Characteristik der merkwuͤrdigsten Asiatischen Nationen. Concentrirt und historisch richtig dargestellt. Erster Theil . Breßlau , bey Johann Ernst Meyer , 1776 . Vorbericht. S o unangenehm und uͤberfluͤßig manchmal die weitschweifigen und ermuͤdenden Vorreden vor kleinen Buͤchern sind: — und so sehr wir auch selbst wuͤnsch- ten, diesem Werke keinen Vor- * 2 bericht Vorbericht. bericht vorsetzen zu duͤrfen; so sehen wir uns doch der ver- schiedenen Leser wegen, die dieß Buch erhalten koͤnnte, genoͤ- thigt, eins und das andre zu erinnern. Wahrscheinlicherweise wer- den in dem Publikum der Le- serwelt einige seyn, die, beym ersten Anblick, dieses Werk fuͤr etwas sehr Ueberfluͤßiges hal- ten duͤrften: — sie werden sich sonder Zweifel gleich erinnern, daß sie vor langer oder kur- zer Vorbericht. zer Zeit einige Quartanten und Folianten uͤber eben die Ge- genstaͤnde, die unser Buch be- handelt, mit vielem Vergnuͤ- gen durchgelesen, und daher itzt weiter nichts mehr daruͤ- ber zu lesen wuͤnschen. Fuͤr diese fleißigen Durchwuͤhler star- ker Quartanten, haben die Verfasser dieses Werks auch nicht schreiben — sie nicht in ihrem gelehrten Fleiße stoͤhren wollen. — Aber nicht allen in der deutschen Leserwelt ist die Geduld gegeben, so wie * 3 jene Vorbericht. jene Herren, große Quartan- ten durchzulesen. Nicht alle haben Lust alles zu lesen, und zu wissen, was ein Reisebe- schreiber gesehen und gehoͤrt hat. Nicht alle besitzen Ur- theilskraft genug — die Guͤte und Zuverlaͤßigkeit, eines Rei- sebeschreibers pruͤfen zu koͤn- nen. — Und diesem Lesepu- blikum, das gewiß unendlich groͤßer ist, als vorhinerwaͤhnte Folianten-Liebhaber — ist un- sre Arbeit vorzuͤglich gewid- met. Unsers Vorbericht. Unsers Wissens, hat man in Deutschland bis itzt noch kein Werk, von der Art, wie wir itzt dem Leser vorlegen. Wir hatten bey Verfassung desselben bloß die Absicht, dem Publikum eine concentrit hi- storisch richtige Darstel- lung des Interessantesten in dem Character, Den- kensart, Sitten, Gebraͤu- chen, religioͤsen Ideen u. f. verschiedener merkwuͤrdigen asiatischen Nationen , zu ge- ben, und ihm dadurch einer * 4 ermuͤ- Vorbericht. ermuͤdenden Arbeit, die vielen Buͤcher nachzuschlagen und zu lesen — zu uͤberheben. — Es kommt dem vernuͤnftigen und billigen Leser zu — und nicht dem, der alles fuͤr schlecht und unrecht haͤlt, was er nicht selbst geschrieben und gemacht hat — zu beurtheilen, ob wir diese Absicht erreicht haben oder nicht. Und hier koͤnnte schon die- ser Vorbericht geschlossen wer- den, wenn wir uns nicht fuͤr ver- Vorbericht. verpflichtet hielten, dem Leser anzuzeigen, was wir bey Aus- arbeitung dieses Werks fuͤr Reisebeschreiber gebraucht ha- ben. — Auf das Gerathewohl haben wir Niemand nachzubeten Lust, und fuͤr das lesende Pu- blikum zu viel Achtung ge- habt; sondern wir haben z. E. bey Persien den Instar omnium, den Ritter Chardin zum Grun- de, sind aber sehr haͤufig von ihm abgegangen, und sonder- lich da, wo wir entweder Wi- derspruͤche, oder offenbare Un- * 5 rich- Vorbericht. richtigkeiten vorfanden. Soll- te uns aber Jemand deswe- gen tadeln, daß wir dem Char- din zu oft gefolgt; so ist es ein sicheres Zeichen, daß er ihn nie gelesen, oder die Zuverlaͤßig- keit desselben nicht kenne. — Bey China sind vorzuͤglich Duͤ Halde Histoire de la Chine, Le Com- pte, Martini ( hist. Sin. ) Neu- hoff, Carery, Kirchers Chi- na illustr. (doch aber selten) Ma- gaillan und andere, unsre Fuͤhrer gewesen. — Wir haͤt- ten die Behandlung des Cha- racte- Vorbericht. racteristischen der Chineser, aus unserm Plan, nachdem Herr von Paw seine Untersuchun- gen geschrieben hat, heraus- lassen koͤnnen. Da wir aber ein Ganzes , und die Chineser ei- nes der merkwuͤrdigsten Voͤlker sind, liefern, auch dieß Volk nicht philosophisch, sondern historisch beschreiben wollten; so konn- ten sie hier ihren Platz nicht verliehren. Ein billiger Mann wird uns doch hieruͤber nicht tadeln! — Der Vorbericht. Der zweyte und letzte Band — der aber etwas staͤr- ker werden duͤrfte, als dieser erste — wird ohnfehlbar kuͤnf- tige Ostermesse erscheinen, und wuͤnschen, daß unsre Arbeit zur Befoͤrderung der Menschen- kenntniß etwas beytragen moͤge. Die Verfasser. Leipziger Michael-Messe. 1776. Inhalt. Inhalt. Perser. Erstes Kapite l . Vermischte Anmerkungen uͤber das Cli- ma — Denkart — Sitten und Ge- braͤuche der Perser. S. 3 Zweytes Kapitel. Von den Uebungen und Spielen — Vom dem Luxus der Perser — Vom Haram der Weiber des Koͤnigs — Vom Heyrathen — Tod und Be- graͤbniß. S. 44 Drittes Kapitel. Von dem Zustande der Wissenschaften unter den Persern. — Ihre Art zu studiren. — Von der persischen und und arabischen Sprache. — Ihre Schreibekunst. S. 73 Viertes Kapitel. Von der Dichtkunst, Mathematik, Astro- nomie, Astrologie und Philosophie der Perser. S. 88 Fuͤnftes Kapitel. Von einigen Kuͤnsten, Handwerken und Manufacturen. S. 113 Sechstes Kapitel. Von der Justitz und dem buͤrgerlichen Rechte. — Vom Criminalrechte und Policey der Perser. S. 136 Siebentes Kapitel. Von der Geistlichkeit in Persien. S. 144 Achtes Achtes Kapitel. Von den Religionen, welche in Persien geduldet werden. S. 152 Neuntes Kapitel. Von der persischen Religion. S. 172 Chineser . Erstes Kapitel. Bemerkungen uͤber den Character, Sit- ten und Gebraͤuche der Chineser S. 193 Zweytes Kapitel. Von dem Zustande der Gelehrsamkeit in China uͤberhaupt — Von ihrer Astronomie — Geometrie — Poesie, Historie und Sprache — von ihrer Musik und musikalischen Instrumen- ten — von ihrem Papier und Drucke- rey. S. 211 Drit- Drittes Kapitel. Von der Schiffahrt — dem Handel und einigen Manufacturen in China. S. 229 Viertes Kapitel. Von der Regierungsart — Policey — kayserlichen Einkuͤnften — Gesetzen — Strafen in China. S. 245 Fuͤnftes Kapitel. Von der Religion der Chineser. S. 279 Perser . Vitae ratio varia et commutabilis. CICERO . A Erstes Kapitel. Vermischte Anmerkungen uͤber das Clima — Denkart — Sitten und Ge- braͤuche der Perser. E he ich mich in eine genaue Dar- stellung des Interessantesten in den persischen Sitten, Gebraͤu- chen, Denkart einlasse: scheint es mir noͤthig zu seyn, vorher dem Leser einige allgemeine Bemerkungen uͤber die Luft und das Clima Persiens — weil jene durch diese ihre Richtung erhalten — mitzutheilen. Persien ist an und fuͤr sich ein ungemein duͤrres, bergichtes und wenig bewohntes Land: und man kann annehmen, daß kaum der zehn- te oder zwoͤlfte Theil bewohnt ist. Besonders A 2 be- bemerkt man diesen Mangel an Einwohnern immer mehr und mehr, je weiter man sich den mittaͤgigen Gegenden des Reichs naͤhert. Die Hauptursache hiervon liegt vermuthlich haupt- saͤchlich darinn, daß es fast im ganzen Lande an hinreichendem Wasser fehlt. Indessen koͤnnte aber doch der Zufluß des Wassers, und folglich die Fruchtbarkeit des Landes leicht, wenigstens um einen großen Theil, befoͤrdert werden, wenn es durch unterirrdische Canaͤle zu den wasser- armen Orten geleitet wuͤrde. — Allein der Mangel an Menschen, und die ihnen fast ange- bohrne Neigung zur Faulheit und zum Muͤßig- gange, verursacht, daß das Land nicht hinlaͤng- lich bebauet und fruchtbar gemacht wird. Man koͤnnte zu den Ursachen der wenigen Be- voͤlkerung Persiens noch folgende zwey rechnen. — Erstlich macht die harte und oft grausame despotische Regierungsform, daß sich viele Ein- wohner in andern Laͤndern, sonderlich dem rei- chen, fruchtbaren und stark bewohnten Indien niederlassen, und unter dem Mogul eine ruhi- ge und gelinde Regierung genießen. — Zwey- tens schadet der Bevoͤlkerung die unwidersteh- liche Neigung der Perser zur Wollust und allen unsittlichen Leidenschaften. Schon in ihren jungen Jahren suchen sie mit dem andern Ge- schlecht Bekanntschaft zu machen, und wenn ein junger Mensch sein sechszehntes Jahr er- reicht hat, erlauben es ihm die Gesetze sich eine Beyschlaͤferinn zu halten. — Diese Neigung zur Wollust erstreckt sich auch in eben dem Gra- de In In einem so großen und weitlaͤuftigen Reiche, wie Persien ist, muß natuͤrlicherweise die Luft und das Clima sehr verschieden seyn. Xenophon erzaͤhlt vom Cyrus, daß dieser ein- mal folgende Worte wegen der Verschiedenheit der Temperatur der Luft soll ausgesprochen ha- ben: das Reich meines Vaters ist so groß, daß man an einem Orte vor Kaͤlte erstar- ren, und am andern vor Hitze zerschmelzen moͤchte. Diese Beschreibung des Cyrus hat noch itzt, nach dem einhelligen Zeugnisse der zuverlaͤßigsten Reisebeschreiber ihre voͤllige Rich- tigkeit, wenn gleich Persien gegenwaͤrtig bey weitem nicht mehr so groß ist, wie es zu den Zeiten des Cyrus war. Der Winter ist in den nordoͤstlichen Pro- vinzen uͤberaus rauh und fast unaushaltbar. A 3 Da- de auf das Frauenzimmer. Sie bekommen fruͤhzeitig Kinder: aber diese Fruchtbarkeit wird bald gehemmet. Denn sie haben die abscheu- liche Gewohnheit an sich, ihre Leibesfrucht durch dazu dienliche Mittel abzutreiben: und dieß bloß darum, weil sie es nicht leiden koͤn- nen, daß ihre Maͤnner waͤhrend der Schwan- gerschaft — denn nach den Gesetzen darf kein Perser bey einer schwangern Frau schlafen — gar keine Gemeinschaft mit ihnen haben, und es mit andern halten. — — Wir werden in der Folge noch Gelegenheit haben, von den Heyrathen und den Gebraͤuchen bey denselben zu reden. Hier ist der Ort nicht und auch fuͤr eine Anmerkung zu weitlaͤuftig, diese intricate Materie so zu behandeln, wie sie es verdient. Dagegen aber ist die Hitze in den mittaͤglichen Gegenden, besonders gegen dem persischen Meer- busen, nicht allein unausstehlich heiß, sondern auch zu gewissen Zeiten oft toͤdlich. Die Ein- wohner dieser Gegenden wissen ohngefaͤhr die Zeit, wenn die Hitze bringenden Winde zu wehen anfangen. Alsdenn verlassen sie ihre Felder und alles, was sie haben, und begeben sich auf die hoͤchsten Berge. Vom October bis zum May trift man an den Kuͤsten des Caspischen Meers, hauptsaͤchlich aber in Me- zand an und Chilan Oerter an, die zugleich heiß und feuchte, und folglich sehr ungesund sind. Diese beyden Provinzen sind von Na- tur die schoͤnsten Laͤnder. Die Perser nennen sie deswegen auch das Paradieß, weil sich kei- ne angenehmere und zugleich erquickendere Luft denken laͤßt, als man hier einige Monathe hindurch verspuͤrt. Wer die Einwohner die- ses Landes ansieht, der wird auch gleich an ih- rer Gestalt und Farbe merken, daß in den an- dern Monathen des Jahrs die ungesundeste Luft seyn muͤsse, die sie aber einigermaßen ge- wohnt zu seyn scheinen. Indessen findet man doch in ganz Persien kein Land, daß an unertraͤglicher Hitze mit den vorherbeschriebenen koͤnnte verglichen werden. Und wenn man gleich uͤberall eine trockene und heiße Luft antrift; so muß man dieß dem Man- gel an Regen zuschreiben, welches uͤbrigens auf die Natur der Einwohner weiter keinen schaͤd- schaͤdlichen Einfluß hat. Es ist gar nichts Un- gewoͤhnliches, wenn man in einigen Gegenden Persiens den ganzen Sommer hindurch keinen Tropfen Regen fallen, und keine Wolke am Himmel aufsteigen sieht. Man sollte also den- ken, daß alle Producte der Erde — daß Ge- sundheit und Verstand verlohren gingen! Al- lein jene erhalten dadurch gar keinen Scha- den, und diese doch nur sehr wenig. Es ist nicht zu leugnen, daß die gar zu große Hitze, so wie man sie in einigen Gegenden Per- siens antrift, auf den menschlichen Geist stark wuͤrke. Wahrscheinlich wuͤrden wir in Persien den gluͤcklichsten Fortgang in den Wissenschaf- ten, sonderlich in den freyen Kuͤnsten bemerken, wenn die Hitze den Geist der Einwohner nicht so bald ermuͤdete und zur anhaltenden Geschaͤf- tigkeit unfaͤhig machte. Sommer und Winter wechseln so ab, daß jener vom May bis September, und dieser vom November bis April gerechnet wird. Wenn ein starker und heftiger Wind den Anfang des Mays begleitet, so ist man sicher, daß nun- mehr die angenehmen Sommertage wieder zu- ruͤckkommen. Man rechnet die Sommernaͤch- te auf 10 Stunden. Sie sind kuͤhle und uͤber- aus erquickend. — Vom Donner und Blitz und Erdbeben weiß man wenig oder gar nichts zu sagen, wovon man natuͤrlicherweise die Ur- sache in der trocknen Luft, und in den aus der Erde wenig aufsteigenden Feuchtigkeiten suchen A 4 muß. muß. Der Regenbogen ist den Persern auch unbekannt, weil die Luft nicht mit uͤberfluͤßi- gen Wassertheilchen, die eigentlich den Regen- bogen bewuͤrken, angefuͤllet ist. Man bemerkt aber in den Sommernaͤchten glaͤnzende Stralen am Himmel, welche durch die Wolken hervor- glaͤnzen, und gewisse Merkmale von Rauch hinter sich zu lassen scheinen. — Im Fruͤhjahre hagelt es zuweilen, wodurch das Getrayde, weil es denn schon ziemlich aufgeschossen ist, oft sehr beschaͤdigt wird. Erdbeben giebt es selten, ausgenommen in Mezandran , wo man sie gewoͤhnlich im Fruͤhjahre verspuͤrt. Wir haben geglaubt, diese allgemeinen Be- merkungen uͤber Luft und Clima voranschicken zu muͤssen, weil dadurch Manches in den per- sischen Sitten, Denkart u. s. w. verstaͤndli- cher und erklaͤrbarer seyn wird: und gehen itzt zu einer naͤhern Auseinandersetzung des Interes- santesten in den Sitten und Gebraͤuchen dieser Nation uͤber. — Wir werden auch hier vor- zuͤglich dem scharfsichtigen und getreuen Beob- achter von Persien, dem Ritter Chardin fol- gen, und nur da von ihm abgehen, wo uns die Erzaͤhlungen anderer Reisebeschreiber wahr- scheinlicher und bestimmter vorkommen. Die Perser gehoͤren unter diejenigen Voͤl- ker des Orients, denen es Ernst gewesen ist, ihre Sitten fruͤh zu vervollkommnen und nach ihrer Denkart anstaͤndige Gebraͤuche einzufuͤhren. Vielleicht waͤre die Behauptung nicht unrecht, wenn wenn man sie als das Volk ansaͤhe, welchem alle andere Nationen des Morgenlandes die Verfeinerung ihrer Sitten zu danken haben. — Der franzoͤsirende Sineser hat sonder Zwei- fel seine Hoͤflichkeit dem Perser zu verdanken; nur das Unnatuͤrliche in der Hoͤflichkeit und dem Complimentenmachen bey dieser Nation kann man den Persern nicht anrechnen. Die Sineser sind gegen Fremde zu uͤbertrieben hoͤflich, und uͤbertreffen hierin den sonst unnatuͤrlichen Klein- meister unter den Franzosen unendlich weit. Die Perser sind gleichfalls gegen Fremde uͤber- aus hoͤflich und bescheiden. Man koͤnnte daher die Perser, in Ansehung ihrer Hoͤflichkeit, bey- nahe mit den Deutschen und die Sineser mit den Franzosen vergleichen. Die Perser sind, ihrer Leibesgestalt nach, urspruͤnglich haͤßlich und uͤbelgebildet. Ihre Haut ist grob und von fahler Couleur. Dieß findet man auch an den Guebers , (die ein Ueber- bleibsel der alten Perser sind, von welchen un- ten weitlaͤuftiger soll gehandelt werden) und an den Einwohnern der Provinzen, die an Indien graͤnzen, wo die Menschen eben so haͤßlich und uͤbelgebildet sind als die Guebers , weil sich diese gemeiniglich mit einander zu verbinden pfle- gen. Im Innern des persischen Reichs aber, findet man diese Maͤngel in Absicht der aͤußern Bildung des Koͤrpers nicht. Der Grund hiervon liegt in ihrer Vermischung mit den Circassierinnen und Georgianerinnen , wel- A 5 che che die Natur sonder Zweifel mit den schoͤn- sten, reitzendsten und wohlgestaltesten Koͤrpern versehen hat. Man findet in Persien fast kei- ne Person von Stande, die nicht von einer circassischen oder georgianischen Mutter geboh- ren waͤre. Durch diese Vermischung, die nun schon uͤber zweyhundert Jahre lang gedauert hat, sind die Perser, und sonderlich die Stan- despersonen, vorzuͤglich schoͤn gebildet worden. Die Mannspersonen sind gewoͤhnlich groß, gera- de, muthig, von guter Mine. Hierzu traͤgt das gute Clima und die Maͤßigkeit, worin sie erzogen werden, ungemein viel bey. Außer dieser vorzuͤglich schoͤnen Bildung des Koͤrpers besitzen sie auch fuͤrtrefliche Gaben des Geistes: ihre Einbildungskraft ist lebhaft, prompt und fruchtbar, ihr Gedaͤchtniß leicht und stark. Sie haben sowohl zu den freyen als mechanischen Kuͤnsten viele Neigung, und haben einige derselben bis zu einem hohen Grad der Vollkommenheit gebracht, wenn gleich eini- ge derselben — wie man in dem Kapitel, das von den freien und mechanischen Kuͤnsten han- delt, sehen wird — aus Ursachen wenig oder gar nicht bearbeitet werden. Ihre Neigung zum Krieg ist gleichfalls stark, weil sie uͤberaus ruhmbe- gierig sind. Ihr Naturell ist biegsam und ge- schmeidig und ihr Verstand scharf, durchdrin- gend. Sie sind galant, hoͤflich, artig und guterzogen. Aber ihr natuͤrlicher Hang zur Ausschweifung in der Wollust, Pracht, Auf- wande wande und Verschwendung hat bey ihnen kei- ne Graͤnzen, daraus sichs denn auch leicht er- klaͤren laͤßt warum sie so schlechte Wirthe sind, und sich auf den Handel gar nicht verstehen. Es ist uͤberhaupt gewiß, daß es den Per- sern an Talenten in allen Stuͤcken gar nicht feh- le, und wenn sie diese gehoͤrig anwenden woll- ten; so wuͤrden sie vielleicht die polisirteste und gluͤcklichste Nation des Erdbodens seyn. Sie raisonniren uͤber die Guͤter und das Ue- bel dieses Lebens, uͤber die Hofnung und Furcht des zukuͤnftigen sehr philosophisch: sie sind dem Geitze wenig ergeben, und denken bloß daran, wie sie sich bald große Reichthuͤmer erwerben koͤnnen, um zu gewaltigen Verschwenden Ge- legenheit zu haben. Ihre Hauptmaxime hier- inn ist diese: Alle Guͤter der Welt so viel als moglich, in ihrer ganzen Staͤrke zu genießen. Auf die Zukunft pflegen sie keine Ruͤcksicht zu nehmen, sondern sie berufen sich immer auf die Fuͤrsehung und auf das Schick- sal. Dieses halten sie fuͤr unveraͤnderlich und gewiß. Deßwegen uͤberlassen sie sich demselben blindlings. Auch sieht man sie nicht traurig, wenn ihnen Ungluͤcksfaͤlle und dergleichen zu- stoßen; sondern sie troͤsten sich mit den Wor- ten: mek toub est , das heißt, es hat so seyn muͤssen. Nach diesen Begriffen ist es sehr natuͤrlich, daß die Perser so wenig in die Zukunft sehen, und und alles, was sie haben, durchzubringen pfle- gen. Sie wissen mit dem Gelde gar nicht um- zugehen, und verschwenden in kurzer Zeit alles, was sie haben. Wenn, z. B. der Koͤnig Je- manden ein Geschenk von funfzig oder hundert tausend Thalern macht; so ist es ihm eine Klei- nigkeit, dieß Suͤmmchen in vierzehn Tagen oder hoͤchstens in vier Wochen durchzubringen. Er kauft sich Sclaven von beiden Geschlechtern, miethet sich schoͤne Frauen, haͤlt sich praͤchtige Equipage, meublirt seine Zimmer, kleidet sich auf das kostbarste, und ist der Verschwendung so lange ergeben, bis das Geld in anderer Haͤn- de ist. Alsdann sieht er sich genoͤthigt seine Sclaven, Equipage, Kleidungen u. s. w. nach und nach zu verkaufen und wieder in seinen vo- rigen Zustand zuruͤckzukehren. Das Lobenswuͤrdigste an den Sitten der Perser ist die Freundlichkeit, mit der sie Frem- den zu begegnen pflegen, die Gefaͤlligkeit, sie aufzunehmen und der Schutz, den sie ihnen an- gedeihen lassen. Ihre Gastfreyheit gegen Jedermann, und ihre Toleranz gegen andre Religionsverwandte sind Tugenden, die man fast uͤberall bey ihnen antrift. Freylich, was die Toleranz in religioͤsen Dingen betrift, muß man die Landgeistlichen hiervon ausnehmen, denn diese sind gemeiniglich, wie uͤberall, so in- tolerant, daß sie durchaus Niemanden, der nicht von ihrer Religion ist, ausstehen koͤn- nen. nen. Dergleichen unvernuͤnftige Eiferers, christliche Muftis, wer sollte es glauben! giebts auch in Europa genug, und, welches am meisten zu verwundern ist — in dem protestantischen Deutschland vorzuͤglich! — Hingegen geht in den Staͤdten diese Duldung so weit, daß sie so gar denen, die ihre Religion angenommen, und die hernach wieder zu der Religion, die sie erst verlassen hatten, zuruͤckkehren, nicht das geringste Leid zufuͤgen. Sie glauben, daß das Gebet eines jeden Menschen gut und wuͤrksam sey, und ver- lassen sich auch bey gefaͤhrlichen Krankheiten auf das Gebet und Fuͤrbitte anderer, die nicht ihrer Religion zugethan sind. — Man muß dieß nicht den Grundsaͤtzen ihrer Religion, (ob sie gleich allen fremden Gottesdienst erlaubt,) zuschreiben, sondern den gelinden und feinen Sitten dieses Volks, welches keiner Haͤrte und Grausamkeit faͤhig ist. Da die Perser, wie ich schon angemerkt habe, so verschwenderisch und uͤppig sind; so ist es auch sehr natuͤrlich, daß sie zu keiner Ar- beit aufgelegt sind und oft ganze Tage mit Nichtsthun hinzubringen pflegen. Sie hassen die Arbeit: und das ist gewoͤhnlich der Grund ihrer Armuth. Man nennt in Persien die Faulen und die, welche ohne Arbeit sind, Ser- guerdan, welches so viel heißt, als den Kopf von einer Seite zur andern drehen. Die Die Perser schlagen sich niemals. Ihre ganze Wuth bricht in Schimpfen und Fluͤchen aus. Wenn sich also zwey Personen zanken; so schlagen sie sich nicht, sondern sie lassen ihrer Zunge freyen Lauf, schimpfen und fluchen nach Herzens Lust so stark und so viel, als sie koͤnnen, je nach dem sie hierinn in ihren juͤngern Jahren gut unterrichtet sind. Diese Arten von niedri- ger Vertheidigung gegen die Beschimpfung an- derer, sind gemeiniglich von den geheimsten Theilen des menschlichen Koͤrpers hergenom- men, und dieß erstreckt sich auch so gar bis auf die Vornehmsten im Reiche. Das gemeine Volk kennt durchgaͤngig keine andre Art von Gegenwehr. — So tadelnswuͤrdig nun auch dieses in der That ist; so hoͤrt man unter ihnen doch nichts von Gotteslaͤsterungen. Dergleichen Suͤnden sind bey ihnen nicht nur unerhoͤrt, sondern sie koͤnnen es auch gar nicht begreifen, wie die Europaͤer, wenn sie im Zorn sind, bey dem Namen Gottes schwoͤren koͤnnen. Ihre ge- woͤhnlichen Schwuͤre sind: Eruca pigumber , d. h. bey dem Geiste des Propheten. Die Kriegesleute und Bedienten des Hofes schwoͤ- ren gewoͤhnlich bey dem geheili g ten Kopfe des Koͤniges. Die ihnen natuͤrlichen und gelaͤufigsten Bekraͤftigungen sind: bey mei- nem Kopfe: bey meinen Augen. Es laͤßt sich nicht wohl reimen, wie eine Nation, die den Namen Gottes fuͤr so heilig haͤlt, haͤlt, doch denselben immer im Munde fuͤhren, und zu gleicher Zeit die groͤbsten Zoten vorbrin- gen koͤnne. Sie loben Gott unaufhoͤrlich, sie moͤgen seyn, wo sie wollen, sich aufhalten, thun, was sie wollen. Sie erheben die Vollkommen- heiten Gottes alle Augenblicke, und sind zu gleicher Zeit im Stande mitten unter diesen Lo- beserhebungen von den Heimlichkeiten des Frauenzimmers auf eine sehr unschickliche Art zu reden. Doch muß man hier anmerken, daß dieses meistentheils nur bey dem gemeinen Man- ne Statt finde. Unter die groͤbsten Laster, welchen die Per- ser ergeben sind, muß man ihre Verstellung, Betruͤgereyen und Schmeicheleyen rechnen, de- nen sie auf eine außerordentliche Art ergeben sind. — Ihre Schmeicheleyen uͤbertreffen alle Erwartungen: sie sind in dieser Kunst so geuͤbt, und wissen sie so am rechten Orte anzubringen, daß man wuͤrklich glauben sollte, sie daͤchten so, wie sie redeten. Allein man wird bald gewahr, daß unter diesen Schmeicheleyen nichts weiter als eigennuͤtzige Absichten verborgen sind. Ihre Verstellung und Betruͤgereyen — zwey Laster, die mit einander gleichsam verschwistert sind — uͤbersteigen alle Vorstellungen. Sie leihen, ge- ben es aber selten wieder zuruͤck; und koͤnnen sie es dahin bringen, daß sie es gar nicht wie- der zuruͤckzugeben brauchen, so sind sie daruͤber aͤußerst zufrieden. — So entehrend nun dieß in der That fuͤr den Character und die Denk- art art der Perser ist, so wuͤrde es dennoch immer lobenswerth seyn, wenn sie diese Hinterlistigkeit und Betruͤgereyen nur unter sich ausuͤbten, und andre, mit denen sie Unterhandlungen ha- ben, damit verschonten. Aber dabey lassen sie es nicht bewenden. Ist es ihnen moͤglich frem- de Nationen, mit denen sie Handel treiben, zu betruͤgen, so thun sie dieß nicht mehr als ger- ne. — Wer die Perser in diesem Stuͤcke, son- derlich der, welcher mit ihnen Handel treibt, nicht kennt, und ihnen sein ganzes Vertrauen schenkt; laͤuft Gefahr, sein ganzes Vermoͤgen in ihren Haͤnden zu sehen. Mit dieser Kunst der Betruͤgerey verbinden die Perser ein uͤberaus demuͤrhiges Wesen, re- den von Moralitaͤt und Menschlichkeit so ge- sund, aͤußern in ihrem Betragen so viel Red- lichkeit des Herzens, verachten mit einer ehrli- chen Mine so sehr alle Arten von Wohlleben und Hoffarth, daß man sie fuͤr die aufrichtig- sten Leute von der Welt halten muß. Aber ei- ne naͤhere Bekanntschaft und Umgang mit ih- nen macht, daß man sie bald als solche verab- scheuen muß, bey denen Rechtschaffenheit und Ehrlichkeit bloße Toͤne ohne Bedeutung sind. — Diese Characterisirung der Denkart der Perser in diesem Stuͤcke, leidet natuͤrlicher- weise auch ihre Ausnahmen. Es giebt unter ihnen sowohl, als unter allen andern Voͤlkern, Leute, die sich solche niedrige Gesinnungen nicht vorzuwerfen brauchen; aber sie sind doch selten. Im Im Ganzen also kann man in diesem Puncte kein vortheilhaftes Urtheil uͤber diese Nation faͤllen. Bey einer solchen gaͤnzlichen Verkehrtheit in den Handlungen und der Denkart der Per- ser, sollte man glauben, daß sie ihre Kinder von Jugend auf in solchen schlechten Maximen auferzoͤgen; daß sie sich wenig oder gar nicht um die Erziehung derselben bekuͤmmerten. Aber vielleicht giebt es wenige Voͤlker in der Welt, die eine solche Sorgfalt auf den Unterricht und die Erziehung der Kinder wenden, als die Per- ser. Ja man kann beynahe sagen, daß sie sich des Unterrichts und der Erziehung der Kinder, im Ganzen genommen, eifriger angelegen seyn lassen, als die sonst so civilisirten Europaͤer. — Eines jeden wohlhabenden Persers erste Sorge fuͤr seine Kinder ist die, daß er sie der Aufsicht eines Verschnittenen (welcher vorzuͤglich auf ihr sittliches Betragen achten muß) uͤbergiebt. Diese Eunuchen oder Verschnittene bestim- men, mit Zuziehung der Eltern, die Wissen- schaften, worinn die Kinder vorzuͤglich unter- richtet werden sollen, In einem der folgenden Kapitel ist angemerkt worden, daß sich ein jeder, der auf den Na- men eines Gelehrten Anspruch machen will, in allen Faͤchern der Wissenschaften muͤsse umge- sehen und gute Kenntnisse erworben haben. Darauf wird hier der Leser verwiesen. und waͤhlen dazu die ge- B geschicktesten Lehrer. Bey den Europaͤern, und sonderlich bey uns Deutschen, pflegt man mit der Wahl der Leh- rer nicht so behutsam zu verfahren! Wir geben unsern Kindern einen Hofmeister oder Lehrer, weil es der hohe Fuß so will, ohne zu untersu- chen, ob der Hofmeister mit Nutzen bey den Kindern sey oder nicht! — Die vorzuͤglichste und naͤhere Aufsicht bittet sich gemeiniglich die Mama aus, verzieht und verdirbt nicht selten die lieben Kinder jaͤmmerlich. — — Aber man sollte hierinn den Persern folgen. Setzt den Kindern, wie jene, einen tuͤchtigen, ehrlichen und rechtschaffenen Hofmeister vor, haltet sie in der Jugend mit Weisheit scharf — uͤberlaßt ihm Alles, und ihr werdet dem Staate gute Kinder, zu eurer eignen Beruhigung, geliefert haben. Sie haben nicht die Gewohnheit, ihre Kinder in oͤffentliche Schu- len zu schicken, aus Furcht sie moͤchten verdor- ben werden. — Im Ganzen genommen haben die Perser auch hierinn Recht. — Eine Schule, worinn so vie- le Kinder von mancherley Gaben und Herzen erzogen werden, mag auch immerhin so gut seyn, wie sie will; so bleiben ihr doch noch vie- le Maͤngel uͤbrig, die fuͤr das Herz, fuͤr die gan- ze Denkart eines jungen Menschen hoͤchst ge- faͤhrlich sind. — Manchem hochgelahrten Herrn Rector duͤrfte diese Bemerkung sehr un- lieb seyn. Er beliebe aber nur unpartheyisch daruͤber nachzudenken: alsdann wird er die Wahrheit dieses Satzes leicht erkennen. Dieser Fleiß in Erziehung der Kinder erstreckt sich aber nicht bloß auf die Vornehmen, sondern auch der gemeine Mann laͤßt laͤßt es nicht an Muͤhe fehlen, seinen Kindern einen guten Unterricht und eine vernuͤnftige Erziehung zu verschaffen. Er schickt sie fruͤh- zeitig in die Schule, und wenn sie wieder zu Hause kommen, so muͤssen sie gleich wieder an die Arbeit gehen, und etwa das Handwerk, das der Vater treibt, lernen. Das wilde Herum- laufen auf den Straßen wird dadurch fuͤrtref- lich gehemmt. — Herrliche Grundsaͤtze, die in Europa allgemein sollten befolgt werden, oder vielmehr schon laͤngst all- gemein seyn sollten. Die jungen Leute kommen nicht eher in die große Welt, als im zwanzigsten Jahre, es sey dann, daß man bey ihnen einen Hang zur Lie- be verspuͤrte und sie alsdann fruͤher verheyra- thete. Denn man pflegt ihnen schon, wie be- reits erwaͤhnt, im sechzehnten oder siebenzehnten Jahre Concubinen zu geben. Bey einer sol- chen Veraͤnderung der Lebensart der jungen Leu- te, scheinen sie anfangs ziemlich hoͤflich, ernst- haft, ehrlich und still zu seyn. In der Folge aber lassen sie sich leicht durch das boͤse Exem- pel andrer zur Leichtfertigkeit und dergleichen Dingen verleiten. Es ist schon im vorhergehenden bemerkt worden, daß die Perser mit unter die civilisir- testen Voͤlker des Orients muͤssen gerechnet wer- den. Ihre Mienen und Geberden sind einneh- mend, sanft, majestaͤtisch, und im moͤglichsten Grade einschmeichelnd. Wenn zwey Personen B 2 sich sich irgendwo zusammentreffen; so bekompli- mentiren sie sich uͤber den Vortritt auf eine hoͤchst laͤcherliche Art, und doch weiß ein jeder den ihm zukommenden Platz einzunehmen. — Zwey Dinge scheinen ihnen in unsern Sitten ausschweifend zu seyn: Einmal, daß wir uns bey unsern Zusammenkuͤnften so sehr um den Rang streiten, und dann, daß wir den Hut abnehmen, wenn wir andern unsre Ehrerbie- tung wollen zu erkennen geben. Dieses letzte- re halten sie fuͤr einen Mangel der Achtung, die einer dem andern schuldig sey, oder fuͤr ei- ne Freyheit, deren man sich nur gegen Niedri- ge oder gegen seine vertrautesten Freunde bedie- nen koͤnne. Wenn sie einen vorzuͤglich ehren wollen; so lassen sie ihn zur Linken setzen. Denn die Linke ist bey ihnen das, was bey uns die Rechte. Man sagt, daß diese Gewohnheit vom Cyrus sey eingefuͤhrt worden. Denn dieser habe allemal denjenigen, welchen er vor- zuͤglich ehren wollte, zur Linken gehen lassen. Die Geselligkeit ist eine Eigenschaft, welche die Perser vorzuͤglich characterisirt. Sie besu- chen sich einander sehr fleißig, es mag nun bey traurigen oder freudigen Gelegenheiten, oder bey solennen Festen seyn. Die Vornehmen er- warten zuerst den Besuch der Geringern, denen sie hernach auch ihre Gegenvisite machen. Die Hofleute gehen zu den Ministern, um diesen ihr Compliment zu machen. Man fuͤhrt sie in große große Saͤle, wo man ihnen Taback Dieß ist sehr gewoͤhnlich; besonders hat man den Taback gleich bey der Hand. Er kostet auch nicht viel, weil er uͤberall in Persien waͤchst und da keiner außerordentlichen Wartung be- darf. und Caf- fee vorsetzt, bis der Herr des Hauses, der sich so lange bey dem Frauenzimmer aufhaͤlt, in das Zimmer tritt. So bald er erscheint, stehen die Anwesenden alle auf, und bleiben auf ihrer Stelle stehen, ohne sich zu bewegen. Er macht eine leichte Verbeugung mit dem Kopfe gegen die ganze Gesellschaft, welche dieses auf das ehrerbietigste zu erwiedern pflegt. Hierauf setzt er sich an seinem gewoͤhnlichen Ort nieder, und giebt der Gesellschaft durch einen Wink zu er- kennen, sich auch zu setzen. Und wann er dann wieder fortgehen will; so steht er auf, gehet zu- erst heraus und alle folgen ihm. Die Großen empfangen auch auf eben diese Weise den Be- such derer, die geringer sind als sie: aber mit ihres Gleichen oder mit noch Vornehmern, ma- chen sie sehr viele Umstaͤnde. Man bewillkommt sie auf eine artige Weise: man setzt sich zuletzt nieder, und stehet nicht eher auf, als bis die andern aufgestanden sind. Der Herr des Hau- ses sitzt immer am aͤußersten Ende; und wenn er jemanden besonders ehren will, so winkt er ihm durch ein Zeichen, sich neben ihm zu setzen. Er bietet seinen eignen Platz niemals Jeman- den an, weil sichs der, dem man dieß zumu- B 3 thete, thete, fuͤr eine Beleidigung anrechnen wuͤrde: aber wenn man seinen außerordentlichen Re- spect bezeigen will; so steht man auf, und setzt sich der geehrten Person zur Seite, aber doch unten an. Wenn die Person, mit der man zu spre- chen wuͤnscht, von vornehmer Herkunft ist; so beobachtet man folgendes dabey. Man geht ganz sachte in das Zimmer, und stellt sich bey dem Sitze, der zunaͤchst ledig steht. Hier bleibt man mit den Fuͤßen dicht neben einander — mit den Haͤnden eingeschlagen — mit herunter gebuͤcktem Kopfe, — mit starren Augen, steif und gravitaͤtisch so lange stehen, bis der Herr des Hauses den Wink zum Sitzen giebt, wel- ches er gemeiniglich entweder mit dem Kopfe oder der Hand verrichtet. Wer einen Besuch von einen Hoͤhern bekommt, der steht auf, so bald jener herein kommt, und stellt sich, als wolle er ihm entgegen gehen. Wer aber einen Besuch von seines Gleichen erhaͤlt, steht nur halb auf; ist der Besuch eine Person von ge- ringer Extraction, und doch einer Ehre wuͤr- dig; so macht er nur eine leichte Bewegung, als wenn er aufstehen wollte. Hat er schon einige zum Besuch bey sich; so stehen diese nicht auf, wenn Jemand in das Zimmer tritt, wenn es nicht der Herr des Hauses zuerst thut, oder wenn man nicht eine ganz besondre Hochach- tung fuͤr die Person hat, die herein tritt. Die Die Perser beobachten in der Art sich zu setzen viele sonderbare Caͤrimonien. Vor Per- sonen, denen man Achtung schuldig ist, pflegt man sich auf die Fersen zu setzen und die Fuͤße und Knie dicht an einander zu haben. Vor seines Gleichen aber faͤllt diese Unbequemlichkeit weg: man setzt sich bequemer, indem man die Fuͤße kreuzweis uͤber einander schlaͤgt. Wenn ein Freund den andern besucht; so sagt er zu ihm: setze dich nach deiner Bequemlich- keit, das heißt, lege deine Fuͤße uͤber einander wie du willst. Man aͤndert aber seine Stel- lung niemals, wenn man auch einen halben Tag sitzen muͤßte. Die Orientaler sind nicht so beweglich und so unruhig, als wir. Sie sitzen ernsthaft und steif; sie machen mit dem Koͤrper nie eine Bewegung oder Geberde; vor- zuͤglich beobachten sie dieß bey ihren Reden und Handlungen. Unsre Gewohnheiten hierinn setzen sie in Erstaunen, und sie koͤnnen es nicht glauben, daß ein Mensch, in dessen Kopfe noch gesunder Menschenverstand obwalte, bey seinen Reden und Handlungen so gesticuliren koͤnne. — Es ist auch bey ihnen eine große Unhoͤflich- keit, die Spitzen der Fuͤße beym Sitzen sehen zu lassen. Man muß sie unter dem Rocke verbergen. Die Begruͤßungen geschehen mit Kopfni- cken, und dieß ist am gewoͤhnlichsten. Man pflegt aber auch zuweilen die rechte Hand an den Mund zu legen, und so begruͤßen sich ge- B 4 mei- meiniglich gute Freunde, sonderlich, wenn sie sich einander lange nicht gesehen haben. End- lich kuͤssen und umarmen sie sich auch, beson- ders bey ganz ungewoͤhnlichen Vorfallenheiten, oder nach gluͤcklich zuruͤckgelegten langen Rei- sen. In den Worten sind sie bey ihren Besuchen ungemein zaͤrtlich und hoͤflich. Sie wiederho- len ihre Complimente mehr als einmal, und suchen sonderlich in ihren Reden die Ausdruͤcke zu vermeiden, die eine Traurigkeit in der Seele zuruͤcklassen koͤnnten. Daher holen sie weit aus, wenn sie etwas Unangenehmes erzaͤhlen muͤssen. Z. E. Wenn sie sagen wollen, es sey Jemand gestorben, so sagen sie: Amrekodber chuma bakchid , d. h. er hat euch ein Ge- schenk mit den Jahren gemacht, die er noch haͤtte leben koͤnnen, d. h. er konnte noch lange Jahre leben u. s. w. Aber sehr oft werden dergleichen Redensarten an dem un- rechten Orte angebracht. So erzaͤhlt Chardin eine ziemlich naive Geschichte von einem Gene- ral der Infanterie zu den Zeiten Abas II. Dieser Koͤnig, der einen scharfen, durchdrin- genden Verstand hatte, erhielt einen weissen Baͤren aus Moskau zum Geschenk, und gab ihn dem General zur Verwahrung, weil er glaubte, daß dieser ihn besser versorgen wuͤrde, als die uͤbrigen Aufseher der wilden Thiere. Indessen aber starb doch der Baͤr. Nach eini- ger Zeit fragte der Koͤnig den General nach dem Baͤren, Baͤren, und wollte wissen, was er mache. Der General antwortete darauf: Er hat Eurer Majestaͤt ein Geschenk mit den Jahren gemacht, die er noch haͤtte leben koͤnnen. Der Koͤnig erwiederte ihm laͤchelnd: Ihr seyd wohl selbst ein Baͤr, weil ihr glaubt, daß die Jahre eines Thiers zu den meinigen koͤnnten geschlagen werden. — Man hat von diesem General der Infanterie eine andere aͤhn- liche Historie, welche hier nicht uͤberfluͤßig seyn wird, weil man dadurch der Perser Art zu re- den ersehen kann. Der Koͤnig gieng außer der Stadt Ispahan laͤngst dem Berge Kouso- pha, welcher nur eine kleine franzoͤsische Meile von der Stadt liegt, spatzieren. Wie er eine dicke Wolke auf der Spitze des Felsens sah, sag- te er zu dem General: Sieh einmal diese dicke Wolke auf der Spitze des Felsens: sie sieht dem Hute der Franken sehr aͤhnlich — diesen Na- men geben die Orientaler den europaͤischen Chri- sten — Es ist wahr, Sire, antwortete der General: Gott gebe, daß Ew. Maj. sie alle uͤberwaͤnden. Wie so? erwiederte der Koͤnig laͤchelnd, ist es moͤglich, daß ich sie uͤberwinde? Sie sind uͤber zweyhundert Meilen von mir entfernt; und ich kann nicht einmal die Tuͤrken uͤberwinden, die meine Nachbarn sind. So hoͤflich nun aber auch die Perser immer seyn moͤgen; so thun sie doch nichts aus Groß- muth — eine Tugend, die man im Orient we- B 5 nig nig oder gar nicht kennt. Da sowohl der Koͤr- per als das Gluͤck Sclaven einer ganz despoti- schen Macht sind; so muͤssen auch dieser die Geistesgaben und der Muth unterliegen. Da- her handeln sie bloß aus Eigennutz, und das entweder aus Furcht oder aus Hoffnung. Es ist ihnen unglaublich, daß es in andern Laͤndern Leute giebt, die ihren Naͤchsten aus lautern Ab- sichten behuͤlflich sind, ohne fuͤr ihre Dienste eine Belohnung zu fodern. Bey ihnen ist dieß ganz umgekehrt. Sie lassen sich alles bezah- len und nicht selten im voraus. Verlangt man etwas von ihnen, so erhaͤlt mans zwar, aber das Geschenk muß gleich dagegen gegeben wer- den. Die Armen und Elenden duͤrfen nicht vor den Großen erscheinen, und uͤberhaupt vor solchen, bey den sie etwas zu suchen haben, wenn sie ihnen nicht zugleich ein Geschenk mit- bringen, es mag uͤbrigens so wenig und nichts- bedeutend seyn, als es will. Sie nehmen al- les an, Fruͤchte, Vieh u. s. w. Wer mit der- gleichen nicht aufwarten kann, giebt irgend et- was anders, auch wohl Geld. Dergleichen Geschenke annehmen zu koͤnnen, wird fuͤr eine große Ehre gehalten. Man nimmt sie oͤffent- lich an; so gar auch alsdann, wann sich die groͤßeste Gesellschaft versammlet hat. — Diese Gewohnheit wird im ganzen Orient uͤberall beybehalten, und sie ist vielleicht eine der aͤlte- sten, so lange die Welt gestanden hat. Die Die Perser lieben weder die Spatziergaͤnge, noch auch die Reisen. Das Spatzierengehen kommt ihnen als eine abgeschmackte Gewohn- heit der Europaͤer vor: und die Spatzierenge- her halten sie fuͤr Leute, denen der gemeine Menschenverstand fehlt. Das Auf- und Ab- gehen in den Aleen kommt ihnen absurd vor; denn, sagen sie, warum soll ich nach einen Ort gehen, ohne da Geschaͤfte zu haben? — Viel- leicht kommt dieß daher, weil sie in einem bes- sern und gemaͤßigtern Clima leben, als wir. Sie haben nicht so viel aufwallendes Blut, als wir noͤrdlichen Voͤlker. — In Persien kennt man das nicht, was wir Motion, (Bewegung) nennen. Bey dem Stillsitzen befinden sie sich auch wuͤrklich besser, als bey dem vielen Gehen. Das Frauenzimmer und die Verschnittenen machen sich uͤberhaupt wenig oder gar keine Be- wegung; sie sitzen oder liegen bestaͤndig, ohne daß ihre Gesundheit darunter leidet. Die Mannspersonen hingegen reiten und gehen sel- ten zu Fuße. Ueberhaupt beschaͤftigen sie sich mit den Leibesuͤbungen bloß des Vergnuͤgens und nicht der Gesundheit wegen. Das Clima einer jeden Nation ist vermuth- lich allemal die Hauptursache der Neigungen und Gebraͤuche der Menschen. Wenigstens werden diese durch jene bestimmt. Zum Reisen haben die Perser gar keinen Hang. Sie kennen das Vergnuͤgen, welches das Reisen und die Beobachtung der Sitten und und der Lebensart fremder Voͤlker gewaͤhren, gar nicht. Und wenn sie hoͤren, wie viele Ko- sten und große Beschwerden die Europaͤer, um andere Laͤnder zu sehen, anwenden und uͤberneh- men; so koͤnnen sie sich uͤber die Neugierde und Sonderbarkeit solcher Leute nicht genug ver- wundern. Ihr ganzes Vergnuͤgen bestehet in der Ruhe. Sie glauben auch, daß ein Jeder Fremder, wenn er kein Kaufmann oder Kuͤnst- ler ist, ein Spion sey, und Leute von Distin- ction wuͤrden es fuͤr ein Staatsverbrechen hal- ten, einen Fremden zu sich zu noͤthigen, oder ihn zu besuchen. Daher kann man sich auch die unbeschreibliche Unwissenheit der Perser in Ansehung der Kenntniß anderer Voͤlker, ihrer Sitten, Lebensarten, Denkart u. s. w. erklaͤren. Sie haben weder Beschreibungen von fremden Laͤndern, noch Zeitungen. Selbst die Staats- minister — wenn man im Allgemeinen von ih- nen redet — wissen eben so wenig etwas von dem zu sagen, was in Europa vorgeht, als von dem was im Monde geschieht. Die meisten haben gemeiniglich nur sehr dunkle, verworre- ne und entfernte Begriffe von Europa, welches sie fuͤr eine kleine Insel in der Nordsee halten, wo man weder Gutes noch Schoͤnes sieht: daher kommt es, sagen sie, daß die Europaͤer in der ganzen Welt herumreisen, um sich die schoͤnen Sachen zu holen, die ihnen so sehr fehlen. Dem ohngeachtet aber ist vielleicht kein Land in der Welt, wo ein Reisender mit mehr Si- cher- cherheit seinen Weg verfolgen kann, als Per- sien, wenn gleich, wie ich schon gesagt habe, die ganze Nation eine natuͤrliche Abneigung gegen das Reisen hat. — Das Reisen in diesem Lan- de verursachet auch nicht viel Kosten; wozu die vielen oͤffentlichen Gebaͤude, die bloß der Be- quemlichkeit und des Nutzens der Reisenden und der Carawanen wegen aufgefuͤhrt sind, vie- les beytragen. In einem solchen oͤffentlichen Gebaͤude wohnt man ohne das geringste dafuͤr zu bezahlen. Die Namen, welche die Perser fuͤhren, wer- den ihnen entweder beygelegt, wenn sie geboh- ren oder auch wenn sie beschnitten werden. Diese Namen sind entweder von beruͤhmten Personen ihrer Religion oder des Alten Testa- ments, oder auch aus ihrer Geschichte entlehnt. Denn ein jeder giebt sich einen Namen, welchen er will; sie haben aber keine Zunamen oder Fa- milien- und Geschlechtsnamen. Sie nehmen Ehrenhalber oft den Zunamen des Vaters oder des Sohns an, z. E. Abraham der Sohn Jacobs, Mohammed der Sohn des Aly. Es ist auch unter ihnen sehr gebraͤuchlich, ver- schiedene Zunamen anzunehmen, als z. E. den Namen des Vaters und des Sohns. Oft ge- brauchen sie auch ihre Profession statt eines Zu- namens; z. E. Mohammed Cajan, d. h. Mohammed der Schneider; Soliman Atari, d. h. Soliman der Materialist; Jouaeri, d. h. der Jubelirer; Stamboli, d. h. d. h. der Constantinopolitaner. — Lobens- werth bleibt es, daß sie diese Arten von Zuna- men auch noch alsdenn deybehalten, wenn sie entweder zu großen Reichthuͤmern gelangt, oder ein wichtiges Amt im Staate erhalten haben. Die Kleidungsart der Orientaler ist nicht so vielen Abaͤnderungen unterworfen, wie die unsrige. Sie werden allezeit nach einer Fa ç on gemacht; und wenn sich die Klugheit einer Na- tion in dem bestaͤndigen Gebrauch einer Art von Kleidung zeigt; so muß man den Persern diese Klugheit schlechterdings zugestehen. Sie nehmen nie eine Veraͤnderung vor weder in den Farben noch Fa ç ons. — Chardin versichert, er habe zu Ispahan die Kleider des Tamerlans gesehen, die man dort in der Schatzkammer verwahrt. Ihr Zuschnitt und uͤberhaupt die ganze Beschaffenheit derselben sey eben dieselbe, als sie noch itzt ist. Die Mannspersonen tragen keine Hosen, sondern einen doppelten Cale ç on, Cale ç ons oder Unterhosen; sie sind eine Art Hosen, die vom Guͤrtel herunterhaͤngen. der bis an den Knoͤchel des Fußes gehet, aber eigentlich kein Fußzeug hat. Vorne ist er nicht offen, sondern man muß ihn losbinden, wenn man seine Nothdurft verrichten will. Das Hemde ist lang, bedecket die Knie und haͤngt uͤber den Cale ç on. Vorne auf der rechten Seite ist es von den Bruͤsten an bis auf den Magen offen, eben eben so wie unsere; es hat aber keinen Kragen, sondern eine bloße Nath, wie die Hemden des europaͤischen Frauenzimmers. Die vornehmen Frauenspersonen, zuweilen auch die Maͤnner, machen bey Solennitaͤten an diese Nath einen mit Perlen gestickten Saum von einem Finger breit. Ihr Hals ist bloß, so, daß man weder Maͤnner noch Weiber sieht, die ihn mit Zierra- then behangen haͤtten. Die Maͤnner tragen uͤber das Hemde eine baumwollene Weste, wel- che vorne uͤber den Nabel zugeknoͤpfet wird, und bis auf die Kniescheibe heruntergeht. Ueber diese Weste tragen sie einen langen Rock, wel- chen sie Cabai nennen, der so breit wie ein Weiberrock ist. Allein oben ist er sehr enge. Vorne am Magen wird er doppelt umgeschla- gen, und das eine Ende unter dem linken und das andere unter dem rechten Arme befestigt. Die Ermel an einem solchen Rocke sind sehr enge, aber ungemein lang, daher man sie auch oben an dem Arme zu spalten und an der Faust zuzuknoͤpfen pflegt. — Die Cavaliers tragen auch Cabais nach der georgianischen Mo- de, deren Unterschied darinn bestehet, daß sie vorne am Magen offen und mit Knoͤpfen und Schnuͤren versehen sind. Obgleich dieser Rock um den Lenden sehr fest anschließt; so umwi- ckelt man ihn doch in dieser Gegend mit zwey oder drey Guͤrteln, welche vier Finger breit, sehr reich und schoͤn sind. Dieß nun verursacht, daß der Rock um den Magen eine große Hoͤ- lung lung bekoͤmmt, worinn sie dasjenige, was sie sicher verwahren wollen, legen, so wie wir in unsre Hosentaschen. Man traͤgt uͤber diesen Rock einen andern, der entweder kurz und ohne Ermel, alsdann heißt er Courdy — oder lang, und mit Er- meln versehen ist — dann wird er Cadebi ge- nannt — Beyde werden nach Beschaffenheit der Jahrszeit getragen. — Diese Roͤcke sind eben so, wie die langen Roͤcke zugeschnitten, naͤmlich unten breit und oben enge, wie Klo- cken. Sie werden von Tuch oder von golde- nem Brocard oder groben Satin gemacht, und man besetzt sie entweder mit goldenen oder sil- bernen Spitzen oder Tressen. Einige sind mit Marderfellen verbraͤmt und gefuͤttert, andere mir tartarischen oder bactrianischen Hammel- fellen, die so fein wie Haare sind. Diese Felle sind in Persien bochgeschaͤtzt und kostbar in Ansehung des Preises. Die Verbraͤmung geht vom Halse bis auf den Ma- gen, und gleich darauf folgt eine Reihe Knoͤ- pfe, die bloß zur Zierda da sind. Denn man pflegt die Roͤcke nicht zuzuknoͤpfen. Die Struͤmpfe sind gewoͤhnlicherweise von Tuch, fast wie ein Sack zugeschnitten, so daß auf die Waden keine Ruͤcksicht genommen wird. Sie reichen nur bis unter das Knie, wo man sie zubindet. Um die Fersen herum legt man ein Stuͤck roh Leder, damit der Hake am Schu- he, he, welcher sehr scharf ist, nicht den Strumpf durchschneide und Schmerzen verursache. Seit- dem aber die Europaͤer mit den Persern Han- del zu treiben angefangen haben: seitdem tra- gen sie auch Struͤmpfe von Tuch. Vor Zei- ten trug Niemand Struͤmpfe in Persien; und selbst der Koͤnig gieng so, wie noch itzt die Sol- daten, Fuhrleute, Fußknechte, und gemeine Leu- te, die naͤmlich ihre Fuͤße mit einer groben sechs Finger breiten und drey bis vier Ellen langen Leinwand umwickeln, beynah so, wie man ein Kind zu wickeln pflegt. Indessen muß man doch gestehen, daß diese Tracht dem gemeinen Manne, und uͤberhaupt solchen, die viel gehen muͤssen, ungemein bequem sey. Man macht sie leicht und dicke, je nach dem es die Jahrszeit erfordert. Sie haͤlt den Fuß bedeckt, und wenn der Fuß naß oder schmutzig geworden ist, so wird er so fort getrocknet und gereiniget. Im Winter ist der ganze Fuß bedeckt: aber im Sommer ziehen sie im Schuhen keine Struͤm- pfe an. Die Schuhe der Perser sind von verschied- ner Fa ç on; alle aber haben keine Schuhriemen, und koͤnnen auch an der Seite nicht geoͤfnet werden. Man belegt sie aber mit Eisen und schlaͤgt vorne gegen die Spitze des Fußes kleine Naͤgel in die Sohlen, damit sie nicht so bald zerreissen. Die Schuhe der Vornehmen sehen beynahe wie Frauens-Pantoffeln aus, so daß es nicht schwer ist, sie abzuwerfen, wenn man in C das das Logis kommt, wo der Boden gewoͤhnlich mit Teppichen belegt ist. Die Schuhe sind von gruͤnem Chagrin oder auch wohl von einer an- dern Farbe. Die Sohlen solcher Schuhe sind sehr duͤnne, und nicht dicker als ein Karten- blatt, dabey aber sind sie von dem schoͤnsten Le- der. Einige Schuhe bestehen oben aus Leder; einige hingegen aus gestrickter Baumwolle. Diese letzte Art ist nicht nur staͤrker, sondern sie passen auch sehr gut, und der Fuß kann nicht darinn hin und her glitschen. Beym Anziehen derselben muß man ein gewisses Instrument haben; sonst kann man sehr bequem darinn ge- hen und laufen. — Die armen Leute machen die Sohlen aus Cameelleder, weil dieses viel dauerhafter als anderes Leder ist. Indessen hat es doch die große Unbequemlichkeit, daß es sehr weich ist, und das Wasser, wie ein Schwamm, an sich zieht. Die Landleute ma- chen ihre Schuhsohlen aus Lumpen und Stuͤ- cken Leinwand, die sie auf eine artige Weise in Ordnung zu bringen wissen. Der Turban — den sie in ihrer Sprache Dulbend nennen — macht das schoͤnste Stuͤck ihrer Kleidung aus. Er ist so schwer, daß man sich in der That daruͤber wundern muß, wie sie eine solche Last auf dem Kopfe tragen koͤnnen. — Sie wiegen manchmal zwoͤlf bis funfzehn Pfund; die leichtesten aber etwa halb so viel. Diese Turbans bestehen unten aus grober Lein- wand, welche ordentlicher Weise die Form macht. macht. Ueber derselben findet man ein feines Seidenzeug. Die Geistlichkeit traͤgt uͤber der groben Leinwand feines weisses Nesseltuch. An diesen Turbans hangen reich mit Blumen ge- wuͤrkte Enden von sechs bis sieben Zoll breit herunter, woraus man durch einen Knoten mitten auf dem Turban eine Art von Buͤschel macht. Wenn gleich dieser Kopfputz an und fuͤr sich schon sehr schwer ist; so traͤgt man den- noch unter dem Turban eine Platmuͤtze von Leinwand, zuweilen auch von Tuch. — Man vermuthet nicht mit Unrecht, daß das Clima in Persien eine solche starke Bedeckung des Ko- pfes nothwendig mache; denn man sieht unter ihnen nichts allgemein beobachtet, was nicht seine guten Ursachen haͤtte. Die bestaͤndigen Gebraͤuche sind gar nicht Wuͤrkungen des Ei- gensinns. — Die Zeuge, welche zu den Kleidern genom- men werden, sind entweder von Seide oder von Baumwolle. — Die Hemden und Cale ç ons sind von Seide. — Die Westen und Roͤcke sind doppelt gefuͤttert mit Fellen und guter Lein- wand, um die Waͤrme dadurch mehr zu befoͤr- dern. Schwarze Farben pflegt man im Orient nirgends zu tragen, und vorzuͤglich nicht in Persien. Dieß ist ihnen eine traurige und un- ausstehliche Farbe, die man nicht einmal anse- hen koͤnne. Sie nennen sie deswegen auch die Teufelsfarbe. Sonst pflegen sie auch aller- C 2 ley ley Farben zu tragen, ohne auf Stand, Alter u. s. w. Ruͤcksicht zu nehmen. Es sieht uͤber- aus artig aus, wenn man auf oͤffentlichen Plaͤ- tzen eine Menge Leute auf so vielfache Art ge- kleidet sieht. Die Perser lassen gemeiniglich den Bart am Kinne und im ganzen Gesichte wachsen, aber nur kurz und so, daß er die Haut bedeckt. Man muß aber hiervon die Geistlichen und uͤberall solche Leute ausnehmen, die ein heiliges Leben affectiren: denn diese lassen ihn lang wachsen. — Die Kriegsleute und Cavaliere tragen nur Stutzbaͤrte und zwar lassen sie ihn so groß werden, daß sie ihn fuͤglich hinter die Ohren legen koͤnnen. Abbas der Große nannte die Stutzbaͤrte Zier- rathen des Gesichts, und gab einem Soldaten Sold, je nach dem sein Stutzbart groß oder klein war. — Die langen tuͤrkischen Baͤrte sind den Persern unausstehlich, denen sie daher einen haͤßlichen Namen