Danton’s Tod . Dramatische Bilder aus Frankreichs Schreckensherrschaft von Georg Büchner. Frankfurt am Main. Druck und Verlag von J. D. Sauerländer . 1835 . Personen . Georg Danton , Legendre , Camille Desmoulins , H é rault-S é chelles , Lacroix , Philippeau , Fabre d’Eglantine , Mercier , Thomas Payne , Deputirte. Robespierre , St. Just , Barr é re , Collot d’Herbois , Billand Varennes , Mitglieder des Wohlfahrts- Ausschusses. Chaumette , Procurator des Gemeinderaths. Dillon , ein General. Fouquier Tinville , öffentlicher Ankläger. 1* Herrmann, Dumas , Präsidenten der Revolutions- Tribunals. Paris , ein Freund Danton’s. Simon , Soufleur. La Flatte . Julie , Danton’s Gattin. Lucile , Gattin des Camille Desmoulins. Rosalie , Adelaide , Marion , Grisetten. Männer und Weiber aus dem Volk, Grisetten, Depu- tirte, Henker u. s. w. Erster Act . H é rault S é chelles , einige Damen (am Spieltisch), Danton, Julie , seine Gattin, (etwas weiter weg, Danton auf einem Schemel zu den Füßen Juliens ). Sieh die hübsche Dame, wie artig sie die Kar- ten dreht! Ja wahrhaftig, sie versteht’s; man sagt, sie halte ihrem Manne immer das Coeur und andern Leuten das Carreau hin. Ihr könntet Einen noch in die Lüge verliebt machen. Glaubst du an mich? Was weiß ich! Wir wissen wenig von einander. Wir sind Dickhäuter, wir strecken die Hände nach einander aus; aber es ist vergebliche Mühe, wir reiben nur das grobe Leder an einander ab, — wir sind sehr einsam. Du kennst mich, Danton. Ja, was man so kennen heißt. Du hast dunkle Augen und lockiges Haar und einen feinen Teint, und sagst immer zu mir: lieber Georg! Aber (er deutet ihr auf Stirn und Augen) da, da, was liegt hinter dem? Geh 1 , wir haben grobe Sinne. Einander kennen? Wir müßten uns die Schädel- decken aufbrechen und die Gedanken einander aus den Hirnfasern zerren. — (zu H é rault). Was haben Sie nur mit Ihren Fingern vor? Nichts. Schlagen Sie den Daumen nicht so ein, es ist nicht zum Ansehen. Geh’n Sie nur, das Ding hat eine ganz eigne Physiognomie. — Nein, Julie, ich liebe dich wie das Grab. (sich abwendend). Oh! Die Leute sagen, im Grab sei Ruhe, und Grab und Ruhe seien eins. Wenn das ist, lieg’ ich in dei- nem Schooß schon unter der Erde. Du süßes Grab, deine Lippen sind Todtenglocken, deine Stimme ist mein Grabgeläute, deine Brust mein Grabhügel und dein Herz mein Sarg. — Verloren! Das war ein verliebtes Abentheuer, es kostet Geld, wie alle andern. Dann haben Sie Ihre Liebeserklärungen, wie ein Taubstummer, mit den Fingern gemacht. Ei, warum nicht? Man will sogar behaupten, gerade die würden am leichtesten verstanden. Ich zettelte eine Liebschaft mit einer Kartenkönigin an, meine Finger waren in Spinnen verwandelte Prin- zen. Sie, Madame, waren die Fee; aber es ging schlecht, die Dame lag immer in den Wochen, je- den Augenblick erwischte sie einen Buben. Ich würde meine Tochter dergleichen nicht spielen lassen, die Herren und Damen falleń so seltsam durcheinander und die Buben kommen gleich hinten nach. ( Cammille Desmoulins und Philippeau treten ein.) Philippeau, welche trübe Augen! Hast du dir ein Loch in die rothe Mütze gerissen? Hat der heilige Jakob ein böses Gesicht gemacht? Hat es während des Guillotinirens geregnet? Oder hast du einen schlechten Platz dabei bekommen und nichts sehen können? Du parodirst den Sokrates. Weißt du auch, was der Göttliche den Alcibiades fragte, als er ihn eines Tages finster und niedergeschlagen fand? Hast du deinen Schild auf dem Schlachtfeld verloren, bist du im Wettlauf oder im Schwertkampf besiegt worden? Hat ein Andrer besser gesungen oder bes- ser die Cither geschlagen? Welche klassischen Re- publikaner! Nimm einmal unsere Guillotinenro- mantik dagegen! Heute sind wieder zwanzig Opfer gefallen. Wir waren im Irrthum, man hat die Hebertisten nur auf’s Schaffot geschickt, weil sie nicht systematisch genug verfuhren, vielleicht auch weil die Decemvirn sich verloren glaubten, wenn es nur eine Woche Männer gegeben hätte, die man mehr fürchtete, als sie. Sie möchtens uns zu Antediluvianern machen. St. Just säh’ es nicht ungern, wenn wir wieder auf allen Vieren kröchen, damit uns der Advokat von Arras nach der Mechanik des Genfer Uhr- machers Fallhütchen, Schulbänke und einen Herr- gott erfände. Sie würden sich nicht scheuen, zu dem Behuf an Marat’s Rechnung noch einige Nullen zu hän- gen. Wie lange sollen wir noch schmutzig und blu- tig sein wie neugeborne Kinder, die Guillotine zur Wiege haben und mit Köpfen spielen? Wir müs- sen vorwärts: Der Gnadenausschuß muß durchge- setzt, die ausgestoßenen Deputirten müssen wieder aufgenommen werden. Die Revolution ist in das Stadium der Reor- ganisation gelangt. — Die Revolution muß auf- hören und die Republik muß anfangen. — In un- sern Staatsgrundsätzen muß das Recht an die Stelle der Pflicht, das Wohlbefinden an die der Tugend und die Nothwehr an die der Strafe treten. Jeder muß sich geltend machen und seinen Naturtrieb durchsetzen können. Er mag vernünftig oder unvernünftig, ge- bildet oder ungebildet, gut oder böse sein, das geht den Staat nichts an. Wir Alle sind Narren, und Keiner hat das Recht, einem Andern seine eigen- thümliche Narrheit aufzudringen und ihm ein Ge- setz daraus zu machen. — Jeder muß in seiner Art genießen können, jedoch so, daß Keiner auf Unkosten eines Andern genießen oder ihn in seinem eigen- thümlichen Genuß stören darf. Die Staatsform muß ein durchsichtiges Gewand sein, das sich dicht an den Leib des Volkes schmiegt. Jedes Schwellen der Adern, jedes Spannen der Muskeln, jedes Zucken der Sehnen muß sich darin ausdrücken. Die Gestalt mag nun schön oder häß- lich sein, sie hat einmal das Recht, zu sein wie sie ist, wir sind nicht berechtigt, ihr ein Röcklein nach Belieben zuzuschneiden. — Wir werden den Leuten, welche über die nackten Schultern der allerliebsten Sünderin Frankreich den Nonnenschleier werfen wol- len, auf die Finger schlagen. — Wir wollen nackte Götter, Bachantinnen, olympische Spiele, und me- lodische Lippen; ach, die gliederlösende, böse Liebe! Wir wollen den Römern nicht verwehren, sich in die Ecke zu setzen und Rüben zu kochen, aber sie sollen uns keine Gladiatorspiele mehr geben wollen. — Der göttliche Epicur und Venus müssen statt der Heiligen, Marat und Chalier die Thürsteher der Republik werden. — Danton! du wirst den Angriff im Convent machen. Ich werde, du wirst, er wird. Wenn wir bis dahin noch leben, sagen die alten Weiber. Nach einer Stunde werden sechzig Minuten verflossen sein. Nicht wahr, mein Junge? Was soll das hier? das versteht sich von selbst. O, es versteht sich Alles von selbst. Wer soll denn aber alle die schönen Dinge in’s Werk setzen? Wir und die ehrlichen Leute. Das „ und “ dazwischen ist ein langes Wort, es hält uns ein wenig weit auseinander, die Strecke ist lang, die Ehrlichkeit verliert den Athem, eh wir zusammen kommen. Und wenn auch! — den ehr- lichen Leuten kann man Geld leihen, man kann bei ihnen Gevatter stehn und seine Töchter an sie verheirathen, aber das ist Alles! Wenn du das weißt, warum hast du den Kampf begonnen? Die Leute waren mir zuwider. Ich konnte der- gleichen gespreizte Katone nie ansehn, ohne ihnen einen Tritt zu geben. Mein Naturell ist einmal so. (Er erhebt sich.) Du gehst? (zu Julie ). Ich muß fort, sie reiben mich mit ihrer Politik noch auf. — (Im Hinausgehn) Zwischen Thür und Angel will ich euch prophezeien: die Statue der Freiheit ist noch nicht gegossen, der Ofen glüht, wir Alle können uns noch die Finger dabei ver- brennen. (Ab.) Laßt ihn! Glaubt ihr: er könne die Finger da- von lassen, wenn es zum Handeln kömmt? Ja, aber bloß zum Zeitvertreib, wie man Schach spielt. Eine Gasse . Simon . Sein Weib . (schlägt das Weib). Du Kuppelpelz, du runzliche Sublimatpille, du wurmstichiger Sündenapfel! Zu Hülfe! Hülfe! (Es kommen Leute gelaufen:) Reißt sie auseinander, reißt sie auseinander! Nein, laßt mich, Römer! Zerschellen will ich dies Geripp! Du Vestalin! Ich eine Vestalin? Das will ich sehen, ich? So reiß ich von den Schultern dein Gewand, Nackt in die Sonne schleudr’ ich dann dein Aas, In jeder Runzel deines Leibes nistet Unzucht. (Sie werden getrennt.) Was giebt’s? Wo ist die Jungfrau? Sprich! Nein, so kann ich nicht sagen. Das Mädchen; nein, auch das nicht; die Frau, das Weib! Auch das, auch das nicht! Nur noch ein Name; o, der erstickt mich! Ich habe keinen Athem dafür. Das ist gut, sonst würde der Name nach Wein riechen. Alter Virginius, verhülle dein kahles Haupt, — der Rabe Schande sitzt darauf, und hackt nach dei- nen Augen. Gebt mir ein Messer, Römer! (Er sinkt um.) Ach er ist sonst ein braver Mann, er kann nur nicht viel vertragen; der Wein stellt ihm gleich ein Bein. Dann geht er mit dreien. Nein, er fällt. Richtig, erst geht er mit dreien, und dann fällt er auf das dritte, bis das dritte selbst wieder fällt. Du bist die Vampyrzunge, die mein wärmstes Herzblut trinkt. Laßt ihn nur, das ist so die Zeit, worin er im- mer gerührt wird; es wird sich schon geben. Was gibt’s denn? Seht ihr: ich saß da so auf dem Stein in der Sonne, und wärmte mich; — seht ihr, denn wir haben kein Holz, seht ihr — So nimm deines Mannes Nase. Und meine Tochter war da hinunter gegangen um die Ecke, — sie ist ein braves Mädchen und er- nährt ihre Eltern. Ha, sie bekennt. Du Judas, hättest du mir ein Paar Hosen hin- aufzuziehen, wenn die jungen Herren nicht gegen sie — artig wären? Du Weinfaß, willst du ver- dursten, wenn das Brünnlein zu laufen auf- hört? He! — Wir arbeiten mit allen Gliedern, warum denn nicht auch damit; ihre Mutter hat geschafft, wie sie zur Welt kam, und es hat ihr weh gethan; kann sie für ihre Mutter nicht auch schaffen, he? Und thut’s ihr auch weh dabei, he? Du Dummkopf! Ha, Lucretia! ein Messer; gebt mir ein Messer, Römer! Ha, Appius Claudius! Ja, ein Messer, aber nicht für das arme Kind! Was that es? Nichts! Ihr Hunger bettelt. Ein Messer für die Leute, die das Fleisch unserer Wei- ber und Töchter kaufen! Weh über die, so mit den Töchtern des Volkes buhlen! Ihr habt Kollern im Leib und sie haben Magendrücken, ihr habt Löcher in den Jacken und sie haben warme Röcke, ihr habt Schwielen in den Fäusten und sie haben Sammt- hände. Ergo ihr arbeitet und sie thun nichts, ergo ihr habt’s erworben und sie haben’s gestohlen, ergo : wenn ihr von eurem gestohlnen Eigenthum ein Paar Heller wieder haben wollt, müßt ihr buhlen und betteln, ergo : sie sind Spitzbuben und man muß sie todtschlagen. Sie haben kein Blut in den Adern, als was sie uns ausgesogen haben. Sie haben uns gesagt: schlagt die Aristokraten todt, das sind Wölfe! Wir haben die Aristokraten an die Laterne gehenkt. Sie ha- ben gesagt: das Veto frißt euer Brod! wir haben das Veto todtgeschlagen. Sie haben gesagt: die Girondisten hungern euch aus; wir haben die Gi- rondisten guillotinirt. Aber sie haben die Todten ausgegraben, und wir laufen wie zuvor auf nackten Beinen und frieren. Wir wollen ihnen die Haut von den Schenkeln ziehen und uns Hosen daraus machen, wir wollen ihnen das Fett auslassen und unsere Suppen damit schmelzen. Fort! Todtgeschla- gen, wer kein Loch im Rock hat! Todtgeschlagen, wer lesen und schreiben kann! Todtgeschlagen, wer auswärts geht! 2 ( Alle schreien:) Todtgeschlagen, todtgeschlagen! (Einige schleppen einen jungen Menschen herbei.) Er hat ein Schnupftuch! ein Aristokrat! an die Laterne! an die Laterne! Was? er schneuzt sich die Nase nicht mit den Fingern? An die Laterne! (Eine Laterne wird heruntergelassen.) Ach, meine Herrn! Es gibt hier keine Herren! An die Laterne! Einige singen: Die da liegen in der Erden, Von de Würm gefresse werden; Besser hangen in der Luft, Als verfaulen in der Gruft! Erbarmen! Nur ein Spielen mit einer Hanf-Locke um den Hals! Es ist nur ein Augenblick! Wir sind barmherziger, als ihr. Unser Leben ist der Mord durch Arbeit; wir hängen sechzig Jahre lang am Strick und zapplen, aber wir werden uns losschneiden. — An die Laterne! Meinetwegen, ihr werdet deßwegen nicht hel- ler sehen. Bravo! Bravo! Laßt ihn laufen! (Er entwischt.) Robespierre tritt auf, begleitet von Weibern und Ohnehosen. Was gibt’s da, Bürger? Was wird’s geben? Die Paar Tropfen Bluts vom August und September haben dem Volk die Backen nicht roth gemacht. Die Guillotine ist zu langsam. Wir brauchen einen Platzregen. Unsere Weiber und Kinder schreien nach Brod, wir wollen sie mit Aristokratenfleisch füttern. He! todtgeschlagen, wer kein Loch im Rock hat! 2* Todtgeschlagen! Todtgeschlagen! Im Namen des Gesetzes! Was ist das Gesetz? Der Wille des Volkes. Wir sind das Volk, und wir wollen, daß kein Gesetz sei; ergo : ist dieser Wille das Gesetz, ergo : im Namen des Gesetzes gibt’s kein Gesetz mehr, ergo : todtgeschlagen. Hört den Aristides, hört den Unbestechlichen! Hört den Messias, der gesandt ist, zu wählen und zu richten; er wird die Bösen mit der Schärfe des Schwertes schlagen. Seine Augen sind die Augen der Wahl, und seine Hände sind die Hände des Gerichts. Armes, tugendhaftes Volk! Du thust deine Pflicht, du opferst deine Feinde. Volk! du bist groß. Du offenbarst dich unter Blitzstrahlen und Donnerschlägen. Aber, Volk, deine Streiche dür- fen deinen eignen Leib nicht verwunden; du mor- dest dich selbst in deinem Grimm. Du kannst nur durch deine eigne Kraft fallen, das wissen deine Feinde. Deine Gesetzgeber wachen, sie werden deine Hände führen, ihre Augen sind untrügbar, deine Hände sind unentrinnbar. Kommt mit zu den Ja- cobinern. Eure Brüder werden euch ihre Arme öffnen, wir werden ein Blutgericht über unsere Feinde halten. Zu den Jacobinern! Es lebe Robespierre! (Alle ab.) Weh mir, verlassen! (Er versucht, sich aufzurichten. Da! (Sie unterstützt ihn.) Ach meine Baucis, du sammelst Kohlen auf mein Haupt. Da steh! Du wendest dich ab? Ha, kannst du mir ver- geben, Portia? Schlug ich dich? Das war nicht meine Hand, war nicht mein Arm, mein Wahn- sinn that es. Sein Wahnsinn ist des armen Ham- let Feind. Hamlet that’s nicht, Hamlet verläugnet’s. Wo ist unsere Tochter, wo ist mein Sannchen? Da um das Eck herum. Fort zu ihr! Komm mein tugendreich Gemal. (Beide ab.) Der Jacobinerklubb . Die Brüder von Lyon senden uns, um in eure Brust ihren bittern Unmuth auszuschütten. Wir wissen nicht, ob der Karren, auf dem Ronsin zur Guillotine fuhr, der Todtenwagen der Freiheit war, aber wir wissen, daß seit jenem Tage die Mörder Chalier’s wieder so fest auf den Boden treten, als ob es kein Grab für sie gäbe. Habt ihr vergessen, daß Lyon ein Flecken auf dem Boden Frankreichs ist, den man mit den Gebeinen der Vorräther zu- decken muß? Habt ihr vergessen, daß diese Metze der Könige ihren Aussatz nur in dem Wasser der Rhone abwaschen kann? Habt ihr vergessen, daß dieser revolutionäre Strom die Flotten Pitt’s im Mittelmeere auf den Leichen der Aristrokraten muß stranden machen? Eure Barmherzigkeit mordet die Revolution. Der Athemzug eines Aristokraten ist das Röcheln der Freiheit. Nur ein Feigling stirbt für die Republik, ein Jacobiner tödtet für sie. Wißt: finden wir in euch nicht mehr die Spann- kraft der Männer des 10. August, des September und des 31. Mai, so bleibt uns, wie dem Patien- ten Gaillard, nur der Dolch des Cato. (Beifall und verwirrtes Geschrei.) Wir werden den Becher des Socrates mit euch trinken! (schwingt sich auf die Tribüne). Wir haben nicht nöthig, unsere Blicke auf Lyon zu werfen. Die Leute, die seidene Kleider tragen, die in Kutschen fahren, die in den Logen im Thea- ter sitzen und nach dem Dictionär der Akademie sprechen, tragen seit einigen Tagen die Köpfe fest auf den Schultern. Sie sind witzig und sagen, man muß Marat und Chalier zu einem doppel- ten Märtyrenthum verhelfen, und sie in effigie guillotiniren. (Heftige Bewegung in der Versammlung.) Das sind todte Leute. Ihre Zunge guillotinirt sie. Das Blut dieser Heiligen komme über sie! Ich frage die anwesenden Mitglieder des Wohlfahrts- Ausschusses, seit wann ihre Ohren so taub ge- worden sind? — (unterbricht ihn). Und ich frage dich, Legendre, wessen Stimme solchen Gedanken Athem gibt, daß sie lebendig wer- den und zu sprechen wagen? Es ist Zeit, die Masken abzureiffen. Hört! die Ursache verklagt ihre Wirkung, der Ruf sein Echo, der Grund seine Folge. Der Wohlfahrts-Ausschuß versteht mehr Logik, Legendre. Sei ruhig. Die Büsten der Hei- ligen werden unberührt bleiben, sie werden wie Medusenhäupter die Verräther in Stein verwandeln. Ich verlange das Wort. Hört, hört den Unbestechlichen! Wir warteten nur auf den Schrei des Unwil- lens, der von allen Seiten ertönt, um zu sprechen. Unsere Augen waren offen, wir sahen den Feind sich rüsten und sich erheben, aber wir haben das Lärmzeichen nicht gegeben; wir ließen das Volk sich selbst bewachen, es hat nicht geschlafen, es hat an die Waffen geschlagen. Wir ließen den Feind aus seinem Hinterhalt hervorbrechen, wir ließen ihn anrücken, jetzt steht er frei und ungedeckt in der Helle des Tages, jeder Streich wird ihn treffen, er ist todt, sobald ihr ihn erblickt habt. — Ich habe es euch schon einmal gesagt: in zwei Abtheilungen, wie in zwei Heereshaufen sind die inneren Feinde der Republik