Gedichte von Joseph Freiherrn von Eichendorff. Berlin , Verlag von Duncker und Humblot . 1837 . Meinem Bruder Wilhelm Freiherrn von Eichendorff zur Erinnerung an gute und schlimme Tage . Inhalt . Seite I . Wanderlieder . F rische Fahrt 3 Allgemeines Wandern 4 Der frohe Wandersmann 5 Im Walde 6 Zwielicht 7 Nachtwanderer 8 Die Jäger 10 Der wandernde Musikant 11 Die Zigeunerin 17 Der wandernde Student 18 Der Maler 19 Der Soldat 20 Seemann's Abschied 21 Die Spielleute 22 Vor der Stadt 24 Dryander mit der Komödianten-Bande 25 Der verliebte Reisende 26 Sehnsucht 35 Abschied 36 Morgen 38 Mittagsruh 39 Abend 40 Nacht 41 Wegweiser 42 Täuschung 43 Schöne Fremde 44 Seite Liebe in der Fremde 45 Wandersprüche 48 Erinnerung 51 Heimweh 52 An der Gränze 53 Rückkehr 54 Zur Hochzeit 55 Der irre Spielmann 56 Letzte Heimkehr 57 II . Sängerleben . Anklänge 61 Sonnette 66 Rettung 70 Hippogryph 73 Die zwei Gesellen 74 Das Bilderbuch 76 Mandelkerngedicht 77 Der Unverbesserliche 78 Die Werber 80 Wehmuth 82 Intermezzo 85 Laß das Trauern 86 Dichterfrühling 87 Intermezzo 89 Aufgebot 90 Intermezzo: der Bürgermeister 92 Terzett 94 Intermezzo: Chor der Schmiede 97 Morgenlied 98 Intermezzo: Chor der Schneider 100 Guter Rath 101 Umkehr 102 Liedesmuth 103 Der Isegrim 104 Treue 105 Dichterloos 107 Spruch 108 Lockung 109 Rückblick 110 Zweifel 111 Seite Dichterglück 112 Glückliche Fahrt 113 Sommerschwüle 114 Frisch auf! 116 Kriegslied 118 Eldorado 120 Trost 122 An die Dichter 123 III . Zeitlieder . Die Freunde 129 Der Riese 134 Sänger-Fahrt 135 In das Stammbuch der M. H. 137 In E .. 's Stammbuch 138 Auf dem Schwedenberge 139 Lieber Alles 141 Sonnette 142 Der Geist 144 Klage 1809 145 An — 146 Nachtfeier 1810 147 Zorn 1810 149 Symmetrie 1810 150 Heimkehr 1810 151 Gebet 1810 154 Mahnung 1810 155 Der Tyroler Nachtwache 1810 157 An die Tyroler. Im Jahre 1810 158 An die Meisten 1810 159 Der Jäger Abschied 161 Trost 163 Zeichen 164 Unmuth 165 Entschluß 166 Abschieds-Tafel 167 An meinen Bruder 1813 170 Aufbruch 172 Tusch 174 Apell 175 Soldatenlied 176 Seite Die ernsthafte Fastnacht 1814 178 Auf der Feldwacht 180 Waffenstillstaud der Nacht 181 In C. S. Stammbuch Decbr. 1814 182 Der Friedensbote 183 An meinen Bruder 1815 184 An Philipp 186 Germaniens Enkel 187 Tafellieder: 1. Damen-Liedertafel in Danzig 190 2. Viel Essen macht viel breiter 191 3. Zum Abschied 193 4. Berliner Tafel 193 5. Die Heymonskinder 195 6. Der alte Held 196 7. Toast 197 Der Liedsprecher 198 Der neue Rattenfänger 204 Der brave Schiffer 205 Im Herbst 207 Entgegnung 208 Ablösung 209 An die Lützow'schen Jäger 211 Weltlauf 212 IV . Frühling und Liebe . Ankänge 217 Jagdlied 218 Das Zaubernetz 220 Der Schalk 222 Frühlingsgruß 223 Abendlandschaft 224 Elfe 225 Frühlingsmarsch 226 Die Lerche 227 Nachtigall 228 Adler 229 Spaziergang 230 Mädchen 231 Steckbrief 232 Seite Morgenständchen 233 Aussicht 234 Abendständchen 235 Nacht 236 Wahl 237 Die Stille 238 Frühlings-Netz 239 Die Studenten 240 Der Gärtner 241 Jäger-Catechismus 242 Der Cadett 244 Der Polack 245 Der Jäger 246 Der Landreuter 247 Der Bote 248 Der Winzer 249 Der Poet 250 Die Kleine 251 Der Freiwerber 252 Das alte Mädchen 253 Der Tanzmeister 254 Die Braut 255 Der Fromme 256 Der Geniale 258 Der Glücksritter 259 Der verzweifelte Liebhaber 260 Der Glückliche 261 Der Nachtvogel 262 Die Nachtblume 263 Der Dichter 264 An eine Tänzerin 266 Der Knabe 267 Klage 269 Trauriger Frühling 270 Begegnung 271 Der Kranke 272 Die Hochzeitsänger 274 Der letzte Gruß 276 Bei einer Linde 277 Vom Berge 278 Verlorene Liebe 279 Das Ständchen 281 Seite Neue Liebe 282 Frühlingsnacht 283 Frau Venus 284 Erwartung 285 Leid und Lust 286 Trennung 288 Glück 291 Die Schärpe 292 Abschied und Wiedersehen 293 Die Einsame 295 An die Entfernte 298 Das Flügelroß 302 Glückwunsch 305 Der junge Ehemann 306 Im Abendroth 307 Nachklänge 308 V . Todtenopfer . Wehmuth 315 Sonnette 316 Treue 318 Gute Nacht 319 Am Strome 320 Nachruf an meinen Bruder 321 Auf meines Kindes Tod 324 An einen Offizier, der als Bräutigam starb 331 Angedenken 332 In der Fremde 332 VI . Geistliche Gedichte. Götterdämmerung 335 Mariä Sehnsucht 341 Jugendandacht 342 Lieder 349 An den heiligen Joseph 350 Kirchenlied 351 Morgengebet 353 Mittag 354 Abend 355 Nachtgruß 357 Seite Morgenlied 358 In der Nacht 359 Werktag 360 Sonntag 360 Frühling 361 Herbst 362 Winter 363 Der Schatzgräber 364 Der Schiffer 365 Der Soldat 366 Der Wächter 367 Das Kind 368 Der Umkehrende 369 Der Kranke 372 Sterbeglocken 373 Der Pilger 374 Der Pilot 377 Das kranke Kind 378 Der Einsiedler 380 Der Sänger 381 Morgendämmerung 383 Das Gebet 384 Sonntag 386 Nachtgebet 387 Ostern 388 Weihnachten 389 Abschied 390 Mondnacht 391 Glück auf 392 Nachtlied 393 Durch 394 VII . Romanzen . Die Zauberin im Walde 397 Die Riesen 401 Der Götter Irrfahrt 403 Die Brautfahrt 407 Der Kühne 412 Der Wachtthurm 413 Jäger und Jägerin 415 Die Nonne und der Ritter 417 Seite Vesper 419 Der stille Grund 420 Der Kämpe 422 Waldmädchen 423 Der Unbekannte 424 Der stille Freier 426 Waldgespräch 427 Das Mädchen 428 Der Schnee 429 Die weinende Braut 430 Das zerbrochene Ringlein 432 Der Gefangene 433 Der traurige Jäger 436 Der Bräutigam 437 Die falsche Schwester 438 Der Reitersmann 439 Das kalte Liebchen 443 Die verlorene Braut 444 Parole 449 Zauberblick 450 Der verirrte Jäger 452 Die späte Hochzeit 453 Die stille Gemeine 454 Die deutsche Jungfrau 459 Die wunderliche Prinzessin 461 Meeresstille 468 Der zaubrische Spielmann 469 Der armen Schönheit Lebenslauf 472 Die Hochzeitsnacht 475 Von Engeln und von Bengeln 479 Valet 482 I . Wanderlieder . Viele Boten geh'n und gingen Zwischen Erd' und Himmelslust, Solchen Gruß kann keiner bringen, Als ein Lied aus frischer Brust. 1 Frische Fahrt . L aue Luft kommt blau geflossen, Fruͤhling, Fruͤhling soll es seyn! Waldwaͤrts Hoͤrnerklang geschossen, Muth'ger Augen lichter Schein; Und das Wirren bunt und bunter Wird ein magisch wilder Fluß, In die schoͤne Welt hinunter Lockt dich dieses Stromes Gruß. Und ich mag mich nicht bewahren! Weit von Euch treibt mich der Wind, Auf dem Strome will ich fahren, Von dem Glanze selig blind! Tausend Stimmen lockend schlagen, Hoch Aurora flammend weht, Fahre zu! ich mag nicht fragen, Wo die Fahrt zu Ende geht! 1 * Allgemeines Wandern. V om Grund bis zu den Gipfeln, So weit man sehen kann, Jetzt bluͤht's in allen Wipfeln, Nun geht das Wandern an: Die Quellen von den Kluͤften, Die Stroͤm' auf gruͤnem Plan, Die Lerchen hoch in Luͤften, Der Dichter frisch voran. Und die im Thal verderben In truͤber Sorgen Haft, Er moͤcht' sie Alle werben Zu dieser Wanderschaft. Und von den Bergen nieder Erschallt sein Lied in's Thal, Und die zerstreuten Bruͤder Faßt Heimweh allzumal. Da wird die Welt so munter Und nimmt die Reiseschuh, Sein Liebchen mitten drunter Die nickt ihm heimlich zu. Und uͤber Felsenwaͤnde Und auf dem gruͤnen Plan Das wirrt und jauchzt ohn' Ende — Nun geht das Wandern an! Der frohe Wandersmann. W em Gott will rechte Gunst erweisen, Den schickt er in die weite Welt, Dem will er seine Wunder weisen In Feld und Wald und Strom und Feld. Die Traͤgen, die zu Hause liegen, Erquicket nicht das Morgenroth, Sie wissen nur vom Kinderwiegen Von Sorgen, Last und Noth um Brodt. Die Baͤchlein von den Bergen springen, Die Lerchen schwirren hoch vor Lust, Was sollt' ich nicht mit ihnen singen Aus voller Kehl' und frischer Brust? Den lieben Gott laß ich nur walten; Der Baͤchlein, Lerchen, Wald und Feld Und Erd' und Himmel will erhalten, Hat auch mein' Sach' aufs Best' bestellt! Im Walde . E s zog eine Hochzeit den Berg entlang, Ich hoͤrte die Voͤgel schlagen, Da blitzten viel' Reiter, das Waldhorn klang, Das war ein lustiges Jagen! Und eh' ich's gedacht, war Alles verhallt, Die Nacht bedecket die Runde, Nur von den Bergen noch rauschet der Wald Und mich schauert im Herzensgrunde. Zwielicht. D aͤmmrung will die Fluͤgel spreiten, Schaurig ruͤhren sich die Baͤume, Wolken zieh'n wie schwere Traͤume — Was will dieses Grau'n bedeuten? Hast ein Reh du, lieb vor andern, Laß es nicht alleine grasen, Jaͤger zieh'n im Wald' und blasen, Stimmen hin und wieder wandern. Hast du einen Freund hienieden, Trau ihm nicht zu dieser Stunde, Freundlich wohl mit Aug' und Munde, Sinnt er Krieg im tuͤck'schen Frieden. Was heut muͤde gehet unter, Hebt sich morgen neugeboren. Manches bleibt in Nacht verloren — Huͤte dich, bleib' wach und munter! Nachtwanderer. I . I ch wandre durch die stille Nacht, Da schleicht der Mond so heimlich sacht Oft aus der dunklen Wolkenhuͤlle, Und hin und her im Thal Erwacht die Nachtigall, Dann wieder alles grau und stille. O wunderbarer Nachtgesang: Von fern im Land der Stroͤme Gang, Leis Schauern in den dunklen Baͤumen — Wirr'st die Gedanken mir, Mein irres Singen hier Ist wie ein Rufen nur aus Traͤumen. II . Er reitet Nachts auf einem braunen Roß, Er reitet voruͤber an manchem Schloß: Schlaf' droben, mein Kind, bis der Tag erscheint, Die finstre Nacht ist des Menschen Feind! Er reitet voruͤber an einem Teich, Da stehet ein schoͤnes Maͤdchen bleich Und singt, ihr Hemdlein flattert im Wind: Voruͤber, voruͤber, mir graut vor dem Kind! Er reitet voruͤber an einem Fluß, Da ruft ihm der Wassermann seinen Gruß, Taucht wieder unter dann mit Gesaus, Und stille wird's uͤber dem kuͤhlen Haus. Wenn Tag und Nacht in verworrenem Streit, Schon Haͤhne kraͤhen in Doͤrfern weit, Da schauert sein Roß und wuͤhlet hinab, Scharret ihm schnaubend sein eigenes Grab. Die Jäger . W ir waren ganz herunter. Da sprach Diana ein, Die blickt so licht und munter, Nun geht's zum Wald hinein! Im Dunkeln Aeuglein funkeln, Kupido schleichet leis, Die Baͤume heimlich munkeln — Ich weiß wohl was ich weiß! Der wandernde Musikant. I . W andern lieb' ich fuͤr mein Leben, Lebe eben wie ich kann, Wollt' ich mir auch Muͤhe geben, Paßt' es mir doch gar nicht an. Schoͤne alte Lieder weiß ich, In der Kaͤlte, ohne Schuh' Draußen in die Saiten reiß' ich, Weiß nicht, wo ich Abend's ruh'. Manche Schoͤne macht wohl Augen, Meinet, ich gefiel' ihr sehr, Wenn ich nur was wollte taugen, So ein armer Lump nicht waͤr'. — Mag dir Gott ein'n Mann bescheeren, Wohl mit Haus und Hof versehn! Wenn wir zwei zusammen waͤren, Moͤcht' mein Singen mir vergehn. II . Wenn die Sonne lieblich schiene Wie in Waͤlschland, lau und blau. Ging' ich mit der Mandoline Durch die uͤberglaͤnzte Au. In der Nacht dann Liebchen lauschte An dem Fenster suͤß verwacht, Wuͤnschte mir und ihr — uns Beiden Heimlich eine schoͤne Nacht. Wenn die Sonne lieblich schiene Wie in Waͤlschland, lau und blau, Ging ich mit der Mandoline Durch die uͤberglaͤnzte Au. III . Ich reise uͤber's gruͤne Land, Der Winter ist vergangen, Hab' um den Hals ein guͤlden Band, Daran die Laute hangen. Der Morgen thut ein'n rothen Schein, Den recht mein Herze spuͤret, Da greif ich in die Saiten ein, Der liebe Gott mich fuͤhret. So silbern geht der Stroͤme Lauf, Fernuͤber schallt Gelaͤute, Die Seele ruft in sich: Gluͤck auf! Rings gruͤßen frohe Leute. Mein Herz ist recht von Diamant, Ein Blum' von Edelsteinen, Die funkelt lustig uͤber's Land In tausend schoͤnen Scheinen. Vom Schlosse in die weite Welt Schaut eine Jungfrau runter, Der Liebste sie im Arme haͤlt, Die seh'n nach mir herunter. Wie bist du schoͤn! — Hinaus, im Wald Gehn Wasser auf und unter, Im gruͤnen Wald sing' daß es schallt, Mein Herz, bleib' frei und munter! Die Sonne uns im Dunklen laͤßt, Im Meere sich zu spuͤlen, Da ruh' ich aus vom Tages-Fest Fromm in der rothen Kuͤhle. Hoch fuͤhret durch die stille Nacht Der Mond die goldnen Schaafe, Den Kreis der Erden Gott bewacht, Wo ich tief unten schlafe. Wie liegt all' falsche Pracht so weit! Schlaf wohl auf stiller Erde, Gott schuͤtz' dein Herz in Ewigkeit, Daß es nie traurig werde! IV . Bist du manchmal auch verstimmt, Druͤck' dich zaͤrtlich an mein Herze, Daß mir's fast den Athem nimmt, Streich' und kneif' in suͤßem Scherze, Wie ein rechter Liebes-Thor, Lehn' ich sanft an dich die Wange Und du singst mir fein ins Ohr. Wohl im Hofe bei dem Klange Katze miaut, Hund heult und bellt, Nachbar schimpft mit wilder Miene — Doch was kuͤmmert uns die Welt, Suͤße, traute Violine! V . Muͤrrisch sitzen sie und maulen Auf den Baͤnken stumm und breit, Gaͤhnend strecken sich die Faulen, Und die Kecken suchen Streit. Da komm' ich durch's Dorf geschritten, Fernher durch den Abend kuͤhl, Stell' mich in des Kreises Mitten, Gruͤß' und zieh' mein Geigenspiel. Und wie ich den Bogen schwenke, Ziehn die Klaͤnge in der Rund' Allen recht durch die Gelenke Bis zum tiefsten Herzensgrund. Und nun geht's ans Glaͤserklingen, An ein Walzen um und um, Je mehr ich streich', je mehr sie springen Keiner fraͤgt erst lang: warum? — Jeder will dem Geiger reichen Nun sein Scherflein auf die Hand — Da vergeht ihm gleich sein Streichen, Und fort ist der Musikant. Und sie seh'n ihn froͤhlich steigen Nach den Waldeshoͤh'n hinaus, Hoͤren ihn von fern noch geigen, Und gehn All' vergnuͤgt nach Haus. Doch in Waldes gruͤnen Hallen Rast' ich dann noch manche Stund', Nur die fernen Nachtigallen Schlagen tief aus naͤcht'gem Grund. Und es rauscht die Nacht so leise Durch die Waldeseinsamkeit, Und ich sinn' auf neue Weise, Die der Menschen Herz erfreut. VI . Durch Feld und Buchenhallen, Bald singend, bald froͤhlich still, Recht lustig sey vor allen Wer's Reisen waͤhlen will! Wenn's kaum in Osten gluͤhte, Die Welt noch still und weit: Da weht recht durch's Gemuͤthe Die schoͤne Bluͤthenzeit! Die Lerch' als Morgenbote Sich in die Luͤfte schwingt, Eine frische Reisenote Durch Wald und Herz erklingt. O Lust, vom Berg zu schauen, Weit uͤber Wald und Strom, Hoch uͤber sich den blauen Tiefklaren Himmelsdom! Vom Berge Voͤglein fliegen Und Wolken so geschwind, Gedanken uͤberfliegen Die Voͤgel und den Wind. Die Wolken zieh'n hernieder, Das Voͤglein senkt sich gleich, Gedanken gehn und Lieder Fort bis in's Himmelreich. Die Zigeunerin . A m Kreuzweg, da lausche ich, wenn die Stern' Und die Feuer im Walde verglommen, Und wo der erste Hund bellt von fern, Da wird mein Braͤut'gam herkommen. „Und als der Tag graut' durch das Gehoͤlz, Sah ich eine Katze sich schlingen, Ich schoß ihr auf den nußbraunen Pelz, Die macht' einmal weite Spruͤnge!“ — 's ist Schad' nur um's Pelzlein, du kriegst mich nit! Mein Schatz muß seyn wie die andern: Braun und ein Stutzbart auf ungrischen Schnitt Und ein froͤhliches Herze zum Wandern. 2 Der wandernde Student. B ei dem angenehmsten Wetter Singen alle Voͤgelein, Klatscht der Regen auf die Blaͤtter, Sing ich so fuͤr mich allein. Denn mein Aug' kann nichts entdecken; Wenn der Blitz auch grausam gluͤht, Was im Wandeln koͤnnt' erschrecken Ein zufriedenes Gemuͤth. Frei von Mammon will ich schreiten Auf dem Feld der Wissenschaft, Sinne ernst und nehm' zu Zeiten Einen Mund voll Rebensaft. Bin ich muͤde vom Studieren, Wann der Mond tritt sanft herfuͤr, Pfleg' ich dann zu musiziren Vor der Allerschoͤnsten Thuͤr. Der Maler. A us Wolken, eh' im naͤcht'gen Land Erwacht die Kreaturen, Langt Gottes Hand, Zieht durch die stillen Fluren Gewaltig die Konturen, Strom, Wald und Felsenwand. Wach' auf, wach' auf! die Lerche ruft, Aurora taucht die Strahlen Vertraͤumt in Duft, Beginnt auf Berg und Thalen, Ringsum ein himmlisch Malen In Meer und Land und Luft. Und durch die Stille, Lichtgeschmuͤckt, Aus wunderbaren Locken Ein Engel blickt. — Da rauscht der Wald erschrocken, Da gehn die Morgenglocken, Die Gipfel stehn verzuͤckt. O lichte Augen, ernst und mild, Ich kann nicht von euch lassen! Bald wieder wild Stuͤrmt's her von Sorg' und Hassen — Durch die verworrnen Gassen Fuͤhr mich, mein goͤttlich Bild! 2 * Der Soldat . I . I st auch schmuck nicht mein Roͤßlein, So ist's doch recht klug, Traͤgt im Finstern zu 'nem Schloͤßlein Mich rasch noch genug. Ist das Schloß auch nicht praͤchtig: Zum Garten aus der Thuͤr Tritt ein Maͤdchen doch allnaͤchtig Dort freundlich herfuͤr. Und ist auch die Kleine Nicht die Schoͤnst' auf der Welt, So giebt's doch just Keine Die mir besser gefaͤllt. Und spricht sie vom Freien: So schwing' ich mich auf mein Roß— Ich bleibe im Freien Und sie auf dem Schloß. II . Wagen mußt du und fluͤchtig erbeuten, Hinter uns schon durch die Nacht hoͤr' ich's schreiten, Schwing' auf mein Roß dich nur schnell Und kuͤß' noch im Flug mich, wildschoͤnes Kind, Geschwind, Denn der Tod ist ein rascher Gesell. Seemann's Abschied . A de, mein Schatz, du mocht'st mich nicht, Ich war dir zu geringe. Einst wandelst du bei Mondenlicht Und hoͤrst ein suͤßes Klingen, Ein Meerweib singt, die Nacht ist lau, Die stillen Wolken wandern, Da denk' an mich, 's ist meine Frau, Nun such dir einen andern! Ade, ihr Landsknecht', Musketier'! Wir ziehn auf wildem Rosse, Das baͤumt und uͤberschlaͤgt sich schier Vor manchem Felsenschlosse, Der Wassermann bei Blitzesschein Taucht auf in dunklen Naͤchten, Der Hayfisch schnappt, die Moͤwen schrein — Das ist ein lust'ges Fechten! Streckt nur auf eurer Baͤrenhaut Daheim die faulen Glieder, Gott Vater aus dem Fenster schaut, Schickt seine Suͤndflut wieder, Feldwebel, Reiter, Musketier Sie muͤssen all' ersaufen, Derweil mit frischem Winde wir Im Paradies einlaufen. Die Spielleute . F ruͤhmorgens durch die Kluͤfte Wir blasen Victoria! Eine Lerche faͤhrt in die Luͤfte: „Die Spielleut' sind schon da!“ Da dehnt ein Thurm und reckt sich Verschlafen im Morgengrau, Wie aus dem Traume streckt sich Der Strom durch die stille Au, Und ihre Aeuglein balde Thun auf die Baͤchlein all', Im Wald, im gruͤnen Walde Das ist ein lust'ger Schall! Das ist ein lust'ges Reisen, Der Eichbaum kuͤhl und frisch Mit Schatten, wo wir speisen, Deckt uns den gruͤnen Tisch. Zum Fruͤhstuͤck musiziren Die muntern Voͤgelein, Der Wald, wenn sie pausiren, Stimmt wunderbar mit ein, Die Wipfel thut er neigen, Als gesegnet' er uns das Mahl, Und zeigt uns zwischen den Zweigen Tief unten das weite Thal. Tief unten da ist ein Garten, Da wohnt eine schoͤne Frau, Wir koͤnnen nicht lange warten, Durch's Gitterthor wir schau'n, Wo die weißen Statuen stehen, Da ist's so still und kuͤhl, Die Wasserkuͤnste gehen, Der Flieder duftet schwuͤl. Wir ziehn vorbei und singen In der stillen Morgenzeit, Sie hoͤrt's im Traume klingen, Wir aber sind schon weit. Vor der Stadt . Z wei Musikanten ziehn daher Vom Wald aus weiter Ferne, Der eine ist verliebt gar sehr, Der andre waͤr' es gerne. Die stehn allhier im kalten Wind Und singen schoͤn und geigen: Ob nicht ein suͤßvertraͤumtes Kind Am Fenster sich wollt' zeigen? Dryander mit der Komödianten-Bande. M ich brennt's an meinen Reiseschuh'n, Fort mit der Zeit zu schreiten — Was wollen wir agiren nun Vor so viel klugen Leuten? Es hebt das Dach sich von dem Haus Und die Koulissen ruͤhren Und strecken sich zum Himmel raus, Strom, Waͤlder musiziren! Und aus den Wolken langt es sacht, Stellt alles durcheinander, Wie sich's kein Autor hat gedacht: Volk, Fuͤrsten und Dryander. Da gehn die einen muͤde fort, Die andern nah'n behende, Das alte Stuͤck, man spielt's so fort Und kriegt es nie zu Ende. Und keiner kennt den letzten Akt Von allen die da spielen, Nur der da droben schlaͤgt den Takt, Weiß, wo das hin will zielen. Der verliebte Reisende. I . D a fahr' ich still im Wagen, Du bist so weit von mir, Wohin er mich mag tragen, Ich bleibe doch bei dir. Da fliegen Waͤlder, Kluͤfte Und schoͤne Thaͤler tief, Und Lerchen hoch in Luͤften, Als ob dein' Stimme rief'. Die Sonne lustig scheinet Weit uͤber das Revier, Ich bin so froh verweinet Und singe still in mir. Vom Berge geht's hinunter, Das Posthorn schallt im Grund, Mein' Seel' wird mir so munter, Gruͤß' dich aus Herzensgrund! II . Ich geh' durch die dunkeln Gassen Und wandre von Haus zu Haus, Ich kann mich noch immer nicht fassen, Sieht alles so truͤbe aus. Da gehen viel Maͤnner und Frauen, Die alle so lustig sehn, Die fahren und lachen und bauen, Daß mir die Sinne vergehn. Oft wenn ich blaͤuliche Streifen Seh' uͤber die Daͤcher fliehn, Sonnenschein draußen schweifen, Wolken am Himmel ziehn: Da treten mitten im Scherze Die Thraͤnen ins Auge mir, Denn die mich lieben von Herzen Sind alle so weit von hier. III. Lied, mit Thraͤnen halb geschrieben, Dorthin uͤber Berg und Kluft, Wo die Liebste mein geblieben, Schwing' dich durch die blaue Luft! Ist sie roth und lustig, sage: Ich sey krank von Herzensgrund; Weint sie Nachts, sinnt still bei Tage, Ja dann sag: ich sey gesund! Ist vorbei ihr treues Lieben, Nun, so end' auch Lust und Noth, Und zu allen, die mich lieben, Fliege, sage: ich sey todt! IV. Ach Liebchen, dich ließ ich zuruͤcke, Mein liebes, herziges Kind, Da lauern viel Menschen voll Tuͤcke, Die sind dir so feindlich gesinnt. Die moͤchten so gerne zerstoͤren Auf Erden das schoͤne Fest, Ach koͤnnte das Lieben aufhoͤren, So moͤgen sie nehmen den Rest. Und alle die gruͤnen Orte, Wo wir gegangen im Wald, Die sind nun wohl anders geworden, Da ist's nun so still und kalt. Da sind nun am kalten Himmel Viel tausend Sterne gestellt, Es scheint ihr goldnes Gewimmel Weit uͤbers beschneite Feld. Mein' Seele ist so beklommen, Die Gassen sind leer und todt, Da hab' ich die Laute genommen Und singe in meiner Noth. Ach waͤr' ich im stillen Hafen! Kalte Winde am Fenster gehn, Schlaf ruhig, mein Liebchen, schlafe, Treu' Liebe wird ewig bestehn! V . Gruͤn war die Waide, Der Himmel blau, Wir saßen beide Auf glaͤnziger Au. Sind's Nachtigallen Wieder, was ruft, Lerchen, die schallen Aus warmer Luft? Ich hoͤr' die Lieder, Fern, ohne dich, Lenz ists wohl wieder Doch nicht fuͤr mich. VI . Wolken, Waͤlderwaͤrts gegangen, Wolken, fliegend uͤber's Haus, Koͤnnt' ich an euch fest mich hangen, Mit euch fliegen weit hinaus! Taglang durch die Waͤlder schweif' ich, Voll Gedanken sitz' ich still, In die Saiten fluͤchtig greif' ich, Wieder dann auf einmal still. Schoͤne, ruͤhrende Geschichten Fallen ein mir, wo ich steh, Lustig muß ich schreiben, dichten, Ist mir selber gleich so weh. Manches Lied, das ich geschrieben Wohl vor manchem langen Jahr, Da die Welt vom treuen Lieben Schoͤn mir uͤberglaͤnzet war. Find' ich's wieder jetzt voll Bangen: Werd' ich wunderbar geruͤhrt, Denn so lang ist das vergangen, Was mich zu dem Lied verfuͤhrt. Diese Wolken ziehen weiter, Alle Voͤgel sind erweckt, Und die Gegend glaͤnzet heiter, Weit und froͤhlich aufgedeckt. Regen fluͤchtig abwaͤrts gehen, Scheint die Sonne zwischendrein, Und dein Haus, dein Garten stehen Ueber'm Wald im stillen Schein. Doch du harrst nicht mehr mit Schmerzen, Wo so lang' dein Liebster sey — Und mich toͤdtet noch im Herzen Dieser Schmerzen Zauberei. VII . Mit meinem Saitenspiele, Das schoͤn geklungen hat, Komm' ich durch Laͤnder viele Zuruͤck in diese Stadt. Ich ziehe durch die Gassen, So finster ist die Nacht, Und alles so verlassen, Hatt's anders mir gedacht. Am Brunnen steh ich lange, Der rauscht fort, wie vorher, Kommt mancher wohl gegangen‚ Es kennt mich keiner mehr. Da hoͤrt' ich geigen, pfeifen, Die Fenster glaͤnzten weit, Dazwischen drehn und schleifen Viel' fremde, froͤhliche Leut'. Und Herz und Sinne mir brannten‚ Mich trieb's in die weite Welt, Es spielten die Musikanten, Da fiel ich hin im Feld. VIII. Auf einer Burg . Eingeschlafen auf der Lauer Oben ist der alte Ritter; Druͤber gehen Regenschauer, Und der Wald rauscht durch das Gitter. Eingewachsen Bart und Haare, Und versteinert Brust und Krause, Sitzt er viele hundert Jahre Oben in der stillen Klause. Draußen ist es still und friedlich, Alle sind in's Thal gezogen, Waldesvoͤgel einsam singen In den leeren Fensterbogen. Eine Hochzeit faͤhrt da unten Auf dem Rhein im Sonnenscheine, Musikanten spielen munter, Und die schoͤne Braut die weinet. IX . Jahrmarkt . Sind's die Haͤuser, sind's die Gassen? Ach, ich weiß nicht, wo ich bin! Hab' ein Liebchen hier gelassen, Und manch Jahr ging seitdem hin. Aus den Fenstern schoͤne Frauen Sehn mir freundlich in's Gesicht, Keine kann so frischlich schauen, Als mein liebes Liebchen sicht. An dem Hause poch' ich bange — Doch die Fenster stehen leer, Ausgezogen ist sie lange, Und es kennt mich keiner mehr. Und ringsum ein Rufen, Handeln, Schmucke Waaren, bunter Schein, Herr'n und Damen gehn und wandeln Zwischendurch in bunten Reih'n. Zierlich Buͤcken, freundlich Blicken, Manches fluͤcht'ge Liebeswort, Haͤndedruͤcken, heimlich Nicken — Nimmt sie all' der Strom mit fort. Und mein Liebchen sah ich eben Traurig in dem lust'gen Schwarm, Und ein schoͤner Herr daneben Fuͤhrt sie stolz und ernst am Arm. Doch verblaßt war Mund und Wange, Und gebrochen war ihr Blick, Seltsam schaut' sie stumm und lange, Lange noch auf mich zuruͤck. — Und es endet Tag und Scherzen, Durch die Gassen pfeift der Wind — Keiner weiß, wie unsre Herzen Tief von Schmerz zerrissen sind. X . In der Fremde . Ich hoͤr' die Baͤchlein rauschen Im Walde her und hin, Im Walde in dem Rauschen Ich weiß nicht, wo ich bin. Die Nachtigallen schlagen Hier in der Einsamkeit, Als wollten sie was sagen Von der alten, schoͤnen Zeit. Die Mondesschimmer fliegen, Als seh' ich unter mir Das Schloß im Thale liegen, Und ist doch so weit von hier! 3 Als muͤßte in dem Garten Voll Rosen weiß und roth, Meine Liebste auf mich warten, Und ist doch lange todt. Sehnsucht . E s schienen so golden die Sterne, Am Fenster ich einsam stand Und hoͤrte aus weiter Ferne Ein Posthorn im stillen Land. Das Herz mir im Leib entbrennte, Da hab' ich mir heimlich gedacht: Ach wer da mitreisen koͤnnte In der praͤchtigen Sommernacht! Zwei junge Gesellen gingen Voruͤber am Bergeshang, Ich hoͤrte im Wandern sie singen Die stille Gegend entlang: Von schwindelnden Felsenschluͤften, Wo die Waͤlder rauschen so sacht, Von Quellen, die von den Kluͤften Sich stuͤrzen in die Waldesnacht. Sie sangen von Marmorbildern, Von Gaͤrten, die uͤber'm Gestein In daͤmmernden Lauben verwildern, Palaͤsten im Mondenschein, Wo die Maͤdchen am Fenster lauschen, Wann der Lauten Klang erwacht Und die Brunnen verschlafen rauschen In der praͤchtigen Sommernacht. — 3 * Abschied . O Thaͤler weit, o Hoͤhen, O schoͤner gruͤner Wald, Du meiner Lust und Wehen Andaͤcht'ger Aufenthalt! Da draußen, stets betrogen, Saus't die geschaͤft'ge Welt, Schlag' noch einmal die Bogen Um mich, du gruͤnes Zelt! Wenn es beginnt zu tagen, Die Erde dampft und blinkt, Die Voͤgel lustig schlagen, Daß dir dein Herz erklingt: Da mag vergehn, verwehen Das truͤbe Erdenleid, Da sollst du auferstehen In junger Herrlichkeit! Da steht im Wald geschrieben, Ein stilles, ernstes Wort Von rechtem Thun und Lieben, Und was des Menschen Hort. Ich habe treu gelesen Die Worte schlicht und wahr, Und durch mein ganzes Wesen Ward's unaussprechlich klar. Bald werd' ich dich verlassen, Fremd in der Fremde geh'n, Auf buntbewegten Gassen Des Lebens Schauspiel sehn; Und mitten in dem Leben Wird deines Ernst's Gewalt Mich Einsamen erheben, So wird mein Herz nicht alt. Morgen . F liegt der erste Morgenstrahl Durch das stille Nebelthal, Rauscht erwachend Wald und Huͤgel: Wer da fliegen kann, nimmt Fluͤgel! Und sein Huͤtlein in die Luft Wirft der Mensch vor Lust und ruft: Hat Gesang doch auch noch Schwingen, Nun so will ich froͤhlich singen! H inaus, o Mensch, weit in die Welt, Bangt dir das Herz in krankem Muth Nichts ist so truͤb in Nacht gestellt, Der Morgen leicht macht's wieder gut. Mittagsruh . U eber Bergen, Fluß und Thalen, Stiller Lust und tiefen Qualen Webet heimlich, schillert, Strahlen! Sinnend ruht des Tags Gewuͤhle In der dunkelblauen Schwuͤle, Und die ewigen Gefuͤhle, Was dir selber unbewußt, Treten heimlich, groß und leise Aus der Wirrung fester Gleise, Aus der unbewachten Brust, In die stillen, weiten Kreise. Abend . S chweigt der Menschen laute Lust: Rauscht die Erde wie in Traͤumen Wunderbar mit allen Baͤumen, Was dem Herzen kaum bewußt, Alte Zeiten, linde Trauer, Und es schweifen leise Schauer Wetterleuchtend durch die Brust. Nacht . W ie schoͤn hier zu vertraͤumen Die Nacht im stillen Wald, Wenn in den dunklen Baͤumen Das alte Maͤhrchen hallt. Die Berg' im Mondesschimmer Wie in Gedanken stehn, Und durch verworrne Truͤmmer Die Quellen klagend gehn. Denn muͤd ging auf den Matten Die Schoͤnheit nun zur Ruh, Es deckt mit kuͤhlen Schatten Die Nacht das Liebchen zu. Das ist das irre Klagen In stiller Waldespracht, Die Nachtigallen schlagen Von ihr die ganze Nacht. Die Stern' gehn auf und nieder— Wann kommst du, Morgenwind, Und hebst die Schatten wieder Von dem vertraͤumten Kind? Schon ruͤhrt sich's in den Baͤumen, Die Lerche weckt sie bald — So will ich treu vertraͤumen Die Nacht im stillen Wald. Wegweiser . „ J etzt mußt du rechts dich schlagen, Schleich' dort und lausche hier, Dann schnell drauf los im Jagen — So wird noch was aus dir.“ Dank'! doch durch's Weltgewimmel, Sagt mir, ihr weisen Herrn, Wo geht der Weg zum Himmel? Das Eine wuͤßt' ich gern. Täuschung . I ch ruhte aus vom Wandern, Der Mond ging eben auf, Da sah ich fern im Lande Der alten Tiber Lauf, Im Walde lagen Truͤmmer, Palaͤste auf stillen Hoͤh'n Und Gaͤrten im Mondesschimmer — O Welschland, wie bist du schoͤn! Und als die Nacht vergangen, Die Erde blitzte so weit, Einen Hirten sah ich hangen Am Fels in der Einsamkeit. Den fragt' ich ganz geblendet: Komm' ich nach Rom noch heut? Er dehnt' sich halbgewendet: Ihr seyd nicht recht gescheut! Eine Winzerin lacht' heruͤber, Man sah sie vor Weinlaub kaum, Mir aber ging's Herze uͤber — Es war ja alles nur Traum. Schöne Fremde . E s rauschen die Wipfel und schauern, Als machten zu dieser Stund' Um die halbversunkenen Mauern Die alten Goͤtter die Rund'. Hier hinter den Myrthenbaͤumen In heimlich daͤmmernder Pracht, Was sprichst du wirr wie in Traͤumen Zu mir, phantastische Nacht? Es funkeln auf mich alle Sterne Mit gluͤhendem Liebesblick, Es redet trunken die Ferne Wie von kuͤnftigem großen Gluͤck! — Liebe in der Fremde . I . J eder nennet froh die Seine, Ich nur stehe hier alleine, Denn was fruͤge wohl die Eine: Wen der Fremdling eben meine? Und so muß ich, wie im Strome dort die Welle, Ungehoͤrt verrauschen an des Fruͤhlings Schwelle. II . Wie kuͤhl schweift sich's bei naͤcht'ger Stunde, Die Zitter treulich in der Hand! Vom Huͤgel gruͤß ich in die Runde Den Himmel und das stille Land. Wie ist da alles so verwandelt, Wo ich so froͤhlich war, im Thal. Im Wald wie still! der Mond nur wandelt Nun durch den hohen Buchensaal. Der Winzer Jauchzen ist verklungen Und all der bunte Lebenslauf, Die Stroͤme nur, im Thal geschlungen, Sie blicken manchmal silbern auf. Und Nachtigallen wie aus Traͤumen Erwachen oft mit suͤßem Schall, Erinnernd ruͤhrt sich in den Baͤumen, Ein heimlich Fluͤstern uͤberall. — Die Freude kann nicht gleich verklingen, Und von des Tages Glanz und Lust Ist so auch mir ein heimlich Singen Geblieben in der tiefsten Brust. Und froͤhlich greif ich in die Saiten, O Maͤdchen jenseits uͤber'm Fluß, Du lauschest wohl und hoͤrst's von weiten Und kennst den Saͤnger an dem Gruß! III . Ueber die beglaͤnzten Gipfel Fernher kommt es wie ein Gruͤßen, Fluͤsternd neigen sich die Wipfel Als ob sie sich wollten kuͤssen. Ist er doch so schoͤn und milde! Stimmen gehen durch die Nacht, Singen heimlich von dem Bilde — Ach, ich bin so froh verwacht! Plaudert nicht so laut, ihr Quellen! Wissen darf es nicht der Morgen! In der Mondnacht linde Wellen, Senk' ich stille Gluͤck und Sorgen. — IV . Jetzt wandr' ich erst gern! Am Fenster nun lauschen Die Maͤdchen, es rauschen Die Brunnen von fern. Aus schimmernden Buͤschen Ihr Plaudern so lieb Erkenn' ich dazwischen, Ich hoͤre mein Lieb! Kind huͤt' dich! bei Nacht Pflegt Amor zu wandern, Ruft leise die andern, Da schreiten erwacht Die Goͤtter zur Halle In's Freie hinaus, Es bringt sie dir alle Der Dichter in's Haus. Wanderspruͤche . I . E s geht wohl anders, als du meinst, Derweil du roth und froͤhlich scheinst Ist Lenz und Sonnenschein verflogen, Die liebe Gegend schwarz umzogen; Und kaum hast du dich ausgeweint, Lacht Alles wieder, die Sonne scheint — Es geht wohl anders als man meint. II . Herz, in deinen sonnenhellen Tagen halt' nicht karg zuruͤck! Allwaͤrts froͤhliche Gesellen Trifft der Frohe und sein Gluͤck. Sinkt der Stern: alleine wandern Magst du bis an's End der Welt — Bau' du nur auf keinen andern Als auf Gott, der Treue haͤlt. III . Was willst auf dieser Station So breit dich niederlassen! Wie bald nicht blaͤst der Postillon, Du mußt doch alles lassen. IV . Die Lerche gruͤßt den ersten Strahl, Daß er die Brust ihr zuͤnde, Wenn traͤge Nacht noch uͤberall Durchschleicht die tiefen Gruͤnde. Und du willst, Menschenkind, der Zeit Verzagend unterliegen? Was ist dein kleines Erdenleid! Du mußt es uͤberfliegen! V . Der Sturm geht laͤrmend um das Haus, Ich bin kein Narr, und geh' hinaus, Aber bin ich eben draußen, Will ich mich wacker mit ihm zausen. VI . Am Meer . Ewig muntres Spiel der Wogen! Viele hast du schon belogen, Mancher kehrt nicht mehr zuruͤck. Und doch weckt das Wellenschlagen Immer wieder frisches Wagen, Falsch und lustig, wie das Gluͤck. VII . Der Wandrer, von der Heimath weit, Wenn rings die Gruͤnde schweigen, Der Schiffer in Meeres Einsamkeit, Wenn die Stern' aus den Fluten steigen: 4 Die beide schauern und lesen In stiller Nacht Was sie nicht gedacht, Da es noch froͤhlicher Tag gewesen. Erinnerung . I . L indes Rauschen in den Wipfeln, Voͤglein, die ihr fernab fliegt, Bronnen von den stillen Gipfeln, Sagt, wo meine Heimath liegt? Heut' im Traum sah ich sie wieder, Und von allen Bergen ging Solches Gruͤßen zu mir nieder, Daß ich an zu weinen fing. Ach, hier auf den fremden Gipfeln: Menschen, Quellen, Fels und Baum, Wirres Rauschen in den Wipfeln, — Alles ist mir wie ein Traum. II . Die fernen Heimathhoͤhen, Das stille hohe Haus, Der Berg, von dem ich gesehen Jeden Fruͤhling in's Land hinaus, Mutter, Freunde und Bruͤder, An die ich so oft gedacht, Es gruͤßt mich alles wieder, In stiller Mondesnacht. 4 * Heimweh . W er in die Fremde will wandern, Der muß mit der Liebsten gehn, Es jubeln und lassen die Andern Den Fremden alleine stehn. Was wisset Ihr, dunkele Wipfeln, Von der alten schoͤnen Zeit? Ach, die Heimath hinter den Gipfeln, Wie liegt sie von hier so weit. Am liebsten betracht' ich die Sterne, Die schienen, wenn ich ging zu ihr, Die Nachtigall hoͤr' ich so gerne, Sie sang vor der Liebsten Thuͤr. Der Morgen, das ist meine Freude! Da steig' ich in stiller Stund' Auf den hoͤchsten Berg in die Weite, Gruͤß Dich Deutschland aus Herzensgrund! An der Graͤnze . D ie treuen Berg' steh'n auf der Wacht: „Wer streicht bei stiller Morgenzeit Da aus der Fremde durch die Haid'?“ — Ich aber mir die Berg' betracht' Und lach' in mich vor großer Lust, Und rufe recht aus frischer Brust Parol und Feldgeschrei sogleich: Vivat Oestreich! Da kennt mich erst die ganze Rund, Nun gruͤßen Bach und Voͤglein zart Und Waͤlder rings nach Landesart, Die Donau blitzt aus tiefem Grund, Der Stephansthurm auch ganz von fern Guckt uͤber'n Berg und saͤh' mich gern, Und ist er's nicht, so kommt er doch gleich, Vivat Oestreich! Ruͤckkehr . W er steht hier draußen? — Macht auf geschwind! Schon funkelt das Feld wie geschliffen, Es ist der lustige Morgenwind, Der kommt durch den Wald gepfiffen. Ein Wandervoͤglein, die Wolken und ich, Wir reis'ten um die Wette, Und jedes dacht': nun spute dich, Wir treffen sie noch im Bette! Da sind wir nun, jetzt alle heraus, Die drinn noch Kuͤsse tauschen! Wir brechen sonst mit der Thuͤr in's Haus: Klang, Duft und Waldesrauschen. Ich komme aus Italien fern Und will Euch alles berichten, Vom Berg Vesuv und Roma's Stern Die alten Wundergeschichten. Da singt eine Fey auf blauem Meer, Die Myrthen trunken lauschen — Mir aber gefaͤllt doch nichts so sehr, Als das deutsche Waldesrauschen! Zur Hochzeit . W as das fuͤr ein Gezwitscher ist! Durch's Blau die Schwalben zucken Und schrei'n: „sie haben sich gekuͤßt!