Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Uebersetzungsrecht von der Verlagshandlung vorbehalten. Polen um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Von Dr. Richard Roepell. Gotha. Friedrich Andreas Perthes . 1876. Der Akademie der Wissenschaften in Krakau . Inhalt . Seite 1. Die Republik 1 2. Idee der Reform. Erstes Emporsteigen der Czartoryski 26 3. Die Krisis von 1733—1736 39 4. Die „Familie“ 48 5. Die Czartoryski als Hosparthei. Erste Versuche der Reform. 1736—1750 56 6. Bildung der Parthei der „Patrioten“. Auseinanderweichen des Hofes und der Czartoryski. 1750—1754 82 7. Der siebenjährige Krieg. Die Czartoryski in der Opposition gegen den Hof 107 8. Die Krisen von 1762 und 1763. Tod August III. 146 Anhang. 1. Das Tribunal von Petrikau 202 2. Traduction d’une lettre d’un gentilhomme Polonois de Pro- vince, à un de ses amis d’un autre Palatinat 207 3. Die Constituirung des Petrikauer Tribunals im Jahre 1749 225 4. Traduction d’un manifeste fait par quelques senateurs et nonces contre la rupture de la Diete 235 1. Die Republik. Unter welchen Gesichtspunkten man auch die Zustände Polens um die Mitte des 18. Jahrhunderts betrachten mag, unter dem politischen und socialen, oder dem allgemein geistigen und moralischen, immer erhält man denselben Eindruck des trost- losesten Verfalls, dessen Keime freilich bereits seit längerer Zeit in dem Leben der Nation und ihres Reiches vorhanden waren, zu voller Reife sich aber doch erst unter der Re- gierung der beiden Auguste, sächsischen Stammes (1697—1763) entwickelten. Nach den unglücklichen Zeiten Johann Kasimirs, in welchen die Republik bereits der Gefahr ganz nahe gewesen war, aus- einandergerissen zu werden, hatte sie sich unter der Führung Johann Sobieski’s noch einmal als Macht in der Welt erwiesen. Aber auch sein ruhmvollstes Unternehmen, die Rettung Wiens vor den Türken, hatte ihr keine rechte Frucht mehr getragen. Sie war vielmehr wie ein letzter hellstrahlender Lichtblick der untergehenden Sonne vorübergegangen, und als dieser König in die Gruft gesenkt ward, ward mit ihm zugleich zwar nicht die Freiheit mit begraben, deren die Polen sich so oft und so stolz zu rühmen pflegten, wohl aber ihre nationale Selbststän- digkeit und Macht. Gleich der erste Anfang der sächsischen Epoche war für die Stellung der Republik nach außen, wie für ihre inneren Zu- Roepell , Polen im 18. Jahrhundert. 1 stände eben so characteristisch als folgenschwer. Denn Frie- drich August erreichte seine Erhebung auf den Thron im wesent- lichen dadurch, daß er kein Gold zur Bestechung sparte, mit mehreren tausend Mann tüchtiger sächsischer Truppen sofort ins Land rückte und die Unterstützung Östreichs, Rußlands und Roms für sich hatte. Und wie der Anfang, war auch der Fortgang. Dieselben Mächte, welche ihn auf den Thron gesetzt, mußten ihn auch auf demselben erhalten. Ohne die Siege Peters des Großen über Karl XII. wäre er, nach seiner schon er- folgten Abdankung zu Gunsten Stanislaw Leszczynski’s, schwer- lich jemals wieder als Herrscher nach Polen zurückgekehrt. Und als er starb (1733), waren es wiederum Östreich und Rußland, vornämlich aber des letzteren Waffen, welche für seinen Sohn die Entscheidung gaben. Die Nation selbst hatte sich in ihrer überwiegenden Mehrzahl für Stanislaw Leszczynski erklärt, ließ ihn aber nach kurzem und kraftlosem Wider- stande wieder fallen, weil sie einmal keine Armee hatte, welche den waffengeübten, disciplinirten russischen und säch- sischen Truppen Stand zu halten vermochte, und weil zum andern das alte allgemeine Aufgebot des Adels ( Pospolite ruszenie ) bei diesem keinen hinreichenden Anklang mehr fand. Hatte man doch bereits zur Zeit der Wahl des ersten Sachsen vielfach die Rede gehört: „sie könnten Könige genug haben, ohne für irgend einen ihr Blut zu vergießen“ Connor , History of Poland (London 1698), p. 208. . Die Folge war, daß der Einfluß Rußlands in Polen je länger, je höher stieg, die Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der Republik je länger, je tiefer sank. Alle Verhältnisse, die Constellation der allgemeinen europäischen Politik, wie die in- neren Zustände Polens waren günstig für Rußland. Östreich, in den nächsten Jahrzehnten fast stets mit Rußland enge ver- bündet, hatte eben daher keinen Grund, ihm in Warschau ent- gegen zu sein; Frankreich aber vermochte es anfangs nicht, und durfte später selbst es nicht wollen, seitdem Ludwig XV. in die östreichisch-russische Alliance gegen Friedrich II. getreten war. Rußland konnte daher durch keine Rivalität einer anderen Macht dort gestört, über ein Menschenalter hindurch seinen Einfluß stätig zur Geltung bringen, tiefer begründen, weiter ausbreiten. Der König August III., geistig gering begabt, von schwachem, fast indolentem Character, bot selbst hiezu willig die Hand. Wie er Rußland und Östreich seine Krone ver- dankte, so blieb er auch mit ihnen in enger Verbindung. Von seinen sächsischen Interessen bestimmt, ward auch er ein Gegner Friedrichs II., schloß sich dem großen Bunde gegen diesen an, und nahm als Kurfürst von Sachsen an dem siebenjährigen Kriege Theil, während die Republik selbst mit Preußen im Frieden blieb. Aber sie litt es, daß die russischen Heere zur Bekämpfung des großen Königs nicht nur durch ihr Gebiet zogen, sondern auch auf diesem ihre Standquartiere hatten, Lieferungen ausschrieben, Magazine errichteten, mit einem Wort sich im Einverständniß mit dem Könige als Herren des Landes benahmen, während August, durch Friedrich aus seinem Erb- lande vertrieben, seiner sächsischen Einkünfte und Armee be- raubt, nur unter dem Schutz der Russen sicher in Warschau saß. Und nicht allein seine auswärtige Politik hielt ihn in der Abhängigkeit von Rußland fest: auch in seiner ganzen Lage und Stellung zur inneren Regierung Polens konnte er kaum einer auswärtigen Hilfe und Stütze entbehren. Die Ohnmacht der polnischen Krone in diesen Zeiten ist weltbekannt. Zwar war der König noch immer, wie man sich auszudrücken liebte, „der Quell aller Gnaden“, d.h. er vergab noch immer nach seinem Ermessen und Belieben nicht nur die großen Kronämter, welche wie Kanzler, Schatzmeister, Feldherren an der Spitze der Justiz, der Finanzen und der Armee standen; nicht nur die Erzbis- thümer, Bisthümer und größeren Abteien, sondern auch die Palatinate, die Kastellaneien, Starosteien und eine Masse ge- ringerer Ämter und Würden. Ihre Inhaber waren die Träger, die Organe der öffentlichen Gewalt; sie gaben, da sie in der Regel mit Landgütern reich ausgestattet waren, dem, der sie davontrug, je nach dem Verhältniß ihrer Rangord- nung Einkommen und Ansehen, Einfluß und Macht im Lande, 1* und wurden daher zu allen Zeiten von dem Adel eifrig ge- sucht, so daß das Recht der Krone sie alle zu verleihen ihr einen großen Einfluß sichern zu müssen schien. Allein wie vollkommen frei auch der König nach dem Wortlaut der Gesetze diese seine Prärogative ausüben durfte, thatsächlich mußte er dabei die mannichfaltigsten Rücksichten nehmen. Zunächst durfte er kein weltliches und kein kirchliches Amt einem andern verleihen als solchem, der von Geburt ein polnischer Edelmann war. Grade aber je größer das Einkommen, der Einfluß und die Macht waren, welche die Ämter gewährten, um so heftiger und leidenschaftlicher war von Seiten des Adels das Ringen um sie. Bei jeder Erledigung standen sich die rivalisirenden großen Familien des Landes, für welche es nicht selten nicht nur eine politische, sondern selbst eine wirthschaftliche Lebensfrage war sich in ihrem Genuß zu erhalten, gegenüber, und suchten mit allen Mitteln, Kabalen, Intriguen, Bestechungen u. s. w. sich gegenseitig den Rang abzulaufen Die großen, einflußreichen Familien versorgten ihre Söhne, bis- weilen noch im Knabenalter mit solchen Gütern, die ursprünglich, wie man sich auszudrücken pflegte, panis bene merentium sein sollten. Wie viel sie eintrugen, davon nur ein, und zwar ein geringes, Beispiel. Der Vater des Königs Stanislaw August Poniatowski hatte für seinen ältesten Sohn Casimir so gut gesorgt, daß derselbe im Jahre 1759 allein aus den Starosteien Czehryn, Sokal und Stryi jährlich etwa 220,000 P. G. bezog; außer diesen hatte er noch die Starosteien Ryk und Tyszowice inne, so daß man sein jährliches Einkommen auf sicher 300000 P. G. (50000 Rthlr.) anschlagen konnte. Vgl. Bartoszewicz , Znakomici męźowie polscy w 18. wieku (Petersburg 1856) III, 207. (Die angesehenen Männer in Polen im 18. Jahrhundert.) Man kann in der That sagen, die großen Familien lebten zum Theil wesentlich auf Kosten der Republik. . Es erscheint daher sehr fraglich, ob die Krone, welche mitten in dieses von Generation zu Generation sich vererbende, in jedem Augenblick sich er- neuernde Partheitreiben hineingestellt war, mehr Vortheil oder mehr Nachtheil von dieser Prärogative hatte. Denn was sie bei den einen durch die Gewährung gewann, verlor sie bei den andern durch die Versagung, und wer einmal das Amt davon- getragen hatte, hatte bei der Lebenslänglichkeit aller, keine Ur- sache mehr dem Könige dankbar und verpflichtet zu sein, es sei denn, daß er auf der Rangleiter der Würden noch höher em- porstrebte Die überhaupt höchst interessante Schrift: Karwicki , De ordinanda republica, welche Stan. Krzyzanowski 1871 in Krakau hat drucken lassen, hebt bereits im Anfange des 18. Jahrhunderts diese Schattenseite hervor und gründet auf sie die Forderung der Krone diese Prärogative zu entziehen. . Außerdem aber waren die hohen Kron- und Landesämter, deren Träger an der Spitze, die einen der Cen- tralregierung, die andern der Provincialverwaltung, standen, die Kanzler, Feldherren, Schatzmeister, Marschälle, Woiwoden, Kastellane und Starosten, reichsgesetzlich neben der Lebensläng- lichkeit ihrer Amter und Würden auch noch mit so selbstständigen Rechten und Machtvollkommenheiten ausgestattet, daß sie, jeder in seiner Sphäre, fast unabhängig vom Könige schalten und walten konnten. Als Friedrich August zum erstenmale ins Land kam und die fast unumschränkte Gewalt des Großfeld- herrn kennen lernte, soll er gesagt haben, wenn er gewußt, was hier im Lande ein Krongroßfeldherr sei, so würde er sich lieber um dieses Amt als um die Krone beworben haben. Ist dies Wort erfunden, so ist es treffend erfunden Aus Karpinski , Pam., p. 136. F. Poklatecki (Radzewski, Unterkämmerer von Posen), Kwestye politycze 1743: „Es ist ein großes arcanum status nostri, daß unsere Vorfahren gleichsam altare contra altare majestatis aufrichteten, in dem sie die Feldherren mit so großen Prärogativen ausstatteten.“ Man nannte das Amt des Krongroßfeld- herrn palladium libertatis . Stanislaw Leszczynski sagt in seiner 1733 veröffentlichten Glos wolny, p. 32: „Die exorbitante Macht der Feldherren schließt eine absolute Gewalt in Betreff des Kommandos über das Heer in sich.“ Des Polnischen Unkundige finden eine freie, an vielen Stellen erweiterte französische Umarbeitung der Glos wolny im 2. und 3. Bande der Oeuvres d’un philosophe bienfaisant (d. i. Leszczynski), Paris 1764. . Und wie die Feldherren, so waren die Kanzler u. s. w. gestellt. Waren die Decrete des Königs, seine Amtsernennungen dem Kanzler nicht genehm, so verweigerte er einfach sein Siegel, ohne welches sie nicht gesetzkräftig waren. Der König aber hatte bei der Lebenslänglichkeit der Ämter persönlich keine Macht und kein Mittel, die einmal von ihm zu den Landes- und Kronämtern Ernannten — und die letzteren waren seine Minister — aus denselben wieder zu entfernen; nur der Reichs- tag vermochte sie ihres Amtes zu entsetzen. Und wie die Verwaltung, so lag auch die Gesetzgebung und die Justiz, die Finanzen und das Kriegswesen weit über- wiegend, ja fast ausschließlich in den Händen des Adels. Die Gesetzgebung hing von den Land- und Reichstagen ab, auf welchen er, auf den erstern Mann für Mann, auf den letztern durch seine gewählten Vertreter, allein Sitz und Stimme hatte; die Justiz ward von den Land- und Grodgerichten und den Tribunalen gehandhabt, deren Mitglieder er allein wählte; die Steuern hingen von seiner Bewilligung ab und der Kern der Kriegsmacht lag in dem allgemeinen Aufgebot, in Folge dessen, sobald es vom Reichstage erging, jeder Edelmann zu Pferd sitzen sollte ( Pospolite ruszenie ). Mit einem Wort: der Adel allein hatte die Macht im Lande, er war in seiner Gesamt- heit der Souverain dieses Staatswesens, welches nicht mit Un- recht die „Republik“ genannt ward. Diese Republik aber war ihrem Staatsrechte nach zwar insofern eine Demokratie, als jeder Edelmann dem andern in Rechten und Pflichten gesetzlich völlig gleich stand, und die fürst- lichen und gräflichen Titel, welche einzelne Familien führten, diesen auch nicht das geringste politische Vorrecht vor dem ärmsten Edelmann gewährten Diese Rechtsgleichheit drückt das polnische Spruchwort: „Szlachzić na zagrodzie, rowny wojewodzie“ („Der Edelmann auf seinem Morgen Landes ist gleich dem Woiwoden“) aus. . Auch lag der Form nach auf allen Land- und Reichstagen noch immer die Entscheidung in der Hand der Adelsmasse, und jeder einzelne Edelmann konnte durch sein nie pozwalam (ich will nicht) in jedem Augenblick Land- und Reichstage zerreißen und hiedurch jeden Beschluß derselben verhindern. Aber diese Freiheit, deren die Nation sich rühmte, in deren Bewußtsein der Pole mit Stolz, ja Hochmuth auf alle andern Völker herabsah, war im wesent- lichen doch mehr Schein als Wirklichkeit, und die Republik mindestens eben so sehr eine Oligarchie als Demokratie. Denn thatsächlich stand die Entscheidung aller wichtigen Dinge dort schon lange nicht mehr bei dem Massenadel, sondern bei den großen Familien des Landes, den sog. Magnaten oder „Herren“ ( panowie ) wie sie κατ̕ ἐξοχην im Lande selbst genannt wurden. Sie regierten thatsächlich das Reich, soweit überhaupt damals von einer Regierung noch die Rede sein kann. An Grundbesitz, Reichthum und Bildung allen mittlern und kleinern Adel weit überragend — man berechnete das Einkommen der Potocki, Radzivil, Sapieha, Lubomirski, Czar- toryski u. a. nicht nur nach Hunderttausenden, sondern auch nach Millionen —, in fast ausschließlichem Besitz aller Einfluß und Macht verleihenden Ämter Diese Ämter waren in bestimmten Landschaften so regelmäßig in dem Besitz ein und derselben Geschlechter, daß sie gewissermaßen erblich waren, nur nicht immer von Vater auf Sohn. So waren z. B. in der Woiwodschaft Lublin seit den ältesten Zeiten nur die Firley, Tarlo, Lubomirski, Zamoyski, Woiwoden, Kastellane und Starosten! Ja es fehlt nicht an Beispielen, daß die Starosteien und andere Ämter, wie eine Aussteuer vom Schwiegervater auf den Schwiegersohn übergingen und selbst Wittwen und geschiedene Frauen solche in die neue Ehe dem zweiten Mann gleichsam als Mitgift mitbrachten. Hierzu war allerdings eine Bewilligung des Königs nothwendig. Allein gar häufig ließ man sich gleich bei der ersten Verleihung dieselbe mit dem sog. jus communi- cativum geben, d. h. man erhielt das Recht, dieselben auch auf andere übertragen zu dürfen. Die höchste Landwürde, zu der es ein szlachcić (gewöhnlicher Edelmann, der nicht zu den Familien der „Herren“ gehörte) zu bringen pflegte, war das Amt des sog. Unterkämmerers einesbestimmten Bezirks (podkomorstwo). Cf. Kaj. Koz̀mian , Pamiętniki I, 162. , ohne das Gegengewicht eines starken Königthums, gab den „Herren“ diese ihre sociale und politische Stellung die Mittel jeder Art in die Hand, um sich unter der Masse des Adels eine Clientel zu bilden, welche durch die mannichfaltigsten persönlichen und öffentlichen Interessen und Rücksichten mit ihnen verbunden und von ihnen abhängig war. Hunderte und Tausende vom Adel ( szlachta ) standen an den Höfen, bei den Haustruppen, bei der Güterverwaltung dieser „Herren“, in deren unmittelbaren Dienst; andere hingen als Pächter, Pfandinhaber einzelner Güter, als Schuldner oder Gläubiger von ihnen ab; noch andere suchten und fanden im Anschluß an sie den Weg emporzukommen, oder den Schutz, den ihnen weder die Krone, noch die Gerichte, noch irgend eine öffentliche Gewalt als solche gewährte Auch diese Clientelverhältnisse waren gewöhnlich factisch erblich. Die Eltern, welche im Dienst oder durch Anschluß an gewisse Herren- geschlechter emporgekommen waren, gaben ihre Söhne und Töchter, sobald sie das Kindesalter hinter sich hatten, zur Erziehung und Dienst an die Höfe derselben Herren, welche oft ganze Schaaren solcher adlichen Jugend auf ihre Kosten erzogen, die Töchter verheiratheten und die Söhne auf mannichfaltige Weise versorgten. Sie liebten es, bei öffentlichen Gelegenheiten in Mitte ihrer zahlreichen Hofleute, Diener und Clienten zu erscheinen, welche zugleich für alle Fälle ihre schlagfertige Leibwache waren. Als im Jahre 1778 Fürst Stanislaw Lubomirski, Woiwode von Kiew, zum Landtage ( seymik ) nach Zytomierz kam und zur Eröffnung desselben nach der Kathedrale fuhr, begleitete ihn eine Kavalkade von 85 Hofleuten, und hinter ihm folgten eben so viele Diener (pacholiki), alle zu Pferde in prächtigen Kleidern und mit glänzendem Reitzeug. S. Ochocki , Pamiętniki I, 149. 150. . Denn Gesetz und Recht waren längst zu todten Buchstaben geworden und an deren Stelle, diesen Zuständen ganz entsprechend, die „Protection“ getreten. Auf allen Stufen der Gesellschaft, ketten- artig von oben nach unten alle Stände und Klassen umfassend, war sie die alles, die höchsten öffentlichen wie die niedrigsten persönlichen Intressen, entscheidende Macht. Vom Könige und dessen Regierung hatte der Massenadel nichts zu hoffen und nichts zu fürchten; desto mehr aber von denen, deren Protec- tion naturgemäß die weitreichendste, also gesuchteste war, von den „Herren“. Sie standen, jeder in seinem Kreise bald mehr, bald weniger als Herrscher da, und fühlten und wußten sich als solche sichrer als der gewählte König in Warschau. Wohl redeten sie noch immer nach alter Sitte in den Versamm- lungen aller Art den Massenadel als ihre „Herren Brüder“ an, aber daneben behandelten sie mit Stolz und Hochmuth, ja mit offener Miß- und Verachtung den geringen Edelmann, der seinerseits, eben weil er ihrer Gewalt und Willkühr in der Regel schutzlos preisgegeben war und ihrer Protection nicht entbehren konnte, sich ihnen gegenüber duldend, demüthig und oft genug selbst kriechend verhielt. Die bekannten im Verkehr mit den „Herren Brüdern“ gebräuchlichen Redeformen, wie: „ich falle dem Herrn zu Füßen“, „ich küsse des Herrn Füße“, „ich bin ein unwürdiger Fußschemel des Herrn“, characterisiren treffend das ganze Verhältniß, in welchem die „Herren“ und der Massenadel trotz aller so gerühmten Rechtsgleichheit zu einander standen Vgl. Kajetan Koz̀mian , Pamiętniki I, 156: „Die Freiheit, Einfluß und Macht gehörten den ‚Herren‘ allein: der kleinere und ärmere Adel diente, kroch und erniedrigte sich.“ Staszic , Uwagi, p. 190: „Kein Bürger und kein Bauer kennt in irgend einer Monarchie die niedrige Unterwürfigkeit (podlość), an welche der polnische kleine Edelmann in der freien Republik gewöhnt ist.“ — Eine Flugschrift aus der Zeit des vier- jährigen Reichstages (1788—92) sagt sehr characteristisch, die Starosten sähen auf den kleinen Edelmann herab, wie die Cedern des Libanon auf das kleine Gesträuch und Gestrüpp. Vgl. Pilat im Przegląd Polski 1871, Novbr., p. 267. Diese höchst interessanten und lehrreichen Artikel „Über die polit. Literatur der Polen während des vierjährigen Reichs- tages“ sind als besondere Schrift in Krakau 1872 erschienen. . Solche Verhältnisse, von Generation zu Generation sich vererbend, konnten aber nicht anders als seelenverderblich sowohl auf die wirken, welche die Macht hatten und übten, als auch auf die, welche sich in der einen oder der andern Weise mit jenen zu stellen sich abzufinden gezwungen waren. Und da das System der Protection sich, wie gesagt, durch alle Schichten und durch alle Verhältnisse der Gesellschaft und des Lebens hindurchzog, entsittlichte es auch je länger je mehr die gesamte Nation. Der Sinn und die Achtung vor Recht und Gesetz verschwanden fast gänzlich. Die „Herren“ konnten sich alles erlauben, und erlaubten sich alles; und die Schlachta war für alles, was die „Herren“ nur wünschten und wollten, zu haben. Jene steigerten nicht selten ihren Übermuth und ihre Willkühr bis zur Verachtung aller göttlichen und menschlichen Rechte und gewöhnten sich daran Mord, Meineid, Diebstahl an öffentlichem Gut, gewaltsamen Raub an dem Eigenthum schwächerer Nachbarn für nichts zu achten: diese bot zu allen Gewaltthaten und Verbrechen die dienstbare Hand, und übte im kleinen, so weit sie konnte, was jene im großen Diese Characteristik habe ich fast wörtlich den Pamiętniki Karpinskiego ( Poznan 1844) entlehnt, welcher eine ganze Reihe einzelner concreter Beispiele von dem gewaltthätigen Ubermuth der Herren und der Dienstbarkeit und Unterwürfigkeit der Schlachta erzählt. Seine Mittheilungen sind keineswegs etwa die einzigen der Art; ähnliche und gleiche findet man in fast allen Denkwürdigkeiten aus dem 18. Jahrhun- dert, und eben so allgemein kehren in ihnen fast einstimmig die bittersten Klagen über das Treiben der „Herren“ wieder, welchen nicht selten die Hauptschuld an dem Verfall und Untergang Polens zugeschrieben wird. Meiner Meinung nach nicht ganz mit Recht, denn die Schlachta trieb, nach einem treffenden Ausdruck, wenn ich nicht irre, Kladzko’s, das Ge- schäft en detail, was die Herren en gros trieben. . Ge- wiß, es fehlte weder unter den „Herren“ noch unter der Schlachta an solchen, die sich entweder völlig rein, oder doch von den äußersten Auswüchsen dieser Verderbniß frei erhielten: namentlich unter dem mittleren Adel gab es Familien, die in alter, man möchte fast sagen, patriarchalischer Einfachheit, Zucht und Sitte lebten, aber sie hielten sich zurückgezogen und hatten keinen Einfluß auf das öffentliche Leben. In diesem führte weit überwiegend die Selbstsucht die Herrschaft, mit all den Lastern im Bunde, deren fruchtbare Mutter sie ist. Es waren jedoch diese politisch-socialen Verhältnisse zwischen Krone, Herrn und Adel nicht allein, welche die allgemeine Entsittlichung der Nation herbeiführten: eben so sehr und in steter natürlicher Wechselwirkung mit jenen Verhältnissen wirkte darauf die Richtung, der Character ein, welchen das nationale Leben überhaupt seit dem 17. Jahrhundert je länger je mehr entwickelte. Nach den gewaltigen Kämpfen und Schick- salswechseln, welche die Nation im 17. Jahrhundert in dem Ringen mit dem Protestantismus wie in den Kriegen mit den Schweden, Russen und Kosacken durchgemacht hatte, trat in ihr eine geistige Abspannung ein, deren Symptome bereits während des nordischen Krieges sich zeigen. Seitdem ward ihr Leben von keinen großen allgemeinen Ideen mehr ergriffen und bewegt. Sie strebt weder nach Macht nach außen, noch nach irgend einem Fortschritt nach innen: sie hat mit einem Worte keine ihr Gesamtleben tief berührende, es ergreifende Ziele und Zwecke vor Augen. Auf den ersten Blick freilich scheint die Republik noch immer von lebensvoller Bewegung erfüllt. Nach wie vor dauern die Partheikämpfe der mit einander ri- valisirenden großen Familien fort und erhalten den Hof wie das gesamte Reich, die Land- und Reichstage wie die Gerichte und Tribunale in unaufhörlicher Gährung und Unruhe. Allein wie geräuschvoll und laut auch dies Leben ist, es hat keinen wahrhaft geschichtlichen Inhalt mehr. Denn es ist aller höheren und edleren auf das Allgemeine gerichteten Absichten vollkommen ledig und bar und geht vielmehr fast ausschließlich von der Selbstsucht der großen Familien aus, welche mit einander um Ämter, Einfluß und Macht ringen, nicht um als Sieger im Kampf die Interessen der Nation, sondern ihre eignen und die ihrer Clienten zu be- friedigen und zu fördern. Für die Republik als Ganzes bleibt es vollkommen ohne Frucht, ob die Radzivil, die Potocki oder welche sonst von diesen Familien der „Herren“ obenauf kommen: ihre Zustände bleiben nach jedem Wechsel der Art ganz dieselben, die sie bisher gewesen. Die Bewegung ist nur äußerlich, scheinbar; in Wahrheit stagnirt das politische Leben und depravirt sich naturgemäß in dieser Stagnation je länger je mehr Ab und zu verknüpfen sich allerdings mit diesen Partheikämpfen der großen Familien auch allgemeinere politische Tendenzen. Doch bleibt es in diesen seltnen Fällen, wie z. B. bei dem Krongroßfeldherrn Joseph Potocki, sehr fraglich, inwieweit das allgemeine oder das Familien-Inter- esse die eigentliche Triebfeder war. Jedenfalls aber fand das erstere keinen Anklang in der Nation, sondern vielmehr einen sehr entschiedenen Wider- stand. . Und nicht nur in der politischen, auch in allen andern Sphären des Lebens tritt uns dieselbe Erscheinung entgegen. Die allgemein geistige Bildung der Nation wie ihre ganze Literatur gehen unaufhaltsam rückwärts. Die erstere sinkt sehr rasch auf einen Grad der Unwissenheit und der Unbildung in der Masse des Adels, die ihres Gleichen nicht hat Koz̀mian erzählt in seinen Pamiętn. I, 119—120: „Ich er- innere mich, daß in Opol bei der Fürstin Kastellanin Lubomirski (sie war eine ge- borene Krasinska und Tante der mit dem Sohne Augusts III., Prinzen Carl, verheiratheten Krasinska) ein recht ordentlicher Mann und Senator, der Woiwode von Lublin, Hryniewiecki, als in meiner Gegenwart der gebildete Prälat Kulagowski, der bei der Fürstin Lector war, aus der Zeitung etwas von den Dardanellen vorlas, fragte: ‚Was sind das, die Dardanellen?‘ Die Fürstin lächelte und Kulagowski mußte es ihm er- klären. Solche bei einem Senator unverzeihliche Ignoranz in den ersten Schulkenntnissen war bei den alten Polen gang und gebe.“ ; die an- dere verfällt in eine Geschmacklosigkeit und Barbarei, welche im grellsten Contrast mit dem geistigen Aufschwung steht, der sonst allgemein das 18. Jahrhundert characterisirt. Die Je- suiten, in deren Händen der Unterricht und die Erziehung der adlichen Jugend weit überwiegend lag, in deren Orden der le- bendig aufstrebende Geist, durch den er emporgekommen, er- loschen war, unterrichteten nach ihrer äußerlichen Methode fast ausschließlich nur Religion und Latein, und erzogen nach einem pädagogischen System, welches nur schädlich und verderblich auf die Moralität ihrer Schüler wirken konnte. Ihr Haupthebel war in den untern Klassen der Kantschu, in den obern Spionerie, Angeberei, Stachelung des Ehrgeizes und Nachsicht gegen die Ausbrüche des Übermuthes dieser Jugend, welche von Kindes- beinen das lebendigste Bewußtsein in sich trug, daß ein polni- scher Edelmann über alle Menschenkinder hoch erhaben und seine persönliche Freiheit schrankenlos und unantastbar sei. Er- wägt man hiezu noch, wie lax und casuistisch die Moral war, die sie lehrten, welchen Werth sie auf den äußerlichen Werkdienst und den Gehorsam gegen die Kirche legten, so begreift man leicht, welche Frucht dieser Unterricht und diese Erziehung für das spätere Leben im Durchschnitt tragen mußten und trugen Man muß die Denkwürdigkeiten von Karpinski, Wybicki u. a., vor allem Kitowicz , Opis obyczajow i Zwyczajow za panowania Augusta III. (Schilderungen der Sitten und Gewohnheiten), sowie . Aus den Schulen entlassen, trat diese Jugend nun aber in ein Leben ein, dessen herrschenden Geist auf der einen Seite die stärkste kirchliche Devotion und Werkheiligkeit, auf der andern die größte Ausgelassenheit, Unbändigkeit und Entsittlichung characterisirt. Der höhere Klerus, wie er größtentheils aus den angesehensten Familien hervorging, theilte ganz die An- schauungen, Sitten, Gewohnheiten, Leidenschaften und Fehler der „Herren“; der niedere erhob sich in seiner Bildung und seinen Lebensweisen nur wenig über die Masse des kleinsten Adels und des gemeinen Volkes. An den Höfen der Herren leiteten die Jesuiten, auf den Gütern der Schlachta die Bettel- orden, Bernhardiner, Reformaten, Kapuciner u. a. das reli- giöse Leben. Beide förderten in gleicher Weise mit allen Mitteln, die ihnen ihre Stellung gab, die äußerste kirchliche Devotion und Bigotterie, die Werkheiligkeit und den Fanatismus gegen alle Ketzer, hatten aber nur selten den Muth der vor- herrschenden Sittenlosigkeit ihrer Beichtkinder irgendwie nach- drücklich entgegenzutreten, sondern gaben für alle Sünden ihnen leicht Absolution und zeigten ihnen Glaubenseifer und Wohl- thätigkeit gegen die Kirche als den sichersten Weg zur ewigen Seligkeit J. Szujski , Dzieje Polski IV, 272 sq. Auch der sehr kirch- lich gesinnte Kalinka sagt in den Ostatnie lata Stanisl. Aug. I., p. 50: . Demgemäß baute der Adel auch noch in dieser Kollątaj , Stan oświęcenia w Polsce w ostatnich latach panowania Augusta III. (Stand der Bildung in Polen) lesen, um eine lebendige Anschauung von dem Zustande der Jesuitenschulen und der schreckenerre- genden Verwahrlosung der Erziehung und Bildung der in diesen Zeiten aufwachsenden Generationen des Adels zu gewinnen. Schon der Woiwode von Posen und als solcher Senator der Republik, Stephan Garczynski , hebt in einer 1751 gedruckten Schrift aufs nachdrücklichste hervor, daß man die Wahrheit des Spruchs, der die dissidentische Schule in Frau- stadt ziere: „fundamentum reipublicae recta adolescentum educatio“, „gänzlich vergessen und die Vernachlässigung der Kinder eine allge- meine Sünde, die wir alle begehen“ sei. Diese überhaupt höchst lehrreiche Schrift führt den characteristischen Titel: Anatomia Rzeczypospolitej Polskiej, synom oiczyzny ku przestrodze i poprawie tego, co z kluby wypadlo, d. h. Anatomie der Republik Polen, zur Warnung und Besse- rung dessen, was aus den Fugen gegangen ist. Zeit zahlreiche Kirchen und Klöster, stattete sie mit reichen Gütern aus, zierte sie mit kostbarem Schmuck, ließ aber seine Unterthanen in der trostlosesten Lage verkommen und behan- delte sie mit einer Willkühr, Härte und Grausamkeit, welche in ihrer Herzlosigkeit „jedes christlichen Gefühls entbehrte, und die gerechte Strafe des Himmels über sie herbeirief“ Worte Garczynski’s in der oben S. 13 angeführten Schrift. . Das Leben aber, welches dieser Adel selbst im Durchschnitt führte, schildert, wie Polen selbst versichern, treffend das Sprüchwort: „Unter dem sächsischen König aßen sie, tranken sie und machten sich den Leibgürtel weiter“ ( „Za króla Sasa jedli pili, popus- zali pasa“ ). Es mag immerhin sein, daß das prunkvolle und verschwenderische, genußreiche und ausschweifende Leben Augusts II. und seines Hofes als böses Beispiel verderblich auf die Sitten der Nation wirkte: die Hauptquelle ihrer Entsittlichung lag jedenfalls daran, daß sie alle und jede höhere und edlere Auf- gaben und Ziele des Lebens aus den Augen verlor, und in Folge hiervon während eines langjährigen Friedens nach außen einem allgemeinen Hange zum Müßiggange — le- nistwo Ausdruck Garczynski’s in der angeführten Schrift. — und einem Genußleben anheimfiel, welches sie rasch zu jeder ernsten Arbeit und Anstrengung unfähig machte. „Die ganze Fülle von üppiger Kraft, das aufbrausende, stür- mische Element, welches in der Natur dieses Adels lag und früher im Kriege und auf den Reichstagen Gelegenheit gehabt hatte, sich auszuzeichnen, wurden jetzt in jubelnden Lustbarkeiten und Saufereien daheim oder auf den Land- und Gerichtstagen vergeudet. Die größten Säufer und Raufbolde wurden be- rühmt, wie früher Helden des Krieges oder Redner des Reichs- tages. Man pries riesenhafte Humpen und erzählte sich weit und breit von den Helden, welche in einem Zuge sie aus- tranken. Das ganze Jahr verfloß in dem seligen Genuß un- aufhörlich aufeinander folgender Festlichkeiten, zu welchen der „Auch der Klerus trägt seinen Theil an der allgemeinen Schuld, insofern als er keiner der nationalen Schwächen und Fehler entgegentrat, sondern fast alle, sowohl im Privat- wie im öffentlichen Leben selbst theilte.“ Adel auf die verschiedensten Veranlassungen, auch bei den häufigen kirchlichen Festen, zusammenkam, wo dann nach ge- wissenhafter Theilnahme am Gottesdienst der heil. Messe reiche Gastmähler und der Vesperandacht rauschende Trinkgelage und Tänze erfolgten“ Aus Szujski l. c., p. 365—366 übersetzt. Vgl. Koz̀mian , Pamiętniki I, 111 sqq. — Ich füge dieser allgemeinen Schilderung zwei sie illustrirende concrete Beispiele hinzu. Michael Granowski war — wie Kajetan Koz̀mian in den Denkwürdigkeiten erzählt ( I, 51) — ein Schwestersohn der Frau des Kanzlers Mich. Czartoryski und hatte selbst eine Radzivil zur Frau. Er besaß große Güter in Lithauen, war Starost von Przybyslaw bei Lublin, und von Tarnogrod im Chelmer Lande. Zugleich beliebt beim Könige und populär bei dem Adel, wurde er mit dem Starost Ouufricki häufig gebraucht auf die Landtage einzuwirken oder im Tribunal die Partheien zu unterstützen, die sich zum Hofe haltend der königlichen Protection genossen. Gut erzogen, hatte er in seiner Ju- gend bei den Östreichern gedient, war aber von dort irgend eines Abenteuers halber desertirt. Ein schöner, gut gewachsener, kräftiger Mann, artig und vornehm; sich auf Pistolen oder Säbel zu schlagen, war ihm eine Kurzweil, aber vorzüglich war er König beim Humpen. „Wenn er aber voll Weines war, hatte er die Manie sich halbnackt auszukleiden und die Genossen auch dazu zu zwingen. Dann wagte niemand dem von Wein Erhitzten zu widersprechen, und jedermann mußte entweder gehorchen oder fliehen. ‚Wer mich liebt, der thue dasselbe wie ich‘, sagte er dann. Einmal ging er in Lublin mit dem Pokal so halb nackt, das Hemde als Leibbinde (pas) umgeschürzt, auf die Straße. Auf seine Aufforde- rung ihn zu begleiten, warfen diejenigen, die anständig gekleidet waren, die Kleider ab. Der kleinere Adel aber, der sich des unter dem langen pol- nischen Kleide verdeckten Schmutzes bewußt war, wollte sich davon machen, aber die Lakaien und Haiducken des Herrn hielten die Fliehenden fest und kleideten sie mit der Beihilfe der anderen Gäste aus. In einem Augen- blick stand die ganze Gesellschaft halb nackt auf der Straße. Ein Wagen mit kräftigen Pferden, auf dem 2 Fässer Wein lagen, fuhr vor; Badowski, ein Advocat beim hohen Tribunal, setzte sich, halbnackt wie er war, gleich einem Bachus auf eins der Fässer, und die andern gaben ihm einen großen silbernen Vorlegelöffel in die Hand, womit er die Gläser aus dem Faß füllt, und so zieht der ganze trunkne Troß in Procession durch die Straßen der Stadt bis zum Krakauer Thor. Welch ein Anblick! An 80 halbnackte Menschen, viele in schmutzigen Lumpen, welche das lange Kleid vorher verdeckte, tanzend, springend, taumelnd, lachend und singend, oder besoffen niederstürzend und das Genossene ausspeiend. ‚Gehen wir . Solche Gelage, überhaupt die Zusam- menkünfte des Adels endeten aber oft mit Schlägereien der schlimmsten Art, so daß die Tischtücher häufig eben so sehr mit Blut wie mit Wein getränkt waren. Seit dem Jahre 1717, als das Heer in Folge des Warschauer Tractats we- sentlich verringert wurde, vermehrte sich zusehends die Zahl der Raufbolde vom Handwerk, die jede Gelegenheit zu blutigen Händeln aufsuchten. Es gab ganze Familien, welche den Ruhm der Junakerei ( Junak = Raufbold) wie eine besondere Aus- zeichnung pflegten; wo sie erschienen, ging es ohne Gemetzel nicht ab Koz̀mian ( Pam. I, 10) nennt als solche Familie die Tczcinski im Lublinschen. Er selbst hat noch 3 Brüder derselben gekannt, alle drei von herkulischem Wuchs, die an der Seite Säbel so breit wie eines Hen- kers Schwerdt führten und von deren Gebahren er einzelne Geschichten erzählt. . zum Präsidenten des Tribunals‘, rief der Herr Granowski. Der Mar- schall, gewarnt, hob rasch die Sitzung auf; der Troß aber zog beim Rathhause vorbei zu dem Hause, welches der Präsident bewohnte, schlug die ver- schlossenen Thüren der Zimmer ein, zog den Präsidenten aus dem Bette (in das er sich geflüchtet), um ihn mitzunehmen. Kaum bat er sich los wegen seiner Krankheit. Erst am Abend kehrte der Troß zum Hause des Granowski zurück. Ich habe das mit eignen Augen gesehen, dessen Staszić in der Schrift über Zamoyski vom Hörensagen gedenkt.“ Derselbe Koz̀mian erzählt S. 57: „Als Stanislaw August dem Bischof Lenczewski von Abdera, bei welchem der König lesen und schreiben gelernt hatte, den Stanislaw-Orden verlieh, gab der Bischof ein großes Diner in Lublin, welches bis zum Dunkelwerden dauerte und bei welchem natürlich stark getrunken wurde. Da rief einer aus: ‚Ziehen wir mit der Musik auf den Markt.‘ Der Bischof, bereits angetrunken, rief: ‚Auch ich bin ein Kavalier und werde mit Euch gehen.‘ Es wird ein Korb Wein mitge- nommen, die Musik spielt auf und die ganze Gesellschaft, der Bischof an ihrer Spitze, setzt sich in Bewegung; alle tanzen und springen um ihn herum, er aber singt mit halber Stimme ein etwas freies Liedchen: ‚Laß mich bei dir schlafen, denn der Regen durchnäßt mich.‘ So singend tritt er mit den Füßen den Takt, hüpft auf dem Markt herum, ruft wiederholend: ‚Auch ich bin ein Kavalier‘ und trinkt mit den Genossen auf die Gesundheit des Königs.“ — „Solchergestalt“, setzt Koz̀mian hinzu, „führte das Übermaß im Trinken die würdigsten Leute in Folge der Sitten und Fehler jener Zeit dazu, sich selbst und ihren Beruf zu entwürdigen. Denn Lenczewski war sonst ein musterhafter, eifriger Priester, von reinen Sitten, wenn auch von geringer Fähigkeit.“ Die nothwendigen Folgen eines solchen sorglosen in den Tag Hineinlebens blieben nicht aus. Garczynski leitete bereits um die Mitte des Jahrhunderts aus diesem Leben in Müßig- gang und Genußsucht den fast allgemeinen Mangel an Ord- nung und Sparsamkeit her, und tadelte auf das lebhafteste die Verschwendung des Adels, der für seine armen, im bittersten Elend dahin lebenden Bauern auch nicht einen Groschen aus- gäbe, während er alle seine Einkünfte in so maßloser Schwel- gerei vergeude, daß, „wenn der allmächtige Gott solchen Regen auf uns herniederfallen ließe, daß wie viele Tropfen so viele Dukaten herabfielen und Polen bis an die Knöchel mit ihnen bedeckt wäre, dennoch all dieses Geld nicht lange bei uns vor- halten, sondern so wie die Wasser von den Hügeln und Bergen zu den Strömen und Niederungen ihren Fall haben, nach Breslau, Leipzig, Frankfurt, Berlin, Danzig, Riga und Kö- nigsberg für Silbergeschirr, Wagen, Möbeln u. dgl. rasch ab- fließen würde.“ Solche tolle Verschwendung, verbunden mit wirthschaftlicher Unordnung, stürzte allmählich selbst die reichsten Familien in riesige Schulden, zog den Verfall der Landwirth- schaft nach sich, und vermehrte den Druck, unter welchem die Bauern ein elendes Leben in tiefer Versunkenheit führten. Die Städte aber, welchen die Rechte und Freiheiten, deren sie sich in früheren Jahrhunderten erfreut hatten, längst entrissen waren, und welche jetzt, jedes Schutzes einer starken Regierungsgewalt entbehrend, der Willkühr und dem Übermuth der Starosten und des Adels überhaupt preisgegeben waren, verblieben in den Trümmern und in der Verarmung, in die sie die Kriege des vorangegangenen Jahrhunderts gestürzt. Denn ihr Handel und ihr Gewerbe, welche nur bei Freiheit und Sicherheit gedeihen, sanken immer tiefer; aller Unternehmungsgeist erstarb, und mit der allgemeinen Verarmung erlosch zugleich auch in ihnen jeg- licher Bürgersinn und jegliche Bürgertugend. Die Rückwirkung aber, welche dieser Lebenszuschnitt und Lebensgeist nothwendig auf das öffentliche Leben, auf die Re- publik als solche und ihre einzelnen Institutionen ausüben mußte, mußte um so verderblicher sein, je schwächer, wie wir Roepell , Polen im 18. Jahrhundert. 2 wissen, die Macht der Krone, je stärker dagegen die Macht des Adels im Ganzen und je ungebundener die Freiheit jedes einzelnen Edelmannes war. Man kann in der That sagen, daß in demselben Maße, in welchem Zügellosigkeit, Unbändig- keit das gesellschaftliche Leben der Einzelnen characterisirten, sie auch das öffentliche Leben der Nation beherrschten. Wohl lebte in den Herren wie in der Schlachta ein kräftiges, natio- nales Selbstgefühl und ein Patriotismus, der für das Vater- land Gut und Leben zu opfern oft genug bereit war, aber es fehlte den einen wie den andern, wie der Sinn für Gesetz und Recht, so auch der Sinn für bürgerliche und staatliche Pflicht. Jeder handelte nur nach seinem persönlichen Ermessen und Belieben: diesem gemäß war er fähig dem Vaterlande alles zu opfern, aber im Gegentheil auch eben so bereit alles und selbst das Wohl des Landes seinem Belieben und seinen persönlichen Interessen zum Opfer zu bringen. „Von allen Fehlern und Tugenden der Nation“ — gesteht einer der talentvollsten und unbefangensten ihrer neuern Ge- schichtsschreiber Kalinka l. c. I, p. 106. — „war der Stolz am mächtigsten. Er ließ keine Unterordnung des einen unter den andern zu, dul- dete keinen Vorrang irgend welcher Art und machte jeden Polen dem eigenen Landsmann gegenüber eben so unzugänglich und unbeugsam als dem Fremden gegenüber duldsam und unterwürfig.“ Vor allen aber waren von solchem Stolz die „Herren“ erfüllt, in deren Händen, wie bemerkt, aller Einfluß und alle Macht im Lande fast ausschließlich lag. In ihren Familien, welche seit mehr als einem Jahrhundert mit einander rivalisirten, vererbten sich die Feindschaften von Generation zu Generation und steigerten sich nicht selten zu einem gegen- seitigen Haß, dem jede andere Rücksicht untergeordnet ward. Jedem König, den nicht sie, sondern ihre Gegner auf den Thron gebracht, jeder Regierung, die nicht in ihren Händen lag, machten die einen oder die andern dieser Familien auf jegliche Weise, oft mit den verwerflichsten Mitteln den Krieg und scheuten selbst nicht, um die Gunst und Unter- stützung auswärtiger Höfe, sogar der erklärten Feinde ihres Vaterlandes zu buhlen, nur um ihre eignen Gegner aus der Regierung zu vertreiben oder auch denselben König, dem sie sich unterworfen, Treue und Gehorsam gelobt hatten, sobald als möglich wieder vom Thron herabzustürzen. „Lassen wir es jetzt zu, daß er König wird, aber denken wir sofort daran, wie wir ihn wieder vom Thron werfen können.“ Dies Wort, das der bekannte Bischof Soltyk zu seinen Freunden sprach, als die Wahl Stanislaw Poniatowski’s unvermeidlich erschien, spricht treffend die Stellung aus, die all’ diese „Herren“ zur Krone einnahmen und einzunehmen sich vollkommen für berech- tigt hielten. Als Haupthebel aber für all ihr Thun und Treiben diente ihnen die Masse der Schlachta. Aufgewachsen in der größten Unwissenheit und Unbildung, hatte diese Masse keine Vorstel- lung und Kenntniß weder von der wahren Lage ihres Vater- landes, noch von dessen Verhältnissen zu den Nachbarn in der Welt, und am wenigsten von den ersten Grundlagen und Bedingungen einer guten Regierung. Ihr ganzes politisches Credo bestand in den zwei Worten „Freiheit und Glaube“, und wie unglaublich auch es erscheint, so wahr ist es doch, daß die Masse des Adels in der That an das ungeheuerliche Sprüchwort glaubte, „Polen bestehe durch seine Anarchie“ Bereits Stan. Leszczynski schrieb 1733 in seinem Glos wolny p. 2: „Wie schwer ist es … zur guten Ordnung zu mahnen, dort, wo das Sprüchwort für unfehlbar gilt, daß Polen durch seine Unordnung bestehe; in Summa, die besten Mittel zur Rettung erweisen sich als vergebliche dort, wo jeder selbst in seinem eignen Untergange noch Freiheit sieht. Summa libertas etiam perire volentibus. “ . In dieser Unbildung war sie zugänglich für alle, auch die ge- meinsten Künste der Verführung der Herren, welche neben der „Protection“, trotz all ihres Stolzes es nicht verschmähten, sich um Popularität bei den „Herren Brüdern“ zu bewerben. Populär aber ward, wer mit dem Massenadel nach dessen Weise und Geschmack am besten umzugehen verstand, ihm am 2* reichlichsten zu schmausen und zu saufen gab, die Dukaten nicht sparte, die kräftigsten, berühmtesten Raufbolde in seinem Solde hatte, seine Clienten in jedem Fall, mochten sie im Recht oder Unrecht sein, erfolgreich beschützte, für ihr Fortkommen sorgte und endlich auf den Landtagen am derbsten, rücksichtslosesten für „Freiheit und Glauben“ zu sprechen und den Leiden- schaften der Masse zu schmeicheln verstand. „Wer war“ — ge- steht einer der unterrichtetsten polnischen Historiker und Poli- tiker der Gegenwart — „das Ideal eines ‚Herrn‘ in den Augen unsrer Schlachta des 18. Jahrhunderts? Etwa der große Kanzler Lithauens oder Andreas Zamoyski? Nein, sein Ideal, sein Abgott war jener Radzivil, ‚Herrchen liebes‘ genannt, halb Thier, halb Mensch, in jeder Beziehung ein Dummkopf, der wahrhaftige Falstaff in unsrer nationalen Tragödie, der ‚Weißhemd‘ ohne Geist, ohne Willen und ohne Grundsätze.“ „Weißhemden“, albenczyki, nannte man die Raufbolde Radzivils. [ Kladsko ?] Roczniki polskie z lat 1857—61. Paryź 1863. I, p. 385. Auf diesen Landtagen, auf welchen die Abgeordneten zum Reichstage gewählt und deren sie bindende Instructionen be- schlossen wurden, auf welchen die Landboten nach ihrer Rückkehr vom Reichstage Bericht zu erstatten hatten, auf welchem end- lich der versammelte Adel — auch der nichts Besitzende nahm dem Gesetz zuwider herkömmlich an ihnen Theil — die Beisitzer der Landgerichte bis zu den höchsten Tribunalen hinauf wählte, und alle Landämter, so weit sie von seiner Wahl abhingen, besetzte, — erschienen nun die „Herren“ in der Regel mit einem zahlreichen bewaffneten Gefolge, welches in Verbindung mit den Hunderten, bisweilen Tausenden ihrer Clienten, die vorn- herein bereit waren zu stimmen und zu thun, wie und was der „Herr“ wollte, dazu bestimmt war, nöthigenfalls auch mit offner Gewalt deren Candidaten, überhaupt deren Willen durch- zusetzen. War dies nicht zu erreichen, so führte man entweder Doppelwahlen herbei, oder ließ den Landtag sprengen, und verhinderte dadurch jeden Beschluß, zu dessen Gültigkeit auf den Land- wie auf den Reichstagen Einstimmigkeit erforderlich war! Inmitten der Kirchen, in welchen die Versammlungen gehalten zu werden pflegten, spielten diese tumultuarischen Scenen; selten ging ein Landtag ohne Blutvergießen vorüber, und man erachtete es für einen ruhigen Verlauf eines solchen, wenn nur zwei bis drei Edelleute in Folge der fast allgemeinen Trunkenheit und der aus ihr entspringenden Händel dabei ihr Leben verloren. Nicht viel besser ging es auf den Reichstagen zu. Es fehlte fast nie an Landboten, welche, sei es aus Eigensinn und Rechthaberei, sei es im Dienst von „Herren“ oder auch selbst der Krone, sei es von den Gesandten auswärtiger Höfe be- stochen, die Reichstage durch das ihnen zustehende liberum veto — der „Augenstern“ der Freiheit genannt Kitowicz in seiner mitunter cynischen Weise meint: „Die Frei- heit kann ohne das liberum veto eben so wenig bestehen, als der jüdische Osterkuchen (Matz) ohne Christenblut.“ — zerrissen. Von den 18 Reichstagen, welche 1717—1733 gehalten wurden, sind 11 gesprengt worden; 5 kamen zu Stande; 2 blieben un- fruchtbar, weil die gesetzmäßige Frist ihrer Dauer abgelaufen war Auf dem Reichstage von 1746 zog man die Unterschrift der ge- faßten Beschlüsse bis zum Abend des letzten gesetzmäßigen Tages hin. Man brachte, da es dunkel geworden, Licht in den Saal; da aber wurde der Ruf laut: „Wir wollen kein Licht“ (nie ma zgody na swiatlo). Vergebens bat der Reichstagsmarschall, man solle durch Beschluß den Reichstag nur bis zum folgenden Morgen verlängern: „Wir wollen kein Licht!“ war die Antwort und der Reichstag ging ohne Frucht ausein- ander wegen der Lichter! Szujski l. c. IV, p. 336. . Es wurde geradezu zur Gewohnheit, die Beschlüsse absichtlich bis zur letzten Stunde zu verzögern. Selbst die ge- waltsamsten Auftritte fehlten nicht. „Die Reichstage waren die stürmischsten Versammlungen, in welche sich die Haiducken der ‚Herren‘ eindrängten, die Zuschauer die Landboten von ihren Sesseln warfen und, mit einem Wort, auf welchen der erste beste Händelmacher oder Erkaufte der ganzen Republik Hohn sprach“ Szujski IV, p. 328. 329. Stanislaw Leszczynski schildert in seinem Glos wolny p. 56 das Treiben auf den Reichstagen mit . Und heftiger, leidenschaftlicher noch als bei den Wahlen der Landboten und auf dem Reichstage selbst, gestaltete sich der Kampf der Partheien bei der alljährlich wiederkehrenden Er- neuerung der höchsten Reichsgerichte, der Tribunale, deren Richter, wie schon bemerkt, gleichfalls auf dem Landtage ge- wählt wurden. Denn diese Wahlen hatten für die „Herren“ und deren Clienten nicht nur, sondern auch für den gesamten Adel in- sofern noch eine ganz andre Bedeutung, als die Entscheidung zahlloser Processe über „Mein und Dein“ durchschnittlich von ihrem Ausfall abhing. Welche Parthei in diesen Wahlen die Majorität gewann, be- kam durch ihren Sieg eine Waffe in die Hand, durch welche sie unter dem Scheine des Rechts ihre politischen wie persönlichen Gegner und all deren Anhänger nach jeder Richtung hin schädigen, ja bisweilen sie in ihrem ganzen Besitz und Wohlstand zu Grunde richten konnte. Denn diese Gerichte waren schon lange durch und durch corrumpirt. Nicht allein die größte Unord- nung im Geschäftsbetriebe und die größte Trunksucht waren bei ihnen herkömmlich Staczić in seinen Uwagi nad źyciem J. Zamoyskiego (Be- trachtungen über das Leben J. Z. 1785) erwähnt als bekannte polnische Sprüchwörter: „Unordnungen wie im Tribunal“ und „Der Richter betrinkt sich“ p. 57 der Krakauer Ausgabe von 1861. Stanislaw Poniatowski , Pam., p. 68: „Nirgends in Polen wurden so viele Bück- linge gemacht und so viel getrunken, als (beim Tribunal) in Radom.