zerfallen. Unter Bannern von ver- schiedener Farbe und auf den verschiedensten We- gen eilen sie alle dem nämlichen Ziele zu. Die eine dieser Faktionen ist nicht mehr. In ihrem affectirten Wahnsinn suchte sie die erprobtesten Pa- trioten als abgenutzte Schwächlinge bei Seite zu werfen, um die Republik ihrer kräftigsten Arme zu berauben. Sie erklärte der Gottheit und dem Eigen- thum den Krieg, um eine Diversion zu Gunsten der Könige zu machen. Sie parodirte das erhabene Drama der Revolution, um dieselbe durch studire Ausschweifungen bloszustellen. Hebert’s Triumph hätte die Republik in ein Chaos verwandelt, und der Despotismus war befriedigt. Das Schwert des Gesetzes hat den Verräther getroffen. Aber was liegt den Fremden daran, wenn ihnen Ver- brecher einer andern Gattung zur Erreichung des nämlichen Zwecks bleiben? Wir haben nichts ge- than, wenn wir noch eine andere Faction zu ver- nichten haben. — Sie ist das Gegentheil der vor- hergehenden. Sie treibt uns zur Schwäche, ihr Feldgeschrei heißt: Erbarmen! Sie will dem Volk seine Waffen und die Kraft, welche die Waffen führt, entreißen, um es nackt und entnervt den Königen zu überantworten. — Die Waffe der Republik ist der Schrecken, die Kraft der Republik ist die Tu- gend, — die Tugend, weil ohne sie der Schrecken ver- derblich, — der Schrecken, weil ohne ihn die Tugend ohnmächtig ist. Der Schrecken ist ein Ausfluß der Tugend, er ist nichts anders als die schnelle, strenge und unbeugsame Gerechtigkeit. Sie sagen: der Schrecken sei die Waffe einer despotischen Regie- rung, die unsrige gleiche also dem Despotismus. Freilich, aber so wie das Schwert in den Händen eines Freiheitshelden dem Säbel gleicht, womit der Satellit des Tyrannen bewaffnet ist. Beherrsche der Despot seine thierähnlichen Unterthanen durch den Schrecken, er hat Recht als Despot; zerschmet- tert durch den Schrecken die Feinde der Freiheit, und ihr habt als Stifter der Republik nicht minder Recht. Die Revolutions-Regierung ist der Despo- tismus der Freiheit gegen die Tyrannei. Erbarmen mit den Royalisten! rufen gewisse Leute. Erbarmen mit Bösewichtern? Nein! Erbarmen für die Un- schuld, Erbarmen für die Schwäche, Erbarmen für die Unglücklichen, Erbarmen für die Menschheit! In einer Republik sind nur Republikaner — Bürger; Royalisten und Fremde sind Feinde. Die Unter- drücker der Menschheit bestrafen ist Gnade, ihnen verzeihen ist Barbarei. Alle Zeichen einer falschen Empfindsamkeit scheinen mir Seufzer, welche nach England oder Österreich fliegen. — Aber, nicht zu- frieden, den Arm des Volks zu entwaffnen, sucht man noch die heiligsten Quellen seiner Kraft durch das Laster zu vergiften. Dies ist der feinste, ge- fährlichste und abscheulichste Angriff auf die Frei- heit. Das Laster ist das Kainszeichen des Aristo- kratismus. In einer Republik ist es nicht nur ein moralisches sondern auch ein politisches Verbrechen; der Lasterhafte ist der politische Feind der Freiheit, er ist ihm um so gefährlicher, je größer die Dienste sind, die er ihr scheinbar erwiesen. Der gefährlichste Bürger ist derjenige, welcher leichter ein Dutzend rothe Mützen verbraucht, als eine gute Handlung vollbringt. Ihr werdet mich leicht verstehen, wenn ihr an Leute denkt, welche sonst in Dachstuben leb- ten und jetzt in Carossen fahren und mit ehema- ligen Marquisinnen und Baronessen Unzucht trei- ben. Wir dürfen wohl fragen, ist das Volk gepfän- det, oder sind die Goldhände der Könige gedrückt worden, wenn wir Gesetzgeber des Volkes mit al- len Lastern und allem Luxus der ehemaligen Höf- linge Parade machen, wenn wir diese Marquise und Grafen reiche Weiber heirathen, üppige Gastmähler geben, spielen, Diener halten und kostbare Kleider tragen sehen? — Wir dürfen wohl staunen, wenn wir sie Einfälle haben, schöngeistern und so etwas von gutem Ton bekommen hören. Man hat vor Kurzem auf eine unverschämte Weise den Tacitus parodirt, ich könnte mit dem Sallust antworten und den Catilina travestiren; doch ich denke, ich habe keine Striche mehr nöthig, die Porträts sind fertig. — Keinen Vertrag, keinen Waffenstillstand mit den Menschen, welche nur auf Ausplünderung des Vol- kes bedacht waren, welche diese Ausplünderung un- gestraft zu vollbringen hofften, für welche die Re- publik eine Spekulation und die Revolution ein Handwerk war! In Schrecken gesetzt durch den reißenden Strom der Beispiele suchen sie ganz leise die Gerechtigkeit abzukühlen. Man sollte glauben, jeder sage zu sich selbst: wir sind nicht tugendhaft genug, um so schrecklich zu sein. Philosophische Gesetzgeber! erbarmt euch unserer Schwäche; ich wage euch nicht zu sagen, daß ich lasterhaft bin; ich sage euch also: seid nicht grausam. Beruhige dich, tugendhaftes Volk, beruhigt euch, ihr Patrio- ten, sagt euern Brüdern zu Lyon: das Schwert des Gesetzes roste nicht in den Händen, denen ihr es anvertraut habet. Wir werden der Republik ein großes Beispiel geben. (Allgemeiner Beifall.) Es lebe die Republik! Es lebe Robespierre! Die Sitzung ist aufgehoben. Eine Gasse . Lacroix. Legendre . Was hast du gemacht, Legendre. Weißt du auch, wem du mit deinen Büsten den Kopf her- unterwirfst? Einigen Stutzern und eleganten Weibern, das ist Alles. Du bist ein Selbstmörder, ein Schatten, der sein Original und somit sich selbst ermordet. Ich begreife nicht. Ich dächte: Collot hätte deutlich gesprochen. Was macht das? Er war wieder betrunken. Narren, Kinder und — nun? — Betrunkne sagen die Wahrheit. Wen glaubst du denn, daß Robespierre mit dem Catilina gemeint habe? Nun? Die Sache ist einfach. Man hat die Atheisten und Ultrarevolutionärs auf’s Schaffot geschickt; aber dem Volk ist nicht geholfen, es läuft noch baarfuß in den Gassen und will sich aus Aristokraten-Leder Schuhe machen. Der Guillotinen-Thermometer darf nicht fallen; noch wenige Grade, und der Wohl- fahrts-Ausschuß kann sich sein Bett auf dem Revo- lutionsplatz suchen. Was haben damit meine Büsten zu schaffen? Siehst du es noch nicht? Du hast die Contre- Revolution officiell bekannt gemacht, du hast die Decemvirn zur Energie gezwungen, du hast ihnen die Hand geführt. Das Volk ist ein Minotaurus, der wöchentlich seine Leichen haben muß, wenn er sie nicht auffressen soll. Wo ist Danton? Was weiß ich! Er sucht eben die mediceische Venus stückweise bei allen Grisetten im Palais- Royal zusammen; er macht Mosaik, wie er sagt. Der Himmel weiß, bei welchem Glied er gerade ist. Es ist ein Jammer, daß die Natur die Schön- heit, wie Medea ihren Bruder, zerstückt, und sie so in Fragmenten in die Körper gesenkt hat. — Gehn wir in’s Palais-Royal! (Beide ab.) Ein Zimmer . Danton. Marion . Nein, laß mich! So zu deinen Füßen. Ich will dir erzählen! Du könntest deine Lippen besser gebrauchen. Nein, laß mich einmal so. Meine Mutter war eine kluge Frau; sie sagte mir immer: die Keusch- heit sei eine schöne Tugend. Wenn Leute in’s Haus kamen, und von manchen Dingen zu sprechen an- fingen, hieß sie mich aus dem Zimmer gehen; frug ich, was die Leute gewollt hatten, so sagte sie: ich solle mich schämen; gab sie mir ein Buch zu lesen, so mußte ich fast immer einige Seiten überschlagen. Aber die Bibel las ich nach Belieben, da war Alles heilig; aber es war etwas darin, was ich nicht be- griff, ich mochte auch Niemand fragen, ich brütete über mir selbst. Da kam der Frühling, es ging überall etwas um mich vor, woran ich keinen Theil hatte. Ich gerieth in eine eigene Atmosphäre, sie erstickte mich fast. Ich betrachtete meine Glieder, es war mir manchmal, als wäre ich doppelt und verschmölze dann wieder in Eins. Ein junger Mensch kam zu der Zeit in’s Haus; er war hübsch und sprach oft tolles Zeug, ich wußte nicht recht, was er wollte, aber ich mußte lachen. Meine Mutter hieß ihn öfters kommen, das war uns beiden recht. Endlich sahen wir nicht ein, warum wir nicht eben so gut auf — sonst eine Art uns miteinander un- terhalten, als bloß auf zwei Stühlen neben einan- der sitzen dürften. Ich sah nicht ab, warum man mir das Geringere gewähren und das Größere ent- ziehen wollte. Aber ich wurde wie ein Meer, was Alles verschlang und sich tiefer und tiefer wühlte. Es war für mich nur Ein Gegensatz da, alle Män- ner verschmolzen in Einen Leib. Meine Natur war einmal so, wer kann da drüber hinaus? Endlich 3 merkt’ er’s. Er kam eines Morgens und küßte mich, als wollte er mich ersticken; seine Arme schnürten sich um meinen Hals, ich war in unsäglicher Angst. Da ließ er mich los, und lachte, und sagte: er hätte fast einen dummen Streich gemacht, ich solle mein Kleid nur behalten und es brauchen, es würde sich schon von selbst abtragen, er wolle mir den Spaß nicht vor der Zeit verderben, es wäre doch das Einzige, was ich hätte. Dann ging er, ich wußte wieder nicht, was er wollte. Den Abend saß ich am Fenster, ich bin sehr reizbar und hänge mit Allem um mich nur durch eine Empfindung zu- sammen; ich versank in die Wellen der Abendröthe. Da kam ein Haufe die Straße herab, die Kinder liefen voraus, die Weiber sahen aus den Fenstern. Ich sah hinunter, sie trugen ihn in einem Korb vorbei, der Mond schien auf seine bleiche Stirn, seine Locken waren feucht, er hatte sich ersäuft. Ich mußte weinen. Das war der einzige Bruch in mei- nem Wesen. Die andern Leute haben Sonn- und Werktage, sie arbeiten sechs Tage und beten am siebenten, sie sind jedes Jahr auf ihrem Geburts- tag einmal gerührt und denken auf Neujahr einmal nach. Ich begreife nichts davon; ich kenne keinen Absatz, keine Veränderung; ich bin immer nur eins, ein ununterbrochenes Sehnen und Fassen, eine Gluth, ein Strom. Meine Mutter ist vor Gram gestorben; die Leute weisen mit Fingern auf mich, das ist dumm. Es läuft auf eins hinaus, an was man seine Freude hat, an Reliquien oder an Le- bendigen, an Blumen oder Kinderspielsachen; es ist das nämliche Gefühl; wer am meisten genießt, betet am meisten. Warum kann ich deine Schönheit nicht ganz in mich fassen, sie nicht ganz umschließen? Danton, deine Lippen haben Augen. Ich möchte ein Theil des Äthers sein, um dich in meiner Fluth zu baden, um mich auf jeder Welle deines schönen Leibes zu brechen. Lacroix, Adelaide, Rosalie treten ein. Lacroix (bleibt in der Thüre stehn). Ich muß lachen, ich muß lachen. Nun? 3* Die Gasse fällt mir ein. Und? Auf der Gasse waren Hunde, eine Dogge und ein Bologneser Schooßhündlein, die quälten sich. Was soll das? Das fiel mir nun grade so ein, und da mußt’ ich lachen. Es sah erbaulich aus! Die Mädel guckten aus den Fenstern; man sollte vorsichtig sein und sie nicht einmal in der Sonne sitzen lassen. Die unmoralischen Mücken erwecken ihnen sonst allerhand erbauliche Gedanken. Legendre und ich sind fast durch alle Zellen gelaufen, mehr als eine apokalyptische Dame hing uns an den Rockschößen und wollte den Segen. Legendre gibt einer die Disciplin, aber er wird einen Monat dafür zu fasten bekommen. Da bringe ich zwei von ihnen. Guten Tag, Demoiselle Adelaide, guten Tag Demoiselle Rosalie. Wir hatten schon lange nicht das Vergnügen. Es war mir recht leid. Ach Gott, wir sind Tag und Nacht beschäftigt. (zu Rosalie). Ei, Kleine, du hast geschmeidige Hüften be- kommen. Ach ja, man vervollkommnet sich täglich. Was ist der Unterschied zwischen dem antiken und einem modernen Adonis? Und Adelaide ist sittsam-interessant geworden; eine pikante Abwechslung. Ihr Gesicht sieht aus wie ein Feigenblatt, das sie sich vor den ganzen Leib hält. So ein Feigenbaum an einer so gang- baren Straße gibt einen erquicklichen Schatten. So höre doch; ein moderner Adonis wird nicht von einem Eber, sondern von Säuen zerrissen; er bekommt seine Wunde nicht am Schenkel, sondern in den Leisten, und aus seinem Blut sprossen nicht Rosen hervor — O laß das; Fräulein Rosalie ist ein restaurirter Torso, woran nur die Hüften und Füße antik sind. Sie ist eine Magnetnadel; was der Pol-Kopf ab- stößt, zieht der Pol-Fuß an. Zwei barmherzige Schwestern; jede dient in einem Spital, d. h. in ihrem eignen Körper. Schämen Sie sich, unsere Ohren roth zu machen! Sie sollten mehr Lebensart haben. ( Adelaide und Rosalie ab.) Gute Nacht, ihr hübschen Kinder! Gute Nacht, ihr Silbergruben. Sie dauern mich, sie kommen um ihr Nachtessen. Höre, Danton, ich komme von den Jacobinern. Nichts weiter? Die Lyoner verlasen eine Proclamation; sie meinten, es bliebe ihnen nichts übrig, als sich in die Toga zu wickeln. Jeder machte ein Gesicht, als wollte er zu seinem Nachbar sagen: Paetus, es schmerzt nicht! — Legendre rief: man wolle Cha- liers und Marats Büsten zerschlagen. Ich glaube, er will sich das Gesicht wieder roth machen; er ist ganz aus der terreur herausgekommen, die Kinder zupfen ihn auf der Gasse am Rock. Und Robespierre? Fingerte auf der Tribüne und sagte: die Tu- gend muß durch den Schrecken herrschen. Die Phrase machte mir Halsweh. Sie hobelt Bretter für die Guillotine. Und Collot schrie wie besessen, man müsse die Masken abreißen. Da werden die Gesichter mitgehen. ( Paris tritt ein.) Was gibt’s, Fabricius? Von den Jacobinern weg ging ich zu Robes- pierre; ich verlangte eine Erklärung. Er suchte eine Miene zu machen wie Brutus, der seine Söhne opfert. Er sprach im Allgemeinen von den Pflich- ten, sagte: der Freiheit gegenüber kenne er keine Rücksicht, er würde Alles opfern, sich, seinen Bru- der, seine Freunde. Das war deutlich; man braucht nur die Scala herumzukehren, so steht er unten, und hält seinen Freunden die Leiter. Wir sind Legendre Dank schuldig, er hat sie sprechen gemacht. Die Hebertisten sind noch nicht todt, das Volk ist materiell elend, das ist ein furchtbarer Hebel. Die Schaale des Blutes darf nicht steigen, wenn sie dem Wohlfahrts-Ausschuß nicht zur Laterne wer- den soll; er hat Ballast nöthig, er braucht einen schweren Kopf. Ich weiß wohl, — die Revolution ist wie Sa- turn, sie frißt ihre eigenen Kinder. (Nach einigem Besinnen.) Doch, sie werden’s nicht wagen. Danton, du bist ein todter Heiliger; aber die Revolution kennt keine Reliquien, sie hat die Ge- beine aller Könige auf die Gasse und alle Bildsäu- len von den Kirchen geworfen. Glaubst du, man würde dich als Monument stehen lassen? Mein Name! das Volk! Dein Name! du bist ein Gemäßigter, ich bin einer, Camille, Philippeau, H é rault. Für das Volk sind Schwäche und Mäßigung eins; es schlägt die Nachzügler todt. Die Schneider von der Section der rothen Mütze werden die ganze römische Ge- schichte in ihrer Nadel fühlen, wenn der Mann des September ihnen gegenüber ein Gemäßigter ist. Sehr wahr, und ausserdem — das Volk ist wie ein Kind, es muß Alles zerbrechen, um zu sehen, was darin steckt. Und ausserdem, Danton, sind wir lasterhaft, wie Robespierre sagt, d. h. wir genießen; und das Volk ist tugendhaft, d. h. es genießt nicht, weil ihm die Arbeit die Genußorgane stumpf macht; es besäuft sich nicht, weil es lein Geld hat, und es schweift nicht aus, weil es nach Käse und Häring aus dem Hals stinkt, und die Mädel davor einen Ekel haben. Es haßt die Genießenden, wie ein Eunuch die Männer. Man nennt uns Spitzbuben und (sich zu den Ohren Danton’s neigend) es ist, unter uns gesagt, so halbwegs was Wahres daran. Robespierre und das Volk werden tugendhaft sein, St. Just wird einen Roman schreiben, und Barri è re wird eine Carmagnole schneidern und dem Convent das Blut- mäntelchen umhängen und — ich sehe Alles. Du träumst. Sie hatten nie Muth ohne mich, sie werden keinen gegen mich haben; die Revolution ist noch nicht fertig, sie könnten mich noch nöthig haben, sie werden mich im Arsenal aufheben. Wir müssen handeln. Das wird sich finden. Es wird sich finden, wenn wir verloren sind. (zu Danton). Deine Lippen sind kalt geworden, deine Worte haben deine Küsse erstickt. (zu Marion). So viel Zeit zu verlieren, das wär’ der Mühe werth. (Zu Lacroix.) Morgen geh’ ich zu Robes- pierre, ich werde ihn ärgern, da kann er nicht schweigen. Morgen also! Gute Nacht, meine Freunde, gute Nacht, ich danke euch. Packt euch, meine guten Freunde, packt euch! Gute Nacht, Danton, der mons Veneris wird dein tarpeischer Fels. Zweiter Act . Ein Zimmer . Robespierre. Danton. Paris . Ich sage dir, wer mir in den Arm fällt, wenn ich das Schwert ziehe, ist mein Feind, — seine Absicht thut nichts zur Sache; wer mich verhindert, mich zu vertheidigen, tödtet mich so gut, als wenn er mich angriffe. Wo die Nothwehr aufhört, fängt der Mord an; ich sehe keinen Grund, der uns länger zum Tödten zwänge. Die sociale Revolution ist noch nicht fertig; wer eine Revolution zur Hälfte vollendet, gräbt sich selbst sein Grab. Die gute Gesellschaft ist noch nicht todt, die gesunde Volkskraft muß sich an die Stelle dieser nach allen Richtungen abgekitzelten Klasse setzen. Das Laster muß bestraft werden, die Tu- gend muß durch den Schrecken herrschen. Ich verstehe das Wort Strafe nicht. — Mit deiner Tugend, Robespierre! — Du hast kein Geld genommen, du hast keine Schulden gemacht, du hast immer einen anständigen Rock getragen und dich nie betrunken. Robespierre, du bist empörend recht- schaffen. Ich würde mich schämen, dreißig Jahre lang mit der nämlichen Moralphysiognomie zwischen Himmel und Erde herumzulaufen, blos um des elenden