Versuch einer ausfuͤhrlichen Erlaͤuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar fuͤr meine Zuhoͤrer von D. Christian Friedrich Gluͤck ordentlichen oͤffentlichen Lehrer der Rechte auf der Friedrich- Alexanders Universitaͤt, und Beisitzer der Juristen Facultaͤt. I. Theil. Erlangen verlegt bey Johann Jacob Palm 1790 . Vorrede . B ey dem großen Vorrath von Commentaren uͤber die Pandecten duͤrfte der gegenwaͤrtige neue Ver- such leicht uͤberfluͤßig scheinen, oder doch wenigstens zu manchen voreiligen Tadel, dem das Buch zwar ohne- hin nie entgehen wird, Anlaß geben, wenn ich nicht meinen Lesern vorlaͤufig uͤber die Entstehung und Ab- sicht desselben einige Rechenschaft ablegte. Die Vorlesungen uͤber die Pandecten machen schon seit geraumer Zeit einen vorzuͤglichen Theil mei- nes Berufs aus, und mein immer sehr zahlreiches Au- ditorium, so wie der anhaltende Fleiß meiner Zuhoͤrer giebt mir den sehr beruhigenden Beweiß, daß die Muͤ- he, die ich auf diese Vorlesungen verwende, nicht ver- kannt werde. Allein zu beklagen ist es, daß man nach dem einmal festgesetzten Plan ein so weites und dornichtes Feld in dem engen Zeitraum eines halben Jahres zu durchwandern genoͤthiget ist, und daher auch selbst fuͤr die wichtigsten Gegenstaͤnde bey der großen Menge derselben viel zu wenig Zeit hat, um sich bey denselben, so wie sie es verdienten, nur einigermaßen verweilen zu koͤnnen. Da nun bey einer solchen Praͤcision, deren sich der Lehrer bey dem Vortrag der Pandecten zu befleisi- gen hat, auch der aufmerksamste Zuhoͤrer, zumal wenn er das erstemal ein solches Collegium hoͤrt, ohn- moͤglich so deutliche Begriffe von denen zum Theil wirklich schweren und intricaten Rechtsmaterien be- kommen kann, daß er sich, ohne weitere Anleitung durch eigenes Nachdenken, und den Gebrauch seines )( 2 Cor- Corpus Juris fortzuhelfen im Stande waͤre; so bin ich nicht selten in eine nicht geringe Verlegenheit ge- rathen, wenn ich von meinen fleißigen Zuhoͤrern um einen Commentar uͤber die Pandecten angegangen wurde, dessen sie sich bey der Wiederholung ihrer Lection als Huͤlfsmittel bedienen koͤnnten. Zwar fehlt es uns nicht an den treflichsten Werken dieser Art; denn wer kennt nicht die Schriften eines Cujaz, Noodts, Fabers, Voets, Struvs, Lau- terbachs, Strycks, Leysers , und anderer großer Rechtsgelehrten mehr, die sich in diesem Fache so vor- theilhaft ausgezeichnet, ja unsterblich verdient ge- macht haben? allein man wird mir, wie ich hoffe, nicht unrecht geben, wenn ich behaupte, daß eines Theils die Lektuͤre solcher Werke einen schon geuͤbtern Rechtsgelehrten voraussetze, und daher wenigstens dem Anfaͤnger ohne Bedenken nicht empfohlen wer- den koͤnne, andern Theils aber auch die Anschaffung derselben einem Studirenden auf Academien zu kost- bar falle. Schon laͤngst habe ich demnach den Gedanken bey mir genaͤhrt, selbst etwas uͤber die Pandecten zum Behuf meiner Zuhoͤrer aufzusetzen; nicht als ob ich etwas vorzuͤglicheres zu liefern im Stande waͤre, als jene große Maͤnner schon geleistet haben; nein, eine solche Arroganz werde ich nie zu Schulden bringen; sondern ihre Arbeiten auch fuͤr Juͤnglinge brauchbar zu machen, und der todten Masse ihrer critischen Untersuchungen und Rechtseroͤrterungen ein Leben und Interesse zu geben, welches im Stande waͤre, auch dem feurigsten Genie das an sich schwere und trockene Studium der Pandecten leicht und angenehm zu machen. Ein Ein Werk dieser Art aber, soll es nicht das An- sehen eines Collectaneenbuchs, oder unrichtig zusam- men geschriebener Hefte bekommen, ist freylich nicht die Sache eines Jahres, sondern erfordert vieljaͤhri- ges Nachdenken, und eine nur durch unermuͤdetes Studium der Quellen erlangte Reife des Urtheils, und gebildeten Geschmack. Vielleicht wuͤrde ich mich daher zu einem so muͤhsamen Unternehmen sobald noch nicht entschlos- sen haben, da ich die Wichtigkeit desselben eben so lebhaft einsehe, als die Schwaͤche meiner Kraͤfte fuͤh- le, wenn mich nicht das wiederholte dringende Ver- langen meiner Zuhoͤrer gleichsam vor der Zeit hierzu angespornet haͤtte. Furchtsam wage ich es also, diesen geringen Versuch meines Commentars uͤber die Pandecten, welcher eine Erlaͤuterung der erstern vier Titel ent- haͤlt, einem juristischen Publikum vor Augen zu legen. Ich habe dabey das Hellfeldische Lehrbuch zum Leitfaden gewaͤhlt, weil uͤber dasselbe sowohl hier, als auf den meisten deutschen Academien, so viel ich weiß, die Pandecten vorgetragen zu werden pflegen. Ich glaubte also, den Commentar hierdurch fuͤr mei- ne Zuhoͤrer, fuͤr die ich ihn zunaͤchst bestimmte, de- sto brauchbarer zu machen. Doch habe ich mich an diese Ordnung nicht so streng gebunden, daß ich mir nicht auch unter- weilen, wo es noͤthig zu seyn schiene, eine Abweichung erlaubt haͤtte. So zum Beyspiel habe ich zwar bey dem zweyten Titel, de origine juris, die Zahl der Pa- ragraphen beybehalten; aber vergeblich wird man un- ter diesem Titel eine Rechtsgeschichte, wie bey Hell- feld suchen; nein, ich hielt eine solche historische Ent- )( 3 wick- wickelung des Ursprungs und Abwechselungen des roͤ- mischen Rechts darum in einen Commentar uͤber die Pandecten fuͤr zweckwidrig, weil daruͤber auf al- len deutschen Academien besondere Vorlesungen ge- halten werden, und daher dieser Titel bey dem Vor- trag der Pandecten meist uͤberschlagen wird. Statt einer magern Rechtsgeschichte, denn etwas Vollstaͤn- diges haͤtte doch wegen der Menge anderer hier zu be- arbeitender Rechtsmaterien nie geliefert werden koͤn- nen, habe ich daher nur im allgemeinen von den Quellen der in Deutschland uͤblichen buͤrgerlichen Rechtsgelehrsamkeit, und deren Gebrauch gehan- delt. Man wird hier die Regeln zur Befoͤrderung einer gruͤndlichen Theorie vom heutigen Gebrauch des roͤmischen, canonischen und deutschen Rechts, uͤberall mit treffenden Beyspielen erlaͤutert, finden, welche denenjenigen, fuͤr die ich schreibe, gewiß um de- sto willkommener seyn werden, je weniger sich die Kenntniß derselben von einem gruͤndlichen Studium der Rechtsgelahrtheit trennen, und je weniger sich dennoch in den Vorlesungen uͤber die Pandecten et- was Vollstaͤndiges daruͤber sagen laͤsset. In der Ausfuͤhrung der hier abgehandelten Rechtsmaterien habe ich Vollstaͤndigkeit mit der moͤglichsten Deutlichkeit zu verbinden mich bestrebt; zwey Eigenschaften, die man von Buͤchern dieser Art schlechterdings erwartet. Ueberall habe ich immer den naͤchsten Blick auf die Gesetze selbst gerichtet, solche, wenn sie vorzuͤglich merkwuͤrdig aren, in dem Text oder in den Noten abdrucken lassen, und auch, wo es noͤthig zu seyn schien, mit kurzen Erlaͤuterungen begleitet, wobey ich die Werke der elegantesten Rechtsgelehrten, wie die die Anfuͤhrung derselben in denen Noten beweißt, genutzet habe. Man wird hierbey die gute Absicht, die ich ha- be, hoffentlich nicht mißkennen, nehmlich die Schuͤ- ler der roͤmischen Rechtsgelahrtheit an das Studium der Gesetze selbst hin zu leiten, sie hierdurch an ei- genes Nachdenken zu gewoͤhnen, und ihnen zugleich bey dem Mangel eigener Subsidien die Auslegung der Gesetze zu erleichtern. Ich habe dieses fuͤr eine um so wichtigere Pflicht gehalten, da Reformatoren in unsern Tagen aufstehen, welche der Rechtsbeflißenen Jugend teutsche Compendien der Institutionen des roͤmischen Rechts ohne Anfuͤhrung der Gesetzstellen in die Haͤnde zu liefern, und sie hierdurch von dem Studium der Gesetze zu entfernen suchen, welches doch von jeher die gruͤndlichsten Rechtsgelehrten der Jugend nie angelegentlich genug haben empfehlen koͤnnen. Denn daß durch jene Lehrmethode, wo dem Lehrling der Rechtsgelehrsamkeit von den gesetzlichen Beweisstellen gar nichts gesagt wird, der Grund zu einem unseligen praeiudicio auctoritatis geleget, und dem alten: ipse dixit wiederum der Weg gebahnet werde, ist, deucht mir, ganz unlaͤugbar. Da ich in meinen Commentar aufdie Gesetz- stellen in denen Titeln der Pandecten, die ich zu er- laͤutern habe, ganz vorzuͤgliche Ruͤcksicht nehmen wer- de, ohne jedoch die Gesetze des neuern justinianeischen Rechts im mindesten dabey zu vernachlaͤßigen, so glaube ich in dieser Ruͤcksicht keinen Tadel befuͤrchten zu duͤrfen, wenn ich meiner Arbeit den Titel eines Commentars uͤber die Pandecten gegeben habe. Vielleicht moͤchte es aber ungereimt, und ein seltsamer Gedanke zu seyn scheinen, einen deutschen Commentar uͤber ein lateinisches Recht zu schreiben. )( 4 Allein, Allein, da ich hierin schon mehrere Vorgaͤnger habe, so darf ich wohl ein solches Urtheil um so weniger befuͤrchten, je nothwendiger es zu Erreichung meines Endzwecks zu seyn scheinet, meinen Vortrag in ein deutsches Gewand einzukleiden. Ich habe mich zu dem Ende einer ganz natuͤrlichen und ungekuͤnstelten Schreibart beflissen, so wie sie sich zu einen wis- senschaftlichen Vortrag schickt; dabey zwar alles Blumen- und Bilderreiche, womit manche unsere deutschen Rechtsgelehrten ihren Vortrag nicht ohne Nachtheil der Deutlichkeit auszuschmuͤcken pflegen, sorgfaͤltig zu vermeiden, doch aber meinem Styl die- jenige Vollkommenheiten zu geben gesucht, welche ei- ner maͤnnlichen und ernsthaften, aber doch unterhal- tenden, Schreibart angemessen sind. Sollte aber dieser erste Versuch nicht wenig- stens fuͤr diejenigen, fuͤr welche er bestimmt ist, et- was zu ausf hrlich, auch vielleicht etwas zu gelehrt gerathen seyn? Ich wage es nicht diesen Vorwurf ganz von mir abzulehnen. Allein gewisser maßen brachte dieses der Plan meiner Arbeit mit sich. Denn dieser erste Theil, welcher die ersten vier Titel der Pan- decten, jedoch leztern noch nicht ganz vollendet, enthaͤlt, liefert allgemeine Rechtsmaterien, die fuͤr die ganze Rechtswissenschaft anwendbar sind. Sie sind gleichsam als Vorerkenntnisse des gesammten Rechts anzusehen. Sodann kommen in diesem Theil solche Wahrheiten vor, die ihrer Natur nach dergleichen Vollstaͤndig- keit und Aufwand einiger Gelehrsamkeit erforderten, die man mir etwa zum Vorwurf machen moͤchte. Hierher gehoͤrt die wichtige Materie von der Verbind- lichkeit, desgleichen von der Auslegung der Gesetze; von dem Gebrauch der Quellen, vom Gewohnheits- recht recht und andere mehr. Ferner soll nach meiner Absicht dieses Buch meinen Zuhoͤrern nicht blos zur Repetition dienen, sondern auch noch in ihrem kuͤnf- tigen practischen Leben, wie ich hoffe, manche gute Dienste thun; sollten sie also auch, gesezten Falls, jezt noch nicht alles genau verstehen, so werden sie es gewiß bey weitern Fortschritten in der Rechts- gelehrsamkeit kuͤnftig noch verstehen lernen. Allein wie wenig ich mir deßfalls wirklich etwas vorwer- fen duͤrfe, beweißt das eigne Gestaͤndniß meiner Zu- hoͤrer, welche mich aufrichtig versichert haben, daß die- ses Buch gerade nach ihren Wunsch geschrieben, und ihnen alles darinne ganz verstaͤndlich sey. Daß inzwischen in jedem der folgenden Theile mehr Titel und Buͤcher als in diesem erstern, erscheinen werden, wird die Zukunft lehren, indem das ganze Werk nicht uͤber sechs Theile sich erstrecken soll. Noch muß ich bemerken, daß ich bey einigen in diesem Theil vorgetragenen Lehren von der ge- woͤhnlichen Theorie der Rechtsgelehrten abgewichen bin. Es versteht sich, daß dieses nie ohne zureichen- den Grund geschehen, und da ich schon in solchen Faͤl- len andere bewaͤhrte Rechtsgelehrte zu Vorgaͤngern habe, so glaube ich wenigstens, daß meine Frey- muͤthigke t nicht unbescheiden genennt werden kann. Daß ich endlich auch auf die Litteratur die ge- buͤhrende Sorgfalt und Muͤhe verwendet habe, wird Jeder Sachverstaͤndiger von selbst finden. Zwar habe ich den Lipen nicht ausgeschrieben; denn wo- zu dieser Unrath? allein man wird, wie ich glaube, von den besten und neuesten Schriften uͤber jede Materie nicht leicht eine vermissen, und die ich etwa ja )( 5 im im Buche selbst uͤbersehen hatte, sind noch in de- nen beygefuͤgten Verbesserungen und Zusaͤtzen ergaͤn- zet worden. Uebrigens kann ich nichts so angelegentlich wuͤnschen, als daß die gegenwaͤrtige Arbeit vielen nuͤtzlich seyn, und die Absicht, gruͤndliche Juristen zu bilden, dadurch voͤllig erreicht werden moͤchte. Sollte bey dieser Arbeit hie und da etwas versehen seyn, wo- ran ich gar nicht zweifle, so bitte ich ein gelehrtes Publicum, mich eines bessern zu belehren. Praͤ- Praͤnumeranten Verzeichnis. Altdorf . 40 Ungenannte. Exemplar 40. Anspach . Hr Reg. R. Haͤnlein, Hr. Cand. Schaͤtzler, Hr. Proceßr. Buͤttner, Hr. Jagdscribent Goͤringer, Hr. Hof und Reg. Adv. Burkard, Hr. Hof und Reg. Adv., Rose, Hr. Secret. Greiner. 7. Aub . Herr von Eckard, Amtsverweser. 1. Augsburg . Hr. Referendar Schmid, Hr. Biermann, I. U. Lic. Kunst und Handwerksreferendar, Hr. Ben- cker, Stadtschreiber, Hr. Edler von Christmann, Raths- Consulent, Hr. Gullmann, Stadt-Adv. Hr. Nilson, Rathsprocurator, Hr. Schmidt, Advokat, Hr. Actuar Brucker, Hr. Actuar Bellmann. 9. Bamberg . Hr. Hofrath Pflaum, Hr Hofr. und Prof. Goͤnners, Hr. Reg. Adv. Stoͤcker, Hr. Hof. K. R. Regist- rator Grau, Hr. Cand. Iur. Hoffmann, Hr. Kammer- herr und Hofr. von Gebsattel, Hr. Caplan Reuß, Hr. Strambacher, Hr. Iur. Pract. Silbermann, Hr. Stud. Rothlauf, Hr. Hofr. u. Prof. Zeller, Hr. Hofr. Lorber, Hr. Hofrathssecret. Pfautsch, Hr. Reichs Adv. Ott, Hr. Jurist Kreutzer, Hr. geistl. Rath Ott, Hr. Hofr. Sehubert, Hr Hofr. Steinlein, Hr. Hofr. v. Oberkranz, Hr. Hofr. Pfister, und 16 Ungenannte. 36. Kloster Banz . Hr Consulent Fischer, Hr. P. C. D. Roppelt. 2. Baunach . Hr. Rath und Kastner Schmidt. 1. Bayreuth . Hr. Geh. Registr. Schunther, Hr. Kam- merherr. u. Reg. R. v. Voͤlderndorf, Hr. Proceßr. Pfeif- fer, Hr. Geh. Registr. Glaser, Hr. Reg. Adv. Boͤrger, Hr. Proceßr. Boͤhm, Hr. M. Ellrodt, Hr. Secret. Am- mon, Hr. Geh. Reg. R. Wipprecht. 9. Bruchsal . Hr. Hofkammer Revisor Lindel, Hr. Jagd- secret. Manaß, Hr. Dikast. Adv. Machauer, Hr. Hof- bibl. Asseßor Breuflek, Hr. Prof. Julich, Hr. Prof. Heinzmann, Hr. Hofkammer Asses. Schott, Hr. Hofkam- mersecret. Stahl, Hr. Amtspractikant Hofmann, 2 Un- genannte. 11. Castell . Hr. Rath Conradi. 1. Cronach . Hr. Kastner Axter, Hr. Stadtcons. Lamprecht. 2. Dachsbach . Hr. Cand. Goͤckel. 1. Doͤring- Praͤnumeranten Verzeichnis. Doͤringstadt . Hr. Amtsschreiber Uhlmann. 1. Duͤnkelsbuͤhl . Hr. Raths-Consulent Wucherer. 1. Ebersbach , bey Neustadt an der Saale. 6 Ungenannte. 6. Ellingen . Hr. Iur. Pract. Dilg. Hr. Sec. Abel. 3. Erlangen . Hr. Lobstein, Hrn. Lips aus Fr. Aurach 2 Ex. Hr. Hotz aus Schweinfurth. Hr. Baron v. Gem- mingen aus Anspach. Hr. Reg. Adv. Kraft, Hr. Schwarz aus Emskirchen. Hr. Hartlaub aus Regens- burg. Hr. Kaufmann a. Ulm. Hr. Kraft a. Erlang Hr. Ortskaßier Rebmann. Hr. Lenz a Oldenburg. Hr. Bluͤm le, a. Ulm. Hr. Diezel a. Anspach. Hr. Prof. Tafinger, Hr. Lammers a. Bayreuth. Hr. Secret. Fleischmann. Hr. Boye aus Bayreuth. Hr. Schmid aus Bayreuth. Hr. Stepf aus Schweinf. Hr. Goͤs aus Die- tenh. Hr. Baron v. Ploto. Hr. Killinger. Hr. Hartnack. Hr. Baron v. Kleudgen. Hr. Doͤbner aus Roͤhmhild. Hr. Justizrath Hoͤflich, 3 Ex Hr. Kremling aus Bay- reuth. Hr. Cand. Schmidt. Hr. Ortsprocurator Waͤch- ter, 3 Ex. Hr. Cand Pfeiffer. Hr. D. Frank. Hr. Bartelmaͤ. Hr. Fuͤßlin. Hr. Bezold aus Heilbronn. Hr. Hofrath Geyer. Hr. Baron v. Tabago. Hr. Uebel. Hr. Baron v. Ompteda. Hr. Baron v. Thuͤngen. Hr. Kammerjunker v. Altenstein. Hr. Liebeskind. Hr. Rop- pelt aus Herzogaurach. Hr. Brand. Hr. Gromann. Hr. v. Wunsch. Hr. Hofm. Anosi. Hr. Th. Bruͤxner. Hr. Feez aus Bayreuth. Hr. Bahrmann. Hr. Hab- recht aus Regensb. Hr. Hofkammerrath v. Vischpach. Hr. Baron v. Roͤder. Hr. Bayer. Hr Nagler aus An- spach. Hr. Foͤrtsch aus Bamberg. Hr. Rupprecht. Hr. Cand. Seiler. Hr. Donner aus Anspach. 63. Eßlingen . Hr. Raths-Consulent Neundorf. 1. Feuchtwangen . Hr. Cand. Loschge. 1. Forchheim . 1 Ungenannter. 1. Fruͤhstockheim . Hr. Kammerherr v. Crailsheim. 1. St. Gallen . Hr. Professor Zollikofer. 1. Goͤttingen . Hr Apell, Hr. v. Berger. Hr. Fromm. Hr. Klein. Hr. Leyst. Hr. Scheel. Hr. Schneider, 2 Ex. Hr. Tellheim. Hr: D. Schroͤder. Hr. Wedekind. 11. Schw. Hall . Hr. Cand. Maier. Hr. Consulent Seyfferheld. Hr. Gottlob, Senator und Pfleger im Jen Praͤnumeranten Verzeichnis. Jemgomer Kloster, Hr. Bonhoͤfer. Reg. Adv. Hr. Steuerregistr. Lt. Bonhoͤfer. Hr. Raths Adv. Bern- hard. Hr. Archivsecr. Wolff in O. Sontheim. 8. Hammelburg . Hr. Niedermaͤyer, Rath und Steu- ereinnehmer. 1. Heidelberg . Hr. Pfaͤhler. 4. Heidenheim , bey Anspach. Hr. Lutz, Reg. Adv. Hr. Ober- Scribent Schaudig. 2. Helmstaͤdt . Hr. Geh. Justizrath u. Prof. Oelze. 1. Hemhofen . Hr. Amtmann Toussaint. 1. Herzogaurach . Hr. Stadtschreiber Sponsel. 1. Hildburghausen . Hr. Amtsverweser Prautsch. 1. Hoͤchstadt . Hr. Amtsverweser Weniger. 1. Jena . Hr. v. Kraft, Hr. Prof. Hufeland, 3 Ex. 18 Ungenannte. 22. Ingolstadt . Hr. Prof. Semmer. 1. Mt Ippesheim . Hr. Zehnd-Inspector Geyersbach. 1. Kips . Hr Consulent Frauenholz, Hr. Amtm. Goller. 2. Koͤnigsbronn , im Wuͤrtenbergischen. Hr. Adv. D. Kaußler. 1. Kochendorf . Hr. Ottenwaldischer Orts. Secretair Hoͤrlin. 1. Langenzinn . Hr. Cand. Siebenkees. 1. Kloster Langheim . Hr. P. Kanzleyd. Hemmerlein. 1. Leutershausen . Hr. Prozeßrath u. Stadtvoigt Riedel. 1. Lisberg , bey Bamberg. Hr. Amtmann Sommer. 1. Moosburg , in d. Oberpfalz. Hr. Mitterschr. Mayer. Muͤhlhausen , im Thuͤringischen. Hr. Kanzleydi- rector Huͤbner. 1. Neuhof . Hr. Proceßr. Makeldey, Hr. Cand. Fischer. 2. Neukirchen , im Bambergischen. Hr. Verwalter Geiger. 1. Neustadt , an der Aisch. Hr. Landshauptmannschafts. Secretair Behm. 1. Noͤrdlingen . Hr. Cand. Weng, Hr Registrator Kaiser, Hr. Cand. Wucherer, 2 Ungenannte. 5. Nuͤrnberg . Hr. Flechsel, Kirchner zu St. Sebald. Hr. Beyer, Amtsschr. Hr. Muͤhling, Officialis im Waldamt Sebald. Hr. Dublon, Secretair. Hr. Hagen, Iur. Pract. Hr. Registr. Klug. Hr. Stettner, v. Kreßi- scher Praͤnumeranten Verzeichnis. scher Amtsverw. Hr. Doͤhlemann, v. Geuderischer Amts- verw. Hr. Muͤller, v. Welserischer Amtsverw. Hr. Held, Registrator, Hr. Heuschmann, Hessen-Casselscher Legat. Canzl. Hr. D. Bahrmann, Hr. Dorn, Consulent, Hr. Carl, Procurator, Hr. Gerstner, Gerichtsschreiber, Hr. Scheuerl, Assessor, Hr. Volkmar, Assess. Hr. v. Fuͤrer, Assess. Hr. v. Imhof sen. Assess. Hr. v. Imhof jun. Assess. Hr. v. Ebner, Assess. Hr. Rath Kaͤstner, Hr. Procur. Kel- ler, Hr. Oyer, Not. Hr. D. Link, Hr. Gillig, Gerichts- schr. Hr. Hartlaub, Not. Hr. I. P. Zwanziger, Hr. von Endtner, Hr. D. Forster, Hr. Not. Schukart, Hr. Pom- mer, I. P. C. Hr. Kleemann, Not. Hr. Sonntag, Not. 33. Oberlangenstadt . Hr. Amtsverweser Kazenberger. 1. Rostock . Herr D. Behrmann. 16. Roth . Hr. Rath Kraus. 2. Rothenburg an der Tauber. Hr. Kand. Walther, Hr. Archivar Raab, Hr. Consulent v. Staudt, Hr. Kand. Bezold. Hr. Puͤrkhauer, Advocat. 5. Schleusingen . Hr. Kammersecretair Muͤller. 1. Alten-Schoͤnbach . Hr. Amtmann Koͤppel. 1. Schweinfurth . Hr. Hofr. Pollich, Hr. Consul Schneider. 2. Stuttgardt . Hr. Buchdrucker Joh. Phil. Erhard. 3. Themar . Hr. Hofadvocat u. Stadtsyndicus Sternberger. 1. Thurnau . Hr. Graf von Giech, Hr. Amtmann Neuhof, Hr Kanzleyrath Ehrlicher, 5 Ungenannte. 8. Tuͤbingen . Hr. Professor Hofmann. 1. Uffenheim . Hr. Stadtschreiber Koͤhler. 1. Ulm Hr. Kanzley Adj. Frick, Hr. Kanzley Adj. Jaͤger, Hr. Goͤcklein, Hr. Registr. Abt, Hr. Frz. Dan. v. Schad. 5. Weingartsgreuth . Hr. Amtsverweser Helmreich. 1. Weissenburg Hr. Stadtschreiber Hirschmann. 1. Wezlar . Hr. Koͤster, Saynhachenburg. Commis. Secret. 11. Wilhelmsdorf . Hr. Verwalter Illing. 1. Windsheim . Hr. Actuarius Sauber. 1. Wittenberg . Hr. Kand. und Advocat Zerenner. 3. Wuͤrzburg . Hr. Rechtspract. Ams, Hr. Hofrath Sam- daber, 2 Ex. Hr. Liebler, Regierungs-Fiscal, Hr. Hofr. Kleinschrod, Hr. Kand. Papius, Hr. Prof. Seuffert, Hr. Baron von Fuchs, Hr. Baron von Groß, Hr. v. Kronegg, Hr. von Gebsattel, Domherr, Hr. Prof. Gregel, Hr. Ba- ron von Welden, Hr. v. Gebsattel, Page, Hr. Papius, Beneficiat, Hr. Baron von Wurmb, Hr. Kammerherr von Speth, Hr. Kand. Probst, Kammerherr von Hutten, Hr. Hofrath von Groß, Hr. Hofr. von Hirschberg, Hr. Schmidt, Hr. Prof. Willhelm, Hr. Otto Philipp v. Groß, Domherr, Hr. Cand. Iur. von Elz zu Ruͤbenach, Hr. Iur. Pract. Goͤtz. 26. (Die Fortsetzung der Praͤnumeranten folgt in den kuͤnftigen Baͤnden.) Ausfuͤhrliche Erlaͤuterung der Pandecten nach Hellfeld ein Commentar zum Gebrauch fuͤr meine Zuhoͤrer. Erstes Buch. Tit. I. De iustitia et iure . §. 1. Schriften; verschiedene Bedeutungen des Worts ius. Er- laͤuterung der L. 1. §. 1. L. 10. L. 11. L. 12. D. h. t. L. 13. C. de Rei Vind. L. 5. §. 1. und L. 24. D. de his quae ut indign. L. 10. D. de cap minut. L. 27. §. 2. D. de pactis . u. L. 41. D. de peculio. D ie ersten vier Titul der Pandecten enthalten blos allgemeine Begriffe, und sind gleichsam als Vor- bereitungsgruͤnde der buͤrgerlichen Rechtsgelahrheit anzu- sehen. Dieselben vorauszuschicken, war auf jeden Fall noͤthig, man betrachte nun die Pandecten des K. Justi- nians als einen Volkscodex Daß billig in einem Volksgesetzbuche, eben so wie in allen andern Lehr- und Unterrichtsbuͤchern, zufoͤrderst allge- , oder, welches sie nach der Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. A 1. Buch. 1. Tit. der Absicht des Kaisers gleichfalls seyn solten, als ein zum wissenschaftlichen Unterricht aptirtes Rechtssystem. Der Anfang wird mit Bestimmung der Begriffe von Recht und Gerechtigkeit gemacht. Nam iuri ope- ram daturum, sagt Ulpian gleich zu Anfang dieses Tituls, prius nosse oportet, unde nomen iuris descen- dat. Est autem a iustitia Viele haben den Ulpian wegen dieser Derivation des Worts ius von Iustitia getadelt, weil nach den Regeln der Grammatiker das Wort ius vielmehr a iubendo, und Iustitia von ius abzuleiten sey. Andere hingegen haben ihn gegen diesen Tadel zu rechtfertigen gesucht. Die verschiedenen Meinungen hier anzufuͤhren, halte ich vor unnoͤthig. Man sehe raeuard in Variis Lib. I. c. 2. menagius in Amoenitat. iur. civ . c. 39. Gregor. lopez madera in Animadversion. iur. civ . (Colon Agripp. 1594. 8.) cap. 1. van der muelen c. l. ad h. L. 1. u. Ger. noodt in Comment. ad Digesta h. t. Soviel sieht man wohl, daß Ulpian mehr philosophisch als grammatisch verfahren, und den- jenigen Ursprung des Worts ius angeben wollen, wor- aus der Begrif der Sache selbst entstanden. Da er nun ius als eine Wissenschaft betrachtet, welche in der Er- kenntniß dessen, was in jeden gegebenen Fall recht und billig ist, bestehet, und folglich die Handhabung der Ge- rechtigkeit zum Endzweck hat, so laͤßt sich’s in sofern wohl vertheidigen, wenn er ius von iustitia ableiten wol- len. S. Ios. finestres in Hermogeniani ICti iuris appellatum, nam (ut elegan- allgemeine Grundsaͤtze des Rechts vorausgeschickt, und bey jeder Materie ein richtiger Hauptbegrif angegeben werden sollte, hat neuerlich der Verfasser des Versuchs eines Auszugs der Roͤm. Gesetze , in den An- merkungen zum I.--IV. Buch der Pandekten S. 97. u. f. richtig bemerkt, und das neue Gesetzbuch fuͤr die Preussischen Staaten giebt ein musterhaftes Beyspiel davon. De Iustitia et Iure. eleganter celsus definit ) ivs est ars boniet ae- qui. Unter den mancherley Schriften uͤber diesen, und zugleich etliche nachfolgende Titul sind folgende zu empfehlen. Alb. bolognetvs de Lege, Iure et Aequitate . Romae 1570 fol. Guil. marani Commentarius de aequitate sive iustitia , in Oper. Tom I. Thomae papillonii Commen- tarii in IV. priores titulos Libri I. Dige- stor in Ger. meermanni Thesauro iur. civ. et canon. Tom. II. p. 570. Wilh. van der muelen Exercitationes in titulum Digestor. de iu- stitia et iure, et Historiam Pomponii de origine iuris . Trajecti ad Rhenum 1723. 4. Io. Conr. stieglitzii Fontes iuris civ. Rom. secundum ordinem Pandectarum col- lecti . Specim. I. ad tit. Digestor. de iustitia et iure . Lipsiae 1779. 8. Die kleinern academi- schen Schriften uͤber diesen Titul von Ge. Christ. ge- bauer , Ioachim Ge. daries , Aug. Frid. schott und Georg. Christoph. neller , dessen verschiedene Commentationen in seinen von Ge. Phil. Christ. leuxner zu Trier 1787. herausgegebenen Opusculis T. I. P. I. befindlich sind, werde ich bey Ge- legenheit anfuͤhren. A 2 Was iuris epitomar. libros VI. Commentar . T. 1. pag. 37. ( Cervariae Lacetanor. 1757.) und Ge. Steph. wiesand Vindiciae L. 1. §. 1. D. de Iust. et I. Lips. 1764. Eine Stelle in gellius lib. XIV. c. 4. und der Zusammenhang jener Stelle des Ulpians macht es aber auch nicht unwahrscheinlich, daß Ulpian auf Deam Iu- stitiam alludirt habe. S. Io. Th. segeri Opuscula , herausgegeben von Herrn Prof. Kluͤber, Vol. I. S. 244. u. f. 1. Buch. 1. Tit. Was ist nun ius ? dieses Wort hat in unsern Ge- setzen mancherley Bedeutungen. Verschiedene derselben hat Paulus in L. 11. D. b. t. angegeben, jedoch ist damit L. 1. und L. 12. eod. zu verbinden. Die vor- nehmsten sind folgende. 1) Bedeutet ius so viel als Gesetz, oder iede an- dere verbindliche Norm, welche Gesetzeskraft hat. So sagt z. B. Ulpian in L. 9. D. de Legib. non ambigitur, Senatum ius facere posse. Noch zu Ul- pians Zeiten zweifelte man nicht, daß der Senat Gesetze machen koͤnne; nur muste er eine Veranlassung dazu vom Kaiser bekommen, welcher demselben seinen Willen entweder selbst durch eine deßhalb im Senat gehaltene Rede bekannt machte, oder durch seinen Quaestorem Candidatum eroͤfnen ließ M. C. curtius in Commentar. de Senatu Rom. post tempora lib. reip. Lib. III. c. 2. §. 57. zach. richter in Diss. de Oratione Antonini de donationibus inter Vir. et Vxor. confirmandis Lipsiae 1759. §. 10. Pet. burmann de vectigal. Pop. Rom. cap. 6. p. 85. sqq. van wachendorf de principe legibus soluto cap. III. §. 2. p. 101. . Zu dieser Bedeutung gehoͤrt auch die bekannte Decemviralsanction: Paterfamilias uti legassit, ita ius esto; und in L. 50. §. 1. D. de legat. 1. deßgleichen in L. 17. § 1. D. de inoff. testam heist es, ius ex sententia iudicis fieri Wenn in L. 16. D. de condit. et demonstrat. gesagt wird, ea, quae ex ipso testamento orientur, necesse est, se- cundum scripti iuris rationem expediri, so haben viel unter der scripti iuris ratione den Buchstaben des Testa- ments verstehen wollen, als Io. cannegieter ad dif- ficiliora iuris capita c. 1. schroderus in Ob- servat. . In eben dieser Bedeutung sagt man auch, daß de Iustitia et Iure. daß etwas ipso iure geschehe, wenn es eine unmittel- bare Wuͤrkung der Gesetze ist, ohne daß ein factum hominis hierzu erfordert wird. Z. B. so acquiriten Kinder, welche bis an den Tod ihres Vaters in deßen Gewalt geblieben, ( sui liberi ) nach dem Absterben des- selben die vaͤterliche Erbschaft ipso iure, auch ohne ihr Wissen; denn die Gesetze selbst erklaͤren sie fuͤr die Er- ben ihres Vaters, ohne daß ihre Erklaͤrung, oder sonst eine Thathandlung derselben hiezu erfordert wird S. Henr. cocceii disc. iurid. de co quod fitips o iure Heidelberg. 1678. . 2) Heißt ius auch, was denen Gesetzen gemaͤs ist, und die Rechte mit sich bringen; oder was mit denen Gesetzen uͤbereinstimmt, und daher entweder uͤberall recht und billig ist, oder doch wenigstens denen Buͤrgern ei- nes gewißen Staats nuͤtzlich ist. Hierher gehoͤren die Worte Pauli in L. 11. D. h. t. Ius pluribus mo- dis dicitur. Vno modo, cum id, quod semper ac- quum ac bonum est, ivs dicitur: ut est ius natur ale. Altero modo, quod omnibus aut pluribus in quaque civitate utile est: ut est ius civile. In eben diesem Verstande sagt man ferner, es sey etwas Rech- tens: z. B. es ist iuris, daß der Verkaͤufer dem Kaͤu- fer die Gewaͤhr leiste. 3) Wird ius fuͤr ein nach denen Gesetzen zuste- hendes Vermoͤgen etwas zu thun genommen. Hier nennt man es eine Befugnis, ein Recht, eine Ge- rechtigkeit, z. B. ius testandi, ius utendi fruendi, A 3 ius servat. iuris Lib. II. c. 13. Henr. Io. arnzenius in Miscellaneor. libro c. 13. p. 137. ganz unrichtig ist diese Erklaͤrung zwar nicht, allein sie erschoͤpft den Sinn doch nicht ganz, wie ich an einem andern Ort gezeigt ha- be. S. Opuscula iuridica. Fascic. I. p. 172. 1. Buch. 1. Tit. ius possessionis, ius pignoris, ius servitutis. In dieser Bedeutung kommt das Wort ius auch in der Definition von der Iustitia vor, welche Ulpian nach L. 10. D. h. t. in einer constanti et perpetua vo- luntate, ius suum cuique tribuendi setzt, d. i. in den festen und unveraͤnderlichen Willen, einem jeden dasje- nige zu geben und zu lassen, was ihm nach den Gesetzen gehoͤrt. Insofern nun ius ein gesetzmaͤssiges Vermoͤgen zu handeln anzeigt, wird demselben das Wort iniuria entgegengesetzt, und darunter im weitlaͤuftigen Verstande eine jede unerlaubte widerrechtliche Handlung verstan- den. L. 5. §. 1. D. ad Leg. Aquil. 4) Nimmt man es fuͤr die moralische Eigenschaft eines Menschen, von welcher Rechte und Verbindlichkei- ten abhangen. Hierher gehoͤrt, wenn Marcian in L. 12. D. h. t. sagt: nonnunquam ius etiam pro necessitudine dicimus: veluti est mihi ius cognationis vel adfinitatis. van der muelen hat diese Stelle am besten erklaͤrt: Per ius hic intelligimus, sagt er in dem oben angefuͤhrten Commentar p. 321. illam persona- lem qualitatem, quam inter homines sive ius natu- rae sive civile in statu vel naturali vel civili viven- tes introduxit; cuiusmodi qualitas, quia ex iure di- manat, iuridica appellari potest, qua efficitur, ut alter ad alterum certam quandam habeat relatio- nem; adeoque qualitas illa respicit hominis statum cum relatione ad statum alterius; quamobrem nec a ratione alienum, ut iuris vocabulum aliquando etiam pro necessitudine, sive coniunctionis vinculo, benevolentiae vel propinquitatis vi contracto, L. 5. §. 1. D. quib. ex caus. in poss. eat, dicamus. Denn die Verwandschaft ist eine moralische Eigenschaft und Verhaͤltniß gewisser Personen gegen einander, von wel- cher de Iustitia et Iure cher besondere Rechte und Verbindlichkeiten abhangen. Eben diese Bedeutung liegt zum Grunde, wenn die Menschen in homines sui iuris, und homines alieni iu- ris eingetheilt werden. Denn homines sui iuris sind, wie Gebauer in Diss. de iustitia et iure §. IX. sagt, personae hac qualitate praeditae, ut in se vel alios potestate gaudcant, eoque ipso multa iuste habeant faciantque, quae negata iis, qui sub potestate alte- rius, adeoque iuris alieni sunt. Jedoch heißt ius in dieser Eintheilung auch soviel als die Gewalt, der jemand unterworfen ist, princ. I. de his, qui sui vel alieni iuris sunt, und L. 43. D. de obligat. et act. Wenn Personen, so weder der Gewalt eines Vaters noch eines Herrn unterworffen, unter keiner Auf- sicht stehen, und also weder einen Tutor noch Cu- rator haben, so sagen die Gesetze von ihnen, neutro iure tenentur. Princip. I. de tutelis. 5) Auch die Eigenschaften einer Sache nennen die Gesetze iura, diese besondere Bedeutung hat Celsus in L. 86. D. de V. S. angemerkt, wo er sagt: Quid aliud sunt iura praediorum, quam praedia qualiter se habentia, ut bonitas, salubritas, amplitado goeddeus in Commentar. ad tit. Dig. de verb. Signific. ad h. L. . Hier ist also ius eben so viel, als was die Gesetze sonst causam nennen. L. 67. D. de contrab. emt. vendit. L. 13. §. 1. de acquir. poss. Eine gewoͤhnlichere Be- deutung ist 6) diejenige, da ius einen Inbegrif mehrerer Ge- setze, besonders solcher, welche von einerley Art sind, anzeigt. z. B. Ius Romanum. 7) Wird das Wort ius auch fuͤr den Ort genom- men, wo Recht gesprochen wird. So kommt es in den A 4 Rubri- 1. Buch. 1. Tit. Rubriken der Titul in den Pandekten de in ius vocan- do, ferner de interrogationibus in iure faciendis vor. Hier heißt ius soviel als Tribunal des Praͤtors, L. 4. §. 1. D. de interr. in iure: und in dieser Bedeutung unterschied man ius und iudicium sorgfaͤltig von einan- der, Cicero de Orat. Lib. I. c. 11. und Plautus Act. IV. Sc. 2. v. 18. indem man iudicium denjenigen Ort nannte, wo der denen Partheyen nach der Roͤmischen Proceßform bestellte Judex pedaneus saß, und das streitige Factum untersuchte; denn dieser saß nicht pro Tribunali, sondern ad Praetoris pedes in subselliis. Daher wa- ren bey den Roͤmern die Handlungen vor Gericht zwie- fach, actus in iure, welche beym Praͤtor oder einer an- dern Magistratspersohn des Roͤm. Volks vorgenommen wurden, z. B. cessio in iure; und actus in iudicio, die beym iudex pedaneus verrichtet wurden. L. 1. §. 2. D. de postul. L. 3. §. 1. D. ne quis eum, qui in ius vocatus etc. 8) Wird unter ius zuweilen auch die Rechts- und Proceßform oder Gerichtsordnung selbst verstanden. So rescribiren z B. die Kaiser Diocletian und Maximian einem gewissen Cytichio: in L. 13. C. de rei vindicat. Ordinarii iuris est, ut mancipiorum orta quae- stione, prius, exhibitis mancipiis, de possessione iu- dicetur, ac tunc demum proprietatis causa ab eo- dem iudice decidatur. Hier heißt ordinarium ius soviel als consueta iuris forma; also will das Rescript soviel sagen: die ordentliche Rechtsform, oder die ge- woͤhnliche Proceßordnung bringt es mit sich, daß erst uͤber den Besitz erkannt, und alsdann die causa pro- prietatis entschieden werde. In dieser Bedeutung mach- ten die Roͤmer in Ansehung der Art des gerichtlichen Verfahrens einen Unterschied, ob etwas iuris ordinarii, oder de Iustitia et Iure oder cognitionis sey. Ersteres hieß, wenn der Praͤtor den Partheyen einen Judex pedaneus bestellte; und dieß geschahe gewoͤhnlicher weise: cognoscirte hingegen der Praͤtor selbst, und entschied den Rechtsstreit allein, ohne einen Judex pedaneus anzustellen: so geschahe dieses ex- tra iuris ordinem, und hieß cognitio, oder cognitio praetoria. Sueton in Claudio c. 15. Ulpian in L. 178. §. 2. D de V. S. In der letztern Stelle wird gesagt: Fideicommissa haͤtten nicht iuris ordinarii executionem, sondern gehoͤrten ad persecutiones extra- ordinarias. Den Aufschluß giebt Ulpian an einem andern Ort Fragm. Tit. XXV. §. 12. Fideicommissa non per formulam petuntur, ut legata; sed cogni- tio est Romae quidem Consulum, aut Praetoris, qui fideicommissarius vocatur, in provinciis vero Praesi- dum provinciarum Siehe Ge. Christ. gebaueri Commentat. acad. de iu- risdictione sec. doctr. Rom. (edit. sec. Lipsiae 1733.) Cap. I. §. XI. 9) Zeigt ius auch bisweilen die Sentenz oder den Ausspruch eines Richters an, z. B. ius reddere, ius di- cere, einen rechtlichen Ausspruch thun, wodurch ein Pro- ceß entschieden wird. Praetor quoque ius reddere di- citur, sagt daher Paulus in L. 11. h. t. etiam cum inique decernit. Es wurden jedoch jene Aus- druͤcke nur eigentlich vom Praͤtor und solchen Roͤm. Ma- gistratspersonen gebraucht, denen vermoͤge ihres Amts eine Gerichtsbarkeit zustand, denn vom Judex pedaneus sagte man iudicare brissonius de Verbor. Signif. h. v. adde L. 1. C. ubi de caus. Status. L. 2. §. 13. D. de O. I. L. 7. D. de off. Procons. L. 3. D. de off. eius, cui mand. est iurisd. bisweilen haben jedoch die Roͤm. Juristen diesen Unterschied vernachlaͤßiget, v. finestres in Hermogeniano T. I. p. 327. . A 5 10) Heißt 1. Buch. 1. Tit. 10) Heißt ius auch oͤfters soviel als die gesetzlich bestimmte Testamentsform. Bekannt sind die Re- densarten: testamentum iure factum, et non iure fa- ctum, ein Testament, welches die gesetzliche Form hat, oder nicht hat, L. 5. §. 1. und L. 24. D. de his, quae ut indignis. In eben diesen Gesetzstellen kommt auch der Ausdruck de iure disputare vor, welcher von demjenigen gebraucht wird, der zwar zugiebt, daß das Testament den wirklich erklaͤrten Willen des Erblassers enthalte, aber doch solches aus dem Grund anficht, weil es mit einem Mangel in Ansehung der rechtlichen Form behaftet sey, und mithin den Rechten nach nicht beste- hen koͤnne Siehe das Geh. Rath Nettelbladts Diss. de eo, qui de iure disputavit haud indigno. Halle 1765. und Herrn Prof. Woltaͤrs Observat. iur. civ. et Brandenb. Fasc. I. (Halle 1777.) Obs. 26. p. 218 sqq. . Ferner ist 11) Ius soviel als der Titul, wodurch ein ding- liches Recht erworben werden kann. L. 10. D. si servit. vindicetur. 12) Nimmt man ius auch fuͤr Rechtsgelehrsamkeit, in dieser Bedeutung nimmt es Celsus beym Ulpian in der oben angefuͤhrten L. 1. h. t. und eben so wird es auch in der Rubrik dieses ersten Tituls genommen. 13) Oft wird in unsern Gesetzen gesagt, daß et- was geschehe, entstehe, oder gelte ipso iure, und wird demjenigen entgegengesetzt, was iure praetorio, oder per praetoris tuitionem geschiehet. Siehe L. 1. §. ult. D. de superfic. L. 1. §. 5. D. quod falso tutore. L. 1. D. quib. mod. ususfr. amitt. L. 9. §. 1. D. ususfr. quem cav. In diesen Stellen heißt ius soviel als ius civile, und die Redensart, ipso iure fit soviel als hoc totum fit opera et auctoritate iuris civilis, neque auxilio de Iustitia et Iure. auxilio Praetoris opus est; wie Ios. averanius in Interpretat. iuris Lib. I. c. 14. n. 24. et 25. die- ses erklaͤrt hat. Zuletzt scheinen noch 14) die alten Roͤmischen Juristen eine ganz eigene Bedeutung mit dem Wort ius verbunden zu haben, wenn sie sich oͤfters des Ausdrucks bedienen, daß etwas mehr in facto als in iure bestehe, oder sonst ius und factum einander entgegensetzen. Wir finden solche Re- densarten in verschiedenen Stellen unserer Pandecten, wovon ich einige als Beispiele anfuͤhren will. Wenn Herennius Modestinus in L. 10. D. de capite mi- nutis, welches Fragment aus dem achten Buch seiner Differentiarum genommen ist, beweisen will, daß das Vermaͤchtniß der Habitation zwar, wie das Ver- maͤchtniß jaͤhrlicher oder monatlicher Einkuͤnfte, mit dem Tode des Legatars sich endige, aber keines derselben durch etwa erlittene Kapitisdeminution des Legatars ver- lohren werde, sondern, derselben ohngeachtet, noch im- mer fortdauere, so fuͤhrt er den Grund an: quia tale legatum in facto potius, quam in iure, consistit. Paulus L. 27. §. 2. D. de pactis: drukt sich fast auf die nehmliche Art aus: In stipulationibus ius con- tinetur, in pactis factum versatur. So sagt ferner Ulpian L. 41. D. de peculio: Nec servus quicquam debere potest, nec servo potest deberi. Sed cum eo verbo abutimur, factum magis demonstramus, quam ad ius civile referimus obligationem. Man findet in denen Roͤmischen Gesetzbuͤchern noch mehrere Stellen, in welchen ius und factum einander entgegen. gesetzet werden. Vergleiche L. 48. §. 1. D. de acquir. rer. dominio, L. 38. §. 6. D. de verbor. obligat. u. a. m. Es fraͤgt sich also, in was fuͤr einer Bedeu- tung das Wort ius in diesen Stellen der Pandecten von denen 1. B. 1. Tit. denen Roͤmischen Rechtsgelehrten genommen werde? Die gewoͤhnliche Erklaͤrung ist, daß ius daselbst soviel als Civilrecht, factum aber natuͤrliches Recht, natuͤrliche Verbindlichkeit heisse S. Ger. noodt de pactis et transact. c. 8. Tom. I. Oper. p. 501. Gregor. maiansius in disputat. iuris. Tom I. Disp. XVIII. §. 9. p. 319. Io. van nispen in Ex- ercit. ad Fragmenta, quae in Digestis ex Herennii Modestini IX. libris Differentiar. supersunt; in oelrich Thes. Dissert. Belgicar. Vol. I. T. I. N. I. rossmann Abh. Warum die Habitation viel- mehr in facto als iure bestehe? in den Erlang. gelehrt. Anzeigen auf das J. 1751. N. XXXIII. Ich kann nicht umhin, die Worte eines unserer heutigen eleganten Civilisten Ich meyne den verehrungswuͤrdigen Herrn Hofr. Gmelin zu Tuͤbingen, dessen Abhandl. von der eigentlichen Beschaffenheit der Habitation nach dem roͤm. Rechtssystem, sich in den gemeinnuͤtzigen jurist. Beobach- tungen und Rechtsfaͤllen Dritt. Band N. VII. S. 78. f. befindet; siehe besonders §. 57. selbst hier anzufuͤhren: „Die alten Roͤmischen Juristen hatten, sagt derselbe, wenn sie von Rechten und Verbindlichkeiten re- deten, ihre eigne Sprache, die aus der seientivischen Behandlung derselben entstanden ist. Sie beobachteten zwo Hauptgattungen von Rechten und Verbindlichkeiten. Einige, welche die vor ihnen liegende Gesetze dafuͤr er- kannt, modificirt und bestimmt hatten, und andere, de- nen dieselben keine bestimmte Form gegeben, sie uͤber- haupt nicht in ihren Schuz genommen, und fuͤr Rechte und Verbindlichkeiten anerkannt haben. Jene waren al- so in den Gesetzen gegruͤndet, diese hingegen nicht. Da- her sagten sie von den letztern, daß sie mehr in facto bestehen, weil man dabey auf kein positives Gesetz, son- dern hauptsaͤchlich auf das Factum, als die unmittelbare Quelle derselben und die besonders dabei vorgefallene Umstaͤn- de Iustitia et Iure. Umstaͤnde Ruͤcksicht nehmen muste, um ihren Umpfang bestimmen zu koͤnnen. Auch heissen sie iura naturalia, obligationes naturales; Rechte nehmlich, denen kein roͤmisches Gesetz, sondern allein das natuͤrliche Recht die Consistenz und Form gegeben hat, und die, wenn sie durch die Gesetze nicht aufgehoben oder entkraͤftet waren, auch im Roͤmischen Staat ihre Eigenschaften beybehalten haben L. 8 D. de cap. minut. . Jeder Mensch ist derselben faͤ- hig, er sey in der Sclaverey oder Freyheit: jene aber setzen gewisse persoͤnliche Verhaͤltnisse bey ihren Subje- cten voraus, und nicht alle Menschen haben die Recepti- vitaͤt dazu.„ Die Anwendung auf obige Gesetzstellen ist nun folgende: Der Ususfructus und Usus, so heißt es wei- ter S. Gmelin a. a. O. §. 59. S. 93. folg. , um den Modestin zu erklaͤren, hatten ihre Form durch die Gesetze erhalten, waren daher Rechte in der eigentlichen Bedeutung, und bestanden also einzig und allein in iure. Die Habitation hingegen war kein solches Geschoͤpf der Gesetze, nicht durch die Gesetze anerkannt und in eine bestimmte Form gebracht, sondern ein Resultat von Vertraͤgen und letzten Willen. Sie selbst konnte zwar ein Gegenstand eines Rechts seyn, aber war selbst kein Recht, nach dem Sinn und der Sprache des Rechtsgelehrten. Oder sie war vielmehr ein natuͤrliches und nur kein gesetzliches Recht, und bestand also, wie Modestin sagt, mehr in facto als iure. Die aͤltern Gesetze hatten sich ihrer gar nicht angenommen. Daher entstanden die mancherley Mei- nungen unter den Roͤm. Rechtsgelehrten uͤber das We- sen derselben, weil die Gesetze davon ganz stille schwei- gen, und sie aus den vorliegenden Vertraͤgen und letz- ten 1. Buch. 1. Tit. ten Willen einzig und allein bestimmt werden muste Daß die roͤmischen Juristen hieruͤber mit einander unei- nig gewesen, laͤsset sich aus den §. 5. I. de usu et habitat. und L. 13. C. de usufr. erkennen. . Hieraus lasse sich nun begreifen, warum die Habitation durch die Kapitisdeminution nicht aufgehoben worden L. 10. pr. D. de usu et hab. Beym Usufructu war es anders, dieser gieng durch erlittene Kapitisdeminution verlohren. paulus lib. III. Sentent. Recept. tit. 6. §. 29. Daher war es eine Cautel der Roͤmischen Testatoren, den Ususfructus entweder unter der Formel: Titio usumfru- ctum fundi lego; et quotiensque capite minutus erit, eun- dem usumfructum ei do lego, welche wir beym Gajus in L. 8. D. de annuis legat. finden; oder selbigen den Lega- tarius ausdruͤcklich auf seine ganze Lebenszeit zu vermachen, L. 3. pr. D. quib. mod. usufr. oder Tag- Monath- oder Jahrweise ( in singulos dies, menses, annosve ) zu legiren. L. 2. §. 1. D. quib. mod. usufr. amitt. Auf solche Art wurde das Legat vervielfaͤltiget; und der Legatar war nun auf jeden Unfall gedeckt. Gieng daher auch das Legat fuͤr ein oder mehrere Jahre wegen erlittener Kapitisdeminu- tion des Legatars verlohren, so konnte er doch, sobald die Ursach des Verlusts gehoben, fuͤr die kuͤnftige Zeit gleich- sam aus einem neuen Vermaͤchtniß ( ex repetitione ) die Nutzniessung behaupten, weil auf jeden Fall einer etwa erlittenen Kapitisdeminution, auf jedes einzelne Lebensjahr des Legatarius, ja auf ieden Monath, oder Tag demsel- ben gleichsam ein besonderer und wiederholter Ususfructus vermacht worden, welchen derselbe nach jeder erlittenen Veraͤnderung immer wieder von neuen anfangen konnte. v. L. 3. § 1. L. 5. D. quib. mod. ususfr. amit. L. 3. §. 2. D. Usufr. quemadm. cav. L. 23. D. de usu et usufr. . Denn die Kapitisdeminution vertilge zwar gesetzliche Rechte, aber da sie auf den natuͤrlichen Zustand des Buͤrgers gar keine Beziehung hatte, so ließ sie die na- tuͤrliche Rechte unangetastet L. 8. D. de cap. minut. Eas obligationes, quae naturalem praesta- . Der de Iustitia et Iure. Der andern Stelle, nehmlich des Paulus, wird hiernaͤchst folgender Sinn beygelegt Gmelin a. a. O. §. 58. : Stipulationen, als Contracte, sind die Quelle gesetzlicher und eigentli- cher Rechte und Verbindlichkeiten; (in stipulationibus ius continetur) simple Vertraͤge hingegen erzeugen blos natuͤrliche Verbindlichkeiten, welche, wenn sie in das Licht der Roͤmischen Gesetzgebung gestellet werden, ver- schwinden. Daher koͤmmt dabey nur das Facrum oder der Vertrag selbst in Betrachtung (in pactis factum versatur) charondas in Verisimil. Lib. I. c. 4. n. 2. hat dieses Fragment eben so ausgelegt. S. ottonis Thes. Iur. Rom. T. 1. p. 692. . Oder, wie sich ein neuerer Schriftstel- ler S. Sammlung der roͤm. Geseze auf Befehl Kr. Justinians verfertiget, ins Teutsche mit erlaͤuternden Anmerkungen uͤbersetzt. 1. Theil Pandekten. Frankf. u. Leipz. 1785. S. 54. Anmerk. d. ausdruckt: die Stipulationen sind schon nach den Civilgesetzen guͤltig, den pactis aber sind nur vom Praͤ- tor, der natuͤrlichen Billigkeit wegen, einige Wirkungen beygelegt worden. Die pacta werden als etwas blos factisches angesehen, das eigentliche Recht nimmt sie gar nicht an. Eben so erklaͤrt man die obige Stelle Ulpians L. 41. D. de pecutio. . Der Knecht, welcher nach dem Roͤmischen Recht gar keine Person hatte, sondern als blose Sache, die zum Vermoͤgen des Privatmannes gehoͤrte, behandelt wur- de, war keiner Rechte und Verbindlichkeiten, das ist, solcher, die das Gesetz dafuͤr anerkannt hatte, faͤhig. Dero- pracstationem habere intelliguntur, palam et capitis de- minutione non perire; quia civilis ratio naturalia iura corrumpere non potest. 1. Buch. 1. Tit. Derowegen sagt Ulpian: nec servus quidquam de- bere potest, nec servo potest deberi. Als Mensch hingegen konnte er unstreitig Rechte und Verbindlichkei- ten haben. Aber nach der Sprache der Juristen waren sie’s nicht in der eigentlichen Bedeutung, weil das Ge- setz sie nicht dafuͤr erkannte, und der Name der Ver- bindlichkeit hatte hier mehr seine Beziehung auf das Factum der Convention, als die Eigenschaften einer gesetzlichen Verbindlichkeit Gmelin a. a. O. und §. 58. . Ich bin weit entfernt, diese Gesetzerklaͤrungen als unrichtig zu verwerfen, gebe vielmehr zu, daß, wenn man ius fuͤr ein, durch die Civilgesetze gebildetes und anerkanntes Recht, und factum fuͤr natuͤrliches Recht, oder natuͤrliche Verbindlichkeit nimmt, sich manche dieser Stellen vortreflich erklaͤren lassen; ob aber diese Bedeu- tung bey allen oben angefuͤhrten Gesetzstellen deßwegen nothwendig zum Grunde gelegt werden muͤsse, zweifle ich doch sehr; ich glaube vielmehr, daß manche derselben weit natuͤrlicher interpretirt werden koͤnne, wenn wir die oben nr. 1. angefuͤhrte Bedeutung des Worts ius zum Grunde legen, und das Wort factum in seiner eigentlichen Be- deutung nehmen. Bey der L. 48. §. 1. D. de acquir. rer. dom. und L. 38. §. 6. D. de verbor. obligat. ist dieses ganz offenbar. Ich glaube aber auch, daß sich dieses von L. 27 §. 2. D. de pactis ebenfalls behaup- ten lasse. Paulus, aus dessen dritten Buch uͤber das Ediet dieses Fragment genommen ist, sagt daselbst: Wenn einer, der die Schuld erlassen hat, (pactus, ne peteret,) dieselbe sich durch einen zweiten Vertrag wieder- herstellen lassen (postea convenit, ut peteret ) , so wird das erste pactum durch das zweite aufgehoben; jedoch nicht ipso iure, wie eine Stipulation, wenn die Par- theyen de Iustitia et Iure. theyen wollen, (si hoc actum est) durch eine andere aufgehoben wird; (welche nehmlich in der Absicht, eine Novation vorzunehmen, geschlossen worden) warum? quia in stipulationibus, sagt Paulus, ius contine- tur, in pactis factum versatur: der exceptioni pacti, sezt daher der Jurist hinzu, muͤsse in dem angezeigten Fall durch eine Replik begegnet werden (replicatione exceptio elidetur) . Wenn wir so diese Gesezstelle in ihrem Zusammenhange betrachten, so ergiebt sich, wie auch schon Hugo Donellus in Commentar. de iure civ. Lib. XXIV. c. 2. richtig bemerkt hat, daß hier von den gerichtlichen Wirtungen der Stipulationen und Vertraͤge die Rede ist, und besonders auf die Art und Weise gezielet wird, wie sie bey den Roͤmern vor Gericht vorgeschuͤzt werden musten oder konnten, um da- durch eine Befreyung oder Erneurung einer Verbindlich- keit zu bewirken. Mich duͤnkt daher diejenige Erklaͤrung weit natuͤrlicher zu seyn, wenn wir jene Worte, die den Entscheidungsgrund enthalten, so auslegen; weil Stipu- lationen ipso iure und vermoͤge Verordnung der Civil- gesetze wirken, ohne daß hierzu ein neues factum per- sonae erfordert wird; pacta aber ehender nicht, als wenn man die deshalb von Praͤtor ertheilte Exceprion oder Replic in Gerichten vorschuͤtzt, also ein factum unter- nimmt So erklaͤret diese Stelle auch Nic. Christoph. L. B. de lynker in praescript. publicis ad textus quos- dam iuris select. ( Viennae 1723. 8.) Praescript. XXI. p. 166. . Nach der Roͤm. Proceßordnung muste da- her die exceptio pacti sogleich bey der Litis-Contesta- tion der Klage entgegen gesetzet werden, damit sie der Praͤtor der formulae iudicii, die er dem iudici peda- neo vorschrieb, einverleiben konnte. War ich hingegen durch Gluͤcks Erlaͤut, d. Pand. 1. Th. B 1. Buch. 1. Tit. durch eine Stipulation von meiner Verbindlichkeit frey geworden, so war es genug, wenn ich nur bey der Litis- Contestation dem Klaͤger sagte, me dare non oportere, die weitere An- und Ausfuͤhrung meiner Einrede, daß eine Novation vorgegangen sey, brauchte erst beym Ju- dex Pedaneus zu geschehen Vergleiche Hugo Donellus a. a. O. pag. 1282. . Was endlich die Stel- le des Herenmus Modestinus anbetrift, so duͤrfte es wohl noch vielen Zweifeln unterworfen seyn, ob unter dem facto natuͤrliches Recht zu verstehen. Denn Modestin sagt nicht, daß die Habitation mehr in facto als in iure bestehe, sondern er handelt von dem Vermaͤcht- nis der Habitation, und setzt es mit dem Legato annuo und menstruo in soweit in eine Klasse, daß das eine so wenig als das andere durch die Kapitis Demi- nution gaͤnzlich aufgehoben werde. So wenig also ein legatum in annos singulos vel menses singulos reli- ctum fuͤr ein natuͤrliches Recht anzusehen, so gewiß ist es auch wohl, daß das Legat der Habitation seine gan- ze Form und Kraft durch die Civilgesetze erhalten, und auch daraus allein zu beurtheilen sey. Ohnstreitig hat unter allen Interpreten der beruͤhmte Herr geh. Justiz R. Boͤhmer Siehe Desselben elegante Observationem ad sen- tentiam Modestini in L. 10. D. de capite minut. Gott. 1778. Auf eine aͤhnliche Art erklaͤrt diese Stelle auch donellus in Comment de iure civili Lib. X. cap. 21. den Modestinus am richtigsten erklaͤrt, wenn er sagt: in der angefuͤhrten Schrift §. X. p. 13. sane vix idoneus nexus rationis cum ipsa decisione intelligitur, nisi legatum, de quo agit Modestinus, ratione acquisitionis et constitutionis, ob huius nexum cum amissione, in facto potius quam in iure consistere dicatur hoc sensu, quod non ipso iure, de Iustitia et Iure. iure, sed praevio eo facto, in quo legatum consistit, constituatur. Non enim semel, sed iterum iterum- que eodem facto continuo utrumque legatum consti- tuitur, perinde ut ususfructus repetitus quotidie con- stitui dicitur L. 1. §. 3. in fin. D. de usufr. accresc. . Modestin nimmt also das Wort ius hier ebenfals in der oben angegebenen erstern Be- deutung, und will soviel sagen: darum gehe das Legat der Habitation durch etwa erfolgte Capitisdeminution des Legatars nicht schlechterdings verlohren, weil ein dergleichen Legat die besondere Eigenschaft habe, quod eius dies post aditam hereditatem non simpliciter ce- dat ipso iure, sed per factum demum habitationis, et ex eo tempore, quo legatarius habitare incipit, id- que ideo nec semel cedat, sed saepius. Man sie- het dies aus der Vergleichung, welche Modestin zwi- schen diesem Legat der Habitation und einem legato an- nuo vel menstruo anstellet, welches bekanntermaßen nicht ein einziges, sondern ein vielfaches, und zwar ein so viel jaͤhriges oder soviel Monathliches Legat ist, als der Legatar erlebt. So wie nun also dieses Legat, wenn der Legatartus etwa eine Capitisdeminution erleidet, nur fuͤr die verfloßene Zeit, da derselbe unfaͤhig gewesen, das Legat zu geniessen, nicht aber fuͤr die kuͤnftige ver- lohren gehet, vielmehr, sobald das Hinderniß gehoben, gleichsam von neuen wieder anfaͤngt, und seinen Fort- gang hat L. 1. pr. D. Quando dies ususfr. legati cedat. , quia singulis annis mensibusve veluti renascitur; so verhalte sich’s nun eben so auch mit dem Vermaͤchtniß der Habitation Marcellus sagt zwar in L. 15. pr. D de usufr. legat. legatum habitationis unum videtur legatum esse. Allein der Jurist redet hier von einem solchen legato habitatio- nis . Ich werde diese Er- B 2 klaͤrung 1. Buch. 1. Tit. klaͤrung am gehoͤrigen Ort Lib. VII. Tit. 4. §. 642. mit den noͤthigen Beweißen unterstuͤtzen Von denen mancherley Bedeutungen des Worts ius ha- ben uͤbrigens G. Chr. gebauer in Diss. de iustitia et iure Gött. 1738. rec. 1777. §. VI. sqq. Georg. Christoph. neller in Principiis iuris, de iure, quod tribuit Iustitia, und in der Abhandlung de bono, aequo et iusto in Opusc. T. I. P. I. N. 3. et 4. desgleichen Ier. Eb. linck in Diss. de iure va- riisque eius significationibus. Argent. 1741. obgleich alle nicht vollstaͤndig, gehandelt. . §. 2. Begrif, Eintheilung und Quellen der Verbindlichkeit. Er- klaͤrung des pr. I. de obligat. und der L. 1. D. de obligat. et action. Wo ein Recht ist, da ist auch eine Verbind- lichkeit vorhanden, demselben gemaͤß zu handeln. (luri respondet obligatio) . Dieses kann auf zweierley Art verstanden werden. Einmal, wenn man das Wort ius fuͤr Gesetz nimmt, so heißt es soviel: wo ein Gesetz ist, da ist auch eine Verbindlichkeit, seine Handlungen nach der Vorschrift desselben einzurichten. Zum andern, wenn nis, quod per formulam damnationis relictum est: z. B. Damnas esto heres, Titium sinere in illa domo habita- re, quoad vivet. Ein solches Legat war freylich seiner Natur nach nur ein einiges, nehmlich in Ansehung des Erben, welchem der Testator die Verbindlichkeit auferlegt hatte, den Legatarius in dem bestimmten Hause wohnen zu lassen. Diese Verbindlichkeit ist nur eine einzige, und der Erbe hat derselben ein Genuͤge gethan, so bald er nach angetretener Erbschaft dem Legatar die Wohnung ein- geraͤumt hat. Nur auf Seiten des Legatars ist das Ver- maͤchtniß der Habitation mehrfach. S. Boͤhmer a. a. O. §. VII. de Iustitia et Iure. wenn man unter ius ein nach den Gesetzen zustehendes Vermoͤgen etwas zu thun verstehet, so hat jener Grund- satz den Verstand: Wenn die Gesetze jemanden ein Recht ertheilen, so verpflichten sie seine Mitbuͤrger, die Aus- uͤbung desselben geschehen zu lassen. Denn niemand darf den andern in seinem Recht kraͤnken, oder ihn an dessen Ausuͤbung hindern. Was ist nun aber Verbindlichkeit? Der Be- grif, den wir in dem Roͤmischen Gesetzbuche ( pr. I. de obligat. ) davon finden, ist folgender: obligatio est iu- ris vinculum, quo necessitate adstringimur, alicuius rei solvendae, secundum nostrae civitatis iura. Es ist ganz offenbar, daß Justinian keinen allgemeinen Begrif gegeben, sondern eine solche Verbindlichkeit de- finirt hat, die buͤrgerlich wirksam ist, und aus welcher nach Roͤmischen Rechten eine Klage gegen den Schuld- ner erhoben werden konnte. Dies zeigen die Worte secundum nostrae civitatis iura unter andern sehr deut- lich an; es scheint dies auch der recht eigentliche Begrif der Obligation im Sinn des Roͤm. Civilrechts zu seyn, wenigstens kann man sich’s nun erklaͤren, wenn Julian in L. 16. § 4. D. de fideiussor. sagt, eine natuͤrliche Verbindlichkeit, die keine Klage wirkt, sey nur uneigent- lich und per abusionem eine obligatio zu nennen; ja wie lebhaft sich die Roͤmischen Juristen uͤberzeugt ha- ben muͤssen, daß nur eine vollkommene Verbindlichkeit, auf deren Erfuͤllung mit Beystand der Rechte geklagt werden kann, den Namen einer Obligation verdiene, laͤsset sich weiter daraus erkennen, wenn in L. 7. §. 4. D. de pactis gesagt wird, ein sogenanntes pactum nu- dum wirke keine Verbindlichkeit, (d. i. kein Recht zu klagen) sondern nur eine Exception; und derjenige nur sey fuͤr einen Schuldner zu halten, a quo invito exigi B 3 pe- 1. Buch. 1. Tit. pecunia potest. L. 108. D. de V. S. Das Wort solvere wird uͤbrigens in der Definition der Obligation im weitlaͤuftigen Verstande genommen, und begreift dare, facere, praestare id, quod debeas, unter sich, L. 3. D. de O. et A. Siehe auch L. 176. D. de V. S. Der Zusatz secundum nostrae civitatis iura enthaͤlt eine Modification des rechtlichen Bandes, so durch die Obligation geknuͤpft wird, und will, wie Hugo Donellus in Commentar. de iure civ. Lib. XII. c. 1. diese Worte erklaͤrt, soviel sagen: ad- stringimur vero non quibuslibet modis, non ut cui- que visum est, non ut quis quid vi, aut turpiter promisit; sed ut sunt adstringendi causae secundum nostrae ciuitatis iura. Iura civitatis Romanae zeigen zwar vorzuͤglich die mancherley Gattungen des posi- tiven Roͤmischen Rechts an, und geben nicht undeutlich zu erkennen, daß es nicht genug sey, wenn zwar die Ver- bindlichkeit vom Civilrecht anerkannt, vom Praͤtor aber entkraͤftet worden; denn nur eine buͤrgerlich wuͤrksame Verbindlichkeit, die kein Gesetz entkraͤftet, verdient nach jenem Roͤm. Begrif den eigentlichen Nahmen Obli- gatio Man sehe Ian. a costa ad h. pr. I. de obligat. und Ern. tentzel de definitione legali obli - gationis Erf. 1737. ; inzwischen ist das natuͤrliche Recht (ius gen- tium) nicht auszuschliessen. Nam Populus Romanus, sagt Justiman §. 1. fin. I. de iure nat. gent. et civ. partim suo proprio, partim communi omnium ho- minum iure utitur. Nach Justinians Begrif waͤre also Obligatio die von den buͤrgerlichen Gesetzen als wuͤrksam anerkannte moralische Nothwendigkeit, jeman- den ein gewisses bestimmtes Object zu leisten In einer noch eingeschraͤnktern Bedeutung wird Obliga- tio in unsern Gesetzen auch fuͤr Verpfaͤndung genom- men; ; und soll also de Iustitia et Iure. also nicht jede allgemeine Pflicht, z. E. keinem andern etwas von dem Seinigen zu entziehen, und uͤberhaupt keine strafbare Handlung zu begehen, darunter verstan- den seyn, sondern sie sezt vielmehr jederzeit eine Per- son voraus, welche einer andern zu einem bestimmten Thun oder Geben verbindlich gemacht worden ist S. Hugo Institutionen des heutigen Roͤm. Rechts (Goͤttingen 1789.) §. 31. . Daß also der legale Begrif des Roͤm. Rechts von der Obligation wenigstens nicht als allgemeiner Be- grif der Verbindlichkeit gelten koͤnne, weil er den Ge- genstand nach seinem ganzen Umfang nicht in sich faßt, ist gewiß. Was ist also Verbindlichkeit uͤberhaupt? Ich muß, ehe ich den richtigern Begrif davon uͤber- haupt festsetze, vor allen Dingen bemerken, daß man insgemein die Verbindlichkeit aus einem zwiefachen Ge- sichtspunct zu betrachten pflegt, je nachdem nehmlich dieselbe entweder Jemanden auferlegt wird, oder dem- ienigen wirklich obliegt, welcher vermoͤge derselben ver- pflichtet wird. Jenes nennt man die active, dieses die passive Verbindlichkeit, und so wie man die erstere durch connexionem motivi cum actione definirt, so ver- stehe t man im Gegentheil unter der letztern qualitatem moralem passivam, qua quis praestare aut pati quid tenetur. Man findet diese Begriffe beym Wolf, Puffendorf und andern. Allein wenn sich gleichwohl die Obligation in die active und passive eintheilen laͤsset, wie in der Folge sich ergeben wird, auch diese Eintheilung in dem System des buͤrgerlichen Rechts nicht unbekannt ist; denn wem sollte wohl die bekannte B 4 Ein- men; L. 1. §. 2. D. de reb. eor. qui sub tut. Siehe D. Car. Christph. hofacker Princip. iur. civ. Rom. Germ. T.I. (Tübingae 1788.) §. 670. 1. Buch. 1. Tit. Eintheilung der Correalobligation in die active und passive hierbey nicht einfallen? so sind doch jene ge- meine Begriffe viel zu wenig brauchbar, da es ihnen nicht nur an gehoͤriger Deutlichkeit, sondern auch an Richtigkeit ermangelt. Wenn da, wo Motiven an frem- de Handlungen geknuͤpft werden, allemal auch eine Ver- bindlichkeit vorhanden seyn soll, so wird auch der Stras- senraͤuber mir eine Verbindlichkeit auflegen koͤnnen, wenn er mir den Tod drohet, und mich dadurch noͤthigt, ihm das Meinige hinzugeben. Ich weiß wenigstens nicht, wie man dieser Folge ausweichen will, denn sind in diesem Fall nicht Motive und Handlung connex? Mo- tive koͤnnen zwar die Erfuͤllung desienigen bewirken, was eine schon vorhandene Verbindlichkeit uns auflegt; allein der Begrif der Obligation selbst laͤsset sich daraus nicht formiren; denn ein anders ist Verbindlichkeit an sich; ein anders aͤussere Erfuͤllung derselben, wie auch schon von andern laͤngst bemerket worden S. Christoph. Frid. schott de notione obli- gationis. Tübing. 1754. inter eivsdem Dissert. iur. naturalis. Tom. I. (Erlang. 1784 8.) Diss. III. §. 19. und Adolph Dietrich Webers systematische Ent- wickelung der Lehre von der natuͤrl. Verbind- lichkeit 1. Abth. (Schwer. Wismar u. Buͤtzov.) 1784. §. 1. . Der richtige Begrif der Verbindlichkeit ist also vielmehr die- ser. Sie ist uͤberhaupt genommen nichts anders, als eine durchs Gesetz jemanden auferlegte Noth- wendigkeit, etwas zu thun oder zu unterlaf- sen. Wir bemerken dabey folgendes: Erstlich: Daß die Verbindlichkeit der Regel nach keine absolute, sondern nur eine moralische Nothwendig- keit mit sich fuͤhrt, welche also nicht alle Freyheit zu handeln ausschließt, sondern unsere freye Handlungen nur unter der Bedingung determinirt, wenn man ein Uebel de Iustitia et Iure. Uebel vermeiden, oder ein gewisses Gut erlangen will. Unter diesen Umstaͤnden bleibt mir also das Gegentheil dessen, was meine Verbindlichkeit erheischt, nach mei- nen physischen Kraͤften noch immer moͤglich, obgleich freylich nach der Natur dessen, was moralisch noth- wendig schott in der angefuͤhrten Dissert. §. IX. sagt: mo- raliter necessarium esse id, cuius oppositum salvo respe- ctu actionum liberarum ad regulam est impossibile. genennet wird, das Gegentheil nicht statt finden kann, wenn das Verhaͤltniß meiner freyen Hand- lung zu der Regel, wodurch dieselbe bestimmt wird, erhalten werden soll. Indessen kann doch die Verbind- lichkeit unterweilen auch eine absolute Nothwendigkeit mit sich fuͤhren. Ein Beyspiel davon geben die Zwangs- copulationen, welche in einem solchen Fall gewoͤhnlich zu seyn pflegen, wenn ein Beyschlaf unter dem Versprechen der Ehe geschehen ist Quistorp in den Beytraͤgen zur Erlaͤuterung verschiedener Rechtsmaterien 1. B. 2. St. N. XIII. , ob sich gleich gegen die Zweck- maͤsigkeit derselben noch manches nicht ohne Grund er- innern liesse S. Joh. Jac. Cella von Strafen unehelicher Schwaͤngerungen, besonders von denen dieß- falls gebraͤuchlichen Zwangskopulationen. Anspach 1784. 8. . Zweitens: da die Verbindlichkeit eine vom Ge- setz auferlegte Nothwendigkeit zu handeln ist, so ist folglich das Gesetz der wahre Grund aller Verbindlich- keit. Dieses ertheilt der Verbindlichkeit selbst Da- seyn und Wesen, dahingegen die damit verknuͤpften Mo- tiven, nehmlich die Vorstellungen des Guten und Boͤ- sen, wodurch wir derselben gemaͤß zu handeln bestimmt B 5 werden, 1. Buch. 1. Tit. werden, nur in so weit in Betrachtung kommen, als sie die Erfuͤllung desjenigen bewuͤrken koͤnnen, was eine schon vorhandene Verbindlichkeit uns auflegt. Drittens: alle Verbindlichkeit sezt ein bestimm- tes Subject voraus; dieses kann zwifach seyn, einmal dasjenige, welchem die Verbindlichkeit obliegt, und das vermoͤge derselben etwas zu leisten schuldig ist, zweitens dasjenige, welches berechtiget ist, die Erfuͤllung derselben von jenem zu fordern. Ersteres wird das Subjectum passivum obligationis oder debitor in weitlaͤuftigem Verstande L. 108. D. de V. S. letzteres aber subie- ctum activum obligationis, oder creditor im allge- meinen Verstande genennt L. 11. D. de V. S. Eine Verbindlichkeit kann also sowohl auf Seiten des Credi- toris, welcher vermoͤge derselben etwas zu fordern be- rechtiget ist, als auf Seiten des Debitoris, welcher vermoͤge derselben etwas zu leisten schuldig ist, betrach- tet werden. Ist nun der Creditor das Subject der Verbindlichkeit, so wird sie obligatio activa daß sich vom Creditor active eine Obligation praͤdiciren lasse, beweißt auch Ulrich Huber in Digressionib. Iustinian. pag. 318. sqq. , ist es aber der Debitor, eine obligatio passiva genennt. Viertens: alle Verbindlichkeit entspringt aus den Gesetzen. Fraͤgt man nun, wie sie daraus entsteht, so lassen sich zwey Faͤlle gedenken, nehmlich eine Verbind- lichkeit entspringt entweder unmittelbar aus den Gese- zen, ohne daß derjenige, welchem sie obliegt, sich erst durch eine besondere Handlung solche zugezogen haͤtte, oder sie entstehet nicht unmittelbar aus den Gesetzen, sondern setzt eine moralische Handlung desjenigen, dem sie obliegt, zum voraus, welche den naͤchsten Grund ih- rer Wuͤrklichkeit enthaͤlt. Eine Verbindlichkeit der er- stern de Iustitia et Iure. stern Art nennt man eine unmittelbare, dahin ge- hoͤrt z. B. die Verbindlichkeit zur Verguͤtung des Scha- dens, welchen ein unvernuͤnftiges Thier ungereizt auf ei- ne bey der Art von Thieren, zu welchen das schaͤdliche gehoͤrt, sonst nicht gewoͤhnliche Weise angerichtet hat ( si quadrupes pauperiem tecisse dicatur ) : denn hier ist kein factum hominis, geschweige denn eine Handlung des Besitzers, welchen die Verbindlichkeit zur Schadens- ersetzung obliegt, vorhanden, die den naͤchsten Entste- hungsgrund der Verbindlichkeit abgeben koͤnnte; und da nur freye Handlungen als obligatorische angesehen wer- den koͤnnen, so verstehet sich’s von selbst, daß die Handlung eines unvernuͤnftigen Thieres ohnmoͤglich da- hin gerechnet werden kann. Diese Verbindlichkeit ent- stehet also unmittelbar aus den Gesetzen. Dahin gehoͤrt ferner die Verbindlichkeit eines Besitzers, demjenigen eine innehabende Sache vorzuzeigen, welchem, um seine ver- meintlich daran habende Anspruͤche geltend machen zu koͤnnen, besonders daran gelegen ist, selbige zu sehen ( obligatio ad exhibendum ). Wenn im Gegentheil nicht die Vorschrift des Gesetzes unmittelbar, sondern eine besondere vom Gesetz bestimmte moralische Handlung desjenigen, dem die Verbindlichkeit obliegen soll, den naͤchsten Entstehungsgrund derselben ausmacht, so wird sie eine mittelbare Verbindlichkeit genennt Es giebt einige Rechtsgelehrten, welche die Eintheilung der Verbindlichkeiten in mittelbare und unmittel- bare schlechterdings verwerffen, weil, ihrer Einsicht nach, ohne alles Factum gar keine Verbindlichkeit denkbar sey. Siehe Dr. Meurers juristische Abhandlungen und Beobachtungen. 1. Sammlung 1. Aufsatz. Allein L. 52. pr. und §. 5. D. de obl. et act. beweißt diese Eintheilung deutlich. Ueberdies kommt es bey dieser Distinction nicht darauf . Fuͤnf- 1. Buch. 1. Tit. Fuͤnftens: da eine mittelbare Verbindlichkeit ein factum obligatorium zu ihrer Wuͤrklichkeit erfor- dert, so kommt es nun auf die verschiedenen Arten der Handlung an, um eine richtige und vollstaͤndige Theo- rie von Entstehung der Verbindlichkeit bilden zu koͤnnen. Gewoͤhnlich pflegt man in den gemeinen Lehrbuͤchern die facta, woraus Verbindlichkeiten entspringen, auf zwey Hauptclassen zu reduciren. Erlaubte — und uner- laubte Handlungen. Erstere, sagt man, sind die Vertraͤge, leztere hingegen die Verbrechen. Da- her die bekannte Regel der Doctorum, welche den Grund aller mittelbaren Verbindlichkeit in sich fassen soll: omnis obligatio mediata oritur vel ex pacto vel ex delicto. Allein wie unzulaͤnglich diese Theorie sey, und wie wenig sie dem System der Roͤm. und heutigen Rechtsgelahrtheit angemessen, laͤsset sich leicht erweisen. Der Kaiser Justinian bestimmt in seinen Institutionen (§. ult I. de obligat. ) den Entste- hungsgrund der mittelbaren Verbindlichkeiten dahin: ob- ligationes aut ex contractu sunt, aut quasi ex con- tractu, aut ex maleficio, aut quasi ex maleficio. Wo bleiben nun nach der gemeinen Theorie die hier ausdruͤcklich genannte obligationes, quae quasi ex con- tractu nascuntur, wovon ein ganzer Titul der Insti- tutionen handelt (Tit. 28. Lib. III.)? Diese entstehen doch darauf an, ob uͤberhaupt ein Factum desjenigen, welchem die Verbindlichkeit obliegt, vorhanden, oder nicht, sondern ob sie ihren naͤchsten Grund ( causam proximam ) aus ge- setzlicher Disposition, oder aus einer moralischen Hand- lung desjenigen, dem sie obliegt, ableite. Setzt man den distinctiven Character der unmittelbaren und mittelbaren Verbindlichkeit darinn, so ist die Eintheilung vollkommen gerechtfertiget. S. nettelbladt in Systemate elementari iurispr. positivae Germanor. commun. generalis. Halae 1781. §. 295. et 296. de Iustitia et Iure. doch gewiß so wenig aus Vertraͤgen, als aus Verbre- chen. Wo bleiben ferner die obligationes, quae quasi ex maleficio sunt, wovon Tit. 5. Libri IV. Institut.? Jedermann siehet also wohl die Unzulaͤnglichkeit jener Regel ein; nun will man der verlornen Sache zwar mit einer Fiction zu helfen suchen, mittelst welcher man diejenigen facta, welche zu keiner von beyden erwaͤhnten Quellen gehoͤren, bald der einen, bald der andern bei- zuzaͤhlen sich bemuͤhet. Man sagt nehmlich, wer durch erlaubte Handlungen, die keine Vertraͤge sind, verbind- lich wird, bey dem fingiren die Gesetze, daß er einen Vertrag geschlossen; und wenn aus unerlaubten Hand- lungen, so keine eigentliche Verbrechen sind, eine Ver- bindlichkeit entstehet: so ruͤhrt dieses daher, weil die Gesetze ein eigentlich nicht vorhandenes Verbrechen als wuͤrklich geschehen, annehmen. Allein daß diese her- beygezogene Fiction ungereimt, und eine in Gesetzen nir- gends gegruͤndete Chimaͤre sey, wird zu seiner Zeit dar- gethan werden. Etwas verschieden von jener ist die Theorie des Gajus in L. 1. D. de obligat et action. Obligationes aut ex contractu sunt, aut ex ma- leficio, aut proprio quodam iure ex variis causarum figuris. Hier wird, ausser den Verbind- lichkeiten, welche aus einem Contract oder Verbrechen herruͤhren, als einer dritten Gattung, annoch solcher gedacht, welche proprio quodam iure ex variis causa- rum figuris entstehen. Diese letztere Gattung soll alle die Verbindlichkeiten in sich fassen, wozu weder Con- tract, noch Verbrechen des Schuldners den Grund ge- geben. So mancherley nun diese causarum figurae seyn koͤnnen, die ein besonderes Fundament von Ver- bindlichkeiten abgeben, so weder zu den Coutracten, noch Verbrechen zu rechnen ist, so scheint dennoch Ga- jus unter jener Gattung der Verbindlichkeiten, welche ex 1. Buch 1. Tit. ex proprio quodam iure et variis causarum figuris ihre Entstehung herleiten, vornehmlich diejenigen verstan- den zu haben, die sowohl unmittelbar aus Gesetzen, als welche quasi ex contractu oder quasi ex delicto her- ruͤhren. Schon Anton Schulting in notis ad Gaii institut. L. II. Tit. 9. Iurisprud. Antejust. pag. 144. edit. Ayrer. erklaͤrte sich diese Worte des Gajus also: Sub illis, quae proprio quodam iure ex variis causarum figuris nascuntur, comprehendere vi- detur, tam quae quasi ex contractu vel quasi ex de- licto sunt, quam quae ex lege, edicto, vel alio simili iure nascuntur. Und Herr Prof. Weber hat diese Erklaͤrung in seinem klassischen Werk von der natuͤr- lichen Verbindlichkeit 1. Abtheil. §. 22. S. 55. aus der Verbindung der Fragmente des Gajus, worin derselbe von dem Entstehungsgrund der Verbindlichkeiten handelt, und welche in den Pandecten Vergleiche L. 1. 4. et 5. D. de obligat. et act. Alle die- se Fragmente sind aus des gaii libris Aureorum ge- nommen, wie die Inscription derselben lehrt, und zwar L. 1. ex lib. 2. Aureorum; L. 4. und 5. aber ex lib. 3. Aureor. die Ueberschrift des L. 4. heißt gaivs lib. 3. Rerum Quotidianarum, sive Aureorum. Vermuthlich gab Gajus seinem Buch diesen Titul, weil gemeinnuͤtzige Sa- chen darinn enthalten, so in foro taͤglich vorkommen, und welche eben deßwegen besonders schaͤtzbar waren. S. Franc. Car. conradi de Caii libris Rer. Quotid. sive Aurcorum in Parergis Lib. 1. n. VII. p. 113. nach eben der Reihe und Folge geordnet sind, wie man sie in seinen Schriften selbst angetroffen, so einleuchtend bewiesen, daß ich ihm hierin beyzutreten, kein Bedenken finde. Denn wenn der Jurist zufoͤrderst ( princ. cit. Leg. ) die Haupt- quellen der Verbindlichkeiten in allgemeinen angiebt; nehmlich den Contract, das Verbrechen, und das- jenige besondere Fundament, so er unter dem proprio iure de Iustitia et Iure. iure variisque causarum figuris verstehet; darauf aber jede dieser Quellen wieder besonders durchgehet; und L. 1. §. 1. sq. mit dem Contract den Anfang macht, dessen ver- schiedene Eintheilungen angiebt, ohne der Verbindlich- keiten quasi ex contractu mit irgend einem Worte da- bey zu erwaͤhnen, geschweige denn solche als Untergat- tungen dahin zu rechnen; wenn er darauf L. 4. von den Verbindlichkeiten ex maleficio redet; und dann erst, nachdem er alles dieses absolviret, die besondern Ver- bindlichkeiten quasi ex contractu und quasi ex delicto nachholet, und von erstern L. 5. pr. et §. 1. sqq. bis zum 4ten, von leztern aber §§. 4 sqq. bis zu Ende des- selbigen L 5. L. fin. D. de extraord. crimin. welche auch ex gaii lib. 3. Rerum Quotid. seu aureorum genommen ist, und von dem quasi delicto iudicis litem suam facientis handelt, scheint mit dem §. 4. L. 5. D. de obl. et act. einerley zu seyn; nicht ohne Grund haben daher prateivs in Iurisprud. med. Lib. I. c. 19. und pancirollvs in Thes. variar. Lection. Lib. 1. c. 78. selbige inter ge- minationes Pandectarum gezaͤhlet. Jedoch urtheilet Wis- senbach ganz richtig, daß die leztern Worte jener L. fin. nach quasi ex maleficio teneri, ein Zusatz der Compilato- ren waͤren. handelt; so ist wohl nichts wahrschein- licher, als daß er diese zu der allgemeinen Rubrik ex variis causarum figuris, wovon wir sonst keine beson- dere Erlaͤuterung antreffen, gerechnet habe Siehe auch Donellus in Commentar. de iure civ. Lib. XII. c. 5. . So gewiß ich uͤberzeugt bin, daß die vorgetrage- ne Erklaͤrung dem wahren Sinn der Roͤmischen Rechts- lehrer von der Entstehungsart der Verbindlichkeiten voll- kommen gemaͤß sey; so ist und bleibt doch auch die Theo- rie der Roͤmischen Rechtsgelehrten selbst nicht nur dun- kel, 1. Buch. 1. Tit. kel, sondern ist auch in manchem Betracht sehr unzu- laͤnglich, und uͤberhaupt unserm heutigen Rechtssystem nicht mehr angemessen, indem die Roͤmischen Juristen in den oben angefuͤhrten Gesetzstellen nach Maßgabe des Begrifs, welchen sie sich von einer Verbindlichkeit mach- ten, bey Bestimmung der Entstehungsart derselben nur lediglich die Quellen solcher Verbindlichkeiten angegeben, welche wuͤrklich in den Gerichten eine Klage hervorbringen, und daher der Vertraͤge nicht erwaͤhnen, weil aus Vertraͤgen an sich bey den Roͤmern keine Klage ent- stand Warum die Roͤm. Rechtsgelehrten die Hauptsumme der buͤrgerlich vollkommenen Verbindlichkeiten, da wo keine unerlaubte Handlung vorlag, auf Kontracte reducirt ha- ben? hat Prof. Weber im angef. Buch. 1. Abth. §. 8. vortreflich gezeigt. . Wollen wir also eine vollstaͤndige Theorie von den Entstehungsgruͤnden der Verbindlichkeiten for- miren, welche unserm heut zu Tage gangbaren Rechts- system angemessen ist, so muß es meiner Meinung nach auf folgende Art geschehen: Verbindlichkeiten ruͤhren entweder unmittelbar aus Gesetzen her, oder sie gruͤnden sich zunaͤchst auf obliga- torische Handlungen. Jene werden unmittelbare Verbindlichkeiten ( Obligationes immediatae seu ex legi- bus ) diese aber mittelbare Verbindlichkeiten genennt. Leztere sind nach Verschiedenheit der Handlungen, die den naͤchsten Grund davon ausmachen, wiederum mancherley und folgendergestalt naͤher zu bestimmen. Sie entstehen entweder aus erlaubten, oder aus unerlaubten Handlungen. Ist das erstere, so bestehen diese entweder in einem acceptirten Versprechen, oder in andern Arten erlaubter Handlungen. In ersterm Fall haben wir Verbindlichkeiten aus den Ver- traͤ- de Iustitia et Iure. traͤgen, die nach der Roͤm. Rechtslehre entweder Con- tracte, oder eigentlich so genannte Vertraͤge sind, welchen Unterschied wir zu seiner Zeit entwickeln werden. Im andern Fall koͤnnen diese erlaubte Hand- lungen entweder in einem blos einseitig geschehenen, nicht acceptirten Versprechen bestehen, als welches in einigen Faͤllen durch buͤrgerliche Gesetze vor vollkommen verbindlich erklaͤret wird, oder in andern factis, die an sich erlaubt, und durch die buͤrgerlichen Gesetze der- gestalt bestaͤttigt worden sind, daß sie in gewissen von den Gesetzen ausdruͤcklich bestimmten Faͤllen aus Gruͤn- den der natuͤrlichen Billigkeit auch ohne allen Vertrag oder Versprechen, eine eben so vollkommene W e rkung hervorbringen, als wenn deßhalb ein Contract waͤre geschlossen worden. Jene sind die Verbindlichkei- ten aus Pollicitationen, welche entweder ex voto oder ex pollicitatione in specie sic dicta herruͤhren koͤn- nen. Diese aber werden Verbindlichkeiten quasi ex contractu genennt. Z. B. die Verbindlichkeit des Erben zur Auszahlung der Vermaͤchtnisse; diese ent- springt aus dem Antritt der Erbschaft quasi ex contra- ctu, d. f . der Erbe handelt hier gerade so, und ist auch eben so verpflichtet, als ein Bevollmaͤchtigter, dem die Legatarien den Auftrag ertheilet haͤtten, die Vermaͤcht- nisse fuͤr sie in Empfang zu nehmen, gehoͤrig aufzube- wahren, und zur Zeit an sie abzuliefern Siehe Prof. Webers angef. Schrift. I. Abtheilung. §. 9. . Wenn im Gegentheil Verbindlichkeiten aus unerlaubten Hand- lungen entspringen, so koͤnnen diese wiederum verschieden seyn, je nachdem die unerlaubten Handlungen, woraus sie entstehen, entweder wahre Verbrechen, die ihren Urhebern moralisch imputirt werden koͤnnen, oder solche Hand- Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. C 1. Buch. 1. Tit. Handlungen sind, die an sich zwar unerlaubt und straͤf- lich sind, jedoch entweder nach den Regeln der morali- schen Imputation, oder doch wenigstens nach sonstigen Vorschriften des strengen Rechts diejenige Wuͤrkung nicht geradezu hervorbringen wuͤrden, welche vermoͤge besonderer Verordnungen daraus entspringt, d. i. nach sonstigen Grundsaͤzen des strengen Roͤm. Rechts demje- nigen nicht geradezu zur Last gereichen wuͤrden, welcher nach besondern gesetzlichen Vorschriften dafuͤr haften muß. Die Verbindlichkeiten der erstern Art sind die Obligationes, quae ex delictis nascuntur. Die Verbindlichkeiten der letztern Art aber werden obli- gationes quasi ex delicto genennt. Dahin rech- nen z. B. die Gesetze die Verbindlichkeit eines Richters zur Schadensersetzung, wenn er aus Versehen und Un- wissenheit einem streitenden Theile zu nahe gethan. Si iudex, sagt Gajus L. 6. D. de extraord. cognit., litem suam fecerit, non proprie ex maleficio obliga- tus videtur, sed quia neque ex contractu obligatus est, et utique peccasse aliquid intelligitur, licet per imprudentiam, ideo videtur, quasi ex maleficio, te- neri in factum actione. Nach den Grundsaͤtzen des strengen Civilrechts konnte eigentlich nur vorsaͤtzliche Par- theylichkeit und grobe Unachtsamkeit einem Richter als ein Verbrechen angerechnet werden, weil er sein Amt nicht mercede conductus verrichtet, sondern, als Rechtsgelehrter, eine artem liberalem ausuͤbt arg. L. 1. D. si mensor falsum modum dixerit. Ein an- deres Beispiel, wo den Roͤm. Rechten nach eine obli- gatio quasi ex delicto vorhanden, giebt die Verbind- lichkeit eines Wirths, fuͤr den Schaden zu haften, der durch unvorsichtiges Herunterschuͤtten oder Herunterwerf- fen seiner Hausleuthe auf die Strasse angerichtet wor- den. Der Wirth kann moralisch betrachtet ganz un- schul- de Iustitia et Iure. schuldig seyn, er hat aber doch unstreitig ehender Ge- legenheit, den wahren Thaͤter auszufinden, und an ihm seinen Regreß zu nehmen, als der Beschaͤdigte. Grund genug zur Rechtfertigung einer zur Befoͤrderung der oͤf- fentlichen Sicherheit ganz unentbehrlichen Legislation. Allein eben darum, weil der Beschaͤdigte nicht verbunden ist, den Wirth oder Bewohner des Hauses als den Urheber der Handlung anzuklagen, heißt es in §. 1. I. de obligat. quae quasi ex delict. nascuntur: ideo non proprie ex maleficio obligatus intelligitur, quia plerumque ob alterius culpam tenetur Man vergleiche besonders des Prof. Wehers angef. Buch. I. Abtheil. §. 10—20. welcher daselbst die Begriffe von de- nen obligationibus quasi ex delicto vortreflich erklaͤrt, und von den Irthuͤmern der Doctorum gereiniget hat. . Dies sind die Begriffe von denen Obligationi- bus ex delicto et quasi ex delicto in aͤchtem Sinn des Roͤm. Rechts genommen: welches ich darum erin- nern muß, weil unsere heutigen Rechtslehrer andere Begriffe damit zu verbinden pflegen. Denn heut zu Tage nennt man eigentliche Verbrechen (vera de- licta) solche, die mit Vorsaz veruͤbt worden sind. Hin- gegen, die aus bloser Unachtsamkeit zu Schulden ge- brachte Vergehungen werden von unsern heutigen Crimi- nalisten nur quasi delicta genannt So lehren Boͤhmer, Engau, Meister, Quistorp, Koch und Puͤttmann in ihren Lehrbuͤchern der peinl. Rechtsgelahrtheit. . Zum Beschluß dieser Theorie nur noch einige Be- merkungen. Erstlich: wenn in unsern Gesetzbuͤchern sehr oft gesagt wird, die Verbindlichkeit entstehe ex re, so gilt dieses von allen denjenigen Faͤllen, wo die Ver- bindlichkeit nicht von der Einwilligung des Schuldners, C 2 noch 1. Buch. 1. Tit. noch desjenigen abhaͤngt, in dessen Gewalt oder Auf- sicht er sich befindet. Dahin gehoͤrt einmahl, wenn die Verbindlichkeit aus einem Verbrechen entsteht, pr. I. de obligat. quae ex delicto nasc. wo gesagt wird: omnes obligationes ex maleficio esse unius generis: nam omnes ex re nascuntur, id est, ex ipso ma- leficio, veluti ex furto etc. Zweitens, wenn die Verbindlichkeit aus einem erlaubten Geschaͤft entspringt, aus welchem derjenige, welcher ohne sein Versprechen und Zusage daraus verpflichtet wird, reicher geworden ist. Z. B. wenn ich eines Pupillen negotia gerirt habe, und zwar so, daß sein Nutzen dadurch wirk- lich befoͤrdert worden ist, so ist derselbe verbunden, mir meine Kosten und Auslagen zu erstatten. Die Ver- bindlichkeit entspringt hier ex re, d. i. ex ipsa ne- gotii natura, ne pupillus ex alieno ditescat, et cum damno meo fiat locupletior. Auf die Art koͤn- nen also furiosi, pupilli und andere Persohnen, die sich durch ihre Einwilligung nicht selbst verbinden koͤn- nen, dennoch ex re obligiret werden, wie Paulus sagt L. 46. D. de obligat. et action. Furiosus et pupillus ubi ex re actio venit, obligantur, etiam sine curatore vel tutoris auctoritate: veluti si com- munem fundum habeo cum his, et aliquid in eum impendero, vel damnum in eo pupillus dederit: nam iudicio communi dividundo obligabuntur. Siehe uͤbrigens Huber in Praelect. ad Institut. Lib. III. Tit. 20. §. 2. Zweitens. Oft ist es schwer zu bestimmen, zu welcher causarum figura, um mich dieses Ausdruks des Cajus zu bedienen, eine gewisse Verbindlichkeit ge- hoͤre. Selbst die Roͤm. Juristen konnten sich nicht immer hieruͤber vereinigen. Ein Beispiel giebt Celsus in de Iustitia et Iure. in L. ult. D. de condict. caus. dat. caus. non sec. wo er folgenden Fall vortraͤgt: Dedi tibi pecuniam, ut mihi Stichum dares. Utrum id contractus genus pro portione emtionis et venditionis est? an nulla hic alia obligatio est, quam ob rem dati re non se- cuta? in quod proclivior sum: et ideo, si mortuus est Stichus, repetere possum, quod ideo tibi dedi, ut mihi Stichum dares. Hier gedenkt Celsus einer obligationis ob rem dati re non secuta scil. ad resti- tuendum. Was ist dies vor eine Verbindlichkeit? wel- ches ist ihr Entstehungsgrund? eine sehr streitige Fra- ge; ruͤhrt sie aus einem contractu innominato her, wie Bynckershock Observat. iur. Rom. Lib. VI. c. 24. und Wieling in Lection. iur. civ. Lib. II. c. 4. behaupten? oder entspringt sie quasi ex contractu, wie Ioh. van neck in Diff. ad h. L. ult. Lugd. Batav. 1735. Cap. III. annimmt? in oelrichs Thes. nov. Diss. Belgicar. V. II. T. II. N. X. oder entsteht sie unmittelbar aus den Gesetzen? Ich werde mich unten am gehoͤrigen Ort hieruͤber naͤher erklaͤren. §. 3. Eintheilung der Verbindlichkeit in vollkommene und unvoll- kommene. Pruͤfung der Regel: „quod tibi non nocet etc. und Erlaͤuterung der L. 2. §. 5. D. de aqua et aquae pluv. arc. Vollkommenes und unvollkommenes Recht. Recht- maͤsige Zwangsmittel, ersteres geltend zu machen. Verbindlichkeiten sind weiter, wenn man auf den Effect derselben siehet, entweder vollkommene oder unvollkommene; je nachdem sie entweder so beschaf- fen sind, daß man durch rechtmaͤsige Zwangsmittel zur Erfuͤllung derselben genoͤthiget werden kann, oder nicht. Jene werden auch Zwangspflichten, diese hingegen C 3 Lie- 1. Buch. 1. Tit. Liebespflichten genennet Wenn Paulus in L. 17. §. 3. D. commod. sagt, quod quaedam voluntatis et officii magis quam necessitatis sint, so zielet er unstreitig auf diesen Unterschied. . Daß diese Einthei- lung an sich gegruͤndet sey, wird kein Vernuͤnftiger laͤugnen, oder man muͤste behaupten, daß entweder al- le Pflichten ohne Unterschied erzwingbar, oder daß alle ohne Unterschied unvollkommene waͤren, welches beydes gleich laͤcherlich seyn wuͤrde. Wichtiger noch ist die Frage, welches die Quellen sind, woraus vollkommene Verbindlichkeiten entspringen? ich werde mich hiebey blos auf das positive Recht einschraͤnken, um jenem Streit auszuweichen, welchen man hieruͤber im Natur- recht erhoben hat. Daß man, um vollkommene Verbind- lichkeiten von den unvollkommenen zu unterscheiden, nicht immer den Gegenstand derselben zum Augenmerk machen duͤrfe, wird mir, wie ich hoffe, ein jeder gern zugeben. Denn es kann ohne Zweifel durch Vertraͤge, Vermaͤcht- nisse und andere dergleichen Privatdispositionen etwas in Zwangspflicht verwandelt werden, was an sich nur Liebespflicht ist. Doch ich will noch allgemeiner davon handeln und diesen Gegenstand als Wirkung der posi- tiven Gesetze betrachten, welche hin und wieder dasje- nige, was an sich nur unerzwingliche Pflicht der Men- schenliebe seyn wuͤrde, als wirkliche Zwangspflicht be- handelt wissen wollen. Unsere Gesetzbuͤcher enthalten genug Faͤlle, welche dieses ausser allen Zweifel setzen. Ist nicht zum Beispiel die Pflicht, eines Unmuͤndigen Vormund zu seyn, ausser dem Staat Liebespflicht; nach Roͤmischen Rechten aber erzwingbare Schuldig- keit? Die neuesten Schriften des Herrn von Reinhards, und Herrn Oberappellations-Raths Hoͤpfners sind ohne mein Anfuͤhren schon bekannt. de Iustitia et Iure. keit Daher ist die Tutel ein munus publicum, d. i. eine Beschwerde, eine Pflicht, die jeder Buͤrger, dem eine Vormundschaft aufgetragen wird, zum Besten des Staats uͤbernehmen muß, wenn er nicht eine rechtmaͤsige Ent- schuldigung fuͤr sich anzufuͤhren vermag. ? und legt nicht ferner das Roͤmische Recht L. 28. D. de religios . Zwar scheinen die Worte: ne iniuria eius (sc. mariti) videretur, quondam uxorem eius insepultam relinqui , eine nur unvollkommene Ver- bindlichkeit dem ersten Ansehen nach anzuzeigen, allein die vorhergehende Worte, maritum, in quantum facere po- test, pro hoc conveniri posse , benehmen allen Zweifel. einem Ehemann die vollkommene Verbindlichkeit auf, seine verstorbene Ehefrau, auch wenn sie kein Heiraths- guth eingebracht hat, auf seine Kosten beerdigen zu lassen? da doch die Pflicht der Beerdigung an sich nur unerzwingliche Pflicht der Menschenliebe ist. Es giebt noch mehrere Faͤlle, wo Liebespflicht an sich als klag- bare Schuldigkeit vorgeschrieben worden; dahin gehoͤrt zum Beispiel, daß der Vater seiner heirathenden Toch- ter einen seinem Vermoͤgen angemessenen Brautschaz mitgeben muß L. 19. D. de ritu nuptiar. L. fin. Cod. de dotis promiss. ; und dergleichen mehr Mehrere Beispiele hat Richter in der beym Helfeld angef. Diss. de obligatione imperfecta ex honestate iuris eivilis auctoritate perfecta . Lips. 1751. Siehe auch Christ. Henr. breuning Spec. de civili obligatione et actione ex praeceptis honestatis . Lipsiae 1768. . Es ver- stehet sich jedoch von selbst, daß dasjenige, was an sich nur Liebespflicht seyn wuͤrde, durch die buͤrgerliche Ge- setze wirklich vorgeschrieben seyn muͤsse, wenn es als Zwangspflicht zu behandeln seyn soll. Denn ein ande- res ist freylich in denen Faͤllen zu behaupten, wo auch die Civilgesetze eine Liebespflicht nur als solche empfeh- C 4 len, 1. Buch. 1. Tit. len, nicht aber befehlsweise vorschreiben, wovon wir un- ter andern in L. 1. §. 3. D. de peric. et comm. rei vend. und L. 12. D. de administr. tutor. Beispiele finden. Wenn aber dergleichen mehr anrathende und empfehlen- de Bestimmung in den Gesetzen nicht angetroffen wird; so ist billig anzunehmen, daß der Gesetzgeber durch sei- ne Vorschriften perfecte zu verbinden die Absicht ge- habt habe. Da es inzwischen doch immer nur Ausnah- me von der Regel bleibt, wenn eine Liebespflicht an sich durch gesetzliche Vorschrift in Zwangspflicht uͤbergehet, so leitet uns die Natur der Sache auf folgende zwey Grundsaͤtze, welche der Richter billig nie ausser Acht zu lassen hat. I. Was an sich nur Liebespflicht seyn wuͤr- de, gehoͤrt nur lediglich in den besondern Faͤllen, welche die Gesetze ausdruͤcklich genennt haben, vor das aͤussere forum; in allen uͤbrigen Faͤllen darf der Richter die Graͤnzen nicht uͤberschreiten, welche der Roͤmische Rechts- gelehrte Paulus ihm vorzeichnet L. 12. §. 3. D. de administr. et peric. tutor. : etsi honeste, ex liberalitate tamen fit, quae servanda arbitrio est. Es muß daher II. bey Anwendung der buͤrgerlichen Ge- setze, welche uns Verbindlichkeiten auflegen, die an sich zu denen nicht erzwinglichen gehoͤren, allemal auf die Verhaͤltnisse, welche die gesetzliche Sanction im Allgemei- nen dabey voraussetzet, insbesondere aber auf die Art der Wirkung, welche solchen Verbindlichkeiten ausdruͤcklich beygelegt ist, genaue Ruͤcksicht genommen, und keine weitere Ausdehnung gestattet werden. Diesen Grund- saͤtzen zu Folge laͤsset sich daher mit Grunde nicht be- haupten, daß der Vater, um eines der obigen Beispiele hier zur Erlaͤuterung wieder zu gebrauchen, auch alsdann schuldig sey, seiner heirathenden Tochter aus seinem Vermoͤgen einen Brautschaz mitzugeben, wenn jene zu- laͤngliche eigne Mittel besitzet. Eben daraus folgt auch, daß de Iustitia et Iure. daß in denen Faͤllen, wo die Gesetze wegen Verbind- lichkeiten dieser Art nur eine Einrede gestattet haben, der gerichtliche Effect ohne Ungerechtigkeit nicht weiter erstrecket werden duͤrfe Man vergleiche hierbey vorzuͤglich des gelehrten Herrn Prof. Webers mehrmals geruͤhmtes Werk von der na- tuͤrlichen Verbindlichkeit 3. Abtheil. 7. Abschnitt §. 99. ff. . Ich werde von diesen Faͤl- len hernach weiter reden; jezt aber muß ich noch bemer- ken, daß, so evident auch immer jene Grundsaͤtze sind, man dennoch auch noch heut zu Tage sehr haͤufig da- gegen anzustossen pflegt, und eine Menge hin und wieder herrschender Irrthuͤmer ergeben es nur zu deutlich, daß man jene Grundsaͤtze gerade in den Streitigkeiten, welche sofort ihre Entscheidung dar- aus hernehmen, fast gaͤnzlich ausser Acht gelassen hat. Zu der Menge von Unvorsichtigkeiten, welche in dieser Hinsicht auch noch von den neuesten und angesehensten Rechtslehrern begangen werden, zaͤhle ich besonders den Mißbrauch, den man mit der fast allgemein angenom- menen Regel, quod tibi non nocet, alteri vero prod- est, ad id poteris compelli, insgemein zu machen pflegt. Ich entsinne mich noch gar wohl, diese vermeintliche Rechtsregel oft in den wichtigsten Rechtsfaͤllen als Ent- scheidungsgrund gelesen zu haben. Allein untersuchen wir den Grund derselben genauer, so duͤrfte sie in de- nen Gesetzen wohl schwerlich anzutreffen seyn. Was sie wuͤrklich enthalten, und woraus endlich der erwaͤhnte Satz gebildet worden, sind die Worte des Roͤm. Juri- sten Paulus in L. 2. §. 5. D. de aqua et aquae plu- viae arcendae . Opinor, utilem actionem vel interdi- ctum mihi competere adversus vicinum, si velim ag- gerem restituere in agro eius, qui factus mihi quidem prodesse potest, ipsi vero nihil nociturus est: haec ae- C 5 qui- 1. B. 1. Tit. quitas suggerit, etsi iure deficiamur. Allein man untersuche nur den Fall, worauf sich diese Worte ei- gentlich beziehen, so wird man leicht finden, daß jene Regel, so wie sie gewoͤhnlich lautet, in gedachter Stelle wirklich gar nicht vorgetragen wird. Den besondern Fall des Gesetzes selbst ergeben die Anfangsworte der gedachten Stelle ganz genau. Aggerem, qui in fundo vicini erat, vis aquae deiecit, per quod effectum est, ut aqua pluvia mihi noceret. Hieraus siehet man, daß ich darum berechtiger seyn soll, auf meines Nachbahrs Grund- stuͤck einen Damm, den die Gewalt des Wassers weg- gerissen hatte, wieder herzustellen, weil es mir zum of- fenbahren Nachtheil gereichen wuͤrde, wenn die Herstel- lung unterbliebe; und dieses soll mein Nachbahr um so mehr zu leiden schuldig seyn, da ihm die Herstellung des Dammes ganz unschaͤdlich ist. Die Worte prodesse potest deuten dahero in natuͤrlicher Verbindung mit den vorhergehenden darauf, daß wirklicher Nachtheil durch gewisse Unternehmungen auf fremden Grund und Boden abgewendet werden soll. Nicht aber werde ich dadurch berechtiget, bloß zu meinem Vortheil uͤber das Eigenthum meines Nachbahrn zu disponiren, gesetzt auch, daß er durch meine Unternehmungen auf dem Seinigen nicht den mindesten Schaden litte. Und wo bleibt nun der ge- woͤhnliche Satz, quod tibi non nocet, mihi vero prodest, ad id poteris compelli? Werden hierdurch nicht offenbahre Mißbraͤuche und Eingriffe in die Freiheit und Rechte des Privateigenthums der Buͤrger unter dem Deckmantel der Gesetze beschoͤniget, welche die Gesetze selbst doch gar nicht gestatten? Ferner harmonirt auch jene Regel mit ihrer Quelle darum nicht, weil nach dem In- halt der obgedachten Gesetzstellen der Eigenthuͤmer in dem Seinigen nur etwas zulassen soll, nach der Fassung der daraus gezogenen Regel aber fuͤr schuldig erklaͤret wird, de Iustitia et Iure. wird, dasjenige, was ihm unschaͤdlich ist, einem andern zu leisten; der sehr unbestimmte Zusatz: ad id poteris compelli , schließt wenigstens diese Erklaͤrung auf keine Weise aus. Wollte man nun statt der bisherigen Regel eine andere eintretten lassen, so wuͤrde folgende Abaͤnde- rung: was mir noͤthig ist, um einen Schaden von mei- nem Eigenthum abzuwenden, dir aber unschaͤdlich ist, das bist du zu leiden schuldig, wenn ich auch gleich des- halb auf deinen Grund und Boden etwas unternehmen muͤßte; zwar dem Sinn gedachter Gesetzstelle angemes- sener seyn. Allein ich zweifle dennoch sehr, ob auch diese Regel nach der Absicht des Gesetzes als allgemeine Vor- schrift gelten koͤnne. Denn auch dann laͤsset sich noch nicht behaupten, daß der Eigenthuͤmer allemal schul- dig sey, etwas auf seinem Grund und Boden zu leiden, wenn es ihm gleich unschaͤdlich ist, sondern es beschraͤnkt sich alles auf die besondern Faͤlle, wo die Gesetze es namentlich vorgeschrieben, und dem Eigenthuͤmer diese Verbindlichkeit auferlegt haben; denn nicht aus der Acht zu lassen ist der allerdings merkwuͤrdige Umstand, daß mich jenes Gesetz nur berechtiget, ein schon dagewesenes Werk, so aber durch die Gewalt des Wassers war weggeris- sen worden, auf meines Nachbahrs Grundstuͤcke wieder herzu- stellen, wodurch ihm auf keine Weise geschadet wurde Ich darf nicht unterlassen, hierbey zu gedenken, daß ich bey Erklaͤrung gedachter L. 2. §. 5. D. de aqua et aquae pluv. arc. von denen eleganten Bemerkungen des Herrn Prof. Webers a. a. O. S. 105. f. Gebrauch gemacht habe. Man vergleiche jedoch hierbey auch Em . merillii Variant. ex Cuiacio . Lib. III. cap. 39. . Dieses mag zur Erlaͤuterung der Eintheilung der Verbindlich- keit in die vollkommene und unvollkommene aus denen positi- ven Gesetzen genuͤgen. So wie nun die Verbindlichkeit ent- weder eine vollkommene oder unvollkommene seyn kann, so ist 1. Buch. 1. Tit. ist nun auch das Recht selbst fuͤr die Befugniß genom- men, entweder ein vollkommenes oder unvollkom- menes ; je nachdem es entweder so beschaffen ist, daß derjenige, welcher unserer Befugniß entgegen handelt, auch wider seinen Willen zur Erfuͤllung seiner Obliegen- heit gezwungen werden kann, oder nicht. Die Zwangs- mittel , wodurch man ein vollkommenes Recht auf eine erlaubte Art verfolgen und geltend machen kann, sind entweder aussergerichtliche oder gerichtliche . Zu denen Zwangsmitteln der erstern Art gehoͤrt vorzuͤglich die privat Gewalt , welche in denen Faͤllen, in wel- chen die Gesetze solche zulassen, in sofern sie innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Grenzen ausgeuͤbt wird, als ein erlaubtes Zwangsmittel auch selbst im Staat ge- braucht werden kann Siehe besonders Claproth in der Einleitung in den ordentlichen buͤrgerlichen Proceß . 1. Theil 1. Hauptst. §. 2. u. ff. auch Sammlung einiger neuer vorhin gedruckter und bisher ungedruckter Schriften von der im Westphaͤlischen Friedens- schluß erlaubten Selbsthuͤlfe . Leipzig 1756. 4. ; denn wenn gleich in der Regel die Selbsthuͤlfe in einer ordentlich eingerichteten buͤrgerlichen Gesellschaft unerlaubt ist, weil sie den ersten Endzweck derselben, nehmlich der innern Sicherheit und Ordnung zuwider laͤuft, so erlauben dennoch die buͤrgerlichen Ge- setze selbst in gewissen ausgenommenen Faͤllen die eigen- thaͤtige Gewalt, und berechtigen mich sogar meinen Geg- ner, der mich unvermuthet auf eine unrechtmaͤßige und gefahrvolle Art anfaͤllt, mit mein Leben, oder Gesund- heit, oder Ehre, oder meine Guͤter zu rauben, wenn ich die gedrohete Gefahr anders nicht als mit der Toͤdtung des Anfallenden von mir abzuwenden im Stande bin, zu entleiben, welches man die Nothwehr , ( defensio neces- De Iustitia et Iure. necessaria, moderamen inculpatae tutelae ) nennt L. 3. D. de Iust. et iur. L. 45. §. 4. D. ad L. Aquil. L. 1. §. 27. D. de vi. L. 1. C. unde vi. Art. 140. u. f. C. C. C. Vid. Ios. Lud. Ern. puͤttmanni Diss. de mode- ratione inculpatae tutelae . Lipsiae 1783. . Gleichwie jedoch der eignen Gewalt auch selbst in denen zugelassenen Faͤllen der Weg der gerichtlichen Huͤlfe im- mer vorzuziehen Schon Cicero sagt daher de Offic . I. c. 11. Nam cum sint duo genera decertandi; unum per disceptationem, alte- rum per vim; cumque illud sit proprium hominis, hoc belluarum: confugiendum est ad posterius, si uti non licet superiore. ist, indem auch selbst die Gesetze jene nur in der Ruͤcksicht zulassen, weil der Richter nicht im- mer sogleich bey der Hand ist, und ohne Selbsthuͤlfe ein unwiederbringlicher Schade geschehen wuͤrde, so sind nun die gerichtlichen Zwangsmittel sein Recht geltend zu ma- chen, Klage und Einrede. Denn nicht immer haben die buͤrgerlichen Gesetze, wenn sie zum Beyspiel Pflichten der Menschenliebe als eigentliche Schuldigkeit vorschreiben, sofort klagbare Verbindlichkeiten daraus formirt, sondern hin und wieder wegen des an sich unvollkommenen Rechts, nur eine Einrede gestattet. Wir finden dieses beym Brautschatze, welchen eine Persohn, von ihrer Mutter, oder einem andern nahen Verwandten wuͤrklich erhalten hat. Denn ob sie gleich vorher nicht haͤtte darauf kla- gen koͤnnen, so soll doch die Liebespflicht an sich hier die Wuͤrkung haben, daß, wenn auch das Heyrathsguth nicht in der Absicht, um eine unerzwingliche Tugend aus- zuuͤben, sondern aus irriger Meinung, daß man perfecte dazu verbunden gewesen, entrichtet worden, dennoch das Gegebene als Nichtschuld keineswegs zuruͤckgefordert wer- den duͤrfe L. 52. §. 1. D. de condict. indeb. cocceii Iur. Controv. Lib. XII. Tit. VI. Qu. 5. . Hier liegt es in der Natur der Sache, daß 1. Buch. 1. Tit. daß dadurch nur eine Einrede gegen den Klaͤger bewirkt werde S. Weber a. a. O. §. 99. . Wer wird es aber laͤugnen, daß diese Ein- rede das gerichtliche Zwangsmittel sey, den Klaͤger von der Klage abzuhalten? §. 4. Verschiedene Bedeutung des Worts Lex . Begrif vom Ge- setz; noͤthige Unterscheidung des Dispositiven von dem Enunciativen in den Worten unserer Gesetze. Voll- kommenes und unvollkommenes Gesetz. Wir irren nicht, wenn wir den Grund aller Ver- bindlichkeit auf Gesetze zuruͤckfuͤhren, und selbst diejeni- gen, welche diese Behauptung unrichtig finden wollen von Tevenar Versuch uͤber die Rechtsgelahr- heit S. 17. Allein man vergleiche Weber von der na- tuͤrlichen Verbindlichkeit 1. Abth. §. 2. S. 6. , werden uns recht geben, wenn wir uns uͤber den Begrif, den wir mit einem Gesetze verbinden, mit einander ge- hoͤrig verstaͤndiget haben. Das Wort Gesetz hat freylich mehrere Bedeu- tungen. Hier nehmen wir es in der allgemeinen Be- deutung, wenn wir das Gesetz als die Quelle aller Obligation ansehen, und gedenken uns darunter uͤber- haupt eine Vorschrift, welche unsern morali- schen Handlungen , das heißt solchen, die sich auf Freyheit gruͤnden, zur Norm dient seneca de benef . Lib. IV. c. 12. Legem dicimus iusti iniustique regulam esse: und cicero de Nat. Deor. Lib. II. sagt: Lex est recti praeceptio pravique depulsio . ; in welcher Bedeutung es sowohl natuͤrliches als positives Recht in sich schließt. Wir duͤrfen jedoch bey der an- gegebe- de Iustitia et Iure. gegebenen Bedeutung des Worts Gesetz in unserer Rechtswissenschaft allein nicht stehen bleiben, es wird daher noͤthig seyn, auch von den uͤbrigen Bedeutungen dieses Worts das noͤthige annoch anzufuͤhren. Wir muͤs- sen aber zufoͤrderst bemerken, daß das lateinische Wort Lex nicht immer durch Gesetz uͤbersetzet werden kann. Also I. was heißt Lex in unsern Gesetzen, wenn es durch Gesetz nicht uͤbersetzer werden darf? Die Bedeu- tung ist verschieden; denn 1) wird es fuͤr einen Ver- trag oder Contract genommen; z. B. comprehen- sum lege venditionis L. 60. D. de contr emt. vend. ferner lege locationis comprehensum est L. 77. D. pro socio. So wird ferner derjenige Vertrag, wo- durch jemand auf den Fall, wenn er seine Schuldigkeit auf die gehoͤrige Art nicht erfuͤllen wuͤrde, sich verwill- kuͤhret, daß er sodann gewisser Anspruͤche oder Befug- nisse verlustig seyn, und einem andern eine gewisse Ver- bindlichkeit, die ihm sonst obgelegen haben wuͤrde, erlas- sen haben wolle, lex commissoria , der commissori- sche Vertrag , genennt. Man setze, daß ein Kauf sub lege commissoria sey geschlossen worden; haͤlt nun der Kaͤufer nicht mit der Bezahlung inne, so verliehrt er sein Recht aus dem Kaufcontract, und der Ver- kaͤufer ist an den Handel nicht mehr gebunden: doch davon unten in Tit. ff. de lege commissoria (Lib. XVIII. Tit. 3) ein mehreres 2) Bedeutet Lex auch soviel als eine Bedingung , unter welcher etwas geschiehet, oder geschehen ist; z. B. Qui fundum ea lege emerat , ut soluta pecunia traderetur ei possessio etc., L. 78. §. 2. D. de contr. emt. vend. Ferner Ea lege fundum lo- cavi , ut etc. sagt L. 51. D. locati. Es kann auch soviel als Bestimmung oder Modification eines Han- dels heissen. Bekannt ist der juristische Satz, pacta dant legem contractui , L. 7. §. 5. D. de pactis, d. i. die 1. Buch. 1. Tit. die Vertraͤge, welche sogleich bey Schliessung eines Con- tracts gemacht werden, geben dem Contracte eine gewisse Bestimmung, oder Modification. 3) Wird in unsern Gesetzen unter Lex auch oft ein Testament verstanden; wir wollen zum Beweiß nur L. ult. D de suis et legiti- mis anfuͤhren, wo papinianvs mit den Worten schließt: privatorum enim cautionem legum auctoritate non censeri; das heißt, wie es Galvanus de Usufructu Cap. 20. pag. 219. nach der neuesten Tuͤbinger Ausgabe von 1788. richtig erklaͤrt hat, pri- vat Vertraͤge haben nicht die Kraft der Testamente, daß durch selbige jemanden eine Erbschaft entweder hinterlassen, oder entzogen werden koͤnne. Eben hieraus erklaͤrt sich auch der Ausdruck legare , wenn er von letztern Willensver- ordnungen genommen wird. Z. B. Paterfamilias uti legassit suae rei, ita ius esto. L. 120. D de Verb. signific. wo legare suae rei soviel heißt als legem di- cere rebus suis oder uͤber sein Vermoͤgen testiren; denn es muste ehemals das Testament per verba imperativa, befehlsweise, wie ein Gesetz, abgefaßt werden S. meine Opuscula Fasc. I. pag. 168. sq. not. 27. et 28. . 4) Hieß Lex bey denen Roͤmern zur Zeit des Freystaats der Vorschlag zu einem Gesetze . Zu den Zeiten der Koͤnige und der freyen Republik wurden nehmlich die Gesetze mit Beystimmung der Nation auf den Co- mitien gemacht, und der Koͤnig, oder eine Roͤmische Magistratspersohn, die hierzu authorisirt war, that den Vorschlag dazu, dieses nennte man legem ferre ad po- pulum einen Vorschlag zu einem Gesez thun , L. 2. §. 2. D. de Or. lur. genehmigte das Volk den Vorschlag durch seine Stimmen, so hieß das lex iubetur , verwarf es hingegen denselben, so sagte man lex antiquatur , das Volk will es bey dem Alten las- sen. de Iustitia et Iure. sen ernesti in Clavi Ciceron. sowohl zu Anfang des In- dicis Legum als sub. voc. Lex . . Endlich 5) ist Lex soviel als Gesetz , und nun fraͤgt sich’s II. was man eigentlich unter einem Gesetz verstehe? Da die allgemeine Bedeutung dieses Worts schon oben da gewesen ist, so wollen wir jetzo nur noch die uͤbrigen hinzufuͤgen. I ) Gesez im eigentlichen Verstande ist die nach dem Willen des Oberherrn vorgeschriebene Norm, nach welcher seine Unterthanen ihre Handlungen einzurichten vollkommen verbun- den sind . In diesem Verstande nimmt es Hellfeld hier, nun liesse sich zwar dagegen einwenden, daß es auch Permissivgesetze gebe, denn nach dem Ausspruch des Modestins L. 7. D. de legibus , befehlen und verbiethen die Gesetze nicht immer, sondern sie erlau- ben auch; z. B. die Gesetze erlauben dem Vater, sei- nen unmuͤndigen Kindern kraft seiner vaͤterlichen Gewalt in seinem Testament einen Vormund zu ernennen, des- gleichen ihnen pupillariter zu substituiren Allein der Autor wird in der Folge §. 14. diesem Zweifel selbst begegnen. Ein Gesetz in der angegebenen Bedeutung giebt also 1) ein Oberherr ; nun giebt es Oberherrn in jeder ungleichen Gesellschaft, dahero die Gesetze in dieser Hinsicht sehr verschieden seyn koͤnnen. Wir ha- ben Gesetze, welche von dem Regenten der Kirche, wir haben aber auch Gesetze, welche von dem Regenten des Staats sind vorgeschrieben worden; erstere werden buͤr- gerliche Gesetze ( leges civiles ) leztere Kirchenge- setze ( leges ecclesiasticae ) genannt. Es ist auch nicht ungewoͤhnlich, die Civilgesetze leges schlechtweg zu nen- nen, und dieses wuͤrde also eine eigene Bedeutung die- ses Worts ausmachen. 2) Der Oberherr giebt das Gesez Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. D 1. Buch. 1. Tit. Gesez seinen Unterthanen; wenn also ein paar Privat- personen miteinander pacisciren, so ist dieser Vertrag kein Gesez im eigentlichen Verstande, wenn auch gleich eine vollkommene Verbindlichkeit, den Vertrag zu hal- ten, daraus entstehen kann. 3) Ein Gesez enthaͤlt eine Vorschrift des Oberherrn, wornach desselben Untertha- nen ihre Handlungen einzurichten perfecte verbunden sind. Man muß daher die Worte des Gesetzes, die die Vorschrift des Gesezgebers enthalten ( verba legis dispositiva ) von denen in den Gesetzen haͤufig vorkom- menden verbis enunciativis et relativis wohl unter- scheiden; eine Bemerkung, die bey Anwendung der in Teutschland aufgenommenen fremden, besonders der Roͤ- mischen Gesetze, von groͤßter Wichtigkeit ist. Man pflegt zwar abusive alle einzelne Stellen in unserm Roͤmischen Rechtskoͤrper leges zu nennen, allein, daß unser Corpus iuris nicht wenig in sich fasse, so den Nahmen eines eigentlichen Gesetzes gar nicht verdienet, ist eine bekannte Wahrheit Man vergleiche hier besonders des gelehrten Herrn Prof. Webers Reflexionen zur Befoͤrderung einer gruͤndlichen Theorie vom heutigen Ge- brauch des Roͤm. Rechts . (Schwerin, Wismar und Buͤzow. 1782. 8.) S. 31. fg. . So finden wir 1) in demselben eine nicht geringe Anzahl solcher Stellen, oder daß ich den einmahl uͤblichen Ausdruk beybehalte, solcher Legum, in welchen nur blos angerathen wird, etwas zu thun, oder zu unterlassen, ohne jedoch eine vollkommene Verbindlichkeit aufzuerlegen, dieses in Aus- uͤbung zu bringen, ( Suasiones legis ) Von denen Suasionibus legum handeln Ge. Steph. wie- sand in Opusculis . (Leipzig, 1782. 8.) p. 13. sqq. und Iac. cuiacius ad L. 1. D. de Iust. et Iur . . Es rathet z. B. die angefuͤhrte L. 1. §. 3. D. de peric. et com- modo de Iustitia et Iure. modo rei vend . daß man sein Recht nicht auf das strengste verfolgen solle, wenn es auf Unbilligkeit hin- ausliefe; noch treffendere Beyspiele geben L. 34. D. de Legib . L. 24. D. de Rei Vind . §. 7. I. de Verb. obligat. Die erste Stelle giebt einen Rath, wie man den Beweiß einer streitigen Gewohnheit, worauf man sich gegruͤndet, am leichtesten fuͤhren koͤnne; man soll sich erkundigen, ob etwa schon sonst nach dieser Gewohn- heit gegentheiligen Widerspruchs ohngeachter in den Ge- richten gesprochen, und rechtskraͤftig erkannt worden sey, an etiam contradicto aliquando iudicio consuetudo fir- mata sit Daß diese Worte per hypallagen zu erklaͤren, und soviel heissen sollen als an etiam in iudicio aliquando contradicta et firmata fit consuetudo , zeigt der beruͤhmte Herr Prof. Puͤttmann in seinen eleganten Interpretat. et Observat. iuris , cap. 19. . In der andern Stelle wird gerathen, daß man, ehe man seine Sache vindicire, versuchen solle, ob man nicht etwa durch ein Interdict zum Besiz derselben gelangen koͤnne: quia longe commodius est, ipsum possidere, et adversarium ad onera petitoris compellere, quam alio possidente petere. Die drit- te Stelle endlich enthaͤlt eine Cautel fuͤr Contrahenten, auf den Contraventionsfall eine Conventionalstrafe festzu- setzen, ne necesse sit actori probare, quid eius in- tersit. Ich uͤbergehe mehrere dergleichen, in denen Roͤm. Rechtskoͤrpern vorkommende sogenannte leges sua- sorias.. Daß nun diese keine eigentliche und verbin- dende Gesetze sind, ist aus den obigen Grundsaͤtzen evi- dent, auch schon sonst bekannt, quod consilium non obliget L. 47. D. de R. I. . Wir finden ferner 2) in denen Roͤ- mischen Sanctionen haͤufige Commendationes legum, besonders hat es Justinian nicht fehlen lassen, in sei- D 2 nen 1. Buch. 1. Tit. nen sehr wortreichen Constitutionen Bewegungsgruͤnde zu haͤufen, wodurch er seine Gesetze von Seiten ihres Nutzens und Nothwendigkeit bey seinen Unterthanen zu empfehlen gesucht hat. Es kommen nicht weniger 3) in unserm Korpus Juris auch viele dogmatische Saͤtze vor; besonders finden sich diese in denen Institutionen und Pandecten des K. Justinians sehr haͤufig. Man darf sich hieruͤber gar nicht wundern, wenn man bedenkt, daß wir unsern Roͤmischen Rechtskoͤrper aus einem zwifachen Gesichtspuncte zu betrachten haben. Er ist einmal ein Gesetzbuch, er enthaͤlt aber auch zwei- tens ein System der ganzen Jurisprudenz, so wie sie zu den Zeiten des Kaiser Justinians ausgebildet war; bestehend aus Worterklaͤrungen, Definitionen, Einthei- lungen, allgemeinen Grundsaͤtzen, Cautelen u. s. w. Kurz ein zum wissenschaftlichen Unterricht nach damahli- ger Zeit aptirtes Lehrgebaͤude der Rechtsgelahrtheit. Daß wir nun an die im Roͤmischen Rechtscoͤrper so haͤufig vorkommende dogmatische Saͤtze gar nicht gebunden sind, hat keinen Zweifel, wenn man erwaͤgt, daß der Wille eines Gesetzgebers bloß den aͤusserlichen freyen Handlun- gen der Menschen eine Richtschnur ertheilen koͤnne; un- ser Verstand und Ueberzeugung hingegen seiner Disposi- tion nicht unterworfen sey S. Webers Reflexionen a. a. O. S. 35. f. . Ich will dieses durch ein merkwuͤrdiges Beyspiel zu erlaͤutern suchen, so ich aus der Lehre vom Erwerb des Eigenthums nehme. Inso- fern die buͤrgerlichen Gesetze hier befehlsweise festsetzen, daß durch einen blosen Vertrag das Eigenthum einer Sache nicht uͤbertragen werde, sondern die Tradition hierzu erforderlich sey, in sofern verbinden sie uns, als einmal recipirte Gesetze unstreitig. Wenn uns aber die Roͤmische Gesezgeber lehren wollen, daß die Traditio ein eigentlicher modus acquirendi naturalis sey, so koͤnnen sie de Iustitia et Iure. sie uns hierinn nicht noͤthigen, unsere Vernunft unter den Gehorsam des Roͤm. Rechtssystems gefangen zu ge- ben; denn nach der gesunden Vernunft ist kein Grund abzusehen, warum nicht die Willenserklaͤrung des bishe- rigen Eigenthuͤmers zur Uebertragung des Eigenthums an einen andern schon genuͤgen sollte; daß hierzu noch beson- ders die Uebergabe noͤthig sey, ist eine blose Satzung der Civilgesetze, also ohne Zweifel, daß die Traditio an sich betrachtet, ein wahrer modus acquirendi civilis sey. Hiermit erklaͤrt sich nun der Satz des Auctors, not. e. lex differt a dogmate. Wir muͤssen ferner 4) von der gesetzlichen Disposition die in einem Gesez oft vorkommende historische Umstaͤnde von der Veranlassung desselben, fer- ner die darinn unterweilen angefuͤhrte rationem legis, nicht weniger die in demselben hin und wieder vorgetra- gene Meinungen der Rechtsgelehrten, die durchs Gesetz entschieden worden sind, und andere dergleichen propo- sitiones assertivas, wodurch blos angezeiget wird, daß dieses oder jenes sey, welche aber keine gesetzliche Vor- schrift enthalten, wohl unterscheiden. Der Roͤmisch Ju- stinianische Rechtskoͤrper liefert uns unzaͤhlige Beispiele davon. Es war besonders denen Roͤm. Gesetzgebern ei- gen, die Historie der Legislation mit der Sanction des Gesetzes zu verbinden; Beispiele davon geben das Sena- tusconsultum Iuventianum in L. 20. §. 6. D. de he- redit. petit. Sctum Macedonianum L. 1. pr. D. de Scto Maced. das Sctum Vellejanum in L. 2. §. 1. D. ad Sctum Velleianum; ferner Lex Anastasiana in L. 20. C. mandati. u. a. m. Daß diese historische Um- staͤnde zur Erklaͤrung der im Gesetz enthaltenen Sanction dienen koͤnnen, ist gewiß, doch ist hierinn Behutsamkeit noͤthig, damit wir nicht wider die Absicht des Gesezgebers das Gesetz enger einschraͤnken, als die Worte desselben bezeichnen. Denn es ist im Roͤmischen Recht nichts un- D 3 gewoͤhn- 1. Buch. 1. Tit. gewoͤhnliches, daß allgemeine Verordnungen durch ein- zelne besondere Vorfaͤlle sind veranlasset worden. So ist es z. B. ein offenbahrer Irrthum, wenn man die Anordnung des Anastasianischen Gesetzes nur auf die Abtre- tung ungewisser Schuldforderungen aus dem Grunde ein- schraͤnken will, weil der Imperator im Eingang des Ge- setzes gleichsam historisch anfuͤhrt, daß ungezwelfelte For- derungen selten auf diese Art verkauft, sondern diejeni- gen, denen sie zustuͤnden, ihr Recht lieber selbst verfol- gen wuͤrden. Denn die Sanction selbst, die deutlich und kategorisch abgefaßt ist, macht zwischen gewissen und un- gewissen Forderungen keinen Unterschied S. die gemeinnuͤzigen juristischen Beobachtun- gen und Rechtsfaͤlle von Gmelin und Elsaͤßer. IV. Band. N. XII. §. 139. . Eben diese Behutsamkeit ist noͤthig, wenn wir ein Gesetz aus der un- terweilen darinn von Gesetzgeber selbst angefuͤhrten ratio- ne legis interpretiren wollen. Denn die Gesetzgeber ha- ben uns nicht immer die wahren Ursachen ihrer Legisla- tion angegeben. Ich werde in der Folge bey der Lehre von der Logischen Interpretation uͤber diesen wichtigen Gegenstand mich umstaͤndlicher erklaͤren. Hier muß ich aber noch gedenken, daß wir dieselbige Behutsamkeit auch noͤthig haben, wenn in einem Gesetz die Meinungen meh- rerer Rechtsgelehrten angefuͤhret werden, um nicht die legale Meinung mit der doctrinellen zu verwechseln. Es wird diese Bemerkung besonders bey den legibus Pan- dectarum ihre Anwendung finden. Die Roͤm. Rechts- gelehrten, aus deren Schriften die Pandecten zusammen- getragen worden sind, pflegten neben ihrer eigenen Mei- nung uͤber diese oder jene Rechtsfrage nicht selten das Gutachten anderer Juristen, welche etwa das Gegentheil behaupteten, anzufuͤhren. Daß nun in solcher Ver- schiedenheit der Ausspruch desjenigen Rechtsgelehrten den Vorzug de Iustitia et Iure. Vorzug verdiene, dessen Namen die Ueberschrift des Gesetzes bezeichnet, leidet gar keinen Zweifel; denn seine Meinung ist es, welche durch die Aufnahme in das Kor- pus der Pandecten legale Auctoritaͤt erlangt hat; woge- gen die Meinung des andern Juristen, als eine blose Lehrmeinung, sich nicht behaupten kann. Bisweilen ist es freylich schwer, beide Meinungen gehoͤrig von einan- der zu unterscheiden; daher man sich nicht wundern darf, wenn hin und wieder hieraus erhebliche Irrthuͤmer ent- standen sind. Beyspiele davon geben L. 7. §. 10. D. de minorib. und L. 11. §. 18. D. de Act. emti vend. deren Inhalt ich zu seiner Zeit naͤher entwickeln werde S. des Herrn Prof. Webers oben angefuͤhrte Refle- xionen §. 8. . II. Bedeuten Leges im Roͤm. Recht auch oft ge- schriebene d. i. ausdruͤcklich bekanntgemachte Gesetze, so wie im Gegentheil nicht geschriebene Gesetze, oder Gewohnheitsrechte mores genennet werden L. 32. D. de Legib. Vid. B. brissonius de Ver- bor. Signif . v. lex . . III. Eine der vorzuͤglichsten Bedeutungen, in wel- cher das Wort Lex zu den Zeiten des Roͤm. Freistaats genommen wurde, war die, daß man darunter ein mit Beystimmung der Nation auf den Comitien gegebenes Gesetz verstand, besonders wenn eine dazu berechtigte hoͤhere Magistratsperson, welche aus dem Stand der patrizier war, z. B. ein Dictator, Consul oder Praͤtor, den Vorschlag dazu gethan hatte §. 4. I. de I. N. G. et C. lex est, quod populus Ro- manus, Senatorio magistratu interrogante ( veluti Consule ) constituebat . . Endlich bemerken wir noch D 4 IV. 1. Buch. 1. Tit. IV. Eine Bedeutung, in welcher das Wort Lex bey den alten Teutschen denen Capitularien entgegen gesezt wurde. Lex hieß nehmlich bey den alten Teut- schen ein von der Nation selbst abgefaßtes, und von dem Regenten nur allein bestaͤttigtes Gesetz, dessen Rechts- kraft bestaͤndig war. Z. B. Lex Salica, Lex Aleman- nica. Hingegen nannte man die von dem Koͤnig mit Zuziehung der Staͤnde auf dem Reichseonvent gemachte Verordnungen Capitularien , und diese galten meist nur auf ein Jahr, wenn sie nicht entweder von einem Teutschen Volk als ein Theil ihrer Gesezsammlung auf- genommen, oder nach dem Ablaufe des Jahrs waren wiederhohlet worden S. Henr. Chr. L. B. de senkenberg in Visioni- bus div. de collect. Legum Germanicar . Cap. II. §. 1. Prof. Fischers Entwurf einer Ge- schichte des teutschen Rechts , (Leipzig 1781. 8.) §. 5. Von Selchow Rechtsgeschichte §. 268. und D. Christ. Gottl. biener in Commentariis de ori- gine et progressu Legum Iuriumque Ger- man . P. I. Lib. II. Cap. I. §. 51. . Ein Gesez in der oben angefuͤhrten allgemeinen Bedeutung kann entweder lex perfecta oder imperfecta seyn, je nachdem es entweder eine vollkommene oder unvollkommene Verbindlichkeit ausdrukt. In einer an- dern Bedeutung unterscheiden die Fragmenta iuris An- tejustinianei ulpianus in Fragm . Tit. 1. §. 1. et 2. Ant. schulting ad Eundem in not. 3. et sqq. Iurispr. vet. Antejust . pag. 561. sqq. et voet ad. Pand. Tit. de L. L. §. 16. legem perfectam, imperfectam und minus quam perfectam von einander. Ein Gesez der erstern Art war ein solches, welches etwas verboth, so daß die gegen das Verboth unternommene Handlung fuͤr de lustitia et Iure. fuͤr nichtig gehalten werden sollte. Ein Gesez der an- dern Art wurde dasjenige genennt, welches etwas zwar verboth, aber, wenn es einmahl geschehen, solches nicht fuͤr null erklaͤrte, auch keine Strafe darauf sezte. Ein solches Gesez war Lex Cincia , in welcher unter andern verbothen war, uͤber eine gewisse Summe zu schenken. Dem Donator stand in solchem Fall nur actio rescissoria zu, wodurch er dasjenige wieder be- kommen konnte, was er uͤber die gesezliche Mase dem andern geschenkt hatte L. 21. §. 1. D. de donat. . Hatte er die Schenkung noch nicht vollzogen, so konnte er sich in Ansehung des- sen, was die gesezlich bestimmte Summe uͤberstieg, mit einer Exception schuͤtzen L. 24. D. de donat. L. 5. §. 2. et 5. D. de doli mali et met. except. S. brvmmer ad L. Cinciam C. III. Meh. rere Beyspiele solcher Legum imperfectarum findet man beym noodt in Commentar, ad Digesta . Tit. de religiosis. Tom. II. Oper. p. 268. (edit. Belgicae 1735. fol.) . Ein Gesez endlich von der dritten Art hieß dasjenige, welches eine Handlung zwar verboth, solche aber, wenn sie einmahl unternom- men worden, nicht vernichtete, sondern nur eine Strafe darauf sezte. Hierher gehoͤrte Lex Furia testamenta- ria, welche verboth, niemanden mehr als 1000. Asses zu vermachen, und dem Legatar, welcher mehr nahm, mit der poena quadrupli bestrafte. §. 5. Mittel, die Unterthanen zur Befolgung der Gesetze anzutreiben. Es ist wohl nicht noͤthig, noch erst zu erinnern, daß man nicht Gesetze giebt, um Gesetze zu geben, sondern um das Beste des Staats entweder durch Er- D 5 langung 1. Buch. 1. Tit. langung eines gewissen Gutes oder durch Abwendung ei- nes gewissen Uebels zu bewirken. Wenigstens haben alle Gesetze diese Vermuthung fuͤr sich, daß sie in keiner andern Abficht sind gegeben worden Vortreflich sagt daher cicero in Orat. pro A. Cluen- tio cap. 53. Mens, et animus, et consilium, et senten- tia civitatis, posita est in legibus. Ut corpora nostra sine mente: sic civitas sine lege, suis partibus ut ner- vis, ac sanguine et membris, uti non potest. . Das hoͤchste Wohl des Staats bestehet also in der genauesten Beob- achtung der Gesetze. Sind nun gleich Unterthanen in dieser Ruͤcksicht schon an sich verpflichtet, denen Ge- setzen ihres Oberherrn Folge zu leisten, und ihre Hand- lungen denenselben gemaͤß einzurichten, so stehet es doch dem Gesezgeber zu, zweckmaͤsige Mittel zu gebrauchen, und dadurch die Beobachtung seiner Gesetze desto ge- wisser und unausbleiblicher zu machen Von den Mitteln, wodurch die Heiligkeit der Gesetze gesichert wird, handelt sehr ausfuͤhrlich und mit dem ge- woͤhnlichen Scharfsinn Gustav Bernh. Becmann in Diss. de aequitate privilegii odiosi et potestate imperantis circa illud . Goettingae 1750. §. 8. und folg. . Diese Mit- tel werden desto wirksamer seyn, je mehr sie der Ver- suchung, die Geseze zu uͤbertreten, in den Gemuͤthern der Unterthanen ein Gegengewicht zu geben vermoͤgend sind. Gleichwie nun die Vorstellung des Guten und Boͤsen, welches eine Handlung zur Folge haben kann, allerdings ein starkes Motiv giebt, wodurch wir zur Be- gehung oder Unterlassung einer solchen Handlung bestim- met werden, so pflegen nun entweder Verheissung gewisser Belohnungen oder Androhung und Zufuͤgung gewisser Uebel die beyden Mittel zu seyn, wodurch Gesezgeber ihren Anordnungen Ansehen und de Iustitia et Iure. und Unverbruͤchlichkeit zu geben suchen Die alten griechischen und roͤmischen Gesezgeber suchten ihren Gesetzen auch dadurch eine groͤsere Heiligkeit zu ge- ben, daß sie solche der Eingebung einer gewissen Gottheit zuschrieben. Bekannt sind die Taͤuschungen eines Solons, Zaleucus, Numa Pompilius und anderer mehr. Siehe Io. Sal. brunquelli Prolus. Acad. de variis vete- rum legibus suis sanctitatem auctorita- temque conciliandi modis . Ienae 1729. . Daher sagt Ulptan in dieser Hinsicht richtig, bonos non solum metu poenarum, verum etiam praemiorum exhor- tatione effici L. 1. §. 1. D. de lustit. et Iure. . Ob nun gleich die Beyspiele solcher Gesetze nicht unbekannt sind, in welchen die Gesetzgeber durch verheissene Belohnungen ihre Unterthanen zur Be- folgung derselben zu ermuntern gesucht haben, man denke z. B. an die Legem Iuliam et Papiam Poppae- am; so ist doch solches eines Theils nur alsdann ge- schehen, wenn denen Gesetzgebern daran gelegen war, eine an sich unvollkommene Pflicht aus gewissen Staats- absichten bey ihren Unterthanen mehr in Ausuͤbung zu bringen, und es ihnen nicht wohl schicklich zu seyn schie- ne, die Erfuͤllung derselben schlechterdings aufzuerlegen; andern Theils aber ist auch jenes Mittel, welches Ul- pian in exhortatione praemiorun sezet, darum nicht zweckmaͤsig genug, weil es dem Staat zu kostbar faͤllt, und uͤber dies nach der verschiedenen Denkungsart der Menschen auch nicht immer wirksam ist. Es bleibt da- her die Furcht fuͤr uͤble Folgen wohl das sicher- ste Mittel, Unterthanen, welche sonst vielleicht geneigt seyn duͤrften, der Stimme der Gesetze kein Gehoͤr zu geben, auf dieselbe aufmerksam zu machen. Die Uebel, welche der Gesezgeber mit der Nichtbe- obachtung seiner Gesetze verbinden kann, koͤnnen nun mancher- 1. Buch 1. Tit mancherley seyn. Wir wollen nach Anleitung des Hell- feld nur die gewoͤhnlichsten anmerken. Dahin gehoͤrt 1) Nichtigkeit der Handlung , die dem Gesez zu- wider unternommen worden ist. Zwar soll nach der L. 5. Cod. de Legibus jedes verbietende Gesez schon an sich die Nichtigkeit solcher Handlungen, welche dagegen unternommen werden, nach sich ziehen, li- cet legislator prohibuerit tantum, nec specialiter dixerit, inutile esse debere, quod factum est; allein oft findet man doch auch die Clausul der Nullitaͤt dem Gesez ausdruͤcklich beygefuͤget. Ein Beyspiel davon giebt das durch einen Senatsschluß bekraͤftigte Verboth des Div. Marcus; sich uͤber kuͤnftige Alimente ohne obrigkeitliche Einwilligung zu vergleichen; in diesem heisset es: ne aliter alimentorum transactio rata esset, quam si auctore Praetore facta L. 8. pr. D. de Transact. . So erfordern ferner die positiven Gesetze die Einwilligung der Eltern bey der Verheirathung der Kinder, welche noch nicht sui iuris sind, und erklaͤren die ohne solchen Consens geschlossene Ehe schlechterdings fuͤr nichtig Princ. Inst. de nupt. verglichen mit §. 