beylegen, (sie nennen nemlich einen tuͤrkischen Bart un balais de privé. ) So viel von der Art, wie sich die Manns- personen kleiden. Itzt will ich zu den Kleider- trachten des Frauenzimmers uͤbergehen. Die Art, wie sich die Weiber in Persien zu kleiden pflegen, hat mit der der Mannsper- sonen viele Aehnlichkeit.. Ihre Cale ç ons haͤn- gen ihnen weiter herunter — sind enger und dicker, dicker, weil sie gewoͤhnlich keine Struͤmpfe zu tragen pflegen. Sie bedecken ihre Fuͤße mit einer Art von Halbstiefeln, welche vier Finger hoch uͤber den Fußknoͤchel gehen, und gemeini- glich von gesticktem Zeuge oder sehr schoͤnem Stoffe gemacht sind. Das Hemde, welches sie Camis heißen, ist vorne bis an den Nabel offen. Ihre Westen sind laͤnger, und reichen fast bis auf die Schuhe. Der Guͤrtel, den sie um den Leib zu tragen pflegen, ist sehr duͤnne, und etwa nur einen Zoll breit. Ihr Kopf ist mit einem Schleier wohl bedeckt, der ihnen bis auf die Schultern herunter haͤngt, und zugleich Hals und Busen bedeckt. Wenn sie ausgehen, so haͤngen sie uͤber diesen noch einen großen weis- sen Schleier, der nicht nur den Kopf und Bu- sen, sondern auch zugleich den ganzen Koͤrper einhuͤllet, so daß man fast weiter nichts als das Auge sehen kann. Ein jedes Frauenzimmer haͤlt sich gemeiniglich viererley Arten von Schleier: zwey fuͤrs Haus, und zwey wenn sie im Publikum erscheinen. Der erste ist wie ein Leichenschleier gemacht und haͤngt hinten, der Zierde wegen, lang herunter. — Der zweyte geht bis unter das Kinn, und bedeckt den Bu- sen. — Der dritte ist der vorhingenannte weis- se Schleier, welcher den ganzen Koͤrper um- giebt. — Der vierte endlich ist eine Art von Schnupftuch, den sie am Gesichte und an den Schlaͤfen befestigen. — Die Armenianerinnen haben sich im Hause das Gesicht von unten bis C 3 uͤber uͤber die Nase geschleiert, wenn sie naͤmlich schon verheyrathet sind. Dieß geschieht darum, da- mit ihre Anverwandten und Priester, denen die Erlaubniß, das Frauenzimmer zu besuchen, nicht verweigert ist, nur einen Theil des Ge- sichts sehen koͤnnen. — Diese Bewandniß hat es, wie ich gesagt habe, mit den Verheyrathe- ten. Allein das unverheyrathete Frauenzim- mer bedeckt sich mit dem Schleier nur bis uͤber den Mund, damit man von ihrer Schoͤnheit oder Haͤßlichkeit urtheilen koͤnne. Die Schleier, deren sich das Frauenzimmer bedient, gehoͤren mit unter die aͤltesten Gebraͤuche, wovon die Geschichte redet; allein man kann nicht gewiß wissen, ob sie dieß aus Schamhaftigkeit, eitler Ehre, oder aus Eifersucht ihrer Maͤnner gethan haben. — Weder das Frauenzimmer noch die Mannspersonen tragen Handschuh, die im Orient ganz unbekannt sind. Der Kopfputz des Frauenzimmers ist nicht zu dem hohen Grad der Absurditaͤt gestiegen, wie bey uns Europaͤern. Er ist simpel und uͤberaus anstaͤndig. Ihre Haare haben sie hin- ten am Kopfe in Flechten gebunden: und eine Hauptschoͤnheit bestehet darinn, wenn diese Flechten dicke sind, und bis auf die Fersen her- unterhaͤngen. Reicht das natuͤrliche Haar zu dieser Flechte nicht zu; so verlaͤngert man sie durch seidene Zoͤpfe. Man ziert die Enden ei- ner solchen Flechte mit kostbaren Perlen oder mit einem Bouquet von Steinen u. s. w. Das Das schwarze Haar, sowohl auf dem Ko- pfe als am Barte und Augenbraunen koͤnnen die Perser vorzuͤglich leiden. Die dicken und starken Augenbraunen, uͤberhaupt wenn sie von beiden Seiten zusammenhangen, sind bey ihnen hauptsaͤchlich schoͤne Zierrathen. Das arabi- sche Frauenzimmer ist hiermit mehr als das persische versehen. Wenn indessen eine Persia- nerinn von der Natur keine schwarze Haare er- halten hat; so nimmt sie ihre Zuflucht zur Far- be, und weiß sie so gut zu faͤrben, daß man die Haare fuͤr natuͤrlich schwarz halten muß, wenn man es nicht vorher gewußt hat. Sie haben auch die Gewohnheit, um ihre Schoͤnheit voll- kommner zu machen, sich unten an der Stirne einen schwarzen Fleck, der ohngefaͤhr so groß wie der Nagel am kleinen Finger ist, zu ma- chen, und noch einen zweyten in der Kinngru- be, welcher violet ist, aber nie vergeht, weil er mit der Spitze einer Lancette gemacht ist. Sie schmieren sich auch Haͤnde und Fuͤße mit einer orangefarbigten Salbe, welche sie Hanna heis- sen, und welche von gewissen Blaͤttern gemacht wird. Man glaubt, daß diese Salbe vor der austrocknenden Hitze bewahre. — Die kleine Taille des Frauenzimmers ist bey den Persern mehr als die große gelitten. Der uͤbrige Putz der Persianerinnen ist sehr verschieden. Sie setzen Aig r etten von Steinen auf den Kopf, oder an deren Statt Bouquette von Blumen, und lassen auch wohl eine Reihe C 4 von von Steinen von der Stirne bis zwischen den Augenliedern herunterhaͤngen. Die Frauens tragen in einigen Provinzen einen Ring in dem linken Nasenloche, der wie ein Ohrring haͤngt, und zuweilen mit einigen Perlen versehen ist. Die Sclavinnen, und sonderlich die, welche im Sclavenstande gebohren sind, tragen uͤber- all dergleichen Ringe. — In dem wuͤsten Ca- ramanien durchbohren sie so gar oben die Nase, haͤngen darein einen Ring, welcher die ganze eine Haͤlfte bedeckt. Chardin versichert, diese Gewohnheit des Frau- enzimmers zu Lar, der Hauptstadt dieser Pro- vinz, und zu Ormus gesehen zu haben. Ich habe in den Reisebeschreibungen, die ich zur Hand gehabt habe, dieß Vorgeben des Char- din nicht bestaͤtigt — wenn gleich auch nicht geleugnet — gefunden. Indessen verdient ein solcher Reisebeschreiber, wie Chardin, allemal auch da voͤllig Glauben, wo andre schweigen. — Zu Ispahan durchbohren die Weiber ihre Nasen nicht. Außer diesem Kopf- schmucke traͤgt auch das persische Frauenzimmer Armbaͤnder von Perlen und Steinen, die etwa zwey oder drey Finger breit und sehr lose um den Arm sind. Die jungen Maͤdchen tragen gemeiniglich nur goldene Handschellen, die an dem Orte, wo sie zugemacht werden, mit einigen Steinen besetzt sind. Ihre Halsbaͤnder beste- hen aus Ketten von Gold oder Perlen, die am Halse herunter bis in den Busen gehen, woran eine Riechbuͤchse befestigt ist. Einige von die- sen sen Riechbuͤchsen sind eine Hand breit: gemei- niglich sind sie von Golde gemacht, die uͤbri- gen sind oben mit Steinen bedeckt. Alle aber sind mit Muskus und Ambra angefuͤllt, wel- ches einen starken Geruch ausduftet. — Was uͤbrigens die Ringe betrifft, die das Frauen- zimmer an den Fingern zu tragen pflegt; so muß man gestehen, daß man nirgends in der Welt die Finger mit mehrern Ringen besteckt sieht, als in Persien. Man kann sich in Persien sehr wohlfeil klei- den. Indessen giebt es doch keine Nation, die mehr auf die Pracht der Kleidungsstuͤcke verwen- det, als die persische. Der Turban, die langen Roͤcke, und die Guͤrtel kosten ihnen das mei- ste. Chardin giebt einen weitlaͤuftigen Bericht von dem, was die Kleider den Persern kosten. Ich habe dieß hier nicht wiederholen wollen, weil ich mich in ihre Oekonomie so weit nicht ein- lassen kann. Und dieser Aufwand ist eben der Ruin eines Volks, welches sonst, wenn Industrie dazu kaͤme, sonder Zweifel mit unter die reichsten des Orients koͤnnte gerechnet werden. — So uͤberaus verschwendrisch nun auch die Perser in ihrer Kleidung sind; so muß man doch nicht unbemerkt lassen, daß sie auf die Meublen in ihren Zimmern viel weniger ver- wenden, als wir. — Der Fußboden ist ge- woͤhnlicher Weise mit dicker Scheerwolle be- C 5 deckt, deckt, woruͤber ein, und wenn der Saal groß ist, zwey schoͤne Teppiche liegen. Es giebt ei- nige von diesen Teppichen, die an sechzig Fuß lang sind, und von zwey Menschen kaum koͤn- nen getragen werden. Ueber diesen Teppichen sieht man an der Wand rund um den Saal kleine Matrazen, welche ohngefaͤhr drey Fuß lang, und mit einer Decke von baumwollenem mit Seide durchwuͤrktem Zeuge belegt sind. Auf dem Rande dieser Decke stehen große sil- berne Spuckkasten, welche, vermoͤge ihrer Schwere, die Decke zugleich mithalten. An der Wand herunter sieht man gemeiniglich von den Matrazen große mit Sammt uͤberzogene Polster, an welche man sich beym Sitzen an- lehnt. — Man findet sonst keine andere Meubles in den Zimmern der Perser. Sie haben darinn keine Betten, Stuͤhle, wie wir, keine Spiegel, Tische und Gemaͤhlde. — Die Perser sitzen auf den Teppichen sehr bequem, ja, wie Chardin versichert, weit bequemer wie wir auf unsern Stuͤhlen. Fuͤr sie ist diese Art zu sitzen sehr gesund. Wollte man es aber in unserm feuchtern und kaͤltern Clima nachah- men; (welches ohnehin nicht zu befuͤrchten ist) so wuͤrden wir uns dadurch viele Uebel zu- ziehen. Die Betten sind bey ihnen so simpel, wie alle ihre uͤbrigen Meublen. Sie bestehen in einer Matraze, welche man des Abends auf den Teppich des Zimmers legt, in einem Tu- che, che, welches man druͤber breitet, in einer baum- wollenen Decke und zwey Kopfkuͤssen von wei- chen Federn. — Die schoͤnsten Matrazen sind von Sammt, die Decken von goldenem oder silbernen Brocard und uͤberhaupt von mancherley Couleuren. Des Morgens legt man alles zusammen, und bringt es wieder an seinen gehoͤrigen Ort. Von Bettstellen wis- sen die Orientaler nichts. Jeder schlaͤft auf der Erde. Ueberhaupt muß man dieß Volk darinn gluͤcklich preisen, daß es so wenig Be- duͤrfnisse des Lebens kennt, und folglich nicht mit so vielen und mancherley Unruhen gemar- tert wird, wie die Europaͤer. — Anstatt der Lichter, bedienen sie sich der Lampen, worinn sie kein Oehl, sondern ein sehr feines Talg bren- nen, das gar keinen uͤblen Geruch verursachet. Dieser Gebrauch wurde schon in den aͤltern Zeiten beobachtet, und hat sich noch bis itzt un- ter ihnen erhalten. Zwey- Zweytes Kapitel. Von den Uebungen und Spielen — Von dem Luxus der Perser — Vom Haram der Weiber des Koͤnigs — Vom Heyrathen — Tod und Begraͤbniß. E s ist bereits oben schon bemerkt worden, daß die Perser die Leibesuͤbungen und Spiele nicht der Gesundheit wegen, sondern blos zur Lust anstellen. Die Uebungen und Spiele sind auch gemeiniglich von der Art, daß diejenigen, welche sie machen wollen, die gehoͤ- rigen Kraͤfte haben muͤssen. Daher sieht man sehr selten, daß sich junge Leute vor dem zwan- zigsten Jahre mit denselben abzugeben pflegen. Vor diesem Alter muͤssen sie sich einzig und al- lein auf Erlernung der Religion und der Wis- senschaften legen. Unter die ersten und zugleich vornehmsten Uebungen gehoͤrt das Bogenspannen . Diese Kunst besteht hauptsaͤchlich darinn, daß sie den Bogen geschickt halten, ihn auf mancherley Art spannen, und ihn bald zur Rechten, bald zur Linken, bald hoch, bald tief, vor und hin- ter sich, im Laufen, kniend, auf einem Fuße — kurz — auf hunderterley Art loß zu druͤcken ler- nen. nen. Anfaͤnglich nimmt man leichte Bogen- seile, und nachher gewoͤhnt man sich, mit schwe- rern umzugehen. Die meisten Bogen sind schwer zu spannen, indem es einige giebt, die mehr denn hundert Pfund wiegen. — So bald man nun mit einem solchen Bogen umzu- gehen weiß; so uͤbt man sich mit dem Pfeile zu schießen. Dieß besteht darinn, daß man ihn weit treibt, gerade schießt und tief hinein in das Ziel treffe, welches gemeinhin auf einen Klumpen Erde gemacht wird, vier Fuß hoch und zwey Fuß breit. Die Pfeile zu den Ue- bungen haben ein rundes, duͤnnes und stum- pfes Eisen, anstatt daß an den, im Kriege ge- braͤuchlichen, Pfeilen das Eisen so spitzig, wie eine Lanze ist. Wenn sie nun mit dem Bogen geschickt um- zugehen gelernt haben; so legen sie sich mit al- lem Eifer darauf, den Saͤbel gut zu fuͤh- ren. Diese Kunst wird fuͤrnehmlich darum gelernt, damit das Faustgelenke der jungen Leute stark und biegsam werde. Bey dem Un- terrichte in dieser Kunst bindet der Lehrer seinen Schuͤlern zwey Gewichte an die Haͤnde, und legt ihnen noch uͤberdieß zwey Stuͤcke Eisen auf die Schultern, wodurch sie eine ungemeine Fer- tigkeit im Kaͤmpfen und Ringen erhalten. Die dritte Uebung geschieht zu Pferde. Diese bestehet darinn daß der Reuter auf dem Pferde gerade sitze, es im vollen Galop laufen lasse, es mitten im Laufe ganz kurz an- halte, halte, und so leicht und geschickt auf dem- selben sitze, daß er etwas, es mag seyn, was es will, ohne Muͤhe von der Erde aufheben kann. — Es giebt Leute unter ihnen, die die Reitkunst so gut verstehen, daß sie mit den Fuͤßen auf dem Pferde stehen, und es dennoch den voͤllsten Galop koͤnnen laufen lassen. — Das Mail-Spiel , das Bogenschießen und das Werfen mit dem Wurfspieße, sind gleich- sam Spiele, die zu Pferde gefeiret werden. Das Mail-Spiel geschieht auf einem großen Platze, an dessen Ende einige Pfeiler neben einander stehen, durch welche man reiten muß. Man wirft die Kugel mitten auf den Platz, und die Spieler rennen im Galop auf sie zu, um sie zu treffen. Die Maillen sind kurz, so daß man sich bis unter den Sattel beugen muß, um sie zu erreichen. Derjenige erhaͤlt den Preis, wer die Kugel zuerst durch die Pfeiler getrieben hat. Es ist aber noͤthig, daß ein jeder ge- schwinde reite und richtig treffe. Das Bogenschießen zu Pferde geschieht auf folgende Art. Man schießt naͤmlich nach einer goldenen Schale, welche oben auf einem hohen Mastbaume befestigt ist. Der Reuter holt weit aus, und rennt in vollem Galop nach diesem Orte, und wenn er an den Mast- baum kommt; so schießt er seinen Pfeil ab, indem er sich mit dem ganzen Leibe auf den Ruͤ- cken des Pferdes legt. Dieser Zeitvertreib ist in allen Staͤdten Persiens gebraͤulich, so daß sich sich auch die Koͤnige darinn zu uͤben pflegen. Sefi II. hatte sein einziges Vergnuͤgen daran, und war darinn so geschickt, daß er allemal die Schale im ersten oder zweytenmale herun- ter schoß. Das Kaͤmpfen und Ringen ist nur eine Leibesuͤbung fuͤr den gemeinen Poͤbel. Eine jede Stadt hat ihre gedungene Ringer, und vornehme Herren halten ihrer eine große Men- ge. Die Ringer sind bis auf eine enge und kurze lederne Hose, die nur die Schamglieder bedecket, ganz nackend. Sie schmieren den Leib und die Beinkleider mit einer gelben Po- made, die aus Oehl und einem Pulver, Han- na genannt, gemacht wird, damit sie sich ein- ander nicht so leicht anpacken koͤnnen. Waͤh- rend dem Kaͤmpfen wird eine kleine Trommel geruͤhrt, und die Kaͤmpfer schlagen sich nach dem Tacte derselben. Bey dem Anfange, ge- ben sie sich einander die Haͤnde, zum Zeichen eines guten Streits; alsdenn schlagen sie gleich- sam nach dem Tacte, auf die Schenkel und Huͤften, um sich dadurch in gehoͤrige Positur und Othem zu setzen. Darauf gehen sie mit großem Geschrey auf einander loß, und ein je- der bemuͤhet sich, seinen Gegner niederzuwer- fer. Derjenige traͤgt den Sieg davon, wer den andern auf die Erde, entweder auf den Bauch, oder auf den Ruͤcken geworfen hat. Dieß geschieht gemeiniglich, wenn der Sieger seinen Gegner bey dem Kampfe in die Hoͤhe hebt, hebt, und diesen gleich darauf wieder nieder- wirft, und uͤberhaupt durch langes Ringen seine Kraͤfte erschoͤpft sind. Zu den oͤffentlichen Belustigungen gehoͤrt auch das Fechten . Ehe das Gefecht vor sich geht, legen die Fechter erst ihre Waffen zu ih- ren Fuͤßen, welche in einem geraden Saͤbel und einem Schilde bestehen. Sie legen sich auf die Knie, und kuͤssen sie mit dem Munde und der Stirn. Nachher stehen sie auf, nehmen die Waffen in die Hand, tanzen und springen nach dem Tone einer kleinen Trommel, und machen mit der groͤßesten Leichtigkeit und Ge- schwindigkeit mancherley Bewegungen und Po- situren. Hierauf schreiten sie zum Hiebe und hauen allemal mit der Schneide, wofern sie nicht allzu nahe beysammen stehen: denn als- dann gehen sie auf den Stoß. Ein jeder be- muͤhet sich, die Stoͤße mit dem Schilde, den er traͤgt, aus zu pariren. Diese Art vom Streit nimmt bisweilen ein trauriges Ende, wenn die Fechter in Hitze gerathen; merkt man indessen aber, daß sie zu hitzig werden; so bringt man sie aus einander. Man findet in Persien auch Leute, die sich auf das Wettlaufen legen; doch aber gehoͤren diese Arten von Uebungen nur fuͤr die koͤnigli- chen Laͤufer. Unter diese kann Niemand auf- genommen werden, der nicht in zwey Tagen, so lange die Sonne scheint, eine Bahn, von an- derthalb franzoͤsischen Meilen, vier und zwan- zigmal zigmal durchlaufen kann. Der Laͤufer faͤngt von der großen Thuͤre des Palastes an, und laͤuft bis an eine Saͤule welche die Graͤnze be- stimmt. Er nimmt aus derselben zwoͤlf Pfei- le, einen nach dem andern weg, und muß also zwoͤlf Gaͤnge, jeden von drey Meilen thun. Zu den Zeiten Soleimans, soll ein Laͤufer diese sechs und dreyßig Meilen in weniger als vier- zehn Stunden zuruͤck gelegt haben wofuͤr er das Calaat und fuͤnfhundert Tomans zur Belohnung soll erhalten haben. — Der zu einem Wettlaufen ausgesetzte Tag, wird als ein allgemeines Fest gefeiert. Der große Platz zu Ispahan, (von welchem der Laͤufer kommt) und alle Straßen, die auf diesem Wege sind, werden mit Tapeten behaͤngt. Vor den Thuͤ- ren des großen Hotels, stehen Tische voller Rauchpfannen, wohlriechender Wasser und an- derer Erfrischungen. Hier haͤlt sich der Laͤufer von Zeit zu Zeit auf, und laͤßt sich Wasser auf die Schultern und Fuͤße gießen. Wenn er an die Saͤule kommt, nehmen ihn zwey von den staͤrksten Maͤnnern in die Arme, strecken ihn auf einen Teppich, reichen ihm einen Trunk und wohlriechende Wasser zur Erquickung. Durch solche Spiele nun, welche Bieg- samkeit und Kraͤfte erfodern, werden die Per- ser sehr stark. Außer diesen Spielen, die bloß zur Ergoͤtzung dienen, giebt es noch Seiltaͤn- zer, Luftspringer, Voltigeurs, Charle- tans, Taschenspieler u. s. w. Die ersten D tanzen tanzen nicht nur auf straffen oder auch auf schlaffen Seilen, wie die Europaͤischen Seiltaͤn- zer, sondern sie haben auch noch einen beson- dern Kunstgriff, vermoͤge welchen sie auf ei- nem schreggespannten Seile, das von oben bis unten an eine Mauer gemacht wird, gehen. Sie steigen auf demselben auf und nieder, klammern sich mit den großen Zaͤ- hen an das Seil, und tragen noch uͤberdem zu- weilen ein Kind auf den Schultern. — Die uͤbrigen machen Kunststuͤcke, die der leicht- glaͤubige Poͤbel oft fuͤr Zauberdinge haͤlt. Ta- vernier liefert uns von diesen Gauklern um- staͤndliche Berichte; seine Erzaͤhlungen aber gehen von denen der andern Reisebeschreiber so weit ab, daß wir ihm, in diesem Stuͤcke, kei- nen Glauben beymessen koͤnnen. Chardin , der diese Spiele alle angesehen und genau untersucht hat, fand das nicht, was Taver- nier will gesehen haben. Er haͤlt das berufene Wunderwerk von einem Baume, den diese vermeinten Zauberer zusehens wachsen lassen, wenn sie ihn mit ihrem Blute begießen, nur fuͤr einen listigen Kunstgriff hinter dessen Be- trug er auch selber gekommen ist. Ich habe , sagt er, alle Můhe angewandt, etwas Uebernatuͤrliches von dieser Art anzutref- fen: aber allemal vergebens. Die Zau- berey verschwand, so bald ich die Sache genauer betrachtete, und ich habe mich immer genoͤthigt gesehen, den Betrug wahrzunehmen . Dieß Dieß sind die vornehmsten Leibesuͤbungen, welche den Zeitvertreib der Perser ausmachen. Die Hazardspiele sind ihnen in ihrer Reli- gion verboten, und die Policey unterstuͤtzt dieses Verbot, indem sie die Verbrecher oft sehr grausam und hart bestraft. Indessen er- lauben es doch zuweilen einige Casuisten, wenn sie nur nicht um Geld spielen. Der Hang zu dergleichen Spielarten ist bey den Persern auch nicht groß, vielmehr kann man sagen, daß sie wider solche Spiele einen natuͤrlichen Ab- scheu hegen, wenn sie gleich glauben, daß das Spiel eine leichte und verzeihbare Suͤnde sey. Ihre gewoͤhnlichen Spiele sind das Karten- Wuͤrfel- Kegel- Ball- Schachspiel u. s. w. — Das gemeine Volk spielt mit Karten von Holz, die ziemlich gut gemalt sind. Ihr ordinaires Spiel bestehet aus neunzig Karten und aus achterley Farben; sie spielen es aber sehr rauh und ohne allen Geschmack. Das Schachspiel wird nur von einigen Standespersonen, aber doch nur selten, gespielt. Es wird aber doch sehr hochgeschaͤtzt, indem sie der Meynung sind, daß derjenige, welcher es gut verstehe, die Welt regieren koͤnne. Eine Parthie muß, um es gut zu verstehen, wenigstens drey Tage dauern. Die Perser behaupten, das Schachspiel sey von ihren Vorfahren erfunden worden. Es ist aber sehr wahrscheinlich, daß es aus Indien gekom- D 2 So So viel von den Spielen der Perser. — Itzt wollen wir dem Leser einige Anmerkungen uͤber den Luxus der Perser mittheilen. Der Aufwand oder Luxus der Perser ist in Ansehung der Anzahl der Domestiken beson- ders groß. Zwar bleibt es ungezweifelt wahr, daß man in Indien viel mehr Bediente zu hal- ten pflegt, als in Persien: allein zehn Dome- stiken in Jndien kosten nicht so viel, als drey in Persien. Die großen Herren haben aller- ley Arten von Bedienten, ganz nach koͤnigli- chem Fuße, nebst allen den Titeln, die koͤnig- liche Bediente zu haben pflegen. Diese Men- ge von Bedienten nun ist gewoͤhnlich der Ruin solcher vornehmen Haͤuser. Denn sie haben gemeiniglich Frauens: und da zu Erhaltung derselben in Persien viel gehoͤrt; so sind die Bedienten fast genoͤthigt, ihre Herrschaften, wo gekommen, und erst im fuͤnften Jahrhundert nach Christi Geburt, in Persien bekannt gewor- den. Schickard , ein Mann, der in den orien- talischen Sprachen und Alterthuͤmern eine mehr als gemeine Kenntniß sich erworben hat, be- merkt, daß Chosroes I. ein sassanidischer Prinz, der 531 zu regieren aufieng, dieß Spiel von ei- nem Indianer erlernt habe. — Die Perser nennen dieß Schachspiel Chet-rang ; die vor- nehmsten Benennungen desselben sind aus der persischen Sprache entlehnt. Schach kommt her von dem Worte Scheik , welches Koͤnig und Mat , welches sterben bedeutet. wo sich nur irgend Gelegenheit dazu findet, zu bestehlen und zu betriegen. Der Luxus der Perser ist auch in den Kleidern, Zierrathen von Steinen, und in Pferdegeschir- ren sehr uͤbermaͤßig. In Ansehung der kost- baren Steine tragen die Mannspersonen fast eben so viel an den Fingern, als ihre Weiber. Sie stecken zuweilen funfzehn bis sechszehn Ringe an die Finger: tragen sie aber doch nur an den drey mittelsten Fingern. Die Maͤnner haben silberne mit Steinen, und die Frauens- personen tragen goldene. Ueberdem haben die Mannspersonen noch kostbare Kaͤstchen in ih- rem Busen, worinn sie ihre Pettschafte, Juwe- len und einen kleinen Geldbeutel tragen. Die- se Kostbarkeiten tragen sie nur deswegen bey sich, um sich damit bey andern zeigen, und ih- nen einen hohen Begriff von ihren unermeßli- chen Reichthuͤmern beybringen zu koͤnnen. Sonst besetzen sie auch noch mit solchen Stei- nen die Gefaͤße ihrer Dolche und Degen. Sie tragen auch S t eine an ihrem Kopfe und den Sophy-Muͤtzen, die sie nur an feyerlichen und Festtagen aufsetzen. — Niemand, als nur allein der Koͤnig, darf sie am Turban tragen, ausgenommen die Neuverheyratheten, denen es waͤhrend der Hochzeit erlaubt ist. Das Pferdegeschirr der Personen vom Stande ist gemeinhin mit Silber, Gold oder Steinen versehen. — Einige lassen das Leder der Laͤnge nach, statt der Goldarbeit, mit D 3 Duca- Ducaten belegen, um nur die Fa ç on nicht be- zahlen zu duͤrfen. Die Sattel sind hinten und vorne mit massivem Golde garnirt. Die Schabracken, welche von den unsrigen weit verschieden, sind gleichfalls mit den theuersten und kostbarsten Sachen bordirt. Nirgends aber ist die Verschwendung groͤs- ser und unglaublicher, als in den Serrails. Mit der Unterhaltung einer ungeheuren Menge von Weibern sind unsaͤgliche Kosten verbunden. Al- le Tage werden neue Kleider, kostbare Par- fuͤms angeschafft; und die im hoͤchsten Grade wolluͤstigen Weibsbilder, wissen durch ihre un- verschaͤmte Schmeicheley ihre Maͤnner so zu fesseln und dahin zu bringen, daß sie sich zu unsaͤglichen Ausgaben leicht bewegen lassen. Wenn eine vornehme Person Visite ablegt: so werden ein oder zwey Handpferde voraufge- gefuͤhrt . Vorne oder neben diesem Pferde ge- hen, nach Beschaffenheit, zwey, drey oder vier Domestiken zu Fuße. Hinter dieser vor- nehmern Person folgt einer zu Pferde, welcher die Tabacks-Bouteille traͤgt: ein anderer traͤgt ihm die Toilette mit einem Rocke und einer Muͤtze nach, und noch ein dritter, der ihm nur bloß zur Begleitung dient. Wenn er einmal auf eine Promenade oder sonst nach einem Garten oder oͤffentlichen Ort gehet; so nimmt er einen Knecht mit einem Yactan mit, der hinter ihm hergehen muß: dieser Yactan besteht aus zwey kleinen viereckigten Koffern, welche welche mit Speisen angefuͤllt, und mit einem Teppich bedeckt sind. Wenn der Herr nun an dem bestimmten Orte angelangt ist; so wird der Teppich auf die Erde gebreitet; worauf er alsdenn raucht oder ißt. Geht er auf die Jagd; so hat er einen bis zwey Falkenjaͤger mit dem Vogel in seinem Gefolge bey sich. Und auf diese Art verlebt gemeiniglich der vor- nehme Mann seine Jahre. Nach den Gesetzen des Korans ist ein je- der firmer Muselmann verbunden, sich zu ver- heyrathen. Denn man sieht den ledigen Stand als einen solchen an, der dem Zwecke und der Hauptabsicht, den sich Gott bey der Erschaf- fung der Menschen vorgesetzt habe, widerspraͤ- che. Sie koͤnnen es daher auch gar nicht begreifen, wie Christen den ehelosen Stand unter sich dulden und Keuschheit fuͤr eine Tu- gend halten. Am meisten ist ihnen der Moͤnchs- zustand, nach deren Gesetzen sich, wie bekannt, ein jeder aller Gemeinschaft mit dem andern Geschlechte enthalten muß, unerklaͤrlich. Genau genommen, haben die Mohammedaner hierinn voͤllig Recht. — Gott hatte bey Er- schaffung der Eva allerdings die Fortpflanzung des menschlichen Geschlechts zum Hauptzweck, und legte in die Naturen der Menschen den Trieb ein gemeinschaftliches Verlangen, ihr Geschlecht fortzupflanzen, gegen einander zu haben. Hierzu kam noch der ausdruͤckliche Befehl D 4 Schon Schon in den Juͤnglings-Jahren, ohnge- faͤhr im sechszehnten oder siebenzehnten Jahre, stehet es ihnen frey, dafern sie eine Neigung zum Frauenzimmer blicken lassen sich zu ver- heyrathen, oder wenn es die Umstaͤnde nicht erlauben, sich Concubinen zu halten. — Sie gehen gemeiniglich eine dreyfache Art von Ver- bindung mit ihren Weibern ein. Erstlich pflegen sie einige Weiber auf eine gewisse Zeit zu miethen , und einen Contrakt in Gegen- wart des Richters einzugehen. Doch steht es allezeit in eines jeden Belieben, die Maitresse, wenn er ihrer uͤberdruͤßig ist, von sich zu lassen, wenn er ihr nur das Miethgeld richtig und ganz auszahlt, und die etwa mit ihr ge- zeugten Kinder ernaͤhrt und versorgt. Eine solche verabschiedete Frauensperson ist aber ver- bunden, sich vierzig Tage aller fleischlichen Ver- bin- Befehl Gottes, der sich aber, wie man leicht sieht, nicht bloß auf die ersten Menschen, son- dern auch auf die Nachkommen bezieht. — Christus hat ferner nirgends und nie verboten, sich zu verheyrathen; und man kann daher sich nicht genug verwundern, daß es in der christli- chen Kirche Leute giebt, die sich des Ehestan- des zu enthalten, verpflichtet zu seyn glau- ben. — Man sieht in unsern aufgeklaͤrtern Zeiten itzt, wie viel der Moͤnchs- und Non- nenstand der Bevoͤlkerung des Staats schadet, und hat bereits den loͤblichen Anfang gemacht, aus den Cellen der Moͤnche und Nonnen Ca- sernen zum Nutzen der Menschheit zu machen! bindung mit Mannspersonen zu enthalten. Diese Zeit nennen sie die Tage der Reinigung. — Zweytens koͤnnen die Perser auch nach ih- ren Gesetzen die gekauften Weiber , oder Sclaven, zu ihrer Maitresse machen. Diese nennt man Canize ’. Sie haben vor den Ge- mietheten große Vorzuͤge. Man raͤumt ihnen ein von den uͤbrigen Sclavinnen abgesondertes Zimmer ein, und giebt ihnen die beste Aufwar- tung. Werden sie aber schwanger; so hoͤrt die Verbindung als Sclavinn auf, und wer- den als Muͤtter der Familie angesehen. — Drittens gehen sie eine rechtmaͤßige Verbi n- dung mit Frauenzimmern ein, welche Nekaa genannt werden. Mohammed hat einem je- den Muselmann zugestanden, sich vier Weiber, wenn er sie ernaͤhren kann, nehmen zu duͤrfen. Allein gemeiniglich pflegen sich die Perser nicht mit so vielen zu bemengen, theils wegen der vie- len Unordnungen, welche die Begierde Aller zu befehlen verursacht, theils und hauptsaͤchlich aber wegen der ungeheuren Kosten, die sie be- wuͤrken. Aus diesen Ursachen sind die gekauf- ten Weiber oder Sclavinnen, uͤber die sie frey- lich mehr Gewalt ausuͤben duͤrfen, als uͤber ihre rechtmaͤßigen Frauen, am gewoͤhnlichsten. Mit dem Heyrathen geht es in Persien eben so, wie in einigen andern Laͤndern des Orients. Man gebraucht naͤmlich zu diesen Unterhand- lungen gewisse dazu brauchbare Weiber: Denn das neue Ehepaar kennt sich gemeiniglich wei- D 5 ter ter nicht, als dem Namen nach. Wenn nun die Eltern von beyden Seiten in den noͤthigen Puncten mit einander einverstanden sind; so geht der Vater des Braͤutigams in das Haus des Vaters der Braut. Der Vater dieser letz- tern empfaͤngt und umarmt den Braͤutigam und begiebt sich alsdann aus der Gesellschaft, weil er dem Contracte nicht beywohnen darf: denn man fuͤrchtet immer, daß der Vater der Braut dem Braͤutigam Hindernisse in den Weg legen koͤnnte, und diesem dadurch die voͤllige Freyheit benommen wuͤrde. Dieser Contract wird in einem besondern Zimmer in Gegenwart des Braͤutigams, eines Priesters Vielleicht duͤrfte es manchen sonderbar vor- kommen, warum gerade bey dergleichen Con- tracten ein Priester und kein ordentlicher Rich- ter vorkomme? Um diesen Einwurf zu heben, muß man wissen, daß die Geistlichkeit in Per- sien das hoͤchste Gericht ausmachen. Denn die Perser sind davon fest uͤberzeugt, daß die Geistlichen urspruͤnglich das Recht von Gott erhalten haben, die Gerechtigkeit zu verwalten. — Der Sedre , oder der oberste Priester, ist der oberste Chef sowohl in allen geistlichen als weltlichen Angelegenheiten, und unter diesem stehen alle uͤbrigen Richter. Wenn man untersuchen wollte, ob es wohl gut sey, daß die hoͤchste Jurisdiction in den Haͤnden der Priester ist, und ob die Gerechtig- keit nicht darunter leide, so waͤre dieß eine Fra- ge, die ich wohl mit Nein beantworten moͤch- te. Unter uns Europaͤern findet die hoͤchste Ju- und der Un- Unterhaͤndlerinnen von beyden Seiten aufge- setzt. Sind die Beysitzer dieses Contracts ei- nig; so ist es ihre Pflicht auf die Haltung des- selben mit aller Strenge zu halten. Hierauf verfuͤgt sich die Braut mit einigen Weibern in ein nah anliegendes Zimmer, und der Procu- rator verkuͤndigt die Heyrath, nach Chardins und Herberts Berichten, in folgenden Ausdruͤ- cken: Ich, N. N. den ihr euch zum Pro- curator erwaͤhlt habt, verheyrathe euch an diesen Menschen, der hier gegenwaͤr- tig ist. Ihr sollt allezeit seine Frau seyn, und unter dieser Bedingung sollt ihr das Wittwengeld genießen, welches euch ist ausgemacht worden . Der Procurator des Braͤutigams antwortet hierauf mit folgenden Worten: Ich, N. N. dem das Procura- torwesen des N. N. aufgetragen ist, heyrathe in dessen Namen die Frau, wel- che ihm von dem hier anwesenden Pro- curator ist gegeben worden, und verspre- che ihr das ausgemachte Wittwengeld zu Jurisdiction, wie bekannt, ihre eigene Lehrer, und ist von dem geistlichen Stande beynahe ganz abgesondert. Ob sie aber von der Geist- lichkeit muͤsse ganz ausgeschlossen seyn — will ich hier nicht, weil’s auch nicht hieher gehoͤrt, untersuchen — Die Perser befinden sich unter der geistlichen Gerichtsbarkeit wohl, und man sieht unter ihnen wenige, die nicht in Ordnung gehalten werden koͤnnten. zu bezahlen . Der Priester geht alsdann an das Zimmer der Braut und fraͤgt: ob sie das, was die Procuratoren ausgemacht haͤtten, bil- lige: worauf sie dann mit Ja antwortet. Wenn alle diese Cerimonien nun vorbey sind; so untersiegelt der Cadi den Contract, und laͤßt ihn gleichfalls von den Verwandten bey- der Familien besiegeln. Diesen Contract nimmt alsdann die junge Frau zu sich. Je mehr Pett- schafte sie darunter gedruckt sieht, je lieber ist es ihr: zum wenigsten aber, dafern er guͤltig seyn soll, muß er mit zehn Siegeln versehen seyn. Nachdem alle diese Zubereitungen geschehen, begiebt sich ein jeder wieder nach Hause. Am folgenden Tage schickt der Braͤutigam seiner Braut einen gewissen Theil seines Vermoͤgens und zugleich die noͤthigen Kleider und Edelge- steine. Diese schickt dagegen dem Braͤutigam auch etwas, wenn gleich nur wenig. Die Hoch- zeit selbst geschieht bey den Persern in dem Hau- se des Braͤutigams. Gewoͤhnlich dauert ein dergleichen Festin zehn Tage lang. Die ersten neun Tage werden unter dem Genuß der groͤs- sesten Freuden zugebrach t , ohne daß die Braut irgend einen Antheil nehmen darf. Am zehnten Tage des Abends aber wird die Braut zum Braͤutigam unter dem freudigen Schalle der Trompeten und Begleitung einer Menge von Weibern, und uͤberhaupt mit vieler aͤußern Pracht, gefuͤhrt. Ist die Braut von vorneh- men men Stande, so wird sie in einem Behaͤltnisse, das wie eine Wiege gemacht ist, und eine Caj- nas genannt wird, getragen. Die aber von geringerer Herkunft muͤssen sich auf ihre Beine verlassen, oder reiten auch wohl auf Pferden. — Die Braut ist gemeiniglich mit zwey kostba- ren Schleiern umhangen, wovon der eine den ganzen Koͤrper bedeckt und der andere bis zum Guͤrtel herunterhaͤngt. Dieß thun sie darum, weil die neidischen und jalouen Menschen sie alsdann nicht bezaubern koͤnnen. Wenn nun die Braut in dem Hause des Braͤutigams ist; so wird sie von den Weibern in ein dunkeles Zimmer gefuͤhrt, ausgekleidet und ins Bette gelegt. Kurz darauf geht eben dieß mit dem Braͤutigam vor. Und so kommt das neue Ehe- paar in einem Bette zusammen, ohne sich viel- leicht je gesehen zu haben. Man sollte denken, daß diese Art zu heyra- then, ohne sich vorher jemals gesehen zu haben, uͤberall ungluͤckliche Ehen verursachen muͤßte. Allein hierinn wuͤrde man sich sehr irren. Viel- mehr kann man behaupten, daß die Ehe sol- cher Leute, die sich vorher nie gesehen haben, viel gluͤcklicher ist, als manche unter uns, ohn- geachtet des vielen Besehens und vorher gehab- ten Umgangs. Uebrigens aber muß man auch nicht zu weit gehen, und denken, als ob es den Persern gleichviel waͤre, was und welche Frau sie erhielten! Sie sind in diesem Stuͤcke fein genug. Die Mutter, der Vater und Anver- wandten wandten nehmen sich vorher ein genaues und getreues Gemaͤhlde von dem Maͤdchen, das ihr Sohn dereinst, wenn sie des Vergleichs einig werden koͤnnen, haben soll, (denn bis in das siebente Jahr lassen sich die Maͤgdchen oͤffent- lich sehen.) Oft traͤgt sichs auch zu, daß ein Maͤgdchen sich sehr jung schon verheyrathet, und so lange wartet, bis sie sich nach den Gese- tzen oͤffentlich vermaͤhlen darf. Die Ehescheidung ist bey den Persern eine sehr leichte Sache, und nach den Mohamme- danischen Gesetzen erlaubt. Diese kommen ge- meiniglich daher, wenn nemlich der Braͤutigam mit dem geschlossenen Contracte nachher nicht zufrieden ist, und er anfaͤngt Zwistigkeiten zu erregen und seine Oberherrschaft fuͤhlbar wer- den laͤßt. — Wird nun z. B. der Frau dieses Joch unertraͤglich; so kann sie sich daruͤber bey dem Richter beschweren und die Ehescheidung verlangen. Alsdann aber verliehrt sie ihr Witt- wengeld. Dringt aber der Mann auf eine Scheidung; so ist er gleichfalls verbunden dasje- nige, was er seiner Frau geschenkt hat, zu las- sen. — Das persische Gesetz erlaubt es auch, daß zwey Personen, die von einander geschie- den sind, sich wieder vereinigen duͤrfen: und dieß duͤrfen sie zu drey verschiedenen malen thun. Sind sie zum drittenmale geschieden, und wol- len sich zum viertenmale wieder verbinden; so koͤnnen sie dieß nur unter der Bedingung thun, daß naͤmlich die Frau vorher einen andern Mann Mann heyrathet und vierzig Tage bey ihm wohnet. Alsdann darf sie ihren neuen Gemahl wieder verlassen, und zu dem alten uͤbergehen. Eine solche Unordnung in dem Ehestandwesen findet man doch nur unter dem gemeinen Hau- fen von Menschen. Die Vornehmen sind da- zu zu stolz und zu geizig, als daß sie ihre Frauen in den Armen anderer sehen, und die Mitgabe wieder herausgeben sollten. Viel eher wuͤrden sie sich dazu verstehen, der Frau den Hals ab- zuschneiden, als zu der Ehescheidung zu schrei- ten. Die Obrigkeit mischt sich auch sehr selten in Ehestandssachen: und da die Perser uͤber- haupt, vorzuͤglich aber die Vornehmen, uͤber ihre Weiber in den Seraillen eine fast unum- schraͤnkte Gewalt haben; so sehen sich diese wohl vor, nicht auf die Ehescheidung zu dringen und sich geduldig zu verhalten. Ohngeachtet es nach dem Mohammedani- schen Gesetzen auf das schaͤrfste verbothen ist, Hurerey und andere Schandthaten zu treiben; so findet man doch hin und wieder in Persien einige Oerter, wo sie oͤffentlich getrieben wird. Einige zuverlaͤßige Reisebeschreiber erzaͤhlen, daß in der Hauptstadt des Reichs, Ispahan, eilf tausend Huren geduldet werden, woruͤber eine gesetzte Person, die sie in ihrer Sprache Me- chel Dar Bachi nennen, das Register haͤlt. Wenn man die Anordnungen und Zuberei- tungen, welche die Perser bey Gelegenheiten der Geburt sowohl als auch bey dem Sterben eines eines Menschen anzuwenden pflegen, genau er- waͤgt; so findet man in der That bey diesen Ce- rimonien viel Wuͤrdiges und Edles, das der Nation gewiß zur groͤßesten Ehre gereicht. Ich will hier das Merkwuͤrdigste, was bey dem To- de und Begraͤbnisse vorgeht, kurz und genau concentrirt dem Leser vor Augen darstellen, und hierinn fuͤrnehmlich dem Chardin folgen, mit dem fast alle Reisebeschreiber, wenigstens die besten, sehr genau uͤbereinkommen. In Persien herrscht uͤberall die Gewohnheit, daß man auf dem platten Dache, wenn Je- mand in einem Hause toͤdtlich krank ist, kleine Feuer anlegt, um die Vorbeygehenden zu erin- nern, Gott um Erhaltung des Kranken anzu- flehen. Zugleich laͤßt man auch Mollahs Sind eine Art Geistliche in Persien. herbey rufen, die dem Sterbenden alle seine be- gangenen Suͤnden vorhalten, und ihn zur auf- richtigen Bereuung derselben ermahnen muͤssen. Der Kranke antwortet bey jedem ihm vorge- haltenen Puncte: Taube’, d. i. es gereuet mich . Alsdann muß er in Gegenwart des Priesters sein Glaubensbekenntniß ablegen: und wenn er schon so schwach ist, daß er nicht mehr reden kann; so beten die Anwesenden alle fuͤr ihn, lesen auch wohl so lange einige Stellen aus dem Koran, bis er voͤllig verschieden ist. Sobald nun der Kranke seinen Geist voͤllig aufgegeben hat; so erheben die Anwesenden ein sol- solches Geschrey, daß die ganze Nachbarschaft zusammenlaͤuft, um die Leidtragende zu troͤsten. Alle diejenigen, welche bey dem Verluste des Verstorbenen interessirt sind, zerreissen ihre Klei- der, raufen sich die Haare aus, zerfetzen ihr Gesicht, schlagen sich vor die Brust, und geben uͤberhaupt Zeichen der aͤußersten Betruͤbniß von sich. Besonders zeichnen sich die Weiber im Heulen und Wehklagen vorzuͤglich aus, und scheinen ihre Traurigkeit bis zur Verzweiflung zu treiben. Bey jeder Zusammenkunft, wo des Verstorbenen Erwaͤhnung geschieht, pfle- gen sie ihn aufs herrlichste zu loben: und diese Lobeserhebungen endigen sich denn gemeiniglich mit einem graͤßlichen Geschrey. Die erste Sorge, die sie tragen, wenn der Kranke erblaßt ist, besteht darinn, daß sie so- gleich dem Cadi Nachricht davon ertheilen, und zugleich um Erlaubniß bitten, den Todten wa- schen und begraben lassen zu duͤrfen. Nach er- haltener Erlaubniß gehen sie zum Mordi- chour , Mordichour heißt in der persischen Sprache nichts anders, als ein Wascher todter Koͤr- per . Dieß Amt darf keiner als er bekleiden. Er ist von der Justiz angesetzt, damit man hauptsaͤchlich wisse, wieviel Personen jedesmal gestorben sind. — Eine Gewohnheit und An- ordnung, die beyde, von allen Seiten betrach- tet und gehoͤrig erwogen, gut und lobenswuͤr- dig sind. und bringen ihm den Befehl vom Cadi, E Cadi, daß er den Todten waschen und die noͤ- thigen Cerimonien veranstalten koͤnne. Die Maͤnner werden von Maͤnnern, und die Wei- ber wiederum von Weibern gewaschen. Der Mordichour entkleidet den Verstorbenen und die Kleider kommen ihm den Rechten nach zu. Man pflegt mit der Abwaschung eines Verstor- benen sehr schnell zu verfahren. Denn man wagt es nicht ihn, so lange er ungewaschen da liegt, anzuruͤhren, weil es fuͤr unrein gehalten wird. Man laͤßt gemeiniglich den Erblaßten in einem, zu dieser Absicht bestimmten, Wasch- hause, oder, wenn es vornehme Leute sind, in ihren eigenen Haͤusern, abwaschen. Die Ab- waschungen geschehen nach der persischen Litur- gie auf folgende drey Arten: zuerst waͤscht man den Koͤrper mit gewoͤhnlichen reinem Was- ser ab, worinn ein Strauß von Zuͤrgelbaum- blaͤttern liegt; zweytens bedient man sich ei- ner gewissen Art Kampferwasser, und endlich drittens nimmt man solches Wasser, wie es der Brunnen darbietet. Es ist der Gebrauch einmal unter ihnen introducirt, daß ein jeder Koͤrper dreymal abgewaschen und abgetrocknet wird. Bey der letzten Abwaschung werden al- le Oefnungen mit Baumwolle verstopft. Sobald diese Handlung geschehen ist, wird die Beerdigung veranstaltet. Den Koͤrper wi- ckelt man in ein weiß reines Tuch, so daß man nichts von dem Verstorbenen sehen kann. Ei- nige andaͤchtige Leute pflegen uͤber dasselbe eini- ge ge Stuͤcke aus dem Koran auszuschreiben. Hierauf bringt man den Koͤrper so geschwind als moͤglich in einen Sarg, weil ein todter Koͤrper innerhalb acht oder zehn Stunden so aufgeblasen ist, daß man ihn beynahe nicht in einen Sarg legen kann. Die Ursachen von dieser sonderbaren Sache, die sich so bald an dem Verstorbenen ereignet, muß man nur al- lein in der großen Duͤrre der Luft suchen. — Wenn der todte Leichnam an einen entfernten Ort (welches zuweilen von den Kranken ange- ordnet wird) soll getragen werden; so fuͤllen sie den Sarg mit Kalk, Gummi und Salz, wel- ches den Koͤrper vor Faͤulung erhalten soll. Und dieß ist die gewoͤhnliche Art, die Koͤrper in Persien einzubalsamiren. Die Beerdigung geschieht gemeiniglich bey dem gemeinen Manne mit so wenigem Pomp, als es nur immer moͤglich ist. Ein Mollah und noch ein paar andere Bediente machen ge- woͤhnlich den ganzen Aufzug aus. Der Koͤr- per wird von Sclaven und Freunden getragen, und von denen, die ihnen unterwegens bege- gnen, abgeloͤset. Die Dienstleistung der Per- ser bey solchen Vorfaͤllen ist hierinn vorzuͤglich lobenswuͤrdig. Ja sie geht so weit, daß dieje- nigen, welche ihnen zu Pferde begegnen, abstei- gen, und ihre Dienste anbieten. Das Leichenbegaͤngniß vornehmer Personen geschieht mit mehrer Pracht. Diese werden nicht, wie jene, von Menschen getragen, sondern E 2 mit mit Pferden, die mit dem kostbarsten Geschirr versehen sind, gefahren. Auf dem Sarge sieht man die aͤußern Zeichen der Wuͤrde, und, wie uͤberall, den Turban. Wenn ein Soldat, der sich wegen seiner Tapferkeit vorzuͤglich hervor- gethan hat, stirbt; so begraͤbt man ihn mit sei- nem Turban, Degen, Pfeile und Koͤcher: Ein jeder Anwesender wirft in das Loch — deren sie gewoͤhnlich zwey graben, naͤmlich eins senk- und das andre wagrecht — ein wenig Erde und ruft dabey aus: Wir sind Gottes, wir kommen von Gott, und wir werden wie- der zu Gott zuruͤckkehren . — Man be- deckt das Loch mit einem Steine, oder mit ei- ner Art von braunem und zugleich hartem Mar- mor, den man in Persien uͤberall findet, wor- auf man einige Stellen aus dem Koran ein- hauen laͤßt. Auf dem Grabmale einer Manns- person pflegt man nach dem Kopfe hin einen Stein, worauf man einen Turban eingehauen findet, zu legen. Sowohl die Vornehmen als die geringen Leute besuchen acht oder zehn Tage nach dem Leichenbegaͤngnisse das Grab des Entseelten, und besonders entzieht sich das Frauenzimmer dieser Pflicht am wenigsten. Man sieht immer die Kirchhoͤfe voll von Menschen, besonders an den hohen Festtagen, des Abends und Morgens, die sammt ihren Kindern klein und groß in die- ser Absicht dahin gegangen sind. Sie setzen sich auf das Grab, weinen und schreien jaͤm- merlich merlich, schlagen sich vor die Brust, raufen ihre Haare aus (welches sie, wie schon im vorherge- henden erwaͤhnt ist, auch bey der Gelegenheit, wenn der Kranke gestorben ist, thun,) und er- zaͤhlen das gluͤckliche Leben, das sie mit ihnen genossen haben. Gemeiniglich lassen sie Ku- chen, Fruͤchte und andere Sachen auf dem Gra- be liegen, welches den Engeln, die das Grab bewahren, gewidmet ist. Die Reichen, und uͤberhaupt diejenigen, welche eine hohe Charge im Reiche bekleidet ha- ben, verordnen gewoͤhnlicher Weise bey ihrem Absterben, daß ihr Koͤrper an den Oertern, wo ein Heiliger liegt, solle begraben werden. Sehr selten aber geht man hierinn so weit, daß der Koͤrper nach Mekke’ oder Medine gebracht wird, weil diese Oerter ordentlicher Weise von den meisten Staͤdten und Doͤrfern sehr entle- gen, und dieses mit vielen Kosten verbunden ist. Waͤhrend man sich zu einer solchen Reise zube- reitet, setzt man die Saͤrge in besondere dazu ausgemauerte Hoͤhlen, damit sie nicht von Je- dermann gesehen werden. Die Perser glau- ben, daß die todten Koͤrper, wenn sie auf eine solche Art verwahrt und beygesetzt sind, nicht faulen und riechen koͤnnten, weil sie vor der Verwesung den Engeln, die das Grab be- wahren , von ihrem Haushalten die genaueste Rechenschaft ablegen muͤßten. Diese beyden Engel nennen die Perser, nach Ta- E 3 Die Die Perser betrauren ihre Todte vierzig Tage lang; und scheinen in den acht ersten Ta- gen Taverniers Berichte, in ihrer Sprache Neg- nir oder Manguer . — Sie pflegen sich, nach den Vorstellungen der Perser, mit dem Todten zu unterhalten, und ihn wegen seines Glau- bens und seines ganzen Wandels zur Rechen- schaft zu fordern. Ist nun ihr Glaube auf die- ser Erde klein, und ihr Betragen den Gesetzen Mohammeds zuwider gewesen; so werden sie von diesen beyden Engeln verdammt, und diese Verdammung besteht in einer bestaͤndigen und heftigen Reue, sich nicht so vollkommen ge- macht zu haben, als sie es haͤtten seyn koͤnnen. — Dieß ist die Vorstellung des venuͤnftigern Theils unter ihnen. — Andere halten dafuͤr, daß die Verdammung der Gottlosen in abscheu- lichen Traͤumen und Erscheinungen, hingegen die Seeligkeit der Frommen in dem Genusse un- aufhoͤrlicher Vergnuͤgungen, bestuͤnde, bis end- lich der große Gesetzgeber erschiene und alle Verstorbene zu einer allgemeinen Auferstehung beriefe. Alsdann wuͤrde einem jeden sein ewi- ges Endurtheil gesprochen, und er entweder be- staͤndig vom Teufel gequaͤlt oder ewig gluͤcklich seyn. — Man sieht hieraus leicht, was die Perser von der Seligkeit oder Verdammung der Verstorbenen fuͤr eine Meynung hegen. Es ist Schade, daß sie zu dem, was in diesen Vor- stellungen uͤbertriebenes oder falsches ist, durch ihre religioͤsen Ideen verleitet werden. Beson- ders scheint es, als wenn sie vom Teufel eine entsetzliche Meynung haben, und hierinn unsre deutschen Orthodoxen noch einigermaaßen uͤber- treffen. Verstuͤnden die Perser deutsch, und wenn es sich sonst thun ließe; so koͤnnte man ihnen gen ganz untroͤstbar zu seyn. Sie schreien und laͤrmen außerordentlich und enthalten sich eini- ge Tage lang der Speisen, um damit anzuzei- gen, daß sie des Lebens nunmehro, nachdem ih- nen das Theuerste geraubt sey, uͤberdruͤßig waͤ- ren. In den ersten Tagen der Trauer geht so wohl das maͤnnliche als weibliche Geschlecht schwarz. Chardin sagt, die Trauerkleider bestaͤnden nicht im schwarzen Tuche. Aber viele Reisebeschrei- ber, und hierinn eben so glaubwuͤrdige, geben die Versicherung, daß sie sich einer solchen Cou- leur bedienten. Diese Couleur sieht bey den Orien- talern ganz scheußlich aus, und die Perser nen- nen es selbst die Farbe des Teufels. Einige Tage nachher kleiden sie sich, auf Zureden und Bitten der Anverwandten und Freunde, anders und bekleiden sich alsdann mit einem Rocke von Leinewand. Wir haben schon vorhin gesagt, daß das Frauenzimmer am schwersten bey Trauerfaͤllen zu troͤsten sey. Allein die Ursache davon ist sehr natuͤrlich. Denn der Wittwenstand ist in der That fuͤr das persische Frauenzimmer ein Zustand, der sich, wie uͤberhaupt im ganzen Orient, nie aͤndert. — Nichts aber ist schoͤ- ner und mit einer gesunden Philosophie uͤber- E 4 ein- ihnen ein kleines Buͤchelchen empfehlen, unter dem Titel: „Doch die Existenz des Teufels auf dieser Erde,“ um ihnen zu zeigen, was man in andern Laͤndern vom Teufel halte! einstimmender, als der Trost, den sie sich ge- genseitig zuzusprechen pflegen. Sie verglei- chen das Leben mit einer Carvanserey, und raisonniren daruͤber auf eine so vernuͤnftige Art, als man es nur immer von den gesitte- sten und vernuͤnftigsten Einwohnern der Erde hoͤren kann. Ein solcher Trost hat auch ge- meiniglich bey ihnen die besten Wirkungen, und sie wissen sich endlich in ihrem Schicksale so zu finden, daß es ihrer Denkungsart viele Eh- re macht. — Wer sich unter ihnen eines guten Lebenswandels bewußt ist, scheut sich auch fuͤr dem Tode gar nicht; vielmehr aͤußern sie manchmal die groͤßeste Sehnsucht nach demsel- ben, und sehen es fuͤr eine besondere Wohlthat von Gott an, wenn sie bald sterben koͤnnen. In Europa pflegt man gewoͤhnlich ein solches Verlangen nach dem Tode nicht zu tragen! Aber man hat es auch nicht Ursache, weil es uns an manchen Eigenschaften fehlt, die die Perser so sehr uͤber uns erheben! Drit- Drittes Kapitel. Von dem Zustande der Wissenschaften un- ter den Persern. — Ihre Art zu studi- ren. — Von der persischen und arabi- schen Sprache — ihrer Schrei- bekunst. M an wuͤrde der persischen Nation sonder Zweifel Unrecht thun, wenn man sie fuͤr unwissende und einfaͤltige Menschen halten wollte. Wenn man den Spuren der aͤltesten und zuverlaͤßigsten Geschichte der Perser nach- geht; so wird man auch finden, daß in ihrem und dem benachbarten indischen Reiche die Wissenschaften zuerst mit gluͤcklichem Erfolg getrieben sind. Von diesen beyden Nationen, und sonderlich von der ersten, scheinen die Wissenschaften durch die Brachmanen und Gymnosophisten zu den Egyptiern, Phoͤni- ciern und andern benachbarten Voͤlkern uͤber- gekommen zu seyn. Man weiß, daß die Grie- chen die Wissenschaften von den letztern gelernt haben. Die ersten Begriffe der Philosophie erhielten diese von den Indiern durch den Py- thagoras, der zuerst die Lehre von der See- E 5 len- lenwanderung Wer sich von der Lehre der Seelenwanderung naͤher unterrichten will, den wird des Herrn Sinners Versuch uͤber die Lehren der See- lenwanderung und des Fegefeuers der Bra- minen von Indostan, hinlaͤnglich befrie- digen. auszubreiten suchte, aber we- nige Anhaͤnger derselben fand. Die Perser haben von Natur viel Ge- schmack an den Wissenschaften, und man kann sagen, daß sie an lebhafter Imagination und an wirklicher Gelehrsamkeit alle andere Voͤlker in Asien uͤbertreffen. Die Chineser, welche man sonst fuͤr die gesitteste und einfichtvollste Nation des Orients haͤlt, koͤnnen in Ansehung der hoͤhern Wissenschaften mit den Persern in keine Parallele gezogen werden. Bey den Chi- nesern, z. B., wird keine Wissenschaft mehr ge- achtet, als die Sternkunde. Aber ihre Kennt- nisse hierinn sind sehr begraͤnzt, und sie gestehen es gerne, daß sie in diesem Stuͤcke noch weit unter den Persern sind. — Die Perser lie- ben und ehren die Gelehrten, und die, welche sich bemuͤhen, es zu werden, so sehr, daß man mit Recht behaupten kann, ihre herrschende Neigung sey die Ausbreitung und Vervoll- kommnung der Wissenschaften. Sie verwen- den darauf alle ihre Zeit, ohne sich um ihre Familie und haͤuslichen Angelegenheiten zu be- kuͤmmern; selbst die groͤßeste Armuth kann sie davon davon nicht abhalten. Dieser Eifer zu den Wissenschaften erstreckt sich auf alle Staͤnde. Man findet wahrlich wenige unter ihnen, die nicht gute Buͤcher lesen und sich nicht auf Wis- senschaften legen. Die Kinder werden fruͤhzei- tig in die Schule geschickt und in den Wissen- schaften unterrichtet. Ihre hoͤhern Collegia