“ Vom Baum Rothkehlchen gucken. Der Storch stolzirt von Bein zu Bein; „Da muß ich fischen gehen —“ Der Abend wie im Traum darein Schaut von den stillen Hoͤhen. Und wie im Traum von den Hoͤhen Seh' ich Nachts meiner Liebsten Haus, Die Wolken daruͤber gehen Und loͤschen die Sterne aus. Der irre Spielmann . A us stiller Kindheit unschuldiger Hut Trieb mich der tolle, frevelnde Muth. Seit ich da draußen so frei nun bin Find' ich nicht wieder nach Hause hin. Durch's Leben jag' ich manch truͤg'risch Bild, Wer ist der Jaͤger da? wer ist das Wild? Es pfeift der Wind mir schneidend durchs Haar, Ach Welt, wie bist Du so kalt und klar! Du frommes Kindlein im stillen Haus, Schau' nicht so luͤstern zum Fenster hinaus! Frag mich nicht, Kindlein, woher und wohin? Weiß ich doch selber nicht wo ich bin! Von Suͤnde und Reue zerrissen die Brust, Wie rasend in verzweifelter Lust, Brech ich im Fluge mir Blumen zum Strauß, Wird doch kein froͤhlicher Kranz nicht daraus! — Ich moͤcht' in den tiefsten Wald wohl hinein, Recht aus der Brust den Jammer zu schrei'n, Ich moͤchte reiten an's Ende der Welt, Wo der Mond und die Sonne hinunter faͤllt. Wo schwindelnd beginnt die Ewigkeit, Wie ein Meer, so erschrecklich still und weit, Da sinken all' Stroͤm' und Segel hinein, Da wird es wohl endlich auch ruhig sein. Letzte Heimkehr . D er Wintermorgen glaͤnzt so klar, Ein Wandrer kommt von ferne, Ihn schuͤttelt Frost, es starrt sein Haar, Ihm log die schoͤne Ferne, Nun endlich will er rasten hier, Er klopft an seines Vaters Thuͤr. Doch todt sind, die sonst aufgethan, Verwandelt Hof und Habe, Und fremde Leute seh'n ihn an Als kaͤm' er aus dem Grabe; Ihn schauert tief im Herzensgrund, Ins Feld eilt er zur selben Stund. Da sang kein Voͤglein weit und breit, Er lehnt' an einem Baume, Der schoͤne Garten lag verschneit, Es war ihm wie im Traume, Und wie die Morgenglocke klingt, Im stillen Feld er niedersinkt. Und als er aufsteht vom Gebet, Nicht weiß, wohin sich wenden, Ein schoͤner Juͤngling bei ihm steht, Faßt mild ihn bei den Haͤnden: „Komm' mit, sollst ruhn nach kurzem Gang.“ — Er folgt, ihn ruͤhrt der Stimme Klang. Nun durch die Bergeseinsamkeit Sie wie zum Himmel steigen, Kein Glockenklang mehr reicht so weit, Sie sehn im oͤden Schweigen Die Laͤnder hinter sich verbluͤhn, Schon Sterne durch die Wipfel gluͤhn. Der Fuͤhrer jetzt die Fackel sacht Erhebt und schweigend schreitet, Bei ihrem Schein die stille Nacht Gleichwie ein Dom sich weitet, Wo unsichtbare Haͤnde baun — Den Wandrer faßt ein heimlich Graun. Er sprach: was bringt der Wind herauf So fremden Laut getragen, Als hoͤrt' ich ferner Stroͤme Lauf, Dazwischen Glocken schlagen? „Das ist des Nachtgesanges Wehn, Sie loben Gott in stillen Hoͤh'n.“ Der Wandrer drauf: ich kann nicht mehr — Ist's Morgen, der so blendet? Was leuchten dort fuͤr Laͤnder her? — Sein Freund die Fackel wendet: „Nun ruh zum letztenmale aus, Wenn du erwachst, sind wir zu Haus.“ II . Sängerleben . Singen kann ich nicht wie Du Und wie ich nicht der und jener, Kannst Du's besser, sing' frisch zu! Andre singen wieder schoͤner, Droben an dem Himmelsthor Wird's ein wunderbarer Chor. Anklänge . I . V oͤglein in den sonn'gen Tagen! Luͤfte blau, die mich verfuͤhren! Koͤnnt' ich bunte Fluͤgel ruͤhren, Ueber Berg und Wald sie schlagen! Ach! es spricht des Fruͤhlings Schoͤne, Und die Voͤgel alle singen: Sind die Farben denn nicht Toͤne, Und die Toͤne bunte Schwingen? Voͤglein, ja ich lass' das Zagen! Winde sanft die Segel ruͤhren, Und ich lasse mich entfuͤhren, Ach! wohin? mag ich nicht fragen. II . Ach! wie ist es doch gekommen, Daß die ferne Waldes-Pracht So mein ganzes Herz genommen, Mich um alle Ruh' gebracht! Wenn von druͤben Lieder wehen, Waldhorn gar nicht enden will, Weiß' ich nicht, wie mir geschehen, Und im Herzen bet' ich still. Koͤnnt' ich zu den Waͤldern fluͤchten, Mit dem Gruͤn in frischer Lust Mich zum Himmelsglanz aufrichten — Stark und frei waͤr' da die Brust! Hoͤrnerklang und Lieder kaͤmen Nicht so schmerzlich an mein Herz, Froͤhlich wollt' ich Abschied nehmen, Zoͤg' auf ewig waͤlderwaͤrts. Intermezzo . Wie so leichte laͤßt sich's leben! Blond und roth und etwas feist, Thue wie die andern eben, Daß Dich jeder Bruder heißt, Speise, was die Zeiten geben, Bis die Zeit auch Dich verspeist! III . Wenn die Klaͤnge nah'n und fliehen , In den Wogen suͤßer Lust , Ach ! nach tiefern Melodieen Sehnt sich einsam oft die Brust . Wenn auf Bergen bluͤht die Fruͤhe, Wieder buntbewegt die Straßen, Freut sich alles, wie es gluͤhe, Himmelwaͤrts die Erde bluͤhe: Einer doch muß tief erblassen, Goldne Traͤume, Sternenlust Wollten ewig ihn nicht lassen — Sehnt sich einsam nun die Brust . Und aus solcher Schmerzen Schwellen, Was so lange duͤrstend rang, Will an's Licht nun rastlos quellen, Stuͤrzend mit den Wasserfaͤllen, Himmelstaͤubend, jubelnd, bang, Nach der Ferne sanft zu ziehen, Wo so himmlisch Rufen sang, Ach ! nach tiefern Melodieen . Bluͤthen licht' nun Bluͤthen draͤngen, Daß er moͤcht' vor Glanz erblinden; In den dunklen Zaubergaͤngen, Von den eigenen Gesaͤngen Hold gelockt, kann er nicht finden Aus dem Labyrinth der Brust. Alles, alles will's verkuͤnden In den Wogen suͤßer Lust . Doch durch dieses Rauschen wieder Hoͤrt er heimlich Stimmen ziehen, Wie ein Fall verlorner Lieder Und er schaut betroffen nieder: „ Wenn die Klaͤnge nah'n und fliehen In den Wogen suͤßer Lust , Ach ! nach tiefern Melodieen Sehnt sich einsam oft die Brust !“ IV . Ewig's Traͤumen von den Fernen ! Endlich ist das Herz erwacht Unter Blumen , Klang und Sternen In der dunkelgruͤnen Nacht . Schlummernd unter blauen Wellen Ruht der Knabe unbewußt, Engel ziehen durch die Brust; Oben hoͤrt er in den Wellen Ein unendlich' Wort zerrinnen, Und das Herze weint und lacht, Doch er kann sich nicht besinnen In der dunkelgruͤnen Nacht . Fruͤhling will das Blau befreien, Aus der Gruͤne, aus dem Schein Ruft es lockend: Ewig Dein — Aus der Minne Zaubereien Muß er sehnen sich nach Fernen, Denkend alter Wunderpracht, Unter Blumen , Klang und Sternen In der dunkelgruͤnen Nacht . Heil'ger Kampf nach langem Saͤumen, Wenn suͤßschauernd an das Licht Lieb' in dunkle Klagen bricht! Aus der Schmerzen Sturz und Schaͤumen Steigt Geliebte, Himmel, Fernen — Endlich ist das Herz erwacht Unter Blumen , Klang und Sternen In der dunkelgruͤnen Nacht . Und der Streit muß sich versoͤhnen, Und die Wonne und den Schmerz Muß er ewig himmelwaͤrts Schlagen nun in vollen Toͤnen: Ewig's Traͤumen von den Fernen ! Endlich ist das Herz erwacht Unter Blumen , Klang und Sternen In der dunkelgruͤnen Nacht . 5 Sonnette . I . So viele Quellen von den Bergen rauschen, Die brechen zornig aus der Felsenhalle, Die andern plaudern in melod'schem Falle Mit Nymphen, die im Gruͤn vertraulich lauschen Doch wie sie irrend auch die Bahn vertauschen, Sie treffen endlich doch zusammen alle, Ein Strom, mit bruͤderlicher Wogen Schwalle Erfrischend durch das schoͤne Land zu rauschen. An Burgen, die vom Felsen einsam grollen, Aus Waldesdunkel zwischen Rebenhuͤgeln Voruͤbergleitend in die duft'ge Ferne, Entwandelt er zum Meer, dem wundervollen, Wo traͤumend sich die seel'gen Inseln spiegeln Und auf den Fluthen ruh'n die ew'gen Sterne. II . So eitel kuͤnstlich haben sie verwoben Die Kunst, die selber sie nicht glaͤubig achten, Und Suͤnde so in diese Unschuld brachten. Wer unterscheidet, was noch stammt von oben? Doch wer mag wuͤrdig jene Reinen loben, Die in der Zeit hochmuͤth'gem Trieb und Trachten Die heil'ge Flamme treu in sich bewachten, Aus der die alte Schoͤnheit neu erhoben! O Herr! gib Demuth denen, die da irren, Daß, wenn ihr' Kuͤnste all' zu Schanden werden, Sie thoͤricht nicht den Gott in sich verfluchen! Begeisterung, was falsch ist, zu entwirren, Und Freudigkeit, wo's oͤde wird auf Erden, Verleihe denen, die dich redlich suchen! III . Ein Wunderland ist oben aufgeschlagen, Wo gold'ne Stroͤme geh'n und dunkel schallen, Gesaͤnge durch das Rauschen tief verhallen, Die moͤchten gern ein hohes Wort dir sagen. Viel goldne Bruͤcken sind dort kuͤhn geschlagen, Daruͤber alte Bruͤder sinnend wallen — Wenn Toͤne wie im Fruͤhlingsregen fallen, Befreite Sehnsucht will dorthin dich tragen. Wie bald laͤg' unten alles Bange, Truͤbe, Du strebtest lauschend, blicktest nicht mehr nieder, Und hoͤher winket stets der Bruͤder Liebe: Wen einmal so beruͤhrt die heil'gen Lieder, Sein Leben taucht in die Musik der Sterne, Ein ewig Zieh'n in wunderbare Ferne! 5 * IV . Wer einmal tief und durstig hat getrunken, Den zieht zu sich hinab die Wunderquelle, Daß er melodisch mit zieht, selbst als Welle, Auf der die Welt sich bricht in tausend Funken. Es waͤchst sehnsuͤchtig, stuͤrzt und leuchtet trunken Jauchzend im Innersten die heil'ge Quelle, Bald Bahn sich brechend durch die Kluft zur Helle, Bald kuͤhle rauschend dann in Nacht versunken. So lass' es ungeduldig brausen, draͤngen! Hoch schwebt der Dichter drauf in goldnem Nachen, Sich selber heilig opfernd in Gesaͤngen. Die alten Felsen spalten sich mit Krachen, Von druͤben gruͤßen schon verwandte Lieder, Zum ew'gen Meere fuͤhrt Er alle wieder. V . Nicht Traͤume sind's und leere Wahn-Gesichte, Was von dem Volk' den Dichter unterscheidet. Was er inbruͤnstig bildet, liebt und leidet, Es ist des Lebens wahrhafte Geschichte. Er fragt nicht viel, wie ihn die Menge richte, Der eignen Ehr' nur in der Brust vereidet; Denn wo begeistert er die Blicke weidet, Gruͤßt ihn der Weltkreis mit verwandtem Lichte. Die schoͤne Mutter, die ihn hat geboren, Den Himmel liebt er, der ihn auserkohren, Laͤßt beide Haupt und Brust sich heiter schmuͤcken. Die Menge selbst, die herbraust, ihn zu fragen Nach seinem Recht, muß den Begluͤckten tragen, Als Element ihm bietend ihren Ruͤcken. VI . Ihm ists verlieh'n, aus den verworrnen Tagen, Die um die andern sich wie Kerker dichten, Zum blauen Himmel sich emporzurichten, In Freudigkeit: Hie bin ich, Herr! zu sagen. Das Leben hat zum Ritter ihn geschlagen; Er soll der Schoͤnheit neid'sche Kerker lichten, Daß nicht sich alle goͤtterlos vernichten, Soll er die Goͤtter zu beschwoͤren wagen. Tritt erst die Lieb' auf seine bluͤh'nden Huͤgel, Fuͤhlt er die reichen Kraͤnze in den Haaren, Mit Morgenroth muß sich die Erde schmuͤcken; Suͤßschauernd dehnt der Geist die großen Fluͤgel, Es glaͤnzt das Meer — die muth'gen Schiffe fahren, Da ist nichts mehr, was ihm nicht sollte gluͤcken! Rettung. I ch spielt', ein frohes Kind, im Morgenscheine, Der Fruͤhling schlug die Augen auf so helle, Hinunter reisten Stroͤm' und Wolken schnelle, Ich streckt' die Arme nach in's Blaue, Reine. Noch wußt' ich's selbst nicht, was das alles meine: Die Lerch', der Wald, der Luͤfte blaue Welle, Und traͤumend stand ich an des Fruͤhlings Schwelle, Von fern rief's immer fort: Ich bin die Deine! Da kam ein alter Mann gegangen Mit hohlen Augen und bleichen Wangen, Er schlich gebogen und schien so krank; Ich gruͤßt' ihn schoͤn, doch fuͤr den Dank Faßt' er mich tuͤckisch schnell von hinten, Schlang um die Arme mir dreifache Binden, Und wie ich rang und um Huͤlfe rief, Geschwind noch ein andrer zum Alten lief, Und von allen Seiten kamen Menschen gelaufen, Ein dunkelverworr'ner, truͤbseeliger Haufen. Die draͤngten mich gar tuͤckisch in ihre Mitte, Fuͤhrten durch's Land mich mit eiligem Schritte. Wie wandt' ich sehnend mich oft zuruͤcke! Die Heimath schickte mir Abschiedsblicke; Die Buͤsche langten nach mir mit gruͤnen Armen, Es schrie'n alle Voͤglein recht zum Erbarmen. Doch die Alten hoͤrten nicht die fernen Lieder, Sumsten duͤstere Worte nur hin und wieder, Fuͤhrten mich endlich in ein altes Haus, Da wogt' es unten in Nacht und Graus, Da war ein Haͤmmern, ein Schachern und Rumoren, Als haͤtte das Chaos noch nicht ausgegohren. Hier hielt der Alte wuͤrdig und breit: Mein Sohn, sprach er zu mir, das ist die Nuͤtzlichkeit! Die haben wir so zum gemeinen Besten erfunden. Das betrachte huͤbsch fleißig und sei gescheut. — So ließen sie mich Armen allein und gebunden. Da schaut' ich weinend aus meinem Kerker Hinaus in das Leben durch duͤstern Erker, Und unten sah ich den Lenz sich breiten, Bluͤhende Traͤume uͤber die Berge schreiten, Druͤber die blauen unendlichen Weiten. Durch's farbige Land auf blauen Fluͤssen Zogen bunte Schifflein, die wollten mich gruͤßen. Voruͤber kamen die Wolken gezogen, Voruͤber singende Voͤglein geflogen; Es wollt' der große Zug mich mit fassen, Ach! Menschen, wann werd't ihr mich wieder hinunter lassen! Und im dunkelgruͤnen Walde munter Schallte die Jagd hinauf und hinunter, Eine Jungfrau zu Roß und blitzende Reiter — Ueber die Berge immer weiter und weiter Rief Waldhorn immer fort dazwischen: Mir nach in den Wald, den frischen! Ach! weiß denn niemand, niemand um mein Trauern? Wie alle Fernen mir prophetisch singen Von meinem kuͤnft'gen wundervollen Leben! Von innen fuͤhlt' ich blaue Schwingen ringen, Die Haͤnde konnt' ich innigst betend heben — Da sprengt' ein großer Klang so Band wie Mauern. Da ward ich im innersten Herzen so munter, Schwindelten alle Sinne in den Lenz hinunter, Weit waren kleinliche Muͤhen und Sorgen, Ich sprang hinaus in den farbigen Morgen. Hippogryph . D as ist das Fluͤgelpferd mit Silberschellen, Das heitere Gesellen Empor hebt uͤber Haidekraut und Kluͤfte, Daß durch den Strom der Luͤfte, Die um den Reisehut melodisch pfeifen, Des Ernst's Gewalt und Thoren-Laͤrm der Schluͤfte Als Fruͤhlingsjauchzen nur die Brust mag streifen; Und so im Flug' belauschen Des trunknen Lieder-Gottes ruͤst'ge Soͤhne, Wenn alle Hoͤh'n und Thaͤler bluͤh'n und rauschen, Im Morgenbad des Lebens ew'ge Schoͤne, Die in dem Glanz erschrocken, Sie gluͤhend anblickt aus den dunklen Locken. Die zwei Gesellen. E s zogen zwei ruͤst'ge Gesellen Zum ersten Mal von Haus, So jubelnd recht in die hellen Klingenden, singenden Wellen Des vollen Fruͤhlings hinaus. Die strebten nach hohen Dingen, Die wollten, trotz Lust und Schmerz, Was Rechts in der Welt vollbringen, Und wem sie voruͤber gingen, Dem lachten Sinnen und Herz. — Der Erste, der fand ein Liebchen, Die Schwieger kauft' Hof und Haus; Der wiegte gar bald ein Buͤbchen, Und sah aus heimlichem Stuͤbchen Behaglich in's Feld hinaus. Dem Zweiten sangen und logen Die tausend Stimmen im Grund, Verlockend' Syrenen, und zogen Ihn in der buhlenden Wogen Farbig klingenden Schlund. Und wie er auftaucht' vom Schlunde, Da war er muͤde und alt, Sein Schifflein das lag im Grunde, So still war's rings in die Runde Und uͤber die Wasser weht's kalt. Es singen und klingen die Wellen Des Fruͤhlings wohl uͤber mir; Und seh' ich so kecke Gesellen, Die Thraͤnen im Auge mir schwellen — Ach Gott, fuͤhr' uns liebreich zu Dir! Das Bilderbuch . V on der Poesie sucht Kunde Mancher im gelehrten Buch, Nur des Lebens schoͤne Runde Lehret Dich den Zauberspruch, Doch in stillgeweihter Stunde Will das Buch erschlossen sein; Und so blick' ich heut hinein, Wie ein Kind im Fruͤhlingswetter Froͤhlich Bilderbuͤcher blaͤttert, Und es schweift der Sonnenschein Auf den buntgemalten Lettern, Und gelinde weht der Wind Durch die Blumen, durch das Herz Alte Freuden, alten Schmerz — Weinen moͤcht' ich, wie ein Kind! Mandelkerngedicht. Z wischen Akten, dunkeln Waͤnden Bannt mich, Freiheitbegehr enden , Nun des Lebens strenge Pflicht, Und aus Schraͤnken, Akten-Schichten Lachen mir die beleid igten Musen in das Amts-Gesicht. Als an Lenz und Morgenroͤthe Noch das Herz sich erlab ete , O du stilles, heit'res Gluͤck! Wie ich nun auch heiß mich sehne, Ach, aus dieser Sandeb ene Fuͤhrt kein Weg dahin zuruͤck. Als der letzte Balkentreter Steh' ich armer Enterb eter In des Staates Symphonie, Ach, in diesem Schwall von Toͤnen Wo faͤnd' ich da des eige nen Herzens suͤße Melodie? Ein Gedicht soll ich Euch spenden: Nun, so geht mit dem Leid enden Nicht zu strenge ins Gericht! Nehmt den Willen fuͤr Gewaͤhrung, Kuͤhnen Reim fuͤr Begeist erung . Diesen Unsinn als Gedicht! Der Unverbesserliche. I hr habt den Vogel gefangen, Der war so frank und frei, Nun ist ihm's Fliegen vergangen, Der Sommer ist lange vorbei. Es liegen wohl Federn neben Und unter und uͤber mir, Sie koͤnnen mich alle nicht heben Aus diesem Meer von Papier. Papier! wie hoͤr' ich Dich schreien, Da alles die Federn schwenkt In langen emsigen Reihen — So wird der Staat nun gelenkt. Mein Fenster am Pulte steht offen, Der Sonnenschein schweift uͤber's Dach, Da wird so uraltes Hoffen Und Wuͤnschen im Herzen wach. Die lustigen Kameraden, Lerchen, Quellen und Wald, Sie rauschen schon wieder und laden: Geselle, kommst du nicht bald? Und wie ich durch die Gardinen Hinaussah in keckem Muth, Da hoͤrt' ich lachen im Gruͤnen, Ich kannte das Stimmlein recht gut. Und wie ich hinaustrat zur Schwelle, Da bluͤhten die Baͤume schon all' Und Liebchen so fruͤhlingshelle Saß drunter beim Vogelschall. Und eh wir uns beide besannen, Da wiehert' das Fluͤgelroß — Wir flogen selbander von dannen, Daß es unten die Schreiber verdroß. Die Werber. „ O Fruͤhling, wie bist du helle! Ade nun Hof und Haus!“ Und jubelnd auf den Schwellen Mit froͤhlichen Gesellen Wandert der Dichter aus. Doch ihre Lieder wecken Rings leises Zischeln bald, Kobold' aus allen Hecken Erweisen sich mit Necken Gar wunderbar im Wald. Zu Roß, so schoͤn und wuͤste, Ein hohes Weib fliegt her, Behelmt, entbloͤßt die Bruͤste, Ihr Aug' weckt wild Geluͤste, Sie heißt Soldaten-Ehr. Ihr nach aus Felsenritzen Schau'n graue Wichte klein, Verstreu'n von ihren Muͤtzen Dukaten rings, die blitzen Blutroth in's Land herein. Der Schlauste gar durch's Blaue Als Fluͤgel-Buͤbchen schwirrt, Fuͤhrt uͤber Berg und Aue Daher die schoͤnste Fraue — Die macht erst all' verwirrt. Und der Dichter in dem Toben Steht einsam auf der Hoͤh', Die andern sind zerstoben, So still nun ist's da oben, Sein Herz thut ihm so weh. Er hoͤrt der Quellen Gaͤnge Durch die Waldeinsamkeit, Da sinnt er auf Gesaͤnge, Die Welt giebt volle Klaͤnge, Sein Herz wird ihm so weit. Und jeden Fruͤhling wieder Von der schoͤnen Jugendzeit Singt er vom Berg hernieder, Und Heimweh faßt die Bruͤder, Die in dem Thal zerstreut. 6 Wehmuth . I . I ch kann wohl manchmal singen, Als ob ich froͤhlich sey, Doch heimlich Thraͤnen dringen, Da wird das Herz mir frei. So lassen Nachtigallen, Spielt draußen Fruͤhlingsluft, Der Sehnsucht Lied erschallen Aus ihres Kaͤfigs Gruft. Da lauschen alle Herzen, Und alles ist erfreut, Doch keiner fuͤhlt die Schmerzen, Im Lied das tiefe Leid. II . Sage mir mein Herz, was willst du? Unstaͤt schweift dein bunter Will'; Manches andre Herz wohl stillst du, Nur du selbst wirst niemals still. „Eben, wenn ich munter singe, Um die Angst mir zu zerstreun, Ruh' und Frieden manchen bringe, Daß sich viele still erfreun: Faßt mich erst recht tief Verlangen Nach viel andrer beßrer Lust, Die die Toͤne nicht erlangen — Ach, wer sprengt die muͤde Brust?“ III . Es waren zwei junge Grafen Verliebt bis in den Tod, Die konnten nicht ruh'n noch schlafen Bis an den Morgen roth. O trau' den zwei Gesellen, Mein Liebchen, nimmermehr, Die geh'n wie Wind und Wellen, Gott weiß: wohin, woher. — Wir gruͤßen Land und Sterne Mit wunderbarem Klang, Und wer uns spuͤrt von Ferne, Dem wird so wohl und bang. Wir haben wohl hienieden Kein Haus an keinem Ort, Es reisen die Gedanken Zur Heimath ewig fort. Wie eines Stromes Dringen Geht unser Lebenslauf, Gesanges Macht und Ringen Thut helle Augen auf. 6 * Und Ufer, Wolkenfluͤgel, Die Liebe hoch und mild — Es wird in diesem Spiegel Die ganze Welt zum Bild. Dich ruͤhrt die frische Helle, Das Rauschen heimlich kuͤhl, Das lockt dich zu der Welle, Weil's draußen leer und schwuͤl. Doch wolle nie dir halten Der Bilder Wunderfest, Todt wird ihr freies Walten, Haͤltst du es weltlich fest. Kein Bett darf er hier finden. Wohl in den Thaͤlern schoͤn Siehst du sein Gold sich winden, Dann ploͤtzlich Meerwaͤrts dreh'n. Intermezzo. D ein Bildniß wunderselig Hab' ich in Herzensgrund, Das sieht so frisch und froͤhlich Mich an zu jeder Stund'. Mein Herz still in sich singet Ein altes, schoͤnes Lied, Das in die Luft sich schwinget Und zu dir eilig zieht. Laß das Trauern . L aß, mein Herz, das bange Trauern Um vergang'nes Erdengluͤck, Ach, von diesen Felsenmauern Schweifet nur umsonst der Blick! Sind denn alle fortgegangen: Jugend, Sang und Fruͤhlingslust? Lassen, scheidend, nur Verlangen Einsam mir in meiner Brust? Voͤglein hoch in Luͤften reisen, Schiffe fahren auf der See, Ihre Seegel, ihre Weisen Mehren nur des Herzens Weh. Ist vorbei das bunte Ziehen, Lustig uͤber Berg und Kluft, Wenn die Bilder wechselnd fliehen, Waldhorn immer weiter ruft? Soll die Lieb' auf sonn'gen Matten Nicht mehr bau'n ihr praͤchtig Zelt, Uebergolden Wald und Schatten Und die weite, schoͤne Welt? — Laß das Bangen, laß das Trauern, Helle wieder nur den Blick! Fern von dieser Felsen Mauern, Bluͤht Dir noch gar manches Gluͤck! Dichterfruͤhling . W enn die Baͤume lieblich rauschen, An den Bergen, an den Seen, Die im Sonnenscheine stehen, Warme Regen niederrauschen, Mag ich gern begeistert lauschen. Denn um die erfrischten Huͤgel Auf und nieder sich bewegen Fuͤhl' ich Winde, Gottes Fluͤgel, Und mir selber wachsen Fluͤgel, Athm' ich still den neuen Segen. Wie der Kranke von der Schwelle Endlich wieder in die warme Luft hinausstreckt Brust und Arme, Und es spuͤlt des Lebens Welle Fort die Glieder in das Helle: Also kommt ein neues Leben Oft auf mich herab vom Himmel, Und ich seh' vor mir mein Streben Licht und unvergaͤnglich schweben Durch des Lebens bunt Gewimmel. Will erquickt nun alles prangen, Irrt der Dichter durch die Schatten, Durch die blumenreichen Matten, Denkt der Zeiten, die vergangen, Ferner Freunde voll Verlangen, Und es weben sich die Traͤume Wie von selbst zum Werk der Musen, Und rings Berge, Blumen, Baͤume Wachsen in die heitern Raͤume Nach der Melodie im Busen. Intermezzo . W ohl vor lauter Sinnen, Singen Kommen wir nicht recht zum Leben; Wieder ohne rechtes Leben Muß zu Ende geh'n das Singen; Ging zu Ende dann das Singen: Moͤgen wir auch nicht laͤnger leben. Aufgebot . W aldhorn bringt Kund' getragen, Es hab' nun aufgeschlagen Auf Berg und Thal und Feld Der Lenz seine bunte Zelt'! In's Gruͤn zieh'n Saͤnger, Reiter, Ein jeglich Herz wird weiter, Moͤcht' jauchzend uͤber's Gruͤn Mit den Lerchen in's Blaue zieh'n. Was stehst du so alleine, Pilgrim, im gruͤnen Scheine? Lockt dicht der Wunderlaut Nicht auch zur fernen Braut? „Ach! diese tausendfachen Heilig verschlung'nen Sprachen So lockend Lust wie Schmerz Zerreißen mir das Herz.“ „Ein Wort will mir's verkuͤnden, Oft ist's, als muͤßt' ich's finden, Und wieder ist's nicht so, Und ewig frag' ich: Wo?“ — So stuͤrz' dich einmal, Geselle, Nur frisch in die Fruͤhlingswelle! Da spuͤrst du's im Innersten gleich Wo's rechte Himmelreich. Und wer dann noch mag fragen: Freudlos in blauen Tagen Der wandern und fragen mag Bis an den juͤngsten Tag! Intermezzo . Der Buͤrgermeister . H ochweiser Rath, geehrte Kollegen! Bevor wir uns heut aufs Rathen legen Bitt' ich erst reiflich zu erwaͤgen: Ob wir vielleicht, um Zeit zu gewinnen, Heut sogleich mit dem Rathen beginnen, Oder ob wir erst proponiren muͤssen, Was uns versammelt und was wir alle wissen? — Ich muß pfiichtmaͤßig voranschicken hierbei, Daß die Art der Geschaͤfte zweierlei sey: Die einen sind die eiligen, Die andern die langweiligen. Auf jene pfleg' ich Cito zu schreiben, Die andern koͤnnen liegen bleiben. Die Liegenden aber, geehrte Bruͤder, Zerfallen in wicht'ge und in hoͤchstwicht'ge wieder. Bei jenen — nun — man wird verwegen, Man schreibt nach amtlichem Ueberlegen More solito hier, und dort ad acta , Die Diener rennen, man flucht, verpakt da, Der Staat florirt und bleibt im Takt da. Doch werden die Zeiten so ungeschliffen, Wild umzuspringen mit den Begriffen, Kommt gar, wie heute, ein Fall, der eilig Und doch hoͤchstwichtig zugleich — dann freilich Muß man von neuem unterscheiden: Ob er mehr eilig oder mehr wichtig. — Ich bitte, meine Herrn, verstehn sie mich richtig! Der Punkt ist von Einfluß. Denn wir vermeiden Die species facti , wie billig, sofort, Find't sich der Fall mehr eilig als liegend. Ist aber das Wichtige uͤberwiegend, Waͤre die Eile am unrechten Ort. Meine Herren, sie haben nun die Praͤmissen, Sie werden den Beschluß zu finden wissen. Terzett . Hirt . W enn sich der Sommermorgen still erhebt, Kein Woͤlkchen in den blauen Luͤften schwebt, Mit Wonneschauern naht das Licht der Welt, Daß sich die Aehrenfelder leise neigen, Da sink' ich auf die Knie im stillen Feld, Und bete wenn noch alle Stimmen schweigen. Jaͤger . Doch Keiner athmet so den Strom von Luͤften, Als wie der Jaͤger in den gruͤnen Kluͤften! Wo Euch der Athem schwindelnd schon vergangen, Hat seine rechte Lust erst angefangen, Wenn tief das Thal auffunkelt durch die Baͤume Der Aar sich aufschwingt in die klaren Raͤume. Hirt . Und sinkt der Mittag muͤde auf die Matten, Rast' ich am Baͤchlein in den kuͤhlsten Schatten, Ein leises Fluͤstern geht in allen Baͤumen, Das Baͤchlein plaudert wirre wie in Traͤumen, Die Erde saͤuselt kaum, als ob sie schliefe, Und mit den Wolken in den stillen Raͤumen Schiff' ich still fort zur unbekannten Tiefe. Jaͤger . Und wenn die Tiefe schwuͤl und traͤumend ruh't, Steh' ich am Berg' wie auf des Landes Hut, Seh' fern am Horizont die Wetter steigen, Und durch die Wipfel, die sich leise neigen, Rauscht droben schwellend ein gewaltig Lied, Das ewig frisch mir durch die Seele zieht. Hirt . Es blitzt von fern, die Heimchen Staͤndchen bringen, Und unter Bluͤthen, die im Wind sich ruͤhren, Die Maͤdchen plaudernd sitzen vor den Thuͤren; Da laß' ich meine Floͤte drein erklingen. Daß ringsum durch die laue Sommernacht In Fels und Brust der Wiederhall erwacht. Jaͤger . Doch wenn die Thaͤler unten laͤngst schon dunkeln, Seh' ich vom Berge noch die Sonne funkeln, Der Adler stuͤrzt sich jauchzend in die Gluten, Es bricht der Strom mit feuertrunk'nen Fluten Durch's enge Steingekluͤft, wie er sich rette Zum ew'gen Meer — ach, wer da Fluͤgel haͤtte! Angela . Wenn von den Auen Die Floͤte singt, Aus Waldesrauschen Das Horn erklingt, Da steh' ich sinnend Im Morgenlicht — Wem ich soll folgen, Ich weiß es nicht. Doch kehrt ihr beide Im letzten Strahl Der Sonne wieder Zuruͤck ins Thal, Schaut mir so freudig In's Angesicht: Da weiß ich's ploͤtzlich — Doch sag' ich's nicht. Intermezzo . Chor der Schmiede. B ist zum kuͤnft'gen Holmgang Nun gehaͤmmert, Nordmann! Schlaͤngelt sich im Todkampf Gluthroth einst dein Schwerdtblitz — Sehr weint da die Heldbraut — Denk! der Waffenmeister Hammert, singet! Ist's auch Ungereimt, so klappt's doch! 7 Morgenlied . E in Stern still nach dem andern faͤllt Tief in des Himmels Kluft, Schon zucken Strahlen durch die Welt, Ich wittre Morgenluft. In Qualmen steigt und sinkt das Thal; Veroͤdet noch vom Fest Liegt still der weite Freudensaal, Und todt noch alle Gaͤst'. Da hebt die Sonne aus dem Meer Erathmend ihren Lauf: Zur Erde geht, was feucht und schwer, Was klar, zu ihr hinauf. Hebt gruͤner Waͤlder Trieb und Macht Neurauschend in die Luft, Zieht hinten Staͤdte, eitel Pracht, Blau' Berge durch den Duft. Spannt aus die gruͤnen Tepp'che weich, Von Stroͤmen hell durchrankt, Und schallend glaͤnzt das frische Reich, So weit das Auge langt. Der Mensch nun aus der tiefen Welt Der Traͤume tritt heraus, Freut sich, daß alles noch so haͤlt, Daß noch das Spiel nicht aus. Und nun geht's an ein Fleißigsein! Umsumsend Berg und Thal, Agiret lustig Groß und Klein Den Plunder allzumal. Die Sonne steiget einsam auf, Ernst uͤber Lust und Weh Lenkt sie den ungestoͤrten Lauf, Zu stiller Glorie. — Und wie er dehnt die Fluͤgel aus, Und wie er auch sich stellt: Der Mensch kann nimmermehr hinaus Aus dieser Narrenwelt. 7 * Intermezzo . Chor der Schneider . N ur vom Ganzen frisch gerissen, Eh' die Waare ganz verschlissen, Hier ein uralt guͤlden Stuͤck, Giebt so'n gewissen frommen Blick, Hier ein bunter welscher Flick, Drauf ein Stuͤck Hausleinewand, Macht das Welsche erst pikant Hie 'nen Fetzen Baͤrenhaut, Daß man auch das Teutsche schaut, Druͤber einen span'schen Kragen, Das Erhab'ne wird behagen, Frisch gestichelt, fein zum Werke, Und wird auch nichts Ganzes draus, Sieht es doch gar niedlich aus! Guter Rath . S pringer, der in luft'gem Schreiten Ueber die gemeine Welt, Kokettiret mit den Leuten, Sicherlich vom Seile faͤllt. Schiffer, der nach jedem Winde, Blas' er witzig oder dumm, Seine Seegel stellt geschwinde, Kommt im Wasser schmaͤhlich um. Weisen Sterne doch die Richtung, Hoͤrst du Nachts doch fernen Klang, Dorthin liegt das Land der Dichtung, Fahre zu und frag' nicht lang. Umkehr. L eben kann man nicht von Toͤnen, Poesie geht ohne Schuh, Und so wandt' ich denn der Schoͤnen Endlich auch den Ruͤcken zu: Lange durch die Welt getrieben Hat mich nun die irre Hast, Immer doch bin ich geblieben Nur ein ungeschickter Gast. Ueberall zu spaͤt zum Schmause Kam ich, wenn die andern voll, Trank die Neigen vor dem Hause, Wußt' nicht, wem ich's trinken soll. Mußt' mich vor Fortuna buͤcken Ehrfurchtsvoll bis auf die Zeh'n, Vornehm wandt' sie mir den Ruͤcken, Ließ mich so gebogen stehn. Und als ich mich aufgerichtet Wieder frisch und frei und stolz, Sah ich Berg' und Thal gelichtet, Bluͤhen jedes duͤrre Holz. Welt hat eine plumpe Pfote, Wandern kann man ohne Schuh — Deck' mit Deinem Morgenrothe Wieder nur den Wandrer zu! Liedesmuth. W as Lorbeerkranz und Lobestand! Es duftet still die Fruͤhlingsnacht Und rauscht der Wald vom Felsenrand, Ob's jemand hoͤrt, ob niemand wacht. Es schlaͤft noch alles Menschenkind, Da pfeift sein lust'ges Wanderlied Schon uͤber's Feld der Morgenwind Und fraͤgt nicht erst, wer mit ihm zieht. Und ob ihr all' zu Hause saßt, Der Fruͤhling bluͤht doch, weil er muß, Und ob ihr's les't oder bleiben laßt, Ich singe doch aus frischer Brust. Der Isegrimm. A ktenstoͤße Nachts verschlingen, Schwatzen nach der Welt Gebrauch Und das große Tret-Rad schwingen Wie ein Ochs, das kann ich auch. Aber glauben, daß der Plunder Eben nicht der Plunder waͤr', Sondern ein hochwichtig Wunder, Das gelang mir nimmermehr. Aber Andre uͤberwitzen, Daß ich mit dem Federkiel Koͤnnt' den morschen Weltbau stuͤtzen, Schien mir immer Narrenspiel. Und so, weil ich in dem Drehen Dasteh' oft wie ein Pasquill, Laͤßt die Welt mich eben stehen — Mag sie's halten, wie sie will! Treue . F risch auf, mein Herz! wie heiß auch das Gedraͤnge, Bewahr' ich doch mir kuͤhl und frei die Brust! Schickt Wald und Flur doch noch die alten Klaͤnge, Erschuͤtternd mich mit wunderbarer Lust. Und ob die Woge feindlich mit mir raͤnge: So froͤmmer nur sing' ich aus treuer Brust; Da bleicht das Wetter, Himmelblau scheint helle, Das Meer wird still und zum Delphin die Welle. „Was wollt' Ihr doch mit Euer'm Lieder-Spaße! Des Wuͤrd'gern beut die große Zeit so viel!“ So schallt's hoffaͤrtig nun auf jeder Gasse, Und jeder steckt sich dreist sein glaͤnzend Ziel. Die Lieder, die ich stammelnd hoͤren lasse, Ew'ger Gefuͤhle schwaches Wiederspiel, — Sie sind es wahrlich auch nicht, was ich meine, Denn ewig unerreichbar ist das Eine. Doch lieben oft, der Sehnsucht Gluth zu mildern, Gefang'ne wohl, das ferne Vaterland An ihres Kerkers Mauern abzuschildern. Ein Himmelsstrahl faͤllt schweifend auf die Wand, Da ruͤhrt's lebendig sich in allen Bildern. — Dem Auge scheint's ein lieblich bunter Tand — Doch wer der lichten Heimath recht zu eigen, Dem wird der Bilder ernster Geist sich zeigen. So wachse denn und treibe froͤhlich Bluͤthe, Du kraͤftig gruͤner deutscher Sangesbaum! Rausch' nur erfrischend fort mir in's Gemuͤthe Aus Deiner Wipfel klarem Himmelsraum! Du aber, wunderbare, ew'ge Guͤte, Die mir den Himmel wies im schoͤnen Traum, Erhalt' auf Erden ruͤstig mir die Seele, Daß ich, wo's immer ehrlich gilt, nicht fehle! Dichterloos. F uͤr Alle muß vor Freuden Mein treues Herze gluͤh'n, Fuͤr Alle muß ich leiden, Fuͤr Alle muß ich bluͤh'n, Und wenn die Bluͤthen Fruͤchte haben, Da haben sie mich laͤngst begraben. Spruch. B au nur auf Weltgunst recht Und paß' auf jeden Wink und Gruß, Wirst dabei nimmer froͤhlich werden! Es hat's kein Hund so schlecht, Der hinter seinem Herren muß, Nicht frei spazieren kann auf Erden. Lockung . H oͤrst du nicht die Baͤume rauschen Draußen durch die stille Rund'? Lockt's dich nicht hinabzulauschen Von dem Soͤller in den Grund, Wo die vielen Baͤche gehen Wunderbar im Mondenschein Und die stillen Schloͤsser sehen In den Fluß vom hohen Stein. Kennst du noch die irren Lieder Aus der alten schoͤnen Zeit? Sie erwachen alle wieder Nachts in Waldeseinsamkeit, Wenn die Baͤume traͤumend lauschen Und der Flieder duftet schwuͤl Und im Fluß die Nixen rauschen — Komm herab, hier ist's so kuͤhl. Ruͤckblick. I ch wollt' im Walde dichten Ein Heldenlied voll Pracht, Verwickelte Geschichten Recht sinnreich ausgedacht. Da rauschten Baͤume, sprangen Vom Fels die Baͤche drein, Und tausend Stimmen klangen Verwirrend aus und ein. Und manches Jauchzen schallen Ließ ich aus frischer Brust, Doch aus den Helden allen Ward nichts vor tiefer Lust. Kehr ich zur Stadt erst wieder Aus Feld und Waͤldern kuͤhl, Da kommen all' die Lieder Von fern durchs Weltgewuͤhl, Es hallen Lust und Schmerzen Noch einmal leise nach, Und bildend wird im Herzen Die alte Wehmuth wach, Der Winter auch derweile Im Feld die Blumen bricht — Dann giebt's vor Langerweile Ein uͤberlang Gedicht! Zweifel. K oͤnnt' es jemals denn verbluͤhen, Dieses Glaͤnzen, dieses Licht, Das durch Arbeit, Sorgen, Muͤhen Wie der Tag durch Wolken bricht, Blumen, die so farbig gluͤhen, Um das oͤde Leben flicht? Golden sind des Himmels Saͤume, Abwaͤrts ziehen Furcht und Nacht, Ruͤstig rauschen Stroͤm' und Baͤume Und die heitre Runde lacht, Ach, das sind nicht leere Traͤume, Was im Busen da erwacht! Bunt verschlingen sich die Gaͤnge, Tost die Menge her und hin, Schallen zwischendrein Gesaͤnge, Die durch's Ganze golden ziehn, Still begegnet im Gedraͤnge Dir des Lebens ernster Sinn. Und das Herz denkt sich verloren, Besser Andrer Thun und Wust, Fuͤhlt sich wieder dann erkohren, Ewig einsam doch die Brust. O des Wechsels, o des Thoren, O der Schmerzen, o der Lust! Dichtergluͤck. O Welt, bin dein Kind nicht von Hause, Du hast mir nichts geschenkt, So hab' ich denn frisch meine Klause In Morgenroth mir versenkt. Fortuna, streif' nur die Hoͤhen Und wende dein Angesicht, Ich bleibe im Wald bei den Rehen, Flieg' zu, wir brauchen dich nicht. Und ob auf Hoͤh'n und im Grunde Kein Streifchen auch meine blieb, Ich segne dich, schoͤne Runde, Ich habe dich dennoch so lieb! Gluͤckliche Fahrt . W uͤnsche sich mit Wuͤnschen schlagen, Und die Gier wird nie gestillt. Wer ist in dem wuͤsten Jagen Da der Jaͤger, wer das Wild? Seelig, wer es fromm mag wagen, Durch das Treiben dumpf und wild In der festen Brust zu tragen Heil'ger Schoͤnheit hohes Bild! Sieh, da brechen tausend Quellen Durch die felsenharte Welt, Und zum Strome wird ihr Schwellen, Der melodisch steigt und faͤllt. Ringsum sich die Fernen hellen, Gottes Hauch die Segel schwellt — Rettend spuͤlen Dich die Wellen In des Herzens stille Welt. 8 Sommerschwüle . I . I ch klimm' zum Berg und schau' zur niedern Erde, Ich klimm' hinab und schau' die Berge an, Suͤß-melancholisch spitzt sich die Geberde Und gift'ge Weltverachtung ficht mich an; Doch will aus Schmerz und Haß nichts Rechtes werden. Ermanne Dich! — Ich bin doch wohl ein Mann? — Und ach! wie traͤge Sylb' aus Sylbe schleichet, Mit Noth hab' ich den letzten Reim erreichet. O weg mit Reim und Leierklang und Singen! Faß', Leben, wieder mich lebendig an! Mit Deiner Woge will ich freudig ringen, Die tief mich stuͤrzt, hebt mich auch himmelan. Im Sturme spannt der Adler seine Schwingen — Blas' zu! da spuͤr' ich wieder, daß ich Mann! Viel lieber will ich raschen Tod erwerben, Als, so verschmachtend, lebenslang zu sterben. II . Die Nachtigall schweigt, sie hat ihr Nest gefunden Traͤg' ziehn die Quellen, die so kuͤhle sprangen, Von truͤber Schwuͤle liegt die Welt umfangen, So hat den Lenz der Sommer uͤberwunden. Noch nie hat es die Brust so tief empfunden, Es ist, als ob viel' Stimmen heimlich sangen: „Auch Dein Lenz, froher Saͤnger, ist vergangen, An Weib und Kind ist nun der Sinn gebunden!“ O komm, Geliebte, komm' zu mir zuruͤcke! Kann ich nur Deine hellen Augen schauen, Froͤhlich Gestirn in dem verworr'nen Treiben: Woͤlbt hoch sich wieder des Gesanges Bruͤcke, Und kuͤhn darf ich der alten Lust vertrauen, Denn ew'ger Fruͤhling will bei Liebe bleiben. 8 * Frisch auf ! I ch saß am Schreibtisch bleich und krumm, Es war mir in meinem Kopf ganz dumm Vor Dichten, wie ich alle die Sachen Sollte auf's allerbeste machen. Da guckt am Fenster im Morgenlicht Durch's Weinlaub ein wunderschoͤnes Gesicht, Guckt und lacht, kommt ganz herein Und kramt mir unter den Blaͤttern mein. Ich, ganz verwundert: „Ich sollt' dich kennen“ — Sie aber, statt ihren Namen zu nennen: „Pfui in dem Schlafrock, siehst ja aus Wie ein verfallenes Schilderhaus! Willst du denn hier in der Tinte sitzen, Schau, wie die Felder da draußen blitzen!