12. I. eod. L. 2. D. de rit. nupt. c. 1. 3. 4. Caus. XXX. Qu. 5. cap. 3. X. Qui matrim. accus. poss. Zwar haben die heiligen Vaͤter auf der Kirchenversammlung zu Trident das Anathema wider diejenigen ausgesprochen, welche sich etwa unter- fangen sollten zu behaupten, daß die Ehe wegen fehlen- der Einwilligung der Eltern zu annulliren sey, Sess. 24. de Reformat. matrimon. cap. I. Allein es kann sich jenes Anathema der heiligen Synode wenigstens auf protestantische Lande nicht erstrecken. . 2) Ein anderes Uebel, so die Nichtbeobachtung eines Gesetzes zur Folge haben kann, bestehet in dem Verlust seines habenden Rechts oder eines andern de Iustitia et Iure. andern Vortheils , welchen man sonst nach den Gesetzen zu erwarten gehabt haͤtte. So erklaͤrt z. B. Kaiser D. Marcus L. 7. C. unde vi. L. 13. D. quod met. caus. denjenigen seines Rechts verlustig, der, ohne den Richter anzutreten, solches mit eigener Gewalt durchzusetzen, sich unternehmen wuͤrde; und die Gesetze machen es jeder Mutter zur Pflicht, nach dem Tode ihres Mannes fuͤr ihre unmuͤndige Kinder bey der Obrigkeit Vormuͤnder zu bitten, und verknuͤpfen mit der vorsezlichen Verabsaͤumung dieser Pflicht den Verlust ihres gesezmaͤsigen Erbrechts auf das Vermoͤgen ihrer Kinder L. 2. §. 1. D. Qui petant tutor. vel curat. . 3) Kann der Oberherr mit der Uebertretung seiner Geseze auch schmerzhafte Folgen verknuͤpfen. um durch Vor- stellung derselben dem Reize des Verbrechens entge- gen zu arbeiten. Man nennet diese Folgen Strafen . Das Wort Strafen ist zwar, wie bekannt, sehr vieldeutig, es ist aber hier der Ort nicht die mannig- faltigen Bedeutungen desselben anzugeben, mit ist es hier genug, zu erinnern, daß Strafe im eigent- lichen Verstande ein empfindliches Uebel sey, welches jemanden wegen eines begangenen Verbrechens vermoͤge gesetzlicher Disposi- tion zugefuͤget wird . Ein solches Gesetz, wel- ches dem moralischen Uebertretter ein Strafuͤbel dro- het, wird ein Straf - oder Poͤnalgesetz genen- net; und die freye Uebertretung eines Straf- gesetzes, wodurch der gemeinen Wohlfarth entgegen gehandelt wird , ist ein Verbre- chen Herr von valazé uͤber die Strafgesetze, oder Entwurf zu einem allgemeinen Strafcodex, aus . Da meine Absicht bloß ist, das Civil- recht 1. Buch. 1. Tit. recht zu erlaͤutern, so glaube ich, wird Niemand von mir verlangen, daß ich mich hier in den Dispuͤt uͤber den eigentlichen Zweck der Strafen einmischen solle Siehe des Herrn Prof. Caͤsars Abhandlung von dem Zwecke der Strafen , hinter Valazê. S. 59. und ff. und Herrn Prof. Puͤttmanns Progr. de poe- nis exemplaribus . Lipsiae 1787. . Nur das einzige kann ich hier nicht unbemerkt lassen, daß man die Strafen in zwifacher Ruͤcksicht betrachten kann, einmahl, in sofern sie angedrohet, sodann, in sofern sie zugefuͤget werden. Fraͤgt man nun, in welcher Ab- sicht der gerechte Oberherr die Strafen an- drohe? so kann der Zweck kein anderer seyn, als die- ser, daß durch die in den Gemuͤthern der Unterthanen erzeugte Furcht vor den angedroheren schmerzlichen Fol- gen sein Gesez beobachtet, und hierdurch das Gute er- halten werde, um dessentwillen das Gesez gegeben ist. Fraͤgt man aber, in welcher Absicht der Ober- herr die angedrohete Strafe an dem Ueber- treter seiner Gesetze vollstrecken lasse? so ist der Zweck der Strafen nur ein einziger , nehmlich Sicherheit der Buͤrger, oder Ruhe des Staats. Und da dieser Endzweck auf eine doppelte Art erreicht wer- den kann, einmahl , wenn man die Missethaͤter da- hin bringt, daß sie in Zukunft nicht mehr Verbrechen be- gehen koͤnnen oder begehen wollen, sie moͤgen nun entweder gebessert, oder ihnen das Vermoͤgen, Verbrechen wei- ter zu begehen, genommen werden; zweitens , wenn andere, durch das Beyspiel der Zuͤchtigung abgeschreckt, von aus dem Franzoͤsischen uͤbersezt von Carl Adolph Caͤsar. (Leip- zig 1786.) sagt im 1. Buch 1. Cap. Seit. 2. Verbrechen nenne ich eine boͤse, d. h. den Gesetzen zuwiderlau- fende Handlung, deren Wirkung diese ist, daß sie Un- ordnung unter den Menschen anrichtet. de Iustitia et Iure. von Begehung aͤhnlicher Verbrechen abgehalten werden; so ergiebt sich hieraus eine doppelte Absicht, welche der Gesezgeber bey Zufuͤgung der Strafen haben kann: erstens : um den Staat vor denen zu sichern, welche schon Verbrechen begangen haben, und zwei- tens auch vor denen, von welchen etwas aͤhnliches zu befuͤrchten stehet. Soviel hier nur im Vorbey- gehen von dem Zwecke der Strafen . Zulezt bemerke ich noch, daß derjenige Theil des Gesetzes, welcher das Uebel festsezt, so den Ueber- treter desselben treffen soll, eigentlich Sanctio genen- net wird §. 10. I. de rer. divis. L. 41. D. de poenis. cicero in Verr. IV. c. 66. et pro Balbo c. 14. ernesti in Clavi Ciceron . voc. Sanctio. , daher Strafgesetze bey den Alten leges sanctac Siehe turnebus Adversar . Lib. IX. c. 6. ho- tomannus in Commentar. de verbis iuris in voc. Sanctum. et brissonius de Verbor. iuris Si- gnificat . in voc. Sancta. , auch sacratae Diesen Nahmen erhielten in den aͤltesten Zeiten der Roͤmer insonderheit diejenigen Strafgesetze, welche die Clausul enthielten: Quei aliter faxit, cum pecunia familiaque sa- cer esto. Daher sagt festus de verbor. significat . Lib. XVII. sacratae leges sunt, quibus sanctum est, ut, qui quid adversus eas fecerit, sacer alicui deorum sit cum familia pecuniaque. Man vergleiche Frid. plat- neri de legibus sacratis liber singularis . Lipsiae 1751. 8. hiessen; es ist je- doch sehr gewoͤhnlich, per synecdochen auch die Ge- setze selbst Sanctiones zu nennen. §. 6. 1. Buch. 1. Tit. §. 6. Innerliche Handlungen der Menschen koͤnnen kein Gegenstand menschlicher Gesetze seyn. Bemerkung uͤber L. 18. D. de poenis. Da die Gesetze des Oberherrn denen Handlungen seiner Unterthanen zur Richtschnur dienen sollen, so ent- steher die Frage, was fuͤr Handlungen der Disposition eines menschlichen Gesezgebers unterworfen sind? Die Handlungen der Menschen sind nehmlich, wie bekannt, sehr mancherley; sie koͤnnen einmahl bloß innerliche seyn, die eine Wirkung unserer Seele und des Verstan- des sind, und daher in Gedanken, Begriffen, Vorstel- lungen und Ueberzeugung bestehen. Sie koͤnnen aber auch zweitens aͤusserliche Handlungen seyn, deren Wirkungen sich ausser dem Menschen zeigen. Ein mensch- liches Gesez kann nun 1) bloß den aͤusserlichen Handlungen der Menschen eine Richtschnur ertheilen; innerliche Hand- lungen hingegen koͤnnen der Disposition eines menschli- chen Gesezgebers nicht unterworfen seyn. Sie koͤnnen darum kein Gegenstand der Gesetze seyn, weil sie eines Theils keinen Zwang zulassen, und andern Theils auch keinen Einfluß in die Wohlfarth des Staats haben. So wenig also der Regent im Staat durch seine gesez- gebende Gewalt dem Verstande und der Ueberzeugung seiner Unterthanen eine solche Richtung zu geben ver- mag, daß sie etwas fuͤr wahr halten sollen, von dessen Gegentheil sie nach ihren Begriffen und Vorstellungen uͤberzeugt sind, vielmehr alles, was den Verstand und Ueberzeugung angehet, gaͤnzlich ausser der Sphare der gesezgeberischen Disposition liegt; so wenig kann auch schon der blose Gedanke, eine strafwuͤrdige Handlung zu begehen, zu dessen Realisirung aber durch aussere Thaͤ- tig- de Iustitia et Iure. tigkeit noch gar keine Anstalt getroffen worden ist, in der buͤrgerlichen Gesellschafft als eine straffaͤllige Ueber- tretung des Gesetzes angesehen werden Daher sagt schon Paulus in L. 53. §. 2. D. de Verb. Signif. Consilium solum habuisse non nocet, nisi et fa- ctum secutum fuerit. ; vielmehr wird in solchem Fall die bekannte Paroͤmie eintreten: Ge- danken sind zollfrey S. Eisenharts Grundsaͤtze des teutschen Rechts in Spruͤchwoͤrtern . Fuͤnfte Abtheil. S. 397. ; oder wie Ulpian in L. 18. D. de poenis sich ausdruckt: Cogitationis poenam nemo patitur. Ich muß bey dieser Stelle mit Cujaz Lib. VIII. Observat . cap. 22. anmerken, daß Ulpian jene Regel zwar eigentlich nur bey Erklaͤrung des Edicts: quod quisque iuris in alte- rum statuit, ut ipse eodem utatur, angebracht hat, wie man aus der Ueberschrift der L. 18. wahrnimmt, wenn man damit die Inscription der L. 1. u. 3. D. Quod quisque iuris vergleichen will; sie darf aber deswegen doch auf jenes Edict nicht blos allein eingeschraͤnkt werden, sondern muß vielmehr jezt auch als allgemeine Regel des Roͤm. Rechts darum gelten, weil sie Tribonian unter den allgemeinen Titul de poenis gebracht hat. Hier- aus ergiebt sich eine fuͤr die Hermenevtic sehr wichtige Regel, nehmlich diese, daß wir bey Erklaͤrung der Fragmente der alten Roͤm. Juristen, aus de- ren Schriften unsere Pandecten compiltret worden sind, nicht immer auf die Verbin- dung und den Zusammenhang sehen duͤrfen, in welchen sie urspruͤnglich gestanden haben, sondern solche vielmehr in derjenigen Ver- bindung erklaͤren muͤßen, in welcher Tribo- nian selbige denen Pandecten einverleibet hat Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. E 1. Buch. 1. Tit. hat Siehe voorda in Electis Cap. XXII. und I. L. E. puͤttmanni Interpretat. et Observat. iuris . cap. XIX. pag. 89. . Ich will hiermit keinesweges jene Cujaciani- sche Methode, die sogenannten Leges Pandectarum ope Inscriptionum zu erklaͤren, verwerfen, nein, ich pflege sie selbst bey jeder Gelegenheit zu empfehlen, sondern habe nur durch dieses Beyspiel beweisen wollen, daß sie mit Behutsamkeit zu gebrauchen sey. Wenn ich vorher behauptete, daß mich der blose Vorsatz, ein Verbrechen zu begehen, in sofern nehmlich derselbe noch durch keine aͤußerliche Handlungen zu erken- nen gegeben worden, in foro humano noch nicht straf- faͤllig mache, so muß ich, um nicht mißverstanden zu wer- den, nur noch einen Gedanken hinzufuͤgen. Es ist eine ganz andere Frage, ob nicht unterweilen die blose Ab- sicht, eine strafwuͤrdige Handlung zu begehen, gesetzt auch, daß man aus Irrthum eine wirklich erlaubte Handlung vorgenommen, gestrafet werden koͤnne? Man stelle sich den Fall vor, den Johann Owen Epigram. I. 80. in folgenden Versen sehr naiv erzaͤhlt: Cum propria imprudens coniux uxore coivit, Quam falso alterius credidit esse viri. oder man setze, es habe sich einer vorgenommen einen Diebstahl zu begehen, im Grunde aber eine Sache ent- wendet, die ihm selbst zugehoͤrte, und auf welcher kei- nem andern ein Recht zustand? Kann wohl ersterer als ein Ehebrecher, und letzterer als ein Dieb gestrafet werden? Rein, dies ist ganz ohne Zweifel. Schon Aristoteles Lib. V. ad Nicomachum cap. ult. sahe dieses ein, wenn er an den Ni- comachus schrieb: Μοιχέυει ὀυδεὶς τὴν ἑαυτȣ͂, ὀυδὲ κλέ- πτει de Iustitia et Iure. πτει τὰ ἑαυτȣ͂, d. i. Niemand begehet mit seiner eigenen Frau einen Ehebruch, es kann auch Niemand seine eigene Sache stehlen. Und eben so wird ein aͤhnlicher Fall entschieden, in §. 8. I. de obligat. quae ex delicto na- scunt. Sed et si credat aliquis invito domino se rem commodatam sibi contrectare, domino autem volente id fiat, (der Eigenthuͤmer hatte z. B. bey sich beschlossen, daß er dem Commodatar die ihm geliehene Sache schenken wolle) dicitur furtum non fieri. Aber wird gleich die Handlung selbst nicht als dasjenige Ver- brechen angesehen, welches sich ihr Urheber zu begehen vorgesetzet hatte, so fragt sich’s doch, ob nicht wenigstens die dabey gehabte boͤse Absicht einige Strafe verdiene? Dieses ist allerdings zu behaupten. Zwar koͤnnen die Worte des bekannten Hadrianischen Rescripts beym Cal- listratus in L. 14. D. ad Leg. Cornel. de Sicariis: in maleficiis voluntas spectatur, non exitus hier zu keinem Beweiß dienen; denn so verschieden auch diese Ver- ordnung von den Auslegern des Roͤm. Rechts erklaͤret wird Cujaz Observat . Lib. XV. c. 25. glaubt, daß die Verordnung nur auf Verbrechen hoͤherer Art Beziehig habe. Andere wenden diese Vorschrift auf alle Verbreen an. Puͤttmann in Elem. iur. crim §. 58. Quiorp in den Grundsaͤtzendes peinl. Rechts . 1. Th. 33. not. d. Eine ganz eigene Meinung hegt Corn van Byn- kershoͤck Observat. Iur. Rom . Lib. III. c. 10. haͤlt dafuͤr, daß der Ausdruck maleficium — hier keine agemei- ne sondern eine vorzuͤgliche Bedeutung habe, und nur von solchen Missethaten, deren der Theodosische und Istiniani- sche Codex unter dem Titul: de maleficis etmathe- maticis erwaͤhnet, angenommen werden duͤrft Haupt- saͤchlich will er ihn von der Giftmischerey und solchen Ar- ten des Menschen-Mords verstanden wissen, wovon Lex Cor- , so kann man ihr doch in der That keinen an dern E 2 dern 1. Buch. 1. Tit. dern Sinn beylegen, als diesen, daß der Richter bey ungluͤcklichen Ereignissen, so das Ansehen eines Verbre- chens haben, um zu beurtheilen, ob eine Person schuldig oder nicht sey, nicht bey der That allein, und deren Fol- gen stehen bleiben, sondern besonders auf die Absicht des- sen, der sie veranlaßte, Ruͤcksicht nehmen muͤsse, um den ohngefaͤhren nicht imputablen Zufall, desgleichen die blose Fahrlaͤssigkeit, von der Arglist und Boßheit zu un- terscheiden. Hier setzen wir aber einen solchen Fall zum Grunde, wo die vorgenommene Handlung an sich erlaubt und Cornelia de sicariis insonderheit gehandelt habe. Daher lasse sich auch begreifen, wie L. 14. unter dem Titul der Pandecten, worin von den gedachten Cornelischen Gesetz gehandelt wird, habe gebracht werden koͤnnen. Einige gehen noch weiter, und wollen durch eine Versetzung der Worte der Sache abhelfen. Sie lesen nehmlich in male- ficiis non voluntas spectatur, sed exitus. Allein die rich- tigste Erklaͤrung ist, wenn wir unter maleficium , jeden un- gluͤcklichen Vorfall, der zu einer Kriminal-Untersuchung Gelegenheit geben kann, oder jedes unerwartete Factum, so den Urheber zu irgend einer Verantwortung verpflich- ten kann, verstehen, eine Bedeutung, in welcher dieses Wort sowohl bey den alten classischen Scriptoren, livivs Lib. V. c. 3. VII. 20 . als in den Fragmenten der Roͤm. R echtsgelehrten vorkommt L. 1. D. de obligat- et actionib. L. 53. pr. D. de furtis. L. 16. §. 10. D. de poenis. Es be st aͤrkt diese Erklaͤrung insonderheit auch das Wort volun- tas welches hier so viel als Vorsatz oder Absicht heißt. Die Worte non exitus heissen soviel als non solus exi- tus. d. i. man soll nicht auf den Erfolg der That allein, sondern besonders auf die Absicht ihres Urhebers sehen. Man vergleiche die gelehrte Abhandlung uͤber L. 14. D. ad L. Corn. de sicar. in dem neuen Leipziger Ma- gazin fuͤr Rechtsgelehrte herausgegeben von Guͤnther und Otto , auf das Jahr 1786. 1. Stuͤck. Seite 1—17. de Iustitia et Iure. und unschaͤdlich war, allein durch Taͤuschung oder Irr- thum ihres Urhebers als Verbrechen unternommen wurde. Folglich paßt jene Vorschrift der L. 14. hier darum nicht, weil sie von wirklich ungluͤcklichen Vorfaͤllen z. B. began- genen Todschlaͤgen handelt. Allein dem sey, wie ihm wolle, so hat unsere obige Behauptung doch ihre voͤllige Richtigkeit, und den Beyfall der beruͤhmtesten Rechts- lehrer S. Canzler Koch in Institut. iur. crim . lib. I. c. 2. §. 16. und Prof. Puͤttmann in den Adversir. iuris universi cap. 16. §. 9. fuͤr sich. Der Grund, den Justinian §. 8. I. de Obligat. quae ex delicto. in einem aͤhnlichen Falle zur Entscheidung anfuͤhrt, ist auch allerdings treffend, damit nicht die gaͤnzliche Un- straͤflichkeit den Thaͤter verleiten moͤge, dasjenige Ver- brechen wirklich annoch zu begehen, was er bisher ohne Erfolg der That sich nur vorgesetzet hatte. §. 7 und 8. Nur den aͤußerlichen freyen Handlungen der Menschen koͤnnen die Gesetze eine Richtschnur ertheilen. Also nur aͤuserliche Handlungen der Menschen liegen in der Sphaͤre der Gesezgebung. Allein auch diese koͤnnen wieder sehr verschieden seyn. Sie sind entwede r freye oder nicht freye Handlungen . Welc h Handlungen werden denn aber freye Handlungen gen - net? Da eine freye Handlung nicht gedacht den kann, wo nicht ein Vermoͤgen willkuͤrlich zu deln da ist, so muß nothwendig erst erklaͤrt we e n, was eine willkuͤhrliche Handlung sey, u n sich einen deutlichen Begriff von einer freyen Hand ung machen zu koͤnnen. Die Entwickelung dieser B egriffe ist folgende. Eine Handlung ist entweder so b es chaffen, E 3 daß 1. Buch. 1. Tit. daß wir uns selbst dazu bestimmen, oder wir werden dazu durch eine unwiderstehliche Kraft ohne unsern Wil- len determinirt. Im ersten Fall stehet sie in unse- rer Gewalt ; im zweiten aber ist’s eine Handlung, die nicht in unserer Gewalt stehet . Hand- lungen der letztern Art werden nichtwilkuͤhrliche , oder unfreywillige Handlungen genennet, und diese koͤnnen zwiefach seyn, entweder solche, wozu wir durch eine aͤusserliche unwiderstehliche Gewalt genoͤthiget werden, oder solche, wozu wir von unserer Natur durch ein in der Organisation unseres Coͤrpers gegruͤndetes Principium bestimmt werden, jene werden erzwunge- ne , diese aber physisch nothwendige Handlungen genennet. Wenn im Gegentheil eine Handlung in un- serer Gewalt stehet, so daß wir sie nach Gefallen thun und auch unterlassen koͤnnen, so nennet man sie eine willkuͤhrliche Handlung ( actio arbitraria ). Wer nun eine solche willkuͤhrliche Handlung unternimmt, ist entweder im Stande, sich die Folgen derselben vorzu- stellen, und darnach mit Ueberlegung seinen Willen zu lenken, oder es ist dem Handelnden dies nicht moͤglich. Im ersten Fall heißt die Handlung eine freye , im weiten eine blos willkuͤhrliche nicht freye Hand- l ung . Wer ferner frey handeln d. i. die Folgen einer u n ternommenen Handlung uͤberlegen konnte, war nun au ch entweder wirklich nicht eher zu der Handlung ge- sch rit ten, als nach einer vorher angestellten reiflichen Ue- berl eg ung, oder er hatte nicht uͤber die Folgen der Hand- lung gehoͤrig nachgedacht, sondern die Handlung unuͤber- legt aus Uebereilung oder in der Hitze der Leidenschaft begangen. Ob nun gleich die Handlung auch im letzten Fall nach immer freye Handlung bleibt, so ist doch nicht zu laͤugnen, daß ein Mensch in der Hitze des Affects nicht mit voͤlliger Vernunft handele, und folg- de Iustitia et Iure. folglich in einem solchen Falle keine voͤllige Freyheit da sey. Denn nur da, wo mit voͤlliger Vernunft und Ueberlegung gehandelt wird, ist voͤllige Freyheit vorhan- den. Daher heißt nun eine Handlung im strengsten Verstande frey Ist von Verbrechen die Rede, die mit solcher Ueb- legung und voͤlligen Freyheit sind veruͤbet worden, so- brauchen unsere peinl. Rechte die Ausdruͤcke: fuͤrsez l , muthwillig, geflissen. S. Peinl. Gerichtsord n ng Carls des V. Art. 137. und 159. , welche nach vorhergegangener teiflicher Ueberlegung von jemanden ist unternommen wor- den, der das vollkommene Vermoͤgen hatte, nach sei- nem gegenwaͤrtigen Ideenzustande, das ist, nach dem Maaß seiner Erkaͤnntniß das beste zu waͤhlen S. Mart. Ehlers uͤber die Lehre von der m nsch- lichen Freyheit . (Dessau.) Hoͤpfners Naturecht . §. 3. u. 4. und Hofr. Feders Untersuchungen uͤ er den menschlichen Willen . 2te Auflage. . Dieses vorausgesezt, so entstehet nun die Frage, ob nur freye Handlungen allein, oder ob nicht auch unfreywillige, nicht freye Handlungen, denen Gesetzen des Staats un- terworfen seyn koͤnnen? Man moͤchte letzteres beynahe glauben, wenn man beym Marcian in L. 2. D. de Legib. ließt, was der Redner Demosthen vom Ge- sez sagt: Lex est — coërcitio eorum, quae sponte, vel involuntarie delinquuntur. Was Wunder nun, wenn einige Rechtsgelehrte behauptet haben, daß ein Rasender zwar nicht bestraft werden koͤnne, aber doch zur Verguͤtung des Schadens, den er angerichtet, aller- dings verbunden sey Dies behaupten mencke ad Pandect . Li. XLVII. Tit. 1. §. 14. schaumburg Compend. D. gestor . Lib. IX. Tit. 1. §. 3. schmidt Instit. iur. iv. §. 423. hommel Rhapsod. Quaest . Obs 567. w n Tevenar Versuch uͤber die Rechtsgelahrheit S. 58. , sie meinen, daß dem Beschaͤ- E 4 digten 1. Buch. 1. Tit. digten deshalb die actio in factum in denen buͤrgerlichen Gesetzen zugestanden werde Sie haben dergleichen in L. 33. D. ad L. Aquil. ge- funden zu haben vermeint, in welchen Paulus sagt. In damnis, quae Lege Aquilia non tenentur , in factum da- tur actio. . Allein, daß diese Mei- nung nicht allein dem Naturrechte, sondern auch dem wahren Sinn der buͤrgerlichen Gesetze offenbahr entge- gen sey, haben Andere schon mit bessern Gruͤnden ge- zeigt S. stryck in Us. Mod. Pand . Lib. IX. Tit. 2. §. 2. leyser Meditat. ad Pand . Spec. 532. Med. 2. insonderheit Weber in der systemat. Entwikelung der Lehre von der natuͤrlichen Verbindlichkeit . 2te Abth. §. 71. S. 270. . Denn schon die Gesetze der Vernunft er- fordern zu einer jeden verbindlichen Handlung, daß sie ihrem Urheber zu imputiren sey, da dies aber bey denen wegfaͤllt, welchen es an Verstand und Willen mangelt, um frey handeln zu koͤnnen, so ist der Schade, den sol- che Personen anrichten, offenbahr nur ein damnum ca- suale, weshalb derjenige, den es trift, keine Verguͤtung fordern kann. Und mit diesen Grundsaͤtzen des Natur- rechts, stimmen auch die buͤrgerlichen Gesetze uͤberein, Impune puto admittendum, sagt daher Pompon L. ult. in fin. D. de administr. et peric. tut. , quod per furorem alicuius accidit: quomodo si casu aliquo, sine facto personae, id accidisset: und sehr treffend ist der Entscheidungsgrund des Pegasus beym Ulpian L. 5. § 2. D. ad L. Aquil. : Quae enim in eo culpa est, quum suae mentis non sit? Aber solten nicht die oben angefuͤhrten Gesetze ei- nigen Widerspruch machen, und die Meinung jener Rechtsgelehrten wenigstens insofern rechtfertigen, als nur von einer Schadensersetzung die Rede ist? Ich glaube es de Iustitia et Iure. es nicht. Denn wenn Paulus da, wo die eigentliche Klage aus dem Aquilischen Gesez wegfaͤllt, dem Beschaͤ- digten die Befugnis beilegt, in factum zu klagen: so kann unmoͤglich seine Meinung dahin gehen, daß die letztere Klage ohne Unterschied, ob der Schade vorsetz- lich, oder aus Fahrlaͤßigkeit, oder durch ein Ungefehr angerichtet worden, immer durchgaͤngig statt finde. Es erhellet vielmehr aus andern Gesezstellen S. §. ult. 1. de L. Aquil . , daß die actio in factum, welche in denen Faͤllen Statt haben soll, wo die Klage aus dem Aquilischen Gesez cessirt, nur gegen den, qui obnoxius fuerit , also wer Schuld hat, daß der Schade geschehen, solle angestellet werden koͤnnen. Wie mag man aber dieses in dem Fall zutref- fend glauben, wo alle Imputation gaͤnzlich wegfaͤllt, und nichts als ein damnum casuale vorhanden ist, und wo daher selbst nach den Gesetzen der Vernunft, ohne deren Beystand die actio in factum gaͤnzlich wegfaͤllt, kei- ne Verbindlichkeit zur Verguͤtung des Schadens vorhan- den ist S. Weber am angef. Ort. not. 274. . Es kann aber auch eben so wenig der von Marcian aus dem Demosthenes entlehnte Begrif des Gesetzes so verstanden werden, als ob unfreye Hand- lungen nach den Gesetzen beurtheilt, und als Verbrechen bestraft werden koͤnnten. Denn involuntarie delinquere, heißt daselbst nicht, ohne Freyheit des Willens handeln, son- dern ohne boͤsen Vorsatz, bloß aus Unachtsamkeit und Unwissenheit sich vergehen, wie schon Gerhard Noodt in Commentar. in Dig. tit. de Legib . Tom. II. Oper. pag. 12. , bemerkt hat. Der Ausdruck involuntarie be- greift auch die aus Uebereilung und in der Hitze der Lei- denschaft begangene straffaͤllige Handlungen unter sich. Cadunt enim in ignorantiam atque in imprudentiam E 5 per- 1. Buch. 1. Tit. perturbationes animi, sagt Cicero Topic. c. 16. , quae quam- quam sint voluntariae , (obiurgatione enim et admonitione deiiciuntur) tamen habent tantos mo- tus, ut ea, quae voluntaria sunt, aut necessaria in- terdum, aut certe ignorata videantur. Es scheinet also wohl das involuntarie delinquere das nehmliche zu seyn, was Papinian L. 1. D. de Legib . nennet delictum, quod igno- rantia contrahitur: ignorantia aber ist hier soviel als culpa S. Pet. de greve Exercitat. ad Pandectar. loca difficil . tit. de LL. p. 8. . Das Resultat von allem diesen ist nun, daß 2) nur aͤussere willkuͤhrliche freye Hand- lungen der Buͤrger des Staats der Gegenstand der Gesetze seyn koͤnnen. Wo also das Vermoͤgen frey zu handeln, ganz wegfaͤllt, da kann keine Verbindlich- keit aus den Gesetzen statt finden. Hieraus folget wei- ter, a ) daß durch ein Gesez niemanden etwas auferlegt werden kann, was physisch unmoͤglich ist (ad impossibi- lia nulla datur obligatio); denn hier faͤllt alle Freyheit weg. Eben dieses gilt b ) aus dem nehmlichen Grunde auch von physisch nothwendigen Handlungen. c ) die Fol- gen der aus Zwang und ohne Freyheit begangenen Hand- lungen, werden in der Regel dem Handelnden nicht zu- gerechnet. Daß aber auf Seiten desienigen allerdings Zurechnung statt finde, in dessen fuͤrgesetzten Willen und Bosheit der Grund ihrer Wirklichkeit angetroffen wird, hat keinen Zweifel. Daher sagt schon Seneca Troad . v. 870. ganz richtig: Ad auctores redit sceleris coacti culpa . End- lich d ) kann ein Gesez auch in Ansehung derer von keiner Wirkung de Iustitia et Iure. Wirkung seyn, denen der Gebrauch des Verstandes, und mithin die Freyheit des Willens abgehet. Es koͤnnen daher rasende und wahnwitzige Personen wegen begangener Verbrechen so wenig bestraft, als eigentlich zur Scha- densersetzung angehalten werde S. Quistorp in den Grundsaͤtzen des peinl. Rechts . Th. I. §. 38. . Obgleich die Ver- guͤtung dieses Schadens actione ex lege Aquilia von denen allerdings gefordert werden kann, denen die Auf- sicht uͤber solche Persohnen gegeben war, wenn durch deren Nachlaͤssigkeit und Verwahrlosung dieser Schade hauptsaͤchlich angerichtet worden Hellfeld §. 38. . §. 9. Koͤnnen auch Religionshandlungen ein Gegenstand der gesetzgebenden Gewalt seyn? Der Satz, der in diesem §. enthalten ist, daß nehmlich alle aͤusserliche willkuͤhrliche freye Handlungen der Menschen, ohne Unterschied, sie moͤgen Religions- handlungen oder weltliche Handlungen seyn, denen Ge- setzen unterworfen sind, koͤnnte uns reichen Stof zu ei- ner Abhandlung uͤber die Grenzen der gesetzgebenden Ge- walt in Ansehung der Religionshandlungen darbiethen, wenn hier der Ort dazu waͤre. Ich werde daher hier diesen Gegenstand nur in soferne beruͤhren, als etwa zur Erlaͤuterung dieses §. noͤthig seyn moͤchte. Es kommt bey der Frage, ob und in wiefern Religions- handlungen ein Gegenstand der Gesetze sind sowohl auf die Beschaffenheit dergleichen Handlungen selbst, als auf die Art und Weise an, wie die gese tz ge- bende Gewalt in Ansehung solcher Handlungen ausg e uͤbt wird. Man nennt bekanntermassen Religionsh a nd- lungen 1. Buch. 1. Tit. lungen , uͤberhaupt alle Handlungen, welche Religion und Gottesdienst betreffen, oder, wenn wie nach christlichen Re- ligionsbegriffen davon reden, Handlungen, welche sich auf die christliche Religion beziehen. Solche Religionshandlungen koͤnnen nun, wenn wir auf die persoͤnliche Verhaͤltnisse der Got- tesverehrer sehen, entweder Handlungen einzelner Menschen , oder Kirchliche Handlungen seyn. Letz- tere sind das Resultat einer eigentlichen Religionsuͤbung, und setzen eine Religionsgesellschaft, das ist, Vereinigung mehrerer, zur Gottesverehrung, nach gemeinschaftlich anerkannten Grundsaͤtzen, unter Dazwischenkunft eines geordneten und berufenen Geistlichen, voraus. Ohne ei- ne solche Dazwischenkunft und gesellschaftliche Vereinigung bleiben Religionshandlungen nur Handlungen einzelner Menschen. Diese koͤnnen kein Gegenstand der gesezge- benden Gewalt seyn. Denn an sich ist Religion Sache eines jeden einzelnen Menschen. Sie ist das Resultat des in dem Verhaͤltniß gegen die Gottheit denkenden und empfindenden Menschen, des in jedem Menschen freyen und selbstthaͤtigen individuellen Gewissens. In diesem Ver- haͤltniß, in dieser Sphaͤre der Religion und des Gewis- sens giebt es kein Recht, keine Gewalt, die ein Mensch uͤber den andern auszuuͤben haͤtte S. Maiers teutsches geistl. Staatsrecht in der Einleitung §. 2. und 3. . Von eines jeden einzelnen Menschen Ueberzeugung haͤngt es daher ab, ob er diese oder jene Begriffe von Gott fuͤr wahr und rich- tig halte, und nach seiner Ueberzeugung hat er die Be- fugniß und Pflicht, Gott auf diejenige Art und Weise zu verehren, die er nach seinen Begriffen von dem Hoͤchsten Wesen, fuͤr einzig angemessen den Vollkommenheiten des- selben haͤlt. Deswegen stehet er bloß vor seinem Gewissen und dessen Richter zur Verantwortung. Niemanden an- ders de Iustitia et Iure. ders braucht er Rechenschaft davon zu geben Vergl. des H. Hofrath Schnauberts vortrefliche Schrift uͤber Kirche und Kirchengewalt in Ansehung des kirchlichen Religionsbegrifs . Jena 1789 S. 23. u. 119. . Allein anders verhaͤlt es sich mit denen Kirchenhand- lungen . Diese sind von doppelter Art. Einige der- selben haben nur einzig und allein Gottesverehrung zum Zweck, und bringen daher in dem Staate keine recht- liche Wuͤrkungen hervor; andere Religionsverrichtungen sind hingegen von der Art, daß zwar deren Form, An- ordnung, und Vornahme Gottesverehrung zum Zweck hat, und also insofern eigentliche Kirchenhandlungen sind und bleiben, daß sie aber daneben mit solchen Geschaͤften in Verbindung stehen, die zugleich rechtliche Wirkungen im Staat aͤussern, Vorrechte darin geben oder nehmen, Verbindlichkeiten darinn festsetzen oder aufheben, und bey denen uͤbrigens das Kirchliche mehr oder minder we- sentlich nach der Symbole der Gottesverehrung dieser oder jener Religionsgesellschaft seyn kann. Kirchenhand- lungen der erstern Art koͤnnen mit den Namen der geist- lichen , die der letztern aber durch den Nahmen ge- mischter Kirchenhandlungen Eben dieser Benennungen bedient sich auch der Regierungs- Rath Brauer in seinen gelehrten Abhandlungen zu Erlaͤuterung des Westphaͤl. Friedens . 3. Hand S. 9. u. folg. nicht unschicklich bezeichnet werden. Die geistlichen Kirchenhandlun- gen Man verwechsele damit nicht die kirchliche und niniste- rial Verrichtungen der Geistlichen, denn diese machen nur einen Theil derselben aus. sind wieder zwifach. Manche davon haben mit den Lehrsaͤtzen der Religion einen wesentlichen Zusammen- hang, werden durch die Symbolen der Religionsgesell- schaft bestimmt, und machen also noͤthige Bestandtheile der 1. Buch. 1. Tit. der Gottesverehrung aus; diese werden aͤusserliche nothwendige , oder wesentliche Religionshand- lungen genennet. Zu solchen kirchlichen Religionshand- lungen gehoͤret z. B. der Gebrauch des heiligen Abend- mahls oder bey den Katholiken der Meße, letzte Oelung- und dergl. Auf solche Handlungen, weil sie von Reli- gionsuͤberzeugung abhangen, die sich nicht nach Will- kuͤhr modeln laͤßt, wo eine obrigkeitliche Vorschrift, die von der Ueberzeugung und Lehrbegrif der Gesellschaft ab- wiche, in Widerspruch mit dem Gebot kaͤme: Gott mehr zu gehorchen als den Menschen , und weil sie keine rechtliche Wirkung im Staat hervorbringen, also nicht in den Zweck der Staatsregierung einfliessen, hat der Staat nur ein negatives Recht, aufzusehen und zu verhuͤten, daß nicht die Art ihrer Vornahme und neben einlaufende Umstaͤnde sie der Ruhe des gemeinen Wesens nachtheilig machen. Es haͤngt vielmehr die Anordnung und Form solcher Handlungen von der Bestimmung des kirchlichen Religionsbegrifs lediglich ab, welche Vertrags- weise unter den Mitgliedern der Kirche geschiehet S. Schnaubert in der angefuͤhrten Schrift. S. 42. u. f. , ist also nothwendig ein gesellschaftliches Recht, bey welchem eine gesezgebende Gewalt darum nicht ausgeuͤbt werden kann, weil hier alles auf gemeinschaftliche Ueberzeugung der vereinigten Glieder ankommt. Andere geistliche Kirchenhandlungen stehen mit den Glaubenslehren und Religionsbegriffen der Kirche in keiner wesentlichen Verbindung, sondern werden von denen Gliedern derselben zwar aͤusserlich aus dem Grunde vorgenommen, weil sie glauben dadurch den goͤtt- lichen Vollkommenheiten am gemaͤsesten zu handeln, sie koͤnnen aber auch ganz unterbleiben, oder auf eine ande- re Art bestimmet werden, ohne daß deßwegen ein Wi- derspruch mit denen in ihrem Lehrbegrif als wahr ange- nomme- de Iustitia et Iure. nommenen Glaubenslehren entstehet. Diese Art kirchli- cher Religionshandlungen wird mit dem Nahmen der aͤusserlichen willkuͤhrlichen Religionshand - lungen bezeichnet. Zu diesen rechne ich z. B. das An- zuͤnden der Lichter bey der Verwaltung des heiligen Abend- mahls, und das Absingen der Einsetzungsworte vor dem Altar, deßgleichen die Beichte, und andere bekannte geist- liche Cerimonien mehr, die zwar aus guten Absichten von der Kirche eingefuͤhrt worden sind, von welchen aber doch die heilige Schrift nichts enthaͤlt. Man nennt solche willkuͤhrliche Religionshandlungen Adiaphora, und diese sind der Disposition der Kirchengewalt allerdings unter- worfen. Vermoͤge derselben koͤnnen daher mancherley Verfuͤgungen und Abaͤnderungen getroffen werden, je nachdem es zur Erreichung des Zwecks der Kirche noͤ- thig oder nuͤtzlich ist. Der Regent im Staat hingegen kann als Regent hierinn nichts aͤndern. Er hat zwar die Aufsicht uͤber alle kirchliche Anstalten, in sofern sie einen Einflus haben in die Wohlfarth des Staats; al- lein ob die Kirche ihren Endzweck erreicht, oder ver- fehlt, gehet ihm als Regenten nichts an Man vergleiche hierbey des Herrn Prof. D. Carl Wilh. Roberts Abhandl. uͤber das Recht evange- lischer Landesherrn, die Liturgie abzuaͤn- dern . In Desselben Beytraͤgen zu der natuͤrl. und po- sitiven Rechtsgelahrtheit . Marburg 1789. 8. . Es giebt nun auch gemischte Kirchenhand- lungen , die zwar auch Gottesverehrung zum Zweck haben, aber doch auch zugleich rechtliche Wirkungen im Staat aͤussern, Vorrechte darinn geben oder nehmen, und Verbindlichkeiten darinn festsetzen oder aufheben. Dahin gehoͤrt die Taufe , welche in ihrem Endzweck Gottesverehrung ist, in ihrer Wirkung auf den Staat aber 1. Buch. 1. Tit. aber jedem die grose buͤrgerliche Vorrechte der Christen giebt, an welchen die Unglaubigen keinen Antheil ha- ben. Zu diesen gehoͤrt ferner die Trauung , welche Aufrufung des goͤttlichen Segens zu einer angehenden Ehe, und Erklaͤrung, sie nach den goͤttlichen Vorschrif- ten fuͤhren zu wollen, also Gottesverehrung zur Absicht hat, welche aber auch zugleich die grose buͤrgerliche Wir- kung erzeuget, daß ohne sie jede Verbindung zum Bei- schlaf, wenn sie auch in der Absicht, Kinder zu erzeu- gen, und folglich aus ehelicher Zuneigung geschaͤhe, fuͤr eine unerlaubte Beiwohnung, wenigstens unter Pri- vatpersohnen in Deutschland gehalten wird; zugleich aber auch den Persohnen, die durch die Trauung sind verbunden worden, die eheliche und elterliche Rechte beygelegt werden. Dahin gehoͤrt ferner auch die Beerdigung der Tod e n . Leichnahme aus dem Creis der Lebenden wegzuschaffen, ist zwar nicht Religions- sondern Staatszweck. Aber Leich- name auf die Art, wie es nach christlichen Sitten ge- schiehet, durch Einsenkung in die Erde, zur sinnlichen Erinnerung an das allgemeine Gesetz des Menschenge- schlechts: du bist Erde, und solst wieder zur Erde werden , unter Einsegnung, Begleitung, und Ermahnung der Geistlichkeit, wegzubringen, ist Handlung, die Gottesverehrung zum Ziel hat. Zugleich aber ist sie oͤffentliche Erklaͤrung, daß, wer begraben sey, die Rechte der Lebenden im Staat verlohren habe, und des- selben Nachlaß denen Erben, oder in deren Ermanglung dem Staat als herrenloses Guth zugefallen sey. Ferner daß der auf jene Art beerdigte von der peinlichen Zurech- nung begangener Verbrechen entbunden sey, (den uͤber- wiesenen Verbrechern gestattet man eben deswegen jene feierliche Beerdigung nicht;) deßgleichen daß auch uͤber die Schuld oder Unschuld anderer Menschen an seinem Tode richterlich erkannt sey, (denn keinen, dessen gewalt- samer De Iustitia et Iure. samer Tod wahrscheinlich ist, laͤsset man vor Untersuchung des Koͤrpers zu Grabe bringen). Sie hat also ihren mannigfaltig wichtigen Einfluß auf den Staat. Das Kirchliche bey die- sen Handlungen ist zwar wiederum gesellschaftliches Recht der Religionssocietaͤt. Aber das Politische davon muß, wie alles, was auf den Staat Einfluß hat, seiner Leitung und Anordnung unterworfen seyn; es aͤussern sich dabey dem- nach nicht blos negative, sondern auch positive Einwir- kungsrechte der Staatsgewalt. Sie kann damit die mehrere oder mindere Wirkungen, die im Staat davon abhangen sollen, die Erfordernisse, die beobachtet wer- den muͤssen, ehe eine solche Handlung, mit Wirkung fuͤr den Staat, vorgenommen werden darf, nach Gut- befinden bestimmen: wenn aber nun das, was den Staat und dessen Interesse dabey betrift, in Richtigkeit gebracht ist, so bleibt die Verrichtung der kirchlichen Handlung und deren innere Form ein durch die Symbole bestimm- tes Recht der Gesellschaft, bleibt also Theil der Reli- gionsuͤbung Jo. Nicl. Fried. Brauer von dem Reichsgesetz- maͤsigen Unterschied zwischen oͤffentlicher und privat Religionsuͤbung der Unterthanen §. 5. in desselben oben angef. Abhandlungen 3. Band S. 10. u. ff. . §. 10. Mancherley Eintheilungen des Rechts. I. Natuͤrliches , und positives Recht. Wenn wir bisher vom Recht und Verbindlich- keit redeten, so nahmen wir das Wort ius theils fuͤr Gesetz, theils fuͤr Befugniß zu handeln. Wenn wir aber jetzt von denen mancherley Eintheilungen des Rechts mit Hellfeld handeln sollen, so muͤssen wir dabey dieje- nige Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. F 1. Buch. 1. Tit. nige Bedeutung des Worts ius zum Grunde legen; da es einen Inbegrif von Gesetzen einerley Art anzeigt. In dieser Bedeutung wird nun ius 1) nach Verschiedenheit des Erkenntnißgrundes in ius naturale et positivum eingethellet. Naturrecht nennen wir den Inbegrif aller derienigen Gesetze, welche, wie der Apostel sagt, dem Menschen gleichsam ins Herz geschrieben sind, und daher mittelst der Vernunft aus der Natur der Dinge und ihren Wirkungen erkannt wer- den koͤnnen. Es wird daher auch das Recht der Ver- nunft genennet. Hommel S. Carl Ferdinand Hommel Diss. Ius mundiuni- versale . Lipsiae 1763. nennt es ius mundi universale, und er hat nicht ganz unrecht, wenn er sagt: ivs natvrae est voluntas Dei, non litteris, sed signis, in universum mundum scriptis, manifestata . Positives Recht wird im Gegentheil der Inbegrif derjenigen Gesetze genennt, welche sich blos allein auf den erklaͤrten Willen eines Gesezgebers gruͤnden, und also aus demselben lediglich zu erkennen sind. Z. B. daß ich das Eigenthum einer fremden Sache binnen einer gewissen gesezlich bestimmten Zeit usucapire, Weibspersohnen aus uͤbernommenen Buͤrgschaften nicht belangt werden koͤnnen, Eltern und leibliche Geschwister des Verstorbenen zugleich erben, ist positiven Rechtens; denn Herz und Vernunft lehren mir davon nichts. Allein daß ich mein ernstlich gethanes Versprechen halten, daß ich dem Verkaͤufer den bedungenen Kaufschilling bezahlen muß, lehrt schon das Vernunftrecht . Ganz verschieden war der Be- grif der alten Roͤmischen Rechtsgelehrten vom Natur, recht, welches sie vom lure gentium und civili unter- schieden, wie der folgende §. lehren wird. §. 11. de Iustitia et Iure. §. 11. Eintheilung der Roͤmischen Juristen in ius naturale, gentium et civile . Ulpian sagt in L. 1. §. 3. D. b. t. Natur- recht sey, was die Natur allen lebendigen Geschoͤpfen durch die ihnen eingepflanzte thierische Triebe gelehrt hat; und welches also Menschen und unvernuͤnftige Thiere mit einander gemein haben. Dahin rechnet er, daß Menschen heirathen, Kinder zeugen und Kinder erziehen. Dies sey im Raturrecht gegruͤndet, weil auch die ver- nunftlosen Thiere sich begatten, ihr Geschlecht fortpflan- zen, und ihre Junge erziehen. Videmus etenim sagt Ulpian , caetera quoque animalia, feras etiam, istius iuris peritia censeri. Diese letztern Worte haben Ei- nigen corrupt zu seyn geschienen, welche statt peritia vielmehr perita lesen wollen; allein die Emendation ist unnuͤtz, peritia censeri ist gerade so viel als perita esse So heißt’s z. B. auch in L. 8. D. de adsign. libertor. manumissoris iure censeri , d. i. manumissoris ius habere. , also ist der Sinn der Worte dieser: denn wir sehen, daß auch die unvernuͤnftige und wilde Thiere dasselbige Naturgesez in sich fuͤhlen. So umschreibt es auch Theophilus in seiner grigischen Paraphrase der Institutionen Tit. de iure natur. gent. et civili. . Videmus enim non homines modo, sed caetera quoque animalia his, qui legem hanc observant, adscribi. Ueber jenen Begrif des Ulpians vom Naturrecht ist nun viel gestritten und viel geschrieben worden. Einige haben den Juristen wegen dieses Begrifs getadelt; Andere hingegen denselben zu vertheidigen ge- sucht. Man vergleiche, was Gregor Lopez Madera Animadversion, iuris civ. cap. 2. , F 2 Ferrand 1. Buch. 1. Tit. Ferrand Adduensis Explication . Lib. I. cap. 3. Tom. II. Thesaur. iur. civ. Ev . ottonis pag. 507. , Wilhelm van der Muelen Exercitat. in Tit. D. de Iust . et I. ad h. L . Gerhard Noodt Commentar . ad Digesta h. t. pag. 4. , insonderheit M. Aurel Galvanus Dissert. var. de Usufructu cap. 5. , Joseph Finestres In Hermogeniani ICti iuris Epitomar. Li- bros VI. Commentar . Tom. I. Lib. I. Exerc. I. , Tho- mas Papillon i us Comment. ad Tit. D. de Iust. et Iure Tom II. Thesaur. iur. civ. et canon. Ger. meermanni pag. 553. , Ulrich Huber Digress. Iustinian . P. I. Lib. I. cap. XI. , und Gott- lieb Kortte Vindiciae L. 1. §. 4. D. de I. et I . de iure, quod natura omnia animalia docuit . Lipsiae 1727. daruͤber commentirt haben. Daß Ulpians Begrif vom Naturrecht aus den Lehrsaͤtzen der alten stoischen Philosophie zu erklaͤren, wird von denen meisten Auslegern nicht ohne Grund behauptet, und zwar scheint Ulpian die Meinung des Chrysippus an- genommen zu haben, welche Diogenes Laertius in Zenone , und Cicero in seinen Buͤchern de Officiis mehrmahlen anfuͤhrt de Offic. Lib. I. c. 31. Sic est faciendum, ut contra uni- versam naturam (i. e. communem) nihil contendamus, et ea tamen conservata propriam (i. e. humanam) sequa- mur . Siehe Hofacker in Princip. iur. civilis Rom. germ . T. I. §. 5. N. a. . Chrysipp lehrte, der Mensch habe eine zwifache Natur vom Schoͤpfer erhalten; ein- mahl eine thierische, welche er mit allen andern, auch un- vernuͤnftigen, Thieren gemein habe; sodann eine ihm ei- gene, menschliche Natur. Nach seiner thierischen Na- tur waͤren gewisse Triebe und Neigungen in ihm gepflanzt, die de Iustitia et Iure. die er mit allen andern Thieren gemein habe. Die Stoi- ker nannten diese τὰ πρῶτα κατα φύσιν Wie der alte Philosoph Taurus beym gellivs Noct. Atticar . Lib. XII. c. 5. bezeugt. . Allein nach seiner eigenen menschlichen Natur waͤre er ein ver- nuͤnftiges Wesen, welches nicht nur jene natuͤrliche Triebe mit Vernunft zu maͤßigen, sondern auch nach den Kraͤften seines Verstandes mit moralischer Freyheit zu handeln vermoͤchte. Nach dieser zwifachen Natur des Menschen nahm man nun auch ein doppeltes Na- turrecht an, das eine war, was man ius naturale im eigentlichen Verstande nennte, und in der gemei- nen thierischen Natur aller lebendigen Geschoͤpfe seinen Grund haͤtte. Dieses bestehe in denen von der Natur, worunter die Stoiker Gott verstanden Quid enim aliud est natura, sagt seneca de Benefic . Lib. IV. c. 7. quam Deus, et divina ratio, toti mundo et partibus eius inserta? , allen leben- digen Geschoͤpfen eingepflanzten Trieben, welche Menschen und Thiere mit einander gemein haben. Z. B. so fuͤhlt der Mensch einem ihn angebohrnen Trieb in sich, sich sowohl selbst zu erhalten, als auch sein Geschlecht fortzupflan- zen. Dieselben Triebe habe aber auch die Natur allen andern Thieren eingepflanzt. Principio generi animan- tium omni est a natura tributum, sagt daher Cice- ro de Offic . Lib. I. c. 4. , ut se, vitam, corpusque tueatur, declinet- que ea, quae nocitura videantur, omniaque, quae- cumque ad vivendum sint necessaria, anquirat, et paret, ut pastum, ut latibula, ut alia eiusdem ge- neris. Commune autem animantium omnium est coniunctionis appetitus, procreandi causa, et cura quaedam eorum quae procreata sunt. Da nun die Natur dem Menschen auch ein angebohrnes Recht gege- F 3 ben 1. Buch. 1. Tit. ben, diesen Trieben zu folgen, ein gleiches Vermoͤgen, secundum naturam vivendi, aber auch denen Thieren angebohren sey, so erzeugte sich auf solche Art die von Ulpian angenommene Idee eines den Menschen mit den Thieren gemeinschaftlichen Naturrechts Vergleiche noch Christ. Henr . eckhardi Hermenev- tic. iuris Lib. I. Cap. IV. §. 132. und Car. Frid . walch in den Anmerkungen S. 219. . Von die- sem unterschied man das denen Menschen eigne Natur- recht, welches man ius gentium nannte. Hierunter ver- stehen die alten Roͤmischen Juristen dasienige Recht, was nur allein Menschen, jedoch alle Menschen, mit einander gemein haben, und welches ihnen die allen ge- meine Vernunft lehrt. Gentes heissen hier nicht Na- tionen, Voͤlker, wie es Brisson erklaͤrt de Verbor. iuris significat . v. gens . , sondern uͤberhaupt Menschen . Es wird dies Wort hier in eben der Bedeutung genommen, wie bey denen Franzo- sen das Wort gens . Ius gentium ist also nicht durch Voͤlkerrecht, sondern durch Menschen-Recht zu uͤber- setzen, wie aus dem Folgenden erhellen wird. Gajus L . 9. D. b. t . sagt: Quod naturalis ratio inter omnes homines constituit, id apud omnes peraeque custoditur: vocaturque ius gentium , quasi quo iure omnes gentes utuntur. Hiermit stimmt auch Ulpian in der oben angefuͤhrten Stelle §. 4. uͤberein, wenn er sagt, hoc (sc. Ius gentium ) solis hominibus inter se coin- mune est; und Pompon L. 2. h. t. rechnet dahin Got- tesverehrung, Gehorsam gegen die Eltern, und Liebe fuͤrs Vaterland. Florentin L. 3. h. t. fuͤgt noch hin- zu: Vertheidigung gegen ungerechten Angrif, und uͤber- haupt alle aufs gesellige Leben sich beziehende Menschen- pflichten; z. B. daß kein Mensch dem andern nach seinem Leben oder Gut trachte. Weil nun dieses sogenannte Ius de Iustitia et Iure. Ius gentium in der menschlichen Natur gegruͤndet ist, und solche Vorschriften enthaͤlt, die immer gut und billig sind, weil sie die Vernunft lehrt, so nennen die Roͤmi- schen Juristen dieses Recht auch ius naturale L. 11. pr. D. h. t. L. 2. D de Rer. divis . , und naturalis aequitas L. 32. D. de peculio . cicero in Topic. c. 7. 23 . . Aus dieser Quelle des gemei- nen Menschen-Rechts leitet Hermogenian L. 5. D. de l. et l . auch Krieg, Eintheilung der Voͤlker, Staatenerrichtung, Ab- sonderung des Eigenthums, Begraͤnzung der Aecker, Er- bauung der Haͤuser und Staͤdte, Treibung des Handels und Gewerbes, Vertraͤge, besonders Kauf und Pach- tung, samt denen daraus entspringenden Verbindlichkei- ten her Ueber diese Stelle des Hermogenians verdient insonder- heit Ios . finestres in Hermogeniano a. a. O. Exercit. 3. u. folgg. verglichen zu werden. . Allein heutiges Tages nehmen wir Ius gentium in jener Roͤmischen Bedeutung nicht, sondern verstehen darunter das eigentliche Voͤlkerrecht , das ist, den Inbegrif solcher Rechte und Verbindlichkeiten, welche freye Voͤlker gegen einander zu beobachten haben; und dieses kann auch Positivrecht seyn, insofern es sich auf Vertraͤge oder Gewohnheiten gruͤndet S. Hoͤpfners Naturrecht §. 215. . Man behauptet insgemein, daß der Roͤmer ius Gentium nichts anders, als das Naturrecht im heutigen Begrif genom- men sey. Ganz unrichtig ist diese Meinung eben nicht; allein es lassen uns doch verschiedene Stellen vermuthen, daß die Roͤmer auch ein ius gentium positivum ange- nommen, denn Justinian rechnet in §. 2. I. de iure nat. gent. et civ. ausdruͤcklich auch dasjenige Recht zum iure gentium, quod usu exigente et bumanis neces- sitatibus gentes sibi constituerunt; wenn es auch gleich F 4 dem 1. Buch. 1. Tit. dem natuͤrlichen Recht zu wieder seyn sollte. z. B. so leitet Justinian Kriegsgefangenschaft und Sclaverey aus dem iure Gentium her, und bemerkt dabey, daß beydes dem natuͤrlichen Recht ganz entgegen sey, weil nach dem Naturrecht alle Menschen freyer Geburt waͤ- ren. Mit ihm stimmt auch Ulpian uͤberein, wenn er L. 4. b. t. die Manumission oder Entlassung der Scla- ven aus der Gewalt und Eigenthum ihres Herrn zum iure Gentium rechnet. Hieraus ergiebt sich, daß die Roͤmischen Juristen eigentlich ein zwiefaches Ius gentium angenommen. Erstens ein natuͤrliches , wornach alle Menschen leben, was schon die gesunde Vernunft lehrt, und dem Menschen gleichsam ins Herz geschrieben ist. Ein Recht, was nicht von Menschen eingefuͤhrt, sondern von Gott selbst durch unveraͤnderliche Gesetze mit der mensch- lichen Natur wesentlich verknuͤpft worden ist. Von diesen ist die Stelle in denen Institutionen des K. Justinians zu verstehen, wo es §. 11. de I. N. G. et C. heißt: Sed naturalia quidem iura, quae apud omnes gentes peraeque observantur, divina quadam providentia constituta, semper firma atque immutabilia perma- nent. Sodann ein positives , was zwar Menschen und Voͤlker mit einander gemein haben, aber doch nur von Menschen um des gemeinen Nutzens und der Noth- wendigkeit willen ist eingefuͤhret worden. Das erstere wird von Einigen Primarium , das letztere aber Se- cundarium genennet. Von dem iure naturali und gentium in der erklaͤr- ten Bedeutung unterschieden nun die Roͤmer das Ius Ci- vile: und verstanden darunter uͤberhaupt das positive Recht eines einzelnen Staats. Nam quod quisque populus ipse sibi ius constituit, sagt Gajus L. 9. b. t. id ipsius proprium civitatis est: vocaturque ius de Iustitia et Iure. ius civile , quasi ius proprium ipsius civitatis. In einem noch eminentern Sinn aber benennte man das po- sitive Recht des Roͤmischen Staats mit diesem Namen, so wie auch noch heutiges Tages das Roͤmische Recht κάτ ἐξοχην das buͤrgerliche oder civil Recht ge- nennet zu werden pfleget. Die uͤbrige Bedeutungen von ius civile uͤbergehe ich, weil man sie in dem Hoͤpfner- schen Commentar uͤber die Heinecciussischen Institu- tionen §. 31. S. 39. der zweiten Ausgabe schon voll- staͤndig angefuͤhrt findet. Statt dessen aber erlaube man mir noch eine Bemerkung hinzuzufuͤgen. Es ist bekannt, daß die Peregrini, worunter man bey den Koͤmern ehe- mals alle diejenigen verstand, die keine Roͤmische Buͤrger waren, nicht nach dem Recht der roͤmischen Buͤrger gerich- tet, sondern die bey ihnen statthabende Rechte und Ver- bindlichkeiten vielmehr nach dem Iure Gentium beurtheilt wurden: Georg Schubart denkt sich dabey das gemeine Natur . und Voͤlkerrecht de Fatis Iurisprud. Rom . Exerc. II. pag. 399. . Allein seine Erklaͤ- rung stimmet mit demjenigen nicht uͤberein, was wir theils in denen Roͤmischen Striptoren, theils in denen Fragmen- ten des Antejustinianeischen Rechts vom iure peregrino- rum aufgezeichnet finden. Diese belehren uns, daß man bey den Peregrinis einen Unterschied gemacht, ob sie Buͤrger einer gewißen unter Roͤmischer Souveraͤnitaͤt gestandenen Stadt waren, oder nicht: leztere nennte man ἀπόλιδες, d. i. nullius certae civitatis cives, diesen verstatteten die Roͤmer blos das, was iuris gen- tium war, wie Marcian in L. 17. D. de poenis anmerkt. Ihre Rechtssachen entschied daher der Praͤ- tor peregrinus nach der Vernunft und dem gemeinen Menschenrecht, insofern ihm nicht etwa aͤhnliche rechts- kraͤftig abgeurtheilte Faͤlle, oder die Roͤmischen Gesetze selbsten hierin eine Entscheidungsnorm an die Hand ga- F 5 ben. 1. Buch. 1. Tit. ben. Solche peregrinos hingegen, die Buͤrger einer gewißen Stadt waren, richtete der Praͤtor peregrinus nach denen Gesetzen derjenigen Stadt, zu welcher Je- der gehoͤrte. Man vergleiche hierbey folgende Stellen des Cicero Epist. Fam . Lib. XIII. Ep. 9. und in Verrem Lib. II. c. 22. Desgleichen Varro de Ling. Lat . in Excerpt. Vett. Grammaticor. Beym Dio- nys. Gothofred S. 1375. auch Ulpian in Fragm . Tit. XX. §. 14. und Anton Schulting in den No- ten uͤber den Ulpian Not. 45. Von dem verschiedenen Recht der Peregrinorum handelt am besten Franz Carl Conradi in Parergis Lib. I. N. I. §. XI. u. folgg. In beyden Faͤllen sagte man jedoch vom Praͤtor peregrinus, quod iure gentium iudicaret. Hieraus klaͤrt sich also noch eine besondere Bedeutung vom iure gentium auf, worunter die Roͤmer auch das positive Recht einzelner Voͤlker verstanden Beylaͤufig hat dieses auch Joh. Theoph. Seger in Diss. de vi legum et decretorum interritorio alieno (Lipsiae 1777) §. 3. angemerkt. . §. 12. und 13. Eintheilung des Rechts in Staats- und Privat- recht . Der Ordnung nach sollten wir nun 2) das Recht nach Verschiedenheit des Gegenstandes in das Staats- und Privatrecht eintheilen. Es wird jedoch zufoͤrderst noͤthig seyn, einige widrige Einthei- lungen und Begriffe aus dem Wege zu raͤumen, wo- durch der Autor das System ganz verwirrt hat. Er theilt nehmlich das Ius civile hier auf eine doppelte Art de Iustitia et Iure. Art ein, einmahl in ius civile universale und particu- lare , und dann in publicum und privatum. Hiergegen muß ich zuerst erinnern, daß der Autor sich genoͤthiget sie- het, die Benennung ius civile in einer Bedeutung zu nehmen, die vom Roͤmischen sowohl als heutigen Sprach- gebrauch ganz abweicht. Unter ius civile verstehet je- der Jurist das positive Recht eines einzelnen Staats. Dies ist auch der gesezliche oder Roͤmische Begrif, wie beym vorhergehenden §. angefuͤhrt worden ist. Da dieses Civilrecht aber seiner Natur nach nur jederzeit ein particulaires Recht ist, so ist es unmoͤglich, selbiges in universale und particulare einzutheilen. Unser Au- tor nimmt also Civilrecht in einer ganz eigenen Be- deutung. Er verstehet darunter dasjenige Recht, wor- nach diejenigen leben muͤssen, welche Buͤrger eines Staats sind. Dieses Civilrecht, faͤhrt er nun fort, kann entweder aus dem blosen Begrif eines Staats mit Huͤlfe der gesunden Vernunft hergeleitet und er- kannt werden, oder es gruͤndet sich lediglich auf den Willen des Regenten. Ersteres nennt er das allge- meine buͤrgerliche Recht und lezteres das beson- dere buͤrgerliche Recht . Allein ersteres ist ja of- fenbahr nur ein Zweig des Naturrechts, welcher von den Lehrern deßelben das allgemeine Staatsrecht genennet wird; und vornehmlich die aus dem Begrif eines Staats herfließende Rechte und Verbindlichkei- ten des Regenten als Regenten, und der Unterthanen als Unterthanen enthaͤlt. Denn ein natuͤrliches buͤrger- liches Privatrecht giebt es nicht, weil sich, wie der ver- dienstvolle Herr Oberappellationsrath Hoͤpfner in seinem Naturrecht §. 273. richtig bemerkt, keine specielle Rech- te und Verbindlichkeiten angeben laßen, die jeder Buͤr- ger als Buͤrger haͤtte, und die nicht schon im außerge- sellschaftlichen Zustande, oder in der Gesellschaft uͤber- haupt 1. Buch. 1. Tit. haupt statt faͤnden. Wir theilen also nun vielmehr das Recht nach seinem Gegenstande in das Staats- und Privatrecht ein. Staatsrecht nennt unser Au- tor einen Inbegrif von Gesetzen, wodurch die Rechte und Verbindlichkeiten des Regenten und der Untertha- nen gegen einander bestimmt werden. Privatrecht hingegen ist ihm der Inbegrif solcher Gesetze, welche die Rechte und Verbindlichkeiten der Unterthanen ge- gen einander selbst bestimmen. Es ist bekannt, daß bey Bestimmung des Begrifs des Staatsrechts die Staatsrechtsgelehrten selbst nicht einig sind, indem ei- nige, zu denen Hellfeld gehoͤrt, dabey auf das Sub- ject, nehmlich auf den Regenten und die Unterthanen im Verhaͤltniß gegen einander betrachtet, sehen, andere die Rechte und Verbindlichkeiten der hoͤchsten Gewalt zum Mittelpunct ihres Begrifs machen; noch andere auf die Staatsverfassung, die Verwaltung der hoͤch- sten Gewalt darinn, und derselben Verhaͤltniß gegen Auswaͤrtige gesehen haben wollen. Man findet eine gruͤndliche Pruͤfung dieser verschiedenen Begriffe in des Herrn Hofr. Schnauberts gelehrten Schrift de Ana- logia iuris publici Imperii, in fontibus iuris publici S. R. I. territoriorum non numeranda. Helmst. 1785. §. 1. Dem sey indessen wie ihm wolle, so verdient wohl unter diesen so verschiedenen Begriffen der von unserm Autor angenommene den wenigsten Beifall, indem hier- durch offenbahr alle diejenigen Rechte und Verbindlich- keiten, welche das Verhaͤltniß eines Staats gegen Auswaͤrtige betreffen, ausgeschlossen werden, mithin die- ser Begrif in dieser Ruͤcksicht ohne Zweifel zu eng ist- Der richtigste und vollstaͤndigste Begrif vom Staats- recht ist unstreitig der, wenn man sich darunter einen Inbegrif von Gesetzen denkt, welche die Rechte und Verbindlichkeiten in Ansehung der Verfassung und Re- gie- de Iustitia et Iure. gierung eines Staats bestimmen Daß Staatsrecht auch noch in anderer Bedeu- tung fuͤr Staatsrechtsgelehrsamkeit ( Iurisprudentia pu- blica ) genommen werde, wird in der Folge bey Entwi- ckelung der mancherley Theile der in Deutschland uͤblichen Rechtsgelahrtheit gesagt werden. . Privatrecht wuͤrde hingegen der Inbegrif derjenigen Gesetze seyn, wel- che die Staats- und Regierungsverfassung nicht betref- fen. Das Staatsrecht kann wieder in das allge- meine oder natuͤrliche , und in das besondere oder positive eingetheilet werden, je nachdem die zu demselben gehoͤrige Rechte und Verbindlichkeiten entwe- der schon aus dem Begriffe eines Staats herfliessen, und daher allen Staaten gemein sind, oder sich auf besondere Vertraͤge und positive Gesetze gruͤnden, und daher nur diesem oder jenem Staat eigen sind. Zu dem leztern gehoͤrt das teutsche Staatsrecht , wor- unter man den Inbegrif derjenigen Gesetze verstehet, welche die Rechte und Verbindlichkeiten in Ansehung der Verfassung und Regierung des teutschen Staats be- stimmen. Dieses ist entweder Reichsstaatsrecht ( Ius publicum Imperii s. imperiale ) oder Landes- staatsrecht , ( Ius publicum territoriale ) je nach- dem es entweder die Staatsverfassung des ganzen teutschen Reichs uͤberhaupt, als ein Staatskoͤrper be- trachtet, oder die Regierungsverfassung der besondern teutschen Reichslande zum Gegenstande hat. Ersteres pflegt zwar das allgemeine , und lezteres das beson- dere teutsche Staatsrecht von denen Publicisten genennt zu werden, allein die Abtheilung in Reichs- und Landesstaatsrecht ist der teutschen Verfassung angemessener S. Hofr. Schnauberts Anfangsgruͤnde des Staats- rechts der gesammten Reichslande. Jena 1787. 8. und Joh. . Dies sind die heutigen Begriffe von Staats- 1. Buch. 1. Tit. Staats- und Privatrecht ; wir wollen nun aber auch noch die Begriffe hinzufuͤgen, die sich die alten Roͤmischen Juristen davon gemacht haben. Ulpian sagt L. 1. §. 2. b. t. Publicum ius est, quod ad statum rei Romanae spectat: Privatum , quod ad singulorum utilitatem. Sunt enim quaedam publice utilia, quae- dam privatim. Publicum ius in sacris, in sacerdoti- bus, in magistratibus consistit. Staatsrecht nann- ten sie also eigentlich dasjenige Recht, was die Verfas- sung des Roͤm. Staats ( rei Romanae ) betrift, und die- jenigen Gesetze in sich begreift, welche auf das Wohl des ganzen Staats abzweckten. Zu diesem rechneten sie we- gen der genauen Verbindung der Roͤm. Goͤtterlehre mit dem Staatssystem auch das Ius sacrum , welches theils feciale , theils augurale , theils pontificium war Vid. Io. Frid . eisenhart Diss. de iure publico Pop. Rom . ad L. 1. §. 2. D. de I. et I . Helmst. 1764. Franc. Car . conradi Disp. de Fecialibus et iure Feciali Pop. Rom Helmst. 1734. Io. lac . mascov . Diss. de Iure auspicii apud Rom . Lips. 1721. und Iac . gvtherivs de veteri iure pontificio urbis Romae . in Thesaur. Antiquit. Rom . graevii Tom. V. . Privatrecht hingegen war ihnen alles dasjenige Recht, welches zunaͤchst bloß den Vortheil der einzelnen Buͤrger zur Absicht hatte. Ausser jener eigentlichen Bedeutung des Iuris publici finden wir jedoch noch manche andere Bedeutungen dieser Benennung in denen Roͤmischen Ge- setzen, welche merkwuͤrdig sind. So sagt z. B. Papi- nian in L. 3. D. Qui testamenta facere poss. Die Testamentifactio sey nicht privati sondern publici iuris. Hier wird alsdann dasjenige publici iuris genennt, was von der ausdruͤcklichen Concession der Gesetze abhaͤngt, und Joh. Richard Roths Staatsrecht deutscher Reichslande. Mainz 1788. 8. de Iustitia et Iure. und weder eine Folge des, wenn gleich freyen Eigen- thums ist, noch durch die Einwilligung eines andern, in dessen Gewalt man ist, erlangt werden kann, sondern was nur bloß solchen allein zustehet, denen die Gesetze diese Macht oder dieses Recht verliehen haben. Gerade so verhaͤlt es sich mit der Testamentifaction. Diese ertheilen die Gesetze nur denen Patribus familias. Also kann kein filius familias als ein solcher, solang er in vaͤterlicher Gewalt ist, ein Testament machen. Wenn auch gleich der Sohn das freye Eigenthum seiner Ad- ventirien haͤtte, und der Vater seine Einwilligung zur Testamentsverfertigung gegeben. Die Testamentifaction ist also ein Recht, so nur die Gesetze ertheilen, was aber kein Privatus dem andern zu ertheilen ver- mag. Sodann wird ius publicum auch fuͤr ein solches Recht genommen, was um des gemeinen Bestens willen eingefuͤhrt ist, wenn es auch gleich nicht den ganzen Staat, sondern nur zunaͤchst Privatpersohnen angehet. So wird z. B. das Recht, die in redlicher Absicht fuͤr einen andern, in Hofnung der Wiedererstattung vorge- schossene Begraͤbnißkosten zuruͤckzufordern, in L. 20. pr. D. de religiosis publicum ius genennt, was zum Nachtheil eines solchen Glaͤubigers durch keine vom Schuldner mit einem Dritten etwa des Begraͤbnisses halber geschloßne Vertraͤge vereitelt oder vermindert werden kann. Eben so wird ferner das Recht des Muͤndels, sich wegen erlitte- nen Schadens, in Ermanglung anderweitiger Deckung an dem Vormundschaftsgericht zu regreßiren, wenn sol- ches bey der geschehenen Bestellung des Vormunds einer sich zu Schulden gebrachten Fahrlaͤßigkeit oder Pflicht- vergessenheit uͤberwiesen werden koͤnnte, in L. 1. §. 9. D. de magistrat. conven . ebenfalls ius publicum genennt, und zugleich verordnet, daß wenn etwa das Waysen- Gericht einem Amtsbeisitzer allein die Untersuchung der Si- cherheit 1. Buch. 1. Tit. cherheit des Vormunds aufgetragen, und dabey mit dem- selben verabredet haͤtte, daß die Bestellung des Vormunds bloß auf seine Gefahr geschehe, dieser aber nicht pflichtmaͤs- sig verfahren, solcher Vertrag den Pupillen nicht praͤjudi- ciren, noch die uͤbrige Mitglieder des Vormundschaftsge- richts von ihrer Vertretungsverbindlichkeit befreyen solle, sondern nur so viel bewuͤrke, daß jener zuerst allein fuͤrs Ganze haften muͤsse, und erst nach ihm die Vertretung an die uͤbrigen Beysitzer komme. Hieraus erklaͤrt sich nun, wenn Papinian in L. 38. D. de pactis sagt: ius pu- blicum privatorum pactis mutari non pot- est ; welches den Sinn hat, was die Gesetze zum gemeinen Besten verordnet haben, kann durch Privatvertraͤge zum Nachtheil Anderer nicht abgeaͤndert oder aufgehoben wer- den. Denn durch Vertraͤge koͤnnen die Paciscenten nur uͤber ihr eigenes Interesse disponiren; allein Andern Rechte und Vortheile zu entziehen, oder zu mindern, welche ihnen das gemeine Recht gestattet, sind sie nicht befugt Ius publicum , sagt Ev . otto in Papiniano Cap. X. §. 6. sey hier nicht illud, quod in sacris, in magistra- tibus, et sacerdotibus consistit; sondern soviel als ius commune , quod omnium utilitatem respicit, und werde dem iuri per conventionem, testamentum aut privile- gium quaesito entgegengesezt. . Zuletzt wird Ius publicum auch alles dasjenige genennet, was die Verwaltung eines oͤffentlichen Amts oder Staatsbedienung angehet. So sagt z. B. L. 14. D. ad Sctum Trebell . Quod ad ius publicum attinet, non sequitur ius potestatis, das heisset, wie der Zusammenhang mit L. 13. §. 5. D. eodem lehret, wenn ein filiusfamilias ein oͤffentliches Amt im Staat bekleidet, so hat ihm der Va- ter in Amtssachen nichts zu befehlen. Non sequitur, nehmlich filiusfamilias, ius potestatis , nehmlich patriae, also ist der Wortverstand, der Sohn kehrt sich an die Rechte de Iustitia et Iure. Rechte der vaͤterlichen Gewalt nicht, unter welcher er als filiusfam. stehet, wenn er als Consul oder Praͤtor handelt; so erklaͤrt diese Stelle Joseph Fine- stres in Hermogeniano Tom. II. Lib. VI. pag. 1049. und folg. , und ich glaube richtig, denn die Emenda- tion des Cornelius van Bynckershoͤck in Observat. iur. Rom . Lib. I. cap. 18. welcher non sequimur (i. e. non observamus, non attendi- mus ad patriam potestatem,) lesen will, scheint mir voͤllig uͤberfluͤssig zu seyn. Uebrigens hat von den mancherley Bedeutungen des Iuris publici am aus- fuͤhrlichsten gehandelt Ulrich Huber in seinen Di- gressionib. Iustinianeis Part. II. Lib. I. Cap. 21. §. 3. und folg. §. 14. Eintheilung des Rechts in Permissiv- und Zwangs- recht . Nichtigkeit der Handlungen, welche gegen verbie- tende Geseze unternommen worden, und ob gegen verbietende Gesetze eine guͤltige Entsagung statt finde? Das Recht, fuͤr einen Inbegrif von Gesetzen genommen, kann auch 3) seiner Wuͤrkung nach eingetheilt werden. Denn ist es entweder Permissiv- oder Zwangs- recht . Ersteres ( ius permissivum ) enthaͤlt Gesetze, welche ein Recht oder Vermoͤgen etwas zu thun ver- statten. So Z. B. geben die Gesetze jedem, der sui iuris, und dabey Pubes ist, das Recht, ein Testament zu machen. Ferner jeder zur Erfuͤllung der Ehezwecke tuͤchtige Mensch hat das freye Recht, eine Ehe einzugehen, oder Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. G 1. Buch. 1. Tit. oder sich derselben zu enthalten. Eben so erlauben auch die Gesetze einem Vater, seine natuͤrliche Kinder durch nachfolgende Ehe mit ihrer Mutter zu legitimi- ren. Lezteres ( Ius cogens ) enthaͤlt im Gegentheil Ge- setze, welche eine Handlung gebiethen oder verviethen. Permissivgesetze legen nun zwar demjenigen, dem dadurch etwas verstattet oder ein gewisses besonderes Recht ertheilet wird, der Regel nach keine Verbind- lichkeit auf, sich desselben zu bedienen, sondern uͤber- lassen solches eines Willkuͤhr; ich sage, der Regel nach , denn es findet eine Ausnahme statt, wenn das mir verstattete Recht mit dem Recht und der Befug- niß eines Andern dergestalt in Verbindung stehet, daß solche durch den Nichtgebrauch meines Rechts ge- kraͤnkt werden wuͤrde. Z. B. So kann ein filiusfami- lias sich ohne Wissen und Willen seines Vaters der Rechtswohlthat des Macedonianischen Rathsschlusses rechtsguͤltig nicht begeben Struben in den rechtlichen Bedenken . I. Th. B. 156. S. 377. ; auch kein Geistlicher seinem befreieten Gerichtsstande ohne Consens des ordentlichen geistlichen Richters entsagen cap. 12. X. de foro compet . quia pacto privatorum iuri publico minime derogatur. S. G. L . boehmer in Princip. iuris canon . Lib. II. Sect. III. Tit. 6. §. 243. not. b. . Allein jeden andern verbinden sie jedoch perfecte, denjenigen, welchem die Gesetze eine Befugniß zu handeln verstattet haben, in dem rechtmaͤsigen Gebrauch seines Rechts nicht zu stoͤhren noch zu verhindern. Auf solche Art laͤsset sich diese Eintheilung des Rechts in ius permissivum und cogens wohl vertheidigen, ob sie schon einige Rechts- gelehrten, wiewohl ohne genugsamen Grund, haben ver- de Iustitia et Iure. verwerfen wollen grotius de I. B. et P . Lib. I. c. l. §. 9. puffen- dorf de Iur. Nat. et Gent . L. I. c. 6. §. 15. Allein man sehe nach Frid. Lud . doering Diss. de quadru- plici Legis virtute . Erford. 1776. §. 5. . Ja sie ist selbst in denen Ge- setzen gegruͤndet; denn so sagt Modestinus in L. 7. D. de Legib. ausdruͤcklich: Legis virtus haec est: imperare, vetare, permittere , punire. Zwangsge- setze hingegen schliessen allen Willkuͤhr zu handeln aus, und legen allen und jeden die vollkommene Verbindlich- keit auf, dasjenige, so dieselben befohlen, zu thun, und was sie verbothen haben, zu unterlassen, wenn man sich nicht die auf dem entgegengesezten Fall be- stimmte Uebel zuziehen will. Daher wird das ius co- gens wieder in ein gebietendes ( ius praecepti- vum ) und verbietendes Recht, ( ius prohibitivum ) eingetheilet, nachdem es entweder etwas zu thun oder etwas zu unterlassen anbefiehlt. Das verbie- tende Recht kann wieder sehr verschieden seyn. Man- che Handlungen verbiethet schon das Naturrecht (ius prohibitivum naturale); manche Handlungen hingegen sind natuͤrlich erlaubt und verbindlich, aber die buͤrger- lichen Gesetze verbieten sie ( ius prohibitivum positivum ). Da die Gruͤnde, wodurch der buͤrgerliche Gesezgeber bewogen wird, eine natuͤrlich erlaubte Handlung zu verbieten, mancherley seyn koͤnnen, so lassen sich hier- aus wieder verschiedene Classen des verbietenden Posi- tivrechts formiren. Der Grund des buͤrgerlichen Ver- bots ist entweder aus der Handlung an sich, ohne Ruͤcksicht auf die Persohn der Contrahenten, oder aus dem persoͤhnlichen Verhaͤltniß derselben herzuleiten. Im erstern Fall entstehet ein allgemein verbietendes Positivrecht ( ius prohibitivum positivum obiecti- ve tale ), welches diejenigen Faͤlle in sich begreift, G 2 wo 1. Buch. 1. Tit. wo die Handlung nicht blos gewissen Persohnen, son- dern allgemein verbothen ist, weil die uneingeschraͤnkte Freiheit, sie zu unternehmen, mit nachtheiligen Folgen fuͤr den Staat verknuͤpft seyn kann. Hierher gehoͤren die Hazardspiele L. 3. C. de Aleator. , der unerlaubte Zinswucher ( usu- raria pravitas ) Ref. Polic. Ordn. von 1530. tit. 26. von 1548. tit. 17. und 1577. tit. 17. , der commissorische Vertrag bey Verpfaͤndungen L. ult. C. de pact. pign. , der Vergleich, wodurch kuͤnftigen Alimenten, ohne richterlichen Consens, entsaget wird L. 8. pr. D. et L. 8. C. de transact. , die Verabredung, daß statt der auf einen Proceß vor- geschossenen Kosten und gesezmaͤsigen Zinsen davon, ein Theil des gewonnenen Vermoͤgens gezahlt werden solle ( pactum de quota litis ) L. 53. D. de pactis. L. 5. C. de postul. , die Schenkung einer Summe, welche sich uͤber 500 Solidos belaͤuft, ohne gerichtliche Insinuation L. 36. §. ult. Cod. de donat. , u. d. m. Im leztern Fall, wenn die buͤrgerlichen Gesetze blos gewissen Persohnen, die Befugniß, rechtliche Handlungen einzugehen, ge- nommen haben, ( ius prohibitivum positivum subie- ctive tale ) lassen sich wieder zwey Faͤlle annehmen. Einige Persohnen schliessen die verbietende Positivgesetze zu ihrem eigenen Besten von allen oder einigen rechtlichen Handlungen aus, weil sie annehmen, daß ih- nen die gehoͤrige Einsicht, Ueberlegung und Freiheit des Willens abgehe, oder sie doch wenigstens der Ueberei- lung, und ungebuͤhrlicher Verleitung vorzuͤglich ausge- gesezt sind, dahin gehoͤren z. B. die Buͤrgschaften und sonstigen Intercessionen der Frauenspersohnen, deßglei- chen de Iustitia et Iure. chen die rechtlichen Geschaͤfte der Unmuͤndigen und Min- derjaͤhrigen, auch solcher Persohnen, welche gerichtlich fuͤr Verschwender erklaͤrt sind, ohne Einwilligung der Vormuͤndere. Andere Persohnen hingegen entfernt das buͤrgerliche Verbot von Eingehung gewisser Rechts- handlungen, weil es die gemeine Wohlfarth erfordert. So ist z. B. denen Richtern das Annehmen der Ge- schenke untersagt, wenn auch an sich keine unerlaubte Absicht dabey obwalten sollte L. 6. C. ad L. Iul. repetund. Nov. 8. und 161 . . Ferner darf keinem Christen die Schuldforderung eines Juden an einen Christen abgetreten werden R. A. vom Jahr 1551. §. diesem zu begegnen. R. P. O. v. J. 1577. tit. 20. §. Es soll auch. , nicht weniger ist die Cession an einen Maͤchtigern verbothen L. 2. C. ne liceat potentioribus. . Hierher gehoͤren auch die verbotenen Heirathen unter gewissen Persohnen, theils wegen zu naher Blutsfreundschaft und Schwaͤgerschaft, theils wegen anderer Ursachen. Die Classification dieser verschiedenen Gattungen des verbietenden Rechts wird uns in der Folge manchen Nutzen schaffen Siehe Herrn Prof. Webers Entwickelung der Lehre von der natuͤrlichen Verbindlichkeit . 2te Abth. §. 65. 66. und 67. . Zulezt kann das Prohibitivrecht auch in ein durchaus verbietendes ( ius absolute prohibitivum ) und solches, was nicht durchaus und schlechterdings, sondern nur hypothetisch verbie- tend ist, ( ius secundum quid prohibitivum ) einge- theilt werden. Wie wenn nun aber eine Handlung gegen ein dergleichen verbietendes Gesez unternommen worden ist, was hat sie fuͤr Wirkung? ist sie schlechterdings fuͤr G 3 null 1. Buch. 1. Tit. null und nichtig zu halten? Die Note 1. enthaͤlt die Entscheidung dieser Frage. Regulariter , sagt daselbst der Autor, actus contra legis probibitionem susceptus est nullus. Ich trete dieser Meinung ohne weiteres Bedenken bey. Schon die gesunde Vernunft uͤberzeugt uns von dieser Regel, denn indem die Gesetze diese oder jene Handlung verbieten, so wird eben dadurch denen Unterthanen die moralische Befugniß dazu entzo- gen. Wie nun von dieser Befugniß die Guͤltigkeit und rechtliche Wirkung der Geschaͤfte abhaͤngt; so verstehet es sich von selbst, daß das buͤrgerliche Verboth die Nichtigkeit solcher Handlungen, welche dagegen unter- nommen werden, nach sich ziehen muͤsse S. puffendorf in I. N. et G . Lib. III. cap. 7. §. 6. Zwar meint grotius de Iure B. et P . Lib. II. c. 5. §. 14. n. 4. et 10. es sey noch ein Unterschied unter ver- bieten, und eine Handlung nichtig machen; und erste- res schliesse das leztere nicht nothwendig in sich, indem dem Verbot auch durch eine Strafe ein Genuͤge geschehen koͤnne. Allein Herr Regierungsrath Eichmann hat diese Meinung in seinen vortreflichen Erklaͤrungen des buͤrgerlichen Rechts I. Th. S. 31. gruͤndlich wi- derlegt. . Es be- staͤttigen aber auch das nehmliche die deutlichsten Civil- gesetze. Deutlicher und bestimmter kann keine Vorschrift seyn, als die Verordnung der Kayser Theod . und Valent . im L. 5. C. de Legib. Die Distinction des aͤltern Roͤm. Rechts inter leges perfectas, imperfectas et minus quam perfectas , die ich schon oben S. 56. u. 57. erlaͤutert habe, uͤbergehe ich hier um so mehr, da sie durch das neuere Roͤm. Recht gaͤnzlich aufgehoben worden ist. , welche folgen- des Inhalts ist: Nullum pactum, nullam conven- tionem, nullum contractum inter eos videri volu- mus subsecutum, qui contrahunt lege contrahere pro- de Iustitia et Iure. prohibente. Quod ad omnes etiam legum interpre- tationes, tam veteres, quam novellas trahi, gene- raliter imperamus: ut legislatori, quod fieri non vult, probibuisse tantum sufficiat: caeteraque, quasi- expressa ex legis liceat voluntate colligere; hoc est, ut ea, quae lege fieri prohibentur, si fuerint facta, non solum inutilia, sed pro infectis etiam habeantur: licet legislator fieri prohibuerit tantum, nec specia- liter dixerit, inutile esse debere, quod factum est . Hiermit stimmt endlich auch das kanonische Recht uͤber- ein, denn das cap. 64. de Reg. iuris in 6to sagt ausdruͤcklich: quae contra ius fiunt, debent utique pro infectis haberi. So deutlich nun diese Gesetze reden, so sehr muß man sich billig wundern, wenn dennoch die Meinungen der Rechtsgelehrten hieruͤ- ber so verschieden sind. Einige halten dafuͤr, daß eine verbotene Handlung nur sodann auch zugleich als nichtig angesehen werden koͤnnte, wenn das Ge- sez dieses ausdruͤcklich verordnet haͤtte So denken voetius Comment. ad Pandect. Tit . de Legibus §. 16. Io. Steph . putter in Theo- ria generali de nullitate . Goetting. 1759. §. 17. und 20. Aug. With . meier in Comment. de nullitate sententiar. sanabili et insanabili . Goetting. 1777. §. 5. . Andere lassen zwar unsern obigen Satz, als Regel, gelten, aber sie fuͤgen im Allgemeinen die Ausnahme hinzu, daß, wenn die Gesetze etwas bey Strafe verbieten, ohne zugleich die Handlung selbst fuͤr nichtig zu erklaͤ- ren, sodann zwar die Strafe verwirkt sey, das verbo- tene Geschaͤft selbst aber seinen ungehinderten Fortgang behalte Dies ist besonders die Meinung des vinnius in Se- lect. Quaest. Lib. 1. c. 1. . Allein die erstere wie die andere Meinung G 4 ist 1. Buch. 1. Tit. ist unmoͤglich zu rechtfertigen, weil, was jene Meinung anbetrift, eines Theils nicht abzusehen, warum dasje- nige, was doch die Natur der Sache schon mit sich bringt, noch erst durch besondere gesezliche Vorschriften angeordnet seyn muͤste, andern Theils aber auch durch die oben angefuͤhrte Gesetze die Ausdruͤckung der Nich- tigkeits-Clausul bey verbietenden Gesetzen schlechterdings fuͤr unnoͤthig erklaͤret wird; nach der andern Meinung aber das offenbahre Absurdum zugelassen werden muͤßte, daß die im Gesez gedrohete Strafe, welche doch nach der Absicht des Gesezgebers den Unterthan von Un- ternehmung des verbotenen Handels noch mehr zuruͤck- halten soll, ein Mittel werden koͤnne, sich die zur Guͤltig- keit des Geschaͤfts erforderliche moralische Befugniß bey- zulegen Man sehe, was Herr Prof. Weber im angef. Buch §. 74. S. 297. und folgg. mit dem ihm eignen Scharf- sinn hieruͤber gesagt hat. Vergleiche auch Greg . maian- sii Diss. de factis contra legem : Tom. II. Dis- put . Nr. XI. Eichmann a. a. O. Car. Christph . hofa- cker Princip. iuris civ. Rom. Germ . T. I. Lib. I. cap. VI. Tit. III. §. 210. . Noch zweyerley ist jedoch hierbey zu bemer- ken. Erstens, daß obige Regel in einigen Faͤllen ge- wissermaßen eine Ausnahme findet, wo verbotene Rechts- geschaͤfte nach der Verordnung der Gesetze nichts desto- weniger aufrecht bleiben. Forschen wir jedoch dem Grunde davon genau nach, so wird sich bald ergeben, daß in andern Faͤllen keinesweges das nehmliche zu be- haupten sey. Wir wollen nun einige dieser Ausnahmen selbst pruͤfen. So ist z. B. bekannt, daß, wenn eine Wittwe vor Ablauf des Trauerjahrs sich ohne erhaltene Dispensation anderweitig verheirathet, zwar hierdurch die gesetzliche Strafe verwirkt, jedoch die, obgleich ver- botene de Iustitia et Iure botene, Ehe selbst nicht annulliret werde S. I. H . boehmer Iur. Eccl. Protest . Lib. IV. Tit. 21. §. 17. und 18. Schotts Einleitung in das Eherecht . §. 106. Hofmann Handbuch des Teut- schen Eherechts . Hauptst. 44. §. 321. püttmann Probabil. iuris civ . lib. sing. c. XVII. ingleichen Adversarior. iuris univ . Lib. I. cap. X. . Der Grund hiervon ist kein anderer, als dieser; weil die zweite Verheiratung an sich und uͤberhaupt den Gesetzen nicht zuwider ist, sondern das Verbot sich nur auf ei- ne gewisse Zeit beschraͤnkt: folglich eine gaͤnzliche Auf- hebung der Ehe theils uͤber die wahre Absicht des Ge- sezgebers hinausgehen, theils mit noch schaͤdlichern Fol- gen verknuͤpft seyn wuͤrde, als diejenigen sind, welche das Verboth der zu fruͤhen Heirath verhuͤten soll; ohne einmal die letztere selbst, nachdem die Ehe bereits vollzo- gen worden, verhindern zu koͤnnen Weber a. a. O. S. 300. . Eben dieser Um- stand, daß die Aufhebung eines gegen das gesezliche Verboth unternommenen Geschaͤfts ungleich schaͤdlichere Folgen veranlassen wuͤrde, als wenn dasselbe aufrecht bleibt, ist die Ursach, warum die zwar verbotene, aber doch dispensationsfaͤhigen Ehen unter Anverwandten nicht wieder getrennt, sondern nur diejenigen, die sie einge- gangen haben, von der Obrigkeit gestraft werden Ge. Lud . boehmer Princip. iuris canon . Lib. III. Sect. II. Tit. 5. §. 386. not. f. hellfeld §. 1218. . Es werden also in beyden Faͤllen die an sich verbotenen Ehen eigentlich erst durch die nachher erfolgte stillschwei- gende Dispensation guͤltig gemacht; Beweiß genug, wie wenig dasjenige, was hier nach besondern Verhaͤltnissen eintritt, fuͤr alle uͤbrige Faͤlle, wo die Gesetze etwas verbieten, als Regel gelten koͤnne. G 5 Zwei- 1. Buch 1. Tit. Zweitens ist zu bemerken, daß, wenn gegen das Verbot eines Gesetzes gehandelt worden, deswegen nicht immer gleich das ganze unternommene Geschaͤft nichtig sen, sondern der Regel nach nur in so weit solches dem Gesez zuwider ist, ( quatenus in legem peccatum ) es waͤre denn, daß die vorgenommene Handlung durchaus von den Gesetzen sey verboten worden vinnius Select. Quaest . Lib. I. c. I. Chr. Lud . crell Ob- servat. de fructu et effectu negotii inutilis nullius et imperfecti . Vitembergae 1750. Christ. Ferd . harpprecht Diss. de effectibus actus nul- liter gesti. Tüb. 1750. . Z. B. eine Schenkung, die sich uͤber 500 Solidos belaͤuft, und nicht gerichtlich insinuirt worden, ist deswegen nicht ganz unguͤltig, sondern nur in so weit sie diese Summe uͤber- steigt, sie gilt also wenigstens doch bis auf die erlaubte Summe L. 34. pr. und L. 36 §. 3. C. de donat. . Desgleichen wenn sich ein Glaͤubiger von seinem Schuldner mehr Zinsen hat versprechen lassen, als die Gesetze erlauben, so ist deswegen nicht die ganze Stipulation unguͤltig, sondern nur in so weit sie gesez- liche Quantitaͤr der Zinsen uͤbersteigt L. 29. D. de Usuris . Placuit, sive supra statutum modum quis usuras stipulatus fuerit, sive usurarum usu- ras , quod illicite adiectum est, pro non adiecto ha- beri, et licitas peti posse . . Auch sogar bey leztern Willensverordnungen findet dieses zuweilen statt. Z. B. wenn Eltern ein Kind ohne rechtmaͤsige Ursach enterben, so ist ein solches pflichtwidriges Testament nicht ganz unguͤltig, sondern es soll nach der Nov. 115. c. 3. nur die Erbenseinsetzung auf erhobene Querel des enterb- ten Kindes rescindiret werden. Der Grund ist leicht einzusehen. Justinian will, daß Eltern ihre Kinder zu Erben ernennen sollen, es soll also denen Eltern nicht er- de Iustitia et Iure. erlaubt seyn, ihren Kindern den gebuͤhrenden Pflichtheil, durch Schenkung, Vermaͤchtniß oder Fideicommiß zu hin- terlassen, ohne sie zu Erben einzusetzen. Haben die El- tern diese Vorschrift nicht beobachtet, so haben sie nur in Ansehung der Erbenseinsetzung wider das Gesez gehandelt, nicht in Ansehung dessen, was sie sonst an Vermaͤchtnissen, Fideicommissen, Vormundschaften, u. d. in ihren lezten Willen verordnet haben. Also ist nur jene unguͤltig, alles andere hingegen bleibt aufrecht. Ich uͤbergehe andere Beyspiele Man vergleiche L. 5. §. 2. L. 31. §. 4. D. de donat. inter Vir. et Vx. L. 7. C. de inoff. donat. , und bemerke nur noch, daß in den angefuͤhrten Faͤllen die bekannte Regel: utile per inutile non vitiatur L. 1. §. 5. D. de Verb. obligat. cap. 37. de Reg. Iur. in 6to. eintrit, welche jedoch nicht in jedem Fall anwendbar ist averanius Interpretat. iuris Tom. I. Lib. II. c. 3. n. 11. und 12. bestimmt den Gebrauch obiger Regel folgendergestalt: Haec regula obtinet, cum lex siatuit certam quantitatem, quam excedere non licet: tunc enim vitiatur solus excessus, quia vitium est solummodo in ex- cessu. Contra vero, quando lex statuit aliquid de natura actus, eique formam praescribit, tunc quia vitium est in ipsa natura formaque actus, necesse est, ut totus actus corruat. . Noch eine Frage ist zu eroͤrtern uͤbrig, nehmlich diese, ob gegen verbietende Vorschriften der Gesetze eine Entsagung statt finde? Nach der Natur verbietender Gesetze koͤnnen wir hierauf anders nicht als mit Nein antworten. Denn denken wir uns ein verbietendes Gesez, so laͤsset sich damit ohne Widerspruch nicht verbinden, daß es den Unterthanen erlaubt sey, demselben nach Gut- befin- 1. Buch. 1. Tit. befinden entgegen zu handeln. Nun wuͤrde aber die Freyheit, dem buͤrgerlichen Verbote zu entsagen, offen- bahr eine solche Befugniß involviren. Es bestaͤttigen auch selbst die Gesetze diese Regel, daß gegen verbieten- de Gesetze keine guͤltige Entsagung statt finde , eben so klar. So reseribirt unter andern K. Antonin L. 6. C. de pactis: Pacta, quae contra leges constitu- tionesque vel contra bonos mores fiunt, nullam vim habere, indubitati iuris est Man vergleiche daneben L. 7. §. 14. D. de pactis und L. 15. D. de condit. institut. . Weil aber dennoch in einigen Faͤllen die Gesetze selbst von dieser Regel abwei- chen, und eine Entsagung dagegen zulassen, so hat die- ses zu mancherley Distinctionen, und besondern Regeln in den Systemen und Commentarien der Rechtsgelehrten Gelegenheit gegeben. Einige wollen unsere Regel zwar in so weit gelten lassen, wenn man ihr den Sinn bey- legt, daß niemand durch seine Erklaͤrung be- wuͤrken koͤnne, daß etwas erlaubt werde, was das Gesez verbietet; allein, wenn der Sinn der Regel dieser seyn sollte, niemand koͤnne guͤltig sich erklaͤren, daß er sich seines Rechts in Anse- hung desjenigen nicht bedienen wolle, was die Gesetze ihm zum Besten verboten haben , so gelte diese Regel zwar bey absolut verbietenden Ge- setzen, bey legibus secundum quid prohibitivis hinge- gen finde sie keine Anwendung So urtheilt der beruͤhmte Herr Geh. Rath Nettel- bladt in s. System. Element. Iurisprud. posi- tivae Germ communis general . Lib. I. Sect. V. M. II. C. II. Tit. 2. §. 458. . Allein ich zweifle, ob diese Distinction eine in jedem Fall untruͤgliche Norm geben werde. Es ist doch wohl unleugbahr, daß die Roͤmische Verordnung von Schenkungen unter den Leben- den, de Iustitia et Iure. den, welche die Summe von 500 Solidis uͤbersteigen, nur ein Lex secundum quid prohibitiva sey, denn solche Schenkungen werden nicht schlechterdings verbo- ten, sondern sie sollen nur nicht ohne gerichtliche Insi- nuation geschehen. Es ist auch wohl gewiß, daß bey dieser Verordnung hauptsaͤchlich das Beste des Schen- kenden beabsichtiget worden sey, um denselben fuͤr uͤber- eilte und unbedachtsame Schenkungen betraͤchtlicher Sum- men zu verwahren S. Hoͤpfner im Commentar uͤber die Institut. §. 413. und Claproth in der theoret. pract. Rechtswissenschaft von freywilligen Ge- richtshandlungen. (Goͤttingen, 1789.) §. 196. ; und dennoch kann diesem Verbot nicht rechtsguͤltig renunciirt werden. Andere Diese Meynung hegt H. Hofr. Hartleben in seinen Meditat. ad Pand. Spec. 8. welchem H. Reg. R. Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerlichen Rechts Th. I. S. 35. und folg. ganz beygetreten ist. machen einen Unterschied, ob der Grund des verbietenden Gesetzes vorzuͤglich in der Wohlfahrt des Staats liege, und dann finde schlechterdings keine Entsagung statt, dies sey der Sinn der L. 38. D. de pactis: ius publicum pactis pri- vatorum mutari non potest; oder ob das verbietende Gesez vorzuͤglich nur das Interesse gewisser Persohnen zum Grunde habe, in diesem letztern Fall will man zwar eine Renunciation zulassen, aber man fuͤgt wieder so viele Einschraͤnkungen hinzu, daß hiexdurch die auf- gestellte Regel beynahe ganz wieder umgestossen wird. Man sagt nehmlich, wenn von solchen verbietenden Ge- setzen, welche zugleich mit die gemeine Wohlfarth zur Absicht haben, oder von Persohnen, welche wegen ihres Geschlechts, Alters u. s. f. nichts zu ihrem Nachtheil vornehmen koͤnnen, oder von solchen Rechten, wobey zu- gleich das Interesse eines dritten obwaltet, die Rede sey, 1. Buch. 1. Tit. sey, so gelte die Entsagung nicht. Aus allem diesen er- hellet also so viel, daß man den sichersten Weg erwaͤh- let, wenn man die Zulaͤßigkeit der Entsagung in der Regel verneinet, und nur in so fern Ausnahmen davon aner- kennet, als die Rechte selbst solche in einzelnen Faͤllen bestaͤttiget haben Eben so denkt Herr Prof. Weber in Entwikel. der Lehre von der natuͤrlichen Verbindlichkeit . 2te Abth. §. 74. S. 301. . So verbietet z. B. Justinian dem Mann schlechterdings alle Veraͤusserung des Braut- schatzes seiner Ehefrau, wenn solcher in liegenden Gruͤn- den bestehet; auch wenn die Frau darinn consentiren wollte L. un. §. 15. C. de rei uxor. act. . Haͤtte hingegen die Frau die Alienation, welche mit ihrer Einwilligung geschehen, nach zwey Jah- ren genehmigt, und sie sich uͤbrigens an den Guͤtern des Mannes erholen koͤnnte, so kann sie die Veraͤusse- rung alsdann nicht weiter impugniren Nov. 61. cap. I. §. 3. . Unter diesen Umstaͤnden erklaͤrt also das Gesez selbst die Entsagung des zum Besten der Ehefrauen abzweckenden Veraͤusserungs- verbots fuͤr zulaͤssig. Eben so kann auch eine Ehefrau nach Justinianischen Rechten in gewissen Faͤllen dem Vel- lejanischen Senatusconsulto guͤltig entsagen Nov. 94. cap. 2. Nov. 118. cap. 5. , welches man in Praxi noch weiter, wie wohl gegen die Absicht und den wahren Sinn der Gesezgeber, ausgedehnt hat leyser . Medit. ad Pandect . Spec. 170. Qui- storp in den Beytraͤgen 1. St. Nr. VIII. . Was uͤbrigens der Eid bey solcher Entsagung gegen die Vorschrift verbietender Gesetze wirke, wird in der Folge beym §. 341. gezeigt werden. Nur das einzige muß ich noch bemerken, daß auch schlechterdings gebietende Ge- setze ihrer Natur nach eben so wenig, als verbietende, durch de Iustitia et Iure. durch privat Vertraͤge der Unterthanen abgeaͤndert oder aufgehoben werden koͤnnen. Bey hypothetischen Gesetzen, deren Befolgung der Gesezgeber nicht so durchaus und schlechterdings erfordert, sondern welche nach der Absicht desselben nur in Ermanglung besonderer Verabredun- gen zur Entscheidungsnorm dienen sollen, ist es frey- lich anders. §. 15. Eintheilung des Permißiv-Rechts in ius absolute permissi- vum und secundum quid tale . Was sind res s. actus merae sacultatis? Wenn man sich unter dem Permißivrecht einen Inbegrif von Gesetzen denkt, die ein Vermoͤgen, eine gewisse Handlung vorzunehmen ( facultatem agendi ) oder auch sonst eine gewisse Freiheit, oder Rechtswohlthat ertheilen, so kann ein solches Recht zwifach seyn. Die Gesetze haben entweder hierbey alles dem eignen Willkuͤhr des Handelnden uͤberlassen, ob und was er von der ihm verstatteten Befugniß fuͤr einen Gebrauch machen will, ohne seiner Willkuͤhr hierin Schranken zu setzen; oder sie haben zwar die Handlung selbst dem Willkuͤhr des Han- delnden uͤberlassen, aber doch bey der Vornahme dersel- ben eine gewisse Foͤrmlichkeit vorgeschrieben, welche, wenn sie nicht unguͤltig, ja wohl gar straffallig seyn soll, zu beobachten ist. Eine Summe von Gesetzen der erstern Art machen das Ius absolute permissivum aus, so wie im Gegentheil der Inbegrif von Gesetzen der letztern Art ius secundum quid permissivum genennet wird. So z. B. wird das Recht, bey einer fortdaurenden Guͤter- gemeinschaft auf die Theilung zu dringen, fuͤr eine Sache des freyen Willkuͤhrs geachtet. Die Gesetze sagen: in communione vel societate nemo compellitur invitus deti- 1. Buch. 1. Tit. detineri L. 5. C. communi divid. . Auch das Recht in seinem Eigenthum zu bauen, ist iuris absolute permissivi Ern. Christ. westphal de libertate et servitu- tibus praedior. Sect. II. c. I. §. 2. . Allein zu heirathen, ein Testament zu machen, ist iuris secundum quid permissivi. Daß nun ein solches ius secundum quid permissivum wenigstens in Ansehung der zu beob- achtenden Foͤrmlichkeit zugleich ein ius praeceptivum sey, ist unlaͤugbar. Aus diesen Praͤmissen wird nun der be- kannte Unterschied inter res iuris s. actus facultatis, und res s. actus merae facultatis sich ohne Schwierig- keit erklaͤren lassen. Die Benennungen kommen zwar in unsern Gesetzen nicht vor, sondern sind eine Erfindung der Rechtsgelehrten, allein die Sache selbst ist doch al- lerdings in den Gesetzen gegruͤndet Man pflegt zwar insgemein sich auf L. 2. D. de via pu- blica et itinere publ. zu berufen, jedoch ist die Leseart dieser Gesezstelle annoch einigem Zweifel unterworfen; denn in der Florentinischen Handschrift fehlt das andere non , welches Lael. tavrellvs in seiner Ausgabe zuerst ergaͤnzet hat, wie das bekannte Taurellische Zeichen der dabey befindlichen beiden Sternchen zu erkennen giebt. Daß jedoch dieses non da stehen muͤsse, zeigt der Context, und die Βασιλικα. T. IV. p. 778. bestaͤrken dieses noch mehr. S. Siegm. Reich. iav- chivs de Negationibus Pandect. Florentin . Cap. I. pag. 4. . Res s. actus facultatis s. iuris werden uͤberhaupt diejenigen Hand- lungen genennet, welche die Gesetze erlauben, und die man unterlassen kann, ohne den Gesetzen entgegen zu handeln nettelbladt in System. Elem. Iurisprud. po- sitiv. general. §. 73. u. 74. . Es ist uͤbrigens gleichviel, ob man diese Erlaubniß denen Gesetzen unmittelbahr zu verdanken hat, oder ob man darum so zu handeln berechtiget ist, weil man De Iustitia et Iure. man die von denen Gesetzen zugelassene Concession des Ei- genthuͤmers oder gesezmaͤsige Verjaͤhrung fuͤr sich hat. Z. B. wenn mir auf solche rechtmaͤsige Art auf eines Andern Feldern die Schaafhuth zustehet, und ich mein Vieh zur Weide hintreibe, so ist diese Handlung ein actus facultatis. Diese Actus facultatis sind nun von zweierley Art, entweder actus merae facultatis oder actus non merae facultatis. Was sind aber res oder actus merae facultatis? Hieruͤber ist viel geschrieben und ge- stritten worden Die verschiedenen Schriften sind schon von unserm Auctor not. m. angefuͤhrt, ich fuͤge nur noch hinzu Ge. Ad. struv Disp. de eo quod iustum est circa res merae facultatis rec. Ienac 1737. , und jeder macht sich beynahe sei- nen eigenen Begrif. Die wenigsten haben die Sache ganz genau getroffen, ausser dem Estor in Opusc. de abusu rerum merae facultatis . Cap. II. §. 21. welchen auch Iac. rave in Tr. de prae- scriptione §. XIII. litt. b. folgt. ; welcher mir auf dem rechten Wege zu seyn scheinet, wenn er sagt: res merae facultatis seu meri arbitrii sunt actus, ad quo- rum exercitium qualecunque voluntas libera agentis unice requiritur. Ich denke mir darunter Handlun- gen, die man nach seinem Gefallen und Be- lieben thun und unterlassen kann, solang man will, ohne daß uns daraus ein Nach- theil, oder einem Dritten ein Recht erwaͤchst . Hier entstehet nun die Frage, welche Handlungen denn von dieser Art sind, daß man sie ohne Nachtheil thun und un- terlassen kann, wie man will? Die Frage ist um so wichtiger, je bedeutender der Unterschied inter res merae facultatis et non merae facultatis ist; denn erstere sind keiner Ver- jaͤhrung unterworfen, d. i. man verliert sein Recht, sie dennoch Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. H 1. Buch. 1. Tit. dennoch wieder zu thun, nicht, wenn man sie auch gleich noch solang unterlassen haͤtte; letztere aber muͤssen nach Vor- schrift der Gesetze binnen gewisser Zeit geschehen; sonst verliehrt man sein Recht durch den Nichtgebrauch L. 25. D. quib. mod. ususfr. vel us. amitt. L. 1. D. de nundinis. L. 7. Cod. de petit. hereditat. L. 3. C. de praescript. XXX. vel XL. annor. . Die Antwort auf obige Frage, und die Art, wie man die Sache vorzustellen pflegt, ist nun sehr verschieden, wenn man die Schriften unserer heutigen Rechtsgelehr- ten hierbey vergleicht. Die Meisten sagen, alle Hand- lungen der natuͤrlichen Freyheit, welche weder in den natuͤrlichen noch buͤrgerlichen Gesetzen geboten und ver- boten, und also unserm Willkuͤhr uͤberlassen seyn, sind res merae facultatis; z. B. lachen, sitzen, gehen, sein Brod, Bier u. d. nach Belieben bey diesen oder jenen zu hohlen, seine Wohnung zu aͤndern; auch alle Hand- lungen, die aus dem Rechte des Eigenthums fließen, z. B. verkaufen, verschenken, mit seiner Sache eine Veraͤnderung vornehmen, Bauen auf seinem eigenen Grunde, sein Vieh auf seine eigene Felder zur Weide zu fuͤhren, rechnet man ad actus merae facultatis. Dagegen will man alle Handlungen, die sich auf ein Privilegium gruͤnden, oder aus einem Vertrage herruͤhren, von dieser Classe ganz ausschliessen S. rave a. a. O. estor in angef. Opusc. c. I. §. 7. Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts . I. Th. S. 39. u. folgg. . Ich muß frey bekennen, daß mich diese Theorie nicht befriediget. Ich stelle mir die Sache so vor; actus merae facultatis koͤnnen aus einer dreyfachen Quelle herfliessen; entweder aus der dem Menschen angebohrnen natuͤrlichen Frey- heit, insoweit sie die Gesetze nicht eingeschraͤnkt haben. Dieser Beysatz ist schlechterdings nothwendig, denn wer weiß de Iustitia et Iure. weiß z. B. nicht, wie mannigfaltig die Gesetze die Frey- heit zu kaufen und zu verkaufen S. Westphals Lehre des gemeinen Rechts vom Kauf, Pacht, Mieth und Erbzins-Con- tract . (Leipzig, 1789.) I. Th. 1. Haupt. 2. Cap. , welche man doch ad res merae facultatis insgemein zu rechnen pflegt, modi- ficirt haben? Ferner das Bauen in seinem eigenen Grund und Boden haͤlt man fuͤr eine Sache des freyen Will- kuͤhrs. Es ist wahr, in vielen Faͤllen hat man recht. Ein jeder Eigenthuͤmer ist z. B. berechtiget, in seiner eigenen Wand so viel Fenster anzubringen, als er will, wenn auch von undenklichen Zeiten her keine da gewesen waͤren. Der Nachbahr kann ihm das nicht verwehren. Dem Nachbahr ist aber auch seiner Seits unbenommen, solche Fenster zu verbauen, wenn auch gleich solche seit 100 und mehr Jahren da gewesen seyn sollten L. 9. und 10. D. de Servitut. praed. urbanor. Siehe auch Schroͤters vermischte jurist. Abhandlungen 2ter Band Seite 145. . Allein deswegen ist doch das Bauen auf dem Seinigen nicht in jedem Fall Sache des freyen Willkuͤhrs. So haben z. B. die Roͤmischen Gesetze das Hoͤherbauen ver- schiedentlich eingeschraͤnkt S. L. 1. §. 17. D. de novi oper. nunciat. L. 1. L. 12. §. 1. et 4. Cod. de aedific. privat. westphal de li- bertate et servitut. praedior . Sect. II. c. I. §. 3. ; auch haͤngt es nicht immer von meinem Willen ab, ob ich mein. baufaͤlliges Ge- baͤude will repariren lassen, sondern mein Nachbahr kann cautionem damni infecti von mir fordern, wenn er aus dem Einsturz meines Gebaͤudes Schaden befuͤrchtet L. 6. L. 7. §. 1. et 2. D. de damno inf. westphal a. a. O. §. 9. und 10. . H 2 Zwei- 1. Buch. 1. Tit. Zweitens koͤnnen actus merae facultatis auch aus den Gesetzen selbst entstehen, wenn dieselben gewisse Rechte ertheilen, und sie fuͤr impraͤscriptibel erklaͤren. Nach ka- nonischen Rechten gehoͤrt dahin das Recht der Kirchen- visitation, und die dazu noͤthige Procurationen d. i. Verpflegung der geistlichen Visitatoren, oder statt de- ren ein Aequivalent am Geld zu verlangen cap. 11. und 16. X. de praescript. Ge. Lud. boehmer in Princip. iur. canon . §. 255. und 259. ; nach dem Westphaͤlischen Frieden auch das Recht solcher Unter- thanen, denen vermoͤge des Entscheidjahrs von 1624. keine Religionsuͤbung in einem Lande gestattet ist, in der Nachbahrschaft dem oͤssentlichen Gottesdienst, wo und so oft sie wollen, beyzuwohnen, auch daselbst die noͤthigen Ministerialhandlungen von Geistlichen ihrer Religion ver- richten zu lassen Instr. Pac. Osnabr. Art. 5. §. 34. Gs. Lud. boehmer a. a. O. §. 264. ; ferner nach dem civil Recht das Recht ein Testament zu machen, u. d. m. Endlich drit- tens kann auch etwas, welches an sich nicht res me- rae facultatis ist, durch Vertraͤge dazu gemacht werden. Ein Beispiel giebt das aus dem Wiederkaufsvertrag ent- springende Wiedereinloͤsungsrecht; dies muß eigentlich, wenn nicht ein gewisser Zeitpunkt zum Eintrit der Wie- derkaufsverbindlichkeit verabredet worden ist, binnen 30 Jahren ausgeuͤbt werden; waͤre aber der Wiederkauf auf gar keine gewisse Zeit bedungen, sondern dem Verkaͤu- fer die voͤllige Freiheit nachgelassen worden, die unter dem Vertragsgesetz des Wiederkaufs verkaufte Sache zu aller Zeit, wenn’s ihm einmahl, es sey uͤber kurz oder lang, gefallen moͤchte, wieder einzuloͤsen, so ist alsdann die in solchen ganz allgemein abgefaßten Zeitausdruͤcken nachge- de Iustitia et Iure. nachgelassene Wiederkaufsausuͤbungs-Befugnis nach der Natur der Sache und der Absicht der Paeiscenten ohnstreitig eine res merae facultatis Man vergleiche hierbey die lesenswuͤrdige Abhandlung uͤber die Verjaͤhrung des aus dem Wieder- kaufsvertrag entspringenden Wiedereinloͤ- sungsrechts in dem neuen Leipziger Magazin fuͤr Rechtsgelehrte herausgegeben von Guͤnther und Otto auf das Jahr 1786. besonders im 3ten St. S. 236. und folg. Eben dies hat auch Herr Professor Kluͤ- ber in seiner kleinen juristischen Bibliothek 3. Band 12. St. N. 143. S. 415. gegen Herm. Beker in den rechtlichen Gedanken uͤber eine Stelle in dem Schaumburgischen Compendio iuris Digest. in Tit. de contrah. emt. vend. §. 20. Greifswald 1787. gruͤndlich erinnert. . Solche actus oder res me- rae facultatis, die von der Willkuͤhr dessen, dem sie zustehen, lediglich in der Ausuͤbung abhaͤngen, sind nun wenigstens so lange, als ihnen das Gepraͤge der Will- kuͤhrlichkeit nicht durch zerstoͤhrende Gegenhandlungen dessen, gegen den sie zustehen, benommen wird, keiner Verjaͤhrung unterworfen, wovon zu seiner Zeit ad §. 1766 umstaͤndlicher zu handeln seyn wird. §. 16. Anwendung obiger Begriffe auf das Naturrecht und Einthei- lung desselben in Ius naturae absolutum und hypotheticum. Auch das Naturrecht kann in ein Zwangs - und Permißivrecht eingetheilt werden. Jenes be- greift diejenigen Rechte und Pflichten in sich, deren Er- fuͤllung erzwungen werden kann, und kann entweder ein gebietendes oder verbietendes seyn . Letzteres hingegen enthaͤlt Rechte und Pflichten, deren Ausuͤbung meinem Willkuͤhr uͤberlassen ist; bey welchem folglich kein H 3 Zwang 1. Buch. 1. Tit. Zwang statt findet. Derjenige Theil des Naturrechts, der die Iura et officia perfecta vortraͤgt, hat wiederum verschiedene Eintheilungen, die ich hier nur blos erzaͤh- len will, ohne mich dabey aufzuhalten Hierbey ist nachzusehen A. F. Reinhards Sammlung juristischer, philos . und kritischer Aufsaͤtze 1. B. 3. St. N. 1. S. 148. woselbst die nicht gemeine, aber sehr wichtige Anmerkung gemacht wird, daß man nicht meinen muͤsse, als ob alle so genannte Iura per- fecta immer wirkliche Befugnisse seyen. Wir sind ver- bunden, um der allgemeinen Sicherheit willen, vieles als ein Recht gelten zu lassen, ohne darauf zu sehen, ob derienige, der solches ausuͤbt, wirklich dazu befugt sey. Ein wahres Recht kann nach natuͤrlichen Rechten nur das- jenige seyn, was mit dem ganzen Umfang unserer Pflich- ten uͤbereinstimmt. Streitet etwas nur mit irgend einer von unsern Pflichten, z. E. mit der Menschenliebe; so ist es kein wahres Recht mehr. Wahre Rechte nennt man innerliche Rechte ( Iura interna ). Was hingegen nur unter den Menschen als ein Recht gelten muß, so daß es nicht darauf ankommt, ob derienige, der solches aus- uͤbt, ein innerliches Recht dazu habe, oder nicht, das begreifen wir unter dem Nahmen aͤusserlicher Rechte ( Iura externa ). So hat z. B. eine Obrigkeit, die ihre Rechte nicht nach der Vorschrift des Gewissens ausuͤbt, zu dem, was sie thut, blos ein aͤusserliches Recht. Ein aͤusserliches Recht muß in der menschlichen Gesellschaft als ein wahres und wirkliches Recht angenommen wer- den. Wir sind selbst im Gewissen verbunden, die aͤusser- lichen Rechte fuͤr guͤltig zu erkennen, niemanden im Ge- brauch derselben zu stoͤren, und einem jeden dasienige zu leisten, was er aus einem solchen Rechte von uns fordert. Das Wohl der menschlichen Gesellschaft erfor- dert dieses nothwendig. Wir muͤssen es einem jeden uͤberlassen, ob er sich seiner Rechte nach Vorschrift des Gewissens bedient, oder nicht, so lang er das Ius per- fectum anderer Menschen nicht beleidigt. Denn wer sollte hier entscheiden? . Wenn wir uns de Iustitia et Iure. uns die Rechte und vollkommenen Pflichten der Men- schen, welche das Ius naturae cogens in sich begreift, vorstellen, so folgen dieselben entweder schon aus der menschlichen Natur an sich, ohne Voraussetzung gewis- ser Handlungen, oder sie setzen gewisse Handlungen vor- aus, welche den naͤchsten Grund jener Rechte und Ver- bindlichkeiten enthalten. Erstere heissen absolute, ur- spruͤngliche , oder angebohrne Rechte und Ver- bindlichkeiten, und der Inbegrif derselben macht das Ius naturae absolutum aus; letztere aber werden hypothe- tische , und der Inbegrif derselben Ius naturae hypo- theticum genennt. Die Hypothese, wodurch Rechte und Verbindlichkeiten der letztern Art determinirt werden, ist entweder eine gemeinschaftliche Verbindung, in welche Menschen mit einander getreten; oder ein anderes Fac- tum, welches die Menschen nicht in gewisse Gesellschaf- ten verbindet, z. B. Vertrag oder Beleidigung. Jener Theil des hypothetischen Naturrechts heißt das gesell- schaftliche Recht ( ius naturale hypotheticum sociale ). Der letztere Theil aber ist das aussergesellschaftliche Naturrecht . Beyde Theile des natuͤrlichen Rechts haben wieder ihre verschiedenen Eintheilungen, die ich aber aus dem Hoͤpfnerischen Naturrecht §. 35 u. 36. bey meinen Lesern als bekannt voraussetzen kann. §. 17. Guͤltigkeit des Naturrechts im buͤrgerlichen Staate. Es ist wohl keine Frage weniger bestritten, als die, ob das Naturrecht auch in der buͤrgerli- chen Gesellschaft gelte? Freylich wird zwar ein Jeder, auch bey geringen Maas von Scharfsinn, leicht begreiffen, daß ohnmoͤglich alles dasienige, was in dem aussergesellschaftlichen Zustande der Menschen natuͤrlichen H 4 Rechtens 1. Buch. 1. Tit. Rechtens ist, es auch in der buͤrgerlichen Societaͤt seyn muͤsse; allein es ist ja auch bekannt genug, daß man den sogenannten natuͤrlichen oder aussergesellschaftlichen Zustand nicht mit dem natuͤrlichen Rechte selbst vermi- schen duͤrfe. Denken wir uns nun unter dem Natur- rechte einen Inbegrif von Rechten und Verbindlichkeiten, die jeder Mensch, wenn er nur den Gebrauch seiner Ver- nunft hat, mit blosem Verstande als solche begreift, wir moͤgen nun den Grund aller natuͤrlichen Rechte und Verbindlichkeiten blos auf das Wesen des Menschen zu- ruͤckfuͤhren, oder mit andern den aus der blosen Ver- nunft erkannten Willen des Schoͤpfers, als das wahre und einzige Fundament derselben betrachten; so ist un- widersprechlich, daß Menschen im Staat so gut verbun- den sind, die Gesetze der Natur zu befolgen, als aus- ser dem Staat. Denn der Mensch wird Buͤrger eines Staats, ohne die Eigenschaft des Menschen abzulegen, und ohne aufzuhoͤren, ein Geschoͤpf desjenigen zu seyn, der ihm seinen Willen ins Herz geschrieben hat. Wie koͤnnte also wohl die auf den natuͤrlichen Menschen ge- pfropfte Eigenschaft des Staatsbuͤrgers eine solche Me- tamorphose in ihm hervorbringen, daß er nun der Vernunft und dem durch dieselbe erkannten goͤttlichen Willen entgegen handeln solle S. von Justi Natur und Wesen der Staaten mit Anmerkungen von H. G. Scheidemantel (Mietau 1771.) §. 150. ? Es ist also ausser allem Zweifel, daß eine jede natuͤrliche Verbindlichkeit, welche dem Menschen ausser dem buͤrgerlichen Zustande obliegen, ferner ein jedes natuͤrliches Recht, so demsel- ben im aussergesellschaftlichen Zustande zustehen wuͤrde, auch an sich und nach der Regel im buͤrgerlichen Zustande vorhanden und fortdaurend sey; nur diejenigen Faͤlle aus- genommen, da das buͤrgerliche Verhaͤltniß des Menschen eine de Iustitia et Iure. eine solche Aenderung der Umstaͤnde hervorbringt, daß dabey jene natuͤrliche Rechte und Verbindlichkeiten nicht bestehen koͤnnen S. Weber a. a. O. §. 59. Seite 187. und folgend. . Ein grosser Theil des buͤrgerlichen Rechts ist daher blos Wiederhohlung des natuͤrlichen Rechts, und wuͤrde uns verbinden, wenn es auch weder im Roͤm. Rechte noch in irgend einem andern Gesez- buche wiederholet waͤre. Z. B. daß der Kaͤufer verbun- den sey, das Kaufgeld zur bestimmten Zeit zu bezahlen, daß der Depositar die ihm anvertraueten Guͤther wieder abliefern, der Verwalter eines fremden Vermoͤgens Rech- nung ablegen, und, wenn er nicht wirthschaftlich ver- fahren, den Schaden ersetzen, desgleichen daß der Schuld- ner das empfangene Darlehn bezahlen muͤsse, sind dieses nicht lauter Verbindlichkeiten des natuͤrlichen Rechts, wenn sie auch im Roͤmischen Recht ausdruͤcklich enthal- ten sind? Es ist also wohl richtig, was Justinian sagt §. 4. I. b. t. collectum est ius nostrum ex na- turalibus praeceptis , aut gentium , aut civilibus. §. 18. Kann der buͤrgerliche Gesezgeber das Naturrecht in sei- nem Staate abaͤndern, und in wieferne? So unstreitig jene Frage von der Guͤltigkeit des Naturrechts im buͤrgerlichen Staate war, so sehr hat sich man von jeher uͤber die Frage gestritten: ob und in wie fern das Naturrecht durch buͤrgerliche Ge- setze eine Abaͤnderung leiden koͤnne Man vergleiche Io. cramer de immutabilitate et mutabilitate iuris naturae, gentium et civilis. Frf. 1669. Io. Casp. brendel Diss. de immobilitate iuris naturae. Lips. 1689. Henr. cocceii Diss. de immutabilitate iu- ris ? Ge- H 5 meinig- 1. Buch. 1. Tit. meiniglich wird diese Frage mittelst einer Distinction da- hin beantwortet, daß der buͤrgerliche Gesezgeber die Vorschriften des absoluten Naturrechts in keinem Be- trachte, wohl aber das hypothetische Naturrecht, in seinem Staate abaͤndern koͤnne. Allein neuere Rechts- gelehrte halten Aenderung des Naturrechts an sich und im eigentlichen Verstande fuͤr ein Unding, weil die Fra- ge, was in diesem oder jenem Falle natuͤrlichen Rech- tens sey? nur allein aus Vernunftgruͤnden durch unsern Verstand ihre Bestimmung erhalten; kein Regent aber, auch der unumschraͤnkteste nicht, sich uͤber res intelle- ctus eine Entscheidung anmassen koͤnne S. Weber a. a. O. 1. Abtheil. 3. Abschn. §. 57. und 58. . Wie aber, bringt es nicht gleichwohl die taͤgliche Erfahrung mit sich, daß verschiedene nach dem Naturrecht erlaubte Handlun- gen im Staat nicht erlaubt, verschiedene nach dem Na- turrecht unerlaubte Handlungen aber im Staate oͤffent- lich als erlaubt geduldet werden? Z. B. die oͤffentlichen Bordelle. Wird also nicht solchergestalt das Naturrecht offendahr durch positive Gesetze abgeaͤndert? Nein, kei- neswegs, sagen Letztere. Denn einmahl folge nicht, daß alles ris naturae. Ultraj. 1690. in desselben Exercitat. T. I. N. 72. Io. Ioch. schoepfer Diss. de iure civ. ius na- turae determinante circa persona s . Rostoch. 1709. Car. God. winckler de potestate legum civilium in ius naturae. Lips. 1713. Casp. a rheden Diss. de im- mutabilitate iuris naturae. Bremae 1717. God. croo- nenberg de iuris naturae constantia et immutabili- tate. Lugd. Batav. 1721. Erh. reusch Diss. de im- mutabili naturae lege. Helmst. 1739. und Joh. Lor. Holderrieder von der Gewalt der Majestaͤt uͤber das Recht der Natur, in desselben histor. Nachrichten von der Weissenfelsischen Aletophilischen Gesellschaft. Leipzig 1750. de Iustitia et Iure. alles dasjenige, was im natuͤrlichen Zustande der Menschen Rechtens ist, es auch in der buͤrgerlichen Societaͤt seyn muͤsse; sodann lasse sich auch unmoͤglich da eine Aenderung des Rechts behaupten, wo wegen veraͤnderter Umstaͤnde die Anwendung desselben wegfaͤllt. Da nun die Mit- glieder eines Staats die Direction ihrer Befugnisse, woruͤber sie selbst disponiren koͤnnen, dem Regenten un- terworfen haben; und folglich selbst nach dem Naturrechte schuldig sind, seinen Befehlen zu gehorchen, so sey ersicht- lich, daß wenn der Regent vermoͤge dieser ihm uͤbertrage- nen Direction z. B. gewisse an sich betrachtet nicht uner- laubte oder unguͤltige Handlungen und Vertraͤge verbie- tet, hieraus so wenig eine Aenderung des Naturrechts herzunehmen seye, daß vielmehr offenbahr ein anderes Naturgesez zur Anwendung komme, dasjenige nehmlich, wonach jede an sich erlaubte und rechtsverbindliche Handlung aufhoͤrt, erlaubt und rechtsverbindlich zu seyn, wenn der- jenige, dessen Willen wir gehorchen muͤssen, sie unserer Willkuͤhr entziehet. — Allein sollte auf solche Art nicht alles wirklich positive Recht am Ende fuͤr natuͤrliches Recht erklaͤret werden koͤnnen? und wo bliebe denn nun der Un- terschied zwischen dem natuͤrlichen und positiven Rechte? Es wird also wohl zuletzt immer darauf ankommen, was sich jeder von Aenderung eines Gesetzes fuͤr einen Begrif macht, und also die ganze Sache auf einen Wortstreit hinaus- laufen. In folgenden Saͤtzen kommen jedoch die meisten Rechtsgelehrte uͤberein. Erstlich daß kein Regent den Unterthanen solche Rechte entziehen koͤnne, deren sie sich selbst weder entaͤussern durften noch konnten, ohne allge- meine Gesetze der Moral zu verletzen. Z. B. das Recht der Gewissensfreyheit. Denn es ist ein jezt fast von allen Lehrern des allgemeinen Staatsrechts anerkannter Grundsaz: daß die Mitglieder eines Staats die Direction ihrer freyen Handlungen, ih- rer 1. Buch. 1. Tit. rer Rechte und deren Ausuͤbung dem Regen- ten nur in sofern uͤbertragen haben, und uͤbertragen koͤnnen, als sie selbst daruͤber zu disponiren die Befugnis gehabt Ich kann nicht umhin, eine sehr wichtige Stelle aus I. H. boehmer Diss. praelim. de iure circa liber- tatem conscientiae, Tom. II. seines Iuris Eccl. Prot. §. XX. S. 18. zu excerpiren, welche so lautet: Recta ratio ostendit, nihil plus in principem esse transla- tum , quam quod in ipsum transferri potuit , quodque ad finem reipublicae obtinendum in eum transferri de- buit . Non autem potuit in eum transferri , ius co- gitationes singulorum efformandi, et doctrinam praescribendi, secundum quam conceptus animi sui forma- re, et non aliter sentire aut credere debeant de Deo, eius essentia, redemtione per Christum, resurrectione mor- tuorum, aliisque fidei articulis. Nullo modo homo ita mentis suae est arbiter, ut eam simpliciter alterius arbi- trio subiicere, et quam ei Deus tribuit, facultatem ratiocinandi abiicere queat. — Quid aliud est, liber- tatem cogitandi, credendi , in veritatem inquiren- di, et secundum eam se emendandi, subditis denegare, quam eos societati belluarum adiungere, qui ductu ducto- ris sui ducuntur, quo velit? etc. Man verbinde hiermit die sehr gruͤndlich geschriebene Abhandlung des gelehrten Herrn Prof. Dr. Gottl. Hufelands uͤber das Recht protestantischer Fuͤrsten, unabaͤnderliche Lehrvorschriften festzusetzen und uͤber solchen zu halten . Jena 1788. 8. S. 8. und folgg. . Hieraus folgt weiter, daß der Regent seinen Unterthanen nichts gebieten koͤnne, wodurch sie solchen Verbindlichkeiten entgegen handeln wuͤrden, welche die gesunde Vernunft so wesentlich erkennt, daß keine Verbindung der Men- schen unter sich, keine willkuͤhrliche Entsagung davon dispensiren kann S. Weber a. a. O. §. 58. S. 182. . Alle Vertraͤge, alle Gesetze und Verord- de Iustitia et Iure. Verordnungen dagegen waͤren schlechterdings unguͤl- tig L. 7. §. 16. D. de pactis erkennt schon selbst dieses vor Recht: Generaliter, quotiens pactum a iure commu- ni remotum est, servari hoc non oportet, — — et si stipulatio sit interposita de his, pro quibus pacisci non licet, servanda non est, sed omnia rescindenda. . Denn hier ist offenbahr der Fall, wo jener goͤttliche Befehl eintrit: Man muß Gott mehr ge- horchen, als den Menschen. In sofern aber zweitens die Ausuͤbung solcher natuͤrlicher Rechte, in- gleichen die Art und Weise der Erfuͤllung solcher Verbind- lichkeiten nicht alle Willkuͤhr des Menschen ausschließt; in sofern ist auch der buͤrgerliche Gesezgeber allerdings befugt, um die Ordnung in seinem Staate aufrecht zu erhalten, den modum durch seine Vorschrift zu be- stimmen, auch in dieser Ruͤcksicht manche Einschraͤnkun- gen zu machen. So ist z. B. der Regent im Staate allerdings befugt, in Ansehung der Mittel, welche der Mensch zu seiner Erhaltung anwenden kann, mancherley Einschraͤnkungen zu machen. Er kann diese oder jene Handthierungen, Kuͤnste und Gewerbe gewissen Persoh- nen allein gestatten, und andere davon ausschliessen. Eben so verhaͤlt sich’s mit dem natuͤrlichen Triebe zur Fortpflanzung unsers Geschlechts. Der Regent kann eine gewisse Form der Ehe vorschreiben; er kann ferner unter gewissen Persohnen die Heirathen gar verbieten. Drittens: alle Rechte hingegen, welche dem Menschen als Menschen zwar zustehen, die aber das Vernunftrecht seinem Willkuͤhr lediglich uͤberlaͤsset, sind auch der Dis- position des buͤrgerlichen Regenten dergestalt unterwor- fen, daß dieser sie gaͤnzlich aufheben, und die Unter- thanen davon ausschliessen darf. So z. B. ist die Oc- cupation, mithin auch die Jagd im Stande der natuͤr- lichen Freyheit einem Jeden erlaubt; allein die Erfah- rung 1. Buch. 1. Tit. rung lehrt, daß die Regenten ihren Unterthanen diese Freyheit nicht mehr schlechthin gestatten, sondern die Jagd und andere Arten der Occupation zu den Rega- lien gezogen haben. Eben so verhaͤlt sich die Sache viertens in Ansehung derienigen Verbindlichkeiten, wel- che willkuͤhrliche, an sich erlaubte Handlungen zum voraus setzen, weil der Regent ohne Zweifel befugt ist, solche Handlungen durchaus zu verbieten, oder wenig- stens die gerichtliche Wirkung derselben einzuschraͤnken. So z. B. wird niemand laͤugnen, daß eine Weibsper- sohn, wenn sie sich fuͤr eines Andern Schuld verbuͤrgt hat, nach dem Naturrecht zu bezahlen schuldig sey. Al- lein die buͤrgerlichen Gesetze verbiethen die Buͤrgschaften der Weibsleute fuͤr andere, und erklaͤren sie fuͤr ganz unkraͤftig. Hingegen die natuͤrliche Verbindlichkeit eines Filiifamilias aus einem Gelddarlehn ist nur der gericht- lichen Wirkung nach durch die Roͤmischen Gesetze einge- schraͤnkt worden, sie heben sie aber doch nicht ganz auf. Nach diesen Bestimmungen wird sich nun die vom Hellfeld in diesem §. angefuͤhrte Stelle Ulpians leicht erklaͤren lassen, wenn er sagt L. 6. D. de Iust. et lure. Man vergleiche uͤber diese Stelle van der muelen . : cum aliquid addimus vel detrabimus iuri communi, ius proprium, id est, civile efficimus. Ius commune heißt hier soviel als das natuͤrliche Recht, wie aus den vorhergehenden Worten erhellet. Dieses Naturrecht ist, nach Ulpians richtiger Meinung, der Grund und die Hauptquelle des buͤrgerlichen Rechts. Denn lezteres entstehet eben da- durch, wenn dem natuͤrlichen Recht etwas hinzugefuͤgt oder entzogen wird. Das erstere, cum aliquid ad- ditur, laͤßt sich auf verschiedene Weise gedenken: 1) wenn durch verheissene Belohnungen, oder angedro- hete Strafen, mehrere Bewegungsgruͤnde zur Erfuͤl- lung de Iustitia et Iure. lung natuͤrlicher Verbindlichkeiten gegeben werden. Z. B. schon das Naturrecht verbietet, Sachen, die blos zur Aufsicht und Verwahrung eingegeben wor- den, zu veruntreuen, allein ausser dem Ersaz des daraus entstandenen Schadens weiß das Naturrecht von keiner Strafe. Die buͤrgerlichen Gesetze hinge- gen setzen die Strafe der Ehrlosigkeit, und in einem gewissen Fall noch die Strafe des doppelten Ersatzes darauf; und die peinlichen Rechte Peinl. Gerichtsordn. Carl des V. Art. 170. wollen sogar solche Missethat einem Diebstahl gleich bestraft wissen. Auch 2) dadurch, daß denen Rechtsgeschaͤften eine gewisse Form vorgeschrieben wird, von deren Beobachtung die Guͤl- tigkeit derselben abhangen solle; die Veraͤusserungen der Kirchenguͤter, desgleichen der liegenden Guͤter der Min- derjaͤhrigen, auch die Schenkungen auf den Todesfall koͤnnen hier zum Beispiel dienen. Ferner 3) wenn Rechte und Verbindlichkeiten durch positive Ge- setze eingefuͤhrt werden, welche das Naturrecht igno- rirt. Man denke hierbey an Testamente, Usucapion, Pollicitation u. d. m. Endlich gehoͤrt noch dahin, 4) wenn den sogenannten natuͤrlich unvollkommenen Pflich- ten durch buͤrgerliche Gesetze eine vollkommene verbind- liche Kraft beygeleget wird. So verbinden mich zum Beispiel die buͤrgerlichen Gesetze in verschiedenen Faͤl- len bey Strafe der Theilnehmung, die vorhabende Verbrechen anderer zu verhindern, sie der Obrigkeit zu entdecken, auch unterweilen begangene Missethaten oͤffentlich anzuzeigen Die Erlaͤuterung davon findet man beym Quistorp in den Grundsaͤtzen des peiul. Rechts . I. Th. 2. Abschn- . Das 1. B. 1. Tit. Das letztere, nehmlich cum aliquid detrabitur iu- ri naturali, geschiehet vorzuͤglich auf zweyerley Art; nehmlich 1) wenn natuͤrlich erlaubte Handlungen durch buͤrgerliche Gesetze allgemein, oder nur einer gewisse Klasse von Un- terthanen verboten werden, wie z. B. denen Geistli- chen und Soldaten die Treibung eines kaufmaͤnnischen Ge- werbes ihres Standes und Berufs wegen untersagt ist cap. 6. X. Ne clerici vel monachi secular. negot. se im- misceant. Nov. 123. c. 6. L. 1. Cod. Negotiatores ne militent. . 2) wenn einigen natuͤrlichen Zwangspflichten die gerichtli- che Wirkung ganz oder zum Theil genommen wird. Man erinnere sich hierbey an die oben schon gegebne Beispiele. Ich bemerke nur noch zum Beschluß, daß wenn Handlungen, die an sich unerlaubt sind, im Staat geduldet werden, sodann so wenig die Absicht der buͤrgerlichen Gesezgeber sey, als es in ihrem Ver- moͤgen stehe, solche Laster dadurch selbst erlaubt zu machen, sondern sie dulden dieselben, um aus mehrern Uebeln das kleinste zu erwaͤhlen. Es laͤsset sich also wohl mit Grunde nicht behaupten, daß durch solche Con- nivenz dem natuͤrlichen Rechte zu nahe geschehe leyser in Meditat. ad Pandect . Sp. 588. med. 20. . §. 19. und 20. Ueber die Bekanntmachung der positiven Gesetze und deren Wirkungen. Von dem natuͤrlichen Recht kommt unser Autor nun auf das positive , worunter man den Inbegrif sol- cher Abschn. 3. Cap. § 61. und 62. I. H. boehmer in Diss. de obligatione ad revelandum occulta . T. VI. Exercit. ad Pandect. puͤttmann in Diss. de crimine conniventiae . funckler de crimine omissionis . u. a. m. de Iustitia et Iure. cher Gesetze verstehet, welche in dem erklaͤrten Willen des Gesetzgebers ihren Grund haben. Sollen nun positive Gesetze verbindlich seyn, so muͤssen sie denenjenigen, welche denselben gemaͤß handeln sollen, gehoͤrig bekannt gemacht werden, es geschehe nun solches durch Worte, oder durch Handlungen, woraus die Unterthanen den Wil- len des Oberherrn schliessen koͤnnen L. 9. Cod. de Legib. . Von dieser Willenserklaͤrung des Gesezgebers haͤngt also die Guͤltig- keit positiver Gesetze lediglich ab, und so lang diese nicht auf die gehoͤrige Art geschehen, verbinden solche Gesetze die Unterthanen nicht, auch diejenigen nicht, wel- che schon einige Wissenschaft davon gehabt haben sol- ten voet . in Commentar. ad Pandect. Tit . de Legibus §. 10. und Bern. Aug. gaertner in Medi- tat. pract. sec. ord. Pandectar . Spec. I. (Marb. 1785. 8.) Med. 8. S. 21. . Es laͤsser sich also auch keine Bestrafung we- gen einer Uebertretung derselben, ohne ungerecht zu han- deln, gedenken. Unter der Bekanntmachung ei- nes Gesetzes ( Promulgatio legis ) verstehet man aber eigentlich dieienige Handlung, dadurch der Gesezgeber seinen Unterthanen seinen Willen ausdruͤcklich zu erken- nen giebt, den sie als Gesez beobachten sollen Man vergleiche die Schrift uͤber die Bekanntma- chung der Gesetze . Freiburg im Breisgau 1783. 8. und eine andere Schrift eben dieses Inhalts im Maga- zin gemeinintereß. Lektuͤre III. Quart. 1785. 8. S. 415 ‒ 425. . Sie kann entweder schriftlich oder muͤndlich geschehen. Giebt der Gesezgeber durch Handlungen seinen Willen zu er- kennen, indem er eine zur Gewohnheit gewordene Hand- lungsart seiner Unterthanen stillschweigend billiget, so wol- Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. J 1. Buch. 1. Tit. wollen zwar auch einige dieses promulgationem legis nennen, allein es geschiehet abusive. Gesetze, die aus- druͤcklich vom Gesezgeber promulgiret worden sind, wer- den geschriebene Gesetze in juristischem Verstande genennt, und dem Gewohnheitsrechte entgegengesezt, wovon im 3ten Titul ein mehreres vorkommen wird. (§. 