be- suchen sogar Personen von sechzig Jahren; und die alten Greise schaͤmen sich nicht, zwischen unbebaͤrteten Juͤnglingen zu sitzen, vielmehr rech- net es sich ein jeder als eine Ehre, den ihnen so suͤß klingenden Namen Talebelm — welches in unsrer Sprache so viel heißt, als Student — fuͤhren zu duͤrfen. Die Lehrer des Collegiums sind entweder Mollahs — der gemeine und Hauptname der Priester — oder Akonds, welches bey uns so viel heißt, als ein oͤffentli- cher Leser. Die Bacheliers werden auch Mouchtehed genannt, welches so viel heißt, als einer, der sich auf eine Sache stark legt. Unter allen Lehrern wird dieser Mouchtehed als der vornehmste geschaͤtzt, der nicht nur ein Poly- histor seyn soll — wenigstens muß er doch von vielen Dingen gute Kenntnisse haben — sondern dessen Ausspruͤche auch fuͤr Orakul gehalten werden. Sehr wenigen wird auch dieser Name beygelegt. Die Talebelm oder Studenten unterschei- den sich von andern Leuten dadurch, daß sie ein ernsthaftes Wesen in ihrem Betragen aͤußern. Ihre Kleidung giebt eben keine sonderlich vor- theil- theilhafte Idee von ihnen. Sie gehen gemei- niglich weiß, und selten tragen sie ein farbenes Kleid, das mit Gold oder Silber besetzt waͤre. Nur den halten die Perser fuͤr einen ge- lehrten Mann, der alle Kenntnisse und Wis- senschaften im moͤglichsten Grade besitzt. Wer aber nur in einem Fache der Wissenschaften bewandert ist, wird zwar geehrt, kann aber nicht fuͤr einen Gelehrten passiren. — Die- se Schaͤtzung eines Gelehrten ist fuͤr die Per- ser hoͤchst schaͤdlich. Wuͤrden Sie denjenigen, der es z. B. in der Mathematik, Philosophie u. s. w. weit gebracht haͤtte, fuͤr einen Gelehrten schaͤtzen und achten; so wuͤrden diese Wissen- schaften unter ihnen eben so hoch gestiegen seyn, wie es bey uns Europaͤern geschehen ist. Die Perser berufen sich in ihren Studien nie auf irgend Jemandes Autoritaͤt — außer in Religionssachen. — Sie untersuchen und pruͤfen alles vorher selbst, ehe sie in ir- gend einer Sache jemandes Meynung beystim- men. Die Art, wie sie zur Wahrheit gelan- gen, ist diese, sie sagen naͤmlich: daß der Zweifel der Anfang einer Wissenschaft sey; wer an nichts zweifele, untersuche auch nichts; wer nichts entdeckt, ist blind und bleibt blind. — Der Anfang ihres Studirens stimmt mit unsrer Art voͤllig uͤberein. Zuerst suchen sie sich mit der Grammatik und Syntax bekannt zu zu machen; alsdenn gehen sie zur Theologie uͤber. Wenn sie hierinn gluͤcklichen Fortgang gemacht haben; so lernen sie die Philoso- phie, Rechenkunst, Arzeneykunst, Poesie, Geographie, Historie und Astrologie. Die Arzeneykunst und Astrologie wird fuͤr- nehmlich stark getrieben, und wer diese recht versteht, kann in Persien sein Gluͤck ma- chen. — Die Sprachen, die sie in ihrer Jugend lernen, sind die Persische, Tuͤrkische und Arabische. Ohne diese drey Sprachen kann kein Gelehrter, und uͤberhaupt kein Mann vom Stande, fertig werden. Die Arabische Spra- che muß ein ieder verstehen, weil der Koran in derselben geschrieben ist, und uͤberhaupt der Vortrag der Lehrer in den Disciplinen mit ara- bischen Brocken — wie bey uns das Lateini- sche — durchwuͤrzt wird. — Die Perser haben in ihrer Sprache die alten Autoren eben sowohl uͤbersetzt, als wir. Nur muß man doch dabey anmerken, daß wir sie nicht so sehr und so fleißig zu lesen pflegen, als die Perser. Es ist sehr wahrscheinlich, daß sie mehr in dem Geiste der Alten denken, reden und schreiben, als wir, denn ihre Hauptbeschaͤfftigung und Hauptabsicht bey Lesung der Alten, geht bloß dahin, sich mit ihren Grundsaͤtzen vertrauter, und sie gleichsam sich eigen zu machen. Vielleicht duͤrfte es manchen Lesern ange- nehm seyn, einige der vorzuͤglichsten persischen Gelehrten zu kennen. Ich will deswegen hier einige einige der merkwuͤrdigsten hier anfuͤhren, so wie ich sie beym Chardin, Otter und Taver- nier gefunden und verglichen habe. Cojé Nessir de Thus wird von den Ge- lehrten fuͤr den geschicktesten und gelehrtesten Mann gehalten. Er lebte ohngefaͤhr vor fuͤnf hundert und funfzig Jahren. Er war ein Mann von vornehmer Geburt und von gros- sem Vermoͤgen. Er wurde zuletzt uͤber alle Akademien zum Vorsteher gesetzt. Sein ei- gentlicher Name ist Cojé Nessir, sein Zuna- me ist Thus, einer Stadt, worin er gebo- ren wurde. Man haͤlt ihn fuͤr einen großen Kenner der griechischen Sprache, weil alle sei- ne Lehren und Kenntnisse vom griechischen Gei- ste zeigen. Alle Faͤcher der Wissenschaften hat- te er bearbeitet, und uͤber alle besondere Buͤcher verfaßt. Besonders aber schaͤtzt man seine mathematischen und astrologischen Werke. Mohammed Chagolgius ist dem Ran- ge nach der zweyte Gelehrte, der sonderlich sei- ner astrologischen Kenntnissen wegen geschaͤtzt wird. Er lebte ohngefaͤhr vor dreyhundert Jahren, und man haͤlt dafuͤr, daß seine Ein- sichten, die des Cojé Nassir wo nicht uͤber- troffen haben, doch wenigstens gleich seyn. — Bey diesen zween großen Kennern der Astrolo- gie lassen wir es bewenden. Wir wollen nun noch einige andere, die sich in der Mathematik u. s. w. bekannt gemacht haben, bloß dem Namen nach anfuͤhren. In In der Mathematik sind unter ihnen be- ruͤhmt: Maimon Rechid und Yacoub Be- nel Saba el Kendi. In der Geometrie: Apollonius Pergeus und Ayran. In der Optik: die Commentarien des Hassin uͤber Ptolomeus ta Kieldinn. In der Gnomo- nik: Omarel Soufi. In der Arithmetik: Abououlou-Fa und Aliel Kouchi. In der Musik: Alfarabi und Abouz. In der Geo- graphie: Ebn Maarouf Abul Eeda Ya- coub Hamavy. In der Vernunftlehre: Yousouf Mansour und Abouneser. In der Geschichte: Mahomed de Balk. In der Jurisprudenz: Abumeker Yacoub Raiserie und Jacoub Alkendi. Die Perser schreiben nicht viele Buͤcher. Sie halten sich lieber an die aͤltesten Schrif- ten ihrer Vorfahren, weil sie glauben, nur aus diesen koͤnnten sie wahre Weisheit lernen. Sie meynen, ihre alten Scribenten waͤren we- niger Verbesserung faͤhig. Allein dieß ist doch eine Anzeige, daß sie nicht viele neue Auf- schluͤsse in den Wissenschaften machen. — Bey den Buͤchern, welche die Perser heraus- geben, findet man weder Privilegien noch Bil- ligungen oder Approbationen der Gelehrten. Wenn sie ein wissenschaftliches Werk geschrieben haben; so pflegen sie es dem Koͤnige oder irgend einem Vornehmen im Reiche zu dediciren, um ein gutes Present dafuͤr zu erhalten. Aber die- se Dedicationen bestehen nicht in der Form, wie wie man sie bey uns zu machen pflegt. Der Name desjenigen, dem das Buch dedicirt seyn soll, wird nur in der Vorrede erwaͤhnt, nach dem Artikel, welcher eine Lobpreisung Gottes und aller Heiligen enthaͤlt. — Die Perser haben in ihrer Art zu studi- ren viel Sonderbares. Ich will hier etwas weniges davon erzaͤhlen, woraus man abneh- men kann, mit wie vielen Dingen sie sich auf einmal zu beschaͤfftigen pflegen. — Wenn ein Student zu seinem Lehrer kommt, macht er zufoͤrderst ein devotes Compliment, setzt sich, und sagt kein Wort. Der Lehrer pflegt ihm darauf einen Wink zu geben, wenn er anfan- gen soll. Der Student liest einige Reihen in einem Autor und hoͤrt auf zu reden. Ueber das nun, was der Student gelesen hat, haͤlt der Lehrer, nach Art unsrer Professoren auf Akademien, einen langen Discours; hernach wird die Periode nochmals gelesen, und ein anderer faͤhrt denn weiter fort, die folgende Strophe herzulesen, die der Lehrer auf eben die Art behandelt. Und so dauert ein solches Col- legium — nach unsrer Art zu reden — oft eine, auch wohl zwey Stunden, je nach dem es dem Lehrer gefaͤllt. Ist die Zeit des Un- terrichts vorbey; so macht der Student seine Verbeugung und legt dabey seine Hand auf den Magen — welches den groͤßesten Respect ausdruͤckt — und im Weggehen begleitet sie der Lehrer mit den Worten: Gott sey mit euch. euch. — Hierauf gehen die Studiosi zu ei- nem andern Lehrer, und hoͤren den Unterricht in einer andern Wissenschaft. Oftmals pfle- gen die Lehrer in einer Stunde einen vierfa- chen Unterricht zu geben welches nach ihrer Meynung von ungemeinem Nutzen ist. Sie wollen in diesem Stuͤcke die Alten nachahmen: richten aber dadurch gewiß mehr Schaden, als Vortheil an. Wenn nun die Studiosi in allen Theilen der Wissenschaft einigen Fortgang gemacht haben; so fangen sie an uͤber einige Materien, entweder unter sich allein, oder auch in Gegen- wart ihres Lehrers, zu disputiren. Drey oder viere treten zusammen, und disputiren, fast so, wie es bey unserm Disputiren herzugehen pflegt. Dieß ist die Art, wie die Perser zu studi- ren pflegen. Die wohlhabenden Leute lassen auch oft die Lehrer zu ihren Kindern ins Haus kommen, um sie eben so, wie in den Colle- gien, unterrichten zu lassen. Diese letzte Art des Unterrichts laͤßt sich bey ihnen leicht thun, weil der Unterricht, wegen der großen Menge von so genannten Gelehrten, nicht mit so vie- len Kosten verbunden zu seyn pflegt, wie bey uns. — Schade ist es, daß der lebhafte Geist und die natuͤrlichen Talente dieses Volks nicht so, wie sie sollten, angewendet werden. Sie wuͤrden gewiß eben so gluͤcklichen Fortgang in allen Theilen der Wissenschaften machen, als F es es in Europa geschieht, wenn sie sich nicht auf Alles auf einmal legten, wenn bey ihnen die Buͤcher so wohlfeil, als in Europa waͤren, und wenn endlich die Lehrer mit solcher Gewissen- haftigkeit ihren Unterricht jedem ertheilten, den sie nur ihren vertrautesten Freunden zu geben pflegen. — In Ansehung ihrer großen Ein- sichten sind sie eben so prahlerisch, als alle an- dere Voͤlker. Sie sind sehr jalou und wollen nicht, daß die Europaͤer alle ihre Kuͤnste wis- sen, damit jene ihnen die Kuͤnste nicht ablernen sollen, und sie immer einen Vorzug vor den Euro- paͤern haben moͤchten. Ein jeder Liebhaber der Wissenschaften ler- net hauptsaͤchlich dreyerley Sprachen. Erst- lich die persische, als die Hauptsprache des ganzen Reichs. Zweytens die tuͤrkische, drit- tens die arabische. Diese drey Sprachen kennt man nur unter ihnen. Ein jeder, der etwas vorstellen will, muß derselben kundig seyn. Selbst das Frauenzimmer muß wenig- stens die beyden ersten verstehen, dafern sie fuͤr eine Person von Lebensart will gehalten seyn. — Der persischen Sprache bedient man sich in der Dichtkunst, und in den Werken des Verstandes. Das Tuͤrkische redet man bey der Armee, am Hofe und im Serrail der Großen. Das Arabische ist fuͤr die Religion und alle abstracten Wissenschaften. Die Perser chara- cterisiren diese drey Sprachen so: sie sagen naͤmlich, die persische Sprache sey geschickt, die Men- Menschen zu schmeicheln, die arabische, sie zu uͤberreden, und die tuͤrkische, wenn man mit Jemand von ernsthaften Dingen reden wollte. Man erzaͤhlt hierbey noch die laͤcherliche Histo- rie, daß diese drey Sprachen im Paradiese waͤren geredet worden. Sie sagen naͤmlich, die Schlange haͤtte die Eva durch ihre Beredsam- keit verfuͤhrt; (folglich arabisch geredet.) Adam und Eva haͤtten, wenn sie von Liebeshistorien gesprochen, persisch geredet; die Engel, welche beyde aus dem Garten gejagt, haͤtten tuͤrkisch geredet. Die alte arabische Sprache kann gegenwaͤr- tig Niemand verstehen, weil es an Buͤchern fehlt, woraus man sie lernen koͤnnte, und auch nicht die geringsten Spuren von derselben mehr uͤbrig sind. Die Guebers, welche noch von den alten Persern abstammen, haben einen ganz besondern Dialect. Sie geben zwar vor, daß sie noch itzt die urspruͤnglich alte persische Spra- che redeten, daß ihre Priester fuͤr die Erhal- tung und Unverfaͤlschtheit die aͤußerste Sorg- falt getragen haͤtten und noch truͤgen; allein es bleibt doch immer sehr ungewiß und zweifel- haft, ob sie wirklich jene alte Sprache unver- faͤlscht erhalten haben. — Was die itzige persische Sprache betrifft; so kann man sagen, daß sie durch die Vermischung des Arabischen und anderer fremder Ausdruͤcke sehr verfeinert, dem Gehoͤr angenehm und die Aussprache leicht ist. Die Perser nennen sie deswegen auch die F 2 gesal- gesalzene Sprache, um dadurch zu verste- hen zu geben, daß sie wohl klinge Die Reise- beschreiber rechnen diese Sprache unter die an- genehmsten und wohlklingendsten, die sie ken- nen. Sie hat mit der Europaͤischen viel Aehn- lichkeit, und man findet in derselben wenige harte oder rauhklingende Toͤne. Diese Characterisirung der persischen Sprache gilt aber nur bloß in Ansehung der großen Staͤdte. Auf dem platten Lande redet man ein Persisch, das man kaum, wenn man nicht hoͤchst aufmerksam ist, verstehen kann. Die Verbindung der Woͤrter mit einander ist bey dem gemeinen Volke sehr unregelmaͤßig. Die Perser haben acht und zwanzig Buch- staben. Diese sind alle Consonanten, ausge- nommen die dreye Alif, Vau und Yé, die sie deswegen auch Ruhebuchstaben nennen. Ihre gewoͤhnlichen Accente sind kleine krumme Linien, die entweder gerade oder schief stehen, wie man es bey einigen europaͤischen Sprachen findet. Die acht und zwanzig Buchstaben des persischen Alphabets haben nicht alle verschiede- ne Figuren, wie bey uns. Ein einziger Cha- racter bedeutet bey ihnen mancherley Buchsta- ben, und die richtige Bedeutung desselben wird durch die Verschiedenheit und Menge der Pun- cte, die entweder oben oder unten stehen, an- gezeigt. Wenn die Perser z. E. ein B schrei- ben wollen; so machen sie folgende Figur: ; wenn wenn zwey Puncte darunter stehen ; so ist es ein J; sind drey Puncte darunter ; so zeigt es ein P an. Setzt man die Puncte in eben der Ordnung uͤber diese Figur; so hat man die Buchstaben N. T. und S. — Die Perser versetzen diese Puncte oftmals und las- sen sie auch wohl gar aus, ohne dadurch an- dern unverstaͤndlich zu werden. Statt der Vo- cale bedienen sie sich auch oft gewisser Zeichen, um nicht zu weitlaͤuftig zu werden. Diese Verschiedenheit in Abwechslung der Puncte und Vocale macht es auch, daß oft ein Frem- der, der sonst ihre Sprache gelernt hat, doch ihre Schrift nicht lesen kann. Ueberhaupt wollen wir hier bemerken, daß man in Persien, so wie uͤberhaupt im ganzen Orient, gegenwaͤrtig die lateinische und griechi- sche Sprache nicht kenne. Die Lateinische ist sonst auch selten betrieben. Die Griechische hat man nur bis auf die Zeiten Mohammeds gelehrt und gelernt; seit der Zeit aber ist sie in Vergessenheit gerathen. Ich will dieses Kapitel mit einer umstaͤnd- lichen Nachricht von der Schreibekunst der Perser endigen. Papier, Dinte und Federn sind diejenigen Dinge, welche sie gleichfalls bey der Schreibekunst gebrauchen, und von jedem will ich einige Bemerkungen beybrin- gen. — An Papier haben die Perser keinen Mangel: uͤberall pflegt man es in großer Men- F 3 ge ge anzutreffen. Es hat nicht die Guͤte, die Feinheit und Weisse, wie bey uns: aber es ist viel zarter und glatter, weil sie es mit einer Art von Seife beschmieren, und sichs besser darauf schreiben laͤßt. — Alles beschriebene Papier wird fuͤr heilig bey den Mohammeda- nern angesehen: und derjenige, der es zerreißt, oder es wohl gar zum schmuzigen Gebrauch anwendet, wird als ein schaͤndlicher Mensch angesehen, der etwas zerrissen oder verbraucht habe, worauf der Name Gottes koͤnnte ge- schrieben seyn. Wollen sie des uͤberfluͤßigen Papiers los seyn; so werfen sie es in das Was- ser, oder stecken es in eine Mauer. — Ihre Dinte, ist dicke und klebricht, fast unsrer Dru- ckerschwaͤrze aͤhnlich. Sie haben blaue, rothe, goldfarbene, und machen zuweilen in ihren Schriften verschiedene Zierrathen auf dem Rande, so wie wir es in den alten Manuscri- pten oft finden. — Ihre Federn sind unge- mein hart und bestehen aus Schilf, welches laͤngst dem persischen Meerbusen in großer Menge waͤchst. Sie schneiden sie gewoͤhnlich mit einer langen Spitze, und sollen zum Schrei- ben sehr bequem seyn. Weil die Perser der herrlichen und schoͤnen Kunst der Buchdruckerey, theils wegen der gros- sen Duͤrre der Lust, theils aber auch wegen des Papiers, weil es die Druckerpresse nicht aus- halten und zerreissen wuͤrde, entbehren muͤs- sen; sen; Abbas II. gieng zwar mit dem Projecte um, die Buchdruckerkunst in Persien einzufuͤhren; allein dieser Prinz starb gerade zu der Zeit, wo der Anfang sollte gemacht werden. so sind sie genoͤthigt, alle ihre Buͤcher abzuschreiben. Und aus dieser Ursache wird die Schreibekunst unter die edelsten und besten freyen Kuͤnste gerechnet, worauf sie sich fast alle legen, und am meisten sehen. Sie schrei- ben mit einer erstaunenden Delicatesse, legen ihr Papier nicht auf einen Tisch, sondern sie halten es etwas hoch, und legen ein Stuͤck Le- der drunter, um es damit zu halten. Wenn der Bogen voll geschrieben ist; so rollen sie ihn zusammen, und wickeln ihn wieder auf, wenn sie ihn noch beschreiben wollen. — Die Mor- genlaͤnder schreiben nicht, wie wir, von der Linken zur Rechten, sondern von der Rechten zur Linken; sie geben ihren Zeilen eine kleine Kruͤmmung, und machen sie unten rund. Man koͤnnte denken, daß die Buͤcher, aus Mangel der Buchdruckerkunst, in Persien uͤber- aus theuer seyn muͤßten. Allein der Ueberfluß an Copisten ersetzt diesen Mangel so, daß die Buͤcher kaum dreymal theuerer sind, wie bey uns. Wenn ein Copist ein Buch ab- schreibt, und fast immer arbeitet; so erarbei- tet er sich doch kaum so viel, daß er anstaͤndig davon leben kann. Die Geschwindigkeit und Fluͤchtigkeit des Abschreibers, verursacht nun F 4 aber aber auch, daß sie ungemein viele Fehler ma- chen, welches nicht wenig den Wissenschaf- ten schadet, und zu Irrthuͤmern Gelegenheit giebt. Sie lesen das, was sie geschrieben ha- ben, nicht wieder durch, und geben auch gemei- niglich so wenig auf ihr vorliegendes Manu- script Acht, daß sie tausend Fehler machen, oh- ne einen einzigen zu bemerken. Oftmals erei- gnet sichs auch, daß fehlerhafte Manuscripte von einem andern abgeschrieben, und nochmals mit eben so vielen Fehler bereichert werden. Dergleichen Manuscripte nun, werden oft von gelehrten Leuten durchgesehen; und wenn sie die Fehler entdecken, so verdammen sie die Ab- schreiber oft dazu, daß sie wuͤrdig waͤren, die eine Hand zu verliehren. Viertes Kapitel. Von der Dichtkunst, Mathematik, Astro- nomie, Astrologie, und Philosophie der Perser. D ie Perser versichern, daß es in den aͤlte- sten Zeiten Dichter gegeben habe, welche die gemeinnuͤtzigsten Wahrheiten in Versen abge- faßt haben, um sie dadurch ehrwuͤrdiger und zugleich fuͤr das Volk angenehmer zu machen. Man Man kann sagen, daß die Dichtkunst auch noch itzt die angenehmste Beschaͤfftigung der persi- schen Nation ausmache. Sie haben von Na- tur die besten Anlagen dazu, ihr Genie ist fruchtbar, und ihre Vorstellung lebhaft: dazu kommt noch die angenehme und fuͤr die Dicht- kunst bequeme Sprache. In ihrer Prosa fin- det man uͤberall Verse untermischt und die Lie- be zu den Versen ist so groß, daß sie sich im Reden derselben oft bedienen. Sie glauben, daß eine Rede, die mit vielen Versen gewuͤrzt ist, geschickter sey, den Innhalt derselben besser zu fassen und zu behalten. — Eines von den Mitteln, deren sich die alten Perser bedienten, um das Andenken einer großen That zu vere- wigen, war, daß man daruͤber ein Gedicht ver- fertigte, und solches in den Versammlungen und bey großen Festins absang. Diese Ge- wohnheit wird auch noch itzt allgemein in Per- sien beybehalten. Vor alten Zeiten beschaͤff- tigte man sich mit Viehweiden und andern Dingen. Die Muße nun, die ihnen dieses stil- le Leben verschaffte, verwandten sie allein auf die Dichtkunst. Und hieraus scheint die Schaͤ- ferpoesie, welche die Griechen ganz wahrschein- lich von den Morgenlaͤndern entlehnt haben, entstanden zu seyn. Vorzuͤglich uͤben sich die jetzigen persischen Dichter in solchen Dingen, welche die Galan- terie, Geschichte und Moral betreffen. Die Gedichte der ersten Art sind gemeiniglich mit F 5 unge- ungemein vieler Freyheit verfaßt, und duͤrfen nicht mehr, als hoͤchstens dreyßig Reihen aus- machen: sie duͤrfen aber auch nicht unter zwoͤlf Zeilen seyn. Eine solche Art von Gedichten nennt man Kasel. Aber doch nicht in allen solchen Gedichten findet man diese uͤbertriebene Freyheit. — Die zweyte Art von Gedichten heißt Keside. Diese pflegen sie zu gebrau- chen, wenn sie den Ruhm großer Maͤnner und Helden der Nachwelt hinterlassen wollen. Ein solches Stuͤck darf nicht uͤber zweyhundert Verse groß seyn. Man pflegt in denselben kleine Erzaͤhlungen und Maͤhrchen anzubrin- gen. Große Gedichte, wo man hinter einan- der fortlesen muß, werden gar nicht geachtet: man findet in ihren Buͤchern wenige, die uͤber achtzig oder hundert Verse lang sind. Dieß versteht sich aber nur bloß von den zwey Ar- ten von Gedichten; denn sie haben auch große Werke, die ganz aus Poesien bestehen. So enthaͤlt z. E. die Chaname sechs und sechzig tausend Verse: es ist aber ein Werk, worinn viele andere Materien mit abgehandelt sind, und das in viele Kapitel abgetheilt ist. Sie nen- nen diese großen Werke in ihrer Sprache Di- van, welches so viel heißt: als die Ver- sammlung der Weisen oder der Alten. Ihre Gedichte reimen sich, wie die Unsri- gen; sie haben auch scandirte Verse, wie die Griechen, Roͤmer u. s. w. und lassen kurze und lange Sylben mit einander abwechseln. Ueber- Ueberhaupt ist ihre ganze Art voll von Unregel- maͤßigkeiten, die sie aber alle fuͤr poetische Frey- heiten ausgeben. Chardin behauptet, daß die Poesie, sie moͤge seyn von welcher Art sie wolle, einen fuͤrtrefflichen Wohlklang habe, und auch solchen Leuten gefallen muͤsse, welche die persische Sprache nur halb oder auch ganz und gar nicht verstaͤnden. Ja er geht noch weiter, und versichert, daß die Poesie der Morgenlaͤn- der, und besonders die der Perser, die Unsrige weit an Schoͤnheit, Wohlklang und andern Eigenschaften uͤbertreffe weil ihre Einbil- dungskraft nicht nur lebhafter, sondern auch ihr Ausdruck erhabener sey und die Poesien un- srer besten Dichter fuͤr weiter nichts — in Ver- gleichung mit den persischen — als frostige und elende Prose zu rechnen waͤren. Sonder Zwei- fel ist diese Meynung viel zu hoch gespannt. Andere, und zugleich zuverlaͤßige, Reisebeschrei- ber melden gerade das Gegentheil, und geben die Poesien der Perser, wo nicht fuͤr elend, doch wenigstens fuͤr sehr mittelmaͤßig aus. Man hat eine Geschichte der persischen Dichter, welche von einem Gouverneur einer Provinz, Namens Sami verfertigt ist; wor- inn man eine uͤberaus große Menge Dichter vorfindet. Afez und Sahdi sind unter die- sen die vornehmsten: und wenn man jeman- den wegen seiner Gedichte loben will; so legt man ihm einen von diesen beyden Namen bey. — Das Frauenzimmer ist von der Frey- Freyheit, Verse zu machen, gaͤnzlich ausge- schlossen. Die Perser haben deswegen unter sich das unhoͤfliche Sprichwort: Wenn die Henne wie der Hahn kraͤhen will; so muß man ihr die Kehle abschneiden. Verschiedene gelehrte Maͤnner sind der Meynung, daß die Kunst, Fabeln zu schreiben, und durch Fabeln das Volk zu unterrichten, den Persern zuzuschreiben sey. Sie fuͤgen noch hinzu, daß es die Griechen selbst gestan- den und sich geruͤhmt haͤtten, die Morgenlaͤn- der hierinn zu Lehrmeistern gehabt zu haben. Locmanns Fabeln, den die Perser ungemein ehren, — weil Mohammed desselben im Ko- ran ruͤhmlichst gedenkt — sollen mit den Aeso- pischen einerley seyn. In Sentenzen und sinnreichen Einfaͤllen, deren Eigenschaft darinn besteht, lehrreiche Wahrheiten in wenigen Wor- ten einzuschließen, haben sich die Perser jeder- zeit hervorgethan. Man sieht sie gewoͤhnlich auf Denkmaͤlern, und die oͤffentlichen Pallaͤste sind mit denselben stark versehen. Herbert und Cbardin haben derselben viele gesammlet. Und um dem Leser von den Faͤhigkeiten der Perser in diesem Stuͤcke eine Idee zu machen, will ich einige hier hersetzen. Ein kluger Freund ist besser, als ein aus- schweifender Freund. Das Geschenk eines freygebigen Mannes ist ein wahres Geschenk: das Geschenk eines eigennuͤtzigen Mannes, ist Betteley. Das Das Herz eines Vaters ruhet auf seinem Sohn; des Sohnes Herz aber, ruhet auf ei- nem Steine. Die Geduld ist ein Baum, dessen Wurzel bitter, die Fruͤchte aber sehr suͤße sind. Ein Mensch kann fuͤr weise gehalten wer- den, wenn er die Weisheit sucht; wenn er sie aber glaubt gefunden zu haben; so ist er ein Narre. Die Hoffnung ist ein fuͤrtrefflicher Reise- gefaͤhrte. Wenn sie uns nicht gewiß an den versprochenen Ort bringt; so verlaͤßt sie uns zum wenigsten niemals, und giebt bestaͤndig gute Worte. Wenn der Koͤnig in dem Garten einer Pri- vatperson einen Apfel abbricht; so werden die Hofleute den Baum mit samt den Wurzeln ausreissen. Drey Arten von Leuten gewinnen nichts, wenn sie mit drey andern Arten von Leuten umgehen, der Edelmann mit dem gemeinen Mann, der ehrliche Mann mit einem Schelm, und der Kluge mit einem Narren. Wer am hellen Mittage herrliche Essenzen verbrennt, der wird bald am Oele, das man des Nachts brennt, Mangel haben. Wehe dem Schiffe, das aus dem Hafen laͤuft, ohne den Zoll zu entrichten: und wehe dem Menschen, der aus diesem Leben gehet, ohne Kreuz und Elend erfahren zu haben. Als Als man einen Weltweisen fragte, von wem er die Weisheit gelernt habe, antwortete er: Ich habe sie von den Blinden ge- lernt, die niemals einen Schritt thun, ohne vorher den Boden mit einem Stocke zu untersuchen. Wenn man euch sagt, daß ein Berg von einem Orte zu dem andern versetzt worden sey; so glaubt es, wenn ihr wollt; sagt man euch aber, daß ein Mensch sein Naturell veraͤndert habe, glaubt es nicht. Des Menschen Natu- rell gleicht seiner Gesichtsbildung: sowohl das eine als die andere sind fast immer einerley. Zehn Derwische werden ruhig auf einer Streue schlafen, und zwey Koͤnige koͤnnen nicht mit einander in einem Vierthel von der Welt in Frieden leben. Uebelerworbenes Gut, verzehrt das Gut- erworbene. Was man zu viel hat, muß von der Masse, als ein uͤberfluͤßiges Gut an- gesehen werden. Allmosen sind das Salz des Reichthums: ohne dieses Erhaltungs- mittel verdirbt es. Du bist ein Mensch, und solltest nicht ge- duldig seyn? Drey Sachen lernt man nur bey drey Ge- legenheiten erkennen: die Tapferkeit im Strei- te, die Klugheit im Zorn, und die Freundschaft in der Noth. Das Meer bietet unsaͤgliche Reichthuͤmer dar, die Sicherheit aber ist auf dem Ufer. Es Es ist großen Maͤnnern eigen, ihren Feh. ler zu gestehen. Thut Gutes, wenn ihr wollt, daß man euch auch Gutes thun soll. Der Anfang des Zorns ist Wuth, und das Ende Reue. Wohlthaten, wenn sie uͤbel angewendet sind, gerathen oft dem zum Schaden, der sie giebt, und auch dem, der sie erhaͤlt. Die Menschen folgen der Religion und den Sitten ihres Koͤniges. Wer eine niedrige Handlung lobt, begehet sie selbst. Wer jemanden besucht, unterwerfe sich dem Gesetze desjenigen, den er besucht. Wer seinen Vater ehrt, dessen Tage sollen verlaͤngert werden. Wenn ihr euch des Weins nicht mit Ver- stande bedienet; so werdet ihr ein Elender werden. Gebraucht ihr ihn aber mit Verstan- de; so werdet ihr einmal ein beruͤhmter Mann werden. Unternehmet nichts, ohne vorher daran ge- dacht zu haben. Laßt das nicht durch andere Leute thun, was ihr selbst thun koͤnnet. Wenn ein Mensch in einem Hause ist; so reicht auch ein Wort zu. Wenn ein Bedienter gefaͤllt; so gefaͤllt auch zugleich Alles, was er macht. Wenn Wenn man mit leeren Haͤnden zu dem Richter geht; so bekommt man ihn nicht zu sehen. Der Umgang mit niedertraͤchtigen Seelen ist einer Schiffahrt auf dem hohen Meere aͤhn- lich. Die Menschen, welche man sicht, sind nicht alle Menschen. Die meisten sind Ochsen und Esel ohne Gott. Wenn man ein Werk nie anfaͤngt; so wird es auch nicht zu Stande kommen. Was hilft dem Schaͤfer das Schreyen, wann der Wolf mit dem Schaafe davon geht. Etwas Schoͤnheit gilt mehr, als große Reichthuͤmer. Wenn der Tag kommt; so loͤscht man das Licht aus. Wer sich selbst vor dem Wolfe fuͤrchtet, der giebt auf seine Schaafe nicht Acht. Fuͤrchtet euch fuͤr den, der euch fuͤrchtet. Wenn ein frommer Mensch sterbend nichts verlaͤßt als ein Schreibzeug und Federn; so kann er allemal des Paradieses sicher seyn. Die Menschen verbrauchen die Zeit, aber die Zeit verbraucht noch mehr die Menschen selbst. Die Niedertraͤchtigkeit ist die bestaͤndige Feindinn der Reichthuͤmer. Die Armuth ist weit besser, als uͤbelerwor- benes Gut, und niedertraͤchtiger Gewinnst. Das Das groͤßeste Ungluͤck der Armuth besteht darinn, daß man von Jedermann verachtet wird. Der groͤßeste Nutzen der Reichthuͤmer ist der, daß man von Jedermann geachtet wird. Das Leben eines Geizigen ist immer kurz, das Leben eines freygebigen Menschen ist immer lang. Wer das Gute nicht von dem Boͤsen zu un- terscheiden weiß, gehoͤrt unter die Zahl der un- vernuͤnftigen Thiere. Wer einen Freund ganz ohne Fehler ver- langt, wird nie einen bekommen. Das Wort Freund ist ein Ausdruck ohne Bedeutung. Was man in seinem Herzen gegen einen Freund empfindet, fuͤhlt er auch in seinem Her- zen gegen uns. Wer sich mit seinen Feinden versoͤhnt, be- leidigt dadurch seine Freunde. Die Geduld ist bitter, aber ihre Frucht ist suͤß. Die Geduld ist die Thuͤre zur Freude, das Auffahren die Thuͤre zur Reue. Der Mensch hat ein kurzes Leben, aber ei- ne desto laͤngere Hoffnung. Die Seele verliert nicht eher die Hoffnung, bis der Tod kommt. Ein Koͤnig ohne Gerechtigkeit, ist ein Fluß ohne Wasser. G Wenn Wenn das Luͤgen je erlaubt ist, so moͤchte es wohl da seyn, wenn man mit Luͤgnern um- gehet. Unterhaltet euer Gluͤck so, als wenn ihr ewig leben muͤßtet. Man huͤte sich fuͤr dem Menschen, der in eines andern Abwesenheit uͤbel von ihm redet, und entferne sich aus dessen Gesellschaft. Man muß nur bloß zur Erholung spielen, so wie man eine Sache salzet, um sie vor der Faͤulniß zu bewahren. Drey Dinge verlaͤngern das Leben, schoͤne Kleider, ein schoͤnes Haus, eine schoͤne Frau. Es ist leichter, einen Gottlosen von seiner Bosheit abzuhalten, als einen traurigen Men- schen von seiner Traurigkeit. Wer seinen Kindern kein Handwerk lernen laͤßt, der erzieht sie nur zu nichtswuͤrdigen Leu- ten auf. Wenn ein Mensch seinem Ende nahe ist; so betet ein jeder fuͤr ihn. Betragt euch auf eine solche Art, daß ihr, wenn ihr vor die Pforte des Paradieses kommt, nicht reich seyd; denn die Armen sitzen im Pa- radiese auf der ersten Bank. Begnuͤgt euch mit dem, was euch Gott giebt, alsdann habt ihr genug. So lange man das Geheimniß seines Freundes verschweigen kann, so lange muß man es auch thun. Es Es giebt zwey Arten von elenden Menschen, naͤmlich, wer etwas sucht, und nichts findet, und dann, wer etwas findet, und damit nicht zufrieden ist. Mit Wenigem zufrieden zu seyn, ist der groͤßeste Reichthum. Die Gluͤckseligkeit dieser und der andern Welt bestehet darinn, seinen Freunden Gutes zu thun, und das Unrecht seiner Feinde zu er- tragen. Ein Weiser, der schweigt, ist besser, als ein Narr, der redet. Man unterhalte sich niemals mit einem Narren, und enthalte sich alles Umgangs mit ihm, denn er besitzt keine Schamhaftigkeit. Man muß die Kinder nie aufhalten, wenn sie in die Schule gehen: auch nicht einmal, um das Feuer in der Nachbarschaft ausloͤschen zu helfen. Ein schamhafter Mensch wird nicht viel lernen, und ein zorniger schlecht unterrichten. Hoͤre zu, alsdann wirst du etwas lernen. Schweig, alsdann wirst du Friede haben. Wer eine Frage aufwirft, hat Lust zu ler- nen. Ein einziger Tag eines gelehrten Mannes ist besser, als das ganze Leben eines Ignoran- ten. Der Ruhm eines Kaufmanns besteht in sei- ner Boͤrse. Der Ruhm eines Gelehrten aber in seinen Buͤchern. G 2 Ein Ein Gelehrter, der nichts hervorbringt, ist einer Wolke ohne Wasser aͤhnlich. Lerne Weisheit von der Wiege an bis ins Grab. Ein Narr gefaͤllt sich selbst. Zwey Arten von Hunger koͤnnen nie ge- stillt werden, naͤmlich der Hunger nach Wis- senschaft und der nach Reichthum. Der Unwissende ist sich selbst feind, wie koͤnnte er denn andre lieben? Ein Weiser kennt den Unwissenden, weil er selbst unwissend gewesen ist. Aber ein Un- wissender kennt den Weisen nicht, weil er nie weise gewesen ist. Zwey Arten von Leuten arbeiten vergebens, naͤmlich der, welcher Reichthuͤmer zusam- men scharrt, und ihrer nicht genießt, und dann auch der, welcher gelehrt ist, und das, was er gelernt hat, nicht von sich geben kann. Der Kluͤgste unter allen Menschen ist der, welcher an sein Ende denkt. Mehrere Sentenzen und Spruͤche der Per- ser hier anzufuͤhren, finden wir, um den Leser nicht zu ermuͤden, nicht fuͤr noͤthig. Wer mehr zu wissen wuͤnscht, kann unsern Reisebeschreiber nachlesen. — Es ist nun Zeit, daß wir zu der Mathematik der Perser uͤbergehen. Seit vielen Jahrhunderten haben sich die Morgenlaͤnder, und unter diesen vorzuͤglich die Perser und Araber, auf die Mathematik gelegt, die sie in ihrer Sprache Elm-Riazi, oder eine beschwer- beschwerliche Wissenschaft nennen. Der be- ruͤhmteste Mathematiker, den die Perser in dem mittlern Zeitalter aufzuweisen haben, heißt Coja Nessir . Er hat einen sehr gelehrten Commentar uͤber den Almagest des Ptolo- maͤus geschrieben, und mit gluͤcklichem Erfolg an den Anfangsgruͤnden des Euclides gearbei- tet, und zugleich verschiedene Propositionen er- laͤutert — besonders bemerkt man seinen Fleiß in der sieben und vierzigsten des ersten Buchs — die er mit einigen dreyßig Corollarien aus dem bekannten Theorema vcrmehrt. Die Per- ser nennen diese Proposition Chek le arrus , oder die Figur einer Verheyratheten , um dadurch die Fruchtbarkeit dieses Grundsatzes anzuzeigen. Sie halten den Pythagoras, oder wie sie ihn nennen Fichagores , fuͤr den Erfin- der dieser Proposition. Die Perser haben fast allen Propositionen der Anfangsgruͤnde des Euclides besondere Namen gegeben. — Naͤchst diesem Coja Nessir hat sich Maimon Re- chid in dieser Wissenschaft besonders bekannt gemacht. Er hat ebenfalls mit vielem Gluͤcke uͤber den Euclides commentirt. Bey der er- sten Proposition dieses Autors hat er solche wich- tige Entdeckungen gemacht, daß man sie nach- her des Maimons Figur genannt hat. Er hatte sich in diese Proposition so verliebt, daß er sie auf seinem Rockermel hat sticken lassen, um sie immer vor Augen zu haben. Man erzaͤhlt, daß er beym Ende seines Lebens G 3 soll soll gesagt haben: daß die Logik und Ma- thematik Wissenschaften waͤren, an wel- chen ein Mensch seinen Verstand am al- lerbesten schaͤrfen koͤnnte; es waͤre ihm aber sehr unangenehm, daß die erste von diesen Wissenschaften so ungewiß, und die andere, die zwar richtige Grundsaͤtze haͤtte, so schwer zu erlernen sey . Die Perser verstehen die Trigonometrie, Geometrie, Optik u. s. w. hinlaͤnglich, und haben nicht nur geschickte Lehrer, sondern auch zugleich fuͤrtreffliche Werke, aus denen sie sich Raths erholen koͤnnen. — — Etwas von der Astronomie und Astro- logie der Perser. Diese beyden Wissenschaften koͤnnen fuͤg- lich mit einander abgehandelt werden, weil sie die Perser nie von einander absondern; ja man kann sagen, daß sie die Astronomie bloß aus Liebe zur Astrologie lernen. Sie nennen die Astronomie, Elm nejoum , das heißt, die Wis- senschaft der Gestirne: und die Astrologie, Este Krag , das heißt, die Entdeckung der Gestirne. — Diese beyden Wissenschaften sind bey den Persern am meisten geachtet und be- arbeitet, sie sind wahrscheinlich die, worinn sie den Europaͤern am naͤchsten kommen, und viel- leicht eben so weit gekommen sind, als die Eu- ropaͤer. Man braucht nur, wenn man sich von dem Zutrauen der Perser zu der Astrologie einigen Begriff Begriff machen will, die Menge derjenigen, welche sich auf diese Wissenschaft legen, naͤher zu betrachten. Chardin schreibt, daß in Ispa- han, so viel Astrologen waͤren, als Sterne am Himmel. Die allerberuͤhmtesten persischen Astrologen sind alle in der Provinz Khorasan gebohren. Alle diejenigen, welche sich in die- ser Wissenschaft seit sechs oder sieben Jahrhun- derten einen Namen erworben haben, sind aus dieser Provinz, und der Koͤnig selbst leidet an seinem Hofe keine andere Astrologen, als die in dieser Provinz gebohren, oder doch wenig- stens von Jugend auf unterrichtet sind. Man versichert, daß die Astronomie in der Provinz Khorasan deswegen mehr bearbeitet wuͤrde, weil sie eine sehr reine und trockene Luft habe, und man deswegen mehr Gelegenheit habe, die Be- wegung der Gestirne zu beobachten. Man findet immer Astrologen an dem koͤ- niglichen Hofe, welche die Befehle, wie ich schon anfangs bemerkt habe, erwarten. Der Vor- nehmste unter diesen muß allezeit bey dem Koͤ- nige seyn — ausgenommen, wenn er im Ser- rail ist — um ihm die gluͤcklichen oder un- gluͤcklichen Tage oder Stunden anzuzeigen. Ein jeder dieser Astrologen fuͤhrt sein Astrola- bium oder seinen Meßstab bey sich. Sie ge- brauchen aber bloß das Astrolobium, und da- her kommt es auch, daß sie sich oͤfters in ihren Beobachtungen betruͤgen, besonders in Ausmes- sung der Breiten. Es fehlt ihnen auch gaͤnz- G 4 lich lich an ordentlichen Aequations-Tabellen, an einer regelmaͤßigen Erdkugel, Vergroͤße- rungsglaͤsern und an den Maschinen, die von unsern europaͤischen Astronomen entweder ganz neu erfunden, oder doch wenigstens sind ver- bessert worden. Man muß sich deswegen auch nicht wundern, wenn man in den Berechnun- gen der Stunden bey dem Eintreffen der Sonn- und Mondfinsterniffen, beym Solstitio, der Zusammenkunft der Planeten und andern Be- gebenheiten des Himmels, nicht diejenige Ge- nauigkeit sindet, wie bey uns. Dennoch aber versichern die Reisebeschreiber mit Zuverlaͤßig- keit, daß die Astrolabia der Perser weit regel- maͤßiger und schoͤner sind, als die unsrigen. Ein jeder Astronom muß sich dasselbe allein machen, wenn er unter die Zahl der Gelehrten zu gehoͤren wuͤnscht. Einige persische Astronomen zaͤhlen neun und vierzig Constellationen. Die Namen, die sie ihnen beylegen, sind fast die, welche wir ih- nen geben: wenigstens findet man wenig Un- terschied. Von denjenigen Constellationen, die unsre neuern Beobachter gegen den mittaͤglichen Kreiß entdeckt haben, wissen sie nichts. Die Kalender der Perser heißen Estekra- ge Takuimi , das ist, Entdeckungen der Tage des Jahrs. Sie bestehen aus einem Gemisch astronomischer Wahrnehmungen und Weißa- gungen. Man findet in denselben die Son- nen- und Mondfinsternisse, und ihre verschie- denen denen Aspecten, ferner die Vorherverkuͤndigun- gen der merkwuͤrdigsten Begebenheiten, als Krankheiten, Kriege, Mangel oder Ueberfluß, Reisen und andere Vorfallenheiten des mensch- lichen Lebens, Vorhersagung guter oder boͤser Stunden, damit die Menschen darnach ihre Handlungen einrichten koͤnnen. Auch alle Fest- tage findet man darinn aufgezeichnet. Diese Kalender werden zu Anfang des Merzes be- kannt gemacht, und dauren ein ganzes Jahr. Sie werden in klein Folio geschrieben, und mit goldenen und blauen Linien, Vignetten und andern gemalten Zierrathen geschmuͤckt. Die schoͤnsten dieser Kalender kosten wohl vier bis fuͤnf Thaler, nach unserm Gelde gerechnet, die wohlfeilsten aber wenigstens einen Thaler. Je- der Perser kauft sich einen, und richtet sich nach demselben, wie nach dem Koran. Die Abschrei- ber sind gewoͤhnlich die Distributeurs der Ka- lender, sie erhalten sie von den Astrologen, und muͤssen auch diesen die Gelder dafuͤr einlie- fern. Es ist an den persischen Kalendern sonder- bar, daß sie außer den Jahren der gewoͤhnli- chen Zeitrechnung auch diejenigen Epochen, die im Orient gebraͤuchlich sind, mit bemerken. Die gewoͤhnlichste Zeitrechnung heißt, wie be- kannt, Hegira — Chardin nennt sie Hegera , vielleicht ein Druckfehler. — Sie faͤngt an, da Mohammed, von den Einwohnern zu Mek- ka verfolgt, nach Medina fliehen mußte, wel- G 5 ches ches eilf Jahr vor seinem Tode geschah. Der erste Tag dieser Epoche faͤllt nach der gemeinen Ausrechnung auf den 15ten oder sechzehnten Julius 622 nach Christi Geburt. Ehe die Hegira eingefuͤhrt war, war das arabische Jahr ein Sonnenjahr, und bestand aus zwoͤlf Mo- naten, die allemal auf ihre bestimmte Zeit ein- fielen. Ihre Namen hatten ihre Beziehung auf die Arbeiten oder Uebungen einer jeden Jahrs- zeit. Mohammed schaffte das Sonnenjahr ab, und fuͤhrte das Mondenjahr ein, behielt aber die Anzahl und Namen der Monathe bey. Diese Monathe, wenn sie gleich etwas verkuͤrzt sind, fallen itzt noch ohne Unterschied auf alle Jahrszeiten. Ich will ihre Ordnung, Namen, Bedeutung und Dauer hersetzen. Tage. 1. Maharram 30. d. i. geheiligter Monath. Denn in demselben hoͤrt aller Streit mit andern Voͤlkern auf. 2. Safar 29. hat den Beynamen: der gute und siegreiche Mo- nath, weil es ein Mo- nath zum Kriegen, oder um Recht zu sagen, ein Monath zum Pluͤndern und Stehlen war. 3. Re- Tage. 3. Rebiah 1ste 30 heißt eigentlich, seiner Be- deutung nach, wieder gruͤn werden. — Bey den Arabern findet, wie bekannt, ein zwiefacher Fruͤhling statt. 4. Rebiah 2te 29. 5. Gemadi 1ste 30. heißt so viel, als erfrie- ren, weil es in diesem Mo- nath kalt ist. 6 Gemadi 2te 29. 7. Regeb 30. mit den Beynahmen der Ehrwuͤrdige. 8. Chaban 29. welches so viel heißt, als theilen. Es hat auch den Beynamen, der Lobens- wůrdige , weil er in die Zeit faͤllt, wenn sich die Araber vertheilen, um Viehweiden zu suchen. 9. Rhamazen 30 d. heißt, außerordentlich warm, weil er mitten im Sommer einfaͤllt. In die- sem Monathe darf sich keiner verheyrathen. 10 Cha- Tage. 10. Chaval 29. d. i. huͤpfen und sprin- gen. Er hat den Zuna- men: ehrenvoll . 11. Zilcade 30. d. h. sich an einem Orte verweilen. 12. Zilhage 29. will so viel sagen, als, zusammen kommen, weil dieß der Monath war, wo man sich versammle- te, um die Wallfahrten zu thun. Wenn man nun alle die Tage zusammen ad- dirt; so hat man ein Jahr von 354 Tagen. Folglich besteht ein Arabisch Jahr aus eilf Ta- gen weniger, als das unsrige. — Die uͤbri- gen Epochen, die in den persischen Tagebuͤchern bemerkt sind, heißen die Tartarische, Alexandri- nische, Jezdegerdische, und Malekeenische Zeit- rechnung. In historischen, chronologischen und astronomischen Schriften findet man, daß die Perser sich dieser verschiedenen Epochen zu bedienen pflegen. Die tartarische Zeitrechnung war zuerst in Persien eingefuͤhrt. Man bedient sich derselben zugleich mit der Hegira, den Tag der Unterzeichnung in den Rechnungskammern zu bestimmen. Sie bestehet darinn, daß man die Zeit durch Zirkel, die aus zwoͤlf Monden- jahren jahren bestehen, ausrechnet, wovon ein jedes Jahr den Namen eines Thieres fuͤhrt. Sie haben folgende Ordnung. Tartarische Namen Ihre Bedeutung. 1 Kesbou — eine Maus. 2 Out — ein Ochse. 3 Pars — ein Tieger. 4 Touzchcan — ein Haase. 5 Loui — ein Crocodil. 6 Ilan — eine Schlange. 7 Yunad — ein Pferd. 8 Kri — ein Schaaf. 9 Pitchin — ein Affe. 10 Dakout — eine Henne. 11 Eit — ein Hund. 12 Tangouz — ein Schwein. Man pflegt sich daher, um das Jahr zu benennen, des Ausdrucks zu bedienen: Im Jahre des Ochsen, der Maus ꝛc. alsdann weiß man schon das wievielste gemeynt ist. Ist der Zirkel herum; so faͤngt man wieder von vorne an. Andere mittaͤgliche Indier pflegen sich die- ser Epoche auch zuweilen zu bedienen. Die zweyte Zeitrechnung, die ich angefuͤhrt habe, naͤmlich die Alexandrinische, wurde in Syrien Syrien, zwoͤlf Jahre nach Alexanders Tode, auf Befehl des Seleucus, eingefuͤhrt. Daher man sie auch die Zeitrechnung der Seleuker nennt. Sie hat 312 Jahr vor Christi Geburt ihren Anfang genommen, und ist verschiedene Jahrhunderte die herrschende in Persien gewe- sen. Das Jahr besteht aus 365 Tagen, und wird in zwoͤlf Monathe eingetheilt, wovon dieß die Namen sind. 1. Teschrin 1ste hat 31 Tage. 2. Teschrin 2te — 30. — 3. Canoun 1ste — 31. — 4. Canoun 2te — 31. — 5. Schabat — 28. — 6. Adar — 31. — 7. Nisan — 30. — 8. Ayar — 31. — 9. Haziran — 30. — 10. Tamouz — 31. — 11. Ab — 31. — 12. Eiloul — 30. — Die uͤbrigen Zeitrechnungen lasse ich hier der Kuͤrze wegen vorbey, und merke nur noch an, daß sich die Jezdegerdische Zeitrechnung mit der Regierung Jezdegerds III. als des letz- ten Prinzens aus der Dynastie der Sassaniden ange- angefangen habe, und noch heutiges Tages bey den alten Guebers gebraͤuchlich sey. — Die Ma- lekeenische Zeitrechnung stammt von Schach Malek Gelaleddin ab, dem dritten Prinzen der Dynastie der Seljonciden. Die Perser bearbeiten die Philosophie in allen ihren Theilen eben so, wie wir, und be- nennen sie auch mit eben dem griechischen Wor- te, φιλοσοφοι als wir; gebraͤuchlicher aber ist die Benennung Hekmet , d. i. die Wissen- schaft der Fuͤrtrefflichkeit . Sie theilen sie in zwey Theile, naͤmlich in die Metaphysik des Collegiums , und in die Theologie der Schule . — Die Perser glauben als gewiß, daß die alte Philosophie in zwey Secten ge- theilt gewesen sey; die erste habe Thebaion ge- heißen, und keine immaterielle Ursache oder Wuͤrkung angenommen; die andere sey Elai- run genannt worden, und habe zum Princi- pium einen Geist, als den Bewuͤrker der Ma- terie angenommen. — Itzt nennen sie die Logik oder Dialektik Elm-el tekbir , d. h. die Wissenschaft der Auslegung: die Physik, Elm tebia , d. h. die Wissenschaft der Natur, und die Metaphysik, Elm Fimabehedelte- bia , d. h. die Wissenschaft uͤber die Natur. Die Perser sind große Anhaͤnger der ari- stotelischen Philosophie, sie lesen aber ihren großen Meister nicht in der Sprache, worinn er geschrieben hat; sondern sie kennen nur seine Werke aus den Uebersetzungen und Commen- tarien tarien des Avicenna, Coja Nessir — des- sen wir im Vorhergehenden ruͤhmlichst gedacht haben — des Averroes , und einiger andern persischen Gelehrten, weil die griechische Spra- che in Persien ganz vernachlaͤßigt wird. Wir haben gesagt, daß die Perser die gan- ze Philosophie in drey Theile theilten, in die Phrsik, Metaphysik und Logik . Wir mer- ken hierbey noch an, daß sie auf diese drey Thei- le nicht allein die ganze Philosophie , son- dern auch alle Wissenschaften zuruͤckbrin- gen. So rechnen sie z. E. die Mathematik und Medicin mit zur Physik . Unter der Metaphysik begreifen sie die speculative und Moraltheologie und Jurisprudenz mit: endlich rechnen sie zur Logik , die Rhetorik und Grammatik . Die Philosophie des Epicurs und des De- mocrits kennt man in Persien nicht, wohl aber die des Pythagoras, welche in Indien vorzuͤg- lich bluͤhet. — Uebrigens muß man bemer- ken, daß die Perser von der Logik und Phy- sik nur sehr eingeschraͤnkte Kenntnisse haben, und hierinn vor den andern Wissenschaften, sehr zuruͤck sind. Die Moral aber — welche ganz aus Sentenzen, davon ich im vorhergehenden einige beygebracht habe besteht, — treiben sie mit ungemeinem Fleiße. — Zwischen Meta- physik und Theologie machen sie keinen Unter- schied. Fuͤnf- Fuͤnftes Kapitel. Von einigen Kuͤnsten, Handwerken und Manufacturen. D ie Perser nennen die Musik in ihrer Spra- che Musiki , welches Wort sie von den Griechen scheinen angenommen zu haben. Ih- re Scala besteht aus neun Toͤnen; fuͤr die Stimme und Instrumente haben sie besondere Tabulaturen, welche eine uͤberaus große Menge Figuren in sich fassen. Man muthmaßet daher nicht ohne Grund, daß die Vervielfaͤltigung der Zeichen, die Art, die Musik zu studiren, sehr verwirrt machen muͤsse. Ihre musikali- schen Noten sind mit den Namen der Staͤdte eines Landes, einiger Theile des menschlichen Koͤrpers, oder mit einer andern bekannten Sa- che belegt. Wenn sie jemanden in der Musik unterrichten wollen, so pflegen sie zu sagen: Gehe itzt zu dieser, zu jener Stadt . Ihre Gesaͤnge sind lebhaft und munter; sie lieben die starken und hohen Stimmen, die Triller und großen Coloraturen im Singen. Denn, sagen sie, man muß die Menschen durch die Harmonie der Stimmen zum Lachen und Weinen bringen koͤnnen, wenn man recht singen will. Die Arien nennen sie Perdeh , und H theilen theilen sie nach den Namen der alten Koͤnige und der Provinzen ein. Sie pflegen sie gemei- niglich mit der Laute oder Violine zu begleiten, die nur die Melodie des Saͤngers wiederholt. Die Mannspersonen haben die hellste und zu- gleich die angenehmste Stimme; sie wuͤrden es auch gewiß im Singen weit bringen, wenn der Gesang und der Tanz fuͤr anstaͤndige Kuͤnste angesehen wuͤrden. Sowohl diesen als jenen pfle- gen die Eltern ihren Kindern nicht lernen zu lassen, weil sich mit denselben gemeiniglich ver- daͤchtige und ungesittete Leute abgeben; und derjenige, welcher sich mit einer dieser Kuͤnste abgeben wollte, wuͤrde gewiß fuͤr veraͤchtlich gehalten werden. — Indessen hat doch das Volk einen so ungemeinen Hang zum Singen, daß es immer, obwohl langsam, singet, um sich dadurch aufzumuntern und zu vergnuͤgen. Man muß sich daher auch nicht wundern, wenn ihre Musik aͤußerst verwirrt ist. — Die Per- ser sowohl als die Araber nennen die Saͤnger Kayne’ , ein Wort, welches von Cain herkom- men soll, weil die Morgenlaͤnder vorgeben, daß die Soͤhne Cains den Gesang und die Musik erfunden haben. — Sie haben eine große Menge musikalischer Instrumente, und zwar von verschiedenen Gat- tungen. Sie haben kupferne Pauken und Trommeln, die an Groͤße den unsrigen sehr gleich sind, und noch eine andere Art von Pau- ken, die noch viel groͤßer sind, und mit unsern Korn- Kornscheffeln viel Aehnlichkeit haben. Man sieht oft Pauken von drey Fuß im Durch- schnitt, die so schwer sind, daß sie nicht einmal ein Kameel tragen kann, sondern daß sie mit Karren muͤssen fortgebracht werden. Sie ha- ben kupferne Trompeten; von sieben bis acht Fuß lang, die oben enge und unten breit sind, und einen gedaͤmpften Ton von sich geben, so daß man sie weit hoͤren kann. Wenn dieß In- strument allein, ohne Begleitung anderer, ge- blasen wird; so giebt es eben keinen sonderlich angenehmen Schall; in Begleitung anderer aber nimmt es sich gut aus. Ferner trifft man bey ihnen auch Waldhoͤrner, Clarinen, Haut- bois, Floͤten, Flageoletten und Querpfeifen, imgleichen einige Saiten-Instrumente, als Har- fen, Spinette, Zittern, Baßgeigen, Violinen, Lauten und andere an. Die Saiten auf ihren Instrumenten sind von den unsrigen sehr ver- schieden. Anstatt daß wir Darmsaiten gebrau- chen, bedienen sie sich solcher von Seide oder metallenem Drath, weil sie es fuͤr unrein hal- ten, die Theile verstorbener Thiere zu beruͤh- ren. Bey dem Tanze pflegen sie sich gewoͤhn- lich der Zimbeln zu bedienen. Diese bestehen aus zwey messingenen Becken, fast wie Klo- cken, die sie zusammenschlagen, uͤber den Kopf halten und auf allerley Arten bewegen. Weit angenehmer ist noch ein anderes Instrument, welches eine Art von Klockenspiel ist, und aus kleinen Klocken von Porcellain oder Erzt von H 2 ver- verschiedener Groͤße, die man sanfte mit kleinen Stoͤckchen beruͤhrt, besteht. Die Schauspiele pflegen in Persien auf oͤf- fentlichen Plaͤtzen oder in den Haͤusern vermoͤ- gender Privatpersonen vorgestellt zu werden. Man findet uͤberall, fast in jeder Stadt des Reichs, Banden von Taͤnzern und Gaukelspie- lern, die sich nach einen jeden Ort, wohin sie gerufen werden, begeben. Ohne dergleichen Leute wird nie eine Hochzeit gehalten, oder ein Festin gegeben, weil die Gaͤste sich an den Pos- sen gemeiniglich sehr ergoͤtzen. Die Truppe der Taͤnzer besteht aus lauter Frauenspersonen. Sie tanzen mit außerordentlicher Fertigkeit, und machen zugleich unter dem Tanze solche kuͤnstliche Spruͤnge, Wendungen und Possen, daß der Zuschauer sich daruͤber wundern und zugleich lachen muß. Eine solche Gesellschaft von Taͤnzerinnen — wovon eine die Direction hat, — wird uͤbrigens gar nicht geachtet, weil sie gemeiniglich die verrufensten Huren des Landes sind. Die Baukunst der Perser scheint bloß die Bequemlichkeit und die Pracht der Zimmer zum Augenmerk zu haben. Die Haͤuser bauen sie nicht von Steinen, nicht, weil es an Stei- nen fehlt, sondern weil es in den heißen Laͤn- dern nicht gewoͤhnlich ist, steinerne Gebaͤude aufzufuͤhren. Holz brauchen sie gleichfalls nicht zum Bau der Haͤuser. Ihre