“ So draͤngt sie mich fort unter Lachen und Streit, Mir that's um die schoͤne Zeit nur Leid. Drunten aber unter den Baͤumen Stand ein Roß mit funkelnden Zaͤumen. Sie schwang sich lustig mit mir hinauf, Die Sonne draußen ging eben auf, Und eh' ich mich konnte bedenken und fassen, Ritten wir rasch durch die stillen Gassen, Und als wir kamen vor die Stadt, Das Roß auf einmal zwei Fluͤgel hatt', Mir schauerte es recht durch alle Glieder: „Mein Gott, ist's denn schon Fruͤhling wieder?“ — Sie aber wies mir, wie wir so zogen, Die Laͤnder, die unten voruͤberflogen, Und hoch uͤber dem allerschoͤnsten Wald Machte sie laͤchelnd auf einmal Halt. Da sah ich erschrocken zwischen den Baͤumen Meine Heimath unten wie in Traͤumen, Das Schloß, den Garten und die stille Luft, Die blauen Berge dahinter im Duft Und alle die schoͤne alte Zeit In der wundersamen Einsamkeit. Und als ich mich wandte, war ich allein, Das Roß nur wiehert' in den Morgen hinein, Mir aber war's als waͤr' ich wieder jung, Und wußte der Lieder noch genung! Kriegslied . N icht mehr in Waldesschauern An jaͤher Kluͤfte Rand, Wo dunkle Tannen trauern, Siehst du die Brut mehr lauern Auf wuͤster Felsenwand. Die Greiffen nicht mehr fliegen, Lindwuͤrm' auf heißem Sand Nicht mehr mit Loͤwen kriegen, Auf ihren Baͤuchen liegen Die Drachen im platten Land. Doch wo das Leben schimmelt, So weit man reisen kann, Von Wuͤrmern es noch wimmelt, Und was auf Erden himmelt, Sie hauchen's giftig an. Noch halten sie in Schlingen Die wunderschoͤne Braut, Bei Nacht hoͤrt man ihr Singen Die stille Luft durchdringen Mit tiefem Klagelaut. Das ist die Brut der Natter, Die immer neu entstand: Philister und ihre Gevatter, Die machen groß Geschnatter Im deutschen Vaterland. Sankt Georg, du blanker Streiter, Leg' deine Lanze ein, Und wo ein wackrer Reiter, Dem noch das Herz wird weiter, Der steche frisch mit drein! Eldorado. E s ist von Klang und Duͤften Ein wunderbarer Ort, Umrankt von stillen Kluͤften, Wir alle spielten dort. Wir alle sind verirret, Seitdem so weit hinaus, Unkraut die Welt verwirret, Find't keiner mehr nach Haus. Doch manchmal taucht's aus Traͤumen, Als laͤg' es weit im Meer, Und fruͤh noch in den Baͤumen Rauscht's wie ein Gruͤßen her. Ich hoͤrt' den Gruß verfliegen, Ich folgt' ihm uͤber Land, Und hatte mich verstiegen Auf hoher Felsenwand. Mein Herz ward mir so munter, Weit hinten alle Noth, Als ginge jenseits unter Die Welt in Morgenroth. Der Wind spielt' in den Locken, Da blitzt' es drunten weit, Und ich erkannt' erschrocken Die alte Einsamkeit. Nun jeden Morgenschimmer Steig' ich in's Bluͤthenmeer, Bis ich Gluͤckseel'ger nimmer Von dorten wiederkehr'. Trost . E s haben viel' Dichter gesungen Im schoͤnen deutschen Land, Nun sind ihre Lieder verklungen, Die Saͤnger ruhen im Sand. Aber so lange noch kreisen Die Stern' um die Erde rund, Thun Herzen in neuen Weisen Die alte Schoͤnheit kund. Im Walde da liegt verfallen Der alten Helden Haus, Doch aus den Thoren und Hallen Bricht jaͤhrlich der Fruͤhling aus. Und wo immer muͤde Fechter Sinken im muthigen Strauß, Es kommen frische Geschlechter Und fechten es ehrlich aus. An die Dichter . W o treues Wollen, redlich Streben Und rechten Sinn der Rechte spuͤrt, Das muß die Seele ihm erheben, Das hat mich jedesmal geruͤhrt. Das Reich des Glaubens ist geendet, Zerstoͤrt die alte Herrlichkeit, Die Schoͤnheit weinend abgewendet, So gnadenlos ist unsre Zeit. O Einfalt gut in frommen Herzen, Du zuͤchtig schoͤne Gottesbraut! Dich schlugen sie mit frechen Scherzen, Weil Dir vor ihrer Klugheit graut. Wo find'st Du nun ein Haus, vertrieben, Wo man Dir Deine Wunder laͤßt, Das treue Thun, das schoͤne Lieben, Des Lebens fromm vergnuͤglich Fest? Wo findest Du den alten Garten, Dein Spielzeug, wunderbares Kind, Der Sterne heil'ge Redensarten, Das Morgenroth, den frischen Wind? Wie hat die Sonne schoͤn geschienen! Nun ist so alt und schwach die Zeit; Wie steh'st so jung Du unter ihnen, Wie wird mein Herz mir stark und weit! Der Dichter kann nicht mit verarmen; Wenn Alles um ihn her zerfaͤllt, Hebt ihn ein goͤttliches Erbarmen — Der Dichter ist das Herz der Welt. Den bloͤden Willen aller Wesen, Im Irdischen des Herren Spur, Soll er durch Liebeskraft erloͤsen, Der schoͤne Liebling der Natur. D'rum hat ihm Gott das Wort gegeben, Das kuͤhn das Dunkelste benennt, Den frommen Ernst im reichen Leben, Die Freudigkeit, die Keiner kennt. Da soll er singen frei auf Erden, In Lust und Noth auf Gott vertrau'n, Daß Aller Herzen freier werden, Erathmend in die Klaͤnge schau'n. Der Ehre sei er recht zum Horte, Der Schande leucht' er ins Gesicht! Viel Wunderkraft ist in dem Worte, Das hell aus reinem Herzen bricht. Vor Eitelkeit soll er vor Allen Streng huͤten sein unschuld'ges Herz, Im Falschen nimmer sich gefallen, Um eitel Witz und blanken Scherz. O laßt' unedle Muͤhe fahren, O klingelt, gleißt und schielet nicht Mit Licht und Gnad' so ihr erfahren, Zur Suͤnde macht ihr das Gedicht! Den lieben Gott laß' in Dir walten, Aus frischer Brust nur treulich sing'! Was wahr in Dir, wird sich gestalten, Das andre ist erbaͤrmlich Ding. — Den Morgen seh' ich ferne scheinen, Die Stroͤme zieh'n im gruͤnen Grund, Mir ist so wohl! — die's ehrlich meinen, Die gruͤß' ich All' aus Herzensgrund! III . Zeitlieder. Wo ruhig sich und wilder Unstaͤte Wellen theilen, Des Lebens schoͤne Bilder Und Klaͤng' verworren eilen, Wo ist der sichre Halt? — So ferne, was wir sollen, So dunkel, was wir wollen, Faßt alle die Gewalt. Die Freunde . I . W er auf den Wogen schliefe Ein sanft gewiegtes Kind, Kennt nicht des Lebens Tiefe, Vor suͤßem Traͤumen blind. Doch wen die Stuͤrme fassen Zu wildem Tanz und Fest, Hoch auf den dunklen Straßen Die falsche Welt verlaͤßt: Der lernt sich wacker ruͤhren, Durch Nacht und Klippen hin Lernt der das Steuer fuͤhren Mit sichrem, ernsten Sinn. Der ist vom echten Kerne, Erprobt zu Lust und Pein, Der glaubt an Gott und Sterne, Der soll mein Schiffmann sein! 9 II . An L.. Vor mir liegen Deine Zeilen, Sind nicht Worte, Schriften nicht, Pfeile, die verwundend heilen, Freundes-Augen, treu und schlicht. Niemals konnte so mich ruͤhren Noch der Liebsten Angesicht, Wenn uns Augen suͤß verfuͤhren, Und die Welt voll Glanz und Licht: Als in Freundes-Augen lesen Meiner eignen Seele Wort, Fester Treue maͤnnlich Wesen, In Betruͤbniß Trost und Hort. So verschlingen in Gedanken Sich zwei Staͤmme wundertreu, Andre dran sich muthig ranken Kron' an Krone immer neu. Praͤcht'ger Wald, wo's kuͤhl zu wohnen, Stille wachsend Baum an Baum, Mit den bruͤderlichen Kronen Rauschend in dem Himmelsraum! III . An L.. Mit Vielem will die Heimath mich erfreuen, Ein heitres Schloß an blaugewund'nem Flusse, Gesell'ge Lust, Muthwill und frohe Muße, Der Liebe heitres Spiel, suͤß zu zerstreuen. Doch wie die Tage freundlich sich erneuen, Fehlt doch des Freundes Brust in That und Muße, Der Ernst, der herrlich schwelget im Genusse, Des reichen Blicks sich wahr und recht zu freuen. Wo Zwei' sich treulich nehmen und ergaͤnzen, Waͤchst unvermerkt das freud'ge Werk der Musen. Drum laß mich wieder, Freund, an's Herz Dich druͤcken! Uns beide will noch schoͤn das Leben schmuͤcken Mit seinen reichen, heitern, vollen Kraͤnzen, Der Morgenwind wuͤhlt um den off'nen Busen! IV. An Fraͤulein —. Schalkhafte Augen reizend aufgeschlagen, Die Brust empoͤrt, die Wuͤnsche zu verschweigen, Sieht man den leichten Zelter Dich besteigen, Nach Lust und Scherzen durch den Lenz zu jagen. Zu jung, des Lebens Ernste zu entsagen — Kann ich nicht laͤnger spielen nun und schweigen, Wer Herrlich's fuͤhlt, der muß sich herrlich zeigen, Mein Ruhen ist ein ewig frisches Wagen. 9* Laß mich, so lang noch trunken unsre Augen, Ein'n bluͤh'nden Kranz aus den vergang'nen Stunden Dir heiter um die weiße Stirne winden; Frag' nicht dann, was mich Deinem Arm' entwunden, Druͤck' fest den Kranz nur in die muntern Augen, Mein Haupt will auch und soll den seinen finden! An Fouqu é . I . Seh ich des Tages wirrendes Beginnen, Die bunten Bilder flieh'n und sich vereinen, Moͤcht' ich das schoͤne Schattenspiel beweinen, Denn eitel ist, was jeder will gewinnen. Doch wenn die Straßen leer, einsam die Zinnen Im Morgenglanze wie Kometen scheinen, Ein stiller Geist steht auf den dunklen Steinen, Als wollt' er sich auf alte Zeit besinnen: Da nimmt die Seele ruͤstig sich zusammen, An Gott gedenkend und an alles Hohe, Was rings gedeihet auf der Erden Runde. Und aus dem Herzen lang verhalt'ne Flammen Sie brechen froͤhlich in des Morgens Lohe, Da gruͤß' ich, Saͤnger, Dich aus Herzensgrunde! II . Von See'n und Waͤldern eine naͤcht'ge Runde Sah ich, und Drachen zieh'n mit gluͤh'nden Schweifen, In Eicheswipfeln einen Horst von Greifen, Das Nordlicht schraͤge leuchtend uͤber'm Grunde. Durch Qualm dann klingend brach die Morgenstunde, Da schweiften Ritter blank durch Nebelstreifen, Durch Winde scharf, die auf der Haide pfeifen, Ein Harfner sang, lobt' Gott aus Herzensgrunde. Tiefathmend stand ich uͤber diesen Kluͤften, Des Lebens Mark ruͤhrt' schauernd an das meine, Wie ein geharn'schter Riese da erhoben. Kein ird'scher Laut mehr reichte durch die Luͤfte, Mir war's, als staͤnde ich mit Gott alleine, So einsam, weit und sternhell war's da oben. III . In Stein gehau'n, zwei Loͤwen stehen draußen, Bewachen ewig stumm die heil'ge Pforte. Wer sich, die Brust voll Weltlust, naht dem Orte, Den fuͤllt ihr steinern Blicken bald mit Grausen. Dir waͤchst Dein Herz noch bei der Waͤlder Sausen, Dich ruͤhren noch die wilden Riesenworte, Nur Gott vertrau'nd, dem hoͤchsten Schirm' und Horte — So magst Du bei den alten Wundern hausen. Ob auch die andern Deines Lieds nicht achten, Der Heldenlust und zarten Liebesbluͤthe, Gedanken treulos wechselnd mit der Mode: So felsenfester sei Dein großes Trachten, Hau' klingend Luft Dir, ritterlich Gemuͤthe! Wir wollen bei Dir bleiben bis zum Tode. Der Riese . E s saß ein Mann gefangen Auf einem hohen Thurm, Die Wetterfaͤhnlein klangen Gar seltsam in den Sturm. Und draußen hoͤrt' er ringen Verworr'ner Stroͤme Gang, Dazwischen Voͤglein singen, Und heller Waffen Klang. Ein Liedlein scholl gar lustig: Heisa, so lang Gott will! Und wilder Menge Tosen, Dann wieder todtenstill. So tausend Stimmen irren, Wie Wind' im Meere geh'n, Sich theilen und verwirren, Er konnte nichts versteh'n. Doch spuͤrt' er, wer ihn gruͤße Mit Schaudern und mit Lust, Es ruͤhrt ihm wie ein Riese Das Leben an die Brust. Saͤnger-Fahrt. K uͤhlrauschend unter'm hellen Tiefblauen Himmelsdom Treibt seine klaren Wellen Der ew'gen Jugend Strom. Viel ruͤstige Gesellen, Den Argonauten gleich, Sie fahren auf den Wellen In's duft'ge Fruͤhlingsreich. Ich aber fass' den Becher, Daß es durch's Schiff erklingt, Am Mast steh' ich als Sprecher, Der fuͤr euch alle singt. Wie stehn wir hier so helle! Wird mancher bald schlafen gehn, O Leben, wie bist du schnelle, O Leben, wie bist du schoͤn! Gegruͤßt, du weite Runde, Burg auf der Felsenwand, Du Land voll großer Kunde, Mein gruͤnes Vaterland! Euch moͤcht' ich alles geben, Und ich bin fuͤrstlich reich, Mein Herzblut und mein Leben, Ihr Bruͤder, alles fuͤr Euch! So fahr't im Morgenschimmer! Sei's Donau oder Rhein, Ein rechter Strom bricht immer In's ew'ge Meer hinein. In das Stammbuch der M. H. Akrostichon mit aufgegebenen Endreimen. I st hell der Himmel, heiter alle Wellen B etritt der Schiffer wieder seine Wogen , V oruͤber Wald und Berge schnell geflogen , E r muß, wohin die vollen Segel schwellen . I n Duft versinken bald all' liebe Stellen , C ypressen nur noch ragen aus den Wogen , H eruͤber kommt manch suͤßer Laut geflogen , E s trinkt das Meer der Klagen sanfte Quellen . N ichts weilt. — Doch zaubern Treue und Verlangen , D a muß sich bluͤh'nder alte Zeit erneuern , O effnet die Ferne drauf die Wunder lichtung , R uht Dein Bild drin bekraͤnzt in heil'ger Dichtung . — F ern laß' den Freund nach Ost und West nur steuern , F rei scheint er wohl — Du haͤltst ihn doch gefangen ! In E..s Stammbuch. Mit einem Blatte, ein Bergschloß vorstellend. I n klaren Ebenmaaßen schoͤn gefugt Gleich dem Pallaste freundlich sich erhebend, Stark wie die Burg, die von dem Feld dort lugt, In ernster Hoͤh der alten Freiheit lebend, Gleich jenem Thurm stets nach dem Hoͤchsten strebend, Schloß, Burg und was da irdisch, uͤberfluͤgelnd — Dabei, still wie die See dort, im Gemuͤth Des Himmels Blau und was auf Erden bluͤht, In frommer Klarheit ewig heiter spiegelnd; Vor allem dann fern uͤber Strom und Land Den alten Freunden treulich zugewandt! Auf dem Schwedenberge. D a hoben bunt und bunter Sich Zelte in die Luft, Und Faͤhnlein wehten munter Herunter von der Kluft. Und um die leichten Tische, An jenem Baͤchlein klar, Saß in der kuͤhlen Frische Der lust'gen Reiter Schaar. Eilt' durch die ruͤst'gen Zecher Die Marketenderin, Reicht' fluͤchtig ihre Becher, Nimmt fluͤcht'ge Kuͤsse hin. Da war ein Toben, Lachen, Weit in den Wald hinein, Die Trommel ging, es brachen Die lust'gen Pfeifen drein. Durch die verworr'nen Klaͤnge Stuͤrmt' fort manch' wilde Brust, Da schallten noch Gesaͤnge Von Freiheit und von Lust. Fort ist das bunte Toben, Verklungen Sang und Klang, Und stille ist's hier oben Viel hundert Jahre lang. Du Wald, so dunkelschaurig, Waldhorn, Du Jaͤgerlust! Wie lustig und wie traurig Ruͤhrst Du mir an die Brust! Lieber Alles . S oldat sein ist gefaͤhrlich, Studiren sehr beschwerlich, Das Dichten suͤß und zierlich, Der Dichter gar possierlich In diesen wilden Zeiten. Ich moͤcht' am liebsten reiten, Ein gutes Schwert zur Seiten, Die Laute in der Rechten, Studentenherz zum Fechten. Ein wildes Roß ist's Leben, Die Hufe Funken geben, Wer's ehrlich wagt, bezwingt es, Und wo es tritt, da klingt es! Sonnette . An A —. I . D ie Klugen, die nach Gott nicht wollten fragen, Den heil'gen Kampf gern irdisch moͤchten schlichten, Zum Tod kein Herz, nicht Lieb', sich aufzurichten, Verzehren sich nur selbst in eitlen Klagen. Sind alle Eure Schiffe denn zerschlagen: Sieht man die heil'ge Flagge Dich aufrichten, Vom Liebessturm, der jene mußt' vernichten, Dein junges Schiff siegreich hinweggetragen. Suͤdwinde spielen blau um Laut' und Locken, In Morgenroth des Hutes Federn schwanken Und Gottes Athem macht die Segel schwellen. Wen noch die alten Heimath-Klaͤnge locken, Dem fuͤllt der Segel wie der Toͤne Schwellen Die Brust mit jungen, ewigen Gedanken. II . Wir sind so tief betruͤbt, wenn wir auch scherzen, Die armen Menschen muͤh'n sich ab und reisen, Die Welt zieht ernst und streng in ihren Gleisen, Ein feuchter Wind verloͤscht die lust'gen Kerzen. Du hast so schoͤne Worte tief im Herzen, Du weißt so wunderbare, alte Weisen, Und wie die Stern' am Firmamente kreisen, Ziehn durch die Brust dir ewig Lust und Schmerzen. So laß' Dein' Stimme hell im Wald erscheinen! Das Waldhorn fromm wird auf und nieder wehen, Die Wasser geh'n und einsam Rehe weiden. Wir wollen stille sitzen und nicht weinen, Wir wollen in den Rhein hinuntersehen, Und, wird es finster, nicht von sammen scheiden. III . Es will die Zeit mit ihrem Schutt verdecken, Den hellen Quell, der meiner Brust entsprungen, Umsonst Gebete himmelan geschwungen, Sie moͤgen nicht das Ohr der Gnade wecken. So laß die Nacht die grausen Fluͤgel strecken, Nur immerzu, mein tapfres Schiff, gedrungen! Wer einmal mit den Wogen hat gerungen, Fuͤhlt sich das Herz gehoben in den Schrecken. Schießt zu, trefft, Pfeile, die durch's Dunkel schwirren! Ruhvoll um Klippen uͤber'm tuͤckschen Grunde Lenk' ich mein Schiff, wohin die Sterne winken. Mag dann der Steuermann nach langem Irren, Rasch ziehend alle Pfeile aus der Wunde, Todt an der Heimathkuͤste niedersinken! Der Geist. N aͤchtlich dehnen sich die Stunden, Unschuld schlaͤft in stiller Bucht, Fern ab ist die Welt verschwunden, Die das Herz in Traͤumen sucht. Und der Geist tritt auf die Zinne, Und noch stiller wird's umher, Schauet mit dem starren Sinne In das wesenlose Meer. Wer ihn sah bei Wetterblicken Steh'n in seiner Ruͤstung blank: Den mag nimmermehr erquicken Reichen Lebens frischer Drang. — Froͤhlich an den oͤden Mauern Schweift der Morgensonne Blick, Da versinkt das Bild mit Schauern Einsam in sich selbst zuruͤck. Klage . 1809. O koͤnnt' ich mich niederlegen Weit in den tiefsten Wald, Zu Haͤupten den guten Degen, Der noch von den Vaͤtern alt, Und duͤrft' von allem nichts spuͤren In dieser dummen Zeit, Was sie da unten handthieren, Von Gott verlassen, zerstreut; Von fuͤrstlichen Thaten und Werken, Von alter Ehre und Pracht, Und was die Seele mag staͤrken, Vertraͤumend die lange Nacht. Denn eine Zeit wird kommen, Da macht der Herr ein End', Da wird den Falschen genommen Ihr unaͤchtes Regiment. Denn wie die Erze vom Hammer, So wird das lockre Geschlecht Gehau'n sein von Noth und Jammer Zu festem Eisen recht. Da wird Aurora tagen Hoch uͤber den Wald hinauf, Da giebt's was zu singen und schlagen, Da wacht, ihr Getreuen, auf. 10 An — W ie nach festen Felsenwaͤnden Muß ich in der Einsamkeit Stets auf Dich die Blicke wenden. Alle, die in guter Zeit Bei mir waren, sah ich scheiden Mit des falschen Gluͤckes Schaum, Du bliebst schweigend mir im Leiden, Wie ein treuer Tannenbaum, Ob die Felder lustig bluͤh'n, Ob der Winter zieht heran, Immer finster, immer gruͤn — Reich' die Hand mir, wackrer Mann! Nachtfeier . 1810. D ecket Schlaf die weite Runde, Muß ich oft am Fenster lauschen, Wie die Stroͤme unten rauschen, Raͤder sausen kuͤhl im Grunde, Und mir ist so wohl zur Stunde; Denn hinab vom Felsenrande Spuͤr' ich Freiheit, uralt Sehnen, Fromm zerbrechend alle Bande, Ueber Waͤlder, Strom und Lande Keck die großen Fluͤgel dehnen. Was je Großes brach die Schranken, Seh' ich durch die Stille gehen, Helden auf den Wolken stehen, Ernsten Blickes, ohne Wanken, Und es wollen die Gedanken Mit den guten Alten hausen, Sich in ihr Gespraͤch vermischen, Das da kommt in Waldes-Brausen. Manchem fuͤllt's die Brust mit Grausen, Mich soll's laben und erfrischen! Tag und Regung war entflohen, Ueber'n See nur kam Gelaͤute Durch die monderhellte Weite, Und rings brannten auf den hohen Alpen still die bleichen Lohen, 10 * Ew'ge Waͤchter aͤchter Weihe, Als, erhoben vom Verderben Und vom Jammer, da die Dreie Einsam traten in das Freie, Frei zu leben und zu sterben. Und so wachen heute Viele Einsam uͤber ihrem Kummer; Unerquickt von falschem Schlummer, Aus des Wechsels wildem Spiele Schauend fromm nach Einem Ziele. Durch die oͤde, stumme Leere Fuͤhl' ich mich Euch still verbuͤndet; Ob der Tag das Recht verkehre, Ewig strahlt der Stern der Ehre, Kuͤhn in heil'ger Nacht entzuͤndet. Zorn . 1810. S eh' ich im verfall'nen, dunkeln Haus die alten Waffen hangen, Zornig aus dem Roste funkeln, Wenn der Morgen aufgegangen, Und den letzten Klang verflogen, Wo im wilden Zug der Wetter, Auf's gekreuzte Schwert gebogen, Einst gehaust des Landes Retter. Und ein neu Geschlecht von Zwergen Schwindelnd um die Felsen klettern, Frech, wenn's sonnig auf den Bergen, Feige kruͤmmend sich in Wettern, Ihres Heilands Blut und Thraͤnen Spottend noch einmal verkaufen, Ohne Klage, Wunsch und Sehnen In der Zeiten Strom ersaufen; Denk' ich dann, wie Du gestanden Treu, da niemand treu geblieben: Moͤcht' ich, uͤber unsre Schande Tiefentbrannt in zorn'gem Lieben, Wurzeln in der Felsen Marke, Und empor zu Himmels Lichten Stumm anstrebend wie die starke Riesentanne mich aufrichten. Symmetrie . 1810. O Gegenwart, wie bist du schnelle, Zukunft, wie bist du morgenhelle, Vergangenheit so abendroth! Das Abendroth soll ewig stehen, Die Morgenhelle frisch drein wehen, So ist die Gegenwart nicht todt. Der Thor, der lahmt auf einem Bein, Das ist gar nicht zu leiden, Schlagt ihm das andre Bein entzwei, So hinkt er doch auf beiden! Heimkehr . 1810. H eimwaͤrts kam ich spaͤt gezogen, Nach dem vaͤterlichen Haus, Die Gedanken weit geflogen Ueber Berg und Thal voraus. Nur noch hier aus diesem Walde! Sprach ich, streichelt' sanft mein Roß, Gold'nen Haber kriegst du balde, Ruh'n wir aus auf lichtem Schloß. Doch warum auf diesen Wegen Sieht's so still und einsam aus? Kommt denn keiner mir entgegen, Bin ich nicht mehr Sohn vom Haus? Kein' Hoboen hoͤr' ich schallen, Keine bunte Truppe mehr Seh' ich froh den Burgpfad wallen — Damals ging es lust'ger her. Ueber die verguld'ten Zinnen Trat der Monden eben vor, Holla ho! ist niemand drinnen? Fest verriegelt ist das Thor. Wer will in der Nacht mich weisen, Von des Vaters Hof und Haus! Mit dem Schwerdt hau' ich die Eisen, Und das Thor springt rasselnd auf. Doch was seh' ich! wuͤst, verfallen Zimmer, Hof und Bogen sind, Einsam meine Tritte hallen, Durch die Fenster pfeift der Wind. Alle Ahnenbilder lagen Glanzlos in den Schutt verwuͤhlt, Und die Zitter drauf zerschlagen, Auf der ich als Kind gespielt. Und ich nahm die alte Zitter, Trat an's Fenster voller Gras, Wo so ofte hinter'm Gitter Sonst die Mutter bei mir saß: Gern mit Maͤhrlein mich erbaute, Daß ich still saß, Abendroth, Strom und Waͤlder fromm beschaute — Mutter, bist du auch schon todt? So war ich in' Hof gekommen, — Was ich da auf einmal sah, Hat den Athem mir benommen, Bleibt mir bis zum Tode nah: Aufrecht saßen meine Ahnen, Und kein Laut im Hofe ging, Eingehuͤllt in ihre Fahnen, Da im ewig stillen Ring. Und den Vater unter ihnen Sah ich sitzen an der Wand, Streng und steinern seine Mienen, Doch in tiefster Brust bekannt; Und in den gefalt'nen Haͤnden Hielt er ernst ein blankes Schwerdt, Thaͤt die Blicke niemals wenden, Ewig auf den Stahl gekehrt. Da rief ich aus tiefsten Schmerzen: Vater, sprich ein einzig Wort, Waͤlz' den Fels von deinem Herzen, Starre nicht so ewig fort! Was das Schwerdt mit seinen Scheinen, Rede, was dein Schauen will; Denn mir graust durch Mark und Beine, Wie du so entsetzlich still. — Morgenleuchten kam geflogen, Und der Vater ward so bleich, Adler hoch daruͤber zogen Durch das klare Himmelreich, Und der Vaͤter stiller Orden Sank zur Ruh in Ewigkeit, Steine, wie es lichte worden, Standen da im Hof' zerstreut. Nur der Degen blieb da droben Einsam liegen uͤber'm Grab; „Sei denn Hab' und Gut zerstoben, Wenn ich dich, du Schwerdt, nur hab'!“ Und ich faßt' es, — Leute wuͤhlten Ueber'n Berg, hinab, hinauf, Ob sie fuͤr verruͤckt mich hielten — Mir ging hell die Sonne auf. Gebet . 1810. W as soll ich, auf Gott nur bauend, Schlechter sein, als all' die Andern, Die, so wohlbehaglich schauend, Froh dem eigenen Nichts vertrauend, Die gemeine Straße wandern? Warum gabst Du mir die Guͤte, Die Gedanken himmelwaͤrts, Und ein ritterlich Gemuͤthe, Das die Treue heilig huͤte In der Zeit treulosem Scherz? Was hast Du mich blank geruͤstet, Wenn mein Volk mich nicht begehrt, Keinem mehr nach Freiheit luͤstet, Daß mein Herz, betruͤbt, verwuͤstet, Nur dem Grabe zugekehrt? — Laß die Ketten mich zerschlagen, Frei zum schoͤnen Gottesstreit Deine hellen Waffen tragen, Froͤhlich beten, herrlich wagen, Gieb zur Kraft die Freudigkeit! Mahnung . 1810. I . I n Wind verfliegen sah ich, was wir klagen, Erbaͤrmlich Volk um falscher Goͤtzen Thronen, Wen'ger Gedanken, deutschen Landes Kronen, Wie Felsen, aus dem Jammer einsam ragen. Da mocht' ich laͤnger nicht nach Euch mehr fragen, Der Wald empfing, wie rauschend! den Entfloh'nen, In Burgen alt, an Stromeskuͤhle wohnen, Wollt' ich auf Bergen bei den alten Sagen. Da hoͤrt' ich Strom und Wald dort so mich tadeln: „Was willst, Lebend'ger du, hier uͤber'm Leben, Einsam verwildernd in den eignen Toͤnen? Es soll im Kampf der rechte Schmerz sich adeln, Den deutschen Ruhm aus der Verwuͤstung heben, Das will der alte Gott von seinen Soͤhnen!“ II . Wohl mancher, dem die wirblichten Geschichten Der Zeit das ehrlich deutsche Herz zerschlagen, Mag, wie Prinz Hamlet, zu sich selber sagen: Weh! daß zur Welt ich kam, sie einzurichten! Weich, aufgelegt zu Lust und froͤhlichem Dichten, Moͤcht' er so gern sich mit der Welt vertragen, Doch, Rache fordernd, aus den leichten Tagen Sieht er der Vaͤter Geist sich stets aufrichten. Ruhlos und toͤdtlich ist die falsche Gabe; Des Großen Wink im tiefsten Marke spuͤren, Gedanken rastlos — ohne Kraft zum Werke. Entschließ Dich wie du kannst nun, doch das merke: Wer in der Noth nichts mag, als Lauten ruͤhren, Deß Hand dereinst waͤchst mahnend aus dem Grabe. Der Tyroler Nachtwache. 1810. I n stiller Bucht, bei finstrer Nacht, Schlaͤft tief die Welt im Grunde, Die Berge rings steh'n auf der Wacht, Der Himmel macht die Runde, Geht um und um Ums Land herum Mit seinen goldnen Schaaren Die Frommen zu bewahren. Kommt nur heran mit Eurer List, Mit Leitern, Strick und Banden, Der Herr doch noch viel staͤrker ist, Macht Euern Witz zu Schanden. Wie war't Ihr klug! — Nun schwindelt Trug Hinab vom Felsenrande — Wie seid Ihr dumm! o Schande! Gleichwie die Staͤmme in dem Wald Woll'n wir zusammenhalten, Ein' feste Burg, Trutz der Gewalt, Verbleiben treu die alten. Steig', Sonne, schoͤn! Wirf von den Hoͤh'n Nacht und die mit ihr kamen, Hinab in Gottes Namen! An die Tyroler. Im Jahre 1810. B ei Waldesrauschen, kuͤhnem Sturz der Wogen, Wo Heerden einsam laͤuten an den Kluͤften, Habt ihr in eurer Berge heitern Luͤften Der Freiheit Lebensathem eingesogen. Euch selbst die Retter, seid ihr ausgezogen, Wie helle Baͤche brechen aus den Kluͤften; Hinunter schwindelt Tuͤcke nach den Schluͤften, Der Freiheit Burg sind eure Felsenbogen. Hochherzig Volk, Genosse groͤßrer Zeiten! Du sinkst nun in der eignen Haͤuser Brande, Zum Himmel noch gestreckt die freien Haͤnde. O Herr! laß diese Lohen weh'n, sich breiten Auffordernd uͤber alle deutsche Lande, Und wer da faͤllt, dem schenk' so glorreich Ende! An die Meisten. 1810. I st denn alles ganz vergebens? Freiheit, Ruhm und treue Sitte, Ritterbild des alten Lebens, Zog im Lied durch eure Mitte Hohnverlacht als Don Quixote; Euch deckt Schlaf mit plumper Pfote, Und die Ehre ist euch Zote. Ob sich Kampf erneut', vergliche, Ob sich roh Gebirgsvolk raufe, Sucht der Kluͤg're Weg' und Schliche, Wie er nur sein Haus erlaufe. Ruhet, stuͤtzet nur und haltet! Untersinkt, was ihr gestaltet, Wenn der Mutterboden spaltet. Wie so lustig, ihr Poeten, An den blumenreichen Hagen In dem Abendgold zu floͤten, Quellen, Nymphen nachzujagen! Wenn erst muth'ge Schuͤsse fallen, Von den schoͤnen Wiederhallen Laßt ihr zart Sonnette schallen. Wohlfeil Ruhm sich zu erringen, Jeder aͤngstlich schreibt und treibet; Keinem moͤcht' das Herz zerspringen, Glaubt sich selbst nicht, was er schreibet. Seid ihr Maͤnner, seid ihr Christen? Glaubt ihr Gott zu uͤberlisten, So in Selbstsucht feig zu nisten? Einen Wald doch kenn' ich droben, Rauschend mit den gruͤnen Kronen, Staͤmme bruͤderlich verwoben, Wo das alte Recht mag wohnen. Manche auf sein Rauschen merken, Und ein neu Geschlecht wird staͤrken Dieser Wald zu deutschen Werken. Der Jaͤger Abschied. W er hat dich du schoͤner Wald Aufgebaut so hoch da droben? Wohl den Meister will ich loben, So lang noch mein' Stimm' erschallt. Lebe wohl, Lebe wohl, du schoͤner Wald! Tief die Welt verworren schallt, Oben einsam Rehe grasen, Und wir ziehen fort und blasen, Daß es tausendfach verhallt: Lebe wohl, Lebe wohl, du schoͤner Wald! Banner, der so kuͤhle wallt! Unter Deinen gruͤnen Wogen Hast du treu uns auferzogen. Frommer Sagen Aufenthalt! Lebe wohl, Lebe wohl, du schoͤner Wald! Was wir still gelobt im Wald, Wollen's draußen ehrlich halten, Ewig bleiben treu die Alten: Deutsch Panier, das rauschend wallt, Lebe wohl! Schirm' dich Gott, du schoͤner Wald! 11 Kuͤhle auf dem schoͤnen Rheine, Fuhren wir vereinte Bruͤder, Tranken von dem goldnen Weine, Singend gute deutsche Lieder. Was uns dort erfuͤllt die Brust, Sollen wir halten, Niemals erkalten Und vollbringen treu mit Lust! Und so wollen wir uns theilen, Eines Fels verschied'ne Quellen, Bleiben so auf hundert Meilen Ewig redliche Gesellen! Trost . S ag' an, du helles Baͤchlein du, Von Felsen eingeschlossen, Du rauschst so munter immerzu, Wo kommst du hergeflossen? „Dort oben steht des Vaters Haus Still in den klaren Luͤften, Da ruh'n die alten Helden aus In den krystall'nen Kluͤften. Ich sah den Morgen freudig stehn Hoch auf der Felsenschwelle, Die Adler ziehn und Stroͤme gehn, Und sprang hinaus in's Helle.“ Sag' an, du koͤniglicher Strom, Was geht mein Herz mir auf, Seh' ich dich zieh'n durch Waldes Dom? Wohin fuͤhrt dich dein Lauf? „Es treibt und rauscht der Eisenquell Noch fort mir durch die Glieder; Die Felsenlust, so kuͤhl und hell, Lockt zu mir alle Bruͤder.“ 11 * Zeichen . S o Wunderbares hat sich zugetragen: Was aus uralten Sagen Mit tief verworrener Gewalt oft sang, Von Liebe, Freiheit, was das Herz erlabe, Mit heller Waffen Klang Es richtet sich geharnischt auf vom Grabe, Und an den alten Heerschild hat's geschlagen, Daß Schauer jede Brust durchdrang. Unmuth . O Herbst! betruͤbt verhuͤllst du Strom, Wald und Blumenlust, Erbleichte Flur, wie fuͤllst du Mit Sehnsucht nun die Brust! Weit hinter diesen Hoͤhen Die hier mich eng umstellt, Hoͤr' ich erathmend gehen Den großen Strom der Welt. In lichtem Glanze wandelt Der Helden heil'ger Muth, Es steigt das Land verwandelt Aus seiner Soͤhne Blut. Auch mich fuͤllt' maͤnnlich Trauern, Wie Euch, bei Deutschlands Weh'n — Und muß in Sehnsuchts-Schauern Hier ruhmlos untergehn! Entschluß . G ebannt im stillen Kreise sanfter Huͤgel, Schlingt sich ein Strom von ewig gleichen Tagen, Da mag die Brust nicht nach der Ferne fragen Und laͤchelnd senkt die Sehnsucht ihre Fluͤgel. Viel andre stehen kuͤhn in Rossesbuͤgel, Des Lebens hoͤchste Guͤter zu erjagen, Und was sie wuͤnschen, muͤssen sie erst wagen, Ein strenger Geist regiert des Rosses Zuͤgel. — Was singt ihr lockend so, ihr stillen Matten, Du Heimath mit den Regenbogenbruͤcken, Ihr heiter'n Bilder, harmlos bunte Spiele? Mich faßt der Sturm, wild ringen Licht und Schatten, Durch Wolkenriß bricht flammendes Entzuͤcken — Nur zu, mein Roß! wir finden noch zum Ziele! Abschieds-Tafel . S o ruͤckt denn in die Runde! Es schleicht die Zeit im Dunkeln, Sie soll uns ruͤstig finden Und heiter, stark und gut! Gar viel ist zu vollbringen, Gar vieles muß mißlingen. So mag die letzte Stunde Nachleuchten uns und funkeln! Wo unsre Pfad' sich winden, Wir sind in Gottes Hut. Dem Bruder meines Lebens, Der, fern, mit mir zusammen, Sei denn aus Herzensgrunde Das erste Glas gebracht! Ich brauch' ihn nicht zu nennen, Er aber wird mich kennen. Viel Land trennt uns vergebens, Ihm soll dies Wort, die Stunde, Durch alle Adern flammen, Wie ich an Ihn gedacht! Zu Dir nun, heitre Schoͤne, Wend' ich mich voll Gedanken. Wie sie zu Dir sich wenden, Muß ich so froͤhlich sein. So weit Poeten wohnen, So weit der Waͤlder Kronen, So weit kunstreiche Toͤne Die heiteren Gedanken Und Himmelsgruͤße senden: Ist alles mein und Dein. Laß' nie die Schmach mich sehen, Daß auch Dein Herz, der Luͤge Des andern Volks zum Raube, Bereuend feig und hohl, An Licht und Schmuck mag zagen! Nicht wahr ist, was sie sagen: Daß Lieb' und Lust vergehen, Nicht wahr, daß uns betruͤge Der schoͤne, freud'ge Glaube, Und also lebe wohl! Ihr aber, klug' Gesellen, Die hier mit in dem Kreise, Wohl quaͤlt Ihr mich seit Jahren Mit weisem Rath und Wort. — Stoßt an, es sei vergessen! Im Meere, ungemessen, Sind viele tausend Wellen Und tausend Schiffe fahren Ein jedes seine Reise, Komm' jedes in seinen Port! Vom Berg' hinabgewendet, Seh' ich die Stroͤme, Zinnen, Der Liebsten Schloß darunter — Nun, Morgenlohe, huͤlle, In Glorien Dein Reich! Dir, tieflebend'ge Fuͤlle, Schleud'r' ich das Glas hinunter, Mir schwindeln alle Sinnen, So wend' ich mich geblendet, Gott segne Dich und Euch! An meinen Bruder 1813. S teig' aufwaͤrts, Morgenstunde! Zerreiß' die Nacht, daß ich in meinem Wehe Den Himmel wiedersehe, Wo ew'ger Frieden in dem blauen Grunde! Will Licht die Welt erneuen: Mag auch der Schmerz in Thraͤnen sich befreien. Mein lieber Herzensbruder! Still war der Morgen — Ein Schiff trug uns beide. Wie war die Welt voll Freude! Du faßtest ritterlich das schwanke Ruder, Uns beide treulich lenkend, Auf froher Fahrt nur einen Stern bedenkend. Mich irrte manches Schoͤne, Viel reizte mich und viel mußt' ich vermissen. Von Lust und Schmerz zerrissen, Was so mein Herz hinausgestroͤmt in Toͤne: Es waren Wiederspiele Von Deines Busens ewigem Gefuͤhle. Da ward die Welt so truͤbe, Rings stiegen Wetter von der Berge Spitzen, Der Himmel borst in Blitzen, Daß neugestaͤrkt sich Deutschland d'raus erhuͤbe. — Nun ist das Schiff zerschlagen, Wie soll ich ohne Dich die Fluth ertragen! — Auf einem Fels geboren, Vertheilen kuͤhlerrauschend sich zwei Quellen, Die eigne Bahn zu schwellen. Doch wie sie fern einander auch verloren: Es treffen aͤchte Bruͤder Im ew'gen Meere doch zusammen wieder. So wolle Gott Du flehen, Daß er mit meinem Blut und Leben schalte, Die Seele nur erhalte, Auf daß wir freudig einst uns wiedersehen, Wenn nimmermehr hienieden: So dort, wo Heimath, Licht und ew'ger Frieden! Aufbruch . S ilbern' Stroͤme zieh'n herunter, Blumen schwanken fern und nah, Ringsum regt sich's bunt und bunter — Lenz! bist du schon wieder da? „Reiter sind's, die blitzend ziehen, Wie viel glaͤnz'ger Stroͤme Lauf, Fahnen, Liliengleich, erbluͤhen, Lerchenwirbel, Trommelwirbel Wecken rings den Fruͤhling auf.“ Horch! was hoͤr' ich draußen klingen Wild verlockend wie zur Jagd? Ach, das Herz moͤcht' mir zerspringen, Wie es jauchzt und weint und klagt. „Und in Waldes gruͤnen Hallen, Tiefe Schauer in der Brust, Lassen wir die Hoͤrner hallen, In das Blau die Stimmen schallen, So zum Schrecken wie zur Lust.“ Wehe! dunkle Wolken decken Seh' ich all' die junge Pracht, Feur'ge Todeszungen strecken Durch die grimme Wetternacht. „Wettern gleich bluͤht Kampfes-Fuͤlle, Blitze zieht das gute Schwerdt, Mancher wird auf ewig stille — Herr Gott, es gescheh' Dein Wille! Blast Trompeten! Frisch mein Pferd!“ Regenbogen seh' ich steigen, Wie von Thraͤnen spruͤh'n die Au, Jenen sich erbarmend neigen Ueber den verweinten Gau. „Also uͤber Graus und Wogen Hat der Vater Gnadenreich, Ein Triumphthor still gezogen. Wer da faͤllt, zieht durch den Bogen Heim in's ew'ge Himmelreich.“ Tusch. F aͤngt die Sonne an zu stechen, Tapfer schießen Gras und Kraͤuter Und die Baͤume schlagen aus: Muß des Feinds Gewalt zerbrechen, Nimmt der Winter schnell Reißaus, Erd' und Himmel glaͤnzen heiter; Und wir Musikanten fahren, Lustig auf dem Fluß hinunter, Trommeln, pfeifen, blasen, geigen Und die Hoͤrner klingen munter. Apell . I ch hoͤrt' viel' Dichter klagen Von alter Ehre rein, Doch wen'ge mochten's wagen Und selber schlagen drein. Mein Herz wollt' mir zerspringen, Sucht' mir ein ander Ziel, Denn anders sein und singen, Das ist ein dummes Spiel. So stieg ich mit Auroren Still in's Gebirg hinan, Ich war wie neugeboren, So kuͤhle weht's mich an. Und als ich, Bahn mir schaffend, Zum Gipfel trat hinauf, Da blitzten schon von Waffen Ringsum die Laͤnder auf. Die Hoͤrner hoͤrt' ich laden, Die Luft war streng und klar — Ihr neuen Kammeraden, Wie singt ihr wunderbar! Frisch auf, wir wollen uns schlagen, So Gott will, uͤber'n Rhein Und weiter im froͤhlichen Jagen Bis nach Paris hinein! Soldatenlied . W as zieht da fuͤr schreckliches Sausen, Wie Pfeifen durch Sturmes Wehn? Das wendet das Herz recht vor Grausen, Als sollte die Welt vergeh'n. Das Fußvolk kommt da geschritten, Die Trommeln wirbeln voran, Die Fahne in ihrer Mitten Weht uͤber den gruͤnen Plan, Sie prangt in schneeweißem Kleide Als wie eine milde Braut, Die giebt dem hohe Freude, Wen Gott ihr angetraut. Sie haben sie recht umschlossen, Dicht Mann an Mann geruͤckt, So ziehen die Kriegsgenossen Streng, schweigend und ungeschmuͤckt, Wie Gottes dunkeler Wille, Wie ein Gewitter schwer, Da wird es ringsum so stille, Der Tod nur blitzt hin und her. Wie seltsame Klaͤnge schwingen Sich dort von der Waldeshoͤh'! Ja, Hoͤrner sind es, die singen Wie rasend vor Lust und Weh. Die jungen Jaͤger sich zeigen Dort druͤben im gruͤnen Wald Bald schimmernd zwischen den Zweigen, Bald lauernd im Hinterhalt. Wohl sinkt da in ewiges Schweigen Manch' schlanke Rittergestalt, Die anderen uͤber ihn steigen, Hurrah! in dem schoͤnen Wald, „Es funkelt das Blau durch die Baͤume — Ach, Vater, ich komme bald!