20.) In der Lehre von der Bekanntmachung der Gesetze kommt es nun hauptsaͤchlich auf zwey Fra- gen an: Erstens, wie muß die Bekanntmachung eines Gesetzes geschehen, wenn sie von rechtlicher Wirkung seyn soll? und zweitens: was hat sie fuͤr Wirkungen? In Betreff der erstern Frage verstehet sich zwar von selbsten, daß die Promulgation eines Gesetzes auf eine solche Art geschehen muͤsse, dadurch alle diejenigen Wis- senschaft von dem Gesez erlangen koͤnnen, welche sich darnach richten sollen; allein die Frage ist, was dazu gehoͤre, um solches zu bewerkstelligen? Diese Frage ist besonders in Ansehung peinlicher Gesetze von groͤ- ster Wichtigkeit, indem der Mangel hinreichender Wis- senschaft derselben nothwendig die Wirksamkeit der Stra- fen hindern muß. So gewiß es nun uͤbrigens ist, daß zur Bekanntmachung eines Gesetzes, wenn sie auf die gehoͤrige Art geschehen soll, dreyerley erfordert werde, nehmlich: 1) daß sie an einem oͤffentlichen und dazu schickli- chen Orte geschehe, 2) zu einer schicklichen Zeit, und 3) in einer Sprache, die die Unterthanen verstehen; so lehrt doch die taͤgliche Erfahrung, wie wenig insge- mein durch die gewoͤhnliche Bekanntmachung der ge- wuͤnschte Entzweck, besonders in Ansehung der Straf- gesetze de Iustitia et Iure gesetze bey dem Volk erreicht werde. Es ist wahr, man verfaßt sie in der Muttersprache, schlaͤgt sie an oͤffentlichen Orten an, verkauft sie gedruckt, ruͤckt sie in Zeitschriften ein, und laͤsset sie auch wohl von Zeit zu Zeit von denen Canzeln verlesen; und doch trift noch immer ein, woruͤber schon Cyprian Lib. II. ad Donatum de gratia Dei Ep. 2. zu seinen Zeiten klagte: Incisae sint licet Leges, et publico aere praefixo iura perscripta, inter leges tamen ipsas delinquitur, inter iura peccatur. Die Ursa- chen sind leicht zu errathen. Viele unter dem Volke koͤnnen nicht lesen; die Gesetze, wenn sie zumahl nur geschrieben, nicht gedruckt sind, bleiben ihnen daher, aller Bekanntmachung ohngeachtet, unbekannt. Wenige pflegen uͤberdies oͤffentlich angeschlagene Schriften zu lesen, und solche Anschlaͤge werden uͤberhaupt bald durch Muthwillen oder Witterung vernichtet. Die Zeitschrif- ten gelangen selten zu den niedern Volksclassen und werden von vielen nur fluͤchtig durchblaͤttert oder doch nicht sorgfaͤltig aufbewahrt. Auch scheut der gemeine Mann den Verkaufspreis gedruckter Gesetze. Die Ver- lesung derselben in den Kirchen hat eben so wenig voll- kommen dieienige Wirkung, welche man sich davon ver- spricht. Das Volk giebt entweder wenig Achtung dar- auf, oder verlaͤßt unterdessen die, vielleicht ohnehin diesmahl nicht zahlreiche Versammlung, denn meist geschiehet die Verlesung erst nach der Predigt; und insgemein lieset der Prediger die Verordnung unver- staͤndlich und mit moͤglichster Geschwindigkeit vor. End- lich sind auch wenige mit der iuristischen Schreibart be- kannt genug, um den Inhalt der Gesetze, besonders der Strafgesetze, mit allen ihren Abtheilungen, Di- stinctionen und Ausnahmen gehoͤrig zu fassen. Zwar solte sich jeder rechtschaffene Unterthan um die Gesetze J 2 des 1. Buch. 1. Tit. Staats von selbst erkundigen, in welchem er lebt, sol- te schon aus Gruͤnden des oͤffentlichen und privat Wohls, nicht aus Furcht vor der Strafe, die Gesetze des Staats beobachten; allein daraus folgt nur so viel, daß eben keine Ungerechtigkeit begangen wird, wenn man jemand nach Gesetzen richtet, von denen er durch eigene Schuld nicht gehoͤrige Wissenschaft gehabt hat. Unterdessen bleibt doch immer jene, wenn gleich verschuldete, Un- kunde der Gesetze die Hauptursache, daß oft so schwere Verbrechen dennoch begangen werden, die doch durch diese Gesetze verhuͤtet werden sollen; und auch das ge- rechteste Gesez bleibt zu voͤlliger Erreichung seines Ent- zwecks unwuͤrksam. Wieviel liegt also nicht an einer sorgfaͤltigern Bekanntmachung der Gesetze? Allein wie soll man genauere und allgemeinere Kenntniß derselben, und zwar der Strafgesetze, von denen ich hier vorzuͤg- lich rede, verbreiten? Hieruͤber sind schon mancherley Vorschlaͤge gethan worden, auf welche mich aber hier einzulassen, wider meinen Plan ist. Man erlaube mir iedoch, von den treflichen Bemerkungen, die ich uͤber diesen Gegenstand in der neuesten Schrift eines beruͤhm- ten Rechtsgelehrten D. Aug. Frid. schott Diss. de ignorantia po- puli circa poenas, earum vim impediente . Lipsiae 1788. gelesen habe, hier Gebrauch zu machen. Dieser sagt, man solle sich in der Schreibart solcher Strafgesetze mehr nach der Fassungskraft der niedern Volksclassen und der Nichtiuristen richten. Da- zu moͤchte vorzuͤglich dienen, wenn man von jedem Strafgesez unter oͤffentlicher Auctoritaͤt einen zweckmaͤ- sigen Auszug fuͤr das Volk machte, mit Vermeidung alles Kunstmaͤsigen, und aller feinern Unterscheidungen, welche bey den Graden der Moralitaͤt, und bey der Im- putation statt finden u. s. w. Man verfertige zu dem Ende de Iustitia et Iure. Ende einen Volkscodex oder Strafcatechismus aus al- len und jeden noch geltenden Strafgesetzen, so kurz und so wohlfeil als moͤglich; und suche diesen auf jede schick- liche Art unter dem Volk zu verbreiten. Das Leztere geschiehet: a) wenn man solchen bey gottesdienstlichen Versammlungen, an bestimmten Tagen, jaͤhrlich zwey - drey - auch wohl viermal, unter Ahndung des willkuͤhr- lichen Aussenbleibens der Pfarrkinder, nicht nach der Predigt, sondern vorher, mit zweckmaͤsiger Einleitung, und am Schlusse der Handlung beigefuͤgter ernstlichen Vermahnung, laut, langsam, und vernehmlich verlesen laͤsset; b) wenn man solchen einruͤckt oder beyfuͤgt den- jenigen Schristen , welche in die Haͤnde aller Untertha- nen, ohne Unterschied des Geschlechts, Standes oder Alters kommen, z. B. den Kalendern; c) wenn man denselben in die fuͤr die Volksschulen bestimmte Lehrbuͤ- cher aufnimmt, und in jenen fleißig darnach unterrich- ten laͤsset; d) endlich wenn man die Anschaffung dieses wohlfeilen Buͤchleins, nach der neuesten Ausgabe, je- dem Haͤusvater bey Strafe befiehlt. Eben so halte man es auch mit denen von Zeit zu Zeit erscheinenden neuen Gesetzen, die man bey der naͤchsten Auflage in den Volkscodex aufnehmen, und unterdessen in die Zeitun- gen, woͤchentliche Anzeigen, und solche Schriften einruͤ- cken muß, welche allgemein gelesen werden. Ein Haupt- umstand, das Andenken derselben beym Volk bleibend und lebhaft zu erhalten, ist auch die oͤffentliche, mit einiger, Aufsehen erregender, Zubereitung verknuͤpfte Vollziehung verwirkter merkwuͤrdiger Strafen, und de- ren oͤffentliche Bekanntmachung, wovon in der vorhin gedachten Schrift ebenfalls sehr practische Regeln an die Hand gegeben werden. J 3 Wir 1. Buch 1. Tit. Wir kommen nun zweitens auf die Wirkungen einer auf die gehoͤrige Art geschehenen Promulgation; diese bestehen darinn: 1) Daß das Gesez in der Regel gleich von dem Au- genblick die Unterthanen verbindet, als es ihnen be- kannt gemacht worden ist. Es sind zwar verschiedene Rechtsgelehrten S. lauterbach in Colleg. Theor. pr. Pand . T. I. Lib. I. Tit. 3. §. 20. I. H. boehmer in doctr. Digestor . Lib. I. Tit. 3. §. 12. n. δ. der Meinung, daß ein neues Gesez erst nach Ablauf zweier Monathe seine Guͤl- tigkeit erlange, und Stryk in Usu Mod. Pandect. tit. δ de LL. §. 15. hat nicht nur be- merkt, daß in foro diese Regel uͤberall beobachtet werde, sondern es fehlt auch nicht an Beispielen, daß, besonders in peinlichen Faͤllen, wirklich darnach gesprochen worden ist S. de wernher T. I. P. IV. Obs. 201. in Supplem. nov. . Allein demohngeachtet ist doch jene Meinung voͤllig irrig, und daher mit Grund von andern Rechtsgelehrten verworfen wor- den leyser Meditat. ad Pandect . Spec. VII. med. 8. reinharth select. Observat. ad Christinaeum Vol. I. Obs. 33. gaertner Meditat. pract . med. 11. westenberg in Digestis tit. de LL. §. 12. hofa- cker in Princip. iuris civ. Rom. Germ . T. I. §. 86. u. a. m. . Denn die Nov. 66. c. 1. enthaͤlt keine all- gemeine Regel, sondern schraͤnkt sich lediglich auf die- jenigen Verordnungen Justinians ein, welche die Te- stamente betreffen; und selbst in Ansehung dieser soll es bey der Regel bleiben, wie die Anfangsworte des 1sten Capitels deutlich beweisen: Sancimus, ut ex illo tempore constitutiones nostrae de testamentis va- leant, de Iustitia et Iure. leant, ex quo in commune manifestae factae sunt. Justinian will nur, daß sich nach zwey Monathen niemand weiter mit der Unwissenheit entschuldigen solle. ( Ita enim nemo plane excusationem habe- bit, quare legem nostram non observet ). Doch leidet unsere Regel alsdann ohnstreitig eine Ausnah- me, wenn der Gesezgeber bey der Bekanntmachung eines Gesetzes eine gewisse Zeit bestimmt hat ( va- catio ), nach deren Verlauf erst dasselbe verbindli- che Kraft erlangen solle, wovon uns Lex Iulia et Papia Poppaea heineccius in Commentar. ad L. Iul. et Pap Poppaeam Lib. I. c. 3. pag. 48. , desgleichen Nov. 58. Nov 116. Cap. 32. de praebendis in 6to, andere zu geschwei- gen, genug Beispiele liefern. 2) Eine andere Wirkung ist, daß die Guͤltigkeit eines gehoͤrig promulgirten Gesetzes so lang vermuthet wer- de, bis das Gegentheil erwiesen L. 22. D. de probat. ; nach der be- kannten Regel: quod lex semper loqui praesu- matur Io. Tob. richter Progr. de eo, an lex semper loqui praesumatur . Lips. 1747. . 3) Eine dritte Wirkung ist, daß die vorgeschuͤzte Un- wissenheit eines Gesetzes nicht vermuthet wird, wenn desselben Bekanntmachung ausser allen Zweifel ist. Es ist iedoch, in sofern etwa von particulaͤren Lan- desgesetzen oder Statuten die Rede seyn solte, noch ein Unterschied zu machen, ob eigentliche Untertha- nen, oder ob Fremde, die sich nur ihrer Geschaͤfte wegen in einem Lande oder in einer Stadt aufhal- ten, aus Unwissenheit dagegen gehandelt haben Im ersten Fall verdient die zur Entschuldigung angezo- J 4 gene 1. Buch. 1. Tit. gene Unwissenheit weder Glauben noch Aufmerksam- keit Und zwar theils ob L. 12. C. de iur. et fact. ignorant. theils ob supinam, qua id ius facile cognoscere po- tuerunt, ignorantiam, wie de boehmer ad Carpzovium P. III. Qu. 149. Obs. 4. S. 150. sagt. Siehe auch ley- ser Sp. 289. medit. 6. . Diese Regel ist hier allgemein, und selbst die Persohnen, denen sonst die Gesetze in Ansehung der Unwissenheit des buͤrgerlichen Rechts einige Nach- sicht bewilligen, z. B. Frauenzimmer, Soldaten u. d. koͤnnen nicht davon ausgenommen werden Man vergleiche hier des H. Prof. Webers Abh. uͤber die Proceskosten, deren Verguͤtung und Com- pensation . §. 8. und gaertner in meditat. pra- cticis ad Pandect . meditat. 10 . In- zwischen ist jedoch hierbey alles richterliche Ermessen nicht auszuschliessen, sondern es kann unterweilen die vorgeschuͤzte Unwissenheit allerdings sodann zu einer Entschuldigung gereichen, und, wenn insonderheit von Strafgesetzen die Rede ist, eine Milderung der Strafe bewirken, wenn sie durch wahrscheinliche Gruͤnde bestaͤrkt und unterstuͤzt werden kann. Dahin gehoͤrt, wenn der Verbrecher zu der Zeit, da das Gesez publicirt worden, vielleicht lange Zeit abwesend gewesen seyn solte; oder erst neulich das Buͤrgerrecht an einem Orte erhalten habe; oder Beispiele vorhan- den seyn moͤchten, daß die Strenge des Gesetzes nicht angewendet worden; oder wenn uͤberhaupt der Inhalt des Gesetzes von dergleichen Art von Leuten, als der Uebertreter desselben ist, nicht leicht hat ge- faßt werden koͤnnen, z. B. wenn der Mensch von Natur stupide ist. Was nun im Gegentheil die Fremden anbelangt, so vermuthet man zwar nach der Regel, daß sie die Gesetze des Orts, wo sie sich de Iustitia et Iure. sich nur erst seit kurzer Zeit aufhalten, wenn sie dagegen gehandelt, nicht gekannt haben. Inzwischen verdient der von einem Fremden angefuͤhrte Irrthum der Landes- und Stadtgesetze sodann in keinen Be- tracht gezogen zu werden, wenn etwa der besondere Zustand des Fremden, oder auch das Gewerbe, wel- ches er trieb, ihn schon an sich verpflichteten, sich ei- ne Kenntnis der Landes - oder Stadtgesetze zu er- werben Quistorp in den Grundsaͤtzen des peinlichen Rechts 1. Th. 2. Abschn. 2. Cap. §. 48. . Ich werde davon an einem andern Ort umstaͤndlicher handeln. Alles, was ich inzwischen hier schon gesagt habe, sezt den Fall zum voraus, daß die geschehene Bekanntmachung eines Gesetzes an sich keinem Zweifel unterworfen sey. Wie nun aber, wenn diese selbst von einem Unterthan gelaͤug- net wuͤrde, und also die Publication des Gesetzes selbst noch streitig waͤre, ob sie nehmlich gehoͤriger Art geschehen sey oder nicht? Wem wuͤrde in ei- nem solchen Fall wohl die Last des Beweises oblie- gen? Die Frage ist unter den Rechtsgelehrten strei- tig. Leyser Meditat. ad Pand . Spec. VII. m. 1. behauptet, daß derjenige, welcher ein vorhandenes Gesez fuͤr sich anfuͤhrt, desselben Publication zu erweisen nicht noͤthig habe, sondern diese vermuthet werde. Allein diese Meinung hat wenig Beifall gefunden, und Leyser selbst hat sie in der Folge geaͤndert und mehr eingeschraͤnkt Vol. XII. Suppl. 1. Spec. 7. med. 16. . Die meisten Rechtsgelehrten nehmen die Regel an, daß die Bekanntmachung eines Gesetzes von demje- nigen, der sich darauf gruͤndet, bewiesen werden J 5 muͤs- 1. Buch. 1. Tit. muͤsse, wenn sie vom Gegner gelaͤugnet wird hartleben in Meditat. ad Pandect . Spec. VIII. med. 1. 2. 3. Eichmann Erklaͤrungen des buͤrger- lichen Rechts . 1. Th. S. 55. u. folg. . Es verstehet sich, daß hier blos von Landesgesetzen die Rede sey. Denn wer sich auf das gemeine in Teutschland reci- pirte Recht beruft, hat ohnehin fundatam intentio- nem fuͤr sich. Ob nun gleich die andere Meinung allerdings fuͤr gegruͤndeter zu halten ist, so darf doch der Unterschied zwischen alten und neuen Lan- desgesetzen nicht aus der Acht gelassen werden, in- dem, wenn von einem alten Gesez die Rede ist, welches bisher von den Unterthanen immer beobach- tet worden, die geschehene Publication desselben in einem solchen Fall allerdings zu vermuthen stehet, mithin derjenige, welcher sich darauf beruft, mit kei- nem Beweiß beschweret werden kann. Dahingegen sich die Sache bey neuen Gesetzen, deren Anwen- dung selbst noch streitig ist, ganz anders verhaͤlt, bey solchen kann die geschehen seyn sollende Bekannt- machung, wenn sie von dem Gegner gelaͤugnet wird, darum nicht vermuthet werden, weil sie etwas fa- ctisches ist, alles dasjenige aber, was facti ist, im Laͤugnungsfall und der Regel nach erwiesen werden muß. Und dieser Beweiß wird auch dann noch noͤ- thig seyn, wenn gleich dasselbe Gesez, wovon die Frage ist, bereits gedruckt seyn solte, indem die Erfahrung lehrt, daß manchmahl Gesetze, wenn sie gleich schon gedruckt sind, dennoch hernach entweder gar nicht, oder wenigstens etliche Jahre nachher erst publiciret werden Ein schoͤnes Beispiel findet man in des Herrn Direct. gaertner Meditat. pract. ad Pandect . Spec. I. med. 9. . End- de Iustitia et Iure. Endlich 4) gehoͤrt auch zu denen Wirkungen der Be- kanntmachung eines Gesetzes, daß die Unwissenheit der Gesetze Keinem zu statten kommt, der vermoͤge derselben einen Vortheil haͤtte erlangen koͤnnen, wenn er solchen aus rechtlicher Unwissenheit einmahl aus den Haͤnden gelassen hat. L. 7. D. de iuris et facti ignor. druckt dieses so aus: Iuris ignorantia non prodest adquirere volentibus; und L. 9. §. 5. eodem. erlaͤutert diesen Saz durch sehr treffende Beispiele: wann ein Erbe, welcher uͤber die im Fal- cidischen Gesez vorgeschriebene Maase mit Vermaͤcht- nissen beschweret worden, solche vollstaͤndig und ohne Abzug ausgezahlt haͤtte, weil ihm das Gesez des Falcidius nicht bekannt war; oder ein Erbe, der mit einem fideicommisso universali oneriret worden, die Erbschaft ganz restituirt haͤtte, ohne die Trebelliani- sche Quarte inne zu behalten, weil er von dieser rechtlichen Wohlthat nichts wuste; so kann keiner von beyden etwas wieder zuruͤckfordern. Der Fehler liegt hier blos in rechtlicher Unwissenheit, welche nach L. 8. und 9. D. eodem in compendiis, d. i. wenn vom Erwerb eines erlaubten Gewinnes die Re- de ist, auch sogar solchen Persohnen schaden soll, denen sonst die Gesetze die Unwissenheit buͤrgerlicher Rechte verzeihen. §. 21. In wieferne koͤnnen positive Gesetze auf vergangene Handlungen gezogen werden? Da ein positives Gesez vor der Bekanntmachung keine verbindliche Kraft hat, so folgt, daß Gesetze die- ser Art eigentlich nur zukuͤnftigen, nicht aber vergan- genen 1. Buch. 1. Tit. genen Handlungen zur Regel dienen L. 7. C. de Legib. Leges et constitutiones futuris certum est dare formam negotiis, non ad facta prae- terita revocari: nisi nominatim et de praeterito tempore et adhuc pendentibus negotiis cautum sit. . Es kann daher eigentlich kein positives Gesez auf schon vergan- gene Handlungen, die bereits vor der Bekanntma- chung desselben geschehen sind, und ihre Vollkommenheit erhalten haben, angewendet werden. Weil niemanden sein ius quaesitum, was er rechtmaͤsiger weise erworben hat, genommen werden darf. Man setze z. B. den Fall, daß in einem gewissen Lande das neue Gesez ge- geben wuͤrde, daß keine Verpfaͤndungen liegender Grund- stuͤcke ohne gerichtliche Ingrossation der Hypothec guͤltig seyn solten; ein Buͤrger aber sich kurz zuvor von seinem Schuldner eine Hypothec, jedoch ohne gerichtliche Con- firmation, habe constituiren lassen. Ist nun bey kuͤnftig entstandenem Concurs diese Hypothec nach dem neuen Gesez zu beurtheilen, folglich der Glaͤubiger nicht an- ders, als wenn er gar keine Hypothec haͤtte, unter die Chirographarios zu lociren? Nein, dies waͤre offen- bahr unbillig. Der Creditor bekommt seinen Plaz un- ter denen Hypothecariis, den ihm das vormahlige Recht anweißt. So einleuchtend nun dieses zu seyn scheint, so schwer ist es oft, in Anwendung jener Re- gel, zu bestimmen, ob und in wiefern eine gewisse Hand- lung fuͤr vergangen , oder fuͤr noch zukuͤnftig zu halten sey. Denn oft ist ein rechtliches Geschaͤft vor der Bekanntmachung des neuen Gesetzes voͤllig abge- schlossen, und seinem Wesen nach vollkommen; allein es ist noch nicht vollzogen, sondern die Consummation haͤngt noch von einer kuͤnftigen Handlung ab. Wenn nun un- terdessen Lex nova darzukommt, die dergleichen Handel verbietet, ist das neue Gesez auf diesen Fall anzuwen- den? de Iustitia et Iure. den? z. B. es ist ein Kauf geschlossen, die Contrahen- ten waren uͤber Waare und Kaufpreis schon vollkom- men einig, allein noch vor der Uebergabe oder Bezah- lung des Kaufgeldes verbiethet ein neues Gesez diese Art des Kaufs. Ist nun der ganze Handel fuͤr unguͤl- tig zu halten? Ich zweifle sehr. Man merke sich die Regel, welche Nicol. Christoph Lynker in Diss. de vi legis in praeteritum occas. L 7. Cod. de LL. Ien. 1681. rec. 1751. Th. 5. und Tobias Jacob Reinharth in Select. Observat. ad Christinaeum Vol. I. Obs. 49. n. 5. geben: Quaecunque negotia iam ante legem novam latam quoad essen- tiam suam fuerunt perfecta, licet consummationem suam suosque effectus ab actu demum post legem novam futuro, eoque non extensivo , adhuc expectent, ea ad praeterita omnino referenda sunt, adeoque ex anterioribus legibus, nequaquam vero ex nova lege lata diiudicanda, modo non integrum sit, nego- tium iuxta novae legis placita emendandi et perfi- eiendi. Ich habe hier noch eins und das andere zu mehrerer Erlaͤuterung dieser Regel hinzuzufuͤgen. Erst - lich: Geschaͤfte, welche ab actu extensivo, d. i. von einer solchen kuͤnftigen Handlung, die nicht auf einmahl, sondern oͤfters geschehen muß, ihre Erfuͤllung oder Wir- kung erhalten, koͤnnen nicht schlechterdings ad negotia praeterita gerechnet werden, sondern sie gehoͤren in ge- wisser Ruͤcksicht zu den vergangenen, in anderer Bezie- hung aber sind sie zu den zukuͤnftigen zu rechnen. Z. B. wenn ich mir in einem Fall, wo es nach dem bisherigen Recht erlaubt gewesen, von meinem Schuldner mehr als gewoͤhnliche Zinsen habe versprechen lassen, und nun ein neues Gesez gegeben wuͤrde, daß dem Glaͤubiger in ei- nem solchen Fall auch nur gewoͤhnliche Zinsen zu neh- men 1. Buch. 1. Tit. men erlaubt seyn solte, so ist dieses Geschaͤft zwar in Ansehung der vor dem neuen Gesez schon gezahlten, oder doch wenigstens schon verfallenen Zinsen pro prae- terito zu halten, und auf diese das neue Gesez nicht zu ziehen; allein in Ansehung der kuͤnftig noch zu zahlen- den Zinsen gehoͤrt das Geschaͤft ad negotia futura, denn die Zinszahlung, weil sie mehrere Jahre hindurch geschiehet, ist ein actus extensivus, folglich werde ich fuͤr die Zukunft nicht mehr Zinsen fordern duͤrfen, als das neue Gesez erlaubt Justinian bestaͤttigt dieses selbst in L. 27. Cod. de usu. ris: Iubemus, etiam eos, qui ante eandem sanctionem ampliores, quam statutae sunt, usuras stipulati sunt, ad modum eadem sanctione taxatum ex tempore latio. nis eius suas moderari actiones: scilicet illius temporis, quod ante eam defluxit Legem . . Zweitens : Soll ein Rechtsgeschaͤft, dessen Wirkung noch ab actu post no- vam legem futuro, eoque non extensivo abhaͤngt, fuͤr ein vergangenes dergestalt gehalten werden, daß das neue Gesez darauf nicht anzuwenden ist, so muß es nicht mehr moͤglich seyn, das in Frag stehende Geschaͤft nach der Vorschrift des neuen Gesetzes abzuaͤndern, ohne dem erworbenen Rechte eines andern zu nahe zu treten. Z. B. Ein Nobilis hat mir in seinem Testament ein Guth vermacht, nach seinem Tode, ehe noch der instituirte Er, be die Erbschaft angetreten, wird ein neues Gesez pu- blicirt, daß dergleichen Guͤther, als mir eins vermacht ist, nicht in buͤrgerliche Haͤnde kommen sollen. Es fraͤgt sich nun, ob das neue Gesez auf diesen Fall zu ziehen sey? ich glaube nicht, denn durch den Tod des Testirers, der noch ante legem novam erfolgt war, hatte der lezte Wille desselben seine Vollkommenheit, und ich ein Recht auf das legirte Guth erhalten; das Geschaͤft ist also allerdings zu den vergangenen Hand- de Iustitia et Iure. Handlungen zu rechnen, denn nur mein Forderungs- recht allein haͤngt noch von der Antretung des Erben ab; und dieses ius quaesitum kann mir durch das neue Gesez nicht entzogen werden. Waͤre im Gegentheil das neue Gesez noch vor dem Tode des Testirers gegeben worden, so wuͤrde es hier allerdings seine Anwendung finden reinharth a. a. O. n. 7. 8. S. 125. . Drittens : wenn ein gewisses Rechtsge- schaͤft unter einer Bedingung ist geschlossen worden, und diese erst nach Bekanntmachung des neuen Gesetzes exi- stirt, so entsteht die Frage, ob ein solches negotium pro praeterito zu halten sey? Dem erstern Anschein nach moͤchte man beynahe diese Frage verneinen, weil ein Geschaͤft, dessen conditio noch zur Zeit pendens ist, pro imperfecto gehalten wird L. 213. D. de Verb. Signif . . Aber dennoch ist die bejahende Meinung richtiger, weil bekannt, daß die Bedingung, wenn sie erfuͤllet wird, ad initium actus zuruͤckgezogen, und vermoͤge einer rechtlichen Fiction es eben so angesehen wird, als wenn das Ge- schaͤft gleich anfangs unbedingt geschlossen worden waͤ- re L. 78. D. de Verb. Obligat . . Aus diesem Grunde kann also lex nova auf die, noch vor dem neuen Gesez abgeschlossene, wenn gleich bedingte, Rechtsgeschaͤfte, nicht angewendet wer- den. Die Regel, daß positive Gesetze nicht auf vorher- gegangene Handlungen zu ziehen sind, gehet uͤbrigens auch auf Strafgesetze . Man hat daher bey Be- stimmung der Strafe eines begangenen Verbrechens darauf zu sehen, was zu der Zeit, da das Verbrechen begangen wurde, fuͤr eine Strafe in den Gesetzen be- stimmt gewesen, denn nur diese hat der Missethaͤter eigent- 1. Buch. 1. Tit. eigentlich verwirkt, nicht aber diejenige, so erst nachher durch ein neueres Gesez, wenn auch noch vor geendigter Untersuchung, ist eingefuͤhret worden L. 1. pr. de poenis. L. 21. D. de iniuriis . koch In- stitut. iur. crim . §. 39. d. . Jedoch sind folgende Ausnahmen von unserer Regel zu bemerken: 1) wenn der Gesezgeber ausdruͤcklich erklaͤrt hat, daß sich das Gesez auch auf vergangene Faͤlle zuruͤckerstrecken solle. Wir finden davon verschiedene merkwuͤrdige Beispiele in dem Roͤmischen Gesezbuche. Hierher ge- hoͤrt die Verordnung K. Constantins , worinn der kommissorische Vertrag in Ruͤcksicht auf Pfaͤn- der und Hypotheken in seinem ganzen Umfange als unerlaubt und unverbindlich verworffen wird L. 3. C. de pactis pignor . Auch in der Verordnung Ju- stinians , welche L. 3. C. de quadrienn. prae- script . enthaͤlt, findet sich am Ende die Clausul: daß dieses Gesez bis auf den Anfang der Regierung Justinians ( ex eo tempore valitura, quo motu divino imperiales suscepimus infulas ) zuruͤckwirken solle Mehrere Beispiele geben L. 22. §. 1. Cod. de SS. Ec- cles . und L. un. §. 4. C. de contractib. iudicum . . Da inzwischen eine Ausnahme von der Regel immer stricte zu nehmen, so kann eine solche Verordnung, die sich zugleich auf casus praeteri- tos ausdruͤcklich beziehet, doch nur von solchen ver- gangenen Handlungen verstanden werden, die noch nicht durch rechtskraͤftige Urtheile, oder Vergleich, oder auf eine andere Art entschieden, oder durch Zah- lung und Uebergabe, oder sonst ohne Streit bereits vollzogen, und also schon ante Legem novam voͤllig beendiget sind, sondern annoch rechtshaͤngig, oder zwar beurtheilet, aber doch per Remedia appella- tio- de Iustitia et Iure. tionis, und dergleichen suspendiret, oder, wenn sie auch nicht in Streit gezogen worden, dennoch zur Zeit wenigstens noch nicht vollzogen und erfuͤllet sind; weil sonst die Processe unaufhoͤrlich seyn wuͤr- den Eben dieses bestaͤrken auch die in der vorhergehenden Note angefuͤhrte Gesezstellen ausdruͤcklich. S. boehmer in Consultat . T. II. P. I. Resp. 6. n. 3. und gaert- ner in Meditat. pract . med. XII. . Zu denen Ausnahmen unserer Regel will man 2) auch den Fall rechnen, wenn das neue Gesez nur Lex declaratoria ist, wodurch ein schon vorhanden gewesenes Gesez blos erklaͤret, oder naͤher bestimmt wird; desgleichen 3) wenn das neue Gesez etwas verbietet, so schon vor- her nach denen natuͤrlichen oder buͤrgerlichen Gesetzen nicht erlaubt gewesen. Allein ich zweifle, ob diese als aͤchte Ausnahmen angesehen werden koͤnnen, in- dem in dem zweiten Fall so wenig als in dem dritten mit Grunde zu behaupten stehet, daß durch das neue Ge- sez etwas neues verordnet worden sey. Ich nehme den Fall aus, wenn durch das wiederholte Verbot zu- gleich eine neue geschaͤrftere Strafe auf eine gewisse an sich schon unerlaubte Handlung waͤre gesetzet wor- den, in welchem Fall sich’s aber auch von selbst ver- stehet, daß, wenn das neue Strafgesez auf vergan- gene Handlungen gezogen werden solle, dieses vom Gesezgeber ausdruͤcklich muͤsse erklaͤret worden seyn; so wie denn uͤberhaupt eine solche Verordnung doch nur von negotiis adhuc pendentibus verstanden werden koͤnnte Man vergleiche noch uͤber diese Materie Christ. Gottl . reinhardt Comment. de valore et vi legis in prae- . §. 22. Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. K 1. B. 1. Tit. §. 22. Das positive Recht ist entweder ein goͤttliches oder menschliches . Das positive Recht wird nun in das goͤttliche und menschliche Positivrecht eingetheilt, je nachdem solches entweder Gesetze, welche in dem erklaͤrten Willen Gottes , oder solche, welche in dem erklaͤrten Willen eines menschlichen Gesezgebers ihren Grund ha- ben, in sich enthaͤlt. Das erstere theilen viele Gelehr- te wieder ein in das allgemeine ( ius positivum di- vinum universale ) und das besondere goͤttliche Po- sitivrecht; und nennen ersteres dasjenige, welches alle Menschen auf der ganzen Welt, denen solches bekannt worden, nach der Absicht Gottes verbinde; lezteres aber dasienige, so von Gott nur allein denen Juden vorgeschrieben worden. Diejenigen, welche ein allge- meines goͤttliches Positivrecht statuiren, sind je- doch in Ansehung der hierher zu rechnenden Gesetze wie- der sehr verschiedener Meinung. Einige wollen diesel- ben im alten Testament gefunden haben, und setzen in die Classe derselben den Genes. IX. v. 6. enthaltenen goͤttlichen Ausspruch von Ahndung des Todtschlags, deß- gleichen die Mosaischen Eheverbothe wegen Blutsver- wandschaft und Schwaͤgerschaft S. Sim. Ludw. Eberh. de mar é es Untersuchung der Verbindlichkeit der goͤttlichen Gesetze von der Todesstrafe des Moͤrders, und von Ver- . Andere sprechen zwar praeteritum, occas . §. 4. art. XXII. Capitulat. Impp. caroli VII, et francisci I. Halae 1748. Chrstph. Henr . lorenz Diss. de obligatione legis in praeteritum . Lipsiae 1770. und Franc. Ios . hart- leben in Meditat. ad Pandectas Vol. I. P. I. Spec. VIII. med. 4. und 5. de Iustitia et Iure. zwar denen im alten Testament vorkommenden goͤttlichen Satzungen die allgemein- und schlechterdings verbindende Gesetzeskraft ab, insofern nehmlich dieselben blos will- kuͤhrliche Vorschriften sind; sie glauben aber, daß das neue Testament dergleichen allgemein verbindliche positive goͤttliche Gesetze enthalte; sie rechnen z. B. dahin die Vorschriften von der Ehescheidung, ferner von Vermei- dung der Blutschande u. d. Car. Christph . hofacker Princip. iur. civ. Rom. Germ . T. I. §. 10. — Iuris divini positivi univer- salis ratio in eo ponenda est, ut omnes, quibus innotuit, obliget, adeoque universale sit non promulgationis, sed obligationis ratione . . Die meisten heutigen Rechtsgelehrten verwerfen jedoch jene Eintheilung des goͤttlichen Positivrechts, und nehmen blos ein ius posi- tivum divinum particulare an Die beste Schrift ist das von unserm Auctor not. a. angefuͤhrte Opusculum des Io. Andr . hannesen , er- schienen Goettingae 1744. 8. . Die Frage, ob es allgemeine positive goͤttliche Gesetze gebe , ist freylich von jeher sehr bestritten worden, und man kann nicht laͤugnen, daß sie von wichtigen Folgen sey; denn statuirt man solche Gesetze wirklich, so muß man de- nenselben auch eine unabaͤnderliche Verbindlichkeit beyle- gen, und kann mithin keine Dispensation dagegen zulas- sen. Ich meines Theils kann mich nun von der Existenz solcher Gesetze nicht uͤberzeugen, und ich denke, man wird es mir fuͤr keine Arroganz auslegen, wenn ich ge- radezu sage, daß diejenigen, welche fuͤr das Daseyn derselben streiten, in einem zwifachen Irthum sich befin- den. Erstlich : daß sie manche in der heil. Schrift K 2 ent- Vermeidung blutschaͤnderischer Heirathen . Dessau 1771. 8. Ein gruͤndliches Urtheil uͤber diese Schrift findet man in Schotts Critic. IV. Bandes 36. Stuͤck. S. 508. und folg. 1. Buch. 1. Tit. enthaltene Satzungen fuͤr goͤttliche Gesetze ausgeben, die doch offenbahr keine Gesetze sind; sodann zwei- tens : daß sie bey denen wirklichen goͤttlichen Gesetzen zwischen natuͤrlichen und willkuͤhrlichen Vorschriften nicht genugsam unterscheiden. Wir wollen die Probe machen. Die mosaische Stelle Genes. IX. v. 6. die nach Lu- thers Uebersetzung also lautet: wer Menschendlut vergeußt, des Blut soll auch durch Menschen vergossen werden , ist offenbahr kein Gesez, denn im hebraͤischen Text wird das futurum (דבשי) gebraucht, es scheint also blos goͤttliche Prophezeihung zu seyn, daß der Moͤrder, wenn er auch gleich der weltlichen Obrigkeit verborgen bliebe, dennoch dem goͤttlichen Ge- richt nicht entgehen, sondern durch Menschen wiederum gewaltsamen Todes sterben werde So erklaͤrt diese Mosaische Stelle auch thomasius in Diss. de iure principis Evang. aggratiandi homicid. cap. IV. §. 4. und hannesen im angefuͤhrten Opusculo, §. 31. u. folg. . Will man aber diese Erklaͤrung nicht gelten lassen, sondern jenen Aus- spruch schlechterdings fuͤr ein goͤttliches Gesez erklaͤrt wissen, so kann doch dieses Gesez ohnmoͤglich als ein allgemeines unwandelbahres goͤttliches Gesez angesehen werden. Denn sonst waͤre es dem Herrn auch wegen seiner Knechte gegeben. Knecht und Freyer sind doch wohl in Gottes Augen eins, da bey Ihm kein Unter- schied der Persohnen gilt; und da niemand dem Blute, das in den Adern eines Sclaven herumwallet, den Nahmen des Menschenbluts absprechen wird, so haͤtte nothwendig das Gesez, wenn es nach der Absicht Got- tes allgemein waͤre, auch den Dienstherrn treffen muͤssen, der seinen Knecht oder Magd erschlagen. Allein diese That soll nach 2. B. Mose XXI. v. 20. und 21. mit dem Tode nicht, ja auch wohl gar nicht ein- de Iustitia et Iure. einmahl bestrafft werden, mit dem daselbst angehaͤngten Entscheidungsgrunde: denn es ist sein Geld . Ja haͤtten nicht die Soͤhne Jacobs wegen des an Hemor und seinen Sohn Sichem veruͤbten Mords Genes. XXXIV. v. 26. ebenfals wieder mit der Schaͤrfe des Schwerds hingerichtet wer- den muͤssen, wenn jenes Gesez allgemein und unabaͤn- derlich waͤre? Allein daß dieses nicht geschehen, erhellet aus 1 B. Mose XLIX. v. 5. und 6. Noch mehrere Gruͤnde hat Carl Ferd. Hommel in den philosophischen Gedanken uͤber das Cri- minalrecht , herausgegeben von Dr. Roͤßig (Breslau 1784.) §. 58. Soviel hier- naͤchst die Mosaischen Ehegesetze anbetrift, so darf der in denenselben selbst enthaltene wichtige Unterschied zwi- schen natuͤrlichen und willkuͤhrlichen Vorschriften nicht aus der Acht gelassen werden. Daß nun denen- selben freylich in Ansehung solcher Satzungen, die ih- ren Grund schon in den natuͤrlichen Gesetzen haben, ei- ne allgemeine und unumstoͤßlich verbindende Kraft beizu- legen sey, hat keinen Zweifel, allein von diesen ist auch hier die Frage nicht. Sondern die Frage ist, ob auch denenjenigen Eheverboten Mosis, die blos in will- kuͤhrlichen goͤttlichen Vorschriften ihren Grund haben, eine allgemeine und unabaͤnderliche Verbindlichkeit zuzu- eignen sey? und diese Frage ist mit Nein zu beant- worten Denn es mangelt ihnen an einer nothwendi- gen Eigenschaft eines allgemeinen willkuͤhrlichen Gesetzes, indem sie in einem Gesezbuche enthalten sind, welches damahls nur einem einzigen Volke, nehmlich dem Is- raelitischen, bekannt gemacht war, und dessen Sprache die uͤbrigen Voͤlker nicht einmahl verstunden: dahingegen ein willkuͤhrliches Geboth Gottes, so alle Voͤlker der Erde angehen solte, nothwendig durch goͤttliche Boten, K 3 die 1. Buch. 1. Tit. die es so weit, als nur immer moͤglich, bekannt mach- ten, fast eben so, wie das Evangelium durch die Apo- stel, an alle Voͤlker haͤtte gebracht werden muͤssen. Ei- ne solche allgemeine Bekanntmachung dieser Gesetze an alle Menschen auf der Welt hat aber bis jezt noch von Keinem erwiesen werden koͤnnen. Doch Moses selbst giebt uns noch einen viel entscheidendern Beweis in die- ser Sache. Man lese nur den Anfang des 18. Capi- tels im 3. B. Mose, in welchem der Hauptsiz der Mo- saischen Eheverbote ist, so wird man finden, daß nur allein den Israeliten die Beobachtung dieser goͤttlichen Vorschriften eingeschaͤrft werde; und wenn es gleich Moses in eben diesem Capitel v. 24 ‒ 29. den Canani- tern zur Suͤnde anrechnet, daß sie nicht nach solchen Ehegesetzen gelebt haben, und von denenselben zur War- nung der Israeliten sagt: daß Gott ihre Missethaten ahnden, und sie ihrer Greuel wegen aus ihrem Lande ausstossen wolle, weil sie solches verunreiniget haben; so laͤsset sich jedoch hieraus, daß die Gesetze Mosis von den verbotenen Graden als leges positivae divinae uni- versales anzusehen, so wenig erweisen, daß vielmehr das Gegentheil daraus erhellet, indem, wenn diese Ge- setze fuͤr allgemeine positive Gesetze gehalten seyn sol- ten, sodann nicht abzusehen waͤre, wie die Cananiter haͤtten wegen einer Uebertretung dieser Gesetze bestrafet werden koͤnnen, die doch Gott nicht ihnen zugleich, son- dern blos den Israeliten durch Mosen hatte bekannt machen lassen. Es ist also ganz offenbahr, daß unter den Greueln, daran die Cananiter sich und ihr Land verunreiniget haben, nicht jede in den Mosaischen Ehe- gesetzen auch nur aus blos willkuͤhrlichen Ursachen unter- sagte fleischliche Vermischungen, sondern solche Verge- hungen wider die Keuschheit zu verstehen sind, die schon von Natur so schrecklich sind, daß die Abscheulichkeit einem de Iustitia et Iure. einem jeden vernuͤnftigen Menschen sofort in die Augen leuchtet, und zu welchen besonders diejenigen Suͤnden gehoͤren, deren Moses v. 20. bis 23. des 18ten Ca- pitels Erwaͤhnung thut, als Sodomie, Knabenschaͤn- dung, Ehebruch u. d. m. Man vergleiche hier besonders des Herrn Hofr. Mi- chaelis Abhandlung von den Ehegesetzen Mosis, welche die Heyrathen in die nahe Freundschaft untersagen . 2. Hauptst. §. 13. und folg. . Was uͤbrigens das neue Testament betrift, so trage ich kein Bedenken, denen beyzutreten, welche die darin enthaltenen Vorschriften fuͤr keine eigent- liche Gesetze , sondern nur fuͤr Lehr - und Glau- benssaͤtze halten I. H. boehmer in Schiltero illustrato s. Emen- dat. et Addit. ad Schilterum . Lib. I. Tit. II. §. 2. Desgleichen horn und floercke in ihren Observat. ad Schilterum a. a. O. Auch Schott in der Einleitung in das Eherecht §. 49. S. 90. und §. 218. Not. * . Man wird sich davon selbst leicht uͤberzeugen koͤnnen, wenn man theils die Gelegenheit, bey welcher sie von Christo und seinen Aposteln vorge- tragen worden sind, theils die Art des Vortrags, theils uͤberhaupt die Verhaͤltnisse und den Zustand der ersten Christen hierbey in Erwaͤgung ziehet. Daß wir jedoch die im neuen Testament enthaltene heilsame Leh- ren bey Entscheidung mancher wichtiger Faͤlle zum Grun- de legen, ja die heil. Schrift in dieser Hinsicht unter die Quellen unserer Rechtsgelahrheit rechnen, ist be- kannt Ich habe hiervon gehandelt in meinen Praecogni- tis universae Iurisprud. Ecclef. positiv. Germanor . (Halae 1786.) §. 16. und not. 1. S. 21. und folg. Desgleichen Schott im angef. Eherechte §. 48. S. 88. . K 4 §. 23 1. Buch. 1. Tit. §. 23. Heutige Guͤltigkeit des besondern goͤttlichen, oder Mo- saischen Positivrechts. Es giebt also nur ein besonderes positives goͤttliches Recht , und wir verstehen darunter vor- zuͤglich die in den Schriften Mosis enthaltene will- kuͤhrliche Vorschriften, welche Gott besonders den Is- raeliten durch Mosen hat bekannt machen lassen. Man theilt dieses sogenannte Mosaische Recht Ueber das Mosaische Recht verdienen besonders Joh. Dav. Michaelis Mosaisches Recht 2te Ausgabe Frankf. am Mayn 1775. 6. Theile 8. und Petri regis Moses legislator, seu de mosaicarum legum praestantia. August. Taurinor . 1779. 4. bemerkt zu wer- den. in das Kirchliche oder Ceremonialrecht , und in das buͤrgerliche oder politische Recht ein ( ius mo- saicum forense s. politicum ). Ersteres bestimmt die Art der Gottesverehrung bey den Israeliten, lezteres aber die Rechte und Verbindlichkeiten, die sie als Buͤr- ger eines besondern Staats gegen einander zu beobach- ten hatten. Die Ceremonialgesetze der Juden S. Io . spencer de legibus Hebraeorum ri- tualibus, et earum rationibus . Cantabrigiae 1727. Tom. II. fol. und Christph. Frid . sartorius de lege ceremoniali . Tubingae 1762. hatten hauptsaͤchlich ihre Beziehung auf den damahligen Zustand des juͤdischen Volks. Es solte nehmlich die den Israeliten darin vorgeschriebene Art der Gottesver- ehrung theils Vorbild auf den Messias, theils Mittel seyn, das Volk Gottes, welches durch den langwierigen Umgang mit den Aegyptiern zu einem sinnlichen und in das Auge fallenden Gottesdienst einmahl verwoͤhnt war, gegen heidnischen Aberglauben und Abgoͤtterey zu ver- De Iustitia et Iure. verwahren, und solches hierdurch von den uͤbrigen Voͤl- kern der damahligen Zeit ganz abzusondern. Dieses Ce- remonialgesez der Juden ist nun, wie bekannt, im neuen Testament ganz aufgehoben worden, und gehet also uns Christen gar nichts an. Die buͤrgerlichen oder Forensgesetze Mosis Sam. stryck leges forenses mosaicae cum iure Romano collatae. Lipsiae 1745. 8. Henr . bodini Diss. de obligatione forensi iuris divini . Halae 1696. rec. 1711. hingegen, welche eben- fals nach denen damahligen Umstaͤnden der Israeliten eingerichtet waren, gelten heutiges Tages unter denen Christen nur insofern, als sie in diesem oder jenem christ- lichen Staate ausdruͤcklich oder stillschweigend recipiret worden sind. Woraus denn folgt, daß ein Landesherr diese Mosaische Forensgesetze abzuaͤndern oder wohl gar aufzuheben allerdings befugt sey, wenn die veraͤnderte Umstaͤnde seiner Unterthanen solches erheischen Viele Satzungen des Mosaischen Rechts sind daher heu- tiges Tages wegen veraͤnderter Umstaͤnde gar nicht mehr anwendbar. Ein Beispiel geben die Mosaischen Straf- gesetze, welche heut zu Tage ihrer allzugrosen Strenge wegen, die freilich der Character des Volks zu erfordern schien, beinahe ganz ausser Gebrauch sind. S. Hommel in den philos. Gedanken uͤber das Criminalrecht §. 3. hell- feld Diss. de legis mosaicae valore hodierno §. XXII. Auch das Mosaische Gesez, welches Zinsen verbiethet, ist, aller Beguͤnstigung des kanonischen Rechts ohngeachtet, ( c. 3. u. 4. X. de usuris ) durch die teut- schen Reichsgesetze aufgehoben worden. R. A. vom J. 1600. §. 139. und vom J. 1654. §. 174. Denn es schraͤnkte sich blos auf die damahlige Lage und Armuth des Volks ein. Man vergleiche Io. Dav . michaelis Commentat. de mente et ratione legis mosai- cae usuram prohibentis . Erfurti 1746. 4. , oder er solches in einzelnen Faͤllen fuͤr gut haͤlt. Daher es K 5 kei- 1. Buch. 1. Tit. keinem gegruͤndeten Zweifel unterworffen ist, daß ein Landesherr einen Moͤrder begnadigen koch Institut. iur. crim . §. 148. ibique allegati. Deßgleichen Hommel in den philos. Gedanken §. 57. , auch in denje- nigen Ehehindernisfaͤllen des Mosaischen Rechts, die nicht auf natuͤrliche, sondern blos auf willkuͤhrliche Vor- schriften sich gruͤnden, dispensiren koͤnne Schott in der Einleitung in das Eherecht §. 133. . Die heutigen Juden sehen zwar die Gesetze Mo- sis noch heutiges Tages als Vorschriften Gottes von im- merwaͤhrender Verbindlichkeit an; S. Moses Mendelsohn Ritualgesetze der Ju- den (Berlin 1778.) in der Einleitung. allein in Ansehung des heutigen Gebrauchs derselben ist zwischen Religions- oder Ceremonialsachen und denen buͤrgerlichen Geschaͤften derselben ein Unterschied zu machen. In Ansehung der erstern gestattet man ihnen noch heutiges Tages den Gebrauch des Mosaischen Rechts mit Inbegrif der in ihrem Talmud enthaltenen naͤhern Bestimmungen und Erklaͤrungen dieser Gesetze; allein in buͤrgerlichen Rechts- sachen, z. B. Ehesachen, nur die aͤussere Form der Ehe ausgenommen, welche man ihrem Ritual uͤberlaͤs- set, deßgleichen in Testamenten, Successionsfaͤllen, Vor- mundschaften, Vertraͤgen u. d. sind die Juden nach den gemeinen Rechten und den Gesetzen des Landes, in wel- chem sie wohnen und den Schuz geniessen, sich zu rich- ten schuldig, sie moͤgen nun entweder unter sich selbst oder mit denen Christen es zu thun haben L. 7. u. 8. C. de Iudaeis . Man vergleiche auch das von Ihro Roͤm. Kayserl. Majestaͤt allergnaͤdigst con- firmirte und von Dero hohen Commißion publicirte neue Reglement der Judenschaft in Hamburg von 1710. art. 23. Desgleichen die Koͤnigl. Preuß. Ver- ord- . Avto- nomie de Iustitia et Iure. nomie findet nur insofern bey ihnen statt, als ihnen bey der Aufnahme oder auch nachher der Gebrauch ihres eigenen Rechts durch besondere Privilegien ist verstattet worden; welches aus ihren Schuzbriefen, denen Juden- ordnungen und Privilegien zu beurtheilen ist Es irren daher diejenigen sehr, welche auch in denen Civilsachen der heutigen Juden den alleinigen Gebrauch des Mosaischen Rechts vertheidigen wollen. Z. B. Io. Iod. beck in Tr. de Iuribus Iudaeor. Cap. IV. §. 4. Io. Aug . franckenstein de iuribus singularibus circa Iudaeos maxime in germania c. II. §. 4. noch meh- rere Anhaͤnger dieser Meinung fuͤhrt pfeffinger in Vitriario Lib. III. Tit. 17. §. 87. Vol. III. p. 1299. sq. an. . §. 24. ordnung, daß Juden in contrahendis matrimoniis quoad gradus sich nach Churbrandenburgischen Rechten hal- ten sollen vom 4. Oct . 1696. in Corp. Consti- tut. Marchicar. Th. I. Abth. II. N. LXIII. S. 125. Ferner das Ausschreiben der Koͤnigl. und Churfuͤrstl. Hannoͤverischen Regierung von 1738. in Corp. Consti- tut. Calemberg. T. III. Cap. IV. Sect. XIII. Nr. 171. S. 438. u. folg. In dem Darmstaͤdtischen werden die juͤ- dischen Ehen, in Ansehung der verbotenen Grade, eben- fals nach der Kirchenordnung der Christen beurtheilt. Und daß auch in andern buͤrgerlichen Rechtssachen die Juden nach den gemeinen und Landesgesetzen sich richten muͤssen, haben Io. Frid . kayser in Comment. de Autono- mia Iudaeorum Giessae 1739. Christ. Hartm. Sam. gatzert in Tract. iuris germ. de Iudaeorum in Hassia praecipue Darmstadina iuribus atque obligationibus . Giessae 1771. §. VII. Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts 1. Th. S. 76. u. folg. und Joh. Christ. Conr. Schroͤter in den vermischten iurist. Abhandlungen I. Band S. 106. u. folg. erwiesen. 1. Buch. 1. Tit. §. 24. Von der gesezgebenden Gewalt in Teutschland. Dem goͤttlichen wird das menschliche Posi- tivrecht entgegengesezt, welches diejenigen Gesetze in sich begreift, die in dem Willen menschlicher Gesezgeber ihren Grund haben. Dieses ist daher nach Verschie- denheit der Gesezgeber sehr verschieden. Wir schraͤnken uns hier blos auf Teutschland ein. Da nun das teutsche Reich nach seiner besondern Verfassung, theils im Ganzen, als ein Staatscoͤrper, von einer buͤrgerli- chen Hoheit, der alles unterthaͤnig ist, umfangen, theils nach seinen einzelnen Theilen betrachtet werden kann, deren jeder fuͤr sich zwar einen besondern Staat aus- macht, und seine eigne der Majestaͤt des Reichs unter- geordnete Landeshoheit hat, aber doch mit dem gan- zen Reich im genauesten Verhaͤltnis stehet, so sind nun auch die einheimischen Gesetze Teutschlands von zweier- ley Art, teutsche Reichsgesetze oder teutsche Lan- desgesetze . In Absicht auf das ganze teutsche Reich stehet zwar dem Kayser die gesezgebende Gewalt zu, je- doch kann er vor sich aus eigner Macht keine Gesetze ge- ben, welche durch das ganze teutsche Reich gelten sol- len, sondern dazu ist die Einwilligung der Reichsstaͤnde erforderlich. Die gesezgebende Gewalt des Kaysers ge- hoͤrt also zu denen gemeinschaftlichen kayserli- chen Rechten , bey deren Ausuͤbung gleich Anfangs, als Teutschland durch die Verduͤner Theilung 843. ein eignes Reich ward, der Consens der Reichsstaͤnde erfordert worden ist Haͤberlins Auszug der allgem. Welthistorie 1. Band S. 335. 8. B. S. 444. 10. Band S. 181. . Daß alle Staͤnde in das zu gebende neue Reichsgesez einwilligen muͤsten, wolte man zwar de Iustitia et Iure. zwar in vorigen Zeiten fuͤr noͤthig halten; und noch 1495. wolten die abwesende Staͤnde an der gegenwaͤr- tigen Staͤnde Schluͤsse nicht gebunden seyn, sondern man muste die abwesende erst durch guͤtliche Tracta- ten Ein Beispiel hievon sind die noch 1495. verglichene Reversalien, oder Beybriefe, wornach die nicht persoͤhn- lich zugegen gewesene Staͤnde sich des eben damahls er- richteten Landfriedens, Cammergerichtsordnung und Hand- habung Friedens und Rechts halber haben verbinden sol- len. Das Formular stehet in der neuen Sammlung der Reichsabschiede 2. Th. S. 17. zu bewegen suchen, solchen beyzutreten datt de pace publica Lib. V. cap. 2. n. 18. und Muͤl- lers Reichstagstheatr. unter K. Maximilian I. vierte Vor- stell. Kap. 56. §. 1. . Gleichwie indessen seit 1512. Reichsabschied von 1512. §. 7. Regimentsordnung von 1521. §. 12. Reichsabschied von 1542. §. 25. von 1555. §. 69. von 1559. §. 44. von 1576. §. 98. von 1594. §. 121. von 1654. §. 183. keinem Zweifel un- terworfen ist, daß in der Regel die mehrern Stimmen auch die wenigern nach sich ziehen, und diese dadurch eben so wohl verbunden werden, als ob sie mit einge- williget haͤtten; also ist in Ruͤcksicht auf die nicht er- scheinende Staͤnde schon durch den Freyburger Reichs- abschied von 1498. §. 59. verordnet, und durch die Reichsabschiede von 1541. §. 66 und 67. und von 1542. §. 121. wiederholet worden, daß die erscheinen- de Staͤnde, ihrer seyen viel oder wenig, Gewalt haben solten, uͤber alles das, weshalb der Reichstag ausge- schrieben worden, zu rathschlagen und zu beschliessen, und was also beschlossen worden, auch die Abwesenden binden solle, als ob sie gegenwaͤrtig gewesen waͤren N. Sammlung der Reichsabschiede Th. 2. S. 52. . Seit 1. Buch. 1. Tit. Seit dieser Zeit ist also die Regel festgestellet worden, daß Reichsgesetze vom Kayser mit Einwilligung der Staͤnde des Reichs oder wenigstens des mehrern Theils derselben gemacht werden muͤssen, wenn sie das ganze Reich verbinden sollen. Jedoch giebt es Ausnahmen von dieser Regel, wo noch jezt diejenigen, welche nicht mit eingewilliget haben, an die mehrere Stimmen nicht gebunden sind; diese Faͤlle sind im os- nabruͤkischen Frieden Art. V. §. 2. bestimmt. Es giebt auch Faͤlle, wo der Kayser oder gewisse Staͤnde vor sich etwas thun koͤnnen, so daß gleichwohl das gan- ze Reich sich darnach richten muß. Hierher gehoͤrt, a ) wenn die Staͤnde dem Kayser etwas zu freyer Dis- position heimstellen, wovon der Speyerische Reichsab- schied von 1544. §. 82. ein Beispiel giebt; b ) wenn der Kayser und gesammte Staͤnde gewissen Staͤnden einen Auftrag thun, den diese vor sich und gesammte uͤbrige Staͤnde vollziehen, daher z. E. die Reichsdepu- tationsabschiede. In seiner Art kann man c ) auch die kayserliche Wahlcapitulationen, die von den Churfuͤrsten allein gemacht werden, hierher rechnen Carl Friedr. Gerstlachers Corpus iuris germa- nici publici et privati. 1. Band von Reichsgese- tzen und Reichsordnungen (Frankf. 1786.) 1. Cap. S. 15 u. folg. . In Anse- hung der einzelnen teutschen Reichslande stehet einem jeden Landesherrn das Recht zu, Gesetze zu geben, und zwar ist dieses ein eigenes Recht der Landesho- heit , zu dessen Ausuͤbung weder eine Concession noch Bestaͤttigung vom Kayser verlangt wird. Ob aber un- sere teutsche Landesherrn nicht wenigstens die Einwilli- gung der Landstaͤnde noͤthig haben, wenn sie Gesetze ge- ben wollen, ist eine Frage, bey deren Beantwortung die Meinungen der Staatsrechtsgeleheten getheilt sind, indem de Iustitia et Iure indem Einige die Concurrenz der Landstaͤnde bey Ausuͤ- bung der gesezgebenden Gewalt fuͤr schlechterdings ge- gruͤndet; Andere aber dieselbe nur in denenjenigen Faͤl- len fuͤr noͤthig halten, wo ausdruͤckliche Landesgrundge- setze, oder das Herkommen, oder die Analogie der Lan- desverfassung diese Einwilligung der Landstaͤnde erfor- dern. Die erstere Meinung sucht Reinharth in select. Observat. ad Christinaeum Vol. I. Obs. 13. zu vertheidigen; die leztere aber behauptet Hellfeld , und hierin stimmen die meisten Publicisten uͤberein; ich glau- be, daß die leztere Meinung allerdings gegruͤndeter ist. Denn ist gleich nicht zu laͤugnen, daß nach der uralten gleich beym Aufkommen der Landeshoheit eingefuͤhrten Verfassung der teutschen Territorien die Landstaͤnde gro- sen Antheil an dem Rechte, Gesetze zu geben, gehabt haben Vergleiche Struben im gruͤndlichen Unterricht von Regierungs- und Justizsachen Sect. II. §. VIII. not. b. S. 27. u. folg. ; so ist doch auch gewiß genug, daß die Ver- fassung von vielen Landen heut zu Tage unleugbar nicht mehr diejenige sey, welche sie vor Alters gewesen, und daß der Landesherr heutiges Tages vermoͤge neuerer Landesgrundgesetze und des heutigen Herkommens in der Landesregierung uͤberhaupt freiere Haͤnde habe. Daher kommt die heutige grose Verschiedenheit der teutschen Territorien in Ansehung der Landstaͤndischen Gerechtsa- me; ja es giebt Lande, in welchen sich die Landstaͤnde vermoͤge der notorischen Landesverfassung nur noch einen kleinen Rest der ihnen ehemals zugehoͤrigen Rechte er- halten haben. Woraus denn folgt, daß sich bey strei- tiger Concurrenz der Landstaͤnde in Ansehung der Gesez- gebung keine allgemeine Vermuthung weder fuͤr den Landesherrn, noch fuͤr die Landstaͤnde behaupten lasse, son- 1. Buch. 1. Tit. sondern hierinnen alles auf die Verfassung eines jeden einzelnen Landes ankomme Schnauberts Beytraͤge zum teutschen Staats- und Kirchenrecht I. Theil N. X. S. 96. u. folg. . Noch muͤssen wir hier nach Anleitung unsers Auctors die so sehr bestrittene Frage eroͤrtern, ob die Reichsstaͤnde wider die gemeine Reichsgesetze in ihren Landen neue Ordnungen und Lan- desgesetze einfuͤhren, und dadurch jene aufheben oder abaͤndern koͤnnen? Ueber diese Frage haben ausser dem angefuͤhrten tho- masius noch folgende geschrieben: silberrad s. resp. scheid in Diss. de potestate statuum Imperii leges in territorio ferendi recessibus Im- perii contrarias . Argentorati 1756. Schnaubert kann ein Landesherr wider das gemeine Recht in Deutschland Landesgesetze machen ? in Desselben Beytraͤgen I. Th. N. III. Moser von Reichstagsgeschaͤften S. 273. Derselbe von der Landeshoheit in Regierungssachen 4. Kap. §. 48. 49. — von der teutschen Justizverfas- sung 1. Th. S. 1160. Carl Friedr. Gerstlacher in Corpore iuris germanici publici et privati I. Band 1. Cap. S. 33. u. folg. Allein des Ge. Phil . muhl Diss. qua expenditur quaestio, an et quatenus status Imperii legibus Imperii derogare possint. Giessae 1786. soll, so weit sie itzo erschienen, noch nichts zur Sache gehoͤriges enthalten. S. H. Prof. Kluͤbers kleine jurist. Biblioth. II. B. 5. St. N. XIII. Auch hierin sind die Meinungen der Publicisten sehr verschieden. Wir gehen den sicher- sten Weg, wenn wir einen Unterschied machen zwischen denjenigen Reichsgesetzen, welche die Staatsverfassung des teutschen Reichs uͤberhaupt, als ein Staatskoͤrper betrachtet, oder die Verfassung der einzelnen Reichslan- de zum Gegenstand haben, und folglich sogenannte Reichsgrundgesetze sind; und solchen Reichsgesetzen, welche blos Privatsachen Reichsstaͤndischer Unterthanen zum de Iustitia et Iure. zum Gegenstand haben, und daher Reichsprivatge- setze genennt werden. Reichsgesetze der erstern Art koͤnnen einzelne Reichsstaͤnde durch ihre Landesgesetze nicht abaͤndern; denn einmahl ist hier der Wille des Kay- sers und Reichs durchaus und schlechterdings gebietend; sodann aber bekoͤmmt auch durch dergleichen Reichs- grundgesetze ein Theil entweder der Kayser oder die Staͤnde, oder einzelne Corpora derselben vertragsweise ein ius quaesitum, in welches durch besondere Landes- verordnungen nicht eingegriffen werden kann. Insofern jedoch eine dergleichen Reichsverordnung zum Vortheil der Landesherrn, oder der Landstaͤnde und Unterthanen gemacht worden ist, kann sie durch beiderseitige Einwil- ligung abgeaͤndert werden. Zum Beispiel dient der §. 180. des J. R. A. und Art. V. §. 31. des Os- nabr. Fried. Instr. Soviel hiernaͤchst die Reichspri- vatgesetze anbetrifft, so kommt es in Ansehung der- selben zufoͤrderst darauf an, ob die Clausula salvato- ria denenselben beygefuͤgt sey oder nicht. Ist das er- ste, so ist keinem Zweifel unterworffen, daß einem Reichsstande die Befugnis, solchen Reichsgesetzen durch Landesgesetze zu derogiren, allerdings zustehe, denn dies bringt die Natur der salvatorischen Clausel mit sich. Hierdurch werden nicht allein zur Zeit des Reichsgese- tzes vorhandene, sondern auch noch nachfolgende Gewohn- heiten und Landesverordnungen, ob sie gleich dem Reichs- gesetze widersprechen, selbst vom Reich genehmiget. Bei- spiele liefern uns K. Carls V. Peinl. Gerichtsordnung in der Vorrede, und der juͤngste Reichsabschied §. 171. und 176. desgleichen der Reichsschl. vom 4. Sept. 1731. art. 1. nach welchem jedem Reichsstande nach Gelegenheit der Zeit und Umstaͤnde die Aenderung und Verbesserung der Innungsbriefe vorbehalten worden ist. Wenn Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. L 1. Buch. 1. Tit. Wenn aber ein Privatreichsgesez diese Vorbehaltungs- clausul nicht enthaͤlt, so stimme ich denen bey, welche alsdann wieder unter den Reichsgesetzen selbst einen Un- terschied machen, ob sie nehmlich entweder solche sind, welche das Reich fuͤr durchaus verbindliche Verordnun- gen vorgeschrieben hat, dergestalt, daß sie schlechter- dings in allen einzelnen Reichslanden befolgt werden sollen; ( leges Imperii absolute praeceptivae aut prohi- bitivae ) oder ob es solche sind, die zwar wohl als allgemeine Verordnungen in Teutschland promulgiret sind, deren Befolgung aber doch das Reich nicht so durchaus und schlechterdings fordert, sondern welche nur in subsidium, wenn andere verbindliche Verordnungen ermangeln, zur Richtschnur dienen sollen. ( leges Imperii bypotbeticae ) Ob ein Reichsgesez zu dieser oder jener Gattung gehoͤre, muß theils aus dem ausdruͤcklichen Inhalt des Gesetzes selbst, theils aus dem stillschwei- genden und vermutheten Willen des Reichs bestimmt werden. Der stillschweigende Wille des Reichs ist vorhanden, wenn die Absicht des Gesezgebers, und das durch das Gesez zu bewirkende Wohl von Teutsch- land nicht anders erhalten werden kann, als wenn das Gesez durchaus und schlechterdings in allen einzelnen Reichslanden befolgt wird. Dieses zum voraus gesezt, so ist nun zu bemerken, daß kein teutscher Landesherr die Macht habe, gegen solche Reichsprivatgesetze etwas zu verordnen, deren allgemeine und genaue Beobachtung das dadurch zu bewirkende Wohl Teutschlands noth- wendig macht. Wie wuͤrde z. E. der heilsame Zweck des Reichsschlusses von 1731. wegen Abstellung der Handwerksmisbraͤuche erreicht werden, wenn solcher nur an einigen Orten beobachtet wuͤrde, an andern nicht? Es gestattet auch weder die Unterwuͤrfigkeit der teutschen Landesherrn und ihrer Territorien gegen die Majestaͤt des de Iustitia et Iure. des Reichs, sich von der Verbindlichkeit solcher Reichs- gesetze loszumachen, noch kann die Abaͤnderung oder Aufhebung derselben durch entgegengesezte Landesordnun- gen mit der Einheit des teutschen Staats bestehen. Ganz anders hingegen verhaͤlt sich die Sache mit de- nen hypothetischen Reichsprivatgesetzen , denn in Ansehung dieser kann die Befugnis der Neichsstaͤnde, denenselben durch besondere Landesgesetze zu derogiren, darum nicht bezweifelt werden, weil, wenn gleich ein teutscher Landesherr dem Kayser und Reich unterthaͤnig ist, und nur eine von daher abhaͤngige Hoheit besitzet, dennoch derselbe nichts desto weniger zugleich auch selbst Regent in seinem Lande ist, und darinn die oberaufse- hende und gesezgebliche Gewalt zum Wohl desselben hat. Hierzu kommt, daß die Lage, Beschaffenheit und Um- staͤnde der einzelnen Reichslande so mannichfaltig sind, daß viele Reichsgesetze nicht fuͤr jedes Land sich schicken, in Ansehung derer es demnach gegen den zuverlaͤsigen Willen des Reichs seyn wuͤrde, ein Reichsgesez zum Nachtheil eines Landes darinn zu beobachten. Vielmehr ist es in solchen Faͤllen dem Willen des Reichs aller- dings fuͤr gemaͤß zu halten, daß der Landesherr, der die beste Kenntnis von der Beschaffenheit seines Landes hat, und dem zunaͤchst das Wohl desselben am Herzen liegt, das Reichsgesez in seinem Lande naͤher bestimmen, oder erforderlichen Falls gar abaͤndern koͤnne. Daß gegen die gemeinen fremden Rechte der Landes- herr in seinem Lande Gesetze promulgiren koͤnne, hat um so weniger Zweifel, da dieselben blos subsidtarische Rechte sind, die ohnehin den vorhandenen teutschen Ge- setzen weichen muͤssen Schnaubert a. a. O. §. 2 und hofacker in Prin- cip. iur. civ. Rom. Germ . T. I. §. 129. . L 2 Da 1. Buch 1. Tit. Da uͤbrigens die gesezgebende Gewalt in den Reichslanden ein eignes Recht der Landesherrn ist, so verstehet es sich von selbst, daß denen Justizeollegien, Regierungen und Stadtmagistraͤten, nehmlich in Lan- desstaͤdten, sine speciali Principis concessione keine gesezgebende Gewalt zu gestatten sey Strubens Unterricht von Regierungs- und Justizsachen Sect. II. §. VIII. n. b. S. 27. . §. 25. Eintheilung der Verbindlichkeit in die natuͤrliche, buͤr- gerliche und vermischte . Nachdem wir bisher von den verschiedenen Gat- tungen der Gesetze, besonders von den beyden Haupt- arten derselben, den natuͤrlichen und positiven gehandelt haben, so kommen wir nun auf die daher entstehende Eintheilung der Verbindlichkeit . Wenn nehmlich die Frage ist, in welchem Gesez sich eine Verbindlich- keit gruͤnde; so lassen sich drey Faͤlle denken; nehmlich die Verbindlichkeit gruͤndet sich entweder blos in dem Recht der gesunden Vernunft, oder sie ist blos im po- sitiven buͤrgerlichen Rechte gegruͤndet; oder sie hat in beyderley Rechten, in denen natuͤrlichen wie in den buͤrgerlichen, ihren Grund Im erstern Fall ist eine blos natuͤrliche Verbindlichkeit , im zweiten eine blos buͤrgerliche , und im dritten eine vermischte Verbindlichkeit vorhanden. Eine obligatio mere naturalis ist z. B. die Verbindlichkeit einer Weibsper- sohn aus uͤbernommener Buͤrgschaft, ferner die Ver- bindlichkeit eines filiifamilias aus einem Geldanlehn. Eine obligatio mere civilis ist z. B. die Verbindlich- keit eines Depositars zum doppelten Ersaz, wenn er ein Depositum miserabile veruntreuet hat. Eine obli- gatio de Iustitia et Iure. gatio mixta endlich ist z. B. die Verbindlichkeit des Kaͤufers zur Bezahlung des bedungenen Kaufschillings, und des Verkaͤufers zur Uebergabe. Wir bemerken von denen sogenannten vermischten Verbindlichkeiten noch folgende Wahrheiten: 1) daß eine Verbindlichkeit darum nicht aufhoͤre, eine natuͤrliche zu seyn, weil sie im Civilrecht gleichfals vorgeschrieben worden; 2) daß sie durch diese Wiederholung ihre innere Kraft und Wirkung nicht verliehre; daß folglich 3) derjenige, welcher sich auch sonst mit der Unwissen- heit des buͤrgerlichen Rechts entschuldigen kann, in Ansehung solcher Vorschriften, die schon natuͤrlichen Rechtens sind, sich darauf nicht berufen koͤnne Io . voet in Comment. ad Pandect . Lib. XXII. Tit. 6. §. 1. ; daß endlich 4) das ius positivum qua tale sein Ansehen und Guͤl- tigkeit verliehren koͤnne, dadurch aber alles dasjeni- ge, was aus dem Naturrechte darinn aufgenommen worden, nicht gleichfals unverbindlich werde Weber Entwikelung der Lehre von der na- tuͤrlichen Verbindlichkeit 1. Abth. §. 4. S. 9. u. f. — Reflexionen zur Befoͤrderung einer gruͤndlichen Theorie vom heutigen Gebrauch des roͤmischen Rechts . §. 10. 11. und 12. ; Wahrheiten, die eben so einleuchtend als practisch sind, und daher keines weitern Beweises beduͤrfen Beilaͤufig ist hieraus zu ersehen, wie nothwendig und unentbehrlich einem Juristen das Studium des natuͤrlichen Rechts sey, indem eine gruͤndliche Kenntnis desselben ihn erst in den Stand sezt, die Grenzen und das Ver- haͤltnis der natuͤrlichen Rechte und Verbindlichkeiten ge- gen die blos buͤrgerlichen richtig zu bestimmen. . L 3. §. 26. 1. Buch. 1. Tit. §. 26. Wirkungen und Verhaͤltnis der natuͤrlichen Verbindlichkeit in foro civili . Begrif der natuͤrlichen Verbindlichkeit im strengsten Verstande des Civilrechts. Was ist Billigkeit? Man pflegt gewoͤhnlich die blos natuͤrliche Ver- bindlichkeiten, um deren Verhaͤltniß und Wirkungen in buͤrgerlichen Gerichten bestimmen zu koͤnnen, auf zwey Hauptelassen zu reduciren, indem man sie in solche ein- theilt, welche durch die buͤrgerlichen Gesetze gaͤnzlich auf- gehoben und verworfen, — und solche, die zwar nicht bestaͤttiget, aber doch auch nicht ganz aufgehoben und vernichtet sind. Erstere nennt man: obligationes natu- rales plane destructas sive reprobatas , leztere hinge- gen obligationes naturales haud reprobatas. Jene, sagt man, haben in Gerichten schlechterdings gar keinen Effect, so daß auch die etwa geschehene Erfuͤllung der- selben sogar zuruͤckgefordert werden koͤnne. Leztere hin- gegen waͤren in Ansehung der gerichtlichen Wirkung nur eingeschraͤnkt, und zwar dahin, daß wegen solcher Ver- bindlichkeiten nur keine Klage erhoben werden koͤnne, sonst aber doch alle andere Wirkungen statt faͤnden. Man koͤnne eine Einrede gegen die etwa nach dem stren- gen Recht dem Glaͤubiger zustehende Klage daraus her- nehmen, das Innebehaltungsrecht ausuͤben, die Kom- pensation vorschuͤtzen, es habe ferner in Ansehung sol- cher Verbindlichkeiten ein Constitutum, eine Novation, ein Pfandrecht und Buͤrgschaft statt L. 7. §. 4. D. de pact. L. 6. D. de compensat. L. 1. §. 7. D. de constit. pec. L. 1. §. 1. D. de novat. L. 5. u. 14. D. de pignor. §. 1. I. de fideiussor . . Man fuͤgt weiter hinzu, der unterscheidende Character, woran man erkenne, ob nicht bestaͤttigte natuͤrliche Verbindlichkeiten in de Iustitia et Iure. in die eine oder in die andere Classe zu rechnen, sey lediglich darinn zu setzen, ob die Civilgesetze gestatten, daß die geschehene Zahlung wieder zuruͤckgefordert wer- den duͤrfe, oder nicht? L. 10. D. de obligat. et action. L. 19. D. de condict. indeb. So ist die gewoͤhnliche Theorie der Rechtsgelehrten von der natuͤrlichen Ver- bindlichkeit und deren gerichtlichen Wirkung, welche nicht nur Hellfeld in diesem §. unabgeaͤndert vortraͤgt, son- dern die wir auch eben so schon vom Accursius an in allen Systemen und Compendien des buͤrgerlichen Rechts antreffen. Allein daß diese gemeine Vorstel- lungsart nicht nur mangelhaft, sondern auch offenbar unrichtig sey, hat neuerlich einer unserer besten Civili- sten Herr Prof. Weber in seinem classischen Werke von der natuͤrlichen Verbindlichkeit, und deren gerichtlichen Wuͤrkung 1. Abth. 1. Abschn. §. 42. und folg. S. 109. ff. uͤberzeugend dargelegt. Mangelhaft ist sie, weil nach dieser gewoͤhnlichen Lehre durchaus nicht abzusehen ist, unter welche Classe man die Liebespflichten bringen soll. Zwar will man sie unter diejenigen natuͤrlichen Verbindlichkeiten mit rangiren, denen das buͤrgerliche Recht die gericht- liche Wirkung entzogen hat Man findet eine solche Klassification unter andern beym Io. Ortw . westenberg in Dissertationib. de causis obligationum Diss. I. Cap. IV. §. 9. in- gleichen beym hahn ad Wesenbeccium Tit. de obli- gationib. et action . N. V. , allein eben dadurch erhaͤlt jene Theorie ein noch mislicheres Ansehen. Denn ist gleich nicht zu laͤugnen, daß die Erfuͤllung derselben nicht vermittelst einer Klage gefordert werden koͤnne, so liegt doch der Grund-hievon keineswegs in einer Ver- L 4 ord- 1. Buch. 1. Tit. ordnung des Civilrechts, sondern in der Natur und Wesen dieser Pflichten selbst. Denn da sie an sich auch in aussergesellschaftlichem Zustande mit Gewalt nicht erzwungen werden koͤnnen: so laͤsset sich ohne Wider- spruch nicht behaupten, daß die Civilgesetze ihnen eine Wirkung entzogen haͤtten, welche sie doch ihrer Na- tur nach nicht haben? Es liegt also ganz offenbar vor Augen, daß sie in den Systemen und Lehrbuͤchern des buͤrgerlichen Rechts am ganz unrechten Orte stehen, wenn sie mit wirklichen Zwangspflichten, die nur durch besondere Vorschrift des Civilrechts ganz oder zum Theil unerzwingbar geworden sind, eine Classe for- miren. Unzutreffend ist ferner die gemeine Lehrart von der natuͤrlichen Verbindlichkeit auch darum, weil, wenn man die ganze Summe der blos natuͤrlichen Verbind- lichkeiten, die nicht ausdruͤcklich in den Civilgesetzen be- staͤttigt worden, in Absicht der gerichtlichen Wirkung nur auf zwey Classen reducirt, nehmlich, daß sie entweder durch- aus ohne allen Effect , oder nur nicht klagbar , uͤb- rigens aber voͤllig wirksam sind, man hierdurch in die Ver- legenheit gesetzet wird, allen natuͤrlichen Zwangspflichten, wovon die buͤrgerlichen Gesetze schweigen, den effectum agendi zu versagen, welches aber gegen die gesunde Vernunft, gegen den Geist des Roͤmischen und Kano- nischen Rechts, ja gegen den heutigen Gerichtsgebrauch selbst offenbar streitet, wie zu seiner Zeit gezeigt werden soll Daß diese irrige Meinung wirklich in den Systemen und Commentarien der treflichsten Juristen herrsche, will ich nur durch ein paar Beispiele erweisen. So schreibt Io. God . schaumburg in Compendio iuris Dige- stor . Lib. XLIV. Tit. 7. §. 3. Sigillatim vero, ut obli- gatio . Irrig de Iustitia et Iure Irrig aber ist die gemeine Theorie aus mehr als einer Ursach. Denn erstlich ist es ein offenbarer Irthum, wenn die natuͤrliche Verbindlichkeit, deren ge- richtliche Wirkung durch die Civilgesetze nur zum Theil eingeschraͤnkt worden, blos dahin bestimmt wird, daß die Gesetze deshalb keine Klage, wohl aber die uͤbrigen Wirkungen zuliessen; indem uns theils die Gesetze selbst Faͤlle genug darstellen, wo bey einer solchen in Anse- hung des gerichtlichen Effects eingeschraͤnkten natuͤrlichen Verbindlichkeit dennoch das Recht zu klagen nicht gaͤnz- lich wegfaͤllt, sondern nur limitirt ist Vergleiche L. 5. pr. D. de auct. tutor. L. 16 ‒ 24. D. de re iudicata. ; theils aber auch, wenn man sich das ganze Resultat der gerichtli- chen Wirkungen einer vollkommenen Verbindlichkeit ge- denkt, sehr leicht einzusehen ist, daß die Einschraͤnkung derselben auf weit mehr als eine Art geschehen koͤnne, so wie denn in der Folge diese verschiedene Arten aus den Gesetzen selbst erwiesen werden sollen. Zweitens ist es irrig, wenn man in den Faͤllen einer sogenannten reprobirten natuͤrlichen Verbindlichkeit die Zuruͤckforde- rung desjenigen, was vermoͤge derselben ist gegeben worden, ohne Unterschied zulassen, und hierin den un- terscheidenden Character zwischen einer nicht bestaͤttigten L 5 und gatio in foro efficax sit, et actionem producat, lex ci- vilis illi assistat , requiritur. Quod ita necessarium est, ut sola naturalis obligatio, licet perfecta sit , externe actionem non producat. So auch Io . voet in Com- mentar. ad Pandect . T. II. Tit. de obligat. et action . §. 3. Obligatio naturalis tantum est, quae solo nititur aequitatis naturalis vinculo, nullam quidem effi- cacem iure civili producens actionem ad persequendum id, quod ita debitum; sed tamen exceptionem patiens, ac soluti retentionem. Et haec ita, si vel obligatio na- turalis plena sit . 1. Buch. 1. Tit. und einer reprobirten natuͤrlichen Verbindlichkeit setzen will; da die Faͤlle doch bekannt genug sind, wo selbst die buͤrgerlichen Gesetze die Zuruͤckforderung des einmahl Gegebenen nicht verstatten. So z. B. gehoͤrt die Ver- bindlichkeit aus der Buͤrgschaft einer Frauenspersohn of- fenbar zu denen sogenannten reprobirten natuͤrlichen Verbindlichkeiten, und doch stehet einer Frauenspersohn, welche wuste, daß sie nicht aus der Buͤrgschaft gehal- ten sey, und dennoch bezahlete, die Zuruͤckforderung nach den Gesetzen nicht zu Weber im angef. Buch 2. Abtheil. §. 76. hat noch mehrere Beispiele hiervon. . So leuchtet also das Mangelhafte, Unbestimmte und Irrige des gemeinen Lehrbegrifs allenthalben hervor. Richtiger wird die Sache auf folgende Art vorzu- stellen seyn. Daß natuͤrliche Verbindlichkeiten zwar auch im buͤrgerlichen Zustande vorhanden und fortdaurend sind, doch aber durch die buͤrgerlichen Gesetze mancher- ley Modificationen erhalten koͤnnen, ist schon oben (§. 17. u. 18.) dargethan worden. Hieraus folgt, Erstlich: daß eine jede natuͤrliche Zwangspflicht auch in den buͤrgerlichen Gerichten den voͤlligen Effect ha- be, und in der Regel durch Klagen und Einreden geltend gemacht werden koͤnne, so weit ihr diese Wir- kung durch die buͤrgerlichen Gesetze nicht ausdruͤcklich genommen ist; Zweitens: daß, wenn auch dergleichen Einschraͤnkun- gen wirklich vorhanden sind, diese dennoch, als Aus- nahmen von der Regel, auf das strengste erklaͤret werden muͤssen, mithin die natuͤrliche Verbindlichkeit in Ansehung des gerichtlichen Effects doch nur soviel verliehre, als das positive Recht derselben nahment- lich de Iustitia et Iure. lich entzogen hat; und also diejenigen Wirkungen, welche in den Gesetzen nicht ausdruͤcklich aufgehoben sind, allerdings auch in foro civili fortdaurend ihr verbleiben; Drittens: daß eine natuͤrliche Zwangspflicht der Be- staͤttigung des buͤrgerlichen Gesezgebers nicht beduͤrfe, folglich allerdings auch alsdenn in den buͤrgerlichen Gerichten klagbar sey, wenn sie auch gleich in den Civilgesetzen nicht wiederholt bestaͤttiget worden; end- lich Viertens: was an sich nur Liebespflicht ist, auch in foro civili nicht mehr Kraft habe, mithin in Ge- richten als erzwingbare Schuldigkeit nie gefordert werden koͤnne; es waͤre denn, daß durch Vorschrift des buͤrgerlichen Rechts das Gegentheil verordnet wor- den. (§. 3. S. 38. u. folgg.) Dieses vorausgeschickt, so reducirt sich nun das Verhaͤltnis der blos natuͤrlichen Verbindlichkeiten, d. i. derjenigen, welche in den Civilgesetzen nicht aus- druͤcklich bestaͤttiget worden sind, in Absicht der gericht- lichen Wirkung, eigentlich auf drey Faͤlle. Sie sind entweder durch die buͤrgerlichen Gesetze ganz aufgeho- ben und destruirt , oder der gerichtlichen Wirkung nach nur eingeschraͤnkt ; oder sie sind weder repro- birt, noch eingeschraͤnkt worden, sondern solche, deren die positiven Gesetze nicht erwaͤhnen . Wir wollen von der leztern Art natuͤrlicher Verbindlichkeiten und ihrer gerichtlichen Wirkung zuerst handeln. Daß diese ent- weder Liebes- oder Zwangspflichten seyn koͤnnen, ist bekannt; und daß beyde auch im buͤrgerlichen Zustan- de diejenige Wirkung haben, die sie ausser diesem Zu- stande gehabt haben wuͤrden, ist schon vorhin bemerket worden; ich setze nehmlich voraus, daß die buͤrgerlichen Ge- 1. Buch. 1. Tit. Gesetze ein anders nicht verordnet haben. Soviel dem- nach zuerst die Liebespflichten und deren Verhaͤltniß im buͤrgerlichen Zustande anbetrift, so koͤnnen selbige nun, wie bereits oben gezeigt worden, keinesweges unter diejenigen natuͤrlichen Verbindlichkeiten classificirt wer- den, die der gerichtlichen Wirkung nach eingeschraͤnkt sind, sondern sie gehoͤren zu der von uns angegebenen dritten Classe der blos natuͤrlichen Verbindlichkeiten; und wenn sie gleich in Gerichten als erzwingbare Schul- digkeit nie gefordert werden koͤnnen; so lassen dennoch die Gesetze, wenn die Erfuͤllung einer solchen Liebespflicht einmahl geschehen, keine Zuruͤckforderung zu. Der Grund hiervon, welchen die Gesetze selbst mit ausdruͤck- lichen Worten angegeben, ist kein anderer, als weil der- jenige, welcher in der Absicht, ein officium humani- tatis auszuuͤben, etwas gegeben hat, nach rechtlicher Vermuthung das Gegebene hat schenken wollen; ( quia donare voluit ) L. 65. §. 2. D. de condict. indeb. Man vergleiche auch hierbey Sam. de cocceii in iure controverso Lib. XII. Tit. 6. Qu. 5. folglich wenn er einmahl die Absicht zu schenken gehabt, das einmahl Gegebene auch dann nicht einmahl solle wieder zuruͤckfordern koͤnnen, wenn gleich bey der geschehenen Praͤstation erweißlich ein Irr- thum zum Grunde liegen solte L. cit. 65 . verb.: quamuis falso mihi persuaserim, re- peti non posse . . Was nun hingegen die im buͤrgerlichen Rechte nicht bestaͤttigten natuͤrlichen Zwangspflichten anbelangt, so ist zwar die gemeine Meinung der Rechtsgelehrten, daß natuͤrliche Zwangs- pflicht an sich in foro civili nicht klagbar sey, wenn sie nicht durch Vorschriften der Civilgesetze zu dieser Wir- kung autorisiret worden; allein, daß die Sache sich ge- rade umgekehrt verhalte, und vielmehr alle natuͤrliche Zwangs- de Iustitia et Iure. Zwangspflichten auch in buͤrgerlichen Gerichten voͤllig wirksam seyn, sofern nicht durch die Civilgesetze nah- mentlich eine Einschraͤnkung geschehen, jene gemeine Lehr- art also ganz irrig, ja der gesunden Vernunft, dem Sinn des roͤmischen und kanonischen Rechts, auch der heutigen Gerichtspraxi offenbar zuwider sey, ist leicht zu erweisen. Denn da emmahl im buͤrgerlichen Zu- stande niemand sich eigenmaͤchtigerweise Recht verschaffen darf, sondern die Mitglieder des gemeinen Wesens an- gewiesen sind, ihre Rechte durch richterliche Huͤlfe gel- tend zu machen; so muͤssen ja auch nothwendig die Ge- richte ihrer Seits verbunden seyn, einem Jeden zur Er- langung seines vollkommenen Rechts zu verhelffen. Da nun dergleichen Zwangsrechte und Verbindlichkeiten an sich allerdings auch ohne alle Vorschrift der positiven Gesetze statt finden koͤnnen; so ist nicht abzusehen, wie der Richter eine aus dem natuͤrlichen Zwangsrechte er- hobene Klage blos darum verwerffen koͤnne, weil das Civilrecht derselben nicht gedenkt Eben so urtheilen ausser den oben angefuͤhrten H. Prof. Weber §. 44. auch Io. Balth . wernher in Diss. de auctoritate iuris civ. circa obligationes naturales. Viteb. 1701. nettelbladt in System. elem. Iurispr. po- sit. Germ. comm. general. §. 281. und Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerlichen Rechts Th. 1. S. 87. n. 4. . Mit die- sen allgemeinen Vernunftgruͤnden stimmen aber auch zweitens die in Teutschland geltende positive Rech- te uͤberein. Zwar ist nicht zu laͤugnen, daß in dem roͤmischen Gesezbuche verschiedene Aeuserungen enthalten sind, und manche Stellen vorkommen, welche der ge- meinen Theorie das Wort zu reden scheinen; allein dieses darf uns gar nicht wundern, wenn wir bedenken, daß nach der Beschaffenheit der aͤltern roͤmischen Rechts- gelahrtheit und der Gerichtsverfassung fast alles auf For- meln 1. Buch. 1. Tit. meln und woͤrtliche Solemnitaͤten ankam, und daß nach dieser Anlage manche im natuͤrlichen Zwangsrecht best- gegruͤndete Verbindlichkeit dennoch in foro Romano da- rum kein Gehoͤr fand, weil fuͤr das Factum, woraus diese Verbindlichkeit entsprungen, noch keine Klagfor- mel erfunden war. Man erinnere sich hierbey an den Handel des roͤm. Ritters C. Canius mit dem Py- thius , den uns Cicero de officiis Lib. III. c. 14. so unterhaltend erzaͤhlt; es war evident, daß Canius war hintergangen worden; sed quid faceret? sagt Cicero , nondum enim aquil- lius protulerat de dolo malo formulas . Allein seit- dem die roͤm. Praͤtoren in ihren Edicten das alte for- mularische und strenge roͤm. Recht auf billigere und dem Naturrecht mehr angemessene Grundsaͤtze reducirt haben, und die roͤm. Juristen ihnen in ihren Commentaren uͤber das Edict auf diesem Wege nachgefolget sind, so herscht eine ganz andere Sprache in den roͤm. Gesetzen. Nun wird uͤberall der Richter mehr auf Naturrecht und natuͤrliche Billigkeit, als auf den Buchstaben der buͤr- gerlichen Gesetze verwiesen. Placuit, so sprechen die Kaiser constantinus und licinius in L. 8. Cod. de iudiciis , in omnibus rebus praecipuam esse iusti- tiae aequitatisque , quam stricti iuris rationem; und an einem andern Orte L. 7. pr. D. de in int. restitut. rescribirt Divus antoninus : Etsi nihil facile mutan- dum est ex solemnibus: tamen, ubi aequitas evidens poscit , subveniendum est. Wie deutlich ist nicht fer- ner die Vorschrift, welche dem Richter im L. 4. §. 1. D. de eo quod certo loco bey Gelegenheit gegeben wird: In Summa, aequitatem quoque ante oculos habere debet iudex. Noch eins. War nicht gerade zu die- sem Endzweck die sogenannte actio in factum ganz vor- zuͤglich eingefuͤhrt, daß sie das allgemeine Rechtsmittel seyn de Iustitia et Iure. seyn solte, natuͤrliche Verbindlichkeiten, deren das buͤrgerliche Recht nicht gedenket, in foro civi- li geltend zu machen Chr. Frid Ge. meister Diss. de in factum actio- nibus Goettingae 1748. in Syllog. I. Opuscul. N. VII. ? Wer hieran zweifelt, lese nur, was Papinian sagt in L. 1. D. de praescr. verb. Nonnunquam euenit, ut cessantibus iudiciis proditis et vulgaribus actionibus, cum proprium no- men invenire non possumus, facile descendamus ad eas, quae in factum appellantur; und Pompon er- kennt bey dem Mangel, der in den buͤrgerlichen Gese- tzen selbst bestimmten Klagen die Nothwendigkeit der actionum in factum in folgenden Worten der L. 11. D. eodem : Quia actionum non plenus numerus esset, ideo plerumque actiones in factum desiderantur. Eben dieses bestaͤrkt auch der Imperator selbst §. ult. I. de lege Aquilia. durch folgendes Beispiel: Cum non suffi- ciat neque directa neque utilis legis Aquiliae actio, placuit eum, qui obnoxius fuerit, in factum actio- ne teneri. Der Grund hiervon ist kein anderer, als welchen Paulus an einem andern Ort L. 2. §. 5. D. de aqua et aquae pluviae mit folgenden Worten an- fuͤhrt: boc aequitas suggerit , etsi iure deficiamur Mit Recht sagt daher J. L. Schmidt im praktischen Lehrbuch von gerichtl. Klagen u. Einreden (Jena 1786.) §. 26. S. 24.„ Sonst bedeutet actio in factum diejenige Klage, welche weder aus den Worten noch aus dem Sinn der Gesetze, sondern aus der Bil- ligkeit entspringet. . Wer nun bey so klar redenden Gesetzen noch einen Au- genblick daran zweifeln wolte, ob eine aus der blosen natuͤrlichen Billigkeit erhobene Klage nach dem roͤmi- schen Rechte zulaͤssig sey, der muͤßte mit Vorsaz der Wahr- 1. B. 1. Tit. Wahrheit widersprechen wollen Noch mehrere Beweisstellen hat H. Prof. Weber a. a. Ort §. 46. S. 126. gesammlet. . Noch viel wenigern Zweifel aber ist die Sache nach den kanonischen und heutigen teutschen Rechten unterworffen. Denn so will das kanonische Recht, welches in proceßualischen Ma- terien dem roͤmischen Rechte vorzuziehen ist, ausdruͤck- lich, daß nicht mit Spitzfindigkeit untersucht werden sol- le, was fuͤr eine Klage angestellet sey, sondern es soll nur auf die Sache selbst Ruͤcksicht genommen werden, cap. 6. X. de iudiciis Die Worte dieses cap. verdienen selbst hier angefuͤhrt zu werden: Provideamus attentius, ne ita subtiliter, sicut a multis fieri solet, cuiusmodi actio intentetur, inquiratis, sed simpliciter et pure factum ipsum, et rei verita- tem secundum formam canonum, et sanctorum patrum in- stituta, investigare curetis. . Die Teutschen endlich ha- ben nie eine festgesezte Anzahl der Klagen gehabt, sagt einer unserer beruͤhmtesten heutigen Rechtsgelehrten D. Just. Claproth Einleitung in den ordent- lichen buͤrgerlichen Proces (Goͤttingen 1786.) 1. Th. 1. Abschn. 1. Hauptst. §. 1. not. b. S. 2. u. f. , sondern die Verbindlichkeiten blos nach der natuͤrlichen Billigkeit abgemessen. Nie aber ist der roͤmische Pro- ceß, am wenigsten das Formularrecht, zur Anwendung gekommen. Die heutigen Rechtslehrer tragen daher mit Recht kein Bedenken, da aus der natuͤrlichen Billigkeit Klagen zu verstatten, wo die roͤmischen Gesetze keine eingefuͤhrt haben So z. B. verstatten Huber in Praelect. ad Insti- tut . tit. de Rer. divis. §. 40. und Heineccius in Elem- iur- . Inzwischen duͤrfen auch hier die Grenzen nicht uͤberschritten werden. Soll nehmlich eine Klage in einem Fall, wo weder aus den Worten noch aus de Iustitia et Iure. aus dem Sinn der Civilgesetze dergleichen entspringt aus der blosen natuͤrlichen Billigkeit zugelassen werden, so wird hierbey vorausgesezt, a) daß die Billigkeit nicht wider ein ausdruͤckliches und noch gel. tendes Gesez anlaufe; b) daß sie in einem unlaͤugbaren Grundsatze des natuͤrlichen Rechts gegruͤndet sey; und c) ein Zwangs- recht zum Grunde habe . Ich wende mich nun zu der Ausnahme von der Re- gel, oder zu denjenigen beyden Faͤllen, worauf man ge- woͤhnlich das Verhaͤltnis aller natuͤrlichen Verbindlich- keiten, die in den Civilgesetzen nicht wiederholt bestaͤt- tiget worden sind, in Absicht der gerichtlichen Wirkung zu reduciren pflegt. Natuͤrliche Verbindlichkeiten koͤn- nen nehmlich im Staat entweder goͤnzlich reprobirt , und durch positive Gesetze schlechterdings aufgehoben , oder auch nur der gerichtlichen Wirkung nach einge- schraͤnkt seyn. Im erstern Fall cessirt nicht nur alle gerichtliche Wirkung derselben, sondern es hoͤrt auch auf Seiten des Schuldners selbst die natuͤrliche Zwangs- pflicht dergestalt auf, daß dasjenige, was vermoͤge ei- ner solchen gaͤnzlich destruirten Verbindlichkeit dennoch aus Irrthum, ja unterweilen auch wissentlich, in. debite gezahlet worden, wieder zuruͤckgetordert werden kann. Ehe wir jedoch hieruͤber weiter ins Detail gehen koͤnnen, wird es noͤthig seyn, diejenigen Faͤlle ausein- ander iur. civ. sec. ord. Institut . §. 320. not. *) wider den L 48. D. de Rei Vind. u. L 33. D de condict in- deb. heut zu Tage mit Recht die Klage nach der natuͤrli- lichen Billigkeit (actionem in factum) demjemgen, wel- cher auf fremden Grund und Boden gebauet hat. Stehe auch Hoͤpfner im Commentar uͤber die Institut . § 320. Gluͤcks Erlaͤut, d. Pand. 1. Th. M 1. Buch. 1. Tit. ander zu setzen, wo die natuͤrliche Verbindlichkeit nach der Vorschrift des Civilrechts gaͤnzlich wegfaͤllt. Hier- her gehoͤrt einmahl, wenn die positiven Gesetze ge- wisse natuͤrlich erlaubte und verbindliche Handlungen aus besondern Ursachen durchaus verbieten, und dergestalt fuͤr unguͤltig erklaͤren, daß gleich Anfangs keine Ver- bindlichkeit daraus im Staat entstehen kann. Die Gruͤnde, wodurch buͤrgerliche Gesezgeber veranlasset wer- den koͤnnen, natuͤrlich erlaubte Handlungen zu verbie- ten, und die daher entstehende mancherley Classen der verbietenden Positivgesetze haben wir oben schon eroͤr- tert. (§. 14. S. 99.) Zweitens: wenn der bisheri- ge gerichtliche Effect einer natuͤrlichen Verbindlichkeit zur Strafe des Glaͤubigers wegen Uebertretung verbie- tender oder gebietender Gesetze dergestalt aufgehoben wird, daß die Gesetze dem Glaͤubiger nicht blos rich- terliche Huͤlfe versagen, sondern ihre Absicht dahin ge- het, ihm eine sonst auch gegruͤndete Forderung selbst abzusprechen, also nicht blos die Ausuͤbung seiner Be- fugnis einzuschraͤnken, sondern ihn seines ganzen Rechts an sich verlustig zu erklaͤren . Wir finden dieses in folgenden Faͤllen: a) wenn die Abtretung einer Schuldforderung an einen Maͤchtigern geschie- het L. 2. C. ne liceat potentior. . b) Wenn der Glaͤubiger, um seine Befriedi- gung zu erhalten, sich der verbotenen Selbsthuͤlfe be- dient L. 13. D. quod metus causa. . In beyden Faͤllen ist nicht blos Verlust der Klage, sondern des ganzen Rechts an sich zur Strafe geordnet, und daher faͤllt auch nothwendig die natuͤrliche Zwangspflicht gaͤnzlich weg. Denn ist es gewiß, daß die Gesetze gewisse Handlungen des Glaͤubigers mit dem ganzen Verluste seines Rechts be- ahnden koͤnnen, was nicht leicht jemand leugnen wird; So de Iustitia et Iure. So kann ja nicht fuͤglich den Schuldner eine natuͤrli- che Verbindlichkeit treffen, wenn das buͤrgerliche Ver- haͤltnis macht, daß auf Seiten des Glaͤubigers gar kein Recht mehr vorhanden ist Diesem ist L. 19. pr. D. de condict. indeb. keinesweges ent- gegen, wo es heißt: Si poenat causa eius, cui debetur, debitor liberatus est; naturalis obligatio manet Denn diese Stelle beziehet sich lediglich auf solche Verordnungen des Civilrechts, welche dem Glaͤubiger blos die Klage entziehen, und insofern den Schuldner befreyen; nicht aber auf solche Gesetze, wodurch der Glaͤubiger seines ganzen Rechts verlustig erklaͤret wird. Deutlicher wird dieses in L. 9 . §. 4. D. ad Sctum Macedon. auseinander gesezt: Hi demum solutum non repetunt, qui ob poe- nam creditorum actione liberantur, non quoniam exone- rare eos lex voluit. Es ist also in jedem einzelnen Falle die buͤrgerliche Disposition ihrem ganzen Inhalte nach genau zu pruͤfen, und hieraus zu bestimmen, ob dem Glaͤubiger das ganze Recht an sich abgesprochen, oder ihm nur gewisse Rechtsmittel versagt worden sind, in wel- chem leztern Fall die natuͤrliche Verbindlichkeit in so weit fortdauert, als ihr die gerichtliche Wirkung nicht entzo- gen worden ist. Z. B. Wenn ein Vormund bey Ueber- nehmung der Vormundschaft seine Forderung an den Pu- pillen verschwiegen, so wollen ihn die Gesetze mit seiner Klage nicht weiter gehoͤrt wissen Nov. 72. c. 4. Da sie ihn also nicht mit dem Verlust seines ganzen Rechts bestra- fen, so verstehet es sich von selbst, daß die natuͤrliche Ver- bindlichkeit mit allen uͤbrigen nicht ausdruͤcklich genomme- nen Wirkungen fortdauere. S. Weber im angef. Buch 3. Abth. 6. Abschn. §. 92. S. 54. und §. 94. S. 64. . Fraͤgt man nun, in wiefern in den Faͤllen einer reprobirten oder ganz aufgehobenen natuͤrlichen Verbindlichkeit die repetitio soluti zulaͤssig sey? so ist nach einer richtigern Meinung ein Unterschied zu machen, ob wegen eines buͤrgerlichen Verbots gleich Anfangs aus dem gegen dasselbe unter- nommene Geschaͤfte keine rechtliche Verbindlichkeit ent- M 2 ste- 1. Buch. 1. Tit. stehen koͤnnen, oder ob ein solcher Fall vorhanden, wo die buͤrgerlichen Gesetze einer wirklich vorhandenen und bisher voͤllig klagbaren Verbindlichkeit zur Strafe des Glaͤubigers ihre Wirkung ganz wiederum entzogen ha- ben. Im leztern Fall findet die Zuruͤckforderung nur alsdenn statt, wenn die Zahlung aus Irrthum ge- schehen. Denn zahlet der Schuldner dennoch wissent- lich und freywillig seinem Glaͤubiger dasjenige, was lezterer den Rechten nach gar nicht weiter haͤtte fordern duͤrfen, so wird rechtlich vermuthet, daß die Zahlung animo donandi geschehen sey, in welchem Fall die Gesetze keine Repetition der einmahl geleisteten Zahlung gestatten L. 53. D. de Reg. Iur. Cuius per errorem dati repe- titio est, eius consulto dati donatio est. . Im erstern Fall muß man wiederum auf den Grund des buͤrgerlichen Verbots, und das persoͤhn- liche Verhaͤltnis dessen, der die Zahlung geleistet hat, Achtung geben, und daraus beurtheilen, wie weit die Zuruͤckforderung des Gegebnen freystehe. Hier kom- men nun besonders diejenigen Faͤlle in Betrachtung, die wir schon oben in der Theorie vom verbietenden Rech- te im Allgemeinen angegeben haben. (S. 99. u. folg.) Wir distinguiren demnach in Grundlage derselben nun folgender gestalt. Das buͤrgerliche Gesez hat entweder diejenige Handlung allgemein verboten, zu deren Er- fuͤllung die Zahlung geschehen; oder nur allein gewis- sen Persohnen zu ihren eignen Besten die Be- fugnis genommen, diejenige rechtliche Handlungen einzu- gehen, die sie gegen das Gesez dennoch unternommen haben. Im leztern Fall ist besonders das persoͤhn- liche Verhaͤltnis dessen in Obacht zu nehmen, der die Zahlung geleistet hat. Ist dieser Contrahent eine solche Persohn, der uͤberhaupt die rechtlichen Erfordernisse sich guͤl- tig zu verbinden, ermangeln, so ist es ausser allen Zwei- fel, de Iustitia et Iure. fel, daß, wenn ein solcher sich dennoch in Rechtsge- schaͤfte eingelassen, und solche erfuͤllet hat, die Zuruͤck- forderung des Gezahlten allerdings zulaͤssig sey, ohne daß es darauf ankommt, ob die Zahlung wissentlich, oder aus Irthum geleistet worden. Z. B. Wenn Pu- pillen, oder gerichtlich declarirte Verschwender ohne vor- mundschaftliche Einwilligung contrahirt und bezahlt ha- ben, so ist die von solchen Persohnen geschehene Zah- lung an sich schon unkraͤftig, weil sie nicht uͤber das Ihrige eigenmaͤchtig disponiren koͤnnen. mithin siehet ein Jeder, daß in einem solchen Falle repetitio soluti um so mehr statthaben muͤsse, weil bey ihnen die sonstigen Folgen einer freywillig geleisteten Erfuͤllung nicht zutref- fen koͤnnen Dies lehrt auch Ulpian in folgenden Worten der L. 29. D. de condict. indeb. ganz deutlich. Interdum persona lo- cum facit repetitioni, utputa si pupillus sine tutoris auctoritate, vel furiosus, vel is, cui bonis interdictum est, solverit. Nam in his personis generaliter repeti- tioni locum esse non ambigitur. Man sehe auch L. 41. D. eodem. Desgleichen cocceii in Iure civ. con- trov. Lib. XII. Tit. VI. Qu. 7. . Ist hingegen Contrahent eine Persohn, die zwar nach den Gesetzen uͤberhaupt die Faͤhigkeit hat, sich verbindlich zu machen, auch uͤber ihr Vermoͤgen ungehindert disponiren kann, allein die Gesetze haben ihr dennoch zu ihrem eigenen Besten die Eingehung des von ihr erfuͤllten Geschaͤfts untersagt, damit sie nicht durch ungebuͤhrliche Beredungen und uͤbereilte Zu- sagen um das Ihrige gebracht werden moͤchte; ihr aber doch uͤbrigens eine rechtsverbindliche Ratihabition zuge- lassen, wenn dabey solche Umstaͤnde eintreten, die den ernstlichen und freyen Willen einer solchen Persohn hin- laͤnglich zu Tage legen; wie dies der Fall bey einer Frauenspersohn ist, wenn sie sich verbuͤrgt hat; so kommt M 3 es 1. Buch. 1. Tit. es nun bey geschehener Erfuͤllung eines solchen verbote- nen Geschafts darauf an, ob dieselbe wissend, daß das eingegangene Geschaͤft z. B die uͤbernommene Buͤrg- schaft, zu Recht nicht bestaͤndig sey, dennoch freywil- lig Zahlung geleistet, oder ob solche aus Irthum ge- schehen. So deutlich nun im leztern Fall die Repeti- tion in denen Gesetzen gestattet wird L. 40. D. de condict indeb und L. 9. Cod. ad Sctum Vellejanum , so wenig ist sie im ersten Fall fuͤr zulaͤssig zu halten, weil die Gese- tze hier nicht ohne Grund annehmen, daß unter solchen Umstanden an e in em freyen und hinlaͤnglich uͤberlegten Entschlusse nicht fuͤglich weiter zu zweifeln sey L. 26 §. 3. D. de cond. indeb. voet in Comment. ad Pandect . Lib. XVI. Tit. 1. §. 12. fuͤgt auch noch besonders den Grund hinzu: quoniam consulto dati inde- biti donatio est, donanti autem non succurritur. Allein man sehe, was dagegen Herr Prof. Weber im IV. Abschn. §. 77. not. 346. S. 335. erinnert hat. . Ist nun aber der oben angefuͤhrte erste Fall vorhanden, wo die Handlung nicht blos gewissen Persohnen, sondern allgemein verbothen ist, so entstehet die Frage, ob und in wiefern hier dasjenige, was zur Erfuͤllung eines solchen verbotenen Geschafts gegeben oder bezahlet wor- den, wiederum zuruͤckgefordert werden koͤnne Hierbey vergleiche man besonders Webers angef. Buch §. 75 ‒ 77. ? Nach der gemeinen Lehre, vermoͤge welcher die sogenannte re- probtrte natuͤrliche Verbindlichkeit die condictionem in- debiti allemahl zur Begleiterin haben soll, pflegt man die Regel zu formiren, daß in solchen Faͤllen die gesche- hene Zahlung immer zuruͤckgefordert werden koͤnne Al- lein daß diese Theorie hoͤchst schwankend und unzuver- lassig sey, wird die Folge lehren. Man mache vielmehr fol- De Iustitia et Iure. folgenden Unterschied: Entweder versiren beyde Theile, die den verbotenen Handel mit einander geschlossen ha- ben, in pari turpitudine; oder es ist nur der Glaͤu- biger allein derjenige, dem eigentlich die Uebertretung der Gesetze vorzuwerffen, weil er sich auf eine ungerech- te Art zum Schaden des Schuldners zu bereichern sucht; der Schuldner hingegen der, dem die Gesetze gegen die Gewinnsucht des erstern ihren Schuz angedei- hen lassen. Ist das Erstere, so kann eigentlich keine Zuruͤckforderung des Gegebenen in der Regel statt fin- den, wofern der Klaͤger nicht etwa ein Gesez fuͤr sich anzufuͤhren vermoͤchte, so ihn selbst ausdruͤcklich dazu autorisirte. Denn einmahl bringt dieses schon die Na- tur der Sache selbst mit sich, daß wir gegen den, der mit uns gemeinschaftlich die Gesetze uͤbertreten hat, kei- nen Regres zu unserer Entschaͤdigung nehmen koͤnnen. Zweitens bestaͤrken dieses auch deutliche Gesetze, welche die Regel enthalten: ubi et dantis et accipientis tur- pitudo versatur, solutum repeti non posse L. 3 . u. 8. D. de condict. ob turp. vel iniust. caus. Conf. Gebh. Christ. bastineller Diss. de pari turpi- tudine . Vittemb. 1734. §. XII. . Es wird nicht undienlich seyn, einige Faͤlle anzufuͤhren, in welchen zu Folge unserer Regel die Zuruͤckforderung einer aus verbotenen Vertraͤgen geleisteten Zahlung aus den angefuͤhrten Gruͤnden wegfaͤllt. Dahin gehoͤrt 1) der Fall, wenn eine Sache verkauft worden, deren Ver- aͤusserung die Gesetze verbieten. Zwar hat bey diesem Fall der gemeine Lehrbegrif manchen Widerspruch unter denen Rechtsgelehrten veranlaßt, und einige wirklich zur Behauptung des Gegentheils verleitet leyser in Meditat. ad Pandect . Spec. CXC. med. 1. . Allein da die- ses schon von andern gruͤndlich widerlegt worden ist, M 4 so 1. Buch. 1. Tit. so duͤrfen wir uns dabey nicht weiter aufhalten Weber am angef. Ort §. 76. S. 323. . Ein gleiches ist 2) auch von dem Falle zu behaupten, wenn die Gesetze gewisse Persohnen vom Erwerb gewisser Sa- chen ausschliessen, z. B. die Juden in Ansehung der un- beweglichen Guͤter; ingleichen wenn dieses oder jenes Gewerbe gewissen Persohnen untersagt ist. Wer sich mit solchen Persohnen in Handel einlaͤßt, kann dasje- nige, was er ihnen einmahl gegeben und bezahlt hat, fuͤr seine Persohn nicht wieder zuruͤckfordern. Ferner 3) wenn jemand zu einem verbotenen Spiele wissentlich Geld dargeliehen, so ihm aber hernach von dem Spie- ler freywillig wieder bezahlet worden ist; auch hier fin- der keine Zuruͤckforderung statt. Denn es ist unleugbar, daß beide Theile die Gesetze uͤbertreten haben, und eine speciellere Verordnung, welche die Zuruͤckforderung des einmahl bezahlten gestatten sollte, findet sich nirgends. Eigentlich sollte nun auch nach diesen Grundsaͤtzen die Zuruͤckforderung einer bezahlten Spielschuld dem Mit- spieler selbst nicht freystehen. Denn er hat doch gewiß im Ganzen eben so unerlaubt gehandelt, als der ande- dere, dem das Gluͤck guͤnstiger gewesen Da aber gleich- wohl ausdruͤckliche Gesetze dem Mitspieler die Condiction durchgaͤngig gestatten L. 3. Cod. de aleatoribus. , so ist dieses fxeylich als Aus- nahme von der obigen Regel anzusehen, wenn sie gleich mit keinem andern Grunde, als dem bekannten: ita lex seripta est, zu unterstuͤtzen seyn duͤrfte. Ich kom- me nun noch auf den lezten Fall, wenn die Gesetze nur eigentlich dem Glaͤubiger die Uebertretung der Gesetze zur Last legen, weil er sich auf eine unbillige Art zum Schaden des Schuldners zu bereichern sucht; zum Bei- spiel dient der unerlaubte Wucher, der commissorische Vertrag bey Verpfaͤndungen, das pactum de quota litis de Iustitia et Iure. litis u. a. m. In allen diesen Faͤllen ist es ausser allen Zweifel, daß die Zuruͤckforderung des ungebuͤrlichen Vor- theils statt finde, und es ist hier voͤllig einerley, ob die Zahlung wissentlich oder aus Irrthum geschehen sey S. D. Ad. Diet. weber Comment. de usuris in- debite solutis earumque tam repetitione quam in sortem imputatione . ( Suer. Buetz. et Wism. 1783. 8.) §. XIV. S. 66. . Denn hier kann keine guͤltige Ratthabition ge- schehen, weil in den angefuͤhrten Fallen die Gesetze durch- aus nicht wollen, daß der gewinnsuͤchtige Glaͤubiger des ungerechten Vortheils theilhaftig werde. Ueberhaupt laͤsset sich hier die Regel formiren; Wenn die buͤr- gerlichen Gesetze gewisse Vertraͤge und Ge- schaͤfte dergestalt verbieten, daß keine Ra- tihabition derselben guͤltig seyn solle, weil ihre Absicht vorzuͤglich dahin gehet, daß nie- mand durch listige Beredung anderer um das Seinige gebracht werde, wenn er auch gleich sonst uͤber sein Vermoͤgen frey disponiren kann, mithin dem gemeinen Wesen selbst dar- an liegt, daß das Gegebene oder Bezahlte gerade demjenigen verbleibe, der sich dessen entaͤussern wollen, damit derselbe nicht der- einst als Bettler dem Staat zur Last falle, so findet repetitio soluti allemahl statt, wenn gleich der Empfaͤnger vorschuͤtzen woll- te, daß der andere Theil nicht durch Irr- thum zur Zahlung veranlaßt, sondern solche wissentlich geleistet haͤtte . Wenn daher z. E. Jemand, dem zu seiner kuͤnftigen Alimentation gewisse Guͤter vermacht worden, ohne des Richters Zustimmung einen Vergleich schließt, und im Gefolge desselben die M 5 ver- 1. Buch. 1. Tit. vermachten Stuͤcke weggiebt, so sagen unsere Gesetze L. 23 . §. 2. D. de condict. indeb. : apparet posse repeti, quod datum est; quia transactio Senatusconsulto infirmatur; und so ist es auch in An- sehung desjenigen, was uͤber 500. Solidos ohne gericht- liche Insinuation ist geschenket worden L. 27. und 36 . §. 3. C. de donationib. . Genug von den sogenannten obligationibus naturalibus reprobatis. Wir haben nun noch zulezt von denenjenigen natuͤrli- chen Verbindlichkeiten zu handeln, deren gerichtliche Wirkung durch die positiven Gesetze nur zum Theil eingeschraͤnkt, nicht aber ganz aufgehoben worden. Fraͤgt man nun, in wiefern dieselben der gerichtli- chen Wirkung nach durch die buͤrgerlichen Gesetze einge- schraͤnkt seyen, so ist die gewoͤhnliche Antwort diese: Es finde wegen solcher Verbindlichkeiten nur keine Klage, wohl aber die ganze Summe aller uͤbrigen gerichtlichen Wirkung statt. Allein denkt man sich den ganzen Um- pfang der gerichtlichen Wirkungen einer volkommenen Verbindlichkeit, so wird man leicht einsehen, daß die Einschraͤnkung derselben auf weit mehr, als eine Art, geschehen koͤnne. Jede Befugnis, wenn sie in einem wirklichen Zwangsrechte bestehet, berechtiget uns a) un- sere Forderung vermittelst einer Klage zu verfolgen, und zwar dahin, daß wir b) gaͤnzlich ohne Abzug, auch c) zur gehoͤrigen, durch Vertrag oder Gesez bestimm- ten Zeit befriediget werden. Der Schuldner muß auch d) gerade dasjenige leisten, was ihm wirklich obliegt, nicht, wie man sagt, aliud pro alio; der Creditor aber ist berechtiget, e) seine Schuld mit seiner Forderung zu compensiren, f) sich an die Buͤrgen und Pfaͤnder zu halten, und was sonst noch fuͤr rechtliche Wirkungen eintreten koͤnnen. So mancherley nun also die Rechte des de Iustitia et Iure. des Glaͤubigers und die Wirkungen einer vollkommenen Verbindlichkeit sind, so lassen sich auch natuͤrlicher wei- se hier eben so viele Einschraͤnkungen gedenken, als es Falle geben kann, und wirklich giebt, wo bald die ei- ne, bald die andere Wirkung durch Vorschrift positi- ver Gesetze entweder ganz oder nur zum Theil entfernet ist. Gehen wir nun die buͤrgerlichen Gesetze durch, so zeigt sich auch diese Verschiedenheit wirklich. Bald ist wegen einer natuͤrlichen Verbindlichkeit die alleinige Klage durchaus unzulaͤssig; So z. B. ist es ein Grundsaz des roͤmischen Rechts, daß die simplen Ver- traͤge (pacta nuda) keine Klage hervorbringen; Eben so wenig hat auch aus einer Geldanleihe solcher Persohnen, die noch unter der vaͤterlichen Gewalt stehen, eine Klage statt. Bald ist die Klage nur in gewisser Hinsicht unstatthaft, so daß, z. B. nicht die ganze Schuld , sondern nur ein Theil davon, eingeklagt werden kann. Hierher gehoͤren vorzuͤglich diejenige Verordnungen des buͤrgerlichen Rechts, vermoͤge deren einem Schuldner zur Befriedigung seines Glaͤubigers durch richterliche Huͤl- fe nicht mehr genommen werden darf, als es der stans desmaͤsige nothwendige Unterhalt desselben zulaͤsset, wel- ches man das beneficium competentiae nennet. Die einzelnen Faͤlle, worin es statt findet, werden in der Fol- ge gelegentlich vorkommen. Bald muß der Glaͤubiger aliud pro alio annehmen, welches in denen Faͤllen ge- schiehet, wo dem Schuldner das beneficium dationis in solutum zustehet, wovon beym §. 1930. Bald darf der Glaͤubiger auf den ordentlichen Zahlungs-Termin nicht bestehen, sondern er muß dem Schuldner Nach- sicht goͤnnen u. d. m. Daß also die Lehre derienigen, welche die ganze Einschraͤnkung des gerichtlichen Ef- fects natuͤrlicher Verbindlichkeiten lediglich darauf re- duciren, daß die Klage ganzlich wegfalle, alle uͤbri- ge 1. Buch. 1. Tit. ge Wirkungen aber fortdaurend blieben, offenbar un- zulaͤnglich sey, faͤllt in die Augen. Schon dasje- nige, was der roͤm. Jurist Paulus L. 10. D. de obligat. et actionib. Julian sagt das nehmliche fast mit denselbigen Worten in L. 16 . §. 4. D. de fide j ussor. Aus dem Zusammenhange der leztern Stelle siehet man, daß die oben angefuͤhrten Worte in Bezie- hung auf die Buͤrgschaft zu erklaͤren sind. Denn im vor- hergehenden §. 3. hatte Julian die allgemeine Regel vor- getragen: Fideiussor accipi potest, quotiens est aliqua obligatio civilis, vel naturalis. Da nun die natuͤrlichen Verbindlichkeiten von verschiedener Qualitaͤt und Wirkung sind, indem einige eine Klage hervorbringen, andere nur eine Einrede geben; so konnte leicht Zweifel entstehen, ob auch in Ansehung natuͤrlicher Verbindlichkeiten der lez- tern Art eine guͤltige Fidejussion statt finde. Diesem Zweifel zu begegnen, sezt Julian §. 4. des gedachten Ge- setzes noch hinzu: Naturales obligationes non eo solo aestimantur, si actio aliqua earum nomine competit, verum etiam cum soluta pecunia repeti non potest ; und giebt hiermit zu erkennen, daß in der Materie von Buͤrgschaften beyderley Arten der natuͤrlichen Verbindlich- keiten zu verstehen sind. So faͤllt nun alle Schwierigkeit der oben angefuͤhrten Worte der L. 10 . ganz weg, und es ist gar nicht noͤthig, zur Critic seine Zuflucht zu nehmen, und mit Franc. hotomannus Lib. III. Observation. cap. 2. zu lesen: actio non competit. Noch eins kann ich hier nicht unbemerkt lassen. Die Inscription der mehrge- dachten L. 10. D. de O. et A. lautet in den gemeinen Ausgaben, wie in der Florentinischen, so: paulus lib. 47. ad Sabinum. Allein Paulus hat nur Libros XVI. ad Sabinum geschrieben. Dies erweißt der Index Pande- ctarum florentinus. Wahrscheinlich ist also hier eine Verwechselung der Nahmen Ulpian und Paulus vorge- gangen. Denn, daß ersterer Libros LI. ad Sabinum ge- schrieben, ist gewiß. Ulpian hat auch gerade im 47sten Buch sagt: Na- tura- de Iustitia et Iure turales obligationes non eo solo aestimantur, si actio aliqua earum nomine competit: verum etiam eo, si soluta pecunia repeti non possit, macht jene Theo- rie aͤusserst bedenklich, wenn wir zumahl erwaͤgen, daß sogar gegen einen Pupillen, welcher ohne Einwilligung des Vormunds contrahirt hat, die Klage nicht durch- aus wegfalle, sondern, daß er bekanntlich belangt wer- den koͤnne, insoferne er durch den Handel rei- cher geworden . Naturaliter obligabitur se. pu- pillus, so lauten die Worte des Ulpians L. 5. pr. D. de auctorit. tutor. , in quantum locupletior factus est, hinc in pupillum non tantum tutori, verum cuivis actionem, in quantum locupletior factus est , dandam esse, D. Pius rescri- psit. Hier ist also, wie ein jeder von selbst siehet, ei- ne natuͤrliche, in Ansehung des gerichtlichen Effects eingeschraͤnkte Verbindlichkeit vorhanden, wobey jedoch das Recht zu klagen nicht gaͤnzlich wegfaͤllt, son- dern nur gewissermassen limitirt ist Eben dieses hat auch schon Ge. Christph. neller in Diss. de obligatione praesertim naturali (in Opusc. T. I. P. I. S. 151. und folg.) §. X. richtig eingesehen. . Aus al- lem diesem ergiebt sich nun soviel, daß wenn die roͤ- mischen Buch ad Sabinum von den Fidejussoren gehandelt, wie man aus der Vergleichung der aus eben diesem Buche ge- nommenen Stellen unserer Pandecten beym Abr. wie- ling in Iurisprud. restituta S. 314. deutlich sie- het, und es ist sehr wahrscheinlich, daß L. 10. zwischen die L. 6. und 8. D. de fidejussor. seinen ehemaligen Sitz behauptet habe. Eben dieser Meinung ist auch der be- ruͤhmte ehemalige ICtus Groninganus petrus de toul- lieu in denen von Joh. Wolbers herausgegebenen Collectaneis iuris civilis Diss. IV. cap. 4. S. 183. u. ff. 1. Buch. 1. Tit. mischen Gesetze von einer natuͤrlichen Verbindlichkeit re- den, sie nicht immer darunter eine solche verstehen, wegen welcher keine gerichtliche Klage statt findet, son- dern sie verstehen vielmehr eine sclche Obligation, wel- che an sich zwar nach Vorschrift der gesunden Vernunft dem in der buͤrgerlichen Societaͤt sich befindenden Menschen wirklich obliegt, jedoch den voͤlligen gerichtlichen Effect, wel- cher in der Regel mit einer Zwangspflicht verbunden ist, nicht hervorbringt; und diese wird die natuͤrliche Verbindlichkeit im strengsten Verstande des Civilrechts genennet Weber a. a. O. §. 55. Das Wort natuͤrlich wird hier dem buͤrgerlichen entgegengesezt, und unter jenem alles dasjenige verstanden, was an sich zwar wirk- lich vorhanden ist, jedoch vermoͤge der buͤr- gerlichen Gesetze diejenige Guͤltigkeit und Wirkung nicht hat, welche nach Vorschrift des blosen Naturrechts statt finden wuͤrde . Es findet diese Bedeutung nicht blos statt, wenn die roͤmi- schen Gesetze von einer obligatione naturali reden, son- dern auch wenn sie von einem dominio naturali, so z. B. der Frau waͤhrend der Ehe am Brautschaz zustehet, ferner von einer cognatione naturali, die aus unehelichem Bei- schlaf, oder auch bey den Roͤmern aus einer Sclavenehe entstund, reden Uebrigens bemerke ich noch hierbey, daß die natuͤrliche Verbindlichkeit, welche den voͤlligen gericht- lichen Effect nicht hat, eine uneigentliche, impropria seu abusiva von den roͤm. Juristen genennt zu werden pflegt, L. 16. §. 4. D. de fideiuss. L. 41. D. de peculio , weil nur eine buͤrgerlich vollguͤltige Verbindlichkeit im Sinn des Civilrechts Obligatio genennt wird, wie ich schon oben S. 21. bemerkt habe. Noch eins darf ich hierbey nicht unberuͤhrt lassen, nehmlich die- ses, daß die buͤrgerlichen Gesetze die gerichtliche Wirkung einer de Iustitia et Iure. einer natuͤrlichen Verbindlichkeit nicht immer dergestalt ein- geschraͤnkt haben, daß der voͤllige Effect keinen Anfang gewinnen koͤnnen, sondern es giebt auch Faͤlle, wo durch die Gesetze einer bisher voͤllig wirksamen Verbindlich- keit der weitere Effeet aus Gruͤnden versagt worden, welche nach natuͤrlichen Rechten an sich den Schuldner von seiner Verbindlichkeit nicht befreyen, noch die Be- fugnis des Glaͤubigers einschraͤnken. Dahin gehoͤrt, wenn der Glaͤubiger die zur gerichtlichen Ver- folgung seines Rechts bestimmte Zeit ver- saͤumt hat; deßgleichen wenn die Gesetze den Glaͤubiger zur Strafe wegen Uebertretung verbietender oder gebietender Gesetze die Befugnis zu Klagen absprechen, ohne jedoch das Recht desselben, und die Verbindlichkeit des Schuldners an sich aufzuheben L. 19. pr. D. de condict. indeb. L. 9. §. 4. D. ad SCt. Maceaon. Ein anderes ist es, wenn die Gesetze den Glaͤubiger zur Strafe seines ganzen Rechts verlustig erklaͤrt haben, wovon oben bey den reprobirten natuͤrli- chen Verbindlichkeiten gehandelt worden ist. und dergleichen Faͤlle mehr Man vergleiche hier Weber im angef. Buch 3. Abth. 6. Abschn. 1. Kap. §. 90. ff. . Da in allen diesen Faͤllen die Gesetze dem Glaͤubiger nur blos die Rechtshuͤlfe versagen, und ihn mit seiner Klage nicht weiter gehoͤrt wissen wollen, so ver- steht es sich von selbst, daß die uͤbrigen Wirkungen der natuͤrlichen Verbindlichkeit doch noch immer fortdauern, welche ihm die Gesetze nicht wirklich abgesprochen haben. So wenig sich also der Schuldner in diesen Faͤllen ermaͤchti- gen kann, das Bezahlte wieder zuruͤckzufordern, so muß dem Glaͤubiger auch immer noch die Befugnis verbleiben, sich durch Compensation, Retention u. s. w. zu dem Seini- gen 1. Buch. 1. Tit. gen zu verhelffen Die dagegen gemachten Einwuͤrffe einiger Rechtsgelehr- ten hat Herr Prof. Weber a. a. O. 6. Abschn. §. 92. und ff. gruͤndlich widerlegt. . Soviel von denen natuͤrlichen Verbindlichkeiten im strengsten Sinn des Civilrechts, welche in den buͤrgerlichen Gerichten nicht voͤllig wirk- sam sind; nun koͤnnte zwar noch manches uͤber die Wir- kungen des Pfandrechts, der Buͤrgschaft, des Eides, der Compensation, des Constitutums, u. s. w. in An- sehung dieser natuͤrlichen Verbindlichkeiten gesagt wer- den Hiervon handelt P. Weber im 8. 9. 10. und 11. Ab- schnitt seines mehrgedachten classischen Werks. , damit ich jedoch die noͤthige Grenzen nicht uͤberschreite, so behalte ich mir vor, von diesen Gegen- staͤnden an denjenigen Orten der Pandecten zu handeln, wo diese Materien selbst vorkommen werden. Da in- zwischen Hellfeld in diesem §. uns noch auf den Be- grif der Billigkeit hinleiten will, so wird es noͤthig seyn, auch hiervon die noͤthige Erlaͤuterung zu geben, zumahl da der Unterschied zwischen Recht und Bil- ligkeit groͤstentheils auf undeutlichen Begriffen beru- her Ueber die Billigkeit , deren rechtmaͤsige Anwendung, und ihren Unterschied vom strengen Recht ist viel geschrie- ben Man findet die Schriften beym lipenius in Bi- blioth. real. iurid . T. l. S. 36. u. folg. und in Schotts Supplement. S. 14. vollstaͤndig angefuͤhrt. Ich setze nur noch folgende hinzu: Ge Christoph. nelleri Principia iuris de aequitate ; in Opusculis T. I. P. I. N. II. S. 16. 27. und Ernst Ferd. Kleins Ab- handlung uͤber die Billigkeit bey Entschei- dung der Rechtsfaͤlle , in Desselben Annalen der Ge- sezgebung und Rechtsgelehrsamkeit in den Preuß Staa- ten 1. Band (Berlin u. Stettin 1788.) S. 357-390. . Hellfeld sagt, die natuͤrliche nicht reprobirte Verbindlichkeit komme unter dem Nahmen der Billig- keit de Iustitia et Iure. keit im roͤmischen Rechte vor. Ganz unrecht hat er nicht, denn in der angefuͤhrten L 95. § 4. D de solut. wird die natuͤrliche Verbindlichkeit vinculum ae- quitatis genennt; und daß von einer nicht reprobirten natuͤrlichen Verbindlichkeit daselbst die Rede sey, erhel- let daraus, weil in dem angefuͤhrten Gesez gesagt wird, daß sie durch den Vertrag, wodurch der Glaͤubiger seine Forderung dem Schuldner erlaͤßt, ipso iure, d. i. so- fort, und selbst dem strengen Rechte nach, aufgehoben werde. Allein das Wort aequitas ist im roͤmischen Rechte mehr bedeutender, als daß die angegebene Erklaͤ- rung von Billigkeit alles erschoͤpfen sollte Billigkeit, wenn diese dem strengen Rechte ( iuri summo, stri- cto, rigori iuris ) entgegengesezt wird, bezeichnet erst- lich alles dasjenige, was mit den natuͤrlichen Rechten uͤbereinstimmt; was hingegen blos positiven oder buͤrger- lichen Rechtens ist, wird ius schlechtweg genannt. So z. B. sagt Ulpian L. 32. pr. D. de peculio. : Licet hoc iure contingat, tamen aequitas dictat etc. und Paulus L. 2. §. 5. D. de aqua et aquae pluv. arc. : haec aequitas suggerit, etsi iure deficiamur. Diese Bil- ligkeit wird im roͤmischen Rechte aequitas naturalis L. 1. D. de minorib. , naturalis ratio Pr. Inst. de nupt. L. 5. § 16. D. de agnos. liber. L. 7. §. 7. D. de acquir. rer dom. und cicero in Topi- cis sagt: aequitas est, quod naturalis ratio persuasit. , officium pietatis L. 5. §. 17. D. de agnos. et alend. liber. , auch pu- dor §. 1. l de fideicommiss. hered. genennt. Zweitens heißt Billigkeit auch, was der Sinn eines Gesetzes mir sich bringt, und also Resultat einer Auslegung ist, wobey die vermuthliche Ab- Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. N 1. Buch 1. Tit. Absicht des Gesezgebers zum Grunde gelegt, und auf die Umstaͤnde der Sache, und die besondern Eigenschaften und Verhaͤltnisse der Persohnen Ruͤcksicht genommen wird Ulric. huber in Digression. Iustinian . Lib. I. cap. V. §. 3. sagt: aequitas nihil quam benigna et hu- mana iuris scripti interpretatio est, pro diversitate singu- larium, non ex verbis, sed e mente Legislatoris facta. Und Modestin zeigt den Unterschied inter verba legis et mentem legislatoris durch ein schoͤnes Beispiel in L. 13. §. 2. D. de Excusat. . Unter dem strengen Recht hingegen ver- stehet man alsdann dasjenige, was die allgemeine Regel und der Buchstabe des Gesetzes besagt. Man nennt jene Billigkeit aequitatem iuridicam, oder die Billig- keit des Richters, und der Unterschied zwischen die- ser und der Strenge des Rechts besteher darinn, daß leztere sich an die allgemeine Regel haͤlt, die Billigkeit aber zugleich auf die gute oder schlimme Wirkung Ruͤcksicht nimmt, welche die Anwendung der Regel im gegebenen Falle haben wuͤrde. Des- wegen setzen diejenigen Rechtsgelehrten, welche uͤber die- sen Gegenstand geschrieben haben, die Billigkeit des Richters vorzuͤglich in die vernuͤnftige Erwaͤgung der zu beurtheilenden Thatsachen S. Io Paul. kress in Diss. de Aequitate (Helm- staͤdt 1731.) Cap. I. §. 13. not. d. wo dieses durch die Worte des Alphens in L. 52. §. 2. D. ad L. Aquil. in causa ius est positum, bestaͤrkt wird. . Sie verlangen fer- ner, daß ein billiger Richter die durch positive Gesetze eingefuͤhrte Ungleichheit soviel als moͤglich mildern, und uͤberall auf die menschliche Schwachheit Ruͤcksicht neh- men solle kress in der angef. Schrift Cap. I. §. 18. wo folgende Beschreibung der Billigkeit gegeben wird: aequitas est . Welchen Begrif aber auch die Rechts- gelehr- de Iustitia et Iure. gelehrten mit der Billigkeit in dieser zweiten Bedeutung verknuͤpfen moͤgen, so kommen sie doch fast alle darinn uͤberein, daß das strenge Recht in einer steifen An- haͤnglichkeit an die Theorie, die Billigkeit aber in ei- nem vernuͤnftigen Ermessen der Folgen bestehe, welche die Anwendung derselben auf das Wohl des Staats und die einzelnen Mitglieder desselben haben koͤnnte kress in Diss. de Iure summo, iniuria sum- ma Cap. 2. §. 6. et 7. . Selbst die roͤmischen Gesetze L. 8. C. de iudiciis. Placuit in omnibus rebus prae- cipuam esse iustitiae, aequitatisque, quam stricti iuris rationem. empfehlen dem Richter diese Billigkeit nachdruͤcklich, sie weisen ihn an, solche dem strengen Rechte vorzuziehen, insofern das Gesez dadurch nicht abgeaͤndert, sondern nur seiner Absicht ge- maͤß angewendet wird. Denn die Billigkeit muß keine Abweichung von einer verbindlichen Regel enthalten. Vielmehr wird in ausdruͤcklichen Gesetzen L. 12. §. 1. D. qui et a quib. manumissi. Quod qui- dem perquam durum est; sed ita Lex scripta est. dem Richter befohlen, auch ein hartes Gesez, wenn es deutlich und categorisch ist, zu befolgen, und die Beobachtung der Billigkeit dem Gesezgeber anheim zu stellen L. 1. C. de LL. Inter aequitatem, iusque interpositam interpretationem nobis solis et oportet et licet inspice- re. Hier war von einer, dem Gesetze zuwiderlaufenden Billigkeit die Rede, die der eine Theil fuͤr sich anfuͤhrte, da hingegen der andere Theil das offenbare Recht fuͤr sich . Man merke sich also folgende Regel: nur N 2 als- est habitus mentis vel doctrina, ubi secundum aequalitatis regulas, ex rationis rationciniis haustas, hoc vel illud in- terpretando, sive iuri supplendo sive demendo, ad imbecil- litatem generis humani respiciendo, benigne diiudicamus. 1. Buch. 1. Tit. alsdenn, wenn die Absicht, welche durch das Gesez unmittelbar erreicht werden solte, durch eine woͤrtliche Erklaͤrung verfehlt wer- den wuͤrde, ist der Richter befugt, den Sinn der Worte mit billiger Ruͤcksicht auf die vorhandene Umstaͤnde dieser Absicht ge- maͤß auszudehnen oder einzuschraͤnken . Es wird sich in der Folge bey der Lehre von der Inter- pretation noch mehr Gelegenheit finden, die Gren- zen der richterlichen Billigkeit genauer zu bestimmen. §. 27. Begrif der Rechtsgelahrtheit . Was ist Theorie und Praxis derselben? Begrif des wahren Rechtsgelehrten ? Wir schreiten nun zur Entwickelung des Begrifs der Rechtsgelahrtheit selbst, ihrer wesentlichen Ei- genschaften und Theile, nachdem wir von den Rechten und Verbindlichkeiten, womit sich dieselbe beschaͤftiget, und denen Gesetzen selbst, aus welchen jene herfliessen, das noͤthige vorausgeschickt haben. Rechtsgelahrtheit ( Iurisprudentia ) wird in zwifacher Bedeutung genommen. 1) Objectivisch genommen denkt man sich darun- ter den Inbegrif methodisch bearbeiteter Wahrheiten von den Rechten und Ver- bind- sich hatte, wie neller in der oben angefuͤhrten Abhand- lung §. XX. bemerkt hat. Hier darf der Richter nicht zu Gunsten des einen Theils gelind seyn, denn seine Ge- lindigkeit gegen den einen waͤre Ungerechtigkeit gegen den andern. Wollen die streitenden Theile nicht selbst Gelin- digkeit gegen einander beweisen, und der Richter findet Bedenklichkeit, dem andern zu zuerkennen, was das offen- bare Recht mit sich bringt, so muß er die Entscheidung dem Gesezgeber anheim stellen. de Iustitia et Iure. bindlichkeiten . Wenn Hellfeld in der Note k. sagt: Obiective considerata iurisprudentia est scientia legum earumque adplicationis ad factum, so ist dies eigentlich der Begrif der Rechtsgelehrsam- keit im subjectivischen Verstande. 2) Subjectivisch genommen ist Rechtsgelahrtheit die wissenschaftliche Kenntnis der Gesetze, verbunden mit der Fertigkeit, sie auf vor- kommende Faͤlle anzuwenden . Hellfelds Be- grif: Iurisprudentia, subiective considerata, est habitus leges ad facta obvia recte applicandi, ist nicht vollstaͤndig, denn er hat offenbar nur das de- finirt, was man die Praxis der Rechtswissen- schaft nennt. Unsere Rechtsgelahrtheit gehoͤrt nun nicht zu denen speculativischen Wissenschaften, die man blos zum Nachforschen und Vergnuͤgen zu er- lernen und zu treiben pflegt, sondern sie muß durch- aus mit Ausuͤbung verbunden seyn, wenn sie keine tode Wissenschaft seyn soll. Denn was kann der Welt damit gedient seyn, wenn einer Naͤchte durch- wachte, um auszumachen, was in diesem oder je- nem Falle die Rechte mit sich bringen, wenn diese Rechte gar nicht ausgeuͤbet werden? Solchemnach zerfaͤllt also die Rechtsgelehrsamkeit in zwey Haupt- theile, nehmlich die Theorie und Praxis S. D. Just. Claproths Vorrede von dem Ver- haͤltnis der Theorie und der Ausuͤbung der Rechtsgelehrsamkeit , vor Desselben Grundsaͤtzen von Verfertigung der Relationen aus Gerichtsacten (Goͤt- tingen 1778. . Unter der Theorie des Rechts verstehet man die Faͤhigkeit, den wahren Sinn der Gesetze zu bestim- men; verbunden mit einer genauen Kenntnis von der N 3 Be- 1. Buch. 1. Tit. Beschaffenheit und den Eigenschaften derjenigen Hand- lungen, welche zu dem Gegenstand der Rechtsgelehr- samkeit gehoͤren; nicht weniger eine vollstaͤndige und richtige Kenntnis der Folgen, welche die buͤrgerliche Rechtshandlungen nach sich ziehen. Zur aͤchten The- orie des Rechts gehoͤrt also 1) die Faͤhigkeit, den wahren Sinn der Gesetze, als welche die Normen der buͤrgerli- chen Handlungen sind, festzusetzen . Diese Faͤhigkeit muß ein jeder, der auf eine gruͤndliche Rechtsgelehrsamkeit Anspruch macht, in ihrem Um- pfange besitzen, denn ohne dieselbe wird ohne Unter- laß in der Anwendung gefehlet. Die Erfahrung lehrt, daß die Gesetze gemeiniglich nur einen oder wenige Faͤlle zur Veranlassung haben; und daß die Absicht des Gesezgebers oft viel weiter gehe, als die Worte ausdrucken, wird niemand leugnen, der nur einige Kenntnis von den Gesetzen hat. Hier hat nun der Jurist es auszumachen, ob dieser oder jener Fall die Absicht des Gesezgebers erreiche oder nicht. Ferner ist alsdann auch diese Eigenschaft einem Rechtsgelehr- ten unentbehrlich, wenn sich zwar der im Gesez be- stimmte Fall zutraͤgt, jedoch andere Umstaͤnde dabey vorkommen, als wovon das Gesez redet, und weswe- gen die Verordnung entweder weiter auszudehnen oder einzuschraͤnken ist. Zur Rechtstheorie gehoͤrt weiter 2) die genaue Kenntnis von der Beschaffenheit der buͤrger- lichen Handlungen, welche den Gegenstand der Rechtsgelehrsamkeit ausmachen . Denn nach der Verschiedenheit dieser Handlungen richten sich die Gerechtsame und die Verbindlichkeiten der Par- theyen. Darf es nun keinem Rechtsgelehrten gleich- guͤl- de Iustitia et Iure. guͤltig seyn, die eine Verbindlichkeit oder Gerechtsame vor die andere anzunehmen, so wird es wohl die un- umgaͤngliche Nothwendigkeit erfordern, die buͤrgerli- chen Handlungen nach ihren Eigenschaften genau ken- nen zu lernen, um in der Beurtheilung derselben kei- nen Fehler zu begehen. Endlich gehoͤrt auch 3) zur Rechtstheorie eine ge- naue Kenntnis der Folgen, welche mit denen buͤrgerlichen Rechtshandlungen verknuͤpft sind . Die verschiedenen Arten der Klagen, der ver- schiedene Proces, die verschiedene Gerechtsame, Ver- bindlichkeiten und Strafen und deren gehoͤrige Anwen- dung haͤngen alle von diesem Theile der Rechtsgelehr- samkeit ab. Es ist also offenbar, daß in der An- wendung der Rechtsgelehrsamkeit uͤberaus viel darauf ankomme, in diesen Puncten nicht zu fehlen. Denn welchem Rechtsgelehrten ist wohl unbekannt, daß eine Art des Processes weit zutraͤglicher als die andere, und die eine Klage entweder in Ansehung des Be- weisses oder in Ansehung der Hauptabsicht weit nuͤz- licher, als die andere, sey? Die Praxis der Rechtsgelehrsamkeit ist nun dagegen eine Fertigkeit, die Gesetze auf die vor- kommende Faͤlle anzuwenden, die buͤrgerlichen Handlun- gen mit Klugheit einzurichten, und die entstandenen Rechtsstreitigkeiten gehoͤrig zu behandeln, d. i. dieselben zu untersuchen, und zu Ende zu bringen. Formelkram, und eine historische Kenntnis von dem Laufe des Pro- cesses machen zwar den sogenannten Schlendrian aus, verdienen aber nicht den Nahmen der juristischen Praxis. Theorie und Praxis nach den angegebenen Begrif- fen sind nun so genau mit einander vergesellschaftet, daß N 4 sie 1. B. 1. Tit. sie von einander nicht getrennt werden koͤnnen, daher es eine ungereimte Frage ist, ob nicht die eine vor der an- dern einen Vorzug habe S. Io. Tob. carrach Diss. de conflictu theo- riae et praxeos iuris . Halae 1736. und Mart. Gottl. pauli Diss. de theoriae et praxis iuridi- cae discordia . Lips. 1747. In einem andern Ver- stande, nehmlich wenn man sich unter Praxis den Ge- richtsgebrauch oder die Guͤltigkeit der Gesetze in den Gerichten gedenket, kann ein Conflictus zwischen der Theorie und Praxis des Rechts statt finden. S. net- telbladt in System. element. doctrinar. pro- paedeuticar. iurispr. pos. germanor. comm. §. 41. S. 33. ? denn die wahre Praxis laͤßt sich ohne eine gruͤndliche Kenntnis der Theorie des Rechts ohnmoͤglich gedenken. Die Theorie ist also nur um der Praxis willen da. Die Praxis hingegen muß der Theorie erst das Leben geben; die Begriffe, die man bey der Theorie sammlet, werden erst durch die Praxis in die gehoͤrige Deutlichkeit gesetzet, und be- kommen daher ein Licht, welches ihr durch Umschrei- bung ohnmoͤglich gegeben werden kann. Derjenige nun, welcher nicht nur eine gruͤndliche und wissenschaftliche Kenntnis von der Theorie sowohl als Praxi der Rechts- gelahrtheit besitzet, sondern auch dieselbe zur Ehre des allergerechtesten Richters der Welt, und zum Wohl des Naͤchsten wirklich ausuͤbt, heißt ein Jurist, ein Rechtsgelehrter im eigentlichen Verstande. Mit die- sem verwechsele man nicht 1) einen Leguleius, worun- ter man einen solchen verstehet, der keine genaue, son- dern eine blos historische Kenntnis von den Gesetzen hat, sie zwar den Worten nach weiß, und uͤberall mit seiner Gesezkenntnis prahlt; aber den Geist derselben nicht verstehet, und daher eine ungeschickte Anwendung da- de Iustitia et Iure. davon macht; auch nicht 2) einen Rabulisten, denn diesen gehaͤssigen Nahmen verdienen nur solche Juri- sten, denen es zwar nicht an Kenntnis, aber an Recht- schaffenheit und Guͤte des Herzens fehlt, die Gesetze gehoͤrig anzuwenden, und daher solche zum Schaden anderer zu verdrehen suchen; auch nicht 3) einen Em- piricus, denn ein solcher hat gar keine Rechtstheorie geschoͤpft, sondern blos den Schlendrian inne, den er aus der taͤglichen Uebung in der Gerichtsstube erlernt hat, und behandelt daher alle Rechtssachen blos me- chanisch. Endlich unterscheide man einen Rechtsgelehr- ten auch 4) von einem Iurisperito, einem blosen Rechts- verstaͤndigen, der zwar eine gruͤndliche Theorie des Rechts verstehet, allein von den erkannten rechtlichen Wahrheiten keinen Gebrauch macht S. Io. Christph. spitz Diss. de Iurisconsulto, a iurisperito, leguleio et rabula quam ma- xime diverso . Erfordiae 1769. . Anmerkung k. Die roͤmischen Juristen definir- ten die Jurisprudenz auf folgende Art. Iurispru- dentia est divinarum atque humanarum rerum no- titia: iusti atque iniusti scientia L. 10. §. 