Materialien sind am Feuer gebrannte, oder an der Sonne gedoͤrr- te te Ziegelsteine, und weil ihre Haͤuser von außen nur mit Mauerkalk beworfen werden; so giebt dieß freylich einen sehr unangenehmen und wunderlichen Anblick. Aber inwendig findet man die groͤßeste Pracht und Bequemlichkeit. Man bringt an denselben nicht gerne Portals und andere aͤußerliche Zierrathen an. In den meisten Haͤusern findet man inwendig fuͤnf oder sechs Fuß von der Hauptthuͤr eine Mauer, die so hoch und so breit ist, wie die Thuͤre selbst, welche die Vorbeygehenden verhindert, ins Haus zu sehen. Gemeiniglich haben die Gebaͤude nur ein Stockwerk; diejenigen aber, die zwey Stock hoch sind, haben keinen so erhoͤheten Grund, als die ersten. Man findet einige, die unter der Erde gebauet sind. Dieß verursachet nicht die geringste Unbequemlichkeit, weil die Luft fast durchgaͤngig trocken ist. Es kommt den Persern und andern orientalischen Voͤlkern sehr sonderbar vor, wenn sie hoͤren, daß unsere Gebaͤude drey, vier bis fuͤnf Stockwerk hoch sind. Sie freuen sich daher daruͤber, daß ihre Bauart weit vernuͤnftiger, als die der Euro- paͤer ist. Diejenigen Oerter, wo der Boden von Na- tur hart und thonigt, und nie umgegraben ist, werden bebauet, ohne vorher, wie bey uns, Pfaͤhle in die Erde zu rammen. Wenn aber der Boden vorher ist umgegraben worden; so machen die Perser einen Graben, ohngefaͤhr H 3 fuͤnf fuͤnf bis sechs Fuß tief, bis sie festen Boden antreffen. Alsdann wird der Graben mit ge- woͤhnlichen Ziegelsteinen angefuͤllt, und in der Erde ordentlich gemauert. Bey einer solchen Mauerey vergeht viel Zeit, denn sie gehen nicht so damit um, wie bey uns, sondern wenn sie eine Reihe Ziegelsteine gelegt haben; so halten sie mit der Arbeit so lange ein, bis die gelegte Reihe Steine und Kalk voͤllig trocken ist. Je weiter sie nun mit der Mauer kommen, je schmaͤler pflegen sie sie immer zu machen. — Ueberhaupt versichert Chardin , daß die Mauern in Persien ungemein hoch gemacht werden, und an den Pallaͤsten an Hoͤhe und Groͤße die Mauern unserer wohlverwahrtesten Kloͤster uͤbertraͤfen. Das Dach eines Gebaͤudes ist gemeiniglich gewoͤlbt. Hierinn sollen die persischen Baumei- ster ungemein geschickt seyn, und man versichert, daß man in keinem Lande kuͤhlere und zugleich zierlichere Gewoͤlbe antreffe. Ein Beweis von ihrer Geschicklicklichkeit in dieser Art der Bau- kunst ist, daß sie sich naͤmlich keiner Geruͤste be- dienen, wenn sie kleine Gewoͤlbe machen wollen. Ihre gewoͤlbten Daͤcher sind platt und niedrig, und das aͤußerste Obertheil besteht aus einer Ebene, die vorher ungleich, itzt aber gleich ge- macht ist. Diese Terrassen, auf welchen man freye Luft zu schoͤpfen pflegt, und sich zuweilen schlafen legt, sind gemeiniglich mit Ziegelsteinen gepfla- gepflastert, und mit einer niedrigen Mauer um- geben. Was die innere Gestalt und Einrichtung der Haͤuser betrifft; so muß man bemerken, daß die schoͤnsten Haͤuser gemeiniglich zwey bis vier Fuß uͤber das erste Stockwerk erhoͤhet sind, und aus vier kleinen Hauptgebaͤuden bestehen, die den vier Winden entgegen gesetzt sind. Rund ums Gebaͤude herum geht ein steinern Gelaͤnder, sieben bis acht Fuß breit. Man findet inwendig einen großen Saal, und neben diesem noch vier andere kleine Saͤle, und denn noch verschiedene niedrige Zimmer und Appar- tements, die aber in den Winkeln des Gebaͤu- des angebracht sind. Die kleinen Saͤle for- miren gewoͤhnlich einen gewoͤlbten Gang, und sind von dem großen Saale durch Aufschiebe- fenster abgesondert. Die Zimmer und Cabi- netter sind mit Mauern ohne Fenster umgeben, so daß das Licht nur durch die Thuͤren, die ge- woͤhnlich weit sind, und zusammen gelegt wer- den koͤnnen, hinein fallen kann. Eine Schoͤnheit der persischen Haͤuser be- stehet auch mit darinn, daß sie von oben bis unten offen sind, so daß man, wenn man im Hause sitzt, eben die Luft verspuͤrt, als wenn man draußen ist. Diese Bauart ist fuͤr Per- sien gut, weil sie nicht einen so strengen Winter haben, wie wir in Europa. Fuͤr uns wuͤrden dergleichen Gebaͤude sehr unbequem und von kei- nem langen Bestande seyn. — Die Perser H 4 brin- bringen in ihren Zimmern, und zuweilen auch in ihren Saͤlen, kleine Camine an, deren Oeff- nungen halbcirkulfoͤrmig und sehr niedrig und enge sind, weil sie sonst, dafern sie diese groͤßer machen wollten, viel Holz brauchen wuͤrden, das sehr rar ist. In den Haͤusern des gemei- nen Volks findet man runde Ofen, die mitten auf dem Boden funfzehn auch wohl zwanzig Zoll tief in die Erde gesetzt werden, und sieben bis acht Fuß im Umfang haben. — Die Fen- ster in den gemeinen Haͤusern gleichen fast un- sern so genannten Jalousien, und bestehen bloß aus hoͤlzernen Gittern, die von Ahornbaͤumen gemacht sind, und ein schoͤnes Ansehn haben. Die Fenster der Vornehmen unterscheiden sich von jenen dadurch, daß sie statt jener Jalou- sien, durchsichtige Wachsleinwand haben, die gewoͤhnlicherweise sehr schoͤn bemalt ist, oder sie machen sie auch aus Glasscheiben von viel- fachen Farben, die Voͤgel, Blumen, Vasen, u. s. w. vorstellen. — Die Waͤnde in den Stu- ben werden mit Kalk- und Talksteinen ange- strichen, welches ihnen einen angenehmen Glanz und Glaͤtte giebt. Diesem fuͤgt man zuweilen noch Zierrathen von Stuckaturarbeit hinzu, die mit dem Meisel gearbeitet, und hernach mit Gold u. s. w. uͤberzogen werden. Man pflegt auch Nischen, die ohngefaͤhr einen Fuß tief sind, an den Waͤnden anzubringen, die die Stellen der Schraͤnke und Tabuletten ver- treten. Etwas Etwas sonderbares und bemerkungswuͤrdig ist es, daß die Perser bey ihren Gebaͤuden gar kein Eisenwerk gestatten. Selbst die Schloͤs- ser und Thuͤren sind von Holz und geben, we- nigstens die letztern, ein wunderliches Ansehen. Der Schluͤssel sieht wie ein hoͤlzerner Cylinder aus, der mit einer Spitze versehen ist. Außer den Staͤdten findet man aber doch auf dem Lande oft Thuͤren, die von Steinen gemacht. Allein sie haben ganz und gar das Ansehen ei- ner hoͤlzernen Thuͤre nicht, und werden auf Za- pfen herumgedreht. Die Haͤuser dauern so lange, als man sie zu erhalten Lust hat. Gemeiniglich aber errei- chen sie doch nur eines Menschen Alter. Denn die meisten Perser muͤssen ihr eigenes Haus ha- ben, und es auch selbst bauen, weil sie es nicht leiden koͤnnen, ein Haus zu bewohnen, das gar nicht nach ihrem Geschmacke eingerichtet ist. Sie sagen, der Unterschied, sich selbst ein Haus zu bauen, oder in einem schon aufge- baueten zu wohnen, sey eben so groß, als wenn man sich ein Kleid selbst machen ließe, oder ein schon gemachtes kaufe. — Diese Gewohn- heit kommt vielleicht daher, weil ein Hausbau mit wenigen Kosten verbunden ist; denn sie nehmen von ihrem eigenen Grund und Boden die Ziegelsteine, und alles, was sie dazu brau- chen; und das gemeine Volk, welches nichts weiter, als ein zur Nothdurft eingerichtetes Haus bauen will, wird auch bald damit fertig. Die H 5 Per- Perser bestimmen den Werth eines Hauses nach der Hoͤhe und Dicke einer Mauer, die sie nach Ellen messen. Gyps und Holzarbeit an den Fenstern kosten sehr wenig. Wer ein Haus miethet, muß seine Miethe taͤglich, oder hoͤch- stens alle Woche entrichten. Denn in dem Punkte der Ehrlichkeit trauen sie sich selbst ein- ander nicht. Ich habe schon anderswo die Bemerkung gemacht, daß in Persien sowohl die freyen als mechanischen Kuͤnste wenig oder gar nicht be- arbeitet werden. Man kann sie deswegen in diesem Puncte mit den Europaͤern gar nicht vergleichen. Besonders gehoͤrt die Malerey unter diejenigen Kuͤnste, welche vielleicht am allerwenigsten getrieben werden. Sie machen lauter verstuͤmmelte Figuren, und wissen nicht, wo sie Schatten und Licht anbringen sollen, weil sie nlchts von der Perspective und vom Dessin verstehen. Sie haben zwar Schrift- steller, die uͤber diese Sachen geschrieben ha- ben — unter andern einen gewissen Araber, Namens Ebne Heussein — aber man aͤußert gar keine Lust, sie zu studiren. Die Ursache hiervon muß man einzig und allein in ihrer Religion suchen, welche es scharf verbietet, Ge- maͤlde zu machen oder auszuhaͤngen. Vor Zeiten weiß man, daß die Perser fuͤr- treffliche Mahler gehabt, den Beweis hiervon geben die alten Denkmaͤler an die Hand, die noch hin und wieder ausgegraben werden. — Man Man sieht itzt weder Bildhauer, noch Gießer, noch Statuͤen. Nun folgt das Noͤthigste von den Hand- werken und Manufacturen der Perser. Wir haben schon in dem Vorhergehenden angemerkt, daß die asiatische Voͤlker uͤberhaupt nicht so fleißig sind, als sie seyn koͤnnten — daß sie hierinn den Europaͤern weit nachstehen muͤssen. Kuͤnste, Handwerke und Manufa- cturen bearbeiten sie nur in so weit, als sie die- selben noͤthig haben. An Erfindung fehlt es ihnen auch, und neue Entdeckungen zu machen, ist ihre Sache gar nicht. Diese falsche Mey- nung der Perser kommt vorzuͤglich daher, weil sie naͤmlich glauben, daß sie alles haben, was zu ihren Lebensbeduͤrfnissen und Bequemlichkeiten gehoͤrt. Daher sind auch alle schoͤne Werke der Malerey, Bildhauerkunst, Drechselbarbeit u. s. w. deren Schoͤnheit in der genauen Nach- ahmung der Natur besteht, bey ihnen von gar keinem Werthe. Solche Dinge, meynen sie, die zu den koͤrperlichen Beduͤrfnissen gar nicht helfen, muͤssen gar nicht untersucht, nicht bear- beitet werden. — Aus diesen Ursachen sind ihre Kuͤnste wenig cultivirt, ob es gleich Leute unter ihnen giebt, denen es nicht an Forschungs- geiste fehlt, und die folglich viel leisten koͤnnten, wenn ihre Arbeit so belohnt wuͤrde, daß sie mehr Lust zu derselben bekaͤmen. Indessen werden doch, wie aus dem folgenden wird zu ersehen seyn, einige Kuͤnste mit gutem Fortgang ge- trieben. In In Persien gebrauchen die Handwerker we- nig Handwerkszeug. Es ist in der That fuͤr uns fast unglaublich, wie leicht sich ein Arbei- ter niederlassen kann. Gemeiniglich haben sie keine Boutiquen noch Werkstaͤtte. Sie arbei- ten an allen Orten, wo man sie haben will. Sie setzen sich in dem Winkel einer Kammer auf die platte Erde, oder auch auf einen elen- den Teppich nieder, haben ihre Geraͤthe zwi- schen den Fuͤßen, und arbeiten mit den Haͤn- den. Die Zinnarbeiter, welche in Europa so mancherley Werkzeuge gebrauchen, gehen in den Haͤusern herum. Der Herr, gleich seinem Lehr- jungen, traͤgt alles, was er braucht, bey sich; diese Beduͤrfnisse sind ein Sack mit Kohlen, ein Blasebalg,, etwas Sode und Salmiak ein Horn, und einige Stuͤcken Zinn in der Ta- sche. — Fast eben so und auf eben die Art arbeiten die Gold- und Silberarbeiter, wenn man gleich glauben sollte, daß ihre Geraͤth- schaften schwerer fortzubringen waͤren. Sie tragen einen Schmelzofen von Erde mit sich, der fast wie eine Kohlpfanne aussieht, aber doch hoͤher ist. Der Blasebalg besteht aus einer bloßen Ziegenhaut, mit zwey kleinen Stuͤcken Holz an dem einen Ende, um das Loch, wodurch die Luft herein kommt, zuzuklappen. Wenn sie sich desselben bedienen wollen; so setzen sie an das andere Ende eine kleine Roͤhre, welche in den Ofen geht, und regieren ihn mit der lin- ken Hand. Diesen Blasebalg tragen sie in ei- nem nem Sacke eingewickelt. Sie haben noch ei- nen ledernen Sack, in welchem sie Feile, Mo- delle, Hammer u. s. w. haben. Diesen Sack pflegt der Herr zu tragen, der Lehrjunge aber den Schmelzofen. — Chardin giebt von diesem Herumwandern solcher und aͤhnlicher Professionisten dieß zur Ursache an: man ließe die meisten Handwerker in seiner eignen Behau- sung arbeiten, weil man sich auf sie, wenn sie allein waͤren, nicht verlassen koͤnnte, und dann auch, weil man es ihnen in ihrer Gegenwart so zeigen koͤnne, wie man die Arbeit haben wolle. In Ansehung der Policey der Kuͤnstler in Persien muß man bemerken, daß jedes Hand- werk seinen Vorsteher von eben dem Metier ha- be, der vom Koͤnige eingesetzt wird. Kein Handwerk aber ist zuͤnftig, und kommt auch nie zusammen. Sie haben keine Visitators, aber doch einige Gewohnheiten, die der Vorsteher jedes Metiers bestimmt, z. E. daß allemal eine gewisse Distanz zwischen den Boutiquen seyn soll, wo sie aufgeschlagen werden. Wer sich an einem Orte niederlassen und ein gewisses Me- tier treiben will, ist gehalten zu dem Chef des Metiers zu gehen, seinen Namen und Woh- nung einschreiben zu lassen, und einige Gebuͤh- ren zu entrichten. Der Chef fragt ihn nie, aus welchem Lande er gebuͤrtig, bey wem er das Handwerk gelernt habe, und ob er es verstehe. Die Metiers haben auch darinn nichts Bestimm- tes tes festgesetzt, daß einer dem andern nicht ins Handwerk greifen soll. So kann z. B. ein Kupferschmidt silberne Becken verfertigen, wenn man sie ihm anvertrauen, und von ihm machen lassen will. Ein jeder kann unterneh- men, was er will, ohne zu befuͤrchten, daß man ihm einen Proceß an den Hals hange. — Der Lehrjunge hat keine ordentliche Verpflich- tung auf sich, giebt auch kein Lehrgeld, vielmehr muß ihm sein Meister taͤglich einen gewissen Lohn geben, je nach dem es das Alter, oder die starke Arbeit, die er verrichten muß, erfodert. Der Meister kann seinen Lehrpurschen gehen lassen, wenn er will, hingegen stehet es auch dem Jungen frey, seinen Herrn zu verlassen, wenn es ihm nicht laͤnger zu bleiben gefaͤllt. Dieß ist aber auch die Ursache, warum die Hand- werkspursche so wenig lernen, und ewig Stuͤm- per in ihrem Metier bleiben. So viel von den Handwerken und Manu- facturen im Allgemeinen. Itzt wollen wir ei- nige der vornehmsten naͤher abhandeln. Die Porcellainfabriken in Persien sind eben so gut, wo nicht gar besser, als in China. Man findet uͤberall welche, die beruͤhmtesten aber sind die zu Chiras, Mechted (oder Metched) Yesd, Kirman , und in einem Fle- cken in Caramanien, Zorende genannt. Die Materie zu diesem Porcellain ist Glas und klei- ne Kieselsteine, die aus den Fluͤssen gesammelt, zerstoßen, und mit etwas Erde vermischt wer- den. den. Es ist fein, und durchsichtig, von innen und außen emaillirt und von einem uͤberaus lebhaften Glanze. Man muß in der That ein großer Kenner seyn, wenn man es von dem chinesischen unterscheiden will. Man giebt auch den Hollaͤndern schuld, daß sie den Europaͤern das persische Porcellain fuͤr chinesisches verkauf- ten. — Es ist eine besondere Eigenschaft an dem Persischen Porcellain, daß es dem Feuer widersteht. Es ist uͤbrigens so hart, daß man Moͤrsel, worinn man Specereyen zerstoͤßt, und Kugelformen daraus macht. Die Golddrathzieher-Kunst und Goldspin- nerey wird von den Persern sehr getrieben, und sie excelliren hierinn vorzuͤglich. Ihre Eisen, wo- mit sie den Drath ziehen, sind von den unsri- gen wenig oder gar nicht verschieden. Der Goldfaden der Perser ist sonder Zweifel der schoͤnste und beste, den man sehen kann. Zu einem eben so hohen Grad, der Voll- kommenheit haben sie auch die Gerberey, sonder- lich des Chagrins und aller Arten von Corduan, gebracht. Ihr Chagrin wird so hoch geachtet, daß man ihn bis in die Tatarey, Indien und die Tuͤrkey verfaͤhrt. Sie machen ihn aus Eselshaͤuten, und nehmen nichts, als den Ruͤ- cken dazu. Um diesen Chagrin koͤrnicht zu ma- chen, gebrauchen sie einen Saamen, welcher auf Persisch Tochm Casbin , d. i. Casbinscher Kern heißt, den sie auf diese Haͤute druͤcken. Er ist sehr schwarz, hart und so groß, als ein Senf- Senfkorn, dessen man sich auch in Ermange- lung der Casbinschen Kerne bedient. Die Haͤute, welche auf diese Art zubereitet werden, nennen die Perser Sagri , woraus die Franzo- sen vermuthlich das Wort Chagrin gemacht haben. Sie bereiten das grobe Leder mit Kalk zu, und bedienen sich statt der Lohe (deren Ge- brauch den Persern gaͤnzlich unbekannt ist) des Salzes und der Gallaͤpfel. In Ansehung der Drechselarbeit sind die Perser noch ziemlich weit zuruͤck. Doch aber muß man gestehen, daß sie den Europaͤern hier- inn nach und nach ziemlich nachkommen wer- den. Sie arbeiten sonderlich mit vieler Fertig- keit und Geschicklichkeit in Kupfer, woraus ihr meistes Kuͤchengeschirr bestehet. Sie bedienen sich gewoͤhnlich des rothen Kupfers, welches sie von aussen und innen sehr sauber mit Zinn uͤberziehen. Wenn man es nicht weiß; so soll- te man glauben, daß diese Verzinnung, wegen der ungemeinen Weisse und Feinheit, von Sil- ber sey. Zwar muß man die Gefaͤße alle sechs oder acht Monathe von neuem wieder uͤberzin- nen; aber das geschiehet mit unglaublicher Ge- schwindigkeit, und ist mit wenigen Kosten ver- bunden. Sie machen das Verzinnen viel leichter und zugleich auch ganz anders, wie wir. Erstlich werfen sie das Geschirr, das sie verzin- nen wollen, in einen großen Kessel, und lassen es in grauer Sode heiß werden. Alsdann rei- ben sie es mit Salze, und wenn es genug ge- scheuert scheuert ist, so stellen sie es gegen das Feuer, so daß die inwendige hohle Seite gegen den Heerd zu liegen kommt. — Wenn es anfaͤngt roth zu werden; so nimmt es der Meister weg, und reibt es mit einem baumwollenen Lappen, der vorher in wohl gereinigten Salmiac ge- tunkt worden. Dann thun sie ein Stuͤck fei- nes Zinn in das Gefaͤß, und lassen es darinn schmelzen, reiben nachher mit dem Lappen, der voll von Salmiak ist, das Zinn allenthalben herum, gießen kalt Wasser darauf, und machen es da- durch so weiß und glaͤnzend, wie Silber. — Die persischen verzinnten Gefaͤße haben vor den unsrigen wuͤrklich darinn große Vorzuͤge, daß sie leichter sind, nicht schmelzen und keine Buckeln bekommen. — Das Kupfer finden die Perser in ihrem eignen Lande; das Zinn aber muͤssen sie von ihren Nachbarn, den In- diern, holen. Sie haben fuͤrtreffliche Waffenschmiede, be- sonders, was die Bogen und Seitengewehre anbetrifft. Die persischen Bogen sind die schoͤn- sten im ganzen Orient. Die Materie dazu ist Holz und Horn, eines auf das andere gesetzt und mit Sehnen, und ganz oben mit einer duͤnnen Baumrinde, uͤberzogen. Man be- malt sie sehr schoͤn und bestreicht sie mit Lack, welches sie sehr glaͤnzend macht. Die Bogen- seile sind von stark gedreheter Seide, wie eine Gaͤnsefeder dicke. Der Koͤcher ist von schoͤnem Leder, mit Gold, Silber oder Seide gestickt. J Der Der Stahl, woraus sie ihre besten Saͤbel machen, kommt aus Indien, weil der ihrige gemeiniglich zu sproͤde ist, und leicht bricht. Sie schmieden ihre Stahlbleche kalt, und schmieren sie mit Seife, Oel oder Butter, da- von die corrosiven Theilchen in den Stahl dringen und die Adern formiren, die wir in den meisten orientalischen Saͤbeln finden. Man nennt dergleichen geaͤtzten Stahl Damascener , weil ehedem zu Damascus diese schoͤnen De- genklingen gemacht worden sind. Ihre Cano- nen werden fast auf aͤhnliche Art verfertigt. Sie machen sie so dicke, als sie weit sind, wo- durch sie sehr schwer werden; der Vortheil da- bey ist: daß sie nicht springen, und daß man mit ihnen viel gerader schießen kann. Die Spiegel sind den Persern nur erst be- kannt geworden, seitdem man mit ihnen Han- del zu treiben angefangen hat. Bis itzt sind sie auch selbst noch nicht im Stande, Spiegel zu verfertigen. Ihre gewoͤhnlichen bestehen aus polirtem Stahl, und haben eine runde Form. — Die Kunst, Lustfeuerwerke zu ma- chen, verstehen sie sehr gut, und uͤbertreffen hier- inn gewiß alle andere Voͤlker. Die Stein- schleifer verstehen ihr Metier auch gut; und viel- leicht koͤnnte man sagen, daß sie es in Persien weiter in diesem Stuͤcke gebracht haben, als wir in Europa. Sie fassen die Diamanten mit ziemlichem Geschmack ein; sie verstehen aber nicht die Metalle zu emailliren. Das Das Geheimniß, Glas zu machen, ist ih- nen freylich auch bekannt, aber sie machen doch wenig erwuͤnschten Fortgang, und bringen nichts Vollkommnes heraus. Es giebt sehr viele Glashuͤtten, allein das Glas ist gruͤnlich und voll Blasen. — Ihr Papier ist schlecht, auch lange nicht so stark, wie das Unsrige, weil es aus seidenen Lappen gemacht wird, die die Festigkeit unsrer Leinwand nicht haben. Sie geben dem Papiere, vermittelst der Seife, eine weisse Farbe, und glaͤtten es mit glaͤsernen Po- lirsteinen, die es so fein, wie Atlaß machen. Ueberhaupt koͤnnen sie dem Papiere allerley Farben geben, und malen zuweilen silberne Bluͤmchen darauf, die aber der Schrift nicht hinderlich sind. Es ist unter ihnen die Ge- wohnheit, alle die Briefe welche sie an Perso- nen vom Stande schicken, auf versilbert Papier zu schreiben. Sie bedienen sich des Europaͤi- schen Papiers sehr stark; sie muͤssen es aber doch zufoͤrderst glaͤtten, ehe sie es gebrauchen, und nach ihrer Art einrichten. Indessen schaͤ- tzen sie dasjenige, was sie aus der kleinern Ta- tarey erhalten, weit hoͤher, als das Europaͤi- sche. Uebrigens muß man noch bemerken, daß das Papier bey den Persern ein geheiligtes Ding ist. Sie haben eine große Ehrfurcht fuͤr dasselbe, so daß sie es weder zerreissen, noch wegwerfen, weil sie naͤmlich befuͤrchten; es moͤchte der Name Gottes auf demselben geschrie- ben seyn. J 2 Die Die Seife, deren sich die Perser zum Wa- schen bedienen, wird von Hammelfett und der Asche einiger starken Kraͤuter gemacht. Sie ist weich, gelblicht, staͤnkrich, und weisset nicht sonderlich. Man reibt das Zeug nur obenhin mit derselben. Die meisten lassen ihre Seife aus Syrien, der Tuͤrkey, und am meisten von Aleppo kommen, wo ohne Zweifel die beste Sei- fe im Orient und vielleicht auch in der ganzen Welt, gemacht wird. Sie ist — wegen der fuͤrtrefflichen Asche in diesem Lande — fein, und weit fester, als die Europaͤische. Die vor- nehmsten Ingredienzien sind, nach der Asche, Kalk und Olivenoͤl. Im Ganzen genommen, brauchen die Perser auch wenig Seife, weil das meiste Zeug, welches sie tragen, bunt und von Seide ist. An fuͤrtrefflichen Manufacturen fehlt es nicht. Sie machen sehr schoͤne Stoffe von Seide, Wolle, Ziegen- und Cameelhaaren. Die Seide ist in ganz Persien in großem Ue- berflusse und von besonderer Guͤte; sie gehoͤrt deswegen auch zu den betraͤchtlichsten Manufa- ren, und wird sehr gut verarbeitet. Sie ha- ben, wie wir, fast eben dieselben Seidenmuͤh- len, Spindeln und Winden. Die Brocade gehoͤren unter die Seidenzeuge, welche die schoͤnsten, und zugleich uͤberaus theuer sind. Man gebraucht diese reichen Brocade zu Vor- haͤngen an Betten und Thuͤren, wie auch zu Kniekuͤssen. — Die besten Stoffarbeiter fin- det det man zu Yezde, Cachan, und der Haupt- stadt Ispahan. Die schoͤnen Decken, die wir aus der Levante erhalten, und von denen wir glauben, daß sie in der Tuͤrkey gemacht sind, kommen urspruͤnglich aus Persien. Sie wer- den in der Provinz Kirman, und vorzuͤglich zu Sistan gemacht. Die Perser wuͤrden sich gewiß sehr dadurch bereichern, wenn sie den Handel mit diesen Zeugen recht verstuͤnden. Die besten Cattune holen sich die Perser von den Indianern, wenn sie sie gleich eben so gut und fein machen koͤnnen; allein da sie die Cattune in Indien sehr wohlfeil kaufen koͤn- nen; so geben sie sich auch nicht einmal die Muͤhe, sich sehr auf Verfertigung derselben zu legen. Allein sehr geschickt wissen sie das Gold und Silber auf Zeuge zu drucken; sie verstehen Buchstaben, Figuren, Blumen, und alles was man nur verlangt, so gut nachzumachen, daß man fast glauben sollte, es sey Gold- und Silberstickerey. Auch koͤnnen sie die schoͤnen Matten und Handkoͤrbe aus Schilf und Wei- den machen. Zu Seston hat man die beste Manufactur davon. Der Handel wird in Persien mit fuͤr die am meisten geehrteste Profession gehalten, weil er nicht so mannichfaltigen Abwechselungen und Schicksalen unterworfen ist. Dieß ist sonder Zweifel in einem Lande, wo kein Adels- recht ist, und wo alle Chargen augenblicklichen Veraͤnderungen unterworfen sind, von vieler J 3 Bedeu- Bedeutung. Es ist auch im Orient nichts Un- gewoͤhnliches, daß die Koͤnige und großen Her- ren Handel treiben. Sie haben hierzu ihre Commissionairs. So laͤßt, um dieß mit ei- nem Beyspiel zu erlaͤutern, der Koͤnig von Persien seinen Nachbarn durch die Commissio- nairs Seide, Teppiche, reiche Zeuge und Edel- gesteine verkaufen. Die Handelsgeschaͤffte, wer- den nur solchen Personen aufgetragen, die ihre Commissionairs in den entfernten Laͤndern ha- ben. Dergleichen Leute gelangen auch oft zu den hoͤchsten Ehrenstellen, und werden gemei- niglich zu Gesandtschaften gebraucht. Der Vorsteher einer weitlaͤuftigen Handlung kommt gemeiniglich nicht aus der Stadt, worinn er wohnt, und laͤßt sich nie selbst unmittelbar in Geschaͤffte ein; sondern er hat dazu seine De- lal, welches die feinsten und geschwaͤtzigsten Leu- te sind, die man sich nur erdenken kann. — Boͤrsen und Wechselbaͤnke findet man in Per- sien nirgends. Doch aber muß man anmerken, daß die Mohammedaner nicht eigentlich die großen Kaufleute Asiens sind. Denn theils ist dazu ihre Lebensart zu wolluͤstig, theils werden sie durch ihre zu strenge Moral daran verhindert. Denn nach dem Mohammedanischen Gesetz darf kein wahrer Verehrer desselben mit einem Un- mohammedanischen aus einem Gefaͤße trinken. Dergleichen Umstaͤnde machen, daß sie sich in ih- rem Handel nicht so sehr ausdehnen koͤnnen. Ue- ber- berdem verbietet ihre Religion auch den Wu- cher, daher wissen sie zwischen dem schaͤndlichen Wucher und den rechtmaͤßigen Zinsen keinen Unterschied zu machen. Der Handel und Wan- del zu den Zeiten, wie Mohammed seine Reli- gion einfuͤhrte, bestand meistentheils in der Viehzucht; und man sah wenig auf Geld, denn alles geschah durch Vertauschung. Daher sieht man denn auch, daß Mohammed das Verbot der Zinsen sehr leicht zu Stande brin- gen konnte. Aber man muß dabey wissen, daß Tausch und Zinsen bey ihnen einerley sey. Denn wenn einer von dem andern etwas leihet; so verspricht er ihm dagegen etwas zur Beloh- nung, die er auch nebst dem Geliehenen zu rechter Zeit entrichtet. — Die Perser selbst handeln nur im Lande von einem Orte zum an- dern, und das ganze Commerz durch Europa ist in den Haͤnden der Armenianer. So viel wird zu unserer Absicht uͤber Handwerke und Manufacturen der Perser hin- laͤnglich seyn. J 4 Sechstes Sechstes Kapitel. Von der Justiz und dem buͤrgerlichen Rechte — Vom Criminalrechte und Policey der Perser. D ie Jurisprudenz ist von der practischen Theologie bey den Persern wenig oder gar nicht unterschieden. Mohammed hat hier- in vielleicht dem Beyspiele der Alten folgen wollen, welche ihre buͤrgerliche und politische Anordnungen auf die Grundsaͤtze der Religion, die sie bekannten, gruͤndeten, um dadurch glaub- haft zu machen, daß die Gesetze eben sowohl, als die Vorschriften der Religion, von Gott kaͤmen. Diesen Kunstgriff haben die Gesetzge- ber des Alterthums von jeher beobachtet, weil sie uͤberzeugt waren, daß sie das Volk dadurch zur Beobachtung ihrer Gesetze viel bereitwilli- ger finden wuͤrden. ‒ Chardin aber will der Meynung seyn, daß Mohammed bey seiner Ge- setzgebung mehr auf das juͤdische Gesetzbuch, und besonders auf das dritte Buch Mosis ge- sehen habe, welches die buͤrgerlichen und Ceri- monialgesetze, mit einander verbunden, enthaͤlt. Die Perser haben ein Gesetzbuch, welches sie Cherait nennen, und das die Gesetze des Buͤrgerlichen- und Criminalrechts enthaͤlt; al- lein lein sie sind darinn in so dunkeln und zweydeu- tigen Ausdruͤcken abgefaßt, daß die Richter sie auslegen, wie sie wollen, und ihnen oft einen ganz sonderbaren Sinn geben. Dieß Buch ist weiter nichts, als eine Sammlung von Urthei- len, und Meynungen ihrer vornehmsten Ge- richtspersonen und Rechtsgelehrten uͤber die ungewoͤhnlichsten und am meisten streitigen Faͤlle. — Ihr großes Gesetzbuch ist der Ko- ran ; sie nehmen zu demselben zuerst ihre Zuflucht. Wenn sie aber keine deutliche und genaue Entscheidung uͤber den streitigen Fall in demselben vorfinden; so wenden sie sich zu dem Buche der Reden und Thaten Mo- hammeds, hernach zu dem Buche der Re- den und Thaten Imans, und endlich zu dem vorhingenannten Gesetzbuche. Das buͤrgerliche Recht theilt sich gegenwaͤr- tig in Cheray und Ourf. Diese Einthei- lungsart ist sehr zu merken. Cheray ist das buͤrgerliche Gesetz, welches sich auf den Koran und die Commentarien, welche uͤber denselben von den zwoͤlf ersten Nachfolgern Mohammeds gemacht sind, gruͤndet. Ourf bedeutet ei- gentlich Gewalt, Staͤrke. Der Name Ourf kommt daher, weil das Gericht Ourf bloß von der Autoritaͤt des Koͤnigs abhaͤngt. Die schein- heiligen Perser, und uͤberhaupt die Geistlich- keit, sehen das Ourf als eine Art von Tyran- ney an; sie schreyen, und beklagen sich immer uͤber dasselbe. Und doch, wenn man es recht J 5 besieht, besieht, ist das Recht Ourf weiter nichts, als ein wohlverstandenes natuͤrliches Recht. — Die Vorsteher dieses Rechts, oder die hoͤchste Macht, sind der President des Divan, der Vi- zir, der Gouverneur der Stadt und desseu Lieu- tenant, welcher des Nachts fuͤr die Ordnung sorgen muß. Dieß Gericht mischt sich auch oft in Sachen, die schon vor andern Gerichten sind beygelegt worden. Und in der That, wenn die Autoritaͤt dieses Tribunals nicht so groß waͤre; so wuͤrde man unglaubliche Ungerechtig- keiten in Persien ausuͤben sehen, man wuͤrde keine Spuren von Handel und Wandel er- blicken. Vor diesen beyden großen Richterstuͤhlen werden gemeiniglich die Sachen von Wichtig- keit abgethan. — Wir wollen itzt das Wich- tigste von den Gesetzen des persischen Rechts in den gemeinen Angelegenheiten des buͤrgerlichen Lebens abhandeln. Bey den Heyrathen gilt in Persien weder die Gleichheit des Standes noch die Einstim- mung der Eltern, um dieselbe guͤltig zu ma- chen. So bald ein junger Mensch sein gehoͤri- ges Alter erreicht; so kann er sich nach seinem Belieben eine Frau nehmen, und wenn er sie contractmaͤßig heyrathat, so wird sie seine Frau; sie mag uͤbrigens von einem Stande seyn, von welchem sie will. Doch aber gesche- hen dergleichen ungleiche Heyrathen sehr sel- ten, weil man gemeiniglich den jungen Leuten bey bey Zeiten eine Sclavinn oder eine Beyschlaͤfe- rinn giebt, in der Hoffnung, daß er sie hey- rathen werde. Da alle Heyrathen bey den Per- sern guͤltig sind; so sind auch alle Kinder recht- maͤßig, sie moͤgen nun entweder vor oder nach der Verheyrathung gebohren seyn, sie moͤgen von einer wuͤrklich angetrauten Frau oder einer Selavinn gebohren seyn. Man findet in die- sem Lande gar keine Hurkinder. Der Erstge- bohrne ist Erbe, wenn er auch gleich ein Sohn von einer Sclavinn ist. Die Kinder eines Vaters haben auf das vaͤterliche Vermoͤgen, so lange er lebt, gar kei- ne Anspruͤche. Aber nach dessen Tode nimmt der aͤlteste Sohn zwey Drittheile des Vermoͤ- gens, und das eine Drittheil wird unter die uͤbrigen Kinder vertheilt, und zwar so, daß ein Maͤgdchen immer die Haͤlfte von dem erhaͤlt, was ein Junge ganz bekommt. Dieß verlangt das Gesetz, und der Gebrauch bringt es mit sich. Da inzwischen das groͤßeste Vermoͤgen in Per- sien gewoͤhnlich aus Mobilien bestehet; so giebt der Vater seinen Kindern, wenn er zur Thei- lung noch Kraͤfte und Zeit hat, einem jeden das, was ihm gut zu seyn scheint. Es ist zu bemerken, daß ein Testament, wenn es guͤltig seyn soll, vierzig Tage vor dem Absterben muß aufgesetzt seyn, sonst ist es unguͤltig. Das Gesetz declarirt die Toͤchter im zwoͤlf- ten Jahre, und die Knaben im sechzehnten Jahre fuͤr frey, und sie sind nicht mehr unter der Vor- Vormundschaft. Alsdenn gehen sie zum Ca- zy, welcher das Examen mit einer artigen Fra- ge anfaͤngt. Er fragt: „Ist dir der Teufel uͤber den Leib gesprungen?“ dieß bedeutet so viel, als die Frage: „Haͤltst du dich fuͤr faͤhig, zu heyrathen?“ Hierauf pflegt man gemeinig- lich mit einem „Ja“ zu antworten. — Man nonnt die Loßsprechung der Kinder von der Ge- walt des Vormundes Balic, und zu derselben gelangt man, so bald man das Nuͤtzliche von dem Schaͤdlichen zu unterscheiden faͤhig ist. Die minderjaͤhrigen Kinder haben in Per- sien große Privilegien: denn man kann ihre Erbschaft nicht angreifen, wenn auch der Ver- storbene Schulden gemacht hat. Das Gesetz verlangt, daß man sie zu ihrem Alter kommen lassen soll, und daß ihre Vormuͤnder fuͤr sie nicht bezahlen koͤnnen. — Die Vormuͤnder haben nach dem Mohammedanischen Rechte ei- ne große Gewalt. Denn sie sehen das Ver- moͤgen der Pupillen als ihr eigenes an, und wann die Kinder in dasjenige Alter gekommen, worinn sie keines Vormunds mehr gebrauchen; so laͤßt ihnen das Gesetz, um Rechenschaft von ih- rer Vormundschaft zu geben, Zeit genug, um etwa den Defect wieder herbey zu schaffen. Der aͤlteste Sohn vertritt auch gemeiniglich bey seinen juͤngern Geschwistern die Stelle des Vor- mundes. Die Bankeruteurs und Fluͤchtlige finden sehr wenig Schutz. Ihr ganzes Vermoͤgen wird wird eingezogen, wovon die Creditoren nichts erhalten. Das Gericht versiegelt alles, eignet sich das ganze Vermoͤgen zu, und erklaͤrt den Bankerouteur oder Fluͤchtling fuͤr todt, — Wenn ein Schuldner nicht bezahlt, es sey aus Bosheit oder auch aus Unvermoͤgen; so liefert man ihn in die Haͤnde des Glaͤubigers. Die- ser hat ein zwiefaches Recht uͤber ihn; erstlich kann er ihn nehmen, und mit ihm machen, was er will — er kann ihn bey sich einsperren, und ihn nach Belieben uͤbel tractiren, er kann ihn durch die Stadt fuͤhren und ihn schlagen, wie einen Hund, nur darf er ihn nicht toͤdten oder zum Kruͤppel machen — zweytens kann er seine Guͤter verkaufen und zugleich auch ihn nebst Weib und Kindern; aber zu dieser Extre- mitaͤt schreitet man sehr selten. Es ist in Persien etwas sehr leichtes, sich vor Gerichte uͤber einen andern zu beklagen. Wenn man einen Proceß mit jemanden anfan- gen will; so uͤberreicht man dem Richter eine Bittschrift, in welcher man das Factum so er- zaͤhlt, wie man es fuͤr gut und der Wahrheit gemaͤß haͤlt. Der Richter bemerckt am Ran- de, daß man die Partheyen vorlassen solle, und uͤbergiebt seinem Bedienten die Commission, den Beklagten vorzuholen. Dieser sagt ihm: Mein Herr, dieser oder jener fodert euch vor sich, kommt mit mir, und er folgt ihm augenblicklich. Wenn sie mit einander unter Wegens sind; so fodert der Bediente einen Lohn Lohn fuͤr seine Bemuͤhung, und richtet die Fo- derung nach der Person, die er vor sich hat, und der Wichtigkeit des Processes, ein. Hier- naͤchst werden die Parteyen vor den Richter ge- lassen, und jeder Theil bringt zugleich auch sei- ne Zeugen mit. Sind diese Zeugen Personen vom Stande; so laͤßt sie der Richter neben sich setzen; sind es aber gemeine Leute; so muͤs- sen sie vor ihm stehen, und jeder traͤgt das Seinige kurz vor. Manchmal setzen sie den Richter in Verwirrung, so daß er nicht weiß, wie er sich aus der Sache herausziehen soll. Wenn nun beyde Partheyen ihre Gruͤnde vor- getragen haben, so spricht der Richter das Recht. — Die Weiber pflegen sich auch oft einander vor das Gerichte zu fodern, aber das mit einer Hitze, die fast unglaublich ist. Sie halten sich alle in einem Winkel des Zimmers auf, sind mit einem Schleyer behangen, und mischen sich nicht unter die Mannspersonen. — Die gewoͤhnlichsten Sachen, die sie vor das Gericht bringen, sind Ehesachen, indem sie ger- ne den Heyrathscontract wollen aufgehoben ha- ben. Und die gemeinste Ursache, die sie vorbrin- gen, ist das Unvermoͤgen der Maͤnner. Sie machen einen so entsetzlichen Laͤrm durch ihr Schreyen, daß der arme Richter — welcher die Weiber nicht, wie die Maͤnner, darf schla- gen lassen — weder aus noch ein weis, und mit vollem Halse schreyt: sie toͤdten mich! In der zweyten Sitzung wird endlich die Sache beygelegt. Man Man findet in Persien keine oͤffentlichen Gerichtsplaͤtze. Ein jeder Magistrat haͤlt in seinem Hause, in einem großen offenen Saale, Gericht, entweder im Hofe oder auch im Gar- ten, welche zwey oder drey Fuß von der Erde erhoͤht ist. Ein Theil des Saals ist von dem andern fast wie ein Alkofen abgesondert. Bey- de sind mit Chassans und dergleichen versehen. An diesem Orte stellet sich das Frauenzimmer. Der Richter sitzt am andern Ende, nach Art der Morgenlaͤnder mit einer ernsthaften und gravitaͤtischen Miene, und hat einen Schreiber neben sich, aber auch weiter Niemanden. Er spricht die Sentenz in der ersten oder zweyten Sitzung. Wenn man den Richter gerne auf seine Seite haben moͤchte — eine Sache die in Persien sonderlich Mode ist — oder bald ex- pedirt seyn will; so geht man zu dem vor- nehmsten Bedienten des Richters, beschenkt ihn, oder verspricht ihm ein Geschenk. Gewoͤhnlicher Weise traͤgt man auch eins selbst zum Richter, wenn man sich bey ihm uͤber Jemanden be- klagt; und ein jeder richtet sein Geschenk nach seinem Stande und Profession ein. Die ge- meinsten Leute geben ihm ein Lamm oder einen Hammel, Fruͤchte oder junge Huͤner. Andere geben Confituͤren oder Caffee, Stoffe; noch andere geben Geld. Aber die großen Geschen- ke macht man immer besonders. Man legt vor den Tribunalen des buͤrgerlichen Rechts keine andere koͤrperliche Strafen auf, als Stock- pruͤgel, pruͤgel, und doch widerfaͤhrt dieß nur solchen, welche sich dem Gesetz unverschaͤmter Weise ent- gegen setzen. Die Strafen, welche auf Raͤuberey u. s. w. gesetzt sind, sind ungemein hart, aber fuͤr die oͤffentliche Sicherheit nothwendig und unver- gleichlich. Aller Todschlag uͤberhaupt ist auf das schaͤrfste in ihrem Gesetz verboten. Daher kommt es auch, daß man in Persien so wenig von diesem Laster weiß. Ich uͤbergehe hier die verschiedenen Arten von Strafen, weil ich zu weitlaͤuftig werden moͤchte. Siebentes Kapitel. Von der Geistlichkeit in Persien. D ie Geistlichkeit bestehet aus dem Hohen Priester, dem Aeltesten des Gesetzes, dem Cazi und Mufty, welche auch die Magi- stratspersonen des buͤrgerlichen Rechts, und die gewoͤhnlichen Richter sind. Ich will hier von ihrer Wuͤrde und geistlichen Functionen einige Umstaͤnde erzaͤhlen. Der Hohe Priester heißt Sedre, ein arabi- scher Ausdruck, welcher den vordersten Theil des Koͤrpers, und sonderlich die Brust an- deutet; im Gebrauch aber stellt es nichts an- ders, als eine erhabene Person vor. Der Sedre Sedre hat bey den Persern alle Macht, ja noch eine groͤßere, als der tuͤrkische Mufty. Die gewoͤhnlichen Titel, die man ihm beylegt, sind: Koͤnig des Rechts und der Reli- gion: Oberhaupt der wahren Kirche: Vicarius des Mohammeds und Statt- halter der zwoͤlf Imans, welches die ersten Caliphen sind. Die Geistlichkeit behauptet, daß die Herrschaft uͤber die Laien bloß ihnen zugehoͤre, und dieß aus dem Grunde, weil Mo- hammed Koͤnig und Prophet zugleich war, und Gott ihn uͤber das Geistliche und Weltliche ge- setzt habe. Die allgemein angenommene Mey- nung aber ist: daß die Herrschaft, so wie sie in den Haͤnden der Laien ist, ihre Einsetzung und Ansehen von Gott habe: daß der Koͤnig an Gottes Statt sey u. s. w. und was den Sedre und uͤberhaupt alle Geistliche anbetraͤ- fe; so waͤre es nicht ihre Sache, sich in Staatsgeschaͤfte einzulassen: ihre Jurisdiction muͤßte auch so gar in religioͤsen Dingen erst durch die koͤnigliche fuͤr guͤltig erklaͤrt werden. Vor Zei- ten hieng alles von der Geistlichkeit ab; itzt aber verhaͤlt sichs ganz anders. In den ersten Zeiten des Mohammedismus richtete sich alles lediglich nach dem Koran. Nachher aber hat man zu demselben die Auslegungen der Imans hinzu ge- fuͤgt, so daß der Koran und die Auslegung der Imans gegenwaͤrtig das Hauptwerk in ihrem Ci- vil und Canonischen Rechte ausmachen, und da- her auch die Theologie und Jurisprudenz unzer- K trenn- trennlich sind, und nur eine Wissenschaft aus- machen. Laßt uns die Wuͤrden und den Character dieser obersten Geistlichen naͤher bestimmen. — Der Sedre ist der oberste Richter in allen geistlichen Dingen und allen Angelegenhei- ten, die auf das Geistliche einige Be- ziehung haben. Diese Stelle wurde ehe- mals von einem einzigen verwaltet; weil aber zuweilen viele Unordnungen und Mensch- lichkeiten bey ihm gefunden wurden, und man auch sahe, daß sich der Sedre durch Geschenke und Versprechungen blenden ließ; so schaffte ihn Abbas II. ab, und hatte den Vorsatz, die Stelle nie wieder zu besetzen. Sein Nachfol- ger aber, der weit davon entfernt war, das durchzusetzen, was sein Vorfahre angefangen hatte, theilte dieß Amt, und setzte zwey Sedres ein. Der eine, welcher Sedre Kasseh, oder der besondre Hohepriester genannt wurde, hat- te die Aufsicht uͤber die koͤniglichen Mo- scheen und die uͤbrigen Guͤter, die von den Koͤ- nigen dahin vermacht waren. Der andre, welcher Sedre Aam, oder allgemeiner Hoher- priester genannt wurde, besorgte die Guͤter, die von den Unterthanen vermacht wurden. — Diese Theilung verminderte die Macht und das Ansehen, worin der erste stand, sehr. Und merkwuͤrdig ist es, daß der besondre Hoheprie- ster vor dem allgemeinen den Rang hat. Sie haben beyde Sitz und Stimme in den Ver- samm- sammlungen, welche in dem Pallaste gehalten werden. Der Sedre Kasseh sitzt zur Lin- ken des Koͤniges. Der Athemat-Douli ist zur Rechten, und unmittelbar unter ihm ist der Sedre Aam. — Bey den oͤffentlichen Si- tzungen sind sie allezeit gegenwaͤrtig, allein ihr Aufenthalt bey denselben ist von nicht langer Dauer. Denn da die Mohammedanische Re- ligion den Gebrauch des Weins ernstlich ver- bietet; so schleichen sie sich bald weg, so bald sie vernehmen, daß der Koͤnig befiehlt, Wein herbey zu schaffen, und musikalische Instru- mente holen zu lassen. Zuweilen aber enthaͤlt sich der Koͤnig dieses Vergnuͤgens aus Achtung gegen sie, oder er schiebt es vielmehr auf, um diese Herren laͤnger bey sich zu haben, und sie dadurch zu ehren. Die dritte geistliche Wuͤrde nennen die Per- ser Cheik-kel-Islam, d. h. Haupt des Gese- tzes. Diese Magistratsperson ist in allen buͤr- gerlichen Angelegenheiten und in den Dingen Richter, welche mit dem Civilwesen in Verbin- dung stehen. Die Charge dieses Chei-kel-Islam war anfaͤnglich der des Cazy subordinirt; al- lein das Ansehen, das diese am Hofe bekam, hat sie uͤber alle andre Tribunale so sehr erho- ben, daß man es als das erste und ansehnlichste juristische Tribunal ansehen kann. Ein anderer geistlicher Richter ist der Ca- zy (oder wie wir es auszusprechen gewohnt sind, der Cady. ) Dieses Wort bedeutet einen K 2 Schieds- Schiedsrichter, oder einen Mann, welcher entscheidet. Dieser war ehemals die einzige obrigkeitliche Person in jeder Stadt. Das mohammedanische Gesetz raͤumt ihm eine große Macht ein, welche er auch noch in der Tuͤrkey voͤllig ausuͤbt. In Persien aber hat er einen guten Theil seiner alten Vorzuͤge verlohren, weil er anfieng, viel zu weit in buͤrgerlichen Sa- chen um sich zu greifen. Diese Rechte haben die Sedres und der Cheik-kel-Islam uͤberkom- men. Ein Zeichen und Beweis, wie sehr diese bey- den geistlichen Personen geachtet sind, kann dieß seyn, daß sie naͤmlich die Ehre haben, seit lan- gen Jahren her, die Prinzessinnen von koͤnigli- chem Gebluͤt zu heyrathen. Indessen ziehen doch die Personen, welche fuͤr die im Koran stehenden Einrichtun- gen Eifer bezeigen, das Ansehen des Cazy dem Ansehen aller andern Lehrer vor, besonders in Sachen, welche die Testamente, die Heyraths- tractate und Ehescheidungsbriefe betreffen. Der Mufti hat seine Rechte nicht besser erhalten. Dieser Praͤlat, der in der Tuͤrkey in einem so großen Ansehen stehet, und fast als das hoͤchste Oberhaupt der Religion ange- sehen wird, steht in Persien in gar keinem An- sehen. Das Wort Moufti, oder Mufti, bedeutet ein Orakel, einen Menschen, der schlechterdings absolut entscheidet. Vor den Sofis, welche in geistli- chen chen Sachen viele Neurungen vorgebracht ha- ben, bekleidete er das Amt eines Hohenprie- sters. In den ersten Zeiten des Mohamme- dismus hatte er das Recht, alle Gewissens- faͤlle zu entscheiden, wegen Uebertretung des Korans Strafen aufzulegen, die Suͤnder in den Bann zu thun, und wieder loszusprechen. Die Verrichtung eines persischen Muftis be- stehet itzt bloß darinn, seine Meynung uͤber gewisse schwere Puncte des Gesetzes zu sagen, und sein Ausspruch dient nur bloß den obrigkeitli- chen Personen bey ihren Urtheilen zu ihrer Richtschnur; daher pflegt man auch zu der- gleichen Aemtern allezeit einen erfahrnen und geschickten Mann zu waͤhlen. Der Koͤnig er- nennt ihn, und wenn er von einer gelassenen Gemuͤthsart ist, und sich nach der Verfassung und den Grundsaͤtzen der Regierung richten will; so wird er eingesetzt. Ueberhaupt muß man wissen, daß der Mufti in Persien sehr im Zaum gehalten wird. Und dieß ist auch unge- mein heilsam und wichtig: denn sonst wuͤrde kein Fremder, der nicht mohammedanisch ge- sinnt waͤre, des Lebens sicher seyn. Sie wuͤrden dem ganzen Staate Gesetze geben wollen. Diese Richter, von denen wir geredet ha- ben, halten nicht zusammen und an einem Or- te Gericht. Ein jeder hat sein eignes Gericht, und wer einen Proceß hat, kann sich zu einem von diesem nach Belieben wenden. — Da der K 3 Koran Koran das einzige buͤrgerliche und canonische Recht ist, und man mit Grunde voraus setzt, daß die Geistlichen diese Buͤcher vor andern verste- hen; so ist das Volk sehr geneigt, jenen die Streitfrage zu uͤberlassen. Diese Priester nun, deren Ansehen, wie billig, nur in Reli- gionssachen gelten sollte, haben sich unvermerkt in alle Sachen eingeschlichen, und in die Ge- richtsbarkeit der Weltlichen solche Eingriffe gethan, daß sie fast heut zu Tage die einzigen Richter sind. Die Kirchenguͤter werden von den Sedres ver- waltet, und werden von den Persern fuͤr un- verletzbar gehalten. Diese Guͤter bestehen ge- meiniglich aus Landguͤtern, Haͤusern, Einkuͤnf- ten aus dem koͤniglichen Schatze, und von den Staͤdten, aus oͤffentlichen Baͤdern, aus den Haͤusern, wo die Caravanen logiren, und an- dern aͤhnlichen Sachen. Chardin versichert, daß sich diese Einkuͤnfte wenigstens auf sechs und dreyßig Millionen, nach unserer Muͤnze, belaufen. Vielleicht ist diese Einnahme zu hoch angesetzt. Von diesen Einnahmen leben aber auch eine unglaubliche Menge von Menschen. Doch giebt es keine unter ihnen, welche wuͤrklich reich sind, wenn man hiervon die Sedres, ih- re Controleurs, und die, welche die Guͤter verwalten, und unter andre vertheilen, aus- nimmt. Wenn man, sag 2 ich, diese aus- nimmt: so findet man wenige Geistliche, die jaͤhr- jaͤhrlich mehr, als zwey oder dreytausend Tha- ler, nach unsrer Muͤnze, Einnahme haben. Ein jeder von den Sedres hat ohngefaͤhr zwey tausend Tomans ; allein weil sie bey dieser Zahlung auf Laͤndereyen angewiesen werden, welche viel mehr werth sind, so koͤnnen sie ihre Einnahmen an sechzig tausend Thaler bringen. Abbas II. setzte die Einkuͤnfte der reichsten Praͤbenden auf diese Summe. Die Mohammedaner haben hierinn sehr strenge Grundgesetze. Sie be- haupten, daß der Gebrauch der Kirchenguͤter al- len verboten ist, welche sich durch Arbeit auf eine ehrliche Weise ernaͤhren koͤnnen, und ha- ben daruͤber bey aller Gelegenheit die Stelle aus dem Koran im Munde: daß die gesun- deste Nahrung diejenige sey, welche man sich durch die Arbeit verschaffe. Die Randglosse der Imans uͤber die Stelle versi- chert, daß die Propheten und frommen Maͤn- ner allezeit von ihrer Arbeit gelebt haben. Die Sedres legen von ihrer Verwaltung vor einem geistlichen Gerichte Rechnung ab, welches aus zwey besondern Gerichtsstuben be- stehet, eine fuͤr die Guͤter, welche vom Koͤnig herruͤhren, und eine fuͤr die Guͤter, welche Pri- vatpersonen vermacht haben. Bey diesem Ge- richte werden auch die Anwartschaftsbriefe auf Pfruͤnden ausgefertigt. Einige derselben beste- hen in Landguͤtern oder Haͤusern, wovon dieje- nigen, die damit belehnet sind, den Nutzen ziehen. K 4 Achtes Achtes Kapitel. Von den Religionen, welche in Persien geduldet werden. E ine von den Maximen der mohammedani- schen Religion ist, alle Religionspartheyen zu dulden, und ihnen freyen Gottesdienst zu verstatten. Daher findet wan Christen, Ju- den, Heiden und allerley Secten. Die Reli- gion Mahommeds lehrt, daß es ein großes Verdienst sey, die Unglaͤubigen zu bekehren, daß man hierzu so viel beytragen muß, als ein jeder vermoͤgend waͤre; aber man muͤsse da- bey keine Gewaltthaͤtigkeiten gebrauchen, und, wenn sie ihre Abgaben ordentlich entrichten, ihre Gerechtigkeit beschuͤtzen, und menschlich mit ihnen umgehen. — Ich will in diesem Kapitel etwas genau und umstaͤndlich von den Einwohnern Persiens reden, die sich zu einer andern Religion bekennen. In dem folgen- den Kapitel wird sich Gelegenheit darbieten, von den Meynungen, welche die Perser vor andern Religionen hegen, umstaͤndlich zu han- deln. Es giebt in Persien fuͤnf Religionssecten: Erstlich, die Secte der Gueber, oder alten Perser, welche man die Anbeter des Feuers nennet, nennet. Zweytens, die Secte der Juden, wie auch in Persien sehr alt sind. Drittens, die Sabis oder Christen des heiligen Johan- nes. Viertens, die Christen, oder die rech- ten und eigentlichen Anhaͤnger Christi, und fuͤnftens, die Indianischen Heiden. Wir wollen von einer jeden Secte besonders reden. I. Secte der alten Guebers. Weil wir noch keine Gelegenheit gehabt haben, von diesen zu reden; so denken wir, daß es dem Leser nicht unangenehm seyn wird, wenn er das Noͤthigste von ihnen hier kurz und genau findet. — Die alten Guebers wohnen in verschiedenen Theilen Persiens und auch an einigen Orten Indiens. In Persien wohnen sie in Caramanien und an dem persischen Meerbusen: aber noch in groͤßerer Menge fin- det man sie in den Provinzen von Jezd und Kirman. In Indien findet man sie am Flusse Indus und in der Provinz Guzerat. Die Zerstreuung dieses Volks in verschiedene Theile des Reichs, kam durch den Einfall der Araber in Persien unter dem Omar, dem zweyten Nachfolger Mohammeds. Diejeni- gen, nelche nicht unter ihrer Unterdruͤckung leben wollten, waren genoͤthigt, sich in die wuͤsten Theile des Reichs zu begeben. — Die An- zahl derselben ist auch gar nicht groß. Viel- leicht belaͤuft sie sich nicht viel uͤber achtzig tau- send. Ihre einfache Lebensart und uͤberhaupt K 5 ihr ihr kuͤmmerliches Leben macht, daß man sie duldet und an sie nicht denket. Man nennt sie Parsis in Indien, von ihrem alten Namen: und in Persien nenn man sie Guebers. Dieß Wort kommt vom arabischen Gauer, welches so viel heißt, als ein Unglaͤubiger oder Goͤtzendiener. Diese Namen legt man auch den Christen und allen bey, die nicht ihrer Re- ligion zugethan sind. Ich bemerke dieß hier darum, weil die Tuͤrken dieß Wort allezeit im Munde fuͤhren, wenn sie von Juden oder Chri- sten reden. In der hebraͤischen Sprache bedeu- tet das Wort Chaver auch Opferpriester der Perser. Ich glaube, daß der Ausdruck Gau — welcher so viel, als Koth, Mist, Auswurf, stercus, bedeutet — den Auswurf von Erden- volke bezeichnen soll. Die Perser nennen auch die Guebers Atechperes, d. h. Anbeter des Feuers. — Diese Guebers sind nicht so gut gestaltet, nicht so weiß, als die mohammedanischen Perser: dennoch aber sind sie untersetzt und von ziemlicher Taille. Die Frauenspersonen sind dicke, von Oli- ven- und dunkler Farbe, welches mehr von ih- rer Armuth, als von ihrem Naturell her- kommt; denn es giebt unter ihnen einige, die sehr schoͤne Zuͤge in ihrem Gesichte haben. Die Maͤnner tragen Haare und einen langen Bart, eine kurze und enge Weste, und eine Muͤtze von feiner Wolle, welche beynahe wie ein ein Huth aussieht. Sie kleiden sich mit Lein- wand oder Wolle, lieben aber uͤberhaupt die braune Farbe. Die Weiber sind sehr grob gekleidet, so daß man fast keinen haͤßlichern Anblick haben kann, als wenn man eine Gue- berinn siehet. In Persien sind sie alle entweder Ackerleute, oder Handarbeiter, oder Tuchwalker und Wollarbeiter. Sie machen sehr feine Teppi- che, Muͤtzen u. s. w. Unsre Castorhuͤte sind nicht so weich und schoͤn. Chardin versichert, daß er die ganze Zeit seines vieljaͤhrigen Auf- enthalts in Persien, keinen einzigen Gueber muͤßig gesehen habe; auch keinen, der sich auf freye Kuͤnste und eigentlichen Handel gelegt habe. Ihre vornehmste Profession ist der Ackerbau, d. h. die Bearbeitung des Gartens, der Weinberge u. s. w. Sie betrachten den Ackerbau, nicht nur als eine schoͤne und unschul- dige Profession, sondern auch als eine ver- dienstvolle und achtungswuͤrdige, und sie glau- ben, daß das der erste Beruf der Menschen sey. Diese alten Perser sind von gefaͤlligen und einfaͤltigen Sitten, leben unter der An- fuͤhrung ihrer Aeltesten, welche den Magi- strat ausmachen, und von dem persischen Gou- vernement in ihrer Charge confirmirt werden, sehr ruhig. Sie trinken Wein, und essen al- lerley Arten von Fleisch, wenn man Ochsen und Kuͤhe ausnimmt, es mag uͤbrigens zubereitet seyn, seyn, von wem es will. Eine zwiefache Ehe und die Ehescheidung Hierinn stimmen mehrere Reisebeschreiber uͤber- ein. Allein, im Fall der Unfruchtbarkeit in den ersten neun Jahren ihrer Verheyrathung, koͤn- nen sie, neben der ersten, noch eine zweyte Frau nehmen. , wird, vermoͤge ihrer Re- ligion, nicht gestattet, und sie duͤrfen sich auch nicht mit Persern verheyrathen, wel- che ihrer Religion nicht zugethan sind. Chardin hat bey diesem alten Volke kei- nen Gelehrten, sondern lauter Unwissende an- getroffen. Er sagt, daß die ganze Gelehr- samkeit ihrer Priester in einer geringen Kennt- niß der Astrologie, des Mohammedanismus und in einer sehr unvollkommnen Kenntniß ihrer eigenen Religion bestaͤnde, so daß sie von ihrem eigenen Glauben keinen Grund an- zugeben wuͤßten. — Man muß sich auch hieruͤber nicht wundern, weil sie seit mehr denn tausend Jahren in der Unterdruͤckung und Niedrigkeit leben. Man sagt gemeinig- lich, daß sie ein beruͤhmtes Buch haͤtten, wel- ches ihre Religion und ihre Geschichte in sich faßte und Zend Pasend Vosta hieße. Bis itzt aber hat noch niemand das Geringste von diesem vorgegebenen Werke sehen koͤnnen. Und dieß ist denn auch die Ursache, daß wir keine ganz wahre und richtige Beschreibung von der Religion der alten Guebers haben. Char- Chardin hat sich sehr viel Muͤhe gegeben, die Religion der alten Guebers zu erforschen; und was er davon berichtet hat, wollen wir hier kurz erzaͤhlen. Weil er ein Reisebeschrei- ber ist, der nicht alles aufs Gerathewohl nie- dergeschrieben hat; so stehen wir nicht an, die folgenden Bemerkungen unsern Lesern als voͤl- lig glaubhaft anzupreisen. „Es scheint, daß die Guebers ein hoͤch- „stes Wesen annehmen, welches uͤber die „Endursachen ist. Dieses Wesen nennen sie „ Yezd. Indessen eignen sie doch den Endur- „sachen eine solche Macht zu, daß diesem „ Jezd, oder hoͤchsten Wesen, nicht viel uͤbrig „bleibt. Vielleicht erkennen sie, eigentlich „und genau zu reden, wohl kein hoͤchstes We- „sen. Sie muͤssen es aber aus politischen „Gruͤnden thun, um bey den Persern, ihren „eigentlichen Herren, fuͤr keine Deisten ge- „halten zu werden, welches sonst ihre voͤllige „Vertreibung befoͤrdern wuͤrde. Sie meynen, „daß die himmlischen Koͤrper verstaͤndige We- „sen waͤren, und sich um die Auffuͤhrung der „Menschen bekuͤmmerten. Die Sonne ist „nach ihnen, das erste hoͤchstdenkende „Wesen, und der Vater aller sinnlichen Din- „ge. Der Mond ist das zweyte denkende We- „sen, und denn folgen die uͤbrigen Planeten. „Sie glauben auch, wie alle indianische Hei- „den: Die Mondfinsterniß kaͤme daher, weil „der Mond gedruͤckt, und von einem hoͤhern „Wesen „Wesen beunruhiget, und in diese traurige La- „ge versetzt wuͤrde. Außer diesen denkenden „Wesen nehmen sie auch Engel an, welche sie „subalterne Goͤtter nennen, denen die Sor- „ge fuͤr die Bewahrung der leblosen Dinge „anvertrauet ist. Endlich nehmen sie auch „zwey Grundwesen an, naͤmlich ein gutes „und ein boͤses. Diese zwey Grundwesen „sind das Licht Das Licht nennen sie Ormus, ein Wort ih- rer alten Sprache, welches sie durch das Wort Kaddim, ein arabisches Wort, ausdruͤcken. und die Finsterniß Finsterniß druͤcken sie durch das Wort Ari- man aus, welches so viel, als geschaffner Gott, heißt. „So unvernuͤnftig und absurd nun auch im- „mer diese Behauptung eines zwiefachen We- „sens ist; so haben sie doch einige alte Philo- „sophen fuͤr sehr vernuͤnftig auf und angenom- „men, und sie zu einer der vornehmsten Lehren „gemacht. Es giebt auch noch persische Leh- „rer, welche sie noch annehmen, und diese „Wesen, so wie die Guebers, Licht und Fin- „sterniß nennen.