“ , sie sprachen überhaupt nicht mehr nach den Worten: „Wenn ich ein Bild von unsern Berathungen geben soll, kann ich sie nicht besser vergleichen als mit einer ausgezeichneten, aus den besten Musikanten zusammengesetzten Kapelle, in welcher aber jeder auf ungestimmten Instrumenten eine andere Note oder Melodie statt einer lieblichen Harmonie spielt und die Zuhörer aufs unangenehmste betäubt. Keiner, der in unsere Berathungen, ihrer ungewohnt, hinein- tritt, kann auf den Gedanken kommen, daß hier agitur de sorte des Kö- nigreiches; denn er findet weder die ehrfurchtgebietende Haltung, welche solche ansehnliche Versammlung zu bewahren verpflichtet ist, noch Auf- merksamkeit auf kluge und nützliche Rathschläge, noch eine Berücksichti- gung der gefährlichen Zeitläufe, welche von allen Seiten premunt, obwohl das Vaterland seine Schmerzenswunden offen zur Schau trägt. Wir aber, statt sie zu heilen machen sie nur noch schlimmer, so sehr, daß man berechtigt ist, über uns Wehe zu rufen und auf uns das Wort anzuwenden: heu patior telis vulnera facta meis. “ Recht und Gerechtigkeit, und ihre Entscheidungen, so weit sie nicht durch Betrug, Fälschung und Bestechung erschlichen oder erkauft waren, waren nichts anderes als Entscheidungen zu Gunsten der Parthei, die in den Wahlen der Richter gesiegt hatte. Eben daher setzte sich auch nicht grade selten der Kampf der Partheien selbst noch bei der Constituirung der Tribunale fort, welche von der einen oder der andern zugleich mit der Einsetzung ihres Marschalls (Präsidenten) mit offener Waffen- gewalt nach ihrem Sinn und Interesse durchgesetzt ward. Be- reits der Reichstag von 1726 hatte durch eine lange Reihe von Beschlüssen, aus welchen man allein schon das tiefe Ver- derben des gesamten Gerichtswesens jener Zeit kennen lernen kann, demselben zu steuern versucht Vgl. Volum. leg. VI, 418 sqq. . Diese Beschlüsse aber wurden nicht durchgeführt, und wie oft auch noch später die Klagen über dies Unwesen laut erhoben wurden, es kam hierin eben so wenig wie in allen andern Verhältnissen zu irgend einer Verbesserung. Vergebens rief Garczynski seinen Lands- leuten zu: „Regna sine justitia sunt mera latrocinia! — das durch diese Zustände hervorgerufene polnische Sprüchwort, daß in Polen das Recht einem Spinnengewebe gleiche, welches der Sperling zerreiße, in dem aber die Mücke sich fange, behielt nach wie vor seine Wahrheit. Ziehen wir von all diesem schließlich die Summe, so müssen wir gestehen, die Republik lag um die Mitte des 18. Jahr- hunderts im tiefsten Verfall. Das sociale wie politische Leben all ihrer Glieder war durch und durch krank. In den höheren Ständen, den gebildeten „Herren“ herrschten Stolz und Ehr- geiz und ein Selbstgefühl vor, welches fast nur darauf bedacht war, den Einfluß und die Macht, welche ihre Stellung ihnen im öffentlichen Leben gab, zur Befriedigung ihrer Leidenschaften, der Herrschsucht und des Genusses, nach Willkühr auszubeuten. Der Massenadel, im Durchschnitt ungebildet und roh, gewalt- thätig und unterwürfig zugleich, dem Müßiggang und zügel- loser Genußsucht hingegeben, lebte ohne viel Besinnung von einem Tage zum andern; die Bauern in fürchterlicher Ver- sunkenheit, Unterdrückung und Noth; die Städte in Trümmern und verarmt, ohne Gewerbe und Handel; Erziehung und Un- terricht in der gröbsten Vernachläßigung; Schulen und Uni- versitäten in den Händen einer unwissenden weltlichen und Ordens-Geistlichkeit, welche sich zu keiner lebendigen Theil- nahme an dem Fortschritte der Wissenschaften und Kennt- nisse ihrer Zeit zu erheben vermochte; das religiöse Leben in äußeren Formen und bigotter Devotion erstarrt, und endlich bei alledem der naive Glaube, daß jeder polnische Edelmann der freiste Mann auf der Welt sei, und die Republik durch ihre Anarchie bestehe. In der That und Wahrheit aber hatte diese Republik, seitdem das Zerreißen der Reichstage herkömmlich geworden, keine Macht mehr, über sich selbst zu bestimmen, einen Willen zu haben. Sie hatte factisch so gut wie keine Gesetzgebung, keine Verwaltung und Regierung mehr. Ihre Finanzen lagen in der tiefsten Unordnung, denn niemand nahm Anstoß daran, sie um die Steuern zu betrügen, und die Schatzmeister unter- lagen, da die Reichstage, welchen allein sie Rechnung zu legen verpflichtet waren, in der Regel zerrissen wurden, keiner Con- trolle. Die kleine Armee, oft genug unbezahlt, war eben des- halb ohne Zucht, ohne Übung, in halber Auflösung; die Ge- richte eine Verspottung jeder Gerechtigkeit. An der Stelle von Recht und Pflicht herrschten Willkühr und Gewalt in allen Schichten und Sphären des Lebens, und den Schutz, welchen der Staat allen gleich gewähren sollte, suchten und fanden die Einen in der eignen Familienmacht und ihrem Reichthum, die Andern in der Dienstbarkeit bei jenen und in deren Protection. Mit einem Wort: die Republik war den Interessen, In- triguen und Partheikämpfen ihrer großen „Herren“ und der Nachbarmächte widerstandslos dahingegeben; denn an die letztern sich anzuschließen, um deren Schutz und Unterstützung gegen ihre Gegner und ihren König zu bitten und zu buhlen, von ihnen Orden und Pensionen zu nehmen, waren die „Herren“ längst gewohnt. „Die Könige starben, die Führer der Oppo- sition wechselten, aber unaufhörlich erneute sich in der Nation die Neigung, gegen die eigne Regierung und zu deren Sturz die Hilfe des Auslandes zu suchen.“ Kalinka l. c. I, p. 63. 64. Gegen dies Treiben konnte sich kein König ohne fremde Stütze auf dem Thron er- halten. Die Nation selbst zwang ihn, eine solche zu suchen; sie selbst zog die fremden Mächte beharrlich ins Land, ohne zu bedenken, daß hieraus schließlich die Abhängigkeit vom Aus- lande folgen mußte. Der schreiendste Mißbrauch der Freiheit führte auch hier zur Knechtschaft. 2. Idee der Reform. Erstes Emporsteigen der Czartoryski. Inmitten des allgemeinen Verfalls, in welchen die Republik seit dem Ende des 17. Jahrhunderts je länger je mehr ver- sank, fehlte es freilich nicht an einzelnen Männern, welche mit schärferem Blick als die Masse der Nation die zahlreichen Schäden, an welchen sie krankte, erkannten, die Gefahren, welche ihr in der Zukunft drohten, voraussahen und Mittel und Wege zur Heilung und Rettung dringend empfahlen. Sagte doch schon König Johann Kasimir im Jahre 1661 der Nation ihr Geschick wahrhaft prophetisch voraus. „O möchte ich ein fal- scher Prophet sein“, sprach er zu den versammelten Reichs- ständen, „wir haben eine Theilung der Republik zu fürchten. Moskau wird sich Lithauens bemächtigen, der Brandenburger sich nach Großpolen vergrößern und über Preußen sich ent- weder mit dem Schweden verständigen oder mit ihm darum kämpfen, und auch Östreich wird, wenn es auch die reinsten Absichten hegt, sich selbst nicht vergessen und nach Krakau und den benachbarten Palatinaten greifen.“ Diese merkwürdige Rede ist in mehreren von einander mehr oder weniger abweichenden Fassungen überliefert, welche jedoch in dem Haupt- gedanken vollkommen übereinstimmen. Vgl. hierüber Bandtkie , Dzieje Ein ganzes Jahrhundert ging vorüber, bevor sich diese Prophezeiung erfüllte, und auch in diesem fehlte es nicht an Stimmen, welche die Nation zur Einkehr bei sich selbst und zur Umkehr mahnten. Die einen faßten die tiefe Versumpfung ihres geistigen und moralischen Lebens, die anderen die poli- tischen Schäden, die Gebrechen und Mängel des staatlichen Or- ganismus der Republik und ihrer einzelnen Institutionen über- wiegend ins Auge. Zu den ersteren gehört der Fürst Jan Jablonowski, Woiwode von Rußland († 1731), und Stephan Garczynski, Woiwode von Posen, beide Senatoren der Repu- blik; zu den letzteren Stanislaw Dunin Karwicki (um 1706) und König Stanislaw Leszczynski 1733 Von Stanislaw Konarski in seinem kurz vor dem Ausgang der sächsischen Epoche (1760) erschienenen Buch O skutecznym rad sposobie (über eine fruchtreiche Art der Berathungen) wird später zu sprechen sein. . Allen gemeinsam ist die Offenheit, Ungeschminktheit, mit der sie die bestehenden Zustände schildern; Jablonowski aber erscheint in seiner Schrift „Be- denken ohne Bedenken“, in welcher er rückhaltlos „die Sünden, welche niemand für Sünden hält“, und die eben daher die allgemeinsten waren, aufdeckt, mehr als Satyriker, wie als Moralist, während Garczynski in seiner „Anatomie“ (1751) auf das erregteste „warnen und bessern“ will. Eben so stimmen auch die Politiker wesentlich sowohl darin überein, in welchen Institutionen die Quelle des politischen Verfalls der Republik hauptsächlich liege, als auch meistentheils darin, welche Heil- mittel sie vorschlagen. Aber bei alledem besteht dennoch ein wesentlicher Unterschied zwischen den letzten Zielen, welche Kar- wicki auf der einen, Leszczynski auf der anderen Seite, auf- stellen und erstreben. Karwicki, von dem Grundgedanken aus- gehend, daß die Principien der Monarchie, Aristokratie und Demokratie in einem unversöhnbaren Gegensatz ständen, und daß daher alles Unheil der Republik, alle Unruhe und Ver- wirrung von der Mischung jener drei Staatsformen in ihrem Narodu Polskiego. Wroclawin 1835. II, p. 260. A. Waleski , Historya wyzwolonej rzeczypospolitej, wpadającej pod jarz̀mo domowe za panowania Jana Kazimierza. Krakow 1872. II, p. 274 sqq. staatlichen Organismus herrühre, gelangt zu dem Schluß, es sei daher für Polen kein Heil zu hoffen, sofern die Nation nicht entweder die reine Monarchie oder die reine Republik herstelle. Zwar erkennt er an, daß die Monarchie die beste Staatsform, zumal in der Gegenwart, sei; aber er entscheidet sich doch für die reine Republik, weil für jeden Staat diejenige Regierungsform die beste sei, welche die dem Genius der Nation angemessenste wäre, und dies sei für die Polen ihrem Character und ihrer Geschichte gemäß die Republik. Das Königthum so gut wie völlig zu beseitigen, den Einfluß und die Macht der Aristokratie zu brechen und der Masse des Adels die unbestrittene Herrschaft in die Hand zu geben: auf dieses Ziel gehen alle seine Vorschläge zur Reform schließlich hinaus, wenn er auch einsichtig genug ist, zugleich Mittel und Wege anzugeben, geeignet, das Umschlagen der Demokratie in eine Ochlokratie zu verhindern. Von solchem Radicalismus ist Leszczynski — welchem Kar- wicki’s Schrift offenbar bekannt war — weit entfernt. Er findet den Grund aller Übel nicht in der Unmöglichkeit des Nebeneinanderbestehens von „Majestät und Freiheit“, sondern darin, daß sie beide in Polen nicht in das richtige Gleichgewicht gebracht wären. Ihm schwebt im gewissen Sinne die Ver- fassung Englands als Ideal vor. Da er aber seine Schrift während des Interregnums nach dem Tode August II. als Wahl- manifest herausgab, um die Polen für seine Wahl zu gewinnen, vermeidet er es sichtlich durch seine Reformvorschläge ihrem Freiheitsbegriff und Freiheitssinn etwa zu schroff entgegenzu- treten. Immer aber ist sein letztes Ziel nicht nur die Krone, sondern auch die Freiheit des Adels in feste Schranken einzu- schließen, und hiedurch beide in das richtige Gleichgewicht zu einander zu setzen. Allerdings sind seine Rathschläge sowohl wie die Karwicki’s ab und zu nicht frei von einem abstract- theoretischen, zur politischen Künstelei neigendem Zuge; allein im Großen und Ganzen schließen sie sich soweit als irgend möglich an die bestehenden Einrichtungen und Zustände an. Trotzdem aber haben all’ diese Schriften auf die Nation im Großen, weder in dem Augenblick, in welchem sie erschienen, noch Jahre lang nachher eine besondere Wirkung gehabt. Die Masse des Adels las damals, und selbst noch in den ersten Jahrzehnten der Regierung Stanislaw Augusts überhaupt so gut wie gar nicht Vgl. K. Koz̀mian , Pam. I, p. 119. , und es erklärt sich hieraus schon allein, daß jene Schriften sehr bald nach ihrem Erscheinen in Ver- gessenheit kamen Die Glos wolny soll, wie in dem neuen Krakauer Abdruck von 1858 mitgetheilt wird, im Jahre 1790 von einem gewissen Bukara wieder abgedruckt worden sein. Karwicki und Jablonowski sind erst vor einigen Jahren von neuem gedruckt. Garczynski ist meines Wissens auch jetzt nur in dem höchst seltenen ersten Druck vorhanden. . Erst als ein jüngeres Geschlecht aufwuchs, fanden ihre Ideen, zunächst auch nur bei wenigen, einen Anklang. Der reißende Fortschritt des inneren Verfalls der Republik, ihre immer sich steigernde Abhängigkeit von Rußland öffneten doch manchem die Augen. Die Reisen der jüngeren „Herren“ ins Ausland; der längere Aufenthalt, welchen mehrere am Hofe Leszczynski’s in Lüneville und Nancy nahmen, der eine Pflanz- schule höherer Bildung für diese Jugend ward; die Vergleichung der Zustände anderer Nationen mit den heimischen; endlich der neue Geist der Aufklärung, welcher gegen die Mitte des Jahrhunderts sich überall in Europa Bahn zu brechen begann: das alles schärfte allmählig den Blick für die tiefen Schäden, an welchen die Republik krankte, für die Gefahren, welche hieraus ihr drohten, und führte zugleich zu der Einsicht, daß Polen ohne tiefgreifende innere Reformen seinem Untergange entgegeneile. Schon Karwicki hatte gemahnt: die Nation müsse nur nicht selbst sich verlassen und nicht müßig erwarten, was das Geschick über sie verhänge, sondern vielmehr zu handeln sich entschließen, und nicht dem Zufall überlassen, was durch entschlossene Weisheit verbessert werden könne Karwicki , De ordinanda republica, p. 5. . Können wir nun auch nicht nachweisen, daß jene Schriften auf dies jüngere Geschlecht unmittelbar eingewirkt haben, so sind wir doch zu der Annahme berechtigt, daß sie nicht ver- gebens geschrieben wurden, wenn auch die Saat, die sie aus- streuten, erst spät aufging. Denn fast alle die Reformideen, welche fast ein Menschenalter nach ihnen, die Czartoryski und Poniatowski praktisch einzuführen versuchten, welche dann gegen das Ende des Jahrhunderts die Führer des sogenannten vier- jährigen Reichstages (1788—92) der Verfassung vom 31. Mai 1791 zu Grunde legten, sind im wesentlichen dieselben, welche Karwicki und Leszczynski zuerst theoretisch aussprachen: Be- schränkung, resp. gänzliche Aufhebung des liberum veto , Ver- besserung des Geschäftsganges auf den Land- und Reichstagen, Beschränkung der Machtfülle der großen Kronämter, Reform des Gerichtswesens, Vermehrung der Armee und finanzielle Sicherstellung ihrer Erhaltung u. s. f. Auch Karwicki’s rein republikanische Tendenz hatte damals ihren Vertreter in Felix Potocki. Vgl. Szujski IV, p. 590. . Unter den Männern nun, welche diese Reformideen ins praktische Leben einzuführen strebten, stehen bekanntlich die Brüder Fürsten Czartoryski, Michael Friedrich und August Alexander , in erster Reihe. Ihr ganzes Leben war von diesem Streben erfüllt und beherrscht: auf die Geschicke der Nation in ihrer Epoche haben sie vor allen anderen den tief- greifendsten Einfluß geübt. Ihr Geschlecht leitete sich von den alten Fürsten Lithauens her; von Gedimin, dessen Söhnen und Enkeln, deren Wappen, den dahersprengenden Reiter (pogon) es heute noch führt. Wie andere Zweige dieses Fürstengeschlechtes, sind auch ihre näheren Vorfahren wahrscheinlich früh in die bereits im 14. Jahrhundert von den Lithauern eroberten russischen Land- schaften übergesiedelt. Wenigstens erscheinen Fürsten Czartoryski bereits urkundlich gegen die Mitte des 15. Jahrhunderts (1422); woher der Schluß wohl gerechtfertigt sein dürfte, daß die ur- alte Veste Czartorysk, am Flusse Styr in Volhynien, damals bereits seit längerer Zeit der Mittelpunkt ihrer dortigen Be- sitzungen war. Wie früh sie sich dem Glauben der griechischen Kirche zugewandt haben, wissen wir nicht, wohl aber daß sie demselben gleich anderen fürstlichen und adlichen Geschlechtern in jenen Landschaften fast zwei Jahrhunderte hindurch treu er- geben blieben. Erst im Beginn des 17. Jahrhunderts trat Jerz̀y Iwanowicza Czartoryski zum römischen Katholicismus über, und ward einer der eifrigsten Anhänger und Beschützer der Jesuiten. Es mag dahingestellt bleiben, inwieweit es mit ihrem grie- chischen Glauben zusammenhängt, daß die Familie, so lange sie ihn bekannte, zu keinem irgendwie hervorragenden Einfluß in der Republik gelangte. Ihre Mitglieder verwalteten wohl in ihren heimischen Landschaften höhere und niedere Ehrenämter, wurden Woiwoden, Kastellane u. s. w., und tummelten sich nicht selten in den damals so zahlreichen Kämpfen mit den Türken, Tartaren und Russen. Zu einer höheren politischen Lebensstellung brachte es aber doch erst der Enkel jenes ersten zum Katholicismus übergetretenen Czartoryski, Florian. Von Jugend auf dem geistlichen Stande gewidmet, seit 1650 Bi- schof von Posen, später von Cujavien, nahm dieser in den wirren Zeiten Johann Kasimirs als Senator an allen wich- tigeren politischen Verhandlungen einen nicht selten hervor- ragenden Antheil, ohne doch seine bischöflichen Pflichten irgend- wie zu vernachläßigen. Im Gegentheil, er war ein ebenso eifriger Hirt seiner Heerde, als Patriot, und ward noch kurz vor seinem Tode († 1674) Erzbischof von Gnesen und Primas des Reiches. Durch ihn zuerst gewann der Name Czartoryski in der Republik Ruf und Glanz. Grade in dem Jahre, in welchem der Erzbischof von Gnesen ins Grab sank, ward seinem Bruder, Woiwoden von Sandomir, ein Sohn, Kasimir, geboren, der auch seinerseits, freilich auf anderem Wege als der Oheim, das weitere Empor- kommen der Familie förderte. Indem er sich mit Isabella Morstyn vermählte, erwarb er nicht nur ein nicht unbedeu- tendes Vermögen, sondern kam auch durch sie mit dem Hofe in nähere Verbindung, an welchem ihre Schwester, die Kron- großmarschallin Bielinska, Geltung und Einfluß besaß. Sie war eine in Polen damals noch seltene Erscheinung. In Paris, am Hofe Ludwig XIV. aufgewachsen, hatte sie den dort herr- schenden Lebensgeist, Anschauungen, Sitten und Gewohnheiten in sich aufgenommen und blieb diesen auch nach ihrer Rückkehr nach Polen ihr Leben lang getreu. Sie eröffnete als die erste in Warschau Salons nach dem Muster von Versailles und Paris und zog, anmuthig und geistreich wie sie war, bald die ganze vornehme Welt, Minister, Hofleute und Adel in ihre Kreise und ihre Richtung: die erste polnische Frau, welche an der Politik, den großen Geschäften des Landes Theil nahm. Die Verbindungen, der Einfluß, den sie hiedurch gewann, förderten natürlich auch ihren Mann, wie ihre drei Söhne. Sie ist die Mutter von Michael Friedrich (geb. 1696 im April) und August Alexander (geb. 1697 im Oktober oder November) Czartoryski, deren Name untrennbar mit der Geschichte Polens verknüpft ist; der dritte Sohn Theodor Kasimir war Bi- schof von Posen (geb. 1704 oder 1709). Von zwei Töchtern ging die eine, Ludwika, ins Kloster; die andere, Constantia, heirathete den General Stanislaw Poniatowski, den Vater des letzten Königs von Polen. Die Mutter aber erlebte noch der beiden älteren Söhne Emporsteigen zu dem größten Einfluß in der Republik. Bis in ihr höchstes Alter — siebenundachtzig Jahre alt, starb sie erst 1758 am 24. Februar — soll sie allwöchentlich an einem bestimmten Tage sie bei sich gesehen und mit ihnen alle wichtigen Angelegenheiten berathen haben Vgl. Rulhiere , Oeuvres. Paris 1819. I, p. 198. . Nach alledem darf man wohl, auch ohne daß besondere Nachrichten hierüber vorliegen, annehmen, daß diese Mutter auf die Erziehung, Bildung und die ganze Lebensrichtung der Söhne einen großen Einfluß geübt hat. Aus deren Jugendzeit wissen wir nur, daß die beiden älteren, der eine achtzehn-, der andere siebenzehnjährig, zusammen auf Reisen geschickt wurden, in deren Verlauf sie auch nach Frankreich, aber erst nach dem Tode Ludwig XIV. kamen Stanislaw Poniatowski , Pam., p. 61. Bartoszewicz in der Encyklopedya powszechna VI, p. 238. . Von dort scheint der ältere sofort nach Polen zurückgekehrt zu sein; der jüngere aber trat in den Orden der Malteser ein und begann auf dessen Galeeren seine Laufbahn. Nach ein paar Jahren jedoch ging er in die Dienste Östreichs, in welchen er an mehreren Feldzügen, unter anderen an der be- rühmten Schlacht bei Belgrad unter der Führung des Prinzen Eugen Theil nahm (1717). Dennoch brachte er es nicht bis zum Obersten, angeblich, weil er mit den Gegnern Eugens, den Generalen Guido Stahrenberg, de Mercy und Bonnechose in freundschaftlichem Verkehr stand. Trotzdem aber hätte er den östreichischen Dienst schwerlich verlassen, wenn ihn nicht bei einem Besuch im Vaterlande die schöne, liebenswürdige Wittwe des Woiwoden Dehnhof von Poloczk, geb. Sieniawa, angezogen hätte, die einzige Erbin des sehr bedeutenden Ver- mögens ihrer alten Familie. Eben daher bewarben sich auch gar viele aus den reichsten Familien des Landes, unter anderen Franz Salesi Potocki, der spätere Woiwode von Kiew, Michael Kasimir Radzivil, Jan Clemens Branicki, der nachherige Kron- großfeldherr und Schwager des Königs Stanislaw Poniatowski, Adam Tarlo, Woiwode von Lublin, um ihre Hand. Erst nach dreijähriger Bemühung erreichte der Fürst das Ziel seiner Wünsche: ein Erfolg von der weittragendsten Bedeutung für seine gesamte Familie. Denn bisher waren die Czartoryski, wenn auch nicht grade arm, so doch auch nicht reich gewesen. In dieser Beziehung konnten sie mit den Radzivil, Potocki, Sanguszko, Sapieha u. a. nicht rivalisiren; erst diese Heirath (1731, 11. Juni) gab ihnen die finanziellen Mittel, deren sie, wie einmal die socialen und politischen Verhältnisse in Polen waren, bei ihrem Emporsteigen zu Einfluß und Macht nicht entbehren konnten. Inzwischen hatte der ältere Bruder, Michael, bereits im Dienst der Republik eine angesehene Stellung erworben. Zwar hatte der Vater, wie dies bei der ganzen in der Familie herr- schenden Richtung nicht anders zu erwarten war, nach dem Tode Sobieski’s, sich mit seinem Schwager Bielinski der fran- zösischen Parthei des Prinzen Conti, und auch später, als Roepell , Polen im 18. Jahrhundert. 3 Stanislaw Leszczynski von Karl XII. gegen König August II. auf den Thron erhoben ward, dem ersteren angeschlossen; schließlich aber hatte er wie alle anderen mit König August seinen Frieden gemacht, und selbst dessen Wohlwollen gewonnen Aus Bizardière , Histoire de la scission etc. Paris 1737. p. 263. 274 ersieht man, daß Kasimir Czartoryski in Person zum Prinzen Conti nach Danzig geeilt war und nach dessen Abzuge dort mit anderen polnischen Herren gefangen ward. Wie er sich dagegen zur Con- föderation von Tarnogrodzk (1715) verhielt, weiß ich bis jetzt nicht mit Bestimmtheit zu sagen. Nach Bartoszewicz in der Encyklopedya a. a. O. saß er während derselben ruhig in Krasnymstaw in Gallizien. . Gleiche und wohl noch höhere Gunst des Königs genoß auch sein Schwiegersohn Poniatowski. Aus einer Familie des klei- neren Adels entsprossen, war dieser, zwanzig Jahre älter als die beiden Brüder Czartoryski, zuerst im Kriegsdienst Leszczynki’s emporgekommen, hatte dann bei Pultawa wesentlich zur Lebens- rettung Karl XII. beigetragen und diesem seitdem in der Türkei, wie in Stralsund und Schweden als Diplomat und Soldat aufs treuste gedient Leben des Stanislaw Leszczynski. Aus dem Französischen. Leipzig 1770. S. 101. Otwinowski , Pamiętniki. Poznaniu 1838. p. 148 et 149: in den polnischen Mittheilungen oft wiederholt. Nordberg ( Histoire de Charles XII, à la Haye 1748) erwähnt jedoch in seiner Schilderung der Schlacht bei Pultawa ( II, p. 310—15) der Theilnahme Poniatowski’s an Karls Lebensrettung nicht, obwohl er sonst dessen treue Karl geleistete Dienste vielfach hervorhebt. — Die Remarques d’un Seigneur Polonois sur l’histoire de Charles XII par Voltaire, Haye 1741, gelten für ein Werk des Generals. . Nach dem Tode Karls ging er von der Königin Ulrike Eleonore mit Anträgen zum Frieden be- traut, nach Polen zurück und soll König August gleich bei seiner ersten Vorstellung dadurch für sich eingenommen haben, daß er ihm das Original seiner Abdankung zu Gunsten Leszczynski’s, aus Schweden zurückbrachte Das Letztere erzählt Lelewel , Panowania Stanislawa Augusta. Bruxella 1847. p. 190. Auch Parthenay (Geschichte von Polen unter der Regierung August II., aus dem Französischen, Mietau 1772) er- wähnt, daß Poniatowski bei diesen Friedensverhandlungen mitwirkte. Nach Rulhiere I, p. 197 sagte Poniatowski dem Könige: „‚J’étais trop jeune pour faire choix d’un parti, quand le roi de Suède vous . In der Reife männlicher Kraft — bei seiner Rückkehr nach Polen war er etwa 42 Jahre alt — von vielseitiger Lebenserfahrung, im Kriegswesen und den großen Geschäften überhaupt geübt, dazu redlich, offen, zu- verläßig, thätig und heiter, stieg er rasch auf der Stufenleiter der Ämter empor. Bereits 1724 ward er Schatzmeister von Lithauen und General der Krongarde; vier Jahre später wollte ihn der König zum Großfeldherrn der Krone erheben, stand aber hievon in Folge des Widerspruchs der Sapieha, Radzivil, Lubomirski und Potocki ab, welche letzteren, da fast immer einer ihrer Familie Großfeldherr gewesen war, den Feldherrnstab ( bulawa ) gewissermaßen als einen Familienbesitz zu betrachten sich gewöhnt hatten und wie alle anderen mit Stolz auf den Emporkömmling herabsahen Vgl. Szujski IV, p. 284—287. . Der König ließ damals das Amt unbesetzt, ernannte aber Poniatowski zum General-Regi- mentarius der Armee, und erhob ihn im Jahre 1731 zum Woiwoden von Masowien und als solchen zum Mitgliede des Senats Die Characteristik ist den Denkwürdigkeiten des Sohnes, des Königs ( p. 67) entnommen. In Betreff der Ämter s. Lengnich , Geschichte des poln. Preußens IX, S. 349—370; und Bartoszewicz a. a. O. — Der General war in der That ein homo novus , der durch seine eigne Tüchtigkeit emporgestiegen war. Über seine Vorfahren haben wir nur Ge- rüchte und Sagen. Rulhiere I, p. 196 erzählt, sein Vater sei ein Bastard eines Sapieha und Verwalter auf einem der vielen Güter dieser Familie gewesen, welche den Sohn erziehen ließ, ihn als Pagen mit auf Reisen ins Ausland nahm und ihn schließlich mit einer Sendung an Karl XII. betraute, durch welche Poniatowski zuerst mit ersterem in per- sönliche Berührung gekommen sei. Fast dieselbe Erzählung, nur mit dem Unterschiede, daß die Sapieha nicht mit Namen genannt sind, und von dem Makel der Geburt keine Rede ist, finden wir noch in Adam Mickiewicz , Vorlesungen über slawische Literatur und Zustände. Leipzig . Wie viel er bei seinem Emporsteigen seiner Heirath faisant la guerre me demanda au seigneur à qui j’étais attaché: de puis ce temps ma fortune fut de lui plaire, mon devoir de le servir: aujourd’hui que sa mort me rend à moi même je ne reconnais plus d’autre maitre que votre Majesté.‘ Le Roi le pressant entre ses bras, lui repondit: ‚C’est un grand bonheur d’être servi par un homme tel que vous‘ et depuis ce moment, il le combla constamment de bienfaits.“ 3* (1720) verdankte, oder umgekehrt seinerseits die Czartoryski förderte, mag dahingestellt bleiben. Thatsache ist, daß er, so lange er lebte (er starb 1762, 29. August) In der Encyclop. powsz. s. v. ist als Todestag der 23. Sep- tember, in der Nouvelle Biographie generale. Paris 1862. vol. XL, p. 748 der 3. August, in den Rodowody ksiąz̀at i Krolow polskich etc. Petersb. 1861 (Genealogie der Fürsten und Könige Polens) der 30. August angegeben. Ich habe den Bericht seines Beichtvaters, der ihm die letzte Ölung gab, vorgezogen. Er ist als Anhang zu den Denkwürdigkeiten des Sohnes (S. 460 ff.) gedruckt. , mit den Ältern und den Brüdern der Frau im engsten Vertrauen stand und mit ihnen Hand in Hand in den öffentlichen Geschäften wirkte. Demgemäß hat er wahrscheinlich auch dem Schwager Michael, als dieser als ein junger Mann von etwa 20 Jahren aus dem Auslande in die Heimath zurückkehrte, eben so zur Seite gestanden, als er die Heirath des jüngeren August mit der Wittwe Dehnhof durch seine geschickten und stetigen Bemühungen förderte Letzteres aus des Sohnes Denkwürdigkeiten, S. 64. . Michael aber erwarb sich rasch die besondere Gunst des Feldmarschall Flemming, der als der erste und vertrauteste Minister August II. auch in den polnischen Geschäften der damals einflußreichste Mann war Denkwürdigkeiten Stanisl. Augusts, S. 16. . Bereits mit 28 Jahren ward er Unterkanzler von Lithauen (1724) und erfreute sich des. Wohlwollens des Königs, der seinerseits wesentlich auch dazu beigetragen haben soll, daß die Wittwe Dehnhof vor allen anderen Freiern August Czartoryski vorzog. Wenige Tage und Paris 1847. II, S. 125. Karpinski theilt dagegen in seinen Pamiętniki p. 31 mit, daß ein italienischer Edelmann Torelli, der am Ende des 16. Jahrhunderts nach Polen gekommen sei, sich mit einer Poniatowska, der letzten ihres Geschlechtes, verheirathet und ihren Namen angenommen habe, nicht ohne diesem den eignen Torelli in polnischer Übersetzung Cioleck (ein junger Stier) hinzuzufügen. Dieser Italiener sei der Urgroßvater des Generals gewesen, dessen Vater erst in seinem Ver- mögen heruntergekommen sei. Diese Sage, welche ihren Ausgangspunkt vielleicht in dem Wappen der Poniatowski, einem jungen Stier, hat, ist selbst in die berühmte „L’art de verifier les dates“ übergegangen; in Polen fand man sie, nach Lelewel , lächerlich. nach der Hochzeit verlieh ihm August den Orden des weißen Adler und erhob ihn ein paar Monate darauf zum Woiwoden von Rußland (11. November 1731), in welcher Landschaft die Mehrzahl der Güter der Frau lag Bartoszewicz in der Encycl. powsz. . Solchergestalt nahm die „Familie“ — mit welchem Aus- druck man sehr bald die Czartoryski, Poniatowski und deren nähere Verwandten zu bezeichnen anfing — bereits in dem letzten Jahrzehnt der Regierung August II. eine sehr bedeutende Stellung ein. Poniatowski galt gegenüber der Opposition der Potocki, Radzivil, Sapieha u. a. als das Haupt der Parthei des Königs, und soll nebst seinem Schwager, dem lithauischen Unterkanzler, als Dank für die Unterstützung, welche August II. der Familie bei der Heirath August Czartoryski’s geleistet hatte, dem Könige das Versprechen gegeben haben, bei der nächsten Königswahl für seinen ältesten Sohn zu stimmen und zu wirken Szujski IV, p. 284. . In wie fern sie aber auf die weiteren Pläne des Königs, sich zum „Erbkönig“ in Polen zu machen, eingegangen sind, wissen wir bis jetzt mit Sicherheit nicht Bartoszewicz in seinen Znakamici męz̀owie III, p. 170 drückt sich sehr vorsichtig hierüber aus, indem er schreibt: „ vielleicht gingen sie in die Pläne des Kurfürsten ein, und wollten ihn thätig bei einer Ver- änderung der Verfassung unterstützen.“ In der Encycl. powsz. dagegen spricht er sehr bestimmt von „Verpflichtungen“, welche der Kanzler „sogar schriftlich“ dem Könige gegenüber eingegangen sei, ohne doch deren Inhalt anzugeben. . An und für sich wäre es grade nicht unwahrscheinlich. Denn Poniatowski, damals der politische Führer der „Familie“, war als treuer Diener und Freund Karl XII. unzweifelhaft auch ein Freund eines starken Königthums; die Czartoryski aber aufgewachsen unter dem Einfluß einer Mutter, welche Ludwig XIV. auf das lebhafteste verehrte und alles polnische Wesen verachtete, haben gewiß von früher Jugend an die Reformidee in sich aufge- nommen, deren Durchführung die Arbeit ihres Lebens ward. Von dem jüngern, August, wissen wir bestimmt, daß ihm, be- reits als er noch ein junger Mann war, die altväterlichen Sitten und Lebensweisen, die ganze Regierungsart im Vater- lande, widerwärtig, ja verhaßt war, und wenn uns auch in dem älteren ein viel stärkeres Element ächt nationalen Cha- racters entgegentritt, so ward er doch zugleich recht eigentlich der politische Kopf der Familie, der thatsächlichste Träger und Förderer der großen Reform, die sie erstrebte. Wie nun aber auch die „Familie“ sich zu den letzten Plänen August II. verhalten haben mag; sie wurden, als er plötzlich eines unerwarteten Todes starb (1. Februar 1733), mit ihm begraben. 3. Die Krisis von 1733—1736. Unmittelbar nach dem Tode des Königs übernahm der Erz- bischof von Gnesen Theodor Potocki als Primas dem Reichs- recht gemäß die Leitung der Dinge; ein Mann von hohen Jahren zwar, aber noch frischen, rüstigen Geistes. Sein und seiner Familie und Parthei Kandidat für den erledigten Thron war schon lange Stanislaw Leszczynski. Sie rechneten auf die Unterstützung Ludwig XV., dessen Schwiegervater Leszczynski seit 1725 war, und hatten um so mehr Grund hiezu, als der französische Gesandte in Warschau, Graf Monti, seit 1729 nicht ohne Erfolg, auch mit vielem Golde für jenen gewirkt hatte. Jetzt aber gelang es dem Primas, auch die bisherige Hofparthei für ihn zu gewinnen; sei es, daß die „Familie“ aus alter Vorliebe für Frankreich und Anhänglichkeit an Sta- nislaw, von dem als König ein Eingehen auf die Idee der Reform zu erwarten war, für ihn Parthei nahm; sei es, daß sie von dem Strom der nationalen Bewegung mit fortgerissen oder vielmehr von all diesem zusammen bestimmt ward. Denn der Ruf, den die Potocki zunächst erhoben, „kein Fremder“, sondern ein „Piast“ müsse gewählt werden, hatte sofort in der Masse des Adels einen um so lebhafteren Anklang gefunden, je höher von Jahr zu Jahr das Mißvergnügen mit der Regierung August II. gestiegen war, welche das Interesse seiner Dynastie vielmehr als das der Republik stets im Auge gehabt, und noch dazu die Freiheit der Nation bedroht hatte. Die große Mehr- zahl der Landtage, welche herkömmlich dem Convocationsreichs- tage vorangingen, erklärte sich für einen „Piasten“. Der Kurprinz hatte anfangs für sich so gut wie keine Parthei. Denn auch den einflußreichen Familien, welche wie die Wisno- wiecki, Radzivil, Lubomirski u. a. gegen die Wahl Leszczynski’s waren, war die Ausschließung jedes fremden Thronkandidaten ganz genehm, weil Theodor Lubomirski, der Woiwode von Krakau, sowohl wie die beiden Wisnowiecki, Michael, der Groß- kanzler und Regimentarius von Lithauen und Jan, Kastellan von Krakau, selbst sich mit dem Wunsche trugen, auf den Thron zu gelangen. Mit der solchergestalt in Polen beginnenden Wahlbewegung kam gleichzeitig natürlich auch die Diplomatie von ganz Europa in die lebhafteste Thätigkeit. Noch immer beherrschte der Gegen- satz der Häuser Bourbon und Habsburg, in welchen damals bereits die östreichische Erbfolgefrage hineinspielte, die poli- tische Welt. Für keine der großen Mächte konnte es gleich- gültig sein, wer auf den Thron gelangte, am wenigsten für die drei, Polen zunächst benachbarten, Rußland, Preußen und Öst- reich. Sollten sie es in Ruhe mit ansehen, daß durch die Wahl Leszczynski’s Frankreich von neuem Polen in sein poli- tisches System hinüberzog? Schon lange vor dem Tode August II. hatten sie hierüber untereinander verhandelt und waren bei jeder dieser Verhandlungen (1726, 1730, 1732) darüber einig geworden, daß weder Leszczynski noch der Kur- prinz zum Throne gelangen dürfe. Ihr Sinn war, daß „der polnische Thron mit einem Successor besetzt werden möge, der so wenig der polnischen Libertät als der Nachbarschaft gefähr- lich sei“. In Paris dagegen war man trotz der früheren Bemühungen für Leszczynski, in den ersten Momenten nach dem Tode August II. doch zweifelhaft, ob Frankreich sich seiner ernst an- nehmen solle. Kardinal Fleury hätte gern den Krieg ver- mieden, der die nothwendige Folge davon sein mußte. Allein der Hof und die Generale drängten, und als eine Bitte des Primas von Polen um den Schutz Frankreichs für die Wahl- freiheit der Nation, eingetroffen war Martin , Histoire de France. Paris 1851. XVII, p. 368. , entschied sich Ludwig XV. Am 11. März las der Kardinal in Person den fremden Ge- sandten in Paris eine Declaration vor, daß Frankreich das freie Wahlrecht der Polen in seinen Schutz nehmen, und jede Unternehmung gegen dasselbe als einen Angriff auf die Ruhe Europa’s betrachten werde. Als ihn darauf die Prinzen und der Hof mit Jubel begrüßten, sagte er: „Sie haben den Krieg gewollt, da ist er“ Droysen , Geschichte der preuß. Politik IV, 3. S. 198. . Auf der anderen Seite blieben die Ostmächte wohl einig darin, Leszczynski in keinem Fall auf den Thron gelangen zu lassen; aber nicht einig blieben sie in Betreff der früher gleich- falls ins Auge gefaßten Ausschließung des Kurprinzen. Daß er die pragmatische Sanction Karl VI., deren Durchsetzung der Mittelpunkt der damaligen Wiener Politik war, anzuerkennen sich erbot, gab dort die Entscheidung für ihn. Rußland ge- wann er dadurch, daß er dem einflußreichsten Mann des Hofes von Petersburg, dem Grafen Biron, die Belehnung mit dem Herzogthum Kurland versprach. Beide Mächte bemühten sich dann auch Preußen für ihn zu gewinnen, aber vergebens. Der Dresdner Hof ließ sich nicht darauf ein, auch nur eine der Forderungen, welche Friedrich Wilhelm I. in seinem Interesse stellte, zu bewilligen. „Wenn Sachsen nicht andere Saiten auf- zieht“, sagte er Anfang Juni, „so bleibe ich neutral.“ Ebendas., S. 200. Hiebei blieb er stehen. Östreich schloß seinen Tractat mit dem Kurprinzen am 16. Juli allein ab, in welchem dieser neben der Anerkennung der pragmatischen Sanction auch noch die Verpflichtung übernahm mit Östreich und Rußland in ewiger Alliance zu bleiben Ebendas., S. 206. . Der russische Hof trat diesem Vertrage sofort bei. Man sieht, es war ein hoher Preis, den der Kurprinz für den Thron Polens zahlte, ein Preis, der, sofern er sein Ziel erreichte, seine und der Republik politische Selbstbestimmung auf lange hinaus vernichtete. Die Nation aber, deren Krone er erstrebte, wollte nach wie vor nichts von ihm wissen. Wie auf den Landtagen, so ging es auch auf dem Convo- cations- und Wahlreichtstag (26. April, 25. August). Ein- müthiger wie je wählten die Polen — auf dem Wahlfelde Wola bei Warschau waren an 100,000 Edelleute, alle zu Pferde und in Waffen zusammen — Stanislaw Leszczynski zu ihrem König (12. September); nur ein einziger Edelmann hatte bei der Abstimmung den Kurfürsten von Sachsen genannt. Trotz- dem aber trennten sich die Lubomirski, Sapieha, Wisnowiecki, Radzivil — von welchen keiner dem anderen die Krone gönnte — Quot capita, tot. sensus, heißt es von ihnen in einem Schreiben aus Lithauen. S. Ranke I, S. 386. und ihr Anhang von der beinahe einmüthigen Nation, gingen zu August über und riefen selbst die Russen herbei, deren Heer in diesen Tagen bereits in der Nähe von Warschau stand. Unter dessen Schutz wählten sie, eine verschwindende Mino- rität, am 5. Oktober in Praga August III., den Kandidaten Östreichs und Rußlands. Bekannt ist der Ausgang. Die Polen hatten trotzdem, daß Rußland bereits lange vor der Wahl Leszczynski’s ihnen offi- ciell erklärt hatte, es werde diese Wahl für einen casus belli betrachten, es vollkommen versäumt, sich zur Vertheidigung ihrer Freiheit zu rüsten. Ohne alle Erkenntniß der Lage, in der sie sich fanden, hatten sie sich in dies Unternehmen ge- worfen, darauf vertrauend, daß Schweden und Türken in ihrem eigenen Interesse, welches die Erhaltung der Unabhängigkeit der Republik fordere, sie gegen Rußland, Frankreich sie gegen Öst- reich und Preußen schützen müßten Wie weit es ihnen an der Erkenntniß der wahren politischen Lage fehlte, dafür bringt Szujski IV, p. 302, aus dem Manifest der Sendo- mirer Konföderation ein schlagendes Beispiel. In diesem Manifest heißt es: sole clarius patet, daß nicht Rußland, dessen Interessen der ganze Angriff auf Polen von Grund aus widerspräche, der Urheber desselben . Auf so weite und un- sichere politische Combinationen bauten sie, ohne daran zu denken, daß jede Nation in erster Reihe nur auf die eigne Kraft und Macht vertrauen darf. Als Schweden und Türken ruhig sitzen blieben, Frankreich aber sie, wie es stets gethan, so gut wie völlig im Stich ließ, was half es da, daß die Bürger- schaft von Danzig sich und den zu ihr geflüchteten Stanislaw tapfer und ausdauernd eine Zeitlang gegen die Russen ver- theidigte, daß ein Paar Tausend Edelleute dort, andere in Lithauen, noch andere in Kronpolen während des Jahres 1734 einen kleinen Partheigängerkrieg führten? Ohne Zusammen- hang untereinander, nicht selten selbst unter sich im Hader, ward ein Haufen nach dem anderen von den russischen oder sächsischen Truppen auseinandergesprengt. Ohne allen Nutzen für die Sache, für welche sie ihr Gut und Blut opferten, trugen sie nur zur Verheerung des Landes bei. Eine Zeitlang hielt Leszczynski, nachdem er unmittelbar vor der Übergabe Danzigs von dort entflohen war (27. Juni), die Hoffnung fest. Von Königsberg aus rief er, obwohl selbst ohne Vertrauen auf den Erfolg, die Nation zum allgemeinen Aufsitzen auf (24. Dezember 1734, 20. August 1735) „Mögen sie dort“ — schreibt er an seine Tochter, die Königin — „sich des Gedankens völlig entschlagen, daß hier die heimischen Haufen ( czeladka domowa ) irgend etwas ausrichten werden.“ Szujski IV, p. 302. , in der Erwartung, daß Ludwig XV. dessen Heere siegreich gegen Öst- reich fochten, ihn auf dem Throne erhalten würde. Als er sich aber auch in dieser Erwartung durch den Abschluß der Friedenspräliminarien in Wien (3. Oktober 1735) getäuscht sah, unterzeichnete er, von Ludwig XV. selbst dazu gedrängt, seine Abdankung (26. Januar 1736) und kehrte im März nach Frankreich zurück. sei, sondern allein Östreich aspirans ad universale imperium . Das Einrücken der russischen Heere sei nicht consilio primorum der ehr- würdigen und rechtschaffenen Vertreter des russischen Namens erfolgt, weshalb der Marschall der Conföderation den russischen Truppen und später den Ständen der russischen Länder erklären solle, sie wollten gegen sie keine hostilitates exercere . Unter den Polen, welche ihm nach Danzig gefolgt waren und bis zum Ende der Belagerung mit ihm aushielten, war auch die „Familie“, die fast 60jährigen Alten, Kasimir Czar- toryski und Poniatowski, so wie alle drei Söhne des ersteren und deren Vetter Stanislaw. Noch vor dem Anmarsch der Russen, Ende November 1733, hatte der König Poniatowski nach Berlin gesandt, um im Verein mit dem dortigen franzö- sischen Gesandten Friedrich Wilhelm I. für seine Sache zu ge- winnen. Er ließ damals im Einverständniß mit den Polen, die bei ihm waren, dem Könige die Abtretung eines Land- striches anbieten, der Ostpreußen und Pommern unmittelbar verbände, während fast gleichzeitig Rußland in Berlin die Woiwodschaft Pommerellen und den Besitz der Stadt Elbing antrug Ranke , Preuß. Geschichte I, S. 408. Unverändert in der neuen Ausgabe Bd. III u. IV, S. 218. . Friedrich Wilhelm lehnte beide Anträge ab. Ponia- towski aber übernahm nach seiner Rückkehr aus Berlin die Leitung der Vertheidigung der Vorstädte Danzigs; sein Schwager August Czartoryski befehligte die polnische Krongarde, welche auf dem Bischofsberge lag, bis er von einer schweren Krank- heit ergriffen ward, die ihn dem Tode nahe brachte. Nach der Kapitulation der Stadt unterschrieb die Familie, mit Aus- nahme des lithauischen Kanzlers, welcher vorher Danzig ver- lassen zu haben scheint, nebst der Mehrzahl ihrer Landsleute, auch die Acte, durch welche sie August III. als ihren König und Herrn anerkannten. Die Acte war würdig gefaßt. Sie erklärten darin, dem göttlichen Willen, der nach dem ganzen Verlaufe der Dinge deutlich zu Tage liege, sich unterwerfen zu wollen, in der Zuversicht, daß der König die Gerechtsamen, Freiheiten und Vorrechte, welche ihnen von allen seinen Vor- gängern verliehen worden, ungekränkt beschützen und erhalten werde Die Unterwersungsacte mit allen Unterschriften in deutscher Über- setzung in Seyler und Schultz , Alte und Neue preußische Chronika, 1762, S. 629. Es ist dies noch heute ein für uns sehr nützliches Buch, da es eine Menge von Actenstücken in Übersetzung vollständig enthält. . Und als dann August III. in Person nach Danzig kam, schwur Poniatowski ihm persönlich neben anderen den Treueid (26. Juli), worauf der König alle in ihren Ämtern und Würden bestätigte Seyler ꝛc., S. 140. 647. . Schon vorher hatte ihm, auf seiner Reise nach Danzig, auch der lithauische Unterkanzler ge- huldigt Szujski IV, p. 307. . Nun setzte sich freilich noch durch das ganze Jahr 1735 die einmal vorhandene Unruhe und Bewegung in einzelnen Zuckungen fort. Hier und dort versuchte man es immer wieder mit neuen Conföderationen: allmählig aber unterwarf sich doch einer nach dem anderen dem König. Bereits im Februar sagte sich Joseph Potocki von der Sache Leszczynski’s los und schwur persönlich im Mai dem Könige den Eid der Treue. Ihm folgte am 16. Juli der Primas, welchen die Russen nach der Kapitulation von Danzig in Thorn lange gefangen gehalten hatten, nicht ohne daß er sich vorher durch den Pabst von dem Leszczynski geleisteten Eide hatte entbinden lassen Seyler ꝛc., S. 454. Seine Rechtfertigungsschrift vom 4. Febr. 1735, so wie die Rede, die er bei seinem ersten Erscheinen vor August III. hielt (ebendas. S. 1160—1169), sind gemessen und würdig. . Trotzdem aber scheiterte noch der erste Versuch, den August III. im September 1735 mit einem sogenannten Pacificationsreichstage machte. Erst der zweite im Juni 1736 hatte Erfolg, ob- wohl viele Anhänger Leszczynski’s zu Landboten gewählt waren, und einer der Führer dieser Parthei, Waclaw Rzewuski, ein- stimmig zum Marschall gewählt ward. Indem der König alle während des Interregnums gefaßten Beschlüsse mit Ausnahme des die Wahl eines Piasten betreffenden Artikels anerkannte, ferner den Abmarsch der russischen und sächsischen Truppen aus dem Gebiete der Republik innerhalb 40 Tagen nach dem 9. Juli versprach und endlich dem ihm schon früher von Peters- burg aus gegebenen Rath folgend Dezember 1734; s. Herrmann , Geschichte Rußlands IV, S. 559 f. , bei der Verleihung der erledigten Würden und Ämter in gleicher Weise wie seine An- hänger auch seine bisherigen Gegner bedachte, beruhigte er die Nation. Es ist für die Stellung, welche die „Familie“ ungeachtet der politischen Niederlage, die sie erlitten, in der Republik damals einnahm, höchst bezeichnend, daß sie neben dem Bischof von Plock Zaluski, vornämlich in dem eben erwähnten russischen Rathschlag dem Könige empfohlen ward, da sie „bekanntermaßen durch ihre Fähigkeiten, durch ihre Rathschläge und ihren Einfluß mehr als andere im Stande wäre, die Generalpacification zu befördern; der König möge daher keinem von ihnen seine Ämter nehmen und namentlich dem Woiwoden von Rußland, August Czartoryski, den Oberbefehl über die Krongarde lassen; übrigens werde man auch russischerseits es an nichts ermangeln lassen, um denselben bei der Parthei des Königs beständig zu er- halten“ Herrmann a. a. O., S. 560. 563. . Die „Familie“ soll in der That zu der Pacifi- cation wesentlich beigetragen haben. Ihrem Einfluß schrieb man die Unterwerfung Joseph Potocki, sowie die des Primas zu, und Poniatowski ist zu demselben Zweck im Dezember 1735 und Januar 1736 in Danzig und Königsberg gewesen und nicht ohne Erfolg Szujski IV, p. 310. 313. Aus Danzig schrieb Poniatowski an Adam Tarlo: „La Russe se declare hautement, daß es unsere Rechte und Freiheiten in toto aufrechthalten will.“ S. Adam Tarlo von Hubert in der Bibliotheka Warszawska 1859 I, p. 33. . Wir wissen freilich nicht bestimmt, in- wieweit die „Familie“ zu den „Herren“ gehörte, welche, wie der Oberstallmeister Loewenwolde in Petersburg zu dem säch- sischen Gesandten Grafen Lynar damals sagte, ihn mit Briefen „überhäuften, deren Rathschläge sowohl als die beständigen An- fragen, wie sie sich zur Zufriedenheit des Königs und des hiesigen Hofes zu verhalten hätten , ihn überzeugten, daß ihre Absichten aufrichtig wären, und daß sie es vielen anderen an nützlichen Diensten zuvor thun würden, denen man weiter nichts nachrühmen könnte, als daß sie sich von Anfang an zu der Zahl der Wohlgesinnten bekannt hätten“. Sicher ist, daß bereits während des Krieges Rußland die „Familie“ insofern besonders berücksichtigte, als die russischen Heerführer in Polen angewiesen wurden, sich keinerlei Eigen- mächtigkeiten auf deren Gütern zu erlauben Szczebalski in seinem in der Zeitschrift Wiestnik Ruski gedruckten Aufsatz über „die russische Politik und die russische Parthei in Polen“. Er bezieht sich hiefür auf Verfügungen Loewenwolde’s und Münnichs im Archiv des topographischen Bureaus. . Der russische Hof handelte hiebei viel umsichtiger als der neue König von Polen. Noch viele Jahre später erzählte wenigstens der junge Stanislaw Poniatowski in Gegenwart des preußischen Agenten v. Korff, daß die „Familie“ nach der Einnahme von Danzig, trotz alledem, was sie that, um sich mit dem sächsischen Hause auszusöhnen, dies nicht erreicht habe, und daß der Haß des damaligen Ministers, Sulkowski, gegen sie, sie gänzlich zu Grunde gerichtet hätte, wenn sich Rußland nicht hätte bewegen lassen, sie zu beschützen; der Hof hätte ihr Alles rauben wollen, „Rußland bewirkte, daß wir Alles wiedererhielten und ver- pflichtete uns durch seine wirksame und dauernde Protection auf seiner Seite zu bleiben, so lange es nichts gegen unsere Gesetze unternahm“ Nach dem Bericht Korffs vom 2. März 1763. . Seitdem hielt die „Familie“ Jahre lang die russische Parthei in Polen, ganz in Übereinstimmung mit dem König, der seine Stütze in Petersburg suchte und fand. Nach der zweimaligen Enttäuschung, welche sie 1697 und 1733 in Betreff der Politik Frankreichs in Polen erfahren hatte, kam sie zu der festen Überzeugung, daß für ihr Vaterland kein Heil von dort zu erwarten sei, und entäußerte sich all der politischen Sympathien, die sie früher für Frankreich gehegt. 