“ Trompeten nur hoͤr' ich werben So hell durch die Fruͤhlingsluft, Zur Hochzeit oder zum Sterben So uͤbermaͤchtig es ruft. Das sind meine lieben Reiter, Die rufen hinaus zur Schlacht, Das sind meine lustigen Reiter, Nun, Liebchen, gute Nacht! Wie wird es da vorne so heiter, Wie spruͤhet der Morgenwind, In den Sieg, in den Tod und weiter, Bis daß wir im Himmel sind! 12 Die ernsthafte Fastnacht 1814. W ohl vor Wittenberg auf den Schanzen Sind der edlen Werber viel, Wollen da zur Fastnacht tanzen Ein gar seltsam Ritterspiel. Und die Stadt vom Felsen droben Spiegelt sich im Sonnenschein, Wie ein Jungfraͤulein erhoben — Jeder will ihr Braͤut'gam sein. Jaͤger! laßt die Hoͤrner klingen Durch den Morgen kalt und blank! Wohl, sie laͤßt sich noch bezwingen, Hoͤrt sie alten deutschen Klang. Drauf sie einen Reiter schnelle Senden, der so froͤhlich schaut, Der blaͤßt seinen Gruß so helle, Wirbt da um die stolze Braut. „Sieh, wir werben lang' verstohlen Schon um Dich in Noth und Tod, Komm! sonst wollen wir Dich holen, Wann der Mond scheint blutigroth!“ Bleich schon fallen Abendlichter — Und der Reiter blaͤßt nur zu, Nacht schon webt sich dicht und dichter — Doch das Thor bleibt immer zu. Nun so spielt denn, Musikanten, Blast zum Tanz aus frischer Brust! Herz und Sinne mir entbrannten, O du schoͤne, wilde Lust! Wer hat je so'n Saal gesehen? Strom und Wilder spielen auf, Sterne auf und nieder gehen, Stecken hoch die Lampen auf. Ja der Herr leucht't selbst zum Tanze, Frisch denn, Kameraden mein! Funkelnd schoͤn im Mondesglanze Strenges Lieb, mußt unser sein! — Und es kam der Morgen heiter, Mancher Taͤnzer lag da todt, Und Victoria bließ der Reiter Von dem Wall ins Morgenroth. Schlesier wohl zu Ruhm und Preise Haben sich dies Lieb' gewonnen, Und ein Schlesier diese Weise Recht aus Herzenslust ersonnen. 12 * Auf der Feldwacht. M ein Gewehr im Arme steh' ich Hier verloren auf der Wacht, Still nach jener Gegend seh' ich, Hab' so oft dahin gedacht! Fernher Abendglocken klingen Durch die schoͤne Einsamkeit; So, wenn wir zusammen gingen, Hoͤrt' ich's oft in alter Zeit. Wolken da wie Thuͤrme prangen, Als saͤh' ich im Duft mein Wien, Und die Donau hell ergangen Zwischen Burgen durch das Gruͤn. Doch wie fern sind Strom und Thuͤrme! Wer da wohnt, denkt mein noch kaum, Herbstlich rauschen schon die Stuͤrme, Und ich stehe wie im Traum. Waffenstillstand der Nacht. W indsgleich kommt der wilde Krieg geritten, Durch das Gruͤn der Tod ihm nachgeschritten, Manch Gespenst steht sinnend auf dem Feld, Und der Sommer schuͤttelt sich vor Grausen, Laͤßt die Blaͤtter, schließt die gruͤnen Klausen, Ab sich wendend von der blut'gen Welt. Praͤchtig war die Nacht nun aufgegangen, Hatte alle muͤtterlich umfangen, Freund und Feind mit leisem Friedenskuß, Und, als wollt' der Herr vom Himmel steigen, Hoͤrt' ich wieder durch das tiefe Schweigen Rings der Waͤlder feierlichen Gruß. In C. S.. Stammbuch. December 1814. I n verhaͤngnißschweren Stunden, Streitend fuͤr das Vaterland, Haben wir uns bruͤderlich gefunden, In der Menge still erkannt. Sieh! es ruhet nun der Degen Und die hohe Brandung faͤllt, Sich verlaufend auf den alten Wegen, Und langweilig wird die Welt. Doch der Ernst der heil'gen Stunden Waltet fort in mancher Brust, Und was sich wahrhaftig hat verbunden, Bleibt gesellt in Noth und Lust. Unsichtbar geschwungne Bruͤcken Halten Lieb' und Lieb' vereint, Und in allen hellen Lebensblicken Gruͤß' ich fern den lieben Freund. Und so mag der Herr Dich segnen! Frische Fahrt durch's Leben wild, Gleichen Sinn und freudiges Begegnen, Wo es immer Hohes gilt! Der Friedensbote . S chlaf ein, mein Liebchen, schlaf' ein, Leis durch die Blumen am Gitter Saͤuselt des Laubes Gezitter, Rauschen die Quellen herein; Gesenkt auf den schneeweißen Arm, Schlaf ein, mein Liebchen, schlaf' ein, Wie athmest du lieblich und warm! Aus dem Kriege kommen wir heim; In stuͤrmischer Nacht und Regen, Wenn ich auf der Lauer gelegen, Wie dachte ich dorten Dein! Gott stand in der Noth uns bei, Nun droben, bei Mondenschein, Schlaf ruhig, das Land ist ja frei! An meinen Bruder. 1815. W as Großes sich begeben, Der Koͤn'ge Herrlichkeit, Du sahst's mit freud'gem Beben, Dir war's vergoͤnnt zu leben In dieser Wunderzeit. Und uͤber diese Wogen Kam hoch ein himmlisch Bild Durch's stille Blau gezogen, Traf mit dem Zauberbogen Dein Herz so fest und mild. O wunderbares Grauen, Zur selben Stund den Herrn Im Wetterleuchten schauen, Und uͤber den stummen Gauen Schuldloser Liebe Stern! Und hat nun ausgerungen Mein Deutschland siegeswund: Was damals Lieb' gesungen, Was Schwerdter Dir geklungen, Klingt fort im Herzensgrund. Laß' bilden die Gewalten! Was davon himmlisch war, Kann nimmermehr veralten, Wird in der Brust gestalten Sich manches stille Jahr. Die Fesseln muͤssen springen, Ja endlich macht sich's frei, Und Großes wird gelingen, Durch Thaten oder Singen, Vor Gott ist's einerlei. An Philipp . (Nach einer Wiener Redouten-Melodie.) K ennst Du noch den Zaubersaal, Wo suͤß' Melodieen wehen, Zwischen Sternen ohne Zahl Frauen auf und nieder gehen? Kennst Du noch den Strom von Toͤnen, Der sich durch die bunten Reihen schlang, Von noch unbekannten Schoͤnen Und von fernen blauen Bergen sang? Sieh! die lichte Pracht erneut Froͤhlich sich in allen Jahren, Doch die Bruͤder sind zerstreut, Die dort froh beisammen waren. Und der Blick wird irre schweifen, Einsam stehst Du nun in Pracht und Scherz, Und die alten Toͤne greifen Dir mit tausend Schmerzen an das Herz. Uhren schlagen durch die Nacht, Drein verschlafne Geigen streichen, Aus dem Saale, uͤberwacht, Sich die letzten Paare schleichen. So ist unser Fest vergangen, Und die lust'gen Kerzen loͤschen aus, Doch die Sterne draußen prangen, Und die fuͤhren mich und Dich nach Haus. Herrmanns Enkel . A ltdeutsch! — Altdeutsch? — Nun, das ist, Was man so in Buͤchern liest: — Kluge Rosse — praͤcht'ge Decken, Haͤndel, Kruzifixe, Recken — O, wie herrlich strahlt dies Leben! Goͤttlich! — Doch mit Unterschied. Es versteht sich, daß man's deute — 'S waͤr' doch gar zu unbequem, Wenn man Alles woͤrtlich naͤhm', Wie's da durcheinander bluͤht! — Diese Ritter — gute Leute, Ehrlich, tapfer, brave Reiter — Gegen uns doch Baͤrenhaͤuter! Eigentlich sind wir wohl weiter. Lehnstreu — Kloͤster — Barbarei — Davon machen wir uns frei. — Fangen wir so an zu sichten: Fuͤrcht' ich, bleibt es bei Gedichten — Nein doch! Eines, geht mir bei, Eines bleibt doch: Dies Vernichten Aller Mode-Sklaverei! — Hohe Vaterlaͤnderei! Schnittst Du los nicht Herrmanns Soͤhne Von des Halstuchs schnoͤden Schlingen, In den'n, sonder Kraft und Schoͤne, Unsre Vaͤter schmaͤhlich hingen? Gabst Du nicht dem Loͤwen Maͤhne, Die ihm frech die Zeit gestohlen? Statt des wind'gen Fracks Geflatter Der Litefka Schurz aus Pohlen, Statt des Franzen knabenglatter Schnautze: seinen Henri quatre ? — Bruder, ich sag's unverhohlen, Und auch Du wirst's nicht bestreiten: Große Zeichen großer Zeiten! — Wahrlich, saͤh' ich nicht den Kragen Ueber'n schwarzen Rock geschlagen, Schien' mir Alles Ironie. Doch wie sprech' ich da? Ironisch — Dieses Wort ist nicht teutonisch. Undeutsch ist die falsche Freude: Kuͤnsteln am wahrhaften Wort! Ob auch feige Poesie Sauere Gesichter schneide: Durch den waͤlschen Luͤgenwitz Schreitet stramm der Teutsche fort Hinter seiner Nasenspitz', Aller Ehrlichkeiten Sitz, Biderb immer gradeaus. Alles Waͤlsche wird mir Graus, Seit ich steck' im teutschen Kleide: Du auch Liebchen waͤhle gleich Deine Tracht Dir altteutsch aus! Wie's auf Bildern noch zu schauen: Wedel von dem Schweif der Pfauen, Dann von Spitzen, blumenreich, Wie 'ne mittelmaͤß'ge Scheibe, Eine steife Hals-Rotunde! 'S ist so uͤber'm schlanken Leibe Wie ein Regenschirm gespannt, Oben drauf dann, statt dem Knopf, Schwebt der holde Frauenkopf, In das Bluͤtenmeer von Kragen, Ariadnen gleich, verschlagen. — O, und ein moral'scher Kragen! Denn wer ist da so gewandt, Fluͤsternd was in's Ohr zu sagen, Was nicht gleich die Andern wissen? Und — unmoͤglich ist das Kuͤssen! Tafellieder. l . (Damen-Liedertafel in Danzig). Die Frauen . G leich wie Echo frohen Liedern Froͤhlich Antwort geben muß, So auch nah'n wir und erwiedern Dankend den galanten Gruß. Die Maͤnner . O, Ihr Guͤt'gen und Charmanten! Fuͤr des Echo's holden Schwung Nehm't der lust'gen Musikanten Ganz ergeb'ne Huldigung! Frauen . Doch Ihr huldigt, will's uns duͤnken, Andern Goͤttern nebenbei. Roth und golden seh'n wir's blinken — Sag't, wie das zu nehmen sei? Maͤnner . Theure! zierlich, mit drei Fingern, Sich'rer, mit der ganzen Hand — Und so fuͤllt man aus den Dingern 'S Glas nicht halb, nein, bis zum Rand. Frauen . Nun, wir sehen, Ihr seid Meister. Doch wir sind heut liberal; Hoffentlich, als schoͤne Geister, Treibt Ihr's etwas ideal. Maͤnner . Jeder nippt und denkt die Seine, Und wer nichts Besond'res weiß: Nun — der trinkt in's Allgemeine Frisch zu aller Schoͤnen Preis! Alle . Recht so! Kling't denn in die Runde An zu Dank und Gegendank! Saͤnger, Frau'n, wo die im Bunde, Da giebt's einen hellen Klang! II . Viel Essen macht viel breiter Und hilft zum Himmel nicht, Es kracht die Himmelsleiter, Kommt so ein schwerer Wicht. Das Trinken ist gescheidter, Das schmeckt schon nach Idee, Da braucht man keine Leiter, Das geht gleich in die Hoͤh'. Chor . Da braucht man keine Leiter, Das geht gleich in die Hoͤh'. Viel Reden ist manierlich: „Wohlauf?“ — Ein wenig flau. — „Das Wetter ist spazierlich.“ — Was macht die liebe Frau? — „Ich danke“ — und so weiter, Und breiter als ein See — Das Singen ist gescheidter, Das geht gleich in die Hoͤh'. Chor . Das Singen ist gescheidter, Das geht gleich in die Hoͤh'. Die Fisch' und Musikanten Die trinken beide frisch, Die Wein, die andern Wasser — Drum hat der dumme Fisch Statt Fluͤgel Flederwische Und liegt elend im See — Doch wir sind keine Fische, Das geht gleich in die Hoͤh'. Chor . Doch wir sind keine Fische, Das geht gleich in die Hoͤh'. Ja, Trinken frisch und Singen Das bricht durch alles Weh, Das sind zwei gute Schwingen, Gemeine Welt, ade! Du Erd' mit deinem Plunder, Ihr Fische sammt der See, 'S geht alles, alles unter, Wir aber in die Hoͤh'! Chor . 'S geht alles, alles unter, Wir aber in die Hoͤh'! III . Zum Abschied . Horcht! die Stunde hat geschlagen, Und ein Schiffer steht am Bord, Gruͤßt noch einmal, und es tragen Ihn die Wellen rauschend fort. Sturm wuͤhlt, und die Zeiten baͤumen Sehnsuͤchtig sich himmelan, Hoch in solcher Wellen Schaͤumen Segle, kuͤhner Steuermann! Und den letzten Becher, Bruͤder, Eh' wir hier verlassen stehn, Und den letzten Klang der Lieder Auf ein freudig Wiedersehn! IV . Berliner Tafel . Viele Lerchen hellerwacht, Die zum Himmel steigen, Viele Sterne in der Nacht, Vieler Wipfel Neigen, 13 Viele frische Herzen dann, Die begeistert lauschen — Da bricht erst der Lenz recht an, Klang und Waldesrauschen. So sind viele hier gesellt: Ruͤstige Gesellen, Die ihr' Sach auf Klang gestellt, Schauspiel und Novellen, Viele dann, die recht sich freun, Wenn wir's loͤblich machen, Und, greift einer falsch darein, Auch von Herzen lachen. Und wo solche Resonnanz, Klingt das Lied erst helle, Wie wir hier vereint zum Kranz, Bluͤht die sand'ge Schelle, Kukuk ruft und Nachtigall Und von Lust und Schmerzen Weckt der Schall den Wiederhall Rings in tausend Herzen Ein Land, das ihr schweigend meint Und wir freudig singen, Und ein Meer, das uns vereint Soll hinuͤberbringen. Frische Fahrt denn, nah und fern, Allen muth'gen Seglern, Die getreu dem rechten Stern, Schleglern oder Heglern! V . Die Heymonskinder . Auf feur'gem Rosse kommt Bachus daher, Den Becher hoch in der Hand, Sein Roͤßlein wird wild, sein Kopf ist ihm schwer, Er verschuͤttet den Wein auf das Land. Den Dichter erbarmet der Rebensaft, In den Buͤgel er kuͤhn sich stellt Und trinkt mit dem Gotte Bruͤderschaft — Nun geht's erst, als ging's aus der Welt! Ei sieh da, so einsam Herr Komponist! Steig' auf mit, 's ist Schad' um die Schuh, Du loͤst erst die Schwinge — und wo keine ist, Da mach' uns die Fluͤgel dazu! Und was sie ersonnen nun, singen die Drei'. „O weh!“ ruft ein Saͤnger herauf, „Ihr schreit ja die koͤstlichsten Noten entzwei!“ Und schwingt zu den Dreien sich auf. Nun setzt der Tonkuͤnstler, skandirt der Poet, Der Saͤnger giebt himmlischen Schall, Es laͤchelt Herr Bachus: „wahrhaftig das geht, Und's Trinken verstehen sie all'.“ Und wie sie nun alle beisammen sind, Hebt's sachte die seeligen Leut', Es wachsen dem Rosse zwei Schwingen geschwind, Und uͤberfliegen die Zeit. 13 * VI . Der alte Held . (Tafellied zu Goethe's Geburtstag 1831.) „Ich habe gewagt und gesungen, Da die Welt noch stumm lag und bleich, Ich habe den Bann bezwungen, Der die schoͤne Braut hielt umschlungen, Ich habe erobert das Reich.“ „Ich habe geforscht und ergruͤndet Und that es euch treulich kund: Was das Leben dunkel verkuͤndet, Die heilige Schrift, die entzuͤndet, Der Herr in der Seelen Grund.“ „Wie rauschen nun Waͤlder und Quellen Und singen vom ewigen Port: Schon seh' ich Morgenroth schwellen, Und ihr dort, ihr jungen Gesellen, Fahrt immer immerfort!“ Und so, wenn es still geworden, Schaut er vom Thurm bei Nacht Und segnet den Saͤnger-Orden, Der an den bluͤhenden Borden Das schoͤne Reich bewacht. Dort hat er nach Lust und Streiten Das Panner aufgestellt, Und die auf dem Strome der Zeiten Am Felsen voruͤbergleiten, Sie gruͤßen den alten Held. VII . Toast . Auf das Wohlsein der Poeten, Die nicht schillern und nicht goͤthen, Durch die Welt in Lust und Noͤthen Segelnd frisch auf eig'nen Boͤten. Der Liedsprecher Das vorstehende Lied wurde am 20sten Juni 1823 waͤh¬ rend der Tafel, welche des Kronprinzen von Preußen Koͤnigliche Hoheit in dem großen Rempter des Marienburger Ritterschlosses gab, von einem Freunde des Verfassers, in dem Kostuͤm der alten Liedsprecher, gesungen. . l . U nd wo ein tuͤchtig Leben Und wo ein Ehrenhaus, Da geht der Saͤnger eben Gern gastlich ein und aus. Der freudige Geselle Gruͤßt Pfaff und Rittersmann Und frische Morgenhelle Weht all' im Liede an. Und kuͤhn im Rossesbuͤgel Der Ritter waldwaͤrts zieht, Und das Gebet nimmt Fluͤgel Und uͤberfliegt das Lied. Denn ob's mit Schwert, mit Liedern Sich Bahn zum Himmel schafft; 'Sist eine Schaar von Bruͤdern Und eine Liebeskraft. Wo die vereint, da ranken Sich willig Stein und Erz, Da pfeilern die Gedanken Sich freudig himmelwaͤrts. Die haben diesen Bogen Kuͤhn uͤber'n wilden Strom Empoͤrter Zeit gezogen Zum wunderbaren Dom. Die Burgen sah'n wir fallen, Die Adler zogen aus, Wehklagend durch die Hallen Geh'n Winde ein und aus. Doch droben auf der Zinne Steht noch der Heldengeist, Der — was die Zeit beginne — Still nach dem Kreuze weis't. Es wechseln viel' Geschlechter Und sinken in die Nacht — Steh' fest, Du treuer Waͤchter, Und nimm Dein Land in Acht! Schon hat zum Kreuzeslichte Dein Volk sich ernst gewandt, Im Sturm der Weltgerichte Tief schauernd Dich erkannt. Nun hebt sich wieder froͤhlich Dein Haus im Morgenschein, Die Jungfrau minneseelig Schaut weit ins Land hinein. Gesaͤnge hoͤr' ich schallen, Durch's Gruͤn geschmuͤckte Gaͤst' Wallfahrten nach den Hallen — Wem gilt das frohe Fest? Der Koͤnigssohn, Ihr Preußen, Weilt auf dem Ritterschloß, Das ist nach Adlers Weisen, Daß er der Hoͤh' genoß. Das ist des Koͤnigs Walten, Was herrlich, groß und recht, Im Wechsel zu erhalten Dem kommenden Geschlecht. Er hob die Heldenmale Zu neuer Herrlichkeit, Damit das Volk im Thale Gedenk' der großen Zeit. Das ewig Alt' und Neue, Das mit den Zeiten ringt, Das, Fuͤrst, ist's, was das treue Herz Deines Volts durchdringt. Wo das noch ehrlich waltet, Da ist zu Gottes Ruhm Die Kreuzesfahn' entfaltet, Und rechtes Ritterthum. O, reicht dem Liedersprecher, Bevor er scheiden muß, Den hochgefuͤllten Becher Zu seinem besten Gruß! Doch einzeln nicht verhallen Darf, was ich jetzt gedacht. Was Jeder meint, von Allen , Sei's freudig auch gebracht! All' ritterliche Geister Umringen fest den Thron, Und auf zum hoͤchsten Meister Dringt treuer Liebe Ton; Dem ritterlichen Koͤnig Heil, und dem Koͤnigssohn ! II . (Als die Kaiserin von Rußland das Schloß Marienburg besuchte.) Will Lust die Thor' erschließen, Da bleib' ich draußen nicht, Das Hohe zu begruͤßen, Das ist des Saͤngers Pflicht. Das ist die alte Halle, Hier sang ich manchesmal, Die hohen Ritter alle Rings um mich her im Saal. Und von dem Helden-Streiten Erklang manch kuͤhnes Lied, Das noch in naͤcht'gen Zeiten Den stillen Bau durchzieht. Doch farbenlos vergrauen, Ohn' Bluͤte, Fels und Au — Es fehlt' der Schmuck der Frauen Dem hochgewalt'gen Bau. Die Staͤrke regt das Wilde, Und nur, der Kraft gesellt, Die koͤnigliche Milde Bezwingt die starre Welt. — Welch' Glanz hat mich umflogen Und fuͤllt das ganze Haus, Als pfeilerten die Bogen In's Himmelreich hinaus?! Und was der Stein will sagen, Der Mensch in tiefster Brust, In Klaͤngen anzuschlagen, Das ist des Saͤngers Lust: O Du — gleichbar der Hohen, Die dieses Haus bewacht Und Morgenrothes Lohen Im Norden angefacht — Was Großes hier ersonnen, All Segen, der hier weilt, All Wohl, das hier begonnen, Dir, hohe Frau, zum Heil! Und so nun will ich neigen Mich vor der Majestaͤt — Dann laßt mich gehn und schweigen, Bis ihr Sie wiederseh't. Der neue Rattenfaͤnger. J uchheißa! und ich fuͤhr' den Zug Hopp uͤber Feld und Graben. Des alten Plunders ist genug, Wir wollen neuen haben. Was! wir gering? Ihr vornehm, reich? Planirend schwirrt die Scheere, Seid Lumps' wie wir, so sind wir gleich, Huͤbsch breit wird die Misere! Das alte Lied das spiel' ich neu, Da tanzen alle Leute, Das ist die Vaterlaͤnderei, O Herr, mach' uns gescheute! — Der brave Schiffer . D er Sturm wollt' uns zerschmettern, Was morsch war, lag zerschellt, Es schrieb mit feur'gen Lettern Der Herr und sprach in Wettern Zu der erschrockenen Welt. Durch wilder Wogen Spritzen Voruͤber manchem Riff, Wo auf Korallen-Spitzen Die finstern Nornen sitzen, Flog da das Preußen-Schiff. Das war von aͤchtem Kerne; Gedankenvoll die Wacht Schaut durch die wuͤste Ferne Zum koͤniglichen Sterne, Der leuchtet aus der Nacht. Und, ob sie Nebel decken, Was groß und heilig war, Lenkten da aus den Schrecken Gewaltig die treuen Recken — Du mitten in dieser Schaar. Da sah man wohl den schlanken Wald kuͤhner Masten sich Zum Himmel pfeilernd ranken! Du lehntest voll Gedanken Auf Deine Harfe Dich. Bald maͤchtiger bald leise, Mit wunderbarem Klang, Zogst Du Gesanges-Kreise, Daß eine tiefe Weise Das wilde Meer bezwang. Und Sturm und Nacht verzogen, Schon blitzt es hier und da, Das Land stieg aus den Wogen Und unter dem Friedensbogen Die alte Victoria. — Fahr' wohl! wie Adlerschwingen Wird in der Zeiten Schwung Dein Ringen und Dein Singen Durch deutsche Herzen klingen, So bleibst Du ewig jung! Im Herbst . D er Wald wird falb, die Blaͤtter fallen, Wie oͤd' und still der Raum! Die Baͤchlein nur geh’n durch die Buchenhallen Lindrauschend wie im Traum, Und Abendglocken schallen Fern von des Waldes Saum. Was wollt ihr mich so wild verlocken In dieser Einsamkeit? Wie in der Heimath klingen diese Glocken Aus stiller Kinderzeit — Ich wende mich erschrocken, Ach, was mich liebt, ist weit! So brecht hervor nur, alte Lieder. Und brecht das Herz mir ab! Noch einmal gruͤß' ich aus der Ferne wieder Was ich nur Liebes hab', Mich aber zieht es nieder Vor Wehmuth wie in's Grab. Entgegnung . „ S ei antik doch, sei teutonisch, Lern', skandire unverdrossen, Freundchen, aber nur ironisch! Und vor allem laß die Possen, Die man sonst genannt: romantisch.“ — Also hoͤrt man's ringsher schallen; Aber mich beduͤnkt: pedantisch Sei das Schlimmste doch von allen. Wem der Herr den Kranz gewunden, Wird nach alle dem nicht fragen, Sondern muß, wie er's befunden. Auf die eig'ne Weise sagen, Stets auf's neu' mit freud'gem Schrecken, Ist sie auch die alte blieben, Sich die schoͤne Welt entdecken, Ewig jung ist, was wir lieben! Oft durch des Theaters Ritzen Bricht's mit wunderbarem Lichte, Wenn der Herr in feur'gen Blitzen Dichtend schreibt die Weltgeschichte, Und das ist der Klang der Wehmuth, Der durch alle Dichter-Geister Schauernd geht, wenn sie in Demuth Ueber sich erkannt den Meister. Abloͤsung . W ir saßen gelagert im Gruͤnen, So traulich und lustig gesellt, Die Lichter des Fruͤhlings schienen Hold spielend durch's gruͤne Gezelt. Im Fruͤhlingsglanz still auf und nieder Ergingen der Frauen sich viel, Und liebliche Augen und Lieder Sie hielten ein herzliches Spiel. Und unten von Thaͤlern und Fluͤssen Ein schallendes, wirrendes Reich — O freudiges erstes Begruͤßen Von Leben und Lieben zugleich! Verlassen nun stehen die Raͤume, Es schauen und rauschen allein Die groß gewordenen Baͤume So ernst in die Stille herein. Von Allen, die dort sonst gesessen, Es sehnet sich niemand hieher, Sie haben den Fruͤhling vergessen, Kennt keiner den andern mehr. Und wie ich so sinn' und erwachen Die alten Lieder in mir! Da hoͤr' ich auf einmal ein Lachen Und Schallen im gruͤnen Revier. 14 Und froͤhliche Lieder erklangen Aus Herzensgrunde so recht, Und unter den Baͤumen ergangen Erblick' ich ein ander Geschlecht. Geoͤffnet bleibt ewig zum Feste Des Fruͤhlings lustiges Haus, Es schwaͤrmen so wechselnd die Gaͤste Da immer herein und heraus. Die vorigen Lieder verhallen, Wir sinken verbluͤhend hinab, Und neue Gesaͤnge erschallen Hoch uͤber dem bluͤhenden Grab. An die Luͤtzowschen Jaͤger. W underliche Spießgesellen Denkt ihr noch an mich, Wie wir an der Elbe Wellen Lagen bruͤderlich. Wie wir in des Spreewalds Hallen, Schauer in der Brust, Hell die Hoͤrner ließen schallen So zu Schreck wie Lust? Mancher mußte da hinunter Unter den Rasen gruͤn, Und der Krieg und Fruͤhling munter Gingen uͤber ihn. Wo wir ruhen, wo wir wohnen: Jener Waldeshort Rauscht mit seinen gruͤnen Kronen Durch mein Leben fort. 14 * Weltlauf . W as Du gestern frisch gesungen, Ist doch heute schon verklungen Und beim letzten Klange schreit Alle Welt nach Neuigkeit. War ein Held, der legt verwegen Einstmals seinen blut'gen Degen Als wie Gottes schwere Hand Ueber das erschrock'ne Land. Mußt's doch bluͤh'n und rauschen lassen, Und den todten Loͤwen fassen Knaben nun nach Jungen-Art Ungestraft an Maͤhn' und Bart. So viel Gipfel als da funkeln, Sah'n wir abendlich verdunkeln, Und es hat die alte Nacht Alles wieder gleich gemacht. Wie im Thurm der Uhr Gewichte Rucket fort die Weltgeschichte, Und der Zeiger schweigend kreist, Keiner raͤth, wohin er weist. Aber wenn die eh'rnen Zungen Nun zum letztenmal erklungen, Auf den Thurm der Herr sich stellt Um zu richten diese Welt. Und der Herr hat nichts vergessen, Was geschehen wird er messen Nach dem Maaß der Ewigkeit — O wie klein ist doch die Zeit! IV . Fruͤhling und Liebe . An die Freunde . Der Jugend Glanz, der Sehnsucht irre Weisen, Die tausend Stroͤme durch das duft'ge Land, Es zieht uns All' zu seinen Zauberkreisen. – Wem Gottesdienst in tiefster Brust entbrannt, Der sieht mit Wehmuth ein unendlich Reisen Zu ferner Heimath, die er fromm erkannt; Und was sich spielend wob als ird'sche Blume, Woͤlbt still den Kelch zum ernsten Heiligthume. So schauet denn das buntbewegte Leben Ringsum von meines Gartens heitrer Zinn', Daß hoch die Bilder, die noch daͤmmernd schweben — Wo Morgenglanz geblendet meinen Sinn — An Eurem Blick erwachsen und sich heben. Verwuͤstend rauscht die Zeit daruͤber hin; In Euren treuen Herzen neu geboren Sind sie im wilden Strome unverloren. Anklaͤnge. I . L iebe, wunderschoͤnes Leben, Willst du wieder mich verfuͤhren Soll ich wieder Abschied geben Fleißig ruhigem Studiren, Offen stehen Fenster, Thuͤren, Draußen Fruͤhlingsboten schweben, Lerchen schwirrend sich erheben, Echo will im Wald sich ruͤhren. Wohl da hilft kein Widerstreben, Tief im Herzen muß ich's spuͤren: Liebe, wunderschoͤnes Leben, Wieder wirst du mich verfuͤhren! Il . Hoch uͤber stillen Hoͤhen, Stand in dem Wald ein Haus, So einsam war's zu sehen Dort uͤber'n Wald hinaus. Ein Maͤdchen saß darinnen Bei stiller Abendzeit, Thaͤt seiden Faͤden spinnen Zu ihrem Hochzeitskleid. III . Jagdlied. Durch schwankende Wipfel Schießt guͤldener Strahl, Tief unter den Gipfeln Das neblichte Thal. Fern hallt es am Schlosse, Das Waldhorn ruft, Es wiehern die Rosse, In die Luft, in die Luft! Bald Laͤnder und Seen Durch Wolkenzug Tief schimmernd zu sehen In schwindelndem Flug, Bald Dunkel wieder Huͤllt Reiter und Roß, O Lieb' o Liebe So laß' mich los! — Immer weiter und weiter Die Klaͤnge ziehn, Durch Waͤlder und Heiden Wohin, ach wohin? Erquickliche Frische Suͤß-schaurige Lust! Hoch flattern die Buͤsche Frei schlaͤgt die Brust. Das Zaubernetz . F raue, in den blauen Tagen Hast ein Netz Du ausgehangen, Zart gewebt aus seidnen Haaren, Suͤßen Worten, weißen Armen. Und die blauen Augen sprachen, Da ich waldwaͤrts wollte jagen: „Zieh' mir, Schoͤner, nicht von dannen!“ Ach, da war ich Dein Gefangner! Hoͤrst Du nun den Fruͤhling laden? — Jaͤgers Waldhorn geht im Walde, Lockend gruͤßen bunte Flaggen, Nach dem Saͤnger alle fragen. Ach! von euch, ihr Fruͤhlings-Fahnen, Kann ich, wie von Dir, nicht lassen! Reisen in den blauen Tagen Muß der Saͤnger mit dem Klange. Fluͤgel hat, den Du gefangen — Alle Schlingen muͤssen lassen Und er wird Dir weggetragen, Wenn die ersten Lerchen sangen. Liebst Du, treu dem alten Sange Wie dem Saͤnger, mich wahrhaftig: Laß' Dein Schloß, den schoͤnen Garten, Fuͤhr' Dich heim in Waldesprachten! Auf dem Zelter sollst Du prangen, Um die schoͤnen Glieder schlanke Seide, himmelblau, gespannet, Als ein suͤßgeschmuͤckter Knabe. Und der Jaͤger sieht uns fahren, Und er laͤßt das Wild, das Jagen, Will nun ewig mit uns wandern Mit dem frischen Hoͤrnerklange. Wer von uns verfuͤhrt den andern, Ob es Deine Augen thaten, Meine Laut', des Jaͤgers Blasen? — Ach, wir koͤnnen's nicht errathen; Aber um uns drei zusammen Wird der Lenz im gruͤnen Walde Wohl ein Zaubernetze schlagen, Dem noch keiner je entgangen. Der Schalk . L aͤuten kaum die Mayenglocken Leise durch den lauen Wind, Hebt ein Knabe froh erschrocken Aus dem Grase sich geschwind, Schuͤttelt in den Bluͤthenflocken Seine feinen blonden Locken, Schelmisch sinnend wie ein Kind. Und nun wehen Lerchenlieder Und es schlaͤgt die Nachtigall, Rauschend von den Bergen nieder Kommt der kuͤhle Wasserfall, Rings im Walde bunt Gefieder: — Fruͤhling, Fruͤhling ist es wieder Und ein Jauchzen uͤberall. Und den Knaben hoͤrt man schwirren, Gold'ne Faͤden zart und lind Durch die Luͤfte kuͤnstlich wirren — Und ein suͤßer Krieg beginnt: Suchen, Fliehen, schmachtend Irren, Bis sich alle hold verwirren. — O begluͤcktes Labyrinth! Fruͤhlingsgruß . E s steht ein Berg in Feuer, In feurigem Morgenbrand, Und auf des Berges Spitze Ein Tann'baum uͤber'm Land. Und auf dem hoͤchsten Wipfel Steh ich und schau vom Baum, O Welt, Du schoͤne Welt Du, Man sieht Dich vor Bluͤten kaum! Abendlandschaft . D er Hirt blaͤst seine Weise, Von fern ein Schuß noch faͤllt, Die Waͤlder rauschen leise Und Stroͤme tief im Feld. Nur hinter jenem Huͤgel Noch spielt der Abendschein — O haͤtt' ich, haͤtt' ich Fluͤgel, Zu fliegen da hinein! Elfe . B leib' bei uns! wir haben den Tanzplan im Thal Bedeckt mit Mondesglanze, Johanniswuͤrmchen erleuchten den Saal, Die Heimchen spielen zum Tanze. Die Freude, das schoͤne leichtglaͤubige Kind, Es wiegt sich in Abendwinden: Wo Silber auf Zweigen und Buͤschen rinnt, Da wirst Du die Schoͤnste finden! 15 Fruͤhlingsmarsch. H och uͤber euern Sorgen Sah ich vom Berg in's Land Voll tausend guter Morgen, Die Welt in Bluͤten stand. Was zag't ihr traͤg und bloͤde? Was schoͤn ist, wird doch Dein! Die Welt thut nur so sproͤde Und will erobert sein. Laßt die Trompeten laden, Durch's Land die Trommeln geh'n, Es wimmeln Kammeraden, Wo rechte Banner weh'n. Wir zieh'n durch die Provinzen, Da funkelt manches Schloß, Schoͤn Lieb, hol' Dich vom Zwinger Und schwing' Dich mit auf's Roß! Und wenn das Bluͤhen endet: Noch taumelnd sprengen wir, Vom Abendroth geblendet, In's letzte Nachtquartier. Die Lerche . I ch kann hier nicht singen, Aus dieser Mauern dunklen Ringen Muß ich mich schwingen Vor Lust und tiefem Weh. O Freude, in klarer Hoͤh Zu sinken und sich zu heben, In Gesang Ueber die gruͤne Erde dahin zu schweben, Wie unten die licht' und dunkeln Streifen Wechselnd im Fluge voruͤberschweifen, Aus der Tiefe ein Wirren und Rauschen und Haͤmmern, Die Erde aufschimmernd im Fruͤhlingsdaͤmmern, Wie ist die Welt so voller Klang! Herz, was bist Du bang? Mußt aufwaͤrts dringen! Die Sonne tritt hervor, Wie glaͤnzen mir Brust und Schwingen, Wie still und weit ist's droben am Himmelsthor. 15 * Nachtigall . N ach den schoͤnen Fruͤhlingstagen, Wenn die blauen Luͤfte wehen, Wuͤnsche mit dem Fluͤgel schlagen Und im Gruͤnen Amor zielt, Bleibt ein Jauchzen auf den Hoͤhen; Und ein Wetterleuchten spielt Aus der Ferne durch die Baͤume Wunderbar die ganze Nacht, Daß die Nachtigall erwacht Von den irren Widerscheinen, Und durch alle seel'ge Gruͤnde In der Einsamkeit verkuͤnde, Was sie alle, alle meinen; Dieses Rauschen in den Baͤumen Und der Mensch in dunkeln Traͤumen. Adler . S teig' nur, Sonne, Auf die Hoͤh'n! Schauer weh'n, Und die Erde bebt vor Wonne. Kuͤhn nach Oben Greift aus Nacht Waldespracht, Noch von Traͤumen kuͤhl durchwoben. Und vom hohen Fels-Altar Stuͤrzt der Aar Und versinkt in Morgenlohen. Frischer Morgen! Frisches Herz, Himmelwaͤrts! Laß den Schlaf nun, laß die Sorgen! Spaziergang . O chse, wie bist du so stattlich, bedachtsam, fleißig und nuͤtzlich! Wahrlich, ich brauche dich sehr — aber du bist doch ein Ochs! Ho da! Kartoffeln und ihr oͤkonomische Knollengewaͤchse, Schreiten kaum kann man; gemach! macht euch nicht gar zu sehr breit! Gruͤß dich, Klatschrose und Gaͤnseblum', Butterblum', laͤndliches Voͤlkchen, Schmucklos und ohne Geruch, unschuldig — weiter sonst nichts? — Nelke, du reizendes Kind, wie hast du so gar nichts Bescheid'nes! Jauchzende Farben vor Lust flammst du in's trau¬ rige Gruͤn, Tief von den eigenen Duͤften du selber lustig berauschet Spiele denn, brenne, von dir laß ich berauschen mich gern! Maͤdchen. G ar oft schon fuͤhlt' ich's tief, des Maͤdchens Seele Wird nicht sich selbst, dem Liebsten nur geboren. Da irrt sie nun verstoßen und verloren, Schickt heimlich Blicke schoͤn als Boten aus, Daß sie auf Erden suchen ihr ihr Haus. Sie schlummert in der Schwuͤle, leicht bedeckt, Laͤchelt im Schlafe, athmet warm und leise, Doch die Gedanken sind fern auf der Reise, Und auf den Wangen flattert traͤum'risch Feuer, Hebt buhlend oft der Wind den zarten Schleier. Der Mann, der da zum erstenmal sie weckt, Zuerst hinunterlangt in diese Stille, Dem faͤllt sie um den Hals vor Freude bang Und laͤßt ihn nicht mehr all' ihr Lebelang. Steckbrief . G ruͤß' euch aus Herzensgrund: Zwei Augen hell und rein, Zwei Roͤslein auf dem Mund, Kleid blank aus Sonnenschein! Nachtigall klagt und weint, Wolluͤstig rauscht der Hain, Alles die Liebste meint: Wo weilt sie so allein? Weil's draußen finster war, Sah ich viel hellern Schein, Jetzt ist es licht und klar, Ich muß im Dunkeln sein. Sonne nicht steigen mag, Sieht so verschlafen drein, Wuͤnschet den ganzen Tag, Daß wieder Nacht moͤcht' sein. Liebe geht durch die Luft, Holt fern die Liebste ein; Fort uͤber Berg und Kluft! Und Sie wird doch noch mein! Morgenstaͤndchen . I n den Wipfeln frische Luͤfte, Fern melod'scher Quellen Fall, Durch die Einsamkeit der Kluͤfte Waldeslaut und Vogelschall, Scheuer Traͤume Spielgenossen, Steigen all' beim Morgenschein Auf des Weinlaubs schwanken Sprossen, Dir in's Fenster aus und ein. Und wir nah'n noch halb in Traͤumen, Und wir thun in Klaͤngen kund, Was da draußen in den Baͤumen Singt der weite Fruͤhlingsgrund. Regt der Tag erst laut die Schwingen: Sind wir Alle wieder weit — Aber tief im Herzen klingen Lange nach noch Lust und Leid. Aussicht . K omm zum Garten denn, Du Holde! In den warmen, schoͤnen Tagen Sollst Du Blumenkraͤnze tragen, Und vom kuͤhl krystall'nen Golde Mit den frischen, rothen Lippen, Eh' ich trinke, laͤchelnd nippen. Ohne Maaß dann, ohne Richter, Kuͤssend, trinkend singt der Dichter Lieder, die von selbst entschweben: Wunderschoͤn ist doch das Leben! Abendstaͤndchen . S chlafe, Liebchen, weil's auf Erden Nun so still und seltsam wird! Oben geh'n die gold'nen Heerden, Fuͤr uns alle wacht der Hirt. In der Ferne ziehn Gewitter; Einsam auf dem Schifflein schwank, Greif' ich draußen in die Zitter, Weil mir gar so schwuͤl und bang. Schlingend sich an Baͤum' und Zweigen In Dein stilles Kaͤmmerlein, Wie auf gold'nen Leitern, steigen Diese Toͤne aus und ein. Und ein wunderschoͤner Knabe Schifft hoch uͤber Thal und Kluft, Ruͤhrt mit seinem gold'nen Stabe Saͤuselnd in der lauen Luft. Und in wunderbaren Weisen Singt er ein uraltes Lied, Das in linden Zauberkreisen Hinter seinem Schifflein zieht. Ach, den suͤßen Klang verfuͤhret Weit der buhlerische Wind, Und durch Schloß und Wand ihn spuͤret Traͤumend jedes schoͤne Kind. Nacht. D ie Voͤglein, die so froͤhlich sangen, Der Blumen bunte Pracht, 'S ist alles unter nun gegangen, Nur das Verlangen Der Liebe wacht. Tritt nicht hinaus jetzt vor die Thuͤr, Die Nacht hat eignen Sang, Das Waldhorn ruft, als rief's nach Dir, Betruͤglich ist der irre Klang, Endlos der Waͤlder Labyrinth — Behuͤt' Dich Gott, Du schoͤnes Kind! Wahl . D er Tanz, der ist zerstoben, Die Musik ist verhallt, Nun kreisen Sterne droben, Zum Reigen singt der Wald. Sind alle fortgezogen, Wie ist's nun leer und todt! Du rufst vom Fensterbogen: „Wann kommt der Morgenroth!