„ „Jedermann glaubt allgemein, daß sie das „Feuer anbeten; dem ohngeachtet aber kann „man sie schwerlich dahin bringen, sich daruͤ- „ber zu erklaͤren, und zu erfahren, ob der „Gottesdienst directe oder relatif ist: ob sie „das Feuer fuͤr Gott, oder bloß fuͤr das Eben- „ Ebenbild Gottes halten. — Das Feuer, „sagen sie, ist das Licht, das Licht ist Gott. „Dieß sagen sie ganz genau; aber sie loben „hernach das Feuer, das Licht und Gott, und „halten daruͤber einen so confusen Discours, „daß man nicht das geringste verstehet, und „sich nach und nach wegschleichet. Dem ohn- „geachtet behaupten sie immer, daß sie das „Feuer an geheiligten Oertern, seit den Zeiten „des Keyomerse, ersten Koͤnigs in Persien, „bewahren. Aber man kann weder diesen ge- „heiligten Ort, noch ihren Altar, noch ihren „Dienst sehen. Daher waͤre nun wohl die „Folgerung nicht unrecht, wenn man behau- „ptete: daß alles, was man von diesem alten „Feuer sagt, nichts, als Taͤuschung sey.„ „Die Guebers in Indien sagen, daß die- „ses ewige Feuer nicht unter ihnen, sondern „in Persien sey. Und die persischen Guebers „sind wegen des Orts, wo es brennen soll, „nicht einig, indem sie bald sagen, daß es zu „ Kirma, bald zu Yezd, und bald auf einem „gewissen Berge in diesem Lande sey. — Ue- „berhaupt ist alles, was man davon weiß, so „zweifelhaft, daß man von allem, was daruͤ- „ber geschrieben ist, nichts gewisses glauben „kann. „Sie beten gemeiniglich bey dem Feuer, „und erweisen demselben andere aͤußerliche Ver- „ehrungen. Ihr vornehmster Tempel befin- „det sich neben Yezd. Dieß ist ihr großes „ Atech- „ Atech-gae, wie es die Perser nennen, das „heißt, ihr Heerd des ewigen Feuers. Dieser „Ort ist auch ihr Orakel und ihre Academie. „Hier communiciren sie sich auch ihre Religion, „ihre Maximen und Hoffnungen. Ihr ober- „ster Priester wohnt hier bestaͤndig, und geht „niemals weg. Man nennt ihn Destour „Destouran, d. h. Regel der Regeln, um da- „mit anzuzeigen, daß die Priester vor andere „Menschen die Regel des Glaubens und eine „Richtschnur sind, nach welcher andre ihre „Lebensart einrichten muͤssen.„ „Dieser oberste Priester hat noch andere „Priester und Studenten bey sich, welche eine „Art von Seminar ansmachen. Die Mo- „hammedaner dulden sie, weil sie gar kein Ge- „raͤusch machen, und die Officiere reichlich be- „schenkt werden. Die Priester sind in gewis- „ser Absicht — wenn man auf ihre Verrich- „tungen sieht — eben das, was ehemals die „ Vestalinnen zu Rom waren. Ihr vor- „nehmstes Geschaͤfft besteht in der bestaͤndigen „Unterhaltung des heiligen Feuers. Dieß „Feuer brennt, ihrem Vorgeben nach, ohnge- „faͤhr seit viertausend Jahren. Zoroaster, „ihr Prophet, sagen sie, soll es auf eine be- „wundernswuͤrdige Art auf einem Berge ange- „zuͤndet haben.„ „Bey Verrichtung ihres Gebets, wenden „sie allemal ihr Gesicht gegen die Sonne. „Denn, sagen sie, soll das Gebet ein wahres Gebet „Gebet und keine Abgoͤtterey, kein falscher „Gottesdienst seyn; so muß man allemal in „die Sonne sehen. Daher kommt es auch, „daß sie des Nachts gar nicht beten. Sie ver- „richten aber fuͤnfmal des Tages, zu festge- „setzten Stunden, ihr Gebet. Ihr vornehm- „ster Tag, den sie zugleich auch ganz der Reli- „gion widmen, ist der Freytag. — Die alten „Guebers schmeicheln sich noch immer mit der „angenehmen Hoffnung, daß Gott ihrem Elen- „de einmal ein Ende und sie zu Herrn des gan- „zen Reichs machen werde. Man weiß nicht, „wer ihnen diese Ideen in den Kopf gesetzet „hat.“ „ Zoroaster Die meisten Gelehrten sind darinn voͤllig ein- verstanden, daß Zoroaster das Haupt und der Anfuͤhrer der magischen Secte sey. Allein in Ansehung der Zeit, wann er gelebt habe? stim- men kaum zwey oder drey mit einander uͤberein. Der scharfsinnige Prideaux macht die richtige Anmerkung, daß man sehr leicht in den Stand gesetzt werden koͤnnte, die verschiedenen Mey- nungen unter einander zu vergleichen, wenn man das 30. Buch der Naturgeschichte des Plinius mit Nachdenken uͤberlesen wollte. — Plinius erwaͤhnt in dem angefuͤhrten Buche, (welches auch jetzt die meisten Gelehrten an- nehmen,) daß es zwey Zoroasters gegeben, die sechshundert Jahre von einander gelebt haben. Sehr wahrscheinlich ist der erste der Urheber der , den sie Zerdoucht oder Zardusht nennen, ist ihr groͤßester Prophet L und und Lehrer. Er war das Oberhaupt und Stifter der Secte der Magier, und lebte ohn- gefaͤhr zu den Zeiten der Koͤnige von der zweyten Linie. Die Guebers sind, wegen des Geburtorts und des Vaterlandes dieses be- ruͤhmten Zoroasters, unter sich sehr verschiede- ner Meynung. Einige machen ihn zum Ba- bylonier , andre hingegen halten ihn fuͤr einen Indianer . Diese letzte Meynung koͤnnte wohl vielleicht der erstern vorgezogen werden, zumal der magischen Secte gewesen, und hat um das Jahr der Welt 2900 gelebt. Diese Anga- be der Zeit, worinn er gelebt hat, ist ohngefaͤhr richtig, und ich bin gar nicht in Abrede, daß er nicht sollte oder koͤnnte einige Jahre fruͤher oder spaͤter gelebt haben: zumal da es unge- mein schwer und fast unmoͤglich ist, in diesem Zeitalter etwas ganz Bestimmtes anzugeben. — Mit weit mehrer Gewißheit kann man sagen, zu welcher Zeit Zoraster der zweyte gelebt hat. Fast die meisten Gelehrten setzen ihn in die Zei- ten des Darius Hystaspes, und halten ihn fuͤr den Fortsetzer desjenigen, was Zoroaster der erste angefangen hat. Von den Buͤchern, die man dem Zoroaster beylegt, ist Zendavesta be- kannt genug, worinn er alle Theile seiner Leh- re auseinander gesetzt hat. Aber man hat an der Wahrheit dieser Buͤcher sehr zu zweifeln. Sie scheinen von den Priestern untergeschoben zu seyn. — Wir bitten die Leser uͤber den Zo- roaster und dessen Schriften den Th. Hyde de religione vet. Persarum. Pocock Specim. hist. Arab. Bayle Dict. T. IV. art. Zoroastre — nachzulesen. zumal da fast die meisten Gelehrten darinnen einverstanden, daß die Wissenschaften allererst aus Indien zu andern Voͤlkern uͤberbracht sind. — Dieser Zoroaster ist der erste, wel- cher die Wissenschaften und Religion metho- disch vorgetragen hat. Die Guebers erzaͤhlen von ihm eine unzaͤhlige Menge Maͤhrchens, und machen aus ihm einen Menschen, der in vielem Betracht der Gottheit aͤhnlich sey. Selbst die Mohammedaner halten viel auf den Zoroaster, weil sie glauben, daß er die Astro- nomie zuerst gelehrt habe. In dieser Wissen- schaft haben sich auch die Menschen am fruͤhe- sten hervorgethan. Man weiß, daß die erste Schule fuͤr diese Wissenschaft zu Babylon — der aͤltesten Stadt in der Welt — aufgerichtet ward. „Daher kommt es, daß die Astrono- „men ohne Unterschied Babylonier , von dem „Namen der Stadt, oder auch Magier , von „dem Namen der Secte, genannt wurden.“ „Die Magier — ein Wort dessen richtige „Bedeutung man nicht hinlaͤnglich bestimmen „kann — unterrichteten die Menschen von der „Ewigkeit eines ersten Grundwesens. Und „dieses Grundwesen war allererst der Mond: „weil aber dieser auf die Sinneskraft der Men- „schen nicht so stark wirkte; so zogen sie ihm „die Sonne vor. — Sie waren die ersten Theo- „logen und Philosophen, und wurden als solche „angesehen, denen man vorzuͤgliche Ehre schuldig L 2 „sey. „sey. Hieruͤber erklaͤrt sich Cicero Nec quisquam rex Persarum esse potest, qui non ante Magorum disciplinam scientiamque perceperit. Cic. de diuinat. lib. 1. 91. pag. 3161. edit. Verburgii. in seinem „Buche de diuinatione sehr deutlich. Selbst „der Koͤnig mußte eine gewisse Zeit, ehe er „den Thron bestieg, von ihnen Lehren anneh- „men, und die Kunst, wohl zu regieren — „die Goͤtter wuͤrdig zu verehren — von ihnen „erlernen. Ja die Achtung gegen die Magier „gieng so weit, daß kein wichtiges Staatsge- „schaͤfte, ohne sie dabey vorher um Rath ge- „fragt zu haben, konnte vorgenommen werden. „Dies bewegte auch den Plinius In tantum fastigii adoleuit auctoritas Ma- gorum, vt hodieque in magna parte gentium praeualeat, et in oriente regum regibus im- peret. Plin. lib. 30. c. 1. zu sagen, „daß sie im ganzen Oriente als Herrn der Fuͤr- „sten angesehen wuͤrden.“ „Sie waren die Weisen, die Gelehrten, „die Philosophen in Persien, wie es die Gym- „nosophisten oder Brachmanen , bey den „Indianern, und die Druiden , bey den alten „Gall i ern waren. Durch ihren großen Ruhm, „zogen sie aus den entferntesten Laͤndern alle „diejenigen an sich, welche in der Theologie und „Philosophie gruͤndlich wollten unterrichtet „seyn. Und man weiß, das Pythagoras ih- „nen „nen sowohl als den Egyptiern, den Grund „derjenigen Gelehrsamkeit zuschreibt, wodurch „er bey seinen Zeitgenossen nachher so ehrwuͤr- „dig wurde Man muß hiervon die Seelenwanderung, die er von den Egyptiern entlehnte, ausnehmen, wodurch er die alte Lehre der Magier erniedrig- te und verdarb. .“ „Eine von den sonderbaren Meynungen „der Guebers, die denen der uͤbrigen Heyden „ganz entgegen ist, bestehet darinn, daß sie „nemlich glauben, es sey nicht nur erlaubt, „die Insecten und alle andre unnuͤtze Thiere zu „toͤdten, sondern auch so gar eine Gott wohl- „gefaͤllige und verdienstliche Sache, weil diese „elenden Geschoͤpfe nicht anders als vom boͤ- „sen Grundwesen ( malo principio ) ihren „Ursprung haben koͤnnten.“ „Nichts ist sonderbarer und zugleich auch „empfindlicher, als wenn sie vom Alexander „dem Großen reden: Anstatt ihn zu bewun- „dern, und seinen Namen zu ehren, tadeln, „verabscheuen sie ihn, als einen Menschen ohne „alle Gerechtigkeit, Menschlichkeit — als ei- „nen solchen, der gebohren sey, um die ganze „menschliche Gesellschaft und die ganze Welt zu „zerstoͤhren. — Ins Ohr raunen sie sich ein- „ander aͤhnliche Dinge vom Mohammed, und „schaͤtzen beyde fuͤr ein Paar Fuͤrsten, die zum „Schaden der Menschheit gelebt haben. Sie L 3 „fuͤh- „fuͤhlen und wissens wohl, daß beyde an ihrer „Unterdruͤckung und an ihrem ganzen Elende „Schuld sind. — Und hierinn irren sie sich „auch nicht.“ — 2. Juden . Dieses Volk ist noch ein Ueberbleibsel von den alten Hebraͤern, welche von den Assyriern wahrscheinlich nach Baby- lon, ohngefaͤhr sechs hundert und funfzehn Jahre vor Christi Geburt, gefuͤhrt wurden. Es hat sich gegenwaͤrtig vornemlich in Cara- manien, Medien, Hyrcanien und laͤngst dem persischen Meerbusen niedergelassen. Diese Juden sind sehr arm, und fuͤhren uͤberhaupt — gleich den Guebern — ein kuͤmmerliches Le- ben. Ein großer Theil derselben sind Kuͤnst- ler: aber ein noch weit groͤßerer und anfehnli- cher Theil beschaͤftigt sich mit dem Weinhandel, Intruͤgen, Kauf- und Wiederverkauf, Pro- phezeien und andern aͤhnlichen Dingen. Sie verstehen die Kunst, diejenigen, mit denen sie umgehen, meisterlich zu betruͤgen. Und dem ohngeachtet sind sie uͤberaus arme und elende Menschen. Die Perser haben es zu verschiedenen Zei- ten versucht, die Juden zur Annahme des mo- hammedanischen Glaubens zu bringen. Allein ohngeachtet der ansehnlichen Belohnung, die Abbas der Große denjenigen versprach, welche das Judenthum verlassen wollten, hat er doch wenig oder gar nichts ausgerichtet. Sie bleiben fest bey ihren alten Ueberlieferun- gen: gen: und alles Zureden war bey ihnen verge- blich. — In keinem Lande findet man aber auch unwissendere Juden, als eben in Persien. In ihren religioͤsen Ideen sind sie nicht einerley Meynung unter einander. — Sie lesen zwar gemeinschaftlich den Pentateuchus, man kann aber eigentlich von dem, was sie wirklich glau- ben, keine gegruͤndete Nachricht geben. 3. Sabis, oder Christen des heil. Johannes . Die Anzahl dieses Volks ist so klein und so sehr zerstreuet, daß man von ih- rem Glauben und Meynungen wenig Glaub- wuͤrdiges weiß. Man haͤlt dafuͤr, daß diese Sabis urspruͤnglich Chaldaͤer, und ihre Vor- fahren Schuͤler des Zoroaster gewesen sind. Diese Vermuthung duͤrfte auch wohl nicht ganz ungegruͤndet seyn; wenigstens haben sie viele religioͤse Begriffe vom Zoroaster angenommen. Sie halten Johannes den Taͤufer fuͤr ih- ren Heiligen. Man kann sie aber im Grunde nicht fuͤr Christen halten, denn sie glauben nicht, daß Jesus der wahre Sohn Gottes sey. Sie halten ihn, gleich dem Koran, bloß fuͤr einen goͤttlichen Propheten. Die Ursach aber, warum man sie mit diesem Namen benennet hat, kommt bloß von der großen Verehrung eines Kreuzes her, das sie auf eine, fast ab- goͤttische Art, verehren. — Von den heiligen Buͤchern, die diese Christen des heil. Johan- nes vormals gehabt haben, wissen sie jetzt wei- ter nichts, als daß sie in syrischer Sprache ge- L 4 schrie- schrieben und verloren gegangen sind. Das einzige Buch, was sie noch uͤbrig haben, ist ein Gemisch von Fabeln und Erzaͤhlungen der Ju- den und Mohammedaner. Sie nennen es Divan , ein Name, den die Mohammedaner ihren moralischen Schriften vorzusetzen pfle- gen. Dieser Divan enthaͤlt den Innbegriff ihrer Lehre und Geheimnisse. Die vornehmste Pflicht, welche ihnen ihre Religion vorschreibt, besteht in dem Opfer ei- ner Henne. Dem Priester Sie nennen ihre Priester Cheik , ein arabischer Ausdruck, der so viel bedeutet, als ein Aelte- ster . Die Mohammedaner legen diesen Na- men auch einigen ihren Priestern bey. allein kommt es zu, sie zu opfern. Er geht mit derselben an das Ufer eines Flusses, in voͤlligem Priesteror- nat Dieser besteht in einem weissen Hemde, nach Art eines Rocks zugeschnitten. — waͤscht die Henne im Wasser ab, um sie zu reinigen, — wendet sein Gesicht gegen Morgen — schneidet derselben den Hals ab, und haͤlt sie so lange in der Hand fest, bis sie gar nicht mehr blutet. Unter dieser Ver- richtung ruft der Priester zu verschiedenen ma- len aus: dieses Fleisch sey im Namen Got- tes fuͤr alle die rein, welche davon essen werden . — Niemand als dem Priester allein ist es erlaubt, Hennen zu toͤdten: und wer dieß dieß Gebot uͤbertritt, wird nach ihrem Gesetz auf das schaͤrfste gestraft. Sie opfern uͤberdies noch jaͤhrlich einen Widder in einer kleinen Huͤtte, welche von Palmaͤsten aufgebauet und vorher mit Weyh- rauch, Wasser und Gebet gereinigt wird. Sie sind in Ansehung der Reinigung fast noch ge- wissenhafter als die Juden und Mohammeda- ner. Sie halten alles Fleisch, das die Mo- hammedaner getoͤdtet, und alle Gefaͤße, deren sich diese bedienen, fuͤr unrein. Eben das glauben sie auch von dem Leder, und den Ge- faͤßen, die von Leder gemacht werden Die Ursachen, warum sich die Sabis gerade der Dinge, welcher sich die Mohammedaner bedie- nen, zu enthalten pflegen, sind sehr mannich- fach. Die erste von allen gruͤndet sich auf eine alte Tradition, die auch vielleicht gegruͤndet seyn koͤnnte. Die Sabis sind nemlich der Mey- nung, daß ihre Vorfahren mit Mohammed ei- nen Vergleich getroffen haben, vermoͤge wel- chen sie glauben und handeln koͤnnten, wie sie wollten. Dieser Contract sey nun zwar von den ersten Nachfolgern Mohammeds beobachtet worden: allein in der Folge der Zeit habe die- ser Contract aufgehoͤrt. — Aus diesem Grun- de schreiben sie auch den Mohammedanern alles Uebels zu, und glauben, daß nur diese allein der Grund ihres Elendes seyn koͤnnten. Die Sabis verachten auch keine Religion mehr, wie eben die Mohammedanische: und wenn sie Gelegenheit haben sie zu verhoͤnen und zu ver- spotten; so thun sie dieß mit dem groͤßesten Eifer. . L 5 Die Die Art, wie sich dieß Volk mit einander ehlich zu verbinden pflegt, hat zu viel sonder- bares und characteristisches, als daß ich hier nicht etwas davon erzaͤhlen sollte. — Wenn sich ein junger Mensch unter ihnen verheyrathen will, und sich ein Maͤgdchen ausgesucht hat; so pflegt der Priester und die Eltern des jungen Menschen zu dem Maͤgdchen zu gehen, und sie zu fragen; ob sie noch eine Jungfrau sey? Wenn diese es nun mit einem Ja bekraͤftiget; so muß sie ihre Aussage beschwoͤren. Die Ein- willigung der Eltern von Seiten der Braut, haͤlt nie schwer zu erhalten: selten machen die- se auch nur die geringste Einwendung. — Hierauf nun fuͤhret der Priester die Braut zum Fluß, und tauft sie, fuͤhrt sie auch selbst wie- der zuruͤck in das Haus des Braͤutigams. Als- dann haͤlt der Priester diesem Paare eine lange Rede, und stellt ihnen alle die Pflichten vor, die sie gegenseitig gegen einander zu beobachten haben. Ist dieses geschehen; so nimmt er ein Buch, welches sie Faal d. i. Schicksaal, Hazard. nennen, und sucht die gluͤckliche Stunde auf, wann die voͤllige Verbindung kann vorgenommen werden. Wenn dieses geschehen ist; so gehen sie zu ihrem ober- sten Priester, der sie, nachdem der Braͤuti- gam nochmals versichert hat, daß seine Braut noch eine reine Jungfrau sey, voͤllig mit ein- ander ehlich verbindet. — — Findet sich aber aber der Fall, daß sich der Braͤutigam zu die- ser Versicherung aus Gruͤnden nicht verstehen kann; so wird das Paar nicht von dem ober- sten Priester getraut: und dieß bleibt dann fuͤr die neuen Eheleute ein unvergeßlicher Schimpf, weil sie alsdann genoͤthigt sind, sich von einem gemeinen Priester trauen zu lassen. Denn dieß ist ein offenbares Zeichen, daß die Braut keine eigentliche Jungfrau mehr sey. Außer diesen Sabis giebt es noch eigentlich so genannte Christen, die sich aber in verschie- dene Secten theilen. Man findet auch in Per- sien (so wie uͤberall in ganz Asien) europaͤische Christen, welche sich als Kuͤnstler an dem Ho- fe des Koͤniges aufhalten, die ungerechnet, wel- che sich da ihres Handels wegen aufhalten. Diese Christen genießen alle moͤgliche Freiheit, und werden von der so genannten herrschenden Religion im geringsten nicht gedruͤckt. — Man muß es wirklich gestehen, daß, so abgeschmackt die Religion Mohammeds in vielen Stuͤcken ist, sie dennoch, naͤchst der Christlichen, die Toleranz am meisten empfielt. Heiden . Dieses Volk, welches sich in Persien niedergelassen hat, kommt eigentlich aus Indien. Man findet sie uͤberall im gan- zen Reiche, und sie genießen in Ansehung ihres Gottesdienstes alle moͤgliche Freyheit. Sie beschaͤftigen sich einzig und allein mit dem Han- del, Wucher u. s. f. und treiben es mit sol- chem Eifer, daß sie in kurzer Zeit sich betraͤcht- lich lich bereichern koͤnnen. Aus diesen Ursachen verstattete es ihnen Abbas der Große nicht, sich in seinem Lande niederzulassen: allein sein Nachfolger Cha Sephy ließ sich theils durch ansehnliche Geschenke bestechen, theils von sei- nen Ministern uͤberreden, und ertheilte den Hei- den wieder die voͤllige Freyheit, sich in seinem Reiche niederzulassen. Man kann dieß fuͤr ei- nen Hauptfehler in der Regierung des Cha Sephy ansehen. Neuntes Kapitel. Von der persischen Religion. D ie persische Religion kommt mit der Mo- hammedanischen nach der Auslegung des Aly, voͤllig uͤberein. — Um den Ursprung dieser Secte des Aly recht zu verstehen, scheint es noͤthig zu seyn, kuͤrzlich die Geschichte der Revolutionen in Ansehung der Nachfolge Mo- hammeds zu erzaͤhlen. Die mohammedanische Religion wurde, so bald ihr Stifter gestorben war, in viele Secten zertheilt. Dieß kam fuͤrnehmlich daher, weil die Emirs, durch ihren unsaͤglichen Ehrgeiz angefeuert, unter sich, der Nachfolge wegen, uneinig wur- den. Abubeker , Mohammeds Schwieger- vater, und Aly , sein Eidam, machten bey- de de zu gleicher Zeit auf die Nachfolge Anspruͤ- che. Es wurde von beyden Seiten heftig ge- stritten: wie man aber sah, daß die Sache durch einen guͤtlichen Vergleich nicht konnte beygelegt werden; so kam es von beyden Sei- ten zu einem foͤrmlichen Kriege. Das Schick- sal war dem Abubeker guͤnstig, und er erhielt wuͤrklich das Hohepriesterthum. Seine Re- gierung dauerte aber nur drey Jahre, worauf Omar , einer von den vornehmsten Generalen der Armee, die Regierung erhielt, und sie zehn Jahre lang mit vieler Klugheit verwaltete. Auf diesen Omar folgte Osman , und regier- te ohngefaͤhr eilf Jahre. Nach dessen Tode fand sich Niemand, der auf die Nachfolge An- spruͤche machte, als Aly : er wurde auch wuͤrk- lich zum Nachfolger erwaͤhlt, und man glaub- te, daß nun alle Zwistigkeiten wuͤrden gehoben seyn. — Allein, so bald Aly gestorben war, und dessen aͤltester Sohn seinem Vater in der Regierung nachfolgen wollte, widersetzte sich ihm die Armee, und verlangte, daß ein neuer Nachfolger sollte erwaͤhlt werden. Es kam hierauf wieder zu einem blutigen Kriege, der noch laͤnger wuͤrde gedauert haben, wenn sich die Religion nicht ins Mittel gelegt haͤtte. Die Vorschriften und Lehren des Moham- meds waren noch, wie er starb, gar nicht voͤllig ausgearbeitet, und sein Gesetzbuch noch nicht hinlaͤnglich bekannt gemacht. Es fanden sich Dinge darin, die das Volk gar nicht verstehen konn- konnte, und daher eine Erklaͤrung mancher Saͤtze sehnlich wuͤnschte. Dieß Geschaͤfft uͤber- nahmen Abubeker und Aly , zwey sehr vertrau- te Freunde des Mohammeds. Allein sie konn- ten mit der Erklaͤrung des Gesetzbuchs eben so wenig einig werden, wie uͤber das Recht der Nachfolge. Ein jeder gab seine Erklaͤrung: und ein jeder erhielt auch seine Anhaͤnger. Daraus entstanden denn die zwey beruͤhmten Secten des Mohammedanismus, wovon die eine Chias und die audre Sunni heißt. Die erste hat ihre Anhaͤnger sonderlich in Persien: die andere aber hat sich weiter ausgedehnt, denn die Tuͤrken, Tatern und indianischen Mo- guln bekennen sich alle zu ihr. Beyde Secten aber haben noch verschiedene Unterabtheilun- gen, wie das fast in den meisten Religio- nen ist. Die Tuͤrken halten den Abubeker, Omar und Osman fuͤr die rechtmaͤßigen Nachfolger Mohammeds, fuͤr gute und heilige Fuͤrsten, und die Auslegungen derselben einzig und al- lein fuͤr die wahre. Den Aly hingegen verflu- chen sie bey jeder Gelegenheit, und halten ihn fuͤr einen ungerechten Usurpateur und Verdre- her der Gesetze Mohammeds. Der Haß der Tuͤrken gegen die Perser ruͤhrt allein von dieser Trennung her. Weil jene die- se fuͤr unheilig halten; so koͤnnen sie ihnen auch die Die Die Mohammedaner nennen ihre Religion Islam Ein Wort, welches nicht declinirt werden kann: es bedeutet so viel, als Unterwerfung oder Befolgung der goͤttlichen Gebote. Die Perser behaupten, daß Mohammed selbst, die- sen Namen, zur Bezeichnung ihrer Religion, ge- geben habe. , und diejenigen, welche sich zu der- selben bekennen, Elislam: am gewoͤhnlichsten aber pflegen sie sich Muselmoon (Muselmann) zu nennen. Ihr ganzes religioͤses System ist meistentheils aus der juͤdischen Religion zusam- men gesetzt, welches aus dem folgenden erhellen wird. Wir die Freyheit nicht verstatten, Wallfahrten nach Mekka zu thun. Und dieß hat von jeher zu den unsaͤglichen und grausamen Kriegen zwischen beyden Voͤlkern Gelegenheit gegeben. Staͤnde es in der Tuͤrken Gewalt, den Persern diesen Weg zum Paradiese gaͤnzlich zuzuschließen; so wuͤrden sie gewiß hiebey alles moͤgliche anwen- den. Aber Alys Anhaͤnger wollen auch selig seyn, und wallfahrten deswegen auch hin nach Mekka. Alle Unterhandlungen der Perser mit den Tuͤrken laufen daher immer darauf hin- aus, Alys Nachfolgern eine voͤllige Freyheit zu verschaffen, um ihre Wallfahrt sicher und ruhig nach Mekka verrichten zu koͤnnen. Bey dem Frieden im Jahre 1764 machte dieses fast den wichtigsten Punct in den Tractaten beyder Voͤlker aus. Wir wollen uns hier nur mit einer richti- gen Beschreibung der vornehmsten Glaubens- arkikeln begnuͤgen, und die weniger wichtigen ganz mit Stillschweigen uͤbergehen. Genug, wenn sich der Leser eine richtige Idee von den vorzuͤglichsten Religionspuncten machen kann. In den persischen Catechismen findet man die Anzahl der Gebote sehr verschieden angege- ben, weil sie selbst hieruͤber noch nicht einig sind. Doch nehmen die meisten sieben Gebothe an. 1) soll man Niemand Gott gleich stellen. 2) Niemand toͤdten; 3) Vater und Mutter eh- ren; 4) sich eines andern Guͤter nicht bemaͤchti- gen; 5) keine Sodomiterey treiben; 6) die Frau eines Nachbarn nicht beruͤhren, und 7) keine freye Frau anruͤhren, ohne sie vorher con- tractmaͤßig geheyrathet zu haben. — Ihr Glaubensbekenntniß theilen die meisten in zehn Hauptartikel, naͤmlich in fuͤnf, die man glauben, und in fuͤnf, die man ausuͤben muß. — Die fuͤnf Glaubensartikel sind 1) die Kennt- niß Gottes; 2) die Gerechtigkeit Gottes; 3) die Weissagung; 4) die Succession; 5) die Auferstehung. — Die fuͤnf Puucte des Glau- bensbekenntnisses, welche man ausuͤben muß, sind 1) die koͤrperliche Reinigung; 2) das Ge- bet; 3) die Allmosen; 4) das Fasten; 5) das Wallfahrten. — Man muß hier bemer- merken, daß die meisten Lehrer schon denjeni- gen fuͤr einen wahren Muselmann halten, wel- cher an Gott, Mohammed und Aly glaubt. Um Um aber unter die Zahl der Rechtglaͤubigen zu gehoͤren, muͤsse man sowohl die fuͤnf Glau- bensartikel, als auch die fuͤnf Artikel der Ausuͤ- bung annehmen. Ich habe gesagt, daß ihr Glaubensbekennt- niß aus zehn Artikeln bestehe: sie nehmen aber gemeiniglich nur sieben davon an, naͤmlich zwey Glaubensartikel: 1) daß nur ein Gott und 2) daß Mohammed der Bothe Gottes sey, und dann die fuͤnf vorher erwaͤhnten Puncte, die sie bey der Religion zu beobachten haben. Alle Mohammedaner behaupten, daß Mohammed diese sieben Stuͤcke der Religion dem Engel Gabriel — der ihm in einem weissen Kleide er- schienen sey — vorgelesen habe. Und da dieser Engel den Mohammed gefragt habe, worinn seine Religion bestaͤnde; soll er geantwortet haben: seine Religion bestaͤnde 1) in dem Bekenntniß, daß nur ein einziger Gott sey; 2) Mohammed sey der Apostel und Gesandte Gottes; 3) Aly sey der Vikar Gottes; 4) in der Beobachtung der koͤrperlichen Reinigung; 5) im Gebete zu bestimmten Zeiten; 6) im All- mosengeben; 7) im Fasten, und 8) im Wall- fahrten nach Mekka. Sie fuͤgen hinzu, daß der Engel alles dieses gebilliget habe. Wir wollen nun von einem jeden einzelnen Punkte das Noͤthigste erzaͤhlen. I. Es ist nur ein Gott . — Schon die- se Worte bestaͤtigen den im vorhergehenden ge- aͤußerten Beweis, daß naͤmlich die Mohamme- M daner daner den groͤßesten Theil ihrer Religion von den Juden entlehnt haben. Ich will hier den wirklichen Beweis davon nicht fuͤhren, weil die Sache evident genug, und laͤngst von verstaͤn- digen Maͤnnern bewiesen ist. — Die Mohamme- daner nehmen, wie andere Voͤlker, einen einzi- gen wahren Gott an: sie sind aber in ihren Meynungen von der Einheit Gottes, und son- derlich von seinen Eigenschaften, verschiedener Meynungen. Sie lehren in ihren theologischen Schriften: „daß Gott einig, und kein Wesen ihm gleich sey: er sey vom Anfang der Erste, und Niemand vor ihm gewesen: so alt, daß er keinen Anfang habe: daß er ewig daure und nie aufhoͤre, und viele dergleichen Saͤtze mehr, die alle mit dem juͤdischen Religionssysteme uͤbereinkommen. — In Ansehung der goͤttli- chen Eigenschaften lehren sie, daß er maͤchtig und stark, und mit keinem andern Wesen hier- in zu vergleichen sey: daß er alles wisse , was an allen Orten vorgenommen werde, alle Inse- cten kenne, die unter und auf der Erde sind, alle Geheimnisse und verborgensten Dinge wis- se: daß Gott alles wolle , was geschieht und bey allen Dingen concurrire. u. f. Was die Schoͤpfung der Welt betrifft; so muß man gestehen, daß sie in diesem Stuͤcke mit dem, was sie wuͤrklich glauben, viele Fabeln vermischen, die sie meistentheils den Rabbinen zu verdanken haben. Sie glauben unter andern Dingen, daß Gott die Welt aus Nichts ge- schaffen schaffen habe: daß er zuerst die Himmel, ver- mittelst geistiger Wesen vom ersten Range, und nachher die Erde durch Bewerkstelligung der Engel geschaffen habe, das heißt nach ihrer Er- klaͤrung, Gott habe die Himmel und die Erde nicht ploͤtzlich und auf einmal gemacht, sondern er habe zuerst ein Wesen erschaffen, vermittelst dessen der erste Himmel geworden sey. Hernach habe er ein dergleichen zweytes Wesen erschaf- fen, durch welches der zweyte Himmel entstan- den sey; und auf eben die Weise sey es auch mit Erschaffung der uͤbrigen Himmel zugegan- gen. — Dasjenige, was sie in Ansehung der Erschaffung der Erde, durch die Engel, glau- ben, haben sie vielleicht von alten christlichen Ketzern entlehnt. Die Perser behaupten, daß die Erde in der Mitte der Gewaͤsser erschaffen, und das Wasser der Abgrund oder das Chaos sey, woraus Gott die Erde hervorgebracht habe. Gott habe endlich das Wasser ablaufen lassen; und so sey die bewunderungswuͤrdige Gestalt der Erde entstanden, die wir itzt sehen. Die Perser sind auch mit andern Voͤlkern, in Absicht der Zeit und des Monaths, wenn die Schoͤpfung eingefallen sey, nicht einstimmig; denn sie wollen, daß sie in den sechs letzten Ta- gen des Mondmonaths , geschehen, d. h. daß die Schoͤpfung den fuͤnf und zwanzigsten Tag des Mondes angefangen, und den letzten Tag dessel- ben Monds geendigt habe. Und in dieser Ruͤck- sicht feiern sie den Schoͤpfungstag der Welt M 2 am am fuͤnf und zwanzigsten Tage des Monathes Zilkadé . — Sie halten alle Engel entwe- der fuͤr gute oder fuͤr boͤse. Die guten Engel, sagen sie, sind von geistiger Natur, und mit Leib und Seele versehen. Man nennet sie Me- lec , welches so viel heißt, als ein Gesandter, weil sie die Boten Gottes sind. Den Teufel halten sie fuͤr ein aus Feuer bestehendes Wesen. Ueber die Erbsuͤnde haben die Perser gleich- falls mancherley und sonderbare Meynungen; denn sie wollen es schlechterdings nicht zugeben, daß Adam jene schaͤndliche Handlung verrichtet habe, die alle Nachfolger zu Suͤndern gemacht habe. Sie halten dieses nur bloß fuͤr eine Ab- weichung der Vollkommenheit: er habe das Bessere gelassen, und das weniger Beßre ge- than. — Diese Meynung gruͤnden sie dar- auf, weil sie glauben, daß Propheten nicht suͤndigen koͤnnen. Nun aber sey Adam ein Prophet, also haͤtte er auch nicht suͤndi- gen koͤnnen. — Ich will hier anfuͤhren, wie die Perser das, was wir Adamssuͤnde zu nennen pflegen, verstehen. „Gott schuf, sagen sie, den Adam, lange Zeit vor der Welt, im vierten Himmel, und erlaubte ihm, von allen Baumfruͤchten des Paradieses, ohne Unter- schied, zu essen. Er erhielt aber dabey den Rath, daß er sich nur einzig und allein an die Baumfruͤchte halten, und keine Huͤlsenfruͤchte genießen sollte. Diese machten das Gebluͤt dicke dicke, und verhinderten die Ausduͤnstung, wel- ches in der Folge einen uͤblen Geruch verursa- chen wuͤrde, und er alsdenn das Paradies verlas- sen muͤßte. Eva, welche, gleich ihrem Man- ne, nicht suͤndigen konnte, achtete auf diesen Rath Gottes nicht: sie aß auf Anstiften des Teufels Huͤlsenfruͤchte, und gab ihrem Manne auch davon zu essen. Sie aßen sich satt. Dieß oͤfnete ihnen die Augen, und wurden sogleich durch den Engel Gabriel aus dem Himmel ge- fuͤhrt. Nun, sagen die Mohammedaner fer- ner, war dieß keine Suͤnde, von den Fruͤchten gegessen zu haben, denn es war ihnen nicht ver- boten; allein es waͤre nur besser gewesen, wenn sie nicht davon gegessen haͤtten. Das Entbeh- ren des Paradieses des Adams und der Eva, koͤnne nicht fuͤr einen Fall angesehen werden, denn sie haͤtten nichts gethan, wodurch sie sich dasselbe haͤtten zuziehen koͤnnen. Die Ursache also, warum Adam und Eva waͤren aus dem Paradiese gewiesen, sey nur diese, damit sie einen heiligen Ort nicht zufaͤlligerweise beunrei- nigen moͤchten.“ Man kann, an und fuͤr sich genommen, kei- ne laͤcherlichere Meynung von dem Falle Adams gedenken, als diese ist. Aber die Mohamme- daner muͤssen dergleichen erdenken, um ihren Satz, daß die Propheten nicht suͤndigen koͤn- nen, zu behaupten. Laßt uns nun sehen, was die Perser von der Auferstehung , dem juͤngsten Gericht , M 3 dem dem Paradiese und der Hoͤlle , fuͤr eine Mey- nung hegen. Die Mohammedaner glauben, wie wir, daß die Menschen aus ihrem Staube wieder auferstehen werden, um an jenem Tage vor dem Throne des hoͤchsten Richters zu erscheinen. Allein sie glauben nicht, daß ihr Koͤrper wird verherrlichet werden: denn sie sagen, daß die Auferstehung den Koͤrper nur vervollkommne, veraͤndere aber nicht seine Natur. Er sey nicht faul und ungestaltet, mit keinem Unflat be- schwert. Sie gruͤnden diesen Glauben auf die Meynung, daß, sobald man einem Koͤrper ei- ne von seinen sinnlich materiellen Eigenschaf- ten raubt, kein wahrer Koͤrper mehr sey. Die Perser lehren, daß es ein besonders Gericht fuͤr die Erwachsenen gebe, welches unmittelbar nach dem Tode gehalten wuͤrde. Die Art desselben geschehe folgender Gestalt: Sobald eine erwachsene Person gestorben und begraben sey, und das beym Grabe stehende Volk sich wegbegeben habe; so komme die abge- sonderte Seele wieder zu dem Todten in das Grab. Es erschienen hierauf zwey Engel von abscheulicher Gestalt, und fragten ihn, ob er Glauben gehalten, ferner examinirten sie ihn uͤber die Einheit Gottes, hernach uͤber die Sendung Mohammeds, endlich uͤber seine Werke. Nach diesem Examen, wuͤrde erst der Seele ihr Ort angewiesen. Denn, sagen sie, so lange diese Untersuchung der Engel mit dem Ver- Verstorbenen nicht vorgegangen sey; so lange irre die Seele herum. — Sie nehmen einen besondern Ort an, wo sich die abgeschiedenen Seelen bis an den großen Gerichtstag auf- hielten. An diesem Orte versammleten sich die Seelen aller Menschen. Die Perser legen dem juͤngsten Gerichte verschiedene und abscheuliche Namen bey. Sie nennen es z. E. den Tag der gaͤnzlichen Umkehrung . Sie sagen, daß dieß Gericht in Asien nahe bey Mekke’, an einem Orte Na- mens Mehcher wuͤrde gehalten werden. Die- se Idee ruͤhrt auch noch von den Juden her, weil diese vorgeben, daß dieß Gericht nahe bey Jerusalem seyn wuͤrde. Alle Vergehungen der Menschen wuͤrden aufgezeichnet, und das Gu- te darneben gestellt. Wenn dieß geschehen; so muͤßten alle Koͤrper uͤber eine Bruͤcke gehen, unter welcher das ewige Feuer brenne. Die Guten kaͤmen gluͤcklich heruͤber: die Boͤsen aber fielen herein. Diese Bruͤcke nennen sie das dritte und letzte Examen, oder das letzte Ge- richt, weil hier erst die eigentliche Absonderung der Rechtschaffenen von den Boͤsen vor sich gienge. Das Paradies und die Hoͤlle halten die Perser nur fuͤr einen Ausruhungsort, wo we- der Vergnuͤgen noch Mißvergnuͤgen Statt fin- de: fuͤr einen Aufbe w ahrungsort solcher Leute, die weder Gutes noch Boͤses, aus Mangel na- M 4 tuͤr- tuͤrlicher Talente, als Kinder, Tolle — ge- than haben. II. Mohammed ist der Gesandte Got- tes : Dieß ist der zweyte Artikel ihres Glau- bensbekenntnisses. Wir wollen hoͤren, wie sich die persischen Gottesgelehrten uͤber diesen Arti- kel erklaͤren: „der Sinn des zweyten Stuͤcks des Glaubensbekenntnisses ist, daß man glau- be, Gott habe den Mohammed aus der Fami- lie der Koreis — einen Mann ohne alle Studien und Wissenschaften, simpel und uner- fahren — zu seinem Gesandten gemacht, daß er, von Gott bestimmt, der Herr aller Men- schen sey.“ Hiervon sind sie voͤllig uͤberzeugt. Man kann dieß auch schon aus der unbeschrei- blichen Ehrerbietung schließen, die sie gegen den Mohammed aͤußern. Alles was man nur Erhabenes denken kann, sagen sie von ihm: ja diese Hochschaͤtzung geht so weit, daß sie ihn uͤber alle Engel setzen. Sie fuͤhren deswegen auch bey jeder Gelegenheit seinen Namen im Munde, bitten ihn auch wohl gar um Verzeihung, wenn sie ihn in Ausdruͤcken nicht genug ehren sollten. III. Der dritte Artikel des Glaubensbe- kenntnisses der Perser ist dieser: Aly ist der Vikar Gottes . Den Aly halten die Perser fuͤr den wahren Nachfolger Moham- meds, und erkennen ihn in ihrem Glaubensbe- kenntnisse, nach dem Mohammed, fuͤr den fuͤr- treflichsten Mann, der je gelebet habe. Die- sem Aly, so wie allen uͤbrigen zwoͤlf rechtmaͤßi- gen gen Nachfolgern Mohammeds, schreiben die Perser eine fast uͤbernatuͤrliche Gelehrsamkeit zu. Sie schaͤmen sichs nicht, ihm so gar goͤtt- liche Vollkommenheiten beyzulegen. IV. Die koͤrperliche Reinigung macht den vierten Artikel ihres Glaubensbekenntnisses aus. Die Perser beobachten in diesem Stuͤcke eine Strenge, die man fast bey keiner Reli- gionsparthey findet. Niemand darf in die Moskee gehen oder im Koran lesen, wenn er sich nicht vorher gewaschen hat. Der Koͤrper, sagen sie, erscheint, wenn man in den Tempel geht, oder im Koran liest, vor Gott: er muß also nothwendig, ehe er religioͤse Dinge vor- nehmen will, gereinigt seyn. Eine der groͤße- sten Beleidigungen, die man den Persern an- thun kann, besteht darinn, wenn man sie Ne- gis oder Unreine, Beschmutzte nennt. V. Das Gebet . Die Mohammedaner sind gewis unter allen Voͤlkern diejenigen, die am haͤufigsten zu Gott beten. Ihre Religion schreibt ihnen auch sehr genau die Zeit vor, wenn sie beten sollen. Sie muͤssen das Gebet fuͤnfmal zu gesetzten Stunden verrichten. Das erste Gebet verrichten sie zu Mittage, weil die Mohammedaner von da an ihren Tag, nach Art der Alten, rechnen; sie nennen dieß Gebet das Gebet des Zoor oder zu Mittage . Das zweyte Gebet welches sie Astre nennen, verrich- ten sie des Nachmittages, wenn die Sonne fuͤnf und vierzig Grad vom Horizont herunter M 5 ge- gestiegen ist. Das dritte Gebet heissen sie Na- maz cheb oder Abendgebet, welches sie alsdenn verrichten, wenn sie die Farben nicht mehr von einander unterscheiden koͤnnen. Das vier- te Gebet, Namaz Coften oder Gebet beym Schlafengehen. Das fuͤnfte Gebet, welches sie Namaz sabah nennen, wird des Morgens verrichtet. — Man sieht wohl, daß eine solche Chaine bey Verrichtung des Gebets, wenn sie gleich sehr kurz sind, ungemein laͤstig seyn muͤs- se, zumal da sie sich darauf vorbereiten muͤssen. Allein, man hat ihnen dieß beschwerliche Joch auf dreyerley Art erleichtert. Erstlich erlaubt man ihnen zwey Gebete in eins zu ziehen, so, daß aus fuͤnfen dreye werden. Das Morgenge- bet wird allein verrichtet: das Mittags- und Abendgebet wird zusammen gezogen, so, wie auch das Abendgebet, mit dem, wenn sie zu Bette gehen. Eben diese Erleichterung ma- chen sie sich auch in Ansehung der Zeit. So koͤnnen sie z. E. das Morgengebet vier Stun- den spaͤter verschieben, als sie es eigentlich ver- richten sollten. Allein die Geistlichen und Scheinheiligen bedienen sich dieser Erleichterung selten, und nur im aͤußersten Nothfall. VI. Das Allmosengeben . Die Perser empfelen in ihren Reden und moralischen Buͤ- chern das Allmosengeben auf das nachdruͤcklich- ste. Und vielleicht findet man auch kein Volk, das gegen Arme so mildthaͤtig ist, als die Per- ser. Kein Land ist aber auch mit mehrern Ar- men men angefuͤllt als eben dieses, vermuthlich, weil sich ein jeder auf das Betteln verlaͤßt. — Die Derwische und Fakirs ziehen trupweise herum, und fodern mit Ungestuͤm Allmosen. Dieß Herumziehen der Derwische macht die Einwohner gegen Arme mitleidig, gefaͤllig, und recht eigentlich menschlich. Die Allmosen, welche die Derwische und Fakirs sammeln, werden zu Gebaͤuden zum ge- meinen und oͤffentlichen Gebrauch angewendet, zum Beyspiel, zu großen Wirthshaͤusern in Staͤdten und an den Heerstraßen, wo man fuͤr nichts wohnen kann: ferner zu Bruͤcken, Schu- len, Moskeen, Baͤdern. Man findet aber bey ihnen keine Hospitaͤler fuͤr Invaliden, keine Armenhaͤuser, wo die Kranken bis zur Gene- sung gepflegt werden. Die Ursache hiervon liegt wohl darinn, daß die Einwohner nicht von so mancherley Uebeln behaftet werden, als die Europaͤer, weil die Luft bey ihnen gesun- der ist. VII. Das Fasten . Die Observanz des Fastens wird von den Mohammedanern eben so genau und puͤnctlich beobachtet, als die Rei- nigung und das Gebet. Die Lehrer ihrer Re- ligion empfelen die Nothwendigkeit des Fastens mit eben dem Nachdruck, als die Nothwendig- keit des Gebets. Das Fasten , sagen sie, ist die Thuͤr und Eingang zur Religion. Ein jeder Mensch, der waͤhrend des Fa- stens stirbt; geht sicher in das himmli- sche sche Paradies ein . Ihre Priester versichern auch noch mit der groͤßesten Gewißheit, daß sich beym Anfang des Fastens, welches den ganzen Monath Ramanzan hindurch waͤhrt, die Pforten des Paradieses oͤfneten, und die Hoͤlle sich fuͤr einen jeden, von ihrer Religion, zuschloͤße. Die persischen Theologen definiren das Fa- sten als eine Enthaltung aller Arten von Spei- sen, und aller Arten fleischlicher Beruͤhrung: und zwar vom Anbruch des Tages bis zur spaͤ- ten Nacht. Sie unterscheiden dreyerley Arten von Fasten, welche alle genau muͤssen beobach- tet werden, um die Fastenzeit wuͤrdig zu zu- bringen. Die erste Art von Fasten bestehet, wie ich bereits gesagt habe, in Enthaltung der Speisen und fleischlichen Beruͤhrungen. Die zweyte bestehet in der Enthaltung von der Suͤnde. Die dritte darinnen, sich aller zeitlichen Sor- gen und Bekuͤmmernissen des Lebens zu enthal- ten. — Die persische Religion schreibt aus- druͤcklich keine andere Fasttage vor, als die im Monathe Ramazan, ob sie gleich uͤberhaupt das Fasten bey verschiedenen Gelegenheiten be- fielt. Die Perser koͤnnen keine gegruͤndete Ursa- chen davon angeben, warum Mohammed das Fasten im Monathe Ramanzan festgesetzt habe. Einige geben vor, daß es Mohammed, bey der Gelegenheit, wie er sich den arabischen Goͤtzendienern widersetzte, angeordnet habe. An- Andere halten dafuͤr, Mohammed habe es deswegen in dem Monathe Ramazan festgesetzt, weil Gott das Fasten zu einer Zeit, da die Hitze am groͤßesten waͤre, am angenehmsten und wohlgefaͤlligsten sey. Wir wollen einiges von der Feyer der Fa- sten erzaͤhlen. — Der Anfang der Fastenzeit wird durch die Moazen oder heiligen Ausru- fer von den Thuͤrmen der Moskeen als die wichtigste Neuigkeit angekuͤndiget. Das Volk antwortet hierauf mit einem Freudengeschrey, zuͤnden uͤberall Lichter an, (das Fest nimmt des Abends, nach Sonnenuntergang seinen An- fang.) In der Beobachtung der Fasten findet man eben nichts Unangenehmes, besonders kom- men sie solchen gar nicht strenge vor, welche sich jederzeit bemuͤhet haben, den Gesetzen ge- maͤß zu leben. Ihre vornehmsten Beschaͤfti- gungen zu solchen Zeiten, bestehen groͤßesten Theils im Beten, in Lesung des Korans und andrer geistlichen Buͤcher. Sie halten sich so viel als moͤglich zu Hause, und man sieht in der Fastenzeit nicht die Haͤlfte von Menschen auf den Straßen, als außer der Fastenzeit. Des Nachts aber sind dagegen die Straßen sehr volkrcich, die Butiken sehr besetzt und erleuchtet. VIII. Der einzige und zugleich der vor- nehmste Ort, nach welchem die Mohammedaner, ihren Gesetzen gemaͤß, wallfarthen muͤssen, ist Mekka . Von Mekka reisen sie gewoͤhnlich nach nach Medina, das Grabmal des Mohammeds zu besuchen. Dieß geschieht aber nur bloß aus Hochachtung gegen Mohammed. Es ist ihnen gar nicht befohlen diese Reise zu thun: es giebt so gar einige beruͤhmte Lehrer unter ihnen, wel- che daran zweifeln, ob es erlaubt sey nach Me- dina zu wallfarthen, und wollen dieses aus einer Stelle des Korans erklaͤren. Indessen kehren sich doch die Pilgrimme hieran nicht. — Von Medina nehmen die persischen Pilgrimme ihren Weg gegen Bagdad , und besuchen un- ter Wegens die Grabmale ihrer Imans, wel- che zu Bakie’, Helle’ und zu Kerbella nahe bey Bagdad zu sehen sind. Wenn sie von der Reise wieder zuruͤck ge- kommen sind; so empfinden sie so wohl als ihre Anverwandten ein großes Vergnuͤgen daruͤber: es vergehen einige Wochen, ehe sie mit ihrem Besuch ablegen und annehmen fertig sind. — Das Wallfarthen hat eigentlich nicht den ge- ringsten Nutzen: sie werden dadurch auf keine Art gebessert; man bemerkt im Gegentheil, daß sie entweder als Heuchler oder mit den schlechtesten Gesinuungen zuruͤckkommen. Wir finden dies fuͤr hinlaͤnglich, um im Stande zu seyn, sich von der Religion der Perser einige richtige Begriffe zu machen. Chine- Chineser . Erstes Kapitel. Bemerkungen uͤber den Character, Sitten und Gebraͤuche der Chineser. K enner der Geschichte wissen es, mit wel- cher veraͤchtlichen Miene die alten Chi- neser alle uͤbrige Voͤlker des Erdbodens zu betrachten pflegten: wie viele Vorzuͤge sie sich in Ansehung ihres Alterthums, ihrer Ar- tigkeit, Weisheit und Gelehrsamkeit vor an- dern Nationen beylegten: mit welchem Stolze sie Menschen aus andern Voͤlkern fuͤr rohe Wilde, fuͤr Ungeheuer erklaͤrten, die zwar eine menschliche Gestalt haͤtten, denen es aber an Verstande und andern Vorzuͤgen fehle. Aus diesen und noch andern Gruͤnden haben sie, in den aͤltern Zeiten von jeher die Maxime heilig beobachtet, sich mit andern Voͤlkern nur in so fern abzugeben, als sie ihr Interesse dabey faͤn- den. — Sie hielten sich selbst fuͤr Lieblinge des Himmels — fuͤr Bewohner eines Landes im Mittelpunct der Erde — fuͤr das groͤße- ste und unuͤberwindlichste Volk. Sie glaub- ten, alle andere Menschen lebten auf kleinen Inseln, und koͤnnten nichts als Auswuͤrfe, in den aͤußersten Enden der Erde, und Schlacken der Natur seyn. Magaillan berichtet uns, daß die alten Chineser, auf ihren Landchar- N ten, ten, die uͤbrigen Erdbewohner mit so scheußlichen Farben characterisirt, daß ihrer Nation aller- dings dadurch ein Ekel und Verachtung gegen andere haͤtte bengebracht werden muͤssen. Zu dieser uͤbertriebenen Meynung von sich selbst, trug fuͤrnehmlich auch die gar zu große Hochachtung, welche die Tatarn, Indianer, Perser gegen die Chineser bewiesen, und dann auch die Unbe- kanntschaft mit den von ihnen weit entfernten Nationen sehr viel bey. Es kam ihnen an- fangs auch auffallend genug vor, in den zu ih- nen kommenden Europaͤern, Menschen zu er- kennen, die ihnen an Politesse, Cultur des Gei- stes wenig oder nichts nachgaben. Und man kann auch wirklich behaupten, daß die Chine- ser, nachdem sie mit den Europaͤern genauer bekannt wurden, einen sehr großen Theil von ihrem Eigenduͤnkel abgelegt haben. Wollte man hieraus die Folgerung machen, als wenn die Denkart und die Verfeinerung der Sitten der chinesischen Nation durch die Bekanntschaft mit den Europaͤern ihre Rich- tung bekommen habe; so wuͤrde man mich nicht verstehen. Es ist bekannt genug, daß Europa weit spaͤter, als Asien cultivirt geworden ist. Allein die Chineser glaubten, daß kein Volk, außer sie, Menschenverstand besaͤße: und da sie das Gegentheil an den Europaͤern bemerkten; so mußte dieß natuͤrlicherweise große Revolu- tionen in ihren Gesinnungen verursachen. Man Man muß indessen gestehen, daß die alten Chineser, bey allen ihrem Stolze und Uebermu- the, dennoch mit glaͤnzenden Eigenschaften ver- sehen waren, die sie fuͤr die damaligen Zeiten, noch immer ehrwuͤrdig genug machen. Man erkennt noch immer in ihnen, wenn man ihre Ge- schichte liest, den Geist eines weisen, klugen und verschlagenen Volks, das gute und zum Theil richtige Begriffe von Staatskunst besaß; dessen Gesetze das wahre Wohl des allgemeinen Besten zur Hauptabsicht hatten, und fuͤr deren Beob- achtung sie eben so redliche Hochachtung, als natuͤrliche Neigung hatten. Ich halte daher die Meynung derer, welche dieß alte Volk zu sehr erheben, und dann auch zu sehr erniedri- gen, fuͤr zu uͤberspannt, und die goldene Mit- telstraße verfehlt. Der Geist der neuern Chineser hat noch immer viel Eigenthuͤmliches von den Alten an sich. Sie beweisen eben die Munterkeit, Fleiß, Geschaͤfftigkeit in allen Angelegenheiten: eben die Traͤgheit in den hoͤhern Wissenschaften und solchen Dingen, welche anhaltende Anstrengun- gen der Geisteskraͤfte erfordern: eben die be- wundernswuͤrdige Geduld in Sachen, die we- nig Kopf verlangen, hauptsaͤchlich aber an Handarbeiten, sie moͤgen entweder den Nutzen oder das Vergnuͤgen zur Hauptabsicht haben. An Scharfsinn und witzigen Einfaͤllen sind sie vorzuͤglich reich: nur Schade, daß ihre er- zwungene Ernsthaftigkeit uͤble Eindruͤcke hinter N 2 sich sich laͤßt. — Ihr gefaͤlliges Betragen gegen Fremde ist groß: aber noch groͤßer gegen solche Personen, die mit ihnen Handel treiben wollen. Man kann es sich in der That nicht arg genug vorstellen, mit welch einer Eifersucht und Miß- trauen die Chineser