Kinder- und Haus-Maͤrchen . Gesammelt durch die Bruͤder Grimm . Zweiter Band . Berlin , in der Realschulbuchhandlung . 1815 . Vorrede . M it dieser weitern Sammlung von Haus- Maͤrchen ist es der treibenden, starken Zeit unerachtet schneller und leichter gegangen, als mit der ersten. Theils hat sie sich selbst Freunde verschafft, welche sie unterstuͤtzten, theils, wer es fruͤher gern gethan haͤtte, sah jetzt erst be- stimmt, was und wie es gemeint waͤre; end- lich hat uns auch das Gluͤck beguͤnstigt, das Zufall scheint, aber gewoͤhnlich beharrlichen und fleißigen Sammlern beisteht. Ist man erst gewohnt auf dergleichen zu achten, so be- gegnet es doch haͤufiger, als man sonst glaubt, ja das ist uͤberhaupt mit Sitten, Eigenthuͤm- lichkeiten, Spruͤchen und Scherzen des Vol- kes der Fall. Die schoͤnen plattdeutschen Maͤrchen aus dem Fuͤrstenthum Paderborn und Muͤnster verdanken wir besonderer Guͤte und Freund- schaft; das Zutrauliche der Mundart ist ihnen bei der innern Vollstaͤndigkeit besonders guͤn- stig. Dort, in altberuͤhmten Gegenden deut- scher Freiheit, haben sich an manchen Orten die Sagen als eine fast regelmaͤßige Vergnuͤ- gung der Sonntage erhalten: auf den Bergen erzaͤhlten die Hirten jene, am Harz auch be- kannte und vielleicht jedem großen Gebirge eigene, vom Kaiser Rothbart, der mit seinen Schaͤtzen darin wohne; dann von den Huͤh- nen, wie sie ihre Haͤmmer stundenweit von den Gipfeln sich zugeworfen; manches, was wir an einem andern Orte mitzutheilen den- ken. Das Land ist noch reich an ererbten Ge- braͤuchen und Liedern. Einer jener guten Zufaͤlle aber war die Bekanntschaft mit einer Baͤuerin aus dem nah bei Cassel gelegenen Dorfe Zwehrn, durch welche wir einen ansehnlichen Theil der hier mitgetheilten, darum aͤcht hessischen, Maͤr- chen, so wie mancherlei Nachtraͤge zum ersten Band erhalten haben. Diese Frau, noch ruͤstig und nicht viel uͤber funfzig Jahr alt, heißt Viehmaͤnnin, hat ein festes und angenehmes Gesicht, blickt hell und scharf aus den Augen, und ist wahrscheinlich in ihrer Jugend schoͤn gewesen. Sie bewahrt diese alten Sagen fest in dem Gedaͤchtniß, welche Gabe, wie sie sagt, nicht jedem verliehen sey und mancher gar nichts behalten koͤnne; dabei erzaͤhlt sie bedaͤchtig, sicher und ungemein lebendig mit eigenem Wohlgefallen daran, erst ganz frei, dann, wenn man will, noch einmal langsam, so daß man ihr mit einiger Uebung nachschrei- ben kann. Manches ist auf diese Weise woͤrt- lich beibehalten, und wird in seiner Wahrheit nicht zu verkennen seyn. Wer an leichte Ver- faͤlschung der Ueberlieferung, Nachlaͤssigkeit bei Aufbewahrung, und daher an Unmoͤglich- keit langer Dauer, als Regel glaubt, der muͤßte hoͤren, wie genau sie immer bei dersel- ben Erzaͤhlung bleibt und auf ihre Richtigkeit eifrig ist; niemals aͤndert sie bei einer Wieder- holung etwas in der Sache ab, und bessert ein Versehen, sobald sie es bemerkt, mitten in der Rede gleich selber. Die Anhaͤnglichkeit an das Ueberlieferte ist bei Menschen, die in gleicher Lebensart unabaͤnderlich fortfahren, staͤrker, als wir, zur Veraͤnderung geneigt, begreifen. Eben darum hat es auch, so viel- fach erprobt, eine gewisse eindringliche Naͤhe und innere Tuͤchtigkeit, zu der anderes nicht so leicht gelangt, das aͤußerlich viel glaͤnzen- der erscheinen kann. Der epische Grund der Volksdichtung gleicht dem durch die ganze Natur in mannichfachen Abstufungen verbrei- teten Gruͤn, das saͤttigt und saͤnftigt ohne je zu ermuͤden. Der innere gehaltige Werth dieser Maͤr- chen ist in der That hoch zu schaͤtzen, sie geben auf unsere uralte Heldendichtung ein neues und solches Licht, wie man sich nirgendsher sonst koͤnnte zu Wege bringen. Das von der Spindel zum Schlaf gestochene Dornroͤschen ist die vom Dorn entschlafene Brunhilde, naͤm- lich nicht einmal die nibelungische, sondern die altnordische selber. Schneewitchen schlum- mert in rothbluͤhender Lebensfarbe wie Snaͤ- fridr, die schoͤnste ob allen Weibern, an deren Sarg Haraldur, der haarschoͤne, drei Jahre sitzt, gleich den treuen Zwergen, bewachend und huͤtend die todtlebendige Jungfrau; der Apfel- knorz in ihrem Munde aber ist ein Schlafkunz oder Schlafapfel. Die Sage von der guͤldnen Feder, die der Vogel fallen laͤßt, und wes- halb der Koͤnig in alle Welt aussendet, ist keine andere, als die vom Koͤnig Mark im Tristan, dem der Vogel das goldne Haar der Koͤnigstochter bringt, nach welcher er nun eine Sehnsucht empfindet. Daß Loki am Rie- sen-Adler haͤngen bleibt, verstehen wir besser durch das Maͤrchen von der Goldgans, an der Jungfrauen und Maͤnner festhangen, die sie beruͤhren; in dem boͤsen Goldschmied, dem redenden Vogel und dem Herz-Essen, wer erkennt nicht Sigurds leibhafte Fabel? Von ihm und seiner Jugend theilt vorliegender Band andere riesenmaͤßige, zum Theil das, was die Lieder noch wissen, uͤberragende Sa- gen mit, welche namentlich bei der schwieri- gen Deutung des zu theilenden Horts will- komene Hilfe leisten. Nichts ist bewaͤhrender und zugleich sicherer, als was aus zweien Quellen wieder zusammenfließt, die fruͤh von einander getrennt, in eignem Bette gegangen sind; in diesen Volks-Maͤrchen liegt lauter urdeutscher Mythus, den man fuͤr verloren gehalten, und wir sind fest uͤberzeugt, will man noch jetzt in allen gesegneten Theilen un- seres Vaterlandes suchen, es werden auf die- sem Wege ungeachtete Schaͤtze sich in unge- glaubte verwandeln und die Wissenschaft von dem Ursprung unserer Poesie gruͤnden helfen. Gerade so ist es mit den vielen Mundarten unserer Sprache, in welchen der groͤßte Theil der Worte und Eigenthuͤmlichkeiten, die man laͤngst fuͤr ausgestorben haͤlt, noch unerkannt fortlebt. Wir wollten indeß durch unsere Samm- lung nicht blos der Geschichte der Poesie einen Dienst erweisen, es war zugleich Absicht, daß die Poesie selbst, die darin lebendig ist, wirke: erfreue, wen sie erfreuen kann, und darum auch, daß ein eigentliches Erziehungsbuch daraus werde. Gegen das letztere ist einge- wendet worden, daß doch eins und das an- dere in Verlegenheit setze und fuͤr Kinder un- passend oder anstoͤßig sey (wie die Beruͤhrung mancher Zustaͤnde und Verhaͤltnisse, auch vom Teufel ließ man sie nicht gern etwas boͤses hoͤ- ren) und Eltern es ihnen geradezu nicht in die Haͤnde geben wollten. Fuͤr einzelne Faͤlle mag die Sorge recht seyn und da leicht aus- gewaͤhlt werden; im Ganzen ist sie gewiß un- noͤthig. Nichts besser kann uns vertheidigen, als die Natur selber, welche gerad diese Blu- men und Blaͤtter in dieser Farbe und Gestalt hat wachsen lassen; wem sie nicht zutraͤglich sind, nach besonderen Beduͤrfnissen, wovon jene nichts weiß, kann leicht daran vorbei- gehen, aber er kann nicht fordern, daß sie darnach anders gefaͤrbt und geschnitten wer- den sollen. Oder auch: Regen und Thau faͤllt als eine Wohlthat fuͤr alles herab, was auf der Erde steht, wer seine Pflanzen nicht hineinzustellen getraut, weil sie zu empfindlich dagegen sind und Schaden nehmen koͤnnten, sondern lieber in der Stube begießt, wird doch nicht verlangen, daß jene darum ausbleiben sollen. Gedeihlich aber kann alles werden, was natuͤrlich ist, und darnach sollen wir trachten. Uebrigens wissen wir kein gesundes und kraͤftiges Buch, welches das Volk erbaut hat, wenn wir die Bibel obenan stellen, wo solche Bedenklichkeiten nicht in ungleich groͤ- ßerm Maaß eintraͤten; der rechte Gebrauch aber findet nicht Boͤses heraus, sondern nur, wie ein schoͤnes Wort sagt: ein Zeugniß un- seres Herzens. Kinder deuten ohne Furcht in die Sterne, waͤhrend andere nach dem Volks- glauben Engel damit beleidigen. Abweichungen, so wie allerlei hierher ge- hoͤrige Anmerkungen haben wir wieder im Anhang mitgetheilt; wem diese Dinge gleich- guͤltig sind, wird das Ueberschlagen leichter werden, als uns gerade das Uebergehen waͤre; sie gehoͤren zum Buch insofern es ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Volksdichtung ist. Alle Abweichungen namentlich erscheinen uns merkwuͤrdiger als denen, welche darin blos Abaͤnderungen oder Entstellungen eines wirk- lich einmal da gewesenen Urbildes sehen, da es im Gegentheil vielleicht nur Versuche sind, einem im Geist blos vorhandenen, unerschoͤpf- lichen, auf mannichfachen Wegen sich zu naͤ- hern. Wiederholungen einzelner Saͤtze, Zuͤge, und Einleitungen sind wie epische Zeilen zu betrachten, die, sobald der Ton sich ruͤhrt, der sie anschlaͤgt, immer wiederkehren und eigent- lich in einem andern Sinne nicht zu verstehen. Alles aber, was aus muͤndlicher Ueberliefe- rung hier gesammelt worden, ist sowohl nach seiner Entstehung als Ausbildung (vielleicht darin den gestiefelten Kater allein ausgenom- men) rein deutsch und nirgends her erborgt, wie sich, wo man es in einzelnen Faͤllen be- streiten wollte, leicht auch aͤußerlich beweisen ließe. Gruͤnde, die man fuͤr das Erborgen aus italienischen, franzoͤsischen oder orientali- schen Buͤchern, die vom Volk, zumal auf dem Land, ungelesen bleiben, vorzubringen pflegt, gleichen denjenigen vollkommen, welche aus Soldaten, Handwerksburschen, oder aus Kanonen, Tabakspfeifen und andern neuen Dingen in den Maͤrchen, auch ihre neue Er- dichtung ableiten wollen, da doch gerade diese Sachen, wie Woͤrter der heutigen Sprache, nach dem Munde der Erzaͤhlenden sich umge- stalten und man sicher darauf zaͤhlen kann, daß sie im sechszehnten Jahrhundert statt der Soldaten und Kanonen, Landsknechte und Buͤchsen gesetzt haben, und der unsichtbar ma- chende Hut zur Ritterzeit ein Tarnhelm gewe- sen ist. Die fuͤr diesen zweiten Band anfaͤnglich versprochene Uebersetzung des Pentamerone steht den einheimischen Maͤrchen nothwendig nach, so wie die Zusammenstellung derjeni- gen, welche die Gesta Romanorum enthalten. Cassel, am 30. September 1814. Inhalt . 1. Der Arme und der Reiche Seite 1 2. Das singende, springende Loͤweneckerchen 2 3. Die Gaͤnsemagd 16 4. Von einem jungen Riesen 25 5. Dat Erdmaͤnneken 37 6. Der Koͤnig vom goldenen Berg 44 7. Die Rabe 53 8. Die kluge Bauerntochter 62 9. Der Geist im Glas 68 10. De drei Vuͤgelkens 73 11. Das Wasser des Lebens 79 12. Doctor Allwissend 88 15. Der Froschpring 91 14. Des Teufels rußiger Bruder 94 15. Der Teufel Gruͤnrock 99 16. Der Zaunkoͤnig und der Baͤr Seite 103 17. Vom suͤßen Brei 107 18. Die treuen Thiere 108 19. Maͤrchen von der Unke 114 20. Der arme Muͤllerbursch und das Kaͤtzchen 115 21. Die Kraͤhen 120 22. Hans mein Igel 124 23. Das Todtenhemdchen 132 24. Der Jud’ im Dorn 133 25. Der gelernte Jaͤger 138 26. Der Dreschflegel vom Himmel 146 27. De beiden Kuͤnnigeskinner 147 28. Vom klugen Schneiderlein 160 29. Die klare Sonne bringt’s an den Tag 165 30. Das blaue Licht 167 31. Von einem eigensinnigen Kinde 172 32. Die drei Feldscherer 172 33. Der Faule und der Fleißige 177 34. Die drei Handwerksburschen 179 35. Die himmlische Hochzeit 183 36. Die lange Nase 185 37. Die Alte im Wald 193 38. Die drei Bruͤder 197 39. Der Teufel und seine Großmutter 199 40. Ferenand getruͤ un Ferenand ungetruͤ 204 41. Der Eisen-Ofen Seite 211 42. Die faule Spinnerin 220 43. Der Loͤwe und der Frosch 223 44. Der Soldat und der Schreiner 227 45. Die schoͤne Katrinelje und Pif, Paf, Poltrie 235 46. Der Fuchs und das Pferd 237 47. Die zertanzten Schuhe 239 48. Die sechs Diener 245 49. Die weiße und schwarze Braut 253 50. Der wilde Mann 259 51. De drei schwatten Princessinnen 263 52. Knoist un sine dre Suͤhne 266 53. Dat Maͤken von Brakel 267 54. Das Hausgesinde 268 55. Das Laͤmmchen und Fischchen 269 56. Simeliberg 272 57. Die Kinder in Hungersnoth 275 58. Das Eselein 276 59. Der undankbare Sohn 281 60. Die Ruͤbe 282 61. Das junggegluͤhte Maͤnnlein 286 62. Des Herrn und des Teufels Gethier 288 63. Der Hahnenbalken 290 64. Die alte Bettelfrau 291 65. Die drei Faulen Seite 292 66. Die heilige Frau Kummerniß 293 67. Das Maͤrchen vom Schlauraffenland 294 68. Das Dietmarsische Luͤgen-Maͤrchen 296 69. Raͤthsel-Maͤrchen 297 70. Der goldene Schluͤssel ebend. 1. Der Arme und der Reiche . V or alten Zeiten, als der liebe Gott selber auf Erden unter den Menschen wandelte, trug es sich zu, daß er eines Abends muͤd war und ihn die Nacht uͤberfiel, eh’ er zu einer Herberge kommen konnte. Da standen aber auf dem Weg vor ihm zwei Haͤuser einander gegenuͤber, eins groß und schoͤn, das andere klein und aͤrmlich anzusehen, und gehoͤrte das eine einem reichen, das andere einem armen Manne. Unser Herr Gott dachte, dem Reichen werd’ ich nicht beschwerlich fallen und klopfte bei ihm an die Thuͤre. Da machte der Reiche sein Fenster auf und fragte, was er wollte? „Ein Nachtlager.“ Der Reiche guckte ihn an vom Haupt bis zu den Fuͤßen und weil der liebe Gott schlichte Kleider trug und nicht aussah wie einer, der viel Geld in der Tasche hat, schuͤt- telte er mit dem Kopf und sprach: „ich kann euch nicht aufnehmen, meine Kammern liegen voll Samen und sollte ich jedermann herbergen, der an meine Thuͤre klopfte, so muͤßt ich selber bald Kindermärchen II. A fortgehen; sucht euch anderswo ein Auskommen:“ schlug damit sein Fenster zu und ließ den lieben Gott stehen. Also kehrte ihm der liebe Gott den Ruͤcken, ging hinuͤber zu dem kleinen Haus und klopfte an. Kaum hatte er angeklopft, klinkte auch schon der Arme sein Thuͤrchen auf und bat den Wandersmann einzutreten und bei ihm die Nacht uͤber zu bleiben: „es ist schon finster, sagte er, und heute koͤnnt’ ihr doch nicht weiter kom- men.“ Da gefiel es dem lieben Gott und er trat ein; die Frau des Armen reichte ihm die Hand, hieß ihn willkommen und sagte, er moͤchte sichs be- quem machen und vorlieb nehmen, sie haͤtten nicht viel, aber was es waͤre, gaͤben sie von Her- zen gern. Dann setzte sie Kartoffeln ans Feuer und derweil sie kochten, melkte sie ihre Ziege, da- mit sie ein Bischen Milch dazu haͤtten. Und als der Tisch gedeckt war, setzte sich der liebe Gott zu ihnen und aß mit und schmeckte ihm die schlechte Kost gut, denn es waren vergnuͤgte Gesichter da- bei. Wie sie gegessen hatten und Schlafenszeit war, rief die Frau heimlich ihren Mann und sprach: hoͤr’, lieber Mann, wir wollen uns heut’ Nacht eine Streu dahin machen, damit der arme Wanderer sich in unser Bett legen und ausruhen kann, er ist den ganzen Tag uͤber gegangen, da wird einer muͤd.“ Von Herzen gern sprach der Mann, ich wills ihm sagen, ging zu dem lieben Gott und bat ihn, wenns ihm recht waͤre, moͤcht’ er sich in ihr Bett legen und seine Glieder ordent- lich ausruhen. Der liebe Gott wollte den beiden Alten ihr Lager nicht nehmen, aber sie ließen nicht ab, bis er es endlich that und sich in ihr Bett legte; sie aber machten sich eine Streu auf die Erde. Am andern Morgen vor Tag standen sie schon auf und kochten ihm ein armes Fruͤhstuͤck. Als nun die Sonne durchs Fensterlein herein- schien und der liebe Gott aufgestanden war, aß er wieder mit ihnen und wollte dann seines Weges ziehen. Doch als er in der Thuͤre stand, sprach er: „weil ihr so mitleidig und fromm seyd, so wuͤnscht euch dreierlei, das will ich euch erfuͤllen.“ Da sagte der Arme: „was soll ich mir sonst wuͤn- schen, als die ewige Seligkeit, und daß wir zwei, so lang wir leben, gesund sind und unser nothduͤrftiges, taͤgliches Brot haben; fuͤrs Dritte weiß ich mir nichts zu wuͤnschen.“ Der liebe Gott sprach: „willst du dir nicht ein neues Haus fuͤr das alte wuͤnschen?“ Da sagte der Mann, ja, wenn das ging, waͤr’s ihm wohl lieb. Alsbald erfuͤllte der liebe Gott ihre Wuͤnsche und verwan- delte ihr altes Haus in ein schoͤnes neues, und verließ sie darauf. Als es nun voller Tag war, und der Reiche aufstand und sich in’s Fenster legte, sah er gegen- uͤber ein schoͤnes neues Haus stehen statt der alten Huͤtte. Da machte er Augen, rief seine Frau und sprach: „Frau, sieh einmal, wie ist das zuge- A 2 gangen? gestern Abend stand dort eine elende Huͤtte und nun ists ein schoͤnes neues Haus; lauf doch ein- mal hinuͤber und hoͤr’ wie das gekommen ist. „Nun ging die Frau hin und fragte, der Arme aber er- zaͤhlte ihr: „gestern Abend kam ein Wanderer, der suchte Nachtherberge und heute Morgen beim Abschied hat er uns drei Wuͤnsche gewaͤhrt: die ewige Seligkeit, Gesundheit in diesem Leben und das nothduͤrftige taͤgliche Brot und statt unserer alten Huͤtte ein schoͤnes neues Haus.“ Als die Frau des Reichen das gehoͤrt hatte, lief sie wieder fort und erzaͤhlte es ihrem Manne, der sprach: ich moͤchte mich zerreissen und zerschlagen, haͤtt’ ich das gewußt, der Fremde ist auch bey mir ge- wesen, ich habe ihn aber abgewiesen.“ „Eil dich, sprach die Frau, und setz dich auf dein Pferd, der Mann ist noch nicht weit, du mußt ihn einholen, und dir auch drei Wuͤnsche gewaͤh- ren lassen.“ Da setzte sich der Reiche auf und holte den lieben Gott ein, redete fein und lieblich zu ihm und sprach, er moͤcht’s nicht uͤbel nehmen, daß er ihn nicht gleich eingelassen, er haͤtte den Schluͤssel zur Hausthuͤre gesucht, derweil waͤre er weggegangen; wenn er zuruͤckkaͤme, muͤßte er bei ihm einkehren.“ Ja, sprach der liebe Gott, wann er einmal zuruͤckkaͤme, wollt’ er das thun.“ Da fragte der Reiche, ob er nicht auch drei Wuͤn- sche thun duͤrfte, wie sein Nachbar? „Ja, sagte der liebe Gott, das duͤrfe er wohl, es waͤre aber nicht gut fuͤr ihn, und sollte sich lieber nichts wuͤnschen.“ Der Reiche aber meinte, er wollte sich schon etwas Gutes aussuchen, wenn es nur gewiß erfuͤllt wuͤrde. Sprach der liebe Gott: „reite nur heim und drei Wuͤnsche, die du thust, die sollen erfuͤllt werden.“ Nun hatte der Reiche, was er wollte, ritt heimwaͤrts und besann sich, was er sich wuͤnschen sollte; wie er so nachdachte und die Zuͤgel fallen ließ, fing das Pferd an zu springen, so daß er immerfort in seinen Gedanken gestoͤrt wurde und sie gar nicht zusammen bringen konnte. Da ward er uͤber das Pferd aͤrgerlich und sprach in Ungeduld: „ei so wollt’ ich, daß du den Hals zerbraͤchst!“ und wie er das Wort ausgesprochen, plump! fiel er auf die Erde und lag das Pferd todt und regte sich nicht mehr und war der erste Wunsch erfuͤllt. Weil er aber geizig war, wollt’ er das Sattelzeug nicht im Stich lassen, schnitt’s ab, hing’s auf den Ruͤcken und mußte nun zu Fuß nach Haus gehen. Doch troͤstete er sich, daß ihm noch zwei Wuͤnsche uͤbrig waͤren. Wie er nun dahin ging durch den Sand und als zu Mittag die Sonne heiß brannte, ward’s ihm so warm und verdrießlich zu Muth, der Sattel druͤckte ihn dazu auf den Ruͤcken, auch war ihm noch immer nicht eingefallen, was er sich wuͤn- schen sollte. Wenn er meinte, er haͤtte etwas, da schien’s ihm hernach doch viel zu wenig und gering. Da kam’s ihm so in die Gedanken, was es seine Frau jetzt gut habe, die sitze daheim in einer kuͤhlen Stube und lasse sich’s wohlschmecken. Das aͤrgerte ihn ordentlich und ohne daß er’s wußte, sprach er so hin: „ich wollt’ die saͤß da- heim auf dem Sattel und koͤnnt’ nicht herunter, statt daß ich ihn da auf dem Ruͤcken schleppe.“ Und wie die Worte zu End’ waren, da war der Sattel von seinem Ruͤcken fort, und merkte er, daß sein zweiter Wunsch auch in Erfuͤllung gegan- gen war. Da ward ihm erst recht heiß und er fing an zu laufen und wollte sich daheim ganz ein- sam hinsetzen und auf was Großes fuͤr den letzten Wunsch nachdenken. Wie er aber ankam und seine Stubenthuͤr aufmachte, saß da seine Frau mittendrin auf dem Sattel und kann nicht her- unter, jammert und schreit. Da sprach er: „gib dich zufrieden, ich will dir alle Reichthuͤmer der Welt herbei wuͤnschen, nur bleib da sitzen.“ Sie sagte aber: „was helfen mir alle Reichthuͤmer der Welt, wenn ich auf dem Sattel sitze, du hast mich darauf gewuͤnscht, du mußt mir auch wieder herunter helfen.“ Er mochte wollen oder nicht, er mußte den dritten Wunsch thun, daß sie vom Sattel ledig waͤr’ und heruntersteigen koͤnnt’, und der ward auch erfuͤllt. Also hatte er nichts davon als Aerger, Muͤh’ und ein verlorenes Pferd; die Armen aber lebten vergnuͤgt, still und fromm bis an ihr seliges Ende. 2. Das singende, springende Loͤweneckerchen. Es war einmal ein Mann, der hatte eine große Reise vor und beim Abschied fragte er seine drei Toͤchter, was er ihnen mitbringen sollte. Da wollte die aͤlteste Perlen, die zweite Diaman- ten, die dritte aber sprach: „lieber Vater, ich wuͤnsche mir ein singendes, springendes Loͤwen- eckerchen (Lerche.)“ Der Vater sagte: „ja, wenn ich es kriegen kann, sollst du es haben“ kuͤßte alle drei und zog fort. Als nun die Zeit kam, daß er wieder auf dem Heimweg war, hatte er Perlen und Diamanten fuͤr die zwei aͤltesten, aber das singende, springende Loͤweneckerchen fuͤr die juͤngste hatte er umsonst aller Orten gesucht, und das that ihm leid, denn sie war sein liebstes Kind. Da fuͤhrte ihn sein Weg durch einen Wald und mitten darin war ein praͤchtiges Schloß und nah’ am Schloß stand ein Baum, ganz oben auf der Spitze des Baums aber sah er ein Loͤwen- eckerchen singen und springen. „Ei! du kommst mir noch recht!“ sagte er und war froh und rief seinem Diener, er sollte hinaufsteigen und das Thierchen fangen. Wie der aber an den Baum herantrat, sprang ein Loͤwe darunter auf, schuͤt- telte sich und bruͤllte, daß das Laub an den Baͤu- men zitterte: „wer mir mein singendes, sprin- gendes Loͤweneckerchen stehlen will, den fress’ ich auf!“ Da sagte der Mann: „das hab’ ich nicht gewußt, daß der Vogel dir gehoͤrt; kann ich mich nicht von dir loskaufen?“ „Nein!“ sprach der Loͤwe, „da ist nichts, was dich retten kann, als wenn du mir zu eigen versprichst, was dir daheim zuerst begegnet, thust du aber das, so will ich dir das Leben schenken und den Vogel fuͤr deine Tochter obendrein.“ Der Mann aber wollte nicht und sprach: „das koͤnnte meine juͤngste Toch- ter seyn, die hat mich am liebsten, und lauft mir immer entgegen, wenn ich nach Haus komme.“ Dem Diener aber war angst und er sagte: „es koͤnnte ja auch eine Katze oder ein Hund seyn!“ Da ließ sich der Mann uͤberreden, nahm mit trauri- gem Herzen das singende, springende Loͤwenecker- chen und versprach dem Loͤwen zu eigen, was ihm daheim zuerst begegnen wuͤrde. Wie er nun zu Haus einritt, war das erste, was ihm begegnete, niemand anders, als seine juͤngste, liebste Tochter; die kam gelaufen und kuͤßte und herzte ihn, und als sie sah, daß er ein singendes, springendes Loͤweneckerchen mitgebracht hatte, freute sie sich noch mehr. Der Vater aber konnte sich nicht freuen, sondern fing an zu wei- nen und sagte: „o weh! mein liebstes Kind, den kleinen Vogel hab’ ich theuer gekauft, dafuͤr hab’ ich dich einem wilden Loͤwen versprechen muͤssen, wenn er dich hat, wird er dich zerreissen und fres- sen“ und erzaͤhlte ihr da alles, wie es zugegangen war und bat sie, nicht hinzugehen, es moͤcht’ auch kommen was wollte. Sie aber troͤstete ihn und sprach: „liebster Vater, weil ihr’s versprochen habt, muß es auch gehalten werden und will ich hingehen und den Loͤwen schon besaͤnftigen, daß ich wieder gesund zu euch heim kommen kann. Am andern Morgen ließ sie sich den Weg zeigen, nahm Abschied und ging getrost in den Wald hin- ein. Der Loͤwe aber war ein verzauberter Prinz und bei Tag ein Loͤwe und mit ihm wurden alle seine Leute zu Loͤwen, in der Nacht aber hatten sie ihre natuͤrliche Gestalt wieder. Als sie nun ankam, that er gar freundlich und ward Hochzeit gehalten und in der Nacht war er ein schoͤner Prinz, und da wachten sie in der Nacht und schliefen am Tag und lebten eine lange Zeit ver- gnuͤgt miteinander. Einmal kam der Prinz und sagte: „morgen ist ein Fest in deines Vaters Haus, weil deine aͤlteste Schwester sich verheira- thet und wenn du Lust hast hinzugehen, sollen dich meine Loͤwen hinfuͤhren. Da sagte sie ja, sie moͤchte gern ihren Vater wiedersehen, und fuhr hin und wurde von den Loͤwen begleitet; da war große Freude, als sie ankam, denn sie hat- ten alle geglaubt, sie waͤre schon lange todt, und von dem Loͤwen zerrissen worden. Sie erzaͤhlte aber, wie gut es ihr ging und blieb bei ihnen, so lang die Hochzeit dauerte, dann fuhr sie wieder zuruͤck in den Wald. Wie die zweite Tochter hei- rathete, und sie wieder zur Hochzeit eingeladen war, sprach sie zum Loͤwen: „diesmal will ich nicht allein seyn, du mußt mitgehen.“ Der Loͤwe aber wollte nicht und sagte, das waͤre zu gefaͤhr- lich fuͤr ihn, denn wenn ein Strahl eines bren- nenden Lichts ihn anruͤhre, so wuͤrd’ er in eine Taube verwandelt und muͤßte sieben Jahre lang mit den Tauben fliegen. Sie ließ ihm aber keine Ruh’, und sagte, sie wollt’ ihn schon huͤten und bewahren vor allem Licht. Also zogen sie zusam- men und nahmen auch ihr kleines Kind mit. Sie aber ließ dort einen Saal mauern, so stark und dick, daß kein Strahl durchdrang, darin sollt’ er sitzen, wenn die Hochzeitslichter angesteckt wuͤr- den. Die Thuͤr aber war von frischem Holz ge- macht, das sprang und bekam einen kleinen Ritz, den kein Mensch bemerkte. Nun ward die Hoch- zeit mit Pracht gefeiert, wie aber der Zug aus der Kirche zuruͤckkam mit den vielen Fackeln und Lichtern an dem Saal des Prinzen vorbei, da fiel ein duͤnner duͤnner Strahl auf ihn und wie dieser ihn beruͤhrt hatte, in dem Augenblick war er auch verwandelt, und als die Prinzessin hinein kam und ihn suchte, saß blos eine weiße Taube da, die sprach zu ihr: sieben Jahr muß ich nun in die Welt fortfliegen, alle sieben Schritte aber will ich einen rothen Blutstropfen und eine weiße Feder fallen lassen, die sollen dir den Weg zeigen, und wenn du mir da nachfolgst, kannst du mich er- loͤsen.“ Da flog die Taube zur Thuͤr hinaus und sie folgte ihr nach und alle sieben Schritte fiel ein rothes Blutstroͤpfchen und ein weißes Federchen herab und zeigte ihr den Weg. So ging sie im- mer zu in die weite Welt hinein und schaute nicht um sich und ruhte sich nicht, und waren fast die sieben Jahre herum; da freute sie sich und meinte, sie waͤren bald erloͤst und war noch so weit davon. Einmal, als sie so fort ging, fiel kein Federchen mehr und auch kein rothes Blutstroͤpfchen und als sie die Augen aufschlug, da war die Taube ver- schwunden. Und weil sie dachte, Menschen koͤn- nen dir da nichts helfen, so stieg sie zur Sonne hinauf und sagte zu ihr: „du scheinst in alle Ritzen und uͤber alle Spitzen; hast du keine weiße Taube fliegen sehen?“ — „Nein, sagte die Sonne, ich habe keine gesehen, aber da schenk ich dir ein Schaͤchtelchen, das mach auf, wenn du in großer Noth bist.“ Da dankte sie der Sonne und ging weiter bis es Abend war und der Mond schien, da fragte sie ihn: „du scheinst ja die ganze Nacht, durch alle Felder und Waͤlder: hast du keine weiße Taube fliegen sehen?“ — „Nein sagte der Mond, ich habe keine gesehen, aber da schenk ich dir ein Ei, das zerbrich wenn du in großer Noth bist.“ — Da dankte sie dem Mond und ging weiter, bis der Nachtwind wehte, da sprach sie zu ihm: „du wehst ja durch alle Baͤume und unter alle Blaͤtterchen weg, hast du keine weiße Taube fliegen sehen?“ — „Nein, sagte der Nacht- wind, ich habe keine gesehen, aber ich will die drei andern Winde fragen, die haben sie vielleicht gesehen.“ Der Ostwind und der Westwind kamen und sagten, sie haͤtten nichts gesehen, der Suͤdwind aber sprach: „die weiße Taube hab’ ich gesehen, sie ist zum rothen Meer geflogen, da ist sie wie- der ein Loͤwe geworden, denn die sieben Jahre sind herum, und der Loͤwe steht dort im Kampf mit einem Lindwurm, der Lindwurm ist aber eine verzauberte Prinzessin.“ Da sagte der Nachtwind zu ihr: „ich will dir Rath geben, geh’ zum ro- then Meer’ am rechten Ufer da stehen große Ru- then, die zaͤhl’ und die eilfte schneid’ dir ab und schlag’ den Lindwurm damit, dann kann ihn der Loͤwe bezwingen und beide bekommen auch ihren menschlichen Leib wieder; dann schau dich um und du siehst den Vogel Greif am rothen Meer sitzen, schwing’ dich auf seinen Ruͤcken mit dem Prinzen, der Vogel wird euch uͤbers Meer nach Haus tra- gen; da hast du auch eine Nuß, wenn du mitten uͤber dem Meer bist, laß sie herab fallen, alsbald wird ein großer Nußbaum aus dem Wasser her- vorwachsen, auf dem sich der Greif ruht, und koͤnnte er nicht ruhen, waͤr’ er nicht stark genug, euch hinuͤber zu tragen, und wenn du es vergißt, wirft er euch ins Meer hinunter.“ Da ging sie hin und fand alles, wie der Nachtwind gesagt hatte und schnitt die eilfte Ru- the ab, damit schlug sie den Lindwurm, alsbald bezwang ihn der Loͤwe und da hatten beide ihren menschlichen Leib wieder. Und wie sich die Prin- zessin, die vorher ein Lindwurm gewesen war, frei sah, nahm sie den Prinzen in den Arm, setzte sich auf den Vogel Greif und fuͤhrte ihn mit sich fort. Also stand die arme, weitgewanderte und war wieder verlassen, sie sprach aber: „ich will noch so weit gehen als der Wind weht und so lang als der Hahn kraͤht, bis ich ihn finde.“ Und ging fort, lange lange Wege, bis sie endlich zu dem Schloß kam, wo beide zusammen lebten, da hoͤrte sie daß bald ein Fest waͤre, wo sie Hochzeit mit einander machen wollten. Sie sprach aber, Gott hilft mir doch noch, und nahm das Schaͤchtelchen, das ihr die Sonne gegeben hatte, da lag ein Kleid darin, so glaͤnzend, wie die Sonne selber. Da nahm sie es heraus und zog es an und ging hinauf in das Schloß und alle Leute sahen sie an und die Braut selber; und das Kleid gefiel ihr so gut, daß sie dachte, es koͤnnte ihr Hochzeitkleid ge- ben und fragte, ob es nicht feil waͤre? „Nicht fuͤr Geld und Gut, sagte sie, aber fuͤr Fleisch und Blut.“ Die Braut fragte, was sie damit meine, da sagte sie: „laßt mich eine Nacht in der Kam- mer schlafen, wo der Prinz schlaͤft.“ Die Braut wollte nicht und wollte doch gern das Kleid haben, endlich willigte sie ein, aber der Kammerdiener mußte dem Prinzen einen Schlaftrunk geben. Als es nun Nacht war, und der Prinz schon schlief, ward sie in die Kammer gefuͤhrt, da setzte sie sich ans Bett und sagte: „ich bin dir nachge- folgt sieben Jahre, bin bei Sonne, Mond und den Winden gewesen und hab’ nach dir gefragt, und hab’ dir geholfen gegen den Lindwurm, willst du mich denn ganz vergessen?“ Der Prinz aber schlief so hart, daß es ihm nur vorkam, als rausche der Wind draußen in den Tannenbaͤumen. Wie nun der Morgen anbrach, da ward sie wieder hinausgefuͤhrt, und mußte das goldene Kleid hin- geben; und als auch das nichts geholfen hatte, ward sie traurig, ging hinaus auf eine Wiese, setzte sich da hin und weinte. Und wie sie so saß, da fiel ihr das Ei noch ein, das ihr der Mond gegeben hatte und sie schlug es auf: ei! da kam eine Glucke heraus mit zwoͤlf Kuͤchlein ganz von Gold, die liefen herum und piepten und krochen der Alten wieder unter die Fluͤgel, so daß nichts schoͤneres auf der Welt zu sehen war. Da stand sie auf, trieb sie auf der Wiese vor sich her, so lange bis die Braut aus dem Fenster sah, und da gefiel ihr das kleine Wesen so gut, daß sie gleich herab kam und fragte, ob sie nicht feil waͤren? „Nicht fuͤr Geld und Gut, aber fuͤr Fleisch und Blut; laßt mich noch eine Nacht in der Kammer schlafen, wo der Prinz schlaͤft.“ Die Braut sagte ja und wollte sie betruͤgen, wie am vorigen Abend, als aber der Prinz zu Bett ging, fragte er seinen Kammerdiener, was das Murmeln und Rauschen in der Nacht gewesen sey. Da erzaͤhlte der Kam- merdiener alles, daß er ihm einen Schlaftrunk haͤtte geben muͤssen, weil ein armes Maͤdchen heimlich in der Kammer geschlafen haͤtte, und heute Nacht solle er ihm wieder einen geben. Sagte der Prinz: „gieße den Trank neben das Bett aus,“ und zur Nacht wurde sie wieder hereingefuͤhrt, und als sie anfing wieder zu erzaͤhlen, wie es ihr traurig ergangen waͤr’, da erkannt’ er gleich an der Stimme seine liebe Ge- mahlin, sprang auf und sprach: so bin ich erst recht erloͤst, mir ist gewesen, wie in einem Traum, denn die Prinzessin hat mich bezaubert, daß ich dich vergessen mußte, aber Gott hat mir noch zu rechter Stunde geholfen.“ Da gingen sie beide in der Nacht heimlich aus dem Schloß, denn sie fuͤrchteten sich vor dem Vater der Prinzessin, der ein Zauberer war, und setzten sich auf den Vogel Greif, der trug sie uͤber das rothe Meer, und als sie in der Mitte waren, ließ sie die Nuß fallen. Alsbald wuchs ein großer Nußbaum, darauf ruhte sich der Vogel und dann fuͤhrte er sie nach Haus, wo sie ihr Kind fanden, das war groß und schoͤn geworden, und sie lebten von nun an ver- gnuͤgt bis an ihr Ende. 3. Die Gaͤnsemagd . Es lebte einmal eine alte Koͤnigin, der war ihr Gemahl schon lange Jahre gestorben und sie hatte eine schoͤne Tochter, wie die erwuchs, wurde sie weit uͤber Feld auch an einen Koͤnigssohn ver- sprochen. Als nun die Zeit kam, wo sie vermaͤhlt werden sollten, und das Kind in das fremde Reich abreisen mußte, packte ihr die Alte gar viel koͤst- liches Geraͤth und Geschmeide ein: Gold und Silber, Becher und Kleinode, kurz alles, was ihr zu einem koͤniglichen Brautschatz gehoͤrte, denn sie hatte ihr Kind von Herzen lieb. Auch gab sie ihr eine Kammerjungfer bei, welche mitreiten und die Braut in die Haͤnde des Braͤutigams uͤberliefern sollte und jede bekam ein Pferd zur Reise, aber das Pferd der Koͤnigstochter hieß Falada und konnte sprechen. Wie nun die Abschiedsstunde da war, begab sich die alte Mutter in ihre Schlafkammer, nahm ein Messerlein und schnitt damit in ihre Finger, daß sie bluteten; darauf hielt sie ein weißes Laͤppchen unter und ließ drei Tropfen Blut hineinfallen, gab sie der Tochter und sprach: „liebes Kind verwahr sie wohl, sie werden dir unterweges Noth thun.“ Also Also nahmen beide von einander betruͤbten Abschied, das Laͤppchen steckte die Koͤnigstochter in ihren Busen vor sich, setzte sich auf’s Pferd und zog nun fort zu ihrem Braͤutigam. Da sie eine Stunde geritten waren, empfand sie heißen Durst und rief ihrer Kammerjungfer: steig ab und schoͤpfe mir mit meinem Becher, den du auf- zuheben hast, Wasser aus dem Bach, ich moͤchte gern einmal trinken. „Ei, wenn ihr Durst habt, sprach die Kammerjungfer, so steigt selber ab, legt euch an’s Wasser und trinkt, ich mag eure Magd nicht seyn!“ Da stieg die Koͤnigstochter vor großem Durst herunter, neigte sich uͤber das Waͤs- serlein im Bach und trank und durfte nicht aus dem goldnen Becher trinken. Da sprach sie: „ach Gott!“ da antworteten die drei Blutstropfen: „wenn das deine Mutter wuͤßte, das Herz im Leibe thaͤt ihr zerspringen.“ Aber die Koͤnigs- braut war gar demuͤthig, sagte nichts und stieg wieder zu Pferd. So ritten sie etliche Meilen weiter fort und der Tag war warm, daß die Sonne stach und sie durstete bald von neuem; da sie nun an einen Wasserfluß kamen, rief sie noch einmal ihrer Kammerjungfer: „steig ab und gieb mir aus meinem Goldbecher zu trinken!“ denn sie hatte aller boͤsen Worte laͤngst vergessen. Die Kammerjungfer sprach aber noch hochmuͤthiger: wollt’ ihr trinken, so trinkt allein, ich mag nicht eure Magd seyn.“ Da stieg die Koͤnigstochter Kindermärchen. II. B hernieder vor großem Durst und legte sich uͤber das fließende Wasser, weinte und sprach: „ach Gott!“ und die Blutstropfen antworteten wie- derum: „wenn das deine Mutter wuͤßte, das Herz im Leibe thaͤt ihr zerspringen!“ Und wie sie so trank und sich recht uͤberlehnte, fiel ihr das Laͤppchen, worin die drei Tropfen waren, aus dem Busen, und floß mit dem Wasser fort, ohne daß sie es in ihrer großen Angst merkte. Die Kammerfrau hatte aber zugesehen und freute sich, daß sie Macht uͤber die Braut bekaͤme, denn damit, daß diese die Blutstropfen verloren hatte, war sie schwach geworden. Als sie nun wieder auf ihr Pferd steigen wollte, das da hieß Falada, sagte die Kammerfrau: „auf Falada gehoͤr’ ich und auf meinen Gaul gehoͤrst du“ und das mußte sie sich gefallen lassen, außerdem hieß sie die Kammerfrau auch noch die koͤniglichen Kleider ausziehen und ihre schlechten anlegen, und endlich mußte sie sich unter freiem Himmel verschwoͤren, daß sie am koͤniglichen Hof keinem Menschen nichts davon sprechen wollte, und wenn sie diesen Eid nicht abgelegt haͤtte, waͤre sie auf der Stelle umgebracht worden. Aber Falada sah das alles an und nahm’s wohl in Acht. Die Kammerfrau stieg nun auf Falada und die wahre Braut auf das schlechte Roß, und so zogen sie weiter, bis sie endlich in dem koͤniglichen Schloß eintrafen, da war große Freude uͤber ihre Ankunft, und der Koͤnigssohn sprang ihnen ent- gegen, hob die Kammerfrau vom Pferde und meinte, sie waͤre seine Gemahlin und sie wurde die Treppe hinaufgefuͤhrt, die wahre Koͤnigstoch- ter aber mußte unten stehen bleiben. Da schaute der alte Koͤnig am Fenster und sah sie im Hofe halten, nun war sie fein und zart und sehr schoͤn, ging hin ins koͤnigliche Gemach und fragte die Braut nach der, die sie bei sich haͤtte und da un- ten im Hofe staͤnde, und wer sie waͤre? „ei, die hab’ ich mir unterwegs mitgenommen zur Gesell- schaft, gebt der Magd was zu arbeiten, daß sie nicht muͤßig steht.“ Aber der alte Koͤnig hatte keine Arbeit fuͤr sie und wußte nichts, als daß er sagte: „da hab’ ich so einen kleinen Jungen, der huͤtet die Gaͤnse, dem mag sie helfen!“ Der Junge hieß Kuͤrdchen , (Conraͤdchen) dem mußte die wahre Braut helfen Gaͤnse huͤten. Bald aber sprach die falsche Braut zu dem jungen Koͤnig: liebster Gemahl, ich bitte euch, thut mir einen Gefallen!“ Er antwortete: „das will ich gerne thun.“ „Nun so laßt mir den Schinder rufen und da dem Pferd, worauf ich her geritten bin, den Hals abhauen, weil es mich unterweges geaͤrgert hat;“ eigentlich aber fuͤrch- tete sie sich, daß das Pferd sprechen moͤchte, wie sie mit der Koͤnigstochter umgegangen waͤre. Nun war das so weit gerathen, daß es geschehen und der treue Falada sterben sollte, da kam es auch B 2 der rechten Koͤnigstochter zu Ohr und sie versprach dem Schinder heimlich ein Stuͤck Geld, das sie ihm bezahlen wollte, wenn er ihr einen kleinen Dienst erwiese. In der Stadt war ein großes, finsteres Thor, wo sie Abends und Morgens mit den Gaͤnsen durch mußte, „unter das finstere Thor moͤchte er dem Falada seinen Kopf hinna- geln, daß sie ihn doch noch als einmal sehen koͤnnte.“ Also versprach das der Schindersknecht zu thun, hieb den Kopf ab und nagelte ihn unter das finstere Thor fest. Des Morgens fruͤh, als sie und Kuͤrdchen unterm Thor hinaus trieben, sprach sie im Vor- beigehen: o du Falada, da du hangest, da antwortete der Kopf: o du Jungfer Koͤnigin, da du gangest, wenn das deine Mutter wuͤßte, ihr Herz thaͤt ihr zerspringen! da zog sie still weiter zur Stadt hinaus und sie trieben die Gaͤnse auf’s Feld. Und wenn sie auf der Wiese angekommen war, saß sie hier und machte ihre Haare auf, die waren eitel Silber, und Kuͤrdchen sah sie und freute sich, wie sie glaͤnzten, und wollte ihr ein Paar ausraufen. Da sprach sie: weh’! weh’! Windchen D. h. Windchen wehe! nicht die Ausrufung eheu! , nimm Kuͤrdchen sein Huͤtchen, und laß’n sich mit jagen, bis ich mich geflochten und geschnatzt und wieder aufgesatzt. und da kam ein so starker Wind, daß er dem Kuͤrdchen sein Huͤtchen wegwehte uͤber alle Land, daß es ihm nachlief und bis es wiederkam, war sie mit dem Kaͤmmen und Aufsetzen fertig und er konnte keine Haare kriegen. Da war Kuͤrdchen boͤs und sprach nicht mit ihr, und so huͤteten sie die Gaͤuse bis daß es Abend wurde, dann fuhren sie nach Haus. Den andern Morgen, wie sie unter dem fin- stern Thor hinaustrieben, sprach die Jungfrau: o du Falada, da du hangest, es antwortete: o du Jungfer Koͤnigin, da du gangest, wenn das deine Mutter wuͤßte, das Herz thaͤt ihr zerspringen! und in dem Feld setzte sie sich wieder auf die Wiese und fing an ihr Haar auszukaͤmmen, und Kuͤrdchen lief und wollte darnach greifen, da sprach sie schnell: weh’! weh’! Windchen, nimm dem Kuͤrdchen sein Huͤtchen und laß’n sich mit jagen, bis ich mich geflochten und geschnatzt und wieder aufgesatzt da wehte der Wind und wehte ihm das Huͤtchen vom Kopf weit weg, daß es nachzulaufen hatte, und als es wieder kam, hatte sie laͤngst ihr Haar zurecht und es konnte keins davon erwischen, und sie huͤteten die Gaͤnse bis es Abend wurde. Abends aber, nachdem sie heim kamen, ging Kuͤrdchen vor den alten Koͤnig und sagte: mit dem Maͤdchen will ich nicht laͤnger Gaͤnse huͤten.“ Warum denn? sprach der alte Koͤnig. „Ei, das aͤrgert mich den ganzen Tag.“ Da befahl ihm der alte Koͤnig, zu erzaͤhlen, wie’s ihm denn mit ihr ginge. Da sagte Kuͤrdchen: „des Morgens wenn wir unter dem finstern Thor mit der Heerde durchkommen, so ist da ein Gaulskopf an der Wand, zu dem redet sie: Falada, da du hangest, da antwortet der Kopf: o du Koͤnigsjungfer, da du gangest, wenn das deine Mutter wuͤßte, das Herz thaͤt ihr zerspringen! und so erzaͤhlte Kuͤrdchen weiter was auf der Ganswiese geschaͤhe und wie es da dem Hut im Wind nachlaufen muͤßte. Der alte Koͤnig befahl ihm aber, den naͤch- sten Tag wieder hinaus zu treiben, und er selbst, wie es Morgens war, setzte sich hinter das fin- stere Thor und hoͤrte da, wie sie mit dem Haupt des Falada sprach; und dann ging er ihr auch nach in das Feld und barg sich in einem Busch auf der Wiese. Da sah er nun bald mit seinen eigenen Augen, wie die Gaͤnsemagd und der Gaͤn- sejung die Heerde getrieben brachten und nach ei- ner Weile sie sich setzte und ihre Haare losflocht, die strahlten von Glanz. Gleich sprach sie wieder: weh’! weh’! Windchen, Faß Kuͤrdchen sein Huͤtchen und laß’n sich mit jagen, bis daß ich mich geflochten und geschnatzt und wieder aufgesatzt. da kam ein Windstoß und fuhr mit Kuͤrdchens Hut weg, daß es weit zu laufen hatte, und die Magd kaͤmmte und flocht ihre Locken still fort, welches der alte Koͤnig alles beobachtete. Darauf ging er unbemerkt zuruͤck und als Abends die Gaͤnsemagd heim kam, rief er sie bei Seite und fragte: warum sie dem allem so thaͤte? „das darf ich euch und keinem Menschen nicht sagen, denn so hab’ ich mich unter freiem Himmel verschwo- ren, weil ich sonst um mein Leben waͤre gekom- men.“ Er aber drang in sie und ließ ihr keinen Frieden, „willst du mir’s nicht erzaͤhlen,“ sagte der alte Koͤnig endlich, „so darfst du’s doch dem Kachelofen erzaͤhlen.“ „Ja, das will ich wohl“ antwortete sie. Damit mußte sie in den Ofen kriechen und schuͤttete ihr ganzes Herz aus, wie es ihr bis dahin ergangen und wie sie von der boͤsen Kammerjungfer betrogen worden war. Aber der Ofen hatte oben ein Loch, da lauerte ihr der alte Koͤnig zu und vernahm ihr Schicksal von Wort zu Wort. Da war’s gut und Koͤnigskleider wur- den ihr alsbald angethan und es schien ein Wun- der, wie sie so schoͤn war; der alte Koͤnig rief sei- nen Sohn und offenbarte ihm, daß er die falsche Braut haͤtte, die waͤre ein bloßes Kammermaͤd- chen, die wahre aber staͤnde hier, als die gewesene Gaͤnsemagd. Der junge Koͤnig aber war herzens- froh, als er ihre Schoͤnheit und Tugend erblickte und ein großes Mahl wurde angestellt, zu dem alle Leute und gute Freunde gebeten wurden, obenan saß der Braͤutigam, die Koͤnigstochter zur einen Seite und die Kammerjungfer zur andern, aber die Kammerjungfer war verblendet und er- kannte jene nicht mehr in dem glaͤnzenden Schmuck. Als sie nun gegessen und getrunken hatten und gutes Muths waren, gab der alte Koͤnig der Kam- merfrau ein Raͤthsel auf: was eine solche werth waͤre, die den Herrn so und so betrogen haͤtte, erzaͤhlte damit den ganzen Verlauf und fragte: „welches Urtheils ist diese wuͤrdig?“ Da sprach die falsche Braut: „die ist nichts bessers werth, als splinternackt ausgezogen in ein Faß inwendig mit spitzen Naͤgeln beschlagen geworfen zu werden, und zwei weiße Pferde davor gespannt muͤssen sie Gaß auf Gaß ab zu Tode schleifen!“ „Das bist du, sprach der alte Koͤnig, und dein eigen Urtheil hast du gefunden und darnach soll dir widerfah- ren,“ welches auch vollzogen wurde; der junge Koͤnig vermaͤhlte sich aber mit seiner rechten Ge- mahlin und beide regirten ihr Reich in Frieden und Seligkeit. 4. Von einem jungen Riesen . Ein Bauersmann hatte einen Sohn, der war so groß wie ein Daumen und ward gar nicht groͤ- ßer, und wuchs in etlichen Jahren nicht haarbreit. Einmal wollte der Bauer ins Feld gehen und pfluͤgen, da sagte der kleine: „Vater, ich will mit hinaus.“ „Nein, sprach der Vater, bleib du nur hier, draußen bist du zu nichts nutz, du koͤnntest mir auch verloren gehen.“ Da fing der Daͤum- ling an zu weinen, und wollte der Vater Ruhe haben, mußt’ er ihn mitnehmen. Also steckte er ihn in die Tasche und auf dem Felde that er ihn heraus und setzte ihn in eine frische Furche. Wie er da so saß, kam uͤber den Berg ein großer Riese daher. „Siehst du dort den großen Butzemann, sagte der Vater und wollte den Kleinen schrecken, damit er artig waͤre, der kommt und holt dich.“ Der Riese aber hatte lange Beine, und wie er noch ein Paar Schritte gethan, da war er bei der Furche, nahm den kleinen Daͤumling heraus und ging mit ihm fort. Der Vater stand dabei, konnte vor Schreck kein Wort sprechen und glaubte, sein Kind waͤre nun verloren also, daß er’s sein lebtag nicht wieder sehen wuͤrde. Der Riese aber nahm es mit sich und ließ es an seiner Brust saugen und der Daͤumling wuchs und ward groß und stark nach Riesen-Art und als zwei Jahre herum waren, ging der Alte mit ihm in den Wald und wollt’ ihn versuchen und sprach: „zieh dir da eine Gerte heraus.“ Da war der Knabe schon so stark, daß er einen jungen Baum mit den Wurzeln aus der Erde riß. Der Riese aber dachte, das muß besser kommen und nahm ihn wieder mit, saͤugte ihn noch zwei Jahre und als er ihn da in den Wald fuͤhrte, sich zu versuchen, riß er schon einen viel groͤßeren Baum heraus. Das war aber dem Riesen noch nicht genug und er saͤugte ihn noch zwei Jahre, ging dann mit ihm in den Wald und sprach: „nun reiß einmal eine ordentliche Gerte aus.“ Da riß der Junge den dicksten Eichenbaum aus der Erde, daß es krachte und war ihm nur ein Spaß. Wie der alte Riese das sah, sprach er, nun ist’s gut, du hast ausgelernt, und fuͤhrte ihn zuruͤck zu dem Acker, wo er ihn geholt hatte. Sein Vater pfluͤgte gerade wieder, da ging der junge Riese auf ihn zu und sprach: „sieht er wohl, Vater, wie’s gekommen ist, ich bin sein Sohn.“ Da erschrak der Bauer und sagte: „nein, du bist mein Sohn nicht, geh’ weg von mir.“ „Freilich bin ich sein Sohn, laß er mich einmal pfluͤgen, ich kann’s so gut, wie er auch.“ — „Nein, du bist mein Sohn nicht, du kannst auch nicht pfluͤgen, geh’ nur weg von mir.“ Weil er sich aber vor dem großen Mann fuͤrchtete, ließ er den Pflug los, ging weg und setzte sich zur Seite an’s Land. Da nahm der Junge das Ge- schirr und wollte pfluͤgen, aber er druͤckte blos mit der einen Hand so gewaltig darauf, daß der Pflug tief in die Erde ging. Der Bauer konnte das nicht mit ansehen und rief ihm zu: wenn du pfluͤ- gen willst, mußt du nicht so gewaltig druͤcken, das Land wird nicht ordentlich. Der Junge aber spannte die Pferde aus, und spannte sich selber vor den Pflug und sagte: „geh’ er nur nach Haus, Vater, und sag’ er der Mutter, sie sollt’ eine rechte Schuͤssel voll zu essen kochen; ich will der- weil den Acker schon herumreißen.“ Da ging der Bauer heim und bestellte es bei seiner Frau und die kochte eine tuͤchtige Schuͤssel voll, der Junge aber pfluͤgte das Land, zwei Morgen Felds ganz allein, und dann spannte er sich auch selber vor die Egge und eggte alles mit zwei Eggen zu- gleich. Wie er fertig war, ging er in den Wald und riß zwei Eichenbaͤume aus, legte sie auf die Schultern und hinten und vorn eine Egge drauf, und hinten und vorn auch ein Pferd, und trug das alles wie einen Bund Stroh nach Haus. Wie er in den Hof kam, kannte ihn seine Mutter nicht und fragte: „wer ist der entsetzliche große Mann?“ der Bauer sagte: „das ist unser Sohn.“ Sie sprach: „nein, unser Sohn ist das nimmer- mehr, so groß haben wir keinen gehabt, unser war ein kleines Ding: geh’ nur weg, wir wollen dich nicht.“ Der Junge aber schwieg still, zog seine Pferde in den Stall, gab ihnen Haber und Heu und brachte alles in Ordnung; und wie er fertig war, ging er in die Stube, setzte sich auf die Bank und sagte: „Mutter, nun haͤtt’ ich Lust zu essen, ist’s bald fertig?“ da sagte sie ja, ge- traute sich nicht, ihm zu widersprechen und brachte zwei große, große Schuͤsseln voll herein, daran haͤtten sie und ihr Mann acht Tage satt gehabt. Er aber aß sie allein auf und fragte, ob sie nicht mehr haͤtten? „Nein, sagte sie, das ist alles, was wir haben.“ „Das war ja nur zum schmecken, ich muß noch mehr haben.“ Da ging sie hin und setzte einen großen Schweinekessel voll uͤber’s Feuer und wie es gahr war, trug sie es herein. „Nun, da ist noch ein Bischen, sagte er, und aß das alles noch hinein: es war aber doch nicht ge- nug. Da sprach er: „Vater, ich seh’ wohl, bei ihm werd’ ich nicht satt, will er mir einen Stab von Eisen verschaffen, der stark ist, daß ich ihn vor meinen Knien nicht zerbrechen kann, so will ich wieder fort gehen.“ Da war der Bauer froh und spannte seine zwei Pferde vor den Wagen, fuhr zum Schmid und holte einen Stab so groß und dick, als ihn die zwei Pferde nur fahren konnten. Der Junge aber nahm ihn vor die Knie und ratsch! zerbrach er ihn wie eine Boh- nenstange in der Mitte entzwei. Der Vater spannte da vier Pferde vor und holte einen Stab so groß und dick, als ihn die vier Pferde fahren konnten. Den nahm der Sohn auch, knickte ihn vor dem Knie entzwei, warf ihn hin und sprach: „Vater, der kann mir nicht helfen, er muß bes- ser vorspannen und einen staͤrkern Stab holen.“ Da spannte der Vater acht Pferde vor und holte einen so groß und dick, als ihn die acht Pferde nur fahren konnten. Wie der Sohn den kriegte, brach er gleich oben ein Stuͤck davon ab und sagte: „Vater, ich sehe, er kann mir doch keinen Stab anschaffen, ich will nur so weggehen.“ Da ging er fort und gab sich fuͤr einen Schmiedegesellen aus. Er kam in ein Dorf, darin wohnte ein Schmied, der war ein Geitz- mann, goͤnnte keinem Menschen etwas und wollte alles haben; zu dem trat er nun in die Schmiede und fragte ihn, ob er keinen Gesellen brauche. „Ja, sagte der Schmied und sah ihn an und dachte, das ist ein tuͤchtiger Kerl, der wird gut vorschla- gen und sein Brot verdienen: „wie viel willst du Lohn haben?“ „Gar keinen Lohn will ich haben, sagte er, nur alle 14 Tage, wenn die andern Ge- sellen ihren bezahlt kriegen, will ich dir zwei Streiche geben, die mußt du aushalten.“ Das war der Geitzmann von Herzen zufrieden und dachte damit viel Geld zu sparen. Am andern Morgen sollte der fremde Gesell’ zuerst vorschla- gen, wie aber der Meister den gluͤhenden Stab bringt und er den ersten Schlag thut, da fliegt das Eisen von einander und der Ambos sinkt in die Erde, so tief, daß sie ihn gar nicht wieder herausbringen konnten. Da ward der Geitzmann boͤs und sagte: „ei was, dich kann ich nicht brau- chen, du schlaͤgst gar zu grob, was willst du fuͤr den einen Zuschlag haben?“ Da sprach er: ich will dir nur einen ganz kleinen Streich geben, weiter nichts.“ Und hob seinen Fuß auf und gab ihm einen Tritt, daß er uͤber vier Fuder Heu hinausflog. Darauf nahm er den dicksten Eisen- stab aus der Schmiede als einen Stock in die Hand und ging weiter. Als er eine Weile gezogen war, kam er zu einem Amt und fragte den Amtmann, ob er kei- nen Großknecht noͤthig haͤtte. Ja, sagte der Amtmann, er koͤnnte einen brauchen, er sehe aus wie ein tuͤchtiger Kerl, der schon was vermoͤchte, wie viel er Jahrslohn haben wollte. Da sprach er wieder, er wollt’ gar keinen Lohn, aber alle Jahre wollt’ er ihm drei Streiche geben, die muͤßte er aushalten. Das war der Amtmann zufrieden, denn er war auch so ein Geitzhals. Am andern Morgen, da sollten die Knechte ins Holz fahren und die andern waren schon auf, er aber lag noch im Bett. Da rief ihn einer an: „nun steh auf, es ist Zeit, wir wollen in’s Holz, du mußt mit.“ „Ach, sagte er ganz grob und trotzig, geht ihr nur hin, ich komme doch eher wieder, als ihr alle miteinander.“ Da gingen die andern zum Amtmann und erzaͤhlten ihm, der Großknecht laͤge noch im Bett und wollte nicht mit in’s Holz fahren. Der Amtmann sagte, sie sollten ihn noch einmal wecken und ihn heißen die Pferde vorspannen. Der Großknecht sprach aber wie vorher: „geht ihr nur hin, ich komme doch eher wieder, als ihr alle miteinander.“ Darauf blieb er noch zwei Stunden liegen, da stieg er endlich aus den Federn, holte sich aber erst zwei Scheffel voll Erbsen vom Boden, kochte sie und aß sie in guter Ruhe, und wie das alles gesche- hen war, ging er hin, spannte die Pferde vor und fuhr in’s Holz. Bald vor dem Holz war ein Hohlweg, wo er durch mußte, da fuhr er den Wagen erst vorwaͤrts, dann mußten die Pferde stille halten und er ging hinter den Wagen und nahm Baͤume und Reisig und machte da eine große Hucke (Verhack), so daß kein Pferd durch- kommen konnte. Wie er nun vor’s Holz kam, fuhren die andern eben mit ihren beladenen Wa- gen heraus und wollten heim, da sprach er zu ihnen: „fahrt nur hin, ich komme doch eher als ihr nach Haus.“ Er fuhr aber nur ein Bischen ins Holz und riß gleich zwei von den allergroͤßten Baͤumen aus der Erde, die lud er auf den Wa- gen und drehte um. Wie er vor die Hucke kam, standen die andern noch da und konnten nicht durch, da sprach er: „seht ihr wohl, waͤrt ihr bei mir geblieben, waͤrt ihr eben so gerade nach Haus gekommen und haͤttet noch eine Stunde schlafen koͤnnen.“ Er wollte nun zufahren, aber seine vier Pferde, die konnten sich nicht durchar- beiten, da spannte er sie aus, legte sie oben auf den Wagen, spannte sich selber vor, huͤf! zog er alles durch und das ging so leicht, als haͤtt’ er Federn geladen. Wie er druͤben war, sprach er zu den andern: „seht ihr wohl, ich bin eher durch- gekommen als ihr“ und fuhr fort und die andern mußten stehen bleiben. In dem Hof aber nahm er einen Baum in die Hand und zeigte ihn dem Amtmann, und sagte: „ist das nicht ein schoͤnes Klafterstuͤck?“ Da sprach der Amtmann zu seiner Frau: „der Knecht ist gut, wenn er auch lang schlaͤft, er ist doch eher wieder da, als die andern.“ Nun diente er dem Amtmann ein Jahr; wie das herum war und die andern Knechte ihren Lohn kriegten, sprach er, nun waͤr’s Zeit, er wollte auch gern seinen Lohn sich nehmen. Dem Amtmann ward aber Angst dabei, daß er die Streiche krie- gen sollte und bat ihn gar zu sehr, er moͤchte sie ihm ihm schenken, lieber wollte er selbst Großknecht werden und er sollte Amtmann seyn. „Nein, sprach er, ich will kein Amtmann werden, ich bin Großknecht und will’s bleiben, ich will aber austheilen, was bedungen ist.“ Der Amtmann wollt’ ihm geben, was er nur verlangte, aber es half nichts, der Großknecht sprach zu allem nein. Da wußte sich der Amtmann keinen Rath und bat ihn nur um 14 Tage Frist, er wollte sich auf etwas besinnen; da sprach der Großknecht, die sollt’ er haben. Der Amtmann berief alle seine Schreiber zusammen, die sollten sich beden- ken und ihm einen Rath geben, die besannen sich lange, endlich sagten sie, man muͤßte den Groß- knecht um’s Leben bringen; er sollte große Muͤhl- steine um den Brunnen im Hof anfahren lassen und dann ihn heißen hinabsteigen und den Brun- nen rein machen, und wenn er unten waͤre, woll- ten sie ihm die Muͤhlsteine auf den Kopf werfen. Der Rath gefiel dem Amtmann und da ward alles eingerichtet und wurden die groͤßten Muͤhl- steine herangefahren. Wie nun der Großknecht im Brunnen stand, rollten sie die Steine hinab, und die schlugen hinunter, daß das Wasser in die Hoͤh’ spruͤtzte. Da meinten sie gewiß, der Kopf waͤr’ ihm eingeschlagen, aber er rief: „jagt doch die Huͤhner vom Brunnen weg, die kratzen da- oben im Sand und werfen mir die Koͤrner in die Augen, daß ich nicht sehen kann.“ Da rief der Kindermaͤhrchen II. C Amtmann: bsch! bsch! und that als scheuchte er die Huͤhner weg. Wie nun der Großknecht fer- tig war, stieg er herauf und sagte: „seht einmal, ich hab’ doch ein schoͤn Halsband um,“ da waren es die Muͤhlensteine, die trug er um den Hals. Wie der Amtmann das sah, ward ihm wieder Angst, denn der Großknecht wollt’ ihm nun seinen Lohn geben; da bat er wieder um 14 Tage Be- denkzeit und ließ die Schreiber zusammen kom- men, die gaben endlich den Rath, er sollt’ ihn in die verwuͤnschte Muͤhle schicken, und ihn heißen, dort in der Nacht noch Korn malen, da sey noch kein Mensch lebendig Morgens heraus- gegangen. Der Anschlag gefiel dem Amtmann; also rief er ihn noch denselben Abend, und sagte, er sollte acht Malter Korn in die Muͤhle fahren und in der Nacht noch malen, sie haͤttens noͤthig. Da ging der Großknecht auf den Boden und that zwei Malter in seine rechte Tasche, zwei in die linke, vier nahm er in einem Quersack halb auf den Ruͤcken, halb auf die Brust und ging so nach der verwuͤnschten Muͤhle. Der Muͤller aber sagte ihm, bei Tag koͤnnt’ er recht gut da mahlen, aber nicht in der Nacht, da sey die Muͤhle verwuͤnscht, und wer da noch hineingegangen, der sey am Morgen todt darin gefunden worden. Er sprach: „ich will schon durchkommen, macht euch nur fort und legt euch auf’s Ohr.“ Darauf ging er in die Muͤhle und schuͤttete das Korn auf und wie’s bald elf schlagen wollte, ging er in die Muͤllerstube und setzte sich auf die Bank. Als er ein bischen da gesessen hatte, that sich auf einmal die Thuͤr auf und kam eine große, große Tafel herein, und auf die Tafel stellte sich Wein und Braten und viel gutes Essen, alles von selber, denn es war niemand da der’s auftrug. Und darnach ruͤckten sich die Stuͤhle herbei, aber es kamen keine Leute, bis auf einmal sah er Finger, die handthierten mit den Messern und Gabeln und legten Speisen auf die Teller, aber sonst konnt’ er nichts sehen. Nun war er hungrig und sah die Speisen, da setzte er sich auch an die Tafel und aß mit und ließ sich’s gut schmecken. Wie er aber satt war und die andern ihre Schuͤsseln auch ganz leer gemacht hat- ten, da wurden die Lichter auf einmal alle ausge- putzt, das hoͤrte er deutlich, und wie’s nun stock- finster war, so kriegte er so etwas wie eine Ohr- feige in’s Gesicht; da sprach er: „wenn noch ein- mal so etwas kommt, so theil’ ich auch wieder aus;“ und wie er zum zweiten Mal eine krieg- te, da schlug er gleichfalls mit hinein. Und so ging das fort die ganze Nacht, er ließ sich nicht schrecken, und schlug nicht faul um sich herum; bei Tagesanbruch aber hoͤrte alles auf. Wie der Muͤller aufgestanden war, wollt’ er nach ihm sehen und verwunderte sich, daß er noch lebte. Da sprach er: „ich habe Ohrfeigen gekriegt, aber ich habe auch Ohrfeigen ausgetheilt und mich satt C 2 gegessen.“ Der Muͤller freute sich und sagte, nun waͤre die Muͤhle erloͤst und er wollt’ ihm gern zur Belohnung viel Geld geben. Er sprach aber: „Geld will ich nicht, ich habe doch genug.“ Dann nahm er sein Mehl auf den Ruͤcken und ging nach Haus und sagte dem Amtmann, er habe die Sache ausgerichtet und wollte nun seinen bedungenen Lohn haben. Wie der Amtmann das hoͤrte, da ward ihm erst recht Angst und er wußte sich nicht zu lassen und ging in der Stube auf und ab, daß ihm die Schweißtropfen von der Stirne herunter- liefen. Da machte er das Fenster auf nach ein wenig frischer Luft, eh er sich’s aber versah, hatte ihm der Großknecht einen Tritt gegeben, daß er durchs Fenster in die Luft hinein flog, immer fort, bis ihn niemand mehr sehen konnte. Da sprach der Großknecht zur Frau des Amtmanns, nun muͤßte sie den andern Streich hinnehmen, die sagte aber: „ach nein, ich kann’s nicht aus- halten“ und machte auch ein Fenster auf, weil ihr die Schweißtropfen die Stirn’ herunter liefen. Da gab er ihr gleichfalls einen Tritt, daß sie auch hinausflog und noch viel hoͤher als ihr Mann; und der rief ihr zu: „komm doch zu mir!“ sie aber rief: „komm du doch zu mir, ich kann nicht zu dir;“ und sie schwebten da in der Luft und konnte keins zum andern, und ob sie da noch schweben, das weiß ich nicht; der junge Riese aber nahm seine Eisenstange und ging weiter. 5. Dat Erdmaͤnneken . Et was mal en rik Kuͤnig west, de hadde drei Doͤchter had, de woͤren alle Dage in den Schlott-Goren spazeren gaan, un de Kuͤnig, dat was so en Lievhaber von allerhand wackeren Boͤ- men west; un einen, den hadde he so leiv had, dat he denjenigen, de uͤnne en Appel dervon pluͤckede, hunnerd Klafter unner de Eere verwuͤn- schede. As et nu Hervest war, da wurden de Appel an den einen Baume so raut, ase Blaud. De drei Doͤchter gungen alle Dage unner den Baum un seken to, ov nig de Wind ’n Appel herunner schlagen haͤdde, awerst se fannen ir levedage kienen, un de Baum, de satt so vull, dat he brecken wull, un de Telgen (Zweige) hun- gen bis up de Eere. Da gelustede den jungesten Kuͤnigskinne gewaldig, un et segde to sinen Suͤ- stern: „use Teite (Vater), de hett us viel to leiv, ase dat he us verwuͤnschen deihe; ik gloͤve, dat he dat nur wegen de fruͤmden Lude dahen hat.“ Un indes pluͤcked dat Kind en gans dicken Appel af un sprunk fur sinen Suͤstern und segde: „a! nu schmecket mal, mine lewen Suͤsterkes, nu hew ik doch min levedage so wat schones no nig schmecket.