“ Mein Herz moͤcht' mir zerspringen, Darum so wein' ich nicht, Darum so muß ich singen Bis daß der Tag anbricht. Eh' es beginnt zu tagen: Der Strom geht still und breit, Die Nachtigallen schlagen, Mein Herz wird mir so weit! Du traͤgst so rothe Rosen, Du schaust so freudenreich, Du kannst so froͤhlich kosen, Was stehst Du still und bleich? Und laß sie geh'n und treiben Und wieder nuͤchtern sein, Ich will wohl bei Dir bleiben! Ich will Dein Liebster sein! Die Stille. E s weiß und raͤth es doch Keiner, Wie mir so wohl ist, so wohl! Ach, wuͤßt' es nur Einer, nur Einer, Kein Mensch es sonst wissen soll! So still ist's nicht draußen im Schnee, So stumm und verschwiegen sind Die Sterne nicht in der Hoͤhe, Als meine Gedanken sind. Ich wuͤnscht', es waͤre schon Morgen, Da fliegen zwei Lerchen auf, Die uͤberfliegen einander, Mein Herze folgt ihrem Lauf. Ich wuͤnscht', ich waͤre ein Voͤglein Und zoͤge uͤber das Meer, Wohl uͤber das Meer und weiter, Bis daß ich im Himmel waͤr'! Fruͤhlings-Netz. I m hohen Gras der Knabe schlief, Da hoͤrt' er's unten singen, Es war, als ob die Liebste rief, Das Herz wollt' ihm zerspringen. Und uͤber ihm ein Netze wirrt Der Blumen leises Schwanken, Durch das die Seele schmachtend irrt In lieblichen Gedanken. So suͤße Zauberei ist los, Und wunderbare Lieder Geh'n durch der Erde Fruͤhlingsschooß, Die lassen ihn nicht wieder. Die Studenten . D ie Jaͤger zieh'n in gruͤnen Wald Und Reiter blitzend uͤber's Feld, Studenten durch die ganze Welt, So weit der blaue Himmel wallt. Der Fruͤhling ist der Freudensaal, Viel tausend Voͤglein spielen auf, Da schallt's im Wald bergab, bergauf: Gruͤß' dich, mein Schatz, viel tausendmal! Viel ruͤst'ge Bursche ritterlich, Die fahren hier in Stromes Mitt', Wie wilde sie auch stellen sich, Trau' mir, mein Kind, und fuͤrcht' dich nit! Queruͤber uͤber's Wasser glatt Laß werben deine Aeugelein, Und der dir wohlgefallen hat, Der soll dein lieber Buhle sein. Durch Nacht und Nebel schleich' ich sacht', Kein Lichtlein brennt, kalt weht der Wind, Riegl' auf, riegl' auf bei stiller Nacht, Weil wir so jung beisammen sind! Ade nun, Kind, und nicht geweint! Schon gehen Stimmen da und dort, Hoch uͤbern Wald Aurora scheint, Und die Studenten reisen fort. Der Gaͤrtner . W ohin ich geh' und schaue, In Feld und Wald und Thal Vom Berg' hinab in die Aue: Viel schoͤne, hohe Fraue, Gruͤß' ich Dich tausendmal. In meinem Garten find' ich Viel Blumen, schoͤn und fein, Viel Kraͤnze wohl d'raus wind' ich Und tausend Gedanken bind' ich Und Gruͤße mit darein. Ihr darf ich keinen reichen, Sie ist zu hoch und schoͤn, Die muͤssen alle verbleichen, Die Liebe nur ohne Gleichen Bleibt ewig im Herzen stehn. Ich schein' wohl froher Dinge Und schaffe auf und ab, Und, ob das Herz zerspringe, Ich grabe fort und singe Und grab' mir bald mein Grab. 16 Jaͤger-Katechismus . W as wollt ihr in dem Walde haben, Mag sich die arme Menschenbrust Am Waldesgruße nicht erlaben, Am Morgenroth und gruͤner Lust? Was tragt ihr Hoͤrner an der Seite, Wenn ihr des Hornes Sinn vergaßt, Wenn's euch nicht selbst lockt in die Weite, Wie ihr vom Berg' fruͤhmorgens blast? Ihr werd't doch nicht die Lust erjagen, Ihr moͤg't durch alle Waͤlder geh'n; Nur muͤde Fuͤß' und leere Magen — Mir moͤcht' die Jaͤgerei vergeh'n! O nehmet doch die Schneiderelle, Guckt in der Kuͤche in den Topf! Sonntags dann auf des Hauses Schwelle, Krau' euch die Ehfrau auf dem Kopf! Die Thierlein selber: Hirsch und Rehen, Was lustig haust im gruͤnen Haus, Sie flieh'n auf ihre freien Hoͤhen, Und lachen arme Wichte aus. Doch, kommt ein Jaͤger, wohlgeboren, Das Horn irrt, er blitzt rosenroth, Da ist das Hirschlein wohl verloren, Stellt selber sich zum lust'gen Tod. Vor allen aber die Verliebten, Die lad' ich ein zur Jaͤgerlust, Nur nicht die weinerlich Betruͤbten; Die recht von frisch' und starker Brust. Mein Schatz ist Koͤnigin im Walde, Ich stoß' in's Horn, in's Jaͤgerhorn! Sie hoͤrt mich fern und naht wohl balde, Und was ich blas', ist nicht verlor'n! — 16 * Der Cadett . M eine Liebste die ist von allen Grade die Schoͤnste nicht, Doch hat mir eben gefallen Ihr spielendes Augenlicht. Da kann ich von Gluͤcke sagen, Denn waͤr' sie die Schoͤnste just, Muͤßt' ich mit Allen mich schlagen Um die Eine nach Herzenslust. Der Polack. U nd komm' ich, komm ich' ohne Pelz, Mein' Liebste fragt mich aus: Wo hast Du lassen Deinen Pelz? Und macht sich doch nichts draus. Da druͤben ist gut Schnaps und Bier, Der Wirth blaͤst Clarinett, Da stritten wir, drei oder vier, Wer's schoͤnste Liebchen haͤtt'. Ich aber trank aus Deinem Schuh, Ließ meinen Pelz im Haus Und eine Handvoll Haar' dazu, Ich mach' mir gar nichts draus. Der Jaͤger . W as Seegeln der Wuͤnsche durch luftige Hoͤh'! Was bildendes Traͤumen im bluͤhenden Klee! Was Hoffen und Bangen, was Schmachten, was Weh! Und rauscht nicht die Erde in Bluͤten und Duft? Und schreitet nicht Hoͤrnerklang kuͤhn durch die Luft? Und stuͤrzet nicht jauchzend der Quell von der Kluft? Drum jage Du frisch auch Dein fluͤchtiges Reh Durch Waͤlder und Felder, durch Thaͤler und See, Bis Dir es ermuͤdet in Armen vergeh'! Der Landreuter . I ch ging bei Nacht einst uͤber Land, Ein Buͤrschlein traf ich draußen, Das hat 'nen Stutzen in der Hand Und zielt auf mich voll Grausen. Ich renne, da ich mich erbos' Auf ihn in vollem Rasen, Da druͤckt das kecke Buͤrschlein los Und ich stuͤrzt' auf die Nasen. Er aber lacht mir in's Gesicht, Daß er mich angeschossen, Cupido war der kleine Wicht — Das hat mich sehr verdrossen. Der Bote . A m Himmelsgrund schießen So lustig die Stern', Dein Schatz laͤßt Dich gruͤßen Aus weiter, weiter Fern! Hat eine Zitter gehangen An der Thuͤr unbeacht', Der Wind ist gegangen Durch die Saiten bei Nacht. Schwang sich auf dann vom Gitter Ueber die Berge, uͤber'n Wald — Mein Herz ist die Zitter, Giebt ein'n froͤhlichen Schall. Der Winzer . E s hat die Nacht geregnet, Es zog noch grau in's Thal, Und ruhten stillgesegnet Die Felder uͤberall; Von Luͤften kaum gefaͤchelt, Durch's ungewisse Blau Die Sonne verschlafen laͤchelt' Wie eine wunderschoͤne Frau. Nun sah ich auch sich heben Aus Nebeln unser Haus, Du dehntest zwischen den Reben Dich von der Schwelle hinaus, Da funkelt' auf einmal vor Wonne Der Strom und Wald und Au — Du bist mein Morgen, meine Sonne, Meine liebe, verschlafene Frau! Der Poet. B in ich fern Ihr: schau' ich nieder Traͤumend in die Thaͤler hier, Ach, ersinn' ich tausend Lieder, Singt mein ganzes Herz von Ihr. Doch was hilft die Gunst der Musen, Daß die Welt mich Dichter nennt? Keiner fraͤgt, wie mir im Busen Sorge tief und Sehnsucht brennt. Ja, darf ich bei Liebchen weilen: Fuͤhl' ich froh der Stunden Schwall Wohl melodischer enteilen Als der schoͤnste Sylbenfall, Will ich singen, Lippen neigen Sich auf mich, und leiden's nicht, Und wie gerne mag ich schweigen, Wird mein Leben zum Gedicht! Die Kleine . Z wischen Bergen, liebe Mutter, Weit den Wald entlang, Reiten da drei junge Jaͤger Auf drei Roͤßlein blank, lieb Mutter, Auf drei Roͤßlein blank. Ihr koͤnnt froͤhlich sein, lieb' Mutter Wird es draußen still: Kommt der Vater heim vom Walde, Kuͤßt Euch wie er will, lieb Mutter, Kuͤßt Euch wie er will. Und ich werfe mich im Bettchen Nachts ohn' Unterlaß, Kehr' mich links und kehr' mich rechts hin, Nirgends hab' ich was, lieb Mutter, Nirgends hab' ich was. Bin ich eine Frau erst einmal, In der Nacht dann still Wend' ich mich nach allen Seiten, Kuͤß', so viel ich will, lieb Mutter, Kuͤß', so viel ich will. Der Freiwerber . F ruͤhmorgens durch die Winde kuͤhl Zwei Ritter hergeritten sind, Im Garten klingt ihr Saitenspiel, Wach' auf, wach' auf, mein schoͤnes Kind! Ringsum viel' Schloͤsser schimmernd steh'n, So silbern geht der Stroͤme Lauf, Hoch, weit rings Lerchenlieder weh'n, Schließ' Fenster, Herz und Aeuglein auf! So wie du bist, verschlafen heiß, Laß allen Putz und Zier zu Haus, Tritt nur herfuͤr im Hemdlein weiß, Siehst so gar schoͤn verliebet aus. Ich hab' einen Fremden wohl bei mir, Der lauert unten auf der Wacht, Der bittet schoͤn dich um Quartier, Verschlaf'nes Kind, nimm dich in Acht! Das alte Maͤdchen. M ohrenritter, Mohrenritter! Hier gefangen auf dem Schlosse, Steh' ich einsam an dem Gitter, Warte wohl der suͤßen Rosen, Schau' in's Thal beim Klang der Zitter; Ob Du nah'st im Glanz des Morgens, — Doch geschlossen bleibt das Gitter, Und es fliegen Stunden, Wolken — Mohrenritter, Mohrenritter! Und es sinken Lenz und Rosen — Der Tanzmeister. W ohlgeruͤstet war ich kommen; Siegsgewiß doch, wie zum Scherz, Hat ein Blick mein Herz genommen — Wer kann kaͤmpfen ohne Herz? So vom Augenblick — geschlagen, Kniet' ich Armer vor ihr hin, Hatt' kein Herz nun, ihr zu sagen, Daß ich ihr Entherzter bin. Die Braut . W ann die Baͤume bluͤh'n und sprossen Und die Lerche kehrt zuruͤck, Denkt die Seele der Genossen, Fuͤhlet fern' und nahes Gluͤck. Seelig Weinen seel'ger Herzen! Wenn das Herz nichts weiter will, Nicht weiß, ob es Lust, ob Schmerzen, Aber froͤhlich ist und still. Frischer sich die Huͤgel kraͤnzen, Heitrer lacht das weite Blau, Alle Blumen schoͤner glaͤnzen Durch des Auges suͤßen Thau. Und soll denn das Lieben leiden, Und, wer leidet, krank auch sein, Ach, so will ich keine Freuden, Und mag nicht gesund mehr sein! Der Fromme . E s saß ein Kind gebunden und gefangen, Wo vor der Menschen eitlem Thun und Schallen Der Vorzeit Wunderlaute truͤb verhallen; Der alten Heimath dacht' sie voll Verlangen. Da sieht sie draußen Stroͤme, hell ergangen, Durch zaub'risch Land viel Pilger, Saͤnger wallen, Kuͤhl rauscht der Wald, die lust'gen Hoͤrner schallen, Aurora scheint, so weit die Blicke langen. — O laß die Sehnsucht ganz Dein Herz durchdringen! So legt sich bluͤhend um die Welt Dein Trauern Und himmlisch wird Dein Schmerz und Deine Sor¬ gen. Ein frisch Gemuͤth mag wohl die Welt bezwingen, Ein recht Gebet bricht Banden bald und Mauern: Und frei springst Du hinunter in den Morgen. Willkommen, Liebchen, denn am Meeresstrande! Wie rauschen lockend da an's Herz die Wellen Und tiefe Sehnsucht will die Seele schwellen, Wenn and're traͤge schlafen auf dem Lande. So walte Gott! — ich loͤs' des Schiffleins Bande, Wegweiser sind die Stern', die ewig hellen, Viel Seegel fahren da und frisch' Gesellen Begruͤßend uns von ihrer Schiffe Rande. Wir sitzen still, gleich Schwanen zieht das Seegel, Ich schau' in Deiner Augen lichte Sterne, Du schweigst und schauerst heimlich oft zusammen. Blick' auf! Schon schweifen Paradieses-Voͤgel, Schon wehen Wunderklaͤnge aus der Ferne, Der Garten Gottes steigt aus Morgenflammen. 17 Der Geniale . L ustig auf den Kopf, mein Liebchen, Stell' dich, in die Luft die Bein'! Heißa! ich will sein dein Buͤbchen, Heute Nacht soll Hochzeit sein! Wenn du Shakespear kannst vertragen, O du liebe Unschuld du! Wirst du mich wohl auch ertragen Und noch Jedermann dazu. — Der Gluͤcksritter . W enn Fortuna sproͤde thut, Laß' ich sie in Ruh, Singe recht und trinke gut, Und Fortuna kriegt auch Muth, Setzt sich mit dazu. Doch ich geb' mir keine Muͤh: „He, noch eine her!“ Kehr' den Ruͤcken gegen Sie, Laß' hoch leben die und die — Das verdrießt Sie sehr. Und bald ruͤckt sie sacht zu mir: „Hast Du deren mehr?“ — Wie Sie sehn. — „Drei Kannen schier, Und das lauter Klebebier!“ — 'S wird mir gar nicht schwer. Drauf sie zu mir laͤchelt fein: „Bist ein ganzer Kerl!“ Ruft den Kellner, schreit nach Wein, Trinkt mir zu und schenkt mir ein, Aechte Blum' und Perl. Sie bezahlet Wein und Bier, Und ich, wieder gut, Fuͤhre Sie am Arm mit mir Aus dem Haus, wie'n Kavalier, Alles zieht den Hut. 17 * Der verzweifelte Liebhaber. S tudiren will nichts bringen, Mein Rock haͤlt keinen Stich, Meine Zitter will nicht klingen, Mein Schatz, der mag mich nicht. Ich wollt', im Gruͤn spazierte Die allerschoͤnste Frau, Ich waͤr' ein Drach' und fuͤhrte, Sie mit mir fort durch's Blau. Ich wollt', ich jagt' geruͤstet Und legt' die Lanze aus, Und jagte all' Philister Zur schoͤnen Welt hinaus. Ich wollt', ich saͤß' jetzunder Im Himmel still und weit, Und fruͤg' nach all' dem Plunder Nichts vor Zufriedenheit. Der Gluͤckliche . I ch hab' ein Liebchen lieb recht von Herzen. Hellfrische Augen hat's wie zwei Kerzen, Und wo sie spielend streifen das Feld, Ach wie so lustig glaͤnzet die Welt! Wie in der Waldnacht zwischen den Schluͤften Ploͤtzlich die Thaͤler sonnig sich kluͤften, Funkeln die Stroͤme, rauscht himmelwaͤrts Bluͤhende Wildniß — so ist mein Herz! Wie vom Gebirge in's Meer zu schauen, Wie wenn der Seefalk, hangend im Blauen, Zuruft der daͤmmerndern Erd', wo sie blieb? — So unermeßlich ist rechte Lieb'! Der Nachtvogel . L iegt der Tag rings auf der Lauer, Blickt so schlau auf Lust und Trauer: Kann ich kaum mich selbst verstehen. Laß die Lauscher schlafen gehen! Nur ein Stuͤndchen unbewacht Laß' in der verschwiegenen Nacht Mich in Deine Augen sehen Wie in stillen Mondenschein. In dem Park an der Rotunde, Wenn es dunkelt, harr' ich Dein. Still und fromm ja will ich sein. Liebste, ach nur Eine Stunde! — Sieh' mir nicht so boͤse drein! Willst Du nie Dein Schweigen brechen, Ewig stumm, wie Blumen, sein: O so laß mich das Versprechen Pfluͤcken Dir vom stillen Munde: Liebste, ach nur Eine Stunde! In dem Park, an der Rotunde, Wenn es dunkelt, harr' ich Dein. Coda . Und kann ich nicht sein Mit Dir zu zwei'n, So will ich, allein, Der Schwermuth mich weih'n! Die Nachtblume . N acht ist wie ein stilles Meer, Lust und Leid und Liebesklagen Kommen, so verworren her In dem linden Wellenschlagen. Wuͤnsche wie die Wolken sind, Schiffen durch die stillen Raͤume, Wer erkennt im lauen Wind Ob's Gedanken oder Traͤume? — Schließ' ich nun auch Herz und Mund, Die so gern den Sternen klagen: Leise doch im Herzensgrund Bleibt das linde Wellenschlagen. Der Dichter . N ichts auf Erden nenn' ich mein, Als die Lieder meiner Laute, Doch nenn' den, der freud'ger schaute In die schoͤne Welt hinein! Alles Lebens tiefste Schoͤne Thun geheimnißvoll ja Toͤne Nur dem frommen Saͤnger kund‚ Und die Freude sagt kein Mund, Die Gott wunderbar gelegt In des Dichters Herzensgrund. Wenn die Welt, so wild bewegt, Aengstlich schaut nach ihren Rettern: Ueber aller Nebel Wogen Woͤlbt Er kuͤhn den Friedensbogen‚ Und‚ wie nach verzog'nen Wettern, Rauscht die Erde wieder mild; Alle Knospen Bluͤten treiben; Und der Fruͤhling ist sein Haus‚ Und der Fruͤhling geht nie aus. — O du lieblich Frauenbild! Willst Du bei dem Saͤnger bleiben? — Blumen bind't ein streng Geschick: Wenn die tausend Stimmen singen‚ Alle Schmerzen, alles Gluͤck Ewig lautlos zu verschweigen. Doch bei kuͤhlem Mondenblick Regt ihr stiller Geist die Schwingen‚ Moͤcht' dem duft'gen Kelch entsteigen. Sieh', schon ist die Sonn' gesunken Aus der dunkelblauen Schwuͤle, Und zerspringt in tausend Funken An den Felsen rings und Baͤumen, Bis sie alle seelig traͤumen. Mit den Sternen in der Kuͤhle Bluͤh'n da Wuͤnsche, steigen Lieder Aus des Herzens Himmelsgrund, Und ich fuͤhle alles wieder: Alte Freuden, junges Wagen! — Ach! so viel moͤcht' ich Dir sagen, Sagen recht aus Herzensgrund, In dem Rauschen, in dem Wehen Moͤcht' ich froͤhlich mit Dir gehen, Plaudern in der lauen Nacht, Bis der Morgenstern erwacht! — An eine Taͤnzerin. C astagnetten lustig schwingen Seh' ich Dich, Du zierlich Kind! Mit der Locken schwarzen Ringen Spielt der sommerlaue Wind. Kuͤnstlich regst Du schoͤne Glieder, Gluͤhendwild Zaͤrtlichmild Tauchest in Musik Du nieder, Und die Woge hebt Dich wieder. Warum sind so blaß die Wangen, Dunkelfeucht der Augen Glanz, Und ein heimliches Verlangen Schimmert gluͤhend durch den Tanz? Schalkhaft lockend schaust Du nieder, Liebesnacht Suͤßerwacht, Wolluͤstig erklingen Lieder — Schlag nicht so die Augen nieder! Wecke nicht die Zauberlieder In der dunklen Tiefe Schooß, Selbst verzaubert sinkst Du nieder, Und sie lassen Dich nicht los. Toͤdtlich schlingt sich um die Glieder Suͤndlich Gluͤh'n, Und verbluͤh'n Muͤssen Schoͤnheit, Tanz und Lieder, Ach, ich kenne Dich nicht wieder! Der Knabe . E s war ein zartes Voͤgelein, Das saß in Lieb' gefangen, Ein Knabe hegt' und pflegt' sich's fein Wohl hinter gold'nen Stangen. Und draußen hoͤrt's auf gruͤnem Plan Verschied'ner Voͤgel Weisen, Sah Tag und Nacht den Knaben an, Mocht' nicht mit ihnen reisen. Und als der Fruͤhling weit und breit Von neuem schien und schwaͤrmte, Da that dem Knaben 's Voͤglein leid, Daß es kein Strahl erwaͤrmte. Da nahm er aus dem stillen Haus Das Voͤglein fromm und treue, Und schweift' mit ihm durch's Feld hinaus In's himmelblaue Freie. Er setzt' es vor sich auf die Hand, Da wend't und putzt sich's feine, In bunten Farben spielt' und brannt' Sein Kleid im Sonnenscheine. Doch aus dem Wald ein Singen rief, Bunt' Voͤglein zieh'n und reisen, Das lockt so hell, das lockt so tief In wundersuͤßen Weisen. Das Voͤglein frisch die Fluͤgel ruͤhrt — Es ruft: kommst Du nicht balde? — Das hat das Voͤgelein verfuͤhrt, Fort flog's zum gruͤnen Walde — Nun muß der Knabe einsam geh'n, Klagt uͤber Thal und Huͤgel: „Suͤß' Lieb', suͤß' Lieb', wie bist Du schoͤn: Ach, haͤttst Du keine Fluͤgel!“ — Klage . I ch hab' manch Lied geschrieben, Die Seele war voll Lust, Von treuem Thun und Lieben, Das beste, was ich wußt'. Was mir das Herz bewogen, Das sagte treu mein Mund, Und das ist nicht erlogen, Was kommt aus Herzensgrund. Liebchen wußt's nicht zu deuten Und lacht mir in's Gesicht, Dreht sich zu andern Leuten Und achtet's weiter nicht. Und spielt mit manchem Tropfe, Weil ich so tief betruͤbt. Mir ist so dumm im Kopfe, Als waͤr' ich nicht verliebt. Ach Gott, wem soll ich trauen? Will Sie mich nicht versteh'n, Thun all' so fremde schauen, Und alles muß vergeh'n. Und alles irrt zerstreuet — Sie ist so schoͤn und roth — Ich hab' nichts, was mich freuet, Waͤr' ich viel lieber todt! Trauriger Fruͤhling. M ir ist's im Kopf so wuͤste, Die Zeit wird mir so lang, Wie auch der Lenz mich gruͤßte Mit Glanz und frischem Klang, Das Herz bleibt mir so wuͤste, Mir ist so sterbensbang. Viel' Voͤglein lockend sangen Im bluͤhenden Revier, Ich hatt' mir ein's gefangen, Jetzt ist es weit von mir, Viel Voͤglein draußen sangen, Ach, haͤtt' ich mein's nur hier! Begegnung . I ch wandert' in der Fruͤhlingszeit, Fern auf den Bergen gingen Mit Geigenspiel und Singen Viel' lust'ge Hochzeitsleut', Das war ein Jauchzen und Klingen! Es bluͤhte rings in Thal und Hoͤh'n, Ich konnt' vor Lust nicht weitergeh'n. Am Dorfe dann auf gruͤner Au Begannen sie den Reigen Und durch den Schall der Geigen Lacht' laut die junge Frau, Ihr Stimmlein klang so eigen, Ich wußte nicht, wie mir gescheh'n — Da wandt' sie sich in wildem Dreh'n. Es war mein Lieb! 's ist lange her, Sie blickt' so ohne Scheue, Verloren ist die Treue, Sie kannte mich nicht mehr — Da jauchzt' und geigt's auf's neue, Ich aber wandt' mich fort in's Feld, Nun wandr' ich bis an's End' der Welt! Der Kranke . V oͤgelein munter Singen so schoͤn, Laßt mich hinunter Spazieren gehn! „Nacht ist's ja draußen; 'S war nur der Sturm, Den Du hoͤrst sausen Droben vom Thurm.“ Liebchen im Garten Seh' ich dort steh'n, Lang' mußt' sie warten, O laßt mich geh'n. „Still nur! der blasse Tod ist's, der sacht Dort durch die Gasse Schleicht in der Nacht.“ Wie mir ergraute, Bleiches Gesicht! Geb't mir die Laute, Mir wird so licht! „Was willst Du singen In tiefster Noth? Lenz, Lust vergingen, Liebchen ist todt!“ — Laßt mich, Gespenster, Lied, riegl' auf die Gruft! Oeffnet die Fenster, Luft, frische freie Luft! 18 Die Hochzeitsaͤnger. F ernher zieh'n wir durch die Gassen, Steh'n im Regen und im Wind, Wohl von aller Welt verlassen Arme Musikanten sind. Aus den Fenstern Geigen klingen, Schleift und dreht sich's bunt und laut, Und wir Musikanten singen Draußen da der reichen Braut. Wollt' sie doch keinen andern haben, Ging mit mir durch Wald und Feld, Praͤchtig in den blauen Tagen Schien die Sonne auf die Welt. Heißa: lustig Dreh'n und Ringen, Jeder haͤlt sein Liebchen warm, Und wir Musikanten singen Lustig so, daß Gott erbarm. Lachend reicht man uns die Neigen, Auf Ihr Wohlsein trinken wir; Wollt' sie sich am Fenster zeigen, 'S waͤre doch recht fein von ihr. Und wir fideln und wir singen Manche schoͤne Melodei, Daß die besten Saiten springen, 'S war als spraͤng' mir's Herz entzwei. Jetzt ist Schmauß und Tanz zerstoben, Immer stiller wird's im Haus, Und die Maͤgde putzen oben Alle lust'gen Kerzen aus. Doch wir blasen recht mit Rasen Jeder in sein Instrument, Moͤcht' in meinem Grimm ausblasen Alle Stern' am Firmament! Und am Hause seine Runde Tritt der Waͤchter gaͤhnend an, Rufet aus die Schlafensstunde, Und sieht ganz erbost uns an. Doch nach ihrem Kabinette Schwing' ich noch mein Tambourin, Fahr' wohl in Dein Himmelbette, Weil wir muͤssen weiter zieh'n! 18 * Der letzte Gruß . I ch kam vom Walde hernieder, Da stand noch das alte Haus, Mein Liebchen sie schaute wieder Wie sonst zum Fenster hinaus. Sie hat einen andern genommen, Ich war draußen in Schlacht und Sieg, Nun ist alles anders gekommen, Ich wollt', 's waͤr wieder erst Krieg; Am Wege dort spielte ihr Kindlein, Das glich ihr recht auf ein Haar, Ich kuͤßt's auf sein rothes Muͤndlein: „Gott seg'ne dich immerdar!“ Sie aber schaute erschrocken Noch lange Zeit nach mir hin, Und schuͤttelte sinnend die Locken Und wußte nicht, wer ich bin. — Da droben hoch stand ich am Baume, Da rauschen die Waͤlder so sacht, Mein Waldhorn das klang wie im Traume Hinuͤber die ganze Nacht. Und als die Voͤgelein sangen Fruͤhmorgens, sie weinte so sehr, Ich aber war weit schon gegangen, Nun sieht sie mich nimmermehr! Bei einer Linde. S eh' ich Dich wieder, Du geliebter Baum, In dessen junge Triebe Ich einst in jenes Fruͤhlings schoͤnstem Traum Den Namen schnitt von meiner ersten Liebe? Wie anders ist seitdem der Aeste Bug, Verwachsen und verschwunden Im haͤrt'ren Stamm der vielgeliebte Zug, Wie ihre Liebe und die schoͤnen Stunden! Auch ich seitdem wuchs stille fort, wie Du, Und nichts an mir wollt' weilen, Doch meine Wunde wuchs — und wuchs nicht zu, Und wird wohl niemals mehr hienieden heilen. Vom Berge . D a unten wohnte sonst mein Lieb, Die ist jetzt schon begraben, Der Baum noch vor der Thuͤre blieb, Wo wir gesessen haben. Stets muß ich nach dem Hause seh'n Und seh doch nichts vor Weinen, Und wollt' ich auch hinunter geh'n, Ich stuͤrb' dort so alleine! Verlorene Liebe . L ieder schweigen jetzt und Klagen, Nun will ich erst froͤhlich sein, All mein Leid will ich zerschlagen Und Erinnern — gebt mir Wein! Wie er mir verlockend spiegelt Sterne und der Erde Lust, Stillgeschaͤftig dann entriegelt All' die Teufel in der Brust, Erst der Knecht und dann der Meister Bricht er durch die Nacht herein, Wildester der Luͤgengeister, Ring' mit mir, ich lache dein! Und den Becher voll Entsetzen Werf' ich in des Stromes Grund, Daß sich nimmer dran soll letzen Wer noch froͤhlich und gesund! Lauten hoͤr' ich ferne klingen, Lust'ge Bursche zieh'n vom Schmaus, Staͤndchen sie den Liebsten bringen, Und das lockt mich mit hinaus. Maͤdchen hinter'm bluͤh'nden Baume Winkt und macht das Fenster auf Und ich steige wie im Traume Durch das kleine Haus hinauf. Schuͤtt'le nur die dunklen Locken Aus dem schoͤnen Angesicht! Sieh, ich stehe ganz erschrocken: Das sind ihre Augen licht, Locken hatte sie wie deine, Bleiche Wangen, Lippen roth — Ach, du bist ja doch nicht meine, Und mein Lieb ist lange todt! Haͤttest du nur nicht gesprochen Und so frech geblickt nach mir, Das hat ganz den Traum zerbrochen Und nun grauet mir vor dir. Da nimm Geld, kauf Putz und Flimmern, Fort und lache nicht so wild! O ich moͤchte dich zertruͤmmern, Schoͤnes, luͤgenhaftes Bild! Spaͤt von dem verlor'nen Kinde Kam ich durch die Nacht daher, Fahnen drehten sich im Winde, Alle Gassen waren leer. Oben lag noch meine Laute Und mein Fenster stand noch auf, Aus dem stillen Grunde graute Wunderbar die Stadt herauf. Draußen aber blitzt's von weiten, Alter Zeiten ich gedacht', Schauernd reiß' ich in den Saiten Und ich sing' die halbe Nacht. Die verschlaf'nen Nachbarn sprechen, Daß ich naͤchtlich trunken sei — O du mein Gott! und mir brechen Herz und Saitenspiel entzwei! Das Staͤndchen. A uf die Daͤcher zwischen blassen Wolken schaut der Mond herfuͤr, Ein Student dort auf der Gassen Singt vor seiner Liebsten Thuͤr. Und die Brunnen rauschen wieder Durch die stille Einsamkeit Und der Wald vom Berge nieder, Wie in alter schoͤner Zeit. So in meinen jungen Tagen Hab' ich manche Sommernacht Auch die Laute hier geschlagen Und manch lust'ges Lied erdacht. Aber von der stillen Schwelle Trugen sie mein Lieb' zur Ruh — Und du, froͤhlicher Geselle, Singe, sing' nur immer zu! Neue Liebe . H erz, mein Herz, warum so froͤhlich, So voll Unruh und zerstreut, Als kaͤm' uͤber Berge seelig Schon die schoͤne Fruͤhlingszeit? Weil ein liebes Maͤdchen wieder Herzlich an dein Herz sich druͤckt, Schaust du froͤhlich auf und nieder, Erd' und Himmel dich erquickt. Und ich hab' die Fenster offen, Neu zieh in die Welt hinein Altes Bangen, altes Hoffen! Fruͤhling, Fruͤhling soll es sein! Still kann ich hier nicht mehr bleiben, Durch die Brust ein Singen irrt, Doch zu licht ist's mir zum schreiben, Und ich bin so froh verwirrt. Also schlendr' ich durch die Gassen, Menschen gehen her und hin, Weiß nicht, was ich thu und lasse, Nur, daß ich so gluͤcklich bin. Fruͤhlingsnacht. U eber'n Garten durch die Luͤfte Hoͤrt' ich Wandervoͤgel zieh'n, Das bedeutet Fruͤhlingsduͤfte, Unten faͤngt's schon an zu bluͤh'n. Jauchzen moͤcht' ich, moͤchte weinen, Ist mir's doch, als koͤnnt's nicht sein! Alte Wunder wieder scheinen Mit dem Mondesglanz herein. Und der Mond, die Sterne sagen's Und in Traͤumen rauscht's der Hain Und die Nachtigallen schlagen's: Sie ist Deine, sie ist Dein! Frau Venus . W as weckst du, Fruͤhling, mich von neuem wieder? Daß all' die alten Wuͤnsche auferstehen, Geht uͤber's Land ein wunderbares Wehen; Das schauert mir so lieblich durch die Glieder. Die schoͤne Mutter gruͤßen tausend Lieder, Die, wieder jung, im Brautkranz suͤß zu sehen; Der Wald will sprechen, rauschend Stroͤme gehen, Najaden tauchen singend auf und nieder. Die Rose seh' ich geh'n aus gruͤner Klause Und, wie so buhlerisch die Luͤfte faͤcheln, Erroͤthend in die laue Fluth sich dehnen. So mich auch ruft ihr aus dem stillen Hause — Und schmerzlich nun muß ich im Fruͤhling laͤcheln, Versinkend zwischen Duft und Klang vor Sehnen. Erwartung . O schoͤne bunte Voͤgel Wie singt ihr gar so hell! O Wolken, luft'ge Segel, Wohin so schnell, so schnell? Ihr alle, ach, gemeinsam Flieg't zu der Liebsten hin, Sag't Ihr, wie ich hier einsam Und voller Sorgen bin. Im Walde steh' und laur' ich, Verhallt ist jeder Laut, Die Wipfel nur weh'n schaurig, O komm, Du suͤße Braut! Schon sinkt die dunkelfeuchte Nacht rings auf Wald und Feld, Des Mondes hohe Leuchte Tritt in die stille Welt. Wie schauert nun im Grunde Der tiefsten Seele mich! Wie oͤde ist die Runde Und einsam ohne Dich! Was rauscht? — Sie naht von ferne! — Nun, Wald, rausch' von den Hoͤh'n, Nun laß Mond, Nacht und Sterne Nur auf und untergeh'n! Leid und Lust . E uch Wolken beneid' ich In blauer Luft, Wie schwingt' Ihr Euch freudig Ueber Berg und Kluft! Mein Liebchen wohl seht Ihr Im Garten geh'n, Am Springbrunnen steht sie So morgenschoͤn. Und waͤscht an der Quelle Ihr goldenes Haar, Die Aeugelein helle, Und blickt so klar. Und Busen und Wangen Duͤrft' Ihr da seh'n. — Ich brenn' vor Verlangen, Und muß hier steh'n! Euch Wolken bedau'r ich Bei stiller Nacht; Die Erde bebt schaurig, Der Mond erwacht: Da fuͤhrt mich ein Buͤbchen Mit Fluͤgelein fein, Durch's Dunkel zum Liebchen, Sie laͤßt mich ein. Wohl schau't Ihr die Sterne Weit, ohne Zahl, Doch bleiben sie ferne Euch allzumal. Mir leuchten zwei Sterne Mit suͤßem Strahl Die kuͤß' ich so gerne Viel tausendmal. Euch gruͤßt mit Gefunkel Der Wasserfall, Und tief aus dem Dunkel Die Nachtigall. Doch suͤßer es gruͤßet Als Wellentanz, Wenn Liebchen hold fluͤstert: „Dein bin ich ganz.“ So segelt denn traurig In oͤder Pracht! Euch Wolken bedaur' ich Bei suͤßer Nacht. Trennung . I . D enkst Du noch jenes Abends, still vor Sehnen, Wo wir zum Letztenmal im Park beisammen? Kuͤhl standen rings des Abendrothes Flammen, Ich scherzte wild — Du laͤcheltest durch Thraͤnen. So spielt der Wahnsinn lieblich mit den Schmerzen An jaͤher Schluͤfte Rand, die nach ihm trachten; Er mag der lauernden Gefahr nicht achten; Er hat den Tod ja schon im oͤden Herzen. Ob Du die Mutter auch belogst, betruͤbtest, Was andre Leute druͤber deuten, sagen — Sonst scheu — heut mocht'st Du nichts nach allem fragen, Mir einzig zeigen nur, wie Du mich liebtest. Und aus dem Hause heimlich so entwichen, Gabst Du in's Feld mir schweigend das Geleite, Vor uns das Thal, das hoffnungsreiche, weite, Und hinter uns kam grau die Nacht geschlichen. Du gehst nun fort, sprach sie, ich bleib' alleine; Ach! duͤrft' ich alles lassen, still und heiter Mit Dir so zieh'n hinab und immer weiter — Ich sah Dich an — es spielten bleiche Scheine So wunderbar um Locken Dir und Glieder; So ruhig, fremd warst Du mir nie erschienen, Es war, als sagten die versteinten Mienen, Was Du verschwiegst: Wir seh'n uns niemals wieder! II . Schon wird es draußen licht auf Berg und Thalen; Aurora, stille Braut, ihr schoͤnen Strahlen, Die farb'gen Rauch aus Fluß und Waͤldern saugen, Euch gruͤßen neu die halbverschlaf'nen Augen. Verraͤth'risch, sagt man, sei des Zimmers Schwuͤle Wo Nachts ein Maͤdchen traͤumte vom Geliebten: So komm herein, du rothe, frische Kuͤhle, Fliegt in die blaue Luft, ihr schoͤnen Traͤume! Ein furchtsam Kind, im stillen Haus erzogen Konnt' ich am Abendroth die Blicke weiden, Tiefathmend in die laue Luft vor Freuden. Er hat um diese Stille mich betrogen. Mit stolzen Augen, fremden schoͤnen Worten Lockt er die Wuͤnsche aus dem stillen Hafen Wo sie bei Sternenglanze seelig schlafen, Hinaus ins unbekannte Reich der Wogen; Da kommen Winde buhlend angeflogen, Die zarte Hand zwingt nicht die wilden Wellen, Du mußt, wohin die vollen Segel schwellen. Da zog er heimlich fort. — Seit jenem Morgen Da hatt' ich Noth, hatt' heimlich was zu sorgen. Wenn naͤchtlich unten lag die stille Runde, Einfoͤrmig Rauschen herkam von den Waͤldern, Pfeifend der Wind strich durch die oͤden Felder Und hin und her in Doͤrfern bellten Hunde, Ach! wenn kein gluͤcklich Herz auf Erden wacht Begruͤßten die verweinten Augen manche Nacht! 19 Wie oft, wenn wir im Garten ruhig waren, Sagte mein Bruder mir vor vielen Jahren: „Dem schoͤnen Lenz gleicht recht die erste Liebe. Wann draußen neu geschmuͤckt die Fruͤhlingsbuͤhne, Die Reiter blitzend unten zieh'n durch's Gruͤne, In blauer Luft die Lerchen lustig schwirren, Laͤßt sie sich weit in's Land hinaus verfuͤhren. Fragt nicht wohin, und mag sich gern verirren, Den Stimmen folgend, die sie wirrend fuͤhren. Da wendet auf den Feldern sich der Wind, Die Voͤgel hoch durch Nebel zieh'n nach Haus; Es wird so still, das schoͤne Fest ist aus. Gar weit die Heimath liegt, das schoͤne Kind Find't nicht nach Hause mehr, nicht weiter fort — Huͤt' dich, such' fruͤh dir einen sichern Port!“ Gluͤck . W ie jauchzt meine Seele Und singet in sich! Kaum, daß ich's verhehle So gluͤcklich bin ich. Rings Menschen sich drehen Und sprechen gescheut, Ich kann nichts verstehen, So froͤhlich zerstreut. — Zu eng wird das Zimmer, Wie glaͤnzet das Feld, Die Thaͤler voll Schimmer, Weit herrlich die Welt! Gepreßt bricht die Freude Durch Riegel und Schloß, Fort uͤber die Haide! Ach, haͤtt' ich ein Roß! — Und frag' ich und sinn' ich, Wie so mir gescheh'n?: — Mein Liebchen herzinnig, Das soll ich heut seh'n! 19 * Die Schaͤrpe. M ein Schatz, das ist ein kluges Kind, Die spricht: „Willst du nicht fechten: Wir zwei geschied'ne Leute sind, Erschlagen dich die Schlechten: Auch keins von beiden dran gewinnt.“ Mein Schatz, das ist ein kluges Kind, Fuͤr die will ich leben und fechten! Abschied und Wiedersehen. I . I n suͤßen Spielen unter nun gegangen Sind Liebchens Augen, und sie athmet linde, Stilllauschend sitz' ich bei dem holden Kinde, Die Locken streichelnd ihr von Stirn und Wangen. Ach! Lust und Mond und Sterne sind vergangen, Am Fenster mahnen schon die Morgenwinde: Daß ich vom Nacken leis die Arme winde, Die noch im Schlummer lieblich mich umfangen. O oͤffne nicht der Augen suͤße Strahle! Nur einen Kuß noch — und zum Letztenmale Geh' ich von Dir durch's stille Schloß hernieder. Streng greift der eis'ge Morgen an die Glieder, Wie ist die Welt so klar und kalt und helle — Tiefschauernd tret' ich von der lieben Schwelle. II . Ein zart Geheimniß webt in stillen Raͤumen, Die Erde loͤst die diamant'nen Schleifen, Und nach des Himmels suͤßen Strahlen greifen Die Blumen, die der Mutter Kleid besaͤumen. Da rauscht's lebendig draußen in den Baͤumen, Aus Osten langen purpurrothe Streifen, Hoch Lerchenlieder durch das Zwielicht schweifen — Du hebst das bluͤh'nde Koͤpfchen hold aus Traͤumen. Was sind's fuͤr Klaͤnge, die an's Fenster flogen? So altbekannt verlocken diese Lieder, Ein Saͤnger steht im schwanken Daͤmmerschein. Wach auf! Dein Liebster ist fernher gezogen, Und Fruͤhling ist's auf Thal und Bergen wieder, Wach auf, wach auf, nun bist Du ewig mein! Die Einsame . I . W enn Morgens das froͤhliche Licht bricht ein, Tret' ich zum offenen Fensterlein, Draußen geh'n lau die Luͤft' auf den Auen, Singen die Lerchen schon hoch im Blauen, Rauschen am Fenster die Baͤume gar munter, Zieh'n die Bruͤder in den Wald hinunter; Und bei dem Sange und Hoͤrnerklange Wird mir immer so bange, bange. Wuͤßt' ich nur immer wo Du jetzo bist, Wuͤrd' mir schon wohler auf kurze Frist. Koͤnntest Du mich nur uͤber die Berge sehen Dein gedenkend im Garten gehen: Dort rauschen die Brunnen jetzt alle so eigen, Die Blumen vor Trauern im Wind sich neigen. Ach! von den Voͤglein uͤber die Thale Sei mir gegruͤßt viel tausendmale! Du sagtest gar oft wie suͤß und rein Sind Deine blauen Aeugelein! Jetzo muͤssen sie immerfort weinen, Da sie nicht finden mehr, was sie meinen. Wird auch der rothe Mund erblassen, Seit Du mich, suͤßer Buhle, verlassen. Eh Du wohl denkst, kann das Blatt sich wenden, Geht alles gar bald zu seinem Ende. II . Die Welt ruht still im Hafen, Mein Liebchen, gute Nacht! Wann Wald und Berge schlafen, Treu' Liebe einsam wacht. Ich bin so wach und lustig, Die Seele ist so licht, Und eh' ich liebt', da wußt' ich Von solcher Freude nicht. Ich fuͤhl' mich so befreiet Von eitlem Trieb und Streit, Nichts mehr das Herz zerstreuet In seiner Froͤhlichkeit. Mir ist, als muͤßt' ich singen So recht aus tiefster Lust Von wunderbaren Dingen, Was niemand sonst bewußt. O koͤnnt' ich alles sagen! O waͤr' ich recht geschickt! So muß ich still ertragen, Was mich so hoch begluͤckt. III . Waͤr's dunkel, ich lag' im Walde, Im Walde rauscht's so sacht, Mit ihrem Sternenmantel Bedecket mich da die Nacht, Da kommen die Baͤchlein gegangen: Ob ich schon schlafen thu'? Ich schlaf' nicht, ich hoͤr' noch lange Den Nachtigallen zu, Wenn die Wipfel uͤber mir schwanken, Es klinget die ganze Nacht, Das sind im Herzen die Gedanken, Die singen, wenn niemand wacht. IV . Im beschraͤnkten Kreis der Huͤgel, Aus des stillen Weihers Spiegel Scheue, fromme Silberschwaͤne — Fassend in des Rosses Maͤhne Mit dem Liebsten kuͤhn im Buͤgel — Bloͤde Bande — muth'ge Fluͤgel Sind getrennter Lieb' Gedanken! An die Entfernte . I . D enk ich, Du Stille, an Dein ruhig Walten, An jenes letzten Abends rothe Kuͤhle, Wo ich die theure Hand noch durfte halten: Steh' ich oft sinnend stille im Gewuͤhle, Und, wie den Schweizer heim'sche Alphornslieder Auf fremden Bergen, fern den Freunden allen, Oft unverhofft befallen, Kommt tiefe Sehnsucht ploͤtzlich auf mich nieder. Ich hab' es oft in Deiner Brust gelesen: Nie hast Du recht mich in mir selbst gefunden, Fremd blieb, zu keck und treibend Dir mein Wesen, Und so bin ich im Strome Dir verschwunden. O nenn' drum nicht die schoͤne Jugend wilde, Die mit dem Leben und mit seinen Schmerzen Mag unbekuͤmmert scherzen, Weil sie die Brust reich fuͤhlt und ernst und milde! Getrennt ist laͤngst schon uns'res Lebens Reise, Es trieb mein Herz durch licht' und dunkle Stunden. Dem festern Blick erweitern sich die Kreise, In Duft ist jenes erste Reich verschwunden — Doch, wie die Pfade einsam sich verwildern, Was ich seitdem von Lust und Leid bezwungen, Geliebt, geirrt, gesungen: Ich knie' vor Dir in all' den tausend Bildern. II . Als noch Lieb' mit mir im Bunde, Hatt' ich Ruhe keine Stunde; Wenn im Schloß noch alle schliefen, War's, als ob suͤß' Stimmen riefen, Toͤnend bis zum Herzensgrunde: „Auf! schon gold'ne Strahlen dringen, Heiter funkeln Wald und Garten, Neu erquickt die Voͤgel singen, Laͤßt Du so Dein Liebchen warten?