Vergnügens willen, Andere schlechter zu finden, als mich. — Ist denn nichts in dir, was dir nicht manchmal ganz leise, heimlich sagte: du lügst, du lügst?! Mein Gewissen ist rein. Das Gewissen ist ein Spiegel, vor dem ein Affe sich quält; jeder putzt sich, wie er kann und geht auf seine eigne Art auf seinen Spaß dabei aus. Das ist der Mühe werth, sich darüber in den Haa- ren zu liegen. Jeder mag sich wehren, wenn ein andrer ihm den Spaß verdirbt. Hast du das Recht, aus der Guillotine einen Waschzuber für die un- reine Wäsche anderer Leute und aus ihren abgeschla- genen Köpfen Fleckkugeln für ihre schmutzigen Klei- der zu machen, weil du immer einen sauber gebür- steten Rock trägst? Ja, du kannst dich wehren, wenn sie dir drauf spucken oder Löcher hineinreißen; aber was geht’s dich an, so lang sie dich in Ruhe lassen? Wenn sie sich nicht geniren, so herum zu gehen, hast du deswegen das Recht, sie in’s Grab- loch zu sperren? Bist du der Polizeisoldat des Himmels? und — kannst du es nicht eben so gut mit ansehn, als dein lieber Herrgott, so halte dir dein Schnupftuch vor die Augen. Du läugnest die Tugend? — Und das Laster. Es gibt nur Epicuräer, und zwar grobe und feine; Christus war der feinste; das ist der einzige Unterschied, den ich zwischen den Menschen herausbringen kann. Jeder handelt sei- ner Natur gemäß, d. h. er thut, was ihm wohl thut. — Nicht wahr, Unbestechlicher, es ist grau- sam, dir die Absätze so von den Schuhen zu treten? Danton, das Laster ist zu gewissen Zeiten Hochverrath. Du darfst es nicht prohibiren, um’s Himmels- willen nicht, das wäre undankbar, du bist ihm zu viel schuldig, durch den Contrast nämlich. — Übri- gens, um bei deinen Begriffen zu bleiben, unsere Streiche müssen der Republik nützlich sein, man darf die Unschuldigen nicht mit den Schuldigen treffen. Wer sagt dir denn, daß ein Unschuldiger ge- troffen worden sei? Hörst du, Fabricius? Es starb kein Unschul- diger! (Er geht; im Hinausgehen zu Paris:) Wir dürfen keinen Augenblick verlieren, wir müssen uns zeigen! (Danton und Paris ab.) (allein). Geh’ nur! Er will die Rosse der Revolution am Zügel halten, wie ein Kutscher seine dressirten Gäule; sie werden Kraft genug haben, ihn zum Revolutionsplatz zu schleifen. — Mir die Absätze von den Schuhen treten! — Um bei deinen Be- griffen zu bleiben! — Halt! Halt! Ist’s das eigent- lich? — Sie werden sagen: seine gigantische Ge- stalt hätte zu viel Schatten auf mich geworfen, ich hätte ihn deßwegen aus der Sonne gehen heißen. — Und wenn sie Recht hätten? — Ist’s denn so noth- wendig? Ja, ja, die Republik! Er muß weg! — Es ist lächerlich, wie meine Gedanken einander beaufsichtigen. — Er muß weg. Wer in einer Masse, die vorwärts drängt, stehen bleibt, leistet so gut Widerstand, als trät’ er ihr entgegen, er wird zer- treten. — Wir werden das Schiff der Revolution nicht auf den seichten Berechnungen und den Schlamm- bäuken dieser Leute stranden lassen, wir müssen die Hand abhauen, die es zu halten wagt, und wenn er es mit den Zähnen packte! — Weg mit einer Gesellschaft, die der todten Aristokratie die Kleider ausgezogen und ihren Aussatz geerbt hat. — Keine Tugend! die Tugend ein Absatz meiner Schuhe! Bei meinen Begriffen! — Wie das immer wieder kommt. — Warum kann ich den Gedanken nicht los werden? Er deutet mit blutigem Finger im- mer da, da hin! Ich mag so viel Lappen darum wickeln, als ich will, das Blut schlägt immer durch. — (Nach einer Pause:) Ich weiß nicht, was in mir das Andere belügt. (Tritt an’s Fenster.) Die Nacht schnarcht über der Erde und wälzt sich im wüsten Traum. Gedanken, Wünsche, kaum geahnt, wirr und gestaltlos, die scheu sich vor des Tages Licht verkrochen, empfangen jetzt Form und Gewand, und stehlen sich in das stille Haus des Traumes. Sie öffnen die Thüren, sie sehen aus den Fenstern, sie werden halbwegs Fleisch, die Glieder strecken sich im Schlaf, die Lippen murmeln. — Und ist nicht unser Wachen ein hellerer Traum, sind wir nicht Nachtwandler, ist nicht unser Handeln, wie das im Traum, — nur deutlicher, bestimmter, durch- geführter? Wer will uns darum schelten? In einer Stunde verrichtet der Geist mehr Thaten des Gedankens, als der träge Organismus unseres Lei- bes in Jahren nachzuthun vermag. Die Sünde ist im Gedanken. Ob der Gedanke That wird, ob ihn der Körper nachspielt, das ist Zufall. ( St. Just tritt ein.) He, wer da im Finstern? He, Licht, Licht! Kennst du meine Stimme? 4 Ah, du St. Just! (Eine Dienerin bringt Licht.) Warst du allein? Eben ging Danton weg. Ich traf ihn unterwegs im Palais-Royal. Er machte seine revolutionäre Stirn und sprach in Epi- grammen, er duzte sich mit den Ohnehosen, die Grisetten liefen hinter seinen Waden drein und die Leute blieben stehen und zischelten sich in die Ohren, was er gesagt hatte. Wir werden den Vortheil des Angriffs verlieren. Willst du noch länger zaudern? Wir werden ohne dich handeln. Wir sind entschlossen. Was wollt ihr thun? Wir berufen den Gesetzgebungs-, den Sicher- heits- und den Wohlfahrts-Ausschuß zu feierlicher Sitzung. Viel Umstände. Wir müssen die große Leiche mit Anstand be- graben, wie Priester, nicht wie Mörder; wir dür- fen sie nicht verstümmeln, all ihre Glieder müssen mit hinunter. Sprich deutlicher. Wir müssen ihn in seiner vollen Waffenrüstung beisetzen und seine Pferde und Sclaven auf seinem Grabhügel schlachten. — Lacroix. Ein ausgemachter Spitzbube, gewesener Advoka- tenschreiber, gegenwärtig General-Lieutenant von Frankreich. Weiter! H é rault-S é chelles. — Ein schöner Kopf! Er war der schöngemalte Anfangsbuchstabe der Constitutions-Acte, wir haben dergleichen Zierrath nicht mehr nöthig, er wird ausgewischt. — Phi- lippeau, Camille! — — 4* Auch den? (überreicht ihm ein Papier). Das dacht’ ich. Da lies! Aha, der alte Franziskaner! Sonst nichts? Er ist ein Kind, er hat über euch gelacht. Hier, hier! (Er zeigt ihm eine Stelle.) (liest). „Dieser Blutmessias Robespierre auf seinem Kalvarienberge zwischen den beiden Schächern Con- thon und Collot, auf dem er opfert und nicht ge- opfert wird. Die Guillotinen-Betschwestern stehen wie Maria und Magdalena unten. St. Just liegt ihm wie Johannes am Herzen, und macht den Con- vent mit den apokalyptischen Offenbarungen des Meisters bekannt; er trägt seinen Kopf wie eine Monstranz.“ Ich will ihn den seinigen wie St. Denis tra- gen machen. (liest weiter). „Sollte man glauben, daß der saubere Frack des Messias das Leichenhemd Frankreichs ist, und daß seine dünnen, auf der Tribüne herumzuckenden Finger Guillotinmesser sind? — Und du, Barr è re, der du gesagt hast: auf dem Revolutionsplatz werde Münze geschlagen. Doch ich will den alten Sack nicht aufwühlen, er ist eine Wittwe, die schon ein halbes Dutzend Männer hatte und die sie begraben half. Wer kann was dafür? Das ist so seine Gabe, er sieht den Leuten ein halbes Jahr vor dem Tode das hippokratische Gesicht an. Wer mag sich auch zu Leichen setzen und den Gestank riechen?“ — Also auch du, Camille? — Weg mit ihnen! Rasch! nur die Todten kommen nicht wieder. Hast du die Anklage bereit? Es macht sich leicht. Du hast die Anklage bei den Jakobinern gemacht. Ich wollte schrecken. Ich brauche nur durchzuführen, die Fälscher ge- ben das Ei und die Fremden den Apfel. — Sie sterben an der Mahlzeit, ich gebe dir mein Wort. Dann rasch, morgen! Keinen langen Todes- kampf! Ich bin empfindlich seit einigen Tagen. Nur rasch! (St. Just ab.) (allein). Ja wohl, Blutmessias, der opfert und nicht ge- opfert wird. Er hat sie mit seinem Blut erlöst und ich erlöse sie mit ihrem eignen. Er hat sie sündi- gen gemacht und ich nehme die Sünde auf mich. Er hatte die Wollust des Schmerzes, und ich habe die Qual des Henkers. Wer hat sich mehr ver- läugnet? Ich oder er? — Und doch ist was von Narrheit in dem Gedanken. — Was sehen wir nur immer nach dem Einen? Wahrlich, des Menschen Sohn wird in uns Allen gekreuzigt, wir ringen Alle im Gethsemane-Garten im blutigen Schweiß, aber es erlöst Keiner den Andern mit seinen Wun- den. Mein Camille! — Sie gehen Alle von mir — es ist Alles wüst und leer — ich bin allein. Ein Zimmer . Danton, Lacroix, Philippeau, Paris, Camille Desmoulins . Rasch, Danton, wir haben keine Zelt zu verlieren. (kleidet sich um). Aber die Zeit verliert uns. — Das ist sehr langweilig, immer das Hemd zuerst und dann die Hosen drüber zu ziehen, und des Abends in’s Bett und Morgens wieder heraus zu kriechen und einen Fuß immer so vor den andern zu setzen, da ist gar kein Absehen, wie es anders werden soll. Das ist sehr traurig, und, daß Millionen es schon so gemacht haben, und, daß Millionen es wieder so machen werden, und, daß wir noch obendrein aus zwei Hälften bestehen, die beide das Nämliche thun, so daß Alles doppelt geschieht, — das ist sehr traurig. Du sprichst in einem ganz kindischen Ton. Sterbende werden kindisch. Du stürzest dich durch dein Zögern in’s Ver- derben, du reißest alle deine Freunde mit dir. Be- nachrichtige die Feiglinge, daß es Zeit ist, sich um dich zu versammeln, fordere sowohl die vom Thale als die vom Berge auf. Schreie über die Tyrannei der Decemvirn, sprich von Dolchen, rufe Brutus an, dann wirst du die Tribüne erschrecken, und selbst die um dich sammeln, die man als Mitschul- dige Hebert’s bedroht. Du mußt dich deinem Zorn überlassen. Laßt uns wenigstens nicht entwaffnet und erniedrigt wie der schändliche Hebert sterben. Du hast ein schlechtes Gedächtniß, du nanntest mich einen todten Heiligen. Du hattest mehr Recht, als du glaubtest. Ich war bei den Sectionen, sie waren ehrfurchtsvoll, aber wie Leichenbitter. Ich bin eine Reliquie, und Reliquien wirft man auf die Gasse; du hattest Recht. Warum hast du es dazu kommen lassen? Dazu? Ja wahrhaftig, es war mir zuletzt lang- weilig, immer im nämlichen Rock herumzulaufen, und die nämlichen Falten zu ziehen! Das ist er- bärmlich, so ein armseliges Instrument zu spielen, auf dem eine Saite immer nur einen Ton an- gibt! — Das ist nicht zum Aushalten. Ich wollte mir’s bequem machen. Ich hab’ es erreicht; die Revolution setzt mich in Ruhe, aber auf andere Weise, als ich dachte. — Übrigens auf was sich stützen? — Unsere Metzen könnten es noch mit den Guillotinen-Betschwestern aufnehmen; sonst weiß ich nichts. Es läßt sich an den Fingern herzählen: Die Jacobiner haben erklärt, daß die Tugend an der Tagesordnung sei. Die Cordeliers nennen mich Hebert’s Henker, der Gemeinderath thut Buße. Der Convent — das wäre noch ein Mittel! aber es gäbe einen 31. Mai, sie würden nicht gutwillig weichen. Robespierre ist das Dogma der Revolu- tion, es darf nicht ausgestrichen werden. Es ginge auch nicht. Wir haben nicht die Revolution, die Revolution hat uns gemacht. — Und, — wenn es ginge — ich will lieber guillotinirt werden, als guilloti- niren lassen. Ich habe es satt; wozu sollen wir Menschen mit einander kämpfen? Wir sollten uns neben einander setzen und Ruhe haben. Es wurde ein Fehler gemacht, wie wir geschaffen wurden; es fehlt uns freilich etwas, ich habe keinen Namen dafür, aber wir werden es uns einander nicht aus den Eingeweiden herauswühlen, was sollen wir uns darum die Leiber aufbrechen? Geht, wir sind elende Alchymisten. Pathetischer gesagt, würde es heißen: wie lange soll die Menschheit in ewigem Hunger ihre eignen Glieder fressen? Oder, wie lange sollen wir Schiff- brüchige auf einem Wrack in unlöschbarem Durst einander das Blut aus den Adern saugen? Oder, wie lange sollen wir Algebraisten im Fleisch bel’m Suchen nach dem unbekannten, ewig verweigerten X unsere Rechnungen mit zerfetzten Gliedern schreiben? Du bist ein starkes Echo. Nicht wahr? — ein Pistolenschuß schallt gleich wie ein Donnerschlag. Desto besser für dich, du solltest mich immer bei dir haben. Und Frankreich bleibt seinen Henkern? Was liegt daran? Die Leute befinden sich ganz wohl dabei! Sie haben Unglück; kann man mehr verlangen, um gerührt, edel, tugendhaft oder witzig zu sein, oder um überhaupt keine Langeweile zu haben? — Ob sie nun an der Guillotine oder am Fieber oder am Alter sterben! Es ist noch vorzu- ziehen, sie treten mit gelenken Gliedern hinter die Coulissen und können im Abgehen noch hübsch ge- stikuliren und die Zuschauer klatschen hören. Das ist ganz artig und paßt für uns, wir stehen immer auf dem Theater, wenn wir auch zuletzt im Ernst erstochen werden. Es ist recht gut, daß die Lebens- zeit ein wenig reduzirt wird, der Rock war zu lang, unsere Glieder konnten ihn nicht ausfüllen. Das Leben wird ein Epigramm, das geht an; wer hat auch Athem und Geist genug für ein Epos in fünfzig oder sechzig Gesängen? ’s ist Zeit, daß man das bischen Essen nicht mehr aus Zubern, sondern aus Liqueur-Gläschen trinkt, so bekömmt man doch das Maul voll, sonst konnte man kaum einige Tropfen in dem plumpen Gefäß zusammenrinnen machen. Endlich — — ich müßte schreien, das ist mir der Mühe zu viel, das Leben ist nicht der Ar- beit werth, die man sich macht, es zu erhalten. So flieh’, Danton! Nimmt man das Vaterland an den Schuhsohlen mit? — Und endlich — und das ist die Haupt- sache: sie werden’s nicht wagen. (Zu Camille.) Komm, mein Junge, ich sage dir: sie werden’s nicht wagen. Adieu, Adieu! (Danton und Camille ab.) Da geht er hin. Und glaubt kein Wort von dem, was er gesagt hat. Nichts als Faulheit! Er will sich lieber guillotiniren lassen, als eine Rede halten. Was thun? Heim gehen und als Lucretia auf einen anstän- digen Fall studiren. Eine Promenade . Spaziergänger . Meine gute Jaqueline, ich wollte sagen Corn — — wollt’ ich: Cor — — Cornelia, Bürger, Cornelia. Meine gute Cornelia hat mich mit einem Knäb- lein erfreut. Hat der Republik einen Sohn geboren. Der Republik? Das lautet zu allgemein; man könnte sagen — Das ist’s grade, das Einzelne muß sich dem Allgemeinen — Ach ja, das sagt meine Frau auch. (singt). Was doch ist, was doch ist Aller Männer Freud’ und Lüst? Ach mit dem Namen, da komme ich gar nicht in’s Reine. Tauf’ ihn, Pike Marat. Unter Kummer, unter Sorgen Sich bemühn vom frühen Morgen, Bis der Tag vorüber ist. Ich hätte gern drei; es ist doch was mit der Zahl drei, und dann was Nützliches und was Rechtliches; jetzt hab’ ich’s: Pflug, Robespierre. Und dann das dritte? Pike. Ich dank’ Euch, Nachbar; Pike, Pflug, Robes- pierre, das sind hübsche Namen, das macht sich schön. Ich sage dir, die Brust deiner Cornelia wird wie das Euter der römischen Wölfin — nein, das geht nicht, Romulus war ein Tyrann, das geht nicht. (Gehn vorbei.) (singt.) Eine Hand voll Erde und ein wenig Moos! Liebe Herren, schöne Damen! Kerl, arbeite, du siehst ganz wohlgenährt aus. Da! (Er gibt ihm Geld.) Er hat eine Hand wie Sammet. Das ist unverschämt. Mein Herr, wo habt Ihr Euren Rock her? Arbeit, Arbeit! du könntest den nemlichen haben; ich will dir Arbeit geben, komm’ zu mir, ich wohne — Herr, warum habt Ihr gearbeitet? Narr, um den Rock zu haben. Ihr habt Euch gequält, um einen Genuß zu haben, denn so ein Rock ist ein Genuß, ein Lum- pen thut’s auch. Freilich, sonst geht’s nicht. Daß ich ein Narr wäre. Das hebt einander. Die Sonne scheint warm an das Eck und das geht ganz leicht. (Singt.) Eine Hand voll Erde und ein wenig Moos — — (zu Adelaiden). Mach fort, da kommen Soldaten. Ist auf dieser Erde einst mein letztes Lods! Meine Herren, meine Damen! Halt! wo hinaus, meine Kinder? (Zu Rosalie.) Wie alt bist du? So alt wie mein kleiner Finger. Du bist sehr spitz. Und du sehr stumpf. So will ich mich an dir wetzen. (Er singt.) Christinlein, lieb’ Christinlein mein Thut dir der Schaden weh, Schaden weh, Schaden weh, Schaden weh! (singt). Ach nein, ihr Herrn Soldaten, Ich hätt’ es gerne meh’, Gerne meh, gerne meh, gerne meh! Danton und Camille treten auf. Geht das nicht lustig? — Ich wittre was in der Atmosphäre, es ist, als brüte die Sonne Unzucht aus. (Gehen vorbei.) Ach, Madame, der Ton einer Glocke, das Abend- licht an den Bäumen, das Blinken eines Sternes — — Der Duft einer Blume, die natürlichen Freuden, dieser reine Genuß der Natur! (Zu ihrer Tochter.) Sieh, Eugenie — nur die Tugend hat Augen dafür. (küßt ihrer Mutter die Hand). Ach, Mama! Ich sehe nur Sie. Gutes Kind! (zischelt Eugenien in’s Ohr). Sehen Sie dort die hübsche Dame mit dem alten Herrn? Ich kenne sie. Man sagt, ihr Friseur habe sie à l’enfant frisirt. (lacht). Böse Zunge! Der alte Herr geht neben ihr, er sieht das Knöspchen schwellen und führt es in die Sonne spazieren, und meint, er sei der Gewitterregen, der es habe wachsen machen. Wie unanständig! ich hätte Lust, roth zu werden. Das könnte mich blaß machen. — 5 (zu Camille.) Muthe mir nur nichts Ernsthaftes zu. Ich begreife nicht, warum die Leute nicht auf der Gasse stehen bleiben und einander in’s Gesicht lachen. Ich meine, sie müßten zu den Fenstern und zu den Gräbern herauslachen, und der Himmel müsse bersten und die Erde müsse sich wälzen vor Lachen. (Gehen ab.) Ich versichere Sie, eine ausserordentliche Ent- deckung. Alle technischen Künste bekommen dadurch eine andere Physiognomie. Die Menschheit eilt mit Riesenschritten ihrer hohen Bestimmung entgegen. Haben Sie das neue Stück gesehen? Ein baby- lonischer Thurm, ein Gewirr von