4. Die „Familie“. Wie bald nun nach dieser entscheidenden Wendung in den Czartoryski’s der Gedanke lebendig geworden ist, Form und Gestalt angenommen hat, in Verbindung mit dem neuen Könige und gestützt auf Rußland die von ihnen für Polen als noth- wendig erkannten Reformen auch durchzusetzen, wissen wir nicht mit Bestimmtheit. Unzweifelhaft haben sie die Ideen, welche sie dreißig Jahre später, auf dem Zenith ihres Einflusses und ihrer Macht ins praktische Leben wirklich einzuführen begannen, lange vorher nicht nur mit sich herumgetragen und erwogen, sondern auch für sie andere zu gewinnen sich bemüht. Allein es verging doch ein ganzes Decennium, ehe sie, soviel wir wissen, den ersten Versuch zu einem Anfang der Reform machten. Bis dahin finden wir sie politisch nur in altpolnischer Weise eifrig beschäftigt sich selbst in der Stellung, die sie einnehmen, dadurch zu befestigen, daß sie sich in der Gunst des Hofes und Rußlands erhalten, und durch diese sich, ihre Verwandten, Freunde und Clienten in Ämter und Würden bringen. Ob und in wie weit sie hiebei von vornherein mit vollem Bewußtsein ge- handelt haben, um sich auf diese Weise zunächst eine feste Grund- lage der Macht für spätere Reformen oder gar für den Über- gang der Krone an ihr eignes Haus zu schaffen, wie von vielen, welche von Späterem auf Früheres schließen, behauptet wird, kann man für jetzt weder entschieden bejahen, noch ver- neinen. Dem gewöhnlichen Gange menschlicher Dinge gemäß erscheint es wahrscheinlicher, daß sie erst im Verlaufe der Zeit und der Entwickelung der Verhältnisse zur Feststellung ihres Ziels und der Mittel und Wege zu demselben gelangten Rulhiere I, 192 sq. vertritt die erstere Auffassung. Szujski IV, 331 meint, daß sie allerdings in der ersten Zeit nach dem Paci- ficationsreichstag die Reformideen nur vertagt hätten, mit der Zeit aber diese vollkommen zu Boden gefallen wären, und sie sowohl wie ihre Gegner, die Potocki, nur rein um das Übergewicht von Einfluß und Macht mit einander gekämpft hätten. . Und nun glückte es ihnen in der That, sich zwanzig Jahre hindurch in der Gunst des Hofes zu erhalten. In dieser Zeit fiel die Leitung der Familie je länger je mehr dem Unter- kanzler von Lithauen zu, dem sich der jüngere Bruder von Jugend auf unterzuordnen gewohnt war. Alle aber hielten aufs engste zusammen Graf Kayserling , der russische Gesandte in Warschau und Freund der Familie, soll von ihr gesagt haben, sie sei eine kleine in vor- trefflicher Ordnung regierte Republik in der großen, aufs schlechteste re- gierten. Nach dem Bericht eines offenbar sächsischen Agenten aus der Zeit des Interregnums von 1763—1764, dessen Briefe unter dem Titel Correspondance sur les affaires politiques du royaume de Pologne (1764 bis 1766) in Büschings Magazin für die neue Geschichte und Geographie, Thl. XIII, gedruckt sind. . Alle wichtigern Fragen wurden im Familienrath, von dem selbst die Frauen, die alte Mutter und die Frau Poniatowski’s, nicht ausgeschlossen waren, berathen und die Entschlüsse gemeinsam gefaßt. Der Kanzler eröffnete in der Regel die Berathung, indem er die Frage nach allen ihren Seiten beleuchtete; ihm folgten die zuverlässigen Freunde, die man zugezogen, dann der Woiwode von Rußland und die Schwester, zuletzt gab der alte Poniatowski seine Meinung ab. Keiner erkannte so schnell und richtig, als er, was zu thun sei, und meistentheils folgten ihm die anderen. Bis in sein sechs- undsiebzigstes Jahr blieb er körperlich und geistig rüstig; erst seit 1752 begann er sichtlich zu altern und zog sich seitdem mit der Frau mehr von den öffentlichen Geschäften zurück. Die Roepell , Polen im 18. Jahrhundert. 4 Stellung und der Einfluß der beiden Czartoryski war damals fest begründet, sie bedurften seiner Unterstützung nicht mehr, und fingen an solche auch nicht mehr zu wünschen Stanislaw Poniatowski , Pam., p. 678. . Wie verschieden auch der Character der Brüder war, so waren sie doch beide — auch die Gegner erkennen dies an — von selten hoher Begabung und ragten an Bildung nicht nur über die Masse des vorurtheilsvollen und unaufgeklärten Adels, sondern auch über ihre besseren Standesgenossen weit hinaus. Von Jugend auf nicht genußsüchtig und verschwenderisch wie diese, sondern arbeitsam und sparsam, hielten sie ihre Finanzen in Ordnung und brachten ihre Güter empor, während die Mehrzahl der anderen „Herren“ bei all ihrem Reichthum in der Regel in ungeordneten Vermögensverhältnissen, vielseitig verschuldet lebte. Vornämlich der jüngere Bruder, der Woi- wode von Rußland, war ein vorzüglicher Wirth. Er widmete sich unausgesetzt mit großer Einsicht der Verwaltung seiner durch seine Heirath erworbenen zahlreichen Güter, und mit solchem Erfolge, daß man allgemein annahm, er habe über eine Million Dukaten auf ihnen lastender Schulden abgezahlt und daneben doch ihre Einkünfte verdoppelt. Grade hiedurch hatte er stets die finanziellen Mittel bereit, deren die Familie für die Durchsetzung ihrer politischen Zwecke nothwendig be- durfte. Hiefür hatte er stets eine offene Kasse, weil er der „Herr und nicht der Sclave des Geldes war“; wie denn überhaupt beide Brüder bei all ihrer wirthschaftlichen Ordnung und Sparsamkeit ihrem Stande und ihrer hohen Stellung gemäß lebten, eine glänzende Gastfreundschaft übten und, wenn es ihnen darauf ankam, in hohem Maaße sich freigebig erwiesen. Es war ein Hebel ihrer Politik, junge Leute von Talent zu suchen, an sich zu ziehen, für ihre Bildung sie reichlich zu unter- stützen und für ihr weiteres Fortkommen zu sorgen. Auch hiefür war der Woiwode besonders begabt. Mit scharfem und raschem Blick verstand er es vortrefflich die Menschen zu er- kennen, ihren Character, ihre Vorzüge und ihre Mängel zu würdigen, ihrer Eigenliebe aufs feinste zu schmeicheln und Herz und Geist junger Leute zu gewinnen. Wie in sich geschlossen, schweigsam und vornehm auch seine Haltung im ganzen war, es lag doch in seinem Benehmen ein gewisser Zauber; er ver- stand in gewinnender Weise zu geben. Freilich war er im Grunde seines Wesens eine überwiegend kalte Natur, in der der Verstand das Herz weit überwog. Bei allem, was er that, auch bei seiner Freigebigkeit, hatte er immer einen Zweck im Auge, der sich auf ihn selbst bezog; aber er hatte die Gabe, dies nicht merken zu lassen und seine eigentlichen Absichten und Zwecke so zu verhüllen, daß er oft um das gebeten wurde, was er in Wahrheit aufs lebhafteste wünschte. Die Vorsicht, die er in seinen Reden beobachtete, der tiefe Verstand, der all’ seine Schritte leitete, so oft er sich nicht, was selten der Fall war, übereilte; seine edle und einfach nüchterne Redeweise, das Talent selbst den Schatten eines Zweifels, daß er es nicht so meine, wie er sich gab, nicht aufkommen zu lassen, täuschten alle Welt. Er galt allgemein als ein Muster von Klugheit, Rechtschaffenheit und Milde, und erhaben über alle Leiden- schaften und Schwächen der Menge. Ja, er verstand es, selbst die erbittertsten Feinde der Familie und ihrer Interessen zu überreden, daß er persönlich eine ausnahmsweise Berücksich- tigung von ihrer Seite verdiene. Daher ward nicht ihm, sondern dem Bruder alles zugeschrieben, was die Gegner der Familie am meisten kränkte und verwundete, während von der ganzen Familie doch grade er derjenige war, der den Grund- satz unbedingter Herrschaft und Eigensucht am nachdrücklichsten vertrat, sobald er glaubte, so etwas durchsetzen zu können, ohne die Hand erkennen zu lassen, von welcher der Schlag kam. Ganz anders der Kanzler. Von Natur herzlich und heiter, witzig und gesellig, liebte er es seine Gedanken ohne viel Um- schweife auszusprechen. In der Schule des alten Feldmarschall Flemming, der ihn in die Geschäfte einführte, und selbst heiteren Witz, scharfe Ironie und beißenden Sarcasmus schätzte, hatte er sich in jungen Jahren gewöhnt, sich gehen zu lassen, und 4* da alle Welt wußte, wie groß sein Einfluß bei Flemming war, ließen gar viele sich diesen Ton von ihm gefallen. Selbst- ständig geworden, behielt er ihn bei. Er betrachtete es fast als sein Recht, jedermann, selbst denen, welchen er wohl- wollte und wohlthat, rücksichtslos die Wahrheit, sei es un- geschminkt, sei es ironisch oder sarcastisch zu sagen Rulhiere II, 292: „Cet homme à qui il était indifferent de plaire, ou plutot qui se faisait un plaisir malin de l’ironie et de l’injure, devenu le dispensateur de tous les bienfaits, choquait ceux mêmes, qu’il obligeait.“ . Begreif- lich verletzte er dadurch viele aufs tiefste; aber im ganzen und großen ließ man ihm seine Art und Weise durchgehen, und zuletzt sahen er und viele andere in ihr eine catonische Tugend, zumal er für sein Amt und seine Stellung in der That die größte Begabung besaß. In der Kenntniß des pol- nischen Staats- und Civilrechtes übertraf ihn kein Anderer; mit großer Geduld hörte er die Partheien, und sein Urtheil war rasch und treffend. Bei der Besetzung der Tribunale, Ämter und Starosteien wußte er die fähigsten und geeignetsten Männer herauszufinden und so weit sein Einfluß reichte wählen zu lassen. Er nahm dabei wenig Rücksicht, aus welchen Fa- milien, vornehmern oder geringern, die Leute stammten, und wählte mitunter auch solche aus, welche durch Geburt oder Verhältnisse zu der Parthei seiner politischen Gegner gerechnet wurden. Freilich war er dabei so vorsichtig, daß solche nicht durch ihre Zahl seinen Plänen hinderlich werden konnten; immer aber gewann er hiedurch den Ruhm der Unpartheilich- keit und vermehrte zugleich seiner Anhänger Zahl. Zum Par- theiführer war er überhaupt wie geboren. Er scheute keine körperliche und geistige Anstrengung, und verfolgte mit der zähesten Ausdauer seine Pläne und Ziele. Bevor ihn Alter und Mißgeschick nicht in seiner Kraft geschwächt, verlor er nie die Hoffnung des Gelingens; auch wenn es nicht gut ging, sah er immer die bessere Seite der Dinge und hielt sich an sie. Niemand verstand es besser wie er, auf den Landtagen mit dem Adel umzugehen. Mit seiner Heiterkeit und seinem Witz, seiner Offenheit, Schlagfertigkeit und Beredtsamkeit riß er die Masse mit sich fort. Daneben kannte er wie kein An- derer hunderte, ja tausende von Edelleuten nicht nur mit ihren Vor- und Zunamen, sondern auch ihre Verwandtschaft, ihre Wünsche und Interessen, und wußte, ein rascher Menschen- kenner wie er war, fast augenblicklich, von welcher Seite jeder einzelne zu fassen und zu gewinnen sei Dieser Characteristik der beiden Brüder liegen vor allem die Mit- theilungen zu Grunde, welche der König Stanislaw Poniatowski in seinen Denkwürdigkeiten über sie hinterlassen hat. Ich will nicht in Ab- rede stellen, daß auf seine Schilderung der Oheime, ganz besonders des Woiwoden von Rußland, die bittere Stimmung von Einfluß gewesen sein mag, in der er sich nach der ersten Theilung — die Denkwürdig- keiten sind in den 70 r Jahren geschrieben — den Czartoryski gegenüber befand, welchen er, noch abgesehen davon, daß sie ihm das Leben oft schwer gemacht hatten, sehr wesentlich mit das Scheitern seiner Pläne 1766 und 1767 zuschrieb. Auf der anderen Seite aber hatte er von Jugend auf lange Jahre in der engsten Verbindung mit ihnen gelebt, und konnte sie daher besser als viele Andere kennen. Auch fällt es ins Gewicht, daß er von dem Kanzler, der seine Politik mehr durchkreuzte als der Woiwode, nur Gutes sagt. Dazu bewährt er durchweg in seinen Schriften eine feine Auffassung der Personen, und seinem Character war langes Nachtragen durchaus fremd. Leider sind seine Denkwürdigkeiten, so weit sie überhaupt bekannt geworden, zum allergrößten Theil nur in polnischer Übersetzung gedruckt, welche, so viel ich durch die Vergleichung einzelner, nach dem französischen Original gedruckter Bruchstücke sehen kann, nicht grade sehr sorgfältig gemacht zu sein scheint. Es ist daher möglich, daß die Übersetzung die dunklen Parthien seiner Schilderung unabsichtlich noch dunkler gemacht hat, als sie in französischem Original sind; wie es denn überhaupt dringend zu wünschen ist, daß diese höchst interessanten Denk- würdigkeiten, welche vollständig nur in Petersburg zu sein scheinen, endlich vollständig und in der Sprache, in der sie geschrieben sind, gedruckt würden. . Man sieht, die Brüder ergänzten trefflich einander. Ge- meinsam aber war ihnen ein kräftiges Selbstgefühl, welches bei beiden in hohen Stolz, bei dem Älteren in Eitelkeit, seine Achillesferse, überging. Mit lebendigem, aber auch thatkräftigem Ehrgeiz strebten sie unabläßig nach Einfluß und Macht, und haben schließlich als letztes Ziel die Erwerbung der vater- ländischen Krone für ihr Haus ins Auge gefaßt. An und für sich lag in alledem kein Unrecht. Wurde doch jedem polnischen Edelmann von Kindesbeinen an gesagt, daß auch er dermaleinst König werden könne, daß die Kronwahl das größte Palladium der nationalen Freiheit sei. Die ganze Generation aber der anderen großen Familien, die sie umgab, stand an Geist und Talent, an Wissen und Können, an politischer und sittlicher Bildung, tief unter ihnen, und während die Potocki und Radzivil u. s. w. vor allem nur an sich und ihre selbstsüchtigen Interessen dachten, verbanden sie mit ihrem Interesse doch auch zugleich das Interesse des Vaterlandes, dessen heillose Schäden und Gebrechen sie durch eine durchgreifende Reform zu heilen gedachten. Wer ihr Leben und Wirken als Ganzes betrachtet und wägt, kann schwerlich sagen, daß sie die Macht nur um der Macht willen erstrebt, und ebenso wenig, daß sie ihnen nur Mittel zum Zweck war. Wie einmal die Lage der Dinge in Polen, die Stellung ihrer Familie in der Republik waren, blieb ihnen in der That nur die Wahl, Hammer oder Ambos zu sein. Ist es ihnen als Schuld anzurechnen, daß sie lieber das Erstere als das Letztere sein wollten? daß sie hiezu die Wege ein- schlugen und die Mittel ergriffen, ohne welche sie bei der ge- samten Natur der Republik, bei dem Character, der Denk- und Lebensweise ihrer Nation auf diese nicht einzuwirken, ihrer Gegner nicht Herr zu werden vermocht hätten? Gewiß, es ist wahr, daß sie ganz eben so wie die Anderen, in ihrem Kampf auch ihrerseits die Mittel der Bestechung und Gewalt nicht ver- schmähten, daß sie die schlagfertigsten und verrufensten Rauf- bolde, die sogenannten Wolczynskischen Wölfe Sie hatten ihren Namen von einem der Czartoryskischen Güter. , in ihrem Dienst hielten, so oft es ihnen nothwendig schien, die Land- und Reichs- tage sprengen, die Tribunale mit Gewalt einsetzen ließen, und sich auf die russische Macht stützten. Aber nicht sie zuerst haben die Russen nach Polen gerufen. Bevor sie sich ihnen anschlossen, hatten sie bereits zweimal die Erfahrung gemacht (1717 und 1733), daß sich in Polen gegen den Willen Rußlands dauernd nichts durchsetzen lasse; im übrigen zahlten sie ihrer Zeit und ihrer Nation, in deren Mitte sie lebten, als Menschen dieser Zeit und dieser Nation den unvermeidlichen Tribut. Was sie gefehlt und gesündigt, sie haben es schwer gebüßt. Nach einem langen Leben voll Arbeit, Mühen und Kampf haben sie in hohem Alter ihr Werk scheitern und die Aussicht auf eine Wiedergeburt des Vaterlandes in unabsehbare Ferne hinaus- gerückt sehen müssen! 5. Die Czartoryski als Hofparthei. Erste Ver- suche der Reform. 1736—1750. Damals, als sich die Brüder König August III. unter- warfen, hatten beide eben erst die Jahre männlicher Reife er- reicht. Sie hatten es jetzt mit einem Könige ganz anderer Art, als der Vater gewesen, zu thun. Man mag über August II. urtheilen, wie man will; immer wird man ein- räumen müssen, daß er ein Mann von ganz seltener Lebens- fülle war, rüstig und regsam, stets von weit aussehenden großen, freilich oft luftigen Ideen, Plänen und Unternehmungen erfüllt. Von all dem war der Sohn das Gegentheil. Körperlich frei- lich war auch er eine stattlich majestätische Erscheinung, aber von lebendigem Geist trug er keine Ader in sich. Mit der größten Vorstellung von seiner königlichen Würde, war in ihm die größte Unfähigkeit zu regieren verbunden. Geistig in höchstem Maße träge, war er in jeder Beziehung und in jedem Ver- hältniß indolent. Aus geistiger Trägheit war er ohne Liebe seiner Frau, die ihm zahlreiche Kinder gebar, ein treuer und gehorsamer Mann; ohne alles innere religiöse Leben seinem Beichtvater in allem gehorsam; ohne eigentliches Wohlwollen gegen seine Diener und Unterthanen ein milder Herr. Aus dieser stumpfen Trägheit erweckten selbst die wichtigsten Ge- schäfte ihn nicht. In der Konferenz, welche Friedrich der Große im Januar 1742 mit ihm in Dresden hatte, in der es ent- schieden werden sollte, ob die sächsischen Truppen, mit den preußischen vereint, einen Einfall in Mähren machen sollten, um Mähren für Sachsen zu erobern, saß August III. mit dem Ausdruck der Langenweile da, und sagte zu allem nichts weiter als ja. Brühl, dem die Scene peinlich ward, unterbrach plötz- lich die Verhandlung mit der Bemerkung, daß die Oper be- ginne. „Hätte er“, sagt Friedrich der Große, „zehn König- reiche erobern können, das hätte den König von Polen nicht eine Miuute länger gehalten. Er ging in die Oper.“ Oeuvres. Berlin 1846. II, 108. Daß ein König dieser Art die Geschäfte Anderen überließ, versteht sich von selbst, und eben so, daß er sie möglichst einem über- ließ, der ihn nicht langweilte, seinem Selbstbewußtsein nicht zu nahe trat und dafür unter allen Umständen sorgte, daß es nie an den Mitteln fehlte, das Leben des Hofes mit herkömm- lichem Glanze zu führen. Zwei Männer nahmen nacheinander bei ihm diese Stellung ein. Zunächst Graf, seit 1752 Fürst Sulkowski, aber nur wenige Jahre. Er war ein natürlicher Sohn August des Starken und scheint bis auf einen gewissen Grad etwas von der Natur des Vaters geerbt zu haben. Wenigstens war er wie dieser zur Leichtfertigkeit und zum Ent- werfen großer politischer Plane geneigt. Das erste zog ihm die Abneigung der Königin Maria Josepha, Tochter Kaiser Joseph I. zu, einer durch und durch bigotten Frau, welche, wenn sie es vermocht, am liebsten ganz Sachsen katholisch ge- macht hätte. Das Letztere führte seinen Sturz herbei. Er entwarf den Plan, August solle sich auf Grund der Erb- ansprüche seiner Frau trotz seiner vorausgegangenen Anerkennung der pragmatischen Sanction sofort nach dem Tode Kaiser Karl VI. Böhmens bemächtigen. Allein Graf Brühl, voll Eifersucht auf die Gunst Sulkowski’s und nach dessen Stellung lüstern, ver- rieth das Project dem Hofe von Wien. Mit Unterstützung des östreichischen Gesandten, der Kö- nigin und ihres Beichtvaters Guarini erreichte er sein Ziel. Im Jahre 1738 ward Sulkowski entlassen und Brühl trat an die Spitze der Geschäfte, die er bis an seinen Tod in Händen gehabt hat. Nur bei einem König, wie August III. war, konnte ein Mann wie Brühl sich so lange als erster Minister erhalten. In der großen Politik kannte er nur die gewöhnlichen Künste der kleineren Höfe, das Doppelspiel der Schlauheiten, Listen und Intriguen. Ohne Grundsätze und ohne Plan schwankte seine Politik bald dahin bald dorthin, während seine innere Verwaltung willkührlich, ordnungslos und nur darauf berechnet war, für sich und den Hof so viel Geld als nur irgend möglich herauszuschlagen. Verschwenderisch und bestechlich im höchsten Grade, und in jeder Beziehung gewissenlos, hatte er, nach den Worten des großen Friedrich, nur das eine Ziel, sich durch jedes Mittel, auch das infamste, in der Gunst seines Herrn und durch sie in der Macht zu behaupten. Solcher Art waren die Menschen, mit welchen die „Fa- milie“ in erster Reihe zu rechnen hatte. Dem polnischen Staatsrecht nach hatte Brühl freilich in Polen als ein Aus- länder gar nichts zu sagen; als solcher konnte er nach dem Gesetze nicht das geringste Amt bekleiden. Allein thatsächlich war er doch der allmächtige Mann, und nur wer ihn für sich gewann, konnte hoffen etwas für sich oder die Republik zu erreichen. Es begreift sich leicht, wie dieser Hof und diese Nation, bei den politischen socialen und sittlichen Zuständen, in denen sie war, gegenseitig nur verderblich auf einander einwirken konnten. Gewiß, es hat der Nation zum unermeßlichen Un- heil gereicht, daß grade dieser König ihr von den beiden Kaiserhöfen aufgezwungen ward; auf der anderen Seite aber ist es doch auch nicht minder wahr und characteristisch für sie, daß sie nach seinem Tode seine Zeit als eine „glückliche“ ge- priesen hat Kitowicz , Pam. Poznan 1840. p. 60. . Freilich hat König August das um keine Zu- kunft bekümmerte, ausschweifende Genußleben, in welches unter seiner Herrschaft die Nation mit Behagen versank, niemals ge- stört. Wie unruhig und wechselvoll auch Brühls auswärtige Politik war, er hat ernstlich nie darauf bestanden, auch die Republik in sie zu verwickeln, und eben so wenig darnach ge- strebt, sei es die Macht der Krone zu erweitern, sei es an irgend einem Punkt der innern Anarchie durch Reformen zu steuern. Abgesehen von den Jahren des 7jährigen Krieges, in welchen August III. nothgedrungen in Warschau saß, war er während der ganzen 30 Jahre seiner Herrschaft nur die kür- zeste Zeit in Polen. Nur wenn ein Reichstag oder ein Con- silium des Senats, welches gesetzlich nur auf dem Grund und Boden der Republik stattfinden konnte, gehalten werden mußte, kam er auf wenige Wochen, bisweilen nur auf Tage dorthin. Um sobald als möglich nach dem geliebten Dresden zurückeilen zu können, hat er ab und zu einen Senat nahe der Gränze, z. B. in Fraustadt, gehalten. Für Brühl aber, dem die pol- nischen Dinge fremd genug sein mußten, war fast allein die Vergebung der Würden und Ämter von Interesse, weil sie für ihn eine reiche Einnahmequelle war. Ohne bedeutende Summen dabei zu erhalten, hat er sie selten verliehen; häufig genug sie gradezu an den Meistbietenden verkauft. Sehr natürlich daher, daß die Geschichte Polens in dieser Zeit auf den ersten Blick so gut wie keine innere Entwickelung zeigt. Sie ist in der That nur in der Tiefe des Lebens und zwar in zwei verschiedenen Richtungen vorhanden: einmal in der fort und fort steigenden Entsittlichung der Masse des Adels, und zum anderen in der allmähligen langsamen Ver- breitung der Reformideen in einem im Vergleich zu jener Masse sehr kleinen Kreise. Weder die eine noch die andere läßt sich der Natur der Sache nach so zu sagen von Etappe zu Etappe verfolgen: erst dadurch, daß am Ende der Epoche die Früchte beider zu Tage treten, offenbart es sich unzweifel- haft, daß sie vorhanden gewesen. Die äußere Erscheinung des nationalen Lebens beherrscht vollkommen das alte Treiben; in der Masse zügelloses Genießen, in den großen Familien das Ringen um Macht, welches sich ab und zu mit den wechseln- den Constellationen der allgemeinen europäischen Politik ver- knüpft. Daß die „Familie“, wenn sie sich überhaupt in der Stel- lung, die sie einnahm, erhalten, ihre Macht für die Zukunft stärken wollte, auf die Art und Weise des Hofes, namentlich Brühls eingehen mußte, liegt klar zu Tage. Sie hat ihn für sich gewonnen mit den Mitteln, mit denen er allein zu ge- winnen war: durch Nachgiebigkeit und Schmeichelei, durch Be- stechung und Förderung seiner persönlichen Interessen, so wie endlich dadurch, daß sie Jahre hindurch aufs standhafteste die Parthei des Hofes gegenüber der nie fehlenden Opposition an- derer großer Familien hielt. Schwerlich hat sie jemals sich der Hoffnung dauernd hingegeben durch ihn und den König Reformen durchsetzen zu können; aber das Ziel erreichte sie durch ihre Politik, daß sie die Wurzeln ihres Einflusses im ganzen Lande weiter ausbreitete und in die Tiefe trieb. Es hat eine Zeit gegeben, in der sie, so weit das überhaupt neben der Krone möglich war, der „Spender aller Gnade“ war, in allen Landschaften ihre Verwandten, Freunde und Clienten in die Ämter brachte. Auch hiebei ging sie eben so planvoll als ausdauernd, eben so vorsichtig als folgerichtig zu Werke. In den meisten Landschaften mit theils eignen, theils von der Krone verliehenen Gütern ansäßig, schuf sie sich auch in allen einen bedeutenden Einfluß, und als die Kinder heranwuchsen, verstärkte sie sich durch Söhne und Schwiegersöhne, welche die Alten an sich und das Interesse der Familie zu ketten verstanden. Zwei seiner Töchter — einen Sohn hatte er nicht — verheirathete der Kanzler nach einander an den Grafen Georg Flemming, der in der Gegend von lithauisch Brzesz reich begütert war und den uns Niemczewicz in seinen „Erinnerungen“ als einen aufge- klärten, thätigen Mann von höherer Bildung und weiteren Kenntnissen als die meisten seiner Standesgenossen schildert. Die dritte Tochter vermählte sich mit dem Fürsten Michael Sapieha, dessen Familie zu den angesehensten, einflußreichsten in Lithauen gehörte. An demselben Tage (Oktober 1749) feierte auch deren Cousine, die Tochter Poniatowsky’s, ihre Hochzeit mit dem viel älteren Jan Clemens Branicki, einem der reichsten Magnaten der Republik, zu welchen endlich auch der Fürst Lubomirski, der Schwiegersohn August Czartoryski’s, des Woiwoden von Rußland, gehörte Der Nuntius Visconti berichtet über ihn (1764), daß er nicht der Gaben ermangle, auch Antheil an den Geschäften nehme, aber sich von dem Willen des Schwiegervaters nicht entfernen könne, obwohl er auf diesen dann und wann durch geheime Vorstellungen Eindruck mache. D. Theiner , Monum. Poloniae IV, 2. p. 96. . Sie alle folgten meistentheils den Impulsen des Kanzlers, und trotz einzelner Mißverständnisse hielt auch die weitere „Familie“ zusammen Die Verwandtschaftsverhältnisse der großen Familien überhaupt muß man kennen, wenn man die Geschichte Polens, namentlich die der letzten Jahrzehnte der Republik, verstehen will. . Die Opposition führten wie so oft die Potocki, an ihrer Spitze Joseph Potocki, welchen August III. auf dem Pacifi- cationsreichstage 1736 nach dem Rathe Rußlands zum Groß- feldherrn der Krone erhoben hatte. Auch bei ihm zeigte sich wieder, wie wenig der König durch solche Verleihungen auf dauernde Dankbarkeit rechnen konnte. Zur Wahl Leszcynski’s hatten sich die Potocki mit den Czartoryski ausgesöhnt; jetzt wachte die alte Feindschaft der erstern gegen die letztern von neuem auf. Die günstige Gelegenheit hiezu bot ihnen das Verhalten Rußlands zur Republik. In dem Kriege, welchen Rußland seit 1736 mit Türken und Tartaren siegreich führte, achtete Münnich nicht im mindesten die Neutralität der Re- publik. Auf seinen Befehl zogen russische Truppen ohne wei- teres wiederholt durch ihr Gebiet (1738 u. 1739). „Die Polen“, schrieb damals Friedrich Wilhelm I., „werden als Leute gehalten, vor welchen die Russen nicht die geringste Con- sideration mehr zu tragen haben“ S. Droysen IV, 2. S. 373. . Schon auf dem Reichs- tage im Oktober 1738 wurde natürlich hierüber bittere Klagen erhoben. Die Landboten der Woiwodschaften Kiew, Braclaw, Volhynien u. a. forderten laut den Abmarsch der russischen Truppen von dem Boden der Republik, den Erlaß eines Pro- testes gegen die unerhörte Verletzung ihrer Neutralität, und eine Vermehrung ihres Heeres. „Was nützen uns“, rief Ko- narski, der Kastellan von Wislica, aus, „alle Bände unserer Rechte und Gesetze, was nützen uns alle Beschwerden bei den gewaltthätigen Nachbarn, wenn wir nicht ein Heer besitzen, welches im Verhältniß zu der weiten Ausdehnung des Vaterlandes hinreichend ist, ad manutentionem unserer Rechte, und zugleich ad tuitionem der Ehre Ew. Königl. Majestät!“ Der Hof ver- sprach in Petersburg vorstellig zu werden, aber der Reichstag ward zerrissen, und der russische Hof kehrte sich an die Klage Augusts (December 1738) nicht, daß die russischen Truppen die Ursache großer und gefährlicher Unruhe in Polen wären. Nun begann der Krongroßfeldherr, wie es früher bereits oft genug da gewesen war, auf eigne Hand neben der Krone große Politik zu treiben. Bereits während des Jahres 1738 hatte er mit französischen und schwedischen Agenten in Ver- bindung gestanden Hiemit hängt der Überfall und die Ermordung des schwedischen Agenten Sinclair in Schlesien zusammen. Vgl. über diesen Vorgang die Aufzeichnung eines zeitgenössischen Breslauers, in der Zeitschrift für Geschichte und Alterthum Schlesiens 1855 I, 178—189. . Jetzt nahm er den Plan einer Erhebung der Nation in der Form einer Conföderation zum Kriege gegen die Russen in Verbindung mit den Schweden und Türken leb- hafter auf. Anfang 1739 sandte er einen Vertrauten, Gu- rowski, nach Konstantinopel, und verhieß, wenn die Pforte 50,000 Türken und 50,000 Tartaren nach Polen zur Hilfe senden würde, einen allgemeinen Aufsitz des polnischen Adels in der Stärke von 200,000 Mann. Ja, als Münnich im Mai 1739 sein Heer wiederum durch polnisches Gebiet nach dem Dniester führte, begann der Krongroßfeldherr auf eigne Faust gewissermaßen den Krieg. Er ließ durch Reiterschaaren die Russen auf ihrem Marsch umschwärmen und einzelne Kommandos derselben überfallen. Allein durch den Sieg Münnichs bei Chocim (28. August) und den Abschluß des Friedens zu Belgrad (17. September), welchem im December der Frieden zwischen Rußland und der Pforte folgte, fielen Potocki’s Pläne zu Boden. Am Ende des Jahres machte er seinen Frieden mit dem Hofe, der freilich nicht von langer Dauer war. Denn kaum hatte der Tod Kaiser Karl VI. (20. Oktober 1740) die europäische Welt in neue kriegerische Bewegung ver- setzt, so nahm der Großhetman die alten Pläne von neuem auf. Nach den ersten Erfolgen Friedrich II. hatte sich König August III. auf die Seite Östreichs gestellt. Auch in der Masse des Adels, welchem der Klerus vorhielt, daß Schlesien unter eine protestantische Herrschaft kommen zu lassen eine Sünde sei, brauste die Lust auf, Östreich zu Hilfe zu eilen. Ein preußischer Offizier, der in Polen reiste, berichtete, es würden nur ein paar hunderttausend Gulden nöthig sein, um den Adel von Krakau, Masovien und Lithauen zu einem Einfall in Preußen zu bewegen Ranke , Preuß. Geschichte II, 258. . Allein Brühls Politik wechselte sehr bald. Nach- dem durch eine Erklärung von Rom aus das Gewissen Augusts darüber beruhigt war, daß er ohne Sünde die Rechte seiner Frau auf einen Theil der östreichischen Monarchie trotz seiner frühern Anerkennung der pragmatischen Sanction, mit den Waffen aufrecht erhalten könne, trat er bereits im Mai 1741 mit Frankreich und Baiern in Verhandlung und schloß sich im September dem Bündniß von Nymphenburg gegen Östreich an. Anfang November rückten seine Truppen über das Erz- gebirge in Böhmen ein. Potocki aber plante in derselben Zeit von neuem den Krieg gegen Rußland, wo nach dem Tode der Kaiserin Anna (28. Ok- tober 1740) Birons Regentschaft für den unmündigen Kaiser Iwan keineswegs auf festen Füßen stand. Als sich Schweden, von Frankreich bearbeitet, zum Kriege gegen das mit Östreich es haltende Rußland rüstete, trat er mit dem Hofe von Stock- holm in Verbindung und ließ, als der Krieg erklärt war (24. Juli 1741), in Polen eine Schrift verbreiten, um die Nation mit sich fortzureißen. „Es erinnern uns“ — hieß es in dieser — „befreundete Mächte, daß unsere uns von Gott geschenkte Freiheit mit Füßen getreten wird, daß unsere Wahlen mit Zwang und Gewalt stattfinden, daß das Land durch fremde Armeen verwüstet und unser Recht auf Kurland uns schmählich geraubt ist Bezieht sich auf Birons Erhebung zum Herzoge von Kurland. S. oben S. 41. . — — Die rechte Zeit ist gekommen, der Krieg zwischen Schweden und Rußland hat begonnen; unser schlimmster Feind, der Russe, ist bei sich beschäftigt, und im Westen stehen große Stürme unmittelbar bevor.“ Schließlich fordert er die Nation auf zu einer allgemeinen Conföderation und zu einem Bunde mit Schweden gegen Rußland. Auf den Landtagen, in der Armee suchte er hiefür zu wirken und versammelte die Truppen bei Sulejow und Piotrovin. Der Hof, in lebhafter Unruhe, suchte seinerseits bald mit Drohungen bald durch Überredungen ihn von seinem Treiben abzubringen. Dem Be- fehl, die Truppen nach Großpolen zu führen, kam er nicht nach. Er rechtfertigt sich damit, daß die vorausgegangenen Reichstage die Vermehrung der Armee, welche die Woiwod- schaften des Ostens beharrlich verlangten, nicht zu Stande ge- bracht hätten. Aber er fand mit allem seinem Thun und Treiben keinen Anklang im Lande. Die Masse des Adels blieb gleichgültig; Podolien und Chelm setzten ihm sogar einen offenen Widerstand entgegen. Am 18. Oktober 1741 ließen die Gegner im Grod zu Chelm ein mit zahlreichen Unterschriften versehenes Manifest eintragen, in welchem im Namen des Adels Klein- polens gegen jede Conföderation, als durch die — auf Ruß- lands Antrieb beschlossene — Constitution von 1717 verboten, protestirt ward. Ein ähnliches Manifest ging von dem Adel Podoliens aus. Da gab schließlich der Krongroßfeldherr seinen Plan auf. Bis zur Conföderation von Bar hat niemand wieder den Gedanken aufgenommen, die Republik auf diesem Wege von dem Übergewicht Rußlands zu befreien Szujski IV, 317 sq. Der Titel der von Potocki verbreiteten Schrift lautete: „Causae quae moveant rempublicam ad ineundam confoederationem et ineundam colligationem cum Suecis.“ In einem von Droysen V, 422 auszugsweise mitgetheilten Schreiben Friedrichs an den Kardinal Fleury (April 1742) erwähnt der König, daß öst- reichische Agenten alles aufböten, um eine Conföderation in Polen herbei- zuführen, deren sich Östreich gegen August und Preußen zu bedienen ge- dächte. Nach der Schlacht bei Chotusitz (17. Mai 1742) heißt es, sie habe . Von dieser Sorge frei verfolgte Brühl seine wechselvolle Politik. Nachdem er sich mit Frankreich und Baiern geeinigt, nahm er an der Kaiserwahl Karl Albrechts von Baiern Theil (24. Januar 1742). Gleich darauf aber lenkte er wieder in eine andere Bahn ein. Obwohl er im Frühjahre die säch- sischen Truppen zu dem Einfall Friedrichs in Mähren mit den preußischen sich vereinigen ließ, scheiterte doch dies Unternehmen wesentlich an seinem Mißtrauen gegen Preußen. Noch bevor der Friede Friedrichs mit Östreich ratificirt war (28. Juli), schloß er für Sachsen ab (23. Juli) und ging dann mit vollen Segeln ins östreichische Lage hinüber. Seit dem Frieden mit Preußen war das Kriegsglück den Östreichern gegen Baiern und Franzosen hold, und die Aussicht im Bunde mit dem Sieger Gewinn für Sachsen machen zu können, zu lockend, als daß er ihr wiederstehen konnte. Dazu gab England ihm Gold, Maria Theresia reiche Güter in Böhmen. Am 20. December 1743 schloß er in Wien einen Vertrag mit Östreich, in welchem er die pragmatische Sanction, ohne den Breslauer Frieden auszunehmen, von neuem garantirte. Der Vertrag war gegen Preußen gerichtet, und als Friedrich von neuem sich zum An- griff gegen Östreich erhebend, im August 1744 durch Sachsen nach Böhmen rückte, ließ August III. 20,000 Mann seiner Truppen sich mit den Östreichern vereinigen und versuchte gleich darauf, „fast öffentlich “ Ausdruck Friedrichs II. in einem Schreiben an den Krongroßfeld- herrn vom 5. Juni 1745. S. Adelung , Pragmatische Staatsgeschichte IV, 411. , auch die Republick in den Krieg gegen Preußen hereinzuziehen. In dem Ausschreiben nämlich, durch welches er den Reichs- tag auf den 5. Oktober 1744 nach Grodno berief, empfahl er neben einer Reform der Geschäftsordnung der Reichstage und der Verbesserung der Lage des „leidenden Volks“, die Ver- mehrung des Heeres als einen Hauptgegenstand der Be- rathung. Daß aber auch die Familie hiemit, bis auf einen ge- in Polen entièrement fermè la bouche au petit nombre de clabadeurs, qui auroient voulu grouiller . Ebendas. S. 456. Roepell , Polen im 18. Jahrhundert. 5 wissen Grad jedenfalls, einverstanden war, beweist eine Schrift, welche der alte Stanislaw Poniatowski, zur Zeit der Land- tage, auf welchen die Landboten zum Reichstage gewählt wurden und ihre Instructionen für den letztern erhielten, im Lande, freilich ohne seinen Namen zu nennen, verbreiten ließ. Unter dem unscheinbaren Titel eines „Briefes eines polnischen Edel- mannes an einen seiner Freunde in einem anderen Palatinat“ enthält diese Schrift einen ebenso durchdachten als für seine Zeit höchst kühnen Plan zur Reform der Republik; der Mittel- punkt des Ganzen aber ist: die Vermehrung des Heeres. Sie wird als der erste, dringendste und nothwendigste Schritt dar- gestellt, um das Vaterland aus der „deplorablen“ Lage heraus- zureißen, in der es sich finde. Alle anderen Reformvorschläge sind unter diesen Gesichtspunkt gestellt und von ihm abhängig; sie verhalten sich zur Armeefrage wie Mittel zum Zweck. „Ich bekenne“ — heißt es in der Einleitung —, „daß das Kriegsfeuer, welches in der letzten Zeit bei unseren Nachbarn aufgegangen ist, mich so erschreckt hat, daß ich mich bis zu dieser Stunde von diesem Schrecken noch nicht befreien kann, und ich kann ihn nicht für unbegründet erachten, in der Erwägung, wie un- genügend unsere Streitkräfte ( forces ) und wie groß unsere Sorglosigkeit und unsere Trägheit sind. Wir haben weder eine Armee, noch Arsenale, noch Geld, und sind mit einem Wort von allem entblößt, was zur Sicherung und Verthei- digung des Landes erforderlich ist. — Ich spreche meine Furcht öffentlich aus, nicht in der Absicht, Gott behüte mich davor, den Reichstag gegen irgend einen von unseren Nachbarn auf- zureizen; der Friede mit ihnen bleibe aufs gewissenhafteste be- wahrt; aber ich möchte zugleich, daß wir gegen jede Art eines unerwarteten Einfalls geschützt wären, und diesen Schutz kann uns nur eine rasche und beträchtliche Vermehrung der Armee verschaffen, sonst werden wir stets genöthigt sein dem Gesetz des Stärkeren uns zu unterwerfen.“ Jahre lang, fährt er fort, habe man sich mit dieser Frage beschäftigt, Pläne aller Art entworfen, aber nichts sei zu Stande gekommen, alles sei auf leere Schwätzerei hinausgelaufen und alle Projecte Luftschlössern gleich. Um endlich zum Ziele zu kommen, müsse man vor allen Dingen auf Vermehrung der Einkünfte der Republik denken, zu diesem Zweck einen allgemeinen Zoll für alle Waaren einführen, von dem niemand ohne alle Ausnahme befreit sein dürfe. Um aber diesen Zoll einträglich zu machen, sei es nöthig, Handel und Gewerbe zu fördern durch Befreiung von den Lasten, die sie durch die Willkühr der einzelnen zu tragen hätten. Ein weiteres Mittel sei dann darauf zu halten, daß von den Starosteien auch in der That und nicht wie bisher nur dem Namen nach, der vierte Theil aller ihrer Einkünfte für die Erhaltung der Armee in den Schatz gezahlt werde. Außerdem müsse die bisherige Freiheit des Adels und Klerus von der Trank- und Zapfensteuer aufhören, und der reiche Ertrag, den sie fortan bringen werde zwischen den einzelnen Palatinaten und der Republik getheilt werden. Die letztere könnte ihren Antheil für die Armee verwenden, die erstere zu regelmäßigen Diäten für Landboten und Tribunale, wodurch zugleich beider Corruption, zu der häufig nur die Noth ver- führe, gesteuert werden würde. Entschlösse man sich ferner für Tabak und Papier ein Monopol zu Gunsten der Republik ein- zuführen, die Posten an den Meistbietenden zu verpachten, Brief- und Personenporto verständig zu bemessen, so würde man große Summen gewinnen. Demungeachtet würden alle diese Maßregeln nicht hinreichen, die Mittel für die Erhaltung einer Armee in der Stärke, wie solche das Land bedürfe, zu schaffen; das Letzte und Sicherste hiezu sei, daß jeder Edelmann, der wahrhaft sein Vaterland, dessen Ehre und Ruhm liebe, diese Liebe auch durch die That, wie der Kastellan von Kiew auf dem letzten Reichstage, beweise, der den Zehnten aller seiner Einkünfte der Republik angeboten habe. Der gesamte Adel und Klerus müßten auf ihre Güter nach gewissenhafter Selbst- einschätzung solche Steuer übernehmen, von der auch die könig- lichen nicht frei sein dürften. Wolle man nur ernst und lege die Hände rasch ans Werk, so würde die Nation auch rasch in der Achtung ihrer Nachbarn steigen; sie würden ihre Freund- schaft suchen, weil diese ihnen dann auch nützen könne. Ohne 5* Verzug müsse daher jeder Freund des Vaterlandes auf den bevorstehenden Landtagen dafür wirken, daß den Landboten die bindendsten Instructionen in dieser Richtung gegeben und sie angewiesen würden, keine Mühe, keine Arbeit zu scheuen, damit der Reichstag endlich in dieser Lebensfrage der Nation die rechten Beschlüsse fasse. Höchst merkwürdig sind dann die Vorschläge, welche er macht, um den Einwand zu entkräften, daß Polen nicht hin- reichend bevölkert sei, um eine große Armee zu erhalten. Man solle nur, meint er, die Ehen begünstigen und die übermäßige Zahl der Klöster beschränken. Die Ehe sei ein Sacrament, der Verehrung würdig, ein Stand, den Gott selbst eingesetzt habe, um die Erde mit Menschen zu erfüllen. In die Klöster aber gingen alle Tage eine Menge von Menschen rein aus Unbedachtsamkeit, Übereilung und Faulheit, woher es dringend nothwendig sei, die Ablegung der Gelübde vor dem 25. Lebens- jahre durch ein Gesetz zu verbieten. Er fragt, ob denn das Gebet eines unwissenden Bauern oder eines einfachen Soldaten Gott nicht ebenso angenehm sei, wie das eines Mönchs oder einer Nonne? Aus dem Vermögen der aufzuhebenden Klöster könne man aber die Fonds gewinnen, sich der Erziehung der armen Kinder, um welche sich bisher niemand bekümmere, besser anzunehmen, Hospitäler und Invalidenhäuser zu gründen. Auch möge man, dem Beispiel anderer katholischer Staaten folgend, vom päbstlichen Stuhl die Aufhebung der übermäßig zahlreichen kirchlichen Wochenfeste verlangen, welche der Regel nach statt zur Frömmigkeit, zum Müßiggange und zu Aus- schweifungen Anlaß gäben. Wenn man dann schließlich die Städte von der Willkühr und Sclaverei, unter der sie seufzten, befreie, ihnen ihre alten Rechte zurückgäbe, die Akatholiken mit mehr Duldung und Humanität behandle und ihnen Religions- freiheit so weit allgemein gewähre, daß sie ihren Gottesdienst in ihren Häusern ungestört halten dürften, so würde man durch all dieses nicht nur ein rasches Anwachsen der einheimischen Bevölkerung bewirken, sondern auch zahlreiche Einwanderer her- beiziehen. Für die Armee selbst aber fordert er Erhöhung des Soldes, bessere Disciplin und Einführung eines Rekrutirungssystems nach Analogie der preußischen Kantonverfassung! Man sieht, gegenüber den in der Nation herrschenden An- schauungen, Vorurtheilen und Denkweisen waren diese Vorschläge kühn, und eben so kühn war alles, was er außerdem noch über die theilweise Abschaffung des liberum veto, die Reform des Gerichtswesens u. s. w. vorbrachte. „Stellen wir eine gute Ordnung in der Republik her“ — schließt die Schrift — „so wird alles gut gehen. Unsere Freundschaft wird geschätzt werden, man wird sich beeilen mit uns in Alliancen zu treten, der Ruhm unsrer Nation wird wachsen und alle anderen Völker werden uns achten!“ Diese Schrift liegt mir nur in einer französischen Übersetzung vor, welche der preußische Resident in Warschau, v. Wallenrodt, im Sep- tember 1744 dem Ministerium in Berlin mit der Bemerkung einsandte, daß das polnische, in Warschau gedruckte Original vor den Landtagen von 1744 verbreitet und sein Verfasser Graf Poniatowski sei. Herr Prof. Dr. Droysen fand sie im geh. Staatsarchiv und theilte sie mir freund- schaftlichst mit. Wir wissen nun freilich nicht sicher, in wie weit die „Fa- milie“ durch die Veröffentlichung dieser Schrift die kriegerischen Pläne August III. mit fördern wollte, oder dieselben nur als günstige Gelegenheit benutzte, einen Versuch mit der Durch- führung ihrer Reformideen zu machen. Die Thatsache, daß der alte Poniatowski zweimal mit politisch-wichtigen Aufträgen Augusts in Paris gewesen ist (November 1740, December 1741) Droysen V, 157. 202. 393. , deutet allerdings darauf hin, daß die Familie an der großen Politik des Königs Theil nahm, und Poniatowski’s Ver- sicherung in jener Schrift, er wolle mit seinem Dringen auf die Vermehrung des Heeres keineswegs die Nation gegen einen ihrer Nachbarn aufreizen, sollte möglicherweise nur ein Kunst- griff sein, um zu verhindern, daß die friedliebende Masse des Adels nicht gleich von vornherein seine Vorschläge verwerfe. Auch der Umstand, daß im Herbst 1744 der Vicekanzler Bestucheff, der standhafte Vertreter des Bundes Rußlands mit Östreich, einen allgemeinen Angriffskrieg gegen Friedrich II. plante, und in Folge des gehofften Sieges das eroberte Ostpreußen den Polen gegen Entschädigung durch die Abtretung östlicher Landstriche der Republik abzutreten gedachte, fällt für diese Auffassung ins Gewicht, da die „Familie“ in ihrer Politik sich zu Rußland stetig hielt. Es verhalte sich indeß hiemit, wie es wolle: jedenfalls fand Poniatowski’s Mahnung diesmal keinen ganz unfruchtbaren Boden. Auf dem Reichstage fielen die Vota der Senatoren einstimmiger als jemals für die Ver- mehrung des Heeres. „Es ist besser“ — rief Waclaw Rze- wuski, der Woiwode von Podolien, aus — „die Rauchfangsteuer zu bezahlen, als in Rauch aufzugehen; besser die Tranksteuer zu bezahlen, als den letzten Schilling zu verlieren; besser Kopf- geld zu entrichten, als den eignen Kopf herzugeben.“ Andere, welche die Pläne des Hofes kennen mochten, gingen noch weiter. Sie forderten einen allgemeinen Aufsitz des Adels, und der Woiwode von Krakau, Fürst Lubomirski, erklärte, er sei bereit 12,000 Mann zum Dienst für Maria Theresia zu stellen. So weit gingen freilich die Landboten nicht. Viele erklärten, daß sie zwar die Vermehrung des Heeres, keineswegs aber den Abschluß neuer Allianzen oder gar einen Krieg wollten. Mehrere der östlichen Provinzen boten freilich große Summen an. Man verhandelte lange in aller Einigkeit über verschiedene Vorschläge zur Aufbringung der financiellen Mittel, über deren Vertheilung auf die einzelnen Woiwodschaften, wie über die Zahl und Organisation der neuen Regimenter. Vor allem bemühte sich der Kardinal Lipski, Bischof von Krakau, der August III. gekrönt hatte, auf alle Weise die Eintracht unter den Gemüthern herzustellen und zu erhalten. Da trat plötzlich ein Zwischenfall ein, der alles vereitelte. Frankreich und Preußen hatten begreiflich das größte In- teresse daran, daß der Plan des Hofes, die Republik in den Krieg gegen sie fortzureißen, nicht gelänge. Ihre Gesandten in Warschau arbeiteten daher von vornherein auf eine Zerreißung des Reichstages und fanden an den Führern der Opposition, dem Krongroßfeldherrn J. Potocki, den Palatinen von San- domir, Belz und Smolensk, den Grafen Tarlo, Potocki und und Sapieha die bereitesten Bundesgenossen. Zwei Landboten Masowiens, Karwowski und Wilczewski boten sich ihnen frei- willig an, diesen Dienst zu leisten. Der letztere erhielt nach und nach 350 Dukaten, und verpflichtete sich für 3000 Du- katen und eine Obristlieutenantstelle in der Armee Friedrich II. den Reichstag zu zerreißen. Allein an dem hiezu bestimmten Tage erklärte er im Reichstage, er wolle nicht „der Judas seines Vaterlandes“ sein, warf den Beutel mit den empfangenen 350 Dukaten mitten in den Saal, und mahnte alle, welche sich gleichen Verbrechens schuldig gemacht, seinem Beispiel zu folgen, widrigenfalls er sich genöthigt sehen würde, sie öffent- lich anzuklagen. Der Eindruck war ungeheuer. Viele Stimmen forderten sofort die Nennung der Namen. Dessen weigerte sich zunächst Wilczewski, schließlich aber nannte er den preußischen Minister und neun Landboten. Der Tumult ward groß. Grod- zicki, einer der Angeklagten schrie: „Beweise es mir!