“ Da beeten de beiden annern Kuͤ- nigsdoͤchter auch mal in den Appel, un da ver- suͤnken se alle drei deip, so deip unner de Eere, dat kien Haan mer danach krehete. As et da Middag is, da willt se de Kuͤnig do Diske roopen, do sind se nirgens to finnen, he soͤket se so viel im Schlott un in Goren, awerst he kun se nig finnen. Da werd he so bedroͤwet, un let dat ganse Land upbeien (aufbieten), un wer uͤnne sine Doͤchter wier brechte, de sull ene davon tor Fruen hewen. Da gahet so viele junge Lude uwer Feld, un soͤket, dat is gans ut der Wise (uͤber alle Maßen); denn jeder hadde de drei Kinner geren had, wiil se woͤren gegen je- dermann so fruͤndlig un so schoͤn von Angesichte west. Und et togen auck drei Jaͤger-burschen ut, un ase da wol en acht Dage rieset hadden, da kummet se up en grot Schlott, da woren so huͤb- sche Stoben inne west, un in einer Zimmer is en Disch decket, darup woͤren so soͤte Spisen, de sied noch so warme, dat se dampet, awerst in den ganzen Schlott is kien Minsk to hoͤren noch to seihen. Da wartet se noch en halwen Dag, un de Spisen bliewet immer un dampet, bis up et lest, da weret se so hunerig, dat se sik derbie settet un ettet un macket mit en anner ut, se wullen up den Schlotte wuhnen bliewen, un wuͤllen daruͤmme loosen, dat eine in Huse blev un de beiden annern de Dochter soͤketen; dat doet se auk, un dat Loos dreppet den oͤlesten. Den annern Dag, da gaet de twei juͤngesten soͤken, un de oͤleste mot to Huse bliewen. Am Middage kuͤmmt der so en klein klein Maͤnneken un hoͤlt um ’n Stukesken Braud ane, da nuͤmmt he von dem Braude, wat he da funnen haͤdde un schnitt en Stuͤcke rund umme den Braud weg, un will uͤnne dat giewen, indes dat he et uͤnne reiket, lett et dat kleine Maͤnneken fallen un segd, he sulle dok so gut sin un giewen uͤn dat Stuͤcke wier. Da will he dat auck doen un bucket sik, mit des nuͤmmt dat Maͤnneken en Stock un paͤckt uͤnne bie den Haaren un giwt uͤnne duͤchtige Schlaͤge. Den anneren Dag, da is de tweide to Hus blie- wen, den geit et nicks better; ase de tweide da den Avend nah Hus kuͤmmet, da segd de oͤleste: „no, wie haͤtt et die dann gaen?“ — „o et geit mie gans schlechte.“ Da klaget se sik enanner ehre Naud, awerst den jungesten hadden se nicks davonne sagd, den hadden se gar nig lien (leiden) mogt und hadden uͤnne jummer den dummen Hans heiten, weil he nig recht van de Weld was. Den driden Dag, da blivt de jungeste to Hus, da kuͤmmet dat kleine Maͤnneken wier un hoͤlt um en Stuͤcksken Braud an, da he uͤnne da giewen haͤtt, let he et wier fallen un segd, he moͤgte dock so gut sien und reicken uͤnne dat Stuͤcksken wier. Da segd he to den kleinen Maͤnneken: „wat! kannst du dat Stuͤcke nig sulwens wier up nummen, wenn du die de Moͤhe nig mal um dine daͤglige Narunge giewen wust, so bist du auck nig werth, dat du et etest.“ Do word dat Maͤnneken so boͤs und sehde, he moͤst et doen; he awerst nig fuhl, nam min lewe Maͤnneken un drosch et daet doͤr (tuͤchtig durch), da schrige dat Maͤnneken so viel un rep: „hoͤr up, hoͤr up, nu lat mie geweren, dann will ik die auck seggen, wo de Kuͤnigsdoͤchter sied;“ wie he dat hoͤrde, haͤll he up to slaen un dat Maͤnneken vertelde, he woͤr en Erdmaͤnneken un sulke woͤren mehr ase dusend, he moͤgte man mit uͤnne gaen, dann wulle he uͤnne wiesen, wo de Kuͤnigsdoͤchter we- ren. Da wist he uͤnne en deipen Born, da is awerst kien Water inne west, da segd dat Maͤnne- ken, he wuste wohl, dat et sine Gesellen nig ehr- lich mit uͤnne meinten, wenn he de Kuͤnigskin- ner erloͤsen wulle, dann moͤste he et alleine doen. De beiden annern Broer wullen wohl auck geren de Kuͤnigsdoͤchter wier hewen, awerst se wullen der kiene Moͤge un Gefahr umme doen, he moͤste so en grauten Korv nuͤmmen, un moͤste sik mit finen Hirschfaͤnger un en Schelle darinne setten un sik herunner winnen laten, unnen da woͤren drei Zimmer, in jeden sette ein Kuͤnigskind un haͤdde en Drachen mit villen koͤppen to lusen, den moͤste he de Koͤppe afschlagen. Ase dat Erd- maͤnneken nun alle sagd hadde, verschwand et. Ase’t Awend is, da kuͤmmet de beiden anneren un fraget, wie et uͤn goen haͤdde, da segd he: „o, so wit gud“ un haͤdde keinen Minsken sehen, ase des Middags, da wer so ein klein Maͤnneken kummen, de haͤdde uͤn umme en Stuͤcksken Braud biddit, do he et uͤnne giewen haͤdde, haͤdde dat Maͤnneken et fallen laten un haͤdde segd, he mog- tet uͤnne doch wier up nuͤmmen, wie he dat nig hadde doen wullt, da haͤdde he anfangen to pu- chen, dat haͤdde he awerst unrecht verstan un haͤdde dat Maͤnneken pruͤgelt, un da haͤdde et uͤnne ver- tellt, wo de Kuͤnigsdoͤchter waͤren. Da aͤrgerten sik de beiden, so viel, dat se gehl un groͤn woͤren. Den anneren Morgen da gungen se to haupe an den Born un mackten Loose, we sik dat erste in den Korv setten sulle, do feel dat Loos wier den oͤllesten to, he mot sik darin setten un de Klin- get mitniemen, da segd he: „wenn ik klingele, so mutt gi mik nur geschwinne wier herupwin- nen.“ Ase he en bitken herunner is, da klin- gelte wat, da winnen se uͤnne wier heruper, da sett sik de tweide herinne, de maket ewen sau; nu kuͤmmet dann auck de Riege an den jungesten, de laͤt sik awerst gans derinne runner winnen. Ase he ut den Korwe stigen is, da nuͤmmet he sinen Hirschfaͤnger un geit vor der ersten Doer staen un lustert, da hort he den Drachen gans lute schnar- chen; he macket langsam de Doͤre oppen, da sitt da de eine Kuͤnigsdochter un haͤd op eren Schot niegene (neun) Drachenkoͤppe ligen un luset de. Da nuͤmmet he sinen Hirschfaͤnger un hogget to, do sied de niegne Koppe awe. De Kuͤnigsdochter sprank up un faͤl uͤnne um den Hals un drucket un piepete (kuͤßte) uͤnn so viel; un nuͤmmet ihr Bruststuͤcke, dat wor von rauen Golle west, un henget uͤnne dat umme. Da geit he auck nach der tweiten Kuͤnigsdochter, de haͤd en Drachen mit sieven Koͤppe to lusen un erloͤset de auck, so de jungeste, de hadde en Drachen mit viere Koͤp- pen to lusen had, da geit he auck hinne. Do fro- get se sich alle so viel, un drucke’n un piepete’n ohne uphoͤren. Da klingelte he sau harde, bis dat se oͤwen hoͤrt. Da set he de Kuͤnigsdochter ein nach der annern in den Korv un let se alle drei heruptrecken, wie nu an uͤnne de Riege kuͤmmt, da fallet uͤn de Woore (Worte) von den Erdmaͤn- neken wier bie, dat et sine Gesellen mit uͤnne nig gud meinden. Da nuͤmmet he en groten Stein, de da ligt, un laͤgt uͤn in den Korv, ase de Korv da ungefaͤr bis in de Midde herup is, schnien de falsken Broer owen de Strick af, dat de Korv mit den Stein up den Grund fuͤll un meinten, he woͤre nu daude un laupet mit de drei Kuͤnigsdoͤch- ter wege un latet sik dervan verspreken, dat se an ehren vater seggen willt, dat se beiden se erloͤ- set haͤdden; da kuͤmmet se to Kuͤnig un begert se tor Frugen. Unnerdes geit de jungeste Jaͤgerbur- sche gans bedroͤwet in den drei Kammern herum- mer un denket, dat he nu wull sterwen moͤste, da suͤht he an der Wand ’n Fleutenpipe hangen, da segd he: „woumme hengest du da wull, hier kann ja doch keiner lustig sin.“ He bekucket auck de Drachenkoͤppe un segd: „ju kummt mie nu auck nig helpen;“ he geit so mannigmal up un af spatzeren, dat de Erdboden davon glat werd. Up et lest, da krieht he annere Gedanken, da nuͤm- met he de Floͤtenpipen van der Wand un blest en Stuͤcksken, up eenmahl kummet da so viele Erd- maͤnnekes, bie jeden Ton den he daͤht, kummt eint mehr; da blest he so lange dat Stuͤcksken, bis det Zimmer stopte-vull is. De vraget alle, wat sin Begeren woͤre, da segd he, he wull geren wier up de Ere an Dages Licht, da fatten se uͤnne alle an, an jeden Spir (Faden) Haar, wat he up sinen Koppe hadde, un sau fleigen se mit uͤnne herupper bis up de Ere. Wie he owen is, geit he glick nach den Kuͤnigs-Schlott, wo grade de Hochtit mit der einen Kuͤnigs-Dochter sin sulle, he geit up den Zimmer, wo de Kuͤnig mit sinen drei Doͤchtern is. Wie uͤnne da de Kinner seihet, da wered se gans beschwaͤhmt (ohnmaͤchtig), da werd de Kuͤnig so boͤse un laͤt uͤnne glick in een Gefaͤngniße setten, wiel he meint, he haͤdde den Kinnern en Leid anne daen. Ase awer de Kuͤ- nigsdoͤchter wier to sik kummt, da biddet se so viel, he mogte uͤnne doch wier lose laten. De Kuͤnig fraget se, woruͤmme, da segd se, dat se dat nig vertellen dorften, awerst de Vaer de segd, se sul- len et den Owen (Ofen) vertellen. Da geit he herut un lustert an de Doͤre, un hoͤrt alles; da laͤt he de beiden an en Galgen haͤngen un den einen givt he de jungeste Dochter; un da trok ik en paar glaͤserne Schohe an, und da stott ik an en Stein, da segd et; klink! da waͤren se caput. 6. Der Koͤnig vom goldenen Berg . Ein Kaufmann, der hatte zwei Kinder, einen Buben und ein Maͤdchen, die waren beide noch klein und konnten noch nicht laufen. Es gingen aber zwei reichbeladene Schiffe von ihm auf dem Meer, und sein ganzes Vermoͤgen war darin, und wie er meinte, dadurch viel Geld zu gewinnen, kam die Nachricht, sie waͤren versun- ken. Da war er nun statt eines reichen Mannes ein armer Mann und hatte nichts mehr uͤbrig, als einen Acker vor der Stadt; um sich nun sein Ungluͤck ein bischen aus den Gedanken zu schla- gen, ging er dahinaus. Und wie er da so auf und abging, stand auf einmal ein kleines schwar- zes Maͤnnchen neben ihm und fragte, warum er so traurig waͤre und was er sich so sehr zu Herzen naͤhme. Da sprach der Kaufmann: „wenn du mir helfen koͤnntest, wollt’ ich dir es wohl sagen.“ — Wer weiß, sagte das schwarze Maͤnnchen, sag’ mir’s nur, vielleicht helf’ ich dir.“ Da erzaͤhlte der Kaufmann, daß ihm sein ganzer Reichthum auf dem Meer zu Grunde gegangen waͤre und habe er nichts mehr uͤbrig, als diesen Acker. „O! da bekuͤmmere dich nicht, sagte das Maͤnnchen, wenn du mir versprichst, das, was dir zu Haus am ersten widers Bein stoͤßt, in zwoͤlf Jahren hierher auf den Platz zu bringen, sollst du Geld haben so viel du willst.“ Der Kaufmann dachte, das ist ein geringes, was kann das anders seyn, als dein Hund, aber an seinen kleinen Jungen dachte er nicht, und sagte ja und gab dem schwar- zen Mann Handschrift und Siegel daruͤber und ging nach Haus. Als er nach Haus kam, da hatte sich sein kleiner Junge so gefreut, daß er sich an den Baͤnken hielt, zu ihm hinwackelte und ihn an den Beinen fest packte. Da erschrack der Vater und wußte nun was er verschrieben hatte, weil er aber immer noch kein Geld sah, dachte er, es waͤr’ nur ein Spaß von dem Maͤnnchen gewesen. Ohngefaͤhr einen Mo- nat nachher ging er auf den Boden und wollte das alte Zinn zusammensuchen und verkaufen, um noch etwas daraus zu loͤsen, da sah er einen gro- ßen Haufen Geld liegen. Wie er das Geld sah, war er vergnuͤgt, kaufte wieder ein, ward ein groͤßerer Kaufmann, als vorher, und ließ Gott einen guten Mann seyn. Unterdessen ward der Junge groß und ein gescheidter Mensch. Je mehr aber die zwoͤlf Jahre herbeikamen, je aͤngster es dem Kaufmann ward, so daß man ihm die Angst im Gesicht sehen konnte. Da fragte ihn der Sohn einmal, was ihm fehle; der Vater wollt’ es nicht sagen, aber er hielt so lange an, bis er ihm endlich sagte, er habe ihn ohne daß er es ge- wußt, einem schwarzen Maͤnnchen versprochen fuͤr vieles Geld und habe seine Handschrift mit Siegel daruͤber gegeben, und nun muͤsse er ihn, wenn zwoͤlf Jahre jetzt herum waͤren, ausliefern. Da sprach der Sohn: „o Vater, laßt euch nicht bang seyn, das soll schon gut werden, der Schwarze hat keine Macht uͤber mich.“ Da ließ sich der Sohn von dem Geistlichen segnen und als die Stunde kam, gingen sie zu- sammen hinaus auf den Acker und der Sohn machte einen Kreis und stellte sich mit seinem Va- ter hinein. Da kam das schwarze Maͤnnchen und sprach zu dem Alten: „hast du, was du mir versprochen hast?“ der schwieg aber still und der Sohn sprach: „was willst du hier?“ Da sagte das schwarze Maͤnnchen: „ich habe mit deinem Vater zu sprechen und nicht mit dir.“ — Der Sohn sprach: „Du hast meinen Vater betrogen und verfuͤhrt, gib die Handschrift heraus.“ — „Nein, sagte das schwarze Maͤnnchen, mein Recht geb ich nicht auf.“ Da redeten sie noch lange miteinander, endlich wurden sie einig, der Sohn, weil er nicht dem Erbfeind und nicht mehr seinem Vater zugehoͤre, solle sich in ein Schiffchen setzen, das auf einem hinabwaͤrts fließenden Was- ser stehe, und der Vater solle es mit seinem eige- nen Fuß fortstoßen und da solle der Sohn dem Wasser uͤberlassen bleiben. Da nahm er Abschied von seinem Vater und setzte sich in ein Schiffchen und der Vater mußte es mit seinem eigenen Fuß fortstoßen. Und das Schiffchen drehte sich her- um, daß der unterste Theil oben war, die Decke aber im Wasser, und der Vater glaubte, er waͤr’ verloren, ging heim und trauerte um ihn. Das Schiffchen aber floß ganz ruhig fort und ging nicht unter und der Juͤngling saß sicher dar- in, und so floß es lange, bis es endlich an einem unbekannten Ufer festsitzen blieb. Da stieg er an’s Land, sah ein schoͤnes Schloß vor sich liegen und ging drauf los, wie er aber hineintrat, war es verwuͤnscht und alles leer, bis er zuletzt in einer Kammer eine Schlange antraf. Die Schlange aber war eine verwuͤnschte Prinzessin, die freute sich, wie sie ihn sah und sprach zu ihm: „kommst du, mein Erloͤser, auf dich habe ich schon zwoͤlf Jahre gewartet, dies Reich ist verwuͤnscht, und du mußt es erloͤsen. Heute Nacht kommen zwoͤlf Maͤnner, schwarz und mit Ketten behangen, die werden dich fragen, was du hier machst, da schweig aber still und gib ihnen keine Antwort, und laß sie mit dir machen, was sie wollen; sie werden dich quaͤlen, schlagen und stechen, laß alles geschehen, nur rede nicht, um zwoͤlf Uhr muͤssen sie wieder fort. Und in der zweiten Nacht werden wieder zwoͤlf andere kommen, in der dritten vier und zwanzig, die werden dir den Kopf abhauen; aber um zwoͤlf Uhr ist ihre Macht vorbei und wenn du dann ansgehalten und kein Woͤrtchen gesprochen hast, so bin ich erloͤst und komme zu dir und stehe dir bei und habe das Wasser des Lebens, damit bestreich’ ich dich und dann bist du wieder lebendig und gesund wie zu- vor.“ Da sprach er: „gern will ich dich erloͤsen,“ und es geschah nun alles so, wie sie gesagt hatte: die schwarzen Maͤnner konnten ihm kein Wort abzwingen und in der dritten Nacht ward die Schlange zu einer schoͤnen Prinzessin, die kam mit dem Wasser des Lebens und machte ihn wie- der lebendig. Und dann fiel sie ihm um den Hals und kuͤßte ihn und ward Jubel und Freude im ganzen Schloß, und ihre Hochzeit wurde ge- halten und er war Koͤnig vom goldenen Berge . Also lebten sie vergnuͤgt zusammen und die Koͤnigin gebar einen schoͤnen Prinzen und acht Jahre waren schon herum, da fiel ihm sein Vater ein, daß sein Herz davon bewegt ward und er wuͤnschte ihn einmal heimzusuchen. Die Koͤnigin wollte ihn aber nicht fortlassen und sagte: „ich weiß schon, daß das mein Ungluͤck ist,“ er ließ ihr aber keine Ruhe, bis sie einwilligte. Beim Abschied gab sie ihm noch einen Wuͤnschring und sprach: sprach: „nimm diesen Ring und steck’ ihn an dei- nen Finger, wo du dich hinwuͤnschest, wirst du alsbald hinversetzt, nur mußt du mir versprechen, daß du ihn nicht gebrauchst, mich von hier weg zu deinem Vater zu wuͤnschen.“ Da versprach er’s, steckte den Ring an seinen Finger und wuͤnschte sich heim vor die Stadt, wo sein Vater lebte. Alsbald war er auch davor, aber nicht darin; wie er nun vor’s Thor kam, wollten ihn die Schildwachen nicht einlassen, weil er so seltsam und reich gekleidet war. Da ging er auf einen Berg, wo ein Schaͤfer huͤtete, mit diesem tauschte er die Kleider und zog den alten Schaͤferrock an und ging also ungestoͤrt in die Stadt ein. Als er zu seinem Vater kam, gab er sich zu erkennen, der aber sprach, er glaube nimmermehr, daß er sein Sohn sey, er haͤtte zwar einen gehabt, der sey laͤngst todt, weil er aber sehe, daß er ein ar- mer, duͤrftiger Schaͤfer sey, so wolle er ihm einen Teller voll zu essen geben. Da sprach der Schaͤ- fer zu seinen Eltern: „ich bin wahrhaftig euer Sohn, wißt ihr kein Mal an meinem Leibe, woran ihr mich erkennen koͤnnt’?“ — „Ja, sagte die Mutter, unser Sohn hatte eine Himbeer unter dem rechten Arm.“ Da streifte er das Hemd von seinem Arm und da sahen sie die Himbeer und waren nun uͤberzeugt, daß es ihr Sohn war. Darauf erzaͤhlte er ihnen, er waͤre Koͤnig vom goldenen Berge und eine Prinzessin seine Gemahlin Kindermaͤhrchen II. D und sie haͤtten einen schoͤnen Prinzen von sieben Jahren. Da sprach der Vater: „nun und nim- mermehr ist das wahr, das ist ein schoͤner Koͤnig, der in einem zerlumpten Schaͤferrock hergeht.“ Da ward er zornig, drehte seinen Ring herum, ohne an sein Versprechen zu denken und wuͤnschte beide, seine Gemahlin und seinen Prinzen, zu sich. In dem Augenblick waren sie auch da, aber die Koͤnigin, die klagte und weinte und sagte, er haͤtte sein Wort gebrochen und sie ungluͤcklich ge- macht; doch weil sie einmal da war, mußte sie sich wohl zufrieden geben; aber sie hatte Boͤses im Sinn. Da fuͤhrte er sie hinaus vor die Stadt auf den Acker und zeigte ihr das Wasser und wo das Schiffchen war abgestoßen worden und dann sprach er: „ich bin muͤd, setz’ dich nieder, ich will ein wenig auf deinem Schooß schlafen.“ Da legte er seinen Kopf auf ihren Schooß und sie lauste ihn ein wenig, bis er einschlief. Als er einge- schlafen war, zog sie den Ring von seinem Finger und den Fuß, den sie unter ihm stehen hatte, zog sie auch heraus und ließ nur den Toffel unter ihm liegen; dann nahm sie ihren Prinzen und wuͤnschte sich wieder in ihr Koͤnigreich. Als er aufwachte, da lag er da ganz verlassen und seine Gemahlin mit dem Prinzen war fort und der Ring vom Finger auch, nur der Toffel stand noch da zum Wahrzeichen. „Nach Haus zu deinen Eltern kannst du nicht wieder gehen, dachte er, die sagen, du waͤrst ein Hexenmeister, du willst aufpacken und gehen, bis du in dein Koͤnigreich kommst. Also ging er fort und kam endlich zu einem Berg, wo drei Riesen ihres Vaters Erbe theilen wollten und als sie ihn vorbeigehen sahen, riefen sie ihn und sagten, kleine Menschen haͤtten klugen Sinn, er sollt’ ihnen die Erbschaft ver- theilen, das war ein Degen, wenn einer den in in die Hand nahm und sprach: „Koͤpf’ alle run- ter, nur meiner nicht,“ so lagen alle Koͤpfe auf der Erde; zweitens ein Mantel, wer den anzog, war unsichtbar; drittens ein Paar Stiefeln, wenn man die an den Fuͤßen hatte und sich wohin wuͤnschte, so war man gleich da. Er sprach, sie muͤßten ihm die drei Stuͤcke einmal geben, damit er sie probiren koͤnne, ob sie auch alle noch in gu- tem Stand waͤren. Da gaben sie ihm den Man- tel, den that er um, und wuͤnschte sich zu einer Fliege, alsbald war er eine Fliege. „Der Man- tel ist gut, sprach er, nun gebt mir einmal das Schwert.“ Sie sagten: „nein, das geben wir nicht, denn wenn du spraͤchst: „Koͤpf’ alle run- ter, nur meiner nicht!“ so waͤren unsere Koͤpfe alle herab und du haͤttest deinen noch; „doch ga- ben sie es ihm, wenn er’s an den Baͤumen pro- biren wollte, das that er und das Schwert war auch gut. Nun wollt’ er noch die Stiefel haben, sie sprachen aber: „nein, die koͤnnen wir nicht D 2 geben, wenn du die anhaͤttest und spraͤchst, du wolltest oben auf dem Berg seyn, so stuͤnden wir da unten und haͤtten nichts.“ „Nein, sprach er, das will ich nicht thun,“ da gaben sie ihm die Stiefel auch noch. Wie er nun alle drei Stuͤcke hatte, da wuͤnschte er sich auf den goldenen Berg, und alsbald war er dort, und die Riesen ver- schwunden und war also ihr Erbe getheilt. Als er nah beim Schloß war, hoͤrte er Geigen und Floͤten und die Leute sagten ihm, seine Gemahlin halte Hochzeit mit einem andern Prinzen. Da zog er seinen Mantel an, und machte sich zur Fliege, ging in’s Schloß hinein und stellte sich hin- ter seine Gemahlin, und niemand sah ihn. Wenn sie ihr nun ein Stuͤck Fleisch auf den Teller leg- ten, nahm er’s weg und aß es, und wenn sie ihr ein Glas Wein einschenkten, nahm er’s weg und tranks; sie gaben ihr immer und sie hatte doch immer nichts auf dem Teller. Da schaͤmte sie sich, stand auf, ging in ihre Kammer und weinte, er aber ging hinter ihr her; da sprach sie vor sich: „ist denn der Teufel uͤber mir oder mein Erloͤser kam nie!“ da gab er ihr ein paar derbe Ohrfei- gen und sagte: „kam dein Erloͤser nie, er ist uͤber dir, du Betruͤgerin! habe ich das an dir verdient?“ Darauf ging er hin und sagte, die Hochzeit waͤr’ aus, er waͤre wieder gekommen, da wurde er verlacht von den Koͤnigen, Fuͤrsten und Ministern, die da waren. Er aber gab kurze Worte und fragte, ob sie sich entfernen wollten oder nicht? da wollten sie ihn fangen, aber er zog sein Schwert und sprach: „Koͤpf’ alle runter, nur meiner nicht!“ Da lag alles gleich im Blut dar- nieder und er war wieder Koͤnig vom goldenen Berge. 7. Die Rabe . Es war einmal eine Mutter mit einem Toͤch- terchen, das war noch klein und wurde noch auf dem Arm getragen. Nun geschah es, daß das Kind einmal unruhig war und die Mutter mochte sagen, was sie wollte, es half nicht. Da ward sie ungeduldig und weil die Raben so um das Haus herumflogen, machte sie das Fenster auf und sagte: „ich wollt’ du waͤrst eine Rabe und floͤgst fort, so haͤtt’ ich Ruh,“ und kaum hatte sie das Wort gesagt, so war das Kind eine Rabe und flog von ihrem Arm zum Fenster hinaus. Die Rabe aber flog weg und niemand konnte ihr fol- gen, sie flog aber in einen dunkelen Wald und blieb darin. Auf eine Zeit fuͤhrte einen Mann sein Weg in diesen Wald und er hoͤrte die Rabe rufen und er ging der Stimme nach; und als er naͤher kam, sagte die Rabe zu ihm: „ich bin ver- wuͤnscht worden und bin eine Koͤnigstochter von Geburt, du kannst mich erloͤsen.“ Da sprach er: „wie soll ich das anfangen?“ Da sagte sie: „geh’ hin in das Haus dort, darin sitzt eine alte Frau, die wird dir Essen und Trinken reichen und dich davon genießen heißen, aber du darfst nichts neh- men, denn wenn du trinkst, so trinkst du einen Schlaftrunk und dann kannst du mich nicht erloͤ- sen. Im Garten hinter dem Haus ist eine große Lohhucke, darauf sollst du stehen und mich erwar- ten: den Nachmittag um zwei Uhr komm’ ich in einer Kutsche, die ist mit vier weißen Hengsten bespannt, wenn du aber dann nicht wach bist, sondern schlaͤfst, so werd’ ich nicht erloͤst.“ Der Mann sprach, er wollt’ alles thun, die Rabe aber sagte: „ach ich weiß es wohl, du kannst mich nicht erloͤsen, du nimmst doch etwas von der Frau.“ Da versprach der Mann noch einmal, er wollte gewiß nichts anruͤhren von dem Essen und Trinken. Wie er aber in das Haus kam, trat die alte Frau zu ihm und sagte: „ei, was seyd ihr abgemattet, kommt und erquickt euch, esset und trinkt.“ „Nein, sagte der Mann, ich will nicht essen und trinken;“ sie ließ ihm aber keine Ruhe und sprach: „wenn ihr dann nicht essen wollt, so thut einen Zug aus dem Glas, einmal ist keinmal,“ bis er sich uͤberreden ließ und einen Trunk nahm. Nachmittags gegen zwei Uhr ging er hinaus in den Garten auf die Lohhucke und wollte auf die Rabe warten; wie er da stand, auf einmal ward er so muͤd’ und wollte sich nicht hinlegen, aber er konnte es gar nicht mehr aus- halten, und mußte sich ein Bischen legen; doch wollte er nicht einschlafen, aber kaum hatte er sich gelegt, da fielen ihm die Augen von selber zu und er schlief ein und schlief so fest, daß ihn nichts auf der Welt haͤtte erwecken koͤnnen. Um zwei Uhr kam die Rabe mit vier weißen Hengsten ge- fahren und war schon in voller Trauer und sprach: „ich weiß doch schon, daß er schlaͤft!“ Und als sie in den Garten kam, lag er auch da auf der Lohhucke und schlief; und wie sie vor ihm war, stieg sie aus dem Wagen, schuͤttelte und rief ihn an, er wollte nicht erwachen. Sie rief aber so lang’ bis sie ihn endlich aus dem Schlaf erweckte, da sagte sie: „ich sehe wohl, daß du mich hier nicht erloͤsen kannst, aber Morgen will ich noch einmal wieder- kommen, dann habe ich vier braune Hengste vor dem Wagen, aber du darfst bei Leibe nichts neh- men von der Frau, kein Essen und kein Trinken.“ Da sagte er: „nein gewiß nicht.“ Sie sprach aber: „ach! ich weiß es wohl, du nimmst doch etwas!“ Am andern Tag zur Mittagszeit kam die alte Frau und sagte, er aͤße und traͤnke ja nichts, was das waͤre? Da sprach er: nein, ich will nicht essen und trinken.“ Sie aber stellte das Essen und Trinken vor ihn hin, daß der Ge- ruch zu ihm aufging und beredete ihn, daß er wieder etwas trank. Gegen zwei Uhr ging er in den Garten auf die Lohhucke und wollte auf die Rabe warten, da ward er wieder so muͤde, daß seine Glieder ihn nicht mehr hielten und er konnte sich nicht helfen, er mußte sich legen und ein Bis- chen schlafen. Wie nun die Rabe daher fuhr mit vier braunen Hengsten, war sie wieder in vol- ler Trauer und sagte: „ich weiß doch schon, daß er schlaͤft!“ Und als sie hin zu ihm kam, lag er da und schlief fest, da stieg sie aus dem Wagen, schuͤttelte ihn und sucht ihn zu erwecken; das ging aber noch schwerer als gestern, bis er endlich er- wachte. Da sprach die Rabe: „ich sehe wohl, daß du mich nicht erloͤsen kannst, Morgen Nach- mittag um zwei Uhr will ich noch einmal kom- men, aber das ist das letztemal, meine Hengste sind dann schwarz und ich habe auch alles schwarz; du darfst aber nichts nehmen von der alten Frau, kein Essen und kein Trinken.“ Da sagte er: „nein gewiß nicht.“ Sie sprach aber: „ach, ich weiß es wohl, du nimmst doch etwas!“ Am an- dern Tag kam die alte Frau und sagte, er aͤße und traͤnke ja nichts, was das waͤre? Da sprach er: „nein ich will nicht essen und trinken.“ Sie aber sagte, er sollte nur einmal schmecken, wie gut das alles sey, Hungers koͤnnte er doch nicht ster- ben; da ließ er sich uͤberreden und trank doch wie- der etwas. Als es Zeit war, ging er hinaus in den Garten auf die Lohhucke und wartete auf die Prinzessin, da ward er wieder so muͤde, daß er sich’ nicht halten konnte und er sich hin legte und schlief so fest als waͤr’ er von Stein. Um zwei Uhr kam die Rabe und hatte vier schwarze Hengste und die Kutsche und alles war schwarz; sie war aber in voller Trauer und sprach: „ich weiß doch schon, daß er schlaͤft und mich nicht erloͤsen kann.“ Als sie zu ihm kam, lag er da und schlief fest, sie ruͤttelte ihn und rief ihn, aber sie konnt’ ihn nicht aufwecken, er schlief in einem fort. Da legte sie ein Brot neben ihn hin, davon konnte er so viel essen, als er wollte, es wurde nicht all’; dann ein Stuͤck Fleisch, davon konnt’ er auch so viel essen, als er wollte, es wurde nicht all’; zum dritten eine Flasche Wein, davon konnt’ er trin- ken, so viel er wollte, es wurde nicht all’. Darnach nahm sie ihren goldenen Ring vom Finger und steckt ihm den an und war ihr N am e darein ge- graben, und endlich legte sie einen Brief hin, darin stand, was sie ihm gegeben hatte und daß es nie all’ wuͤrde und es stand auch darin: „ich sehe wohl, daß du mich hier nicht erloͤsen kannst, willst du mich aber noch erloͤsen, so komm nach dem goldenen Schloß von Stromberg, da kannst du es, das weiß ich gewiß.“ Und wie sie ihm das alles gegeben hatte, setzte sie sich in ihren Wagen und fuhr weg in das goldene Schloß von Strom- berg. Als der Mann aufwachte, und sah, daß er geschlafen hatte, ward er von Herzen traurig und sprach: „gewiß nun ist sie vorbei gefahren und du hast sie nicht erloͤst.“ Da fielen ihm die Dinge in die Augen, die neben ihm lagen, und er las den Brief, darin geschrieben stand, wie es zuge- gangen war. Also machte er sich auf und ging fort und wollte nach dem goldenen Schloß von Stromberg, aber er wußte nicht, wo es lag. Nun war er schon lange in der Welt herumgegangen, da kam er in einen dunkeln Wald und ging vier- zehn Tage darin fort, und konnte sich nicht her- ausfinden. Da ward es wieder Abend, und er war so muͤde, daß er sich an einen Busch legte und einschlief; am andern Tag ging er weiter und wollt’ sich am Abend wieder an einen Busch legen, da hoͤrt’ er ein Heulen und Jammern, daß er nicht einschlafen konnte. Und wie die Zeit kam, wo die Leute die Lichter anstecken, sah er eins schimmern und machte sich auf und ging ihm nach, da kam er vor ein Haus, das schien so klein, denn es stand ein großer Riese davor. Da dacht’ er bei sich: „gehst du wohl hinein oder nicht, wenn du’s thust, kommst du vielleicht um’s Leben, du willst aber doch einmal hineingehen.“ Wie er nun drauf zu ging und der Riese ihn sah, sprach er: „es ist gut, daß du kommst, ich habe doch lange nichts gegessen, jetzt will ich dich gleich zum Abend- brot verschlucken.“ „Laß das gut seyn, sprach der Mann, wenn du essen willst, so hab’ ich was bei mir.“ „Wenn das ist, sagte der Riese, so bist du gut.“ Da gingen sie beide hinein und setzten sich an den Tisch und der Mann holte sein Brot, Wein und Fleisch, was nicht all’ wurde, hervor, und sie aßen sich beide recht satt. Dar- nach sagte der Mann zum Riesen: „kannst du mir nicht sagen, wo das goldene Schloß von Stromberg ist.“ Der Riese sprach: „ich will einmal auf meiner Landcharte nachsehen, darauf sind alle Staͤdte, Doͤrfer und Haͤuser.“ Da holt’ er seine Landkarte, die er in der Stube hatte, und suchte das Schloß, konnte es aber nicht fin- den; „das thut nichts, sprach er, ich habe oben in einem Schranke noch mehr Landkarten, da will ich einmal sehen, ob es darauf zu finden ist. Sie sahen zu, konnten’s aber nicht finden. Der Mann wollte nun weiter gehen, der Riese aber sprach, er sollte noch ein Paar Tage warten, er haͤtte einen Bruder, der waͤr’ aus und holte was zu essen, wenn der kaͤme, der haͤtte auch gute Landkarten, da wollten sie noch einmal suchen, der faͤnd’s ge- wiß. Also wartete der Mann, bis der Bruder nach Haus kam, der sagte, er wuͤßte es nicht ge- wiß, er glaubte aber das goldene Schloß von Stromberg staͤnde auf seiner Karte. Da aßen sich die drei noch einmal recht satt und dann ging der zweite Riese hin und sprach: „nun will ich einmal zusehen auf meiner Karte;“ allein das Schloß war auch nicht darauf. Da sagt’ er, er haͤtte noch oben eine Kammer voll Landkarten, da muͤßt’ es darauf stehen. Wie er nun die herun- ter gebracht hatte, suchten sie von neuem und end- lich fanden sie das goldene Schloß von Strom- berg, aber es war viele tausend Meilen weit weg. „Wie werd’ ich nun dahin kommen?“ sprach der Mann. „Ei, sagte der Riese, zwei Stunden hab’ ich Zeit, da will ich dich bis in die Naͤhe tra- gen, dann muß ich aber wieder nach Haus und das Kind saͤugen, das wir haben.“ Da trug der Riese den Mann bis etwa noch hundert Stunden vom Schloß und sagte: „jetzt muß ich zuruͤck, den uͤbrigen Weg kannst du wohl allein gehen.“ — „O ja, sagte der Mann, das kann ich wohl.“ Wie sie sich nun trennen wollten, sprach der Mann, „wir wollen uns erst recht satt essen;“ und darauf nahm der Riese Abschied und ging heim. Der Mann aber ging vorwaͤrts Tag und Nacht, bis er endlich zu dem goldenen Schloß von Stromberg kam. Da stand es aber auf einem glaͤsernen Berge, und oben darauf sah er die ver- wuͤnschte Prinzessin fahren; nun wollte er hinauf zu ihr, aber er glitschte immer wieder herunter. Da war er ganz betruͤbt und sprach zu sich selbst: am besten ist, du baust dir hier eine Huͤtte, Essen und Trinken hast du ja.“ Also baute er sich eine Huͤtte und saß darin ein ganzes Jahr und sah die Prinzessin alle Tage oben fahren; konnte aber nicht hinauf zu ihr kommen. Da hoͤrte er einmal wie drei Riesen sich schlu- gen, und rief ihnen zu: „Gott sey mit euch!“ Sie hielten bei dem Ruf inne, als sie aber nie- mand sahen, fingen sie wieder an sich zu schlagen und das zwar ganz gefaͤhrlich. Da sprach er wie- der: „Gott sey mit euch!“ sie hoͤrten wieder auf, guckten sich um, weil sie aber niemand sahen, fuhren sie auch wieder fort, sich zu schlagen. Da sprach er zum drittenmal: „Gott sey mit euch!“ und dacht’, du mußt doch sehen, was die drei vor- haben, ging hin und fragte sie, warum sie so auf einander losschluͤgen. Da sagte der eine, er haͤtt’ einen Stock gefunden, wenn er damit wider eine Thuͤr schluͤge, so spraͤnge sie auf; der andere sagte, er haͤtte einen Mantel gefunden, wenn er den umhinge, so waͤr’ er unsichtbar; der dritte aber sprach, er haͤtte ein Pferd gefangen, mit dem koͤnnte man den glaͤsernen Berg hinaufreiten. Da sprach der Mann: „fuͤr die drei Sachen will ich euch etwas geben, Geld habe ich zwar nicht, aber andere Dinge, die noch mehr werth sind; doch muß ich sie vorher probiren, damit ich sehe, ob ihr auch die Wahrheit gesagt habt.“ Da ließen sie ihn auf’s Pferd sitzen, hingen ihm den Man- tel um und gaben ihm den Stock in die Hand, und wie er das alles hatte, konnten sie ihn nicht mehr sehen und er pruͤgelte sie durch und durch, rief: „nun, seyd ihr zufrieden?“ und ritt den Berg hinauf. Oben aber vor dem Schloß, das war verschlossen, da schlug er mit dem Stock vor die Thuͤr, gleich sprang sie auf, und er ging hinein und die Treppe hinauf oben in den Saal, da saß die Prinzessin und hatte einen goldenen Kelch mit Wein vor sich stehen; konnt’ ihn nicht sehen, weil er den Mantel um hatte. Und als er vor sie kam, zog er den Ring vom Finger, den sie ihm gegeben hatte und schmiß ihn in den Kelch, daß es klang. Da rief sie: „das ist mein Ring, so muß auch der Mann da seyn, der mich erloͤst.“ Sie suchten im ganzen Schloß, und fanden ihn nicht, er aber war hinaus gegangen, hatte sich auf’s Pferd gesetzt und den Mantel abgeworfen. Wie sie nun vor das Thor kamen, sahen sie ihn, und schrien vor Freude; und er stieg ab und nahm die Prinzessin in den Arm, da kuͤßte sie ihn und sagte: „jetzt hast du mich erloͤst.“ Darauf hielten sie Hochzeit und lebten vergnuͤgt mit- einander. 8. Die kluge Bauerntochter . Es war einmal ein armer Bauer, der hatte kein Land, nur ein kleines Haͤuschen und eine alleinige Tochter, da sprach die Tochter: wir soll- ten den Herrn Koͤnig um ein Stuͤckchen Rottland bitten.“ Da der Koͤnig ihre Armuth hoͤrte, schenkte er ihnen auch ein Eckchen Rasen; den hackte sie und ihr Vater um, und wollten ein we- nig Korn und der Art Frucht darauf saͤen; und als sie ihn beinah herum hatten, da fanden sie in der Erde einen Moͤrsel von purem Gold. „Hoͤr’, sagte der Vater zu dem Maͤdchen, weil unser Herr Koͤnig so gnaͤdig ist gewesen und hat uns die- sen Acker geschenkt, so muͤssen wir ihm den Moͤr- sel wiedergeben.“ Die Tochter aber wollt’ es nicht bewilligen und sagte: „Vater, wenn wir den Moͤrsel haben und haben den Stoͤßer nicht, dann muͤssen wir auch den Stoͤßer schaffen, darum schweigt lieber still.“ Er wollt’ ihr aber nicht gehorchen, nahm den Moͤrsel und trug ihn zum Herrn Koͤnig und sagte, den haͤtt’ er gefunden in der Heide. Der Koͤnig nahm den Moͤrser und fragte, ob er nichts mehr gefunden? nein, sprach der Bauer, da sagte der Koͤnig: er sollte nun auch den Stoͤßer herbeischaffen. Der Bauer sprach, den haͤtten sie nicht gefunden; aber das half ihm soviel, als haͤtt’ er’s in den Wind gesagt, er ward in’s Gefaͤngniß gesetzt und sollte so lange da sitzen, bis er den Stoͤßer herbeigeschafft haͤtte. Die Be- dienten mußten ihm taͤglich Wasser und Brot bringen, was man so in dem Gefaͤngniß kriegt, da hoͤrten sie, wie der Mann als fort schrie: „ach! haͤtt’ ich meiner Tochter gehoͤrt! ach! ach! haͤtt’ ich meiner Tochter gehoͤrt!“ Da gingen die Bedienten zum Koͤnig und sprachen das, wie der Gefangene als fort schrie: „ach! haͤtt’ ich doch meiner Tochter gehoͤrt!“ und wollte nicht essen und nicht trinken. Da befahl er den Bedienten, sie sollten ihn vor ihn bringen und da fragte der Herr Koͤnig, warum er also fort schreie: ach! haͤtt’ ich meiner Tochter gehoͤrt! „Was hat eure Tocht er denn gesagt?“ — „Ja, sie hat gespro- chen, ich sollt’ den Moͤrsel nicht bringen, sonst muͤßt’ ich auch den Stoͤßer schaffen.“ „Habt ihr dann so eine kluge Tochter so laßt sie einmal her- kommen.“ Also mußte sie vor den Koͤnig kom- men; der fragte sie, ob sie dann so klug waͤre, und sagte, er wollt’ ihr ein Raͤthsel aufgeben, wann sie das treffen koͤnnte, dann wollt’ er sie heir athen. Da sprach sie ja, sie wollt’s errathen. Da sagte der Koͤnig: „komm zu mir nicht geklei- det, nicht nackend, nicht geritten, nicht gefahren, nicht in dem Weg, nicht außer dem Weg, und wann du das kannst, will ich dich heirathen.“ Da ging sie hin, und zog sich aus splinter nackend, da war sie nicht gekleidet, und nahm ein großes Fischgarn und setzte sich hinein und wickelte sich hinein, da war sie nicht nackend, und borgte einen Esel fuͤr’s Geld und band dem Esel das Fischgarn an den Schwanz, daran er sie fortschleppen mußte, und war das nicht geritten und nicht gefahren, und mußte sie der Esel in der Fahrgleiße schlep- pen, so daß sie nur mit der großen Zehe auf die Erde kam, und war das nicht in dem Weg und nicht nicht außer dem Weg. Und wie sie so daher kam, sagte der Koͤnig, sie haͤtte das Raͤthsel getroffen und sey alles erfuͤllt. Da ließ er ihren Vater los aus dem Gefaͤngniß und nahm sie bei sich als seine Gemahlin und befahl ihr das ganze koͤnig- liche Gut an. Nun waren etliche Jahre herum, als der Herr Koͤnig einmal auf die Parade zog, da trug es sich zu, daß Bauern mit ihren Wagen vor dem Schloß hielten, die hatten Holz verkauft, etliche mit Och- sen und etliche mit Pferden. Da war ein Bauer, der hatte drei Pferde, davon kriegte eins ein jun- ges Fuͤllchen, das lief weg und legte sich an ei- nen Wagen, wo zwei Ochsen davor waren, mit- tendrein. Als nun die Bauern zusammen kamen, fingen sie an sich zu zanken, schmeißen und laͤr- men und der Ochsenbauer wollte das Fuͤllchen be- halten und sagte, die Ochsen haͤtten’s gehabt, und der andere sagte, nein, seine Pferde haͤtten’s ge- habt und es waͤr’ sein. Der Zank kam vor den Koͤnig und der that den Ausspruch: wo das Fuͤl- len gelegen haͤtte, da sollt’ es bleiben und also be- kam’s der Ochsenbauer, dem’s doch nicht gehoͤrte. Da ging der andere weg, weinte und lamentirte uͤber sein Fuͤllchen; nun so hatte er gehoͤrt, wie daß die Frau Koͤnigin so gnaͤdig sey, weil sie auch von armen Bauersleuten gekommen waͤre, ging zu ihr und bat sie, ob sie ihm nicht helfen koͤnnte, Kindermaͤhrchen. II. E daß er sein Fuͤllchen wieder bekaͤme. Sagte sie, „ja,“ wenn ihr mir versprecht, daß ihr mich nicht verrathen wollt’, will ich’s euch sagen: morgen fruͤh, wenn der Koͤnig auf der Wachtparade ist, so stellt euch hin mitten in die Straße, wo er vor- beikommen muß, nehmt ein großes Fischgarn und thut als fischtet ihr, und fischt also fort und schuͤt- tet es aus, als wenn ihr’s voll haͤttet, und sagte ihm auch, was er antworten sollte, wenn er vom Koͤnig gefragt wuͤrde. Also stand der Bauer am andern Tag da, und fischte auf einem trockenen Platz; wie der Koͤnig vorbeikam und das sah, schickte er seinen Laufer hin, der sollte fragen, was der naͤrrische Mann vorhabe. Da gab er zur Antwort: „ich fische.“ Fragte der Laufer, wie er fischen koͤnnte, es waͤr’ ja kein Wasser da. Sagte der Bauer: „so gut als zwei Ochsen koͤn- nen ein Fuͤllen kriegen, so gut kann ich auch auf dem trockenen Platz fischen.“ Da ging der Lau- fer hin und brachte dem Koͤnig die Antwort, da ließ er den Bauer vor sich kommen und sagte ihm, das haͤtte er nicht von sich, von wem er das haͤtte? und sollt’s gleich bekennen. Der Bauer aber wollt’s nicht thun und sagte immer, Gottbe- wahr! er haͤtt’ es von sich. Sie banden ihn aber auf ein Gebund Stroh und schlugen und drang- salten ihn so lange, bis er’s bekannte, daß er’s von der Frau Koͤnigin haͤtte. Als der Koͤnig nach Haus kam, sagte er zu seiner Frau: „warum bist du so falsch mit mir, ich will dich nicht mehr zur Gemahlin, deine Zeit ist rum, geh wieder hin, woher du kommen bist in dein Bauernhaͤuschen.“ Doch erlaubte er ihr eins: sie sollte sich das Liebste und Beste mitnehmen, was sie wuͤßte und das sollte ihr Abschied seyn. Sie sagte, „ja, lie- ber Mann, wenn du’s so befiehlst, will ich es auch thun,“ und fiel uͤber ihn her und kuͤßte ihn und sprach, sie wollte Abschied von ihm nehmen. Dann ließ sie einen starken Schlaftrunk kommen, Abschied mit ihm zu trinken, der Koͤnig that einen großen Zug, sie aber trank nur ein wenig, da gerieth er bald in einen tiefen Schlaf. Und als sie das sah, rief sie einen Bedienten und nahm ein schoͤ- nes weißes Linnentuch und schlug ihn da hinein, und die Bedienten mußten ihn in einen Wagen vor der Thuͤre tragen und fuhr sie ihn heim in ihr Haͤuschen. Da legte sie ihn auf ihr Bettchen, und er schlief Tag und Nacht in einem fort und als er aufwachte, sah er sich um und sagte: „ach Gott! wo bin ich denn?“ rief seinen Bedienten, aber es war keiner da. Endlich kam seine Frau vor’s Bett und sagte: „lieber Herr Koͤnig, ihr habt mir befohlen, ich sollte das Liebste und Beste aus dem Schloß mitnehmen, nun hab’ ich nichts besseres und lieberes als dich, da hab’ ich dich mit- genommen.“ Der Koͤnig sagte: „liebe Frau, du sollst mein seyn und ich dein,“ und nahm sie wieder mit ins koͤnigliche Schloß und ließ sich auf’s E 2 neue mit ihr vermaͤhlen und werden sie ja wohl noch auf heutigen Tag leben. 9. Der Geist im Glas . Es ließ ein Mann seinen Sohn studiren, wie der ein paar Schulen durchstudirt hatte, konnte der Vater nichts mehr an ihn verwenden; da ließ er ihn zu sich kommen und sprach: „du weißt, un- ser Vermoͤgen ist aufgegangen, ich kann nichts mehr an dir thun.“ Da sagte der Sohn: „lie- ber Vater, macht euch daruͤber keinen Kummer, wenn es so ist, da bleib’ ich bei euch und will mit euch gehen und etwas am Malterholz (d. h. am Zuhauen und Aufrichten) verdienen;“ denn der Vater war ein Tagloͤhner, und erwarb sein Brot damit. Der Vater sagte: „ja, mein Sohn, das soll dir beschwerlich ankommen, ich hab’ auch nur eine Axt und kann dir keine kaufen.“ „Ei, sagte der Sohn, geht zum Nachbar, der leiht euch eine.“ Also borgte der Vater eine Axt fuͤr ihn und sie gingen miteinander ins Holz und arbei- teten. Wie sie bis Mittag gearbeitet hatten, sagte der Vater: „nun wollen wir ein Bischen rasten und unser Mittagsbrot essen, da geht die Arbeit hernach noch einmal so frisch.“ Der Stu- dent nahm sein Mittagsbrot in die Hand und sagte zum Vater, er wollte damit herumgehen und Vogelnester suchen. „O du Geck! sprach der Vater, was willst du da herumgehen, bleib bei mir, sonst wirst du muͤd’ und kannst hernach nichts mehr thun.“ Der Sohn ging aber in dem Wald herum, aß sein Brot und sah sich nach Voͤgels- nestern um und kam zu einer großen, gefaͤhrlichen Eiche, da suchte er ein Bischen herum. Auf ein- mal kam gegen ihn eine Stimme aus der Wurzel, die rief mit so einem recht dumpfen Ton: „laß mich heraus! laß mich heraus!“ Da horcht’ er darnach und rief: „wo bist du?“ es sprach von neuem: „laß mich heraus! laß mich heraus! „Ja ich seh’ aber nichts, sagte der Student, wo bist du?“ — „Hier bin ich bei der Eichwurzel.“ Da fing er an zu suchen und fand in einer kleinen Hoͤhle eine Glasflasche, daraus war die Stimme gekommen, er hielt sie gegen das Licht, da war eine Gestalt darin wie ein Frosch, die Gestalt rief aber weiter: „nimm den Pfropfen herab.“ Das that der Student, und wie er den Pfropfen abgenommen hatte, kam ein Kerl von entsetzlicher Groͤße heraus und sprach: „weißt du wohl, was du fuͤr einen Lohn verdient, weil du mich her- ausgelassen hast?“ „Nein,“ sagte der Student. „So will ich dir’s sagen: ich muß dir den Hals dafuͤr brechen.“ „Nein, sagte der Student, mir nicht so, das haͤttest du fruͤher sagen sollen, so haͤtt’ ich dich nicht herausgelassen. Da muͤssen erst mehr Leute gefragt werden.“ — „Mehr Leute hin, mehr Leute her, du mußt deinen ver- dienten Lohn haben, du kannst leicht denken, daß ich nicht aus Gnade da eingeschlossen war, son- dern aus Strafe: weißt du wohl, was ich fuͤr einen Namen habe?“ — „Nein, sagte der Stu- dent, das weiß ich nicht.“ Da sprach der Geist: „ich bin der großmaͤchtige Merkurius, ich muß dir den Hals zerbrechen.“ „Nein das geht nicht, so wie du meinst, sagte der Student, du mußt einen andern Rath anfangen; ich muß auch sehen, ob du wieder in die Flasche hinein kommst, sonst glaub’ ich nimmermehr, daß du herauskommen bist, wenn ich das aber sehe, will ich mich in deine Gefangenschaft geben.“ Da willigte der Geist ein und begab sich durch dasselbe Loch und durch den Hals der Flasche wieder hinein; wie er drin war, steckte der Student den abgezogenen Pfro- pfen wieder auf und der Geist war angefuͤhrt. Da bat der Geist, er moͤcht’ ihn doch wieder er- loͤsen und herauslassen. „Nein, sagte der Stu- dent, der mir nach dem Leben strebte, den kann ich nicht wieder herauslassen und den will ich in Ewigkeit nicht wieder herauslassen.“ Da sprach der Geist: „ich will dir auch so viel geben, daß du dein Lebtag genug hast.“ „Du wuͤrdest mich doch betruͤgen, wie das erstemal, sagte der Stu- dent.“ „Nein, sagte der Geist, ich will dir nichts thun.“ Da ließ er sich bewegen und that den Pfropfen wieder ab und der Geist stieg her- aus. „Nun will ich dich belohnen, sprach er, da hast du ein Pflaster, wenn du mit dem einen Ende eine Wunde damit bestreichst, so wird sie heilen, und wenn du Stahl oder Eisen mit dem andern Ende bestreichst, soll es all in Silber ver- wandelt seyn.“ Da wollte der Student das Pflaster probiren und machte an einem Baum ei- nen kleinen Ritz und hielt dann das Pflaster daran, da war er alsbald geheilt. Da dankte der Student dem Geiste und der Geist dankte ihm auch fuͤr seine Erloͤsung und sie nahmen Ab- schied von einander. Der Student ging zuruͤck zu seinem Vater, der wieder an der Arbeit war und ihn schalt, daß er so lange ausgeblieben waͤre: „ich hab’s ja gesagt, daß du nichts thun wuͤrdest.“ „Ich will’s schon nachholen,“ sprach der Student. „Ja, sagte der Vater zornig, nachholen hat keine Art.“ — Vater, was soll ich zuerst thun?“ — „Hau den Baum da um.“ Da that der Stu- dent sein Pflaster heraus und strich seine Axt da- mit, wie er nun ein paar Hiebe gethan hatte, war sie ganz schief und hatte sich die Schaͤrfe um- gelegt, denn sie war von Silber geworden. „Nun seht ihr, Vater, sprach der Sohn, was habt ihr mir fuͤr eine Axt gegeben, die ist ja ganz schief geworden?“ — „Ach! was hast du gemacht, sagte der Vater und war noch boͤser, nun muß ich die Axt bezahlen, so bringst du mich mit deiner Huͤlfe nur in Schaden.“ Der Sohn sprach: „werdet nicht boͤs, Vater, ich will die Axt schon bezahlen.“ „Ja du Dummbart, wovon willst du sie denn bezahlen, du hast nichts, als was ich dir gebe, das sind Studentenkniffe, die stecken dir im Kopf; vom Holzhacken hast du keinen Ver- stand.“ Da wollte der Sohn den Vater bere- den, Feierabend zu machen, der Vater sagte, er solle sich packen; der Student aber ließ ihm keine Ruhe und sagte, er koͤnne nicht allein nach Haus gehen, bis der Vater mitging. Der Sohn nahm die Axt mit, der Vater aber war ein alter Mann und konnte nicht sehen, daß sie zu Silber gewor- den war. Wie sie nach Haus kamen, sagte der Vater: „nun bring’ die Axt hin und sieh, was sie dafuͤr geben wollen.“ Der Student aber nahm die Axt, ging damit in die Stadt zum Gold- schmidt und fragte, was er dafuͤr geben wollte. Wie der Goldschmidt sie gesehen hatte, sagte er, er waͤr’ nicht so reich in seinem Vermoͤgen, daß er sie bezahlen koͤnnte. Da sprach der Student, er sollte ihm geben, was er haͤtte, er wollt ihm das andere borgen. Da gab ihm der Goldschmidt 300 Thaler und lieh noch 100 Thaler dazu. Damit ging der Student heim zu seinem Vater und sprach: „hier hab’ ich Geld, nun geht hin und fragt was der Mann haben will fuͤr die Axt.“ „Das weiß ich schon, sagte der Vater 1 Thlr. 6 Gr.“ — „So gebt ihm 2 Thlr. 12 Gr. das ist das Doppelte und ist genug.“ Dann gab der Student seinem Vater hundert Thaler und sagte, es sollte ihm niemals fehlen und erzaͤhlte ihm die ganze Geschichte, wie es gegangen waͤre. Mit den an- dern 300 Thalern aber ging er hin und studirte aus; mit seinem Pflaster konnt’ er hernach alle Wunden heilen und war der beruͤhmteste Doctor in der ganzen Welt. 10. De drei Vuͤgelkens . Et is wul dusent un meere Jaare hen, da woͤren hier im Lanne luter kleine Kuͤnige, da hed auck einer up den Keuterberge wuͤnt (gewohnt), de gink sau geren up de Jagd. Ase nu mal mit sinen Jaͤgern vom Schlotte heruttrok, hoͤen (huͤ- teten) unner den Berge drei Maͤkens ire Koͤge (Kuͤhe), un wie sei den Kuͤnig mit den vielen Kuͤen seien, so reip de oͤlleste den anner beden Maͤkens to, un weis up den Kuͤnig: „helo! helo! wenn ik den nig kriege, so will ik keinen!“ da antworde de tweide up de annere Side vom Ber- ge, un weis up den, de dem Kuͤnige rechter Hand gink: „helo! helo! wenn ik den nig kriege, so will ik keinen!“ Da reip de juͤngeste un weis up den, de linker Hand gink: „helo! helo! wenn ik den nig kriege, so will ik keinen.“ Dat woͤ- ren averst de beden Ministers. Dat hoͤrde de Kuͤnig alles un ase von der Jagd heime kummen was, leit he de drei Maͤkens to sik kummen un fragete se, wat se da gistern am Berge sagd hed- den. Dat wullen se nig seggen, de Kuͤnig frog averst de oͤlleste, ob se uͤn wol rom Manne hewen wulle? da segde se ja, un ere beiden Suͤstern friggeten de beiden Ministers, denn se woͤren alle drei scheun un schir (klar, schoͤn) von Angesicht, besunners de Kuͤnigin, de hadde hare ase Flass. De beiden Suͤstern averst kregen keine Kin- ner, un ase de Kuͤnig mal verreisen moste, let he se tor Kuͤnigin kummen, um se up to mun- nern, denn se war grae (gerad) swanger. Se kreg en kleinen Jungen, de hadde ’n ritsch-roen Stern mit up de Weld. Da sehden de beiden Suͤstern, eine tor annern, se wullen den huͤbsken Jungen in’t Water werpen. Wie se’n darin wor- pen hadden (ik gloͤve, et is de Weser west) da fluͤgt ’n Vuͤgelken in de Hoͤgte, dat sank: tom Daude bereit, up wietern Bescheid, tom Lilien-Strus: wacker Junge, bist du’s? da dat de beiden hoͤrten, kregen se de Angst up’n Lieve un makten, dat se fort keimen. Wie de Kuͤnig na Hus kam, sehden se to uͤm, de Kuͤni- gin hedde ’n Hund kregen, da segde de Kuͤnig: „wat Gott deiet, dat is wole dahn!“ Et wunde averst ’n Fisker an den Water, de fiskede den kleinen Jungen wier herut, ase noch ewen lebennig was, un da sine Fru kene Kinner hadde, foerden (fuͤtterten) se ’n up. Na’n Jaar was de Kuͤnig wier verreist, da kreg de Kuͤ- nigin wier ’n Jungen, den namen de beiden fals- ken Suͤstern un warpen’n auck in’t Water, da fluͤgt dat Vuͤgelken wier in die Hoͤgte un sank: tom Daude bereit, up wietern Bescheid, tom Lilien-Strus: wacker Junge, bist du’s? Un wie de Kuͤnig toruͤgge kam, sehden se to uͤm, de Kuͤnigin hedde wier ’n Hund bekummen, un he segde wier: „wat Gott deit, dat is wole dahn!“ Averst de Fisker trok duͤsen auck ut den Water, un foerd’n up. Da verreisede de Kuͤnig wier, un de Kuͤni- gin kreg ’n klein Maͤken, dat warpen de falsken Suͤstern auck in’t Water, da fluͤgt dat Vuͤgelken wier in die Hoͤgte un sank: tom Daude bereit, up wietern Bescheid, tom Lilien-Strus: wacker Maͤken, bist du’s? Un wie de Kuͤnig na Hus kam, sehden se to uͤm, de Kuͤnigin hedde ’ne Katte kregt. Da worde de Kuͤnig beuse un leit sine Fru in’t Gefaͤnknis smie- ten, da hed se lange Jaare in setten. De Kinner woͤren unnerdes anewassen, da gink de oͤlleste mal mit annern Jungens herut to fisken, da wuͤllt uͤn de annern Jungens nig twis- ken sik hewen un segget: du Fuͤndling, gaa du diner Wege,“ da ward he gans bedroͤvet un fraͤggt den olen Fisker, ob dat war woͤre? De vertellt uͤn, dat he mal fisked hedde un hedde uͤn ut den Water troken (gezogen). Da segd he, he wulle furt un sinen Teiten (Vater) soͤken. De Fisker de biddet ’n, he moͤgde doch bliven, averst he let sik gar nig hallen, bis de Fisker et tolest to givt. Da givt he sik up den Weg un geit meere Dage hin- ner ’n anner, endlich kuͤmmt he vor ’n graut all- maͤchtig Water, davor steit ’n ole Fru un fiskede. „guden Dag, Moer,“ segde de junge. — „Gro- ten Dank!“ — Du suͤst da wol lange fisken, e du ’n Fisk faͤngest.“ — „Un du wol lange soͤken, e du dinen Teiten findst: wie wust du der denn da oͤver’t Water kummen?“ sehde de Fru. — „Ja, dat mag Gott witten!“ — Da nuͤmt de ole Fru uͤn up den Ruͤggen und draͤgt ’n der doͤrch, un he soͤcht lange Tiid un kann sinen Teiten nig finnen. Ase nu wol ’n Jaar voroͤwer is, da trekt de tweide auck ut, un will sinen Broer soͤken. He kuͤmmt an dat Water un da geit et uͤn ewen so, ase sinen Broer. Nu was nur noch de Dochter allein to Hus, de jammerde so vil na eren Broern, dat se upt lest auck den Fisker bad, he moͤgte se treken laten, se wulle ere Broerkes soͤken. Da kam se auck bie den grauten Water, da sehde se tor olen Fru: „guden Dag, Moer!“ — „groten Dank!“ — „Gott helpe ju bie juen fisken.“ Ase de ole Fru dat hoͤrde, da word se ganz fruͤndlich, und trog se oͤver’t Water, un gab er ’n Roe (Ruthe) un sehde to er: „un gah man juͤmmer up duͤsen Wege to, mine Dochter! un wenn du bie einen groten schwarten Hund vorbei kuͤmmst, so must du still, un drist, un one to lachen, un one uͤn an to kicken, vorbei gaan. Dann kuͤmmest du an ’n grot open Schlott, up’n Suͤll (Schwelle) most du de Roe fallen laten un stracks doͤrch dat Schlott an den annern Side wier herut gahen; da is ’n olen Brunnen, darut is ’n groten Boom wassen, daran haͤnget ’n Vugel im Buer, den nuͤmm af, dann nuͤmm noch ’n Glaß Water ut den Brunnen, un gaa mit duͤsen beiden den suͤl- vigen Weg wier toruͤgge, up den Suͤll nuͤmm de Roe auck wier mit, un wenn du dann wier bie den Hund vorbie kummst, so schlah uͤn in’t Ge- sicht, averst suͤ to, dat du uͤn treppest, un dann kumm nur wier to mie toruͤgge.“ Da fand se et grade so, ase de Fru et sagd hadde, un up den Ruͤckwege da fand se de beiden Broer, de sik de halve Welt dorchsoͤcht hadden. Se ging tosam- men, bis wo de swarte Hund an den Weg lag, den schlog se in’t Gesicht, da word et ’n schoͤnen Prinz, de geit mit uͤnen, bis an dat Water. Da stand da noch de ole Fru, de froͤgede sik ser, da se alle wier da woͤren und trog se alle oͤver’t Wa- ter, un dann gink se auck weg, denn se was nu erloͤst. De annern averst gingen alle na den olen Fisker un alle woͤren froh, dat se sik wier funnen hadden, den Vuͤgel averst huͤngen se an der Wand. De tweide Suhn kunne averst nig to Huse rasten un nam ’n Flitzebogen un gink up de Jagd. Wie he moͤe was, nam he sine Floͤtepipen un mackte ’n Stuͤcksken. De Kuͤnig averst woͤr auck up de Jagd un hoͤrde dat, da ging he hin, un wie he den jungen drap, so sehde he: „we hett die verloͤvt hier to jagen?“ — „O, neimes (niemand).“ — Wen hoͤrst du dann to?“ — „ik bin den Fisker sin Suhn.“ — „De hett ja keine Kinner!“ — „Wen du’t nig gloͤven wust, so kum mit.“ Dat dehe de Kuͤnig und frog den Fisker, de vertaͤlle uͤn alles, un dat Vuͤgelken an der Wand fing an to singen: De Moͤhme (Mutter) sitt allein, wol in dat Kerkerlein! o Kuͤnig, edeles Blod! Dat sind dine Kinner god. de falsken Suͤstern beide de dehen de Kinnekes Leide, wo! in des Waters Grund, wo se de Fisker fund! Da erschracken se alle un de Kuͤnig nam den Vu- gel, den Fisker un de drei Kinner mit sik na den Schlotte, un leit dat Gefaͤnknis upschluten un nam sine Fru wier herut, de was averst gans kraͤnksch un elennig woren. Da gav er de Doch- ter von den Water ut den Brunnen to drinken, da wor se frisk un gesund. De beiden falsken Suͤ- stern woren averst verbrennt un de Dochter frig- gede den Prinzen. 11. Das Wasser des Lebens . Es war einmal ein Koͤnig, der ward krank und glaubte niemand, daß er mit dem Leben da- von kaͤme. Er hatte aber drei Soͤhne, die wa- ren daruͤber betruͤbt, gingen hinunter in den Schloßgarten und weinten, da begegnete ihnen ein alter Mann, der fragte sie nach ihrem Kum- mer. Da erzaͤhlten sie, ihr Vater waͤr’ so krank, daß er wohl sterben wuͤrde; es wollte ihm nichts helfen. Der Alte sprach: „ich weiß ein Mittel, das ist das Wasser des Lebens, wenn er davon trinkt, so wird er wieder gesund; es ist aber schwer zu finden.“ Da sagte der aͤlteste: „ich will es schon finden,“ ging zum kranken Koͤnig und bat ihn, er moͤcht’ ihm erlauben auszuziehen und das Wasser des Lebens zu suchen, das ihn allein heilen koͤnne. „Nein, sprach der Koͤnig, dabei sind zu große Gefahren, lieber will ich ster- ben.“ Er bat aber so lange, bis es der Koͤnig zugab; der Prinz dachte auch in seinem Herzen: hol’ ich das Wasser, so bin ich meinem Vater der liebste und erbe das Reich.“ Also machte er sich auf, und als er eine Zeit lang fortgeritten war, stand da ein Zwerg auf dem Weg’, der rief ihn an und sprach: „wohin- aus so geschwind?“ „Du Knirps, sagte der Prinz ganz stolz, das brauchst du nicht zu wis- sen;“ und ritt weiter. Das kleine Maͤnnchen aber war zornig geworden und hatte einen boͤsen Wunsch gethan; wie nun der Prinz fortritt, kam er in eine Bergschlucht, und je weiter, je enger thaten sich die Berge zusammen, und endlich ward der Weg so eng, daß er keinen Schritt wei- ter konnte, und auch das Pferd konnte er nicht wenden und selber nicht absteigen und mußte da eingesperrt stehen bleiben. Indessen wartete der kranke Koͤnig auf ihn; aber er kam nicht und kam nicht. Da sagte der zweite Prinz: „so will ich ausziehen und das Wasser suchen“ und dachte bei sich, das ist mir eben recht, ist der todt, so faͤllt das Reich mir zu. Der Koͤnig wollt’ ihn auch anfangs nicht ziehen lassen, endlich aber mußte er’s doch zugeben. Der Prinz zog also gleiches Wegs fort und begegnete demselben Zwerg, der hielt ihn wieder an und fragte: „wohinaus so geschwind? „Du Knirps, sagte der Prinz, das brauchst du nicht zu wissen,“ und ritt in sei- nem Stolz fort. Aber der Zwerg verwuͤnschte ihn, und er gerieth wie der andere in eine Berg- schlucht und konnte nicht vorwaͤrts und ruͤckwaͤrts. So gehts aber den Hochmuͤthigen. Wie nun der zweite Prinz ausblieb, sagte der juͤngste, er wollte ausziehen und das Wasser holen und der Koͤnig mußt’ ihn endlich auch gehen lassen. Wie er nun den Zwerg auf dem Wege fand, und der fragte: wohinaus so geschwind?“ so antwortete er ihm: „ich suche das Wasser des Lebens, weil mein Vater sterbenskrank ist.“ — „Weißt du denn, wo das zu finden ist?“ „Nein,“ sagte der Prinz. „So will ich dir’s sagen, weil du mir ordentlich Rede gestanden hast; es quillt aus einem Brunnen, in einem verwuͤnschten Schloß, und damit du dazu gelangst, geb’ ich dir da eine eiserne Ruthe und zwei Laiberchen Brot, mit der Ruthe schlag dreimal an das eiserne Thor vom Schloß, so wird es aufspringen; inwen- dig werden dann zwei Loͤwen liegen und den Rachen aufsperren, wenn du ihnen aber das Brot hin einwirfst, wirst du sie stillen, und dann eil’ dich und hol’ von dem Wasser des Lebens, eh’ es zwoͤlf schlaͤgt, sonst geht das Thor wieder zu und du bist eingesperrt.“ Da dankte ihm der Prinz und nahm die Ruthe und das Brot, ging hin und war da alles, wie der Zwerg gesagt hatte. Als die Loͤwen gesaͤnftigt waren, ging er in das Schloß hinein und fand einen großen schoͤnen Saal, und darin verwuͤnschte Prinzen, denen zog er die Ringe ab; und dann nahm er ein Schwert, Kindermaͤrchen II. F und ein Brot, das lag da. Und weiter kam er in ein Zimmer, darin war eine Prinzessin, die freute sich, als sie ihn sah, kuͤßte ihn und sagte, er haͤtte sie erloͤst und sollte ihr ganzes Reich haben; in einem Jahre sollt’ er kommen und die Hochzeit mit ihr feiern. Dann sagte sie ihm auch, wo der Brunnen waͤre mit dem Lebenswasser, er muͤßte sich aber eilen und daraus schoͤpfen, eh’ es zwoͤlf schluͤge. Da ging er weiter und kam endlich in ein Zimmer, darin stand ein schoͤnes frischgedecktes Bett’ und weil er muͤd’ war, wollt’ er sich erst ein wenig ausruhen. Also legte er sich und schlief ein, wie er aber erwachte, schlug es drei Viertel auf Zwoͤlf. Da sprang er ganz erschrocken auf, lief zu dem Brunnen, und schoͤpfte sich einen Becher, der daneben stand, voll und eilte, daß er fortkam. Wie er eben zum eisernen Thor hin- ausging, da schlug’s zwoͤlf, und das Thor fuhr zu, so heftig, daß es ihm noch ein Stuͤck von der Ferse wegnahm. Er aber war froh, daß er das Wasser des Lebens hatte und ging heimwaͤrts und wieder an dem Zwerg vorbei. Als dieser das Schwert und das Brot sah, sprach er: „damit hast du großes Gut gewonnen, mit dem Schwert kannst du ganze Heere schlagen, das Brot aber wird niemals alle.“ Da dachte der Prinz, ohne deine Bruͤder willst du zum Vater nicht nach Haus kommen und sprach: „lieber Zwerg, kannst du mir nicht sagen, wo meine zwei Bruͤder sind, die waren fruͤher, als ich, nach dem Wasser des Lebens ausgezogen und sind nicht wieder kommen.“ „Zwischen zwei Bergen sind sie eingeschlossen, sprach der Zwerg, dahin hab’ ich sie verwuͤnscht, weil sie so uͤbermuͤ- thig waren.“ Da bat der Prinz so lange, bis sie der Zwerg wieder los ließ, aber er sprach noch: „Huͤte dich vor ihnen, sie haben ein boͤses Herz.“ Wie sie nun kamen, da freute er sich und erzaͤhlte ihnen alles, wie es ihm ergangen waͤre, daß er das Wasser des Lebens gefunden und einen Becher voll mitgenommen und eine schoͤne Prinzessin erloͤst habe, die wolle ein Jahr lang auf ihn warten, dann sollte Hochzeit gehalten werden und er bekaͤm ein großes Reich. Darnach ritten sie zusammen fort und geriethen in ein Land, wo Hunger und Krieg war und der Koͤnig glaubte schon, er sollte verderben in der Noth; da ging der Prinz zu ihm und gab ihm das Brot, damit speiste und saͤttigte er sein ganzes Reich, und dann gab ihm der Prinz auch das Schwert und damit schlug er die Heere seiner Feinde und konnte nun in Ruhe und Friede leben. Da nahm der Prinz sein Brot und sein Schwert wieder zuruͤck und die drei Bruͤder ritten weiter; sie kamen aber noch in zwei Laͤnder, wo Hunger und Krieg herrschte und da gab der Prinz den Koͤnigen jedesmal sein Brot und Schwert und hatte nun drei Reiche gerettet. Und darnach setz- ten sie sich auf ein Schiff und fuhren uͤber’s Meer. Waͤhrend der Fahrt da sprachen die beiden aͤlte- F 2 sten unter sich: „der juͤngste hat das Wasser ge- funden und wir nicht, dafuͤr wird ihm unser Va- ter das Reich geben, das uns gebuͤhrt und er wird uns unser Gluͤck wegnehmen.