- fen uͤber mich nehmen/ als ich eine geraume Zeit auff dem Schiffe schon erduldet habe; ja man zureisse mich alsdann mit eben den gluͤenden Zangen/ welche meinem Bruder sind ange- Achtes Buch. angelegt. Und O Dropion O Dropion/ was vor ein Ungluͤk hat mich nach Padua getrie- ben/ daß ich nicht bey dir bleiben koͤnnen/ deinen verfluchten Ehrgeiz und Hochmuht einzu- halten/ welcher dich/ deinem eigenen Koͤnige ungetraͤu zu werden/ leider verfuͤhret hat? Ich beschliesse aber dieses alles in den Leidens Kasten meines Herzen/ weil es nicht zuendern ste- het/ und damit der Sieges- Fūrst uͤber alle seine Feinde/ Koͤnig Herkules sehen moͤge/ daß ich ihm die reine und lautere Warheit vortragen wil/ lasse ich seine Koͤnigl. Hocheit wis- sen/ daß die taͤgliche/ mehr als hundische Straffen/ welche der Kaͤyser mir dortmahls an- draͤuete/ mir verdoppelt worden sind; keine einzige Mahlzeit/ die doch sehr schlecht und ge- ringe wahr/ reichete man mir/ ohn vorher angelegte Geisselung/ das mein Fleisch schon zu faulen begunte/ und ich in eine beschwerliche Krankheit fiel; daher man mich der Bande erlassen muste/ und legte der Arzt allen fleiß an/ mich zuheilen/ nur daß ich umb so viel laͤn- ger koͤnte verwundet werden. So bald ich besserung aͤusserlich befand/ überfiel mich ein starkes Fieber/ welches mich schwach uñ ohmaͤchtig gnug machete/ aber doch bald verging/ da ich wuͤnschete mein lebenlang damit behaftet zu seyn/ weil mirs ungleich ertraͤglicher als die Gesundheit wahr. Ich stellete mich Zeit der Besserung je laͤnger je schwaͤcher/ daher kein Mensch acht auff mein Vorhaben gab. Unser Schiff lag eine gute Viertelmeile vom Lande zu Anker/ dann es wahr kein Anfurt des Orts/ welches mich kühn machete/ einen blinden Gluͤckes fall/ der mir wol ehmahls gerahten wahr/ zu wagen/ weil ich sahe/ daß zum wenigsten ich zu sterben Gelegenheit haben würde; legete als ein Schwacher meine Ni- derkleider an/ als wolte ich das Gehen wieder lernen/ sahe mich umb nach dem Ufer/ ergrif- fe ein Schwert/ und schlug den Schiff Herrn mit acht andern (so viel freye Leute wahren nur dazumahl verhandẽ) zu bodem; redete hernach sechs Teutsche an die Ruder geschmie- dete Leibeigene mit mir auff/ zubrach ihre Bande/ setzete mich mit ihnen in den Kahn (nach dem ich etliche der anderen angeschmiedeten loßgemacht/ und sie/ mit dem Schiffe davon zufliehen/ ermahnet hatte)/ und fuhren froͤlich zu Lande. Des Tages lagen wir mehrenteils in Puͤschen und Feisen verborgen; des Nachts nahmen wir den naͤhesten Weg nach Pan- nonien vor uns/ kaufften auff den Doͤrffern noͤhtige Speise/ dann wir hatten Geldes gnug vom Schiffe mit uns genommen/ und kahmen ohn einige Widerwaͤrtigkeit in Pannonien an/ da ich dann wie schon gesagt/ des Koͤnigs und Vaterlandes Ungluͤk erfahren/ und die- se Ketten/ ehe ich michs versehen/ an meinen Gliedmassen empfunden habe. Ist es nun/ daß mein gnaͤdigster Koͤnig Mnata meiner getraͤuen Dienste ehmahls genossen hat; bitte ich untertaͤhnigst/ ihre Hocheit wolle bey Koͤnig Herkules durch ihre kraͤftige Vorbitte an- halten/ daß ich den Roͤmern nicht wieder uͤberliefert werde/ nachdem die guͤnstigen Goͤtter mich von denselben loßgewirket haben; kan aber solche meine Freyheit auff andere weise nicht erhalten werden/ so bitte ich umb den Tod bin auch wol zu frieden/ und bereit/ daß ich bey meinem Bruder auffgeknuͤpffet werde. Diese lezten Worte bewaͤgeten die ganze Ge- selschafft zur Erbarmung/ aber sein Koͤnig gab ihm zur Antwort: Was du bey mir suchest/ stehet nicht in meiner Gewalt; so hastu ohn mein Vorwissen und Befehl zu jener Zeit den Kampff unter der Bedingung begehret/ daß entweder dein Feind oder du/ leibeigen seyn woltest/ welches ich an/ dir als an einem verwaͤgenen mutwilligen Menschen billich tadele/ und nicht zuendern weiß/ was du vorsezlich dir uͤber den Halß gezogen hast. Sonsten ge- stehe Achtes Buch. ste ich/ daß du mir vor diesem mannichen guten Dienst geleistet/ und sich keiner gefunden/ der deines Bruders Verraͤhterey dich mit beschuldiget haͤtte/ daher ich/ in Ansehung dei- nes hitzigen Jach Zorns/ dir deine außgestossene Reden/ weil du sie bereuest/ wol verzeihen koͤnte/ aber das uͤbrige/ wie du hoͤrest/ ist nicht in meinen Haͤnden. Dieser sahe betruͤbt vor sich nider/ durffte auch bey Herkules wegen seines gar zu starken Verbrechens umb keine andere Gnade anhalten/ als daß er untertaͤhnigst baht/ seine Hocheit moͤchte an den schon ausgestandenen herben Straffen seinen Zorn gnaͤdigst brechen/ und ihm einen schleunigen Tod/ es waͤhre gleich mit dem Schwerte oder Strange/ wiederfahren lassen/ nur daß er den Roͤmern nicht uͤbergeben würde. Worauff ihm Herkules zur Antwort gab: Ich moͤchte dir diesen demuͤhtigen Geist/ Zeit unsers Kampffs/ oder kurz hernach/ wol gegoͤn- net haben/ alsdann würdestu mehr Guͤte und Barmherzigkeit bey mir haben gefunden/ als du dir irgend magst einbilden koͤnnen; Zwar mein Zorn hat nie kein mahl von einigem Menschen schwerere Rache begehret/ als die Busse/ geschweige/ daß ich ihm den Tod anzu- legen solte getrachtet haben/ welchen du jezt als eine sonderliche Gnade suchest; aber beden- ke nur selber/ ob ich ohn Verletzung meiner Redligkeit anders koͤnne/ als dem Roͤmischen Kaͤyser dich wieder zusenden; dann unterliesse ich solches/ wuͤrde dessen Hocheit von mir halten/ ich billichte deinen Mord/ welchen du selbst eigener Bekaͤntniß nach/ an neun un- schuldigen Menschen begangen hast. Jedoch/ daß du meine Gnade und Gewogenheit/ die du nicht verdienet/ erkennen moͤgest/ wil ich dich so lange in gewarsamer Hafft behalten/ und an Roͤmische Kaͤyserl. Hocheit schreiben/ ob dieselbe dich mir lassen koͤnne; alsdann soltu auff Besserung deines Lebens erfahren/ daß ich ja so bereit und willig bin zuverzeihẽ/ als du ehmals zubeleidigen. Dieser durch Ungluͤk gezaͤhmeter Mensch hatte sich dieser Gnade nicht versehen/ taht einen wehmuͤhtigen Fußfal vor der ganzen Geselschafft/ und nach getahner herzlichen Danksagung vor angebohtene Gnade/ hielt er bey Koͤnigin Va- lisken an/ wie auch bey Koͤnig Ladisla/ und den anwesenden Roͤmischen Herren/ ihm bey Kaͤyserl. Hocheit mit ihrer kraͤfftigen Vorbitte zu huͤlffe zukommen; welches ihm al- lerseits versprochen ward/ und ließ ihm Herkules auff Koͤniges Mnata Einwilligung die Ketten abnehmen/ und Ritterliche Kleider anlegen/ daß er neben Gamaxus (dem das Narren Kleid auch schon abgenommen wahr) auffwartete. Weil auch nachgehends der Kaͤyser ihn auff solche Vorbitte Herkules schenkete/ sprach derselbe ihn nicht allein frey/ sondern machete ihn zum Obersten uͤber 2000 Pannonische Reuter/ die mit Arbianes fortzogen/ da er nach angenommenem Christlichen Glauben sich in Persien gegen die Par- ther sehr wol gehalten/ und in einem Treffen/ nach Erlegung einer grossen Menge Feinde/ sein Leben ritterlich eingebuͤsset hat. O wie eine herliche und Christliche Tugend ist die Versoͤhnligkeit/ deren unser Her- kules so gar ergeben wahr/ daß er seinen grausamesten Feinden/ ungeachtet alles schaͤndli- chen Wiederdriesses solcher gestalt vergeben kunte/ als haͤtten sie ihm nie kein Leid getahn; welches ja an Gamaxus und diesem Pines Sonnenklar erscheinet. Seine Freunde hiel- ten ihm offt vor/ er uͤberginge fast die Grenzen der Sanfftmuht/ aber er pflag ihnen zuant- worten; sein Heiland JEsus waͤhre noch viel sanfftmühtiger gewesen/ als welcher nicht allein seinen Feinden nach ergangener Busse gerne verzihen/ sondern auch mitten in der gewalt- Achtes Buch. gewaltsamsten Ungerechtigkeit sich ihrer erbarmet/ welches er am herben Kreuz augen- scheinlich dargeleget/ als er vor seine Feinde gebehten/ da er gesprochen: Vater vergib ihnẽ/ sie wissen nicht was sie tuhn Ja der hocherleuchtete Paulus in seinem Sende Brieffe an die Roͤmer zeugete/ daß der Sohn Gottes nit allein seinen damahligen Verfolgern und Moͤr- dern diese Gnade erzeiget/ sondern gleicher Gestalt das ganze menschliche Geschlecht gelie- bet/ und vor dieselben sich in den abscheulichsten Tod dahin gegeben haͤtte/ da sie annoch sei- ne Feinde/ teils in heidnischer Blindheit/ teils im judischen Unglauben/ teils in gotlosem Wandel wahren. Und daß wir Menschen ihm solches ablernen solten/ geboͤhte er selber mit diesen Worten; Lernet von mir/ dann ich bin sanftmuͤhtig und von Herzen demuͤhtig/ so werdet ihr Ruhe finden vor eure Seele. Daneben haͤtte er gnugsam wissen lassen/ daß ein unbarmherzi- ges Gerichte wieder die Unbarmherzigen ergehen solte/ und der unversoͤhnliche Haß den Menschen nicht allein in den Augen Gottes unwert machete/ sondern gar in die Hand der unbarmherzigen Teuffel zur schreklichen Verdamniß uͤbergaͤbe; deßwegen wolte er Zeit seines Lebens sich insonderheit der versoͤhnlichen Guͤtigkeit befleissigen/ und so oft ihn ein fleischlicher Stachel zur Rachgier antriebe/ sich selbst zwingen/ und seinen Feinden ja so viel gutes/ als seinen Freunden erzeigen. Wann ihm dann eingeworffen ward/ die Muhtwilli- gen wuͤrden dadurch nur frech/ und verliessen sich auff seine Guͤtigkeit; sagete er; solches wuͤrde GOtt an denen schon zustraffen wissen/ er wolte dasselbe so eigentlich nicht nachgruͤ- beln/ sondern sich nach CHristus Befehl richten/ jedoch also/ daß den boßhafftigen nicht Ursach zufuͤndigen/ viel weniger Freyheit darzu geben wuͤrde. O du allerschoͤnste Sanft- muht/ wie angenehm machestu den Menschen vor den Gnaden-Augen unsers Heylandes JEsus/ des allersanftmuͤhtigsten. Aber wie saur gehet es den Weltergebenen ein/ daß sie ihren Feinden nicht allein vergeben/ sondern auch wol tuhn sollen. Der teure Herkules wahr nicht so irdisch gesinnet/ und ruͤhmete dißmahl Koͤnig Notesterich an ihm/ daß er ei- nes ungluͤklichen Menschen sein Elend so wol zu Herzen fassen koͤnte; nicht/ daß er dieses Pannoniers Verbrechen gut hieß/ sondern/ weil er in dessen Herzen eine wahre Reue seines begangenen Ubels spuͤrete. Sonsten wahr diese Fuͤrstliche Geselschaft nebest den morgen- laͤndischen Gaͤsten in aller zugelassenen Lust sehr froͤlich/ und begehrete einsmahls Valiska von ihrem Herr Vater/ ihr den endlichen Verlauff seiner Leibeigenschaft zuerzaͤhlen/ wel- chen sie vor diesem/ wegen zu heftigen Mitleidens nicht anhoͤren koͤnnen; worin er ihr ger- ne zu willen wahr/ und in beiseyn aller seiner Anverwanten und der Koͤnige/ also fortfuhr: Ob zwar meine jetzige Vergnügung/ die ich an den lieben meinigen habe/ mir den groͤsten Teil meines uͤbeꝛstandenẽ Ungluͤks aus dem Gedaͤchtniß entꝛissen/ wil ich doch/ so viel moͤg- lich/ mich wieder besinnen/ damit die Nachkommen wissen/ in was vor Elend ehmahls ein herschender Koͤnig gerahten; auch meines gleichen gewaltige daher lernen/ sich selbst zuer- kennen/ und daß/ wann Gott straffen wil/ er so leicht einem Koͤnige als armen Betler die Zucht Ruhte binden kan. Und zwar muß ich nach erlangetem Christentuhm bekennen/ daß mein damahl auffgeblasenes stolzes Herz solcher Zuͤchtigung wol benoͤhtiget wahr; dann ich furchte mich vor niemand/ verließ mich auff meine Macht/ und auff meine Nachbar- Freunde/ und meinete nicht/ daß mir ichtwas dergleichen haͤtte zustossen koͤnnen; daher muste mein Gott mich zur Erkaͤntniß meiner selbst bringen/ wie er dann (ihm sey Dank in b b b b b b Ewig- Achtes Buch. Ewigkeit) solches rechtschaffen getahn hat. Ich eriñere mich/ schon gemeldet zuhaben/ was gestalt der eine Raͤuber mich mit dem drittel einer Krone vom Tode loßkauffte/ worauff ich meinete/ nunmehr aller Lebens Gefahr entgangen seyn/ und fiel noch immer tieffer darein/ wie ihr werdet zuvernehmen haben. Mein Herr/ der mich gekaufft hatte/ wahr seines Alters 54 Jahr/ hatte ein junges/ zwar nicht heßliches aber sehr freches Weib/ die ihn nur zum Schanddeckel zur Ehe genommen hatte/ und ohn alle Scheuh vielfaͤltige Unzucht trieb/ wozu dieser Geduldige durch die Finger zusehen gezwungen ward/ wolte er sonst Gewogen- heit im Hause/ und raum am Tische haben. Ich hatte solches schon gemuhtmasset; massen da wir auff der Heimreise wahren/ er von seiner Geselschafft zimlich auffgezogen/ und be- fraget ward/ ob er mich mit einnehmen/ und seinem Weibe mich wuͤꝛde sehen lassen duͤꝛfen; wie es dann in Warheit nicht anders erging; dann als er seiner Wohnung nahete/ geboht er mir/ ich solte mich gegen niemand merken lassen/ dz ich von ihm gekauͤfft waͤhre/ sondern mich halten/ als gehoͤrete ich einem andern zu. Ich wahr gehorsam/ und trat mit meiner knechtischen Kette hinter ihm her/ welcher Stand mir dannoch/ in Betrachtung der vori- gen elenden Gefaͤngniß/ als eine sonderliche Himmels Gunst und Freyheit gedauchte. Das Hauß funden wir vol fremder Gaͤste/ welche/ weil die Frau eine offene Schenke hielt/ weid- lich umzecheten/ und meinen Herrn nach schlechtem wilkommen zu sich sitzen hiessen. Sein Weib wahr halb beraͤuschet/ und empfing ihn mit dieser Freundligkeit: Wie du altes un- nuͤtzes Raben Vieh/ sagete sie/ hat dich alles Ungluͤk schon wieder daher geführet? ich mei- ne/ du werdest dich deiner Haut gefuͤrchtet/ und deine Geselschaft verlassen haben/ die in kurzem ihre Weiber mit reicher Beute erfꝛeuen weꝛden/ da hingegen ich dich ernehꝛen muß; O daß du im ersten Tritte den Hals gebrochen haͤttest/ da du zu meiner Hauß Tuͤhr eintra- test/ und mich freietest. Tuhe gemach liebes Kind/ antwortete er/ ich bin zu dem Ende nicht außgezogen/ nur muͤde Beine zuholen/ habe auch nicht etwa einem Hasen oder Fuchse nach- gestellet/ sondern an unsern ungetraͤuen Nachbarn den Boͤhmen mich zur Gnuͤge gerochẽ/ und hat das Gluͤk unserer Geselschafft so wol gewolt/ daß jeder zu seinem Anteil 1800 Kꝛo- nen Baarschafft/ und 2000 Kronen an markfeilen Guͤtern erbeutet/ welche inwendig eineꝛ Stunde alhie seyn werden. Das heist dich GOtt sprechen/ sagete sie/ ich hatte mir sonst schon vorgenommen/ dein muͤssig zugehen/ und vor mich allein zuleben/ wie ich dann mein Brod ohn dich wol gewinnen kan; aber nun werde ich mich eines andern besinnen/ jedoch dafern du bald wieder fort wandern/ und diesem guten Gluͤk weiter nachsetzen wirst. Laß mich zuvor wiederkommen/ antwortete er/ und etliche Wochen oder Tage außruhen; ich bin ja kein Hund/ daß ich immerzu lauffen sol; so muß ich auch zuvor meine Beute anle- gen/ und gute Laͤnderey davor kaͤuffen. Darauff foderte er Essen/ und ließ mir auch ein ver- worffenes Steinhartes Rindichen geben/ dabey ich einen frischen Trunk Wasser bekam/ und solche duͤrre Mahlzeit mir noch zimlich schmeckete. Kaum hatte ich solche Speise ein- geschlukt/ sahe mich sein Weib hinter der Hauß Tuͤhr sitzen/ und fragete ihn/ wer ich waͤh- re. Er gab vor/ ich waͤhre ihm zum Leibeigenen geschenket/ und hoffete er/ ich wuͤrde mein Brod verdienen koͤnnen. Worauff sie mich eigentlich besahe/ und muste ich vor ihr hin und hergehen; weil mir dañ solches zimlich saur ward/ auch der Ruͤcken mir krum stund/ die Haar auff dem Haͤupte und im Barte sehr verwirret wahren/ und wenig seines an mir er- schien; Achtes Buch. schien; gab sie mir mit dem Pruͤgel/ den sie stets in Haͤnden trug/ drey oder vier Streiche uͤber den Ruͤcken/ daß ich vor Schmerzen meinete in Ohmacht zusinken; noch muste ich nicht eins saur darzu sehen/ weil ich in Hoffnung lebete/ sie wuͤrde mir Barmherzigkeit er- weisen; worin ich mich sehr betꝛogen fand/ gestaltsam sie mit diesen Woꝛten heraus brach: was solte mir der unnuͤtze Greise/ der seinen halb todten Leib kaum schleppen/ ja das Haar nicht eins straͤhlen kan? flugs daß man ihn