“ Wilczewski antwortete: „Ich weiß es“, worauf der andere: „Du lügst“. Mehrere der Angeklagten behaupteten, sie hätten niemals mit dem preußischen Residenten auch nur den geringsten Verkehr gehabt; zwei andere gestanden, der eine, daß er mit Vorwissen, der andere, daß er auf Antrieb Brühls mit jenem in Ver- bindung getreten sei, um ihm „Schlingen“ zu legen. Diese Erklärungen öffneten vielen die Augen darüber, daß auch Wilczewski im Auftrage Brühls gehandelt habe, und als ihn der Hof unmittelbar darauf zum Kammerherrn ernannte, zwei- felte fast niemand in Warschau mehr daran, daß Brühl den ganzen Vorgang angezettelt habe, um den Adel gegen Frie- drich II. in den Harnisch zu bringen. Allein die ganze In- trigue schlug schließlich zu seinem Nachtheile aus. Alle Be- schuldigten forderten eine Untersuchung. Ihre Freunde er- klärten, so lange diese Sache nicht entschieden sei, auf keinen anderen Gegenstand der Berathung mehr eingehen zu wollen, und da es nicht möglich war, zu einem einmüthigen Beschluß in Betreff des Ob und Wie der Untersuchung zu gelangen, so ging in diesen unfruchtbaren Debatten ein Tag nach dem an- deren vorüber, bis am 16. die gesetzliche Dauer des Reichs- tages ablief und derselbe fruchtlos auseinanderging. Noch vor seinem Schluß protestirten die preußischen Bevollmächtigten bei dem Könige und Senat gegen die Anklage Wilczewski’s, welche von einer Cabale ausgegangen, die keinen anderen Zweck gehabt, als die Republik und ihren König mit einander zu ent- zweien: sie forderten für die ihnen angethane Beleidigung eine gebührende Genugthuung. Allein nach Schluß des Reichstages fiel die ganze Sache zu Boden: mit ihr zugleich aber auch die Vermehrung der Armee, so wie der Plan, die Republik zum Kriege gegen Friedrich II. fortzuziehen. Seine Gesandten ver- glichen diesen Ausgang des Reichstages mit dem Gewinne einer großen Bataille Adelung , Pragmatische Staatsgeschichte von Europa IV, 253. Szujski IV, p. 326 — 28. v. Wallenrodts und Hoffmanns Berichte vom 19 August, 7. September, 3. u. 13. October, 7. u. 18. No- vember. . Trotzdem aber blieb diesmal Brühl in der einmal einge- schlagenen Bahn. Vergebens bemühten sich Friedrich und Frank- reich ihn zu sich herüberzuziehen. Sie versprachen ihm die Reichsfürstenwürde und ein Fürstenthum, dem Beichtvater Guarini einen Kardinalshut, dem Könige selbst ihre Unter- stützung, wenn er die Krone Polens in seinem Hause erblich machen wolle , und außerdem noch ein Stück von Böhmen und Schlesien. Der Hof von Warschau — seit dem Juni saß der König hier — hatte aber ein größeres Vertrauen auf Östreich und die Seemächte. Sie schlossen dort mit ihm am 8. Januar 1745 die sogenannte Quadrupelalliance, in deren geheimen Artikeln August die Nachfolge seines Sohnes auf den polnischen Thron zugesichert ward, wogegen er für 150,000 Pfd. Subsidien 30,000 Mann ins Feld zu stellen versprach. In Warschau und Wien faßte man dabei sogleich eine Zerstückelung der Monarchie Friedrichs ins Auge. Beide Höfe einigten sich in einem geheimen Vertrage (18. Mai 1745), die Waffen nicht eher niederzulegen, ehe nicht ganz Schlesien mit Glatz für Maria Theresia wiedererobert und der König von Preußen noch weiter eingeschränkt worden sei. Dann sollte August das Herzogthum Magdeburg mit dem Saal- kreise, das Fürstenthum Crossen u. a. als Beute davontragen. Allein die Hoffnungen auf Sieg erfüllten sich nicht. Friedrich schlug die Sachsen wie die Östreicher und zwang beide zum Frieden von Dresden (25. December 1745). Statt des ge- hofften Ländererwerbes mußte August III. an Preußen eine Million Thaler bezahlen. Seitdem nahm er an dem öst- reichischen Erbfolgekriege keinen Antheil mehr, sondern trat vielmehr in eine engere Verbindung mit Frankreich. Im Früh- jahr 1746 schloß er mit diesem einen Subsidientractat auf drei Jahre und verheirathete im folgenden Jahre seine Tochter mit dem Dauphin, einem Enkel Stanislaw Leszczynski’s, seinen Sohn, den Erbpinzen, mit einer Tochter Kaiser Karl VII. (Februar und Juni 1747). Es schien eine Zeitlang, als ob sich Sachsen von Östreich gänzlich lossagen wolle; in der Stille aber setzte Brühl seine Politik des Doppelspieles fort. Als Östreich und Rußland ihn aufforderten, ihrem Bündniß vom 2. Juni 1746, dessen Spitze gegen Preußen gerichtet war, und welches der Aus- gangspunkt des 7jährigen Krieges ward, beizutreten, lehnte er nicht geradezu ab, sondern verschob nur den Beitritt und unter- handelte fort und fort mit beiden Mächten, um für Sachsen die Versicherung eines größeren Antheils an den von Preußen zu machenden Eroberungen zu erhalten. In Polen aber ward inzwischen der Gegensatz der Czarto- ryski und Potocki von Jahr zu Jahr schärfer und entwickelte einen immer gewaltthätigern Character. In zwei Linien, die silberne und die goldene getheilt, übertrafen die Potocki durch ihren Grundbesitz, ihre Verwandtschaft und ihren alten Ruhm die Gegner. Sie besaßen in der Ukraine, Podolien, Rußland und Kleinpolen zahllose Güter und hatten ihre fürstlichen Pa- läste, der Großhetman Joseph in Niemirow und Stanislawow, der Woiwode von Volhynien Michael in Sędziszów, Franz Salezy, später Woiwode von Kiew in Krystynopol, Georg Starost von Grabowiec in Podhaice. Ihr Hofstaat war dem königlichen nachgebildet: sie hatten ihre Hofmarschälle, Jäger und Stallmeister, Kammerherren u. s. w., alle aus guten Fa- milien; hielten nicht nur Dragoner und Kosacken und In- fanterie als Leibgarden, sondern auch eine zahlreiche Miliz und Artillerie, deren Offiziere, von dem Könige patentirt, mit den Offizieren der Kronarmee gleichen Rang hatten. In diesen östlichen Landschaften konnte, wie eine gleichzeitige Aufzeichnung sagt Angef. in Kraszewski’s Starościna Belzka. Warz. 1858. I, 36. , niemand ein Amt erhalten, niemand einen Proceß ge- winnen, niemand zum Reichstage oder zum Tribunal gewählt werden, niemand eine Prälatur oder reiche Pfarre erhalten, ohne die Protection der Potocki. Die Czartoryski stützten sich auf den Hof, die Potocki auf ihre Popularität bei der Masse des mittleren und nie- deren Adels. Während jene sich französisch trugen und in ihrem ganzen Lebenszuschnitt ihre Abneigung, bisweilen selbst ihre Geringschätzung des altpolnischen Wesens hervortrat, klei- deten sich und lebten die Potocki nach altem Brauche der Väter. Sie verschmähten es nicht, trotz alles Stolzes, der auch in ihnen mächtig war, mit den „Herren Brüdern“ auf deren Weise einzugehen, verheiratheten selbst ihre Töchter in geringere Familien und übten die „altsarmatische“ Tugend der Gast- freundschaft in ausgedehntester Weise. Unter ihren Parthei- gängern ragten vornämlich der Woiwode von Krakau, Lubo- mirski, und die beiden Tarlo aus altberühmtem Geschlecht, Oheim und Neffe hervor, beide Woiwoden, der ältere von Sandomir, der jüngere von Lublin. Der letztere, Adam, kaum 30 Jahre alt, ein schöner, lebensvoller und feuriger Mann, hatte sich schon als Partheigänger Stanislaw Leszczynski’s bei dessen zweiter Wahl einen bedeutenden Ruf erworben. Er war der Marschall der Conföderation von Dzikow gewesen und hatte am längsten den König seiner Wahl mit dem Säbel in der Hand vertheidigt. Bei der Pacification hatte König August ihn, den damals 22jährigen, zum Woiwoden von Lublin er- hoben, seitdem blieb er einer der populärsten Männer in der ganzen Republik, man könnte fast sagen, der Abgott des kleinen Adels. Im Winter 1744 war er in Warschau. Mit einer Frau viel älter als er verheirathet, entbrannte er in Liebe für die junge und schöne Tochter des Woiwoden von Krakau, deren Mutter der Woiwode ihrem Manne, einem Bürger von Krakau, entführt hatte. Auf einem Balle beim Kronmarschall Bielinski tanzte er die ersten Tänze mit ihr und forderte dann die Tochter des alten Poniatowski auf. Diese aber — man sagt auf Anstiften der stolzen Mutter — lehnte den Tanz mit den Worten ab: „Tanze Ew. Gnaden, mit wem Sie den ganzen Abend getanzt.“ Heftig und rasch wie Tarlo war, rief er laut: „Ein Schelm, wer noch mit der Tochter des Woiwoden von Masovien tanzt“, und als ihr ältester Bruder Kasimir mit ihr sofort in die Reihen trat, schrie Tarlo durch den Saal: „Du bist also ein Schelm.“ Am anderen Morgen schossen sie sich zu Pferde. Als Tarlo des Gegners Pferd traf und Poniatowski mit diesem zugleich stürzte, soll er aus Schreck gerufen haben: „Ich liebe den Woiwoden.“ Dem Duell folgten von beiden Seiten Pasquille, und zum zweiten- male forderte Tarlo den jungen Poniatowski heraus. Jetzt gerieth ganz Warschau in Aufregung. Der Kanzler der Krone Zaluski verbot im Namen des Königs das Duell, das geist- liche Gericht in Warschau bedrohte die Ungehorsamen mit der Excommunication, aber vergebens. Am 16. März 1744 fand es dennoch, und keineswegs heimlich, in Mariemont bei War- schau statt. Große Schaaren von Bürgern eilten hinaus, um dabei zu sein, selbst die Schüler der Jesuiten versäumten ihre Stunden. Poniatowski erschien von großem Gefolge begleitet, Tarlo mit wenigen Freunden. Zweimal schossen sie auf ein- ander, ohne zu treffen. Dann griffen sie zum Degen und nach einigen Gängen erhielt Tarlo einen Stich mitten ins Herz. Mit dem Ruf: „O mon Dieu!“ sank er hin und verschied augenblicklich. Die einen sagten, er habe sich in der Leiden- schaft selbst aufgerannt, die andern, der Secundant Ponia- towski’s, ein Major v. Korff, habe ihm den Todesstoß un- vermerkt gegeben. Sein Tod und dieses rasch verbreitete und geglaubte Ge- rücht, regten begreiflich die öffentliche Meinung nicht nur in Kleinpolen, sondern fast in der gesamten Republik gegen die „Familie“ aufs furchtbarste auf. Vielfach erwartete man, daß die Potocki und die Tarlo Rache nehmen würden; man sprach von einer Conföderation, allein die Potocki erhoben sich nicht, und der alte Tarlo beschränkte sich auf eine gerichtliche Klage. Von der andern Seite strengten die Czartoryski bei dem Tri- bunal von 1745 einen Proceß gegen Anhänger der Tarlo wegen Verbreitung von Pasquillen an, welche die Ehre ihres Hauses verletzten, und erreichten deren Verurtheilung. Durch Brühl setzten sie es selbst durch, daß der König dem jungen Poniatowski den Orden des weißen Adler verlieh. Immer aber hatte diese Sache ihre ganze Stellung er- schüttert. In Lithauen regten sich die Radzivil, Sapieha, Oginski gegen sie lebendiger als früher, indem sie ihnen bei jeder Gelegenheit in den Weg traten. Am Hofe aber fing da- mals bereits Georg Wandalin Mniszek, seit 1742 Hofmar- schall, in der Stille und sehr vorsichtig an, sie aus der Gunst Brühls zu verdrängen, und um sich selbst eine neue Parthei für den Hof zu bilden. Zunächst freilich überstanden sie den Sturm, zumal unter all ihren zahlreichen Gegner kein Mann war, der sich in Ta- lent und Thatkraft mit ihnen hätte vergleichen können. Auf den Reichstagen sich der Angriffe der Gegner zu erwehren, waren in letzter Instanz die Einlegung des liberum veto irgend eines Landboten oder das Verzögern der Unterschrift der gefaßten Beschlüsse bis zum letzten Augenblick der gesetz- lichen Dauer des Reichstages die immer bereiten und wirk- samen Mittel. Der Reichstag des Jahres 1746, auf welchem die Potocki die Wahl eines ihrer Partheigänger zum Marschall durchsetzten, ging unfruchtbar auseinander, weil, als in später Abendstunde die Beschlüsse unterschrieben werden sollten, deren Gegner hartnäckig protestirten, daß dazu Lichter in den Saal gebracht würden. Die einen löschten die Lichter aus, die andern zündeten sie wieder an. König und Senat warteten daneben bis in die zehnte Stunde; der Reichstag wurde, wie ein Zeit- genosse sich ausdrückt, „nicht zerrissen, nicht beendet, er ver- löschte“. Eben so fruchtlos endete der folgende des Jahres 1748, und vergebens erinnerte in der Sitzung des Senats der greise Woiwode von Ploczk, Nicolaus Podoski im Hinblick auf diesen Gang der Dinge, an das alte classische Wort: „Venit summa dies et inevitabile fatum.“ Heftiger aber noch ward der Kampf der Partheien bei der jährlichen Erneuerung der Tribunale. Der Sieg bei den Wahlen zu diesen war für sie und alle ihre Anhänger weit wichtiger als ein Sieg bei den Wahlen zum Reichstag S. oben S. 22. , wofür ein Vorgang im Tribunal von 1748 ein treffendes Beispiel ist. Als ein Fremder durfte Graf Brühl gesetzlich weder ein Amt noch ein Gut in der Re- publik besitzen, natürlich wünschte er das Indigenat zu erhalten; aber nur durch einen Beschluß des Reichstags konnte dasselbe verliehen werden, und die Reichstage kamen zu keinen Be- schlüssen. Er suchte daher auf einem andern Wege zum Ziele zu kommen, und die Czartoryski boten ihm, wie die Sage geht, die Hand dazu Der französische Gesandte Paulmy behauptete im October 1762 das letztere als feste Thatsache. Flassan V, 516. . In der Woiwodschaft Posen fand sich ein Dorf Brylewo, in dessen Besitz ein gewisser Granowski war. Nun wurde ein Document fabricirt, aus welchem her- vorging, daß vor 300 Jahren dies Dorf im Besitz von Grafen Ocieszyna Brylowie gewesen wäre. Hierauf stellten die ge- riebensten Advocaten des Tribunals eine Genealogie jener Bry- lowie auf, welche die Abstammung Brühls von ihnen erwies. Auf diese beiden Documente gestützt, klagte der Sohn des Mi- nisters bei dem Tribunal auf Herausgabe des Dorfes durch dessen gegenwärtigen Besitzer, und erreichte ein ihm günstiges Urtheil. Granowski, durch reiche Bezahlung gewonnen, be- ruhigte sich; Graf Brühl aber war durch den Spruch des Tri- bunals als eingeborner polnischer Edelmann mit allen Rechten eines solchen anerkannt, kaufte Güter und erwarb für sich und seinen Sohn Starosteien. Zwei Jahre darauf (1750) trat dem letztern August Czartoryski die einträgliche Starostei von Warschau ab. Noch scandalöser waren die Vorgänge bei der Einsetzung des Tribunals im Jahre 1749. Der Führer der Parthei der Potocki in allen Wahlen, Michael Potocki, war gestorben, der Großfeldherr Joseph Potocki durch die Last seiner Jahre ent- kräftet. Diese Gunst des Schicksals auszunutzen, strengten natür- lich die Czartoryski alle Kräfte an. Auf allen Landtagen boten sie alles auf, die Wahl ihrer Kandidaten durchzusetzen und, wo dies nicht gelang, wenigstens Doppelwahlen herbeizuführen. Ihre Absicht war, ihren Neffen, den Unterkämmerer Kasimir Poniatowski, denselben, der Adam Tarlo im Duell erstochen, zum Marschall wählen zu lassen. Er kam mit großem Gefolge nach Petrikau, wo unter dem Vorsitz des hiezu vom König er- nannten Bischofs von Posen, Theodor Czartoryski, die Prüfung der Wahlen und die Einsetzung des Tribunals herkömmlich statt- finden sollte. Seine Anhänger riefen ihn zum Marschall aus, aber die Partheigänger der Potocki griffen zu den Säbeln und der junge Poniatowski entfloh aus der Kirche wie der Stadt. Seine Parthei dagegen hielt Stand. Da der Kandidat der „Fa- milie“ zum Marschall nicht durchzusetzen war, kam es darauf an, daß das Tribunal überhaupt nicht zu Stande kam. Nach dem Herkommen rief man die von den einzelnen Woiwod- schaften gewählten nach einander zur Eidleistung auf, bei jedem Namen aber, der nicht zu ihrer Parthei gehörte, schrien die Czartoryskischen vacat, d. h. sie protestirten gegen die Recht- mäßigkeit der Wahl, und umgekehrt schrien eben so die Po- tockischen bei jedem Namen ihrer Gegner. Auf diese Weise ward die Einsetzung des Tribunals zum erstenmale seitdem es überhaupt bestand, verhindert. Ein ganzes Jahr hindurch entbehrte in Folge hievon Kronpolen seines höchsten Gerichts- hofes. Nachdem die Gesetzgebung der Republik durch die Ge- wohnheit der Zerreißung der Reichstage zum Stillstand ge- bracht worden war, war jetzt der Anfang damit gemacht, auch die Rechtspflege gewaltsam zu hemmen Kitowicz in seinen Pamiętniki. Posen 1840. p. 14 schließt seinen . Wie immer, so schoben sich beide Partheien wechselseitig die Schuld dieses Scandales zu, der auf das Land wie den Hof einen ungewöhnlichen Eindruck gemacht zu haben scheint. Wenigstens schrieb der König einen außerordentlichen Reichstag auf den 4. August 1750 in Warschau aus und kam selbst be- reits im April (24.) dorthin, um mit dem Senat die Vor- lagen zu berathen. Man dachte von Seiten des Hofes zum erstenmale ernstlicher an eine Durchführung der dringendsten Re- formen. Zu diesem Zweck sollten die ukrainischen Landtage, welche von den Potockis beherrscht wurden, planmäßig zer- rissen werden, der Reichstag selbst aber sich in eine Conföde- ration, bei welcher Stimmenmehrheit entschied, unter dem Titel unio salvandae reipublicae, verwandeln, und sowohl eine neue Lustration, gegen welche sich am meisten die östlichen Land- schaften zu sträuben pflegten, beschließen, als auch die Ein- führung der Stimmenmehrheit für alle Reichstagsbeschlüsse in Angelegenheiten des Schatzes. Das erste hatte den Zweck, durch eine neue Einschätzung aller Güter die Steuereinnahmen der Krone zu vermehren; das zweite schloß eine wesentliche Be- schränkung des liberum veto ein. Den Erfolg zu sichern, sollte Waclaw Rzewuski, der Woiwode von Podolien, der als „ein Mann von großem Verstande, milden Sinnes und aufrichtiger Vaterlandsliebe bekannt und zugleich am Hofe und bei der „Familie“ wie im Lande angesehen und populär war Kitowicz , Pamiętn., p. 17. , Mar- schall werden, und da nach den Gesetzen kein Woiwode Land- bote sein durfte, vor den Wahlen auf sein Amt verzichten. Wie ernst es der herrschenden Parthei damals mit diesen Plänen war, welche mit den Reformen der Czartoryski vom Jahre 1764 fast völlig übereinstimmen, geht daraus hervor, Bericht mit den characteristischen Worten: „Den ganzen Tag vacat ru- fend, und mit den gezogenen Säbeln sich bedrohend, verließen alle beim Dunkelwerden die Kirche und Petrikau, da ihnen der junge Stier ent- gangen war, dessen Fleisch in Stücke zu zerhauen sie Appetit gehabt hatten.“ Mit dem „jungen Stier“ spielt er auf das Wappen der Po- niatowski, Ciolek, an. daß der Hof bereits im Anfang 1749 durch seinen Gesandten in Wien, v. Loos, die Zustimmung Östreichs zur Aufhebung des liberum veto zu erhalten suchte und ungeachtet der ersten Ablehnung wiederholt die Unterhandlung aufnhmeen ließ. In Öst- reichs Interesse aber lag eben so wenig wie in dem der andern Mächte, Frankreich selbst nicht ausgenommen, eine Stärkung der königlichen Gewalt in Polen; man blieb daher in Wien bei der ersten Antwort stehen, daß der Moment nicht geeignet sei, indem ein solcher Versuch sofort ein Bündniß Preußens, Frankreichs, Schwedens und der Pforte zur Beschützung der polnischen Freiheit heraufbeschwören würde Vgl. Beer , Aufzeichnungen des Grafen Bentinck. Wien 1871. p. CXIX. . Waclaw Rzewuski legte nun in der That sein Amt nieder und wurde zum Landboten gewählt. Kaum aber eröffnete dem Herkommen nach der Marschall des letzten Reichstages am 4. August den neuen, als sofort das Geschrei sich erhob, in der Landbotenstube sitze gegen alles Recht und Gesetz ein Senator. Vergebens erklärte Rzewuski, er sei kein Woiwode mehr; die Gegner antworteten, die Niederlegung seines Amtes sei eine abgekartete Komödie, man wisse, daß er nach dem Schluß des Reichstages wieder Woiwode sein werde. Sie weigerten sich zur Wahl des Marschalls zu schreiten, so lange er seinen Sitz nicht verlasse. Drei Tage dauerte hierüber der Streit. Am Abend des 3. August brachte man ein Manifest ein, welches Wydzga, der Landbote von Belz, bei dem Warschauer Grod- gericht eingereicht hatte, in dem er gegen alle Beschlüsse des Reichstages aus dem angegebenen Grunde protestirte. Darauf blieb zwar der Reichstag noch einige Tage zusammen und der Marschall sandte zwei Boten aus, um Wydzga zur Zurücknahme seines Protestes zu bewegen. Alle aber wußten, daß er sofort nach Eintragung seines Manifestes Warschau verlassen hatte Kitowicz , Pamiętn., p. 18. . Am 18. August ging der Reichstag wiederum ohne alle Frucht auseinander. In der Sitzung des Senates, die ihm folgte, erklärte Michael Czartoryski öffentlich, dieselbe Hand, welche das Petrikauer Tribunal zerrissen, habe auch den Reichstag gesprengt. Der alte Krongroßfeldherr Joseph Potocki aber schrieb an die Deputat-Landtage (30. August), der Reichstag sei Rzewuski’s wegen zerrissen, und die ihn zerrissen, hätten nichts weiter gethan, als das Recht des Adels vor Unbill ge- schützt S. Szujski IV, 338. ! Roepell , Polen im 18. Jahrhundert. 6 6. Bildung der Parthei der sog. Patrioten, Auseinanderweichen des Hofes und der Czarto- ryski 1750 — 1754. Solchergestalt war zwar auch der zweite Versuch mit dem Reichstage zu einer Reform zu gelangen gescheitert, aber die „Familie“ stieg dennoch zunächst noch zu größerem Einfluß empor. Das Glück war ihr hold. Die Opposition verlor ihre besten bisherigen Führer. Nachdem Michael Potocki ge- storben, sank auch der greise Krongroßfeldherr Joseph ins Grab (Mai 1751). In ihrer Familie war in diesem Moment keiner, der ihre politische Stellung hätte einnehmen können, und von dieser Nebenbuhlerschaft befreit, durfte die „Familie“ sich schmeicheln, neben der Krone zur unbestrittenen Herrschaft sich zu erheben. Der Primas und Erzbischof von Gnesen, Adam Komorowski, gehörte eben so wie der Kanzler der Krone, An- dreas Zaluski, zu ihren Freunden. Und als nun der König den erledigten Feldherrenstab an Jan Clemens Branicki, den Schwiegersohn des alten Poniatowski, verlieh, zum Unterfeld- herrn der Krone Waclaw Rzewuski erhob (beides 1751), das Jahr darauf aber Poniatowski zum Kastellan von Krakau, Michael Czartoryski zum Kanzler von Lithauen machte, waren die einflußreichsten Ämter fast alle mit ihren Verwandten oder Partheigängern besetzt. Unter diesen ragte in mehr als einer Beziehung Branicki hervor. Der letzte männliche Sproß seiner Familie, persönlich mehrere Jahre älter als die Brüder Czartoryski (geboren 1688) und reich begütert, hatte er seine gewöhnliche Residenz in Bialystock, wo er in prachtvollem Schloß mit fürstlichem Glanze lebte Graf Broglie, der als französischer Gesandter im Jahre 1752 und öfter in Bialystock war, schätzte die Einkünfte Branicki’s auf 1,200000 Livres jährlich. Revue des deux mondes 1870, Vol. 87. . In seiner Jugend hatte er in französischen Kriegsdiensten sich Ruf erworben, und bewahrte seitdem sein Lebenlang eine entschiedene Vorliebe für Frankreich und die Franzosen. Nach Polen zurückgekehrt, stieg er dann auf der Stufenleiter der Würden der Republik empor und stand, obwohl er dem Luxus aller Art, auch dem Genuß der Frauen lebhaft ergeben war, in allgemeiner Achtung und hohem Ansehen. Er galt lange als einer der besten Patrioten und als reiner und fester Character. In der That und Wahrheit aber war er eben so wenig frei von Eitelkeit und Eigensucht als von Schwäche. Der Schmeichelei zugänglich, unterlag er um so mehr ihrer Verführung, je weniger scharf sein Blick für Menschen und Dinge war. Noch als 75 jähriger ließ er sich nach dem Tode August III. zu dem Glauben verleiten, er könne dessen Nachfolger auf dem Throne werden, zeigte sich aber während der ganzen Krisis des Interregnums durchaus ohne Entschiedenheit, in seinem Wollen und Thun schwankend und durchaus untauglich zum politischen und militärischen Führer, zu welchem ihn die Gegner der Czartoryski damals erhoben. Gewiß trug hiezu sein hohes Alter wesentlich bei; aber auch bereits früher hatte sich bei ihm der Mangel an Entschiedenheit wie seine Eigensucht offenbart. Als im Jahre 1749 die „Familie“ dem fast 60 jährigen die junge und schöne Isabella Poniatowska zur Frau gab, hofften sie wohl eben deshalb ihn dauernd leiten zu können. Nur zu bald aber machten sie die Erfahrung, daß auf ihn kein sicherer Verlaß sei Rulhiere ’s Characteristik I, 214 ist stark partheiisch. Viel unpartheiischer hat ihn Nabielak , selbst ein entschiedener Gegner der . 6* Gleich das erste wieder lebendigere Eingreifen der großen europäischen Politik in die Partheiverhältnisse Polens führte für sie diese Erfahrung herbei. Seit dem Frieden von Achen (18. Oct. 1748) beherrschte bekanntlich der Gegensatz von Frankreich und England die europäische Politik. Überall in der Welt bekämpften sich beide Mächte zunächst diplomatisch, und überall, in Holland, Dänemark, Schweden, wirkte ihr Streit auf die inneren Verhältnisse der einzelnen Staaten zu- rück. Mit Frankreich war Preußen, mit England Östreich und Rußland verbunden, und bis auf einen gewissen Grad auch König August III., indem er englische Subsidien bezog. Als Kurfürst von Sachsen und König von Polen nahm er schon in Folge der geographischen Lage seiner Länder eine Stellung ein, welche es beiden mit einander ringenden Mächten gleich wichtig erscheinen ließ, ob er im Fall des Ausbruchs eines Krieges auf die eine oder die andere Seite trat. Gelang es Frankreich, ihn zu sich hinüberzuziehen, so beherrschte dieses durch seine Verbindung mit Preußen und Sachsen nicht nur das ganze nördliche Deutschland, sondern durfte auch hoffen, die Repu- blik in sein politisches System zu ziehen. Im Bunde mit Dänemark und Schweden, mit Preußen und Sachsen, mit Polen und der Pforte, konnte dann die französische Politik dem englisch-östreichisch-russischen Bunde Schach bieten, während um- gekehrt, wenn August III. sich zu dem letztern hielt, nicht nur Rußland seine Heere durch Polen Östreich zu Hilfe senden konnte, wie es schon einmal gegen das Ende des östreichischen Erbfolgekrieges gethan, sondern auch Preußen durch den ganzen verbündeten Osten aufs höchste bedroht und gefährdet war. Sehr natürlich daher, daß man in Paris den Gedanken er- griff, König August III. und Polen für Frankreich zu gewinnen. Czartoryski, in seiner Abhandlung über Branicki in der Biblioteka Osso- linskich. Poczet nowy t. V. Lwów 1864 beurtheilt. — v. Maltzahn und Benoit, die preußischen Bevollmächtigten in Warschau zu dieser Zeit, schrieben von ihm am 28. October 1752: „Le grand General, qui est naturellement indolent, et que son âge et ses infirmités mettent ab- solument dans le cas d’être gouverné et mené“, und wiederholen dieses Urtheil öfter in ihren Depeschen. Der Minister des Auswärtigen, d’Argenson war der Ansicht, daß dies am leichtesten zu erreichen sei, wenn Frankreich dem Könige für die Thronfolge seines Sohnes in Polen seine Un- terstützung in Aussicht stelle, überhaupt in Warschau die Pläne des Hofes fördere, und dadurch diesen von der Nothwendigkeit befreie, seine Stütze in Rußland zu suchen. Ludwig XV. aber hielt noch immer an dem Gedanken fest, auf den polnischen Thron im Falle von dessen Erledigung den Prinzen Conti zu erheben, der bekanntlich der Chef seiner geheimen Diplomatie war, welche er hinter dem Rücken des Ministeriums betrieb. Bereits vor dem Achner Frieden, als Frankreich und Preußen nach dem Tode Kaiser Carl VII. (20. Jan. 1745) den Ver- such machten, August III. durch das Angebot der deutschen Kaiserkrone von Östreich abzuziehen, hatte Frankreich in Polen für die Erhebung Conti’s Freunde gewonnen. Damals sandte Jan Clements Branicki, dessen Sympathie für Frankreich so zu sagen einer alten Jugendliebe glich, seinen Vertrauten Mokranowski, der wie er selbst früher in französischen Diensten gewesen war, zur Verhandlung hierüber nach Paris. Er hatte damals mit Vorwissen Ludwigs XV. mehrfache Unterredungen mit dem Prinzen Conti, an welche sich die erwähnte Organi- sation der geheimen Diplomatie anschloß. Auch im Frühjahr 1746 soll ein anderer Pole, Blandowski, zu demselben Zweck in Paris gewesen sein und das Geheimniß d’Argenson mitge- theilt haben Flassan , Hist. de la diplomatie etc. V, 292. 296. Bou- taric , Corresp. secrète et inédite de Louis XV. Paris 1860. Szujski IV, 339. . Diese Verhandlungen bedürfen noch einer nähern Aufklärung. Gewiß aber ist, daß andre Höfe von ihnen eine gewisse Kenntniß erhielten. In Wien und in Pe- tersburg war man mehrere Jahre wegen dieses Projectes in Unruhe. Schon die Heirath der Tochter August III. mit dem Dauphin hatte den russischen Hof verstimmt, der seinerseits wie auch der Wiener seine eignen Pläne in Betreff der polnischen Thronfolge hatte. Östreich befürwortete wiederholt die Wahl eines Piasten, fand aber hiemit in Petersburg keinen Anklang. So „gutgesinnt“ auch ein Piast sein möchte — sagte der Kanzler Bestucheff zu dem östreichischen Gesandten Bernes —, so böte er für ein dauerndes Zusammengehen mit Rußland und Östreich dennoch keine vollständige Garantie. Man könne wohl einen oder zwei Piasten in Antrag bringen, um dem Schein auszuweichen, als wolle man Polen mit Gewalt einen König aufdringen. Inzwischen müßten aber alle Anstalten ge- macht werden, die Wahl Karls von Lothringen, des Bruders Kaiser Franz I., zu sichern und ein Heer an der livländischen sowie der östreichischen Grenze bereit stehen, um die Zustimmung der Republik nöthigenfalls mit den Waffen zu erzwingen Nach Bernes’ Depesche vom 23. October 1748 in Beer , Auf- zeichnungen des Grafen Bentink, S. CII. . In Wien aber hielt man sich diesem Plan gegenüber sehr zurück; noch im Februar 1750 herrschte dort die Meinung vor, es sei besser, Rußland es zu überlassen, den Weg anzu- deuten, den man wandeln wolle. Beide Höfe theilten die Überzeugung, daß bei der Intimität Preußens mit Frankreich auch Friedrich II. die Pläne in Betreff Conti’s billige und fördere. Im Jahre 1748 sprach Kaunitz in einem politischen Gutachten, von dem „Anhange“, den Friedrich in Polen habe, und im Ministerium war man gleichzeitig der Ansicht, daß man östreichischerseits sich angelegen sein lassen müsse, allen, „insbesondere von Preußen“ zu Tage tretenden Bestrebungen auf Veränderung der Verfassung der Republik in Gemeinschaft mit Rußland entgegenzutreten. Noch im Jahre 1752 wollte man in Wien wissen, Friedrich habe von Paris aus große Summen zur Vertheilung unter polnische Große, der Palatin von Rawa, Stanislaw Jablonowski, allein 100000 Livres, er- halten Beer a. a. O., S. xxx. lxviii. cxxix. cxxxiv . . An sich unwahrscheinlich erscheint dies nicht: Frie- drich fürchtete in der That, es werde Östreich und Rußland gelingen, den Prinzen Carl von Lothringen auf den Thron Polens zu erheben Ranke , Ursprung des siebenjährigen Krieges, S. 23. , dessen Herrschaft in Warschau bei der damaligen allgemeinen politischen Constellation für ihn noch unangenehmer als die Conti’s erscheinen mußte. Auch diese Vorgänge bedürfen noch einer näheren Auf- klärung, namentlich in Betreff des Verhaltens der Polen selbst Benoit fragte nach seinem Bericht vom 12. Juli 1752 den Pa- latin von Belz, welche Ansicht dieser in Betreff des Projects der Czarto- ryski habe, den Prinzen Karl von Lothringen dereinst auf den Thron Polens zu erheben: Il repondit comme tous ceux, qui m’ont parlé à ce sujet m’ont dit, que c’étoit une chose, qui se tranoit depuis long temps, mais que l’on n’en avoit jamais tant parlé qu’à present, qu’à Fraustadt on lui avoit tenu des longs discours sur ce chapitre, et que tout bien consideré il paroissoit assez clairement, que la famille de Czartoryski ne faisoit pas peu de fond sur un evenement, qui ne manqueroit pas de leur donner un nouveau lustre et de reveler l’autho- rité, qu’ils avoient dans ce royaume; que leur fille étant en age de se marier, on auroit sans doute deja trouvé des parties considerables pour elle, si l’ambition de la voir reine, ne les alienoit de plus en plus. Le grand marechal me dit la même chose à cet egard. Cepen- dant on ajoute que selon toute apparence on n’en parleroit jamais du vivant de ce roi. . Unzweifelhaft aber beweisen sie, daß keine der beiden in Europa einander gegenüber stehenden Staatengruppen Polen aus dem Auge verlor; sie waren nur die Vorspiele ihrer noch ernsteren Anstrengungen, um ihren Einfluß dort zur Herrschaft zu bringen. Im Sommer 1752 — im Herbst stand ein neuer Reichstag in Polen bevor — schickten England und Frankreich fast gleich- zeitig neue Gesandten nach Warschau: England, um den Zu- tritt der Republik zu dem östreichisch-russischen Bündnisse vom 2. Juni 1746, welchem es selbst, ohne dessen geheimen, gegen Preußen gerichteten Artikel, beigetreten war, zu be- wirken, Frankreich um diesen Zutritt mit allen Mitteln zu hindern. Sir Hanbury Williams, ein entschiedener Gegner Friedrichs II. und Freund Robert Walpole’s, ein Lebemann nach Art dieser Zeit, hatte zwar vielen und lebhaften Geist, aber sein Blick und Urtheil waren nicht scharf. Seine starke Einbildungskraft verleitete ihn bisweilen die Dinge in einem ganz anderen Licht zu sehen, als sie in der That waren, und seine Raschheit und Energie artete auch wohl in Reizbarkeit und Überstürzung aus Vgl. Rulhiere I, 206; Ranke a. a. O., S. 44; Mitchells , des englischen Gesandten bei Friedrich II., Urtheil über ihn in Schaefers Geschichte des siebenjährigen Krieges I, 141. . Auch Graf Broglie, mit seinen 32 Jahren jünger als der Engländer, hatte Geist und große Leb- haftigkeit; wenn er heftig wurde, brannten seine leuchtenden Augen wie das Feuer eines Vulkan; von sehr kleiner Gestalt, trug er, wie sich sein Minister d’Argenson ausgedrückt hat, den Kopf hoch wie ein kleiner Hahn. Und in der That er war dreist und kühn in seinen politischen Combinationen, wie in seinem persönlichen Auftreten: ein eben so treuer Freund als unversöhnlicher Feind; man sagte bei seiner Ernennung nach Warschau in Paris scherzhaft, ob Ludwig XV. mit dem Könige von Polen Krieg anfangen wolle Vgl. Boutaric I, 64 sq. La diplomatie secrète de Louis XV. in der Revue des deux mondes 1870, Vol. 87, p. 257 sq. nach den Papieren der Familie und der franz. Archive von Herzog Albert de Broglie. Rulhiere I, 210. Stanislaw Aug ., Pam., p. 265. . Auf dem Wege nach Dresden sah er Friedrich II., der ihn zum Diner einlud. Als der König im Gespräch bemerkte, daß ihre Freunde in Polen stark entmuthigt wären, er aber die Mittel kenne ihnen Muth zu machen, antwortete Broglie, er hoffe, daß Se. Majestät, da sie die Mittel kenne, auch ihrerseits von ihnen Gebrauch machen werde Nach Broglie hat Friedrich II. in der That im Juni 1753 in Paris anbieten lassen, etwa ⅓ der zur Wiederbelebung der französischen Parthei in Polen erforderlichen Kosten zu übernehmen; Frankreich lehnte das ab. S. Revue l. c., p. 770. . Als er dann nach Dresden kann, war der Hof schon nach Polen. Er holte ihn in Bialystock ein, wo- selbst Branicki den König aufs glänzendste bewirthete. In Bezug auf die Thronfolge schrieb ihm seine Instruction vor, zu sagen: die Freiheit Polens sei König Ludwig XV. heilig, unter allen Um- ständen werde er sie schützen. Der Prinz, den die Polen frei und einmüthig wählen würden, würde Frankreich immer als der würdigste erscheinen: dabei aber sollte er durchschimmern lassen, das sich Ludwig mehr für das Haus Sachsen als für irgend ein anderes interessire. In Bialystock fand er Williams schon vor, und in engem, vertrauten Verkehr mit der „Familie“. Williams war außerordentlich regsam und thätig, Broglie ver- legte sich zunächst aufs Hören. Gegenüber der Geschäftigkeit des Engländers legte er seiner eignen Natur den Zwang auf, den ruhigen Beobachter zu spielen. Die frühere französische Parthei hatte sich fast aufgelöst; sie neu zu beleben fand er nur einige alte verbrauchte Agenten, aber mit den 80000 Fr., die er zur Disposition hatte, verschaffte er sich bald jüngere Kräfte. Er lebte in Grodno mit dem Adel, der in „einem repas für 100 Ducaten Ungarwein trank“, auf dessen Weise. Ohne 26 bis 30 Personen und Pferde in seinem Gefolge, dürfe er, schrieb er nach Paris, nicht öffentlich erscheinen; man habe hier nichts zu hoffen, wenn man sich nicht durch die Art, wie man lebe, einige Beachtung erwerbe. Bis Ende December hatte er freilich 100 und einige Tausend Francs außer jenen 80 Tausend bereits ausgegeben, aber er hatte auch seine nächsten Zwecke und mehr als sie erreicht. Übrigens war es für ihn nicht schwer für die Wiederbe- lebung einer französischen Parthei die geeigneten Führer zu finden und zu gewinnen. Der alte Branicki, stets voll Sym- pathie für Frankreich und noch vor wenigen Jahren für Conti thätig, bot sich hiezu wie von selbst dar, zumal er jetzt als Krongroßfeldherr fast eine unbeschränkte Gewalt über die Armee hatte und in der Republik in hoher Achtung stand. Sein Vertrauter Mokranowski war sogar seit seiner Sendung nach Paris (1745) in die geheime Cabinetspolitik Ludwig XV. ein- geweiht und bezog wahrscheinlich schon damals eine französische Pension Vgl. Boutaric II, 432. Als Ludwig XVI. zur Regierung kam, bewilligte er auf den Bericht Broglie’s für Mokranowski eine lebens- längliche Pension von 20000 Livres jährlich, S. 440. Daß er schon früher eine solche hatte, ist unzweifelhaft, fraglich nur, seit wann er die 20000 Livres bezog. 1761 erhielt er eine Gratification von 2400 Ducaten, ebend. I, 265. Rulhiere I, 294 hat mit all der Kunst, die ihm eigen ist, M. fast wie einen jungen Alcibiades, nur noch von reinerem Patriotismus erfüllt, characterisirt. Daß Isabella Branicka gegen ihn nicht unempfindlich gewesen, sagt Broglie. — M. soll, wie Dorow , . Durch seine männliche Schönheit, seine körperliche Kraft und Gewandtheit, sein feuriges beredtes Wesen war er der Liebling der vornehmen Jugend, und auch die junge schöne Frau des alten Branicki soll für die Liebe und Verehrung, welche ihr Mokranowsky widmete, nicht unempfindlich gewesen sein. Mit ihm verständigte sich daher Broglie wohl leicht und rasch, und noch in Grodno erfolgte der erste Schlag gegen die Familie. Am 1. Oct. 1752 ward der Reichstag eröffnet, auf welchem der junge Stanislaw Poniatowski, der spätere König, eben 20 Jahre alt, zum erstenmale unter den Landboten erschien. Die ersten Tage wurden mit leerem Gerede zugebracht, ohne daß es zur Wahl des Marschalls kam. Der Grund war eine Differenz zwischen Brühl und der „Familie“ über die Ver- leihung des lithauischen Unterkanzleramts, welches durch die Erhebung Michael Czartoryski’s zum Kanzler erledigt war. Zwei Sapieha waren die Candidaten, um welche es sich han- delte. Der eine, der Schwiegersohn des Kanzlers, ward von der Familie, der andere, Woiwode von Mscislaw, von den Potocki, Radzivil und selbst Branicki unterstützt. Brühl, be- reits in der Stille der „Familie“ abgeneigt, deren Einfluß ihm unbequem und lästig geworden, dazu vom Hofmarschall Mniszeck, seit 1750 seinem Schwiegersohn, berathen, der ihm die Aussicht zeigte durch die Bildung einer neuen Hofparthei sich von der „Fa- milie“ befreien zu können, neigte sich auf die Seite ihrer Gegner. Da that der Kanzler einen Schritt, der ihn persönlich so wie das ganze damalige Getriebe am Hofe characterisirt. Er stellte Brühl vor, daß dem Gesetz und Herkommen nach die Siegel nur im Reichstage nach der Constituirung desselben durch die Wahl seines Marschalls, verliehen werden dürften; er gebe sein Wort, daß, wenn Brühl sich nicht verpflichte, das Amt seinem Schwie- Denkschriften ꝛc. Berlin 1840. IV, 146 mittheilt, Denkwürdigkeiten von großem historischen Werthe hinterlassen haben. Da M. fast bis ans Ende der Republik in alle ihre Verhältnisse tief eingeweiht war, können seine Memoiren, falls er sie in der That geschrieben, allerdings von großem Werthe sein und ihre Auffindung und Veröffentlichung wäre höchst wün- schenswerth. Bis jetzt habe ich keine Spur als diese von ihnen gefunden. gersohn zu geben, keine Wahl eines Marschalls stattfinden, der Reichstag nicht zu Stande kommen, die Reise des Königs bis Grodno also völlig fruchtlos bleiben und dieser genöthigt sein werde in zwei Jahren von neuem nach Grodno zu kommen. Diese Drohung schlug durch. Die Reisen von Dresden nach Polen waren dem Könige und dem Hofe, der Kosten, Be- schwerden und des ganzen polnischen Treibens wegen, stets höchst unangenehm. Nach Warschau zu kommen, kostete dem König schon einen Entschluß, wie viel mehr noch eine Reise nach dem entlegenen Lithauen. Brühl gab das geforderte Ver- sprechen König Stanislaw August erzählt selbst diesen Vorgang in seinen Denkwürdigkeiten, S. 78—80. ; zum Marschall ward Massalski, Starost von Grodziec, der Sohn des lithauischen Unterfeldherrn, gewählt. Die wesentlichen Vorlagen der Regierung betrafen die Ver- mehrung des Heeres, die Aufbringung der Mittel zu dessen Erhaltung, Reform der Justiz und Conferenzen von Seiten der Republik mit den Gesandten der fremden Mächte. Außerdem war aber in die Universalien wie in die Instruction des Königs für die Landtage noch ein Artikel aufgenommen, der, wenn er die Zustimmung des Reichstages fand, zu weiteren Reformen den Weg zu öffnen geeignet war. Denn der König forderte darin, daß man wieder zu dem Brauch der alten Reichstage zurückkehre, nach welchem die mit Einstimmigkeit gefaßten Be- schlüsse ihre Gültigkeit behalten hatten, auch wenn man sich über andre Fragen nicht einigen konnte. Das liberum veto also hätte hiernach nach wie vor für jede einzelne Frage als entscheidend gegolten; aber der Mißbrauch, daß man durch dasselbe auch alle bereits einmüthig gefaßten Beschlüsse wieder rückgängig und den Reichstag einer Frage wegen gänzlich un- fruchtbar machen konnte, wäre beseitigt worden Der Wortlaut dieses Artikels, den ich aus einer Abschrift der In- struction entuehme , welche der preußische Resident Benoit unter dem 22. Juli nach Berlin sandte, ist: Enfin sachant, que quand dans les anciennes diettes, il y avoit quelsques points contestés, les points acceptés d’un consentement unanime n’en étoient pas censés moins valables et qu’on ne tiroit point de la une raison pour ruiner le . Begreiflich geriethen alle Gegner des Hofes und der Re- form hierüber in große Aufregung. Der Palatin von Belz (Potocki) erließ Circulare an die Landtage, in welchen er sie aufforderte ihren Landboten aufzugeben, nichts zuzulassen, was die Privilegien des Adels verringern könnte, und demgemäß sich jeder Neuerung, die man verschlagen könnte, zu widersetzen. Die Czartoryski ließen dagegen alle Landtage zerreißen, auf welchen ihre Gegner die Mehrheit hatten, und sprachen laut davon, daß, wenn auf dem Reichstage etwas erreicht werden solle, dieser in eine Conföderation verwandelt werden müsse Benoit , Ber. vom 20. Juni, 5. Juli, 6., 9. und 13. Septbr. . Um so unruhiger wurden die Gegner. Seit dem Tode des Krongroßfeldherrn J. Potocki waren die Mittel versiegt, die er stets mit freigebiger Hand zur Aufrechthaltung der Oppo- sition hergegeben hatte, und dringender als je früher forderten der Palatin von Belz u. a. von dem preußischen und fran- zösischen Gesandten reichliche Unterstützung an Geld Benoit , Ber. v. 24. Juni, 16. September. . Selbst der neue Krongroßfeldherr Branicki erklärte, er werde mit seinen Freunden alle Kräfte zur Zerreißung des Landtages ein- setzen, weil, wenn es dem Hofe gelänge, vermittelst einer Con- föderation die Republik in ein Bündniß mit Rußland zu führen, diese ohne Armee, wie sie sei, dies Bündniß mit der Abtretung einer ihrer Provinzen werde bezahlen müssen. Nur über die Art und Weise, in der der Reichstag zerrissen werden solle, konnten sich die Opposition und die beiden Gesandten lange nicht einigen. Zwar versicherten Brühl sowohl wie der König selbst dem Grafen Broglie auf ihr Ehrenwort, daß ein Zutritt zu der Petersburger Alliance nicht im entferntesten in ihrer Absicht liege; niemand aber glaubte ihnen mehr und hatte Recht, nicht zu glauben. Schließlich kamen Broglie und Maltzahn, den Friedrich II. von Dresden aus zu diesem Reichs- succés des diettes, Sa Maj. demande, qu’on suive la même methode, tellement, que les articles par les quelles on ne pourra s’accorder soient renvoyés à d’autres tems et que ceux, dont on conviendra passent sur le champ en constitution et obtiennent la force de loi. tage gesandt hatte, mit ihren polnischen Freunden überein, daß ein Landbote den Zutritt der Republik zu dem Peters- burger Vertrage fordern, ein andrer dem Antrage widersprechen und die Activität des Reichstages dadurch hemmen solle. Für diese Rollen waren die betreffenden Landboten bereits gefunden, als unerwartet der Gesandte Rußlands öffentlich erklärte, er habe keine Instruction, über ein Bündniß mit der Republik zu verhandeln. Die Opposition hielt auch diese Erklärung für ein Scheimanoeuvre der Czartoryski, mußte aber nun ihren Schlachtplan ändern Maltzahn , Bericht vom 26. und 30. Septbr., 10., 21. und 24. October. . Schon vorher, am 16. Oct., hatten die Landboten Swidzenski und Chajecki die Activität des Reichstages gehemmt, indem sie verschiedene Klagen gegen den König vorbrachten, namentlich in Betreff der Ver- leihung der Warschauer Starostei an Brühls Sohn, der als Protestant von diesem Amt gesetzlich ausgeschlossen sei: am 24. Oct. aber sprengte der Landbote von Sochaczew, Morski, den Reichstag durch ein im Grod eingereichtes Manifest, in welchem er den König persönlich die Ursache alles Übels in der Republik nannte und ihn offen des Bruches der Pacta conventa beschuldigte Das polnische Staatsrecht unterschied die Hemmung der Activität des Reichstages von der Zerreißung. Die erstere wurde durch die Erklärung eines Mitgliedes, es gäbe die fernere Berathung nicht zu, so lange nicht die von ihm in Anregung gebrachte Frage entschieden sei, herbeigeführt, hob aber nicht die früher gefaßten Beschlüsse auf, und konnte jederzeit wieder beseitigt werden. Die Zerreißung erfolgte erst durch die ausdrückliche Erklärung eines oder mehrerer Landboten, daß sie gegen die Gültigkeit aller Be- schlüsse, der vorausgegangenen so wie der etwa noch folgenden protestirten. . Allein die Czartoryski und ihre Freunde waren bereits für diesen Ausgang des Reichstages gerüstet Stanislaw August , Pam., p. 78. . Sie hatten ganz in der Stille und im Einverständniß mit den Gesandten Ruß- lands und Englands ein Manifest vorbereitet, welches ihnen den Weg zu einer Conföderation bahnen sollte. In diesem Manifest, dessen Eingang und Schluß in Form und Styl an eine Conföde- rations-Acte erinnerte, erklärten sie, daß nach dem unfruchtbaren Ausgange aller Reichstage das Vaterland einer anderen „Hilfe“ bedürfe; nicht der König trage die Schuld an allen den Übeln, an welchen es leide, er habe vielmehr der Nation das Glück und den Genuß eines langen Friedens verschafft und die Pacta conventa in allen Punkten redlich gehalten; der Grund aller Übel läge in der Unfruchtbarkeit der Reichstage. „So er- klären wir demnach vor Gott und den Menschen, daß wir stets gewünscht haben, die Zeit einer so milden Regierung benutzen zu können, um dem Vaterlande zu Hilfe zu kommen. Wir verlangen nichts anderes, als daß der Reichstag Bestand habe, damit er den Gesetzen die Kraft, die sie verloren, wiedergeben und ihre Beobachtung in allen Punkten sichern könne; nichts anderes, als daß das Vaterland unter der Gunst des Friedens, dessen wir so lange genießen, seinen alten Glanz wiedergewinne, daß die Pflege der Gerechtigkeit, welche unter zahlreichen Miß- bräuchen leidet, durch eine neue Constitution wieder hergestellt, der Schild aller Unterdrückten sein könne. Auch wünschen wir derart zu handeln, daß alle andern dem öffentlichen Wohl nützlichen Vorschläge zur Ausführung gebracht würden. — — Wir versichern im Angesicht des Vaterlandes, daß unser ein- ziger Zweck die Erhaltung des Friedens und der Autorität der Krone, der heiligen Kirche und des römisch-katholischen Glau- bens, unsrer Gesetze und Freiheiten ist, für welche wir zu leben und zu sterben bereit sind.“ Das Manifest nach der französischen Übersetzung, welche Maltzahn eingesandt, im Anhange. Dieses vom 17. Oct. datirte Manifest unterschrieben der Primas Komorowski, die Bischöfe Zaluski von Krakau, Dem- bowski von Kujavien, Sierakowski von Przemysl, Lestki von Kulm, die beiden Kanzler der Krone und Lithauens, Mala- chowski und Czartoryski, der Großgeneral Lithauens, Radzivil, Podoski Palatin von Plock und eine Reihe von Landboten, unter welchen sich auch der junge Stanislaw Poniatowski be- findet. Am 25. Oct., am Tage nach der Zerreißung des Reichstages, brachte man dasselbe dem Krongroßfeldherrn Bra- nicki, als dieser grade die Mehrzahl der Senatoren bei sich zu einer Berathung versammelt hatte. Man stellte ihm vor, daß das vom Primas und den Bischöfen u. a. bereits unterschrie- bene Manifest keinen anderen Zweck habe, als den König, der durch die Zerreißung des Reichstages wegen angeblichen Bruchs der Pacta conventa höchlichst gekränkt sei, einigermaßen zu trösten und zu beruhigen, und der Krongroßfeldherr, der in diesem Augenblick keinen seiner vertrauten Berather bei sich hatte, ließ sich leicht überreden und unterschrieb, worauf das Manifest in einen großen Saal gebracht ward, in welchem man eine zahlreiche Menge von Landboten u. a. bereits versammelt hatte. Während nun hier der Palatin von Plock, Podoski, die Zweifelnden mit der Feder in der Hand zur Unterschrift drängte, erschien plötzlich Mokranowski, welcher von einigen Landboten, die, ohne zu unterschreiben, sich entfernt hatten, von dem, was vorging, unterrichtet worden war, in dem Saal, bemächtigte sich unter dem Vorwande auch seinerseits von dem Manifest Kenntniß nehmen zu wollen des Actenstücks, und eilte mit ihm durch eine Hinterthür zum preußischen Gesandten, bei welchem eben zufällig in diesem Augenblick auch Graf Broglie war. Aufgeregt und fast athemlos kann er ihnen nur die Worte zurufen: siehe da, die Conföderation, deren ich mich so eben in Mitte von 300 Personen bemächtigt habe. Die Ge- sandten überrascht und erstaunt senden sofort zu ihren polnischen Freunden, den Palatinen von Belz und Smolensk, um mit ihnen zu berathen, wie der drohende Schlag zu pariren sei. Deren erster Gedanke war, ein Gegenmanifest zu erlassen und der Conföderation eine Gegenconföderation entgegenzusetzen: man würde dann sehen, meinte der Palatin von Smolensk, wer der stärkere sei. Allein die Gesandten waren anderer Ansicht. Sie wollten es nicht zu dem Äußersten eines Bürger- krieges kommen lassen, dessen Ausbruch Rußland sofort zum Einschreiten mit Waffengewalt benutzen und ihre Regierungen nur in neue Verwicklungen führen würde. Im Besitz des Originals des Manifestes mit allen Unterschriften, erachteten sie dasselbe als schon jetzt nicht mehr vorhanden, und daher ein Gegenmanifest für überflüßig. Ihrer Ansicht nach käme es nur darauf an, dem Krongroßfeldherrn die Augen zu öffnen und ihn zum Rücktritt von dem Manifest zu bewegen. Der Palatin von Smolensk übernahm es, den Versuch zu machen. Er eilte sofort zum Krongroßfeldherrn, bei welchem er den Großkanzler traf und setzte in Gegenwart desselben dem General auseinander, daß das Manifest, das er unterschrieben, der Anfang einer Conföderation sei, daß man sein Vertrauen schmählich getäuscht und ihn zu einem Schritt verleitet habe, der seine Ehre als Patriot in Frage stelle. Branicki, von Natur und durch Alter schwach und unentschieden, gerieth in die größte Bestürzung, und als der Kanzler sich der für ihn peinlichen Scene entzogen hatte, beschwor jener den Palatin, ihm das Manifest wieder zu verschaffen. Nun erst trat Mokranowski ein, und wurde von Branicki mit den wärmsten Dankesworten empfangen. Das Manifest ward zerrissen und die Conföderation, welche auf Grund desselben auf den Relations- landtagen ins Leben gerufen werden sollte, war im Keime erstickt Maltzahns ausführliche Berichte vom 28. Oct. und 8. Novbr., neben welchen sich die Darstellung Rulhiere ’s von diesem Vorgange nicht aufrecht erhalten läßt. . Es war die erste große Niederlage, welche die „Familie“ erlitt, um so schmerzlicher für sie, als der Abfall Branicki’s von ihr sie herbeiführte. „Wir werden“ — schrieb Maltzahn triumphirend nach Hause — „den Krongroßfeldherrn für immer mit den Czartoryskis und deren Faction auseinander bringen.