“ Da wurden sie rachsuͤchtig und verabredeten mit einander, daß sie ihn verderben wollten. Sie warteten aber bis er einmal fest eingeschlafen war, da gossen sie das Wasser des Lebens aus dem Becher und nahmen es fuͤr sich, ihm aber gossen sie bitteres Meerwas- ser hinein. Als sie nun daheim ankamen, brachte der juͤngste dem kranken Koͤnig seinen Becher, damit er daraus trinken und gesund werden sollte. Kaum aber hatte er ein wenig von dem bittern Meer- wasser getrunken, da ward er noch kraͤnker als zu- vor. Und wie er daruͤber jammerte, kamen die beiden aͤltesten Soͤhne und klagten den juͤngsten an und sagten, er habe ihn vergiften wollen, das rechte Wasser des Lebens haͤtten sie gefunden und mitgebracht, und reichten es dem Koͤnig. Und kaum hatte er davon getrunken, so fuͤhlte er seine Krankheit verschwinden und ward stark und ge- sund, wie in seinen jungen Tagen. Darnach gingen die beiden zu dem juͤngsten, spotteten sein und sagten: „nun, hast du das Wasser des Lebens gefunden? du hast die Muͤhe gehabt und wir den Lohn, du haͤttest die Augen aufthun sollen, wir haben dir’s genommen, wie du auf dem Meere eingeschlafen warst. Ueber’s Jahr da holt’ sich einer von uns deine schoͤne Prinzessin; aber huͤt’ dich, daß du davon nichts dem Vater verraͤthst, er glaubt dir doch nicht und wenn du ein Wort sagst, so sollst du auch noch dein Leben verlieren, schweigst du aber, so soll dir’s geschenkt seyn.“ Der alte Koͤnig aber war zornig uͤber seinen juͤngsten Sohn, und glaubte, er haͤtte ihm nach dem Leben getrachtet, also ließ er den Hof ver- sammeln und das Urtheil uͤber ihn sprechen, daß er heimlich sollte erschossen werden. Als der Prinz nun einmal auf die Jagd ritt und nichts davon wußte, mußte des Koͤnigs Jaͤger mitgehen. Draußen als sie ganz allein im Wald waren und der Jaͤger so traurig aussah, sagte der Prinz zu ihm: „lieber Jaͤger, was fehlt dir?“ der Jaͤger sprach: „ich kann’s nicht sagen und soll es doch.“ Da sprach der Prinz: „sag’s nur heraus, was es ist, ich will dir’s verzeihen.“ — „Ach, sagte der Jaͤger, ich soll euch todt schießen, der Koͤnig hat mir’s befohlen.“ Da erschrack der Prinz und sprach: „lieber Jaͤger, laß mich leben, da geb’ ich dir mein koͤnigliches Kleid, gib mir dafuͤr dein schlechtes.“ Der Jaͤger sagte: „das will ich gern thun, ich haͤtte doch nicht nach euch schießen koͤn- nen.“ Da nahm der Jaͤger des Prinzen Kleid und der Prinz das schlechte vom Jaͤger und ging fort in den Wald hinein. Ueber eine Zeit, da kamen beim alten Koͤnig drei Wagen mit Geschenken an Gold und Edel- steinen fuͤr den juͤngsten Prinzen, sie waren aber von den drei Koͤnigen geschickt, denen der Prinz das Schwert und das Brot geliehen, womit sie die Feinde geschlagen und ihr Land ernaͤhrt hat- ten. Das fiel dem alten Koͤnig auf’s Herz und er dachte, sein Sohn koͤnnte doch unschuldig ge- wesen seyn und sprach zu seinen Leuten: „ach! waͤr’ er noch am Leben, wie thut mir’s so herzlich leid, daß ich ihn habe toͤdten lassen.“ So hab’ ich ja Recht gethan, sprach der Jaͤger, ich hab’ ihn nicht todt schießen koͤnnen,“ und sagte dem Koͤnig, wie es zugegangen waͤre. Da war der Koͤnig froh und ließ bekannt machen in allen Rei- chen, sein Sohn solle wieder kommen, er nehme ihn in Gnaden auf. Die Prinzessin aber ließ eine Straße vor ihrem Schloß machen, die war ganz golden und glaͤnzend, und sagte ihren Leuten, wer dar- auf geradeswegs zu ihr geritten kaͤme, das waͤre der rechte, und den sollten sie einlassen, wer aber daneben kaͤme, der waͤr’ der rechte nicht und den sollten sie auch nicht einlassen. Als nun die Zeit bald herum war, dachte der aͤlteste, er wollte sich eilen, zur Prinzessin gehen und sich fuͤr ihren Erloͤser ausgeben, da bekaͤm er sie zur Gemahlin und das Reich dabei. Also ritt er fort; als er vor das Schloß kam und die schoͤne goldene Straße sah, dachte er: „ei, das waͤre jammerschade, wenn du darauf rittest,“ lenkte ab und ritt rechts nebenher. Wie er aber vor’s Thor kam, sagten die Leute zu ihm, er waͤr’ der rechte nicht, er sollte wieder fortgehen. Bald darauf machte sich der zweite Prinz auf, wie der zur goldenen Straße kam und das Pferd den einen Fuß darauf gesetzt hatte, dachte er: „ei! es waͤre jammerschade, das koͤnnte etwas abtreten,“ lenkte ab und ritt links nebenher. Wie er aber vor’s Thor kam, sagten die Leute, er waͤr’ der rechte nicht, er sollte wie- der fortgehen. Als nun das Jahr ganz herum war, wollte der dritte aus dem Wald fort zu seiner Liebsten reiten und bei ihr sein Leid verges- sen. Also machte er sich auf und dachte immer an sie und waͤr’ gern schon bei ihr gewesen und sah die goldene Straße gar nicht. Da ritt sein Pferd mitten daruͤber hin und als er vor’s Thor kam, ward es aufgethan und die Prinzessin em- pfing ihn mit Freuden, und sagte, er waͤr’ ihr Er- loͤser und der Herr des Koͤnigreichs und ward die Hochzeit gehalten mit großer Gluͤckseligkeit. Und als sie vorbei war, erzaͤhlte sie ihm, daß ihn sein Vater habe zu sich entboten und ihm verziehen. Da ritt er hin und sagte ihm alles, wie seine Bruͤder ihn betrogen, und er doch dazu geschwie- gen haͤtte. Der alte Koͤnig wollte sie strafen, aber sie hatten sich auf’s Meer gesetzt und waren fort- geschifft und kamen ihr lebtag nicht wieder. 12. Doctor Allwissend . Es war einmal ein armer Bauer Namens Krebs , der fuhr mit zwei Ochsen ein Fuder Holz in die Stadt und verkaufte es fuͤr zwei Thaler an einen Doctor. Wie ihm nun das Geld ausbe- zahlt wurde, saß der Doctor gerade zu Tisch, da sah der Bauer, was er schoͤn aß und trank und das Herz ging ihm darnach auf und er waͤr’ auch gern ein Doctor gewesen. Also blieb er noch ein Weilchen stehen und fragte endlich, ob er nicht auch koͤnnte ein Doctor werden. „O ja, sagte der Doctor, das ist bald geschehen, erstlich kauf’ dir ein Abcbuch, so eins, wo vornen ein Goͤckel- hahn drin ist; zweitens mach’ deinen Wagen und deine zwei Ochsen zu Geld und schaff’ dir damit Kleider an und was sonst zur Doctorei gehoͤrt; drittens laß dir ein Schild malen mit den Wor- ten: ich bin der Doctor Allwissend ; und das oben uͤber deine Hausthuͤre nageln.“ Der Bauer that alles, wie’s ihm geheißen war. Als er nun ein wenig gedoctert, aber noch nicht viel, war einem reichen großen Herrn Geld gestohlen. Da ward ihm von dem Doctor Allwissend gesagt, der in dem und dem Dorfe wohnte und auch wis- sen muͤßte, wo das Geld hinkommen waͤre. Also ließ der Herr seinen Wagen anspannen, fuhr hin- aus in’s Dorf und fragte bei ihm an, ob er der Doctor Allwissend waͤre? „Ja, der waͤr’ er.“ — „So sollte er mitgehen und das gestohlene Geld wiederschaffen,“ „o ja, aber die Grethe seine Frau muͤßte auch mit.“ Der Herr war das zu- frieden, ließ sie beide in dem Wagen sitzen und sie fuhren zusammen fort. Als sie auf den adlichen Hof kamen, war der Tisch gedeckt; da sollt’ er erst mitessen. Ja, aber seine Frau die Grethe auch, sagte er, und setzte sich mit ihr hinter den Tisch. Wie nun der erste Bediente mit einer Schuͤssel schoͤnem Essen kam, stieß der Bauer seine Frau an und sagte: „Grethe, das war der erste.“ Und meinte, es waͤr’ derjenige, welche das erste Essen braͤchte. Der Bediente aber meinte, er haͤtte damit sagen wollen, das ist der erste Dieb und weil er’s nun wirklich war, ward ihm angst und er sagte drau- ßen zu seinen Cameraden: „der Doctor weiß alles, wir kommen uͤbel an, er hat gesagt, ich waͤr’ der erste.“ Der zweite wollte gar nicht her- ein, er mußte aber doch. Wie der nun mit seiner Schuͤssel herein kam, stieß der Bauer seine Frau an: „Grethe, das ist der zweite.“ Dem Be- dienten ward ebenfalls angst und er machte, daß er hinauskam. Dem dritten ging’s nicht besser, der Bauer sagte wieder: „Grethe, das ist der dritte.“ Der vierte mußte eine verdeckte Schuͤssel hereintragen, und der Herr sprach zum Doctor, er sollte seine Kunst zeigen und rathen was dar- unter laͤg’, es waren aber Krebse. Der Bauer sah’ die Schuͤssel an, wußt’ nicht, wie er sich hel- fen sollte und sprach: „ach ich armer Krebs !“ Wie der Herr das hoͤrte, rief er: „da! er weiß es, nun weiß er auch wer das Geld hat. Dem Bedienten aber ward gewaltig angst und er blinzelte den Doctor an, er moͤgt’ einmal herauskommen. Wie er nun hinauskam, gestan- den sie ihm alle vier, sie haͤtten das Geld gestohlen, sie wollten’s ja gern herausgeben und ihm eine schwere Summe dazu, wenn er sie nicht verrathen wollte; es ging ihnen sonst an den Hals. Sie fuͤhrten ihn auch hin, wo das Geld versteckt lag. Damit war der Doctor zufrieden, ging wieder hinein und sprach: „Herr nun will ich in mei- nem Buch suchen, wo das Geld steckt.“ Der fuͤnfte Bediente aber kroch in den Ofen, und wollt’ hoͤren, ob der Doctor noch mehr wuͤßte. Er saß aber und schlug sein Abcbuch auf, blaͤtterte darin hin und her und suchte den Goͤckelhahn, weil er ihn nun nicht gleich finden konnte, sprach er: „du bist doch darin und mußt auch heraus.“ Da meinte der im Ofen, er waͤr’ gemeint, sprang vol- ler Schrecken heraus und rief: „der Mann weiß alles!“ Nun zeigte der Doctor Allwissend dem Herrn, wo das Geld lag, sagte aber nicht, wer’s gestohlen hatte, bekam von beiden Seiten viel Geld zur Belohnung und ward ein beruͤhmter Mann. 13. Der Froschprinz . Es war einmal ein Koͤnig, der hatte drei Toͤchter, in seinem Hof aber stand ein Brunnen mit schoͤnem klarem Wasser. An einem heißen Sommertag ging die aͤlteste hinunter und schoͤpfte sich ein Glas voll heraus, wie sie es aber so ansah und gegen die Sonne hielt, sah sie, daß es truͤb’ war. Das kam ihr ganz ungewohnt vor und sie wollte es wieder hineinschuͤtten, indem regte sich ein Frosch in dem Wasser, streckte den Kopf in die Hoͤhe, und sprang endlich auf den Brunnen- rand, da sagte er zu ihr: „wann du willst mein Schaͤtzchen seyn, will ich dir geben hell, hell Waͤsserlein.“ „Ei, wer will Schatz von einem garstigen Frosch seyn,“ rief die Prinzessin und lief fort. Sie sagte ihren Schwestern was da unten am Brun- nen fuͤr ein wunderlicher Frosch waͤre, der das Wasser truͤb machte. Da ward die zweite neugie- rig, ging hinunter und schoͤpfte sich auch ein Glas voll, das war eben wieder so truͤb, daß sie es nicht trinken wollte. Aber der Frosch war auch wieder auf dem Rand und sagte: „wann du willst mein Schaͤtzchen seyn, will ich dir geben hell, hell Waͤsserlein.“ „Das waͤr’ mir gelegen,“ sagte die Prinzessin und lief fort. Endlich kam die dritte, und schoͤpfte auch, aber es ging ihr nicht besser und der Frosch sprach auch zu ihr: „wann du willst mein Schaͤtzchen seyn, will ich dir geben hell, hell Waͤsserlein.“ „Ja doch! ich will dein Schaͤtzchen seyn, sagte die Prinzessin, schaff’ mir nur reines Wasser,“ sie dachte aber: was schadet dir das, du kannst ihm ja leicht aus Gefallen so sprechen, ein dummer Frosch kann doch nimmermehr mein Schatz seyn. Der Frosch aber war wieder in’s Wasser gesprun- gen, und als sie nun zum zweitenmal schoͤpfte, da war das Wasser so klar, daß die Sonne ordent- lich vor Freuden darin blinkte. Sie trank sich recht satt und brachte ihren Schwestern noch mit hinauf: was seyd ihr so einfaͤltig gewesen und habt euch vor dem Frosch gefuͤrchtet.“ Darnach dachte die Prinzessin nicht weiter daran und legte sich Abends vergnuͤgt in’s Bett. Wie sie ein Weilchen darin lag und noch nicht ein- geschlafen war, da hoͤrt sie auf einmal etwas an der Thuͤre krabbeln, und darnach singen: „Mach’ mir auf! mach mir auf! Koͤnigstochter, juͤngste, weißt du nicht, wie du gesagt als ich in dem Bruͤnnchen saß, du wolltest auch mein Schaͤtzchen seyn, gaͤb’ ich dir hell, hell Waͤsserlein.“ „Ei! da ist ja mein Schatz, der Frosch, sagte die Prinzessin, nun weil ich’s ihm versprochen habe, so will ich ihm aufmachen,“ also stand sie auf, oͤffnete ihm ein Bischen die Thuͤre und legte sich wieder. Der Frosch huͤpfte ihr nach und huͤpfte endlich unten in’s Bett zu ihren Fuͤßen und blieb da liegen, und als die Nacht voruͤber war und der Morgen graute, da sprang er wieder herunter und fort zur Thuͤre hinaus. Am andern Abend, als die Prinzessin wieder im Bett lag, krabbelte es wieder und sang an der Thuͤre. Die Prin- zessin machte auf, und der Frosch lag bis es Tag werden wollte wieder unten zu ihren Fuͤßen. Am dritten Abend kam er, wie an den vorigen. „Das ist aber das letztemal, daß ich dir aufmache, sagte die Prinzessin, in Zukunft geschiehts nicht mehr.“ Da sprang der Frosch unter ihr Kopfkissen und die Prinzessin schlief ein. Wie sie am Morgen aufwachte und meinte, der Frosch sollte wieder forthuͤpfen, da stand ein schoͤner junger Prinz vor ihr, der sagte, daß er der bezauberte Frosch gewe- sen, und daß sie ihn erloͤst haͤtte, weil sie verspro- chen sein Schatz zu seyn. Da gingen sie beide zum Koͤnig, der gab ihnen seinen Segen und da ward Hochzeit gehalten. Die zwei andern Schwe- stern aber aͤrgerten sich, daß sie den Frosch nicht zum Schatz genommen hatten. 14. Des Teufels rußiger Bruder . Ein abgedankter Soldat hatte nichts zu leben und wußte sich nicht mehr zu helfen. Da ging er hinaus in den Wald und als er ein Weilchen gegangen war, begegnete ihm ein kleines Maͤnn- chen, das war aber der Teufel. Das Maͤnnchen sagte zu ihm: „was fehlt dir, du siehst ja so truͤbselig aus?“ da sprach der Soldat: ich habe Hunger und kein Geld.“ Der Teufel sagte: willst du dich bei mir vermiethen und mein Knecht seyn, so sollst du fuͤr dein Lebtag genug haben; sieben Jahre sollst du mir dienen, dann bist du wieder frei, aber eins sag ich dir, du darfst dich nicht waschen, nicht kaͤmmen, nicht schnippen, keine Naͤgel und Haare abschneiden und kein Wasser aus den Augen wischen.“ Der Soldat sagte: wohlan, so soll’s seyn! und ging mit dem Maͤnn- chen fort, das fuͤhrte ihn nun geradeswegs in die Hoͤlle hinein. Da sagte es ihm was er zu thun habe, er muͤßte das Feuer schuͤren unter den Kes- seln, wo die Hoͤllenbraten drin saͤßen, das Haus rein halten, den Kehrdreck hinter die Thuͤre tra- gen und uͤberall auf Ordnung sehen, aber guckt’ er einziges Mal in die Kessel hinein, so sollt’s ihm schlimm gehen. Der Soldat sprach: „es ist schon gut, ich will’s besorgen.“ Da ging nun der alte Teufel wieder hinaus auf seine Wande- rung und der Soldat trat seinen Dienst an, legte Feuer zu, kehrte und trug den Kehrdreck hinter die Thuͤre; wie der alte Teufel wieder kam, war er zufrieden und ging zum zweitenmal fort. Der Soldat schaute sich nun einmal recht um, da stan- den die Kessel rings herum in der Hoͤlle und war ein gewaltiges Feuer darunter, und es kochte und brutzelte darin. Da haͤtt’ er fuͤr sein Leben gern hineingeschaut, es war ihm aber so streng verbo- ten; endlich konnt’ er sich nicht mehr anhalten, ging herbei und hob’ vom ersten Kessel ein klein Bischen den Deckel auf und guckte hinein. Da sah er seinen ehemaligen Unteroffizier darin sitzen: „aha! Vogel, sprach er, treff’ ich dich hier! du hast mich gehabt, jetzt hab’ ich dich!“ ließ ge- schwind den Deckel fallen, schuͤrte das Feuer und legte noch frisch zu. Darnach ging er zum zwei- ten Kessel, hob ihn auch ein wenig auf und guckte, da saß sein Faͤhndrich darin: „aha! Vogel, treff’ ich dich hier, du hast mich gehabt, jetzt hab’ ich dich,“ machte den Deckel wieder zu und trug noch einen Klotz herbei, der sollt’ ihm erst recht heiß machen. Nun wollt’ er auch sehen, wer im drit- ten Kessel saͤße, da war’s gar sein General: „aha! Vogel, treff’ ich dich hier! du hast mich gehabt, jetzt hab’ ich dich!“ holte den Blasbalg und ließ das Hoͤllenfeuer recht unter ihm flackern. Also that er sieben Jahr seinen Dienst in der Hoͤlle, wusch sich nicht, kaͤmmte sich nicht, schnippte sich nicht, schnitt sich die Naͤgel und Haare nicht, und wischte sich kein Wasser aus den Augen, und die sieben Jahr waren ihm so kurz, daß er meinte, es waͤr’ nur ein halb Jahr gewesen. Wie nun die Zeit vollends herum war, kam der Teufel und sagte: „nun, Hans, was hast du gemacht?“ — „Ich hab’ das Feuer unter den Kesseln ge- schuͤrt, ich hab’ gekehrt und den Kehrdreck hinter die Thuͤre getragen.“ — „Aber du hast auch in die Kessel geguckt; dein Gluͤck ist, daß du noch Holz zugelegt hast, sonst war dein Leben verlo- ren: jetzt ist deine Zeit herum, willst du wieder heim?“ „Ja, sagte der Soldat, ich wollt auch gern sehen, was mein Vater daheim macht.“ Sprach der Teufel: „damit du deinen verdienten Lohn kriegst, geh und raff’ dir deinen Ranzen voll Kehrdreck und nimm’s mit nach Haus, du sollst auch gehen ungewaschen und ungekaͤmmt, mit langen Hvaren am Kopf und am Bart, mit ungeschnittenen Naͤgeln und mit truͤben Augen, und wenn du gefragt wirst, woher du kaͤmst, sollst du sagen: aus der Hoͤlle; und wenn du gefragt wirst, wer du waͤrst, sollst du sagen: des Teu- fels rußiger Bruder und mein Koͤnig auch.“ Der Soldat schwieg still und that, was der Teufel sagte, aber er war mit seinem Lohn gar nicht zu- frieden. Wie er nun wieder auf die Welt kam und im Wald war, hob er seinen Ranzen vom Ruͤcken und wollt’ ihn ausschuͤtten; wie er ihn aber oͤff- nete, so war der Kehrdreck pures Gold geworden. Als er das sah, war er vergnuͤgt und ging in die Stadt hinein. Vor dem Wirthshaus stand der Wirth und wie er ihn herankommen sah, erschrack er, weil Hans so entsetzlich aussah, aͤrger als eine Vogelscheu, und rief ihn an: „woher kommst du?“ — „Aus der Hoͤlle.“ — Wer bist du?“ — Des Teufels sein rußiger Bruder, und mein Koͤnig auch.“ Der Wirth wollt’ ihn nicht ein- lassen, wie er ihm aber das Gold zeigte, ging er und klinkte ihm Hans selber die Thuͤre auf. Da ließ er sich nun die beste Stube geben, koͤstlich auf- warten, aß und trank sich satt, wusch sich aber nicht und kaͤmmte sich nicht, wie ihm der Teufel geheißen hatte, und legte sich endlich schlafen. Dem Wirth aber war der Ranzen voll Gold vor den Augen und ließ ihm keine Ruh’, bis er in der Nacht hinschlich und ihn wegstahl. Wie nun Hans am andern Morgen auf- stand, den Wirth bezahlen und weiter gehen wollte, da war sein Ranzen weg. Er faßte sich aber kurz, dachte, du bist ohne Schuld ungluͤcklich gewesen, und kehrte wieder um geradezu in die Hoͤlle; da klagte er es dem alten Teufel und bat ihn um Huͤlfe. Der Teufel sagte: „setz’ dich, ich will dich waschen, kaͤmmen, schnippen, die Haare und Naͤgel schneiden und die Augen auswischen,“ Kindermaͤhrchen II. G und als er fertig mit ihm war, gab er ihm den Ranzen wieder voll Kehrdreck und sprach: „geh’ hin und sag’ dem Wirth, er sollt’ dir dein Gold wieder herausgeben, sonst wollt’ ich kommen und ihn abholen an deinen Platz.“ Hans ging hin- auf und sprach zum Wirth: „du hast mein Gold gestohlen, gibst du’s nicht wieder, so kommst du in die Hoͤlle an meinen Platz und sollst aussehen, wie ich.“ Da gab ihm der Wirth das Gold und noch mehr dazu und bat ihn nur still davon zu seyn, und Hans war nun ein reicher Mann. Hans machte sich auf den Weg heim zu sei- nem Vater, kaufte sich einen schlechten Linnen- kittel auf den Leib, ging herum und machte Musik, denn das hatte er bei dem Teufel in der Hoͤlle ge- lernt. Es war aber ein alter Koͤnig im Land, vor dem mußt’ er spielen und der gerieth daruͤber in solche Freude, daß er dem Hans seine aͤlteste Tochter zur Ehe versprach. Als die aber hoͤrte, daß sie so einen gemeinen Kerl im weißen Kittel heirathen sollte, sprach sie: eh’ ich das thaͤt’, wollt’ ich lieber in’s tiefste Wasser gehen.“ Da gab ihm der Koͤnig die juͤngste Prinzessin, die wollt’s ihrem Vater zu Liebe gern thun, und also bekam des Teufels rußiger Bruder die Koͤnigs- tochter und als der alte Koͤnig gestorben war, auch das ganze Reich. 15. Der Teufel Gruͤnrock . Es waren drei Bruͤder, die stießen den juͤng- sten immer zuruͤck und als sie ausgehen und in die Welt ziehen wollten, sprachen sie zu ihm: wir brauchen dich nicht, du kannst allein wan- dern.“ Also verließen sie ihn und er mußte allein fuͤr sich ziehen, kam auf eine große Heide und war sehr hungrig. Auf der Heide aber stand ein Ring von Baͤumen, darunter setzte er sich und weinte. Auf einmal hoͤrte er ein Brausen, und wie er aufsah, da kam der Teufel daher in einem gruͤnen Rock und mit einem Pferdefuß und redete ihn an: „was fehlt dir, warum weinst du?“ Da klagte er ihm seine Noth und sagte: „meine Bruͤder haben mich verstoßen.“ Da sprach der Teufel: „ich will dir wohl helfen, zieh’ diesen gruͤnen Rock an, der hat Taschen, die sind immer voll Geld, du magst hineingreifen, wann du willst; aber dafuͤr verlang’ ich, daß du dich in sie- ben Jahren nicht waͤschest, deine Haare nicht kaͤmmst und nicht betest. Stirbst du in diesen sieben Jahren, so bist du mein, bleibst du aber leben, so bist du frei und reich dazu auf dein Lebtag.“ Da trieb ihn die Noth, daß er dem Teufel zusagte und dieser zog den gruͤnen Rock aus und er zog ihn an, und wie er seine Hand in die Tasche steckte, hatte er sie voll Geld. G 2 Nun ging er mit dem gruͤnen Rock in die Welt, das erste Jahr war’s gut, was er sich nur wuͤnschte, konnt’ er mit seinem Geld bezahlen, und er ward noch ziemlich fuͤr einen Menschen an- gesehen. Im zweiten Jahr ging’s schlimmer, da waren die Haare ihm schon so lang gewachsen, so daß ihn niemand erkennen konnte und niemand wollt’ ihn herbergen, weil er so abscheulich aus- sah. Und je laͤnger, je aͤrger ward es, er gab aber den Armen uͤberall viel Geld, damit sie fuͤr ihn beten moͤchten, daß er in den sieben Jahren nicht stuͤrbe und in die Haͤnde des Teufels fiele. Da kam er einmal im vierten Jahre in ein Wirths- haus, der Wirth wollt’ ihn auch nicht aufneh- men, er zog aber einen Haufen Geld heraus und bezahlte vorher, da erhielt er endlich eine Stube. Abends hoͤrte er im Nebenzimmer ein laut Jam- mern, da ging er hin und sah einen alten Mann darin sitzen, der weinte und beklagte sich und sagte zu ihm, er solle nur wieder weggehen, er koͤnne ihm doch nicht helfen. Da fragte er ihn, was ihm fehle; der Alte sprach, er haͤtte kein Geld und waͤr viel im Wirthshaus schuldig, nun haͤt- ten sie ihn so lange festgesetzt, bis er bezahlte. Da sagte der im gruͤnen Rock: „wenn’s weiter nichts ist, Geld hab’ ich genug, das will ich schon be- zahlen, und machte den Alten frei. Der Alte aber hatte drei schoͤne Toͤchter und sprach zu ihm, er sollte mit ihm gehen und zur Belohnung eine davon zur Frau haben. Da ging er mit ihm, wie sie aber zu Haus ankamen und die aͤlteste ihn sah, schrie sie, daß sie einen so ent- setzlichen Menschen, der gar keine menschliche Ge- stalt mehr habe und wie ein Baͤr aussehe, heira- then solle; die zweite lief auch fort und wollte lie- ber in die weite Welt gehen; die juͤngste aber sprach: „lieber Vater, weil ihr es versprochen habt und er euch auch in der Noth geholfen, so will ich euch gehorsam seyn.“ Da nahm der Gruͤnrock einen Ring von seinem Finger und brach ihn durch und gab ihr die eine Haͤlfte und behielt die andere fuͤr sich. In ihre Haͤlfte aber schrieb er seinen Namen und in seine schrieb er ihren, und sagte, sie moͤchte den halben Ring gut aufheben. Da blieb er noch ein Weilchen bei ihr und sprach dann: „nun muß ich Abschied nehmen, drei Jahre bleib ich aus und so lang sey mir treu, dann komm ich wieder und soll unsere Hochzeit seyn, bin ich aber in drei Jahren nicht zuruͤck, so bist du frei, denn da bin ich todt; bet’ aber fuͤr mich, daß mir Gott das Leben schenke.“ In den drei Jahren machten sich nun die beiden aͤltesten Schwestern recht lustig uͤber die juͤngste, und sagten, sie muͤßt’ einen Baͤr zum Manne nehmen, und kriegte nicht einmal einen ordentlichen Menschen. Sie aber schwieg still und dachte, du mußt deinem Vater gehorchen, es mag kommen wie es will. Der Gruͤnrock aber zog in der Welt herum, griff oft in die Tasche und kaufte fuͤr seine Braut das Schoͤnste was ihm nur vor die Augen kam, that nichts Boͤses, son- dern Gutes, wo er konnte, und gab den Armen, daß sie fuͤr ihn beteten. Da erzeigte ihm Gott die Gnade, daß die drei Jahre verflossen und er gesund und lebendig blieb. Wie nun die Zeit her- um war, ging er wieder hinaus auf die Heide und setzte sich unter den Ring von Baͤumen. Da sauste es wieder ganz gewaltig daher und der Teu- fel kam ganz brummend und giftig und warf ihm seinen alten Rock hin und forderte den gruͤnen. Da zog ihn der Juͤngling mit Freuden aus und reichte ihn dem Teufel und war nun frei und reich auf immer. Dann ging er nach Haus, machte sich rein und putzte sich aus und zog fort zu seiner Braut. Als er an’s Thor kam, begegnete ihm der Vater; er gruͤßte ihn und gab sich als den Braͤutigam an, aber der Vater erkannte ihn nicht und wollte ihm nicht glauben. Da ging er hin- auf zur Braut, die wollte ihm auch nicht glau- ben. Endlich fragte er, ob sie den halben Ring noch habe. Da sagte sie ja, ging hin und holte ihn; er aber zog den seinen heraus und hielt ihn daran, da paßten sie zusam- men und war es gewiß, daß es niemand als ihr Braͤutigam seyn konnte. Und wie sie nun sah, daß es ein schoͤner Mann war, freute sie sich und hatte ihn lieb und sie hielten Hochzeit miteinan- der; die beiden Schwestern aber, weil sie ihr Gluͤck versaͤumt hatten, waren so boͤs, daß am Hochzeittag die eine sich ersaͤufte, die andere sich erhenkte. Am Abend klopfte und brummte etwas an der Thuͤre und als der Braͤutigam hinging und aufmachte, so war’s der Teufel im gruͤnen Rock, der sprach: „siehst du, da hab’ ich nun zwei Seelen fuͤr deine eine!“ 16. Der Zaunkoͤnig und der Baͤr . Zur Sommerszeit gingen einmal der Baͤr und der Wolf im Wald spaziren, da hoͤrte der Baͤr so schoͤnen Gesang von einem Vogel und sprach: Bruder Wolf, was ist das fuͤr ein Vogel, der so schoͤn singt?“ — „Das ist der Koͤnig der Voͤgel, sagte der Wolf, vor dem muͤssen wir uns neigen;“ es war aber der Zaunkoͤnig. „Wenn das ist, sagte der Baͤr, moͤcht’ ich auch gern sei- nen koͤniglichen Pallast sehen, komm und fuͤhr’ mich hin.“ „Das geht nicht so, wie du meinst, sprach der Wolf, du mußt warten, bis die Frau Koͤnigin kommt.“ Bald darauf kam die Frau Koͤnigin und hatte Futter im Schnabel und der Herr Koͤnig auch und wollten ihre Jungen aͤtzen. Der Baͤr waͤr’ gern nun gleich hintendrein gegan- gen, aber der Wolf hielt ihn am Ermel und sagte: „nein, du mußt warten bis Herr und Frau Koͤ- nigin wieder fort sind.“ Also nahmen sie das Loch in acht, wo das Nest stand, und gingen wie- der ab. Der Baͤr aber hatte keine Ruhe, wollte den koͤniglichen Pallast sehen und ging nach einer kurzen Weile wieder vor. Da waren Koͤnig und Koͤnigin wieder ausgeflogen, er guckte hinein und sah 5 oder 6 Junge, die lagen darin: „ist das der koͤnigliche Palast? sagte der Baͤr, das ist ein elen- der Palast! ihr seyd auch keine Koͤnigskinder, ihr seyd unehrliche Kinder!“ Wie das die jungen Zaunkoͤnige hoͤrten, wurden sie gewaltig boͤs und schrien: „nein, das sind wir nicht, unsere Eltern sind ehrliche Leute, Baͤr, das soll ausgemacht werden mit dir.“ Dem Baͤr und dem Wolf ward angst, sie kehrten um und setzten sich in ihre Loͤcher. Die jungen Zaunkoͤnige aber schrien und laͤrmten fort, und als ihre Eltern wieder Futter brachten, sagten sie: „wir essen kein Fliegenbeinchen und sollten wir verhungern, bis ihr erst ausmacht, ob wir ehrliche Kinder sind oder nicht, denn der Baͤr ist da gewesen und hat uns gescholten.“ Da sagte der alte Koͤnig: „seyd nur ruhig, das soll ausge- macht werden.“ Flog darauf mit der Frau Koͤ- nigin dem Baͤren vor seine Hoͤhle und rief hinein: „Brummbaͤr, du hast meine Kinder gescholten, das soll dir uͤbel bekommen, das wollen wir in ei- nem blutigen Krieg ausmachen.“ Also war dem Baͤr der Krieg angekuͤndigt und ward alles vier- fuͤßige Gethier berufen: Ochs, Esel, Rind, Hirsch, Reh und was die Erde sonst alles traͤgt. Der Zaunkoͤnig aber berief alles, was in der Luft fliegt, nicht allein die Voͤgel groß und klein, auch die Muͤcken, Hornissen, Bienen und Fliegen mußten herbei. Als nun die Zeit kam, wo der Krieg ange- hen sollte, da schickte der Zaunkoͤnig Kundschafter aus, wer der kommandirende General des Fein- des waͤr. Die Muͤcke war besonders listig, schwaͤrmte im Wald, wo der Feind sich versam- melte, und setzte sich endlich unter ein Blatt auf den Baum, wo die Parole ausgegeben wurde. Da stand der Baͤr, rief den Fuchs vor sich und sprach: „Fuchs, du bist der schlauste unter allem Gethier, du sollst General seyn und uns anfuͤh- ren: was fuͤr Zeichen wollen wir verabreden?“ Da sprach der Fuchs: „ich hab’ einen schoͤnen, langen, bauschigten Schwanz, der sieht aus fast wie ein rother Federbusch, wenn ich den in die Hoͤhe halte, so geht die Sache gut und ihr muͤßt drauf los marschiren, laß ich ihn aber herunter- haͤngen, so fangt an und lauft.“ Als die Muͤcke das gehoͤrt hatte, flog sie wieder heim und ver- rieth dem Zaunkoͤnig alles haarklein. Als der Tag anbrach, wo die Schlacht sollte geliefert werden, hu! da kam das vierfuͤßige Ge- thier dahergerennt mit Gebraus, daß die Erde zitterte; Zaunkoͤnig mit seiner Armee kam auch durch die Luft daher, die schnurrte, schrie und schwaͤrmte, daß einem Angst wurde; und gingen sie da von beiden Seiten aneinander. Der Zaun- koͤnig aber schickte die Hornisse hinab, sie sollte sich dem Fuchs unter dem Schwanz setzen und aus Leibeskraͤften stechen. Wie nun der Fuchs den er- sten Stich bekam, zuckte er daß er das eine Bein aufhob, doch ertrug er’s und ließ den Schwanz noch in der Hoͤhe; beim zweiten mußt’ er ihn einen Augenblick herunter lassen, beim dritten aber konnte er sich nicht mehr halten, schrie und nahm den Schwanz zwischen die Beine. Wie das die Thiere sahen, meinten sie, alles waͤr’ ver- loren und fingen an zu laufen, jeder in seine Hoͤhle, und hatten die Voͤgel die Schlacht ge- wonnen. Da flog der Herr Koͤnig und die Frau Koͤ- nigin heim zu ihren Kindern und riefen: „Kin- der seyd froͤhlich, eßt und trinkt nach Herzenslust, wir haben den Krieg gewonnen.“ Die jungen Zaunkoͤnige aber sagten: „noch essen wir nicht, der Baͤr soll erst vor’s Nest kommen und Abbitte thun und sagen, daß wir ehrliche Kinder sind.“ Da flog der Zaunkoͤnig vor das Loch des Baͤren, und rief: „Brummbaͤr, du sollst vor das Nest zu meinen Kindern gehen und Abbitte thun und sagen, daß sie ehrliche Kinder sind, sonst sollen dir die Rippen im Leib’ zertreten werden.“ Da kroch der Baͤr in der groͤßten Angst hin und that Abbitte, und darauf setzten sich die jungen Zaun- koͤnige zusammen und aßen und tranken und mach- ten sich lustig bis in die spaͤte Nacht hinein. 17. Vom suͤßen Brei . Es war einmal ein armes, frommes Maͤdchen, das lebte mit seiner Mutter allein und sie hatten nichts mehr zu essen. Da ging das Kind hinaus in den Wald und begegnete ihm darin eine alte Frau, die wußte seinen Jammer schon und schenkte ihm ein Toͤpfchen, zu dem sollt’ es sagen: „Toͤpf- chen koch!“ so kochte es guten, suͤßen Hirschen- brei, und wenn es sagte: „Toͤpfchen steh,“ so hoͤrte es wieder auf zu kochen. Das Maͤdchen brachte den Topf seiner Mutter heim und nun waren sie ihrer Armuth und ihres Hungers ledig und aßen suͤßen Brei, so oft sie wollten. Auf eine Zeit war das Maͤdchen ausgegangen, da sprach die Mutter: „Toͤpfchen koch!“ da kocht es und sie ißt sich satt; nun will sie, daß das Toͤpfchen wieder aufhoͤren soll, aber sie weiß das Wort nicht. Also kocht es fort und der Brei steigt uͤber den Rand heraus, und kocht immer zu, die Kuͤche und das ganze Haus voll, und das zweite Haus und dann die Straße, als wollt’s die ganze Welt satt machen, und ist die groͤßte Noth und kein Mensch weiß sich da zu helfen. Endlich, wie nur noch ein einziges Haus uͤbrig ist, da kommt das Kind heim und spricht nur: „Toͤpfchen steh!“ da steht es und hoͤrt auf zu kochen, und wenn sie wieder in die Stadt wollten, haben sie sich durch- essen muͤssen. 18. Die treuen Thiere . Es war einmal ein Mann, der hatte gar nicht viel Geld; mit dem wenigen, das ihm uͤbrig blieb, zog er in die weite Welt. Da kam er in ein Dorf, wo die Jungen zusammen liefen, schrien und laͤrmten. „Was habt ihr vor, ihr Jungen?“ sagte der Mann. — „Ei, da haben wir eine Maus, die muß uns tanzen, seht einmal, was das fuͤr ein Spaß ist! wie die herumtrippelt!“ Den Mann aber dauerte das arme Thierchen und er sprach: „laßt die Maus laufen, ihr Jungen, ich will euch auch Geld geben.“ Da gab er ihnen Geld und sie ließen die Maus gehen, die lief, was sie konnte, in ein Loch hinein. Der Mann ging fort und kam in ein anderes Dorf, da hat- ten die Jungen einen Affen, der mußte tanzen und Purzelbaͤume machen, und sie lachten daruͤ- ber und ließen dem Thier keine Ruh. Da gab ihnen der Mann auch Geld, damit sie den Affen losließen. Darnach kam der Mann in ein drit- tes Dorf, da hatten die Jungen einen Baͤren und ließen ihn tanzen, und wenn er dazu brummte, war’s ihnen eben recht. Da kaufte ihn der Mann auch los, und der Baͤr war froh, daß er wieder auf seine vier Beine kam und trabte fort. Der Mann aber hatte nun sein Bischen uͤbri- ges Geld ausgegeben und keinen rothen Heller mehr in der Tasche. Da sprach er zu sich selber: „der Koͤnig hat soviel in seiner Schatzkammer, was er nicht braucht, Hungers kannst du nicht sterben, du willst da etwas nehmen, und wenn du wieder zu Geld kommst, kannst du’s ja wieder hineinlegen.“ Also machte er sich uͤber die Schatz- kammer, und nahm sich ein wenig davon, allein beim Herausschleichen ward er von den Leuten des Koͤnigs erwischt. Sie sagten, er waͤre ein Dieb und fuͤhrten ihn vor Gericht, da ward er verur- theilt, daß er in einem Kasten sollte auf’s Wasser gesetzt werden. Der Kasten-Deckel war voll Loͤ- cher, damit Luft hinein konnte, auch ward ihm ein Krug Wasser und ein Laib Brot mit hinein gegeben. Wie er nun so auf dem Wasser schwamm und recht in Angst war, hoͤrt er was krabbeln am Schloß, nagen und schnauben, auf einmal springt das Schloß selber auf und der Deckel in die Hoͤh’, und stehen da Maus, Affe und Baͤr, die hatten’s gethan; weil er ihnen geholfen, wollten sie ihm wieder helfen. Nun wußten sie aber nicht, was sie noch weiter thun sollten und rathschlagten mit einander, indem kam ein weißer Stein auf dem Wasser daher geschwommen, der sah aus wie ein rundes Ei. Da sagte der Baͤr: „der kommt zu rechter Zeit, das ist ein Wunderstein, wem der eigen ist, der kann sich wuͤnschen, wozu er nur Lust hat.“ Da fing der Mann den Stein, und wie er ihn in der Hand hielt, wuͤnschte er sich ein Schloß mit Garten und Marstall, und kaum hatte er den Wunsch gesagt, so saß er in dem Schloß mit dem Garten und dem Marstall, und war alles so schoͤn und praͤchtig, daß er sich nicht genug ver- wundern konnte. Nach einer Zeit zogen Kaufleute des Wegs vorbei. „Seh einmal einer, riefen sie, was da fuͤr ein herrliches Schloß steht und das letztemal wie wir vorbeikamen, lag da noch schlechter Sand.“ Weil sie nun neugierig waren, gingen sie hinein und erkundigten sich bei dem Mann, wie er alles so geschwind haͤtte bauen koͤnnen. Da sprach er: „das hab’ ich nicht gethan, sondern mein Wun- derstein.“ — „Was ist das fuͤr ein Stein?“ fragten sie. Da ging er hin und holte ihn und zeigte ihn den Kaufleuten. Die hatten große Lust dazu und fragten, ob er nicht zu erhandeln waͤre, auch boten sie ihm alle ihre schoͤnen Waaren dafuͤr. Dem Manne stachen die Waaren in die Augen, und weil das Herz unbestaͤndig ist, ließ er sich be- thoͤren, und meinte, die schoͤnen Waaren seyen mehr werth, als sein Wunderstein und gab ihn hin. Kaum aber hatte er ihn aus den Haͤnden gegeben, da war auch alles Gluͤck dahin und er saß auf einmal wieder in dem verschlossenen Kasten auf dem Fluß mit einem Krug Wasser und einem Laib Brot. Die treuen Thiere, Maus, Affe und Baͤr, wie sie sein Ungluͤck sahen, kamen wieder und wollten ihm helfen, aber sie konnten nicht einmal das Schloß aufsprengen, weil’s viel fester war, als das erstemal. Da sprach der Baͤr: „wir muͤssen den Wunderstein wieder schaffen, oder es ist alles umsonst.“ Weil nun die Kaufleute in dem Schloß noch wohnten, gingen die Thiere miteinander hin, und wie sie nah dabei kamen, sagte der Baͤr: „Maus geh hin und guck durch’s Schluͤsselloch und sieh, was anzufangen ist, du bist klein, dich merkt kein Mensch.“ Die Maus war willig, kam aber wieder und sagte: „es geht nicht, ich hab’ hinein geguckt, der Stein haͤngt unter dem Spiegel an einen rothem Baͤndchen und huͤben und druͤben sitzen ein paar große Katzen mit feurigen Augen, die sollen ihn bewachen.“ Da sagten die andern: „geh nur wieder hinein und wart’ bis der Herr im Bett liegt und schlaͤft, dann schleich dich durch ein Loch hinein und kriech’ auf’s Bett und zwick’ ihn an der Nase und beiß ihm seine Haare ab.“ Die Maus ging wieder hinein, und that wie die andern gesagt hatten, und der Herr wachte auf, rieb sich die Nase, war aͤrgerlich und sprach: „die Katzen taugen nichts, sie lassen mir die Maͤuse die Haare vom Kopf abbeißen“ und jagte sie alle beide fort. Da hatte die Maus gewonnen Spiel. Wie nun der Herr die andere Nacht wieder eingeschlafen war, machte die Maus hinein, knu- perte und nagte an dem rothen Band, woran der Stein hing, so lang, bis es entzwei war und herunterfiel, dann schleifte sie’s bis zu der Haus- thuͤr. Das ward aber der armen kleinen Maus recht sauer, und sie sprach zum Affen, der schon auf der Lauer stand: „nimm du nun deine Pfote und hol’s ganz heraus!“ Das war dem Affen ein Leichtes, der trug den Stein und sie gingen so miteinander bis zum Fluß; da sagte der Affe: „wie sollen wir aber nun zu dem Kasten kommen!“ Der Baͤr sagte: „das ist bald geschehen, ich geh’ in’s Wasser und schwimme, Affe, setz’ du dich auf meinen Ruͤcken, halt’ dich aber mit deinen Haͤn- den fest und nimm den Stein in’s Maul, Maͤus- chen, du kannst dich in mein rechtes Ohr setzen.“ Also thaten sie und schwammen den Fluß hinab. Nach einer Zeit war’s dem Baͤren so still, fing an zu schwaͤtzen und sagte: „hoͤr’ Affe, wir sind doch brave Cammeraden, was meinst du?“ — Der Aff’ aber antwortete nicht und schwieg still. „Ei! sagte der Baͤr, willst du mir keine Antwort geben? das ist ein schlechter Kerl, der nicht antwortet!“ Wie der Affe das hoͤrt, thut er das Maul auf, laͤßt den Stein in’s Wasser fallen und sagt: „ich konnt’ ja nicht antworten, ich hatte den Stein im Mund, jetzt ist er fort, daran bist du allein Schuld.“ „Sey nur ruhig, sagte der Baͤr, wir wollen schon etwas erdenken.“ Da berathschlag- ten sie sich und riefen die Laubfroͤsche, Unken und alles Ungeziefer, das im Wasser lebt, zusammen und sagten: „es kommt ein gewaltiger Feind, macht, daß ihr viele Steine zusammenschafft, so wollen wir euch eine Mauer bauen und euch schuͤt- zen.“ Da erschraken die Thiere und brachten Steine von allen Seiten herbeigeschleppt, endlich kam auch ein alter, dicker Quackfrosch recht aus dem Grund herauf und hatte das rothe Band mit dem Wunderstein im Mund. Wie der Baͤr das sah, war er vergnuͤgt: „da haben wir, was wir wollen,“ nahm dem Frosch seine Last ab, sagte den Thieren, es sey schon gut und machte einen kur- zen Abschied. Darauf fuhren die drei hinab zu dem Mann im Kasten, sprengten den Deckel mit Huͤlfe des Steins und kamen noch zu rechter Zeit, denn er hatte das Brot schon aufgezehrt und das Wasser getrunken und war schon halb verschmach- tet. Wie er aber den Stein in die Haͤnde bekam, da wuͤnscht er sich wieder frisch und gesund und in sein schoͤnes Schloß mit dem Garten und Marstall und lebte vergnuͤgt und die drei Thiere blieben bei ihm und hatten’s gut ihr lebelang. Kindermaͤhrchen. II. H 19. Maͤhrchen von der Unke . I. Ein Kind saß vor der Hausthuͤre auf der Erde und hatte sein Schuͤsselchen mit Milch und Weckbrocken neben sich und aß. Da kam eine Unke gekrochen und senkte ihr Koͤpfchen in die Schuͤssel und aß mit. Am andern Tag kam sie wieder und so eine Zeitlang jeden Tag. Das Kind ließ sich das gefallen, wie es aber sah, daß die Unke immerfort blos die Milch trank und die Brocken liegen ließ, nahm es sein Loͤffelchen, schlug ihr ein Bischen auf den Kopf und sagte: „Ding, iß auch Brocken!“ Das Kind war seit der Zeit schoͤn und groß geworden, seine Mutter aber stand gerade hinter ihm, und sah die Unke, da lief sie herbei und schlug sie todt, von dem Augenblick ward das Kind mager und ist endlich gestorben. II. Ein Waisen-Maͤdchen saß an der Stadt- mauer und spann, sah eine Unke herkommen. Da breitete es ein blauseiden Tuch, das die Unken gewaltig lieben und auf das sie allein gehen, ne- ben sich aus. Alsobald die Unke das erblickte, kehrte sie um, kam wieder und brachte ein kleines goldenes Kroͤnchen getragen, legte es darauf und ging dann wieder fort. Da nahm das Maͤdchen die Krone auf, sie glitzerte und war von zartem Goldgespinst: nicht lange, so kam die Unke zum zweitenmal wieder, wie sie aber die Krone nicht mehr sah, kroch sie an die Wand und schlug vor Leid ihr Haͤuptlein so lang dawider, als sie nur noch Kraͤfte hatte, bis sie endlich todt da lag. Haͤtte das Maͤdchen die Krone liegen lassen, die Unke haͤtte wohl noch mehr von ihren Schaͤtzen aus der Hoͤhle herbeigetragen. III. (Die Unke ruft:) huhu! huhu! (Kind spricht:) kommt herut! (Die Unke kommt her- vor, da fragt das Kind nach seinem Schwester- chen:) „hast du Rothstruͤmpfchen nicht gesehen?“ (Unke:) „Ne, ik og nit: wie du denn? huhu! huhu! huhu!“ 20. Der arme Muͤllerbursch und das Kaͤtzchen. In einer Muͤhle dienten einmal drei Muͤl- lerbursche, worin nur ein alter Muͤller lebte ohne Frau und Kind. Wie sie nun etliche Jahre bei ihm gedient hatten, sagte er zu ihnen: „zieht ein- mal fort, und wer mir das beste Pferd nach Haus H 2 bringt, dem will ich die Muͤhle geben.“ Der dritte von den Burschen war aber der Kleinknecht, der ward von den andern fuͤr albern gehalten, dem goͤnnten sie die Muͤhle nicht; und er wollte sie hernach nicht einmal! Da gingen. alle drei mit- einander hinaus, und wie sie vor das Dorf kamen, sagten die zwei zu dem albernen Hans: „du kannst nur hier bleiben, du kriegst doch dein lebtag keinen Gaul.“ Der Hans aber ging doch mit und als es Nacht war, kamen sie an eine Hoͤhle, da hin- ein legten sie sich schlafen. Die zwei klugen war- teten nun bis Hans eingeschlafen war, dann stie- gen sie auf, machten sich fort, ließen das Haͤns- chen liegen und meinten’s recht fein gemacht zu haben: ja! es wird euch doch nicht gut gehen! Wie nun die Sonne heraufkam und Hans auf- wachte, lag er in einer tiefen Hoͤhle, er guckte sich uͤberall um: „ach Gott! wo bin ich!“ Da erhob er sich und kraffelte die Hoͤhle hinauf, ging in den Wald und dachte: „wie soll ich nun zu einem Pferd kommen!“ Indem er so in Ge- danken dahin ging, begegnete ihm ein kleines bun- tes Kaͤtzchen, sprach: „Hans, wo willst du hin?“ — „Ach! du kannst mir doch nicht helfen.“ — „Was dein Begehren ist, weiß ich wohl, sprach das Kaͤtzchen, du willst einen huͤbschen Gaul ha- ben, komm mit mir und sey sieben Jahre lang mein treuer Knecht, so will ich dir einen geben, schoͤner, als du dein Lebtag einen gesehen hast.“ Da nahm sie ihn mit in ihr verwuͤnschtes Schloͤß- chen, er mußt’ ihr dienen und alle Tage Holz klein machen, dazu kriegte er eine Axt von Sil- ber und die Keile und Saͤge von Silber und der Schlaͤger war von Kupfer. Nun da machte er’s klein, blieb bei ihm, hatte sein gutes Essen und Trinken, sah aber niemand als das bunte Kaͤtz- chen. Einmal sagte es zu ihm: „geh hin und maͤh meine Wiese und mach das Gras trocken“ und gab ihm von Silber eine Sense und von Gold einen Wetzstein, hieß ihn aber auch alles wieder richtig abliefern. Da ging der Hans hin und that was es geheißen hatte und als er fertig war und die Sense, den Wetzstein und das Heu nach Haus brachte, fragte er, ob es ihm noch nicht seinen Lohn geben wollte. „Nein, sagte die Katze, du sollst mir erst noch einerlei thun, da ist Bauholz von Silber, Zimmeraxt, Winkeleisen und was noͤthig ist, alles von Silber, daraus bau mir erst ein kleines Haͤuschen.“ Da baute der Hans das Haͤuschen fertig und sagte, er haͤtte nun alles gethan und noch kein Pferd; die sieben Jahre aber waren ihm herumgegangen, wie ein halbes. Da fragte die Katze: ob er ihre Pferde sehen wollte?“ „Ja,“ sagte Hans. Da machte sie ihm das Haͤuschen auf und weil sie die Thuͤre so aufmacht, da stehen zwoͤlf Pferde: ach! die waren gewesen ganz stolz! die hatten geblaͤnkt und gespiegelt, daß sich sein Herz im Leib daruͤber freute. Nun gab sie ihm zu essen und zu trin- ken und sprach: „geh nun heim, dein Pferd geb’ ich dir nicht mit, in drei Tagen aber komm’ ich und bring’ dir’s nach;“ also ging Hans heim und sie zeigte ihm den Weg zur Muͤhle. Sie hatte ihm aber nicht einmal ein neu Kleid gege- ben, sondern er mußte sein altes lumpichtes Kit- telchen behalten, das er mitgebracht hatte, und das ihm in den sieben Jahren uͤberall zu kurz ge- worden war. Wie er nun heim kam, da waren die beiden andern Muͤllerburschen auch wieder da, jeder hatte zwar ein Pferd mitgebracht, aber des einen seins war blind, des andern seins lahm. Sie fragten ihn: „Hans, wo hast du dein Pferd?“ — „In drei Tagen wird’s nachkom- men.“ Da lachten sie und sagten: „ja, du Hans, wo willst du ein Pferd herkriegen, das wird was rechtes seyn!“ Hans ging in die Stube, der Muͤller sagte aber, er sollte nicht an den Tisch kommen, er waͤr’ zu zerrissen und zerlumpt, man muͤßte sich schaͤmen, wenn jemand herein kaͤme. Da gaben sie ihm sein Bischen Essen hinaus, und wie sie Abends schlafen gingen, wollten ihm die zwei andern kein Bett geben, und er mußte end- lich in’s Gaͤnsestaͤllchen kriechen und sich auf ein wenig Stroh hineinlegen. Am Morgen, wie er aufwacht, sind schon die drei Tage herum, und es kommt eine Kutsche mit sechs Pferden, ei! die glaͤnzten, daß es schoͤn war und ein Bedienter der brachte noch ein siebentes, das war fuͤr den armen Muͤllersbursch, aus der Kutsche aber stieg eine praͤchtige Prinzessin, und ging in die Muͤhle hin- ein und die Prinzessin war das kleine bunte Kaͤtz- chen, dem der arme Hans sieben Jahr gedient hatte. Sie fragte den Muͤller, wo der dritte Mahlbursch, der Kleinknecht, waͤre? Da sagte der Muͤller: „den koͤnnen wir nicht in die Muͤhle nehmen, der ist so verrissen und liegt im Gaͤnse- stall.“ Da sagte die Prinzessin, sie sollten ihn gleich holen. Also holten sie ihn heraus, und er mußte sein Kittelchen zusammenpacken, um sich zu bedecken, da schnallte der Bediente praͤchtige Kleider aus, und mußte ihn waschen und anzie- hen und wie er fertig war, konnte kein Koͤnig schoͤ- ner aussehen. Darnach wollte die Prinzessin die Pferde sehen, welche die andern Mahlburschen mitgebracht hatten, eins war blind, das andere lahm. Da ließ sie den Bedienten das siebente Pferd bringen; wie der Muͤller das sah, sprach er, so eins waͤr’ ihm noch nicht auf den Hof ge- kommen; „und das ist fuͤr den dritten Mahlbursch“ sagte die Prinzessin. „Da muß er die Muͤhle haben“ sagte der Muͤller; die Prinzessin aber sprach, da waͤr’ sein Pferd, er solle die Muͤhle auch behalten; und nimmt ihren treuen Hans und setzt ihn in die Kutsche und faͤhrt mit ihm fort. Sie fahren erst nach dem kleinen Haͤus- chen, das er mit dem silbernen Werkzeug gebaut hat, da ist es ein großes Schloß und ist alles darin von Silber und Gold, und da hat sie ihn geheirathet und war er reich, so reich, daß er fuͤr sein Lebtag genug hatte. Darum soll keiner sagen, daß wer albern ist, deshalb nichts rechts werden koͤnne. 21. Die Kraͤhen . Es hatte ein rechtschaffener Soldat etwas Geld verdient und zusammen gespart, weil er fleißig war und es nicht, wie die andern, in den Wirthshaͤusern durchbrachte. Nun waren zwei von seinen Kammeraden, die hatten eigentlich ein falsches Herz und wollten ihn um sein Geld brin- gen; sie stellten sich aber aͤußerlich ganz freund- schaftlich an. Auf eine Zeit sprachen sie zu ihm: „hoͤr’, was sollen wir hier in der Stadt liegen, wir sind ja eingeschlossen darin, als waͤren wir Gefangene, und gar einer wie du, der koͤnnt’ sich daheim was ordentliches verdienen und vergnuͤgt leben.“ Mit solchen Reden setzten sie ihm auch so lange zu, bis er endlich einwilligte und mit ihnen ausreißen wollte; die zwei andern hatten aber nichts anders im Sinn, als ihm draußen sein Geld abzunehmen. Wie sie nun ein Stuͤck Wegs fortgegangen waren, sagten die zwei: „wir muͤssen uns da rechts einschlagen, wenn wir an die Graͤnze kommen wollen.“ — „Ei! Gott be- wahre, da gehts ja gerade wieder in die Stadt zuruͤck, links muͤssen wir weiter.“ — „Was willst du dich mausig machen,“ riefen die zwei, drangen auf ihn ein, schlugen ihn, bis er nieder- fiel, und nahmen ihm sein Geld aus den Taschen; das war aber noch nicht genug, sie stachen ihm auch die Augen aus, schleppten ihn zum Galgen und banden ihn daran fest. Da ließen sie ihn, und gingen mit dem gestohlenen Geld in die Stadt zuruͤck. Der arme Blinde wußte aber nicht, an wel- chem schlechten Ort er war, fuͤhlte um sich und merkte, daß er unter einem Balken Holz saß. Da meinte er, es waͤre ein Kreutz, sprach: „es ist doch gut von ihnen, daß sie mich wenigstens unter ein Kreutz gebunden haben, Gott ist bei mir,“ und fing an recht zu Gott zu beten. Wie es ungefaͤhr Nacht werden mochte, hoͤrte er etwas flattern; das waren aber drei Kraͤhen, die ließen sich auf dem Balken nieder. Darnach hoͤrte er, wie eine sprach: „Schwester, was bringt ihr Gutes? ja, wenn die Menschen wuͤßten, was wir wissen! die Koͤnigstochter ist krank und der alte Koͤnig hat sie demjenigen versprochen, der sie heilt, das kann aber keiner, denn sie wird nur gesund, wenn die Kroͤte in dem Teich dort zu Asche verbrannt wird und sie die Asche trinkt.“ Da sprach die zweite: „ja, wenn die Menschen wuͤßten, was wir wissen! heute Nacht faͤllt ein Thau vom Himmel, so wunderbar und heilsam, wer blind ist und bestreicht seine Augen damit, der erhaͤlt sein Gesicht wieder.“ Da sprach auch die dritte: „ja, wenn die Menschen wuͤßten, was wir wissen! Die Kroͤte hilft nur einem und der Thau hilft nur wenigen, aber in der Stadt ist große Noth, da sind alle Brunnen vertrocknet und niemand weiß, daß der große viereckige Stein auf dem Markt muß weggenommen und darunter gegraben werden, dort quillt das schoͤnste Wasser.“ Wie die drei Kraͤhen das gesagt hat- ten, hoͤrte er es wieder flattern und sie flogen da fort; er aber machte sich allmaͤlig von seinen Banden los, und dann buͤckte er sich und brach ein paar Graͤserchen ab und bestrich seine Augen mit dem Thau, der darauf gefallen war. Alsbald ward er wieder sehend und war Mond und Sterne am Himmel und sah er, daß er neben dem Gal- gen stand. Darnach suchte er Scherben, und sammelte von dem koͤstlichen Thau, so viel er zu- sammenbringen konnte und wie das geschehen war, ging er zum Teich, grub das Wasser davon ab und holte die Kroͤte heraus; und dann verbrannte er sie zu Asche und ging damit an des Koͤnigs Hof. Da ließ er nun die Koͤnigstochter von der Asche einnehmen und als sie gesund war, verlangte er sie, wie es versprochen war, zur Gemahlin. Dem Koͤnig aber gefiel er nicht, weil er so schlechte Kleider an hatte, und er sprach daher, wer seine Tochter haben wollte, der muͤßte der Stadt erst Wasser verschaffen und damit hoffte er ihn los zu werden. Er aber ging hin, hieß die Leute den viereckigen Stein auf dem Markt wegheben und darunter nach Wasser graben. Das thaten sie auch und kamen bald zu einer schoͤnen Quelle, da war Wasser zum Ueberfluß; der Koͤnig aber konnte ihm nun die Prinzessin nicht laͤnger ab- schlagen und er wurde mit ihr vermaͤhlt und leb- ten sie in einer vergnuͤgten Ehe. Auf eine Zeit, als er durch’s Feld spatziren ging, begegneten ihm seine beiden ehemaligen Ka- meraden, die so treulos an ihm gehandelt hatten. Sie kannten ihn nicht, er aber erkannte sie gleich, ging auf sie zu und sprach: „seht, das ist euer ehemaliger Kammerad, dem ihr so schaͤndlich die Augen ausgestochen habt, aber der liebe Gott hat mir’s zum Gluͤck gedeihen lassen.“ Da fielen sie ihm zu Fuͤßen und baten um Gnade, und weil er ein gutes Herz hatte, erbarmte er sich ihrer und nahm sie mit sich, gab ihnen auch Nahrung und Kleider. Er erzaͤhlte ihnen darnach, wie es ihm ergangen und wie er zu diesen Ehren gekommen waͤre; als die zwei das vernahmen, hatten sie keine Ruhe und wollten auch eine Nacht sich unter den Galgen setzen, ob sie vielleicht auch etwas Gutes hoͤrten. Wie sie nun unter dem Galgen saßen, flatterte auch bald etwas uͤber ihren Haͤup- tern und kamen die drei Kraͤhen. Die eine sprach zur andern: „hoͤrt Schwestern, es muß uns jemand behorcht haben, denn die Prinzessin ist gesund, die Kroͤte ist fort aus dem Teich, ein Blinder ist sehend geworden und in der Stadt ha- ben sie einen frischen Brunnen gegraben, kommt, laßt uns suchen, vielleicht finden wir ihn.“ Da flatterten sie herab und fanden die beiden und eh’ sie sich helfen konnten, saßen sie ihnen auf dem Kopf und hackten ihnen die Augen aus und hack- ten weiter so lange in’s Gesicht, bis sie ganz todt waren. Da blieben sie liegen unter dem Galgen. Als sie nun in ein paar Tagen nicht wieder ka- men, dachte ihr ehemaliger Kammerad, wo moͤgen die zwei herumirren und ging hinaus, sie zu suchen. Da fand er aber nichts mehr, als ihre Gebeine, die trug er vom Galgen weg und legte sie in ein Grab. 22. Hans mein Igel . Es war ein reicher Bauer, der hatte mit seiner Frau keine Kinder; oͤfters, wenn er mit den andern Bauern in die Stadt ging, spotteten sie ihn und fragten, warum er keine Kinder haͤtte. Da ward er einmal zornig und als er nach Haus kam, sprach er: „ich will ein Kind haben und sollt’s ein Igel seyn.“ Da kriegte seine Frau ein Kind, das war oben ein Igel und unten ein Junge, und als sie das Kind sah, erschrack sie und sprach: „siehst du, du hast uns verwuͤnscht!“ Da sprach der Mann: „was kann das alles hel- fen, getauft muß der Junge werden, aber wir koͤnnen keinen Gevatter dazu nehmen.“ Die Frau sprach: „wir koͤnnen ihn auch nicht anders taufen als Hans mein Igel .“ Als er ge- tauft war, sagte der Pfarrer: „der kann wegen seiner Stacheln in kein ordentlich Bett kommen.“ Da ward hinter dem Ofen ein wenig Stroh zu- recht gemacht und Hans mein Igel darauf gelegt. Er konnte auch an der Mutter nicht trinken, denn er haͤtte sie mit seinen Stacheln gestochen. So lag er da hinter dem Ofen acht Jahre und sein Vater war ihn muͤde, und dachte, wenn er nur stuͤrbe; aber er starb nicht, sondern blieb da lie- gen. Nun trug es sich zu, daß in der Stadt ein Markt war und der Bauer wollte darauf gehen, da fragte er seine Frau, was er ihr sollte mit- bringen. „Ein wenig Fleisch und ein paar Wecke, was zum Haushalt gehoͤrt,“ sprach sie. Darauf fragte er die Magd, die wollte ein paar Toffel und Zwickelstruͤmpfe, endlich sagte er auch: „Hans mein Igel, was willst du denn haben?“ — „Vaͤterchen, sprach er, bringt mir doch einen Dudelsack mit.“ Wie nun der Bauer wieder nach Haus kam, gab er der Frau, was er ihr mitgebracht hatte, Fleisch und Wecke, dann gab er der Magd die Toffeln und die Zwickelstruͤmpfe, endlich ging er hinter den Ofen und gab dem Hans mein Igel den Dudelsack. Und wie Hans mein Igel den hatte, sprach er: „Vaͤterchen, geht doch vor die Schmiede und laßt mir meinen Goͤckelhahn beschlagen, dann will ich fortreiten und will nimmermehr wiederkommen.“ Da war der Vater froh, daß er ihn loswerden sollte, und ließ ihm den Hahn beschlagen und als er fertig war, setzte sich Hans mein Igel darauf, ritt fort, nahm auch Schweine und Esel mit, die wollt’ er draußen im Walde huͤten. Im Wald aber mußte der Hahn mit ihm auf einen hohen Baum flie- gen, da saß er und huͤtete die Esel und Schweine, und saß lange Jahre bis die Heerde ganz groß war, und wußte sein Vater nichts von ihm. Wenn er aber auf dem Baum saß, blies er seinen Dudelsack und machte Musik, die war sehr schoͤn. Einmal kam ein Koͤnig vorbeigefahren, der hatte sich verirrt und hoͤrte die Musik; da verwunderte er sich daruͤber und schickte seinen Bedienten hin, er sollte sich einmal umgucken, wo die Musik her- kaͤme. Der guckte sich um, sah aber nichts, als ein kleines Thier auf dem Baum oben sitzen, das war wie ein Goͤckelhahn, auf dem ein Igel saß und machte die Musik. Da sprach der Koͤnig zum Bedienten, er sollte fragen, warum es da saͤße und ob es nicht wuͤßte, wo der Weg in sein Koͤnigreich ging. Da stieg Hans mein Igel vom Baum und sprach, er wollte den Weg zeigen, wenn der Koͤnig ihm wollte verschreiben und verspre- chen, was ihm zuerst begegnete am koͤniglichen Hofe, wenn er nach Haus kaͤme. Da dachte der Koͤnig, das kannst du leicht thun, Hans mein Igel versteht’s doch nicht und kannst schreiben was du willst. Da nahm der Koͤnig Feder und Dinte und schrieb etwas auf und als es geschehen war, zeigte Hans mein Igel ihm den Weg und er kam gluͤcklich nach Haus. Seine Tochter aber, wie sie ihn von weitem sah, war so voll Freuden, daß sie ihm entgegen ging und ihn kuͤßte. Er gedachte an Hans mein Igel und erzaͤhlte ihr, wie es ihm gegangen waͤre, und daß er an ein wunderliches Thier, das auf einem Hahn geritten und schoͤne Musik gemacht, haͤtte verschreiben sollen, was ihm daheim zuerst begegnen wuͤrde; er haͤtte aber geschrieben, es sollt’s nicht haben, denn Hans mein Igel koͤnnt es doch nicht lesen. Daruͤber war die Prinzessin froh und sagte, das waͤre gut, denn sie waͤre doch nimmermehr hingegangen. Hans mein Igel aber huͤtete die Esel und Schweine, war immer lustig und saß auf dem Baum und blies auf seinem Dudelsack. Nun ge- schah es, daß ein anderer Koͤnig gefahren kam mit seinen Bedienten und Laufern und hatte sich ver- irrt und wußte nicht wieder nach Haus zu kom- men, weil der Wald so groß war. Da hoͤrte er gleichfalls die schoͤne Musik von weitem und sprach zu seinem Laufer, was das wohl waͤre, er sollt’ einmal zusehen, woher es koͤmmt. Da ging der Laufer hin unter den Baum und sah den Goͤckel- hahn sitzen und Hans mein Igel oben drauf. Der Laufer fragte ihn, was er da oben vorhaͤtte. „Ich huͤte meine Esel und Schweine: was ist euer Be- gehren?“ Der Laufer sagte, sie haͤtten sich ver- irrt und koͤnnten nicht wieder in’s Koͤnigreich, ob er ihnen den Weg nicht zeigen wollte. Da stieg Hans mein Igel mit dem Hahn vom Baum herunter und sagte zu dem alten Koͤnig, er wollt’ ihm den Weg zeigen, wenn er ihm zu eigen geben wollte, was ihm zu Haus vor seinem koͤniglichen Schlosse das erste begegnen wuͤrde. Der Koͤnig sagte ja und unterschrieb sich dem Hans mein Igel, er sollt’ es haben. Als das geschehen war, ritt er auf dem Goͤckelhahn voraus und zeigte ihm den Weg und gelangte er gluͤcklich wieder in sein Koͤ- nigreich. Wie er auf den Hof kam, war große Freude daruͤber; nun hatte er eine einzige Toch- ter, die war sehr schoͤn, die kam ihm entgegen, fiel ihm um den Hals und kuͤßte ihn und freute sich, daß ihr alter Vater wieder kam. Sie fragte ihn auch, wo er so lang in der Welt gewesen waͤre, da erzaͤhlte er ihr, er haͤtte sich verirrt und waͤr’ beinahe gar nicht wieder gekommen, aber als er durch einen großen Wald gefahren, haͤtte einer halb halb wie ein Igel, halb wie ein Mensch, rittlings auf einem Hahn in einem hohen Baum gesessen und schoͤne Musik gemacht, der haͤtte ihm fortge- holfen und den Weg gezeigt, dafuͤr aber er ihm versprochen, was ihm am koͤniglichen Hofe zuerst begegnete, und das waͤre sie und das thaͤte ihm nun so leid. Da versprach sie ihm aber, sie wollte gern mit ihm gehen, wann er kaͤme, ihrem alten Vater zu Liebe. Hans mein Igel aber huͤtete seine Schweine und die Schweine bekamen wieder Schweine und diese wieder und wurden ihrer so viel, daß der ganze Wald voll war. Da ließ Hans mein Igel seinem Vater sagen, sie sollten alle Staͤlle im Dorf ledig machen und raͤumen, er kaͤme mit einer so großen Heerde Schweine, daß jeder schlach- ten sollte, der nur schlachten koͤnnte. Da war sein Vater betruͤbt, als er das hoͤrte, denn er dachte, Hans mein Igel waͤre schon lang’ gestor- ben. Hans mein Igel aber setzte sich auf seinen Goͤckelhahn, trieb die Schweine vor sich her in’s Dorf und ließ schlachten: hu! da war ein Ge- metzel und ein Hacken, daß man’s zwei Stunden weit hoͤren konnte. Darnach sagte Hans mein Igel: „Vaͤterchen, laßt mir meinen Goͤckelhahn noch einmal vor der Schmiede beschlagen, dann reit’ ich fort und komm’ mein Lebtag nicht wie- der.“ Da ließ der Vater den Goͤckelhahn beschla- Kindermährchen II. J gen und war froh, daß Hans mein Igel nicht wieder kommen wollte. Hans mein Igel ritt fort in das erste Koͤ- nigreich, da hatte der Koͤnig befohlen, wenn einer kaͤme auf einem Hahn geritten und haͤtte einen Dudelsack bei sich, dann sollten alle auf ihn schie- ßen, hauen und stechen, damit er nicht in’s Schloß kaͤme. Als nun Hans mein Igel daher geritten kam, drangen sie mit den Bajonetten auf ihn ein, er aber gab dem Hahn die Sporn, flog auf, uͤber das Thor hin vor des Koͤnigs Fenster, setzte sich da und rief ihm zu: „sollt’ ihm geben, was er versprochen haͤtte, sonst so wollt’ er ihm und seiner Tochter das Leben nehmen.