2. D. de lust. et Iur. . Diese Definition wird auf verschiedene Art erklaͤrt. Einige halten da- fuͤr, Ulpian, aus dessen lib. I. Regularum diese De- finition entlehnet worden, habe hierdurch anzeigen wol- len, daß die Jurisprudenz ein Theil der Philosophie sey, welche sich, so wie diese, mit goͤttlichen und mensch- lichen Dingen beschaͤftige, nur mit dem Unterschiede, daß sie sich in keine speculativische Untersuchungen ein- lasse, sondern blos bestimme, was recht und unrecht in N 5 An- 1. Buch. 1. Tit. Ansehung derselben sey Pet. faber in Comment ad L. 1. D. de l. et I. hinter Desselben Semestr. Io. Gottl. heineccius in Praefat. de Iurisprudentia, divinarum huma- narumque rerum notitia ; vor seinem Fascic. Scri- ptor. iur. naut. grotius in Florum spars. ad ius Iustinian . p. 13. . Daß die Alten die Phi- losophie in eine notitiam rerum divinarum atque humanarum gesezt, ist ausser allen Zweifel cicero de Finibus bon. et mal. Lib. II. c. 12. de offi- ciis Lib. I. c. 43. Quaest. Tuscul. Lib. V. c. 3. seneca Ep. 89. ; und daß die alten Philosophen sowohl als Rechtsgelehrte die Jurisprudenz fuͤr einen Theil der Philosophie gehalten, erhellet sowohl aus dem Zeugnis des Eu- phrates beym Plinius Lib. I. Ep. 10. Adfirmat, etiam esse hanc philosophiae , et quidem pulcerrimam partem, agere negotium publi- cum, cognoscere, iudicare, promere et exercere iustitiam. , als auch aus dem, was die roͤmischen Juristen von sich selbst sagten: se veram philosophiam, non simulatam assectari L. 1. §. 1. D. h. t. Io. Guil. hoffmann in Obser- vat. var. ad Pandect . Diss. hebd. II. §. 1. lieset nicht ohne Grund assectantes fuͤr affectantes. . Andere hingegen verstehen unter den rebus divinis das geistliche Recht, welches dreyerley war, ius fe- ciale, pontificium und augurale; unter den rebus humanis aber das ius civile. Sie erklaͤren also die Ulpianische Definition so: die Jurisprudenz sey eine Wis- senschaft goͤttlicher und menschlicher, oder geistlicher und weltlicher Rechte byn ck ershoek in Diss. de cultu relig. peregr . Diss. I. in Opusc. (Lugd. Batav. 1719.) S. 237. f. ge- bauer Diss. de Iustitia et iure §. 11. A. F. schott Spec. . Noch andere denken sich unter den de Iustitia et Iure. den rebus divinis das natuͤrliche, und unter den rebus humanis das positive Recht Iac. perenonius in Animadvers . Lib. I. cap. 24. und Ge. Sam. madihn in Institut. iuris civ . (Ha- lae 1764.) Praecogn. gen. Cap. II. Tit. 1. §. 57. ; die Rechtsgelahrheit sey also die Wissenschaft des natuͤrlichen und positiven Rechts. Die Sache ist zu unbedeutend, um mich auf eine Pruͤfung dieser verschiedenen Erklaͤrungen einzulassen. §. 28. Zwey Haupteigenschaften des Rechtsgelehrten. Ein Rechtsgelehrter, welcher auf die Wuͤrde die- ses Nahmens einen gegruͤndeten Anspruch machen will, muß also a) eine Fertigkeit haben, die Gesetze auf die vorkommende Faͤlle anzuwenden. Ein Gesez anwen- den heißt im gegebenen Falle bestimmen, was nach den besondern Umstaͤnden desselben denen Gesetzen gemaͤß ist. Dieses kann von einem Richter, Rechtsconsulenten und Rechtslehrer geschehen. Eine solche Application, wenn sie richtig geschehen soll, erfordert 1) eine vollkommene Kenntnis sowohl des Factums mit allen dabey vorkom- menden Umstaͤnden an sich, als auch desjenigen, der die Handlung unternommen, oder zur Wirklichkeit ge- bracht hat. So z. B. muß der Eriminalrichter nicht nur das Verbrechen an sich, und dessen Umstaͤnde, als Zeit und Ort, sondern auch den Character und Lebens- wandel, auch uͤbrige Verhaͤltnisse des Missethaͤters in Erwaͤgung ziehen, um darnach die Strafe der Absicht des Specim. iuris Digestor. ad Tit. de Iust. et Iure Lipsiae 1775. §. 2. brissonius Antiquitat . Lib. IV. c. 16. hoepfner in Commentar . §. 22. Desgleichen muretus, marcilius und ian. a costa ad §. 1. I. de I. et 1. 1. Buch. 1. Tit. des Gesetzes gemaͤß einzurichten. 2) Eine genaue Kennt- nis des Gesetzes selbst, was im gegenwaͤrtigen Fall an- gewendet werden soll. Der Practicus muß also nicht nur wissen, ob und in wiefern das Gesez noch verbind- lich ist, sondern auch eine genaue Kenntnis von dem Inhalte und dem Sinne des Gesezes haben, und die- se erlangt er durch die Interpretation . Der Rechtsgelehrte muß also auch b) die Faͤhigkeit haben, den wahren Sinn der Gesetze zu bestimmen. Zuerst wird nun unser Auctor von der Erklaͤrung der Gesetze , und dann §. 40. und folgenden von der An- wendung derselben handeln. §. 29. Von Erklaͤrung der Gesetze . Die Undeutlichkeit des Inhalts, Zweideutigkeit der Worte, oder weil die Worte eines Gesetzes mit der Absicht des Gesezgebers nicht uͤbereinstimmen, oder ein Gesez mit andern Gesezen im Widerspruch stehet; macht oft die Auslegung der Gesetze nothwen- dig Ueber die Erklaͤrung der Gesetze haben viel geschrieben. Die vorzuͤglichsten Schriften sind Val. Guil. forster de interpretatione iuris (in otton . Thesau. Iur. Rom. T. II. ) Vinc. placcius de Icto perfe- cto s. interpretatione Legum . Holm. et Hamb. 1693. 4. Casp. horn Praelect. publicae de in- terpretatione iuridica Viteb. 1733. 8. Io. Laur. holderrieder Diss. de principiis interpretationis Legum adaequatis Lipsiae 1736. Car. Aug. ritter Regulae interpretationis iuridicae praestan- tioresex adaequatis principiis demonstratae Lipsiae 1741. Pet. amsinck Disp. de Legumin corpore iuris Iustiniani interpretatione . Trajecti 1743. Io. Iac. . Was heißt aber ein Gesez erklaͤren ? nichts de Iustitia et Iure. nichts anders, als den wahren Sinn eines Gesetzes aus den Worten desselben, und der Absicht des Gesez- gebers entwickeln. Sinn des Gesetzes , oder, wie es im roͤmischen Rechte genennet wird, sententia le- gis L. 6. §. 1. D. de Verb. Signif. L. 29. D. de LL. ist der Wille selbst, den der Gesezgeber durch die gebrauchten Worte hat ausdruͤcken wollen. Um die- sen Willen des Gesezgebers richtig zu bestimmen, un- tersuche man zuerst den Wortverstand des Gese- tzes ( sensum litteralem ), das ist, man exponire das Gesez, setze die wahre Bedeutung der einzelnen Worte fest, und verbinde mit demselben diejenigen Begriffe, die durch die Zusammensetzung herauskommen. Weil jedoch die Erfahrung lehret, daß die Worte nicht im- mer den Willen des Gesezgebers ausdruͤcken, indem sel- ten ein Mensch seine Worte so genau faßt, daß er weder mehr noch weniger sage, als er wirklich hat sa- gen wollen, so muß nun hiernaͤchst der Gesezausleger die wahre Absicht des Gesezgebers ausforschen, und den Grund des Gesetzes untersuchen. Dieser bestimmt den ganzen Umpfang des Willens des Gesez- gebers, und ist also mit Recht als die Seele des Ge- setzes anzusehen Io. Gottl. faber Disp. de anima legum . Tübin- gae 1752. Conr. Henr. Andr. hepke Diss. de occasio- ne et ratione legis . Hanov. 1754. . Nur darf die naͤchste Absicht mit der Iac. oppenritter Diss. de concinna Legum in- terpretatione Viennae 1745. 4. Io. Died. mell- mann Comment. de interpretatione Legum Rom. praesertim Codicis repetitae praele- ctionis Kiel 1770. Io. Lud. conradi Observatio- nes iuris . Marb. 1782. 8. und besonders Christ. Henr. eckhard Hermenevtica iuris cum notis Car. Frid. walchii Lipsiae 1779. 8. 1. Buch. 1. Tit. der entferntern nicht verwechselt werden. Daher erge- ben sich schon vorlaͤufig folgende Auslegungsregeln: 1) Der Rechtsgelehrte darf seine Auslegung des Gese- tzes nur auf Voraussetzung derjenigen Absicht gruͤn- den, die der Gesezgeber unmittelbar durch die Wor- te des Gesetzes erklaͤren wolte. 2) Diese Absicht selbst muß aus dem Zusammenhange der Worte, oder des Gesetzes mit allen uͤbrigen, die uͤber einerley Gegenstand vorhanden sind D. Gottl. hufeland Diss. de Legum in Pande- ctis interpretandarum subsidio ex earum nexu et consecutione petendo . lenae 1785. und H. Prof Westphal in der unten Note 54. angefuͤhr- ten Schrift §. 4. u. 5. , oder den historischen Umstaͤnden der Gesetzesgebung, und andern Quellen mehr beurtheilet werden, von welchen ich in der Folge beym §. 36. umstaͤndlicher handeln werde. §. 30. Erklaͤrung setzt Mangel der Deutlichkeit, und Unvolstaͤndig- keit des Gesetzes, voraus. Auslegung der Gesetze nach der Billigkeit ; und Grenzen derselben. „Es ist ein Uebel, sagt einer unserer teutschen Rechtsgelehrten von Tevenar Versuch uͤber die Rechtsgelahr- heit S. 537. Dritt. Abschn. , wenn die Gesetze einer Erklaͤrung beduͤrfen. Die Gesetze sollten keiner Rechtskluͤgeley aus- gesetzet seyn.“ Dies kann wohl freylich nicht geleug- werden; allein da die meisten unserer Gesetze fuͤr ganz andere Zeiten, Sitten und Umstaͤnde gegeben sind, so muͤssen wir sie, sollen sie zur Richtschnur dienen, durch eine vernuͤnftige Auslegung, auch noch fuͤr unsere Zei- ten de Iustitia et Iure. ten anwendbar zu machen suchen. Auslegung des Gesetzes setzt also immer voraus, daß ein fehlerhaftes, dunkeles oder unzureichendes Gesez vorhanden sey. Ein Gesez, das vollstaͤndig, deutlich, und bestimmt gefaßt ist, bedarf keiner Erklaͤrung; sondern der Richter ist verbunden, solches in Anwendung zu bringen, wenn es auch gleich hart scheinen solte. Allein solte der Rich- ter nicht wenigstens unterweilen befugt seyn, aus Gruͤn- den einer vordringenden Billigkeit der Strenge des Rechts auszuweichen, und eine mildere Meinung anzunehmen? Verschiedene Rechtsgelehrten wollen ihm zwar diese praͤ- torische Macht beylegen C. F. hommel Rhapsod. Quaestion. in foro quot. obv . Obs. 430. p. 697. , und nach Leysers Meditat. ad Pandect . Spec. III. med. 6. u. 7. Meynung soll es einem Richter sogar freystehen, sich uͤber den Mangel der vorgeschriebenen Solemnitaͤten hinwegzusetzen, wenn nur der Wille des Testators oder der Contrahenten klar ist; allein es laͤsset sich diese Mei- nung nicht schlechterdings rechtfertigen. Denn es ist be- kannt, welche schlimme Folgen die sogenannte Billigkeit der Praͤtoren nach sich zog, und wie man ihre Partheylich- keit durch das Corneliußische Gesez dahin einschraͤnken muste, daß sie wenigstens waͤhrend ihrer kurzen Amts- fuͤhrung nach einerley Grundsaͤtzen verfahren, und schul- dig seyn solten, eben denselben Rechtssaz, den sie ge- gen andere angenommen hatten, in der Folge auch ge- gen sich selbst gelten zu lassen. Es klagten auch die roͤmischen Rechtsgelehrten schon uͤber die Ungerechtigkeit, welche sehr oft unter dem Scheine der Billigkeit aus- geuͤbt wuͤrde; denn da selbst die Meinungen von der Billigkeit so sehr verschieden, und ihre Grundsaͤtze nicht be- 1. Buch. 1. Tit. bestimmt sind scaevola sagt z. B. in L. 14. pr. D. de div. tem. por. praescript. de accessionibus possessionum nihil in perpetuum, neque generaliter definire possumus: consi- stunt enim in sola aequitate. , wie leicht kann sich der Richter bey deren Anwendung nicht irren? Sehr treffend sagt da- her bey Entscheidung eines gewissen Rechtsfalles der roͤ- mische Jurist Paulus L. 91. §. 3. D. de verbor. obligat. esse hanc quaestionem de bono, et aequo: in quo genere plerumque sub auctori- tate iuris scientiae perniciose erratur. Welche Unge- wißheit des Rechts wuͤrde also nicht daraus entstehen, wenn der Richter sich ermaͤchtigen duͤrfte, unter dem Vorwand der Billigkeit von den Gesetzen abzuweichen? Ja wie leicht wuͤrde Leidenschaft des Richters, oder Unwissenheit desselben den Mantel der Billigkeit anneh- men, und der Ungerechtigkeit und Partheylichkeit Thuͤr und Thor geoͤfnet werden? Mit Recht haben daher an- dere jene Meinung verworfen, und den Richter auf ge- horsame Befolgung der Gesetze eingeschraͤnkt Carrach rechtliche Eroͤrterung der Frage: Ob in Teutschland eine Gerichtsobrigkeit unter dem Vorwande der Billigkeit von den Gesetzen abweichen koͤnne ? Nro 44. der woͤchent- lichen Hallischen Anzeigen vom Jahr 1764. Henr. Christph. bertuch Diss. de eo, quod circa aequi- tatem iniquum est . Erf. 1736. Henr. God. bauer Pr. de aequitatis in iure usu Lips. 1761. Io. Diet. mellmann Orat. de decisione causarum ex Legibus aequi et boni . Kilonii 1778. hart- leben Meditat. ad Pandect . Vol. I. P. I. Spec. IV. med. 9. u. 10. westphal Untersuchung der Fra- ge, ob ein ohne die vorgeschriebene Form ge- mach- . Wenn nun de Iustitia et Iure nun aber doch die Gesetze selbst den Richter anweisen, mehr nach der Billigkeit als nach dem strengen Recht zu urtheilen; so sieht ein jeder wohl, daß dieses eine ganz andere Bedeutung haben muͤsse, als welche jene Vertheidiger der Billigkeit zur Unterstuͤtzung ihrer Mey- nung angenommen haben. Hierher gehoͤrt, was Pau- lus L. 90. D. de R. I . sagt: In omnibus quidem, maxime tamen in iure, aequitas spectanda est; deßgleichen, wenn die Kr. Constantin und Licinius rescribiren: Placuit in omnibus rebus praecipuam esse iustitiae aequitatis- que , quam stricti iuris rationem L. 8. C. de iudiciis . . Man fuͤhrt auch noch die Worte des Marcellus L. 183. D. de Reg. Iuris . an; Etsi ni- hil facile mutandum est ex solemnibus, tamen, ubi aequitas evidens poscit , subveniendum . Allein alle diese Stellen helffen der entgegen gesezten Meynung im mindesten nicht auf, denn uͤberall ist nicht die Rede von einer Billigkeit, wodurch lex scripta abgeaͤndert wer- den solle. Die erste Stelle ist aus lib 15. Quaestionum des Juristen Paulus genommen, wo von Erklaͤrung der Vertraͤge die Rede war Dieses erhellet aus der Vergleichung der aus eben die- sem Buch der Quaͤstionen des Paulus in den Pandecten vorkommenden Stellen beym wieling Iurisprud. re- stituta S. 190. und hommel Palingenes. iuris . , und will, daß man nicht machtes Testament des vorhanden gewesenen ausserordentlichen Nothfalls wegen guͤltig sey? im Niedersaͤchsischen Archiv fuͤr Jurisprudenz u. jurist. Literatur herausgegeben von D . Koppe 2. Band N . 27. S. 293 ‒ 305. Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. O 1. Buch. 1. Tit. nicht bey den Worten stehen bleiben, sondern auf die Absicht der Contrahenten sehen solle cuiacius in Commentar. ad Pauli Quaest . und giphanius in Commentar. ad tit. de Reg. Iur . ad L. 90. n. 3 . . Die zweite Stelle enthaͤlt ebenfals eine Erklaͤrungsregel fuͤr den Richter, und der Sinn ist: der Richter solle nicht nach den Worten, sondern nach der Absicht und dem Willen der Gesetze und Verordnungen entscheiden. Die lezte Stelle endlich ist aus L. 7. pr. D. de restit. in integr . zu erklaͤren, denn beyde sind aus lib. 3. Digestor . mar- celli genommen. Aus dieser Verbindung sieht man, daß von dem Fall die Rede war, wo Jemand, welcher im Gericht, seiner Sache wegen die Nothdurft zu beob, achten, war aufgerufen worden, sich nicht gemeldet, und daher wegen Versaͤumnis sein Recht verlohren hat- te. Er hatte den Aufruf nicht gehoͤrt, und nach den Umstaͤnden, ohne sein Verschulden, nicht hoͤren koͤnnen, und suchte daher die Wiederherstellung in den vorigen Stand. Nichts ist billiger, als daß hier der Par- they, welche ohne ihr Verschulden um ihr Recht gekom- men, geholfen werde; daher auch Kr. Antonin ihr solche durch sein Rescript angedeihen laͤsset Iac . gothofredus Comm. in tit. Dig. de R. I. p. 730. Pet . paber Comm. ad tit. Dig. de Reg. Iur . h. l . . Hier ist also eben so wenig, wie in den vorhergehender Ge- sezstellen, zu befinden, daß ein Richter, als solcher, sich herausnehmen duͤrfe, Gesetze, die er fuͤr unbillig haͤlt, nicht zu befolgen, vielmehr ergiebt sich aus den angefuͤhrten sowohl, als andern Stellen des roͤmischen Gesezbuchs, daß die dem Richter von den Gesetzen selbst empfohlene Billigkeit darinn bestehe: 1) Daß er nie bey den Worten des Gesetzes stehen bleibe, sondern uͤberall auf die Absicht sehe, wel- che de Iustitia et Iure. che durch das Gesez unmittelbar erreicht werden soll. Benignius leges interpretandae sunt, sagt Celsus L. 18. D. de Legibus . , quo voluntas earum conservetur . 2) auf die Umstaͤnde der Sache Ruͤcksicht nehme. Sind diese besondern Umstaͤnde so beschaffen, daß man nicht zweifeln kann, der Gesezgeber wuͤrde fuͤr diesen besondern Fall eine Ausnahme bestimmt haben, wenn er ihn so, wie er sich zugetragen hat, voraus- gesehen haͤtte; so ist es die Pflicht eines billigen Rich- ters auf den Grund des Gesetzes zum Vortheile des- sen Ruͤcksicht zu nehmen, der sonst einen unverdienten Nachtheil erleiden wuͤrde. Nulla enim iuris ratio, sagt Modestin L. 25. D. codem . , aut aequitatis benignitas pati- tur, ut, quae salubriter pro utilitate hominum in- troducuntur, ea nos duriore interpretatione con- tra ipsorum commodum producamus ad severitatem . 3) Daß er auf die besondern Eigenschaften und Verhaͤltnisse der Persohnen Ruͤcksicht neh- me. Et omnino, so rescribirt K. Antonin L. 4. §. 1. D. de incendio, vuina etc . Eben dieses ist es, wenn die P. G. O. Carls V . so oft den Richter anweißt, nach Gelegenheit und Gestalt der Persohn die Strafe zu bestimmen. Z. B. Art. 106. 114. 119. 159. u. a. m. , ex personarum conditione, et rerum qualitate , di- ligenter aestimandae sunt poenae, ne quid aut du- rius aut remissius constituatur, quam causa po- stulabit . Allein nicht blos Criminal-Faͤlle, sondern auch buͤrgerliche Verbindungen sind, vorzuͤglich aber die haͤußliche Gesellschaft, nach den Regeln der Bil- ligkeit zu beurtheilen. So muͤssen z. B. die Rechte O 2 der 1. Buch. 1. Tit. der Eheleuthe, der Aeltern gegen die Kinder, und der Herrschaft gegen das Gesinde immer mit Ruͤck- sicht auf die besondern Eigenschaften, Umstaͤnde und Beduͤrfnisse der Persohnen bestimmt werden. Wenn daher der Knecht uͤber seinen Herrn Klage fuͤhrte, daß dieser ihm allzuschwere Arbeit auflege; so muͤßte der Richter sowohl die Beduͤrfnisse des Herrn, als die persoͤhnlichen Eigenschaften des Knechts erwaͤgen, und hiernach sein Urtheil sprechen. Weiter bestehet auch die Erklaͤrung nach der Billigkeit darinn 4) daß in zweifelhaften Faͤllen , wo es weder der ausdehnenden noch der einschraͤnkenden Erklaͤrung an Gruͤnden fehlt, jedoch keine derselben etwas uͤber- wiegendes fuͤr sich hat, der Richter mehr geneigt seyn muͤsse, die gelindere Meynung vorzuziehen, d. i. diejenige Erklaͤrung anzunehmen, die am meisten mit dem Naturrechte uͤbereinkommt, oder wenigstens von der Strenge am meisten entfernt ist nettelbladt System. elem. Iurispr. posit. Germanor. commun. general . §. 230. sagt: Dicitur benigna interpretatio , per quam is sensus pro vero adsumitur, qui legibus naturalibus magis conve- nit, quam alter, vel saltim a rigore magis alienus est; eaque locum habet, si adest ambiguitas, id est , plures interpretationes aeque probabiles sunt . Hinc in L. 9. D. de Reg. Iur. dicitur: semper in obscuris; quod minimum est, sequimur, et in L. 3. D. de his, quae in testam. del. haec regula obvenit: in re dubia be- nigniorem interpretationem sequi, non minus iustum est, quam tutius . ; Mithin 5) in Civil-Faͤllen diejenige Art der Auslegung vor- dringen lasse, nach welcher die Handlung, uͤber deren Guͤltigkeit gestritten wird, eher bey Kraͤften erhalten, als zernichtet wird L. 12 . und 21. D. de rebus dubiis . ; hingegen 6) de Iustitia et Iure. 6) in Straf- und Criminal-Faͤllen geneigter sey, zu absolviren als zu verurtheilen, oder die Strafe eher zu mildern als zu schaͤrfen L. 42. D. de poenis. L. 155. §. 2. D. de Reg. Iuris . Man sehe rivinus de benigna ICtorum inter- pretatione . Vitemb. 1752 . . §. 31. Eintheilung der Gesezerklaͤrung in die legale und doctrinelle . Die Auslegung dunkler Gesetze geschiehet nun ent- weder vom Gesezgeber selbst, oder ist wenigstens vom Gesezgeber gebilliget, oder sie geschiehet blos von einem Rechtsgelehrten mit Huͤlfe und Anwendung der Regeln der Auslegungskunst (Hermenevtic). In den beyden er- stern Faͤllen wird die Interpretation eine legale , im leztern Falle aber eine Doctrinalerklaͤrung genennt. Von den erstern wird §§ 32. und 33. von den leztern aber §. 34. bis 38. gehandelt. §. 32. Von der Avthentischen- und Usualinterpretation . Die legale Gesezerklaͤrung wird nach der gewoͤhn- lichen Lehre der Rechtsgelehrten wieder in die avthen- tische und usual Interpretation eingetheilt. Je- ne ist, wenn der Gesezgeber seinen Willen, wie das dunkele Gesez zu verstehen seyn soll, selbst erklaͤrt; die- se aber, wenn der Gesezgeber eine in Gerichten ange- nommene Erklaͤrung eines dunkelen Gesetzes entweder ausdruͤcklich oder stillschweigend billiget. Gegen diese Eintheilung wird zwar verschiedenes nicht ohne Grund von einigen Rechtsgelehrten eingewendet, welche sie nicht fuͤr aͤchte Gattungen der Interpretation ansehen wollen, O 3 weil 1. Buch. 1. Tit. weil der Gesezgeber nicht wie ein Rechtsgelehrter an die Regeln der Auslegungskunst gebunden sey, sondern den Sinn eines dunkeln Gesetzes nach Willkuͤhr bestimmen koͤnne; mithin in dem Falle vielmehr ein neu Gesez gege- ben werde, wo man dem Oberherrn eine avthentische Interpretation zuschreibt; die Usualerklaͤrung aber viel- mehr fuͤr eine Art des Gewohnheirsrechts anzusehen sey. In beyden Faͤllen beruhe also die Kraft der In- terpretation nicht sowohl auf richtiger Bestimmung des Sinnes eines dunkeln Gesetzes, sie weiche vielmehr oͤf- ters von dem richtigen Sinne des Gesetzes ganz ab, sondern die avthentische Gesezerklaͤrung gruͤnde sich auf das Ansehen des Gesezgebers, von welchem sie gesche- hen, die Usualinterpretation aber auf die Observanz und den Gerichtsbrauch S. holderrieder de princip. interpretat. ad- aequatis . §. V. et VI. eckhard Hermenevt. iu- ris Lib. I. c. I. § 37 . u. 38. I. D . wibeking Diss. de incommodis per interpretationes usuales et observant. in iurisprud. infectis . Francof . 1748. hartleben Meditat. ad Pandect . Spec. II. med . 1. u. a. m. . Allein da beyde Arten der Gesezerklaͤrung in den roͤmischen Gesetzen selbst als sol- che anerkannt sind L. 1. L. 9. L. 12. C. de Legibus. L. 37. et 38. D. eodem. Nov. CXIII. cap. 1. princ . ; und uͤberdies dem Gesezgeber die Absicht wohl am besten bekannt seyn muß, die er unmittelbar durch die Worte des Gesetzes erklaͤren woll- te, so kann jene Eintheilung allerdings beybehalten werden nettelbladt System. elem. Iurisprud. pos. Germanor. commun. gener . Lib. I. Sect. III . §. 227. und §. 239. hofacker Princip. iur. civ. Rom. germ . T. I. Lib. I. c. IV . §. 150. Hoͤpfner im . Wir bemerken uͤbrigens noch folgendes: 1) de Iustitia et Iure. 1) Da jedem Richter vermoͤge seines Amts das Recht zustehet, Gesetze zu erklaͤren, so lange er nach rich- tigen Regeln der Auslegung den wahren Verstand derselben zu bestimmen vermag; so folgt, daß zur Nothwendigkeit einer avthentischen Interpretation nur sodann geschritten werden duͤrfe, wenn der Sinn ei- nes Gesetzes so zweifelhaft ist, daß er sich schlechter- dings nicht nach vernuͤnftigen Regeln der Auslegung mit Gewißheit bestimmen laͤsset. 2) Unter dieser Voraussetzung findet auch nur bey denen Privilegien die avthentische Auslegung statt L. 191. D. de Reg. Iur . nettelbladt in System. elem. Iurispr. gen . §. 238. . Denn diejenigen schraͤnken offenbar die Grenzen der richterlichen Gewalt zu sehr ein, welche den Richter in einem jeden Falle, da uͤber den Ver- stand eines Privilegiums sich Zweifel ereignen, zum Throne des Landesherrn verweisen wollen Man sehe besonders nach puͤtter Progr. de iure et officio iudicis circa interpretationem privilegiorum in genere . Goetting . 1758. und Desselben auserlesene Rechtsfaͤlle I . B. 2. Th. Resp. XXV . S. 293. . 3) Ob aber ein solcher Fall vorhanden sey, wo eine interpretatio avthentica vom Gesezgeber selbst zu erwarten, kommt nicht sowohl auf die Aeusserung der einen oder der andern streitenden Parthey, oder de- ren Sachwalters, sondern auf das arbitrium iudi- cis selber an. O 4 4) im Commentar §. 24. Eichmann in den Erklaͤ- rungen des buͤrgerl. Rechts. I . Th. S. 106. u. folgg. und Io. Chr . woltaer Observat. iuris civ. et Brandenb . Fascic. I. Obs. I . u. a. m. 1. Buch. 1. Tit. 4) Auch die avthentische Erklaͤrung muß dem Sinne und den Worten des Gesetzes gemaͤß seyn; denn indem sie davon gaͤnzlich abweicht, ist keine Interpretation, sondern nun ein neues Gesez vorhanden, auf welchen Unterschied sehr viel ankommt, wenn von der An- wendung auf vorhergegangene Handlungen Eichmann Erklaͤrungen 1. Th. S. 107. die Frage entstehet. (S. 145.) Endlich 5) Da die avthentische Erklaͤrung ein Theil der gesez- gebenden Gewalt ist, so stehet sie nur dem Landes- herrn selbst, aber keinesweges den hoͤchsten Gerichten in einem Lande zu hartleben Meditat. ad Pandect . Spec. 2. med . 4. Soviel hiernaͤchst die Usualerklaͤrung anbetrift, so sezt nun diese voraus, 1) daß das Gesez wirklich dunkel oder zweifelhaft sey; denn ist das Gesez klar, und liegt ein of- fenbarer Irthum bey dieser Auslegung zum Grun- de, so kann sie keine legale Auctoritaͤt behau- pten celsus in L. 39. D. de LL . sagt: Quod non ratione introductum, sed errore primum, deinde consuetudi- ne obtentum est, in aliis similibus non obtinet . . 2) Sie erfordert die Eigenschaften eines guͤltigen Gewohnheitsrechts. §. 33. Usualerklaͤrung ist ein Theil der gerichtlichen Observanz. Wenn man unter dem Gerichtsgebrauch ( obser- vantia iudicialis ) die in den Gerichten bey der Be- handlung und Entscheidung streitiger Rechtsfaͤlle ange- nommene Gewohnheiten verstehet, die man bisher und schon seit langer Zeit auf eine gleichfoͤrmige Art beob- achtet de Iustitia et Iure. achtet hat; so kann wohl diese nicht als ein Theil der Usualinterpretation, sondern leztere vielmehr als ein Theil der erstern angesehen werden. Denn die gericht- liche Observanz betrift entweder blos die Procesform, d. i. die Art und Weise, sein Recht vor Gericht zu verfolgen; oder das Recht selbst; und in diesem leztern Falle kann selbige entweder die Auslegung eines zwei- felhaften Gesetzes, oder die Entscheidung eines gesezlich nicht entschiedenen Rechtsfalls, die man in den Gerich- ten angenommen und zeither befolgt hat, zum Vorwurf haben. Solche Erfahrungen, die von klugen und auf- geklaͤrten Richtern in der Rechtspflege gesammlet wor- den sind, koͤnnen unstreitig zu Beurtheilung vorkom- mender Rechtshaͤndel sichere und gewisse Bestimmungen darreichen, und haben desto groͤsern Werth, je weniger oftmals die allgemeinen Gesetze und Verordnungen einem Richter und Advocaten befriedigende Auskunft erthei- len Hymmens Beytraͤge zur neuesten juristischen Litteratur in den Preußischen Staaten 1. Samm- lung S. 1. ff. . Sie nehmen alsdann, durch die stillschwei- gende Genehmigung des Landesherrn und die Laͤnge der Zeit unterstuͤzt, das Gepraͤge eines Gewohnheitsrechts an, und verdienen nach den schriftlich gegebenen Gese- tzen den vorzuͤglichsten Rang Hierher gehoͤrt die Stelle des Callistratus in L. 38. D. de LL . In ambiguitatibus , quae ex Legibus profi- ciscuntur, consuetudinem, aut rerum perpetuo similiter iudicatarum auctoritatem, vim legis obtinere debere . In den roͤmischen Gesetzen wird dieser Gerichtsgebrauch durch die Ausdruͤcke ius iudiciorum L. 3. C. de dot. pro- miss. mos legum usitatus , L. 32. C. de Transact. quoti- dianus iudiciorum usus , §. 6. I. de Satisdat . und solitus iudiciorum ordo L. 4. C. de Sent. et interloc. omn. iu- dic . angedeutet. . Blose Urtheile und O 5 Ent- 1. Buch. 1. Tit. Entscheidungen der Rechtsstuͤhle, oder gemeine Meinun- gen der Rechtsgelehrten, insofern sie denen unstreitig geltenden Gesetzen entgegen sind, koͤnnen aber eben so wenig das Ansehen einer gerichtlichen Observanz be- haupten, als den Richter verbinden, dasjenige, was vormahls in aͤhnlichen Faͤllen erkannt worden, gleichfalls auch noch jezt zu erkennen, gesezt auch daß noch so lange auf solche Art gesprochen worden waͤre Auser dem von Hellfeld Not. o . angefuͤhrten grieb- ner haben eben so geurtheilet reinharth select. Observat. ad Christinaeum Vol. I. Obs. 3. pufen- dorf Proc. civ . P. III. C . 22. §. 16. Seyfarth im teutschen Reichsproces Cap. 23. §. 4. Quistorp Grundsaͤtze des peinlichen Rechts 1. Th. 1. Abschn. 1. Cap. §. 13. u. a. m. . Denn eines Theils sind Richter eben so wenig, als die Rechts- gelehrten, Gesezgeber; und andern Theils wird der Rich- ter, wenn er gegen die Praeiudicia seiner Vorfahren spricht, sich immer mit der deutlichen Verordnung des K. Justinians L. 13. C. de Sent. et interlocut. iudic . Nemo iudex vel arbiter existimet, neque consultationes, quas non rite iudicatas esse putaverit, sequendum, non enim, si quid non bene dirimatur, hoc et in aliorum iudicum vitium extendi oportet, quum non exemplis, sed legibus iudicandum sit; neque etc. — sed omnes iudices no- stros veritatem , et legum et iustitiae sequi vestigia san- cimus . decken koͤnnen, welche die Richter anweißt, nicht darnach zu sprechen, was hin und wie- der in aͤhnlichen Faͤllen ist erkannt worden, sondern jederzeit die Gesetze selbst zur Richtschnur zu nehmen. Hieraus wird sich nun leicht beurtheilen lassen, was von der Behauptung derjenigen zu halten sey, welche den verliehrenden Theil von Erstattung der Proceßkosten be- freyet wissen wollen, wenn derselbe die gemeine Meinung der de Iustitia et Iure. der Rechtsgelehrten, oder sogenannte praeiudicia, d. i. Entscheidungen und Urtheile eines oder verschiedener Rechtsstuͤhle, die in einem aͤhnlichen streitigen Fall er- theilet worden sind, fuͤr sich haͤtte brunnemann Proc. civ. Cap. 27. n. 78. reinharth de errorib. Pragmaticor. in doctrina de compensat. ex- pensar. §. 30. lauterbach de expensis victoriae th. 44. leyser Spec. LXXXVIII. m. 1 . Hoffmann teutsche Reichspraxis §. 797. und andere mehr. . Bey der gros- sen Anzahl von Rechtsgelehrten, die ausser unsern Au- ctor (Not. o .) dieser Lehre zugethan sind, scheint es bey- nahe eine Verwegenheit zu seyn, dagegen Zweifel zu er- regen. Allein erwaͤgt man, was schon ein beruͤhmter Rechtsgelehrter des vorigen Jahrhunderts Casp . ziegler Dicastic . Concl . 39. §. 30. mit eben soviel Wahrheit als Freymuͤthigkeit sagte, daß gemeine Meinungen der Rechtsgelehrten nicht selten gemeine Ir- thuͤmer sind, und daß sich bey dem grossen Vorrath iu- ristischer Schriften schwer bestimmen lasse, welche Mei- nung fuͤr eine allgemeine zu halten sey; daß es ferner bey den Meinungen der Rechtsgelehrten nicht darauf an- komme, was sie behaupten, oder wie viele unter ihnen einen Saz annehmen, sondern ob und in wiefern Ge- seze und Rechtsgruͤnde ihren Lehren beystim- men L. un. §. 6. Cod. de vet, iure enucl . ; so ist in keinem Betrachte abzusehen, wie das blose Ansehen der Rechtsgelehrten den verlieh- renden Theil gegen die Verguͤtung der Unkosten schuͤtzen koͤnne, da er weiß, daß der Richter nicht nach Meinun- gen der Rechtsgelehrten, sondern nur nach Gesetzen und deren Analogie urtheilen duͤrfe. Bedenkt man ferner, daß, wenn die Entscheidung des Richters gegen die an- gefuͤhrten praeiudicia iuris ausfaͤllt, sodann vermoͤge des Urtheils der verliehrende Theil als derjenige zu be- han- 1. Buch. 1. Tit. handeln sey, der ohne Beystand des Rechts, das, was in andern Faͤllen erkannt worden, gebraucht, mithin in iure geirret hat, daß uͤberdies dieser Irthum ein sol- cher ist, welchen der Sachfaͤllige Theil haͤtte vermeiden koͤnnen, wenn er die Thatumstaͤnde und Rechtsgruͤnde der beygebrachten Entscheidungen sorgfaͤltiger gepruͤft, und mit seiner eigenen Rechtssache verglichen haͤtte; daß es endlich offenbar ungerecht ist, wenn der obsiegende Gegner einen solchen nicht zu entschuldigenden Irrthum des andern Theils mit seinem Schaden durch die Ein- busse der Proceßkosten entgelten solle; erwaͤgt man alles dieses ohne Vorurtheil, so wird man es gewiß nicht un- billig finden, wenn man in unsern Tagen jene alte Lehr- meinung auszurotten angefangen hat Man sehe vorzuͤglich D . Ad. Dietr. Weber uͤber die Proceßkosten, deren Verguͤtung und Com- pensation . (Schwerin, Wismar und Buͤtzow 1788. 8.) §. 10. u. 11. . Daß uͤbrigens die Meinungen angesehener und be- waͤhrter Rechtsgelehrten in solchen zweifelhaften Rechts- faͤllen, die in den Gesetzen entweder gar nicht, oder nicht deutlich entschieden sind, wenn sie mit der Ana- logie des buͤrgerlichen Rechts, oder mit den Grundsaͤ- tzen des natuͤrlichen Rechts uͤbereinkommen, nicht zu verachten sind, hat keinen Zweifel Io. Wolg . textor Diss. de auctoritate Inter- pretum iuris . Altorf . 1670. und Quistorp a. a. O. . Zulezt bemerkt unser Auctor noch, daß eine Ob- servanz, worin alle oder wenigstens die meisten Rechts- collegia mit einander uͤbereinkommen, Praxis genennt werde. Man verwechsele jedoch hiermit nicht diejenige Bedeutung des Worts Praxis, von der ich oben beym §. 27. gehandelt habe. Uebri- de Iustitia et Iure. Uebrigens sind nun durch den Gerichtsgebrauch oder eigentlich durch eine Usualerklaͤrung viele neue Rechtsleh- ren und Rechtsmittel eingefuͤhret worden, von denen ich z. B. nur die Provocation ex lege diffamari und ex lege si contendat, ferner das iuramentum per- horrescentiae nennen will, andere mehrere zu ge- schweigen. §. 34. Verschiedene Arten der Doctrinalerklaͤrung . Die Doctrinalerklaͤrung der Gesetze ist wie- der zweierley. Sie ist entweder bemuͤht, den Sinn ei- nes Gesetzes blos aus denen Worten desselben, und de- ren Bedeutung zu bestimmen; oder sie untersucht den Zweck und Absicht des Gesezgebers, und bestimmt den Sinn des Gesetzes aus dem Grunde desselben. Jene wird die grammatische , von andern auch die phi- lologische ; diese aber die logische oder philoso- phische Erklaͤrung genennt S. I. H. boehmeri Praefat . de interpretationis grammaticae fatis et usu vario in iure Ro- mano , vor brissonius de Verb. Significat . . Leztere geschiehet, wenn die philologische oder grammatische vollendet ist, und kann ohne diese nicht bestehen. Es darf jedoch auch die grammatische Erklaͤrung von der logischen nicht getrennt werden Die Gesetze selbst geben dieses deutlich zu erkennen. L. 6. §. 1. D. de V. S . und L. 7. §. 2. D. de iurisdict . . Denn eine blos grammatische Auslegung, welche Worte klaubt, und nach Spizfindig- keit hascht, dabey aber die Absicht des Gesezgebers ver- fehlt, ist Chikane L. 29. D. de LL . wo gesagt wird, daß derienige ge- gen das Gesez handele und chikanire, qui, salvis verbis legis, sententiam eius circumvenit . , oder wie Cicero Lib. I. de officiis cap. 10 . die Sache rich- 1. B. 1. Tit. richtig ausdruckt, callida et malitiosa iuris interpreta- tio . Diesen beiden Arten der doctrinalen Gesetzerklaͤ- rung fuͤgen viele schilter Prax. iur. Rom . Ex. II. §. 8. not. a. Christ. God . peller Diss. de interpretatione Le- gum politica . Altorf . 1719. hartleben Meditat. ad Pandectas Spec. II. med . 3. u. a. m. noch eine dritte Gattung bey, wel- che sie die politische Gesezerklaͤrung nennen. Man verstehet darunter diejenige Erklaͤrungsart, welche unter- sucht, ob und in wiefern die Gesetze, deren wir uns bedienen, dem heutigen Zustande und Verfassung unse- rer Zeiten angemessen, und dahero anwendbar seyn oder nicht. Daß diese Erklaͤrungsart, welche bey Ent- wickelung des wahren Sinnes der Gesetze, auf die Sit- ten und Verfassungen derjenigen Zeiten Ruͤcksicht nimmt, fuͤr welche sie urspruͤnglich sind gegeben worden, von gro- ser Wichtigkeit, ja unentbehrlich sey, um sowohl von denen in Teutschland geltenden fremden, als auch ein- heimischen aͤltern Gesetzen z. B. der peinlichen Gerichts- ordnung Carls V . eine richtige Anwendung zu machen, hat keinen Zweifel. Denn so kommen z. B. in dem roͤmischen Gesezbuche viele Verordnungen vor, die sich auf blos roͤmische in Teutschland ganz unbekannte Sit- ten und Verfassungen beziehen, desgleichen Gesetze, die nach Heidenthum und Despotismus der heidnischen Kai- ser schmecken, und auf christliche Staaten durchaus kei- ne Anwendung leiden Zum Beispiel dient das iuramentum per genium Prin- cipis. L. 2. C. de reb. cred. et iureiur . Man sehe Iul. Frid . malblanc doctr. de iureiurando Lib. III. c. IV . §. 67. S. 249. Mehrere Beispiele liefert Henr. Ern . kestner de iurisprudentia paganizante . Rintelii 1713. . Eben so macht auch der seit den de Iustitia et Iure. den Zeiten Carls V . sehr veraͤnderte Zustand der teut- schen Staaten viele Verordnungen der P. Gerichtsord- nung heutiges Tages ganz unanwendbar. Allein deswe- gen glaube ich doch nicht, daß die sogenante politi- sche Gesezauslegung eine besondere Gattung der Gesezerklaͤrung ausmache, sondern ich rechne sie mit zur philosophischen. §. 35. Grundsaͤtze der grammatischen Gesezerklaͤrung. Juristi- sche Critic . Alle vernuͤnftige Gesezerklaͤrung muß nun also von grammatischer Entwickelung des Wort- verstandes ihren Anfang nehmen. Denn Worte find Zeichen der Gedanken, und das Mittel, den Wil- len des Gesetzes zu erkennen Man vergleiche hierbey, was Celsus sagt in L. 7. §. 2. D. de supell. legat . wo besonders der sehr richtige Gedan- ke vorkommt: etsi prior atque potentior est, quam vox , mens dicentis, tamen nemo sine voce dixisse, existimatar . . Den Sinn der Worte aber bestimmt der Sprachgebrauch , welcher, wie der Werth der Muͤnzen, bald ein allgemeiner , bald ein besonderer seyn kann. Da jedoch Abwei- chung vom allgemeinen Sprachgebrauch im Zweifel nicht vermuthet wird, so bildet sich nun hieraus die erste Re- gel der grammatischen Gesezauslegung: Worte eines Gesetzes muͤssen so lang in dem Sinn genom- men werden, den sie, nach dem gewoͤhnlichen Redegebrauch der Nation, fuͤr welche das Gesez bestimmt war, haben, bis andere zu- sammentreffende besondere Umstaͤnde einen andern nothwendig machen . Ist aber lezterer Fall vorhanden, so muß alsdann der beson- dere 1. Buch. 1. Tit. dere Redegebrauch des Gesezgebers ausge- mittelt, und zum Maasstab genommen wer- den Diese Regel ist ganz allgemein, und findet auch bey Erklaͤrung anderer Willensverordnungen statt. L. 69. D. de legat. 3 . Non aliter a significatione verborum recedi oportet, quam cum manifestum est, aliud sensisse te- statorem . . Worte koͤnnen ferner in dieser oder jener Zusam- mensetzung oft einen ganz andern Sinn enthalten, als ihnen der Redegebrauch einzeln beylegte. So wie es nun bey Muͤnzen ist, daß nicht blos der Werth der einzelnen Scheidemuͤnze, sondern zugleich auch das Ver- haͤltnis, das zwischen ihnen und den groͤbern Sorten der Gebrauch festsezt, den Werth der leztern bestimmt; so haͤngt nun gleichfalls der Sinn einer Rede nicht blos von dem Sinne der einzelnen Worte, sondern zu- gleich von dem Werthe ab, den ihnen in ihrer Verbin- dung der Redegebrauch beylegt. Hieraus ergiebt sich die zweite Regel der grammatischen Gesezerklaͤrung: Worte eines Gesetzes sind jederzeit in dem- jenigen Sinne zu erklaͤren, den ihnen der Sprachgebrauch in der Verbindung, welche sie in dem Gesez haben, beygelegt hat . Da aber zuweilen Worte auch in ihrer Verbindung einen verschiedenen Sinn zulassen, woraus Zweydeutigkeit der Rede entstehet, so ist nun alsdann, welches die dritte Regel ist, diejenige Bedeutung anzunehmen, welche mit dem Gegenstande, wovon das Ge- sez redet, d. i. mit dem Subject und dessel- ben Praͤdicat am besten uͤbereinstimmt L. 67. D. de Reg. Iur . giebt die Regel: Quoties idem sermo duas sententias exprimit, ea potissimum accipietur , quae . Auch de Iustitia et Iure. Auch giebt uns ferner der Grundsaz des gemeinen Menschenverstandes, nicht gedankenlos zu reden, eine vierte Regel an die Hand: daß im Zweifel kein Wort umsonst im Gesez zu stehen vermuthet werden koͤnne, sondern in jedem ein Aus- druck, Bestimmung oder Aufklaͤrung des Wil- lens des Gesezgebers, und zwar derjenige zu suchen sey, der diesem Wort entspricht celsus L. 7. §. 2. D. de supellect. legat . sagt: Nemo existimandus est dixisse, quod non mente agitaverit . Zuweilen ist es jedoch selbst denen roͤmischen Rechtsgelehr- ten begegnet, daß sie anders gedacht, als sie geredet ha- ben, und ihre Werte mit ihrer Meinung, oder dem, was sie eigentlich sagen wollten, nicht uͤbereinstimmen. Man sehe H. G. von vryhoff Observat. iuris ci- vil . cap. XXIV . S. 124. . Da uͤbrigens unsere Gesezbuͤcher, besonders das roͤmische und kanonische, aus den Gesetzen sehr verschiedener Zeit. alter und Verfasser sind zusammengetragen worden, so verstehet sich daraus, welches die fuͤnfte Regel ist, daß die Worte der Gesetze jederzeit nach denjeni- gen Redegebrauch zu erklaͤren sind, welcher zu der Zeit, da dieselbe gegeben worden, und unter der Classe von Leuten, die ihre Verfasser waren, uͤblich gewesen ist . Man darf in der That nur wenig Belesenheit in den roͤmi- schen Classikern haben, so wird man bald einen grosen Unterschied zwischen der Latinitaͤt der roͤmischen Rechts- gelehr- quae rei gerendae aptior est . Und L. 19. D. de LI . sagt: In ambigua voce legis ea potius accipienda est significatio, quae vitio caret; d. i. wie es Ant . faber in Rational. in Pandect . h, l . richtig erklaͤrt, per quam fiat, ne quid male et absurde constitutum videatur . Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. P 1. Buch. 1. Tit. gelehrten, aus deren Schriften die Institutionen und Pandecten des K. Justinians compilirt worden sind, und derjenigen lateinischen Schreibart gewahr werden, welche in den Verordnungen der christlichen Kaiser und der roͤmischen Paͤbste herrscht. Jene ist noch immer aͤchte roͤmische Schreibart und Zusammensetzung Car. Andr. ducker Opuscula de Latinitate veter. ICtorum . Lugd. Bat. 1711. Ge. Casp. kirch- maieri Opuscula VI. rarissima de Latinitate Digestorum et Institutionum D. Iustiniani Imp. collecta et edita a Ge. Sam. madihn Halae 1772. 8. , wenn auch gleich der Ausdruck nicht immer ciceronia- nisch ist Herm. noordkerck Observat. iur. Rom. De- cad . c. IV. p. 85. sqq. , allein in den Verordnungen der christli- chen Kaiser leuchtet schon uͤberall das sogenannte patri- stische, oder Kirchenlatein hervor S. Chr. cellarius de barbarism. et idiotism. ser- monis latini cap. VII. Die Ursachen entwickelt sehr- schoͤn Io. Aug. wolf oder Chr. Frid. pohl Disp. de latinitate ecclesiastica in Codice Theodo- siano Lipsiae 1774. Daß die Geistlichen uͤberdies grosen Einfluß in die Gesezgebung der christlichen Kaiser gehabt, zeigt Corn. Wilh. de rhoer in Dis- sertat. de effectu religionis christianae in lu- risprud. Rom . Fascic. I. Groeningae 1776. 8. Dis- sert. III. , doch immer noch ertraͤglicher, als die in den Verordnungen der Paͤbste herrschende, schlechte, und mit den groͤbsten Idiotismen und Barbarismen verunstaltete Schreibart, die man uͤberhaupt durch Moͤnchlatein auszudrucken pflegt Ich habe hiervon in meinen Praecognitis iuris- prud. Ecclesiast . §. 206. S. 509. umstaͤndlicher ge- handelt. . So de Iustitia et Iure. So unangenehm auch ein solches Studium ist, so we- nig kann man doch ohne diese Kenntnisse bey Erklaͤrung jener Gesetze fortkommen. Selbst der Styl der aͤltern roͤmischen Rechtsgelehrten in unsern Institutionen und Pandecten ist sehr verschieden, je naͤher dem Zeitalter des Cicero , desto zierlicher; oft aber auch sehr kurz, und schwer zu verstehen, wie z. B. in denen Fragmen- ten des Africanus, Paulus, Papinians und Scaͤvola eckhard Hermenevt. iuris . Lib. I. cap. 3. de Latinitate et stilo veterum ICtorum. . Nicht selten mischt sich auch die Schreibart des Tribonians und seiner Gehuͤlfen ein; hierdurch sind manche Barbarismen in die Fragmente der roͤmischen Juristen gebracht worden, deren man sie unbillig beschuldiget hat Man vergleiche hier vorzuͤglich Ioseph. finestres et de monsalvo in Hermogeniano Diss. prae- limin. §. 40. . Ueberhaupt ist es bey der grammatischen Erklaͤrung der Gesetze des roͤmischen und kanonischen Rechtskoͤrpers eine Bemerkung von gro- ser Wichtigkeit, daß man immer die Worte des Ver- fassers von den Worten des Compilators unterscheide, und den Sinn des Auctors einer zu erklaͤrenden Gesez- stelle nicht mit dem untergeschobenen Sinne des Com- pilators verwechsele, welcher oft von jenem ganz ver- schieden ist Egregia observatio est, sagt Herm. noordkerck Spe- cim. lectionum s. Disquisit. de Lege Petro- nia Cap. II. §. 15. quam a summo accepimus cuiacio , in legibus explicandis ad duplicem saepe sensum attendi debere: alterum genuinum, quem ipse Auctor exprimere voluit; alterum, quem iustinianus , seu quorum mini- sterio usus est Imperator, verbis affixerunt. Gebrauch ha- ben von dieser eleganten Bemerkung gemacht Iac. go . tho- . Um nun in jedem Falle diejenigen Be- P 2 deu- 1. Buch. 1. Tit. deutungen der Worte eines Gesetzes zu finden, welche sie in der Verbindung, die sie in dem Gesez haben, zu der Zeit, da dasselbe ist gegeben worden, gehabt haben, so dienen uns nun zwar hierbey vorzuͤglich diejenige Schrif- ten, welche uns mit dem gesezlichen Sprachgebrauch bekannt machen Hierher gehoͤrt, was die reine lateinische Sprache be- trift, vorzuͤglich Barn. brissonius de verborum, quae ad ius civile pertinent, significatio- ne, studio Io. Gottl. heineccii et Iust. Henn. boeh- meri Halae 1743. fol. und Io. wunderlich Addita- mentor. volumen . Hamburg. 1778. f. Insonderheit aber, um den Styl der roͤmischen Rechtsgelehrten kennen zu lernen, dienen die Biographien der einzelnen Rechts- gelehrten, dergleichen Ev. otto vom Servius Sulpi- cius, P. Alfenus Varus und Papinian ; N. H. gund- ling vom C. Trebatius Testa ; Ian. steenwinckel vom C. Cassius Longinus (Leiden 1778.) G. A. ieni- chen und Hier. van alphen vom Javolenus Priscus ; C. B. acoluthus und Chr. Gott. richter vom Nera - tius Priscus ; Io. wunderlich vom L. Volusius Maͤ - cianus ; ; jedoch duͤrfen auch andere Huͤlfs- mittel, thofredus Comment. ad L. 5. Cod. ’Theod. de testament . und Iac. voorda Elector. lib. sing . cap. XXII. Da jedoch Justinian alles dasje- nige, was seine Compilatoren aus denen aͤltern Gesetzen und juristischen Schriften zusammengetragen, und in den Worten geaͤndert haben, sich dergestalt zu eigen gemacht hat, als wenn alles von ihm selbst herruͤhre, Praef. Digest. Const. I. §. 7. so wird freylich in solchem Colli- sionsfall sensus Triboniani den Vorzug behaupten muͤs- sen, so lang derselbe nicht mit andern Stellen, wo Tribonian genuinum et primigenium auctoris sen- sum deutlicher vorgetragen, in Widerspruch stehet. Man sehe Pet. de toullieu Coilectan. iuris civ . Diss. IV. cap. IV. S. 163. u. folg. und I. L. E. puͤttmann Interpret. et Observat. lib. sing . cap. XIX. S. 89. de Iustitia et Iure. mittel, als Paralelstellen; desgleichen Uebersetzungen, nicht blos griechische, wie Theophilus von Justinians Institutionen, und die uͤbrigen Verfasser der Justinia- neischen Gesezbuͤcher von den Pandecten und Codex ge- liefert haben, aus welchen die Basiliken des Kaisers Leo groͤstentheils compiliret worden sind; sondern auch aͤchtlateinische, wie die Haloandrinische und Hom- bergkische von denen griechischen Novellen des Kr. Ju- stinians; ja auch wohlgerathene und nach richtigen Grundsaͤtzen der grammatischen Interpretation geschrie- bene teutsche Uebersetzungen, wie z. B. der ohnlaͤngst erschienene Versuch uͤber des zweiten Buchs vierzehnden Titel von Vertraͤgen , nicht hintangesetzet wer- den Sammlung der roͤm. Gesetze auf Befehl K. Justinians verfertigt . 1. Th. Pandecten Frankf. u. Leipzig 1785. 8. . Auch sind die Glossen sowohl des civil - als kanonischen Rechts nicht ganz zu verwerfen Man vergleiche hier Abr. wieling Orat. pro Glos- satoribus hinter Desselben Lectionib. iuris civ. Traj. ad Rhen. 1740. . Ein P 3 vor- cianus ; I. G. heineccius von P. Juventius Celsus ; Meinard. tydemann von Ulpius Marcellus ; van eck und Christ. Gottl. biener von Antistius Labeo ; heinec- cius vom Salvius Julianus ; cuiacius von Sext. Caͤcil. Africanus ; B. H. reinold vom S. Pompon ; Chr. rau von Claudius Tryphoninus; Ebenderselbe von Aurel. Arcadius Charisius ; C. van bynckershoeck vom Styl des Ulpians Obs. VIII. 15. u. a. m. geschrieben haben, uͤberhaupt vergleiche man franck vitas tripartitas ICtorum veterum Halae 1718. 4. Soviel die barbarisch lateinische und griechische Sprache des mittlern Zeitalters anbelangt, so ist vorzuͤglich zu gebrauchen Car. du fresne du Cange Glossarium nach der Ausgabe der Benedictiner, und carpentier Supplement . ad Cangium. S. meine Praecogn. iur. eccl. §. 205. not. 11. 1. Buch. 1. Tit. vortrefliches Huͤlfsmittel, den wahren und urspruͤngli- chen Verstand eines Gesetzes zu ergruͤnden, ist jedoch die Vergleichung aller der aus eben demselben Buch ei- nes Rechtsgelehrten genommenen Stellen in denen Pan- decten mittelst ihrer Inscription; desgleichen die Ver- bindung derjenigen Constitutionen des Justinianeischen Codex, welche einerley Ueberschrift und Unterschrift ha- ben, auch urspruͤnglich zusammengehoͤrten, von den Compilatoren aber getrennt worden sind Dieses haben mit vielen Beispielen bestaͤrkt Iac. labit- tus in Usu indicis Pandectarum ; Henr. brenc- mann Diss. de Legum Inscriptionibus ; und Bern. Henr. reinold Orat. de Inscript. LL. Di- gest. et Cod . hinter Abr. wieling iurispr. restit . , wobey Abraham Wielings iurisprudentia restituta Amster- dam 1727. 8. und C. F. Hommels Palingenesia librorum iuris veterum, Leipzig 1767. und 1768. Tomi III. dem Gesezausleger grosen Nutzen leisten. Es beschaͤftiget sich jedoch die grammatische Gesez- erklaͤrung nicht bloß allein mit der B e stimmung des Wortverstandes, und Bedeutung der Worte, sondern sie hat auch noch ein zwotes wichtiges Geschaͤft, wel- ches in Berichtigung und Verbesserung des Textes, wenn derselbe verdorben, deßgleichen in Unterscheidung des Aechten von dem Falschen bestehet, insofern der Text interpolirt seyn sollte. Man nennt diesen Theil der grammatischen Gesezauslegung, welcher in Herstellung der Richtigkeit des Textes bestehet, die juristische Critie I. G. heineccii Praefat. bynckershoeckii Observat. praemissa , de artis criticae utilitate in iuris- prudentia, deque boni critici officio ; auch in Desselben Opusc. minorib. varii angumenti Opusc. III. S. 23. folgg. . Dieselbe kann von der grammatischen In- ter- de Iustitia et Iure. terpretation nicht getrennt werden, weil ohne diese der wahre Wortverstand eines Gesetzes, den man durch die Sprachkenntnis bekommt, weder festgesezt, noch ein sicherer Grund gelegt werden kann, den eigentlichen Sinn des Gesetzes zu bestimmen, so lang nicht gewiß ist, daß der Text richtig sey. Diese juristische Critie ist nun zwar in jedem Theile der Rechtsgelahrtheit noͤ- thig, jedoch nirgends mehr, als bey Erklaͤrung der Gesetze des roͤmischen und kanonischen Rechtskoͤrpers. Man darf sich auch hieruͤber eben nicht wundern. Denn erstlich sind die Compilatoren beyder Gesezbuͤcher mit den Gesetzen, die sie sammleten, oft sehr willkuͤhrlich ver- fahren; statt sie zu excerpiren, und einen kernhaften Auszug aus denselben darzustellen, haben sie dieselben zuweilen ganz verstuͤmmelt, oft Gesetze zerschnitten, und die einzelnen Stuͤcke unter ganz verschiedene Titel ge- bracht, oft mehrere, welche ihnen gleichen Inhalts zu seyn schienen, in eins zusammengeschmolzen, und dadurch die Gesetze nicht wenig verdunkelt. Nicht selten haben sie auch wesentliche Veraͤnderungen in denen Worten der Gesetze selbst vorgenommen, manches hinzugesezt, manches weggelassen, und hierdurch den Gesetzen zuwei- len einen ganz andern Sinn beygelegt. Man nennt dergleichen Interpolationen und Veraͤnderungen, welche die Compilatoren unserer Gesezbuͤcher in den Worten der Gesetze vorgenommen, Emblemata Triboniani, Em- blemata Gratiani und Raymundi Chr. Fr. Ge. meister Diss. de principio cogno scendi emblemata Triboniani , in Opusc syll. I. N. IV. Io. chifletii Diss. apologet. de iuris utriusque architectis, Iustiniano, Tribo- niano, Gratiano et Raymundo , in ottonis Thes. iur. Rom. Tom. I. S. 161. u. folgg. Io. Chr. With. . Zudem sind zwei- P 4 tens 1. B. 1. Tit. tens unsere Gesezbuͤcher mancherley Abschreibern und un- wissenden Leuten in die Haͤnde gefallen, die dasjenige, was ihnen dictiret wurde, oder sie selbst abschrieben, oft eben so wenig verstanden, als abgerichtete Voͤgel das Liedgen, was sie uns vorsingen. Diese haben durch ihre Unwissenheit nicht nur die Worte der Gesetze hin und wieder verdorben, sondern auch nicht selten Rand- glossen mit in den Text hineingebracht, und hierdurch die Gesetze nicht wenig verdunkelt Beispiele von solchen Glossemen hat Io. van de water Observat. iuris Rom . Lib. I. c. 15. Lib. II. c. 9. c. 20. Lib. III. c. 4. Man vergleiche auch walch ad eck- hardi Hermenevt. iuris Lib. I. c. 2. S. 41. u. folg. . Sie haben uͤber- dies bey denen Fragmenten ex libris ad Edictum die Worte des Edicts von den Worten des roͤm. Rechts- gelehrten, wodurch er dasselbe erlaͤutern wollte; desglei- chen bey denen Stellen ex libris Responsorum et Quae- stionum die Worte des Anfragenden von der Antwort oder ertheilten Belehrung des Rechtsgelehrten nicht im- mer genau genug unterschieden S. duaren . Annivers. Disputat . Lib. II. c. 28. M. A. galvanus de Usufructu c. XI. n. 8. und cap. XIV. in fin. van de water Observat. iur. Rom . Lib. II. c. 17. S. 208. u. folgg. . Auch sind durch un- richtige Interpunction, Trennung zusammengehoͤriger oder Zusammenfuͤgung unterschiedener Woͤrter; nicht weniger durch fehlerhafte Abtheilung der Paragraphen eines Gesetzes So. z. B. muß in L. 1. §. 33. D. depositi vor eiusdem ge- lesen werden eius dem und in L. 6. §. 2. D. ad SCtum Tre- viele Stellen unsers roͤmischen Rechts- koͤr- With. de steck de interpretationibus Raymun- di de Penna Forti decretalium compilato- ris commentar . Lipsiae 1754. eckhard Herme- nevt. iur . Lib. I. c. 6. et c. 8. §. 318. sqq. de Iustitia et Iure. koͤrpers verunstaltet worden. Doch wer vermag sie al- le zu erzaͤhlen die vielerley Unrichtigkeiten, die durch Unwissenheit und Nachlaͤssigkeit der Abschreiber und Buch- drucker sich in unsere Gesezbuͤcher eingeschlichen haben. Die Pflichten des critischen Gesezauslegers sind nun: 1) die von den Compilatoren verstuͤmmelten Geseztexte aus den Quellen zu ergaͤnzen und herzustellen, 2) zu untersuchen, ob und in wiefern ein Gesez von den Compilatoren interpolirt worden sey. Zwar duͤr- fen freylich die sogenannte Emblemata Compilato- rum nicht verworfen werden, da, wo die veraͤnderte Staats, und Rechtsverfassung, dergleichen Veraͤnde- rungen in denen Gefetzen nothwendig machte, zumahl die Verfasser unsrer Gesezbuͤcher hierzu authorisirt waren; allein es ist doch auch gewiß, daß zur richtigen Bestimmung des Wortverstandes dem Aus- leger zu wissen unumgaͤnglich noͤthig ist, was in dem Gesez von dem Urheber selbst und was vom Compilator ist, wenn er nicht in unvermeidliche Wi- derspruͤche und unaufloͤsliche Schwierigkeiten gerathen will Zum Beispiel kann L. 9. §. 2. D. de supell. leg. dienen, woselbst die Worte: utique si non in usu creditoris id argentum voluntate debitoris fuit, unerklaͤrbar waͤren, wenn man nicht ein Emblema Triboniani annaͤhme, denn ohne Zweifel war von einem solchen Fall die Rede, wo die Sache sub pacto fiduciae verpfaͤndet war, und der Cre- ditor ein interimistisches Eigenthum hatte; weil aber zu Ju- . Nur muß hierin nach richtigen Erkennt- P 5 nis- Trebell. gehoͤren die Worte sed et ad filium offenbar noch zum Schlus des §. 1. 1. Buch. 1. Tit. nisgruͤnden verfahren werden, damit man nicht Em- blemata zu finden vermeinet, wo doch dergleichen wirklich nicht vorhanden sind So hat man z. B. in L. 1. D. de Legat. 1. ein der- gleichen emblema Triboniani zu finden geglaubt; allein ohne genugsamen Grund, wie Walch ad Eckhardum §. 240. S. 431. gezeigt hat. . Hierzu wird nun freylich eine genaue Kenntniß von der Chronologie der roͤmischen Rechtsgelahrtheit, und fleißige Ver- gleichung der Quellen, aus denen die Compilatoren geschoͤpft haben, vorzuͤglich der Fragmente des An- tejustinianeischen roͤmischen Rechts, d. i. der Ueber- bleibsel, die wir noch von einigen Schriften der aͤl- tern roͤmischen Rechtsgelehrten, desgleichen vom Gregorianischen, Hermogenianischen und Theodosia- nischen Codex haben, erfordert, um zu beurtheilen, ob das Recht, was uns unter der Aufschrift eines roͤm. Rechtsgelehrten, oder eines Kaisers vorgetra- gen wird, wirklich dazumahl uͤblich gewesen sey. Die Pflicht des Kritikers ist weiter, 3) mit Huͤlfe der Inscriptionen, welche uͤber den ein- zelnen Gesetzen der Pandecten und des Codex befind- lich sind, sowohl die von den Compilatoren zerrisse- ne Stellen wieder zusammen zu fuͤgen suchen, und hierdurch den Zusammenhang der Rede herzustellen, als auch denen sogenannten Legibus fugitivis ihren rechten Plaz anzuweisen, aus welchen die Compila- toren sie verdraͤngt haben Z. B. L. 6. D. de Transact. stehet ganz am unrechten Orte, und gehoͤrt vielmehr zum L. 1. D. Testam. quem- adm. . Nicht weniger 4) die Justinians Zeiten diese Fiducia aufgehoben war, so ver- wandelte tribonian die Worte si non fiduciae credi- toris: in si non in usu creditoris. S. Io. van de wa- ter Observat. iur. Rom . Lib. I. cap. 10. de Iustitia et Iure 4) die durch Unwissenheit der Abschreiber in den Text eingeschlichene Glosseme von den aͤchten Worten der Gesetze gehoͤrig zu unterscheiden; und endlich 5) verdorbene Lesearten zu verbessern. Dieses muß je- doch immer nur die lezte Zuflucht des critischen Ge- sezauslegers seyn, zu welcher er nie eher schreiten darf, als wenn es die hoͤchste Noth erfordert. Ei- ne solche Nothwendigkeit aber ist nur erst dann vor- handen, wenn die Worte des Gesetzes, so wie sie lauten, entweder gar keinen oder einen offenbar wi- dersprechenden Sinn haben. Man emendire aber auch bescheiden, das heist, man aͤndere in dem feh- lerhaften Gesez so wenig als moͤglich; dieses geschie- het, wenn man mit Beibehaltung der Worte nur die Unterscheidungszeichen aͤndert, oder einzelne Worte zusammenfuͤgt oder von einander trennt, oder einzelne Sylben oder Buchstaben in den Worten aͤn- dert. Es lassen sich jedoch hiervon keine allgemeine Regeln geben; wolte man ins Detail gehen, so wuͤr- den die Regeln eben so unzaͤhlig seyn, als die Ur- sachen der fehlerhaften Lesearten sind Guil. bestius de ratione emendandi leges . Ultrajecti 1707. auch Abr. wieling in Praefat. lectio- num iuris civ . Io. mercerii Conciliator, sive ars con ciliandorum eorum, quae in iure contraria videntur : cum notis B. H. reinoldi . Duisb. ad Rhen. 1712. eckhard Lib. I. c. 2. . Die Huͤlfsmittel zur Beurtheilung der Richtigkeit des Tex- adm. aperiant. Denn beyde sind aus des gaii lib. 17. ad Edictum provinciale genommen, und L. 1. §. 1. enthaͤlt die abgerissnen Worte des L. 6. de Transact. in ihrem voͤlligen Zusammenhange. Von denen sogenaunten Legibus fugitivis handelt eckhard Hermenevt . Lib. I. c. 5. §. 169. 1. Buch. 1. Tit. Textes und Verbesserung desselben sind theils al- te glaubwuͤrdige Handschriften Von vorzuͤglichem Werthe ist zwar die sehr alte Hand- schrift der Florentinischen Pandecten, doch kann sie nicht in jedem Fall bey Bestimmung der richtigen Leseart zur Norm dienen, weil es entschieden ist, daß sie auch hin und wieder Fehler hat. Es sind daher auch andere alte Handschriften zu Huͤlfe zu nehmen. Von solchen Handschriften nicht allein der Pandecten, sondern auch der uͤbrigen Just. Gesezbuͤcher handelt sehr ausfuͤhrlich der ge- lehrte Herr Hofr. walch ad Eckhardum Lib. I. c. 2. §. 83. S. 100. ff. und S. 123. ff. S. 135. ff. und S. 140. Auch besizt unsere Erlanger Universitaͤtsbiblio- thek einen alten Codex vom Digesto vetere, welcher sehr gute Lesearten enthaͤlt; z. B. in L. 34. §. 4. D. de iure- iur. ließt unser Codex: hoc iusiurandum de calumnia aeque patrono parentibusque remittitur: wo selbst Codex Florentinus die unrichtige Leseart neque patrono neque parentibus hat, welche mit andern Stellen unserer Pan- decten als L. 8. §. 5. D. Qui satisdare cog. L. 7. §. 3. de obseq. parent. et patron. praest. in offenbaren Wi- derspruch stehet. Da die alten Codices meist sehr unle- serlich geschrieben sind, und besonders viel Abkuͤrzungen enthalten, so ist zum Gebranch solcher alter Handschrif- ten dem critischen Rechtsausleger die Diplomatic un- umgaͤnglich noͤthig. Die mancherley Arten der Hand- schriften nach denen Zuͤgen der Buchstaben lernt man aus baring Clavi diplomatica . Hanov. 1754. 4. auch ma- billonius de rediplomatica kennen. Unter den ver- schiedenen Abkuͤrzungsarten ist, was die Florentinische Handschrift der Pandecten anbetrift, besonders diejenige sehr gewoͤhnlich, welche man Geminatio nennt. Sie be- stehet darin, daß, wenn Buchstaben, oder Sylben, oder auch Worte unmittelbar auf einander folgten, wel- che einerley lauteten, die Abschreiber solche nur einmahl hinsezten, und die uͤbrigen Buchstaben oder Sylben weg- war- , theils Ausga- ben de Iustitia et Iure. ben Unter den Ausgaben der Pandecten zeichnen sich zunaͤchst diejenigen aus, welche die florentinische Leseart enthalten, oder wo sie wenigstens zum Grunde liegt; zu diesen ge- hoͤren folgende: 1) Digestorum s. Pandectarum libri L. ex florentinis Pandectis repraesentati per Franciscum taurellium . Florentiae 1553. f. 2) Ius civile MSS. librorum ope infinitis locis emendatum, et perpetuis notis illustratum L. russardo auctore. Lugd. 1560. f. und Antwerp. 1567. 8. und Ebendaselbst 1570. 3) Corpus iuris civ. cum notis Ant. contii . Paris. 1562. Vol. IX. 8. 4) Digesta s. Pandectae, curante Iac. vintimillio . Paris. 1548. IX. vol. 8. u. 1550. 5) Satr. Princ. Iustiniani iuris enucleati ex omni vetere iure collecti Digestorum s. Pan- dectarum libri L. opera et diligentia L. charondae . Antw. 1575. f. (Am Rande findet man Lesearten aus ei- nem Cod. MS. Stephani auredani , welche vortreflich sind, z. B. die ganz verdorbene Stelle L. 7. §. 1. fin. D. de captiv. et postlim. reversis ist mit Huͤlfe desselben voͤl- lig restituirt, denn statt neque viri boni nobis praesunt. ließt codex Auredani: neque iure omni nobis pares sunt. 6) Corpus iuris G. Chr. gebaueri ; so nach Desselben Tode Prof. spangenberg Goͤttingen 1776. 4. edirt hat; und 7) Corpus iuris civilis diligentia Io. Frid. plitt denuo editum Hagae Comit. et Francof. ad Moen. 1789. 8. Ausser diesen Florentinischen Ausgaben verdienen noch angefuͤhrt zu werden 8) Digestorum s. Pandectarum iuris civ. Vol. 5. Parisiis ex officina Roberti stephani 1527. 8. 9) Di- von denen justinianeischen Gesezbuͤchern, die von bewaͤhrten Handschriften sind abgedrukt worden. Vor- warfen; in solchen Stellen muͤssen also manchmahl Buch- staben, Sylben, ja zuweilen Worte doppelt gelesen wer- den. So z. B. wird eame fuͤr eam a me in L. 11. §. 3. D. de iureiur. ferner defendum vor defendendum in L. 45. pr. D. de fideic. libert. Desgleichen exhibitis fuͤr exhibitis iis in L. 3. §. 6. D. ad exhib. gelesen. S. eck- hard Lib. I. c. 2. §. 61. u. folg. 1. Buch. 1. Tit. Vorzuͤglich dienen hierzu auch die Ueberreste von den Buͤchern der Basiliken Carl Hannibal Fabrottus hat die Buͤcher der Basi- liken edirt. Paris 1647. Tom. VII. fol. vollstaͤndig sind aber nur 34. S. hoepfner Praetermissa quaedam de Βασι- λικῶν libris. Gissae 1774. Das 49. 50. 51. u. 52. Buch ste- hen vollstaͤndig in Tom. V. Thes. Meermann. von dem Nutzen derselben handelt I. G. hoffmann Diss. ad Pan d ect. X. §. 2. , denn sie sind aus den griechischen Uebersetzungen und Paraphrasen der Justinianeischen Gesezbuͤcher compilirt worden, wel- che nicht lange nach Justinians Zeiten von Maͤnnern sind gemacht worden, die zum Theil selbst an den Text der Justin. Gesezsammlungen gearbeitet, und also auch wohl die besten Handschriften dabey zum Grunde gelegt haben Jedoch sind auch die Basiliken mit Behutsamkeit zu ge- brauchen. Man sehe eckhard Lib. I. c. VII. §. 304. und walch ad Eundem S. 548. . Einen grosen Schaz der treflich- 9) Digestorum s. Pandectarum libri L. editi Norimbergae per Gregor. haloandrum 1529. 4. (Diese Ausgabe ist jedoch mit groser Behutsamkeit zu gebrauchen. Ad ha- loandrum , sagt Io. Conr. ruͤcker in Praefat. Obser- vat. et Interpret. S. 4. in constituenda fragmenti alicuius lectione tuto recurrere vix unquam possumus: cum enim quam plurima audocter nimis ex ingenio passim mutave- rit, detraxerit, addiderit, dignoscere iam nulla ratione possumus, quae ipsi, quae vero antiquis codicibus, si forte quos adhibuit, debeantur. Man sehe auch das Urtheil Aegid. menagii Amoen. iur civ. c. 8.) 10) Digestorum s. Pandectar. iuris civ. libri L. ad exemplar Florenti- num et Haloandrinum nec non vulgatas editiones quam diligentissime collati, passimque emendati cura Lud. mi- raei Paris. 1552. u. 1553. Vol. VII. 8. mehrere noch fuͤhrt Henr. brencmann in Histor. Pandectar. Lib. III. c. 4. an. Die besten Ausgaben von den Institutionen, Codex und Novellen findet man beym Walch ad Eck- hardum S. 129. folgg. de Iustitia et Iure. tre f lichsten Bemerkungen zur Critic, und Berichti- gung corrupter Texte wird man endlich in de- nen Schriften der eleganten Rechtsausleger fin- den, welche sie unter den Tituln Observationes, Emendationes, Coniecturae, Probabilia, Lectiones, Membranae und Reprebensa Bekannt sind die eleganten Schriften eines Iac. cuia- cii , Fr. hotomanni , Marc. lyclama a nyholt , Franc. de amaya , Fr. duareni , Em. merillii , Ios. averanii , Ant. fabri , Ant. augustini , Elb. leo- nini , Ger. noodt , Corn. van bynckershoeck , Balth. branchu , Iac. voordae , Herm. noordkerck , Io. Guil. marckart , Abr. wieling , Io. van de water , Hub. Greg. van vryhoff , Ge. D’ arnaud , Pet. bon- dam , Io. Conr. ruͤcker , Herm. cannegieter , B. H. reinoldi , Christfr. waechtler , Io. Lud. conradi , Io. Gottfr. sammet , (receptae lectiones ad Iauchium) I. L. E. puͤttmanni , und mehrere andere. herausgegeben ha- ben Was ich von der Critic des roͤm. Rechts gesagt ha- be, laͤßt sich zum Theil auch auf die Critic des eanoni- schen Rechts anwenden. Einen Versuch von einer critica iuris canonici enthalten meine Praecognita iuris ec- clesiastici . Cap. III. Sect. II. S. 417 ‒ 513. . §. 36. Grundsaͤze der logischen Gesezerklaͤrung. Ist nun solchergestalt der Wortverstand eines Ge- setzes nach den Regeln der grammatischen Interpretation ausgemittelt worden, so kommt es weiter darauf an, ob die wahre Absicht und Willensmeinung des Gesezge- bers durch die Worte erschoͤpft sey, oder nicht. Dieses muß aus dem Zweck des Gesezgebers oder der Ursach beurtheilt werden, weshalb er das Gesez gegeben hat. Und 1. Buch. 1. Tit. Und hierin bestehet nun die logische Gesezausle- gung , welche die Absicht und den Beweggrund des Gesezgebers untersucht, und hieraus beurtheilt, ob man bey den Worten stehen bleiben, oder dieselben ausdeh- nen oder einschraͤnken muͤsse. Hat nun der Gesezgeber selbst den Grund hinzugefuͤgt, der ihn bewogen hat, das Gesez zu geben, so hat der Ausleger sodann keine weitere Muͤhe, denselben aufzusuchen; nur muß es ge- wiß seyn, daß der Gesezgeber den wahren, wesentlichen Grund im Gesez angefuͤhrt habe. Denn nicht selten finden wir, daß die Gesezgeber aus Staatspolitic ihre wahre Absicht verschweigen, und ihre Gesetze mit aller- hand Scheingruͤnden zu coloriren suchen Man vergleiche hier Herm. Ern. rumpel Diss. de legum rationibus, quae in ipsis legibus mi- nus accurate exhibentur . Erfordiae 1765. Bei- spiele aus dem Civilrecht hat auch walch ad Eckhar- dum S. 26. aus dem canonischen Recht aber habe ich dergleichen in meinen Praecognitis angefuͤhrt §. 35. Man huͤte sich jedoch, daß man nicht die in den Gese- tzen angefuͤhrte Gruͤnde ohne Grund fuͤr unzureichend haͤlt. Hiervon hat Frid. Gottfr. hauck in Diss. de ra- tionibus ICtorum veterum falso suspectis Trajecti ad Rhen. 1734. sehr ausfuͤhrlich gehandelt, wel- che in Ger. oelrichs Thes. Dissert. Belgicar. T. I. S. 314. steht. . Ist aber der Grund dem Gesetze nicht beygefuͤgt, oder ist der im Gesez angefuͤhrte Grund so beschaffen, daß man billig daran zweifeln muß, ob es der wahre wesentliche Grund sey; so ist es Pflicht des Gesezauslegers, denselben aus- zuforschen, und hier muͤssen ihn die Geschichte von der Veranlassung des Gesetzes, Kenntnis der damahligen Staatsverfassung, Sitten und Gebraͤuche, auch herr- schend gewesener Meinungen, insonderheit aber die Phi- loso- de Iustitia et Iure. losophie selbst zum Wegweiser dienen Christ. Gottl. einert Diss. de Legum rationi- bus earumque investigandarum regulis . Lipsiae 1771. Conr. Henr. Andr. hepke Comm. de oc- casione et ratione legis . Hanov. 1754. 4. . Schon oben (S. 206.) habe ich vorlaͤusig auch noch einer andern Quelle erwaͤhnet, woraus man die Absicht des Gesez- gebers beurtheilen kann, von welcher ich nun jetzo noch etwas genauer handeln will. Diese ist die Ordnung und der Zusammenhang eines Gesetzes, oder Stelle mit dem Vorhergehenden und Nachfolgenden des Ganzen, wovon sie ein Theil ist. Zwar kann dieses Mittel auch bey der Auslegung einzelner Gesetze, wenn sie zumahl aus mehrern Puncten oder Capitteln bestehen, aller- dings angewendet werden; wie z. B. bey der Guͤldnen Bulle, westphaͤlischen Frieden Man sehe Joh. Nikl. Fried. Brauers Versuch ei- ner auf dem westphaͤlischen Frieden angewen- deten Auslegungskunde . §. 5. in Desselben Ab- handlungen zur Erlaͤuterung des Westphaͤl. Friedens . I. Band S. 15. u. folg. u. d. Allein haupt- saͤchlich findet es doch bey ganzen Gesezbuͤchern statt. Denn es ist ganz natuͤrlich, daß wenn eine Menge von Gesetzen uͤber einerley Gegenstand unter einem Titul sind gestellet worden, solche nothwendig in einem ge- wissen Zusammenhange unter einander stehen muͤssen. Jede Auslegung einzelner Stellen, wenn sie aͤcht seyn soll, muß daher so geschehen, daß Harmonie derselben mit dem Ganzen, und seinen einzelnen Theilen, die darauf eine Beziehung haben, vorhanden ist. Ich will z. B. nur bey den Gesetzen der Pandecten stehen blei- ben. So wenig auch zu laͤugnen ist, daß in den Pan- decten uͤberhaupt eine bessere Ordnung moͤglich gewesen waͤre, Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. Q 1. Buch. 1. Tit. waͤre, so wenig darf man doch die einmahl darin zum Grunde gelegte Ordnung bey Auslegung einzelner Stel- len in denselben aus den Augen lassen. Dahero kommt es, daß man zuweilen ein, wenn gleich in allgemeinen Ausdruͤcken abgefaßtes Gesez, dennoch wegen der Ord- nung des Tituls, in welchem es steht, blos von ge- wissen besondern Arten und Faͤllen erklaͤren muß. So z. B. handelt das siebente Buch der Pandecten von persoͤhnlichen Dienstbarkeiten, das folgende achte aber von Dinglichen, und daher muß der erste Titul des leztern, seiner allgemeinen Ueberschrift ( de Servitutibus ) ungeachtet, doch nur von dinglichen Dienstbarkeiten, folglich auch die LL. 4. 8. 15. 16. und 18. desselben hiervon erklaͤret werden, obschon sie von Dienstbarkeiten uͤberhaupt zu handeln scheinen Eben dieses hat auch schon Abr. wieling Lection. iuris civ. Lib. I. cap. 17. gleich zu Anfangs bemerkt. . Nicht weniger fin- det sich auch, wenn gleich nicht immer, unter den ein- zelnen Gesetzen eines Titels eine gewisse Doctrinalord- nung und Verbindung Hiervon handelt Ill. Io. Christoph. koch in Diss. de ordine Legum in Pandectis . Giessae 1784. , so daß oft mehrere dersel- ben, ob sie schon aus den Schriften ganz verschiedener Juristen genommen sind, nur eine Periode machen, wo- von sogleich die drey ersten Gesetze des erstern Tituls der Pandecten ein Beispiel liefern. Andere, die zwar keine Periode zusammen ausmachen, werden durch die Verbindungswoͤrter, nam, enim, sed, autem, vero, etiam, idem, item igitur, itaque, et, ideo ergo, imo und dergleichen in Verbindung gebracht Z. B. Lib. I. Tit. I. L. 7. u. 8. Tit. II. L. 1. u. 2. Tit. III. L. 1. 2. L. 4 ‒ 6. 10. 11. 12 ‒ 14. 20. 21. 26 ‒ 28. 29. 30. 33 ‒ 36. 39 ‒ 41. Tit. V. L. 1 ‒ 3. 4. 5. 15. 16. Tit. VI. L. 2 ‒ 4. u. a. m. . Noch an- de Iustitia et Iure. andere sind zwar nicht durch Verbindungswoͤrter, aber doch durch unverkennbaren Zusammenhang ihres Inhalts verbunden Z. E. Lib. I. Tit. 3. L. 10 ‒ 13. L.14 ‒ 16. L. 32 ‒ 40. u. d. m. . Hieraus laͤsset sich auch erklaͤren, war- um Gesetze, die aus den Schriften eines Juristen ge- nommen sind, oft an ganz verschiedenen Orten stehen. Ist also die Ordnung der Gesetze in den Pandecten nicht ganz zufaͤllig, so folgt, daß man bey Erklaͤrung derselben hierauf allerdings Ruͤcksicht zu nehmen ha- be Hiervon hat Herr D. Hufeland in der oben S. 206. Note 49. angefuͤhrten Schrift umstaͤndlicher gehandelt. . Diese wird uns lehren, daß manches Gesez der Pandecten wegen des Zusammenhangs und Gegen- stands des Tituls, unter welchen dasselbe von den Com- pilatoren ist gebracht worden, jezt allgemein zu verste- hen sey, obschon die darin enthaltene Regel von dem roͤmischen Juristen, aus dessen Schriften das Fragment genommen ist, blos zu Entscheidung eines besondern Rechtsfalls, oder zur Erlaͤuterung einer besondern recht- lichen Materie oder Verordnung urspruͤnglich ist ge- braucht worden Oben S. 65. habe ich bey Gelegenheit der L. 18. D. de poenis von dieser Auslegungsart Gebrauch gemacht. . Es ist jedoch bey Anwendung der Methode, die Gesetze der Pandecten aus ihrer Ord- nung und ihrem Zusammenhange zu erklaͤren mit gro- ser Behutsamkeit zu verfahren, theils weil Tribonian nicht uͤberall auf zusammenhaͤngende Ordnung einzelner Gesetze dieselbe Sorgfalt verwandt zu haben scheinet, sondern in manchen Tituln die Gesetze in keiner andern Ordnung zusammengesezt hat, als in welcher sie den Compilatoren bey der Lectuͤre der Schriften der Rechts- Q 2 gelehr- 1. Buch. 1. Tit. gelehrten vorgekommen sind Z. B. in dem Tit. 4. 14. 16. 18. bis 22. des ersten Buchs der Pandecten. Im Tit. 7. de adoptionibus laͤßt sich nur bis zum L. 21. ein Zusammenhang bemerken, die uͤbrigen Gesetze dieses Tituls scheinen ohne alle Ordnung unter einander zu stehen. Auch in Tit. 15. des 2. Buchs der Pandecten de Transactionibus findet sich wenig Zu- sammenhang. Es scheint, daß die Compilatoren nicht so- wohl vor Zusammensetzung eines Titels, jedesmal einen ordentlichen Plan entworffen, als vielmehr nur unter den einzelnen dahin gehoͤrigen Fragmenten, einigen Zusammen- hang herfuͤrzubringen gesucht haben. S. Hufeland a. a. O. §. V. ; theils weil unleugbar ist, daß es den Compilatoren an hinlaͤnglicher Geschick, lichkeit und Uebung, eine zusammenhaͤngende philosophi- sche Ordnung zu beobachten, gefehlt hat. Daher denn in solchen Faͤllen, wo schlechterdings kein Zusammen- hang der zu erklaͤrenden Stelle mit den vorhergehenden und nachfolgenden Gesetzen ebendesselben Tituls zu be- finden, oder das zu erklaͤrende Gesez in dieser Verbin- dung einen offenbaren Widerspruch oder Ungereimtheit zur Folge haben wuͤrde, die Cujazische Ausle- gungsart, wobey man auf die Inseription des Ge- setzes, den Nahmen, Alter, Schreibart und Grundsaͤtze des Juristen, von dem es herruͤhrt, so wie auf die Zu- sammenstellung desselben mit dem ganzen Inhalt des Buchs, aus dem es gezogen ist, Ruͤcksicht nimmt, im- mer ihren vorzuͤglichen Werth behaͤlt Ein Beispiel giebt uns L. 5. §. 1. D. de pignor. et hypoth. wo es heißt: inter pignus autem et hypothecam tantum nominis sonus differt. Dieses wuͤrde mit dem, was L. 9. §. 2. D. de pignor. act. von dem Unterschied zwischen pignus und hypotheca gesagt ist, einen offenba- ren Widerspruch verursachen, wenn uns nicht die Inscri- ption der L. 5. marcianus lib. sing. ad Formulam Hy- . Hat de Iustitia et Iure. Hat man nun nach diesen Regeln den wahren Grund des Gesetzes entdeckt; so findet sich oft, daß die Absicht und Willensmeinung des Gesezgebers weiter gehet, und mehr in sich fasset, als die Worte aus- druͤcken. Hier muß das Gesez nach der Absicht des Gesezgebers ausgedehnet, und auf alle diejenigen Faͤlle angewendet werden, welche zwar in den Worten des Gesetzes nicht ausgedruckt sind, bey welchen aber doch der Grund desselben statt findet. So z. B. muß die Verordnung der Guͤldnen Bulle G. B. Cap. VII. §. 3. von der Vormund- schaft unmuͤndiger Curprinzen, und der Verweserschaft der Curlande waͤhrend der Minderjaͤhrigkeit nach dem Geist und Absicht derselben allerdings auch auf den Fall erstreckt werden, wenn der rechtmaͤsige Besitzer der Curlande aus andern Ursachen als wegen Minderjaͤhrig- keit, z. E. wegen Gemuͤthskrankheit oder Bloͤdsinn zur Regierung unfaͤhig seyn sollte. Denn der Grund aller Vormund- und Verweserschaft liegt in der vorhande- nen Unfaͤhigkeit, sich, sein Vermoͤgen und seine Lande zu regieren. Ist es nun nicht einerley, ob diese Un- faͤhigkeit sich in Minderjaͤhrigkeit oder Gemuͤthskrankheit und Bloͤdsinn aͤussert? Ohne diese Ausdehnung wuͤrde auch der Zweck des Gesetzes, denen damalen so haͤu- figen Streitigkeiten wegen Fuͤhrung der Wahlstimme bey einem Zwischenreiche zu begegnen, nur halb erreicht worden seyn Man vergleiche die uͤber diesen Gegenstand vor Kurzem erschienene Schrift: Gedanken eines teutschen Rechts - . Oft gehet die Absicht des Gesezge- Q 3 bers Hypothecariam lehrte, daß der Saz des Marcians blos in Ruͤcksicht auf die hypothecarische Klage zu verstehen sey, wie Justinian dieses auch selbst §. 7. I. de actionib. bestaͤrkt hat. 1. Buch. 1. Tit. bers nicht auf alles, was der Ausdruck unter sich be- greift. Hier ist das Gesez einschraͤnkend zu erklaͤren, und blos von denjenigen Faͤllen zu verstehen, worauf der Wille des Gesezgebers unmittelbar abzielt. So z. B. werden wir in dem Titel der Pandecten de inof- ficioso testamento zeigen, wie eingeschraͤnkt das Gesez verstanden werden muß, welches sagt: exheredatus ha- betur pro mortuo L. 1. §. 5. D. de coniung. cum emancipato liberis. Meine Opuscula Fascic. III. S. 185. u. folg. . Findet sich’s aber, daß die Absicht des Gesezgebers durch die Worte genau er- schoͤpft ist, so muß man bey den Worten des Gesetzes stehen bleiben, und man darf sodann gerade nur das zur Norm annehmen, was der Gesezgeber gesagt hat. So z. B. gestatten die Gesetze von beneficio compe- tentiae keine Erweiterung, und das Verboth des Legis commissoriae geht blos auf Verpfaͤndungen. Nach dem Unterschied dieser Faͤlle heißt die logische Gesezaus- legung bald eine ausdehnende, bald einschraͤn- kende, bald eine blos erklaͤrende oder declara- tivische, wie der folgende §. unsers Auctors lehrt. Die Regeln, worauf sich diese Verschiedenheit der logischen Auslegungsart gruͤndet, sind folgende zwey: a) Wo der Grund des Gesetzes eintritt, da muß auch die Vorschrift desselben beobachtet wer- den; im Gegentheil b) wo der Grund des Ge- setzes nicht statt findet, da faͤllt auch die Verordnung desselben hinweg . Allein so richtig diese beide Regeln an sich sind, so schwer ist es, sie in jedem Falle richtig anzuwenden. Denn oft kommen Faͤlle vor, wo bey einzelnen Subjecten der Grund ei- nes Rechtslehrers uͤber das Recht des Prinzen von Wallis zur Interimsregierung von Hannover . 1789. 4. de Iustitia et Iure. nes Gesetzes gaͤnzlich wegfaͤllt; und wo man doch sehr unrecht schliessen wuͤrde, wenn man darum die Verord- nung desselben nicht anwendlich halten wollte Eben dieses hat auch Ios. averanius Interpretat. iuris Lib. V. c. 10. n. 2. sqq. bemerkt, der uͤber diesen Gegenstand vorzuͤglich gelesen zu werden verdient. Ich will nur einige wenige Worte excerpiren. Cessante legis ratione, sagt er, cessat ipsa lex. Locus hercle lubricus et periculosus. Saepenumero cessat ratio legis, nec eo minus praecepto legis adstringimur. Iura enim non in sin gu- las personas , sed generaliter constituuntur. L. 8. D. de Legib. ac propterea si aliqua sit persona in tota illa universitate personarum, quam lex compre- hendit , cui non conveniat ratio legis , non exi- mitur a praecepto legis. . Z. B. so verordnet der Macedonianische Senatsschluß, daß Keinem, welcher einem filiofamilias Geld dargeliehen haͤtte, weder bey Lebzeiten, noch nach dem Tode des Vaters eine Klage zustehen solle, es wieder zu for- dern L. 1. pr. D. de Senatusc. Macedon. . Die Absicht des Gesetzes ist, damit denen filiisfamilias die Gelegenheit zur Ausschweifung und verschwenderischen Lebensart genommen werde, welche fuͤr das Leben und Vermoͤgen der Vaͤter die gefaͤhrlich- sten Folgen hatte §. 7. in fin. l. Quod cum eo, qui in aliena potestate. . Man setze nun: daß das Geld einem wohlgesitteten und sparsamen Sohne, jedoch ohne Wissen und Willen des Vaters, waͤre angeliehen wor- den, der hierdurch keinesweges zur Liederlichkeit waͤre verleitet worden, sondern sich vielmehr von dem erborg- ten Gelde etwas angeschaft. Sollte nun darum wohl in diesem Falle die Verordnung des Rathschlusses nicht eintreten, weil der Grund des Gesetzes zu cessiren scheint? Keinesweges L. 9. §. 2. D. de SCto Macedon. ; denn die Verordnung des Q 4 Gese- 1. Buch. 1. Tit. setzes ist ganz allgemein. Von der Anwendung ei- nes allgemein geltenden Gesetzes aber ist in einzelnen Faͤllen keine Ausnahme zu machen, wenn das Unzutreffende des gesezlichen Grun- des nur aus individuellen und ausserordent- lichen Eigenschaften eines gewissen Subjects hergeleitet wird, das ist, wenn nur gerade ein oder anderes individuum diejenige Beschaffenheit nicht haben sollte, welche sonst gewoͤhnlich bey Persohnen, Sachen und Handlungen dieser Art einzutreten pflegt, und eben darum einen Beweggrund des Gesetzes aus- macht Weber von der natuͤrl. Verbindlichkeit . 2. Abth. 4. Abschn. §. 64. . Wenn daher z. B. die Gesetze den Un- muͤndigen ein Testament zu machen nicht gestatten, weil es ihnen noch gemeiniglich an der hierzu erforder- lichen Einsicht und Verstande mangelt ( quia nullum eo- rum animi iudicium est ) §. 1. l. Quibus non est permiss. facere test. ; so findet dennoch in con- creto keine Ausnahme von der Regel statt, wenn auch gleich bey diesem oder jenem Individuum der zum Te- stiren erforderliche Verstand vor den sonst gewoͤhnlichen Jahren eingetreten seyn sollte. Denn die Legislation kann nur aufs Ganze, nur auf den gewoͤhnlichen Gang der Dinge ihr Augenmerk richten L. 5. D. de Legibus. Ad ea potius debet aptari ius, quae et frequenter et facile , quam quae perraro eve- niunt. , kann ihre Vor- schriften nicht auf die Eigenheit eines jeden besondern Falles, sondern nur auf solche Verhaͤltnisse und Folgen bauen, welche die Dinge gemeiniglich haben L. 4. D. eodem. Ex his, quae forte uno aliquo casu accidere possunt, iura non constituuntur. . Sol- de Iustitia et Iure. Solchemnach kann nun freylich unter dem allgemeinen Gegenstande des Gesetzes manches Individuum vorkom- men, bey welchem die Umstaͤnde, die der Gesezgeber als gewoͤhnlich voraussezt, nicht zutreffen, die Fol- gen, welche gemeiniglich damit verknuͤpft sind, nicht zu befuͤrchten stehen; allein darum ist doch nichts desto weniger nach der allgemeinen Vorschrift dabey zu ver- fahren, weil sonst der ganze Zweck der Gesezgebung sehr leicht vereitelt werden koͤnnte. Wenn hingegen die Ursach, warum der Grund einer allge- meinen Verordnung cessiren soll, nicht aus blosen individuellen und ausserordentlichen Eigenschaften eines gewissen Subjects her- genommen wird, sondern wenn in einem gan- zen Inbegrif mehrerer aͤhnlicher Faͤlle und Verhaͤltnisse schon durch die Natur der Sa- che, oder die Vorschrift besonderer Ge- setze solche Bestimmungen eintreten, wornach gerade das Gegentheil von dem zur Regel wird, was den Beweggrund einer allgemei- nen Verordnung ausmacht: So kann mit Recht von dem fehlenden Grunde des Gese- tzes auf die Unanwendbarkeit desselben ge- schlossen werden Weber a. a. O. Seite 212. . Z. B. Wenn die Gesetze das Geschaͤft eines Minderjaͤhrigen, wozu desselben Vormund keine Einwilligung ertheilet hat, aus dem Grunde fuͤr nichtig erklaͤren, weil solche junge Leute durch Ueberredung und Mangel an gesezter Ueberlegung leicht um das ihrige kommen koͤnnten; so siehet ein Jeder, daß dieser Grund in dem Falle cessire, da der Minderjaͤhrige zwar ohne Vormund, jedoch als Mei- ster einer gewissen Kunst oder Handthierung Q 5 einen 1. Buch. 1. Tit. Vertrag geschlossen. Der Vertrag ist also guͤltig, und man behauptet mit Recht, daß in einem solchen Falle nicht einmahl die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt finde S. Hellfeld §. 458. n. 1. ; allein nicht darum, weil man vorgiebt, daß gerade dieser minor von der seinem Alter eigenen Fluͤchtigkeit eine Ausnahme mache; nein, denn es kann bey aller Geschicklichkeit in seiner Kunst dennoch der jugendliche Leichtsinn einen schaͤdlichen Ein- fluß auf den Handel selbst gehabt haben, sondern weil der Handel sich auf ein buͤrgerliches Verhaͤltnis bezieht, wobey eine ganz andere Regel eintritt, als diejenige, worauf die sonstigen allgemeinen Gesetze von Geschaͤften solcher Persohnen sich gruͤnden. Denn darf der Min- derjaͤhrige eine gewisse Kunst oder Handthierung oͤffent- lich treiben; so wuͤrde sich die Legislation widersprechen, wenn sie ihm auf der andern Seite in Ansehung eines solchen Gewerbes die erforderliche Einsicht und Kennt- nis nicht zueignen wollte Weber a. a. O. Seite 219. Not. 218. . Ich setze noch folgende Betrachtungen hinzu: 1) wenn die Gesetze eine Handlung z. B. ei- nen gewissen Vertrag im allgemeinen ver- bieten; so sind auch nach der Absicht der- selben alle dahin gehoͤrige Unterarten so lange als unerlaubt anzusehen, bis man deutlich zeigen kann, daß diese oder jene Species von dem allgemeinen Verbote ausgenommen sey; oder daß der Grund des Gesetzes in einer einzelnen Gattung gaͤnzlich wegfalle So z. B. ist nach dieser Regel allerdings zu behaupten, daß wegen des allgemeinen Verbots des commissorischen Ver- . 2) Wenn de Iustitia et Iure. 2) Wenn die Gesetze eine Handlung, die an sich und nach dem Naturrecht nicht uner- laubt ist, verbieten, und solche fuͤr unguͤl- tig erklaͤren: So geschiehet es gemeinig- lich darum, weil sie leicht uͤble Folgen in der buͤrgerlichen Gesellschaft nach sich zie- hen kann; nicht aber allein nur in so fer- ne wirklich uͤble Folgen daraus schon ent- standen sind Weber von der natuͤrl. Verbindlichkeit a. a. O. Seite 214. . Es ist daher vergeblich, wenn man, um dem Gesez auszuweichen, beweisen will, daß der gegenwaͤrtige Vorgang nicht diejenige nach- theilige Folgen zuwege gebracht haͤtte, die das ge- sezliche Verbot zu verhuͤten gesucht. Eine Schen- kung also, welche sich uͤber 500. Solidos belaͤuft, und nicht gerichtlich insinuiret worden ist, wird auch alsdenn in Ansehung dessen, was uͤber die bemerkte Summe ist, nicht guͤltig seyn, wenn gleich der Do- natarius beweisen koͤnnte, daß der Schenkende ein reicher Mann sey, dem eine solche Schenkung, wel- che auch uͤber die gesezliche Summe sich belaͤuft, nicht die mindeste Unbequemlichkeit verursachen kann. 3) Es Vertrags bey Verpfaͤndungen in L. ult. C. de pactis pi- gnor. die vorher nach den Gesetzen der Pandecten L. ult. D. de contr. emt. vend. und L. 16. §. ult. D. de pignorib. erlaubt gewesene Faͤlle nunmehro ebenfalls fuͤr unerlaubt zu halten seyn. S. Prof. Webers Eroͤrterung der Frage: wieweit erstreckt sich eigentlich bey Verpfaͤndungen das Verbot des sogenannten Legis commissoriae: im niedersaͤchsischen Ar- chiv fuͤr Jurisprudenz und iurist . Litteratur von D. koppe I. Bandes 3. Stuͤck 1788. N. XIV. S. 160. folgg. 1. Buch. 1. Tit. 3) Es kann zuweilen ein Fall vorkommen, der dem im Gesez enthaltenen Falle von der einen Seite voͤllig gleich ist, und den- noch kann, weil nicht gleiche Ursach der gesezlichen Sanction bey demselben vor- handen ist, das Gesez darauf nicht ausge- dehnet werden . Ein deutliches Beyspiel hiervon geben die Mosaischen Eheverbote. Denn so finden wir oft, daß Moses von zwey dem Grade der Verwandschaft nach gleich nahen Ehen die eine aus- druͤcklich verboten, die andere aber nicht genannt hat; und dennoch kann nach der richtigen Erklaͤ- rung der heutigen Theologen sowohl als Rechts- gelehrten das Verbot auf die nicht genannten Ehen nicht extendiret werden, weil man bey einer ge- nauern Untersuchung gefunden, daß bey denenselben nicht eben die Ursachen des Verbots vorhanden sind, als bey den von Mose ausdruͤcklich verbotenen Faͤllen. So ist z. E. die von Mose verbotene Ehe mit der Tante III. B. Mos. XVIII, v. 12. 13. XX. v. 19. , der von ihm nicht genannten Ehe mit der Niece; desgleichen die von Mose ausdruͤck- lich verbotene Ehe mit des Vaters Bruders Wit- we III. B. Mos. XVIII. v. 14. XX. v. 20. , der nicht genannten Ehe mit der Mutter Bruders Witwe dem Grade der Verwandschaft nach voͤllig gleich, aber dennoch nicht in dem einen Falle dieselbe Ursach des Verbots, wie in dem andern Falle vorhanden, und daher darf auch nicht der Schluß von dem genannten auf den nicht genannten Fall gemacht werden. Da hier der Ort noch nicht ist, diese Gedanken weiter zu detailliren, so beziehe ich mich einsweilen auf die gruͤndliche Ausfuͤhrung des de Iustitia et Iure. des Herrn Ritter Michaelis Abhandlung von den Ehegesetzen Mosis . VI. Hauptst. , und ziehe nur hieraus das Resultat, daß man sich nie durch gewisse aͤusserliche Umstaͤnde, die unter- weilen eine Aehnlichkeit der Faͤlle veran- lassen koͤnnen, muͤsse irre fuͤhren lassen, und diese Aehnlichkeit fuͤr die Ursach des Gesetzes halten, sondern stets a u f die wahre Absicht des Gesezgebers den Hauptgrund des Gesetzes Ruͤcks t neh- men, und darnach die Aehnlichkei t er Faͤl- le beurtheilen muͤsse Man vergleiche uͤbrigens noch hierbey, was Iac. voor- da Interpretat. et Emendat. iuris Rom . Cap. I. Abr. wieling Lection. iuris civ . Lib. II. cap. 5. und Io. Christ. woltaer Observat. iuris civ. et Brandenburg . Obs. 2. uͤber die Regel: cessante legis ratione, cessat legis dispositio gesagt haben. . §. 37. Resultat der logischen Auslegung, Analogie des Rechts . Alle logische Gesezauslegung beruhet also auf dem Grundsatze der Uebereinstimmung mit der Absicht und dem Willen des Gesezgebers, vermoͤge welchen a) bey vorhandener Gleichheit des gesezlichen Grundes vermu- thet werden muß, der Gesezgeber habe in dem nicht ausdruͤcklich angezeigten Falle eben dasselbe verordnen wollen, was er in dem angezeigten verordnet hat; da- hingegen er b) bey Verschiedenheit der Gruͤnde in dem entgegen gesezten Falle auch das Gegentheil von dem, was er verordnet hat, wolle statt finden lassen. Wer demnach ein Gesez logisch erklaͤrt, argumentirt ex ra- tione 1. Buch. 1. Tit. tione legis, und dehnet entweder nach Maßgabe dersel- ben das Gesez auf aͤhnliche Faͤlle aus, oder schließt vom Gegentheil auf die Unanwendlichkeit desselben. Das Resultat in dem einen, wie in dem andern Falle heißt Analogie des Rechts (analogia iuris) Hiervon haben geschrieben Io. Ge. kulpis Orat. de analogia iuris . Io. Phil. slevogt Diss. de ar- gumentis legum caute formandis . Christ. Henr. friesleben Pr. de ratiocinatione ex ar- gumento legis . Io. lac. hoefler Diss. de iuris- prud. analogicae fundamentis . Dan. nettel- bladt Diss. de decisione casuum secundum analogiam . Halae 1751. Die neuesten Schriften hiervon sind Car. Henr. geisler Prolus. de analogia iuris publici . Vitemb. 1784. Andr. Ios. schnau- bert Progr. de analogia iuris publici Impe- rii in fontibus iuris publici S. R. I. territo- riorum non numeranda . Helmst. 1785. und Wilh. Gottl. Tafinger uͤber die Bestimmung des Be- grifs der Analogie des teutschen Privatrechts . I. Theil. Ulm 1787. 8. , bey welcher wir uns jezt noch etwas verweilen muͤssen. So wichtig dieser Gegenstand an sich ist, so sehr muß man sich billig wundern, daß die Rechtslehrer uͤber die Bestimmung des Begrifs der Analogie des Rechts noch so getheilt sind. Zu weit dehnen offenbar diejenigen den Begrif der Analogie aus, welche darunter den Schluß von einer allgemeinen Disposition auf einzelne darunter gehoͤrige Faͤlle verste- hen wollen, indem unleugbar ist, daß in dergleichen Faͤllen die Entscheidung der Sache nicht sowohl aus der Analogie, sondern vielmehr aus dem Gesetze selbst hergenommen werde. Zu enge Grenzen setzet man hin- gegen dem Begriffe der Analogie, wenn man ihn blos auf Aehnlichkeit der Faͤlle einschraͤnkt, und solche in de Iustitia et Iure. in eine extensive Auslegung der Gesetze, oder wie sich andere ausdruͤcken, in einen Uebertrag der Entscheidung eines bestimmten Falls auf einen andern wegen Gleichheit der bestim- menden Umstaͤnde setzet, weil man auch dann zu der Analogie seine Zuflucht nehmen muß, wenn von entgegengesezten Faͤllen der Entscheidungsgrund in einer unentschiedenen Rechtsfrage hergeleitet wird, damit kein Widerspruch und keine Ungereimtheit entstehet. Denn wer wird glauben, daß der Gesezgeber eine sei- ner Absicht und Willensmeinung zuwider laufende Ent- scheidung wolle statt finden lassen? Andere denken sich daher unter der Analogie des Rechts eine von aͤhn- lichen oder von entgegengesezten Faͤllen ge- nommene Entscheidung einer in den Gesetzen nicht entschiedenen Rechtsfrage . Noch ande- re sagen, sie bestehe in einer Uebereinstimmung mit andern bekannten Rechtswahrheiten, welche in denen positiven Gesetzen gegruͤndet sind . Ich stelle mir unter der Analogie des Rechts uͤberhaupt genommen nichts anders, als eine in dem Gesez nicht enthaltene, aber aus der Ab- sicht und den Bestimmungsgruͤnden des Gesez- gebers gefolgerte Entscheidung eines zwei- felhaften Rechtsfalls vor; und theile sie I) nach der verschiedenen Art und Weise, wie die Entscheidung ex ratione legis gefolgert wird, ein in diejenige, wel- che durch ein Argument von aͤhnlichen Faͤllen, und die- jenige, welche durch einen Schluß von entgegen ge- sezten Faͤllen gefunden wird. Die Analogie der erstern Art ist die gewoͤhnlichste, und wird daher die Anolo- gie des Rechts im strengen Verstande Man vergleiche hier L. 10. 11. 12. u. 13. D. de Legib. ge- nennt. II. Dif- 1. Buch. 1. Tit. II) Differirt sie auch nach dem Unterschiede der positiven Gesetze, aus deren Geiste sie gleichsam gezogen wird; und in dieser Ruͤcksicht laͤßt sich eine Analogie des roͤmischen, des canonischen Rechts, des teutschen Staats-Privat-Peinlichen- und des Lehnrechts gedenken. Uebrigens ist bey Anwendung der Analogie grose Vorsichtigkeit noͤthig. Man hat nehmlich 1) Darauf zu sehen, daß keine Verschiedenheit der Persohnen, auf die einerley Rechte sich nicht anwenden lassen, vorwalte . Nach dieser Regel kann daher weder von den roͤmischen Knech- ten, noch von den Leibeigenen auf das heutige Mieth- gesinde wegen der gar zu grosen Verschiedenheit ein richtiger Schluß gemacht werden; auch gilt kein Schluß von den roͤmischen Praͤtoren und Gouver- neurs der Provinzen auf unsere heutige Richter. Hierin haben es viel Rechtsgelehrte nicht blos im roͤmischen und teutschen Privatrechte, sondern auch im Staatsrechte und andern Theilen der Rechtsge- lahrtheit versehen. 2) Es darf der Grund und die Ursach des Gesetzes, welches man analogisch anwen- den will, dem vorliegenden Fall nicht ent- gegen seyn . Denn der Grund aller Analogie be- ruhet auf der Uebereinstimmung mit der Absicht und dem Willen des Gesezgebers. Daher gilt in Gemaͤß- heit dieser Regel kein Schluß von dem Reichsstaats- rechte auf das Territorialstaatsrecht, weil das teutsche Reich, als ein Staatskoͤrper betrachtet, von den einzelnen Territorien oder kleinern Staaten desselben ganz verschieden, mithin vorauszusetzen ist, daß der Gesezgeber, wenn er die Reichsverfassung durch Ge- setze de Iustitia et Iure. setze bestimmte, das Reich, und nicht die Territorien, zum Gegenstand seiner Gesezgebung gewaͤhlt habe; es kann folglich auch dessen Absicht, oder die Ana- logie seines Gesetzes auf die Territorialverfassung um so weniger erstrecket werden, weil man sonst anneh- men muͤste, daß von einer Staatsverfassung auf al- le, sie moͤgen von einander so verschieden seyn, als sie immerhin wollen, sich Schluͤsse machen liessen, welches doch hoͤchst ungereimt waͤre S. Schnaubert in der angefuͤhrten Schrift §. 5. . Man wird mir verzeihen, daß ich gerade dieses Beispiel hier gebrauche, indem auch das roͤmische Recht mir Bei- spiele zur Erlaͤuterung der obigen Regel gegeben ha- ben wuͤrde. Allein da ich bey Erlaͤuterung eines Titels der Pandecten stehe, der allgemeine Rechts- saͤtze enthaͤlt, die nicht auf das roͤmische Recht allein sich einschraͤnken, sondern auch auf andere Theile des positiven Rechts anwendbar sind, so habe ich kein Bedenken getragen, Beispiele auch aus andern Theilen der Rechtsgelahrtheit zur Erlaͤuterung anzu- fuͤhren. Endlich 3) nehme man jederzeit bey der Analogie der Gesetze auf die besondere Beschaffenheit der- selben Ruͤcksicht, ob nehmlich das Gesez, woraus man argumentiren will, uͤberhaupt von der Art sey, daß Analogie dabey statt finden kann . Es giebt nehmlich Gesetze, die so geeigenschaftet sind, daß bey denenselben keine Schlußfolge von der Aehnlichkeit der Faͤlle gilt. Da- hin gehoͤren einmahl diejenigen, welche ein besonde- res Recht fuͤr gewisse Persohnen oder Sachen enthal- ten Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1, Th. R 1. Buch. 1. Tit. ten L. 14. D. de Legib. Quod contra rationem iuris re- ceptum est, non est producendum ad consequentias. ra- tio iuris heißt hier die Regel des gemeinen Rechts; wie die folgende L. 15. lehrt. In his, quae contra ra- tionem iuris constituta sunt, non possumus sequi regu- lam iuris: und die nachfolgende L. 16. beweißt, daß hier von einem iure singulari die Rede sey: Ius singulare est, quod contra tenorem rationis propter aliquam utilitatem (d. i. zum Besten gewisser Persohnen oder Sachen) au- ctoritate constituentium introductum est. ; solche Gesetze lassen keine Ausdehnung auf andere Faͤlle zu, als welche in denenselben ausge- druckt sind, gesezt auch daß bey andern nicht ge- nannten Faͤllen ein gleicher Grund vorhanden seyn moͤchte; hier gilt vielmehr der Schluß vom Ge- gentheil: nehmlich daß das Gesez dasjenige nicht wolle, was in den Worten desselben nicht ausge- druckt ist Ger. noodt in Comment. ad Digesta Lib. I. Tit. III. S. 15. . Hierher gehoͤren ferner diejenigen Gesetze in den Pandecten und Codex, welche aus den Responsis lureconsultorum, desgleichen aus den Rescriptis und Decretis Imperatorum Roma- norum genommen sind. Denn da diese sich auf lauter einzelne Anfragen und vorgelegte besondere Rechtsfaͤlle beziehen, deren Umstaͤnde uns meisten- theils unbekannt sind, so kann bey diesen weder ein Schluß von der Aehnlichkeit der Faͤlle, noch vom Gegentheil statt finden Eben dieses haben auch schon laͤngst bemerkt Laur. Andr. hamberger in Opusculis S. 59. Ger. schroder Observat. iuris . Lib. I. cap. 5. Gerl. scheltinga in Diss. de emancipationibus P. I. Cap. IV. §. 2. in Dan. fellenberg Iurisprud. Antiqua T. II. . Sie sind viel- mehr de Iustitia et Iure. mehr blos nach den Worten, und, wenn die Worte unbestimmt und nicht genau gefaßt sind, in Gemaͤß- heit bestimmterer Rechtssaͤtze, deren Sinn in andern Stellen aufgeschlossener vor uns liegt, zu erklaͤren; denn die Absicht ihrer Verfasser war nicht in den Rescripten, oder Decreten, oder in den rechrlichen Gutachten neue Grundsaͤtze aufzustellen, sondern laͤngst bekannte der Anfrage oder dem vorgetragenen Rechts- falle gemaͤß anzuwenden Siehe Ger. noodt in Diocletiano et Maxi- miano . Cap. II. und eckhard Hermenevt. iuris Lib. I. c. V. §. 201. u. 221. . Da nun aus der Inscription des Gesetzes zu erkennen ist, ob dasselbe aus den libris Responsorum s. Quaestionum des- jenigen Rechtsgelehrten genommen sey, der fuͤr den R 2 Auctor T. II. Seite 500. Bern. Henr. reinoldus in Opuscu- lis a Iuglero editis S. 581. Io. Guil. marckart Probabil. Receptar. Lectionum Iur. Civ . P. II. pag. 161. besonders Adr. Nicol. moller in Diss. selecta quaedam Iur. Civ. capita continente Traj. ad Rhen. 1763. Cap. IV. in Ger. oelrich The- sauro No w o Dissertat. Belgicar. T. II. Vol. 2. Diss. 3. S. 131. und folg. auch I. L. E. puͤttmann in variis Iur. Civ. capitibus. Lipsiae 1766. cap. II. S. 11. und in Exercitat. ad L. XVI. C. de inoff. testam . Lipsiae 1774. S. 21. Eben dieses gilt auch von der Erklaͤrung der Paͤbstlichen Decretalschreiben, wie Io. Aug. bach in Diss. de his, quae imputantur in quartam fiduciarii . §. 10. und puͤttmann in Pro- babil. Iur. Civ. libro sing . S. 195. schon erinnert haben. Daß uͤberhaupt die argumenta a consequentia und a contrario in unserm iure behutsam zu gebrauchen, und oft sehr t ruͤglich sind, haben Ger. noodt in Iulio Paulo cap. VII. und Pet. de toullieu in Colle- ctan. Iur. Civ . Diss. XIII. §. 18. S. 358. durch viel Beispiele erwiesen. 1. Buch. 1. Tit. Auctor des Fragments gehalten wird; desgleichen ob Lex codicis ein Rescript oder ein Decret sey, so erhellet hieraus, was auch von dieser Seite die Inscriptionen der Gesetze in den Pandecten und Co- dex bey Erklaͤrung derselben fuͤr einen Nutzen haben Man vergleiche vorzuͤglich B. H . reinold Orat. de Inscriptionibus LL. Digestor. et Codicis . §. XIII. und wieling ad Eundem in Opusculis S. 581. . §. 38. Eintheilung der Rechtsgelahrheit a) falsche. Die hier von Hellfeld vorgetragene Eintheilung der Jurisprudenz in legislatoriam, iudiciariam und con- sultatoriam ist, wenn sie gleich auch von andern ver- theidigt wird S. Programmata Thomasiana (Halae 1724.) Nr. IIX. Seite 125. und folg. , doch offenbar falsch Diese Eintheilung verwirft auch nettelbladt in Sy- stem. element. doctrinar. propaedeuticar. Iurisprud. positiv. Germanor. commun . §. 44. , weil sie nicht aus dem Begriffe der Rechtsgelahrheit hergeleitet werden kann. Denn Rechtsgelahrheit ist eine practische Wissenschaft der Gesetze, und der aus denselben ent- springenden Rechte und Verbindlichkeiten; sie setzet also schon vorhandene Gesetze voraus, also kann sie nicht mit Gesetzen sich beschaͤftigen, die erst gegeben werden sollen; mithin kann prudentia legislatoria , quae circa ius constituendum se exserit, ohnmoͤglich ein Theil der Rechtsgelahrheit seyn. Was anders ist gesezge- bende Klugheit , oder Politic der Gesezgebung , welche in der Klugheit bestehet, die besten und dem Staat angemessensten Gesetze zu geben. Soviel hier- naͤchst die vom Auctor angegebene gerichtliche und aus- de Iustitia et Iure aussergerichtliche oder consultatorische Rechts- gelahrtheit anbetrift, so sind diese blos Unterabtheilun- gen der practischen Rechtsgelehrsamkeit, von welcher ich beym folgenden §. handeln werde; allein keine Haupttheile der Jurisprudenz. §. 39. b) wahre Eintheilung der Rechtsgelahrtheit nach Verschiedenheit 1) ihrer Quellen und 2) ih- rer Gegenstaͤnde . Richtiger theilt man die Rechtswissenschaft I ) nach Verschiedenheit ihrer Quellen, d. i. der Gesetze, woraus die Rechte und Verbindlichkeiten, welche sie in sich begreift, entstehen, in die natuͤrliche und positive Rechtsgelahrtheit ein, je nachdem die zu ihr gehoͤrige Wahrheiten von den Rechten und Verbindlichkeiten entweder aus den natuͤrlichen oder aus den positiven Gesetzen entspringen. Die positive Rechtsgelehrsamkeit ist in Ruͤcksicht auf Teutschland betrachtet, nach Verschiedenheit der in Teutschland gel- tenden Gesetze entweder die teutsche, einheimische ( germanica s. domestica ) oder die fremde (peregri- na). Jene hat zu ihren Quellen die teutschen, diese die in Teutschland aufgenommenen fremden Rechte, und nach dem Unterschied derselben laͤßt sich die leztere wie- der in die Roͤmische, Kanonische und Longobar- dische eintheilen. II ) Nach Verschiedenheit der Gegenstaͤnde, worauf sich die aus den Gesetzen entspringende Wahrhei- ten von den Rechten und Verbindlichkeiten beziehen, sind die daher entstehende Theile der Rechtsgelehrsamkeit entweder Haupt - oder Nebentheile ; das sind R 3 solche, 1. B. 1. Tit. solche, welche nur auf eine gewisse Gattung von Din- gen oder Persohnen sich einschraͤnkende Rechtswahrheiten betreffen. Dahin gehoͤrt z. B. das Policeyrecht , welches diejenige Rechtsgrundsaͤtze enthaͤlt, die sich auf die zu Erhaltung und Befoͤrderung oͤffentlicher Ordnung und Wohlfarth unmittelbar abzweckende Anstalten be- ziehen; ferner das Cameralrecht , welches alle die rechtlichen Grundsaͤtze enthaͤlt, die sich auf Bestimmung, Erhebung und Verwendung der Staatseinkuͤnfte bezie- hen; desgleichen das Landwirthschaftsrecht , welches solche rechtliche Bestimmungen in sich faßt, die sich auf die Mittel beziehen, wie die Naturproducte auf die vortheilhafteste Art gewonnen und benuzt werden koͤn- nen. Ferner das Wechselrecht, Kriegsrecht, Handelsrecht, Buͤrgerrecht, Dorf - und Bau- renrecht . Soviel nun die Haupttheile der posi- tiven Jurisprudenz anbetrift, so lassen sich dieselben nach ihrem Gegenstand folgendergestalt bestimmen. Die zur Jurisprudenz gehoͤrige Rechtswahrheiten betref- fen entweder die Rechte und Verbindlichkeiten an sich, oder sie betreffen die Art und Weise, wie die rechtli- chen Geschaͤfte betrieben werden muͤssen. Erstere ma- chen die theoretische, leztere aber die practische Rechtsgelahrtheit aus. Diese leztere, welche von der juristischen Praxi, von welcher wir oben (§. 27.) ge- handelt haben, wohl unterschieden werden muß, ist wie- der zwiefach, die gerichtliche und aussergericht- liche; je nachdem sie entweder gerichtliche, oder ausser- gerichtliche Geschaͤfte, welche ohne alle Beiwirkung des Richters betrieben werden, zum Gegenstand hat. Die theoretische Rechtsgelehrsamkeit hat wieder ihre ver- schiedene Theile. Denn die dieselbe bestimmende Wahr- heiten von den Rechten und Verbindlichkeiten betreffen entweder Verbrechen und deren Strafen, Kriminal- rechts- de Iustitia et Iure rechtsgelehrsamkeit; oder Religion und Gottesdienst, Kirchenrechtsgelehrsamkeit; oder die Lehne und den daraus entstehenden Lehnsnexus, Lehnrechtsgelehr- samkeit; oder die Verwaltung und innere Regierungs- verfassung eines Staats, und dessen Verhaͤltnis gegen Auswaͤrtige, Staatsrechtsgelehrsamkeit; oder sie betreffen die Staats- und Regierungsverfassung nicht, sondern sind entweder solche Rechte und Verbindlich- keiten, welche freye Voͤlker gegen einander zu beobach- ten haben, Voͤlkerrecht; oder solche, welche unter Privatpersohnen und Unterthanen statt finden, Privat- rechtsgelehrsamkeit . §. 40. und 41. Von Anwendung der Gesetze . Genug von der Theorie des Rechts; wir schreiten nun zu dem zweiten Haupttheil der Rechtsgelehrsam- keit, welchen man die Praxis nennt. Diese bestehet a ) in einer Fertigkeit, die Gesetze auf die vor- kommende Faͤlle anzuwenden (S. 199.). Was Anwendung der Gesetze sey, und dazu erfordert werde, wenn sie richtig geschehen soll, ist schon oben (§. 28.) gesagt worden. Hier bemerke ich nur noch folgendes: 1) Wer ein Gesez richtig anwenden will, muß zunaͤchst auf diejenigen Eigenschaften und Bestimmungen Acht haben, welche das Gesez erfordert; muß 2) genau pruͤfen, ob bey dem gegenwaͤrtigen Rechts- falle diese gesezlichen Bestimmungen vorhanden sind; und daher 3) sich bemuͤhen, eine richtige und vollstaͤndige Kenntniß von der vorgegangenen Handlung und den Umstaͤnden R 4 der- 1. Buch. 1. Tit. derselben zu erlangen. Die Mittel, eine solche Kenntniß zu erwerben, sind, 1) das Gestaͤndnis desjenigen, welcher fuͤr den Ur- heber einer Handlung gehalten, oder gegen wel- chen sonst ein gewisser Thatumstand behauptet wird, wovon die Entscheidung der Sache abhaͤngt. Ein solches Gestaͤndnis kann jedoch nur wider den Bekenner und dessen Erben beweisen, einem Dritten aber darf es nicht zum Nachtheil gerei- chen L. 29. D. de probat. L. 74. D. de R. I. c. 1. X. de confess. c. 4 et 10. X. de probat. . In peinlichen Faͤllen muß das Bekennt- nis des Angeschuldigten durch die Umstaͤnde wahr- scheinlich gemacht, mithin das Corpus delicti, ob ein solches Verbrechen wirklich vorhanden sey, dessen Jemand beschuldiget wird, ausser Zweifel seyn, wenn eine Verurtheilung zur peinlichen Strafe darauf gegruͤndet werden soll P. G. O. Carls V. Art. 60. Quistorp Grundsaͤtze des peinl. Rechts 2. Th. §. 681. I. G. heinec- cius de religione iudicantium circa reo- rum confessiones in eius Opuscul. variis Exerc. XVII. . 2) der Beweiß, wodurch dem Richter die Erzaͤhlung oder Behauptung von einer Sache auf rechtliche Art glaubwuͤrdig gemacht wird. Die Lehre vom Beweiß, so wie auch jene vom Gestaͤndnisse wird an andern Orten unserer Pandecten vollstaͤndig vorgetragen werden. 3) Oft muͤssen auch rechtliche Vermuthungen die Stelle des Beweises, in Ermangelung dessel- ben, vertreten. Wenn nehmlich die Behauptung nicht aus einem Gestaͤndniß, oder Zeugniß glaub- wuͤr- de Iustitia et Iure. wuͤrdiger Persohnen, oder andern dergleichen recht- lichen Beweismitteln unmittelbar zu Tage liegt, sondern auf die gewoͤhnlichen Eigenschaften und Ver- haͤltnisse der Dinge, und diejenigen Umstaͤnde, die solche gemeiniglich begleiten, auch daher wahrschein- lich sind, gegruͤndet wird, so nennt man dieses Vermuthung . Oft nehmen die Gesetze selbst ge- wisse Eigenschaften, Verhaͤltnisse oder gewoͤhnliche Folgen einer Sache fuͤr Wahrheit an, bis das Ge- gentheil erwiesen worden, ( praesumtiones iuris ) ja zuweilen lassen sie den Beweiß des Gegentheils nicht einmahl zu ( praesumtiones iuris et de iure ). Sol- che Rechtsvermuthungen befreyen daher den- jenigen, welcher sie fuͤr sich hat, allemahl vom Be- weise, und waͤlzen denselben auf den Gegentheil, der die rechtliche Vermuthung wider sich hat. Blos menschliche Vermuthungen, so in den Gesetzen nicht gegruͤndet sind, haben hingegen diese Wirkung nicht, sondern adminiculiren nur zum Beweiß, und machen, daß zuweilen auf den Erfuͤllungs- oder Reinigungs- eid erkannt werden kann. Die rechtlichen Vermu- thungen sind nun sehr mancherley, und lassen sich auf keine allgemeine Regel zuruͤckfuͤhren. Man kann sie inzwischen fuͤglich unter zwey Hauptelassen brin- gen. Einige derselben gruͤnden sich schon in der Vernunft und allgemeinen Rechtsgrundsaͤtzen; andere hingegen haben keinen natuͤrlichen und allgemeinen Grund, sondern sind durch die buͤrgerlichen Gesetze blos willkuͤhrlich eingefuͤhrt worden. Zu denen recht- lichen Vermuthungen der erstern Art gehoͤren z. E. folgende: daß die urspruͤngliche Beschaffenheit einer Sache vermuthet werde, mithin eine vorgegebene Veraͤnderung allemahl bewiesen werden muß; — eine Thathandlung, es sey Vortrag, Testament, Ver- R 5 brechen, 1. Buch. 1. Tit. brechen, oder sonst etwas, nicht vermuthet wer- de; — ein Irrthum nicht zu vermuthen sey, u. d. m. Zu den Rechtsvermuthungen der leztern Art aber gehoͤrt z. B. daß, wenn bey einer verkauften Sache sich der Mangel in den erstern drey Tagen aͤussert, angenommen werde, der Fehler sey schon zur Zeit des Verkaufs vorhanden gewesen; — wenn Eltern und Kinder in einerley Unfall zugleich umkommen, rechtlich vermuthet werde, das unmuͤndige Kind sey eher, das muͤndige aber spaͤter, als die Eltern, verstorben; — wenn der Klaͤger eine Handschrift uͤber ein Darlehn in Haͤnden hat, und noch nicht zwey Jahr seit der Ausstellung verstrichen, angenom- men werde, die Ausstellung sey nur in Hofnung zu erhaltender Zahlung geschehen, die Zahlung aber wirklich nicht erfolgt; nach zwey Jahren aber das Gegentheil fuͤr eine so erwiesene Wahrheit gehalten werde, daß der Aussteller mit dem Beweise, er sey nichts schuldig, gar nicht weiter gehoͤret werden soll; u. a. m. S. von Tevenar Theorie der Beweise im Ci- vilproceß . (Magdeburg u. Leipzig 1780. 8.) I. Abschn. 2. Cap. S. 27. und folg. . Ganz verschieden von diesen Rechts- vermuthungen sind die gesezlichen Fictionen; denn eine gesezliche Fiction ist eine solche gesezliche Verordnung, wodurch eine Sache fuͤr wahr ange- nommen wird, welche offenbar nicht wahr ist, und blos moͤglich gewesen waͤre; bey jenen Praͤsumtionen hingegen nehmen die Gesetze eine zwar noch unge- wisse, aber doch wahrscheinliche, Sache fuͤr gewiß an. Die rechtliche Vermuthung ist also wirkliche juristische Wahrheit, eine gesezliche Fiction hingegen nicht, sondern diese verhaͤlt sich zu der Wahrheit, wie ein Gemaͤhlde zu der Sache selbst, welche durch das Ge- de Iustitia et Iure. Gemaͤhlde vorgestellet wird. Sie entlehnt alle Zuͤge von der Wahrheit, und verfolgt ihren Gang, wie der Schatten den Coͤrper Gemeinnuͤzige iurist. Beobachtungen und Rechtsfaͤlle . 2. Band N. XVI. §. 125. . Daher die Regel zu erklaͤren: fictio idem operatur in casu ficto, quod veritas in casu vero. Dergleichen Faͤlle, wo die Gesetze etwas fingiren, sind uͤbrigens sehr viel im roͤmischen Rechte anzutreffen. So z. B. gruͤndet sich die Lehre von der Annehmung an Kindesstatt, von dem Recht des Postliminiums, das Kornelische Gesez, die alte Querela inofficiosi u. s. w. auf Fictionen A. D. alteserra Tr. de fictionibus iuris Paris 1659. und Christ . gmelin oder vielmehr D. Christ. Iac. zahn Diss. de fictionibus iuris romani . Tubingae 1787. . Man huͤte sich jedoch vor dem Feh- ler, Fictionen zu fingiren, in welchen diejenigen verfallen, welche Fictionen annehmen, von denen doch kein deutliches Gesez angegeben werden kann Joh. Jae. Prehns Untersuchung der Frage: ob die Legitimation ausser der Ehe gebohr- ner Kinder sich in einer roͤmischen Erdich- tung gruͤnde? Rostok 1777. 4. . Endlich muß auch 4) durch Gutachten der Kunstverstaͤndigen zu- weilen die Wahrheit herausgebracht werden, wenn nehmlich die Beurtheilung derselben nach den Regeln einer besondern Kunst oder Wissenschaft geschehen muß. Dahin gehoͤrt, wenn uͤber den wahren Werth einer Sache, oder uͤber die Grenzen zweier bey ein- ander liegender Aecker, oder uͤber vorgegebene Schwangerschaft, und dergleichen Streitigkeiten ent- stehen. Besonders ist auch in peinlichen Faͤllen das Gut- 1. Buch. 1. Tit. Gutachten der Kunstverstaͤndigen von groser Wich- tigkeit, wenn es auf Besichtigung und Section an- kommt, um das corpus delicti zur Gewißheit zu bringen. In solchen Faͤllen gruͤndet der Richter sein Erkenntniß auf das Gutachten und Zeugniß der Kunstverstaͤndigen, welches sie schriftlich und mit Gruͤnden unterstuͤzt, zu den Acten geben muͤssen. Da Kunstverstaͤndige als Zeugen anzusehen sind, so muͤssen sie, wenn sie nicht sonst schon vereidet sind, oder die Partheyen mit ihren unbeschwornen Gutach- ten zufrieden seyn wollen, besonders vereidet werden, weil ein Zeuge keinen Glauben verdient, wenn er nicht beeidiget ist L. 9. L. 16. C. de teflib. S. Nettelbladt practische Rechtsgelahrtheit . §. 387. (dritte Auflag. Halle 1784.) . §. 42. Cautelarische Rechtswissenschaft . Der andere Theil der juristischen Praxis bestehet in der vorsichtigen, buͤndigen und kluͤglichen Einrichtung der buͤrgerlichen Rechtshandlun- gen, ( in cavendo ) und verdient eine desto vorzuͤglichere Achtung, je mehr dadurch denen die Eintracht der Buͤr- ger so sehr stoͤhrenden Processen vorzubeugen stehet. Hierbey aber muß man nicht allein die Form und Ein- kleidungen rechtlicher Geschaͤfte, sondern auch alle Ein- wendungen und nachtheilige Folgen kennen, um sowohl denen leztern vorzubeugen, als auch, wo moͤglich, de- nen zu schliessenden Geschaͤften selbst eine vortheilhafte Wirkung beyzulegen. Unser roͤmisches Gesezbuch giebt auch hierin dem Rechtsgelehrten vortrefliche Anweisung, als welches einen grosen Vorrath von Rechtsmitteln, Clau- de Iustitia et Iure. Clauseln und Klugheitsregeln enthaͤlt, die insonderheit von den roͤmischen Rechtsgelehrten sind erfunden wor- den, um hierdurch die Strenge des buͤrgerlichen Rechts, welche zu manchen Chikanen und Unbilligkeiten Anlaß gab, zu mildern, und auf die natuͤrliche Billigkeit zu- ruͤckzufuͤhren. Diese Rechtsmittel und Vorsichtigkeits- regeln, welche bey einem zu schliessenden rechtlichen Ge- schaͤft zu beobachten sind, werden im roͤmischen Recht Heurematica S. Henr . brenkmann de Eurematicis Diatriba ( Lugd. Batavor. 1706 .) Cap. I. von εὕρημα, inventum oder inventio, deßgleichen Cautiones, heutiges Tages aber Cautelen genennt; und derjenige Theil der ausuͤbenden Rechts- wissenschaft, welcher in der Fertigkeit bestehet, buͤrger- liche Rechtshandlungen auf eine vorsichtige, buͤndige und vortheilhafte Art einzurichten, heißt die Cautelar- Jurisprudenz, Iurisprudentia cavens, heurematica oder cautelaris Io. Nic. hertius de iurisprudentia cavente , Gissae 1706. und Io. Gottl . heineccii Commentatio eiusdem argumenti in Opusculis minorib, varii argumen- ti Opusc. VIII. S. 301 ‒ 388. . Zum Beispiel dienen die bey den Testamenten so heilsame Codicillar-Clausel, — die my- stische Erbeinsetzung, — Socinische Cautel, — Mucia- nische Caution, — das Verbot des Testirers, die be- sonders versiegelte Pupillar-Substitution bey Lebzeiten seines noch unmuͤndigen Kindes nicht zu eroͤfnen §. 3. I. de pupill. substitut. u. d. m. Ferner die beym Kaufcontract sehr vortheilhaf- te Clauseln des commissorischen Vertrags, der addictio- nis in diem, des Vorkaufs, des Wiederkaufs, der Reue, des vorbehaltenen Eigenthums oder der reservir- ten Hypothek, auch des constituti possessorii u. d. m. Es 1. Buch. 1. Tit. Es giebt auch allgemeine Cautelen, welche bey allen, oder wenigstens bey den mehresten Geschaͤften statt finden Nettelbladt practische Rechtsgelahrtheit 1. Th. 2. Tit. S. 17. und folg. ; die gebraͤuchlichsten Cautelen dieser Art sind a ) die Begebung verschiedener allgemei- ner Ausfluͤchte, als: des Betrugs, der Furcht und des Zwanges, des Irrthums, der Verjaͤhrung u. s. w. b ) der Gebrauch der Eidesclausel, d. i. die Verstaͤrkung der Verbindlichkeit mittelst Einschaltung der Formel: So wahr mir Gott helfe und sein hei- liges Wort . c ) die Clausel sub bypotheca bono- rum, oder Verpfaͤndung aller meiner Haab und Guͤter Balth . tilesius de cautela bey Verpfaͤndung aller meiner Haab und Guͤter . Ienae rec. 1745. . d ) die Protestationen und Reser- vationen . Die Cautelen moͤgen jedoch seyn, von welcher Art sie wollen, so muͤssen sie gesezlich gebilligt seyn; Cautelen, die auf den Betrug anderer, oder eine Hin- tergehung der Gesetze abzielen, und wodurch verbotene Handlungen bemaͤntelt werden sollen, sind unerlaubt und unnuͤtz. So z. B. ist die Renunciation der Ver- letzung uͤber die Haͤlfte fratrum becmannorum Consilia et Decis . P. I. Resp. VII. n. 54. , ingleichen die, wenn gleich auf die feyerlichste Weise geschehene, Begebung der ex- ceptionis usurariae pravitatis, allen Rechten nach fuͤr ganz unkraͤftig zu halten leyser Spec. CCXLVI, med. 8. , es bleibt daher der wirk- lich getriebene verbotene Zinswucher unerlaubt und straf- bar, er mag unter den Schein eines Vergleichs, oder daß die uͤbermaͤßigen Zinsen etwa freywillig angeboten, oder dem Glaͤubiger als eine Provision, oder fuͤr seine Muͤh- de Iustitia et Iure. Muͤhwaltung zugestanden worden, oder, daß der Con- tract allenfalls als eine Temperalantichresis ohne Rech- nung gelten solle, oder als ein Wiederkauf eingerichtet worden, oder unter dem Vorwande, daß die Gelder ei- nem Dritten zugehoͤren, oder als eine Conventionalpoen, oder unter irgend einem andern Deckmantel ausgeuͤbet worden seyn Quistorp Beytraͤge zur Erlaͤuterung verschie- dener Rechtsmaterien . 2. Stuͤck. n. IX. S. 151. . So wie sich nun unter den roͤmi. schen Rechtsgelehrten vorzuͤglich Herennius Modesti- nus Herennius Modestinus schrieb ein ganzes Buch περ- Εὕρηματικῶν, aus welchem zehen wichtige Fragmente in den Pandecten befindlich sind, die Heinrich Brenkmann in Diatriba de Eurematicis . Lugduni Batavor . 1706. mit einem vortreflichen Commentar erlaͤutert hat. in diesem Theil der Rechtswissenschaft ausge- zeichnet hat, so duͤrfen unter den neuern die Verdien- ste eines Stryks Samuel Stryck hat bekanntermassen de cautelis contractuum, testamentorum und iuramen- torum verschiedene Tractate geschrieben. und Claproths Iust . claproth Iurisprudentia Heurematica . P. I. Goettingae 1762. P. II. Ib. 1765. 8. Dieser beruͤhm- te Rechtsgelehrte gab hierauf den dritten Theil seiner iurisprudentiae hevrematicae, welcher die Lehre von Testamenten und andern lezten Willen ent- haͤlt, zu Goͤttingen im Jahr 1782. in teutscher Sprache heraus, welches ihn veranlaßte, auch die beyden vorher- gehenden Theile ins teutsche zu uͤbersetzen, welche unter dem Titel: Rechtswissenschaft von richtiger und vorsichtiger Eingehung der Vertraͤge und Con- tracte zu Goͤttingen 1786. 8. erschienen sind. in diesem Fache nicht ungeruͤhmt uͤbergangen werden. §. 43. 1. Buch. 1. Tit. §. 43. Verbindungskraft positiver Gesetze . Unser Autor fuͤhrt uns jezt noch einmahl auf die positi- ven Gesetze zuruͤck, und giebt uns Stof zu einigen Betrach- tungen uͤber die Verbindungskraft solcher Gesetze . Gesetze, in so fern sie in dem oben (S. 49.) angege- benen eigentlichen Verstande genommen werden, koͤnnen ihrem Begriffe nach nur blos die Unterthanen ver- binden, die der obersten Gewalt und Majestaͤt desjeni- gen Staats unterworfen sind, in welchem sie sind ge- geben worden. Da nun die Gesetze in Teutschland ent- weder Reichs- oder Landesgesetze sind, so hat es nun, was die erstern anbetrift, keinen Zweifel, daß sie alle diejenigen, die der Reichsmajestaͤt untergeordnet sind, sie seyen, wes Standes sie wollen, mithin nicht nur Privatpersohnen, sondern auch selbst die teutschen Lan- desherrn verbinden Die Reichsgesetze sind zugleich in Ansehung der Reichs- staͤnde, mit deren Einwilligung sie gemacht werden, als Vertraͤge anzusehen. S. Carl Fried. Gerstlachers Corpus iuris germanici publ. et privati 1. B. 1. Cap. S. 24. und 32. Auch sogar die roͤmischen und kanonischen Rechte gelten als bestaͤttigte gemeine Reichsrechte in denen Privatrechtssachen der erlauchten Persohnen in Teutschland, sofern nicht etwa durch Fami- lienvertraͤge oder Observanz ein anders ist bestimmt, und in Ansehung ihrer festgesetzet worden. S. leyser Spec. XLI. med. 5. hartleben Meditat. ad Pandect . Vol. I. P. I. Spec. V. m. 2. puͤtter de normis deci- dendi successionem illustrium controversam §. 13. und folg. v. Selchovs Rechtsfaͤlle 2. Band S. 70. folgg. und Westphals Abhandlung von dem Ge- brauch des justinianischen Rechts in dem teut- schen . Soviel hingegen die teutschen Landesgesetze anbetrift, so ist der Landesherr selbst or- de Iustitia et Iure. ordentlicher Weise an seine Gesetze nicht ge- bunden . Dies hat einen dreifachen Sinn. a ) Der Landesherr ist in der Regel nicht verbunden, bey seinen eigenen Handlungen seine Gesetze zu beobachten. b ) Kann derselbe auch seine Gesetze, insofern sie pure Gesetze, keine Landesvertraͤge und Staatsgrundgesetze sind, wieder aufheben und abaͤndern, und zwar mit oder ohne Ein- willigung der Staͤnde, wie es der Landesverfassung ge- maͤß ist. c ) Er kann zu Gunsten einzelner Untertha- nen sowohl Privilegien dagegen ertheilen, als dispensi- ren puͤtter prim. lineae iuris privati Princip . Schnaubert Anfangsgruͤnde des Staatsrechts der gesammten Reichslande §. 259. S. 171. . So richtig nun dieses an sich ist, so fehlt es doch nicht an Rechtsgelehrten, die das Gegentheil hierin behaupten Unter den neuern Rechtsgelehrten hegt diese Meinung hommel Rhapsod. Quaest. Forens . Obs. 480. . Sie wollen ihre Meinung theils mit dem bekannten Ausspruch des Praͤtors: Quod quisque iuris in alterum statuerit, ut ipse eodem iure utatur, theils mit einigen andern Gesetzen bestaͤrken, in welchen einem Regenten die Beobachtung seiner Ge- setze empfohlen wird L. 4. C. de LL. et Constitut. Princip . Digna vox est maiestate Regnantis, legibus alligatum se Principem pro- fiteri . und L. 3. C. de testament . Nihil tam proprium imperii est, quam legibus vivere . . Allein diese Gruͤnde sind von keinem sonderlichen Gewicht, denn jener Ausspruch des Praͤtors verbietet offenbar nur einer Obrigkeit, ihre Gewalt zu misbrauchen, und unbillige Dinge zu ver- ord- schen Staatsrecht und der Privatrechtsge- lahrheit der erlauchten Persohnen des teut- schen Reichs . Halle 1779. 4. Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. S 1. Buch. 1. Tit. ordnen; und die andern Gesetze enthalten keine verbind- liche, noch weniger eine allgemeine, Regel, und wer- den durch mehrere andere Gesetze des roͤmischen Rechts- koͤrpers uͤberwogen, in welchen mehr denn einmahl ge- sagt wird: quod Princeps legibus solutus sit L. 31. D. de Legib. §. ult. l. Quib. mod. testam. infir- mantur. Nov. XXIII. c. 2. et Nov. CV. cap. 2. Zwar wollen viele Rechtsgelehrte diese Stellen nur auf einige Gesezarten einschraͤnken, und vorzuͤglich von den unter dem Kr. August gegebenen legibus caducariis verstanden wis- sen, weil L. 31. D. de LL. laut der Inscription aus ulpiani lib. 13. ad Legem Iuliam et Papiam genommen ist. So denken Iac. cuiacius lib. XV. Observat . cap. 30. Iac. lectius in Orat. de vita et scri- ptis Ulpiani Tom. I. Thesauri iuris Ottoniani p. 62. Iac. gothofredus in Notis ad Leg. Iuliam et Papiam cap. 30. Ant. augustinus de LL. et SCtis cap. 18. Iac . gutherius de officiis Domus Au- gustae Lib. I. c. 31. Ger. noodt in Orat. de Le- ge regia . Io. Gottl. heineccius in Syntagm. Antiquitat. Rom . Lib. I. Tit. 2. n. 66. und noch viel andere. Allein Em . merillius Observat. iuris lib. VIII. c. 19. und Io. Car. van wachendorf de principe legibus soluto, Cap. I. §. 6. und folgg. ( in Triade Dissertationum. Trajecti ad Rhen. 1730. 8 .) haben jene Meinung gruͤndlich widerlegt. Daß L. 31. D. de LL. allgemein, und von allen buͤrgerlichen Gesetzen zu verstehen sey, beweiset unter andern schon die Alge- meinheit des Titels de Legibus, SCtis etc. in welchen dieselbe befindlich ist. War es nun auch allenfalls fuͤr den Augustus oder seine Nachfolger ein Privilegium, daß sie von der Verbindlichkeit der sogenannten Legum caducariarum frey waren, so konnte doch gewiß Justi- nian , wie er seine Pandecten verfertigen ließ, hierauf nicht mehr zielen, weil er in L. un. pr. Cod. de caducis tollendis uͤberhaupt jene Gesetze aufgehoben hatte. . In Gemaͤßheit dieser Grundsaͤtze koͤnnen daher auch die Sa- de Iustitia et Iure. Sachen der Reichsstaͤnde nicht nach den Landesgesetzen und statuarischen Rechten derjenigen Provinz, in wel- cher sie regieren, entschieden werden, wenn sie sich nicht freywillig durch einen Vertrag, oder stillschweigend da- zu verbindlich gemacht haben, welches leztere unter an- dern daraus zu schliesen ist, wenn ein Landesherr will, daß seine Sachen in seinen eigenen Gerichten entschie- den werden sollen S. reinharth in Observat. ad Christinaei Decisiones Vol. I. Obs. 10. hofacker in Prin- cip. iuris civ. Rom. Germ . T. l. §. 