“ Und vom Lager mußt' ich springen. Doch kein Licht noch sah ich grauen, Draußen durch die naͤchtlich lauen Raͤume und die Wolken flogen, Daß die Seele, mitgezogen, Gern versank im tiefen Schauen — Unten dann die weite Runde, Schloͤsser glaͤnzend fern erhoben, Nachtigallen aus dem Grunde, Alles wie im Traum verwoben, Mit einander still im Bunde. Wach blieb ich am Fenster stehen, Kuͤhler schon die Luͤfte wehen, Roth schon rings des Himmels Saͤume, Regten frischer sich die Baͤume, Stimmen hoͤrt' ich fernab gehen: Und durch Thuͤren, oͤde Bogen, Zuͤrnend, daß die Riegel klungen, Bin ich heimlich ausgezogen, Bis befreit auf's Roß geschwungen, Morgenwinde mich umflogen. Laͤßt der Morgen von den Hoͤhen Weit die rothen Fahnen wehen, Wiederhall in allen Luͤften, Losgerissen aus den Kluͤften Silberner die Stroͤme gehen: Spuͤrt der Mann die frischen Geister, Draußen auf dem Feld, zu Pferde Alle Aengsten keck zerreißt er, Dampfend unter ihm die Erde, Fuͤhlt er hier sich Herr und Meister. Und so oͤffnet' ich die schwuͤle Brust aufathmend in der Kuͤhle! Locken fort aus Stirn und Wange, Daß der Strom mich ganz umfange, Frei das blaue Meer umspuͤle, Mit den Wolken, eilig fliehend, Mit der Stroͤme lichtem Gruͤßen Die Gedanken froͤhlich ziehend, Weit voraus vor Wolken, Fluͤssen — Ach! ich fuͤhlte, daß ich bluͤhend! Und im schoͤnen Garten droben, Wie aus Traͤumen erst gehoben, Sah ich still mein Maͤdchen stehen, Ueber Fluß und Waͤlder gehen Von der heitern Warte oben Ihre Augen licht und helle, Wann der Liebste kommen werde. — Ja! da kam die Sonne schnelle, Und weit um die ganze Erde War es morgenschoͤn und helle! Das Fluͤgelroß . I ch hab' nicht viel hienieden, Ich hab' nicht Geld noch Gut; Was vielen nicht beschieden, Ist mein: — der frische Muth. Was Andre mag ergoͤtzen, Das kuͤmmert wenig mich, Sie leben in den Schaͤtzen, In Freuden lebe ich. Ich hab' ein Roß mit Fluͤgeln, Getreu in Lust und Noth, Das wiehernd spannt die Fluͤgel Bei jedem Morgenroth. Mein Liebchen! wie so oͤde Wird's oft in Stadt und Schloß, Frisch auf und sei nicht bloͤde, Besteig' mit mir mein Roß! Wir segeln durch die Raͤume, Ich zeig' Dir Meer und Land, Wie wunderbare Traͤume Tief unten ausgespannt. Hellblinkend zu den Fuͤßen Unzaͤhl'ger Stroͤme Lauf — Es steigt ein Fruͤhlingsgruͤßen Verhallend zu uns auf. Und bunt und immer wilder In Liebe Haß und Lust Verwirren sich die Bilder — Was schwindelt Dir die Brust? So froͤhlich tief im Herzen, Zieh' ich all' himmelwaͤrts, Es kommen selbst die Schmerzen Melodisch an das Herz. Der Saͤnger zwingt mit Klaͤngen Was stoͤrrig, dumpf und wild, Es spiegelt in Gesaͤngen Die Welt sich goͤttlich mild. Und unten nun verbrauset Des breiten Lebens Strom, Der Adler einsam hauset Im stillen Himmelsdom. — Und seh'n wir dann den Abend Verhallen und verbluͤh'n, Im Meere, kuͤhlelabend, Die heil'gen Sterne gluͤh'n: So lenken wir hernieder Zu Waldes gruͤnem Haus, Und ruh'n vom Schwung der Lieder Auf bluͤh'ndem Moose aus. O Sterndurchwebtes Duͤstern, O heimlich stiller Grund! O suͤßes Liebesfluͤstern So innig Mund an Mund! Die Nachtigallen locken, Mein Liebchen athmet lind, Mit Schleier zart und Locken Spielt buhlerisch der Wind. Und schlaf' denn bis zum Morgen So sanft gelehnt an mich! Suͤß sind der Liebe Sorgen, Dein Liebster wacht fuͤr Dich. Ich halt' die bluͤh'nden Glieder, Vor suͤßen Schauern bang, Ich laß' Dich ja nicht wieder Mein ganzes Leben lang! — Aurora will sich heben, Du schlaͤgst die Augen auf, O wonniges Erbeben, O schoͤner Lebenslauf! — Gluͤckwunsch. B rich der lustige Sonnenschein Mit der Thuͤr Euch in's Haus hinein, Daß alle Stuben so fruͤhlingshelle! Ein Engel auf des Hauses Schwelle Mit seinem Glanze saͤume Hof, Garten, Feld und Baͤume, Und geht die Sonne Abends aus, Fuͤhr' er die Muͤden mild nach Haus. 20 Der junge Ehemann. H ier unter dieser Linde Saß ich viel tausendmal Und schaut' nach meinem Kinde Hinunter in das Thal, Bis daß die Sterne standen Hell uͤber ihrem Haus Und weit in den stillen Landen Alle Lichter loͤschten aus. Jetzt neben meinem Liebchen Sitz' ich im Schatten kuͤhl, Sie wiegt ein muntres Buͤbchen, Die Thaͤler schimmern schwuͤl, Und unten im leisen Winde Regt sich das Kornfeld kaum Und uͤber uns saͤuselt die Linde — Es ist mir noch wie ein Traum. Im Abendroth. W ir sind durch Noth und Freude Gegangen Hand in Hand, Vom Wandern ruh'n wir beide Nun uͤber'm stillen Land. Rings sich die Thaͤler neigen, Es dunkelt schon die Luft, Zwei Lerchen nur noch steigen Nachtraͤumend in den Duft. Tritt her, und laß sie schwirren, Bald ist es Schlafenszeit, Daß wir uns nicht verirren In dieser Einsamkeit. O weiter, stiller Friede! So tief im Abendroth Wie sind wir wandermuͤde — Ist das etwa der Tod? 20 * Nachklaͤnge . I . L ust'ge Voͤgel in dem Wald, Sing't, so lang es gruͤn, Ach wer weiß, wie bald, wie bald Alles muß verbluͤh'n! Sah ich's doch vom Berge einst Glaͤnzen uͤberall, Wußte kaum warum Du weinst, Fromme Nachtigall. Und kaum ging ich uͤber Land, Frisch durch Lust und Noth, Wandelt' alles, und ich stand Muͤd im Abendroth. Und die Luͤfte wehen kalt, Ueber's falbe Gruͤn, Voͤglein, euer Abschied hallt — Koͤnnt' ich mit euch zieh'n! II . O Herbst, in linden Tagen Wie hast Du rings Dein Reich Phantastisch aufgeschlagen, So bunt und doch so bleich! Wie oͤde, ohne Bruͤder, Mein Thal, so weit und breit, Ich kenne Dich kaum wieder In dieser Einsamkeit. So wunderbare Weise Singt nun Dein bleicher Mund, Es ist, als oͤffnet' leise Sich unter mir der Grund. Und ich ruht' uͤberwoben, Du saͤngest immerzu, Die Linde schuͤttelt oben Ihr Laub und deckt mich zu. III . Schon kehren die Voͤgel wieder ein, Es schallen die alten Lieder, Ach, die froͤhliche Jugend mein Kommt sie wohl auch noch wieder? — Ich weiß nicht, was ich so thoͤricht bin! Wolken im Herbstwind jagen, Die Voͤgel zieh'n uͤber die Waͤlder hin, Das klang wie in Fruͤhlingstagen. Dort auf dem Berge da steht ein Baum, Drin jubeln die Wander-Gaͤste, Er aber, muͤde, ruͤhrt wie im Traum Noch einmal Wipfel und Aeste. IV . Mir traͤumt', ich ruhte wieder Vor meines Vaters Haus Und schaute froͤhlich nieder In's alte Thal hinaus, Die Luft mit lindem Spielen Ging durch das Fruͤhlingslaub, Und Bluͤten-Flocken fielen Mir uͤber Brust und Haupt. Als ich erwacht, da schimmert Der Mond vom Waldesrand, Im falben Scheine flimmert Um mich ein fremdes Land, Und wie ich ringsher sehe: Die Flocken waren Eis, Die Gegend war vom Schnee, Mein Haar vom Alter weiß. V . Es schauert der Wald vor Lust, Die Sterne nun versanken, Und wandeln durch die Brust Als himmlische Gedanken. VI . An meinen Bruder. Gedenkst Du noch des Gartens Und Schlosses uͤber'm Wald, Des traͤumenden Erwartens: Ob's denn nicht Fruͤhling bald? Der Spielmann war gekommen, Der jeden Lenz singt aus, Er hat uns mitgenommen In's bluͤh'nde Land hinaus. Wie sind wir doch im Wandern Seitdem so weit zerstreut! Fraͤgt einer nach dem andern, Doch niemand giebt Bescheid. Nun steht das Schloß versunken Im Abendrothe tief, Als ob dort traumestrunken Der alte Spielmann schlief'. Gestorben sind die Lieben, Das ist schon lange her, Die Wen'gen, die geblieben, Sie kennen uns nicht mehr. Und fremde Leute gehen Im Garten vor dem Haus — Doch uͤber'n Garten sehen Nach uns die Wipfel aus. Doch rauscht der Wald im Grunde Fort durch die Einsamkeit Und giebt noch immer Kunde Von unsrer Jugendzeit Bald maͤcht'ger und bald leise In jeder guten Stund' Geht diese Waldes-Weise Mir durch der Seele Grund. Und stamml' ich auch nur bange, Ich sing' es, weil ich muß, Du hoͤrst doch in dem Klange Den alten Heimathsgruß! V . Todtenopfer . Gewalt'ges Morgenroth, Weit, unermeßlich — du verzehrst die Erde! Und in dem Schweigen nur der Flug der Seelen, Die saͤuselnd heimzieh'n durch die stille Luft. — Ezelin 5ter Aufz. 2te Sc. S. 241. Wehmuth . I ch irr' in Thal und Hainen Bei kuͤhler Abendstund', Ach, weinen moͤcht' ich, weinen So recht aus Herzensgrund. Und alter Zeiten Gruͤßen Kam da, im Thal erwacht, Gleichwie von fernen Fluͤssen Das Rauschen durch die Nacht. Die Sonne ging hinunter, Da saͤuselt' kaum die Welt, Ich blieb noch lange munter Allein im stillen Feld. Sonnette . I . E s qualmt' der eitle Markt in Staub und Schwuͤle, So klanglos oͤde wallend auf und nieder, Wie dacht' ich da an meine Berge wieder, An frischen Sang, Felsquell und Waldeskuͤhle! Doch steht ein Thurm dort uͤber dem Gewuͤhle, Der andre Zeiten sah und bess're Bruͤder, Das Kreuz treu halten seine Riesenglieder, Wie auch der Menschlein Fluth den Fels umspuͤle. Das war mein Hafen auf der weiten Wuͤste, Oft kniet' ich betend in des Domes Mitte, Dort hab' ich Dich, mein liebes Kind, gefunden; Ein Himmelsbote wohl, der so mich gruͤßte: „Verzweif'le nicht! die Schoͤnheit und die Sitte Sie sind noch von der Erde nicht verschwunden.“ II . Ein alt Gemach voll sinn'ger Seltsamkeiten, Still' Blumen aufgestellt am Fensterbogen, Gebirg' und Laͤnder draußen blau gezogen, Wo Stroͤme geh'n und Ritter ferne reiten. Ein Maͤdchen, schlicht und fromm wie jene Zeiten, Das, von den Abendscheinen angeflogen, Versenkt in solcher Stille tiefen Wogen — Das mocht' auf Bildern oft das Herz mir weiten. Und nun wollt' wirklich sich das Bild bewegen, Das Maͤdchen athmet' auf, reicht aus dem Schweigen Die Hand mir, daß sie ewig meine bliebe. Da sah ich draußen auch das Land sich regen, Die Waͤlder rauschen und Aurora steigen — Die alten Zeiten all' weckt' mir die Liebe. III . Wenn zwei geschieden sind von Herz und Munde, Da zieh'n Gedanken uͤber Berg' und Schluͤfte Wie Tauben saͤuselnd durch die blauen Luͤfte, Und tragen hin und wieder suͤße Kunde. Ich schweif' umsonst, so weit der Erde Runde, Und stieg' ich hoch auch uͤber alle Kluͤfte, Dein Haus ist hoͤher noch als diese Luͤfte, Da reicht kein Laut hin, noch zuruͤck zum Grunde. Ja, seit Du todt — mit seinen bluͤh'nden Borden Wich eingsumher das Leben mir zuruͤcke, Ein weites Meer, wo keine Bahn zu finden. Doch ist Dein Bild zum Sterne mir geworden, Der nach der Heimath weist mit stillem Blicke, Daß fromm der Schiffer streite mit den Winden. Treue . W ie dem Wanderer in Traͤumen, Daß er still im Schlafe weint, Zwischen gold'nen Wolken-Saͤumen Seine Heimath wohl erscheint: So durch dieses Fruͤhlings Bluͤhen Ueber Berg' und Thaͤler tief, Sah' ich oft Dein Bild noch ziehen, Als ob's mich von hinnen rief, Und mit wunderbaren Wellen Wie im Traume, halbbewußt, Gehen ew'ge Lieder-Quellen Mir verwirrend durch die Brust. Gute Nacht ! D ie Hoͤh'n und Waͤlder schon steigen Immer tiefer in's Abendgold, Ein Voͤg'lein fraͤgt in den Zweigen: Ob es Liebchen gruͤßen sollt'? O Voͤg'lein, du hast dich betrogen, Sie wohnet nicht mehr im Thal, Schwing' auf dich zum Himmelsbogen, Gruͤß' sie droben zum Letztenmal! Am Strom . D er Fluß glitt einsam hin und rauschte Wie sonst, noch immer, immerfort, Ich stand am Strand gelehnt und lauschte, Ach, was ich liebt', war lange fort! Kein Laut, kein Windeshauch, kein Singen Ging durch den weiten Mittag schwuͤl, Vertraͤumt die stillen Weiden hingen Hinab bis in die Wellen kuͤhl. Die waren alle wie Syrenen Mit feuchtem, langen, gruͤnen Haar, Und von der alten Zeit voll Sehnen Sie sangen leis und wunderbar. Sing' Weide, singe, gruͤne Weide! Wie Stimmen aus der Liebsten Grab, Zieht mich Dein heimlich Lied voll Leide Zum Strom von Wehmuth mit hinab. Nachruf an meinen Bruder. A ch, daß auch wir schliefen! Die bluͤhenden Tiefen, Die Stroͤme, die Auen So heimlich aufschauen, Als ob sie all' riefen: „Dein Bruder ist todt! Unter Rosen roth Ach, daß wir auch schliefen!“ „Hast doch keine Schwingen, Durch Wolken zu dringen! Mußt immerfort schauen Die Stroͤme, die Auen — Die werden Dir singen Von Ihm Tag und Nacht, Mit Wahnsinnes-Macht Die Seele umschlingen.“ So singt, wie Syrenen, Von hellblauen, schoͤnen Vergangenen Zeiten, Der Abend von weitem, Versinkt dann im Toͤnen, Erst Busen dann Mund, Im bluͤhenden Grund. O schweiget Syrenen! O wecket nicht wieder! Denn zaub'rische Lieder 21 Gebunden hier traͤumen Auf Feldern und Baͤumen, Und ziehen mich nieder So muͤde vor Weh Zu tiefstillem See — O weckt nicht die Lieder! Du kanntest die Wellen Des Sees, sie schwellen In magischen Ringen. Ein wehmuͤthig Singen Tief unter den Quellen Im Schlummer dort haͤlt Verzaubert die Welt. Wohl kennst Du die Wellen! — Kuͤhl wird's auf den Gaͤngen, Vor alten Gesaͤngen Moͤcht's Herz mir zerspringen. So will ich denn singen! Schmerz fliegt ja auf Klaͤngen Zu himmlischer Lust, Und still wird die Brust Auf kuͤhlgruͤnen Gaͤngen. Laß fahren die Traͤume! Der Mond scheint durch Baͤume, Die Waͤlder nur rauschen, Die Thaͤler still lauschen, Wie einsam die Raͤume! Ach, niemand ist mein! Herz, wie so allein! Laß fahren die Traͤume! Der Herr wird Dich fuͤhren. Tief kann ich ja spuͤren Der Sterne still Walten. Der Erde Gestalten Kaum hoͤrbar sich ruͤhren. Durch Nacht und durch Graus Gen Morgen, nach Haus — Ja, Gott wird mich fuͤhren. 21 * Auf meines Kindes Tod. I . D as Kindlein spielt' draußen im Fruͤhlingsschein Und freut sich und hatte so viel zu sehen, Wie die Felder schimmern und die Stroͤme gehen — Da sah der Abend durch die Baͤume herein, Der alle die schoͤnen Bilder verwirrt. Und wie es nun ringsum so stille wird, Beginnt aus den Thaͤlern ein heimlich Singen, Als wollt's mit Wemuth die Welt umschlingen, Die Farben vergeh'n und die Erde wird blaß. Voll Staunen fragt's Kindlein: ach, was ist das? Und legt sich traͤumend in's saͤuselnde Gras; Da ruͤhren die Blumen ihm kuͤhle an's Herz Und laͤchelnd fuͤhlt es so suͤßen Schmerz, Und die Erde, die Mutter so schoͤn und bleich, Kuͤßt das Kindlein und laͤßt's nicht los, Zieht es herzinnig in ihren Schooß Und bettet es drunten gar warm und weich Still unter Blumen und Moos. — „Und was weint ihr, Vater und Mutter, um mich? In einem viel schoͤneren Garten bin ich, Der ist so groß und weit und wunderbar, Viel Blumen steh'n dort von Golde klar Und schoͤne Kindlein mit Fluͤgeln schwingen Auf und nieder sich drauf und singen. — Die kenn' ich gar wohl aus der Fruͤhlingszeit, Wie sie zogen uͤber Berge und Thaͤler weit Und mancher mich da aus dem Himmelblau rief, Wenn ich drunten im Garten schlief. — Und mitten zwischen den Blumen und Scheinen Steht die schoͤnste von allen Frauen, Ein glaͤnzend Kindlein an ihrer Brust. — Ich kann nicht sprechen und auch nicht weinen, Nur singen immer und wieder dann schauen Still vor großer, seeliger Lust.“ II . Als ich nun zum erstenmale Wieder durch den Garten ging, Busch und Baͤchlein in dem Thale Lustig an zu plaudern fing. Blumen halbverstohlen blickten Neckend aus dem Gras heraus, Bunte Schmetterlinge schickten Sie sogleich auf Kundschaft aus. Auch der Kukuk in den Zweigen Fand sich bald zum Spielen ein, Endlich brach der Baum das Schweigen: „Warum kommst du heut allein?“ Da ich aber schwieg, da ruͤhrt' er Wunderbar sein dunkles Haupt Und ein Fluͤstern konnt' ich spuͤren Zwischen Voͤg'lein, Bluͤt' und Laub. Thraͤnen in dem Grase hingen, Durch die abendstille Rund Klagend nun die Quellen gingen, Und ich weint' aus Herzensgrund. III . Was ist mir denn so wehe? Es liegt ja wie im Traum Der Grund schon wo ich stehe, Die Waͤlder saͤuseln kaum Noch von der dunklen Hoͤhe. Es komme wie es will, Was ist mir denn so wehe — Wie bald wird alles still. IV . Das ist's, was mich ganz verstoͤret: Daß die Nacht nicht Ruhe haͤlt, Wenn zu athmen aufgehoͤret Lange schon die muͤde Welt. Daß die Glocken, die da schlagen, Und im Wald der leise Wind Jede Nacht von neuem klagen Um mein liebes, suͤßes Kind. Daß mein Herz nicht konnte brechen Bei dem letzten Todeskuß, Daß ich wie im Wahnsinn sprechen Nun in irren Liedern muß. V . Freuden wollt' ich dir bereiten, Zwischen Kaͤmpfen, Lust und Schmerz Wollt' ich treulich dich geleiten Durch das Leben himmelwaͤrts. Doch du hast's allein gefunden Wo kein Vater fuͤhren kann, Durch die ernste dunkle Stunde Gingst du schuldlos mir voran. Wie das Saͤuseln leiser Schwingen, Draußen uͤber Thal und Kluft, Ging zur selben Stund ein Singen Ferne durch die stille Luft. Und so froͤhlich glaͤnzt der Morgen, 'S war als ob das Singen sprach: Jetzo lasset alle Sorgen, Liebt ihr mich, so folgt mir nach! VI . Ich fuͤhrt' dich oft spazieren In Winter-Einsamkeit, Kein Laut ließ sich da spuͤren, Du schoͤne, stille Zeit! Lenz ist's nun, Lerchen singen Im Blauen uͤber mir, Ich weine still — sie bringen Mir einen Gruß von dir. VII . Die Welt treibt fort ihr Wesen, Die Leute kommen und geh'n, Als waͤrst du nie gewesen, Als waͤre nichts gescheh'n. Wie seh'n ich mich auf's neue Hinaus in Wald und Flur! Ob ich mich graͤm', mich freue, Du bleibst mir treu, Natur. Da klagt vor tiefem Sehnen Schluchzend die Nachtigall, Es schimmern rings von Thraͤnen Die Blumen uͤberall. Und uͤber alle Gipfel Und Bluͤtenthaͤler zieht Durch stillen Waldes Wipfel Ein heimlich Klagelied. Da spuͤr' ich's recht im Herzen, Daß du's, Herr, draußen bist — Du weißt's, wie mir von Schmerzen Mein Herz zerrissen ist! VIII . Von fern die Uhren schlagen, Es ist schon tiefe Nacht, Die Lampe brennt so duͤster, Dein Bettlein ist gemacht. Die Winde nur noch gehen Wehklagend um das Haus, Wir sitzen einsam drinne Und lauschen oft hinaus. Es ist, als muͤßtest leise Du klopfen an die Thuͤr, Du haͤtt'st dich nur verirret, Und kaͤmst nun muͤd zuruͤck. Wir armen, armen Thoren! Wir irren ja im Graus Des Dunkels noch verloren — Du fandest laͤngst nach Haus. IX . Dort ist so tiefer Schatten, Du schlaͤfst in guter Ruh, Es deckt mit gruͤnen Matten Der liebe Gott dich zu. Die alten Weiden neigen Sich auf dein Bett herein, Die Voͤglein in den Zweigen Sie singen treu dich ein. Und wie in gold'nen Traͤumen Geht linder Fruͤhlingswind Rings in den stillen Baͤumen — Schlaf wohl mein suͤßes Kind! X . Mein liebes Kind, Ade! Ich konnt' Ade nicht sagen Als sie dich fortgetragen, Vor tiefem, tiefem Weh. Jetzt auf lichtgruͤnem Plan Stehst du im Myrtenkranze Und laͤchelst aus dem Glanze Mich still voll Mitleid an. Und Jahre nah'n und geh'n, Wie bald bin ich verstoben — O bitt' fuͤr mich da droben, Daß wir uns wiederseh'n! An einen Offizier, der als Braͤutigam starb. F risch flogst Du durch die Felder Und faßtest ihre Hand, Ringsum der Kreis der Waͤlder In Morgenflammen stand. O falsches Roth! Verbluͤhen Mußt' dieses Bluͤthenmeer, Wer dachte, daß dies Gluͤhen Das Abendroth schon waͤr'! Nun dunkeln schon die Fernen, Du wirst so still und bleich, Wie ist da weit von Sternen Der Himmelsgrund so reich! Trompeten hoͤrt' ich laden Fern durch die stille Luft, Als zoͤgen Kameraden — Der alte Feldherr ruft. Es sinken schon die Bruͤcken, Heut Dir und morgen mir. Du mußt hinuͤberruͤcken, Kam'rad, mach' uns Quartier! Treulieb ist unverloren. Empfaͤngst — wie bald ist's hin! — Einst an den Himmelsthoren Die muͤde Pilgerin. Angedenken . B erg' und Thaͤler wieder fingen Ringsumher zu bluͤhen an, Aus dem Walde hoͤrt' ich singen Einen lust'gen Jaͤgersmann. Und die Thraͤnen drangen leise: So einst bluͤht' es weit und breit, Als mein Lieb dieselbe Weise Mich gelehrt vor langer Zeit. Ach ein solches Angedenken, 'S ist nur eitel Klang und Luft, Und kann schimmernd doch versenken Rings in Thraͤnen Thal und Kluft! In der Fremde . A us der Heimath hinter den Blitzen roth Da kommen die Wolken her, Aber Vater und Mutter sind lange todt, Es kennt mich dort keiner mehr. Wie bald, wie bald kommt die stille Zeit, Da ruhe ich auch, und uͤber mir Rauschet die schoͤne Waldeinsamkeit Und keiner mehr kennt mich auch hier. VI . Geistliche Gedichte . Andre haben andre Schwingen, Aber wir, mein froͤhlich Herz, Wollen grad' hinauf uns singen, Aus dem Fruͤhling himmelwaͤrts! Goͤtterdaͤmmerung . I . W as klingt mir so heiter Durch Busen und Sinn? Zu Wolken und weiter Wo traͤgt es mich hin? Wie auf Bergen hoch bin ich So einsam gestellt Und gruͤße herzinnig, Was schoͤn auf der Welt. Ja, Bachus, Dich seh' ich, Wie goͤttlich bist Du! Dein Gluͤhen versteh' ich, Die traͤumende Ruh. O rosenbekraͤnztes Juͤnglingsbild, Dein Auge, wie glaͤnzt es, Die Flammen so mild! Ist's Liebe, ist's Andacht, Was so Dich begluͤckt? Rings Fruͤhling Dich anlacht, Du sinnest entzuͤckt. — Frau Venus, Du Frohe, So klingend und weich, In Morgenroths Lohe Erblick' ich Dein Reich Auf sonnigen Huͤgeln Wie ein Zauberring. — Zart' Buͤbchen mit Fluͤgeln Bedienen Dich flink, Durchsaͤuseln die Raͤume Und laden, was fein, Als goldene Traͤume Zur Koͤnigin ein. Und Ritter und Frauen Im gruͤnen Revier Durchschwaͤrmen die Auen Wie Blumen zur Zier. Und jeglicher hegt sich Sein Liebchen im Arm, So wirrt und bewegt sich Der selige Schwarm. — Die Klinge verrinnen, Es bleichet das Gruͤn, Die Frauen stehn sinnend. Die Ritter schaun kuͤhn. Und himmlisches Sehnen Geht singend durch's Blau, Da schimmert von Thraͤnen Rings Garten und Au. — Und mitten im Feste Erblick' ich, wie mild! Den Stillsten der Gaͤste. — Woher, einsam Bild? Mit bluͤhendem Mohne, Der traͤumerisch glaͤnzt, Und Lilienkrone Erscheint er bekraͤnzt. Sein Mund schwillt zum Kuͤssen So lieblich und bleich, Als braͤcht' er ein Gruͤßen Aus himmlischem Reich. Eine Fackel wohl traͤgt er, Die wunderbar prangt. „Wo ist Einer,“ fraͤgt er, „Dem heimwaͤrts verlangt?“ Und manchmal da drehet Die Fackel er um — Tiefschauernd vergehet Die Welt und wird stumm. Und was hier versunken Als Blumen zum Spiel, Siehst oben Du funkeln Als Sterne nun kuͤhl. — 22 O Juͤngling vom Himmel, Wie bist Du so schoͤn! Ich laß das Gewimmel, Mit Dir will ich gehn! Was will ich noch hoffen? Hinauf, ach hinauf! Der Himmel ist offen, Nimm, Vater, mich auf! II . Von kuͤhnen Wunderbildern Ein großer Truͤmmerhauf, In reizendem Verwildern Ein bluͤh'nder Garten drauf. Versunk'nes Reich zu Fuͤßen, Vom Himmel fern und nah, Aus anderm Reich ein Gruͤßen — Das ist Italia! Wenn Fruͤhlingsluͤfte wehen Hold uͤber'm gruͤnen Plan, Ein leises Auferstehen Hebt in den Thaͤlern an. Da will sich's unten ruͤhren, Im stillen Goͤttergrab, Der Mensch kann's schauernd spuͤren Tief in die Brust hinab. Verwirrend in den Baͤumen Geh'n Stimmen hin und her, Ein sehnsuchtsvolles Traͤumen Weht uͤber's blaue Meer. Und unter'm duft'gen Schleier, So oft der Lenz erwacht, Webt in geheimer Feier, Die alte Zaubermacht. Frau Venus hoͤrt das Locken, Der Voͤgel heitern Chor, Und richtet froh erschrocken Aus Blumen sich empor. Sie sucht die alten Stellen, Das luft'ge Saͤulenhaus, Schaut laͤchelnd in die Wellen Der Fruͤhlingsluft hinaus. Doch oͤd' sind nun die Stellen, Stumm liegt ihr Saͤulenhaus, Gras waͤchst da auf den Schwellen, Der Wind zieht ein und aus. Wo sind nun die Gespielen? Diana schlaͤft im Wald, Neptunus ruht im kuͤhlen Meerschloß, das einsam hallt. 22 * Zuweilen nur Syrenen Noch tauchen aus dem Grund, Und thun in irren Toͤnen Die tiefe Wehmuth kund. — Sie selbst muß sinnend stehen So bleich im Fruͤhlingsschein, Die Augen untergehen, Der schoͤne Leib wird Stein. — Denn uͤber Land und Wogen Erscheint, so still und mild, Hoch auf dem Regenbogen Ein andres Frauenbild. Ein Kindlein in den Armen Die Wunderbare haͤlt, Und himmlisches Erbarmen Durchdringt die ganze Welt. Da in den lichten Raͤumen Erwacht das Menschenkind, Und schuͤttelt boͤses Traͤumen Von seinem Haupt geschwind. Und, wie die Lerche singend. Aus schwuͤlen Zaubers Kluft Erhebt die Seele ringend Sich in die Morgenluft. Mariaͤ Sehnsucht . E s ging Maria in den Morgen hinein, That die Erd' einen lichten Liebesschein, Und uͤber die froͤhlichen, gruͤnen Hoͤh'n, Sah Sie den blaͤulichen Himmel still steh'n. „Ach, haͤtt' ich ein Brautkleid von Himmelsschein, Zwei goldene Fluͤglein — wie floͤg' ich hinein!“ Es ging Maria in stiller Nacht, Die Erde schlief, der Himmel wacht', Und durch's Herze, wie sie ging und sann und dacht', Zogen die Sterne mit goldener Pracht. „Ach, haͤtt' ich das Brautkleid von Himmelsschein, Und goldene Sterne gewoben drein!“ Es ging Maria im Garten allein, Da sangen so lockend bunt' Voͤgelein, Und Rosen sah sie im Gruͤnen steh'n, Viel' rothe und weiße so wunderschoͤn. „Ach, haͤtt' ich ein Knaͤblein, so weiß und roth, Wie wollt' ich's lieb haben bis in den Tod!“ Nun ist wohl das Brautkleid gewoben gar, Und goldene Sterne in's dunkele Haar, Und im Arme die Jungfrau das Knaͤblein haͤlt, Hoch uͤber der dunkelerbrausenden Welt, Und vom Kindlein gehet ein Glaͤnzen aus, Das ruft uns nur ewig: nach Haus, nach Haus! Jugendandacht . I . D aß des verlor'nen Himmels es gedaͤchte, Schlagen an's Herz des Fruͤhlings linde Wellen, Wie ew'ger Wonnen schuͤchternes Vermuthen. Geheimer Glanz der lauen Sommernaͤchte, Du gruͤner Wald, verfuͤhrend Lied der Quellen, Des Morgens Pracht, stillbluͤh'nde Abendgluthen, Ihr fragt: wo Schmerz und Lust so lange ruhten, Die suͤß das Herz verdunkeln und es hellen? Wie thut ihr zaub'risch auf die alten Wunden, Daß losgebunden in das Licht sie bluten! O seel'ge Zeit entfloss'ner Himmelblaͤue, Der ersten Andacht solch inbruͤnst'ger Liebe, Die ewig wollte knieen vor der Einen! Demuͤthig in der Glorie des Maien Hob sie den Schleier oft, daß offen bliebe Der Augen Himmel, in das Land zu scheinen. Und stand ich still, und mußt' ich herzlich weinen In Ihrem Blick gereinigt alle Triebe: Da war nur Wonne, was ich mußte klagen, Im Angesicht der Stillen, Ewigreinen Kein Schmerz, als solcher Liebe Lieb' ertragen! II . Wie in einer Blume himmelblauen Grund, wo schlummernd traͤumen stille Regenbogen, Ist mein Leben ein unendlich Schauen, Klar durch's ganze Herz Ein suͤßes Bild gezogen. Stille saß' ich, sah die Jahre fliegen, Bin im Innersten Dein treues Kind geblieben. Aus dem duft'gen Kelche aufgestiegen, Ach! wann lohnst Du endlich auch mein treues Lieben! III . Was wollen mir vertrau'n die blauen Weiten, Des Landes Glanz, die Wirrung suͤßer Lieder, Mir ist so wohl, so bang! Seid ihr es wieder Der frommen Kindheit stille Blumenzeiten? Wohl weiß ich's, — dieser Farben heimlich Spreiten Deckt einer Jungfrau strahlend reine Glieder; Es wogt der große Schleier auf und nieder, Sie schlummert drunten fort seit Ewigkeiten. Mir ist in solchen linden, blauen Tagen, Als muͤßten alle Farben auferstehen, Aus blauer Fern' Sie endlich zu mir gehen. So wart' ich still, schau in den Fruͤhling milde, Das ganze Herz weint nach dem suͤßen Bilde, Vor Freud', vor Schmerz? — ich weiß es nicht zu sagen. IV . Viel Lenze waren lange schon vergangen, Voruͤber zogen wunderbare Lieder, Die Sterne gingen ewig auf und nieder, Die selbst vor großer Sehnsucht golden klangen. Und wie so tausend Stimmen ferne sangen, Als riefen mich von hinnen seel'ge Bruͤder, Fuͤhlt' ich die alten Schmerzen immer wieder, Seit Deine Blicke, Jungfrau, mich bezwangen. Da war's, als ob sich still Dein Auge huͤbe, Lang'st sehnsuchtsvoll nach mir mit off'nen Armen, Fuͤhlst selbst den Schmerz, den Du mir suͤß gegeben. — Umfangen fuͤhl' ich innigst mich erwarmen, Beruͤhrt mit gold'nen Strahlen mich das Leben, Ach! daß ich ewig Dir am Herzen bliebe! V . Wann Lenzesstrahlen golden niederrinnen, Sieht man die Schaaren losgebunden ziehen, Im Waldrevier, dem neu der Schmuck geliehen, Die lust'ge Jagd nach Lieb' und Scherz beginnen. Den Saͤnger will der Fruͤhling gar umspinnen, Er, der Geliebteste, darf nicht entfliehen, Fuͤhlt rings ein Lied durch alle Farben ziehen, Das ihn so lockend nimmer laͤßt von hinnen. Gefangen so, sitzt er viel' seel'ge Jahre; Des Einsamen spottet des Poͤbels Scherzen, Der aller Glorie moͤchte Lieb' entkleiden. Doch er gruͤßt froͤhlich alle, wie sie fahren, Und muthig sagt er zu den suͤßen Schmerzen: „Gern sterb' ich bald, wollt ihr von mir je scheiden!“ VI . Wann frisch die buntgewirkten Schleier wallen, Weit in das Land die Lerchen mich verfuͤhren, Da kann ich's tief im Herzen wieder spuͤren, Wie mich die Eine liebt und ruft vor allen. Wenn Nachtigall'n aus gruͤnen Hallen schallen, Wen moͤchten nicht die tiefen Toͤne ruͤhren; Wen nicht das suͤße Herzeleid verfuͤhren, Im Liebesschlagen todt vom Baum zu fallen? — So sag' auch ich bei jedem Fruͤhlingsglanze: Du suͤße Laute! laß' uns beide sterben, Beklagt vom Wiederhallen zarter Toͤne, Kann unser Lied auch nie den Lohn erwerben, Daß hier mit eignem, frischen Blumenkranze Uns endlich kroͤne nun die Wunderschoͤne! — VII . Der Schaͤfer spricht, wenn er fruͤhmorgens weidet: „Dort druͤben wohnt Sie hinter Berg' und Fluͤssen!“ Doch seine Wunden deckt Sie gern mit Kuͤssen, Wann lauschend Licht am stillen Abend scheidet. Ob neu der Morgenschmuck die Erde kleidet, Ob Nachtigallen Nacht und Stern' begruͤßen, Stets fern und nah bleibt meine Lieb' der Suͤßen, Die in dem Lenz mich ewig sucht und meidet. — Doch hoͤr' ich wunderbare Stimmen sprechen: „Die Perlen, die Du treu geweint im Schmerze, Sie wird sie sorglich all' zusammenbinden, Mit eigner Kette so Dich suͤß umwinden, Hinauf zieh'n Dich an Mund und bluͤhend Herze — Was Himmel schloß, mag nicht der Himmel brechen.“ VIII . Nun ziehen Nebel, falbe Blaͤtter fallen, Oed' alle Stellen, die uns oft entzuͤcket! Und noch einmal tief' Ruͤhrung uns begluͤcket, Wie aus der Flucht die Abschiedslieder schallen. Wohl manchem bluͤht aus solchem Tod Gefallen: Daß er nun eng an's bluͤh'nde Herz gedruͤcket, Von rothen Lippen hold're Straͤuße pfluͤcket Als Lenz je beut mit Waͤldern, Wiesen allen. Mir sagte niemals Ihrer Augen Blaͤue: „Ruh' auch aus! Willst Du ewig sinnen?“ Und einsam sah' ich so den Sommer fahren. So will ich tief des Lenzes Bluͤthe wahren, Und mit Erinnern zaubrisch mich umspinnen, Bis ich nach langem Traum erwach' im Maie. IX . Wenn Du am Felsenhange stand'st alleine, Unten im Walde Voͤgel seltsam sangen Und Hoͤrner aus der Ferne irrend klangen, Als ob die Heimath druͤben nach Dir weine, War's niemals da, als rief die Eine, Deine? Lockt' Dich kein Weh, kein bruͤnstiges Verlangen Nach andrer Zeit, die lange schon vergangen, Auf ewig einzugeh'n in gruͤne Scheine? Gebirge dunkelblau steigt aus der Ferne, Und von den Gipfeln fuͤhrt des Bundes Bogen Als Bruͤcke weit in unbekannte Lande. Geheimnißvoll geh'n oben gold'ne Sterne, Unten erbraust viel Land in dunk'len Wogen — Was zoͤgerst Du am unbekannten Rande? X . Es wendet zuͤrnend sich von mir die Eine, Versenkt die Ferne mit den Wunderlichtern. Es stockt der Tanz — ich stehe ploͤtzlich nuͤchtern, Musik laͤßt treulos mich so ganz alleine. Da spricht der Abgrund dunkel: Bist nun meine; Zieht mich hinab an bleiernen Gewichtern, Sieht stumm mich an aus steinernen Gesichtern, Das Herz wird selber zum krystall'nen Steine. Dann ist's als ob es duͤrstend Schmerzen sauge Aus lang vergess'ner Zeit Erinnerungen, Und kann sich ruͤhren nicht, von Frost bezwungen. Versteinert schweigen muß der Wehmuth Welle, Wie willig auch, schmoͤlz' ihn ein waͤrmend Auge, Krystall zerfließen wollt' als Thraͤnenquelle. XI . Durch's Leben schleichen feindlich fremde Stunden, Wo Aengsten aus der Brust hinunterlauschen, Verworr'ne Worte mit dem Abgrund tauschen, Drin bodenlose Nacht nur ward erfunden. Wohl ist des Dichters Seele stumm verbunden Mit Maͤchten, die am Volk' voruͤberrauschen; Sehnsucht muß wachsen an der Tiefe Rauschen Nach hellerm Licht und nach des Himmels Kunden. O Herr! Du kennst allein den treuen Willen, Befrei' ihn von der Kerkerluft des Boͤsen, Laß' nicht die eig'ne Brust mich feig' zerschlagen! Und wie ich schreibe hier, den Schmerz zu stillen, Fuͤhl' ich den Engel schon die Riegel loͤsen, Und kann vor Glaͤnzung nicht mehr weiter klagen. Lieder . I . F risch eilt der helle Strom hinunter. Drauf zieh'n viel bunte Schifflein munter, Und Strom und Schiff und bunte Scheine, Sie fragen alle: was ich weine? Mir ist so wohl, mir ist so weh, Wie ich den Fruͤhling fahren seh'. Viel Lenze sitz' ich schon da oben, Ein Regenbogen steht im Land erhoben Und durch die Thaͤler, Wiesen, Wogen Still, wie ein fernes Lied, gezogen, Schifft immerfort Dein himmlisch Bild — Doch Strom und Schiff hielt niemals still. II . Denk' ich Dein, muß bald verwehen Alle Truͤbniß weit und breit, Und die frischen Blicke gehen Wie in einen Garten weit. Wunderbare Voͤgel wieder Weiden dort auf gruͤner Au', Einsam Engel, alte Lieder Ziehen durch den Himmel blau. Wolken, Stroͤme, Schiffe, alle Segeln in die Pracht hinein — Keines kehrt zuruͤck von allen Und ich stehe so allein. An den heiligen Joseph. W enn truͤbe Schleier alles grau umweben, Zur bleichen Ferne wird das ganze Leben, Will Heimath oft sich troͤstend zeigen; Aus Morgenroth die gold'nen Hoͤhen steigen, Und aus dem stillen, wundervollen Duft Eine wohlbekannte Stimm' hinuͤberruft. Du warst ja auch einmal hier unten, Hast ew'ger Treue Schmerz empfunden; Laͤngst war Maria fortgezogen, Wie einsam rauschten rings die dunklen Wogen! Da breitet oben Sie die Arme aus: Komm', treuer Pilger, endlich auch nach Haus! Seitdem ist wohl Viel anders worden, Treulieb auf Erden ist ausgestorben. Wem koͤnnt' ich's, außer Dir, wohl klagen, Wie oft in kummervollen Tagen Mein ganzes Herz hier hofft und bangt, Und nach der Heimath immer fort verlangt! Kirchenlied . O Maria, meine Liebe! Denk' ich recht im Herzen Dein: Schwindet alles Schwer' und Truͤbe, Und, wie heller Morgenschein, Dringt's durch Lust und ird'schen Schmerz Leuchtend mir durch's ganze Herz. Aus des ew'gen Bundes Bogen, Ernst von Glorien umbluͤht, Stehst Du uͤber Land und Wogen; Und ein himmlisch Sehnen zieht Alles Leben himmelwaͤrts An das große Mutterherz. Wo Verlass'ne einsam weinen, Sorgenvoll in stiller Nacht, Den'n vor allen laͤßt Du scheinen Deiner Liebe milde Pracht, Daß ein troͤstend Himmelslicht In die dunk'len Herzen bricht. Aber wuͤthet wildverkehrter Suͤnder frevelhafte Lust: Da durchschneiden neue Schwerdter Dir die treue Mutterbrust; Und voll Schmerzen flehst Du doch: Herr! Vergieb ihn'n, schone noch! Deinen Jesus in den Armen Ueber'n Strom der Zeit gestellt, Als das himmlische Erbarmen Huͤtest Du getreu die Welt, Daß im Sturm, der truͤbe weht, Dir kein Kind verloren geht. Wenn die Menschen mich verlassen In der letzten stillen Stund', Laß mich fest das Kreuz umfassen. Aus dem dunkeln Erdengrund Leite liebreich mich hinaus, Mutter, in des Vaters Haus! Morgengebet. O wunderbares, tiefes Schweigen, Wie einsam ist's noch auf der Welt! Die Waͤlder nur sich leise neigen, Als ging' der Herr durch's stille Feld. Ich fuͤhl' mich recht wie neu geschaffen, Wo ist die Sorge nun und Noth? Was mich noch gestern wollt' erschlaffen, Ich schaͤm' mich deß im Morgenroth. Die Welt mit ihrem Gram und Gluͤcke Will ich, ein Pilger frohbereit, Betreten nur wie eine Bruͤcke Zu Dir, Herr, uͤber'n Strom der Zeit. Und buhlt mein Lied, auf Weltgunst lauernd, Um schnoͤden Sold der Eitelkeit: Zerschlag' mein Saitenspiel und schauernd Schweig' ich vor Dir in Ewigkeit. 23 Mittag . V ergeht mir der Himmel Vor Staube schier, Herr, im Getuͤmmel Zeig' Dein Panier! Wie schwank' ich suͤndlich, Laͤßt Du von mir, Unuͤberwindlich Bin ich mit Dir! Abend . G estuͤrzt sind die gold'nen Bruͤcken Und unten und oben so still! Es will mir nichts mehr gluͤcken, Ich weiß nicht mehr, was ich will. Von uͤppig bluͤhenden Schmerzen Rauscht eine Wildniß im Grund, Da spielt wie in wahnsinnigen Scherzen Das Herz an dem schwindlichten Schlund. — Die Felsen moͤchte ich packen Vor Zorn und Wehe und Lust Und unter den brechenden Zacken Begraben die wilde Brust. Da kommt der Fruͤhling gegangen, Wie ein Spielmann aus alter Zeit, Und singt von uraltem Verlangen So treu durch die Einsamkeit. Und uͤber mir Lerchenlieder Und unter mir Blumen bunt, So werf' ich im Grase mich nieder Und weine aus Herzensgrund. Da fuͤhl' ich ein tiefes Entzuͤcken, Nun weiß ich wohl, was ich will, Es bauen sich andere Bruͤcken Das Herz wird auf einmal still. 23 * Der Abend streut rosige Flocken, Verhuͤllet die Erde nun ganz, Und durch des Schlummernden Locken Zieh'n Sterne den heiligen Kranz. Nachtgruß. W eil jetzo alles stille ist Und alle Menschen schlafen, Mein Seel' das ew'ge Licht begruͤßt, Ruht wie ein Schiff im Hafen. Der falsche Fleiß, die Eitelkeit, Was Keinen mag erlaben, Darin der Tag das Herz zerstreut, Liegt alles tief begraben. Ein andrer Koͤnig wunderreich Mit koͤniglichen Sinnen Zieht herrlich ein im stillen Reich, Besteigt die ew'gen Zinnen. Morgenlied . K ein Stimmlein noch schallt von allen In fruͤhester Morgenstund, Wie still ist's noch in den Hallen Durch den weiten Waldesgrund. Ich stehe hoch uͤber'm Thale Stille vor großer Lust, Und schau' nach dem ersten Strahle Kuͤhl Schauer in tiefster Brust. Wie sieht da zu dieser Stunde So anders das Land herauf, Nichts hoͤr' ich da in der Runde Als von fern der Stroͤme Lauf. Und ehe sich alle erhoben Des Tages Freuden und Weh, Will ich Herr Gott Dich loben Hier einsam in stiller Hoͤh. — Nun rauschen schon staͤrker die Waͤlder, Morgenlicht funkelt herauf, Die Lerche singt uͤber den Feldern, Schoͤne Erde nun wache auf! In der Nacht . D as Leben draußen ist verrauschet, Die Lichter loͤschen aus, Schauernd mein Herz am Fenster lauschet Still in die Nacht hinaus. Da nun der laute Tag zerronnen Mit seiner Noth und bunten Lust Was hast Du in dem Spiel gewonnen, Was blieb der muͤden Brust? — Der Mond ist trostreich aufgegangen, Da unterging die Welt, Der Sterne heil'ge Bilder prangen So einsam hoch gestellt! O Herr! auf dunkelschwankem Meere Fahr' ich im schwachen Boot, Treufolgend Deinem goldnen Heere Zum ew'gen Morgenroth. Werktag . W ir wandern nun schon viel hundert Jahr, Und kommen doch nicht zur Stelle — Der Strom wohl rauscht an die tausend gar, Und kommt doch nicht zur Quelle. Sonntag . W eit in das Land die Stroͤm' ihr Silber fuͤhren, Fern blau Gebirge duftig hingezogen, Die Sonne scheint, die Baͤume sanft sich ruͤhren, Und Glockenklang kommt auf den linden Wogen; Hoch in den Luͤften Lerchen jubiliren, Und, so weit klar sich woͤlbt des Himmels Bogen, Von Arbeit ruht der Mensch rings in die Runde, Athmet zum Herren auf aus Herzensgrunde. Fruͤhling . U nd wenn die Lerche hell anstimmt Und Fruͤhling rings bricht an: Da schauert tief und Fluͤgel nimmt, Wer irgend fliegen kann. Die Erde gruͤßt er hochbegluͤckt, Die, eine junge Braut, Mit Blumen wild und bunt geschmuͤckt, Tief in das Herz ihm schaut. Den Himmel dann, das blaue Meer Der Sehnsucht gruͤßt er treu, Da stammen Lied und Saͤnger her Und spuͤren's immer neu. Die dunkeln Gruͤnde saͤuseln kaum, Sie schau'n so fremd herauf. Tiefschauernd fuͤhlt' er, 's war ein Traum — Und wacht im Himmel auf. Herbst . E s ist nun der Herbst gekommen, Hat das schoͤne Sommerkleid Von den Feldern weggenommen Und die Blaͤtter ausgestreut, Vor dem boͤsen Winterwinde Deckt er warm und sachte zu Mit dem bunten Laub die Gruͤnde, Die schon muͤde geh'n zur Ruh. Durch die Felder sieht man fahren Eine wunderschoͤne Frau, Und von ihren langen Haaren Gold'ne Faͤden auf der Au Spinnet sie und singt im Gehen: Eya, meine Bluͤmelein, Nicht nach andern immer sehen, Eya, schlafet, schlafet ein. Und die Voͤglein hoch in Luͤften Ueber blaue Berg' und Seen Zieh'n zur Ferne nach den Kluͤften, Wo die hohen Cedern steh'n, Wo mit ihren gold'nen Schwingen Auf des Benedeiten Gruft Engel Hosiannah singen Naͤchtens durch die stille Luft. Winter . W ie von Nacht verhangen, Wußt' nicht, was ich will, Schon so lange, lange War ich todtenstill. Liegt die Welt voll Schmerzen, Will's auch draußen schnei'n: Wache auf, mein Herze, Fruͤhling muß es sein! Was mich frech wollt' fassen, 'S ist nur Wogen-Schaum, Falsche Ehr', Noth, Hassen, Welt, ich spuͤr' dich kaum. Breite nur die Fluͤgel Wieder, schoͤnes Roß, Frei laß ich die Zuͤgel, So brich durch, Genoß! Und hat ausgeklungen Liebes-Lust und Leid, Um die wir gerungen In der schoͤnsten Zeit; Nun so trag' mich weiter, Wo das Wuͤnschen aus — Wie wird mir so heiter, Roß, bring' mich nach Haus! Der Schatzgraͤber . W enn alle Waͤlder schliefen, Er an zu graben hub, Rastlos in Berges Tiefen Nach einem Schatz er grub. Die Engel Gottes sangen Derweil in stiller Nacht, Wie rothe Augen drangen Metalle aus dem Schacht. „Und wirst doch mein!