Gewölben, Trepp- chen, Gängen und das Alles so leicht und kühn in die Luft gesprengt. Man schwindelt bei jedem Tritt. Ein bizarrer Kopf. (Er bleibt verlegen stehen) Was haben Sie denn? Ach nichts! Ihre Hand, Herr! die Pfütze, so! Ich danke Ihnen, kaum kann ich vorbei; das konnte gefährlich werden. Sie fürchteten doch nicht? Ja, die Erde ist eine dünne Kruste, ich meine immer, ich könnte durchfallen, wo so ein Loch ist. — Man muß mit Vorsicht auftreten, man könnte durch- brechen. Aber gehn Sie in’s Theater, ich rathe es Ihnen. Ein Zimmer. Danton. Camille. Lucile. Camille. Ich sage Euch, wenn sie nicht Alles in hölzer- nen Copien bekommen, verzettelt in Theatern, Con- certen und Kunst-Ausstellungen, so haben sie weder Augen noch Ohren dafür. Schnitzt einer eine Mario- nette, wo man den Strick hereinhängen sieht, an dem sie gezerrt wird, und deren Gelenke bei jedem Schritt in fünffüßigen Jamben krachen, welch ein Charakter, welche Consequenz! Nimmt Einer ein Gefühlchen, eine Sentenz, einen Begriff, und zieht ihm Rock und Hosen an, macht ihm Hände und Füße, färbt ihm das Gesicht, und läßt das Ding 5* sich drei Acte hindurch herumquälen, bis es sich zuletzt verheirathet oder sich todt schießt — ein Ideal! — Fiedelt einer eine Oper, welche das Schweben und Senken im menschlichen Leben wie- dergibt, wie eine Thonpfeife mit Wasser die Nachti- gall — die Kunst! — Setzt die Leute aus dem Theater auf die Gasse — die erbärmliche Wirklich- keit! — Sie vergessen ihren Herrgott über seinen schlechten Copisten. Von der Schöpfung, die glü- hend, brausend und leuchtend in ihnen sich jeden Augenblick neu gebiert, hören und sehen sie nichts. Sie gehen in’s Theater, lesen Gedichte und Romane, schneiden den Fratzen darin die Gesichter nach, und sagen zu Gottes Geschöpfen: wie gewöhnlich! — Die Griechen wußten, was sie sagten, wenn sie erzählten, Pygmalions Statue sei lebendig gewor- den, habe aber keine Kinder bekommen. Und die Künstler gehn mit der Natur um wie David, der im September die Gemordeten, wie sie aus der Force auf die Gasse geworfen wurden, kaltblütig zeichnete und sagte: ich erhasche die letzten Zuckungen des Lebens in diesen Bösewichtern. (Danton wird herausgerufen.) Was sagst du, Lucile? Nichts, ich sehe dich so gern sprechen. Hörst mich auch? Ei freilich. Habe ich recht? Weißt du auch, was ich gesagt habe? Nein, wahrhaftig nicht. (Danton kömmt zurück.) Was hast du? Der Wohlfahrts-Ausschuß hat meine Verhaftung beschlossen. Man hat mich gewarnt und mir einen Zufluchtsort angeboten. Sie wollen meinen Kopf; meinetwegen. Ich bin der Hudeleien überdrüßig. Mögen sie ihn nehmen, was liegt daran? Ich werde mit Muth zu sterben wissen; das ist leichter, als zu leben. Danton, noch ist es Zeit. Unmöglich, — aber ich hätte nicht gedacht — Deine Trägheit! Ich bin nicht träg, aber müde; meine Sohlen brennen mich. Wo gehst du hin? Ja, wer das wüßte! Im Ernst, wohin? Spazieren, mein Junge, spazieren. (Er geht.) Ach, Camille! Sei ruhig, lieb Kind. Wenn ich denke, daß sie dies Haupt! — — Mein Camille, das ist Narrheit, gelt, ich bin wahnsinnig? Sei ruhig, Danton und ich sind nicht Eins. Die Erde ist weit und es sind viel Dinge dar- auf, warum denn grade das eine? Wer sollte mir’s nehmen? Das wäre arg. Was wollten sie auch damit anfangen? Ich wiederhole dir: du kannst ruhig sein. Gestern sprach ich mit Robespierre; er war freundlich. Wir sind ein wenig gespannt, das ist wahr; verschiedene Ansichten, sonst nichts! Such’ ihn auf. Wir saßen auf einer Schulbank. Er war immer finster und einsam. Ich allein suchte ihn auf und machte ihn zuweilen lachen. Er hat mir immer große Anhänglichkeit gezeigt. Ich gehe. So schnell, mein Freund? Geh! Komm! Nur das (sie küßt ihn) und das! Geh! Geh! (Camille ab.) — Das ist eine böse Zeit. Es geht einmal so. Wer kann da drüber hinaus? Man muß sich fassen (singt.) Ach scheiden, ach scheiden, ach scheiden, Wer hat sich das Scheiden erdacht? Wie kommt mir grade das in den Kopf? Das ist nicht gut, daß es den Weg so von selbst findet. — Wie er hinaus ist, war mir’s, als könnte er nicht mehr umkehren, und müsse immer weiter weg von mir, immer weiter. — Wie das Zimmer so leer ist; die Fenster stehen offen, als hätte ein Todter darin ge- legen. Ich halt’ es da oben nicht aus. (Sie geht.) Freies Feld. Ich mag nicht weiter. Ich mag in dieser Stille mit dem Geplauder meiner Tritte und dem Keuchen meines Athems nicht Lärmen machen. (Er setzt sich nieder, nach einer Pause.) Man hat mir von einer Krankheit erzählt, die einem das Gedächtniß verlie- ren mache. Der Tod soll etwas davon haben. Dann kommt mir manchmal die Hoffnung, daß er vielleicht noch kräftiger wirke und einem Alles verlieren mache. — Wenn das wäre! — Dann lief’ ich wie ein Christ, um einen Feind, d. h. mein Gedächtniß, zu retten. — Der Ort soll sicher sein, ja für mein Gedächtniß, aber nicht für mich; mir gibt das Grab mehr Sicherheit, es schafft mir we- nigstens Vergessen . Es tödtet mein Gedächtniß. Dort aber lebt mein Gedächtniß und tödtet mich. Ich oder es? Die Antwort ist leicht. (Er erhebt sich und kehrt um.) — Ich kokettire mit dem Tod, es ist ganz angenehm, so aus der Ferne mit dem Lorgnon mit ihm zu liebäugeln. — Eigentlich muß ich über die ganze Geschichte lachen. Es ist ein Gefühl des Bleibens in mir, was mir sagt: mor- gen und übermorgen und weiter hinaus ist Alles wie eben. Das ist leerer Lärm, man will mich schrecken; sie werden’s nicht wagen! (Ab.) Ein Zimmer. (Es ist Nacht.) (am Fenster). Will denn das nie aufhören? Wird das Licht nie ausglühen und der Schall nie modern; will’s denn nie still und dunkel werden, daß wir uns die garstigen Sünden einander nicht mehr anhören und ansehen? — September! — (ruft von innen.) Danton! Danton! He? (tritt ein). Was rufst du? Rief ich? Du sprachst von garstigen Sünden und dann stöhntest du: September! Ich, ich? Nein, ich sprach nicht, das dacht’ ich kaum, das waren nur ganz leise heimliche Gedanken. Du zitterst, Danton. Und soll ich nicht zittern, wenn so die Wände plaudern? Wenn mein Leib so zerschellt ist, daß meine Gedanken unstät, umirrend mit den Lippen der Steine reden? Das ist seltsam. Georg, mein Georg! Ja, Julie, das ist seltsam. Ich mögte nicht mehr denken, wenn das gleich spricht. Es gibt Gedanken, Julie, für die es keine Ohren geben sollte. Das ist nicht gut, daß sie bei der Geburt gleich schreien, wie Kinder; das ist nicht gut. Gott erhalte dir deine Sinne, Georg! Georg, erkennst du mich? Ei warum nicht! Du bist ein Mensch und dann eine Frau und endlich meine Frau, und die Erde hat fünf Welttheile, Europa, Asien, Afrika, Ame- rika, Australien und zwei mal zwei macht vier. Ich bin bei Sinnen, siehst du?—Schrie’s nicht Septem- ber? Sagtest du nicht so was? Ja, Danton, durch alle Zimmer hört’ ich’s. Wie ich an’s Fenster kam — (er sieht hinaus) die Stadt ruhig, alle Lichter aus. Ein Kind schreit in der Nähe. Wie ich an’s Fenster kam — durch alle Gassen schrie und zetert’ es: September! Du träumtest, Danton; faß’ dich. Träumtest? ja, ich träumte; doch das war an- ders, ich will dir es gleich sagen, mein armer Kopf ist schwach, gleich! so, jetzt hab’ ich’s. Unter mir keucht die Erdkugel in ihrem Schwung; ich hatte sie wie ein wildes Roß gepackt, mit riesigen Gliedern wühlt’ ich in ihren Mähnen und preßt ich ihre Rippen, das Haupt abwärts gewandt, die Haare flatternd über dem Abgrund; so ward ich geschleift. Da schrie ich in der Angst und ich erwachte. Ich trat an’s Fenster — und da hört’ ich’s, Julie. — Was das Wort nur will? Warum gerade das? Was hab’ ich damit zu schaffen? Was streckt es nach mir die blutigen Hände? Ich hab’ es nicht geschla- gen. — O hilf mir, Julie, mein Sinn ist stumpf. War’s nicht im September, Julie? Die Könige waren noch vierzig Stunden von Paris. Die Festungen gefallen, die Aristokraten in der Stadt. Die Republik war verloren. Ja, verloren. Wir konnten den Feind nicht im Rücken fassen, wir wären Narren gewesen, zwei Feinde auf einem Brett; wir oder sie, der Stärkere stößt den Schwächeren hinunter, ist das nicht billig? Ja, Ja. Wir schlugen sie, das war kein Mord, das war Krieg nach innen. Du hast das Vaterland gerettet. Ja, das hab’ ich, das war Nothwehr, wir mußten. — Der Mann am Kreuze hat sich’s bequem gemacht; es muß ja Ärgerniß kommen, doch wehe dem, durch welchen Ärgerniß kommt. — Es muß; das war dies Muß! — Wer will der Hand fluchen, auf die der Fluch des Muß gefallen? — Wer hat das Muß gesprochen, wer? Was ist das, was in uns lügt, stiehlt und mordet? — Puppen sind wir, von un- bekannten Gewalten am Draht gezogen; nichts, nichts wir selbst, — die Schwerter, mit denen Geister kämpfen! — man sieht nur die Hände nicht, wie im Mährchen. — Jetzt bin ich ruhig. Ganz ruhig, lieb Herz? Ja, Julie, komm zu Bette. Strasse vor Danton’s Hause. Simon. Bürgersoldaten. Wie weit ist’s in der Nacht? Was in der Nacht? Wie weit ist die Nacht? So weit als zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang. Schuft, wieviel Uhr? Sieh auf dein Zifferblatt. Wir müssen hinauf! Fort, Bürger! Wir haften mit unsern Köpfen dafür. Todt oder lebendig! Er hat gewaltige Glieder. Ich werde vorangehn, Bürger. Der Freiheit eine Gasse! — Sorgt für mein Weib! Eine Eichenkrone werde ich ihr hinterlassen. — Nur vorwärts, Bürger, ihr werdet euch um das Vaterland verdient machen. Ich wollte, das Vaterland machte sich um uns verdient. Über all den Löchern, die wir in anderer Leute Körper machen, ist noch kein einziges in un- sern Hosen zugegangen. Willst du, daß dir dein Hosenlatz zuginge? He, he, he! He, he, he! Fort, fort! (Sie dringen in Danton’s Haus.) Der National-Convent. Eine Gruppe von Deputirten. Soll denn das Schlachten der Deputirten nicht aufhören? — Wer ist noch sicher, wenn Danton fällt? Was thun? Er muß vor den Schranken des Convents ge- hört werden. — Der Erfolg dieses Mittels ist sicher; was sollen sie seiner Stimme entgegen setzen? Unmöglich, ein Dekret verhindert uns. Es muß zurückgenommen oder eine Ausnahme gestattet werden. Ich werde den Antrag machen; ich rechne auf eure Unterstützung. Die Sitzung ist eröffnet. (besteigt die Tribüne). Vier Mitglieder des National-Convents sind ver- flossene Nacht verhaftet worden. Ich weiß, daß Danton einer von ihnen ist, die Namen der Übrigen kenne ich nicht. Mögen sie übrigens sein, wer sie wollen, so verlange ich, daß sie vor den Schranken gehört werden. — Bürger, ich erkläre es: ich halte Danton für eben so rein, wie mich selbst, und ich glaube nicht, daß mir irgend ein Vorwurf gemacht werden kann. Ich will kein Mitglied des Wohl- fahrts- oder des Sicherheits-Ausschusses angreifen, aber gegründete Ursachen lassen mich fürchten, Privat- haß und Privatleidenschaften möchten der Freiheit Männer entreissen, die ihr die größten Dienste erwie- sen haben. Der Mann, welcher im Jahr 1792 Frankreich durch seine Energie rettete, verdient gehört zu werden; er muß sich erklären dürfen, wenn man ihn des Hochverraths anklagt. (Heftige Bewegung.) Wir unterstützen Legendre’s Vorschlag. 6 Wir sind hier im Namen des Volkes, man kann uns ohne den Willen unserer Wähler nicht von unseren Plätzen reißen. Eure Worte riechen nach Leichen, ihr habt sie den Girondisten aus dem Munde genommen. Wollt ihr Privilegien? Das Beil des Gesetzes schwebt über allen Häuptern. Wir können unsern Ausschüssen nicht erlauben, die Gesetzgeber aus dem Asyl des Gesetzes auf die Guillotine zu schicken. Das Verbrechen hat kein Asyl, nur gekrönte Verbrechen finden eins auf dem Thron. Nur Spitzbuben appelliren an das Asylrecht. Nur Mörder erkennen es nicht an. Die seit langer Zeit in dieser Versammlung un- bekannte Verwirrung beweiset, daß es sich um große Dinge handelt. Heute entscheidet sich’s, ob einige Männer den Sieg über das Vaterland davon tragen werden. — Wie könnt ihr eure Grundsätze weit genug verläugnen, um heute einigen Individuen das zu bewilligen, was ihr gestern Chabot, Delan- cienz und Fabre verweigert habt? Was soll dieser Unterschied zu Gunsten einiger Männer? Was kümmern mich die Lobsprüche, die man sich selbst und seinen Freunden spendet? Nur zu viele Erfah- rungen haben uns gezeigt, was davon zu halten sei. Wir fragen nicht, ob ein Mann diese oder jene patriotische Handlung vollbracht habe; wir fragen nach seiner ganzen politischen Laufbahn. — Legendre scheint die Namen der Verhafteten nicht zu wissen; der ganze Convent kennt sie. Sein Freund Lacroix ist darunter. Warum scheint Legendre das nicht zu wissen? Weil er wohl weiß, daß nur die Scham- losigkeit Lacroix vertheidigen kann. Er nannte nur Danton, weil er glaubt, an diesen Namen knüpfe sich ein Privilegium. Nein, wir wollen keine Privi- legien, wir wollen keine Götzen! (Beifall.) Was hat Danton vor Lafayette, vor Dumouriez, vor Brissot, Fabre, Chabot, Hebert voraus? Was sagt man von diesen, was man nicht auch von ihm sagen 6* könnte? Wodurch verdient er einen Vorzug vor seinen Mitbürgern? Etwa, weil einige betrogene Individuen und Andere, die sich nicht betrügen ließen, sich um ihn reihten, um in seinem Gefolge dem Glück und der Macht in die Arme zu laufen? — Je mehr er die Patrioten betrogen hat, welche Vertrauen in ihn setzten, desto nachdrücklicher muß er die Strenge der Freiheitsfreunde empfinden. — Man will euch Furcht einflößen vor dem Miß- brauche einer Gewalt, die ihr selbst ausgeübt habt. Man schreit über den Despotismus der Ausschüsse, als ob das Vertrauen, welches das Volk euch ge- schenkt, und das ihr diesen Ausschüssen übertragen habt, nicht eine sichere Garantie ihres Patriotismus wäre. Man stellt sich, als zittre man. Aber ich sage euch, wer in diesem Augenbicke zittert, ist schul- dig, denn nie zittert die Unschuld vor der öffent- lichen Wachsamkeit. (Allgemeiner Beifall.) Man hat auch mich schrecken wollen; man gab mir zu verste- hen, daß die Gefahr, indem sie sich Danton nähere, auch bis zu mir dringen könne. — Man schrieb mir, Danton’s Freunde hielten mich umlagert, in der Meinung, die Erinnerung an eine alte Verbin- dung, der blinde Glaube an erheuchelte Tugenden könnten mich bestimmen, meinen Eifer und meine Leidenschaften für die Freiheit zu mäßigen. — So erkläre ich denn: nichts soll mich aufhalten, und sollte auch Danton’s Gefahr die meinige werden. Wir haben alle etwas Muth und etwas Seelengröße nöthig. Nur Verbrecher und gemeine Seelen fürch- ten, Ihresgleichen an ihrer Seite fallen zu sehen, weil sie, wenn keine Schaar von Mitschuldigen sie mehr versteckt, sich dem Licht der Wahrheit ausgesetzt sehen. Aber wenn es dergleichen Seelen in dieser Versammlung gibt, so gibt es in ihr auch heroische. Die Zahl der Schurken ist nicht groß; wir haben nur wenige Köpfe zu treffen und das Vaterland ist gerettet. (Beifall.) Ich verlange, daß Legendre’s Vorschlag zurückgewiesen werde. (Die Deputirten erheben sich sämmtlich zum Zeichen allgemeiner Beistimmung.) Es scheint in dieser Versammlung einige empfind- liche Ohren zu geben, die das Wort: Blut nicht wohl vertragen können. Einige allgemeine Betrach- tungen mögen sie überzeugen, daß wir nicht grau- samer sind als die Natur und als die Zeit. Die Natur folgt ruhig und unwiderstehlich ihren Gesetzen; der Mensch wird vernichtet, wo er mit ihnen in Conflict kommt. Eine Änderung in den Bestand- theilen der Luft, ein Auflodern des tellurischen Feuers, ein Schwanken in dem Gleichgewicht einer Wassermasse und eine Seuche, ein vulkanischer Aus- bruch, eine Überschwemmung begraben Tausende. — Was ist das Resultat? Eine unbedeutende, im großen Ganzen kaum bemerkbare Veränderung der physischen Natur, die fast spurlos vorüber gegangen sein würde, wenn nicht Leichen auf ihrem Wege längen. — Ich frage nun: soll die geistige Natur in ihren Revo- lutionen mehr Rücksicht nehmen, als die physische? Soll eine Idee nicht eben so gut wie ein Gesetz der Physik vernichten dürfen, was sich ihr widersetzt? Soll überhaupt ein Ereigniß, was die ganze Gestal- tung der moralischen Natur, d. h. der Menschheit, umändert, nicht durch Blut gehen dürfen? Der Weltgeist bedient sich in der geistigen Sphäre unserer Arme eben so, wie er in der physischen Vulkane und Wasserfluthen gebraucht. Was liegt daran, ob sie nun an einer Seuche oder an der Revolution sterben? — Die Schritte der Menschheit sind lang- sam, man kann sie nur nach Jahrhunderten zählen, hinter jedem erheben sich die Gräber von Genera- tionen. Das Gelangen zu den einfachsten Erfin- dungen und Grundsätzen hat Millionen das Leben gekostet, die auf dem Wege starben. Ist es denn nicht einfach, daß zu einer Zeit, wo der Gang der Geschäfte rascher ist, auch mehr Menschen ausser Athem kommen? — Wir schließen schnell und ein- fach: da Alle unter gleichen Verhältnissen geschaffen worden, so sind Alle gleich, die Unterschiede abge- rechnet, welche die Natur selbst gemacht hat. — Es darf daher Jeder Vorzüge und darf daher Keiner Vorrechte haben, weder im Einzelnen, noch eine geringere oder größere Klasse von Individuen. Jedes Glied dieses in der Wirklichkeit angewandten Satzes hat seine Menschen getödtet. Der 14. Juli, der 10. August, der 31. Mai sind seine Interpunktions- zeichen. Er hatte vier