niderschlage/ und meine Teich-Hechte damit speise. Zu meinem Gluͤk wahr niemand verhanden/ welcher diesen Befehl leisten kunte/ uñ setzete ich mich vor ihr auff die Knie/ mit heissen Traͤhnen bittend/ meines Lebens zuschonen/ weil ja kein Fleisch an mir waͤhre/ davon die Fische zu zehren haͤtten; sie moͤchte mir bloß das Leben goͤnnen/ und mit der allergeringsten Speise mich unterhalten; ich wuͤste mit auf- erzihung der Gaͤnse und Huͤhner wol umzugehen/ deren ich eine grosse Menge auff ihrem Hofe gesehen haͤtte/ wolte ihrer deꝛgestalt huͤten/ daß man meinen Fleiß ruͤhmen solte. Das mag dir alten Huster den Hals fristen/ antwortete sie/ weil ich gleich diesen morgen meinen Gaͤnse Hirten wegen seines Verbrechens erschlagen lassen; so lege dich nun dort in jenen Winkel (da gleichwol noch eine Handvol Stroh hingeworffen wahr) zur Ruhe; morgen fruͤh wil ich dir die Gaͤnse groß und klein lassen zuzaͤhlen/ und dafern du mir die Zahl nicht wieder lieffern wirst/ mustu es mit deinem Blute bezahlen. Ich gelobete alle Traͤue uñ Fleiß an/ machete mich des morgens mit meiner Gaͤnse-Heerde/ 500 Stuͤk/ groß und klein/ auff die Weide/ bildete mir dabey meine ehemalige Herschafft uͤber meine Untertahnen ein/ und wie ich mich deꝛen Schuz muste lassen angelegen seyn/ also hatte ich noch groͤssere Muͤ- he bey diesem Feder Vieh/ es zuverteidigen/ massen der Geier mir den jungen Gaͤnßlein immer nachtrachtete/ und wie fleissige Auffsicht ich gleich hatte/ so entfuͤhrete er mir doch znm offtern deren etliche/ an welcher Stelle/ mein Leben zuretten/ ich mich des Diebstahls behelffen/ und den andern/ so neben mir huͤteten/ die ihren entwenden muste/ welche ich da- heim in meinem Stalle aufferzog. Nun befand ich mich diese Sommerzeit uͤber zimlich wol auff/ dann ich kunte mich an der Sonnen fein waͤrmen/ ging zuzeiten umb mein Vieb her/ bißweilen streckete ich mich im Grase aus/ und fehlete mirs an Wasser und Brod auch nicht; und weil die Alt Frau meinen Fleiß sahe/ warff sie mir des Abends etliche Fleisch Broͤklein zu/ und begoßmir das duͤrre Brod mit der uͤbergebliebenen Bruͤhe/ wo- vor ich ihr sehr dankete/ und ihr das Holz in die Kuͤche trug. Hingegen wahr der Frauen Leib Magd mir sehr gehaͤssig/ daß sie nie ohn stossen und schlagen neben mir her trat/ wel- ches mit Geduld zuverschmerzen/ ich sehr wol gelehret wahr. Als der Herbst heran trat/ und der groͤste Teil meiner Gaͤnse verkaufft wahr/ da solte ich schwere Haußarbeit verꝛich- ten/ Holz spalten/ Korn droͤschen/ Futter schneiden/ die Staͤlle misten/ und mit zu Acker fahren/ die Pferde vor dem Pfluge zutreiben/ welches mir unmoͤglich wahr/ nicht daß ich die Arbeit nicht haͤtte fassen koͤnnen/ sondern weil mein gebrechlicher Ruͤcken es nicht er- tragen wolte/ daher ich sehr kaͤrglich gespeiset ward/ und schlug das Ungluͤk mit darzu/ daß meine gewogene Alt Frau mit Tode abging/ und obgedachte Leib Magd an ihre stelle ge- ordnet ward; da ging erst mein Herzleid an/ daß ich entweder zusterben/ oder bey dem Koͤ- nige mich zumelden/ entschlossen wahr; dann wofern die anderen Knechte mir nicht ihrer Speise etwas mitgeteilet haͤtten/ würde ich schon vorlaͤngst des Hungers verschmachtet b b b b b b ij seyn. Achtes Buch. seyn. Endlich besan ich mich eines andern/ da einsmahls unterschiedliche unzuͤchtige Bu- ben in des Hauswirts Abwesen sich mit dem Weibe in unzimlicher Lust ergetzeten/ und einen Spielman mit der Sakpfeiffe fodern liessen/ gab ich mich an/ ich haͤtte auch in mei- ner Jugend solches Spiel gelernet/ foderte die Sakpfeiffe/ und machete ein Liedlein auff/ welches ihnen saͤmtlich so wol gefiel/ daß ich hernach ihr taͤglicher Spielman seyn muste/ und mit guter Kost gelabet ward. Aber diese guͤldene Zeit wehrete kaum vier Monat/ und verkehrete sich in jaͤmmerliches Herzleid; dann es hatte mein Hauß Herr einen Bruder/ der am Koͤniglichen Hofe ein zimliches galt/ und wegen seiner Leibes Kraͤffte zum Oberstẽ uͤber 2000 zu Fusse gesetzet wahr; dieser hatte in Erfahrung bracht/ was gestalt seines ein- faͤltigen Bruders Weib Hauß hielte/ und ihr Mann durch die Finger zusehen gezwungẽ wuͤrde; woruͤber er sich hoͤchlich betruͤbete/ und die Rache ihm vornam/ die er sehr grau- sam volstreckete; massen/ als wir einsmahls in meines Herrn Abwesen eine gute Gesel- schafft gemacht hatten/ so daß fuͤnff unzuͤchtige Buben bey ihr zecheten/ und allen Muht- willen mit ihr trieben/ ich aber meiner Gewohnheit nach/ auffspielen muste/ hoͤreten wir/ dz die Hauß Tuͤhr mit Gewalt auffgebrochen ward/ worauff geschwinde zehn Gewapnete zu uns ins Gemach traten/ unter denen obgedachter Oberster vorne an ging/ und aus seinen fuͤnkelnden Augen leicht spuͤren ließ/ daß er nichts gutes im Sinne hatte. Es wahr eine Stunde vor Mitternacht/ und hatte die Frau zu ihrem Unglük sich mit der Gaͤste einem in die Neben Kammer verfuͤget/ woselbst ihr Schwager sie samt dem Buben fast gar un- gekleidet antraff/ und nach Verweisung ihrer Unzucht sie beyde nidersaͤbelte. Dazumahl erwog ich mich des Lebens/ weil bald darauff die uͤbrigen viere hinter dem Tische erschlagẽ wurden/ und ich mich nicht haͤtte retten koͤnnen/ wann nicht der Oberste seinen Knechten zugeruffen/ man solte den Spielman leben lassen/ damit man aus demselben durch aller- hand Peinigung die Warheit braͤchte; auff welchen Befehl ich ganz unwirsch gefesselt/ und wol verwahret ward. Ich hingegen suchete auff allerhand weise mein Leben zufristen/ baht den Obersten sehr/ mich zuhoͤren/ mit dem Versprechen/ daß ich von allem was ich wuͤste/ getraͤulich erzaͤhlẽ wolte; beklagete anfangs meines lieben Herrn Unfal/ dessen mich von Herzen gejammert haͤtte/ als dessen leibeigener Knecht ich waͤhre/ der mich aus Boͤh- men gefangen hinweg gefuͤhret/ und zu seinem Gaͤnse Hirten bestellet/ biß vor etlichen Mo- naten das unzuͤchtige Weib in Erfahrung gebracht/ daß ich spielen koͤnte/ daher/ groͤssere Kosten zumeiden/ sie mich vor ihren Spielman gebrauchet; und als ich hierauff befehlichet ward/ des Weibes Leben und Wandel zuerzaͤhlen/ entschuldigte ich zuvor meinen Herrn/ und daß er nicht vermocht haͤtte/ des frechen Weibes Boßheit zuhintertreiben; hernach zeigete ich an/ daß alle Leibeigene und ander Gesinde/ wenig ausgenommen (die ich nahm- hafftig machete) ihrem Herrn untraͤu gewesen/ und es mit dem losen Weibe gehalten haͤt- ten/ welche ihn nicht als einen Ehe Herrn/ sondern recht hundisch gehalten; brachte auch ungescheuhet hervor/ was ich mit meinen Augen selbst gesehen/ und mit meinen Ohren an- gehoͤret hatte/ und nennete acht abwesende/ welche alle mit ihr Unzucht getrieben/ ob sie gleich ihre Ehweiber haͤtten. Die Magd/ welche zur Altfrau gesetzet wahr/ widersprach mir hefftig: Ihre Frau waͤhre ehrlich und from/ und alles von mir schaͤndlich erlogen. Ich dagegen zeigete an/ daß eben diese die rechte Kuplerin waͤhre/ und an dem Verbrechen die Achtes Buch. die groͤste Schuld truͤge/ daher man sie feste band/ und biß auff ihres Herꝛn Wiederkunft verwahrete. So bald dieser zu Hause kam/ und seines Bruders Rache (welcher noch ge- genwaͤrtig wahr) in Erfahrung brachte/ wahr ihm solches sehr lieb/ bekraͤfftigte meine Re- den/ und ließ die Magd peinlich fragen/ welche dann alles gestund/ und von dem Obersten seinen zehn Kriegsgurgeln den ganzen Tag preiß gegeben ward/ hernach ließ er sie in die Hauß Tuͤhr auffhenken/ und die andern ungetraͤuen Dienstbohten nidermachen. Jezt/ gedachte ich/ waͤhre es Zeit/ umb meine Freyheit anzuhalten/ haͤtte sie auch ohn zweifel er- langet/ wann nicht der Oberste gar zu grosses belieben zu meinem elenden Spielwerk be- kommen haͤtte; dann ich gab mich bey meinem Herrn an/ und hielt ihm vor/ weil wegen meiner Leibesschwacheit ich ihm wenig nuͤtzen koͤnte/ moͤchte er mich mit der Freyheit an- sehen; ja/ sagte ich/ weil ich seine redliche Froͤmmigkeit nunmehr gnug erkennet haͤtte/ wol- te ich nicht unterlassen/ ihm meinen eigentlichen Zustand zuentdecken/ wie nehmlich ich kein Boͤhme/ sondern ein Wendischer Freyherr waͤhre/ von grossen Mitteln und Reich- tuhm; wann er nun Lust haͤtte mit mir zuzihen/ wolte ich ihn Zeit meines Lebens als einen Bruder halten/ und ihm ein statliches Land Gut verehren/ ja alle meine Wolfahrt mit ihm gemein haben. Welches dieser ihm sehr wol gefallen ließ/ und mir alles nach Willen ver- sprach; jedoch fingen wirs leider nicht klüglich gnug an/ weil ausser Zweifel mein frommer Gott/ den ich dazumahl noch nicht kante/ mich noch etwas besser in die Leidens Schuele fuͤhren wolte. Dann mein Herr meldete seinem Bruder an/ daß er willens waͤhre/ mich ei- nen gebohrnen Wenden mit der Freyheit zubegnaden/ weil ich ihm so traͤulich gedienet haͤtte. Derselbe aber/ wie er dann ein uͤber alle masse verwaͤgener frecher Mensch war/ gab ihm mit grimmigen Geberden zur Antwort/ Er solte das Maul halten/ und solcher Ge- danken sich begeben/ oder er wolte uns alle beyde niderhauen. Ich hoͤrete solches an/ und flehete dem Obersten demuͤhtig/ sich nicht zueifern/ massen ich willig und bereit waͤhre/ sei- nes Willens zuleben. Das hieß dich dein Gluͤk sprechen/ antwortete er mir/ und gedenke nur nicht/ daß du aus meinem Dienst kommen werdest/ weil ich lange nach einem solchen Spielmanne getrachtet habe; brach auch bald auff/ und fuͤhrete mich mit sich/ hielt mich auch sehr unbarmherzig/ daß ich mir offt den Tod wuͤnschete/ und es vor unmoͤglich achte- te/ mein Koͤnigreich wieder zu sehen/ daher mir zuzeiten die Gedanken einfielen/ ich wolte mich etwa vor einen vom Adel bey ihm angeben/ ob ich etwas gelinder moͤchte gehalten werden; aber als ich gleich des vorhabens wahr/ vernam ich ohngefehr aus seinen Reden/ wie gehaͤssig er dem Adelstand waͤhre/ wuͤrde mir also noch eine schaͤrffere Ruhte zu meineꝛ Straffe gebunden haben. Muste demnach in grosser Geduld und kleiner Hoffnung die- sem frechen Menschen ein Jahr und 31 Wochen meine Dienste leisten/ welche diese wah- ren: Die Mahrstaͤlle reinigen/ Pferde und Ochsen traͤnken/ und vor andern Knechten die unflaͤtigste Arbeit verrichten; das wahr mein Tagewerk; hernach wann das andere Ge- sinde sich zur Ruhe legete/ muste meine Sakpfeiffe wache und munter seyn; dann mein Oberster wahr ein Erz-Schwelger/ schlief des Tages/ und soff des Nachtes mit seinen Zech-Bruͤdern/ daß ich offt in zehn Tagen die Kleider nicht vom Leibe zihen durffte. Es fand sich einsmahls ein ander Oberster seines gleichen bey ihm/ welcher einen sonderlichen Grol auff mich warff/ und mich mit meiner Sakpfeiffe vor seinen Augen nit leidẽ mochte/ b b b b b b iij begeh- Achtes Buch. begehrete demnach an meinen Herꝛn/ mit ihm umb mich zu spielen/ und gegen mein Haͤupt acht Kronen auffzusetzen; als nun mein Herꝛ ihn fragete/ ob er sonderliche beliebung zu mir truͤge/ und dieser freche Bube zur Antwort gab: Ja er haͤtte Lust/ mich am Galgen bam- meln zu sehen/ wolte dannoch mein Herr/ ohnzweifel durch Gottes sonderliche schickung/ darein nicht willigen/ sondern befahl seinem Leibdiener/ mich hinweg zu schaffen/ biß sein Gast seinen Abzug genommen haͤtte; also ward auch dißmahl mein Leben gerettet/ welche Gnade meinem Herrn zuvergelten/ ich auff diese Weise bedacht wahr.: Es hatte meiner Mitknechte einer/ ein gebohrner Mantuaner und abgefeimter Dieb/ meinem Herrn den Geldkasten heimlich auffgediedrichet/ und einen guten Schaz daraus genommen/ welchen er im Pferdestalle vergrub/ der Meynung/ ihn heimlich wegzubringen. Ich lag in einem finstern Winkel/ und ward durch seine Arbeit vom Schlaffe erwecket/ sahe seinem wesen zu/ uñ gedachte mir solches zu nuͤtze zu machen/ deswegẽ ich zu meinem Obersten mich ver- fuͤgete/ und ihm den Diebstahl anzeigete/ weil ich schuldig waͤhre/ sein bestes zuwissen/ und seinen Schaden zuverhüten; moͤchte nur nachgraben lassen/ und ferner nach seinem willen schaffen. Er lieff selbst mit mir hin/ befahl alsbald den Dieb zu greiffen/ und mich nachgra- ben/ funden das gepregete Gold in zimlicher menge/ und meinete ich nunmehr den Nahmẽ eines getraͤuen Knechtes verdienet zu haben/ da ich umb ein Haar als ein Dieb haͤtte ster- ben muͤssen; dann dieser gottlose Taͤhter nach ausgestandener Peinigung/ gab an; er und ich zugleich haͤtten diesen Diebstal verrichtet/ so daß er das Gold gelanget/ und ich auff der Huht gestanden/ damit wir nicht dabey ertappet wuͤrden; und nachdem er mir auff mein begehren nicht haͤtte wollen die Halbscheid/ sondern nur den Vierdenteil davon geben/ haͤt- te ich ihn des Diebstahls angeklaget. Ehe ich michs versahe/ ward ich in Ketten und Ban- den gelegt/ und als ich merkete/ daß man die Folter zu meiner Peinigung fertig machete/ begehrete ich mein Verbrechen zu wissen; welches mir alsbald vorgehalten ward/ und ich meine Unschuld mit hohen beteurungen anzeigete/ auch/ daß ich solche klaͤrlich dartuhn wolte/ wann mir mein Herr der Oberste nur so viel Gnade erzeigen/ und mich vor sich las- sen wuͤrde. Die mich peinigen solten/ wahren meine Mitknechte/ und miꝛ ganz ungewogen/ aber doch durften sie mir solches begehren nicht versagen/ und meldeten es dem Herrn/ wel- cher mich vor sich bringen ließ/ uñ im Zorn mich also anfuhr: Du alter krummer Schelm/ du hast den Diebstahl verrahten/ nicht aus traͤue gegen mich/ sondern daß du dessen nicht so viel hast geniessen koͤnnen/ als du gewolt hast/ darumb mustu mit deinem Gesellen gleiche Straffe ausstehen. Ich fing an/ mich ganz demuͤhtig zuentschuldigen/ und baht durch alle Goͤtter/ mein Herr moͤchte mich unschuldigẽ nicht uͤbereilen/ ich wolte ihm meine Unschuld/ und des Diebes falsche bezichtigung handgreiflich vor Augen stellen/ oder die allergrau- sameste Straffe ohn einzige Gnade gerne uͤber mich nehmen. Wo durch er sich dann in etwas besaͤnftigen ließ/ und mir Freiheit gab/ mein bestes zu tuhn; ich aber darauff unter- taͤhnig baht/ daß der Taͤhter von unverdaͤchtigen Leuten moͤchte befraget werden/ auff wel- che Zeit/ und zu was Stunde er das Geld entwendet haͤtte; da schickete es nun Gott ganz gnaͤdig/ daß er eine solche Zeit uñ Stunde nahmhaftig machete/ daß ich duꝛch meines Herꝛn Zeugnis selbst darlegete/ ich haͤtte ihm dazumahl zwoͤlff Stunden aneinander auffgewar- tet/ und keinen Fuß aus dem Gemache gesetzet. Der Dieb ward darauff zum andernmahle gefol- Achtes Buch. gefoltert/ da er seinen boshaften Anschlag bekennete/ und meine Unschuld bekraͤftigte/ ward deswegen ganz jaͤm̃erlich getoͤdtet/ klein zerhacket/ und den Fischen zur Speise in den Teich geworffen; mir aber gab der Haußverwalter (der mir gleichwol nicht sonderlich guͤnstig wahr) auff befehl ein neues Kleid von groben Tuch/ und etwas leichtere Dienstketten als die vorigen/ mit der Erinnerung/ ich solte fleissige Aufsicht haben/ was die Knechte taͤhten/ und es meinem Herrn getraͤulich vorbringen/ deß solte mir zu zeiten etwas bessere Speise als den andern gegeben werden. Woraus ich wol verstund/ daß ich umb meine Freiheit nimmermehr wuͤrde anhalten duͤrfen/ hatte auch diesen Schaden vor meine Traͤue/ daß die anderen Knechte ingesamt einen ganz grimmigen Neid auff mich worffen/ mir kein gut Wort gaben/ sondern als einen Verraͤhter und Augendiener mich verflucheten/ und zu un- terschiedlichenmahlen mir nach dem Leben stunden/ daß mich selbst hoch wunder nimt/ wie ich ihren nachstellungen habe entgehen koͤnnen. Man hat mich ins Wasser gestossen; man hat mich ins Feur gejaget/ man hat von oben herunter grosse Steine und schwere Baͤu- me auff mich geworffen/ aber nie bin ich beschaͤdiget worden. In diesem Stande lebete ich/ biß man Boͤhmen einzunehmen das erste Heer samlete/ da mein Oberster mit fort mu- ste/ welcher auch im lezten Treffen sol geblieben seyn. O wie gerne waͤhre ich mit gelauffen; hielt auch einsmahls darumb an; aber es ward mir mit einem Gelaͤchter abgeschlagen; ob ich lust haͤtte die Verwuͤstung meines Vaterlandes anzusehen? oder ob ich gedaͤchte da- von zu lauffen/ und dem Boͤmischen Koͤnige vor einen Feld Herrn zu dienen. Worauf ich antwortete; ich waͤhre eigentlich kein Boͤhme/ sondern ein Wende/ wie meines Herꝛn Bꝛu- der wuͤrde bezeugen koͤnnen; doch baht ich umb verzeihung meines unvorsichtigen begeh- rens/ welches nicht/ als aus begierde/ meinem lieben Herrn auffzuwarten/ geschehen waͤhre/ welche schmeicheley mir doch die Freyheit mitzuzihen/ nicht erhalten wolte; doch weil vor weniger Zeit ich meinem Herrn klagete/ wie heftig alles Gesinde wegen meiner traͤuen Dienste mir nach dem Leben stünden/ ward ihnen allen und jeden bey straffe des abscheuh- lichsten Todes gebohten/ sich an mir nicht zuvergreiffen. Dieses/ bekeñe ich/ gab mir etwas Luft/ daß sie nicht durften/ was sie wol schon mochten beschlossen haben. Die Frau waͤhre insonderheit meiner gerne abe gewesen/ wann sie vor ihren Herrn sich nicht gescheuhet haͤt- te/ dann sie trieb den unzuͤchtigen Handel ja so stark als ihre ehemahlige Schwaͤgerin/ nur dz sie den Schalk besser verbergen/ und im Winkel spielen kunte; hatte in erfahrung bracht/ daß ich von jener alles nachgeschwatzet/ und fuͤrchtete sehr/ ich wuͤrde es nicht besser machẽ/ daher ich selten in das Wohnhauß gelassen ward/ ohn wann sie allein wahr/ und ich ihr auf der Floͤte oder Schalmeie eins auffmachen muste/ wodurch ich noch etwas Gnade erwarb/ und sie selbst mir Schuz hielt wieder meine gehaͤssigen/ nach dem ich mich erboht/ ihr in al- ben dingen getraͤu zu seyn/ und mein Leben viel lieber als ihre Gnade znverlieren. Als nun endlich die liebe Sonne mein Elend lange gnug angeschauet hatte/ und der allerhoͤchste miꝛ unbekante Gott sich uͤber mich erbarmen wolte/ ward durch das Koͤnigreich ausgebreitet/ was gestalt die Schlacht verlohren/ der Koͤnig mit allen vornehmsten Obersten gefangen/ das Kriegsheer mehrenteils erleget/ und die uͤbrigen zu Leibeigenen gemacht waͤhren/ da stund es trauen noch am allergefaͤhrlichsten um mein und aller leibeigenen Boͤhmen/ Teut- schen und Wenden Leben; man fing schon an zuruffen/ es muͤste die Rache gesucht werden/ wie Achtes Buch. wie man best koͤnte; man solte alle leibeigene Boͤhmen/ Teutschen/ und Wenden (dañ man meldete/ daß auch die Wenden dem Feinde huͤlffe getahn) durch die allergrausamste Pein hinrichten/ und zweifele nicht/ es werden ihrer eine zimliche Anzahl in der erster Eiferhitze elendig gnug auffgerieben seyn/ und begunten meine Feinde mir schon zu draͤuen/ daß ich nicht 24 Stunden mehr ein Verraͤhter/ Fuchsschwaͤnzer und Verleumder seyn solte/ da- her ich fast nicht zweifelte/ ich wuͤrde nun an den Todes Reihen müssen/ und wahr mein ei- niger Wunsch/ daß ich nur eines gelinden Todes umbkommen moͤchte; aber was taht der grosse Erbarmer? es ward unversehens an allen Orten und Enden ausgeruffen/ daß alle und jede Boͤmische/ Teutsche/ Wendische/ Daͤnische/ uñ andere Leibeigene mehr/ auch sonst Gefangene aussolchen Landschaften/ bey Leib und Lebensstraffe/ auch bey verlust Ehre und Güter solten allerdinge ungescholten/ unbeschimpfet und ungekraͤnket bleiben/ auch nicht allein alsbald und ohn entgelt frey und loßgelassen/ sondern uͤberdaß mit neuen Kleidern und noͤhtigen Zehrungskosten biß nach Prag versehen werden. Ich hatte schon durch fleis- sige Nachfrage erfahren/ auch aus meines Obersten Gespraͤch mit andern Pannoniern/ vernom̃en/ daß der junge Boͤmische Koͤnig aus weit abgelegenen Laͤndern wieder zu Prag angelanget waͤhre/ und man sein Reich anfallen wolte/ den empfangenen Schimpff und Schaden zu raͤchen und einzubringen/ daher ich manniche Nacht in Nachdanken verzeh- rete/ obs dann nicht moͤglich waͤhre/ einen Weg der Freyheit zu finden. Ich habe vergessen anzuzeigen/ daß zeitwehrendes Krieges es mannichen Boͤhmen und Teutschen den Hals gekostet/ wann Zeitung kam/ daß die Pannonier abbruch gelitten/ und den kuͤrzern gezogen haͤtten; wie ich dann etliche begebnissen erzaͤhlen koͤnte/ daß wann Eltern erfuhren/ daß ihre Kinder; wann Weiber erfuhren/ daß ihre Maͤnner; wann andere erfuhren/ daß ihre An- verwanten oder sonst andere gute Freunde drauff gangen waͤhren/ die Boͤmische Leibeige- ne/ als waͤhren sie die Todschlaͤger gewesen/ ganz grausam ermordet sind/ zweifele auch nit/ Gott haͤtte mich durch ein Wunderwerk seiner Almacht erhalten muͤssen/ dafern mein O- berster im anfange des Krieges haͤtte sollen sein Leben einbuͤssen. Als mir nun obgedachte erfreuliche Zeitung zu Ohrẽ kam/ wuste ich nicht/ ob ich mehr uͤber meine Freiheit/ oder des Vaterlandes uñ meines H. Sohns gluͤkseligkeit mich erfreuen solte; machete mich hin zu meiner Frauẽ/ eriñerte sie des Koͤniglichen uñ ganzen Landes ernstlichen befehls/ nicht mit knechtischer furchtsamer Rede/ sondern mit unerschrockenem Heꝛzen/ begehꝛete auch/ daß sie mir Zehrungskosten zustellen uñ die Ketten deꝛ Dienstbarkeit abnehmẽ solte/ damit ich mein liebes Vaterland erreichẽ moͤchte/ uñ müste sie nunmehꝛ wissen/ dz ich des allervortreflichstẽ Boͤmischẽ Adels meinem herkom̃en nach waͤhre/ sie aber uñ ihr Mañ eines solchẽ Dieners uñ Leibeigenẽ allerdinge unwirdig; uͤber welche Worte sie sich heftig erzuͤrnete/ so dz sie den Eifer nit allerdinge bergen kunte/ uñ mit den Gedanken umging/ mich die folgende Nacht durch ihre Knechte im Schlaffe erwuͤrgen zulassen; dessen sie sich doch wegẽ des algemeinẽ ernstlichen Befehls nicht durffte merken lassen/ sondern mit zimlicher Freundligkeit zu mir sagete: Mein guter Bolesla (also nante ich mich die ganze Zeit meiner Leibeigenschafft) warumb habt ihr doch meinem Obersten euren Stand nicht zeitig entdecket/ daß er euch nach Wirdigkeit haͤtte halten moͤgen? ihr wisset/ daß ich euch kein Leid zugefuͤget/ sondern allemahl gewogen gewesen bin/ welches ich auch anjezt wil sehen lassen; gab mir darauff ein Achtes Buch. ein ledernes Ritterkleid/ ein Pferd mit allem zubehoͤr/ und 90 Kronen Zehrgeld/ mit ange- hengeter Bitte/ da etwa ihr Oberster annoch im Leben seyn wuͤrde/ nach meinem Vermoͤ- gẽ ihm zur Freyheit zuverhelffen/ welches er mit gnugsamẽ Dank ersetzen solte. Wer haͤtte unter diesem Schaffspelze des Wolffes sich vermuhten koͤnnen? mir gefiel ihr Vorneh- men sehr wol/ bedankete mich der Huͤlffe/ und verhieß ihr/ ihren Obersten unfehlbar auff freyen Fuß zustellen/ wo er sonst noch lebete/ auch das geschenkte Pferd dergestalt einzu- bringen/ daß sie meine Dank barkeit in der Taht empfinden solte. Dem Haußverwalter dankete ich vor zimliche Gewogenheit/ die er mir zu Zeiten haͤtte sehen lassen/ und wann sie bestendig gewesen und von Herzen gangen waͤhre/ wolte ich ihm dieselbe hoͤher vergelten/ als er sichs einbilden moͤchte; die anwesende Knechte aber redete ich in ihrer Frauen Ge- genwart also an: Ihr Leibeigenen/ die ihr mir unschuldigen alten Manne/ ohn einige Ur- sach dergestalt nach Leib und Leben gestanden/ daß mich nichts als der guͤtigen Goͤtter Voꝛ- sorge vor eure teuflische Boßheit geschuͤtzet hat; ich wolte gar leicht es bey meinem Koͤni- ge dahin bringen/ daß ihr alle mit einander durch grausame Pein soltet gestraffet werden/ aber weil ich viel zu aͤdel und hoch bin/ daß ich an leibeigenen Knechten solte Rache suchen/ wil ich alles der Vergessenheit befehlen/ und euch dem Himmel zur Straffe überlassen. Es sahe mich der Schelmen keiner an/ sondern gingen davon/ als haͤtten sie meine Worte nit verstanden. Es hatte aber die Frau einen Saͤuhirten/ einen grundfrommen Mann/ wel- cher mir oft ein Stuͤk Brod mitgeteilet/ auch mit alten Schuhen mich zu Zeiten versehen hatte/ demselben gedachte ich seine Guttaht zuvergelten/ ging zu ihm in seinen Stal/ vereh- rete ihm 10 Kronen/ und gab ihm den Anschlag/ er solte mit seinem Sohn des Nachtes heimlich davon lauffen/ daß er die Boͤhmischen Grenzen erreichete/ und meiner an einem gewissen Orte wahr nehmen/ dann wolte ich ihm sein Freundes Herz und die mir erzeigete Guttaht dergestalt belohnen/ daß er Zeit seines Lebens alles vol auff/ als ein grosser Herr/ haben solte. Dieser ließ einen schweren Seuffzen auß/ sahe mich mit betruͤbeten Augen an/ und schauete umher/ ob auch jemand unser Gespraͤch anmerkete/ hieß mich hinterst in den Stal folgen/ und nach wiederhohletem Seuffzen sagete er: Mein ljeber Bolesla (anders weiß ich euch noch nicht zu ehren) ich erfreue mich eurer Freyheit von Herzen; aber wollet ihr derselben geniessen/ so bleibet ja keine Nacht bey uns/ oder ihr werdet Boͤhmen nimmeꝛ- mehr betreten/ dann der Tod gehet euch auff den Versen nach; alle unsere Knechte haben von unser Frauen Befehl euch zuerwuͤrgen/ und wisset ihr ohn das/ wie haͤssig euch alles Gesinde ist/ darumb nehmet euer selbst wahr; es ist eine algemeine Verschwoͤrung gesche- hen/ vor Mitternacht euch zuerwuͤrgen. In der gemeinen Schenke nahe beim Tohr halten sich uͤber 300 freygelassene Boͤhmen auff/ verfuͤget euch dahin/ so seyd ihr sicher/ und hoh- let das Pferd in gnug starker Begleitung nach; ich wil eurem Begehren gehorchen/ und mit meinem Sohn (der ein Knabe von 19 Jahren wahr) in diesen verwirreten Zeiten wol davon kommen/ wie ich dann weiß/ daß viel tausend Leibeigene davon zulauffen sich nicht sparen werden; eure Woltaht/ die ich nicht verdienet/ wil ich nit außschlagen/ und begeh- re nichts weiters/ als noͤhtigen Unterhalt nebẽ der Freyheit. Er trat hierauff etliche Schꝛit- te von mir/ hohlete mir aus einem Winkel ein Beutelchen mit 40 Kronen/ taht die ihm von mir geschenketen darzu/ und sagete; da mein Herr/ nehmet dieses/ alle meine Baar- c c c c c c schafft Achtes Buch. schafft/ die ich in 20 Jahren sehr kaͤrglich ersparet habe/ und tuht euch damit auff der Rei- se guͤtlich/ an der Vergeltung zweifele ich/ eurer Auffrichtigkeit nach/ nicht im geringsten. Ich dankete ihm herzlich mit einem umfahen/ wegen der geschehenen Warnung und mit- geteileten heilsamen Rahts/ wolte auch das Geld nicht außschlagen/ sondern als ein Erin- nerungs Zeichen/ was ich ihm schuldig waͤhre/ sagte ich/ nahm ichs zu mir; schliech aufs heimlichste hinweg/ daß kein Mensch unsers Gespraͤchs inne ward/ und machete mich hin nach den versamleten Boͤhmen/ denen nach getahner Begruͤssung ich anzeigete/ ich waͤhꝛe ein vornehmer aͤdler Boͤhmischer Landsasse/ haͤtte mannichen sauren Apfelbiß in meiner Gefaͤngniß und Leibeigenschafft verdaͤuet/ und wolte in ihrer Geselschafft mit fort zihen/ hoffete/ sie wuͤrden mich als einen Landsmañ annehmen/ der sich auffrichtig erboͤhte/ ihnen allen und jeden bey dem Boͤhmischen Koͤnige eine sonderliche Gnade zuerhalten. Sie be- danketen sich dessen dienstlich/ bahten mich/ die ungemaͤssene Hauptmanschafft uͤber sie an- zunehmen/ und mich von ihnen bedienen zulassen; da hingegen ich mich erboht/ mit ihnen als ein Spießgesell zuleben. Nun wahr ich nicht Willens/ das geschenkete Pferd abzulan- gen/ noch meine ehemahlige Frau wiederzusprechen; aber das verschlagene Weib/ so bald sie meines hingehens berichtet worden/ sendete ihre Leibmagd zu mir/ andeutend; sie haͤtte ihre besten Freunde zu gaste geladen/ um daß sie mit mir lustig sein solten/ baͤhte demnach/ ich moͤchte mich alsbald einstellen/ und mit ihrem guten willen zum Abscheide vorlieb neh- men. Ich ließ ihr wegen geschehener Einladung dank sagen/ und mich entschuldigen/ daß zwar nach ihrem Begehren ich diesen Abend ihr nicht koͤnte Geselschaft leisten/ jedoch wol- te ich sie vor meiner Abreise sprechen. Sie dieses vernehmend/ hatte alsbald gefuͤrchtet/ ich muͤste von irgend einem ihꝛes Volks gewarnet seyn/ welche sie alle vor sich kommen lassen/ und ihre Untraͤue ihnen vorgehalten/ dessen sich aber niemand schuldig geben wollen/ biß einer angezeiget/ der Saͤuhirte und sein Sohn liessen sich ja niꝛgend finden/ haͤtten vor drey Stunden vorgegeben/ es waͤhre ihnen gestriges Tages ein Schwein ausse blieben/ wel- ches sie suchen muͤsten/ fuͤrchteten sehr/ er wuͤrde den Anschlag verrahten/ und wol gar in seine Geselschafft sich begeben haben. Worauff sie dann alsbald ihren Haußverwalter an mich schickete/ der in ihrem Nahmen mir vortrug: Sie haͤtte nicht vermeynet/ daß ich in meinem angemasseten Adelstande ihr eine solche Undankbarkeit erzeigen/ und ihre Knech- te abspenstigen wollen/ solte alsbald ihren Saͤuhirten und dessen Sohn ihr wieder zustel- len/ als welche weder Boͤhmen noch andere freygemachte waͤhren; wo nicht/ wolte sie mich bey der Obrigkeit anklagen/ daß ich als ein Verfuͤhrer ihres Volks am Leben solte gestraf- fet werden. Ich hingegen hielt vor gewiß/ des Saͤuhirten Warnung waͤhre verrahten/ uñ haͤtte sie denselben durch peinliche Frage zur Bekaͤntniß gebracht/ oder wol gar schon er- wuͤrgen lassen/ suchete auch durch diese Werbung mich in Lebensgefahr zubringen/ deß- wegen dann guter Raht bey mir sehr teur wahr/ und hielt ich den Abgeschikten mit guten Worten hin; ich wuͤste von ihrem Saͤuhirten nichts zusagen/ moͤchte etwa seiner Hand- tierung nach ausgangen seyn/ daher sie mich des Verdachts erlassen/ und in erzeigeter ge- wogenheit verbleiben wuͤrde. Klagete hernach meinen Landsleuten/ wie man mir nach- stellete/ und begehrete/ daß sie ingesamt mit mir nach dem Amtman des Orts gehen moͤch- ten; wozu sie alle geneigt und willig wahren. Demselben nun taht ich zu wissen/ daß ich ein Wol- Achtes Buch. Wolgebohrner von freyem Adel/ und ehemahls Koͤnigl. Boͤhmischer geheimter Raht und Drost gewesen waͤhre/ hoffete/ man wuͤrde an mir Koͤnigl. Pannonischen Befehl nit brechen/ sondern wider Gewalt mich schützen/ insonderheit/ weil ich schon einen getraͤuen Menschen (dieses tichtete ich zu meiner Versicherung) nach Boͤhmen ablauffen lassen/ welcher meinem Koͤnige/ daß ich annoch im Leben waͤhre/ anmelden solte; begehrete end- lich die Oberstin in gebuͤhrliche Straffe zunehmen/ und sie andern zum Beyspiel ernstlich anzusehen/ als welche mich zuerwürgen/ alle Macht anwendete; erboht mich dagegen/ da- fern der Amtman einen nahen Verwanten oder sonst guten Freund unter den gefangenẽ Pannoniern haͤtte/ ich ihm denselben ohn Entgelt auff freyen Fußstellen wolte. Dieser entsetzete sich des Vorbringens/ hatte ohn mein bewust eine geraume Zeit mit meinem O- bersten in Uneinigkeit gelebet/ baht/ ich moͤchte meiner Anklage einigen Beweißtuhm fuͤh- ren/ alsdann solte das Weib mit allen ihren Helffers-helffern am Leben gestraffet werden; gab mir auch auff mein begehren 15 bewehrter Knechte zu/ mit denen meine ganze Gesel- schafft und ich/ nach der Obristin gingen/ und bedraͤulich begehreten/ man solte alsbald den Saͤuhirten nebest seinen Sohn loßgeben/ oder der gewaltsamen Errettung gewaͤrtig seyn. Aber er wahr schon über mein vermuhten davon gangen/ welches ich mir nicht wol einbilden kunte/ wahr sonst verwirret gnug/ was gestalt ich das Weib des moͤrdlichen An- schlages uͤberzeugen koͤnte; endlich ließ ich einen mir sehr ungewogenen Knecht gefangen nehmen/ die Obristin aber mit ihrem ganzen Gesinde verwahrlich halten/ und den Gefan- genen nach dem Amtman fuͤhren/ der ihn auff meine Verantwortung peinlich befragen ließ/ und den Anschlag alsbald erfuhr/ daß ihr ganzes