diejenigen behandeln, die mit ihnen Commerz treiben. Ja ihr Miß- trauen geht oft so weit, daß sie den tollen Ent- schluß fassen, einige derselben in die andere Welt zu schicken. Betrifft es aber einen solchen Handel, bey dem sie sichtbaren Profit haben; so wissen sie sich so gut in die Gesinnungen und Denkart ihrer Kaͤufer zu versetzen, daß sie diese auf das angenehmste bey allen Gelegen- heiten zu unterhalten suchen. Aber bey allem dem liegt doch ihr Interesse zum Hauptgrunde. Wer sich auf einen chinesischen Kaufmann ver- laͤßt, steht auch in Gefahr entweder verlacht oder betrogen zu werden. Angethane Beleidi- gung oder Beschimpfungen koͤnnen, nach ihrem Character, nicht ungeraͤchet bleiben. Sie schlagen sich nicht, oder uͤben gegen einander Feindseligkeiten aus: sondern derjenige, wel- cher beleidigt ist, wartet auf eine schickliche Ge- legenheit, seine Rache auf den erdenklichsten Grad der Vollkommenheit ausuͤben zu koͤn- nen. Ich habe vorhin erwaͤhnt, daß die Chine- ser in Ansehung ihres Characters jederzeit in eine gewisse Ernsthaftigkeit ausarten. Es scheint daher gewissermaßen verwundernd zu seyn, wie sich sich diese Ernsthaftigkeit mit ihren uͤbertriebe- nen Cerimonien reimen lasse. Allein die Sa- che laͤßt sich leicht verstehen, wenn man das Wort Ernsthaftig richtig versteht. Sagt man also: die Chineser verbinden mit einer großen Schalkheit und Hinterlistigkeit fast unnatuͤrliche Cerimonien und Komplimente; so ist es fuͤr unsre Denkungsart erklaͤrbar. — Wir wollen hier einige Zuͤge von ihrem Cerimoniel im geselligen Umgange anfuͤhren. Wenn sich zwey Personen von gleichem Stande auf den Straßen oder irgendwo ein- ander begegnen; so begruͤßen sie sich, indem sie die eine Hand auf die Brust legen, und mit dem Kopfe eine Verbeugung machen. Gegen eine vornehme Person beobachten sie auch ein vor- nehmeres Cerimoniel. Denn anstatt, daß sie fuͤr ihres Gleichen eine Hand auf die Brust le- gen, und mit dem Kopfe eine Verbeugung machen: legen sie alsdann beyde Haͤnde auf die Brust, und machen mit dem ganzen Koͤrper ei- nen tiefen Reverenz. Der Geringere muß dem Vornehmern bey jeder Gelegenheit deutliche und sichtbare Zeichen der Ehrerbietigkeit erwei- sen. Er muß, wenn er diesen besucht oder mit ihm redet, ein Knie beugen, und in dieser Stel- lung so lange verbleiben, bis ihm der Vorneh- me gerade zu stehen befielt. Eine gleiche Accu- ratesse beobachten sie auch in Ansehung des Ranges bey ihren Besuchen. Sie durchweben ihre Zusammenkuͤnfte mit vielen Leibesbewe- N 3 gan- gungen und Ceremonien: sind aber in ihren Anreden und Komplimenten ziemlich lako- nisch. Aber diese Komplimentir sucht erstreckt sich nicht bloß auf Fremde und Vornehme, son- dern auch auf Anverwandte und Freunde. Du Halde meldet uns, daß es unter den Chi- nesern gebraͤuchlich sey, demjenigen, welchen man besuchen wolle, vorher einen Zeddul zu uͤber- schicken. Ein solcher Zeddul bestehe gemeinig- lich aus einem Bogen Pappier, hier und da mit schlechten Blumen bemalt. Er giebt ein Anmeldungsschreiben, wie es Personen einzu- richten pflegten, die mit dem, welchen sie besu- chen wollten, nicht sehr bekannt sind. So schreiben sie, z. E. der zaͤrtliche und aufrichtige Freund eurer Herrlichkeit, und der bestaͤndige Schuͤler eurer Gelehrsamkeit entbietet sich, als solcher, euch bis auf die Erde seine Schuldig- keit und Ergebenheit zu bezeigen. — Das erste, was der Wirth seinen Gaͤsten vorsetzt, pflegt der Thee zu seyn, bey dessen Ein- gießen, Ueberreichen u. s. w. die gehoͤrigen Ce- rimonien nie vergessen werden. Eben diese wer- den auch alsdann beobachtet, wenn man seine Gaͤste mit einer Pfeife Taback tractirt. Am allerbeschwerlichsten und zugleich auch am ab- geschmacktesten sind die Komplimente, welche sowohl beym Empfang, als beym Abschieds- nehmen beobachtet werden. Allein alle diese Umstaͤnde fallen den Chinesern gar nicht be- beschwer- schwerlich, und sehen es sehr ungerne, nehmen es auch wohl gar uͤbel, wenn in den Komplimenten irgend etwas versehen wird. Doch wirds un- ter guten Freunden so genau nicht genommen. Bey feierlichen und foͤrmlichen Besuchen, wo viele Personen sich versammlet haben, muß ein Freund dem andern die gehoͤrigen Reverenzen machen. Die Hoͤflichkeit und das Komplimenten- machen, beschaͤfftigt den groͤßten Theil ihrer Er- ziehung. — Sie haben besondere Buͤcher, die in einer deutlichen und guten Ordnung alle Stuͤcke der Hoͤflichkeit nach einem jeden Stan- de in sich enthalten: so daß ein jeder hierinn weiß, was er zu thun oder zu lassen habe. – Dem Auslaͤnder. pflegt man es eben nicht so uͤbel zu nehmen, wenn er in seinen Komplimenten den rechten Punkt verfehlt. Angenehmer und der Gesellschaft willkommener ist er aber, wenn er sich in diesem Stuͤcke ihren Sitten so sehr naͤhert, als er nur kann. Daher pflegen sich die auslaͤndischen Gesandten, ehe sie sich oͤffent- lich sehen lassen, einen Cerimonienmeister anzu- nehmen, und sich in allen noͤthigen Stuͤcken un- terrichten zu lassen: und sollte es der Cerimo- nienmeister etwa, auch nur in dem geringsten Stuͤcke, versehen haben; so laͤuft er Gefahr von dem Cerimonien-Tribunale ernstlich gestraft zu werden. Alle Komplimenten, die wir fuͤr laͤcherlich, verdrießlich und unnuͤtz halten, stehen bey ihnen N 4 in in großem Werthe. So wuͤrde es uns z. E. sehr sonderbar vorkommen, wenn uns unser Besuch, beym Weggehen, wenigstens eine hal- be Stunde mit leeren Komplimenten auf halten wollte. Aber bey den Chinesern sind das noth- wendige Erfordernisse! Der Hausherr pflegt, bey ihnen, seinen Gast vor die Thuͤre zu begleiten, und wuͤnscht ihn zu Pferde sitzen zu sehen. Der Gast hingegen wuͤnscht lieber, daß Him- mel und Erde eher vergehen moͤchten, als sich vor ihm aufsetzen zu muͤssen Wenn nun der Hausherr nichts ausrichten kann; so begiebt er sich auf einen Augenblick weg, kehrt aber so gleich zuruͤck so bald er glaubt, daß sich sein Gast aufs Pferd gesetzt habe. Dieß giebt denn wieder zu neuen Umstaͤnden die beste Gelegen- heit. Endlich, wenn der Fremde einige Zeit fort ist; so wird ihm auch manchmal ein Be- dienter nachgeschickt, der ihn nochmal von Sei- ten seines Herrn bekomplimentiren muß. Die- se Hoͤfl i chkeitsbezeugung geht wie Du Halde versichert, bey den Kaufleuten sonderlich im Schwange, zumal, wenn sie ihren Gast mit gu- ter Manier haben betruͤgen oder vervortheilen koͤnnen. In Ansehung der Gestalt, Farbe und Ge- sichtsbildung sind die Chineser von einander sehr verschieden. Und dieß ist auch in einem Lan- de sehr natuͤrlich, wo das Klima von so man- cherley Temperatur ist. So sind z. E. die mit- ternaͤchtlichen Einwohner des Landes so schoͤn, wie wie man sie nur irgend wuͤnschen kann; den mittaͤglichen hingegen, sieht man es ohne Muͤ- he an, was die Sonnenhitze auf ihren Koͤrper vermag: sie sind braun und beynah schwarz. Doch aber kann man dieses nur von solchen verstehen, welche der Sonnenhitze, vermoͤge ih- rer Geschaͤffte, ausgesetzt sind. Denn die Vor- nehmen und sonderlich das Frauenzimmer, (welches sich selten sehen laͤßt) haben eine schoͤ- ne und weisse Haut, so daß man sie kaum von ei- nem mitternaͤchtlichen Bewohner Chinas un- terscheiden kann. Schlanke, junge, rasche Ker- le stehen bey dem Chinesischen nicht in dem An- sehen, wie bey unserm europaͤischen Frauenzim- mer. Sie sehen es gerne, wenn sie einen di- cken, festen und untersetzten Koͤrper haben. Sie haben fast durchgaͤngig kurze und platte Nasen, schwarze Augen und Haare. Ein Mann von mittler Taille, großer Stirne, klei- nen Augen und Munde, platter Nase und langen Ohren, starken Gliedern, dickem Bauche und starker Stimme, — ist ein Muster eines vollkommnen Mannes, und ist zu allen Aemtern faͤhig. Mit den Weibern hat es in den mei- sten Stuͤcken eben diese Bewandniß. Sie sind fast durchgaͤngig schoͤn, haben kurze Nasen, schwarze Augen, und uͤberhaupt eine gute natuͤrliche Farbe des Gesichts. Sie wuͤrden unstreitig uͤberaus schoͤn aussehen, wenn sie nicht die uͤble Gewohnheit haͤtten ihre Gesich- ter, aus allzugroßer und uͤbertriebener Sorge, N 5 fuͤr fuͤr eine verdaͤchtige Person gehalten zu wer- den, mit einer weissen Schminke zu uͤbertuͤn- chen, wodurch ihre Gesichter in der Folge eben die Runzeln bekommen, wie man es gemein- hin an unsern Hofdamen u. s. w. sieht. — Man pflegt ihnen schon in ihrer zarten Ju- gend die Fuͤße stark zu binden, und das Wachs- thum derselben zu hemmen. Denn kleine Fuͤße machen die groͤßte Zierrath des Frauen- zimmers aus. Sie sehen die Unbequemlich- keit hiervon sehr gut ein: aber die Macht der Erziehung hat sie so gefesselt, und die Mode so tyrannisirt, daß sie sich gerne alles gefallen las- sen, und sich allen Uebeln aussetzen. Sie sind uͤberhaupt so eitel, daß sie, so wie das euro- paͤische Frauenzimmer, den Morgen einige Stunden lang mit ihrem Putze vertaͤndeln. — Wenn man fragt, woher die Gewohnheit der Chineser in Ansehung der kleinen Fuͤße? so kann man darauf nicht mit Gewißheit ant- worten. Einige sind der Meynung, der Ur- sprung dieser sonderbaren Gewohnheit sey da- her gekommen, um das Frauenzimmer mehr im Zaum, in guter Ordnung erhalten zu koͤn- nen. Vielleicht aber koͤnnte man mit mehre- rer Wahrscheinlichkeit sagen, daß die Chineser die Absicht dabey moͤgen gehabt haben, um die Begierde des Herumlaufens dadurch zu vermin- dern, und daß das beschwerliche Gehen ihre Ein- kerkerung erleichtern moͤchte. Was Was die Kleidung des chinesischen Frauen- zimmers betrift; so muß man eingestehen, daß sie anstaͤndig sey, und nicht die geringste Spur von Ausgelassenheit verrathe. Ihren Kopf be- haͤngen sie mit nichts weniger als Flitterwerk uud den gewoͤhnlichen Unschicklichkeiten: sondern sie flechten ihre Haare, durchweben sie auch oft- mals mit Silber- oder Goldblumen, welches eine sehr gute Wirkung thut. Gegen Norden zu haben sie schon eine ganz andere Mode unter sich eingefuͤhrt. Da flechten sie zwar ihre Haa- re, aber sie tragen noch uͤber der Flechte eine sei- dene oder wollene Kappe. – In den guten Ge- maͤhlden vornehmer Chineserinnen findet man sehr schicklich auf ihren Koͤpfen eine Art von Krone, die gemeiniglich mit Diamanten, Per- len und andern theuern Sachen besetzt sind, angebracht. Die alten Matronen tragen, statt dieses Putzes, ein Stuͤck feiner Seide um den Kopf, welches sie verschiedentlich um densel- ben herumwinden koͤnnen. Was uͤbrigens die Reisebeschreiber hin und wieder von der Man- nichfaltigkeit und Pracht des Kopfputzes sagen, ist theils zu uͤberspannt, theils aber auch voͤllig unrichtig. So viel ist richtig, daß sie sich ger- ne putzen: aber ihr Putz ist bey weitem nicht mit so vielen Kosten verbunden, wie etwa bey uns. — Sie tragen gewoͤhnlich ein laͤngliches Kleid, das sie in der Mitte mit einem Gurte zu binden. Das junge Frauenzimmer waͤhlt sich gemeinlich eine gruͤne, rothe oder eine an- dere dere beliebige Farbe. Alle Theile ihres Koͤrpers halten sie bedeckt, theils durch dichte Anschlie- ßung ihrer Kleider, theils aber auch durch Huͤlfe ihrer Schleier. Ueber den Kleidern ha- ben sie noch einen großen und weitlaͤuftigen Umhang. Im Ganzen genommen, muß man ihre Art, sich zu kleiden, loben, weil sie ihren Koͤrper auf eine anstaͤndige Weise damit be- decken. Die Kleidungsart der Mannspersonen schi- cket sich zu ihrer affectirten Ernsthaftigkeit auch sehr gut. Auf dem Kopfe tragen sie eine Kap- pe, und ihr Gesicht schuͤtzen sie vor der allzu- starken Sonnenhitze, mit einem Schirm, den sie immer mit sich fuͤhren. Sie bescheren ihren Kopf, so daß sie weiter nichts als einen Haar- zopf uͤbriglassen, den sie flechten, und ihn herunter hangen lassen; oder sie stecken ihn auch wohl un- ter ihre Muͤtzen. Ihre Muͤtzen sind von Seide und gemeiniglich von großem Werthe. Die Kleider sind ziemlich weit gemacht und unsern Rockeloren in diesem Stuͤcke sehr aͤhnlich. Im Sommer gehen sie leichter gekleidet, wie im Winter. Mitten um den Leib haben sie einen Guͤrtel, an welchem ein Beutel haͤngt, wor- inn sie ihre Pfeifen, Toback, Schnupftuͤcher u. s. w. aufbewahren. Wenn sie im Regenwet- ter eine Reise vornehmen muͤssen, so haben sie ein gewisses Oehl, womit sie ihre Kleider schmie- ren, welches gar nicht schaͤdlich ist. In In Ansehung des Essens und Trinkens, sind die Chineser mehr oder weniger nach eines jeden Umstaͤnden, verschwenderisch. Koͤmmt es darauf an eine Gesellschaft zu speisen; so wen- den sie alles auf, was sie in ihrem Vermoͤgen haben. Die Verschwendung bey den Gastereien ist in der That ganz unglaublich. Dagegen aber sind sie nicht so gesinnt, wenn sie allein speisen. Ein Gericht Pferdefleisch — welches zu den groͤßesten Delicatessen gehoͤrt — Heuschrecken, Ratten, Schlangen, schmeckt ihnen sehr gut. Fast alle Speisen werden bey ihnen, schon in kleine Stuͤcke geschnitten, auf den Tisch ge- bracht. Messer, Loͤffel und Gabel sind Dinge die sie nicht gebrauchen: dagegen aber bedienen sie sich bey ihrem Speisen zwey kleiner Spießgen, womit sie die Speisen auf eine geschickte Art wissen anzuruͤhren. Sehr sonderbar und wider allen Gebrauch der Morgenlaͤnder, ist es, daß die Chineser sich nicht auf die Erde sondern auf hohe Stuͤhle setzen. — Ein jeder Gast hat vor sich einen kleinen Tisch stehen, worauf ei- nige Schuͤsseln gesetzt sind, je nach dem das Trak- tament groß oder klein seyn soll. — Ueber Ti- sche pflegen sie gewoͤhnlicherweise Thee zu trin- ken. Dieser muß aber sehr heiß seyn, wenn er ihnen schmecken soll. Ueberhaupt muß man wissen, daß die Chineser warm trinken und kalt essen. Des Weins enthalten sie sich nach ihren Gesetzen: dagegen aber halten sie sich durch ein anderes Getraͤnke schadlos, welches fast eben so so stark, wenigstens schaͤdlicher als der Wein ist. Diese Getraͤnke bestehen meistentheils aus Brant- wein, wodurch sie so viel Korn verbrauchen, daß sie oft an demselben Mangel leiden. Man haͤlt zwar sehr strenge darauf, daß durch das Brantweinbrennen nur die bestimmte Quanti- taͤt verbraucht wird: indessen aber lassen sich die Mandarinnen und andere daruͤber gesetzte Personen sehr leicht bestechen. Duͤ Halde weiß nicht genug von dem Miß- brauch des Branteweins und der Neigung der zu Chineser zu diesem Getraͤnke, zu erzaͤhlen — Der Leser kann ihn hieruͤber im ersten Bande S. 303, selbst nachlesen. Es ist itzt Zeit, daß wir von den beson- dern und merkwuͤrdigsten Gebraͤuchen bey feyer- lichen Gelegenheiten reden. — Die Hochzeiten werden bey ihnen mit so vieler Pracht und Auf- wande vollzogen, daß man kaum ein Land dar- stellen wird, welches China in diesem Stuͤcke uͤbertraͤfe. Braut und Braͤutigam werden ge- meiniglich ein Paar, ohne sich vorher gesehen zu haben. Eine Mode, die sie mit den Per- sern gleich beobachten. Die Heyrathen werden durch Unterhaͤndler geschlossen und von Seiten der Braut und des Braͤutigams durch gegen- seitige Geschenke bestaͤtiget. Das junge Paar darf sich eher nicht sehen, bis die Eltern und Verwandte den Ehecontract unterzeichnet ha- ben. Wenn das geschehen; so wird die Braut mit vielem Pomp zum Braͤutigam gefuͤhrt. Die gan- ganze Begleitung ist praͤchtig gekleidet. Der Sessel, in welchem sie sitzt, ist sehr gut ver- wahrt und ein Bedienter, von gepruͤfter Treue, behaͤlt den Schluͤssel zur Thuͤr, den er dem Braͤutigam eigenhaͤndig uͤberreicht. Sobald der ganze Zug angekommen, der Bediente dem Braͤutigam den Schluͤssel abgegeben, und die- ser den Sessel oͤffnet; so fuͤhrt er seine Braut — im Fall sie ihm gefaͤllt — in einen großen Saal, wo sie einige Zeit mit Komplimentenmachen zu thun hat, und der uͤbrige Rest des Tages wird mit Freuden und Schmausen geendiget. In Ansehung der Dauer eines Hochzeitfestes rich- tet man sich allemal nach den Umstaͤnden der Per- sonen. Nach der Hochzeit wird der Frau ein Zimmer angewiesen, wo sie alles Umgangs be- raubt, und nur dann und wann ihren Vater zu sehen bekommt. Nach den Gesetzen in China darf ein Mann nur eine Frau haben; darf sich aber so viele Beyschlaͤferinnen halten, wie er will und zu er- halten vermoͤgend ist. Wenn ein Chineser eine Concubine zu sich in sein Haus nimmt; so er- haͤlt sie eine schriftliche Versicherung, daß ihr der Hausherr die ausgemachte Summe richtig bezahlen und artig begegnen wolle. Die rechtmaͤ- ßige Frau aber behaͤlt doch immer die Ober- herrschaft uͤber sie und uͤber die, von der Con- cubine etwa gezeugten Kinder, und werden die- se von ihr als ihre eigene Kinder angesehen. — Wenn der Mann oder Frau stirbt, so steht es einem jeden jeden Manne frey sich wieder zu verheyrathen. Der Mann kann sich nach Belieben eine von seinen Beyschlaͤferinnen nehmen. Diese zweyte Ver- heyrathung ist nicht mit so vielen Cerimonien verbunden. – Die vornehmern Wittwen hal- ten es fuͤr erniedrigend, wenn ihr Mann ge- storben ist, nochmals zu heyrathen: allein Per- sonen von geringem Stande haben hierinn ganz andere Maximen, wenn es gleich oftmals we- gen des niedrigen Geitzes des Verstorbenen zu ihrem Nachtheile geschiehet. Kein Stand ist fuͤr das chinesische Frauen- zimmer betruͤbter als der Ehestand. Sie wer- den von ihren Maͤnnern oftmals sehr hart und grausam behandelt, eingesperrt, als Sclavin- nen tractirt: stehen immer in Gefahr mit sammt ihren Kindern verkauft zu werden. Dieß geschieht gemeiniglich, wenn der Mann der Spielsucht gar zu sehr ergeben ist. Sie muͤ- ßen — wenn der Mann gestorben ist — eine lange Trauer beobachten und sich entweder ganz der Einsamkeit uͤberlassen, oder sich oͤffentlich verkaufen lassen. Der einzige Trost, der ihnen in allen Faͤllen uͤbrig bleibt, ist, daß sie sich nach den Ge s etzen wieder verheyrathen koͤnnen. Das Leichenbegaͤngniß wird bey den Chi- nesern mit großer Pracht gefeyret. Hierzu traͤgt hauptsaͤchlich die große Hochachtung sehr viel bey, welche das Volk gegen ihre verstorbe- ne Anverwandte und Freunde beweiset. — Ge- meiniglich dauerte, nach ihren alten Gesetzen, die die Trauerzeit, fuͤr Vater und Mutter, drey Jahre lang. Durch die Zeit der drey Jahren soll die Dank- barkeit der Kinder gegen die Sorgfalt ihrer El- tern in den drey ersten huͤlflosen Jahren ange- zeigt werden. Diese Zeit der Trauer wurde auch in ganz China sehr genau beobachtet. Diese Zeit ist in der Folge auf zwey und ein Vierteljahr herunter gesetzt: aber sie lassen sich doch lieber die Strenge der alten Gesetze gefallen, und bringen die ganze Zeit sehr mißvergnuͤgt zu. — Die Frau muß fuͤr ih- ren Mann 3 oder 2 und ein Vierteljahr lang trau- ern, und der Mann fuͤr seine verstorbene Frau ein Jahr. Allein die Zeichen der Trauer brau- chen auch nicht in der bestimmten Zeit abgelegt zu werden: sondern man kann seinen verstorbe- nen Freunden jaͤhrliche Leichenbegaͤngnisse halten und sie fortsetzen. Diese Leichenbegaͤngnisse er- strecken sich auch so gar bis auf die Großvaͤter, und sie besuchen ihre Graͤber mit den groͤßesten Zeichen der Traurigkeit. Diese Hochachtung gegen ihre Verstorbenen, gruͤndet sich bloß dar- auf, weil sie nemlich zuversichtlich glauben, daß die Seelen der Verstorbenen immer gegen- waͤrtig sind — wenn sie sie gleich nicht sehen koͤnnten, — daß sie alle Handlungen sehen, und diese entweder billigten oder verwuͤrfen, belohnten oder bestraften. Diese Meinung bringt den guten Nutzen hervor, tugendhaft zu seyn, und der Laster sich zu enthalten. — O Die Die Leichencerimonien werden bey den Rei- chen mit eben der Pracht vollzogen als die Hoch- zeitscerimonien. Das groͤßte Aufsehen bey sol- chen Gelegenheiten macht der gewoͤhnlich große Zug, den die Bonzen und andere Priester for- miren. Der Leichnam wird in einen Sarg, mit weissem Damast oder anderm weissen seidenen Zeuge bedeckt, gelegt. Die Saͤrge bey den Chinesern werden von Bret- tern gemacht, die ohngefaͤhr einen halben Fuß dicke sind. Sie werden innwendig nicht nur verpicht, sondern auch außen mit japanischem Fernis uͤberzogen, so daß kein Geruch durch- dringen kann. — Ehe der Todte in den Sarg gelegt wird, werfen sie vorher Kalk auf den Boden, und, wenn er im Sarge liegt, etwas Baumwolle unter den Kopf. Man sehe duͤ Halde Th. 1. S. 306. Le Compte, Gemelli Carreri u. a. Man bemerkt ge- meiniglich auf dem Sarge das Wappen der Fa- milie. Der Sarg wird von einer Menge Leu- te getragen, welche unter einem praͤchtigen Him- mel, der gleichfalls von Leuten in Trauerklei- dern getragen wird, gehen. Alsdann folgen dem Sarge die naͤchsten Anverwandten, welche saͤmmtlich sehr zerlumpt einhergehen. Die Per- sonen weiblichen Geschlechts aber, werden in einem Sessel, mit weissen Vorhaͤngen behan- gen, getragen. Zwey- Zweytes Kapitel. Von dem Zustande der Gelehrsamkeit in China uͤberhaupt — von ihrer Astronomie, Geometrie, Poesie, Historie und Spra- che — von ihrer Moral und Vernunftleh- re — von ihrer Musik und musikalischen Instrumenten — von ihrem Papier und Druckerey. M an muß sich in der That uͤber die Ver- schiedenheit der Erzaͤhlungen, in den Be- richten der Reisebeschreiber, von dem Zustan- de der Gelehrsamkeit, verwundern. Einige derselben wissen ihre Geschicklichkeit in allen Stuͤcken nicht genug zu loben: andere hingegen setzen sie aus strafbarer Unwissenheit zu sehr herunter. Jene wollen sie fuͤr die ersten Bear- beiter der Wissenschaften ausgeben: diese hin- gegen versichern, daß sie von den meisten Wis- senschaften, die bey den Europaͤern so hoch ge- stiegen sind, kaum Grundbegriffe haͤtten. Wir werden in der Folge sehen, welche Meinung von beyden die gegruͤndetste sey. — Es scheint unbillig zu seyn, wenn man den Chinesern al- les Genie und Faͤhigkeiten zu den Wissenschaf- ten absprechen will. Sie haben gewiß eben die Anlage zu allen Dingen als irgend ein an- O 2 de- deres Volk. Dieß zeigt der gluͤckliche Fort- gang, den sie, seitdem sie mit andern Voͤlkern in naͤhere Bekanntschaft gekommen sind, in ei- nigen Theilen der Gelehrsamkeit gemacht ha- ben. Es gereichet allerdings ihrem Verstande zur Ehre, daß sie mit so vieler Begierde den Unterricht der Auslaͤnder angenommen und nach ihrer Anweisung bearbeitet haben. Wir wissen, aus den Berichten des Le Compte und duͤ Halde, mit welchem Erstaunen sie die Einsich- ten der Europaͤer in der Mathematik, Statik, Pneumatik u. s. w. bewunderten: mit wie vie- ler Unzufriedenheit uͤber ihre Unwissenheit sie sich angelegen seyn ließen die Theorien der Euro- paͤer selbst in Ausuͤbung zu bringen. — Die- se erste und naͤhere Bekanntschaft der Chineser mit den hoͤhern Wissenschaften haben sie ohn- streitig den Missionarien zu danken, von denen sie aber auch freylich manche unrichtige Vor- stellungen zugleich mit uͤberkommen haben. Wir wollen sehen, was die Chineser von einigen Wissenschaften fuͤr Kenntnisse gehabt haben, ehe sie mit andern Voͤlkern in naͤhere Bekanntschaft gekommen sind. — Unter den aͤltesten Wissenschaften, die von den Chinesern am meisten bearbeitet wurden, verdient vorzuͤ- glich die Astronomie bemerkt zu werden. Man weiß aus zuverlaͤßigen Nachrichten, daß die Chineser, seit dem Anfange ihrer Monarchie, auf den Lauf des Himmels sorgfaͤltig geachtet haben: daß so gar diejenigen, denen die Beobach- tung tung der Gestirne aufgetragen war, am Leben gestraft wurden, wenn sie in diesem Stuͤcke ei- nige Versehen machten. Es laͤßt sich aber jetzt schwerlich von ihren Beobachtungen etwas her- ausbringen, so, daß man kaum mit Zuver- laͤßigkeit sagen kann, was sie fuͤr Progressen in diesem Fache gemacht haben. So viel scheint wohl sehr wahrscheinlich zu seyn, daß sie, ohn- geachtet ihres großen Fleißes, doch nicht weit gekommen sind. Die Monden- und Sonnen- monate, scheinen sie ziemlich genau ausgerech- net zu haben, doch aber wollen einige Reisebe- schreiber versichern, daß auch diese Rechnung bey einer genauen Untersuchung die Probe nicht aushalten duͤrfte. — Es scheint also, um Vieles mit einem Worte zusammenzufassen, daß die Chineser in der Astronomie nicht weit gekommen sind. Es laͤßt sich uͤberdem auch noch daraus schließen, daß die chinesische Nation keine große Geschicklichkeit in der Astronomie besitzen konn- te, weil sie fuͤr die Astrologie eine gar zu aber- glaͤubige Hochachtung hegte. Und diese Hoch- achtung gegen die Sterndeuterey behalten die Chineser noch bis auf den jetzigen Tag bey. Sie meinen, eine jede Constellation, jeder Pla- net, habe auf alles, entweder einen guten oder boͤsen Einfluß: ferner, es sey moͤglich, ver- schiedene Begebenheiten voraus zu wissen, wenn man nur auf die Bewegungen und den Lauf der O 3 Ge- Gestirne Acht gebe. Aus diesem Grunde liest man auch in ihren Kalendern, welches gluͤckliche und ungluͤckliche Tage sind, wenn gutes und boͤses Wetter Wir haben in unserm geliebten Deutschlande auch noch eine gewisse Art Leute, die, vermuth- lich durch die Chineser aufgemuntert, unsre Kalender mit dergleichen Fratzen auch noch zur Zeit befangen, und, wenigstens das gemeine deutsche Volk, bey der Nase herumfuͤhren. So glaubts der Bauer gewiß, wenn er in dem Ka- lender sieht und von seinem im Zwillinge ge- bohrnen Sohn liest, daß er einmal ein ungluͤck- licher Ehemann werden wird: denn ein Knabe im Zwilling gebohren, bekoͤmmt rothe Haare u. s. w. —! , Krankheiten, Hungersnoth, Krieg und andere dergleichen Dinge, einfallen werden. Um nun allem Betrug und Unter- schleif vorzubeugen, ist ein astrologisches Tribu- nal aufgerichtet worden. Dieses Tribunal muß dem Kayser, zu gesetzten Zeiten, eine voll- staͤndige Nachricht von den Himmelsbewegun- gen, Veraͤnderungen der Luft und Abwechse- lungen der Jahrszeiten vorlegen: ferner, ob Krankheiten, Hungersnoth, Krieg bevorstuͤn- den: hauptsaͤchlich aber muß es auf die Zeit sehen, wenn eine Sonnen- oder Mondfinster- niß einfallen wird. Diese Berichte muͤssen dem Kayser noch eine geraume Zeit vorher, ehe die Finsternissen einfallen, angezeigt werden, damit diese Nachrichten in alle Provinzen des Reichs Reichs koͤnnen versandt und unter vielen Ceri- monien publiciret werden Vielleicht duͤrfte dieser oder jener Leser gerne wissen wollen, was es mit diesen Cerimonien fuͤr eine Bewandniß habe? Diesen zu Liebe, wollen wir hier kuͤrzlich das Noͤthige hieruͤber, aus des Martini hist. Sinens. P. I. p. m. 77. mit Vergleichung des Duͤ Halde, Navarette und Le Compte, mittheilen. — „Sobald die astrologischen Beobachtungen vom Tribunal verfertigt und dem Kayser uͤberbracht sind, wer- den sie an alle oͤffentliche Plaͤtze geschlagen, mit genauer Anzeige der Zeit, wenn eine Finsterniß eintreten, und wie lange sie dauren wird. Die saͤmmtlichen Mandarinen muͤssen in ihrem Staatshabit vor dem Tribunal erscheinen. Wenn sie nun wahrnehmen, daß die Sonne oder Mond sich verfinstert; so werfen sie sich alle auf die Knie, und stoßen mit ihren Koͤpfen gegen die Erde. Zugleich wird mit klingenden Instrumenten ein abscheulicher Laͤrm in der gan- zen Stadt gemacht, der durch das Getoͤse der Menschenstimmen noch graͤßlicher wird. — Die- se abgeschmackte Idee ruͤhrt noch aus den alten Zeiten her: denn sie glauben, durch ihren Laͤrm den deyden Planeten zu Huͤlfe zu kommen, und den Drachen, der sich mit seinen Klauen — nach ihrer Vorstellungsart — an die Lichtkoͤr- per gehangen, und dadurch das Licht hemme, wegzuscheuchen. — Man kann zwar sagen, daß die klugen Leute diese Meinung verachten, und sie fuͤr natuͤrliche Wuͤrkungen erklaͤren: aber diese duͤrfen sich uͤber die Abgeschmacktheit ihrer Begriffe nicht erklaͤren. . O 4 In In Ansehung ihrer Kenntnisse in der Geo- metrie, sind sie noch seichter. Sie loͤsen die Problemata nicht nach sichern Grundsaͤtzen, sondern durch bloße Schluͤsse auf. Nur beobach- ten sie in der Ausmessungskunst viele Leichtig- keit und Accuratesse. Ihre groͤßeste Fertigkeit besteht, nach dem Einverstaͤndnisse zuverlaͤßiger Reisebeschreiber, in der Rechenkunst. Sie rechnen nicht mit arithmetischen Ziffern, son- dern vermittelst eines Instruments, wovon Ge- melli Carreri, Navarette u. a. hinlaͤngliche Beschreibungen mittheilen, und worauf wir uns, der Kuͤrze wegen, berufen muͤssen. Man will mit Gewißheit versichern, daß die Chineser, vermittelst dieses Instruments, mit unglaublicher Leichtigkeit und Geschwindigkeit eine jede arith- metische Aufgabe aufloͤsen koͤnnen. Ob sich nun aber diese Rechnungsart nur auf die so genannten vier Species erstrecke: wollen wir hier unausgemacht lassen. So viel scheint wohl gewiß zu seyn, daß sie die fuͤrtreflichen Huͤlfsmittel d. z. E. die tabulas Sinuum et tan- gentium, logarithmos u. s. w. nicht kennen, die doch bey den astronomischen Ausrechnungen so unentbehrlich sind. Ueberdem ist es auch bey- nah zu glauben, daß sie in der Geometrie nie guten Fortgang machen werden, weil es der ganzen Anlage der Denkart der Chineser, sich auf abstracte Dinge zu legen ganz zuwider ist. Die Musik und Dichtkunst gehoͤren unter diejenigen Kuͤnste, welche bey den Chinesern noch noch fast ganz ungearbeitet da liegen. Sie be- haupten, daß die Musik vor den Zeiten des Con-fu-tze (der selbst ein ungemein großer Kenner der Musik soll gewesen seyn) zur hoͤch- sten Stufe der Vollkommenheit gebracht und unter ihnen sehr geehrt sey. Sie geben ferner vor, daß die Buͤcher, welche von der Theorie der Musik gehandelt haͤtten, verlohren gegan- gen: und auf diese Art sey ihre jetzige Musik ohne Harmonie, Bindung und Abwechselung der Theile. — Die Noten sind ihnen voͤllig unbekannt: sie spielen alles bloß nach dem Ge- hoͤre. Sehr abgeschmackt und ungeschickt sind ihre musikalischen Instrumente. Einige der- selben gleichen unsern Trommeln und Trompe- ten: noch andere haben mit unsern Floͤten ei- nige Aehnlichkeit. — Die heutigen Chineser fuͤhlen es auch selbst, daß ihre Kraͤfte in Anse- hung der Musik wenig vermoͤgen. Und daher bedienen sie sich auch selten der Instrumental- musik, es moͤchte denn bey festlichen Gelegen- heiten seyn, als Hochzeiten, Gastereyen u. s. w. Wir koͤnnen also hieraus hinlaͤnglich schließen, daß die Musik der Chineser gegen die unsrige — gelinde zu reden — kaum ertraͤglich zu nennen sey. Es gehoͤrt eine gute Kenntniß der Sprache dazu, wenn man die Harmonie, Schoͤnheit und Zierlichkeit der chinesischen Dichtkunst will begreiflich machen. Indessen erzaͤhlen uns doch die besten Kenner dieser Sprache, daß ihre O 5 Dicht- Dichtkunst mit der Europaͤer ihrer gar nicht koͤnne verglichen werden. Es fehlt ihren Ge- dichten an kuͤhnen Metaphern, erhabenen Ge- danken und ruͤhrenden Gemaͤhlden. Man koͤnn- te sie vielleicht nicht ganz unschicklich fuͤr Son- netten und Epigrammate halten, deren Schoͤn- heit hauptsaͤchlich nur in ungleicher Laͤnge der Verse und Wahl der Woͤrter bestehet. — Außer der gereimten Poesie, dichten sie auch ohne Reime, die bloß in Antithesen der Ge- danken bestehen, so, daß wenn sich der erste Gedanke auf den Herbst bezieht, der andere auf den Fruͤhling anspielt. — Ihre dramatischen Aufsaͤtze sind hauptsaͤchlich darauf eingerichtet, um die Tugend anzupreisen und das Laster ver- aͤchtlich zu machen. Sonst haben ihre drama- tischen Vorstellungen wenig Erhabenes und fast gar nichts Heroisches. Wenn sie z. E. ihren Zuhoͤrern bey dramatischen Vorstellungen den Charakter der Person bekannt machen; so thun sie dieß nicht unvermerkt, sondern ein je- der Acteur erzaͤhlt, so bald er aufs Theater kommt, wer er ist, was er fuͤr ein Freund oder Feind dieses oder jenes ist u. s. w. Du Halde hat im 2 Th. S. 140. u. f. hiervon ei- ne umstaͤndliche Nachricht gegeben, wohin wir den Leser, wenn er mehr zu wissen begehrt, ver- weisen wollen. Man muß es den Chinesern zum Ruhme gestehen, daß sie sich um die Historie, sonder- lich um die Geschichte ihres Vaterlandes, sehr be- bekuͤmmert haben. Sie haben von jeher die zuverlaͤßigsten Nachrichten von ihrem Rei- che gesammelt und sie nach und nach mit Un- partheilichkeit in ein Ganzes uͤberbracht — nie das Gute oder Boͤse an ihren Regenten ver- schwiegen Die Art, wie die Chineser eine so zuverlaͤßige Beschreibung von ihren Kaysern erhalten, ist diese. Es werden nemlich gewisse Maͤnner von erkannter Ehrlichkeit bestellt, deren Pflicht es ist, auf alle Handlungen und Worte des Kay- sers Acht zu geben, sie auf kleine Zettulchen zu schreiben, und diese in einen dazu bestimmten Kasten zu werfen. Auf ein solches Papier schreiben sie mit der groͤßesten Offenherzigkeit alles, was der Kayser geredt oder gethan hat. — Ein solcher Kasten wird aber nie bey Leb- zeiten des Kaysers geoͤfnet, und so lange noch seine Anverwandten an der Regierung sind. Wenn aber diese eine andere Familie erhaͤlt; so werden alle Blaͤttchen Papier mit der groͤßesten Sorgfalt aus dem Kasten herausgenommen, untersucht, verglichen: und so entsteht ihre Ge- schichte. . Diese Gewohnheit aber herrscht nicht allein am Hofe, sondern in jeder Pro- vinz, so, daß ein jedes Gouvernement oder ei- ne jede Stadt verbunden ist, einen merkwuͤr- digen Fall, der sich etwa in ihrem Bezirk zu- getragen hat, bekannt zu machen. Dieß be- steht nun in einer Erzaͤhlung der Witterung, Handthierung, Anzahl der Einwohner und an- dern Stuͤcken, das Abentheurliche, das sich dann dann und wann zutraͤgt, mitgerechnet. Es ließe sich nun sehr leicht aus ihren Chroniken eine gute Geschichte heraus heben, wenn nur das Fabelhafte Es kann sich in China ziemlich leicht etwas Fabelhaftes und Abentheurliches zutragen. Duͤ Halde erzaͤhlt, daß in der Chronik der Stadt Fu-chew gemeldet waͤre, es habe eine Frau eine Schlange gebohren und auch gesaͤugt. Ferner: es habe eine Sau einen kleinen Ele- phanten geworfen, und noch viele andere Hi- storien von Erscheinungen, Gespenstern, wobey die Bonzen im Spiele sind. , wozu der chinesische Geschicht- schreiber so sehr inclinirt, davon koͤnnte gesaͤu- bert werde. — So sorgfaͤltig und aufmerk- sam sich nun aber auch ihre Geschichtschreiber moͤgen bewiesen haben; so hat man doch vielen Grund und Ursache, die aͤltesten Relationen, in ihren Geschichten, zu verwerfen. Diejeni- gen Geschichtschreiber aber, die kurz vor und nach dem Con-fu-tze gelebt haben, koͤnnen fuͤr ziemlich sicher angenommen werden. Wir kommen jetzt auf die Sprache der Chi- neser, wovon wir hier um so viel mehr reden muͤssen, je mehr sie einen großen Theil ihrer Gelehrsamkeit ausmachet. — Ich will mich hier nicht auf die Untersuchung einlassen, was die chinesische Sprache mit der Hebraͤischen fuͤr Verwandschaft habe: auch nicht in die Streit- frage, welche von beyden die aͤlteste sey; beydes gehoͤrt nicht in meinen Plan. Man findet die- se se Stuͤcke von andern schon hinlaͤnglich und oft zum Ekel untersucht. — Meine Absicht geht nur dahin, von den gegenwaͤrtig uͤblichen Spra- chen in China die richtigste Bemerkungen zu ge- ben. — Wir finden eigentlich und genau zu reden, eine dreyfache Sprache unter den Chi- nesern. — 1. Die Sprache des Volks : diese ist sehr rauh, von einem uͤberaus unan- genehmen Klang, und theilt sich in verschiedene Dialekte oder Mundarten. 2. Die Sprache der Mandarinen : sie ist unter den gesitteten Einwohnern die uͤblichste, ihr Dialekt ist nicht rauh, und wird in der Provinz Kyang-nan am besten geredet. 3. Die gelehrte Spra- che , in welcher fast alle Buͤcher abgefaßt wer- den. Diese Sprache kann das gemeine Volk nicht verstehen, hat einen so angenehmen Klang, daß ein Kenner derselben, sie gerne liest und hoͤrt, ist sehr precis und besteht aus einer Men- ge Accente. Aber nur auch Kenner koͤnnen sie verstehen, denn sie gehoͤrt unter die todten Spra- chen, und ist ihnen das, was fuͤr uns die lateini- sche, griechische und hebraͤische Sprache ist. — Die Sprache der Mandarinen ist die vor- nehmste, und wird unter allen Sprachen fuͤr die wortreichste gehalten. Die Zahl ihrer Wurzelwoͤrter belaͤuft sich nicht uͤber drey hun- dert und dreyßig. Und dennoch koͤnnen sie sich mit Huͤlfe der verschiedenen Accente und Toͤne sehr mannichfaltig, gedankenreich und bedeu- tungsvoll ausdruͤcken. Man sieht auch unter ihnen ihnen ein Woͤrterbuch, das auf Befehl des Kaysers Kang-hi ist verfertigt worden, ein Werk von unglaublicher Groͤße. Le Compte sagt, daß es sich uͤber 90 Baͤnde beliefe, und koͤnnten noch einige dreißig gemacht werden. Hieraus kann man auch schon einigermaßen von dem Reichthum der chinesischen Sprache schließen. Der Leser erwarte hier nicht eine genaue Darstellung des Grammatikalischen der Chine- sischen Sprache Hier wuͤrde das viel zu weit- laͤuftig seyn, und vielleicht auch manche Leser ermuͤden. Daher rathen wir denjenigen, wel- cher sich gerne hiervor unterrichten moͤchten, des Baiers grammat. Sinens. nachzulesen. Wir mer- ken hier nur an, daß es ungemein schwer sey in der chinesischen Sprache gewisse Regeln zur bequemer Erlernung fuͤr andere festzusetzen. Hierzu kommt noch die Verschiedenheit der Mundarten; denn fast ein jedes Dorf hat seinen eigenen Dialekt. Und da von der Aussprache die wahre Bedeutung eines Worts oftmals ab- haͤngt; so bleibt alles uͤbrige dadurch unver- staͤndlich, es moͤchte dann einer etwa durch lan- ges Reisen die verschiedenen Mundarten ge- wohnt seyn. Es ist auch nichts ungewoͤhnli- ches, wenn ein Chineser den andern nicht ver- stehen kann. Duͤ Halde macht die Anmerkung, daß die chinesische Sprache, wegen ihrer vielen Eigen- Eigenheiten, nie von einem Auslaͤnder fertig koͤn- ne gelernt werden. Eben dieses Bewandniß hat es auch mit ihrer Art zu schreiben. Die ganze Schwierig- keit bey ihrer Schreibart besteht bloß darinne, daß die Chineser nicht, wie alle Nationen, mit Buchstaben, sondern durch Charaktere, wo- durch oft ein ganzes Wort ausgedruckt wird, zu schreiben pflegen. Vielleicht traͤgt die Schwie- rigkeit in Ansehung des Schreibens sehr vieles dazu bey, daß es mit den Wissenschaften unter ihnen nicht fort will, indem sie auf das Lesen und Schreiben ihrer eigenen Sprache zu viel Zeit verwenden muͤssen. In den aͤltesten Zei- ten fiel diese Schwierigkeit weg, weil sie sich hieroglyphischer Zeichen bedienten, welche mehr gemalt als geschrieben waren. So bezeichne- te damals z. B. eine krumme Linie einen Fluß: ein Viereck, ein Haus: ein runder Zirkel, die Sonne: ein halber Zirkel, den Mond u. s. w. Sobald aber ihre Ideen sich vervielfachten, und sich uͤber Gegenstaͤnde erstreckten, die nicht konnten betastet werden; so mußten sie gewisse Charaktere unter sich einfuͤhren, wodurch ihre Begriffe konnten bezeichnet werden. Diese Cha- raktere haben sich in der Folge der Zeit so ver- mehrt, daß einige Gelehrten eine Anzahl von 80000 solcher Charakteren angeben. Wer von dieser Anzahl 20000 kennt, wird schon fuͤr ei- nen großen Gelehrten gehalten, weil er durch seine Sprachkenntniß im Stande ist, viele Buͤ- cher cher zu lesen. Um den Lernenden ihre Arbeit einigermaßen zu erleichtern, haben einige Lehrer Vocubularien und Woͤrterbuͤcher geschrieben, wo die Man- nichfaltigkeit der Charactere in einige Classen vertheilt ist. So muß z. E. alles dasjenige, was sich auf Himmel, Erde, Mensch, Pferd, Berg, bezieht, unter dem Charakter Himmel, Erde u. f. gebracht und gesucht werden. — Sie haben auch noch, au- ßer diesen verschiedenen Characteren, eine alte Art, die aber nur in Aufschriften, Titeln, Sinn- schriften und alten Schriften gebraucht werden: ferner eine besondere Art von Zeichen, deren sie sich bey gerichtlichen Contracten bedienen. In ihrem Style beobachten sie, sonderlich die Vornehmen, eine große Ernsthaftigkeit mit vielen Allegorien untermischt. Er ist oftmal so dunkel, daß man Muͤhe genug hat, beym Lesen keine Fehler zu begehen. In Anbringung der Allegorien sind sie erhaben und meistens gluͤcklich: die groͤßeste Zierde ihres Styls be- steht aber darinn, daß sie zuweilen einige Sen- tenzen aus ihren canonischen Buͤchern, am rechten Orte mit einstreuen. — Sie sehen auch sehr darauf, daß sie schoͤn schreiben und die Buchstaben allen Regeln der Schreibekunst ge- maͤß ziehen; die Ungelehrten beweisen so gar fuͤr eine Schrift, die schoͤn geschrieben ist, die groͤßeste Hochachtung, wenn sie auch gleich mit dem, was darauf geschrieben ist, wenig bekannt sind, oder auch wohl gar nichts davon verste- hen. hen. — Die Chineser pflegen, wider die Ge- wohnheit der allermeisten Nationen, von oben bis unten herunter zu schreiben. Von der rech- ten Seite fangen sie ihre Linie an, und fah- ren zur Linken fort. Sie gebrauchen bey ihrem Schreiben keine Federn, sondern statt derselben Pinsel, die sie aber nicht schief, sondern sehr grade halten. Ihre Dinte ist ein zusammengesetzter Lam- penrus, der aus einigen Arten verbrannten Hol- zes oder Oehl gemacht, und mit einer gewissen Art von Gummiwasser durchmischt wird, wel- ches die Festigkeit verursacht. Hierauf nun pflegt man diese Masse zum Gebrauch in laͤng- lichvierekigte Kuchen zu gießen, nachdem sie vorher etwas Bisam oder andere wohlriechen- de Sachen damit vermischt haben, damit der Lampenrus nicht so uͤbel rieche. Wann man der- gleichen Dinte lange aufhebt und verwahrt; so wird sie eine kraͤftige Arzney wider den Blut- fluß und Convulsionen. Sie halten diese Dinte auch fuͤr ein gutes Alkali, das die scharfe Saͤf- te des Blutes absorbirt, und das Gebluͤt ge- sunder und fluͤssiger macht. Das Papier der Chineser wird nicht, wie man oftmals wegen der Duͤnne und schoͤn glaͤn- zenden weissen Farbe geglaubt hat, aus Seide gemacht, sondern aus der innwendigen Rinde des Bambusrohrs und anderer Baͤumen. Sie haben, eben so wie wir, verschiedene Arten von Papier, von dessen Verfertigung, Abglaͤnzung P wir wir hier, der Kuͤrze wegen, nicht reden koͤnnen. Duͤ Halde hat hievon sehr umstaͤndliche Nach- richten beygebracht, die man hierbey lesen kann. Es kann nur auf einer Seite beschrieben wer- den, weil es sehr duͤnne und durchsichtig ist. Will man aber beyde Seiten gerne beschreiben; so werden zwey Blaͤtter so geschickt uͤbereinan- der geklebt, daß man es fast nicht merken kann. Eben dieser Methode bedienen sie sich auch bey gebundenen Buͤchern, sowohl geschriebenen als gedruckten. Die Erfindung des Papiers setzen dů Halde, Martini, Le Compte ungefaͤhr in das funfzigste Jahr nach der christlichen Zeit- rechnung. Ehe sie das Papier und den Gebrauch desselben kannten, gruben sie ihre Buchstaben mit einem Griffel auf sehr duͤnne Bretter von hartem Holze, oder auch auf Bambus, das an Dauer unser Pergament uͤbertraf Es ist ge- wiß, daß die Chineser wenigstens ihre Canoni- schen, und andere Buͤcher, die sie der Nach- welt uͤberliefern wollten, auf dergleichen hartes Holz geschrieben haben. Die Buchdruckerkunst in China ist sehr alt, so daß man nicht im Stande ist, mit Gewißheit die Zeit anzugeben, wenn sie erfunden sey. Sie hat eine ganz eigene Einrichtung, und ist von unserer Buchdruckerey sehr verschieden. Man meint, daß die Buchdruckerkunst etwa 400 Jahr bey den Chinesern fruͤher sey erfun- den worden, wie bey uns Europaͤern. Es ist sehr Ih- re re Art zu drucken, geschieht auf folgende Wei- se. — Ein jeder Autor laͤßt sein Manuscript vorher, von einem geschickten und geuͤbten Schreibmeister, auf schoͤnes, durchsichtiges Papier reinlich abschreiben. Hierauf wird ei- ne Seite auf eine Tafel von hartem und glattem Holze geleimt, und dann von einem Kuͤnstler in Holz geschnitten. Der Kuͤnstler schneidet nachher die Buchstaben erhaben aus, und zu- gleich auch das uͤberfluͤßige Holz weg, worauf nichts eingegraben ist. Die Schoͤnheit des Drucks haͤngt also zum Theil von der Vollkom- menheit der Handschrift ab. Eine solche Art zu drucken hat sehr viele Bequemlichkeiten. Denn erstlich braucht der Verfasser fuͤr die Druckfehler nicht in Sorge zu stehen, wenn an- P 2 ders sehr wahrscheinlich und fast ausgemacht, daß Johann Faust die ersten Entdeckungen bey den Chinesern gemacht und der Sache weiter nach gedacht habe. Diese Meinung wird noch- fuͤrnemlich dadurch gewiß, daß anfaͤnglich bey uns auch nur eine Seite des Papiers bedruckt wurde, wie dieß noch heutiges Tages in China uͤblich ist Fuͤr uns Europaͤer war es vortheilhafter in diesem Stuͤcke eine Aen- derung zu treffen: nicht aber fuͤr die Chine- ser. Mit vier und zwanzig Buchstaben koͤnnen wir viele Baͤnde drucken, wenn wir einen hin- laͤnglichen Vorrath derselben haben, um nur einen Bogen voll drucken zu koͤnnen. Dieß laͤßt sich aber bey der chinesischen Sprache, wegen der großen Menge von Characteren nicht anwenden. ders das Manuscript richtig gewesen ist. Zwey- tens pflegt man nur so viele Eremplare zu dru- cken als sich Kaͤufer gemeldet haben, weil die Tafeln, um erforderlichen Falls noch mehrere ab- drucken zu koͤnnen, bestaͤndig vorhanden sind. Indessen muß man doch auch gestehen, daß die- se Methode ihre großen Unbequemlichkeiten hat: denn man wird dadurch gezwungen, die Formen zu vervielfaͤltigen, ohne sich derselben Charactere wieder bedienen zu koͤnnen. — Wenn die Ta- fel ausgeschnitten, die Buchdruckerfarbe fertig und das Papier abgemessen ist; so ist es einem einzigen Manne eine Kleinigkeit, alle Tage an zwey tausend Blaͤtter abzuziehen. — In den chinesischen Buchdruckereyen haben sie keine Pressen; denn die Tafeln, welche von sehr duͤn- nem Holze sind, wuͤrden das Gewicht nicht aus- halten. Man bedient sich zweyer Buͤrsten, wo- von mit der einen in die Farbe getaucht wird, um die Buchstaben damit zu faͤrben; und mit der andern, die laͤnglicht und sanft ist, preßt man das Papier, welches, nicht wie bey uns vorher angefeuchtet, sondern trocken auf die Formen gebracht wird. — Die Buchdrucker- farbe wird aus Brantewein, Rußwasser und gemeinem Tischlerleime gemacht. — Sie pfle- gen ihre Buͤcher sehr mannichfaltig einbinden zu lassen. Gemeiniglich lassen sie sie in Pappe und auch wohl in Atlaß; die Vornehmern aber lassen sie in Taffet oder in geblumte Gold- und Silberstoffe einbinden. Drit- Drittes Kapitel. Von der Schiffahrt — dem Handel und einigen Manufacturen in China. D ie Chineser behaupten, nach ihrem gewoͤhn- lichen Stolze, daß die Schiffahrt, unter allen Nationen des Erdbodens, zuerst von ih- nen sey erfunden und ausgeuͤbt worden. Sie erzaͤhlen, daß ihre Vorfahren bereits vor eini- gen tausend Jahren alle indianische Meere, bis an das Vorgebuͤrge der guten Hoffnung, ohne Huͤlfe des Kompasses, dessen Erfindung sie sich auch ruͤhmen, beschifft und auf denselben Handel getrieben haben. Allein diese Behauptung ist nicht nur unwahrscheinlich, sondern auch ganz falsch. Denn ihr Seewesen, so wie es gegenwaͤrtig be- schaffen und wie es beschaffen gewesen ist, seit- dem die Europaͤer mit ihnen bekannt geworden sind, ist noch sehr unvollkommen, sowohl was den Bau der Schiffe, als die Art sie zu regieren, betrift. Es scheint, als wenn ihr Schiffe nur bloß dazu eingerichtet waͤren, um auf den naͤch- sten Meeren zu schiffen und auf denselben, (ob- wohl nur an den Kuͤsten) Handel zu treiben. Ihre groͤßesten Fahrzeuge sind eigentlich nichts als platte Barken, mit einem großen und ei- nem kleinen Maste versehen. Die Laͤnge eines solchen Schiffs erstreckt sich nicht uͤber achtzig bis neunzig Fuß. Sie bedienen sich auch kei- P 3 ner ner Segel von Hanf, sondern von Matten, welche aus Bambus gemacht werden. Mit sol- chen Segeln laͤßt sich schwer umgehen. — Die Schiffsanker sind gleichfalls von den unsrigen sehr verschieden; sie sind nicht von Eisen, son- dern von einer gewissen Art von hartem und schwerem Holze, welches sie in ihrer Sprache Tve-mu d. i. Eisenholz nennen, und wovon sie glauben, daß es sich nicht so leicht biege als das Eisen. Ihre Schiffe werden nicht, wie bey uns, mit Pech und Teer beschmiert, sondern sie bedienen sich einer Art Gummi, welches zu einem solchen Gebrauch bequem genug ist und die Schiffe ziemlich trocken haͤlt. Wenn aber Wasser in das Schiffe kommt; so gießen sie es mit Eimern wieder heraus, denn sie kennen den Gebrauch der Pumpen nicht. Eben so wenig wollen sie etwas von Steuermaͤnnern und Schiffscapitains wissen, sondern sie uͤberlassen die ganze Regierung desselben allein den Ru- derknechten. Sie richten sich, bey ihrer Art zu schiffen, mei- stentheils nach dem Kompas, welcher, des Mangelhaften nicht zu gedenken, in einer Buͤch- se bestehet, deren Rand in 24 gleiche Theile ab- getheilt ist, wodurch die mancherley Winde sol- len angezeigt werden. Diese Buͤchse wird auf Sand oder sonst etwas Weiches gesetzt, nicht, damit die Nadel ihre Richtung nicht verliere, sondern damit sie auf denselben Raͤuchwerke le- gen und anzuͤnden koͤnnen. Sie haben hierbey un- — Dieß alles nun sind in den Au- Augen geschickter und erfahrner Kenner des Schiffswesens große Maͤngel. Und ohngeach- tet die Chineser selbst diese Maͤngel einsehen; so lassen sie doch die alte Einrichtung und Bau- art der Schiffe nicht fahren, halten es vielmehr fuͤr ein Verbrechen etwas veraͤnderu zu wollen, was ihre Vorfahren mit großer Muͤhe ausge- dacht haben: ja sie glauben, daß durch eine neue Veraͤnderung der Schiffe die Majestaͤt des Reichs beleidiget wuͤrde, nicht anders, als ob die Groͤße eines Staats in Beybehaltung seiner alten Unschicklichkeiten und Irrthuͤmer laͤge! Sonder Zweifel haben also die Chineser in ihrem Schiffswesen den wahren Punct noch nicht getroffen, und bleiben hinter den Europaͤern noch weit zuruͤck. Desto gluͤcklicher aber koͤn- nen sie mit ihren kleinen Fahrzeugen auf den Fluͤssen fortkommen. Es werden von dem chi- nefischen Kaiser derselben eine unzaͤhlige Menge gehalten, theils um auf denselben die Gouver- neurs in ihre Provinzen uͤberzufahren, theils auch zum Nutzen der Mandarinen. Derglei- chen Schiffe sind nicht sehr groß, alle aber mit P 4 Schnitz- ungemein viele aberglaͤubische Meinungen, denn sie beehren den Wind nicht nur mit dergleichen Raͤuchwerken, sondern opfern ihm uͤberdieß noch andere Victualien. — Ihre groͤßeste Kom- pasnadel ist nicht uͤber 3 Zoll lang. Duͤ Hal- de meint, daß diese Kompasnadeln in China waͤren erfunden worden. Man sehe duͤ Halde Vol. I. Seite 529 u. f. Schnitzwerken versehen. Auf diesen Fahrzeu- gen findet man die besten Gemaͤcher angebracht. Das Ansehen derselben setzt einen Fremden, we- gen der ungeheurem Menge, die in den Hafen und auf den Stroͤmen bey einander liegen, und der Schoͤnheit, in Erstaunen. Man beobach- tet unter den Schiffen folgende Rangordnung. Erstlich kommen die kaiserlichen Schiffe, dann die des Adels, ferner die Schiffe der Großen des Hofes, die der Gelehrten, und endlich die der Kaufleute. Die Schiffe der Kaufleute duͤr- fen, vermoͤge ihres Ranges, nicht so geschmuͤckt seyn wie die andern. Indessen findet man doch an denselben außerordentliche Kunst, in Ansehung des Schnitzwerks, angebracht. Die kai- serlichen Schiffe aber uͤbertreffen an Pracht al- le Erwartung. Man kann ein dergleichen Schiff fast nicht von einem Palais unterscheiden. — Im Ganzen muß man bemerken, daß alle Schif- fe, die auf den Kanaͤlen, Fluͤssen und Seen ge- hen, in der besten Ordnung gehalten werden: sie auch allemal vor einem kaiserlichen Schiffe die Segel streichen. Es ist uͤberaus angenehm zu sehen, daß man allenthalben, wo man reiset, weil das Land von Seen, Fluͤssen und Kanaͤlen voll ist, Segel sieht, die theils zum Nutzen des Staats, theils zur Lust und Vergnuͤgen auf und ab gehen, und es dabey von Menschen wimmelt, die sich alle auf verschiedene Art be- schaͤftigen. — Und soviel von dem Schiffswesen der Chineser uͤberhaupt. Ein In einem Lande, das so reichlich mit allen Din- gen, die zum Lebensunterhalte gehoͤren, wie China, versehen ist, muß auch nothwendig der Handel ansehnlich seyn, wenn anders die In- dustrie des Volks das Ihrige dabey thut. Und in der That muß man auch gestehen, daß viel- leicht in keinem Reiche der Welt mehr Handel und Wandel getrieben wird, wie eben in Chi- na. Hierzu traͤgt die Aufmunterung von Sei- ten der Regierung, ungemein vieles bey. Sie stehen jetzt mit allen Reichen, sonderlich aber mit den Japanesern, Siamern, im Handel, von welchen sie die ihnen fehlenden Waaren