Jahre Zeit nöthig, um in der Körperwelt durchgeführt zu werden, und unter gewöhnlichen Umständen hätte er ein Jahrhundert dazu gebraucht, und wäre mit Generationen inter- punktirt worden. Ist es da so zu verwundern, daß der Strom der Revolution bei jedem Absatz, bei jeder neuen Krümmung seine Leichen ausstößt? — Wir werden unserm Satze nach einige Schlüsse hinzuzufügen haben; sollen einige hundert Leichen uns verhindern, sie zu machen? — Moses führte sein Volk durch das rothe Meer und in die Wüste, bis die alte verdorbene Generation sich aufgerieben hatte, ehe er den neuen Staat gründete. Gesetz- geber! Wir haben weder das rothe Meer noch die Wüste, aber wir haben den Krieg und die Guillo- tine. Die Revolution ist wie die Töchter des Pelias; sie zerstückt die Menschheit, um sie zu verjüngen. Die Menschheit wird aus dem Blutkessel wie die Erde aus den Wellen der Sündfluth mit urkräf- tigen Gliedern sich erheben, als wäre sie zum ersten- mal geschaffen. (Langer anhaltender Beifall. Einige Mitglieder erheben sich im Enthusiasmus.) Alle geheimen Feinde der Tyrannei, welche in Europa und auf dem ganzen Erdkreise den Dolch des Brutus unter ihren Gewändern tragen, fordern wir auf, diesen erhabenen Augenblick mit uns zu theilen. (Die Zuhörer und die Deputirten stimmen die Marseillaise an.) Dritter Act . Das Luxemburg . Ein Saal mit Gefangenen. Chaumette, Payne, Mercier, H é rault de S é chelles und andere Deputirten. (zupft Payne am Aermel.) Hören Sie, Payne, es könnte doch so sein! Vor- hin überkam es mich so, ich habe heute Kopfweh, helfen Sie mir ein wenig mit Ihren Schlüssen, es ist mir ganz unheimlich zu Muth. So komm, Philosoph Anaxagoras, ich will dich katechisiren. — Es gibt keinen Gott , denn: entweder hat Gott die Welt geschaffen oder nicht. Hat er sie nicht geschaffen, so hat die Welt ihren Grund in sich und es gibt keinen Gott, da Gott nur dadurch Gott wird, daß er den Grund alles Seins enthält. Nun kann aber Gott die Welt nicht geschaffen haben; denn entweder ist die Schöp- fung ewig wie Gott, oder sie hat einen Anfang. Ist letzteres der Fall, so muß Gott sie zu einem bestimmten Zeitpunkt geschaffen haben. Gott muß also, nachdem er eine Ewigkeit geruht, einmal thä- tig geworden sein, muß also einmal eine Verände- rung in sich erlitten haben, die den Begriff Zeit auf ihn anwenden läßt, was beides gegen das Wesen Gottes streitet. Gott kann also die Welt nicht geschaffen haben. Da wir nun aber sehr deutlich wissen, daß die Welt oder daß unser Ich wenig- stens vorhanden ist und daß sie dem Vorhergehen- den nach also auch ihren Grund in sich oder in etwas haben muß, das nicht Gott ist, so kann es keinen Gott geben. Quod erat demonstrandum. Ei wahrhaftig, das gibt mir wieder Licht, ich danke, danke. Halten Sie, Payne! Wenn aber die Schöpfung nun ewig ist?! Dann ist sie schon keine Schöpfung mehr, dann ist sie Eins mit Gott oder ein Attribut desselben, we Spinoza sagt, dann ist Gott in Allem, in Ihnen, Werthester, im Philosophen Anaxagoras und in mir. Das wäre so übel nicht, aber sie müssen nir zugestehen, daß es gerade nicht viel um die himmlische Majestät ist, wenn der liebe Herrgott in jedem von uns Zahnweh kriegen, lebendig begra- ben werden, oder wenigstens die sehr unangenehmen Vorstellungen davon haben kann. Aber eine Ursache muß doch da sein. Wer läugnet das? Aber wer sagt Ihnen denn, daß diese Ursache das sei, was wir uns als Gott, d. h. als das Vollkommenste denken? Halten Sie die Welt für vollkommen? Nein. Wie wollen Sie denn aus einer unvollkommenen Wirkung auf eine vollkommene Ursache schließen? — Voltaire wagte es eben so wenig, es mit Gott, als mit den Königen zu verderben, deswegen that er es. Wer einmal nichts hat, als Verstand, und ihn nicht einmal consequent zu gebrauchen weiß oder wagt, ist ein Stümper. Ich frage dagegen, kann eine vollkommene Ur- sache eine vollkommene Wirkung haben, d. h. kann etwas Vollkommenes was Vollkommenes schaffen? — — Ist das nicht unmöglich, weil das Geschaffene doch nie seinen Grund in sich haben kann, was doch, wie Sie sagten, zur Vollkommenheit gehört. Schweigen Sie! Schweigen Sie! Beruhige dich, Philosoph. Sie haben Recht; aber, muß denn Gott einmal schaffen, kann er nur was Unvollkommenes schaffen, so läßt er es gescheidter ganz bleiben. Ist’s nicht sehr menschlich, uns Gott nur als schaffend denken zu können? Weil wir uns immer rühren und schütteln müssen, um uns nur immer sagen zu können: wir sind! müssen wir Gott auch dies elende Bedürfniß andichten? — Müssen wir, wenn sich unser Geist in das Wesen einer harmonisch in sich ruhenden, ewigen Seligkeit versenkt, gleich annehmen, sie müsse den Finger ausstrecken und über Tisch Brodmännchen kneten, — aus überschwänglichem Liebesbedürfniß, wie wir uns ganz geheimnißvoll in die Ohren sagen? Müssen wir das Alles, blos um uns zu Göttersöhnen zu machen? Ich nehme mit einem geringern Vater vorlieb, wenigstens werde ich ihm nicht nachsagen können, daß er mich unter seinem Stande in Schweinställen oder auf den Galeeren habe erziehen lassen. — Schafft das Unvollkommene weg; dann allein könnt ihr Gott demonstriren, Spinoza hat es versucht. Man kann das Böse läugnen, aber nicht den Schmerz, nur der Verstand kann Gott beweisen, das Gefühl empört sich dage- gen. — Merke dir es, Anaxagoras, warum leide ich? Das ist der Fels des Atheismus. Das leiseste Zucken des Schmerzes, und rege es sich nur in einem Atom, macht einen Riß in der Schöpfung von oben bis unten. Und die Moral? Erst beweist ihr Gott aus der Moral und dann die Moral aus Gott. Was wollt ihr denn mit eurer Moral? Ich weiß nicht, ob es an und für sich was Böses oder was Gutes gibt, und habe deswegen doch nicht nöthig, meine Handlungsweise zu ändern. Ich handle meiner Natur gemäß; was ihr angemessen, ist für mich gut und ich thue es, und was ihr zuwider, ist für mich bös und ich thue es nicht und vertheidige mich dagegen, wenn es mir in den Weg kommt. Sie können, wie man so sagt, tugendhaft bleiben und sich gegen das sogenannte Laster wehren, ohne deswegen ihren Gegner ver- achten zu müssen, was ein gar trauriges Gefühl ist. Wahr, sehr wahr! O Philosoph Anaxagoras, man könnte aber auch sagen: damit Gott Alles sei, müsse er auch sein eignes Gegentheil sein, d. h. vollkommen und un- vollkommen, bös und gut, selig und leidend; das Resultat freilich würde gleich Null sein, es würde sich gegenseitig heben, wir kämen zu Nichts. — Freue dich, du kommst glücklich durch, du kannst ganz ruhig in Madame Momero das Meisterstück der Natur anbeten. Ich danke Ihnen verbindlichst, meine Herren. (Ab.) Er traut noch nicht, er wird sich zu guter Letzt noch die Ölung geben, die Füße nach Mecca zu legen, und sich beschneiden lassen, um ja keinen Weg zu verfehlen. ( Danton, Lacroix, Camille, Philippeau wer- den hereingeführt.) (läuft auf Danton zu und umarmt ihn). Guten Morgen! Gute Nacht! — sollte ich sagen. Ich kann nicht fragen, wie hast du geschlafen? Wie wirst du schlafen? Nun gut, man muß lachend zu Bett gehn. (zu Payne). Diese Dogge mit Taubenflügeln! Er ist der böse Genius der Revolution, er wagte sich an seine Mutter, aber sie war stärker als er. Sein Leben und sein Tod sind ein gleich großes Unglück. (zu Danton.) Ich dachte nicht, daß sie so schnell kommen würden. Ich wußt’ es, man hatte mich gewarnt. Und du hast nichts gesagt? Zu was? Ein Schlagfluß ist der beste Tod; wolltest du zuvor krank sein? Und — ich dachte nicht, daß sie es wagen würden. (Zu H é rault.) Es ist besser, sich in die Erde legen, als sich Leichdörner auf ihr laufen; ich habe sie lieber zum Kissen, als zum Schemel. Wir werden wenigstens nicht mit Schwielen an den Fingern der hübschen Dame Verwesung die Wangen streicheln. (zu Danton). Gib dir nur keine Mühe, du magst die Zunge noch so weit zum Hals heraushängen, du kannst d ir damit doch nicht den Todesschweiß von der Stirne lecken. O Lucile! das ist ein großer Jammer. (Die Gefangenen drängen sich um die neu Angekommenen.) (zu Payne). Was Sie für das Wohl Ihres Landes gethan, habe ich für das meinige versucht. Ich war weni- ger glücklich, man schickt mich auf’s Schaffot; mei- netwegen, ich werde nicht stolpern. (zu Danton). Das Blut der Zweiundzwanzig ersäuft dich. (zu H é rault). Die Macht des Volkes und die Macht der Ver- nunft sind eins. (zu Camille.) Nun, Generalprokurator der Laterne, deine Ver- besserung der Straßenbeleuchtung hat in Frankreich nicht heller gemacht. Laßt ihn! das sind die Lippen, welche das Wort Erbarmen gesprochen. (Er umarmt Camille, mehrere Gefangene folgen seinem Beispiel.) Wir sind Priester, die mit Sterbenden gebetet haben, wir sind angesteckt worden und sterben an der nämlichen Seuche. Der Streich, der Euch trifft, tödtet uns Alle. Meine Herren, ich beklage sehr, daß unsere Anstrengungen so fruchtlos waren; ich gehe auf’s 7 Schaffot, weil mir die Augen über das Loos einiger Unglücklichen naß geworden. Ein Zimmer . Fouquier-Tinville, Hermann . Alles bereit? Es wird schwer halten; wäre Danton nicht dar- unter, so ginge es leicht. Er muß vortanzen. Er wird die Geschwornen erschrecken, er ist die Vogelscheuche der Revolution. Die Geschwornen müssen wollen. Ein Mittel wüßt’ ich, aber es wird die gesetz- liche Form verletzen. Nur zu. Wir losen nicht, sondern suchen die Handfesten aus. Das muß gehen, das wird ein gutes Hecken- feuer geben. Es sind ihrer neunzehn. Sie sind geschickt zusammengewürfelt. Die vier Fälscher, dann einige Banquiers und Fremde. Das ist ein pikantes Gericht. Das Volk braucht dergleichen. Also zuverläßige Leute. Wer zum Beispiel? Leroi, er ist taub und hört daher nichts von all’ dem, was die Angeklagten vorbringen. Danton mag sich den Hals bei ihm rauh schreien. Sehr gut; weiter! Vilatte und Lamiere, der eine sitzt immer in der Trinkstube und der andere schläft immer. Beide öffnen den Mund nur, um das Wort: schuldig zu sagen. — Girard hat den Grundsatz, es dürfe Keiner entwischen, der einmal vor das Tribunal gestellt sei. Renaudin — Auch der? Er half einmal einigen Pfaffen durch. 7* Sei ruhig, vor einigen Tagen kommt er zu mir und verlangt, man solle allen Verurtheilten vor der Hinrichtung zur Ader lassen, um sie ein wenig matt zu machen; ihre trotzige Haltung ärgere ihn. Ah, sehr gut. Also ich verlasse mich drauf! Laß mich nur machen. Das Luxemburg . Ein Corridor. Lacroix, Danton, Mercier und andere Ge- fangene auf und abgehend. (zu einem Gefangenen). Wie, so viel Unglückliche, und in einem so elenden Zustande? Haben Ihnen die Guillotinen-Karren nie gesagt, daß Paris eine Schlachtbank ist? Nicht wahr, Lacroix? Die Gleichheit schwingt ihre Sichel über allen Häuptern, die Lava der Revo- lution fließt, die Guillotine republikanisirt! Da klat- schen die Galerien und die Römer reiben sich die Hände; aber sie hören das Röcheln der Opfer nicht. Geht einmal Euern Phrasen nach, bis zu dem Punkt, wo sie verkörpert werden. Blickt um Euch, das Alles habt Ihr gesprochen, es ist eine mimische Übersetzung Eurer Worte. Diese Elenden, ihre Henker und die Guillotine sind Eure lebendig ge- wordenen Reden. Ihr bautet Euer System, wie Bajazet seine Pyramiden, aus Menschenköpfen. Du hast Recht! — Man arbeitet heut zu Tag Alles in Menschenfleisch. Das ist der Fluch unserer Zeit. Mein Leib wird jetzt auch verbraucht. — Es ist gerade ein Jahr, daß ich das Revolutions-Tri- bunal schuf. Ich bitte Gott und die Menschen dafür um Verzeihung, ich wollte neuen Septembermorden zuvorkommen, ich hoffte, Unschuldige zu retten, aber dieser langsame Mord mit seinen Formalitäten ist gräßlicher und eben so unvermeidlich. Meine Herren, ich hoffte, Sie Alle diesen Ort verlassen zu machen. O, herausgehen werden wir. Ich bin jetzt bei Ihnen; der Himmel weiß, wie das enden soll. Das Revolutions-Tribunal . (zu Danton). Ihr Name, Bürger. Die Revolution nennt meinen Namen. Meine Wohnung ist bald im Nichts und mein Name im Pantheon der Geschichte. Danton, der Convent beschuldigt Sie, mit Mira- beau, mit Dumouriez, mit Orleans, mit den Giron- disten, mit den Fremden und der Faction Lud- wigs XVII. konspirirt zu haben. Meine Stimme, die ich so oft für die Sache des Volkes ertönen ließ, wird ohne Mühe die Ver- läumdung zurückweisen. Die Elenden, welche mich anklagen, mögen hier erscheinen, und ich werde sie mit Schande bedecken. Die Ausschüsse mögen sich hierher begeben, ich werde nur vor ihnen antworten. Ich habe sie als Kläger und als Zeugen nöthig. Sie mögen sich zeigen. — Übrigens, was liegt mir an Euch und Eurem Urtheil? Ich habe es Euch schon gesagt: das Nichts wird bald mein Asyl sein; — das Leben ist mir zur Last, man mag mir es entreißen, ich sehne mich danach, es abzuschütteln. Danton, die Kühnheit ist dem Verbrecher, die Ruhe der Unschuld eigen. Privatkühnheit ist ohne Zweifel zu tadeln, aber jene Nationalkühnheit, die ich so oft gezeigt, mit welcher ich so oft für die Freiheit gekämpft habe, ist die verdienstvollste aller Tugenden. — Sie ist meine Kühnheit, sie ist es, der ich mich hier zum Besten der Republik gegen meine erbärmlichen An- kläger bediene. Kann ich mich fassen, wenn ich mich auf eine so niedrige Weise verläumdet sehe? — Von einem Revolutionär, wie ich, darf man keine kalte Vertheidigung erwarten. Männer meines Schlages sind in Revolutionen unschätzbar, auf ihrer Stirne schwebt das Genie der Freiheit. (Zeichen von Beifall unter den Zuhörern.) — Mich klagt man an, mit Mirabeau, mit Dumouriez, mit Orleans konspirirt, zu den Füßen elender Despoten gesessen zu haben; mich fordert man auf, vor der unent- rinnbaren, unbeugsamen Gerechtigkeit zu antworten. — Du elender St. Just wirst der Nachwelt für diese Lästerung verantwortlich sein! Ich fordere Sie auf, mit Ruhe zu antworten; gedenken Sie Marat’s, er trat mit Ehrfurcht vor seine Richter. Sie haben die Hände an mein ganzes Leben gelegt, so mag es sich denn aufrichten und ihnen entgegentreten, unter dem Gewicht jeder meiner Handlungen werde ich sie begraben. — Ich bin nicht stolz darauf. Das Schicksal führt uns die Arme, aber nur gewaltige Naturen sind seine Or- gane. — Ich habe auf dem Marsfelde dem König- nigthum den Krieg erklärt, ich habe es am 10. August geschlagen, ich habe es am 21. Januar getödtet, und den Königen einen Königskopf als Fehdehandschuh hingeworfen. (Wiederholte Zeichen von Beifall. — Er nimmt die Anklage-Acte.) — Wenn ich einen Blick auf diese Schandschrift werfe, fühle ich mein ganzes Wesen beben. Wer sind denn die, welche Danton nöthigen mußten, sich an jenem denk- würdigen Tage (am 10. August) zu zeigen? Wer sind denn die privilegirten Wesen, von denen er seine Energie borgte? — Meine Ankläger mögen erscheinen! Ich bin ganz bei Sinnen, wenn ich es verlange. Ich werde die platten Schurken entlarven und sie in das Nichts zurückschleudern, aus dem sie nie hätten hervorkriechen sollen. (schellt). Hören Sie die Klingel nicht? Die Stimme eines Menschen, welcher seine Ehre und sein Leben vertheidigt, muß deine Schelle über- schreien. — Ich habe im September die junge Brut der Revolution mit den zerstückten Leibern der Ari- stokraten geäzt. Meine Stimme hat aus dem Golde der Aristokraten und Reichen dem Volke Waffen geschmiedet. Meine Stimme war der Orkan, welcher die Satelliten des Despotismus unter Wogen von Bajonetten begrub. (Lauter Beifall.) Danton, Ihre Stimme ist erschöpft. Sie sind zu heftig bewegt. Sie werden das Nächstemal Ihre Vertheidigung beschließen. Sie haben Ruhe nöthig. — Die Sitzung ist aufgehoben. Jetzt kennt Ihr Danton, noch wenige Stunden — und er wird in den Armen des Ruhmes entschlummern. Das Luxemburg . Ein Kerker. Dillon, Laflotte , ein Gefangenwärter. Kerl, leuchte mir mit deiner Nase nicht so in’s Gesicht. Ha, ha, ha! Halte den Mund zu, deine Mondsichel hat einen Hof. Ha, ha, ha, ha! Ha, ha, ha! Glaubt Ihr, Herr, daß Ihr bei ihrem Schein lesen könntet? (Zeigt auf einen Zettel, den er in der Hand hält.) Gib her! Herr, mein Mondschein hat Ebbe bei mir gemacht. Deine Hosen sehen aus, als ob Fluth wäre. Nein, sie ziehen Wasser. (Zu Dillon.) Sie hat sich vor Eurer Sonne verkrochen, Herr; Ihr müßt mir das geben, das sie wieder feurig macht, wenn Ihr dabei lesen wollt. Da Kerl! Pack’ dich. (Er gibt ihm Geld. Wärter ab. — Liest.) Danton hat das Tribunal erschreckt, die Geschwornen schwankten, die Zuhörer murrten. Der Zudrang war außerordentlich. Das Volk drängte sich um den Justizpallast und stand bis zu den Bänken. Eine Hand voll Geld, ein Arm endlich, — — hm! hm! (Er geht auf und ab, und schenkt sich von Zeit zu Zeit aus einer Flasche ein.) — Hätt’ ich nur den Fuß auf der Gasse. Ich werde mich nicht so schlachten lassen. Ja, nur den Fuß auf der Gasse! Und auf dem Karren, das ist eins. Meinst du? Da liegen noch ein Paar Schritte dazwischen, lang genug, um sie mit den Leichen der Decemvirn zu meßen. — — Es ist endlich Zeit, daß die rechtschaffnen Leute das Haupt erheben. (für sich). Desto besser, um so leichter ist es zu treffen. Nur zu, Alter, noch einige Gläser und ich werde flott. Die Schurken, die Narren, sie werden sich zu- letzt noch selbst guillotiniren. (Er läuft auf und ab.) (bei Seite). Man könnte das