84. S. 70. Man vergleiche uͤberdies hartleben in Meditat ad Pandect . Spec. VIII. m. 11. und M. lycklama a ny- holt Membranar . Lib. IV. Eclog. 19. . Dahingegen sind nun alle Unterthanen eines Lan- desherrn, ohne Unterschied, sie moͤgen geistlichen oder weltlichen Standes seyn, denen Gesetzen desselben un- terworffen. Denn wenn gleich die Geistlichen einen be- freyeten Gerichtsstand haben, so duͤrfen sie sich doch, da sie ohne Zweifel als Buͤrger im Staate anzusehen sind, denen buͤrgerlichen Gesetzen desselben keinesweges entziehen, insofern sie nicht die Gesetze selbst hiervon eximiren Mit Recht schreibt Petr. de marca de concordia Sacerdotii et Imperii . Lib. II. c. VII. §. 8. Quia clerici, non tantum qua clerici, sed etiam qua ciues sunt, spectantur in republica , legibus Principum tenen- tur, nisi earum gratiam aut libertate generali, toti cle- ro indulta, aut alicui ordini ex beneficio Regum consecuti sint . . Zwar suchte Innocenz III cap. 6. X. de maiorit. et obedient. die Geist- lichkeit der weltlichen Obrigkeit voͤllig zu entreissen, und dieselbe unter das Joch des geistlichen Despotismus zu ziehen; allein in unsern Tagen siehet selbst der aufge- S 2 klaͤrte 1. Buch. 1. Tit. klaͤrte Katholik dieses Unternehmen als den schaͤndlich- sten Eingrif in die geheiligten Rechte der Majestaͤt an, so der Vernunft und heiligen Schrift entgegen strei- tet S. Paul. Ios. a riegger Institut. iurisprud. ecclesiast . P. I. Cap. VIII. §. 119. folgg. u. §. 353. vorzuͤg- lich aber Jos. Val. Eybel Einleitung in das ka- tholische Kirchenrecht (Frankf. n. Leipzig 1779. 8.) 2. Th. 2. Buch 2. Hauptst. §. 112. . Es giebt uͤbrigens Faͤlle, daß Persohnen, die in dem Territorium eines Landesherrn sich befinden, dem- ohngeachtet nicht der Territorial-Hoheit und denen Gesetzen dieses, sondern eines andern Landesherrn un- terworfen sind. Ein merkwuͤrdiges Beispiel hiervon ge- ben uns die Gesanden fremder Staaten, als welche an den Orten, woselbst sie sich als Gesande befin- den, der Territorial-Hoheit nicht unterwuͤrfig sind, sondern vielmehr in Absicht ihres wesentlichen Cha- racters, nach welchem sie die moralische Persohn ei- nes freyen unabhaͤngigen Staats vorstellen, und vermoͤge der in dieser Ruͤcksicht geschehenen An- und Aufnahme derselben die voͤllige Gerichtsfreyheit in dem- jenigen Staate haben, an welchen sie sind abgeschickt worden. Solche Gesanden bleiben daher mitten in dem auswaͤrtigen Staate in allen ihren Handlungen Unterthanen ihrer Principale, der absendenden Regen- ten, und muͤssen dessen Vorschriften eben so puͤnctlich erfuͤllen, als wenn sie solche unmittelbar unter jener Au- gen zu vollstrecken haͤtten S. Christ. Heinr. von Roͤmer Grundsaͤtze uͤber die Gesandschaften und die ihnen zukommende Rechte . (Gotha 1788.) XIII. Abschnitt S. 312. u. folgg. . §. 44. de Iustitia et Iure. §. 44. Verschiedene Gattungen der Unterthanen in Absicht auf die Verbindlichkeit der buͤr- gerlichen Gesetze eines Staats . Es ist ein irriger Saz, den gleichwohl viele be- haupten, daß jeder, der sich in den Grenzen eines Staats aufhalte, auch Unterthan des- selben sey . Ein Irrthum, den schon das am Ende des vorigen Paragraphs von denen Gesanden angefuͤhrte Beispiel allein sattsam zu widerlegen im Stande waͤre, wenn nicht derselbe bereits von den groͤsten Rechtsge- lehrten waͤre widerlegt worden Christ. Thomasius de inutilitate brocardici : Quae sunt in territorio, praesumuntur esse de territorio. Halae 1709. 4. und Ge. Frid. dathe de falsitate vulgati : Quidquid est in territorio, praesumitur etiam esse de territorio. Goettingae 1753. 4. . Unterthanen werden vielmehr diejenigen genennt, welche sich der hoͤch- sten Gewalt in einem Staate unterworfen haben J. J. Moser von der teutschen Unterthanen Rechten und Pflichten . Frankf. und Leipz. 1774. 4. . Also nicht der blose Aufenthalt im Territorium, son- dern die mit demselben verknuͤpfte stillschweigende oder auch ausdruͤckliche Einwilligung in die Abhaͤngigkeit ge- gen die Landeshoheit, welche in der Absicht, um an den buͤrgerlichen Vortheilen des Staats Antheil zu nehmen, geschehen, macht denjenigen, welcher sich in einem Staate befindet, zum Unterthan desselben. Hieraus folgt, daß sich die Oberherrschaft des Staats uͤber die Unterthanen desselben weiter nicht erstrecke, als in so weit sich diese unterwuͤrfig gemacht haben, und sich ha- ben unterwerfen koͤnnen. Da nun die Menschen sich auf dreyerley Art der hoͤchsten Gewalt im Staat un- terwerfen koͤnnen, nehmlich entweder in Ansehung ihrer S 3 Per- 1. Buch. 1. Tit. Persohn , oder in Ansehung ihrer Guͤter , oder in Ansehung ihrer Handlungen , die sie in einem frem- den Lande unternehmen, so entstehet hieraus eine drey- fache Classe von Unterthanen. Erstere sind diejenigen, welche ihren Wohnsiz in einem Lande haben; diese wer- den Einwohner ( incolae ), und wenn sie besonders mit liegenden Guͤtern ansaͤssig, und von der vornehmen Classe der Unterthanen sind, Landsassen H. C. geisler de Landsassiatu libellus pri- mus . Marburgi 1780. 8. genennt. Solche Unterthanen sind an alle Gesetze des Landes, in welchem sie domicilirt sind, gebunden, so lange nicht besonders in Ansehung des einen oder des andern eine Ausnahme gemacht worden ist. In foro domicilii koͤnnen sie daher aller Forderungen wegen verklagt wer- den; ja nach denen Gesetzen des staͤten und wesentlichen Aufenthalts ist der Zustand ihrer Persohn, mit denen davon abhangenden Rechten, z. B. ob jemand fuͤr muͤn- dig oder unmuͤndig, ehelich oder unehelich, u. s. w. zu halten sey, lediglich zu beurtheilen Westphal teutsches und reichsstaͤndisches Pri- vatrecht . 1. Th. 3. Abh. §. 6 u. folgg. Io. Th. seger Diss. de vi legum et decretorum in territo- rio alieno Lipsiae 1777. §. 5. S. 17. besonders hart- leben Meditat. ad Pandect . Spec. IX. med. 4. . Die andere Classe von Unterthanen machen diejenigen aus, welche nur allein Guͤter in einem Lande besitzen, ohne daselbst zu wohnen. Diese werden forenses, Eingesessene und Beguͤterte genennt, obwohl auch diese Benen- nungen von jenen der erstern Gattung gebraucht zu wer- den pflegen. Solche sind ordentlicher Weise dem Lan- desherrn, in dessen Territorium die ihnen gehoͤrigen Guͤter liegen, fuͤr ihre Persohn nicht unterthaͤnig; nur in Ansehung der Guͤter kommt diesem Landesherrn die Lan- de Iustitia et Iure. Landeshoheit, und den Besitzern die derselben entspre- chende Unterthaͤnigkeit zu So ist es ordentlicher Weise , inzwischen kann auch zuweilen nach der Verfassung einzelner Laͤnder, wie z. E. in Sachsen , der Guͤterbesiz in einem Lande die voͤllige Unterthaͤnigkeit bewirken, welches man den vol- len Landsassiat nennt. S. Lud. mencken de vi superioritatis territorialis in territoriis claus . §. 8 ‒ 13. . Daher auch die leztere nur in sofern denen Gesetzen des Landes unterworfen sind, als sie die liegenden Guͤter betreffen, weil sie in sofern auch den Schuz und Sicherheit im Staate zu geniessen haben. Beyde jezt gedachte Classen von Un- terthanen werden bestaͤndige genennt, von welchen al- so diejenigen zu unterscheiden sind, welche blos fuͤr zei- tige Unterthanen ( subditi temporarii ) gehalten werden. Diese machen die dritte Classe von Untertha- nen aus, und man verstehet darunter solche, welche sich nur eine Zeitlang in einem Lande aufhalten, und entweder dasselbe blos durchreisen, oder auch Geschaͤfte halber sich daselbst befinden. Diese sind nur in Anse- hung der Handlungen, die sie in dem Lande vorneh- men, denen Gesetzen desselben unterworfen. Solche zeitige Unterthanen muͤssen sich also denen Gesetzen des Orts, wo sie sich aufhalten, unterwerfen: 1) wenn sie daselbst Processe fuͤhren . Denn es ist ein unbestrittener Grundsaz, daß in allen Din- gen, welche den Proceß und die Art des gerichtli- chen Verfahrens betreffen, lediglich die Gesetze des Forums, wo der Rechtshandel obschwebt, zu beobach- ten sind C. F. hommel Rhapsod. Quaest. For . Obs. CCCCIX. n. 10. und 16. Weber von der natuͤrl . Ver- . Diese muß der Richter bey rechtli- S 4 chen 1. Buch. 1. Tit. chen Entscheidungen zur Richtschnur nehmen, und Auswaͤrtige haben selbst, indem sie vor diesem Rich- ter ihre Klagen anbringen, in die Proceßordnung des Landes eingewilliget. Hierher gehoͤrt, wenn von dem Gerichtsstande des Beklagten, der Art des Processes, der Zeit der Verjaͤhrung einer Klage, der Bestellung eines Anwalds und uͤbrigen Handlun- gen des gerichtlichen Processes die Frage ist. 2) Muͤssen zeitige Unterthanen, auch die Gesetze des Landes, wo sie sich aufhalten, zur Richtschnur anneh- men, wenn sie daselbst rechtliche Geschaͤfte vornehmen, zu deren Guͤltigkeit eine gewis- se Form erfordert wird ; z. B. wenn sie daselbst Vertraͤge schliessen, oder ein Testament machen. Denn es ist eine bekannte Regel, daß die Form und Guͤltig- keit rechtlicher Geschaͤfte nach den Gesetzen des Orts zu bestimmen sey, wo die Handlung vorgenommen worden Westphal a. a. O. §. 2. S. 32. hommel a. a. O. seger cit. Diss. §. V. S. 17. Io. Nic. hertius Diss. de collisione legum . Sect. IV. Chr. Gottl . ric- cius Exerc. de contractu cambiali §. 81. u. a. m. . Hieraus folgt a ) daß alle Vertraͤge, welche da, wo sie getroffen worden, erlaubt und guͤltig sind, allenthalben ihre Guͤltigkeit behaupten, wenn sie gleich mit den Gesetzen desjenigen Landes, wo daraus geklagt wird, nicht uͤbereinstimmen L. 34. D. de Reg. Iuris. Weber Entwickelung der Lehre von der natuͤrlichen Verbindlichkeit 2te Abth. §. 62. S. 195. . Je- Verbindlichkeit . 3te Abth. §. 95. S. 75. seger in der oben angefuͤhrten Diss. §. 10. Car. Fr. boeschen Diss. de vi legum civil. in subditos tempo- rarios . praes. A. F. schott . Lipsiae 1772. §. XXXI. sqq. hartleben Meditat. ad Pandect . Spec. IX. med. 8. de Iustitia et Iure. Jedoch hat diese Regel ihre Ausnahmen, wohin vor- zuͤglich gehoͤrt: 1) Wenn ein Unterthan eines Lan- des in der Absicht, um den Gesetzen desselben auszu- weichen (in fraudem legis domesticae), in einem fremden Lande eine Handlung vollziehet hartleben Meditat. ad Pandect . Spec. IX med. 5. Eichmann Erklaͤrung des buͤrgerlichen Rechts . Th. I. S. 159. voet Commentar. ad Pandect . Tom. I. Lib. I. Tit. 4. Part. 2. §. 14. . 2) Wenn das Versprechen nicht erfuͤllet werden kann, ohne daß eine Handlung vorgehe, eine Verbindung getroffen werde, die schon an sich nach den Gese- tzen unsers Landes durchaus nicht gedultet werden soll Z. B. Wenn Persohnen an einem Orte, wo ihnen die eheliche Verbindung erlaubt war, sich mit einander ver- lobt haben, und die Vollziehung der Ehe an einem an- dern Orte, wo sie schlechthin verboten ist, verlangt wird. . 3) Wenn durch das auswaͤrtige Gesez, nach welchem der Handel geschlossen worden ist, den Rechten und Freyheiten unsers Landes offenbar Ein- trag geschiehet seger in der angefuͤhrten Dissertat. §. 5. Weber a. a. O. S. 196. . Aus dem obigen Satze folgt weiter, b ) daß, wenn ein Testator nur nach denen Feyerlichkeiten, die an dem Orte, wo er sein Testa- ment gemacht hat, vorgeschrieben sind, sich gerichtet hat, ein solches Testament an allen Orten gelte, ob- gleich an diesen andern Solennitaͤten vorgeschrieben sind voet a. a. O. §. 13. vinnius select. iuris Quaestion . Lib. II. cap. 19. gail Observat . Lib. II. c. 123. mynsinger Observat . Cent. IV. Obs. 82. Cent. V. Obs. 20. n. 4. sqq. huber Praelect. ad Pan- dect . Lib. I. Tit. 3. p. 538. de cramer Observat . iu- . Dies ist wenigstens die gemeine Meinung S 5 der 1. Buch. 1. Tit. der Rechtsgelehrten, welche auch der Gerichtsgebrauch bestaͤttiget. Wenn daher z. B. ein Kaufmann der Reichsstadt Frankfurt in Erlang bey seiner Durch- reise ploͤtzlich von einer gefaͤhrlichen Krankheit uͤber- fallen wuͤrde, und hier sein Testament vor fuͤnf un- tadelhaften Zeugen, die solches unterschrieben und besiegelt haben, gemacht haͤtte; (denn mehr erfordert die hiesige Landesordnung nicht zur Solennitaͤt eines aussergerichtlichen Testaments) so ist es auch zu Frankfurt guͤltig, wenn gleich die Frankfurter Sta- tuten zur Guͤltigkeit eines solchen Testaments sieben Zeugen erfordern. Aus dem roͤmischen Rechte laͤßt sich zwar dieses nicht erweisen, vielmehr moͤchte sich daraus, da die Testamente ad iura Quiritium ge- rechnet wurden, und daher die Guͤltigkeit derselben nach dem Ausspruch des Cajus L. 4. D. Qui tesiam. facere poss. ex regulis iu- ris civilis lediglich beurtheilt werden mußte, leicht das Gegentheil darthun lassen; wie schon Anton Schulting ad ulpiani Fragmenta . Tit. XX. §. 14. not. 45. Inrisprud. Antejust. S. 631. , der uͤbrigens, was das heutige Recht anbetrift, ganz unserer Meinung ist, bemerkt hat. Man darf sich auch daher nicht wundern, wenn einige Rechtsgelehrten cuiacius Observat . lib. XIV. cap. 12. schilter Exerc. ad Pandect. de iure obsid . eap. 9. §. 4. , die alles aus dem roͤmischen Rechte entscheiden zu koͤnnen vermeinen, mit iuris univ . T. II. Obs. 553. consil . tubingensia Vol. I. Cons. 41. puffendorf Observat. iuris uni- versi . T. I. Obs. 28. §. 9. Hoͤpfner Commentar uͤber die Institutionen §. 450. seger in der an- gef. Dissertat . §. 8. hofacker Princip. iuris civ. Rom. Germ . T. I. §. 142. de Iustitia et Iure. mit Anfuͤhrung einiger Gesezstellen L. 9. Cod. de testam. L. 2. C. Quemadm. testam. ape- riant. behaupten wol- len, daß man bey der Errichtung eines Testaments jederzeit die Rechte des Vaterlands oder des Domi- ciliums anzuwenden habe. Allein, da die Testamente heutiges Tages nun bey allen gesitteten Nationen eingefuͤhrt und gesezlich bestaͤttigt sind, mithin iuris gentium geworden, auch deshalb in manchen Pro- vinzen und Staͤdten Teutschlands eigne Gesetze und Gewohnheiten bey Errichtung der Testamente vorhan- den sind, so koͤnnen die roͤmischen Rechte hierinn nicht angewendet werden Mit mir stimmt hierin auch der seel. Assessor Seger in der oben angefuͤhrten Diss. uͤberein, welcher §. VIII. sagt: Quae ex Romanis legibus repetuntur, nihil ad rem faciunt. Nihil certius est, quam Quiritium iure contrariam opinionem praevaluisse. Nempe testamen- tum apud Romanos erat lex populi testatore rogante condita. Hodierna testamenta aliis moribus aestiman- tur, ut quae, si hoc verbo abuti licet, nunc fere facta sint iuris gentium, id est, apud cultiores populos tan- tum non omnes publice introducta et approbata. Ita- que veritatem magis ultimae voluntatis spectamus, quam solennitatem. Hanc solennitatis observationem una so- la de causa exigimus, ut nempe vera et seria testatoris voluntas exinde intelligatur, non etiam, ceu olim Ro- mani, ad antiqui moris imaginem exprimendam. . Wir reden jedoch nur von der Form und aͤusserlichen Feyerlichkei- ten eines Testaments . Denn insofern von der Substanz desselben, und den Guͤtern selbst die Rede ist, woruͤber testirt wird, muͤssen hauptsaͤchlich die Gesetze desjenigen Orts, da die Guͤter liegen, ange- wendet werden. Z. B. wenn die Frage ist, wen der Testator zum Erben einzusetzen, wem er ein Le- gat 1. Buch. 1. Tit. gat zu hinterlassen, ob er uͤber dieses oder jenes Grundstuͤck eine testamentliche Anordnung zu machen, oder der Legatar das ihm vermachte Grundstuͤck zu ac- quiriren befugt sey? u. d. m. Denn die Guͤter sind je- derzeit dem iuri rei sitae unterworfen hofacker Princip. iuris civ. Rom. Germ . T. I. §. 143. Tob. Iac. reinharth select. Obser- vat. ad Christinaei Decisiones Vol. IV. Obs. 13. S. 6. ; und nur in dieser Hinsicht gebe ich denenjenigen Recht, welche die Guͤltigkeit eines Testaments nach den Gesetzen desjenigen Orts, da die Guͤter liegen, beurtheilt wis- sen wollen Nic. burgundus Comment. ad consuetud. Flan- driae Tr. VI. 10. God. sammet Quaest. Foren- ses . Obs. 1. §. 4. in Opuse. S. 244. hartleben Me- ditat. ad Pandect . Spec. IX. med. 6. et 7. . 3) Auch in Ansehung der Intestaterbfolge muß der Fremdling sich den Gesetzen desjenigen Orts un- terwerfen, wo er succedirt. Bey beweglichen Guͤ- tern und unkoͤrperlichen Dingen , welche unter jenen mit begriffen werden, muß man daher die Ge- setze desjenigen Orts, da der Verstorbene seine or- dentliche Wohnung hatte, zur Norm annehmen. Hierin sind alle Rechtsgelehrte mit einander einver- standen koch de success. ab intestato §. 14. . Hatte der Verstorbene an mehrern Or- ten sein Domicilium, so ist es natuͤrlich, daß man die beweglichen Guͤter nach demjenigen Ort der Wohnung, wo sie angetroffen werden, beurtheile seger in der angefuͤhrten Dissertat . §. IX. . Bey Grundstuͤcken und unbeweglichen Dingen, zu wel- chen auch die denenselben anklebende Gerechtigkeiten und Pertinenz-Stuͤcke zu rechnen sind, kommt es zufoͤr- de Iustitia et Iure. zufoͤrderst darauf an, ob nicht in dem Lande, wo sie liegen, besondere Anordnungen aufgestellet sind, nach welchen sie nach dem Tode des Erblassers auf einen andern Erben und Nachfolger, als nach den Gesetzen des Domiciliums, fallen sollen hofacker Princip. iuris civ. Rom. Germ . Tom. I. §. 140. S. 113. ; wo die- ses nicht ist, so gehet es auch bey unbeweglichen Guͤ- tern nach den Gesetzen desjenigen Orts, wo der Verstorbene sein Domicilium gehabt hat puffendorf Observat. iuris univ . Tom. I. Obs. 28. . Endlich 4) wird auch ein zeitiger Unterthan nach den Gesetzen desjenigen Orts, wo er sich aufhaͤlt, behandelt, wenn er daselbst ein Verbrechen veruͤbt hat. Justinian schaͤrft dieses sehr expressiv ein, wenn er in einer sei- ner Novellen Nov. LXIX. cap. 1. princ. verordnet: ut unusquisque in pro- vincia, in qua deliquit, ibi quoque iudicium accipiat. Dieses hat auch keinen Zweifel, wenn dem Missethaͤ- ter an dem Orte, wo er das Verbrechen begangen hat, der Proceß gemacht wird carpzov Pract. rer. crim . P. II. Qu. 54. n. 51. ley- ser Spec . CCLXXXIX. med . 6. kress ad Art . CLXXVII. CCC. pag. 650. G. L. boehmer de abi- geatu et furto equorum §. 103. , Man erfordert jedoch nicht unbillig, daß, wenn das Verbrechen des Fremden entweder nur wieder ein Landes- und statu- tarisches Gesez, oder zwar wieder das gemeine Recht laufen, aber doch nach demselben nicht diejenige harte Strafe verdienen sollte, als die Gesetze des Orts, wo das Verbrechen begangen worden, darauf setzen; der Delinquent an dem Orte schon eine Zeitlang sich auf- gehalten haben muͤsse, wenn die deshalb bestimmte Strafe 1. Buch. 1. Tit. Strafe statt finden solle: daher ein Ankoͤmling gegen die Strenge der Landesgesetze zu schonen sey, wenn er darthun koͤnnte, daß er sich in einer unuͤberwindli- chen oder wenigstens in einer verzeihlichen Unwissenheit befunden habe Io. Sam. Frid. de boehmer ad Carpzovium Quaest. CXLIX. Obs. 4. n. 67. Struben in den rechtlichen Bedenken Th. II. Bed. 113. und Th. IV. Bed. 28. . Wenn hingegen der Verbrecher an dem einen Orte die Missethat begangen haben, an einem andern aber deshalb ertappt, und daselbst zur Untersuchung und Bestrafung gezogen werden solte; so entstehet alsdann die Frage, nach welchen Gesetzen das Verbrechen zu bestrafen sey? Hier wuͤrde es nun erstlich sehr unbillig seyn, den Missethaͤter nach den Gesetzen des Orts zu richten, wo demselben der Pro- ceß gemacht wird, wenn in diesem Lande auf eben die- ses Verbrechen eine groͤsere Strafe gesezt seyn solte. Denn wider diese Gesetze hat er doch eigentlich nicht gesuͤndiget, weil Poͤnal - Statuten ausserhalb Landes keine Verbindlichkeit haben cap. 2. de constitut. in 6to. harpprecht Cons. XXVIII. n. 87. sq. Cons. LIX. n. 83. . Die meisten Rechts- gelehrten behaupten daher, daß ein ausserhalb Landes begangenes Verbrechen in foro deprehensionis nach den Gesetzen des Orts, wo das Verbrechen veruͤbt worden ist, und in deren Ermanglung nach den Vor- schriften des gemeinen Rechts zu bestrafen sey leyser Spec . DCXLIV. med . 10. Struben Beden- ken Th. IV. Bed. 135. Quistorp Grundsaͤtze des peinl. Rechts I. Th. 3. Abschn. §. 95. . Allein geschaͤhe gleich dem Delinquenten kein Unrecht, wenn er nach den Gesetzen des Orts, wo er die Mis- sethat begangen hat, geurtheilt wuͤrde, weil er zunaͤchst diese uͤbertreten hat; so laͤßt sich doch keinesweges be- de Iustitia et Iure behaupten, daß der Richter, der den Verbrecher ein- gezogen, an jene Gesetze schlechterdings gebunden sey; weil diese in Ansehung des Richters, der die Inqui- sition formirt, fremde Rechte ( iura alieni territorii ) sind. Dahero andere Rechtsgelehrte mit mehreren Grunde behaupten, daß die Strafe in einem solchen Falle, da die Gesetze des fori delicti und deprehen- sionis nicht uͤbereinstimmen, nach dem gemeinen Rechte zu bestimmen sey Meister im peinl. Proceß S. 685. G. L. boeh- mer Diss. de delictis extra territorium com- missis . Goettingae 1748. §. 16. u. 17. und Derselbe in Commentat. de abigeatu Cap. III. §. 98. u. folgg. . Da inzwischen ein Richter jede Gelegenheit ergreifen muß, wo er die Strenge der Strafe ohne Eintrag der Gesetze mil- dern kann L. 56. L. 168. D. de Reg. Iur. c. 49. eodem in 6to. , so nimmt man billig den Fall aus, wenn das particulaire Recht eine gelindere Strafe be- stimmt haͤtte, als in dem gemeinen peinlichen Recht verordnet stehet hommel Rhapsod. Quaestion. for. Obs . 281. koch Institut. iuris crim . Lib. I. c. VI. §. 94. zol- ler Spec. I. Observat. practicar . Lipsiae 1778. Obs. 7. . Ein Richter kann daher in ei- nem solchen Falle die mildere Strafe, die nach den Gesetzen seines Landes eine Folge des vollzogenen Verbrechens ist, mit Hintansetzung der strengern Strafe, die der Verbrecher an dem Orte, da er sein Verbrechen begangen hat, dulden muͤßte, ohne Anstand dem Missethaͤter zusprechen; aber auch die mildere Strafe, welche die beleidigte Nation fordert, vorziehen, wenn in seinem Lande auf eben dieses Ver- brechen eine groͤsere Strafe gesezt ist seger in der angef. Dissertat . §. VII. . §. 45. Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. T 1. Buch. 1. Tit. §. 45. und 46. Begrif und Eintheilungen der Gerechtigkeit . Wir schreiten jezt zu dem zweyten Haupttheil die- ses Titels, welcher von der Gerechtigkeit ( lusti- tia ) handelt. Die Handhabung derselben ist der Zweck unserer Rechtsgelehrsamkeit, daher auch die Rechtsge- lehrten Priester der Gerechtigkeit genennt wer- den L. 1. §. 1. D. de l. et l. Io. lac. bosius de Iuris. consultis sacerdotibus iustitiae . Lipsiae 1739. . Was ist nun aber die Gerechtigkeit ? Ulpian sezt sie nach den Lehrsaͤtzen der Stoiker in eine feste und bestaͤndige Bereitwilligkeit, jedem das Seinige zu geben und zu lassen ( constans et perpetua voluntas ius suum cuique tribuendi L. 10. pr. D. eodem. Hiermit stimmt auch cicero de Finibus Lib. V. c. 23. uͤberein, wo er sagt: iustitia est animi affectio, suum cuique tribuens, et hanc societatem coniunctionis humanae mirifice et aeque tuens. . Die Stoiker betrach- teten die Gerechtigkeit als eine Tugend, und dachten sich darunter eine constantem et perpetuam vitae ra- tionem S. cicero de Legib. Lib. I. c. 17. und lib. IV. Acade- micor. aristoteles ad Nicomach. v. 1. gellius Noct. Atticar. Lib. XVII. c. 5. in fine. Mehrere Stellen noch hat walch ad eckhardi Hermenevt. iuris . L. I. c. IV. §. 133. S. 221. . Nach dieser strengen Tugendlehre sahen sie daher bey Ausuͤbung der Gerechtigkeit zugleich auf die innern Neigungen. Die aͤusserliche Erfuͤllung der Pflichten genuͤgte ihnen noch nicht; nein, nur denjeni- gen hielten sie fuͤr gerecht , der auch den Willen, und zwar den festen und unveraͤnderlichen Willen haͤtte, gerecht zu handeln S. Ger. noodt Probabil. iuris civ . Lib. III. c. 1. et 2. Christfr. waechtler ad Noodtium in Opu- . Allein es mag immerhin der ange- de Iustitia et Iure. angefuͤhrte Begrif von der Gerechtigkeit seine Vertheidi- ger gefunden haben Fr. Car. conradi Diss. de iustitia interna a fi- ne iurisprudentiae civ. non separanda . Helmst. 1744. , fuͤr den Juristen ist er wenigstens nicht brauchbar, dessen Zweck nur Handhabung der aͤusserlichen Gerechtigkeit ist Eben dieses hat auch schon gebauer Diss. de iusti- tia et iure §. IV. gegen die Definition des Ulpians eingewendet. . Die eigentliche Ge- rechtigkeit, die fuͤr das Forum des Rechtsgelehrten gehoͤrt, bestehet demnach in der Uebereinstimmung der aͤusserlichen Handlungen des Menschen mit den vollkommenen oder Zwangsgesetzen . Nach diesem juristischen Begrif der Justiz wird also a ) ein jeder fuͤr gerecht gehalten, dessen Handlungen nur aͤusserlich denen Gesetzen gemaͤß sind, wenn er auch gleich nur aus Furcht vor der Strafe gerecht handelte, seine innere Gesinnungen und Neigungen aber nichts we- niger als mit den Gesetzen uͤbereinkaͤmen; denn darum bekuͤmmert sich der Rechtsgelehrte nicht. Cogitationis poenam nemo patitur L. 18. D. de poenis. Man erinnere sich hierbey an dasjenige, was oben (§. 6.) uͤber diesen Gegenstand be- reits gesagt worden ist. . b ) Gerechtigkeit hat im- mer nur Beziehung auf vollkommene oder Zwangsgesetze. Wer also nur Liebespflichten gegen andere Menschen nicht erfuͤllt, uͤbrigens aber alles dasjenige puͤnctlich beobachtet, was die buͤrgerlichen Zwangsgesetze von ihm fordern, von dem kann man nicht sagen, er handle T 2 unge- Opusculis pag. 289. sqq. huber Digress. Iustinian . Lib. I. cap. 7. Io. Ge. marckart Receptar. iuris civ. lection . P. I. pag. 20. Aegid. menagius Amoe- nitat. iuris civ . cap. 4. u. a. m. 1. Buch 1. Tit. ungerecht. Denn die Pflichten der Menschenliebe liegen ausser den Grenzen der eigentlichen Gerechtigkeit; ( iusti- tiae forensis ) die Hintansetzung derselben misbilliget zwar die Moral, und erweckt auch wohl bey dem edler den- kenden Theil des Publicums Verachtung, aber ziehet doch keine eigentliche Strafe nach sich So z. B. erzaͤhlt cicero de officiis Lib. III. c. 13. man habe es zu Athen fuͤr eine Schande gehalten, erran- ti viam non monstrare. . Hieraus erhellet, daß die Eintheilung einiger Rechtsgelehrten von der Gerechtigkeit, wenn sie dieselbe in expletricem, wel- che in der Erfuͤllung der vollkommenen Pflichten, und attributricem, welche in der Beobachtung der Liebes- pflichten bestehen soll, eintheilen grotius de I. B. ac P. Lib. I. c. 1. §. 8. , fuͤr den Rechtsge- lehrten gar keinen Nutzen habe, weil wir in foro hu- mano nur mit Zwangsrechten und vollkommenen Pflich- ten zu thun haben würfel iurisprud. civ. definitiva §. 2. . Eben so irrig ist auch die bekannte Eintheilung der Justiz in distributivam und commutativam, welche gemeiniglich mit jener verwechselt wird. Erstere soll diejenige seyn, welche ein geometrisches, und leztere, welche ein arithmetisches Verhaͤltnis zum Maßstab an- nimmt Es ist diese Eintheilung aus des Aristoteles Ethik V. Buch 5. Cap. genommen; S. kaestner Commen- tat. de iustitia eiusque speciebus, in Ari- stotel. Ethic . V. Lipsiae 1737. Daß jedoch ein Miß- verstand der Worte jenes Philosophen die eigentliche Quel- le dieser Eintheilung sey, hat D. Io. Sam. Traug. geh- ler in Commentat. de laesione emtoris ultra dimidium recte computanda Lipsiae 1777. §. XIII. gruͤndlich dargethan. . Die arithmetische Proportion , sagt man, de Iustitia et Iure. man, finde nur beym Handel und solchen Contracten statt, in denen die Partheyen einander gegenseitig er- was zu leisten versprochen haben; die geometrische hingegen werde bey Beschwerungen oder gemeinen Lasten der Unterthanen, sodann bey Belohnungen und Bese- tzung der Ehrenstellen, desgleichen bey der Bestrafung der Verbrechen, auch bey der Berechnung im Concurse, wenn die Frage ist, wie viel ein jeder Glaͤubiger an Unkosten, oder, wenn mehrere Glaͤubiger derselbigen Gattung vorhanden sind, die kein Vorzugsrecht vor einander haben, wegen nicht hinreichender Concursmasse, an der Forderung sich muͤssen abgehen lassen, und der- gleichen, angewendet Jo. Ge. Estor Anfangsgruͤnde des gemeinen und Reichs - Processes 3. Theil S. 4. §. 5. Io. Ge. daries Diss. de interpretat. et extensione L. 2. C. de resc. vendit. Trajecti ad Viadr. 1775. §. 24. hofacker Princip. iuris civ. Rom. Germ . P. I. §. 16. . Man sagt ferner, Iustitia distributiva nehme auf die Persohn, Stand und Ver- dienst Ruͤcksicht, die commutativa aber nicht. Allein das Irrige dieser pur - scholastischen, und in unsern Gesetzen nirgends gegruͤndeten Eintheilung zeigt sich so- gleich offenbar, wenn man erwaͤgt, daß unsere Gesetze auch bey dem Handel und Vertraͤgen, die einzelne Buͤrger mit einander schliessen, nicht nur einen Unter- schied der Persohnen in Ansehung ihres Alters, Ge- schlechts und anderer Verhaͤltnisse, statt finden lassen, sondern auch selbst in Ansehung der versprochenen Praͤ- stationen uͤberall eine geometrische Proportion beobachtet wissen wollen. Wie verschieden sind nicht die Rechte der Pupillen und Minderjaͤhrigen bey den Vertraͤgen und Veraͤusserungen? — der Weibspersohnen bey Buͤrg- schaften? — der filiorumfamilias beym Darlehnscon- T 3 tract, 1. Buch. 1. Tit. tract, oder auch bey andern Contracten, die sie guͤlti- ger weise schliessen koͤnnen, wenn es auf die Frage an- kommt, in wiefern sie selbst waͤhrend der vaͤterlichen Gewalt daraus belangt werden koͤnnen? — der Gesell- schaftsgenossen, wenn sie der Societaͤtscasse schulden? u. s. w. Daß aber auch in Ansehung der zu leistenden Objecte bey den Contracten ein geometrisches Verhaͤlt- nis zu beobachten sey, beweißt unter andern der So- cietaͤtscontract , bey welchem sich, wenn die Ge- sellschafter ein anders nicht festgesezt haben, die Theilnehmung sowohl am Gewinn als Verlust nach den Beytraͤgen richtet L. 6. L. 80. D. pro socio. conveniens est viri boni arbitrio, ut non utique ex aequis partibus socii simus, veluti si alter plus operae aut pecuniae in societatem collaturus erat. ; diese geometrische Proportion fin- det ferner auch beym Kauf Der Kaufschilling wird vermehrt oder vermindert nach dem Maaß und der Guͤte der verkauften Waaren. L. 40. §. 2. D. de contr. emt. vend. L. 4. §. 1. D. de act. emt. vend. - und Mieth - oder Pachtcontract Der Miethzins wird nach dem Verhaͤltnis der Zeit und der geleisteten Dienste, oder gehabten Nutzung be- rechnet, L. 21. L. 30. pr. et §. 1. D. locati cond. L. 15. §. 7. D. eodem. , desgleichen bey Zahlungen L. 8. D. de solut. Illud non eleganter scriptum esse pomponius ait: si par dierum et contractuum causa sit, ex omnibus summis pro portione videri solutum. , bey dem Versprechen einer Brautgabe Der Brautschatz wird nach Verhaͤltnis des Vermoͤgens desjenigen, welcher ihn bestellen muß, und des Standes der Verlobten festgesezt. L. 60. u. L. 69. §. 4. D. de iure dot. , und uͤberhaupt in allen denen Faͤllen statt, wo von der Praͤ- station de Iustitia et Iure. station und Bestimmung einer gewissen Quantitaͤt die Frage ist. Ios. averanius Interpretat. iuris . Lib. III. cap. 6. hat diesen Saz mit sehr vielen Beyspielen bestaͤrkt. . Ich uͤbergehe mehrere Argumente mit Stillschweigen, die man bey andern in den unten an- gefuͤhrten Schriften finden wird Henr. cocceh Disp. de proportionibus . Hei- delberg. 1671. leyser Medit. ad Pandect . Spec. I. med. 3. Io. Ortw. westenberg Digest . h. t. §. 15. sqq. thomasius Disp. de aequitate cerebrina L. 2. C. de resc. vendit. Cap. 2. §. 35. hartleben Me- ditat. ad Pandect . Spec. I. med. 2. Eichmann Er- klaͤrungen des buͤrgerlichen Rechts 1. Th. S. 170. besonders Lud. herrenschneider Diss. de laesionis enormis computatione Part. Poster. Argent. 1785. Cap. I. . Lib. I. Tit. II. de Origine Iuris . D ie Absicht des Kaisers Justinian bey diesem Ti- tel der Pandecten war, denen Rechtslehrern ei- nen Leitfaden in die Haͤnde zu geben, nach welchen sie der rechtsbeflissenen Jugend die Geschichte des roͤmischen Rechts und der Regimentsverfassung des roͤmischen Staats, vortragen, nicht weniger eine Anleitung zur Kenntnis der Litteratur und der roͤmischen Rechtsgelehr- ten geben koͤnnten, weil ohne diese Kenntnisse niemand, der ein Rechtsgelehrter werden will, fortkommen kann. T 4 Der 1. Buch. 2. Tit. Der groͤste Theil dieses Titels ist aus des pomponii libro singulari Enchiridii genommen, wie die Ueber- schrift der L. 2. h. t. zeiget; gehet jedoch nur bis auf die Zeiten Hadrians . Daß die Urtheile der Rechts- gelehrten uͤber das Fragment des Pomponius sehr verschieden sind, ist bekannt, hier aber der Ort nicht, uͤber den Werth oder Unwerth desselben zu urtheilen Ich habe hieruͤber an einem andern Orte mich erklaͤrt. S. meine Opuscula fasc. II. S. 90. und folgg. . Da uͤberdies nach der heutigen Lehrmethode die Rechts- geschichte, und die uͤbrigen in diesem Titel beruͤhrten propaͤdevtischen Wissenschaften der Jurisprudenz nicht mehr bey den Pandecten, sondern in eignen Vorlesungen ge- lehrt zu werden pflegen, auch uͤberdies an Schriften, wodurch die roͤmische Rechts- und Staatsge- schichte ist bearbeitet worden Wir koͤnnen die vorzuͤglichsten Schriften dieser Art in zwey Clessen bringen, einmahl in solche, die eine Erlaͤu- terung des Pomponiussischen Fragments oder der L. 2. D. de O. J. enthalten, unter welchen ausser dem oben schon angefuͤhrten van der muelen , noch besonders ru- perti Animadversiones , Corn. van bynckers- hoek Praetermissa, welche beide in uhlii Opusculis ad Hist. iuris pertinent. stehen, deßgleichen Antonii garro- nis in tit. Dig. de O. l. commentaria Bremae 1631. Ger. cocceii Commentarii Groeningae 1660. und Sim. leewius de origine et progressu iu- risciv. Rom . Lugd. Batav. 1671. zu bemerken. Die andere Classe von Schriften machen diejenigen aus, welche die Ge- schichte des roͤmischen Rechts und roͤmischen Staats vollstaͤndiger vorgetragen haben; zu diesen rechne ich ausser den bekannten classischen Werken eines Chr. God. hoffmann , Io. Sal. brunquell und Io. Gottl. hei- neccius , mit Ritters und Silberrads Noten, vorzuͤg- lich Io. Aug. bach Historia iurispr. romanae Li- , kein Mangel ist, so uͤber- de Origine Iuris. uͤbergehe ich die Contenta dieses Titels, und will statt dessen, nur im allgemeinen von den Quellen der in Teutschland uͤblichen buͤrgerlichen Rechtsge- lahrtheit und deren Gebrauch handeln. Man verstehet darunter die in Teutschland geltende Privat- gesetze, aus welchen die zur buͤrgerlichen Rechtsgelehr- samkeit gehoͤrige rechtliche Grundsaͤtze und Wahrheiten herzuleiten sind. Diese sind nun von zweierley Art: I ) fremde in Teutschland recipirte Gesetze; II ) teutsche, einheimische Gesetze . 1. Abschnitt . von den in Teutschland geltenden fremden Gesetzen, die wir als Quellen der buͤrgerlichen oder Privatrechts- gelehrsamkeit anzusehen haben. A. Vom roͤmischen Rechte. §. 47. Begrif und Eintheilung des roͤmischen Rechts . Ausser dem Mosaischen Rechte , von dessen heutigen Guͤltigkeit schon oben (§. 23). ausfuͤhrlich ist T 5 ge- Lipsiae 1775. und das neueste Werk des D. Thomas be- ver unter dem Titel: The history of the Legal Polity of de Roman State, and of the Rise, progress and extent of the Roman Laws . London 1780. 4. und ins teutsche uͤbersezt unter der Aufschrift: Geschichte des roͤmischen Staats und des roͤmischen Rechts von L. Voͤlkel. Leipzig 1787. 8 Auch sind die Werke eines Fergusons und Gibbon’s uͤber den Fortgang und Verfall der roͤm. Republic fuͤr Rechtsgelehrten von grosem Nutzen. 1. Buch. 2. Tit. gehandelt worden, verdient unter denen in Teutschland recipirten fremden Rechten nun vorzuͤglich das roͤmische unsere ganze Aufmerksamkeit. Unter dem roͤmischen Rechte verstehet man in der weitlaͤuftigern Bedeutung den Inbegrif aller und jeder Gesetze, welche in dem roͤmischen Staate von dessen Gruͤn- dung an, bis auf den Untergang des griechi- schen Kaiserthums gegolten haben . In der eigentlichen Bedeutung aber wird darunter das Justi- nianeische Recht, oder der Inbegrif der zur Zeit des K. Justinian in dem roͤmisch-grie- chischen Kaiserthum guͤltig gewesenen Rechte , welche in dem Corpore iuris civilis enthalten sind, verstanden . Nimmt man es nach dem obi- gen generellen Begrif, so enthaͤlt solches drey verschie- dene Theile. A ) das Antejustinianeische , B ) das Justinianeische und C ) das Postiustinianeische Roͤmische Recht . §. 48. Ueberbleibsel des Antejustinianeischen Roͤm. Rechts . Soviel zuerst die vor Justinian gegoltene roͤm. Rechte anbetrift, insofern sie der Kaiser nicht in seine Gesezsammlung aufgenommen Hierbey verdienen vorzuͤglich Just. Henning Boͤhmers Gedanken von denen verlohrnen alten roͤmi- schen Gesetzen und Rechtsbuͤchern, wie auch von den grossen Bemuͤhungen der Gelehrten, sol- che wiederherzustellen , in Schotts iurist. Wochen- blatt 3. Jahrgang 1774. N. XXVIII. S. 497 ‒ 534. nachgesehen zu werden. ; so gehoͤren dahin: I ) Die Ueberbleibsel der Koͤniglichen Ge- setze . ( Aut. §. 47 u. 48.) Die Roͤm. Koͤnige sind Ur- heber de Origine Iuris. heber dieser Gesetze, und durch die Stimmen des roͤmischen Volks wurden sie auf den comitiis curiatis bestaͤttiget. C. Papirius , dem als Pontifex Maximus die Sorge fuͤr die Erhaltung der Gesetze von Amtswegen oblag, brach- te sie nach Vertreibung der Koͤnige in eine vollstaͤndige Sammlung, welche theils zur Ehre ihres Verfassers, theils weil sie das damals geltende schriftliche Civilrecht der Roͤmer enthielt, ius civile Papirianum genennet wur- de. Eben dieser Mann hatte auch schon vorher die Tafeln, worauf Ancus Marcius die geistlichen Gesetze des Koͤnigs Numa aufzeichnen, und zur allgemeinen No- tiz ein Foro aufstellen lassen, weil sie durch die Laͤnge der Zeit veraltert und verdorben waren, wieder herge- stellet Auf diese Art sind die Nachrichten des Pomponius L. 2. §. 2. und §. 36. D. de O. l. und des Dionysius von Ha- liearnassus Antiquit. Rom. Lib. III. p. 178. nach der Sylburg. Ausgabe mit einander zu vereinigen. . Daher der gemeine Irrthum entstanden, als ob nur allein die geistlichen Gesetze des Numa von Papirius gesammlet worden waͤren, welchen ich an ei- nem andern Orte widerlegt habe S. meine Abhandlung de iure civili papiriano . Opusculor. fasc. II. . Fragmenta le- gum regiarum et iuris papiriani findet man mit einer Erlaͤuterung beym Hoffmann Tom. II. Historiae iuris. S. 1‒64. II ) Die Fragmente der zwoͤlf Tafelge- setze (Autor §. 49.) Sie wurden von zehen dazu ver- ordneten Maͤnnern, die man aus den vornehmsten Glie- dern des Senats erwaͤhlet hatte, hauptsaͤchlich aus grie- chischen deshalb eingeholten Gesetzen verfasset, und im Jahr der Erbauung Roms 306. unter dem Consulat des L. Valerius und M. Horatius auf 12. eher- nen 1. Buch. 2. Tit. nen Tafeln bekannt gemacht. Jacob Gothofredus Fontes quatuor iuris civ . Genevae 1653. Lib. I. hat diese Ueberbleibsel am besten restituirt; und der Etatsrath und Professor bouchaud zu Paris hat sie am vollstaͤndigsten erlaͤutert Commentaire sur la Loi des douze Tables . Paris 1787. gr. 4. . III ) Die Ueberreste einzelner roͤmischer Gesetze. Z. B. des Legis Mamiliae finium regundo- rum Car. saxii Disp. ad Legem Mamiliam finium regundorum . Traj. ad Rhen. 1779. , Legis Voconiae Iac. perizonius Diss. de Lege Voconia, femi- narumque apud veteres hereditatibus . in Triade ab heineccio edita. Halae 1722. 4. , Legis Aeliae Sentiae Die Wiederherstellung dieses Gesetzes haben wir dem beruͤhmten Heineccius zu danken. Man findet es in Desselben Antiquit. Rom . Lib. I. Tit. VI. §. 12. , Legis Iuliae et Papiae Poppaeae Nach Iac. gothofredus hat dieses wichtige Gesez am vollstaͤndigsten Io. Gottl. heineccius in Comment. ad Legem Iuliam et Pap. Poppaeam . Amstel. 1731. 4. restituirt. u. d. m. welche durch die ruͤhmlichen Bemuͤhungen verschiedener Rechts- gelehrten, so viel moͤglich gewesen, wiederhergestellet worden sind S. Ant. augustini de Legibus et Senatus. consultis liber. adiunctis Legum antiqua. rum et SCtorum fragmentis, cum notis fulvii vrsini Parisiis 1584. fol. . IV ) Die Bruchstuͤcke von dem Edicto Per- petuo. ( Aut. §. 65.) Salvius Julianus verfer- tigte diese Sammlung auf Befehl Kr. Hadrians aus den brauchbarsten Edicten der roͤm. Magistratspersoh- nen, de Origine Iuris. nen, vornehmlich der Praͤtoren. Sie wurde im Jahr der Erb. Roms 885. bekannt gemacht. Was davon auf unsere Zeiten gekommen, hat nach Ranchinus, Gothofredus und Noodt, am besten Hoffmann Tom. II. Hist. iuris Rom. N. IV. S. 305—360. resti- tuirt; der Commentar des Heineccius in Opusculis po- stumis ist nicht vollstaͤndig. V ) Die Fragmente der alten roͤmischen Juristen, welche ausser unsern Corpore iu- ris civ. sind aufbehalten worden . Dahin ge- hoͤren caii Institutionum libri II. ivlii pavli Sen- tentiarum Receptarum libri V. Tituli ex corpore vlpia- ni xxix . Mosaicarum et Romanarum Legum collatio. modestini Regularum fragmentum unicum; Fragmen- tum veteris ICti de iuris speciebus et manumissionibus. Consultatio veteris ICti de pactis ; und papiani respon- sorum liber. Alle diese Ueberbleibsel hat Anton Schulting in Iurisprudentia veteri anteiu- stinianea . Lugduni Batavor. 1717. 4. und cum praefatione Ge. Henr. ayrer Lipsiae 1737. gesamm- let, und mit seinen eignen sowohl als anderer Rechtsge- lehrten Anmerkungen vortreflich erlaͤutert. Hierbey ist noch zu bemerken, daß auch Ger. meermann den Cajus mit seinen critischen Anmerkungen, den Paulus und Ulpianus aber mit den Noten des Peter Faber Tom. VII. Thesauri iur. civ. et canon. Desgleichen Herm. cannegieter die Collationem Leg. Mosaic. et Rom. Lugd. Bat. 1765. 4. auch Io. cannegieter den Ulpianum und die eben gedachte Collationem mit seinen Commentarien Lugd. Bat. 1768. 4. endlich Io. Christ. amadvtivs das sogenannte responsum Papiani aus einer Ottobonianischen Handschrifft vollstaͤndiger Rom . 1767. Fol. ediret haben. VI ) Die 1. Buch. 2. Tit. VI ) Die Ueberbleibsel von dem Gregoria- nischen und Hermogenianischen Codex . Beide Sammlungen enthalten Verordnungen der roͤmischen Kaiser vor Constantin, sind iedoch wahrscheinlich erst un- ter diesem Kaiser, und zwar die erstere vom Grego- rius, welcher im Jahr Christi 336. Praefectus Prae- torio gewesen, die andere aber von dem roͤmischen Juri- sten Hermogenian, vielleicht als Supplement der er- stern, verfertiget worden S. Christ. Frid. pohl de codicibus Gregoria- no atque Hermogeniano Commentat histori- ca . Lipsiae 1777. . ( Aut. §. 63.) Am voll- staͤndigsten hat die Fragmenta codicis Gregoriani et Hermogeniani Anton Schulting in iurisprud. vet. anteiustin. S. 683 — 718. edirt, und mit seinen An- merkungen erlaͤutert. VII ) Die Fragmente des Theodosiani- schen Codex . Sie enthalten blos Verordnungen christlicher Kaiser von Constantin bis Theodo- sius II. in sechzehen Buͤchern. Die ganze Samm- lung machte Theodosius im Jahr Christi 438. be- kannt. (Auct. §. 64.) Nach Sichard, Tilius und Cujacius hat Iac. gothofredus die Fragmente dieses Codex am besten und vollstaͤndigsten ediret, und sie mit einem vortreflichen Commentar versehen. Die- ses unschaͤzbare Werk kam erst nach dem Tode des Gothofredus dnrch die Besorgung des Anton Marvilius zu Lyon 1665. in 6. Folianten heraus. Die neueste und beste Ausgabe ist jedoch diejenige, welche mit Joh. Daniel Ritters herrlichen Zusaͤtzen zu Leipzig in den Jahren 1736 — 1745. erschienen ist. Endlich VIII ) Die De Origine Iuris. VIII ) Die Novellen (neue Verordnungen) der roͤmischen Kaiser vor Justinian, die sie noch nach dem Theodosianischen Codex in den Jahren 439. bis 468. promulgirt haben. Joh. Daniel Ritter hat sie unter dem Titel: No- vellae Constitutiones Imperatorum Iustiniano anterio- rum, Theodosii, Valentiniani, Martiani, Maioriani, Severi, Leonis et Anthemii, dem 6ten Theil seiner Ausgabe des Theodosianischen Codex beygefuͤgt, und mit einem treflichen Commentar begleitet. Die ganze Sammlung ist in fuͤnf Buͤcher abgetheilt. Ausserdem haben Anton Zirardini, Faenza 1766. 8. und Joh. Christian Amaduzzi, Rom 1767. Folio aus einer Ottobonianischen Handschrift annoch fuͤnf Verordnungen der Kaiser Theodosius II. und Valenti- nian III. mit weitlaͤuftigen und sehr gelehrten Erklaͤ- rungen herausgegeben, welche vorher nirgends gedruckt waren Das Werk des Antonii zirardini hat folgenden Ti- tel: Imperatorum Theodosii iunioris et Valentiniani III. Novellae Leges, caeteris anteiustinianeis, quae in Lipsiensi anni 1745. vel in anterioribus editionibus vulgatae sunt, addendae. Faventiae 1766. gr. 8. Der Titul von dem Werk des amadutius aber ist dieser: Leges Novellae V. anecdotae Impp. Theodosii iunioris et Valentiniani III. cum caeterarum etiam Novellarum editarum titulis Ro- mae 1767. fol. . §. 49. Heutiger Gebrauch derselben. Alle diese bisher gedachten Reliquien des antejusti- nianeischen roͤmischen Rechts haben nun zwar heutiges Tages keinen gerichtlichen Gebrauch mehr, weil nur das justinianeische Recht in Teutschland recipirt ist, und 1. Buch. 2. Tit. und uͤberdies K. Justinian jene aͤltere Rechtsbuͤcher cassirt, ja deren Gebrauch in denen Gerichten ver- boten hat S. Constitut. iustiniani de confirmat. Digestor. ad Senatum et omnes populos §. 19. . Allein deßwegen duͤrfen wir sie kei- nesweges verachten, noch die Bemuͤhungen jener grosen Rechtsgelehrten fuͤr vergeblich halten, die sich um die Wiederherstellung derselben verdient gemacht haben; weil sie zum gruͤndlichen Studium des roͤmischen Rechts in mehr als einer Ruͤcksicht unentbehrlich sind. Denn ein- mahl lernt man aus ienen Fragmenten das alte roͤmische Recht kennen, welches Justinian aufgehoben, und oͤf- ters nur mit kurzen Worten erwaͤhnet hat; nun wird man sich keinen deutlichen und vollkommenen Begrif vom nenern roͤmischen Recht machen koͤnnen, wenn man sich nicht erst vorhero mit dem aͤltern Rechte gehoͤrig be- kannt gemacht hat. Ja man wird es oft gewahr wer- den, daß Justinian durch Aufhebung des vor seinen Zeiten uͤblich gewesenen Rechts, so durch die aͤltern roͤm. Kaiser eingefuͤhret worden, zuweilen das weit aͤltere Recht, welches zur Zeit der freyen Republic gegolten, wieder hergestellet habe, wie solches aus dem Titel des Codex de caducis tollendis und mehreren anderen Materien zu er- sehen ist. Sodann lassen sich die aus den Schriften der roͤmischen Juristen zusammengetragene Pandecten des Justinians ohne jene aͤltere Quellen schlechterdings nicht verstehen, weil unzaͤhlige Stellen in denselben sich auf iene aͤltern roͤmischen Gesetze beziehen, und eine Er- laͤuterung derselben enthalten. Ferner sind viele Gesetze sowohl in denen Pandecten als im Codex verstuͤmmelt, aus ihrem Zusammenhange gerissen, und durch die Com- pilatoren interpolirt und veraͤndert worden, welche aus den obenerwaͤhnten Ueberbleibseln des antejust. roͤmischen Rechts ergaͤnzt und wiederhergestellet werden koͤnnen. Denn de Origine Iuris. Denn aus der Vergleichung derselben kann man erse- hen, wie die Worte der Gesetze urspruͤnglich gelautet, und was darinn der Kaiser nach dem Zustande seiner Zeiten aͤndern oder einschalten lassen; dergleichen Aende- rungen in den Worten der Gesetze, wie bekannt, Em- blemata Triboniani genennet werden Man sehe hier vorzuͤglich nach eckhardi Herme- nevt. iuris Lib. I. cap. VI. §. 262. und folg. und Walch in den Anmerkungen S. 477 ‒ 490. wo man von den oben gedachten Fragmentis iuris anteiustinianei eine sehr vollstaͤndige Nachricht finden wird. . Auch viele durch fehlerhaftes Abschreiben und Abdrucken unserer Ju- stinianeischen Gesetzbuͤcher entstandene Verfaͤlschungen der Gesetze lassen sich aus ienen alten Ueberbleibseln berichti- gen, und d. m. Man siehet also hieraus, wie wenig man die Kenntnis des alten roͤmischen Rechts und das Studium der Quellen desselben entbehren kann, wenn man das Justinianeische Recht gruͤndlich be- arbeiten will, und wie vielen Dank man denenjenigen unsterblichen Rechtsgelehrten schuldig ist, die sich um die Wiederherstellung, Sammlung und Erlaͤuterung obiger Fragmente des Anteiustinianeischen Rechts so ruͤhmlich bemuͤhet haben Ich darf hier den bekannten Thesaurum iuris Romani des Ev. ottonis , und den Novum the- saurum iuris civilis et canonici des Ger. meermanni nicht uuberuͤhrt lassen, in welchen beiden Werken man alle zur Erklaͤrung des aͤlteren roͤm. Rechts dien- liche Schriften der elegantesten Rechtsgelehrten zusammen- getragen findet, welche einzeln sehr selten geworden sind. Diesen kann ich auch noch beyfuͤgen die Iurispruden- tiam Romanam et Atticam deren 1. und 2. Theil cum . §. 50. Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. U 1. Buch. 2. Tit. §. 50. Von dem Justinianeischen Rechte oder Corpore iuris civilis, dessen Begrif und Theilen uͤberhaupt. Den zweiten Haupttheil des roͤmischen Rechts macht das Justmianeische Recht aus, welches die im Cor- pore iuris ciuilis enthaltene, und zur Zeit des Kaisers Justinian in den roͤmisch-griechischen Kaiserthum guͤl- tig gewesenen Rechte in sich begreift. Zu diesem Justi- nianeischen Rechte gehoͤren also theils dieienigen Samm- lungen der roͤmischen Gesetze, welche auf Befehl des Kaisers Justinian vom Tribonian und seinen Ge- huͤlfen sind verfertiger worden, nehmlich die Institu- tionen, Pandecten , und der Codex ; theils die denenselben bengefuͤgte eigene Verordnungen dieses Kai- sers, als die Novellen und die sogenannten 13 Edic- te des K. Justinian . Den Inbegrif dieser verschie- denen Sammlungen des Justinianeischen Rechts nennet man corpvs ivris civilis ; nelcher Nahme weder vom Justinian noch von denen so genannten Glossatoren des roͤmischen Rechts herruͤhrt, sondern erst in neuern Zeiten entstanden ist, als man anfing, die Justinianeischen Ge- sezsammlungen zusammenzudrucken, die man anfangs nur einzeln und besonders zu ediren pflegte. Dionysius Gothofredus, der sich durch seine Ausgaben des roͤmischen Rechtskoͤrpers bekannt genug gemacht hat, soll den Nahmen Corpus iuris civilis zuerst gebraucht haben; er edirte unter dieser Aufschrift die Justi- nianeischen Gesetzsammlungen zu Lyon 1583. 4. S. des Herrn Canzlers koch Diss. de ordine Legum in Pandectis . Giessae 1784. §. 1. Not. b. . Wir cum praefatione Io. Gottl. heineccii Leyden 1738. und 1739. fol: Der dritte aber cum praefat. Pet. wesse- lingii 1741. herausgekommen ist. de Origine Iuris. Wir wollen ietzt von den einzelnen Theilen des Justi- nianeischen Rechts noch etwas ausfuͤhrlicher handeln Hiervon handeln auch Joh. Hieron. Hermann Histo- ria corporis iuris Iustinianei, oder historische Nachricht von den Institutionen, Pandecten, Codex und Novellen . Jena 1731. 8. Ad. riccius de librorum iuris romani quantitate et qualitate . Regiomont. 1657. 8. u. Alb. gentilis de libris iuris civ . Hannoviae 1605. 12. . §. 51. Von den Institutionen des K. Justinians. Unter den Haupttheilen des roͤmischen Gesetzbuchs nehmen nun die Institutionen des K. Justinian den ersten Platz ein Sie behaupten jedoch nicht in allen Ausgaden des Cor- poris iuris civ. diesen erstern Platz. Z. B. in der Aus- gabe des L. charondae folgen sie auf die Pandecten, in andern z. E. in der Ausgabe des L. russardi , und des petri ab area baudoza cestii , Lugduni 1593. gr. 4. machen sie den Schluß. . Sie sind zwar erst nach den Pandecten verfertiget worden, aber sie wurden doch eher als die Pandecten, nehmlich am 21. November des Jahrs 533. bekannt gemacht, ob sie gleich erst am 30. December zugleich mit den Pandecten die gesetzliche Bestaͤttigung erhalten haben. ( Autor §. 70.) Die Ver- fasser derselben sind Tribonian , und die beiden Rechts- lehrer Theophilus und Dorotheus . Diesen be- fahl Justinian, die Hauptgrundsaͤtze des aͤltern und neu- ern Roͤm. Rechts zum Unterricht fuͤr die Anfaͤnger ins kurze zu ziehen: ut essent totius legitimae scientiae prima elementa. Sie sind nach dem Muster der In- stitutionen des Cajus in vier Buͤcher und iedes Buch in verschiedene Titel eingetheilt. Ihre Hauptquellen sind U 2 die 1. Buch. 2. Tit. die Institutionen des Cajus, und die Pandecten des K. Justinian, aus denen sie groͤßtentheils excerpirt sind; jedoch finden sich auch hin und wieder Abweichun- gen von denen letztern, welche zuweilen mit Vorsatz gemacht worden, zuweilen aber nur einen Irrthum zum Grunde haben. Es kommt hierauf vieles an, weil im ersten Fall die Institutionen, als ein neueres Recht, in letztern Fall aber die Pandecten, als das Original, vorzuziehen sind S Hoͤpfner Commentar uͤber die Institutio- nen . §. 16. . Ausserdem werden auch in den Institutionen Verordnungen aͤlterer roͤmischer Kaiser, als in den Codex befindlich angefuͤhrt, welche iedoch heuti- ges Tages in demselben nicht anzutreffen sind, z. B. § 7 I. de testam. ordin. §. 27. I. de legatis u. a. m. Man vergleiche deshalb Ioh. God. schaumburg Com- mentar. de constitutionibus Imperatorum antiquis iis speciatim, quae in Institutioni- bus citantur, et in Codice repetitae praelect. omissae sunt . Lemgoviae 1735. 4. Manche neue Verordnung von Justinian findet man auch hier, die man in den uͤbrigen Gesetzbuͤchern dieses Kaisers nirgends weiter antrifft. Z. B. §. 7 — 9. I. de fidei- comm. hereditat. und §. 10. I. de testam ordin. Ue- brigens verdient dieses kleine Werk sowohl wegen der darin herrschenden Methode und Kuͤrze, als wegen sei- nes guten Styls unsere ganze Bewunderung; man findet auch darin eine vortrefliche Anleitung, die roͤmische Rechts- gelahrtheit chronologisch , d. i. nach den mancherley Abwechselungen zu studiren, die sich in den einzelnen Rechtsmaterien zugetragen haben. Unter den Ausga- ben derselben verdienen folgende bemerkt zu werden. I ) Die Haloandrinische . Nuͤrnberg 1529. 8. II ) Die Cujacianische ; und zwar die zwote verbes- serte de Origine Iuris. serte , Paris 1585. Joh. Bernh. Koͤhler hat sie zu Goͤttingen 1773. 8. wieder auflegen lassen. Auch ist sie in den Gebauerischen, und Plittischen Ausga- ben des Corpus iuris civ. aufs neue abgedruckt. End- lich III ) die Ausgabe des Contius , Paris 1560. Die besten Commentare sind 1) Iani a costa Commentarius curante Ioanne van de water nach der neuesten Ausgabe des Io Conr rücker Lugd. Batav. 1744. 4. 2) Everardi ottonis Commen- tariuset notae criticae ad Institut. libros IV. Ultrajecti 1729. und cum praefat. Christoph. Frid. harpprecht . Francof. et Lipsiae 1743. 4. 3) Arnold. vinnii in IV. libros Institution. Commentarius academicus et forensis cum animadversionibus Io. Gottl. Heineccii. Lugd. Batav. 1726, 4. Zu den seltnern gehoͤren balduinus Paris. 1554. fol. hotomannus Basil. 1560. f. und Franc. broeus. Paris 1622. 4. Wir haben auch Ueberse- tzungen von den Institutionen des Justinians beynahe in allen europaͤischen Sprachen. Uns interessiren hier nur folgende. I ) Die griechische Paraphrase des Theo- philus, ehemaligen Rechtslehrers zu Constantinopel. Es ist sehr wahrscheinlich, daß dieser Theophilus eben derselbe sey, dessen Justinian in den Proemium seiner Institu- tionen mit so vielen Lobspruͤchen gedacht hat S. Io. Henr. mylii Theophilus s. de graeca- rum iuris Institutionum, earundemque au- ctoris historia, aetate, auctoritate, fatis, do- tibus, naevis . lib. sing. Lipsiae 1731. 4. Lugd. Batav. 1733. 8. und in der Reitzischen Ausgabe des Theophilus T. II. S. 1033. Desgleichen Ioh. Gottfr. sammet con- iecturae de Theophili vita et Εϱμ ια In- stitutionum Lipsiae, 1750. und in Opust. N. VIII. S. 213. folgg. . Und U 3 eben 1. Buch. 2. Tit. eben so glaublich, daß diese Paraphrase aus den Di- craten des Theophilus uͤber die Institutionen des Ju- stinians erwachsen sey Sehr gruͤndlich hat dieses Wilh. Otto Reitz in der Vorrede zu seiner Ausgabe der Paraphrase §. 46. S. 27. dargethan. ; wenigstens kann man sich nun erklaͤren, woher die mancherley Unrichtigkeiten entstan- den sind, die man in dieser Paraphrase hin und wieder findet. Diese abgerechnet, bleibt die Paraphrase des Theophilus immer ein sehr gutes Huͤlfsmittel zur Er- laͤuterung des lateinischen Textes eckhard hermenevt. iuris Lib. I. cap. VII. §. 294. u. fo a uch walch ad Eundem . . Die beste Aus- gabe ist die, welche Wilh. Otto Reitz mit einer neuen lateinischen Uebersetzung und den Anmerkungen, auch verschiedenen Abhandlungen der elegantesten Civili- sten und seinen eigenen zu Haag 1751. Tomis II. ver- anstaltet hat. II ) Teutsche Uebersetzungen , be- sonders folgende: des K. Justinians vier Buͤcher der Institutionen nach dem angehaͤngten Grundtext, uͤbersetzt von zweien Freunden der Rechtsgelehrsamkeit . (Christ. Fried. Helwing, und Joh. Alb. Herm. Heldmann) Lemgow 1765. 8. §. 52. Von den Pandecten des K. Justinians. Den zweiten Haupttheil des Roͤm. Rechtskoͤrpers machen die Pandecten aus. Justinian ließ sie von sechzehen der gelehrtesten Maͤnner des damahligen Zeit- alters In der Constitut. Iustiniani de confirmatione Digesto- rum ad Senatum §. 9. findet man sie angefuͤhrt. und unter der Direction des Tribonians, sei- nes Hofkanzlers, aus den besten Schriften der aͤltern Roͤm. de Origine Iuris Roͤm. Rechtsgelehrten zusammentragen. Sie enthalten demnach lauter Excerpte aus denenselben, welche nach den Materien unter gewisse Buͤcher und Titel sind ge- bracht worden. Dieses Werk wurde im Monath De- cember des Jahrs 533. bekanntgemacht, und durch zwey Edicte an den Senat und das Volk bestaͤttiget S. Praefat 2. und 3. ad Digesta. . Der Nahme der Sammlung ist bekanntlich Digesta sive Pandectae; Benennungen, welche schon laͤngst vor Ju- stinians Zeiten die alten roͤmischen Juristen ihren Rechts- systemen beylegten. Digesta werden sie von der Ord- nung genennt, in welche die Gesetze gebracht sind: Pan- dectae aber darum, weil sie ein vollstaͤndiger Inbegrif, oder Sammlung alles dessen seyn sollen, was in den Schriften der alten roͤmischen Juristen brauchbares ent- halten war, von παν (alles) und δέχομαι (enthalten, in sich fassen). Ueber die Zahl der Rechtsgelehrten, aus deren Schriften dieses Werk compiliret worden, ist man zwar nicht einig; allein es ist wohl richtig, daß ihrer vierzig gewesen seyn. Ihre Nahmen, mit welchen die Ueberschriften der einzelnen Legum in den Pandecten bezeichnet sind, sind folgende: Aelius Gallus, Caͤci- lius Africanus, P. Alfenus Barus, P. Furius Anthianus, Aurelius Arcadius Charisius, T. Cajus, Callistratus , P. Juventius Celsus, Q. Cervidius Scaͤvola, Claudius Saturninus, Flo- rentinus, J. Gallus Aquila, Claudius Hermo- genianus, Javolenus Priscus, Salvius Julia- nus , M. Antistius Labeo , Aemilius Macer , L. Vo- lusius Maͤcianus , Ulpius Marcellus , Aemilius Marcianus , Junius Mauricianus , Rutilius Ma- ximus , Arrius Menander , Herennius Modesti- nus, Q. Mucius Scaͤvola, Neratius Priscus, Aemilius Papinianus, Papirius Justus, Julius U 4 Pau- 1. Buch. 2. Tit. Paulus, S. Pomponius , Sempronius Procu- lus , Licinius Rufinus , Masurius Sabinus, Ta- runtenus Paternus, Terentius Clemens, Q. Septi- mius Florens Tertullianus , Claudius Tryphoni- nus , Aburnus Valens, Q. Venulejus Saturni- nus, und Domitius Ulpianus . Man findet in der Florentinischen Handschrift der Pandecten ein Verzeich- nis dieser Rechtsgelehrten und ihrer Schriften vorge- sezt, welches aber sehr unvollstaͤndig und uͤberdies auf eine Art abgefaßt ist, die es sehr unglaublich macht, daß es eben dasjenige sey, was auf Befehl Justini- ans L. 3. §. 10. C. de Vet. iure enucleando. bey der Verfertigung der Pandecten vorgesezt werden muͤssen Io. Aug. kettembeil Index Pandectorum flo- rentinus barbariei e medio aevo ad nos transmissae απορρος . Francohus. 1755. 4. . Vollstaͤndiger sind die Verzeich- nisse in des Abraham Wielings Iurisprudentia resti- tuta. Uebrigens ist das ganze Werk in sieben Theile und funfzig Buͤcher, iedes Buch in seine Titel, und je- der Titel wieder in einzelne Abschnitte, welche insge- mein Leges, von andern aber capita oder Fragmenta genennt zu werden pflegen, abgetheilt. Die ersten vier Buͤcher der Pandecten, welche den ersten Theil dersel- ben ausmachen, werden vom Justinian Πρῶτα, der mittlere oder vierte Theil aber, welcher vom 20ten bis zum 27ten Buch gehet, media totius operis, μέσον τȣ͂ παντος, auch umbilicus Pandectarum genennt Constitut . de confirmat. Digestor. ad Senatum et omnes Populos. §. 2. sqq. und L. 2. §. 5. L. 3. §. 4. C. de V. I. E. . Die alten Glossatoren haben noch uͤberdies die Pande- cten in drey Theile, in das digestum vetus, infortia- tum und novum eingetheilt. Das digestum vetus ge- het de Origine Iuris. het bis auf den zweiten Titel des vier und zwanzigsten Buchs de divortiis et repudiis, das infortiatum, oder der mittlere Theil, erstreckt sich vom 3ten Titel des 24ten Buchs bis ans Ende des 38ten Buchs. No- vum endlich gehet vom 1ten Titel des 39ten Buchs de novi operis nunciatione bis ans Ende der Pandecten. Ueber die Erklaͤrung dieser Benennungen ist man nicht einig, anstatt mich jedoch hierbey aufzuhalten, will ich die Worte eines Johann Corasius hierher setzen, wel- cher an einem gewissen Ort seiner Epistolicarum Quac- stionum Lib. I. cap. 22. ganz richtig sagt: istiusmodi disputationem cervicosis relinquendam, nec in talibus infrugiferis quaestionibus vel tantillum operae ponendum esse. Um jedoch wieder auf die sogenannten Leges unserer Pandecten zu kommen, so finden sich in denenselben nicht selten merkliche Widerspruͤche, wenn auch gleich Justi- nian diesen Vorwurf durchaus nicht gelten lassen will Constitut. de confirmat. Digeftor. §. 15. Contrarium autem aliquid in hoc Codice (Pandectarum) positum nullum sibi locum vindicabit etc. . Man vergleiche nur L. 16. §. 3. und L. 22. §. 5. D. de lib. causa mit L. 17. D. eodem S. püttmann Probabil. iuris civ. lib. sing. Cap. V. §. 12. . Ferner L. 15. D. de testib. mit L. 20. §. 5. D. Qui testam. fac. poss. Meine Opuscula Fasc. I. S. 143. . Desgleichen L. 68. §. 3. D. de legat. 1. mit L. 65. § 2. D. de legat. 2. püttmann Interpretat. et Observat. cap. XXI. Vergeblich hat sich Io. Conr. rücker Interpretat. Lib. II. c. 4. bemuͤhet, diese Stellen mit einander zu con- ciliiren. So wird man sich hiervon genugsam uͤberzeugen koͤnnen. Die natuͤr- U 5 liche 1. Buch. 2. Tit. liche Ursache dieser Antinomien ist, weil die Pandecten aus den Schriften sehr verschiedener Rechtsgelehrten sind compiliret worden, welche in ihren Grundsaͤtzen und Rechtsmeinungen oft sehr von einander abgiengen; die Verfasser der Pandecten aber ihre Excerpte aus zu groser Eilfertigkeit nicht sorgfaͤltig genug mit einander verglichen haben. Solche wahre Widerspruͤche, da ei- nerley Rechtsfall unter einerley Umstaͤnden von gleich- zeitigen Rechtsgelehrten auf eine ganz verschiedene Art ist entschieden worden, conciliiren zu wollen, wuͤrde ei- ne ganz vergebliche Muͤhe seyn. Wie sollen wir uns also dabey verhalten? — Man befolge diejenige Meinung, welche mit der Rechtsanalogie und Billigkeit am meisten uͤbereinstimmt, und, wo dieses nicht auszumachen stehet, nehme man seine Zuflucht zur hoͤchsten Entscheidung des Landesherrn hofacker Princip. Tom. I. §. 42. in fine. S. 33. . Man sey jedoch hierbey behutsam und verwechsele nie scheinbare mit wahren Wider- spruͤchen. Bey vorkommenden Antinomien untersuche man daher vor allen Dingen, ob auch die Leseart richtig sey ; denn zuweilen ruͤhrt ein Widerspruch in den Gesetzen unserer Pandecten blos von einer fehler- haften Leseart her. Ein Beispiel giebt L. 34. §. 4. D. de iureiur. welche zwar dem L. 8. §. 5. D. qui satisd. cog. und L. 7. §. 3. D. de obsequ. parent. et patron. praest. entgegen ist, allein nur darum, weil die mei- sten Ausgaben der Pandecten eine falsche Leseart ent- halten, denn ließt man mit Haloander und den Ba- siliken : hoc iusiurandum de calumnia aeque patro- no et parentibus remittitur, so verschwinder aller Wi- derspruch eckhard Hermenevt. iuris. Lib. I. cap. VII. §. 283. und walch ad Eundem. . Ist aber der Text an sich richtig, so zer- de Origine Iuris. zer gliedere man ferner die in denen sich ent- gegen zu seyn scheinenden Gesetzen enthal- tene Faͤlle, und untersuche also den Inhalt dieser Gesetze. Denn oft wird man finden, daß es wahr sey, was Justinian in Praefat. II. seiner Pan- decten §. 15. sagt, nehmlich, daß der anscheinende Widerspruch verschwinden werde, si quis subtili animo diversitatis rationes excutiet. Zum Beispiel koͤnnen die L. 41. D. de pignerat. action. und L. 22. D. de pignorib. et byp. S. sammet Quaestiones forenses. Quaest. 3. in Opusc. S. 254. und folgg. ferner L. ult. D. de condict. caus. data caus. non. sec. und L. 5. §. 1. D. de prae- script. verb. Io. van neck in Diss. ad hanc. L. ult. cap. 2. in oelrichs Thes. novo Dissertat. Belgicar. Tom. II. Vol. 2. S. 394. dienen, deren Widerspruch auf solche Art gar leicht gehoben werden kann, wie ich zu seiner Zeit darthun werde. Sollte sich nun gleichwohl fin- den, daß einerley Rechtsfall in beiden vorliegenden Ge- setzen enthalten waͤre, so untersuche man das Zeit- alter der dissentirenden Juristen, und halte sich an die Regel : ius tempore posterius potius est iuri anteriori. Denn mit Recht haben Heinec- cius Commentar. ad L. Iul. et Pap. Popp. Lib. III. cap. 5. S. 401. , Brenkmann de Legum inscriptionibus. §. 22. , und andere schon ange- merkt, daß sich unter Rechtsgelehrten von verschiedenen Zeitaltern kein wahrer Widerspruch gedenken lasse. Ein treffendes Beispiel geben uns die L. 17. D. de duob. reis. L. 54. §. ult. und L. 124. D. de legat. 1. wo- selbst die Meinung des Paulus in L. 17. als eines spaͤtern Rechtsgelehrten der Meinung der andern beiden aͤltern 1. Buch. 2. Tit. aͤltern Juristen, des Neratius und Pomponius aller- dings vorgezogen werden muß S. püttmann Probabil. iuris civ. Lib. II. c. 3. pag. 25. sqq. . Hieraus aber erhel- let auch zugleich, wie nothwendig es sey, die Chronolo- gie der roͤmischen Rechtsgelehrten zu studieren Ausser des schon oben angefuͤhrten mercerii Conci- liator fuͤhre ich hier nur noch an Ios. Mar. schneidt Dissert. sistens artem conciliandi leges in sy- stema redactam. Wirceb. 1776. Die uͤbrige hierher gehoͤrige Schriften findet man in lipenius und Supple- ment. schottii v. Antinomia. Ich bemerke uͤbrigens noch dieses, daß sich Dionys Gothofredus in seinen Ausgaben der Pandecten ein vorzuͤglichs Verdienst ge- macht, die widersprechenden Gesetze an jedem Orte an- zufuͤhren. . Von den Gesetzen der Pandecten muß ich hier noch ferner anmerken, daß einige derselben urspruͤnglich in griechischer Sprache abgefaßt gewesen, welche jedoch in denen gemeinen Ausgaben der Pandecten ins Latei- nische uͤbersezt, groͤstentheils mit Hinweglassung des griechischen Textes, angetroffen werden. Hierher gehoͤ- ren z. B. die aus des herennii modestini libris sex Excusationum excerpirte Stellen. Man ist nicht einig, wer der lateinische Interpres sey; indem einige den bulgarus, andere einen gewissen Pisanischen Rechtsgelehrten mit Nahmen burgundio, oder, wie ihn andere nennen, burgundius, noch andere den gandinus oder bandinus, auch einen Pisaner, dafuͤr halten wollen. Es mag jedoch derselbe seyn, wer er will, so ist soviel gewiß, daß seine Uebersetzung zum Theil sehr schlecht gerathen, und oft den wahren Sinn des roͤmischen Juristen nicht ausdruͤckt, wie ein neuerer beruͤhm- De Origine Iuris. beruͤhmter Pisanischer Jurist mit vielen Beispielen er- wiesen hat Leop. Andr. guadagni de Florentino codice, omnium quae extant Pandectarum exemplo- rum parente disquisitio, ex edit. walchii Ienae 1755. 8. cap. XIX. . Endlich findet man heutiges Tages auch verschie- dene Gesetze in unsern Pandecten, welche in den Hand- schriften der Glossatoren gefehlet, und erst in neuern Zeiten von Jacob Cujacius , und Anton Contius aus denen Basiliken des Kaisers Leo wieder hergestel- let worden sind. Hierher gehoͤren z. B. aus dem Ti- tel de bonis damnatorum §. 5. ja schon einige der lez- tern Worte von §. 4. des L. 7. ferner L. 8. bis 11. eben dieses Titels; desgleichen aus dem Titel de inter- dictis et relegatis L. 10 ‒ 19. Dionysius Gotho- fredus hat diese Leges restitutas durch Cursiv Schrift zu unterscheiden gesucht, sie haben auch keine vollstaͤndi- ge Inscription, sondern nur den Nahmen des Rechts- gelehrten. Sie gelten aber nicht in Praxi, weil sie nicht glossirt sind. Ich komme nun auf die Ausgaben der Pande- cten. Diese theilt man gewoͤhnlich ein in die Floren- tinische, Haloandrinische und Gemeine . Die Flo- rentinische nennt man diejenige Ausgabe, welche von der vortreflichen Handschrift der Pandecten, die zu den Zeiten der alten Glossatoren in den Haͤnden der Pisa- ner war, jezt aber zu Florenz als eine Seltenheit aufbewahret wird Von der Florentinischen Handschrift der Pandecten sehe man eckhard in Hermenevt. iuris Lib. I. c. 2. §. 68. undf olgenden auch walch ad Eundem. , abgedruckt, und durch Franz Taurellius zu Florenz im Jahr 1553. in Folio ist ediret 1. Buch. 2. Tit. ediret worden. Die Haloandrinische Ausgabe hat ihren Nahmen von Gregorius Haloander , der die Pandecten auf Kosten des Nuͤrnberger Stadtmagistrats im Jahr 1529. zu Nuͤrnberg in Quart herausgege- ben hat. Sie wird deßhalb auch editio Norica genennt. Unter der vulgata endlich begreift man alle diejenigen Ausgaben der Pandecten, welche theils von solchen Handschriften sind abgedruckt worden, deren sich die al- ten Glossatoren bedient haben, theils eine Leseart ent- halten, worin die meisten Handschriften und Ausgaben der Pandecten mit einander uͤbereinstimmen D. Meurers iuristische Beobachtungen. 1. Samm- lung N. VII. S. 191. und folg. Io. Conr. rücker in Praefat. eius Interpretat et Observat. praemissa pag. 3. . Daß jedoch diese Eintheilung sehr unrichtig sey, indem es weit mehrere, auch gemischte Ausgaben giebt, die aus der Vergleichung der florentinischen, haloandrinischen und gemeinen Leseart entstanden sind, wie z. B. die Ausga- be des Ludovici miraei Paris 1552. und 1553., haben auch schon Andere bemerkt S. brunquell Histor. Iuris. P. II. cap. V. . Die vorzuͤglich- sten Ausgaben habe ich bereits oben angefuͤhrt (S. 237. Note 17.). Da die Gothofredischen Ausgaben vom Corpore iuris civilis die gewoͤhnlichsten sind, die auch am oͤftersten in- und ausserhalb Teutschland in al- len Formaten, Folio, Quart und Octav sind nachge- druckt worden, mithin in den Haͤnden der meisten Rechts- gelehrten sich befinden, so ist es noͤthig, von diesen Ausgaben der Pandecten verschiedenes zu bemer- ken. Der Text ist ziemlich fehlerhaft abgedruckt. Hauptsaͤchlich richtete sich zwar Gothofredus nach den florentinischen Text, allein unlaͤugbar ist es, dsß er den- selben nicht rein geliefert, sondern bald der Vulgate, bald der Haloandrinischen Lection gefolgt sey. Der un- ver- de Origine Iuris. verzeihlichste Fehler des Gothofreds ist jedoch dieser, daß er das, was Taurell und die folgenden Editoren mit verschiedenen Zeichen bemerkt haben, meist ohne allen Unterschied in Haken eingeschlossen hat; so daß man aus seinen Ausgaben nicht sehen kann, warum etwas auf eine gewisse Weise bezeichnet worden, sondern deswegen immer die Taurellische Ausgabe zu Huͤlfe nehmen muß Es ist der Muͤhe werth, hier etwas weniges von den Zeichen des Taurells und der uͤbrigen Editoren, deren sie sich in ihren Ausgaben der Pandecten bedienet haben, zu bemerken. Taurell hat deren fuͤnf. Das erste ** bedeutet, daß die damit bezeichneten Worte nicht im Text der Florentinischen Handschrift gestanden, sondern demsel- ben hernach durch einen alten Abschreiber beygefuͤget wor- den. Das andere ► gebraucht Taurell , wenn ihm et- was uͤberfluͤssig im Text zu seyn geschienen; das dritte () zeigt an, daß etwas in der Florentinischen Hand- schrift nicht stehe, sondern vom Taurell , um einen voll- kommenen Verstand herauszubringen, inseriret worden; das vierte *) deutet Worte und Stellen an, die ihm verdaͤchtig oder von der roͤmischen Schreibart abzuwei- chen gedeucht haben; das fuͤnfte endlich † druͤckt zwey verschiedene Lesearten aus, davon Taurell die erstere in den Text gebracht, die andere aber mit jenen Zeichen am Rande angemerkt hat. In der Praͤfation seiner Aus- gabe hat Taurell alle diese Charactere selbst erklaͤrt. Russard bedient sich noch eines andern Zeichens, ∥ ∥, und will damit andeuten, daß dasjenige, was er mit den- selben eingeschlossen, in der florentinischen Handschrift so wenig, . Man darf daher nicht glauben, daß irgend ein Wort deswegen verdaͤchtig sey, weil es in einer Gothofredi- schen Ausgabe in Haken oder halbe Zirkel eingeschlossen angetroffen wird. Die beste und auch wohl dem Dru- cke nach die schoͤnste und praͤchtigste Ausgabe unter den Gothofredischen ist ohnstreitig diejenige, welche Simon van 1. Buch. 2. Tit. van Leeuwen 1663. zu Amsterdam veranstaltet hat. Sie enthaͤlt den Gothofredischen Text, nur hin und wieder verbessert, daß aber die Pandecten ganz nach der florentinischen Handschrift hier waͤren geliefert worden, wie der Herausgeber versprochen, ist eine Un- wahrheit. Mit Verwechselung der Zeichen sind auch in dieser Ausgabe eben die Fehler begangen worden, die wir oben an Gothofred geruͤgt haben. Simon van Leeuwen liefert ausser den Gothofredischen An- merkungen noch viele andere von Augustin, Go- vean, Faconius, Bellonius, Contius, Raͤ- vard, Robert, Alciat, Hotmann, Charon- das, Cujaz, Leoninus, Salmasius und Gro- tius. wenig, als in andern Exemplaren der Pandecten zu be- finden sey. Ob ihn nun gleich Ludov. charondas und Iul. pacius hierin blindlings gefolgt sind, so haben doch Bynkershoͤk ad L. lecta c. 11. und Brenkmann Histor. Pandectar. S. 92. erinnert, daß jene Angabe des Rus- sards eine aller Welt vor Augen liegende Unwahrheit sey, indem vieles, was Russard mit seiner Note ∥ ∥ befan- gen, sowohl in der Florentina als Haloandrina befind- lich ist, wie einem Jeden, der diese Ausgaben mit ein- ander zu vergleichen sich die Muͤhe geben will, in die Augen fallen wird. Dionysius Gothofredus bedient sich nicht nur des Russardinischen Zeichens, sondern auch noch anderer, als () [] * † ohne daß man aus seinen Ausgaben sehen kann, warum er etwas auf solche Art marquiret hat, wodurch viele Verwirrung im Text ist an- gerichtet worden. Man sehe vorzuͤglich die gelehrte Ab- handlung Christ. Ulr. Grupens : wie die Pandecten von den verworrenen notis characteristicis Editorum, und insonderheit von der men- dacissima nota russardi und Dionys. gothofredi ∥ ∥ zu saͤubern, und zum Theil zu rectifici- ren. in Desselben Observat. Rer. et Antiquitat. Germ. et Rom. Obs. XV. de Origine Iuris. tius. Diesen fuͤgte er auch noch seine eigene Bemer- kungen hier und da bey, welche jedoch meist abge- schmackt und, wie Hennr. Brenkmann Hist. Pandect. Lib. III. c. 5. p. 298. richtig von denselben geurtheilt, einer so schoͤnen Ausgabe ganz unwuͤrdig sind. Uebrigens ist diese Leeuwensche Aus- gabe zwar richtiger als die uͤbrigen Gothofredischen, hat aber doch auch manche grobe Druckfehler S. Jo. Conr. Ruͤcker uͤber einige Ausgaben des Corporis iuris civ. in des H. Prof. Sieben- kees neuen jurist. Magazin 1. Band Anspach 1784. N. VI. S. 194 ‒ 201. . Soviel hiernaͤchst die Commentare uͤber die Pandecten des Instinians anbetrift, so haben wir aus- ser den Brunnemann ( Commentar. ad Pandectas Frfti 1674. Fol. und Colon. 1752. F.) welcher aber eben nicht viel bedeutet, fast keinen, der vollstaͤndig ist, und uͤber alle 50. Buͤcher der Pandecten sich erstreckt; wenn man nicht etwa den mornacius in Observat. ad XXIV. libros priores, und desselben Synopsin ad XXVI. libros posteriores hierher rechnen will. Die uͤbrigen vor- handenen Commentare gehen immer nur uͤber etliche Buͤ- cher, wir wollen folgende als die vorzuͤglichsten anfuͤh- ren. 1) Anton. fabri Rationalia in Pande- ctas Tomi V. Lugduni 1663. F. erstreckt sich nur auf die erstern neunzehn Buͤcher, gehet jedoch auf alle einzelne Gesetze, und fuͤhrt bey Erklaͤrung eines jeden rationes dubitandi et decidendi an. Ein Fehler ist es jedoch, daß Faber uͤberall den Text verdaͤchtig ma- chen und uͤberall Gloßeme und Tribonianismen finden will. 2) Ger. noodtii Commentar. ad Dige- sta, gehet nicht nach der Ordnung der Gesetze, und erstreckt sich nur uͤber die erstern 27. Buͤcher der Pan- decten. Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. X 1. Buch. 2. Tit. decten. Er hat sich vorzuͤglich bemuͤhet, die Worte der Ediete zu restituiren, und erklaͤrt sie vortreflich. 3) die erstern vier Buͤcher erlaͤutert baro in Operib. und uͤber die erstern beyden hat balduin Notas ge- schrieben, welche in T. I. Iurisprud. Rom. et Atticae S. 774 ‒ 843. anzutreffen. Einzelne Titel der Pande- cten haben mehrere erlaͤutert, welche hier anzufuͤhren, zu weitlaͤuftig ist. Mehrere Rechtsgelehrten haben die Fragmente einzelner roͤm. Juristen aus den Pandecten gesammlet und selbige erlaͤutert, von denen ich folgende bemerken muß. 1) cujacius ad Africani quaestio- nes, ad Papinianum, ad Pauli Quaestiones, Mode- stini libr. Differentiar. Iuliani Digesta, libros 6. ex Minicio, et 4. ad Urseium Ferocem, Pauli, Nera- tii, Marcelli, Ulpiani, Modestini, Scaevolae rèspon- sa. 2) Gregorii maiansii Commentarii ad tri- ginta ICtorum fragmenta Genev. 1764. 4. 3) Franc. balduini Commentar. de Iuris- prudentia Muciana Basiliae 1558. 8. und in T. I. Iurisprud. Rom. et Atticae S. 434. folgg. 4) Ant. Dadin. alteserrae Recitationes ad Try- phoninum Tolosae 1679. und 1684. 4. 5) me- rillius ad Pauli Manual. in Operib. Derselbe ad Callistrati quaestion. in Thesauro Otton. Tom. III. 6) lectius ad Macrum de publi- cis iudiciis et Modestinum de poenis. Eben- daselbst. Tom. I. 7) Ant. augustinus ad Mode - stinum de excusationibus, mit desselben Emendationi- bus Basiliae 1544. F. und im Thes. Otton. T. 4. 8) retes ad Cervidii Scaevolae Quaestio- nes in Thes. Meermann. T. 6. 9) Ios. finestres et de monsalvo in Hermogeniani ICti iuris Epitomarum libros VI. Commentarius. To- mi II. Cervariae Lacetanor. 1757. 4. 10) Henr. Theod. de Origine Iuris. Theod. pagenstecher in S. Pomponii ad Sa- binum de re testamentaria et de bonor. possessionibus libros VI. Commentarius. Lemgoviae 1750. 4. Ebendesselben Ius Pegasia- num Ibidem. 1741. 4. 11) Henr. brencmann in Herennii Modestini librum singularem περὶ ἑυρηματικῶν Commentarius Lugduni Batavor. 1706. 8. 12) Io. Flor. rivini Exerc. ad Modestini casus enucleatos Lipsiae 1727. 4. 13) Franc. Car. conradi ad Panlum de iu- re singulari Lipsiae 1728. 4. 14) gronovius ad Marciani libr. regular. (in fellenberg Iurisprud. antiqua Tom. 2.) 15) van nispen ad Fragmenta, quae in Digestis ex Modesti- ni IX. libris Differentiarum supersunt in Ger. oelrich Thes. Dissert. Bellgicar. Vol. 1. T. 1. N. 1. 16) Herm. oosterdyk Disp. ad Frag- menta, quae ex Venuleji Saturnini libris de officio Proconsulis supersunt. Traj. ad Rhen. 1755. in oelrich Thes. novo Diss. Belgicar. Vol. I. T. II. N. VII. 17) Ans. Frid. pistorii Diss. ad Fragmenta, quae ex Alfeni Var. libris XL. Digestorum supersunt ; praes. Car. Christph. Hofacker defensa Tubingae 1775. Wir haben auch etwas von teutschen Uebersetzun- gen der Pandecten. Hierher gehoͤrt: I) Versuch eines Auszugs der roͤmischen Ge- setze in einer freyen Uebersetzung zum Be- huf der Abfassung eines Volkscodex. Bres- lau 1783. bis 87. 8. (vom Hofr. Fenderlin in Schweidniz) geht von ersten bis zum 50. Buch. II) Sammlung der roͤmischen Gesetze auf Be- fehl K. Justinians verfertiget, ins teut- X 2 sche 1. Buch 2. Tit. sche mit erlaͤuternden Anmerkungen uͤber- sezt. 1 Theil Pandecten. Frankfurt u. Leipzig 1785. 8. enthaͤlt blos den 14. Tit. des 2. Buchs de pa- ctis. Endlich zum critischen Gebrauch dienen 1) Sieg. Reich. iauchii meditationes criti- cae de negationibus Pandectis Flo- rentinis partim recte vel male iam adiectis aut detractis, partim etiam- num adiiciendis aut tollendis aut transferendis. Amsteldami 1728. 8. 2) Io. Gottl. sammet receptarum lectionum ad lauchium liber singularis Lipsiae 1750. 3) Iac. labitti Index Pandectarum Paris 1537. und cum praefat. Nic Hieron. gund- lingii Frifti et Lipsiae 1724. 8. 4) Abr. wielingii iurisprudentia restitu- ta, siue Index chronologicus in totum Iuris Iustinianei corpus Amstelaedami. 1727. 8. enthaͤlt ein Verzeichnis von den saͤmmt- lichen aus eines jeden roͤmischen Rechtsgelehrten Schriften hergenommenen, in den Pandecten aber hin und wieder zerstreueten Stellen. 5) Henr brencmanni Pandectae iuris civi- lis auctoribus suis et libris restitu- tae Amstelaedami 1769. enthaͤlt nur die Frag- mente des Alfenus Varus. Vollstaͤndiger ist 6) C. F. hommelii Palingenesia librorum iuris veterum s. Pandectarum loca integra ad modum Wielingii oculis exposita. Lipsiae 1767. et 1768. Tomi III. §. 53. de Origine Iuris §. 53. Vom Codex repetitae praelectionis. Auf die Pandecten folgt der codex repetitae prae- lectionis des K. Justinians. Dieser Justinianeische Co- dex (Aut. §. 68.) ist nur eine neue verbesserte und ver- mehrte Ausgabe eines vorhergegangenen, aber nicht auf unsere Zeiten gekommenen, aͤltern Codex, wie auch schon der Titel zu erkennen giebt. Denn die Alten, deren Beispiel Justinian hier gefolgt ist, pflegten die zwoten und verbesserten Ausgaben ihrer Schriften libros repe- titae praelectionis zu nennen. Dieser neue Codex ent- haͤlt nicht nur die Verordnungen der roͤmischen Kaiser vor Justinian von Hadrian an, welche aus dem Gre- gorianischen, Hermogenianischen und Theodosianischen Codex, wie auch aus denen nachher noch promulgirten Novellen sind excerpiret worden, sondern auch des Kr. Justinians eigene Verordnungen, unter welchen die so genannten funfzig Decisionen dieses Kaisers die merkwuͤrdigsten sind. Man verstehet unter den leztern diejenigen Verordnungen des K. Justinians, wodurch gewisse unter den alten roͤmischen Rechtsgelehrten strei- tig gewesene Rechtsfragen sind entschieden worden Es gab nehmlich, wie bekannt, unter den alten roͤm. Juristen verschiedene Secten, unter denen die Sabinia- ner und Proculianer die beruͤhmtesten waren. S. Gotfr. mascovii Diatr. de Sectis Sabinianorum et Pro- culianorum in iure civ. Lipsiae 1728. 8. . Abraham Wieling Iurisprud. Restituta. S. 144 ‒ 146. hat sie mit Verbindung de- rer, welche ihres verschiedenen Inhalts wegen von den Verfassern des Codex sind getrennt und unter verschie- dene Titel gebracht worden, chronologisch aufgezaͤhlt. Es wurde dieser neue Codex im Jahr 534. bekannt ge- X 3 macht, 1. Buch. 2. Tit. macht, ist also juͤnger als die Institutionen und Pan- decten, und derogirt beyden Hoͤpfner im Commentar. §. 16. . Er ist in zwoͤlf Buͤ- cher eingetheilt, wovon jedes wieder gewisse Titel hat. Jeder Titel hat seine Aufschrift, die allemahl eine ge- wisse Rechtsmaterie anzeigt, unter welcher alsdenn die zu derselben gehoͤrigen Kaiserlichen Verordnungen, welche Leges Codicis genennt werden, chronologisch geordnet sind. Diese Leges Codicis enthalten jedoch die Ver- ordnungen der roͤm. Kaiser nie ganz, sondern nur Aus- zuͤge aus denenselben, die oft sehr dunkel und verstuͤm- melt sind, daher uns bey Erklaͤrung derselben die Frag- mente der oben gedachten aͤltern Codicum trefliche Dien- ste leisten B. H. reinoldi Exerc. de necessitate adeun- di ad fontes, si quis in lectione Codicis re- petitae praelectionis feliciter versari ve- lit. in Opusc. S. 611. . Sie haben ferner meist eine Inscri- ption und Subscription. Leztere zeigt das Datum oder Ort und Zeit der Promulgation an, erstere aber den Nahmen des Kaisers oder derjenigen Kaiser, von denen die Verordnung ist bekannt gemacht worden, auch die- jenige Persohn, an welche die Constitution gerichtet ist, welche bey den Edicten und Decisionen eine Magistrats- persohn, bey Decreten und Rescripten aber nur eine Privatpersohn ist. Beyde, die In- und Subscription haben zur Erklaͤrung und Bestimmung der Chronologie grosen Nutzen reinoldi Orat. de Inscriptionibus Legum Digester. et Codicis eum notis Abr. wielingi §. XIII. in Opusc. S. 580. . Von den aͤchten Legibus Codicis muͤssen unterschieden werden, I) die leges restitutae Codicis. Nicht wenig Con- stitutionen waren nehmlich theils durch die Nachlaͤssigkeit und de Origine Iuris. und Unwissenheit der Abschreiber, welche kein Griechisch verstanden, theils durch Verwuͤstung der Zeit verlohren ge- gangen, welche in neuern Zeiten verschiedene Gelehrte, Au- gustinus, Cujacius, Charondas und Contius, zum Theil aus den Basiliken, Photii Nomocanon, und an- deren Ueberbleibseln des roͤmisch-griechischen Rechts wie- derhergestellet und dem Codex einverleibt haben. Dahin gehoͤren z. B. L. 36. 39. und 40. de Episc. et Cleric. L. 24. C. mandati. L. fin. C. de sponsal. L. 2. C. de privato carcere. L. 4. de in ius voc. L. penult. de aedific. privat. Diese haben in den Gerichten keine Auctoritaͤt, weil sie nicht glossirt sind lauterbach in Prolegom. Collegii th. pr. Pande- ctar. §. IV. n. 7. richter Decision. P. I. Decis. 37. n. 48. Alb. gentilis de libris iur. civ. cap. 5. Io. Frid. klett de iuris Iustinianei placitis, quae vim le- gis non habent. Erlangae 1748. §. 13. eckhard Her- menevt. iuris. Lib. I. cap. VII. §. 282. not. *. S. 517. . Man er- kennt sie daran, daß sie groͤstentheils keine Inscription und Subscription haben. II) die so genannten Avthenticae (Autor §. 72.) worunter man kurze Auszuͤge aus den Novellen des K. Justinians sowohl, als auch gewissen Verordnungen der Kaiser Friedrichs des ersten und zweyten verstehet, wo- durch verschiedene Gesetze des Codex sind theils abgeaͤn- dert theils vermehret worden, und welche diesen Gese- tzen am gehoͤrigen Orte beygefuͤget worden sind. Man theilt sie daher in die Justinianeischen und Frie- dericianischen ein. Ihre Verfasser sind die Bo- noniensischen Rechtsgelehrten, und so wie von denensel- ben die Friedericianischen Avthentiken auf Befehl K. Friedrichs des zweiten dem Codex sind inserirt wor- den odofredus in Avth. Cassa C. de SS. Eccl. , so hat schon vorher Irnerius, ein Rechts- X 4 ge- 1. Buch. 2. Tit. gelehrter des zwoͤlften Jahrhunderts, die Justinianeischen aus der alten lateinischen Novellen-Sammlung ( Corpo- re Avthenticarum ) excerpirt, und dem Justinianeischen Codex in der Absicht beygetragen, um daraus zu erse- hen, in wieweit das ius Codicis durch die Novellen des K. Justinians sey abgeaͤndert worden Der gelehrte Camaldulenser Abt Maurus sartius hat dieses in dem splendiden Werk de claris Archigy- mnasii Bononiensis Professoribus a Saeculo XI. usque ad Saec. XIV. Bononiae 1769. f. vita ir- nerii §. VIII. und folgg. gegen Strauch und Byn- kershoͤk aus unwiederleglichen Gruͤnden dargethan. S. Car. Frid. zepernick Biga libellorum Avthenticas Codicis rep- prael. earumque historiam illustrantium. Halae 1788. 8. N. II. S. 114. und folgg. Daß schon vor Irnerius der- gleichen Avthendiken beym Codex befindlich gewesen, und Gregor der Grose, welcher nicht lange nach Justinian gelebt, solche in seinen Briefen angefuͤhrt, ist unerweis- lich, und der vorhin gedachte Maurus Sarti a. a. O. §. XII. hat gezeigt, daß die Stelle in Gratians Decret c. 38. C. XI. qu. 1. verfaͤlscht sey, und daß die aͤltesten Handschriften von Gregors Briefen in der angefuͤhrten Stelle des Codex keine Erwaͤhnung thun, sondern statt der Worte: sciendum est, quod superius in eadem constitutione lib. Cod. I. legitur etc. vielmehr lesen: quia superius in eadem constitutione LI. cap. (i. e. quinquage- simo primo capitulo sive paragrapho, wie es huguccio Pisanus in seiner Summa Decretorum ad ea verba er- klaͤrt) und wird also unter der von Gregor angezogenen Constitution keine andere als Nov. CXXIII. und deren 51te §. nach der Abtheilung der damahligen Handschrif- ten verstanden. Die alten Glossatoren, Azo, Odofre- dus und Accursius schreiben alle dem Irnerius die im Codex heutiges Tages befindlichen Avthendiken zu. Lez- terer hat sich besonders in seiner Glosse ad Avth. sed no- vo iure C. de Serv. Fugit. sehr deutlich ausgedruͤckt, wenn er . Sie sind De Origine Iuris. sind mit Cursiv-Schrift gedruckt, und zeigen in der Ue- berschrift den Nahmen Friedrich, oder die Novelle an, woraus sie extrahiret worden. Ihre heutige Guͤl- tigkeit haben sie durch die Reception erhalten, und wer- den in Praxi sogar den Novellen selbst vorgezogen S. strauch Irnerius non errans Cap. II. Th. 7. berlich P. II. Decis. 257. n. 44. silberrad ad Hei - neccii histor. iuris civ. Lib. I. Cap. VI. §. 419. S. 610. Io. Iac. scherz Diss. de Avthenticarum aucto- ribus et auctoritate Argent. 1733. Cap. II. in C. F. zepernick angefuͤhrter Biga libellorum S. 31. u. folgg. und Herr Dir. Zepernick selbst in der vortreflichen Ab- handlung: Quibus ex causis Novellae Leonis Sapientis in Germania receptae dici neque- ant Coniecturae, hinter beck de Novellis Leonis S. 541. Einer andern Meinung sind brunquell Hist. iuris. P. II. Cap. X. §. 14. rittershus Expos. No- vellar. p. 33. Prof. Weber Theorie vom heutigen Gebrauch des roͤmischen Rechts S. 45. u. a. m. . Wir wollen nun noch zum Beschluß von den vor- zuͤglichsten Ausgaben und Commentarien des Codex han- deln. Unter den Ausgaben verdient zuerst diejenige geruͤhmt zu werden, welche Anton Contius zu Pa- ris 1562. in Folio veranstaltet hat. Er hat nicht X 5 nur er sagt: Haec verba non sunt in corpore Avthenticarum (i. e. Novellarum ) sed sunt verba irnerii, qui extra- xit omnes Avthenticas signatas super leges Codicis. Odo- fredus ad Avth. Sed novo iure Cod. si certum petatur ruͤhmt an diesen Avthendiken des Irnerius vorzuͤglich ihre Kuͤrze und Deutlichkeit, und tadelt die Weitschweifigkeit des Azo und Hugolinus, welche nach dem Irnerius neue der- gleichen Auszuͤge aus den Novellen verfertiget haben; man sehe den Odofred ad Avth. nisi rogati C. ad SCtum Tre- bell. Da nun die in unserm Codex befindlichen Avthendi- ken das Gepraͤge der Kuͤrze haben, so macht dieses die Sache noch gewisser, daß Irnerius deren Verfasser sey. 1. Buch. 2. Tit. nur aus 26. Handschriften, welche er durch den Cuja- cius und Merillius aus Franzoͤsischen Bibliotheken erhalten hatte, den Text verbessert, sondern denselben auch mit 150. griechischen Constitutionen vermehrt. Die- se Ausgabe ist hernach noch verbesserter in dem Con- tiussischen Corpore iuris civ., welches zu Lyon 1581. in 12. herauskam, aufgelegt worden. Noch besser und vollstaͤndiger ist jedoch die Ausgabe des L. Charon- das , Antwerpen 1575. Fol Er hat sich nicht nur hierbey der vortreflichen Handschriften des Stephani auredani bedient, sondern den Text auch mit vielen in der vorhergehenden Ausgabe fehlenden griechischen und lateinischen Constitutionen vermehrt I. R. reinold in Opusc. iuridicis S. 410. §. XI. sagt daher mit Recht: Inter editiones Codicis, illius, quam Charondas curavit, prima ratio esto. . Die Commentarien betreffend, so haben wir ausser den Joh. Brunnemann ( Commentar. ad Co- dicem Lipsiae 1708. und am neuesten Genevae 1771. F.) keinen, welcher uͤber alle einzelne Gesetze der zwoͤlf Buͤcher des Codex commentiret haͤtte. Denn des Ant. perez Praelectiones in duodecim libros Codicis lustinianei am neuesten Venetiis 1738. gehoͤren nicht hierher; ich rede auch hier nicht von den Glossatoren. Ueber einzelne Buͤcher haben commentirt ausser Sichard , Frankfurt 1686. F. und Donell , vorzuͤglich Cujacius uͤber die ersten neun Buͤcher; Giphanius in Exposit. ad VIII. libror. leges celebr. et difficiliores . Colon. 1614. morna- cius Observat. ad IV. libros ( in Operib. ) uͤber die drey leztern Buͤcher alciatus , vorzuͤglich aber Franc. de amaya in tres posteriores libros Codicis Imp. lustiniani Commentarii Lug- duni 1639. Fol. Tomi III. Ueber Verordnungen ein- zelner de Origine Iuris. zelner Kaiser im Codex haben geschrieben Renat. bot- tereau in Hadriano Legislatore . Pictavii 1661. ( hoffmann Hist. iuris T. II. S. 129-207. Io. Ortwin westenberg in Divo Marco s. Dis- sertat. ad Constitutiones M. Aurelii Antonini Imp. ( in Operib. a iungio editis Hanov. et Bremae 1758. 4. Tom. III.) Alex. chassaneus in Constitut. Alexandri Severi Paris 1635. 4. Franc. bal- duinus in Constantino M. Ebenderselbe in Iu- stiniano ( Iurisprud. Rom. et Attica Tom. I.) Ueber die funfzig Decisionen des K. Justinians sind zu bemer- ken Em. merillii Expositio L. Decision. Iu- stiniani Paris. 1618. et in Operib. ( Neapoli 1720. 4.) T. II. Pet. Franc. linglois Quinquaginta Decisiones Imp. Iustiniani Antwerpiae 1622. Fol. und Io. strauch Exercitat. VI. ad L. Deci- siones Iustiniani Imp. Giessae 1676. 4. Auch gehoͤrt Fr. raguellus ad Constitutiones et de- cisiones Iustiniani Paris 1610. 4. noch hierher. Endlich uͤber die Avthendiken: Christoph. Phil. rich- ter Expositio omnium Avthenticarum Co- dici Imp. lustiniani insertarum . Ienae 1661. 4. Alex. Arn. pagenstecher Irnerius iniuria va- pulans s. Comment. ad Avthenticas. Groen. 1702. 4. Zum critischen Gebrauch des Codex dienen Petri relandi Fasti Consulares ad illustratio- nem Codicis lustinianei ac Theodosiani secundum rationes temporum digesti . Tra- jecti Batavorum 1715. 8. §. 54. Von den Novellen des Kr. Justinians. Ich komme iezt auf die, denen bisher gedachten Gesezsammlungen beygefuͤgte, neuere Verordnungen des 1. Buch. 2. Tit. des Kaisers Justinian, welche die Luͤcken iener Sammlun- gen ausfuͤllen, und ihre Fehler verbessern sollten. Zu diesen neuern Verordnungen des Krs Justinian gehoͤren einmahl die sogenannten Avthenticae seu Novellae Con- stitutiones D. Iustiniani; Sodann die dreyzehen Edicta dieses Kaisers. Die Novellen (Autor §. 71.) sind nach der Verfertigung des neuen Codex in den Jahren 535. bis 559. bekannt gemacht worden Abraham Wieling rechnet sie in seinem Indice Chro- nolog. Novellar. Iustiniani S. 167. Iurisprud. Resti- tutae vom Jahr 534. an, und soll die Nov 2. de non eligendo secundo nubentes mulieres, welche ohne Subscri- ption ist, von diesem Jahr seyn; allein es ist diese An- gabe auch sehr zweifelhaft. . Sie wa- ren urspruͤnglich in griechischer Sprache abgefaßt, einige wenige ausgenommen S. Aem. Lud. hombergk zu Vach Diatr. de No- vellarum Constitut. Imp. Iustiniani lingua originaria in C. F. zepernick Delectu Scriptor. No- vellas Iustiniani eorumque historiam illustrantium (Halae 1783. 8.) S. 183. und folgg. Von einigen Novellen sagt es iedoch Justinian selbst, daß er sie in beyden Spra- chen zugleich, in der griechischen sowohl wie in der la- teinischen, habe ausfertigen lassen. Dahin gehoͤrt Novel- le 17. und 18. Von der erstern sehe man nur die Praͤ- fation, von der leztern aber dasjenige nach, was Justi- nian hiervon in der Nov. 66. c. 1. §. 2. meldet. S. mei- ne Opuscula Fasc. III. S. 85. und folgg. So scheint auch Nov. 34. das lateinische Exemplar von der Nov. 32. so Thracien angieng, zu seyn, jedoch so, daß deren Aus- dehnung auf Illyricum nach der Nov. 33. darinn zugleich mit wiederholt wurde. S. Westphal Pfandrecht S. 127. Not. 91. und im Nachtrag S. 12. Folgende No- vellen aber sind blos lateinisch verfasset worden, Non. 9. 11. 23. 62. 143. und 150. S. Westphal System des Roͤm. Rechts uͤber die Arten der Sachen S. 587. . Die Sammlung aber, die wir in unsern Corpus iuris eiv. von densel- ben de Origine Iuris. ben haben, enthaͤlt eine und zwar in sehr schlechter, durch Barbarismen entstellten, Latinitaͤt abgefaßte Ue- bersetzung. Man traͤgt nicht ohne Grund Bedenken, selbige dem K. Justinian zuzueignen, wenn gleich der- selbe eine Sammlung seiner neuern Constitutionen ver- sprochen S. Constitut: de emendatione Cod. Iustin. §. 4. , und eine dergleichen auch wahrscheinlich durch den Tribonian hat verfertigen lassen Es laͤsset sich solches theils aus dem Epilog der Nov. 25. Nov. 26. cap. 5. §. 1. und Nov. 24. cap. 6. §. 1. schlies- sen, theils wollen solches die griechischen Juristen als Mich. attaliata Praefat. Synopsis §. 2. harmenopu- lus Promtuario iuris. Lib. I. Tit. I. Desgleichen theo- phanes in Chronographia p. 120. versichern. , die aber nicht publici iuris geworden zu seyn scheint S. Aem. Lud. hombergk zu vach Schediasm de Collectione Novellar. a Iustiniano facta; in zepernick Delectu S. 295. Es ist sehr wahrschein- lich, daß Justinian den librum sacrarum suarum consti- tutionum, dessen er in dem Epilog der Nov. 25. gedenkt, blos fuͤr sich und zu seiner eignen Notiz durch Tribonian habe verfertigen lassen. Denn alle uͤbrigen Magistrats- persohnen und Richter hatten ja seine Novellen schon, und musten sie auch in ihren Gerichtsbuͤchern sorgfaͤltig aufbe- wahren, was war also eine neue Bekanntmachung dersel- ben in einer besondern Sammlung noͤthig? . Wer der Verfasser derselben sey, weiß man nicht, daß sie indeß keinem der im zwoͤlften Jahrhundert zu Bo- logna und Pisa beruͤhmt gewesenen Rechtsgelehrten zu- zuschreiben, sondern weit aͤlter seyn muͤsse, ist gewiß, weil schon der roͤmische Bischof Gregor der Grose, der nicht lang nach Justinian lebte, eine Stelle aus dieser alten Version allegiret Lib. XII. Epist. 54. wo er die Worte der Nov. 123. c. 19. anfuͤhrt. Die Stelle stehet auch, obgleich etwas corrupt, in . Den 1. Buch. 2. Tit. Den Nahmen Avthenticae hat die Sammlung von den Glossatoren erhalten, weil man die darinn ent- haltenen Novellen fuͤr Originale hielt, und sie hier- durch von Julians lateinischen Auszuge ( Epitome No- vellarum ) zu unterscheiden suchte alciatus Parerg . Lib. II. cap. 46. . Eben diese Glos- satoren haben auch zum Behuf ihrer Vorlesungen jene alte Sammlung in neun Collationen oder Buͤcher, und jede Collation wieder in verschiedene Titel einge- theilt, wovon ein jeder eine Novelle enthaͤlt Conr. rittershus in Exposit. Novellarum Iu- stiniani. Prooem. Cap. I. n. 19. und 20. bach Histon iurispr. Rom . Lib. IV. c. I. Sect. II. §. 21. . Nicht nur die Titel einer jeden Collation, sondern auch die Novellen selbst sind numerirt, jedoch mit dem Unter- schiede, daß die Zahl der Titel immer mit jeder neuen Collation wieder von forn angehet, die Zahl der No- vellen aber von der erstern bis zur lezten in einer un- unterbrochenen Reihe fortlaͤuft. Daher auch die No- vellen, wie bekannt, nicht nach ihrer Collation und Ti- tel, sondern nach der Zahl allegieret werden. Jeder Titel hat weiter seine Rubric , welche den Inhalt und die Materie der darinn enthaltenen Novelle anzeigt. Diese Rubriken sind jedoch nicht aͤcht, oft ganz unrich- tig, und mangelhaft, und haben daher bey der Erklaͤ- rung der Novellen keine Auctoritaͤt Iac. cujacius Observat . Lib. XX. cap. 33. Io. Frid. hombergk zu vach Praefat. versioni Novel- larum praemissa S. 22. I. L. E. puͤttmann Ad- ver- . Jede Novel- le in Gratians Decrete c. 38. C. XI. qu. 1., daß sie aber keinesweges untergeschoben sey, wie de ludewig in vi- ta Iustiniani cap. VIII. §. 46. p. 259. sich eingebildet, hat maurus sartius in Irnerio §. XIII. aus Vaticani- schen Handschriften erwiesen. de Origine Iuris. le hat ihre besondere Instription und Subscription, nur einige ausgenommen, bey denen sie fehlen. Die In- scription zeigt ausser den Nahmen des Kaisers beson- ders diejenige Magistratspersohn, oder denjenigen Bi- schof an, an welche oder an welchen die Novelle zur Publication gesendet worden; unterweilen auch die Un- terthanen, an welche sie gerichtet ist. Die Subscri- ption hingegen bezeichnet den Ort und die Zeit der Ausfertigung, und darf bey Bestimmung des Zeital- ters, und wenn es darauf ankommt, ob und welche Novelle der andern derogiret, nicht aus der Acht ge- lassen werden Die Subscriptionen sind jedoch oft fehlerhaft. Z. B. die Nov. 1. ist vom Jahr 539. datirt, da sie doch im Jahr 535. promulgirt worden. Um diese Fehler zu verbessern, sind Ant. contii Chronologia annorum, Con- sulum et Indictionum Imp. Iustiniani: re- landi Fasti Consulares und Henr. agylaeus de dierum annotatione in Novellarum Sub- scriptionibus in zep e rnick Delectu S. 281. vor- zuͤglich zu empfehlen. . Die Novellen selbst sind uͤbrigens in Praefationem, Capita und Epilogum abgetheilt. Ihre Zahl erstreckt sich heutiges Tages auf 168. No- vellen. Diese sind jedoch nicht alle aͤcht Justinia- neisch Z. B. Nov. 165. 166. 167. und 168. sind aus den Epar- chicis, d. i. aus den Buͤchern oder Sammlungen, welche die Edicte der Praefectorum Praetorio enthalten. S. hombergk Version, in Not. ad has No- vellas . , auch nicht alle in Teutschland recipirt, son- dern man hat in Ansehung der heutigen Guͤltigkeit der- selben einen Unterschied zu machen zwischen denen, wel- che versarior. Iur. univ . Lib. I. S. 133. not. *) und zepernick Diss. I. de testamenti destituti viri- bus Halae 1773. §. XLIII. not. X. S. 79. 1. Buch. 2. Tit. che in den Handschriften der alten Glossatoren befind- lich waren, und mit deren Glossen oder Anmerkungen versehen sind, und denenjenigen, welche erst in neuern Zeiten von Haloander, Scrimger, Cujacius und Contius aus des Julians Epitome, den Basili- ken und andern alten Handschriften sind restituirt wor- den. Erstere werden Novellae glossatae, leztere aber restitutae s. non glossatae genennt. Nur jene ersteren sind in Teutschland recipirt Siehe brunquell Histor. Iuris P. II. Cap. XI. §. 14. Alb. gentilis de libr. iuris civ. cap. 7. bach Hist. iurispr. Rom . Lib. IV. c. 1. Sect. 2. §. 23. lauter- bach in Prolegom. Collegii Pandectar . §. 6. u. a. m. , leztere aber gelten nicht Eine andere Meinung hegt God. Lud. mencken Diss. de Novellar. glossatar. et non glossatar. au- ctoritate iuris . Allein der verdienstvolle Herr Stadt- director zepernick hat ihn in seinem Delectu Scri- ptor. Novell. illustrant. S. 331. u. folgg. gruͤnd- lich widerlegt. , nach der Regel: quidquid glossa non agnoscit, illud nec agnoscit curia, von welcher ich in der Folge reden werde. Der Glossirten Novellen aber sind nur acht und neunzig, und zwar folgende: Nov. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 14. 15. 16. 17. 18. 19. 20. 22. 23. 32. 33. 34. 39. 44. 46. 47. 48. 49. 51. 52. 53. 54. 55. 56. 57. 58. 60. 61. 63. 66. 67. 69. 70. 71. 72. 73. 74. 76. 77. 78. 79. 80. 81. 82. 83. 84. 85. 86. 88. 89. 90. 91. 92. 93. 94. 95. 96. 97. 98. 99. 100. 105. 107. 108. 109. 110. 111. 112. 113. 114. 115. 116. 117. 118. 119. 120. 123. 124. 125. 127. 128. 131. 132. 134. 143. und 159. Alle uͤbrige Novellen gehoͤren zu den nicht glossirten . Zum de Origine Iuris. Zum Beschluß muͤssen wir noch einige litteraͤri- sche Bemerkungen sowohl von den verschiedenen lateini- schen Uebersetzungen und Ausgaben des griechischen Tex- tes als den Commentarien uͤber die Novellen hinzu- fuͤgen. I ) Unter denen, welche die Novellen des K. Ju- stinians ins lateinische uͤbersezt haben, verdient zuerst Julian angefuͤhrt zu werden. Er war Professor der Rechte zu Constantinopel, und lebte unter den Kaisern Justin II. Tiber II. und Mauricius. Dieser verfertigte ums Jahr 570. einen Auszug aus Justinians Novellen in aͤcht lateinischer Sprache Er enthaͤlt 125. Novel- len, und ist in zwey Buͤcher eingetheilt. Nicolaus Booͤrius machte diese Epitome Novellarum iuliani zuerst im Druck bekannt Lyon 1512. Sie ist her- nach oͤfters wieder aufgelegt worden, allein die beste Ausgabe hat Francois desmares zu Paris 1689. Fol. veranstaltet. II ) Hat Gregor Haloander hierauf die No- vellen griechisch mit einer eleganten lateinischen Ver- sion zu Nuͤrnberg 1531. Fol. herausgegeben. Es ist eine gemeine Meinung vieler Rechtsgelehrten Arth. duck de Usu et Auctorit. iur. civ. Lib. I. c. 4. §. 15. gravina de Ortu et progress. iur. civ . cap. 135. struv Histor. iur. Rom . Cap. 3. §. 9. hoffmann Histor. iuris Rom . Lib. II. cap. 2. §. 14. und brunquell Hist. iuris P. II. cap. 12. §. 15. , daß Haloander 165. Novellen griechisch ediret habe, allein man darf diese Ausgabe nur selbst vor Augen nehmen, so wird man sich vom Gegentheil sogleich uͤber- zeugen koͤnnen. Haloander hat nicht mehr als 137. Novellen geliefert, und unter diesen sind wieder sechs , die nicht einmahl die vollstaͤndigen Verordnungen enthal- ten, Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. Y 1. Buch. 2. Tit. ten, sondern nur Auszuͤge sind, nehmlich die 111. 114. 138. 140. 150. und 165. Novelle. Dahingegen feh- len die 40. 49. 70. 76. 106. 137. 140. und 149. gaͤnzlich. Von der 6. 7. 10. 46. 54. 55. 56. 57. 62. 98. 127. und 130ten hat er nur den lateinischen Text. Endlich von der 2. 5. 74. 75. 79. 83. und 84ten hat er nichts als den Titel angefuͤhrt. Haloan- der gab seine Novellen nicht aus den Buͤchern der Ba- siliken, wie Hombergk Praefat. versionis lat. Novellar. gegen das Ende. meint, sondern aus einer eigenthuͤmlichen Handschrift heraus, wie er in der sei- ner Ausgabe vorgesezten Epistola nuncupatoria selbst sagt S. 2. . Wie er dazu gekommen, und was das vor ein Codex gewesen, erzaͤhlt suaresius Notit. Basilicor . §. Interpres. Man sehe auch augustinus Emendat . Lib. II. cap. 9. und Paratit. ad Nov. 2. auch Iac. gothofredus Histor. iur. civ . cap. 4. . Haloan- der erhielt durch Bemuͤhung des Johann Baptista Egnatius Copie eines Exemplars von den Novellen, welches ludovicus bologninus oder Bononiensis , aus der Marcianischen Bibliothek zu Venedig hatte abschreiben lassen, und zu Florenz in der Lauren- tianischen oͤffentlich aufbewahret wird. In vielen Stuͤ- cken kommt zwar das Haloandrinische Exemplar mit den Basiliken des K. Leo uͤberein, aber oft ist es von den leztern ganz verschieden, und viele Novellen erscheinen weit vollstaͤndiger in der Haloandrine, die in den Ba- siliken defect sind, wie Jacob Voorda Elector. libro sing . cap. XXVII. S. 259-275. durch viele Beyspiele ausser Zweifel gesezt hat. III ) Eine de Origine Iuris. III ) Eine noch vollstaͤndigere Ausgabe des griechi- schen Textes lieferte Heinrich Scrimger , ehemaliger Rechtslehrer zu Genf, wo er im Jahr 1571. starb. Diese ist ohnstreitig die beste griechische Ausgabe. Scrim- ger bediente sich dabey eines vortreflichen Codex, den der Cardinal Beßarion mit sich von Griechenland nach Ve- nedig gebracht, und daselbst der Republik bey seinem Ab- sterben vermacht hatte. Hierdurch hat Scrimger die beym Haloander fehlenden Novellen mit 23. derselben vermehrt. Der vollstaͤndige Titel dieser Ausgabe ist: Ἀυτοκρατόρων, Ιȣςινιανȣ, Ιȣςίνȣ͂, Λέοντος νεαραὶ διατά- ξεις. Ιȣςινιανȣ͂ ἔδικτα. Impp. Iustiniani, Iustini, Leo- nis Novellae constitutiones. Iustiniani Edicta. Ex bibliotheca illustris viri Hulderici Fuggeri domini in Kirchperg et Weissenborn, publicae commoditati dican- tur. Iustiniani quidem opus antea editum, sed nunc primum ex vetustis exemplaribus studio et diligentia Henrici scrimgeri , Scoti, restitutum atque emen- datum, et viginti tribus constitutionibus, quae desiderabantur, auctum. Cui et Edicta eiusdem Imperatoris non prius edita, tamquam corollarium accesserunt. Iustini autem et Leonis constitutiones (quae et ipsae in antiquis codicibus Novellae cognomi- nantur) nunquam antea in lucem prolatae. Anno MDLVIII. Excudebat Henricus Stephanus, Hulderici Fuggeri typographus. Fol. Der Druck- ort ist nicht genennt, wahrscheinlich ist es Genf oder Paris Man sehe nach Herrn Direct. Zepernick Praeter- missa de vita, rebus gestis, et constitutio- nibus Leonis . Sect. III. §. XVIII. in Mantissa Commen- tat. ad beckium de Novellis Leonis. S. 331. folgg. wo man eine ausfuͤhrliche Nachricht von dieser Scrimgerischen Ausgabe der Novellen finden wird. . Nach dieser Scrimgerischen Ausgabe edirte Y 2 IV ) 1. Buch. 2. Tit. IV ) Heinrich Agylaͤus Verbesserungen und Supplemente zur Haloandrinischen, indem er nicht nur die in der Haloandrina fehlende Novellen aus dem Scrimger ins lateinische uͤbersezte; sondern auch aus eben demselben die Fehler der Haloandrinischen Ver- sion verbesserte. Dies Werk erschien zu Coͤln 1560. 8. und hat folgenden Titel: Novellarum Iustiniani Principis constitutionum supplementum, antehac non editum, una cum Haloandri ac Scrimgeri editionum collatione, per Henricum agylaeum . Man pflegt zwar eben demselben auch folgende Edition der Novel- len zuzuschreiben: Iustiniani Principis Novellae Consti- tutiones latine ex Gregorii Haloandri et Henrici Agy- laei interpretatione, ad graecum Scrimgeri exemplar nunc primum editae. Quibus suis locis interseritur, quicquid vetus versio amplius babet, atque proximis editionibus ex vetustis libris ac Iuliani Epitome ad- spersum est. In qua editione Henrici Agylaei opera diligentem tum variarum lectionum annotationem, tum Haloandrinae versionis castigationem invenire est. Item eiusdem Iustiniani Edicta, Iustini, Tiberii, Leonis Philosophi Constitutiones, et una Zenonis, quae ad titulum Codicis de privatis aedificiis pertinet, Henri- co Agylaeo interprete. Postremo Canones SS. Apo- stolorum per Clementem in unum congesti Gregorio Haloandro interprete. Basileae per Io. Herwagium. MDLXI. 8vo max. Allein es ist noch einigem Zwei- fel unterworfen, ob Agylaͤus der Verfasser dieser Aus- gabe sey S. zepernick Praefat. Delectui praemissa §. XI. S. 69. . Endlich hat V ) der ehemalige Marburgische Rechtslehrer Jo- hann Friedrich Hombergk zu Vach die Novellen des de Origine Iuris. des Justinians aus dem griechischen ins lateinische uͤber- sezt, und mit Noten erlaͤutert: diese ist ohnstreitig die allerbeste lateinische Ausgabe. Sie kam unter dem Ti- tel: Novellae Constitutiones D. Iustiniani Sacr. Princ. ex graeco in latinum conversae et notis illustratae zu Marburg 1717. 4. heraus, und enthaͤlt zugleich Fr. pithoei Glossarium obscurorum verborum Inliani Antecess. Const. Desgleichen Ant. augustini quo- rundam verborum Iuliani interpretatio, und des cujacii und agylaei Observationes de dierum an- notatione. Diese verschiedenen griechischen und lateini- schen Ausgaben der Novellen dienen uns nun vorzuͤglich zur richtigen Bestimmung des Sinnes derselben, wel- cher nicht selten in der versione vulgata durch Barba- rismen verdunkelt, ja wohl gar entstellt und verfehlet worden ist. Wie, wenn nun also die Vulgata von dem griechischen Texte abweicht, und einen unrichtigen Sinn der Novelle darstellt, welcher Text wird den Vor- zug behaupten? Die gewoͤhnliche Theorie der Rechtsge- lehrten ist, die Vulgata gehe nicht nur den uͤbrigen Uebersetzungen, sondern auch dem griechischen Texte vor, weil nur erstere in Teutschland allein recipirt sey, mit- hin auch nur allein ein gesezliches Ansehen in den Ge- richten erlangt habe. Allein es hat schon der vorhin gedachte Hombergk zu Vach dieses gemeine Vor- urtheil aus Gruͤnden bestritten, die gewiß bey einem Jeden, dem Wahrheit am Herzen liegt, ihr Gewicht haben werden Praefat. versioni Novell. praem. Man be- herzige besonders folgende Worte: Usus et receptio Iuris Iustinianei nos ligat, non vero minus accurata interpreta- tio legum ab homine privato concinnata. Neque enim in eius gratiam, vel propter auctoritatem eius Novellas rece- pimus . Warum sollte bey unrichtiger Ue- Y 3 berse- 1. Buch. 2. Tit. bersetzung eines so wichtigen Theils des Justinianeischen Rechts, welcher das neueste roͤmische Recht enthaͤlt, nicht eben so wohl, wie in andern Faͤllen, wo ein offenbarer Irrthum zum Grunde liegt, jener allgemeine Ausspruch des Celsus L. 39. D. de Legib. : Quod non ratione introductum, sed errore primum, deinde consuetudine obtentum est: in aliis similibus non obtinet, seine Anwendung finden? Zum Beschluß wollen wir nur noch kuͤrzlich die vorzuͤglichsten Commentare uͤber die Novellen anfuͤh- ren. Hierher gehoͤren ausser F. balduin in Iusti- niano, Desselben Commentarii in Novellas I. IV. XVIII. et CXVIII. Auch Ebendesselben breves Commentarii in praecipuas Iustiniani Imp. Novellas . (Beyde stehen in der Iurisprud. Rom . et Attica T. I. Fol. 1201. und 1322.) I. cujacii Ex- positio Novellarum Colon . 1569. und in Op. Conr. rittershusii Ius Iustinianeum s. No- vellarum Iustiniani expositio methodica . Argentorati 1615. 1629. und edit. III. auct. Ibidem 1669. 4. Pet. gudelini Commentarior. de iure novissimo libri sex . Francofurti 1668. 4. und Lucae 1780. F. und stephani Commen- tar. ad Novellas. Lipsiae 1700. 4. §. 55. pimus, sed quia illae sunt pars iuris civilis recepti. Ut autem latinae non Graecae in usum venirent, id inde fa- ctum, quia Graecae non extabant. His deinde in lucem protractis, Latinae cedant necesse est, utpote quae non aliter se habent, quam ut ἄπογραϕον seu exemplum, cui maior, quam archetypo, fides non debetur. de Origine Iuris. §. 55. Von den Edicten des K. Justinians. Die dreyzehen Edicte des K. Justinians, wel- che man in neuern Zeiten denen Novellen noch beygefuͤgt hat, sind von geringer Erheblichkeit, und haben meist nur einen particulaͤren Gegenstand. Das fuͤnfte ist uͤber- dies schon unter denen Novellen enthalten, und macht die 111te Novelle aus. Scrimger edirte sie zuerst mit Justinians uͤbrigen Novellen griechisch 1558 und Agy- laͤus uͤbersezte sie ins lateinische 1560. Seit der Zeit sind selbige in die Ausgaben des Corpus Juris aufge- nommen worden, und schon in der Rußardinischen , Lyon 1560. Fol. anzutreffen. Sie sind also nicht glossirt. §. 56. Von der heutigen Guͤltigkeit des Justinianeischen Rechts . Erlaͤuterung der Regel: Quidquid non agnoscit glossa etc. Soviel nun hiernaͤchst die heutige Guͤltigkeit des Justinianeischen Rechts anbetrift, so ist zu- foͤrderst soviel ausser allen Zweifel, daß dieselbe nicht aus einer Promulgation, sondern allein ex receptione in Teutschland herzuleiten sey, ob es wohl nicht gelaͤug- net werden kann, daß der irrige Wahn, als ob unse- re teutsche Kaiser, ohne Teutschland und Italien von einander zu unterscheiden, in beyderley Betrachte, die alten roͤmischen Kaiser als ihre Vorfahren am Reich anzusehen gehabt haͤtten, ausser andern Ursachen (S. Aut. §. 77.), viel zu der Aufnahme des roͤmischen Rechts in Teutschland beygetragen habe S. Joh. Steph. Puͤtters Abhandlung, wie das Ju- stinianisch roͤmische Gesezbuch in Teuschland zur . Man ist auch fer- Y 4 ner 1. Buch. 2. Tit. ner darin einverstanden, daß dieses Justinianeische Recht als ein gemeines geschriebenes Recht in Teutsch- land gelte, dessen Reception in einzelnen Faͤllen, wo man sich darauf beruft, nie erwiesen werden duͤrfe, viel- mehr derjenige, welcher sich darin gruͤndet, jederzeit fun- datam intentionem, wie man zu sagen pflegt, fuͤr sich habe hartleben Meditat. ad Pandect . Vol. I. Part. I. Spec. VI. med. 1. 2. . Fraͤgt man jedoch weiter, in wiefern das Justinianeische Recht in Teutschland ein- gefuͤhret sey? so kann, wenn gleich ohne allen Zwei- fel ist, daß dasselbe in complexu suo recipirt sey (Aut. §. 78.), dennoch, ohne sich den groͤbsten Irrthuͤ- mern Preis zu geben, nicht behauptet werden, daß alles, was wirklich Justinianeischen Rechtens ist, auch ebenfalls bey uns gelte; sondern es ist vielmehr der heutige Gebrauch desselben behutsam und nach folgenden Regeln zu beurtheilen Vorzuͤglich verdienen hier empfohlen zu werden Herrn Prof. D. Webers Reflexionen zur Befoͤrderung einer gruͤndlichen Theorie vom heutigen Ge- brauch des roͤmischen Rechts . Schwerin, Wis- mar und Buͤtzow. 1782. 8. . Erste Regel: Wenn uͤber den heutigen Ge- brauch einer Stelle des Justinianeischen Rechts die Frage entstehet, so hat man vor allen Dingen darauf zu sehen, ob dieselbe glossirt sey oder nicht; indem alle diejenigen Theile und Stuͤcke des Justinianeischen Rechtskoͤrpers in Teutsch- land kein gerichtliches Ansehen behau- pten , zur gesezlichen Kraft gediehen sey? in Dessel- ben Beytraͤgen zum teutschen Staats- und Fuͤrstenrechte. II. Th. N. 23. S. 30. folgg. de Origine Iuris. pten, welche nicht glossirt sind; nach der Regel: quidquid non agnoscit glossa, illud non agnoscit curia Vortreflich hat diese Regel erlaͤutert Herr Dir. zeper- nick in Coniectur. quibus ex causis Novellae Leonis Sap. in Germania receptae dici ne- queant . Cap. II. §. 22. und besonders Cap. III. §. 24- 26. beym beck S. 533. . Man nennt diejenigen Theile und Stuͤcke des Ju- stinianeischen Rechts glossirt , welche mit den Anmer- kungen und Erlaͤuterungen der alten Glossatoren ver- sehen sind. Glossatoren aber werden diejenigen ita- liaͤnischen Rechtsgelehrten genennt, welche im 12. und 13. Saͤculum zu Bologna die roͤmischen Rechte lehr- ten, und bey ihrem Vortrag die iustinianeischen Gesez- sammlungen zum Grunde legten, und diese mit ihren Glossen oder Anmerkungen zu erlaͤutern suchten. Der erstere und beruͤhmteste derselben, welchen Odofre- dus ad L. ius civile D. de Iust. et Iure . daher den primus illuminator scientiae no- strae nennt, war Irnerius, der aber eigentlich Werner oder Warner geheissen, ob er gleich deswe- gen kein Teutscher von Geburt, wie Brenkmann durch jenen teutschen Nahmen verfuͤhrt, sich eingebil- det brencmann Histor. Pandectar . Lib. I. c. V. , sondern ein Italiaͤner, von Bologna gebuͤrtig, gewesen S. maurus sartius in Irnerio . §. 2 beym ze- pernick in biga libellor . S. 101. . Dieser Irnerius fing nach denen, wie- wohl fruchtlosen, Versuchen eines Pepo odofredus a. a. O. Quidam dominus pepo caepit auctoritate sua legere in legibus, tamen, quidquid fuerit de scientia sua, nullius nominis fuit. , und ver- schiedener anderer, die auch schon vorher das roͤmische Y 5 Recht 1. Buch. 2. Tit. Recht zu lehren sich aufgeworfen, aber wenig Beyfall gefunden hatten, in der erstern Helfte des zwoͤlften Jahr- hunderts an, uͤber die Justinianeischen Gesezsammlungen Vorlesungen zu halten, und wuste theils durch seine neue Lehrart, die mit allgemeinem Beyfall aufgenommen wurde, theils durch die Annehmlichkeit seines Vor- trags Der gute Vortrag ward der Irnerianischen Schule so eigen, daß es zum Spruͤchwort wurde: bononiensem in morem dicere , und ein guter Ausdruck der Worte sermo bononicus genennet wurde. S. sartius in Irnerio Prooem. §. XXIII. in zepernick Biga. S. 89. , der roͤmischen Rechtsgelehrsamkeit so viele Ver- ehrer zu verschaffen, daß sich nun, seitdem Irnerius solche oͤffentlich zu lehren anfing, mit einer Art von Enthusiasmus alles darauf legte. Was eigentlich zur Entstehung dieser neuen Irnerianischen Schule Veran- lassung gegeben, und ob etwa die Graͤfin Mathildis , wie der bekannte Abt von Ursperg Chronic. ad an. MCXXVI. erzaͤhlt, die Trieb- feder gewesen, oder ob ein grammatischer Streit uͤber die Bedeutung des Wortes as, welcher nach dem Zeug- niß des Cardinals zu Ostia Commentar. ad Decretal. in rubric. tit . de testamentis . sartius in Irnerio prooem. §. XX. durch Einsicht der Justinia- neischen Pandecten soll entschieden worden seyn, den Ei- fer des Irnerius rege gemacht, ist hier zu untersu- chen, meine Sache nicht. Allein die neue Lehrmetho- de, deren sich Irnerius bey der Erklaͤrung des justi- nianeischen Rechts bediente, und welcher das ausgebrei- tete Ansehen des roͤmischen Rechts ganz vorzuͤglich zu- zuschreiben ist, muͤssen wir etwas naͤher kennen lernen. Sie bestand darin. Irnerius laas seinen Schuͤlern den Text des justinianeischen Rechts von Gesez zu Ge- sez vor, und ohne sich in eine weitschweifige Entwicke- lung de Origine Iuris. lung der einzelnen Rechtslehren einzulassen, erklaͤrte er blos die Worte der Gesetze, ( ipsam legum litteram, wie es die Glossatoren selbst zu nennen pflegen) gram- matisch, und begleitete den Text mit kurzen Anmerkun- gen uͤber dunkele Stellen, welche er Glossen nannte. Daß Irnerius in seiner Lehrmethode die Griechen nachgeahmt, und die Scholien der Basiliken des Krs Leo benutzet habe, wie Abraham Wieling Orat. pro Glossatoribus hinter Desselben Le- ctionib. iuris civ. S. 300. folg. be- haupten will, kommt mir darum nicht glaublich vor, weil das Vorgeben, als ob Irnerius die Rechte zu Constantinopel erlernet habe, und worauf sich jene Hy- pothese des Wielings gruͤndet, ganz unerweißlich ist Schon nat. Anton. d’ asti in seinem Werk dell’ uso e autorita della ragione civile ( Neapo- li 1720.) Lib. II. cap. 5. S. 133. verlachte deshalb den gravina, welcher sich de ortu et progressu iuris civ. Lib. I. c. 143. diese Fabel von Mornacius und Cironius aufheften lassen; und Maurus sartius in Irnerio §. 3. und 4. hat dieses Vorgeben vollends widerlegt, und aus Nachrichten des Odofredus das Gegentheil erwiesen. . Es ist viel wahrscheinlicher, daß er die vor- hin beschriebene Art zu glossiren von den damahligen Lehrern der Gottesgelahrtheit zu Bologna erlernet ha- be, welche sich derselben ebenfalls bey Erklaͤrung der heiligen Schrift bedienten, und welche Irnerius auch bey Erklaͤrung der Gesetze sehr zweckmaͤsig fand maur. sarti in Irnerio prooem. §. XXI. und im Leben des Irnerius §. V. . Da Irnerius , nach dem Zeugnis des Odofreds odofredus ad L. ins civile D. de Iust. et Iure: — Dominus irnerius , dum doceret in artibus in civitate ista, cum fuerunt deportati libri legales, coepit per s e studere vor- her, 1. Buch. 2. Tit. her, ehe er sich den Rechten widmete, die Philosophie und schoͤnen Wissenschaften studieret, und auch als Ma- gister dieselben zu Bologna oͤffentlich gelehret hatte, so ist nicht zu zweifeln, daß diese, einem jeden Rechtsge- lehrten so noͤthige Huͤlfswissenschaften nicht nur bey Er- klaͤrung des justinianeischen Rechts seine Fuͤhrerinnen ge- wesen, sondern auch insonderheit das Studium der al- ten roͤmischen Autoren zur Bildung des guten Geschmacks und der Eleganz das meiste beygetragen, wodurch sich die Irnerianische Schule so sehr vor der nachherigen Accursianischen ausgezeichnet hat; und in dessen Ruͤck- sicht die Glossen eines Irnerius mit Recht gegen die eines Accursius elegant genennet zu werden verdie- nen Dieses Lob giebt auch selbst odofredus an mehreren Orten seiner Commentarien der Glosse des Irnerius , so z. B. sagt er ad L. manumissionis D. de Iust. et Iure: Hic glossat dominus irnerius elegantissimis verbis: und eben so richtig urtheilt sartius in Irnerio §. V. wenn er sagt: Fuerunt eius glossae breves et elegantes, et illae quidem non continenti oratione scriptae, sed intercisae, et ad loca tantum obscuriora legum et difficiliora adpi- ctae. . Der grosse Beyfall, den dieser Rechtslehrer durch seine Vorlesungen zu Bologna erwarb, verursach- te nun, daß nicht nur die Exemplare der justinianeischen Rechtsbuͤcher mit einem erstaunenden Eifer abgeschrie- ben, und in die Haͤnde der Rechtsbeflissenen sowohl als der damahligen Gelehrten verbreitet wurden, sondern es wurden auch die Glossen des Irnerius diesen Hand- schriften studere in libris nostris, et studendo coepit docere in legi- bus, et ipfe fuit maximi nominis, et primus illuminator scientiae nostrae; und ad L. Sane si haec Cod. de sa- cros. Eccl . Dominus irnerius erat magister in arti- bus, — et studuit per se, sicut potuit, postea coepit docere in iure civili; auch ad L. ult. C. de in int. rest. minor. de Origine Iuris. schriften ebenfalls mit beygefuͤgt, und zwar gleich zwi- schen den Zeilen des Textes bey denenjenigen Stellen und Worten mit eingeruͤckt, worauf sich selbige bezie- hen, und zu deren Erlaͤuterung sie dienen, daher aus dieser Ursach die Irnerianischen Glossen von denen Al- ten glossae interlineares genennt zu werden pflegen maurus sartius in Irnerio §. V. hat dieses nicht nur aus verschiedenen Stellen des Odofreds , z. E. ad L. ius civile D. de Iust. et Iure, und ad L. si duobus vehi- culum D. commodati vel contra, sondern auch aus Va- ticanischen Handschriften in Appendice erwiesen. Visun- tur adhuc sagt er a. a. O. in pluteis bibliothecarum, quae antiquis libris abundant, veteres codices monu exarati, eiusmodi glossematibus, brevibusque adnotaticnibus insiru- cti, quas vulgo glossas interlineares appellare so- lent, quia inter ipsas scripturae lineas in ertae sunt, et raro ad occupandum libri marginem excurrunt. . Diese Irnerianische Methode uͤber das justinianei- sche Recht zu glossiren dauerte nun unter den Schuͤlern des Irnerius fort, unter denen vorzuͤglich Bulga- rus und Martin Gosias wegen ihrer Streitigkei- ten, die sie uͤber verschiedene Rechtsmaterien mit einan- der gehabt, und wegen der dadurch verursachten beyden Se- cten der Gosianer und Bulgarianer, welche mit denen Sabinianern und Proculianern gewissermasen verglichen zu werden pflegen, vorzuͤglich zu bemerken sind S. Io. Sal. brunquell Prolus. de Sectis et con- troversiis iuris Iustinianei interpretum, quos Glossatores appellamus . Ienae 1725. Wir wuͤrden von denen Rechtsdisputen zwischer Bulgarus und Gosias , die uns, wegen mancher sich darauf beziehenden Avthendiken im Just. Codex und wegen mancher Decretalen allerdings von Wichtigkeit sind, mehreres wissen, wenn wir das Buch haͤtten, welches unter dem Titel: Diver- sitate . Accur- 1. Buch. 2. Tit. Accursius , mit welchem in der Geschichte der Glossatoren eine neue Epoche anfaͤngt, verließ zuerst, wo nicht ganz, doch wenigstens in etwas die Lehrart des Irnerius. Er wurde zu Florenz ums Jahr 1182. gebohren, und starb zu Bologna im Jahr 1260. sartius de claris Archigymn. Bonon. Pro. fess . in accursio T. I. P. I. S. 141. und folgg. . Dieser Accursius fuͤhrte nicht nur ei- ne weitlaͤuftigere Art zu glossiren ein, welche nehmlich darin bestand, daß er den casum legis uͤberall formir- te, und Fragen aufwarf, welche er sodann nach den Inhalt des Gesetzes zu entscheiden suchte; sondern er schrieb auch selbst weitlaͤuftige Commentarien uͤber das justinianeische Recht, wobey er die Glossen seiner Vor- gaͤnger vorzuͤglich benuzte. Diese accursianische Glosse erlangte nun ein solches erstaunendes Ansehen, daß man hieruͤber nicht nur die Irnerianische vergaß, sondern auch alle Sectirerey beylegte, und nun sich gleichsam zur Fahne des Accursius bekannte Wie groß das Ansehen der accursianischen Glosse gewe- sen, beweißt der Ausspruch des Jasons : Glossae auctori- tatem omnes excellere, et illi tanquam Carotio veritatis perpetuo adhaerendum esse; und Cynus pflegte zu sagen: volo pro me Glossatorem potius, quam textum. . Mit diesen Glossen versehen erhielten auch wir in Teutschland die justinianeischen Gesezsammlungen durch die jungen Teutschen, die aus Mangel einheimischer Academien die Rechte jenseits der Alpen studieret, und bey den Glossatoren gehoͤret hatten. Was Wunder also, sitates dominorum in iure noch ungedruckt in der Bibliotheca regali Collegii Hispanorum zu Bologna sich befindet Ein Beispiel einer solchen unter jenen bei- den Maͤnnem gefuͤhrten Streitigkeit hat Herr geh. Ju- stiz R. Walch Reliquiae controversiae inter Bulgarum et Gosiam de pr o elatione dotis. Ienae 1785. de Origine Iuris. also, wenn keine andere Gesetze des justinianeischen Rechts in Teutschland recipiret wurden, als welche in den Exemplaren, die man zu den Zeiten der Glossato- ren davon hatte, und welche mit den Anmerkungen der- selben versehen waren, anzutreffen gewesen? Und dies ist nun der Grund der obigen Regel: Quidquid non agnoscit glossa, illud nec agnoscit curia. Nicht also weil die Anmerkungen des Accursius und seiner Vor- gaͤnger eine gesezliche Kraft haͤtten; oder weil diese Glos- satoren es bestimmen koͤnnten, welche Gesetze in Teutsch- land gelten sollten, und welche nicht, — sondern, weil unsere Vorfahren das Roͤmische Recht in der Gestalt recipirt haben, wie sie es aus den Haͤnden der Glossatoren empfiengen ; nur darum gilt anders nichts, als was die Glosse aner- kennt zepernick in den oben angefuͤhrten Coniecturis §. XXII. hinter beck S. 526. . Nicht recipirt sind demnach alle diejenigen Gesetze, welche erst im sechzehnden und siebenzehnden Saͤculum durch die critischen Bemuͤhungen der neuern Civilisten vorzuͤglich aus den Basiliken restituirt, und denen justinianeischen Gesezsammlungen eingeschaltet und beygefuͤgt worden sind, weil die alten Glossatoren diese nicht kannten, mithin auch selbige mit deren Glossen nicht versehen sind. Da uns nun also die Glosse zum Wegweiser dienen muß, wodurch wir erfahren koͤnnen, welche Verordnungen der roͤmische Rechtskoͤr- per zu der Zeit, als er in Teutschland aufgenommen worden, in sich gefasset habe, so laͤsset sich schon hier- aus abnehmen, daß das corpus iuris glossatum noch immer fuͤr einen Rechtsgelehrten von grossem Nutzen sey Die beste Ausgabe des Corporis iuris civ. glossati ist die- . §. 