“ Bald folgte eine zweite für sie noch empfindlichere. Im Spät- herbst 1752 war Graf Broglie mit dem Hofe nach Dresden ge- gangen. Von dort setzte er seine Bemühungen, die große nor- dische Liga gegen Rußland und Östreich zu Stande zu bringen, unermüdlich fort. Mit den französischen Gesandten in Kopen- hagen, Stockholm und Constantinopel stand er in unausgesetzter Correspondenz, und da Polen so zu sagen das Pivot der Liga sein sollte, so sparte er keine Mühe und kein Geld, die Parthei Frankreichs dort zu vergrößern und zu stärken. Seine Stel- lung zu der geheimen Cabinetspolitik Ludwigs XV., so wie seine weit aussehenden politischen Pläne, theilte er nur Mokra- nowski und einigen anderen großen Herren mit. In Dresden mißtraute man ihm. Die Königin selbst mußte sich in einem Briefe an ihre Tochter über ihn beklagen, und das Ministerium in Paris mißbilligte in der That sein Treiben. Aber der König selbst hielt ihn, und vergebens stellte Brühl den Polen vor, welches Vertrauen sie zu einem Gesandten haben könnten, dessen Schritte sein eignes Ministerium nicht billige, dessen Abberufung bald erfolgen werde. Da er aber doch nicht ab- berufen ward, glaubten die Polen, daß Ludwig XV. den Pa- trioten noch günstiger sei, als dies der officielle Gesandte am Hofe zeigen könne. Auch verschmähte Broglie es nicht, den Frauen, die in Polen damals stets einen bedeutenden Einfluß übten, den Hof zu machen. Die Töchter Brühls, die Frau des Hofmarschall Mniszeck, die Woiwodin von Krakau, Lubo- mirska, u. a. gewann er für sich. „Missionäre dieser Art“, schrieb er nach Paris, „haben es immer leicht, Proselyten zu machen.“ Bereits im Herbst 1753 glaubte der Hof von Wien zu wissen, daß für den Plan, Conti auf den polnischen Thron zu erheben, die ganze Potockische Parthei gewonnen sei und Frankreich daran arbeite, durch eine Alliance mit der Pforte und die Unterstützung des Königs von Preußen die Sache durchzuführen. Dem Berliner Hof stellte er vor, wie sehr es dem preußischen Interesse zuwider sei, die Wahlfreiheit in Polen durch die Übermacht Rußlands fast gänzlich vernichten und künftig nur solchen Kandidaten zur polnischen Krone gelangen zu lassen, welcher von Rußlands Führung vollkommen abhänge und daher für Preußen ein sehr unbequemer Nachbar werden könne; Rußland aber habe bereits den Entschluß gefaßt, eine Armee von 60000 Mann in Liefland zusammenzuziehen Arneth , Maria Theresia IV, 355—356. . In derselben Zeit im Verlauf des Jahres 1753 wurden aber auch die Bestrebungen Mniszecks lebhafter und erfolgreicher, Brühl und die „Familie“ dadurch auseinander zu bringen, daß er Roepell , Polen im 18. Jahrhundert. 7 aus deren Gegnern eine neue Hofparthei zu bilden bemüht war. In der That näherte sich die bisherige Opposition, die Rzewuski, Malachowski, Krasinski, Wielopolski, Zaluski, und in Lithauen die Radzivil, Sapieha, Oginski dem Hofe, und Brühl berücksichtigte sie je länger je mehr bei der Austheilung der Gnaden des Königs. Die bisweilen schroffe, sarkastische Weise des lithauischen Kanzlers hatte ihn schon lange verstimmt; vollends erbittert aber soll er gegen die „Familie“ dadurch geworden sein, daß sie eine Familienverbindung mit ihm, die er wünschte, mit wenig verdecktem Stolz ablehnte Szujski IV, 334. Rulhiere I, 205. . Den offnen Bruch führte ein Streit über das Ordinat (Majorat) von Ostrog herbei, der mehrere Jahre hindurch die gesamte Republik in Spannung und Aufregung hielt. Der polnische Adel hat die Errichtung von Majoraten zu keiner Zeit geliebt; sie schienen seiner Rechtsgleichheit gefährlich, und es gehörte eine Bewilligung des Reichstags zu ihrer Gründung. Eine solche hatte der Fürst Janusz Ostrogski im Jahre 1609 erlangt. Aus altrussischem, griechisch gläubigem Geschlecht, war er in seiner Jugend zum Katholicismus übergetreten und stand später als Kastellan von Krakau und seines colossalen Reichthums wegen in hohem Ansehen. Er soll bei seinem Tode außer einem reichen Schatz von goldnen und silbernen Geräthen, Kleinodien, Perlen u. dgl. in baarem Golde an 300,000 un- garische Dukaten hinterlassen haben Siarczynski , Obraz panowania Zygmunta III. Lwow 1828. II, 43. Er beruft sich auf Piasecki. ; seine zahllosen Güter aber, deren Hauptmasse in Volhynien und den andern russi- schen Landschaften lag, hinterließ er vereinigt als Ordinat von Ostrog, mit der Verpflichtung des jedesmaligen Besitzers, eine Kriegsschaar von 600 Mann auf seine Kosten zur Verthei- digung der Republik jeden Augenblick bereit zu halten. Im Falle des Aussterbens des Mannsstammes der Ostrogski sollte das Ordinat auf den Mannsstamm seiner an einen Fürsten Zaslawski verheiratheten Tochter, und nach dessen Aussterben auf den von seiner Schwester stammenden Mannsstamm der Radzivil-Birz-Sluck, endlich, wenn auch von diesem keiner vor- handen sei, auf den Orden der Malteser übergehen. Andert- halbtausend Dörfer, Städtchen und Städte gehörten zum Or- dinat; die einen waren so zu sagen die Tischgüter des jedes- maligen Ordinatsherrn, die andern wurden an den Adel zu theils lebenslänglicher, theils zeitweiliger Pacht ausgethan. Nach des Stifters Tode ging das Ordinat, da er keinen Sohn hinterließ, an die Fürsten Zaslawski über; von diesen kam es, als ihr Mannsstamm im Jahre 1673 ausstarb, und die von dem Stifter für diesen Fall zur Succession berufene Linie der Radzivil gleichfalls erloschen war, an den Sohn der Schwester des letzten Zaslawski und des Hofmarschalls Lubomirski, dessen männliche Nachkommenschaft wiederum 1720 mit Alexander, Starost von Sandomir, ausstarb. Schon im Jahre 1673 hatte ein Mitglied des Malteserordens, Hieronymus Augustin Fürst Lubomirski, Administrator der Abtei Tyniec, das An- recht des Ordens geltend zu machen versucht, welches jetzt August Czartoryski, der vielleicht grade im Hinblick auf das- selbe in den Orden getreten war, durchzusetzen sich bemühte. Als Generalbevollmächtigter des Ordens verbreitete er im Lande gedruckte gründliche Informationen, wahrscheinlich in der Hoffnung als Prior oder Commandeur in dem Ordinat seine lebenslängliche reiche Versorgung zu finden. Andrerseits erhob der Fürst Paul Sanguszko, der mit der Schwester Alexander Lubomirski’s verheirathet war, auf diese Verwandtschaft ge- stützte Ansprüche und setzte sich mit Waffengewalt in Besitz. Allein König August II., der das Ordinat am liebsten für die Krone eingezogen hätte, jedenfalls aber dasselbe in ihm zuver- läßigen Händen sehen wollte, erklärte sich entschieden gegen die Ansprüche beider Prätendenten, und sandte den General Po- niatowski und Jan Tarlo, den Woiwoden von Lublin, nach Dubno, der Hauptfeste des Ordinats, um diese und sämtliche Güter unter den Sequester der Krone zu nehmen. Auf die Nachricht, daß Sanguszko sich in Besitz gesetzt, war sein erster Gedanke, diesen mit Gewalt zu vertreiben; er unterließ es je- doch bei reiferer Überlegung, und seine Bevollmächtigten schlossen 7* mit Sanguszko einen Vertrag (7. Juli 1721), nach welchem dieser vorläufig bis zu der Entscheidung des nächsten Reichs- tages in Besitz bleiben sollte. Man sagte, Poniatowski habe von ihm hiefür 30,000, Tarlo 70,000 fl. erhalten. Auf dem nächsten Reichstag (5. October 1722) protestirten jedoch von Sanguszko, wie man sagt, bestochne Landboten gegen die Com- petenz des Reichstagsgerichts in dieser Sache, wie gegen den Orden von Malta, und der Stolnik von Volhynien, Czacki, ein Nachbar Sanguszko’s, hemmte die Activität des Reichstags, der schließlich (16. November) gänzlich zerrissen ward. Die San- guszko blieben ungeachtet mehrerer Gegenbestrebungen seitdem über dreißig Jahre im Besitz und Genuß des Ordinats Szujski IV, 271. Die Arbeit von Powidaja über das Ordinat, im Dziennick literacki 1863, n. 39 sq., auf welche Szujski sich beruft, habe ich leider nicht einsehen können. Eine zweite neuere Arbeit über diesen Gegenstand findet sich in der Biblioteka Warzawska 1873, t. II, p. 95 sq. So lange nicht das Ordinatsstatut von 1618 in extenso ge- druckt ist, kann man die Frage, ob nicht schon bei dem Aussterben der Zaslawski der Orden zur Succession berechtigt war, nicht entscheiden. Der Übergang von den Lubomirski auf die Sanguszko entsprach aller- dings vollkommen dem von den Zaslawski’s auf die Lubomirski. . Wie reich aber auch dessen Einkünfte waren, sie reichten für das Leben, welches der Fürst Janusz, lithauischer Hof- marschall, führte, nicht aus. Er gehörte zu den berühmtesten Säufern seiner Zeit Kitowicz , Opis obyczajow etc. wyd. Raczynskiego. Poznau. III, 188. , jeder Art von Lüderlichkeit und Aus- schweifung ergeben. Die Folge waren ungeheure persönliche Schulden, da das Majorat nicht belastet werden durfte. Zuletzt wußte er sich vor dem Drängen der Gläubiger nicht anders zu retten, als daß er von Dubno nach Kolbuszow im Sando- mirschen entfloh. Kinderlos, wie er war, verfiel er dann auf den Gedanken, das Ordinat an mehrere Familien, welche zum Theil Ansprüche auf dasselbe zu haben glaubten, in einzelnen Parcellen zu verkaufen. Mit dem Erlös hoffte er sich von seinen Schulden befreien und außerdem nach seiner Art weiter leben zu können. Zwar war es mindestens zweifelhaft, ob er ein Recht zum Verkauf habe; er war nur Nutznießer, nicht Eigenthümer; „wer aber“, schreibt Szujski, „war in dieser Zeit gewohnt, sich ans Recht zu kehren“. Am 7. Dezember 1753 ward der Kauf zu Kolbuczow abgeschlossen. Die ersten Familien der Republik, die Lubomirski, Sapieha, Potocki, der Kanzler der Krone Malachowski und auch der Woiwode von Rußland August Czartoryski, betheiligten sich an ihm; der da- mals berühmteste Advocat und Rechtsconsulent der Czartoryski hatte den Vertrag verfaßt. Als er bekannt ward, rief er eine weitverbreitete und ge- waltige Aufregung in der Republik hervor. Alle so zahlreichen Gegner der Czartoryski ergriffen sofort die günstige Gelegen- heit gegen diese gewissermaßen Sturm zu läuten. Der Adel, der auf den Gütern des Ordinats saß, erhob laute Klage, und die Miliz, welche, obwohl ihre fernere Erhaltung in dem Kauf- vertrage trotz der Zerreißung des Ordinats gesichert war, den- noch ihre Zukunft gefährdet glaubte, wandte sich an Branicki und forderte von ihm als Krongroßfeldherrn Schutz und Hilfe. Branicki schrieb an den König nach Dresden, und ging per- sönlich nach Lemberg, woselbst sich mit ihm der Unterfeldherr der Krone Rzewuski, der lithauische Großhetman Radziwil, einige Bischöfe und Senatoren, so wie ein zahlreicher Adel aus Volhynien, Podolien und Rußland zusammenfanden. Sie er- ließen von dort ein Manifest, in welchem sie gegen die Thei- lung des Ordinats protestirten, und schickten es an die Grod- gerichte, in welchen es fast überall zahlreiche Unterschriften fand. Als die Kunde von all diesem nach Dresden kam, erkannte Broglie sogleich mit scharfem Blick die Bedeutung der Sache und wie er sie im Interesse Frankreichs und seiner Pläne aus- beuten könne. Aus einigen alten Pergamenten entnahm er, daß die Königin von Frankreich, Maria Leszczynska, in irgend einer Verwandtschaft mit den Fürsten Ostrogski stände, und dies genügte ihm in ihrem Namen den Protest gegen den Kauf zu unterschreiben. Auch ließ er es sicher nicht daran fehlen, Branicki zu weiterm entschiedenen Handeln aufzustacheln, wie denn dieser in der That Mokranowski an der Spitze von Krontruppen nach Dubno sandte und durch ihn die Festung wie die Güter des Ordinats besetzen ließ. Auf der andern Seite rüsteten sich die Lubomirski Dubno wieder zu nehmen; Streitschriften für und wider erfüllten das Land und ver- mehrten die Aufregung; es schien, als ob es dieser Frage wegen zum Bürgerkriege kommen werde. Man sprach von einer Con- föderation und bereits wandten sich die Gegner der Czarto- ryski an Broglie, er solle ihnen die Geldmittel schaffen, sich zu rüsten. Branicki forderte zur Ausrüstung der Kronarmee allein 60,000 Dukaten, und erklärte gleichzeitig dem preußischen Residenten, daß er für den Fall einer Unterstützung der Czar- toryski durch russische Truppen auf eine gleiche Hilfe von Preußen vertraue Benoit , Bericht vom 13. März 1754. . Auch Broglie’s heißester Wunsch war die Conföderation; sie sollte den Einfluß Rußlands durch den Sturz der Czartoryski verdrängen, und überhaupt der Anfang der Ausführung seiner weitaussehenden Pläne sein Revue des deux mondes l. c., p. 300. Stanisl. Aug ., Pamiętn., p. 169. . Aber Geld hatte auch er nicht und half sich daher mit Verheißungen, während sein Ministerium in Paris darüber in Schrecken ge- rieth, daß die Freunde Frankreichs sich conföderiren wollten. Es erwog, wie Frankreich, durch ganz Deutschland von Polen getrennt, seinen Freunden dort helfen sollte, falls die Russen zu Gunsten der Czartoryski einrückten? Selbst Conti schrieb an Broglie, der König wolle keinen gewaltsamen Zu- sammenstoß der Partheien; nur wenn die Czartoryski — welchen, wie Broglie wissen wollte, Williams Geld und der russische Gesandte Truppen angeboten hatten — zuerst angriffen, sei er geneigt, etwas Geld herzugeben. Inzwischen wandte sich der Primas Komorowski, ein Freund der Czartoryski, an den König, den Sturm zu beschwören. Auf seine Vorstellung be- fahl dieser Branicki, die Krontruppen von Dubno wegzuziehen und mahnte gleichzeitig die Lubomirski von allen Gewalt- schritten ab. Aller Erwartung wandte sich nun dem bevor- stehenden Reichstage zu. Am 21. Juni 1754 kam August nach Warschau und erließ von dort aus die üblichen Univer- salien zur Berufung des Reichstags. Wenn man sie liest, sollte man meinen den besten der Könige vor sich zu haben. Er giebt sich darin zunächst selbst das Zeugniß, daß er nicht daran Schuld sei, daß „das liebe Vaterland von allem guten Rath entblößt, entkräftet und beinahe ohne Leben sei. Er habe nie eigennützige Absichten weder für seine Person noch seine Dynastie gehegt, sondern stets nur das Wohl der Republik, ihre Befestigung, die Abstellung von Mißbräuchen, eine gute Rechtspflege und Verwaltung, und die Vermehrung der Armee im Auge gehabt. Auch jetzt wolle er als ein liebreicher Vater allein für seiner Kinder Bestes sorgen; auch sie möchten sich als ächte und wohlgeartete Söhne des Vaterlandes erweisen. Er hoffe darauf, damit nicht auch dieser Reichstag fruchtlos bleibe, sondern der Anfang des Wohlergehens werde.“ Stolterfoth a. a. O., S. 698 f. Am 19. August fanden die Landtage statt, auf welchen es, wie her- kömmlich, vielfach zu schlimmen Gewaltscenen kam. Viele, wie die in Posen, Kalisch, Sieradz, Sandomir, Lublin, Brzesc, Marienburg, Pommerellen, Volhynien, Rußland u. a., zer- schlugen sich, ohne daß es zur Wahl kam. In Lucko wurden etwa 40 Edelleute verwundet und zu Brzesc ward ein Edel- mann an Seite des lithauischen Schatzmeisters Flemming in Stücke gehauen; mit genauer Noth entging der letztere selbst der Lebensgefahr. Am 30. September wurde der Reichstag eröffnet. Die wichtigern Vorlagen der Regierung waren theils die so oft und immer vergeblich vorgebrachten, wie Vermehrung des Heeres und der Kroneinkünfte, Absendung von Gesandten an auswärtige Höfe u. a., theils neue aus den Zeitumständen her- vorgangene, wie die Schlichtung der Ostrogkischen Angelegen- heit und der Irrungen, welche zwischen Adel und Klerus ent- standen waren. Die Instructionen der größten Mehrzahl der Landboten wiesen diese an, den ungeschmälerten Fortbestand des Ordinats Ostrog zu sichern. Aber obgleich der Reichstag bis zum 31. October zusammen blieb, kam es nicht einmal zur Wahl eines Marschalls. Hauptgegenstand der Verhandlungen war na- türlich die Frage über das Ordinat. Die einen wollten zu keiner andern Berathung sich herbeilassen, bevor nicht hierüber entschieden sei; die andern protestirten dagegen. So stritt man hinüber und herüber unter gegenseitigen heftigen Vorwürfen, bis man am 21. October erfuhr, der Landbote von Upita, Strawinski, habe bei dem Warschauer Grod einen Protest gegen alles fernere Verfahren des Reichstages eingereicht. Die Ent- scheidung über das Ordinat, behauptete er, gebühre nicht dem Reichstage, sondern den Gerichten; durch der erstern Einmischung in das Güterrecht des Landes sei alle Freiheit der Republik bedroht, woher er von seinem Recht des liberum veto Ge- brauch mache. Er war, nach Kitowicz’ Bericht, von den Käufern des Ordinats erkauft Kitowicz , Pam., p. 28. . Nun blieb zwar der Reichstag noch bis zum 31. October in der Hoffnung zusammen, daß der Protest zurückgenommen werden könne; man ordnete sogar eine Deputation ab, Strawinski dazu zu bewegen. Allein er hatte, wie es herkömmlich in solchen Fällen geschah, nach seinem Protest Warschau sofort verlassen, und es blieb nichts übrig, als den Reichstag zu schließen. Höchst beweglich klang die Schlußrede des Marschall des letzten Reichstages, Massalski. „Wie lange“, sagte er, „wird die an Barmherzigkeit wunderbare Vorsicht Gottes diese zügellose Republik dulden? Die öffentlichen Be- rathschlagungen sind nichts als eine Verhöhnung ihrer selbst; man darf nicht erst lange rathen, welches Schicksal uns erwartet, wofern wir uns nicht eher besinnen wollen, bevor wir uns in der Grube befinden.“ Darauf apostrophirte er die Landboten, die der „Ruhm des Vaterlandes“ und das Leben für dasselbe zu lassen bereit wären, sie auffordernd bei ihrer Heimkehr ihren Brüdern zu sagen, wie „hinfällig die Reichstage seien, aber doch auch zugleich, daß sich noch Söhne des Vaterlandes fänden, welche im Stande wären, dessen Noth und Angst zu stillen Stolterfoth , Entwurf einer pragmatischen Geschichte von Polen, Leipzig 1768, — ein Buch, welches für die sächsische Zeit durch seine streng chronologische Zusammenstellung einer Menge von Facten noch heute für uns nützlich ist. . Solchergestalt endete auch dieser Reichstag, wie seine Vor- gänger. Der König aber setzte nach einem Senatsconsilium eine Kommission, aus dem Bischof Andreas Zaluski, den drei Feld- herren und fünf Mitgliedern des Adels bestehend, ein, welche sich nach Dubno begeben, ein Inventar aller Güter des Or- dinats aufsetzen und alle Besitztitel revidiren sollte. Die laufende Verwaltung übertrug er dem Woiwoden von Inowraclaw, Szoldrski, einem, wie es in der Acte hieß, „partheilosen Herren“; Sanguszko ward ein Unterhalt von 160,000 poln. Gulden ausgesetzt. Am 16. Dezember 1754 verließ August Warschau und ging nach Dresden zurück. Diese Entscheidung war das gemeinsame Werk von Broglie, Branicki und Brühl. Der letztere, schon längst innerlich der Czartoryski überdrüßig und jetzt durch das Aufbrausen der öffentlichen Meinung gegen sie und die Gefahr des drohenden Bürgerkrieges erschreckt und gereizt, äußerte zu Branicki, da der gegenwärtige Nutznießer des Ordinats es nicht mehr haben wolle, könne der König die Administration übernehmen. Bra- nicki theilte diese Äußerung an Broglie mit, und beide kamen überein, dem Minister 10,000 Dukaten anzubieten, wenn er den Reichstag zerreißen und die Verwaltung des Ordinats zweien von Branicki bezeichneten Patrioten übergeben wolle. Zum Unterhändler zwischen ihnen und Brühl wählten sie dessen Schwiegersohn Mniszeck. Bei der ersten Conferenz erklärte dieser ihnen, der König sei innerlich schon entschlossen, die Ver- waltung des Ordinats an sich zu nehmen, man könne daher die 10,000 Dukaten sparen, und statt ihrer Brühl eine jährliche Pension zusichern. Durch sie könne man ihn für den Verlust der Einnahmen, welche er von den Czartoryski beziehe, entschä- digen und dauernd für die Patrioten gewinnen. Hierauf stellten die andern ihm die 10,000 Dukaten zur Disposition. Am 28. October hatte die letzte Verhandlung zwischen ihnen statt- gefunden, am 31sten wurde der Reichstag entlassen, und am 31. November erfolgte die Ernennung der Commission, deren Mitglieder überwiegend zu den Gegnern der „Familie“ gehörten. Der ganze Hof war überrascht und erstaunt, die Czarto- ryski wie von einem Donnerschlage getroffen. Noch eine Stunde bevor die Entscheidung bekannt ward, soll nach Broglie’s Be- richt Sir Williams, dem eine Andeutung von dem, was be- vorstehe, zugekommen war, um 100 Dukaten gewettet haben, der König werde so etwas nicht wagen, es sei schlechterdings unmöglich. Nicht weniger wie der Engländer war auch der Gesandte Rußlands aufs äußerste bestürzt Nach den Berichten Broglie’s vom 28. October und 3. November 1754. Revue etc. p. 303. . So viele Jahre hatte Rußland in der Verbindung mit den Czartoryski am Hof von Warschau den größten Einfluß geübt; indem sie sanken, mußte auch dieser sinken. Die „Familie“ aber bot stolz dem Sturme die Stirn. Zwischen ihr und Brühl war ein- für allemal das Tischtuch zerschnitten. Sie wirkte mit ihm nur noch zeitweise und äußer- lich in den Geschäften zusammen; dann trat sie in die ent- schiedenste Opposition gegen ihn und den Hof Nach Stanisl. Aug. Poniatowski , Pam., p. 169 soll auch Friedrich II. als Bundesgenosse Frankreichs in der Ostrogschen Angelegen- heit Broglie diplomatisch unterstützt haben. In Petersburg sprach der englische Gesandte im Februar 1755 davon, daß Friedrich von Frankreich für dessen Pläne mit Conti, durch das Versprechen der Abtretung von Polnisch-Preußen an ihn gewonnen sei. Beer , Erste Theilung Polens I, 57. . 7. Der siebenjährige Krieg. Die Czartoryski in der Opposition gegen den Hof. Man weiß, wie lebhaft in den beiden Jahren, welche dem Ausbruch des siebenjährigen Krieges vorausgingen, der diplo- matische Kampf der beiden sich gegenüberstehenden Staaten- systeme ward, und wie dann der unerwartete Umschlag der östreichischen Politik eben jenen Krieg herbeiführte. Auch die Republik ward, obwohl sie als solche an jenen diplomatischen Kämpfen keinen activen Theil nahm, dennoch durch sie außer- ordentlich bewegt. Graf Broglie strebte natürlich den Sieg, welchen er über die Czartoryski und den russischen Einfluß in Warschau errungen hatte, mit dem ganzen Ungestüm seiner Natur für die Politik, die er vertrat, noch fruchtbarer zu machen. Anfangs schien es, als ob Rußland seine Freunde in Polen nicht im Stich lassen werde. Rulhiere will wenigstens wissen, daß der Petersburger Hof die Drohung ausgesprochen habe, als Garant der Verfassung und Freiheit der Republik, welche der König durch die Anordnung der Sequestration des Ordinats Ostrog verletzt habe, seine ganze Macht für die Czartoryski einsetzen zu wollen. Überall im Lande habe man von dem nahe bevorstehenden Einmarsch russischer Truppen ge- sprochen, und die Czartoryski hätten eine Sprache und Haltung angenommen, als wenn sie entschlossen gewesen wären, die Waffen zu ergreifen, ja selbst den Thron für erledigt zu er- klären Rulhiere I, 222—223. . Allein weder das eine noch das andere trat ein. Allerdings nahm Rußland sich seiner Freunde an. Der Re- sident Groß wurde beauftragt, Brühl sehr nachdrückliche Vor- stellungen darüber zu machen, daß bei der Vertheilung der Ämter und Würden die Freunde Frankreichs begünstigt, die Freunde Rußlands zurückgesetzt würden. Der ganze Vorgang characterisirt, wie schon damals die Stellung Rußlands zu Polen war. Am 20. März 1755 hatte Groß seine Audienz bei Brühl, an der auch Williams Theil nahm. Gleich anfangs unterbrach Brühl in großer Gereiztheit das Vorlesen der russischen Note. Die Kaiserin, meinte er, müsse ohne Zweifel über die Aufführung der Czartoryski falsch berichtet sein, weil sie sonst „den Feinden des Königs“ nicht beistehen würde. Mehrmals wiederholte er: „Se. Majestät wird sich vor jenen nie beugen“ und bestritt lebhaft dem Petersburger Hofe das Recht, Vorstellungen solcher Art zu machen. „Se. Majestät“, sagte er, „wird es nicht dulden, daß man ihr Gesetze vor- schreibt, sie würde, wenn der Kroneid sie nicht davon abhielte, lieber auf die Krone verzichten. — Eine Veröffentlichung dieser Note würde den größten Aufruhr in Polen hervorbringen; schon jetzt brüsteten sich die Czartoryski und deren Freunde mit der Protection Rußlands.“ Als dann Groß darauf hinwies, daß die Note in voller Übereinstimmung mit dem Tractat von 1716 sei, der Rußland die Verpflichtung auferlegt habe, alles abzuwenden, was in Polen zur Erweckung des Partheigeistes, zum Streit des einen Theils der Nation mit dem andern oder mit der Regierung führen könne, rief Brühl zornig aus: „Der König allein hat das Recht, diese oder andre Maaßregeln zur Erhaltung der Ruhe in seinem Reich zu ergreifen“, worauf Williams bemerkte, der König habe 1716 einen Vertrag mit seinen Unterthanen geschlossen, deren Garantie Rußland mit Einstimmung beider Contrahenten übernommen habe; unmög- lich könne der König über die Haltung dieses Vertrages Parthei und Richter zugleich sein. Brühl wiederholte, der König würde lieber dem Thron entsagen, als solche Vormundschaft, käme sie, von wem sie wolle, über sich zulassen; er besäße hinlängliche Macht, um seine hochmüthigen Unterthanen zu bändigen. Allein trotz all dieser tapfern Erklärungen Brühls blieb doch die Vorstellung auf ihn nicht ohne alle Wirkung. Er nahm thatsächlich mehr Rücksicht auf die Candidaten, die Rußland empfahl Szczebalski a. a. O., nach dem Bericht Groß’ vom 23. März 1755 im Moskauer Archiv der ausw. Angel. ; wie es denn überhaupt sein System war, die Partheien in Polen in einem gewissen Gleichgewicht zu halten Stanisl. Aug. , Pam., p. 151. . Allein der Strom der öffentlichen Meinung war einmal den Patrioten günstig. Der Hof söhnte sich sichtlich mit ihnen aus; Mokranowski erhielt eine Starostei mit reichen Einkünften und von Ludwig XV. den Titel eines französischen Generals. Zugleich wuchs die Zahl der Anhänger Frankreichs, und je mehr sie wuchs, um so eifriger trieb Broglie vorwärts. Ihm war es weniger um die dereinstige Erhebung Conti’s auf den polnischen Thron, als um die Durchführung seiner umfassenden politischen Pläne zu thun; Frankreichs Interesse stand ihm höher, als das Conti’s; konnte er sein Ziel mit dem Hause Sachsen leichter erreichen, so mußte Conti zurücktreten. Der Krongroßfeldherr Branicki ging lebendig in alle seine Ideen ein. Er traf eifrig alle Vorbereitungen zu einer Conföderation, an die der König sich anschließen sollte; arbeitete fleißig daran, die Kronarmee schlagfertig zu machen, und sandte einen Agenten nach Constantinopel, um eine Verständigung mit der Pforte einzuleiten und im Verständniß mit dem dortigen französischen Gesandten, die Türken zu einem mit Polen gemeinschaftlichen Angriff auf Rußland zu treiben Nach den Berichten Broglie’s. . Dieser Umschlag der Partheiverhältnisse und die sich an ihn anschließenden Bewegungen in Polen blieben auch an andern Höfen nicht unbemerkt. Selbst Kaunitz legte den Umtrieben der französischen Politik in Polen eine große Bedeutung bei, und da er noch immer meinte, es handle sich dabei in erster Reihe um die Absicht Ludwigs XV., den Prinzen Conti dort auf den Thron zu bringen, war er bereit um den Preis eines Bündnisses mit Frankreich unter die diesem zu machenden Con- cessionen auch die einer Unterstützung jener Absichten aufzu- nehmen. Zwar verkannte er nicht die Nachtheile für Östreich, wenn ein französischer Prinz in Warschau herrsche, allein er erachtete sie durch die Wiedereroberung Schlesiens reichlich auf- gewogen (Mitte August 1755 Beer in Sybels histor. Zeitschrift 1872, Bd. XXVII, S. 325. Arneth , Maria Theresia IV, 395. . Um dieselbe Zeit ging Graf Broglie mit Urlaub nach Paris. Er betrieb dort eine nähere Vereinigung Sachsens mit Frankreich und kam im November mit dem Entwurf eines Subsidientractats nach Dresden zurück. Ein ähnlicher von Seiten Sachsens mit England früher abgeschlossener Vertrag lief mit Ende des Jahres ab. Sachsen konnte der Subsidien nicht entbehren. Bereits im Frühjahre hatte es durch seinen Gesandten im Haag Frankreich eine Andeutung davon zu- kommen lassen Stuhr , Forschungen I, 21. ; es war die günstigste Gelegenheit den Dresdner Hof ganz zu Frankreich hinüberzuziehen. Frankreich bot 2 Millionen, wofür Sachsen ein Corps von 6000 Mann für den französischen Dienst bereit halten und zugleich sich ver- pflichten sollte, am Reichstage so zu stimmen, wie Frankreich es wünsche. In Betreff Polens aber sollte August III. sich verpflichten, keinen russischen Soldaten über die Gränze zu lassen, und im voraus jene Conföderation genehmigen, an deren Bildung Branicki im Einverständniß mit Broglie arbeitete, und von der sie hofften, daß sie einen gewaltsamen Einmarsch der Russen werde verhindern können. Die letzte Bedingung einzu- gehen, konnte man sich indeß in Dresden nicht entschließen und brach am 11. Dezember vorläufig diese Unterhandlungen ab Schäfer , Gesch. des 7jährigen Krieges I, 119—21, der sich auf Vitzthum , Geheimnisse des sächs. Kabinets I, 281 bezieht. . Inzwischen hatte Frankreich bei seinen gleichzeitigen Unter- handlungen mit Friedrich II. auch diesem die Mittheilung ge- macht, daß es, um Preußen gegen einen etwaigen Angriff von Rußland sicher zu stellen, eine Conföderation in Polen ins Leben rufen wolle, um den Durchzug der Russen mit gewaff- neter Hand zu verhindern Schäfer a. a. O. I, 110. . Allein Friedrich lehnte schließlich alle französischen Anträge ab und schloß am 18. Januar 1756 seinen Vertrag mit England. Er veränderte die gesamte po- litische Situation und brachte die Entwickelung derselben in raschern Fluß. Auch in Polen ward seine Wirkung fast augenblicklich be- merkbar. Der Krongroßfeldherr stellte die Ausrüstung der Armee, so wie die Vorbereitungen zu einer Conföderation ein, und rief seine Agenten von Constantinopel zurück Bericht Durand’, des französischen Residenten in Warschau, an Broglie vom 4. März 1756. Revue l. c., p. 782. . Ver- gebens bemühte sich Broglie durch Mokranowski, seine Frau und seine Schwester, die Fürstin Lubomirski, auf ihn zu wirken; „der Alte zog seine Segel ein, um abzuwarten, welcher Wind sich erheben würde“. Während Broglie solchergestalt das ganze Jahr 1755 hin- durch, ohne alle Kenntniß der Verhandlungen, welche zwischen Östreich und Frankreich gleichzeitig in der Stille spielten, seine antirussische Politik betrieb, unterhandelte England gleichfalls noch in der Richtung seines bisherigen politischen Systems eifrigst in St. Petersburg, um sich durch einen neuen Sub- sidienvertrag die Hilfe Rußlands für den Ausbruch des Krieges mit Frankreich, namentlich gegen einen Angriff Preußens auf Hannover, zu sichern. Die Unterhandlung führte Sir Wil- liams, der zu diesem Zweck von Dresden nach Petersburg ver- setzt war, woselbst er am 16. Juni 1755 ankam. Von Warschau her mit den Czartoryskis enge befreundet, von welchen er den Woiwoden von Rußland besonders hoch schätzte Stanisl. Aug. , Pam., p. 169. , forderte Williams dessen Neffen, den jungen Sta- nislaw August Poniatowski auf, ihm nach Petersburg zu folgen. Den Czartoryskis wie den Poniatowskis konnte es nur erwünscht sein, daß der junge Mann den Hof von Peters- burg persönlich kennen lerne, dort ihr Interesse wahrnehme und Verbindungen für die Zukunft knüpfe. Bekannt ist, welche Folge seine Reise für die ganzen späteren Geschicke Polens gehabt hat. Stanislaw August, der vierte Sohn seiner Eltern, kurz vorher von seinen Reisen durch Deutschland, Holland, Frankreich und England zurückgekehrt und eben 23 Jahre alt (geb. 17. Januar 1732), vereinigte mit einer seltnen körper- lichen Schönheit eine vielseitige geistige Bildung, mit Heiterkeit und Witz viel Herzensgüte und alle Vorzüge eines gewandten Weltmannes. Durch Williams beim Hofe eingeführt, zog er die Aufmerksamkeit der kaum 3 Jahre ältern Großfürstin Ka- tharina auf sich, und gewann ihre Liebe. Aus der Wärme, mit der er noch in seinen spätern Lebensjahren, nach den herbsten Erfahrungen, die sie ihm bereitet, sie selbst, seine erste Bekanntschaft mit ihr und ihren Liebesverkehr schildert Stanisl. Aug. , Pam., p. 195. Vgl. auch seine Briefe an sie aus den Jahren 1763 u. 1764 bei Schmitt , Panowanie Stanislawa Augusta. Lwór 1868. I, 377. 390. , ersieht man, wie tief der Eindruck war, den sie auf ihn ge- macht; er hat ihn Zeit seines Lebens nie völlig überwunden. Gleichzeitig mit Williams unterhandelte Esterhazy in Peters- burg, um Rußlands für Östreich sicher zu werden. Beiden kam der Haß der Kaiserin Elisabeth gegen Friedrich II. ent- gegen, und östreichisches wie englisches Gold wirkten auf die russischen Staatsmänner und Günstlinge des Hofes. Anfang August 1755 waren Rußland und Östreich im wesentlichen einig, worauf von Wien die ersten Weisungen für den öst- reichischen Gesandten nach Paris zur Einleitung eines Bünd- nisses mit Frankreich abgingen Beer a. a. O., S. 328. 357. . Im September brachte Williams seinen Vertrag zu Stande, nachdem er die Versiche- rung gegeben, die russische Armee im Solde Englands solle nur gegen Preußen gebraucht werden Ranke , Ursprung ꝛc. S. 131. . Aber der Vertrag war in Folge von Formfragen noch nicht ratificirt, als die Nachricht von dem Abschluß Englands mit Preußen in Peters- burg ankam. Die ganze politische Konstellation war verändert: der Vertrag blieb ein Stück Papier. Rußland trat vielmehr dem französisch-östreichischen Tractat vom 1. Mai 1756 bei und fing an seiner Gränze mit Polen an, seine Truppen zu- sammenzuziehen Der formelle Beitritt Rußlands zum Versailler Vertrag erfolgte erst 11. Januar 1757. . Nun klagten die Patrioten in Warschau bei Durand und in ihren Briefen an Broglie nach Dresden, was denn aus ihnen werden solle, ob Frankreich sie seiner neuen Freundschaft mit Rußland opfern wolle? Sie erhielten nur leere Worte. Der französische Bevollmächtigte in Petersburg, Douglas, habe die Instruction, „seine guten Dienste zu Gunsten der Polen zu verwenden“; Ludwig XV. habe in Wien wie in Petersburg Ordre gegeben, vorzustellen, daß „jedes Unternehmen gegen die Rechte, Freiheit und die territoriale Integrität Polens dem neuen Bündniß entgegen sei“. Broglie erhielt die Weisung, er solle seine Sprache in Polen nicht ändern, sondern fort- fahren zu versichern, daß „Se. Majestät stets die Freiheit der Republik schützen werde, sowohl durch die guten Dienste, zu welchen ihre neuen Verbindungen ihr die Möglichkeit gäben, als auch durch die Begünstigung (graces), welche die ihr Vater- land liebenden Bürger von ihr erhalten würden, um sie in den Stand zu setzen, ihre Freiheit aufrecht zu halten“. Broglie selbst sagte bei Empfang dieser Instruction, dies Alles sei leichter gesagt als gethan. Er that, was er konnte, und for- derte Douglas in Petersburg auf, sich darum zu bemühen, daß Rußland keine Truppen in Polen einrücken lasse, ohne sich vorher mit Branicki geeinigt zu haben Revue l. c., p. 788—92. . Rußland that grade das Gegentheil. Nicht mit den Pa- trioten, sondern mit seinen alten Freunden verhandelte es über Roepell , Polen im 18. Jahrhundert. 8 den Ein- und Durchmarsch seiner Truppen. Noch vor Aus- bruch des Krieges, im Juni 1756, kam der General von Weimarn nach Polen. Er hatte den Auftrag, den Führern der russischen Parthei persönlich Mittheilung über die Absichten Rußlands zu machen, andern einflußreichen Persönlichkeiten Briefe zu senden, welche theils die Unterschrift der Kaiserin selbst, theils die des Großkanzlers Bestucheff trugen; noch andre Schreiben, welche ihm ohne Adresse mitgegeben wurden, sollte er denjenigen zukommen lassen, welche ihm die Czartoryski bezeichnen würden. Der General, dessen Instruction ihn unter andern auch anwies, auf eine gegenseitige Annäherung und Ver- ständigung der Partheien in Polen zu wirken, besuchte zuerst die Wittwe des Woiwoden von Nowogrodeck, Fürstin Radzivil. Eine Aussöhnung ihrer Familie mit den Czartoryski erklärte sie für außerordentlich schwer, wohl aber das Bündniß Polens mit Rußland für die Grundlage des Wohles der Republik Szczebalski nach Weymarns Bericht vom 5. August 1756. . Von hier reiste Weymarn nach Warschau, um sich mit dem Kronkanzler Malachowski zu besprechen, und fuhr dann nach Pulawy, wo er beide Brüder Czartoryski traf. Sie nahmen die Briefe der Kaiserin mit der größten Ehrerbietung und Dankbarkeit auf. „Dieses Zeichen der höchsten Gunst und des Wohlwollens einer so großen, über Alle erhabnen Kaiserin“, sagte August Czartoryski, „werde in ihrer Familie durch alle Jahr- hunderte heilig bewahrt werden.“ Die Besprechungen, über welche der General in einer sehr umfangreichen Depesche vom 18. Sep- tember berichtete, dauerten mehrere Tage. Gleich nach den ersten Eröffnungen seinerseits machten ihm die Czartoryski den Vorschlag, ihm einen Bericht über die Lage Polens an die Kaiserin in die Feder zu dictiren, welchen er durch einen sichern Courier absenden solle. Jedes Wort, sagten sie, müsse dabei genau erwogen und das größte Geheimniß beobachtet werden. Weymarn ging hierauf ein. Im Eingange zu diesem Bericht, welcher der Depesche vom 18. September beiliegt, wird aus- geführt, daß der Einfluß Rußlands in Polen zum Schaden beider Staaten merklich abgenommen habe, und daß dies wahr- scheinlich seinen Grund nur in einer mangelhaften Information der Kaiserin in Betreff der polnischen Dinge fände. Es sei zur Besserung vor allem nothwendig, von neuem die Consti- tutionen von 1717 nachdrücklich zur Anwendung zu bringen, welche Polen Peter dem Großen verdanke und auf deren Er- haltung die Ruhe, Freiheit und Wohlfahrt der Republik be- ruhe. „Unser Vaterland“, fuhren die Czartoryski fort, „würde die Kaiserin preisen, wenn sie das Bestehen desselben mit den wirklichen Interessen ihres Reiches so fest verbände, daß keine Veränderung in der Republik ohne Einverständniß mit Ruß- land stattfinden könnte.“ Sie schilderten dann, wie Brühl und Mniszek im Besitz des unbegränzten Vertrauens des Königs, den Einfluß aller andern so weit zurückgedrängt hätten, daß, wer sich nicht ihnen anschließe, gleichsam in der Acht lebe. Der Senat sei verachtet, der größere Theil seiner Mitglieder neige sich auf die Seite, von welcher der Wind wehe; es sei mit einem Wort kein Gegengewicht mehr gegen die Parthei vorhanden, welche sich unter dem Einfluß Frankreichs durch die Verbindung der Feldherren mit der Krone gebildet habe. Auf einem der letzten Reichstage wären gegen 100,000 poln. Gulden durch den französischen Gesandten vertheilt worden, ganz abge- sehen noch von den Pensionen, welche eine große Zahl einfluß- reicher Personen aus derselben Quelle bezögen. Es sei daher sowohl im Interesse Rußlands, wie in dem der Republik dringend nothwendig, daß die Kaiserin jenem einseitigen Treiben kräftig entgegenwirke, wozu sie nach den Verträgen, in welchen sie mit der Republik stehe, ein volles Recht besitze. In Betreff der Mittel aber, welche der Hof von Peters- burg zur Kräftigung seines Einflusses anzuwenden habe, kamen die Czartoryski in allen Unterredungen immer darauf zurück, daß „wie in allen Freistaaten, so insbesondere in Polen ohne Geld nichts zu machen sei“. Im Verlaufe zweier Jahre, sagte der Kanzler, hätten sein Bruder und seine Schwiegersöhne Sapieha und Flemming über 100,000 Albertusthaler geopfert, um den Intriguen Frankreichs entgegenzuwirken; unmöglich 8* könnten Privatleute solche colossalen Ausgaben aus ihrem eignen Vermögen bestreiten, und es sei daher durchaus nothwendig, daß die Kaiserin eine bestimmte Summe für diese Zwecke be- stimme. Befragt über die Höhe dieser Summe, meinte dann der Kanzler, zuweilen werde sie höher sein müssen, zuweilen kleiner sein können. In diesem Augenblick wären unumgänglich 100,000 Albertsthaler nothwendig; in den nächsten Jahren könnten 25- bis 50,000 poln. Gulden genug sein. Diese Summen müßten aber ein- für allemal zur Disposition des russischen Gesandten stehen, so daß er, der Kanzler, zu jeder Zeit je nach Maßgabe des Bedürfnisses aus diesem Fonds schöpfen, und die einzelnen Summen nicht nur nach seinem Ermessen, sondern auch im Namen der „Familie“ vertheilen könne; das letztere, damit die Empfänger nicht erführen, daß das Geld vom russischen Hofe käme, weil sie entgegengesetzten Falls, viel- leicht — — mehr fordern dürften! Und dies war nicht nur die Auffassung der Czartoryski. Als General Weymarn am 1. October beim Fürsten August den Primas, den Kronkanzler Malachowski, den alten Ponia- towski, dessen Sohn Stanislaw u. a. traf, waren sie alle ein- stimmig darin, daß Geld und ein nachdrückliches Halten auf die Constitutionen von 1716—1717 von Seiten Rußlands durchaus nothwendig wären Nach Szczebalski schrieben sowohl der Primas Komorowski, als der Kronkanzler Malachowski in demselben Sinne nach Petersburg. Letzterer fagte von Peter dem Großen in einem Briefe vom 17. Dezember 1756: „Dieser Herrscher, dessen Gedächtniß immer gerühmt werden wird, hat durch seine Mediation die Ordnung in Polen wiederhergestellt.“ Wie die Polen aller Partheien sich zur Erlangung von Ämtern und Würden der Republik um Empfehlungen nach Petersburg wandten, dort um rus- sische Orden sich bewarben, wissen wir schon aus Herrmanns Geschichte von Rußland ( V, 228. 231 u. f.); auch hiefür giebt Szczebalski neue ur- kundliche Belege. . Mehr Geld und mehr Energie, das war die Forderung, die Weymarn von allen Seiten ver- nahm. Mahnte er sie, seiner Instruction gemäß, den Hof nicht zu reizen, sondern sich ihm zu nähern, dem Könige Zeichen der größtmöglichsten Verehrung zu geben und den Anhängern der französischen Parthei gegenüber so maaßvoll als möglich sich zu verhalten, — so antworteten sie, ohne die geforderte Unter- stützung würden alle diese Rathschläge zum Maaßhalten bei ihrer Parthei nichts fruchten; es würde ihr doch nichts übrig bleiben, als der Gewalt mit Gewalt zu begegnen. „So viel ich be- merken kann“, berichtete Weymarn, „werden diese Rathschläge kaum zu etwas führen. Es kann nicht anders sein, als daß der lithauische Kanzler gemäß seines angebornen Characters zur Zeit einige anzügliche Reden über einige Personen der Gegenparthei loslassen wird.“ Während der russische General in Polen verhandelte, hatte Friedrich II. bereits ganz Sachsen bis Dresden besetzt, die Östreicher bei Lowositz (10. October) geschlagen und die säch- sische Armee im Lager bei Pirna zur Capitulation gezwungen (17. October). König August erhielt darauf von ihm Pässe nach Polen; er kam am 27. October mit Brühl in Warschau an. Hier hatte bereits vorher (26. September) der franzö- sische Geschäftsträger Durand erklärt, der König, sein Herr, sei außerordentlich erstaunt über die Nachricht, daß ein rus- sisches Heer durch Polen den Östreichern zu Hilfe ziehen solle; er fordere, daß die Republik sich diesem Marsche in jeder Weise widersetze Aus Mitchells Bericht vom 9. October 1756 bei Raumer , Bei- träge ꝛc. II, 404. . Einige Wochen nach dem Könige kam auch Graf Broglie, von Friedrich II. aus Dresden gewiesen, nach Warschau, und es war wohl auf seine Veranlassung, daß der Krongroß- feldherr Branicki alles aufbot, um den Marsch der Russen zu hindern. Mit dem größten Eifer bekämpften er und seine Parthei im folgenden Winter diesen Plan; die Aufregung in Polen ward so groß, daß man in Wien fürchtete, es werde sich eine Conföderation in Polen bilden, um Gewalt mit Ge- walt zu vertreiben Mitchell , Bericht vom 25. Dezember, ebendas. S. 414. Stuhr , Forschung I, 280; Arneth a. a. O. V, 55. In wie weit diese aus diplo- matischen Berichten entnommenen Nachrichten sich mit Rulhiere’s Erzäh- lung ( I, 227), daß beide Partheien in Polen, sich wechselseitig den Rang . In der That scheint der Hof in War- schau im Januar und Februar 1757 einen plötzlichen Überfall gefürchtet zu haben. Der König zog aus dem sächsischen Palast in das Schloß und die Wachen zogen ein paar Wochen mit geladnen Gewehren und Geschützen auf Das Factum berichtet Kitowicz , Pam., p. 32—33, und sagt, es sei in Folge der Verhaftung eines Menschen geschehen, von dem es geheißen habe, er sei abgesandt, um die russischen Magazine zu ver- brennen; dies sei aber gewiß nicht richtig, weil in dieser Zeit weder rus- sische Magazine noch russische Truppen in Polen gewesen wären; wahr- scheinlicher sei ein andres Gerücht, nach welchem Graf Brühl auf Ver- anlassung Friedrichs habe in Warschau aufgehoben werden sollen. Bei- läufig bemerke ich, daß der Text des Abdrucks der Denkwürdigkeiten von Kitowicz in dem Skarbiec von Sienkowski ( Paris 1839, I, 26) von dem der Posener Ausgabe merklich verschieden ist. Woher die im Skar- biec sich findende Note, daß der auf Requisition des russischen Gesandten Verhaftete Lembert geheißen, sich Kapitain genannt habe, und im Juli 1757 durch einen Haufen unbekannter Leute aus seinem Gefängniß be- freit worden sei, stammt, ist dort nicht angegeben. Szujski IV, 345 bringt den Vorfall mit einer Agitation der Czartoryski zur Bildung einer Conföderation zu Gunsten Friedrich II. in Verbindung. Für das letztere bezieht er sich auf einen ungedruckten Brief des Kronschreiber Rzewuski, des podolischen Woiwoden Michael Sohn, welcher ausnahmsweise zur Czartoryskischen Parthei gehört habe, in dem dieser schreibt, daß für eine gegen August III. gerichtete Conföderation auf Anlaß August Czartoryski’s, im Chelmer Lande Romanowski, im Kiew’schen Wolanski, in Lithauen Przezdziecki und Sosnowski thätig sei und für welche sich auch der Bischof von Kujawien Dębowski interessire. In demselben Briefe mache sich Rzewuski auch über die Angst des Hofes lustig und setze hinzu: „Wir berichten alles nach Berlin.“ Auch diese Nachricht bedarf jedenfalls noch näherer Auf- klärung. . Allein die Ruhe ward in Warschau nicht im mindesten gestört, und im Lande erhob sich keine Conföderation. Trotz aller so lebhaften Pro- testationen der Patrioten, rückten die russischen Truppen im Frühjahr 1757, ohne irgend einen Widerstand zu finden, in das Gebiet der Republik ein. Mitte Juni schlug General Apraxin sein Hauptquartier in Kowno auf; gegen Ende Juni ablaufend, ihrem König 100,000 Polen zur Befreiung Sachsens ange- boten hätten, um unter diesem Vorwande, die einen mit Hilfe Frank- reichs, die andern mit Hilfe Rußlands eine Conföderation zu Stande zu bringen — vereinigen läßt, muß ich für jetzt dahingestellt sein lassen. überschritten seine Truppen die Gränzen Ostpreußens; am 5. Juli capitulirte Memel, und am 30. August siegten die Russen bei Großjägerndorf über das kleine Heer, welches Friedrich ihnen nur hatte entgegenstellen können. Ohne diesen Sieg zu verfolgen, kehrte Apraxin darauf nach Polen zurück. Inzwischen war der junge Stanislaw Poniatowski von den Eltern im August 1756 aus Petersburg zurückgerufen worden, damit er sich zum Landboten für den im Herbst bevorstehenden Reichstag wählen ließe. Er verließ Petersburg mit dem heißen Wunsche baldmöglichst wieder dorthin zurückzukehren, und die Rücksicht, welche der Großkanzler Bestucheff auf die Wünsche der jungen Großfürstin nahm, öffneten ihm den Weg dazu. Ein Brief des Kanzlers an Brühl, der die Sendung des Grafen als Gesandten der Republik empfahl, blieb um so weniger ohne Wirkung, als auch Brühl im Hinblick auf die Zukunft den „jungen“ russischen Hof sich zu verbinden wünschte. Der alte Poniatowski und die Oheime Czartoryski kamen den Wünschen des Sohnes und Neffen im Interesse der „Familie“ entgegen; nur die Mutter, streng religiös, fügte sich schwer. Die Schwierigkeit lag nur darin, daß nach pol- nischem Staatsrecht der König ohne einen Senatsbeschluß keine Gesandten ernennen durfte, ein Senat aber in diesem Moment nicht zusammenzubringen war. Man fand den Ausweg, daß der König ihn als Churfürst von Sachsen zu seinem Gesandten ernannte, und der Oheim sich entschloß, ihm unter dem lithaui- schen Siegel eine Vollmacht zur Vertretung polnischer Interessen zu geben. Die Kosten übernahm die „Familie“, da König August, seiner Einkünfte aus Sachsen beraubt, sie nicht bestreiten zu können erklärte; er verlieh zum Zeichen seines Wohlwollens seinem neuen Gesandten den Orden des weißen Adlers. Erst als die Ernennung schon erfolgt war, widersprachen der fran- zösische und der östreichische Gesandte derselben, weil sie Ponia- towski in Folge seines vertrauten Verhältnisses zu Williams und dem großfürstlichen Hofe, dessen Sympathien für Eng- land und Preußen kein Geheimniß waren, mißtrauten. Ihre Einsprache blieb jedoch erfolglos, zumal die „Familie“ laut erklärte, sie bürge für des Neffen Treue Stanisl. Aug. , Pam., p. 225. Raumer , Beiträge ꝛc. II, 419. Kitowicz , Pam., p. 34 erzählt als ein Prognosticon für Poniatowski’s spätere Erhebung auf den Thron, daß er durch eine Verwechslung des königlichen Kammerdieners ein Ordenszeichen mit der Inschrift pro fide, lege et grege erhalten habe, wie solches nur der König allein zu tragen pflegte, während auf allen andern die Inschrift pro fide lege et rege stand. . Am 13. Dezember 1756 reiste er von Warschau ab, traf am 3. Januar 1757 in Petersburg ein und hatte am 11. Ja- nuar seine erste Audienz bei der Kaiserin. Seine etwas hoch- trabende Anrede gefiel dieser so gut, daß sie dieselbe in der Zeitung abdrucken ließ. Er hatte darin Friedrich II. mit der giftigen Hydra verglichen, und als seine Familie sie in War- schau las, fürchtete sie, daß dieser Vergleich ihr die Rache des Königs zuziehen könne; dieser war jedoch weit entfernt davon. „Ich wünschte“, soll er gesagt haben, „er hätte die Wahrheit gesprochen, und mir wüchse statt jedes abgeschlagnen ein neuer Kopf.