Leben ordentlich wieder lieb haben, wie sein Kind, wenn man sich’s selbst gege- ben. Das kommt grade nicht oft vor, daß man so mit dem Zufall Blutschande treiben und sein eigener Vater werden kann. Vater und Kind zu- gleich. Ein behaglicher Ödipus! Danton und Camille’s Weiber mögen Assignaten unter das Volk werfen, das ist besser als Köpfe. Ich würde mir hintennach die Augen nicht aus- reißen; ich könnte sie nöthig haben, um den guten General zu beweinen. Die Hand an Danton! — Wer ist noch sicher? Die Furcht wird sie vereinigen. Er ist doch verloren. Was ist’s denn, wenn ich auf eine Leiche trete, um aus dem Grab zu klettern? Nur den Fuß auf der Gasse! Ich werde Leute genug finden, alte Soldaten, Girondisten, Ex-Adelige; wir erbrechen die Gefängnisse, wir müssen uns mit den Gefangenen verständigen. Nun freilich, es riecht ein wenig nach Schur- kerei. Was thut’s? Ich hätte Lust, auch das zu versuchen; ich war bisher zu einseitig. Man bekommt Gewissensbisse, das ist doch eine Abwechslung; es ist nicht so unangenehm, seinen eigenen Gestank zu riechen. — Die Aussicht auf die Guillotine ist mir langweilig geworden, so lange auf die Sache zu warten! Ich habe sie im Geist schon zwanzigmal durchprobirt. Es ist auch gar nichts Pikantes mehr dran, es ist ganz gemein geworden. Man muß Danton’s Frau ein Billet zukom- men lassen. Und dann — ich fürchte den Tod nicht, aber den Schmerz. — Es könnte wehe thun, wer steht mir dafür? Man sagt zwar, es sei nur ein Augen- blick; aber der Schmerz hat ein feineres Zeitmaaß, er zerlegt eine Tertie. Nein! Der Schmerz ist die einzige Sünde, und das Leiden ist das einzige Laster; ich werde tugendhaft bleiben. Höre, Laflotte, wo ist der Kerl hingekommen? Ich habe Geld, das muß gehen; wir müssen das Eisen schmieden, mein Plan ist fertig. Gleich, gleich! ich kenne den Schließer, ich werde mit ihm sprechen, du kannst auf mich zählen, Gene- ral, wir werden aus dem Loch kommen (für sich im Hinausgehen) , um in ein anderes zu gehen, ich in das weiteste, die Welt, — er in das engste, das Grab. Der Wohlfahrts-Ausschuss . St. Just, Barr è re, Callot d’Herbois, Billaud, Varennes . Was schreibt Fouquier? Das zweite Verhör ist vorbei. Die Gefangenen verlangen das Erscheinen mehrerer Mitglieder des Convents und des Wohlfahrts-Ausschusses, sie appel- liren an das Volk, wegen Verweigerung der Zeugen. Di Bewegung der Gemüther soll unbeschreiblich sein. — Danton parodirte den Jupiter und schüt- telte die Locken. Um so leichter wird ihn Samson packen. Wir dürfen uns nicht zeigen, die Fischwei- ber und die Lumpensammler könnten uns weniger imposant finden. Das Volk hat einen Instinkt, sich treten zu lassen, und wäre es nur mit Blicken, dergleichen insolente Physiognomien gefallen ihm. Solche Mienen sind ärger, als ein adliges Wappen; der feine Ari- stokratismus der Menschenverachtung sitzt auf ihnen, es sollte sie jeder einschlagen helfen, den es ver- drießt, einen Blick von oben herunter zu erhalten. Er ist wie der hörnerne Siegfried, das Blut der Septembriseurs hat ihn unverwundbar gemacht. — Was sagt Robespierre? Er thut, als ob er etwas zu sagen hätte. Die Geschwornen müssen sich für hinlänglich unterrichtet erklären und die Debatten schließen. Unmöglich, das geht nicht. Sie müssen weg, um jeden Preis, und sollten wir sie mit den eignen Händen erwürgen. Wagt! — Danton soll uns das Wort nicht umsonst gelehrt haben. Die Revolution wird über ihre Leichen nicht stolpern, aber bleibt Danton am Leben, so wird er sie am Gewand fassen und er hat etwas in seiner Gestalt, als ob er die Freiheit nothzüchtigen könnte. (St. Just wird herausgerufen.) (Der Schließer tritt ein.) In St. Pelagie liegen Gefangene am Sterben, sie verlangen einen Arzt. Das ist unnöthig, so viel Mühe weniger für den Scharfrichter. Es sind schwangere Weiber dabei. Desto besser, da brauchen ihre Kinder keinen Sarg. Die Schwindsucht eines Aristokraten spart dem Revolutions-Tribunal eine Sitzung. Jede Arznei wäre contrerevolutionär. (nimmt ein Pavier). Eine Abschrift! ein Weibername! Wohl eine von denen, die gezwungen sein möch- ten, zwischen einem Guillotinenbrett und dem Bett eines Jacobiners zu wählen. Die wie Lucretien nach dem Verlust ihrer Ehre sterben, aber etwas später als die Römerin — im Kindbett, oder aus Alters- schwäche. — Es mag nicht so unangenehm sein, 8 einen Tarquinius aus der Tugendrepublik einer Jung- frau zu treiben. Sie ist zu alt. Madame verlangt den Tod, sie weiß sich auszudrücken, das Gefängniß liegt auf ihr wie ein Sargdeckel. Sie sitzt erst seit vier Wochen. Die Antwort ist leicht. (Er schreibt und liest.) Bürgerin, es ist noch nicht lange genug, daß du den Tod wünschest. Gut gesagt. Aber Callot, es ist nicht gut, daß die Guillotine zu lachen anfängt; die Leute haben sonst keine Furcht mehr davor, man muß sich nicht so familiär machen. ( St. Just kommt zurück.) Eben erhalte ich eine Denunciation. Man con- spirirt in den Gefängnissen; ein junger Mensch, Namens Laflotte, hat Alles entdeckt. Er saß mit Dillon im nämlichen Zimmer. Dillon hat getrun- ken und geplaudert. Er schneidet sich mit seiner Bouteille den Hals ab; das ist schon mehr vorgekommen. Danton’s und Camille’s Weiber sollen Geld unter das Volk werfen, Dillon soll ausbrechen, man will die Gefangenen befreien, der Convent soll gesprengt werden. Das sind Mährchen. Wir werden sie aber mit dem Mährchen in Schlaf erzählen. Die Anzeige habe ich in Händen, dazu die Keckheit der Angeklagten, das Murren des Volks, die Bestürzung der Geschwornen; ich werde einen Bericht machen. Ja, geh, St. Just, und spinne deine Perioden, worin jedes Komma ein Säbelhieb und jeder Punkt ein abgeschlagener Kopf ist. Der Convent muß dekretiren, das Tribunal solle ohne Unterbrechung den Proceß fortführen, und dürfe jeden Angeklagten, welcher die dem Gerichte schuldige Achtung verletzte oder störende Auftritte veranlaßte, von den Debatten ausschließen. 8* Du hast einen revolutionären Instinkt, das lautet ganz gemäßigt und wird doch seine Wirkung thun. Sie können nicht schweigen, Danton muß schreien. Ich zähle auf Eure Unterstützung. Es gibt Leute im Convent, die eben so krank sind wie Dan- ton, und welche die nämliche Kur fürchten. Sie haben wieder Muth bekommen, sie werden über Ver- letzung der Formen schreien. (ihn unterbrechend). Ich werde ihnen sagen: Zu Rom wurde der Consul, welcher die Verschwörung des Catilina ent- deckte, und die Verbrecher auf der Stelle mit dem Tod bestrafte, der verletzten Förmlichkeit angeklagt. Wer waren seine Ankläger? (mit Pathos). Geh, St. Just, die Lava der Revolution fließt. Die Freiheit wird die Schwächlinge, welche ihren mächtigen Schooß befruchten wollten, in ihren Um- armungen ersticken, die Majestät des Volkes wird ihnen wie Jupiter der Semele, unter Donner und Blitz erscheinen und sie zu Asche glühen. Geh, St. Just, wir werden dir helfen, der Donnerkeil muß die Häupter der Feiglinge zerschleudern. (St. Just ab.) Hast du das Wort Kur gehört? Sie werden noch aus der Guillotine ein Specificum machen. Sie kämpfen nicht mit den Moderirten, sie kämpfen mit dem Laster. Bis jetzt geht unser Weg zusammen. Robespierre will aus der Revolution einen Hör- saal für Moral machen und die Guillotine als Ka- theder gebrauchen. Oder als Betschemel. Auf dem er aber alsdann nicht stehen, sondern liegen soll. Das wird leicht gehen. Die Welt müßte auf dem Kopf stehen, wenn die sogenannten Spitzbuben von den sogenannten rechtlichen Leuten gehängt werden sollten. (zu Barr è re). Wann kommst du wieder nach Clichy? Wenn der Arzt nicht mehr zu mir kommt. (allein). Die Ungeheuer! — „Es ist noch nicht lange genug, daß du den Tod wünschest!“ Diese Worte hätten die Zunge müssen verdorren machen, die sie gesprochen. — Und ich? — Als die Septembri- seurs in die Gefängnisse drangen, faßt ein Gefan- gener sein Messer, er drängt sich unter die Mörder, er stößt es in die Brust eines Priesters, er ist gerettet! — Wer kann was dawider haben? — Ob ich nun unter die Mörder dränge, oder mich in den Wohlfahrts-Ausschuß setze, ob ich ein Guillotinen- oder ein Taschenmesser nehme? Es ist der näm- liche Fall, nur mit etwas verwickelteren Umständen, die Grundverhältnisse sind sich gleich. — Und dürft’ er Einen morden, dürft’ er auch Zwei, auch Drei, auch noch mehr? wo hört das auf? da kommen die Gerstenkörner, machen zwei einen Haufen, dann Vier, wie viel dann? Komm, mein Gewissen, komm, mein Hühnchen, komm, da ist Futter. — Doch — war ich auch Gefangener? Verdäch- tig war ich, das läuft auf Eins hinaus, der Tod war mir gewiß. (Ab.) Die Conciergerie . Lacroix , Danton , Philippeau , Camille . Du hast gut geschrieen, Danton; hättest du dich früher so um dein Leben gequält, es wäre jetzt an- ders. Nicht wahr, wenn der Tod Einem so unver- schämt nahe kommt und so aus dem Hals stinkt und immer zudringlicher wird? Wenn er noch seinen Raub unter Ringen und Kampf aus den heißen Gliedern riß! aber so in allen Formalitäten, wie bei der Hochzeit mit einem alten Weibe, wie die Pakten aufgesetzt, wie die Zeu- gen gerufen, wie das Amen gesagt und wie dann die Bettdecke gehoben wird und es langsam herein- kriecht mit seinen kalten Gliedern! Wär’ es ein Kampf, daß die Arme und Zähne einander packten! aber es ist mir, als wäre ich in ein Mühlwerk gefallen und die Glieder würden mir langsam systematisch von der kalten physischen Ge- walt abgedreht. So mechanisch getödtet zu werden! Und dann da liegen, allein, kalt, steif in dem feuchten Dunst der Fäulniß! Vielleicht, daß Einem der Tod das Leben langsam aus den Fibern mar- tert, mit Bewußtsein vielleicht, sich wegzufaulen! Seid ruhig, meine Freunde. Wir sind wie die Herbstzeitlose, welche erst nach dem Winter Samen trägt. Von Blumen, die versetzt werden, unterschei- den wir uns nur dadurch, daß wir über dem Ver- such ein wenig stinken. Ist das so arg? Eine erbauliche Aussicht! Von einem Misthaufen auf den andern. Nicht wahr, die göttliche Klassen- theorie? Von Prima nach Secunda, von Secunda nach Tertia und so weiter? Ich habe die Schul- bänke satt, ich habe mir Gesäßschwielen wie ein Affe darauf gesessen. Was willst du denn? Ruhe. Die ist in Gott. Im Nichts: Versenke dich in was Ruhigers, als in das Nichts, und wenn die höchste Ruhe Gott ist, ist nicht das Nichts Gott? Aber ich bin ein Atheist; der verfluchte Satz! Etwas kann nicht zu Nichts werden! und ich bin Etwas, das ist der Jammer! — Die Schöpfung hat sich so breit gemacht, da ist nichts leer. Alles voll Gewimmels. Das Nichts hat sich ermordet, die Schöpfung ist seine Wunde, wir sind seine Blutstropfen, die Welt ist das Grab, worin es fault. — Das lautet ver- rückt, es ist aber doch was Wahres dran. Die Welt ist der ewige Jude, das Nichts ist der Tod, aber er ist unmöglich. O! nicht sterben können, nicht sterben können! wie es im Lied heißt. Wir sind Alle lebendig begraben, und wie Kö- nige in drei- oder vierfachen Särgen beigesetzt, unter dem Himmel, in unsern Häusern, in unsern Röcken und Hemden. — Wir kratzen fünfzig Jahre lang am Sargdeckel. Ja, wer an Vernichtung glauben könnte! dem wäre geholfen. — Da ist keine Hoff- nung im Tod; er ist nur eine einfachere, das Leben eine verwickeltere, organisirtere Fäulniß, — das ist der ganze Unterschied! — Aber ich bin gerad’ einmal an diese Art des Faulens gewöhnt, der Teufel weiß, wie ich mit einer andern zurecht komme. — O Julie ! Wenn ich allein ginge! — Wenn sie mich ein- sam ließe! — Und wenn ich ganz zerfiele, mich ganz auflöste — ich wäre eine Handvoll gemar- terten Staubes, jedes meiner Atome könnte nur Ruhe finden bei ihr. — Ich kann nicht sterben, nein, ich kann nicht sterben. Wir müssen schreien, sie müssen mir jeden Lebenstropfen aus den Glie- dern reißen. Ein Zimmer . Fouquier, Amar, Voulaud . Ich weiß nicht mehr, was ich antworten soll; sie fordern eine Commission. Wir haben die Schurken, da hast du, was du verlangst. (Er überreicht Fouquier ein Papier.) Das wird sie zufrieden stellen. Wahrhaftig, das hatten wir nöthig. Nun rasch, daß wir und sie die Sache vom Hals bekommen. Das Revolutions-Tribunal . Die Republik ist in Gefahr und er hat keine Instruction! Wir appelliren an das Volk, meine Stimme ist noch stark genug, um den Decemvirn die Leichenrede zu halten. — Ich widerhole es, wir verlangen eine Commission, wir haben wichtige Ent- deckungen zu machen. Ich werde mich in die Cita- delle der Vernunft zurück ziehen, ich werde mit der Kanone der Wahrheit hervorbrechen und meine Feinde zermalmen. (Zeichen des Beifalls.) ( Fouquier, Amar, Voulaud treten ein.) Ruhe, im Namen der Republik, Achtung dem Gesetz! Der Convent beschließt: — In Betracht, daß in den Gefängnissen sich Spuren von Meute- reien zeigen, in Betracht, daß Danton’s und Camil- le’s Weiber Geld unter das Volk werfen und daß der General Dillon ausbrechen und sich an die Spitze der Empörer stellen sollen, um die Ange- klagten zu befreien; in Betracht endlich, daß diese selbst unruhige Auftritte herbei zu führen sich bemüht und das Tribunal zu beleidigen versucht haben, wird das Tribunal ermächtigt, die Untersuchung ohne Unterbrechung fortzusetzen, und jeden Ange- klagten, der die dem Gesetze schuldige Ehrfurcht außer Augen setzen sollte, von den Debatten aus- zuschließen. Ich frage die Anwesenden, ob wir dem Tribu- nal, dem Volke, oder dem National-Convent Hohn gesprochen haben? Nein! Nein! Die Elenden, sie wollen meine Lucile morden! Eines Tages wird man die Wahrheit erkennen. Ich sehe großes Unglück über Frankreich herein- brechen. Das ist die Dictatur; sie hat ihren Schleier zerrissen, sie trägt die Stirne hoch, sie schreitet über unsere Leichen. (Auf Amar und Voulaud deutend.) Seht da die feigen Mörder, seht da die Raben des Wohlfahrts-Ausschusses! Ich klage Robes- pierre, St. Just und ihre Henker des Hochverraths an. Sie wollen die Republik im Blut ersticken. Die Gleise der Guillotinen-Karren sind die Heer- straßen, in welchen die Fremden in das Herz des Vaterlandes dringen sollen. — Wie lange sollen die Fußtapfen der Freiheit Gräber sein? — Ihr wollt Brod und sie werfen euch Köpfe hin. Ihr dürstet und sie machen euch das Blut von den Stufen der Guillotine lecken. (Heftige Bewegung unter den Zu- hörern, Geschrei des Beifalls, viele Stimmen: es lebe Danton, nieder mit den Decemvirn! — Die Gefangenen werden mit Gewalt hinausgeführt.) Platz vor dem Justiz-Palaste. (Ein Volkshaufe.) Nieder mit den Decemvirn! Es lebe Danton! Ja, das ist wahr, Köpfe statt Brod, Blut statt Wein! Die Guillotine ist eine schlechte Mühle und Sam- son ein schlechter Bäckerknecht; wir wollen Brod, Brod! Euer Brod — das hat Danton gefressen! Sein Kopf wird euch Allen Brod geben; er hatte Recht. Danton war unter uns am 10. August, Danton war unter uns im September. Wo waren die Leute, die ihn angeklagt haben? Und Lafayette war mit euch in Versailles und war doch ein Verräther. Wer sagt, daß Danton ein Verräther sei? Robespierre. Und Robespierre ist ein Verräther. Wer sagt das? Danton. Danton hat schöne Kleider, Danton hat ein schönes Haus, Danton hat eine schöne Frau, er badet sich in Burgunder, ißt das Wildpret von silbernen Tellern. — Danton war arm, wie ihr. Woher hat er das Alles? — Das Veto hat es ihm gekauft, damit er ihm die Krone rette. — Der Herzog von Orleans hat es ihm geschenkt, damit er ihm die Krone stehle. — Der Fremde hat es ihm gegeben, damit er euch Alle verrathe. Was hat Robespierre? Der tugendhafte Robespierre! Ihr kennt ihn Alle. Es lebe Robespierre! Nieder mit Danton! Nie- der mit dem Verräther! Eine Gasse. Dumas, ein Bürger. Wie kann man nach einem solchen Verhör so viel Unschuldige zum Tod verurtheilen? Das ist in der That außerordentlich, aber die Revolutionsmänner haben einen Sinn, der andern Menschen fehlt, und dieser Sinn trügt sie nie. Das ist der Sinn des Tiegers. — Du hast ein Weib. Ich werde bald eins gehabt haben. So ist es denn wahr? Das Revolutions-Tribunal wird unsere Ehe- scheidung aussprechen; die Guillotine wird uns von Tisch und Bette trennen. Du bist ein Ungeheuer! Schwachkopf! du bewunderst Brutus. Von ganzer Seele. Muß man denn gerade römischer Consul sein und sein Haupt mit der Toga verhüllen können, um sein Liebstes dem Vaterlande zu opfern? Ich werde mir die Augen mit dem Ärmel meines rothen Fracks abwischen; das ist der ganze Unterschied. — Geh, du begreifst mich nicht. (Sie gehen ab.) Ein Zimmer. Julie, ein Knabe. Es ist aus. Sie zitterten vor ihm. Sie tödten ihn aus Furcht. Geh! ich habe ihn zum Letztenmal gesehen; sag’ ihm, ich könne ihn nicht so sehen. (Sie gibt ihm eine Locke.) Da, bring’ ihm das — und sag’ ihm, er würde nicht allein gehn. Er ver- 9 steht mich schon, und dann schnell zurück, ich will seine Blicke aus deinen Augen lesen. Die Conciergerie. Lacroix, H é rault, auf einem Bett, Danton, Camille, auf einem andern. Die Haare wachsen Einem so und die Nägel, man muß sich wirklich schämen. Nehmen Sie sich ein wenig in Acht, Sie nießen mir das ganze Gesicht voll Sand. Und treten Sie mir nicht so auf die Füße, Bester, ich habe Hühneraugen. Sie leiden noch an Ungeziefer. Ach, wenn ich nur einmal die Würmer ganz los wäre. Nun, schlafen Sie wohl, wir müssen sehen, wie wir mit einander zurecht kommen, wir haben wenig Raum. — Kratzen Sie mich nicht mit Ihren Nägeln. Schlaf! — So zerren Sie nicht so am Leintuch, es ist kalt da unten. Ja, Camille, morgen sind wir durchgelaufene Schuhe, die man der Bettlerin Erde in den Schooß wirft. Das Rindsleder, woraus nach Platon die Engel sich Pantoffel geschnitten und damit auf der Erde herumtappen. Es geht aber auch danach. — Meine Lucile! Sei ruhig, mein Junge. Kann ich’s? Glaubst du, Danton?! Kann ich’s? Sie können die Hände nicht an sie legen, das Licht der Schönheit, das von ihrem süßen Leibe sich aus- gießt, ist unlöschbar. Sieh, die Erde würde nicht wagen, sie zu verschütten, sie würde sich um sie wölben, der Grabdunst würde wie Thau an ihren Wimpern funkeln, Krystalle würden wie Blumen um ihre Glieder sprießen und helle Quellen in Schlaf sie murmeln. 