“ Da gab der Koͤnig der Prinzessin gute Worte, sie moͤchte zu ihm hinaus gehen, damit sie ihm und sich das Leben rettete. Da zog sie sich weiß an und ihr Vater gab ihr einen Wagen mit sechs Pferden und herrliche Bedienten, Geld und Gut; sie setzte sich ein und Hans mein Igel mit seinem Hahn und Dudelsack neben sie, dann nahmen sie Ab- schied und zogen fort und der Koͤnig dachte, er kriegte sie nicht wieder zu sehen. Es ging aber anders als er dachte, denn als sie ein Stuͤck Wegs von der Stadt waren, da zog sie Hans mein Igel aus und stach sie mit seiner Igelhaut bis sie ganz blutig war, sagte: „das ist der Lohn fuͤr eure Falschheit, geh’ hin, ich will dich nicht,“ und jagte sie damit nach Haus und war sie beschimpft ihr Lebtag. Hans mein Igel aber ritt weiter auf seinem Goͤckelhahn und mit seinem Dudelsack nach dem zweiten Koͤnigreich, wo er dem Koͤnig auch den Weg gezeigt hatte. Der aber hatte bestellt, wenn einer kaͤm’, wie Hans mein Igel, sollten sie das Gewehr vor ihm praͤsentiren, ihn frei hereinfuͤh- ren, Victoria rufen und ihn ins koͤnigliche Schloß bringen. Wie ihn nun die Prinzessin sah, war sie erschrocken, weil er doch gar so wunderlich aussah, sie dachte aber, es waͤre nicht anders, sie haͤtte es ihrem Vater versprochen. Da ward Hans mein Igel von ihr bewillkommt, mußte mit an die koͤnigliche Tafel gehen und sie setzte sich zu seiner Seite und sie aßen und tranken. Wie’s nun Abend ward, daß sie wollten schlafen gehen, da fuͤrchtete sie sich sehr vor seinen Stacheln, er aber sprach, sie sollte sich nicht fuͤrchten, es ge- schaͤh ihr kein Leid, und sagte zu dem alten Koͤnig, er sollte vier Mann bestellen, die sollten wachen vor der Kammerthuͤre und ein großes Feuer an- machen, und wann er in die Kammer eingehe und sich in’s Bett legen wolle, wuͤrde er aus sei- ner Igelshaut herauskriechen und sie vor dem Bett liegen lassen; dann sollten die Maͤnner hur- tig herbeispringen, und sie in’s Feuer werfen, auch dabei bleiben, bis sie vom Feuer verzehrt waͤre. Wie die Glocke nun elfe schlug, da ging J 2 er in die Kammer und streifte die Igelshaut ab, und ließ sie vor dem Bett liegen, da kamen die Maͤnner und holten sie geschwind und warfen sie ins Feuer, und als sie das Feuer verzehrt hatte, da war er erloͤst und lag da im Bett ganz als ein Mensch gestaltet, aber er war kohlschwarz wie ge- brannt. Der Koͤnig schickte zu seinem Arzt, der wusch ihn mit guten Salben und balsamirte ihn, da ward er weiß und war ein schoͤner junger Herr. Wie das die Prinzessin sah, war sie froh, und sie stiegen auf mit Freuden, aßen und tranken und ward die Vermaͤhlung gehalten, und Hans mein Igel bekam das Koͤnigreich von dem alten Koͤnig. Wie etliche Jahre herum waren, fuhr er mit seiner Gemahlin zu seinem Vater und sagte, er waͤre sein Sohn, der Vater aber sprach, er haͤtte keinen, er haͤtte nur einen gehabt, der waͤr’ aber wie ein Igel mit Stacheln geboren worden und in die Welt gegangen. Da gab er sich zu erken- nen, und der alte Vater freute sich und ging mit ihm in sein Koͤnigreich. 23. Das Todtenhemdchen . Es hatte eine Mutter ein Buͤblein von sieben Jahren, das war schoͤn und sie hatte es lieber, wie alles auf der Welt. Auf einmal starb es, daruͤber konnte sich die Mutter nicht troͤsten und weinte Tag und Nacht. Als aber das Kind noch gar nicht lang begraben, so zeigte es sich in der Nacht an den Plaͤtzen, wo es sonst gesessen und gespielt, und weinte die Mutter, so weinte es auch, aber wenn der Morgen kam, war es ver- schwunden. Als nun die Mutter gar nicht auf- hoͤren wollte zu weinen, kam es in einer Nacht mit seinem weißen Todtenhemdchen, in dem es in den Sarg gelegt war, und mit dem Kraͤnzchen auf dem Kopf, setzte sich zu ihren Fuͤßen auf das Bett und sprach: „ach Mutter, hoͤr’ doch auf zu weinen, sonst kann ich in meinem Sarge nicht einschlafen, denn mein Todtenhemdchen wird gar nicht trocken von deinen Thraͤnen, die alle darauf fallen.“ Da erschrack die Mutter, als sie das hoͤrte und weinte nicht mehr und in der andern Nacht kam das Kindchen wieder mit einem Licht- chen in der Hand und sagte: „siehst du, nun ist mein Hemdchen bald trocken und ich habe Ruhe in meinem Grab.“ Da befahl die Mutter dem lieben Gott ihr Leid und ertrug es still und gedul- dig, und das Kind kam nicht wieder, sondern schlief in seinem unterirdischen Bettchen. 24. Der Jud’ im Dorn . Ein Bauer hatte einen gar getreuen und fleißigen Knecht, der diente ihm schon drei Jahre, ohne daß er ihm seinen Lohn bezahlt hatte. Da fiel es ihm endlich bei, daß er doch nicht ganz umsonst arbeiten wollte, ging vor seinen Herrn und sprach: „ich habe euch unverdrossen und redlich gedient die lange Zeit, darum so vertraue ich zu euch, daß ihr mir nun geben wollet, was mir von Gottes Recht gebuͤhrt.“ Der Bauer aber war ein Filz und wußte, daß der Knecht ein einfaͤlti- ges Gemuͤth hatte, nahm drei Pfennige und gab sie ihm, fuͤr jedes Jahr einen Pfennig, damit waͤre er bezahlt. Und der Knecht meinte ein gro- ßes Gut in Haͤnden zu haben, dachte: „was willst du dir’s laͤnger sauer werden lassen, du kannst dich nun pflegen und in der Welt frei lustig machen.“ Steckte sein großes Geld in den Sack und wanderte froͤhlich uͤber Berg und Thal. Wie er auf ein Feld kam singend und sprin- gend erschien ihm ein kleines Maͤnnlein, das fragte ihn seiner Lustigkeit wegen? „ei, was sollt’ ich trauren, gesund bin ich, und Geldes hab’ ich grausam viel, brauche nichts zu sorgen; was ich in drei Jahren bei meinem Herrn erdient, das hab’ ich gespart und ist all’ mein.“ Wie viel ist denn deines Guts? sprach das Maͤnnlein. Drei ganzer Pfennig, sagte der Knecht. „Schenk’ mir deine drei Pfennige, ich bin ein armer Mann.“ Der Knecht war aber gutmuͤthig, erbarmte sich und gab sie hin. Sprach der Mann: weil du reines Herzens bist, sollen dir drei Wuͤnsche erlaubt seyn, fuͤr jeden Pfennig einer, so hast du was dein Sinn begehrt.“ Das war der Knecht wohl zu- frieden, dachte, Sachen sind mir lieber als Geld und sprach: erstens wuͤnsche ich mir ein Vogel- rohr, das alles trifft, was ich ziele, zweitens eine Fiedel, wenn ich die streiche, muß alles tanzen, was sie hoͤrt; drittens: worum ich die Leute bitte, daß sie es mir nicht abschlagen duͤrfen.“ Das Maͤnnchen sagte: alles sey dir gewaͤhrt und stellte ihm Fiedel und Vogelrohr zu; darauf ging es seiner Wege. Mein Knecht aber, war er vorher froh ge- wesen, duͤnkte er sich jetzt noch zehnmal froher, und ging nicht lange zu, so begegnete ihm ein alter Jude. Da stand ein Baum und obendrauf auf dem hoͤchsten Zweig saß eine kleine Lerche und sang und sang. „Gotts Wunder, was so ein Thierlein kann, haͤtt’ ich’s, gaͤb’ viel darum.“ „Wenn es weiter nichts ist, die soll bald herunter,“ sagte der Knecht, setzte sein Rohr an und schoß die Lerche auf das Haar, daß sie den Baum her- abfiel, „geht hin und leset sie auf,“ sie war aber ganz tief in die Doͤrner unten am Baum hinein- gefallen. Da kroch der Jud’ in den Busch und wie er mitten drin stack, zog mein Knecht seine Fiedel und geigte, fing der Jud’ an zu tanzen und hatte keine Ruh, sondern sprang immer staͤrker und hoͤher; der Dorn aber zerstach seine Kleider, daß die Fetzen herum hingen und ritzte und wun- dete ihn, daß er am ganzen Leibe blutete. „Gotts willen, schrie der Jud’, laß der Herr sein Geigen seyn, was hab’ ich verbrochen?“ Die Leute hast du genug geschunden, dachte der lustige Knecht, so geschieht dir kein Unrecht, und spielte einen neuen Huͤpfauf. Da legte sich der Jud’ auf Bitten und Versprechen und wollte ihm Geld geben, wenn er aufhoͤrte, allein das Geld war dem Knecht erst lange nicht genug und trieb ihn immer weiter, bis der Jud’ ihm hundert harte Gulden verhieß, die er im Beutel fuͤhrte und eben einem Christen ab- geprellt hatte. Wie mein Knecht das viele Geld sah, sprach er: „unter dieser Bedingung ja,“ nahm den Beutel und stellte sein Fiedeln ein; darauf ging er ruhig und vergnuͤgt weiter die Straße. Der Jud’ riß sich halb nackicht und armselig aus dem Dornstrauch, uͤberschlug, wie er sich raͤ- chen moͤchte, und fluchte dem Gesellen alles Boͤse nach. Lief endlich zum Richter, klagte daß er von einem Boͤsewicht unverschuldeterweise seines Geldes beraubt und noch dazu zerschlagen waͤre, daß es er- barmte, und der Kerl, der es gethan haͤtte, truͤge ein Rohr auf dem Buckel und eine Geige hinge an sei- nem Hals. Da sandte der Richter Boten und Haͤ- scher aus, die sollten den Knecht fahen, wo sie ihn koͤnnten sehen, der wurde bald ertappt und vor Gericht gestellt. Da klagte der Jud’, daß er ihm das Geld geraubt haͤtte, der Knecht sagte: „nein, gegeben hast du mir’s, weil ich dir aufgespielt habe,“ aber der Richter machte das Ding kurz und verurtheilte meinen Knecht zum Tod am Galgen. Schon stand er auf der Leitersprosse, den Strick am Hals, da sprach er: Herr Richter, gewaͤhrt mir eine letzte Bitte! „wofern du nicht dein Leben bittest, soll sie gewaͤhrt seyn.“ „Nein, um mein Leben ist’s nicht, laßt mich noch eins auf meiner Geige geigen zu guter Letzt. Da schrie der Jud’: „bewahre Gott! erlaubt’s ihm nicht! erlaubt’s ihm nicht!“ allein das Gericht sagte: einmal ist es ihm zuge- standen und dabei soll’s bewenden, auch durften sie’s ihm nicht weigern, weil er die Gabe hatte, daß ihm keiner die Bitte abschlug. Da schrie der Jud’: „bindet mich fest, um Gotteswillen!“ mein Knecht aber faßte seine Fiedel und that einen Strich, da wankte alles und bewegte sich, Rich- ter, Schreiber und Schergen und den Jud’ konnte keiner binden, und er that den zweiten Strich, da ließ ihn der Henker los und tanzte selber, und wie er nun ordentlich in’s Geigen kam, tanzte alles zusammen, Gericht und der Jude vornen und alle Leute auf dem Markt die da wollten zu- schauen. Und anfangs ging’s lustig, weil aber das Geigen und Tanzen kein Ende nahm, so schrien sie jaͤmmerlich und baten ihn, abzulassen, aber er that’s nicht eher, bis ihm der Richter das Leben nicht nur schenkte, sondern auch versprach die hundert Gulden zu lassen. Und erst noch rief er dem Juden zu: „Spitzbub’ gesteh’ wo du das Geld her hast, sonst hoͤr’ ich dir nicht auf zu spie- len.“ „Ich hab’s gestohlen, ich hab’s gestohlen und du hattest es ehrlich verdient“ schrie der Jude, daß es alle hoͤrten. Da ließ mein Knecht die Geige ruhen und der Schuft wurde fuͤr ihn am Galgen gehaͤngt. 25. Der gelernte Jaͤger . Es war einmal ein junger Bursch, der hatte die Schlosserhandthierung gelernt und sprach zu seinem Vater, er muͤßte in die Welt gehen und sich versuchen. Ja, sagte der Vater, das bin ich zufrieden und gab ihm etwas Geld auf die Reise. Also zog er herum; auf eine Zeit, da wollt’ ihm das Schlosserwerk nicht mehr folgen und stand ihm auch nicht mehr an, aber er kriegte Lust zur Jaͤgerei. Da begegnete ihm auf der Wander- schaft ein Jaͤger in gruͤnem Kleide, der fragte, wo er her kaͤm’ und hin wollte? Er waͤr’ ein Schlossergesell, sagte der Bursch, aber das Hand- werk gefiele ihm nicht mehr, haͤtte Lust zur Jaͤge- rei, ob er sie ihn lehren wollte. — „O ja, wenn du mit mir gehen willst.“ Da ging der junge Bursch mit und vermiethete sich etliche Jahre bei ihm und lernte die Jaͤgerei. Darnach wollt’ er sich weiter versuchen, und der Jaͤger gab ihm nichts zum Lohn als eine Windbuͤchse, die hatte aber die Eigenschaft, wenn er damit schoß, so traf er ohnfehlbar. Da ging er nun fort und kam in einen sehr großen Wald, von dem konnt’ er in einem Tag das Ende nicht finden; wie’s nun Abend war, setzte er sich auf einen hohen Baum, damit er aus den wilden Thieren kaͤme. Gegen Mitternacht zu, daͤuchte ihm, schimmerte ein klei- nes Lichtchen von weitem, da sah er durch die Aeste darauf hin und behielt in acht, wo es war. Doch nahm er erst noch seinen Hut und warf ihn nach dem Licht zu herunter, daß er darnach gehen wollte, wann er herabgestiegen waͤr, als nach ei- nem Zeichen. Nun kletterte er herunter, ging auf seinen Hut los, setzte ihn wieder auf und zog gerades Wegs fort. Je weiter er ging, je groͤßer ward das Licht, und wie er nahe dabei kam, sah er, daß es ein gewaltiges Feuer war und saßen drei Riesen dabei, aßen und hielten große Stuͤcken Fleisch vor dem Mund, die sie bei dem Feuer gebraten hatten. Da nahm er seine Windbuͤchse und schoß dem ersten Riesen das Stuͤck Fleisch vor dem Mund weg, wie er eben hinein- beißen wollte; und dann auch dem zweiten. Die Riesen sprachen zu einander: „ei! das muß ein scharfer Schuͤtze seyn, der uns das vor dem Maul wegschießen kann, kaͤm’ er zu uns, wir wollten ihn gern aufnehmen.“ Der Jaͤger aber schoß nun dem dritten auch das Stuͤck vor dem Mund weg; da riefen sie: „wer bist du? komm her zu uns, setz dich und iß mit uns.“ Da trat der Bursch herzu und sagte, er waͤr’ ein gelernter Jaͤger und wor- nach er mit seiner Buͤchse ziele, das treffe er auch sicher und gewiß. Da sprachen sie, wenn er mit ihnen gehe, solle er’s gut haben und erzaͤhlten ihm, vor dem Wald sey ein groß Wasser, dahin- ter staͤnd ein Thurm, und in dem Thurm saͤß eine schoͤne Prinzessin, die wollten sie gern rauben. „Ja, sprach er, die will ich bald geschafft haben.“ Sagten sie weiter: „es ist aber etwas noch dabei, es liegt ein kleines Huͤndchen dort, das faͤngt gleich an zu bellen, wann sich jemand naͤhert, und so- bald das bellt, wacht gleich alles am koͤniglichen Hofe auf, darum koͤnnen wir nicht hinein kom- men: unterstehst du dich, das Huͤndchen todt zu schießen? „Ja, sprach er, das ist mir ein kleiner Spaß.“ — Darnach setzte er sich auf ein Schiff und fuhr uͤber das Wasser und wie er bald beim Land war, kam das Huͤndchen gelaufen und wollte bellen, aber er kriegte seine Windbuͤchse und schoß es todt. Wie die Riesen das sahen, freuten sie sich, und meinten, sie haͤtten die Prinzessin nun schon gewiß; er sprach aber zu ihnen, sie sollten haußen bleiben, bis er ihnen riefe. Da ging er in das Schloß und es war maͤuschenstill und schlief alles; wie er das erste Zimmer aufmachte, hing da ein Saͤbel an der Wand, der war von purem Silber und ein goldener Stern darauf und des Koͤnigs sein Name; daneben aber stand ein Tisch und auf dem Tlsch lag ein versiegelter Brief, den brach er auf und stand darin, wer den Saͤbel haͤtte, koͤnnte alles um’s Leben bringen, was ihm vor- kaͤme. Da nahm er den Saͤbel von der Wand, ging hin und rief den Riesen, sie sollten heran kommen, die Thuͤr aber koͤnnt’ er ihnen nicht ganz aufmachen, da waͤr’ ein Loch, wo sie durch- kriechen muͤßten. Also kam der erste und kroch hinein, und wie der Kopf darin war, nahm der Jaͤger den Saͤbel und hieb ihn ab, und duns Duns soviel als zog , von dinsen . ihn dann vollends herein. Darnach rief er dem zweiten und hieb ihm auch den Kopf ab und duns ihn herein; endlich rief er dem dritten und sagte, sie haͤtten die Prinzessin schon, da kam er gekro- chen und ging ihm nicht besser, als den beiden andern; und hatte der Jaͤger die Prinzessin nun von ihnen befreit. Darnach machte er das Loch zu und ging weiter, da kam er in das Zimmer, wo die Prinzessin lag und schlief und die war gar schoͤn, so daß er still stand und sie betrachtete und den Athem anhielt. Wie er sich weiter umschaute, da standen unter dem Bett ein Paar Pantoffel, auf dem rechten stand ihres Vaters Name mit einem Stern und auf dem linken ihr Name mit einem Stern. Sie hatte auch ein großes Hals- tuch um, von Seide mit Gold ausgestickt, auf der rechten Seite ihres Vaters Name, auf der linken ihren Namen, alles mit goldenen Buchsta- ben. Da nahm der Jaͤger eine Scheere und schnitt den rechten Schlippen ab und stopfte ihn in seinen Ranzen und dann nahm er auch den rechten Pantoffel mit des Koͤnigs Namen, und steckte ihn hinein. Nun lag die Prinzessin noch immer und schlief und sie war ganz in ihr Hemd eingenaͤht, da schnitt er auch ein Stuͤckchen von dem Hemd ab und steckte es zu dem andern; doch that er das alles ohne sie anzuruͤhren. Dann ging er wieder fort und ließ sie schlafen und als er hinkam, wo die Riesen lagen, schnitt er allen dreien die Zungen aus den Koͤpfen und steckte sie auch in den Ranzen; damit wollt’ er heim gehen und es seinem Vater zeigen. Der Koͤnig in dem Schloß aber, als er auf- wachte, sah drei Riesen da todt liegen; ging in die Schlafkammer der Prinzessin, weckte sie auf und fragte, wer das wohl gewesen, der die Riesen ums Leben gebracht. Da sagte sie: „lieber Va- ter, ich weiß es nicht, ich habe geschlafen.“ Wie sie nun aufstand und ihre Pantoffel anziehen wollte, da war der rechte weg und wie sie ihr Halstuch betrachtete, war es durchschnitten und fehlte der rechte Schlippen, und wie sie ihr Hemd ansah, war ein Stuͤckchen heraus. Der Koͤnig ließ den ganzen Hof zusammen kommen, Solda- ten und alles was da war, und fragte, wer die Riesen haͤtte ums Leben gebracht. Nun hatte er einen Hauptmann, der war einaͤugig und ein haͤß- licher Mensch, der sagte, er haͤtte es gethan. Da sprach der alte Koͤnig, so er das vollbracht, sollte er die Prinzessin heirathen. Die Prinzessin aber sagte: „lieber Vater, dafuͤr, daß ich den heira- then soll, will ich lieber in die Welt gehen, soweit als mich meine Beine tragen.“ Da sprach der Koͤnig, wenn sie den nicht heirathen wollte, sollte sie die koͤniglichen Kleider ausziehen und Bauern- kleider anthun, und fortgehen; und sie sollte zu einem Toͤpfer gehen und sich einen irden Geschirr- Handel anfangen. Da thaͤt sie ihre koͤniglichen Kleider aus und ging zu einem Toͤpfer und borgte sich einen Kram irden Werk; versprach ihm auch, wenn sie’s am Abend verkauft haͤtte, es zu bezah- len. Nun sagte der Koͤnig, sie sollte sich an eine Ecke damit setzten und es verkaufen, dann bestellte er etliche Bauernwagen, die sollten mitten durch- fahren, daß alles in tausend Stuͤcke ging. Wie nun die Prinzessin ihren Kram auf die Straße hingestellt hatte, kamen die Wagen und zerbra- chen ihn zu lauter Scherben; fing sie an zu wei- nen und sprach: „ach Gott! wie will ich nun den Toͤpfer bezahlen.“ Der Koͤnig aber hatte sie damit zwingen wollen, den Hauptmann zu heira- then, statt dessen ging sie wieder zum Toͤpfer und fragte ihn, ob er ihr noch einmal borgen wollte. Er antwortete nein, sie sollte erst das Vorige be- zahlen. Da ging sie zu ihrem Vater und schreite und sagte, sie wollte in die Welt hineingehen. Da sprach er, sie sollt hingehen in den Wald, da wollt’ er ihr ein Haͤuschen bauen, darin sollt’ sie ihr Lebtag sitzen und fuͤr jedermann kochen; duͤrfte aber kein Geld nehmen. Also ließ er ihr ein Haͤuschen im Wald bauen, vor die Thuͤre ein Schild, darauf stand geschrieben: „heute umsonst, morgen fuͤr Geld.“ Da saß sie lange Zeit und sprach es sich in der Welt herum, da saͤß eine Jungfrau, die kochte umsonst und das staͤnd vor der Thuͤre an einem Schild. Das hoͤrte auch der Jaͤger und dachte: ei! das waͤr’ etwas fuͤr dich, du bist doch arm und hast kein Geld; nahm also seine Windbuͤchse und seinen Ranzen, worin noch Alles steckte, was er damals im Schloß als Wahrzeichen hineingethan hatte, und ging in den Wald. Er fand auch das Haͤuschen mit dem Schild: „heute umsonst, morgen fuͤr Geld. Er hatte aber den Degen umhaͤngen, womit er den drei Riesen den Kopf abgehauen hatte, trat so in das Haͤuschen hinein und ließ sich etwas zu essen geben. Er freute sich uͤber das schoͤne Maͤdchen, es war aber auch bildschoͤn. Sie fragte ihn, wo er her kaͤm und hin wollte, da sagte er: „ich reise in der Welt herum.“ Da fragte sie ihn, wo er den Degen her haͤtte, da stuͤnde ja ihres Vaters Name darauf! Fragte er, ob sie des Koͤ- nigs nigs Tochter waͤre? „ja“ sagte sie. „Mit die- sem Saͤbel, sprach er, hab’ ich drei Riesen den Kopf abgehauen“ und holte zum Zeichen ihre Zungen aus dem Ranzen, dann zeigte er ihr auch den Pantoffel, den Schlippen vom Halstuch und das Stuͤck vom Hemd. Da war sie voller Freude und sagte, er war’ derjenige, der sie erloͤst haͤtte. Darauf gingen sie zusammen zum alten Koͤnig, und die Prinzessin fuͤhrte ihn in ihre Kammer und sagte ihm, der Jaͤger sey der rechte, der sie erloͤst haͤtte von den Riesen. Und wie der alte Koͤnig die Wahrzeichen alle sah, da konnt’ er nicht mehr zweifeln und sagte, das waͤr’ ihm lieb, und er sollte sie nun auch zur Gemahlin haben; dar- uͤber war die Prinzessin von Herzen froh. Dar- auf kleideten sie ihn, als wenn er ein fremder Herr waͤre, und der Koͤnig ließ ein Gastmahl an- stellen. Als sie nun zu Tisch gingen, kam der Hauptmann auf die linke Seite der Prinzessin, der Jaͤger aber auf die rechte, und der Haupt- mann meinte, das sey ein fremder Herr und waͤr’ zum Besuch gekommen. Wie sie gegessen und getrunken hatten, sprach der alte Koͤnig zum Hauptmann, er wollt’ ihm etwas aufgeben, das sollt’ er errathen: wenn einer spraͤch, er haͤtte drei Riesen um’s Leben gebracht und er gefragt wuͤrde, wo die Zungen der Riesen waͤren, und er muͤßt’ zusehen, und waͤren keine in ihren Koͤpfen, wie das zuginge? Da sagte der Hauptmann: Kindermährchen II. K „sie werden keine gehabt haben.“ „Ei! sagte der Koͤnig, jed’ Gethier hat eine Zunge,“ und fragte weiter, was der werth waͤre, daß ihm wi- derfuͤhre? Da sprach der Hauptmann: „der ge- hoͤrt in Stuͤcken zerrissen zu werden.“ Da sagte der Koͤnig, er haͤtte sich selber sein Urtheil gespro- chen, und ward der Hauptmann gefaͤnglich gesetzt und dann in vier Stuͤcke zerrissen, die Prin- zessin aber mit dem Jaͤger vermaͤhlt, der holte seinen Vater und seine Mutter und die lebten in Freude bei ihrem Sohn, und nach des alten Koͤ- nigs Tod bekam er das Reich. 26. Der Dreschflegel vom Himmel . Es zog einmal ein Bauer mit einem Paar Ochsen zum Pfluͤgen aus, als er auf’s Land kam, da fingen den beiden Thieren die Hoͤrner an zu wachsen, wuchsen fort und als er nach Haus will, sind sie so groß, daß er nicht mit zum Thor hinein kann. Zu gutem Gluͤck kam gerade ein Metzger daher, dem uͤberließ er sie, und schlossen sie den Handel dergestalt, daß er sollte dem Metzger ein Maas Ruͤbsamen bringen, der wollt’ ihm dann fuͤr jedes Korn einen brabanter Thaler aufzaͤhlen: das heiß ich mir gut verkauft! Der Bauer ging nun hin und trug das Maas Ruͤbsamen, unter- wegs verlor er aber aus dem Sack ein Koͤrnchen. Der Metzger bezahlt’ ihn nun nach dem Handel richtig aus. Wie der Bauer wieder des Wegs zu- ruͤck kam, war aus dem Korn ein Baum gewach- sen, der reichte bis an den Himmel. „Ei, dachte der Bauer, weil die Gelegenheit da ist, mußt du doch sehen, was die Engel da droben machen und ihnen einmal unter die Augen gucken. Also stieg er hinauf und sah, daß die Engel oben Haber droschen und schaute das mit an; wie er so schaute, merkte er, daß der Baum, worauf er stand, an- fing zu wackeln und guckte hinunter da wollt’ ihn eben einer umhauen. Wenn du da herab stuͤrzest, das waͤr’ ein boͤses Ding, dachte er, und in der Noth wußt’ er sich nicht besser zu helfen, als daß er die Spreu vom Haber nahm, die haufenweis da lag und daraus einen Strick drehte, auch griff er nach einer Hacke und einem Dreschflegel, die da herum im Himmel lagen und ließ sich an dem Seil herunter. Er kam aber unten auf der Erde gerade in ein tiefes, tiefes Loch, und da war es ein rechtes Gluͤck, daß er die Hacke hatte, denn die nahm er und hackte sich eine Treppe und brachte den Dreschflegel zum Wahrzeichen mit. 27. De beiden Kuͤnnigeskinner . Et was mol en Kuͤnig west, de hatte en klei- nen Jungen kregen, in den sin Teiken (Zeichen) K 2 hadde stahn, he sull von einen Hirsch uͤmmebracht weren, wenn he sestein Johr alt waͤre. Ase he nu so wit anewassen was, do gingen de Jaͤgers mol mit uͤnne up de Jagd. In den holte, da kuͤmmt de Kuͤnigssohn bie de anneren denne, (von den andern weg) up ein mol suͤht he da ein grooten Hirsch, den wull he scheiten, he kunn en awerst nig dreppen; up’t lest is de Hirsch so lange fuͤr uͤnne herut laupen, bis gans ut den holte; da steiht da up einmol so ein grot lank Mann stad des Hirsches, de segd: „nu dat is gut, dat ik dik hewe, schon 6 paar gleserne Schlitschau hinner die caput jaget, un hewe dik nig kriegen koͤnnt.“ Da nuͤmmet he uͤn mit sik un schlippet em dur ein grot Water bis fuͤr en grot Kuͤnigsschlott, da mut he mit an’n Disk un eten wat. Ase se tosammen wat geeten het, segd de Kuͤnig: „ik hewe drei Doͤchter, bie der oͤlesten mußt du en Nacht wa- ken, von des Obends niegen Uhr bis Morgen sesse, un ik kumme jedesmol, wenn de Klocke schlaͤtt suͤlwens un rope. Un wenne mie dan immer Antwort givst, so salst du se tor Fruen hewen.“ Ase do die jungen Lude up de Schlop- kammer kaͤmen, da stahnd der en steinern Chri- stoffel, da segd de Kuͤnigsdochter to emme: „um niegen Uhr kummet min Teite (Vater), alle Stun- ne bis et dreie schlaͤtt, wenn he froget, so giwet gi em Antwort statt des Kuͤnigsohns,“ da nickede de steinerne Christoffel mit den Koppe gans schwin- ne und dann juͤmmer langsamer, bis he to leste wier stille stand. Den anneren Morgen, da segd de Kuͤnig to emme: „du hest dine Sacken gut macket, awerst mine Tochter kann ik nig hergie- wen, du moͤstest dann tin Nachte bie de tweiten wacken, dann will ik mie mal drup bedenken, ob du mine oͤlleste Dochter tor Frugge hewen kannst; awerst ik kumme olle Stunne suͤlwenst, un wenn ik die rope, so antworte mie, un wenn ik die rope un du antwortest nig, so soll fleiten din Blaud fuͤr mie.“ Un da gengen de beiden up de Schlop- kammer, da stahnd da noch en groͤteren steineren Christoffel, dato seg de Kuͤnigsdochter: „wenn min Teite froͤgt, so antworte du,“ da nickede de grote steinerne Christoffel wier mit den Koppe. Un de Kuͤnigssohn legte sik up den Doͤrsuͤll (Thuͤrschwel- le), legte de Hand unner den Kopp un schlaͤpt inne. Den anneren Morgen seh de Kuͤnig to uͤnne: „du hast dine Sacken twaren gut macket, awerst mine Dochter kann ik nig hergiewen, du moͤstest suͤs bie der jungesten Kuͤnigsdochter en Nacht wacken, dann will ik mie bedenken, ob du mine tweide Dochter tor Frugge hewen kannst; awerst ik kum- me alle Stunne suͤlwenst, un wenn ik rope, so ant- worte mie, un wenn ik die rope un du antwortest nig, so soll fleiten dein Blaud fuͤr mie.“ Da gingen se vier tohope (zusammen) up ehre Schlop- kammer, da was da noch en viel groͤtern un viel laͤngern Christoffel, ase bie de twei ersten; dato segde de Kuͤnigsdochter: „wenn min Teite roͤppet, so antworte du,“ da nickede de grote lange stei- nerne Christoffel wohl ene halwe Stunne mit den Koppe, bis de Kopp tolest wier stille stahnd. Un de Kuͤnigssohn legte sik up de Doͤrsuͤl und schlaͤp inne. Den annern Morgen da segd de Kuͤnig: „du hast twaren gut wacket, awerst ik kann die noch mine Dochter nig giewen, ik hewe so en gro- ten Wald, wenn du mie den von huͤte Morgen seße bis tin Morgen afhoggest, so will ik mie drup bedenken. Da dehe he uͤnne en gleserne Axt, en glaͤsernen Kiel un en gleserne Holt-Hacke midde. Wie he in dat Holt kummen is, da hoggete se einmal to, da was de Axt entwei, da nam he den Kiel un schlett einmal mit de Holt-Hacke daruppe, da is et so kurt un so klein ase Grutt (Sand). Da was he so bedroͤwet un gloͤvte, nu moͤste he sterwen, un he geit sitten un grient (weinte). Asset nu Middag is, da segd de Kuͤnig: „eine von juck Maͤken mott uͤnne wat to etten bringen.“ — „Nee, segged de beiden oͤllesten, wie willt uͤn nicks brin- gen, wo he dat leste bie wacket het, de kann uͤn auck wat bringen.“ Da mutt de jungesten weg un bringen uͤnne wat to etten. Ase in den Walle kummet, da fraͤgt se uͤn, wie et uͤnne ginge? O, sehe he, et ginge uͤn gans schlechte. Do sehe se, he sull herkummen und etten erst en bitken: nee, seh he, dat kuͤnne he nig, he moͤste jo doch ster- wen, etten wull he nig mehr. Do gav se uͤnne so viel gute Woore, he moͤchte et doch versoͤken: do kuͤmmt he un ett wat. Ase he wat getten het- ten her, do sehe se: „ich will die eest en bitken lusen, dann werst du annerst to Sinnen. Do se uͤn luset, do wett he so moͤhe un schloͤppet in, un do nummet se ehren Doock un binnet en Knupp do in un schlaͤtt uͤn drei mol up de Eere un segd: „ Arweggers herut!“ Do wuͤren glick so viele Eerdmaͤnneken herfurkummen un hadden froget, wat de Kuͤnigsdochter befelde. Do seh se: „in Tied von drei Stunnen mutt de groote Wall afhoggen un olle dat Holt in Hoͤpen settet sien.“ Do gingen de Eerdmaͤnnekens herum un boen ehre ganse Verwanschap up, dat se ehnen an de Arweit helpen sullen. Do fingen se glick an un ase de drei Stunne uͤmme wuͤren, do is alles to enne west; un do keimen se wier to der Kuͤnigsdochter un sehen’t ehr. Do nuͤmmet se wier ehren witten Doock un segd: „ Arweggers nah Hus!“ Do siet se olle wier weege west. Do de Kuͤnigssuhn upwacket, do wett he so frau, do segd se: wenn et nu sesse schloen het, so kumme nach Hus!“ Dat het he auk bevolget un do fraͤgt de Kuͤnig: „hest du den wall aawe?“ Ja segd de Kuͤnigs- suhn. Ase se do an en Diske sittet, do seh de Kuͤnig: „ik kann die nau mine Dochter nie tor Frugge giewen,“ he moͤste eest nau wat umme se dohen. Do fraͤgt he, wat dat den sien sulle? „Ik hewe so en grot Dieck, seh de Kuͤnig, do most du den annern Morgen hoͤnne, un most en utschloen, dat he so blank is, ase en Spegel, un et muͤttet von ollerhand Fiske dorinne sien.“ Den anneren Morgen do gav uͤnne de Kuͤnig ene gle- serne Schute (Schuͤppe) un segd: „umme sess Uher mot de Dieck ferig sien.“ Do geit he weg, ase he do bie den Dieck kummet, do stecket he mit de Schute in de Muhe (Moor, Sumpf), do brack se af; do stecket he mit de Hacken in de Muhe un et was wier caput. Do wert he gans bedroͤ- wet. Den Middag brachte de jungeste Dochter uͤnne wat to etten, do fraͤgt se, wo et uͤnne ginge? Do seh de Kuͤnigssuhn, et ginge uͤnne gans schlechte, he sull sienen Kopp wohl mißen mutten: „dat Geschirr is mie wier klein gohen.“ — „O, seh se, he sull kummen un etten eest wat,“ dann west du anneren Sinnes. Nee, segde he, etten kunn he nig, he wer gar to bedroͤwet, do givt se unne viel gudde Woore, bis he kummet un ett wat. Do luset se uͤnn wier, un he schloppet in, se nuͤmmet von niggen en Doock, schlett en Knupp do inne, un kloppet mit den Knuppe dreimol up de Eere un segd: „Arweggers herut!“ da kummt glick so viele Erdmaͤnnekes un froget olle, wat ehr Begeren waͤr? „In Tied von trei Stunne mo- sten se den Diek gans utschloen hewen un he moͤste so blank sien, dat man sik inne speigelen kuͤnne, un von ollerhand Fiske mosten dorinne sien.“ Do gingen de Erdmaͤnnekes huͤnn un boen ehre Ver- wanschap up, dat se uͤnnen helpen sullen; un et is auck in twei Stunnen ferrig west. Do kummet se wier un sehget: „wie haͤt dohen, so us befolen is.“ Do nuͤmmet de Kuͤnigsdochter den Doock un schlett wier dremol up de Eere un segd: „Arweg- gers to Hues!“ do siet se olle wier weg. Ase do de Kuͤnigssuhn upwecket, do is de Dieck ferrig. Do geit de Kuͤnigsdochter auck weg un segd, wenn et sesse waͤr, dan sull he nach Hus kummen; ase he do nah Hues kummet, do fraͤgt de Kuͤnig: „hes du den Dieck ferrig?“ Jo, seh de Kuͤnigssuhn. „Dat wer schoͤne.“ Do se do wier to Diske sei- ten, do seh de Kuͤnig: „du hast den Dieck twaren ferrig, awerst ik kann die mine Dochter noch nie giewen, du most eerst nau eins dohen.“ — „Wat is dat den?“ froͤgte de Kuͤnigssuhn. „He hedde so en grot Berg, do wuͤren luter Dorenbuske anne, de mosten olle afhoggen weren, un bowen up moste he en grot Schlott buggen, dat moste so wacker sien; ase’t nu en Menske denken kunne, un olle Ingedoͤmse, de in den Schlott gehorden, de moͤ- sten der olle inne sien.“ Do he nu den annern Morgen up steit, do gav uͤnne de Kuͤnig en glese- ren Exen un en gleseren Boren mie, et mott awerst um sess Uhr ferrig sien. Do he an den eer- sten Dorenbuske mit de Exe an hogget, do ging se so kurt un so klein, dat de Stuͤcker rund um uͤnne herfloen un de Boren kunn he auck nig brucken. Do war he gans bedroͤwet un toffte (wartete) up sine Leiweste, op de nie keime un uͤnn ut der Naud huͤlpe. Ase’t do Middag is, do kummet se un brinet wat to etten, do geit he ehr in de Moͤte (entgegen) un vertellt ehr olles, un ett wat, un lett sik von ehr lusen, un schloppet in. Do nuͤmmet se wier den Knupp un schlett domit up de Eere un segd: „Arweggers herut!“ Do kummet wier so viel Eerdmaͤnnekes un froget, wat ehr Begeren wuͤr? Do seh se: „in Tied von drei Stunnen muͤttet ju de gansen Busk afhoggen un bowen uppe den Berge, do mot en Schlott sto- hen, dat mot so wacker sien, ase’t nu ener denken kann un olle Ingedoͤmse muttet do inne sien.“ Do ginge se huͤnne un boen ehre Verwanschap up, dat se helpen sullen un ase de Tied umme was, do was alles ferrig. Do kuͤmmet se to der Kuͤnigs- dochter, un segget dat, un de Kuͤnigsdochter nuͤm- met den Doock und schlett dreimol domit up de Eere und segd: „Arweggers to Hues!“ Do siet se glick olle wier weg west. Do nu de Kuͤnigs- suhn upwecket un olles soh, do was he so frau, ase en Vugel in der Luft. Do et do sesse schloen hadde, do gingen se tohaupe nah Hues. Do segd de Kuͤnig: „is dat Schlott auck ferrig?“ Jo, seh de Kuͤnigssuhn. Ase do to Diske sittet, do segd de Kuͤnig: „mine jungeste Dochter kann ik nie gie- wen, befur de twei oͤllesten frigget het.“ Do wor de Kunigssuhn un de Kuͤnigsdochter gans bedroͤ- wet, un de Kuͤnigssuhn wuste sik gar nig to ber- gen (helfen). — Do kummet he mol bie Nachte to der Kuͤnigsdochter un loͤppet dermit furt. Ase do en bitken wegsiet, do kicket de Dochter mol umme un sicht ehren Vader hinner sik: „o, seh se, wo sull wie dat macken? min Vader is hinner us, un will us ummeholen, ik will die grade to’n Doͤrenbusk macken un mie tor Rose un ik will mie uͤmmer midden in den Busk waaren (schuͤtzen). Ase do de Vader an de Stelle kummet, do steit do en Doͤrenbusk un ene Rose, do anne do will he de Rose afbrecken, do kummet de Doͤren un stecket uͤn in de Finger, dat he wier nah Hues gehen mut. Do fraͤgt sine Frugge, worumme he se nig hedde middebrocht? do seh he, he wuͤr der bald bie west, awerst he hedde se uppen mol ut den Gesichte ver- lohren, un do hedde do en Doͤrenbusk un ene Rose stohen. Do seh de Kuͤnigin: „heddest du ment (nur) de Rose afbrocken, de Busk hedde sullen wohl kummen.“ Do geit he wier weg un will de Rose herholen. Unnerdes waren awerst de beiden schon wiet oͤwer Feld un de Kuͤnig loͤppet der hinner her. Do kiket sik de Dochter wier umme un seiht ehren Vader kummen, do seh se: „o, wo sull wie et nu macken? ik will die grade tor Kerke macken un mie tom Pastoer; do will ik up de Kanzel stohn un priedigen.“ Ase do de Kuͤnig an de Stelle kummet, do steiht do ene Kerke un up de Kanzel is en Pastoer un priediget, do hort he de Priedig to un geit wier nah Hues. Do fraͤgt de Kuͤni- ginne, worumme he se nig midde brocht hedde, do segd he: „nee, ik hewe se so lange nachlaupen, und as ik glovte, ik wer der bold bie, do steit do en Kerke un up de Kanzel en Pastoer, de prie- digte. „Du heddest sullen ment den Pastoer brinen“ se de Fru, de Kerke hedde sullen wohl kummen; dat ik die auck (wenn ich gleich dich), schicke dat kann nig mehr helpen, ik mut sulwenst huͤnne gehen.“ Ase se do ene Wiele wege is, un de beiden von Feren suͤt, do kicket sik de Kuͤnigs dochter umme un suͤht ehre Moder kummen un segd: „nu sie, wie ungluͤcksk! nu kuͤmmet miene Moder sulwenst, ik will die grade tom Dieck macken un mie tom Fisk.“ Do de Moder up de Stelle kummet, do is do en grot Dieck un in de Midde sprank en Fisk herumme un kuckte mit den Kopp ut den Water un was gans lustig. Do wull se geren den Fisk krigen, awerst se kunn uͤn gar nig fangen. Do wett se gans boͤse un drinket den gansen Dieck ut, dat se den Fisk kriegen will, awerst do wett se so uͤwel, dat se sik spiggen mott un spigget den gansen Dieck wier ut. Do seh se: „ik sehe do wohl, dat et olle nig mehr helpen kann; sei mogten nu wier to ebr kummen.“ Do gohet se dann auck wier huͤnne, un de Kuͤniginne givt de Dochter drei Wallnuͤtte un segd: „do kannst du die mit helpen, wenn du in dine hoͤgste Naud bist.“ Un do gingen de jungen Lude wier tohaupe weg. Do se do wohl tein Stunne gohen hadden, do kummet se an dat Schlott, wovon de Kuͤnigssuhn was, un dobie was en Dorp. Ase se do anne keimen, do segd de Kuͤnigssuhn: „blief hie, mine Leiweste, ik will eest up dat Schlott gohen un dann will ik mit den Wagen un Be- deinten kummen un will die afholen.“ Ase he do up dat Schlott kummet, do wert se olle so frau, dat se den Kuͤnigssuhn wier hett; do vertellt he, he hedde ene Brut un de wuͤr ietzt in den Dorpe, se wullen mit den Wagen hintrecken un se holen. Do spannt se auck glick an un viele Bedeinten setten sik up den Wagen. Ase do de Kuͤnigssuhn instiegen wull, do gab uͤn sine Moder en Kus, do hadde he alles vergeten, wat schehen was un auck wat he dohen will; do befal de Moder, se sullen wier utspannen un do gingen se olle wier in’t Hues. Dat Maͤken awerst sitt im Dorpe un luert un luert un meint, he sull se afholen, et kummet awerst keiner. Do vermaiet (vermiethet) sik de Kuͤnigsdochter in de Muhle, de hoerde bie dat Schlott, do moste se olle Nohmiddage bie den Water sitten un Stunze schuͤren (Gefaͤße reini- gen). Do kummet de Kuͤniginne mol von den Schlotte gegohen un gohet an den Water spatzeiern un seihet dat wackere Maͤken do sitten, do segd se: „wat is dat fur en wacker Maͤken! wat gefoͤllt mie dat gut! Do kiket se et olle an, awerst keen Menske hadde et kand. Do geit wohl ene lange Tied vorhie, dat dat Maͤken eerlick un getrugge die den Muͤller deint. Unnerdes hadde de Kuͤni- ginne ene Frugge fur ehren Suhn socht, de is gans feren ut der Weld west. Ase da de Brut ankuͤmmet, do soͤllt se glik tohaupe giewen weeren. Et laupet so viele Lude tosamen, de dat alle seihen willt, do segd dat Maͤken to den Muͤller, he moͤgte ehr doch auck Verloͤv giewen. Do seh de Muͤl- ler: „goh menten huͤnne.“ Ase’t do weg will, do macket et ene van den drei Wallnuͤtten up, do legt do so en wacker Kleid inne, dat trecket et an un gink domie in de Kerke gigen den Altor stohen; up enmol kummt de Brut un de Brume (Braͤu- tigam) un settet sik fuͤr den Altor, un ase de Pa- stor se da insegnen wull, do kiket sik de Brut van der halwe (seitwaͤrts), un suͤht et do stohen, do steit se wier up un segd, se wull sik nie giewen loten, bis se auck so en wacker Kleid haͤdde, ase de Dame. Da gingen se wier nah Hues un laͤten de Dame froen, ob se et dat Kleid wohl verkofte. Nee, verkaupen dam se nig, awerst verdeinen, dat moͤgte wohl sien. Do frogten se ehr, wat se denn dohen sullen? Da segd se, wenn se van Nachte fur dat Dohr van den Kuͤnigssuhn schlapen doffte, dann wull se et wohl dohen. Do seget se: „jo, dat sull se menten dohen.“ Do muttet de Be- deinten den Kuͤnigssuhn en Schlopdrunk ingiewen un do legt se sik up den Suͤll un gunselt (winselt) de heile Nacht: „se haͤdde den Wall fur uͤn afhog- gen loten, se haͤdde den Dieck fur uͤn utschloen, se haͤdde dat Schlott fur uͤn bugget, se haͤdde uͤnne to’n Doͤrenbusk macket, dann wier tor Kerke un tolest tom Dieck un he haͤdde se so geschwinne vergeten.“ De Kuͤnigssuhn hadde nicks davon hoͤrt, de Bedeinten awerst wuren upwacket, un hadden tolustert, un hadden nie wust, wat et sull beduͤen. Den anneren Morgen, ase se upstohen wuͤren, do trock de Brut dat Kleid an un foͤrt mit den Brumen nah der Kerke; uͤnnerdes macket dat wackere Maͤken de tweide Wallnutt up, un do is nau en schoͤner Kleid inne, dat tuht et wier an un geit domie in de Kerke gigen den Altor sto- hen, do geit et dann ewen, wie dat vuͤrge mol. Un dat Maͤken liegt wier en Nacht fur den Suͤll, de nah des Kuͤnigssuhns Stobe geit un de Be- deinten suͤllt uͤn wier en Schlopdrunk ingiewen; de Bedeinten kummet awerst un giewet uͤnne wat to wacken, domie legt he sik to Bedde un de Muͤl- lersmaged fur den Doͤrsuͤll gunselt wier so viel un segd, wat se dohen haͤdde. Dat hoͤrt olle de Kuͤnigssuhn un wett gans bedroͤwet un et foͤllt uͤnne olle wier bie, wat vergangen was, do will he nah ehr gohen, awerst sine Moder hadde de Doͤr toschlotten. Den annern Morgen awerst ging he glies to siner Leiwesten un vertellte ehr olles, wie et mit uͤnne togangen wer, un se moͤgte uͤnne doch nig beuse sin, dat he se so lange verget- ten haͤdde. Do macket de Kuͤnigsdochter de dridde Wallnutt up, do is nau en viel wacker Kleid inne, dat trecket se an un foͤrt mit ehren Brumen nah de Kerke, un do keimen so viele Kinner, de gei- wen uͤnne Blomen, un hellen uͤnne bunte Baͤn- ner fur de Foͤte, un se leiten sik insegenen un hel- len ene lustige Hochtied; awerst de falske Moder un Brut mosten weg. Un we dat lest vertellt het, den is de Mund noch waͤrm. 28. Vom klugen Schneiderlein . Es war einmal eine Prinzessin gewaltig stolz; kam ein Freier, so gab sie ihm etwas zu rathen auf, und wenn er’s nicht errathen konnte, so ward er mit Spott fortgeschickt. Sie ließ auch bekannt machen, wer’s erriethe, sollte sich mit ihr vermaͤh- len und moͤchte kommen, wer da wollte. Nun fanden sich auch drei Schneider zusammen, davon meinten die zwei aͤltesten, sie haͤtten so manchen feinen Stich gethan, und haͤtten’s getroffen, da koͤnnt’s ihnen nicht fehlen, sie muͤßten’s wohl bei der Prinzessin auch treffen; der dritte aber war ein kleines unnuͤtzes Ding, das nicht einmal sein Handwerk verstand. Da sprachen die zwei zu ihm: „bleib nur zu Haus, du wirst mit deinem Bis- chen Verstand auch nicht weit kommen;“ das Schneiderlein ließ sich aber nicht irr’ machen und sagte, es haͤtte einmal seinen Kopf darauf gesetzt und und wollte sich schon helfen, und ging dahin, als waͤr’ die ganze Welt sein. Da meldeten sie sich alle drei bei der Prinzes- sin und sagten, sie sollte ihnen ihr Raͤthsel vorle- gen; es waͤren die rechten Leute angekommen, die haͤtten einen feinen Verstand, den koͤnnte man wohl in eine Nadel faͤdeln. Da sprach die Prinzessin: „ich habe zweierlei Haar auf dem Kopf, von was fuͤr Farben ist das? „Wenn’s weiter nichts ist, sagte der erste, es wird schwarz und weiß seyn, wie Kuͤmmel und Salz.“ Die Prinzessin sprach: „falsch gerathen, antworte der zweite.“ Da sagte der zweite: „ist’s nicht schwarz und weiß, so ist’s braun und roth, wie meines Vaters Bratenrock.“ Falsch gerathen, sagte die Prinzessin, antworte der dritte, dem seh ich’s an, der weiß es sicherlich.“ Da trat das Schneiderlein hervor und sprach: „die Prinzessin hat ein silbernes und ein goldenes Haar auf dem Kopf und das sind die zweierlei Farben.“ Wie die Prinzeß das hoͤrte, ward sie blaß und waͤre vor Schrecken beinah hingefallen, denn das Schneiderlein hatte es getroffen, und sie hatte geglaubt, das wuͤrde kein Mensch auf der Welt herausbringen. Als ihr das Herz wieder- kam, sprach sie: „damit hast du mich noch nicht gewonnen, du mußt noch eins thun, unten im Stall liegt ein Baͤr, bei dem sollst du die Nacht zubringen, wenn ich dann morgen aufstehe und du bist noch lebendig, so sollst du mich heirathen.“ Kindermährchen II. L Sie dachte aber, damit wollte sie das Schneider- lein los werden, denn der Baͤr hatte noch keinen Menschen lebendig gelassen, der ihm unter die Tatzen gekommen war. Das Schneiderlein sprach vergnuͤgt: „das will ich auch noch vollbringen.“ Als nun der Abend kam, ward mein Schnei- derlein hinunter zum Baͤren gebracht; der Baͤr wollt’ auch gleich auf es los und ihm mit seiner Tatze einen guten Willkommen geben. „Sachte, sachte, sprach das Schneiderlein, ich kann dich noch dispen (zur Ruh bringen).“ Da holte es, als haͤtt’ es keine Sorgen, Welsche-Nuͤsse aus der Tasche, biß sie auf und aß die Kerne; wie der Baͤr das sah, kriegte er Lust und wollte auch Nuͤsse haben. Das Schneiderlein griff in die Tasche und reichte ihm eine Hand voll; es waren aber keine Nuͤsse, son- dern Wackersteine. Der Baͤr steckte sie ins Maul, er konnt’ aber nichts aufbeißen, er mogte druͤcken wie er wollte. „Ei, dachte er, was bist du fuͤr ein dummer Klotz, du kannst nicht einmal die Nuͤsse aufbeißen“ und sprach zum Schneiderlein: „mein, beiß mir die Nuͤsse auf.“ „Da siehst du was du fuͤr ein Kerl bist, sprach das Schneider- lein, hast so ein groß Maul und kannst die kleine Nuß nicht aufbeißen.“ Da nahm es die Steine, war hurtig, steckte dafuͤr eine Nuß in den Mund und knack! war sie entzwei. „Ich muß das Ding noch einmal probiren, sprach der Baͤr, wenn ich’s so ansehe, ich mein’, ich muͤßt’s koͤnnen.“ Da gab ihm das Schneiderlein wieder die Wacker- steine und der Baͤr arbeitete und biß aus allen Leibeskraͤften hinein; Gott geb, er haͤtte sie auf- gebracht! Wie das vorbei war, holte das Schnei- derlein eine Violine unter dem Rock hervor und spielte sich ein Stuͤckchen darauf. Als der Baͤr das hoͤrte, konnt’ er es nicht lassen und fing an zu tanzen, und als er ein Weilchen getanzt hatte, gefiel ihm das Ding so wohl, daß er zum Schnei- derlein sprach: „hoͤr, ist das Geigen schwer?“ „Ei gar nicht, siehst du, mit der Linken leg ich die Finger auf und mit der Rechten streich ich mit dem Bogen drauf los, da gehts lustig, hopsasa vivallalera!“ „Willst du mich’s lehren? sprach der Baͤr, so geigen, das moͤgt’ ich auch verstehen, damit ich tanzen koͤnnte, wann ich Lust haͤtte.“ — „Von Herzen gern, sagte das Schneiderlein, wenn du’s lernen willst, aber weis einmal deine Tatzen her, die sind gewaltig lang, ich muß dir erst die Naͤgel ein wenig abschneiden.“ Da holte es ei- nen Schraubstock und der Baͤr legte seine Tatzen drauf, das Schneiderlein aber schraubte sie fest und sprach: „nun warte bis ich wiederkomme mit der Scheere;“ ließ den Baͤr brummen, soviel er wollte, legte sich in die Ecke auf ein Bund Stroh und schlief ein. Die Prinzessin, als sie am Abend den Baͤren so gewaltig brummen hoͤrte, glaubte nicht anders, als der freute sich recht und mit dem Schneider L 2 waͤr’s jetzt vorbei. Am Morgen stand sie auch recht vergnuͤgt auf, wie sie aber nach dem Stall guckt, so steht das Schneiderlein ganz mun- ter davor und ist gesund wie ein Fisch im Wasser. Da konnte sie nun kein Wort mehr dagegen sagen, weil sie’s oͤffentlich versprochen hatte und der Koͤ- nig ließ einen Wagen kommen, darin mußte sie mit dem Schneiderlein zur Kirche fahren und sollte sie da vermaͤhlt werden. Wie sie nun ein- gestiegen waren, gingen die beiden andern Schnei- der, die falsch waren und ihm sein Gluͤck nicht goͤnnten, in den Stall und schraubten den Baͤren los, der war nun voller Wuth und rennte hinter dem Wagen her. Die Prinzessin aber hoͤrte ihn schnauben, da ward ihr Angst und sie sagte: „ach! der Baͤr ist hinter uns und will dich holen.“ Das Schneiderlein war bei der Hand, stellte sich auf den Kopf, streckte die Beine zum Fenster hinaus und rief: „siehst du den Schraubstock; wann du nicht gehst, so sollst du wieder hinein.“ Wie der Baͤr das sah, drehte er um und lief fort. Mein Schneiderlein fuhr da ruhig in die Kirche und die Prinzessin ward ihm an die Hand getraut und lebte mit ihr vergnuͤgt wie eine Heidlerche. Wers nicht glaubt, bezahlt einen Thaler. 29. Die klare Sonne bringt’s an den Tag. Ein Schneidergesell reiste in der Welt auf sein Handwerk herum; nun konnt’ er einmal keine Arbeit finden und war die Armuth bei ihm so groß, daß er keinen Heller Zehrgeld hatte. In der Zeit begegnete ihm auf dem Weg ein Jude und da dachte er, der haͤtte viel Geld bei sich und stieß Gott aus seinem Herzen, ging auf ihn los und sprach: „gib mir dein Geld oder ich schlag dich todt!“ Da sagte der Jude: „schenkt mir doch das Leben, Geld hab’ ich keins und nicht mehr als acht Heller.“ Der Schneider aber sprach: „du hast doch Geld und das soll auch her- aus!“ brauchte Gewalt und schlug ihn so lange, bis er nah am Tod war. Und wie der Jude nun sterben wollte, sprach er das letzte Wort: „die klare Sonne wird es an den Tag bringen!“ und starb damit. Der Schneidergesell griff ihm in die Taschen und suchte nach Geld, aber er fand nicht mehr als die acht Heller, wie der Jude ge- sagt hatte. Da packte er auf, trug ihn hinter einen Busch und zog weiter auf seine Profession. Wie er nun lange Zeit gereist war, kam er in eine Stadt bei einen Meister in Arbeit, der hatte eine schoͤne Tochter, in die verliebte er sich und heira- thete sie und lebte in einer guten, vergnuͤgten Ehe. Ueberlang, als sie schon zwei Kinder hatten, starben Schwiegervater und Schwiegermutter und die Jungen hatten den Haushalt allein. Eines Morgens, wie der Mann auf dem Tisch vor dem Fenster saß, brachte ihm die Frau den Kaffee und als er ihn in die Unterschale ausgegossen hatte und eben trinken wollte, da schien die Sonne darauf und blinkte oben an der Wand so hin und her und machte Kringel daran. Da sah der Schneider hinauf und sprach: „ja, die will’s gern an den Tag bringen und kann’s nicht!“ Die Frau sprach: „ei! lieber Mann, was ist denn das? was meinst du damit?“ Er antwortete: „das darf ich dir nicht sagen.“ Sie aber sprach: „wenn du mich lieb hast, mußt du mir’s sagen“ und gab ihm die allerbesten Worte, es sollt’s kein Mensch wieder erfahren, und ließ ihm keine Ruhe. Da erzaͤhlte er, vor langen Jahren, wie er auf der Wanderschaft ganz abgerissen und ohne Geld gewesen, habe er einen Juden erschlagen und der Jude habe in der letzten Todesangst die Worte gesprochen: „die klare Sonne wird’s an den Tag bringen.“ Nun haͤtt’s die Sonne eben gern an den Tag bringen wollen und haͤtt’ an der Wand geblinket und Kringel gemacht, sie haͤtt’s aber nicht gekonnt. Darnach bat er sie noch besonders, sie duͤrfte es niemand sagen, sonst kaͤm’ er um sein Leben, das versprach sie auch; als er aber zur Arbeit sich gesetzt hatte, ging sie zu ihrer Ge- vatterin und erzaͤhlte es der, wenn sie’s keinem Menschen wiedersagen wollte; eh’ aber drei Tage vergingen, wußt’ es die ganze Stadt und der Schneider kam vor das Gericht und er ward ge- richtet. Da brachte es doch die klare Sonne an den Tag. 30. Das blaue Licht . Es war einmal ein Koͤnig, der hatte einen Soldaten zum Diener, wie der ganz alt wurde und unbrauchbar, schickte er ihn fort und gab ihm nichts. Da wußte er nicht, womit er sein Leben fristen sollte, ging traurig fort den langen Tag und kam Abends in einen Wald. Wie er ein Weilchen gegangen war, sah er ein Licht, dem naͤherte er sich und kam zu einem kleinen Haus, darin wohnte eine alte Hexe. Er bat um ein Nachtlager und ein wenig Essen und Trinken, sie schlug’s ihm aber ab, endlich sagte sie: „ich will dich doch aus Barmherzigkeit aufnehmen, du mußt mir aber morgen meinen ganzen Garten umgraben.“ Der Soldat versprach’s und ward also beherbergt. Am andern Tag hackte er der Hexe den Garten um und hatte damit Arbeit bis zum Abend, nun wollte sie ihn wegschicken, er sprach aber: „ich bin so muͤd’, laß mich noch die Nacht hier bleiben.“ Sie wollte nicht, endlich gab sie’s zu, doch sollt’ er ihr andern Tags ein Fuder Holz klein spalten. Der Soldat hackte den zweiten Tag das Holz und hatte sich Abends so abgearbeitet, daß er wieder nicht fort konnte, also bat er um die dritte Nacht; dafuͤr sollte er aber den folgenden Tag das blaue Licht aus dem Brunnen holen. Da fuͤhrte ihn die Hexe an einen Brunnen und band ihn an ein lang Seil, daran ließ sie ihn hinab; und als er unten war, fand er das blaue Licht und machte das Zeichen, daß sie ihn wieder hinaufziehen sollte. Sie zog ihn auch in die Hoͤhe, wie er aber am Rand war, so nah, daß man sich die Haͤnde reichen konnte, wollte sie das Licht haben, um ihn dann wieder hinunter fallen zu lassen. Aber er merkte ihre boͤsen Gedanken und sagte: „nein, ehe geb ich das blaue Licht nicht, als bis ich mit meinen Fuͤ- ßen auf dem Erdboden stehe.“ Da erboßte die Hexe und stieß ihn mit sammt dem Licht hinunter in den Brunnen und ging fort. Der Soldat unten in dem dunkeln, feuchten Morast war traurig, denn ihm stand sein Ende bevor, da fiel ihm seine Pfeife in die Hand, die war noch halb voll, und er dachte: die willst du zum letzten Ver- gnuͤgen doch noch ausrauchen. Also steckte er sie an dem blauen Licht an und fing an zu rauchen; als der Dampf ein wenig herumzog, so kam ein klein schwarz Maͤnnlein daher und fragte: „Herr, was befiehlst du mir? ich muß dir in allem die- nen.“ — „Hilf mir vor allen Dingen aus dem Brunnen. Da faßte ihn das schwarze Maͤnn- chen bei der Hand und fuͤhrte ihn herauf und das blaue Licht nahmen sie mit. Als sie oben waren, sagte der Soldat: „nun schlag mir die alte Hexe todt.“ Als das Maͤnnchen das gethan, offen- barte es ihm die Schaͤtze und das Gold der Hexe, das lud der Soldat auf und nahm es mit sich. Dann sprach das Maͤnnchen: „wenn du mich brauchst, so zuͤnde nur deine Pfeife an dem blauen Licht an.“ Darauf ging der Soldat in die Stadt und in den besten Gasthof, da ließ er sich schoͤne Kleider machen und ein Zimmer praͤchtig einrich- ten. Wie das fertig war, rief er sein Maͤnnchen und sprach: „der Koͤnig hat mich fortgeschickt und mich hungern lassen, weil ich seine Dienste nicht mehr thun konnte, nun bring’ mir die Koͤnigs- tochter heut Abend hierher, die soll mir aufwar- ten und thun, was ich ihr heiße.“ Das Maͤnn- chen sprach: „das ist ein gefaͤhrlich Ding.“ Doch ging es hin und holte die Koͤnigstochter schlafend aus ihrem Bett und brachte sie dem Soldaten, dem mußte sie nun gehorchen und thun, was er wollte; am Morgen vor Hahnenschrei trug sie das schwarze Maͤnnchen wieder zuruͤck. Als sie auf- gestanden war, erzaͤhlte sie ihrem Vater: „ich habe diese Nacht einen wunderlichen Traum ge- habt, als waͤr’ ich weggeholt worden und die Magd von einem Soldaten und mußte ihm auf- warten.“ Da sprach der Koͤnig: „steck dir die Tasche voll Erbsen und mach ein Loch hinein, der Traum koͤnnte wahr seyn, dann fallen sie heraus und lassen die Spur auf der Straße.“ Also that sie auch, aber das Maͤnnchen hatte gehoͤrt, was der Koͤnig ihr angerathen; wie nun der Abend kam und der Soldat sagte, er sollte ihm wieder die Koͤnigstochter holen, da streute er die ganze Stadt vorher voll Erbsen und konnten die wenigen, die aus ihrer Tasche fielen, keine Spur machen und am andern Morgen hatten die Leute den ganzen Tag Erbsen zu lesen. Die Koͤnigs- tochter erzaͤhlte ihrem Vater wieder, was ihr be- gegnet war, da sprach er: „behalt einen Schuh an, und verstecke ihn heimlich, wo du bist.“ Das schwarze Maͤnnchen hoͤrte das mit an, und wie der Soldat wiederum die Koͤnigstochter wollte hergebracht haben, sagte es zu ihm: „jetzt kann ich dir nicht mehr helfen, du wirst ungluͤcklich, wenn’s heraus kommt.“ Der Soldat aber be- stand auf seinem Willen; „so mach dich nur gleich fruͤhmorgens aus dem Thor hinaus, sagte das Maͤnnchen, wenn ich sie fort getragen habe.“ Die Koͤnigstochter behielt nun einen Schuh an und versteckte ihn bei dem Soldaten ins Bett; am andern Morgen, wie sie wieder bei ihrem Vater war, ließ der uͤberall in der Stadt darnach suchen und da ward er dann bei dem Soldaten gefunden. Er hatte sich zwar aus dem Staube gemacht, wurde aber bald eingeholt und in ein festes Gefaͤngniß geworfen. Da saß er nun in Ketten und Ban- den und uͤber der eiligen Flucht war sein Bestes stehn geblieben, das blaue Licht und das Gold und ihm nichts uͤbrig als ein Dukaten. Wie er nun so traurig an dem Fenster seines Gefaͤngnisses stand, sah er einen Cammeraden vorbeigehen, den rief er an und sprach; „wenn du mir das kleine Buͤndelchen holst, das ich im Gasthause habe lie- gen lassen, geb’ ich dir einen Dukaten;“ da ging der hin und brachte ihm fuͤr den Dukaten das blaue Licht und das Gold. Der Gefangene steckte alsbald seine Pfeife an und ließ das schwarze Maͤnnchen kommen, das sprach zu ihm: „sey ohne Furcht, geh’ getrost zum Gericht und laß alles geschehen, nur nimm das blaue Licht mit.“ Dar- auf ward er verhoͤrt und ihm das Urtheil gespro- chen, daß er sollte an den Galgen gehaͤngt wer- den. Wie er hinaus gefuͤhrt wurde bat er den Koͤnig um eine Gnade. „Was fuͤr eine? sprach der. „Daß ich noch eine Pfeife auf dem Weg rauchen darf.“ „Du kannst drei rauchen, wenn du willst,“ sagte der Koͤnig. Da zog er seine Pfeife heraus und zuͤndete sie an dem blauen Flaͤmmchen an, alsbald trat das schwarze Maͤnn- chen vor ihn; „schlag mir da alles todt, sprach der Soldat, und den Koͤnig in drei Stuͤcke.“ Also fing das Maͤnnchen an und schlug die Leute rings herum todt, da legte sich der Koͤnig auf Gnade- bitten und um nur sein Leben zu erhalten, gab er dem Soldaten das Reich und seine Tochter zur Frau. 31. Von einem eigensinnigen Kinde. Es war einmal ein Kind eigen sinnig und that nicht was seine Mutter haben wollte. Da hatte der liebe Gott kein Wohlgefallen an ihm und es ward krank, und kein Arzt konnt’ ihm helfen und bald lag es auf dem Todtenbettchen. Als es ins Grab versenkt war, und Erde daruͤber gedeckt, kam auf einmal sein Aermchen wieder hervor und reichte in die Hoͤhe, und wenn sie es hineinlegten und frische Erde daruͤber legten, so half das nicht, es kam immer wieder heraus. Da mußte die Mutter selber zum Grab gehen und mit der Ruthe auf das Aermchen schlagen, und wie sie das gethan hatte, zog es sich hinein und hatte nun erst Ruh unter der Erde. 32. Die drei Feldscherer . Drei Feldscherer reisten in der Welt, meinten ihre Kunst ausgelernt zu haben und kamen in ein Wirthshaus, wo sie uͤbernachten wollten. Der Wirth fragte, wo sie her waͤren und hinaus woll- ten? „Sie zoͤgen auf ihre Kunst in der Welt herum.“ — „Ei, sprach der Wirth, zeigt mir doch einmal, was ihr koͤnnt.“ Sprach der erste, er wollte seine Hand abschneiden und morgen fruͤh wieder anheilen; der zweite sprach: er wollte sein Herz ausreißen und morgen fruͤh wieder anheilen; der dritte sprach, er wollte seine Augen ausstechen und morgen fruͤh wieder einheilen. Sie hatten aber eine Salbe, was sie damit bestrichen, das heilte zusammen, und das Flaͤschchen, wo sie drin war, trugen sie bestaͤndig bei sich. Da schnitten sie Hand, Herz und Auge vom Leibe, wie sie ge- sagt hatten, legten’s zusammen auf einen Teller und gaben’s dem Wirth, der Wirth gab’s einem Maͤdchen, das sollt’s in den Schrank stellen und wohl aufheben. Das Maͤdchen aber hatte einen heimlichen Schatz, der war ein Soldat; wie nun der Wirth, die drei Feldscherer und alle Leute im Haus schliefen, kam der und wollte was zu essen haben. Da schloß das Maͤdchen den Schrank auf und holte ihm etwas, und uͤber der großen Liebe vergaß es die Schrankthuͤre zuzumachen, setzte sich zum Liebsten an Tisch, und sie sprachen mit einander. Wie es so vergnuͤgt saß und an kein Ungluͤck dachte, kam die K atze hereingeschlichen, fand den Schrank offen, und nahm die Hand, das Herz und die Augen der drei Feldscherer und und lief mit hinaus. Als nun der Soldat geges- sen hatte und das Maͤdchen das Geraͤth aufheben und den Schrank zuschließen wollte, da sah sie wohl, daß der Teller, den ihr der Wirth aufzu- heben gegeben hatte, ledig war. Da sagte es er- schrocken zu seinem Schatz: „ach! was will ich armes Maͤdchen anfangen! Die Hand ist fort, das Herz und die Augen sind auch fort, wie wird mir’s morgen fruͤh ergehen!“ Da sprach er: „sey still, ich will dir davon helfen, gib mir nur ein scharfes Messer; es haͤngt ein Dieb am Galgen, dem will ich die Hand abschneiden, welche Hand war’s denn?“ — „Die rechte.“ Da gab ihm das Maͤdchen ein scharf Messer und er ging hin, schnitt dem armen Suͤnder die rechte Hand ab, und brachte sie. Darauf packte er die Katze und stach ihr die Augen aus; nun fehlte nur noch das Herz. „Habt ihr nicht geschlachtet und Schwei- nefleisch im Keller?“ „Ja,“ sagte das Maͤdchen. „Nun das ist gut,“ sagte der Soldat, ging hinun- ter und holte ein Schweineherz und gab’s dem Maͤdchen. Das that alles wieder auf den Teller und stellte es in den Schrank, und als ihr Liebster darauf Abschied genommen hatte, legte es sich ruhig ins Bett. Morgens, als die Feldscherer aufstanden, sag- ten sie dem Maͤdchen, es sollte ihnen den Teller holen, darauf Hand, Herz und Augen laͤgen. Da brachte es ihn aus dem Schrank, und der erste hielt sich die Diebshand an, bestrich sie mit seiner Salbe, alsbald war sie ihm angewachsen. Der zweite nahm die Katzenaugen und heilte sie ein; der dritte machte das Schweineherz fest. Der Wirth aber stand dabei, bewunderte ihre Kunst und sagte, dergleichen haͤtte er noch nicht ge- sehen, er wollt’ sie bei Jedermann ruͤhmen und empfehlen. Darauf bezahlten sie ihre Zeche und reisten weiter. Wie sie so dahin gingen, so blieb der mit dem Schweineherzen gar nicht bei ihnen, sondern wo eine Ecke war, lief er hin, schnuͤffelte darin herum, wie Schweine thun. Die andern wollten ihn an dem Rockschlippen zuruͤckhalten, aber das half nichts, er riß sich los und lief hin, wo der dickste Dreck lag. Der zweite stellte sich auch wunderlich an, rieb die Augen und sagte zu dem andern: „Cammerad, was ist das? das sind meine Augen nicht, ich sehe ja nichts, leit’ mich doch, daß ich nicht falle.“ Da gingen sie mit Muͤhe fort bis zum Abend und sie zu einer andern Herberge ka- men. Sie traten zusammen in die Wirthsstube, da saß in einer Ecke ein reicher Herr vorm Tisch und zaͤhlte Geld. Der mit der Diebshand ging um ihn herum, zuckt’ ein paarmal, endlich wie der Herr sich umwendete, griff er in den Haufen hinein und nahm eine Hand voll Geld heraus. Der eine sah’s und sprach: „Cammerad, was machst du, stehlen darfst du nicht, schaͤm’ dich.“ „Ei, sagte er, was kann ich dafuͤr, es zuckt mir in der Hand, ich muß zugreifen, ich mag wollen oder nicht.“ Sie legten sich darnach schlafen, wie sie da liegen, ist’s so finster, daß man keine Hand vor den Augen sehen kann. Auf einmal erwachte der mit den Katzenaugen, weckte die an- dern und sprach: „Bruͤder, schaut einmal auf, seht ihr die weißen Maͤuschen, die da herumlau- fen? „Die zwei richteten sich auf, konnten aber nichts sehen. Da sprach er: „es ist mit uns nicht richtig, wir haben das Unsrige nicht wieder gekriegt, wir muͤssen zuruͤck zu dem Wirth, der hat uns betrogen.