“ Stanisl. Aug. , Pam., p. 239. Der junge Diplomat aber bewegte sich auf dem be- kanntlich höchst schlüpfrigen und gefährlichen Boden des Peters- burger Hofes mit Geschick und Glück. Sein Liebesverkehr mit der Großfürstin auf der einen, und auf der andern Seite die Gunst des Kanzlers, der mit im Geheimniß war, kamen ihm hiebei wesentlich zu statten. Dem östreichischen Gesandten Ester- hazy, welcher im Frühjahr 1757 eine neue Convention zwi- schen Östreich und Rußland verhandelte, leistete er bei der Großfürstin so gute Dienste, daß Fürst Kaunitz in einem Rescript an jenen (26. Mai 1757) erklärte, das Vorurtheil, welches er früher gegen Poniatowski gehabt, habe sich zu seiner wahrhaften Freude nicht gerechtfertigt, der Gesandte könne diesem das größte Vertrauen zollen und mit ihm in Allem zu- sammenwirken Dieser Brief von Kaunitz ist vollständig in Stanislaws Denkwürdig- keiten S. 266 gedruckt. . Frankreichs Mißtrauen ließ sich dagegen nicht überwinden. Graf Broglie hatte von seinem ersten Auftreten in Polen gegen die Czartoryski als Führer der verhaßten rus- sischen Parthei eine so tiefe Abneigung gefaßt, daß diese noch nach einem Decennium auf die französische Politik gegenüber Polen bestimmend eingewirkt hat. Gleich damals, als l’Hopital, der neue französische Gesandte in Petersburg, auf seiner Reise dorthin nach Warschau kam (Juni 1757), nahm er ihn gegen Poniatowski ein, wie man denn überhaupt in Paris dessen Er- nennung als eine Annäherung Brühls an die „Familie“ be- trachtete und darüber gegen Brühl aufgebracht war Schreiben l’Hopital an Bernis vom 2. August 1757 bei Stuhr I , 296. . Ja, es scheint, nach einigen leider nur bruchstückartigen Nachrichten zu schließen, daß Broglie im Einverständniß mit seinem Hofe während des Jahres 1757 einen Sturz Brühls und die Abdankung August III. betrieb. Anfang April besprach Ludwig XV. mit seinem geheimen Kabinet eine eventuelle Be- setzung des polnischen Thrones durch einen der beiden Söhne Philipp V. von Spanien, Don Philipp oder Don Louis, von welchen der erstere Herzog von Parma, der letztere des fran- zösischen Königs Schwiegersohn war. Man müsse, meinte Ludwig XV. , diese Idee den Polen beibringen und sie von dort nach Spanien gelangen lassen; Subsidien könne er aber nicht geben: wenn sie (die Polen) ihn zum Könige haben wollten, so müßten sie ihn auch erhalten; dasselbe gelte auch vom Prinzen Xaver, dem Sohne August III. Gleichzeitig be- mühte sich Prinz Conti durch den Ritter d’Eon in Petersburg das Commando der russischen Armee und das Herzogthum Kurland zu erhalten, um entweder hiedurch dem Throne Po- lens näher zu kommen, oder durch eine Heirath mit der Kai- serin Elisabeth selbst Kaiser zu werden Bei den Unterhandlungen, welche zwischen Rußland und Östreich im Anfange des Jahres 1757 in Petersburg über den Abschluß eines neuen Vertrages stattfanden, forderte Rußland sehr nachdrücklich von Seiten Östreichs das Versprechen, ihm Kurland und Semgallen und selbst Ostpreußen als Preis des gemeinschaftlichen Sieges zu sichern. In Bezug hierauf schrieb Maria Theresia an Esterhazy, man habe in Wien auf . Um die Mitte Juni spätestens war der Ritter d’Eon mit einer Mission Woronzews in Paris, um Conti die Zustimmung der Kaiserin in Betreff des Armeecommandos und Kurlands mitzutheilen, worauf Conti auf den polnischen Thron verzichtet zu haben scheint. Anfang Dezember aber meinte Ludwig XV. wiederum, es sei besser, die Abdankung August III. zu verschieben, als sie zu be- treiben Boutaric , Corresp. I , 220—227. ; er ziehe den Prinzen Xaver dem Kronprinzen vor, obenan stehe jedoch die Freiheit der Polen. Noch im Januar 1758 erwog er, ob er diesen oder dessen Bruder Karl vor- ziehen solle, und wiederholte dabei, sein Augenmerk sei immer die Freiheit der Polen gewesen und allein derjenige, der ihnen der annehmbarste schiene Auch in der Instruction für Paulmy (Frühjahr 1760) ist noch von Gerüchten die Rede, daß August III. zu Gunsten seines Sohnes Karl abdanken wolle. Flassan VI , 141. . Mag es sich nun mit diesen Bestrebungen, deren nähere Kenntniß uns noch fehlt, wie es wolle, verhalten haben; sicher ist, daß Graf Broglie sich bereits im August 1757 bei Brühl bemühte, die Zurückberufung Poniatowski’s durchzusetzen. Aber Bestucheff ließ durch den sächsischen Geschäftsträger Prasse in Warschau mahnen, den jungen Poniatowski ja zu „menagiren“ und „an dessen Rappel nicht anders zu denken, als wenn es mit so guter Art geschehen könnte, daß dadurch weder dem Warschauer Hofe noch ihm, dem Kanzler, Verdruß zugezogen würde“ Herrmann , Geschichte Rußlands V , 216. . Die von Zeit zu Zeit eintretenden Krankheits- anfälle der Kaiserin Elisabeth hielten eben alle Welt in Peters- burg in Spannung, und nöthigten alle Partheien eine mehr oder weniger große Rücksicht auf den „jungen“ Hof zu nehmen, der jeden Augenblick an die Regierung kommen konnte. Im Hinblick hierauf ließ Bestucheff nach einem solchen Krankheits- einem vertrauten Wege aus Warschau die Nachricht, daß der dortige Hof auf die Spur einer geheimen Abrede wegen Kurland gekommen sei; Polen wie Frankreich würden alles aufbieten, um das Geheimniß zu entdecken; Frankreich werde widerstreben, Stahrenberg wage kein Wort davon in Paris zu sagen (26. März 1757). Arneth V , 69. anfall Elisabeths, durch Prasse Brühl „nachdrücklich“ vorstellen, daß er „die ostrog’sche Frage je eher je lieber ausmachen und sich mit der Czartoryskischen Familie setzen möchte, ehe etwa ein Fall geschähe, nach welchem diese Familie sich durch den Kanal des jungen Grafen Poniatowski eine solche decidirte Protection zu versprechen hätte, daß man würde gezwungen sein, dasjenige nolens volens zu thun, wodurch man, wenn man es jetzt frei- willig thäte, sich solche Familie verbinden könne“ Herrmann , Geschichte Rußlands V , 217. . Es be- durfte daher des ernstesten Auftretens Frankreichs in Warschau, um die Zurückberufung Poniatowski’s durchzusetzen. Broglie erklärte im October dem Grafen Brühl, der König von Frank- reich werde es als eine Probe für die gute Gesinnung Augusts gegen ihn betrachten, ob Poniatowski abberufen werden würde oder nicht. Gleichzeitig spielten auch Einflüsse von Petersburg von Woronzow, Iwan Szuwalow und Prasse zu demselben Zweck. Da gab Brühl nach. Am 30. October unterschrieb der König die Zurückberufung, nicht ohne in demselben Schreiben es auszusprechen, daß er selbst mit seinem Gesandten voll- kommen zufrieden sei, und nur dem Andringen des französischen Königs habe nachgeben müssen. In einer Unterredung mit dem Vater Poniatowski’s gestand er offen: er habe nicht anders handeln können, denn er lebe nur von den Subsidien Frank- reichs und Rußlands und habe ohne dieselben weder für sich noch seine Familie einen Bissen Brod! Auch Brühl entschul- digte in einem eignen Briefe die Maaßregel mit der Noth- wendigkeit, und er sowohl wie der König versicherten dem Ge- sandten ihr ferneres Wohlwollen Die Briefe sind vollständig abgedruckt in Stanisl. Aug ., Pam., p. 269—277. . Als die Abberufung in Petersburg ankam, rief sie am Hofe eine entschiedne Bewegung für Poniatowski hervor. Die Kai- serin verschob die Abschiedsaudienz, um welche er bat, und er- klärte, obwohl sie seit längerer Zeit nicht ohne Kunde von seinem Liebesverkehr mit der Großfürstin war Raumer , Beiträge II , 452. , wiederholt öffentlich ihr Bedauern über seine Abberufung. Woronzow und Szuwalow boten ihre Dienste an, die Sache rückgängig zu machen; Esterhazy und selbst l’Hopital schrieben deshalb an Brühl In Betreff l’Hopitals erfahren wir aus Boutaric I , 251, daß er Antheil an der Zurückberufung Poniatowski’s gehabt hat. Ob an dieser oder an der 1758, weiß ich nicht. Die Notiz ist vom 16. Mai 1760. . Am wirksamsten aber war, was Bestucheff, von der Großfürstin gedrängt, that. Er nahm das Notifications- schreiben des Warschauer Hofes gar nicht an, sondern bat Prasse, Brühl zu ersuchen, ihn zu den Füßen des Königs zu legen und von Ihrer Majestät die Gnade zu erbitten, daß doch dieser Rappel noch einige Zeit ausgestellt bleiben möchte, weil sonst der sächsische Hof auf einmal seine Sachen in Peters- burg für jetzt und künftig verderben, er selbst aber dabei auf eine so grausame Art sacrificirt werden würde, daß er nicht wüßte, womit er dies verdient. Er könne versichern, daß Poniatowski seit langer Zeit weder in polnischen Sachen, noch wider die Franzosen, noch in faveur des englischen Hofes was vorgenommen. Als Prasse darauf vorstellte, die Rückberufung sei nicht mehr rückgängig zu machen, entgegnete der Kanzler: „Wohlan, so kommt es darauf an, daß Sie Ihrem Hof in meinem Namen die Erklärung thun, daß, wenn es dabei sein Bewenden haben soll, man sich keine Rechnung mehr auf mich zu machen hat.“ Er selbst, den Prasse in seinen Be- richten einmal „den besten und einzigen Freund und größte Stütze“ Brühls nannte, schrieb in demselben Sinne nach Warschau. Der Erfolg war, daß Poniatowski am 12. Ja- nuar 1758 die Zurücknahme seiner Abberufung in Händen hatte Stanisl. Aug ., Pam. , 277—282. Herrmann , Geschichte Ruß- lands V , 221. 222. 226. Katharina II. erzählt in ihren Mémoires (London 1859, p. 302), daß der Kanzler das Notificationsschreiben der Abberufung Poniatowski’s unter dem Vorwande eines Formfehlers nach Warschau zurückgesandt habe. . Zugleich forderte aber Brühl, wohl nicht ohne Rücksicht auf die oben erwähnten Umtriebe Broglie’s, in Petersburg ihn von jenem zu befreien, und die russischen Gesandten in Wien und Paris erhielten in der That Befehl über dessen Verhalten in Warschau sich zu beschweren. Broglie selbst fand seitdem seine Stellung in Warschau unhaltbar. Er bat und erhielt seinen Abschied und kam im Winter 1758 nach Paris zurück. „Der Graf Broglie“, schrieb Ludwig XV. (20. April 1758) an Tercier, „hat gute Dienste geleistet, aber er ist ein wenig lebhaft.“ Dem Grafen selbst aber schrieb er (21. Mai 1758): „Es ist nach alle dem, was zwischen Ihnen und dem Grafen Brühl vorgegangen ist, nicht möglich Sie nach Polen zurück- zusenden, zumal der König von Polen sich von jenem nicht trennen will.“ Boutaric I , 89—91. 230. Broglie’s Abberufung schloß eine Niederlage der französischen Parthei in Polen in sich, von der sie sich nicht zu erholen vermochte. Die Zurücknahme der Abberufung Poniatowski’s war indeß der letzte Dienst, welchen der Kanzler der Großfürstin leisten konnte. Apraxins Rückzug aus Preußen nach dem Siege bei Jägerndorf erschien den Verbündeten Rußlands als ein offen- barer Verrath. Sie erhoben laute Klagen gegen ihn in Peters- burg, in Folge deren er seines Kommando’s enthoben, gefangen gesetzt und in Untersuchung gezogen ward. In diese ward auch Bestucheff, sein alter Gönner, und bis auf einen gewissen Grad auch die Großfürstin verwickelt. Am 25. Februar 1758 ward der erstere, nachdem er noch Zeit gehabt hatte, eine Menge seiner Papiere zu vernichten, verhaftet, und gleich darauf ein italienischer Juwelier Berardi, welcher häufig die Briefe des Kanzlers und Poniatowski’s an die Großfürstin, und deren Antworten überbracht hatte. Vor Schrecken erkrankte Ponia- towski ernstlich, sie aber rasch gefaßt, verbrannte auch ihrer- seits ihre Papiere. Beide versichern übereinstimmend und un- abhängig von einander, daß sowohl der Kanzler als Katharina an Apraxins Rückzuge vollkommen unschuldig gewesen wären und die öffentliche Meinung in Petersburg dieselbe Überzeugung gehabt habe Cathérine II, Mém., p. 286. 336. 352. Stanisl. Aug ., Pam., p. 240. 418. 422. . In der That scheint die Untersuchung gegen Bestucheff keine hinlänglichen Beweise geliefert zu haben. Wohl hatte er einmal den Plan entworfen, und mit Katharina be- sprochen, sie bei dem Tode Elisabeths zur Mitregentin Peters erheben zu lassen, aber Katharina selbst hatte damals nach einer Berathung mit Poniatowski darauf einzugehen abgelehnt und der Kanzler den betreffenden Entwurf vor seiner Verhaf- tung verbrannt Nach Katharina’s Memoiren. . Hätte die Untersuchung wirklich den Be- weis geliefert, daß er, wie man in jenen Tagen in den diplo- matischen Kreisen Petersburgs sich erzählte, darauf ausgegangen sei, den Großfürsten von der Thronfolge auszuschließen, so würde seine Strafe sicher viel härter gewesen sein, als sie war. Elisabeth begnügte sich damit, ihn seiner Ämter zu entheben und auf eines seiner Güter in der Gegend von Moskau zu verbannen S. Stanisl. Aug ., Pam., p. 406. p. 420—421 erzählt er, daß Elisabeth selbst, da keine Beweise zu finden waren, schon zu bedauern an- gefangen habe, sich überhaupt auf die Sache eingelassen zu haben. Daß der Kanzler einen falschen Eid in der Untersuchung schwur, verdarb ihn. Prasse , der im ganzen stets wohl unterrichtet scheint, glaubte selbst nicht an das crimen laesae majestatis des Kanzlers. S. Herrmann a. a. O., S. 226. Die Berichte Esterhazy’s bei Schäfer a. a. O. II , 1. S. 544—547 geben über den Hauptpunkt doch auch nur Gerüchte. Arneth a. a. O. V , 286 hat die Berichte Esterhazy’s vom 24. und 26. Februar, nach welcher Bestuchef den Großfürsten habe von der Thron- folge ausschließen wollen, und dieser die Kaiserin zur Verhaftung des Kanzlers gedrängt habe, nicht abdrucken lassen. . Katharina aber gelang es in zwei Unterredungen, die ihr die Kaiserin gewährte, und in welchen sie bat, sie nach Deutschland zurückzuschicken, diese mit sich zu versöhnen (24. April und im Mai) Cathérine II, Mém., p. 332 sq. Stanisl. Aug ., Pam., p. 343. 362. Raumer , Beitr. II , 458. . Bei der ganzen Sache hatten der französische und der östreichische Gesandte eine Hauptrolle gespielt, und es scheint fast, daß man französischerseits selbst einen Augenblick daran gedacht hat, in den Sturz des russischen Kanzlers auch Brühl zu verwickeln Wir haben hierüber bis jetzt auch nur einige abgerissene Nach- richten, welche einer nähern Aufklärung bedürfen. Am 24. und 25. Ja- nuar 1758 argwöhnte Bernis in Paris, daß Brühl und Bestucheff mit dem Gedanken umgingen, von Frankreich und Östreich zu Preußen über- zugehen. Am 25. Februar 1758 schrieb l’Hopital aus Petersburg, der junge Brühl werde dort erwartet, um mit Poniatowski gemeinsam zu verlangen, daß die Provinz Preußen zu Gunsten Sachsens in Sequester genommen und durch das in Ungarn aus den Sachsen, welche aus den preußischen Regimentern ausgetreten, gebildete Truppencorps besetzt werden sollte. Ce plan captieux éclaire encore mieux les vues particulières, dont a lieu de soupconner le chancelier Bestuchef et le comte Brühl . S. Stuhr , Forschungen I , 309. August III. bemühte sich damals in der That, wie aus Stanislaw Augusts Denkwürdigkeiten S. 290—291 erhellt, in Petersburg darum, daß sein in Ungarn stehendes Truppen- corps sich mit den Truppen Fermors in Preußen vereinigen und mit diesen die bevorstehende Campagne mitmachen dürfe. Ferner schrieb der französische Gesandte in Wien Stainville am 14. März 1758 an l’Ho- pital nach Petersburg, es wäre viel daran gelegen, bestimmte Thatsachen, die gegen Brühl sprächen, in Erfahrung zu bringen; er (Stainville) hielte es für wahrscheinlich, daß Brühl weniger wie man glaube mit den Czar- toryski’s veruneinigt wäre, und daß er die auf die Absichten dieses von England und für den damaligen Augenblick auch von Preußen unter- stützten Hauses eingegangen sei, um demselben den Weg zum Throne zu bahnen, und daß durch Poniatowski dem Großkanzler und der Groß- fürstin Eröffnungen in Absicht auf diesen Plan gemacht wären. Wäre dieser Verdacht gegründet, würde Brühl sicher fallen. Stuhr a. a. O. I , 311—312. Auch Prasse deutete in seinem Bericht vom 28. November 1758 auf letzteres hin. Er habe, schreibt er, Mühe zu glauben, daß die Absichten der Familie sich auf Kurland einschränken; er befürchte viel- mehr, daß selbige viel weiter gehen, und daß man sich den Beistand und die Gunst der künftigen Regenten in Rußland zu Ausführung weit größerer desseins zu Nutzen zu machen gesinnt sei. So viel sei gewiß, daß die Ambition dieser Familie und besonders auch des jungen Ponia- towski unendlich weit gehe, und wenn man zugleich das böse Herz und den bösen Willen dieses jungen Menschen in Erwägung ziehe, könne man sich in seiner Person nichts anders als einen gefährlichen Feind vor das künftige vorstellen. S. Herrmann , Gesch. Rußlands V , 230—31. — Man sieht, die kommenden Ereignisse warfen ihren Schatten voraus. . Genug, die Großfürstin und Poniatowski bestanden glück- lich den Sturm, der anfangs beide zu verderben drohte. Allein der letztere fühlte schließlich doch selbst, daß seine Stellung in Petersburg erschüttert und für ihn höchst gefährlich sei. Be- reits im April 1758 bat er in Warschau um einen Urlaub zur Rückkehr. Aber erst am 15. August reiste er von Peters- burg ab, nicht ohne Hoffnung unter günstigern Verhältnissen dorthin zurückzukommen. Der Großfürst Peter verwandte sich bei dem Kanzler Woronzow selbst dafür Stanisl. Aug ., Pam., p. 428. 434. [v. Helbig ] Biographie Peter III. I , 121. . Als Poniatowski nach Polen zurückkam, fand er weite Landstriche der Republik von russischen Truppen besetzt. Im Jahre 1757 hatten diese nur die nordöstlichen Gegenden durch- zogen; jetzt standen sie am mittlern Niemen ebenso wie an der Weichsel und Wartha. Am 22. Januar 1758 war Ge- neral Fermor in Königsberg eingezogen und hatte zwei Tage darauf, am Geburtstag Friedrich II. , die preußischen Behörden und Einwohner seiner Kaiserin und dem Thronfolger den Eid der Treue schwören lassen. Dann rückten seine Truppen langsam zur Weichsel vor. Am 4. März besetzten sie Elbing, dann Marienburg, Graudenz und Thorn. Die kleinen pol- nischen Garnisonen wichen überall zur Seite, nur Danzig schlug die Forderung, eine russische Garnison aufzunehmen, entschieden ab. Rath und Bürgerschaft waren darin voll- kommen einig, etwaige Gewalt mit Gewalt zu vertreiben; die Stadtgarnison ward verstärkt, die Bürgercompagnien aufge- boten, die Kanonen auf die Wälle gefahren. Der Hof in Warschau war mit ihnen ganz einverstanden und ließ durch Poniatowski in Petersburg den ganzen Sommer hindurch zu Gunsten der Stadt Vorstellungen machen. Anfangs behauptete Fermor, er könne ohne den Besitz dieser wichtigen Festung nicht weiter nach Westen vorrücken, aber zur Gewalt schritt er nicht, sondern zog, nachdem er Magazine errichtet, Ende Mai über die Weichsel nach Großpolen. Im Juni traf er bei Posen ein, bombardirte Mitte August Küstrin und schlug am 28. August die Schlacht bei Zorndorf. Dann aber ging er sofort nach Polen zurück und ließ durch eine Abtheilung seiner Truppen Anfang October Colberg belagern, während man in Peters- burg daran dachte, auch Danzig zur Strafe für seinen Wider- stand bombardiren zu lassen. Allein Östreich rieth unter Hin- weis auf die Wirkung, welche das auf die Polen haben würde, so dringend davon ab, daß man dort den Plan zunächst auf- schob, und schließlich ganz fallen ließ. Die Entschlossenheit ihrer Bürger und ihre reichlichen Geldspenden an die Russen, be- wahrten der Stadt ihre Selbstständigkeit Beiträge zur neuesten Staats- und Kriegsgeschichte, Danzig 1758. Arneth a. a. O. V , 448—449. Im November 1760 kamen die Russen, als sie die Winterquartiere in Polnisch-Preußen bezogen, noch einmal auf den Gedanken, auch Danzig zu besetzen, gaben ihn aber auf Vorstellungen Brühls, der die Rückwirkung auf die Polen, sowie auf Frankreich, Schweden und Dänemark sehr richtig fürchtete, wieder auf. S. v. Eelking , Corresp. Brühls ꝛc., S. 167 f. . Seitdem machten die Russen Polen westwärts der Weichsel zur Operationsbasis ihres Krieges gegen Friedrich II. Jahr aus Jahr ein blieben ihre Truppen hier stehn, zogen ihren Ersatz aus dem Innern Rußlands durch die östlichen polnischen Landschaften an sich, legten hier ihre Magazine an, suchten von hier aus, neben ihren größern militairischen Operationen, die preußischen Gränzlandschaften, Schlesien und die Neumark, Pommern und Brandenburg in zahllosen Streifereien heim und brachten hierhin ihren Raub und ihre Beute in Sicherheit. Sie betrachteten sich mit einem Wort als die Herren des Landes, schrieben nach Willkühr Lieferungen aller Art aus und be- handelten den Adel und dessen Bauern sehr „indiskret, selbst mit Prügel und Todschlag“ Ausdruck von Kitowicz , Pam., p. 36. Die russischen Generale und Offiziere setzten auch angesehene Leute willkührlich fest. Ein Beispiel in Brühls Correspondenz mit Riedesel aus dem Jahre 1760, S. 60. . Die polnischen Bauern und auch viele vom kleinen Adel fanden freilich für den Schaden, den sie erlitten, einen gewissen Ersatz darin, daß sie die räuberischen Streifereien der Russen ins preußische Gebiet mitmachten, oder den Russen die dort gemachte Beute, den zahlreichen preußischen Roepell , Polen im 18. Jahrhundert. 9 und östreichischen und auch russischen Deserteure Waffen und Uniformen abkauften. Der Edelmann aber bekam für seine Lieferungen nur selten baares Geld, meistentheils vielmehr nur Verschreibungen auf die Zukunft. Dazu wurde das Land mit schlechter Münze, welche Friedrich II. in Dresden mit polnisch- sächsischem Stempel prägen ließ, überschwemmt; die gute ward von den Juden ausgeführt, und beides zusammen trieb die Preise aller Lebensmittel und Waaren auf eine bis dahin un- bekannte Höhe. Der Schatzmeister der Krone, Wessel, suchte durch eine zweimalige Reduction der schlechten Münze, gemäß ihres Werthes, der Großmarschall Bielinski durch eine Taxe für alle Waaren zu helfen (October 1761 und März 1762). Sie riefen aber hiedurch nur einen offnen Widerstand der Käufer wie der Verkäufer, und zahlreiche Bitten des Adels an den König, auch die schlechte Münze nach ihrem Nennwerth cursiren zu lassen, hervor. Von der andern Seite achtete natürlich auch Friedrich II. die Neutralität der Republik nicht. Ende Februar 1759 sandte er den General Wobersno mit 5000 Mann und 5 Geschützen von Glogau aus nach Großpolen. Am 24. Februar hob dieser den Fürsten Sulkowski, den frühern Minister und Günstling August III. , der auf eigne Hand Truppen gegen Friedrich ge- worben und die Russen auf jede Weise gefördert hatte, in seinem Schloß Reisen auf und zerstörte dann die großen Ma- gazine, welche die Russen in Posen und an andern Orten er- richtet hatten. In einem Manifest vom 2. März erklärte der König der Republik, es sei nicht seine Absicht, gegen sie als Feind aufzutreten, aber er müsse den Absichten seiner Feinde zuvorkommen und würde alle diejenigen, welche den Russen Beistand leisteten, als seine Feinde ansehen. Demgemäß ver- fuhr er mehrmals im weitern Verlaufe des Krieges. Ende Juni und Anfang Juli 1759 drang sein General Graf Dohna bis Posen vor, zerstörte die russischen Magazine in Bromberg und andern Orten, trieb Lieferungen aller Art ohne Bezahlung ein und stellte eine Menge polnischer Bauern als Rekruten in seine Truppen ein. Einen gleichen Zug durch Großpolen unternahm General v. Platen mit denselben Erfolgen im Sep- tember 1761. Bei Gostyn, woselbst er die Russen in einer Art von Wagenburg von 5000 mit Geld, Munition und Proviant beladenen Wagen traf, nahm er dieselbe mit Sturm, vernichtete dann die Magazine in Posen und zog von dort durch das polnische Gebiet bis Landsberg zurück Schäfer a. a. O. II , 1. S. 276. 292; II , 2. S. 242. . Gar gern hätten der Hof und dessen Parthei diese preu- ßischen Einfälle benutzt, um die Republik zum offnen Kriege gegen Friedrich II. mit fortzureißen. Allein die Nation wollte hievon nichts wissen. In ihrer Masse hatte sich bereits seit lange die wunderbare Vorstellung eingewurzelt, daß ihre Un- abhängigkeit und die Integrität ihres Landes am besten gewahrt würden, wenn sie sich in keine politische Verwicklung nach Außen einlasse, daß die gegenseitige Eifersucht der Nachbarn sie aus- reichend schütze und sie sich daher jede Anspannung der eignen Kräfte ersparen könne. Die Erinnerung, daß sich ihre Republik nach all den gewaltigen Stürmen, die sie im 17. Jahrhundert mehr als einmal niedergeworfen, immer wieder erhoben habe, bestärkte sie in Verbindung mit der allgemeinen Genußsucht, geistigen Ermattung und Unbildung in jenem Wahne, der ihr schließlich nur verderblich werden konnte. Außerdem trat fast bei allen die Noth des Landes weit hinter die persönlichen und Parthei-Interessen zurück. Schroffer noch wie bisher stellte sich die „Familie“ dem Hofe gegenüber. Zwar hatte Brühl bereits im März 1758 den Rath, den ihm Bestucheff noch kurz vor seinem Sturze gegeben, befolgt, indem er den König die Sequestration der Ostrogschen Güter auf- heben ließ. Auch hatte ihm der junge Stanislaw Poniatowski hiefür noch aus Petersburg aufs wärmste gedankt, indem er ihm am 23. Mai d. J. schrieb: „Es ist dies eine Wohlthat, welche alle das Vaterland und die Freiheit liebenden Herzen mit neuen Banden der Dankbarkeit dem Monarchen verbindet.“ Allein, wenn Brühl neben der Rücksicht auf Rußland hiedurch die „Familie“ sich wieder zu gewinnen gedacht haben sollte, 9* so machte er bald die Erfahrung, wie sehr er sich getäuscht habe. Es war damals ein Lieblingswunsch August III. , seinem Sohne Karl das Herzogthum Kurland zuzuwenden, welches seit dem Sturze Birons Jahre lang durch die vier sog. ständischen Oberräthe, zwar im Namen des Königs und der Republik, aber thatsächlich nur nach dem Willen Rußlands verwaltet worden war. Um die Kaiserin Elisabeth hiefür zu gewinnen, ward Prinz Carl im April 1758 mit stattlichem Gefolge nach Petersburg gesandt. Sprößlinge der angesehensten Familien Polens begleiteten ihn: ein Lubomirski, ein Potocki, ein Rzewuski, den man den „Schönen“ nannte, zwei Fürsten Sulkowski, und endlich Franz Xaver Branicki. Aus einer andern Familie als der Krongroßfeldherr entsprossen, gewann der letztere damals durch den Dienst, den er Poniatowski bei dem Verkehr mit der Großfürstin leistete, zuerst dessen Gunst, die ihn später so rasch emporhob und der er bekanntlich mit dem schwärzesten Undank lohnte. Mehrere Monate verweilte Prinz Karl am Hofe und erreichte das Ziel seiner Wünsche Prinz Carl kam nach Stanisl. Aug ., Pam., p. 327 am 10. April in Petersburg an und blieb bis zum 4. Juli. Poniatowski berichtete dem Hofe sehr ausführlich über dessen Aufenthalt, und auch Katharina spricht in ihren Memoiren mehrfach von ihm. . Die Kaiserin erklärte, daß Biron, welchen sie zwar aus Sibirien zurückkommen lassen, aber in Jaroslaw internirt hatte, niemals wieder als Herzog nach Kurland zurückkehren dürfe, und kün- digte dann den kurländischen Ständen an, daß sie mit der Er- hebung Karls einverstanden sei. Auch die Stände willigten darein, worauf August III. ein Senatsconsilium zum 30. Oktober nach Warschau berief, um die ganze Sache zum Abschluß zu bringen. Als er aber in demselben erklärte, daß er gemäß der Constitution von 1736 seinen Sohn mit dem Herzogthum belehnen wolle, widersprachen die Czartoryski aufs entschiedenste, daß ihm das Recht hiezu zustehe. Die Constitution von 1736, eine der Früchte des Pacificationsreichstages, hatte dem König das Recht zugesprochen, nach dem Tode des Herzog Ferdinand von Kurland „ einem andern cum successoribus ejus ma- sculis die Belehnung zu ertheilen. Mit diesem Beschluß war allerdings die frühere Absicht der Polen, Kurland nach dem Aussterben des Kettlerschen Mannesstammes ihrem Reich völlig zu incorporiren, in eine unbestimmte Ferne gerückt worden, und August hatte sein bei seiner Wahl Biron gegebenes Versprechen, ihn mit Kurland zu beleihen, ausführen können. Aus der gegenwärtigen Lage der Sache entsprang aber die doppelte Frage, einmal ob Biron und dessen Nachkommenschaft in der That das Lehn verwirkt hätten, und zum andern, ob, selbst wenn dies der Fall wäre, der König nach der Constitution von 1736 das Recht habe, allein ohne den Reichstag das Herzogthum zu vergeben. Die Czartoryski verneinten beide Fragen. In Betreff der ersten führten sie aus, daß das Ver- brechen Birons, für welches er in Rußland durch seine Ver- bannung bestraft worden sei, auf sein Verhältniß zu Polen, gegen welches er sich nie vergangen, keine Rückwirkung, am wenigsten auf seine Nachkommen, haben könne, und außerdem die Erfahrung zeige, daß dergleichen Strafen in Rußland, bei den häufig dort eintretenden Wechseln wieder zurückgenommen würden, also auch Biron noch einmal in alle seine Ehren und Würden wieder eingesetzt werden könnte. In Bezug auf die zweite Frage aber vertraten sie die Ansicht, daß die Constitution von 1736 nur den einen Fall des Aussterbens des Kettler- schen Stammes im Auge gehabt, und nur für diesen Fall und nicht für alle Ewigkeit dem Könige ausschließlich das Recht der Belehnung überlassen habe. Der Wortlaut der Constitution „— — mit der Einwilligung aller Stände haben wir (in Betreff Kurlands) folgendes bestimmt, daß wir nämlich post decessum moderni principis Ferdinandi und in ihm stirpis Ketlerianae , welchen wir ad vitae tempora circa feudum et jura ejusdem in Besitz lassen wollen, einem andern cum successoribus ejus masculis de lumbis procedentibus investituram des Herzogthums Kurland diplomate nostro nach der in simili Falle gebrauchten Form ertheilen werden. Volum. legum (alte Ausgabe) VI , 664. spricht allerdings für diese letztere Auffassung; ob aber die Czartoryski in der That das Verfahren des Königs für „mit dem Recht nicht vereinbar“ hielten Stanisl. Augusts Ausdruck Pam., p. 424. , oder ob sie nur in Folge ihrer allgemeinen Opposition gegen Brühl und den Hof, und im Hinblick auf den „jungen Hof“ in Petersburg, widersprachen, muß für jetzt dahingestellt bleiben Auch Prasse schreibt 28. November (also nach jener Senatssitzung): „Ob Poniatowski jemals Absichten auf Kurland gehabt hat, oder ihm darüber vom jungen Hof Versprechungen geschehen und ob die Widersetz- lichkeit seiner und der Czartoryskischen Familie aus diesem Grunde her- zuleiten sei, kann ich wohl eigentlich nicht wissen.“ Dann spricht er seine Meinung dahin aus, daß die Absichten der Familie viel weiter als auf Kurland gingen. Herrmann a. a. O. V , 230. Vergl. oben S. 84. . Das Gutachten der weitüberwiegenden Mehrheit der versammelten Senatoren fiel gegen sie aus, worauf der König am 16. November das Diplom für den Prinzen Karl unterschrieb und dieser am 8. Januar 1759 feierlich mit Kurland belehnt ward. Am 29. März hielt der neue Herzog seinen Einzug in Mitau, reiste von dort nach Petersburg, weselbst er bis gegen den August blieb und von der Kaiserin eine Urkunde (16. Juli) erhielt, in der sie auf alle Ansprüche an die Tafelgüter in Kurland, welche sich an die Mitgift der verstorbenen Kaiserin Anna knüpften, entsagte. Am 5. November 1759 huldigten die kur- ländischen Stände dem neuen Herrn Stolterfoth giebt a. a. O. S. 748—769 alle Daten. . Aber auch die „Familie“ wandte sich nach Petersburg, ge- stützt auf ihre auch nach Poniatowski’s Rückkehr von dort fort- dauernde Verbindung mit dem jungen Hofe, mit welchem es jetzt grade auch die einflußreiche Familie der Szuwalows hielt Letzteres nach Prasse’s Berichten bei Herrmann a. a. O., S. 231. Die Verbindung Poniatowski’s mit dem jungen Hofe wurde durch den dänischen Gesandten Baron v. Osten vermittelt. . An- fang 1759 ging Adam Czartoryski, der nur um ein Jahr ältere Vetter Poniatowski’s, nach Petersburg, um die Interessen der Familie zu fördern. Brühl scheint damals in der That eine Conföderation seiner Gegner gefürchtet und in Petersburg um Schutz gegen eine solche gebeten zu haben. Sein Agent Prasse schrieb ihm am 30. Januar 1759, „der Kanzler Graf Woron- zow habe ihm seine Parole gegeben, daß bei der geringsten aufrührerischen Bewegung der Czartoryski etliche Regimenter sogleich bei der Hand sein sollten, um ihnen „den Daumen aufs Auge zu halten“ Daß der russische Resident in Warschau die „gemessene Ordre“ hatte, in dem „unverhofften Fall einer verspürenden innerlichen Bewegung im hiesigen Königreich, die bündigsten Declarationen wegen der russischer- seits für die allgemeine Ruhe und Sicherheit tragenden Sorgfalt öffentlich bekannt zu machen, und dadurch allen etwaigen widrigen Bewegungen in Zeiten vorzukommen“, schrieb Brühl selbst 1761 27. April an Riedesel. S. Eelking , Corresp. u. s. w., S. 223. . Derselbe habe ihm auch versprochen, daß er, falls der Prinz Adam auch nur den Mund aufthun würde, um einige Beschwerden wider den Hof und dessen Mini- sterium anzubringen, ihn sogleich befragen wolle, wer ihn zu dergleichen ermächtigt. Der Prinz ließ sich indeß nicht so leicht einschüchtern. Er hielt sich an die Szuwalows, welche ihn aus Rücksicht auf den großfürstlichen Hof protegirten, und brachte unter andern Mitte März seine Beschwerde auch bei dem Kanz- ler selbst vor. Die Freiheit und die Vorrechte der Republik würden gekränkt und seine Familie unterdrückt, sagte er diesem und fügte hinzu, daß sie, welche sie immer die Freunde Ruß- lands gewesen wären, auch von Rußland geschützt und vertreten zu werden hoffen wollten Herrmann a. a. O., S. 231. 232. Prasse’s Berichte vom 30. Ja- nuar und 18. März 1759. . Was er im einzelnen etwa ge- fördert und erreicht, wissen wir bis jetzt nicht; jedenfalls aber nahm er, als er nach mehrmonatlichem Aufenthalt von dort nach Polen zurückkehrte, wenigstens vom jungen Hofe Zusicher- ungen für die Zukunft mit, dessen Sympathien für Friedrich II. auch die „Familie“ jetzt theilte. Bei jeder Gelegenheit trat sie mit diesen dem Hofe offen gegenüber Benoit , Bericht vom 3. März 1759: „Les Czartorinsky sont tenus pour être trop ouvertement dévouées à V. M. et sont plus en detestés par la cour, parce qu’ils sont les premiers à defendre en toute occasion les demarches, que V. M. fait …“ . Als der Hof in Folge des Einfalls des Generals Wobersnow Conferenzen mit mehreren Senatoren hielt, und in diesen Soltyk, der Bischof von Krakau, Mniszek, der Hof- marschall u. a. auf energische Maßregeln gegen Preußen drangen, sprachen sich der alte Poniatowski, August Czartoryski u. a. auf das Entschiedenste dagegen aus und hatten auch die soge- nannten „Patrioten“ auf ihrer Seite Benoit , Bericht vom 7. März 1759. . Denn dieser Parthei, welche sich, wie wir sahen, unter dem Einfluß Graf Broglie’s mit der ausgesprochnen Tendenz, Polen von dem Übergewicht Rußlands zu befreien, gebildet hatte, war nach dem Abschluß des Bündnisses zwischen Frankreich und Rußland, so zu sagen, der Boden unter den Füßen fortgezogen. Eine Zeitlang hielt Broglie sie noch zusammen: seitdem er aber nach dem verfehlten Versuch, die Abberufung Poniatowski’s von Peters- burg durchzusetzen, Warschau verlassen hatte, löste sie sich fast völlig auf. Die Instructionen, die sein Nachfolger Paulmy im Frühjahr 1760 erhielt, waren am wenigsten geeignet, ihn zu veranlassen, sie von neuem zu beleben Flassan setzt die Absendung Paulmy’s ins Jahr 1759. Aus Boutaric I , 253 ergiebt sich aber, daß seine Instruction erst Ende März oder Anfang April 1760 im Conseil verlesen wurde und er damals noch nicht in Warschau war. Er kam nach Benoits Berichten erst zwischen dem 21. und 25. Juni dorthin. . Sie schrieben ihm vielmehr eine passive als aktive Politik vor und warfen ein helles Licht auf die Stellung, welche Frankreich seitdem zu den polnischen Dingen in der That einnahm. Man habe, heißt es in ihrem Eingange, bisher mit der Krone Polen wie mit einer Macht verhandelt, von der man irgend einen Ein- fluß in der allgemeinen Politik zu fürchten oder zu hoffen hätte. Dies sei ein politischer Irrthum. Der König von Polen sei als solcher ohne Macht, seine Revenüen höchst mäßig, sein Reich ein weites, aller Welt offenstehendes Land; Partheiung und Egoismus des Adels und das liberum veto verhinderten jeden stetigen Gang. Man könne die Verfassung Polens nicht anders als eine Anarchie betrachten; da aber der Fortbestand dieser Anarchie dem Interesse Frankreichs ent- spräche , so müsse sich dessen Politik auf die Erhaltung der- selben und darauf beschränken zu verhindern, daß keine andere Macht sich auf Kosten Polens vergrößere. Polen selbst würde das Letztere nicht verhindern können, woher die polnischen „Herren“ zu diesem Zweck weder um Rath gefragt, noch be- zahlt werden dürften, es sei denn in besonderen Fällen, in un- umgänglicher Nothwendigkeit. Zwar werde der König fort- fahren sich für die Freiheit Polens zu interessiren, aber er wolle für jetzt nicht sich zum Chef einer Parthei machen, noch sich auf die persönlichen Factionen und Interessen einlassen, welche jeder Pole unter dem Vorwande, es sei das Interesse Frankreichs, ihm aufdrängen zu müssen glaube, und dabei eigentlich nur sein eignes Interesse im Auge habe. Demgemäß solle sich der Gesandte, wie die Minister von England und Spanien dort verhalten, dabei jedoch stets die Protection durch- blicken lassen, welche der König der Freiheit der Polen und den Freunden derselben gewähre „en conservant toujours l’apparence de la protection“ etc. Herrmann hat übersetzt „den Schein annehmen“; da aber l’apparence auch die Wahrscheinlichkeit, Aussicht bedeutet, habe ich den etwas milderen Ausdruck vorgezogen. . Conföderationen ins Leben zu rufen sei kein Vortheil. Eine ziehe die andere nach sich und sie hätten keine andere Folge als die Plünderung von Feind und Freund. Auch sei für Frankreich zu fürchten, daß die Übel, welche jede Conföderation mit sich führe, die Polen, auch gegen ihre eigne innere Neigung, zu einem Grad der Ein- müthigkeit brächte, welche der Verkehrtheit der Regierungsform ein Ende machen und der Republik Consistenz wiedergeben könnte, während die Aufrechthaltung der Anarchie stets der wichtigste Punkt für Frankreich und daher die Basis für das Verhalten seines Gesandten sein müsse Flassan IV , 134—141. . Man sieht, trotz aller schönen Worte Ludwig XV. von seinem Interesse für die Freiheit der Polen, betrachtete doch die französische Politik die Aufrechthaltung der Anarchie in Polen ganz eben so als ihre Hauptaufgabe dort, wie die Höfe von Berlin, Petersburg und Wien seit langer Zeit hierin ein- verstanden waren. Im übrigen versteht es sich von selbst, daß Paulmy nach dieser Instruction keine einflußreiche Rolle spielen konnte. Er beschränkte sich darauf, eine persönliche vertraute Verbindung mit den Häuptern der früheren französischen Par- thei zu erhalten, welche auch ihrerseits wie bisher in einem Verkehr mit Paris blieben. Im November 1758 beschäftigte sich Ludwig XV. mit einem Briefe Branicki’s, Anfang Dezem- ber mit einem Manifest Mokranowski’s, im März 1759 mit einer geheimen Verhandlung, welche noch Broglie während seiner Gesandtschaft mit Eifer und Erfolg betrieben hatte. Ende dieses und Anfang des folgenden Jahres war Lameth, ein Stiefbruder oder Schwager Broglie’s, als französischer Agent in Polen; 1761 im Winter befand sich Mokranowski persönlich in Paris, woselbst er bis in den Juni geblieben zu sein scheint und eine Gratification von 2400 Dukaten erhielt. Wir kennen zwar den näheren Zusammenhang dieser That- sachen nicht: immer aber reichen sie an sich aus, den fort- dauernden Verkehr dieser Parthei mit dem französischen Hofe zu beweisen Boutaric I, 234. 235. 238. 239. 244. 264—266. . Auf der andern Seite näherte sie sich aber auch je länger je mehr ihren bisherigen Gegnern, den Czartoryski. Beide fürchteten in gleicher Weise, daß der Hof unter dem Schutz und mit Hilfe der im Lande dauernd stehenden russischen Truppen, die Nation zu allem, was er wünsche und wolle, zwingen werde, und suchten im Bewußtsein daran, daß die Polen für sich allein viel zu schwach wären, um Rußland die Spitze bieten zu können, einen Rückhalt an — Preußen. Wiederholt erklärten sie dem preußischen Gesandten in Warschau: „Sie und ihre Freiheit würden verloren sein, wenn Friedrich seinen zahlreichen Feinden unterläge“ Benoit , Bericht vom 31. Mai 1760: „Les Polonois entrevoient de plus en plus, que tout seroit perdu pour eux et pour leur liberté, si V. M. succomboit sous le poids de ses nombreux ennemis.“ In einer Unterredung, welche Benoit mit dem Primas hatte, sagte dieser zu jenem, „qu’eux, les Polonois mettoient toute leur confiance à V. M. et dans les succès de ses armes, que sans V. M. ils seroient perdus, puisque , und als der Reichstag von 1760 herannahte, verlangten sie selbst dringend von dem Residenten, daß er den- selben zerreißen lasse, weil der Hof die Absicht, die Republik zu einer Kriegserklärung gegen Friedrich zu bringen, sicher mit Hilfe Rußlands durchsetzen werde Benoit , Bericht vom 11. Juni 1760. . Unter diesen Umständen waren natürlich die Wahlen so stürmisch wie nur immer. Von beiden Seiten zerriß man die Landtage; der von Warschau dauerte nicht über eine Viertelstunde Desgl. vom 13. u. 27. August 1760. . Branicki und die Pa- trioten gingen mit der „Familie“ Hand in Hand und be- stimmten Mokranowski zum Marschall des Reichstags. Gegen diesen erklärte sich aber der Hof auf das Entschiedenste. Mniszek und Soltyk sagten ihm ins Gesicht, daß sie als die ersten sich seiner Wahl widersetzen würden, und als es schien, daß diese dennoch nicht verhindert werden könne, ließ der Hof durch einen Landboten aus Podolien, Lezenski, den Reichstag noch vor der Wahl des Marschalls zerreißen. Der Palatin von Kiew, der Schwiegervater von Brühls ältestem Sohn, hatte dazu 20,000 Timpfe gegeben Desgl. vom 8. u. 10. October 1760. Brühl schrieb am 11. Oc- tober an Riedesel: „Wir halten dafür, daß man bei dem russischen Hofe sowohl, als von Seiten der Generalität mit solchem Ausschlage nicht übel zufrieden sein dürfte, indem wenigstens vielem Geschrei und Vorwürfen wegen des Verbleibens und der angeblichen Bedrückungen der Russen in diesem Königreich vorgekommen ist.“ S. v. Eelking , Corresp., S. 118. . Und eben so wenig wie dieser kam der außerordentliche Reichstag, welchen der Hof im Frühjahr 1761 berief, zu einem gedeihlichen Schluß. Die Hofparthei trug sich mit dem Plan, ihn in eine Conföderation zu verwandeln, weil sie hoffte unter dem Schutz und Druck der russischen Truppen im Lande eine Mehrheit von Stimmen zu gewinnen. Und in der That er- reichte sie dies Ziel zum Theil auch dadurch, daß sie eine An- zahl von Landtagen, die schon einmal zerrissen waren, von neuem wählen ließ. Man sprach davon, daß der Hof in Über- l’etat delabré dans lequel etoit la république la rendu beaucoup trop faible pour pouvoir le moins du monde s’opposer aux Russes.“ Be- richt vom 18. Juni 1760. einstimmung mit Rußland die Thronfolge des Kurprinzen durch diesen Reichstag wolle durchsetzen lassen, und die Opposition hegte, als Anfang April sich russische Truppen in der Nähe von Warschau zusammenzogen, die lebhafteste Besorgniß, daß es auf Gewaltschritte abgesehen sei. Selbst die Muthigsten er- klärten dem preußischen Residenten, daß sie nicht im Stande sein würden, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben, weil sie von jeder auswärtigen Macht verlassen, von den Russen unterdrückt wären, welche ihnen das Messer an der Kehle hielten und, bei den ersten Anzeichen eines Widerstandes von Seiten der Pa- trioten, diese alle „ecrasiren“ würden. Nur wenn der König von Preußen solche Erhebung gegen die Russen durch den Ein- marsch einer seiner Armeen unterstütze, könnte Polen gerettet werden Benoit , Berichte vom 20. März, 1. u. 21. April 1761. . Allein der Hof trieb es nicht so weit, als die Opposition gefürchtet hatte; sei es, daß er früher gefaßte Pläne von selbst fallen ließ, sei es, daß Rußland auf sie nicht eingehen wollte. Nach der Mitte April zogen die russischen Truppen ab nach Großpolen, und der russische Gesandte erklärte, daß sein Hof sich in die Thronfolgefrage nicht mischen wolle, und es schien, als der Reichstag am 27. April begann, daß in der ihm vor- liegenden Hauptfrage, der Münzregulirung, die Partheien sich verständigen würden. Allein bereits wenige Tage nach der Eröffnung, noch vor der Wahl des Marschalls ward dennoch der Reichstag und zwar auf eine ungewöhnliche, solenne Weise zerrissen. Mehr als 40 Landboten, und unter ihnen Mit- glieder der ersten Familien, unterzeichneten in Gegenwart der beiden Kanzler, sowie der beiden Feldherren der Krone und Lithauens ein Manifest gegen die Gültigkeit jedes Beschlusses, weil der Reichstag ohne verhergehenden Beschluß des Senats von der Krone allein berufen sei Desgl. vom 25. u. 29. April und 2. Mai. Das Manifest unter- schrieben unter andern: Lubomirski, Straz̀nik; Rzewuski, Pisarz; Ponia- towski, Stolnik; Siemienski, referendarz; Adam Czartoryski, Humiecki, Ossolinski, Malachowski, Mokranowski, Oskierka. . Beide Partheien der Opposition hatten sich hiezu vereinigt. Selbst der Palatin von Kiew wollte von Brühl nichts mehr wissen Benoit , Bericht vom 4. November. . Inzwischen ward der Druck, den die russischen Truppen im Lande übten, je länger, je ärger. Vergebens brachte der großpolnische Adel, welcher sich, wie Kitowicz sagt, „den Russen gar nicht für ihre Kriegführung obligirt hielt“, seine Klagen bei dem Hofe in Warschau vor. „Graf Brühl, der Hofmarschall Mniszek und Soltyk, der Bischof von Krakau, die drei Meteore des Hofes, dämpften so viel ihnen möglich die Klagen, indem sie mit verschiednen Mitteln den Klagenden den Mund stopften.“ Sie nannten auch wohl diese Klagen „eine Indiscretion gegen den Monarchen, der seiner eignen Herrschaft beraubt sei“. Bewarben sich zwei um ein erledigtes Amt, von welchen der eine die „Exorbitancien der Russen, die ihm auf der eignen Haut gebrannt hatten“, zur Sprache brachte, der andre aber als „Schlaukopf“ versicherte, daß das Land durch die Russen gar nicht litte, sondern vielmehr „profitire“, so erhielt sicher der erstere „als ein Mensch von nichtswürdiger Gesinnung und Gegner des Hofes — nichts“ Kitowicz , Pam., p. 36. . Allein auf die Länge reichten diese Mittel nicht aus. Der König sandte (1760) den Starosten von Obornik, Rogalinski, nach Petersburg, um dort Ersatz für die Verluste und Schäden seiner Unterthanen zu fordern. Der Starost brachte allerdings „rosige“ Versprechungen des Kanzler Wo- ronzow zurück. Eine Liquidationscommission, aus einem rus- sischen Oberst Putzkow und dem Starost von Czerwenigrod, Wychowski, ward in Thorn eingesetzt (18. Mai 1761). Der Russe entschied aber alles allein nach Gunst und Willkühr, und die ganze Liquidation ward von Rußland absichtlich Jahre lang hingezogen, um die Polen durch die Furcht am Ende gar nichts zu bekommen, in Abhängigkeit von sich zu erhalten Szujski IV, 350. Von dem Verfahren der Kommission giebt Kitowicz , Pam., p. 45—46 in seiner Art eine höchst drastische Schil- derung. Vgl. auch Rulhiere I, 260. . Um so weniger fand sich der großpolnische Adel, welcher am meisten unter dem Kriege litt, durch diese Maaßregel befriedigt. Die Woiwodschaften Posen und Kalisch, Sieradz und Kujawien sandten eine eigne Deputation nach Warschau, um ihre Klagen dem König persönlich vorzubringen und den Abzug der rus- sischen Truppen zu fordern. Sie erhielten zur Antwort, Se. Majestät selbst würden höchst gern die Befreiung des Bodens der Republik von den Russen bis auf den letzten Mann sehen; da aber die Erreichung dieses Wunsches nicht in ihrer Macht liege, so wolle sie wenigstens einen Beweis ihrer väterlichen Gesinnung für Polen dadurch geben, daß sie sich bei der rus- sischen Kaiserin um den Ersatz aller von den Polen erlittnen Schäden und Gewaltthätigkeiten bemühen werde. In der That bemühte sich Brühl zu wiederholtenmalen hierum, zumal ihn die Furcht beunruhigte, der großpolnische Adel könne sich „gar leicht zu Extremitäten verleiten lassen, wenn ein feindliches Corps dort einrücken sollte. Allein seine Klagen blieben that- sächlich unberücksichtigt; noch im Jahre 1762, als die Russen nach ihrem Frieden mit Friedrich II. heimmarschirten, be- zahlten sie im preußischen Gebiet die Lieferungen, in Polen nicht Kitowicz , Pam., p. 36. 44. 45; doch ist aus ihm nicht genau zu ersehen, in welcher Zeit die Deputation nach Warschau kam. Dem Zusammenhang seiner Erzählung nach scheint sie erst nach der Reduction der Münze (October 1761) abgesandt zu sein. — Brühl schrieb schon am 8. Juni 1760 an Riedesel über die „immer mehr zunehmende Fermen- tation der großpolnischen Noblesse“ und daß nicht zu leugnen sei, daß durch das bisherige Benehmen [der Russen] und zurückgebliebene Ver- gütung der erfolgten Lieferungen und veranlaßten Schäden, gedachte Noblesse sehr aufgebracht ist, — wegen des eignen Interesses der russischen Armee und zu Beförderung ihres Verproviantirungswerkes sei es allemal so billig als nöthig, Polen zu menagiren und durch ein freundschaftliches Betragen und so viel als möglich richtige Bezahlung derer Lieferungen bei guter Gesinnung zu erhalten. — Im October 1761 klagte er mehr- mals über diese Zustände in Petersburg. S. v. Eelking , Corresp., S. 20. 321. 