“ und grimmer Wuͤhlt er und wuͤhlt hinab, Da stuͤrzen Steine und Truͤmmer Ueber dem Narren herab. Hohnlachen wild erschallte Aus der verfall'nen Kluft, Der Engelgesang verhallte Wehmuͤthig in der Luft. Der Schiffer . D ie Luͤfte linde faͤcheln, Aus stillen Meeres Schaum Syrenen tauchend laͤcheln, Der Schiffer liegt im Traum. Da faßt der Sturm die Wellen Durchwuͤhlt die Einsamkeit: Wach't auf, ihr Traumgesellen, Nun ist's nicht Schlafens Zeit! — In jenen stillen Tagen Wie war ich stolz und klug, In sichern Gluͤck's Behagen Mir selber gut genug. Du hast das Gluͤck zerschlagen. Nimm wieder, was du gabst, Ich schweig' und will nicht klagen, Jetzt weiß ich, wie du labst. Das sind die maͤcht'gen Stuͤrme, Die wecken, was da ruht, Es sinken Land und Thuͤrme Allmaͤlig in die Flut. Kein Meerweib will sich zeigen, Kein Laut mehr langt zu mir, Und in dem weiten Schweigen Steh' ich allein mit dir. O fuͤhre an den Riffen Allmaͤchtig deine Hand, Wohin wir alle schiffen, Uns zu dem Heimathsstrand! Der Soldat . U nd wenn es einst dunkelt, Der Erd' bin ich satt, Durch's Abendroth funkelt Eine praͤcht'ge Stadt: Von den goldenen Thuͤrmen Singet der Chor, Wir aber stuͤrmen Das himmlische Thor. Der Waͤchter . N aͤchtlich macht der Herr die Rund', Sucht die Seinen unverdrossen, Aber uͤberall verschlossen Trifft er Thuͤr und Herzensgrund, Und er wendet sich voll Trauer: Niemand ist, der mit mir wacht. — Nur der Wald vernimmt's mit Schauer, Rauschet fromm die ganze Nacht. Waldwaͤrts durch die Einsamkeit Hoͤrt' ich uͤber Thal und Kluͤften Glocken in den stillen Luͤften, Wie aus fernem Morgen weit — An die Thore will ich schlagen, An Pallast und Huͤtten: Auf! Flammend schon die Gipfel ragen, Wachet auf, wacht auf, wacht auf! Das Kind . D as Kind ruht aus vom Spielen, Am Fenster rauscht die Nacht, Die Engel Gott's im Kuͤhlen Getreulich halten Wacht, Am Bettlein still sie stehen, Der Morgen graut noch kaum, Sie kuͤssen's, eh sie gehen, Das Kindlein lacht im Traum. Der Umkehrende . I . D u sollst mich doch nicht fangen, Duftschwuͤle Zaubernacht! Es steh'n mit goldnem Prangen Die Stern' auf stiller Wacht, Und machen uͤber'm Grunde, Wo Du verirret bist, Getreu die alte Runde — Gelobt sei Jesus Christ! Wie bald in allen Baͤumen Geht nun die Morgenluft, Sie schuͤtteln sich in Traͤumen, Und durch den rothen Duft Eine fromme Lerche steiget, Wenn Alles still noch ist, Den rechten Weg Dir zeiget — Gelobt sei Jesus Christ! II . Hier bin ich, Herr! Gegruͤßt das Licht, Das durch die stille Schwuͤle Der muͤden Brust gewaltig bricht Mit seiner strengen Kuͤhle. Nun bin ich frei! Ich taum'le noch Und kann mich noch nicht fassen — O Vater, Du erkennst mich doch, Und wirst nicht von mir lassen! 24 III . Was ich wollte, liegt zerschlagen, Herr, ich lasse ja das Klagen, Und das Herz ist still. Nun aber gieb auch Kraft, zu tragen, Was ich nicht will! IV . Es wandelt, was wir schauen, Tag sinkt in's Abendroth, Die Lust hat eig'nes Grauen, Und alles hat den Tod. In's Leben schleicht das Leiden Sich heimlich wie ein Dieb, Wir alle muͤssen scheiden Von allem, was uns lieb. Was gaͤb' es doch auf Erden, Wer hielt' den Jammer aus, Wer moͤcht' geboren werden, Hielt'st Du nicht droben Haus! Du bist's, der, was wir bauen, Mild uͤber uns zerbricht, Daß wir den Himmel schauen — Darum so klag' ich nicht. V . Waldeinsamkeit! Du gruͤnes Revier, Wie liegt so weit Die Welt von hier! Schlaf' nur, wie bald Kommt der Abend schoͤn, Durch den stillen Wald Die Quellen gehn, Die Mutter Gottes wacht, Mit ihrem Sternen-Kleid Bedeckt sie Dich sacht In der Waldeinsamkeit, Gute Nacht, gute Nacht! — 24* Der Kranke . S oll ich Dich denn nun verlassen, Erde, heit'res Vaterhaus? Herzlich Lieben, muthig Hassen, Ist denn alles, alles aus? Vor dem Fenster durch die Linden Spielt es wie ein linder Gruß, Luͤfte, wollt ihr mir verkuͤnden, Daß ich bald hinunter muß? — Liebe, ferne, blaue Huͤgel, Stiller Fluß im Thales-Gruͤn, Ach, wie oft wuͤnscht' ich mir Fluͤgel, Ueber euch hinweg zu zieh'n! Da sich jetzt die Fluͤgel dehnen Schaur' ich in mich selbst zuruͤck, Und ein unbeschreiblich Sehnen Zieht mich zu der Welt zuruͤck. Sterbeglocken . N un legen sich die Wogen, Und die Gewitter schwuͤl' Sind all' hinabgezogen, Mir wird das Herz so kuͤhl. Die Thaͤler alle dunkeln, Ist denn das Morgenzeit? Wie schoͤn die Gipfel funkeln. Und Glocken hoͤr' ich weit. So hell noch niemals klangen Sie uͤber'n Waldes-Saum — Wo war ich denn so lange? Das war ein schwerer Traum. Der Pilger . I . M an setzt uns auf die Schwelle Wir wissen nicht, woher? Da gluͤht der Morgen helle, Hinaus verlangt uns sehr. Der Erde Klang und Bilder, Tiefblaue Fruͤhlingslust, Verlockend mild und wilder, Bewegen da die Brust. Bald wird es rings so schwuͤle, Die Welt erathmet kaum, Berg', Schloß und Waͤlder kuͤhle Steh'n lautlos wie im Traum, Und ein geheimes Grausen Beschleichet unsern Sinn: Wir sehnen uns nach Hause Und wissen nicht wohin? II . Dein Wille, Herr, geschehe! Verdunkelt schweigt das Land, Im Zug der Wetter sehe Ich schauernd Deine Hand. O mit uns Suͤndern gehe Erbarmend in's Gericht! Ich beug' im tiefsten Wehe Zum Staub mein Angesicht, Dein Wille, Herr, geschehe! III . Schlag' mit den flamm'gen Fluͤgeln! Wenn Blitz aus Blitz sich reißt: Steht wie in Rossesbuͤgeln So ritterlich mein Geist. Waldesrauschen, Wetterblicken Macht recht die Seele los, Da gruͤßt sie mit Entzuͤcken, Was wahrhaft, ernst und groß. Es schiffen die Gedanken Fern wie auf weitem Meer, Wie auch die Wogen schwanken: Die Segel schwellen mehr. Herr Gott, es wacht Dein Wille! Wie Tag und Lust verweh'n, Mein Herz wird mir so stille Und wird nicht untergeh'n. IV . So laß herein nun brechen Die Brandung, wie sie will, Du darfst ein Wort nur sprechen, So wird der Abgrund still Und bricht die letzte Bruͤcke; Zu Dir, der treulich steht, Hebt uͤber Noth und Gluͤcke Mich einsam das Gebet. V . Wie ein todeswunder Streiter, Der den Weg verloren hat, Schwank' ich nun und kann nicht weiter Von dem Leben sterbensmatt. Nacht schon decket alle Muͤden Und so still ist's um mich her, Herr auch mir gieb endlich Frieden, Denn ich wuͤnsch' und hoff' nichts mehr. VI . Wie oft wollt' mich die Welt ermuͤden, Ich beugt' auf's Schwert mein Angesicht Und bat Dich frevelhaft um Frieden — Du wußtest's besser, gabst ihn nicht. Ich sah in Nacht das Land vergehen, In Blitzen Du die Wetter brachst, Da konnt' ich schauernd erst verstehen, Was Du zu mir Erschrock'nen sprachst: „Meine Lieder sind nicht Deine Lieder, Leg' ab den falschen Schmuck der Zeit Und nimm das Kreuz, dann komme wieder In Deines Herzens Einsamkeit.“ Und alle Bilder ferne treten Und tief noch rauschet kaum die Rund' — Wie geht ein wunderbares Beten Mir leuchtend durch der Seele Grund! Der Pilot. G laube stehet still erhoben Ueber'm naͤcht'gen Wellenklang, Lieset in den Sternen droben Fromm des Schiffleins sichern Gang. Liebe schwellet sanft die Segel, Daͤmmernd zwischen Tag und Nacht Schweifen Paradiesesvoͤgel, Ob der Morgen bald erwacht? Morgen will sich kuͤhn entzuͤnden, Nun wird's mir auf einmal kund: Hoffnung wird die Heimath finden Und den stillen Ankergrund. Das kranke Kind . D ie Gegend lag so helle, Die Sonne schien so warm, Es sonnt' sich auf der Schwelle Ein Kindlein krank und arm. Geputzt zum Sonntag heute Zieh'n sie das Thal entlang, Das Kind gruͤßt alle Leute, Doch niemand sagt ihm Dank. Viel Kinder jauchzen ferne, So schoͤn ist's auf der Welt! Ging' auch spatzieren gerne, Doch muͤde stuͤrzt's im Feld. „Ach Vater, liebe Mutter, Helft mir in meiner Noth! —“ Du armes Kind! die ruhen Ja unter'm Grase todt. Und so im Gras alleine Das kranke Kindlein blieb, Frug keiner, was es weine, Hat jeder sein's nur lieb. Die Abendglocken klangen Schon durch die stille Welt, Die Engel Gottes sangen Und gingen uͤber's Feld. Und als die Nacht gekommen Und alles das Kind verließ, Sie haben's mitgenommen, Nun spielt's im Paradies. Der Einsiedler . K omm, Trost der Welt, Du stille Nacht! Wie steigst Du von den Bergen sacht, Die Luͤfte alle schlafen, Ein Schiffer nur noch, wandermuͤd, Singt uͤber's Meer sein Abendlied Zu Gottes Lob im Hafen. Die Jahre wie die Wolken geh'n Und lassen mich hier einsam steh'n, Die Welt hat mich vergessen, Da tratst Du wunderbar zu mir, Wenn ich beim Waldesrauschen hier Gedankenvoll gesessen. O Trost der Welt, Du stille Nacht! Der Tag hat mich so muͤd gemacht, Das weite Meer schon dunkelt, Laß' ausruh'n mich von Lust und Noth, Bis daß das ew'ge Morgenroth Den stillen Wald durchfunkelt. Der Saͤnger. I . S iehst Du die Waͤlder gluͤhen, Die Stroͤme flammend spruͤhen, Die Welt in Abendgluten, Wie traͤumerische Fluten, Wo bluͤh'nde Inseln trunken Sich spiegeln in dem Duft? — Es weht und rauscht und ruft: O komm, eh' wir versunken! Eh' noch die Sonn' versunken: Geh'n durch die gold'nen Funken Still Engel in den Thalen, Das giebt so leuchtend Strahlen In Blumen rings und Zweigen. — Wie frommer Wiederhall Weht noch der Glocken Schall, Wenn laͤngst die Thaͤler schweigen. Leis waͤchst durch's dunkle Schweigen Ein Fluͤstern rings und Neigen Wie ein geheimes Singen, In immer weitern Ringen Zieht's alle die da lauschen In seine duft'ge Rund', Wo kuͤhl im stillen Grund Die Wasserkuͤnste rauschen. Wie Wald und Strom im Rauschen Verlockend Worte tauschen! Was ist's, daß ich ergrause? — Fuͤhrt doch aus stillem Hause Der Hirt die gold'ne Heerde, Und huͤtet treu und wacht, So lieblich weht die Nacht, Lind saͤuselt kaum die Erde. II . Und zu den Felsengaͤngen Der naͤcht'ge Saͤnger flieht, Denn wie mit Wahnsinns Klaͤngen Treibt ihn sein eig'nes Lied. Bei leuchtenden Gewittern Schreckt ihn das stille Land, Ein wunderbar Erschuͤttern Hat ihm das Herz gewandt. Bereuend sinkt sein Auge — Da blickt durch Nacht und Schmerz Ein unsichtbares Auge Ihm klar in's tiefste Herz. Sein Saitenspiel zur Stunde Wirft er in tiefsten Schlund Und weint aus Herzensgrunde, Und ewig schweigt sein Mund. Morgendaͤmmerung. E s ist ein still Erwarten in den Baͤumen, Die Nachtigallen in den Buͤschen schlagen In irren Klagen, koͤnnen's doch nicht sagen, Die Schmerzen all' und Wonne, halb in Traͤumen. Die Lerche auch will nicht die Zeit versaͤumen, Da solches Schallen bringt die Luft getragen, Schwingt sich vom Thal, eh's noch beginnt zu tagen, Im ersten Strahl die Fluͤgel sich zu saͤumen. Ich aber stand schon lange in dem Garten Und bin in's stille Feld hinausgegangen, Wo leis die Aehren an zu wogen fingen. O fromme Voͤglein, ihr und ich, wir warten Auf's frohe Licht, da ist uns vor Verlangen Bei stiller Nacht erwacht so sehnend Singen. Das Gebet. W en hat nicht einmal Angst befallen, Wenn Truͤbniß ihn gefangen haͤlt, Als muͤßt' er ewig rastlos wallen Nach einer wunderbaren Welt? All' Freunde sind lang fortgezogen, Der Fruͤhling weint in einem fort, Eine Bruͤcke ist der Regenbogen Zum friedlich sichern Heimathsport. Hinauszuschlagen in die Toͤne, Lockt Dich Natur mit wilder Lust, Zieht Minne, holde Frauenschoͤne Zum Abgrund suͤß die seel'ge Brust; Den Tod siehst Du verhuͤllet gehen Durch Lieb' und Leben himmelwaͤrts, Ein einzig Wunder nur bleibt stehen Einsam uͤber dem oͤden Schmerz. — Du seltner Pilger, laß Dich warnen! Aus ird'scher Lust und Zauberei, Die freud- und leidvoll Dich umgarnen, Strecke zu Gott die Arme frei! Nichts mehr mußt Du hienieden haben, Himmlisch betruͤbt, verlassen, arm, Ein treues Kind, dem Vater klagen Die ird'sche Lust, den ird'schen Harm. Es breitet diese einz'ge Stunde Sich uͤber's ganze Leben still, Legt bluͤhend sich um Deine Wunde, Die niemals wieder heilen will. Treu bleibt der Himmel stets dem Treuen, Zur Erd' das Ird'sche niedergeht, Zum Himmel uͤber Zaubereien Geht ewig siegreich das Gebet. 25 Sonntag . D ie Nacht war kaum verbluͤhet, Nur eine Lerche sang Die stille Luft entlang. Wen gruͤßt sie schon so fruͤhe? Und draußen in dem Garten Die Baͤume uͤber's Haus Sah'n weit in's Land hinaus, Als ob sie wen erwarten. In festlichen Gewanden Wie eine Kinderschaar, Thauperlen in dem Haar, Die Blumen alle standen. Ich dacht': ihr kleinen Braͤute, Was schmuͤckt ihr euch so sehr? — Da blickt' die eine her: „Still, still, 's ist Sonntag heute.“ „Schon klingen Morgenglocken, Der liebe Gott nun bald Geht durch den stillen Wald.“ — Da kniet' ich froherschrocken. Nachtgebet . E s rauschte leise in den Baͤumen, Ich hoͤrte nur der Stroͤme Lauf, Und Berg und Gruͤnde, wie aus Traͤumen, Sie sah'n so fremd zu mir herauf. Drin aber in der stillen Halle Ruht' Sang und Plaudern muͤde aus, Es schliefen meine Lieben alle, Kaum wieder kannt' ich nun mein Haus. Mir war's als laͤgen sie zur Stunde Gestorben, bleich im Mondenschein, Und schauernd in der weiten Runde Fuͤhlt' ich auf einmal mich allein. So blickt in Meeres oͤden Reichen Ein Schiffer einsam himmelan — O Herr, wenn einst die Ufer weichen, Sei gnaͤdig Du dem Steuermann! 25 * Ostern . V om Muͤnster Trauer-Glocken klingen, Vom Thal ein Jauchzen schallt herauf. Zur Ruh sie dort dem Todten singen, Die Lerchen jubeln: wache auf! Mit Erde sie ihn still bedecken, Das Gruͤn aus allen Graͤbern bricht, Die Stroͤme hell durch's Land sich strecken, Der Wald ernst wie in Traͤumen spricht, Und bei den Klaͤngen, Jauchzen, Trauern, So weit in's Land man schauen mag, Es ist ein tiefes Fruͤhlingsschauern Als wie ein Auferstehungstag. Weihnachten . M arkt und Straßen steh'n verlassen, Still erleuchtet jedes Haus, Sinnend geh' ich durch die Gassen, Alles sieht so festlich aus. An den Fenstern haben Frauen Buntes Spielzeug fromm geschmuͤckt, Tausend Kindlein steh'n und schauen, Sind so wunderstill begluͤckt. Und ich wandre aus den Mauern Bis hinaus in's freie Feld, Hehres Glaͤnzen, heil'ges Schauen! Wie so weit und still die Welt! Sterne hoch die Kreise schlingen, Aus des Schnees Einsamkeit Steigt's wie wunderbares Singen — O du gnadenreiche Zeit! Abschied . A bendlich schon rauscht der Wald Aus den tiefen Gruͤnden, Droben wird der Herr nun bald An die Sterne zuͤnden, Wie so stille in den Schluͤnden, Abendlich nur rauscht der Wald. Alles geht zu seiner Ruh, Wald und Welt versausen, Schauernd hoͤrt der Wandrer zu, Sehnt sich recht nach Hause, Hier in Waldes gruͤner Klause Herz, geh' endlich auch zur Ruh! Mondnacht . E s war, als haͤtt' der Himmel Die Erde still gekuͤßt, Daß sie im Bluͤten-Schimmer Von ihm nun traͤumen muͤßt'. Die Luft ging durch die Felder, Die Aehren wogten sacht, Es rauschten leis die Waͤlder, So sternklar war die Nacht. Und meine Seele spannte Weit ihre Fluͤgel aus, Flog durch die stillen Lande, Als floͤge sie nach Haus. Gluͤck auf . G ar viel hab' ich versucht, gekaͤmpft, ertragen; Das ist der tiefen Sehnsucht Lebenslauf, Daß bruͤnstig sie an jeden Fels muß schlagen, Ob sich des Lichtes Gnadenthuͤr thaͤt' auf, Wie ein verschuͤtt'ter Bergmann in den Kluͤften Heraus sich hauet zu den heitern Luͤften. Auch ich gelang' einst zu dem stillen Gipfel, Vor dem mich schaudert in geheimer Lust. Tief unten rauschen da des Lebens Wipfel Noch einmal dunkelruͤhrend an die Brust, Dann wird es unten still im weiten Grunde Und oben leuchtet streng des Himmels Runde. Wie klein wird sein da, was mich hat gehalten, Wie wenig, was ich Irrender vollbracht, Doch was den Felsen glaͤubig hat gespalten: Die Sehnsucht treu steigt mit mir aus der Nacht Und legt mir an die wunderbaren Schwingen, Die durch die Stille mich nach Hause bringen. Nachtlied . V ergangen ist der lichte Tag, Von ferne kommt der Glocken Schlag; So reis't die Zeit die ganze Nacht, Nimmt manchen mit, der's nicht gedacht. Wo ist nun hin die bunte Lust, Des Freundes Trost und treue Brust, Des Weibes suͤßer Augenschein? Will keiner mit mir munter sein? Da's nun so stille auf der Welt, Zieh'n Wolken einsam uͤber's Feld, Und Feld und Baum besprechen sich, — O Menschenkind! was schauert Dich? Wie weit die falsche Welt auch sei, Bleibt mir doch Einer nur getreu, Der mit mir weint, der mit mir wacht, Wenn ich nur recht an ihn gedacht. Frisch auf denn, liebe Nachtigall, Du Wasserfall mit hellem Schall! Gott loben wollen wir vereint, Bis daß der lichte Morgen scheint! Durch ! E in Adler saß am Felsenbogen, Den lockt' der Sturm weit uͤber's Meer, Da hatt' er droben sich verflogen, Er fand sein Felsennest nicht mehr, Tief unten sah er kaum noch liegen Verdaͤmmernd Wald und Land und Meer, Mußt' hoͤher, immer hoͤher fliegen, Ob nicht der Himmel offen waͤr'. VII . Romanzen . Aus schweren Traͤumen Fuhr ich oft auf und sah durch Tannenwipfel Den Mond zieh'n uͤber'n stillen Grund und sang Vor Bangigkeit und schlummert' wieder ein. — Ja, Menschenstimme, hell aus frommer Brust! Du bist doch die gewaltigste, und triffst Den rechten Grundton, der verworren anklingt In all' den tausend Stimmen der Natur! — Ezelin, 4. Aufz. 2. Sc. S. 189. Die Zauberin im Walde. „ S chon vor vielen, vielen Jahren Saß ich druͤben an dem Ufer, Sah manch' Schiff voruͤber fahren Weit hinein in's Waldesdunkel.“ „Denn ein Vogel jeden Fruͤhling An dem gruͤnen Waldes-Saume Sang mit wunderbarem Schalle, Wie ein Waldhorn klang's im Traume.“ „Und gar seltsam hohe Blumen Standen an dem Rand der Schluͤnde, Sprach der Strom so dunkle Worte, 'S war, als ob ich sie verstuͤnde.“ „Und wie ich so sinnend athme Stromeskuͤhl' und Waldesduͤfte, Und ein wundersam Geluͤsten Mich hinabzog nach den Kluͤften:“ „Sah ich auf krystall'nem Nachen, Tief im Herzensgrund erschrocken, Eine wunderschoͤne Fraue, Ganz umwallt von gold'nen Locken.“ „Und von ihrem Hals behende Thaͤt sie Ioͤsen eine Kette, Reicht' mit ihren weißen Haͤnden Mir die allerschoͤnste Perle.“ „Nur ein Wort von fremdem Klange Sprach sie da mit rothem Munde, Doch im Herzen ewig stehen Wird des Wort's geheime Kunde.“— „Seitdem saß ich wie gebannt dort, Und wenn neu der Lenz erwachte, Immer von dem Halsgeschmeide Eine Perle sie mir brachte.“ „Ich barg all' im Waldesgrunde, Und aus jeder Perl der Fraue Sproßte eine Blum' zur Stunde, Wie ihr Auge anzuschauen.“ „Und so bin ich aufgewachsen, Thaͤt der Blumen treulich warten, Schlummert' oft und traͤumte golden In dem schwuͤlen Waldes-Garten.“ „Fortgespuͤlt ist nun der Garten Und die Blumen all' verschwunden, Und die Gegend, wo sie standen, Hab' ich nimmermehr gefunden.“ „In der Fern' liegt jetzt mein Leben, Breitend sich wie junge Traͤume, Schimmert stets so seltsam lockend Durch die alten, dunklen Baͤume.“ „Jetzt erst weiß ich, was der Vogel Ewig ruft so bange, bange, Unbekannt zieht ew'ge Treue Mich hinunter zu dem Sange.“ „Wie die Waͤlder kuͤhle rauschen, Zwischendurch das alte Rufen, Wo bin ich so lang' gewesen? — O ich muß hinab zur Ruhe!“ Und es stieg vom Schloß hinunter Schnell der suͤße Florimunde, Weit hinab und immer weiter Zu dem dunkelgruͤnen Grunde. Hoͤrt' die Stroͤme staͤrker rauschen, Sah in Nacht des Vaters Burge Stillerleuchtet ferne stehen, Alles Leben weit versunken. Und der Vater schaut' vom Berge, Schaut' zum dunklen Grunde immer, Regte sich der Wald so grausig, Doch den Sohn erblickt' er nimmer. Und es kam der Winter balde, Und viel' Lenze kehrten wieder, Doch der Vogel in dem Walde Sang nie mehr die Wunderlieder. Und das Waldhorn war verklungen Und die Zauberin verschwunden, Wollte keinen andern haben Nach dem suͤßen Florimunde. — Die Riesen . H och uͤber blauen Bergen Da steht ein schoͤnes Schloß, Das huͤtet von Gezwergen Ein wunderlicher Troß. Da ist ein Lautenschlagen Und Singen insgemein, Die Luͤfte es vertragen Weit in das Land hinein. Und wenn die Laͤnder schweigen, Funkelnd im Abendthau, Soll manchmal dort sich zeigen Eine wunderschoͤne Frau. Da schworen alle Riesen, Zu holen sie als Braut, Mit Leitern da und Spießen Sie stapften gleich durch's Kraut. Da krachte manche Leiter, Sie wunderten sich sehr: Die Wildniß wuchs, je weiter Je hoͤher ringsumher. Sie waren recht bei Stimme Und zankten um ihren Schatz, Und fluchten in großem Grimme, Und fanden nicht den Platz. 26 Und bei dem Laͤrm sie stunden In Wolken bis an die Knie, Das Schloß, das war verschwunden, Und wußten gar nicht wie. — Aber wie ein Regenbogen Glaͤnzt's druͤben durch die Luft, Sie hatt' indeß gezogen Neue Gaͤrten in den Duft. Der Goͤtter Irrfahrt. Nach einer Volkssage der Tonga-Inseln. I . U nten endlos nichts als Wasser, Droben Himmel still und weit, Nur das Goͤtterland, das blasse, Lag in Meereseinsamkeit, Wo auf farbenlosen Matten Gipfel wie in Traͤumen steh'n, Und Gestalten ohne Schatten Ewig lautlos sich ergeh'n. Zwischen grauen Wolken-Schweifen, Die verschlafen Berg und Flut Mit den langen Schleiern streifen, Hoch der Goͤttervater ruht. Heut zu fischen ihn geluͤstet, Und vom zack'gen Felsenhang In des Meeres gruͤne Wuͤste Senket er die Schnur zum Fang. Sinnend sitzt er, und es flattern Bart und Haar im Sturme weit, Und die Zeit wird ihm so lange In der stillen Ewigkeit. Da fuͤhlt er die Angel zucken: „Ei, das ist ein schwerer Fisch!“ Freudig faͤngt er an zu rucken, Stemmt sich, zieht und windet frisch. 26 * Sieh, da hebt er Felsenspitzen Langsam aus der Wasser Grund, Und erschrocken aus den Ritzen Schießen schupp'ge Schlangen bunt; Ringelnd Ungethuͤm der Tiefen, Die im oͤden Wogen-Haus In der gruͤnen Daͤmm'rung schliefen, Stuͤrzen sich in's Meer hinaus. Doch der Vater hebt auf's neue, Und Gebirge, Thal und Strand Taucht allmaͤlig auf in's Freie; Und es gruͤnt das junge Land, Irrend farb'ge Lichter schweifen Und von Blumen glaͤnzt die Flur, Wo des Vaters Blick' sie streifen — Da zerreißt die Angelschnur. Wie 'ne liebliche Syrene Halb nun uͤber'm Wellenglanz, Staunend ob der eig'nen Schoͤne, Schwebt es mit dem Bluͤtenkranz, Bei der Luͤfte lindem Faͤcheln Sich im Meer, das rosig brennt, Spiegelnd mit verschaͤmtem Laͤcheln — Erde sie der Vater nennt. II . Staunend auf den Goͤttersitzen Die Unsterblichen nun stehn, Seh'n den Morgen druͤben blitzen, Fuͤhlen Duft heruͤberweh'n, Und so suͤßes Weh sie spuͤren, Loͤsen leis ihr Schiff vom Strand, Und die Luͤfte sie verfuͤhren Fern durch's Meer zum jungen Land. O wie da die Quellen sprangen In die tiefe Bluͤtenpracht Und Lianen dort sich schlangen Gluͤhend durch die Waldesnacht! Und die Wandrer trunken lauschen, Wo die Wasserfaͤlle geh'n, Bis sie in dem Fruͤhlings-Rauschen Ploͤtzlich all' erschrocken steh'n: Denn sie seh'n zum Erstenmale Nun die Sonne niedergeh'n Und verwundert Berg' und Thale Tief im Abendrothe steh'n, Und der schoͤnste Gott von allen Sank erbleichend in den Duft, Denn dem Tode ist verfallen, Wer geathmet ird'sche Luft. Die Genossen faßt ein Grauen, Und sie fahren weit in's Meer, Nach des Vaters Haus sie schauen, Doch sie finden's nimmermehr. Mußten aus den Wogenwuͤsten Ihrer Schiffe Schnaͤbel dreh'n Wieder nach des Eilands Kuͤsten, Ach, das war so falsch und schoͤn! Und fuͤr immer da verschlagen Blieben sie im fremden Land, Hoͤrten Nachts des Vaters Klagen Oft noch fern vom Goͤtterstrand. — Und nun Kindeskinder muͤssen Nach der Heimath seh'n in's Meer, Und es kommt im Wind ein Gruͤßen, Und sie wissen nicht woher. Die Brautfahrt . D urch des Meeresschlosses Hallen Auf bespuͤltem Felsenhang, Weht der Hoͤrner festlich Schallen; Froher Hochzeitgaͤste Drang, Bei der Kerzen Zauberglanze, Wogt im buntverschlung'nen Tanze. Aber an des Fensters Bogen, Ferne von der lauten Pracht, Schaut der Braͤut'gam in die Wogen Draußen in der finstern Nacht, Und die trunk'nen Blicke schreiten Furchtlos durch die oͤden Weiten. „Lieblich,“ sprach der wilde Ritter Zu der zarten, schoͤnen Braut, „Lieblich girrt die sanfte Zitter — Sturm ist meiner Seele Laut, Und der Wogen dumpfes Brausen Hebt das Herz in kuͤhnem Grausen. Ich kann hier nicht muͤßig lauern, Treiben auf dem flachen Sand, Dieser Kreis von Felsenmauern Haͤlt mein Leben nicht umspannt; Schoͤn're Laͤnder bluͤhen ferne, Das verkuͤnden mir die Sterne. Du mußt glauben, Du mußt wagen, Und, den Argonauten gleich, Wird die Woge fromm Dich tragen In das wunderbare Reich; Muthig streitend mit den Winden, Muß ich meine Heimath finden! Siehst Du, heißer Sehnsucht Fluͤgel, Weiße Seegel dort gespannt? Hoͤrst Du tief die feuchten Huͤgel Schlagen an die Felsenwand? Das ist Sang zum Hochzeitsreigen — Willst Du mit mir niedersteigen? Kannst Du rechte Liebe fassen, Nun so frage, zaudre nicht! Schloß und Garten mußt Du lassen Und der Aeltern Angesicht — Auf der Fluth mit mir alleine, Da erst, Liebchen, bist Du meine!“ Schweigend sieht ihn an die milde Braut mit schauerlicher Lust, Sinkt dem kuͤhnen Ritterbilde Trunken an die stolze Brust. „Dir hab ich mein Loos ergeben Schalte nun mit meinem Leben.“ Und er traͤgt die suͤße Beute Jubelnd aus dem Schloß auf's Schiff, Drunten harren seine Leute, Stoßen froh vom Felsenriff; Und die Hoͤrner leis verhallen, Einsam rings die Wogen schallen. Wie die Sterne matter blinken In die morgenrothe Fluth, Sieht sie fern die Berge sinken, Flammend steigt die hehre Gluth, Ueber'm Spiegel trunkner Wellen Rauschender die Seegel schwellen. Monde steigen und sich neigen, Lieblich weht schon fremde Luft, Da seh'n sie ein Eiland steigen Feenhaft aus blauem Duft, Wie ein farb'ger Blumenstreifen — Meerwaͤrts fremde Voͤgel schweifen. Alle faßt ein freud'ges Beben — Aber dunkler rauscht das Meer, Schwarze Wetter schwer sich heben, Stille wird es ringsumher, Und nur freudiger und treuer Steht der Ritter an dem Steuer. Und nun flattern wilde Blitze, Sturm ras't um den Felsenriff, Und von grimmer Wogen Spitze Stuͤrzt geborsten sich das Schiff. Schwankend auf des Mastes Splitter, Schlingt die Braut sich um den Ritter. Und die Muͤde in den Armen, Springt er abwaͤrts, sinkt und ringt, Haͤlt den Leib, den bluͤhendwarmen, Bis er alle Wogen zwingt, Und am Blumenstrand gerettet, Auf das Gras sein Liebstes bettet. „Wache auf, wach' auf, Du Schoͤne! Liebesheimath ringsum lacht, Zaubrisch ringen Duft und Toͤne, Wunderbarer Blumen Pracht Funkelt rings im Morgengolde — Schau um Dich! wach auf, Du Holde!“ Aber frei von Lust und Kummer Ruht die liebliche Gestalt Laͤchelnd noch im laͤngsten Schlummer, Und das Herz ist still und kalt, Still der Himmel, still im Meere, Schimmernd rings des Thaues Zaͤhre. Und er sinkt zu ihr vor Schmerzen, Einsam in dem fremden Thal, Thraͤnen aus dem wilden Herzen Brechen da zum Erstenmal, Und vor diesem Todesbilde Wird die ganze Seele milde. Von der langen Taͤuschung trennt er Schauernd sich — der Stolz entweicht, Andre Heimath nun erkennt er, Die kein Seegel hier erreicht, Und an aͤchten Schmerzen ranken Himmelwaͤrts sich die Gedanken. Schweigend scharrt er ein die Stille, Pflanzt ein Kreuz hoch auf ihr Grab, Wirft von sich die seid'ne Huͤlle, Leget Schwert und Mantel ab, Kleidet sich in rauhe Felle, Haut in Fels sich die Kapelle. Ueber'm Rauschen dunkler Wogen In der wilden Einsamkeit, Hausend auf dem Felsenbogen, Ringt er fromm mit seinem Leid, Hat, da manches Jahr entschwunden, Heimath, Braut und Ruh' gefunden. — Viele Schiffe drunten gehen An dem schoͤnen Inselland, Sehen hoch das Kreuz noch stehen, Warnend von der Felsenwand; Und des strengen Buͤßers Kunde Gehet fromm von Mund zu Munde. Der Kuͤhne . U nd wo noch kein Wandrer gegangen, Hoch uͤber Jaͤger und Roß Die Felsen im Abendroth hangen Als wie ein Wolkenschloß. Dort zwischen den Zinnen und Spitzen Von wilden Nelken umbluͤht, Die schoͤnen Waldfrauen sitzen Und singen im Wind ihr Lied. Der Jaͤger schaut nach dem Schlosse: Die droben das ist mein Lieb! — Er sprang vom scheuenden Rosse, Weiß keiner, wo er blieb. Der Wachtthurm . I ch sah im Mondschein liegen Die Felsen und das Meer, Ich sah ein Schifflein fliegen Still durch die Nacht daher. Ein Ritter saß am Steuer, Ein Fraͤulein stand am Bord, Im Winde weht ihr Schleier, Die sprachen kein einzig Wort. Ich sah verfallen grauen Das hohe Koͤnigshaus, Den Koͤnig steh'n und schauen Vom Thurm in's Meer hinaus. Und als das Schiff verschwunden Er warf seine Krone nach, Und aus dem tiefen Grunde Das Meer wehklagend brach. Das war der kuͤhne Buhle, Der ihm sein Kind geraubt, Der Koͤnig, der verfluchet Der eig'nen Tochter Haupt. Da hat das Meer mit Toben Verschlungen Ritter und Maid, Der Koͤnig starb da droben In seiner Einsamkeit. Nun jede Nacht vor Sturme Das Schiff voruͤberzieht, Der Koͤnig von dem Thurme Nach seinem Kinde sieht. Jaͤger und Jaͤgerin. Sie . W aͤr' ich ein muntres Hirschlein schlank, Wollt' ich im gruͤnen Walde geh'n, Spazieren geh'n bei Hoͤrnerklang, Nach meinem Liebsten mich umseh'n. Er . Nach meiner Liebsten mich umseh'n Thu' ich wohl, zieh' ich fruͤh von hier, Doch Sie mag niemals zu mir geh'n Im dunkelgruͤnen Waldrevier. Sie . Im dunkelgruͤnen Waldrevier, Da blitzt der Liebste rosenroth, Gefaͤllt so sehr dem armen Thier, Das Hirschlein wuͤnscht, es laͤge todt. Er . Und waͤr' das schoͤne Hirschlein todt, So moͤcht' ich jagen laͤnger nicht; Scheint uͤber'n Wald der Morgenroth: Huͤt' schoͤnes Hirschlein, huͤte dich! Sie . Huͤt' schoͤnes Hirschlein, huͤte dich! Spricht's Hirschlein selbst in seinem Sinn, Wie soll ich, soll ich huͤten mich, Wenn ich so sehr verliebet bin? Er. Weil ich so sehr verliebet bin, Wollt' ich das Hirschlein, schoͤn und wild, Aufsuchen tief im Walde drinn Und streicheln, bis es stille hielt. Sie. Ja, streicheln, bis es stille hielt, Falsch locken so in Stall und Haus! Zum Wald springt's Hirschlein frei und wild Und lacht verliebte Narren aus. Die Nonne und der Ritter. D a die Welt zur Ruh' gegangen, Wacht mit Sternen mein Verlangen; In der Kuͤhle muß ich lauschen, Wie die Wellen unten rauschen. „Fernher mich die Wellen tragen, Die an's Land so traurig schlagen Unter Deines Fensters Gitter, Fraue, kennst Du noch den Ritter?“ Ist's doch, als ob seltsam' Stimmen Durch die lauen Luͤfte schwimmen; Wieder hat's der Wind genommen — Ach, mein Herz ist so beklommen! „Druͤben liegt Dein Schloß verfallen, Klagend in den oͤden Hallen Aus dem Grund der Wald mich gruͤßte — 'S war, als ob ich sterben muͤßte.“ Alte Klaͤnge bluͤhend schreiten! Wie aus lang versunk'nen Zeiten Will mich Wehmuth noch bescheinen, Und ich moͤcht' von Herzen weinen. „Ueber'm Walde blitzt's von Weitem, Wo um Christi Grab sie streiten; Dorthin will mein Schiff ich wenden, Da wird alles, alles enden!“ 27 Geht ein Schiff, ein Mann stand drinne — Falsche Nacht, verwirrst die Sinne, Welt, Ade! Gott woll' bewahren, Die noch irr im Dunkeln fahren. Vesper . D ie Abendglocken klangen Schon durch das stille Thal, Da saßen wir zusammen Da droben wohl Hundertmal. Und unten war's so stille Im Lande weit und breit, Nur uͤber uns die Linde Rauscht' durch die Einsamkeit. Was geh'n die Glocken heute Als ob ich weinen muͤßt'? Die Glocken, die bedeuten, Daß meine Lieb' gestorben ist! Ich wollt', ich laͤg' begraben, Und uͤber mir rauscht' weit Die Linde jeden Abend Von der alten, schoͤnen Zeit! 27 * Der stille Grund . D er Mondenschein verwirret Die Thaͤler weit und breit, Die Baͤchlein wie verirret Geh'n durch die Einsamkeit. Da druͤben sah ich stehen Den Wald auf steiler Hoͤh, Die finstern Tannen sehen In einen tiefen See. Ein Kahn wohl sah ich ragen, Doch niemand, der es lenkt, Das Ruder war zerschlagen, Das Schifflein halb versenkt. Eine Nixe auf dem Steine Flocht dort ihr gold'nes Haar, Sie meint', sie waͤr' alleine, Und sang so wunderbar. Sie sang und sang, in den Baͤumen Und Quellen rauscht' es sacht Und fluͤsterte wie in Traͤumen Die mondbeglaͤnzte Nacht. Ich aber stand erschrocken, Denn uͤber Wald und Kluft Klangen die Morgenglocken. Schon ferne durch die Luft. Und haͤtt' ich nicht vernommen Den Klang zu guter Stund', Waͤr' nimmermehr gekommen Aus diesem stillen Grund. Der Kaͤmpe . N ach drei Jahren kam gefahren Einsam auf dem Rhein ein Schiff, Drin gebunden und voll Wunden Lag ein Rittersmann und rief: „Still den Garten schoͤn' thust warten Bleibst am Fenster ofte steh'n, Ruhig scheinst Du, heimlich weinst Du, Wie die Schiffe unten geh'n.“ „Was vertraust Du, warum baust Du Auf der Maͤnner wilde Brust, Die das Blut ziert und der Streit ruͤhrt Und die schoͤne Todeslust!“ Oben spinnend, saß sie sinnend — Schwanden Schiff und Tageslicht, Was er sunge, war verklungen, Sie erkannt' den Liebsten nicht. Waldmaͤdchen . B in ein Feuer hell, das lodert Von dem gruͤnen Felsenkranz, Seewind ist mein Buhl' und fodert Mich zum lust'gen Wirbeltanz, Kommt und wechselt unbestaͤndig. Steigend wild‚ Neigend mild, Meine schlanken Lohen wend' ich: Komm nicht nach mir, ich verbrenn' Dich! Wo die wilden Baͤche rauschen Und die hohen Palmen steh'n, Wenn die Jaͤger heimlich lauschen‚ Viele Rehe einsam geh'n. Bin ein Reh, flieg' durch die Truͤmmer, Ueber die Hoͤh', Wo im Schnee Still die letzten Gipfel schimmern‚ Folg' mir nicht, erjagst mich nimmer! Bin ein Voͤglein in den Luͤften, Schwing' mich uͤber's blaue Meer, Durch die Wolken von den Kluͤften Fliegt kein Pfeil mehr bis hieher, Und die Au'n und Felsenbogen, Waldeseinsamkeit Weit, wie weit, Sind versunken in die Wogen — Ach, ich habe mich verflogen! Der Unbekannte . V om Dorfe schon die Abendglocken klangen, Die muͤden Voͤglein gingen auch zur Ruh, Nur auf den Wiesen noch die Heimchen sangen Und von den Bergen rauscht der Wald dazu; Da kam ein Wandrer durch die Aehrenwogen, Aus fernen Landen schien er hergezogen. Vor seinem Hause, unter bluͤh'nden Lauben Lud ihn ein Mann zum froͤhl'chen Rasten ein, Die junge Frau bracht' Wein und Brot und Trauben, Setzt dann, umspielt vom letzten Abendschein, Sich neben ihn und blickt halb scheu, halb lose, Ein lockigt Knaͤblein laͤchelnd auf dem Schooße. Ihr duͤnkt, er waͤr' schon einst im Dorf gewesen, Und doch so fremd und seltsam war die Tracht, In seinen Mienen feur'ge Schrift zu lesen Gleich Wetterleuchten fern bei stiller Nacht, Und traf sein Auge sie, wollt' ihr fast grauen, Denn 's war, wie in den Himmelsgrund zu schauen. Und wie sich kuͤhler nun die Schatten breiten, Vom Berg Vesuv, der uͤber Truͤmmern raucht, Vom blauen Meer, wo Schwaͤne singend gleiten, Krystall'nen Inseln, bluͤhend draus getaucht, Und Glocken, die im Meeresgrunde schlagen, Wußt' wunderbar der schoͤne Gast zu sagen. „Hast viel erfahren, willst Du ewig wandern?“ Sprach drauf sein Wirth mit herzlichem Vertrau'n, „Hier kannst Du froh genießen wie die andern, Am eig'nen Heerd Dein kleines Gaͤrtchen bau'n, Des Nachbars Toͤchter haben reiche Truhen, Ruh' endlich aus, brauchst nicht allein zu ruhen.“ Da stand der Wandrer auf, es bluͤhten Sterne Schon aus dem Dunkel uͤber'm stillen Land, „Gesegn' euch Gott! mein Heimathland liegt ferne. —“ Und als er von den beiden sich gewandt, Kam himmlisch Klingen von der Waldeswiese — So sternklar war noch keine Nacht wie diese. Der stille Freier. M ond, der Hirt, lenkt seine Heerde Einsam uͤber'n Wald herauf, Unten auf der stillen Erde Wacht verschwieg'ne Liebe auf. Fern vom Schlosse Glocken schlagen Ueber'n Wald her von der Hoͤh Bringt der Wind den Schall getragen, Und erschrocken lauscht das Reh. Naͤchtlich um dieselbe Stunde Hallet Hufschlag, schnaubt ein Roß, Macht ein Ritter seine Runde Schweigend um der Liebsten Schloß. Wenn die Morgensterne blinken, Todtenbleich der Hirte wird, Und sie muͤssen all' versinken: Reiter, Heerde und der Hirt. Waldgespraͤch . E s ist schon spaͤt, es wird schon kalt, Was reit'st Du einsam durch den Wald? Der Wald ist lang, Du bist allein, Du schoͤne Braut! Ich fuͤhr' Dich heim! „Groß ist der Maͤnner Trug und List, Vor Schmerz mein Herz gebrochen ist, Wohl irrt das Waldhorn her und hin, O flieh! Du weißt nicht, wer ich bin.“ So reich geschmuͤckt ist Roß und Weib, So wunderschoͤn der junge Leib, Jetzt kenn' ich Dich — Gott steh' mir bei! Du bist die Hexe Loreley. „Du kennst mich wohl — von hohem Stein, Schaut still mein Schloß tief in den Rhein. Es ist schon spaͤt, es wird schon kalt, Kommst nimmermehr aus diesem Wald!