“ Also machten sie sich am an- dern Morgen dahin auf und sagten dem Wirth, sie haͤtten ihr richtig Werk nicht wieder kriegt, der eine haͤtte eine Diebshand, der zweite Katzenau- gen und der dritte ein Schweineherz. Der Wirth sprach, da muͤßte das Maͤdchen Schuld daran seyn und wollte es rufen, aber wie das die drei hatte kommen sehen, war es zum Hinterpfoͤrtchen fort- gelaufen und kam nicht wieder. Da sprachen die drei, er sollte ihnen viel Geld geben, sonst ließen sie ihm den rothen Hahn uͤber’s Haus fliegen; da gab er, was er hatte und nur aufbringen konnte, und die drei zogen damit fort; es war fuͤr ihr Lebtag genug, sie haͤtten aber doch lieber ihr richtig Werk gehabt. 33. Der 33. Der Faule und der Fleißige. Es waren einmal zwei Handwerkspursche, die wanderten zusammen und gelobten bei einander zu halten. Als sie aber in eine große Stadt ka- men, ward der eine ein Bruder Liederlich, ver- gaß sein Wort, verließ den andern und zog allein fort, hin und her; wo’s am tollsten zuging war’s ihm am liebsten. Der andere hielt seine Zeit aus, arbeitete fleißig und wanderte hernach wei- ter. Da kam er in der Nacht am Galgen vorbei, ohne daß er’s wußte, aber auf der Erde sah er unten einen liegen und schlafen, der war duͤrftig und blos, und weil es sternenhell war, erkannte er seinen ehemaligen Gesellen. Da legte er sich neben ihn, deckte seinen Mantel uͤber ihn und schlief ein. Es dauerte aber nicht lang, so wurde er von zwei Stimmen aufgeweckt, die sprachen mit einander, das waren zwei Raben, die saßen oben auf dem Galgen. Der eine sprach: „Gott ernaͤhrt!“ der andere: „thu darnach!“ und ei- ner fiel nach den Worten matt herab zur Erde, der andere blieb bei ihm sitzen und wartete bis es Tag war, da holte er etwas Gewuͤrm und Was- ser, erfrischte ihn damit und erweckte ihn vom Tod. Wie die beiden Handwerksburschen das sahen, verwunderten sie sich und fragten den Kindermährchen. II. M einen Raben, warum der andere so elend und krank waͤre, da sprach der kranke: „weil ich nichts thun wollte und glaubte, die Nahrung kaͤm doch vom Himmel.“ Die beiden nahmen die Raben mit sich in den naͤchsten Ort, der eine war munter und suchte sich sein Futter, alle Morgen badete er sich und putzte sich mit dem Schnabel, der andere aber hockte in den Ecken herum, war verdrießlich und sah immerfort struppig aus. Nach einer Zeit hatte die Tochter des Hausherrn, die ein schoͤnes Maͤdchen war, den fleißigen Raben gar lieb, nahm ihn von dem Boden auf, streichelte ihn mit der Hand, endlich druͤckte sie ihn einmal an’s Ge- sicht und kuͤßte ihn vor Vergnuͤgen. Der Vogel fiel zur Erde, waͤlzte sich und flatterte und ward zu einem schoͤnen jungen Mann. Da erzaͤhlte er, der andere Rabe waͤr’ sein Bruder und sie haͤtten beide ihren Vater beleidigt, der haͤtte sie dafuͤr verwuͤnscht und gesagt: „fliegt als Raben umher, so lang, bis ein schoͤnes Maͤdchen euch freiwillig kuͤßt.“ Also war der eine erloͤst, aber den andern traͤgen wollte niemand kuͤssen und er starb als Rabe. — Bruder Liederlich nahm sich das zur Lehre, ward fleißig und ordentlich und hielt sich bei seinem Gesellen. 34. Die drei Handwerkspurschen . Es waren drei Handwerkspursche, die hatten es verabredet, immer mit einander zu wandern und in Einer Stadt zu arbeiten. Auf eine Zeit aber war gar kein Verdienst mehr, so daß sie ganz abgerissen wurden und nichts zu leben hatten, da sprach der eine: „was sollen wir anfangen? zu- sammenbleiben koͤnnen wir nicht laͤnger, das soll die letzte Stadt seyn, wo wir jetzt hineinkommen, finden wir keine Arbeit, so wollen wir beim Her- bergsvater ausmachen, daß wir ihm schreiben, wo wir uns aufhalten und einer vom andern Nachricht haben kann, und dann wollen wir uns trennen; das schien auch den andern das Beste. Wie sie noch im Gerede waren, so kam ein reich gekleideter Mann ihnen entgegen, der fragte, wer sie waͤren? „Wir sind Handwerksleute, suchen Arbeit und haben uns bisher zusammen gehalten, weil wir aber keine mehr finden, wollen wir uns trennen.“ „Ei, das hat keine Noth, sprach der Mann, wenn ihr thun wollt, was ich euch sage, soll’s euch an Geld und Arbeit nicht fehlen; ja ihr sollt große Herren werden und in Kutschen fah- ren.“ Der eine sprach: „wenn’s unserer Seele und Seligkeit nicht schadet, so wollen wir’s wohl thun;“ „nein sagte der Mann, ich habe kein M 2 Theil an euch.“ Der andere aber hatte nach sei- nen Fuͤßen gesehen und als er da einen Pferdefuß und einen Menschenfuß erblickte, wollte er sich nicht mit ihm einlassen. Der Teufel aber sprach: „gebt euch zufrieden, es ist nicht auf euch abge- sehen, sondern auf eines anderen Seele, der schon halb mein ist und dessen Maaß nur voll laufen soll.“ Weil sie nun sicher waren, willigten sie ein und der Teufel sagte ihnen was er verlangte, der erste sollte auf jede Frage antworten: „ wir alle drei ;“ der zweite: „ um’s Geld “ der dritte: „ und das war Recht !“ das sollten sie immer hinter einander sagen, weiter aber duͤrf- ten sie kein Wort sprechen und uͤbertraͤten sie das Gebot, so waͤre gleich alles Geld verschwunden; so lange sie es aber befolgten, sollten ihre Taschen immer voll seyn. Zum Anfang gab er ihnen auch gleich so viel, als sie tragen konnten und hieß sie in die Stadt in das und das Wirthshaus gehen. Sie gingen hinein, der Wirth kam ihnen entge- gen und fragte: „wollen Sie etwas zu essen? Der erste antwortete: „wir alle drei.“ „Ja, sagte der Wirth, das mein’ ich auch.“ Der zweite: „um’s Geld.“ „Das versteht sich,“ sagte der Wirth. Der dritte: „und das war Recht.“ „Ja wohl, war’s Recht,“ sagte der Wirth. Es ward ihnen nun gut Essen und Trinken gebracht und wohl aufgewartet, nach dem Essen mußte die Be- zahlung geschehen, da hielt der Wirth dem einen die Rechnung hin, der sprach: „wir alle drei;“ der zweite: „um’s Geld;“ der dritte: „und das war Recht.“ „Freilich ist’s Recht, sagte der Wirth, alle drei bezahlen und ohne Geld kann ich nichts geben;“ sie bezahlten aber noch mehr als er gefordert hatte. Die Gaͤste sahen das mit an und sprachen: „das muͤssen tolle Leute seyn,“ „ja das sind sie auch, sagte der Wirth, sie sind nicht recht klug.“ So blieben sie eine Zeitlang in dem Wirthshaus und sprachen kein ander Wort als: „wir alle drei, um’s Geld, und das war recht.“ Sie sahen aber und wußten alles, was darin vorging. Es trug sich aber zu, daß ein großer Kaufmann kam mit vielem Geld, der sprach: „Herr Wirth, heben sie mir mein Geld auf, da sind die drei naͤrrischen Handwerkspursche, die moͤchten mir’s stehlen.“ Das that der Wirth; wie er den Mantelsack in seine Stube trug, fuͤhlte er, daß er schwer von Gold war, darauf gab er den drei Handwerkern unten ein Lager, der Kauf- mann aber kam oben hin in eine besondere Stube. Als Mitternacht war, und der Wirth dachte, sie schliefen alle, kam er mit seiner Frau und sie hat- ten eine Holzaxt und schlugen den reichen Kauf- mann todt; nach vollbrachtem Mord legten sie sich wieder schlafen. Wie’s nun Tag war, gab’s großen Laͤrm, der Kaufmann lag todt im Bett und schwomm in seinem Blut; da liefen alle Gaͤste zusammen, der Wirth aber sprach: „das haben die drei tollen Handwerker gethan.“ Die Gaͤste bestaͤtigten es und sagten: „niemand an- ders kann’s gewesen seyn.“ Der Wirth aber ließ sie rufen und sagte zu ihnen: „habt ihr den Kaufmann getoͤdtet?“ „Wir alle drei,“ sagte der erste, „um’s Geld,“ der zweite, „und das war recht!“ der dritte. „Da hoͤrt ihr’s nun, sprach der Wirth, sie gestehen’s selber.“ Sie wurden also in’s Gefaͤngniß gebracht und sollten gerichtet werden. Wie sie nun sahen, daß es so ernsthaft ging, ward ihnen doch Angst, aber Nachts kam der Teufel und sprach: „haltet nur noch einen Tag aus und verscherzt euer Gluͤck nicht, es soll euch kein Haar gekruͤmmt werden.“ Am andern Morgen wurden sie vor Gericht ge- fuͤhrt; da sprach der Richter: „seyd ihr die Moͤr- der?“ — „wir alle drei.“ — „Warum habt ihr den Kaufmann erschlagen?“ — „um’s Geld.“ — „Ihr Boͤsewichter, sagte der Richter, habt ihr euch nicht der Suͤnde gescheut?“ — „und das war Recht.“ — „Sie haben bekannt und sind noch dazu halsstarrig, sprach der Richter, fuͤhrt sie gleich zum Tod.“ Also wurden sie hin- aus gebracht und der Wirth mußte mit in den Kreis treten; wie sie nun von den Henkersknech- ten gefaßt und eben auf’s Geruͤst gefuͤhrt wurden, wo der Scharfrichter mit bloßem Schwerte stand, kam auf einmal eine Kutsche mit vier blutrothen Fuͤchsen bespannt, und fuhr, daß das Feuer aus den Steinen sprang, aus dem Fenster aber winkte einer mit einem weißen Tuche. Da sprach der Scharfrichter, es kommt Gnade, und ward auch aus dem Wagen: Gnade! Gnade! gerufen. Da trat der Teufel heraus, als ein sehr vornehmer Herr, praͤchtig gekleidet und sprach: „ihr drei seyd unschuldig; ihr duͤrft nun sprechen, sagt, was ihr gesehen und gehoͤrt habt.“ Da sprach der aͤlteste: „wir haben den Kaufmann nicht getoͤdtet, der Moͤrder steht da im Kreis und deutete auf den Wirth; zum Wahrzeichen geht hin in seinen Keller, da haͤngen noch viele andere, die er um’s Leben gebracht.“ Da schickte der Richter die Henkersknechte hin, die fanden es, wie’s gesagt war, und als sie dem Richter das berichtet hatten, ließ er den Wirth hinauf fuͤhren und ihm das Haupt abschlagen. Da sprach der Teufel zu den Dreien: „nun hab’ ich die Seele, die ich haben wollte, ihr seyd aber frei und habt Geld fuͤr euer Lebtag.“ 35. Die himmlische Hochzeit . Es war einmal ein armer Bauerjung’ in der Kirche und hoͤrte, wie der Pfarrer sprach: „wer da will in’s Himmelreich kommen, muß immer geradaus gehen. Da machte er sich auf und ging ganz gerad’ fort, uͤber Berg und Thal; endlich kam er in eine große Stadt und mitten in die Kirche, wo eben Gottesdienst gehalten wurde. Wie er all die Herrlichkeit sah, meinte er, nun waͤr’ er im Himmel angelangt, setzte sich hin und war froh. Als der Gottesdienst vorbei war, kam der Kuͤster und hieß ihn hinausgehen. „Nein, sprach er, ich gehe nicht heraus, ich bin froh, daß ich endlich im Himmel bin.“ Da ging der Kuͤster zum Pfarrer und sagte ihm, es waͤr’ ein Junge in der Kirche, der wolle nicht wieder heraus, weil er glaube, er waͤre da im Himmelreich. Der Pfarrer sprach: „wenn’s so ist, wollen wir ihn behalten,“ ging hin und fragte ihn, ob er auch Lust haͤtte zu arbeiten? Ja, antwortete der Kleine, Arbeiten sey er gewohnt, aber heraus ginge er nicht. Also blieb er in der Kirche und als er sah, wie die Leut’ zu dem Muttergottesbild mit dem Jesuskind, das aus Holz geschnitten war, kamen, knieten und beteten, meinte er, das waͤr’ der liebe Gott und sprach: „hoͤr’ einmal, lieber Gott, was bist du mager! wie dich die Leut’ hun- gern lassen! ich will dir auch jeden Tag mein halbes Essen bringen.“ Nun bracht er dem Bild jeden Tag die Haͤlfte von seinem Essen und das Bild faͤngt auch an zu essen. Wie ein paar Wo- chen herum sind, merkten die Leute, daß das Bild zunahm, dick und stark ward, wunderten sich sehr; der Pfarrer konnte es auch nicht begreifen, blieb in der Kirche und ging dem Kleinen nach, da sah er, wie er sein Brot mit der Mutter Gottes theilte. Auf eine Zeit ward er krank und konnte acht Tage nicht aus dem Bett, wie er aber zuerst wieder aufstand, nahm er gleich Essen und der Pfarrer ging ihm nach und sah, wie er’s hinbrachte und hoͤrte ihn sprechen: „lieber Gott, nimm’s nicht uͤbel, daß ich so lange nichts gebracht, ich war aber krank und konnte nicht aufstehen.“ Da antwortete das Bild und sprach: „das thut nichts, ich habe deinen guten Willen gesehen, das ist genug und naͤchsten Sonntag sollst du zu mir auf die Hochzeit kommen.“ Der Junge freute sich sehr und der Pfarrer bat ihn, zu gehen und das Bild zu fragen, ob er auch duͤrfe mitkommen. „Nein, sagte das Bild, du allein.“ Der Pfar- rer aber wollte ihn erst vorbereiten und ihm das Abendmahl geben, das war der Kleine zufrieden und naͤchsten Sonntag, wie’s Abendmahl an ihn kommt, faͤllt er um und ist todt und war zur ewi- gen Hochzeit. 36. Die lange Nase . Es waren drei alte abgedankte Soldaten, die waren so alt, daß sie auch keine Libermilch mehr beißen konnten, da schickte sie der Koͤnig fort, gab ihnen keine Pension, hatten sie nichts zu leben und mußten betteln gehn. Da reisten sie durch einen großen Wald und konnten das Ende davon nicht finden; als es Abend war, legten sich zwei schlafen und der dritte mußte bei ihnen Wache halten, damit sie von den wilden Thieren nicht zerrissen wuͤrden. Wie die zwei nun eingeschlafen waren, und der eine dabei stand und Wache hielt, kam ein kleines Maͤnnchen in rothem Kleide und rief: wer da? „Gut Freund,“ sagte der Soldat. „Was fuͤr Gutfreund?“ — „Drei alte abge- dankte Soldaten, die nichts zu leben haben.“ Da sprach das Maͤnnchen, er sollte zu ihm kommen, es wollt’ ihm was schenken, wenn er das in Acht naͤhme, sollte er sein Lebtag genug haben. Da ging er heran und es schenkte ihm einen alten Mantel, wenn er den umhaͤngte, was er dann wuͤnschte, das ward alles wahr, er sollt’ es aber seinen Kammeraden nicht sagen, bis es Tag wuͤrde. Wie es nun Tag war und sie aufwachten, da er- zaͤhlte er ihnen was geschehen war und sie reisten weiter bis zum zweiten Abend, und als sie sich schlafen legten, mußte der zweite wachen und Po- sten bei ihnen stehen. Da kam das rothe Maͤnn- chen und rief wer da? „Gutfreund.“ — „Was fuͤr Gutfreund?“ — „Drei alte abgedankte Sol- daten.“ Da schenkte ihm das Maͤnnchen ein altes Beutelchen, das wurde nie leer von Geld, soviel auch herausgenommen wurde; er soll’s aber auch erst bei Tag seinen Kammeraden sagen. Da gin- gen sie noch den dritten Tag durch den Wald und Nachts mußte der dritte Soldat Wache stehen. Das rothe Maͤnnchen kam auch zu dem und rief wer da? „Gutfreund!“ — „Was fuͤr Gut- freund?“ — „Drei alte abgedankte Soldaten.“ Da schenkte ihm das rothe Maͤnnchen ein Horn, wenn man darauf blies, kamen alle Voͤlker zu- sammen. Am Morgen, wie nun jeder ein Ge- schenk hatte, that der erste den Mantel um und wuͤnschte, daß sie aus dem Wald waͤren, da wa- ren sie gleich draußen. Sie gingen in ein Wirths- haus und ließen sich da Essen und Trinken geben, das Beste, das der Wirth nur auftreiben konnte; als sie fertig waren, bezahlte der mit dem Beu- telchen alles und zog dem Wirth auch keinen Hel- ler ab. Nun waren sie das Reisen muͤde, da sprach der mit dem Beutel zu dem mit dem Mantel: „ich wollte, daß du uns ein Schloß dahin wuͤnsch- test, Geld haben wir doch genug, wir koͤnnten wie Fuͤrsten leben.“ Da wuͤnschte er ein Schloß und gleich stand es da und war alles Zugehoͤr dabei. Als sie eine Zeitlang da gelebt hatten, wuͤnschte er einen Wagen mit drei Schimmeln, sie wollten in ein ander Koͤnigreich fahren und sich fuͤr drei Koͤnigssoͤhne ausgeben. Da fuhren sie ab mit einer großen Begleitung von Lakaien, daß es recht fuͤrstlich aussah. Sie fuhren zu einem Koͤ- nig, der nur eine einzige Prinzessin hatte und als sie ankamen, ließen sie sich melden und wurden gleich zur Tafel gebeten und sollten die Nacht da schlafen. Da ging’s nun lustig her und als sie gegessen und getrunken hatten, fingen sie an Kar- ten zu spielen, was die Prinzessin so gerne that. Sie spielte mit dem, der den Beutel hatte, und so viel sie ihm abgewann, so sah sie doch, daß sein Beutel nicht leer ward und merkte, daß es ein Wuͤnschding seyn muͤßte. Da sagte sie zu ihm, er sey so warm vom Spiel, er solle einmal trinken und schenkte ihm ein, aber sie that einen Schlaftrunk in den Wein. Und wie er den kaum getrunken hatte, so schlief er ein, da nahm sie sei- nen Beutel, ging in ihre Kammer und naͤht einen andern, der ebenso aussah, that auch ein wenig Geld hinein und legt ihn an die Stelle des alten. Am andern Morgen reisten die drei weiter, und als der eine das wenige Geld ausgegeben hatte, was noch im Beutel war und nun wieder hinein- griff, war er leer und blieb leer. Da rief er aus: „mein Beutel ist mir von der falschen Prin- zessin vertauscht worden, nun sind wir arme Leu- te!“ Der mit dem Mantel aber sprach: „laß dir keine graue Haare wachsen, ich will ihn bald wieder geschafft haben.“ Da hing er den Man- tel um und wuͤnschte sich in die Kammer der Prin- zessin; gleich ist er da, und sie sitzt d a und zaͤhlt an dem Geld, das sie in einem fort aus dem Beutel holt. Wie sie ihn sieht, schreit sie, es waͤr’ ein Raͤuber da, und schreit so gewaltig, daß der ganze Hof gelaufen kommt und will ihn fan- gen. Da springt er in der Hast zum Fenster hinaus und laͤßt den Mantel haͤngen und ist auch der verloren. Wie die drei wieder zusammen- kamen, hatten sie nichts mehr als das Horn, da sprach der, dem es gehoͤrte: „ich will schon helfen, wir wollen den Krieg anfangen,“ und blies soviel Husaren und Cavallerie zusammen, daß sie nicht alle zu zaͤhlen waren. Dann schickte er zum Koͤ- nig und ließ ihm sagen, wenn er den Beutel und Mantel nicht herausgaͤbe, sollt’ von seinem Schloß kein Stein auf dem andern bleiben. Da redete der Koͤnig seiner Tochter zu, sie sollt’ es heraus- geben, eh’ sie sich so groß Ungluͤck auf den Hals luͤden, sie hoͤrte aber nicht darauf und sprach, sie wollt’ erst noch etwas versuchen. Da zog sie sich an wie ein armes Maͤdchen, nahm einen Henkel- korb an den Arm und ging hinaus in’s Lager, allerlei Getraͤnk zu verkaufen und ihre Kammer- jungfer mußte mitgehen. Wie sie nun mitten im Lager ist, faͤngt sie an zu singen so schoͤn, daß die ganze Armee zusammenlauft aus den Zelten, und der das Horn hat, lauft auch heraus und hoͤrt zu; und wie sie den sieht, gibt sie ihrer Kammer- jungfer ein Zeichen, die schleicht sich in sein Zelt, nimmt das Horn und lauft mit in’s Schloß. Dann ging sie auch wieder heim und hatte nun nun alles und die drei Kammeraden mußten wie- der betteln gehen. Also zogen sie fort, da sprach der eine, der den Beutel gehabt hatte: „wißt ihr was, wir koͤn- nen nicht immer beisammen seyn, geht ihr dort hinaus, ich will hier hinaus gehen.“ Also ging er allein und kam in einen Wald, und weil er muͤd’ war, legte er sich unter einen Baum, ein wenig zu schlafen. Wie er aufwachte und uͤber sich sah, da war es ein schoͤner Apfelbaum, unter dem er geschlafen und hingen praͤchtige Aepfel daran. Vor Hunger nahm er einen, aß ihn und dann noch einen. Da faͤngt ihm seine Nase an zu wachsen und waͤchst und wird so lang, daß er nicht mehr aufstehen kann; und waͤchst durch den Wald und sechzig Meilen noch hinaus. Seine Kammeraden aber gingen auch in der Welt herum und suchten ihn, weil es doch besser in Gesellschaft war, sie konnten ihn aber nicht finden. Auf ein- mal stieß einer an etwas und trat auf was wei- ches, ei! was soll das seyn, dachte er, da regte es sich und war es eine Nase. Da sprachen sie, wir wollen der Nase nachgehen und kamen endlich in den Wald zu ihrem Kammeraden, der lag da, konnt’ sich nicht ruͤhren noch regen. Da nahmen sie eine Stange und wickelten die Nase darum und wollten sie in die Hoͤhe heben, und ihn fort- tragen, aber es war zu schwer. Da suchten sie im Wald einen Esel, darauf legten sie ihn und die lange Nase auf zwei Stangen und fuͤhrten ihn also fort, und wie sie ein Eckchen weit gezogen waren, war er so schwer, daß sie ruhen mußten. Als sie so ruhten, sahen sie einen Baum neben sich stehen, daran hingen schoͤne Birnen; und hin- ter dem Baum kam das kleine rothe Maͤnnchen hervor und sagte zu dem Langnasigen, er sollte eine von den Birnen essen, so fiel ihm die Nase ab. Da aß er eine Birne und alsbald fiel die lange Nase ab und er behielt nicht mehr, als er zuvor hatte. Darauf sagte das Maͤnnchen: „brich dir von den Aepfeln und Birnen ab und mach’ Pulver aus jedwedem, wem du von dem Apfel- pulver gibst, dem waͤchst die Nase, und wenn du dann von dem Birnpulver gibst, so faͤllt sie wie- der ab; und dann reise als Arzt und gib der Prin- zessin von den Aepfeln und dann auch von dem Pulver, da waͤchst ihr die Nase noch zwanzigmal laͤnger als dir; aber halt dich fest.“ Da nahm er von den Aepfeln, ging an den Koͤnigshof und gab sich fuͤr einen Gaͤrtnersbursch aus und sagte, er haͤtte eine Art Aepfel, wie in der Landschaft keine wuͤchsen. Wie die Prinzessin aber hoͤrte davon, bat sie ihren Vater, er sollt’ ihr einige von diesen Aepfeln kaufen; der Koͤnig sprach: „kauf dir, soviel du willst.“ Da kaufte sie und aß einen, der schmeckte ihr so gut, daß sie meinte, sie haͤtte ihr Lebtag keinen so guten gegessen, und aß dann noch einen; wie das geschehen war, machte der Arzt sich fort. Da fing ihr die Nase an zu wachsen und wuchs so stark, daß sie vom Sessel nicht aufstehen konnte, sondern umfiel. Da wuchs die Nase sechszig Ellen um den Tisch herum, sechszig um ihren Schrank und dann durch’s Fenster hundert Ellen um’s Schloß, und noch zwanzig Meilen zur Stadt hinaus. Da lag sie, konnte sich nicht regen und bewegen und wußte ihr kein Doctor zu helfen. Der alte Koͤnig ließ ausschreiben, wenn sich irgend ein Fremder faͤnde, der seiner Tochter womit helfen koͤnnte, sollt’ er viel Geld haben. Da hatte nun der alte Soldat drauf gewartet, meldete sich als ein Doctor: „so es Gottes Wille waͤre, wollt’ er ihr schon helfen.“ Darauf gab er ihr Pulver von den Aepfeln, da fing die Nase an von neuem zu wachsen und ward noch groͤßer; am Abend gab er ihr Pulver von den Birnen, da ward sie ein wenig kleiner, doch nicht viel. Am andern Tag gab er ihr wieder Aepfelpulver, um sie recht zu aͤngstigen und zu strafen, da wuchs sie wieder, viel mehr als sie gestern abgenommen hatte. Endlich sagte er: „gnaͤdigste Prinzessin, Sie muͤssen einmal etwas entwendet haben, wenn Sie das nicht herausge- ben, hilft kein Rath.“ Da sagte sie: „ich weiß von nichts.“ Sprach er: „es ist so, sonst muͤßt mein Pulver helfen und wenn Sie es nicht her- ausgeben, muͤssen Sie sterben an der langen Nase.“ Da sagte der alte Koͤnig: „gib den Beutel, den Man- Mantel und das Horn heraus, das hast du doch entwendet, sonst kann deine Nase nimmermehr kleiner werden.“ Da mußte die Kammerjungfer alle drei Stuͤcke holen und hinlegen und er gab ihr Pulver von den Birnen, da fiel die Nase ab und mußten 250 Maͤnner kommen und sie in Stuͤcken hauen. Und er ging mit dem Beutel- chen, dem Mantel und dem Horn fort zu seinen Kammeraden, und sie wuͤnschten sich wieder in ihr Schloß; da werden sie wohl noch sitzen und Haus halten. 37. Die Alte im Wald . Es fuhr einmal ein armes Dienstmaͤdchen mit seiner Herrschaft durch einen großen Wald, und als sie mitten darin waren, kamen Raͤuber hervor und ermordeten, wen sie fanden; da kam alles mit einander um, nur das Maͤdchen nicht, das war aus dem Wagen gesprungen und hatte sich hinter einen Baum verborgen. Wie die Raͤuber mit ihrer Beute fort waren, kam es hervor, fing an bitterlich zu weinen und sagte: „was soll ich armes Maͤdchen nun anfangen, ich weiß mich nicht zu finden in dem Wald, kein Haus ist da, so muß ich gewiß verhungern!“ Es ging herum, suchte einen Weg, konnte aber keinen finden, bis Kindermährchen II. N zum Abend, da setzte es sich unter einen Baum, befahl sich Gott und wollt’ da sitzen bleiben und nicht weggehen, moͤchte geschehen, was immer wollte. Als es aber ein Bischen da gesessen, kam ein weiß Taͤubchen heruntergeflogen, mit einem kleinen goldnen Schluͤsselchen im Schnabel, das legte es ihm in die Hand und sprach: „siehst du dort den großen Baum, daran ist ein kleines Schloß, das schließ mit dem Schluͤsselchen auf, so wirst du Speise genug finden und keinen Hun- ger mehr leiden.“ Da ging es zu dem Baum und schloß ihn auf und fand Milch in einem klei- nen Schuͤsselchen und Weißbrot zum Einbrocken dabei, daß es sich satt essen konnte. Als es satt war, sprach es: „jetzt ist Zeit, wo die Huͤhner daheim auffliegen, ich bin so muͤd’, koͤnnt’ ich mich auch in mein Bett legen!“ Da kam das Taͤubchen wiedergeflogen und hatt’ ein anderes gol- denes Schluͤsselchen im Schnabel und sagt: „schließ dort den Baum auf, da wirst du ein Bett finden. Da schloß es auf und fand ein schoͤnes weiches Bettchen, da betete es zum lieben Gott, er sollt’ es behuͤten in der Nacht, legte sich und schlief ein. Am Morgen kam das Taͤubchen zum drittenmal und brachte wieder ein Schluͤsselchen und sprach: „schließ dort den Baum auf, da wirst du Kleider finden;“ und wie es aufschloß fand es Kleider mit Gold und Juwelen besetzt, so herrlich, wie sie keine Koͤnigstochter hat. Also lebte es da eine Zeitlang, und kam das Taͤubchen alle Tage und sorgte fuͤr alles, was es bedurfte, und war das ein stilles, gutes Leben. Einmal aber kam das Taͤubchen und sprach: „willst du mir etwas zu Lieb’ thun?“ — „Von Herzen gern,“ sagte das Maͤdchen. Da sprach das Taͤubchen: „ich will dich zu einem kleinen Haͤuschen fuͤhren, da geh’ hinein, mittendrin am Heerd da wird eine alte Frau sitzen und guten Tag sagen. Aber gib ihr bei Leibe keine Antwort, sie mag auch anfangen was sie will, sondern geh zu ihrer rechten Hand weiter, da ist eine Thuͤre, die mach auf, so wirst du in eine Stube kommen, wo eine große Menge von Ringen allerlei Art auf dem Tisch liegt, darunter sind praͤchtige mit glitzerigen Steinen, die laß aber alle liegen und such nur einen schlichten heraus, der auch darunter seyn muß und bring ihn zu mir her so geschwind du kannst.“ „Da ging das Maͤdchen hin in das Haͤuschen und fand die Alte, die machte große Augen, wie sie es sah, und sprach: „guten Tag mein Kind.“ Es gab ihr keine Antwort und ging auf die Thuͤre zu; „ei! wo hinaus?“ rief sie und faßt es beim Rock und wollt es fest- halten; „das ist mein Haus, da darf niemand herein, wenn ich’s nicht haben will.“ Aber es schwieg immer still, machte sich von ihr los und ging in die Stube hinein. Da war nun eine uͤbergroße Menge von Ringen, die glitzten und N 2 glimmerten ihm vor den Augen, es warf sie herum und suchte nach dem schlichten, konnt’ ihn aber nicht finden. Wie es so suchte, sah es die Alte, wie sie daher schlich und einen Vogelkaͤfig in der Hand hatte und damit fort wollte; da ging es auf sie zu und nahm ihr den Kaͤfig aus der Hand und wie es ihn aufhob und hinein sah, saß ein Vogel darin, der hatte den schlichten Ring im Schnabel. Da war es froh und lief damit zum Haus hinaus und dachte, das weiße Taͤubchen wuͤrde kommen und den Ring holen, aber es kam nicht. Da lehnte es sich an einen Baum und wollte auf es warten, und wie es so stand, da daͤuchte ihm, der Baum wuͤrde weich und biegsam und senkte seine Zweige herab. Und auf einmal schlangen sich die Zweige um es herum und waren zwei Arme und wie es sich umsah, war der Baum ein schoͤner Prinz, der es umfaßte und herzlich kuͤßte und sagte: „du hast mich erloͤst, die Alte ist eine Hexe, die hatte mich in einen Baum ver- wandelt, und alle Tag ein paar Stunden in eine weiße Taube, und so lang sie den Ring hatte, konnte ich meine menschliche Gestalt nicht wieder erhalten.“ Da waren auch seine Bedienten und Pferde von dem Zauber frei und keine Baͤume mehr und standen neben ihm, da fuhren sie fort in sein Reich, heiratheten sich und lebten gluͤcklich. 38. Die drei Bruͤder . Es war ein Mann, der hatte drei Soͤhne und weiter nichts im Vermoͤgen, als sein Haus, worin er wohnte. Nun haͤtte jeder gern nach seinem Tod das Haus gehabt, dem Vater war aber einer so lieb, als der andere, da wußt er gar nicht, wie er’s anfangen sollte, daß er keinem zu nahe thaͤt; verkaufen wollt’ er das Haus auch nicht, weil’s von seinen Voreltern war, sonst haͤtte er das Geld unter sie getheilt. Da fiel ihm endlich ein Rath ein und er sprach zu seinen Soͤh- nen: „geht in die Welt und versucht euch und lerne jeder ein Handwerk, wenn ihr dann wieder- kommt, wer das beste Meisterstuͤck macht, der soll das Haus haben.“ Das waren die Soͤhne zufrieden und der aͤltste wollte ein Hufschmied, der zweite ein Bar- bier, der dritte aber ein Fechtmeister werden. Darauf bestimmten sie eine Zeit, wo sie wieder nach Haus zusammenkommen wollten und zogen fort. Es traf sich auch, daß jeder einen tuͤchti- gen Meister fand, wo er was rechtschaffenes lernte; der Schmied mußte des Koͤnigs Pferde beschlagen und dachte: „nun kann dir’s nicht feh- len, du kriegst das Haus;“ der Barbier rasirte lauter vornehme Herrn und meinte auch, das Haus waͤr’ sein; der Fechtmeister kriegte manchen Hieb, biß aber die Zaͤhne zusammen und ließ sich’s nicht verdrießen, denn er dachte bei sich: „fuͤrchtest du dich vor einem Hieb, so kriegst du das Haus nimmermehr.“ Als nun die gesetzte Zeit herum war, kamen sie zusammen nach Haus, sie wußten aber nicht, wie sie die beste Gelegen- heit finden sollten, ihre Kunst zu zeigen, saßen beisammen und rathschlagten. Wie sie so saßen, kam auf einmal ein Haas uͤber’s Feld daher gelau- fen. „Ei, sagte der Barbier, der kommt wie gerufen,“ nahm Becken und Seife, schaumte, bis der Haas in die Naͤhe kam, dann seifte er ihn in vollem Laufe ein und rasirte ihm auch im vol- len Laufe ein Stutzbaͤrtchen und dabei schnitt er ihn nicht und that ihm an keinem Haare weh. „Das gefaͤllt mir, sagte der Vater, wenn sich die andern nicht gewaltig angreifen, so ist das Haus dein.“ Es waͤhrte nicht lang, so kam ein Herr in einem Wagen daher gerennt in vollem Jagen. „Nun sollt ihr sehen, Vater, was ich kann,“ sprach der Hufschmied, sprang dem Wagen nach, riß dem Pferd, das in einem fort jagte, die vier Hufeisen ab und schlug ihm auch im Jagen vier neue wieder an. „Du bist ein ganzer Kerl, sprach der Vater, du machst deine Sachen so gut, wie dein Bruder, ich weiß nicht, wem ich das Haus geben soll.“ Da sprach der dritte: „Vater, laßt mich auch einmal gewaͤhren,“ und weil es anfing zu regnen, zog er seinen Degen und schwenkte ihn in Kreuzhieben uͤber seinem Kopf, daß kein Tropfen auf ihn fiel; und als der Regen staͤrker ward und endlich so stark, als ob man mit Mul- den vom Himmel goͤß, schwang er den Degen im- mer schneller, und blieb so trocken, als saͤß er un- ter Dach und Fach. Wie der Vater das sah, er- staunte er und sprach: „du hast das beste Mei- sterstuͤck gemacht, das Haus ist dein.“ Die beiden andern Bruͤder waren damit zu- frieden, wie sie vorher gelobt hatten, und weil sie sich einander so lieb hatten, blieben sie alle drei zusammen im Haus, trieben ihre Profession und da sie so gut ausgelernt hatten und so geschickt waren, verdienten sie viel Geld. So lebten sie vergnuͤgt bis in ihr Alter zusammen und als der eine krank ward und starb, graͤmten sich die zwei andern so sehr daruͤber, daß sie auch krank wur- den und bald starben. Da wurden sie, weil sie so geschickt gewesen und sich so lieb gehabt, alle drei in ein Grab gelegt. 59. Der Teufel und seine Großmutter. Es war ein großer Krieg und der Koͤnig gab seinen Soldaten wenig Sold, so daß sie nicht da- von leben konnten; da thaten sich drei zusammen und wollten ausreißen. Einer sprach zum andern: „wenn wir aber gekriegt werden, haͤngt man uns an den Galgenbaum; wie wollen wir das ma- chen?“ Sprach der andere: „da steht ein gro- ßes Kornfeld, wenn wir hinein kriechen, findet uns kein Mensch, das Heer kommt nicht hinein.“ Das thaten sie und saßen zwei Tage und zwei Naͤchte im Korn, hatten aber so großen Hunger, daß sie beinah gestorben waͤren, denn sie durften nicht heraus. Da sprachen sie: „was hilft uns unser Ausreißen, wir muͤssen elendig im Korn sterben.“ Indem kam ein feuriger Drache uͤber das Kornfeld durch die Luft geflogen, der sah sie liegen und fragte: „was thut ihr drei da im Korn?“ Sie antworteten: „wir sind drei aus- gerissene Soldaten, wir konnten von unserm Sold nicht laͤnger im Heer leben, nun muͤssen wir hier Hungers sterben, weil das Heer rund herum liegt, und wir nicht entrinnen koͤnnen.“ „Wollt ihr mir sieben Jahre dienen, sagte der Drache, so will ich euch mitten durch’s Heer fuͤhren, daß euch niemand kriegen soll?“ „Wir haben keine Wahl, sprachen sie, und sind’s zufrieden.“ Da nahm sie der Drache in seine Klauen und unter seine Fittiche und brachte sie durch die Luft uͤber das Heer weg in Sicherheit. Darnach ließ er sie wieder zur Erde, er war aber der Teufel und gab ihnen ein kleines Peitschgen, womit sie sich Geld peitschen konnten, soviel sie wollten. „Damit, sprach er, koͤnnt ihr große Herren werden und in Wagen fahren; nach Verlauf der sieben Jahre aber seyd ihr mein eigen“ und hielt ihnen ein Buch vor, in das mußten sie alle drei unterschrei- ben. „Doch will ich euch, sagte er, dann erst noch ein Raͤthsel geben, koͤnnt ihr das rathen, sollt ihr frei und aus meiner Gewalt seyn. Da ging der Drache von ihnen ab und sie reisten fort mit ihren Peitschgen, hatten Geld die Fuͤlle, ließen sich Herrenkleider machen und zogen in der Welt herum. Wo sie waren, lebten sie in Freuden und Herrlichkeit, fuhren mit Pferden und Wagen, aßen und tranken und die sieben Jahre strichen in kurzer Zeit um. Als es nun bald an’s Ende kam, wurde ihnen angst und bang, zwei waren ganz betruͤbt, der dritte aber nahm’s leichter und sprach: „Bruͤder fuͤrchtet nichts, vielleicht koͤnnen wir das Raͤthsel rathen.“ Wie sie so zusammen- saßen, kam eine alte Frau daher, die fragte, warum sie so traurig waͤren? „Ach, was liegt euch daran, ihr koͤnnt uns doch nicht helfen.“ „Wer weiß das, erzaͤhlt mir’s nur.“ Da erzaͤhl- ten sie’s ihr, daß sie fast sieben Jahr dem Teufel gedient, der haͤtte ihnen Geld wie Heu geschafft, sie haͤtten sich ihm aber verschrieben und waͤren sein Eigenthum, wenn sie nach den sieben Jahren nicht ein Raͤthsel aufloͤsen koͤnnten. Die Alte sprach: „soll euch geholfen werden, so muß einer von euch zum Wald hinein gehen und da wird er an eine zerfallene Klippe kommen, die aussieht wie ein Haͤuschen.“ Die zwei traurigen dachten, das wird uns doch nicht retten und blieben vor dem Wald, der dritte lustige machte sich auf und fand alles so, wie die Frau gesagt hatte; in dem Haͤuschen aber saß eine steinalte Frau, die war des Teufels Großmutter und fragte ihn, woher er kaͤme und was er wollte? Da erzaͤhlte er ihr alles und weil er ein gar schoͤner Mensch war, hatte sie Erbarmen und hob einen großen Stein auf. „Darunter sitz ganz still, wann der Drache kommt, will ich ihn um die Raͤthsel fragen.“ Um zwoͤlf Uhr Nachts kam der Drache geflogen und wollte sein Essen, da deckte ihm seine Großmutter den Tisch und trug Trank und Speise auf, daß er vergnuͤgt war, und sie aßen und tranken zusam- men. Da fragte sie ihn im Gespraͤch, wie’s den Tag ergangen waͤre, wie viel Seelen er kriegt haͤtte? „Ich hab’ noch drei Soldaten, die sind mein,“ sprach er. „Ja, drei Soldaten, sagte sie, haben etwas an sich, die koͤnnen dir noch entkom- men.“ Sprach der Teufel hoͤhnisch: „die sind mir gewiß, denen gebe ich ein Raͤthsel auf, das sie nimmermehr rathen koͤnnen.“ „Was ist das fuͤr ein Raͤthsel?“ fragte sie. „Das will ich dir sagen: in der großen Nordsee liegt eine todte Meerkatze, das soll ihr Braten seyn; und von einem Wallfisch die Rippe, das soll ihr silberner Loͤffel seyn; und ein alter Pferdefuß, das soll ihr Weinglas seyn.“ Da ging der Teufel fort zu schlafen und die alte Großmutter hob den Stein auf und ließ den Soldaten heraus: „Hast du auch alles wohl in Acht genommen?“ „Ja,“ sprach er, und mußte auf einem andern Weg durch’s Fenster schnell zu seinen Gesellen gehen, damit ihn der Teufel nicht merkte. — Wie er nun zu den andern kam, erzaͤhlte er ihnen, was er gehoͤrt hatte und nun koͤnnten sie rathen, was sonst keine Seele gerathen haͤtte; da waren sie alle froͤhlich und guter Dinge und peitschten sich Geld genug. Als nun die sieben Jahre voͤllig herum waren, kam der Teufel mit dem Buche, zeigte die Unterschriften und sprach: „ich will euch nun in die Hoͤlle mitnehmen, da sollt ihr eine Mahlzeit haben, koͤnnt ihr mir rathen, was ihr fuͤr einen Braten werdet zu essen kriegen, so sollt ihr frei und los seyn und das Peitschgen dazu behalten.“ Da fing der erste Soldat an: „in der großen Nordsee liegt eine todte Meerkatze, das wird wohl der Braten seyn.“ Der Teufel aͤrgerte sich, machte hm! hm! hm! und fragte den zweiten: „was soll euer Loͤffel seyn?“ Da antwortete er: „von einem Wallfisch die Rippe, das soll unser silberner Loͤffel seyn.“ Der Teufel schnitt ein Gesicht, knurrte wieder dreimal hm! hm! hm! und sprach zum dritten: „was soll euer Weinglas seyn.“ „Ein alter Pferdefuß, das soll unser Weinglas seyn.“ Da flog der Teu- fel fort, ließ sie im Stich und hatte keine Gewalt mehr uͤber sie, aber die drei behielten das Peitsch- gen, schlugen Geld hervor, soviel sie wollten, und lebten vergnuͤgt bis an ihs Ende. 40. Ferenand getruͤ un Ferenand ungetruͤ. Et was mal en Mann un ’ne Fru west, de hadden so lange se rick woͤren kene Kinner, as se awerst arm woren, da kregen se en kleinen Jun- gen. Se kunnen awerst kenen Paen dato kregen, da segde de Mann, he wulle mal na den annern Ohre (Orte) gahn un tosebn , ob he da enen krege. Wie he so gink, begegnete uͤnn en armen Mann, de frog en, wo he huͤnne wulle? he segde, he wulle huͤnn un tosehn, dat he ’n Paen kriegte, he sie arm un da wulle uͤnn ken Minske to Gevaher stahn. „O, segde de arme Mann, gi sied arm un ik sie arm, ik will guhe (euer) Gevaher we- ren; ik sie awerst so arm, ik kann dem Kinne nix giwen, gahet hen und segget de Baͤhmoer (Weh- mutter), se sulle man mit den Kinne na der Ker- ken kummen.“ Ase se nu tohaupe na der Kerken kummet, da is de Bett er schaun darinne, de givt dem Kinne den Namen: Ferenand getruͤ . Wie he ut der Kerken gahet, da segd de Bettler: „nu gahet man na Hus, ik kann guh (euch) nix giwen, un gi suͤllt mie ok nix giwen.“ De Baͤhmoer awerst gav he ’n Schluͤttel un segd er, se moͤgt en, wenn se na Hus kaͤme, dem Vaer giwen, de sull’n verwahren, bis dat Kind vertein Johr old woͤre, dann sull et up de Heide gahn, da woͤre ’n Schlott, dato paßte de Schluͤttel, wat darin woͤre, dat sulle em hoͤren. Wie dat Kind nu sewen Johr alt woren un duͤet (tuͤchtig) was- sen wor, gink et mal spilen mit annern Jungens, da hadde de eine noch mehr vom Paen kriegt, ase de annere, he awerst kunne nix seggen, und da grinde he un gink na Hus un segde tom Vaer: „hewe ik denn gar nix vom Paen kriegt?“ — „O ja, segde de Vaer, du hest en Schluͤttel kriegt, wenn up de Heide ’n Schlott steit, so gah man hen und schlut et up.“ Da gink he hen, awerst et was kein Schlott to hoͤren un to sehen. Wier na sewen Jahren, ase he vertein Jahr old ist, geit he nochmals hen, da steit en Schlott darup. Wie he et upschloten het, da is der nix enne, ase’n Perd, ’n Schuͤmmel. Da werd de Junge so vuller Fruͤden, dat he dat Perd hadde, dat he sik darup sett un to sinen Vaer jegd (jagt). „Nu hew ik auck ’n Schuͤmmel, nu will ik auck reisen,“ segd he. Da treckt he weg un wie he unnerweges is, ligd da ’ne Schriffedder up ’n Wegge, he will se eist (erst) upnuͤmmen, da denkt he awerst wier bie sich: „o du suͤst se auck liggen laten, du finndst ja wul, wo du hen kuͤmmst ’ne Schriffedder, wenn du eine bruckest.“ Wie he so weggeit, da roppt et hinner uͤm: „Ferenand getruͤ, nimm se mit!“ He suͤt sik uͤmme, suͤt awerst keinen, da geit he wier torugge un nuͤmmt se up. Wie he wier ’ne Wile rien (geritten) is, kuͤmmt he bie’n Water vorbie, so ligd da en Fisk am Oewer (Ufer) un snappet un happet na Luft, so segd he: „toͤv, min lewe Fisk, ik will die helpen, dat du in’t Water kuͤmmst,“ un gript’n bie’n Schwans un werpt ’n in’t Water. Da steckt de Fisk den Kopp ut den Water un segd: nu du mie ut den Koth hol- pen hest, will ik die ’ne Floͤtepiepen giwen, wenn du in de Naud bist, so floͤte derup, dann will ik die helpen; wenn du mal wat in’t Water hast fallen laten, so floͤte man, so will ik et die herut reicken.“ Nu ritt he weg, da kuͤmmt so’n Minsk to uͤm, de fraͤgt ’n, wo he hen wull. „O na den neggsten Ort.“ — „Wu he dann heite?“ — „Ferenand getruͤ.“ — „Suͤ, da hewe wie ja fast den suͤlwigen Namen, ik heite Ferenand un- getruͤ .“ Da trecket se beide na den neggsten Ort in dat Wertshus. Nu was et schlimm, dat de Ferenand unge- truͤ allet wuste, wat ’n annerer dacht hadde un doen wulle; dat wust he doͤre so allerhand slimme Kunste. Et was awerst im Wertshuse so’n wacker Maͤken, dat hadde ’n schier (klares) Angesicht un drog sik so huͤbsch; dat verleiv sik in den Ferenand getruͤ, denn et was ’n huͤbschen Minschen west un frog’n, wo he hen to wulle? „O, he wulle so heruͤmmer reisen.“ Da segd se, so sull he doch nur da bliewen, et woͤre hier to Lanne ’n Kuͤnig, de neime wul geren ’n Bedeenten oder ’n Vorruͤ- ter; dabie sulle he in Diensten gahn. He ant- worde, he kuͤnne nig gud so to einen hingahen un been sik an. Da segde det Maͤken: „o dat will ik dann schun dauen.“ Un so gink se auck stracks hen, na den Kuͤnig, un sehde uͤnn, se wuͤste uͤnn ’n huͤbschen Bedeenten. Dat was de wol tofreen un leit ’n to sik kummen un wull’n to’m Bedeen- ten macken. He wull awerst leewer Vorruͤter sin, denn wo sin Perd waͤre, da moͤst he auck sin: da mackt ’n de Kuͤnig to’m Vorruͤter. Wie duͤt de Ferenand ungetruͤ gewahr wore, da segd he to den Maͤken: „toͤv! helpest du den an, un mie nig?“ „O, segd dat Maͤken, ik will’n auck an- helpen.“ Se dachte: „den most du die to’m Fruͤnne wahren, denn he is nig to truen.“ Se geit alse vor’m Kuͤnig stahn un beed ’n als Be- deinten an; dat is de Kuͤnig tofreen. Wenn he nu also det Morgens den Heren antrock, da jammerte de juͤmmer: „o wenn ik doch eist mine Leiweste bie mie haͤdde.“ De Fe- renand ungetruͤ war awerst dem Ferenand getruͤ juͤmmer upsettsig, wie asso de Kuͤnig mal wier so jammerte, da segd he: „Sie haben ja den Vor- reiter, den schicken Sie hin, der muß sie herbei- schaffen und wenn er es nicht thut, soll ihm der Kopf vor die Fuͤße gelegt werden.“ Do leit de Kuͤnig den Ferenand getruͤ to sik kummen und sehde uͤm, he haͤdde da un da ’ne Leiweste, de sull he uͤnn herschappen, wenn he dat nig deie, sull he sterwen. De Ferenand getruͤ gink im Stall to sinen Schuͤmmel un grinde un jammerde. „O wat sin ik ’n ungluͤcksch Minschenkind.“ Do roͤppet jei- mes hinner uͤm: „Ferenand getreu, was weinst du?“ He suͤt sik um, suͤt awerst neimes un jam- merd juͤmmer fort: „o min lewe Schuͤmmelken, nu mot ik die verlaten, nu mot ik sterwen.“ Da merkt he eist, dat dat sin Schuͤmmelken deit dat Fragen. „Doͤst du dat, min Schuͤmmelken, kast du kuren (reden)?“ un segd wier: „ik sull da un da hen un sall de Brut halen, west du nig, wie ik dat wol anfange?“ Da antwoerd dat Schuͤm- melken: „gah du na den Kuͤnig un segg, wenn he die giwen wulle, wat du hewen moͤstest, so wullest du se uͤnn schappen: wenn he die ’n Schipp vull Fleisk un ’n Schipp vull Brod giwen wulle, so sull et gelingen; da woͤren de grauten Riesen up den Water, wenn du denen ken Fleisk midde braͤchtest, so terreitn se die; un da woͤren de grauten Vuͤggel, de pickeden die de Ogen ut den Koppe, wenn du ken Brod vor se haͤddest.“ Da lett de Kuͤnig alle Slaͤchter im Lanne slachten un alle Becker backen, dat de Schippe vull werdt. Wie Wie se vull sied, segd dat Schuͤmmelken to’m Ferenand getruͤ: „nu gah man up mie sitten un treck mit mie in’t Schipp, wenn dann de Riesen kuͤmmet, so segg: „still, still, meine lieben Riesechen, ich hab’ euch wohl bedacht, ich hab’ euch was mitgebracht!“ Un wenn de Vuͤggel kuͤmmet, so seggst du wier: „still, still, meine lieben Voͤgelchen, ich hab’ euch wohl bedacht, ich hab’ euch was mitgebracht!“ dann doet sie die nix, un wenn du dann bie dat Schlott kuͤmmst, dann helpet die de Riesen, dann gah up dat Schlott un nuͤmm ’n Paar Riesen mit, da ligd de Prinzessin un schloͤppet; du darfst se awerst nig upwecken, sonnern de Riesen moͤtt se mit den Bedde upnuͤmmen un in dat Schipp dregen.“ (Und da geschah nun alles, wie das Schimmelchen gesagt hatte, und die Riesen tru- gen die Prinzessin zum Koͤnig.) Un ase se to’m Kuͤnig kuͤmmet, segd se, se kuͤnne nig liwen, se moͤste ere Schrifften hewen, de woͤren up eren Schlotte liggen bliwen. Da werd de Ferenand getruͤ up Anstifften det Ferenand ungetruͤ roopen, un de Kuͤnig beduͤtt uͤnn, he sulle de Schrifften von den Schlotte halen, suͤst sull he sterwen. Da geit he wier in Stall un grind un segd: „o min lewe Schuͤmmelken, nu sull ik noch ’n mal weg, wie suͤll wie dat macken.“ Da segd de Schuͤmmel, Kindermährchen II. O se sullen dat Schipp man wier vull laen (laden). (Da geht es wieder wie das Vorigemal, und die Riesen und Voͤgel werden von dem Fleisch gesaͤt- tigt und besaͤnftigt.) Ase se bie dat Schlott kuͤm- met, segd de Schuͤmmel to uͤnn, he sulle man herin gahn, in den Schlapzimmer der Prinzessin, up den Diske, da laͤgen de Schrifften. Da geit Ferenand getruͤ huͤn un langet se. Ase se up’n Water sind, da let he sine Schriffedder in’t Water fallen, da segd de Schuͤmmel: „nu kann ik die awerst nig helpen.“ Da faͤllt ’n dat bie mit de Floͤtepipen, he faͤnkt an to floͤten, da kuͤmmt de Fisk un het de Fedder im Mule un langet se ’m hen. Nu bringet he de Schrifften na den Schlot- te, wo de Hochtid hallen werd. De Kuͤnigin mogte awerst den Kuͤnig nig lien, weil he keine Nese hadde, sonnern se mogte den Ferenand getruͤ geren lien. Wie nu mal alle Herens vom Hove tosammen sied, da segd de Kuͤ- nigin, se kuͤnne auck Kunstuͤcke macken, se kuͤnne einen den Kopp afhoggen un wier upsetten, et sull nur mant einer versoͤcken. Da wull awerst kener de eiste sien, da mott Ferenand getruͤ daran, wier up Anstifften von Ferenand ungetruͤ, den hogget se den Kopp af un sett’n uͤnn auck wier up, et is auck glick wier tan heilt, dat et ut sach ase haͤdde he’n roen Faen (Faden) uͤm’n Hals. Da segd de Kuͤnig to ehr: „mein Kind, wo hast du denn das gelernt?“ — „Ja, segd se, soll ich es an dir auch einmal versuchen?“ — „O ja,“ segd he. Da hogget se en awerst den Kopp af un sett’n en nig wier upp, se doet as ob se’n nig darup kriegen kuͤnne un as ob he nig fest sitten wulle. Da ward de Kuͤnig begrawen, se awerst frigget den Fere- nand getruͤ. He ridde awerst juͤmmer sinen Schuͤmmel un ase he mal darup sat, da segd de to em, he sulle mal up ’ne annere Heide, de he em wist, trecken, un da 3 mal mit em herummerjagen. Wie he dat dahen hadde, da geit de Schuͤmmel up de Hinnerbeine stahn un verwannelt sik in ’n Kuͤnigssuhn. 41. Der Eisen-Ofen . Zur Zeit, wo das Wuͤnschen noch geholfen hat, ward ein Prinz von einer alten Hexe ver- wuͤnscht, daß er im Walde in einem großen Eisen- Ofen sitzen sollte. Da brachte er nun viele Jahre zu und konnte ihn niemand erloͤsen. Einmal kam eine Prinzessin in den Wald, die hatte sich irr gegangen und konnte ihres Vaters Koͤnigreich nicht wieder finden; neun Tage war sie so herum gegangen und stand zuletzt vor dem eisernen Ka- sten. Da fragte er sie: „wo kommst du her und wo willst du hin?“ Sie antwortete: „ich habe O 2 meines Vaters Koͤnigreich verloren und kann nicht wieder nach Haus kommen.“ Da sprach’s aus dem Eisen-Ofen: „ich will dir wieder nach Haus verhelfen in einer kurzen Zeit, wann du dich willst unterschreiben, zu thun, was ich verlange. Ich bin ein groͤßerer Koͤnigssohn, als du eine Koͤnigs- tochter und will dich heirathen.“ Da erschrak sie und dachte: „lieber Gott, was soll ich mit dem Eisen-Ofen anfangen!“ weil sie aber gern wieder zu ihrem Vater heim wollte, unterschrieb sie sich doch, zu thun, was er verlangte. Er sprach aber: „du sollst wiederkommen, ein Mes- ser mitbringen und ein Loch in das Eisen schrap- pen; dann gab er ihr jemand zum Gefaͤhrten, der ging nebenher und sprach nicht, er brachte sie aber in zwei Stunden nach Haus. Nun war große Freude am Schloß, als die Prinzessin wieder kam und der alte Koͤnig fiel ihr um den Hals und kuͤßte sie. Sie war aber sehr betruͤbt und sprach: „lie- ber Vater, wie mir’s gegangen hat! ich waͤr’ nicht wieder nach Haus gekommen aus dem gro- ßen wilden Walde, wann ich nicht waͤr’ bei einem eisernen Ofen gekommen, dem habe ich mich muͤs- sen dafuͤr unterschreiben, daß ich wollte wieder zu ihm zuruͤckkehren, ihn erloͤsen und heirathen.“ Da erschrack der alte Koͤnig so sehr, daß er beinahe in eine Ohnmacht gefallen waͤre, denn er hatte nur die einige Tochter. Berathschlagten sich also, sie wollten die Muͤllerstochter, die schoͤn waͤr’, an ihre Stelle nehmen, fuͤhrten die hinaus, gaben ihr ein Messer und hießen sie an dem Eisen-Ofen schaben. Sie schrappte auch 24 Stund, konnte aber nicht das geringste herabbringen; wie nun der Tag anbrach, rief’s in dem Eisen-Ofen: „mich daͤucht, ’s ist Tag d raußen!“ Da antwortete sie: „das daͤucht mich auch, ich meint, ich hoͤrt meines Vaters Muͤhle rappeln.“ — „So bist du ja eine Muͤllerstochter, dann geh gleich hinaus und laß die Prinzessin herkommen.“ Da ging sie hin und sagte dem alten Koͤnig, der draußen wollte sie nicht, er wollte seine Tochter. Da er- schrak der alte Koͤnig und die Prinzessin weinte; sie hatten aber noch eine schoͤne Schweinhirts- tochter, die war noch schoͤner, als die Muͤllers- tochter, der wollten sie ein Stuͤck Geld geben, damit sie fuͤr die Prinzessin zum eisernen Ofen ging. Also ward sie hinausgebracht und mußte auch 24 Stund schrappen, sie bracht aber nichts davon. Wie nun der Tag anbrach, rief’s im Ofen: „mich daͤucht, es ist Tag draußen!“ Da antwortete sie: „das daͤucht mich auch, ich meint, ich hoͤrt meines Vaters Hoͤrnchen tuͤten!“ — „So bist du ja eine Schweinshirten-Tochter, dann geh gleich hinaus und laß die Prinzessin kommen. Und sag’ ihr, es sollt’ ihr wiederfah- ren, was ich ihr versprochen haͤtte, und wann sie nicht kaͤme, sollte alles zerfallen und einstuͤrzen und kein Stein auf dem andern bleiben.“ Als die Prinzessin das hoͤrte, fing sie an zu weinen, es war aber nun nicht anders, sie mußte ihr Versprechen halten. Da nahm sie Abschied von ihrem Vater, steckte ein Messer ein und ging zu dem Eisen-Ofen hinaus. Wie sie nun angekom- men war, hub sie an zu schrappen und das Eisen gab ihr nach und wie zwei Stunden vorbei waren, hatte sie schon ein kleines Loch geschabt. Da guckte sie hinein und sah einen so schoͤnen Koͤnigssohn, ach! der glimmerte, daß er ihr recht in der Seele gefiel. Nun da schrappte sie noch weiter fort und machte das Loch so groß, daß er heraus konnte. Da sprach er: „du bist mein und ich bin dein, du bist meine Braut und hast mich er- loͤst.“ Sie bat sich aus, daß sie noch einmal duͤrfte zu ihrem Vater gehen und der Koͤnigssohn erlaubte es ihr, sie sollte aber nicht mehr mit ihrem Vater sprechen, als drei Worte und dann sollte sie wiederkommen. Also ging sie heim, sie sprach aber mehr als drei Worte, da verschwand alsbald der Eisen-Ofen und war weit weg uͤber glaͤserne Berge und schneidende Schwerter; doch war der Prinz erloͤst und nicht mehr darin einge- schlossen. Darnach nahm sie Abschied von ihrem Vater und etwas Geld mit, aber nicht viel, ging wieder in den großen Wald und suchte den Eisen- Ofen, allein der war nicht wieder zu finden. Neun Tage suchte sie, da ward ihr Hunger so groß, daß sie sich nicht zu helfen wußte, denn sie hatte nichts mehr zu leben. Und wie es Abend wurde, setzte sie sich auf einen kleinen Baum und gedachte dar- auf die Nacht hinzubringen, weil sie sich vor den wilden Thieren fuͤrchtete. Als nun Mitternacht heran kam, sah sie von ferne ein kleines Lichtchen, dacht sie, „ach! da waͤr’ ich wohl erloͤst,“ stieg vom Baum und ging dem Lichtchen nach, auf dem Weg aber betete sie. Da kam sie zu einem klei- nen alten Haͤuschen, da war viel Gras um ge- wachsen und stand ein kleines Haͤufchen Holz davor. Dachte sie: „ach! wo kommst du hier hin;“ guckte durch’s Fenster hinein, so sah sie nichts darin, als dicke und kleine Itschen (Kroͤten), aber einen Tisch, schoͤn gedeckt mit Wein und Braten, und Teller und Becher waren von Sil- ber. Da nahm sie sich das Herz und klopfte an; alsbald rief die Dicke: „Jungfer gruͤn und klein, Hutzelbein! Hutzelbeins Huͤndchen Hutzel hin und her! Laß geschwind sehen, wer draußen waͤr.“ Da kam eine kleine Itsche herbei gegangen und machte ihr auf; wie sie eintrat, hießen alle sie willkommen und sie mußte sich setzen. „Wo kommt ihr her? wo wollt ihr hin?“ Da er- zaͤhlte sie alles, wie es ihr gegangen waͤre, und weil sie das Gebot uͤbertreten, nicht mehr als drei Worte zu sprechen, waͤre der Ofen weg sammt dem Prinzen; nun wollte sie so lange suchen und uͤber Berg und Thal wandern, bis sie ihn faͤnde, da sprach die alte Dicke: „Jungfer gruͤn und klein, Hutzelbein! Hutzelbeins Huͤndchen! Hutzel hin und her! bring mir die große Schachtel her! Da ging die kleine hin und brachte die Schachtel herbeigetragen, hernach gaben sie ihr Essen und Trinken und brachten sie zu einem schoͤnen gemach- ten Bett, das war wie Seide und Sammet, da legt sie sich hinein und schlief in Gottes Namen. Als der Tag kam, stieg sie auf und gab ihr die alte Itsche drei Nadeln aus der großen Schachtel, die sollte sie mitnehmen; sie wuͤrden ihr noͤthig thun, denn sie muͤßte uͤber einen hohen glaͤsernen Berg und uͤber drei schneidende Schwerter und uͤber ein großes Wasser, wann sie das durchsetzte, wuͤrde sie ihren Prinzen wiederkriegen. Nun gab sie hiermit drei Theile (Stuͤcke), die sollte sie recht in Acht nehmen, naͤmlich drei große Na- deln, ein Pflugrad und drei Nuͤsse. Hiermit reiste sie ab und wie sie vor den glaͤsernen Berg kam, der so glatt war, steckte sie die drei Nadeln als hinter die Fuͤße und dann wieder vorwaͤrts und gelangte so hinuͤber, und als sie hinuͤber war, steckte sie sie an einen Ort, den sie wohl in Acht nahm. Darnach kam sie vor die drei schneiden- den Schwerter, da stellte sie sich auf ihr Pflugrad und rollte hinuͤber. Endlich kam sie vor ein gro- ßes Wasser und wie sie uͤbergefahren war, in ein großes schoͤnes Schloß. Sie ging hinein und hielt um einen Dienst an, sie waͤr’ eine arme Magd und wollte sich gern vermiethen; sie wußte aber, daß ihr Prinz drinne war, den sie erloͤst hatte aus dem eisernen Ofen im großen Wald. Also ward sie angenommen zum Kuͤchen- maͤdchen fuͤr geringen Lohn. Nun hatte der Prinz schon wieder eine andere an der Seite, die wollte er heirathen, denn er dachte, sie waͤre laͤngst gestorben. Abends nun, wie sie aufgewaschen hatte und fertig war, fuͤhlte sie in ihre Tasche und fand die drei Nuͤsse, welche ihr die alte Itsche gegeben hatte. Biß eine auf und wollte den Kern essen, siehe da war ein stolzes koͤnigliches Kleid drin. Wie’s nun die Braut hoͤrte, kam sie und hielt um das Kleid an und wollte es kaufen: „es waͤr’ kein Kleid fuͤr eine Dienstmagd.“ Da sprach sie, ja sie wollt’s nicht verkaufen, doch wann sie ihr einerlei (ein Ding) wollte erlauben, so sollte sie’s haben, naͤmlich eine Nacht in der Kammer ihres Braͤutigams zu schlafen. Die Braut erlaubt’ es ihr, weil das Kleid so schoͤn war und sie noch keins so hatte. Wie’s nun Abend war, sagte sie zu ihrem Braͤutigam: „das naͤrrische Maͤdchen will in deiner Kammer schlafen.“ „Wann du’s zufrieden dist , sprach er, bin ich’s auch.“ Sie gab aber dem Mann ein Glas Wein, in das sie einen Schlaftrunk gethan hatte. Also gingen beide in die Kammer schlafen, und er schlief so fest, daß sie ihn nicht erwecken konnte. Sie weinte aber die ganze Nacht und rief: „ich hab’ dich erloͤst aus einem wilden Wald und aus einem eisernen Ofen, du hast mich erloͤst und ich hab’ dich erloͤst durch ein verwuͤnschtes Schloß, uͤber einen glaͤsernen Berg, uͤber drei schneidende Schwerter und uͤber ein großes Wasser, ehe ich dich gefunden habe und willst mich doch nicht hoͤren.“ Die Bedienten saßen vor der Stuben- thuͤre und hoͤrten wie sie so die ganze Nacht weinte und sagten’s am Morgen ihrem Herrn. Und wie sie am anderen Abend aufgewaschen hatte, biß sie die zweite Nuß auf, da war noch ein weit schoͤne- res Kleid drin, wie das die Braut sah, wollte sie es auch kaufen. Aber Geld wollte das Maͤdchen nicht und bat sich aus, daß es noch einmal in der Kammer des Braͤutigams schlafen duͤrfte. Sie gab ihm aber wieder einen Schlaftrunk und er schlief so fest, daß er nichts hoͤren konnte. Das Kuͤchenmaͤdchen weinte aber die ganze Nacht und rief: „ich hab’ dich erloͤst aus einem wilden Walde und aus einem eisernen Ofen, du hast mich erloͤst und ich habe dich erloͤst, durch ein verwuͤnsch- tes Schloß, uͤber einen glaͤsernen Berg, uͤber drei schneidende Schwerter und uͤber ein großes Wasser ehe ich dich gefunden habe und willst mich doch nicht hoͤren.“ Die Bedienten saßen vor der Stubenthuͤre und hoͤrten, wie sie so die ganze Nacht weinte und sagten’s am Morgen ihrem Herrn. Und wie sie am dritten Abend aufge- waschen hatte, biß sie die dritte Nuß auf, da war ein noch schoͤneres Kleid darin, das starrte von purem Gold. Wie die Braut das sah, wollte sie es haben, das Maͤdchen aber gab es nur hin, wenn sie zum drittenmal duͤrfte in der Kammer des Braͤutigams schlafen. Der Prinz aber huͤtete sich und ließ den Schlaftrunk vorbeilaufen; wie sie nun anfing zu weinen und zu rufen: „liebster Schatz, ich habe dich erloͤst aus dem grausamen, wilden Walde und aus einem eisernen Ofen, du hast mich erloͤst und ich habe dich erloͤst;“ so sprang der Prinz auf und sprach: „du bist mein und ich bin dein.“ Darauf setzte er sich noch in der Nacht mit ihr in einen Wagen und der fal- schen Braut nahmen sie die Kleider weg, daß sie nicht aufstehen konnte. Als sie zu dem großen Wasser kamen, da schifften sie hinuͤber, und vor die drei schneidende Schwerter, da setzten sie sich aufs Pflugrad, und vor den glaͤsernen Berg, da steckten sie die drei Nadeln hinein; und so gelang- ten sie endlich zu dem alten kleinen Haͤuschen, aber wie sie hineintraten, war’s ein großes Schloß, die Itschen waren alle erloͤst und lauter Prinzen und Prinzessinnen und waren in voller Freude. Da ward Vermaͤhlung gehalten und sie blieben in dem Schloß, das war viel groͤßer, als ihres Vaters Schloß. Weil aber der Alte jammerte, daß er allein bleiben sollte, so fuhren sie weg und holten ihn zu sich und hatten zwei Koͤnigreiche und lebten in gutem Ehestand. 42. Die faule Spinnerin . Auf einem Dorfe lebte ein Mann und eine Frau, und die Frau war so faul, daß sie immer nichts arbeiten wollte und was ihr der Mann zu spinnen gab, das spann sie nicht fertig und was sie auch spann, haspelte sie nicht, sondern ließ alles auf dem Klauel gewickelt liegen. Schalt sie nun der Mann, so war sie mit ihrem Maul doch vor- nen und sprach: „ei, wie sollt’ ich haspeln, da ich keinen Haspel habe, geh du erst in den Wald und schaff’ mir einen.“ „Wenn’s daran liegt, sagte der Mann, so will ich in den Wald gehen und Haspelholz holen. Da fuͤrchtete sich die Frau, wenn er das Holz haͤtte, daß er daraus einen Haspel machte und sie da abhaspeln und dann frisch spinnen muͤßte. Sie besann sich ein Bis- chen, da kam ihr ein guter Einfall und sie lief dem Manne heimlich nach in den Wald. Wie er nun auf einen Baum gestiegen war, das Holz auszulesen und zu hauen, schlich sie darunter in das Gebuͤsch, wo er sie nicht sehen konnte und rief hinauf: „wer Haspelholz haut, der stirbt, wer da haspelt, der verdirbt!“ Der Mann horchte auf, legte die Axt eine Weile nieder und dachte nach, was das wohl zu bedeu- ten habe. „Ei was, sprach er endlich, was wird’s gewesen seyn, es hat dir in den Ohren geklungen, mach dir keine unnoͤthige Furcht;“ also ergriff er die Axt von neuem und wollte zuhauen, da rief’s wieder unten: „wer Haspelholz haut, der stirbt, wer da haspelt, der verdirbt!“ Er hielt ein, kriegte Angst und Bang und sann dem Ding nach; wie aber ein Weilchen vorbei war, kam ihm das Herz wieder und er langte zum drittenmal nach der Axt und wollte zuhauen. Aber zum drittenmal rief’s und sprach’s laut: „wer Haspelholz haut, der stirbt, wer da haspelt, der verdirbt!“ Da hatte er’s genug und alle Lust war ihm ver- gangen, so daß er eilends den Baum herunter- stieg und sich auf den Heimweg machte. Die Frau lief, was sie konnte, auf Nebenwegen, damit sie eher nach Haus kaͤme; wie er nun in die Stube trat, that sie unschuldig, als waͤre nichts vorge- fallen und sagte: „nun bringst du ein gutes Has- pelholz?“ „Nein, sprach er, ich sehe wohl, es geht mit dem Haspeln nicht,“ erzaͤhlte ihr, was ihm im Walde begegnet war, und ließ sie von nun an damit in Ruhe. Bald hernach fing der Mann doch wieder an sich uͤber die Unordnung im Hause zu aͤrgern und es lief bei ihm uͤber: „Frau, sagte er, es ist doch eine Schande, daß das gesponnene Garn da auf dem Klauel liegen bleibt.“ „Weißt du was, sprach sie, weil wir doch zu keinem Haspel kom- men, so stell dich auf den Boden und ich steh un- ten, da will ich dir den Klauel hinaufwerfen und du wirfst ihn herunter, so gibt’s doch einen Strang.“ „Ja, das geht, sagte der Mann; also thaten sie das und wie sie fertig waren, sprach er: „das Garn ist nun gestraͤngt, nun muß es auch gekocht werden.“ Der Frau ward wieder Angst; sie sprach zwar: „ja, wir wollen’s gleich morgenfruͤh kochen,“ dachte aber bei sich auf einen neuen Streich. Fruͤhmorgens stand sie auf, machte Feuer an, und stellte den Kessel bei, allein statt des Garns legte sie einen Klumpen Werg hinein und ließ es so zukochen. Darauf ging sie zum Manne, der noch im Bette lag, und sprach zu ihm: „ich muß einmal ausgehen, steh derweil auf und sieh nach dem Garn, das im Kessel uͤber’m Feuer steht, aber du mußt’s bei Zeit thun, gib wohl Acht, denn wo der Hahn kraͤht und du saͤhest nicht nach, wird das Garn zu Werg.