416. . Natürlich wurde die Stimmung des Adels gegen den Hof und die Russen je länger je bitterer. Bereits im Herbst 1759 waren in Großpolen Briefe aufgefangen worden, in welchen Friedrich II. unter der Versicherung, daß ihm mindestens 100,000 Mann zufallen würden, aufgefordert ward, eine größere Armee in Polen einrücken zu lassen Bericht des französischen Agenten Mesnager aus Kurnik vom 24. November. Bei Stuhr a. a. O. II, 274—275. . Jetzt, im Herbst 1762, erklärten viele dem preußischen Residenten in Warschau, sie würden keinen Augenblick Bedenken tragen, sich mit Sr. Ma- jestät von Preußen zur Vertreibung der Russen aus Polen zu verbinden, wenn sie nur sicher wären, an einer Armee von 20,000 Preußen einen Rückhalt zu finden. Friedrich hatte nicht die Mittel, diesen Wünschen, selbst wenn er es gewollt, zu genügen; er beschränkte sich darauf, die Sympathien der Polen zu seinen diplomatischen Zwecken zu benutzen. In dieser Beziehung haben ihm in den letzten Jahren des Krieges der Fürst Jan Jablonowski, Palatin von Braclaw, Paul Peter Sapieha, Palatin von Smolensk, ein Fürst Ulrich Radzivil, Großstallmeister von Lithauen, u. A. wesentliche Dienste geleistet. Sie unterrichteten ihn von der Lage der Dinge in Polen, ver- mittelten durch ihre Commissare und Agenten seine Korrespondenz und seine Sendungen nach Jassy, nach Constantinopel und der Krim und schrieben auch selbst Briefe dorthin, in welchen sie in den „energischsten und beweglichsten“ Ausdrücken über die Gewaltthaten der Russen in Polen klagten, um Türken und Tartaren zum Kriege gegen Rußland anzuregen. Wie weit hiebei Sympathien für den großen König, politische oder rein egoistische persönliche Interessen eine Rolle spielten, ist schwer zu entscheiden: gewiß ist nur, daß Friedrich Tausende von Dukaten den Herren zahlte und mitunter die Kosten beanstan- dete, welche dieser ganze Verkehr erforderte Berichte Benoits, des preußischen Residenten in Warschau, vom 2., 23., 30. Januar, 11. Mai, 23. Juni, 3. Juli 1762. In einem Schreiben vom 15. April desselben Jahres dankt Fürst Radzivil für empfangene 1600 Dukaten, erbietet sich zu ferneren Diensten und theilt mit, daß er sich „zu dem Ende“ zum Reichstage wählen lassen wolle, wobei er von dem Woiwoden von Smolensk, Sapieha, welcher Sr. Maje- stät von Preußen sehr zugethan ist, wie auch von anderen guten Freunden . Die Gährung in den Gemüthern der Polen aber ward gegen Ende des Jahres so stark, daß der russische Minister in Warschau, General Wojejkow, sich veranlaßt sah, eine öffentliche Declaration zu erlassen, worin er erklärte, daß die Kaiserin, von dem Haß des großpolnischen Adels und seiner Sympathie für Friedrich II. unterrichtet, beschlossen habe, den General Wolchonski mit 12,000 Mann frischer Truppen dorthin zu senden, der gegen alle „Widerspenstigen“ mit aller Strenge vorgehen werde Benoit , Bericht vom 18. November 1761. . Man sieht, wie es mit der Selbstständigkeit und Wehr- haftigkeit der Republik schon damals stand. Sie wollte in dem großen Kampf der Nachbarn neutral bleiben und mußte es dulden, daß derselbe unaufhörlich auf ihr Gebiet hinübergriff und die Russen im ganzen Lande die Herren waren. Brühl konnte im äußersten Fall auf deren Unterstützung sicher rechnen. Das wußte, wie jedermann, so auch die „Familie“. Der russische Gesandte in Warschau, Wojejkow, beachtete sie während seines ganzen Aufenthalts dort (seit 1758) so gut wie gar nicht, während der preußische Resident Benoit, der die Neigung der Großfürstin soutenirt werden würde. — Einzelne dieser Herren spielten hiebei auch doppeltes Spiel. So z. B. ersieht man aus den Acten, betreffend die Beschwerden der Polen über die königlichen Truppen und den Geh.-R. v. Brenkenhof 1762—1763, daß Sapieha, der Woiwode von Smolensk, das Vorrücken der russischen Truppen benutzte, um mit Hilfe russischer Soldaten die von seinen Gütern über die Gränze nach Preußen entlau- fenen Bauern, Gärtner u. s. w. aufheben und mit Sack und Pack wieder zurückbringen zu lassen. Auch diente er dadurch den Russen, daß er ihnen durch seine Beamten Nachrichten über die Bewegungen der preußischen Truppen zukommen ließ. Zugleich schreibt er 26. März 1763 an den Chef Brenkenhofs: „Il sera connue à V. Excellence combien dans toutes les occurrences j’ai taché avec empressement de me rendre digne des bonnes graces et de la protection de s. Majesté.“ — Im Sommer 1760 erließ auch Prinz Heinrich ein Manifest an die Polen, ähnlich dem Friedrichs vom 2. März (s. oben S. 87). In Bezug hierauf schrieb Brühl an Riedesel (a. a. O., S. 80): „Daß übrigens die Einwohner von Posen das Manifest so geheim gehalten, zeiget nicht undeutlich an, daß sie mehr preußisch als russisch gesinnt sein müssen.“ Katharina für den jungen Poniatowski kannte, und wohl wußte, daß dieser auf ein künftiges „glänzendes Geschick“ am russischen Hofe rechne, ihm mit der größten Rücksicht entgegenkam. Sie traten zu einander in ein vertrautes Freundschaftsverhältniß und theilten sich gegenseitig die Nachrichten mit, welche dem einen oder dem andern von Interesse sein konnten Benoit , Dep. vom 24. Juli 1761 und 13. Januar 1762. . So knüpfte sich schon damals eine nähere Verbindung zwischen Poniatowski und Friedrich II. an; im übrigen wartete die „Familie“ im Hinblick auf den immer schwankenderen Gesund- heitszustand der Kaiserin Elisabeth ihre Zeit ab, und diese Zeit kam schneller heran, als Brühl sich gedacht zu haben scheint. Roepell , Polen im 18. Jahrhundert. 10 8. Die Krisen von 1762 und 1763. Tod August III. Am 5. Januar 1762 starb die Kaiserin Elisabeth, am 16ten war die Nachricht in Warschau. Sie versetzte den Hof in die äußerste Bestürzung. Zwar tröstete sich Brühl anfangs — wie er an seinen Vertrauten Riedesel schrieb — durch die in dem Notificationsschreiben des neuen Kaisers gegebenen „freundschaftlichen“ Versicherungen Benoit , Dep. vom 16. Januar. Brühls Schreiben vom 18. d. M. in v. Eelkings Corresp., S. 363. , konnte sich aber dabei doch nicht verhehlen, daß ein Wechsel der russischen Politik höchst wahrscheinlich eintreten werde. Die langsam einander folgenden Entschließungen und Maßnahmen Peter III. hielten ihn in lebhafter Spannung, bis dessen Declaration vom 1. Februar ihm die Gewißheit gab, daß dieser dem langen Kriege ein Ende setzen wolle. In seiner Antwort nach Peters- burg ging er sofort auf den Friedensgedanken, der „eines so großen Monarchen würdig sei“, mit der Erklärung ein, daß sein König zum Frieden auf billige Bedingungen bereit sei, und hiedurch den Beweis liefere, mit welchem Eifer er allezeit die Alliance „cultiviren“ werde, welche sein Haus seit 60 Jahren mit dem Peter des Großen verbinde. Gleichzeitig ward Brühls ältester Sohn nach Petersburg gesandt; er sollte den Kaiser begrüßen und um die Unterstützung Rußlands, sowohl in Be- treff einer Entschädigung Sachsens bei dem Frieden, als auch für die eventuelle Thronfolge des Kurprinzen in Polen, sich bemühen. Schmeichelte man sich doch in Brühls vertrautem Kreise mit der Hoffnung, daß Friedrich II., froh „sich mit einem blauen Auge aus der Schlinge ziehen zu können“, gern irgend etwas zu Gunsten Sachsens opfern werde v. Eelking , Corresp. S. 366 f. Benoit , Bericht vom 27. Febr. und 27. März. . Neben diesen diplomatischen Schritten versäumte der War- schauer Hof auch nicht die Polen näher als bisher an sich zu ziehen. Er ließ überall im Lande ausbreiten, wie große Ge- fahren für die Republik in einer Verständigung Rußlands mit Preußen lägen, indem in solchem Falle Rußland für die Heraus- gabe des eroberten Ostpreußens an Friedrich II. sich im Ein- verständniß mit diesem durch Abreißung irgend einer polnischen Landschaft entschädigen würde: es sei daher dringend nothwen- dig, daß die Nation sich einig um ihren König schaare. In gleicher Richtung arbeitete die östreichische und französische Diplomatie. Auch sie streute in allen Palatinaten, um das Mistrauen der Polen gegen Rußland und Preußen zu steigern und sie zu gewaltthätigen Schritten zu treiben, allerhand falsche Gerüchte aus; unter anderen, daß Friedrich in Wien die Rück- gabe von Glatz und Oberschlesien unter der Bedingung an- geboten habe, daß Östreich ihm nicht entgegen sei, sich dafür im polnischen Preußen zu entschädigen; Maria Theresia aber habe dies Anerbieten aus Liebe für die Polen abgelehnt. Ver- gebens bemühte sich Benoit in Übereinstimmung mit seinem Hofe diesen Gerüchten durch die bündigsten Versicherungen, daß von solchen Plänen nie die Rede gewesen sei und sein werde, entgegenzutreten; die Masse der Nation glaubte dennoch an sie. Der Krongroßfeldherr Branicki schrieb an den französischen Gesandten: „Ich sehe die ganze Größe des Unheils voraus, welches uns treffen kann, wenn der Czar und der König von Preußen im Einverständniß mit einander ehrgeizige Absichten zum Schaden Polens fassen, dieses Königreichs, welches, obwohl 10* es so ausgedehnt, so fruchtbar und so reich an Menschen ist, dennoch niemals seine Nachbarn bedroht hat, und dem auch jetzt die eigne Kraft zur Vertheidigung nicht fehlen würde, wenn nicht diejenigen, welche an seiner Kräftigung am eifrigsten ar- beiten sollten, und selbst seine Freunde es dem sichern Unter- gang anheimfallen ließen. — Die Zukunft wird zeigen, was daraus folgen wird; je mehr wir Zeit verlieren, um so schwie- riger wird die Heilung unsrer Leiden sein. Denn, wenn wir auch so glücklich sein sollten, bei dem allgemeinen Frieden ohne Schädigung davon zu kommen, wer sichert uns davor, daß unsre gierigen Nachbarn, sobald nur der Friede geschlossen sein wird, nicht aus unsrer Schwäche und Anarchie für sich Vor- theil ziehen wollen. Unsre beste Hoffnung beruht auf der Re- gierung und der Hilfe Frankreichs: ich weiß, daß wir an keiner andern Macht eine so zuverläßige und so uninteressirte Stütze haben.“ Paulmy sandte eine Abschrift dieses Briefes nach Frankreich (3. Februar), aber Choiseul antwortete: „Nichts Wahreres als die Bemerkungen des Krongroßfeldherrn; aber es giebt für jetzt keine Arznei für diese Übel. Es ist besser, daß Polen in seiner gegenwärtigen Lage verbleibt, als das- selbe zu einer Thatkraft anzufeuern, welche nicht zu unserm Vortheil gereichen dürfte. Es ist daher nothwendig, die Polen zu beruhigen und sie davon zurückzuhalten, irgend etwas in diesen kritischen Momenten zu beginnen Nabielak in der Biblioteka Ossolinskich, p. 16—21. . Nach dieser Antwort war es natürlich, daß Branicki den etwas spätern Vorschlag Paulmy’s, er solle in Konstantinopel energische Vor- stellungen über den Aufenthalt der Russen in Polen erheben, und Türken und Tartaren zu einem Einfall nach Rußland an- stacheln, zurückwies Benoit , Depesche vom 8. Mai: „L’ami Mokranowski m’a dit sous le sceau du secrét etc.“ Mokranowski scheint überhaupt nicht selten eine Doppelrolle gespielt zu haben. . Selbst die Czartoryski, welchen Brühl Regimenter, Starosteien und andre „Gnaden“ bot, um sie zum Hofe hinüberzuziehen, nahmen anfangs die Miene an, als ob auch sie an jene Gefahren glaubten, so daß Benoit es sich um so mehr angelegen sein ließ, „den Depit und die Animo- sität, welche die Familie gegen alles, was Brühl ist“, hatte, nach Kräften zu schüren Benoit , Bericht vom 6., 10., 13. Februar, 17. April und die Re- scripte an ihn vom 15. Februar und 24. April. . Brühls Bemühungen blieben in dieser Beziehung schließlich eben so ohne Erfolg wie seine Versuche, für Sachsen zu einem Neutralitätsvertrag mit Friedrich zu kommen, und die Gunst des neuen Hofes in Petersburg zu gewinnen. Seinen Sohn nahm Peter III. nicht nur kalt auf, sondern vernachläßigte ihn sogar in auffallender Weise und ver- lieh, in schneidendem Contrast hiezu, dem jungen Adam Czar- toryski gleich darauf den Orden des heiligen Andreas. Der russische Gesandte Wojikow überbrachte denselben noch kurz vor seiner Abberufung in Person nach Pulawy. Es war dies das erste Zeichen der Gunst, welches die Familie von dort erhielt; Katharina hatte es seit der Thronbesteigung nicht mehr gewagt, an Poniatowski zu schreiben Benoit , Bericht vom 31. März und 2. Juni. . Allmählig beruhigte sich in dem Maaße, in welchem sich der politische Horizont klärte, auch die Aufregung unter den Polen. Gleich nachdem zwischen Rußland und Preußen ein Waffenstillstand (16. März) geschlossen war, welchem der Frieden nach wenigen Wochen folgte (5. Mai), fingen die russischen Truppen an aus Polen abzuziehen und ließen nur an einzelnen Punkten kleine Detachements zur Bedeckung ihrer Magazine stehen. Großpolen und Polnisch-Preußen athmeten so zu sagen von neuem auf, und nur kurze Zeit dauerte die Unruhe, in welche die Nation im Juni durch das Erscheinen eines Tar- tare n heeres an ihren Gränzen versetzt ward. Man unterhandelte mit dem Chan, welcher auf einige Gränzstriche Ansprüche zu haben glaubte, sandte auch einige Krontruppen dorthin, wandte sich zu gleicher Zeit nach Konstantinopel und bewog schließlich den Chan durch „ansehnliche Geschenke“, zu welchen auch der König 1000 Dukaten beisteuerte, zum Rückzuge Stolterfoth a. a. O., S. 804—807. Das letztere aus Benoits Bericht vom 3., 14. u. 1. Juni. . Unter diesen Umständen trat das gewöhnliche Treiben und Leben wieder in den Vordergrund, und mit ihm der Wettlauf um die grade damals zahlreich erledigten Ämter und Würden. Den durch den Tod des Fürsten Michael Radzivil (Mai) er- ledigten lithauischen Feldherrnstab trug, dem gesetzlichen Her- kommen nach, der bisherige Unterfeldherr Massalski davon, dessen Sohn nicht lange vorher (Februar) zum Bischof von Wilna ernannt worden war. Dagegen um das durch Mas- salski’s Beförderung erledigte Unterfeldherrnthum, wie um das Palatinat Wilna u. a. wurde der Streit der Personen und Partheien außerordentlich lebhaft. Um beide Ämter be- warb sich zunächst der Sohn des verstorbenen Radzivil, der später unter dem Namen des „Herrchen liebes“ ( panie Kochanku ) so bekannt gewordene Fürst Karl, aber er fand in Bezug auf das eine wie das andre an zwei Sapiehas Con- currenten, deren Familie seit undenklichen Zeiten den Radzivil in Lithauen stets das Widerpart hielt. Michael Alexander Sapieha, Palatin von Poloczk, strebte nach dem niedern Feld- herrnstabe; Paul Peter Sapieha nach dem Palatinat von Wilna, welches er durch die Protection Friedrich II. und Peter III. zu erreichen hoffte. Außer diesen traten als Be- werber noch ein Pocieji, ein Potocki und ein Schwiegersohn des lithauischen Kanzlers, Michael Oginski, auf. Brühl hatte, so lange der Krieg dauerte, die Ämter größtentheils an den Meistbietenden verkauft, und die Polen waren hieran so ge- wöhnt, daß niemand Anstoß daran nahm; sie betrachteten es als eine Art von generosité, dem Könige diese Einnahmequelle, so lange der Krieg dauere, zu lassen. So bei denn auch jetzt der junge Radzivil 40000 Dukaten für den kleinen Feldherrn- stab, wohl in der Hoffnung, die Gegner, die an Reichthum weit hinter ihm standen, dadurch zu besiegen. Im Juni ward nun auch noch durch den Tod des Kronkanzles Jan Malachowski († 18.. Juni) das Unterkanzleramt der Krone erledigt, welches ebenso wie das gleichfalls erledigte litauische von nicht ge- ringer politischer Bedeutung war. Um das erstere bewarb sich der Palatin von Braclaw, Fürst Jablo no wski und bat in einem eigenhändigen Briefe (16. August 1762) um Friedrichs Für- sprache in Petersburg, damit Katharina, die sich für die Czar- toryskis interessire, ihm nicht entgegen sei Stolterfoth a. a. O., S. 786—792. 799. Benoit , Bericht vom 2. u. 7. Juni. . Wie herkömmlich ward die schließliche Verleihung der großen Würden und Ämter bis auf den in diesem Jahr bevorstehenden ordentlichen Reichstag ausgesetzt, zu dem der König unter dem 31. Mai die üblichen Universalien erließ. Er schlug in ihnen, wie schon einmal früher, einen höchst beweglichen Ton an. Nachdem er darüber geklagt, daß alle seine Bemühungen für die Wohlfahrt der Republik ohne seine Schuld gescheitert wären, sprach er aus, daß ihm „endlich die Lust vergehen müsse, in den öffentlichen Angelegenheiten des Staats nach Rath zu suchen“, daß er aber dennoch den Reichstag berufe in der Hoffnung, „es werde doch endlich die erwünschte Zeit kommen, das Vaterland zu beleben, in dem man wegen des von einem wider den andern gefaßten Widerwillens bisher alle Hoffnung aufgeben müssen, etwas zum allgemeinen Besten zu Stande gebracht zu sehen Stolterfoth a. a. O., S. 793—796. . Solchergestalt waren Regierung und Nation mit den ersten Vorbereitungen zu den Reichstags- wahlen beschäftigt, als, den meisten unerwartet, ein Ereigniß eintrat, dessen Bedeutung für die Geschicke beider gleich im ersten Moment, wenn auch nicht in seiner ganzen Tragweite erkannt, so doch im allgemeinen gefühlt ward. Am 9. Juli stürzte Katharina ihren Gemahl vom Thron und erhob sich zur Selbstherrscherin aller Reussen. Am 16. oder 17. d. M. war die erste Nachricht davon in Warschau. Brühl hatte sie auf einem Nebenwege erhalten, zugleich mit der Mittheilung, daß die auf dem Rückmarsch im polnischen Preußen befindlichen russischen Truppen Halt machen sollten. War es Wahrheit oder Diplomatie, daß er seinen König sofort an deren Commandirenden Soltikoff schreiben ließ, er hoffe zuversichtlich, „bei der sich durch die augenscheinliche Fügung des Allerhöchsten kürzlich ergebenen großen Veränderung im russischen Kaiserreiche — das natürliche Systema und die gemeinnützigen Verbindungen des dortigen Hofes mit den übrigen jedesmal freundlichen Mächten vollkommen wieder her- gestellt zu sehen“ (19. Juli) Benoit , Dep. vom 17. Juli. v. Eelking , Corresp., S. 409. . Freilich hatte Katharina noch im März dem östreichischen Gesandten in Petersburg, Grafen Mercy d’Argenteau, „die bündigsten Versicherungen zugelangen lassen, daß, wann sie nur das mindeste Vermögen hätte, sie solches gewiß zur Aufrechthaltung des alten systematis ge- brauchen würde“, und auch Kaunitz wünschte, als er die Nach- richt empfing, Maria Theresia Glück zu dem Ereigniß, welches er als eins der glücklichsten bezeichnete Arneth a. a. O. VI, 326. 480—481. . Brühl ward jedoch bald enttäuscht. Das Erste, was ihm über die Stellung, welche Katharina zu den innern Partheiverhältnissen in Polen ein- nehmen würde, die Augen öffnete, war die stolze und zuver- sichtliche Haltung, welche die „Familie“ sofort annahm. Zwar war der junge Poniatowski, der bisher keine directe Nachricht von der neuen Kaiserin erhalten hatte, am 22. Juli aufs Land gegangen; kaum aber hatte er die Stadt verlassen, als ein russischer Courier mit Depeschen an ihn eintraf und ihm sofort nacheilte. So geheim dies auch gehalten werden sollte, Brühl erfuhr davon doch sehr rasch und wollte darüber vor „Ärger platzen“ Benoit , Dep. vom 24. Juli. . Der preußische Resident aber wußte schon am 29sten durch Poniatowski selbst, daß für diesen alles gut stehe, und er für Preußen recht nützlich werden zu können ver- traue. Bald darauf theilte er mit: „Die Kaiserin sei höchst empfänglich für die Rücksichten und Artigkeiten, die Friedrich ihr bezeigt, und würde ihr Lebelang dafür dankbar sein“ Desgl. vom 4. August. . Natürlich ward Benoit, dessen Verhältniß zu Poniatowski je länger, je vertrauter ward, wiederholt von Berlin angewiesen, dies Verhältniß mit allen Mitteln zu erhalten und zu för- dern Rescr. Friedrichs vom 24. u. 29. Juli u. 5. October. , und er that es mit großem Erfolge. „Niemand viel- leicht als ich“ — schrieb er am 25. September nach Berlin — „weiß, wie sehr er alle Ursache hat, mit der Stimmung ( sentiments ) zufrieden zu sein, in welcher die Kaiserin gegen ihn fortdauernd ist.“ In der That unterhielt Katharina, seitdem sie den Thron bestiegen, nach wie vor einen vertrauten Briefwechsel mit ihm. Sie hatte ihm oft wiederholt, daß ein Mann ohne Ehrgeiz ihr nicht gefallen könne, und den seinigen erweckt und gestachelt durch die Aussicht auf den Thron seines Vaterlandes, welche sie zuerst ihm, der selbst bis dahin nie daran gedacht hatte, eröffnete Brief Poniatowski’s an Katharina vom 2. November 1763 bei Schmitt I, 373: „Vous vous souvenez, Madame, que vous avez été la première à m’offrir des vues d’ambition, dont je ne vous avais pas parlé. Vous m’avez dit souvent, qu’un homme sans ambition ne vous plairait pas. Vous avez donc nourri la mienne par l’objet meme de ma plus forte passion. Si j’ai desiré le trône c’est que je vous y voyais.“ . Jetzt sandte sie ihm unter dem 2./13. August einen sehr ausführlichen Bericht über die Revolution, welche sie zum Thron geführt, und bat ihn in diesem Moment nicht nach Petersburg zu kommen; sie habe tausende von Rücksichten zu nehmen, werde aber für ihn und seine Familie alles thun und den Grafen Keyserling als ihren Gesandten nach Polen senden, um ihn, oder wenn dies nicht durchzusetzen, den Prinzen Adam auf den Thron zu setzen Dieser höchst interessante Bericht ist, wie alle ferner erwähnten Briefe Katharina’s, in den Memoires de Stanisl. Aug. Poniatowski. Posen 1862 gedruckt. Daß Mercy d’Argenteau den Briefwechsel vermittelt hat, bestätigt aus dessen Depeschen Beer (Die erste Theilung Polens I, 67). . Acht Tage darauf (9./20. August): er solle sich ruhig halten, sich nicht beunruhigen, sie werde seine Familie schützen; schreiben könne sie nicht, sie dürfe sich nicht verdächtig machen; wenn man ihm von Aufregungen unter den Truppen erzähle, so möge er wissen, daß das nur Excesse ihrer Liebe für sie wären, welche bereits anfingen ihr lästig zu sein; sie stürben aus Furcht, ihr könne das geringste passiren, und sie könne nicht ihr Zimmer verlassen, ohne mit enthusiastischen Zurufen em- pfangen zu werden; die Schlüssel zu den Chiffren ihres Brief- verkehrs wären ihr in den kritischen Tagen abhanden gekommen; er möge ihr so wenig als möglich, oder vielmehr ohne zwingende Noth gar nicht schreiben. In allen ihren folgenden Briefen bis gegen den Schluß des Jahres wiederholt sie die Versiche- rungen ihrer Freundschaft und ihres Schutzes für ihn und die „Familie“, aber auch zugleich, daß er seinen, wie es scheint wiederholt ausgesprochnen Wunsch, nach Petersburg zu kommen, unter keinen Umständen ausführen solle. „Ihre Ankunft hier würde die traurigsten Folgen nach sich ziehen“, schrieb sie ihm am 3./12. September, und am 27. November (8. December), „wenn Sie hierher kommen, so laufen wir Gefahr, beide massacrirt zu werden“. Daneben zeigt sie sich ihm an Geist und Character schon damals weit überlegen und sagt ihm ernst die Wahrheit. „Ich kann und ich will mich über viele Dinge nicht äußern — mein Verhalten muß so sein, wie es ist — ich habe es wiederholt gesagt und sage es wieder, Sie wollen geschmeichelt sein, ich aber kann das nicht und will es nicht, und bedarf tausendmal am Tage gleicher Festigkeit, und will uns nicht verderben.“ (12/3. September.) Und dann wieder: „Nur ich allein kann mich in allen Lagen meines Lebens be- stimmen — ich habe es Ihnen gesagt, daß Ihre Briefe nichts, gar nichts vermögen, und daß, wenn Sie weise wären, Sie sich hüten würden, sie zu schreiben; statt dessen sollten Sie alles, was die Geschäfte betrifft, einfach an Keyserling geben, um es mir zu übersenden. — Sagen Sie, was Sie wollen, ich werde inzwischen die guten Wünsche, die ich für Ihre Fa- milie hege, durch die That beweisen, indem ich Sie nach besten Kräften unterstütze.“ (22./11. November, 8. December / 27. No- vember Der Brief vom 22./11. November ist auch und zwar als bisher „ungedruckt“ bei Beer , Erste Theilung Polens II, 323 abgedruckt. .) Während Katharina solchergestalt die Hoffnungen der „Fa- milie“ in der Gegenwart und für die Zukunft im Geheimen nährte, trat sie auch öffentlich sehr bald dem Warschauer Hofe gegenüber mit einer Forderung auf, welche diesen in die pein- lichste Verlegenheit setzen mußte. Bereits Peter III. hatte neben den andern Verbannten, die er zurückkommen ließ, auch den Herzog Ernst Johann v. Biron nicht nur von neuem zu Gnaden wieder angenommen, sondern ihn auch als den recht- mäßigen Herzog von Kurland anerkannt, nicht in der Absicht, ihn in die Regierung dort wieder einzusetzen, sondern um von ihm gegen anderweitige Schadloshaltung eine Verzichtleistung zu Gunsten des Herzogs Georg Ludwig von Holstein-Gottorp zu erhalten. Für diesen Plan ließ er sich in dem Alliance- tractat, den er am 8. Juni mit Friedrich II. abschloß, von diesem das Versprechen geben, jenes Abkommen zu fördern und Biron in die Standesherrschaft Wartenberg in Schlesien wieder einzulassen. In dieser Lage befand sich die kurländische Sache noch, als Katharina die Regierung übernahm. Sie am wenigsten war gewillt, den Einfluß, welchen Rußland seit Peter d. Gr. dort geübt hatte, zu Gunsten der sächsischen Dynastie aufzu- geben, und da der Herzog von Holstein nach dem Tode Peters Rußland verließ, verhandelte sie um so mehr mit Biron über die Bedingungen seiner Wiedereinsetzung, als es in Kur- land selbst eine Parthei gab, welche diese wünschte Kruse (Kurland unter den Herzögen. Mitau 1833. II, 71—72) nennt als solche die Medem, Sacken, Keyserling, Saß u. a. . Als ersten Schritt zur Ausführung forderte sie in Kurland Winter- quartiere für ihre aus Preußen heimkehrenden Truppen, — eine Forderung, welche Brühl sofort auf den Gedanken brachte, daß hinter ihr noch eine andere, weitergehende Absicht liege v. Eelking , Corresp., S. 417. . Herzog Karl lehnte die Forderung, weil dazu die Genehmigung seines Vaters des Königs nothwendig sei, vorläufig ab; allein da Katharina gleich darauf die Verhandlung mit Biron ge- schlossen hatte (5. August), richtete sie an König August selbst die Aufforderung, er möge seinen Sohn zur Verzichtleistung bewegen, wogegen sie die Räumung Sachsens von den Preußen vermitteln wolle, um welche sie sich wirklich bemühte (8./19. August). Vergebens berief sich August darauf, daß er und die Republik allein und ausschließlich über die Rechtsfrage zu entscheiden hätten, und bat, indem er sich zu allem erbot, was sich mit den wohlerworbnen Rechten seines Sohnes nur irgend ver- einigen ließe, um die „großmüthigen Absichten“ der Kaiserin gegen die Familie Biron zu fördern, es möchte seinem väter- lichen Herzen jene Zumuthung erspart werden. Die Kaiserin erklärte, sie könne die Erhebung des Prinzen Karl nicht für rechtmäßig anerkennen, weil sie nur auf das Gutachten eines Senatconsiliums und nicht in Folge eines Beschlusses des Reichstages stattgefunden habe. Ihr Gesandter berief sich dabei wiederum auf die Mediationsacte von 1716, nach welcher Ruß- land nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht habe, die Rechte und Freiheiten der Republik, die durch jene Erhebung verletzt wären, zu schützen. In der That fehlte es auf beiden Seiten an Rechtsgründen nicht, die sich für die eine und die andre Auffassung geltend machen ließen. Das Entscheidende aber war wie immer die Macht. Was konnten König August und sein Sohn den in Kurland einrückenden russischen Truppen entgegenstellen? Wie einmal die Lage der Dinge in Polen war, konnte niemand auch nur entfernt den Gedanken hegen, einen Beschluß des Reichstags für eine Kriegserklärung gegen Rußland zu Stande zu bringen. Zu dieser Bedrängniß von auswärts gesellte sich für Brühl gleichzeitig eine innere. Er hatte es nachgerade mit allen Par- theien verdorben; die Czartoryski hatte er von sich gestoßen, die „Patrioten“ dann wieder durch seine Verbindung mit Rußland sich entfremdet; die Masse des Adels war durch all’ die Kalamitäten, unter welchen, mit oder ohne seine Schuld, das Land während des Kriegs gelitten hatte, verstimmt und gereizt. Auf den Landtagen ging es bei der Wahl der Land- boten in gewohnter tumultuarischer Weise zu. Sehr viele wurden, ohne daß es zu einer Wahl kam, zerrissen, wobei es an Verwundungen und Todschlägen, namentlich in Plock und Zakroczyn, nicht fehlte Stolterfoth a. a. O., S. 804. ; wo aber die Wahlen zustandekamen, unterlag die Parthei des Hofes fast überall. Brühl gestand dem preußischen Residenten, daß drei Viertel aller Landboten gegen den Hof sein würden. Alle seine Bemühungen, sich über die Besetzung der Ämter mit den Partheien zu verständigen, waren gescheitert. Er hatte anfangs sich bereit erklärt, so viel als möglich hiebei auf die Empfehlungen des Krongroßfeldherrn Rücksicht nehmen zu wollen; dieser näherte sich aber grade jetzt wieder der „Familie“ und diese hiedurch im Bewußtsein ihrer Macht noch mehr gestärkt, sprach es unumwunden aus, daß, falls nicht diejenigen, welche sie vorschlüge, die Ämter erhielten, sie sich im Reichstage Allem ohne Ausnahme widersetzen würde. Noch kurz vor der Eröffnung desselben, versuchten Brühl und sein Schwiegersohn Mniszek sich mit dem Primas und dem Krongroßfeldherrn, welchem letztern der Hof eine „beispiellose Berücksichtigung“ hatte zu Theil werden lassen, in einer Con- ferenz zu verständigen. Branicki wollte im Einverständniß mit den Czartoryski, daß der Palatin von Inowraclaw, Andreas Zamoyski, welcher durch seinen ehrenwerthen Character und seine Tüchtigkeit in Geschäften, in der That die öffentliche Mei- nung für sich hatte, das Amt des Kanzlers erhalte; aber Mniszek wollte durchaus an dessen Stelle den Kastellan von Posen, Twardowski Journal de la diète ordinaire de Varsovie 1762. Ein zweites etwas kürzer gefaßtes Journal übergab Stanislaw Poniatowski dem preußischen Residenten mit der Bitte, dasselbe in die Berliner Zeitung einrücken zu lassen; außerdem sollte es auch in der von Utrecht erscheinen. Beide im Geh. Staatsarchiv in Berlin. , und wie über dies Amt kam man auch über die andern zu keiner Einigung. Die Czartoryski erklärten nach wie vor, entweder alles oder nichts; sie hätten niemanden vorgeschlagen, der zu ihrer eigentlichen Familie gehöre, aber außer Zamoyski wollten sie auch ihre andern Freunde berück- sichtigt sehen, und unter diesen den Grafen Oginski für das Palatinat von Wilna, den Kastellan Brostowski für den kleinen lithauischen Feldherrnstab Ebendas. . Und wie über die Vertheilung der Ämter, so verhandelte man auch nach Herkommen bereits lange vorher über die Frage, wer zum Marschall des Reichs- tages gewählt werden solle. Gegen die Mitte September einigte man sich auf Mokranowski, aber schon damals gab der Hof hierin nur mit Widerstreben und nur deshalb nach, weil eine Reihe von Landtagen ihren Boten die Instruction gegeben hatten, keinen andern als Marschall zuzulassen. Mokranowski wünschte dringend einen fruchtbaren Reichstag. Er gab Benoit die bündigsten Versicherungen, daß keine Beschlüsse gegen das Interesse Friedrichs gefaßt werden sollten; ein bessres Reglement für die Tribunale und Wiederaufnahme der Münzfrage würden die Hauptgegenstände der Berathung sein; man habe sich ent- schlossen, die Vermehrung der Armee und die Einführung der Stimmenmehrheit bei den Reichstagen für gewisse Fälle fallen zu lassen, weil ihre Einbringung zur Sprengung des Reichstags führen würde. Allein gegen Ende September sträubte sich der Hof wieder gegen die Wahl Mokranowski’s. August III. Gesundheitszustand schwankte je länger je mehr; seine Kräfte nahmen ab und es schien, als ob er nicht lange mehr leben würde. Unter diesen Umständen fürchtete der Hof, daß, wenn Mokranowski, der in der Thronfolgefrage ein entschiedener An- hänger Frankreichs war und ein „unbegränztes Vertrauen“ (un credit infini) in der Nation besaß, bei dem Tode des Königs Marschall wäre, dies dem Intresse der sächsischen Dy- nastie höchst schädlich werden könne Dem polnischen Staatsrecht nach behielt der einmal gewählte Reichstagsmarschall sein Amt bis zur Wahl eines neuen, und da nur alle 2 Jahre ein ordentlicher Reichstag zusammenkam, würde Mokra- nowski bis Herbst 1764 Marschall geblieben sein. . Um aber Mokranowski’s Wahl zu verhindern, schien kein andres Mittel übrig, als den Reichstag noch vor der Wahl des Marschall zerreißen zu lassen. Die Freunde des Hofes forderten unter dem Siegel des Ge- heimnisses den preußischen Residenten auf, daß er die Zer- reißung besorge: es sollte seinem Könige keinen Groschen kosten, sie wollten alle Ausgaben decken. Benoit lehnte dies ab, aber er sah ganz richtig voraus, daß der Reichstag unter allen Um- ständen zerrissen werden würde, da der Hof, um Mokra- nowski’s Wahl um jeden Preis zu verhindern, es selbst wünsche Benoit , Dep. vom 18. u. 29. September und 2. October. . Kurz vor Eröffnung des Reichstages strömten die Land- boten in Warschau zusammen. Die Mächtigern und Ange- sehnern unter ihnen kamen diesmal mit so großem, herkömmlich bewaffnetem, Gefolge, wie man solches früher nicht gesehen hatte; der junge Fürst Radzivil zeichnete sich hiedurch beson- ders aus. Noch vor der Eröffnung hatte der König ihn zum Palatin von Wilna, und Michael Alexander Sapieha zum Unterfeldherrn von Lithauen ernannt. Branicki, der ein ver- trauter Freund des Vaters gewesen, hatte sich für Radzivil verwandt, und dieser selbst versprochen in 6 Wochen 60,000 Dukaten zu zahlen, von welcher Summe er die Hälfte der Wittwe Lubomirska, der Freundin Brühls, sofort baar über- gab; er hatte zu dem Zweck ein halbes Schock seiner zahl- reichen Güter verpfändet Nach dem Journal de la diète. Kitowicz , p. 52 erzählt: Als Radzivil seinen Secretair Bohuß zu Mniszek mit dem Angebot von 40,000 Dukaten geschickt, habe letzterer gesagt: „Aber mein Herr, wie kann man eine so hohe Würde einem solchen verrückten Menschen ver- leihen“, worauf Bohuß erwiederte: „Grade deshalb, denn wenn Sie das Amt einem klugen geben, so findet der lithauische Kanzler Verständniß für seinen Verstand und zieht den Klugen auf seine Seite; den Ver- rückten für seine Parthei zu werben, wird er nie zu Stande bringen.“ „Bravo mein Herr! zählt Euer Geld auf.“ . Diese Ernennungen steigerten die Leidenschaft der Partheien. Die „Familie“, deren Kandidaten nicht berücksichtigt waren, grollte von neuem dem Krongroß- feldherrn, der indeß in Betreff Zamoyski’s Farbe hielt. Am 4. October wurde der Reichstag eröffnet. Der Saal war nicht nur von den Landboten, sondern auch von dem Ge- folge der „Herren“ und andern Zuhörern dicht gefüllt. Jeder- mann wußte vorher, daß es tumultuarisch zugehen werde, und die Landboten saßen daher nicht in ihrer herkömmlichen Ord- nung nach Woiwodschaften und Kreisen, sondern es hielten sich, soweit das bei dem Gedränge möglich war, die Partheien bei einander. Seit 1758 war kein Reichstag mehr dazu gelangt, einen Marschall zu wählen, und der damals gewählte Adam Malachowski übernahm daher jetzt wieder den Vorsitz. In seiner Begrüßungsrede sprach er sich sehr energisch darüber aus, daß es Zeit sei, das Vaterland aus dem Zustand von Barbarei zu erlösen, in welchem es seit langen Jahren schmachte. Dann ermahnte er zu einer einhelligen Wahl eines Marschalls zu schreiten und wollte darauf die Stimmen sammeln, allein er fand auf allen Seiten Widerspruch. Zwar empfahl der Landbote von Sochaczew, Wielohorski, ein Partheigänger des Hofes, dringend die Wahl, aber der junge Poniatowski, und ein Lubomirski, welche nicht wußten, daß Wielohorski nur des- halb so warm auftrat, um das Spiel des Hofes zu verdecken, widersetzten sich lebhaft. Als sie ihrer Täuschung inne wurden, waren sie versucht, die Wahl Mokranowski’s vor sich gehen zu lassen, aber ehe sie zu einem Entschluß kamen, ward die Sitzung, die bis 6 Uhr fruchtlos gedauert hatte, auf den folgenden Morgen vertagt. Kaum war die neue Sitzung am 5. October eröffnet, als von allen Seiten die alten Klagen erschollen. Mokranowski griff den Mißbrauch an, welchen gewisse Personen von ihrer Autorität machten, und erst nach vielen Reden und Geschrei kam Poniatowski zum Wort. Alle schönen Reden, sagte er, würden nicht das Geringste bewirken, so lange sich Ausländer in ihre Regierung mischten; ein solcher sei selbst unter den Landboten und es sei vor allem nothwendig, diesem Mißbrauch zu steuern; persönlich achte er den jungen Grafen Brühl, der sich in Warschau zum Landboten habe wählen lassen, er wünsche ihm alles Gute und sei betrübt, daß er grade gegen diesen auftreten müsse, aber als Pole könne er nicht anders denken und müsse feierlich erklären, daß, so lange Graf Brühl die Landbotenstube nicht verlassen habe, er jeder Activität des Reichstages widerspräche Die Czartoryski behaupteten damals, sie hätten im Jahre 1748 es nicht gewußt, daß die dem Tribunal für den Anspruch Brühls als indigena anerkannt zu werden vorgelegten Actenstücke gefälscht gewesen wären. S. ihre Denkschrift vom 21. August 1763 bei Schmitt I, 366. . Ein unbeschreiblicher Tumult folgte diesen Worten. Die Freunde Brühls, die in seiner Nähe waren, zogen die Säbel und in einem Augenblick fuhren auf allen Seiten die Säbel aus den Scheiden. Es war ein in diesen Räumen, wie man sagte, unerhörter Vorgang. Der alte Marschall Malachowski, Mokranowski, der Großmeister der Artillerie Potocki warfen sich, von einigen Freunden unter- stützt, zwischen die Partheien und bewogen sie die Säbel wieder einzustecken. Mokranowski forderte darauf, daß die be- waffneten Gefolge, welche mehrere „Herren“ mit in den Saal gebracht hatten, diesen verließen; allein Radzivil widersprach mit einigen seiner Freunde, während gleichfalls die Parthei der Czartoryski stürmisch verlangte, man solle sofort untersuchen, wer zuerst zum Säbel gegriffen. Mitten unter der allgemeinen fortdauernden Unruhe konnte Poniatowski seine Rede kaum vollenden. „Wir eingeborne Edelleute dieses Landes“, rief er aus, „haben allein das Recht, uns selbst und unsern Nach- kommen die Gesetze zu geben, kein Ausländer darf daran Theil nehmen. Den Namen Brühl haben wir aber seit Jahr- hunderten unter uns nie gehört, und vor dem Jahre 1749 hat diese Familie niemals hier ein adliches Gut besessen. Zwar habe ich wohl von einem Decret des Tribunals von Petrikau gehört, aber auch abgesehen davon, daß ein späteres Decret des Tribunals von Lublin vorhanden ist, welches jenes aufhebt, schreiben nicht unsre Gesetze, vor allen das von 1633, es vor, daß das Indigenat bei uns nur durch die Reichstage erlangt werden kann? Seit 1749 ist jedoch kein Reichstag zu Beschlüssen gelangt. Hüten wir uns, daß dieses Beispiel nicht künftigen Günstlingen der Könige den Weg bahnt, sich den Titel und die Privilegien unsres Adels anzumaaßen, und daß auf diesem Wege Fremde bei uns sich ausbreiten, die ächte Nach- kommenschaft der alten Polen verdrängend!“ Inzwischen hatte bereits Szymakowski, Landbote von Ciechianow, zur Parthei des Hofes gehörig, bei dem Grodgericht in Warschau ein Manifest eingelegt, durch welches er gegen jede fernere Ver- handlung protestirte und dadurch den Reichstag zerriß. Er habe, sagte er darin, dies für angezeigt gehalten, weil die Roepell , Polen im 18. Jahrhundert. 11 Sicherheit der Landboten in ihrem Heiligthum durch Waffen gefährdet, und die Freiheit der Republik durch die im Lande stehenden russischen Truppen und deren Excesse verletzt sei. Als dies in der Versammlung bekannt ward, blieb dem Marschall nichts übrig, als die Sitzung auf den folgenden Tag zur Ver- abschiedung zu vertagen Kitowicz , welcher, ein Partheigänger des Hofes, selbst im Saale war und von seinem Sitz aus den ganzen Raum übersehen konnte, ge- steht S. 53, daß der erste blinkende Säbel ein lithauischer mit einem Stichblatt war, in einer Hand, welche in einem Handschuh von Elends- haut steckte, dessen oberes Ende bis an den Ellbogen mit eisernen Schienen versehen war. „Der Kopf des Raufboldes war bis an die Augen mit einer dicken aus Draht und Seide zusammengearbeiteten Mütze bedeckt, wie solcher sich die Lithauer bei ihren Schlägereien zu bedienen pflegen, daher ich wohl schließen kann, daß man zuerst von Seiten der Parthei Radzivils, (d. i. auch der Hofparthei) zum Säbel gegriffen hat.“ Seine weitere Schilderung der Vorgänge ist noch detaillirter als die des Journals und weicht von diesem im wesentlichen davon ab, daß er den Tumult gleich in die erste Sitzung verlegt. Außerdem sagt er ausdrücklich, daß der Marschall Malachowski, als der Hofparthei angehörig, ganz genau wußte, wer den Reichstag zu zerreißen befohlen, wer den Dienst geleistet, und daß dieser sofort mit seinen Dukaten Warschau verlassen hatte; trotzdem aber habe Malachowski ihn zum Schein suchen lassen und ihn in seiner Schlußrede verflucht. Nach Kitowicz ’ Überzeugung (S. 56) war der ganze Tumult nicht zufällig, sondern vorbereitet. Er führt dafür an, daß die Landboten nicht in ihrer Ordnung, sondern nach Partheien Platz ge- nommen hätten, daß sie eben so partheiweise den Saal verließen, daß denen, welche französisch gekleidet waren, beim ersten Blinken der Säbel statt ihrer Degen Dragonersäbel gereicht wurden, und daß die Land- boten, die zur Sitzung gefahren waren, sich am Schluß zu Pferde setzten, weil sie einen Straßenkampf erwarteten. — Daß die Zerreißung als vom Hofe ausgegangen betrachtet wurde, sagt auch der Nuntius in seinem Bericht vom 13. October 1762: „Il tumulto nato nella seconda ses- sione della dieta, e l’apprensione di piú funeste conseguenze fece pren- dere il partito di romperla, e si crede che la corte medesima abbia cio procurato.“ Bei Theiner , Monumenta Poloniae IV, 2. p. 23. Daß der Hof schon vorher diese Absicht hatte, wissen wir durch Benoit. . Während dieser tumultuarischen Auftritte geriethen der alte Brühl und der Kanzler Czartoryski persönlich auf das heftigste aneinander. Zur Feier des Krönungsfestes des Königs gab der Krongroßfeldherr ein Diner, zu dem er Brühl, die fremden Minister und den Kanzler eingeladen hatte. Unmittelbar bevor man sich zu Tisch setzte, kam die Nachricht von dem Tumult im Reichstage. Graf Brühl sagte, daß es nicht gestattet sein sollte, so mit ihm umzugehen, da alle Gesetze dergleichen Ge- walthätigkeiten verböten. Da rief der Kanzler, der am andern Ende des Zimmers saß, herüber: „Es steht Ihnen schlecht an, von den Gesetzen zu sprechen, da Sie kein Pole sind.“ Dies wird man mir beweisen müssen, entgegnete Brühl, worauf der Kanzler: dies wird nicht schwer sein und man wird Mittel finden, daß Sie selbst es zugeben müssen; es ist Zeit, daß man erwacht, die Republik wird es Ihnen beweisen. Alle Herren geriethen in Aufregung und die Damen fingen an zu weinen. „Die Republik weiß nicht, was sie will“, rief darauf die Fürstin Lubomirska aus, und fügte zum Kanzler sich wendend hinzu, „grade Sie und Ihre Familie haben Brühl zum pol- nischen Edelmann gemacht.“ Er antwortete höchst trocken: „Grade dies beweist am besten, daß er es nicht ist, weil wir ihn dazu gemacht haben sollen; woher sollten wir das Recht dazu haben? Die ganze Acte ist null und nichtig.“ Auf einer andern Seite ging die Frau des Krongroßfeldherrn, welche für ihre Brüder Poniatowski fürchtete, mit stolzen Schritten durch den Saal und rief mit lauter Stimme, es sei doch schrecklich, daß Ausländer die Ruhe des Staats störten und ob ein Brühl es werth sei, daß man sich um seinetwillen die Hälse bräche. „Sie werden“, sagte sie ihm, „schon Leute finden, die Ihnen zu widerstehen wissen und Sie binnen kurzer Zeit zur Vernunft (mettre à la raison) bringen werden, es giebt noch Polen in Polen!“ Der östreichische Gesandte, Graf Sternberg, wollte die Gemüther beruhigen und erinnerte die Krongroßfeldherrin an das göttliche Gebot, daß man seinem Nächsten nichts Übles wünschen solle; allein diese fromme Er- innerung fruchtete wenig. Brühl verließ, sobald sein Wagen gekommen war, die Gesellschaft Alles nach dem Journal de la diète und Benoits Bericht vom . 11* Ganz Warschau war in der höchsten Aufregung. Mokranowski und mehrere andre hatten noch in der Sitzung am 5ten vor- geschlagen, den Reichstag zu Pferde abzuhalten, um durch dieses Mittel die Unruhstifter zu bändigen. Am folgenden Tage sprengten die Landboten, von zahlreichem Gefolge begleitet, mit geladnen Pistolen durch die Straßen der Stadt; einige der „Herren“ hatten 3- bis 400 Bewaffnete um sich und man sprach von nichts anderm als von einer Conföderation. Der Primas Lubienski begab sich zum Könige, um ihm die Gefahr vorzustellen, in der man schwebe; die Unzufriedenheit und die Aufregung der Nation hätten einen so hohen Grad erreicht, daß, wenn es auch jetzt gelänge, die Gemüther zu beruhigen, die Ruhe nicht lange vorhalten würde. Von allen Seiten bemühte man sich, es nicht zum Äußersten kommen zu lassen. Auch Benoit stellte seinen Freunden aufs nachdrücklichste vor, wie gefährlich eine Conföderation und ein durch sie herbeigeführter Bürgerkrieg in diesem Moment sein würde, in welchem noch fremde Truppen im Lande ständen. Im ersten Augenblik machte er auch hiemit keinen Eindruck. „Es scheint“, schrieb er am 6. October, „daß der Haß gegen Graf Brühl und alles, was Sachse heißt, auf den höchsten Grad gestiegen ist; alle Welt ist in einer staunenswürdigen Aufregung. Ich hoffe, daß man noch einmal den Sturm beschwören wird, aber ich kann für nichts stehen; sollte etwas Außerordentliches sich ereignen, werde ich eine Stafette senden.“ Der Hof beschäftigte sich bereits mit dem Gedanken, sächsische Truppen kommen zu lassen Benoit , Bericht vom 30. October. . So weit kam es indeß nicht. 6. October. Über die Scene bei Branicki schreibt er: „Une scene presqu’ aussi bruijante se passa en meme tems chez le grand general de la couronne, ou le prince Czartoryski, grand chancelier de Lithuanie et le premier ministre Comte Brühl se trouvoient justement à diner. Ils s’y sont dit tout ce que la haine et l’animosité peuvent inspirer. Ce dernier y a été menacé par le dit prince et par d’autres, que comme il n’étoit pas gentilhomme polonois, on sauroit a l’avenir l’empecher de se meler des affaires du gouvernement du royaume.“ Bereits am 9. October konnte Benoit seinem Hofe melden, daß sich die allgemeine Aufregung beruhige. Die Parthei der Czartoryski begnügte sich mit der Veröffentlichung eines Mani- festes, in welchem sie gegen die gewaltsamen Auftritte im Reichs- tage und den Bruch desselben Protest einlegte: letzterer habe sie verhindert, der Nation die Beweise dafür vorzulegen, daß Brühl kein polnischer Edelmann sei. Dies Manifest unter- schrieben die Czartoryski, Kasimir und Stanislaw Poniatowski, der General der Artillerie Potocki, ein Lubomirski, ein Pociey, Franz Rzewuski, Franz Xaver Branicki, ein Wielopolski, Ra- fael Skarbeck und etwa 30 andre Landboten. Die Hofparthei, der sich jetzt auch wieder der Krongroßfeldherr näherte, ant- wortete mit einem Gegenmanifest, in welchem sie ausführte, daß die Czartoryski selbst Brühl die Anerkennung als polnischen Edelmann verschafft und daß, was in der That nicht der Fall war, ihre Kreaturen im Reichstage zuerst zu den Säbeln ge- griffen hätten. Dies Manifest unterschrieben Severyn und Joseph Rzewuski, Michael Wielhorski, Karl, Stanislaw und Michael Radzivil, Joseph Sapieha, Ignatz Bohuß, A. Mokra- nowski, Friedrich Brühl u. a. Die Unterschriften habe ich nach dem Bericht von Benoit vom 9. October, den Angaben des Journal de la diète und Szujski IV, 354 zusammengestellt. . In dem Senatsconsilium, welches dem Reichstage am 25. October folgte, stießen die Partheien noch einmal hart aufeinander. Der lithauische Kanzler verurtheilte schonungslos die ganze bisherige Regierung Brühls und ward hiebei von Andreas Zamoyski, der seitdem als einer der besten Männer der Republik hervortrat, aufs nachdrücklichste unterstützt Benoit , Bericht vom 30. October. Er meldet auch, daß „celui, qui a rompu la diette vient de recevoir un bien royal pour recom- pense“. . Allein die Mehrheit des Senats war gegen sie. Man beschloß, es dem König zu überlassen, sobald er es nothwendig fände, einen außerordentlichen Reichstag zu berufen, und daß die Marschälle die strengste Untersuchung in Betreff der Urheber des Tumults im Reichstage anstellen sollten u. a. m. Stolterfoth a. a. O., S. 817 giebt das Conclusum in Über- setzung. . „Wird nicht ausgeführt werden“, setzte Benoit seinem Bericht hierüber hinzu, und behielt damit Recht Benoit , Bericht vom 6. November. . Gleich auf die ersten Nachrichten von den Tumulten im Reichstage hatte Friedrich II. gemeint, es würde aus all’ dem Spectakel nicht viel herauskommen Rescript vom 12. October. ; aber die Czartoryski unterließen in diesem Moment, wie wir sehen werden, nicht aus eignem Entschluß die Bildung einer Conföderation, sie wurden daran nur durch Katharina und Friedrich selbst verhindert. Beide hatten sich sehr bald nach der Thronbesteigung Katharina’s trotz aller Gegenwirkungen Östreichs, Frankreichs und des von ihr zurückgerufenen Bestuchefs einander genähert. Sie bestätigte den Frieden, welchen Peter III. mit Friedrich geschlossen, und schon im August äußerte Keyserling, den sie als ihren Gesandten nach Warschau senden wollte, zu Goltz in Petersburg, sie sei nicht abgeneigt, durch einen Allianztractat in nähere Verbindung mit Friedrich zu treten. Dabei trat sofort der Punkt hervor, in welchem sich ihre beiderseitigen Interessen vornämlich berührten: man könnte, fügte Keyserling seiner Eröffnung hinzu, dann zugleich sich über Maßregeln in Betreff Polens verständigen; wenn Friedrich hiezu geneigt sei, werde er (K.) die erste Gelegenheit ergreifen, mit der Kaiserin zu reden Goltz ’ Bericht vom 24. August bei Häusser in den Forschungen ꝛc. IX, 60. . Keyserling war schon einmal Gesandter in Warschau gewesen, hatte dort in vertrautem Verhältniß zur „Familie“ gestanden und damals den jungen Stanislaw Poniatowski selbst unterrichtet. Jetzt war er neben Panin, und vielleicht noch in höherem Grade als dieser, der Vertraute Katharina’s in Betreff ihrer Pläne für Polen. Und wie sie es erkannte, daß sie diese Pläne am leichtesten im Bunde mit Preußen werde durchführen können, eben so sehr war hievon auch Poniatowski überzeugt und bemühte sich bereits lange vor den Thronveränderungen in Rußland um das Vertrauen des preußischen Residenten in Warschau und die Gunst des Berliner Hofes, während Friedrich seinerseits gleich nach Katharina’s Thronbesteigung erkannte, welche guten Dienste jener ihm bei dieser leisten könne Friedrichs Rescript vom 24. Juli an Benoit: „Apres cette revo- lution il faut, que vous n’oublierez rien pour flatter le Stolnik Po- niatowski, afin de mettre tout a fait dans mes intérêts, car je présume que dans la situation présente vis-à-vis de la cour de Petersbourg il sera a même de me rendre des services bons et efficaces auprès de sa Majesté l’imperatrice regnante. Auch in Paris war man von Ponia- towski’s Verhältniß zu Katharina natürlich unterrichtet. Breteuil hatte mit ihr selbst darüber gesprochen und berichtet: denn am 10. September 1762 schrieb diesem Ludwig XV.: „— — malgré des assurances, que l’Imperatrice vous a données, qu’il ne la gouverneroit jamais, il sera difficile qu’il n’ait au moins un grand credit.