9* Schlafe, mein Junge, schlafe. Höre, Danton, unter uns gesagt, es ist so elend, sterben zu müssen. Es hilft auch zu nichts. Ich will dem Leben noch die letzten Blicke aus seinen hübschen Augen stehlen, ich will die Augen offen haben. Du wirst sie ohnehin offen behalten. Samson drückt einem die Augen nicht zu. Der Schlaf ist barmherziger. Schlafe, mein Junge, schlafe. Lucile, deine Küsse phantasiren auf meinen Lip- pen, jeder Kuß wird ein Traum, meine Augen sinken und schließen ihn fest ein. Will denn die Uhr nicht ruhen? Mit jedem Picken schiebt sie die Wände enger um mich, bis sie so eng sind wie ein Sarg. — Ich las einmal als Kind so eine Geschichte, die Haare standen mir zu Berg. — Ja, als Kind! das war der Mühe werth, mich so groß zu füttern und mich warm zu halten. Blos Arbeit für den Todtengräber! — Es ist mir, als röch’ ich schon. Mein lieber Leib, ich will mir die Nase zuhalten und mir einbilden, du seist ein Frauenzimmer, was vom Tanzen schwitzt, und dir Artigkeiten sagen. Wir haben uns sonst schon mehr mit einander die Zeit vertrieben. — Morgen bist du eine zerbrochene Fiedel, die Melodie darauf ist ausgespielt. Morgen bist du eine leere Flasche, der Wein ist ausgetrunken, aber ich habe keinen Rausch davon und gehe nüchtern zu Bett. Das sind glück- liche Leute, die sich noch betrinken können. Morgen bist du eine durchgerutschte Hose, du wirst in die Garderobe geworfen, und die Motten werden dich fressen. — Ach, das hilft nichts. Ja wohl, es ist so elend, sterben müssen. Der Tod äfft die Geburt; bei’m Sterben sind wir so hülflos und nackt, wie neugeborne Kinder. Freilich, wir bekommen das Leichentuch zur Windel. Was wird es helfen? Wir können im Grab so gut wimmern, wie in der Wiege. Camille! Er schläft (indem er sich über ihn bückt) , ein Traum spielt zwischen seinen Wimpern. Ich will den goldnen Thau des Schlafes ihm nicht von den Augen streifen. (Er erhebt sich und tritt an’s Fenster.) Ich werde nicht allein gehn, ich danke dir, Julie. — Doch hätte ich anders sterben mögen, so ganz mühelos, so wie ein Stern fällt, wie ein Ton sich selbst aushaucht, sich mit den eignen Lippen todt küßt, wie ein Lichtstrahl in klaren Fluthen sich begräbt. — Wie schimmernde Thränen sind die Sterne durch die Nacht gesprengt, es muß ein großer Jammer in dem Auge sein, von dem sie abträufelten. O! (Er hat sich aufgerichtet und tastet nach der Decke.) Was hast du, Camille? O, o! (schüttelt ihn). Willst du die Decke herunterkratzen? Ach du, du, o halt mich, sprich, du! Du bebst an allen Gliedern, der Schweiß steht dir auf der Stirne. Das bist du, das ich; so, — das ist meine Hand! ja, jetzt besinn’ ich mich. O Danton, das war entsetzlich. Was denn? Ich lag so zwischen Traum und Wachen. Da schwand die Decke und der Mond sank herein, ganz nahe, ganz dicht, mein Arm erfaßt’ ihn. Die Himmelsdecke mit ihren Lichtern hatte sich gesenkt, ich stieß daran, ich betastete die Sterne, ich tau- melte wie ein Ertrinkender unter der Eisdecke. Das war entsetzlich, Danton. Die Lampe wirft einen runden Schein an die Decke, das sahst du. Meinetwegen, es braucht gerade nicht viel, um Einem das bischen Verstand verlieren zu machen. Der Wahnsinn faßte mich bei den Haaren. (Er er- hebt sich.) Ich mag nicht mehr schlafen, ich mag nicht verrückt werden. (Er greift nach einem Buch.) Was nimmst du? Die Nachtgedanken. Willst du zum voraus sterben? Ich nehme die Pucelle. Ich will mich aus dem Leben nicht wie aus dem Betstuhl, sondern wie aus der Kammer eines Mädchens wegschleichen. Platz vor der Conciergerie. Ein Schließer, zwei Fuhrleute mit Karren, Weiber. Wer hat Euch herfahren geheißen? Ich heiße nicht Herfahren, das ist ein kurioser Name. Dummkopf, wer hat dir die Bestallung dazu gegeben? Ich habe keine Stallung dazu gekriegt, nichts als zehn Sous für den Kopf. Der Schuft will mich um’s Brod bringen. Was nennst du dein Brod. — (Auf die Fenster der Gefangenen deutend:) Das ist Wurmfraß. Kleine Kinder sind auch Würmer und die wollen auch ihr Theil davon. O, es geht schlecht mit un- serm Metier und doch sind wir die besten Fuhrleute. Wie das? Wer ist der beste Fuhrmann? Der am weitesten und am schnellsten fährt. Nun Esel, wer fährt weiter, als der aus der Welt fährt, und wer fährt schneller, als der’s in einer Viertelstunde thut? — Genau gemessen ist’s eine Viertelstunde von da bis zum Revolutionsplatz. Rasch, ihr Schlingel! Näher an’s Thor; Platz da, ihr Mädel! (Sie fahren vor.) (zu den Weibern). Was gafft ihr? Wir warten auf alte Kameraden. Meint ihr, mein Karren wär eure Winkelhäuser? Er ist ein anständiger Karren, er hat den König und alle vornehmen Herren aus Paris zur Tafel gefahren. (tritt auf. Sie setzt sich auf einen Stein unter die Fenster der Gefangenen). Camille, Camille! (Camille erscheint am Fenster.) — Höre, Camille, du machst mich lachen mit dem langen Steinrock und der eisernen Maske vor dem Gesicht, kannst du dich nicht bücken? Wo sind deine Arme? — Ich will dich locken, lieber Vogel (singt:) Es stehen zwei Sternlein an dem Himmel, Scheinen heller als der Mond, Der ein’ scheint vor Feinsliebchens Fenster, Der andere vor die Kammerthür. Komm, komm, mein Freund! leise die Treppe hinauf, sie schlafen Alle. Der Mond hilft mir schon lange warten. Aber du kannst nicht zum Thor herein, das ist eine unleidliche Tracht. Das ist zu arg für den Spaß, mach’ ein Ende. Du rührst dich auch gar nicht, warum sprichst du nicht? Du machst mir Angst. — Höre! die Leute sagen, du müßtest sterben, und machen dazu so ernsthafte Gesichter. — Sterben! ich muß lachen über die Gesichter. Ster- ben! Was ist das für ein Wort? Sag’ mir es, Camille. Sterben! Ich will nachdenken. Da, da ist’s. Ich will ihm nachlaufen, komm, süßer Freund, hilf mir fangen, komm! komm! (Sie läuft weg.) (ruft). Lucile! Lucile! Die Conciergerie. Danton, an einem Fenster, welches in das nächste Zimmer geht, Camille, Philippeau, Lacroix, H é rault. Du bist jetzt ruhig, Fabre. (von innen). Am Sterben. Weißt du auch, was wir jetzt machen werden? Nun? Was du dein ganzes Leben hindurch gemacht hast — des vers. (für sich). Der Wahnsinn saß hinter ihren Augen. Es sind schon mehr Leute wahnsinnig geworden, das ist der Lauf der Welt. Was können wir dazu? Wir waschen unsere Hände. Es ist auch besser so. Ich lasse Alles in einer schrecklichen Verwirrung. Keiner versteht das Regieren. Es könnte vielleicht noch gehn, wenn ich Robespierre meine Waden hinterließe. Wir hätten die Freiheit prostituirt! Ich lasse ihm keine sechs Monate Frist, ich ziehe ihn mit mir. (für sich). Der Himmel verhelf’ ihr zu einer behaglichen fixen Idee. Die allgemeinen fixen Ideen, welche man die gesunde Vernunft tauft, sind unerträglich langweilig. Der glücklichste Mensch war der, welcher sich einbilden konnte, daß er Gott Vater, Sohn und heiliger Geist sei. Die Esel werden schreien: es lebe die Republik, wenn wir vorbeigehn. Was liegt daran? Die Sündfluth der Revo- lution mag unsere Leichen absetzen, wo sie will, mit unsern fossilen Knochen wird man noch immer allen Königen die Schädel einschlagen können. Ja, wenn sich gerade ein Simson für unsere Kinnbacken findet. Sie sind Cainsbrüder. Nichts beweist mehr, daß Robespierre ein Nero ist, als der Umstand, daß er gegen Camille nie freundlicher war, als zwei Tage vor dessen Ver- haftung. Ist es nicht so, Camille? Meinetwegen, was geht das mich an? — Was sie aus dem Wahnsinn ein reizendes Ding gemacht hat. Warum muß ich jetzt fort? Wir hätten zusammen mit ihm gelacht, es gewiegt und geküßt. Wenn einmal die Geschichte ihre Grüfte öffnet, kann der Despotismus noch immer an dem Duft unserer Leichen ersticken. Das sind Phrasen für die Nachwelt; nicht wahr, Danton, uns gehen sie eigentlich nichts an. Er zieht ein Gesicht, als solle er versteinern und von der Nachwelt als Antike ausgegraben wer- den. — Das verlohnt sich auch der Mühe, Mäulchen zu machen und Roth aufzulegen und mit einem guten Accent zu sprechen; wir sollten einmal die Masken abnehmen, wir sähen dann, wie in einem Zimmer mit Spiegeln, überall nur den einen ural- ten, zahnlosen, unverwüstlichen Schafskopf, nichts mehr, nichts weniger! Die Unterschiede sind so groß nicht, wir Alle sind Schurken und Engel, Dummköpfe und Genie’s, und zwar das Alles noch in Einem; die vier Dinge finden Platz genug in dem nämlichen Körper, sie sind nicht so breit, als man sich einbildet. Schlafen, Verdauen, — das treiben Alle; die übrigen Dinge sind nur Variationen aus ver- schiedenen Tonarten über das nämliche Thema. Da braucht man sich auf die Zehen zu stellen und Gesichter zu schneiden, da braucht man sich vor einander zu geniren! Wir haben uns Alle am nämlichen Tische krank gegessen und haben Leib- grimmen, was haltet ihr euch die Servietten vor das Gesicht? Schreit nur und greint, wie es euch ankommt. Schneidet nur keine so tugendhaften und so witzigen und so heroischen und so genialen Grimas- sen, wir kennen uns ja einander, spart euch die Mühe. Ja, Camille, wir wollen uns bei einander setzen und schreien; nichts dummer, als die Lippen zusam- menzupressen, wenn Einem was weh thut. — Griechen und Götter schrien, Römer und Steiker machten die heroische Fratze. Die einen waren so gut Epikuräer wie die an- dern. Sie machten sich ein ganz behagliches Selbst- gefühl zurecht. Es ist nicht so übel, seine Toga zu drapiren und sich umzusehen, ob man einen langen Schatten wirft. Was sollen wir uns zerren? Ob wir uns nun Lorbeerblätter, Rosenkränze oder Weinlaub vorbinden oder uns nackt tragen? Meine Freunde, man braucht gerade nicht hoch über der Erde zu stehen, um von all dem wirren Schwanken und Flimmern nichts mehr zu sehen und die Augen nur von einigen großen, göttlichen Linien erfüllt zu haben. Es gibt ein Ohr, für welches das Ineinanderschreien und der Zeter, die uns betäuben, ein Strom von Harmonien sind. Aber wir sind die armen Musikanten und unsere Körper die Instrumente. Sind denn die häßlichen Töne, welche auf ihnen herausgepfuscht werden, nur da, um höher und höher dringend und endlich leise verhallend wie ein wollüstiger Hauch in himmlischen Ohren zu sterben? Sind wir wie Ferkel, die man für fürstliche Tafeln mit Ruthen todt peitscht, damit ihr Fleisch schmack- hafter werde? Sind wir Kinder, die in den glühenden Molochs- armen dieser Welt gebraten und mit Lichtstrahlen gekitzelt werden, damit die Götter sich über ihr Lachen freuen? Ist denn der Äther mit seinen Goldaugen eine Schüssel mit Goldkarpfen, die am Tisch der seligen Götter steht, und die seligen Götter lachen ewig und die Fische sterben ewig und die Götter erfreuen sich ewig am Farbenspiel des Todtenkampfes? Die Welt ist das Chaos. Das Nichts ist der zu gebärende Weltgott. (Der Schließer tritt ein.) Meine Herren, Sie können abfahren, die Wagen halten vor der Thür. Gute Nacht, meine Freunde, legen wir ruhig die große Decke über uns, unter welcher alle Her- zen ausglühen und alle Augen zufallen. (Sie umarmen einander.) (nimmt Camille’s Arm). Freue dich, Camille, wir bekommen eine schöne Nacht. Die Wolken hängen am stillen Abend- himmel wie ein ausglühender Olymp mit verblei- chenden, versinkenden Göttergestalten. 10 Ein Zimmer. Das Volk lief in den Gassen, jetzt ist Alles still. Keinen Augenblick möcht’ ich ihn warten lassen. (Sie zieht eine Phiole hervor.) Komm, lieb- ster Priester, dessen Amen uns zu Bette gehen macht. (Sie tritt an’s Fenster.) Es ist so hübsch, Abschied zu nehmen; ich habe die Thüre nur noch hinter mir zuzuziehen. (Sie trinkt.) — Man möchte immer so stehn. — Die Sonne ist hinunter, der Erde Züge waren so scharf in ihrem Licht, doch jetzt ist ihr Gesicht so still und ernst, wie einer Sterbenden. — Wie schön das Abendlicht ihr um Stirn und Wangen spielt. — Stets bleicher und bleicher wird sie, wie eine Leiche treibt sie abwärts in der Fluth des Äthers; will denn kein Arm sie bei den goldnen Locken fassen und aus dem Strom sie ziehen und begraben? — Ich gehe leise. Ich küsse sie nicht, daß kein Hauch, kein Seufzer sie aus dem Schlummer wecke. — Schlafe, schlafe. (Sie stirbt.) Der Revolutions-Platz . (Die Wagen kommen angefahren und halten vor der Guillotine. Männer und Weiber singen und tanzen die Carmagnole. Die Gefangenen stimmen die Mar- seillaise an.) Platz! Platz! Die Kinder schreien, sie haben Hunger. Ich muß sie zusehen machen, daß sie still sind. Platz! Höre, Danton, du kannst jetzt die Würmer heirathen. H é rault, aus deinen hübschen Haaren laß ich mir eine Perücke machen. Ich habe nicht Waldung genug für einen so abgeholzten Berg. Verfluchte Hexen! Ihr werdet noch schreien: ihr Berge fallet auf uns! 10* Der Berg ist auf Euch oder Ihr seid ihn viel- mehr hinunter gefallen. (zu Camille.) Ruhig, mein Junge, du hast dich heiser geschrien. (gibt dem Fuhrmann Geld). Da, alter Charon, dein Karren ist ein guter Präsentirteller. — Meine Herren, ich will mich zuerst serviren. Das ist ein klassisches Gastmahl, wir liegen auf unsern Plätzen und verschütten etwas Blut als Libation. Adieu, Danton. (Er besteigt das Blutgerüst, die Gefangenen folgen ihm, einer nach dem andern. Danton steigt zuletzt hinauf.) (zu dem Volke). Ihr tödtet uns an dem Tage, wo ihr den Ver- stand verloren habt; ihr werdet sie an dem tödten, wo ihr ihn wiederbekommt. Das war schon einmal da; wie langweilig. Die Tyrannen werden über unsern Gräbern den Hals brechen. (zu Danton). Er hält seine Leiche für ein Mistbeet der Freiheit. (auf dem Schaffot). Ich vergebe Euch; ich wünsche, Eure Todes- stunde sei nicht bitterer als die meinige. Dacht’ ich’s doch, er muß sich noch einmal in den Busen greifen und den Leuten da unten zeigen, daß er reine Wäsche hat. Lebe wohl, Danton. Ich sterbe doppelt. Adieu, mein Freund. Die Guillotine ist der beste Arzt. (will Danton umarmen). Ach Danton, ich bringe nicht einmal einen Spaß heraus. Da ist’s Zeit. (Ein Henker stößt ihn zurück.) (zum Henker). Willst du grausamer sein als der Tod? Kannst du verhindern, daß unsere Köpfe sich auf dem Boden des Korbes küssen? Eine Gasse . Es ist doch was wie Ernst daran. Ich will einmal nachdenken. Ich fange an, so was zu begrei- fen. Sterben — Sterben —! — Es darf ja Alles leben, Alles, die kleine Mücke da, der Vogel. Warum denn er nicht? Der Strom des Lebens müßte stocken, wenn nur der eine Tropfen verschüt- tet würde. Die Erde müßte eine Wunde bekom- men von dem Streich. — Es regt sich Alles, die Uhren gehen, die Glocken schlagen, die Leute lau- fen, das Wasser rinnt, und so Alles weiter bis da, dahin! — Nein, es darf nicht geschehen, nein, ich will mich auf den Boden setzen und schreien, daß erschrocken Alles stehn bleibt, Alles stockt, sich nichts mehr reget. (Sie setzt sich nieder, verhüllt sich die Augen und stößt einen Schrei aus. Nach einer Pause erhebt sie sich.) Das hilft nichts, das ist noch Alles wie sonst, die Häuser, die Gasse, der Wind geht, die Wolken ziehen. Wir müssen’s wohl leiden. (Einige Weiber kommen die Gasse herunter.) Ein hübscher Mann, der H é rault. Wie er bei’m Constitutionsfest so im Triumph- bogen stand, da dacht’ ich so, der muß sich gut auf der Guillotine ausnehmen, dacht’ ich. Das war so eine Ahnung. Ja, man muß die Leute in allen Verhältnissen sehen; es ist recht gut, daß das Sterben so öffent- lich wird. (Sie gehen vorbei.) Mein Camille! Wo soll ich dich jetzt suchen? Der Revolutions-Platz . Zwei Henker an der Guillotine beschäftigt. (steht auf der Guillotine und singt:) Und wenn ich hame geh’ Scheint der Mond so scheeh. He, holla! Bist bald fertig? Gleich, gleich! (Singt:) Scheint in meines Ellervaters Fenster. Kerl, wo bleibst so lang? — So, die Jacke her! (Sie gehen singend ab.) Und wann ich hame geh’ Scheint der Mond so scheeh. (Ab.) (tritt auf und setzt sich auf die Stufen der Guillotine.) Ich setze mich auf deinen Schooß, du stiller (Sie singt:) Es ist ein Schnitter, der heißt Tod, Hat Gewalt vom höchsten Gott. Du liebe Wiege, die du meinen Camille in Schlaf gelullt, ihn unter deinen Rosen erstickt hast. Du Todtenglocke, die du ihn mit deiner süßen Zunge zu Grabe sangst. (Sie singt:) Viel hunderttausend sind ungezählt, Was nur unter die Sichel fällt. (Eine Patrouille tritt auf.) He, wer da? (sinnend und wie einen Entschluß fassend plötzlich:) Es lebe der König! Im Namen der Republik! (Sie wird von der Wache umringt und weggeführt.) In demselben Verlage sind folgende empfehlenswerthe Schritten erschienen und um beigesetzte Preise durch alle solide Buch- handlungen zu beziehen. Adrian , Reise-Scenen aus Amerika. 