nehmen, und ihre Landesproducte dafuͤr wieder zuruͤckgeben, wobey sie aber allemal dahin se- hen, daß sie bey ihrem Handel starken Profit haben. Einige ihrer Waaren, wovon sie wis- sen, daß sie andere Nationen schlechterdings nehmen muͤssen, halten sie so hoch im Preiße, daß sie wenigstens tausendmal mehr Profit neh- men, als sie billig nehmen sollten. — Das Commerzium mit den Europaͤern, macht einen wichtigen Artikel ihres Handels aus. Dieser Handel aber wuͤrde gewiß noch staͤrker und fuͤr sie vortheilhafter seyn, wenn die Europaͤer ei- nen bestaͤndig offenen Hafen haͤtten. Zwar hat man ihnen den Hafen zu Quangtong zugestanden: aber sie duͤrfen sich dessen doch nur zu gewissen Zeiten des Jahrs bedienen. Auch duͤrfen die Europaͤer mit ihrer Schiffen nicht einmal vor diese Stadt segeln, sondern sie muͤ- P 5 ßen ßen, ohngefaͤhr vier Meilen vor derselben, An- ker werfen: eine Sache, die fuͤr die Handeln- den sehr unvortheilhaft ist. — Die vornehm- sten Producte, welche die Europaͤer von den Chinesern wegfuͤhreten, waren Zucker, Reis, Thee, Specereyen fuͤr die Apotheker, Dia- mante, Uhren, Spiegel, Crystallen, Fern- glaͤser und andere mathematische Instrumente. Der Handel der Europaͤer mit den Chine- sern ist itzt bey weitem nicht mehr so betraͤcht- lich, wie er vor Zeiten mag gewesen seyn. Die ostindische Handlungscompagnie versieht sie so uͤberfluͤßig mit allen Waaren, daß da- dnrch der Handel ungemein vieles einbuͤßet, und es kaum der Muͤhe werth ist, weiter et- was hieher zu bringen, als Silber, um es gegen Gold Das meiste Gold, sagt Duͤ Halde , was zu Quangtong, gekauft wird, kommt ans Japan dahin. umzutauschen. Der Handel mit Silber und Gold geht gut oder schlecht, je nach dem die Jahrszeit ist. Im Maͤrz, April und May ist es z. E. wohlfeiler, als in den Monathen vom Junius bis zum Januar. Wir muͤssen hier noch anmerken, daß die Chineser, im Handel und Wandel, feine und ausgelernte Betruͤger mit Recht zu nennen sind. Sie halten es gar nicht fuͤr suͤndlich, diejenigen, mit denen sie handeln, auch so gar ih- re eigne Landesleute und Nachbarn nicht aus- genom- genommen, zu betruͤgen. Sie haben hierbey den Grundsatz. Sie sagen, ein jeder Kaͤufer habe allemal den Vorsatz, so wohlfeil zu kaufen, als moͤglich, ja, wenn er koͤnne, gar nichts fuͤr die Waare zu geben. Eben so daͤchte auch der Verkaͤufer. Dieser sey berechtigt, seine Waaren so theuer zu ver- kaufen, als er sie nur immer loß werden koͤnne, und dabey alle List erlaubt, seine Waaren zu erhoͤhen. Ein Auslaͤnder wird nie von ihnen weggehn, ohne nicht derbe von ihnen betrogen zu seyn. Der wichtigste Handel in China ist derjeni- ge, welcher im Innern des Reichs getrieben wird. Die Stroͤme, Kanaͤle sind unaufhoͤr- lich mit Barken bedecket, und die Heerstraßen mit Pferden, Mauleseln, Kameelen, Karren, Menschen, welche diejenigen Waaren aus der einen Provinz in die andere verfuͤhren, woran sie einen gegenseitigen Mangel haben. So liefert, z. E. die Provinz Che-kyang die beste Seide; Kyang-si, einen Ueberfluß an Reis; Fo-kyen den besten Thee und Zucker; Kyang nan die beste Dinte, Ferniß und aller- ley Galanteriewaaren; Yu-nan, Shen-si und Shan-si eine Menge Pferde, Maulesel, Pelz- werk, Eisen, Kupfer und andere Metalle. Man lese hieruͤber den Le Compte und Duͤ Halde nach. — Und auf diese Art theilen sie sich einander die Reich- thuͤmer mit. Dieser Handel ist viel wichtiger, als als derjenige, den alle Europaͤische Nationen unter einander treiben. Naͤchst der Handlung sind die Manufactu- ren in gutem Flor, und machen beynah allein den Reichthum der Nation aus. Wir wollen hier Gelegenheit nehmen, nur von den vor- nehmsten Manufacturen, als von ihrem Por- cellaine, Seiden- und Wollenmanufacturen zu reden. — Wir reden von der Porcellain- manufactur billig zuerst, weil sie in China so alt ist, daß sie selbst von dem Erfinder dersel- ben nichts Zuverlaͤßiges wissen und sagen koͤn- nen. Die Chineser sind von jeher so heimlich in Verfertigung ihres Porcellains gewesen, daß die Europaͤer lange Zeit nicht gewußt ha- ben, wie sie das Porcellain eigentlich verfer- tigten. Viele Reisebeschreiber, die sich be- muͤhten, dieß Geheimniß herauszubringen, haben ihren Landesleuten so viele abgeschmack- te und absurde Dinge, von der Materie, wor- aus das Porcellain verfertigt werden sollte, vorerzaͤhlt, daß man sich nicht genug uͤber die Verschiedenheit in ihren Erzaͤhlungen verwun- dern kann. Die Europaͤer sind auch nicht eher hinter dieß Geheimniß gekommen, bis der Jesuit D’Entrecolles — der zu King-te- ching eine Gemeinde gestiftet hat — ein ver- staͤndiger und ehrlicher Augenzeuge, ihnen eine zuverlaͤßige Nachricht davon gab, und alle Umstaͤnde deutlich und genau aus einander setz- te. te. Extract des lettres edifiantes ap. Du Halde Vol. I. p. 340. — Das chinesische Porcellain wird in vielen Provinzen gemacht; das beste aber trifft man zu King-te-ching an. Man laͤßt es gegenwaͤrtig einem jeden sehen, wie es zuberei- tet wird, nachdem sie wissen, daß die Euro- paͤer ihre Geheimnisse entdeckt haben. Die Materie, woraus man Porcellain macht, be- steht in sehr feiner Erde, die mit silberfarbig- ten Theilchen durchmengt ist. Wenn die Klumpen aus dem Steinbruche kommen, rein gewaschen, und von Sand und Erde gesaͤubert sind; so werden sie sehr klein, so daß sie dem Staube aͤhnlich sind. Dieser Staub wird hernach im Wasser herumgeruͤhrt, bis er voͤllig wie Teig aussieht, den man kneten, und von Zeit zu Zeit mit Wasser aufeuchten kann und muß. So bald dieser Teig voͤllig durchgekne- tet ist; so bringt man ihn in verschiedene For- men, und macht daraus die verschiedenen Ge- faͤße, die man haben will. Wenn dieß gesche- ben; so setzt man diese Gefaͤße an die Sonne, zum Austrocknen; sie werden aber alsdann, wann die Hitze am groͤßesten ist, weggesetzt, damit sie nicht verbrannt werden. So bald sie nun voͤllig trocken sind; so werden die Mahlereyen angebracht: worauf die Glasur folgt. Zuletzt wird das Gefaͤß in einem dazu aptirten Ofen gebrannt, und nicht eher herausgenommen, bis bis es sich nach und nach abgekuͤhlt hat. Eine solche Arbeit ist sehr beschwerlich, und erfor- dert viele Zeit und Arbeiter, Duͤ Halde erzaͤhlt, daß zu King-te-ching , einer Stadt, welche drey franzoͤsische Meilen lang ist, in der Provinz Kyang-si. sich uͤber eine Mil- lion Menschen befinde, die sich bloß mit dieser Arbeit beschaͤfftigten. denn ein Gefaͤß muß oft durch mehr als vierzig Haͤnde gehen. Man verfertigt in China porcellaine Ge- faͤße von bewundernswuͤrdiger Groͤße. Sie machen oftmals Kruͤge von drey bis vier Fuß hoch, woran so viel Kunst vereinigt ist, daß man keine Zusammenfuͤgungen bemerken kann. Die Zierrathen, welche sie an dergleichen Ge- faͤße bringen, zeigen von ihrer Geschicklichkeit und Geschmack in diesem Stuͤcke. Aber solche große Stuͤcke pflegen die Chineser nicht fuͤr ih- ren Gebrauch und Bequemlichkeit zu machen, sondern sie sind gemeiniglich zu Kauf bestellt. Man findet bey ihnen Porcellain von allen Couleuren, das himmelblaue und gelbe aber wird am meisten geachtet und gesucht. Glat- tes Porcellain wird auch verfertigt: einiges, das musivische Arbeit vorstellt, noch anderes, das durchbrochen und ausgeschnitten wird. Die Thierfiguren und grotesken Stuͤcke gelingen ihnen am besten. So sieht das Porcellain sehr gut und natuͤrlich aus, das Enten und Schildkroͤten vorstellt, die auf dem Wasser schwim- schwimmen, und Katzen, fuͤr welchen sich die Maͤuse fuͤrchten. Die Porcellainarbeiter geben vor, daß sie die einzigen in der runden Welt sind, welche gutes Porcellain zu machen verstehen. Wenn man ihnen von dem japanischen Porcellain et- was sagt; so antworten sie darauf, daß die Japaneser eigentlich kein Porcellain machen koͤnnten, sondern sie kauften es von den Chi- nesern, und verkauften es wieder fuͤr ihre ei- gne Waare und Arbeit. — Wenn man das chinesische mit unserm saͤchsischen und preußi- schen Porcellain vergleichen will; so muß man gestehen, daß beyde Fabriken vielleicht die Weisse und Feinheit des Thons, und die Leb- haftigkeit und Dauer ihrer Farben noch nicht voͤllig erreicht haben. Dabey aber auch zuge- ben, daß sie beyde (vielleicht itzt das Preußi- sche in einem noch hoͤhern Grade) an Schoͤn- heit, Anmuth, Vollkommenheit und Regel- maͤßigkeit der Zeichnungen, das chinesische weit uͤbertreffen. Dieß koͤnnte hinlaͤnglich seyn, um den Le- ser in den Stand gesetzt zu haben, sich einige Vorstellungen, von der Porcellainmanufa- ctur, und der Bearbeitung desselben, machen zu koͤnnen, wenn wir nicht glaubten, manchen einen Gefallen zu thun, hier noch einige Be- merkungen uͤber den beruͤhmten Porcellain- thurm, mitzutheilen. — Dieser Thurm uͤber- trifft alles sehr weit, was Kunst und Ver- schwen- schwendung in China merkwuͤrdiges hervor- gebracht hat. Er steht zu Nan-king, und ist neun Dergleichen fuͤrtrefflicher Gebaͤude eines, soll, wie gesagt wird, in jeder Provinz seyn. Sie sind fuͤrnehmlich der Zierde wegen ange- bauet. weil sie von Reisenden sehr weit koͤnnen gesehen werden, und eine schoͤne Aussicht, von ihren obersten Gaͤngen herunter, darbieten. — Gemeiniglich sind solche Thuͤrme neun Stock- werk hoch. Duͤ Halde versichert uns aber, daß einige derselben uͤber dreyzehn Stock hoch waͤ- ren. Jedes Stockwerk ist gewoͤhnlicherweise acht bis neun Fuß, und das unterste zwoͤlf Fuß hoch. Stockwerk hoch, und wird von allen Reisenden, wegen seiner Hoͤhe, Sym- metrie, Bildhauerarbeit, Vergoldung, und anderer Zierrathen, am meisten bewundert. — Jedes Stockwerk wird von aussen, durch ein besonderes Gesimse, das fuͤrtrefflich gemacht ist, von einander abgesondert. Man muß we- nigstens neunhundert Stufen steigen, bis man in die oberste Spitze des Thurms kommt. In einem jeden Stockwerke sieht man vier, gegen die vier Hauptwinde gerichtete, Fenster, welche uͤberall mit vielen Gemaͤlden und Goͤtzenbildern ausgeschmuͤckt sind. Der Thurm ist achteckigt und sein Umkreiß ohngefaͤhr vierzig Fuß. Von innen und aussen ist er mit vielfarbigten und dem Porcellain aͤhnlichen Ziegelsteinen ausge- setzt, und alle Theile dieses erhabenen Denk- maals maals sind mit so vieler Kunst versehen, daß man beym ersten Anblick glaubt, das ganze Werk be- stehe aus einem Stuͤcke. An den Ecken einer jeden Gallerie, haͤngt eine Menge kleiner Glo- cken, die, vom Winde bewegt, einen nicht un- angenehmen Schall von sich geben. Allein, das Schoͤnste am ganzen Gebaͤude bestehet in einer Art von Kuppel, die von einem Mastbaume, der auf dem Boden des achten Stockwerks fest stehet, und uͤber dreyßig Fuß uͤber denselben hervorragt, getragen wird. Die Bildhauer- arbeit, welche man an dieser Kuppel sieht, ist vergoldet, und das Werk scheint uͤberhaupt von Marmor und gehauenen Steinen zu seyn. — Dieß ist die Beschaffenheit der Bauart eines Thurms, der im ganzen Oriente, er mag nun von einer Materie gebaut seyn, von welcher er will, fuͤr das dauerhafteste und praͤchtigste Werk, mit Recht angesehen wird. Man weiß eigentlich noch nicht mit Gewißheit zu sagen, bey welcher Gelegenheit dieser Thurm gebaut ist. Neuhoff glaubt, daß er bereits uͤber siebenhundert Jahre gestanden, und von den Tatarn, als ein Denkmaal, daß sie sich des chinesischen Reichs bemaͤchtigt, sey erbaut worden. Le Compte geht von dieser Behau- ptung, nicht ohne Gruͤnde, ab. Er glaubt naͤmlich, daß dieser Thurm nicht laͤnger, als dreyhundert Jahre gestanden habe, und von dem Kayser Yang-lo sey erbaut worden. Die- ser Meynung stimmt Dů Halde auch bey. Q Wir Wir kommen itzt zur Seiden- und Wol- lenmanufactur der Chineser. — Unter allen chinesischen Provinzen ist wohl keine, die es der Provinz Tche-Kyang — wenn sie gleich fuͤr die kleineste im ganzen Reiche gehalten wird — an Reichthum zuvorthaͤte Ihr vornehm- ster Reichthum besteht in der Seidenmanufa- ctur, welche von den Reisebeschreibern einhel- lig fuͤr die beste im Reiche gehalten wird. Auf ihren Feldern sieht man fast nichts anders, als Maulbeerbaͤume, die wie die Weinstoͤcke ange- bauet und beschnitten werden. Diese Gewohn- heit hat aus der Erfahrung ihren Ursprung, weil sie naͤmlich aus den Blaͤttern der kleinen Baͤu me, die beste Seide ziehen. — Die Pro- vinz Tche-Kyang liefert nicht nur Seide fuͤr das ganze chinesische Reich, Japan und die philippinischen Eylaͤnder, sondern sie versieht auch mit selbiger ganz Indien. Die Hollaͤn- der kaufen von dieser Seide, ihres Werths we- gen, so viel, als sie nur immer auftreiben koͤnnen. An Weisse, Glanz und Feinheit hat sie vor allen andern große Vorzuͤge. — Italien empfieng ehemals die Seide aus Grie- chenland. Die Griechen hatten den Persern die Zubereitung derselben zu danken, und die Perser hatten es von den Chinesern gelernt, wie sie Seidenwuͤrmer auferziehen, und die Seide davon zubereiten sollten — Man er- zaͤhlt, daß die Einwohner der Provinz Tche- Kyang vor ihrer Bebauung, bloß mit Fellen waͤren waͤren bekleidet gewesen, daß aber, da dieß Huͤlfsmittel, bey mehrerer Bevoͤlkerung nicht zu- gereicht, eine von den Kayserinnen Die chinesischen Nachrichten erzaͤhlen, daß sich eine der Gemahlinnen des Kaysers Whang-ti dieser Arbeit zuerst unterzogen, und die Bear- beitung der Seide zuerst erfunden habe. — Es wuͤrde hier ganz uͤberfluͤßig seyn, alle die Na- men her zu erzaͤhlen, welche die Reisebeschreiber fuͤr die ersten Erfinder des Seidenbaues halten: so viel bleibt gewiß, daß man die ersten Erfinder desselben, mit Gewißheit, nicht angeben kann. Und uͤberhaupt ist auch nichts daran gelegen. die Kunst, Seide zu spinnen, erfunden habe. In der Folge haͤtten sich viele Prinzessinnen ein Vergnuͤgen daraus gemacht, Seidenwuͤr- mer zu ziehen, und Seide zuzubereiten Hier- auf, fahren sie weiter fort, waͤre ihnen, ein geraͤumlicher Garte in den Ringmauern des Pallastes zu Maulbeerplantagen angewiesen worden. Die Kayserinn haͤtte sich alsdann, mit ihren vornehmsten Frauenzimmern, auf das feyerlichste in eigner Person dahin begeben, und die Maulbeerblaͤtter eingesammelt. Die seidenen Zeuge, die sie eigenhaͤndig verfertiget, und von andern verfertigen lassen, waͤren bey dem jaͤhrlichen großen Opfer, dem Schoͤpfer und Regierer der Welt geheiligt. — Aus dieser Erzaͤhlung sieht man wenigstens so viel, daß durch Aufmunterung der Seidenbau in China seine Reife erhalten habe! — Q 2 Zu Zu Nan-King werden die besten Zeuge von Tche-Kyangscher Seide, vorfertigt. Von diesen Zeugen giebt es verschiedene Arten, wo- von die besten und zugleich auch bekanntesten sind der Damast; gebluͤmter, glatter, gestreif- ter Atlas; dicker Taffend, der unsern Mohren in gewissen Stuͤcken gleich ist: andere Taffte mit gebrochnen und gestickten Blumen. Bey aller der Schoͤnheit ihrer Arbeit aber, fehlt es doch noch weit daran, uns Europaͤer darinn zu erreichen. Fuͤrnehmlich uͤbertreffen wir sie in unsern Gold- und Silberstoffen. Die Kunst, diese Metalle in Faͤden zu ziehen, die Seide damit zu bespinnen u. s. w. ist ihnen voͤllig unbekannt. Ihre Kenntniß und Ge- schicklichkeit hierinn ist, das Gold- oder Sil- berpappier in duͤnne Streifen zu schneiden, Seide darunter zu mischen, und solche die Far- be der Blaͤttchen annehmen zu lassen. Man sieht aber leicht, daß eine solche Vergoldung, sie mag anfangs auch immerhin so viel blinken, als sie wolle, ohnmoͤglich von langer Dauer seyn koͤnne. Dergleichen Stoffe werden auch nicht haͤufig, sondern nur bloß von Manda- rinen vom ersten Range getragen. Die Zeich- nungen sind gewoͤhnlich schlecht. Gemeiniglich sieht man Haͤuser, Baͤume und Voͤgel darauf angebracht, am haͤufigsten aber Figuren von Drachen. Der Drache steht bey den Chinesern in gros- sem Die Baumwollen- oder Cattun- ma- manufactur ist in China gleichfalls sehr be- traͤchtlich. Und wenn sie gleich nicht so geehrt und in Ansehen steht, als die Seidenmanufa- ctur; so gehoͤrt doch die Bearbeitung derselben, naͤchst der Porcellain- und Seidenmanufactur, unter die eintraͤglichsten Artikel. Viertes Kapitel. Von der Regierungsart — Policey — Kayserlichen Einkuͤnften — Gese- tzen — Strafen in China. E s ist wohl kein Reich in der Welt zu fin- den, das monarchischer regiert wird, als China. — Die Macht des chinesischen Kay- sers Im Vorbeygehen kann hier angemerkt werden, daß der Chinesische Monarch, seit der Erobe- rung durch die Tatarn, sich selbst Cham oder Kang, d. i. Kayser genannt habe. — erstreckt sich nicht nur uͤber alle sechzehn Provinzen, sondern auch noch uͤber viele an- dere, die in der morgenlaͤndischen Tatarey lie- gen. Einige dieser Provinzen beherrscht er ganz unumschraͤnkt, einige sind ihm zinnsbar, noch andere leisten ihm nur eine Art von Hul- Q 3 digung. sem Ansehen. Er ist es, der den Kayser Fo-Hi soll begeistert haben. digung. Aber in den neu eroberten Staaten, herrscht er mit dem groͤßten Despotismus. Hier hat er nicht nur die freye Macht uͤber das Leben und den Tod eines jeden Unterthanen, sondern diese unumschraͤnkte Macht erstreckt sich auch so gar uͤber die Prinzen vom Gebluͤt. Sein Wille vertritt die Stelle des Gesetzes, und wer sich seinen willkuͤhrlichen Befehlen auch nur im Geringsten widersetzt, hat sich der haͤrtesten Strafe zu gewaͤrtigen. Der Kayser ist zwar verbunden, bey allen Vorfaͤllen und Angelegenheiten nach den Gese- tzen zu regieren, und auch wohl, in wichtigen Faͤllen, seinen Gerichtshof der Censoren , es moͤgen buͤrgerliche oder Criminalsachen seyn, um Rath zu fragen. Allein da er der erste Ausleger der Gesetze ist, und sich die Glieder des Gerichtshofes schlechterdings nach seiner Auslegung richten muͤssen, dafern sie sich der Gefahr, cassirt zu werden, nicht aussetzen wol- len; so muß sich die ganze Regierung nach sei- nem Willkuͤhr richten. — Vor Zeiten war diese Macht viel eingeschraͤnkter, und ein Monarch durfte es nicht wagen, Gesetze fuͤr sich zu geben, welche den ganzen Staat oder die Religion angiengen. Allein die Ursach hiervon lag bloß darinn, weil die Monarchen damals auf ihrem Throne nicht so sicher wa- ren, wie sie itzt sind. In den neuern Zeiten aber hat man es an dem Kayser Kang-hi ge- sehen, daß er bey Religions und andern Sa- chen chen ganz despotisch verfahren und gehandelt habe. Und dieß konnte er nur zu einer Zeit thun, wo er sich der ganzen kayserlichen Auto- ritaͤt vergewissert sah, und das ganze Gluͤck der Unterthanen bloß in seiner Macht stand. Die Ehrerbietung, die man den chinesi- schen Kaysern erweiset, ist beynahe eine Art der Anbetung. Seine Reden werden fuͤr Orakel- spruͤche angesehen, und seine Befehle, als vom Himmel gesandt, betrachtet. Die Kayser las- sen sich selten oͤffentlich sehen. Wer einen Kay- ser anredet, darf es nie anders, als in einer knienden Stellung thun. — Nur den Gros- sen, welche bestaͤndig um ihn sind, und ihm aufwarten, ist es erlaubt, zu stehen, und mit ihm in der Stellung zu reden — So laͤcher- lich auch immer diese Gewohnheit seyn mag; so traͤgt sie doch unendlich viel zur Stille und Ruhe im Reiche bey. Diese Ehrfurcht gegen den Kayser erstreckt sich nicht bloß auf die Großen des Hofes, und auf die Mandari- nen, sondern auch so gar auf die Prinzen vom Gebluͤt. Ja dieß geht so weit, daß sie so gar fuͤr den Lehnstuhl, auf den sich der Kayser zu setzen pflegt, fuͤr dessen Beinguͤrtel u. s. w. ihre Knien beugen. — Ueberdieß sind noch ge- wisse Tage in der Woche oder im Monat fest- gesetzt, an welchen die Großen des Hofes wech- selsweise erscheinen, ihm huldigen, und seine Autoritaͤt durch ehrerbietiges Kniebeugen und andere Zeugnisse der tiefsten Devotion, bezeu- Q 4 gen gen muͤssen, der Kayser mag nun selbst da seyn oder nicht. Wenn der Kayser krank und die Krankheit einigermaßen gefaͤhrlich ist; so ist die Bestuͤrzung unglaublich groß, und der Pallast von Mandarinen von allem Range an- gefuͤllt, welche den Himmel, Tag und Nacht, unaufhoͤrlich, um die Genesung des Kaysers anrufen. Man kann sich hieruͤber auch gar nicht wundern, da mit dem Tode eines Kay- sers gemeiniglich große Revolutionen und Ver- aͤnderungen im Reiche verbunden sind Man kann hieruͤber den Duͤ Halde , und son- derlich den Le Compte nachlesen. . So unumschraͤnkt nun aber auch die Macht der chinesischen Kayser ist; so nehmen sie sich doch dabey sehr in Acht, den alten Gesetzen und Einrichtungen nicht zu nahe zu treten. Sie ziehen wie bereits erwaͤhnt, ihre hoͤchsten Tribunale, bey allen Sachen von Wichtigkeit, zu Rathe. Dieß thun sie sonderlich aus fol- genden Ursachen; einmal, um den Namen ei- nes Tyrannen zu vermeiden: und zweytens, um nicht mit so vielen und mannigfaltigen Sachen, die ihnen vorgetragen werden, uͤberlaͤstiget zu werden. Alles was an den Kayser koͤmmt, als Bittschriften und dergleichen, wird an das Tribunal geschickt, um die Sache zu untersu- chen, genau zu pruͤfen, und sie zu seinem ent- scheidenden Spruche zu aptiren. — — — Wenn der Kayser sich seinen Weibern, Bey- schlaͤ- schlaͤferinnen und Verschnittenen zu sehr ergiebt, und seine Zeit im Muͤßiggang zubringt; so muß er gewaͤrtig seyn, daß ihm alle diese Feh- ler schriftlich vorgehalten werden. So soll man einem gewissen Kayser einmal gerade her- ausgesagt haben, daß er mit Hintansetzung der Kayserinn, seiner rechtmaͤßigen Ge- mahlinn, unter einem Haufen nichtswůr- digen Weibspersonen sein Leben in Můs- siggange und Ergoͤtzlichkeiten zubraͤchte; daß er die Armeen mit Anfuͤhrern versehe, die vom Kriegswesen auch nicht einmal die geringsten Kenntnisse haͤtten, und nur blos darauf bedacht waͤren, fůr ihr eignes Interesse zu sorgen; daß durch sei- ne unmaͤßigen Depensen die Schatzkam- mer erschoͤpft wůrde , und dergleichen Din- ge mehr. — Aus diesen und andern Ursachen geschieht es selten, daß sich ein Kayser der Regie- rung nicht so annaͤhme, wie er es sollte, noch auch in Ueppigkeit und Schwelgerey sein Leben vertraͤume. Um aber nun die unsaͤgliche Menge von Staatsangelegenheiten leicht und geschwind be- sorgen zu koͤnnen; hat der Kayser zwey souve- raine Tribunale zur Seite, deren Sitz zu Pe- king ist. Das eine dieser beyden Tribunale, heißt das außerordentliche, und besteht blos aus Prinzen vom Gebluͤt: das zweyte oder das ordentliche Tribunal, besteht, außer den Prinzen, noch aus Kolaven oder Staatsmini- Q 5 stern. stern. Dieß letztere Tribunal hat mit unserm geheimen Staatsrathe viel Aehnlichkeit. Das erste aber versammlet sich nur bey ganz außer- ordentlichen Vorfaͤllen. — Es giebt in Pe- king, außer diesen beyden hoͤchsten Tribunalen, noch andere Obergerichte, unter welchen wie- derum eine Menge kleinere Gerichte stehen. Die Autoritaͤt derselben erstreckt sich uͤber das ganze Reich. Jedes Gericht hat seine eigene Geschaͤfte, und sie stehen mit einander in einer so wunderbaren Verbindung, daß eins das an- dere gehoͤrig im Zaume haͤlt. — Wir wollen die Gerichtshoͤfe oder Tribunale mit ihren Ver- richtungen hier kuͤrzlich anfuͤhren. Der erste Gerichtshof heißt, Li-pu , d. i. das Tribunal der Mandarinen. Er wacht uͤber die Auffuͤhrung aller obrigkeitlichen Per- sonen, und sonderlich der Mandarinen, und berichtet dem Kayser, so oft eine Mandarinen Stelle vacant wird, damit er solche ohne An- stand wieder besetzen koͤnne Der Leser wird sich hoffentlich damit begnuͤgen, daß man ihm hier nur einen kurzen Abriß von den Haupttribunalen darstellt. Wollten wir uns hier ins Detail einlassen, und von den Ge- richtshoͤfen Nachricht geben, die einem jeden der Haupttribunale untergeordnet sind; so wuͤr- de das sicherlich nicht nur den Leser ermuͤden, sondern wir wuͤrden auch etwas sehr uͤberfluͤßi- ges unternommen haben. Duͤ Halde, Mar- tini, Le Compte , sind diejenigen, welche al- lenfalls den, welcher ein Mehrers hiervon lesen wollte, hinlaͤnglich befriedigen koͤnnen. . Der Der zweyte Gerichtshof, wird Hu-pu, d. i. der hohe Schatzmeister des Koͤnigs, ge- nannt. Die Pflicht desselben besteht hauptsaͤch- lich darinn, fuͤr die Einkuͤnfte des Kaysers die gehoͤrige Sorge zu tragen. Le Compte meldet auch, daß dieses Tribunal uͤberdem noch die Listen und Verzeichnisse, die jaͤhrlich von allen Familien, von der Anzahl der Unterthanen, eingereichet werden muͤssen, besorge. Der dritte Gerichtshof heißt, Li-pu, d. i. das Tribunal der Rechte; er sorgt fuͤr die Beybehaltung der alten Gewohnheiten, fuͤr die Cerimonien bey dem Gottesdienste, die Opfer, den Empfang der Gesandten, fuͤr oͤf- fentliche Lustbarkeiten, fuͤr alle Kuͤnste und Wissenschaften, auswaͤrtige Angelegenheiten u. s. f Aus der Verschiedenheit der Beschaͤftigungen dieses Tribunals erhellet genugsam, daß, wenn gleich das Wort mit dem ersten einen gleichen Namen fuͤhrt, ein Unterschied zwischen beyden sey. Duͤ Halde im 1 Th. S. 415. meldet, daß der Unterschied dieser beyden Woͤr- ter bloß in der Aussprache laͤge. Li, sagt er, bedeute so viel als Recht, und Pu heiße Tri- bunal. . Der vierte Gerichtshof wird Ping-pu d. h. Tribunal der Waffen genannt. Unter diesem steht das ganze Kriegeswesen, erstreckt sich uͤber die Kriegstruppen, ihre Befehlshaber und Waffen. Der Der fuͤnfte Gerichtshof heißt, Hing-pu. In demselben wird mit hoͤchster Gewalt in allen peinlichen Faͤllen entschieden. Der sechste Gerichtshof endlich wird Kong- pu, oder das Tribunal der oͤffentlichen Werke genannt. Er fuͤhrt die Aufsicht uͤber alle kay- serliche Gebaͤude, ferner uͤber Bruͤcken, Wege, Triumphbogen, Daͤmme, Vestungen, oͤffent- liche Tempel, Begraͤbnisse, Stadthaͤuser, mit einem Worte, uͤber alle oͤffentliche Anstalten, und uͤb e r das gesammte Seewesen. Die Verwaltung des Kriegswesens beruhet auf einer Art von Bedienten, welche Kricgs- mandarinen genannt werden. Man theilt sie in fuͤnf Hauptklassen, wovon hier einige Nachrichten mitgetheilt werden sollen. — Die erste Klasse nennt man, Mandarinen von der Arriergarde: die zweyte, Mandarinen vom linken Fluͤgel: die dritte, Mandari- nen vom rechten Fluͤgel: die vierte, Man- darinen vom Hauptchor: die fuͤnfte endlich, Mandarinen von der Avantgarde. Die verschiedenen Klassen, werden von fuͤnf Tribu- nalen befehligt, welche wieder unter einem an- dern steht, das von dem Obergerichte zu Pe- king dependirt. Der Praͤsident dieses letztern, ist allemal einer von den Vornehmsten des Reichs, und seine Macht erstreckt sich auf alle Kriegsvoͤlker. Um aber seine Macht nicht miß- brauchen zu koͤnnen, hat man ihm einen gelehr- ten Mandarinen zum Assessor zugesellt, der den den Titel eines Oberaufsehers der Armeen fuͤhrt. Ohne dessen Rath darf der Praͤsident (der ohngefaͤhr mit einem Generalfeldmarschall einerley ist) nicht das Geringste vornehmen. Man zaͤhlt ordentlicherweise achtzehn tau- send Kriegsmandarinen, welche mehr denn sie- benmal hunderttausend Mann Fußvolk, und zweymal hunderttausend Mann Reuterey, un- ter ihren Befehl haben. Diese Voͤlker dienen groͤßestentheils blos zur Bedeckung der großen Mandarins, der Statthalter und anderer obrigkeitlichen Personen. — Man hat sie in Legionen eingetheilt, und jede Legion besteht aus zehntausend Soldaten. — Die Tatarn fuͤhren gelbe Fahnen, und die Chineser gruͤne. Die Anfuͤhrer oder Officiere muͤssen die Soldaten zu gewissen Zeiten mustern und exerciren, wenn gleich ihr Exerciren fast nur allein in geschwin- der Regierung ihrer Saͤbel, Bogen, Flinten, Helme und dergleichen bestehet. Wenn aber die Soldaten hierinn nicht geuͤbt sind, oder ih- re Sachen nicht im guten Stande haben; so werden sie ihrer Nachlaͤßigkeit wegen empfind- lich bestraft. Der Sold eines Infanteristen belaͤuft sich ohngefaͤhr taͤglich auf achtzehn gute Pfennige, und ein Maas Reis. Die Loͤhnung eines Kavaleristen traͤgt etwa noch einmal so viel aus. Sie sind wohl gekleidet, bewafnet: und der Sold wird ihnen alle drey Monathe rich- tig ausgezahlt. Ueberhaupt ist zu Friedenszei- ten der Soldatenstand eben so wenig beschwer- lich lich als gefaͤhrlich, und derjenige, welcher in denselben will aufgenommen werden, muß un- ter den Kriegsmandarinen gute Bekannte ha- ben. Von Werbung der Soldaten weiß man hier nicht zu reden. Indessen aber muß man sagen, daß die von Natur furchtsamen Chine- ser, wirklich aͤrmliche Soldaten sind. Beym ersten Angriffe gerathen sie gleich in Unordnung, sind anfangs unschluͤßig was sie thun sollen, und — laufen doch endlich davon! In einem so großen und weitlaͤuftigen Rei- che als China ist, worinn man eine uͤberaus große Menge Staͤdte und Voͤlker antrift, wuͤr- de sonder Zweifel die groͤßeste Verwirrung und Unordnung herrschen, wenn nicht die schoͤne Policey, die im ganzen Reiche auf das genauste beobachtet wird, allen Unordnungen zuvorkaͤ- me. Es ist bereits bemerkt worden, daß in jeder Provinz ein Statthalter sey, der die hoͤch- ste Obrigkeit vorstelle, und unter den Hofge- richten zu Peking stehe. — Eine jede Stadt ist in verschiedene Quartiere abgetheilt. Ein jedes Quartier wird von einem Oberaufscher re- giert; er muß aber, von allem, was in seinem Bezirke vorgehet, Bericht abstatten. Ueber- dieß wird die Stadt Tag und Nacht von Sol- daten bewacht, die auf alles achten muͤssen, was in der Gegend, wo sie sind, geschieht. Daher hoͤrt man von Mordthaten selten, und von ge- waltsamen Einbruͤchen, gar nichts. Des Nachts darf sich keiner auf den Straßen sehen lassen, lassen. Ereignet sichs aber, daß jemand sich des Nachts auf den Straßen ertappen laͤßt; so wird er zum Poͤbel gerechnet, und als ein Dieb angesehen, der Willens gewesen sey, ei- nen unerlaubten Streich zu vollstrecken. Es bleibt also immer sehr gefaͤhrlich in China, des Nachts auszugehen, und den Armen der stren- gen Gerechtigkeit zu entwischen. In den vornehmsten Vierteln der Stadt ist eine Glocke oder Trommel befindlich, welche dazu dienen, um des Nachts die Stunden und Nachtwachen anzuzeigen. Jede Wache dauert zwey Stunden: die erste faͤngt mit dem Ende des Tages an, und so lange sie waͤhrt, thut man von Zeit zu Zeit einen Schlag auf die Trommel oder an die Glocke. Zwey solcher Schlaͤge thut man waͤhrend der zweyten, drey, waͤhrend der dritten u. s. w. so, daß man, man mag aufwachen, wenn man will, wissen kann, wie viel es an der Uhr ist. Indessen singt ein Mann ein Lied folgenden Inhalts: Gehor- chet euren Eltern. Verehret die Greiße und eure Obrigkeit, Lebt unter einan- der einig. Begehet keine Ungerechtig- keiten. Le Compte, im dritten Briefe, druͤckt sich uͤber die Ordnung, welche die Soldaten des Nachts, der Sicherheit wegen halten muͤs- sen, so aus: Eine jede Wache muß des „Nachts in den ihnen angewiesenen Straßen „patroulliren, so bald das Zeichen zum Thor- „schluß „schluß gegeben ist. Niemand, außer wenn „er wichtige Ursachen vorzubringen im Stande „ist, warum er hat ausgehen muͤssen, darf sich „des Nachts auf den Straßen sehen las- „sen. Sollte die Patrouille in den Reden ei- „nes solchen Menschen einige Zweydeutigkei- „ten finden; so muß er ohne alle Umstaͤnde, „bis zum andern Morgen, in der Hauptwache „sitzen, bis er vom Richter, entweder losge- „sprochen oder verdammt worden ist. Die „wachhabenden Officiere muͤssen ihre Pflichten „sehr in Acht nehmen, wenn sie anders nicht „wollen cassirt seyn. Sie werden auch sonst „schon dadurch zu ihrer Pflicht angehalten, weil „der Gouverneur einer Stadt, sie oft des „Nachts unversehens zu uͤberfallen pflegt“. — Mit dieser Erzaͤhlung stimmt Dů Halde uͤberein. Es wird im ganzen chinesischen Reiche Nie- manden erlaubt, Gewehre bey sich zu fuͤhren. Hiervon sind auch nicht einmal die Soldaten ausgenommen, außer, wenn sie ihre Dienste thun. Man sieht sehr darauf, daß, wenn es zwischen zween streitenden Partheyen zur Thaͤt- lichkeit kommt, kein Blut vergossen werde. Wenn ein paar Leute, z. E. mit einander un- eins geworden sind, und einer etwa einen Stock in der Hand haben sollte; so wirft er ihn von sich, und schlaͤgt sich mit seinen Gegnern mit der Faust herum. Alle Streitigkeiten werden bey ihnen gemeiniglich in der Guͤte beygelegt, und und machen ihrem Streite, vor dem Manda- rin, ein Ende Dieser sitzt mit einer vielbe- deutenden pedantischen Mine auf seinem Sessel, hoͤrt mit Gleichguͤltigkeit beyde Partheyen an, und laͤßt den Schuldigen, auch, wenn es ihm einfaͤllt, beyde, nach chinesischem Fuße, statt- lich abpruͤgeln. Es giebt auch in China, so wie uͤberall, ein gewisses Volk, welches man Huren nennt. Da diese gemeiniglich in den Gegenden, wo sie wohnen, großen Laͤrm zu machen pflegen; so ist es ihnen nicht erlaubt, sich in der Stadt aufzuhalten, sondern sie werden in einen Win- kel der Vorstaͤdte verwiesen Die Gouverneurs der Stadt pflegen ein Dutzend der Huren in ein einziges Haus einzuquartiren, und ihnen einen Aufseher zu geben, der von ihrer Auf- fuͤhrung Rechenschaft geben muß. Ihr Hand- werk wird fuͤr infam erklaͤrt, daher auch eini- ge Gouverneurs so scharf sind, daß sie dieß liederliche Gesindel, wie billig, gar nicht dulden. Zu der in den Staͤdten herrschenden Ruhe und Ordnung, traͤgt die Art, wie die Chineser ihre Kinder erziehen, sehr vieles bey. Diese werden von der zartesten Kindheit an in den Wissenschaften und freien Kuͤnsten unterrichtet, und so daran gewoͤhnt, daß sie nicht an Aus- schweifung und dergleichen denken. Fuͤr die Bequemlichkeit, Sicherheit und Zierde der Straßen, ist in China auch gesorgt. Man thut alles moͤgliche um die ungangbaren R Wege Wege gangbar zu macheu. In einigen Pro- vinzen sind oftmals die Haupistraßen, großen und anmuthigen Alleen gleich. Unter Wegens findet der Reisende entweder, um sich vor der Hitze zu schuͤtzen, oder die Kaͤlte von sich abzu- halten, angenehm eingerichtete Ruheplaͤtze. Die Mandarinen pflegen allemal, wenn sie aus ei- ner Provinz in eine andere ziehen, dergleichen Ruhestaͤtte unter Wegens zum Andenken, an- zuordnen. Auf den Straßen fehlt es nicht an Wirths- haͤusern; vielmehr ist die Anzahl derselben uͤber- aus groß. Aber sehr klaͤglich und kuͤmmerlich pflegt es in solchen Wirthshaͤusern herzugehen, welche an einer kleinen Straße liegen! Man kann sich zugleich auch nichts unsauberers vor- stellen, als diese Haͤuser wirklich sind. Auf den großen und volkreichen Heerstraßen aber findet man Gasthoͤfe, die groß und schoͤn sind. Aber Betten muß der Reisende, wenn er nicht auf geflochtenen Strohdecken schlafen will, mit- bringen; denn die Chineser, und besonders der gemeine Mann, kennen den Gebrauch der Bet- ten nicht. — Wenn die Wege zum Paßiren zu unangenehm und gefaͤhrlich sind, so bedient man sich der Chaisen, welche gemeiniglich so ge- raͤumlich sind daß eine Person sehr bequem darinn sitzen kann. Die Chaise wird an zwey Arme angefaßt, wie unsre Portechaisen. Tra- gen zwey Personen eine solche Portechaise; so nehmen sie diese auf die Schultern. Wird sie aber aber von vier Personen getragen; so werden an den Vorder und Hinderstangen, Knoten von starkem und schlanken Seile befestigt, wel- ches die Traͤger auf die Schultern nehmen. Weil aber ein solches Tragen sehr beschwerlich zu seyn pflegt; so werden gemeiniglich acht Traͤger dazu genommen, die sich einander ab- loͤsen koͤnnen. Wenn man des Nachts reiset — welches, der großen Hitze wegen, sehr oft geschieht — und sonderlich bergigte Gegenden bereiset, wo sich Tiger und andere gefaͤhrliche Thiere aufhal- ten; so nimmt man Leute mit, welche mit einer brennenden Fackel voraus gehen, wo- durch diese Thiere verscheucht werden. Der- gleichen Fackeln bestehen aus Fichtenholze, wel- ches am Feuer getrocknet, und so zubereitet ist, daß Wind und Regen sie nur noch immer mehr und mehr anflammen. Ueber die Posten in China haben die Man- darinen die Aufsicht. Die Postpferde gehoͤ- ren dem Kayser, deren sich aber Niemand an- ders bedienen darf, als die kayserlichen Cou- riers und Abgesandte des Hofes. Die Post- stationen liegen, wie in andern Laͤndern, nicht gleich weit von einander. Die Postillions tragen gewoͤhnlicher Weise ihr Felleisen auf dem Ruͤcken. Man kann leicht denken, daß ein so bevoͤl- kertes und weitlaͤuftiges Reich, wie das Chine- sische ist, dem Kayser große Einkuͤnfte bringen R 2 muß. muß. Diese aber bestehen theils in baarem Gelde, theils aber auch in Waaren. — Es haͤlt schwer, gewiß auszurechnen und anzuzei- gen, wie hoch sich die Einkuͤnfte des Kaysers belaufen. N e uhof giebt sieben und zwanzig Millionen Pfund Sterling an. Le Compte fuͤnf Millionen weniger ( state of ehina part. 2. let. 1. p. 224.) Duͤ Halde giebt 200, 000, 000 Taels an Ein Tael ist so viel als eine Unze Silber, die am Werthe so viel als hundert franzoͤsische Sols betragen. , woraus eine Summe von mehr denn funfzig Millionen Pfund Sterling herausgebracht wird. — Die Einkuͤnfte an Getrayde aller Art belaufen sich in viele Millio- nen Saͤcke (man kann gleichfalls die Anzahl nicht mit Gewißheit angeben, ob man gleich bey den Reisebeschreibern eine Zahl angegeben findet. Ich habe keinen Reisebeschreiber gefun- den, der mit den andern in diesem Stuͤcke uͤbereingekommen waͤre) Alle diese Lebensmittel werden jaͤhrlich auf den kayserlichen Barken in den Pallast gebracht. Die meisten Reisebe- schreiber berichten, daß die Anzahl der Barken sich auf 9999 beliefe Duͤ Halde giebt die runde Zahl 10000 an. — Es ist wohl zu vermuthen, daß die oben ange- gebene Zahl die rechte sey, und darunter ein gewisser Aberglaube verborgen liegen mag Duͤ Halde ist uͤberdem, in manchen Stuͤcken, ein gar zu großer Verehrer der Chineser! , welche vom Kayser dazu dazu gehalten werden, die verschiedenerley Ar- ten von Einkuͤnften dem Kayser in seine Haupt- stadt zu bringen. — Die Unterthanen des Reichs besitzen ihre Aecker als ein Eigenthum, daher es denn auch kommt, daß die Paͤchter gemeiniglich sehr arm sind. — Ein anderer Theil der Einkuͤnfte bestehet aus dem Kopfgelde, welches eine jede Mannsperson, von zwanzig bis sechzig Jahre gerechnet, bezahlen muß. Man kann leicht denken was dieß Kopfgeld fuͤr ei- ne ungeheure Summe einbringen mag. Eine dritte Gattung von Einkuͤnften entstehen aus den Man facturen. Ueberdem steht es dem Kay- ser noch frey, neue Auflagen, seinen Untertha- nen, nach Belieben, aufzulegen, wenn es die dringendsten Noth erfordert, wiewohl er sich die- ser Macht selten bedient, weil die regulirten Einkuͤnfte gemeiniglich hinlaͤnglich genug sind, den Aufwand davon zu bestreiten. Die Polygamie ist in China eben so wenig wie in andern asiatischen Laͤndern verboten, und aus diesen Ursachen haͤlt sich auch der Kay- ser eine nicht geringe Schaar Weiber zu seinem wolluͤstigen Gebrauch. Eine aber ist die rechtmaͤßige und auserwaͤhlte Gemahlinn des Kaysers, die auch nur allein das Vorrecht hat, mit ihrem Gemahl an der Tafel zu sitzen. Die Weiber (die alle den Namen Gemahlinn fuͤhren) werden in verschiedene Rangordnun- R 3 gen gen placirt. Beym Martini Histor. sinic. libro 10. temp. II. findet man eine auffallende Geschichte von der Keuschheit und Zucht einer Beyschlaͤferinn, worinn sich der Kayser Kang-hi, wegen ihrer Schoͤnheit, ihres Witzes so sehr verliebt hatte, daß er sie aus der letzten Klasse in die erste hat versetzen wollen. Die bescheidene Weigerung dieser Forderung, die sowohl dem Kayser als sei- ner rechtmaͤßigen Gemahlinn gefiel, soll diese gewesen seyn: Aus einigen eurer alten Gemaͤhl- de hab ich gelernt, daß gute Kayser sonst niemand als die treuesten Minister um ihre Person gelassen; ich habe aber auch gelernt, daß nichtswuͤrdige Kayser sich ein Verguuͤgen daraus gemacht haben, eine solche Race von Weibern um sich zu haben, welche sie zu den schaͤndlichsten La- stern reitzen. Ihr wollt mich itzt uͤber eure kayserli- che Gemahlinn erhoͤhen! Nehmet euch aber, ich bitte euch darum, in Acht, daß dieser Schritt euch nicht in die Zahl boͤser Kayser versetze. Ich fuͤr meine Person, ob ich gleich stolz darauf bin euch bestens empfohlen worden zu seyn, und von wahrer Liebe und Hochachtung gegen euch angefachet bin, kann es nicht zugeben, daß ihr die Anzahl schlechter Kayser, und ich die Anzahl schlechter Weiber vermehre. Ihr habt eine Kayserinn, die alle Tugenden besitzt, und eurer ganz wuͤrdig ist. Dieser allein ge- buͤhrt es, stets um euch zu seyn, nicht aber ei- ner solchen Person, wie ich, die ich weiter nichts als eine Dienerinn von beyden bin! — Diejenigen genießen die meiste Achtung, welche dem Kayser die meisten Kin- der gebaͤhren, wenn sie gleich weit weniger sind als die rechtmaͤßige Kayserinn. Indessen ha- ben ben die Kinder, welche der Kayser mit den Wei- bern der ersten Rangordnung zeugt, vor den der letzten Rangordnung gar keinen Vorzug. Denn diese koͤnnen eben sowohl als jene zur kayserlichen Wuͤrde gelangen, indem es blos von des Kaysers Willen abhaͤngt, wen er zu seinem Nachfolger be immen will. Er laͤßt sich mit seinen Beyschlaͤferinnen, und selbst mit seiner rechtmaͤßigen Gemahlinn, nie in einen Contract ein, worinn ausgemacht waͤre, daß das etwa zu zeugende Kind zur Krone gelangen sollte Der Kaiser pflegt allemal aus den vielen Kin- dern, die er gemeiniglich hat, denjenigen zum Nachfolger zu erwaͤhlen, welcher des Scepters am wuͤrdigsten ist. Diesen erklaͤrt er bey seinen Lebzeiten zum Erborinzen; und dieser Wuͤrde zu Folge hat er uͤber alle seine uͤbrigen Bruͤder den Rang. Es ist nun Zeit, daß wir von den Gesetzen der Chineser das Wichtigste mittheilen. — Ob die uneingeschraͤnkte Macht, Gesetze zu geben, vor Alters so ausgebreitet gewesen sey, wie sie jetzt ist, will ich hier nicht untersuchen. Indessen sieht man doch aus den mancherley Edicten der alten Kayser, daß sie Gesetze gegeben, wider- rufen, aufgehoben, so wie sie es fuͤr das allge- meine Wohl am zutraͤglichsten hielten, wenn man gleich gestehen muß, daß sie ihre Wuͤnsche den Gerichtshoͤfen mehr empfohlen, als ihre ei- gene Macht dabey angewandt haben. Wir R 4 wol- wollen hier drey Verordnungen, einiger guten Kayser, dem Leser aus des gewesenen Missio- nairs Hervieu lateinischer Sammlung der alten Gesetze, welche der Kayser Kang-hi hat zusam- men tragen lassen, mittheilen, woraus man hinlaͤnglich sehen wird, wie sehr manchen das Wohl ihrer Unterthanen am Herzen lag, und wie selten sie bey den Gesetzen ihre despotische Macht gebraucht haben. Wider das Gesetz, vermoͤge welches die An- verwandten eines Missethaͤters mit zur Strafe sollten gezogen werden, wurde folgende Anmer- kung gemacht: Man sehe auch duͤ Halde Vol. I. p. 159, wel- cher den Hervien nur uͤbersetzt hat. Gesetze, die zur Richtschnur bey der Regierung gebraucht werden sol- len, muͤsse untadelhaft seyn: muͤssen den Schuldigen strafen, und den Unschul- digen schuͤtzen. Ich finde in unserm Ge- setzbuch einen Artikel, vermoͤge welches Mutter, Weib und Kinder eines Men- schen, der den Tod verdient hat, in den Proceß mitverwickelt und als Mitschul- dige angesehen werden. Ein solches Ge- setz kann ich nicht billigen. Denn nur ge- rechte Gesetze koͤnnen nur als geschickte Mittel angesehen werden, das Volk bey seiner Pflicht zu erhalten. Wird der Schuldige gestraft; so wird jedermann das gesprochene Urtheil billigen. Der Re- gent ist weitet nichts als ein Hirte, der dafuͤr dafuͤr sorgen muß, daß sich Niemand von seiner Heerde verirre. Haben unsere Vor- fahren nicht nach solchen Gesetzen gerich- tet die mit der strengsten Billigkeit beste- hen koͤnnen; so gereichen solche Gesetze dem Volk allemal zum Nachtheil, und riechen nach Grausamkeit. Der Kayser Ven-ti drang also auf Abschaffung eines solchen Gesetzes und erreichte auch seinen Zweck. Eine andere Erklaͤrung eben dieses Kaysers Ven-ti, in Absicht der Befoͤrderung des Acker- baus lautet so: Diejenigen, denen das Regi- ment uͤber ein ganzes Volk anvertraut ist, muͤssen mit allem Eifer dahin sehen, das- jenige zu befoͤrdern, was zum Nutzen des Volks gereicht. Hieher rechne ich den Ackerbau. Seit zehn Jahren habe ich mich eifrigst bemuͤhet denselben zu befoͤrdern; aber ich sehe leider! noch immer Spuren der Traͤgheit meiner Unterthanen in diesem Puncte. Noch mehr: ich sehe mannich- faltige nothwendige Beduͤrfnisse in den Augen der Armen, abgemalt. Es kann hievon ganz positiv nichts anders Ursa- che seyn, als die Nichtvollziehung mei- nes publicirten Willens, oder diejenigen, welche meinen Befehl vollziehen sollen, sind ihres Amts nicht wuͤrdig. Soll die- se Saumseligkeit weiter fortfahren; so sehe ich offenbar den Ruin meines Volks vor Augen. Ich will also auf dieses Jahr R 5 die die Haͤlfte meiner Einnahme an Getraide dem Volke erlassen. Noch einen wuͤrdigen Zug der fuͤrtreflichen Denkart eben dieses vorhin genannten Fuͤrsten koͤnnen wir nicht unterlassen anzufuͤhren, wo- zu die Veranlassung diese war, daß nemlich seine Bedienten taͤglich Gott um die Erhaltung seiner Person anriefen, und alle uͤbrige Pflich- te gegen Alle, aus den Augen setzten. Hier- uͤber machte er folgende Anmerkung: Ich habe gegenwaͤrtig das vierzehnte Jahr meiner Regierung angetreten: und je laͤn- ger ich regiere, fuͤhle ich auch zu sehr, die Maͤngel meiner Faͤhigkeiten. — — Nichts ist an großen Fuͤrsten lobenswuͤrdiger und vernuͤnftiger, als Uneigennuͤtzigkeit in al- ler Absicht. Ich merke itzt, daß viele Bediente in ihren Gebeten um gutes Gluͤck den Himmel anflehen! Und fuͤr wen thun sie es? Fůr mich. Allein dieß ist mir sehr unangenehm. Denn kann ich das wohl billigen, daß Bediente alle Pflichten hint- ansetzen, auf das Wohl meiner Untertha- nen nicht achten, und nur blos darauf sehen, das Gluͤck eines Fuͤrsten zu befoͤrdern, dem es so sehr an Verdiensten fehlt? Bil- ligte ich es; so koͤnnte ich und andere es fuͤr einen starken Zusatz meiner uͤbrigen Fehler halten. — Ich will daher, daß Statt der Fuͤrbitten der Bedienten fuͤr mei- meine Person, sie mehr auf die Beobach- tung ihrer Pflichten bedacht seyn sollen. Man kann behaupten, daß die Beobach- tung der alten Grundgesetze die wahren Ursachen sind, warum sich das chinesische Reich so viele Jahrhunderte in seiner Pracht und Reichthum erhalten hat. Kang-hi, einer der ber uͤ hmte- sten Kayser in China, konnte sich bey seinem Volke vorzuͤglich dadurch beliebt machen, daß er gegen die alten Gesetze Ehrerbietung bezeugte, und uͤber die Declarationen mancher klugen Vorfahren gesunde Anmerkungen entwarf Dieß Ansehen wußte er noch dadurch zu erhoͤhen, daß er die Erklaͤrungen der Gesetze der alten Kayser in ein Korpus sammlen ließ, und sie selbst mit Lobspruͤchen begleitete. So viel man aber auch uͤber die fuͤrtrefli- che Staatseinrichtung des chinesischen Reichs, in den alleraͤltesten Zeiten, immerhin raisonni- ren, sie loben und anpreisen mag; so scheint es doch ganz sicher zu seyn, daß die Gesetze mehr tyrannisch als guͤtig gewesen sind. Wie viele Personen wurden nicht, auch ohne Untersuchung, zum Richtplatze gefuͤhrt! Nur Stuffenweise, und durch die Klugheit weiser Fuͤrsten wurde diese Gesetzverfassung verbessert. Aber auch noch itzt muͤßte die Einrichtung der Gesetze ganz anders seyn, wenn sie von Vernuͤnftigen soll- ten gebilligt werden. Ein Beyspiel hievon ist die unglaubliche Tyranney, welche die Gou- verneurs der Provinzen gegen ihre Untertha- nen nen ausuͤben, wenn sie Arten von Strafen an- erkennen. Und wenn es gleich wahr ist, daß sie selbst ohne Wissen des Kaysers kein Todes- urtheil vollziehen koͤnnen; so koͤnnen sie doch vorher, wenigstens durch Strafen und andere Dinge, die Unterthanen zum Bettelstab bringen; und solches ist oftmals haͤrter als der Tod selbst. — Wir wollen nun noch in aller Kuͤrze die ver- schiedenen Arten von Strafen bey den Chine- sern anfuͤhren. — Ein Mandarin hat die voͤllige Erlaubniß, allenthalben, wo ers noͤthig findet, auch außer seiner Dioͤces, Stockpruͤ- gel austheilen zu lassen. So oft er daher aus- geht, pflegt er allemal einen Beamten bey sich zu haben, der dergleichen Strafen, wenn er es verlangt, vollziehen kann. Be- gegnet ihm jemand zu Pferde, der ihn nicht zu rechter Zeit gruͤßt, nicht herunter steigt und ausweicht; so hat er allemal einige Pruͤgel zu erwarten. Und das alles geht so geschwind, daß es der Gepruͤgelte eher weg hat, als er es sich versieht. — Stockschlaͤge sind auch die ge- woͤhnlichen Strafen fuͤr Schildwachen, wenn sie des Nachts schlafend gefunden werden, fer- ner fuͤr Kinder, Bediente und Bettler. Von dieser letzten Sorte giebt es in China mehr denn Sand am Meere. Diese Art von Menschen sind mit unsern Landstreichern und vormaligen Zigeunern gut zu vergleichen. Die meisten Bettler sind Kruͤppel, oder stellen sich es zu seyn: seyn: ja, koͤnnen sie dieß nicht anschaulich ge- nug machen; so ist es ihnen nicht peinigend, sich zum Kruͤppel mit eigener Hand zu machen. So reissen sich manche mit Vorsatz und bey ge- sundem Menschenverstande, das Auge aus. Aber in China leidet man dergleichen Betruͤge- reyen nicht so, wie in einigen Laͤndern Europens. Das chinesische Bambusrohr zieht an, und macht verstellte Kruͤppel bald wieder gesund, ge- rade. Eltern, welche Kinder zeugen, und sie zuverlaͤßig in der Folge nicht zu ernaͤhren wissen, machen sie oft in ihrer Jugend schon zu Kruͤp- peln, um ihnen wenigstens ein natuͤrliches Huͤlfs- mittel zu geben, auf eine so elende Art ihr Le- ben zu unterhalten. Man kann es kaum glau- ben, wie das Bettelvolk an sich selbst unerhoͤr- te Grausamkeiten veruͤbt, um dadurch Allmo- sen zu erpressen. Sie rennen oft mit der Stir- ne vor eine Mauer, geisseln sich, daß sie nieder- fallen, und auf eine kurze Zeit alles Verstan- des beraubt sind. Dergleichen Streiche wuͤr- den sie so lange bis zum Tode verrichten, wenn sich die Zuschauer nicht manchmal ins Mittel legten und sie sich, durch Beschenkungen, vom Halse schafften. Wenn eine Crimminalsache soll untersucht werden; so bringt man den Missethaͤter in ein oͤffentliches Gefaͤngniß, das lange nicht so fuͤrch- terlich und unrein ist wie bey uns. Die Ge- faͤngnisse sind nicht enge, sondern sehr bequem und und geraͤumig. Dieß ist eine uͤberaus und ungemein lobens- wuͤrdige Verfuͤgung der chinesischen Obrigkeit. Ein Mensch ist schon bestraft genua, wenn er sich aller Freyheit beraubt sieht. Warum will man ihm seine Gesundheit nehmen, wenn man dazu gar nicht berechtigt ist? warum steckt man die Missethaͤter in elende multrige Loͤcher? Eine Sache, die wirklich Schaudern erregt! — — — Voll angepfropft sind indessen gemeiniglich die chinesischen Gefaͤngnis- se von ungluͤcklichen Leuten. Es ist merkwuͤr- dig, daß der Staat sie nicht ernaͤhrt: sondern sie haben die Erlaubniß, sich durch allerhand Arbeiten ihren Unterhalt zu erwerben. Dieje- nigen Missethaͤter aber, welche sich grober Ver- brechen schuldig gemacht haben, werden in ganz besondere Gefaͤngnisse eingesperrt und an Ketten geschlossen; dahingegen diejenigen, welche K l ei- nigkeiten wegen im Arrest sitzen, des Tages uͤber in einem geraͤumigen Garten zu spatzieren die Er- laubniß haben. Des Abends fuͤhrt man diese in große Saͤle, wo sie die Nacht verbleiben muͤssen: die Gefaͤngnisse werden auf das sorg- faͤltigste bewacht, und innwendig muͤssen die G e fangenen die groͤßeste Stille beobachten. — Wenn ein Gefangener krank wird; so wendet man alle Vorsorge fuͤr seine Genesung an: es werden ihm Arzneyen und ein besonderer Auf- waͤrter auf Kosten des Kaysers gegeben. — Die Gefangenen, welche voͤllig gesund sind, er- halten taͤglich die nothwendigsten Beduͤrfnisse im im Ueberflusse. Wenn sie alle speisen; so koͤn- nen sie unter sich so viel reden, wie sie wollen. — Das Gefaͤngniß fuͤr Weibspersonen ist von dem der Maͤnner, durch ein Gitter abgesondert. Ihre Beduͤrfnisse erhalten sie durch die Haͤnde ihres Geschlechts. Wenn ein Mensch wegen eines Hauptverbre- chens angeklagt wird; so geht sein Proceß durch fuͤnf bis sechs Gerichtshoͤfe; keiner aber darf ein endliches Urtheil sprechen, es sey dann, daß eine schleunige Bestrafung ganz nothwendig waͤ- re, z. E. bey Gelegenheit eines Aufruhrs und dergl. Sonst muͤssen alle Crimminalprocesse, wie bereits erinnert, vom Kayser selbst unter- schrieben seyn, und