“ Das Maͤdchen. S tand ein Maͤdchen an dem Fenster Da es draußen Morgen war, Kaͤmmte sich die langen Haare, Wusch sich ihre Aeuglein klar. Sangen Voͤglein aller Arten, Sonnenschein spielt vor dem Haus, Draußen uͤber'm schoͤnen Garten Flogen Wolken weit hinaus. Und sie dehnt' sich in den Morgen Als ob sie noch schlaͤfrig sei, Ach, sie war so voller Sorgen, Flocht ihr Haar und sang dabei: Wie ein Voͤglein hell und reine, Ziehet draußen muntre Lieb', Lockt hinaus zum Sonnenscheine, Ach wer da zu Hause blieb'! Der Schnee . W ann der kalte Schnee zergangen, Stehst Du draußen in der Thuͤr, Kommt ein Knabe schoͤn gegangen, Stellt sich freundlich da zu Dir, Lobet Deine frischen Wangen, Dunkle Locken, Augen licht, Wann der kalte Schnee zergangen Glaub dem falschen Herzen nicht! Wann die lauen Luͤfte wehen, Scheint die Sonne lieblich warm: Wirst Du wohl spazieren gehen, Und er fuͤhret Dich am Arm, Thraͤnen Dir im Auge stehen, Denn so schoͤn klingt, was er spricht, Wann die lauen Luͤfte wehen, Glaub' dem falschen Herzen nicht! Wann die Lerchen wieder schwirren, Trittst Du draußen vor das Haus, Doch er mag nicht mit Dir irren, Zog weit in das Land hinaus; Die Gedanken sich verwirren, Wie Du siehst den Morgen roth, — Wann die Lerchen wieder schwirren, Armes Kind, ach waͤrst Du todt! Die weinende Braut. D u warst so herrlich anzuschauen, So kuͤhn und wild und doch so lieb, Dir mußt' ich Leib und Seel' vertrauen, Ich mocht' nichts mehr, das meine blieb! Da hast Du, Falscher, mich verlassen Und Blumen, Lust und Fruͤhlingsschein, Die ganze Welt sah ich erblassen, Ach Gott, wie bin ich nun allein! Wohl Jahrlang sah ich von den Hoͤhen Und gruͤßte Dich viel tausendmal, Und unten sah ich Viele gehen, Doch Du erschienst nicht in dem Thal. Und mancher Lenz mit bunten Scherzen Kam und verflog im lust'gen Lauf, Doch ach! in dem betrog'nen Herzen Geht niemals mehr der Fruͤhling auf. Ein Kraͤnzlein trag' ich nun im Haare, In reichen Kleidern schoͤn geschmuͤckt, Fuͤhrt mich ein andrer zum Altare, Die Aeltern sind so hoch begluͤckt. Und froͤhlich kann ich mich wohl zeigen, Die Sonne hell wie damals scheint, Und vor dem Jauchzen und dem Geigen Hoͤrt Keiner, wie die Braut still weint. Die Fruͤhlingslieder neu beginnen — Du kehrst nach manchem Jahr zuruͤck, Und stehest still, Dich zu besinnen, Wie auf ein laͤngstvergang'nes Gluͤck. Doch wuͤstverwachsen liegt der Garten, Das Haus steht lange still und leer, Kein Lieb' will Dein am Fenster warten, Und Dich und mich kennt Niemand mehr. Doch eine Lerche siehst Du steigen Vom Thal zum blauen Himmelsport, Ein Baͤchlein rauschet da so eigen, Als weinte es in einem fort. Dort haben sie mich hingetragen, Bedeckten mir mit Stein den Mund — Nun kann ich Dir nicht einmal sagen, Wie ich Dich liebt' aus Herzensgrund. Das zerbrochene Ringlein. I n einem kuͤhlen Grunde Da geht ein Muͤhlenrad, Mein' Liebste ist verschwunden, Die dort gewohnet hat. Sie hat mir Treu versprochen, Gab mir ein'n Ring dabei, Sie hat die Treu gebrochen, Mein Ringlein sprang entzwei. Ich moͤcht' als Spielmann reisen Weit in die Welt hinaus, Und singen meine Weisen, Und geh'n von Haus zu Haus. Ich moͤcht' als Reiter fliegen Wohl in die blut'ge Schlacht, Um stille Feuer liegen Im Feld bei dunkler Nacht. Hoͤr' ich das Muͤhlrad gehen: Ich weiß nicht, was ich will — Ich moͤcht' am liebsten sterben, Da waͤr's auf einmal still! Der Gefangene . I n gold'ner Morgenstunde, Weil alles freudig stand, Da ritt im heitern Grunde Ein Ritter uͤber Land. Rings sangen auf das beste Die Voͤglein mannigfalt, Es schuͤttelte die Aeste Vor Lust der gruͤne Wald. Den Nacken, stolz gebogen, Klopft er dem Roͤsselein So ist er hingezogen Tief in den Wald hinein. Sein Roß hat er getrieben, Ihn trieb der frische Muth: „Ist alles fern geblieben, So ist mir wohl und gut!“ Mit Freuden mußt' er sehen Im Wald' ein' gruͤne Au, Wo Bruͤnnlein kuͤhle gehen, Von Blumen roth und blau. Vom Roß ist er gesprungen, Legt sich zum kuͤhlen Bach, Die Wellen lieblich klungen, Das ganze Herz zog nach. 28 So gruͤne war der Rasen, Es rauschte Bach und Baum, Sein Roß thaͤt stille grasen Und alles wie ein Traum. Die Wolken sah er gehen, Die schifften immer zu, Er konnt' nicht widerstehen, — Die Augen sanken ihm zu. Nun hoͤrt' er Stimmen rinnen, Als wie der Liebsten Gruß, Er konnt' sich nicht besinnen — Bis ihn erweckt ein Kuß. Wie praͤchtig glaͤnzt die Aue! Wie Gold der Quell nun floß, Und einer suͤßen Fraue Lag er im weichen Schooß. „Herr Ritter! wollt Ihr wohnen Bei mir im gruͤnen Haus: Aus allen Blumenkronen Wind' ich Euch einen Strauß! Der Wald ringsum wird wachen, Wie wir beisammen sein, Der Kukuk schelmisch lachen, Und alles froͤhlich sein.“ Es bog ihr Angesichte Auf ihn den suͤßen Leib, Schaut mit den Augen lichte Das wunderschoͤne Weib. Sie nahm sein'n Helm herunter, Loͤst' Krause ihm und Bund, Spielt' mit den Locken munter, Kuͤßt ihm den rothen Mund. Und spielt' viel' suͤße Spiele Wohl in geheimer Lust, Es flog so kuͤhl und schwuͤle Ihm um die off'ne Brust. Um ihn nun thaͤt sie schlagen Die Arme weich und bloß, Er konnte nichts mehr sagen, Sie ließ ihn nicht mehr los. Und diese Au zur Stunde Ward ein krystallnes Schloß, Der Bach ein Strom, gewunden Ringsum, gewaltig floß. Auf diesem Strome gingen Viel' Schiffe wohl vorbei, Es konnt' ihn keines bringen Aus boͤser Zauberei. 28 * Der traurige Jaͤger . Z ur ew'gen Ruh sie sangen Die schoͤne Muͤllerin, Die Sterbeglocken klangen Noch uͤber'n Waldgrund hin. Da steht ein Fels so kuͤhle, Wo keine Wandrer geh'n, Noch einmal nach der Muͤhle Wollt' dort der Jaͤger sehn. Die Waͤlder rauschten leise, Sein Jagen war vorbei, Der blies so irre Weise, Als muͤßt' das Herz entzwei. Und still dann in der Runde Ward's uͤber Thal und Hoͤh'n, Man hat seit dieser Stunde Ihn nimmer mehr geseh'n. Der Braͤutigam. V on allen Bergen nieder So froͤhlich Gruͤßen schallt — Das ist der Fruͤhling wieder, Der ruft zum gruͤnen Wald! Ein Liedchen ist erklungen Herauf zum stillen Schloß — Dein Liebster hat's gesungen Der hebt Dich auf sein Roß. Wir reiten so geschwinde, Von allen Menschen weit. — Da rauscht die Luft so linde In Waldeseinsamkeit. Wohin? Im Mondenschimmer So bleich der Wald schon steht. — Leis rauscht die Nacht — frag' nimmer, Wo Lieb' zu Ende geht! Die falsche Schwester. M eine Schwester, die spielt' an der Linde — Stille Zeit, wie so weit, so weit! Da spielten so schoͤne Kinder Mit ihr in der Einsamkeit. Von ihren Locken verhangen Schlief sie und lachte im Traum, Und die schoͤnen Kinder sangen Die ganze Nacht unter'm Baum. Die ganze Nacht hat gelogen, Sie hat mich so falsch gegruͤßt, Die Engel sind fortgeflogen, Und Haus und Garten steh'n wuͤst. Es zittert die alte Linde Und klaget der Wind so schwer, Das macht, das macht die Suͤnde — Ich wollt', ich laͤg' im Meer! Die Sonne ist untergegangen Und der Mond im tiefen Meer, Es dunkelt schon uͤber dem Lande, Gute Nacht! seh' Dich nimmermehr! Der Reitersmann . H och uͤber den stillen Hoͤhen Stand in dem Wald ein Haus, Dort war's so einsam zu sehen Weit uͤber'n Wald hinaus. Drin saß ein Maͤdchen am Rocken, Den ganzen Abend lang, Der wurden die Augen nicht trocken, Sie spann und sann und sang: „Mein Liebster, der war ein Reiter, Dem schwur ich Treu' bis in Tod, Der zog uͤber Land und weiter, Zu Krieges-Lust und Noth. Und als ein Jahr war vergangen, Und wieder bluͤhte das Land, Da stand ich voller Verlangen, Hoch an des Waldes Rand. Und zwischen den Bergesbogen, Wohl uͤber den gruͤnen Plan, Kam mancher Reiter gezogen, Der meine kam nicht mit an. Und zwischen den Bergesbogen, Wohl uͤber den gruͤnen Plan, Ein Jaͤgersmann kam geflogen, Der sah mich so muthig an. So lieblich die Sonne schiene, Das Waldhorn scholl weit und breit, Da fuͤhrt' er mich in das Gruͤne, Das war eine schoͤne Zeit! — Der hat so lieblich gelogen Mich aus der Treue heraus, Der Falsche hat mich betrogen, Zog weit in die Welt hinaus.“ — Sie konnte nicht weiter singen, Vor bitterem Schmerz und Leid, Die Augen ihr uͤbergingen In ihrer Einsamkeit. Die Muhme, die saß beim Feuer Und waͤrmet sich am Kamin, Es flackert und spruͤht das Feuer, Hell uͤber die Stub' es schien. Sie sprach: „Ein Kraͤnzlein in Haaren, Das stuͤnde Dir heut gar schoͤn, Willst draußen auf dem See nicht fahren? Hohe Blumen am Ufer dort steh'n.“ Ich kann nicht holen die Blumen, Im Hemdlein weiß am Teich Ein Maͤdchen huͤtet die Blumen, Die sieht so todtenbleich. „Und hoch auf des Sees Weite, Wenn alles finster und still, Da rudern zwei stille Leute, — Der Eine Dich haben will.“ Sie schauen wie alte Bekannte, Still, ewig stille sie sind, Doch einmal der Eine sich wandte, Da faßt' mich ein eiskalter Wind. — Mir ist zu wehe zum Weinen — Die Uhr so gleichfoͤrmig pickt, Das Raͤdleiu, das schnurrt so in einem, Mir ist, als waͤr' ich verruͤckt. — Ach Gott! wann wird sich doch roͤthen, Die froͤhliche Morgenstund'! Ich moͤchte hinausgeh'n und beten, Und beten aus Herzensgrund! So bleich schon werden die Sterne, Es ruͤhrt sich staͤrker der Wald, Schon kraͤhen die Haͤhne von Ferne, Mich friert, es wird so kalt! Ach, Muhme! was ist Euch geschehen? Die Nase wird Euch so lang, Die Augen sich seltsam verdrehen — Wie wird mir vor Euch so bang! — Und wie sie so grauenvoll klagte, Klopft's draußen an's Fensterlein, Ein Mann aus der Finsterniß ragte, Schaut still in die Stube herein. Die Haare wild umgehangen, Von blutigen Tropfen naß, Zwei blutige Streifen sich schlangen, Wie Kraͤnzlein, um's Antlitz blaß. Er gruͤßt' sie so fuͤrchterlich heiter, Er heißt sie sein' liebliche Braut, Da kannt' sie mit Schaudern den Reiter, Faͤllt nieder auf ihre Knie. Er zielt' mit dem Rohre durch's Gitter, Auf die schneeweiße Brust hin; „Ach, wie ist das Sterben so bitter, Erbarm' dich, weil ich so jung noch bin!“ — Stumm blieb sein steinerner Wille, Es blitzte so rosenroth, Da wurd' es auf einmal stille Im Walde und Haus und Hof. — Fruͤhmorgens da lag so schaurig Verfallen im Walde das Haus, Ein Waldvoͤglein sang so traurig, Flog fort uͤber den See hinaus. Das kalte Liebchen. Er. L aß mich ein, mein suͤßes Schaͤtzchen! Sie. Finster ist mein Kaͤmmerlein. Er. Ach, ich finde doch mein Plaͤtzchen. Sie. Und mein Bett ist eng und klein. Er. Fern komm' ich vom weichen Pfuͤhle. Sie. Ach, mein Lager ist von Stein! Er. Draußen ist die Nacht so kuͤhle. Sie. Hier wird's noch viel kuͤhler sein. Er. Sieh! die Sterne schon erblassen. Sie. Schwerer Schlummer faͤllt mich an. — Er. Nun, so will ich schnell Dich fassen! Sie. Ruͤhr' mich nicht so gluͤhend an. Er. Fieberschauer mich durchbeben. Sie. Wahnsinn bringt der Todten Kuß. — Er. Weh! es bricht mein junges Leben! Sie. Mit ins Grab hinunter muß. Die verlorene Braut. V ater und Kind gestorben Ruhten im Grabe tief, Die Mutter hatt' erworben Seitdem ein ander Lieb. Da droben auf dem Schlosse Da schallt das Hochzeitsfest, Da lacht's und wiehern Rosse, Durch's Gruͤn zieh'n bunte Gaͤst'. Die Braut schaut' in's Gefilde Noch einmal vom Altan, Es sah so ernst und milde Sie da der Abend an. Rings waren schon verdunkelt Die Thaͤler und der Rhein, In ihrem Brautschmuck funkelt Nur noch der Abendschein. Sie hoͤrte Glocken gehen Im weiten, tiefen Thal, Es bracht' der Luͤfte Wehen Fern uͤber'n Wald den Schall. Sie dacht': „O falscher Abend! Wen das bedeuten mag? Wen laͤuten sie zu Grabe An meinem Hochzeitstag?“ Sie hoͤrt' im Garten rauschen Die Brunnen immerdar Und durch der Waͤlder Rauschen Ein Singen wunderbar. Sie sprach: „Wie wirres Klingen Kommt durch die Einsamkeit, Das Lied wohl hoͤrt' ich singen In alter, schoͤner Zeit.“ Es klang, als wollt' sie's rufen Und gruͤßen tausendmal — So stieg sie von den Stufen, So kuͤhle rauscht' das Thal. So zwischen Weingehaͤngen, Stieg sinnend sie in's Land Hinunter zu den Klaͤngen, Bis sie im Walde stand. Dort ging sie, wie in Traͤumen, Im weiten, stillen Rund, Das Lied klang in den Baͤumen, Von Quellen rauscht' der Grund. — Derweil von Mund zu Munde Durch's Haus, erst heimlich sacht, Und lauter geht die Kunde: Die Braut irrt in der Nacht! Der Braͤut'gam thaͤt erbleichen, Er hoͤrt im Thal das Lied, Ein dunkelrothes Zeichen Ihm von der Stirne gluͤht. Und Tanz und Jubel enden, Er und die Gaͤst' im Saal, Windlichter in den Haͤnden, Sich stuͤrzen in das Thal. Da schweifen rothe Scheine, Schall nun und Rosseshuf, Es hallen die Gesteine Rings von verworr'nem Ruf. Doch einsam irrt die Fraue Im Walde schoͤn und bleich, Die Nacht hat tiefes Grauen, Das ist von Sternen so reich. Und als sie war gelanget Zum allerstillsten Grund, Ein Kind am Felsenhange Dort freundlich laͤchelnd stund. Das trug in seinen Locken Einen weißen Rosenkranz, Sie schaut' es an erschrocken Beim irren Mondesglanz. „Solch' Augen hat das meine, Ach meines bist Du nicht, Das ruht ja unter'm Steine, Den niemand mehr zerbricht. Ich weiß nicht, was mir grauset, Blick' nicht so fremd auf mich! Ich wollt', ich waͤr' zu Hause, Nach Hause fuͤhr' ich Dich.“ Sie geh'n nun miteinander, So truͤbe weht der Wind, Die Fraue sprach im Wandern: „Ich weiß nicht, wo wir sind. Wen tragen sie beim Scheine Der Fackeln durch die Schluft? O Gott, der stuͤrzt' vom Steine Sich todt in dieser Kluft!“ Das Kind sagt: „Den sie tragen, Dein Braͤut'gam heute war, Er hat meinen Vater erschlagen, 'S ist diese Stund' ein Jahr. Wir alle muͤssen's buͤßen, Bald wird es besser sein, Der Vater laͤßt Dich gruͤßen, Mein liebes Muͤtterlein.“ Ihr schauert's durch die Glieder: „Du bist mein todtes Kind! Wie funkeln die Sterne nieder, Jetzt weiß ich, wo wir sind.“ — Da loͤst' sie Kranz und Spangen, Und uͤber ihr Angesicht Perlen und Thraͤnen rannen, Man unterschied sie nicht. Und uͤber die Schultern nieder Rollten die Locken sacht, Verdunkelnd Augen und Glieder, Wie eine praͤchtige Nacht. Um's Kind den Arm geschlagen, Sank sie in's Gras hinein — Dort hatten sie erschlagen Den Vater im Gestein. Die Hochzeitsgaͤste riefen Im Walde auf und ab, Die Gruͤnde alle schliefen, Nur Echo Antwort gab. Und als sich leis erhoben Der erste Morgenduft, Hoͤrten die Hirten droben Ein Singen in stiller Luft. Parole. S ie stand wohl am Fensterbogen Und flocht sich traurig ihr Haar, Der Jaͤger war fortgezogen, Der Jaͤger ihr Liebster war. Und als der Fruͤhling gekommen, Die Welt war von Bluͤten verschneit, Da hat sie ein Herz sich genommen Und ging in die gruͤne Haid. Sie legt das Ohr an den Rasen, Hoͤrt ferner Hufe Klang — Das sind die Rehe, die grasen Am schattigen Bergeshang. Und Abends die Waͤlder rauschen, Von fern nur faͤllt noch ein Schuß, Da steht sie stille, zu lauschen: „Das war meines Liebsten Gruß!“ Da sprangen vom Fels die Quellen, Da flogen die Voͤglein in's Thal. „Und wo ihr ihn trefft, ihr Gesellen, Gruͤßt mir ihn tausendmal!“ 29 Zauberblick . D ie Burg die liegt verfallen In schoͤner Einsamkeit, Dort saß ich vor den Hallen Bei stiller Mittagszeit. Es ruhten in der Kuͤhle Die Rehe auf dem Wall Und tief in blauer Schwuͤle Die sonn'gen Thaͤler all. Tief unten hoͤrt' ich Glocken In weiter Ferne geh'n, Ich aber mußt erschrocken Zum alten Erker seh'n. Denn in dem Fensterbogen Ein' schoͤne Fraue stand, Als huͤtete sie droben Die Waͤlder und das Land. Ihr Haar, wie'n gold'ner Mantel, War tief herabgerollt; Auf einmal sie sich wandte, Als ob sie sprechen wollt'. Und als ich schauernd lauschte — Da war ich aufgewacht Und unter mir schon rauschte So wunderbar die Nacht. Traͤumt' ich im Mondesschimmer? Ich weiß nicht, was mir graut, Doch das vergeß' ich nimmer, Wie sie mich angeschaut! 29 * Der verirrte Jaͤger. „ I ch hab' geseh'n ein Hirschlein schlank Im Waldesgrunde steh'n, Nun ist mir draußen weh' und bang, Muß ewig nach ihm geh'n. Frischauf, ihr Waldgesellen mein! In's Horn, in's Horn frischauf! Das lockt so hell, das lockt so fein, Aurora thut sich auf!“ Das Hirschlein fuͤhrt den Jaͤgersmann In gruͤner Waldesnacht, Thalunter schwindelnd und bergan, Zu niegeseh'ner Pracht. „Wie rauscht schon abendlich der Wald, Die Brust mir schaurig schwellt! Die Freunde fern, der Wind so kalt, So tief und weit die Welt!“ Es lockt so tief, es lockt so fein Durch's dunkelgruͤne Haus, Der Jaͤger irrt und irrt allein, Find't nimmermehr heraus. — Die spaͤte Hochzeit. D er Mond ging unter — jetzt ist's Zeit. — Der Braͤut'gam steigt vom Roß, Er hat so lange schon gefreit — Da thut sich auf das Schloß, Und in der Halle sitzt die Braut Auf diamant'nem Sitz, Von ihrem Schmuck thut's durch den Bau Ein'n langen rothen Blitz. — Blass' Knaben warten schweigend auf, Still' Gaͤste steh'n herum, Da richt't die Braut sich langsam auf, So hoch und bleich und stumm. Sie schlaͤgt zuruͤck ihr Goldgewand, Da schauert ihn vor Lust, Sie langt mit kalter, weißer Hand Das Herz ihm aus der Brust. Die stille Gemeine. V on Bretagne's Huͤgeln, die das Meer Bluͤhend hell umsaͤumen, Schaute ein Kirchlein trostreich her Zwischen uralten Baͤumen. Das Kornfeld und die Waͤlder weit Rauschten im Sonntagsglanze, Doch keine Glocken klangen heut Vom gruͤnen Felsenkranze. Denn auf des Kirchhof's schatt'gem Grund Die Jakobiner saßen, Ihre Pferde alle Blumen bunt Von den Grabeshuͤgeln fraßen. Am Kreuze auf der stillen Hoͤh Feldflasch' und Saͤbel hingen, Derweil sie, statt des Kyrie, Die Marseillaise singen. Ihr Hauptmann aber lehnt' am Baum, Todtmuͤde von schweren Wunden, Und schaute wie im Fiebertraum Nach dem tiefschwuͤlen Grunde. Er sprach verwirrt: „Da druͤben stand Des Vaters Schloß am Weiher, Ich selbst steckt's an; das war ein Brand, Der Freiheit Freudenfeuer!“ „Ich seh' ihn noch: wie durch den Sturm Zwischen den feur'gen Zungen Mein stolzer Vater da vom Thurm Sein Banner hat geschwungen.“ „Und als es war entlaubt vom Brand, Die Fahn' im Wind zerflogen: Den Schaft als Kreuz nun in der Hand Theilt' er die Flammenwogen.“ „Er sah so wunderbar auf mich, Ich konnt' ihn nicht ermorden — Da sank die Burg, er wandte sich Und ist ein Pfaff geworden.“ „Seitdem hoͤr' ich in Traͤumen schwer Von ferne Glocken gehen Und seh' in rothem Feuermeer Ein Kreuz allnaͤchtlich stehen.“ „Es sollen keine Glocken geh'n, Die Naͤchte zu verstoͤren, Kein Kreuz soll mehr auf Erden steh'n, Um Narren zu bethoͤren!“ „Und dieses Kirchlein hier bewacht, Sie sollen nicht Messe singen, Wir reißen's nieder uͤber Nacht, Licht sei, wohin wir dringen!“ — Und als die Nacht schritt leis daher, Der Hauptmann stand am Strande, So still im Wald, so still das Meer, Nur die Wachen riefen im Lande. Im Wind die Glock' von selbst anschlug, Da wollt' ein Hauch sich heben, Wie unsichtbarer Engel Flug, Die uͤber's Wasser schweben. Nun sieht er auch im Meere fern Ein Lichtlein hell entglommen; Er dacht', wie ist der schoͤne Stern Dort in die Flut gekommen? Am Ufer aber durch die Nacht In allen Felsenspalten Regt sich's und schluͤpft es leis und sacht, Viel' dunkle, schwanke Gestalten. Nur manchmal von den Buchten her Schallt Ruderschlag von weitem, Auf Barken lautlos in das Meer Sie nach dem Stern hin gleiten. Der waͤchst und breitet sich im Nah'n Und streift mit Glanz die Wellen, Es ist ein kleiner Fischerkahn, Den Fackeln mild erhellen. Und einsam auf des Schiffleins Rand Ein Greis kommt hergezogen In wunderbarem Meßgewand Als wie der Hirt der Wogen. Die Barken eine weite Rund' Dort um den Hirten machen, Der laut nun uͤber'm Meeresgrund Den Segen spricht im Nachen. Da schwieg der Wind und rauscht' das Meer So wunderbare Weise Und auf den Knieen lag ringsher Die stille Gemeine im Kreise. Und als er das Kreuz hob in die Luft, Hoch zwischen die Fackeln trat er — Den Hauptmann schauert im Herzensgrund, Es war sein alter Vater. Da taumelt' er und sank in's Gras Betend im stillen Grunde, Und wie Felsenquellen im Fruͤhling brach Sein Herzblut aus allen Wunden. Und als die Gesellen kommen zum Strand, Einen todten Mann sie finden — Voll Graun sie sprengten fort durch's Land, Als jagt' sie der Tod in den Winden. Die stuͤrzten sich in den Krieg so weit, Sie sind verweht und zerstoben, Das Kirchlein aber steht noch heut Unter den Linden droben. Die deutsche Jungfrau. E s stand ein Fraͤulein auf dem Schloß, Erschlagen war im Streit ihr Roß, Schnob wie ein See die finstre Nacht, Wollt' uͤberschrei'n die wilde Schlacht. Im Thal die Bruͤder lagen todt, Es brannt' die Burg so blutigroth, In Lohen stand sie auf der Wand, Hielt hoch die Fahne in der Hand. Da kam ein roͤm'scher Rittersmann, Der ritt keck an die Burg hinan, Es blitzt sein Helm gar mannigfach, Der schoͤne Ritter also sprach: „Jungfrau komm in die Arme mein! Sollst Deines Siegers Herrin sein. Will bau'n Dir einen Pallast schoͤn, In praͤcht'gen Kleidern sollst Du geh'n. Es thun Dein' Augen mir Gewalt Kann nicht mehr fort aus diesem Wald, Aus wilder Flammen Spiel und Graus Trag' ich mir meine Braut nach Haus!“ Der Ritter ließ sein weißes Roß Stieg durch den Brand hinauf in's Schloß, Viel' Knecht' ihm waren da zur Hand, Zu holen das Fraͤulein von der Wand. Das Fraͤulein stieß die Knecht' hinab, Den Liebsten auch in's heiße Grab, Sie selbst dann in die Flamme sprang, Ueber ihnen die Burg zusammen sank. Die wunderliche Prinzessin. W eit in einem Walde droben Zwischen hoher Felsen Zinnen, Steht ein altes Schloß erhoben, Wohnet eine Zaub'rin drinne. Von dem Schloß, der Zaub'rin Schoͤne Gehen wunderbare Sagen, Lockend schweifen fremde Toͤne Ploͤtzlich her oft aus dem Walde. Wem sie recht das Herz getroffen, Der muß nach dem Walde gehen, Ewig diesen Klaͤngen folgend, Und wird nimmer mehr gesehen. Tief in wundersamer Gruͤne Steht das Schloß, schon halb verfallen, Hell die gold'nen Zinnen gluͤhen, Einsam sind die weiten Hallen. Auf des Hofes stein'gem Rasen Sitzen von der Tafelrunde All' die Helden dort gelagert, Ueberdeckt mit Staub und Wunden. Heinrich liegt auf seinem Loͤwen, Gottfried auch, Siegfried der Scharfe, Koͤnig Alfred, eingeschlafen Ueber seiner gold'nen Harfe. Don Quixot' hoch auf der Mauer Sinnend tief in naͤcht'ger Stunde, Steht geruͤstet auf der Lauer Und bewacht die heil'ge Runde. Unter fremdes Volk verschlagen, Arm und ausgehoͤhnt, verrathen, Hat er treu sich durchgeschlagen, Eingedenk der Heldenthaten Und der großen alten Zeiten, Bis er, ganz von Wahnsinn trunken, Endlich so nach langem Streiten Seine Bruͤder hat gefunden. Einen wunderbaren Hofstaat Die Prinzessin dorten fuͤhret, Hat ein'n wunderlichen Alten, Der das ganze Haus regieret. Einen Mantel traͤgt der Alte, Schillernd bunt in allen Farben Mit unzaͤhligen Zierrathen, Spielzeug hat er in den Falten Scheint der Monden helle draußen, Wolken fliegen uͤber'm Grunde: Faͤngt er draußen an zu hausen, Kramt sein Spielzeug aus zur Stunde. Und das Spielzeug um den Alten Ruͤhrt sich bald beim Mondenscheine, Zupfet ihn beim langen Barte, Schlingt um ihn die bunten Kreise Auch die Bluͤmlein nach ihm langen, Moͤchten doch sich sittsam zeigen, Zieh'n verstohlen ihn beim Mantel, Lachen dann in sich gar heimlich. Und ringsum die ganze Runde Zieht Gesichter ihm und rauschet, Unterhaͤlt aus dunklem Grunde Sich mit ihm als wie im Traume. Und er spricht und sinnt und sinnet, Bunt verwirrend alle Zeiten, Weinet bitterlich und lachet, Seine Seele ist so heiter. Bei ihm sitzt dann die Prinzessin, Spielt mit seinen Seltsamkeiten, Immer neue Wunder blinkend Muß er aus dem Mantel breiten. Und der wunderliche Alte Hielt sie sich bei seinen Bildern Neidisch immerfort gefangen, Weit von aller Welt geschieden. Aber der Prinzessin wurde Mitten in dem Spiele bange Unter diesen Zauberblumen, Zwischen dieser Quellen Rauschen. Frisches Morgenroth im Herzen Und voll freudiger Gedanken, Sind die Augen wie zwei Kerzen, Schoͤn die Welt dran zu entflammen. Und die wunderschoͤne Erde, Wie Aurora sie beruͤhret, Will mit ird'scher Lust und Schmerzen Ewig neu sie stets verfuͤhren. Denn aus dem bewegten Leben Spuͤret sie ein Hochzeitsgruͤßen, Mitten zwischen ihren Spielen Muß sie sich bezwungen fuͤhlen. Und es hebt die ewig Schoͤne, Da der Morgen herrlich schiene, In den Augen große Thraͤnen, Hell die jugendlichen Glieder. „Wie so anders war es damals, Da mich, braͤutlich Ausgeschmuͤckte, Aus dem heimathlichen Garten Hier herab der Vater schickte! Wie die Erde frisch und jung noch, Von Gesaͤngen rings erklingend, Schauernd in Erinnerungen, Helle in das Herz mir blickte, Daß ich, schamhaft mich verhuͤllend, Meinen Ring, vom Glanz geblendet, Schleudert' in die praͤcht'ge Fuͤlle, Als die ew'ge Braut der Erde. Wo ist nun die Pracht geblieben, Treuer Ernst im ruͤst'gen Treiben, Rechtes Thun und rechtes Lieben Und die Schoͤnheit und die Freude? Ach! ringsum die Helden alle, Die sonst schoͤn und helle schauten, Um mich in den lichten Tagen Durch die Welt sich froͤhlich hauten, Strecken steinern nun die Glieder, Eingehuͤllt in ihre Fahnen, Sind seitdem so alt geworden, Nur ich bin so jung wie damals. — Von der Welt kann ich nicht lassen, Liebeln nicht von fern mit Reden, In den Arm lebendig fassen! — Laß mich lieben, laß mich leben!“ Nun verliebt die Augen gehen Ueber ihres Gartens Mauer, War so einsam dort zu sehen Schimmernd Land und Stroͤm' und Auen. Und wo ihre Augen gingen: Quellen aus der Gruͤne sprangen, Berg und Wald verzaubert standen Tausend Voͤgel schwirrend sangen. Golden blitzt es uͤber'm Grunde, Selt'ne Farben irrend schweifen, Wie zu lang entbehrtem Feste Will die Erde sich bereiten. Und nun kamen angezogen Freier bald von allen Seiten, Federn bunt im Winde flogen, Jaͤger schmuck im Walde reiten. Hoͤrner munter drein erschallen Auf und unter durch das Gruͤne, Pilger fromm dazwischen wallen, Die das Heimathsfieber spuͤren. Auf vielsonn'gen Wiesen floͤten Schaͤfer bei schneeflock'gen Schafen, Ritter in der Abendroͤthe Knien auf des Berges Hange, 30 Und die Naͤchte von Guitarren Und Gesaͤngen weich erschallen, Daß der wunderliche Alte Wie verruͤckt beginnt zu tanzen. Die Prinzessin schmuͤckt mit Kraͤnzen Wieder sich die schoͤnen Haare, Und die vollen Kraͤnze glaͤnzen Und sie blickt verlangend nieder. Doch die alten Helden alle, Draußen vor der Burg gelagert, Saßen dort im Morgenglanze, Die das schoͤne Kind bewachten. An das Thor die Freier kamen Nun gesprengt, gehuͤpft, gelaufen, Ritter, Jaͤger, Provenzalen, Bunte, helle, lichte Haufen. Und vor allen junge Recken Stolzen Blicks den Berg berannten, Die die alten Helden weckten, Sie vertraulich Bruͤder nannten. Doch wie diese uralt blicken, An die Eisenbrust geschlossen, Bruͤderlich die Jungen druͤcken, Fallen die erdruͤckt zu Boden. Andre lagern sich zum Alten, Graust ihn'n gleich bei seinen Mienen, Ordnen sein verworr'nes Walten, Daß es jedem wohlgefiele; Doch sie fuͤhlen schauernd balde, Daß sie ihn nicht koͤnnen zwingen, Selbst zu Spielzeug sich verwandelt, Und der Alte spielt mit ihnen. Und sie muͤssen thoͤricht tanzen, Manche mit der Kron' geschmuͤcket Und im purpurnen Talare Feierlich den Reigen fuͤhren. Andre schweben lispelnd lose, Andre muͤssen maͤnnlich laͤrmen, Rittern reißen aus die Rosse Und die schreien gar erbaͤrmlich. Bis sie endlich alle muͤde Wieder kommen zu Verstande, Mit der ganzen Welt im Frieden, Legen ab die Maskerade. „Jaͤger sind wir nicht, noch Ritter,“ Hoͤrt man sie von fern noch summen, „Spiel nur war das — wir sind Dichter!“ — So vertost der ganze Plunder, Nuͤchtern liegt die Welt wie ehe, Und die Zaub'rin bei dem Alten Spielt' die vor'gen Spiele wieder Einsam wohl noch lange Jahre. — 30 * Meeresstille . I ch seh' von des Schiffes Rande Tief in die Fluth hinein: Gebirge und gruͤne Lande Und Truͤmmer im falben Schein Und zackige Thuͤrme im Grunde, Wie ich's oft im Traum mir gedacht, Das daͤmmert alles da unten Als wie eine praͤchtige Nacht. Seekoͤnig auf seiner Warte Sitzt in der Daͤmm'rung tief, Als ob er mit langem Barte Ueber seiner Harfe schlief'; Da kommen und gehen die Schiffe Daruͤber, er merkt es kaum, Von seinem Korallenriffe Gruͤßt er sie wie im Traum. Der zaubrische Spielmann. N aͤchtlich in dem stillen Grunde, Wenn das Abendroth versank, Um das Waldschloß in die Runde Ging ein lieblicher Gesang. Fremde waren diese Weisen, Und der Saͤnger unbekannt, Aber, wie in Zauberkreisen, Hielt er jede Brust gebannt. Hinter bluͤh'nden Mandelbaͤumen Auf dem Schloß das Fraͤulein lauscht — Drunten alle Blumen traͤumen, Wolluͤstig der Garten rauscht. Und die Wellen buhlend klingen, Ringend in geheimer Lust Kommt das wunderbare Singen An die suͤß vertraͤumte Brust. „Warum weckst Du das Verlangen, Das ich kaum zur Ruh gebracht? Siehst Du hoch die Lilien prangen? Boͤser Saͤnger, gute Nacht! Sieh', die Blumen steh'n voll Thraͤnen, Einsam die Viole wacht, Als wollt' sie sich schmachtend dehnen In die warme Sommernacht. Wohl von suͤßem rothen Munde Kommt so holden Sanges Macht — Bleibst Du ewig dort im Grunde, Unerkannt in stiller Nacht? Ach, im Wind verfliegt mein Gruͤßen! Einmal, eh' der Tag erwacht, Moͤcht' ich Deinen Mund nur kuͤssen, Sterbend so in suͤßer Nacht! Nachtigall, verliebte, klage Nicht so schmeichelnd durch die Nacht! — Ach! ich weiß nicht was ich sage, Krank bin ich und uͤberwacht.“ Also sprach sie, und die Lieder Lockten staͤrker aus dem Thal, Rings durch's ganze Thal hallt's wieder Von der Liebe Lust und Qual. Und sie konnt' nicht widerstehen, Enge ward ihr das Gemach, Aus dem Schlosse mußt' sie gehen Diesem Zauberstrome nach. Einsam steigt sie von den Stufen Ach! so schwuͤle weht der Wind: Draußen suͤß die Stimmen rufen Immerfort das schoͤne Kind. Alle Blumen trunken lauschen, Von den Klaͤngen hold durchirrt, Lieblicher die Brunnen rauschen, Und sie eilet suͤß verwirrt. — Wohl am Himmel auf und nieder Trieb der Hirt die gold'ne Schaar, Die Verliebte kehrt nicht wieder, Leer nun Schloß und Garten war. Und der Saͤnger seit der Stunde Nicht mehr weiter singen will, Rings im heimlich kuͤhlen Grunde War's vor Liebe seelig still. Der armen Schoͤnheit Lebenslauf. D ie arme Schoͤnheit irrt auf Erden, So lieblich Wetter draußen ist, Moͤcht' gern recht viel gesehen werden, Weil jeder sie so freundlich gruͤßt. Und wer die arme Schoͤnheit schauet, Sich wie auf großes Gluͤck besinnt, Die Seele fuͤhlt sich recht erbauet, Wie wenn der Fruͤhling neu beginnt. Da sieht sie viele schoͤne Knaben, Die reiten unten durch den Wind, Moͤcht' manchen gern im Arme haben, Huͤt' Dich, huͤt' Dich, Du armes Kind! Da zieh'n manch' redliche Gesellen, Die sagen: Hast nicht Geld, noch Haus, Wir fuͤrchten Deine Augen helle, Wir haben nichts zum Hochzeitschmaus. Von andern thut sie sich wegdrehen, Weil keiner ihr so wohl gefaͤllt, Die muͤssen traurig weitergehen, Und zoͤgen gern an's End' der Welt. Da sagt sie: Was hilft mir mein Sehen, Ich wuͤnscht', ich waͤre lieber blind, Da alle furchtsam von mir gehen, Weil gar so schoͤn mein' Augen sind. — Nun sitzt sie hoch auf lichtem Schlosse, In schoͤne Kleider putzt sie sich, Die Fenster gluͤh'n, sie winkt vom Schlosse, Die Sonne sinkt, das blendet Dich. Die Augen, die so furchtsam waren, Die haben jetzt so freien Lauf, Fort ist das Kraͤnzlein aus den Haaren, Und hohe Federn steh'n darauf. Das Kraͤnzlein ist herausgerissen, Ganz ohne Scheu sie mich anlacht; Geh' Du vorbei: sie wird Dich gruͤßen, Winkt Dir zu einer schoͤnen Nacht. — Da sieht sie die Gesellen wieder, Die fahren unten auf dem Fluß, Es singen laut die lust'gen Bruͤder, So furchtbar schallt des Einen Gruß: „Was bist Du fuͤr 'ne schoͤne Leiche! So wuͤste ist mir meine Brust, Wie bist Du nun so arm, Du Reiche, Ich hab' an Dir nicht weiter Lust!“ Der Wilde hat ihr so gefallen, Laut schrie sie auf bei seinem Gruß, Vom Schloß moͤcht' sie herunter fallen, Und unten ruh'n im kuͤhlen Fluß. — Sie blieb nicht laͤnger mehr da oben, Weil alles anders worden war, Vor Schmerz ist ihr das Herz erhoben, Da ward's so kalt, doch himmlisch klar. Da legt sie ab die gold'nen Spangen, Den falschen Putz und Ziererei, Aus dem verstockten Herzen drangen Die alten Thraͤnen wieder frei. Kein Stern wollt' nicht die Nacht erhellen, Da mußte die Verliebte geh'n, Wie rauscht der Fluß! die Hunde bellen, Die Fenster fern erleuchtet steh'n. Nun bist Du frei von Deinen Suͤnden, Die Lieb' zog triumphirend ein, Du wirst noch hohe Gnade finden, Die Seele geht in Hafen ein. — Der Liebste war ein Jaͤger worden, Der Morgen schien so rosenroth, Da blies er lustig auf dem Horne, Blies immerfort in seiner Noth. Die Hochzeitsnacht. N achts durch die stille Runde Rauschte des Rheines Lauf, Ein Schifflein zog im Grunde, Ein Ritter stand darauf. Die Blicke irre schweifen Von seines Schiffes Rand, Ein blutigrother Streifen Sich um das Haupt ihm wand. Der sprach: „Da oben stehet Ein Schloͤßlein uͤber'm Rhein, Die an dem Fenster stehet: Das ist die Liebste mein. Sie hat mir Treu' versprochen, Bis ich gekommen sei, Sie hat die Treu gebrochen, Und alles ist vorbei.“ Viel Hochzeitleute drehen Sich oben laut und bunt, Sie bleibet einsam stehen, Und lauschet in den Grund. Und wie sie tanzen munter, Und Schiff und Schiffer schwand, Stieg sie vom Schloß herunter, Bis sie im Garten stand. Die Spielleut' musizirten, Sie sann gar mancherlei, Die Toͤne sie so ruͤhrten, Als muͤßt' das Herz entzwei. Da trat ihr Braͤut'gam suͤße Zu ihr aus stiller Nacht, So freundlich er sie gruͤßte, Daß ihr das Herze lacht. Er sprach: „Was willst Du weinen, Weil alle froͤhlich sein? Die Stern' so helle scheinen, So lustig geht der Rhein. Das Kraͤnzlein in den Haaren Steht Dir so wunderfein, Wir wollen etwas fahren Hinunter auf dem Rhein.“ Zum Kahn folgt' sie behende, Setzt sich ganz vorne hin, Er setzt' sich an das Ende Und ließ das Schifflein zieh'n. Sie sprach: „Die Toͤne kommen Verworren durch den Wind, Die Fenster sind verglommen, Wir fahren so geschwind. Was sind das fuͤr so lange Gebirge weit und breit? Mir wird auf einmal bange In dieser Einsamkeit! Und fremde Leute stehen Auf mancher Felsenwand, Und stehen still und sehen So schwindlich uͤber'n Rand.“ — Der Braͤut'gam schien so traurig Und sprach kein einzig Wort, Schaut in die Wellen schaurig Und rudert immerfort. Sie sprach: „Schon seh' ich Streifen So roth im Morgen steh'n, Und Stimmen hoͤr' ich schweifen, Vom Ufer Haͤhne kraͤh'n. Du siehst so still und wilde, So bleich wird Dein Gesicht, Mir graut vor Deinem Bilde — Du bist mein Braͤut'gam nicht!“ — Da stand er auf — das Sausen Hielt an in Fluth und Wald — Es ruͤhrt mit Lust und Grausen Das Herz ihr die Gestalt. Und wie mit steinern'n Armen Hob er sie auf voll Lust, Druͤckt ihren schoͤnen, warmen Leib an die eis'ge Brust. — Licht wurden Wald und Hoͤhen, Der Morgen schien blutroth, Das Schifflein sah man gehen, Die schoͤne Braut drin todt. Von Engeln und von Bengeln. I m Fruͤhling auf gruͤnem Huͤgel Da saßen viel' Engelein, Die putzten sich ihre Fluͤgel Und spielten im Sonnenschein. Da kamen Stoͤrche gezogen, Und jeder sich eines nahm, Und ist damit fortgeflogen, Bis daß er zu Menschen kam. Und wo er anklopft' bescheiden Der kluge Adebar, Da war das Haus voller Freuden — So geht es noch alle Jahr. Die Engel weinten und lachten Und wußten nicht, wie ihn'n gescheh'n, — Die einen doch bald sich bedachten Und meinten: das wird wohl geh'n? Die machten bald wichtige Mienen Und wurden erstaunlich klug, Die Fluͤgel gar unnuͤtz ihn'n schienen, Sie schaͤmten sich deren genug. Und mit dem Fluͤgelkleide Sie ließen den Fluͤgelschnack, Das war keine kleine Freude: Nun stattlich in Hosen und Frack! So wurden sie immer gescheuter Und applizirten sich recht — Das wurden ansehnliche Leute, Befanden sich gar nicht schlecht. Den andern war's, wenn die Aue Noch daͤmmert' im Fruͤhlingsschein, Als zoͤge ein Engel durch's Blaue Und rief' die Gesellen sein. Die suchten den alten Huͤgel, Der lag so hoch und weit — Und dehnten sehnsuͤchtig die Fluͤgel, Mit jeder Fruͤhlingszeit. Die Fluͤgeldecken zersprangen, Weit, morgenschoͤn strahlt' die Welt, Und uͤber's Gruͤn sie sich schwangen Bis an das Himmelszelt. Das fanden sie droben verschlossen, Versaͤumten unten die Zeit — So irrten die kuͤhnen Genossen Verlassen in Lust und Leid. Und als es nun kam zum Sterben, Gott Vater zur Erden trat, Seine Kinder wieder zu werben, Die der Storch vertragen hat. Die einen konnten nicht fliegen, So wohlleibig, traͤg' und schwer, Die mußt' Er da lassen liegen, Das that ihm leid so sehr. Die andern streckten die Schwingen In den Morgenglanz hinaus, Und hoͤrten die Engel singen, Und flogen jauchzend nach Haus! 31 Valet. A de nun, liebe Lieder, Ade, du schoͤner Sang! Nun sing' ich wohl nicht wieder Vielleicht mein Leben lang. Einst bluͤht' von Gottes Odem Die Welt so wunderreich, Da in den gruͤnen Boden Senkt' ich als Reiser euch. Jetzt eure Wipfel schwanken So kuͤhle uͤber mir, Ich stehe in Gedanken Gleichwie im Walde hier. Da muß ich oft noch lauschen In meiner Einsamkeit, Und denk' bei euerm Rauschen Der schoͤnen Jugendzeit. Druckfehler . S. 5 Z. 5 von oben statt: In Feld l . In Berg. " 125 " 2 " " schielet l . spielet. " 138 " 5 " " Feld l . Fels. " 258 " 1 " " Der Geniale l . 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