“ Der Mann war bei der Hand und wollte nichts versaͤumen, also stand er eilend auf, so schnell er konnte und ging in die Kuͤche; wie er aber zum Kessel kam und hinein sah, da erblickte er mit Schrecken nichts als einen Klumpen Werg. Da schwieg er maͤuschenstill, dachte, er haͤtt’s versehen und waͤr’ Schuld daran und ließ in Zukunft die Frau mit Garn und Spinnen immer zufrieden. 43. Der Loͤwe und der Frosch . Es war ein Koͤnig und eine Koͤnigin, die hatten einen Sohn und eine Tochter, die hatten sich herzlich lieb. Der Prinz ging oft auf die Jagd und blieb manchmal lange Zeit draußen im Wald, einmal aber kam er gar nicht wieder. Daruͤber weinte sich seine Schwester fast blind, endlich, wie sie’s nicht laͤnger aushalten konnte, ging sie fort in den Wald und wollte ihren Bru- der suchen. Als sie nun lange Wege gegangen war, konnte sie vor Muͤdigkeit nicht weiter und wie sie sich umsah, da stand ein Loͤwe neben ihr, der that ganz freundlich und sah so gut aus. Da setzte sie sich auf seinen Ruͤcken und der Loͤwe trug sie fort und streichelte sie immer mit seinem Schwanze und kuͤhlte ihr die Backen. Als er nun ein gut Stuͤck fortgelaufen war, kamen sie vor eine Hoͤhle, da trug sie der Loͤwe hinein und sie fuͤrchtete sich nicht und wollte auch nicht herab- springen, weil der Loͤwe so freundlich war. Also ging’s durch die Hoͤhle, die immer dunkler war und endlich ganz stockfinster, und als das ein Weil- chen gedauert hatte, kamen sie wieder an das Tagslicht in einen wunderschoͤnen Garten. Da war alles so frisch und glaͤnzte in der Sonne, und mittendrin stand ein praͤchtiger Pallast. Wie sie an’s Thor kamen, hielt der Loͤwe und die Prin- zessin stieg von seinem Ruͤcken herunter. Da fing der Loͤwe an zu sprechen und sagte: „in dem schoͤnen Haus sollst du wohnen und mir dienen, und wenn du alles erfuͤllst was ich fordere, so wirst du deinen Bruder wiedersehen.“ Da diente die Prinzessin dem Loͤwen und ge- horchte ihm in allen Stuͤcken. Einmal ging sie in dem Garten spatziren, darin war es so schoͤn und doch war sie traurig, weil sie so allein und von aller Welt verlassen war. Wie sie so auf und ab ging, ward sie einen Teich gewahr und auf der Mitte des Teichs war eine kleine Insel mit einem Zelt. Da sah sie, daß unter dem Zelt ein grasgruͤner Laubfrosch saß und hatte ein Ro- senblatt auf dem Kopf statt einer Haube. Der Frosch guckte sie an und sprach: „warum bist du so traurig?“ „Ach, sagte sie, warum sollte ich nicht traurig seyn?“ und klagte ihm da recht ihre Roth. Noth. Da sprach der Frosch ganz freundlich: „wenn du was brauchst, so komm nur zu mir. so will ich dir mit Rath und That zur Hand gehen.“ „Wie soll ich dir das aber vergelten?“ „Du brauchst mir nichts zu vergelten, sprach der Quackfrosch, bring mir nur alle Tage ein frisches Rosenblatt zur Haube.“ Da ging nun die Prin- zessin wieder zuruͤck und war ein Bischen getroͤ- stet und so oft der Loͤwe etwas verlangte, lief sie zum Teich, da sprang der Frosch heruͤber und hin- uͤber und hatte ihr bald herbeigeschafft, was sie brauchte. Auf eine Zeit sagte der Loͤwe: „heut Abend aͤß ich gern eine Muͤckenpastete, sie muß aber gut zubereitet seyn.“ Da dachte die Prin- cessin, wie soll ich die herbei schaffen, das ist mir ganz unmoͤglich, lief hinaus und klagte es ihrem Frosch. Der Frosch aber sprach: „mach dir keine Sorgen, eine Muͤckenpastete will ich schon herbei- schaffen.“ Darauf setzte er sich hin, sperrte rechts und links das Maul auf, schnappte zu und fing Muͤcken, so viel er brauchte. Darauf huͤpfte er hin und her, trug Holzspaͤne zusammen und blies ein Feuer an. Wie’s brannte, knetete er die Pa- stete und setzte sie uͤber Kohlen, und es waͤhrte keine zwei Stunden, so war sie fertig und so gut als einer nur wuͤnschen konnte. Da sprach er zu dem Maͤdchen: „die Pastete kriegst du aber nicht eher, als bis du mir versprichst, dem Loͤwen, so- bald er eingeschlafen ist, den Kopf abzuschlagen Kindermärchen II. P mit einem Schwert, das hinter seinem Lager ver- borgen ist. „Nein, sagte sie, das thue ich nicht, der Loͤwe ist doch immer gut gegen mich gewesen.“ Da sprach der Frosch: „wenn du das nicht thust, wirst du nimmermehr deinen Bruder wiedersehen, und dem Loͤwen selber thust du auch kein Leid da- mit an.“ Da faßte sie Muth, nahm die Pastete und brachte sie dem Loͤwen. „Die sieht ja recht gut aus,“ sagte der Loͤwe, schnupperte daran und fing gleich an einzubeißen, aß sie auch ganz auf. Wie er nun fertig war, fuͤhlte er eine Muͤdigkeit und wollte ein wenig schlafen; also sprach er zur Prinzessin: „komm und setz dich neben mich und krau mir ein Bischen hinter den Ohren, bis ich eingeschlafen bin.“ Da setzt sie sich neben ihn, kraut ihn mit der Linken und sucht mit der Rech- ten nach dem Schwert, welches hinter seinem Bette liegt. Wie er nun eingeschlafen ist, so zieht sie es hervor, druͤckt die Augen zu und haut mit einem Streich dem Loͤwen den Kopf ab. Wie sie aber wieder hinblickt, da war der Loͤwe verschwun- den und ihr lieber Bruder stand neben ihr, der kuͤßte sie herzlich und sprach: „du hast mich er- loͤst, denn ich war der Loͤwe und war verwuͤnscht es so lang zu bleiben, bis eine Maͤdchenhand aus Liebe zu mir dem Loͤwen den Kopf abhauen wuͤrde.“ Darauf gingen sie miteinander in den Garten und wollten dem Frosch danken, wie sie aber ankamen, sahen sie, wie er nach allen Seiten herumhuͤpfte und kleine Spaͤne suchte und ein Feuer anmachte. Als es nun recht hell brannte, huͤpfte er selber hinein und da brennt’s noch ein Bischen und dann geht das Feuer aus, und steht ein schoͤnes Maͤd- chen da, das war auch verwuͤnscht worden und die Liebste des Prinzen. Da ziehen sie miteinander heim zu dem alten Koͤnig und der Frau Koͤnigin und wird eine große Hochzeit gehalten und wer dabei gewesen, der ist nicht hungrig nach Haus gegangen. 44. Der Soldat und der Schreiner. Es wohnten in einer Stadt zwei Tischler, deren Haͤuser stießen aneinander und jeder hatte einen Sohn; die Kinder waren immer beisam- men, spielten miteinander und hießen darum das Messerchen und Gaͤbelchen , die auch im- mer nebeneinander auf den Tisch gelegt werden. Als sie nun beide groß waren, wollten sie auch von einander nicht weichen, der eine war aber muthig und der andere furchtsam, da ward der eine Soldat, der andere lernte das Handwerk. Wie die Zeit kam, daß dieser wandern mußte, wollt’ ihn der Soldat nicht verlassen und gingen sie zusammen aus. Sie kamen nun in eine Stadt, wo der Tischler bei einem Meister in die Arbeit P 2 ging, der Soldat wollte da auch bleiben und ver- dingte sich bei demselben Meister als Hausknecht. Das waͤr’ gut gewesen, aber der Soldat hatte keine Lust am Arbeiten, lag auf der Baͤrenhaut und es dauerte nicht lang, so wurde er vom Mei- ster weggeschickt; der fleißige wollt’ ihn aus Treue nun nicht allein lassen, sagte dem Meister auf und zog mit ihm weiter. So ging’s aber immer fort; hatten sie Arbeit, so dauerte es nicht lang, weil der Soldat faul war und fortgeschickt wurde, der andere aber ohne ihn nicht bleiben wollte. Einmal kamen sie in eine große Stadt, weil aber der Sol- dat keine Hand regen wollte, ward er am Abend schon verabschiedet und sie mußten dieselbe Nacht wieder hinaus. Da fuͤhrte sie der Weg vor einen unbekannten großen Wald; der Furchtsame sprach: „ich geh’ nicht hinein, darin springen Hexen und Gespenster herum.“ Der Soldat aber antwor- tete: „ei was! davor fuͤrcht’ ich mich noch nicht!“ ging voran, und der Furchtsame, weil er doch nicht von ihm lassen wollte, ging mit. In kurzer Zeit hatten sie den Weg verloren und irrten in der Dunkelheit durch die Baͤume, endlich sahen sie ein Licht. Das suchten sie auf und kamen zu einem schoͤnen Schloß, das hell erleuchtet war, und haußen lag ein schwarzer Hund und auf einem Teich neben saß ein rother Schwan; als sie aber hineintraten, sahen sie nirgends einen Menschen, bis sie in die Kuͤche kamen, da saß noch eine graue Katze bei einem Topf am Feuer und kochte. Sie gingen weiter und fanden viele praͤch- tige Zimmer, die waren alle leer, in einem aber stand ein Tisch mit Essen und Trinken reichlich besetzt. Weil sie nun großen Hunger hatten, machten sie sich daran und ließen sich’s gut schmecken. Dar- nach sprach der Soldat: „wenn du gegessen hast und satt worden bist, sollst du schlafen gehen!“ machte eine Kammer auf, darin standen zwei schoͤne Betten. Sie legten sich, aber als sie eben einschlafen wollten, fiel dem Furchtsamen ein, daß sie noch nicht gebetet haͤtten, da stand er auf und sah in der Wand einen Schrank, den schloß er auf und war da ein Crucifix mit zwei Gebetbuͤ- chern dabei. Gleich weckte er den Soldaten, daß er aufstehen mußte und sie knieten beide nieder und thaten ihr Gebet; darnach schliefen sie ruhig ein. Am andern Morgen kriegte der Soldat einen heftigen Stoß, daß er in die Hoͤhe fuhr: „du, was schlaͤgst du mich“ rief er dem andern zu, der aber hatte auch einen Stoß gekriegt und sprach: „was stoͤßt du mich, ich stoß dich nicht!“ Da sagte der Soldat: „es wird wohl ein Zeichen seyn, daß wir hervor sollen.“ Wie sie nun heraus- kamen, stand schon ein Fruͤhstuͤck auf dem Tisch, der Furchtsame sprach aber: „eh’ wir es anruͤh- ren, wollen wir erst nach einem Menschen suchen.“ „Ja, sagte der Soldat, ich mein’ auch immer, die Katze haͤtt’s gekocht und eingebrockt, da vergeht mir alle Lust.“ Sie gingen also wieder von unten bis oben durch’s Schloß, fanden aber keine Seele, endlich sagte der Soldat: „wir wollen auch in den Keller steigen.“ Wie sie die Treppe herunter waren, sahen sie vor dem ersten Keller eine alte Frau sitzen; sie redeten sie an und sprachen: „guten Tag! hat sie uns das gute Essen gekocht?“ — „Ja, Kinder, hat’s euch geschmeckt?“ Da gin- gen sie weiter und kamen zum zweiten Keller, davor saß ein Juͤngling von 14 Jahren, den gruͤßten sie auch, er gab ihnen aber keine Antwort. Endlich kamen sie in den dritten Keller, davor saß ein Maͤdchen von zwoͤlf Jahren, das antwortete ihnen auch nicht auf ihren Gruß. Sie gingen noch weiter durch alle Keller, fanden aber weiter niemand. Wie sie nun wieder zuruͤckkamen, war das Maͤdchen von seinem Sitz aufgestanden, da sagten sie zu ihm: „willst du mit uns hinaufge- hen?“ Es sprach aber: „ist der rothe Schwan noch oben auf dem Teich?“ — „Ja, wir haben ihn beim Eingang gesehen.“ — „Das ist traurig, so kann ich nicht mitgehen.“ Der Juͤngling war auch aufgestanden und als sie zu ihm kamen, fragten sie ihn: „willst du mit uns hinauf gehen?“ Er aber sprach: „ist der schwarze Hund noch auf dem Hof?“ — „Ja, wir haben ihn beim Eingang gesehen.“ — „Das ist traurig, so kann ich nicht mit euch gehen.“ Als sie zu der alten Frau kamen, hatte sie sich auch aufgerichtet: „Muͤtterchen, sprachen sie, wollt ihr mit uns hinaufgehen?“ — „Ist die graue Katze noch oben in der Kuͤche?“ — „Ja, sie sitzt auf dem Heerd bei einem Topf und kocht.“ — „Das ist traurig, eh ihr nicht den rothen Schwan, den schwarzen Hund und die graue Katze toͤdtet, koͤn- nen wir nicht aus dem Keller heraus.“ Als die zwei Gesellen wieder oben in die Kuͤche kamen, wollten sie die Katze streicheln, sie machte aber feurige Augen und sah ganz wild aus. Nun war noch eine kleine Kammer uͤbrig, in der sie nicht gewesen waren, wie sie die aufmachten, war sie ganz leer, nur an der Wand ein Bogen und Pfeil, ein Schwert und eine Eisen-Zange. Ueber Bogen und Pfeil standen die Worte: „das toͤdtet den rothen Schwan,“ uͤber dem Schwert: „das haut dem schwarzen Hund den Kopf herun- ter,“ und uͤber der Zange: „das kneift der grauen Katze den Kopf ab.“ „Ach, sagte der Furchtsame, wir wollen fort von hier,“ der Soldat aber: „nein, wir wollen die Thiere aufsuchen.“ Sie nahmen die Waffen von der Wand und gingen in die Kuͤche, da standen die drei Thiere, der Schwan, der Hund und die Katze beisammen, als haͤtten sie was Boͤses vor. Wie der Furchtsame das sah, lief er wieder fort; der Soldat sprach ihm ein Herz ein, er hingegen wollte erst etwas essen; wie er gegessen hatte, sagte er: „in einem Zimmer hab- ich Harnische gesehen, da will ich einen zuvor an- legen.“ Als er in dem Zimmer war, wollt’ er sich forthelfen und sprach: „es ist besser, wir steigen zum Fenster hinaus, was kuͤmmern uns die Thiere!“ Wie er aber zum Fenster trat, war ein stark Eisen-Gitter davor. Nun konnt’ er’s nicht laͤnger verreden, ging zu den Harnischen und wollte einen anziehen, aber sie waren alle zu schwer. Da sagte der Soldat: „ei was, laß uns so gehen, wie wir sind.“ „Ja, sprach der an- dere, wenn unser noch drei waͤren.“ Wie er die Worte sprach, da flatterte eine weiße Taube außen an’s Fenster und stieß daran, der Soldat machte ihr auf und wie sie herein war, stand ein schoͤner Juͤngling vor ihnen, der sprach: „ich will bei euch seyn und euch helfen“ und nahm Bogen und Pfeil. Der Furchtsame sprach zu ihm, er haͤtt’s am besten, mit dem Bogen und Pfeil, nach dem Schuß waͤr’s gut und er koͤnnte hingehen, wohin er Lust haͤtte, sie aber muͤßten mit ihren Waffen den Zauber-Thieren naͤher auf den Leib. Da gab der Juͤngling ihm den Bogen und Pfeil und nahm das Schwert. Da gingen alle drei zur Kuͤche, wo die Thiere noch beisammen standen, und der Juͤngling hieb dem schwarzen Hund den Kopf ab, und der Sol- dat packte die graue Katze mit der Zange und der Furchtsame stand hinten und schoß den rothen Schwan todt. Und wie die drei Thiere nieder- fielen, in dem Augenblick kam die Alte und ihre zwei Kinder mit großem Geschrei aus dem Keller gelaufen: „ihr habt meine liebsten Freunde ge- toͤdtet, ihr seyd Verraͤther,“ drangen auf sie und wollten sie ermorden. Aber die drei uͤberwaͤltig- ten sie und toͤdteten sie mit ihren Waffen und wie sie todt waren, fing auf einmal ein wunderliches Gemurmel rings herum an und kam aus allen Ecken. Der Furchtsame sprach: „wir wollen die drei Leichen begraben, es waren doch Christen, das haben wir am Crucifix gesehen.“ Sie trugen sie also hinaus auf den Hof, machten drei Graͤber und legten sie hinein. Waͤhrend der Arbeit nahm aber das Gemurmel im Schloß immer zu, ward immer lauter und wie sie fertig waren, hoͤrten sie ordentlich Stimmen darin und einer rief: „wo sind sie? wo sind sie?“ Und weil der schoͤne Juͤngling nicht mehr da war, ward ihnen Angst und sie liefen fort. Als sie ein wenig weg waren, sagte der Soldat: „ei, das ist Unrecht, daß wir so fortgelaufen sind, wir wollen umkehren und sehen, was dort ist. „Nein, sagte der andere, ich will mit dem Zauberwesen nichts zu thun ha- ben und mein ehrliches Auskommen in der Stadt suchen.“ Aber der Soldat ließ ihm keine Ruhe, bis er mit ihm zuruͤckging. Wie sie vor’s Schloß kamen, war alles voll Leben, Pferde sprangen durch den Hof und Bediente liefen hin und her. Da gaben sie sich fuͤr zwei arme Handwerker aus und baten um ein wenig Essen. Einer aus dem Haufen sprach: „ja, kommt nur herein, heut wird allen Gutes gethan.“ Sie wurden in ein schoͤnes Zimmer gefuͤhrt und ward ihnen Speise und Wein gegeben. Darnach wurden sie gefragt, ob sie nicht zwei junge Leute von der Burg haͤtten kommen sehen. „Nein,“ sagten sie. Als aber einer sah, daß sie Blut an den Haͤnden hatten, fragte er, woher das Blut kaͤme? Da sprach der Soldat: „ich habe mich in den Finger geschnit- ten.“ Der Diener aber sagte es dem Herrn, der kam selber und wollt’ es sehen, es war aber der schoͤne Juͤngling, der ihnen beigestanden hatte und wie er sie mit Augen sah, rief er: „das sind sie, die das Schloß errettet haben!“ Da em- pfing er sie mit Freuden und erzaͤhlte, wie es zu- gegangen waͤre: „Im Schloß war eine Haus- haͤlterin mit ihren zwei Kindern, die war eine heimliche Hexe und als sie einmal von der Herr- schaft gescholten wurde, gerieth sie in Bosheit und verwandelte alles, was Leben hatte im Schloß, zu Steinen, nur uͤber drei andere boͤse Hofbediente, die auch Zauberei verstanden, hatte sie keine rechte Gewalt und konnte sie nur in Thiere verwandeln, die nun oben im Schloß ihr Wesen trieben, dabei fuͤrchtete sie sich vor ihnen und fluͤchtete mit ihren Kindern in den Keller. Auch uͤber mich hatte sie nur soviel Gewalt gehabt, daß sie mich in eine weiße Taube außerhalb des Schlosses verwandeln konnte. Wie ihr zwei in’s Schloß kamt, da solltet ihr die Thiere toͤdten, damit sie frei wuͤrde und zum Lohn wollte sie euch wieder umbringen, aber Gott hat es besser gemacht, das Schloß ist erloͤst und die Steine sind wieder lebendig gewor- den in dem Augenblick, wo die gottlose Hexe mit ihren Kindern getoͤdtet wurde und das Gemurmel, das ihr gehoͤrt, das waren die ersten Worte, wel- che die frei gewordenen sprachen.“ Darauf fuͤhrte er die zwei Gesellen zu dem Hausherrn, der hatte zwei schoͤne Toͤchter, die wurden ihnen gegeben, und sie lebten vergnuͤgt ihr Lebelang, als große Ritter. 45. Die schoͤne Katrinelje und Pif, Paf, Poltrie. „Guten Tag, Vater Hollenthe! “ — „Großen Dank, Pif, Paf, Poltrie!“ — „Koͤnnt ich wohl eure Tochter kriegen?“ — „O ja, wenns die Mutter Malcho (Melk-Kuh), der Bruder Hohenstolz, die Schwester Kaͤsetraut und die schoͤne Katrinelje will, so kanns gesche- hen.“ „Wo ist dann die Mutter Malcho?, „Sie ist im Stall und melkt die Kuh.“ „Guten Tag, Mutter Malcho! “ — „Großen Dank, Pif, Paf, Poltrie!“ — „Koͤnnt ich wohl eure Tochter kriegen?“ — „O ja, wenns der Vater Hollenthe, der Bruder Hohenstolz, die Schwester Kaͤsetraut und die schoͤne Katrinelje will, so kanns geschehen.“ „Wo ist dann der Bruder Hohenstolz?“ „Er ist in der Kammer und hackt das Holz.“ „Guten Tag, Bruder Hohenstolz! “ — „Großen Dank, Pif, Paf, Poltrie!“ — „Koͤnnt’ ich wohl eure Schwester kriegen?“ — „O ja, wenns der Vater Hollenthe, die Mutter Malcho, die Schwester Kaͤsetraut und die schoͤne Katrinelje will, so kanns geschehen.“ „Wo ist dann die Schwester Kaͤsetraut?“ „Sie ist im Garten und schneidet das Kraut.“ „Guten Tag, Schwester Kaͤsetraut! “ — „Großen Dank, Pif, Paf, Poltrie!“ — „Koͤnnt’ ich wohl eure Schwester kriegen?“ — „O ja, wenn der Vater Hollenthe, die Mutter Malcho, der Bruder Hohenstolz und die schoͤne Katrinelje will, so kanns geschehen.“ „Wo ist dann die schoͤne Katrinelje?“ „Sie ist in der Kammer und zaͤhlt ihre Pfen- nige.“ „Guten Tag, schoͤne Katrinelje! “ — „Großen Dank, Pif, Paf, Poltrie!“ — „Willst du wohl mein Schatz seyn?“ — „O ja wenns der Vater Hollenthe, die Mutter Malcho, der Bruder Hohenstolz, die Schwester Kaͤsetraut es will, so kanns geschehen.“ „Schoͤn Katrinelje, wie viel hast du an Brautschatz?“ — „Vierzehn Pfennige baares Geld, drittehalb Groschen Schuld, ein halb Pfund Hutzeln, eine Hand voll Prutzeln, eine Hand voll Wurzeln, un so der watt: is dat nig en guden Brudschatt?“ „ Pif, Paf, Poltrie , was kannst du fuͤr ein Handwerk? bist du ein Schneider?“ — „Noch viel besser!“ — „Ein Schuster?“ — „Noch viel besser!“ — „Ein Ackersmann?“ — „Noch viel besser!“ — „Ein Schreiner?“ — „Noch viel besser!“ — „Ein Schmidt?“ — „Noch viel besser!“ — „Ein Muͤller?“ — „Noch viel besser!“ — „Vielleicht ein Besen- binder?“ — „Ja! ist das nicht ein schoͤnes Handwerk?“ 46. Der Fuchs und das Pferd . Es hatte ein Bauer ein treues Pferd, das war alt geworden, und konnte keine Dienste mehr thun, da wollt ihm sein Herr nichts mehr zu fressen geben und sprach: „brauchen kann ich dich freilich nicht mehr, indeß zeigst du dich noch so stark, daß du mir einen Loͤwen hierher bringst, so will ich dich behalten, jetzt aber mach dich fort aus meinem Stall;“ und jagte es damit weit ins Feld. Das Pferd war traurig und ging nach dem Wald zu, dort ein wenig Schutz vor dem Wetter zu suchen; da begegnete ihm der Fuchs und sprach: „was haͤngst du so den Kopf und gehst so einsam herum?“ — „Ach, sagte das Pferd, Geitz und Treue wohnen nicht in einem Haus, mein Herr hat vergessen, was ich ihm alles in so vielen Jahren gethan habe, und weil ich nicht recht mehr ackern kann, will er mir kein Futter mehr geben und hat mich fortgejagt; er hat zwar gesagt, wenn ich so stark waͤre, daß ich ihm einen Loͤwen braͤchte, wollt er mich behalten, aber er weiß wohl, daß ich das nicht kann.“ Der Fuchs sprach: „da will ich dir helfen, leg dich nur hin, streck dich aus und reg dich nicht, als waͤrst du todt.“ Das Pferd that, was der Fuchs verlangte, der Fuchs aber ging zum Loͤwen, der seine Hoͤhle nicht weit davon hatte und sprach: „da draußen liegt ein todtes Pferd, komm doch mit hinaus, da kannst du eine fette Mahlzeit halten.“ Der Loͤwe ging mit; wie sie bei dem Pferd standen, sprach der Fuchs: „hier hast du’s doch nicht nach deiner Gemaͤchlichkeit, weißt du was? ich wills mit dem Schweif an dich binden, da kannst du’s in deine Hoͤhle ziehen und in aller Ruhe verzehren.“ Dem Loͤwen gefiel der Rath und er stellte sich hin, damit ihm der Fuchs das Pferd anknuͤpfen koͤnne, hielt auch fein still. Der Fuchs aber band mit des Pferdes Schweif dem Loͤwen die Beine zusammen, und drehte und schnuͤrte alles so wohl und stark, daß es mit kei- ner Kraft zu zerreißen war. Als er nun sein Werk vollendet hatte, klopfte er dem Pferd auf die Schultern und sprach: „zieh, Schimmel, zieh!“ Da sprang das Pferd mit einmal auf, und zog den Loͤwen mit sich fort; der Loͤwe fing an zu bruͤllen, daß die Voͤgel in dem ganzen Wald vor Schrecken aufflogen, aber das Pferd ließ ihn bruͤllen, zog und schleppte ihn uͤber das Feld vor seines Herrn Thuͤr. Wie der Herr das sah, besann er sich eines bessern und sprach zu dem Pferd: „Du sollst bei mir bleiben und es gut haben,“ und gab ihm satt zu fressen bis es starb. 47. Die zertanzten Schuhe . Es war einmal ein Koͤnig, der hatte zwoͤlf Toͤchter, eine immer schoͤner als die andere, die hatten ihre zwoͤlf Betten zusammen in einem Saal, und wann sie waren schlafen gegangen, wurde die Thuͤre verschlossen und verriegelt, und doch waren jeden Morgen ihre Schuhe zertanzt und wußte niemand, wo sie gewesen und wie es zugegangen war. Da ließ der Koͤnig ausrufen, wers koͤnnte ausfindig machen, wo sie in der Nacht tanzten, der sollte sich eine davon zur Frau waͤhlen und nach seinem Tod Koͤnig seyn; wer sich aber meldete und es nach drei Tagen und Naͤchten nicht herausbraͤchte, der haͤtte sein Leben verwirkt. Es kam bald ein Koͤnigssohn, der ward wohl aufgenommen, und Abends in das Zimmer gefuͤhrt, das vor dem Schlafsaal der zwoͤlf Toͤch- ter war, da stand sein Bett und da sollte er Acht haben, wo sie hingingen und tanzten; und damit sie nichts heimlich treiben konnten oder zu einem andern Ort hinaus gingen, war auch die Saal- thuͤre offen gelassen. Der Koͤnigssohn aber schlief ein und als er am Morgen aufwachte, waren alle zwoͤlfe zum Tanz gewesen, denn ihre Schuhe standen da und hatten Loͤcher in den Sohlen. Den zweiten und dritten Abend gings eben so und da ward ihm sein Haupt abgeschlagen; und so kamen noch viele und meldeten sich zu dem Wage- stuͤck, sie mußten aber alle ihr Leben lassen. Nun trug sichs zu, daß ein armer Soldat, der eine Wunde hatte und nicht mehr dienen konnte, nach der Stadt zuging, wo der Koͤnig wohnte. Da begegnete ihm eine alte Frau, die fragte ihn, wo er hin wollte. „Ich weiß selber nicht recht, sprach er, aber ich haͤtte wohl Lust Koͤnig zu werden und und auszumachen, wo die Koͤnigstoͤchter ihre Schuhe vertanzten.“ „Ei, sagte die Alte, das ist so schwer nicht, du mußt nur den Wein nicht trinken, den dir die eine Abends bringt, und mußt thun, als waͤrst du fest eingeschlafen.“ Darauf gab sie ihm ein Maͤntelchen und sprach: „wenn du das umhaͤngst, so bist du unsichtbar und kannst den Zwoͤlfen dann nachschleichen.“ Wie der Soldat so guten Rath bekommen hatte, wards Ernst bei ihm, so daß er sich ein Herz faß- te, vor den Koͤnig ging, und sich als Freier mel- dete. Er ward so gut aufgenommen wie die an- dern auch, und wurden ihm koͤnigliche Kleider an- gethan. Abends zur Schlafenszeit wurde er in das Vorzimmer gefuͤhrt, und als er zu Bette ge- hen wollte, kam die aͤlteste und brachte ihm einen Becher Wein, aber er schuͤttete ihn heimlich aus, legte sich nieder, und als er ein Weilchen gelegen hatte, fing er an zu schnarchen, wie im tiefsten Schlaf. Das hoͤrten die zwoͤlf Koͤnigstoͤchter, lachten, und die aͤlteste sprach: „der haͤtte auch sein Leben sparen koͤnnen!“ Darnach standen sie auf, oͤffneten Schraͤnke, Kisten und Kasten, und holten praͤchtige Kleider heraus, putzten sich vor den Spiegeln, sprangen herum und freuten sich auf den Tanz. Nur die juͤngste sagte: „ich weiß nicht, ihr freut euch, aber mir ist so wunderlich zu Muthe, gewiß widerfaͤhrt uns ein Ungluͤck.“ — „Du Schneegans, sagte die aͤlteste, du fuͤrchtest Kindermärchen II. Q dich immer, hast du vergessen, wie viel Koͤnigs- soͤhne schon umsonst da gewesen sind; dem Solda- ten haͤtt’ ich nicht einmal brauchen einen Schlaf- trunk zu geben, er waͤr’ doch nicht aufgewacht.“ Wie sie alle fertig waren, kamen sie erst zu dem Soldaten, aber der ruͤhrte und regte sich nicht, und wie sie nun glaubten, ganz sicher zu seyn, so ging die aͤlteste an ihr Bett und klopfte daran; alsbald sank es in die Erde und oͤffnete sich eine Fallthuͤr. Da sah der Soldat, wie sie hinunter stiegen, eine nach der andern, die aͤlteste voran, also daß keine Zeit fuͤr ihn zu verlieren war, er sich aufrichtete, sein Maͤntelchen umhing, und hinter der juͤngsten mit hinab stieg. Mitten auf der Treppe trat er ihr ein wenig aufs Kleid; da erschrack sie und rief: „es ist nicht richtig, es haͤlt mich was am Kleid.“ „Stell dich nicht so ein- faͤltig, sagte die aͤlteste, du bist an einem Haken haͤngen geblieben.“ Da gingen sie vollends hin- ab, und wie sie unten waren, standen sie in einem wunderpraͤchtigen Baumgang, da waren alle Blaͤt- ter von Silber, und schimmerten und glaͤnzten. Der Soldat dachte, du willst dir ein Wahrzeichen mitnehmen, und brach einen Zweig davon ab, da kam ein gewaltiger Knall aus dem Baume. Die juͤngste rief wieder: „es ist nicht richtig, habt ihr den Knall gehoͤrt, das ist noch nie hier gesche- hen.“ Die aͤlteste aber sprach: „das sind Freu- denschuͤsse, weil wir unsere Prinzen bald erloͤst haben!“ Sie kamen darauf in einen Baumgang, wo alle Blaͤtter von Gold, und endlich in einen dritten, wo sie klarer Demant waren; von beiden brach er einen Zweig ab, wobei es jedesmal knall- te, daß die juͤngste vor Schrecken zusammen fuhr, aber die aͤlteste blieb dabei, es waͤren Freuden- schuͤsse. Da gingen sie weiter bis zu einem gro- ßen Wasser, darauf standen zwoͤlf Schifflein, und in jedem Schifflein saß ein schoͤner Prinz, die hatten auf die zwoͤlfe gewartet, und jeder nahm eine zu sich, der Soldat aber setzte sich mit der juͤngsten ein, da sprach der Prinz: „ich bin doch so stark als sonst, aber heute ist das Schiff viel schwerer, und ich muß rudern, was ich kann.“ — „Wovon sollt’ das kommen, sprach die juͤngste, als vom warmen Wetter, es ist mir auch so heiß zu Muth.“ Jenseits des Wassers aber stand ein schoͤnes hellleuchtendes Schloß, woraus eine lusti- ge Musik erschallte von Pauken und Trompeten; da hinuͤber ruderten sie, gingen ein, und jeder Prinz tanzte mit seiner Prinzessin; der Soldat aber tanzte unsichtbar mit, und wenn eine einen Becher mit Wein hielt, so trank er ihn aus, daß er leer war, wenn sie ihn an den Mund brachte; und der juͤngsten ward auch Angst daruͤber, aber die aͤlteste brachte sie immer zum Schweigen. Sie tanzten da bis drei Uhr am andern Morgen, wo alle Schuhe durchgetanzt waren, und sie auf- hoͤren mußten. Die Prinzen fuhren sie uͤber das Q 2 Wasser wieder hinuͤber, und der Soldat setzte sich diesmal vornen hin zur aͤltesten; am Ufer nah- men sie von ihren Prinzen Abschied und verspra- chen in der folgenden Nacht wieder zu kommen. Als sie an der Treppe waren, lief der Soldat voraus, legte sich ins Bett, und als die Zwoͤlf langsam und muͤd’ herauf getrippelt kamen, schnarchte er schon wieder laut, so daß sie spra- chen: „nun vor dem sind wir sicher.“ Da tha- ten sie ihre schoͤnen Kleider aus, hoben sie auf, stellten die zertanzten Schuhe unter das Bett und legten sich nieder. Am andern Morgen wollte der Soldat nichts sagen, sondern das wunderliche Wesen noch mehr ansehen, und ging die zweite und die dritte Nacht wieder mit, und da war al- les, wie das erstemal, und sie tanzten jedesmal bis die Schuhe entzwei waren; nur das drittemal nahm er noch einen Becher mit zum Wahrzeichen. Zu der Stunde nun, wo er antworten sollte, nahm er die drei Zweige und den Becher, und ging vor den Koͤnig, und die Zwoͤlfe standen hin- ter der Thuͤre und horchten, was er sagen wuͤrde. Wie der Koͤnig nun fragte: „wo haben meine zwoͤlf Toͤchter ihre Schuhe in der Nacht ver- tanzt?“ antwortete er: „mit zwoͤlf Prinzen in einem unterirdischen Schloß,“ und erzaͤhlte alles und holte die Wahrzeichen hervor. Da rief der Koͤnig seine Toͤchter und fragte sie, ob der Sol- dat die Wahrheit gesagt haͤtte, und da sie sahen, daß sie verrathen waren und Laͤugnen nichts half, erzaͤhlten sie alles. Darauf fragte ihn der Koͤnig, welche er zur Frau haben wollte? Er antwortete: „ich bin nicht mehr jung, so gebt mir die aͤlteste.“ Da ward noch an selbigem Tage die Hochzeit ge- halten, und ihm das Reich nach des Koͤnig Tode versprochen, aber die Prinzen wurden auf so viel Tage wieder verwuͤnscht, als sie Naͤchte mit den zwoͤlfen getanzt hatten. 48. Die sechs Diener . Eine alte Koͤnigin, die war eine Zauberin, und hatte die allerschoͤnste Tochter unter der Son- ne, wenn aber ein Freier kam, so gab sie ihm ei- nen Bund (etwas zu loͤsen) auf, und konnt’ er den nicht herausbringen, so war keine Gnade, er mußt’ niederknien und das Haupt ward ihm abge- schlagen. Nun geschah es, daß ein Koͤnigssohn um sie werben wollte, aber sein Vater ließ es nicht zu und sprach: „nein, gehst du hin, so kommst du nicht wieder zuruͤck.“ Da legte sich der Prinz nieder und ward sterbenskrank sieben Jahre lang; weil nun der Vater sah, daß er doch verloren waͤre, sprach er: „zieh hin, vielleicht bist du gluͤcklich.“ Alsbald war er gesund, stand auf von seinem Lager und machte sich auf den Weg. Nun mußte er auch durch ein Holz, darin sah er einen Mann auf der Erde liegen, der war gewal- tig dick und ordentlich ein kleiner Berg; der Mann rief ihn aber an und fragte, ob er ihn wollte zum Diener haben? Der Prinz sprach: „was soll ich mit einem so dicken Mann anfan- gen; wie bist du nur so dick geworden?“ — „O das ist noch gar nichts, wenn ich mich recht aus- einander thue, bin ich noch dreitausendmal so dick!“ — „Da komm mit mir,“ sagte der Prinz. Die zwei gingen weiter und fanden einen andern, der lag auf der Erde und hatte das Ohr auf den Rasen gelegt. „Was machst du da?“ sprach der Prinz. „Ei! ich horche, denn ich kann das Gras wachsen hoͤren, und alles, was sich in der Welt zutraͤgt, und darum werd’ ich der Horcher ge- nannt.“ „Sag’ mir, was geschieht eben an der alten Koͤnigin Hof?“ — „Es wird einem Freier der Kopf abgeschlagen, ich hoͤr’ das Schwert sau- sen.“ — „Komm mit mir,“ sprach der Prinz und sie zogen zu dreien weiter. Da fanden sie einen, der lag da und war ganz lang, so daß sie eine gute Strecke gehen mußten, bis sie von seinen Fuͤßen bis zum Kopf kamen. „Warum bist du so lang?“ fragte der Prinz. „O, sagte er, wenn ich mich ausstrecke, so bin ich noch drei- tausendmal so lang, und groͤßer, als der hoͤchste Berg auf Erden.“ „Komm mit mir,“ sprach der Prinz. Da gingen die vier weiter, und fan- den einen, der saß da mit verbundenen Augen. Der Prinz fragte: „warum hast du ein Tuch vor den Augen?“ „Ei, sprach er, was ich mit mei- nen Augen ansehe, das springt von einander, dar- um darf ich sie nicht offen lassen.“ — „Komm mit mir,“ sagte der Prinz. Da gingen die fuͤnf weiter und fanden einen, der lag mitten im hei- ßen Sonnenschein, und fror und zitterte am gan- zen Leibe, so daß ihm kein Glied still stand. Der Prinz fragte: „wie frierst du so im Sonnen- schein?“ „Ach, sprach der Mann, je heißer es ist, desto mehr frier’ ich, und je kaͤlter es ist, de- sto heißer wird mir, und mitten im Eis kann ichs vor Hitze, und mitten im Feuer vor Kaͤlte nicht aushalten.“ „Komm mit mir,“ sprach der Prinz, da gingen die sechs weiter und fanden ei- nen Mann, der stand da und schaute um sich uͤber alle Berge hinaus. „Wornach siehst du?“ frag- te der Prinz. Da sprach er: „ich habe so helle Augen, daß ich damit weit uͤber Berge und Waͤl- der und durch die ganze Welt hinaussehen kann.“ „Komm mit mir, sagte der Prinz, so einer fehlte mir noch.“ Nun zogen die sieben in die Stadt ein, wo die schoͤne und gefaͤhrliche Jungfrau lebte; der Prinz aber ging vor die alte Koͤnigin und sprach, er wollt’ um ihre Tochter werben. Ja, sagte sie, dreimal will ich dir einen Bund aufgeben, loͤsest du den jedesmal, so ist die Prinzessin dein; der erste Bund aber ist, daß du mir einen Ring wie- der bringst, den ich ins rothe Meer habe fallen lassen.“ Der Prinz sagte: „den Bund will ich loͤsen,“ und rief seinen Diener mit den hellen Au- gen, und der schaute ins Meer bis auf den Grund, und sah den Ring da neben einem Stei- ne liegen. Darnach kam der Dicke, der setzte seinen Mund ans Meer und ließ die Wellen hin- ein laufen, und trank es aus, daß es trocken ward wie eine Wiese; da buͤckte sich der Lange nur ein wenig und holte den Ring mit der Hand heraus. Der Prinz brachte ihn der Alten, die sprach mit Verwunderung: „Ja, das ist der rechte Ring; einen Bund hast du geloͤst, aber nun kommt der zweite. Siehst du dort auf der Wiese vor mei- nem Schloß, da weiden dreihundert fette Ochsen, die mußt du mit Haut und Haar, Knochen und Hoͤrnern verzehren, und darfst nicht mehr als ei- nen einzigen Gast dazu einladen, und unten im Keller, da liegen dreihundert Faͤsser Wein, die mußt du dabei austrinken, und bleibt ein Spuͤr- chen und ein Troͤpfchen uͤbrig, so ist mir dein Le- ben verfallen.“ Der Prinz sprach: „Das will ich vollbringen,“ und setzte den Dicken als seinen Gast zu sich, der aß die dreihundert Ochsen auf- und blieb kein Haar uͤbrig, und trank den Wein dazu gleich aus den Faͤssern selber, ohne daß er ein Glas noͤthig hatte. Als die alte Zauberin das sah, erstaunte sie und sprach zum Prinzen: „so weit hat’s Keiner gebracht; aber es ist noch der dritte Bund uͤbrig, und dachte, ich will dich schon beruͤcken: „Heut Abend bring’ ich die Jung- frau dir auf die Kammer und in deinen Arm, da sollt ihr beisammen sitzen, aber huͤt’ dich vor’m Einschlafen; ich komme Schlag zwoͤlf Uhr, und ist sie dann nicht mehr in deinen Armen, so hast du verloren.“ Der Prinz dachte, das ist so schwer nicht, ich will wohl meine Augen nicht zu- thun; doch Vorsicht ist immer gut, und als die schoͤne Jungfrau Abends zu ihm gefuͤhrt ward, hieß er alle seine Diener hereinkommen, und der Lange mußte sich um sie herumschlingen, und der Dicke sich vor die Thuͤre stellen, daß keine leben- dige Seele herein konnte. Da saßen sie und die schoͤne Jungfrau sprach kein Wort, aber der Mond schien durch’s Fenster auf ihr Angesicht, daß er ihre wunderbare Schoͤnheit sehen konnte. Sie wachten auch alle mit einander bis elf Uhr, da ließ die Zauberin einen Schlummer auf ihre Au- gen fallen, den sie nicht abwehren konnten. Sie schliefen alle hart bis ein Viertel vor zwoͤlf, und als sie erwachten, war die Prinzessin fort und von der Alten entruͤckt. Der Prinz und die Diener jammerten, aber der Horcher sprach: „seyd ein- mal still!“ horchte und sagte: „sie sitzt in einem Felsen dreihundert Stunden von hier und klagt uͤber ihr Schicksal. Da sprach der Lange: „ich will helfen“ und huckte den mit den verbundenen Augen auf, und wie man die Hand umwendet, standen sie vor dem verwuͤnschten Felsen. Da nahm der Lange dem andern die Binde ab; kaum hatte der den Felsen angeschaut, zersprang er gleich in tausend Stuͤcke, und der Lange holte die Prin- zessin aus der Tiefe, und schwang sich mit ihr in drei Minuten zuruͤck. Schlag zwoͤlf kam die Alte und glaubte, den Prinzen ganz gewiß allein und in Schlaf versenkt zu finden, aber da war er munter und ihre Tochter saß in seinem Arm. Nun mußte sie zwar still schweigen, aber es war ihr leid, und die Prinzessin kraͤnkte es auch, daß sie einer sollte gewonnen haben, und ließ am an- dern Morgen dreihundert Malter Holz zusam- mensetzen, und sprach zum Prinzen, er haͤtte zwar den Bund geloͤst, ehe sie ihn aber heirathe, verlange sie, daß Jemand sich mitten in das Holz setze, wenn es angezuͤndet waͤre, und das Feuer aushalte. Dabei dachte sie, wenn die Diener ihm auch alles thaͤten, wuͤrde sich doch keiner fuͤr ihn verbrennen, und aus Liebe zu ihr wuͤrde er selber sich hinein setzen, und dann waͤr’ sie frei. Wie aber die Diener das hoͤrten, sprachen sie: „wir haben alle etwas gethan, nur der Frostige noch nicht“ und nahmen ihn und trugen ihn ins Holz hinein und steckten’s darauf an. Da hub das Feuer an und brannte drei Tage, bis al- les Holz verzehrt war, und als es verlosch, stand der Frostige mitten in der Asche und zitterte wie ein Espenlaub, und sprach: „so hab’ ich mein Leb- tage nicht gefroren, und wenn’s laͤnger gedauert haͤtte, waͤr’ ich erstarrt.“ Nun mußte sich die schoͤne Jungfrau mit dem Prinzen vermaͤhlen, als sie aber nach der Kirche fuhren, sprach die Alte: „ich kann’s nim- mermehr zugeben,“ und schickte ihr Kriegsvolk nach, das sollte alles niedermachen, und ihr die Tochter zuruͤckbringen. Der Horcher aber hatte die Ohren gespitzt und alles angehoͤrt, was die Alte gesprochen, und sagte es dem Dicken, der speite einmal oder zweimal aus hinter den Wa- gen, und da entstand ein groß Wasser, in diesem blieben die Kriegsvoͤlker stecken. Als sie nicht zu- ruͤck kamen, schickte die Alte ganz geharnischte Reuter, aber der Horcher hoͤrte sie kommen und band dem einen die Augen auf, der guckte die Feinde ein bischen scharf an, und sie sprangen aus- einander wie Glas. Da fuhren sie ungestoͤrt wei- ter, und als sie in der Kirche verheirathet und eingesegnet waren, nahmen die sechs Diener ihren Abschied und wollten weiter ihr Gluͤck in der Welt versuchen. Eine halbe Stunde vor dem Schloß war ein Dorf, vor dem huͤtete ein Schweinehirt seine Heerde; wie sie dahin kamen, sprach der Prinz zu seiner Frau: „weißt du auch recht, wer ich bin? ich bin kein Prinz, sondern ein Schweine- hirt, und der dort mit der Heerde, das ist mein Vater, und nun muͤssen wir zwei auch daran und ihm helfen huͤten.“ Dann stieg er mit ihr in ein Wirthshaus ab, und sagte heimlich zu den Wirthsleuten, heut’ Nacht sollten sie der Prin- zessin die Kleider wegnehmen. Wie sie nun am Morgen aufwachte, hatte sie nichts anzuthun und die Wirthin gab ihr einen alten Rock und ein paar alte wollene Struͤmpfe, und that noch, als waͤrs ein großes Geschenk. Da glaubte die Prin- zessin, er sey wirklich ein Schweinehirt, und huͤ- tete mit ihm die Heerde, und sprach: „ich habe es verdient mit meinem Stolz.“ Das dauerte acht Tage, da konnte sie es nicht mehr aushalten, denn die Fuͤße waren ihr ganz wund geworden. Da kamen ein paar Leute und fragten, ob sie recht wuͤßte, wer ihr Mann waͤre? Da sagte sie: „ja, ein Schweinehirt, er ist eben ausgegangen, mit ein wenig Band zu handeln.“ Sie baten sie aber mitzugehen, und fuͤhrten sie ins Schloß hinauf, und wie sie in den Saal kam, stand da der Prinz in koͤniglichen Kleidern. Sie erkannte ihn aber nicht, bis er ihr um den Hals fiel und sie kuͤßte, und sprach: „ich habe so viel fuͤr dich gelitten, da hast du auch fuͤr mich leiden sollen.“ Nun ward erst recht die Hochzeit gefeiert, und der’s erzaͤhlt hat, wollte, er waͤr’ auch dabei ge- wesen. 49. Die weiße und schwarze Braut. Eine Frau ging mit ihrer Tochter und Stief- tochter uͤber Feld, Futter zu schneiden. Da kam der liebe Gott als ein armer Mann zu ihnen ge- gangen und fragte: „wo fuͤhrt der Weg ins Dorf?“ „Ei, sprach die Mutter, sucht ihn sel- ber,“ und die Tochter setzte noch hinzu: „habt ihr Sorge, daß ihr ihn nicht findet, so bringt euch einen Wegweiser mit.“ Die Stieftochter aber sprach: „armer Mann, ich will dich fuͤhren, komm mit mir.“ Da erzuͤrnte der liebe Gott uͤber die Mutter und Tochter, wendete ihnen den Ruͤcken zu, und verwuͤnschte sie, daß sie sollten schwarz werden wie die Nacht, und haͤßlich wie die Suͤnde. Der armen Stieftochter aber ward Gott gnaͤdig und ging mit ihr, und als sie nah am Dorf waren, sprach er einen Segen uͤber sie und sagte: „waͤhl dir drei Sachen aus, die will ich dir gewaͤhren.“ Da sprach das Maͤdchen: „ich moͤgte gern schoͤn werden, wie die Sonne,“ alsbald wurde sie weiß und schoͤn, wie der Tag. „Dann moͤgte ich einen Geldbeutel haben, der nie leer wuͤrde;“ den gab ihr der liebe Gott auch, sprach aber: „vergiß das Beste nicht, meine Toch- ter!“ Sagte sie: „ich wuͤnsche mir zum dritten das ewige Himmelreich nach meinem Tode.“ Das wurde ihr auch zugesagt, und also schied der liebe Gott von ihr. Wie nun die Stiefmutter mit ihrer Tochter nach Hause kam und sah, daß sie beide kohlschwarz und haͤßlich waren, die Stieftochter aber weiß und schoͤn, ward sie ihr im Herzen noch boͤser und hatte nur im Sinn, wie sie ihr ein Leid anthun koͤnnte. Die Stieftochter aber hatte einen Bru- der, Namens Reginer, den liebte sie sehr und er- zaͤhlte ihm alles, was geschehen war. Der Bru- der mahlte sich nun seine Schwester ab und hing das Bild in seiner Stube auf, in des Koͤnigs Schloß, bei dem er Kutscher war, und alle Tage ging er davor stehen und dankte Gott fuͤr das Gluͤck seiner lieben Schwester. Nun war aber gerade dem Koͤnig, bei dem er diente, seine Ge- mahlin verstorben, welche so schoͤn gewesen war, daß man keine finden konnte, die ihr gliche, und der Koͤnig war daruͤber in tiefer Trauer. Die Hofdiener sahen es indessen dem Kutscher ab, wie er taͤglich vor dem schoͤnen Bilde stand, misgoͤnn- tens ihm und meldeten es dem Koͤnig. Da ließ dieser das Bild vor sich bringen, und sah, daß es in allem seiner verstorbenen Frau glich, nur noch schoͤner war, so daß er sich sterblich hinein verlieb- te, und den Kutscher fragte, wen das Bild vor- stellte? Als der Kutscher gesagt hatte, daß es sei- ne Schwester waͤre, entschloß sich der Koͤnig, kei- ne andere, als diese, zur Gemahlin zu nehmen, gab ihm Wagen und Pferde und praͤchtige Gold- kleider, und schickte ihn fort, seine erwaͤhlte Braut abzuholen. Wie der Kutscher mit der Botschaft ankam, freute sich seine Schwester, allein die schwarze aͤrgerte sich uͤber alle Maßen vor großer Eifersucht, und sprach zu ihrer Mutter: „was helfen nun all’ eure Kuͤnste, da ihr mir kein sol- ches Gluͤck verschaffen koͤnnt.“ Da sagte die Alte: „sey still, ich will dirs schon zuwenden,“ und durch ihre Hexenkuͤnste truͤbte sie dem Kut- scher die Augen, daß er halb blind war, und der weißen verstopfte sie die Ohren, daß sie schwer hoͤrte. Darauf stiegen sie in den Wagen, erst die Braut in den herrlichen koͤniglichen Kleidern, dann die Stiefmutter mit ihrer Tochter, und der Kutscher saß auf dem Bock, um zu fahren. Wie sie eine Weile gereist waren unterwegs rief der Kutscher: „Deck dich zu, mein Schwesterlein, daß Regen dich nicht naͤßt, daß Wind dich nicht bestaͤubt, daß du fein schoͤn zum Koͤnig kommst!“ Die Braut fragte: „was sagt mein lieber Bru- der?“ „Ach, sprach die Alte, er hat gesagt, du solltest dein guͤlden Kleid ausziehen und es deiner Schwester geben.“ Da zog sie’s aus und that’s der Schwarzen an, die gab ihr dafuͤr einen schlech- ten grauen Kittel. So fuhren sie weiter, uͤber ein Weilchen rief der Bruder wieder: „Deck dich zu, mein Schwesterlein, daß Regen dich nicht naͤßt, daß Wind dich nicht bestaͤubt und du fein schoͤn zum Koͤnig kommst!“ Die Braut fragte: „was sagt mein lieber Bru- der?“ „Ach, sprach die Alte, er hat gesagt, du solltest deine guͤldne Haube abthun und deiner Schwester geben.“ Da that sie die Haube ab und der Schwarzen auf, und saß im bloßen Haar. So fuhren sie weiter; wiederum uͤber ein Weil- chen rief der Bruder: „Deck dich zu, mein Schwesterlein, daß Regen dich nicht naͤßt, daß Wind dich nicht bestaͤubt und du fein schoͤn zum Koͤnig kommst!“ Die Braut fragte: „was sagt mein lieber Bru- der?“ „Ach, sprach die Alte, er hat gesagt, du moͤgtest einmal aus dem Wagen sehen.“ Sie fuhren aber gerade uͤber ein tiefes Wasser, wie nun die Braut aufstand und aus dem Fenster sah, da stießen sie die beiden andern hinaus, daß sie gerad’ ins Wasser fiel, sie versank auch, aber in demselben Augenblick stieg eine schneeweiße Ente hervor und schwamm den Fluß hinab. Der Bru- der hatte gar nichts davon gemerkt und fuhr den Wagen weiter, bis sie an den Hof kamen, da brachte er dem Koͤnig die Schwarze als seine Schwester, und meinte auch, sie waͤr’s, weil es ihm ihm truͤb vor den Augen war und er doch die Goldkleider schimmern sah. Der Koͤnig, wie er die grundlose Haͤßlichkeit an seiner vermeinten Braut erblickte, ward sehr boͤs und befahl den Kutscher in eine Grube zu werfen, die voll Ottern und Schlangen-Gezuͤcht war. Die alte Hexe aber wußte den Koͤnig doch so zu bestricken und ihm die Augen zu verblenden, daß er sie und ihre Tochter behielt und zu sich nahm, bis daß sie ihm ganz leidlich vorkam und er sich wirklich mit ihr verheirathete. Einmal Abends saß die schwarze Braut dem Koͤnig auf dem Schoos, da kam eine weiße Ente zum Gossenstein in die Kuͤche geschwommen und sagte zum Kuͤchenjungen: „Juͤngelchen mach Feuer an, Daß ich meine Federn waͤrmen kann!“ Das that der Kuͤchenjunge und machte ihr ein Feuer auf dem Heerd, da kam die Ente, schuͤt- telte sich und setzte sich daneben und strich sich die Federn mit dem Schnabel zurecht. Waͤhrend sie so saß und sich wohlthat, fragte sie: „Was macht mein Bruder Reginer?“ Der Kuͤchenjunge antwortete: „Liegt tief bei Ottern und Schlangen.“ Fragte sie: „Was macht die schwarze Hex im Haus?“ Kindermärchen II. R Der Kuͤchenjunge antwortete: „Die sitzt warm ins Koͤnigs Arm.“ Sagte die Ente: „Daß Gott erbarm!“ und schwamm den Gossenstein hinaus. Den folgenden Abend kam sie wieder und that dieselben Fragen und den dritten Abend noch einmal. Da konnte es der Kuͤchenjunge nicht laͤnger uͤbers Herz bringen und sagte dem Koͤnig alles. Der Koͤnig aber ging den andern Abend hin und wie die Ente den Kopf durch den Gossen- stein herein streckte, nahm er sein Schwert und hieb ihr den Hals durch, da wurde sie auf einmal zum schoͤnsten Maͤdchen, und glich genau dem Bild, das der Bruder von ihr gemacht hatte. Der Koͤnig aber war voll Freuden und weil sie ganz naß dastand, ließ er ihr koͤstliche Kleider bringen, als sie die angethan hatte, erzaͤhlte sie ihm, wie sie in den Fluß war hinab geworfen wor- den, und die erste Bitte, die sie that, war, daß ihr Bruder aus der Schlangenhoͤhle herausgeholt wuͤrde, welches auch gleich geschah. Aber der Koͤnig ging in die Kammer, wo die alte Hexe saß, und fragte: „was verdient die, welche das und das thut?“ indem er den ganzen Hergang erzaͤhlte. Da war sie verblendet, merkte nichts und sprach: „die verdient, daß man sie nackt aus- zieht und in ein Faß mit Naͤgeln legt und vor das Faß ein Pferd spannt und das Pferd in alle Welt schickt.“ Alles das geschah nun an ihr und ihrer schwarzen Tochter, der Koͤnig heirathete die schoͤne Braut und belohnte den treuen Bruder, indem er ihn zu einem reichen und angesehenen Mann machte. 50. De wilde Mann . Et was emoel en wilden Mann’, de was verwuͤnsket un genk bie de Bueren in den Goren (Garten) un in’t Korn un moek alles do Schande. Do klagden se an eeren Gutsheeren, se koͤnnen eere Pacht nig mehr betalen un do leit de Guts- heer alle Jaͤgers bie ene kummen, we dat Dier fangen koͤnne, de soll ne graute Belohnung heb- ben. Do kuͤmmt do en ollen Jaͤger an, de segd, he wuͤll dat Dier wull fangen; do woͤtt se em ne Pulle met Fusel (Branntwein) un ne Pulle met Wien un ne Pulle met Beer gierwen (geben), de settet he an dat Water, wo sick dat Dier alle Dage waͤskt. Un do geit he achter en Baum stohn, do kuͤmmt dat Dier un drinket ut de Pul- len, do leckt et alle de Mund un kickt heruͤm, ov dat auck well suͤht. Do werd et drunken, un do geit et liegen un schloͤpd; do geit de Jaͤger to un bind et an Haͤnden un Foͤten, do weckt he et wier up un segd: „du wilde Mann, goh met, soͤk sast R 2 du alle Dage drinken.“ Do nimmt he et mit noh dat adlicke Schloß, do settet se et do in den Thornt un de Heer geit to andre Nobers, de soͤllt seihn (sehen), wat he foͤr’n Dier fangen hed. Do spierlt ene von de jungen Heerens met’n Ball un let de in den Thornt fallen un dat Kind segd: „wilde Mann, schmiet mie den Ball wier to;“ do segd de wilde Mann: „den Ball most du soͤlvst wier hahlen.“ „Je, segd dat Kind, ick heve kinen Schluͤrtel.“ — „Dann mack du, dat du bie dien Moder eere Tasken kuͤmmst un stehl eer den Schluͤrtel.“ — Do schluͤt dat Kind den Thornt orpen un de wilde Mann loͤpd derut; do faͤnk dat Kind an to schreien: „o wilde Mann, bliev doch hier, ick kriege suͤs Schlaͤge.“ Do niermt de wilde Mann dat Kind up de Nacken un lopd darmet de Wildniß herin: de wilde Mann was weg, dat Kind was verloren! De wilde Mann de tuͤt dat Kind en schlechten Kiel (Kittel) an un schickt et noh den Goͤrner an den Kaisers Hof, do mot et frogen: ov de kinen Goͤr- ners-Jungen van dohn (noͤthig) hed? Do segd de, he woͤre so schmeerig antrocken, de annern wullen nig bie em schlopen. Do seg he, he wull in’t Strauh liegen, un geit alltied des Morgens froͤh in den Goren, do kuͤmmt em de wilde Mann entgiergen, do seg he: „nu waske die, nu kaͤmme die!“ nu de wilde Mann maͤckt de Goren so schoͤn, dat de Goͤrner et soͤlvst nig so gut kann. Un de Prinzessin suͤt alle Morgen den schoͤnen Jungen, do seg se to den Goͤrner, de kleine Lehrjunge soͤll eer en Busk Blomen brengen. Un se froͤg dat Kind, van wat foͤr Standt dat et woͤre; do seg et, ja, dat wuͤs et nig, do giv se em en broden Hohn vull Ducoeten. Es he in kuͤmmt, giv he dat Geld sinen Heeren un seg: „wat sall ick do met dohn, dat bruckt ji men.“ Un he moste eer noh enen Busk Blomen brengen, do giv se em ne Aant (Ente) vull Ducoeten, de giv he wier an sinen Heeren. Un do noh en moel, do giv se em ne Gans vull Ducoeten, de giv de Junge wier an sinen Heeren. Do ment de Prinzessin, he hev Geld un he hev nix, un do hierothet se em in’t geheem, un do weeret eere Oeldern so beise un setten se in dat Brauhuse, do mot se sick met spin- nen ernaͤhren, un he geit in de Kuͤcke un helpt den Kock de Broden dreien un steld manxden (zu- weilen) en Stuͤck Fleesk un brengd et an sine Frau. Do kuͤmmt so’n gewoltigen Krieg in Engel- land, wo de Kaiser hin mott un alle de grauten Heerens, do seg de junge Mann, he wull do auck hen, ov se nig noh en Perd in Stall hedden, un se saden, se hedden noh ent, dat goͤnk up drei Beenen, dat woͤr em gut genog. He settet sick up dat Perd, dat Perd dat geit alle: husepus! husepus! Do kuͤmmt em de wilde Mann in de moͤte (entgegen), do doͤt sick so’n grauten Berg up, do sind wull dusend Regimenter Soldaten un Offzeers in, do daͤt he schoͤne Kleeder an un krigd so’n schoͤn Perd. Do tuͤt he met alle sin Volk in den Krieg noh Engelland, de Kaiser en- faͤnk en so froͤndlick un begerd en, he moͤg em doh biestoen. He gewinnt de Schlacht un verschleit alles. Do daͤt sick de Kaiser so bedanken voͤr em un fraͤgd, wat he foͤr’n Heer woͤre, he segd: „dat froget mie men nig, dat kann ick ju nig seggen.“ He ritt met sin Volk wier ut Engel- land, do kuͤmmt em de wilde Mann wier entgier- gen un doͤt alle dat Volk wier in den Berg, un he geit wier up sien dreibeenige Perd sitten. Do seget de Luide: „do kuͤmmt usse Hunkepus wier an met dat dreibeenige Perd,“ un se froget: „wo hest du achter de Hierge (Hecke) laͤgen un hest schlopen?“ „Je, segd he, wenn ick der nig woͤr west, dann haͤdde et in Engelland nig gut gohn!“ Se segget: „Junge, schwieg stille, suͤs giv die de Heer wat upd’ Jack. — Un so genk et noh tweenmoel un ton derdenmoel gewient he alles; do kreeg he en Stick in den Arm, do niermt de Kaiser sinen Dock (Tuch) un verbind em de Wunden. Do neidigt (noͤthigt) se em, he moͤg do bliewen, „ni, ick bliewe nig bie ju, un wat ick sin, geit ju nig an.“ Do kuͤmmet em de wilde Mann wier entgiergen un deih alle dat Volk wier in den Berg un he genk wier up sin Perd sitten un genk wier noh Hues. Do lachten de Luide und segden: „do kuͤmmt usse Hunkepus wier an, wo hest du doh laͤgen un schlopen?“ He seg: „ick heve foͤrwohr nig slopen, nu is ganz Engelland gewunnen un et is en wohren Frerden (Frieden).“ Do segde de Kaiser von den schoͤnen Ritter, de em hev biestohen; do seg de junge Mann to en Kaiser: „woͤre ick nig bie ju west, et woͤre nig guet gahen.“ Do will de Kaiser em wat upn Buckel gierwen, „ji, seg he, wenn ji dat nig gleiwen willt, will ick ju minen Arm wiesen un asse he den Arm wiest un asse de Kaiser de Wunde suͤt, do wert he gans verwuͤndert un segd: „vil- licht buͤst du Gott soͤlvst ader en Engel, den mie Gott toschickt hev un bat em uͤm Verzeihnuͤß, dat he so grov met em handelt haͤdde, un schenket em sin ganse Kaisers Gut. Un de wilde Mann was erloͤset un stund ase en grauten Kuͤnig foͤr em un vertelde em de ganse Sacke un de Berg was en gans Kuͤnigs-Schloß un he trock met sine Frau derup un lerweten vergnoͤgt bis an eeren Daud. 51. De drei schwatten Princessinnen . Ostindien was von den Fiend belagert, he wull de Stadt nig verloeten, he wull ersten 600 Dahler hebben. Do leiten se dat ut trummen: well de schaffen koͤnne, de soll Boͤrgemester weren. Do was der en armen Fisker, de fiskede up de See mit sinen Sohn, do kam de Fiend un nam den Sohn gefangen und gav em dofoͤr 600 Dah- ler. Do genk de Vader hen un gav dat de Hee- rens in de Stadt un de Fiend trock av un de Fisker wurde Boͤrgemester. Do word utropen, wer nig Heer Boͤrgemester segde, de soll an de Galge richtet weren. De Sohn de kam de Fiend wier ut de Haͤnde un kam in en grauten Wold up en haujen Berg, de Berg de deih sick up, da kam he in en graut verwuͤnsket Schloß, woin Stohle, Diske un Baͤnke alle schwatt behangen woͤren. Do queimen drei Princessinnen, de gans schwatt antrocken woͤ- ren, de men en luͤck (wenig) witt in’t Gesicht haͤd- den, de segden to em, he soll men nig bange sien, se wullen em nix dohn, he koͤnn eer erloͤsen. Do seg he, je dat wull he gern dohn, wann he men wuͤste, wo he dat macken soͤll? Do segget se: he soͤll en gans Johr nig met en kuͤhren (sprechen) nu soͤll se auck nig anseihen; wat he gern hebben wull, dat soͤll he men seggen, wann se Antwort gierwen droͤfden (geben duͤrften), wullen se et dohn. As he ne Tied lang der west was, sede he, he wull asse gern noh sin Vader gohn, da segget se, dat soͤll he men dohn, duͤssen Buel (Beutel) met Geld soͤll he mer niermen, duͤsse Kleder soͤll he antrecken un in 8 Dage moͤst he der wier sien. Do werd he upnurmen (aufgehoben) un is glick in Ostindien, do kann he sin Vader in de Fiskhuͤtte nig mer finden un froͤg de Luide, wo doh de arme Fisker blierwen woͤre, do segget se, dat moͤst he nig seggen, dann queim he an de Galge. Do kuͤmmt he bie sin Vader, do seg he: „Fisker, wo sin ji do to kummen?“ Do seg de: dat moͤtt ji nig seggen, wann dat de Heerens van de Stadt gewahr weeret, kuͤmme ji an de Galge,“ He willt ober gar nig loten, he werd noh de Galge bracht; es he do is, seg he: „o mine Heerens, gierwet mie doh Verloͤv, dat ick noh de olle Fiskhuͤtte gohn mag.“ Do tuͤt he sinen ollen Kiel an, do kuͤmmt he wier noh de Heerens un seg: „seih ji et nu wull, sin ick nig en armen Fisker sinen Sohn? in duͤt Tueg heve ick minen Vader un Moder dat Braud gewunnen.“ Do erkennet se en un badden uͤm Vergiebnuͤß un niermt en met noh sin Hues, do verteld he alle wuͤ et em gohn hev, dat he woͤre in en Wold kum- men up en haujen Berg, do haͤdde sick de Berg updohn, do woͤre he in en verwuͤnsket Schloß kummen, wo alles schwatt west woͤre un drei Princessinnen woͤren der an kummen, de woͤren schwatt west, men en luͤck witt in’t Gesicht. De haͤdden em segd, he soͤll nig bange sien, he koͤnn eer erloͤsen. Do seg sine Moder: dat moͤg wull nig gut sien, he soll ne gewiehte Wasskeefze met niermen un draͤppen (tropfen) eer gleinig (gluͤ- hend) Wass in’t Gesicht. He geit wier hen un do gruelte (graute) em so, un he druͤppde eer Wass in’t Gesicht, asse se sleipen, un se woͤren all halv witt: do spruͤn- gen alle de drei Princessinnen up un segden: „de verfluchte Hund, usse Bloet soll oͤrfer die Rache schreien, nu is kin Mensk up de Welt geboren, un werd geboren, de us erloͤsen kann, wie hevet noh drei Broͤders, de sind in siewen Ketten anschloe- ten, de soͤllt die terrieten. Do givd et en Gekriesk in’t ganse Schloß un he sprank noh ut dat Fenster un terbrack dat Been un dat Schloß sunk wier in den Grunde, de Berg was wier to, un nuͤmmes wust, wo et west was. 52. Knoist un sine dre Suͤhne . Twisken Werrel un Soist, do wuhnde ’n Mann un de hede Knoist, de hadde dre Suͤhne, de eene was blind, de annre was lahm un de dridde was splenternaket. Do gingen se mohl oͤwer Feld, do sehen se eenen Hasen. De blinne de schoͤt en, de lahme de fienk en, de nackede de stack en in de Tasken. Do kaͤimen se fuͤr cen groot allmaͤchtig Waater, do wuren dre Schippe uppe, dat eene dat rann, dat annre dat sank, dat dridde, do was keen Buoden inne. Wo keen Buoden inne was, do gingen se olle dre inne: do kaͤimen se an eenen allmaͤchtig grooten Walle (Wald), do was een groot allmaͤchtig Boom inne, in den Boom was eene allmaͤchtig groote Capelle, in de Capelle was een hageboͤcken Koͤster un een bußboomen Pastoer, de deelden dat Wig- gewaater mit Knuppeln uit. Sielig is de Mann, de den Wiggewaater entlaupen kann. 53. Dat Maͤken von Brakel . Et gink mal ’n Maͤken von Brakel na de suͤnt Annen Capellen unner de Hinnenborg un weil et gierne ’n Mann heven wulle un ock meinde, et waͤre suͤs neimes in de Capellen, sau sank et: „O hilge suͤnte Anne! help mie doch bald tom Manne, du kennst ’n ja wull, he wuhnt var’m Suttmer Dore, hed gele Hore: du kennst ’n ja wull!“ De Koͤster stand awerst huͤnner den Altare un hoͤre dat, da rep he mit ’ner gans schroͤgerigen Stimme: „du kriggst’n nig! du kriggst’n nig!“ Dat Maͤken awerst meinde, dat Marienkinneken dat bie de Mudder Anne steiht, hedde uͤm dat to ropen, da wor et beuse un reip: „Pepperlepep, dumme Blae, halt de Schnuten, un lat de Moͤhme kuͤhren (die Mutter reden). 54. Das Hausgesinde . „Wo wust du henne?“ — „Nah Wal- pe !“ — „Ick nah Walpe, du nah Walpe; sam, sam, goh wie dann!“ „Haͤst du auck ’n Mann? wie hedd din Mann?“ — „ Cham !“ — „Min Mann Cham, din Mann Cham; ick nah Walpe, du nah Walpe; sam, sam, goh wie dann!“ Haͤst du auck ’n Kind? wie hedd din Kind?“ — „ Grind !“ — „Min Kind Grind, din Kind Grind; min Mann Cham, din Mann Cham; ick nah Walpe, du nah Walpe; sam, sam, goh wie dann!“ „Haͤst du auck ’n Weige? wie hedd dine Weige?“ — „ Hippodeige !“ — „Mine Weige Hippodeige, dine Weige Hippodeige; min Kind Grind, din Kind Grind; min Mann Cham, din Mann Cham; ick nah Walpe, du nah Walpe; sam, sam, goh wie dann!“ „Haͤst du auck ’n Knecht? wie hedd din Knecht?“ — „ Mach mirs recht !“ — „Min Knecht Mach mirs recht, din Knecht Mach mirs recht; mine Weige Hippodeige, dine Weige Hippodeige; min Kind Grind, din Kind Grind; min Mann Cham, din Mann Cham; ick nah Walpe, du nah Walpe; sam sam, goh wie dann!“ 55. Das Laͤmmchen und Fischchen . Es war einmal ein Bruͤderchen und Schwe- sterchen, die hatten sich herzlich lieb, ihre rechte Mutter war aber todt und sie hatten eine Stief- mutter, die war ihnen nicht gut, und that ihnen heimlich alles Leid an. Es trug sich zu, daß die zwei mit andern Kindern auf einer Wiese vor dem Haus spielten, und an der Wiese war ein Teich, der ging bis an die eine Seite vom Haus. Die Kinder liefen da herum, kriegten sich und spielten Abzaͤhlens: „Enecke, Benecke, lat mie liewen, will die ock min Vuͤgelken giewen. Vuͤgelken sall mie Strau soͤken, Strau will ick den Koͤseken giewen, Koͤseken sall mie Melk giewen, Melk will ick den Baͤcker giewen, Baͤcker sall mie ’n Kocken backen, Kocken will ick den Kaͤtken giewen, Kaͤtken sall mie Muͤse fangen, Muͤse will ick in’n Rauck hangen un will se anschnien.“ Dabei standen sie in einem Kreis und auf welchen nun das Wort: „anschnien“ fiel, der mußte fortlaufen, und die andern liefen ihm nach und fingen ihn. Wie sie so froͤhlich dahinsprangen, sah’s die Stiefmutter vom Fenster mit an und aͤrgerte sich. Weil sie aber Hexenkuͤnste verstand, so verwuͤnschte sie beide, das Bruͤderchen in einen Fisch und das Schwesterchen in ein Lamm. Da schwamm das Fischchen im Teich hin und her und war traurig und das Laͤmmchen ging auf der Wiese hin und her und war traurig und fraß nicht und ruͤhrte kein Haͤlmchen an. So ging eine lange Zeit hin, da kamen fremde Gaͤste auf das Schloß. Die falsche Stiefmutter dachte, jetzt ist die Gelegenheit gut, rief den Koch und sprach zu ihm: „geh und hol das Lamm von der Wiese und schlachts, wir haben sonst nichts fuͤr die Gaͤste.“ Da ging der Koch hin und holte das Laͤmmchen und fuͤhrte es in die Kuͤche, band ihm die Fuͤßchen, das litt es alles geduldig, und wollts abstechen. Wie er nun sein Messer herausgezo- gen hatte und auf der Schwelle wetzte, sah es, wie ein Fischlein in dem Wasser vor dem Gossen- stein hin- und herschwamm und zu ihm hinauf- blickte. Das war aber das Bruͤderchen, denn als das Fischchen gesehen hatte, wie der Koch das Laͤmmchen fortfuͤhrte, war es mitgeschwommen im Teich bis zum Haus. Da rief das Laͤmmchen hinab: „Ach Bruͤderchen im tiefen See! wie thut mir doch mein Herz so weh! der Koch der wetzt das Messer, will mir mein Herz durchstechen!