Hauß/ niemand ausgenommen/ des- sen gute Wissenschafft haͤtte. Also wurden noch andere fuͤnff ihrer Knechte samt der Leib- magd hergehohlet/ die ohn angelegte Pein/ bloß durch Bedraͤuung geschrecket/ eine gleich- maͤssige Bekaͤntniß tahten; Worauff der Amtman mit mir nach der Frauen ging/ ihr sol- che Boßheit vorhielt/ und daß sie hiedurch nicht allein ihren Koͤnig/ sondern das ganze Vaterland in unwiederbringliches Verderben wuͤrde gesetzet haben/ daher sie ihr Leben verwirket haͤtte/ und mit ihrem ganzen Hause sich zum Tode solte gefasset halten. Diese Urtel ging ihr hart ein/ aber da halff keine Ausflucht; Sie ward oͤffentlich angeklaget/ mit ihren Leuten ganz grimmig erwuͤrget/ ihre Guͤter eingezogen/ und von ihrer Baarschafft/ die sehr groß wahr/ meinen Gefaͤrten 4000 Kronen/ mir aber absonderlich gleich so viel zugestellet/ mit angehengter Bitte/ bey meinem Koͤnige des Landes Gutwilligkeit zuruͤh- men/ ihres gefangenen frommen Koͤniges Wolfahrt zubefodern/ und seinen Bruder/ da er noch im Leben seyn wuͤrde/ meinem erbieten nach/ loßzumachen; welches ich/ wie ihr wis- set/ geleistet habe. Ich wahr gleichwol bemuͤhet/ dem Haußverwalter das Leben zuerretten/ aber ich kunte es nicht erhalten/ daher ich mir diesen Richter durch gar zu straͤnges ansu- chen nicht zuwider machen wolte. Meine empfangene Gelder aber teilete ich unter meine Leute aus/ und brach des folgenden Morgens auff/ da ich vor meinem Haͤuflein/ welche al- le neu gekleidet wahren/ her ritte/ in so unaussprechlicher Vergnuͤgung/ als ich nie Zeit meiner ganzen Beherschung mich befunden habe. Auff der Reise muste ich durch meines ersten Herrn Dorff zihen/ welchen ich ansprach/ ihm seiner Schwaͤgerin Untergang (die ihn gar nicht leiden kunte) anmeldete/ und mich alles gutes gegen ihn erboht/ insonderheit/ c c c c c c ij daß Achtes Buch. daß er seines Bruders statliches Land Gut erblich haben solte/ welches ihm auch worden ist. Auff der Grenze traff ich meinen getraͤuen Saͤuhirten an mit seinem Sohn/ erzaͤhlete ihm allen Verlauff/ und nam ihn mit mir/ habe ihm auch/ wie bekant ist/ seinen Unterhalt vermachet/ daß ihm nach feiner vorigen Bedienung nicht verlangen wird/ wie dann meine damahlige ganze Geselschafft von mir ihrem Hauptman also begnadet sind/ dz ihnen genuͤ- gen kan. Sehet/ meine Allerliebsten/ also hat mich mein Gott durch viel und manniche Le- bensgefahr/ doch endlich noch wiederumb gerettet/ und die Schande von mir gnaͤdig ab- gekehret/ wovor die ganze uͤbrige Zeit meines Lebens/ die ich mir kurz wuͤnsche (sie wehrete auch nur noch drey Jahr) ich mit danken/ loben und preisen/ ihm zuehren/ zuzubringen ge- denke. Nach dem ich nun aber ein herzliches Verlangen trage/ meiner geliebeten Kinder Lebenslauff anzuhoͤren/ wird meine Fr. Tochter unbeschweret seyn/ mir solches ausfuͤhr- lich zuerzaͤhlen. Valiska gab ihm zur Antwort: Herzallerliebster Herr Vater; ob ich mir gleich seine ausgestandene Leibeigenschafft schlim und beschwerlich gnug eingebildet/ so haͤtte ich doch nimmermehr gedenken koͤnnen/ daß sein Jammer dergestalt uͤberhaͤuffet gewesen/ und er also auß einer Lebensgefahr in die andere gefallen waͤhre. Aber Gott sey ewig Lob/ die Ruhte ist dannoch vaͤterlich/ und also nuͤzlich und heilsam gewesen; ja sie ist/ wie wir hoffen und trauen/ zubrochen und ins Feur geworffen; und wann wir werden im Glauben und in der Gotseligkeit verbleiben/ alsdann wird uns Gott nach diesem sauren Essige und bittern Wermut/ den allersuͤssesten und erquiklichsten Wein seiner Woltaht uñ inniglichen Seelen Wollust reichlich einschenken/ daß es uns nicht wird mangeln muͤssen an irgend einem Gute. Die Erzaͤhlung aber/ von ihren mañicherley Begebnissen/ verspare- te sie/ weil es schon zimlich spaͤhte wahr/ auff den folgenden Tag/ uͤber welche ihr Herr Va- ter und die andern Koͤnige sich nicht wenig verwunderten. Wenig Tage hernach stellete sie ein Freyschiessen an/ bey welchem auch Batis (der mit Fuͤrst Mazeus kommen wahr) sich mit uͤbete. Es wahren 100 Ziele gesetzet/ und solche in vier gleiche Ordnungen geteilet; Nach den ersten fuͤnff und zwanzigen solten die Bauren; nach den andern die Buͤrger; nach den dritten die aͤdlen schiessen; bey der vierden und lezten Ordnung ward niemand/ als Fürsten/ Grafen und Herren zugelassen. Der schlechteste Gewin in der nidrigsten Ordnung/ wahren 4 Kronen/ der hoͤchste aber 100 Kronen/ so daß immer der folgende Gewin vier Kronen hoͤher als der vorhergehende war/ und alle Gewiñ dieser ganzen Ord- nung 1300 Kronen macheten. In der andern Ordnung wahr der unterste Gewin 8 Kro- nen/ der hoͤchste oder fuͤnff und zwanzigste 200 Kronen/ und wahr stets der eine acht Kro- nen hoͤher als der andere/ daß alle Gewiñ dieser Ordnung 2600 Kronen außtrugen. In der dritten Ordnung wahr der schlechteste Gewin 12 Kronen/ der beste 252/ und wahr je- der Gewin seinem vorigen mit 10 Kronen uͤberlegen; macheten alle Gewiñ dieser Ord- nung 3300 Kronen. Die vierde und hoͤchste Ordnung hatte zum kleinesten Gewin 150 Kronen/ und wahr jeder Gewin nach der Reihe mit 30 Kronen vermehret/ biß an die er- sten zwanzig. Die fuͤnff lezten dieser Ordnung wahren hoͤher auffgesteigert/ massen der ge- ringste auff 800 Kronen/ der ander auff 1200; der dritte auff 2000/ der vierde auff 3300; der fuͤnffte und lezte auff 20000 Kronen gesetzet wurden/ dz diese vierde Ordnung 36000 Kronen austrug/ und alle hundert Gewinne dieses Freyschiessens sich auff 43200 Kro- nen Achtes Buch. nen belieffen. Es funden sich 750 Bauren bey dem Schiessen; Ihre Ziele wahren grosse schwarze Scheiben/ in deren Mitte ein weisser Flecken wahr/ und steckete ein Ziel immer weiter als das ander. Die Buͤrger hatten hoͤlzerne Voͤgel auff Stangen in die Hoͤhe ge- richtet/ von ungleicher Groͤsse und Hoͤhe/ und funden sich dabey in die 1000 buͤrgerliche Schuͤtzen. Der aͤdlen Ziele wahren hoͤlzerne Reuter/ die auff kleinen Raͤdern stets hin und her gezogen wurden; auff der Brust wahr ihnen ein güldenes Herz gemahlet/ nach wel- chem sie zielen musten; dabey funden sich 550 aͤdle mit ihrem Schießzeuge. Der Fuͤrsten und Herren Ziele wahren 25 Voͤgel mit ausgespanneten Fluͤgeln/ die hoch an quehrstan- gen hingen/ und an Rollen fortgezogen wurden/ als ob sie in stetem Fluge blieben. Der er- ste Tag wahr den Bauren gegeben/ die in gnug wuͤster Ordnung und unbendigem Ge- schrey ihrer uͤbung nachsetzeten/ und fand sich unter ihnen ein junger frischer Baurknecht/ braͤunlich von Angesicht und Haaren/ der in fuͤnff Schuͤssen/ den 5/ 10/ 15/ 20/ und 25sten Gewin davon trug. Jederman wolte wissen/ wer dieser gute Schuͤtze waͤhre/ und fand sich doch niemand/ der ihn kennete/ weil er vorgab/ er waͤhre von neun Jahren seines Alters her in Pannonien leibeigen gewesen/ und haͤtte bey einem Wild Schuͤtzen gedienet/ auch wür- de sein Meister sich ohn zweifel bey dem Buͤrgerschiessen finden lassen/ dann er haͤtte ihn gestriges Tages ohn gefehr in der Stad gesehen. Es verzog sich dieses Bauren Schiessen biß an den Abend/ und funden sich nur zwoͤlffe/ die den Gewin erhielten. Zeit solches schies- sens/ und folgends die ganze Nacht durchhin biß an den hellen Morgen/ ging das Gesoͤffe unter diesen Bauren fort/ denen zur linken Seiten sich eine andere Bauren Geselschafft in die 4000 stark gesamlet hatte/ welche bey der jungen Boͤhmischen und Teutschen Koͤnigin demuͤhtig anhalten liessen/ ob ihnen erlaubet seyn koͤnte/ ein Wette-lauffen uñ Wette-werf- fen unter sich anzustellen/ wolten sie ihrer Obrigkeit und andern hohen Haͤuptern dadurch Kurzweil machẽ/ welches ihnen nit allein gegoͤñet ward/ sondern es wurdẽ an die 300 Lauf- Ziele/ und 60 Werfziele gestecket/ und bey jedem ein Gewin auffgesetzet/ da allemahl ihrer sieben nach einem Ziel zugleich lauffen musten/ und der so am ersten dasselbe erreichete/ den Auffsaz erhielt. Da haͤtte man nun sollen eine Kurzweil sehen/ massen/ wo einer vor dem andern so nahe lieff/ daß eꝛ ihn mit den Haͤnden abreichen kunte/ sties eꝛ ihn/ daß er sich uͤbeꝛ- warff/ und oftmahls mit blutigem Maule umbkehrete; insonderheit fand sich ein Kroͤp- pel/ auff zween Kruͤcken hinkend/ welcher dieselben dergestalt in wunderlicher Huͤpfart zu- gebrauchen wuste/ daß er den einen Zweg vor seinen anderen Mitlaͤuffern erreichete/ woruͤ- ber bey allen Zusehern ein grosses Gelaͤchter entstund. Bey dem Werff Spiel gab es auch manniche Kurzweil ab/ biß alle Gewiñ erhalten wahren/ und sie sich je dreissig und dreissig umb ein Faß Bier legeten/ biß sie es auff den lezten Tropfen abgestochen hatten; dann Koͤ- nig Ladisla ließ ihnen solches volauff zufuͤhren. Des andern Tages ging dz Buͤrger Schies- sen fort/ und ward mannicher Pfeil vergebens in die Luft nach den hoͤlzern Gaͤnsen geschikt/ daß wol erschien/ ihrer viel haͤtten des schiessens geringe erfahrung/ doch wurden sie auch mannichmahl rechtschaffen getroffen/ insonderheit von einem dikgeschwollenen Manne/ der ein greises Haar und Bart/ breite Schultern und kleines Angesicht hatte/ mit Haar schier gar bewachsen; die Haͤnde wahren ihm mit alten Lumpen bewunden/ weil seinem vorgeben nach/ sie raͤudig waͤhren; sein Gang wahr so gebrechlich und unvermoͤgen/ daß c c c c c c iij ieder- Achtes Buch. jederman gedachte/ er wuͤrde wegen zittern seiner Beine niderfallen; und wann er den Bo- gen ergrieff/ zitterten ihm die Haͤnde als das Laub an den Baͤumen/ daß alle Zuseher sein spotteten/ und Herkules zu Pharnabazus sagete; Wañ dieser etwas redliches treffen wird/ mus mans bloß vor ungefehr rechnen. Dieser Alte sahe und hoͤrete den durchgehenden Spot mit stilschweigen an/ blieb in seinem angenom̃enen Ernste/ und schoß nur nach dem allerweitesten Ziele/ welches er allemahl traff/ biß ers gar herunter warff/ und der Zuseher Spot sich in eine Verwunderung verkehrete. Batis wahr mit in dieser Ubung/ neben an- deren Meden und Parthern/ welche auch die meisten/ und zwar alle vornehmsten Gewin davon brachten/ nur daß ein Teutscher den vierzehnden/ ein Pannonier den zwoͤlften/ und ein Franke den zehnden erhielt. Das Gesoͤffe/ welches die Boͤhmen und Teutschen dabey trieben/ wahr auch wuͤste gnug/ wobey ihrer etliche blaue Augen davon trugen. Darauff folgeten des dritten Tages die aͤdlen/ welche nicht geringen fleiß anlegeten/ ihre Wissen- schaft in dieseꝛ uͤbung sehen zulassen/ insonderheit die Meden und Parther. Batis war auch hieselbst zugelassen/ und hielt sich wol/ wie auch Neklam und Reichard; dann jener schoß den achzehnden und neunzehnden; der andere den achten und zwoͤlften; der dritte den zehn- den und vierzehnden hoͤlzern Reuter mitten durchs Herz. Nach vierstündigem Schiessen kam ein Alter auff einer Saͤnfte herzu/ ließ sich von zween Dienern herab heben/ und in ein Zelt tragen; von Leibe wahr er duͤrre und hager/ hatte einen langen schneweissen Bart/ uñ im Gesichte/ auch an Haͤnden/ wahr er voller Sonnenflecken; sein Diener gab ihn vor ei- nen 84 jaͤrigen an/ der noch von guten Leibeskraͤften waͤhre/ ohn daß er neulich am Zipper- lein hart danider gelegen. Er ließ sich nach dem Schießstande leiten/ zielete nach dem 21sten Reuter/ und traff gewuͤnschet; und weil die Freyheit in diesem Schiessen gegeben wahr/ daß wer eines Ziels mittel getroffen/ noch einen Schuß darauff hatte/ biß er fehl schoß/ machte er sich an die vier lezten auch/ und erhielt sie alle in vier Schuͤssen/ daß Herkules zu zweifeln begunte/ wie es umb diesen Schuͤtzen eine beschaffenheit haben moͤchte. Die Teut- schen und Pannonier wendeten allen fleiß an/ einen Nahmen zuerlangen/ aber es gluͤckete wenigen/ doch bekam Ekhard den 20sten. Es ward dieses Schiessen bey früher Tageszeit geendet/ und gute zubereitung auff daß Fürstliche gemacht/ welches des andern Morgens anging. Alle Anwesende junge Koͤnige/ Fuͤrsten und Herren/ an der Zahl 42 liessen sich hie- bey finden/ auch Valiska selbst/ und ward Koͤnige Mnata die Ehre gegeben/ dem Schiessen den Anfang zu machen; der vor dißmahl vom niedrigsten anhueb/ und es gluͤklich gewan/ nehmlich eine Taube/ die ein guͤldenes Ketchen umb den Hals trug. Diesem folgeten drey Teutsche Herren/ deren zween nach dem andern Ziel vergebens schossen/ und der dritte es herunter warff. Bubazes erhielt das dritte; Tyriotes das vierde. Nachdem fuͤnften schos- sen drey Boͤmische Herren vergebens/ biß es Prinsla erwarb. Neda ruͤhrete den sechsten Vogel/ aber Leches bekam ihn. Ein Friese/ zween Pannonier und ein Roͤmer zielet en auff den siebenden/ aber ohn wirkung/ ein Franke traf ihn/ aber er fiel nicht/ Markus erlangete ihn endlich. Den achten Vogel bekam Fuͤrst Mazeus/ als ein Teutscher Herr/ nahmens Wengist/ auch Klodius/ Bertram und Wedekind vergeblich geschossen hatten. Olaf er- freuete sich des neunden. Gallus und zween Friesen hoffeten den zehnden zuerlangen/ aber ein Schwede/ nahmens Biorn hatte dieses Gluͤk. Hierauff trachteten zween Daͤhnen/ ein Wen- Achtes Buch. Wende/ ein Gohte und ein Boͤhme nach dem eilften/ aber er wahr Markomir bescheret. Fa- bius erlangete den zwoͤlften; Arbianes den dreyzehnden; Pharnabazus den vierzehnden; Siegward den funffzehnden; Valiska den achzehnden/ und Herkules den neunzehnden; damit wahr das erste umbschiessen geendiget/ uñ noch sechs Vogel übrig. Nach dem 20stẽ schossen die erstgenanten fuͤnff uñ dreissig umbsonst/ wiewol er von Mnata/ Tyriotes/ Ma- zeus/ Fabius und Olaf getroffen ward/ und endlich Arbianes ihn davon brachte. Den 21stẽ bekam Ladisla; den 22 Valiska; den 23 Herkules. Nachdem 24sten (welcher eine Taube wahr/ die in ihrem Schnabel einen Zaunkoͤnig hielt/ und nicht die Taube/ sondern dieser muste getroffen werden) wolten Herkules und Valiska nicht mit schiessen/ sondern den uͤ- brigen allen wurden jedem drey Schuͤsse auffeinander darnach gegoͤnnet/ aber keiner traff ihn/ ohn von Arbianes und Baldrich ward er geruͤhret/ aber von Siegward zimlich loß ge- macht/ endlich von Valisken herunter geworffen. Der Tag hatte hiemit seine endschaft/ dz man umb den hoͤchsten Gewin nicht schiessen kunte/ daher auch die austeilung der erwor- benen Danke auffgeschoben ward/ und redete Ladisla uͤber der Mahlzeit von den beyden al- ten Schuͤtzen/ und dem jungen Bauren/ welche in den vorigen Tagen den hoͤchsten Preiß davon getragen hatten/ denen er nachzufragen/ und bessere Kundschaft von ihnen einzuzi- hen befahl; woruͤber Valiska sich des Lachens nicht enthalten kunte/ und ihrer Libussen ei- nen Wink gab; welche ihm antwortete: Gnaͤdigster Koͤnig/ diese drey Schuͤtzen sitzen mit an diesem Tische/ mit einem einzigen Rocke bekleidet. Herkules sagte darauff: So hat mein Schaz uns wieder geblendet/ und unsere Verstellung bey dem Stechen vergolten? wie sie dann solches ungefraget bekennete; und dabey anzeigete/ sie haͤtte nachgehends sich ein Gewissen gemacht/ wegen deꝛ angenommenẽ Leibesschwacheit/ und Gott im Herzen ge- behten/ ihr solche Leichtfertigkeit gnaͤdig zuverzeihen. Alle Anwesende verwunderten sich der schlauhen verstellung/ und sagte ihr Herr Vater zu ihr: Geliebtes Kind/ wann du dich in dieser buͤrgerlichen Kleidung vor dem Wüterich Artabanus haͤttest finden lassen/ wuͤr- destu vor seinen Liebes-ansprengungen wol gesichert blieben seyn. Ja/ Gn. Herr Vater/ antwortete sie; haͤtte in der Fremde es mir nicht an Mitteln gefehlet/ wolte ich in gnug ver- aͤchtlicher Gestalt mich/ nicht nach Ekbatana oder Charas/ sondern nach Padua odeꝛ Prag hingewendet haben; aber diß find menschliche Gedanken/ deren viel in der Luft verstieben; dann Gottes versehungen muͤssen doch vor sich gehen/ welche keines Menschen Wiz hin- tertreiben/ aber gleichwol durch ein fleissiges Gebeht und bußfertiges Leben sich der Staffen entzihen kan. Des naͤhstfolgenden Tages ging das Schiessen wieder an/ wiewol wenige darzu Lust trugen/ weil sie keine Hofnung zum Siege hatten. Das Ziel wahr ein kleines Voͤgelein aus festem Eisen gemacht/ auff einer Stange unbewaͤglich/ auf dessen Schwan- ze an der rechten Ecke ein rohtgefaͤrbeter hoͤltzener Meikefer saß/ welcher ohn des Voͤgeleins beruhrung solte herunter geschossen werden/ mit der Bedingung/ wer das Voͤgelein oder die Stange treffen würde/ solte 30 Kronen zur straffe erlegen/ behueff der Armen die unter den Zusehern wahren. Nun wolte dannoch ein jeder lieber solche straffe erlegen/ als gar ne- benhin schiessen/ daher etliche hundert Kronen auffkahmen/ und ward sechsmahl herumb geschossen/ ehe Herkules uñ Valiska sich mit gebrauchen liessen. Arbianes/ Baldrich Sieg- ward und Ladisla versucheten zwar ihr aͤusserstes/ aber der Kefer blieb unberuͤhret/ so daß ihrer Achtes Buch. ihrer viel sich zur Wette erbohten/ es wuͤrde diesen Tag nicht vollendet werden; endlich traten Herkules und Valiska mit herzu/ und muste er wieder seinen willen den Vorschuß vor ihr nehmen/ welcher ihm auch geriet/ daß der Meikefer herunter flatterte/ woruͤber sich niemand so hoch/ als eben sein Gemahl erfreuete/ daß sie zu ihm sagete: Mein schoͤnstes Seelichen/ jezt gehet mirs recht nach meinem Wunsche/ daß diese Ehr euch zuteile wird/ wie schlecht auch der Gewin mag gerechnet werden. Es entstund bey allem Volk ein so grosses Freudengeschrey/ daß die Luft erschallete/ in dem uͤberal von jungen und alten ge- ruffen ward: Gluͤk zu dem siegreichen Koͤnige Herkules/ der zum hoͤchsten Preise gebohren ist. Die Trometer und Heerpauker liessen sich unangefodert mit hoͤren/ und wolte ein jeder se- hen lassen/ daß er diesem Helden gewogen waͤhre; nur er selbst ward daruͤber unwillig/ ver- lachete nicht allein solche Eitelkeit in seinem Herzen/ sondern straffete auch seine Valisken/ daß durch ihre erzeigete Freude/ wegen eines so liederlichen dinges sie dieses Frolocken ver- ursachet haͤtte/ und wunderte sich nicht wenig/ wie sie doch uͤber diese kindische Tohrheit so grosse Herzensvergnuͤgung fassen koͤnte. Welches sie beantwortete; Sie erkennete ihre schwacheit gerne/ wuͤste auch/ daß dieses alles nur eitel und nichtig waͤhre/ und daher bloß allein die Betrachtung des ewigen Gutes/ dessen hoͤchstes Ziel Gottes Gnade und Erbar- mung ist/ in unserm Herzen die wahre Freude erwecken solte; jedoch gestuͤnde sie/ daß sie in diesem Leben die Volkommenheit noch nicht ergriffen haͤtte/ und/ als der menschlichen Schwacheit unterworffen/ auch zu zeiten von dem Irdischen sich reizen liesse; weil aber dergleichen Ubungen noch wol zugelassen waͤhren/ hoffete sie bey ihrem Gott des unzeitigẽ frolockens gnaͤdige Vergebung. Nach vollendetem Freuden- geschrey traten Koͤnigin Sophia/ Lukrezie/ und Vanda/ auch Fuͤrstin Sibylla/ Klara und Schulda herzu/ liessen die Gewinne nachtragen/ und uͤberlieferten sie an behoͤrige Orte mit sonderlicher Freund- ligkeit/ da Herkules von Koͤnigin Sophien einen koͤstlichen grünen Kranz vor andern em- pfing/ welcher seinen Gewin dem Stathalter Herrn Fabius zustellete/ mit bitte/ ihn unter die armen Christen zu Padua auszuteilen. Des folgenden Tages zwo Stunden vor der Mahlzeit trat Ekhard zu den Koͤnigen in den Saal/ und meldete an/ es waͤhre ein elender Mensch in schlechten knechtischen Klei- dern haussen vor dem Schlosse/ welcher sehr instaͤndig anhielte/ eingelassen zuwerden/ gaͤbe vor/ er kaͤhme aus Pannonien/ und haͤtte bey Koͤnig Herkules und Ladisla etwas zuwerben; das Angesicht waͤhre an ihm sehr verfallen/ sonsten saͤhe er dem ehemahligen Roͤmischen Lehrmeister Tibullus nicht so gar unaͤhnlich. Herkules sagete; der duͤrffte es wol seyn/ da er noch am Leben ist/ weil wir von der Zeit seines hinwegreisens nach Rom ganz keine Zei- tung von ihm gehabt haben/ uñ wuͤꝛde er sich in Italien sonst bey uns haben gemeldet. Weil ihm dann Herkules sehr gewogen wahr/ wolte er die Warheit selbst erfahren/ und als gin- ge er ohn das zur Lust umher/ nahete er sich dem Schloß Tohr/ vor welchem dieser auf Ant- wort wartete. So bald er ihn sahe/ kennete er ihn gleich/ ließ sichs doch nicht merken/ son- dern ging vor ihm vor uͤber; jener folgete ihm von ferne/ und weil er seines ehmahligen Schuͤlers Angesicht sahe/ wahr ihm solches annoch sehr wol bekant/ eilete demnach/ daß er ihm vorbeugete/ und redete ihn also an: Großmaͤchtigster Koͤnig/ gnaͤdigster Herr: Eu- re Koͤnigl. Hocheit bittet ein ehmaliger getraͤuer Diener untertaͤhnigst/ sie wolle denselben mit Achtes Buch. mit gnaͤdigen Augen ansehen/ ob etwa das außgestandene langwierige Elend denselben nicht aller Dinge unkaͤntlich/ und sein Ungluͤk ihn nicht gar unangenehm gemacht haben moͤchte. Herkules antwortete ihm freundlich; es kan seyn/ mein Freund/ daß denselben ich ehmals gekennet habe/ weil ich mich aber in der Eile nicht zubesinnen weiß/ wird er mir sei- nen Nahmen zunennen unbeschweret seyn. Eure Hocheit/ sagte dieser/ sihet ihren alten Diener Tibullus vor sich/ welcher hoffet dero Gnaden zu seiner Sicherheit zugeniessen. O mein wahrer Freund/ antwortete er/ wie sehe ich ihn in so elender Gestalt? wolte ihn da- mit umfangen; er aber legete sich vor ihm nider/ seine Knie zu uͤmarmen; welches er doch nicht geschehen ließ/ sondern huhb ihn freundlich auf und versprach ihm/ alles sein Begeh- ren nach Moͤgligkeit zuleisten. Und weil Gallus hinter ihm hertrat/ befahl er demselben/ ein gutes sei denes Kleid herzuhohlen; Klodius aber muste ihn mit sich in eine Herberge fuͤh- ren/ woselbst Tibullus sich eilig putzen ließ/ das Kleid anlegete/ und mit beiden jeztgedach- ten nach dem Schlosse ging/ woselbst Herkules im Vorhofe noch auff ihn wartete/ hieß ihn daselbst auffs freundlichste von neuen wilkom̄en/ und muste er zu seiner Seite mit ihm nach dem Saal gehen/ da Herkules zu Ladisla sagete: schaue lieber Bruder/ unsern alten getraͤuen frommen Lehrmeister Tibullus/ welchen ich in elender Gestalt ohngefehr ange- troffen habe/ und verhoffentlich des Vermoͤgens seyn werde/ ihm seinen angewanten Fleiß zuvergelten. Mein lieber Freund/ sagete Ladisla/ da er ihn freundlich empfing/ er sey uns al- len wilkommen/ und versichere sich/ daß ich seiner guten Unterweisung/ als lange ich leben werde/ unvergessen seyn wil. Tibullus demuͤhtigte sich sehr/ bedankete sich der hohen Nei- gung untertaͤhnigst/ und wahr sein Herz mit der inniglichsten Vergnuͤgung erfuͤllet/ weil er sahe/ daß sein Unglük nunmehr die Endschafft erreichet hatte/ aber er ward wunderlich erfreuet/ als er Herrn Fabius/ Stathalter von Padua sahe/ dessen Angesicht ihm noch be- kant wahr/ ging zu ihm hin/ setzete sich vor ihm nieder auff die Knie/ uñ fing also an: Duꝛch- leuchtiger Herr/ ich bin den Roͤmischen Schuz Goͤttern alles mein Vermoͤgen/ wie schlecht es auch ist/ ganz schuldig/ nachdem dieselben euer Gn. Angesicht mir noch vor meinem En- de haben wollen sehen lassen; bitte untertaͤhnig/ dieselbe wolle ihr geneigtes Herz mir un- wirdigen wieder zuwenden/ und mich ihren Knecht und Bastart Sohn Tibullus in Dien- ste nehmen. Was mein Sohn? sagte Fabius/ bistu annoch im Leben? ja/ bistu meines Herꝛn Schwieger Sohns Lehrmeister vor diesem gewesen? ja Gn. Herr/ antwortete er/ die Goͤt- ter haben mich vor 16 Jahren auff einem Streiff wieder die Teutschen/ in Feindes Haͤnde gegeben/ welche mich zum Leibeigenen gemacht/ da ich nachgehends das hohe Gluͤk gehabt/ den beiden Großmaͤchtigsten Koͤnigen/ Herrn Ladisla und Herrn Herkules auffzuwarten/ deren Herr Vater und Vetter/ der auch Großmaͤchtigste Koͤnig der Teutschen/ Herr Hen- rich/ mir vor ohngefehr 8 Jahren die aͤdle Freyheit zugestellet/ und mich wol begabet nach Hause zihen lassen/ bin aber auff den Roͤmischen Grenzen von etlichen Pannonischen Raͤu- bern gefangen/ vor leibeigen verkauft/ und biß daher in uͤbeꝛaus grossem Elende hart gestra- fet worden/ welches alles ich doch gerne vergessen wil/ nachdem ich dieselben meine Gnaͤ- digste Herrn alhie beyeinander antreffe und sehe/ denen ich mich selbstschuldig bin. Stehe auff mein Sohn/ sagte sein Vater zu ihm/ boht ihm auch die Hand/ und taht ihm die gnaͤ- dige Verheissung/ er wolte ihn also halten/ wie sein Herr Schwieger Sohn/ Koͤnig Ladis- d d d d d d la es Achtes Buch. la es ordnen und schaffen wuͤrde. Koͤnigin Sophia hoͤrete dieses alles mit Verwunderung an/ wuste sich zuerinnern/ daß ihre Eltern Zeit ihrer Kindheit von ihrem Bastart Bru- der Tibullus geredet hatten/ und weil sie sahe/ daß ihr Gemahl und Herkules demselben so gewogen wahren/ ging sie zu ihrem Vater/ und baht denselben demühtig/ er moͤchte diesen seinen Bastart/ der ja sein Fleisch und Blut waͤhre/ gnaͤdig vor einen ehelichen Sohn er- nennen/ und ihm den Nahmen Fabius mitteilen/ alsdann wolte sie ihm schon so viel Güter zuwenden/ daß er seinen Stand wol fuͤhren solte/ und waͤhre bey Roͤmischer Kaͤyserl. Hoch- heit leicht zuerhalten/ daß ihm der Bastart-Flecken durch deren Machtspruch abgewischet wuͤrde. Ladisla und der junge Fabius selbst hielten zugleich hierum an/ und weil Koͤnig Hen- rich und Herkules ihre Vorbitte hinzutahten/ wahr der Stathalter willig/ umfing ihn/ uñ erklaͤrete ihn biß auff Roͤmische Kaͤyserl. Einwilligung vor ehelich; welches unvermuht- liche hohe Gluͤk ihn so verwirret machete/ daß er so bald sich nit begreiffen/ noch einige Ant- wort geben kunte; endlich fing er also an: Durchleuchtiger Herr Stathalter/ Gnaͤdiger Herr; ich erkenne mich aller Dinge unwirdig dieser hohen Ehr und Gnade/ zu welcher die Großmaͤchtigste Koͤnigin und Frau/ Fr. Sophia/ nebest ihren Herꝛ Bruder/ meinen Gn. Herrn mich befodert/ und die Großmaͤchtigsten drey Koͤnige eingebehten haben/ wuͤnsche nicht mehr/ als daß zur Behaͤuptung meines Gehorsams und hoher Vergnuͤgung ich der eins Gelegenheit haben moͤge/ vor ihre Durchl. welche meinen Gn. Herr Vater zu nennen ich mich untertaͤhnig erkuͤhne/ mein Blut und Leben aufzuopffern. Ladisla wuͤnschete ihm zu diesen Ehrenstande Gluͤk/ mit dem Eꝛbieten/ ihn vor seinen Schwager und lieben Fꝛeund zuerkennen; der junge Fabius trug ihm Bruͤderliche Liebe und Traͤue an/ welches Koͤni- gin Sophia ingleichen taht/ und verehrete ihm Herkules zur Glükwuͤnschung zwo Ton- nen Goldes/ 20 Reit- und 30 Wagen Pferde/ samt 24 Pannonischen Leibeigenen/ nebest dem Erbieten/ daß er ihm entweder im Paduanischen Gebiet ein adeliches. Gut kaͤuffen/ oder in Teutschland eine Herligkeit eingeben wolte. Also muste dieser fromme Mensch nach ausgestandenem herben Ungluͤk noch zu ehren gelangen/ da er dann in wenig Tagen den Christlichen Glauben annam/ und von Ladisla vor seinen geheimen Raht und Stat- halter uͤber einen grossen Teil seines Koͤnigreichs eingesetzet/ auch mit Ninislaen Guͤtern erblich versehen ward/ weil er waͤhlete/ bey seiner allergnaͤdigsten Fr. Koͤnigin/ Fr. So- phien/ zeit seines Lebens zubleiben/ nachdem dieselbe nicht allein eine Ursach dieser seiner uͤbermaͤssigen Gluͤkseligkeit waͤhre/ sondern ihm/ wiewol allerdinge unwirdigen/ uͤberdas noch den allersuͤssesten Bruder-Nahmen zulegete. Als die geschenkete Leibeigene ihm zu- gestellet wurden/ ersahe er einen unter denselbẽ/ woruͤber er sich gar entfaͤrbete/ kehrete sich umb nach dem jungen Fabius/ welcher nicht weit von ihm stund/ und sagete: Ich sehe nun- mehr/ daß der Himmel mich an meinem und aller Roͤmer unmenschlichen Feinde noch raͤchen wil; trat hin zu demselben/ und redete ihn also an: Sihestu nun/ du verteufelter Un- mensch/ wie die Goͤttliche Rache hinter dir her ist/ dich wegen deiner Unbarmherzigkeit abzustraffen/ welche du mir und viel andern unschuldigen Roͤmern in unser groͤssesten Un- schuld hast angelegt? Dieser erblassete/ und gab zur Antwort: O haͤtte ich dich abgeschlach- tet/ wie andere deines gleichen/ duͤrffte ich anjezt dein draͤuen nicht anhoͤren. Der junge Fabius begehrete zuwissen/ was er ihm haͤtte zu leide getahn. Worauff er ihm weitlaͤufftig erzaͤh- Achtes Buch. erzaͤhlete: wie er 26 Wochen sein Leibeigener gewesen/ unter welcher kurzen Zeit er uͤber 40 gefangene Roͤmer an sich gekaufft/ bloß nur zu dem Ende/ daß an ihrer unsaͤglichen peinlichen Hinrichtung er seine Augen weiden moͤchte/ dabey er offt diesen Wunsch ge- tahn/ daß er mit dem Roͤmischen Kaͤyser und allen seinen hohen Bedieneten auch also ver- fahren moͤchte. Ihn selbst haͤtte er bloß darumb beym Leben gelassen/ weil er gesehen/ daß er den Tod/ als seines Jammers Ende stets gewuͤnschet. Fabius taht solches Ladisla zu wissen/ welcher den Buben gefangen legete/ und weil drey Tage hernach sein gewesener Herr/ ein Boͤhmischer von Adel/ ihn anklagete/ daß er ihm seine drey Maͤgde/ und seines Jaͤgers eheliches Weib genohtzuͤchtiget haͤtte/ ward er durch allerhand Peinigung hin- gerichtet. Tibullus ward sonst von Herkules befraget/ warumb er sich nicht bemuͤhet haͤt- te/ unter den 10000 loßgelassenen Roͤmern mit zuseyn; worauff er antwortete; daß er sol- ches zwar gesuchet/ aber durchaus nicht erhalten koͤnnen; auch haͤtte man die geringesten frey gegeben/ und die vornehmsten behalten; baht darauff sehr instaͤndig/ bey Koͤnig Mna- ta es zutreiben/ daß den vornehmsten Roͤmischen moͤchte gegoͤnnet seyn/ sich mit einem an- sehnlichen Loͤsegelde frey zukaͤuffen; welches Mnata nicht allein gerne einwilligte/ sondern sich erboht/ er wolte alle leibeigene Roͤmer durch die Bank hin/ gegen so viel gemeine aͤdle Pannonische Leibeigene/ frey geben; welches auch stuͤndlich an Stathalter Mastyes ge- schrieben ward/ der alle Roͤmische Leibeigene unter der Versprechung eines zimlichen Loͤ- segeldes/ bey Leib und Lebensstraffe an allen/ so es verhindern wuͤrden/ in einer Pannonischẽ Grenze Stad versamlen ließ/ deren Anzahl sich auff 9000 erstreckete. Nach Endigung des obgedachten Freyschiessens/ hielt Arbianes auff Pharnabazus Erinnerung bey Koͤnigin Valisken an/ daß die versprochenen Voͤlker mit der Zeit moͤch- ten verschrieben und zusammen gefuͤhret werden; welches inwendig fuͤnff Wochen ge- schahe/ und liessen sich 24000 Teutschen/ 4000 Boͤhmen/ 2000 Pañonier/ 1000 Schwe- den und Gothen/ 1000 Franken und Sikambrer/ 1000 Daͤnen/ 1500 Wenden/ und 1500 Friesen/ ingesamt 36000 wolgeuͤbete wehrhaffte Reuter freywillig bestellen/ mit der Be- dingung/ daß nach Verlauff dreyer Jahren/ ihnen/ so viel ihrer im Leben bleiben wuͤrden/ freyer Abzug nach ihrem Vaterlande solte gegoͤnnet/ und aller Sold richtig ausgezahlet werden. Fuͤrst Olaff (weil er sich erboht/ mit in Asten zuzihen) ward uͤber das Heer Feld- marschalk/ die Daͤnen und Wenden aber zu seinem Leib Schuz gesetzet; Herr Wedekind/ nebest Graf Prinsla/ Herr Bertram und Wilhelm setzete Arbianes zu Groß Ober Wacht- meistere ein. Vierzehn Tage nach dem Freyschiessen machete Koͤnig Mnata sich fertig zum Auffbruche/ und ließ durch seinen Schwager den Daͤnischen Koͤnig bey Ladisla ansuchen/ nachdem eine so grosse Menge seiner geübten Manschafft in dem verfluchten Kriege drauff gangen waͤhre/ und sein Land von Einwohnern zimlich entbloͤsset/ ob den ge- fangenen Pannoniern nicht koͤnte verguͤnstiget werden/ sich bey ihren Herren von der Leibeigenschafft loßzukaͤuffen/ alsdann solte ein jeder gemeiner Reuter und