57. 1. Buch. 2. Tit. §. 57. Zweyte Regel . Ist es ausser Zweifel, daß die Stelle im Justinianeischen Rechtskoͤrper, uͤber de- ren heutigen Gebrauch die Frage ist, wirklich glossirt sey; so ist weiter darauf zu sehen, ob diese Stelle eine wirkliche gesezliche Dis- position enthalte, oder nicht? indem, wenn das leztere ist, solche uns gar nicht verbin- den kann, sondern es uns in einem solchen Falle vielmehr freystehen muß, nach unserer Ueberzeugung davon abzugehen . Daß in unserm Corpus Juris nicht wenig enthal- ten sey, so den Nahmen eines eigentlichen Gesetzes gar nicht verdienet, ist schon oben (S. 50. und folgg.) be- merkt worden. So z. B. kommen in unserm roͤmischen Rechte haͤufig Definitionen, Eintheilungen, dogmatische und historische Saͤtze, Worterklaͤrungen und dergleichen vor. Diese koͤnnen uns als Gesetze aus den schon oben angefuͤhrten Gruͤnden ohnmoͤglich verbinden, wenn wir gleich dieselben, sofern sie richtig sind, mit ihren wesent- lichen Folgen als wahr und gegruͤndet anerkennen muͤs- sen. Ob wir nun gleich, um das Gesezliche von dem nicht Gesezlichen zu unterscheiden, lediglich auf den In- halt der Stelle selbst unser Augenmerk zu richten ha- ben, so duͤrfen wir doch deswegen mit Thomasius Disp. an legum Iuris Iustinianei sit fre- quens an exiguus usus practicus in foris Germaniae . §. 10. die diejenige, welche Dionys. Gothofred zu Lyon 1612. in Fol. in VI. Theilen veranstaltet hat. Der sechste Theil enthaͤlt den Thesaurum Accursianum, Brossei Remissio- nes, Hennequini Notas et Benedicta ad Accursium, und des Stephani Daoys indicem generalem. de Origine Iuris. die gesezliche Auctoritaͤt solcher Stellen des justinianei- schen Rechts nicht bestreiten, welche zwar ihrer urspruͤng- lichen Beschaffenheit nach in die Zahl der Gesetze nicht gehoͤren, wohl aber durch die Aufnahme in den Rechts- koͤrper ein legales Ansehen bekommen haben. So z. B. bestehen zwar die Pandecten des K. Justinians hauptsaͤchlich aus den Meinungen, Gutachten und Erklaͤ- rungen der roͤmischen Rechtsgelehrten, allein wer vermag diesen die Eigenschaft wahrer Gesetze abzustreiten, da Justinian die Pandecten, darin sie aufgenommen sind, als ein wirkliches Gesezbuch bestaͤttiget hat? §. 58. Dritte Regel . Bey den wirklichen Gesetzen unsers roͤmischen Rechts- koͤrpers kommt es nun aber ferner darauf an, ob und in wieferne sie auf unsere Zeiten, Sitten und Verfas- sungen angewendet werden koͤnnen. Es ist daher eine dritte Regel: diejenigen Verordnungen, welche sich auf blos roͤmische in Teutschland ganz unbekannte Sitten und Verfassungen bezie- hen, leiden eigentlich bey uns keine Anwen- dung Herr Prof. Schott in der Encyclopaͤdie §. 109. . Denn man darf nicht glauben, daß mit der Auf- nahme des Justinianeischen Rechts auch die ganze Re- gimentsverfassung und politische Einrichtung der Roͤmer zu uns uͤbergegangen sey, oder daß die Teutschen die Absicht gehabt, den ganzen Inbegrif ihrer Rechtsge- schaͤfte nach roͤmischen Grundsaͤtzen umzuformen. Die Erfahrung lehrt das Gegentheil. Hieraus folgt also, daß solche Verordnungen, welche auf Grundsaͤtzen beru- hen, Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. Z 1. Buch. 2. Tit. hen, die man in Teutschland nie aufgenommen hat, oder deren Gegenstand heutiges Tages cessirt, gar keine An- wendung finden koͤnnen. Vermoͤge unserer Regel faͤllt also die heutige Anwendung des roͤmischen Rechts weg, 1) wenn selbst das Object des Gesetzes heutiges Tages gar nicht mehrexistiret . Da- hin gehoͤren z. B. diejenigen Verordnungen, welche die besondere Regimentsverfassung des roͤmischen Staats und dessen Verwaltung betreffen. Daher faͤllt heut zu Ta- ge die ganze Reihe von Titeln, welche von dem Amt der roͤmischen Obrigkeiten, als de officio praefecti prae- torio, praefecti urbi, praefecti vigilum, praetorum, proconsulis, praefecti augustalis, praesidis u. s. w. handeln, ( Lib. I. Tit 9. 22.) ganz weg Aus der nehmlichen Ursach finder auch die Verordnung des roͤmischen Rechts von der Legitimation unehelicher Kinder per oblatio- nem Curiae bey uns keine statt. Hieraus ersiehet man zugleich, wie noͤthig es sey, um uͤber den Gebrauch und Nichtgebrauch roͤmischer Gesetze richtig urtheilen zu koͤn- nen, mit den Gegenstaͤnden derselben genau bekannt zu seyn? und wie unentbehrlich eben aus diesem Gesichts- puncte das Studium der roͤmischen Alterthuͤmer sey? 2) Kann ein roͤmisches Gesez auch dann nicht mehr gelten, wenn der wesentliche Grund desselben, ohne welchen sich das Ge- sez gar nicht denken laͤßt, bey uns ganz weg- faͤllt . Nur unter dieser Bestimmung ist die Regel wahr: cessante ratione legis, cessat eius dispositio, die nur gar zu oft, wenn es auf den heutigen Ge- brauch einer justinianeischen Verordnung ankommt, ge- mißbraucht wird. Ein Gesez kann mancherley Veran- lassungen, kann verschiedene Ursachen haben. Gesezt nun auch, die Umstaͤnde haͤtten sich geaͤndert, es fiele diese oder de Origine Iuris. oder jene Nebenursache bey uns weg, welche vorzuͤglich etwa den Roͤmern ein Gesez nuͤzlich machte; so kann doch deswegen die heutige Guͤltigkeit des Gesetzes selbst nicht bezweifelt werden, so lange der Hauptgrund des Gesetzes auch bey uns noch statt findet. Ein Beispiel giebt die actio de receptis, deren heutigen Gebrauch einige darum bestreiten wollen Io. Wilh. richter Diff. de actione in factum ex quasi contractu receptionis moribus nostris non conveniente Lips. 1759. , weil unsere Wirthe nicht mit jenen Roͤmischen, als welchen die Gesetze von Seiten ihrer Ehrlichkeit eben kein guͤnstiges Zeugniß beylegen L. 1. §. 1. D. Nautae caup. et stabul. — nisi hoc esset statutum, materia daretur cum furibus adversus eos, quos recipiunt, coëundi; cum ne nunc quidem abstineant huiusmodi fraudibus. , in eine Classe gesetzet werden koͤnnten. Al- lein ist es nicht auch noch heutiges Tages billig, daß denen Fremden, welche sich in keine weitlaͤuftige Pro- cesse einlassen koͤnnen, kurz und ohne Umschweif zu dem Ihrigen verholfen werde? Kann der Gastwirth nicht immer eher Entwendungen verhuͤten, als der Fremde? ja wuͤrde, wenn der Fremde erst den Urheber seines Schadens ausfindig machen muͤste, und nur gegen die- sen allein klagen duͤrfte, wuͤrde nicht die hieraus ent- stehende Schwierigkeit zu klagen auch noch heutiges Tages unredlichen Wirthen leicht Gelegenheit geben koͤn- nen, den Passagier um das Seinige zu bringen? Alle diese Gruͤnde, welche allein schon das Gesez hinreichend rechtfertigen, bleiben allemahl noch fortdauernd, wenn auch gleich die von den Betruͤgereien der roͤmischen Wir- the hergenommene Ursach zu unsern Zeiten wegfallen moͤchte. Soll also das roͤmische Gesez bey uns seine Anwendung verliehren, so muß der wesentliche Grund Z 2 dessel- 1. Buch. 2. Tit. desselben, ohne welchen sich die Verordung selbst gar nicht denken laͤsset, gaͤnzlich cessiren. Eben darum laͤs- set sich in Teutschland von denen Vorschriften des roͤ- mischen Rechts, welche von simplen Vertraͤgen, und stricti iuris Contracten reden, kein Gebrauch machen; denn sie gruͤnden sich auf das besondere Formularwe- sen der Roͤmer, welches bey allen ihren gerichtlichen und aussergerichtlichen Geschaͤften zur Norm diente. Da aber die Teutschen das letztere nicht aufgenommen, so sind bey uns nicht nur die blosen Vertraͤge, welche von Persohnen, die sich verbindlich machen koͤnnen, uͤber einen erlaubten Gegenstand sind eingegangen worden, vollkommen verbindlich, sondern auch alle unsere Con- tracte bonae fidei. Zuweilen kann jedoch der Hauptgrund eines roͤmi- schen Gesetzes wegfallen, und das Gesetz bleibt doch verbindlich; dieses geschiehet in den Faͤllen, wo der Grund des Gesetzes mit der Disposition desselben nicht so wesentlich verbunden ist, daß sich die letztere mit Auf- hebung des erstern nicht mehr gedenken liese. Daher finden wir es sehr oft, daß in denen roͤmischen Gesetzen Consequenzen uͤbrig geblieben, ob schon der Grundsatz, woraus sie ihren Ursprung herleiten, laͤngst aufgehoben worden Eben dieses hat auch schon bey einer andern Gelegenheit der beruͤhmte Hr. Geh. Justitz R. Puͤtter in Diss. de prae- ventione in causs. appellationis (Goett. 1776.) Cap. V. §. 64. bemerkt: perfrequenter hoc accidere, ut, principium ac fundamentum legis licet dudum deseruissemus, ipsam tamen legem adhuc in viridi observantia habeamus. . Zum Beyspiel kann die Querela inofficiosi testamenti dienen. Diese Klage war nach dem alten roͤmischen Recht nicht wenig verhaßt, weil der Klaͤger den Vorwand brauchte, als ob der Testator nicht recht bey Verstande gewesen; er movirte also gleichsam der Asche de Origine Iuris. Asche des Testators quaestionem status. Da nun nach denen Verordnungen verschiedener Kaiser uͤber den Zu- stand eines Verstorbenen nach fuͤnf Jahren keine weite- re zum Nachtheil gereichende Frage aufgeworffen wer- den sollte Siehe tot. Tit. D. ne de statu defunctorum post quin- quennium quaeratur. svetonivs in vita Titi c. 8. und capitolinvs in Marco cap. 10. , so wurde, ohne Zweifel durch die Aucto- ritaͤt der roͤmischen Rechtsgelehrten, eingefuͤhrt, daß auch die Querela inofficiosi binnen fuͤnf Jahren ange- stellt werden, nach dieser Zeit aber nicht weiter statt finden sollte püttmann Exerc. ad L. 16. C. de inoff. testam . Lipsiae 1774. S. 13. u. folg. . Ob nun gleich nach der Nov. 115. c. 3. und 4. jener color insaniae testatoris nicht mehr noͤthig ist, sondern der Grund dieser Querel vielmehr in eine unbilliger Weise geschehene Enterbung oder Praͤter- ition gesezer wird; so dauert dennoch auch noch heuti- ges Tages diese Klage laͤnger nicht als fuͤnf Jahr; und kann daher, wegen etwa cessirenden Grundes dieser Dauer, die heutige Guͤltigkeit der dieselbe verordnenden roͤmischen Gesetze im mindesten nicht bezweifelt werden püttmann Diss. de querela inoff. testamenti fratrib. uterin. haud concedenda . C. II. §. 8. fin. . §. 59. Vierte Regel . Auch dieienigen Verordnungen des roͤ- mischen Rechts gelten heutiges Tages nicht, welche solche Gegenstaͤnde haben, die zwar denen Roͤmern eben so gut, als den Teut- schen, bekannt waren, aber doch bey der Ein- fuͤhrung des roͤmischen Rechts von den Teut- Z 3 schen 1. Buch. 2. Tit. schen darum, weil sie ihren Sitten und Den- kungsart ganz entgegen giengen, nicht reci- pirt worden sind . Die Lehre von Erbvertraͤgen giebt uns hier- von ein sehr treffendes Beyspiel. Nach roͤmischen Rech- ten gelten sie, einige wenige Faͤlle ausgenommen, nicht, man besorgte, vielleicht nicht ohne Grund, sie moͤchten den Wunsch nach des andern Tode rege machen, und wohl gar zu Lebensnachstellungen Anlaß geben L. 2. §. 2. D. de vulg. et pup. subst. L. 27. §. 4. D. ad SCT. Trebell. L. ult. C. de pactis. . Al- lein bey den Teutschen sind Erbvertraͤge von jeher uͤblich gewesen, und als guͤltig und unwiderruflich angesehen worden. Ja sie waren, ehe die Teutschen durch Ein- fuͤhrung des roͤmischen Rechts die Testamente kennen lernten, das einzige Mittel, uͤber seine Erbfolge zu dis- poniren. Diese Grundsaͤtze haben die Teutschen auch noch nach Einfuͤhrung des roͤmischen Rechts, alles darin enthaltenen Verbots ohngeachtet, bis auf den heutigen Tag aufrecht zu erhalten gewust. Daher die Vorschrif- ten des roͤmischen Rechts in dieser Materie keine An- wendung bey uns finden Ad. Fr. hebestreit Vindiciae veri valoris pa- ctor. successor . Erfordiae 1768. . Ob auch die roͤmischen Gesetze vom Spiel hierher zu rechnen, ist unter denen Rechtsgelehrten annoch streitig S. Weher Entwicklung der Lehre von der natuͤrlichen Verbindlichkeit . 2te Abtheil. §. 65. Not. 224. S. 227. und folg. . Daher ich zu sei- ner Zeit ( Tit. de aleatoribus ) davon handeln werde. §. 60. Fuͤnfte Regel . Auf solche Gegenstaͤnde und Rechtshand- lungen der Teutschen, welche den Roͤmern ganz de Origine Iuris. ganz unbekannt waren, und blos aus teut- schen Sitten und Verfassungen ihrem Ur- sprung haben, laͤsset sich das roͤmische Recht ebenfalls nicht anwenden . So kann daher das einer Witwe aus der Ver- lassenschaft ihres Ehemanns nach teutschen Rechten ge- buͤhrende Witthum eben so wenig, als die Gemeinschaft der Guͤter unter teutschen Ehegatten aus dem roͤmischen Rechte beurtheilet werden. §. 61. Sechste Regel . Wo nun aber alle diese Regeln den Ge- brauch des roͤmischen Rechts nicht hindern, da findet solches in allen uͤbrigen Faͤllen seine Anwendung, sofern nicht der Gebrauch dessel- ben durch die in Teutschland geltende uͤbri- ge entweder einheimische oder kanonische Rechte eingeschraͤnkt wird . Von diesen Einschraͤn- kungen werde ich erst weiter unten reden. Hier bemer- ke ich nur noch, daß, da das roͤmische Recht in Teutsch- land einmahl zur Kraft eines gemeinen Rechsrechts ge- diehen, und, als ein solches, reichsgesezmaͤsig bekraͤfti- get worden Reichshofr. Ordnung Tit VII. §. 24. So sollen auch unsere kaiserliche Wahlcapitulation, alle Reichsabschied, Cammergerichtsordnung, — Corpus iuris civilis und ca- nonici, — auf der Reichshofraths Tafel, damit man sich deren in zweifelhaften Faͤllen gebrauchen koͤnne, stets vorhanden seyn, und von selbiger nicht verruͤckt werden. , der Gebrauch desselben so wenig durch ein Erkenntnis des Cammergerichts, so nicht pro lege Imperii zu halten, in einzelnen Faͤllen aufgehoben, als durch ein Zeugniß eines Cammergerichtsassessoris entkraͤf- Z 4 tet 1. Buch. 2. Tit. tet werden koͤnne. Dahero es ganz vergeblich ist, wenn einige neuere Rechtsgelehrten aus diesem Grunde den heutigen Gebrauch der L. ult. C. de praescript. XXX. et XL. annor. desgleichen der L. 2. und L. ult. C. de litigios. und anderer mehr bezweifeln wollen. §. 62. Postiustinianeisches Recht. a ) orientalisches . I ) Basiliken des Kaisers Leo. Wir haben nun noch von dem lezten Theil des roͤ- mischen Rechts, nehmlich den Postiustinianeischen , zu handeln. Hierher gehoͤren einmahl die nach des Kai- sers Justinians Regierung im Orient promulgirte neue Gesetze und Rechtsbuͤcher, von denen wir noch heutiges Ta- ges betraͤchtliche Fragmente uͤbrig haben Einen grosen Theil dieser orientalischen Gesetze und grie- chischen Rechtsbuͤcher haben Enimund. bonefidivs in Iure orientali Paris 1573. und Io. levnclavivs Iure Graeco-Romano cura Marq. freheri Francof. 1596. fol. Tom. II. gesammlet. . Außer denen wenig interessanten Novellen der Kaisere Justin II. und Tiberius , welche auch nach der Uebersetzung des Agy- laͤus den meisten Ausgaben des Corporis iuris civ. an- gehaͤngt sind; und den Πρόψειρον νομικὸν, ( Promptua- rium iuris ) so Kaiser Basilius Macedo , mit sei- nen beyden Soͤhnen den Constantin und Leo, im Jahr 876. bekannt gemacht hat, und aus 40. Titeln beste- het Mehrere Nachrichten hiervon findet man in den gelehr- ten Anmerkungen des Hrn. Dir. Zepernick uͤber beck de Novellis Leonis Halae 1779. 8. S. 18. und folg. ; verdienen die sogenannten Basiliken des Kai- sers Leo unsere ganze Aufmerksamkeit. Kais. Basilius Macedo ließ dieses Werk durch eine Gesellschaft von Gelehrten, unter denen Symbatius Protosphata- rius den ersten Platz behauptet zu haben scheinet, vor- nehm- de Origine Iuris. nehmlich aus den damahlen vorhandenen mancherley grie- chischen Uebersetzungen des justinianeischen Rechts zusam- mentragen Georg. cedrenvs Annal. s. Compend. Historiae in basilio imperat . S. 468. — Sed et civiles leges videns multum habere confusionis atque obscuritatis, operam dedit, ut iis convenientem faceret medicinam: itaque abro- gare inutiles, iisque amputatis multitudinem bonarum ex- purgare intendit. Sed mors eius hoc institutum intercepit, res a filio deinde perfecta est. Kais. Leo selbst eignet die- ses Werk nicht undeutlich Nov. LXXI. seinem Vater zu. S. zepernick Praetermissa de vita, rebus ge- stis, et constitutionibus, inprimis Novellis Leonis Sap . Sect. III. §. XII. hinter beck de Nov. Leonis. S. 286. u. folg. , es kam iedoch erst nach desselben Tode unter der Regierung des K. Leo des Philosophen zu Stande, welcher dieses Gesetzbuch im Jahr 887. promulgirte, und zur Ehre seines Vaters des Kais. Ba- silius ΒΑΣΙΛΙΚΑ nannte. Das ganze Werk ist in sech- zig Buͤcher, und jedes Buch in Titel abgetheilt, daher es auch ἑξηκὸνταβιβλος oder ἑξάβιβλος geneunt wird. Von diesen Basiliken haben wir iedoch heutiges Tages nur noch acht und dreyßig vollstaͤndige, nehmlich das 1. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 20. 21. 22. 23. 24. 25. 26. 27. 28. 29. 38. 39. 40. 41. 42. 45. 46. 47. 48. 49. 50. 51. 52. und 60te, von welchen das 49. 50. 51. und 52. im fuͤnften Tom des Thesauri Meermanniani, die uͤbrigen aber in der Fabrottischen Ausgabe der Basiliken befindlich sind. Es ist daher eine offenbare Unwahrheit, womit Fabrott viele hintergangen hat, die ihm auf sein Wort ge- glaubt haben, wenn er 41. Buͤcher vollstaͤndig edirt zu haben vorgiebt Praefat . seiner Ausgabe ( Paris 1647. VII. Volum Fol.) Aequires autem rerum iudices heic monendi sunt, libros . Denn das 2. 16. 17. 18. und Z 5 30te 1. Buch. 2. Tit. 30te Buch sind defect, und ganzer 21. Buͤcher, nehm- lich das 19. 31. 32. 33. 34. 35. 36. 37. 43. 44. 49. 50. 51. 52. 53. 54. 55. 56. 57. 58. und 59. unaͤcht, wo Fabrott nicht die Buͤcher der Basi- liken selbst, sondern statt derselben eine Rhapsodie aus der Synopsi Basilicorum, den Theodoro Hermopoli- ta, Constantino Harmenopulo, denen Glossen der Basiliken und den Commentaren des Cujacius uͤber die drey leztern Buͤcher des Codex geliefert hat Vorzuͤglich verdient hierbey das elegante Programm des H. Tribunals-Rath Hoͤpfner Praetermissa quae- dam de Βασιλικων libris Giessae 1774. nachgesehen zu werden. . Die Schreibart ist uͤbrigens in den Basiliken sehr ver- schieden, bald ungemein weitschweifig, bald sehr kurz, je nachdem die Verfasser bald eine weitlaͤuftigere, bald eine kuͤrzere Uebersetzung von Justinians Gesezsammlun- gen vor Augen gehabt haben. Denn einige z. B. Tha- lelaeus und Stephanus hatten die Pandecten und den Codex ἐις πλάτος (paraphrastisch), andere, wie Doro- theus, κατὰ πόδα (woͤrtlich) noch andere hingegen, z. B. Anatolius und Cyrillus κατ̕ ἐπιτομὴν, (auszugs- weise) uͤbersezt. Zur Erlaͤuterung des Textes haben die griechischen Rechtsgelehrten Scholien und Glossen ge- schrieben, erstern hat Fabrott dem Texte beygefuͤgt, leztere aber, welche Erklaͤrungen dunkler Rechtswoͤrter enthalten, sind zuerst von Carl Labbaͤus , Paris 1606. 8. gesammlet, und hernach noch mit vielen Zu- saͤtzen und Verbesserungen auch mit den gelehrten An- merkungen des Anton Schultings von Eberh. Otto dem dritten Tom des Thesauri iuris Rom. inserirt wor- den. libros Basiliκῶν in libros sexaginta a Leone Imp. divisos integros ad nos non pervenisse, sed libros tantum XLI. de Origine Iuris. den. Matth. Roever Specim. Observat. et emendat. ad glos- sas veteres verbor. iuris, hinter dem Fragmento veteris ICti de iuris speciebus S. 41. , Pet. Bondam Animadversion. criticae ad loca quaedam iuris civ. depravata cap. VI-X. in Oelrichs Thes. novo Dissert. Belgicar. Vol. II. T. 2. S. 197. u. folgg. und Pet. Lucret. Struchtmeyer Epist. crit. in glossas nomicas Vltraj. 1769. haben diese Glossas nomicas hernach noch mehr berichtiget und erlaͤutert. §. 63. Heutiger Gebrauch der Basiliken Diese Basiliken, so weit sie auf unsere Zeiten ge- kommen sind, haben nun zwar heutiges Tages kein ge- richtliches Ansehen, weil sie in Teutschland nicht reci- pirt worden sind; indessen haben doch diese Buͤcher ih- ren grosen Nutzen bey der Erklaͤrung des in Teutsch- land geltenden Justinianeischen Rechts. Denn mit Huͤl- fe derselben koͤnnen nicht nur manche corrupte Stellen emendiret, und recipirte, von Andern aber in Zweifel ge- zogene, Lesearten bestaͤrket werden, sondern man kann auch aus denenselben beurtheilen, ob etwa Gloßeme durch die Nachlaͤssigkeit der Abschreiber in den Text ein- geschlichen sind, und uͤbrigens manche dunkele Stellen in unserm Roͤmischen Rechtskoͤrper durch die Basiliken vortreflich illustriret werden. Cujacius , der uns zuerst den Weg zeigte, mit Huͤlfe jener griechischen Ueber- bleibsel das justinianeische Recht zu erklaͤren, und die uͤbrigen Rechtsausleger, die ihm auf diesem Wege nach- gefolget sind, unter welchen ich vorzuͤglich einen Abra- ham Wieling Lectiones iuris civ . Trajecti ad Rhen. 1740. nenne, haben diesen Nutzen der Basi- 1. Buch. 2. Tit. Basiliken durch viele Beispiele ausser allen Zweifel ge- sezt Auch eckhard Hermenevt. iuris Lib. I. cap. VII. §. 280-292. und walch ad Eundem haben viel Bei- spiele gesammlet. . Inzwischen ist auch hier viel Behutsamkeit noͤthig. Denn einmahl wuͤrde man sich sehr irren, wenn man die Basiliken ganz fehlerfrey halten wollte. Joh. Wilh . Hoffmann Meletemat. ad Pandect . Diss. XI. §. 2. Basilico- rum ope innumera lucem et integritatem acceperunt iuris nostri loca. ‒‒ Vehementer autem illi falluntur, qui parum aut nihil, quod manum medicam desideraret, in Basili- cis post fabrotti diligentiam superesse putant. In una de familia erciscunda tractatione quatuordecim naevos ob- servavi, quos vel librariorum, vel operarum, vel ipsorum veterum interpretum reliquit negligentia . entdeckte nur allein in der Lehre von der Erbtheilung vierzehen Fehler. Sodann muͤssen wir immer bedenken, daß die Basiliken erst lange Zeit nach Justinian verfertiget worden, die Verfasser derselben manches aus dem Rechte der spaͤtern Kaiser eingemi- schet Beispiele hiervon haben bynckershoeck Observ. Iur. Rom . Lib. VIII. c. 17. hoffmann Meletemat. ad Pandect . Diss. XXXI. §. 4. und iensius Notitia Basilicor . Stricturis ad Iustiniani Cod. et Pandect . praefixa . , und daß selbst die Verfasser der griechischen Ver- sionen, aus denen die Buͤcher der Basiliken sind compi- liret worden, viel zu weit von denen Zeiten der alten Rechtsgelehrten und roͤmischen Kaiser, deren Gesetze sie interpretirten, entfernt gewesen, als daß wir es ihnen zutrauen duͤrften, uͤberall den Sinn derselben gehoͤrig gefasset zu haben Mit recht sagt daher voorda Elect . cap. V. S. 68. Habet quidem Graecorum auctoritas in constituenda lectio- ne, . Nicht jede Abweichung der Basili- de Origine Iuris. Basiliken von dem Text des Justinianeischen Rechts darf uns demnach berechtigen, gleich eine Aenderung in den Gesetzen unsers Rechtskoͤrpers vorzunehmen; nein, es muß offenbar seyn, daß die Stelle des justinianei- schen Rechts corrupt sey, wenn sie aus den Basiliken emendiret werden soll walch ad Eckhardi Hermenevt. iuris . S. 548. und folg. Von dem Gebrauch dieser griechischen Rechtsuͤberbleibsel hat auch Herr Prof. püttmann in Diss. de querela inoffic. testam. fratribus ute- rinis haud concedenda Cap. III. ein sehr gruͤndli- ches Urtheil gefaͤllt. . Dahero ich den Ausspruch eines beruͤhmten hollaͤndischen Rechtsgelehrten Io. Guil . marckart Probabil. receptar. le- ction. iuris civ . S. 81. zu un- terschreiben kein Bedenken trage, welcher sagte: ex Ba- silicis quidquam temere latino textui obtrudendum haud esse. Eben dieses ist auch bey denen uͤbrigen auf un- sere Zeiten gekommenen kleinern griechischen Rechtsbuͤ- chern und Schriften der griechischen Rechtsgelehrten zu erinnern, welche unter den Nahmen Synopses, Epito- mae, Ecclogae und Promtuaria bekannt, und groͤsten- theils aus den Basiliken excerpirt worden sind, obwohl auch hieraus mancher Nutzen zur Aufklaͤrung des roͤmi- schen Rechts geschoͤpft werden kann. §. 64. ne, de qua ambigitur, pondus nonnunquam haud exiguum; sed in indaganda atque exponenda sententia, ubi minime dubia lectio est, nihilo unquam plus vaiet, quam cuiuslibet interpretis alius. Videre illi potuerunt, atque significare etiam, quemadmodum scriptum fuerit in codicibus procul dubio emendatis maxime, certe antiquissimis; quo vero sensu quodque fuerit scriptum non magis potuerunt perspicere, quam qui vixerunt postea. Hinc tot eorum in reddendis Veterum sententiis errores, ab aliis deinde anim- adversi ac notati. 1. Buch. 2. Tit. §. 64. Novellen des K. Leo . Ausser den Basiliken hat K. Leo noch viele neue Verordnungen gemacht, welche unter der Aufschrift Imp. leonis Novellae Constitutiones, aut correctoriae Legum repurgationes einen nicht unbetraͤchtlichen An- hang des Roͤmischen Rechtskoͤrpers ausmachen. Sie sind wahrscheinlich zwischen den Jahren 887. und 893. vom Kr. Leo selbst aufgesezt, jedoch nicht einzeln, son- dern alle zugleich und auf einmahl in derjenigen Samm- lung bekannt gemacht worden, welche wir von ihnen ha- ben S. Casp. Achat . beck de Novellis Leonis Phi- losophi, earumq. usu et auctoritate lib. sing . cum animadversion. D. Car. Frid . zepernick . Halae 1779. 8. Cap. I. §. 5. und zepernick Praetermissa de vita, reb. gestis, et constitut. in primis Novellis Leonis Sap . Sect. III. §. 13. . Diese Sammlung bestehet aus 113. Novel- len, man hat jedoch in neuern Zeiten in verschiedenen Bibliotheken, als in der Wiener, Uffenbachischen, und der des Ant. Augustinus noch manche nicht gedruckte Novellen des Kr. Leo entdeckt, welche in unserer heuti- gen Sammlung nicht befindlich sind S. zepernick ad Beckii lib. de Novellis Leo- nis S. 58. und 328. u. folgg. . Heinrich Scrimger gab die Novellen des K. Leo zuerst in ih- rer griechischen Ursprache 1558. heraus. Heinrich Agy- laͤus uͤbersezte sie hierauf ins lateinische 1560. Von der Zeit an sind sie auch dem Roͤmischen Corpus iuris angehaͤngt worden, und die erste Ausgabe, in welcher sie nach der Version des Agylaͤus anzutreffen, scheint diejenige zu seyn, welche zu Lyon 1562. in Folio, wahr- de Origine Iuris. wahrscheinlich durch die Besorgung des Hugo a Por- ta herausgekommen ist. §. 65. Heutiger Gebrauch derselben. Ob uͤbrigens denen Novellen des Kaisers Leo ei- ne gesezliche Kraft in Teutschland beizulegen, ist eine Frage, woruͤber die Urtheile der heutigen Civilisten nicht mit einander uͤbereinstimmen Unter denen, welche fuͤr den heutigen Gebrauch der Novellen des Kaisers Leo streiten, hat sich Caspar. Achat . beck am meisten ausgezeichnet, dessen sehr gelehrte Ab- handlung de Novellis Leonis. earumque usu et auctoritate besonders nach der neuesten Ausgabe, Halle 1779. 8. die durch die vortreflichen Bemerkungen und eigenen Abhandlungen des gelehrten Herrn Director Zepernick einen so vorzuͤglichen Werth erhalten, daß sie zu den classischen Schriften der eleganten Rechtsgelahrtheit al- lerdings zu zaͤhlen ist, schon mehrmalen bisher angefuͤhrt worden. Allein wie wenig uͤberzeugend die von Beck muͤh- sam zusammengehaͤufte Gruͤnde sind, haben der seel. Assess. seger in Diss. de Leonis Philos. constitutio- num Novellarum auctoritatae Lipsiae 1767. vor- zuͤglich aber der gedachte Herr Dir. D. zepernick in Coniccturis, quibus ex causis Novellae Leo- nis Sapientis in Germania receptae dici ne- queant , beym Beck S. 403 ‒ 552. gruͤndlichst dar- gethan. . Ich meines Theils trage kein Bedenken, auf die Seite der verneinenden Parthey zu treten. Denn pruͤft man die Gruͤnde, aus welchen einige Rechtsgelehrten verleitet worden sind, je- nen Novellen ein legales Ansehen in Teutschland zu- zueignen, so wird man finden, daß ein offenbarer Trug- schluß hierbey zum Grunde liegt. Weil sie gefunden, daß in unsern Gerichten das nehmliche, was diese und jene 1. Buch. 2. Tit. jene Verordnung des Kaisers Leo enthaͤlt, gleichfalls beobachtet werde, so glauben sie, hieraus die in Teutsch- land geschehene Aufnahme jener Novellen folgern zu koͤnnen; — gerade als ob dies nicht aus andern Ursa- chen geschehen, und folglich aus richtigern Gruͤnden ab- geleitet werden koͤnnte. Es laͤsset sich also daraus so wenig eine allgemeine Reception aller Novellen des Krs Leo , als eine besondere Aufnahme einzelner Verordnun- gen dieser Art erweisen. Denn wenn, um nur einige Beispiele hiervon anzufuͤhren, heutiges Tages die Con- ventionalstrafe bey Verlobungen zugelassen wird, so ist der Grund davon keinesweges in der Aufnahme der Novellae XVIII. Leonis zu setzen, sondern weil die Gruͤnde, aus welchen das Justinianeische Recht den An- hang einer solchen Strafe bey Verlobungen fuͤr unguͤl- tig erklaͤrt, in Teutschland gaͤnzlich wegfallen, und da- her selbige nach den Sitten der Teutschen von jeher vor verbindlich gehalten worden Dies beweisen die Beispiele, die man schon vorher bey den Teutschen von solchen denen Eheverloͤbnissen angehaͤng- ten Conventionalstrafen findet, ehe einmahl die Novellen des Krs Leo in Teutschland bekannt worden sind, welche Io. Aug . hellfeld in Diss. de effectu poenae conventionalis sponsalibus adiectae Ienae 1760. §. XXIX. und Dir. zepernick in den angefuͤhrten Coniecturis Cap. I. §. XIV. S. 483. und folgg. ge- sammlet haben. , zumahl hiermit auch die Vorschriften des kanonischen Rechts cap. 29. X. de sponsal. uͤberein- stimmen, als nach welchen eine Conventionalstrafe nur bey den Verlobungen der Unmuͤndigen fuͤr unverbind- lich erklaͤret wird. Eben so vergeblich leitet man die heutige Guͤltigkeit der Erbvertraͤge von der Reception der Nov. Leonis XIX. ab; denn nicht zu gedenken, daß daselbst nicht von Erbvertraͤgen uͤberhaupt, sondern nur de Origine Iuris. nur von einem besondern Vertrage die Rede ist, wel- chen ein Vater der Erbfolge wegen mit seinem verhey- ratheten Sohne geschlossen hatte, und den Leo gegen die Verordnung der Kr. Valentinian, Gallienus und Valerian L. 15. C. de pactis fuͤr guͤltig erklaͤrt S. zepernick am angef. O. §. XVI. S 498. u. folg. ; so sind ja bekanntermassen bey den Teutschen die Erb- vertraͤge nicht nur schon laͤngst vor Einfuͤhrung des roͤ- mischen Rechts uͤblich gewesen, und fuͤr verbindlich gehal- ten worden; sondern sie haben auch nachher diese ihre Guͤltigkeit gegen alle Gruͤnde des roͤmischen Rechts stand- haft behauptet Man vergleiche hebenstreit Vindiciae veri va- loris pactor. successor. tam iure rom. quam germ . Erfordiae 1768. . Ich uͤbergehe mehrere Beispiele, und bemerke nur noch, daß so wenig das Ansehen der so genannten pragmatischen Juristen, als die Urtheile und Entscheidungen einiger Gerichtshoͤfe, welche diese oder jene Novelle des Krs Leo, vielleicht aus blosem Irr- thum, angefuͤhret, gegen die in Teutschland angenomme- ne Regel: quidquid non agnoscit glossa, illud non agnoscit curia, welche diesen Novellen alles legale An- sehen in den Gerichten schlechterdings abspricht, etwas gelten koͤnnen. Ja ich zweifele sogar noch, ob diese Novellen zur Erklaͤrung des wirklich geltenden Justinia- neischen Rechts uͤberall denjenigen theoretischen Nutzen haben moͤchten, welchen ihnen doch wenigstens selbst diejenigen Rechtsgelehrten beylegen wollen, die uͤbrigens die verbindende Kraft derselben gaͤnzlich laͤugnen galvanvs de usufructu Cap. XXX. n. IV. S. 377. edit. Tubingens . gravina Origin. iuris civ . Lib. I. cap. 136. hilliger im Donello enucleat . Lib. XXVI. c. 2. lit. A. Chr. God . hoffmann Histor. Iuris . Lib. II. c. 2. §. 17. . Denn Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. A a 1. Buch 2. Tit. Denn wie wenig es dem K. Leo mit aller seiner Phi- losophie gegluͤckt habe, in den Geist derjenigen roͤmischen Verordnungen einzudringen, die er in seinen Novellen reformiren wollen, wie unbillig daher oft sein Tadel? und wie unnoͤthig und grundlos oft seine Abaͤnderungen des Civilrechts sind, kann niemanden unbekannt seyn, der mit Aufmerksamkeit diese Novellen gelesen hat Der Kuͤrze wegen beziehe ich mich hier wieder auf die Anmerkungen des Herrn Dir. Zepernicks zum Beckischen Tractat de Novellis Leonis S. 124. und folgg. und Desselben Coniecturas Cap. I. S. 406. und folgg. . Eben dieses ist auch von den uͤbrigen Verordnungen der nachfolgenden Orientalischen Kaiser zu behaupten, die unter der Aufschrift Imperatoriae Constitutio- nes zuerst vom Charondas aus des bonefidii iu- re orientali denen Novellen des Leo beygefuͤget worden sind Christfr . waechtler Opuscul . S. 592. und folgg. . §. 66. Postjustinianeisches Recht im Occident . Nun zulezt noch ein Wort von denen im Occi- dent nach Justinians Zeiten verfaßten Sammlungen roͤ- mischer Gesetze, welche vorzuͤglich denen von den Bar- baren unterjochten occidentalischen Roͤmern zum Gebrauch dienten. Eine solche Sammlung scheint diejenige zu seyn, die erst vor Kurzen Paul Canciani Barbarorum Leges antiquae cum notis et glossariis Vol. IV. Venedig 1789. Fol. S. 461. und folgg. aus einem Codex der Domkirche zu Udien unter der Auf- schrift: Lex romana barbaris regnantibus observata in Italia, ediret hat, und einen Aus- zug eines Theils des justinianeischen Gesezbuchs enthaͤlt. Besonders aber ziehet unsere Aufmerksamkeit eine ande- re de Origine Iuris. re aͤhnliche Sammlung dieser Art auf sich, welche zuerst, ich weiß nicht, wer? unter dem Titel: Cor- pus legum per modum institutionum ab in- certo auctore in compendium redactum — Lovanii , excudebat Barth. Gravius ann. 1551. her- aus gab Mehrere Nachrichten davon giebt Christ . sax in Ono- mast. litterar . P. II. S. 537. und jezt unter dem Nahmen Brachy- logus iuris civilis allgemein bekannt ist. Der seel. Reichshofr. von Senkenberg hat diesen Brachylog am neuesten mit den Anmerkungen Ludwig Pesnots, Pard. Pratejus und Nicol. Reusners zu Frankfurt und Leipzig 1743. 4. wieder abdrucken lassen. Verfasser, Zeitalter, Ort und Veranlassung dieses Buchs sind voͤl- lig unbekannt. Senkenberg sezte es dem Alter nach wenigstens in die Zeiten K. Justinus II. und schrieb ihm dem Inhalt nach sogar groͤsere Vollstaͤndigkeit, als dem justinianeischen Gesezbuche selbst zu; allein die Beweise fuͤr diese Meinung sind nicht uͤberzeugend S. püttmann Miscellaneor. ad ius perti- nentium Specim. II. Cap. 7. . Daß in- zwischen dennoch diesem Brachylog, so wie der vorhin- gedachten Lex Romana der th eoretische Nutzen nicht abgesprochen werden kann, hat keinen Zweifel, daher selbige wenigstens in dieser Ruͤcksicht anzufuͤhren gewe- sen sind. B. Vom Canonischen Rechte. §. 67. Begrif und heutige Guͤltigkeit desselben. Unter denen in Teutschland geltenden fremden Rech- ten, die wir als Quellen unserer heutigen Privatrechts- A a 2 gelahrt- 1. Buch. 2. Tit. gelahrtheit anzusehen haben, behauptet nun auch noch insonderheit das Canonische Recht seinen Platz. In der allgemeinsten Bedeutung genommen, verstehet man unter Canonisches Recht den Inbegrif al- ler der die Verfassung und rechtlichen Verhaͤltnisse der christlichen Kirche bestimmenden Anordnungen und Ge- setze, welche seit Entstehung derselben bis auf den heu- tigen Tag unter mancherley Veraͤnderungen gegolten ha- ben In weitlaͤuftiger Bedeutung wird daher eine jede kirch- liche Verordnung canon genennt. S. gratiani De- cretum pr. Dist . 3. . Im engern Verstande aber bezeichnet es blos den Inbegrif der in dem Corpus iuris canonici enthaltenen Verordnungen, und in dieser Bedeutung nehmen wir es hier. Die vorhergegangenen Samm- lungen des aͤltern canonischen Rechts Von diesem habe ich umstaͤndlich gehandelt in meinen Praecognit. Iurispr. Eccles . Cap. III. Sect. II. §. 170. und folgg. betrachten wir also in dieser Hinsicht nur als Huͤlfsmittel zur Geschich- te und Erklaͤrung des leztern. Daß nun dieses canoni- sche Recht in dem engern Verstande Eine Notiz von dem ganzen canonischen Rechtskoͤrper habe ich in meinen vorhin gedachten Praecognitis S. 31-91. gegeben. eine allgemeine verbindliche Kraft in Teutschland habe S. Puͤtters Abhandl. wie das paͤbstl. canonische Recht in Teutschland aufgekommen ? in Dessel- ben Beytraͤgen zum teutschen Staats- und Fuͤrstenrechte 2. Theil ( Goͤttingen 1779.) N. XXV. S. 53. und Ios. Ant . riegger Diss. de receptione corporis iu- ris canonici in Germania in Desselben Opuscu- lis ad Histor. et Iurisprud. praecipue ecclesiast. pertinent . Friburgi. 1773. S. 197. u. folgg. , und eben so gut, wie das Justinianeische Recht, in den teutschen Reichs- de Origine Iuris. Reichsgesetzen theils ausdruͤcklich und nahmentlich Reichshofraths-Ordnung Tit. 7. §. 24. , theils stillschweigend unter dem allgemeinen Ausdruck der gemeinen Rechte bestaͤttiget worden Kaiserl. Cammergerichts-Ordnung Th. I. Tit. 71. Neuester Reichsabschied §. 105. , ist eine Wahrheit, die wohl billig zu denen voͤllig ausgemach- ten und daher ganz unbestrittenen gehoͤrt; so wie es denn uͤberhaupt auch eben so bekannt und ohne Zweifel ist, daß sich das paͤbstliche Recht noch nach der Refor- mation selbst unter den Protestanten im bestaͤndigen Werthe und Ansehen erhalten habe, so sehr sich auch Luther bemuͤhete, dasselbe aus den evangelischen Gerich- ten gaͤnzlich zu verdrengen und auszurotten Die Gruͤnde, warum die gaͤnzliche Abschaffung des ca- nonischen und paͤbstlichen Rechts bey der Reformation nicht moͤglich gewesen, habe ich in meinen angefuͤhrten Praecognitis S. 332. und folgenden entwickelt. . Al- lein wenn die Frage ist, wieweit das canonische Recht in den teutschen, und besonders evan- gelischen Gerichten gelte, oder nicht gelte , so finden wir hierin eine grosse Verschiedenheit in den Mei- nungen der Rechtsgelehrten, indem einige den Gebrauch des canonischen Rechts blos auf einzelne Materien ein- schraͤnken, andere hingegen denselben durch gewisse Re- geln zu bestimmen suchen. Um mich jedoch hierauf nicht einlassen zu duͤrfen, will ich mich der Kuͤrze wegen nur auf die unten angefuͤhrten Ich will unter denen hierher gehoͤrigen genugsam bekann- ten Schriften vorzuͤglich des seel. Canzlers Just. Henning Boͤhmers beyde Abhandlungen 1) de praxi iuris ca- nonici in terris protestantium Halae 1712. 2) de media via in studio et applicatione iuris canonici inter Protestantes tenenda , in eius Exer- Schriften beziehen, wor- A a 3 in 1. Buch. 2. Tit. in man die verschiedenen Meinungen gepruͤft finden wird, und gleich mit wenigen Worten meine Meinung sagen, welche in folgendem Saz enthalten ist: das canoni- sche Recht hat in soweit noch heutiges Tages in Teutschland eine unstreitige Guͤltigkeit, als die darin enthaltenen Vorschriften nicht andern in Teutschland geltenden Gesetzen, welche diesem Rechte vorzuziehen, zuwider sind, und selbige uͤberhaupt mit der heuti- gen Verfassung Teutschlands und dem Zu- stande der teutschen, insbesondere aber der protestantischen Kirche bestehen koͤnnen . Daß nach dieser Regel das canonische Recht heutiges Tages nicht mehr in allen Stuͤcken diejenige Guͤltigkeit behaupten koͤnne, die dasselbe anfangs und bey der Einfuͤhrung des- selben in Teutschland gehabt, ist ausser allen Zw eifel, wenn man bedenkt, wie sehr seit der Zeit die Verhaͤltnisse der paͤbstlichen zur weltlichen Macht sich veraͤndert, und was seit der Reformation der Zustand der teuschen Kir- che, als welche von dieser Zeit an sich in zwey Haupt- partheyen, die catholische und protestantische, theilt, fuͤr eine grose Veraͤnderung erlitten hat. Es ist dem- nach ganz natuͤrlich, daß durch die Reformation schon an und fuͤr sich alle diejenigen Gesetze des canonischen Rechtskoͤrpers soweit ihre Guͤltigkeit verlohren haben, als dieselbe mit dem Zustande der durch die Reforma- tion entstandenen neuen protestantischen Kirche nicht be- stehen koͤnnen. Da aber dieser Zustand der protestan- tischen Kirche theils aus der Verschiedenheit der Reli- gion Exercitat. ad Pandect . T. I. p. 344. und das neueste Pro- gram meines unvergeßlichen Freundes des seel. Hrn. Hof- raths Schott de auctoritate iuris canonici in- ter evangelicos recepti eiusque usu apte moderando . Erlangae 1781 empfohlen haben. de Origine Iuris. gion selbst, theils aus der Verschiedenheit der innern Verfassung dieser Kirche von der katholischen Kirchen- hierarchie entstehet: so erhellet hieraus, daß alle die im canonischen Rechte enthaltenen Gesetze mit dem Zustande der protestantischen Kir- che nicht bestehen koͤnnen, welche entweder den Grundsaͤtzen der protestantischen Religion oder der innern Verfassung dieser Kirche entgegen sind . Wie nothwendig ist es demnach nicht, daß man sich einen richtigen Begrif von dem heutigen Zustande, sowohl der evangelischen als der ca- tholischen Kirche mache, daß man ferner eine genaue Kenntniß der verschiedenen Lehrsaͤtze der catholischen und protestantischen Theologie habe, und uͤberall das cano- nische Recht aus seinen rechten Gruͤnden herleite, um heutiges Tages bey der so grosen Verschiedenheit unse- rer Zeiten von jenen, aus welchen das canonische Ge- sezbuch herruͤhrt, keinen unrichtigen Gebrauch davon zu machen S. Io. Heinr. de berger Progr. de genuino iuris canonici usu; seu de summa circumspectione et cau- tione in legendo iure canonico eiusque Interpretibus doctori Protestantium adhibenda. Viteb. 1706. und in Desselben Philocalia fori , S. 173. auch meine Praecog- nita iuris Eccles. S. 82. und folgenden. ? Auch selbst unter den Katholiken hat das canonische Recht viel von seiner Guͤltigkeit verlohren, und kann daher nicht anders als mit groser Behutsam- keit unter denenselben angewendet werden, indem nicht nur das Tridentinische Concilium und andere neuere bey ihnen geltende Gesetze betraͤchtliche Abaͤnderungen dessel- ben enthalten, sondern auch das ganz im Tone einer allgemeinen und obersten geistlichen Macht von den Paͤb- sten abgefaßte canonische Gesezbuch durchaus nicht mit dem heutiges Tages herrschenden Episcopalsystem beste- A a 4 hen 1. Buch. 2. Tit. hen kann. Nicht zu gedenken, daß die heutige durch den Religions- und Westphaͤlischen Frieden stabilirte Ver- fassung des teutschen Reichs, und die reichsgesezmaͤsige Bestimmung der Grenzen zwischen der geistlichen und weltlichen Gerichtsbarkeit viele Verordnungen des canoni- schen Rechts ganz unanwendbar macht So z. B. ist es ein Grundsaz des canonischen Rechts, daß causae iuramentorum vor die geistliche Gerichtsbar- keit gehoͤrten, c. 34. X. de Elect. c. 8. X. de arbitris, c. 13. X. de iudic. c. fin. de foro compet . in 6to und nur die Paͤbste allein glaubten als Christi Vicarien berechtigt zu seyn, von der Verbindlichkeit der Eide loszusprechen, und uͤberhaupt uͤber die Guͤltigkeit oder Unguͤltigkeit der- selben zu urtheilen. c. 34. X. de elect. Daß die Paͤb- ste dieser Grundsaͤtze blos als Nahrungsmittel ihrer Herrschsucht uͤber Monarchen und Unterthanen sich bedie- net, sahen Fuͤrsten und Laien schon in jenen finstern Zei- ten ein, und heutiges Tages zweifeln weder Catholiken noch Protestanten mehr daran, daß der ordentliche Rich- ter, vor welchem der Rechtsstreit schwebt, er sey geist- oder weltlicher, uͤber einen Eyd erkennen, und ihn aus rechtmaͤsiger Ursach fuͤr nichtig erklaͤren koͤnne. S. mal- blanc doctrina de iureiurando Lib. V. cap. II. §. 123. und Eybel Einleitung in das katholische Kirchenrecht IV. Th. 2. Band §. 394. not. i. S. 128. . Daß uͤbrigens durch das canonische Recht in den Materien des roͤmi- schen Civilrechts manche wichtige Veraͤnderung gemacht worden, ist zwar uͤberhaupt bekannt genug; nur duͤrfen wir hierin nicht allzuvoreilig seyn, und gleich eine jede paͤbstliche Verordnung, welche mit den Grundsaͤtzen des roͤmischen Rechts nicht uͤbereinzustimmen scheint, fuͤr ei- ne Abaͤnderung des leztern halten, indem die Paͤbste zuweilen nur eine locale Gewohnheit bestaͤttiget, oder zum Grunde ihrer Entscheidung genommen haben Beispiele davon geben c. 10. und 13. X. de testament. wes- . Es de Origine Iuris. Es ist auch unlaͤugbar, daß manche Irthuͤmer aus der Glosse des roͤmischen Rechts in die Decretalen geflos- sen sind S. eckhard Hermenevt. iuris Lib. I. Cap. VIII. §. 339. und folgg. und walch in notis ad Eundem. . In wiefern nun in solchen Faͤllen, da das canonische und roͤmische Gesezbuch sich in ihren Vor- schriften widersprechen, das eine fuͤr den andern den Vorzug behaupte, werde ich weiter unten bestimmen, wenn ich auf die Ordnung komme, in welcher die in Teutschland vorhandene mancherley Privatgesetze bey ih- rer Anwendung auf einander folgen. 2. Abschnitt von den in Teutschland geltenden einheimischen Gesetzen, wel- che wir als Quellen der buͤrgerlichen oder Privat- rechtsgelehrsamkeit anzusehen haben. §. 68. Eintheilung der teutschen Gesetze in alte, mittlere und neue. Wir schreiten nun zur zweiten Hauptclasse von Quellen unserer buͤrgerlichen oder Privatrechtsgelehrsam- keit, welche die in Teutschland geltende einheimische Gesetze ausmachen. Auch hier wuͤrde es ganz wider meine Absicht seyn, wenn ich mich in eine umstaͤndliche historische Entwicklung des Ursprungs und Schicksale dieser Gesetze einlassen wollte, da ich die Kenntnis der A a 5 Rechts- weshalb Phil . hedderich Dissertat. iuris eccles. germ. Vol. I. Bonnae 1783. 4. S. 69. und folgg. und Meine Opuscula. Fascic. 1. S. 145. folgg. nachgesehen werden koͤnnen. 1. Buch. 2. Tit. Rechtshistorie bey meinen Lesern billig voraussetzen kann Zum Ueberfluß empfehle ich hierbey silberrad ad Hei- neccii histor. iur. germ . Heumanns Geist der Gesetze der Teutschen , Fischers Litteratur , und Geschichte des teutschen Rechts , de sencken- berg Visiones de collectionibus Legum germanicarum, und besonders Herrn Prof. D. Christ. Gottl. biener Commentarii de origine et progressu Le- gum iuriumque germanicor . P. I. Lipsiae 1787. 8. . Es ist mir also zu meinem Zweck hinreichend, die teutschen Gesetze nur lediglich in Ruͤcksicht ihres heutigen Gebrauchs in die alten, mittlern und neuen ein- zutheilen. Zu den teutschen Gesetzen der erstern Art rechne ich theils die Gesetze der alten teutschen Voͤlker, die Salischen, Ripuarischen, Alemannischen, Bayer- schen, Friesischen, Saͤchsischen u. s. w. (Autor §. 76.) welche ausser Herold, Lindenbrog und Georgisch , neuerlich Paul Canciani Barbarorum leges antiquae cum notis et glossariis. Accedunt formularum fascicu- li et selectae constitutiones medii aevi. Collegit, plura notis et animadversionibus illustravit, monumentis quoq. ineditis ex- ornavit F. Paul . canciani ord. Serv. B. Mariae Virg. S. T. D. Vol. I. Venetiis 1781. Vol. II. 1783. Vol. III. 1785. Vol. IV. 1789. Fol. wieder herausgegeben, theils die Capitularien der Fraͤnkischen Koͤnige, wovon Stephan Baluze Capitularia Regum Francorum. Additae sunt Marculfi Mon. et aliorum formulae veteres et notae do ctiss. viror . Steph . baluzius in unum collegit, notis et indice illustravit. Paris 1677. Venet. 1772. 1773. unstreitig die beste und rich- tigste Ausgabe geliefert, und von welcher zu Paris durch Peter von Chiniac eine neue vermehrte und ver- de Origine Iuris. verbesserte Auflage besorgt wird Lutetiae Paris . 1780. Fol. . Die Gesetze des mittlern Alters sind vorzuͤglich in denen zu diesen Zei- ten erschienenen Sammlungen, den Sachsenspiegel, Schwa- benspiegel, Kaiserrechte u. s. w. enthalten S. de senckenberg et de koenigsthal Corpus iuris germ. publici et privati . Endlich die seit der oͤffentlichen Einfuͤhrung des roͤmischen Rechts bis auf unsere Zeiten erschienene teutsche Privat-Gese- tze gehoͤren zur dritten Classe, nehmlich zu den neuen teutschen Privatgesetzen . Z. B. die im Jahr 1512. publieirte Notariatsordnung Maximilians I. K. Carls V. Edict von der Erbfolge der Bru- derskinder de 1529. Desselben Polizeyordnung vom Jahr 1530. Desselben peinliche Gerichtsordnung vom J. 1532. Ferner die unter K. Rudolph II. im Jahr 1577. neue oder reformirte Polizeyord- nung , der sogenannte juͤngste Reichsabschied vom Jahr 1654. Desgleichen der bekannte Reichsschluß von Abschaffung der Mißbraͤuche bey Handwerkern, welcher am 16. August 1731. bekannt gemacht, und im Jahr 1772. erneuert und mit neuen Bestimmungen vermehret worden u. s. w. Siehe Neue Sammlung der Reichsabschiede sammt den wichtigsten Reichsschluͤssen T.I-IV. Frankf. 1747. Fol. . §. 69. Vom heutigen Gebrauch der alten und mittlern teutschen Rechte. Ob nun wohl jene alte und mittlere teutschen Rechte, soviel deren heutigen Gebrauch anbetrift, zur Aufklaͤrung des heutigen teutschen Rechts in solchen Ge- schaͤften, welche blos aus teutschen Sitten und Verfas- sungen ihren Ursprung herleiten, und aus denenselben zu 1. Buch. 2. Tit. zu entscheiden sind, allerdings ihren grosen Nutzen ha- ben David Georg Strubens Abhandlung von dem Mis- brauch und guten Gebrauch der alten teutschen Rechte in Desselben Nebenstunden V. Theil S. 1-82. , indem hier, ohne die groͤste Verwirrung zu veranlassen, die Grundsaͤtze des roͤmischen Rechts nicht angewendet werden koͤnnen (§. 60.); so laͤsset sich doch deshalb eine allgemeine und unstreitige Guͤltigkeit dersel- ben heutiges Tages nicht erweissen, da eines Theils noch vielen Zweifeln unterworfen ist, ob selbige ehedem in Teutschland wirklich so allgemein eingefuͤhrt gewesen, als vorgegeben wird, indem es vielmehr an allgemeinen Gesetzen im teuschen Privatrechte, auch von aͤltern Zei- ten her, fast gaͤnzlich mangelt Io. Sam. Frid . boehmer Progr. de praeiudicio iuris germ. in causis privatis Frfti 1750. und Frid. Henr . my- lii Diss. de genuino iuris germ. univ. hodierni civi- lis conceptu, Lips. 1751. auch Desselben Diss. de iure consuetudinario universali Germaniae medii aevi. Lips. 1756. ; andern Theils, wenn auch ein solches allgemeines teutsches Recht in den aͤltern Zeiten als erwiesen angenommen werden koͤnnte, dennoch in den neuern Zeiten, und zwar schon seit meh- rern Jahrhunderten her das roͤmische und andere gemei- ne Rechte einen solchen Eingang in Teutschland gefun- den, daß sie nunmehro unstreitig zur gesezmaͤsigen Richt- schnur dienen, mithin es heutiges Tages immer quae- stio facti ist, ob eine dergleichen Gewohnheit des alten und mittlern teutschen Rechts, als man anfuͤhrt, sich bis auf den heutigen Tag wirklich erhalten haben, wel- ches daher nicht vermuthet werden kann, sondern von demjenigen, welcher es behauptet, bewiesen werden muß Verschiedene Rechtsgelehrte wollen zwar das Gegentheil behaupten, weil die Abschaffung eingefuͤhrter Gewohnhei- ten . Nicht de Origine Iuris. Nicht zu gedenken, daß uͤberhaupt die noch heutiges Tages vorhandenen Sammlungen alter teutscher Rechte und Gewohnheiten meist Privatwerke sind, welche auch nie durch kaiserliche Verordnungen eine allgemein ver- bindende gesezliche Kraft erhalten haben; daher ihrer auch weder in der Cammergerichts- noch Reichshofraths- ordnung unter den heutigen Rechten, wornach gesprochen werden soll, Erwaͤhnung geschiehet. Hieraus ergibt sich also die Regel, welche heutiges Tages nicht nur von den bewaͤhrtesten teutschen Rechtsgelehrten Ben . carpzov P. II. Const. 35. def. 8. n. 4. und an mehrern Orten, Hartm . pistor P. II. Quaest. 25. n. 35. Qu. 26. n. 18. Pet . heigius Quaest. iuris P. II. Qu. 17. n. 43. Chr. Phil . richter Decis. 28. n. 15. Io . schilter Praxi Iur. Rom. Ex. I. §. 13. Io. Nic . hertius Diss. de consult. legib. et iudic. in special. rom. germ. imp. re- buspubl. §. XV. Sam . stryck praefat. Us. Mod. Pand. §. XXVII. Nic. Christ. de lyncker Decis. 1264. und Resp. 55. n. 3. und 66. Io . werlhof Spec. I. de iure germa- nis patrio p. 182. seq. Io. Melch. de ludolf Observat. forens P. III. Obs. 222. p. 426. Joh. Steph. Puͤtter in Rechtsfaͤllen I. Band S. 157. und II. Band S. 202. Io. Heinr. Christ. de selchow Elem. iuris germ. privati ho- dierni §. 36. Ge . lennep Abhandl. von der Leyhe zu Land-Siedelrecht. S. 222. u. a. m. angenom- men, sondern auch selbst im teutschen Gerichtsgebrauch Aug. a leyser Meditat. ad Pandect. Vol. XII. S. 365. und folg. und S. 422. u. folg. Ferd. Aug . hommel Diss. , ja ten nicht zu vermuthen, z. B. rinck de speculo Saxo- nico fonte iuris Saxonici communis Altorf. 1725. kest- ner Problem. de defectibus iuris communis Rintel. 1736. Problem. IV. u. a. m. Allein Struben a. a. O. §. XXVII. und Herr Prof. D. kind in Progr. de Speculi Sa- xonici usu et auctoritate Lipsiae 1783. §. IV. u. folg. haben diese Meinung gruͤndlich widerlegt. 1. Buch. 2. Tit. ja selbst bey den hoͤchsten Reichsgerichten S. Io. Ulr. L. B. de cramer Observat. iur. univ. T. I. Obs. 422. eingefuͤhrt ist, daß die urspruͤnglich teutschen Rechte und Gewohnheiten des alten und mittlern Zeit- alters nur in so weit heutiges Tages mit Grunde angefuͤhret werden koͤnnen, so fern erweislich ist, daß solche in dem Lande oder in der Stadt oder Familie, wovon die Re- de ist, bis auf den heutigen Tag durch Sta- tuten, Vertraͤge, oder Herkommen beybe- halten worden . §. 70. Von der Guͤltigkeit und Erklaͤrung der neuen teutschen Pri- vatgesetze. Erlaͤuterung der Regel: Statuta interpre- tanda sunt ex iure communi . Die neuern teutschen Privatgesetze sind in Anse- hung ihrer Guͤltigkeit, zwiefach, gemeine , nehmlich Reichsprivatgesetze, und teutsche Particulargesetze , nehmlich Landes- und Stadtgesetze. Wir bemerken hier- von folgendes: 1) Wenn ein teutsches Reichs- oder par- ticulares Landesgesetz oder Statut gewisse Verordnungen der gemeinen in Teutschland recipirten fremden Rechte ausdruͤcklich oder stillschweigend aufgehoben, so ist davon wei- ter kein Gebrauch zu machen S. Herrn Prof. Westphals teutsches und Reichsstaͤndi- sches Privatrecht 1. Th. 1. Abh. . Denn die frem- Diss. de proëdria Legum Iustinianearum prae iure pa- trio antiquo in foris Germanorum. Lipsiae 1739. und die in voriger Note angefuͤhrte Pragmatiker bestaͤrken die- fen Gerichtsgebrauch durch die von ihnen angefuͤhrten vie- len Beispiele. de Origine Iuris. fremden Rechte sind nur als Huͤlfsrechte in Teutschland angenommen (Aut. §. 79.), und muͤssen also denen teut- schen Gesetzen weichen, wenn sie durch dieselben abge- aͤndert worden sind. So z. B. gehen in Vormund- schaftssachen, desgleichen in der Materie von Zinsen die Reichsgesetze von dem roͤmischen Recht ganz ab. Es kommt also hierin heut zu Tage auf die Vor- schriften der gemeinen Reichsgesetze hauptsaͤchlich an. Eben so ist es, wenn z. E. ein Stadtgesez deutlich be- sagt, ein Erblasser sey nicht gehalten, seinen Geschwi- stern etwas zu vermachen Nuͤrnberg. Reformation Tit. XXIX. n. 8. ; der Richter kann hier nicht die Ausnahme hinzu denken, wenn eine ehrlose Persohn zum Erben eingesezt, und den Geschwistern vor- gezogen worden Anderer Meinung sind zwar Struben in Nebenstunden V. Th. 32. Abh. §. 12. und Io. Mich. Frid . lochner in Select. iuris universi, oder Sammlung verschiedener in die Rechtsgelehrsamkeit gehoͤriger Materien und Faͤlle. II. Stuͤck. N. I. S. 146. Allein man sehe vorzuͤglich Ge. Christ. Alb . spies Diss. de cauta germanicorum mixti generis statutorum interpretatione. Altorf. 1764. §. VIIII. . 2) Wenn hingegen eine Verordnung in denen teutschen Reichs- oder particularen Landesgesetzen aus dem fremden Rechte her- fließt, und diese unvollstaͤndig, oder dunkel und zweifelhaft, in dem fremden Rechte aber weit deutlicher bestimmt ist, so ist sie aus diesem allein fuͤglich zu erklaͤren, in so weit nehmlich das einheimische Gesez mit dem fremden Rechte einstimmig ist S. Christ. Gottl . riccius von Stadtgesetzen oder Sta- tutis. II. Buch. XI. Hauptst. §. 12. S. 447. und folgg. . Denn jedes Gesez muß aus seiner Quelle erklaͤret werden. Wenn demnach z. B. ein Reichs- oder Landesgesez von Te- stamen- 1. Buch. 2. Tit. stamenten , oder von den Wirkungen der roͤmischen vaͤterlichen Gewalt , disponirt, so ist ein solches, wenn es undeutlich und unvollstaͤndig ist, allerdings aus dem roͤmischen Rechte zu erklaͤren. Eben deswegen kann auch die Vorschrift der Reichsgesetze, welche die Groͤs- se rechtmaͤsiger Zinsen auf 5. pro Cent festsetzen, nicht mit Ausschliessung derjenigen Faͤlle verstanden werden, wo die fremden Rechte Ausnahmen machen, und mehr als sonst gewoͤhnliche Zinsen erlauben, als z. B. wenn der Glaͤubiger die Gefahr des Capitals traͤgt, wie bey Assecuranzen, Bodmerey und Leibrenthen Contract. Denn die Verordnung der Reichsgesetze ist wirklich unbestimmt und zweifelhaft, weil sie eigentlich nur von Verzugs- zinsen redet. 3) Wenn ein einheimisches Gesez von solchen Gegenstaͤnden redet, die ganz teut- schen Ursprungs sind, und bey deren Erklaͤ- rung man das roͤmische Recht sehr uͤbel und unschicklich anwenden wuͤrde, so muß dassel- be aus einheimischen Grundsaͤtzen, d. i. aus aͤchten teutschen Rechten und Gewohnheiten seine Erlaͤuterung bekommen Man vergleiche hier vorzuͤglich Io. Ulr . cramer Diss. de interpretatione statutorum. Marburgi 1739. Cap. II. §. 8. und des um die Litteratur so verdienstvollen Herrn D. Joh. Christ. Koppe schoͤnes Program uͤber die nothwendige Kultur und Erlernung des teutschen Privatrechts . Rostok 1789. 4. . Dieses folgt ebenfalls daraus, weil Gesetze aus ihrer Quelle zu er- klaͤren sind. Man setze z. B. ein Statut oder teut- ses Partieulargesez, rede von der Gemeinschaft der Guͤ- ter unter Ehegatten, oder von der statutarischen Por- tion derselben, oder von der ehelichen Errungenschaft; oder vom Wittum, oder der Einkindschaft, u. d. m. es de Origine Iuris. waͤre aber dergleichen Statut nicht ganz deutlich, und unvollstaͤndig, so ist dasselbe aus dem, was gemeiniglich bey diesen Gegenstaͤnden teutschen Rechtens zu seyn pflegt, zu ergaͤnzen und zu erklaͤren. Dies ist der Sinn der bekannten Regel: daß die teutschen Particular- gesetze aus dem gemeinen Rechte zu erklaͤren . ( Statuta interpretanda sunt ex iure communi ) Sim. Pet . gasser Diss. de brocardico vulgari, statu- ta ex iure communi esse interpretanda . freisleben Diss. de interpretatione statutorum ex iure communi. rivi- nus num iura statutaria dubia vel obscura ex iure Rom. declarari vel suppleri debeant. hommel Rhapsod. Obs. 660. . Gemeines Recht ist also nicht allein das fremde in Teutschland aufgenommene Recht, sondern auch gemei- nes teutsches Recht, was unsere Reichsgesetze enthalten, oder gemeine Gewohnheiten mit sich bringen. 4) Sind teutsche Particulargesetze aus andern statutarischen Rechten erzeugt wor- den, so muͤssen sie aus diesen ihren Muͤttern zunaͤchst erklaͤret werden Westphal a. a. O. §. 17. . Denn diese sind die Quellen, woraus jene geflossen sind. Man muß daher die Erzeugung eines statutarischen Rechts aus dem andern kennen, und diese lehrt uns die teutsche Rechts- geschichte. So z. B. ist aus dem Soͤster-Recht das Luͤbische, Hamburgische, Mindensche, Lippische u. a. m. entstanden. Uebrigens finden 5) bey Erklaͤrung teutscher, sowohl all- gemeiner als particulaͤrer, Gesetze die ge- meinen Grundsaͤtze der Auslegungskunst statt . Daher es eine ganz irrige und laͤngst verworfene Mei- nung Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. B b 1. Buch. 2. Tit. nung ist, wenn man ehedem sich uͤberredete, daß Sta- tuten jederzeit streng nach den Worten erklaͤrt werden muͤßten eckhard in Hermenevt. iuris Lib. II. c. I. §. 18. und folgg. . So z. B. gilt die in vielen Gegenden Teutschlands aus dem Saͤchsischen und Luͤbischen Recht angenommene Regel: Hand muß Hand wah- ren , nicht allein bey Versetzungen und Verleihungen, sondern man wendet sie auch bey Hinterlegung der Sa- chen, gegebener Vollmacht, und aͤhnlichen Faͤllen an; weil in dem einen wie in dem andern Falle der Grund dieser Regel eintrit, welcher in der Erhaltung des ge- meinen Glaubens und Zutrauens im Handel und Wan- del zu suchen ist. Endlich 6) verstehet sichs von selbst, daß wenn die beson- dern teutschen Gesetze von den Reichs-Privatgesetzen abgehen, oder in den Stadtgesetzen ein oder der ande- re Artikel anders als in den Landesgesetzen abgefasset ist, das besondere Gesez nur allein zur Entscheidung dienen koͤnne. Dies will die bekannte Regel: Stadt-Recht bricht Landrecht, Land-Recht bricht gemein Recht riccius a. a. O. IX. Hauptst. S. 424. und folgg. Eisenharts Grundsaͤtze des T. Rechts in Spruͤchwoͤrtern S. 1. Puͤtters Beytraͤge zum T. Staats- und Fuͤrstenrechte 2. Th. N. XXII. S. 23. . §. 71. In welcher Ordnung folgen die in Teutschland geltende man- cherley Gattungen von Privatgesetzen bey ihrer Anwen- dung auf einander? Erste Regel. Da es nun also in Teutschland so mancherley Rechtsquellen giebt, aus welchen die Grundsaͤtze des buͤrgerlichen Privatrechts herzuleiten sind, so kann es nicht anders seyn, als daß sie sich oft in ihren Vor- schriften de Origine Iuris. schriften widersprechen muͤssen. Es entstehet also die Frage, welches Recht im Collisions-Falle den Vorzug vor dem andern habe, und in was fuͤr einer Ordnung die mancherley Gesetze, von welchen wir bisher gehan- delt haben, bey ihrer Anwendung auf einander fol- gen? S. H. Hofr. Schnauberts Abhandl. in was fuͤr ei- ner Ordnung folgen die mancherley Entschei- dungsquellen bey ihrer Anwendung auf Pri- vatsachen auf einander ; in Desselben Beytraͤgen zum teutschen Staats- und Kirchenrecht. I. Th. N. IV. S. 54 ‒ 61. und nettelbladt System. elem. iurispr. pos. Germ. comm. § 181. (Aut. §. 81.) Hier finden nun folgende Re- geln statt. I. Die in Teutschland geltende einhei- mischen Gesetze und Gewohnheiten gehen de- nen in Teutschland recipirten fremden Rech- ten vor . Denn leztere sind nur in subsidium an- genommen, wenn es an erstern mangelt Reichshofr. Ordnung Tit. 2. §. 15. Ob nun gleich die neuern teutschen Reichs- und Landesgese- tze, Statuten und Gewohnheiten ohne alle Einschraͤn- kung den Vorzug vor den fremden Rechten behaupten; so ist doch in Ansehung der aͤltern bereits vor Einfuͤh- rung des roͤmischen Rechts in Teutschland uͤblich gewe- senen teutschen Rechte und Gewohnheiten, und derjeni- gen, so in den Rechtssammlungen des Mittelalters, nehmlich dem Sachsenspiegel, Schwabenspiegel u. s. w. enthalten sind, ein Unterschied unter den gemeinen Pri- vatpersohnen und unter den erlauchten Persohnen des teutschen Reichs zu machen; indem selbige in Ansehung der erstern nur allein in sofern dem fremden Rechte vor- gehen, als sie beybehalten worden sind, und deren Observanz von demjenigen erwiesen werden B b 2 kann , 1. Buch. 2. Tit. kann , der sich in denselben gruͤndet, da im Gegen- theil das alte und mittlere teutsche Recht unter den erlauchten Persohnen mehr im Gebrauch geblieben ist S. Joh. Luc. Steins Disquis. hist. iurid. an, et quatenus iuri Rom. competat praerogativa prae veteri iure germ. in decidendis controversiis iudicial. Ro- stock . 1747. 8. Ferd. Aug . hommel Diss. de proëdria Legum Iustinian. prae iure patrio antiquo in foris ger- manor. Lipsiae 1739. Io. Ulr . cramer Progr. de prae- sumtione pro iure Rom. contra mores antiquos Ger- manor. Marb . 1737. Io. Sal . brunquell Commentat. de praeferentia iuris germanici pugnantis cum Rom. nisi huius receptio probetur in causar. illustrium deci- sionib. Francof. et Lips . 1743. 4. Casp. Heinr . horn Diss. de praerogativa morum Germaniae in concursu cum LL. receptis. Vitembergae 1702. Vorzuͤglich aber Joh. Steph. Puͤtters Abhandl. von dem vorzuͤgli- chen Gebrauch der einheimischen gemeinen Rechte unter den teutschen hohen Adel ; in Des- selben Beytraͤgen zum teutschen Staats- und Fuͤrstenrechte 2. Th. N. XXIX. . §. 72. Zweyte Regel. Insofern nun aber unter mehrern einheimischen Gesetzen ein Widerspruch sich findet, gehen die be- sondern teutschen Privatgesetze in der Regel denen gemeinen Reichsgesetzen vor , es waͤre denn, daß die Entscheidung der vorliegenden Sache in einem durchaus und schlechterdings gebietenden oder ver- bietenden Reichsgesez gegruͤndet waͤre, in welchem Fal- le sodann ein solches die erste und einzige Entscheidungs- quelle seyn wird, weil gegen ein solches Gesez keine wi- drige Verordnung statt findet (§. 24.). Z. B. Wenn eine streitige Handwerkssache schon im Reichsschluß vom Jahr de Origine Iuris. Jahr 1731. wegen der Handwerksmißbraͤuche entschie- den ist, so muß dieses Reichsgesez ohne Ruͤcksicht auf besondere Statuten und Artikel sogleich angewendet werden. §. 73. Dritte Regel. Collision besonderer teutscher Privatgesetze 1) einerley Landes . Wenn die besondern teutschen Privatgesetze nicht uͤbereinstimmen, so ist ein Unterschied zu machen, ob sie einerley Landes oder verschiedener Terri- torien sind; im ersten Fall gehet das mehr besondere Gesez dem weniger besondern vor nach der Regel: Stadtrecht bricht Landrecht Chr. Amand . dorn Progr. de paroemia: Stadtrecht bricht Landrecht. Kilonii 1748. . (§. 70.) §. 74. Collision teutscher Particulargesetze, 2) verschiedener Territorien . Erste Regel. Sind im Gegentheil die besondern Gesetze ver- schiedener Territorien einander entgegen Hier sind vorzuͤglich nachzusehen Io. Nic . hert Diss. de collisione Legum. Sect. IV. in Opusc. Vol. I. T. I. und Ernst. Christ. Westphal. teutsches und Reichsstaͤndi- sches Privatrecht I. Th. 3. Abh. S. 32. , so kommt es entweder blos auf die Art des gerichtlichen Verfahrens (Proceß), oder auf die Bestimmung der Rechte und Verbindlichkeiten selbst an. Im ersten Fall gehen die besondern Gesetze des Gerichts, wo die Klage erhoben wird, allen andern vor . (§. 44. S. 279.) Z. B. Wechselproceß, Coneurs- ordnung sind nach den Gesetzen des Landes zu beur- B b 3 theilen, 1. Buch. 2. Tit. theilen, wo sie vorkommen. Auch die Anlegung eines Arrests geschiehet nach den Gesetzen des Forums, wo dieselbe gesucht wird L. 3. §. 6. D. de testib . hert a. a. O. §. LXX. hofacker Princip. iur. civ. Rom. Germ. T. I. §. 144. S. 116. . Im lezten Falle hingegen finden folgende Regeln statt: 1) Wenn von dem Zustandeiner Persohn, und denen davon abhaͤngenden Rechten die Rede ist, so sind die besondern Gesetze des- jenigen Landes anzuwenden, wo die Persohn wohnhaft ist, wenn sie sich auch ausser Lan- des befindet Quando lex in personam dirigitur, respiciendum est ad leges illius civitatis, quae personam habet subiectam, sagt hert a. a. O. §. VIII. . Denn die Persohn eines Untertha- nen ist keinem andern unterworfen, als demjenigen Lan- desherrn, in dessen Lande dieselbe ihren Wohnsiz hat, (§. 44.) nun ist der Status ein Zubehoͤr der Persohn, welcher derselben anklebt, und die Persohn uͤberall be- gleitet, wo sie sich nur aufhaͤlt; mithin muͤssen auch die Gesetze des Domiciliums, die diese persoͤhnliche Ei- genschaft dem Unterthan beylegen, als Normen ange- wendet werden, wenn sich derselbe ausser Landes befin- det, weil die Persohn doch immer in der Unterthaͤnig- keit gegen den Landesherrn bleibt, in dessen Lande das Domicilium derselben ist Schnauberts Anfangsgruͤnde des Staatsrechts der ge- sammten Reichslande §. 116. . Wolte man ein an- ders annehmen, so wuͤrde hieraus noch uͤberdies die groͤste Unbequemlichkeit entstehen. Denn ein Muͤndiger zu Hausse wuͤrde zu gleicher Zeit auch an dem Orte, wo er auswaͤrts etwas besizt, unmuͤndig seyn; wuͤrde also, so lang er zu Hausse bleibt, muͤndig seyn, aber sobald er verreist, in einem andern Gebiete es nicht mehr de Origine Iuris. mehr seyn. Wenn demnach die Frage ist, ob Jemand fuͤr muͤndig oder unmuͤndig, fuͤr majorenn oder minorenn, fuͤr einen Verschwender oder nicht, fuͤr einen Filius oder filiafamilias oder fuͤr eine Persohn, die sui iuris ist, zu halten, und daher faͤhig oder unfaͤhig sey, zu contrahiren, und uͤber das Seinige zu disponiren; des- gleichen, ob Jemand ehelich oder unehelich, ehrlich oder unehrlich sey, auch welches die Wirkungen der Ehe seyn, darin Jemand lebt, so kommt es allemahl auf die Gesetze des Domiciliums an. Es ist daher keinen Zweifel unterworffen, daß eine Persohn, die nach den besondern Gesetzen des Orts, wo sie wohnhaft ist, fuͤr sui iuris zu halten, uͤber ihr Vermoͤgen ein guͤltig Te- stament machen koͤnne, wenn auch gleich ein Theil des- selben auswaͤrts und an einem solchen Orte liegen soll- te, wo dieselbe noch nicht dafuͤr erkannt wird. §. 75. Zweite Regel . 2) Wenn aber von den Handlungen ei- ner Persohn, deren Form, Guͤltigkeit und Strafbarkeit die Rede ist, so muͤssen in der Regel die Gesetze des Landes angewendet werden, wo die Handlung vorgenommen oder zu Stande gekommen ist . Denn die Gesetze eines Landes, welche von den Handlungen der Unterthanen disponiren, koͤnnen ei- gentlich nur in so fern zur Richtschnur dienen, als diese Handlungen in dem Territorium vorgenommen werden; nicht weiter. Denn sonst ginge der Gesezgeber uͤber die Grenzen seines Gebiets hinaus: Leges vero non va- lent extra territorium. Daß nun der Inlaͤnder die- sen Gesetzen unterworffen, wenn er dergleichen Hand- B b 4 lungen, 1. Buch. 2. Tit. lungen, wovon dieselben reden, im Lande vornimmt, ist ohne Zweifel. Allein eben dieses muß auch von dem Auslaͤnder gelten. Denn alle diejenigen, welche in den Grenzen eines fremden Staats sich aufhalten, sind, so lange als ihr Auffenthalt dauert, in der Regel als Un- terthanen anzusehen. Ich habe hiervon schon an einem andern Orte (§. 44. n. 2. u. 4.) umstaͤndlicher gehan- delt. Man wende nicht dagegen ein, daß wenn ein Staat die Handlung seines Unterthans, welche dersel- be ausser Landes nach den Gesetzen eines fremden Terri- toriums in dem District desselben vorgenommen, gelten lassen muͤsse, solches gegen die obige Regel: Leges non valent extra territorium, sey. Denn man unterschei- de zwischen der verbindenden Kraft eines fremden Ge- setzes in Ansehung einer erst vorzunehmenden Rechts- handlung, und der rechtlichen Wirkung eines Geschaͤfts, so in dem Gebiet eines fremden Gesezgebers geschlossen worden ist. Die erstere ist freylich nur auf das Ter- ritorium des Gesezgebers eingeschraͤnkt; denn uͤber die Grenzen eines Landes hinaus erstreckt sich die Gewalt eines Regenten nie. Allein die rechtliche Wirkung eines solchen Geschaͤfts, so nach den Gesetzen eines Staats in den Grenzen desselben guͤltig ist geschlossen worden, muß jede andere Nation als verbindlich anerkennen, und der Regent des Auswaͤrtigen darf solche, ohne ei- ne offenbare Ungerechtigkeit zu begehen, nicht entkraͤf- ten seger Diss. de vi legum et decretorum in territo- rio alieno. S. 6. u. folgg. vattel Ius Gentium Lib. II. c. VII. . Solchemnach sind nun also Vertraͤge, Testa- mente, Form der Wechsel u. s. w. auch Verbrechen nach den Landesherrlichen Verordnungen desjenigen Orts zu beurtheilen, wo sie vorgenommen sind. Jedoch hat die- se Regel ihre Ausnahmen, von denen ich gleichfalls schon de Origine Iuris. schon am oben angefuͤhrten Ort gehandelt habe. Hier will ich nur noch eine Ausnahme hinzufuͤgen. Sollten Unterthanen bey ihren Rechtshandlungen, die sie ausser- halb Landes auf eine erlaubte Art unternommen, z. B. wenn sie in einem fremden Lande ein Testament ge- macht, oder mit einander contrahirt haben, sich, ohne die Gesetze ihres zeitigen Aufenthalts zu beobachten, blos nach denen Gesetzen ihres Vaterlandes gerichtet haben, so sind solche Handlungen nicht nach den Gese- tzen des Orts, wo sie vorgenommen worden, sondern nach den Gesetzen des Domiciliums zu beurtheilen, in sofern blos von der Guͤltigkeit und rechtlichen Wirkung der- selben in ihrem Vaterlande die Rede ist Ausser Casp . ziegler in Dicastice Concl. XV. §. 11. und folgg. behauptet eben dieses, auch hert a. a. O. §. X. S. 182. — Si actus a solo agente dependeat v. g. testamentum, et hic sit exterus; vel si actus inter duos celebretur, v. g. pactum, et uterque paciscens sit exterus, et unius civitatis cives, dubitandum non est, actum a tali- bus secundum leges patriae factum in patria valere . . Denn da Un- terthanen auch ausser Landes, wenn sie nur den Vor- saz haben, in ihr Vaterland zuruͤckzukehren, in der Un- terthaͤnigkeit gegen ihren Landesherrn verbleiben, mithin die Verbindlichkeit der Gesetze ihres Vaterlandes in An- sehung ihrer in sofern nicht aufgehoben wird, so muß es ihnen auch noch auswaͤrts freygestanden haben, sich nach den Gesetzen ihres Vaterlandes verbindlich zu ma- chen, oder in Gemaͤßheit derselben sonst eine Handlung vorzunehmen, die nur in ihrem Vaterlande ihre Guͤl- tigkeit und Wirkung haben soll cuiacius Lib. XIV. Obs . 12. meint zwar, in diesem Falle muͤsse der Auswaͤrtige die Gesetze seines Vaterlandes alle- . Nur in sofern B b 5 ihre 1. Buch. 2. Tit. ihre Absicht ist, daß auch der fremde Staat ihre in dem District desselben vorgenommene Rechtsgeschaͤfte fuͤr guͤltig erkenne, sind Fremdlinge, als zeitige Untertha- nen, die Gesetze des Orts, wo sie sich aufhalten, zu beobachten verbunden, und solche Handlungen, die nach diesen Gesetzen guͤltig und erlaubt sind, ist sodann auch jede andere Nation nach dem Voͤlkerrecht als rechtmaͤ- sig anzuerkennen schuldig. §. 76. Dritte Regel . Endlich 3) wenn von Rechten, so blos Grundstuͤcke betreffen, die Frage ist, so sind die Gesetze des Landes, wo die Guͤter liegen, hauptsaͤchlich zu Rathe zu ziehen, ohne Un- terschied, wo und von wem daruͤber disponi- ret worden hert am angef. Ort Sect. IV. §. IX. S. 177. . Der Grund hiervon ist, weil die hoͤchste Gewalt des Regenten im Staat sich nicht blos uͤber die Handlungen seiner Unterthanen, sondern auch uͤber deren Guͤter erstreckt, die in seinem Gebiete lie- gen, mithin derselbe seine Gewalt nicht uͤberschreitet, wenn er daruͤber die gehoͤrigen Anordnungen macht. Wenn daher von der Erwerbung, Veraͤusserung, Ver- pfaͤn- allemahl beobachten; allein die von ihm angefuͤhrte L. 9. C. de Testam . redet nicht von einem Fremdling, sondern von einem solchen, der in seinem Vaterlande ein Testa- ment gemacht hatte, ohne die vorgeschriebenen Feyerlich- keiten zu beobachten; wie Casp . ziegler a. a. O. §. 16. schon gegen Cujaz erinnert hat. Richtiger ist daher Zieg- lers Meinung §. 18. Potius igitur est, ut statuamus, in arbitrio esse advenae testantis, utrum secundum leges pa- trias testamentum condere velit, an vero secundum statu- ta loci, in quo de praesenti commoratur. de Origine Iuris. pfaͤndung, Vererbung, Verjaͤhrung der Grundstuͤcke, ferner der Freyheit oder Belaͤstigung derselben, dem Abtrieb u. s. w. die Rede ist, so gehen die Verord- nungen des Landes, worin die Guͤter befindlich, denen Gesetzen des Orts, wo der Eigenthuͤmer seinen Wohn- siz hat, vor. Dahingegen werden die Rechte in Ansehung beweglicher Sachen nach den Gesetzen des Domiciliums beurtheilt . Denn die beweglichen Guͤter folgen der Persohn nach, sie moͤ- gen angetroffen werden, wo sie wollen. Daher es eine bekannte Regel ist: Res mobiles ex conditione personae legem accipiunt, et ibi esse dicuntur, ubi quis domi- cilium et rerum suarum summam collocavit burgundus ad Consuet. Flandr. Tr. II. n. 1. u. folg. S. 21. Io. a sande Decis. Fris. Lib. IV. Tit. 8. def. 7. hert a. a. O. §. VI. seger in Diss. de vi Legum in territorio alieno. §. VIIII. und noch andere mehr, die daselbst angefuͤhrt sind. . Un- koͤrperliche Dinge, wenn sie gleich, an und vor sich be- trachtet, weder in die Classe der beweglichen noch unbe- weglichen Guͤter gehoͤren, z. B. Schuldforderungen, sind nach der gemeinen Meinung unter den beweglichen Sachen mit begriffen burgundus a. a. O. S. 22. Nomina et actiones loco non cireumscribuntur, quia sunt incorporales . Man sehe auch carpzov Iurispr. Forens. P. II. Const. XXIII. Defi- nit. 10. hert a. a. O. seger a. a. O. leyser Spec. XXVI. medit. 2. und pufendorf Observat. iur. univ. T. III. Obs. 174. §. 7. und folgg. . §. 77. Collision des roͤmischen und canonischen Rechts. Wenn nun weder teutsche Reichs- noch Particular- gesetze eine Entscheidung fuͤr den vorliegenden Fall ent- halten, 1. Buch. 2. Tit. halten, so kommen die in Teutschland recipirte fremde Rechte in Civil-Rechtssachen zur Anwendung. Wir ziehen alsdann das roͤmische oder canonische Recht zu Rathe Io. Nepom . endres Diss. de diverso iuris germanici ad civile Romanum et canonicum commune habitu Wirceb. 1771. in schmidt Thesaur. iuris eccles . Tom. I. N. II. S. 88 ‒ 128. . Wie? wenn nun aber die Vorschriften bey- der Rechte einander widersprechen, welches von beyden wird den Vorzug vor den andern haben? Die Rechts- gelehrten sind desfalls nicht einerley Meinung. Die gewoͤhnlichste Meinung ist, daß im Collisionsfalle der Regel nach das Canonische Recht den Vorzug habe pagenstecher de praestantia Iuris Canonici prae civili. Henr . hildebrand de praevalentia iur. can. prae civili in foro. Alt. 1697. Io. Ern . floercke de prae- rogativa iuris canon. prae iure Iustinianeo Ienae 1722. und Halae 1757. 4. l. H. boehmer in Iur. Eccl. Pro- test. Lib. I. Tit. 2. u. a. m. . Andere hingegen wollen die Sache dergestalt bestimmen, daß in den weltlichen Gerichten das Justinianeische, in den geistlichen aber das Canonische Recht vorzuziehen sey Huld. ab eyben de auctoritate iuris canon. §. 18. Io. strauch de origine et auctoritate iuris canon. §. 39. Arth . duck de auctoritate iuris civ. Lib. I. c. 7. §. 11. . Noch andere Rechtsgelehrten sehen bey der Bestimmung des vorzuͤglichern Gebrauchs des Canoni- schen Rechts auf einzelne Faͤlle. Sie behaupten, in Kirchen-Ehe-Proceß-Gewissens- und Eidessachen habe das Canonische Recht den Vorzug, in allen an- dern Sachen aber sey das Roͤmische Recht jenem vor- zuziehen. Dieser Meinung ist unter andern struv in Syntagm. iur. civ. Ex. 2. Th. 39. lynck in Comment. ad Decretales Discurs. praelim. c. 2. §. 9. S. 33. und Io. Frid . rhetius de auctoritate iuris ca- non. inter A. C. consortes. unser Hell- de Origine Iuris. Hellfeld §. 81. Verschiedene angesehene Rechtsleh- rer lauterbach in Collegio Theor. Pr. Pandectar. Pro- legom. §. IX. n. 15 ‒ 18. Car. Christph . hofacker Prin- cip. iur. civ. Rom. Germ. T. I. §. 53. S. 45. und Phil . hedderich Element. iuris canonici P. I. ( Bonnae 1778. 8 .) §. 113 ‒ 115. S. 127. und folgg. wollen auch den Vorzug des einen Rechts vor dem andern nach folgenden Regeln beurtheilt wissen. 1) So oft in dem einem Rechte etwas deutlich bestimmt worden, was in dem andern zweifelhaft ist, so gehe das erstere dem leztern vor. 2) In geistlichen- und Ge- wissenssachen, desgleichen wenn es darauf ankomme, daß eine Suͤnde verhuͤtet werde, wie z. B. in der Lehre von der Verjaͤhrung, bey vorhandener, oder eintretender mala fide; cap. fin. X. de praescr ., sey dem roͤmi- schen in der Regel das Canonische Recht vorzuziehen. 3) In Sachen, die vor die geistliche Gerichtsbarkeit gehoͤren, sey das Canonische vorzuͤglich, in denen aber, die vor die weltliche Gerichtsbarkeit gehoͤren, das Roͤ- mische Recht, anzuwenden. Endlich 4) wo aus beson- derer Ursach der Gerichtsgebrauch die Vorschriften des Canonischen Rechts angenommen, wie z. B. in den Ma- terien, die den buͤrgerlichen Proceß betreffen, da muͤsse auch nach diesen, und nicht nach dem Justinianeischen Rechte gesprochen werden. Zulezt will ich noch der Meinung eines beruͤhmten Rechtsgelehrten Quistorp in den Beytraͤgen zur Erlaͤuterung verschiedener, mehrentheils unentschiedener Rechtsmaterien . IV. Stuͤck. ( Rostok u. Leipzig 1780.) N. VIII. S. 124 ‒ 147. gedenken, welcher bey dem Mangel einer genugsamen gesezlichen Bestimmung in den Faͤllen, da das Justinianeische und Canonische Recht sich einander widersprechen, am mei- sten auf einen genugsam bewaͤhrten Gerichtsbrauch gese- hen, und nach demselben den Vorzug des einen Rechts vor 1. Buch. 2. Tit. vor dem andern bestimmt wissen will, weil, wenn gleich das Canonische Recht in unsern Gerichten in sehr vielen Faͤllen vor dem Justinianeischen den Vorzug behaupte, doch auch genug Beyspiele vorhanden waͤren, da nach dem Gerichtsbrauch das Gegentheil statt finde. Ich bin noch immer uͤberzeugt, daß unter diesen so verschie- denen Meinungen diejenige die richtigste sey, nach wel- cher dem canonischen Rechte in der Regel der Vorzug vor dem Roͤmischen eingeraͤumet wird, so lange nicht nach einem genugsam bewaͤhrten Gerichtsbrauche das Gegen- theil statt findet Dieser Meinung sind unter den neuern Rechtsgelehrten ausser endres in der angefuͤhrten Diss. §. XIV. Eich- mann in den Erklaͤrungen des buͤrgerlichen Rechts 1. Th. S. 358. u. folgg. und Io. Th. Ad. kind Diss. de fontibus iuris iudiciarii civ. quod per Germa- niam obtinet. Lipsiae 1785. §. V. S. 14. . Schon dadurch, daß der Ge- richtsbrauch dem canonischen Rechte in den meisten Faͤl- len ohne allen Zweifel den Vorzug vor dem roͤmischen giebt, rechtfertiget sich zwar diese Regel vollkommen; allein wir wollen die Gruͤnde selbst anfuͤhren, auf wel- chen dieser Vorzug des Canonischen Rechts beruher. Sie sind folgende. Erstens hat man seit den aͤltesten Zeiten in Teutschland fuͤr das Canonische Recht stets guͤnstige Vorurtheile geheget, und sich uͤberredet, daß es den teutschen Sitten und unsrer Verfassung nicht allein an und fuͤr sich mehr, als das Roͤmische, angemessen sey Daß das canonische Recht manches Ueberbleibsel unserer alten Gesetze und Rechtsgewohnheiten enthalte, haben Car. Ferd. hommel Rhapsod. Obs. 649. und 650. und Io. Gottl. heineccius in Element. iuris Germ. Lib. I. §. 254. not. *) mit vielen Beispielen erwiesen. , sondern auch die Grundsaͤtze desselben besser, als die des roͤmischen Rechts, mit der Billigkeit uͤbereinstimmen. Zwei- de Origine Iuris. Zweitens stellete man sich nach der Denkungsart des mittlern Zeitalters eine von Gott verordnete zwiefache Gewalt, eine weltliche und eine geistliche vor, deren jede einem sichtbaren Oberhaupte, jene dem Kaiser, diese dem Pabste, anvertrauet waͤre, unter sich aber ein solches Verhaͤltnis haͤtte, daß die geistliche Gewalt noch vor der weltlichen, so wie die Seele vor dem Lei- be, das Geistliche vor dem Zeitlichen, die Sonne vor dem Monde den Vorzug haͤtte Man vergleiche aus gratiani Decreto die ganze Di- stinct. X. und aus den Decretalib. gregorii IX. cap. 6. de maioritate et obedient. Auch den Sachsenspiegel 1. Buch 1. Art. und die Glosse desselben. . Nach dieser da- mahls herrschenden Idee verstand sich’s demnach von selbst, daß das von der geistlichen Gewalt authorisirte Gesezbuch nicht allein in der ganzen Christenheit in geistlichen und weltlichen Gerichten zur Richtschnur dienen Hierher gehoͤrt die Stelle des Schwabenspiegels I. Buch Cap. V. Tom. II. Corp. Iur. Germ. Senckenb. S. 15. Und als die Paͤbste und Kaiser zu Concilien und zu Hofen haben gesezt und geboten aus dem Decret und Decretalen. Wann aus den zweyen Buͤchern nimmt man alle die Recht, der geistlichen und weltlichen Ge- richten bedarf . , son- dern dasselbe auch vor dem weltlichen oder Justinianei- schen Gesezbuche die Oberhand behalten mußte, wenn es in einzelnen Faͤllen Collision zwischen beyderley Rech- ten gab Eben diese Folge zieht gratianus, wenn er in seinem Decreto nach Can. 6. Dist. X. anmerkt; Ecce quod confli- tutiones Principum ecclesiasticis Legibus postponendae sunt. Ubi autem evangelicis atque canonicis decretis non obvia- rint, omni reverentia aignae habeantur. . Ja es schien das Canonische Gesezbuch in Teurschland doppelte Achtung zu verdienen, weil man den Kaiser als dessen eignes Oberhaupt, und zugleich als 1. Buch. 2. Tit. als den Schuzherrn der Roͤmischen Kirche ansahe. Was Wunder also, wenn Kr. Friedrich II. in einer zu Maynz publicirten Reichs-Constitution 1235. die Beobachtung des geistlichen Rechts in allen Roͤmischen Reich an geistlichen Dingen (d. i. Gerichten) dergestalt einschaͤrfte, daß er sogar denienigen, welcher darwider waͤre, fuͤr unglaͤubig gehalten wissen wollte Corp. Recess. Imp. Senckenberg P. I. S. 24. ? Ich uͤberge- he andere mehrere Gruͤnde mit Stillschweigen, und be- ziehe mich der Kuͤrze wegen auf die oben angefuͤhrte Abhandlung des Herrn geistlichen Raths enders §. XIV. Wenn nun gleich aus diesem allen soviel sich ergiebt, daß das vorzuͤglichere Ansehen, welches man dem Ca- nonischen Rechte vor dem Roͤmischen beylegt, urspruͤng- lich auf irrigen Meinungen des mittlern Alters beruhet, die hauptsaͤchlich aus unrichtigen Vorstellungen von dem Verhaͤltnis der geistlichen und weltlichen Gewalt ent- standen sind, so darf doch hierin heutiges Tages nichts geaͤndert werden, da es bey der heutigen Guͤltigkeit der in Teutschland recipirten fremden Rechte eine ausge- machte Wahrheit ist S. Puͤtters Abhandlung: Wie die Rechtskraft der in Teutschland uͤblichen fremden Gesezbuͤcher zwar im Grunde auf irrigen Meinungen beruhe, aber doch noch fest beste- he: in Desselben-Beytraͤgen zum teutschen Staats- und Fuͤrstenrechte . 2. Th. N. XXVI. S. 56. und folgg. , daß nicht immer mit der Ur- sache auch ihre Wirkung aufhoͤre, sondern auch Irrthuͤ- mer von der gesezgebenden Gewalt, und dem Ansehen der Gerichtsstuͤhle unterstuͤzt, ihre Folgen behalten koͤnnen. §. 78. Ausnahmen von der Regel. Ob nun gleich das Canonische Recht aus den an- gefuͤhrten Gruͤnden noch bis auf den heutigen Tag den Vor- de Origine Iuris. Vorzug vor dem roͤmischen behauptet, so ist doch die- ses nur von der Regel zu verstehen, welche alsdann ihre Ausnahme leidet, sobald in diesem oder jenem Pun- cte ein unstreitiger und bewaͤhrter Gerichtsbrauch dem Roͤmischen Rechte den Vorzug giebt. Daher es ein eben so grosser Fehler ist, wenn einige das Canonische Recht durchgaͤngig und ohne alle Einschraͤnkung dem Roͤmi- schen vorziehen, als wenn andere, wie z. B. unser Autor, dem Roͤmischen Rechte den Vorzug in der Regel geben wollen, indem diejenigen Faͤlle, da das Roͤmische Recht den Vorzug vor dem Canonischen be- hauptet, nur als Ausnahmen von der Regel anzusehen sind. Zu diesen Ausnahmen rechne ich zuvoͤrderst, daß die in dem Canonischen Rechte gebilligte Art, ein Te- stament vor dem Pfarrer und zwey Zeugen zu verferti- gen cap. Io. X. de testam. , heutiges Tages an wenigen Orten, selbst in ka- tholischen Laͤndern, angenommen ist; vielmehr statt der- selben die im Justinianeischen Rechte vorgeschriebene Form beobachtet werde S. Io. Paul. krieger Disquisit. de testamento coram parocho et duobus testibus occasione cap. Io. X. de testam. Altorf. 1734. §. VII. u. folgg. I. H. boehmer Iur. Eccl. Prot. Tom. II. Lib. III. Tit. 26. §. 4. u. folgg. Paul. Ios. a riegger Institut. iurisprud. eccles. P. III. §. 394. . Zu den Ausnahmen, da nicht so- wohl die Grundsaͤtze des Canonischen als vielmehr des Justinianeischen Rechts nach dem Gerichtsbrauch zur An- wendung kommen, gehoͤrt ferner, daß bey Schenkungen in zweifelhaften Faͤllen, nicht, wie das Canonische Recht will cap. 6. X. de donat. , eine ausdehnende Erklaͤrung, sondern vielmehr eine einschraͤnkende Auslegung statt finde, und daher die Absicht zu schenken niemahls zu vermuthen sey, auch Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. C c 1. Buch. 2. Tit. auch die bey der Schenkung gebrauchten Ausdruͤcke, weiter, als der eigentliche Wortverstand erlaubt, nicht verstanden werden koͤnnen L. 25. pr. D. de probat. L. 34. D. de R. 1. mevius P. 2. dec. 18. n. 4. P. 4. dec. 318. n. 3. P. 8. decis. 194. n. 2. leyser Spec. 433. m. 1. . So wird ferner im Paͤbst- lichen Rechte das Zufluchtsrecht der Kirchen und Kloͤ- ster ohne Unterschied auf alle und jede Verbrecher aus- gedehnt cap. 6. X. de immunit. eccles. Constitut. gregorii X. vom Jahr 1591. , welches nach Justinianeischen Rechten, nur zum Sicherheitsmittel gegen unrechtmaͤsige Gewalt die- nen soll Nov. XVII. c. 7. ; das heutige Recht aber verwirft jenes dem oͤffentlichen Wohl und Strafrechte des Fuͤrsten so nach- theilige Asylrecht, und nimmt die vernuͤnftigern Vor- schriften des Justinianeischen Rechts an Io. Conr. engelbrecht Diss. de iniusta asyli immu- nitatisque eccles. ad crimina dolosa extensione. Phil. hedderich Diss. de vero ac genuino statu hodierno asyli, inter Dissertat. iur. eccles. Germ. Vol. I. Diss. XV. S. 360-371. G. L. boehmer Princip. iur. canon. Lib. III. Sect. V. Tit. 4. §. 611. . Noch mehr: Nach dem Canonischen Rechte hat der durch Frauenspersohnen gefuͤhrte Beweiß uͤberall keine Kraft Can. 17. u. 19. C. XXXIII. qu. 5. Cap. 10. X. de V. S. wo der Grund angefuͤhrt wird: nam varium et muta- bile testimonium semper foemina producit. , und diese sind nur sodann zu vernehmen, wenn sie ent- weder an dem Verbrechen dieses oder jenes Geistlichen Antheil genommen haben Cap. 3. X. de test. et attest. , oder es auch darauf an- kommt, eine vorgebliche Irregularitaͤt dieses oder jenes Geistlichen zu beweisen Cap. 33. X. eodem. . Allein der Gerichtsge- brauch de Origine Iuris. brauch carpzov Pract. rer. crim. Qu. 114. n. 39. boehmer in Iure Eccles. Protest. Lib. II. Tit. 20. §. 17. cramer Tom. III. Obs. 894. stimmt mit dem Canonischen Rechte auch hierin nicht uͤberein, sondern laͤsset es vielmehr bey der Vorschrift des Justinianeischen Rechts L. 18. D. de testib. , nach wel- cher Frauenspersohnen, sowohl in buͤrgerlichen als pein- lichen Sachen, guͤltige Zeugen sind, insofern anders die Gesetze, entweder der besondern Feyerlichkeit der Handlung halben, wie bey Testamenten und Codicillen, oder um einem rechtlichen Geschaͤfte das Ansehen einer oͤffentlichen Beglaubigung zu verschaffen, wie bey der Verpfaͤndung, das Zeugnis durch Mannspersohnen nicht genau und ausdruͤcklich erfordern, oder sonst eine ande- re gegruͤndete Ausnahme bewiesen werden kann, lediglich bewenden. Aus dem alleinigen Grunde, den man von dem Geschlecht hernimmt, mag daher heutiges Tages das Zeugnis der Frauenspersohnen bey dem Mangel an- derer Ursachen, die ein Zeugnis an und fuͤr sich ver- werflich machen, nicht verworfen und fuͤr unguͤltig er- klaͤrt werden. Andere Faͤlle zu geschweigen, wo noch sonst in den heutigen Gerichten nach dem Justinianei- schen und nicht nach dem Canonischen Rechte gesprochen zu werden pflegt, welche man in der unten angefuͤhrten Schrift Quistorp uͤber die Truͤglichkeit des Satzes: daß das Canonische Recht vor dem Justinia- nei- beysammen finden wird. §. 79. Widerlegung des Autors. Nun sollte ich zwar auch noch die Meinungen anderer Rechtsgelehrten uͤber den bisher eroͤrterten Ge- C c 2 gen- 1. Buch. 2. Tit. genstand kuͤrzlich pruͤfen; allein da man aus dem, was ich von dem Vorzuge des Canonischen Rechts vor dem Roͤmischen, und den Ausnahmen von der Regel vorge- tragen, leicht selbst beurtheilen kann, was von den Grundsaͤtzen anderer als richtig anzunehmen seyn moͤch- te, so will ich, um nicht in den Fehler der Weitschwei- figkeit zu verfallen, nur allein gegen die Hypothese un- sers Autors noch einige Erinnerungen machen. Wenn derselbe (§. 81.) in der Regel dem Roͤmischen Rechte den Vorzug vor dem Canonischen geben will, und der Meinung ist, daß lezteres nur in Kirchen- Ehe- Eides- Gewissens- und Proceßsachen vorzuziehen sey; so zweifle ich erstens sehr, ob diese Regel uͤberall zutreffend seyn moͤchte. Denn daß einmahl in Ehesachen das Cano- nische Recht nicht durchgaͤngig, wenigstens in den pro- testantischen Gerichten, den Vorzug behaupte, kann ich durch verschiedene Beispiele beweisen. Einen Beweiß davon giebt zuvoͤrderst die Materie von den Eheverboten wegen der Blutsfreundschaft, wo die Evangelischen die Paͤbstlichen Rechte nicht annehmen, sondern sich nach der Vorschrift der Mosaischen und Roͤmischen Rechte richten schott Progr. de auctoritate iur. canon. inter Evangelicos. S. 19. Moser von der teutschen Religionsverfassung I. Buch. 2. Cap. §. 13. wo ein Vorstellungsschreiben des Corporis Evangelicorum vom J. 1665. beygebracht worden, in welchem es heißt: die Evan- geli- . Auserdem aber kann man auch den Ver- gleich wider die Ehe hierher rechnen, als welcher, un- ter gewissen Einschraͤnkungen, bey den Protestanten al- lerdings erlaubt ist. Das Canonische Recht verwirft den- neischen unter allen Umstaͤnden in den prote- stantischen Gerichten den Vorzug habe, in ei- nigen auffallenden Beispielen gezeigt , in den Beytraͤgen IV. Stuͤck N. VIII. de Origine Iuris. denselben, weil, in Gemaͤsheit des katholischen Lehrbe- grifs, die Ehe fuͤr ein Sacrament geachtet wird, schlech- terdings cap. ult. X. de transact. . Allein die Protestanten nehmen diesen Lehrsaz nicht an, folglich muͤssen die aus demselben ge- zogene Folgerungen ebenfalls wegfallen, und daher bey dem Roͤmischen Rechte, nach welchen uͤber eine jede zweifelhafte Sache ein Vergleich guͤltig geschlossen wer- den darf L. 11. C. de transact. voetius in Comment. ad Pandect. Lib. II. Tit. 15. §. 10. , insofern keine unbestrittene Ausnahme zu beweisen stehet, es lediglich das Bewenden behalten Ludovici Consistorial-Proceß Cap. XV. §. 3. u. 4. Quistorp a. a. O. S. 145. ; nur mit der Einschraͤnkung, daß zu einem solchen Ver- gleich wider die Ehe das Vorwissen und die Bestaͤtti- gung des geistlichen Gerichts oder Consistoriums erfor- dert wird boehmer in Iure Eccles. Protest. Lib. I. Tit. 36. §. 4. leyser Spec. XLVII. med. 5. . Sodann ist der Saz, daß das Cano- nische Recht in der Lehre vom Eide dem Roͤmischen durchaus vorgehe, ebenfalls noch vielen Zweifeln unter- worfen, und schon von Andern thomasius Institut. iurispr. div. Lib. II. c. 9. §. 14. und folgg. ayrer de abusu iuramentorum §. 33. und folgg. Herr Prof. malblanc in doctrina de iureiuran- do. Lib. V. S. 499. folgg. Christ. Fried. Schorcht von der Unguͤltigkeit des Eides bey unguͤltigen Vertraͤgen . Jena 1786. 4. Prof. Weber system. Entwickelung der Lehre von der natuͤrlichen Verbindlichkeit . 3. Abthl. 10. Abschn. §. 123. S. 199. das Gegentheil so C c 3 buͤndig gelischen erkenneten die paͤbstlichen Rechte in causis impedimentorum matrimonialium ex capite consanguinitatis nicht, sondern pflegten sich nach der Disposition der Kai- serlichen Rechte zu richten . 1. Buch. 2. Tit. buͤndig dargethan worden, daß man es sicher fuͤr erwie- sen annehmen darf. Ohnmoͤglich kann doch wohl das Paͤbstliche Recht in solchen Vorschriften bey uns gelten, welche den gereinigten Religionsbegriffen unserer Kirche widersprechen. Wie koͤnnten wir also diesem Rechte gerade in der Materie einen Vorzug beylegen, wo al- les auf solchen Gruͤnden beruhet, welche unserm Reli- gionssysteme gaͤnzlich zuwider sind? Wie sollten wir mit Hintansetzung der weit vernuͤnftigern Grundsaͤtze des Roͤ- mischen Rechts in einer so wichtigen Sache die Vor- schriften eines Rechts befolgen, welche zu den gefaͤhr- lichsten Eides-Mißbraͤuchen Anlaß geben, und eine un- selige Quelle der schaͤdlichsten Folgen fuͤr das gemeine Beste sind? Ich werde hiervon in der Folge bey dem §. 341. noch umstaͤndlicher handeln. Daß auch im Proceß dem Canonischen Rechte nicht ohne alle Aus- nahme der Vorzug vor dem Roͤmischen eingeraͤumt wer- den koͤnne, beweißt das bereits in vorhergehendem §. angefuͤhrte Beispiel vom Zeugenbeweise; bey welchem wir heutiges Tages die Verordnungen des Justinianei- schen Rechts befolgen. Es ist jedoch die Regel unsers Autors, wie hieraus genugsam erhellet, nicht nur un- zutreffend, sondern auch zum andern sehr unbe- stimmt und schwankend . Denn was sind z. B. Kirchensachen? was sind Gewissenssachen? wer weiß nicht, wie ausgedehnt und uͤberspannt hiervon die Be- griffe des Paͤbstlichen Rechts sind, dem es nie am An- strich und Praͤtext gefehlt hat, auch blos weltlichen Sachen die Gestalt von geistlichen und kirchlichen zu geben, nur um die Grenzen der paͤbstlichen und geistli- chen Gerichtsbarkeit zu erweitern S. Hofr. Schnaubert kurze Entwickelung des Begrifs von geistlichen Sachen uͤberhaupt, in Dessel- ? Bahnt also nicht die de Origine Iuris. die Regel unsers Autors den Weg zu neuen Schwierig- keiten oder Irrthuͤmern? Endlich ist auch jene Regel viel zu seicht, als daß sie diejenigen Faͤlle ganz er- schoͤpfen sollte, in welchen dem Canonischen Rechte der Vorzug vor dem Roͤmischen wirklich beygeleget wird. Wem ist wohl unbekannt, daß auch in der Lehre von der Legitimation unehelicher Kinder, den Vertraͤgen, der Emphytevsis, der Verjaͤhrung, dem Abzug der Tre- bellianischen Quarte bey Fideicommissarischen Erbschaften, der Verbindlichkeit der Erben zur Erstattung des durch ein Verbrechen des Verstorbenen angerichteten Scha- dens, und so mehr, das Canonische Recht dem Roͤmi- schen unwidersprechlich vorgezogen werde? §. 80. Collision unter mehreren Gesetzen einerley Rechtskoͤrpers. 1) des Canonischen. 2) des Roͤmischen . Noch ist zu eroͤrtern uͤbrig, in welchem Ver- haͤltnisse einzelne Stellen des Canonischen oder Roͤmischen Gesezbuchs unter sich selbst stehen? Wie, wenn also erstlich die gesezlichen Vor- schriften des Canonischen Rechtskoͤrpers unter sich in Collision gerathen, welche gehet der andern vor? Wir muͤssen einen Unterschied machen, ob sie in verschiede- nen Sammlungen, oder in eben derselben Sammlung enthalten sind S. meine Praecognita iuris eccles. S. 130. und net- telbladt System. element. iurispr. positivae genera- lis. Lib. I. Sect. III. §. 180. n. 2. . Im erstern Falle gehet in der Re- C c 4 gel Desselben Beytraͤgen zum teutsch. Staats- und Kir- chenrechte . 1. Th. N. 2. Ge. Lud. boehmeri Princip. iuris canon. Lib. II. Sect. III. Tit. VI. §. 244. 1. Buch. 2. Tit. gel die neuere der aͤltern vor; daraus folgt, daß die Ciementinen dem libro sexto Decretalium Bonifacii VIII. dieser den Decretalen P. Gregors IX. und diese wieder dem Decret des Gratians derogiren. Nur die sogenannten Extravaganten machen eine Ausnahme von dieser Regel; denn wenn gleich die in unserm Ca- nonischen Rechtskoͤrper befindlichen beyden Sammlungen derselben der Zeit ihrer Compilation nach die juͤngsten sind, so kann doch die Guͤltigkeit derselben, da sie blo- se Privatsammlungen sind, die nicht unter paͤbstlicher Auctoritaͤt verfertiget worden, nicht nach dem Orte, den sie im Korpus Juris behaupten, sondern nur nach dem eigenen Zeitalter einer jeden einzelnen Verordnung beurtheilet werden Lud. engel in Collegio universi iur. canon. Lib. III. Tit. V. §. 4. n. 52. in fine. — Extravagantes, cum nul- lius Pontificis auctoritate compilatae sint, debent referri ad suos auctores, et tempus, quo datae sunt. . Im andern Falle, wenn der Widerspruch unter Stellen ebenderselben Sammlung ist, so muͤssen dieselben durch eine geschickte Auslegung, wo- bey auf die Verschiedenheit der Zeit, des Orts, der Persohn und des Grundes Ruͤcksicht zu nehmen Can. 1. 2. u. 3. Dist. XXIX. — Sciendum est, quod pleraque capitula ex causa, ex persona, ex loco, ex tempore consideranda sunt, quorum modi, quia me- dullitus non indagantur, in erroris Labyrinthum non- nulli intricando impinguntur. , mit einander vereiniget werden engel im angefuͤhrten Buch Prooem. n. 18. Quodsi in recensitis iuris canonici partibus constitutionum antinomia reperiatur, eaque sit in unius Pontificis compilatione v. g. si uterque contradicens canon sit in Decretalibus, vel in Sexto aut Clementinis, per congruam interpretationem con- ciliatio facienda est. . Wenn demnach die eine Verordnung ganz allgemein lautet, die andere aber de Origine Iuris. aber sich auf einen besondern Ort und die daselbst uͤbliche besondere Rechte und Gewohnheiten, oder auf eine beson- dere Classe von Persohnen sich beziehet, und von deren Gerechtsamen oder Verbindlichkeiten disponirt, so wird man in einer solchen Collision die gemeine und besonde- re Verordnung nach eben dem Verhaͤltnisse, wie Regel und Ausnahme, beurtheilen, hingegen unter zwey ge- meinen, oder zwey besondern Verordnungen derjenigen den Vorzug geben muͤssen, welche die neuere ist, nach der Regel: lex posterior derogat priori cap. 1. de constitut. in 6to. — Licet Rom. Pontifex, constitutionem condendo posteriorem, priorem, quam- vis de ipsa mentionem non faciat, revocare noscatur: Quia tamen locorum specialium et personarum singularium consuetudines et statuta, (cum sint facti, et in facto consistant) potest probabiliter ignorare: ipsis , dum ta- men sint rationabilia, per constitutionem a se noviter edi- tam (nisi expresse caveatur in ipsa) non intelligitur in aliquo derogare. . Sind sie gleichen oder ungewissen Alters, so muß der Gerichts- gebrauch, oder, wenn auch dieser zweifelhaft seyn sollte, die Rechtsanalogie den Vorzug der einen vor der an- dern entscheiden In verschiedenen Canonen des Gratianischen Decrets, als can. 28. Dist. L. und can. 11. Caus. XXXIII. qu. 2. welche jedoch aus einerley Quelle geflossen, wird inson- derheit bey vorkommender Uneinigkeit in den Concilien- schluͤssen noch die Regel gegeben: ut, quotiescunque in ge- stis conciliorum discors sententia invenitur, illius concilii magis teneatur sententia, cuius aut antiquior, aut potior extat . Fast dieselbigen Grundsaͤtze, nur mit einigem Un- terschiede, sind anzuwenden, wenn unter mehreren Gesetzen des Roͤmischen Rechtskoͤrpers ein Widerspruch vorhanden ist? Auch hier kommt C c 5 es 1. Buch. 2. Tit. es zunaͤchst darauf an, ob der Widerspruch unter den Gesetzen verschiedener Sammlungen, oder eben derselben Sammlung befindlich ist. Ist das erstere, so gehet das neuere Recht dem aͤltern vor. Fuͤr das neuere Recht aber wird in dem Falle, da der Widerspruch unter den Gesetzen verschiedener Sammlungen des Ju- stinianeischen Rechts obwaltet, dasjenige gehalten, wel- ches in der juͤngern Sammlung enthalten ist. Diesem zu Folge gehen also I ) die Novellen des K. Justinians, als die allerneuesten Gesetze, allen uͤbrigen Verordnun- gen des Justinianeischen Rechts vor, welche in den vor- hergehenden Sammlungen, als dem Codex, den Pan- decten und Institutionen des Justinians, enthalten sind. Jedoch ist dieses nur von den glossirten Novellen zu verstehen, indem es, was die nicht glossirten anbetrift, aus dem schon oben (S. 334.) angefuͤhrten Grunde bey den Verordnungen des Codex in Praxi lediglich verblei- ben muß. Der Fall kommt z. B. bey den Zinsen, die den Hauptstuhl uͤbersteigen (usurae ultra alterum tan- tum), vor, welche der Gerichtsgebrauch nicht schlechter- dings fuͤr unerlaubt erklaͤrt, wofuͤr sie Justinian Nov. 121 cap. 1. angesehen wissen will, sondern es bey der Einschraͤnkung der L. 10. C. de usuris bewenden laͤs- set stryck U. M. Pand. Tit. de Usuris §. 17. rich- ter P. II. Dec. 74. a pufendorf Tom. I. Obs. 14. §. 4. coc- . II ) Aus dem obigen Grundsaz folgt weiter, daß extat auctoritas. Allein das Schreiben des Isidors an den Bischof Massanus oder Massio, woraus die angefuͤhr- ten beyden Stellen entlehnt seyn sollen, ist noch grosen Zweifeln unterworfen. Man vergleiche hier das vortref- liche Werk des Car. Sebast. berardi uͤber Gratiani canones Part. III. Cap. XXVII. S. 406. ( edit. Venet. 1777.) de Origine Iuris. daß der Codex den Institutionen und Pandecten derogi- re. Zwar moͤchten, wenn wir auf das eigene Zeitalter der einzelnen Verordnungen des Codex sehen duͤrften, unter der grosen Zahl derselben nur wenige gefunden werden, welche der Promulgation nach juͤnger als die Institutionen und Pandecten sind, d. i. welche erst nach dem Jahr 533. in welchem beyde die gesezliche Bestaͤt- tigung erhalten haben, waͤren gegeben worden; indem vielmehr das Datum der meisten Constitutionen des Co- dex, welche eine Subscription haben, zu erkennen giebt, daß sie schon vor dem bemerkten Jahr, mithin vor den Institutionen und Pandecten, sind bekannt gemacht wor- den. Kein Wunder ist es also, wenn es Rechtsgelehr- te giebt, welche einer andern Meinung sind, und dem Codex nur in sofern den Vorzug vor den Pandecten und Institutionen lassen wollen, als die einzelnen Ge- setze desselben neuer sind. Unter denen, die dieses be- haupten, wird nicht leicht einer gefunden werden, der angelegentlicher die Beweise fuͤr diese Meinung zu- sammengesucht haͤtte, als Galvanus de Usufructu Cap. XXXI. n. IX. S. 398-416. , weil es ihm nahe ging, quod, wie er sagt, licet iam diu in Ita- lia et in Germania non defuerint, qui contrarium errorem interpretum cum maxima Iurisprudentiae utilitate profligaverint, adhuc tamen multi ita he- betes sunt ac stolidi, ut frugibus inventis glandes quaerant, et suum more in veteris inscitiae coeno volutentur. Allein Galvan mag sagen, was er will, so wird seine Meinung bey den heutigen Rechtsgelehr- ten cocceii Iur. Civ. Controv. Lib. XXII. Tit. 1. Qu. 7. Struben rechtliche Bedenken Th. III. Bed. 33. de lud- wig differentiae iuris Rom. et Germ. in usuris prae- cipue ultra alterum tantum. Halae 1740. Quistorp Beytraͤge II. Stuͤck N. IX. S. 157. u. a. m. 1. Buch. 2. Tit. ten schwerlich einigen Beyfall finden. Denn kann es Galvanus nicht laͤugnen, daß die gesezliche Kraft der Pandecten erst von der Zeit an zu rechnen sey, da sie promulgiret worden sind, wenn gleich das darinn ent- haltene Recht ungleich aͤlter ist, und aus sehr mancher- ley Zeitperioden herruͤhrt, so muß doch wohl ein glei- ches von dem Codex des K. Justinians gelten. Da nun derselbe ein ganzes Jahr spaͤter, als die Pandecten und Institutionen, nehmlich im Jahr 534. bekannt ge- macht worden ist (§. 53.), mithin ganz unlaͤugbat als ein neueres Gesezbuch anzusehen, so ist natuͤrlich, daß derselbe beyden, den Pandecten wie den Institutionen, derogiren muͤsse, um so mehr, da Justinian selbst in dem Promulgations-Ediet des neuen Codex §. 4. sagt: purgatum iam et candidum, omnibus et circumductis et additis et repletis, nec non transformatis, factum esse Codicem S. Ioach. hagemeier de authoritate iuris civ. et ca- non. Cap. V. brunquell Histor. iuris. P. II. cap. 9. §. 18. 19. 20. walch Introduct. in controvers. iuris civ. Proleg. Cap. I. §. 3. . III ) Wenn die Pandecten und In- stitutionen in einer Rechtsmaterie nicht mit einander uͤbereinstimmen, so gehen die Pandecten, als die Quel- le und das Original denen Institutionen vor, in sofern leztere dunkel sind, oder wohl gar unrichtig aus den er- stern excerpiret worden; In sofern aber die Institutio- nen eine offenbare Abaͤnderung, oder avthendische In- terpretation der Pandecten enthalten, sind dieselben als ein neueres Recht, den Pandecten billig vorzuziehen. Die Beweise fuͤr diese Saͤtze liegen in dem Obi- gen S. Hubert. breuer Disquis. hist. iurid. qua vera In- stitutionum I. R. textus auctoritas contra erroneam quo- rundam (§. 51.). Hier will ich also nur noch einige Bei- de Origine Iuris. Beispiele hinzufuͤgen. So z. E. wird man in dem §. 39. de rerum divis. wegen des Schazfindens eine ganz absichtliche Abaͤnderung der L. 3. §. 10. D. de iure fisci gewahr werden, daß daher die Stelle der Institu- tionen hierin vorzuͤglichern Inhalts sey, hat keinen Zweifel Dieser Meinung sind ausser Cujaz , Ian. a costa , Theod. marcilius , Reinh. bachovius , Ev. otto , und a. m. S. D. Christ. Gottl. richter Exercit. iur. civ. de iure thesauri a mercenario inventi. Lipsiae 1773. Cap. I. §. 4. ; und vergeblich ist alle Muͤhe derjenigen ge- wesen, die beyde Stellen mit einander zu vereinigen ge- sucht haben Z. B. charondas Lib. I. Verisimil. cap. 21. galva- nus de Usufructu cap. XXX. van de water Observat. iur Rom. Lib. III. cap. 3. Diese widerlegt aber rich- ter a. a. O. . L. 34. §. 2. D. de Legat. 1. aber erhaͤlt ihre avthendische Erlaͤuterung aus dem §. 6. I. de Legat. und der §. 9. I. eodem bestimmt den rechten Sinn der L. 82. §. 2. und 3. D. de Legat. 1. vor- treflich S. van de water Lib. III. Observat. cap. 10. . Im Gegentheil behauptet L. 7. §. 7. D. de acquir. rer. dom. den Vorzug billig vor dem §. 25. I. de rer. div. in welchem die Verfasser der Institutio- nen das Dreschen des Getraides irrig zur Specification rechnen. Wenn nun aber der Widerspruch unter einzelnen Stellen in einerley Sammlung ist; so kommt es wieder darauf an, ob Gesetze im Codex, oder Novellen mit einander streiten, dann gehet es nach der Regel: lex posterior derogat priori ; oder ob Stellen in den Institutionen oder Pandecten sich widersprechen, in die- sem rundam opinionem vindicatur. Bonnae 1784. §. XI. XII. vorzuͤglich aber hartleben in Meditat. ad Pandect. Vol. I. P. I. Spec. VI. med. 3. 1. Buch. 2. Tit. sem leztern Falle laͤsset sich entweder das Zeitalter der sich widersprechenden Verordnungen bestimmen, welches besonders in den Institutionen leicht ist, weil fast bey jeder Materie die Abwechselungen des Rechts chronolo- gisch sind dargestellet worden, oder nicht, im erstern Fall muß eben wieder die Regel gelten, das neuere Recht ist dem aͤltern vorzuziehen; ist aber das leztere, so kommt alsdenn die schon oben (S. 312.) gegebene Regel zur Anwendung nettelbladt in System. elem. Iurispr. posit. Germ. general. Lib. I. Sect. III. §. 180. n. 1. S. 104. Si contra- rietas est in una eademque Legum compilatione 1) Novel- larum et Codicis , posterior derogat priori ; 2) In- stitutionum et Pandectarum , is textus praefe- rendus, qui analogiae iuris Romani magis conformis est, vel usu receptus. . §. 81. Rechtsanalogie. Naturrecht. Verhaͤltniß zwi- schen Gesezbuͤchern und Gewohnheitsrechten . Allein — wird man zulezt noch fragen, wie? wenn uns alle diese Gesetze verlassen sollten, von welchen wir bisher geredet haben, was werden dann fuͤr Richtschnu- ren des buͤrgerlichen Privatrechts gelten? — die Rechtsanalogie? daß diese als eine Quelle des buͤrgerli- chen Privatrechts anzusehen, will ich gar nicht laͤugnen. Allein da der Grund aller Analogie des Rechts auf der Uebereinstimmung mit der Absicht und dem Willen des Gesezgebers beruhet, (§. 37.) so darf man wohl nicht sagen, daß uns bey Entscheidung eines Rechtsfalles die Gesetze verliesen, so lange uns noch der Weg der Ana- logie offen stehet. Wer mir nicht glauben will, traue wenigstens den Worten Ulpians L. 6. §. 1. D. de Verbor. Signif. , der uns lehrt: verbum de Origine Iuris. verbum ex legibus sic accipiendum esse, tam ex le- gum sententia, quam ex verbis . Und diese Rechtsa- nalogie wird daher auch in der Ordnung denjenigen Plaz einnehmen, wo das Recht stehet, von dessen Ana- logie die Rede ist. Wie soll also in Ermangelung positiver Privatge- setze bestimmt werden, was in einem Falle recht oder unrecht, wozu dieser verbunden, jener berechtiget sey? — Da ist nun die lezte Zuflucht zu demjenigen Recht zu nehmen, welches die gesunde Vernunft jeden Menschen lehret Ubi enim iuris civilis aut positivi cuiuscunque deficit de- finitio, ibi Iuris Naturalis dispositio defectum supplet , sagt der beruͤhmte Herr geistliche Rath endres in seiner vor- treflichen Diss. de necessario iurisprudentiae naturalis cum ecclesiastica nexu, et illius in hac usu. Wirceb . 1761. Cap. I. §. XIX. in schmidt Thes. Iur. Eccles . T. I. N. I. S. 16. . Denn daß das Naturrecht auch in der buͤr- gerlichen Gesellschaft gelte, ist eine unbestrittene Wahr- heit. (§. 17.) Indes bleibt dieses doch immer nur die leztere Zuflucht, sollten daher ungeschriebene Gesetze, d. i. rechtsbewaͤhrte und erwiesene Gewohnheiten vorhanden seyn, so stehen diese mit geschriebenen Gesetzen in einer- ley Verhaͤltnis, und dienen, wenn sie sonst nur nicht den guten Sitten, der Religion und der gemeinen Wohlfahrt entgegen, und aus solchen Gruͤnden etwa verwerflich sind, in sofern allerdings zur Entscheidung. Wie aber, wenn Gesezbuͤcher und Gewohnheits- rechte in Collision gerathen? Wie, wenn Gebraͤuche, die ohne ausdruͤckliche Genehmigung der hoͤchsten Ge- walt in Gang gekommen sind, mit dem, was geschrie- bene Gesetze enthalten, im Widerspruch stehen, wie wird das Verhaͤltniß derselben gegen einander seyn? Da wir uͤber 1. Buch. 2. Tit. uͤber diesen Gegenstand schon eine vortrefliche Abhand- lung Puͤtters Abhandlung vom Verhaͤltnisse zwischen Gesezbuͤchern und Gewohnheitsrechten , in Desselben Beytraͤgen zum teutschen Staats- und Fuͤrsten- Rechte II. Th. N. XXI. S. 1 ‒ 22. haben, so darf ich mich hier ganz kurz fassen. Es ist nichts ungewoͤhnliches, daß eine vom geschriebe- nen Gesetze abweichende Gewohnheit, wenn sie sonst nur die erforderlichen Eigenschaften eines aͤchten Gewohn- heitsrechts an sich traͤgt, selbst uͤber die ausdruͤckliche Vor- schrift der Gesetze die Oberhand gewinnet. Nur muß solche entweder neuer, als das geschriebene Gesez seyn, und, daß sie vom Landesherrn wirklich gebilliget sey, deutlich erwiesen werden koͤnnen; oder, wenn selbige et- wa schon vorher in einem Lande festen Fuß gefasset ha- ben sollte, ehe darin ein Gesezbuch eingefuͤhrt wurde, ge- wiß seyn, daß sie sich im Gebrauch erhalten habe. Denn da Gewohnheiten immer nur auf der Frage beruhen: wie es bisher gehalten worden sey? mithin eine histori- sche Kenntnis erfordern, die ungleich groͤsere Schwierig- keit hat, als die Kenntnis eines schriftlich abgefaßten allgemeinen Rechtssatzes; so wird in Widerspruchsfaͤllen die Vermuthung immer fuͤr die Guͤltigkeit des geschrie- benen Gesetzes streiten, bis die entgegenstehende Ge- wohnheit durch den Beweiß ihrer unwandelbaren Obser- vanz in voͤllige Gewißheit gesetzet worden ist. Es wer- den diese Saͤtze durch den folgenden Titel ein mehreres Licht erhalten, in welchem die Lehre vom Gewohn- heitsrecht erklaͤret werden wird. Lib. de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. Lib. I. Tit. III. de Legibus, Senatusconsultis et longa consuetudine . D er groͤste Theil der unter dieser Ueberschrift in un- sern Pandecten gesammleten Fragmente der roͤmi- schen Rechtsgelehrten enthalten allgemeine Grundsaͤtze von der Natur, Auslegung und Anwendung positiver Gese- tze, und in so weit haben wir schon in dem ersten Ti- tul unsers Commentars davon Gebrauch gemacht. Al- lein die LL. 32 — 39. handeln vom Gewohnheits- rechte , und diese, verbunden mit dem Titel des Co- dex: quae sit longa consuetudo , machen die Quellen der jezt zu eroͤrternden Rechtslehre aus. Auch im Canoni- schen Gesezbuche finden wir hierher gehoͤrige Stellen, denn nicht nur die Decretalen Gregors IX. sondern auch der liber sextus Bonifacii VIII. enthaͤlt einen Titel de consuetudine . (Lib. I. Tit. 4.) Jedoch ist bey dem Gebrauch dieser Quellen eine doppelte Vorsicht noͤthig; a ) daß man dabey jederzeit auf teutsche Verfassung, und deren Unterschied von der roͤmischen Ruͤcksicht nimmt. Ohne diese Regel zu beobachten, ist es unmoͤglich, die- jenigen Irrthuͤmer zu vermeiden, die wir in der Materie vom Gewohnheitsrechte nach der gewoͤhnlichen Vorstel- lungsart finden. Bey den Roͤmern, wo die Gerichte oͤffentlich vor den Augen des Volks, in dessen Haͤnden sich die gesezgebende Gewalt befand, gehalten wurden, und wo in der Folge die Kaisere selbst sich mit Entschei- dung der Rechtshaͤndel beschaͤftigten; konnte man immer mit mehrerer Gewißheit aus der oͤfteren Wiederholung gleich- Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. D d 1. Buch. 3. Tit. gleichfoͤrmiger Handlungen, wenn kein Wiederspruch ge- schahe, den stillschweigenden Willen des Gesezgebers an- nehmen; als bey uns, wo die Landesherrn von dem Verfahren der Gerichte eine solche Wissenschaft nicht haben. Es duͤrfte also heutiges Tages das Argument von dem Stillschweigen des Landesherrn auf desselben Genehmigung ziemlich unsicher seyn, wenn nicht zu er- weisen stehet, daß die Gewohnheit, wovon die Frage ist, witklich zur Wissenschaft des Landesherrn gekommen, indem, wenn dieselbe geschriebenen Gesetzen gerade ent- gegen gehen sollte, der Buchstabe des Gesetzes sodann immer einen uͤberwiegenden Beweiß von dem Gegentheil abgeben wuͤrde. Bey den Roͤmern traten uͤberhaupt noch andere Umstaͤnde hinzu, die sie gewissermassen in die Nothwendigkeit sezten, Gewohnheitsrechte gelten zu lassen, nehmlich der Mangel an geschriebenen Gese- zen, deren Unzulaͤnglichkeit, und die Schwierigkeiten, welche mit der Legislation auf den Comitien verbunden waren; sie nahmen uͤberdies Gewohnheitsrechte weit lie- ber, als geschriebene Gesetze, an, weil erstere, als Fruͤch- te der Avtonomie, der Freiheit des Volks mehr schmei- chelten, als die leztern, deren drohende Worte in auf- gehangenen ehernen Tafeln gelesen wurden. Man wird sich nun hieraus erklaͤren koͤnnen, warum das ius civi- le Romanorum, quod sine scripto usus comprobavit, wie Justinian §. 9. I. de I. N. G. et C. sich ausdruckt, von jeher ungleich reichhaltiger an Rechtswahrheiten, als das geschriebene Recht, gewesen. b ) Eine zweite Vorsicht, bey heutiger Anwendung jener fremden Rechte in der Lehre vom Ge- wohnheitsrecht ist, daß man in den einzelnen Gesezstel- len immer auf die Bedeutung des Worts consuetudo genau Acht gebe; denn daß die Gesezgeber dieses Wort nicht uͤberall im eigentlichen Sinne genommen haben, wird de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. wird sich in der Folge zeigen. Haͤtte man hierauf meh- rere Aufmerksamkeit verwendet, so wuͤrde vielleicht man- cher Zweifel uͤber den Verstand dieser oder jener Gesez- stelle, leichter gehoben, ja mancher Irrthum vermieden worden seyn. Die Fabel von der Praͤscription der Ge- wohnheitsrechte giebt ein deutliches Beispiel davon. Uebri- gens ist die Lehre vom Gewohnheitsrechte desto wichti- ger, je groͤsern Einfluß sie auf das Ansehen der geschrie- benen Gesetze hat, welches, wenn besonders von den fremden in Teutschland recipirten Gesetzen die Rede ist, oft nur gar zu voreilig unter dem Schilde entgegenste- hender Rechtsgewohnheiten und Observanzen bestritten zu werden pflegt. Unter den diese Materie erlaͤuternden Academischen Schriften will ich ausser denen, die in Lipenius , und Schotts Supplementen stehen, nur noch folgende anfuͤhren: de senckenberg de iure ob- servantiae ac consuetudinis in causis publicis priva- tisve Giessae 1743. Ger. von dem busch diss. de consuetudine, unde et quando vim legis obtineat Goettingae 1752. rec. Halae 1773. und Car. Christph . hofacker D. de iure consuetudinis secundum do- ctrinam iuris naturalis et romani. Tuͤbingae 1774. Dieses vorausgeschickt schreiten wir nunmehro zur Abhandlung der Lehre vom Gewohnheitsrechte selbst, und erinnern nur noch, daß hier bloß vom Privat- Gewohnheitsrechte die Rede sey, indem die Mate- rie vom Staatsherkommen , welches von jenem ganz unterschieden ist, in das Gebiet des teutschen Staatsrecht gehoͤrt, mithin eigentlich ausser unserer Sphaͤre liegt. D d 2 §. 83. 1. Buch. 3. Tit. §. 82. Eintheilung des Rechts in geschriebenes und nicht geschrie- benes. Erlaͤuterung der §. 3. u. folgg. I. de I. N. G. et C . und L. 32. et 35. D. de LL. Es ist eine nicht nur in den Gesetzen ausdruͤcklich enthaltene §. 3. 1. de I. N. G. et C. L. 6 . §. 1. D. de Iust. et Iu- re. L. 32. D. de LL. , sondern auch sehr wichtige Eintheilung des Rechts, wenn solches, fuͤr Gesez genommen, in ein geschriebenes (ius scriptum, lex scripta), und nicht geschriebenes (ius non scriptum, lex non scripta) eingetheilet wird. Diese muß zuerst erklaͤret werden, weil sie bey dem Begriffe des Gewohnheits- rechts, als welches, wie Justinian §. 9. I. de I. N. G. et Civ. sagt, ex non scripto venit, zum Grunde liegt. Die Begriffe der Rechtsgelehrten stimmen jedoch darinn nicht uͤberein, was eigentlich geschriebenes und nicht geschriebenes Recht zu nennen sey. Die meisten sagen, das ius scri- ptum sey ein solches Recht, was ausdruͤcklich vom Gesezgeber ist bekannt gemacht worden; ius non scri- ptum sey hingegen dasienige, so mit stillschweigender Einwilligung des Gesezgebers durch Gewohnheit ent- standen ist. Die Scriptur sey also bey einem geschrie- benen Gesez nichts wesentliches westenberg Princip. iuris sec. ord. Institution. Lib. I. Tit. II. §. 24. sagt: scriptum dicitur, quia plerumque scribi solet: Scriptura enim non est de essentia legis . Man sehe auch huber Praelect. Institut. tit. de iur. nat. gent. et civ. §. 7 . . Eben dies scheint auch die Meinung unsers A. zu seyn. Andere Dieser Meinung sind Christ. Lud . crell Observat. de origine et virtute iuris non scripti. Vitemb . 1739. §. 1. und gebauer Ord. Institut. Iustinian . Lib. I. Tit. II. §. 7. und folgg. ver- werfen de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. werfen hingegen diese Begriffe schlechterdings, und glau- ben, daß solche dem roͤmischen Sprachgebrauch ganz zu- wieder waͤren; nach diesem sey vielmehr ius scriptum dasienige Recht zu nennen, was schriftlich aufgezeichnet ist; ius non scriptum aber heisse ein solches, welches blos durch das Gedaͤchtniß und den Gebrauch, ohne schriftlichen Aufsatz, erhalten wird hofacker Princip. iur. civ. Rom. Germ. Tom. I. §. 102. S. 84. — scriptum ius dicitur, quod in scri- pturam comprehensum custoditur; non scriptum vero, quod memoriae tantum mandatur , ut pro lege observe- tur. . Noch andere Besonders Gottl . sturm in Diss. de distinctione iuris scripti et non scripti antiquitati restituta. Ienae 1725 in- ter eius Dissertat. Ienens. Vitembergae aditas . S. 20. und folgg. wollen auch diese Begriffe nicht ganz billigen, sondern erfordern zu einem geschriebenen Rechte im Sinn des roͤmischen Rechts, erstens , daß es sich auf den ausdruͤcklich erklaͤrten Willen des Gesezgebers gruͤnde, und zweitens , daß es schriftlich abgefaßt sey. In- sonderheit aber sey in den aͤltesten Zeiten der Roͤmer ius scriptum dasienige Recht genennet worden, was feyerlichst durch die Stimmen des Volks auf den Comi- tien als Gesez gebilliget, und in ehernen Tafeln aufge- zeichnet worden; in den neuern Zeiten aber habe man mit diesem Nahmen dasienige Recht bezeichnet, was vom Kaiser selbst, oder wenigstens unter Auctoritaͤt und mit ausdruͤcklicher Genehmigung desselben schriftlich waͤre bekannt gemacht worden. Alles dieses bestaͤttige die unten angefuͤhrte Stelle des Kr. Justinians §. 3. I. de I. N. G. et C , , in welcher die verschiedenen Gattungen des geschriebenen Rechts der Roͤmer aufgezaͤhler werden. Scriptum ius D d 3 est 1. Buch. 3. Tit. est lex, plebiscitum, Senatusconsultum, Principum placita, magistratuum edicta, responsa prudentum. Pruͤfe man diese Gesezarten, so werde man finden, daß sie alle die oben angefuͤhrte Kenntzeichen eines geschrie- benen Rechts an sich truͤgen; denn leges wurden durch die Stimmen des ganzen Roͤm. Volks auf den comi- tiis centuriatis; plebiscita aber zwar nur in den Ver- sammlungen der Plebejer, und ohne Zustimmung des Senats, gemacht, aber sie waren doch seit dem Gesez des Hortensius §. 4. I. cod. L. 2. §. 8. D. de O. I. auch fuͤr die Patricier unlaͤugbar verbindlich; und beide wurden in ehernen Tafeln aufge- gezeichnet. Eben dieses geschahe mit den Senatuscon- sultis; denn seit den Zeiten des K. Tibers vertrat der Senat die Stelle des Volks, und der Kaiser, als princeps Senatus, schlug den versammleten Vaͤtern Ge- setze ungefaͤhr auf die Art vor, wie in den Zeiten der Freyheit von einer Senatorischen oder Plebeiischen Ma- gistratspersohn die rogatio (Vortrag) an das Volk ge- schahe. Sogar die Rede des Kaisers an den Senat pflegte man in Erz zu graben plinius Panegyr . cap. 75. init. . Die constitutio- nes Principum wurden zwar ohne Solennitaͤt, blos durch den Willen des Kaisers, aber doch schriftlich pu- blicirt. Die Worte Justinians §. 6. Quodcumque Imperator per epistolam constituit, vel cognoscens de- crevit, vel edicto praecepit, legem esse constat: haec sunt, quae Constitutiones appellantur ; gaͤben solches selbst genugsam zu erkennen; womit auch Ulpian L. 1. §. 