“ Das Fischchen antwortete: „Ach Schwesterchen in der Hoͤh: wie thut mir doch mein Herz so weh in dieser tiefen See!“ Wie der Koch hoͤrte, daß das Laͤmmchen sprechen konnte und so traurige Worte zu dem Fischchen hinabrief, erschrack er und dachte, es muͤßte kein natuͤrliches Laͤmmchen seyn, sondern von der boͤsen Frau im Haus verwuͤnscht. Da sprach er: „sey ruhig, ich will dich nicht schlachten,“ nahm ein anderes Thier und bereitete das fuͤr die Gaͤste und brachte das Laͤmmchen zu einer guten Baͤuerin, der erzaͤhlte er alles, was er gesehen und gehoͤrt hatte. Die Baͤuerin war aber gerade die Amme von dem Schwesterchen gewesen, vermuthete gleich, wer’s seyn wuͤrde, und ging mit ihm zu einer weisen Frau. Da sprach die weise Frau einen Segen uͤber das Laͤmmchen und Fischchen, wovon sie ihre menschliche Gestalt wieder bekamen und darnach fuͤhrte sie sie beide in einen großen Wald in ein klein Haͤuschen, wo sie zufrieden und gluͤcklich lebten. 56. Simeliberg . Es waren zwei Bruͤder, einer war reich, der andere arm. Der reiche aber gab dem Armen nichts und er mußte sich vom Kornhandel kuͤm- merlich ernaͤhren, da ging es ihm oft so schlecht, daß er fuͤr seine Frau und Kinder kein Brot hatte. Einmal fuhr er mit seinem Karren durch den Wald, da sah er zur Seite einen großen kah- len Berg und weil er den noch nie gesehen hatte, verwunderte er sich, hielt still und betrachtete ihn. Wie er so stand, kamen zwoͤlf wilde große Maͤn- ner, weil er nun glaubte, das waͤren Raͤuber, schob er seinen Karren ins Gebuͤsch und stieg auf einen Baum, und wartete, was da geschehen wuͤrde. Die zwoͤlf Maͤnner gingen aber vor den Berg und riefen: „Berg Semsi ! Berg Semsi ! thu dich auf.“ Alsbald that sich der kahle Berg in der Mitte von einander und die zwoͤlfe gingen hinein und wie sie drin waren, schloß er sich zu. Ueber eine kleine Weile aber, thaͤt er sich wieder auf und die Maͤnner kamen mit schweren Saͤcken auf dem Ruͤcken heraus und wie sie alle wieder am Tageslicht waren, sprachen sie: „Berg Semsi ! Berg Semsi ! thu dich zu!“ Da fuhr der Berg zusammen und war kein Eingang mehr an ihm zu sehen, und die Zwoͤlfe gingen fort. Als sie ihm nun ganz aus den den Augen waren, stieg der Arme vom Baum herunter, und war neugierig, was wohl im Berge heimliches verborgen waͤre. Also ging er davor und sprach: „Berg Semsi ! Berg Sem- si ! thu’ dich auf!“ und der Berg that sich auch vor ihm auf. Da trat er hinein und der ganze Berg war eine Hoͤhle voll Silber und Gold und hinten lagen große Haufen Perlen und leuchtende Edelsteine wie Korn aufgeschuͤttet. Der Arme wußte gar nicht, was er anfangen sollte, und ob er sich etwas von den Schaͤtzen nehmen duͤrfte; endlich fuͤllte er sich die Taschen mit Gold, die Perlen und Edelsteine aber ließ er liegen. Als er wieder herauskam, sprach er gleichfalls: „Berg Semsi ! Berg Semsi ! thu’ dich zu!“ da schloß sich der Berg, und er fuhr nun mit seinem Karren nach Haus. Nun brauchte er nicht mehr zu sorgen, und konnte mit seinem Golde, fuͤr Frau und Kind, Brot und auch Wein dazu kaufen, lebte froͤhlich und redlich, gab den Armen und that Jedermann Gutes; als aber das Gold all’ war, ging er zu seinem Bruder, lieh einen Schef- fel, und holte sich von neuem; doch ruͤhrte er von den großen Schaͤtzen nichts an. Wie er sich zum dritten Mal etwas holen wollte, borgte er bei seinem Bruder wieder den Scheffel. Der Reiche war aber schon lange neidisch uͤber sein Vermoͤgen und den schoͤnen Haushalt, den er sich eingerich- tet hatte, und konnte nicht begreifen, woher der Kindermärchen II. S Reichthum kaͤme und was sein Bruder mit dem Scheffel anfing. Da dachte er eine List aus, und bestrich den Boden mit Pech, und wie er das Maaß wieder bekam, so war ein Goldstuͤck darin haͤngen geblieben. Alsbald ging er zu seinem Bruder und fragte ihn: „was hast du mit dem Scheffel ge- messen?“ „Korn und Gerste,“ sagte der andere. Da zeigte er ihm das Goldstuͤck und drohte ihm, wenn er nicht die Wahrheit sagte, so wollt’ er ihn beim Gericht verklagen. Er erzaͤhlte ihm nun alles, wie es zugegangen war, der Reiche aber ließ gleich einen Wagen anspannen, fuhr hinaus, und dachte ganz andere Schaͤtze mitzubringen. Wie er vor den Berg kam, rief er: „Berg Semsi ! Berg Semsi ! thu’ dich auf!“ der Berg that sich auf und er ging hinein. Da lagen die Reichthuͤmer alle vor ihm, und er wußte lange nicht, wozu er am ersten greifen sollte, endlich lud er Edelsteine auf, so viel er tragen konnte und wollte sie hinausbringen. Er kehrte also um, weil aber Herz und Sinn ganz voll von den Schaͤtzen waren, hatte er daruͤber den Namen des Bergs vergessen, und rief: „Berg Semeli ! Berg Semeli ! thu’ dich auf!“ Aber das war der rechte Name nicht und der Berg regte sich nicht und blieb verschlossen. Da ward ihm Angst, aber je laͤnger er nachsann, desto mehr verwirrten sich seine Gedanken und halfen ihm alle Schaͤtze nichts mehr. Am Abend that sich der Berg auf und die zwoͤlf Raͤuber kamen herein, und als sie ihn sahen, waren sie froh und riefen: „Vogel, haben wir dich endlich, meinst du wir haͤtten’s nicht ge- merkt, daß du zwei Mal hereingekommen bist, aber wir konnten dich nicht fangen, zum dritten Mal sollst du nicht wieder heraus.“ Da rief er: ich war’s nicht; mein Bruder war’s!“ aber er mogte bitten um sein Leben, und sagen was er wollte, sie schlugen ihm das Haupt ab. 57. Die Kinder in Hungersnoth . Es war einmal eine Frau mit ihren zwei Toͤchtern in solche Armuth gerathen, daß sie auch nicht ein Bischen Brot mehr in den Mund zu stecken hatten. Wie nun der Hunger bei ihnen so groß ward, daß die Mutter ganz außer sich und in Verzweiflung gerieth, sprach sie zu der aͤltesten: „ich muß dich toͤdten, damit ich etwas zu essen habe.“ Die Tochter sagte: „ach, liebe Mutter, schont meiner, ich will ausgehen und sehen, daß ich etwas zu essen kriege ohne Bet- telei.“ Da ging sie aus, kam wieder, und hatte ein Stuͤckchen Brot eingebracht, das aßen sie miteinander, es war aber zu wenig, um den Hun- ger zu stillen. Darum hub die Mutter zur andern Tochter an: „so mußt du daran.“ Sie antwortete aber: „ach, liebe Mutter, schont meiner, ich S 2 will gehen und unbemerkt etwas zu essen anders- wo ausbringen.“ Da ging sie hin, kam wieder und hatte zwei Stuͤckchen Brot eingebracht; das aßen sie mit einander, es war aber zu wenig, um den Hunger zu stillen. Darum sprach die Mut- ter nach etlichen Stunden abermals zu ihnen: ihr muͤsset doch sterben, denn wir muͤssen sonst verschmachten.“ Darauf antworteten sie: „liebe Mutter, wir wollen uns niederlegen und schla- fen, und nicht eher wieder aufstehen, als bis der juͤngste Tag kommt.“ Da legten sie sich hin und schliefen einen tiefen Schlaf, aus dem sie nie- mand erwecken konnte, die Mutter aber ist weg- gekommen und weiß kein Mensch, wo sie geblie- ben ist. 58. Das Eselein . Es lebte einmal ein Koͤnig und eine Koͤnigin, die waren reich, und hatten alles, was sie sich wuͤnschten, nur keine Kinder. Daruͤber klagte sie Tag und Nacht und sprach: „ich bin wie ein Acker, auf dem nichts waͤchst.“ Endlich erfuͤllte Gott ihre Wuͤnsche, als das Kind aber zur Welt kam, sah’s nicht aus wie ein Menschenkind, sondern war ein junges Eselein. Wie die Mutter das erblickte, fing ihr Jammer und Geschrei erst recht an, sie haͤtte lieber gar kein Kind gehabt, als einen Esel, und sagte, man sollt’s in’s Wasser werfen, da- mit’s die Fische fraͤßen. Der Koͤnig aber sprach: „nein, hat Gott ihn gegeben, soll er auch mein Sohn und Erbe seyn, nach meinem Tod auf dem koͤniglichen Thron sitzen und die koͤnigliche Krone tragen.“ Also ward das Eselein aufgezogen, nahm zu und die Ohren wuchsen ihm auch fein hoch und gerad’ hinauf. Es war aber sonst froͤh- licher Art, sprang herum, spielte und hatte be- sonders seine Lust an der Musik, so daß es zu ei- nem beruͤhmten Spielmann ging und sprach: „lehr’ mich deine Kunst, daß ich so gut die Laute schlagen kann, wie du.“ „Ach, liebes Herrlein, antwortete der Spielmann, das sollt’ euch schwer fallen, eure Finger sind nicht allerdings dazu ge- macht, und gar zu groß; ich sorg’, die Saiten haltens nicht aus.“ Es half aber keine Ausrede, das Eselein wollt’ und mußt’ die Laute schlagen, war beharrlich und fleißig, und lernte es am Ende so gut, als sein Meister selber. Einmal ging es nachdenksam spatziren und kam an einen Brunnen, da schaute es hinein und sah im spiegelhellen Was- ser seine Eseleins-Gestalt, daruͤber ward es so betruͤbt, daß es in die Welt hineinging und nur einen treuen Gesellen mitnahm. Sie zogen auf und ab, zuletzt kamen sie in ein Reich, wo ein alter Koͤnig herrschte, der nur eine einzige aber wunderschoͤne Tochter hatte. Das Eselein sagte: „hier wollen wir weilen,“ klopfte an’s Thor und rief: „es ist ein Gast haußen, macht auf, damit er eingehen kann.“ Als aber nicht aufgethan ward, setzte es sich hin, nahm seine Laute und schlug sie mit seinen Fuͤßen auf’s lieblichste. Da sperrte der Thuͤrhuͤter gewaltig die Augen auf, lief zum Koͤnig und sprach: „da draußen sitzt ein Eselein vor dem Thor, das schlaͤgt die Laute all- zulieblich.“ Ei, so laß mir den Musikant herein- kommen,“ sprach der Koͤnig. Wie aber ein Ese- lein hereintrat, fing alles an uͤber den Lauten- schlaͤger zu lachen. Nun sollte das Eselein unten zu den Knechten gesetzt und gespeist werden, es ward aber unwillig und sprach: „ich bin kein ge- meines Stalleselein, ich bin ein gar vornehmes.“ Da sagten sie: „wenn du das bist, so setz’ dich zu dem Kriegsvolk.“ „Nein, sprach es, ich will beim Koͤnig sitzen.“ Der Koͤnig lachte und sagte in gutem Muth: „Ja, so soll’s seyn, wie du verlangst, Eselein, komm her zu mir.“ Dar- nach fragte er: „Eselein, wie gefaͤllt dir meine Tochter?“ das Eselein drehte den Kopf nach ihr, schaute sie an, nickte und sprach: „aus der Maßen wohl, so schoͤn’ hab’ ich noch keine gesehen.“ „Nun so sollst du auch neben ihr sitzen,“ sagte der Koͤ- nig. „Das ist mir eben recht,“ sprach das Ese- lein, und setzte sich an ihre Seite und aß und wußte sich gar fein und saͤuberlich zu betragen. Als das edle Thierlein eine gute Zeit an des Koͤ- nigs Hof geblieben war, dachte es, was hilft das alles, du mußt’ wieder heim, ließ den Kopf trau- rig haͤngen, trat vor den Koͤnig und verlangte sei- nen Abschied. Der Koͤnig hatte es aber gar lieb und sprach: „Eselein, was ist dir, du schau’st ja sauer, wie ein Essigkrug, ich will dir geben, was du verlangst: „willst du Gold?“ — „Nein,“ sagte das Eselein und schuͤttelte mit dem Kopf. „Willst du Kostbarkeiten und Schmuck?“ — „Nein.“ — „Willst du mein halbes Reich?“ — „Ach nein!“ Da sprach der Koͤnig: „wenn ich nur wuͤßte, was dich vergnuͤgt machen koͤnnte: willst du meine schoͤne Tochter zur Frau?“ „Ach ja,“ sagte das Eselein, war auf einmal ganz lustig und guter Dinge, denn das war’s gerade, was es sich gewuͤnscht hatte. Also ward eine große und praͤchtige Hochzeit gehalten. Abends, wie Braut und Braͤutigam in ihr Schlafkaͤmmerlein gefuͤhrt wurden, wollte der Koͤnig wissen, ob sich das Eselein auch fein artig und ma- nierlich betruͤge, und hieß einen Diener sich dort verstecken. Wie sie nun beide drinnen waren, schob der Braͤutigam den Riegel vor die Thuͤre, blickte sich um und wie er glaubte, daß sie ganz allein waͤren, da warf er auf einmal seine Eselhaut ab und stand da als ein schoͤner, koͤniglicher Juͤngling, der sprach: „siehst du, wer ich bin und daß ich deiner werth gewesen.“ Da ward die Braut froh, kuͤßte ihn und hatte ihn von Herzen lieb. Als es aber Morgen ward, sprang er auf, zog seine Thierhaut wieder uͤber und haͤtte kein Mensch gedacht, was fuͤr einer da- hinter steckte. Bald kam auch der alte Koͤnig ge- gangen: „ei,“ rief er, ist das Eselein schon mun- ter! du bist wohl recht traurig, sagte er zu seiner Tochter, daß du keinen ordentlichen Menschen zum Mann bekommen hast?“ Ach nein, lieber Vater, ich habe ihn so lieb, als wenn er der al- lerschoͤnste waͤr’ und will ihn mein Lebtag behal- ten.“ Der Koͤnig wunderte sich, aber der Die- ner, der sich versteckt hatte, kam und offenbarte ihm alles. Der Koͤnig sprach: „Das ist nimmer- mehr wahr!“ — „So wacht selber die folgende Nacht, ihr werdet’s mit eigenen Augen sehen; und wißt ihr was, Herr Koͤnig, nehmt ihm die Haut weg, und werft sie in’s Feuer, so muß er sich wohl in seiner rechten Gestalt zeigen.“ „Dein Rath ist gut,“ sprach der Koͤnig, und Abends, als sie schliefen, schlich er sich hinein, und wie er zum Bett’ kam, sah er im Mondschein einen stol- zen Juͤngling da ruhen, und die Haut lag abge- streift auf der Erde. Da nahm er sie weg, und ließ draußen ein gewaltiges Feuer anmachen und die Haut hineinwerfen und blieb selber dabei, bis sie ganz zu Asche verbrennt war. Weil er aber sehen wollte, was der Beraubte anfangen wuͤrde, blieb er die Nacht wach, und lauschte. Als der Juͤngling ausgeschlafen hatte, beim ersten Mor- genschein, stand er auf und wollte die Eselshaut umziehen, aber sie war nicht zu finden. Da er- schrack er und sprach voll Trauer und Angst: „Nun muß ich sehen, daß ich entfliehe.“ Wie er hinaustrat, stand aber der Koͤnig da und sprach: „Ei! mein Sohn, wohin so eilig, was hast du im Sinn? Bleib hier; du bist ein so schoͤner Mann, du sollst nicht wieder von mir; ich geb’ dir jetzt mein Reich halb, und nach meinem Tod bekommst du es ganz.“ „So wuͤnsch’ ich dem guten An- fang auch ein gutes Ende,“ sprach der Juͤngling, „ich bleibe bei euch.“ Da gab ihm der Alte das halbe Reich, und als er nach einem Jahr starb, hatte er das ganze, und nach dem Tode seines Va- ters noch eins dazu, und lebte reich und vergnuͤgt. 59. Der undankbare Sohn . Es saß einmal ein Mann mit seiner Frau vor der Hausthuͤr, und hatten ein gebraten Huhn vor sich stehen, und wollten das zusammen ver- zehren, da sah der Mann, wie sein alter Vater daher kam, geschwind nahm er das Huhn und versteckt es, weil er ihm nichts davon goͤnnte. Der Alte kam, that einen Trunk und ging fort. Nun wollte der Sohn das gebratene Huhn wieder auf den Tisch tragen, aber als er darnach griff, war es eine große Kroͤte geworden, die sprang ihm in’s Angesicht, und saß da und ging nicht wieder weg, und wenn sie jemand wegthun wollte, sah sie ihn giftig an, als wollt’ sie ihm in’s An- gesicht springen, so daß keiner sie anzuruͤhren ge- traute. Und die Kroͤte mußte der undankbare Sohn alle Tage fuͤttern, sonst fraß sie ihm aus seinem Angesicht, und also ging er in der Welt hin und her. 60. Die Ruͤbe . Es waren einmal zwei Bruͤder, die lebten beide im Soldatenstand, und war der eine reich, der andere arm. Da wollte der arme sich aus seiner Noth helfen, zog den Soldatenrock aus, und ward ein Bauer. Also grub und hackte er sein Stuͤckchen Acker und saͤte Ruͤbsamen. Der Same ging auf und es wuchs da eine Ruͤbe, die ward groß und stark, und zusehends dicker, und wollte gar nicht aufhoͤren zu wachsen, so daß sie eine Fuͤrstin aller Ruͤben heißen konnte, denn nimmer war so eine gesehen, und wird auch nim- mer wieder gesehen werden. Zuletzt war sie so groß, daß sie allein einen ganzen Wage anfuͤllte, und zwei Ochsen daran ziehen mußten, und der Bauer wußte nicht was er damit anfangen sollte, und ob’s sein Gluͤck oder sein Ungluͤck waͤre. End- lich dachte er, verkaufst du sie, was wirst du gro- ßes dafuͤr bekommen, und willst du sie selber essen, so thun die kleinen Ruͤben denselben Dienst, du willst sie dem Koͤnig bringen und verehren. Also lud er sie auf den Wagen, spannte zwei Och- sen vor, brachte sie an den Hof und schenkte sie dem Koͤnig. „Ei! sagte der Koͤnig, was ist das fuͤr ein seltsam Ding? mir ist viel wunderliches vor die Augen gekommen, aber so ein Ungethuͤm noch nicht: aus was fuͤr Samen mag die gewach- sen seyn? oder dir geraͤth’s allein, und du bist ein Gluͤckskind.“ „Ach nein, sagte der Bauer, ein Gluͤckskind bin ich nicht, ich bin ein armer Sol- dat, der sich nicht mehr naͤhren konnte, darum den Soldatenrock an den Nagel hing und das Land baute; ich habe noch einen Bruder, der ist reich und Euch, Herr Koͤnig, auch wohlbekannt, ich aber, weil ich nichts habe, bin von aller Welt vergessen.“ Da empfand der Koͤnig Mitleid mit ihm und sprach: „Deine Armuth ist vorbei, du sollst so von mir beschenkt werden, daß du wohl deinem reichen Bruder gleich kommst.“ Also schenkte er ihm eine Menge Gold, Acker, Wie- sen und Heerden, und machte ihn steinreich, so daß des andern Bruders Reichthum gar nicht konnte damit verglichen werden. Als dieser hoͤrte, was sein Bruder mit einer einzigen Ruͤbe erwor- ben hatte, beneidete er ihn und sann hin und her, wie er sich auch ein solches Gluͤck zuwenden koͤnnte. Er wollt’s aber noch viel gescheidter anfangen, nahm Gold und Pferde und brachte sie dem Koͤ- nig, und meinte nicht anders, der wuͤrde ihm ein viel groͤßeres Gegengeschenk machen, denn haͤtte sein Bruder soviel fuͤr eine Ruͤbe bekommen, was wuͤrde es ihm fuͤr so schoͤne Dinge nicht alles tra- gen. Der Koͤnig nahm das Geschenk und sagte, er wuͤßte ihm nichts wieder zu geben, das rarer und besser waͤre, als die große Ruͤbe. Also mußte der reiche seines Bruders Ruͤbe auf einen Wagen legen und nach Haus fahren lassen. Daheim wußte er nicht, an wem er seinen Zorn und Aer- ger auslassen sollte, bis ihm boͤse Gedanken ka- men und er beschloß seinen Bruder zu toͤdten. Er gewann Moͤrder, die mußten sich in einen Hin- terhalt stellen, und darauf ging er zu seinem Bru- der und sprach: „Lieber Bruder, ich weiß einen heimlichen Schatz, den wollen wir miteinander heben und theilen.“ Der andere ließ sich’s auch gefallen und ging ohne Arg mit; als sie aber hinauskamen, stuͤrzten die Moͤrder uͤber ihn her, banden ihn und wollten ihn an einen Baum haͤn- gen. Indem sie eben daruͤber waren, erscholl aus der Ferne lauter Gesang und Hufschlag, daß ih- nen der Schrecken in den Leib fuhr und sie uͤber Hals und Kopf ihren Gefangenen in den Sack steckten, am Ast hinaufwanden und haͤngen ließen, er aber arbeitete darin, bis er ein Loch im Sack hatte, wodurch er den Kopf stecken konnte. Dar- auf ergriffen sie die Flucht. Wer aber des Wegs daher kam, war nichts als ein fahrender Schuͤ- ler, ein junger Geselle, der froͤhlich sein Lied sin- gend durch den Wald die Straße ritt. Wie der oben nun merkte, daß einer unter ihm vorbei ging, rief er: „sey mir gegruͤßt, zu guter Stun- de!“ Der Schuͤler guckte sich uͤberall um, wußte nicht, wo die Stimme herschallte, endlich sprach er: „Wer ruft mir?“ Da antwortete es aus dem Wipfel: „Erhebe deine Augen, ich sitze hier oben im Sack der Weisheit; in kurzer Zeit habe ich große Dinge gelernt, dagegen sind alle Schu- len ein Wind, um ein Weniges, so werde ich aus- gelernt haben, herabsteigen und weiser seyn als alle Menschen. Ich verstehe die Gestirn- und Himmelszeichen, das Wehen aller Winde und den Sand im Meer, Heilung der Krankheit, die Kraͤfte der Kraͤuter, Voͤgel und Steine. Waͤr’st du einmal darin, du wuͤrdest fuͤhlen, was fuͤr Herrlichkeit aus ihm fließt.“ Der Schuͤler, wie er das alles hoͤrte, erstaunte er und sprach: „Ge- segnet sey die Stunde, wo ich dich gefunden, koͤnnt’ ich nicht auch ein wenig in den Sack kom- men?“ Oben der antwortete, als thaͤt’ er’s nicht gern: „eine kleine Weile will ich dich wohl hineinlassen fuͤr Lohn und gute Worte, aber du mußt doch noch eine Stunde warten, es ist ein Stuͤck uͤbrig, das ich erst lernen muß.“ Als der Schuͤler ein wenig gewartet hatte, war ihm die Zeit zu lang und er bat, daß er doch moͤgte hin- eingelassen werden, sein Durst nach Weisheit waͤre gar zu groß.“ Da stellte sich der oben, als gaͤb’ er endlich nach und sprach: „Damit ich aus dem Haus der Weisheit heraus kann, mußt du den Sack am Strick herunterlassen, so sollst du ein- gehen.“ Also ließ der Schuͤler ihn herunter, band den Sack auf und befreite ihn, dann rief er selber: „Nun zieh’ mich recht geschwind hinauf,“ und wollt’ geradstehend in den Sack einschreiten. „Halt!“ sagte der andere, „so geht’s nicht an,“ packte ihn beim Kopf, steckte ihn ruͤcklings in den Sack, schnuͤrte zu, und zog den Juͤnger der Weis- heit am Strick baumwaͤrts und schwengelte ihn in der Luft: „Wie steht’s, mein lieber Gesell? siehe, schon fuͤhlst du daß dir die Weisheit kommt, und machst gute Erfahrung, sitze also fein ruhig, bis du kluͤger wirst.“ Damit stieg er auf des Schuͤ- lers Pferd und ritt fort. 61. Das junggegluͤhte Maͤnnlein . Zur Zeit da unser Herr noch auf Erden ging, kehrte er eines Abends, sammt Peter, bei einem Schmied ein, und bekam willig Herberg. Nun geschah’s, daß ein armer Bettelmann, von Alter und Gebrechen hart gedruͤckt, in dieses Haus kam und vom Schmied Almosen forderte. Deß er- erbarmte sich Petrus und sprach: „Herr und Meister, so dir’s gefaͤllt, heil’ ihm doch seine Plage, daß er sich selbst sein Brot moͤge gewin- nen.“ Sanfmuͤthig sprach der Herr: „Schmied, leih’ mir deine Esse und leg’ mir Kohlen an, so will ich den alten, kranken Mann zu dieser Zeit verjuͤngen.“ Der Schmied war ganz bereit und St. Petrus zog die Baͤlge, und als das Kohl- feuer auffunkte, groß und hoch, nahm unser Herr das alte Maͤnnlein, schub’s in die Esse, mit- ten in’s rothe Feuer, daß es drin gluͤhte, wie ein Rosenstock, und Gott lobte mit lauter Stimme. Nachdem trat der Herr zum Loͤschtrog, zog das gluͤhend Maͤnnlein hinein, daß das Wasser uͤber ihm zusammenschlug, und nachdem er’s fein sitt- lich abgekuͤhlet, gab er ihm seinen Segen; siehe, zuhand sprang das Maͤnnlein heraus, zart, ge- rad, gesund und wie von zwanzig Jahren. Der Schmied, der eben und genau zugesehen, lud sie alle zum Nachtmahl, er hatte aber eine alte, halb- blinde bucklichte Schwieger, die machte sich zum Juͤngling hin und fragte ihn fleißig: ob ihn das Feuer hart gebrennet? „Nie sey ihm besser gewe- sen, antwortete jener, er habe da in der Glut ge- sessen, wie in einem kuͤhlen Thau.“ Dies klang die ganze Nacht in den Ohren der alten Frau und als der Herr fruͤhmorgens die Straße weiter gezogen war, und dem Schmied wohl gedankt hatte, dachte der, er koͤnnte seine alte Schwieger auch jung machen, da er fein ordent- lich alles zugesehn, und es in seine Kunst schlage. Rief sie daher an, ob sie auch wie ein Maͤgdlein von achtzehn Jahren in Spruͤngen daher wolle gehen? Sie sprach: „von ganzem Herzen,“ weil es dem Juͤngling auch so sanft angekommen. Machte also der Schmied große Glut und stieß die Alte hinein, die sich hin und wieder bog, und grausames Mordgeschrei anstimmte; „sitz’ still, was schreist und huͤpfst du, ich will erst weidlich zublasen!“ zog damit die Baͤlge von neuem bis ihr alle Haderlumpen brannten, da schrie das alte Weib ohne Ruh. Der Schmied dachte: Kunst geht nicht recht zu! nahm sie raus und warf sie in den Leschtrog, da schrie sie ganz uͤberlaut, daß es droben im Haus die Schmiedin und ihre Schnur hoͤrten, die liefen beide die Stiegen herab, und sahen die Alte heulend und maulend ganz zusam- men geschnurrt im Trog liegen, das Angesicht ge- runzelt, gefaltet und umgeschaffen. Darob sich die zwei, die beide mit Kindern gingen, so ent- setzten, daß sie noch dieselbe Nacht zwei Junge gebaren, die waren ganz nicht wie Menschen ge- schaffen, sondern wie Affen, liefen zum Wald hin- ein und von ihnen stammt das Geschlecht der Affen her. 62. Des Herrn und des Teufels Gethier. Gott der Herr hatte alle Thiere erschaffen und sich die Woͤlfe zu seinen Hunden auserwaͤhlet; blos den Geis hatte er vergessen, da richtete sich der Teufel an, wollte auch schaffen, und machte die Geise, mit feinen, langen Schwaͤnzen. Wenn sie nun zur Weide gingen, blieben sie gewoͤhnlich mit ihren Schwaͤnzen in den Dornhecken haͤngen, da mußte der Teufel hineingehen und sie mit vie- ler Muͤhe losknuͤpfen; verdroß ihn zuletzt, war her und biß jeder Geis den Schwanz ab, wie noch heut’ des Tags an den Stuͤmpfen zu sehen ist. Nun ließ er sie zwar allein weiden, aber es geschah, daß Gott der Herr zusah, wie sie bald einen fruchtbaren Baum benagten, bald die edlen Reben schaͤdigten, bald andere zarte Pflanzen verderbten. Deß jammerte ihn, so daß er aus Guͤte und Gnaden seine Woͤlfe dran hetzte, die denn die Geise, so da gingen, bald zerrissen. Wie der Teufel das vernahm, trat er bald vor den Herrn und sprach: „dein Geschoͤpf hat mir das meine zerrissen.“ Der Herr antwortete: „was hattest du es zu Schaden erschaffen?“ der Teufel sagte: „ich mußte das; gleichwie selbst mein Sinn auf Schaden geht, konnte, was ich erschaffen, keine andre Natur haben, und mußt mir’s theuer zahlen.“ — „Ich zahl’ dir’s, so- bald das Eichenlaub abfaͤllt, dann komm, dein Geld ist schon gezaͤhlt.“ Als das Eichenlaub ab- gefallen war kam der Teufel und forderte seine Schuld. Der Herr aber sprach: „In der Kirche zu Constantinopel steht eine hohe Eiche, die hat Kindermährchen. II. T noch alles ihr Laub!“ Mit Toben und Fluchen entwich der Teufel und wollte die Eiche suchen, irrte sechs Monate in der Wuͤstenei, eh’ er sie befand, und als er wieder kam, waren derweil wieder alle andere Eichen voll gruͤner Blaͤtter. Da mußte er seine Schuld fahren lassen stach im Zorn allen uͤbrigen Geisen die Augen aus und setzte ihnen seine eigene ein. Darum haben alle Geise Teufelsaugen und abgebißne Schwaͤnz und er nimmt gern ihre Ge- stalt an. 63. Der Hahnenbalken . Es war einmal ein Zauberer, der stand mit- ten in einer großen Menge Volks und vollbrachte seine Wunderdinge, da ließ er auch einen Hahn einher schreiten, der hob einen schweren Balken und trug ihn, als waͤr’ er federleicht. Nun war aber ein Maͤdchen, das hatte eben ein vierblaͤttri- ges Kleeblatt gefunden, und war dadurch klug geworden, so daß kein Blendwerk vor ihm beste- hen konnte, und es sah, daß der Balken nichts war, als ein Strohhalm. Da rief es: „Ei, ihr Leute seht ihr nicht, das ist ein bloßer Strohhalm und kein Balken, was der Hahn da traͤgt“ Als- bald verschwand der Zauber, und die Leute sahen was es war, und jagten den Hexenmeister mit Schimpf und Schande fort, er aber sprach voll Zorn innerlich: „Ich will mich schon raͤchen.“ — Nach einiger Zeit hielt das Maͤdchen Hochzeit, war geputzt, und ging in einem großen Zug uͤber das Feld nach dem Ort, wo die Kirche stand. Auf einmal kamen sie an einen stark angeschwollenen Bach, und war keine Bruͤcke und kein Steg dar- uͤber zu gehen. Da war die Braut flink, hob ihre Kleider auf und wollte durchwaten. Wie sie nun eben im Wasser so steht, ruft ein Mann und das war der Zauberer neben ihr ganz spoͤttisch: „Ei, wo hast du deine Augen, daß du das fuͤr ein Wasser haͤltst.“ Da gingen ihr die Augen auf und sie sah, daß sie mit ihren aufgehobenen Kleidern mitten in einem blaubluͤhenden Flachs- feld stand. Da sahen es die Leute auch allesammt und jagten sie mit Schimpf und Gelaͤchter fort. 64. Die alte Bettelfrau . Es war einmal eine alte Frau, du hast wohl ehe eine alte Frau seh’n betteln geh’n? Diese alte Frau bettelte auch, und wenn sie etwas bekam, dann sagte sie: Gott lohn’ euch! Die Bettelfrau kam an eine Thuͤr, da stand ein freundlicher Schelm von Jungen am Feuer und waͤrmte sich. Der Junge sagte freundlich zu der armen alten Frau, wie sie so an der Thuͤr stund und zitterte, „Kommt Altmutter und erwaͤrmt euch.“ Sie kam herzu, Sie ging aber zu nahe ans Feuer steh’n, ihre alten Lumpen fingen an zu brennen und sie ward’s nicht gewahr. Der Junge stand und sah’ das, er haͤtt’s doch loͤschen sollen? Nicht wahr, er haͤtte loͤschen sollen? Und wenn er kein Wasser gehabt haͤtte, dann haͤtte er alles Wasser in seinem Leibe zu den Augen heraus- weinen sollen, das haͤtte so zwei huͤbsche Baͤchlein gegeben zu loͤschen. 65. Die drei Faulen . Ein Koͤnig hatte drei Soͤhne, die waren ihm alle gleich lieb, und er wußte nicht, welchen er zum Koͤnig nach seinem Tode bestimmen sollte. Als die Zeit kam daß er sterben wollte, rief er sie vor sich und sprach: „Liebe Kinder, ich habe et- was bei mir bedacht, das will ich euch sagen: „welcher von euch der Faulste ist, der soll nach mir Koͤnig werden.“ Da sprach der aͤlteste: „Vater, so gehoͤrt das Reich mir, denn ich bin so faul, wenn ich liege und will schlafen, und es faͤllt mir ein Tropfen in die Augen, so mag ich sie nicht zuthun, damit ich einschlafe.“ Der zweite sprach: „Vater, das Reich gehoͤrt mir, denn ich bin so faul, wenn ich beim Feuer sitze mich zu waͤrmen, so ließ ich mir eher die Fersen verbren- nen, eh’ ich die Beine zuruͤckzoͤge.“ Der dritte sprach: „Vater, das Reich ist mein, denn ich bin so faul, sollt’ ich aufgehenkt werden und haͤtte den Strick schon um den Hals, und einer gaͤb’ mir ein scharf Messer in die Hand, damit ich den Strick zerschneiden duͤrfte, so ließ ich mich eher henken, eh’ ich meine Hand aufhuͤbe zum Strick.“ Wie der Vater das hoͤrte: sprach er: „Du sollst der Koͤnig seyn.“ 66. Die heilige Frau Kummerniß . Er war einmal eine fromme Jungfrau, die gelobte Gott, nicht zu heirathen, und war wun- derschoͤn, so daß es ihr Vater nicht zugeben und sie gern zur Ehe zwingen wollte. In dieser Noth flehte sie Gott an, daß er ihr einen Bart wach- sen lassen sollte, welches alsogleich geschah; aber der Koͤnig ergrimmte und ließ sie an’s Kreutz schlagen, da ward sie eine Heilige. Nun geschah’ es, daß ein gar armer Spiel- mann in die Kirche kam, wo ihr Bildniß stand, kniete davor nieder, da freute es die Heilige, daß dieser zuerst ihre Unschuld anerkannte, und das Bild, das mit guͤldnen Pantoffeln angethan war, ließ einen davon los- und herunterfallen, damit er dem Pilgrim zu gut kaͤme. Der neigte sich dankbar und nahm die Gabe. Bald aber wurde der Goldschuh in der Kir- chen vermißt, und geschah allenthalben Frage, bis er zuletzt bei dem armen Geigerlein gefunden, auch es als ein boͤser Dieb verdammt und ausgefuͤhrt wurde, um zu hangen. Unterwegs aber ging der Zug an dem Gotteshaus vorbei, wo die Bild- saͤule stand, begehrte der Spielmann hineingehen zu duͤrfen, daß er zu guter Letzt Abschied naͤhme mit seinem Geiglein und seiner Gutthaͤterin die Noth seines Herzens klagen koͤnnte. Dies wurde ihm nun erlaubt. Kaum aber hat er den ersten Strich gethan, siehe, so ließ das Bild auch den andern guͤldnen Pantoffel herabfallen, und zeigte damit, daß er des Diebstahls unschuldig waͤre. Also wurde der Geiger der Eisen und Bande ledig- zog vergnuͤgt seiner Straßen, die heil. Jungfrau aber hieß Kummerniß. 67. Das Maͤrchen vom Schlauraffenland. In der Schlauraffenzeit da ging ich und sah an einem kleinen Seidenfaden hing Rom und der Lateran, und ein fußloser Mann, der uͤberlief ein schnelles Pferd, und ein bitterscharfes Schwert eine Bruͤcke durchhauen; da sah ich einen jungen Esel mit einer silbernen Nase der jug hinter zwei schnellen Hasen her, und eine Linde, die war breit, auf der wuchsen heiße Fladen, da sah ich eine alte duͤrre Geis, trug wohl hundert Fuder Schmalzes an ihrem Leibe und sechzig Fuder Salzes. Ist das nicht gelogen genug? Da sah ich zackern einen Pflug, ohne Roß und Rinder, und ein jaͤhri- ges Kind warf vier Muͤhlensteine von Regensburg bis nach Trier und von Trier hinein in Strasburg; und ein Habicht schwamm uͤber den Rhein, das that er mit vollem Recht, da hoͤrt’ ich Fische mit- einander Laͤrm anfangen, daß es in den Himmel hinauf scholl, und ein suͤßer Honig floß wie Wasser von einem tiefen Thal auf einen hohen Berg, das waren seltsame Geschichten. Da waren zwei Kraͤhen, maͤhten eine Wiese, und ich sah zwei Muͤcken an einer Bruͤcke bauen, und zwei Tau- ben zerrupften einen Wolf, zwei Kinder die wur- fen zwei Zicklein, aber zwei Froͤsche droschen mit- einander Getreid aus. Da sah ich zwei Maͤuse einen Bischof weihen, zwei Katzen, die einem Baͤren die Zunge auskratzten. Da kam eine Schnecke gerennt und erschlug zwei wilde Loͤwen, da stand ein Bartscheerer, schor einer Frauen ih- ren Bart ab, und zwei saͤugende Kinder hießen ihre Mutter stillschweigen. Da sah’ ich zwei Wind- hunde, brachten eine Muͤhle aus dem Wasser ge- tragen und eine alte Schindmaͤhre stand dabei, die sprach: es waͤre Recht. Und im Hof standen vier Rosse, die droschen Korn aus allen Kraͤften, und zwei Ziegen, die den Ofen heitzten und eine rothe Kuh schoß das Brot in den Ofen. Da kraͤhte ein Huhn: Kickeriki! Das Maͤrchen ist ausver- zaͤhlt, kickeriki! 68. Das Dietmarsische Luͤgen-Maͤrchen. Ich will euch etwas erzaͤhlen: ich sah zwei gebratene Huͤhner fliegen, flogen schnell und hat- ten die Baͤuche gen Himmel gekehrt, die Ruͤcken nach der Hoͤlle, und ein Amboß und ein Muͤhl- stein die schwammen uͤber den Rhein, fein lang- sam und leise, und ein Frosch saß und fraß eine Pflugschaar zu Pfingsten auf dem Eis; da wa- ren drei Kerls, wollten einen Hasen fangen, gin- gen auf Kruͤcken und Stelzen, der eine war taub, der zweite blind, der dritte stumm und der vierte konnte keinen Fuß ruͤhren. Wollt’ ihr wissen, wie das geschah? Der Blinde der sah zuerst den Hasen uͤber Feld traben, der Stumme der rief dem Lahmen zu, und der Lahme faßte ihn beim Kragen. Etliche die wollten zu Land segeln und spannten die Segel im Wind, und schifften uͤber große Aecker hin, da segelten sie uͤber einen hohen Berg, da mußten sie elendig versaufen. Ein Krebs jagte einen Hasen in die Flucht, und hoch auf dem Dach lag eine Kuh, die war hinauf ge- stiegen; in dem Land sind die Fliegen so groß, als hier zu Land die Ziegen. 69. Raͤthsel-Maͤrchen . Drei Frauen waren verwandelt in Blumen, die auf dem Felde standen, doch deren eine durft’ des Nachts in ihrem Hause seyn. Da sprach sie auf eine Zeit zu ihrem Mann, als sich der Tag nahete und sie wiederum zu ihren Gespielen auf das Feld gehen und eine Blume werden mußt: „so du heute Vormittag kommst und mich ab- brichst, werd’ ich erloͤst und fuͤrder bei dir bleiben;“ als dann auch geschahe. Nun ist die Frage, wie sie ihr Mann erkannt habe, so die Blumen ganz gleich und ohne Unterschied waren? Antwort: dieweil sie die Nacht in ihrem Haus und nicht auf dem Feld war, fiel der Thau nicht auf sie, als auf die andern zwei, darbei sie der Mann erkannte. 70. Der goldene Schluͤssel . Zur Winterszeit, als einmal ein tiefer Schnee lag, mußte ein armer Junge hinausge- hen und Holz auf einem Schlitten holen. Wie er es nun zusammen gesucht und aufgeladen hatte, wollte er, weil er so erfroren war, noch nicht nach Haus gehen, sondern sich erst Feuer anma- chen und ein Bischen waͤrmen. Da scharrte er den Schnee weg, und wie er so den Erdboden auf- raͤumte, fand er einen goldnen Schluͤssel. Nun glaubte er, wo der Schluͤssel waͤre, muͤßte auch das Schloß dazu seyn, grub weiter und fand ein eiser- nes Kaͤstchen; ei, dachte er, wenn der Schluͤssel nur paßt, denn es waren gewiß wunderbare und koͤst- liche Sachen darin. Er suchte, aber es war kein Schluͤsselloch da, endlich fand er doch noch ein ganz kleines, und probirte, und der Schluͤssel paßte gerad, da drehte er ihn einmal herum, und nun muͤssen wir warten, bis er vollends aufgeschlossen hat, dann werden wir sehen, was darin liegt. Anhang. Anhang . Kindermärchen. II. A 1. Der Arme und Reiche . (Aus der Schwalmgegend.) Uralte Sage von Philemon und Baucis ( Ovid. met. VIII. 617. s. Voß Anmerkung zu seiner Idylle XVIII. der noch andere anfuͤhrt), lebendig und christlich fortdauernd; vgl. die Anmerkung zu I. 81. Eine merkwuͤrdige hierher gehoͤrige Stelle bei Reinmar von Zweter II. 145. „unde het ich drier wunsche gewalt .“ Die misrathenen Wuͤnsche des Reichen werden auch ohne diesen Zusammenhang erzaͤhlt, (von der Beaumont nach ihrer Art veraͤndert). Stricker hat auch dies Maͤrchen behandelt, wovon Docen das Manuscript besitzt; ganz gemeiner Art ist das altfranz. Fabliau von den quatre souhaits de S. Martin (Meon IV. 386.). Bei Hebel im Schatzkaͤstlein (S. 117 so gut sonst die Darstellung, ist in der Sage selbst schon vieles aus- gefallen. Ueber die drei Wuͤnsche vgl. der Jud im Dorn Nr. 24. und die weiße und schwarze Braut Nr. 49. Im Ganzen ist auch hier der in den Maͤrchen so oft wiederkommende Satz, daß der Boͤse, Geitzige und Haͤßliche das dem Guten, Schuldlosen und Reinen zu Theil gewordene Gluͤck plump und zu seinem Ver- derben erbittet. — Die Goͤtter und Heiligen reisen in der Welt und pruͤfen das Menschengeschlecht. Odyssea XVII. 485 und Altd. Waͤlder 2. S. 25. Note 60. Dem eddischen Lied von Rigr liegt die naͤmliche Idee zu Grund; der Gegensatz und dieselbe Folge unseres Maͤrchens einer Chinesischen Sage von Foh, der zu einer armen, frommen und zu einer geizigen boͤsen Frau pilgert. Jene begabt er fruͤh- morgens beim Abschied damit, daß ihr erstes Begin- nen an dem Tage nicht aufhoͤren solle, bis die Son- ne sinke. Sie dachte nicht dran und ging an ihr A 2 Leinwand, das rollte sich auf bis zu Abend und er- fuͤllte die ganze Stube mit Reichthum. Die andere boͤse Frau verscherzt dieselbe Gabe damit, daß sie im Voruͤbergehn ihrem grunzenden Schwein in Gedan- ken an ihr Gluͤck Wasser vorgibt, nun muß sie den ganzen Tag in einem Wasser tragen, daß ihr Haus uͤberschwemmt wird und die ganze Gegend. (s. unten Nr. 17. das Maͤrchen vom Brei). In Naubert Volksmaͤrchen I. 201 — 209. wird eine aͤhnliche Ge- schichte auch schoͤn ausgefuͤhrt und dem segenreichen Leinwandmessen ein unseliger Spinnenwebwachsthum entgegenstellt. 2. Das singende, springende Loͤweneckerchen. (Aus Hessen.) Fuͤr sich bestehend und eigenthuͤm- lich schoͤn und doch mannigfach mit andern verwandt. Wegen des Eingangs mit dem Sommer- und Win- tergarten ( I. 68.) vgl. die dortigen Anmerkungen. Nach einer anderen Erzaͤhlung bittet sich die juͤngste aus, was dem Vater zuerst begegnet, das sind drei Lilien; wie er sie abbricht, springt ein Drache hervor, dem er das Maͤdchen dafuͤr versprechen muß. Noch naͤher kommt unten Nr. 41. der Eisenofen (s. die An- merkung dazu) und Prinz Schwan I. 59., nur sind die Gestirne hier bedeutender und reden in alten Formen und Spruͤchen. Ihre Thaͤtigkeit und Mitge- fuͤhl erscheint auch in der Erzaͤhlung von der Eva in der Weltchronik (Cass. Hdschr. Fol 21 a ). Sie bit- tet Sonne und Sterne, wenn sie zum Orient kom- men, dem Adam ihre Noth zu sagen und sie voll- bringen es auch. Mit dem Maͤrchen von Amor (dem Loͤwen -Reuter) und Psyche stimmt dieses auch dar- in, daß Licht das Ungluͤck bringt und die uͤberall entfesselnde Nacht den Zauber jedesmal loͤst. In der Braunschweig. Sammlung hat das Maͤrchen „vom singenden, klingenden Baͤumchen,“ das gleich- falls ein Loͤwe bewacht, einigen Zusammenhang. Loͤweneckerchen ist das Westph. Lauberken , nie- ders. Leverken , altholl. Leeuwercke, Leewe- rick, Lewerk, Lerk, Lerche . Die Federn und die Blutstropfen , die fallen, erinnern an den Volksglauben von den Fe- der-Nelken , deren eine Gattung im Herzen einen dunkeln Purpurflecken hat: das, sagt man, sey ein Tropfen Blut , welchen der Heiland vom Kreuz habe hineinfallen lassen. Ferner: die Federn sollten den Weg weisen, der Blutstropfen wohl die Gedan- ken an den Verzauberten stets erhalten, der gleich- sam abwesend war, und so fuͤhrt es zu der Sage von den Blutstropfen, uͤber welche Parcifal nachsinnt und die ihm seine Frau ins Gedaͤchtniß rufen. S. altd. Waͤlder I. 3. Das Gaͤnsmaͤdchen . (Aus Zwehrn.) Dies schoͤne Maͤrchen stellt die Hoheit der selbst in Knechts-Gestalt aufrecht stehen- den koͤniglichen Geburt mit desto tiefern Zuͤgen vor, je einfacher sie sind. Was ihr die Mutter zum Schutz mitgab (aus den Blutstropfen sprechen auch sonst noch Stimmen s. der liebste Roland I. 56. Vgl. auch Cl. Brentano’s Gruͤndung Prags. S. 106. und Anmerk. 45.) hat sie unschuldig verloren und der gezwungene Eid druͤckt sie nieder, aber noch weiß sie wind-bannende Zau- berspruͤche und mit stolz-demuͤthigen Gedanken wird sie jeden Morgen unter dem finstern Thor durch das Ge- spraͤch mit dem auch im Tod treu bleibenden Pferde erfuͤllt! Redende, kluge Rosse kommen sonst noch vor (vgl. Ferenand getruͤ nr. 40.) in dem abgehauenen Kopf (wie in Mimir’s) wohnt die Sprache fort. Es ist merkwuͤrdig, daß die alten Norden von geopfer- ten Pferden die Haͤupter aufzustecken pflegten, wo- mit man den Feinden schaden zu koͤnnen glaubte ( Saxo Gramm. L. V. p. 75. Vgl. Suhms Fabel- zeit. I. 317.); wie man Menschenkoͤpfe auf Zinnen steckte. Ein Todtenkopf der singt, in der Eyrbiggia Sage 219. Ausgebreitet ist der Zug von den golde- nen und silbernen Haaren der Schoͤnheit und ein Zei- chen koͤniglicher Abkunft (vgl. Nr. 28.), so auch das Kaͤmmen derselben, wie sich die Sonne gleichsam beim Scheinen straͤhlt. Die ungluͤcklichen Koͤnigstoͤch- ter kaͤmmen und spinnen eben so haͤufig, als sie Vieh huͤten. Bei einer eigentlichen Eroͤrterung des kerlingi- schen Mythus von Berta, Pipins verlobter Gemah- lin, die durch ihre Dienerin verdraͤngt wird, und in der Muͤhle spinnt und webt wuͤrde sich ausfuͤhren lassen, daß unser, dem Hauptinhalt nach sichtbar damit zusammenkommendes Maͤrchen, doch noch al- terthuͤmlicher, schoͤner und einfacher ist. — In den Reimen ist etwas abgebrochenes, in gangest statt gehest, ganz das nord. ganga wie hangest statt haͤbest); sich schnatzen von Haaren beißt flechten, (zur nord. Form snua, wenden, winden, schnuͤren) Schnatz , das geflochtene Haar; die Braut geht im Schnatz zur Kirche (s in Estor’s teutscher Rechtsge- labrth. von Hofmann III. das oberheß Woͤrterbuch). Sich aufsetzen und Aufsatz wird gleichfalls vom Schmuͤcken und Ordnen des Haars ge- sagt. Raͤthsel gebrauchte die Erzaͤhlerin weiblich, wie das fruͤhere Raͤtersch bekanntlich auch vorkommt. Kuͤrdchen kann aus Conraͤdchen zusammengezogen seyn, aber auch an Hirt, Chorter, Horder erinnern. Besonders merkwuͤrdig ist der Name Falada (die mittlere Sylbe kurz), weil Rolands Pferd Valen- tich, Falerich, Velentin heißet und daraus fast ein aͤußerlicher Zusammenhang mit dem kerlingischen Mythus scheint. Ein Hauptgegenstuͤck liefert endlich das eigenthuͤm- liche, bald schwaͤchere, bald schoͤnere Maͤrchen le doje pizzelle Pentamerone IV. 7. wo namentlich das Kaͤmmen mehr eingeleitet ist; der rechten Braut fal- len Perlen und Gestein, der falschen Ungeziefer aus den Haaren (vgl. auch Straparola III. 3.). Kuͤrd- chen fehlt oder vielmehr ist es ein Bruder der Braut, aber die Gaͤnse ( papare ) singen einen Reim, Abends unter des Koͤnigs Fenster und offenbaren die verbor- gene (vgl. Nr. 49.). Auch im Erdmaͤnneken Nr. 5. wird die Erzaͤhlung an den Ofen gerichtet. 4. Der junge Riese . (Aus der Leinegegend.) Dies und die zunaͤchst folgenden Maͤrchen stehen zusammen, weil sich in ih- nen merkwuͤrdige Hinweisungen auf die alte Helden- sage erhalten haben. — Der junge Riese hier ist mit Siegfried verwandt, dessen gewaltige Riesen- Natur in seiner Jugend und uͤberhaupt in seinem Le- ben die Gedichte aͤhnlich beschreiben. Er faͤngt die Loͤwen, bindet sie an den Schwaͤnzen zusammen und haͤngt sie uͤber die Mauer (Rosengr. 3. Siegfr. Lied. 33.) Deutlicher ist sein Arbeiten beim Schmied , dem er hier eben so ungefuͤg zuschlaͤgt (Lied 5.) und der wie Reigen goldgierig ist und aus Geiz alles allein besitzen will; ferner, die Hinterlist des gleichfalls habsuͤchtigen Amtmanns, der ihn los seyn will , welche jener des Reigen entspricht, so wie die gefaͤhrliche verwuͤnschte Muͤhle dem Dra- chen-Nest , wohin er, der den Schrecken nicht kennt (was die nord. Sage recht hervorhebt, denn Brunhild hatte gelobt keinem andern sich zu vermaͤh- len als einem ganz unerschrockenen s. Sigurdrifa’s Lied) furchtlos geht und siegreich zuruͤckkommt. Der Riese erscheint ganz in den Sitten, welche die alten Ge- dichte beschreiben: eine Eisenstange ist sein Waffen und er versucht die Kraft am Ausreißen der Baͤume (vgl. Anmerk. zu den altdaͤn. Liedern S. 493). Das unschaͤdliche Herabwerfen der Muͤhlsteine erinnert lebhaft an Thors Abentheuer mit Skrimnir (Daͤmis. 38.), wie diese wieder an die Boͤhmische vom Riesen Scharmack. Die Erziehung bei Riesen ist gleichfalls ein alter bedeutender Umstand; bei diesen oder bei kunstreichen Zwergen wurden die Helden in die Lehre gethan, wie Sigurd bei Reigin und Widga (Wittich) in der Wilk. S., ebenso daß der Riese den jungen selber saͤugt, was auch in Nr. 6. vorkommt. Siegfried und der Eulenspiegel beruͤhren und naͤhern sich einander, welches unser Maͤrchen voll- kommen zur Gewißheit erhebt, und man darf den jungen Helden darin so gut einen edleren Riesen- Eulenspiegel als einen spaßhafteren gehoͤrnten Sieg- fried nennen (aͤhnliche Helden sind Simson und Mo- rolf und vor allen Gargantua nach den echten Volks- sagen von ihm. Mémoires de l’acad. celtique V. 392) Beide Eulenspiegel und Siegfried wandern in die Welt aus, nehmen Dienste und mishandeln in ihrem Uebermuth die blos menschlichen Handwerker; namentlich ist wichtig, daß Eulenspiegel dem Schmied sein Geraͤth verdirbt und als Kuͤchenknecht bei den Braten gestellt wird, den er abißt, wie Sigurd das Drachenherz, das er dem Reigen braten soll; er geht auf den Harz, faͤngt Woͤlfe, um die Leute da m it zu schrecken, wie Siegfried den Baͤren (Niebel. 3800 ff.). Schon in der Sprache ist der Die- ner ein Schalk und der Hofdiener faͤllt mit dem Hofnarren zusammen. Soini, der finnische Riesen- eulenspiegel hieß gerade auch Kalkki (Diener). Drei Naͤchte alt, trat er sein Windelband auf und man sah, daß ihm nicht zu trauen war, also wurde er ausgeboten. Ein Schmied nahm ihn in seinen Dienst, dem sollte er sein Kind huͤten, aber er griff dem Kind die Augen aus, toͤdtete es nachher und ver- brannte die Wiege. Drauf setzte ihn der Schmied uͤber einen Zaun, den er flechten sollte, da holte er Fichten im Wald und flocht sie mit Schlangen zu- sammen; nun mußte er Vieh weiden, die Hausfrau aus Rache backte ihm einen Stein ins Brot, so daß er sich sein Messer stumpfte; erzuͤrnt rief er Baͤren und Woͤlfe, daß sie die Heerde fraͤßen, aus den Kuͤh- beinen und Ochsenhoͤrnern aber machte er sich Blas- hoͤrner und trieb die Woͤlfe und Baͤren statt der an- dern Heerde heim. Der nordische Grettir, als er Gaͤnse und Rosse huͤten soll, spielt aͤhnliche Streiche (bernsku-braugd, Kinderstreiche). Das Heldenmaͤßige bricht in der Ju- gendroheit und Nichtachtung des gewoͤhnlichen Men- schentreibens hervor, wie auch Florens im Octavian dem Clemens die Ochsen verschleudert. Eine andere Erzaͤhlung aus Hessen ist viel unvoll- staͤndiger, hat aber ihr eigenes. Kuͤrdchen Bin- geling hat an seiner Mutter Brust sieben Jahre getrunken, davon er so gewaltig groß geworden und so viel hat essen koͤnnen, daß er nicht zu ersaͤttigen ist; alle Menschen aber hat er gequaͤlt und genarrt. Nun versammelt sich die ganze Gemeinde, will ihn fangen und toͤdten, er aber merkts, setzt sich unter das Thor und sperrt den Weg, (gerade wie Gargan- tua den Berg Gargant nicht weit von Nantes schafft), so daß ohne Hacken und Schippen, kein Mensch durch- kam und er ruhig weiter geht. Nun ist er in einem andern Dorf, aber noch derselbe Schlingel und da macht sich wieder die ganze Gemeinde auf, ihn zu greifen, er aber, weil kein Thor da ist, das er ver- rammeln kann, springt in einen Brunnen. Nun stellt sich die Gemeinde herum und rathschlagt, sie beschließen endlich ihm einen Muͤhlstein auf den Kopf zu werfen. Mit großer Muͤhe wird einer her- beigeholt und hinabgerollt, wie sie meinen, er waͤr todt, kommt auf einmal der Kopf aus dem Brunnen, den hat er durch das Loch des Steins gesteckt, so daß dieser ihm auf den Schultern haͤngt, wobei er ruft: „ach! was hab ich einen schoͤnen Duͤten-Kragen!“ Wie sie das sehen, rathschlagen sie von neuem, und schicken dann hin und lassen ihre große Klocke aus dem Kirchthurm holen, und werfen sie auf ihn hinab, die sollt ihn gewiß treffen (gerade wie beim Riesen Scharmack). Wie sie nun meinen, er liege unten erschlagen und gehen aus einander, kommt er auf einmal aus dem Brunnen gesprungen, hat die Klocke auf dem Haupt, ruft ganz freudig: „ach! was eine schoͤne Bingelmuͤtze!“ und lauft davon. 5. Dat Erdmaͤnneken . (Aus dem Paderboͤrn.) Eine andere Recension aus der Gegend von Coͤln am Rhein weicht in eini- gem ab. Ein maͤchtiger Koͤnig hat drei schoͤne Toͤch- ter; einmal, bei einem herrlichen Fest, gehen sie in den Garten spaziren und kommen Abends nicht wie- der; und als sie am andern Tag auch noch ausblei- ben, laͤßt sie der Koͤnig durchs ganze Reich suchen, aber niemand kann sie finden: da macht er bekannt, wer sie wiederbraͤchte, sollte eine zur Gemahlin haben, und Reichthuͤmer dazu fuͤr sein Lebelang. Viele zie- hen aus aber umsonst, zuletzt machen sich drei Rit- ter auf den Weg und wollen nicht ruhen, als bis es ihnen gegluͤckt. Sie gerathen in einen großen Wald, wo sie den ganzen Tag hungrig und durstig fortrei- ten, endlich sehen sie in der Nacht ein Lichtlein , das sie zu einem praͤchtigen Schloß leitet, worin aber kein Mensch zu sehen ist. Weil sie so hungrig sind, suchen sie nach Speise, einer findet ein Stuͤck Fleisch, es ist aber noch roh. Da spricht der juͤng- ste: „geht ihr beyde und schafft einen Trank, ich will derweil das Fleisch braten.“ Also steckt er den Bra- ten an einen Spieß, und wie er brutzelt, steht auf einmal ein Erdmaͤnnchen neben ihm mit einem lan- gen weißen Bart bis an die Knie, und zittert an Haͤnden und Fuͤßen. „Laß mich beim Feuer meine Glieder waͤrmen, so will ich dafuͤr den Braten wen- den und mit Butter begießen.“ Der Ritter erlaubt ihm das, nun dreht es flink den Braten, aber so oft der Ritter wegsieht, steckt es seine Finger in die Bratpfanne und leckt die warme Bruͤhe auf. Der Ritter ertappt es ein paarmal und sagt, es sollts bleiben lassen, aber das kleine Ding kann nicht und ist immer wieder mit dem Finger in der Pfanne. Da wird der Ritter zornig, faßt das Erdmaͤnnchen beim Bart und zaust es, daß es ein Zetergeschrei er- hebt und fortlauft. Die zwei andern kommen indeß mit Wein, den sie im Keller gefunden und nun es- sen und trinken sie zusammen. Am andern Morgen suchen sie weiter und finden ein tiefes Loch, darin, sa- gen sie, muͤssen die Koͤnigstoͤchter verborgen seyn, und losen, wer sich soll hinunterlassen, die beiden andern wollen dann den Strick halten. Das Loos trift den, welcher mit dem Erdmaͤnnchen zu thun g e habt. Es dauert lang, bis er auf Grund kommt, und unten ists stockfinster, da geht eine Thuͤre auf und das Erd- maͤnnchen, das er am Bart gezogen, kommt und spricht: „ich sollt dir vergelten, was du mir Boͤses gethan, aber du erbarmst mich, ich bin der Koͤnig der Erdmaͤnnlein, ich will dich aus der Hoͤhle brin- gen, denn wenn du noch einen Augenblick laͤnger bleibst, so ists um dich geschehen.“ Der Ritter ant- wortet: „sollt ich gleich Todes sterben, so geh ich nicht weg, bis ich weiß, ob die Koͤnigstoͤchter hier versteckt sind.“ Da spricht es: „sie sind in diesem unterirdischen Stein von dre: Drachen bewacht. In der ersten Hoͤhle sitzt die aͤlteste und ein dreikoͤpfiger Drache neben ihr, jeden Mittag legt er seine Koͤpfe in ihren Schoos, da muß sie ihn lausen, bis er ein- geschlafen ist. Vor der Thuͤre haͤngt ein Korb, dar- in liegt eine Floͤte, eine Ruthe und ein Schwert und die drei Kronen der Koͤnigstoͤchter liegen auch darin, den Korb mußt du dir erst wegtragen und in Si- cherheit bringen, dann fasse das Schwert, geh hin- ein und hau dem Drachen die Koͤpfe ab, aber alle drei auf einmal, verfehlst du einen, so wachsen als- bald die andern wieder und es kann dich nichts mehr retten.“ Dann gibt er ihm auch eine Glocke, wenn er daran ziehe, wolle er ihm zu Huͤlfe eilen. Nach der aͤltesten erloͤst er auch die zweite, die ein sieben- koͤpfiger, und die dritte, die ein neunkoͤpfiger Drache bewacht. Dann fuͤhrt er sie zu dem Eimer, worin er herabgelassen war und ruft seinen Gesellen zu, sie soll- ten wieder hinaufwinden. Also ziehen sie die drei Koͤnigstoͤchter nach einander in die Hoͤhe; wie sie oben sind, werfen die zwei Treulosen das Seil hin- unter und wollen den unten verderben. Er zieht aber das Gloͤckchen, da kommt das Erdmaͤnnchen und heißt ihn auf der Floͤte pfeifen und wie er das thut, kommen aus allen Ecken viel tausend Erdmaͤnnchen herbeigelaufen. Da heißt sie ihr Koͤnig eine Treppe fuͤr den Ritter machen und sagt ihm, oben sollt er nur mit der Ruthe aus dem Korbe auf die Erde schla- gen. Also legen sich die kleinen Maͤnner zusammen und bilden eine Treppe, woruͤber der Ritter hinauf- geht, oben schlaͤgt er mit der Ruthe, da sind sie als- bald wieder verschwunden. — Es ist hier ein Zusammenhang mit der Erloͤsung der Chrimhild vom Drachenstein; wie dort, ver- schwindet sie nach der Coͤln. Rec. bei einem Fest, ohne Zweifel als Raub des Drachen , die beiden an- dern Schwestern sind Ausdehnungen der einen mythi- schen Gestalt; eben so ist unter den Dreien, die sie zu befreien ausziehen, der juͤngste der eigentliche und einzige. Das Erdmaͤnnchen ist Euglin und Al- berich , den sich der Held gleichfalls durch Ge- walt erst geneigt macht (nach der Coͤln. Rec. zieht er ihn am Bart , wie in den Nibel. 2003.) und dann auch entdeckt es erst den Aufenthalt der Drachenbewachten Koͤnigstochter (Lied von Siegfr. 57. 58.), der unter der Erde ist (Lied 99.). Es folgt die Erloͤsung, wie dort, indem die Drachen, welche auf dem Schoose der Jungfrau ruhen (Lied 21.) getoͤdtet werden. Die Huͤlfe des Koͤnigs der Erdmaͤnner entspricht der des Euglin (Lied 151. und vorher beim Kampf 89.) die dieser dem Siegfried nach dem Streit mit dem Riesen lei- stet; auch indem er ihm Essen bringt (Lied 119.) Sie sind ihm uͤberhaupt wie dort unterthaͤnig . 6. Der goldene Berg . Ist von einem Soldaten erzaͤhlt worden; der Kaufmann sollte in Amsterdam wohnen, was sich auf Siegfrieds Vater beziehen koͤnnte, den Koͤnig in Niederlanden . Das vorangehende, die Verschrei- bung des Kindes an den Teufel in Unwissenheit und Uebereilung ist eine haͤufige Einleitung der Maͤrchen, (S. Anmerkg. zu I. 55.) hier christlich gestellt. Die Uebereinstimmung mit Siegfried faͤngt erst da an, wo der Juͤngling wie er (Wilk. S. Cap. 140. 141. welche diesen Umstand allein hat) auf dem Was- ser fortgetrieben wird. Die Koͤnigstochter, die er befreit, ist nach der deutschen Sage Chrim- hild auf dem Drachenstein, sonst aber, besonders nach der nordischen Sage, Brunhild , denn fuͤr Gudrun (d. i. Grimhild) thut er dort, wie im Ni- bel. Lied, nichts. Der Drache , der sie gefangen haͤlt, kommt darin vor, daß sie selbst in eine Schlan- ge verwandelt worden. (das Ueberwinden der Ge- spenster durch Schweigen ist ein alter, bedeutender Zug s. altdaͤn. Lieder S. 508.) — Der Goldberg , den der Held gewinnt, ist der Berg mit dem Gold- schatze, Hort , welchen, nach dem Lied, Siegfried auch im Drachenstein erwirbt; sogar die Wuͤnschel- ruthe des Horts (Nib. 4509.) kommt hier als Wunschring vor. — In seiner Verkleidung als Schaͤfer, wodurch er unerkannt eingehen kann, noch bestimmter hernach in seiner Unsicht- barkeit durch den Mantel und indem er sich in eine Fliege verwandelt hat (wie Loki, auch der indische Hanuman dringt so zur Sita, Polier. I. 350.) er- scheinen die unsichtbar machenden Kraͤfte der Nebel - oder Tarnkappe (Nibel. 1367. u. a.) und die Vertauschung der Gestalt in der nord. Sa- ge. — Am merkwuͤrdigsten ist die fast ganz mit der alten dunkeln uͤbereinstimmende, und sie aufklaͤren- de, umstaͤndlichere (vgl. Nibel. 358 — 406.) Erzaͤh- lung von der Theilung des Schatzes , dort sind, wie hier, Nibelungs-Recken uneinig und rufen ihn als Schiedsmann herbei, der Wun- der-Degen ist das herrliche Schwert Balmung . Er bekommt es gleichfalls voraus und geht nun ohne zu theilen mit dem erworbenen fort. Je- ne Wunderkraft des Schwerts ist bedeutend, denn wie alle Koͤpfe vor ihm fallen, so erstarren alle Le- bendige vor dem Aegirs-Helm (Hildegrein), der (wie altd. Waͤlder I. 264. gezeigt ist,) nach der nord. Sage ebenfalls zu dem Hort gehoͤrte In seinem Verhaͤltniß zur Koͤnigin scheint auch das mit Brunhild durch, sie weiß , wie in der nord. Sage, daß er ungluͤcklich wird, wenn er von ihr geht , und ihre Verbindung mit ihm hat etwas geheimes . Er entdeckt es unbesonnen , wie Siegfried der Chrimhild den fruͤher gewonnenen Guͤrtel Brunhildens gegeben hat (Nibel. 3415.) und daraus entsteht Ungluͤck , so wie ihre zweite Vermaͤhlung (mit Gunther) vorkommt. Er ist ihr „ Erloͤser ,“ den sie hernach doch verderben will; wie er hier die Geister besiegt, ist er in der nord. Sage durch die Flammen geritten, in der Wilk. Sage (Cap. 148.) sprengt er blos gewaltsam die Thore; er war vom Schicksal dazu bestimmt und erwartet . 7. Die Rabe . (Aus der Leinegegend). Auch hier kommt die Befreiung der Brunhild vor. Zuerst wie in dem vo- rigen (doch aus einer ganz andern Quelle geflossenen) Maͤrchen der Zank der Riesen uͤber ihre Schaͤtze, nur nicht so deutlich. Das goldne Schloß auf dem Glasberg ist der Flammensaal der nordischen Sage, geradezu uͤbereinstimmend mit dem altdaͤni- schen Lied der Elskovsviser (altdaͤn. Lieder und Maͤr- chen S. 31. Anmerkg. S. 496. 97.) wo Bryniel auf dem Glasberge sitzt; welchen nur ein beson- deres Pferd (Grani) besteigen kann. Die Ver- wandtschaft und Vertauschung der Flamme und des schimmernden Glases liegt sehr nah. — Der Schlaf- trunk, vor dem sie ihn warnt und der ihn uͤberwaͤl- tigt, ist der Vergessenstrank der nordischen Grimhild. Eine Annaͤherung zu den drei Raben I. 25. ist sichtbar und doch dieses Maͤrchen neu. In einem der Braunschweiger Sammlung, das sonst ganz an- ders ist, kommt S. 226. ff. vor, wie die Verwuͤnschte dreimal vorbei faͤhrt und der Ritter, der zu ihrer Erloͤsung wachen soll, weil er aus einer Quelle ge- trunken, an einer Blume gerochen oder einen Apfel genossen, eingeschlafen ist: sie legt ihm jedesmal ein Geschenk zur Seite, ihr Bild, eine Buͤrste, die Geld schafft und ein Schwert mit der Inschrift: „folge mir.“ Auch ist die Farbe ihrer Pferde jedesmal, wie hier, verschieden. Uebrigens beweist diese Recension den naͤheren Zusammenhang mit dem vorangehenden Maͤrchen vom goldenen Berg, denn der Ritter hat auch vorher die verzauberte aus ihrer Schlangenge- stalt durch Schweigen bei furchtbaren Gespenstern erloͤst. — Ueber das Kundgeben durch das Werfen des Rings in den Weinbecher vgl. Hildebrands Lied. S. 79. 8. Die kluge Bauerntochter . (Aus Zwehrn.) Hier hat sich deutliche Spur der alten Sage von Aslaug , Tochter Brynhilds und Sigurds erhalten. Wiewohl eine koͤniglich ge- borne , die durch Ungluͤck in die Haͤnde von Bauern gerathen ist, nicht ausdruͤcklich genannt, zeigt sich doch klar dasselbe Verhaͤltniß. Sie ist uͤber ihren Stand und ihre Eltern weise und der Koͤnig wird wie Ragnar auf Kraka (so heißt Aslaug als Baͤuerin) durch ihre Klugheit aufmerksam gemacht. Um sie zu pruͤfen, legt er ihr gleichfalls ein Raͤthsel vor, das sie durch ihren Scharfsinn gluͤcklich und rasch loͤst. Der Inhalt des Raͤthsels selber stimmt nah zusammen und es sind nur verschiedene Aeuße- rungen desselben Gedankens. Der nord. Koͤnig ver- langt von Kraka (Ragnar Lodbroks S. Cap. 4.), sie solle kommen: „gekleidet und ungekleidet, gegessen und ungegessen, nicht einsam und doch ohne jemands Begleitung.“ Sie wickelt sich , wie hier, nackt in ein Fischgarn , daruͤber her ihr schoͤnes Haar, beißt ein wenig in einen Lauch (Zwiebel) so daß man den Geruch davon empfindet und laͤßt ihren Hund mitlaufen. Zu vergleichen ist auch ein aͤhnliches Raͤth- sel in andern Erzaͤhlungen Nämlich. Pauli’s Schimpf und Ernst enthält einen Schwank, wornach einem die Strafe erlassen wer- den soll, wenn er kommt: „halb geritten und halb ge- gangen, mit seinem größten Feind und größten Freund.“ Der Schuldige kommt mit seinem Pferd, indem er den rechten Fuß in den Steigbügel setzt, mit dem andern auf der Erde fortstelzt; mit seiner Frau, die ihn auf eine Ohrfeige gleich als Mörder anklagt, (was er ihr fälschlich als ein Geheimniß anvertraut hatte) und sich so als sein größter Feind ausweist; und mit seinem Hund, der sein größter Freund ist, weil er, nachdem er ihn geschlagen, auf sein Locken, wedelnd zurück kommt. Hans Sachs erzählt auch die Geschichte sehr gut und in der Sache übereinstimmend, ed. 1560. fol. 78. Eine abweichende Recension, welche die Gesta Ro- manor. enthalten (lat. Ausg. Cap. 121. deutsche, Cap. 24.) hat auch die Aufgabe etwas anders: der Schul- dige bringt nämlich kein Pferd, sondern legt das rechte Bein auf den Hund, und weil er noch ferner seinen besten Spielmann sollte mitbringen, hat er sein Kind mitgenommen, als welches ihm, wenn es vor ihm spiele, die größte Kurzweil mache. — Endlich kommt dasselbe in einer Erzählung der Cento novelle antiche (Torino 1802.) S. 163. vor. Wer zu einem bestimmten Tag „seinen Freund, Feind und Spielmann mit- bringt“ soll die Gnade des Königs und große Schätze haben, das wird wie dort aufgelöst; nur, daß er halb geritten und halb gegangen kommen soll, fehlt. , so daß es uͤberhaupt als ein altes Volksraͤthsel erscheint. Auch in der fortwaͤhrenden Klugheit und wie sie sich des Koͤnigs Liebe wieder zuwendet , der die Baͤuerin zuruͤckschicken will, gleicht sie der Aslaug. Ragnar war in Schweden beim Koͤnig Ei- stein, dessen schoͤne Tochter Ingeborg ihm gefiel, auch seine Leute rathen ihm eines Bauerntochter nicht laͤn- ger bei sich zu haben. Als er aber nach Haus ge- kommen ist, und beide zu Bett gegangen, weiß durch ihre Voͤgel (Raben: Geist) Aslaug schon sein Vorha- ben, entdeckt ihm ihre koͤnigliche Abkunft und ge- winnt dadurch wieder seine Neigung. Cap. 8. 