Landsknecht vor seine Freyheit 250 Kronen/ ein jeder Unter Befehlichshaber 350 Kronen; jeder Un- terhaͤuptman und Faͤhndrich 450 Kronen; jeder Haͤuptman und aͤdles Standes 600 Kronen; jeder aͤdler und Ritter 4000 Kronen/ und jeder Oberster 12000 Kronen erlegẽ; da er dann nicht zweifeln wolte/ der Roͤmische Kaͤyser wuͤrde auff freundliches ansinnen d d d d d d ij gegen Achtes Buch. gegen die 9000 neulich erledigte Roͤmer/ nicht allein die 2000 ihm zur Verehrung zuge- schickete Pannonier/ sondern auch noch 7000 Pannonische Leibeigene hinwiederumb sich lassen frey kaͤuffen/ daß also eine gleiche Anzahl umb gleiches Geld ausgewechselt wuͤrde. Herkules riet gewaltig zu/ man solte so grosses Erbieten nicht ausschlagen; dem Lande und Inwohnern waͤhre ungleich mehr mit dem Gelde als Leibeigenen gedienet/ welche ohndas sehr frech waͤhren/ sich wo moͤglich/ zusammen rotten/ und ungeachtet aller Lebensgefahr ihre Freiheit durch eine verzweifelte Auffruhr suchen duͤrfften/ wie man dañ in erfahrung bracht/ dz ihrer viel sich schon unterstanden haͤttẽ/ die flucht zuergreiffen. Sein Raht waꝛd angenom̃en/ uñ schrieb man alsbald auß/ dz die gefangenen so hoch solten geloͤfet werden. Auch muste Tibullus (seine Ehelich-sprechung zuholen) mit Klodius uñ Gallus nach Rom reiten Fr. Mam̃een von Koͤnigin Valisken/ Sophien/ uñ Koͤnig Mnata/ auff 10 Tonnen gemuͤnztes Goldes zum Geschenke mitnehmen/ und des Pannoniers Ansuchen vortragen/ welches nach gehaltener Berahtschlagung von dem Kaͤyseꝛ eingewilliget waꝛd; so schenke- te erauch Valisken nit allein den außgerissenen Pines/ sondern alle seine Gesellen frey/ mit ihnen nach Willen zuschalten/ welche durch diese Freylassung hoch erfreuet/ mit Tibullus (der vom Kaͤyser nit allein alles nach Willen erhielt/ sondern Fr. Mammea ihm uͤberdas ein vornehmes Roͤmisches Fraͤulein auß ihrem Zimmer freyete/ nahmens Aurelia) fortrit- ten/ deren zween sich zu Pines schlugen mit ihm in Asien zuzihen (woselbst sie auch ihr Leben ritterlich einbuͤsseten)/ die uͤbrigen aber bey ihrem Koͤnige blieben/ und von demselben groß gemacht wurden. Die Leibeigene Pannonier kahmen in sechs Wochen eine Meile von Prag beyeinander/ und wurden auff die naͤhesten Doͤrffer verlegt/ an der Zahl 66000/ un- ter denen 150 Obersten; 1300 Haͤuptleute (deren 900 aͤdle 400 Unaͤdle); 2400 Unter- Haͤuptleute und Faͤhndriche/ (1800 aͤdle 600 unaͤdle); 3150 Unterbefehlichshaber (unter denen 1600 aͤdle)/ und 59000 gemeine Reuter und Knechte wahren/ unter welchen sich zwar noch in die 5000 aͤdle funden/ aber man ließ sie im Anschlage der Unaͤdlen durchlauf- fen. Die Obersten erlegeten 18 Tonnen Goldes; die aͤdle Befehlichshaber 172 Toñen Gol- des. Die Unaͤdlen Haͤuptleute 240000 Kronen; die Unaͤdle Unter Haͤuptleute und Faͤhn- driche 270000 Kronen; die Unaͤdle Unterbefehlichshaber 542500 Kronen/ und die gemei- nen Knechte 147 Tonnen Goldes 50000 Kronen; wahr das ganze 331 Tonnen Goldes und 82500 Kronen/ welches alles nach geleisteter Verschreibung/ inwendig drey Jahr- frist an Baarschaft/ Korn/ Wein/ und Vieh geliefert/ durch Boͤhmen und Teutschland unter die Einwohner auß geteilet ward. Nach des Pannoniers Abzuge schieden die frem- den Koͤnige auch davon/ nachdem sie mit Koͤnig Henrich/ Notesterich und Baldrich eine feste Buͤndniß geschlossen hatten/ da Koͤnig Hilderich einwilligte/ daß sein Sohn Marko- mir sich eine Zeitlang bey Herkules auff halten moͤchte. Sechzehn Tage vor Arbianes Auf- bruche nach Persepolis/ genasen Koͤnigin Lukrezie und Fuͤrstin Sibylla in einer Stunde jede eines jungen Herleins/ und ward Baldrichs Sohn in der Tauffe Christian; Sieg- wards Sohn Karl genennet. Dreizehn Tage nach solcher Geburt erhielten Herkules und Ladisla bey ihren Eltern/ daß sie die heilige Tauffe zu Prag empfingen: da Graff Pribisla/ Bretisla/ Krokus Wratisla/ Herr Wenzesla/ und Tibullus (welcher in den Grafen Stand auffgenommen wahr) sich zugleich mit tauffen liessen. Zween Tage brachten sie hernach mit Achtes Buch. mit der Heers Beschauung zu/ und wahr Großfuͤrstin Klaren sehr lieb/ daß nicht allein Fuͤrstin Schulda und Graͤfin Therba gar in ihrer Geselschafft blieben/ und zwey Jahr bey ihr sich auffzuhalten versprachen/ sondern auch ihr Bruder Koͤnig Baldrich/ Fuͤrst Sieg- ward und Fuͤrst Markomir mit biß nach Jerusalem reiseten/ daß sie sich zu Bethabara taͤuffen liessen. Valiska unterrichtete Klaren fleissig/ wie sie sich gegen ihren Schwaͤher Phraortes und die Morgenlaͤndischen Fuͤrsten verhalten/ und da sie in fruͤhzeitigen Wit- wen Stand gerahten wuͤrde/ nicht in Meden bleiben/ sondern bey ihren Anverwanten Tꝛost suchen solte. Das gesegnen bey dem Abscheiden wahr mit unzaͤhligen Traͤhnen vermischet; Fr. Sabina Pompeja weinete wegen Hinterlassung; Koͤnigin Gerdrut wegen Abzuges ihrer Tochter; doch weil es anders nicht seyn wolte/ trosteten sie sich mit dem/ daß sie einan- der zum wenigsten alle zwey oder drey Jahr besuchen koͤnten. Auch schmerzete es den jun- gen Fabius sehr/ daß er sich von seinen liebesten Freunden Herkules und Ladisla scheiden muste/ die ihm alle ihre Guͤter in Italien eingaben/ und er sie nachgehends fast alle Jahr zwey oder dreymahl besuchete. Alle Koͤnig- und Fuͤrstliche Haͤupter gaben den Abzihenden das Geleite biß an die Boͤhmischen Grenzen/ befahlen sich ingesamt Goͤtlicher Beschir- mung/ und kehreten diese wieder uͤm/ jene aber nahmen den naͤhesten Weg auff Padua vor sich/ woselbst die Schiffe (wie vorher bestellet wahr)/ bereit stunden/ auff welchen das ge- samte Heer nach Tyrus mit sehr gutem Winde uͤberfuhren; von dannen Arbianes/ Bal- drich/ Siegward/ Olaff und Markomir mit schnellen Pferden nach Jerusalem ritten/ und zu Bethabara im Jordan sich taͤuffen liessen; hielten sich daselbst nicht lange auff/ sondeꝛn Baldrich und Siegward mit ihren Leuten 300 stark schiffeten wieder zuruͤk nach Padua/ von dannen Herr Pompejus und sein Gemahl mit ihnen fort gingen/ das Stathalter Amt zu Koͤlln anzutreten. Arbianes und Olaff folgeten ihrem Heer/ welches ungehindert ih- res abwesens nach Damaskus zugehen muste/ daselbst sie es auch antraffen/ und blieb Maꝛ- komir bey ihnen/ als welcher Willens wahr/ die Asiatischen Laͤnder zubesehen/ und wo moͤg- lich/ Koͤnigin Valisken Schloß zu Charas; welches er auch leistete/ und nach Verlauf fuͤnf viertel Jahrs gesund wieder zu Prag anlangete/ nachdem er auch Rom besehẽ hatte. Son- sten ging Arbianes mit seinem Heer von Damaskus ungehindert fort des geradesten We- ges über den Eufrat und Tiger Fluß nach Persepoliß/ da er die Hochfuͤrstliche Verbuͤnd- niß beysammen fand/ und von ihnen wol empfangen ward; erfreueten sich auch seiner tref- lichen Voͤlker nicht wenig/ weil Artabanus sich aus Skythen und Indien auffs neue ge- ruͤstet/ und eine grosse Menge Reuter und Fuß Knechte zusammen gefuͤhret hatte. Fuͤrstin Klara ward nicht weniger von den Fuͤrsten wol gewilkommet/ die sich bey ihr unsers Her- kules und Valisken zum offtern erinnerten/ und wegen dieser gluͤklichen Heyraht Arbia- nes selig preiseten. Sie hingegen stellete sich gegen ihre Schwieger Eltern mit kindlichem Gehorsam ein/ und nach Verlauff zehn Monat von ihrem Beylager an zurechnen/ gebahr sie einen wolgestalten Sohn/ welchen sie nach seinem Groß Vater Henrich nenneten/ der aber gar auß der Art schlug/ nicht allein den Christlichen Glauben nach seines Vaters Absterben (welchen er im 14 Jahre seines Alters verlohr) verleugnete/ sondern auch seinẽ Oheimben/ Herkuliskus/ Herkuladisla und anderen Christlichen Rittern grosse Ungele- genheit und aͤusserste Lebensgefahr erweckete/ ja nach heydnischer Persischer Gewohnheit d d d d d d iij seine Achtes Buch. seine leibliche Schwester/ das fromme Gottfuͤrchtige sehr schoͤne Fraͤulein Damaspia wi- der ihren Willen heyrahtẽ wolte/ dessen sie noch mit der Flucht nach Padua sich entbrach/ und von Valisken an den jungen Fuͤrsten aus Schwedẽ/ Fürsten Karl verheyrahtet ward/ wovon in Herkuliskus Wunder Geschichten ausfuͤhrlicher Bericht duͤrffte gemeldet wer- den. Kurz nach Baldrichs Wiederkunfft von Padua und Koͤln nach Prag/ kam daselbst von dem Roͤmischen Kaͤyser Alexander Severus eine statliche Botschafft an/ ihre wolan- gefangene Freundschafft zubestaͤtigen/ welche unsere Helden ihm zwar versprachen/ aber wegen der unruhigen Teutschen nicht leisten kunten/ als die wenig Jahr hernach ohn ihreꝛ Koͤnige Dank/ die sich ihnen nicht widersetzen durfften/ uͤber den Rein gingen/ und dem Kaͤyser in seinem Gebiet grosse Unruhe macheten/ so daß er gezwungen ward/ mit starker Kriegsmacht gegen sie auszuzihen/ da er von seinem aͤidvergessenen Obristen Maximi- nus des Lebens und Kaͤysertuhms zugleich verraͤhterlich beraubet ward/ wovon in andern Geschichtbuͤchern zulesen ist. Sonsten fuͤhreten Herkules und Ladisla mit ihren Gemahlen ein ruhiges und Gott- fuͤrchtiges Leben/ weil ihre Eltern noch gute Zeit der Herschaft vorstunden/ insonderheit Koͤnig Henrich/ daß Herkules der Herschungs-Last sich so bald nicht untergeben durfte; und weil sie nicht lange kunten von einander seyn/ baueten sie beyderseits in ihren Grenzen Koͤnigliche Schloͤsser/ auff welchen sie ihr Wesen fuͤhreten; Herkules hatte seinen Siz da jezt Dreßden liegt/ Ladisla eine kleine Meile davon/ wo seine Grenzen auffhoͤreten/ und ging kein Monat hin/ daß sie nicht zusammen kommen waͤhren. Valiska gebahr am Ende des Wintermonats/ vier Jahr nach ihres ersten Sohns geburt eine wunder-schoͤne Tochter auff dem Prager Schlosse/ welche die alte Teutsche Koͤnigin aus der Tauffe huhb/ und sie Elisabeth nennete; im folgenden Merz genaß Koͤnigin Sophia auch einer jungen Fraͤu- lein sehr schoͤner gestalt/ deren Gefatterin Koͤnigin Hedewieg wahr/ und aus sonderlicher Andacht ihr die beyden Nahmen Eva Maria gab. Was vor Angst nun der trefliche Held Fuͤrst Herkuliskus/ Zeit seiner bluͤhendẽ Jugend wegen dieser Fraͤulein erlitten/ und wie sie hingegen sich gegen ihn so herbe erzeiget/ nicht aus Ungewogenheit und Feindschaft/ son- dern daß sie ihr steiff vorgenommen hatte/ ihre Jungfrauschaft biß an ihr Ende zubewah- ren/ aber noch endlich in seine Ehe einwilligte; auch/ welcher gestalt Frl. Elisabeht von ih- rem Oheim Herkuladisla heimlich geliebet/ und als sie von einem jungen Fraͤnkischen Fuͤr- sten/ Markomirs Vaters Bruder Sohn/ nahmens Rahter entfuͤhret/ von diesem ihren Oheim kuͤhnlich errettet/ und er doch daruͤber biß auff den Tod verwundet/ endlich wieder geheilet/ und nach drey jaͤhriger ausgestandener Unruhe in Meden/ Arabien und Egypten (woselbst er mit seinem Vetter Herkuliskus Ritterschaft uͤbete) sie endlich noch ehelichte/ sol- ches alles wird in ihrer obgedachtẽ Lebens-beschreibung mit lust zu lesen seyn. Fuͤrst Sieg- ward betreffend/ ward derselbe/ da er seine Schwieger Eltern zu Rom besuchete/ von Kaͤy- ser Alexander und seinem Schwaͤher Herꝛ M. Fabius dahin vermocht/ daß er sich ein Jahr daselbst bey ihnen aufhielt/ biß er wegen Schwacheit seines H. Vaters nach Schwe- den gefodert ward/ die Herschaft zuverwalten helffen/ nach dessen Tode er gewaltiger Koͤ- nig ward. Er zeugete mit seiner herzgeliebeten Sibyllen noch einen Sohn/ genant Gustaff/ wie auch ein sehr liebes Fraͤulein/ nahmens Christina/ deren Liebe Fuͤrst Christian/ Koͤnig Baldrichs Achtes Buch. Baldrichs aͤltester Sohn mit dem Schwert erstritte. Baldrich lebete gleicher weise mit seiner Lukrezien in herzlicher einigkeit/ und ward von seinen Untertahnen den Friesen/ mehr als kein Koͤnig vor ihm/ geliebet. Ein Jahr nach seines ersten Herꝛlein geburt/ schenkete ihm Gott den andern Sohn/ Dieterich genand/ und wurden beyde zu ihrer Zeit in Ritter- schaft sehr beruͤhmt/ stunden auch grosse Muͤhe und Gefahr aus in nachsuchung ihrer O- heimben Herkuliskus und Herkuladisla (von denen ihnen ein falsches Geschrey ihrer Ge- faͤngnis vor kam) biß sie beyde heirahteten/ und der juͤngere Herꝛn K. Fabius/ dazumahl an seines Seel. Vaters stelle zu Padua Stathalters Fraͤulein Tochter/ Frl. Margreten Fa- biin zum Gemahl bekam. Sie verharreten alle in eiferiger Gottesfurcht/ aber niemand unter ihnen trieb sein Christentuhm eiferiger als Herkules und Valiska; dann sie wahren sehr gefliessen in lesung der heiligen Schrift und der Kirchenlehrer Buͤchern/ welche sie mit schweren Kosten an sich brachten; und hat man nachricht/ daß Valiska unterschiedliche Buͤcher des Worts Gottes/ als das erste Buch Mose/ den Psalter Davids/ das Hohelied Salomons/ die vier Evangelisten/ und Paulus Sende Brieff an die Roͤmer (doch alle nuꝛ aus dem Griechischen) sehr artig sol verteutschet auch ein Gebeht- und Gesangbuch voller Christlicher Andachten verfertiget haben/ welches aber untergangen und verlohren ist. Herkules verfassete eine Glaubens-bekaͤntnis/ die wol wert ist/ daß sie nicht allein alhie auf- gesetzet/ sondern von dem Leser dieses Buchs mit guͤldenen Buchstaben ins Herz hinein ge- schrieben werde/ und lautet wie folget. I. Wir/ die wir nach unserm Heylande Christus dem Sohn Sottes/ Christen genen- net werden/ glaͤuben und bekennen einen einigen wahren Gott/ welcher ein geistliches We- sen von ewigkeit her ist/ ohn Anfang und ohn Ende; Heilig/ Gerecht/ Gnaͤdig und Wol- taͤhtig; Almaͤchtig/ Alwissend/ Unendlich/ Unbegreiflich und allenthalben gegenwaͤrtig; der nicht allein unser und eines jeden Werke/ sondern auch die verborgensten Gedanken unsers Herzen sihet/ sie seyn gut oder boͤse. Vor ihm ist durchaus nichts verborgen/ obs gleich in Winkeln geschihet/ sondern noch ehe wirs vornehmen/ ja ehe wir erschaffen sind/ weis er schon/ und weis es von ewigkeit her/ was wir machen/ und machen werden. II. Wir glaͤuben und bekennen weiter/ daß dieser unser Gott/ der einig ist in seinem We- sen/ dannoch Dreyfaltig nach den Personen sey/ wie er sich dañ also in seinem heiligen Woꝛ- te geoffenbahret hat. III. Die erste Person dieses einigen goͤttlichen Wesens/ ist und heisset der Vater; die an- dere/ der Sohn (darumb daß er aus dem Wesen des Vaters ganz unbegreiflicher weise von ewigkeit her gezeuget ist) wird auch wol genennet das Wort (weil Gott durch denselben zu uns Menschen geredet hat); die dritte/ der Heilige Geist; vom Vater und Sohn von ewig- keit her ausgehend. IV. Dieser wahre/ nach dem Wesen einige/ nach den Personen dreyfaltige Gott (wel- cher daher die heilige Dreyfaltigkeit genennet wird)/ hat nicht allein am anfange der Zeit/ nach seinem freien Willen/ zu gewisser Zeit/ nehmlich/ wie mans rechnet/ vor 4174 Jahren (ist von dem Jahr nach der Geburt unsers Heylandes 227/ heutiger Rechnung nach zu verstehen) dieses ganze und grosse Rund/ Himmel/ Luft/ Erde/ Meer/ und alles was driñen ist/ Sternen/ Gewaͤchse/ Tihre/ und zu lezt die ersten beyden Menschen Adam und Even/ sondern Achtes Buch. sondern auch (nicht eigentlich stehets/ zu welcher Zeit) alle Engel erschaffen; und erhaͤlt sein Geschoͤpff/ so lange es ihm gefaͤllig ist. V. Die Engel sind unsterbliche Leiblose Geister/ alle miteinander/ in unzaͤhlicher Men- ge von Gott/ gerecht/ heilig und volkommen erschaffen: derẽ auch eine sehr grosse Anzahl/ unsaͤglich vieler tausenden/ in ihrer anerschaffenen Heiligkeit/ unverrũkt blieben sind/ wel- che wir Heilige Engel neñen; andere aber/ und deren auch sehr viel tausend/ von Gott ihrem Schoͤpffer abgefallen/ sich demselben mutwillig entgegen gesetzet/ und darumb von ihm in die hellische Verdamnis gestuͤrzet sind/ welche wir boͤse Geister oder Teuffel nennen. VI. Die