1. D. de constitut. princip. uͤbereinstimme. Vielleicht sey auch manche kaiserliche Verordnung in Erz gegraben worden. Die Edicte der Praͤtoren und der curulischen Aedilen wur- den de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. den zwar schrifrlich bekannt gemacht, allein vor den Zei- ten K. Hadrians rechnete man sie doch nur zum iure non scripto, weil sie erst durch die bestaͤndige und ununterbrochene Beobachtung mit stillschweigender Geneh- migung des Volks eine gesezliche Kraft erhielten; allein seitdem sie K. Hadrian in das Edictum perpetuum zusammenfassen ließ, und dieses als Gesezbuch promul- girte, haben selbige vim iuris scripti, ipsa Imperatoris voluntate, erhalten §. 7. I. de I. N. G. et C. . Auch die roͤmischen Rechtsge- lehrten ertheilten ihre Gutachten schriftlich, seitdem August sie selbst zu diesem Geschaͤft autorisirt, und die Richter aus politischen Staatsabsichten von diesen Ora- keln des Rechts abhaͤngig gemacht hatte §. 8. I. eod. ; und Ju- stinian legte ihnen vollends die Kraft eines geschriebe- nen Rechts dadurch bey, daß er aus den Responsis und Commentarien der roͤmischen Juristen die Pandecten com- piliren ließ. Hieraus ergebe sich also unwiedersprechlich, daß ausser der ausdruͤcklichen Willenserklaͤrung des Ge- sezgebers die Scriptur zum Begriff eines geschriebe- nen Rechts , wenigstens nach der Idee der Roͤmer, schlechterdings erfordert werde. Ius non scriptum hin- gegen sey im Sinn des roͤmischen Rechts, dasienige Recht zu nennen, dem es entweder an der Scriptur, oder an der ausdruͤcklichen Willenserklaͤrung des Gesez- gebers, oder an beyden zugleich mangele. Zwar habe Justinian in seinen Institutionen §. 9. I. eod. nur einer Gat- tung des nicht geschriebenen Rechts ausdruͤckliche Erwaͤh- nung gethan, nehmlich des Gewohnheitsrechts : sine scripto ius venit , sagt er, quod usus approba- vit: nam diuturni mores, consensu utentium compro- D d 4 bati, 1. Buch. 3. Tit. bati, legem imitantur; allein daß er damit die uͤbrigen nicht ausgeschlossen haben wolle, sey aus dem folgenden § zu ersehen: Et non ineleganter in duas species ius civile distributum esse videtur: nam origo eius ab institutis duarum civitatum, Athenarum sc. et Lacedaemoniorum, fluxisse videtur. In his enim civitatibus ita agi solitum erat, ut Lacedaemonii quidem magis ea, quae pro legibus observabant, memoriae mandarent : Athenienses vero ea, quae in legibus scripta comprehendissent , custodirent. Hier- durch werde zu erkennen gegeben, daß ein zwar aus- druͤcklich, aber doch nur muͤndlich vom Gesezgeber be- kannt gemachtes Gesez ad ius non scriptum gehoͤre. Man siehet wohl aus der ganzen Darstellung die- ser verschiedenen Begriffe, daß Justinian hauptsaͤchlich an dieser Verwirrung schuld sey, indem derselbe §. 10. ganz offenbar nicht geschriebenes Recht im juristischen und grammatischen Sinn vermischt, und hierdurch auf den Irrwahn gerieth, den Ursprung des nicht geschrie- benen Rechts, so durch Gewohnheit entstanden, von den Lacedaͤmoniern herzuleiten Verschiedene Rechtsgelehrte wollen zwar den K. Justi- nian vertheidigen, wenn er den Ursprung des nicht ge- schriebenen Rechts von den Lacedaͤmoniern, des geschrie- benen aber von den Atheniensern ableitet; weil die Ge- setze der Koͤnige vorzuͤglich aus den Verfassungen der La- cedaͤmonier, die Zwoͤlftafelgesetze aber aus den Gesetzen der Athenienser ihren Ursprung genommen; S. galva- nus de Usufructu Cap. VI. S. 45. otto praefat. The- saur. T. III. und in Commentar. ad Institut. h. t. §. Io. Henr. Io. arntzenius Specim. Observation. eap. XII. S. 92. Allein deswegen waren doch die Gesetze der Koͤ- nige so wenig, als die Gesetze des Lycurgs Gewohnheits- rechte; sie waren nicht einmahl νόμοι ἄγραφαι. dionysius lib. II. S. 94. (edit. Sylburg .) . Wir koͤnnen aber hierin de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. hierin den Kaiser um so weniger folgen, je bekannter es ist, daß diejenigen Gesetze, die Lycurg seinem Vol- ke gab, keine Gewohnheitsrechte, sondern nur unge- schriebene Gesetze im grammatischen Sinn ge- wesen, die seine Buͤrger auswendig lernen musten. Ju- stinion redet hier nicht als Gesezgeber, sondern macht den Historicus, und in solchen Faͤllen hat Schul- ting schulting ad Caji Institut. Lib. I. not. 6. Iurisprud. Antejust . S. 2 ganz richtig geurtheilt, wenn er sagt, in re- bus facti, qualis haec est, Imperatoris non maior est auctoritas, quam alicuius historici, adeoque hic ab illo licet dissentire. Vergleicht man dagegen die Fragmente dieses Titels der Pandecten, so wird man daraus sehen, daß dem iuri scripto allemahl dasjenige ius, quod moribus et consuetudine inductum est, entgegen gesetzet wird. Nicht nur Julian L. 32. pr. D. h. t. De quibus causis scriptis legibus non utimur, id custodiri oportet, quod moribus et con- suetudine inductum est. , sondern vorzuͤglich auch Hermogenian L. 35. D. eod . Sed et ea, quae longa consuetudine comprobata sunt, ac per annos plurimos observata, velut tacita civium conventio , non minus, quam ea, quae scripta sunt iura , servantur. unterscheidet auf diese Art geschriebenes und nicht geschriebenes Recht; und daß ersteres im eigentlichen Verstande anders nichts, als ein vom Gesezgeber ausdruͤcklich bekannt gemachtes Recht sey, giebt Julian durch die Wor- te deutlich zu verstehen: quid interest, suffragio popu- lus voluntatem suam declaret, an rebus ipsis et fa- ctis ? ohne dabey des Erfordernisses einer schriftlichen Promulgation zu gedenken. Zwar wendet man da- gegen ein, daß jene roͤmische Juristen die demokratische D d 5 Ver- 1. Buch. 3. Tit. Verfassung Roms vor Augen gehabt, nach welcher die Gesetze der Nation auf den Comitien, ohnehin schrift- lich, waͤren verfasset worden sturm in der angefuͤhrten Dissert . §. XX. Not. a. . Allein dieser Einwurf ist ganz ungegruͤndet, denn beyde oben gedachte Rechts- gelehrte lebten unter den Kaisern, und man siehet aus ihrem Vortrag ganz deutlich, daß sie von ihren Zeiten reden. Dem roͤmischen Zepter waren jedoch zu den Zeiten dieser Rechtsgelehrten mancherley Nationen un- terthan, die ihre eigene Rechte hatten, welche unter dem Nahmen Lex municipalis in unsern Pandecten ange- fuͤhret werden L. 3. §. 5. D. de sepulchro viol. und tot. Tit. D. ad municipalem , sc. legem, wie Ev . otto in Praefat. ad Tom. II. Thes. Iur. Rom. S. 12. gegen Cujaz erwiesen hat. Lex municipalis wird unterweilen auch lex civitatis L. 1. D. de muner. et honor. ferner lex cuiusque loci , L. 5. §. 1. D. de iure immunitat. auch lex schlechtweg genennt L. 3. D. quod cuiusq. univ. nom. L. 12. D. de appellat. L. 11. D. de Decurion. L. un. D. de via publ . S. Ge. D’ arnaud var. Coniectur. iuris civ . Lib. I. cap. 18. . Solche municipia konnten vermoͤ- ge der ihnen verstatteten Avtonomie nicht nur commu- ni velut sponsione sich selbst geschriebene Gesetze ma- chen, sondern auch gleichsam durch einen stillschweigen- den Vertrag ein Gewohnheitsrecht einfuͤhren Adr. Deodat . steger Diss. ad Legem municipalem Romanorum. Lips. 1738. . Von diesen haben wahrscheinlich beyde roͤmische Juristen gere- det S. Ios . finestres et de monsalvo in Hermoge- niani iuris epitomar. libros VI. Commentar. Tom. I. ad L. 35. D. LL. S. 216. , welches besonders daraus erhellet, weil Ju- lian sagt, daß, wenn weder geschriebenes, noch Ge- wohnheitsrecht eine Entscheidungsnorm gaͤbe; auch aus der de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. der Aehnlichkeit der Faͤlle keine Regel abstrahiret wer- den koͤnne, dasjenige Recht sodann beobachtet werden muͤsse, quo urbs Roma utitur L. 32. pr. D. de LL . De quibus causis scriptis legi- bus non utimur, id custodiri oportet, quod moribus et consuetudine inductum est; et si qua in re hoc de- ficeret, tunc quod proximum et consequens ei est: si nec id quidem appareat, tunc ius, quo urbs Roma utitur, servari opportet. — Sensus est : wie Ant . faber Rational. in Pandect . h. l. diese Stelle richtig er- klaͤrt, in iure non scripto interpretando idem faciendum esse quod in scripto, ut si quando deficiat, supplendum sit ex eo, quod in similibus causis et quae maiorem cum pro- posito casu adfinitatem habeant, constitutum vel receptum inveniatur. Quod enim legibus scriptis inesse credi opor- tet, ut ad eas quoque personas, et ad eas res pertineant, quae quandoque similes erunt, L. 27. D h. tit. idem de moribus quoque et consuetudine dici potest . . Aus diesen allen erhellet nun soviel, daß man bey Bestimmung der Begriffe des geschriebenen und nicht geschriebenen Rechts einen zwifachen Sinn unterscheiden muͤsse, den eigentlichen oder juristischen , und den uneigentlichen oder grammatischen . In dem erstern Verstande heisset lex scripta ein solches Gesez, was seine Verbindungskraft durch den ausdruͤck- lich erklaͤrten Willen des Gesezgebers erhalten hat. Hin- gegen ein solches Recht, so sich urspruͤnglich nicht auf den ausdruͤcklich bekanntgemachten Willen des Gesezge- bers gruͤndet, sondern durch Gewohnheit entstanden ist, wird ius non scriptum im juristischen Verstande genennt Daß diese Begriffe nicht nur bey denen roͤm. Rechtsge- lehrten, sondern auch bey andern classischen Auctoren ge- braͤuchlich sind, hat Ge. D’ arnaud in var. Coniectur. iur. civ. . Pau- 1. Buch. 3. Tit. Paulus Sententiar. Receptar . Lib. V. Tit. 4. §. 6. u. 8. beym schulting Iurispr. Antejust . S. 439. folg. nimmt noch eine dritte Gattung an, die er mixtum ius , d. i. utroque, scripto et non scri- pto, constans, nennt, und giebt zum Beispiel die in- iuriarum actio, quae lege Cornelia constituta est. Im grammatischen Sinn aber heisset ein Recht oder Gesez alsdann geschrieben , wenn es fchriftlich ver- faßt, und nicht geschrieben , wenn es nicht schrift- lich aufgezeichnet ist, sondern blos durch das Gedaͤcht- nis erhalten wird Nach diesem Unterschiede kann da- her 1) ein Recht ein geschriebenes oder ungeschriebenes in beyderley Verstande zugleich seyn. 2) Es kann ein Recht, das im grammatischen Sinn ungeschrieben ist, dennoch ein geschriebenes Recht im juristischen Verstan- de, und so auch umgekehrt seyn. 3) Es kann ein Recht, seinem Ursprung nach ungeschrieben im juristi- schen Verstande seyn, und in ein geschriebenes Recht im juristischen Sinn verwandelt werden. Das roͤmische Recht giebt uns davon genug Beyspiele, wie aus Ge- wohnheitsrechten in der Folge Gesezbuͤcher entstehen koͤn- nen. War nicht das ganze ius honorarium, welches aus den Edicten der Praͤtoren und anderer roͤmischer Magistratspersohnen herstammt cicero de inventione lib. II. c. 22. und in dieser Hin- sicht schreibt auch der Jurist paulus Sentent. Recept . V. 4. 6. 7. nahmentlich die vom Praͤtor eingefuͤhrte actionem iniuriarum aestimatoriam den moribus zu. , desgleichen das ei- gent- civ. Lib. I. cap. X. mit vielen Stellen der Alten erwiesen. Jedoch verstanden die alten Philosophen, so wie auch die alten christl. Kirchenscribenten unter ius non scriptum auch das Naturrecht , so Gott dem Menschen gleichsam ins Herz geschrieben, wie der Apostel sagt. de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. gentlich sogenannte ius civile L. 2. §. 5. D. de O. I . — Haec disputatio (fori) et hoc ius, quod sine scripto venit, compositum a Pru- dentibus , propria parte aliqua non appellatur — sed communi nomine appellatur ius civile , und §. 12. heißt es: est proprium ius civile , quod sine scripto in sola Prudentium interpretatione consistit. , so aus den Gesezer- klaͤrungen und Gutachten der roͤmischen Rechtsgelehrten seinen Ursprung genommen, und durch den Gerichtsge- brauch bestaͤttiget worden, urspruͤnglich bloses Gewohn- heitsrecht (ius non scriptum), und doch konnte Ju- stinian zu seinen Zeiten beydes ganz richtig zum ius scriptum zaͤhlen §. 3. I. de I. N. G. et Civ. ? Auch in neuern Zeiten sind die Beyspiele hiervon nicht selten. Nur darf in einem sol- chen Faͤlle, da bisherige Gewohnheitsrechte in geschrie- bene Gesetze verwandelt werden, ihre urspruͤngliche Ei- genschaft nie vergessen, und daher solche mit andern Gesetzen, die ganz neue Verordnungen enthalten, nie auf einerley Fuß behandelt werden. Wenigstens der Rechtsgelehrte muß immer eingedenk seyn, daß der In- halt solcher Gesetze schon lange vorher seine Rechtskraft hatte, und daß also der Ursprung und der wahre Grund eines solchen Rechts nicht erst in jenen neuern Gesetzen, sondern schon in weit aͤltern Zeiten zu suchen ist. Denn sonst wuͤrde man in Auslegung und Anwendung solcher Gesetze nur gar zu oft das wahre Ziel verfehlen S. Puͤtters Beytraͤge zum T. Staats- und Fuͤrsten- Rechte. 2. Th. S. 22. . Endlich 4) kann auch ein urspruͤnglich kundgemachtes Recht vim legis scriptae verliehren, und nur als Ge- wohnheitsrecht (tanquam ius non scriptum) beybehal- ten werden. Die Gesetze der roͤmischen Koͤnige, die Gesetze der alten teutschen Voͤlker, die Capitularien der fraͤn- 1. Buch. 3. Tit. fraͤnkischen Koͤnige u. a. m. geben uns davon sehr tref- fende Beyspiele. Daher kann man sich’s erklaͤren, war- um die roͤmischen Juristen dasjenige Recht, welches durch die Gesetze der roͤmischen Koͤnige ist eingefuͤhret worden, z. B. ius patriae potestatis, cura prodigorum, u. d. m. den moribus zuschreiben L. 8. D. de his qui sui vel al. iuris. L. 1. D. de curat. furios. Ev . otto in Papiniano Cap. VII. §. 1. S. 130. Io. Gottl . heineccius in Opuscul. minorib. varii argum. S 59. . Exactis enim re- gibus, erzaͤhlt uns Pomponius L. 2. §. 3. D. de Or. luris . , Lege Tribuni- cia, omnes leges hae (regiae) exoleverunt: iterum- que coepit populus Romanus incerto magis iure et consuetudine ali, quam per latam legem. §. 83. Verschiedene Gattungen des nicht geschriebenen Rechts. Herkommen. Gewohnheit. Observanz . Das nicht geschriebene Recht kann nun von sehr verschiedener Beschaffenheit seyn. Einmahl ein solches, so zwar ehemals ausdruͤcklich bekanntgemacht, aber nicht schriftlich verfasset worden, sondern sich blos durch den Gebrauch erhalten hat, und so auf die Nach- kommen fortgepflanzet worden ist; dieses wird ius tra- ditum Im Roͤmischen Rechte heißt ius per manus traditum , dessen L. Io. D. de iure codicillor . Erwaͤhnung geschiehet, dasjenige ius, quod sine scripto traditionibus inductum est veterum Iurisconsultorum, und sonst unter dem Nahmen der mediae iurisprudentiae bekannt ist. S. galvanus de Usufructu. Cap. VI. S. 46. u. folg. , ein hergebrachtes Recht, Herkom- men genennt. Von dieser Beschaffenheit waren vor Zeiten die meisten Reichstagsschluͤsse. Sie wurden bis gegen de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. gegen Ende des funfzehenden Jahrhunderts selten foͤrm- lich ausgefertiget. Man publicirte sie zwar, aber nur muͤndlich. Daher wurden sie in der Eigenschaft der Reichssatzungen bald unbekannt und vergessen, und nur als ein Herkommen beybehalten und beobachtet. Ei- ne Ursache, warum wir so wenig alte aͤchte Reichssa- tzungen haben Car. Fried. Gerstlachers Abhandlung von den Gesetzen und Ordnungen des teutschen Reichs. 1. Band 1. Cap. S. 16. 17. . Ein solches herkoͤmmliches Recht ist nun zwar im grammatischen Sinn ein nicht geschrie- benes Recht, das durch den Gebrauch erhalten wird; allein in sofern doch die urspruͤngliche Bekanntmachung desselben erwiesen werden kann, hat es die Natur eines geschriebenen Rechts im eigentlichen oder juristischen Sinn, und darf mithin nicht nach den Grundsaͤtzen ei- nes Gewohnheitsrechts beurtheilet werden. Entstehet demnach uͤber die Guͤltigkeit eines solchen Rechts ein Zweifel, so darf nur erwiesen werden, daß die ehe- malige ausdruͤckliche Kundmachung desselben geschehen sey ; ist diese ausser Zweifel gesezt worden, so muß die Vermuthung fuͤr die Guͤltigkeit eines sol- chen Gesetzes oder Rechts so lange Statt finden, bis das Gegentheil von dem andern dargethan wird Eichmann Erlaͤuterung des buͤrgerlichen Rechts 1. Th. S. 365. u. folgg. . Sollte aber die Bekanntmachung eines solchen Rechts so ganz in Vergessenheit gerathen seyn, daß von der- selben keine Beweise dargeleget werden koͤnnten, so wird es nun als ein Gewohnheitsrecht zu betrachten, und nach den Grundsaͤtzen, die davon gelten, zu beurtheilen seyn. Zweitens kann das nicht geschriebene Recht ein solches seyn, sosich urspruͤnglich nicht auf den ausdruͤcklich bekannt gemachten Willen 1. Buch. 3. Tit. Willen des Gesezgebers gruͤndet, und dann ist es ent- weder durch Gewohnheit , oder durch Observanz eingefuͤhret worden. Was nun aber eine Gewohnheit sey, und wie sie sich von der Observanz unterscheide, wird der folgende §. lehren. §. 84. Verschiedene Bedeutung der Worte consuetudo , und Gewohn- heit. Unterschied zwischen Gewohnheit in eigent- licher Bedeutung und Observanz . Das lateinische Wort consuetudo hat wie das teutsche Gewohnheit mancherley Bedeutungen, und es ist nothwendig, diese kuͤrzlich anzufuͤhren, um hernach den eigentlichen Begrif von Gewohnheit desto richtiger bestimmen zu koͤnnen. Consuetudo zeigt 1) in unsern Gesetzen einen sehr genauen Umgang, oder gesellschaft- liche Verbindung verschiedener Persohnen mit einander an. In dieser Bedeutung wird nicht nur die Ehe §. 1. l. de patr. pot. Vergleiche auch suetonius Ne- ron. c. 35. init. wo er von Nero erzaͤhlt, eum Octaviae (uxoris) consuetudinem (eheliche Beywohnung) asperna- tum. , sondern auch der Concubinat mit diesem Worte bezeich- net So z. B. sagt Modestin L. 34. pr. D. ad Leg. Iul. de adulter. : Stuprum com- mittit, qui liberam mulierem consuetudinis causa , (d. i. zur Concubine) non matrimonii, continet. 2) Bedeutet consuetudo auch dasjenige, was nach der Ord- nung der Natur gewoͤhnlich zu seyn pflegt. In diesem Verstande nimmt Paulus L. 9. pr. D. de lib. et postum. dieses Wort, wenn er bey Entscheidung der Frage, ob durch Ernennung sol- cher postumorum, die der Testirer seines Alters oder einer de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. einer vorhandenen Leibesschwaͤche halben vielleicht nicht mehr erwarten duͤrfte, ein ersteres Testament aufgehoben werde? seine bejahende Meinung mit dem Grunde un- terstuͤtzt: quod natura magis in homine generandi et consuetudo spectanda est, quam temporale vitium, aut valetudo, propter quam abducatur homo a generandi facultate: das ist, weil man mehr auf die Regel, nach welcher ordentlicher Weise Menschen die Erzeugungs Kraft haben, als auf die Ausnahme Ruͤcksicht nehmen muß S. Westphals Theorie des roͤm. Rechts von Testa- menten (Leipzig 1790.) §. 477. S. 355. . 3) Heißt Consuetudo auch oft eine Befugniß, oder ein Recht, so jemand seit langer Zeit ausgeuͤbt hat. So koͤn- nen nach positiven Gesetzen Rechte und Befugnisse durch die langwierige Ausuͤbung ( longa consuetudine ) so gut als durch ein Gesetz eingefuͤhret werden L. ult. cod. de emancipat. liberor. L. un. C. de auro coron. . Bey Dienst- barkeiten weißt das roͤmische Recht nahmentlich der Ge- wohnheit ihren Wirkungskreis an, wie aus den un- ten L. 1. §. ult. D. de aqua et aquae pluv. arc. L. 13. §. 1. D. commun. praedior. L. 1. Cod. de Servitut. angefuͤhrten Gesetzstellen zu ersehen ist, in wel- chen unter longa consuetudo nichts anders als ein langer Gebrauch, oder eine seit langer Zeit fortgesetzte Ausuͤbung, welche die Stelle eines Rechtstitels vertreten kann, ver- standen wird; und in eben diesem Sinn wird jener Aus- druck auch im kanonischen Rechte cap. 5. 6. 8. u. 11. X. de consuetut. c. 50. X. de elect. cap. 3. de consuet. in 6to. gebraucht, da wo von einer consuetudine praescripta die Rede ist. Dies sind diejenigen Bedeutungen, die zwar nicht unmittelbar zur Sache Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. E e 1. Buch. 3. Tit. Sache gehoͤren, aber doch zu wissen noͤthig sind Mehrere Bedeutungen, auch noch mehrere Beweisstellen zu den von uns angefuͤhrten findet man beym brissonius de Verbor. signisic. v. consuetudo. . Wir kommen nun unserm Zwecke naͤher, wenn wir wei- ter bemerken, daß 4) Gewohnheit fuͤr die oͤftere Wie- derholung gleichfoͤrmiger Handlungen genommen werde; in dieser Bedeutung nehmen unsere Gesetze das Wort consuetudo ebenfalls, wenn sie dieselbe als den Entstehungs- grund des iuris non scripti ansehen L. 32. pr. L. 35. L. 39. D. de LL. consuetudine inductum, comprobatum, obtentum est. . In eben dieser Bedeutung schreiben sogar unsere Gesetze §. 15. I. de rer. divis. L. 5. §. 5. D. de acquir, rer. dom. L. 8. §. 1. D. fam. ercisc. wo gesagt wird, daß Pfauen, Tau- ben und Bienen, so lange unser Eigenthum bleiben, als sie das Wiederkommen nicht vergessen, ( quam diu consuetudinem habeant ad nos revertendi ). den Thie- ren eine Gewohnheit ( consuetudo ) zu, die nicht ohne recht- liche Wirkung ist. Sie ist unterweilen als ein kuͤnstli- cher Beweiß des Eigenthums eines Thiers gebraucht wor- den Einen solchen Fall hat crell in Dissert. de orig. et virt. iuris non scripti. Obs. V. S. 18. Equus furto subtractus erat, et a domino deinde deprehensus. Hic vero, hunc equum suum esse, iureiurando affirmare detrectabat: sed offerebat aliam probationem. Inter alia enim petebat, equum ad domum adduci suam, et observari, quid contingat: Quod facile im- petravit a iudice. Equus cum ad centum passus abesset a tu- gurio domini, dimissus ab auriga, confestim tugurium aper- tum cursu citato petiit. Intromissus stabula nota quaesivit; quae cum ab aliis equis occupata essent, non quievit, donec viam sibi faceret ad praesepia, atque ad eundem locum, in quo olim consistere solitus fuerat. Ita dominus obtinuit, ut equus redderctur. . Ferner verstehet man 5) unter Gewohn- heit de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. heit auch diejenige Regel selbst, welche aus der Gleich- foͤrmigkeit freyer Handlungen entstanden ist. So z. B. wollen die Gesetze L. 21. §. 1. D. Qui testam. fac. poss. L. 50. §. ult. D. de legat. 1. L. 14. D. de ann. legat. L. 23. §. 1. D. de pecul. legato. , daß bey vorkommender Undeut- lichkeit lezter Willensverordnungen auf die Gewohnheit des Erblassers ( consuetudo patrisfamilias ) d. i. auf die ihm eigene Art sich auszudrucken, und in dergleichen Fall, wovon die Rede ist, zu handeln, vor allen Dingen Ruͤcksicht genommen werden solle. Auch schon im gemei- nen Redegebrauch pflegt man es eine Gewohnheit zu nennen, wenn man freye Handlungen schon seit gerau- mer Zeit nach einer gewißen Regel thut, und die teut- schen Reichsgesetze Cammergerichtsordn . von 1495. Tit. I. §.4. Reichs- abschied von 1570. §. 76. u. N. R. A. §. 105. K. Carls V. Vorrede zur P. Gerichtsordn . und deren Art. 116. Instr. Pac. Osnabr. art. VIII. §. 4. Kaiserl. Wahlcapitula- tion art. I. §. 9. u. a. m. bestaͤttigen diese Bedeutung, wenn selbige zum oͤftern alte Gebraͤuche und gute Gewohn- heiten beobachtet wissen wollen. Es ist jedoch nicht jede Regel, welche aus einer Reihe gleichfoͤrmiger Handlungen entstanden, gleich fuͤr verbindlich zu halten, sondern es ist ein Unterschied zu machen, ob diese Regel nur von einem, oder mehrern einzelnen Persohnen, oder ob sie von allen ist beobachtet worden. Im erstern Falle ver- bindet dieselbe weder dieienigen, die sie freywillig beob- achten, cum nemo eam sibi possit legem dicere, a qua ei recedere non liceat L. 22. pr. D. de legat. 3. ; noch auch andere, nam inter alios gesta, quorum ex voluntate valent, E e 2 aliis 1. Buch. 3. Tit. aliis non nocent, qui non consensisse probari pos- sunt L. 1. C. inter alios acta etc. L. 74. D. de R. I. ; es waͤre denn, daß die Gesetze selbst die be- sondere Gewohnheit eines Hausvaters in gewissen Faͤllen zur Norm vorgeschrieben haͤtten, wie z. B. bey Erklaͤ- rung lezter Willensverordnungen. Es hat auch keinen Zweifel, daß der Richter dasienige, was in einem ge- wissen Falle gemeiniglich und von den Meisten zu gesche- hen pflegt, in Zweifel zum Entscheidungsgrunde anneh- men koͤnne, wenn nicht aus den Umstaͤnden zu ersehen ist, daß den Partheyen in dem vorliegenden Falle ein anders gefallen habe Man sehe hier die schon mehrmahlen angefuͤhrte Diss. des crell Obs. 3. S. 15. woraus ich nur folgende Stelle anfuͤh- ren will: Quoties non animo, constituendi regulam , aliquid invaluit, quamvis a multis frequentatum sit, vim con- suetudinis et legis non habebit. Eo pertinent, quae vel non diu satis, vel non ab omnibus , sed a multis duntaxat, neque perpetuo similiter , observata sunt: ut appareat, cuiusque arbitrio permissum esse, an sequi velit exemplum re- liquorum. Neque tamen, quae a plurimis facta sunt, pror- sus negligimus in iudicando. solent enim , quae plerum- que fiunt , quamvis non expressa sint, in dubio praesu- mi ; nisi appareat , diversum placuisse. Ita pomponius tradidit L. 3. D. de reb. cred. . Im zweiten Falle aber, wenn alle Einwohner einer gewissen Region zeithero sich nach einer gewissen Regel gerichtet, und solche in der Meinung, daß sie so, und nicht anders, zu handeln verbunden, un- abgeaͤndert beobachtet haben, so wird eine solche Regel endlich durch die Laͤnge der Zeit zur verbindlichen Gewohnheit Sehr richtig sagte daher cicero de Invent. lib. II. cap. 22. schon zu seinen Zeiten, consuetudinis ins esse putatur id, quod voluntate omnium sine lege vetustas comprobavit. , und diese nimmt, so fern sie vom Gesetz- geber, de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. geber, es sey stillschweigend oder ausdruͤcklich, gebilliget worden, das Gepraͤge eines Gesetzes an. Daraus ent- stehet nun die Idee einer Gewohnheit im strengsten Ver- stande, und fuͤr Gesetz genommen. Gewohnheit , in so fern man darunter ein nicht geschriebenes Gesetz ver- stehet, ist also endlich 6) eine verbindliche Norm, welche aus gleichfoͤrmigen Handlungen der Unterthanen entstanden, und durch die Ge- nehmigung des Landesherrn Gesetzes Kraft erhalten hat . Von dieser wird nun vorzuͤglich zu handeln seyn. So gewoͤhnlich es nun zu seyn pflegt, die Woͤrter Gewohnheit und Observanz in algemei- ner Bedeutung fuͤr Eins zu nehmen, insofern man dar- unter uͤberhaupt eine Regel verstehet, welche nicht aus- druͤcklich vorgeschrieben, sondern durch Handlungen eingefuͤhrt worden ist; so gewiß ist es doch, daß im ei- gentlichen Verstande zwischen beyden ein sehr wichtiger Unterschied vorhanden sey. Denn Observanz in der eigentlichen und engern Bedeutung ist eine Regel, die in einem Collegio, oder universitate personarum durch die stillschweigende Einwilligung des Collegiums, oder zum wenigsten derienigen Mitglieder, welche dabey in- teressirt sind, ihr Daseyn und verbindliche Kraft erhalten hat S. Schnauberts Beytraͤge zum T. Staats- und Kirchen- recht. I. Th. N. VI. §. 2. u. 3. Ge. Lud. boehmer Princip. iuris canon. §. 235. Fischer Litteratur des germanischen Rechts §.175. Meurers jurist. Abhandl. 1. Samml. N. VI. . Der Unterschied zwischen Gewohnheit und Observanz , insofern beydes in seiner eigentlichen und engern Bedeutung genommen wird, bestehet nun im Folgenden. 1) Die Gewohnheit wird durch Hand- lungen der Unterthanen; die Observanz durch Hand- lungen in einem Collegio eingefuͤhrt. Sie koͤnnen uͤbri- E e 3 gens 1. Buch. 3. Tit. gens von Mitgliedern des Collegiums sowohl, als auch von Fremden vorgenommen werden, indem auch diese dadurch ein Recht in einer Gesellschaft, deren Genoßen sie nicht sind, erlangen koͤnnen So z. B. kann das Recht bey der Wahl eines Praͤlaten zu concurriren, und ein Stimmrecht auszuuͤben, durch Obser- vanz von Fremden erworben werden, die sonst keine Mit- glieder des Capitels der verwaißten Kirche sind, und also ordentlicher weise in demselben keinen Sitz und Stimme haben. cap. 8. X. de consuet. c. 50. X. de elect. Auch das Recht, fuͤr eine erledigte Pfruͤnde einen Geistlichen zu ernennen, kann man durch Observanz acquiriren. c. 24. X. eodem. S. boehmer a. a. O. §. 236. not. d. Eibel kathol. Kirchen- recht IV. Th. 1. Band 6. Hauptst. §. 311. Maur. schen- ckel in Iuris Eccles. statui Germ. maxime et Bavariae ac- commod. Syntagm. ( Salisb. 1786. 8.) §. 467. . II ) Die Gewohn- heit erhaͤlt ihre verbindliche Kraft durch die Genehmi- gung des Landesherrn; die Observanz aber durch die stillschweigende Einwilligung des Kollegiums, oder der- ienigen Mitglieder desselben, welche bey der Sache in- teressirt sind. III ) Die Gewohnheit hat demnach die Kraft eines eigentlichen Gesetzes; die Observanz aber die Kraft eines stillschweigenden Vertrags ( vim taciti pacti ) Fratr. becmannorum Consil. et Decis. P. II. Decis. LI. n. 17. S. 104. . IV ) Zur Einfuͤhrung einer Gewohnheit werden mehrere, und eine lange Zeit hindurch fortgesezte Handlungen erfordert, zur Observanz aber nicht, weil zu einem durch Vertrag erworbenen Rechte weder meh- rere Handlungen, noch der Ablauf einer gewissen Zeit vonnoͤthen ist Bey der Lehre von der kirchlichen Observanz hat der beruͤhmte Herr Geh. JustizR. Boͤhmer in seinem vor- treflichen . §. 85. de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. §. 85. Wodurch erhaͤlt eine gesetzliche Gewohnheit ihr Daseyn und Guͤltigkeit? Es koͤmmt nun in der weitern Entwickelung der Lehre vom Gewohnheitsrechte hauptsaͤchlich auf zwey Fra- gen an. I ) Wie entstehet eine gesetzliche Gewohnheit? und II ) Wodurch erhaͤlt sie ihre verbindliche Kraft? In Ansehung der erstern Frage bemerken wir hier nur im Allgemeinen, daß zur Einfuͤhrung einer Gewohnheit ha- bile Handlungen der Unterthanen erfordert werden. Wie aber diese Handlungen geeigenschaftet seyn muͤssen, wird uns der folgende Paragraph erst lehren. Soviel hier- naͤchst die zweyte Frage anbetrift, so ist nun zwar soviel ausser allen Zweifel, daß eine gesetzliche Gewohnheit ihre verbindliche Kraft durch den Willen des Gesetzgebers be- komme, ohne welchen sich uͤberhaupt kein positives Gesetz gedenken laͤsset; allein eine andere Frage ist, woraus die- ser Wille des Gesetzgebers zu erkennen sey? Nach der gewoͤhnlichen Theorie, die auch in dem System unsers Autors herrscht, behauptet man, daß die gesetzliche Kraft der Gewohnheiten lediglich auf den stillschweigenden Con- sens des Gesetzgebers beruhe, dieser aber aus der nicht wiedersprochenen oͤftern Wiederholung gleichfoͤrmiger Handlungen der Unterthanen gefolgert werden muͤsse. Allein pruͤft man diese Theorie genauer, vergleicht man sie mit dem, was die Erfahrung und die Gesetze selbst E e 4 uns treflichen Lehrbuche des Canonischen Rechts §. 236. richtig bemerkt, daß auch unicum factum haud contradictum, opinione iuris, sciente et non contradicente ecclesia, susceptum zur Begruͤndung einer solchen Observanz genuͤge; und man kann dies allerdings als einen algemeinen Satz in der Lebre von der Observanz gelten lassen. S. D. Meurers juristische Abhandlungen u. Beobacht. 1. Samml. N. VI. §. 5. u. folgg. 1. Buch. 3. Tit. uns hiervon lehren, so wird man gar bald einsehen, daß sie aͤusserst mangelhaft sey. Wie! wenn der Gesetzgeber durch ausdruͤckliche Verordnungen festgesetzet haͤtte, daß in gewissen Faͤllen vernuͤnftige Gebraͤuche und gute Ge- wohnheiten den Gesetzen gleich beobachtet werden sollten! Und haben wir nicht sowohl im roͤmischen Gesetzbuche, als in den teutschen Reichs- und Landesgesetzen Beispiele genug, die dieses bestaͤttigen? Wer hieran zweifelt, lese nur die Verordnungen des roͤm. Kaisers Alexan- der L. 1. C. quae sit longa consuct. L. 3. C. de aedific. pri- vat. — Praeses provinciae probatis his, quae in oppido fre- quenter in eodem controversiarum genere servata sunt, causa cognita statuet. Nam et consuetudo praecedens, et ratio, quae consuetudinem suasit, custodienda est. , die Cammergerichtsordnung sowohl vom Jahr 1495. §. 3. als von 1555. Tit. XIII. §. 1. , die P. Ge- richtsordnung Carls V. Art. 104. 116. u. a. m. , den neuesten Reichsabschied von 1654 §. 105. , das Instrumentum Pacis Osnabrugen- sis Art. VIII. §. 4. u. a. m. Ja es kann der Gesetzgeber nicht nur mittelst seiner allgemeinen durch ein Gesetz ausdruͤcklich erklaͤrten Einwilligung die in seinem Lande uͤbliche red- liche ehrbare Gewohnheiten uͤberhaupt bestaͤttigen, son- dern auch in einer Verordnung einer gewissen einzelnen Gewohnheit insbesondere die Kraft eines Gesetzes erthei- len S. G. L. boehmer Princip. iuris canon. §. 232. Eich- mann Erklaͤrungen des buͤrgerlichen Rechts I. Th. S. 393. am Ende und folg. Eibel Einleitung in das kathol. Kirchen- recht IV. Th. I. Band 3. Hauptst. §. 268. . Unstreitig folgt hieraus, daß die allgemeine Grundlegung einer stillschweigenden Genehmigung des Gesetz- de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. Gesetzgebers bey dem Gewohnheitsrechte nichts weniger als gegruͤnder sey, wie solches auch schon andere mit meh- rern gezeigt haben S. hartleben Meditat. ad Pandect. Vol. I. P. I. Spec. XI. med. 2. woltaer Observat iuris civ. Fascic. I. Obs. 7. §. 1. und desselben Anmerkungen uͤber Moͤller Distinct. iuris feud. S. 33. crell Observat. de origine et virtute iuris non scripti. Obs. 2. am Ende S. 11. Weber Reflexionen zur Befoͤrderung einer gruͤndlichen Theorie vom heut. Gebrauch des roͤm. Rechts §. 24. Paul. Ios. a riegger Institut. iuris- prud. ecclesiast. P. II. §. 110. S. 59. besonders von dem busch Diss. Cap. III. §. XXVI—XXXII. . Es kann vielmehr die Einwilli- gung des Gesetzgebers, wodurch den Gewohnheiten gleich- sam das Siegel des gesetzlichen Ansehens aufgedruckt wird, eben sowohl eine ausdruͤcklich erklaͤrte als eine stillschweigende seyn. Ob nun wohl in Ansehung des Effects kein Unterschied ist, ob der Gesetzgeber seine Genehmigung in eine entstandene Gewohnheit ausdruͤck- lich oder stillschweigend zu erkennen giebt; so ist doch der Unterschied in Ansehung der Form dieser beiderlei Art der Willenserklaͤrung desto wichtiger. Denn so gewiß es ist, daß aus dem blosen Stillschweigen sich nicht immer gleich eine Einwilligung schliessen laͤsser, sofern nicht ent- weder eine Verbindlichkeit vorhanden waͤre, zu wieder- sprechen, falls man mit dem, was geschieht, nicht zu- frieden ist, oder das Stillschweigen nach den Umstaͤnden der Sache gar keine andere vernuͤnftige Erklaͤrung litte, als diese, daß es aus einer Einwilligung komme S. Reinhardts Sammlung iurist. philosoph. u. krit. Auf- saͤtze. I. Bandes 5. Stuͤck. S. 308. ; so unlaͤugbar ist es auch, daß daraus allein, daß der Gesetz- geber zu den Handlungen seiner Unterthanen, die sie bis- her nach einer gewissen unter sich beobachteten Regel alle auf einerley Art unternommen, stillschweigt, noch kei- E e 5 neswe- 1. Buch. 3. Tit. nesweges der Wille desselben, dieser Gewohnheit die Kraft eines Gesetzes zu ertheilen, gefolgert werden koͤnne; sondern es wird vielmehr dazu erfordert, daß die Hand- lungen und das Bezeigen des Regenten so beschaffen seyen, daß daraus mit Gewißheit auf seine Einwilligung geschlossen werden koͤnne. Dieses aber kann nur alsdann mit Grunde geschehen, wenn erwiesen ist, daß der Gesetz- geber eine gewisse Notiz von derienigen Gewohnheit ge- habt, von deren verbindenden Kraft die Rede ist, und dennoch denen nach derselben bisher und schon seit langer Zeit unternommenen Handlungen seiner Unterthanen nie- mahlen wiedersprochen, sondern vielmehr dieselben ein- oder wohl mehrmahlen selbst bestaͤttiget habe. Denn da ein Regent in seinem Staat nichts geschehen lassen darf, was dem gemeinen Besten nachtheilig ist, mithin denen Unterthanen ihr bisheriges Verfahren nothwendig haͤtte untersagen muͤssen, wenn er nicht gewollt, daß daraus eine Gewohnheit entstehen sollte, so kann man allerdings in einem solchen Falle, wenn kein Widerspruch erfolgt, auf die Zufriedenheit, und den stillschweigenden Willen des Gesetzgebers schließen. Wenn im Gegentheil die Ge- nehmigung vom Gesetzgeber auf die Art geschehen, daß derselbe durch eine ausdruͤckliche Verordnung uͤber die in seinem Lande uͤbliche Gewohnheiten zu halten befohlen haͤtte, so ist in einem solchen Falle nicht noͤthig, daß der Gesetzgeber iede einzelne Gewohnheit, und die Hand- lungen, wodurch dieselbe eingefuͤhrt worden, muͤsse ge- wußt haben cap. 1. de constitut. in 6to. ; nein, es ist genug, daß einmahl die generelle Bestaͤttigung geschehen; es waͤre denn, daß von solchen Gewohnheiten die Rede sey, welche geschriebenen Gesetzen gerade entgegen gehen; Gewohnheiten dieser Art muͤssen durchaus in specie vom Landesherrn gebilliget seyn; de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. seyn; und es wird der deutlichste Beweiß erfordert, daß sie zu seiner Wissenschaft gekommen. Sonst bleibt es bey der Regel: hundert Jahre Unrecht ist keine Stunde recht . Denn ohnmoͤglich koͤnnen jene Ge- setze, welche die Gewohnheiten im allgemeinen bestaͤtti- gen, so ausgelegt werden, als ob der Regent seinen Un- terthanen die Befugniß ertheilet haͤtte, seinen einmahl gegebenen Gesetzen, durch Einfuͤhrung anderer Gebraͤu- che, ihre Kraft zu entziehen Es sey mir erlaubt, hier eine vortrefliche Stelle aus des be- ruͤhmten riccii Spicilegio iuris Germanici S. 2. u. folg. einzu- ruͤcken: Quum omnem legis condendae et publicandae potesta- tem populus in principem transtulerit, et naturali ratione eius sit solvere, qui potest velle, frustra utique in principem legis- latoria potestas foret collata, si civibus liceret, leges quas vellent, contrario usu vel pluribus actibus publice susceptis, legi contrariis antiquare. Graviter proinde et recte iam olim in diplomate suo de a. 1360. pronunciavit Rudolphus IV. Ar- chidux Austriae: so soll noch mag dieselbe Gewohn- heit, wie alt sie waͤr, die also wieder das ge- meine Recht, und wieder die Wahrheit ist, kein sunder Recht machen noch bringen . Rei enim veritate inspecta non plures actus publice suscepti, sed mutata principis voluntas factis declarata tollit legem autea latam. . Da uͤbrigens die gesetzliche Kraft der Gewohnheiten lediglich von der Einwilligung des Gesetzgebers abhaͤngt, so versteht sich’s, daß die Guͤltigkeit derselben nie weiter ausgedehnet werden duͤrfe, als der Consens des Gesetz- gebers sich erstreckt. Haͤtte also der Landesherr ausdruͤck- lich erklaͤrt, daß nur die alten guten Gewohnheiten allein, oder nur dieienigen Gewohnheiten, welche er in sein Ge- setzbuch aufgenommen haͤtte, eine gesetzliche Kraft haben sollten, so sind nur diese allein fuͤr guͤltig zu halten, und kann 1. Buch. 3. Tit. kann in solchen Faͤllen der Consens des Landesherrn we- der auf kuͤnftige neue Gewohnheitsrechte, noch auf die- ienigen alten Gewohnheiten gezogen werden, die in dem Gesetzbuche nicht begriffen sind, sondern es sind vielmehr solche als aufgehoben anzusehen Ein Beispiel davon giebt der Entwurf eines allge- meinen Gesetzbuchs fuͤr die Preußl. Staaten I. Th. Einleit. §. 3. — Sogenannte Gewohnheits- rechte, welche in diese Buͤcher nicht aufgenom- men sind, sollen eben so wenig, als blose Mei- nungen der Rechtslehrer, irgend eine gesetz- liche Kraft haben . . §. 86. Erfordernisse einer guͤltigen Gewohnheit. Wir schreiten nun zur ausfuͤhrlichern Eroͤrterung der im vorigen Paragraph aufgeworfenen erstern Frage, und wollen ietzt zeigen, wie dieienigen Handlun- gen beschaffen seyn muͤssen, durch welche eine legale Gewohnheit eingefuͤhrt werden soll ? Die gesetzlich bestimmten Eigenschaften solcher Handlungen sind folgende: I ) Es werden mehrere Handlungen erfordert. Nicht nur die Natur einer jeden Gewohnheit an sich, als welche nur aus wiederholten Handlungen entstehen kann, bringt dieses nothwendig mit sich, sondern die Gesetze L. 1. C. quae sit long. consuet. L. 3. C. de aedific. privat. Auch die Gesetze der Pandecten, welche von einer consuetu- dine inveterata , L. 32. §. 1. diuturna L. 33. longa consuetu- dine, et per annos plurimos observata L. 35. h. t. reden, ge- ben dieses nicht undeutlich zu verstehen. selbst haben es auch deutlich bestimmt. Eine einzige Handlung ist also nicht hinreichend. Denn wie koͤnnte man de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. man daraus eine gewisse und bestaͤndige Regel fuͤr die Zukunft folgern? Zwar fehlt es nicht an Rechtsgelehr- ten Z. B. de cocceii Iur. Controv. h. t. Qu. 10. titius iur. privato lib. I. c. 7. §. 9. Bened. oberhauser Praelect. canon. iuxta titulos Decretalium lib. I. tit. IV. de consuetu- dine §. 9. Eibel kathol. Kirchenrecht. IV. Th. I. Band S. 122. u. a. m. , welche diesem ohngeachtet sich uͤberredet haben, daß auch durch einen einzigen Act eine Gewohnheit be- gruͤndet werden koͤnne. Allein diese Meinung bedarf keiner Widerlegung, wenn sie auch von andern S. hartleben Meditat. ad Pandect. Vol. I. Spec. XI. med. 7. S. 211. Eichmann Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts I. Th. S. 373. Not. z. nicht schon so gruͤndlich waͤre wiederleget worden. Wie viele Handlungen nun aber zur Einfuͤhrung einer gesetzlichen Gewohnheit erforderlich sind? Daruͤber treffen wir nirgends in unsern Gesetzbuͤchern eine entscheidende Bestimmung an. Was Wunder ist es demnach, wenn die Rechtsgelehrten desfalls in ihren Meinungen nicht mit einander uͤbereinstimmen? Eini- ge Dieser Meinung sind carpzov P. II. Const. 3. definit. 22. n. ult. schilter Exerc. 2. th. 17. gail lib. II. Obs. 31. n. 7. Eichmann a. a. O. S. 374. u. a. m. wollen zwey Handlungen schon fuͤr hinlaͤnglich halten. Allein diese sind von Voet Commentar. ad Digesta Tom. I. h. t. §. 29. , Noodt Comment. ad Dig. h. t. S. 15. , und am neuesten von den Verfassern der Meditatio- nen uͤber verschiedene Rechtsmaterien Dritter Band (Hildesheim 1789. 8.) Meditat. 182. S. 312. u. folgg. sehr 1. Buch. 3. Tit. sehr gruͤndlich wiederleget worden. Nur haben letztere ein Hauptargument uͤbersehen, worauf sich die Verthei- diger jener Meinung ganz vorzuͤglich stuͤtzen. Dieses ist der Ausspruch Ulpians L. 12. D. de testibus. : pluralis elocutio duorum nu- mero contenta est. Ob jedoch dieses Argument mehr, als die uͤbrigen, beweise, daran zweifele ich noch sehr. Das Gesetz redet eigentlich vom Beweise durch Zeugen, und will, daß in jedem Falle, wo mehrere Zeugen erfor- dert werden, die Zahl derselben aber doch nirgends aus- druͤcklich bestimmt worden ist, schon zwey genuͤgen sollen, weil diese, vorausgesetzt, daß sie untadelhaft sind, in der Regel einen vollstaͤndigen Beweis machen. Hier ist also von keiner legalen Gewohnheit die Rede, und der Unterschied zwischen Beweis und Gewohnheit ist, wie mich duͤnkt, zu auffallend, als daß von der Anzahl der zu einem vollstaͤndigen Beweis erforderlichen Zeugen, auf die Zahl der Handlungen, wodurch eine Gewohnheit ein- gefuͤhrt werden soll, der Schluß gelten koͤnnte Von dem gewoͤhnlichen Mißbrauch der L. 12. D. de test. und den daher entstandenen Irrthuͤmern haben bey andern Gelegenheiten schon ein Wort zu seiner Zeit geredet. God. Lud. mencken in Commentat. ad L. XVIII. C. de testib. Lipsiae 1748. S. 14. und I. D. wibekind in Diss. de in- commodis per interpretationes usuales et observantias in iuris- prud. invectis. §. 22. Siehe auch meine Opuscula Fasc. I. S. 16. . Die meisten behaupten daher, daß zwey Handlungen fuͤr zu- reichend nicht zu halten Ausser den angefuͤhrten noodt, voet u. s. w. glauben die- ses gundling in Gundlingianis St. VII. Obs. 3. §. 17. kem- merich de probatione consuetudinis. Sect. II. §. 4. lit. c. vinnius Comment. ad §. 9. I. de I. N. G. et C. Struben rechtl. Bedenken I. Th. Bed. 130. S. 309. u. a. m. . Sie glauben, daß uns die Gesetze de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. Gesetze L. 1. C. quae sit long. consuet. L. 3. C. de aedific. priv. selbst dies lehrten, wenn diese zur Begruͤn- dung einer Gewohnheit erfordern, daß etwas frequenter d. i. haͤufig geschehen sey, so sich aber von dem, was zweymahl geschehen, noch nicht sagen ließe. Diejenigen, welche in Ermangelung besonderer Lan- desherrlicher Verordnungen die Sache dem Ermessen des Richters uͤberlassen wissen wollen, hegen ohnstreitig die richtigste Meinung So urtheilen cuiacius Lib. XX. obs. 1. zasius ad L. 32. D. de LL. Ant. schulting Enarrat. part. primae Digestor. h. t. §. 17. Commentat. academicar. Halae editar. Vol. IV. S. 33. von dem busch de consuetudine §. VII. und XXXVII. Herr Oberappellations R. Hoͤpfner in Commentar uͤber die Institutionen §. 58. S. 59. u. a. m. . Es kommt alles darauf an, ob so viele Handlungen wuͤrklich vorgekommen sind, daß aus denselben nicht nur uͤberhaupt eine gewisse und be- staͤndige Regel hergeleitet, sondern auch mit Gewißheit auf die Einwilligung des Landesherrn geschlossen werden kann. Dieser Beweis aber liegt jederzeit demjenigen ob, der sich in einer streitigen Gewohnheit gruͤndet. Kann dieser Beweis gefuͤhrt werden, so kommt es auf die Viel- heit der Acte gar nicht an. Die Gewohnheiten sind uͤber- haupt nicht alle von einerley Art. Die eine Gewohn- heit erfordert weniger, die andere mehrere Handlungen. Manche Handlungen sind ihrer Natur nach so beschaffen, daß sie nur selten vorkommen koͤnnen. Solche Handlun- gen erregen ihrer Neuheit wegen Aufmerksamkeit, und wenige derselben koͤnnen daher oft eben dieselbe Wirkung haben, welche in andern Faͤllen nur aus der oͤftern Wie- derholung gleichfoͤrmiger Handlungen entstehen kann. II ) Muͤs- 1. Buch. 3. Tit. II ) Muͤssen die Handlungen der Unterthanen gleich- foͤrmig , das heißt, alle nach einerley Regel unternom- men worden seyn. Aus ungleichen Handlungen kann keine Gewohnheit erwachsen. Denn aus solchen laͤßt sich keine gewisse und bestaͤndige Regel herleiten. Man setze also, der Richter eines Orts habe in einem Fall, da ein Delinquent selbst nichts im Vermoͤgen gehabt, die peinlichen Kosten von den Unterthanen beytreiben lassen; sie haͤtten solche auch das erste und zweytemahl getragen, das dritte- mahl aber ganz verweigert; das viertemahl nur das Henker- geld beygebracht, so kann derselbe, wenn er in einem fuͤnften Falle die Inquisitionskosten abermahl verlangt, die Gerichts- unterthanen aber dieselben verweigern, sich auf keine Ge- wohnheit berufen. Denn dazu wird erfordert, daß in der ganzen Reihe von Handlungen, wodurch eine Gewohnheit begruͤndet werden solle, auch nicht eine einzige vorkomme, welche denen uͤbrigen entgegen ist. Dieses ist es, wenn die Rechtslehrer sagen, die actus consuetudinis intro- ductivi muͤssen uniformes et continui seyn. Hieraus er- hellet zugleich, daß eine Gewohnheit, die noch in ihrer Entstehung ist, durch eine einzige contraire Handlung gleichsam in ihrer Geburt ersticket werden kann S. Tob. Iac. reinharth Select. Observat. ad Christi- naei decisiones Vol. IV. Obs. 65. . III ) Duͤrfen die Handlungen nicht der gesunden Vernunft , noch dem Wohl des Staats oder dem Besten der Kirche zuwider seyn. Sonst ist die Gewohnheit unvernuͤnftig . Eine solche aber kann nie eine gesetzliche Kraft erlangen, weil sich hier keine Einwilligung des Gesetzgebers annehmen laͤsset Nov. iustiniani CXXXIV. cap. 1. wo es nach der Hom- bergischen Version heißt: Neque consuetudines nominent, aut quae- . So de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. So z. B. kann keine Gewohnheit Verbrechen zu erlaubten Handlungen machen, wenn sie auch noch so lange unge- straft geblieben waͤren pufendorf Tom. I. Obs. 189. S. 483. . Denn auch hundert Jahr Unrecht, ist keine Stunde recht. Solche unvernuͤnftige Gewohnheiten verwerfen die Gesetze aus- druͤcklich, und der 218te Artikel der P. Gerichtsordnung Carls V. enthaͤlt ein ganzes Register von denselben. Es giebt jedoch ausser diesen noch genug andere unvernuͤnf- tige Gewohnheiten, dahin gehoͤrt z. B. wenn die Scharf- richter sich die Guͤter der Selbstmoͤrder, die sie bey und um ihnen finden, anzumaßen pflegen de boehmer Meditat. in Const. crim. Carol. art. 135. §. VI. n. V. S. 638. . Ferner, wenn man diejenigen, durch welche eine Feuersbrunst veran- laßt worden, ehemahls in der Wuth und ersten Hitze den Flammen aufopferte Quistorp Grundsaͤtze des T. Peinl. Rechts. I. Th. 5. Abschn. 10. Kap. §. 203. , u. d. m. Auch die canonischen Rechte S. cap. 1. 3. 4. 5. 7. 9. 10. X. de consuet. eifern namentlich gegen unvernuͤnftige Gewohn- heiten, die besonders dem Wohl der Kirche entgegenstrei- ten, so nachdruͤcklich, daß man sich billig wundern muß, wie es dennoch habe Rechtsgelehrten senckenberg in Diss. de iure observantiae ac consuetudi- nis §. 7. geben koͤnnen, die quaerant, quas forte aliqui antecessorum ad lucrum suum in- iuste excogitarunt. Quae enim male excogitata sunt, ea nec longa consuetudine confirmari volumus. Peinl. Ge- richtsordnung Carls V. Art. 218. von Mißbraͤuchen und boͤsen unvernuͤnftigen Gewohnheiten, so an etlichen Orten und Enden gehalten werden. Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. F f 1. Buch. 3. Tit. die auch unvernuͤnftige Gewohnheiten in Schutz genom- men. Doch ihre Gruͤnde sind schon von andern genug gepruͤfet, und in ihrer Bloͤse dargestellet worden S. hartleben Meditat. ad Pandect. Spec. XI. med. 5. und 6. S. 207. Adde struv Diss. de consuetudinibus ratio- nabilibus et irrationabilibus und Io. eichel de pravis et irra- tionabilibus consuetudinibus. . Wir bemerken hier nur noch, daß, wenn gleich unver- nuͤnftige Gewohnheiten keine gesetzliche Kraft noch Ver- bindlichkeit haben, vielmehr jeder Obrigkeit obliegt, da- fuͤr zu sorgen, daß sie, um mich der Worte K. Carls V. zu bedienen, hinfuͤrter nit geuͤbt, gebraucht oder gehalten werden; denenselben dennoch darum nicht alle rechtliche Wirkung abzusprechen sey, indem sie z. B. auf die Strafbarkeit einer Handlung wichtigen Einfluß haben koͤnnen crell Diss. de orig. et virt. iuris non scripti Obs. III. S. 14. — temperatur poena facti illiciti, quod quis non dolo, sed imitatione aliorum, ct consuetudine adductus, admisisse videtur. Imo vero aliquando qui consuetudine peccandi a pluribus recepta , malo increbrescente, licen- tiosius deliquerit, cum non ignorantia, sed maiori audacia peccasse videatur, severius punitur ; ut reliqui exemplo supplicii deterreantur. Nam generaliter, poena arritra- ria tunc demum, propter consuetudinis excusationem , mitigatur, si appareat, non tam dolo , quam ignorantia peccatum esse. Hiermit stimmen auch die Gesetze uͤberein. L. 16. §. 10. D. de poenis. L. 1. D. de abigeis. Nov. 154. koch Institut. iur. crim. Lib. 1. c. 9. §. 154. lit. g. . IV ) Die Handlungen muͤssen ferner in der Mei- nung moralischer Nothwendigkeit ( ex opinio- ne obligationis ) unternommen worden seyn hartleben Meditat. ad Pandect. Spec. XI. med. 8. rein- harth Select. Observat. ad Christinaeum Vol. IV. Obs. ; das heißt, de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. heißt, es muͤssen diejenigen, durch deren gleichfoͤrmige Handlungsart eine rechtliche Gewohnheit bewirkt werden soll, darum so, wie bisher geschehen, gehandelt haben, weil sie sich verbunden hielten, ihren Handlungen gerade diese und keine andere Richtung zu geben. Denn hier ist von Einfuͤhrung einer solchen Gewohnheit die Rede, durch welche eine verbindliche Richtschnur fuͤr die Unter- thanen aufgestellet wird. Da nun diese Regel aus den Handlungen derselben gefolgert werden muß, so muͤssen nothwendig auch diese an sich verbindlich seyn. Mich duͤnkt, nicht nur Ulpian L. 34. D. de LL. gebe dieses selbst dadurch zu erkennen, wenn er bey der Beweisfuͤhrung einer strei- tigen Gewohnheit vor allen Dingen nachzuforschen rathet, ob etwa schon vorhin einmahl uͤber die naͤmliche Ge- wohnheit in den Gerichten sey gestritten, und solche gegnerischen Widerspruchs ohngeachtet durch das rechts- kraͤftig gewordene Urtheil des Richters bestaͤttiget wor- den; sondern es scheint dieses auch die Meinung des K. Alexanders L. 3. Cod. de aedific. privat. zu seyn, wenn er hinfuͤhro dasjenige als eine gesetzliche Norm beobachtet wissen will, was man bisher in eo controversiarum genere, naͤmlich von welchem daselbst die Rede ist, zum Grundsatz an- genommen; denn nur uͤber vollkommene Rechte und Ver- bindlichkeiten entstehen Processe. Hieraus folgt, daß durch Handlungen, die das Gepraͤge der blosen Will- kuͤhrlichkeit an sich tragen, oder nur aus Freundschaft, F f 2 oder Obs. 65. n. IV. S. 96. Beispiele hiervon haben boehmer Consultat. et Decis. T. I. Part. II. Resp. 45. n. 417. folgg. und T. II. Resp. 869. n. 12. sqq. auch de ludolf Observat. forens. P. II. Obs. 169. S. 382. 1. Buch. 3. Tit. oder Mitleid und Menschengefuͤhl, wenn gleich von meh- rern, und zu wiederholtenmahlen geschehen, keine ver- bindliche Gewohnheit begruͤndet werden koͤnne. Man setze also, es sey an einem Orte einigemahl geschehen, daß der Guthsbesitzer das in seinem Eigenthum gefun- dene und von den Eltern ausgesetzte Kind aus Mitleid aufgenommen, solches ernaͤhrt und erzogen haͤtte, so laͤsset sich hieraus eben so wenig eine verbindliche Regel, daß jeder Eigenthuͤmer die in seinen Grundstuͤcken aus- gesetzte Findelkinder zu verpflegen schuldig sey, herleiten, als in einem andern Falle, wenn naͤmlich an einem Orte, wo das Nachbarrecht gesetzlich nicht eingefuͤhrt ist, zu- weilen der Kaͤufer das erkaufte Grundstuͤck dem Nachbar des Verkaͤufers aus Freundschaft fuͤr dasselbe Geld, was es ihm gekostet, wieder uͤberlassen haͤtte, behauptet wer- den koͤnnte, daß dem Nachbar der Retract vermoͤge eines Gewohnheitsrechts an diesem Orte zustehe. Ob jedoch Handlungen blos aus gutem Willen, oder in der Mei- nung einer Verbindlichkeit geschehen, ist theils aus der Beschaffenheit der Handlungen selbst, theils aus dem Grunde, warum eine Gewohnheit eingefuͤhrt worden, ( ratio, quae consuetudinem suasit , sagt K. Alexander L. 1. Cod. quae sit longa consuetudo. theils aus der Laͤnge der Zeit, theils aus dem nie erfolg- ten, oder nicht geachteten Widerspruche, theils aus den darauf gegruͤndeten rechtskraͤftigen Erkenntnissen zu be- urtheilen, auf welches letztere uns Ulpian oben ange- fuͤhrtermassen ganz vorzuͤglich verweiset. Noch eins muß ich hierbey anmerken. Wenn ich moralisch noth- wendige Handlungen zur Einfuͤhrung einer verbind- lichen Gewohnheit erfordere, so folgt, daß alle unfrey- willige, durch unerlaubten Zwang veranlaßte, oder auf de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. auf offenbaren Irrthum sich gruͤndende, Handlungen hier auszuschliessen sind Actus per vim metumque gesti nihil operantur, sagt I. H. boehmer in Introd. in ius Digestor. h. t. §. 20. n. 4. Von einer erronea consuetudine aber handelt L. 39. D. h. t. . V ) Muß nun noch zur Bestaͤttigung eines Gewohn- heitsrechts die Laͤnge der Zeit ( diuturnitas tempo- ris ) hinzukommen. Die Ausdruͤcke consuetudo invetera- ta L. 32. §. 1. D. h. t. , diuturna L. 33. D. eodem. , per annos plurimos observata L. 35. D. eodem. , longaevus usus L. 2. C. quae sit longa consuetudo. , consuetudo antiquitus probata et tenaci- ter servata L. 3. C. eodem. , welche wir in den roͤmischen Gesetzen an- treffen, geben solches deutlich zu erkennen. Die Zeit selbst aber, wie lange die Regel muͤsse beobachtet worden seyn, die zum lex non scripta werden soll, haben uns die roͤ- mischen Gesetze nirgends genau bestimmt. Man pflegt daher gemeiniglich zum canonischen Rechte seine Zuflucht zu nehmen, in der Meinung, daselbst deutlichere Bestim- mungen anzutreffen. Die Paͤbste reden naͤmlich in eini- gen Stellen ihres Gesetzbuchs von einer consuetudine legi- time praescripta Man beruft sich zwar vorzuͤglich auf cap. 11. X. de consue- tudine ; allein es giebt mehrere Texte des canonischen Rechts, in welchen einer consuetudinis praescriptae Meldung geschtehet, als cap. 50. X. de elect. c. 9. de offic. ordinar. in 6to. c. 3. de consuet. in 6. . Hieraus ziehet man die Folge, daß nach canonischen Rechten eben so viel Zeit zur Einfuͤh- F f 3 rung 1. Buch. 3. Tit. rung einer rechtlichen Gewohnheit erfordert werde, als zur Verjaͤhrung noͤthig ist. Dies ist auch die Meinung unsers Herrn Autors. Allein denkt man der Sache et- was genauer nach, so wird man bald einsehen, daß die Analogie von der Verjaͤhrungszeit hier ganz unanwend- bar sey. Was hat doch die Verjaͤhrung, die eines Theils als Strafe der Nachlaͤßigkeit eingefuͤhrt worden, und an- dern Theils nur auf Sachen und Rechte einzelner Pri- vatpersonen sich beziehet, mit einer gesetzlichen Gewohn- heit gemein, die als eine verbindliche Regel fuͤr viele auf- gestellet wird? Doch vielleicht wird man sagen, es kom- me hier nicht auf den Begriff, sondern nur auf die Zeit der Verjaͤhrung an. Gut; ist denn aber damit der Schwierigkeit abgeholfen? Wer weiß nicht, wie sehr ver- schieden die gesetzlich bestimmte Zeit der Praͤscription sey? Gesetzt nun also, die Paͤbste haͤtten in den deshalb ange- fuͤhrten Stellen zur Begruͤndung einer rechtlichen Ge- wohnheit den Ablauf einer gesetzlichen Verjaͤhrungsfrist im Ernst gemeinet, soll dieses von einer zehen- oder zwan- zig- oder dreysig- oder vierzigjaͤhrigen oder einer noch laͤngern Zeit zu verstehen sey? Kein Wunder, wenn wir daher auch hierin eine so große Verschiedenheit der Mei- nungen gewahr werden Einige erfordern zur Begruͤndung eines Gewohnheitsrechts eine Zeit von 10 oder 20 Jahren, weil diese den Raum einer langen Zeit beschraͤnken; dies behaupten donellus in Commentar. iur. civ. Lib. l. c. 10. berger Oeconom. iuris Lib. I. T. I. §. 19. n. 3. schilter Ex. 2. §. 19. von dem busch in der oben angef. Diss. cap. III. §. 38. Andere eine Zeit von 30 oder 40 Jahren, wie gibert Corp. iur. canon. S. 87. Hr. geh. Justizrath boehmer Princip. iur. canon. Lib. II. Sect. III. Tit. 5. §. 232. Noch andere, und zwar aͤl- tere ? Ich meines Theils bin voll- kommen de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. kommen uͤberzeugt, daß im canonischen Rechte so wenig als im roͤmischen eine gewisse Zeit zur Einfuͤhrung einer gesetzlichen Gewohnheit bestimmt sey, und die Fabel von der Praͤscription der Gewohnheitsrechte ist schon von an- dern S. Io. Henr. hochstetter Diss. de praescriptione con- suetudinis ad cap. ult. X. de consuetud. Stuttgard. 1776. und D. Meurers juristische Abhandlungen und Beobachtungen 1. Samml. Leipzig 1780. S. 157. aus so buͤndigen Gruͤnden verworffen worden, daß sie unter den neuern Rechtsgelehrten wohl nicht leicht noch einen Vertheidiger finden moͤchte. Es ist ganz un- laͤugbar, daß man jene Stellen des canonischen Rechts falsch verstanden habe, in denen von einer consuetudine praescripta die Rede ist. Man darf in der That nur mit einiger Aufmerksamkeit diese Stellen durchlesen und sie mit einander vergleichen, so wird man deutlich sehen, daß daselbst gar nicht von einer solchen Gewohnheit, die durch den Willen des Landesherrn zu einem Gesetz wird, sondern von der Ausuͤbung und dem Gebrauch ei- nes Rechts oder einer Befugniß, die durch ge- setzmaͤsige Verjaͤhrung erworben werden kann, gehandelt werde, und eine verjaͤhrte Gewohnheit daher in dieser Ruͤcksicht nichts anders als das seit langer Zeit aus- geuͤbte und durch die Gewohnheit befestigte Recht selbst sey So verstehen diese Stellen auch die neuern katholischen Ca- nonisten. S. schrodt Institut. iur. canon. §. 238. Eihel kathol. . Aus diesem Gesichtspunct wird sich nun inson- F f 4 derheit tere Rechtsgelehrte, erfordern eine Zeit von 100 Jahren; die- sen Zeitraum sollen die Ausdruͤcke longaevus usus, inveterata consuetudo in sich fassen. Alle diese Meinungen findet man jedoch im dritten Bande der Meditationen uͤber ver- schiedene Rechtsmaterien 181. Meditat. S. 309. u. folgg. hinlaͤnglich widerlegt. 1. Buch. 3. Tit. derheit auch das Cap. ult. X. de consuet. am leichtesten erklaͤren lassen. Wir wollen die Worte desselben selbst hersetzen. Cum tanto graviora sint peccata, quanto diutius infelicem animam detinent alligatam, nemo sanae mentis (non) intelligit, naturali iuri, cuius transgressio periculum salutis in ducit, quacunque con- suetudine, quae dicenda est verius in hac parte cor- ruptela, posse aliquatenus derogari. Gregor der neunte redet in diesen Eingangsworten davon, daß auch eine lange Gewohnheit uns zu Handlungen nicht berech- tige, die nach natuͤrlichen und goͤttlichen Gesetzen verbo- ten sind, weil man bey deren Uebertretung Seel und Se- ligkeit verlieren koͤnne. Die oͤftere Wiederholung solcher Missethaten mache uns nur desto straffaͤlliger, je groͤßere Neigung zu suͤndigen, und je groͤßere Bosheit des Ge- muͤths hierdurch an den Tag gelegt werde. Daß der Pabst hauptsaͤchlich gegen diejenigen eifere, welche unter dem Vorwande einer Gewohnheit, d. i. eines durch Ge- wohnheit erworbenen Rechts ihre unerlaubte Handlungen rechtfertigen wollen, ergiebt sich aus andern Stellen noch deutlicher. So z. B. werden in dem Concilio Turo- nensi verschiedene Arten der Simonie verboten, mit dem Beysatz: nec sub obtentu cuiusquam consuetudinis reatum suum quis tueatur, quia diuturnitas temporis non diminuit pecca- ta, sed auget Cap. 8. X. de Simonia. . Eben so heißt es in einem andern Con- cilio Lateranensi: horribile nimis est, quod in quibusdam ecclesiis locum venalitas perhibetur habere — — putant au- tem kathol. Kirchenrecht IV. Th. I. Band §. 270. S. 122. Paul. Ios. a riegger Institut. iurisprud. ecclesiast. P. II. §. 106. Phil. hedderich Element. iuris canon. P. II. §. 21. not. d. u. a. m. de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. tem plerique, ex hoc sibi licere, quia legem mortis de lon- ga consuetudine invaluisse arbitrantur, non attendentes, quod tanto graviora sunt crimina, quanto diutius infelicem animam tenuerunt alligatam Cap. 9. X. codem. . Die Kirchen, von denen hier die Rede ist, suchten die Schaͤndlichkeit ihrer Handlung mit einer langen Gewohn- heit zu beschoͤnigen, wodurch sie ein Recht erlangt zu ha- ben vermeinten. Es ist sehr wahrscheinlich, daß Pabst Gregor IX. solche und andere aͤhnliche Faͤlle im Sinne gehabt. Er faͤhrt nun folgendermassen fort: Licet etiam longaevae consuetudinis non sit vilis auctoritas; non tamen est usque adeo valitura, ut vel iuri debeat praeiudicium generare, nisi fuerit rationabilis, et legi- time sit praescripta. Von was fuͤr einer Gewohnheit kann hier wohl die Frage seyn? Offenbar von einer sol- chen, die verjaͤhrt werden kann , und durch welche die positiven Gesetze eine Einschraͤnkung auf irgend eine Art leiden. Diese ist aber keine Regel, die die Vorschrift der positiven Gesetze aufhebt, sondern sie bestehet in einem Recht, welches einem Dritten nach einer gesetzlichen An- ordnung zustehet, aber vermittelst der Verjaͤhrung auf uns uͤbergehen kann. Von einer solchen Gewohnheit redet Innocenz III. in dem oben angefuͤhrten cap. 8. X. de Consuet. und auch Gregors Entscheidung in unsern cap. ult. beziehet sich auf eine solche Gewohnheit, wodurch das Recht eines Andern, so ihm nach dem gemeinen Recht zustehet, aufgehoben, oder eingeschraͤnkt, oder uͤberhaupt nur naͤher bestimmt wird. Durch eine solche Gewohn- heit werden also die positiven Gesetze nicht aufgehoben, sondern ihre Wirksamkeit wird dadurch nur in einem individuellen Fall gehemmt. Herr Prof. Hochstetter , F f 5 den 1. Buch. 3. Tit. den ich hier vorzuͤglich gefolgt bin, oͤffnet uns jedoch noch einen andern Weg zur Erklaͤrung dieses Capittels In der angefuͤhrten Diss. §. XXIV. Seine Paraphrase ist diese. Licet in plerisque consuetudo sufficiat, ut aliquis iure quodam, quo diu usus est, tanquam suo utatur, et adversus aliorum impetitiones consuetudine se defendat, non tamen est usque adeo valitura, ut quis se ab obligatione generali iuris positivi confuetudine sola eximere, vel ius sibi, quod negat ipsi ius positivum, sola consuetudine asserere possit, nisi fuerit rationabilis, i. e. nisi fuerit talis consuetudo, ut ex causa peculiari ipsi contra ius positivum concedi posset, et legitime praescripta (si soilicet solo consuetudinis ti- tulo nitatur.) Haec consuetudo non tollit aut abrogat ius positivum, de quo neque loquitur Pontifex, ei tamen derogat, sive praeiudicium facit, i. e. exceptionem constituit a regula generali in certis personis, quae, quia rationem habet, ad- m ittitur, si sit legitime constituta. — Paulo ante grego- rium IX. eandem sententiam secutum est Concilium Latera- nense IV. sub innocentio III. habitum, quo iuxta c. 13. X. de offic. iud. ord. capitulis cathedralium Ecclesiarum ius in- dulgetur, quod diuturna ipsis consuetudo tribuerat, exercendi iurisdictionem correctivam in sua membra. Eo iure derogatur iuri positivo, quod Episcopo eam iurisdictionem tribuit, et eximuntur Canonici cathedralium Ecclesiarum ab obligatione generali, agnoscendi iurisdictionem Episcopi. . Naͤmlich da Gregor in dem ersten Theil desselben von den gebietenden und verbietenden natuͤrlichen Recht ( iure naturali praeceptivo ac prohibitivo ) redet, so laͤßt sich mit gutem Grund vermuthen, daß er in dem zweyten Theil das gebietende und verbietende positive Recht zum Gegenstand genommen habe. Nach diesem Gesichtspunct liesse sich also von dem Text folgende Er- klaͤrung machen: Wenn gleich in den meisten Faͤllen eine Gewohnheit jemanden ein Recht beylegt, wodurch er sich aus dem Grunde, daß de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. daß er solches schon seit langer Zeit aus ge- uͤbt habe, gegen die Angriffe anderer sicher stellen kann; so kann man doch einer Ge- wohnheit keine solche Kraft zuschreiben, daß sich ein Unterthan mittelst derselben allein von der allgemeinen Verbindlichkeit der po- sitiven Gesetze loßmachen, oder sich ein Recht anmassen duͤrfte, welches ihm die positiven Gesetze absprechen, ausser wenn dieses Recht ihm aus einer besondern Ursach der gesetz- lichen Sanction ohngeachtet in dem Falle zugestanden wird, da es auf eine rechtmaͤ- sige Verjaͤhrung gebaut ist. Diese Gewohnheit hebt das positive Gesetz nicht auf, sondern wirkt nur ei- ne Ausnahme von der allgemeinen Regel bey gewissen Personen, wie die Beyspiele lehren, die uns die cap. 13. X. de offic. iud. ord. C. 26. X. de V. S. cap. 13. de Elect. in 6to und C. 1. de offic. ord. in 6to hierzu liefern. Da also, wie hieraus erhellet, die Laͤnge der Zeit, welche zur Einfuͤhrung eines Gewohnheitsrechts erforderlich ist, weder durch die roͤmischen noch canoni- schen Rechte bestimmt worden ist, so verdient wohl die Meinung derjenigen Rechtsgelehrten den meisten Bey- fall, welche diese Bestimmung lediglich dem Guthefinden des Richters uͤberlassen Arg. L. 1. §. 2. D. de iure delib. Siehe G. noodt Com- mentar. ad Dig. h. t. S. 15. Ant. schulting Enarrat. Part. I. Digestor. h. t. §. 17. lauterbach Coll. Theor. Pr. Pan- dectar. h. t. §. 35. stryck Us. Mod. Pand. h. t. §. 12. cocceii Iur. Civ. Controv. h. t. Quaest. XI. gundling in , der alsdann, so oft daruͤber ein 1. Buch. 3. Tit. ein Streit entstehet, ob eine Gewohnheit fuͤr eingefuͤhrt gehalten werden koͤnne? darauf sehen muß, ob schon eine solche Zeit verflossen ist, daß daraus mit Gewißheit auf die Einwilligung des Gesetzgebers geschlossen werden kann; wenn nicht etwa durch besondere Landesgesetze oder den Landesgebrauch, wie z. B. in Sachsen In Sachsen erfordert der Gerichtsbrauch eine Zeit von 31 Jahren 6 Wochen und 3 Tagen. S. Eichmann Erklaͤ- rung des buͤrgerl. Rechs. 1. Th. S. 390. , eine gewis- sere Norm hierin festgesetzt worden seyn sollte. Daß je- doch eine Zeit von undenklichen Jahren her zur Einfuͤh- rung eines Gewohnheitsrechts erfordert werde, wie einige Rechtsgelehrten Unter den neuern hat dieses vorzuͤglich zu behaupten gesucht Dr. Meurer in den juristischen Abhandlungen und Beobach- tungen. 1. Samml. S. 113. behaupten wollen, ist unerweißlich S. walch Introd. in Controv. iur. civ. Prolegom. Cap. II. §. 5. Herr geh. Just. R. Walch hat sich zwar auf keine Pruͤfung der gegenseitigen Argumente eingelassen, sondern sein Hauptargument bloß darin gesetzt, daß die Civilgesetze zur Bestaͤttigung eines Gewohnheitsrechts nirgens eine un- denkliche Zeit erfordert haͤtten. Es sind aber auch in der That die Gruͤnde des angefuͤhrten D. Meurers von keinem sonderlichen Gewicht. Die in den Gesetzen dieses Titels der Pandecten gebrauchte Ausdruͤcke consuetudo inveterata, diu- turna, antiquitus probata, beweisen seine Meinung noch nicht. Es koͤnnen Gewohnheiten allerdings von der Art seyn, daß sich ihr Ursprung im hohen Alterthum verliehrt, daraus folgt aber . Endlich VI) in Gundlingian. P. VII. N. 3. §. 23. müller ad Struvium Ex. 2. th. 20. lit. ξ. reinharth ad Christinaeum Vol. IV. Obs. 65. S. 96. Eisenhart Erzaͤhlung besond. Rechts- haͤndel 2. Th. N. 7. S. 193. Overbeck Meditationen uͤber verschied. Rechtsmaterien. 3. Band S. 311. u. a. m. de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. VI) muͤssen die Handlungen, aus welchen eine lega- le Gewohnheit entstehen soll, oͤffentlich, das heißt, auf eine solche Art geschehen seyn, daß sowohl die Unter- thanen selbst, unter denen sie zur verbindlichen Norm werden soll, als auch der Landesherr dieselben haben wis- sen koͤnnen. Ob nun aber noch uͤberdem erfordert werde, daß die Gewohnheit in den Gerichten bestaͤttiget, und nach derselben rechtskraͤftig gesprochen worden sey, ist un- ter den Rechtsgelehrten sehr streitig. Diejenigen, welche solches behaupten D. Meurer a. a. O. S. 125. u. 140. Eben dieser Mei- nung war auch sonst H. Hofr. hofacker in der oben angef. Diss. de iure consuetudinis Cap. II. §. 39 — 41. allein er hat seine Meinung geaͤndert in Princip. iur. civ. Rom. Germ. T. I. §. 124. Andere erfordern jedoch nur in dem Fall gerichtliche Hand- , gruͤnden sich auf den bekannten Aus- spruch aber nicht, daß uͤberall eine Beobachtung von undenklicher Zeit her erfordert werde, wenn eine Gewohnheit fuͤr einge- fuͤhrt gehalten werden soll. Der Ausdruck vetustas hedeutet freylich unterweilen in unsern Gesetzen eine undenkliche Zeit L. 2. D. de aqua et aquae pluv. aber auch oft nur eine Zeit von mehreren Jahren L. 10. D. si serv. vindic. wie schon brissonius de V. S. voc. vetustas und westphal de libertate et servitut. praediorum §. 820. S. 560 angemerkt haben; und daß letztere Bedeutung in der Lehre vom Ge- wohnheitsrecht anzuwenden, erhellet aus L. 35. D. de LL. nur gar zu deutlich, wo longa consuetudo eine solche genennt wird, quae per annos plurimos observata est. Ueber- haupt finden hier die von Meurer aus dem Tit. de aqua et aquae pluv. arc. angefuͤhrten Stellen gar keine Anwendung. Es ist auch ungegruͤndet, daß nur durch das Alterthum allein die zur Begruͤndung eines Gewohnheitsrechts erforder- liche opinio necessitatis generirt werde, denn daß diese auch noch mehrere andere Entstehungsgruͤnde haben koͤnne, ist schon oben bemerkt worden. 1. Buch. 3. Tit. spruch Ulpians L. 34. D. de LL. , dessen Worte also lauten: Cum de consuetudine civitatis vel provinciae confidere quis videtur: primum quidem illud explorandum arbitror, an etiam contradicto aliquando iudicio Verschiedene Ausleger des roͤmischen Rechts wollen diese gemeine Leseart fuͤr unrichtig halten, ohngeachtet sie die Aucto- ritaͤt der Florentinischen Pandecten fuͤr sich hat, weil ihrer Meinung nach die Worte contradicto iudicio keinen rechten Verstand haͤtten. Sie wollen daher statt contradicto lieber contradicta lesen, und glauben ihre Emendation durch die Auctoritaͤt der Griechen beym leunclavius Lib. II. Nota- torum c. 3. unterstuͤtzen zu koͤnnen. Man sehe Ger. noodt in Comm. ad Dig. h. t. S. 15. Ant. schulting in Enarrat. Part. primae Dig. h. t. §. 19. cundling in Gundlingian. VII. St. N. 3. §. 19. und eckhardt in Hermenevt. iur. Lib. I. c. VII. §. 303. S. 547. Allein daß diese Aenderung ganz unnoͤthig, ja hoͤchst unschicklich sey, haben Io. Guil. hoffmann in Meletemat. ad Pandect. Dissert. 2. §. 3. und besonders Herr Prof. puͤttmann in Interpretat. et Observat. iuris Cap. 19. hinlaͤnglich gezeigt. Die Erklaͤrung aber, die man von diesen Worten macht, ist wieder sehr verschieden. Casp. Conr. staudinger in Diss. de consuetudine contradicto iudicio firmata ad L. 34. D. de LL. Goettingae 1753. §. V. erklaͤrt die Stelle folgendergestalt: Contradicto aliquando iudi- cio consuetudo firmata, denotat consuetudinem, quae firmata est per contradictionem, a Praetore factam ei, qui contra istam consuetudinem, actionem in iudicium deducere intende- hat. Das contradictum ziehet er also auf den Praͤtor, von welchem gesagt werde: contradicit iudicium, si actionem, ab actore in iure propositam, non admittit. Iudicium sey also so viel consuetudo firmata Handlungen, wenn die Gewohnheit einem geschriebenen Gesetz gerade zuwider ist. schilter Ex. ad Pand. 2. th. 21. de berger Oecon. iuris Lib. I. Tit. I. n. 19. u. L. B. a wern- her sel. Observat. for. T. II. P. IX. obs. 193. S. 564. de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. firmata sit. Allein einmal enthalten diese Worte offen- bar keine gesetzliche Disposition, sondern einen bloßen Rath, viel als actio, und contradicto iudicio heiße nichts anders, als si actio statim in limine, qua actio consuetudini adversa, a Praetore contradicta esset. Allein ich muß gestehen, daß ich den Ausdruck contradicere iudicium vom Praͤtor nirgends in unsern Gesetzen gelesen habe, die Redensart denegare actionem, wenn der Praͤtor eine Klage nicht gestattet, sie fuͤr unzuiaͤßig erklaͤrt, ist bekannt genug L. 30. D. de solut. L. 26. §. 4. D. ex quib. c. maj. L. 4. §. 1. de re iud. L. 3. pr. si mensor. L. 14. pr. D. de noxal. act. u. a. m. Solchemnach moͤchte also das contradictum wohl mehr auf dem Gegner sich beziehen, der der Gewohnheit widerspricht, worauf der Klaͤ- ger seine Klage gegruͤndet hatte. Dies beweisen auch die An- fangsworte cum de consuetudine — confidere quis videtur. Denn confidere ist so viel als niti aliqua re contra obnitentem. S. brisson de V. S. v. confidere. Besser erklaͤrt Herr Prof. Puͤttmann a. a. O. S. 87 die Worte an etiam con- tradicto aliquando iudicio u. s. w. per hypallagen, von welcher Figur Iod. Ioh. struchtmeyer Animadv. Crit. Lib. II. c. 1. mehrere Beyspiele gesammlet hat. Ich habe der Puͤttmanni- schen Erklaͤrung schon bey einer andern Gelegenheit (S. 51. Not. 67.) gedenken muͤssen. Der wahre Sinn der Worte ist also dieser: explorandum est, an etiam consuetudo, ab adver- sa parte licet contradicta, a Practore tamen aliquando iudicio firmata sit, i. e. Praetor pro ea aliquando pronunciaverit. Noch eins kann ich hierbey nicht mit Stillschweigen uͤbergehen. staudinger a. a. O. §. VI und hoffmann a. a. O. wollen uͤberdies die L. 34. nicht allgemein, wenn uͤberhaupt vom Be- weis einer Gewohnheit die Rede ist, sondern nur von solchen Gewohnheiten erklaͤren, quae circa praerogativas honorum, et vacationes a muneribus in unaquaque provincia vel civitate obtinebant. Der Beweis ist aus der Inscription genommen. Libro IV. de officio Proconsulis habe Ulpian von den buͤr- gerlichen Pflicht- und Ehrenaͤmtern, desgleichen von Erledi- gung derselben, und den Entschuldigungsursachen gegen deren Auf- 1. Buch. 3. Tit. Rath, wie ich schon an einem andern Orte (S. 51.) bemerkt habe. Das Wort arbitror zeigt dieses unlaͤugbar an. Sodann aber ist auch hier gar nicht davon die Re- de, was zur Einfuͤhrung eines Gewohnheitsrechts erfor- derlich sey, sondern was das beste Beweismittel sey, wenn uͤber eine Gewohnheit ein Streit entstehet. In einem sol- chen Falle ist freylich der Rath des roͤmischen Juristen vortreflich, daß man vor allen Dingen nachforsche, ob nicht schon in vergangenen streitigen Faͤllen nach dieser Gewohnheit, von welcher die Frage ist, gegentheiligen Widerspruchs ohngeachtet, rechtskraͤftig sey gesprochen worden; weil dadurch der sonst schwere Beweis unge- mein erleichtert wird, wenn man sich auf solche gericht- liche Praͤjudicien berufen kann. Ferner, wenn zur Ein- fuͤhrung eines Gewohnheitsrecht nur gerichtliche Hand- lungen erfordert wuͤrden, wie koͤnnte Callistratus L. 38. D. de LL. zwischen consuetudo, und rerum perpetuo similiter iudicata- rum auctoritas unterscheiden? Es muß sich also, deucht mich, doch wohl auch eine Gewohnheit ohne gleichfoͤr- mige rechtskraͤftige Urtheilsspruͤche gedenken lassen. Und hiervon wird man sich noch mehr uͤberzeugen, wenn man bedenkt, daß der Grund, auf welchem die Guͤltigkeit einer Auftrag gehandelt, wie aus der Vergleichung der aus dem gedachten Lib. IV. genommenen Fragmente L. 6. de legat. L. 6. de muner. et honor. L. 4. de Veteran. u. L. 2. de iure immunit. zu ersehen. Nur auf die hierauf sich beziehende Ge- wohnheiten sey also die L. 34. einzuschraͤnken, weil diese Stelle auch aus eben dem Lib. IV. de officio Procons. entlehnet sey. Allein diesen Mißbrauch der Critik hat schon Herr Prof. Puͤttmann a. a. O. S. 88. so vollkommen geruͤgt, daß mir hier nichts uͤbrig bleibt, als meine Leser an die Regel wieder zu erinnern, die ich deßfalls schon bey einer andern Gelegenheit (S. 65) gegeben habe. de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. einer Gewohnheit beruhet, nicht der Ausspruch des Rich- ters, sondern der Wille des Gesetzgebers sey; welcher aussergerichtliche Handlungen so gut, als gerichtliche ge- nehmigen kann. Aus diesen Gruͤnden trete ich also der Meinung unsers Autors ohne weiteres Bedenken bey, wenn er diesen Paragraph mit den Worten schließt: ut vero actus in contradicto iudicio sint obtenti, non neces- sario requiritur. Eben dies ist auch die Meinung der meisten Rechtsgelehrten S. voet in Comment. ad Dig. h. t. §. 30. de cramer Observat. iur. univ. T. III. obs. 847. hartleben Spec. XI. meditat. 9. Eichmann Erklaͤrungen des buͤrgerlichen Rechts. 1. Th. S. 379 und folgg. Gebruͤder Overbeck in den Me- ditationen uͤber verschiedene Rechtsmaterien. III. Band 183ste Meditat. u. a. m. Vorzuͤglich aber verdient hier kemmerich in Diss. de probatione consuetudinis et observantiae Sect. II. §. XII. Not. e. S. 75. nachgesehen zu werden, wo er die Meinung derjenigen gruͤndlich widerlegt hat, welche wenig- stens zur Begruͤndung einer consuetudinis correctivae, actus in contradictorio iudicio obtentos fuͤr noͤthig halten wollen. . §. 87. Von dem rechtlichen Beweis eines in Zweifel gezogenen Gewohnheitsrechts. Wer nun eine Gewohnheit fuͤr sich anfuͤhrt, kann sich, wenn solche von dem Gegentheil gelaͤugnet worden, der ihm deshalb auferlegten rechtlichen Begruͤndung der- selben um so weniger entziehen, je gewisser es ist, daß Gewohnheitsrechte auf Thatsachen beruhen, die recht- lich nicht vermuthet werden Cap. 1. de constitut. in 6to. . Es waͤre denn, daß die angezogene Gewohnheit ganz notorisch, das ist, in Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. G g 1. Buch. 3. Tit. in dem Orte, wo davon die Frage ist, allgemein bekannt, oder wenigstens vom Gegentheil selbst eingestanden seyn sollte S. I. H. boehmer Iur. Eccles. Protest. T. I. L. I. Tit. IV. §. 45. S. 242. verb. Dieweil aber dennoch Leute- raten gerichtlich Fol. Act. II. eingestanden, daß in die 30 Jahre her ein Halbspaͤnner ratione der Kirchen praestandorum so viel, als ein Vollspaͤn- ner, praͤstiret, — woraus denn eine observantia constans , welche in dergleichen Kirchen praestandis pro norma beobachtet werden muß, von selbst er- folget, und keines fernern Beweises bedarf, nachdem sie per confessionem adversariorum gleichsam pro notoria zu halten . — Daß auch ein aussergerichtliches , aber wiederholtes , Gestaͤnd- niß einer rechtlichen Gewohnheit die Kraft eines voͤlligen Be- weises habe, behaupten Fratr. becmanni in Consil. et De- cision. P. I. Decis. XI. n. 8. S. 202 u. f. , in welchen Faͤllen Gewohnheiten keines weitern Beweißes beduͤrfen cap. 3. X. de testib. cog. mynsinger lib. V. Obs. 96 n. 6. reinharth ad Christinaeum. Vol. IV. Obs. 66. S. 97. , wenn auch gleich in dem erstern Falle der Gegner vorgeschuͤtzet haͤtte, daß ihm solche un- bekannt sey Denn historische Unwissenheit desjenigen, was in einem Orte alle wissen, wird in der L. 9. §. 2. D. de iur. et facti ignor. fuͤr nie verzeihliche Sorglosigkeit gehalten, und findet kein rechtliches Gehoͤr. Das Bestreiten solcher ganz notori- scher Gewohnheiten, die der verlierende Theil fuͤglich haͤtte wissen koͤnnen und muͤssen, ziehet daher auch billig die Ver- prtheilung in die Proceßkosten nach sich. S. Weber uͤber die Proceßkosten, deren Verguͤtung und Compensation. §. 7. am Ende. . Soviel nun den Beweiß eines streitigen Gewohnheitsrechts selbst anbetrift, so ist zwar nicht zu laͤugnen, daß derselbe insgemein mit vielen Schwierig- keiten de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. keiten verknuͤpft zu seyn pflegt, so daß schon Leyser Meditat ad Pand. Vol. I. Spec. IX. m. 1. S. 87. sagte, er wisse sich weniger Faͤlle zu erinnern, daß derje- nige, der einen solchen Beweiß uͤbernommen, denselben vollfuͤhret haͤtte; man darf ihn aber doch deshalb mit Caspar Klock Consil. Tom. I. Cons. 28. n. 223. nicht fuͤr unmoͤglich halten, weil es uns an Beyspielen eines solchen nach aller Strenge ge- fuͤhrten Beweißes wirklich nicht mangelt Ein lehrreiches Beyspiel findet man in Puͤtters Beytraͤ- gen zum T. Staats- und Fuͤrstenrecht. Th. II. Nr. XXXIX. S. 288. u. folgg. . Bey dem Beweiße einer bestrittenen rechtlichen Gewohnheit kommt es nun auf zweyerley an; I ) auf das, was eigentlich erwiesen werden muß . II ) auf die Beweiß- gruͤnde Von dem Beweise einer guͤltigen Gewohnheit handeln vor- zuͤglich Diet. Herm. kemmerich in Diss. de probatione con- suetudinis et observantiae. Ienae 1732. Sect. II. und Bern. Aug. gaertner Meditat. practicar. ad Pandect. Spec. I. med. XIII. . Das erstere, oder das Beweißthema, muß aus der Natur einer rechtlichen Gewohnheit, und deren Erfordernissen bestimmt werden. Da nun die Natur ei- ner jeden Gewohnheit in einer Gleichfoͤrmigkeit der Hand- lungen bestehet, so ist zum Beweiße nicht genug, wenn derselbe nur uͤberhaupt darauf gerichtet wird, daß der- gleichen Gewohnheit wirklich an einem Orte eingefuͤhrt sey, wovon die Frage ist Zwar sind solche generelle Beweisartikel, die auf das Da- seyn einer behaupteten Gewohnheit uͤberhaupt gestellet sind, fuͤr unzulaͤßig nicht zu achten, sie muͤssen nur durch nachstehen- de speciellere, in welchen einzelne gleichartige Faͤlle angefuͤhrt worden sind, unterstuͤtzt werden. Es verdient hierbey beson- ders , sondern es wird hierzu vor- G g 2 nehm- 1. Buch. 3. Tit. nehmlich erfordert, daß diejenigen Handlungen und Faͤlle selbst umstaͤndlich angegeben werden, wodurch die streitige Gewohnheit soll eingefuͤhrt worden seyn Man sehe das Praͤjudiz beym wernher sel. Obs. forens. P. IV. Obs. CX. n. 4. u. folgg. S. 240. . Es muß al- so bewiesen werden, daß man schon vorhin bestaͤndig und unabgeaͤndert in solchen Faͤllen eben so zu Werke gegan- gen sey, als in dem jetzigen streitigen Falle nach der be- haupteten Gewohnheit wieder geschehen soll. Wie viele Faͤlle nun zum vollstaͤndigen Beweise der streitigen Gewohnheit anzufuͤhren sind, und ob schon zwey dersel- ben fuͤr hinlaͤnglich zu achten, muß billig dem Ermessen des Richters uͤberlassen werden S. Kemmerich a. a. O. §. IV. am Ende, auch Stru- ben in rechtlichen Bedenken. 1. Th. Bed. 130. S. 309. Die meisten Rechtsgelehrten glauben indeß, daß zwey vorgefallene Actus zum Beweise einer Gewohnheit zureichten. gail . Lib. II. Obs. 31. mynsinger Centur. VI. Obs. 41. n. 7. carpzoy P. II. Const. 3. def. 22. n. 7. perez Commentar. in Codic. tit. quae sit longa consuet. n. 5. de berger Oecon. iuris Lib. I. Tit. I. §. 19. Allein I. H. boehmer in Iur. Eccl. Protest. T. I. Lib. I. Tit. 4. §. 42. will dieses nur unter der Enschraͤnkung zulassen: si actus duo illustres et notabi- les probati fuerint, ita ut exinde fides iudici fieri possit, tale ius non scriptum extare. . Rathsam aber ist es immer, wenn der Beweißfuͤhrer so viele Faͤlle beybringt, als es ihm nur immer moͤglich gewesen, ausfindig zu ma- chen. Unstreitig werden auch zum Beweiß einer solchen Gewohnheit, die den geschriebenen Gesetzen entgegen ist, mehrere einzelne Handlungen erforderlich seyn, als wenn die ders Matth. colerus de processibus executivis P. I. Cap. III. n. 34. u. folgg. nachgesehen zu werden. Man vergleiche auch hierbey das Beyspiel eines solchen articulirten Beweises beym Puͤtter a. a. O. de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. die Gewohnheit von der Art nicht ist, weil sich aus einer oder der andern Handlung, die der Landesherr gegen das Gesetz zugelassen, die Absicht desselben, daß das Gesetz in Zukunft nicht mehr gelten solle, noch nicht immer mit Gewißheit folgern laͤsset kemmerich a. a. O. §. XII. S. 74. . Es muͤssen nun auch fer- ner die Handlungen, aus denen die streitige Gewohnheit dargethan werden soll, mit allen dabey vorgefallenen Um- staͤnden angefuͤhret werden, damit der Richter beurthei- len koͤnne, ob dieselbe sowohl unter sich conform sind, als auch ob insonderheit die gegenwaͤrtige streitige Hand- lung von gleicher Art, oder doch unter jenen Handlun- gen als Species begriffen sey. Daß die angezogene Handlungen der Gewohnheit durch entgegen gesetzte nicht unterbrochen worden sind, gehoͤrt nicht zum Beweiß- thema; sondern ist die Gleichfoͤrmigkeit mehrerer Hand- lungen erwiesen, so wird so lange vermuthet, daß diesel- be nie unterbrochen worden sey, bis das Gegentheil dar- gethan wird schilter Praxi iur. Rom. Ex. II. §. 21. und kemmerich a. a. O. Sect. II. §. VI. S. 65. . Ob nicht aber die streitige Gewohn- heit specifice und in individuo , erwiesen, das heißt, ob nicht insbesondere dargethan werden muͤsse, daß eben derselbe Fall, woruͤber gestritten wird, unter den naͤmlichen Um- staͤnden schon mehrmalen vorgekommen, und dabey jeder- zeit die behauptete Gewohnheit zur Regel genommen wor- den sey? ist eine Frage, wobey die Rechtsgelehrten nicht einerley Meynung sind. Die meisten wollen diese Frage bejahen cothmann II. Resp. 84. n. 52. mrvius P. IV. Dec. 3. n. 7. de wernher sel. Observat. for. P. V. Obs. 135. I. H. boehmer in Iure Eccles. Protestant. T. I. Lib. I. Tit. IV. §. 44. ; und diesen stimmt auch unser Autor bey. G g 3 An- 1. Buch. 3. Tit. Andere voetius in Commentar. ad Pandect. h. t. §. 36. könig in Diss. de iure consuetudinario §. 35. leyser Spec. IX. med. 8. hartleben Meditat. ad Pandect. Spec. XI. med. 12. hingegen lassen eine Aehnlichkeit der Faͤlle zu. Diese letzere Meynung halte ich allerdings fuͤr gegruͤnde- ter. Denn erstlich, warum sollte es bey ungeschriebenen Gesetzen anders, als bey geschriebenen, seyn? Will der Gesetzgeber einmal, daß es bey gewissen Faͤllen hinfuͤhro bestaͤndig eben so gehalten werden solle, wie es von Alters her bis jetzo uͤblich gewesen ist; wa- rum sollte es nicht auch seinem Willen gemaͤß seyn, bey andern aͤhnlichen Faͤllen dasselbe Gewohnheitsrecht Statt finden zu lassen? Sodann aber bestaͤrken mich hierin auch selbst die Gesetze L. 32. pr. D. de LL. und Ant. faber in Rational. ad eandem L. ich habe die Erklaͤrung dieses Rechtsgelehrten schon oben S. 425. Not. 23. mit den eignen Worten desselben vor- getragen. Diesem ist die L. 1. C. quae sit longa cons. so wenig entgegen, daß sie vielmehr in den Worten: eodem controver- siarum genere unsern Satz bestaͤtiget; wenn man zumahl da- mit verbindet, was in eben diesem Gesetz zur weiteren Be- stimmung jener Worte hinzugefuͤgt worden: nam et ratio , quae consuetudinem suasit, custodienda est. . Es muß nur aber freylich ei- ne wahre Aehnlichkeit der Faͤlle vorhanden seyn. Daß diese bey wirklicher Anwendung oft schwer zu bestim- men sey, gestehe ich gern; aber eben desto noͤthiger ist es, ein Principium festzusetzen, woraus die Aehn- lichkeit der Faͤlle zu beurtheilen. Eine solche Aehnlichkeit ist nun alsdann unstreitig vorhanden, wenn der ge- genwaͤrtige Fall, ohnerachtet er in specie noch §. 44. S. 235 am Ende u. folg. kemmerich cit. Diss. Sect. II. §. VIII. reinharth ad Christinaeum Vol. IV. Obs. 66. S. 96. u. m. Sie berufen sich auf L. 1. C. quae sit longa consuet. wo die Worte stehen: in eodem controversiarum ge- nere. de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. noch nicht vorgekommen, dennoch nicht nur uͤberhaupt unter ein gewisses genus von Faͤllen zu zaͤhlen ist, von welchen derselbe als eine Species anzusehen, sondern auch insonderheit bey dem jetzigen einzelnen Fal- le eben der Grund, welcher vom ganzen Ge- schlecht gilt, statt findet . Ist dieses, so ist der gegebene Fall allerdings fuͤr gleichartig zu halten, und es ist genug, wenn die Gewohnheit nur von dem genere casuum erwiesen wird, unter welchem der streiti- ge Fall als eine Species begriffen ist. Man setze zum Beyspiel, daß in einem gewissen Orte die Toͤchter aus der Verlassenschaft ihrer Muͤtter die Gerade fuͤr sich ver- langten, und sich in einem Gewohnheitsrecht gruͤndeten. Sie bewiesen hierauf, daß man sich an diesem Orte in Erbfaͤllen von je her nach dem saͤchsischen Rechte gerich- tet; so haben sie auch in Ansehung der zum voraus ver- langten Gerade das behauptete Gewohnheitsrecht erwiesen, weil auch diese saͤchsischen Rechtens ist. Ein anderer Fall. Ein Edelmann verlangt von einem Witwer, der seiner ohne Leibeserben verstorbenen Ehefrauen lehnbahres Guth ererbet, vermoͤge eines Gewohnheitsrechts das Erb- oder Sterbhandlohn. Der Lehnmann glaubt hiezu nicht ver- bunden zu seyn. Ersterer soll also seine angemaßte Be- fugniß erweisen. Der Edelmann beweiset nun mit einer Reihe von Faͤllen, daß ihm jederzeit die Witwe, welche ihres ohne Kinder verstorbenen Mannes Lehnguth ererbt, die Sterbelehn als persona in investitura non com- prehensa habe entrichten muͤssen. Quaeritur, hat Klaͤ- ger hierdurch sein Recht, auch in dem jetzigen Fall ein Erbhandlohn zu fordern, erwiesen? ich glaube, aller- dings! Denn ist gleich der sich jetzt zugetragene umgekehr- te Fall vorher noch nicht in individuo vorgekommen, wer G g 4 wird 1. Buch. 3. Tit. wird deswegen laͤugnen, daß das von dem Lehnsherrn er- wiesene Gewohnheitsrecht auch mit auf denselben anzu- wenden sey, da bey demselben der naͤmliche Grund, daß auch der Witwer keine persona in investitura compre- hensa ist, statt findet? Jedoch darf auch hier nicht aus der Acht gelassen werden, was wir oben von der Rechts- analogie uͤberhaupt bemerkt haben, (S. 256 u. folg.) und ich widerstreite gar nicht, daß Gewohnheiten, die exorbi- tant sind, und besondere Rechte ( iura singularia ) zum Gegenstand haben, billig zu restringiren, und daher in streitigen Faͤllen nicht analogisch, sondern specifice zu erweisen sind Dergleichen Faͤlle findet man beym I. H. boehmer Iur. Eccl. Protest. T. I. Lib. I. Tit. IV. §. 44. S. 236. ferner in den gemeinnuͤtzigen jurist. Beobachtungen und Rechtsfaͤllen von Gmelin und Elsaͤsser . IV. Band N. VII. S. 86. u. folgg. . Zum Beweiß einer streitigen Gewohnheit ist jedoch nicht genug, mehrere gleichartige Faͤlle angegeben zu ha- ben, sondern es muß auch erwiesen werden, daß sie die zur Einfuͤhrung einer rechtlichen Gewohn- heit erforderliche Eigenschaften haben , in so- fern selbige nicht etwa vermuthet werden koͤnnen. So z. B. bedarf die Eigenschaft der Vernunftmaͤsigkeit keines Beweißes, sondern diese wird bey einem erwiesenen Gewohnheitsrechte in Zweifel vermuthet, bis das Gegen- theil dargethan ist kemmerich cit. Diss. Sect. II. §. X. S. 69. . Dahingegen aber muß 1) be- wiesen werden, daß die angefuͤhrten Handlungen, wo- durch die Gewohnheit soll begruͤndet worden seyn, oͤffent- lich und in der Meinung einer moralischen Noth- wendigkeit sind unternommen worden, insofern nicht etwa diese Eigenschaften sich schon aus der Natur der ange- de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. angefuͤhrten Handlungen von selbst ergeben sollten. Denn man setze z. B. daß es solche Handlungen waͤren, die in den Gerichten vorgekommen, und woruͤber gestritten wor- den ist; so ist wegen jener Eigenschaften kein besonderer Beweis erforderlich. Allein man nehme nun den Fall an, daß in einem Orte, dessen Einwohner gewisse Hoͤlzer gemeinschaftlich besitzen, dergleichen Holzerbschaften sich haͤufig in Ober- und Niederteutschland finden, die maͤnnlichen Erben allein mit Ausschließung der weiblichen in den Holzantheil des verstorbenen Erblassers zu succe- diren begehret, auch desfalls erwiesen haͤtten, daß diese Holzgerechtigkeit in dem Orte jedesmahl bey dem Manns- stamme verblieben sey. Wuͤrden sie wohl hierdurch schon die Behauptung einer exclusiven Gewohnheit genugsam dargethan haben? Ich glaube es nicht. Denn sind gleich noch so lange die Holztheile den Soͤhnen verblie- ben, so folgt doch daraus noch nicht, daß sie vermoͤge rechtlicher Nothwendigkeit bey denselben haben verbleiben muͤssen S. Struben in rechl. Bedenken I. Theil Bed. 128. und besonders ludolf Symphorem. Consultat. et Decision. Vol. I. Cons. 44. S. 1335. dessen Worte hier einen Platz verdienen: Non sufficit , sagt dieser gruͤndliche Rechtsgelehrte, ad pro- bationem exclusivae consuetudinis, si allegetur, in hoc vel illo casu hereditatis successisse solos masculos, cum exclusione femi- narum, sed oportet specialiter doceri, ita propter consuetudi- nem, vel vi talis consuetudinis factum esse, non alia de causa, cum tale quid etiam contingere potuerit ex speciali testatoris dispositione, aut, in casu intestati, ex amicabili compositione et pacto, unde aliqua neutiquam infertur consuetudo. Man sehe auch voet Commentar. ad Pandect. h. t. §. 31. und von Cramer in den wetzlarischen Nebenstunden Part. XII. S. 100. . Es muß also dieser letztere Umstand noch besonders dargethan werden. 2) Die zur Begruͤndung einer rechtlichen Gewohnheit erforderliche Laͤnge der G g 5 Zeit 1. Buch. 3. Tit. Zeit ist meist schon aus denen desfalls angefuͤhrten ein- zelnen Handlungen abzunehmen, und bedarf daher in so fern keines besondern Beweises; wenn jedoch in einem Lande zur Einfuͤhrung eines ungeschriebenen Rechts ent- weder durch ausdruͤckliche Landesgesetze oder durch unbe- strittenen Gerichtsgebrauch eine gewisse Verjaͤhrungs- zeit angenommen worden ist, so muß besonders gezeigt werden, daß diese Zeit wirklich verflossen sey kemmerich a. a. O. §. XII. S. 77. . Sind nun auf solche Art die zur Einfuͤhrung einer streitigen Gewohnheit erforderliche Handlungen und deren wesentliche Eigenschaften rechtlich dargethan worden, so wird die Genehmigung des Landesherrn, insofern die- selbe nicht etwa durch eine allgemeine, oder sich auf die streitige Gewohnheit beziehende besondere Verordnung schon ausdruͤcklich erklaͤrt worden seyn sollte, so lange vermuthet, bis das Gegentheil dargethan worden ist schilter Ex. II. §. 16. not. b. . Es waͤre denn, daß von einer solchen Gewohnheit die Rede sey, die den allgemeinen Landesgesetzen gerade ent- gegen streitet, in welchem Falle ein deutlicher Beweis erfordert wird, daß sie zu seiner Wissenschaft gekommen Man vergleiche bier besonders Kemmerich a. a. O. §. XI. . Diese erhellet z. B. aus der aus- druͤcklichen hoͤchsten Confirmation Haec (confirmatio) schreibt Kemmerich a. a. O. not. d. S. 71. in sanctiori Principis senatu potissimum, vel, hoc deficiente, in regimine saltem provinciali fieri debere videtur: si scilicet, relatione ad Principem facta, actus con- suetudinis inductivus confirmetur. solcher Handlungen, oder auch aus andern Umstaͤnden. Genug de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. Genug von dem Beweisthema; ich will nun gleich zu den Beweismitteln selbst schreiten, wenn ich zufoͤrderst nur noch dies bemerkt habe, daß der an sich schwere Be- weis einer streitigen Gewohnheit alsdann viel von seiner Schwierigkeit verliehrt, wenn nicht sowohl uͤber das Da- seyn, sondern blos uͤber den heutigen Gebrauch und Guͤltigkeit S. Kemmerich a. a. O. §. 2. S. 60. u. not. e. einer alten Rechtsgewohnheit ge- stritten wird; z. B. einer solchen, welche in einer Col- lection des Mittelalters z. E. im Sachspiegel enthalten ist (§. 69). Die Beweismittel bey einem Gewohnheitsrechte koͤnnen nun, wie in andern streitigen Faͤllen, I ) Zeugen seyn. Wie viele aber zu einem sol- chen Beweise, von welchem hier die Rede ist, erfordert werden, ist unbestimmt. Daher die meisten Rechtsge- lehrten der Meinung sind colerus de Process. executiv. P. I. Cap. III. n. 34. schil- ter Exerc. II. §. 20. zoesius in Commentar. ad Pandect. h. t. §. 86. u. a. m. , daß es auch in diesem Falle bey der Regel bleibe, nach welcher zu einem vollstaͤndigen Beweise nur zwey untadelhafte Zeugen erfordert wer- den Ob L. 12. D. de testib. . Andere wollen jedoch eine groͤßere Anzahl der Zeugen beym Beweise einer rechtlichen Gewohnheit fuͤr noͤthig, oder wenigstens fuͤr zutraͤglicher halten struv Synt. iur. civ. Ex. II. th. 21. faber Cod. Lib. IV. Tit. 15. Definit. 14. kemmerich a. a. O. §. XVII. voet Commentar. ad Pandect. h. t. §. 34. Letzterer erfordert we- nigstens zehen Zeugen. . Mei- nes Erachtens laͤsset sich hiervon in abstracto nichts be- stimmen, 1. Buch. 3. Tit. stimmen, sondern es kommt alles auf ihre Wissenschaft an, die sie von den einzelnen Handlungen haben, wo- durch die streitige Gewohnheit erwiesen werden soll. Ha- ben nun zwey derselben von denen zum Beweis angefuͤhr- ten einzelnen Faͤllen und deren Umstaͤnden vollkommene Wissenschaft, sind sie uͤberdies classisch, so ist nicht ein- zusehen, warum der Beweis durch die Aussagen zweyer solcher Zeugen nicht fuͤr vollfuͤhrt geachtet werden sollte? Daß inzwischen der Beweisfuͤhrer eben deßwegen wohl thut, wenn er mehr als zwey Zeugen ernennt, hat keinen Zweifel. So viel nun aber die Aussagen derselben anbetrift, so ist es nicht hinreichend, wenn die Zeugen uͤberhaupt deponiren, daß eine dergleichen Gewohnheit wirklich vorhanden sey mynsinger Cent. V. Obs. XLI. n. 14. , woruͤber gestritten wird, oder daß sie die ihnen vorgelegten Beweisartikel schlechtweg bejahen; nein; es muͤssen ihre Aussagen, wenn sie beweisen sollen, nicht nur auf die einzelnen Handlungen der Gewohnheit, und uͤbrigen Eigenschaften derselben gerichtet seyn, son- dern auch einen hinreichenden Grund ihrer Wissenschaft enthalten cocceii in iure civ. controv. h. t. Qu. XIV. kemmerich a. a. O. §. XVII. S. 83. puffendorf Observat. iur. univ. T. II. Obs. 138. §. 1. . In so fern es jedoch nur auf das Alter- thum eines gewissen in Streit gezogenen Gebrauchs allein ankommen sollte, sind auch Testes de auditu fuͤr zulaͤssig allerdings zu halten, zumahl wenn selbige ihre Aussagen dahin gestellet haben, wie sie es von sehr alten Leuten gehoͤret, daß etwas immer und seit Menschenge- denken nicht anders gewesen waͤre struv a. a. O. wernher sel. Obs. for. T. I. P. IV. Obs. 37. n. 3. . Und da es uͤbri- gens beym Beweise eines Gewohnheitsrechts vorzuͤglich auf de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. auf einzelne Handlungen ankommt, so ist eben so weni- gem Zweifel unterworfen, daß auch Testes singulares, welche von einzelnen verschiedenen, aber doch homogenen Handlungen, oder von verschiedenen Umstaͤnden einerley Factums, die aber einander nicht entgegen sind, zeugen, fuͤr nicht unzulaͤssig gehalten werden duͤrfen S. gaertner Meditat. pract. S. 29. n. 2. . II ) Urkunden , welche entweder dergleichen Hand- lungen selbst enthalten, wodurch die Gewohnheit erwie- sen werden soll, z. B. schriftliche und obrigkeitlich be- staͤttigte Aufsaͤtze uͤber Handlungen der Art, wovon die Frage ist, desgleichen rechtskraͤftige Urtheilsspruͤche; oder glaubwuͤrdige Attestate Wie solche Attestate beschaffen seyn muͤssen, zeigt Stru- ben in den rechtl. Bedenken V. Th. Bed. 90. S. 187. , die eine Erzaͤhlung, daß dergleichen Handlungen vorgekommen sind, als zur Be- gruͤndung der behaupteten Gewohnheit erfordert werden, enthalten, machen auch hier wichtige Beweismittel aus. Es kann jedoch das blose Attestat des Richters von einer hergebrachten Gewohnheit, wenn in demselben keine actus speciales, diuturni et uniformes, uͤber- all mit Beziehung auf die Acten, angegeben worden sind, die Kraft eines rechtlichen Beweises nicht behaup- ten S. Struben 2. Th. Bed. LIX. §. 4. S. 222. a wern- her T. I. P. IV. Obs. 110. ibique in Supplement. und T. III. P. II. Obs. 252. n. 116. u. folgg. Fratr. becmanni Consil. et Decision. Part. I. Resp. VI. n. 8. S. 102. und vorzuͤglich Eichmann in den Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts. I. Th. S. 408. u. folg. , und wenn gleich einige Rechtsgelehrte der Mei- nung sind S. leyser Meditat. ad Pandect. Spec. IX. med. 9. , daß ein solches allgemeines Attestat, wenn es 1. Buch. 3. Tit. es nur durch das Gerichtssiegel, und die gewoͤhnliche Un- terschrift des Gerichts bekraͤftiget worden, wenigstens ei- nen halben Beweiß mache; so ist doch dieses von An- dern reinharth ad Christinaei Decision. Vol. IV. Obs. 66. S. 96. und hartleben Meditat. ad Pandectas. Vol. I. P. I. Spec. XI. med. 13. mit mehrern Grunde gelaͤugnet worden, indem bekannten Rechtens ist, daß uͤberhaupt kein Zeugniß, wel- ches nicht bestimmt, sondern nur in allgemeinen Ausdruͤ- chen, und in folle, abgefaßt ist, etwas, mithin auch nicht semiplene, erweise L. 4. Cod. de testib. Ein anders ist es, wenn die Ana- logie des teutschen Rechts das Zeugniß des Richters unter- stuͤtzt, wovon Puͤtter in den auserlesenen Rechtsfaͤllen 1. Band 2. Th. Dec. 43. ein Beyspiel giebt. . Ob nicht III ) in Ermangelung anderer Beweißmittel auch die Zuschiebung des Eides zum Beweiß einer streiti- gen Gewohnheit gebraucht werden koͤnne? ist nur in so weit zu verneinen, als der Eid uͤberhaupt daruͤber defe- rirt werden soll, daß eine solche Gewohnheit, als behaup- tet werden will, wirklich vorhanden sey S. Claproth Einleitung in den ordentlichen buͤrgerlichen Proceß. 2. Th. (Goͤttingen 1787.) XX. Hauptst. 1. Tit. §. 321. n. VIII. S. 461. malblanc doctrina de iureiurando. Lib. III. Cap. III. §. 44. S. 136. , weil eines Theils uͤberhaupt kein Eid in folle zugeschoben werden darf, son- dern das factum, woruͤber der Eid deferirt wird, jeder- zeit nach allen denjenigen Umstaͤnden, wovon die Wahr- heit desselben abhaͤngt, bestimmt seyn muß S. Ge. Lud. boehmer Diss. de auctoritate iudicis circa iusiurandum in iudicio delatum. Goett. 1772. §. XII. n. II. S. 16. ; andern Theils aber die Natur eines Gewohnheitsrechts diese Be- weis- de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. weißart an sich nicht zulaͤsset, indem eine erwiesene Ge- wohnheit, als Gesetz, viele verbindet, niemand aber durch seinen Eid den Rechten eines Dritten praͤiudiciren, oder einem Dritten eine Verbindlichkeit aufbuͤrden kann malblanc a. a. O. S. 138. . Daß indessen uͤber einzelne Umstaͤnde der zum Beweiß angefuͤhrten Handlungen, wovon der Gegner Wissenschaft haben muß, der Eid zugeschoben werden koͤnne, leidet keinen Zweifel. Sollte aber nicht auch IV ) in dem Fall, da die vorgegebene rechtliche Ge- wohnheit nur halb, oder auch uͤber die Haͤlfte, aber doch noch nicht vollstaͤndig, erwiesen worden, wenigstens auf den Erfuͤllungseid erkannt werden koͤnnen? Die meisten Rechtsgelehrten leugnen dieses voet Comm. ad Pand. h. t. §. 33. in fine. wo er folgenden Grund anfuͤhrt: Cum tali iureiurando actor id, quod minus plene probatum est, conscientiae propriae testimonio, circa proprium, non alienum factum occupato, confirmet; hic vero non de iurantis facto, sed populi totius consensu tacito, ac frequentibus non actoris reive, sed aliorum actibus, dubitatio sit; et praesupposita actuum frequentia ad consuetudinem ne- cessaria, non possit non esse pluribus notum, quod consuetu- dine obtentum est; apparet, nisi fallor, hic iurisiurandi sup- pletorii materiam deficere . Hiermit stimmen auch Struben in den rechtl. Bedenken IV. Th. N. 163. S. 418. hertius Vol. II. decis. 408. n. 2. hofacker Princip. iur. civ. Rom. Germ. T. I. §. 125. S. 102. u. a. m. uͤberein. . Andere aber wollen wenigstens das iuramentum de credulitate zulas- sen wernher P. I. Obs. 38. gaertner Meditat. pract. ad Pandectas. Spec. I. S. 29. . Ich glaube, wenn an der Vollstaͤndigkeit des Beweises nur noch wenig mangelt, und der Erfuͤllungs- eid nur dazu dienen soll, diesen oder jenen einzelnen Um- stand, 1. Buch. 3. Tit. stand, der schon zu einen ziemlichen Grad der Probabili- taͤt gebracht worden ist, durch diesen Eid voͤllig ausser Zweifel zu setzen, so kann allerdings darauf erkannt wer- den malblanc doctr. de iureiurando S. 276. kemmerich a. a. O. §. XVII. S. 84. . Hiermit beschließt nun unser Autor diese wichtige Materie vom Gewohnheitsrecht, wenn nun gleich in an- dern Systemen und Commentarien ausser den vorgetrage- nen Saͤtzen auch noch von der Wirkung und Auslegung eines Gewohnheitsrechts gehandelt zu werden pflegt, so erfordern doch diese Puncte keine weitlaͤuftige Eroͤrterung, sondern lassen sich daraus, daß die rechtlichen Gewohnhei- ten die Gesetze nachahmen §. 9. I. de I. N. G. et C. diuturni mores consensu uten- tium comprobati, legem imitantur. und mit ihnen gleiche Kraft und Wirkung behaupten L. 32. 33. 35. 36. u. 38. D. h. t. S. Tob. Iac. rein- harth Diss. de iuris non scripti extra territorium efficientia. Goett. 1737. , von selbst herleiten. Durch gewohnheiten werden daher nicht nur neue Gesetze einge- fuͤhrt L. 32. pr. D. h. t. , und den dunklen Gesetzen ein bestimmter Sinn gegeben L. 37. D. h. t. Optima est Legum interpres consuetudo. , sondern es koͤnnen sogar geschriebene Gesetze durch neue Gewohnheitsrechte ihre Kraft verlieren L. 32. §. 1. D. h. t. Diesem ist L. 2. C. quae sit longa consuet. nicht entgegen, wie ich ad §. 93. zeigen werde. . Die Frage, ob Gewohnheitsrechte nur allein stricte zu erklaͤren, wird zwar insgemein bejahet S. gaertner Meditat, pract. ad Pandect. h. t. med. 15. , allein andere lassen de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. lassen mit mehrern Grunde auch eine extensive Ausle- gung gelten voet in Comm. ad Pandect. h. t. §. 36. . §. 88 — 92. Von den Statuten der Gemeinheiten . §. 88. Begriff und verschiedene Gattungen der Universitaͤten. Vom Gewohnheitsrechte gehet unser Autor zu der Leh- re von den Statuten der Universitaͤten oder Gemein- heiten und Collegien uͤber, weil auch diese in gewisser Ruͤcksicht als eine Gattung von Gesetzen anzusehen sind. In den Fragmenten dieses Titels uns e rer Pandecten kommt jedoch nichts davon vor, sondern es wird davon an einem ganz andern Orte Lib. XLVII. Tit. 22. gehandelt. Ei- ne Universitaͤt im weitlaͤuftigen Verstande, oder ei- ne Gemeinheit, Gemeinde, Collegium, Kor- pus, Zunft ꝛc. ist uͤberhaupt eine vom Regenten zu ei- nem fortdaurenden, und zunaͤchst mit dem gemeinen End- zweck des Staats in Verbindung stehenden, Endzweck bestaͤttigte oder gestiftete Gesellschaft. Sie erfordert also 1) die Vereinigung mehrerer Menschen zu einen gemein- schaftlichen Endzweck; wie jede andere Gesellschaft; un- terscheidet sich jedoch darin, daß sie 2) zu einen fortdau- renden und bestaͤndigen Endzweck, welcher zunaͤchst mit dem gemeinen Endzweck des Staats in Verbindung steht; und zwar 3) mit landesherrlicher Approbation errichtet wird. Eine dergleichen Gemeinheit wird als eine mora- lische Person angesehen; die immer dieselbe bleibt, wenn auch deren Glieder ganz oder zum Theil sich veraͤndern, ja sie bestehet noch, waͤre auch die Anzahl der Glieder bis Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. H h 1. Buch. 3. Tit. bis auf eine einzige Person vermindert worden L. 7. §. 2. D. Quod cuiusq. univers. nomine. . Die Hervorbringung einer solchen moralischen Person ist nur ein Werk des buͤrgerlichen Gesetzgebers Weder hohe Justizcollegien, noch Unterobrigkeiten duͤrfen sich also ein solches Recht, Gemeinheiten zu bestaͤtigen, an- massen, wenn es ihnen nicht ausdruͤcklich vom Landesherrn ertheilet worden ist. berger Oecon. iur. Lib. I. Tit. I. §. 18. n. 2. leyser Spec. DLIX. in fin. Coroll. 2. Dem Landes- herrn kommt dieses Recht vermoͤge seiner oberaufsehenden Ge- walt zu. S. Hofr. Schnauberts Reichsstaͤndisches Staats- recht §. 238. u. 242. . Das roͤ- mische Recht sowohl als auch das reutsche legt dieses Recht dergestalt dem Regenten und hoͤchsten Gesetzgeber im Staate bey, daß es den Unterthanen als eine uner- laubte und strafbare Handlung zugerechnet wird, wenn sie sich unterfangen, eine moralische Person zu gruͤnden, welche von dem Gesetzgeber nicht ausdruͤcklich dafuͤr ist erklaͤrt worden L. 1. L 3. §. 1. D. de collegiis et corporib. Dies mag auch wohl die Ursache seyn, warum die Lehre von Gemein- heiten und Collegien unter diejenigen Titel der Pan- decten gebracht worden ist, die von Verbrechen handeln. . Und diese ausdruͤckliche Erklaͤrung des Regenten ist eben die Bestaͤtigung , wodurch sich eine Universitaͤt oder Gemeinheit von einer jeden andern Gesellschaft unterscheidet, und wodurch ihr zugleich die Faͤhigkeit beygelegt wird, buͤrgerliche Rechte und Ver- bindlichkeiten im Staate zu erwerben Die Lehre von den moralischen Personen hat am besten Herr Prof. Woltaͤr in den Grundsaͤtzen der Rechts- gelehrsamkeit (Halle 1785. 8.) zwot. Abschn. S. 215. u. folgg. abgehandelt. . Da eine Personen-Gemeinheit immer eine bestimmte gesellschaftliche Verbindung mehrerer Menschen voraus setzt, de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. setzt, die vom Landesherrn zu Erreichung eines gemein- schaftlichen Endzwecks ist bestaͤtiget, oder gestiftet wor- den; so giebt es nun so mancherley Gattungen solcher moralischer Personen, so verschieden diese gesellschaftliche Verbindungen unter den Menschen in Absicht ihres End- zwecks, ihrer Mitglieder und ihrer innern Verfassung seyn koͤnnen. Der Zweck , wozu Collegien oder Gemein- heiten gestiftet sind, kann entweder ein geistlicher , — Gottesverehrung, oder ein weltlicher seyn, der auf die Regierung des Staats, oder auf die Erleichterung gewisser Erwerbungsmittel, oder auf die Befoͤrderung eines andern Nutzens, abzielt; im ersten Fall werden sie kirchliche oder religioͤse Daß in den kanonischen Rechten universitates ecclesiasticae, und congregationes religiosae von einander verschieden sind, ist bekannt, denn letztere haben ein religioͤses Ordensleben zum Endzweck. S. G. L. boehmer Princip. iur. canon. Lib. III. Sect. III. S. 309. , z. B. Kirchen, Stifter, Kloͤster; im zweyten aber weltliche Gemein- heiten oder Collegien genennt, z. B. Landesregierungen, Staͤdte, Doͤrfer, Innungen und Zuͤnfte der Handwer- ker ꝛc. Schulen und Academien werden jedoch bekann- ten Rechten nach zu denen universitatibus ecclesiasticis, auch selbst unter den Protestanten gerechnet; auf was fuͤr Gruͤnden aber diese Einrichtung beruhet, dieses aus- einander zu setzen, gehoͤrt nicht hierher S. G. L. boehmer Princip. iur. canon. Lib. III. Sect. III. Tit. 6. §. 455. u. 456. . Ferner un- terscheiden sich universitates personarum auch in An- sehung ihrer Glieder von einander, je nachdem diese entweder individual- oder moralische Personen sind. Im erstern Fall werden sie Collegien ; im zweyten aber Corpora im eigentlichen Verstande genennt. Mehrere H h 2 Collegia 1. Buch. 3. Tit. Collegia zusammen, welche in einer gewissen Verbindung stehen, machen also ein Corpus aus. Z. B. eine Aca- demie stryck Us. mod. Pandectar. Lib. XLVII. Tit. 22. §. 1. sagt: corpus a collegio ita distinguitur. quod illud sit coniunctio plurium diversorum collegiorum . Jedoch werden die Worte Collegium und corpus auch oft fuͤr Eins genommen. L. 10. §. 1. D. de vacat. mun. L. penult. §. 12. D. de iure immunit. L. 1. D. quod cuiusq. univ. nom. . Endlich nach dem Unterschied ihrer innern Verfassung sind Universitaͤten entweder von der Art, daß einige Mitglieder eine mit Zwangsrechten versehene Direction und Gerichtsbarkeit uͤber die andern haben, oder nicht. Erstere werden universitates ordinatae, auch Staatsgesellschaften genennt, z. B. Staͤdre, Ca- pittel, Academien Andere Begriffe verbindet mit diesen Benennungen Herr Geh. R. nettelbladt System. elem. iurispr. pos. Germ. gen. Lib. II. Sect. I. Tit. I. §. 849. u. folg. . §. 89. Rechte einer Universitaͤt. Begriff und verschiedene Gattungen der Statuten . Gemeinheiten, als moralische Personen betrachtet, haben nun ihre Rechte und Verbindlichkeiten, wie andere Menschen; ja so lange in Ruͤcksicht auf die Arten der Rechte, welche Menschen erwerben koͤnnen, die Gesetze keinen Unterschied zwischen einer moralischen Person und einen individuellen Menschen machen, so lange ist eine moralische Person auch gleicher Rechte faͤhig, wenn nur das Recht, von dessen Erwerbungsfaͤhigkeit die Rede ist, nicht von der Natur ist, daß es schlechterdings nur von dem Menschen, der es erworben, in eigner Person muß ausgeuͤbt werden. Denn so kann z. B. eine moralische Person de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. Person keine elterliche Gewalt erwerben, auch kein Te- stament oder Codicill machen S. Woltaͤr a. a. O. §. 176. S. 224. u. folgg. . Die Rechte einer Universitaͤt lassen sich uͤbrigens sehr gut in zwey Haupt- classen eintheilen. Einige fliessen aus der Natur und Zweck der Gesellschaft her, und stehen also einer je- den Universitaͤt, qua tali, nach Masgabe ihres End- zwecks schon von selbst zu, ohne daß eine besondere Er- werbung vonnoͤthen ist; diese werden Gesellschafts- rechte , von andern auch Collegialrechte genennt; und verhalten sich als Mittel zur Erreichung des gemein- schaftlichen Endzwecks der Universitaͤt. Andere Rechte haben ihren Grund in einer besondern Concession der Ge- setze, oder des Regenten, oder sie sind durch einen be- sondern Rechtstitel erworben. Zu diesen gehoͤrt, daß Universitaͤten die Rechte der Pupillen und Minderjaͤhri- gen haben, und ihnen daher, wie diesen, bey erweißlicher Laͤsion die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stat- ten kommt L. 22. §. 2. D. L. 4. C. ex quib. caus. maior. in int. rest. L. 3. C. de iure reipubl. cap. 1. und 3. X. de restitut. in in- tegr . leyser Meditat. ad Pand. Spec. LIV. m. 3. nettel- bladt a. a. O. §. 869. . Auch koͤnnen, wenigstens nach dem neuern roͤmischen Recht, erlaubte Gemeinheiten zu Erben eingesetzet, oder ihnen sonst etwas vermacht werden L. 12. C. de hered. instit. L. 2. u. L. 20 D. de reb. dub. Ehemals gieng dieses nicht an. Warum? werde ich zu seiner Zeit sagen. S. heineccius de collegiis et corpor. opificum. Cap. I. §. 27. u. folgg. in Opusc. var. S. 412. u. folgg. und Westphal Theorie des roͤm. Rechts von Testamenten. Kap. III. §. 145. u. folgg. S. 107. . Ja es erlauben sogar die Gesetze, daß eine moralische Person solche Rechte erwerben koͤnne, welche einem Men- H h 3 schen 1. Buch. 3. Tit. schen nur auf die Zeit seines Lebens zugestanden werden, und nach dessen Tode wieder zuruͤckfallen. Nur verord- nen sie zu gleicher Zeit, daß wenn eine moralische Per- son dergleichen Rechte erworben haben sollte, solche denn eben so nach Ablauf von hundert Jahren zuruͤckfallen sollen, wie sie wuͤrden mit dem Tode eines Menschen zuruͤckgefallen seyn, der sie erworben hatte L. 56. D. de usufructu . L. 8. D. de Vsufr. legat. In beyden Gesetzstellen wird zum Grunde angefuͤhrt: quia is finis vitae longaevi hominis est. S. westphal de libert. et servit, praed. S. 659. . Ausser- dem haͤngt es von dem Willkuͤhr des Gesetzgebers ab, in wie weit er die von ihm bestaͤtigte oder gestiftete Gemein- heit der Erwerbung buͤrgerlicher Rechte in seinem Staate faͤhig erklaͤren, oder welchen Stand und welche Rechte er ihr sonst beylegen wolle Woltaͤr a. a. O. §. 173. S. 219. . So viel nun insonder- heit die Gesellschaftsrechte einer Gemeinheit anbe- trift, so gehoͤren dahin vorzuͤglich folgende: 1) Das Recht, ein eigenthuͤmliches Vermoͤgen zu er- werben, und eine gemeinschaftliche Casse zu haben L. 1. §. 1. D. Quod cuiusque univ. nom. , woraus die zu Unterhaltung derselben erforderlichen Kosten bestritten werden koͤnnen. Hier mit ist auch das Recht die zu Verwaltung dieser Gemeinheitsguͤter noͤ- thige Administratoren zu bestellen Zwischen diesen Administratoren und der moralischen Person selbst tritt eben dasjenige rechtliche Verhaͤltniß mit allen dar- aus fließenden Folgen ein, welches zwischen Vormuͤndern und Pupillen oder Minderjaͤhrigen obwaltet. Clement. 2. de domib. religios. G. L. boehmer Princip. iur. canon, Lib. III. Sect. V. Tit. VIII. §. 629. Woltaͤr a. a. O. §. 180. S. 233. u. folg. , verbunden. 2) Das de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. 2) Das Recht, Vorsteher und andere zur Betreibung der gesellschaftlichen Angelegenheiten noͤthige Bediente, ( officiales universitatis, ) insonderheit zur Fuͤhrung ihrer gemeinschaftlichen Processe einen Anwalt oder Syndicum zu bestellen; wovon Lib. III. Tit. 4. ein mehreres L. 1. §. 1. D. quod cuiusq. univ. nom. . 3) Das Recht eines Gemein-Siegels stehet eigentlich nur ordinirten Universitaͤten und Collegien zu S. Iust. Henn . boehmer Diss. de iure et auctoritate sigilli authentici. Halae 1742. gossel de sigillis universitat. Lips. 1750. . Zuͤnf- te aber koͤnnen ein solches ohne absonderliche landesherr- liche Bewilligung nicht fuͤhren, in sofern es nicht etwa schon bey Einrichtung einer Zunft ertheilet worden ist Joh. Fried. Christoph Weisser Recht der Handwerker. (Stutgardt 1780. 8.) 3. Abschn. §. 29. . 4) Das Recht, Statuten zu errichten L. 4. D. de Colleg. et Corporib . Sodales sunt, qui eius- dem collegii sunt. His autem potestatem facit lex, pactio- nem , quam velint, sibi ferre: dum ne quid ex publica Lege corrumpant. In den folgenden Worten wird dieses Gesetz aus den Gesetzen des Solons hergeleitet, welches aber ganz unnoͤthig war, indem jede im Staat erlaubte Gesellschaft schon an sich das Recht hat, die Mittel zur Erhaltung ihres Endzwecks zu verabreden, sich deswegen zu vergleichen, und dieselbe durch einen Gesellschaftsvertrag festzusetzen. S. Zach . huber Diss. de Legibus Solonis, quas recitat Gaius lib. IV. ad Leg. XII. Tabular. Cap. II. in Dissertat. iurid. et philolog. (Franequerae 1703. 4.) P. I. S. 281. u. folgg. . H h 4 Von 1. Buch. 3. Tit. Von diesen wird nun noch insonderheit zu handeln seyn Unter den vielen Schriften, welche von Statuten han- deln, verdienen vorzuͤglich empfohlen zu werden: Paul voet de statutis eorumque concursu. Amstelod. 1661. 12. Io . voet Commentar. ad Pandect. Lib. I. Tit. IV. P. II. Christ. Gottl . riccius Entwurf von Stadtgesetzen oder Statutis.. Frankf. u. Leipz. 1740. 4. Io. Otto lutterloh Diss. de statutis col- legiorum opificum. Goett. 1759. und hofacker Princip. iur. civ. Rom. Germ. T. I. Lib. I. Cap. III. Tit. 3. S. 105. u. folg. . Was sind denn aber Statuten der Gemeinhei- ten? Ueberhaupt verstehet man darunter die verbindli- chen Regeln einer Personen-Gemeinheit, z. B. einer Stadt, eines Stifts u. dgl. Diese koͤnnen von zweyer- ley Art seyn. Entweder solche, die unter den Gliedern einer Gemeinheit vertragsweise sind errichtet wor- den, und also nur als Vertraͤge verbinden; oder sol- che, die als Gesetze in der Gemeinheit promulgirt wor- den, und als Gesetze verbinden. Erstere werden statu- ta conventionalia, iure collegiali condita; letztere aber sta- tuta legalia genennt. Diese koͤnnen entweder vom Regen- ten selbst in und fuͤr eine Gemeinheit promulgirt worden seyn; denn es ist nichts ungewoͤhnliches, solche particu- laͤre Landesordnungen Statuta, Stadtgesetze zu nen- nen Cammergerichts-Ordn. P. I. T. 3. §. 1. Reichshofr. Ord- nung Tit. I. §. 15. N. R. A. §. 105. . Oder es kann seyn, daß der Regent die gesetz- gebliche Gewalt einer Gemeinheit auf eine von ihm ab- haͤngige Weise in einem gewissen Bezirk des Staats ver- liehen hat. Was sodann dieselbe vermoͤge dieser Gewalt verordnet, ist eigentliches Gesetz, und ob es gleich in der Gestalt, wie ein Gemeindsvertrag z. B. durch die Mehr- heit der Stimmen zu Stande kommt, so gehoͤrt dies den- noch blos zu der Art, wie die gesetzgebliche Gewalt von der de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. der Gemeinheit ausgeuͤbt wird, aͤndert aber die Natur der gesetzlichen Vorschrift keinesweges S. Schnauberts Beytraͤge zum T. Staats- und Kir- chenrecht. I. Th. N. V. §. 2. S. 62. u. folgg. . Eine sehr gewoͤhnliche Bedeutung ist ferner diejeni- ge, da man die Stadtrechte, welche mit oberherrlicher Ge- nehmigung sind errichtet worden, statuta nennt. Diese werden auch mit den Namen Willkuͤhr, Weichbild , oder Marck-Recht beleget riccius a. a. O. 1. Buch 1. Hauptst. §. VII. u. folgg. C. U . grupen Dissert. de civitatum forma, vulgo Weichbild. Hanover. 1758. 4. Westphals teutsches Privatrecht. 1. Theil. 2. Abhandl. S. 28. u. folgg. . Hier verstehet unser Autor unter Statuten dasjenige Recht, so unter den Mitgliedern einer gewissen Gemeinheit oder eines Colle- giums vermittelst eines Vertrags ist festgesetzt worden. Statuten in dieser letztern Bedeutung gelten eigentlich und an sich nur wie Vertraͤge, sie erhalten jedoch eine gesetzliche Auctoritaͤt, wenn sie vom Landesherrn bestaͤtti- get worden sind. §. 90. Guͤltigkeit der Statuten. Sollen Statuten gelten, welche durch einen Gesell- schaftsvertrag errichtet worden sind, so wird dazu er- fordert, 1) daß der Gegenstand derselben ein solcher sey, wel- cher Gemeinde- oder Gesellschaftssachen betrift. Sonst tritt die Gemeinheit aus den Schranken ihrer Gesellschafts- gewalt. Was nun aber Gemeinde-Sachen sind, ist theils aus dem Endzweck der Gemeinheit, theils aus der H h 5 Natur 1. Buch. 3. Tit. Natur anderer von ihr erworbenen Gerechtsame zu bestim- men Schnauberts Beytraͤge zum T. Staats- und Fuͤrsten- rechte. I. Th. N. V. §. 3. . Denn man setze, daß der Gemeinheit oder dem Collegio die Gerichtsbarkeit, oder Episcopal-Rechte zu stehen, so sind auch Sachen, welche die Ausuͤbung der- selben betreffen, unstreitig fuͤr Gemeinde-Sachen zu halten. Gleichwie nun aber alle im Staat gebilligte Ge- sellschaften der Majestaͤt und Hoheit des Staats unterwor- fen sind, so duͤrfen demnach 2) dergleichen Gesellschaftsvertraͤge nicht gegen aus- druͤcklich und schlechterdings gebietende Gesetze des Regen- ten streiten, oder sonst dem gemeinen Wohl nachtheilig seyn. In einem solchen Falle ist die besondere Bestaͤtti- gung des Landesherrn schlechterdings erforderlich, wenn gleich die Gemeinheit durch ein ausdruͤckliches Privile- gium das ius statuendi erhalten haͤtte Weber Reflexionen zur Befoͤrderung einer gruͤndlichen Theorie vom heutigen Gebrauch des roͤm. Rechts. §. 25. S. 88. u. folgg. . Denn es laͤßt sich mit Vernunft nicht annehmen, daß der Landesherr durch ein solches Privilegium sich seiner gesetzgebenden Macht, als des hoͤchsten Majestaͤtsrechts, habe entaͤussern, und eine ganze Gemeinde von dem Gehorsam gegen lan- desherrliche Befehle dispensiren, oder die Befolgung sei- ner Gesetze ihrem Willkuͤhr uͤberlassen wollen Mit Recht sagt I. H . boehmer Introduct. in ius publicum univers. S. 401. der gleiche Meinung hegt; potestas talis con- cessa semper intelligitur salvo iure imperantis , cui est subordinata . . Sind jedoch Staatsgesetze nicht dergestalt gebietend oder verbie- tend, sondern in diesem Betracht blos hypothetisch , so kann de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. kann einer Gemeinheit das Recht, durch Vertraͤge etwas von denenselben abweichendes festzusetzen, um so weniger versagt werden, als diese Befugniß sogar einzelnen Buͤr- gern des Staats zustehet. Da jedoch Vertraͤge eigent- lich und in der Regel nur die Paciscenten verbinden, die sie schliessen, aber keinen Dritten, so folgt hieraus, 3) daß durch die Statuten, welche nichts anders als Vertraͤge sind, Niemand als die Mitglieder der Gemeinheit, so dieselben errichtet, oder doch in dieselben eingewilliget haben, verbunden werden. Sie erstrecken also ihre Verbindlichkeit nicht auf die forenses, die keine Gemeindegliedersind; es waͤre denn, daß durch einen Ge- meindeschluß solche Rechte und Verbindlichkeiten waͤren festgesetzt worden, welche blos Grundstuͤcke betreffen; z. B. wenn vermoͤge eines solchen Gesellschaftsvertrags die Ko- sten zur Bestreitung der Gemeindeausgaben unter dem Namen, Anlagen , auf die Haͤuser und Grundstuͤcke in der Gemeinde ausgeschlagen worden; so muͤssen sich solche Lasten auch Fremde gefallen lassen, welche derglei- chen Guͤter, auf denen sie haften, acquiriren Eben dies bestaͤrkt auch L. 67. D. de contrah. emt. et vendit . Alienatio cum fit, cum sua causa dominium ad alium trans- ferimus, quae esset sutura, si apud nos ea res mansisset. causa zeigt hier die ganze Beschaffenheit der Sache an, und werden darunter nicht nur die auf der Sache ruhende Beschwe- rungen , sondern auch zugleich die bey der Sache zu ziehen- den Vortheile verstanden. S. Westphal Lehre des gemeinen Rechts vom Kauf-Pacht-Mieth- und Erbzins- kontract (Leipzig 1789) 1. Th. 1. Hauptst. 4. Kap. §. 