1r Theil. Rthlr. 1. 8 gr. fl. 2. 24 kr. Adrian , Dr., Bilder aus England. Zwei Theile mit 6 Kupfrn. Rthlr. 3. 12 gr. — fl. 6. — — Skizzen aus England. Zwei Bände. Rthlr. 3. 12 gr. — fl. 6. Die Hallische, Jenaische und Leipziger Litera- tur-Zeitungen , das Berliner Conversations- blatt , die Blätter für literarische Unterhaltung, Hesperus u. A. haben sich über diese Werke auf das Vor- theilhafteste ausgesprochen. Das ausgezeichnete Darsteller- Talent, die leichte, lebendige Schilderungsgabe des Verfas- sers, der reizende Wechsel der Gegenstände, das Interesse, das den Leser vom Anfang bis zum Ende fesselt, und der ele- gante Styl sowie die Wahl der Gegenstände, die treue, stets aus dem Leben gegriffene Darstellung des anziehenden Landes, in welches uns der Verfasser einführt, in welchem er uns hei- misch macht, die liebenswürdigen und wunderlichen Charak- tere, mit denen er verkehrt und die er so treffend schildert, — alles das sind Vorzüge, welche die eben so unterhaltenden, als lehrreichen Bilder und Skizzen aus England aus- zeichnen und ihnen in gebildeten Kreisen einen so großen Bei- fall gewonnen haben. Bechstein, Ludwig, Luther . Ein Gedicht. 8. Geb. 21 gr. fl. 1. 30 kr. — — der Fürstentag . Historisch-romantisches Zeitbild aus dem sechszehnten Jahrhundert. 2 Bände 8. Rthlr. 3. fl. 5. 24 kr. Belani , H. C. R., Romantische Erzählungen aus Portugal’s Geschichte. 8. Rthlr. 1. 12 gr. fl. 2. 42 kr. — — der Heimathlose. Roman in Zeitbildern. 3 Theile. Rthlr. 4. fl. 7. Byron , Lord, sämmtliche Werke, herausgege- ben von Dr. Adrian . Mit dem Bildnisse des Verfassers, einem Facsimile seiner Hand- schrift und einer Ansicht von Newstead-Abtey. 12 Bände. Geh. Auf geglättetem Velinpapier Rthlr. 8. 12 gr. fl. 14. Auf weißem Druck- papier Rthlr. 6. 18 gr. fl. 11. Diese Ausgabe ist vollständiger , als irgend eine bis jetzt in englischer Sprache erschienene, und mit der größten Sorgfalt, mit Sachkenntniß und Geschmack von einem Ver- eine rühmlichst bekannter Männer ausgeführt; keinerlei Rück- sicht konnte das Auslassen auch nur einer einzigen Stelle be- dingen. Obgleich nun dieselbe um 15 Octavbogen stärker wurde, wird dennoch vorerst der äußerst billige Subscriptionspreis beibehalten . Die vorzüglichsten kritischen Blätter haben sich über diese Ausgabe auf das Vortheilhafteste ausgesprochen. Eine aus- führliche Beurtheilung in der Hallischen Lit. Zeitung [1832. 195] beginnt: „Wir sehen hier ein Unternehmen vollendet, in welchem die Universalität des Geistes unserer Sprache einen ihrer glänzendsten Triumphe feiert. Wie möchte auch der Franzose oder der Italiener die kühne Kraft des englischen Dichters wiederzugeben vermögen, wie den freien Schwung seines Ge- sanges, die Tiefe zerreißender und versöhnender Gefühle, die verwegene Bildung der Sätze und einzelner Worte, die tau- send bedeutungsvollen Nüancen, welche Byron gleichsam tändelnd, aber nie ohne Absicht und Bewußtseyn, hinwirft?“ Cooper’s sämmtliche Werke, 81 Bändchen. Geh. Ausgabe auf Druckvelinpap. Rthlr. 14. 20 gr. fl. 23. 12 kr. Auf Druckpapier Rthlr. 9. 20 gr. fl. 15. 48 kr. Dieselben enthalten: Der Spion. — Der Letzte der Mo- hikaner. — Die Arsiedler. — Der Lootse. — Lionel Lincoln. — Die Steppe. — Der rothe Freibeuter. — Die Nordamerikaner. — Die Grenzwohner. — Die Wassernixe. — Der Bravo. — Die Heidenmauer. — Der Scharfrichter von Bern. Döring , Georg, Stimmen des Lebens. Drei Erzählungen. Rthlr. 1. 16 gr. fl. 2. 48 kr. — — Sonnenberg. Eine Novelle in 3 Thei- len. Geh. Rthlr. 4. 20 gr. fl. 8. 24 kr. — — der Hirtenkrieg. Novelle in 3 Theilen. Geh. Rthlr. 4. 20 gr. fl. 8. 24 kr. — — die Mumie von Rotterdam. Eine No- velle. 2 Theile. Geh. Rthlr. 3. 4 gr. fl. 5. 30 kr. Döring , Georg, das Kunsthaus. Novelle in 3 Theilen. Geh. Rthlr. 4. 20 gr. fl. 8. 24 kr. — — van Speyk. Ein Heldengedicht. Geh. 9 gr. 40 kr. — — Novellen . 4 Theile. Ausgabe auf Velinpapier Rthlr. 6. fl. 10. 48 kr. Aus- gabe auf Druckpap . Rthlr. 5. fl. 9. — — das Opfer von Ostrolenka. Novelle in 3 Theilen. Geh. Rthlr. 4. 20 gr. fl. 8. 24 kr. — — die Geiselfahrt. Eine Erzählung aus dem vierzehnten Jahrhundert. 3 Bände. Rthlr. 4. 20 gr. fl. 8. 24 kr. — — Phantasiegemälde. 5 Jahrgänge. 1829 bis 1833. Jeder Jahrgang mit einem Titel- kupfer von Fleischmann . Geb. à Rthlr. 1. 12 gr. fl. 2. 45 kr. — — Tage der Vorzeit. Dramatisches Gedicht in vier Darstellungen, aus der Geschichte dre freien Stadt Frankfurt. 1. Die Gründung. 2. Der Kaisersitz. 3. Die Wahlstadt. 4. Gustav Adolphs Abschied von Frankfurt. Cartonirt. Rthlr. 1. 8 gr. fl. 2. 15 kr. — — Roland von Bremen. Novelle in 3 Thei- len. Geh. Rthlr. 4. 20 gr. fl. 8. 24 kr. — — Erzählungen. 4 Theile. 8. Rthlr. 5. 8 gr. fl. 9. — — dramatische Novellen. 4 Theile. Rthlr. 5. 8 gr. fl. 9. Diese Dichtungen des berühmten Herrn Verfassers haben sich des außerordentlichsten Beifalls nicht allein von Deutsch- land, sondern auch theilweise von England und Frankreich, wohin sie talentvolle Uebersetzer verpflanzt, zu erfreuen. Mit Recht nennen ihn kritische Blätter den deutschen Cooper ; denn wie er gleich diesem genialen Schriftsteller einen Reich- thum der Erfindnng entfaltet, eine scharfe Charakterisirung in allen Individuen aufstellt, so gelingen ihm auch ebenso die Schilderungen von Naturscenen, die Darstellungen reizen- der und romantischer Lokalitäten, mit allen dichterischen De- tails, welche dazu beitragen, ein Bild zum Kunstwerke zu erheben. Daß die reinste Moralität in allen seinen Dichtun- gen vorherrsche, und sie deshalb ohne Anstand jeder Jungfrau in die Hand gegeben werden können, ist allgemein anerkannt. Duller , Eduard, Franz von Sickingen. Dra- matisches Gedicht in fünf Abtheilungen. 8. geh. Rthlr. 1. 8 gr. fl. 2. 20 kr. Diese neueste Dichtung des ausgezeichneten und beliebten Verfassers ist ganz geeignet, die Zahl seiner Freunde und Le- ser zu vermehren. Der Kampf des Lichtes mit der Finsterniß in den Tagen der erwachenden deutschen Freiheit; — Fehde bis in den Tod dem tausendiährigen Wahne, der Unvernunft, der geistigen Vormundschaft; — Treue bis in den Tod für Wahrheit und Recht; dies sind die Grundideen dieses drama- tischen Gedichtes. — Möge der zeitgemäße Grundton des Wer- kes in unserer und jeder Zeit seinen kräftigen Wiederhall finden. Duller , Eduard, Erzählungen und Phanta- siestücke. Zwei Theile. 8. Rthlr. 3. fl. 5. — — die Feuertaufe. Eine Erzählung. 2 Theile. 8. Rthlr. 3. fl. 5. Der geistreiche Verfasser zeigt in diesen seinen neuesten Werken den freundlichen Lesern eine Fülle der buntesten Aus- und Ansichten. Ein frischer Hauch des Lebens und der Phan- tasie beseelt seine Erzählungen und Phantasiestücke. Der Leser findet darin bald ein freundlich gemüthliches Genrebild, bald ein Nachtstück à la Höllenbreughel. In der „Feuertaufe“ führt der Verfasser seine Leser in die Zeiten des furchtbarsten Aberglaubens, in das Gebiet der Hexenprozesse , zugleich aber läßt er den ersten Vertheidiger der Vernunft und Men- schenwürde gegen dies Unwesen, den edlen Jesuiten Fried- rich Spee auftreten, einen wahren Schutzgeist seines Zeit- alters und eine Zierde aller Zeiten, einen Mann im höchsten Sinne des Wortes. Der reiche Stoff und die gelungene Be- handlung berechtigen uns, diese beiden äußerst interessanten Schriften allen Freunden einer geistreichen Unterhaltungslek- iüre zu empfehlen. Duller , Eduard, Phantasiegemälde für 1835. Mit einem Kupfer von Fleischmann . 8. Elegant gebunden. Rthlr. 1. 12 gr. fl. 2. 42 kr. Gersbach , A., Wandervögelein oder Samm- lung von Reiseliedern, nebst einem Anhange von Morgen- und Abendliedern. In vier- stimmigen Tonweisen. Zweite verbesserte Auflage. 12. geh. 16 gr. fl. 1. 12 kr. Irving , Washington, sämmtliche Werke. Aus dem Englischen übersetzt. 50 Bändchen. Geh. Auf Velinpap. Rthlr. 9. 6 gr. fl. 15. 24 kr. Auf ordin. Druckp. Rthlr. 6. 12 gr. fl. 10. 42 kr. Dieselben enthalten: Das Skizzenbuch. — Erzählungen eines Reisenden. — Bracebridge-Hall. — Eingemachtes. — Die Geschichte des Lebens und der Reisen Christoph’s Columbus. — Die Eroberung von Granada. — Humoristische Geschichte von New-York. — Reisen der Gefährten des Columbus. — Die Alhambra, oder das neue Skizzenbuch. — Die Reise auf den Prairien. Nänny , J. C., Gedichte. Rthlr. 1. 6 gr. fl. 2. Der Name des Herrn Nänny ist den Freunden der Dicht- kunst aus Taschenbüchern und Zeitschriften ein erfreulicher Klang geworden, der immer irgend ein aus der Tiefe der Gemüths- und Phantasiewelt geschöpftes Product ankündigt. Vorzüglich aber sind es heitre, liebliche Melodieen, die irgend eine gefühlvolle Anschauung, eine poetische Erkenntniß des Lebens und der Natur enthalten, welche der Muse des Herrn Nänny gelingen. Sie ist ein reiches Kind, aber ihr Reich- thum besteht in Blumen und diese sind wiederum einfache Blumen der Wiese, traulich dem Herzen, wie dem Vater- lande, ein sinniger Strauß für sinnige Freunde der Poesie. Oefele , Freiherr von, Bilder aus Italien. 2 Bände. Geh. Rthlr. 2. 20 gr. fl. 4. 48 kr. Wir dürfen diese Bilder, hauptsächlich der Wahrheit und Lebensfrische wegen, die sie karakterisiren, empfehlen. Es sind Erfahrungen, die der Verfasser unter dem reizenden Him- melsstriche Hesperiens gesammelt, es sind seine oft höchst eigenthümliche Ansichten, in denen uns so Vieles schon viel- fach Besprochene wiederum neu erscheint, es sind Ergebnisse heitrer und romantischer Natur, welche hier in kecken Zügen, in warmen Localfarben zu Gemälden vereinigt werden, die den Beschauer anziehn, belehren und ergötzen. Offen und ein- fach, wie Yorick, erzählt der Verfasser, unabsichtlich zur Hauptfigur seiner Bilder werdend, in deren Wesen sich die Menschlichkeit mit ihren tausendfachen Schattirungen spiegelt. Platen , Graf von, Geschichten des König- reichs Neapel von 1414 bis 1443. Rthlr. 1. 16 gr. fl. 2. 48 kr. — — die Liga von Cambrai. Geschichtliches Drama in 3 Akten. geh. 12 gr. 54 kr. Rückert , Fr., Nal und Damajanti. Eine in- dische Geschichte. Rthlr. 1. 18 gr. fl. 2. 48 kr. Das Publikum erhält hier eine, von dem rühmlich bekann- ten Dichter Rückert , mit aller ihm in so seltenem Grade eigenen Sprachfertigkeit und Reimfülle übertragene indische Dichtung, bei der aber alles Fremdartige, ohne Studium der indischen Poesie Unverständliche vermieden ist, so daß sie als eine sinnige Liebeserzählung erscheint, über welche sich nur ein leiser fremdartiger, aber lieblichsüßer Duft ausbreitet und sie umweht. Das Mythologische, völlig verständlich, er- scheint in der Figur, welche am bedeutendsten eingreift, nur als Allegorie des bösen Gelüstens, welches in unsrer Brust wohnt. Liebe, in bezaubernder Schilderung, ihre Leiden und Treue bilden den Inhalt des Büchleins, und wem Sinn für wahre Poesie einwohnt, wird an dieser Dichtung, und wem Sinn für Sprachschönheit und Ausdruck einwohnt, wird an Rückert’s Versen ein Vergnügen genießen, wie es selten ge- boten wird. Schopenhauer , Johanna, sämmtliche Schrif- ten. Wohlfeile Ausgabe. 24 Bände in Ta- schenformat; mit dem Bildniß der Verfasserin. Auf ordin. Pap. Rthlr. 8. fl. 14. 24 kr. Auf Velinpap. Rthlr. 12. fl. 21. 36 kr. Die geistige Bildung unserer Nation geht mit Riesenschrit- ten voran und durchdringt alle Stände. Das intellectuelle Leben spricht die Theilnahme der deutschen Frauen mehr als je an. Besser, gedeihlicher läßt es sich aber nicht fördern, als wenn edle Frauen die Vermittlerinnen der geistigen Fort- schritte bei dem weiblichen Geschlechte werden. Durch ihre hohe Bildung, durch ihr vielseitiges Wissen, durch ihre reiche Lebenserfahrung, durch ihr sittliches Streben, durch ihren feinen, ächt weiblichen Takt, durch ihr Darstellertalent und ihre Sprachgewandtheit steht Johanna Schopenhauer vor allen andern ausgezeichnet da. Ihr Name wird von un- sern berühmtesten Zeitgenossen mit hoher Achtung genannt: ihre Schriften umfassen die anziehendsten Zweige der Kunst und des Wissens. Diese ausgedehntere Verbreitung der Werke einer so geist- vollen Schriftstellerin, welche mit einer wahren Meisterschaft zu unterhalten und zugleich zu belehren, den Geist zu kräfti- gen, das sittliche Gefühl zu erheben und namentlich die erha- bene Bestimmung der Frauen im schönsten Lichte zu zeigen weiß, nach Kräften zu fördern, hat die Verlagshandlung zu einer wohlfeilen Ausgabe ihrer Schriften veranlaßt. Dieselbe schmeichelt sich, einem Bedürfniß unserer Zeit zu genügen, indem sie den deutschen Frauen und Mädchen Gele- genheit bietet, diese Schriften, welche in keiner Damenbiblio- thek fehlen dürfen, für einen geringen Preis anzukaufen. Bieten wir gleich die wohlfeilste Taschenausgabe aller bis jetzt erschienenen deutschen Klassiker, so wird dieselbe doch vor allen übrigen sich durch Eleganz auszeichnen und so dem würdigen Namen der Verfasserin und dem Geschmacke derer zumal, für welche diese Schriften zunächst bestimmt sind, voll- kommen entsprechen. Um dem Publikum eine Uebersicht der Vielseitigkeit und Mannichfaltigkeit der schriftstellerischen Leistungen der berühm- ten Verfasserin zu geben, theilen wir hier den Inhalt der ver- schiedenen Lieferungen mit. I. Lieferung . Band 1, 2, 3, 7, 8 und 9, enthaltend: Fernow’s Leben . 2 Theile. — Ausflug an den Rhein. — Gabriele . Novelle in 3 Theilen. II. Lieferung . Band 4, 5, 6, 10, 11 und 12, enthal- tend: Johann van Eyck und seine Nachfolger. 2 Theile. — Die Jahreszeiten . Novelle. — Sidonia . No- velle in 3 Theilen. III. Lieferung . Band 13, 14, 15, 16, 19 und 20, ent- haltend: Die Tante . Novelle in 2 Theilen. — Reise durch England und Schottland . 2 Theile. — Kleinere Novellen und Erzählungen . 2 Theile. IV. Lieferung . Band 17, 18, 21, 22, 23 und 24, ent- haltend: Reise von Paris durch das südliche Frankreich bis Chamouni . 2 Theile. — Kleinere Novellen und Erzählungen . 4 Theile. Schopenhauer , Johanna, Erzählungen. Acht Theile. Zweite wohlfeilere Aus- gabe . Auf Velinpap. Rthlr. 10. 20 gr. fl. 19. 24 kr. Auf Druckpap. Rthlr. 8. fl. 14. Schopenhauer , Johanna, Novellen. Zwei Theile. Geh. Rthlr. 2. 20 gr. fl. 4. 48 kr. — — neue Novellen. Drei Theile. Rthlr. 3. fl. 5. Diese 5 Bände Novellen sind neu und noch nicht in der Gesammtausgabe aufgenommen. Starkloff , L., Erzählungen. Rthlr. 1. 16 gr. fl. 2. 48 kr. Stelldichein im Tivoli , das, oder Schu- ster und Schneider als Nebenbuhler. Localposse mit Gesang in zwei Acten. Vom Verfasser des „alten Bürgercapitain.“ Geh. 12 gr. 45 kr. Storch , Ludwig, der Diplomat. Novelle. 8. Rthlr. 1. 18 gr. fl. 2. 48 kr. — — Erzählungen. 4 Theile. Rthlr. 5. 8 gr. fl. 9. — — die Intrigue. Eine Novelle in 2 Thei- len. Zweite verbesserte Auflage. Rthlr. 1. 18 gr. fl. 3. Storch , Ludwig, der Karikaturist. Novelle. 2 Theile. Rthlr. 3. 8 gr. — fl. 5. 48 kr. — — die Beguine. Historischer Roman aus der Mitte des 14. Jahrhunderts. 3 Theile. Rthlr. 4. 20 gr. fl. 8. 24 kr. — — Malers Traum. Novelle. Rthlr. 1. 16 gr. fl. 3. Die Lesewelt erhält in diesen Erzählungen des allgemein bekannten und beliebten Verfassers eine reiche Gallerie von Darstellungen, welche durch ihre Lebendigkeit und innere Wahrheit, sowie durch ihre gelungene Form und treffliche Behandlung gewiß das Interesse zu fesseln vermögen. Der Verfasser hat es in den kleineren Novellen, wie in seinen größeren Romanen, verstanden, den Leser geistreich zu unter- halten; und wir hoffen, daß Niemand unbefriedigt diese Er- zählungen aus der Hand legen wird, in welchen sich eine tüchtige Lebenskenntniß, ein sicherer Takt, die Spannung vom Anfang bis zum Ende rege zu erhalten, sowie überhaupt alle wackeren Eigenschaften, wodurch sich der Verfasser die Gunst des Pu- blikums erworben, aufs Neue vortheilhaft dargethan finden. Walker , G., Anweisung zum Schachspielen. Die vorzüglichsten Spieleröffnungen und End- spiele, nebst einigen eigenthümlichen Stellun- gen, und fünfzig ausgewählten Aufgaben entt haltend. Aus dem Englischen übersetzt und mi- Anmerkungen begleitet von J. F. Schierek . Geh. 21 gr. fl. 1. 30. Der Uebersetzer dieses Werkchens hat allen Freunden des geistvollen Spiels durch seine Arbeit einen gewiß dankenswer- then Dienst geleistet. Nicht nur der Anfänger, der sich beleh- ren will, gewinnt hier rasch einen klaren und vollständigen Ueberblick, sondern auch der erfahrene Schachspieler wird sich mancher geistvoll entworfenen Spiele, mancher interessanten Eröffnungen und Endigungen erfreuen. Der Verfasser hat auf Philidors System fortgebaut, allein auch andere große Mei- ster sind nicht unbenutzt geblieben und was er selbst aus eige- nen Erfahrungen hinzuthut, gehört zu den ausgezeichnetsten Leistungen in diesem Fache. Zehner , H. G., die Treuringe. Novelle. Geh. 9 gr. 40 kr. — — die Pietistin. Novelle. Rthlr 1. 8 gr fl. 2. 24. Zschokke’s popular history of Switzerland. From the German: — with the author’s subsequent alterations of the original Work by W. Howard Howe. Cart. 12. Rthlr. 1. 18 gr. fl. 3.