heiligen Engel loben Gott und verrichten seinen Befehl oben im Himmel uñ hie nieden auff Erden/ in dem sie alle glaͤubige und fromme Menschen schuͤtzen/ uñ den Kin- dern Gottes zum besten/ wieder die Teufel zu Felde liegen. VII. Die boͤsen Engel aber verfuͤhren die Menschen/ stellen den glaͤubigen und from- men Kindern Gottes nach/ und beschaͤdigen sie/ so viel ihnen Gott verhaͤnget oder zulaͤsset; und zwar sind sie maͤchtig in ihren Werkzeugen den gottlosen Menschen und Zaͤuberern. IIX. Und haben die boͤsen Engel ihre Feindschaft gegen das menschliche Geschlecht/ bald im anfange der Schoͤpfung blicken lassen/ in dem ihr Oberster unsere erste Mutter die Even zur Sünde verleitet/ welche hernach ihren Mañ den Adam auch darzu verfuͤhret hat. IX. Hiemit ging es also zu: Es hatte Gott diese erste Menschen nach seinem Ebenbil- de/ in volkommener Weißheit/ Erkaͤntnis/ Heiligkeit und Gerechtigkeit erschaffen (den Mann aus einem Erdenkloß/ das Weib aus einer Riebe des Mañes/ und solchen erschaf- fenen Leibern eine erschaffene vernuͤnftige Seele eingegossen) ihnen die Unsterbligkeit mit geteilet/ sie in den Lustgarten des Paradeises gesetzet/ und ihnen allerley Früchte des Gar- ten zugeniessen erlaͤubet/ nur daß sie von dem Baum des Erkaͤntnis gutes und boͤses (wie er nach dem Suͤndenfal geneñet ist) sich bey Straffe des zeitlichen Todes und der hellifchẽ Verdamnis enthalten solten; da ihnen Gott auch den Baum des Lebens gegeben hatte/ durch dessen Fruͤchte sie bey steter Jugend und Kraft solten erhalten werden. X. Da nam nun der Teuffel von dem verbohtenen Baum Anlaß und Gelegenheit/ die ersten beyden Menschen/ uñ alle ihre Nachkom̃en ins Verderben zu stuͤrzen/ auff daß er in der hellischen Verdamnis Geselschaft haͤtte/ weil er ihnen nach seiner angenommenen Bosheit/ die Seligkeit mißgoͤnnete; er versteckete sich in die Schlange/ redete aus dersel- ben mit Even/ und durch seine Luͤgen (als wann die Menschen durch niessung der Frucht dieses verbohtenen Baums Gotte selbst gleich werden koͤnten) erweckete er ihr die Begier- de/ solche Frucht zugeniessen/ daher sie endlich von solcher Frucht aß/ und ihrem Manne auch davon zu essen gab. XI. Da ward nun Gott durch solche Ubertretung seines ernstlichen Gebohtes zu Zorn gereizet/ daß er die Menschen der eingegossenen Gnade (die in ihnen alle Volkommenheit der Seelen und des Leibes wirkete) wieder beraubete/ und die suͤndlichen Begierde in ih- nen wuchsen und zunahmen/ auch alsbald ihreunzimliche Bewaͤgungen empfunden/ und nach Kleidung sich umsahen/ da sie vorhin ohn alle scham und aͤrgernis nacket gingen/ uñ ihnen weder Frost noch Hitze/ noch Ungewitter/ noch Schlaͤge/ noch Feur/ noch Gift/ noch wilde Tihre haͤtten Schaden oder Schmerzen bringen koͤnnen. XII. Sie Achtes Buch. XII. Sie flohen auch wegen begangener Suͤnde vor dem Angesicht Gottes/ als die sich ihrer uͤbertretung wol bewust wahren/ und meineten (so unwissend wahren sie schon wor- den) sich vor dem alwissenden und algegenwaͤrtigen Gotte zuverbergen. XIII. Noch dannoch erzeigete ihnen Gott gnade/ indem er sie wieder aus Erbarmung vor Kinder annam/ da er zwar den zeitlichen Tod ihnen und allen ihren Nachkommen zum Suͤndenlohn aufflegete/ aber doch ihnen wieder ein Mittel zur Wiederbringung der Seligkeit ordente und mitteilete. XIV. Dieses Mittel wahr in der ersten Gnaden-Verheissung begriffen/ da GOtt sa- gete: Des Weibes Samen sol der Schlangen den Kopff zutreten. Das ist/ die andere Person der Heiligen Dreyfaltigkeit/ der ewige Sohn Gottes/ oder das wesentliche Wort Gottes/ solte in der Voͤlle der Zeit aus dem Leibe der Jungfrauen Marien/ unsere Menscheit (ei- nen wahren Menschlichen Leib/ und eine wahre menschliche Seele in seine persoͤnliche Vereinigung) annehmen/ und in solcher angenommenen Menscheit/ nicht allein an unser stat das Gesez Gottes ohn Tadel erfuͤllen/ sondern auch vor unsere Suͤnde buͤssen/ und da- durch die Macht und Gewalt der hellischen Schlangen oder des leidigen Teufels von uns abwenden. XV. Diese gnaͤdige Verheissung Gottes richtete unsere ersten Eltern und ihre Nach- kommen (welche alle miteinander die Suͤnde von ihren Eltern durch die fleischliche Ge- burt erben/ und krafft solcher Erbsuͤnde/ den wirklichẽ Suͤnden nachhaͤngen) wieder auff/ daß sie durch den Glauben auff diesen versprochenen zukuͤnfftigen Erloͤser gestaͤrket/ sich der Gnade Gottes troͤsteten/ und in Hoffnung/ die Seligkeit nach dem Tode zuerlangen/ ihr Gewissen beruhigten; jedoch musten sie in rechtschaffener Gottesfurcht und Heiligen Werken sich uͤben/ zu welchem Ende ihnen Gott sein Heiliges Gesetze gab. Dann den Gottlosen Unbußfertigen tuht diese Verheissung Gottes keine Huͤlffe. XVI. Zwar der Sohn Gottes setzete die Erfuͤllung seines Versprechens (daß er die Menscheit an sich nehmen/ und vor uns sterben wolte) eine geraume Zeit zuruͤcke/ nehm- lich/ wie mans rechnet/ 3947 Jahr; jedoch hat er solches alles reichlich schon erfuͤllet/ da er vor 227 Jahren sich als ein wahrer Mensch an diese Welt gebehren ließ. XVII. Dann da muste anfangs unsers Heylandes Wegbereiter und Vorlaͤuffer/ der Taͤuffer Johannes von einer sonst unfruchtbaren altbetagten Frauen/ der Elisabeth ge- bohren werden/ nach dessen Empfaͤngniß ein halb Jahr/ sendete Gott seinen Engel Ga- briel an eine keusche unberuͤhrte/ jedoch einem alten Manne/ dem frommen Joseph/ verlo- bete Jungfer von Koͤniglichem Judischen Geschlecht/ welche in Armuht gerahten wahr/ Nahmens Maria; welcher Engel ihr die Empfaͤngniß des Sohns GOttes ankuͤndigen muste/ daß nehmlich die andere Person des einigen Goͤttlichen Wesens in ihrem Leibe/ ohn Zutuhn eines Mannes/ bloß durch Wirkung und uͤberschattung des Heiligen Geistes menschlichen Leib und Seele an sich nehmen/ und damit sich persoͤnlich vereinigen wolte. XIIX. Worauff auch solche Empfaͤngniß alsbald geschahe/ und gebahr diese von Gott geheiligte keusche und unbeflekte Jungfer den Sohn Gottes in angenommener Mensch- heit zu Bethlehem im Viehstalle an diese Welt/ welche Geburt ein Engel Gottes etlichen Hirten auff dem Felde in derselben Nacht anmeldete/ die auch hingingen/ uñ es also fundẽ. e e e e e e XIX. Und Achtes Buch. XIX. Und daß auff solche weise unser Heyland der Sohn GOttes an diese Welt ge- bohren sey/ dessen haben wir so unfehlbare Gewißheit/ daß kein Christ und von GOtt er- leuchteter daran zweifeln kan/ sondern lieber alle Pein angehen/ als diesen Glauben ihm nehmen lassen wuͤrde. XX. Als dieser Sohn Gottes solcher gestalt war Mensch worden/ hat er allen mensch- lichen Gebrechligkeiten (ohn allein der Suͤnde nicht) sich unterworffen/ da er als ein andeꝛ Mensch gesaͤuget/ ernehret/ aufferzogen/ und nach Judischem Gebrauch beschnitten ward; aber nachdem er das dreissigste Jahr erreichet/ und von Johannes dem Taͤuffer sich hat- te taͤuffen lassen/ wodurch er zu seinem bevorstehenden Erloͤsungs-Amte sich einweihen ließ; ward er alsbald darauff von dem Heiligen Geiste in die Wuͤsten gefuͤhret/ und da- selbst 40 Tage und so viel Nachte aneinander von den boͤsen Geistern hart versuchet/ wel- ches er kraͤfftig überwand/ trat darauff sein Heylandes-Amt an/ waͤhlete seine 12 sonder- bahre Juͤnger/ als künfftige Bohten und Prediger der Christlichen Lehre/ predigte selbst hin und wieder im Judischen Lande/ und bestaͤtigte sein Amt durch unzaͤhlich viel Wunder und Zeichen/ da er Blinde sehend/ Taube hoͤrend/ Stumme redend/ Lahme gehend/ Auß- saͤtzige rein/ ja auch etliche Todten lebendig machete. Endlich da er der Gerechtigkeit Got- tes vor der Menschen Suͤnde gnug tuhn wolte/ ließ er sich von den Gottlosen boßhafften Hohenpriestern und Schrifftgelehrten des Judischen Volks (die er wegen ihrer Suͤnde straffete) gefangen nehmen/ schlagen/ verspotten/ verspeien/ verurteilen/ geisseln/ mit Dor- nen kroͤnen/ und am Kreuz sich toͤdten; worauff etliche seiner getraͤuen Freunde ihn in ein Grab legten/ und uͤber seinen Todesfal (dessen Wichtigkeit und heilbringende Krafft sie nicht verstunden) herzlich betruͤbt wahren. XXI. Nachdem aber unmoͤglich wahr/ daß Gottes Sohn im Tode bliebe/ ist er am Sontage sehr fruͤh/ da er des Freytags Abends zuvor gestorben wahr/ als ein sieghaffter Held vom Tode wieder aufferstanden/ hat des Teuffels Macht und Gewalt zubrochen/ uñ sich 40 Tage lang bey seinen Juͤngern und Glaͤubigen nach seiner Aufferstehung gezei- get/ biß er mit ihnen auff den Oelberg vor Jerusalem gangen/ und daselbst sichtbarlich gen Himmel gefahren ist; woselbst er in seiner Menscheit zur Rechten der Krafft Gottes sitzet/ uͤber alle seine Feinde herschet/ seine Christenheit beschuͤtzet/ und alle glaͤubige from̃e Men- schen bey seinem Himlischen Vater vertrit. XXII. Er hat aber zehn Tage nach seiner Himmelfahrt seine Juͤnger mit der Gabe des Heiligen Geistes ausgeruͤstet/ welchen er in Gestalt feuriger Zungen uͤber sie ausgoß; worauff sie sich durch die Welt verteileten/ den Menschen die Christliche Lehre vortrugen/ und alle/ so glaͤubig wurden/ taͤuffen musten. XXIII. Diesen Juͤngern des HErrn folgen in solchem Lehr Ampte biß an das Ende der Welt/ alle rechtmaͤssiger weise beruffene Diener des Goͤttlichen Worts/ welche von Gott darzu gesezt werden/ daß sie sein Heiliges Wort den Menschen vortragen/ und die Heiligen Sacramenta ihnen ausspenden sollen. XXIV. Das Wort Gottes/ welches von ihnen muß gelehret und geprediget werden/ bestehet in diesen Stuͤcken: Daß die Menschen müssen angefuͤhret werden/ zur Erkaͤntniß Gottes und ihres Heylandes/ zur Busse ihrer begangenen Suͤnde/ zum Glauben und Ver- Achtes Buch. Vertrauen auff Gottes Barmherzigkeit und auff Christus Verdienst; und endlich zu ei- nem Christlichen gottseligen Leben und Wandel. XXV. Das erste Sacrament/ durch welches wir in die Gemeinschafft der Heiligen Kirchen versetzet werden/ ist die Tauffe/ ein rechtes Wunder-Bad der Wiedergeburt ei- nes sündlichen Menschen/ in welcher Tauffe unser Gott mit uns den Gnaden Bund auff- richtet/ daß wir/ krafft des Verdienstes unsers Heylandes sollen Gottes Kinder seyn; da- her wir in der Tauffe und durch die Tauffe von unsern Suͤnden abgewaschen und gerei- niget werden. Dieses Gnaden Bad bekraͤfftigte der Sohn Gottes/ da er seinen Juͤngern den Befehl erteilete: Gehet hin in alle Welt/ lehret alle Voͤlker/ und taͤuffet sie im Namen des Vaters/ und des Sohns/ und des Heiligen Geistes. XXVI. Das Abendmahl des HErrn/ welches er des Abends vor seinem Leiden ein- setzete/ und seinen Juͤngern austeilete/ ist das Sacrament der Bekraͤfftigung im Christen- tuhm/ und bestehet hierinnen/ daß den glaͤubigen Christen hieselbst Brod und Wein sicht- bahrer empfindlicher weise; und zugleich der Leib und das Blut des HErꝛn/ Sacrament- licher/ das ist/ unsichtbahrer unempfindlicher weise/ wiewol warhafftig/ zuessen und zutrin- ken gegeben wird/ und solches zur Staͤrkung ihres Glaubens/ und zur Versicherung ih- rer Seligkeit; welches andaͤchtig zugebrauchen er seiner Kirchen anbefihlet/ da er spricht: Solches tuht zu meinem Gedaͤchtniß. XXVII. Wann nun ein Mensch/ Gott und seinen Heyland erkeñet/ an denselben glaͤu- bet/ die Suͤnde meidet/ und in der Furcht Gottes from und heilig lebet; auch da er gesuͤn- diget hat/ sich davon bekehret/ und sich wieder zur Gottseligkeit wendet/ in festem Vertrauẽ auff Gottes Barmherzigkeit und auff Christus Verdienst sich verlassend/ und unter dem zeitlichen Kreuz oder Zuchtruhte Gottes geduldig außhaͤlt; alsdann ist er ein Kind Got- tes/ und wird nach diesem Leben die ewige Seligkeit erlangen. XXIIX. Hingegen ist es unmoͤglich/ daß ein erwachsener Mensch/ der seiner Vernunft zu gebrauchen weiß/ solte koͤnnen selig werden/ der seinen Gott und Heyland nicht erkennet; welches der Sohn Gottes uns mit diesen Worten anzeiget: Das ist das ewige Leben/ daß sie dich einigen wahren Gott/ und den du gesand hast/ JEsus CHrist/ erkennen. Unmoͤg- lich ist es/ daß ein erwachsener Mensch solte koͤnnen selig werden/ der an den Sohn Gottes nicht glaͤubet/ weil ja der Glaube das Mittel ist/ durch welches wir vor Gott gerecht wer- den; dann also lehret uns der heilige Bohte des HErrn/ da er in seinem Sende Brieffe an die Glaͤubigen zu Rom schreibet: Die Geꝛechtigkeit die vor Gott gilt/ komt duꝛch den Glau- ben an JEsus CHrist/ zu allen und auff alle die da glaͤuben. Dañ wir werden ohn Verdienst gerecht aus Gottes Gnade/ durch die Erloͤsung/ so durch JEsus CHrist geschehen ist. Da- rumb so halten wir es gaͤnzlich davor/ daß der Mensch durch den Glauben gerecht werde/ ohn des Gesetzes Werke. Dann der nicht mit Werken umgehet (der bißher nicht in heili- gen Werken/ sondern in suͤndlichen Betreibungen sein Leben gefuͤhret hat/ nunmehr aber davon ablaͤsset) uñ glaͤubet an den der die Gotlosen (so bißher gotloß gewesen sind/ uñ nun- mehr in wahrer Busse auffhoͤren gottloß zuseyn) gerecht machet/ dem wird sein Glaube gerechnet zur Gerechtigkeit. Und eben solches wiederhohlet er in seinem Brieffe an die Ga- later mit diesen Worten: Wir wissen/ daß der Mensch durch des Gesetzes Werke nicht ge- e e e e e e ij recht Achtes Buch. recht wird/ sondern durch den Glauben an JEsus Christ/ so glaͤuben wir auch an JEsus Christ/ auffdaß wir gerecht werden durch den Glauben an Christ/ und nicht durch des Ge- setzes Werke/ dann durch des Gesetzes Werke wird kein Mensch gerecht. Welches alles ei- ne Erklaͤrung ist des herlichen Kernspruchs/ welchen unser Heyland selbst anfuͤhret/ da er zu Nicodemus saget: Also hat Gott die Welt geliebet/ daß er seinen eingebornen Sohn gab/ auffdz alle die an ihn glaͤuben/ nit verlohren werden/ sondern das ewige Leben haben. Wer an ihn glaͤubet/ der wird nicht gerichtet/ wer aber nicht glaͤubet/ der ist schon gerichtet. XXIX. Welcher Mensch nun die Hoffnung haben wil zur Seligkeit/ derselbe muß mit festem Glauben sich auff das teure Verdienst seines Heylandes verlassen/ auff daß ihm Gott das Verdienst und die Gerechtigkeit seines JEsus durch den Glauben zurechnen oder mitteilen moͤge. Und wann ein Mensch durch den Glauben ist gerecht worden/ so muß er ja bey Leib und Leben nicht gedenken/ daß es nun mit seiner Seligkeit alles gute Richtigkeit habe/ und Gott der Herr nichts mehr von ihm erfodere/ als nur solchen vertraulichen Gla- ben an seinen Sohn. Nein O nein! fondern da muß ein Mensch der von Gott ist gerecht gemacht/ derselbe sol und muß nohtwendig sich aller Christlichen geistlichen guten Werke nach aͤusserstem Vermoͤgen befleissigen/ so daß er nach Erfoderung der heiligen zehn Geboh- te Gottes/ alle Boßheit und Ubeltaht meide/ und dagegen in allen Christlichen Tugenden sich uͤbe. Dann wer in Suͤnden verharret/ der verdirbet dadurch seinen Glauben/ und faͤl- let auß der Gnade Gottes/ ja er verleuret die durch den Glauben empfangene Gerechtig- keit. Daher spricht abermahl Paulus: So ihr nach dem Fleische werdet leben/ so werdet ihr muͤssen sterben; so ihr aber des Fleisches Werke durch den Geist toͤdtet/ so werdet ihr leben. Dann wo eure Gerechtigkeit (welche ihr nach der durch den Glauben empfangenen Gerechtigkeit/ in Ubung der Gottseligkeit leistet) nicht besser ist/ als der Schrifftgelehrten und Phariseer (welche nur in Heucheley/ nicht in wahrer Ubung der Gotseligkeit bestund) so werdet ihr nicht in das Him̃elreich kom̃en; spricht unser Heyland selber. Dann nuꝛ allein derselbe Glaube gilt vor Gott/ welcher durch die Liebe wirket/ oder sich kraͤfftig darstellet. Der Glaube aber/ welcher ohn die