115. S. 99. . Ausser- dem wird kein Dritter , der nicht Mitglied der Gesell- schaft ist, durch das Statutum einer Gemeinheit verbun- den. Wir reden jedoch blos von conventionellen Statu- ten. 1. Buch. 3. Tit. ten. Bey solchen Statuten, die eine gesetzliche Auctori- taͤt erlangt haben, ist es freylich anders. Denn durch diese werden nicht blos die Mitglieder der Gemeinde selbst, sondern auch andere, welche in dem Bezirke, worin der Gemeinheit die gesetzgebende Gewalt zustehet, sich aufhal- ten, verbindlich gemacht. Stadtgesetze ( statuta legalia ) verbinden daher nicht nur diejenigen, welche wirklich Buͤr- ger sind, sondern auch die, welche in der Stadt ihren Wohnsitz haben, und die Vorstaͤdter S. Christ. Heinr . breuning quaest. iur. controv. an iura urbium statutaria obligent incolas municipiorum. Lipsiae 1773. Paul. Wilh . schmidt Diss. de statutis civitatum, quatenus incolas suburbiorum obligent. Ienae 1755. . Da die Befug- niß gewisse Statuten zu machen, eine Gemeinheit noth- wendig auch berechtiget, daruͤber zu halten, und gewisse aͤussere Motive zu bestimmen, welche die Mitglieder zur Beobachtung derselben antreiben koͤnnen; So kann ferner 4) einer Gemeinheit das Recht, mit der Uebertre- tung ihrer Statuten gewisse Strafen zu verknuͤpfen, um so weniger versagt werden, je bekannter es ist, daß auch Paciscenten sich zu einer conventional Strafe verpflichten koͤnnen, wenn wider den Vertrag, welchen sie geschlossen haben, gehandelt werden sollte. Nur muͤssen diese Con- ventional-Strafen freylich so beschaffen seyn, daß sie mit dem Endzwecke und der Beschaffenheit der Gesell- schaft uͤbereinkommen, und hierdurch kein Eingriff in die Majestaͤtsrechte geschehe. Und dieses Recht, gewisse ge- sellschaftliche Strafen zu bestimmen, ziehet auch 5) die Gewalt nach sich, solche denen Uebertretern aufzulegen, und die in dem Endzweck der Gesellschaft ein- schlagende Handlungen nach der festgesetzten Regel der Statu- de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. Statuten zu beurtheilen. Man will dieses Gesellschafts- recht mit dem Namen einer Conventional-Ge- richtsbarkeit belegen, doch immer nur in uneigentli- lichen Verstande, indem, wenn Gewalt zu brauchen noͤ- thig ist, die Huͤlfe der Obrigkeit angerufen werden muß. Ein anders waͤre es, wenn einer Gemeinheit die ordentli- che Gerichtsbarkeit als ein besonderes Recht verliehen wor- den. Endlich ist 6) noch dieses zu bemerken, das Gemeindeschlusse, sie moͤgen hernach den Schein der Billigkeit vor oder wi- der sich haben, schlechthin zu befolgen, und unter dem Vorwand einer Unbilligkeit von einzelnen Gemeindeglie- dern nicht umgestossen werden koͤnnen, da sie eines Theils einer freywilligen Zusammentretung und Uebereinstim- mung der Gemeindeglieder ihren Ursprung zu danken ha- ben, andern Theils aber auch eine Gemeinde die Ver- muthung fuͤr sich hat, daß sie zu Abfassung eines Schlus- ses aus hinlaͤnglichen Gruͤnden geschritten seyn werde S. gemeinnuͤtzige jurist Beobachtungen und Rechtsfaͤlle. 3. Band N. V. S. 57. u. folgg. . §. 91. Von Errichtung der Gemeindeschluͤsse. Vor allen Dingen kommt es jedoch bey der Frage, ob Statuten guͤltig und verbindlich sind, auf die Art ihrer Errichtung an. Ist diese durch besondere Grundgesetze, oder durch Observanz festgesetzt, so muß es dabey bleiben, und die in Gemaͤßheit derselben abgefaßte Statuta sind sodann allerdings fuͤr die ganze Gemeinde verbindlich, wenn sie auch nicht einzeln darein gewilliget haben sollte. So z. B. stehet oft dem Stadtmagistrat in den Landstaͤdten das ius statuendi vermoͤge eines landes- herr- 1. Buch. 3. Tit. herrlichen Privilegiums, oder vermoͤge eines ausdruͤckli- chen oder stillschweigenden Vertrags mit der Buͤrgerschaft zu S. hartleben Meditat. ad Pandect. Spec. X. m. 6. Aus- serdem ist der Magistrat einer Landstadt nicht befugt, der Buͤr- gerschaft ohne ihre Einwilligung Statuten aufzubuͤrden. Ver- gleiche Leyser Medit. ad Pandect. Spec. VIII. med. 7. ; und es kommt alsdann weiter auf die Observanz an, ob er dieses Recht allein, oder anders nicht als mit Zuziehung einiger Deputirten von der Buͤrgerschaft aus- uͤben koͤnne hofacker Princ. iur. civ. rom. germ. T. I. §. 135. in fin. Riccius von Stadtgesetzen. II. Buch. 3. Kap. §. 20. S. 354. . Im Fall nun aber wegen der Art, wie die Statuten in einer Gemeinde zu errichten, keine be- sondere Einrichtung vorhanden ist, muß die Vorschrift des gemeinen Rechts zur Richtschnur genommen werden. Nach dieser wird nun zur gesetzmaͤsigen Errichtung der Statu- ten folgendes erfordert: 1) Es muͤssen alle Mitglieder der Gemeinheit, oder des Collegiums auf die darin hergebrachte Weise zusam- men berufen werden. Auch Unmuͤndige und Minderjaͤh- rige mit ihren Vormuͤndern. Von diesen muͤssen 2) wenigstens zwey Drittel erscheinen; und endlich muß 3) der groͤßte Theil der Anwesenden in den Gemein- deschluß, oder das zu errichtende Statut einwilligen Riccius a. a. O. II. Buch. 6. Hauptst. §. 3. S. 406. . Was also auf solche Art durch die Mehrheit der Stimmen beschlossen worden ist, wird als ein einstim- miger Gemeindeschluß angesehen, welchen sich auch die- jenigen, die den kleinsten Theil ausmachen, gefallen las- sen muͤssen L. 19. D. ad municipal. L. 160. §. 1. D. de Reg. Iuris. . Der Vorwand, daß ihre Meinung der mora- de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. moralischen Person vortheilhafter sey, als die Meinung der entgegengesetzten Majoritaͤt, ( vota minoris partis saniora esse ) kann weder die Ausfuͤhrung des durch die Mehrheit der Stimmen gefaßten Schlußes hindern, noch die Minoritaͤt berechtigen, das durch die Stimmen des groͤssern Theils beliebte, als von ihnen nicht beliebt, nicht zu beobachten reinharth select. Observat. ad Christinaei decis. Vol. I. Observat. 9. In Religions- und solchen Sachen, welche iura singulorum betreffen, uͤberwiegt jedoch die Mehrheit der Stim- men des groͤßern Theils den kleinern nicht. Instrum. Pac. Osnabr. Art. V. §. 9. et 52. Cap. 29. de R. I. in 6to. S. westphal Tr. de iure singulorum. Halae 1757. . Denn nicht zu gedenken, daß es schwer zu beurtheilen, noch schwerer aber zu beweisen ist, quae vota saniora sint, so hat doch immer im Zweifel der groͤs- sere Theil die Vermuthung fuͤr sich reinharth ad Christinaeum. Vol. I. Obs. 39. n. 7. . Sollte es an einem oder dem andern der oben angefuͤhrten Erforder- nisse ermangeln, so verbinden solche Statuten nur allen- falls diejenigen, welche darein gewilliget haben, die nicht convocirten Mitglieder aber sind daran nicht gebunden, gesetzt auch, daß des Oberherrn Bestaͤttigung dazu gekom- men waͤre a wernher sel. Obs. for. P. IX. Obs. 145. n. 2. leyser Spec. IIX. m. 1. riccius a. a. O. §. 3. S. 406. . §. 92. In welchen Faͤllen die landesherrliche Bestaͤttigung zur Guͤltigkeit der Statuten erforderlich sey? Statuten, welche auf die im vorigen Paragraph beschriebene Art errichtet worden, und nur die Gemeinde- glieder vertragsweiß verbinden, beduͤrfen eigentlich an und vor 1. Buch. 3. Tit. vor sich, so wenig, als Vertraͤge, der landesherrlichen Bestaͤttigung zu ihrer Guͤltigkeit. Nichts destoweniger aber ist dennoch jede im Statt erlaubte Gesellschaft auch in Ansehung ihrer Vertrags-Statuten der oberaufsehen- den Gewalt des Landesherrn unterworfen. Vermoͤge die- ser Unterwuͤrfigkeit sind daher Gemeinheiten schuldig, ihre Statuten der landesherrlichen Einsicht erforderlichen Falls vorzulegen, um zu sehen, ob dieselben auch etwas, so de- nen Rechten des Landesherrn und dem gemeinen Wesen nachtheilig ist, enthalten. Ohne landesherrliche Confir- mation gelten indes Statuten nur als Vertraͤge Eben dieses gilt auch von den Statuten der landsaͤssigen Staͤdte. S. riccius a. a. O. 2. Buch. 6. Hauptst. §. 2. Und in so weit hat leyser spec. VIII. m. 2—6. recht, wenn er denen Staͤdten dieß Befugniß, auch ohne besondere landes- herrliche Concession und Confirmation Statuten zu machen, gestatten will. Denn die von ihm angefuͤhrten Gruͤnde passen blos auf conventional Statuten. Mit diesen duͤrfen aber nicht eigentliche Stadtgesetze verwechselt werden; solche erfor- dern allemal die landesherrliche Concession oder Confirmation, denn an sich stehet den landsaͤssigen Staͤdten keine Macht, Ge- setze zu geben, zu. S. Hofr. Schnauberts Beytraͤge zum T. Staats- und Kirchenrechte I. Th. N. V. S. 61. und folg. hartleben Meditat. ad Pandect. Spec. X. med. 2. u. folgg. Letzterer gehet jedoch hierin zu weit, wie Hr. Reg. Rath Eich- mann in den Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts I. Th. S. 433. gruͤndlich gezeigt hat. . Sollen sie daher eine gesetzliche Auctoritaͤt bekommen, und auch in Ansehung anderer gelten und verbinden, die ei- gentlich keine Mitglieder der Gemeinheit sind; so ist die oberherrliche Bestaͤttigung schlechterdings erforderlich S. Struben rechtl. Bedenken IV. Th. Bed. 62. z. B. wenn Fremde durch das Statut vom Gebrauch eines gemein zustaͤndigen Rechts ausgeschlossen werden sollen. lyncker Resp. II. 24. von Cramer Nebenstunden P. LXXIX. N. V. . Die- de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. Diese ist aber auch sodann vonnoͤthen, wenn durch die- selben etwas abgeaͤndert werden soll, was in den Ge- setzen durchaus und schlechterdings geboten oder verboten ist Ohne landesherrliche Confirmation haben dergleichen Sta- tuten nicht einmahl die Kraft eines guͤltigen Vertrags. S. reinharth ad Christinaeum. Vol. II. Obs. 8. S. 11. ; oder ein gewisses Reichs- oder Landesgesetz vor- handen ist, vermoͤge dessen die Statuten einer gewissen Gemeinheit anders nicht guͤltig seyn sollen, als wenn sie von der Landes- oder wenigstens der dazu berechtigten Ortsobrigkeit bestaͤtiget worden sind Ein Beyspiel davon giebt uns der Reichsschluß wegen der Handwerksmißbraͤuche vom Jahr 1731. §. 1. ver- moͤge welchen Handwerksartikel ohne Confirmation schlechter- dings nicht gelten sollen. . Daß die Be- staͤtigung ausdruͤcklich geschehe, ist nicht im jeden Fall erforderlich, es kann dieselbe auch stillschweigend ertheilet werden Lud . mencken Diss. de statutor. confirmator. auctoritate. breuning de iure statutor. non confirmator. Frick Grund- saͤtze des Rechts der Handwerker §. 11. ; in welchem Falle, Statuten die Natur un- geschriebener Gesetze haben, insofern die Erfordernisse rechtlicher Gewohnheiten vorhanden sind hommel Rhapsod. Qu. 155. hartleben Spec. X. m. 4. S. 179. . Zuletzt fuͤgt unser Autor noch den richtigen Satz hinzu, daß Statuten auf gewisse Art auch ausser dem Territorium desienigen Landesherrn, von welchem sie genehmiget worden sind, ihre rechtliche Wirkung aͤus- sern koͤnnen. Es laͤuft jedoch dieses auf diejenige Grund- saͤtze hinaus, die ich schon oben im Titel de origine iuris §. 74. Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. J i 1. Buch. 3. Tit. §. 74. und den folgenden Paragraphen von der Col- lision teutscher Particulargesetze vorgetragen habe. Aus diesen ergiebt sich, I ) daß Statuten, welche blos die Person ihrer Buͤr- ger und Gemeindeglieder betreffen, ihren Zustand, und die davon abhaͤngende Faͤhigkeit oder Unfaͤhigkeit zu con- trahiren, und zu disponiren, bestimmen, bey denensel- ben, auch wenn sie sich ausser Landes befinden, als Nor- men anzuwenden sind. Denn diejenige Qualitaͤt, welche die Gesetze des Domiciliums einer Person geben, ist uͤber- all geltend, so lang dieselbe ihren Wohnsitz nicht veraͤn- dert. Man pflegt dergleichen Statuten statuta personalia zu nennen. Wer also nach den Statuten seines Wohn- orts eine Infamie contrahirt hat, oder fuͤr Muͤndig oder Unmuͤndig zu halten, traͤgt diese Eigenschaft uͤberall mit sich herum. Es kann auch die den Buͤrgern und Ein- wohnern eines Orts nach ihren Statuten anklebende Qualitaͤt in einem fremden Lande sogar in Ansehung derer daselbst gelegenen Guͤter wirken, insofern naͤmlich der- selben kein eigenes Statut daselbst entgegen stehet. Z. B. wenn ein Sohn oder Tochter nach denen Statuten ihres Wohnorts sui iuris werden, so genießet derselben Vater nicht weiter die Nutzung ihres Vermoͤgens, auch nicht einmahl in Ansehung der unter einer fremden Landesobrig- keit gelegenen Guͤter riccius a. a. O. 2. Buchs 14. Hauptst. Io. Sam. Frid . boehmer D. de efficacia statuti personalis extra territorium. Frfti 1756. Einer andern Meinung ist voet ad Dig. Lib. I. Tit. IV. P. 2. §. 5. und folgg. . II ) Wenn Statuten aber nur lediglich die Guͤter der Gemeindeglieder betreffen, ohne Ruͤcksicht auf die Person ihrer Besitzer, ( Statuta realia ) so haben solche zwar de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. zwar insofern, als sie ihre gesetzliche Auctoritaͤt von dem- jenigen Landesherrn erhalten haben, in dessen Lande die Eigenthuͤmer derselben wohnen, in Ansehung der ausser- halb Landes gelegenen Guͤter solcher Unterthanen keine Wirkung; der Unterthan wird daher unstreitig seine ausser Landes gelegene Guͤter unverletzt behalten, wenn derselbe auch nach dem statutarischen Recht seines Wohn- orts sein Vermoͤgen, wegen begangenen Delicts, ver- wirkt haben sollte riccius a. a. O. II. Buch 16. Hauptst. §. IX. S. 553. ; auch wenn statuta domicilii die Clausel enthielten: die Guͤter moͤgen liegen, wo sie wollen ; so sind sie dennoch ausser Landes ohne Wir- kung, und kann hierdurch denen Statuten des Orts, wo diese Guͤter liegen, nicht derogirt werden riccius a. a. O. §. VII. S. 551. . Allein wenn solche Real-Statuten von der Obrigkeit desjenigen Landes ihre legale Auctoritaͤt erhalten haben, wo die Guͤter, welche sie betreffen, liegen, so muͤssen auch Aus- waͤrtige ( forenses ), denen diese Guͤter zugehoͤren, sich nach denenselben richten; insofern von deren Veraͤusser- lichkeit oder Unveraͤusserlichkeit, Freyheit oder Belaͤsti- gung u. dgl. die Rede ist Henr . hildebrand Disp. de obligatione forensium ex iure statutario. Altorf. 1698. Io. Frid . kayser Disquis. de ob- ligatione et valore statuti intuitu forensium. Giessae 1746. (Der Autor hat den Titel dieser Schrift unrichtig angegeben) und besonders D. Christ. Th . roemer Diss. de efficacia statuto- rum in res extra territorium sitas, praes. Car. Christoph . hof- acker . Tübingae 1778. . Endlich III ) wenn Statuten eines Orts denen rechtlichen Geschaͤften eine gewisse Form vorschreiben, dergleichen man statuta mixta zu nennen pflegt, oder sonst eine Hand- J i 2 lung 1. Buch. 3. Tit. lung fuͤr erlaubt und guͤltig erklaͤren, so muͤssen derglei- chen Handlungen, die in Gemaͤßheit derselben an dem Orte vorgenommen worden sind, auch auswaͤrts fuͤr guͤltig und rechtsbestaͤndig angesehen werden, (S. 280. n. 2.) so wie es denn auch umgekehrt eben so richtig ist, daß ein Geschaͤft, welches die Erfordernisse nicht hat, die es nach den Statuten des Orts, wo es vorgenommen worden, haben muͤßte, mithin in seiner Entstehung feh- lerhaft und zu Recht nicht bestaͤndig ist, auch nirgend anderswo von einigem Werthe und Guͤltigkeit seyn koͤn- ne riccius a. a. O. 2. Buch 15 Kap. §. 2. Puͤtter auser- lesene Rechtsfaͤlle. 3. Bandes 1. Theil. S. 80. . Betrifft jedoch die Handlung zugleich Guͤter, die ausser Landes liegen, so muͤssen auch die in loco rei sitae geltende Statuten befolget werden, wenn daselbst die Handlung als guͤltig anerkannt werden soll; es waͤre denn, daß dieselben nicht schlechterdings gebietend waͤren, sondern nur hypothetisch disponirten hofacker Princip. iur. civ. Rom. Germ. T. I. §. 143. S. 115. . Daher es z. B. keinen Zweifel hat, daß wenn Eheleute nach den Statuten ihres Wohnorts eine allgemeine Guͤtergemein- schaft, es sey nun durch einen ausdruͤcklichen oder still- schweigenden Vertrag, mit einander errichtet, dieselbe sich auch auf die ausser Landes belegene Guͤter allerdings erstrecke G. L. boehmer Diss. de iurib. et obligat. coniugis super- stit. ex commun. bon. univ. §. 10. hofacker Princip. iur. civ. a. a. O. §. 143. Einer andern Meinung ist riccius a. a. O. II. B. 17. Kap. §. V. S. 596. . §. 93. de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. §. 93. Von der Veraͤnderung positiver Gesetze. Positive Gesetze koͤnnen auf mancherley Art, und aus verschiedenen Ursachen ihre Kraft verliehren. Hier- von muß nun noch kuͤrzlich gehandelt werden. I ) Kann der Gesetzgeber selbst entweder ausdruͤcklich oder stillschweigend erklaͤren, daß das Gesetz nicht mehr gelten solle. Denn von seinem Willen haͤngt die Guͤltig- keit desselben ab; und wenn auch dem Gesetz die Clausel: daß es auf immer gelten, und nie wieder ge- aͤndert oder gar aufgehoben werden solle , waͤre angehaͤnget worden Wir finden auch in verschiedenen roͤmischen Gesetzen der- gleichen clausulam derogatoriam. Z. B. L. 6. C. de sec. nupt . Hac edictali Lege in perpetuum valitura san- cimus etc. Unter den teutschen Reichsgesetzen giebt uns die guͤldene Bulle ein Beispiel. ; so kann doch dadurch die Macht des Gesetzgebers im mindesten nicht eingeschraͤnkt werden, insofern er nicht etwa vermittelst eines Vertra- ges solches versprochen haͤtte S. Io. Nic. hertii Diss. de lege, clausula, ut ne abrogari unquam possit, munita. in Opusc. Vol. I. Tom. 3. S. 1—23. und gerstlacher Corp. iur. germ. T. I. S. 58. . Der Gesetzgeber hebt nun entweder das ganze Gesetz schlechthin auf, dies heißt in der Sprache der Gesetze, lex abrogatur; oder er ver- ordnet etwas anders, so einem vorhergehenden Gesetz ge- rade entgegen ist, — legi obrogatur; oder es wird ein vorhergehendes Gesetz durch ein nachher erfolgtes neues Gesetz nur in einem gewissen Puncte abgeaͤndert, — legi derogatur seu exrogatur ; oder es wird einem Gesetze noch etwas neues hinzugefuͤgt, und solches mit einem neuen Anhange vermehrt, — legi subrogatur ulpianus Fragm. Tit. I. §. 3. beym schulting in Iu- rispr. Antejust. S. 563. L. 102. D. de V. S. . Wenn J i 3 nun 1. Buch. 3. Tit. nun gleich der Regel nach das neuere Gesetz das aͤltere aufhebt L. fin. D. de constitut. Princip. ; so leidet doch diese Regel alsdann unstreitig eine Ausnahme, wenn das aͤltere Gesetz ein beson- deres Gesetz , Statut, oder Privilegium ist Richtig sagt boehmer Introd. in ius Digestor. Tit. de Iust. et Iure §. 6. n. 4. Leges posteriores generales non semper mutare illa, quae antea iure speciali disposita, sed inde exceptionem capere . Eben dieses erlaͤutert Papinian L. 41. D. de poenis durch ein sehr treffendes Beyspiel, und gruͤndet sich dabey auf die Regel der L. 80. D. de R. I. In toto iure generi per speciem derogatur, et illud potissimum habetur, quod ad speciem directum est; welche I. B. d’ an- toine in dem eleganten, nur wenigen bekannten, Werk: Les Regles du Droit civil, traduites en fran- cois avec des explications et de commentaire sur chaque regle , a Lion 1710. auf folgende Art ganz richtig uͤbersetzt: c’est une maxime generale en Droit, que l’espece deroge au genre, d’ou il arrive, que les dispositions speciales font des restrictions et des exceptions aux generales. Daher laͤßt sich nun auch erklaͤren, wenn Paulus L. 26. und Tertullian L. 27. D. de LL. sagen, es sey nichts neues, ut priores Leges ad posteriores trabantur. S. Lud. God. madihn Opuse. I. vicissit. substit. exemplar. eiusq. ve- ram indol. continens. (Halae 1775. 4.) §. 15. und hartle- ben Spec. X. medit. 10. ; weil im Zweifel nie zu vermuthen, daß der Gesetzgeber jene besondere Verordnung habe aufheben wollen, wenn er solches nicht deutlich erklaͤret hat Cap. 1. de constitut. in 6to . . Es wird also in diesem Falle die neuere gemeine , und die aͤltere be- sondere Verordnung nach eben dem Verhaͤltnisse, wie Regel und Ausnahme, zu beurtheilen seyn. (S. 406. und folg.) Auch de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. Auch durch den stillschweigenden Willen des Gesetz- gebers kann ein Gesetz seine Guͤltigkeit verliehren, indem derselbe eine dem Gesetz entgegenstehende Gewohnheit auf- kommen laͤsset. Daß durch ein Gewohnheitsrecht ein aͤlteres Gesetz aufgehoben werden koͤnne, hat uͤberhaupt keinen Zweifel, denn eine legale Gewohnheit hat mit einem geschriebenen Gesetz gleiche Kraft und Wirkung. (S. 478.) So gut also durch ein neues geschriebenes Gesetz ein aͤlteres aufgehoben werden kann, eben so gut kann dies auch durch eine Gewohnheit geschehen. Es bestaͤtigen dieses auch deutliche Gesetzstellen §. 11. I. de iur. nat. gent. et civ. L. 32. §. 1. D. de LL. , und nie wuͤrde wohl deshalb ein Zweifel entstanden seyn, wenn nicht die Mißdeutung eines gewissen Gesetzes im Justi- nianischen Codex eine Veranlassung dazu gegeben haͤtte. Es ist die L. 2. C. quae sit longa consuet. welche folgender- gestalt lautet: Imp. constantinus A. ad Proculum . Consuetudinis ususque longaevi non vilis aucto- ritas est: verum non usque adeo sui valitura momen- to, ut aut rationem vincat, aut legem. Ich will mich nicht auf die verschiedenen Erklaͤrun- gen der Rechtsgelehrten einlassen, sondern meine Leser deshalb auf die unten angezeigten Schriften verwei- sen S. Gregor . lopez madera Animadvers. iur. civ. cap. 5. Ludov . vitalis variar. lection. Lib. II. c. 28. Pet. faber Semestr. Lib. III. c. 22. donellus Commentar. iur. civ. lib. I. c. 10. M. lycklama à nyholt Membranar. Lib. I. Eclog. 11. noodt Comm. ad Digesta h. t. T. II. Opp. p. 16. Ios. averanius Interpretat. iur. Lib. II. c. 1. Ios. fine- stres . So viel ist aber gewiß, daß jenes Gesetz unserer J i 4 obigen 1. Buch. 3. Tit. obigen Behauptung keineswegs zuwider sey. Die L. 2. ist ein kaiserliches Rescript, also auf eine ergangene An- frage, ohne Zweifel eben desjenigen Proculus , er- lassen worden, an welchen das Rescript gerichtet ist. Man muthmasset, dieser Proculus , Proconsul Afri- cae, auch wohl vielleicht noch Heide, habe bey der Gele- genheit, da er vom K. Constantin einige mandata erhalten, worinn derselbe maches in der alten Religion der Roͤmer reformiret, und das Volk sich auf altes Her- kommen und Gebrauch berufen, deshalb Bericht an den Kaiser erstattet, vielleicht in dem Tone, in welchem Symmachus , auch zu Gunsten der heidnischen Reli- gion, an die Kaisere Valentinian, Theodosius und Ar- cadius schrieb Lib. X. Ep. 61. Dies ist die Muthmassung Ger. noodt Commentar. ad Pandect. h. t. welche auch heineccius in Pan- dect. h. t. §. 105. not. annimmt; und Iac. gothofredus in Comm. ad L. un. Cod. Theodos. de longa Confuet. noch mehr bestaͤtiget. . Ist dieses richtig, so war hier gar nicht die Frage, ob ein aͤlteres Gesetz durch eine neuere rechtliche Gewohnheit aufgehoben werden koͤnne? sondern von dem umgekehrten Falle die Rede. Der Sinn des Rescripts ist also vielmehr dieser; wenn gleich sonst eine alte Gewohnheit oder Gebrauch keine geringe Auctoritaͤt hat, so ist doch dieselbe nicht von einem solchen Gewicht, daß sie ge- gen die Vernunft, und die gesetzliche San- ction etwas gelten koͤnne, wodurch jene Ge- wohn- stres Hermogenian. Lib. I. S. 215. Fr. Car. conradi Diss. de consuetudine legem haud vincente. Helmst. 1745. Henr. God. bauer Diss. de conciliatione L. 32. D. de LL. et L. 2. C. quae sit longa consuet. Lips. 1761. und ayrer Progr. de consuetudine legem vincente. Goett. 1764. de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. wohnheit, als vernunftwidrig, ist aufge- hoben worden S. kemmerich de probat. Consuetud. Sect. I. §. XIII. not. c. . II ) Koͤnnen positive Gesetze unterweilen selbst aus Nothwendigkeit ihre Guͤltigkeit verliehren, wenn die Umstaͤnde sich gaͤnzlich geaͤndert haben, unter welchen ein gewisses Gesetz gegeben worden ist, so daß es nun schlechterdings keine Anwendung mehr finden kann Joh. Heinr. Eberhards Abhandlung von der Clau- sula rebus sic stantibus, und besonders von deren Anwendung auf die teutschen Reichsgesetze; in desselben Beitraͤgen zur Erlaͤuterung der teutschen Rechte . 1. Th. N. I. . Denn so gewiß es ist, daß das System eines Staats und die Sitten eines Volks auf die Gesetzgebung selbst einen wichtigen Einfluß haben, so gewiß ist es auch, daß die Veraͤnderungen des Staatssystems und der Sitten eine Veraͤnderung der Gesetze nach sich ziehen muͤssen Vortreflich philosophirt hieruͤber Sextus Caecilius beym gellius Noct. Atticar. Lib. XX. c. 1. — Non pro- fecto ignoras , so sagt dieser roͤm. Jurist, legum opportunita- tes, et medelas pro temporum moribus et pro rerum publica- rum generibus, ac pro utilitatum praesentium rationibus, pro- que vitiorum, quibus medendum est, fervoribus mutari atque flecti: neque uno statu consistere, quin, ut facies coeli ac ma- ris, ita rerum atque fortunae tempestatibus, varientur. . Gesetze koͤnnen daher nicht mehr gelten 1) wenn der Gegenstand, nehmlich die Personen oder Sachen, von denen dieselben reden, jetzt nicht mehr vor- handen sind; oder J i 5 2) die- 1. Buch. 3. Tit. 2) diejenige wesentliche Eigenschaft der Person oder Sache, von welcher das Gesetz redet, veraͤndert worden ist, worauf die Sanction desselben, als ihrem Haupt- grunde beruhete. Gleichwie denn auch 3) keinem Zweifel unterworfen, daß wenn der Hauptzweck eines Gesetzes aufhoͤrt, nothwendig auch dessen Verbindlichkeit ein Ende haben muͤsse. Auf den Nebenzweck, ohne welchen die Guͤltigkeit des Gesetzes doch bestehen kann, darf also keine Ruͤcksicht genommen werden. Ueberhaupt ist zu bemerken: wenn und in- soferne auch bey veraͤnderten Umstaͤnden das Gesetz doch noch angewendet werden kann, so bleibt es insofern guͤltig . Man vergleiche hierbey, was oben in dem Tit. de origine iuris §. 58. von dem heurigen Gebrauch des roͤmischen Rechts gesagt wor- den ist; die daselbst angefuͤhrten Beyspiele koͤnnen auch hier zur Erlaͤuterung dienen. Zuletzt bemerkt unser Autor noch, daß durch den blosen Nichtgebrauch ( per solum non usum ) ein Gesetz seine Kraft und Guͤltigkeit keinesweges verliehre; welches auch seine Richtigkeit hat, weil das Gesetz seine Kraft durch die Promulgation, nicht aber durch die Be- obachtung ( per observantiam ) erhaͤlt lauterbach Colleg. Theor. Pract. Pandectar. h. t. §. 21. Fratr . becmanni in Consil. et Decis. P. I. Resp. I. S. 20. . Waͤre je- doch bey vorkommenden Faͤllen ein gewisses Gesetz schon lange nicht mehr befolget worden, da doch genugsame Gelegenheit zur Anwendung desselben vorhanden gewesen, und der Gesetzgeber haͤtte diesen Nichtgebrauch geschehen lassen, ohne auf die Beobachtung des Gesetzes zu drin- gen, so kann durch eine solche Entwoͤhnung ein Gesetz aller- de Legibus, Senatusconsultis et longa consuet. allerdings aufgehoben werden. Nur muß die specielle Einwilligung des Gesetzgebers erwiesen werden koͤnnen. Unter dieser Voraussetzung koͤnnen sogar auch Straf- gesetze per desuetudinem ihre Guͤltigkeit verliehren §. 7. I. de iniuriis. . Daß der Nichtgebrauch des Gesetzes durch gerichtliche Erkaͤnntnisse muͤsse bestaͤtiget worden seyn, wie Leyser Meditat. ad Pand. Spec. IX. med. 10. und mit ihm die Gebruͤdere Becmann Consil. et Decis. P. II. Dec. 48. n. 5. S. 40. dafuͤr hal- ten wollen, ist nicht immer erforderlich, so wie auch schon andere gegen Leyser gruͤndlich erinnert haben hartleben Meditat. ad Pandectas Spec. XI. med. 14. und Eichmann Erklaͤrungen des buͤrgerlichen Rechts. 2. Th. S. 139. . Lib. I. Tit. IV. De Constitutionibus Principum . §. 94. und 95. Entwickelung der roͤmischen und heutigen Begriffe von Consti- tutionen der Regenten . U nter den so verschiedenen Gesetzgattungen der Roͤ- mer zeichnet sich nun noch vorzuͤglich durch Reichhal- tigkeit an Rechtsprincipien, so durch dieselbe eingefuͤhrt worden sind, diejenige aus, welche uns unter dem Na- men Constitutiones Principum die Fragmente dieses Titels kennen lernen Io. strauch Diss. de statutis a summo principe. Inter Dis- sertat. academ . n. 3. Marq. freher Orat. de constitutio- num . Die Roͤmer legten diesen Namen denen- 1. Buch. 4. Tit. denenjenigen Verordnungen bey, welche die roͤmischen Kaisere selbst und in Kraft der ihnen durch die Legem regiam uͤbertragenen hoͤchsten Staatsgewalt Aus eben dieser Quelle leitet auch Ulpian L. 1. D. b. t. die Guͤltigkeit der kaiserlichen Verordnungen her. Quod prin- eipi placuit, legis habet vigorem: utpote cum lege regia , quae de imperio eius lata est, populus ei et in eum omne suum imperium et potestatem conferat . Es ist jedoch bekannt, daß die Urtheile der Gelehrten uͤber die lex regia sehr verschieden sind. S. gronovius in Orat. de lege regia. Lugd. 1675. 8. schock Tr. de quadruplici lege regia. Frsti 1668. 8. Leop. metastasius de lege regia seu tabula aenea capitolina notis, animadversionibus, et variis quaestionibus illustrata. Romae 1757. 4. Petr. van spaan Spec. hist. iurid. de SCto de im- perio Vespasiani apud Gruterum. T. II. p. 242. spurio Lugd. Batavor. 1768. huber Digress. Iustin. Lib. I. c. 31. we- stenberg in Div. Marco. Diss. II. c. 1. van wachendorf Diss. de principe LL. soluto Cap. II. Christ. Dan . beck Diatr. de Lege regia Romanor. Lipsiae 1780. Eine Untersuchung uͤber die lex regia findet man auch in Thom. Bevers Geschichte des roͤm. Staats und des roͤm. Rechts. 3. Buch 6. Kap. wo zugleich D. Voͤlkel in den Anmerkungen S. 264—272. nachzusehen ist. , mithin ohne Zuziehung des Senats und Volks L. 2. §. 11. und 12. D. de Orig. iuris. , an ihre Unterthanen ergehen liessen, und welche also blos darum, weil es der Kaiser wollte, das Volk, als Gesetze, ver- banden. Solche Verordnungen publicirten nun die Kai- ser entweder aus eigner Bewegung, oder auf das Ver- langen ihrer Unterthanen; zur erstern Classe gehoͤrten die kaiserlichen Edicte und Mandate ; zur letztern aber die kaiserlichen Rescripte und Decrete . Edicte num imperialium inter caeteras iuris civ. partes excellentia. Frfti 1672. Ulr. huber oder Andr. bruce de Constitutio- nib. Principum. Franeq. 1683. de Constitutionibus Principum. Edicte wurden die allgemeinen kaiserlichen Ver- ordnungen genennt, welche entweder alle Unterthanen des ganzen roͤmischen Reichs, oder einen Theil derselben z. B. eine ganze Provinz angiengen Selbige werden daher auch Leges edictales perpetuae, oder in perpetuum valiturae genennt. L. 6. C. de sec. nupt. L. 6. C. de div. rescript. Zwar wollen verschiedene Rechtsgelehrte behaupten, als ob die Edicte ehemahls, falls sie die Kraft allgemeiner Gesetze haben sollten, durch ein Senatusconsultum haͤtten bestaͤtiget werden muͤssen. S. faber Semestr. Lib. I. c. 25. bach hist. Iurispr. Rom. Lib. III. Cap. I. S. 4. §. 6. u. a. m. Allein diese irrige Meinung hat Herr Dir. Ze- pernick in Diatr. de iudicat. centumviral. §. XXII. not. i. hinter Siccama de iudic. centumvir. S. 402. gruͤndlich wider- legt. . Enthielten diesel- ben die Entscheidung einer streitigen Rechtsmeinung, so hiessen sie Decisionen , z. B. die 50 Decisionen des K. Justinians. Enthielten sie aber sonst ein neues Recht, so wurden sie im eigentlichen Verstande Edicte genennt. Mandate wurden an die Gouverneurs der Pro- vinzen und andere roͤmische Magistratspersonen erlassen, und es waren ihnen darinn die Grenzen ihrer Amtsge- walt und Gerichtsbarkeit vorgezeichnet L. 6. §. 3. fin. D. de offic. Procons. L. 19. pr. D. offic. Praesid. Tit. Cod. de mandat. princip. Nov. 17. S. Car. Em. vizzanius de mandatis Principum. Amstelod . 1657. 4. . Von diesen waren Epistalmata, oder Epitagmata verschieden, denn diese waren kaiserliche Ordres, worinnen einem Minister oder andern kaiserlichen Bedienten die Besorgung eines dem Kaiser selbst betreffenden Geschaͤfts aufgetragen wurde L. 3. C. de quadr. praescr. I. H. boehmer de iure epistal- matis. Halae 1735. 4. . Rescripte 1. Buch. 4. Tit. Rescripte hießen kaiserliche Antwortsschreiben, welche auf eingereichte Bittschriften, oder geschehene An- frage und erstatteten Bericht solcher Unterthanen ergien- gen, die sich in einem zweydeutigen oder schwierigen Rechtsfall, oder in einem andern Anliegen an den Mo- narchen gewandt hatten schulting Orat. pro Rescriptis Imp. Rom. in Commentat. Academ. Halae edit. Vol. I. Diss. III. S. 163. u. folgg. und Dav. Capel. hunthum Diss. de Rescriptis Princip. Rom. Lei- dae 1709. in oelrich Thes. Diss. Belgicar. Vol. II. T. 3. S. 307. u. folgg. . Selbige waren von dreyer- ley Art. 1) Solche, welche auf die Suppliken einzelner Privatpersonen erlassen wurden; diese hießen Rescripte im engern Verstande . Schrieben die Kaiser gleich selbst und mit eigner Hand die Resolution unter die Supplik, so wurden selbige Adnotationes oder Subnota- tiones Die Kaisere selbst brauchen sehr haͤufig die Ausdruͤcke ad- notatio manus nostrae L. 14. C. Th. de cursu publ. L. 52. C. Th. de Haereticis. Nov. Valentiniani III. de homi- cidiis beym ritter T. VI. Cod. Theod. S. 107. ferner ad- notationis nostrae decretum . L. 1. Cod. Iust. de precib. Imp. offerend . Auch kommen die Ausdruͤcke vor: dextra triumphalis L. penult. C. Theod. de annon. Civic. L. 13. C. Iust. de Murileg . dextra principalis , L. 21. 22. u. 23. C. Th. de divers. offic. Beyspiele von sol- chen kaiserlichen Adnotationen finden wir in den Acten der Chalcedonischen Kirchenversammlung Act. I. col. 1038. und 1091. nach der Venet. Concilien-Ausgabe des Labbaͤus . Man vergleiche auch Iac. gothofredus ad LL. 27. u. 28. C. Th. de petition. Ioach. von dale Diss. de Subscriptionib. Princip. Ienae rec. 1750. besonders aber Ant. zirardinus ad Impp. Theodosii Iun. et Valentiniani III. Novellas leges. S. 236. u. folgg. vorzuͤglich S. 241. und 487. Die Kaisere bedien- genennt; andere hingegen, welche nur von dem kaiser- de Constitutionibus Principum. kaiserlichen Cabinetssecretair ( Promagister, Magister Scri- niorum ) ausgefertiget und unterschrieben wurden, hießen rescripta simplicia So werden L. 27. Cod. Theod. de petition. und Novell. Valentin. de homicidiis ausdruͤcklich Adnotationes und Rescripta simplicia unterschieden. S. Iac. gotho- fredus ad d. L. 27. und Ian. a costa ad Decretales. S. 26. . 2) Solche, die an Magistrats- personen auf deren erstattete Berichte ergiengen; diese wurden Epistolae L. 13. §. 5. D. de iure fisci. L. 6. §. 3. D. de off. Pro- cons . genennt. Endlich 3) solche Re- scripte, welche auf die Vorstellung einer ganzen Gemein- heit, einer Provinz, oder Stadt, oder eines andern Colle- giums in einer oͤffentlichen Angelegenheit ergiengen; diese wurden Sanctiones oder Iussiones pragmaticae L. 7. C. de divers. rescript. iunct. L. 15. C. de proxim. sacr. scrin. Ein Beyspiel findet sich L. 4. §. 5. D. de offic. pro- cons. S. boehmer D. de sanction. pragmat. indole (Exer- cit. ad Dig. T. I.) genennt. Kaiserliche Decrete theophilus in Paraphr. Institut. graeca ad §. 6. de I. N. G. et C. sagt decretum est sententia Principis inter duas partes, de quarum ipse causa cognoscit, et iudicat, pronun- tiata . Bisweilen wird jedoch das Wort decretum Prin- cipis im weitlaͤuftigern Verstande fuͤr eine jede kaiserliche Verordnung genommen. L. 7. pr. D. de I. et I. L 28. §. 2. D. Ex quib. caus. maior . S. noodt de pact. et Trans- act. Cap. XIX. zepernick de iudicat. Centumviral. §. XIX. beym siccama S. 378 u. f. waren Urtheile, welche die Kaisere in ihrem Tribunal ( Auditorium Principis ) So hieß der Ort, wo die an den Kaiser gebrachte Rechts- sachen vorgenommen und entschieden wurden. L. 22. pr. D. ad nach bedienten sich zu ihrer Adnotation einer purpurrothen Dinte, welche in den Gesetzen derselben sacrum encaustum genennet wird. L. 6. C. Iust. de div. Respript. 1. Buch. 4. Tit. nach vorhergegangener genauen Untersuchung des streiti- gen Rechtshandels Dies erlaͤutern die Worte Justinians L. 12. pr. C. de Legibus: Si imperialis Maiestas causam cognitionaliter exa- minarit, et utrisque partibus cominus constitutis sententiam dixerit. , und desfalls gemeinschaftlich mit ihren Gerichtsraͤthen und Beysitzern gepflogenen Erwaͤ- gung selbst bekannt machten Lehrreiche Beyspiele von solchen kaiserlichen Decreten liefern uns die Fragmente, welche aus des iulii pauli libris De- cretorum seu sententiarum in imperialibus eognitionibus prola- tarum in unsere Pandecten gekommen, und von Abr. wie- ling Iurisprud. Restitut. S. 159. u. folgg. vollstaͤndig ange- fuͤhrt worden sind. Sie enthalten die Entscheidungen und Urtheilsspruͤche der Kaiser septimii severi und antonini caracallae, in deren Tribunal Paulus selbst nebst an- dern sehr beruͤhmten Rechtsgelehrten der damaligen Zeit Bey- sitzer war. S. Ev . otto in Papiniano Cap. XII. §. 1. S. 364. und Cap. XIV. §. 5. S. 517. Ich will nur einige von diesen Fragmenten ausheben, als L. 38. D. de minorib. L. 8. D. quod cum eo, qui in aliena potest. L. 92. D. de hered. in- stit . u. L. 240. D. de Verb. Signif . welche einen Beweis ge- ben, wie sehr oft der Kaiser mit seinen Tribunalsraͤthen uͤber die Entscheidung streitiger Faͤlle disputiret, und wie freymuͤthig der Jurist Paulus denen Kaisern selbst ins Gesicht wi- dersprochen habe. S. zepernick Diatr. cit. §. XVI. beym siccama S. 365. . War der Proceß zum End- ad SCt. Trebell. L. 18. §. 1. D. de minorib. L. 54. D. de re iudic. L. 1. §. fin. D. ne de statu defunctor. L. 40. 44. 48. C. Th. de appellat . (Lib. XI. Tit. 30.) L. 3. 4. 5. eod. de reparat . (XI. 31.) Von diesem war das Consistorium Prin- cipis, der geheime Rath , oder Cabinetsrath der Kaiser verschieden, in welchen blos Staatsgeschaͤfte abgehan- delt wurden. Man vergleiche die schoͤne und gelehrte Schrift des Herrn D. Christ. Gottl. haubold de Consistorio Princi- pum. Lipsiae 1788. Cap. III. de Constitutionibus Principum. Endurtheil noch nicht reif, sondern kam es noch auf wei- tere Eroͤrterung eines Punctes an, wovon die Entschei- dung der Hauptsache abhieng, oder war sonst nur ein Nebenpunct des obschwebenden Rechtsstreits durch das kaiserliche Erkaͤnntniß decidiret worden, so hieß solches Interlocutio Principis L. 1. §. 1. D. h. t. — de plano interlocutus est. huber Praelect. ad Institut. Lib. I. Tit. 2. §. 9. hat sich ganz unrich- tige Begriffe von kaiserlichen Decreten und Interlocu- tionen gemacht, welchen Ioh. Casp. heimburg Progr. II. de Interlocutionibus Principum occas. L. I. §. 1. D. de Con- stitut. Princ. Ienae 1739. gruͤndlich widerlegt. . Durch diese Begriffe erhalten nun die Worte Ulpians L. 1. §. 1. D. h. t. ihr Licht, wenn dieser sagt: Quodcunque igitur Imperator per epistolam et subscri- ptionem statuit, vel cognoscens decrevit , vel de plano interlocutus est, vel edicto praecepit: legem esse con- stat. Hae sunt, quas vulgo constitutiones appella- mus . Zuletzt muß ich noch einer Eintheilung der kaiser- lichen Verordnungen gedenken, deren Ulpian §. 2. cit. L. 1. h. t. in fol- genden Worten Erwaͤhnung thut: Plane ex his quaedam sunt Personales , nec ad exemplum trahuntur. Nam quod Princeps alicui ob merita indulsit, vel si quam poe- nam irrogavit, vel si cui sine exemplo subuenit: personam non egreditur . Diesemnach sind also die Constitutiones Principum entweder generales oder speciales s. personales §. 6. in fin. I. de I. N. G. 65 Civ. . Erstere werden diejenigen genennt, welche eine gemeine Regel fuͤr alle enthalten; letztere hingegen, welche eine Ausnahme von der allgemeinen Vorschrift der Gese- tze in Ansehung einzelner Personen enthalten; es sey nun, Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. K k 1. Buch. 4. Tit. nun, daß entweder diese Ausnahme zu Gunsten dersel- ben und auf eine fuͤr sie vortheilhafte Weise, ( constitutio- nes favorabiles ) oder auf eine gehaͤßige Art gemacht wor- den, indem eine haͤrtere Strafe in einem Falle dictiret worden, als die Gesetze sonst in demselben bestimmt ha- ben ( constitutiones odiosae ) Sehr gut erlaͤutert diese Eintheilung theophilus Paraphr. Instit. graeca ad §. 6. tit. de I. N. G. et C. — Atque harum (sc. Constitutionum) quaedam sunt personales , neque in exemplum trabi possunt: quia non hoc princeps voluerit: nam si cui Princeps ob egregia in rempublicam merita aliquid con- cesserit, veluti immunitatem a tributis aut vectigalibus, ac deinde alius quispiam non peius, aut etiam longe melius de Republica mereatur, is ex illa Lege consimilem sibi immuni- tatem vindicare non poterit: propterea, quod illa Lex intra certam personam consistat. Sed et si cui aut graviorem, quam pro delicto, vel quam Lege cautum est, poenam irrogaverit, aut poenae gratiam fecerit, id ad consequentiam non pertinet. Itaque nec si quis postea in idem delictum inciderit, aut simi- lem gratiam consequetur, aut gravius, quam par est, in eum animadvertet. Quoniam intra personas eorum, quibus sub- ventum est, vel auctum supplicium, ea sistentur. Personales igitur Constitutiones personas eorum, de quibus emissae sunt, non excedunt. Quae autem generales sunt, in omnes tum personas, tum res, valent, atque extenduntur . . Aus dem Zusammenhang der ganzen Stelle des Ulpians siehet man, daß er die oben gedachten Arten der kaiserlichen Constitutionen und also auch die Rescripta und Decreta Principum zu den generellen Constitutionen rechne, dieses ließ sich jedoch vor Justinians Zeiten anders nicht annehmen, als wenn die Kaiser ihren Decreten oder Rescripten die clausulam Edicti inserirt hatten L. 2. et 3. C. de Legib. et Constitut . Einen vortreflichen Commentar uͤber diese Stellen findet man in des Herrn Dir. zeper- , sonst machten sie nur ein Recht unter de Constitutionibus Principum. unter den Partheyen, wenn sie nicht etwa hernach durch die bestaͤndige Anwendung in aͤhnlichen Faͤllen die Kraft eines allgemeinen und bestaͤndigen Gewohnheitsrechts er- halten hatten Man vergleiche Henr. brenkmann Diatr. de Eurematicis. Cap. VII. Sect. II. §. XI. und folgg. S. 332. Ger. noodt in Diocletiano et Maxim. cap. 2. Ant. schulting Orat. pro rescript. Princ. Rom. §. 4. und van wachendorf in Diatr. de principe legibus soluto. Cap. III. §. 3. . Ich werde hiervon beym folgenden §. 96. noch etwas umstaͤndlicher zu handeln, Gelegenheit haben. Heutiges Tages giebt es nun zwar auch eben so mancherley Gattungen landesherrlicher Verord- nungen S. Io. Christ. kochii meditat. de constitut. Principum. Ienae 1754. , als es bey den Roͤmern kaiserliche gab; inzwischen werden doch oft mit den roͤmischen Benennun- gen ganz andere Begriffe verbunden. Ich werde dieses gleich naͤher zeigen. Unter einer landesherrlichen Verordnung verstehet man heutiges Tages uͤberhaupt nichts anders als die ausdruͤckliche Willenserklaͤrung eines Landesherrn, wodurch derselbe in Ansehung seiner Unter- thanen etwas verfuͤgt, was geschehen oder nicht geschehen soll. Eine solche Verordnung soll nun entweder nach der ersten und fuͤrnehmsten Absicht des Landesherrn alle Un- terthanen desselben angehen, oder nicht. Im ersten Fall wird sie eine allgemeine , im zweyten aber eine be- sondere landesherrliche Verordnung genennt. Die allgemeinen landesherrlichen Verordnungen heißen heu- tiges Tages uͤberhaupt Edicte , in einigen Laͤndern aber K k 2 auch zepernick Diatr. de iudicat. centumviral. §. XX. beym sic- cama S. 384 u. folgg. 1. Buch. 4. Tit. auch Mandate. Rescripte aber werden h. z. T. nicht nur die auf Veranlassung, z. B. auf vorhergehen- de Vorstellung eines Supplicanten, oder erstatteten Be- richt eines Beamten, sondern auch aus eigner Bewegniß an gewisse Personen erlassene landesherrliche Verordnun- gen genennet Dieser heutige Begriff der Rescripte ruͤhrt aus dem cano- nischen Rechte her. Siehe Tit. Decretal. de Rescriptis (Lib. I. T 3.) und C. 23. de praebend. in 6to. boehmer princip. iur. canon. Lib. II. Sect. III. Tit. IV. §. 225. . Ja was noch mehr ist, es werden sogar unter Rescripten auch nur solche Schreiben ver- standen, welche nach gewissen Curialien von einem Ober- Collegium an den Unterrichter in buͤrgerlichen oder pein- lichen Justizsachen zu des leztern Nachachtung ergehen. Und diese sind entweder blose Schreiben um Bericht- Erstattung ( rescripta informativa ) oder solche, welche auf Justizbeschleunigung abzielen, ( promotorialia ) oder solche, wodurch eine Sache wegen Justizverzoͤgerung, oder den Verdacht einer Partheylichkeit abgefordert wird, ( avoca- toria ) u. d. m. S. D. Just. Claproths Grundsaͤtze von Verfertigung und Abnahme der Rechnungen, von Rescripten , und Be- richten ꝛc. Goͤttingen 1783. . Landesherrliche Rescripte aber werden in Gemaͤßheit des canonischen Rechts in Gnaden- ( rescripta gratiae ) und Justizrescripte ( rescripta iustitiae ) eingetheilt, je nachdem dadurch vom Landesherrn entweder eine Gnade, z. B. eine Versor- gung, oder Anwartschaft, oder eine Befreyung und Loß- zaͤhlung, oder sonst dergleichen verliehen wird, oder aber in einer streitigen Rechtssache bestimmt wird, was nach dem ordentlichen Rechtslauf in derselben geschehen soll. Der Unterschied zwischen beyden Arten landesherr- licher Rescripte ist nach canonischen Rechten von großer Wich- de Constitutionibus Principum. Wichtigkeit. Denn Gnadenrescripte erhalten ihre Wirkung gleich von dem Tage ihrer Ausfertigung ( a tempore datae ) an; Justizrescripte aber erst von der Zeit an, da sie dem Richter vorgezeiget worden sind ( a tempore insinuationis ) c. 7. c. 19. X. de Rescript. c. 9. c. 14. eodem in 6 to. c. 7. de Praebend. in 6 to. cap. 59. X. de Appellat. G. L. boeh- mer Princip. iur. canon. Lib. II. Sect. III. Tit. 4. §. 227. Paul. Ios. a riegger Institut. iurisprud. eccles. P. II. §. 95. und Eibel Einleitung in das kathol. Kirchenrecht. IV. Th. I. B. 2. Hauptst. §. 256. . Und zwar sollen leztere nach der Vorschrift des canonischen Rechts laͤngstens innerhalb eines Jahres von dem Impetranten vor- gezeiger werden, nachdem derselbe Gelegenheit dazu bey dem Richter gehabt hat cap. 9. u. 23. X. de rescript. Franc . florens ad Tit De- cretal. de Rescript. Tr. 3. Oper. Tom. I. S. 101. Eibel a. a. O. §. 255. . Ist solches aus Gefaͤhrde oder nur aus Nachlaͤßigkeit unterlassen worden, so gilt das Rescript nichts mehr gegen ein neueres, welches der Gegner unterdessen ausgewirkt hat. Es verstehet sich also, daß wenn kein gegenseitiges anderes Rescript er- folgt ist, das erstere auch noch nach einem Jahre seine Guͤltigkeit behalten werde L. 2. Cod. de divers. Rescript. S. fachinaeus Contro- vers. iuris Lib. VIII. cap. 65. Jedoch ist die Ausnahme, die L. 2. macht, si modo tempus, in quo allegari vel audiri de- bent, non sit comprehensum, nicht aus der Acht zu lassen. . Die Benennung einer pragmatischen San- ction kommt heutiges Tages im roͤmischen Sinn gar nicht mehr vor; sondern man verstehet vielmehr darunter ein schriftlich errichtetes Fundamentalgesetz, welches den oͤffentlichen Zustand und Verfassung eines Landes oder K k 3 Reichs 1. Buch. 4. Tit. Reichs betrift, und mit Einwilligung der Staͤnde dessel- ben dergestalt gegeben worden ist, daß es eine bestaͤndige Guͤltigkeit haben solle. Man vergleiche boehmer oben angefuͤhrte Dissertat. Cap. II. . Auch faͤllt der Unterschied unter Adnotationen und blosen Rescripten heut zu Tage von selbst weg. Dagegen aber pflegen die an hohe Landescollegia oder andere Justizbeamte ergehende Rescripte unterweilen Fuͤrstliche Ausschreiben ge- nennt zu werden. Endlich Decrete koͤnnen zwar auch noch heutiges Tages in der roͤmischen Bedeutung vorkommen, nur duͤr- fen nicht die Urtheilsspruͤche der hoͤchsten Justiz-Collegien damit verwechselt werden; denn zwischen diesen und den Sentenzen oder Entscheidungen des Landesherrn ist ein großer Unterschied. Was der Landesherr nach geschehener Untersuchung des vorgegangenen Rechtshandels selbst ent- scheidet, macht nicht blos ein Recht unter den Partheyen, sondern wird auch fuͤr aͤhnliche Faͤlle ein Gesetz L. fin. C. de Legib. . Allein diese gesetzgebende Gewalt stehet selbst denen hoͤchsten Ju- stizcollegien im Lande nicht zu S. reinharth select. Observat. ad Christinaeum. Vol. I. Obs. 1. und 2. . Landesherrliche De- crete muͤssen also nicht blos im Namen des Landesherrn abgefaßt, sondern von ihm selbst ertheilet, und unter- schrieben worden seyn Eichmann Erklaͤrungen des buͤrgerlichen Rechts. 2. Th. S. 13. . Indessen pflegen auch heutiges Tages nicht selten unter Decreten landesherrliche Be- fehle verstanden zu werden, wodurch Jemanden ein oͤffent- liches Amt ertheilet wird. §. 96. de Constitutionibus Principum. §. 96. Von der Verbindungskraft landesherrlicher Edicte, Decrete und Rescripte. Was haben denn nun aber Edicte, Re- scripte und Decrete der Regenten fuͤr ein Ansehen? Sind selbige ohne Unterschied als allge- meine Gesetze zu betrachten, dergestalt, daß auch die landesherrlichen Decrete und Rescripte in allen aͤhn- lichen Faͤllen wieder angewendet werden muͤssen? oder ist nicht wenigstens in Ansehung dieser eine Ausnahme zu machen? Wir muͤssen einen Unterschied machen. Soviel I ) die landesherrlichen Edicte anbetrift, so sind diese ohnstreitig fuͤr alle Unterthanen verbindlich; in so fern sie auf die gehoͤrige Art bekannt gemacht wor- den sind. Der Grund hiervon ist nicht, wie der Autor meint, weil sie ein ganz neues Recht enthal- ten; Nein; die Faͤlle sind ja nicht selten, daß unsere Landesherren durch ihre Edicte nur schon vorhandene be- staͤttigen oder erlaͤutern; sondern der wahre Grund der allgemeinen Verbindungskraft landesherrlicher Edicte liegt in den Willen des Landesherrn selbst. Denn Edicte werden ja lediglich in dieser Absicht bekannt ge- macht, daß sie alle Unterthanen des Gesetzgebers verbin- den sollen. Auch nach roͤmischen Rechten hat dieß so wenig Zweifel, daß sogar Verordnungen, welche sonst nur ein Recht unter den Partheyen machten, dadurch das Ansehen allgemeiner Gesetze erhielten, wenn denen- selben die clausula Edicti inserirt worden L. 3. C. de Legib. et Constit. et Edict. Leges ut generales ab omnibus aequaliter in posterum observentur, quae vel mis- sae . Was aber K k 4 II ) die 1. Buch. 4. Tit. II ) die Decreta Principum anbelangt, so haben sol- che bey den Roͤmern nicht immer einerley Wirkung ge- habt. Denn vor Justinians Zeiten machten dieselben in der Regel nur ein Recht unter den streitenden Partheyen, wenn nicht die Kaisere ausdruͤcklich erklaͤrt hatten, daß solche auch in aͤhnlichen Faͤllen zur Entscheidung dienen sollten. Hieraus laͤsset sich erklaͤren, warum die roͤmi- schen Rechtsgelehrten die kaiserlichen Decrete nur immer illustrationis caussa und zuletzt anzufuͤhren pflegten, wenn sie ihren Satz oder Meinung schon genugsam durch an- dere, manchmal sehr weit und muͤhsam herbeygeholte Gruͤnde unterstuͤtzt zu haben glaubten L. 2. D. de offic. Assessor. L. 3. § . 5. D. de liber. exhib. L. 13. §. ult. D. de Excusat. . Ja wir fin- den Beyspiele in den Pandecten, daß zuweilen die roͤmi- schen Rechtsgelehrten Meinungen gehegt haben, die den ausdruͤcklichen kaiserlichen Decreten entgegen waren, und zwar mit den Effect, daß man selbst in den Gerichten je- ne Meinungen denen Decreten der Kaiser vorgezogen hat L. 28. D. de inoff. testam. L. 1. § . 14. D. ad Leg. Falcid. . Selbst die roͤmischen Kaiser vor Justinian woll- ten nicht, daß ihre Decrete als allgemeine Gesetze gelten sollten. Hiervon uͤberzeugt uns die bekannte Verordnung der Kaiser Theodosius und Valentinian L. 2. Cod. de Legib. et Constitut. Princip. et Edict. Man vergleiche hier vorzuͤglich des H. Dir. zepernick Diatr. de iudicat. centumviral. §. XX. u. folgg. , in welcher es heißt: Quae ex relationibus vel suggestio- nibus sae a nobis ad venerabilem Coetum oratione conduntur, vel inserto edicti vocabulo nuncupantur ; sive eas spontaneus mo- tus ingesserit, sive precatio, sive relatio, vel lis mota legis occasionem postulaverit. de Constitutionibus Principum. nibus iudicantium, vel consultatione Das Wort Consultatio erklaͤrt Iac . gutherius de Offic. domus August. Lib. I. c. 28. durch eine kaiserliche Sentenz, welche nach dem Gutachten der kaiserlichen Raͤthe, und nach vorhergegangener Untersuchung der Sache abgefaßt worden; allein es kann auch darunter das Gutachten der kaiser- lichen Raͤthe selbst verstanden werden, wornach das kai- serliche Decret abgefasset zu werden pflegte. in commune flo- rentissimorum sacri nostri palatii procerum auditorium intro- ducto negotio statuimus , — nec generalia iura sint, sed leges faciant his duntaxat negotiis atque personis, pro quibus fuerint promulgata Eben dieses bestaͤtigen auch die Worte der L. 3. C de LL. — interlocutionibus, quas in uno negotio iudicantes protulimus, vel postea proferemus, non in commune praeiudicantibus. . Und gerade dasselbe muͤssen wir III ) aus den naͤmlichen Gruͤnden auch von den kai- serlichen Rescripten vor Justinians Zeiten sagen. Es erhellet dieses auch vorzuͤglich aus einer Verordnung der Kaisere Arcadius und Honorius vom Jahr Chri- sti 498 L 9. Cod. Theod. de divers. rescript . (Lib. I. Tit. 2.) und Iac . gothofredus in Comment. ad eandem. T. I. S. 25. edit. Ritteri. , welche folgender Gestalt lautet: Rescripta ad consultationem emissa vel emittenda in futurum iis tantum negotiis opitulentur, quibus effusa docebuntur. Daher sich erklaͤren laͤsset, warum die Kaisere so oft eben dasselbe re- scribirt haben L. 29. D. ad L. Cornel. de fals. L. 1. C. in quib. caus. in int. restit. L. 2. C. de hered. tutor. L. 26. D. de pign. act. Es ist merkwuͤrdig, was Kr. alexander an einen gewissen Superus L. 1. C. Iust. de div. rescript. zu rescribiren veran- lasset wurde, daß das Rescript, so Supplikant mit seinem Bruder in causa communi erhalten, auf sie beyde gehe, wenn es . Allein Justinian hat dieses geaͤn- K k 5 dert, 1. Buch. 4. Tit. dert, und in der L. 12. Cod. de LL. et Constitut. beyden, denen Decreten wie den Rescripten , ein allgemei- nes gesetzliches Ansehen beygelegt. Ich will nur einige Stellen aus dieser Verordnung Justinians excerpiren. Gleich Anfangs heißt es: Si imperialis maiestas causam cognitionaliter examinaverit, et partibus cominus constitutis sententiam dixerit: omnes omnino iudi- ces, qui sub nostro imperio sunt, sciant, hanc esse legem non solum illi causae, pro qua producta est, sed et omnibus similibus. Quid enim maius, quid sanctius Imperiali est maiestate? vel quis tantae su- perbiae fastidio tumidus est, ut regalem sensum con- temnat: cum et veteris iuris conditores constitutio- nes, quae ex imperiali decreto processerunt, legis vim obtinere, aperte dilucideque definiant? Diese Worte lassen sich mit denen oben angefuͤhrten Gruͤn- den nicht zusammen reimen. Allein man wundere sich dar- uͤber nicht. Es ist nichts neues, daß Justinian zur Rechtfer- tigung und Empfehlung seiner Rechtsaͤnderungen sich derglei- chen Fictionen erlaubt habe. Beyspiele haben Ant . contius Lection. subcesivar. Lib. I. c. 9. Hieron. de oroz de Apicib. iur. civil. Lib. V. cap. VII. n. 3. 4. u. folgg. und Hr. Dir. zepernick a. a. O. §. XXI. S. 400. nach Siccama, ge- sammlet. Hier ist nun zwar blos die Rede von den kaiserlichen Decre- ten , allein daß Justinians Intention sich auch auf die Rescripte gleichermaßen erstrecke, ergiebt sich aus den nachfolgenden Worten. Definimus autem, omnem Im- peratorum legum interpretationem, sive in precibus , sive in iudiciis, sive alio quocunque modo factam, ratam es auch gleich nur an einem derselben gerichtet worden. Eine solche Anfrage wuͤrde hoͤchst laͤcherlich gewesen seyn, wenn damalen die kaiserlichen Rescripte schon an sich ein gemeines Recht gemacht haͤtten. de Constitutionibus Principum. ratam et indubitatam haberi. Sollen jedoch Decrete und Rescripte nach dieser Verordnung des Justinians eine allgemeine gesetzliche Verbindungskraft haben, so wird nach den ausdruͤcklichen Worten derselben erfordert, daß selbige eine zweifelhafte und streitige Rechtsfrage ent- scheiden muͤssen. Denn die eine blose quaestionem facti entscheiden, z. B. ob der Beweis fuͤr vollfuͤhrt zu halten, welcher dem Klaͤger oder dem Beklagten aufgelegt wor- den? oder ob die ergriffene Appellation fuͤr desert zu er- klaͤren? koͤnnen ihrer Natur nach nicht die Wirkung ei- nes gemeinen Rechts hervorbringen S. reinharth select. Observat. ad Christinaeum. Vol. I. Obs. I. n. 10. 11. u. folgg. . So weit vom roͤmischen Rechte; und ich glaube, durch den eingeschla- genen Weg der historischen Darstellung haben wir alle die Schwierigkeiten gluͤcklich vermieden, die andere hier- bey gefunden, welche zwischen die L. 2. 3. und 12. Cod. de Legibus eine Vereinigung zu treffen gemeinet ha- ben Man vergleiche Fr . balduinus in Iustiniano Lib. II. S. 95. ( edit. Gundling . ) Ebenderselbe in Commentar. ad §. 6. I. de I. N. G. et Civ. ad verb. Decreta. Ulr . huberus Praelect. ad Digest. h. t. §. 5. cocceji Iure Controv. h. t. Qu. 1. Casp . ziegler in Dicastice Conclus. XXXVI. §. 19. 20. u. folgg. . Die Frage ist nur noch, ob jene Vorschrift des justi nianischen Rechts noch heutiges Tages anwend- bar sey? Die Rechtsgelehrten sind deshalb nicht einer- ley Meinung. Huber a. a. O. §. fin. Quod eo plus hodiernis moribus habet evi- dentiae, quo magis constat, bis diebus Principes — rebus iudicandis se dedere non solere, vel si his rebus se misceant, fere id eo comparatum esse, ut extra ordinem ignoscant, aut animadvertant, quod ad legis non valere consequentiam, ipsa iuris eivilis regula dictat . scheint es zu verneinen; al- lein 1. Buch. 4. Tit. lein ohne einen uͤberzeugenden Grund, wie schon Rein- harth, der ihn gruͤndlich widerlegt, gezeigt hat a. a. O. Obs. 2. S. 3. u. folg. . Nur aber ist freylich auch heutiges Tages immer die con- ditio sine qua non, daß das landesherrliche Rescript oder Decret, welches dem Richter in aͤhnlichen Faͤllen zur gesetzlichen Norm dienen soll, eine streitige Rechtsfrage entschiede, oder ein dunkeles und zweifelhaftes Gesetz erklaͤre, und dabey allen, wo nicht Unterthanen, doch wenigstens Richtern zur Nach- achtung gehoͤrig bekannt gemacht worden sey Eben dieses erfordert auch Ziegler a. a. O. §. 23. S. 665. am Ende, wo es heißt: Non alia videtur esse ratio decisionum Principis, quas si legis habere vim debent, omni- bus, si non subditis quibuscumque, saltem iudicibus inferio- ribus intimari necesse est. Immo vero interesst Reip. ut in omnium subditorum perveniant notitiam, cum litem saepe in- cepturus non sit, cuius ipse exitum sibi decisione principali divinare queat. . Fuͤrst- liche Machtspruͤche S. Mart . schrader Tr. de sententiis Principum ex ple- nitudine potestatis latis. hingegen kann man auch heutiges Tages so wenig als blose Gnadenrescripte in aͤhn- lichen Faͤllen zum Muster nehmen. Eben dieses findet statt, wenn der Landesherr, nicht als Gesetzgeber, son- dern nur als oberster Richter seines Landes in einer an ihn gebrachten Proceßsache, nach vorhergegangener vollstaͤndigen Untersuchung derselben, ein Decret oder Re- script ertheilet hat, welches nach seinem Willen, und nach der Beschaffenheit der Sache, nur ein Recht unter den streitenden Partheyen machen soll Richtig sagt daher Ziegler a. a. O. §. 22. Ubi Princeps non decernit animo faciendae legis , sed ita interloqui- tur, . Solche Decrete und de Constitutionibus Principum. und Decisiv Rescripte werden alsdann, wie Urthei- le, angesehen, und koͤnnen, wie diese, die Rechtskraft beschreiten Dav. Gottl . diez Pr. de rescriptis Principum auctoritatem rei iudicatae habentibus. Lipsiae 1727. Nettelbladt prak- tische Rechtsgelahrtheit. §. 575. , dahero derjenigen Parthey, welche damit nicht zufrieden ist, obliegt, binnen zehen Tagen Vorstel- lung darwider zu thun, und dieserhalb ihre Nothdurft entweder bey dem Richter, an welchen das Decret oder Rescript ergangen ist, anzubringen, und um Berichter- stattung an den Landesherrn zu bitten, oder sich mit ih- rer Vorstellung unmittelbar an den Landesherrn selbst zu wenden S. Eichmann Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts. 2. Th. §. 97. b. S. 60. u. ff. Iust. H . boehmer in Iur. Eccl. Pro- test. Lib. I. Tit. 3. §. 9. . §. 97. Form und Guͤltigkeit landesherrlicher Rescripte und Rechtsmittel gegen deren Erschleichung. Sollen jedoch Rescripte guͤltig seyn, so wird hier- zu folgendes erfordert. I ) Sie muͤssen entweder vom Landesherrn selbst un- terschrieben, oder wenigstens auf dessen Befehl von ei- nem Minister, oder dem Cabinets-Secretair unterzeich- net worden, und mit dem landesherrlichen Siegel verse- hen seyn L. 3. L. 6. Cod. Iust. de divers. rescript. Auch bey den Roͤmern war der Fall nicht selten, daß nur der Geheimsecre- tair . II ) Sie tur, ut ultra negotium, circa quod pronunciat, sententia non extendatur, facile exinde patet, alios, quos negotium istud non concernit, eo decreto non obligari. Ratio est, quia tum nudi iudicis partes sustinet, non legislatoris , quae duo officia in Principe accurate distingui debent . 1. Buch. 4. Tit. II ) Sie muͤssen das Datum in der Unterschrift ent- halten. Nach den Worten eines gewissen Gesetzes in dem verbesserten Codex des Kaiser Justinians, sollen zwar nur beneficia personalia, das heißt, Gnadenrescripte, sine die et Consule nich gelten L. 4. C. Iust. de div. rescript. Diese Verordnung, welche von Constantin dem Grossen herruͤhrt, ist jedoch vom Tribonian sehr interpolirt worden. Denn so wie sie im Theodosianischen Codex Lib. I. Tit. I. L. 1. lautet, gehet sie auf alle, auch die allgemeinen Constitutionen. S. Iac . go- thofredus Commentar. ad h. L. Tom. I. Cod. Theod . S. 6. . Allein auch bey Justizre- scripten kommt sehr viel auf das Datum an, um zu beur- theilen, welches unter mehreren Rescripten dem andern vorgehe; andere Ursachen zu geschweigen, weshalb die Bemerkung der Zeit, wenn ein Rescript erlassen worden, in jedem Falle erforderlich ist S. voet Comment. ad Pandect. h. t. §. 5. westenberg in Divo Marco Diss. II. cap. 2. §. 12. . III ) Duͤrfen Rescripte auch nicht dem oͤffentlichen Wohl des Staats, noch dem auf eine rechtmaͤsige Art schon erworbenen Recht eines Andern zuwider seyn L. 6. Cod. si contra ius vel util. publ. L. 3. L. 7. Cod. de precib. Imp. offerend. . Der Landesherr kann daher nicht die Fortsetzung eines Streits, der schon durch einen rechtsguͤltigen Transact gehoben ist, durch ein Rescript erlauben L. 16. Cod. de Transact. ; oder Je- manden durch ein Rescript ein Recht ertheilen, was ihm schon durch ein rechtskraͤftiges Urtheil ist abgesprochen wor- tair ( Promagister ) das Rescript Namens des Kaisers unter- schrieb. S. Puͤttmann Probabil. iur. civ . lib. sec. cap. IV. S. 34. u. 35. de Constitutionibus Principum. worden; es muͤßte den etwa die Wohlfahrt des Staats solches erheischen. Denn wenn die Wohlfahrt des Gan- zen mit dem Wohl eines einzelnen Buͤrgers in Collision kommt, so kann der Landesherr ohne Zweifel einer Privat- person auch ihre wohlerworbenen Rechte, jedoch nur un- ter Voraussetzung einer andern hinlaͤngli- chen Entschaͤdigung, nehmen Schlettweins Rechte der Menschheit. (Gießen 1784.) S. 483. puͤtter Institut. iur. publ. Lib. III. c. 1. §. 117. . Endlich wird nun noch IV ) zur Guͤltigkeit der Rescripte nothwendig erfor- dert, daß in dem Bericht, oder der Supplik, wodurch das Rescript ist ausgewirkt worden, die Sache der Wahr- heit gemaͤß dem Landesherrn muͤsse vorgetragen worden seyn. Denn in der vorausgegangenen Vorstellung liegt ja der Grund des ganzen Rescripts, sind nun also dem Landesherrn die wahren Umstaͤnde der Sache verschwiegen, und dagegen falsche angefuͤhret worden, so faͤllt der Grund des Rescripts weg, und folglich kann auch das Rescript selbst nicht gelten. Es muß sich also immer die Sache berichtetermaßen verhalten. Hierin stimmen auch die roͤmischen und canonischen Rechte mit einander uͤber- ein L. 7. C. de div. rescript. L. pen. et ult. C. si contra ius vel util. publ. c. 2. 3. 8. 15. 17. 19. 20. 22. 26. X. de re- script. , nur mit dem Unterschiede, daß ersteres L. 7. pr. C. de div. rescript. die Einruͤkung der Clausel: si preces veritate nitantur, zur Guͤltigkeit eines jeden Rescrips verlangt, letzteres c. 2. X. de rescript. aber, wornach wir heutiges Tages gehen boehmer Iur. Eccl. Protest. Lib. I. Tit. 3. §. 4. , solche als eine still- 1. Buch. 4. Tit. stillschweigende Bedingung in einem jedem Rescript an- nimmt. Alle Rescripte sind also unter der Clausel zu verstehen: wenn die Sache sich wirklich so ver- haͤlt, als sie dem Landesherrn vorgestellet worden ist; sie mag nun in dem Rescript ausdruͤcklich enthalten seyn oder nicht. Befindet sich die Sache anders, als dem Landesherrn von dem Impetranten vorgestellet wor- den ist, so wird das auf eine solche Art erhaltene Rescript ein heimlich erschlichenes genennt. Hierwieder kann sich Impetrat, dem es zum Nachtheil gereicht, mit einer Einrede schuͤtzen, die nach dem Unterschiede der Faͤlle bald exceptio subreptionis, bald exceptio obreptionis heißt. Ist nehmlich das Rescript durch Anfuͤhrung falscher facti- scher Umstaͤnde erschlichen worden, so stehet demselben die Einrede der Subreption entgegen; ist es aber durch Verschweigung wahrer, zur Sache gehoͤriger Um- staͤnde veranlasset worden, so findet dagegen die Ein- rede der Obreption statt Dies sind die gewoͤhnlichen Begriffe, die auch unser Autor fuͤr richtig haͤlt, und welche in dem cap. 20. X. de rescript. ihren Grund haben. Andere erklaͤren jedoch die Sache gerade umgekehrt. S. Io. Volckm . bechmann Diss. de sub- et ob- reptione Cap. I. Ueberhaupt sind die aͤltern Rechtslehrer zum Theil sehr unbestimmt hieruͤber. . Einige nennen auch beyde zusammen exceptionem mendacii. Ueber die Frage, ob zwischen den gedachten Exceptionen ein wahrer Un- terschied anzunehmen sey, stimmen die Meinungen der Rechtsgelehrten nicht mit einander uͤberein. Einige ver- werfen allen Unterschied, weil in den Gesetzen Sub- und Obreption fuͤr gleichbedeutend genommen wuͤrden mascardus de probationibus Vol. III. Conclus. 1123. p. 6. u. ff. P . friderus de Processibus Lib. I. c. XV. §. 3. Huld. . Andere de Constitutionibus Principum. Andere hingegen wollen mehr als einen Unterschied ge- funden haben. Sie setzen ihn darinn 1) daß durch die Subreption ein Falsum begangen werde, nicht aber durch die Obreption Sam . stryck Diss. de falsitate precum principi oblatarum. Halae 1699. Cap. IV. n. 34. . 2) Daß die Einrede der Subreption nicht von dem Exciptenten bewiesen werden duͤrfe, weil dieser verneine, daß das, was dem Landesherrn vorge- tragen worden, Wahrheit sey. Bey der Obreption hin- gegen verhalte sich die Sache ganz anders. Diese muͤsse derjenige, der selbige zur Ausflucht vorschuͤtzet, allemahl beweisen, weil er nicht blos etwas verneine, sondern be- haupte, was nicht vermuthet werden koͤnne, naͤmlich, daß nicht alle, und zwar wesentliche, Umstaͤnde angefuͤhret worden waͤren I. H . boehmer in Iure Eccl. Protest. T. I. Tit. 3. §. 11. Eibel im katholischen Kirchenrecht IV. Th. 1. Band §. 262. not. c. S. 98. u. f. Eichmann Erklaͤrungen des buͤrgerl. Rechts Th. II. S. 63. u. f. und eben dieser Meinung ist auch unser Autor . . Allein soviel den erstern Unterschied anbetrift, so ist dieser offenbar ungegruͤndet, weil, wie die Criminalisten umstaͤndlich zeigen S. de boehmer Observat. select. ad Carpzovii Practicam rerum criminal. P. II. Qu. 93. Obs. 1. u. folgg. a leyser Meditat. ad Pandect. Specim. 614. u. ff. und koch Institut. iuris crim. Lib. II. cap. 39. , jede Verdrehung der Wahrheit, die auf den Schaden eines andern abzweckt, zumal wenn sie vorsetzlich ist, sie mag begehungs- oder unter- Huld. ab eyben in Scriptis (Argentorati 1708. fol.) S. 496. Obs. Pract. in Perez. Sie berufen sich auf L. Io. § . 2. D. de in ius voc. L. 8. § . 1. D. de negot. gest. L. 1. § . 1. D. si a parente quis manumiss. L. 49. de bon. libertor. L. 2. C. de Legib. L. 1. C. si nuptiae ex rescript. Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. L l 1. Buch. 4. Tit. unterlassungsweise geschehen, unstreitig ein Falsum zu nennen ist. Der andere bemerkte Unterschied, welcher den Beweis der vorgeschuͤtzten Einrede: daß das Rescript erschlichen sey, betrift, ist auch noch gros- sen Zweifeln unterworfen. Denn, wie bekannt, sind die Rechtsgelehrten hieruͤber noch nicht einig. Einige wol- len den Beweis ohne Unterschied dem Impetranten auf- legen; weil alle Rescripte unter der Clausel zu verstehen, si preces veritate nitantur, der Impetrant aber, daß die Sache sich berichteter maßen verhalte, jederzeit gegen den Excipienten behaupte, mithin auch den Grund des Re- scripts beweisen muͤsse Dieser Meinung ist mascard de probationibus a. a. O. n. 4. dieselbe Meinung haͤlt auch boehmer a. a. O. §. 11. uͤberhaupt fuͤr gegruͤndet, und sucht selbige nur durch die oben- angemerkte Distinction noch genauer zu bestimmen. . Andere hingegen verlangen den Beweis schlechterdings von dem Excipienten. Denn, 1) sagen sie, sey es eine gemeine Regel: reus excipiendo fit actor; er muß also fundamentum intentionis suae beweisen; und 2) nach der bekannten praesumtione doli exclusiva duͤrfe die Begehung eines falsi von dem Im- petranten nicht vermuthet werden S. zanger Tr. de exceptionibus P. II. c. XV. n. 18. u. ff. bechmann Diss. cit. de Sub. et obreptione Cap. III. §. 9. stryck cit. Diss. Cap. 3. von eyben a. a. O. ad n. 4. schaumburg in Digestis Lib. I. Tit. IV. §. 6. Hr. GJR. boehmer in Princip. iur. canon. Lib. II. Sect. III. Tit. IV. §. 228. Hr. Prof. hofacker in Princip. iur. civ. T. I. §. 115. u. m. . Diejenigen haben wohl ohne Zweifel die richtigste Meinung, welche, ohne eine bestimmte Regel zu geben, nach Befinden der vorkommen- den Umstaͤnde bald dem Impetranten, bald dem Impetraten, den Beweiß auferlegt, und daher die Sache lediglich dem Er- de Constitutionibus Principum. Ermessen eines klugen Richters uͤberlassen wissen wollen tafinger Institut. iurisprud. Cameralis Sect. IV. Tit. III. §. 909. und am neuesten Car. Otto graebe Disquisit . de exceptionibus Sub et Obreptionis earumque probatione. Rin- teln 1788. 4. . Diese Meinung gruͤndet sich auf die deutliche Verordnung des juͤngsten Reichsabschieds §. 80. wo es heißt: Ob aber dem Impetranten bey Decision der ganzen Sache seine Narrata gleich Anfangs zu verificiren, oder aber dem Impetrato sive reo, seine eingewendete Exceptiones sub et obreptionis zu beweisen obliege? Das lassen wir alles zur Ermaͤssigung und Befindung des Richters, welcher nach Gestalt und Gelegenheit der Sachen auch deren Um- staͤnden, daraus er sich informiren muß, ob naͤmlich dem Klaͤger oder dem Beklagten das onus probandi aufzubinden sey, nach Bescheidenheit der Rechte zu urtheilen hat, anheim gestellt seyn . Diesemnach wird nun der Richter besonders auf folgende Umstaͤnde Ruͤcksicht zu nehmen haben: 1) Ob das ergangene Rescript nur auf blose, oder auf bescheinigte Vorstellung, wie der juͤngste R. A. §. 79. in den Worten: Alle Supplicanten sollen ihre Narrata zugleich etlicher maßen beschei- nigen . erfordert, ertheilet worden sey? indem, wenn letzteres ist, die Sache des Impetranten so lange billig fuͤr richtig und vollstaͤndig angenommen werden muß, als nicht das Ge- gentheil vom Impetraten ist erwiesen worden. 2) Ob nicht solche besondere Umstaͤnde in facto vor- handen sind, welche die Sache des Impetranten verdaͤch- L l 2 tig, 1. Buch. 4. Tit. tig, die Exception des Impetraten aber wahrscheinlich machen. In welchem Falle sodann dem Impetranten, weil ihm die Vermuthung entgegenstehet, der Beweiß von dem Grunde des von ihm erhaltenen Rescripts auf- zulegen seyn wird; wie die Herrn Revisoren des Concepts der Cammer-Gerichts-Ordnung ebenfalls geurtheiler ha- ben S. Hrn. GR. von Selchows Concepte der C. G. O. (Goͤttingen 1782.) Th. III. Tit. 42. S. 329. Not. x. . In Ermangelung solcher besonderer Umstaͤnde und Vermuthungen aber wird 3) der Richter im Zweifel die Beschwerde der Beweißfuͤhrung dem Impetraten, er mag nun die Einre- de der Sub- oder Obreption dem Rescripte entgegense- tzen, auflegen muͤssen. Denn einmal muß nach der all- gemeinen Regel jeder Excipient seine Einreden beweisen, insofern sie, wie jene, auf Thatumstaͤnden beruhen L . 19. pr. D. de probat . . Sodann hat Excipient insgemein die Vermuthung wider sich, denn daß ein Rescript durch Sub- oder Obreption erschlichen sey, wird im Zweifel nicht vermuthet Exceptio quippe sub et obreptionis, sagt Hr. Prof. grae- be in der oben angefuͤhrten schoͤnen Schrift uͤber diesen Ge- g e nstand §. XV. am Ende, continet opprobrationem mendacii et falsi, a qua suspicione impetrantem liberat praesumtio viri boni. Wie schwankend die Affirmation in den Rechten ist, und wie viel bey Direction der Beweisfuͤhrung auf Vermu- thungen ankomme, haben unter andern am gruͤndlichsten ge- zeigt Hr. Prof. Westphal von dem rechtlichen Beweise einer Verneinung. Halle 1783. 4. und Hr. Hofr. Moͤckert in Diss. de affirmatione in iure ad varias species applicata. Rint. 1772. und in Speciminib. de indole praesumtionum iuris. Rint. 1782. Goetting. 1784. . Uebri- de Constitutionibus Principum. Uebrigens bestehet die Wirkung dieser Einreden darin, daß die Vollziehung des Rescripts, wider welches selbige vorgeschuͤtzet worden sind, bis zu Austrag der Sache aus- gesetzt bleiben muß boehmer I. E. P. a. a. O. §. XIII. . Nun stehet es zwar dem Richter, an welchem das Rescript ist erlassen worden, allerdings zu, zu untersuchen, ob die Sache dem Landesherrn der Wahrheit gemaͤß vorgestellet worden sey, oder nicht L . 4. C. si contra ius. L. ult. C. eodem L. 7. C. de precib. imp. offerend. c . 2. X. de offic. et potest. iudic. deleg. c . 7. X. de fide instrum . boehmer I. E. P. a. a. O. §. 7. meviu s P. I. Decis. 143. ; er muß sich jedoch hierin alles eigenmaͤchtigen Erkenntnis- ses enthalten, und vielmehr nach geschehener Untersuchung noͤthigen Bericht davon an den Landesherrn erstatten c . 5. u. 10. X. de rescript . mevius P. II. Decis. 197. Mich. God . wernher in lectiss. Commentat. ad Pandect. h. t. §. 4. u. 5. . Der Landesherr kann nun entweder selbst entscheiden, ob und in wiefern das Rescript fuͤr erschlichen zu halten, und daher aufzuheben sey, oder auch das Erkenntniß uͤber die Guͤltigkeit des Rescripts dem Richter uͤberlassen boehmer I. E. P. a. a. O. §. XVI. . Daß der betruͤgerische Impetrant in einem solchen Fall auch zu den Kosten und Schadensersatz gehalten sey, hat keinen Zweifel cap. fin. X. de rescript. c . 3. eodem in 6 to. Clem . 1. h. t. L . 5. Cod. si contra ius vel utilit. publ . boehmer a. a. O. §. XVII. . L l 3 §. 98. 1. Buch. 4. Tit. §. 98. Von den besondern Constitutionen der Regenten, und Privi- legien . Begrif und Unterschied zwischen Privilegien, Dispensationen und iura singularia. Die speciellen Verordnungen der Regenten, von welchen unser Autor mit diesem §. zu handeln an- faͤngt, sind nach dem oben davon angegebenen Begriff von sehr verschiedener Art. Sie koͤnnen 1) solche seyn, die nach der Absicht des Landesherrn nur fuͤr die Partheyen, die sich an denselben gewendet, und von ihm hierdurch eine Resolution oder Entscheidung erhalten haben, ein Recht machen sollen. Unter dieser Einschraͤnkung gehoͤren landesherrliche Rescripte und De- crete unstreitig zu den speciellen Constitutionen, wenn sie gleich sonst nach den neuern roͤmischen und heutigen Rechten in der Regel auch fuͤr aͤhnliche Faͤlle als Gesetz gelten. (§. 96.) 2) Solche, welche nach der Absicht des Landesherrn nur einzelnen Unterthanen, an welche sie deshalb ergan- gen sind, eine directe Verbindlichkeit auflegen. Diese koͤnnen wieder von verschiedener Art seyn; je nachdem sie entweder nur eine Commission zur Ausrichtung eines dem Fuͤrsten selbst betreffenden Geschaͤfts, oder einen ohne vorhergegangenen Bericht an ein Collegium oder sonst eine Magistratsperson erlassenen landesherrlichen Befehl in Sachen, welche ihre Amts- und Justizverwal- tung betreffen, enthalten. Man pflegt erstere Fuͤrst- liche Ordres Ueber diese Materie verweise ich der Kuͤrze wegen auf die schon oben angefuͤhrte Boͤhmersche Schrift de iure epi- stalmatis von Fuͤrstlicher Ordre. ( Epistalmata ); letztere aber Man- date de Constitutionibus Principum. date im eigentlichen Verstande oder auch Re- scripte in uneigentlicher Bedeutung, zu nennen. End- lich koͤnnen specielle Constitutionen der Fuͤrsten 3) auch solche seyn, welche eine Ausnahme vom ge- meinen Recht machen. Diese werden Privilegien in ganz genereller oder uneigentlicher Bedeu- tung Unter den vielen Schriften uͤber die Materie von Privi- legien, wovon lipenius in Biblioth. iur. schott in Sup- plement. h. v. und Puͤtter Litteratur des Staatsrechts. 3. Th. §. 1093. f. nachzusehen, will ich hier nur folgende an- fuͤhren: Ge. Acac . enenckel Baro Hohenheimensis , Libri III. de Privilegiis iuris civilis. Francof. 1606. 4. I. H . boeh- mer diss. de finibus privilegiorum regundis. Halae 1736. (in Exercit. ad. Pand . T. I.) Ge. Christ . gebauer singularia de privilegiis. Goett. 1749. (Vol. I. Exerc. academ. N. XI.) Petr. de toullieu Diss. de Privilegiis, (in Collectan. iur. civ . Diss. XV.) und Io. Ge. Frid . wasmuth Diss. de privi- legiorum natura generatim, et in specie de modis, quibus finiuntur, vel amittuntur. Goett. 1787. Diesen kann auch Moser von der Landeshoheit in Gnadensachen, beygefuͤgt werden. genennt. Fraͤgt man jedoch, was ein Privi- legium im eigentlichen Verstande sey, so sind die Begriffe der Rechtslehrer hierin nicht uͤbereinstim- mend. Einige schraͤnken den Begriff blos auf die per- soͤnlichen Privilegien ein, und halten Realprivilegien fuͤr ein nonens S. Franc . alef Diss. de figmento privilegiorum realium Heidelb . 1741. . Andere stellen sich blos guͤnstige Verordnungen darunter vor, wodurch der Regent einem gewissen Individuum eine fortdauernde Wohlthat erthei- let, von deren Genuß andere ausgeschlossen sind; und laͤugnen daher gaͤnzlich, daß es sogenannte privilegia odiosa gebe, die dem Privilegirten zum Nachtheil gerei- L l 4 chen 1. Buch. 4. Tit. chen koͤnnten So Christoph. Gottl . pauli in der unter Joh. Gottl. Siegels Vorsitz gehaltenen Diss. de genuino privilegiorum conceptu. Lips . 1741. §. XV. . Die meisten Rechtsgelehrten aber be- stimmen den Begriff vom Privilegium auf eine solche Art, daß auch privilegia realia, und odiosa als Gat- tungen darunter begriffen werden koͤnnen, unterscheiden jedoch sehr genau Privilegien im eigentlichen Verstande, Dispensationen und Iura singularia; und diese Theorie halte ich fuͤr die richtigste Man vergleiche ausser den Not. 6. angefuͤhrten Schriften hartleben Meditat. ad Pandect. Spec. XII. m. 1. G. L. boehmer Princip. iur. canon. Lib. II. Sect. III. Tit. 3. §. 218. P . langhaider Diss. de multiplici privilegiorum significatio- ne, eorumque notione genuina. Cap. 1. . Es wird jedoch noͤthig seyn, zufoͤrderst etwas uͤber den Na- men und die Bedeutung des Worts Privilegium zu be- merken. Den Ursprung des Worts leiten die alten Grammatiker nicht unrichtig von privus und lex her; privus aber hieß soviel als singulus oder privatus, wie Nonius Marcellus II. 694. edit. Gothofredi p. 574. und Aulus Gellius Noct. Attic. Lib. X. c . 20. — Non sunt generalia iussa, (sc. privilegia) neque de universis civibus, sed de singulis con- cepta: quocirca privilegia potius vocari debent, quia Ve- teres priva dixerunt, quae nos singula dicimus. lehren; privilegium ist also nach seiner originellen Bedeutung soviel als lex de privo i. e. de singulo homine seu privato lata , wie Gebauer a. a. O. §. 1. u. 2. sehr ausfuͤhrlich ge- zeigt hat. Dies war nun auch diejenige Bedeutung, in welcher das Wort privilegium in den aͤltesten Zeiten der Roͤmer, zur Zeit des Freystaats, genommen wurde. Privi- de Constitutionibus Principum. Privilegien waren also urspruͤnglich blos persoͤnlich, es waren Gesetze, wodurch in Ansehung eines einzelnen Buͤrgers etwas ausserordentliches verfuͤgt wurde. In dieser Bedeutung waren Privilegien nach den zwoͤlf Ta- felgesetzen verboten Die Gesetze der zwoͤlf Tafeln verordnen, privilegia ne irro- ganto. Cicero fuͤhrt das Gesetz mehr als einmahl an, man vergleiche Orat. pro Domo c. 17. pro Sextio . c. 30. de Legi- bus c. 4. u. c. 19. Jedoch sind die Ausleger uͤber den Sinn dieser Sanction nicht einig. Das Wort irrogare wird zwar eigentlich bey den roͤmischen Classikern der freyen Re- publik in der Bedeutung genommen, daß es so viel heißt, als populum lege rogare, ut aliquid iubeat, quod ad alterius in- commodum pertinet. Z. B. multam irrogare cic . pro Domo c. 22. ernesti Clavi Ciceron. voce irrogare . Da- ber haben nicht wenige geglaubt, daß das Gesetz der XII. Ta- feln blos von nachtheiligen Privilegien rede. S. Marci- lius in Collect. et Interpret. leg. XII. Tab. p. 296. Rit- tershus Dodecadelto s. Comment. ad XII. Tabb. LL. Class. H. c. 2. Noodt Commentar. Digestor. ad Tit. de Legibus T. II. Opp. pag. 11. u. a. m. Allein andere verste- hen jenes Gesetz ganz allgemein von allen Privilegien, und diese Meinung kommt mit der Beschaffenheit einer republika- nischen Staatsverfassung allerdings besser uͤberein; und be- kommt durch die Stelle des Cicero de LL. Lib. III. c. 19. ein nicht geringes Gewicht. S. Raͤvard lib. sing. de LL. XII. Tab. cap. 2. Gothofred Not. ad Tab. IX. pag. 229. IV. Font. iur. civ . denen auch Gebauer a. a. O. §. 6. u. 7. beypflichtet. Diese erklaͤren sich das Wort irrogare durch inducere in rempublicam, rogando populum; wie Ge- bauer §. 8. der angef. Diss. sagt. ; denn in einem Freystaat, wo Gleichheit unter den Buͤrgern erhalten werden muß, schien es eben so unschicklich zu seyn, einzelne Buͤrger durch Vorzuͤge und Freyheiten uͤber die andern zu erhe- ben, als Angeschuldigte ohne genugsame Ueberzeugung L l 5 und 1. Buch. 4. Tit. und auf eine ausserordentliche Art zu strafen, zumahl da nach den Legibus sacratis der Roͤmer uͤber Leben und Tod eines Buͤrgers anders nicht als in den Centuriat- comitien geurtheilet werden sollte Cicero de Legibus Lib. II. c. 4. u. 19. verbindet beyde Gesetze miteinander. Tum leges praeclarissimae de XII. Ta- bulis tralatae dune, quarum altera privilegia tollit , al- tera de capite civis romani rogari, nisi maximo comitiatu, vetat . An einem andern Ort schreibt er bey- de den Legibus Sacratis zu pro Domo c. 17. und pro Sextio cap. 30. Sigonius de antiquo iure civium Rom. Lib. I. cap. 6. haͤlt sie fuͤr capita derjenigen legum sacratarum, welche im Jahre der Erb. Roms 260 auf dem von ihnen benannten Monte sacro wegen Einfuͤhrung der Tribunen des gemeinen Volks gegeben worden sind. Allein ernesti Clavi Ciceron. in Indice Legum haͤlt sie mit besserm Grunde fuͤr Fragmente des Valerischen Gesetzes de provocatione. S. auch platt- ner de legibus sacratis Romanor. cap. V. . In den folgen- den Zeiten haben die roͤmischen Kaiser nicht nur haͤufig einzelnen Personen Privilegien ertheilet, sondern auch Sachen ihrer Unterthanen von der Vorschrift der Gesetze befreyet. Schon Ulpian L . 3. § . 1. D. de Censibus . Eben dieser Ulpian unter- scheidet auch an einem andern Ort sehr deutlich privilegia rea- lia und personalia. L . 1. §. 41—44. D. de aqua quotid. et aestiva . gedenkt daher des Unter- schieds zwischen Real- und persoͤnlichen Immunitaͤten. Ja es wurde der Begriff vom Privilegium so ausge- dehnt, daß sowohl in den Gesetzen der Pandecten als des Codex auch die iura singularia unterweilen, so wie noch heutiges Tages, Privilegien genennet werden Z. B. privilegium dotis L. 74. D. de iure dot. privilegium militare testandi L. 7. C. de testam. milit. L. 24. D. eod. Auch im gemeinen Sprachgebrauch ist nichts gewoͤhnlicher, als die . Jedoch de Constitutionibus Principum. Jedoch werden Dispensationen davon unterschieden, welche unsere Gesetze constitutiones personales §. 6. I. de I. N. G. et C. L. 1. §. 2. D. h. t. nennen. Der Unterschied zwischen Privilegien im eigent- lichen Verstande, Dispensationen , und iura singularia bestehet nun darin. Ein Privilegium un eigentlichen Verstande, ist eine besondere Verfuͤgung des Regenten, wodurch in Ansehung eines gewissen Individuums eine Ausnahme vom gemeinen Rechte degestalt gemacht wird, daß solche nicht blos auf einen, sondern auf alle oder mehrere zukuͤnftige Faͤlle von gleicher Art sich erstrecket. Ein solches Pri- vilegium kann also 1) nur derjenige ertheilen, welchem die hoͤchste Ge- walt, oder die gesetzgebende Macht in einem Staat zuste- het. Die Conceßion des Regenten aber kann entweder eine ausdruͤckliche oder vermuthete seyn; eine solche Ver- muthung streitet fuͤr denjenigen, der das Recht, welches eigentlich nur durch ein Privilegium erlangt werden konn- te, von undenklichen Zeiten her ausgeuͤbt hat Cap . 26. X. de Verbor. Significat . Zwar sind die Rechts- gelehrten uͤber die Frage: ob auch die unfuͤrdenkliche Verjaͤhrung dem Landesherrn entgegen ge- setzet werden koͤnne ? sehr uneinig, und es sind nicht wenig trefliche Rechtsgelehrten, die dieses schlechterdings ver- neinen wollen, unter welchen ich nur einen Thomasius in Diss. de praescriptione regalium ad iura subditorum non per- tinente, Beyer in Delineat. iur. Germanici Lib. II. cap. 2. posit. 38. ff. und Stryk Us. Mod. Pandectar. Lib. 44. Tit. 3. §. 4. . 2) Ein die besondern Rechte der Soldaten, Pupillen, Studenten, Geistlichen, der Glaͤubiger u. s. w. privilegia zu nennen. 1. Buch. 4. Tit. 2) Ein Privilegium im eigentlichen Verstande wird immer nur einem gewissen Individuum ertheilet. Die- ses kann nun entweder eine Person oder Sache seyn. Auch moralische Personen sind nicht ausgeschlossen, z. B. Staͤdte, Innungen. Denn auch diese werden in rechtli- chen Sinn denen einzelnen Personen gleich geachtet L . 22. D. de fideinss. et mandator . . 3) Durch ein Privilegium im eigentlichen Verstan- de wird eine Ausnahme vom gemeinen Recht fuͤr meh- rere zukuͤnftige Faͤlle gemacht. Dieß kann auf eine zweyfache Art geschehen; entweder auf eine fuͤr den Privilegirten vortheilhafte , oder eine fuͤr denselben nachtheilige Weise. Erstere werden guͤnstige Pri- vilegien genennt. Dahin gehoͤren a ) diejenigen, wo- durch der Privilegirte einer sonst allgemeinen Erlaubniß allein zu geniessen befugt wird, alle andere aber von dem Gebrauch eines sonst gemeinen Rechts ausgeschlossen wer- den; dergleichen man Monopolien nennt; b ) diejeni- gen, wodurch der Privilegirte ein Vorrecht erwirbt, so nach dem gemeinen Recht keinem Unterthan, sondern nur dem Landesherrn zustehet; c ) solche, wodurch der Privi- legirte von der sonst allgemeinen Verbindlichkeit eines Gesetzes fuͤr das kuͤnftige befreyet wird. Unguͤnstige oder §. 4. anfuͤhren will. Allein es haben andere nicht weniger beruͤhmte Rechtslehrer, z. B. Leyser Spec. CCCCXLI. m. 7. Boͤhmer Iur. Eccles. Prot. Lib. II. Tit. 26. §. 45. Freyherr von Cramer in Opuscul. T. II. Op. 1. p. 1. u. ff. von Cocceji in Iure Controvers. Lib. L. Tit. 6. Qu. 2. Hector Wilh . von Guͤnderrode in denen vom D. Posselt herausgegebenen saͤmtlichen Werken aus dem T. Staats, und Privatrechte, 2ten Band S. 219. u. a. m. mit weit staͤrkern Gruͤnden das Gegentheil dargethan. de Constitutionibus Principum. oder verhaßte Privilegien, ( privilegia odiosa ) hin- gegen gereichen dem Privilegirten zum Nachtheil, und werden ihm zur verdienten Strafe ertheilet Car. Guil. Maurit. de bode in der unter dem Vorsitz des sel. Hrn. Prof. Gustav. Bernh . becmann gehaltenen Diss. de aequitate privilegii odiosi, et potestate imperantis circa illud, Goͤttingen 1750. sagt §. 2. privilegium odiosum in genere dicimus exceptionem a lege generaliori in odium per- sonae singularis factam . In specie vero (§. 4.) dicitur exceptio a lege generali facta, vi cuius alicui poena in nulla lege antea determinata in odium ipsius actu irrogatur . . Dahin gehoͤrt, wenn z. B. der Landesherr die erb- und eigene Guͤter eines Unterthanen wegen eines von demselben be- gangenen Verbrechens zur Strafe in Lehn verwandelt, welches man ein Straf-Lehn ( feudum poenae ) zu nennen pflegt S. Ern Martin . chladenii Diss. de feudis poenae, von Straflehnen. Vitemb. 1754. in welcher §. V. merkwuͤrdige Beyspiele angefuͤhrt werden. ; oder wenn er einen Zolldefraudanten damit straft, daß er ins kuͤnftige von jeder zu verzollen- den Waare den doppelten Zoll geben solle. Nach dem heutigen Sprachgebrauch pflegt man jedoch nur vornehm- lich die favorabeln Privilegien unter dem eigentlichen Na- men der Privilegien zu verstehen, welche auch Freyhei- ten, Gnadenbriefe, Handfesten , genennt zu wer- den pflegen. Von diesen Privilegien im eigentlichen Verstande, sind nun Dispensationen zu unterscheiden, worunter man uͤberhaupt personelle Verordnungen verste- het, dadurch nur blos in einem einzelnen Fall eine Ausnahme von der Regel des gemeinen Rechts ge- macht wird. Auch diese koͤnnen von zweyerley Art, ent- weder guͤnstige oder verhaßte seyn; je nachdem sol- che 1. Buch. 4. Tit. che zum Vortheil oder Nachtheil des Dispensirten ge- reichen § . 6. I. de I. N. G. et C. L. 1. § . 2. D. h. t . . Zur letzten Gattung gehoͤrt, wenn der Lan- desherr einem gewissen Delinquenten, um ein Exempel zu statuiren, eine haͤrtere Strafe dictirt, als die in den Gesetzen bestimmte ist, wie z. B. Kaiser Hadrian der Umbriciaͤ, welcher er der an ihren Maͤgden veruͤbten Grau- samkeit halber fuͤnfjaͤhrige Landesverweisung zuerkannte L . 2. D. de bis, qui sunt sui vel alieni iuris . Ein anders Beyspiel vom K. claudius erzaͤhlt suetonius in eius vita cap. 14. . Hier ist jedoch die Strafe nur auf einen Fall einge- schraͤnkt, und hat ein Ende, wenn sie einmal vollstreckt ist; allein bey verhaßten Privilegien aͤussert sich die Wirkung der Strafe in mehreren zukuͤnftigen Faͤllen, so oft andere Unterthanen nach dem gemeinen Recht be- handelt werden, und die Vertheile desselben geniessen, wie die oben angefuͤhrten Beyspiele zu erkennen geben. Die guͤnstigen Dispensationen koͤnnen von mancherley Art seyn. Sie gehen entweder auf eine noch zukuͤnftige Handlung, oder auf eine schon geschehene Handlung. Im erstern Fall heißt eine solche Verord- nung, wodurch ein Unterthan die Erlaubniß erhaͤlt, eine in den Gesetzen sonst vorgeschriebene und befohlne Hand- lung unterlassen, oder eine sonst verbotene Handlung un- ternehmen zu duͤrfen, eine Dispensation im eigent- sten Verstande . Z. B. die Erlaubniß, daß Einer sich trauen lassen darf ohne vorhergehendes Aufgebot, oder in der sogenannten geschlossenen Zeit, z. B. unter waͤhren- der Adventszeit, oder daß Einer sich darf von einem in- kompetenten Pfarrer ausser der Parochie kopuliren lassen, oder daß Jemand sonst eine in den Gesetzen verbotene Ehe mit de Constitutionibus Principum. mit einer Person eingehen darf, ist alles eigentliche Dis- pensation S. I. H . boehmer Exercit. acad. de sublimi Principum ac statuum evangelicorum dispensandi iure in causis et negotiis tam sacris quam profanis. Halae 1722. Auch verdient noch eine andere Schrift bemerkt zu werden: Wem steht in der katholischen Kirche das Recht zu, in geist- lichen Sachen zu dispensiren. Ein Versuch von einem Deutschen . 1787. 8. In vielen Laͤndern haben die Landesherrn das Recht, dergleichen Dispensation zu er- theilen, unter gewissen Einschraͤnkungen den Consistorien oder Regierungen uͤberlassen. S. Schotts Einleitung in das Eherecht. §. 161. S. 339. Hr. GJR. Boͤhmer Princip. iur. canon. §. 355. not. d. . Hier folgt die Handlung erst auf die ge- schehene Ausnahme. Allein es kann zuweilen das Factum vor der Ausnahme vorausgehen, und letztere nur dazu dienen sollen, nachtheilige Wirkungen desselben abzuwenden. Diese bekommen ihre besondere Benennungen — Abo- lition und Aggratiation ( restitutio gratiae ). Je- ne geschiehet noch vor dem Endurtheil, und bestehet darin, wenn der wider eine Person angestellte peinliche Pro- ceß nicht bis zum Endurtheil fortgesetzt, sondern die Un- tersuchung aus landesherrlicher Gnade aufgehoben, und das Andenken des Verbrechens in Ansehung der peinli- chen Wirkungen gaͤnzlich ausgetilgt wird Ich rede hier von der Abolition im Sinne des heutigen peinlichen Rechts. Denn mit der Abolition im Sinne des roͤmischen Eriminalrechts hatte es eine ganz andere Be- schaffenheit. Es wird davon im 48. Buch Tit. XVI. gehan- delt werden. Den Unterschied zwischen der heutigen und roͤmischen Abolition haben am besten auseinander gesetzet Quistorp in den Grundsaͤtzen des teutschen peinl. Rechts. 2. Th. 12. Abschn. 2. Kap. §. 850 u. 851. und Ioh. Theoph . seger in Diss. de abolitione veteri et hodierna. Lipsiae 1778. . Letztere erfolgt erst nach dem Endurtheil, und bestehet in einer aus 1. Buch. 4. Tit. aus landesherrlicher Gnade geschehenen Erlassung der zu- erkannten Strafe Daß die Abolition und Aggratiation als Gattun- gen der Dispensation , in allgemeiner Bedeutung ge- nommen, anzusehen sind, behauptet auch becmann oder viel- mehr de bode in der oben angefuͤhrten Diss. §. 3. in Nota. S. 10. . Von den Privilegien im eigentlichen Verstande sind endlich auch die iura singularia zu unterscheiden. Man verstehet darunter die in dem Korpus Juris enthaltene, und entweder nur einem gewissen Alter, Geschlecht, Stand oder Klasse von Personen, oder einer Gattung von Sachen zukommende, oder allen und jeden Unterthanen, in so fern sie sich in einem gewissen Falle befinden, z. B. in Verfall ihres Vermoͤgens gerathen, oder Buͤrgschaft geleistet, u. d. verheißene besondere Rechte Paulus dehnt den Begriff des iuris singularis noch wei- ter aus, wenn er in L . 10. D. de Legib . sagt: ius singu- lare est, quod contra tenorem rationis, propter aliquam utilitatem, auctoritate constituentium, introductum est. Er verstehet also unter ius singulare ein solches Recht, so aus irgend einem Grunde des gemeinen Bestens, der Roth- wendigkeit, oder Billigkeit, gegen die Regel des gemeinen und strengen Rechts, es sey auf welche Art es wolle, durch die Auctoritaͤt der roͤmischen Gesetzgeber, ist eingefuͤhret wor- den. Der Faͤlle eines solchen besondern Rechts sind im roͤmischen Recht unzaͤhlig, wie selbst Julian L . 51. §. fin. D. ad Leg. Aquil . gestehet. Hierher gehoͤrt z. B. der Quasi ususfructus fungibler Sachen, d. i. solcher, die durch den Gebrauch an ihrem Werth verliehren, oder gar aufhoͤren zu seyn. ( Lib. VII. Digest. Tit. 5.) Paulus fuͤhrt noch andere Beyspiele zur Erlaͤuterung seines obigen Begriffs an. Man sehe L . 63. D. de usufructu und L . 54. D. soluto ma- trimonio , welche beyde, wie die oben angefuͤhrte L . 16. D . de . Sie sind de Constitutionibus Principum. sind meist vortheilhafte Rechte, daher sie auch gewoͤhnlich Beneficia legis, oder Rechtswohlthaten genennt zu werden de LL. aus eben des iulii pauli libro singulari de iure singulari genommen sind, wie die Ueberschrift beweiset. Sehr merkwuͤrdig ist die letzt angefuͤhrte L . 54. D. soluto matrim . welche von dem beneficio competentiae handelt, und ein Bey- spiel von einem iure singulari giebt, quod contra tenorem iuris singularis introductum est. Nach der Regel des gemeinen Rechts kann nehmlich jeder Glaͤubiger verlangen, daß ihm der Schuld- ner seine Forderung ganz und ohne Abzug bezahle. Er kann deshalb den Schuldner auspfaͤnden, und ihn bis auf den letz- ten Heller exequiren lassen. L . 84. D. de iure dot . Allein die Billigkeit erforderte, aus mancher Ruͤcksicht, von dieser Strenge des Rechts abzuweichen, und die Auspfaͤndung ge- gen einen verarmten Schuldner nicht aufs aͤusserste zu treiben. Dies ist der Fall bey Eheleuten, wenn die Frau ihr Heyraths- guth zuruͤckfordert; bey Eltern und Kindern; bey Schwie- gereltern, wenn der Schwiegersohn bey dem Leben seiner Ehefrauen versprochenes Heyrathsguth von jenen fordert; bey Geschwistern, und solchen Personen, welche miteinander in einer Societaͤt gestanden; auch bey einem Donator, wenn er eine so unmaͤßige Summe verschenkt hat, daß er am Bet- telstab gerathen wuͤrde, wenn er sie ganz bezahlen sollte. Solche und noch mehrere andere Personen, denen die Gesetze diese Wohlthat ertheilen, darf man nun nicht ganz auspfaͤn- den, sondern man muß ihnen so viel lassen, als sie zur Nah- rung und Nothdurft brauchen. L . 16. 17. 20. 21. 22. 30. D. de re iud. L . 63. D. pro socio. L . 173. D. de R. I . Man nennt dieses die Wohlthat der Competenz (benefi- cium competentiae), und daß dieselbe ein sehr exorbitantes und besonders Recht sey, ist ganz unlaͤugbar. Entsteht nun aber die Frage, wie viel solche Personen, denen die Competenz zu lassen, ohne Abbruch des noth- duͤrftigen Unterhalts, thun koͤnnen , so gehet es nach der Regel, die uns Ulpian in L . 16. D. de re iudi- cata giebt, naͤmlich man siehet bey der Competenz nur auf den gegenwaͤrtigen Vermoͤgenszustand des verarmten Schuldners Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. M m selbst, 1. Buch. 4. Tit. werden pflegen. Man denke hierbey an die Rechtswohl- thaten der Minderjaͤhrigen, der Weibspersonen in Anse- hung uͤbernommener Buͤrgschaften, der Personen, die waͤhrender vaͤterlichen Gewalt Gelder aufborgen. Ferner der Soldaten, der Geistlichen; desgleichen der Erben, der Buͤrgen, der Abwesenden; auch gehoͤren hierher die mit gewissen, theils personellen, theils hypothekarischen Forderungen verbundene Vorzugsrechte, u. d. m. Allein es laͤßt sich deswegen doch auch ein ius singulare odiosum gedenken. Ein Beyspiel giebt uns die berufene Verord- nung der Kaiser Arcadius und Honorius , vermoͤ- ge welcher auch die Soͤhne des Hochverraͤthers die Schuld ihres Vaters mit buͤßen, und seine Schmach tragen sol- len selbst, ohne auf desselben uͤbrige Schulden Ruͤcksicht zu neh- men ( non deducto aere alleno ). Ist nun das Vermoͤgen des Schuldners vollkommen hinreichend, den Glaͤubiger, der ihn belangt hat, zu befriedigen, so daß nach Abzug der Schuld noch immer so viel uͤbrig bleibt, als der Schuldner zur Nah- rung und Nothdurft braucht, so ist er die Forderung ganz und ohne Abzug seinem Glaͤubiger zu bezahlen schuldig, und er kann demselben nicht entgegen setzen, daß er noch mehrere Glaͤubiger habe, die er nun, ohne Verlust des nothduͤrftigen Lebensunterhalts, zu befriedigen ausser Stand sey. Occupan- tis enim melior est causa, s Paulus L . 19. pr. D. de re iud . Von dieser Regel der Competenz-Wohlthat ist jedoch durch eine Constitution des Kr Divus Pius , deren L . 12. D. de donat. L . 33. D. de iure dot . u. L . 41. §. ult. D. de re iudic . Erwaͤhnung geschiehet, bey dem Donator eine sehr merkwuͤrdige Ausnahme gemacht worden, welche auch Paulus in der oben angefuͤhrten L . 54. D. solut. matr . fol- gendergestalt bemerkt hat: ut, ex donatione conventus, omni aere alieno deducto, facere posse intelligatur. Bey diesem muß also erst nach Abzug aller Schulden die Competenz be- stimmt werden. L . 19. § . 1. L . 49. D. de re iud . Siehe uͤbrigens Franc. Caroli conradi Diss. ad iulii pauli ex libro singulari de iur e singulari reliqua. Lipsiae 1728. de Constitutionibus Principum. len L. 5. C. ad L. Iul. Maiestat. woruͤber die neueste und beste Schrift ist Henr. van adrichem Diss. de poena perduellio- nis, veroque sensu Legis Quisquis 5. Cod. ad L. Iul. Maiestat. Lugduni Batavor. 1784. . Dieses ist gegen die Regel des gemeinen Rechts, nach welcher der Sohn nicht tragen soll die Missethat des Vaters L. 26. D. de poenis. L. 22. C. eodem. ; von welcher aber die gedachte Kaisere eine Ausnahme zu machen, darum fuͤr noͤthig haben fin- den wollen, quia in filiis paterni h. e. hereditarii criminis exempla metuuntur Eben dieser Meinung ist auch gebauer de privilegiis. §. XV. . §. 99. Einige allgemeine Saͤtze von Privilegien; insonderheit von deren Auslegung. Alle Privilegien, man nehme nun das Wort in ei- gentlicher oder uneigentlicher Bedeutung, kommen darin mit einander uͤberein: 1) daß sie nicht zur Folge noch Beyspiel ange- zogen werden duͤrfen, vielmehr nur in denen Faͤllen ihre Wirkung aͤussern, in welchen der Gesetzgeber eine Aus- nahme vom Gesetz gemacht hat, nicht in andern aͤhnlichen Faͤllen, wenn gleich eben derselbe Grund vorhanden seyn sollte §. 6. I. de I. N. G. et C. L. 14. D. de LL. . Hat also z. B. der Landesherr dem Cajus in einem gewissen Ehefalle dispensirt, oder ihm sonst ein Pri- vilegium ertheilet, so kann ich mich nicht darauf berufen, wenn ich mich auch in gleichem Falle mit jenem befinden sollte theophilus Paraphr. Instit. graeca ad §. 6. cit. cap. 9. X. de privilegiis. . M m 2 2) Pri- 1. Buch. 4. Tit. 2) Privilegien lassen daher keine ausdehnende Erklaͤrung zu, ausser in sofern solches dem Willen des Regenten oder Gesetzgebers gemaͤß ist. Sie sind also stricte zu erklaͤren, insofern sie a ) die natuͤrliche Freyheit einschraͤnken, oder sonst andern Mitbuͤrgern zum Nachtheil gereichen; denn niemand darf durch Privilegien in seinem wohlerworbenen Rechte gekraͤnkt werden. Doch aber muß die Auslegung immer so geschehen, daß die Gnade, wel- che der Landesherr dem Privilegirten angedeihen lassen wollte, nicht vereitelt werde, sondern letzterer derselben nach der Absicht des Ertheilers so vollkommen, als moͤg- lich, geniesse, soweit es salvo iure tertii quaesito gesche- hen kann enenckel de privilegiis Lib. II. cap. 5. n. 10. boehmer T. II. P. I. Resp. 190. n. 5. 6. Resp. 428. n. 9. mevius P. IV. Decis. 321. n. 4. boehmer Diss. de finibus privile- giorum regundis. Cap. II. §. IX. Puͤtter auserlesene Rechts- faͤlle. 1. Bandes 2. Th. Resp. XXXV. n. 21. 22. . Wie aber wenn b ) das Privilegium blos in die landesherrlichen Gerechtsame einschluͤge, und nur dem Regenten, der solches ertheilet hat, allein zum Nachtheil gereichte, findet auch gegen den Landesherrn die restrictive Auslegung statt? z. B. Wenn das Privilegium eine Befreyung von Steuren, oder Ertheilung des sonst dem Landesherrn zustehenden Abzugsrechts, der Jagd, Ge- richtsbarkeit, Muͤnzrechts, u. dergl. betrift. Die gemei- ne Theorie der Rechtsgelehrten, welcher auch unser Au- ctor nicht undeutlich seinen Beyfall giebt, gehet dahin, daß ein Privilegium gegen den Regenten selbst immer ausdeh- nend erklaͤret werden muͤsse de cocceji Iur. Controv. Lib. I. Tit. IV. Qu. 6. Io. voet ad Pandect. T. I. lib. I. Tit. 10. §. 16. stryck Dissertat. de privilegiorum interpretatione. cap. IV. leyser Spec. X. med. 3. . Denn hier komme es blos de Constitutionibus Principum. blos auf die Gnade und Mildigkeit des Regenten an, wel- che keine bestimmte Grenzen habe. Es bestaͤttige auch eben dieses der bekannte Ausspruch Javolens L. 3. D. h. t. : beneficium imperatoris, quod a divina scilicet eius indulgentia proficisci- tur, quam plenissime interpretari debemus. Allein diese Gruͤnde sind seicht, und haben mich nie fuͤr diese Mey- nung eingenommen. Denn 1) ist das von der Freygebigkeit des Regenten herge- nommene Argument viel zu kuͤhn und kann fuͤr denjeni- gen, der auf landesherrliche Gnade lossuͤndiger, sehr un- angenehme Folgen haben. Verleihet der Regent einem Unterthan ein Regal schlechtweg, ohne weder die Gattung desselben, noch die Art und Weise, dasselbe auszuuͤben, genau und deutlich auszudruͤcken; so muß im Zweifel im- mer eher vermuthet werden, daß sich der Regent bey der Verleihung des Regals, so wenig, als nur seyn konnte, habe vergeben wollen; indem sonst nicht allein die Sache selbst, sondern auch der gewoͤhnliche Hofstyl bestimmtere und deutlichere Ausdruͤcke erheischt haben wuͤrde Man vergleiche hier H. Hofr. Schnauberts Erlaͤute- rung des in Deutschland uͤblichen Lehnrechts. Lib. 1. S. I. Cap. III. §. 65. S. 110. u folgg. . So- dann aber will auch b ) der angezogene Ausspruch Javo- lens gar nicht dasjenige sagen, was man damit bewei- sen will; indem der wahre Sinn des Rechtsgelehrten nur dahin gehet, daß ein Privilegium so erklaͤret werden muͤs- se, daß die Gnade, die der Regent dadurch hat erzeigen wollen, nicht vereitelt werde, sondern diejenige vollkomme- ne Wuͤrkung habe, welche der Ertheiler dadurch intendirt hat So erklaͤren die Stelle Javolens auch I. H. boehmer in Diss. de finib. privilegior. reg. Cap. II. §. 9. und Fratres becmanni in Consil. et Decis. P. I. Resp. l. S. 23. u. a. m. . Und uͤberhaupt ist noch die Frage, ob jene Stel- M m 3 le 1. Buch. 4. Tit. le Javolens von eigentlichen Privilegien zu verstehen sey. Denn nicht ohne Grund erklaͤrt sie Thomasius In Diss. de interpretatione beneficiorum principis §. 11. Man denke z. B. an das, was Ulpian L. 2. §. 1. D. ad SCtum Vellejan. sagt: hoc Senatusconsulto plenissime seminis omni- bus subventum esse. Es fehlt auch nicht an Beyspielen, wo die roͤmischen Rechtsgelehrten dergleichen besondere Rechte in aͤhnlichen Faͤllen zur Anwendung gebracht haben. Man ver- gleiche z. B. L. 20. u. 21. D. de re iudic. Mehrere Bey- spiele hat Fr. Car. conradi in Diss. de iure singulari §. XII. gesammlet. blos von denen Rechtswohlthaten, die man iura singula- ria zu nennen pflegt. Viel richtiger ist daher die Meinung derjenigen Rechtsgelehrten Christ. thomasius in der angefuͤhrten Diss. Struben in den rechtlichen Bedenken IV. Th. S. 15. Hr. G. J. R. Walch Controv. iur. civ. Prolegom. Cap. II. §. 3. hart- leben m editat. ad Pand. Spec. XIV. med. 2. und D. was- muth in Diss. de privilegiorum natura Cap. I. §. 14. , welche behaupten, daß ein Privilegium, auch selbst wenn es blos die Rechte des Re- genten angehet, und nur ihm allein zum Praͤjudiz gerei- chet, dennoch nicht immer deshalb extensive erklaͤret wer- den duͤrfe, sondern der Sinn desselben theils aus der Qualitaͤt der Person, welcher solches ertheilet worden, theils aus der Beschaffenheit des Objects, theils aus dem bisherigen Gebrauch und Herkommen Es laͤsset sich allerdings auch von den Privilegien behaupten: optima privilegiorum interpres est consuetudo, was calli- stratus L. 37. D. de LL. von den Gesetzen uͤberhaupt sagt. S. mevius P. V. Decis. 182. n. 7. Puͤtters Rechtsfaͤlle a. a. O. v . 24. 25. , theils aber auch hauptsaͤchlich aus dem Zweck und Absicht des Regenten, der das Privilegium ertheilet hat, und solchemnach bald restrictive bald extensive zu bestimmen sey. So z. B. kann de Constitutionibus Principum. kann die einem Unterthan ertheilte Steuerfreyheit im Zweifel nur von den gewoͤhnlichen Lasten verstanden, auf ausserordentliche nicht vorher gesehene Faͤlle aber, woran der Landesherr zur Zeit des ertheilten Privilegiums nicht gedacht hat, z. B. wenn in Kriegszeiten, oder auf andere Art eine allgemeine dringende Landesnoth entstehet, kei- nesweges gezogen werden Hr. Geh. Justiz R. Puͤtter in den auserlesenen Rechts- faͤllen I. Bandes 3ter Theil. Decis. LXXIII. n. 3. 4. u. folgg. II. Bandes 4ter Theil. Resp. CCXXXIX. n. 40. 41. u. folgg. III. Bandes 3ter Theil. Resp. CCLXXI. n. 70. de ludewic Consilia Halensia T. II. Lib. II. Resp. 90. n. 60. . Wenn ferner die Gerichts- barkeit Jemanden innerhalb eines gewissen Districts schlechtweg verliehen worden ist, und zweifel entstehet, ob nur die niedere, oder ob auch zugleich die obere verliehen worden sey? so ist bey einem landsaͤßigen Unterthan eine solche unbestimmte Verleihung der Gerichtsbarkeit nur von der niedern zu erklaͤren; denn das Recht uͤber Le- ben und Tod der Unterthanen ist ein viel zu wichtiges Hoheitsrecht des Landesherrn, als daß man ohne genug- samen Grund vermuthen duͤrfe, daß er solches seinen Un- terthanen werde mitgetheilt haben. Dahingegen, wenn einem Reichsstande die Gerichtsbarkeit binnen einem ge- wissen District vom Kaiser unbestimmt ertheilet worden, in Zweifel zu vermuthen, daß auch die Blutgerichte mit darunter verstanden seyn von Buri Erlaͤuterung des Lehnrechts 3. Fortsetz. S. 665. Hr. G. JR. Boͤhmer Princip. iur. feudalis. §. 67. . Daß uͤbrigens der Regent die Wohlthat, die er ei- nem durch das Privilegium hat ertheilen wollen, weiter erstrecken koͤnne, als die Natur desselben es mit sich bringt, hat keinen Zweifel L. 191. D. de Reg. Iur. . Ausserdem stehet dem Landes- M m 4 herrn 1. Buch. 4. Tit. herrn die avthendische Interpretation bey den Privilegien nur alsdann zu, wenn eine solche Dunkelheit oder ein solcher Zweifel vorhanden, so durch die Regeln der Aus- legungskunst schlechterdings nicht gehoben werden kann, wie ich schon bey einer andern Gelegenheit bemerkt habe. (S. 215.) Verschiedene Rechtsgelehrten haben behaupten wollen, als ob das Recht, Privilegien auszulegen, nur allein dem Re- genten zustehe. Sie berufen sich deshalb auf L. 43. pr. D. de vulg. et pupillar. substitut. wo es heißt: Beneficia quidem principalia ipsi principes solent interpretari. Allein wer sieht nicht, daß die Worte des Rechtsgelehrten blos enunciativ sind, und keinesweges eine Verordnung enthalten, daß Rich- ter und Rechtsgelehrte sich der Auslegung in Ansehung zwei- felhafter Privilegien enthalten sollen? S. wasmuth in der angef. Diss. Cap. I. §. XII. . 3) Da Privilegien eine Ausnahme vom gemeinen Recht machen, so koͤnnen sie im Zweifel nicht vermu- thet werden, sondern demjenigen liegt jederzeit der Be- weiß ob, der sich auf ein Privilegium beruft. Denn in der Regel pflegen Privilegien nicht ordentlich bekannt gemacht zu werden. Die in unsern Korpus Juris ent- haltene besondere Rechte beduͤrfen jedoch keines Beweises. Endlich 4) niemand kann in der Regel genoͤthiget werden, sich einer ihm durch ein Privilegium oder gesetzliche San- ction zum besten ertheilten Wohlthat wider seinen Willen zu bedienen; denn Wohlthaten werden Keinem aufgedrun- gen. Ein jeder Privilegiat muß also die Freyheit haben, sich seines Vortheils auch begeben zu koͤnnen; es waͤre denn daß der Gebrauch des Privilegiums oder des beson- dern Rechts mit den erworbenen Gerechtsamen eines Drit- ten de Constitutionibus Principum. ten in unzertrennlicher Verbindung stuͤnde, und solchem durch die Begebung der Rechtswohlthat offenbar zu na- he geschehen wuͤrde. So z. B. darf kein academischer Gerichtsunterthan sich mit Begebung seines befreyten Ge- richtsstandes der Jurisdiction der buͤrgerlichen Stadtobrig- keit unterwerfen Auth. habita Cod. ne filius pro patre. . Solchemnach findet also die Ver- zichtleistung in Ansehung eines Privilegiums nur in so- fern statt, als der Gebrauch desselben von dem freyen Willen des Entsagenden lediglich abhaͤngt Hr. Geh. Justiz R. Boͤhmer Princip. iuris canonici. §. 222. n. 1. . §. 100. Eintheilung der Privilegien in Real- und Personal - Privilegien. Privilegien koͤnnen nun von mancherley Art seyn. Siehet man naͤmlich auf daß Subject, welchem sie an- hangen, so sind selbige entweder persoͤnliche, oder dingliche; je nachdem sie entweder einer Person , sie sey eine individuelle oder moralische; oder aber einer Sache eigen sind. Beyde sind in Ansehung der Dauer und Wirkung sehr verschieden. Denn personal-Pri- vilegien, die einer moralischen Person z. B. ei- ner Stadt, Academie, Zunft, u. s. m. verliehen sind Beyspiele von solchen Privilegien enthalten die L. 17. D. de excusat. tutor. L. 37. D. de reb. aut. iud. possid. L. 1. §. 2. D. ad Municipal. L. 4. §. 3. D. de Censib. , dauern fort, und gehen auf alle Nachkommen uͤber, die zu dieser privilegirten Universitas gehoͤren, und als Mitglieder derselben anzusehen sind Cit. L. 4. §. 3. D. de Censib. . Denn eine M m 5 mora- 1. Buch. 4. Tit. moralische Person stirbt nicht, sondern bleibt immer die- selbe, wenn auch nach und nach die einzelnen Personen, die das Ganze ausmachen, durch den Tod, oder auf son- stige Weise abgehen, und andere an ihre Stelle treten L 7. §. 2. D. Quod cuiuscunque universitat. nomine. L. 76. D. de iudiciis. . Solche Privilegien gehoͤren unstreitig ad res universita- tis, und das durch selbige erworbene Recht ist der Sub- stanz nach ein Eigenthum der moralischen Person. Diese aber laͤsset nun ihr Recht entweder durch gewisse dazu bestellte Mitglieder selbst ausuͤben, z. B. die ihr verliehene Gerichtsbarkeit; oder es darf ein jedes Mitglied der Uni- versitas das Privilegium gebrauchen, z. B. es ist dersel- ben eine Immunitaͤt von gewissen oͤffentlichen Lasten, oder das Beholzigungsrecht in einem herrschaftlichen Walde, oder das Privilegium Jahrmarkt zu halten, ertheilet worden. In Ansehung des Gebrauchs kommt es also auf die Beschaffenheit des durch das Privilegium ertheil- ten Rechts an Petr. de toullieu Collectan. iuris civ. Diss. XV. S. 376. . Sind aber Privilegien wirklichen Personen ertheilet, so koͤnnen diese von zweyerley Art seyn; ent- weder solche, die bey dem Privilegirten eine gewisse per- soͤnliche Eigenschaft voraussetzen, oder sie sind der Person selbst, ohne Ruͤcksicht einer solchen Eigenschaft, ertheilet worden. Beyde kommen jedoch darinn uͤberein, daß selbige der Regel nach auf die privilegirte Person einge- schraͤnkt sind, und sich, ausser derselben, auf andere nicht erstrecken, auch nicht auf die Erben uͤbergehen, sondern gleichsam mit der Person absterben L. 1. §. 43. D. de aqua quotid. et aestiv. L. 68. D. de R. I. L. 196. D. Reg. I. . Jedoch hat diese de Constitutionibus Principum. diese Regel ihre Ausnahmen Von diesen Ausnahmen handelt sehr vollstaͤndig Io. Nic. hert. in Diss. de transitione privilegii personalis ad alios. in eius Commentationib. atque Opuscul. Vol. I. T. 3. Diss. 2. S. 24—40. . Es giebt Privilegien, die schon ihrer Natur nach auf die Nachkommen fort- gehen, wenn deren auch keine besondere Erwaͤhnung ge- schehen ist. Ein Beyspiel davon giebt uns der sogenannte Brief-Adel, welcher bekannter massen von dem ge- adelten Vater auf alle nach der geschehenen Nobilitirung desselben von ihm ehelich erzeugte Kinder und Nachkom- men fortgepflanzet wird S. Hrn. Prof. Kluͤbers Dissert. de nobilitate codicillari. Erlang. 1788. §. IV. Riccius vom landsaͤssigen Adel in Teutschland. II. Theil. Cap. II. §. 4. . Zuweilen erstrecken auch die Gesetze selbst aus beson- dern Ursachen persoͤnliche Privilegien, oder derselben Wir- kung Folgeweise, auf andere, die mit dem Privilegirten in Verbindung stehen Ge. Ios. stein Diss. de privilegiorum extensione. Erford. 1725. §. XXVIII—XXXVII. . So z. B. nimmt die Ehefrau bekanntermaßen an den persoͤnlichen Privilegien ihres Ehe- manns Antheil, und hat solche in der Regel auch noch als Wittwe zu geniessen L. 13. Cod. de Dignitat. L. 10. Cod. de nuptiis. L. 6. §. ult. C. de Profess. et Medic. L. fin. C. de incol. . Eben so kommt das pri- vilegium aetatis auch den Eroen des Minderjaͤhrigen zu statten L. 18. §. fin. L. 19. D. de minorib. L. un. Cod. si adver- sus dotem. , und den privilegirten Vorzug der Hypothek, welche eine Ehefrau ihres Heyrathsguths wegen auf dem saͤmmtlichen Vermoͤgen des Mannes hat, geben die Gese- tze 1. Buch. 4. Tit. tze auch ihren Kindern L. ult. §. 1. Cod. qui potior. in pignore. Nov. XCI. pr. et §. 1. S. Westphal Pfandrecht §. 82. . Endlich kann es auch gesche- hen, daß Jomanden ein Privilegium fuͤr seine Person und seine Erben zugleich ertheilet wird. Ist nun in einem solchen Falle genau bestimmt, was fuͤr Erben verstanden werden sollen, so ist die Sache keinem Zweifel unterworf- fen. Ist dieses aber nicht deutlich bestimmt worden, so koͤnnen, da die Natur der Privilegien im Zweifel keine ausdehnende Erklaͤrung erlaubt, unter den Erben oder Nachkommen der Regel nach nur die Verwandten in absteigender Linie verstanden werden, welche den Erwer- ber des Privilegiums zunaͤchst beerben leyser Meditat. ad Pandect. Spec. XI. med. 1. und hart- leben Spec. XIII. med. 1. Anderer Meinung sind a wern- her Observat. forens. T. II. P. VIII. Obs. 424. und de puf- fendorf Observat. iur. univ. T. IV. Obs. 25. ; es waͤre denn, daß der Privilegirte keine Descendenz haͤtte, auch derglei- chen nicht mehr hoͤffen duͤrfte, und solches dem Ertheiler des Privilegiums wohl bekannt gewesen; im welchen Fal- le sodann, da nicht anzunehmen, daß der Ertheiler Wor- re ohne Bedeutung habe brauchen wollen, vielmehr im Zweifel kein Wort umsonst im Privilegium zu stehen ver- muthet werden kann, unter den Erben die naͤchsten In- testat-Erben des Privilegirten verstanden werden muͤs- sen Man vergleiche hierbey, was Hr. Reg. R. Eichmann in seinen vortreflichen Erklaͤrungen des buͤrgerlichen Rechts II. Th. S. 91. u. ff. umstaͤndlicher hieruͤber gesagt hat. . Aus demselben Grunde aber ist auch zu behaup- ten, daß, wenn das Privilegium einem fuͤr seine Person, Erben und Nachkommen ist ertheilet worden, das- selbe nach der Absicht des Ertheilers nicht blos den Ver- wandten in dem ersten Grade der absteigenden Linie, son- dern de Constitutionibus Principum. dern auch denen im entferntern Grad zu statten kommen solle arg. L. 13. D. de munerib. et honor. . Auf alle Nachfolger kann jedoch das Pri- vilegium nicht erstrecket werden, denn diese Ausdehnung wuͤrde einmal wider den Sprachgebrauch, welcher zwi- schen Nachkommen und Nachfolgern einen Unter- schied macht, und zweytens auch wider die Natur der Privilegien streiten, welche eine einschraͤnkende Ausle- gung verlangt. Ich muß hierbey noch einige Bemer- kungen hinzufuͤgen; Erstens: ist dem Privilegirten das Privilegium fuͤr ihn und seine Kinder verliehen wor- den, so muß das Wort Kinder Der lateinische Ausdruck liberi hat freylich einen weitlaͤuf- tigern Sinn; denn unter diesem Namen werden alle Descen- denten ohne Unterschied des Grades verstanden. L. 220. pr. D. de V. S. §. ult. Inst. qui testam. tutores dari poss. Allein dieser Sprachgebrauch kann bey Erklaͤrung eines in der teut- schen Mundart abgefaßten Privilegiums nicht untergelegt werden. nach der Natur der Privilegien in seiner eigentlichen Bedeutung genom- men, und solches daher nur von Descendenten des erstern Grades verstanden werden, wie solches nicht nur aus dem Ursprunge des Worts Kind S. wehner Observat. select. sub voce Kinder. wach- teri Glossarium Germ. S. 838. , sondern auch we- gen des davon ganz unterschiedenen und gleich gewoͤhn- lichen Ausdrucks: Kindes-Kinder bereits von an- dern ausgefuͤhrt worden reinharth select. Observat. ad Christinaei Decisiones Vol. III. Obs. 31. S. 45. u. ff. und Vol. IV. Obs. 26. S. 26. Christ. Ulr. grupen Discept. Forens. S. 458. u. 489. u. ff. Puͤtter auserlesene Rechtsfaͤlle. 1. B. 2. Th. Resp. LIII, n. 44. S. 500. . Mithin koͤnnen unter dem Namen 1. Buch. 4. Tit. Namen der Kinder ordentlicherweise die Kindes- Kinder nicht, und noch weniger entferntere De- scendenten, verstanden werden, so lange nicht die Umstaͤnde einen andern Willen des Ertheilers zu erken- nen geben. Zweytens: ist das Privilegium dem Privi- legirten fuͤr seine Person, Kinder und Nachkommen ertheilet worden, so ist im Zweifel nie zu vermuthen, daß solches nur auf diejenigen Nachkommen gehen solle, wel- che von maͤnnlicher Linie herstammen, wenn nicht entweder die Gesetze dieses ausdruͤcklich verordnen Ein Beispiel enthalten die L. 13. D. de muner. et honorib. und L. 1. D. de iure immunitat. vermoͤge welchen die Einem fuͤr seine Person, Kinder und Nachkommen er- theilte Befreyung von gemeinen Beschwerden blos auf die- jenigen Descendenten sich erstrecken soll, welche von Manns- personen abstammen. , oder solches durch die in dem Privilegium gebrauchte Ausdruͤcke: Nachkommen vom Stamm und Namen des Erwerbers, oder Nachkommen in der Familie, zu erkennen gegeben worden ist. In solchen Faͤllen koͤn- nen freylich dergleichen Privilegien auf die Toͤchter des Erwerbers, welche durch Verheyrathung aus der Fami- lie desselben heraus gegangen sind, und deren Descendenz, da diese den Namen des Erwerbers nicht fuͤhrt, keines- weges erstrecket werden. Ich komme nun auf die Real- privilegien, deren Wesen darin bestehet, daß sie ei- ner gewissen Sache verliehen sind, und allen Besitzern derselben zustehen L. 1. §. 43. D. de aqua quotid. et aestiva. L. 3. §. 1. D. de Censib. . Solche Realprivilegien sind von dreyerley Art; entweder sie sind einem gewissen Grund- stuͤcke ertheilet, z. B. Steuerfreyheit, Jagdgerechtigkeit, u. dergl. oder sie sind mit dem Besitz eines gewissen Amts oder de Constitutionibus Principum. oder Wuͤrde verknuͤpft; man denke z. B. an den mit der erzbischoͤflichen Wuͤrde verknuͤpften honor pallii; oder die Gesetze haben eine gewisse Klage dergestalt privile- girt, daß jeder, der diese Klage erhebt, das damit ver- knuͤpfte Privilegium zu geniessen haben soll. Modestin nennt ein Realprivilegium der letztern Art privilegium cau- sae L. 196. D. de R. I. , und Paulus L. 68. D. eodem. macht uns davon folgende Beschreibung: in omnibus causis id observatur, ut ubi personae conditio locum facit beneficio, ibi deficiente ea, beneficium quoque deficiat: ubi vero genus actionis id desiderat, ibi, ad quemvis persecutio eius devenerit, non deficiat ratio auxilii. Es ist diese letztere Stelle aus pault libro sing. de dotis repetitione genommen, und es waͤren da- her eigentlich aus dieser Doctrin die Beyspiele zur Erlaͤute- rung dieser Regel anzufuͤhren; wie auch Jacob Go- thofredus In Commentar. ad L. 68. cit. und mit ihm Gebauer In Diss. de privilegiis §. XVII. S. 62. gethan ha- ben. Allein es wird uns erlaubt seyn, auch durch ein an- ders Beyspiel die Sache aufzuklaͤren. Ein solches giebt uns die Forderung aufgewendeter Begraͤbniskosten, wel- che ein besonders Vorrecht vor andern Glaͤubigern beym Concurs haben L. 45. D. de Religios. et sumtib. funer. ; und zwar ist dieses der Forderung selbst eigen, sie mag mit der actione funeraria oder ei- ner andern eingeklagt werden L. 17. pr. D. de reb. auct. iud. possid. ; der Klaͤger mag solche Kosten entweder auf das Begraͤbniß des Schuldners selbst, oder einer dritten Person verwendet haben, welche der Schuldner auf seine Kosten begraben zu lassen verbunden gewesen L. 17. cit. . Auch dem Erben und Nachfolger des Glaͤu- bigers kommt dieses Vorzugsrecht zu statten L. 31. §. 2. D. de Religios. Hierdurch erklaͤren sich die Worte des Modestins in L. 196. D. R. I. Privilegia ad heredes transmittuntur, quae causae sunt; quae personae, (z. B. . Ausser 1. Buch. 4. Tit. Ausser diesen beyden Gattungen der Privilegien, den persoͤnlichen und dinglichen, nehmen die Rechts- lehrer insgemein noch eine dritte an, naͤmlich die ge- mischten, worunter man diejenigen verstehet, welche einer Person dergestalt ertheilet sind, daß sie zugleich auf die Erben gehen. Jedoch wird diese Theorie von den neuern Rechtsgelehrten mit Grund verworfen Hr. Geh. R. nettelbladt System. elem. Iurispr. posit. Germ. commun. general. §. 387. Eichmann a. a. O. S. 89. Hoͤpfner in Commentar §. 49. . Nun zum Beschluß noch einige Bemerkungen. 1) Entstehet Zweifel, ob ein Privilegium der Person oder Sache des Erwerbers ertheilet worden sey, so ist in einem solchen zweifelhaften Falle das Privilegium eher fuͤr ein persoͤnliches, als dingliches, zu halten; weil die Natur der Privilegien keine ausdehnende Erklaͤrung zulaͤßt Hr. GJR. walch Introd. in Controvers. iur. civ. Prole- gom. Cap. II. §. 4. und D. Christ. Gottl. einert Exerc. iurid. privilegium in dubio magis pro personali quam reali re- putandum esse. Lipsiae 1778. . Aus dem naͤmlichen Grunde aber ist auch weiter 2) im Zweifel anzunehmen, daß ein Privilegium, welches der Person ertheiler worden, mit dem Tode der- selben aufhoͤre, und nicht auf die Erben gehe. Denn der Unterschied, den einige Rechtsgelehrte unter Privilegien, die vermittelst eines Vertrags durch einen beschwer- lichen Titel erworben; und solchen, die umsonst, und aus bloser Gnade ertheiler worden sind, hierbey machen wollen, beruhet auf irrigen Voraussetzungen, und laͤsset sich mit den Gesetzen L. 196. D. de R. I. cap. 7. de R. I. in 6to. nicht vereinigen Man vergleiche hier vorzuͤglich gebauer Diss. de privile- giis. §. 17. 18. 19. . (z. B. beneficium competentiae L. 12. u. 13. D. soluto matrim. dos quem. pet.) ad heredem non transeunt. Ver- Verbesserungen und Zusaͤtze. S. 49. Z. 26. statt erstern muß leztern, und — Z. 27. statt leztern — erstern gelesen werden. S. 72. Not. 4. bey stryck muß heißen Tit. 1. S. 129. Not. 22. Z. 2. muß ergaͤnzt werden von Joseph Herr. S. 142. Not. 42. nach Legem muß hinzugefuͤgt werden: pro tenore stipulationis usuras exacturos. S. 179. Z. 10. von oben lese man unternommenen Ge- schaͤfte. S. 202. Not. 43. nach affectantes ist hinzuzusetzen: Herr Prof. Puͤttmann sucht jedoch in seinen Interpretat. et Ob- servat. S. 77. die gemeine Leseart zu rechtfertigen. S. 233. Not. 11. Ueber die L. 9. §. 2. D. de supellect. legata verdient Adrian. Nic. moller in Selectis iur. civ. ca- pitib. Traj. ad Rhen. 1763. Cap. IV. §. 5. beym oel- rich in Thes. Dissertat. Belgicar. Vol. II. T. II. S. 134. nachgesehen zu werden, wo derselbe, auch ohne ein Emblema anzunehmen, diese Gesetzstelle ganz natuͤrlich erklaͤrt hat. S. 265. in der leztern Zeile lese man statt Vortrag Vertrag. S. 271. Not. 79. ist noch beyzufuͤgen D. Christ. Gottl. Gmelin von Aufsaͤtzen uͤber Vertraͤge uͤberhaupt, von Schuld- und Pfandverschreibungen und andern damit verwandten Aufsaͤtzen insbesondere, nebst For- mularien. Tuͤbingen 1790. 8. S. 280. Not. 96. ist noch vorzuͤglich hinzuzufuͤgen Puͤtter in den auserlesenen Rechtsfaͤllen. 3ten Bandes 1. Theil. Resp. 248. §. 11. S. 80. S. 311. verdienen jedoch die treflichen Bemerkungen des Hrn. Hofr. Heyne in dem Programm: Notitia corporis iuris glossati MSti Bibliothecae Georgiae Augustae. Goettingae 1783. uͤber digestum vetus, infortiatum et novum beherzigt zu werden. Man findet solches so- wohl in desselben Opuscul. acad. Vol. II. N. 17. als in des H. Dr. Koppe neuen Magazin fuͤr die gesammte Rechtsgelahrtheit. 1. Jahrgang. Neustreliz 1789. 8. S. 164. Gluͤcks Erlaͤut. d. Pand. 1. Th. N n S. 314 S. 314. Sind anzufuͤhren vergessen worden: Leop. Andr. gua- dagni ad Graeca Pandectarum Dissertationes. Pisae 1786. 4. in welchen die in den Pandecten vorkom- mende viele griechische Stellen und Woͤrter erlaͤutert und berichtiget worden sind. S. 319. Z. 20. muß beißen Lugduni 1659. die erste Ausgabe erschien in den Jahren 1604—1616. Fol. —— Not. 49. ist noch beyzufuͤgen H. Geh. R. koch Diss. de ordine Legum in Pandectis . S. 3 — 6. wo sehr in- teressante Notizen von den verschiedenen Ausgaben, welche Dionys. Gothofredus von dem Corpore iuris civ. besorgt oder veranlaßt hat, mitgetheilt wer- den. Womit zu verbinden Ren. Car. L. B. de sen- ckenberg Meditat. iurid. (Wezlar. 1789.) Mantiss. VI. S. 176. S. 378. Z. 21. statt erhalten haben, lese man erhalten habe. S. 415. Z. 12. Decretalen ist zu lesen Decretalensammlung. S. 422. Not. 15. in der vorleztern Zeile statt sie waren, muß heißen erstere waren. S. 446. N. 11. Z. 17. ist bey den Worten: welche den uͤbrigen entgegen ist, die Beweisstelle aus L. 34. D. de R. I. vergessen worden, wo es heißt: neque regionis mos appareat, quia varius fuit.