9. Geist im Glas . (Aus dem Paderboͤrn.) Beim Fischer ( I. 19.) ward schon die Uebereinstimmung mit der Erzaͤhlung der 1001. Nacht ( ed. Paris 1806 in 12. I 107.) be- merkt, hier ist sie von einer andern Seite noch deut- licher und der lebendige Zusammenhang beider Sa- gen unleugbar. Dieses Maͤrchen ist also ein merkwuͤr- diges Gegenstuͤck zu dem Simeliberg (s. unten Rr . 56) und der Harzsage von der Dummburg (Otmar 235.), die sich in der 1001 Nacht B. VI. 342. findet und zu dem von den drei Vuͤgelkens. Das Einschließen des Teufels (denn ein boͤser Geist ist es, so wie in der orient. Erzaͤhlung) in eine Flasche kommt mehr vor z. B. in der Sage vom griech. Zauberer Savilon (Zabulon, d. i. Diabolo), wo der Virgilius ihn befreit (s. Reinfr. von Braun- schw. Hanoͤv. Ms. f. 168—171.) im Galgenmaͤnnlein. Die List, wodurch er bezwungen wird, ist dieselbe, wodurch der unerschrockene Schmidt ( I, 81.) sich be- freit. 10. De drei Vuͤgelkens . Drei Stunden von Corvei westlich liegt der Keu- terberg, Koͤterberg, Teuteberg (uͤberein- stimmend mit dem nicht weit davon anhebenden Teutoberger Wald) d. h. Goͤtter-, Voͤlker-, Va- ter-Berg, auf dessen Gipfel sich die Corveischen, Ha- noͤv. und Lippischen Graͤnzen beruͤhren. Er ist von betraͤchtlicher Hoͤhe und mag leicht mehr als 40 Stun- den im Umkreis beherrschen, tiefer ist er mit Waͤldern bewachsen, die Kuppel selbst ist kahl, hier und da mit großen Steinen besaͤet und gewaͤhrt duͤrftige Weide fuͤr Schaafe. An ihn haben sich natuͤrlich viele Sa- gen geknuͤpft und durch ihn erhalten. Rings um den Berg liegen sechs Doͤrfer, aus einem derselben ist das Maͤrchen ganz in der Mundart mit allen ungleichen zwielichtigen Formen (denn nur die Schriftsprache hat eine einzige bestimmte, die lebende so haͤufig meh- rere zugleich) z. B. sehde und segde, graut und grot, bede und beide, derde und dride. Teite fuͤr Vater, das alte Tatta , wird nur in diesen sechs Doͤrfern gesagt, sonst immer Vaer . — Der Eingang haͤngt noch mit folgender Sitte zusammen: wenn die Kin- der, auf den verschiedenen Seiten des Bergs das Vieh huͤtend, sich etwas sagen wollen, rust eins: „hela!“ oder: „helo! helo! hoͤre mal!“ Dann antwortet das andere von druͤben: „helo! helo! wat wust du?“ — „helo! helo! kumm mal to mie herover!“ — „helo! helo! ick kumme glick!“ Dieses Maͤrchen stimmt sagenmaͤßig mit dem der 1001 Nacht von den zwei Schwestern, die auf ihre juͤngste eifersuͤchtig sind ( VII. 277. ff.) uͤberein; die arabische Erzaͤhlung ist nur mehr ausgedehnt, die deutsche einfacher und auch wohl schoͤner; beide haben ihre Eigenthuͤmlichkeiten und beweisen ihre Selbst- staͤndigkeit damit. Aus jenem allgemein zugaͤngli- chen Buch waͤre Auszug und Zusammenstellung bis ins einzelne uͤberfluͤssig. Der Derwisch, welchem der Prinz erst Bart- und Augenhaar abschneidet, eh er redet (eins mit dem Gespenst in deutschen Sagen, welches stillschweigend rasirt seyn will), ist hier die huͤlfreiche alte Frau; sie geht fort und ist erloͤst, gleichwie jener stirbt, nachdem er seine Bestimmung erfuͤllt hat. Aber nicht blos als arabisches auch als altitaliaͤni- sches erscheint dieses merkwuͤrdige Maͤrchen bei Stra- parola ( IV 3.); eine aͤußere Ableitung von dorther wendet entscheidend der Umstand ab, daß Straparola laͤngst vor dem Uebersetzer der 1001 Nacht lebte. Manches ist bei ihm sogar besser: den Kindern fal- len, wenn sie gekaͤmmt werden, Perlen und Edel- steine aus den Haaren, wodurch ihre Pfleg-Eltern reich werden, dort im arabischen heißt es nur ein- mal (S. 280.): „die Thraͤnen des Kinds sollten Kindermärchen II. B Perlen seyn,“ aber der Mythische Zug selbst ist schon untergegangen und hat nur diese Spur hinterlassen. Die Wunderdinge, welche im ital. verlangt werden, das tanzende Wasser, der singende Apfel und der gruͤne Vogel kommen mit der 1001 Nacht uͤberein; aber abweichend und begruͤndeter ist, wenn die Schul- digen, von welchen die Kinder ins Wasser geworfen waren, bewirken, daß die Schwester ihre Bruͤder zu dem gefaͤhrlichen Unternehmen reizt, weil sie hoffen, diese sollten dabei umkommen: in der 1001 Nacht bleibt es unerklaͤrt, warum die Andaͤchtige die Neu- gierde der Schwester rege macht. Dagegen kommt das Verbot sich nicht umzusehen ohne Noth bei Stra- parola vor, da die Strafe des Versteinens nicht darauf steht. Wichtiger als diese Abweichungen der arab. und ital. Sage unter sich, ist es, anzufuͤhren, wie un- sere Deutsche in einigem mit dieser, in anderm mit jener uͤbereinkommt; der sicherste Beweis ihrer Un- abhaͤngigkeit (wiewohl schon jeder, der die Gegend kennte, wo es aufgenommen ist, uͤberzeugt seyn wuͤr- de, daß jene fremde Erzaͤhlungen niemals dorthin ge- langt sind). — Mit Straparola stimmt es, daß die Kinder einen rothen (goldenen) Stern auf der Stir- ne (altes Zeichen hoher Abkunft: Flamme auf dem Haupt Es gibt auch Geschlechter, wo bei jedem Mitglied, wenn es heftig bewegt wird, von Zorn, Schaam, ein scharf gezeichneter rother Blutstreif auf der Stirne sich zeigt. ; mit zur Welt bringen, wovon die arab. Erzaͤhlung nichts weiß. Mit dieser dagegen, daß kei- ne boͤse Stiefmutter, wie bei Straparola mitwirkt, sondern blos die Schwestern; daß die Kinder in drei Jahren nach einander nicht auf einmal zur Welt kommen und sich die beiden ersten Male der Koͤnig besaͤnftigt. Eigenthuͤmlich dem deutschen und schoͤn ists, daß aus dem Wasser jedesmal, wie das Kind hineingeworfen ist, ein Voͤgelchen aufsteigt, welches andeutet, daß der Geist das Leben sich erhalten hat, (denn die Seele ist ein Vogel, eine Taube), wie im Maͤrchen vom Machandelboom ( I. 47.); darauf be- ziehen sich auch die Worte im Vers Dieser Vers geht auch in andere Volkslieder der dor- tigen Gegend über. „zum Lilien- straus“ sie wollen sagen, das Kind war zum Tode bereit (d. i. todt) bis auf weitern Bescheid (Gottes) aber ist es gerettet; die Lilie lebt noch, denn die Li- lie ist auch der unsterbliche Geist (s. das Maͤrchen von den drei Bruͤdern I. 9. S. 28. wo statt der Lilie die ihr gleichstehende weiße Studentenblume: Nar- cisse, verwandelter Juͤngling, vorkommt; und das Volkslied im Wunderhorn, wo aus dem Grab, dar- in Vater, Mutter und Kind liegen, drei Lilien auf- spriessen). Das Goldwasser nnd tanzende Wasser ist hier richtiger Wasser des Lebens , dieses wird oͤfter in den Mythen gesucht (auch in rabbinischen findet es sich) und daß es in der 1001 Nacht nicht an- ders seyn soll, ist daraus klar, daß die Princessin durch Wasser, das sie gleichfalls oben bei dem Vogel gewinnt, die schwarzen Steine zu Prinzen wie- der belebt , wie hier den schwarzen Hund; viel natuͤrlicher ist es auch, daß es angewendet wird, um die unschuldige Mutter, die im Kerker saß, wieder gesund zu machen. — Zum Ganzen vgl. das folgen- de Maͤrchen. 11. Das Wasser des Lebens . Nach einer hessischen und paderboͤrn. Recension. Nach der hessischen kommt die erloͤste Prinzessin gar nicht vor und sie schließt damit, daß der Koͤnig, um den Schuldigen aus seinen drey Soͤhnen zu erfor- schen, drei Decken machen laͤßt, eine goldene, eine silberne und eine gewoͤhnliche: wer uͤber die goldene reiten werde, sey der unschuldige und das ist dann der juͤngste. In der paderboͤrn. abweichend, und uͤberhaupt viel unvollkommeuer , gibt den drei Prin- zen, die zusammen reisen, statt des Zwergs ein Fischer Auskunft. Sie koͤnnen in das verzauberte Schloß nicht eher gelangen, bis jeder drei Federn von einem Falken hat, der alle drei Tage dreimal B 2 geflogen kommt und jedesmal eine fallen laͤßt. Im Schloß muͤssen sie mit einem siebenkoͤpfigen Drachen kaͤmpfen, wer ihn nicht in drei Tagen besiegt, der wird in Stein verwandelt , wer ihn aber toͤd- tet, bekommt das Wasser des Lebens. Sie gelangen mit den Falkenfedern ins Schloß; der Kampf wird angeordnet; die Prinzessin und der Hof, alles ganz schwarz gekleidet, sehen zu. Die beiden aͤltesten koͤnnen dem Drachen nichts anhaben und werden zu Stein; nun kommt der juͤngste daran, der in einem Schlag die sieben Koͤpfe abhaut: die Prinzessin gibt ihm also das Lebenswasser und, auf seine Bitte, den Bruͤdern das Leben wieder. Die Verwandtschaft mit dem vorhergehenden Maͤr- chen und dem arabischen und ital faͤllt sogleich in die Augen, eben so naͤhert sich das vom Vogel Phoͤnix ( I. 57.) in allen Hauptzuͤgen. Am reinsten ist die Sage hier in dem Umstand, daß Lebenswasser gesucht wird, um einen alten kranken Koͤnig zu hei- len. (Im trojan. Krieg, den Conrad von Wuͤrzb. be- arbeitete, hat Medea um den alten Vater des Jafon zu verjuͤngen, Wasser aus dem Paradies (V. 10651) Licht von Gold roth (10658) darin kocht sie den Zau- bertrank). Das Versteinen ist in der paderboͤrn. wie in der arab. Erzaͤhlung Strafe dessen, der nicht siegt . Im plattdeutschen kommt es eigentlich nicht vor, doch der schwarze Hund (denn es sind schwarze Steine in der 100. Nacht) nach welchem man sich ebenfalls nicht umsehen darf, deutet of- fenbar darauf; er wird auch hernach in einen schoͤnen Prinzen , wie jene Steine verwandelt . Zu- gleich gibt dieses Versteinen, wozu in der 1001 Nacht kommt, daß die Bruͤder ihrer Schwester ein Zeichen zuruͤck lassen, namentlich der aͤlteste ein Messer , das bei seinem Leben glaͤnzend , bei seinem Tod sich blutig zeigen wird, eine unleugbare Grundaͤhn- lichkeit und Verbindung mit dem Maͤrchen Nr. 74. im ersten Theil. 12. Doktor Allwissend . (Aus Zwehrn.) Es ist. auch im plattdeutschen ein sehr gutes aͤhnliches Maͤrchen unter dem Volk, das uns aber nicht vollstaͤndig konnte erzaͤhlt werden. 13. Der Froschprinz . (Hessisch.) Ist der eiserne Heinrich ( I. 1.) in ei- genthuͤmlicher Verschiedenheit und an sich der Auf- nahme werth, wenn es nicht ohnehin ein merkwuͤr- diges Maͤrchen waͤre. Die Grundidee ist wiederum die tiefe von Amor und Psyche, welche in so haͤufi- gen und immer verschiedenen Aeußerungen vorkommt. Vgl. die Anmerkg. zum Maͤrchen vom Loͤweneckerchen (Nr. 2.) und vom Sommer- und Wintergar- ten ( I. 68.) 14. Des Teufels rußiger Bruder . (Aus Zwehrn.) Die alte Sage von dem Baͤ- renhaͤuter , welche schon im Simplicissimus ( III. 896.) erzaͤhlt wird (vgl. Armins Troͤst Einsamkeit und seine Erzaͤhlung: Isabelle von Egypten). Dort gibt ihm der Wirth eine seiner Toͤchter, wegen der kuͤnstlichen Bilder, die der Geist fuͤr ihn gemahlt hatte. Merkwuͤrdig die gar nicht christliche Ansicht der Hoͤlle, worin der Soldat Musik lernt, wie diese in den Venusberg lockt, er selbst dient dem Teufel nur eine Zeit, ist dann frei und gluͤcklich. Vermuth- lich Zusammenhang mit dem Maͤrchen hat eine sonst weit verbreitete Volkssage, die sich am vollstaͤndig- ssen , wiewohl uͤberarbeitet und erneuert erhalten hat im daͤn. Volksbuch Broder Ruus (s. Nyerups Verzeichniß der Volksb. Nr. 43. und danske Digte- konsts Historie I. 115 — 122.), aber auch in Deutsch- land gangbar gewesen seyn muß, wie er noch in Brunonis Seidelii paroemiae ethicae (Francot. 1589.) als frater Rauschius angefuͤhrt steht. Ueber den engl. friar Rush vergl. Scotts Noten zu s. Gedicht Marmion. p. LXVI. Diese Namen fuͤhren freilich mehr auf Rausch, Laͤrm, koͤnnten aber auch mit dem hier zusammenhaͤngen. Dieser Rausch ist auch aus der Hoͤlle gekommen und wird selbst als ein Teufel dargestellt, er geht in ein Kloster, ver- dingt sich da zum Koch, wie jener in der Hoͤlle, und stiftet mancherlei Boͤses. Damit fließt die Sage in die von den alten Helden, die ins Kloster gehen und Dienst thun, bei welchen aber der Drang nach Kriegsthaten immer durchblickt; der Baͤrenhaͤuter wird gerade auch als ein aus dem Krieg kommender entlassener Landsknecht dargestellt. — Fischart im Gargant. Spielverzeichniß Nr. 48. fuͤhrt an: „der rusig Schultheiß aus Morenland.“ — Vgl. das fol- gende Maͤrchen. 15. Der Gruͤnrock . (Aus dem Paderboͤrn.) Selbststaͤndige Abwei- chung des vorigen Maͤrchens. Der Teufel erscheint hier wie in der Sage, welche Hebel (Alleman. Ge- dichte 50.) erzaͤhlt, als ein Gruͤnrock (Weltkind) und der sich ihm ergibt, braucht auch nur in die Ta- sche zu grei f en, so hat er einen Thaler. 16. Zaunkoͤnig und Baͤr . (Aus Zwehrn.) Ein schoͤnes Thiermaͤrchen, das in den Cyklus von Reinecke Fuchs gehoͤrt, wo der Zusammenhang naͤher angegeben werden soll. Hier nur so viel, daß Zaunkoͤnig, Sperling und Meise eine Idee ausdruͤcken: die kleine List siegt aber uͤber die große und darum muß selbst das ganze vom Fuchs angefuͤhrte Thiergeschlecht dem kleinen Gefluͤgel wei- chen, wie im Maͤrchen vom Gevatter Sperling ( I. 58.) der Fuchs dem Vogel. Der Zaunkoͤnig ist der herrschende, weil die Sage das kleinste wie das groͤßte als Koͤnig anerkennt. Dieß ist wieder der Gegensatz der listigen Zwerge zu den plumpen Rie- sen, wie man schon zwerghaften, kleinen Leuten den Unnamen Zaunschliffer zu geben pflegt. 17. Vom suͤßen Brei . (Hessisch.) Einmal die uralte Fabel vom Kruͤg- lein, das nie versiegt, und das nur dle reine Un- schuld in ihrer Gewalt hat; (vergl. zumal die indi- sche Erzaͤhlung von dem Kochtopf, in den man blos ein Reißkorn zu thun braucht und der daraus unauf- hoͤrlich Speise kocht. Polier II. 45.) dann die Sage vom Zauberlehrling in Goͤthes Lied; wiewohl sie eine Darstellung ohne Gleichen dort erhalten, so tritt doch die eigentliche tiefe Mythe nicht so klar hervor und der Nachdruck ruht auf der Herrschschaft des Mei- sters. — Brei wie Brot als urspruͤngliche, einfache Speise, bedeutet uͤberhaupt alle Nahrung; sonst war es in Thuͤringen gebraͤuchlich zur Fastnacht Hirsen- brei zu essen, weil man glaubte, daß dann durchs ganze Jahr kein Mangel entstehen werde vgl. Praͤ- tor. Gluͤckstopf S. 260. So stiftet auch die weise Frau zur Belohnung der Arbeiter ein Fest des suͤßen Breies. 18. Die treuen Thiere . (Aus der Schwalmgegend.) Eine schoͤne Verbin- dung mit dem Thiermaͤrchen, wie sie in No. 74. des ersten Bandes vorkommt. Die Schonung der her- nach dankbar helfenden Thiere ist auch in I. 16. vgl. die dortige Anmerkung und Nr. 63. wie im ge- stiefelten Kater. Im Pentameron V. 3. ein sehr ei- genthuͤmliches Maͤrchen, das jedoch mit diesem weiter keine Gemeinschaft hat, von dem scarafone, sorece und grillo. Merkwuͤrdig ist hier die Thaͤtigkeit der Maus und wie sie den schlafenden Feind beißt; dies erinnert an Loki, der als Fliege die schlafende Freya sticht, damit sie das Halsband ablege. Die Thiere der Fabel sind nichts als verwandelte Helden und Menschen. — Der weiße eirunde Stein ist vermuth- lich ein sogenannter Weise , isl. Jarknasteine (vgl. die Anmerkung zur Str. 8. des dritten Gudrunen- Lieds.) 19. Maͤrchen von der Unke . I. (Aus Hessen und an mehreren Orten gehoͤrt.) Offenbaren Zusammenhang damit hat eine Erzaͤh- lung der Gesta Romanorum Cap. 68. Ein Ritter wird arm und ist daruͤber traurig. Da faͤngt eine Natter, die lang im Winkel seiner Kammer gelebt, zu sprechen an und sagt: „gib mir alle Tage Milch und setze sie mir selber her, so will ich dich reich ma- chen.“ Der Ritter bringt ihr nun alle Tage die Milch und in kurzer Zeit wird er wieder reich. Des Ritters dumme Frau raͤth aber zum Tod der Natter, um der Schaͤtze willen, die wohl in ihrem Lager sich faͤnden. Der Ritter nimmt also eine Schuͤs- sel Milch in die eine Hand, einen Hammer in die an- dere und bringts der Natter, die schluͤpft aus ihrer Hoͤhle sich daran zu erlaben. Wie sie nun trinkt, hebt er den Hammer, trifft sie aber nicht, sondern schlaͤgt gewaltig in die Schuͤssel; worauf sie alsbald forteilt. Von dem Tag an nimmt er an Leib und an Gut ab , wie er vorher daran zugenom- men hat. Er bittet sie wieder um Gnade, aber sie spricht: „meinst du, daß ich des Schlags vergessen, den die Schuͤssel an meines Hauptes statt empfan- gen, zwischen uns ist kein Frieden.“ Da bleibt der Ritter in Armuth sein Lebelang. II. (aus Hessen.) Die Sage von den Kronen (Feuerteppichen) welche die Schlangen (Salamander) weben, ist bekannt. III. (aus Berlin.) 20. Der Muͤller mit dem Kaͤtzchen . (Aus Zwehrn.) In eigener Zierlichkeit das Maͤr- chen von dem gluͤcklich gewordenen Dummling, s. Anmerkung zu I. 64. Die andern Muͤllersburschen bringen mit Fleiß und aus großer Verachtung des Dummlings lahme und scheele Pferde, wie die zwei aͤltesten Koͤnigssoͤhne grobe Leinwand und haͤßliche Weiber. 21. Die Kraͤhen . (Aus dem Meckelnburg.) In Pauli’s Schimpf und Ernst Cap. 464 einfach: ein Diener wird von seinem Herrn an einen Baum gebunden, boͤse Gei- ster , die sich Nachts da versammeln, sprechen, daß ein Kraut , welches unter dem Baum waͤchst, das Gesicht wieder gebe; nachdem er sich geheilt, macht er damit auch eines reichen Mannes Tochter wieder se- hend und erhaͤlt sie mit großen Guͤtern zur Ehe. Sein voriger Herr will sich auch solchen Reichthum verschaffen, geht zum Baum, wo ihm Nachts die Geister die Augen ausstechen. In der Braunschw. Sammlung mit dem unsrigen uͤbereinstimmender, aber schlecht verneuert. S. 168 — 180. Kraͤhen, die auf dem Baume sitzend, von Augen ausbacken , spre- chen auch in Helwigs juͤdischen Legenden Nr. 23. hier, indem sie dem Blinden sagen, was er thun soll, glei- chen sie den Voͤgeln, die dem Sigurd guten Rath ge- ben (s. Fafnismal und Anmerkg. zu Str. 32.) der frischgefallene Thau, der das Gesicht wieder gibt, ist das Reine, das alles heilt , der Speichel, womit der Herr dem Blinden das Gesicht wieder gab und das unschuldige Kinder- oder Jungfrauen- Blut, wodurch die Miselsuͤchtigen genesen. 22. Hans mein Igel . (Aus Zwehrn.) Ist Koͤnig Porc bei Straparola ( II. 1.) doch hier besser, fantastischer und urspruͤng- licher, nur sollte Hans noch einem Koͤnig den Weg gezeigt haben und betrogen seyn, damit er erst, wie bey Straparola, das drittemal erloͤst wuͤrde. Igel, Stachelschwein und Schwein sind mythisch eins, wie Porc und Porcaril; unten in einer andern einfachen, aber auch guten Darstellung ist es ein Esel (Nr. 58.). Diese beiden Maͤrchen machen mit Nr. 1. und 68. im ersten Band und Nr. 2 13 und 41 in diesem eine Reihe naher Verwandtschaft aus, an welche sich wie- der andere in entfernterer schließen, vgl. die dortigen Anmerkungen. Ueber die zum Grund liegende Idee s. eine Anmerkung zu den altdaͤn. Liedern. S. 528. 529. Leute, welche Gott zu ungestuͤm um Kindersegen anflehen, werden oft in den Maͤrchen mit solchen Mis- geburten bestraft, die sich hernach, wenn die Eltern gedemuͤthigt sind, noch in Menschen verwandeln. — Die Ruͤckkehr des Kinds ins vaͤterliche Haus ist wie die des jungen Riesen in Nr. 4. 23. Das Todtenhemdchen . (Aus Baiern.) Der Glaube, daß Thraͤnen dem Todten nachgeweint, auf die Leiche im Grab nieder- fallen und ihre Ruhe stoͤhren, erscheint auch im zwei- ten Helgelied (Str. 44.) so wie im daͤnischen Volkslied vom Ritter Aage und der Jungfrau Else. 24. Der Jud im Dorn . Dramatisch lebendig, wie der Schmidt und Teu- fel. Eine muͤndliche Erz aͤ hlung aus Hessen leitet an- ders ein. Der Vater entlaͤßt seine drei Soͤhne, die auf drei Wegen in die Welt ziehen. Dem einen be- gegnet der gute Geist und schenkt ihm die drei Wuͤn- sche; er wuͤnscht einen Hut, der aus der Irre auf den rechten Weg fuͤhrt; einen Wuͤnschring; die Gei- ge, die alles zum Tanzen zwingt. Darauf die Be- gebenheit mit dem Juden und dem Richter. Endlich wuͤnscht er sich an den Scheideweg mit seinen Bruͤ- dern zusammen und macht sie alle reich. Diese groͤ- ßere Verwickelung scheint aber den Eindruck mehr zu schwaͤchen und eine andere ganz einfache muͤndliche Erzaͤhlung aus dem Paderboͤrn. und die alten gedruck- ten Bearbeitungen wissen nichts davon. Albrecht Dieterich „Historia von einem Bauernknecht und Muͤnchen, welcher in der Dornhecken hat muͤssen tan- zen“ s. l. 1618. 8. (auf der Goͤtting. Bibl.) ein Lustspiel, das aber vermuthlich im 16 Jahrh. verfaßt ist. Etwa gleichzeitig damit: J. Ayrer’s Faß- nachtspiel von Fritz Doͤlla mit der gewuͤnschten Gei- gen im opus theatricum Bl. 97 — 101. Auch bei Dieterich heißt der Bauern knecht Dulla ein my- thischer Name, der an Till oder Dill Eulenspiegel den lustigen Schalksknecht erinnert (s. oben Num. 4.) und das schwed. und altnordische Wort: Tule, Thulr , (homo facetus, nugator, Spielmann.) der Narr und Saͤnger des Volks ist, und sonst stimmen beide sehr zusammen, so daß sie aus einer Quelle schoͤpfen konnten, schwerlich aber sich gegenseitig be- nutzt haben. Die Wuͤnsche sind wie hier; statt des Juden, haben beide einen klosterentlaufenen Moͤnch ; bei Dieterich haͤlt er die geruͤhmte Kunst des Knechts fuͤr Prahlerei und spricht: „in jener Hecke sitzt ein Rab, trifst du den mit deiner Armbrust, so zieh ich mich nackend aus und hol ihn hervor.“ Beim Ayrer schießt er einen Vogel vom Baum; vom Kleideraus- ziehen ist keine Rede. — Nach Diet. Albrecht die daͤ- nischen Reime: om Munken og Bondedrengen (Nye- rup in der Iris og Hebe 1796. 310 — 312.) — Vielleicht bezieht sich auf unser Maͤrchen eine sonst unverstaͤndliche Anspielung im Parcifal 8539. vom Fasan (Vogel) im Dornach. Die Sage vom Tanzen in den Dornen ist sehr verbreitet und greift in ein ganz anderes Maͤr- chen des ersten Bandes S. 258. ein. Fuͤr die muͤnd- liche Ueberlieferung wird eine von Otmar in Bek- kers Erhol. 1797. aufgezeichnete Erzaͤhlung wichtig, wo sie aber sehr entstellt und in falschen Ton versetzt ist. Ein auf Tod und Leben gefangener Zauberer hat einen nie fehlenden Pfeil und schießt damit einen Fal- ken aus hoher Luft, der in Sumpf und Dornen faͤllt. Die Haͤscher sollen ihn suchen, da hebt er den Schwa- bentanz zu pfeifen an, das ganze Gericht tanzt und so wird er von seiner Hinrichtung hernach befreit. Die letzte Bitte und die Rettung aus dem Tod durch Blasen und Spielen kommt haͤufig vor, (vgl. oben Nr. 30 das blaue Licht) von Arion bis auf Gunnar, der durch Harfenschlag die Schlangen ab- haͤlt. Die Kraft Tanz zu erregen lag auch in Obe- rons Pfeife, besonders merkwuͤrdig ist das Beispiel in der Herrauds ok Bosa Saga S. 49 — 51. wo gar Tische, Stuͤhle. Messer und Becher mit tanzen muͤs- sen. Vielleicht stammt selbst das Wort Geige von dem dort auch vorkommenden Gygiarslag (Zau- berschlag von Gygur, Zauberin, Riesin. Man hat vom Fandango eine aͤhnliche Erzaͤhlung, Pabst und Cardinaͤle, die ihn verdammen wollen, muͤssen ihn anheben und freisprechen. 25. Der gelernte Jaͤger . (Aus Zwehrn) Die Schuͤtzenkuͤnste erinnern sehr an An Bogsweigr — das Aufschneiden und Tren- nen der Kleider der fchlafenden Koͤnigstoͤchter, an das Zerschneiden des Panzers ( slita bryniu ) der Brynhild. — Das Zungen ausschneiden kommt oft vor, der Hauptmann ist der Truchseß im Tristan. Das Maͤrchen geht am Ende in den Koͤnig Drossel- bart uͤber I. 52. 26. Der himmlische Dreschflegel . (Aus dem Paderboͤrn.) Muͤnchhausen hat den Schluß dee Maͤrchens gekannt und in seinen Reisen S. 53 benutzt. Die meisten dieser volksmaͤßigen Luͤ- gen sind nicht von diesem erfunden, sondern uraltes Gut und brauchen nur in einem andern Ton erzaͤhlt zu werden, um in weitverbreitete Mythen einzugrei- fen; z. B. das Winden eines Seiles aus Spreu ganz uͤbereinkommend mit dem: vinda or sandi sima (Harbardsl . 17,) und dem latein.: ex arena funem nectere, aͤhnlich der aus Wasser und Wein gedrehten Peitsche. Wunderhorn II. 411 aus dem Dietmarsen- lied. Vergl. die rabbin. Mythen bei Helwig Nr. 2. und 3. 27. De beiden Kuͤnigeskinner . (Aus dem Paderboͤrn.) Sehr eigenthuͤmlich, gut und vollstaͤndig aufgefaßt. Verwandt mit dem Loͤ- weneckerchen (Nr. 2.) wegen des Ueberbietens der fal- schen Braut, so wie mit dem Prinz Schwan ( II. 59.) wegen der Verfolgung mit dem Fundevogel ( I. 50.) dem Liebsten Roland ( I. 56.) und dem Okerlo ( I. 70.) auch wegen des Vergessens mit beiden letztern. Ueber die Aufgaben vgl. altd. Waͤlder I. Heft 4. Merkwuͤr- dig ist der Ausdruck: „ Arweggers herut,“ denn in den eddischen Zwergnamen (Dverga-heiti) kommt auch Aurvagur vor; wenn gleich eine Va- riante und die Voͤluspa: aurvangur lautet. Der fruͤhwachende ist arvakur ein Stier- und Pferde- Namen (Sigurdrifa’s Lied Str. 17.) 28. Das kluge Schneiderlein . (Aus der Schwalmgegend.) Ganz im Charakter vom tapfern Schneider ( I. 20.) das Rathen des Gold- und Silberhaars kommt auch sonst vor. 29. Die klare Sonne bringts an den Tag. (Aus Zwehrn.) Ein tiefes, herrliches Motiv ist hier buͤrgerlich ausgedruͤckt. Niemand sah der Mord- that zu, keines Menschen Aug, aber doch die Sonne (Gott), das himmlische Auge. Man hat noch andere Sagen von der Sonne, wie sie sich verhuͤllt nnd nicht zuschauen will, wenn eine Mordthat geschehen soll, vgl. Odyssee XX. 356. Daß die Worte eines Ster- benden Gewalt haben, wird schon in Fafnismal als alter Glauben bemerkt. — Das Spruͤchwort: „es wird nichts so fein gesponnen, es kommt endlich an die Sonnen,“ ist auch hier zu bemerken. 30. Das blaue Licht . (Aus dem Mecklenburg.) Die Pfeife, woraus der Soldat raucht, ist wohl aus einer Floͤten-Pfeife entstanden, welcher die Erdmaͤnner sonst zu gehor- chen pflegen, wie in Nr. 6. das blaue Licht ist ein Irrwisch, daͤn. Vaͤttelys (Geisterlicht) und Lygte- mand, der Herr des Zwergleins. Schaͤrtlin’s Ausru- fung war: „ blau Feuer !“ welche Worte sich auch mehrmals bei Hans Sachs finden. 31. Das eigensinnige Kind . (Hessisch.) Einfach kindliche Lehre, wie im Maͤr- chen vom alten Großvater I. 78. und vom gestohlenen Heller I. 7. Das Herauswachsen der Hand aus dem Grabe ist ein weitverbreiteter Aberglaube und gilt nicht blos von Dieben, sondern von Frevlern an ge- bannten Baͤumen, (Schillers Tell Act. 3. Sc. 3.) yon Vatermoͤrdern (Wunderhorn I. 226.) In Schimpf und Ernst ist noch eine andere Erzaͤhlung von einem Arm, der aus dem Grab hervorreckt (daͤn. Ausg. p. 218.) Es ist auch nur eine blose Veraͤnde- rung der naͤmlichen Idee, wenn aus dem Huͤgel und Mund Begrabener, Blumen oder beschriebene Zet- tel, ihre Schuld oder Unschuld anzuzeigen, wachsen. Es ist auch die Sage und der Glauben, daß dem, welcher seine Eltern schlaͤgt, die Hand aus der Erde waͤchst; so ist der Fuchsthurm auf dem Hausberg bei Jena der kleine Finger eines versunkenen Riesen, der Hand an seine Mutter gelegt hatte. 32. Die drei Feldscherer . (Aus Zwehrn.) Die Gesta Romanor. (deutsche Ausg. 1489. Cap. 37. lat. Cap. 76.) enthalten ein aͤhnliches Maͤrchen. Zwei geschickte Aerzte wollen, um allen Zank zu schlichten, ihre Kunst an einander erproben; der sich geringer zeigt, soll des andern Juͤnger werden. Der eine zieht durch Huͤlfe einer e dlen Salbe ohne Schmerz und Verletzung dem an- dern die Augen aus, legt sie auf den Tisch und setzt sie eben so leicht wieder ein. Der andere will nun dasselbe Kunststuͤck auch vollbringen, zieht jenem mit seinen Salben nun die Augen heraus und legt sie auf den Tisch, als er sich aber bereitet, sie wieder einzu- setzen, kommt ein Rabe durch das offene Fenster und holt schnell ein Auge weg und frißts. Der arbeiten- de ist in Noth, denn kann er das Aug nicht wieder einsetzen, wird er dem andern unterthaͤnig; da schaut er sich um und erblickt eine Ziege, dieser nimmt er eilends das eine Auge und setzt es seinem Gesellen fuͤr das fehlende ein. Als er ihn fragt, wie es ihm vor- komme, antwortet er, Verletzung und Schmerz ha- be er nicht gespuͤrt, aber eins seiner Augen schaue im- mer uͤber sich zu den Baͤumen (wie naͤmlich die Zie- gen nach dem Laub thun), das andere unter sich. — Das eingesetzte Herz erinnert an Hrugnir’s steiner- nes und das seinem Diener Mokurkalfr eingesetzte Pferdeherz u. s. w. Zu dem Einsetzen fremder Au- gen vgl. auch das Maͤrchen von der Nachtigall und Blindschleiche ( I. 6.) und naͤhere Einsicht muͤßte leh- ren, in wie fern ein altdeutsches Gedicht „von einem Koͤnig der Katzenaugen gewann“ (Schlegels Mus. IV. p. 416. Nr. 138.) hierher gehoͤrt. 33. Der Faule und der Fleißige. (Aus der Schwalmgegend.) Die Erloͤsung durch einen Kuß kommt haͤufig in den Sagen vor. 34. Die drei Handwerkspurschen . Nach einer Erzaͤhlung aus Zwehrn und einer an- dern aus der Leinegegend. In der letztern ist ab- weichend, daß der Wirth den Getoͤdteten begraͤbt, aber ein Freund desselben kommt, entdeckt sein Pferd im Wirthsstall und sein Hund scharrt unter der Dach- traufe, wo der Ermordete vergraben liegt, einen Arm heraus, dessen Kleidung er wieder erkennt. 35. Die himmlische Hochzeit . (Aus dem Mecklenburg.) Graͤnzt an die Legende und ist doch auch ganz kindermaͤrchenhaft. Der un- schuldige Glauben an die Worte Gottes, fuͤhrt selbst beim Mißverstaͤndniß doch zur Seligkeit. Uebrigens merkwuͤrdige Einstimmung mit einem indischen My- thus von einem Goͤtterbild, welches das verzehrt, was ihm auch ein unschuldiger Knabe vorsetzt. (Po- lier II. 302. 303.) 36. Die lange Nase . (Aus Zwehrn.) Die Sage vom Fortunat, die sich auch als eine deutsche ausweist, denn nach dem Volksbuch ist diese Erzaͤhlung offenbar nicht gemacht, sondern hier viel alterthuͤmlicher und einfacher. (Vgl. I. Nr. 36. 37.) Der Wuͤnschmantel und das Horn kommen da gar nicht vor, sondern ein Hut und ein Seckel ; die Gesta Romanor. haben alles noch viel einfacher: im Fortunat wachsen statt der Nasen Hoͤrner , in den Gestis Romanor. entsteht der Aussatz (eben so kommen in Helwig juͤdisch. Geschichten Nr. 38. zwei Aepfelbaͤume vor, wo die Frucht des einen aussaͤtzig macht, die des andern heilt). Da die Alten schon, wie wir, mancherlei Spruͤchwoͤrter von der langen Nase hatten, so mag ihnen auch eine aͤhnliche Fabel bekannt gewesen seyn z. B. bei Martial: nasus, qualem nolnerit ferre ro- gatus Atlas. — Der D. Faust kann sich auf eine wirkliche Person gruͤnden, um die sich viel aͤltere Sa- gen gesammelt haben; sein Name ist mythisch und weil er den Wuͤnschmantel besitzt, heißt er der Begabte, das Gluͤckskind, Wuͤnschkind faustus wie fortunatus . Das gedruckte Buch wurde zuerst im 15 Jahrh. vermuthlich aus Volkssagen in spanisch niedergeschrie- ben, wie schon die Eigennamen darin: Andalosia, Marsepia, Ampedo, beweisen. 37. Die Alte im Wald . (Aus dem Paderboͤrn.) Mit Joringel und Jo- rinde I. 69. verwandt. Die Alte ist die Hexe im Maͤrchen von Gretel und Haͤnsel I. 16. und selbst zu der Circe gehoͤrig. 38. Die drei Bruͤder . Aus der Schwalmgegend, doch auch sonst viel- faͤltig gehoͤrt, hier am vollstaͤndigsten. Es ist ein altes Scherz- und Luͤgenmaͤrchen und wahrscheinlich sehr verbreitet. Im 16 Jahrh. kam eine Sammlung davon in Frankreich heraus von Philipp d’ Alcripe (Picard). Herr von Neri (rien) in Verbos (Vertbois) wo dieses sich auch unter andern findet. In der neu eroͤffneten Schaubuͤhne menschlicher Gewohn- und Thorheiten s. l. ct a. (wahrscheinlich bald nach dem 30 jaͤhr. Krieg) werden S. 88 — 92 solche Aufschnei- dereien zusammengestellt, darin heißt es: „damit ich allhier jenes vierjaͤhrigen Kindes, welches mit einem schweren breiten Saͤbel so meisterlich fechten koͤnnen, daß ihm in vollem Regen kein einziger Tropfen aufs Haupt gefallen, keine Meldung thue.“ — „Item: jener Goldschmidt, welcher einer Muͤcken unter jeden Fuß ein guͤldenes Hufeisen mit 24 Naͤgeln ange- heftet.“ 39. Der Teufel und seine Großmutter. (Aus Zwehrn.) Im Grund aͤhnlich dem Teufel mit den drei Goldhaaren ( I. 29.), wo ihm das Ge- heimniß abgelauscht wird, wie dem Rumpenstilzchen ( I. 55.) und dem Fischer in der Hervarar Sage S. 182. — Die Peitsche ist eine bei Gold anschlagende Wuͤnschelruthe . — Das ganze Maͤrchen hat et- was nordisches in seinem Wesen, der Teufel erscheint als ein ungeschickter, uͤberlisteter Jote, vor allem nor- disch ist das Raͤthsel; auch das Verstecken des mensch- lichen Ankoͤmmlings durch die Riesenfrau, Tochter, Kindermärchen II. C ist ein alter Zug s. Hymisquida Str. 8. Anmer- kung 20. 40. Ferenand getruͤ un Ferenand ungetruͤ. (Aus dem Paderboͤrn.) Das schoͤne Maͤrchen scheint nicht vollstaͤndig, es muͤßte im Zusammenhang stehen, wenn der Schimmel zuletzt ein Koͤnigssohn wird. Der rothe Faden am Hals des wieder leben- dig gemachten ist sagenmaͤßig. Ueber das Gevatter- bitten vgl. den Gevatter Tod I. 44. Die Floͤte, die rettet, gleicht Arions Laute, das getreue Pferd dem Bayard, Falada, dem Schemik (altdeutsch: Schim- mel, Schimmung, isl. Skemmingur) der boͤhmischen Sage und Grani der nordischen. Zu merken sind die Schriften der Koͤnigin, entweder gestickte Kleider, wie das islaͤnd. skript und boͤkur (Buͤcher, Zeichnun- gen, Stickereien) oder Runenstaͤbe; wenigstens ist die gefundene Schreibfeder gewiß ein solcher. — Die Verse, wie gewoͤhnlich die Reden der Vornehmen, sind hochdeutsch, das pflegen die Erzaͤhler fast immer so zu halten, wo sie beide Sprachen verstehen, wie dies im Paderboͤrn haͤufig ist, und die hoͤhere Mund- art bezeichnet dann die Sprache der Vornehmen und der Poesie. 41. Eisenofen . (Aus Zwehrn.) Dem Hauptinhalt nach verwandt mit Koͤnig Schwan ( I. 59.) Loͤweneckerchen ( II. 2.) den zwei Koͤnigskindern ( II. 27.) und dem schoͤnen Maͤrchen Pintosmauto im Pentameron, wo die treue Gemahlin den Koͤnig, der sie vergaß, nicht nur aus Gefahren gerettet, sondern selbst erschaffen hatte. Das Unterschieben der falschen Braut, die sich zu leicht an ihres Vaters unkoͤnigliches Handwerk erinnert, war schon im Hurlebutz ( I. 66.) vergl. Wolsunga S. C. 21. und altd. Waͤlder I. 71. Der dunkle und feurige Ofen, worein der Koͤ- nigssohn verwuͤnscht ist, bedeutet ohne Zweifel die Hoͤlle, Unterwelt , den Orcus, wo der finstere Tod haust, aber auch die Schmiedeesse steht. Damit erklaͤrt sich die noch jetzt spruchmaͤßige Redensart: etwas geheimes (in andern Sagen ist es ein Stein oder eine Steinsaͤule, der man das Geheim- niß entdeckt. Buͤschings Volkssagen S. 66 und 363.) dem Ofen sagen, den Ofen um etwas bitten, wie die Alten bei der Unterwelt, wo der gerechte Todten (Hoͤllen)-Richter wohnt, schwuren. Deswegen spricht das Gaͤnsmaͤgdlein zum Ofen ( II. 3.) vergl. Erdmaͤnn- lein, ( II. 5.) und enthuͤllt ihm die geschehene Unthat, die sie keinem Menschen offenbaren darf. Auch das Wort Eisenofen ist alterthuͤmlich und nicht sowohl auf einen eisernen zu deuten, als auf das alte Eit- ofan , Feuerofen, Camin, zuruͤckzufuͤhren (von Eit, Esse, Feuer. s. gloss. doc. v. eitofan.) 42. Die faule Spinnerin . (Aus Zwehrn.) Aehnliche Idee im Pentamerone IV. 4. und in einer altdeutschen handschr. Erzaͤh- lung: von der Minne eines Albernen. Vgl. vom boͤ- sen Spinnen I. 14. und Cap. 125. in Pauli’s Schimpf und Ernst. ed. 1535. fol. Der Baum im Wald ist ein Spindel-Baum, Spill-, Spul-Baum, lat. fu- sarius, franzoͤs. fusain (von fuseau, Spindel) vergl. Gerberts gloss. theotisca p. 139. evonymus, also ein Gluͤck- oder Ungluͤck bedeutender Wuͤnschelbaum. 43. Der Loͤwe und Frosch . (Aus der Maingegend.) Ueber Erloͤsung durch Kopf-Abhauen vgl. I. 52. und 66. und die schwarze und weiße Braut. ( II. 49.) 44. Soldat und Schreiner . (Aus dem Muͤnsterland.) Manches darin ist gut und recht maͤrchenhaft, doch scheint das Ganze gelit- ten zu haben, theils durch Luͤcken, theils durch Ver- wirrung. C 2 45. Die schoͤne Katrinelje . (Aus dem Paderboͤrn.) 46. Der Fuchs und das Pferd . (Aus Muͤnster.) Der Zusammenhang mit der großen Thierfabel wird sich beim Reinhart Fuchs zei- gen. Verwandt ist das Ganze mit dem Maͤrchen vom alten Sultan ( I. 48.) 47. Die zertanzten Schuhe . (Aus dem Muͤnsterland.) Die Todesstrafe steht darauf, wenn die Aufgabe nicht geloͤst wird, wie in Nr. 48. in dem Maͤrchen von Turandot u. a. 48. Die sechs Diener . (Aus dem Paderboͤrn.) Muͤnchhausen hat auch dieses Maͤrchen, das hier ungleich besser ist, in sei- nen luͤgenhaften Reisen benutzt (London d. i. Goͤttin- gen 1788. S. 84. ff.) Man vergleiche das Volksbuch yon der pommerschen Kunigunde und das Maͤrchen von den sechs Soͤhnen und ihren Kuͤnsten im Penta- merone. Auch Thor mit seinem Diener Thialfi ge- hoͤrt hierher; so wie die große Mahlzeit an die Riesen-Gastmaͤhler in den altdaͤnischen Liedern erin- nert, wo auch die Braut ganze Ochsen verzehrt und aus Tonnen dazu trinkt. In einer hessischen Erzaͤhlung aus der Schwalm- gegend kommen einige aͤhnliche Personen vor, aber die Fabel ist verschieden und unbedeutender. Der Horcher , der Laufer , einer der alles umblaͤst und ein Starker kommen zusammen in Gesell- schaft. Der Laufer holt das Wildpret, der Blaͤser jagt mit seinem Wind die Leute aus den Doͤrfern, oder blaͤst sie durch die Schornsteine hinaus und nimmt dann, was sich im Haus findet: Brot, Fleisch, Eier; der Starke traͤgts fort und der Horcher muß acht geben, ob Husaren hinter drein kommen. Sie gehen auf eine Zeit an des Koͤnigs Hof, die Koͤnigs- tochter ist krank und kann nur durch ein Kraut geheilt werden, das hundert Meilen weit vom Koͤ- nigreich waͤchst und in 24 Stunden muß herbeige- schafft seyn. Es wird bekannt gemacht, daß derjeni- ge, welcher es holt, so viel Schaͤtze haben soll, als er verlangt. Die vier Gesellen geben sich dazu an, die Aerzte beschreiben das Kraut genau und der Lau- fer macht sich auf den Weg. Er bringts auch vor der bestimmten Zeit und die Princessin wird gesund. Darauf fragt der Koͤnig, wie viel Gold er verlange. „So viel als mein Bruder (der Starke) tragen kann.“ Der Koͤnig denkt, der ist noch bescheiden und sagt ja. Der Starke aber macht sich einen ungeheu- ren Sack, rafft alles Gold in der Schatzkammer auf und sagt, das sey noch zu wenig. Der Koͤnig muß erst vier, dann acht Wagen voll anders woher kom- men lassen, als er noch mehr geben soll, sagt er: „ich habe nichts mehr in meinem ganzen Reich-“ „Wenns nicht anders ist, so mags gut seyn“ sagt der Starke und geht mit dem Reichthum ab. Als die vier Ge- sellen fort sind, aͤrgert den Koͤnig das viele Geld, das er dahin gegeben und schickt ein Regiment Husa- ren nach, die sollen es wieder abnehmen. Der Hor- cher aber hoͤrts, der Laufer sieht, obs wahr ist, der Blaͤser laͤßt sie heranruͤcken und blaͤst sie in die Luft, so daß keiner mehr zu hoͤren noch zu sehen ist. Dar- nach theilen sie sich ins Geld und leben vergnuͤgt bis an ihr Ende. 49. Die weiße und schwarze Braut . (Aus dem Meklenb. und Paderboͤrn.) Nach der einen Erzaͤhlung wird der Bruder nicht blos un- ter die Schlangen gesetzt, sondern wirklich umge- bracht und unter die Pferde im Stall begraben. Die Ente kommt Abends ans Gotterloch geschwommen und singt: macht auf die Thuͤr, daß ich mich waͤrme, mein Bruder liegt unter den Pferden begraben hauet den Kopf der Ente ab wodurch die Handlung des Koͤnigs, daß er ihr den Kopf abhaut, woran ihre Loͤsung gebunden war, bes- ser begruͤndet wird. Am Ende wird der Bruder im Stall ausgegraben und stattlich unter die Erde ge- bracht, vgl. den singenden Knochen I. 28. Das ganze Maͤrchen liegt einer modernen schlechten Ueberarbei- tung in den Sagen der boͤhm. Vorzeit. Prag. 1808. S. 141 — 185 zu Grund. Der Eingang ist von Blu- men und Perlenkaͤmmen, wie sonst auch vorkommt. Eigen ist, daß die begabte Schoͤnheit vor freier Luft und Sonnenstrahl gehuͤtet werden muß. Unterwegs nun bricht die boͤse Hexe das Kutschenfenster, daß Luft und Sonne eindringt, da wird sie in eine goldne Ente verwandelt. Im Pentamerone IV. 7. findet sich eine eigenthuͤmliche, halb aus ihm halb aus dem Gaͤnsmaͤdchen (oben Nr. 3.) zusammengesetzte Re- cension, wie denn auch unser gegenwaͤrtiges Maͤrchen genau an die Fabel von der Koͤnigin Berta wieder erinnert. Besonders ist der einfache Gegensatz von Schwaͤrze und Weiße, fuͤr Haͤßlichkeit und Schoͤnheit zu bemerken, da er an die Mythe von Tag und Nacht (und der Nacht Tochter) denken laͤßt und Berta (die weiße, biort) schon im Wort den Tag und das Ta- gesbrehen, Anbruch, ausdruͤckt. Indem die im Was- ser gestoßene als schneeweiße Ente aufsteigt und fort- lebt, erscheint sie als Schwanen-Jungfrau. (Ebenso ist auch die nordische Schwanhild weiß und schoͤn wie der Tag, im Gegensatz zu ihren raben- schwar- zen Stief bruͤdern.) Der Name Reginer ist ver- muthlich schon alt in dieser Geschichte; aus den alten Marschaͤllen, Stallmeistern und Wagenfuͤhrern sind in der spaͤtern Volksansicht Kutscher geworden, wie aus den Helden Soldaten. Darum daß der Bruder bei den Pferden ist und unter ihnen begraben wird, erinnert er an das Roß Falada, dessen Stelle er im Maͤrchen vertritt. Der Kuͤchenjung ist wie dort der Hirtenjung. 50. De wilde Mann . (Aus dem Muͤnsterland.) Merkwuͤrdig ist in dem schoͤnen Maͤrchen, daß hier ganz eigentlich ein maͤnn- licher Aschenputtel vorkommt, wie es in den aͤlteren Sagen auch scheint gewesen zu seyn. Vgl. B. I. Anhang S. XVI. und die Nachtraͤge. Der schlechte Kittel, weshalb er wie Allerlei- Rauch ( I. 65.) allein schlafen muß, sogar die gemeine Kuͤchenarbeit kom- men vor, und eben so kehrt er heimlich nach dem koͤ- niglichsten Leben in seinen alten Zustand zuruͤck, so daß er nur an einem aͤußeren Zeichen erkannt wird. 51. De drei schwatten Princessinnen . (Aus dem Muͤnsterland.) Der Zauber in seiner Entwicklung oder im Gang zu seiner bestimmten Auf- loͤsung durch uͤbermaͤchtige Eingriffe gestoͤrt, zieht Verderben oder gaͤnzliche Vernichtung nach sich. vgl. die Anmerkung zum Eselein Nr. 58. Er will heim- lich bleiben, scheut Licht (darum find die drei schwarz und werden allmaͤhlich weiß. s. auch die abweichende Erzaͤhlung vom Marien-Kind I. 3. Anhang S. V. ) und Rede : und es ist ganz dasselbe, wenn beim He- ben des Schatzes, das erste gesprochene Wort ihn siebenmal tiefer zu versinken zwingt. 52. Knoist un sine dre Suͤhne . (Aus dem Sauerland und in dem dortigen Dia- lect.) Wird fingend und mit sehr lang gezogenen Sylben erzaͤhlt. Werrel (Werl) ist ein Wallfahrts- ort in Westphalen, Soist (Soest) im Bergischen. Es wird auch als Raͤthsel angegeben und wenn man lang gerathen hat und nach der Aufloͤsung fragt, geant- wortet: „eine Luͤge.“ Nach einer an dern Erzaͤhlung gehen sie, nachdem der nackende den gefangenen Ha- sen in die Tasche gesteckt hat, in die Kirche, wo der „boͤcken Pastor“ und der „hageboͤcken Koͤster“ das Weihwasser austheilen: „darauf keimen se bie een graut, graut Waater, dat was so breed, dat en Haan daroͤver schret, do woͤren drei Schippe up, dat eene was leck, dat annere was leck, dat derde was kien Boaden in, in dat, wo kien Boaden was, setten se sick alle drei in, de eene versop, de annere verdrank, de derde kam der gar nig wier ut.“ 53. Dat Maͤken von Brakel . (Aus dem Paderboͤrn.) St. Anna naͤmlich ist die Schutzpatronin von Brakel und ihre Capelle liegt nicht weit von der Stadt. Mudder ist aus dem Hoch- deutschen heruͤbergekommen, Moͤhme aber der ge- meine Ausdruck. Man hat dort noch einen andern Spottvers: O hilge suͤnte Anne, help mie doch bald tom Manne! O hilge suͤnte Viet, et is ietz de hogeste Tied! St. Vitus ist der Schutzpatron des nahliegen- den Corvei. 54. Das Maͤrchen vom Hausgesinde . (Aus dem Paderboͤrn.) Die vielerlei Abweichun- gen dieses uralten Maͤrchens (gleichsam ein Gespraͤch mit dem Widerhall) anzufuͤhren, wuͤrde hier zu weit- laͤuftig seyn und noch unpassender die meistentheils in die alte Sprache und Fabel reichenden, immer sehr poetischen Namen zu erklaͤren. Der Hel (Hoͤlle) Saal heißet Eliud , ihr Tisch Hungur , ihr Mes- ser Sultur , ihr Knecht Ganglaͤti , ihre Magd Gangloͤt , ihre Schwelle Fallandi-forrad , ihr Bett Kaur , ihre Decke Blikandi-baul , ihr Acker Hnipinn . In der Gothreks Saga sind andere bedeutsame Familiennamen, der Vater Skapnar- tungur , die 3 Soͤhne: Fiolmodi, Ymsigull, Gillingr , die Mutter sammt den drei Toͤchtern: Totra, Snotra, Hiotra, Fiotra und in ei- ner andern Sage der Mann Stedie , die Frau Brynia , die Tochter Smidia , der Sohn Thoͤl- lur ; man findet in den mythischen Geschlechtsna- men lauter Verwandschaften. So zaͤhlt Vidrich im Lied von Riese Langbein 18. 19. 20. die Namen von Vater, Mutter, Schild, Helm, Schwert und Pferd auf. In einem altdeutschen Gedicht vom Hausrath heißt der Hund Grin , die Katze Zise , der Knecht Wise , das Pferd Kerne , die Magd Metze . Musaͤus (Volksm. V. 130) hat aus einem Volkspilgerlied folgende schoͤne Stelle aufbehalten: aus welcher Gegend kommt ihr? „von Sonnenauf- gang.“ wohin, gedenkt ihr? „nach Sonnennieder- gang.“ in welches Reich? „in die Heimath.“ wo ist die? „hundert Meil ins Land hinein.“ Wie heißest du? „ Springinsfeld gruͤßt mich die Welt, Ehrenwerth heißt mein Schwert, Zeitver- treib nennt sich mein Weib, Spaͤtestagt ruft sie die Magd, Schlechtundrecht nennt sich der Knecht, Sausewind tauft ich mein Kind, Kno- chenfaul schalt ich den Gaul, Sporenklang heißt sein Gang, Hoͤllenschlund lock ich den Hund, Wettermann kraͤht (heißt) mein Hahn, Hupf ins Stroh heißt mein Floh. Nun kennst du mich mit Weib und Kind und allem meinem Hausgesind.“ Schuͤtze im hollst. Id. 2. 117. und 4. 136. fuͤhrt an: Hebberecht so heet min Knecht; Snakfor- dan so heet min Man, Tiedvoͤrdrif so heet min Wif, Luusebung so heet min Jung. In den Kinderliedern, Anhang zum Wunderhorn S. 41. — 43. Bibberlein heißt mein armes Huͤhnelein, Ente- quentlein die Ente, Wackelschwaͤnzlein die Gans, Schmortopf das Schwein, Klipper- bein die Ziege, Gutemuh die Kuh, Guckher- aus das Haus, Kegelbahn der Mann, Golden- ring das Kind, Hat er gsagt die Magd, Ha- berecht der Knecht, Wettermann der Hahn, Huͤpf ins Stroh der Floh. — Stilling in s. Le- ben I. S. 62. fuͤhrt nur eine Zeile an: „ Gerberli hieß mein Huͤneli,“ und ein hollaͤnd. Volkslied be- ginnt: koekeloery heet myn haan, prys heer myn hennetjen. Wenn der Tannhaͤuser II. 67. sein Gesinde Zadel, Zweifel, Schade und Unbereit nennt, so ist das schon der Uebergang der epischen Namen in die bewußte Allegorie, wie z. B. in dem Spruch: Vielborgen hat eine Stief- mutter, heißt: Verkaufdeingut , die gebiert eine Tochter heißt: Gibswohlfeil , dieselbige Tochter hat ein Bruder der heißt: zum Thorhinaus . In der Mitte steht noch das bekannte: „ Sparebrot (Vater) ist tod, Schmalhans heißt der Kuͤchen- meister.“ Einzelne Namen, wie der des Weibes Zeitvertreib und Leidvertreib lassen sich in vielen alten Beyspielen darthun, z. B. Morolf 59. 1145. Auch der „Ruprecht mein Knecht“ aus dem Wartburger Krieg gehoͤrt hierher Vergl. die Na- men, die in der schoͤnen Katrinelje vorkommen. 55. Das Laͤmmchen und Fischchen . (Aus dem Fuͤrstenthum Lippe.) Das Ende wohl unvollstaͤndig und es schwebte nur vor: die Stief- mutter glaubt das Laͤmmchen gegessen zu haben und verlangt nun vom Koch auch noch das Fischlein zu- bereitet. Der Koch aber toͤdtet es auch nicht, wie es anfaͤngt zu sprechen und zu klagen, bringts zum Laͤmmchen und taͤuscht die Stiefmutter wieder, deren Bosheit dem Vater zu Ohren kommt und die bestraft wird. S. die weiße und schwarze Braut (No. 49.) die Anmerkung dazu — der Eingang vom Abzaͤh- len kommt auch in dem Lied der Graͤfin von Orla- muͤnde (im Wunderhorn) vor. 56. Simeliberg . Merkwuͤrdig, daß dieses im Muͤnsterland erzaͤhlte Maͤrchen auch am Harz von der Dummburg Otmar S 235 — 18. oder Hochburg vorkommt und genau mit dem orientalischen von den 40 Raͤubern ein- stimmt, (1001. No. VI. 345.) wo sogar der Felsen Sesam auffallend an die Namen Semsi und Semeli , wie der Berg in den deutschen Sagen heißt, erinnert. Gerade diese Bergbenennung ist uralt in Deutschland, nach einer Urkunde bei Pisto- rius III. 642. heißt ein Berg im Grabfeld Similes und in einem Schweizerlied (Kuhns Kuͤhreihen , Bern 1810. S. 20. und Spaziers Wanderungen, Gotha 1790. S. 340. 341.) wird ein Simeliberg wiederum erwaͤhnt. Man kann dabei an das schwei- zerische simel fuͤr sinbel: rund denken. (s. Stalders Woͤrterbuch.) 57. Kinder in Hungersnoth . (No. 57. — 69. aus schriftlichen Quellen gesammelt.) Praͤtorius (im Abentheuerlichen Gluͤckstopf, 1669. S. 191. 192.) gibt die Sage, wie er sie gehoͤrt hat, die Mutter soll zu Grafelitz uͤber Eger in Boͤhmen gelebt haben. 58. Das Eselein . Nach einem lateinischen Gedicht in elegischem Sylbenmaß aus der zweiten Haͤlfte des 15ten Jahr- hunderts in einer Straßburg. Handschrift ( MSS. Johann. c. 105. 5 Blaͤtter) unter dem Titel Asi- narius . Die Erzaͤhlung ist wie in dem Raparius (60.) breit, doch nicht ungefaͤllig. Anfang: Rex fuit ignotae quondam regionis et urbis, sed regis nomen pagina nulla docet, Is sibi consortem regni talamique sodalem sortitus fuerat nobilitate parem. Schluß: post liaec preterea patris sortitur honorem sicque regit regum rex duo regna duum. Ueber den Inhalt vergl. die Anmerkung zu Hans mein Igel, No. 22. Eigentlich muͤßte nach der Be- lauschung des geheimnißreichen Zaubers Ungluͤck er- folgen, wenigstens Stoͤrung des irdischen Gluͤcks, (wie es erfolgt, nachdem Psyche den Amor beleuchtet hat, bei der Melusine, dem Schwanenritter u. a.); bei dem Hans mein Igel ist die Spur in dem Umstand, daß er schwarz wird und erst muß gebeilt werden, hier darin, daß der Juͤngling aͤngstlich entfliehen will, im Lateinischen: ergo gener mane surgit somno satiatus, pelle volens asini sicut et ante tegi; quam non inveniens, multo stimulante dolors, de sola cepit anxius esse fuga. Und indem er dem Alten antwortet: — — ita faciam tecumque manebo et precor ut finem deut bona cepta bonum. Ein indisches Maͤrchen, das diesem ganz nah kommt, ist in den Altd. Waͤldern I. 165 — 67. mit- getheilt; auch scheint sich es auf ein gaͤnges Sprich- wort: „welcher Esel nicht kann Pauken (oder Lauten) schlagen, mnß die Saͤck zur Muͤhle tragen,“ zu be- ziehen. 59. Der undankbare Sohn . Aus Schimpf und Ernst Kap. 413. Ganz in der Art wie Großvater und Enkel ( I. 78.) der zar- ten Kindheit vor allen nahliegend und eindringlich. Aelter und mehr legendenmaͤßig bei dem Dominika- ner Thomas von Cantimpre aus dem 12 Jahrhund. der das Maͤrchen als muͤndliche Ueberliefrung mit- theilt; Vergl. Buͤsching in Schlegels Museum IV. 32. 33. der noch ein anderes Buch citirt, wo es vor- kommt. 60. Die Ruͤbe . Der aͤußern Form nach eins der aͤltesten Maͤr- chen, naͤmlich aus einem lateinischen Gedicht des Mittelalters uͤbersetzt und zwar nach der in Stras- burg vorhandenen Papierhandschrift ( MS. Johann. C. 102. aus dem 15. Jahrh.) worin es 392 Zeilen in elegischem Versmaß bildet und Raparius uͤber- schrieben ist. Eine andere gleichzeitige wird zu Wien aufbewahrt, ( Denis II. 2. p. 1271. Cod. DI XII. R. 3356.) Das Gedicht selbst mag indessen bereits im 14. Jahrhund. verfaßt worden seyn, ohne Zweifel nach muͤndlicher Volkssage, vielleicht eben aus dem Elsaß. Denn die große Ruͤbe gehoͤrt zu den Volks- scherzen, und in dem Volksbuch von dem luͤgenhaf- ten Aufschneider (auch ins Schwedische uͤbersetzt Lund 1790.) heißt es: „Als ich nun weiter fortwanderte und nach Straßburg kam, sah ich daselbst auf dem Feld eine solch große Ruͤbe stehen, als ich noch niemals eine gesehen und ich glaube, daß einer mit einem Roß in drei langen Sommertagen die elbe nicht umreiten koͤnne.“ Dem Maͤrchen selbst fehlt es nicht an merkwuͤrdigen Beziehungen. Der mißrathene Versuch, den Gluͤckserwerb zu uͤberbieten, da doch das unschuldige Herz fehlt, in viel andern Maͤrchen. Die Erloͤsung aus dem Sack ist genau die ans dem Brunnen-Eimer in der Thierfabel, wo der Fuchs den dummen Wolf beruͤckt, hinunter ins Himmelreich einzugehen, damit ihn dieser heraus- ziehe; als sie sich unterwegs in den Eimern begegnen, spricht der Fuchs die bekannten spoͤttischen Worte: „so gehts in der Welt, der eine auf, der andere nie- der!“ Dieser Sack und Eimer sind ferner wiederum die Tonne, worin der kluge Mann von den dummen Bauern ersaͤuft werden soll (s. I. 61. und Scarpafico bei Straparola) der aber einem vorbeigehenden Hir- ten weiß macht, daß wer sich hinein lege, zu einer Hochzeit und großen Wuͤrde abgeholt werden sollte. In allen diesen Maͤrchen ist der Wuͤnschelsack oder das Gluͤcksfaß von der komischen Seite dargestellt, denn der Mythus wandelt gern den Ernst in Schimpf um. An die ernsthafte Seite erinnert aber unser Raparius am bedeutendsten: wie hier der Mann am Baum haͤngend Weisheit lernt, schwebt der nordische Weise in der Lnft und lernt alle Wissenschaft (Runa- capituli) veit ek, at ek hiek vindga meidi a naͤtur allar niu. (weiß ich, daß ich hing am winddurchwehten Baum ganzer neun Naͤchte lang.) tha nam ek frevaz ok frodr vera. (Da begann ich beruͤhmt und klug zu werden.) Odin setzt sich unter die Galgenbaͤume, redet mit den Haͤngenden und heißt darum hanga-god (-tyr- drottinn.) Dieser mythischen Wichtigkeit wegen moͤge die darauf bezuͤgliche Stelle des Originals zu- gleich eine Probe des Stils geben: Tunc quasi socraticus hunc laeta voce salutat et quafi nil triste perpatiatur ait: „salve! mi frater, hominum carissime salve! huc ades, ut spero, sorte favente bona.“ Erigit ille caput stupidosque regirat ocellos, ambigit et cujus vox sit et unde sonet. Dum super hoc dubitat, utrum fugiat maneatve, huc movet ire timor et vetat ire pudor. Sic sibi nutantem solidat constantia mentem, dixit: „l resonet vox tua, quisquis es hic?“ De sacco rursus auditur vox quoque secundo: „si dubitas, quid sim, suspice, tolle caput; in sacco sedeo, sedet sapientia mecum, hic studiis didici tempore multa brevi. Pape! scolas quaerunt longe lateque scolares, hic tantum veras noveris esse scolas. Hic, phas si sit adhuc hora subsistere parva, omnia nota dabit philosophia michi, ac cum prodiero, puto me sapientior inter terrigenas omnes non erit unus homo. Pectore clausa meo latet orbita totius anni, sic quoque siderei fabrica tota poli, lumina magna duo complector vi rationis, nec sensus fugient astra minora meos. Sed neque me signa possent duodena latere, quas vires habeant, quas et arena maris. Flatus ventorum bene cognovi variorum, cuilibet et morbo quae medicina valet S. Runacap. 9. ; vires herbarum bene cognovi variarum, et quae sit volucrum vis simul et lapidum. Septem per partes cognovi quaslibet artes; si foret hic Catho cederet atque Plato. Quid dicam plura? novi bene singula jura, caesareas leges hic studui varias. Qualiter et fraudes vitare queam muliebres S. Runacap. 24. 25. , gratulor hoc isto me didicisse loco. Hic totum didici, quod totus continet orbis, hoc totum saccus continet iste meus; nobilis hic saccus precioso dignior ostro, de cujus gremio gratia tanta fluit. Si semel intrares, daret experientia nosse, hic quantum saccus utilitatis habet.“ 61. Das jungegegluͤhte Maͤnnlein . Von Hans Sachs erzaͤhlt. Kempt. Ausg. IV. 3. 152 — 153. Neigt sich zu den Volksscherzen. Das Verjuͤngen alter Greise sammt dem misgluͤckenden Nachahmen erinnert gaͤnzlich an die griechische Fabel von Medea, Aeson und Pelias. 62. Des Herrn und des Teufels Geschirr. Von Hans Sachs erzaͤhlt im Jahr 1557. Kempt. Ausg. I. 5. S. 1006 — 1007. Die Woͤlfe als Got- tes Hunde stimmen merkwuͤrdig zu den odinischen Hunden (Vidris grey) gleichfalls Woͤlfen. Ueber das Einsetzen anderer Augen vgl. die drei Feldschee- rer, Nr. 32. Ein uralter Grund bricht allenthalben durch diese Fabel. 63. Der Hahnenbalken . Von Fr. Kind in Beckers Taschenbuch von 1812. in einem Gedicht erzaͤhlt; es hat Aehnlichkeit mit Ruͤbezahls Neckereien. Der oberste Gipfelbalken im Dachwerk heißt Hahnenbalken , weil der Hahn darauf zu sitzen pflegt (Parcifal 5758.) 64. Die alte Bettelfrau . Ein Bruchstuͤck und verworren. Wird in Stil- lings Juͤnglingsjahren erzaͤhlt, scheint aber ein altes Volksmaͤrchen, wobei die es vortragende Amme oder Mutter, den zuhoͤrenden Kindern vielleicht auch den Gang der krummen, gebuͤckten Alten mit dem Stock in der wackelnden Hand vormacht. Der Schluß fehlt, vermuthlich raͤcht sich das Bettelweib durch eine Ver- wuͤnschung, wie man mehr Sagen von eintretenden pilgernden Bettlerinnen hat, die man nicht ungestraft beleidigt. Es ist merkwuͤrdig, daß der in Bettlerge- wand verhuͤllte Odin unter dem Namen Grimnir in die Koͤnigshalle einkehrt und ihm die Kleider am Feuer zu brennen anfangen. Der eine Juͤngling bringt ihm ein Horn zu trinkeu , waͤhrend ihn der andere hatte zwischen die Flamme sitzen lassen. Zu spaͤt merkt der des Pilgers Goͤttlichkeit, will ihn aus der Flamme ziehen, faͤllt aber in sein eigen Schwert. 65. Die drei Faulen . Schimpf und Ernst Cap. 243. Die Gesta Ro- manor. (deutsche Ausg. Cap. 3. lat. Cap. 91.) haben das Maͤrchen auch, doch so, daß der, welcher sich lieber verbrennen will, der erste ist; welcher sich lie- ber will aufhenken lassen, der zweite: der dritte aber spricht: „laͤge ich in meinem Bett und mir fielen die Dachtropfen in beide Augen, ehe ich mich auf eine Seite wendete, ehe ließ ich mir die Tropfen die Augen ausschlahen .“ Fischart im Gargantua 79 b erzaͤhlt einen andern Fall von dem faulen Heinz: „eben wie jener Knecht, da man ihn fruͤh weckt: o de Vaͤgel- ken pipen schun in de Roͤrken ! oh, lat pipen, sahd he lat pipen, de Vaͤgelkens hefen klene Hoͤfdken, hefen bale utgeslapen, averst min Hoͤfedken is tomal gar grot, deit ime Noht me to slapen.“ 66. Die heilige Frau Kummerniß . Neigt sich wie Nr. I. 81. I, 3. Il. 1. II. 35. aus der heil. Legende ins Maͤrchen. Vergl. Strobl ovum paschale p. 216. 217. und Benign. Kybl Wunder- spiegel I. 505. uͤber die letzte Spielmannsbitte s. Nr. 24. den Jud im Dorn. Man hat mehr als eine Sa- ge von Heiligenbildern, die aus Gnade einen Finger der Hand ausstrecken, um den Ring daraus fallen zu lassen. Der heil. Sebald zu Nuͤrnberg, als ein fre- cher Gesell sein Bild am Bart zupfte und sprach: Alter, wie schmeckt dir der Most? regte die Hand und gab ihm eine Ohrfeige, daß die fuͤnf Finger auf der Wange unvertilgliche Spuren druͤckten. ( Wagen- seil. de civit. Norimberg. Altdorf 1697. 4. p. 37 — 57.) S. auch de beiden Kuͤnigeskinner (Nr. 27.) wo der steinerne Mann mit dem Kopf nickt. 67. Schlauraffenland . Die Fabel vom Affen- oder Schlauraf- fenland (die schlauen, klugen sind den dummen Affen, apar ósvinnir, mythischer Gegensatz) steigt ohne Frage in ein hohes Alter auf, da schon das ge- genwaͤrtige Maͤrchen aus einem altdeutschen Gedicht des 13 Jahrhunderts herruͤhrt. Bald wird sie spaß- haft, wie hier und meistentheils, gewendet, aber im Maͤrchen von dem Zuckerhaͤuschen, das mit Fladen gedeckt, mit Zimmt gebalkt ist, ( I. 16) erscheint sie in glaͤubigem Kinderernst gleichwohl dieselbe und schließt sich an die noch tieferen Mythen von dem verlorenen Paradies der Unschuld, worin Milch und Honig stroͤmen. Zu der ersten Art blos gehoͤrt Hans Sachsens bekannter Schwank (s. Haͤsleins Auszug S. 391.) und Fischarts Anspielung im Gargantua S. 96 a „in dem Land kann ich nicht mehr bleiben, die Luft thut mich in Schlauraffen treiben, drei Meil hinter Weihnacht, da sind die Lebkuchenwaͤnde, Schweinebratenbalken, Malvasirbrunnen, Milchram- Kindermärchen II. D regen, Zuckererbsenhagel, da wird der Spaß be- zahlt und der Schlaf belohnt, da gibts Bratwuͤrst- zaͤune, Honiggyps und Fladendaͤcher.“ Eben so hat man im altfranzoͤs. Fabliaux von dem pays de Co- cagne (Méon. 4. 176.) — Auf der andern Seite schlaͤgt das Maͤrchen in die vielen Sagen von den un- moͤglichen Dingen (Nr. 68.) und die gleichfalls alte Geschichte vom Finkenritter ein, dessen Fischart mehrmals gedenkt und woran er vielleicht selbst mit- gearbeitet hat (uͤber das Volksbuch vgl. Kochs Grund- riß 2.) Im Bienenkorb St. 4. Cap. 4. heißt es un- ter andern: „zur Zeit, da die Haͤuser flogen, die Thiere redten, die Baͤche brannten und man mit Stroh loͤschte, die Bauern bollen und die Hunde mit Spie- ßen herausliefen, zur Zeit des strengen Finkenrit- ters.“ Manches in der Zusammenstellung dieser un- moͤglichen Dinge deutet auf geheime, verloren gegan- gene Beruͤhrungen derselben dennoch hin und es ist hier, wie in den Traumdeutungen, die Reihe solcher ahnungsvollen Verwandtschaften (da ja uranfaͤnglich alle Gegensaͤtze verfließen) von den rohen und groben Luͤgen zu unterscheiden. Ein hollaͤndisches Volkslied „de droomende Reyziger“ wiewohl modernisirt hat aber noch viele alte Strophen und Uebereinstimmung mit dem Altdeutschen Gedicht, vgl. die Samml. To- verlantarn. S. 91 — 92. Vgl. das Dietmarsische Lied von den unmoͤgl Dingen, Walafrieds Strabo similitudo impossibilium (Canis. II. p. 2. p. 241.) und Stellen bei Tanhaͤuser 2. 66. Marner 2. 172. und Boppo 2. 236. Das Luͤgenmaͤrchen, das unter der Ueberschrift von den Wachteln sich in Hand- schrift (Nr. 119.) zu Wien befindet, hat auch eine mit unserm merkwuͤrdig uͤbereinstimmende Stelle. Die hunt sint mit muz behut, da sind kirchtuͤr gut, gemauert aus putern gotwaiz und schaint die sunn als haiz, daz schat im umb ain har. ain aichen-phaff , daz ist war ain puchain messe singet, der antlaz im geben wirt, daz im der ruck swirt, den segen man mit kolben gab ze hant hub ich mich herab, von dem antlaz ich ersrak: siben Wachteln in sak! 68. Das Dietmarsische Luͤgen-Maͤrchen. Nach Vieths Chronik. Vgl. Alterthumszeitung 1813. Nr. 6. S. 29. 69. Raͤthsel-Maͤrchen . Aus einem Volksbuch mit Raͤthseln. Die Ver- wandlung in Blumen auf dem Feld kommt auch im Liebsten Roland vor ( I. 56) und die Aufloͤsung hier erinnert an die Bienenkoͤnigin, die den Honigmund heraus findet ( I. S. 299.) 70. Der goldne Schluͤssel . Aus Hessen. Druckfehler . Seite 112. Zeile 7. lies machte sich . — 115 — 13. statt kommt l. komm . — 148. — 4. statt holte l. Holte . — 206. — 7. und 10. von unten st. Ort l. Ohre . — 208. — 16. st. kuren l. kuͤren . — 288. — 10. v. u. st. umgeschaffen l. un- geschaffen.