Werke der Gottseligkeit ist/ derselbe ist ein todter Glau- be. Dann ob wir gleich auß Gnaden selig worden sind durch den Glauben/ und nicht aus den Werken/ wie Paulus aber mahl lehret in seinem Sende Schreiben an die Epheser; so setzet er doch alsbald hinzu/ daß wir Gottes Werk sind/ geschaffen/ in JEsus Christ/ zu gu- ten Werken/ zu welchen Gott uns zuvor bereitet hat/ daß wir drinnen wandeln sollen. Und allein diese erwachsene Christen/ welche solcher Gestalt alles ungoͤtliche Wesen/ und die weltlichen Luͤste meiden/ und hingegen zuͤchtig/ gerecht und gottselig in dieser Welt leben/ dieselben haben sich der kuͤnfftigen Seligkeit des ewigen Lebens zugetroͤsten/ wie auch die- selben/ welche nach begangenen Suͤnden noch in deꝛ Gnadenzeit rechtschaffene Busse tuhn/ von Suͤnden ablassen/ uñ da ihre Lebenszeit es zulaͤsset/ die Ubung der wahren Gotseligkeit eiferig fortsetzen; Da sie aber nach geschehener Busse bald durch den Tod auß dieser Welt Abscheid nehmen/ sie dannoch den steiffen Vorsaz der Lebens-Besserung biß an ihr En- de im Herzen behalten. Diese alle koͤnnen mit Paulus/ wann sie durch den zeitlichen Tod abgefodert werden/ freudig sprechen: Ich habe einen guten Kampff gekaͤmpffet/ ich habe den Lauff vollendet/ ich habe Glauben gehalten/ hinfort ist mir bey gelegt die Kron der Ge- rechtig- Achtes Buch. rechtigkeit welche mir der HErr an jenem Tage der gerechte Richter geben wird/ nicht mir aber allein/ sondern auch allen/ die seine Erscheinung lieb haben. XXX. Diese Kron der Gerechtigkeit werden die frommen und Glaͤubigen von ihrem Heylande empfangen/ nicht nur der Seele nach/ sondern auch dem Leibe nach. Dann unse- re Leiber sollen nicht ewig im Tode bleiben/ sondern zu gewisser Zeit (welche allein Gott be- kant ist)/ aus dem Staube der Erden zum Leben aufferwecket/ und mit ihrer ehmaligen See- le wieder vereiniget werden; worauff Gott durch seinen Sohn in angenom̃ener Mensch- heit das algemeine Gerichte über alle Menschen halten/ die Unglaͤubigen und Gottlosen den boͤsen Teuffeln zur ewigen Hellen Pein uͤbergeben/ die Glaͤubigen und Frommen aber in die ewige himlische Seeligkeit auffnehmen wird. XXXI. Dieses ist der kurze Begriff der Christlichen Lehre/ welche ein Mensch behueff seiner ewigen Seligkeit wissen/ glaͤuben und leisten mus; bey welcher Einfalt die Ungelehr- ten verbleiben/ und nicht durch ketzerische Irgeister und Schwaͤrmer sich verleiten lassen sollen/ als dañ werden sie ausser zweifel des ewigen Lebens versichert seyn. O ihr Koͤnige und Fuͤrsten/ die ihr von Gott auff die hoͤchsten Zinnen gesetzet seid/ nach deren Verhalten sich die Untertahnen gemeinlich zu richten pflegen/ nehmet von dem Christlichen Teutschen Herkules ein Beyspiel/ und erkeñet doch/ daß euch ja so wol obliege/ euer Seligkeit/ als anderen/ wahrzunehmen/ und in dem Worte Gottes euch fleissig zu uͤ- ben. Wolte euch aber Herkules nicht darzu bewaͤgen/ so hoͤret doch nur eures Gottes Be- fehl/ welches der grosse Fürst und Kriegsheld Josua empfing/ er solte das Buch des Ge- setzes Tag und Nacht betrachten/ und von seinem Munde nicht kommen lassen. Koͤnig Da- vid wahr auch ein Koͤnig ein Held und tapferer Kriegsman/ und dannoch legte er oft den Reichsstab und Kron zu seines Gottes Fuͤssen/ nam die Harffe zur Hand/ und tichtete die herlichsten geistreichesten Lieder/ an denen alle betruͤbte und elende ihrẽ erquiklichsten Trost haben. Unser Herkules wahr Davids Nachfolger; wann er in Noht geriet/ rieff er zu sei- nem Gott; wañ er Rettung empfing/ opferte er ihm Lob/ Preiß uñ Dank/ daher ihm nicht anders/ als gelingen kunte. Und weil wir in dem Werke etliche Gebehter nicht hinzu gesezt haben/ da sie eigentlich vom ihm sind gehalten worden/ wollen wir dieselben alhie anfuͤhren. Herkules Gebeht/ welches er wegen seiner Bekehrung in da- mahliger Einfalt zu Gott getahn. O Du ewiges Licht/ welches der Sonnen und allem Gestirn ihren Schein giebet; mit was inbruͤnsti- ger Dankbarkeit sol ich deine unaussprechliche Gnade ruͤhmen und preisen/ daß du mich blinden elenden Suͤnder mit den Strahlen deines himlischen Glanzes erleuchtet/ und mich zu deiner heilsamen Erkaͤntniß gleichsam bey den Haaren herzugezogen hast/ in dem du mich durch Raͤubers Hand aus meinem vergoͤtzeten aberglaͤubigen Vaterlande hinweg gerissen/ und an diesen Ort mich gefuͤhret hast/ da ich deinen heiligen Nahmen/ und deinen lieben Sohn JEsus Christ/ meinen Heiland und Seligmacher erkennet habe. O du himlische Klarheit/ dir sey davor ewig Lob und Preiß gesaget; mein Gott! mein Schoͤpffer! mein Heiland! erhalte und bekraͤfftige mich in diesem angefangenen Chri- stentuhm/ daß mich weder Noht noch Tod/ weder Schande noch Ehre/ weder Armuht noch Reichtuhm weder Freunde noch Feinde/ weder Leibeigenschafft noch Freyheit davon abschrecken moͤgen/ damit ich nach dieser muͤhseligen Vergaͤngligkeit/ unter den außerwaͤhleten Kindern deines grossen ewigen Reichs moͤge erfunden werden. Behuͤte mich auch vor groben Suͤnden/ daß ich deine Guͤte nicht ver- scherze/ noch deiner Gnade mich verlustig mache; und dafern es dein gnaͤdiger Wille ist/ so gib mir e e e e e e iij oder Achtes Buch. oder einem andern die Gnade/ daß meine liebe Eltern/ Bruder/ Schwester und Anverwanten/ und unter diesen insonderheit mein Ladisla und dessen Frl. Schwester auch zu dir moͤgen bekehret werden. Und wann ich dereins nach deinem Wolgefallen diese meine Knechtschafft ablegen/ und nach Erhei- schung meines Standes/ Ritterschafft uͤben und treiben sol/ so behuͤte mich vor unnoͤhtigem Kampff und Blutvergiessen; laß mich auch/ mein Heiland/ den Ort besuchen/ woselbst du vor meine Suͤnde gelitten/ und mich am Stamme des heiligen Kreuzes erloͤset hast/ und leite mich in meinem ganzen Leben/ mit deinem Heiligen Geiste/ daß ich ein lebendiges Glied an deinem Leibe seyn und allezeit blei- ben moͤge/ Amen Amen. Herkules Gebeht/ als ihn Gott aus seiner Knechtschafft durch Ladisla erloͤsete. M Ein Heyland JEsus! wie suͤsse ist dein Nahme; wie groß deine Guͤte; wie unbegreiflich deine wunderbahre Almacht; wie unermaͤßlich der Abgrund deiner Barmherzigkeit! Herr mein Gott! gestern wahr ich ein Sklave und Leibeigener/ jezt bin ich wieder eines Groß Fuͤrsten Sohn/ und Koͤ- niglicher Hocheit nahe. O du Brunquel aller erbarmung/ wer ist dir gleich? O du Wundertaͤhter/ wer verstehet die Heimligkeit deiner Wege? Herr ich bin nicht wert/ ich bin nicht wert aller barmher- zigkeit und Guͤte/ die du mir deinem schlimmen Knecht erzeigest. Du hast mich/ Zeit der Leiblichen Dienstbarkeit/ von den Ketten und Banden der geistlichen Knechtschaft/ damit ich zur verdamnis ge- fesselt wahr/ loßgemacht/ welche Guͤte ich weder begreiffen noch erkennen kan; und nun mus auch mein Leib und Leben von dem Joche der zeitlichen Leibeigenschaft befreiet werden. Mein Erretter! groß sind deine Wunder/ die du an mir beweisest; unermaͤßlich ist deine Barmherzigkeit/ die mit leiblicher uñ geistlicher Gluͤkseligkeit mich uͤberschuͤttet. HErr mein Gott! sihe an meines Geistes Inbrunst/ wel- cher dein Lob gerne erzaͤhlen wolte/ und vor uͤbermachter Freude nicht eins den Anfang darzu machen kan. Ey laß dir wolgefallen/ daß der Wille da ist/ den du mir gegeben hast/ ob gleich das Vermoͤgen wegen fleisches schwacheit nicht kan folge leisten. Du weist es/ mein Hort/ mein hoͤchstes Gut du weist es/ daß ich dich liebe/ daß ich an dir meine Vergnuͤgung habe/ und mit dir wol zufrieden seyn wollen/ ob ich gleich in meinem elenden Stande biß an mein greises Alter haͤtte sollen verbleiben/ welches du aber nicht hast wollen zugeben. O du Erbarmer/ wie sol ich dir davor gebuͤhrlich danken? Nun dann mein Heyland/ fahre fort deinen Knecht gnaͤdig heimzusuchen; fahre fort ihn zu troͤsten und zu laben/ auffdaß er fort mehr deine Barmherzigkeit ruͤhmen/ und das Opfer seiner Lippen dir vorlegen koͤnne. Aber O mein Gott! zubrich auch die Bande des leidigen Satans/ mit welchen mein Ladisla/ meine Eltern und Anverwanten/ als deine abgesageten Feinde (Ach Gott erbarme dich ihrer) im Unglauben und verachtung deines Sohns gebunden sind. Du mein Helffer/ zubrich sie/ wie du die meine zubro- chen hast/ und erweiche ihre Steinerne Herzen/ daß sie dereins erkennen moͤgen/ was sie verachten/ wann sie deinen Sohn verachten. Sihe an mein Gott/ daß sie mehr aus Unwissenheit als Bosheit suͤndigen/ und laß sie/ wie den verstokten Saul/ nach deiner Gnade zu Paulussen gedeien/ umb deines lieben Sohns JEsus Christus meines Heylandes Willen/ Amen Amen. Herkules Gebeht/ da er aus Henkers Haͤnden entran/ als Charide- mus ihn wolte abschlachten lassen. S uͤsser Heyland aller die auff dich trauen! dich wil ich loben allezeit/ dein Lob sol immer dar in mei- nem Munde seyn; meine Seele sol sich freuen uͤber deiner Huͤlffe; mein Geist sol nicht muͤde werden zu deinem Preise. O du Vater der Barmherzigkeit! du hast mich HErr aus des Loͤuen Rachẽ gerissen/ und aus dem augenscheinlichen Verderben hastu mich erloͤset/ mein Heyland! O ihr glaͤubi- gen/ preiset mit mir den HErrn/ uñ last uns miteinander seinen Nahmen erhoͤhen; da ich den HErrn suchte antwortete er mir/ und rettete mich aus den Haͤnden der grimmigen Henker. Davor ruͤhme ich HErr deine Guͤte; davor erhebe ich deine grundlose Barmherzigkeit. Dann sihe/ das Schwert wahr schon uͤber mich gezuͤcket; der grimmige Blut Hund wolte mich zerstuͤcken lassen; aber du hast jhm gewehret/ Achtes Buch. gewehret/ und mein Leben errettet/ durch eine wunderbahre Errettung. Lob sey dir du mein Heiland; Preiß sey dir/ du mein Helffer in aller Noht! So hilff nun ferner mein Gott/ uͤm deines Namens Ehre willen/ und goͤnne mir auffs minste nur so lange dieses zeitliche Leben/ daß ich mein vertrautes Fraͤulein dir zufuͤhren/ und sie im Christentuhm unterweisen moͤge; hernach fodere mich wann dirs gefaͤlt. Doch ist es dein Goͤttlicher Wille/ so laß mich nicht durch Henkers Schwert/ als ein Ubeltaͤh- ter/ gefaͤllet werden/ es waͤhre dann/ daß es uͤm deines Namens Bekaͤntnis geschehen solte/ dessen ich mich nicht wegern/ sondern dir zu Ehren alle Schande und Schmach gerne uͤber mich nehmen wil. Bewahre auch meinen Ladisla/ und uͤbersihe gnaͤdig seinen Unglauben; bekehre sein Herz/ und laß jhn dereins den Nahmen eiferig bekennen/ welchen er anietzt veraͤchtlich haͤlt/ wiewol er/ meines wis- sens/ denselben zu laͤstern auffgehoͤret hat. Meine liebe Eltern und andere Anverwanten befehle ich gleicher weise deiner Gnade zur Erkaͤntnis der seligmachenden Warheit/ und fuͤhre mich den Weg den ich wandeln sol/ mein Fraͤulein zu erloͤsen/ Amen/ Amen. Herkules Gebeht/ da er erstmahls vor Charas anlangete. B Ißher hastu mich gefuͤhret/ O du GOtt meines Heilß! bißher habe ich deines kraͤfftigen Schut- zes genossen/ O du GOtt aller die auff dich trauen! wie mannicher Gefahr bin ich auff dieser Reise entgangen/ aber HErr durch deine Huͤlffe; wie manniches Ungluͤk hat mich muͤssen vorbey ge- hen/ weil deine almaͤchtige Gnaden Hand es abgewendet hat. Ich bin aber noch nicht voruͤber/ mein Helffer/ sondern das wichtigste stehet mir noch bevor. Bißher habe ichs mit Raͤubern und einzelnen frevelhafften Buben zutuhn gehabt/ aber nun werde ichs wider den maͤchtigsten Wuͤterich wagen muͤssen/ an dem Orte/ da seine groͤsseste Macht herschet/ und mein Unvermoͤgen durchaus nichts schaf- fen kan. Aber dieses troͤstet mich/ mein Gott; dieses staͤrket und kraͤftiget mich/ mein Heiland/ daß ich dich an meiner Seiten habe und spuͤre/ dich/ der du aller Koͤnige Herzen in deiner Hand hast/ und leitest sie/ wie die Wasserbaͤche. Weil nun der HErꝛ mein Licht und mein Heil ist/ ey vor wem solt ich mich dann wol fuͤrchten? weil der Herr meines Lebens Kraft ist/ ey vor wem solte mir dann wol grauen? O HErꝛ/ es ist gut/ sich auff dich verlassen/ und nicht auff Menschen; deßwegen/ weil ich dich habe/ so frage ich nichts nach Himmel und Erden; was solte mich dann der Partische Wuͤ- terich schrecken? ich habe seinen frevelmuhtigen Sohn erschlagen/ ehe ichs gedenken moͤgen; wie leicht ist dirs/ daß du des gottlosen Vaters Macht auch danieder legest. Nun HErꝛ ich trau auff dich in dieser Sache/ die meines Nehesten Ehr/ Leben und Seligkeit betrift/ welche demnach dir nicht kan zuwider seyn; daher wirst du mir zur Rechten stehen/ und mir heilsame Rahtschlaͤge ins Herz geben/ daß ich mein Vornehmen durch dich vorsichtig anfahen/ geherzt fortsetzen und gluͤcklich auß- fuͤhren moͤge Amen. Deine Guͤte HErꝛ sey uͤber uns/ wie wir auff dich hoffen/ Amen. Herkules Gebeht/ da er sein Gemahl Valiskenaus Charas hinweg fuͤhrete. J Ezt iezt mein Helffer! iezt habe ich deines Schutzes von noͤhten/ mehr als vor nie; daruͤm hilf O du mein Heiland und Erretter/ dann ich verlasse mich auff deinen Beistand: sonst muͤste ich unter den grimmigen Loͤwen vergehen/ die ohn zweifel mir bald folgen werden. HErr du weist es/ daß auff deine Huͤlffe ichs gewaget/ und auf Menschen Arm mich nicht verlassen habe; ja mein Gott/ du weist es. O so geleite du mich des Weges/ den ich wandeln sol; verblende meine Feinde/ daß sie mich nicht sehen; verbirge ihnen meine Flucht/ daß sie sein spaͤte gnug inne werden; verhindere ihre Einfaͤltigkeit/ und laͤhme ihre Rosse; laß sie in ihren Rahtschlaͤgen sich verwickeln/ und drinnen zu schanden werden/ welche sie zu meinem Verderben halten/ und fuͤhre mich HErꝛ in den Hafen der Si- cherheit/ daß ich nebest meinem Gemahl unser Vaterland wieder sehen moͤge; alsdann wil ich dir diesen Tag feiren mein lebenlang/ und dir zu Ehren ein Dankfest anstellen/ so lange ich den Odem zie- he/ Amen/ Amen. Wir Achtes Buch. Wir sehen aus diesen und anderen dergleichen Gebehten/ welche an unterschiedlichen Orten dieses Werks gelesen werden/ was vor inbruͤnstige Gottesfurcht unser Herkules in seinem Herzen gefuͤhret/ und dadurch allen Rittersleuten sich als ein Beispiel und Vor- bilde zur Christlichen Nachfolge vorgestellet hat/ welches sie wol beherzigen moͤchten/ da- mit sie nicht nach Art der Boshaftigen/ an stat des Heiligen Gebehts nur ein staͤtes er- schrekliches Fluchen/ Laͤstern und Schwoͤren von sich hoͤren lassen/ die gottlosen Marter- hansen/ welche ihnen dadurch Gottes Ungnade und die hellische Verdamnis uͤber den Hals zihen/ auch aller redlichen Menschen Feindschafft damit verdienen. Unser Schiff aber hat vor dißmahl/ ungeachtet der unaussprechlichen heftig-stuͤr- menden Wellen/ dannoch den gewuͤnschten Hafen erreichet/ insonderheit/ wann der Uhr- schreiber dieses Werks erfahren solte/ daß der Ehr- und Tugendliebende Leser durch diese Geschichte Leib- und Geistlich erquicket waͤhre/ als zu welchem Ende er die Muͤhe bey sei- nen vielfaͤltigen Geschaͤften auff sich nehmen/ und taͤglich etliche Schlafstunden seiner naͤchtlichen Leibesruhe enttzihen wollen/ damit er diese Geschichte der Welt bekant machte/ welche uͤber 1400 Jahr vergrabẽ gelegen/ uñ durch den Krieg/ welcher des ganzen Teutsch- landes unterstes zu oberst gekehret/ ohngefehr bey dem Weserstrohme unter einem hohlen Steine hervor gezogen ist; wodurch die Versehung ausser allem zweisel hat wollen zuer- kennen geben/ daß nicht allein tapffere Helden aus Frankreich/ Italien/ Spanien und Griechenland/ sondern auch deren viel aus Teutschland/ uñ anderen Nordischẽ Laͤndern entsprossen sind/ die uͤber andere ihres gleichẽ sich der wah- ren Tugend und ungefaͤrbeten Gottesfurcht gewidmet haben. Ende des Christlichen Teutschen Herkules.