kein Todesurtheil wird ohne des Kaysers Unterschrift vollzogen. Unter die allergroͤbsten Verbrechen, die zugleich auch am haͤrtesten bestraft werden, ge- hoͤren Aufruhr und Todtschlag. Der Mis- sethaͤter wird nemlich in viele tausend Stuͤcke zerhackt, welches nach duͤ Haldes Berichte auf folgende Art geschieht: der Scharfrichter bindet den armen Suͤnder an einen Pfahl und loͤßt ihm erstlich die Haut von der Stirne und dem Kopfe ab, laͤßt beydes von den Augen her- unter hangen, damit der Uebelthaͤter nicht sehe, wie man mit den uͤbrigen Theilen seines Koͤrpers umgehe. Hierauf schneidet er ihm einige Riemen des Koͤrpers ab, bis endlich alles Fleisch nach und nach abgeloͤßt ist, worauf der Scharfrich- ter den Rest des zerschnittenen Koͤrpers der Wuth Wuth des umstehenden Poͤbels uͤberlaͤßt. — Aber nur sehr selten wird diese Grausamkeit an Verbrechern, und nur dann vollzogen, wenn grausame Fuͤrsten das Regiment fuͤhren. Die Vollziehung dieser Strafe ruͤhrt noch von einem sehr alten Gesetze her, welches aber doch keine solche Grausamkeit befi e hlt, sondern nur will, daß der Koͤrper eines Uebelthaͤters in verschiede- ne Theile solle zerhauen, ihm der Leib aufgeris- sen und das Gerippe in einen Fluß geworfen werden. Dieses nach Blute riechende Gesetz, wurde von dem Kayser Ven ti zuerst aufaehoben, und von seinen Nachfolgern, die an Grausamkeit keinen Gefallen hatten, bestaͤtigt. Naͤchst diesem wird der Ungehorsam der Kinder gegen ihre Eltern auf das haͤrteste ge- straft. Die Chineser sind davon uͤberzeugt, daß, wenn Kinder denen gehorsam bleiben, wel- chen sie das Leben zu verdanken haben: ferner wenn die Unterthanen ihre Obrigkeit und Re- genten fuͤr Vaͤter ansehen, die nichts als das Gluͤck derselben beginnen: — die ganze Nation eine gut harmonirende und geordnete Familie ausmachen wuͤrde. Hierauf gruͤndet sich auch ihre ganze Staatsklugheit. Nach den Gesetzen ist die vaͤterliche Gewalt unumschraͤnkt, und weder Alter, noch Rang entzieht die Kinder die- sem Gehorsame. So ist ein Vater berechtigt, seinem Sohne, auch wenn er ein Mandarin ist, Stockschlaͤge geben zu koͤnnen. — Cin Sohn Sohn darf gegen seinen Vater nicht anders ge- richtlich verfahren, als mit Einstimmung und Erlaubniß aller seiner Verwandten und seiner Obrigkeit: auch wird nie eine Bittschrift wider den Vater angenommen, außer wenn sie vom Großvater unterschrieben ist; und findet man in selbiger auch nur den geringsten Ungrund; so kann er sich einer Todesstrafe vergewissert hal- ten. — Ein Vater aber, der uͤber den Unge- horsam seines Sohns zu klagen hat, braucht seine Klage nicht foͤrmlich anzubringen. Soll- te sichs ereignen, daß der Sohn seines Vaters gespottet, auch wohl gar sich erdreistet, gewal- tig seinen Vater anzugreifen und ihn zu toͤdten; so verbreitet sich Furcht und Schrecken in der ganzen Provinz aus, worinn sich der Fall zu- getragen hat. Alle seine Verwandte werden gestraft, oder wenigstens doch hart bedrohet, daß sie es zugegeben haben, ein solches Unge- heuer unter sich zu dulden. Alle Mandarinen werden in dem Bezierk, wo sich der Vatermord zugetragen hat, ihrer Aemter entsetzt. Es wird oͤffentlich erklaͤrt: daß die Mandarinen an der That Schuld waͤren, weil sie uͤber die Erhaltung guter Sitten nicht genug gewacht haͤtten. Der Uebelthaͤ- ter wuͤrde bis zu dieser Schandthat nicht gekommen seyn, wenn ihm bey Zeiten sein wildes und ungestuͤmes Wesen benommen und seine Laster bestraft waͤren. Das Urtheil, daß uͤber einen solchen ungerathenen S Sohn Sohn gefaͤllet wird, ist dieses, daß sein Koͤrper in viele tausend Stuͤcke zerrissen und nachher verbrannt, sein Haus niedergerissen, das gan- ze Quartier geschleift, und auf eben dem Platze eine Denksaͤule errichtet wird, die das Graͤß- liche dieser That der Nachkommenschaft uͤber- liefern soll. Wenn jemand einen andern toͤdtet, wird er, wie billig, am Leben gestraft. Ereignet sich der Fall, daß zwey Personen sich duelliren und einer den andern niedermacht; so wird er stran- gulirt. Das Stranguliren, oder welches einer- ley ist, das Erwuͤrgen, ist die gewoͤhnlichste und leichteste Todesstrafe: diese Strafe wird auch Personen von Stande zuerkannt. Man be- dient sich hiezu eines Stricks, welcher etwa sie- ben bis acht Fuß lang ist nebst einer Schleife, die dem Inquisiten uͤber den Hals geworfen wird. — Toͤdtet aber einer den andern auf ei- ne meuchelmoͤrderische Weise; so wird er ent- hauptet. Da der Meuchelmord ein außeror- dentliches Verbrechen ist; so wird auch diese schimpfliche Strafe darauf gelegt. Denn es ist unter den Chinesern eine herrschende Meinung, daß einem Menschen nichts schimpflichers wi- derfahren koͤnne, als bey seinem Ausgange aus der Welt, seinen Koͤrper nicht so vollstaͤndig zu hinterlassen, wie er ihn auf die Welt gebracht hat. — — Bey allen Criminal und Todes- unterschriften, richtet der Kayser dieselbe nach Beschaffenheit des Verbrechens ein. Ist das Ver- Verbrechen ungeheuer groß; so fuͤgt der Mon- arch, wenn er das Todesurtheil unterschreibt, noch besonders folgende Worte hinzu: So- bald dieser Befehl anlangt; so will ich, daß das Urtheil unverzuͤglich an dem Missethaͤter vollstreckt werde. Ist es aber von gewoͤhnlicher Art  so wird der Be- fehl in folgenden Ausdruͤcken gemildert: Man halte den Verbrecher bis zukuͤnftigen Herbst in guter Verwahrung, und als- dann soll ihm sein Recht wiederfah- ren. — Man verschiebt meistentheils die Hinrichtung der Missethaͤter bis auf diese Jah- reszeit. Der Ehebruch wird in China fuͤr ein Ver- brechen und auch nicht fuͤr ein Verbrechen ge- halten. Fuͤr ein Verbrechen: wenn es nicht vorher im Ehecontract ausgemacht ist, daß die Frau zu Zeiten einen Galan zu sich herein lassen darf. Denn alsdann darf der Mann sein Weib, wenn es auf solche Weise die Ehe bricht, strafen, oder sich von ihr scheiden las- sen. Der Ehebruch wird nicht fuͤr ein Ver- brechen gehalten, wenn die Eltern, aus Zaͤrt- lichkeit gegen die Schwaͤche ihrer lieben Toch- ter, einen Cortract mit ihrem Braͤutigam ma- chen, es nicht uͤbel zu nehmen, wenn sich dann und wann ein andrer bey ihr einfuͤnde. Aber dergleichen Faͤlle kommen sehr selten vor, theils weil das chinesische Frauenvolk sich auf die Keuschheit so sehr viel zu gute thut, theils, weil S 2 sie sie zu sehr bewacht und eingesperrt werden, so daß Niemand in ihre Zimmer kommen kann. — Der Diebstahl ist eine Sache, die eben nicht mit dem Tode bestraft wird, son- dern es werden dem Diebe gemeiniglich eine Last Schlaͤge auf den Hintern gegeben. Diese Execution, die im Grunde ungemein lobens- wuͤrdig ist, dauert so lange, und man faͤhrt mit dem Pruͤgeln so lange fort, bis der Man- darin aufzuhoͤren befiehlt. Wenn dem Diebe der Hintere voll geblaͤuet ist; so erfodert seine Schuldigkeit, sich vor dem Mandarin auf die Knie zu werfen, und ihm fuͤr die gelinde Bestrafung zu danken. Ganz possirlich ist es doch auch, daß selbst die Mandarinen, da sie sich bey dergleichen Execu- tionen so praͤchtig auffuͤhren, sich dieser Stra- fe unterziehen muͤssen, wenn sie eine nichtswuͤr- dige Sache haben auslaufen lassen. — Diese Art von Strafe dient, wie Le Compte sagt, zum Mittel, Personen, die infam durch irgend ein Vergehen geworden sind, wieder ehr- lich zu machen. Wenn aber der Diebstahl betraͤchtlich, und also von Wichtig- keit ist; so werden sie auch auf eine sehr em- pfindliche Art bestraft. Der Dieb muß ein Joch tragen, wobey er weder auf den Fuͤßen zu stehen, noch die Haͤnde zum Munde zu brin- gen, vermoͤgend ist. Dieß Joch wird schwer oder leicht gemacht, je nach dem das Verbre- chen groß oder klein ist. Manche, die eine so be- beschwerliche Sache nicht ausstehen koͤnnen, muͤssen oftmals darunter sterben. Wiewohl die Verbrecher dahin zu sehen gewohnt sind, sich ihre Last so leicht zu machen, wie sichs nur immer will thun lassen, indem sie sich, wie Duͤ Halde sagt, entweder an eine Tafel, oder auf eine Bank, um die Last einigermaßen von ihren Schultern zu heben, lehnen. Indessen helfen dergleichen Anstalten doch gar nichts, wenn das Joch uͤber hundert Pfund schwer ist. — Wenn jemand davon stirbt; so darf sich keiner unterstehen, daruͤber zu klagen, und von sich hoͤren zu lassen, daß das uͤber ihn verhaͤngte Urtheil zu hart sey. — Derglei- chen Strafen muß ein Dieb auf oͤffentlichem Markte aushalten, so daß er von jedermann kann beobachtet werden. Ist die Strafe gluͤck- lich uͤberstanden; so muß er sich bey dem Man- darine wieder einfinden, und eine Tracht Pruͤ- gel mitnehmen. Die ordentliche und außerordentliche Tor- tur ist, wie in allen gesitteten Laͤndern, auch in China eingefuͤhrt, und man muß gestehen, daß sie in Erfind n ng, die Schuldigen zu mar- tern, eben so geschickt sind, wie irgend ein an- dres Volk. Ich zweifle aber, daß die Chine- ser sowohl, als alle andere Voͤlker zu diesem Huͤlfsmittel, ihre Zuflucht zu nehmeu, brauch- ten, um aus den Verbrechern die Wahrheit heraus zu bringen. Es sind andere Mittel, die zu dieser Absicht gebraucht werden koͤnnen, S 3 und und nicht nach Unmenschlichkeit und Grausam- keit schmecken! Wir wollen aber doch hier ei- niges von der Beschaffenheit der Tortur in China anfuͤhren. — Die ordentlichen Tor- turen geschehen gewisser Schandthaten wegen, indem der Missethaͤter mit einem chinesischen Character an der Stirne gebrandmalet wird, welcher das Verbrechen anzeiget. Zuweilen werden die Verbrecher auf Barkeu zu Ruder- knechten gebraucht. Noch andere Strafen geringer Vergehungen wegen sind, daß sie z. E. eine Last von zehn oder mehrern Pfunden auf ihren Koͤpfen tragen muͤssen. Aber die ordinaire Tortur in China bestehet eigentlich darinn, daß sie dem Verbrecher an Haͤnden und Fuͤßen eine gewisse Maschine anlegen, wo- durch sie ihm die Glieder so von einander zie- hen, daß die Knoͤchel an den Fuͤßen ganz her- ausgehen. — Der außerordentlichen Tortur bedient man sich nur selten, und nur alsdenn, wann ein Aufruhr entstanden, und man die vornehmsten Urheber herausforschen will. Und in der That kann man sich auch nichts abscheu- licheres vorstellen, als diese Art von Peinigung. Dů Halde meldet uns, diese anßerordentliche Tortur bestehe darinn: daß man kleine Schnitte in den Leib thaͤte, und die Haut in kleinen und duͤnnen Riemen vom Fleische ab- zoͤge. — Vor Zeiten waren die Torturen noch weit schrecklicher und grausamer, als sie itzt sind. Wir wollen hier nur eine des Exem- pels pels wegen anfuͤhren, die, wenn den Nach- richten zu trauen, eine von den Beyschlaͤferin- nen, des Kaysers Chew soll erfunden haben. Die Strafe bestand barinn: Ein hoher Thurm, etwa zwanzig Elleu hoch, und acht im Diame- ter, in der Mitte hohl, mit drey Oeffnungen, wurde aufgerichtet, darinn Feuer angelegt werden konnte. An diesem Thurm befestigte man die ungluͤcklichen Leute so, daß sie den Thurm oder Pfeiler mit ihren Armen und Fuͤtzen umfassen mußten. Alsdann wurde in- wendig ein großes Feuer angezuͤndet, woran sie geroͤstet und endlich verbrannt wurden. Duͤ Halde Th. 1. S. 314. Dergleicheu Tyrannen aber wurden nicht nur zu der Zeit gehaßt, in welcher sie lebten, son- dern ihr Gedaͤchtniß wird noch gegenwaͤrtig bey den Chinesern verflucht und verab- scheut. Fuͤnftes Kapitel. Von der Religion der Chineser. U m den Geist einer Nation recht zu erfor- schen und kennen zu lernen, scheint es vor allen Dingen noͤthig zu seyn, sich mit dem S 4 reli- religioͤsen Systeme derselben bekannt zu machen. Hierdurch bekommt man ungemein viele Auf- schluͤsse, warum man dieses oder jenes in den Sitten und Gebraͤuchen, Gesetzen, eines Volks antrifft. — Ich werde hier das In- terressanteste aus der chinesischen Religion und ihren Gebraͤuchen abhandeln, und als ein bloßer Geschichtschreiber von derselben reden, ohne mich in die Unters n chungen einzulassen, die in Europa eben so gefaͤhrlich, als in China schrecklich gewesen sind. Man zaͤhlt in China fuͤrnehmlich drey Se- cten, welche gegenwaͤrtig die drey herrschenden Religionen des Landes ausmachen. Erstlich, die Religion der Großen und Gelehrten, deren Stifter Confucius ist. Zweytens die Secte der Schuͤler des Lao-Kiun, die aber nichts anders, als ein Gewebe von allerley Aus- schweifungen und Gottlosigkeiten ist. Drit- tens, die Secte der Goͤtzendiener, welche ei- nen gewissen Goͤtzen, Namens Fo oder Foaͤ anbeten. I. Secte des Confucius. Wir wollen den Stifter dieser Secte kennen lernen. Con-- fucius ward in einem kleinen Flecken des Koͤ- nigreichs Lou, welches heutiges Tages die Pro- vinz Chang-Tong heißt, fuͤnfhundert und ein und funfzig Jahre vor unsrer christlichen Zeit- rechnung gebohren. Nach dieser Rechnung, welche Duͤ Halde und anderc Gelehrte fuͤr die richtige halten, war Confucius ein Zeitgenosse der der beyden großen Maͤnner, Solon und Py- thagoras. Sokrates betrat kurz nachher den Schauplatz dieser Welt. — Man bemerkte schon in der zarten Jugend des Confucius an ihm deutliche Merkmale eines außerordentlichen Kopfs. Er begnuͤgte sich in den etwas rei- fern Jahren seines Verstandes fast nur allein von der Urquelle aller Wesen zu reden und zu denken: und jedem Ehrerbietung, Furcht und Dankbarkeit gegen das Urwesen einzufioͤßen. Er fieng an oͤffentlich zu sagen, daß diese Ur- quelle das Gute belohnen, und das Boͤse nicht ungestraft lassen wuͤrde. Und diese Grundsaͤ- tze herrschen uͤberall in seinen Werken! Nach diesen Gesetzen richtete er sich selbst, und sein ganzer Eifer war nichts, als ein feuriges Be- streben, die Sitten seiner, fast noch im Aber- glauben und Dummheit ganz ersoffenen, Mit- buͤrger zu verfeinern — sie gluͤcklich zu machen. Confucius, zeigte seinen Landesleuten nicht allein den Weg, den sie gehen muͤßten, wenn sie vernuͤnftige Menschen seyn wollten; sondern er gieng ihnen hierinn mit einem ruͤhmlichen Beyspiele vor. Er besaß die, sonst so seltene, Gabe zur Tugend zu fuͤhren, und vom Laster abzuhalten. Er bediente sich hier- zu nicht allein der staͤrksten und maͤchtigsten Beweggruͤnde, sondern auch der sichersten und geschicktesten Methode. Hauptsaͤchlich muß man den Zug seiner großen Seele nicht unbe- S 5 merkt merkt lassen, daß er die Vorurtheile des gros- sen Haufens, in Ansehung der Religion und Religionsgebraͤuche, nicht geradezu angriff: eine gefaͤhrliche Klippe, woran viele beruͤhmte Sittenlehrer, und unter diesen Sokrates, un- gluͤcklicherweise, gescheitert. Durch diese loͤb- liche Vorsichtigkeit, konnte es diesem in aller Absicht großem Manne gar nicht fehlen, sich bald der allgemeinen Achtung zu versichern. Mit einem tiefen und alles durchschauendeu Verstande, verband er die Tugend der Maͤßig- keit, Demuth, Uneigennuͤtzigkeit, Aufrich- tigkeit, und eine großmuͤthige Verachtung al- ler Reichthuͤmer. Und es dauerte nicht lange, so wurde er, ungeachtet China uͤberall mit al- len Arten von Lastern uͤberschwemmt war, zu der Wuͤrde eines Mandarins und ersten Staatsbedienten, erhoben. — Die Verwal- tung eines so ansehnlichen Postens, machte dem Confucius Hoffnung, seine Reformation in Absicht der Religion und des Staats besser befoͤrdern zu koͤnnen, und er nahm die Antraͤge auch willig an. — Seine Grundsaͤtze in der Kunst zu regieren, seine Staatsklugheit, seine neuen Einrichtungen der buͤrgerlichen Gesetze, sind eben so sehr, als seine Sittenlehre zu be- wundern: er zeigte durch sein eignes Beyspiel, wie gut und wie nothwendig es sey, daß ein Regent mit der Regierung eine gesunde Phi- losophie verbaͤnde: er zeigte, wie die Tugend die Grundstuͤtze der Religion sey! Es Es dauerte nicht lange; so sah man die gluͤckliche und geschwinde Wuͤrkung seiner neuen Einrichtungen, und die ganze Staats- einrichtung in weniger als drey Monathen gaͤnzlich verbessert. Die benachbarten Fuͤrsten fiengen an, uͤber die schnelle Verbesserung eines Staats aufmerksam und eifersuͤchtig zu wer- den, der sich vorher durch die große Unord- nung, in Verwaltung der buͤrgerlichen Einrich- tungen, so sehr signalisirt hatte. Da diese wohl einsahen, daß einen Staat nichts bluͤ- hender mache, als die gute Ordnung und ge- naue Befolgung der Gesetze; so urtheilten sie nicht ohne Grund, daß der Koͤnig von Lou , dafern er fortfuͤhre, den Rathschlaͤgen eines so weisen und erleuchteten Mannes zu folgen, gar zu maͤchtig werden koͤnnte. — Der Koͤnig von Tsi und seine Staatsbedienten bothen da- her alle ihre Kraͤfte auf, die schicklichsten Mit- tel zu erdenken, den Unterricht und patrioti- schen Eifer des Philosophen zu vereiteln. Sie kamen endlich nach vielen Berathschla- gungen, darinn uͤberein, zur List ihre Zuflucht zu nehmen; und diese bestand darinn: der Koͤnig von Tsi sandte eine Gesandtschaft an den Koͤnig von Lou , und machte diesem Fuͤr- sten und seinen Staatsministern ein Geschenk mit einer großen Anzahl junger und schoͤner Maͤgdchen, die im Singen, Tanzen und an- dern Dingen, welche die Sinne schmeicheln, vorzuͤglich unterrichtet waren. Diese List gluͤckte. gluͤckte. Der Koͤnig und seine Minister, konnten bey dem Anblicke solcher Schoͤnen, den Reizungen derselben nicht widerstehen. Es wurden sogleich alle moͤgliche Anstalten getrof- fen, diesen Schoͤnen ihren Aufenthalt so an- genehm zu machen, als es nur immer moͤg- lich war. Und von der Zeit an vergaß der Koͤ- nig, mit allen die ihn umgaben, alle seine Regierungsgeschaͤffte, und widmeten sich gaͤnz- lich diesen unterrichteten Weibsbildern. — Confucius, der diesem Unwesen mit Mitlei- den eine kurze Zeit zusah, konnte sichs endlich nicht enthalten, dem Koͤnige deshalb Vorstel- lungen zu thun. Allein Confucius konnte den Begierden eines Koͤniges nicht mehr wi- derstehen, die bereits so wild geworden waren. Er entsagte daher allen seinen Wuͤrden, und entfernte sich aus seinem Vaterlande, um an- derswo Koͤnige oder Fuͤrsten zu suchen, die seines Unterrichts wuͤrdiger waͤren. Aber er fand allenthalben, wohin er kam, nicht die geringste Aufnahme, vielmehr mußte er nicht nur dulden, allgemein verachtet zu werden, sondern er gerieth auch so gar in die groͤßeste Armuth. Bey dieser traurigen Lage aber blieb er sich doch immer gleich. Seine Leutse- ligkeit, Bescheidenheit und Herablassung, ver- schafften ihm eine sehr große Menge Schuͤler. Seine Reden waren voller Weisheit, und mit so vieler Beredsamkeit durchwuͤrzt, daß er da- durch die Freundschaft aller auf sich zog. Seine Seine Buͤcher enthalten eben diesen Geist, eben diese Anmuth. — Confucius lebte so lange, daß er seine historischen und philosophischen Werke vollenden konnte, und starb im Koͤnig- reiche Lou im drey und siebenzigsten Jahre seines Alters, und wurde nicht nur vom Koͤnige und seinem Hofe, sondern auch vorzuͤglich von sei- nen Schuͤlern bedauert. — Noch kurz vor seinem Tode soll er zu seinen Schuͤlern gesagt haben, daß ihm die Unordnung, die im Reiche noch herrsche, das Herz breche: und da die Koͤnige sich weigerten, seinen Lehren zu folgen; so sey er auch nichts nuͤtze mehr auf der Welt, und můsse sie nun verlassen . Die verschiedenen Schriften dieses Philo- sophen, haben den Titul. 1 Tay-hyo , d. h. die große Wissenschaft, oder die Schule der Erwachsenen. 2 Chong-yong , das unwan- delbare Mittele, in welchem die Tugend beste- het. 3 Lun-yu , moralischnuͤtzliche Abhand- lungen. 4 Mengtse , der Begriff einer voll- kommnen Regierungsart. — In allen diesen Werken war die erste und naͤchste Absicht des Verfassers, die Sitten zu verfeinern, und die Wohlfart der menschlichen Gesellschaft zu be- foͤrdern. — Dieser große Mann gesteht selbst, mit einer ruͤhmlichen Offenherzigkeit, daß er keinesweges der Erfinder aller der Lehren sey, die er der Welt bekannt gemacht habe, sondern er habe die meisten aus einer unbekannten alten Hand- Handschrift entlehnt. Seine Begriffe, die er von der Gottheit hat, sind die vernuͤnftigsten, welche man ohne die Offenbarung erhalten kann. Die Chineser hegen noch bis auf den jetzi- gen Tag fuͤr das Andenken dieses Philosophen die groͤßeste Hochachtung und Ehrerbietigkeit. Man richtete ihm, nach seinem Tode, auf dem Platze, wo er seine Schuͤler zusammen kom- men ließ, ein sehr praͤchtiges Grabmal auf. Nach der Zeit aber ist dieser Ort mit einer Mauer eingefaßt worden, und sieht gegenwaͤr- tig einer kleinen Stadt nicht unaͤhnlich. Man sieht noch jetzt in einer jeden Stadt ein oͤffent- liches Gebaͤude, in welchem sich jaͤhrlich die Mandarinen und Gelehrten an gewissen Tagen versammeln und dem Confucius gewisse Arten von Verehrung erweisen, welches mit den Opfern ziemlich einerley ist. Die Ehrerbietung geht so weit, daß eine vornehme obrigkeitliche Person, wenn sie vor seinem Ehrentempel vor- bey getragen wird, allemal von dem Tragses- sel absteigt. Wer ein Mandarin werden oder ein anders oͤffentliches Amt haben will, muß, den Lehrsaͤtzen des Confucius gemaͤß, vorher die Doctorwuͤrde annehmen. — Seine Nach- kommen stehen noch bis auf den heutigen Tag in besonderer Hochachtung, und genießen vor andern, und in gewissen Stuͤcken selbst vor den Prinzen von Gebluͤt, große Vorzuͤge, indem sie sie nemlich von allen Abgaben an den Kayser befreyt sind. Wir haben bereits oben erwaͤhnt, daß die Vornehmen und Gelehrten in China, sich zu der Secte des Confucius bekennen. Selbst der Kayser mit seinem ganzen Hofe bekennt sich zu derselben. — Die Grundsaͤtze dieser Religion sind aus dem natuͤrlichen Lichte einer nachdenkenden und gesunden Vernunft, und aus der natuͤrlichen Religion gezogen, welche schon lange vor dem Confucius in China gebluͤ- het hatte. Aus diesem nun, richtete er ein eignes Lehrgebaͤude auf, das in folgenden Pun- cten aus einander gesetzt werden kann. „Man muß dasjenige, was wir bey dem Menschen Vernunft heissen, als einen goͤttli- chen und himmlischen Ausfluß betrachten.„ „Was mit der Natur und der gesunden Vernunft uͤbereinstimmt, heißt ein Gesetz. Und da die Menschen das Gesetz durch Einge- bung bekommen haben; so ist es auch ein Ge- schenk des Himmels.„ „In der Natur sind die Leidenschaften ver- borgen; und die Vernunft muß dafuͤr sorgen, sie zu baͤndigen.„ „Wenn ein Mensch in demjenigen Alter ist, worinn er seine Vernunft schon gehoͤrig gebrauchen kann: so muß er sich in allen Vor- fallenheiten nach folgenden drey Stuͤcken rich- ten. Erstlich, muß er gegen den Urheber sei- nes Daseyns eben die Pflichten erfuͤllen, die er von von seinen eignen Kindern verlangt. Zwey- tens, muß er gegen den Fuͤrsten eben die Treue, und den Gehorsam beweisen, die er auch ver- langen wuͤrde, wenn ihm andre unterthaͤnig waͤren. Drittens, muͤsse ein jeder seinen Naͤchsten wie sich selbst lieben, und was er nicht wolle, das ihm andre thun sollen, das solle er ihnen auch nicht thun.„ Die zweyte Hauptsecte, die sich in kurzer Zeit in China weit ausbreitete, war die Secte des Foe oder Fo . — Der Urheber der Ein- fuͤhrung dieser Secte, war der Kayser Ming- ti , dem im fuͤnf und sechzigsten Jahre nach Christi Geburt traͤumte, daß Confucius vor- mals gesagt habe, man muͤsse den wahren Heiligen im Abendlande suchen. Dieser Traum kam dem Kayser wichtig vor, und er be- fahl so gleich, daß einige geschickte und erfahr- ne Maͤnner nach Indien gehen, und sich er- kundigen sollten, wer dieser Heilige sey. Diesen Abgeordneten ertheilte er auch zugleich den Be- fehl, daß sie sich auf das genaueste nach den Lehren und dessen Person erkundigen sollten Diese Ge- sandten, welche nicht weiter bis nach Indien kamen, glaubten, diesen Heiligen an dem Goͤ- tzen Foe gefunden zu haben. Sie kehrten al- so voller Freuden nach China zuruͤck, und brachten alle die Fabeln, womit die indianischen Buͤcher reichlich versehen sind, ihren Aberglau- ben, ihre Lehren von der Seelenwanderung und ihre Atheisterey mit. Die Seuche, die zufoͤr- zufoͤrderst den ganzen kayserlichen Hof ansteck- te, verbreitete sich bald in allen Provinzen des Reichs. Man erzaͤhlt von der Geburt und dem Wandel dieses Goͤtzen Foe viel und mancher- ley erdichtete Dinge. — Die Indianer be- haupten, daß sein Vater, Namens In- sang-wau , Regent und Koͤnig uͤber einen gewissen Strich Landes gewesen sey. Seiner Mutter soll waͤhrend ihrer Schwangerschaft groͤßestentheils getraͤumt haben, daß sie einen Elephanten verschlungen, und von einem boͤ- sen Geiste sey geschwaͤngert worden. Allein bey der Niederkunft dieser Frau, bemerkte man keinen Elephanten, sondern eine Menschenge- stalt. Die Indianer erzaͤhlen ferner, daß er gleich nach seiner Geburt auf seinen Beinen gestanden, und habe mit der einen Hand nach dem Himmel, und mit der andern nach der Erde gewiesen, und fuͤrnemlich diese Worte gesprochen: Weder im Himmel noch auf Erden kann und wird man jemanden finden, der wuͤrdi- ger waͤre, angebetet zu werden, als ich . Anfaͤnglich hieß er Che kia , oder Cha ka ; als er aber im dreyßigsten Jahre von einer Gottheit erfuͤllt zu seyn vorgab, und viele es wuͤrklich glaubten; so bekam er den Namen Foe . Von dieser Zeit an war er auf nichts anders bedacht, als das einfaͤltige Volk zu be- truͤgen, und sich unter demselben Anhaͤnger T zu zu verschaffen. Man hat in China eine große Menge Buͤcher, worinn seine Tha- ten beschrieben, und trefflich von den Bonzen herausgestrichen worden. Es dauerte auch nicht lange; so erhielt er schon eine Menge An- haͤnger, bie sich eifrigst bemuͤheten, den ganzen Orient mit seiner Lehre anzustecken. Die Chi- neser benamen seine Anhaͤnger Hochang : die Tatarn, Lamas ; die Siamer Talapoins ; die Japaner und Europaͤer, Bonzen. — Foe begriff doch endlich, daß er sterblich sey, und in diesem Stuͤcke vor andern Menschen nichts voraus habe. Wie er also neun und siebenzig Jahre gelebt hatte, und bemerkte, daß sich seine Kraͤfte stark verminderten; so er- klaͤrte er seinen Schuͤlern, daß er ihnen bisher seine Lehren unter verbluͤmten und metaphori- schen Redensarten vorgehalten habe. Da er nun itzt die Welt verlassen muͤsse; so koͤnne er sich nicht enthalten, ihnen seine wahren Mey- nungen zu entdecken, und seine Geheimnisse zu eroͤffnen. Wisset demnach , sagte er, daß kein anderes Gcundwesen aller Dinge sey, als das Leere und das Nichts; daß aus diesem Nichts alles entstanden; daß in dieses Nichts alles verwandelt werde, und alle unsere Hoffnungen sich in ein Nichts endigen . Nach seinem Tode verbreiteten seine Schuͤ- ler ungemein viele Fabeln und Erzaͤhlungen von von ihm. So uͤberredeten sie das leichtglaͤubige und einfaͤltige Volk, daß ihr theurer Meister und Lehrer Foe acht tausendmal gebohren, durch verschiedene Thiere gewandert sey, und sich auch in Thiergestalten habe sehen lassen. Daher ist es auch gekommen, daß die Thiere, deren Gestalt Foe soll angenommen haben, an unterschiedenen Orten oͤffentlich angebetet und verehrt werden. — Man errichtete ihm eine unzaͤhlige Menge Altaͤre, Pagoden, Tempel u. s. w. worunter einige mit der groͤßesten Pracht und aͤußersten Verschwendung aufge- bauet sind. Die Bonzen, welche seine Prie- ster wurden, ruͤhmten dem Volke so viel Gu- tes von ihrem Gotte vor, erzaͤhlten so viel von seinen vorgeblichen Wundern, daß ein je- der bald geneigt war, den Foe fuͤr einen Ge- setzgeber der Menschen, und ihn fuͤr den sicher- sten Weg zur Gluͤckseligkeit zu halten. Wir muͤssen hier kuͤrzlich von den beruͤch- tigten Priestern des Foe, den Bonzen , das Merkwuͤrdigste und Interessanteste erzaͤhlen, da sie in China so viel Wesens und Aufsehens machen. — Dem Aeußerlichen nach fuͤhren die Bonzen ein uͤberaus strenges und hartes Le- ben, und geben dadurch vor, die Suͤnden der Lebenden zu versoͤhnen . Sie legen sich die beschwerlichsten Bußen auf: haͤngen sich unge- heure Ketten an, die sie so sehr an ihrem Koͤr- per befestigen, daß sie sich bey jedem Schritte, T 2 den den sie thun, verwunden: zerstoßen sich den Kopf und die Brust so stark an Kieselsteinen, daß das Blut zum Vorschein kommt: halten an den Thuͤren stille, und rufen den Einwoh- nern zu, kommt alle, so viele eurer im Hause seyd, und seht zu, wie viel es uns kostet, eure Suͤnden zu buͤßen . Fuͤr diese außerordentliche Pein, die wir eurentwegen freywillig unternehmen, koͤnnt ihr uns wohl eine kleine Gabe zufließen lassen. Bey aller dieser scheinbaren Strenge wird doch dieß Handwerk der Bonzen so sehr verach- tet, daß sich nicht leicht ein Mensch von vor- nehmen Stande dazu entschließt. Um diesen Abgang, so viel als moͤglich, zu ersetzen, kau- fen die Bonzen junge Sclaven von sieben bis acht Jahren, unterrichten sie hinlaͤnglich in ih- ren Lehrsaͤtzen, und formiren aus diesen ihre Moͤnche. Der groͤßeste Theil derselben sind sehr unwissend, und da sie diese nicht zu allen Dingen gebrauchen koͤnnen; so muͤssen sie sich auf das Betteln legen. Diejenigen aber, die einen offnen Kopf aͤußern, muͤssen mit den Ge- lehrten Umgang suchen, und Gelegenheit neh- men, sich durch diese bey den Vornehmen ein- zuschmeicheln. Die außerordentliche Begierde der Bon- zen, Allmosen zu erhaschen, macht auch, daß sie sich allezeit bereit finden lassen, hinzugehen, wohin man man sie nur haben will, — Verlangt man sie in einer Gesellschaft von Frauenzimmern; so nehmen sie immer einen von den aͤltesten ih- res Ordens mit. Sie begegnen diesem mit aus- serordentlicher Ehrerbietung, lassen ihn in allen Stuͤcken den Rang, und unterscheiden ihn durch eine besondere Art von Kleidung. — Man sagt auch, daß sie in Liebesangelegenheiten nicht ungeschickt seyn sollen. Sie machen ih- ren andaͤchtigen Frauenzimmern weis, daß, im Fall sie den Schuͤlern des Foe ihre ganze Gewogenheit schenken, es sich oft ereignete, daß der Gott selbst, ohne ihr Wissen, sie mit seinen sanften Umarmungen beehrte. — Oftmals verlangen sie so gar Anspruͤche auf ihre Jungfrauschaft zu haben. Wißt ihr nicht, sagen sie, daß ihr mir schon die Ehe versprochen habt, ehe ihr noch ge- bohren waret? Ein unerwarteter Tod verstattete mir es damals nicht die Sa- che durchzusetzen; und itzt will ich meine Ansprůche guͤltig machen . — Hierdurch kommt es oft, daß die Bonzen Personen aus den angesehensten Haͤusern auf eine schaͤndliche Art entehren, und sie in die Nothwendigkeit versetzen, ihren Unterhalt durch ein luͤderliches Leben zu erwerben. Ehe die Bonzen jemanden in ihren Orden aufnehmen, muß sich der Recrute zuerst be- schwerlichen Proben unterwerfen. Der Lehr- T 3 ling ling muß sich zufoͤrderst den Bart und die Haare ein ganzes Jahr hindurch wachsen las- sen. Er muß ferner in einer elenden Klei- dung vor allen Haͤusern herum betteln, in ei- ner devoten Stellung gehen, und Lieder zu Ehren des Gottes, dem er dient, anstim- men. Im ganzen Jahre darf er von keinem Thiere Fleisch esseu. Er muß sich so gar des Schlafens enthalten, und laͤßt er sich von ihm uͤberwaͤltigen; so wird er durch Pruͤ- gel von seinen Obern, im Fall sie ihn daruͤber ertappen, zum Wachen angehalten. — Wenn er nun alle diese Pruͤfungen mit vieler Stand- haftigkeit ausgehalten hat; so wird er auf ei- ne feyerliche Art in den Orden der Bonzen recipirt. Alle Bonzen aus den benachbarten Kloͤstern kommen zusammen, werfen sich vor dem Goͤtzenbilde des Foe nieder, und plau- dern unter Klockenschalle eine Menge Gebete her. Indessen liegt der Neuaufgenommene vor der Schwelle des Tempels, und erwartet mit schmerzlicher Sehnsucht das Ende dieser Cerimonien. So bald diese nun vorbey sind; so holen ihn die Bonzen, fuͤhren ihn vor den Altar, ziehen ihm seine alten Kleider aus, und hangen ihm ein graues Kleid an, das mit einem Gurte zusammen gebunden wird. Auf den Kopf pflegen sie ihm eine pyramidalfoͤrmige Muͤtze von Pappe zu setzen, worauf sie sich dann mit einander herzlich um- armen. In In gewissen Stuͤcken haben die Bon- zen mit unsern Moͤnchen und Nonnen viele Aehnlichkeit. Denn jene uͤberreden sowohl als diese das Volk, junge Leute in ihren Or- den zu ziehen, ohne zu uͤberlegen, was die Welt aus einem solchen Muͤßiggange werden wuͤrde. Beyde, die chinesischen Bonzen, und europaͤischeu Moͤnche und Nonnen, sind oft unsaͤglich mißvergnuͤgt, sich zu der Parthey geschlagen zu haben. Man kann hierbey noch beylaͤufig anmerken, daß es außer den Bonzen auch noch Bonzin- nen giebt. Diese Bonzinnen sind Frauens- personen, welche gemeinschaftlich in Kloͤstern nuter einander leben, zu denen Niemand gelas- sen wird. Ihre Beschaͤfftigungen bestehen im Dienste ihres Goͤtzen und in Handarbeiten. Sie legen keine Geluͤbde ab; sie sind alle, so lange sie im Kloster bleiben, zu aller Enthaltung verpflichtet. Diejenigen, welche dieß Gebot uͤbertreten, werden zuerst auf das schaͤrfste be- straft, und in der Folge genoͤthigt, das Klo- ster zu verlassen und sich zu verheyrathen! Was ihre Grundgesetze betrifft; so behau- pten sie, daß ihnen ihr Gott Foe fuͤnf Gebo- te hinterlassen habe; 1) man soll keine leben- dige Creatur toͤdten; 2) kein fremdes Gut an sich zu bringen suchen; 3) sich aller Un- zucht und Unkeuschheit enthalten; 4) nicht zu T 4 luͤgen, luͤgen, und endlich 5) keinen Wein zu trin- ken. — Fuͤrnehmlich dringen sie in ihrer Sittenlehre auf die Ausuͤbung gewisser Wer- ke der Barmherzigkeit, auf Erbaunng der Tempel zu Ehren des Foe, auf Erbauung der Kloͤster fuͤr die Bonzengesellschaft, und fuͤr ihre Unterhaltung zu sorgen. Um diesen Zweck zu erreichen, bedrohen sie das Volk, daß derjenige, welcher lasterhaft gelebt, nach seinem Tode, dafern er sich in diesen Pflichten sanmselig bewiese, in den Leib gewisser Thie- re ziehen wuͤrde. Ueberhaupt thut die Lehre von der Seelenwanderung, welche die Chi- neser angenommen haben, bey den Betruͤge- reyen der Bonzen, das Vermoͤgen der Ster- benden an sich zu ziehen, und ihre eigne Einkuͤnfte zu vergroͤßern, ganz wunderbare Wuͤrkungen. Man erzaͤhlt, daß die Bonzen einmal einer Bauersfrau drey große Enten unter dem Vorwande abgeschwatzt haben, sie wuͤßten, daß die Seelen ihrer Vaͤter in den Leibern dieser Thiere waͤren, es sey des- wegen Jammer und Schade, sie zu verkau- fen und zu schlachten. Diese Frau, dar- uͤber ganz bestuͤrzt, uͤberließ sie den Bonzen, welche ihr versprachen, die Enten zu fuͤttern, und beym Leben zu erhalten. Aber die Bon- zen schlachteten sie noch denselben Abend, und fuͤtterten sich selbst damit. Die Die dritte Hauptsecte der Tao Ssee oder der Lehrer des Gesetzes, hat den Welt- weisen Lao kiun zum Erfinder und Stif- ter. Seiner Lehre ist es in gewisser Absicht ergangen, wie den Lehren des Epicurs, in- dem beyde von ihren Schuͤlern in einem falschen und verkehrten Lichte sind vorgestellt worden. Lao kiun setzte die menschliche Gluͤckseligkeit in das Empfinden einer sanf- ten und stillen Wollust, welche alle Ver- richtungen der Seele ruhen laͤßt. Und aus diesem Grunde nun, affectiren die Anhaͤn- ger seiner Lehre eine solche Ruhe, dadurch die ganze Geschaͤfftigkeit der Menschen auf- gehoben wird. Da aber diese Ruhe, durch den Gedanken an den Tod, sehr gestoͤhrt wird; so haben sie sich die Muͤhe gegeben einen Trank der Unsterblichkeit zu erfin- den. Viele einfaͤltige Menschen, durch die Hoffnung geschmeichelt, dem Tode zu ent- gehen, bekennen sich zu dieser Secte: ja so gar der Kayser Tsin Chi hoangti , der bekann- termaßen ein geschworner Feind aller Gelehr- samkeit war, und der Kayser Vou ti , nah- men die Lehren dieser Secte an. Die aͤchten Buͤcher des Lao kiun sind mit einer gesunden nnd wahrhaftig philoso- phischen Sittenlehre angefuͤllt. Sein gros- ses und wichtiges Werk besteht aus fuͤnf- tausend Spruͤchen, von velchen sehr viele T 5 fuͤr- fuͤrtreffliche Sachen enthalten. Heutiges Ta- ges haben die Schuͤler und Nachfolger die- ses Philosophen nichts als Sterndeuterey und magische Traͤumereyen in den Koͤpfen: geben sich damit ab, zukuͤnftige Dinge vor- her zu sagen: mahlen allerley Figuren aufs Papier, und begleiten alles dieses mit ei- nem schrecklichen Lerm uud Geheule. Zu- weilen geschieht es zufaͤlligerweise, daß ihre Prophezeyungen eintreffen, und daher kommt es, daß ihre Secte noch immer Anhaͤnger findet. Allein die Gelehrten in China be- trachten doch immer diese Secte mit eben dem Auge, und aus eben dem Gesichtspun- cte, wie wir bey uns die Marktschreyer und dergleichen, ansehen. Dieß sind nun die drey fuͤrnehmsten Re- ligionssecten, die in China geduldet werden. Es wuͤrde zwar nicht uͤberfluͤßig gewesen seyn, wenn wir uns in eine naͤhere Ausein- andersetzung der Lehren dieser drey Secttn eingelassen haͤtten; aber die Absicht dieses Werks verstattet es nicht, zudem, da der Le- ser hoffentlich aus dem Erzaͤhlten, eine jede Secte hinlaͤnglich wird kennen lernen. — Indessen aber muͤssen wir hier noch einige Anmerkungen beybringen, die die Neigung der Chineser zum Aberglauben betreffen. — Alle Chineser, sie moͤgen sich zu einer Se- cte bekennen, zu welcher sie wollen, sind auf auf Hexerey aͤußerst erpicht, zu allen Arten von Wahrsagereyen geneigt, lieben Beschwoͤ- rungen, Zaubereyen, Erscheinugen u. s. w. Noch bis itzt, haben sie, weder die wuͤrcklich guten Lehren des Confucius, noch auch ihre eingebildetn Gelehrsamkeit, die sie doch vor allen anderu Nationen behaupten, dahin ge- bracht, ihnen ihre ungereimten Vorstellungen aus ihrem Gehirm zu vertreiben. Verschie- dene Secten unter ihnen erweisen noch der Sonne, dem Monde, Planeten, Fluͤssen u. s. f. eine gewisse Art von goͤttlicher Eh- re, richten auch wohl den Seelen ihrer Ver- storbenen zu Ehren Bildsaͤulen, Altaͤre und Tempel auf, wozu sie durch die Vorstellung, daß die Seelen ihrer verstorbenen Anverwandten allezeit gegenwaͤrtig waͤren, und auf ihre Hand- lungen achteten, bewogen worden: welches frey- lich mehr zu einem tugendhaften Leben un- ter ihnen beytraͤgt, als alle die schoͤnen Re- geln des Confucius nur immer zu thun ver- moͤgend sind. — Eben diese Art von An- betung und Verehrung erweisen sie, nur in einem hoͤhern Grade, den verstorbenen Kay- sern, großen Philosophen, und uͤberhaupt solchen Personen, die sich um das Vater- land vorzuͤglich verdient gemacht haben. Die- sen bauen sie Tempel, Triumphbogen und dergleichen auf. — Der unzeitige Eifer der catholischen Missionarien hat hierdurch ei- nen nen Streit erregt, der vieles zu ihrer Un- terdruͤckung beygetragen hat. Die uͤbrigen Religionen, die in einigen Provinzen von China eingefuͤhrt oder gedul- det sind, schraͤnken sich auf die Mohamme- danische Religion, das Christenthum und Judenthum ein. — Die Anhaͤn- ger des Mohammeds haben sich seit vielen Jahrhunderten, in verschiedene Gegenden des Reichs, und sonderlich in die Pro- vinz Kiang-Nan eingeschlichen. Weil sie in Glaubensartikeln Niemand beunruhigen, auch Niemand uͤberreden, ihren Glauben anzunehmen; so laͤßt man sie ebenfalls bey Ausuͤbung ihres Gottesdienstes in al- ler Ruhe. Hierzu traͤgt sonder Zweifel die geringe Anzahl der Mohammedaner sehr vieles bey, (denn nach Duͤ Haldens Be- richte belaͤuft sich die Anzahl derselben nicht auf fuͤnf bis sechs tausend Familien) zu- dem auch, weil sie uͤberall in den Provin- zen zerstreut herum leben, und groͤßesten- theils als Handwerker, Kuͤnstler, und uͤber- haupt als geringe und stille Leute bekannt sind. — Bey allem dem aber, werden sie doch auch da, wo sie die groͤßte Figur ma- chen, von den Chinesern verachtet, verspot- tet, und oftmals gemißhandelt. Ueberhaupt scheint es, als wenn der chinesische Poͤbel die Mohammedaner nicht leiden koͤnne, und daß daß sie, ohngeachtet die Obrigkeit es ernst- lich verbietet, manchmal die Moscheen dersel- ben in aller Stille einreissen. Es ist eine sehr streitige Frage unter den Gelehrten: wenn und zu welcher Zeit das Christenthum zuerst in China Fuß gefaßt habe ? Wir wollen aber an dersel- ben hier keinen Theil nehmen, und dem Le- ser nur so viel davon sagen, als man mit Gewißheit behaupten kann. — Man weis, daß die ersten Jesuiten, welche sich ohnge- faͤhr in der Mitte des sechszehnten Jahr- hunderts in diese weitlaͤuftige Staaten wagten, darinn nicht die geringste Spur vom Christenthum fanden, sondern tiefen Aberglauben und Abgoͤtterey allenthalben herrschten. Vielleicht koͤnnte man hieraus leicht beweisen, daß das Evangelium die- ser Nation niemals verkuͤndigt sey. Man fuͤhrt indessen Denkmaale an, woraus man gerade das Gegentheil beweisen will. Allein diese Muthmaßungen, an den im Grunde nichts gelegen ist, in ein gehoͤriges Licht zu setzen, uͤberlassen wir solchen, denen daran vorzuͤglich gelegen ist. Was sich mit meh- rer Gewißheit sagen laͤßt, besteht darinn: daß ein gewisser Xaverius , in Ansehung seiner Reise nach China einigermaßen gluͤck- licher, als Moses bey dem Lande Canaan gewesen sey. Dieser konnte nur das Land der der Verheissung von weitem sehen: da hin- gegen Xaverius das Vergnuͤgen hatte, wuͤrklich nach China, oder zum wenigsten nach einer kleinen Insel, Namens Sancian oder Shang-chewen-shan , zu kom- men. — Unter allen den Missionarien, welche nach dem Xaverius nach China ge- reist sind, wird vorzuͤglich ein gewisser Je- suit, Namens Ricci , geruͤhmt, den man fuͤr den Stifter der Mission haͤlt: ein Pater Schall , welcher anfaͤnglich Lehrmei- ster eines gewissen Kaysers wurde, nachher aber eine ansehnliche Staatsbedienung beklei- dete; der bekannte Pater Verbiest , wel- cher ebenfalls ein großer Herr in China wurde; die Patres Bouvet und Gervil- lion , beyde geschickte Mathematiker und Freunde des Kaysers Kang-hi . Man kann bey allen dem, was man von diesen beruͤhmten Leuten erzaͤhlt, nicht genug be- wundern, mit welcher Geschicklichkeit diese Missionairs, eben so eifrig, als klug, eben so fromm, als in den Wissenschaften, der Sternkunde, und den mechanischen Kuͤnsten, bewandert, sich bey den Großen beliebt zu machen, und die Gnade der Kayser sich zu versichern gewußt. Dieß gelang anfaͤnglich dem Vater Ric- ci vorzuͤglich, welcher auch alle Gelegenheit ergriff, sich am Hofe zu Peking einzuschmei- cheln, cheln, und mit dem Kayser selbst bekannt zu werden. Ihm gieng auch alles gluͤcklich von statten Die Missionsgeschichte dieses Paters Ricci hat in der That so viel Frappantes, daß es wohl der Muͤhe werth waͤre, wenn der Leser hieruͤber den Le Compte und Mar- tini nachlesen wollte. — Er mußte, ehe er seine Absichten erreichte, viele Schwuͤrig- keiten und Hindernisse uͤberwinden. Seine Geschenke aber befoͤrderten ihm zu seiner Ab- sicht, darum er sich so viele Muͤhe gegeben. Duͤ Halde erzaͤhlt, daß er dem Kayser ein Geschenk mit einem schoͤnen Gemaͤhlde unsers Heylandes, und mit einem Gemaͤhlde der Jungfrau Maria, und mit einer praͤchtigen Uhr gemacht habe. Der Kayser soll diese Geschenke sehr bereitwillig angenommen, und die Gemaͤhlde auf den Ehrenplatz im Pal- last gesetzt, und zur Verwahrung der Uhr ei- nen schoͤnen Thurm aufgebaut haben. und kam in das groͤßeste Ansehen am Hofe. Er und seine Gehuͤlfen erhielten die Erlaubniß, sich in Peking nie- der zu lassen. Mehr als einer von ihnen hatte seine Wohnung in dem kayserlichen Pallaste. — Ricci erwarb sich bald, we- gen seiner Geschicklichkeit in der Mathematik, und der kostbaren und angesehenen Geschenke, die er dem Kayser uͤberreichte, allgemeine Hochachtung. Seine Wohnung war gleich- sam ein Sammelplatz gelehrter und ange- sehe- sehener Maͤnner! Ricci verband mit seiner Gelehrsamkeit viele Weltkenntniß, und wuß- te die Zeit recht gut abzuwarten, wann er seine Absichten vollfuͤhren wollte. So bald er sah, daß er sich der Gunst des Kaysers vergewissert wußte; so fieng er auch an, das Christenthum in Peking maͤchtig anszu- breiten. Seine Arbeit war auch nicht oh- ne gluͤcklichen Erfolg. Es dauerte nicht lange; so hatte er viele, und zum Theil an- gesehene Leute bekehrt. Die Anzahl der Neu- bekehrten war schon so stark angewachsen, daß sie Kirchen und Bethaͤuser aufbauen konnten. Man kann leicht denken, wie die Bon- zen bey diesem gluͤcklichen Fortgange ihre Stirnen moͤgen gerunzelt baben. Sie wand- ten alle Mittel an, dem Ricci Einhalt zu thun, schlugen aͤrgerliche Pasquillen am Pallaste des Kaysers an, worinn sie diesen beschuldigten, daß er seine alte Religion changirt, und ein Befoͤrderer der schaͤndli- chen und gefaͤhrlichen Arbeit des Ricci ge- worden sey. Indessen aber mußten die Urheber dieses Pasquills ihren Kopf ein- buͤßen; und Ricci hatte das Vergnuͤgen, daß er, ohngeachtet seines vielen Wider- standes, dennoch siegte. Kaum war Ric- ci gestorben, und der Pater, Adam Schall , zum Lehrmeister des jungen Kay- sers sers erklaͤrt; so uͤberreichten die Bonzen dem Regenten eine Bittschrift gegen ihn und seine Bundesgenossen, woruͤber eine grausa- me Verfolgung erhoben wurde. Schall wurde dazu verdammt, daß er sollte stran- gulirt werden. Diese Todesstrafe schien den meisten aber noch nicht hart genug: es wur- de also ausgemacht, daß er auf oͤffentlichem Markte in viele tausend Stuͤcke zerrissen wer- den sollte. — Hier hoͤre man, wie abge- schmackt sich Duͤ Halde bey dieser Erzaͤh- lung auffuͤhrt! — Wir wollen ihn selbst hoͤren: Wie dieß grausame Todesur- theil , sagt er, den Prinzen von Geblůt und den regierenden Mandarinen zur Unterschrift und Bestaͤtigung vorge- tragen wurde; so gefiel es dem All- maͤchtigen, sich auf eine besondere und ganz außerordentliche Art ins Mittel zu schlagen. Denn so oft sie es versu- chen wollten, die Eingabe oͤffentlich vorzulesen; so erschuͤtterte der Saal vom Erdbeben mit solcher Heftigkeit; daß sie sich alle aus demselben wegbegeben mußten, um nicht unter den Ruinen ver- senkt zu werden. Worauf sie denn auf die Gedanken geriethen, daß das Ur- theil wider den Adam Schall ungerecht seyn muͤßte. Ein noch immer anhal- tendes Erdbeben, und ein Feuer, das den groͤßesten Theil des Pallastes ver- U zehr- zehrte, nebst noch vielen andern Wun- derzeichen zeigten den Richtern deut- lich, daß sich der Himmel selbst fuͤr den armen Pater interessire, worauf denn dem Pater befohlen wurde, sich bis auf weitern Befehl an seinen Ort zu begeben . Was meynt der Leser hiezu? — Das heißt mir eine recht meisterhafte Erzaͤhlung! Aber man muß sich hieruͤber nicht wundern. Vater Duͤ Halde bringt dergleichen Schnur- ren, wo er nur kann, immer an; und es waͤre zu wuͤnschen, daß er mit dergleichen Din- gen seine, sonst schaͤtzbere Resebeschreibung, nicht besudelt haͤtte. So viel kann man im Ganzen anneh- men, daß die Ausbreitung der christlichen Religion wuͤrde gluͤckliche Schritte gemacht haben, wenn die Missionairs selbst unter einander einig gewesen waͤren. — Allein in kurzer Zeit warf der Geist der Zwie- tracht — der in Europa Leute von Koͤpfen und großer Gelehrsamkeit so bald verunei- nigt — auch in China die ausgedachte- sten Entwuͤrfe uͤber den Haufen. — Wahr ist es, wie bereits schon erwaͤhnt, die christliche Religion hat die heftigsten Ver- folgungen in China erdulden muͤssen. Aber die die Streitigkeiten haben in der That der Fortpflanzung des Christenthums am mei- sten geschadet. Ein Arbeiter am Evange- lio beklagte sich uͤber den andern, so daß sie alle uͤber alle klagten. Ihre unnuͤtzen Zaͤnkereyen, die vielleicht durch den Neid entstanden, brachen bey Gelegenheit gewisser Cerimonien, und bey der Verehrung aus, die man nach dem Tode gewissen großen und verdienten Maͤnnern erwies. Einige von diesen Gebraͤuchen waren allerdings aber- glaͤubisch, und konnten von Christen schlech- terdings nicht geduldet werden; die meisten aber konnten als politische und unbedeuten- de Anordnungen sehr wohl gelitten werden. Die Jesuiten dachten in diesem Puncte billig genug, woruͤber aber die Dominica- ner und Franciscaner bey dem heiligen Stuhl in Rom die groͤßesten Klagen fuͤhr- ten. Die Jesuiten, welche am Hofe zu Peking ihren großen Anhang hatten, brach- ten es so weit, daß sie einen umstaͤndlichen Bericht der chinesischen Cerimonien auf Be- fehl des Kaysers durch zwey geschickte Mandarinen aufsetzen ließen, und ihn an den Pabst, um sich zu purgiren, schick- ten. Der Bericht lautet von Wort zu Wort folgender Weise: Wir haben diesen Bericht aus den jesui- tischen „Wenn die U 2 Chine- Chineser den Confucius verehren; so thun sie dieß bloß, um dadurch die Hochachtung auszudrucken, die sie ihm, seiner fuͤrtreffli- chen Lehre wegen, schuldig sind. Und da sie sich zu seiner Lehre bekennen, wie koͤnnen sie ihn denn besser ehren, als wenn sie sich niederwerfen, und den Erdboden vor dem beruͤhren, den das ganze Reich fuͤr seinen Lehrmeister erkennt? Was die Opfer und Gebraͤuche betrifft, die sie zu Ehren ihrer Verstorbenen feyern; so kann man diese nur als Beweise der Ehrfurcht und fuͤr ein Gesiaͤndniß ansehen, daß sie noch als Haͤu- pter der Familie geschaͤtzt werden. — Die Bildsaͤulen, die sie ihren Vorfahren zu Eh- ren aufrichten, zeigen nicht so viel an, als wenn ihre Seelen darinn wohnten, auch werden diese um nichts angerufen, sondern sie stellen nur Speise und Getraͤnke vor ih- nen hin, um dadurch zu bezeugen, wie sehr es sie schmerze, daß sie ihres Umgangs muͤßten beraubt seyn. — Was die Opfer anlanget, die die alten Koͤnige und Kayser dem Himmel zu bringen pflegten; so sind es solche, welche die chinesischen Philoso- phen tischen Briefen entlehnt, welches mit dem harmonirt, was ein ungenannter Verfasser eines Werks, de cultu Sinensium, Coloniae 1700. davon gesagt hat. phen Kiaoche zu nennen pflegen, d.i|i. Opfer, die dem Himmel und der Erde gebracht werden, wodurch sie den Herrn des Himmels ehren! Und aus dieser Ursache, fuͤhren auch die kleinen Gemaͤhlde, vor wel- chen geopfert wird, die Inschrift: Shang- ti d. h. dem allerhoͤchsten Herrn, woraus sattsam erhellet, daß sie nur dem Herrn und Schoͤpfer Himmels und der Erden Opfer bringen. Und weil ihre Hochach- tung und Ehrerbietung gegen denselben ih- nen nicht verstattet, ihn bey seinem eigent- lichen Namen zu nennen; so rufen sie ihn unter dem Titel an: „ hoͤchster Himmel, guͤtigster Himmel, allgemeiner Him- mel .„ Des Kaysers Kang-hi Genehmigung dieses Berichtes, war so abgefaßt: „Alles was in dieser Schrift enthalten, ist recht und der großen Lehre gemaͤß. Ein ge- meines Gesetz der ganzen Welt, ist dieses, uusre Schuldigkeiten gegen den Himmel, unsern Herrn, zu beobachten. Die in die- ser Schrift befindlichen Dinge sind sehr wahr, und beduͤrfen keiner naͤhern Verbesse- rung.„ Nach dem Tode des Kaysers Kang-hi mußten sich die Missionairs alle aus dem ganzen Reiche entfernen, und durften sich nur allein zu Canton aufhalten. — Man behielt nur einige Jesuiten, die sie wegen U 3 ihrer ihrer mathematischen Einsicht nicht entbeh- ren konnten. Man begegnete ihnen mit moͤglicher Achtung. Sie durften von al- len Dingen, nur nicht von Missionair- sachen reden. — Es wurden mehr als drey- hundert Kirchen theils niedergerissen, theils zum anderweitigen Gebrauch bestimmt. Mehr als dreymal hundert tausend Christen wur- den ihrer Priester beraubt, und der Verfol- gung ausgesetzt. Dieß war viele Jahre lang die trauri- ge Lage des Christenthums in diesem weit- laͤuftigen Reiche. Die Jesuiten haben es doch zuletzt wieder so weit gebracht, daß sie, selbst in der Hauptstadt, eine Kirche auf- bauen duͤrfen. Und ohngeachtet die christli- che Religion in China gegenwaͤrtig verbo- ten ist; so wagen es die Missionairs doch, ob- gleich mit noͤthiger Behutsamkeit, in ihren Haͤusern, ja selbst außer denselben, ihrem Amte vorzustehen. Die Regierung sieht ih- nen hierbey durch die Finger, und stellt des- halb keine weitere Untersuchung an. — Was die gegenwaͤrtigen Missionairs in den Pro- vinzen betrifft; so muͤssen diese freylich mehr Vorsicht gebrauchen, als die in der Haupt- stadt. Indessen schaffen sich diese an den Orten ihres Aufenthalts unter den Großen Schutz, und koͤnnen mit Sicherheit ihre Be- rufsgeschaͤffte abwarten Was Was das Judenthum in China be- trifft; so ist sehr wahrscheinlich, daß es da- selbst sich sehr fruͤhzeitig auszubreiten gesucht hat. Aber sie leben auch hier, wie uͤberall, sehr zerstreut. Die Anzahl derselben ist sehr geringe, und geben hier weiter nichts als Maͤckler ab. Ende des ersten Theils.