“ Flassan IV, 340. . Bevor noch in Petersburg nach jenem Gespräch Keyserlings mit Goltz ein weiterer Austausch der Ansichten erfolgte, sprach Benoit in einer seiner Depeschen (18. September) beiläufig den Gedanken aus, daß die Interessen Preußens und Rußlands in Betreff Polens übereinstimmten, und es demgemäß gut sein würde, wenn sie stets miteinander enge verbunden wären: sie würden dann den Polen einen König geben, der ihnen gefalle . Als dann Graf Solms, der neue Gesandte Friedrichs für Petersburg, im October dorthin abging, nahm er in seiner Instruction die Weisung mit, daß er, wenn man russischerseits die Frage der polnischen Thronfolge berühre, davon ausgehen solle, es sei für Friedrich die Hauptsache, einen Prinzen aus dem Hause Östreich fern zu halten: außerdem würde es leicht sein, sich über jeden andern Kandidaten, Prinz oder Piast, was ihm gleichgültig sei, mit Rußland zu verständigen, vorausgesetzt, daß der erstere nicht aus einem Hause stamme, dessen Macht die Nachbarn allarmiren könne: in diesem Punkt seien die Interessen Rußlands und Preußens dieselben Häusser a. a. O., S. 62. . Wiederum war es Keyserling, der die nächsten Schritte vermittelte. Auf seiner Reise nach Warschau sprach er sich in Königsberg gegen den Präsidenten Domhardt dahin aus, er wünsche lebhaft dazu bei- tragen zu können, die gute Eintracht, welche gegenwärtig glück- licherweise zwischen Preußen und Rußland bestehe, zu erhalten und zu befestigen, und es würde ihm demgemäß außerordent- lich angenehm sein, wenn der König zu ihm nach Warschau einen Vertrauten senden wolle, um mit diesem über seine Ideen und die Mittel, welche er (K.) für die geeignetsten zum Zwecke halte, vertraulich zu sprechen. Gleich nach seiner Ankunft in Warschau, woselbst beide Partheien sofort wetteiferten, ihn durch Aufmerksamkeiten aller Art zu gewinnen Am 8. Dec. 1762 berichtete der Nuntius: „E incredibile quanto procurino ambedue i partiti di guadagnarsi la confidenza del conte di Keiserling, nuovo ambasiatore Russo, a questa corte. Egli riceve continui regali e finezze, tanto della casa Czartoryski che dal conte di Brühl.“ Theiner , Mon. Polon. IV, 23. , ließ er dann durch Benoit dem Könige mittheilen (18. December), dieser möge der Kaiserin, welche für Artigkeiten sehr empfänglich sei, in einem eigenhändigen Briefe seine Freundschaft versichern, und sich zunächst auf einen einfachen Freundschafts- und Handels- vertrag beschränken, ohne irgend einer anderen Sache zu er- wähnen; das Weitere würde sich von selbst ergeben. Friedrich hatte sich bereits auf die erste Mittheilung aus Königsberg entschlossen, auf Keyserlings Wunsch einzugehen, und wurde durch die zweite um so mehr wahrscheinlich in diesem Entschlusse bestärkt, als ihm inzwischen auch Poniatowski hatte melden lassen, die Kaiserin sei zwar durch seine Ablehnung einer Ent- schädigung für Sachsen etwas verstimmt, es würde dies aber nichts zu bedeuten haben, wenn er sich zu einem allgemeinen Frieden entschließen wolle, welcher ihr ganz außerordentlich (extremement) am Herzen liege: in diesem Falle könnte er mit ihr ein enges Freundschaftsbündniß schließen und in dieser Verbindung jeden nur denkbaren Einfluß auf die nächste Königs- wahl in Polen üben; denn die Nation, welche von ihren Vor- urtheilen gegen ihn zurückgekommen sei und die Russen allge- mein verabscheue, würde hundertmal lieber ihn als jene zum Schiedsrichter (arbitre) in der Zeit eines Interregnums an- nehmen Benoit ’s, Bericht vom 8. December. . In Folge von diesem Allen sandte Friedrich den Geh. Legationsrath v. Korff nach Warschau, welcher dort nach der Mitte Januar 1763 eintraf Friedrich berief unter dem 6. December 1762 Korff nach Leipzig. Dessen Instruction ist vom 27. December und er reiste am 29sten über Berlin und Danzig nach Warschau. Acten, Korffs geheime Sendung betreffend, im Geh. Staatsarchiv in Berlin. . Seine Sendung sollte ein „undurchdringliches Geheimniß“, selbst für Benoit, bleiben; ihr Zweck war, von Keyserling genau (exactement) zu er- fahren, auf welchem Wege nach dessen Meinung der König zum Abschluß eines Freundschafts- und Handelsvertrages mit Rußland gelangen und wie er den Vorschlag hiezu mit Be- wahrung des Geheimnisses am besten machen könne. Keyser- ling empfahl, die Angelegenheit durch Solms in Petersburg einzuleiten und zugleich die Sache Birons diplomatisch zu unterstützen, zumal Östreich, welches für den Herzog Karl sich verwendet, soeben eine sehr energische Zurückweisung erhalten habe: in dem Alliancetractat aber müsse neben der Verein- barung über die künftige Königswahl in Polen auch festgesetzt werden, daß Preußen in allen Polen und Schweden betreffen- den Vorkommnissen nicht anders als im Einverständniß mit Rußland handeln wolle, und daß beide Mächte, sowohl durch ihre Rathschläge, wie durch die That gemeinsam dahin arbeiten würden, die Ruhe und Sicherheit ihrer Nachbarn zu erhalten Korffs Depesche vom 22. Januar 1763. . „Nach allem, was ich sehe und, namentlich vom Kammerherrn Poniatowski, höre, wird der Stolnik (Stanislaw August) der Thronkandidat Katharina’s sein“, meldete Korff bereits am 21. Februar 1763. Der Kammerherr hatte mit ihm über die Hoffnungen des Bruders sehr offen gesprochen, aber auch dabei wiederholt betont, daß seiner Meinung nach ohne die Mitwirkung Preußens das Gelingen so wenig gesichert erscheine, daß er, ohne auf sie bauen zu können, sich persönlich in nichts mischen würde Korffs Depesche vom 2. März. . Auch der Hof von Versailles bemühte sich bereits um die „Familie“. Er ließ die Czartoryski durch seinen Gesandten in Warschau versichern, daß sie auf seine Protection und Unterstützung sicher rechnen könnten, sofern sie sich dazu verständen, der weiteren Vermehrung des russischen Einflusses in Polen fortan entgegenzutreten. Frankreich — sagte Keyserling zu Korff — werde im Verein mit Östreich Bereits im Versailler Vertrage vom 30. December 1758 hatten sich Frankreich und Östreich im Art. 20 dahin geeinigt, im Fall einer Erledigung des polnischen Thrones nur im gegenseitigen Einverständniß zu handeln und, wenn die freie Wahl der Republik auf einen Prinzen der sächsischen Dynastie fiele, diesen auf’s kräftigste zu unterstützen. — Keyserling theilte eine Abschrift dieses Artikels an Korff mit. Auch hatte in der That der Wiener Hof bereits während der Krankheit Augusts sowohl in Paris wie in Petersburg alle Anstrengungen gemacht, um sich bereits jetzt über die Thronfolge zu verständigen. S. Beer a. a. O. I, 87 f. in Polen entschieden das Übergewicht erhalten, wenn Rußland und Preußen sich nicht weise verständigten, und habe Frankreich einmal einen König de sa façon in Polen, so werde es sich mächtig genug halten, jeden Augenblick so oft es ihm gefiele, die Ruhe des Nordens zu stören. Friedrich, fügte er hinzu, möge sich hüten, daß Östreich, welches aus allen Kräften bereits daran arbeite, sich nicht früher als er eine einflußreiche Parthei in Rußland gewönne. Der König möge dem zuvorkommen, was freilich ohne Gold nicht zu machen sei: er solle dem General Panin, dem Bruder des Ministers und selbst dem General Szuwalow, welcher es zwar nicht verdiene, einige Zeichen seines Wohlwollens zukommen lassen, wodurch und durch andere Spenden (largesses) man die durch den letzten Krieg entfremdeten Herzen sich gewinnen könne Korffs Depesche vom 16. März. . Und wie Keyserling solchergestalt für das Zustandekommen einer russisch- preußischen Allianz auf Friedrich zu wirken sich bemühte, so war er zu demselben Zweck eben so unermüdlich in seinen Vorstellungen in Petersburg. Bei jeder Gelegenheit, z. B. als der Durchmarsch und die Requisitionen des preußischen General v. Lossow in Polen die Gemüther vieler wiederum in lebhafte Unruhe versetzten, trat er aufs nachdrücklichste in Warschau für Preußen auf, dessen Gegner jeden Anlaß, seine Absichten zu verdächtigen, begierig ergriffen Benoits Depeschen vom 18. 22. Deeember 1762, 29. Januar 1763. Man sprach damals in Warschau davon, zur Abwehr Truppen zusammen- zuziehen, und Benoit und Korff riethen auf Andringen Keyserlings wie Poniatowski’s wiederholt und dringend Friedrich II., diesen Beschwerden gerecht zu werden. Als er diesem Rath nachkam, war die Freude der Polen „unbeschreiblich“ (Benoits Depesche vom 9. März). . Bei alledem kamen die Verhandlungen zwischen Preußen und Rußland nur sehr langsam vorwärts. Kaiserin und König wechselten wohl gegen Ende 1762 freundliche Briefe in Betreff des von beiden erwünschten Friedens Katharina’s Schreiben vom 17./28. November und Friedrichs Antwort vom 22. December jetzt vollständig gedruckt bei Schäfer a. a. O. II, 2. S. 759 f. , aber auch der Abschluß desselben zu Hubertsburg (15. Febr. 1763), und die fast gleichzeitig eintretende recht ernstliche Erkrankung König August III. Er erkrankte am 26. Januar und verließ das Zimmer zum ersten Mal wieder am 7. März. Stolterfoth a. a. O., S. 827. 831. führten zu keinem lebhafteren Fortschritt der ministeriellen Besprechungen in Petersburg. Dagegen tauschten beide Monarchen in eigenhändigem Briefwechsel ihre Auffassung in Betreff der Zukunft Polens aus. Nachdem Friedrich der Kaiserin zugleich mit der Mittheilung des Abschlusses des Friedens erklärt hatte, daß er bereit sei sich mit ihr in dieser Beziehung zu verständigen und sie auf ihn hiebei durchaus rechnen könne (15. Februar), sprach sie sich dahin aus, daß auch sie einen Piasten allen andern Kandidaten vorziehe, nur müsse es keiner sein, der am Rande des Grabes stehe und von irgend einer Macht eine Pension beziehe (21. Februar / 4. März). In gleichem Sinne sprach sich auch Panin gegen Solms, etwa gleichzeitig, aus, und wenn auch der erstere die Unterredung abzubrechen suchte, als Solms den Namen Poniatowski’s nannte, glaubte dieser doch annehmen zu dürfen, daß die Kaiserin sicher keinen andern im Sinne habe Solms ’ Bericht vom 22. Februar bei Häusser S. 73—74. Key- . Dem Wunsche Rußlands, im Falle daß sächsische Truppen, wie es hieß, nach Polen gezogen werden sollten, diese nicht durch Preußen durchzulassen, entsprach Friedrich eben so rasch, als er in War- schau, gleichfalls auf Rußlands Verlangen erklären ließ, daß er keinen andern wie Biron als Herzog von Kurland anerkenne Solms ’ Bericht vom 6. März und Friedrichs Rescript vom 26. März und sein Brief an Katharina vom 5. April bei Häusser S. 75. 76. Korffs Depesche vom 16. März. Am 5. März meldete bereits Benoit, die Erklärung zu Gunsten Birons sei zur rechten Zeit gekommen und habe „Wasser in den Wein der Freunde des Prinzen Karl gegossen“. . Diese Dienste und die wiederholte Erklärung Friedrichs (5. April), er sei in Betreff Polens unbedingt mit Katharina einverstan- den, bewirkten, daß sie bereits am 26. April / 11. Mai ihm schrieb, die intime Verbindung, welche ihre beiderseitigen In- teressen forderten, bestehe bereits, wenn auch die Formalitäten noch fehlten. Am 9./18. Juli forderte sie ihn auf, ihr den Entwurf einer Alliance zwischen ihnen zu senden Duncker , Die Besitzergreifung Westpreußens, in der „Zeitschrift für Preußische Geschichte“, S. 7. In diesen ersten Monaten des Jahres 1763 hat Katharina auch in Wien wegen einer Verständigung über Polen angeklopft. Maria Theresia hielt wohl mit Recht die betreffende Anfrage von vornherein für „un piege pour savoir nos intentions“ . S. Beer I, 77; II, 324. Eine Verbindung mit Östreich schloß die bereits so weit gediehene Verständigung mit Preußen aus. Dasselbe gilt sicher von den gleichzeitigen Anwürfen in Paris. S. Saint Priest , Etudes I, 90. . Grade in denselben Monaten, in welchen sich solchergestalt die Alliance zwischen Rußland und Preußen anbahnte, trat Katharina in der kurländischen Sache August III. immer schroffer entgegen. In Warschau, woselbst sich der Hof noch immer mit der Erwartung, welche selbst in Petersburg von vielen getheilt ward, schmeichelte, daß Katharina’s Herrschaft nur von sehr kurzer Dauer sein würde Noch um die Mitte Juni berichtete Solms, daß in Petersburg diese Meinung fast allgemein sei. Häusser , S. 78. , zeigte man bei serling in Warschau sprach gegen Benoit offen aus, daß Katharina unter einem Piasten niemand anders als ein Mitglied der Familie Czartoryski verstehe. Bericht vom 16. März. jedem Gerücht von Unruhen in Rußland unverhohlen seine Freude, und übergab Keyserling eine Note, in welcher nicht nur höchst energisch gegen Rußlands Vorgehen in Kurland protestirt, sondern auch ziemlich unverhüllt die Rechtmäßigkeit von Katha- rinens Regierung in Zweifel gezogen ward (10. Januar). Die Note war von dem Unterkanzler Wodzicki, dem Unterschatz- meister Wessel, dem Hofmarschall Mniszek und Bielinski, den Partheigängern Brühls, allein unterzeichnet: der Kanzler Czar- toryski hatte die Zeichnung verweigert Stolterfoth a. a. O., 844. . Katharina antwor- tete auf sie nicht nur mit der Forderung einer eclatanten Satisfaction für diese Beleidigung, sondern ließ zugleich durch Simolin, ihren Residenten in Mitau, sämtliche herzogliche Ein- künfte mit Beschlag belegen Simolins Declaration vom 20. Januar 1763 bei Stolter- foth a. a. O., S. 845. . Am 21. Januar zog Herzog Biron unter dem Schutz russischer Truppen in Mitau ein; Herzog Karl aber antwortete auf die Aufforderung, das Land zu verlassen, als Vasall und Sohn habe er den Befehlen seines Vaters zu folgen, und blieb in seinem Palais. Dagegen erklärten die kurländischen Stände, welche Biron zusammen- berufen hatte, am 21. Februar Karls Herrschaft für aufgedrun- gen und ungesetzlich Kruse , Kurland II, 78. , und erkannten die von Warschau gesandten Commissare nicht an Stolterfoth , S. 847 nennt als solche Lipski, Kastellan von Lęczycz und Graf Plater, Woiwoden von Mcislaw: statt des erstern hat Szujski IV, 355 Jozef Waleski, welcher indeß nach Stolterfoth S. 826 bereits am 5. Januar 1763 gestorben war, worauf am 7. Januar Lipski die Kastellanei Lęczycz erhalten hatte. . So gespannt war dort bereits die Lage, als in Warschau das Senatsconsilium, welches der König auf den 28. Februar berufen, seiner Krankheit wegen aber aufgeschoben hatte, am 7. März eröffnet ward. August war noch so angegriffen und schwach, daß er sich in einem Lehnsessel in die Sitzung tragen ließ, in welcher es zu den heftigsten Debatten kam. Die Berathungen dauerten bis zum 15. März: der Kanzler Czartoryski, der Woiwode von Inow- raclaw, Andreas Zamoyski, der Bischof von Ploczk, Szep- ticki u. A. sprachen sich gegen den Herzog Karl aus, und der erstere versagte es sich dabei nicht, den König daran zu erinnern, daß er ihm die bösen Folgen der Erhebung des Prinzen schon im Jahre 1758 vorausgesagt habe. Er rechtfertigte zugleich die Intervention Rußlands durch eine Begründung, welche später von diesem ihm selbst und seinen ihm theuersten Lebens- plänen entgegengehalten ward. „Denn“ — sagte er — „wie es ein essentieller politischer Grundsatz in ganz Europa ist, so ist es am essentiellsten für das uns benachbarte, befreundete und in Vertragsverhältnissen mit uns stehende Rußland, das Recht und die Freiheiten, auf welchen unsre Republik ruht, in der Form des einmal festgestellten regiminis unerschüttert aufrecht zu halten.“ Allein die Majorität der Senatoren (48 c. 12) Szujski IV, 355. stimmte dafür, daß der Prinz in Kurland, sei es auch mit Gewalt, gehalten werden solle: einig waren beide Partheien nur darin, daß ein außerordentlicher Reichstag aus- zuschreiben sei, gegen welchen sich wieder der König anfangs sträubte, weil er, nach siebenjährigem Exil und krank wie er war, die Rückkehr nach Dresden dringend ersehnte. Der Senatsbeschluß übertrug dem Primas und den Feldherren der Krone und Lithauens, während der Abwesenheit des Königs auf die Erhaltung der Sicherheit der Gränzen der Republik und ihrer Lehen Bedacht zu nehmen, wies die Kronanwälte von Polen und Lithauen an, den Ernst Johann Grafen Biron als Störer des öffentlichen Friedens vor Gericht zu laden, er- mächtigte die nach Kurland gesandten Kommissaire dem Herzog Karl und dessen Rechten auch ferner beizustehen, und sprach die Nothwendigkeit der Berufung eines außerordentlichen Reichs- tages aus. Nachdem August dann die diesen betreffenden Universalien, ohne jedoch den Tag der Berufung zu bestimmen unterzeichnet hatte (22. April), verließ er drei Tage darauf Warschau, um es nicht wieder zu sehen Benoit , Bericht vom 9., 12., 16. März, 6. April: nach dem . „Alle diese Reden und Beschlüsse können zu nichts führen“, urtheilte Benoit am 9. März, und bereits in denselben Tagen, in welchen der König Warschau verließ, entschied sich das Schicksal seines Sohnes. Die Feldherren rührten sich trotz des Senatsbeschlusses für ihn nicht, und die Popularität, deren er sich in Polen, zum Theil in Folge seiner heimlichen Ehe mit einer Krasinska erfreute, reichte nicht aus, um die Masse des Adels für ihn zum Aufsitzen zu bewegen. Nur etwa 40 Edel- leute aus Lithauen ritten ihm in seiner Bedrängniß nach Mitau zu: am 26. April räumte er für immer die Stadt und das Land. Es war weder ein rein persönliches, noch schlechthin ein Partheiinteresse, welches die Czartoryski in der kurländischen Frage zu einer so schroffen Haltung und einer so enschiednen Partheinahme für Rußland bestimmt hatte. Allerdings war der Kampf, den sie mit ihren Gegnern führten, auch ein Kampf um Einfluß und Macht, wie er zu allen Zeiten in Polen zwischen den großen Familien geführt worden ist; sie hatten aber vor ihren Gegnern das voraus, daß sie zugleich die Idee der Reform vertraten, von welcher jene nichts wissen wollten. Nachdem sie mehrmals vergebens versucht hatten, in der Ver- bindung mit dem Hofe mit der Durchführung dieser Idee wenigstens einen Anfang zu machen, hatten sie, durch den Hof selbst in die Opposition getrieben, jene Ideen keineswegs fallen lassen, vielmehr für deren Verbreitung in der Nation nach Kräften gewirkt. Die berühmte Schrift des Piaristen Stanis- law Konarski, welcher in seiner Jugend gleich den Czartoryski zur Parthei Leszczynski’s gehört hatte, „Über das Mittel zu er- folgreichen Berathungen“, in den Jahren 1760—1763 erschienen, letztern unterschrieben das Senatsconsilium, welches Stolterfoth voll- ständig giebt (S. 835), die folgenden 11 Senatoren nicht: Massalski, Bischof von Wilna; Szepticki, Bischof von Ploczk; Anton Ostrowski, Bischof von Liefland; Michael Massalski, Kastellan von Wilna; Andreas Zamoyski, Palatin von Inowraclaw; Michael und August Czartoryski; Michael Rzewuski, Palatin von Podolien; Andreas Moszczenski, Kastellan von Inowraclaw; Matthias Soltyk, Kastellan von Sandomir; Joseph Jaklinski, Kastellan von Oswięcim (Auschwitz). kam ihren Bestrebungen wesentlich zu Hilfe Leider ist es mir bis jetzt nicht gelungen, dieses höchst seltene Werk selbst einsehen zu können. Ich kann mich also nur an die Analyse halten, welche Szujski IV, 370—372 gegeben hat, trage aber vor- läufig Bedenken, dem Urtheil des letzteren beizustimmen, daß der politische Standpunkt Konarski’s ein dem der Czartoryskis völlig entgegengesetzter gewesen sei. Nach Sz.’s eigner Analyse sind alle Reformideen, welche K. vorbringt, ganz dieselben, wie die der Czartoryski, und Sz. bringt für seine Auffassung nur die eine Begründung vor, daß sich K. gegen eine Con- föderation als Mittel zum Ziele zu kommen, ausgesprochen habe, während die Czartoryski gerade auf solche Conföderation lossteuerten. Daß Konarski, bei seinem entschieden scharfen politischen Blick und Urtheil nicht auch selbst die Überzeugung, welche damals alle Einsichtigern hatten, daß eine Reform niemals, so lange auf den Reichstagen Einstimmigkeit zu jedem Beschluß nothwendig war, durchzusetzen sei, getheilt haben sollte, kann ich kaum bezweifeln. Dabei konnte er sich zugleich gegen die Con- föderationen im allgemeinen, als ein höchst gefährliches Correctiv gegen das liberum veto, auf das nachdrücklichste aussprechen: auch die Czartoryski hatten nicht die Absicht, nach Durchführung der Reform die Conföderation als verfassungsmäßiges Recht noch ferner anzuerkennen. Ganz im Gegen- satz gegen S. möchte ich vermuthen, daß die Schrift von Konarski im Einverständniß mit den Czartoryskis entstanden ist, welche bekanntlich die Bestrebungen der Piaristen in Betreff des Jugendunterrichts und der Erziehung gegenüber den Jesuiten entschieden unterstützten. Konarski war keineswegs so weit ein reiner Ideolog, wie er es hätte sein müssen, wenn er sich wirklich der Hoffnung hätte hingegeben, eine Parthei ins Leben rufen zu können, welche die Reform ohne die Czartoryski und gegen sie durchzusetzen im Stande sein würde. Jedenfalls ist es bei der Wich- tigkeit der Frage für die gesammte Reformbewegung höchst wünschens- werth, eine nähere Aufklärung über das persönliche Verhältniß Konarski’s zu den Czartoryskis zu erhalten. In der soeben in Paris erschienenen Correspondenz des Königs Stanisl. Poniatowski mit Madame Geoffrin wird S. 395 Konarski’s als eines Freundes der Krongroßfeldherrin Branicki, der Schwester des Königs, gedacht. . Mit lebhaften Farben schildert er darin die bestehende allgemeine Anarchie, als deren Hauptquelle er die höchst schlechten Formen der öffent- lichen Berathungen auf den Land- und Reichstagen darstellt. Ihre Zerreißung habe sich in immer schlimmeren Formen entwickelt: zuerst sei sie nur durch einen Protest der Mehrheit, dann der Minderheit, dann einiger und schließlich, seit 1652, eines einzelnen bewirkt worden. Es sei daher vor allem das liberum veto zu verwerfen und nicht minder die Conföderationen, welche nur ein gewagtes, gewaltsames und zugleich entkräfti- gendes Gegenmittel gegen das Uebel des Veto wären. Dabei spricht er es kühn aus, daß die so weit verbreitete Meinung, daß die Nachbarn den Untergang Polens nicht zu- geben würden, eine durchaus irrige sei, vielmehr sönnen sie schon auf Theilung, und hätten daher alle den Wunsch, die Republik in ihrer Agonie zu erhalten. Ihnen wäre jedes Zer- reißen der Reichstage gelegen, und schon aus diesem Grunde sei ein solches, wenn es auch in der besten Absicht erfolge, ein Verrath am Vaterlande. Das liberum veto sei weder ein altes historisches Recht, noch, wie man meine, der „Aug- apfel der Freiheit“, es sei vielmehr gerade im Gegentheil die größte Tyrannei eines Einzelnen gegenüber der Gesamtheit, und würde nur durch die Selbstsucht und den Ehrgeiz der „Herren“ und der fremden Mächte erhalten. Die große Masse des Adels würde sich gerade durch die Aufhebung desselben von dem politischen Druck der „Herren“ befreien. Die Entscheidung durch Stimmenmehrheit sei das einzig Vernünftige, die Einstimmigkeit „erschwere jedes Gute und befördere das Schlechte“. Er widerlegt ferner neben anderm auch den Einwand der Gegner der Stimmenmehrheit, daß, wenn sie gelte, der König durch sein Recht der Ver- leihung der Ämter stets eine Mehrheit im Reichstage sich schaffen und der Freiheit gefährlich werden würde. Wie vor ihm Karwicki und Leszczynski, räth auch er, der Krone durch die Wahlcapitulation bei der nächsten Thronwahl dieses Recht zu nehmen. Im Vorbeigehen wirft er bereits den Gedanken hin, den Thron erblich zu machen und das in unzähligen Con- stitutionen zersplitterte Landrecht zu codificiren. Er schließt endlich mit einer Schilderung der unausbleiblichen Folgen der Anarchie, aus welcher eine Absolutie hervorgehen werde, welcher auch die Nachbarmächte eine etwas geordnetere Regierung vorziehen dürften. In ihrer Anarchie aber habe die Nation, obwohl mit allen in Frieden lebend, einige Zehntausende von Menschen und den Ruhm der Vorfahren verloren; anstatt wie früher geachtet zu werden, werde sie jetzt nur verachtet. Roepell , Polen im 18. Jahrhundert. 12 Dieses Werk, dessen einzelne Theile nur allmählig erschienen, und welches demgemäß nicht systematisch angelegt und nicht frei von Wiederholungen und selbst einzelnen Widersprüchen ist, fand anfangs zahlreiche Gegner. Aber allmählig brach es sich doch eine Bahn. Die Erfahrungen, welche die Nation in dem letzten Decennium gemacht, kamen ihm wesentlich zu statten. Brühls Käuflichkeit und Verschwendung, sein ausschließlicher Ein- fluß auf den König, von dem er systematisch jeden andern Verkehr als mit ihm selbst und seinen Kreaturen abschloß, seine Gleich- gültigkeit gegen alle, auch die schreiendsten, Mißbräuche der Verwaltung, endlich die zahllosen Leiden und Schäden, welche der 7jährige Krieg über das Land brachte, riefen das Bewußt- sein der Ohnmacht wach, in welche die Republik versunken war, und öffneten vielen die Augen über die letzten Ursachen des allgemeinen Verfalls. Bereits am 18. September 1762, kurz vor dem damals bevorstehenden Reichstage, berichtete Benoit nach Berlin, daß die Einführung der Stimmenmehrheit „nach der Idee, welche davon der Pater Konarski in einem polnisch geschriebnen Buche gegeben, seit einiger Zeit sehr viele Anhänger gefunden habe“. Wenige Monate darauf, am 22. Juni 1763, kommt er von neuem hierauf zurück. „Der Pater Konarski“, schreibt er, „welcher seit einem oder zwei Jahren eine Reform der Verfassung Polens predigt, findet gegenwärtig eben so viele Anhänger, als er früher Gegner gehabt hat. Man sagt, die Nation würde wenigstens dafür Ew. Majestät verpflichtet werden, daß Sie sie gezwungen, eine respectable Macht zu werden Es ist vorher in dem Bericht von Klagen der Polen über Unbilden, die sie preußischerseits erlitten, und von den Mitteln die Rede, die sie zur Abwehr ergreifen wollten. . Sie sprechen von nichts als von dem Ruhm der Verfassung Englands, welche sie sich zum Muster nehmen wollen.“ Am 25. Juni meldete er von neuem: „Ganz Polen ist von der Idee einer Conföderation ergriffen, welche den Zweck haben soll, die Mißbräuche ihrer Regierungsform und vor allem die Tribunale zu reformiren. — Die Polen sind gegenwärtig aufs stärkste von einem patriotischen Eifer ergriffen.“ Und wieder am 20. Juli: „Die Familie und besonders der Stolnik Ponia- towski ist gegenwärtig von so großem patriotischen Eifer beseelt, daß sie nichts andres im Kopfe haben, als die Reform ihrer Verfassung, zu der die Conföderation die Gelegenheit geben soll.“ Wie wenig tief begründet dieser Eifer bei der Masse war, hat sich später erwiesen: in diesem Augenblick aber war er wirklich vorhanden, und die „Familie“ plante in der That seit dem letzten Reichstage nichts anderes als die Reform ver- mittelst einer Conföderation in Angriff zu nehmen. Die Nieder- lagen, welche sie damals bei der Vertheilung der hohen Ämter erfahren hatte und seitdem in Bezug auf die geringern noch alle Tage erlitt, waren für sie um so empfindlicher, je näher nach allgemeiner Überzeugung der Tod des Königs zu er- warten war. In wessen Händen sich während eines Inter- regnums die Ämter befanden, war stets in Polen für alle Partheien von sehr entscheidender Bedeutung gewesen, und konnte es jetzt für die Czartoryski um so mehr werden, als sie für den Fall der Thronerledigung auf die Unterstützung Rußlands zur Erhebung eines Königs rechnen durften, der nicht nur ihre Reformideen theilte, sondern sogar zu ihrer Familie gehörte. Denn Katharina hatte vom ersten Moment ihrer Thronbesteigung an, nicht nur in ihrem vertrauten Brief- wechsel mit Poniatowski, diesem hiefür die besten Versiche- rungen gegeben, sondern auch officiell durch ihren Gesandten in Warschau wiederholt erklären lassen, daß sie die Czartoryski in ihren Schutz nehme und von dem dortigen Hofe ihre Be- rücksichtigung verlange Gleich nach dem Reichstage schrieb Benoit am 20. October 1762: Der russische Geschäftsträger habe auf Weisung seines Hofes Brühl er- klärt, daß seine Souverainin die Familie „Czartoryski pretendoit soutenir, parceque leurs sentiments pour leur patrie etoient ceux de veritables citoyens“ . . Es war mithin für sie von der größten Wichtigkeit, daß im Moment des Todes des Königs ihre eigne Stellung in Polen fest begründet sei, und indem sie dies Ziel nach allem, was auf dem letzten Reichstage vor- gefallen, nicht mehr durch den Hof zu erreichen hoffen durften, 12* blieb ihnen kein andrer Weg, als die Bildung einer Conföde- ration, der die ganze Stimmung der Nation entgegenzukommen schien. Sie wandten sich daher mit dieser Idee bereits nur einige Wochen nach dem Reichstage an die Kaiserin. In zwei, von Poniatowski selbst entworfenen Denkschriften vom 14. und 15. December 1762 Bereits durch das Memorial Poniatowski’s vom 21. August 1763, welches in der Biblioteka Ossolinskich. Nowy poczet. t. 8 (1866) gedruckt ist, lernt man den wesentlichen Inhalt der vorausgegangenen Denkschriften kennen. Seitdem hat Schmitt in seinen Dzieje panowania Stanislawa. Lwów 1868. I, 321 sq. die letztern aus dem eigenhändigen Brouillon Poniatowski’s vollständig abdrucken lassen. führten sie zunächst aus, daß und woher nach der ganzen Lage der Dinge in Polen eine Con- föderation durchaus nothwendig sei; von Brühl, dessen Miß- regierung in kurzen kräftigen Zügen characterisirt wird, sei nichts mehr zu erwarten, eine Aussöhnung der Familie mit ihm unmöglich: auf den gewohnten Wegen käme man nicht zum Ziele, nur durch eine Conföderation ließe sich die Heilung der Übel, eine bessre Form der Berathschlagungen der Nation und die Sicherstellung eines dauernd guten Ein- verständnisses zwischen Polen und Rußland erreichen. Die Nation, erwarte seit lange, daß die Familie das Zeichen der Erhebung gebe; aber sie bedürften Geld und Feuerwaffen, und nach dem Maaß ihrer Unterstützung von Rußland, würden sie ihre Schritte bemessen. Eine kurze Revolution sei das geringste Unglück für ein Land: je kräftiger sie von Anfang sei, desto besser; aber kräftig könne sie nicht sein, wenn im Anfange an den wesentlichen Mitteln gespart und diese nur langsam dar- gereicht würden. Katharina antwortete auf diese Denkschriften zunächst in einem kurzen Privatbriefe an Poniatowski vom 16./5. Januar, sodann in einer Depesche an Keyserling vom 23./12. Januar. In dem ersten versicherte sie ihm: „Das Gewicht meines Namens wird Ihnen nicht fehlen. Sie und ihre Familie können der äußersten Rücksicht von meiner Seite, so wie meiner Freundschaft und jeder möglichen Achtung versichert sein.“ Stanisl. Poniat. , Mém. Posen. p. 76—77. In der Depesche an. Keyserling ging sie weiter ins Einzelne ein. „Danken Sie“, schrieb sie, „meinen Freunden für die mir zu- gesandten Denkschriften und für das Vertrauen, welches sie mir bezeigen, und versichern Sie dieselben, daß sie auf meine Freund- schaft und meine Unterstützung vollkommen rechnen können. Ich kenne sie als die Freunde Rußlands und im Besondern die meinigen. Sie können den Fürsten Czartoryski als Ant- wort sagen, daß auch ich wünschen würde, die Republik aus der Anarchie zu ziehen , in der sie sich unglücklicher- weise befindet, und daß ich sicher meine Freunde mit Geld und Truppen unterstützen werde, um sie aufrechtzuhalten: aber vor allem möchte ich wissen, wie viel Geld und wie viel Truppen nothwendig sein werden, ob die Conföderation gegen den König oder die Mißbräuche gerichtet sein soll, auf welche Art und wann man sie ins Leben rufen, und wer sich an die Spitze stellen will.“ Schmitt a. a. O., S. 326. Aus dieser Antwort glaubten die Czartoryski mit vollem Recht folgern zu dürfen, daß Katharina ihrer Idee nicht ent- gegen sei, noch bei Lebzeiten des Königs zu einer Conföderation zu schreiten, deren Ziel nicht die Absetzung des Königs, sondern die Reform der Mißbräuche sei Sie sagen dies selbst in ihrem Memorial vom 21. August 1763 in der Bibl. Ossol. VIII, 15. . Sie reichten daher am 12. Februar eine neue Denkschrift ein, in welcher sie den Plan der Conföderation entwickelten, an deren Spitze sie sich selbst stellen würden. Sie würden zu August III. sprechen wie Gram- mont zu Ludwig XIV. : „Wir führen im Dienst Ihrer Ma- jestät gegen Mazarin Krieg.“ Zur Ausführung baten sie um Bereithaltung von Waffen aller Art für etwa 15,000 Mann in Smolensk und in Kiew, und um 50,000 Dukaten, um als Kern der Erhebung und zu ihrem persönlichen Schutz in den nächsten drei Monaten ein kleines Corps ausrüsten zu können. Dieser Denkschrift sandten sie am 2. April ein neues Schreiben nach, in dem sie unter Erinnerung an das Schicksal der So- bieski und Jablonowski, welche August II. hatte überfallen und nach dem Königstein bringen lassen, mittheilten, wie auch ihre persönliche Sicherheit in Pulawy bedroht und daher die sofortige Formirung jenes kleinen Corps nothwendig sei Bei Schmitt , S. 332. . Katharina, deren Truppen sich bereits in der zweiten Hälfte des März gegen Polen in Bewegung gesetzt hatten Nach der Meldung von Solms bei Häusser , S. 75. , beauf- tragte hierauf Keyserling, dem polnischen Hofe mitzutheilen, daß, „wenn sie es wagen, einen der Freunde Rußlands aufzuheben und nach dem Königstein abzuführen, ich Sibirien mit meinen Feinden bevölkern und die Saporoger Kosacken loslassen werde, die mir eine Deputation mit der Bitte schicken wollen, ihnen zu erlauben, für die Beleidigungen, die der König von Polen ihnen zugefügt hat, Rache zu nehmen Ssolowjoff , Geschichte des Falles von Polen. Übersetzt von Spörer. Gotha 1865. S. 14. Hier ist der Brief vom 1. April datirt. Es muß der alte Styl, also 12. April n. St. sein, wie sich aus der Denkschrift der Czartoryski vom 2. April ergiebt. Es ist überhaupt zu bedauern, daß in dieser Übersetzung die Verschiedenheit des alten und neuen Styls nicht immer bemerkt worden ist. . Bereits in einer frühern Depesche vom 23. März / 3. April an Keyserling hatte sie diesen beauftragt, ihren Freunden mitzutheilen, daß in Smo- lensk und Kiew alles bereit sein und im Mai ein russisches Corps von 30,000 Mann in Smolensk, ein zweites von 44,000 Mann an den Gränzen von Kurland stehen würden. Von den verlangten 50,000 Dukaten stellte sie ihnen 30,000 zu sofortiger Disposition, und versprach den Rest sofort nach- zusenden. „Aber“, fügte sie hinzu, „halten Sie unsre Leute im Zügel, so lange als bis es Zeit sein wird.“ Sie wollte die Zeit bestimmen Auszug aus dieser Depesche bei Schmitt a. a. O., S. 335. . Inzwischen war die Zeit der jährlichen Constituirung des Wilnaer Tribunals herangerückt. Seit undenklicher Zeit hatte sich Lithauen durch den feindlichen Gegensatz der Rad- zivil und Sapieha, dann der Czartoryski, so zu sagen in einem nur selten unterbrochenem Kriegszustande befunden Unterrichtend hieher sind Stanisl. Poniat. , Pam., p. 177 sq. . Auch jetzt strömte gegen die Mitte April eine ganz besonders große Masse von Anhängern beider Partheien nach Wilna. Die ganze Stadt ward auf der einen Seite von den „Al- benczyk“ (Weißhemden) und Partheigängern Radzivils, auf der andern von Haufen des lithauischen Heeres und den Partheigängern des alten Feldherrn Massalski erfüllt, der es mit den Czartoryskis hielt. Von diesen fand sich der alte Kanzler mit seinem Neffen Stanislaw Poniatowski und seinen Schwiegersöhnen Oginski und Flemming, von welchen der erste Staatssecretair und der letztere Unterschatzmeister von Lithauen war, in Person ein. Die Wahlen der Deputirten zum Tri- bunal waren so überwiegend für die Parthei Radzivils ausge- fallen, daß seine Wahl zum Marschall, wie unfähig er auch zu diesem Amt seinem ganzen Wesen nach war, gesichert erschien. Die Kommissare der Krone, Adam Krasinski, Bischof von Ka- miniec, und Adam Brzostowski, Kastellan von Poloczk, sahen den kommenden Sturm voraus, ohne ihn bei aller Bemühung verhindern zu können. Als in der Versammlung der Parthei der Czartoryski mitgetheilt ward, daß Radzivil, wie es aller- dings von ihm erwartet werden konnte, seine Wahl mit Ge- walt erzwingen wolle, stellte Tyzenhaus, der Staatssecretair von Lithauen, den russischen Obersten Puszkin als einen Ab- gesandten der Kaiserin vor, welche für die „Freiheit des Adels“ einzutreten bereit sei. „Der erkaufte Adel schrie, daß er dies Tribunal nicht wolle, und um die Protection der Kaiserin bitte.“ Sofort verlas Odachowski, Starost von Poloczk, ein Manifest, in welchem gegen Radzivils Verfahren protestirt und die Hilfe der Kaiserin erbeten ward. Die Versammlung unterschrieb. Neue Unterhandlungen mit Radzivil folgten, ohne zum Ziele zu führen. Endlich entschloß sich Radzivil, auf seine eigne Hand das Tribunal zu constituiren. Da er die Kathedral- kirche, in welcher der herkömmlich vorangehende Gottesdienst stattzufinden pflegte, verschlossen fand — der Bischof Massalski war der Sohn des Feldherrn —, constituirte er das Tribunal in dessen Sitzungssaal. Kein Anhänger der Czartoryski war zugegen. Sie reichten ein protestirendes Manifest bei dem Grodgericht ein: der Feldherr Massalski verweigerte dem Tri- bunal die gewohnte Ehrenwache. Am folgenden Morgen ver- breitete sich die Kunde, daß die Russen nächstens über die Düna gehen würden. Ein russischer Offizier (Puszkin?) er- klärte Radzivil, daß er nach dem Willen der Kaiserin be- obachten werde, wie das Tribunal in Sachen der Gegenparthei verfahren werde. Radzivil antwortete mit Würde, er sei nur dem Könige und der Republik verantwortlich. An demselben Tage wurden aus unbekannter Veranlassung in den Straßen von Wilna mehrfache Schüsse gewechselt. Wie die Urtheile des Tribunals in Processen der Gegenparthei ausfielen, kann man sich leicht denken Ich bin bei dieser Erzählung ausschließlich Szujski IV, 356—357 gefolgt, welcher sich für die Einzelheiten auf ungedruckte Briefe des Bi- schofs Krasinski und Brzostowski an Mniszek beruft. Rulhiere II, 48 berichtet mehrfach abweichend. — Die Czartoryski meldeten in ihrem Me- morial vom 21. August nach Petersburg ( Biblioteka Ossol., p. 19 und Schmitt I, 369), daß das Tribunal einen Sielicki, der den Schädel eines seiner von dem Chef der Radzivilschen Raufbolde, Wolodkowicz, erschlagnen Leute, bei seiner Klage vorzeigte, zu einer Buße zu Gunsten des Todschlägers verurtheilt habe. Das Andenken an Wolodkowicz hat sich mit dem seines Herrn Radzivil in der Überlieferung bis heute er- halten. Daß die schwersten Gewaltthaten von beiden Seiten in diesen Partheikämpfen verübt wurden, ist notorisch. Ob der einzelne Fall wahr- heitsgemäß uns berichtet ist oder nicht, ist daher völlig gleichgültig. . Ganz Lithauen stand sofort so zu sagen in Flammen. Jede Parthei fürchtete von der andern jeden Augenblick überfallen und gemißhandelt zu werden. Beide fingen an, sich zur Ver- theidigung zu rüsten. Radzivil vermehrte seine Truppen und die Zahl seiner „Weißhemden“, während auf der andern Seite Flemming, der Schwiegersohn des Kanzlers, unter dem Vor- wande der Übung die seinigen um Terespol und Woljn zu- sammenzog; um die Mitte Juni hatte er bereits 2 Mil- lionen polnische Gulden für seine Rüstung ausgegeben, und suchte, obwohl er den Russen wegen ihrer vielen „wenn und aber“ nicht recht traute, dennoch in Holland noch mehr Geld aufzunehmen Brief Flemmings an Poniatowski vom 18. Juni. Schmitt I, 344. . Und wie hier im Osten der Republik, so war auch in ihrem Westen alles in Gährung. Die gewaltthätigen Schritte, welche sich preußische Offiziere und Beamten an den Gränzen Polens erlaubten, hatten hier alle Welt fortwährend in Aufregung erhalten. Sie erpreßten große Summen und Lieferungen, hoben ganze Bauernfamilien mit Hab und Gut auf, und führten sie nach der Neumark und Pommern. Mochten die Klagen der Polen auch in einzelnen Fällen übertrieben sein, wie Friedrich in einem Schreiben an Branicki behauptete, mochten auch solche Räubereien vielfach von Privatleuten, die zu dem Ihrigen kurzer Hand zu kommen suchten, oder auch von einem Raubgesindel ausgehen, welches in preußischen Uniformen sein Unwesen trieb Raumer , Beiträge III, 315. 318. , so ist es andrerseits doch auch unleugbar, daß die von Friedrich in Driesen eingesetzte Gränzcommission selbst sich die schreiendsten Mißbräuche und Gewaltthätigkeiten gegen die Polen erlaubte, welche, Monate hindurch fortgesetzt, diesen gerechte Ursache zu ihren Klagen gaben Die Minister v. Finkenstein und v. Hertzberg schrieben am 1. Juni 1763 in Folge einer Beschwerde des Grafen Stecki gegen die Com- mission in Driesen an den Geh. Finanzrath v. Brenkenhof: „Auf was für eine höchst unverantwortliche und bis dahin in den königlichen Landen noch unerhörte Weise die Commission wider den Herrn Grafen S. — zu verfahren sich unterfangen ..... Dergleichen Behandlungen sind wider alle Völkerrechte.“ — Sie sprechen dann ihre Überzeugung aus, daß B. „dergleichen unverantwortliches Verfahren“ gewiß wie sie selbst „verab- scheuen“ und sofort sowohl Abhilfe eintreten lassen, als auch der Commission „nachdrücklichst“ dasselbe „verweisen“ werde. (Aus den Acten , betreffend die Beschwerden der Polen über die königlichen Truppen und Geh.-Rath v. Brenkenhof 1762—1763.) Friedrich hob sofort die Commission auf, weil sie, wie sein diese Aufhebung an Benoit mittheilendes Rescript vom 7. Juni 1763 sich ausdrückt, „a effectivement abusé contre mes intentions . Je länger dies Unwesen dauerte, desto mehr wuchs die Aufregung unter den Polen. „Man fängt an Himmel und Erde in Bewegung zu setzen“, schrieb Benoit am 1. Juni 1763, um den Krongroß- feldherrn zu bewegen, seine Armee zum Schutz der Gränz- provinzen zu versammeln. Man fordert den Adel auch der entfernteren Palatinate auf, zu Pferde zu steigen.“ In weitern Berichten meldet er, man wolle zuerst die Contribution zur Bezahlung der Kronarmee nicht mehr leisten, weil der Groß- feldherr diese zur Vertheidigung des Staats und seiner Bürger nicht verwende, und habe bereits ein Manifest zu einer Con- föderation entworfen, welches mehr als 600 Edelleute unter- schreiben würden; mit Mühe habe er bisher den Primas und den Krongroßfeldherrn, welche gleichfalls zu unterschreiben ge- drängt würden, davon zurückgehalten; überall würden auf- regende Schriften verbreitet, und es gebe Districte, welche sich verpflichten wollten, 8000 Mann zu stellen und zu unterhalten Benoit , Dep. vom 8. u. 22. Juni. . Er war außerordentlich erfreut, als Friedrich endlich ernstlich gegen das Unwesen einschritt: aber die einmal entstandene Gährung in Verbindung mit den Reformideen hielt sich auch in diesen Theilen der Republik. Seit 1715 hatte Polen keine Conföderation erlebt; jetzt war die allgemeine Stimmung der Nation auf den Eintritt eines Ereignisses von solcher Tragweite wie eine Conföderation unter allen Umständen war, vollkommen vorbereitet. Die Czar- toryski konnten aber, nachdem sie einmal so weit in ihrer Oppo- sition gegen den Hof gegangen, nicht mehr zurückweichen, es sei denn, daß die zwingendsten Umstände sie dazu nöthigten. In all den Jahren, in welchen Rußland den Hof begünstigte und sie und ihre Freunde unter der Ungunst des letztern gelitten hatten, hatten sie sich und diese stets auf die Zeit vertröstet, in des ordres, qui lui avoient données“. Zugleich zog er alle Truppendeta- chements aus Polen zurück, kassirte nach einem Rescript an B. vom 1. Juli einen Hauptmann Paczkowski und ließ einen Lieutenant Mala- chowski bestrafen „comme il le meritoit“. der Katharina herrschen würde Sie sprechen das selbst in der Denkschrift vom 21. August aus. Schmitt a. a. O., S. 364. . Jetzt, nach den Vorgängen in Wilna, konnten sie und alle ihre Anhänger in Lithauen nur die bitterste Verfolgung durch ihre mit dem Hofe verbundnen Gegner erwarten, und schon ließ sich Radzivil vernehmen, daß er im Herbst nach Petrikau ziehen wolle, um auch dort ein Tribunal nach seinem Willen durchzusetzen. Glückte ihm das, so kamen sie im Kronlande genau in dieselbe Lage, in welcher sie sich jetzt bereits in Lithauen befanden. Ihr ganzer Credit im Lande stand auf dem Spiel, wenn sie ihre Parthei, selbst nachdem Rußland seine Gunst ihnen wieder zugewendet, nicht zu schützen vermochten. Grade die schroffe Haltung, welche Katharina von Anfang an gegen den Hof eingenommen, hatte alle lauen, ängstlichen und schwankenden Elemente ihrer Parthei mit neuem Eifer und neuer Zuversicht belebt, und als nun die Declaration allgemein bekannt ward, welche die Kaiserin in Folge der Wilnaer Ereignisse dem Geschäftsträger August III. Prasse hatte übergeben lassen, erfuhr jedermann, was bisher nur die Eingeweihtern gewußt hatten, daß sie entschlossen sei die Parthei mit all ihrer Macht zu unterstützen In dieser Declaration vom 2./13. Mai forderte sie den König auf, Recht und Gesetz wieder herzustellen, widrigenfalls sie den Wünschen und Bitten der wohlgesinnten und patriotischen Polen nachgebend sich ge- zwungen sehen würde „d’employer pour cet objet les moyens efficaces que la puissance que dieu lui a mise en main et les droits de son empire lui dont pour l’avantage et le bonheur general“. . Die Wirkung dieser gedruckten und überall im Lande verbreiteten Proclamation war auf beide Partheien gleich groß. Die einen ließen ihren Übermuth sinken, die andern glaubten allgemein endlich den Moment zur Bildung einer Conföderation gekommen und drängten die Führer zur That. Gewiß, hätten die Czartoryski nicht bereits seit dem Herbst sich mit der Idee einer Conföderation getragen, die Verhältnisse, wie sie jetzt lagen, hätten sie dazu gedrängt. Nach Katharina’s Depesche an Keyserling vom 3. April konnten sie auf deren Unterstützung vertrauen, und in diesem Vertrauen griffen sie bald nach den Wilnaer Vorgängen mit allem Eifer das Werk an. Ihr Plan, welchen sie in einer Denkschrift vom 20. Mai nach Petersburg mittheilten Gedruckt bei Schmitt a. a. O., S. 338—343. , war, sobald die ersten 10,000 Russen in Lithauen eingerückt wären, hier Ende Juli die Con- föderation zu errichten. Gleichzeitig sollte ein zweites russisches Corps nach Weißrußland unter dem Vorwande vorrücken, von König August die Satisfaction zu erzwingen, welche er der Kaiserin für die ihr durch das Schreiben vom 10. Januar zu- gefügte Beleidigung ungeachtet ihrer mehrmaligen Forderung bisher nicht gegeben hatte. Ein drittes Corps sollte von Kiew aus vorgehen, um die Kronarmee im Zaum zu halten, und hierauf die Güter Mniszeks, Wessels, Wodzinski’s heimzusuchen. Wenn dann die Truppen, wie sie könnten, bis Mitte August ins Herz der Kronlande vorgedrungen wären, wollte man am 12. September, an welchem Tage der Adel zu den Landtagen überall in Massen versammelt sein würde, auch für diese Lan- destheile die Conföderationen ins Leben rufen. Gleich auf den Landtagen sollten die Marschälle der einzelnen Conföderationen gewählt werden, welche dann ihrerseits wieder einen General- marschall wählen und in Warschau oder einem andern Ort zusammenkommen würden, um die Generalconföderation zu er- richten; alles in den herkömmlichen legalen Formen. Sobald die Generalconföderation constituirt sei, sollte sie sofort die Anerkennung des bisher von der Republik den Czaren Ruß- lands verweigerten kaiserlichen Titels aussprechen, Biron als rechtmäßigen Herzog von Kurland proclamiren, der Kaiserin für ihre Unterstützung Dank sagen, sich zu der von Rußland oft, aber vergebens geforderten Gränzregulirung bereit erklären, und alles thun, um ein dauernd gutes Vernehmen mit Ruß- land sicher zu begründen. In Betreff der fernern Schritte ließen sie Katharina die Wahl, entweder nach dem Beispiel Peter des Großen vom Jahre 1716—1717 einen Pacifications- reichstag unter ihrer Vermittelung zur Ausgleichung mit dem Könige zu fordern und durchzusetzen, oder die Conföderation bis zum Tode des Königs bestehen zu lassen. Das letztere, führten sie aus, würde das Vortheilhaftere sein. Denn in diesem Falle bleibe ihre Parthei organisirt zusammen; das Interregnum könne verkürzt werden, und Katharina, ohne von neuem Truppen und Geld aufzuwenden, in der Lage sein, einen König ihrer Wahl auf den Thron zu setzen. Zur Ausführung würden 200000 Ducaten nothwendig sein, von welchen mindestens 150000 gleich anfangs bereit liegen müßten. „Wir haben“, — sagten sie — „unsre Pläne und die Mittel zu ihrer Aus- führung in voller Aufrichtigkeit mitgetheilt, weil wir die Kai- serin nicht durch eine Überraschung weiter mit uns fortreißen wollen, als sie selbst zu gehen gewillt ist.“ Und nun entwickelten sie in den Monaten Juni und Juli eine fieberhafte Thätigkeit. Mit ihren Correspondenzen und Agenten erfüllten sie das ganze Land, sammelten und rüsteten Truppen und verbreiteten ein Manifest, in welchem sie, ohne sich zu nennen, nach einer kurzen Schilderung der unglücklichen Lage des Vaterlandes alle guten Bürger zu einer Conföderation „ für den Glauben, den König, die Gesetze und die Freiheit “ aufforderten und im Fall der Noth die Unterstützung durch eine auswärtige Macht in Aussicht stellten Dieses Manifest liegt in Abschrift der Depesche Benoits vom 10. August bei. . Bei allen ihren Berathungen und Schritten wurden sie von Keyserling unterstützt. Er nahm an ihren Versammlungen in Pulawy Theil Schreiben Poniatowski’s an Flemming bei Schmitt , S. 350 , empfahl, da er, wie die Czartoryski es in ihrer Denkschrift vom 20. Mai verlangt hatten, die Vollmacht erhalten hatte, alle Schritte der russischen Generale zu leiten, an Soltikow die Agenten der „Familie“, wies ihn an nach deren Vorschlägen seinen Marsch einzurichten, die Güter der Freunde zu schonen, und wenn er von ihnen um Hilfe angesprochen würde, solche zu leisten; im übrigen sollte er die strengste Disciplin halten und seine Be- dürfnisse baar bezahlen Brief Keyserlings an Soltykow bei Schmitt , S. 348—349. . Er verhehlte Benoit seine Ueber- zeugung nicht, daß eine Conföderation ganz unvermeidlich sei, weil, wenn jetzt die Freunde Rußlands nachgäben, sie unfehlbar gänzlich unterdrückt werden würden, und gestand, daß er in diesem Sinne nach Petersburg geschrieben habe Benoits Bericht vom 3. August bei Häusser , S. 12. . Als der Krongroßfeldherr Branicki in Folge einer Berathung mit den angesehensten Senatoren bei sich in Bialystok in einem Schreiben vom 18. Juli um Auskunft bat, was an den immer stärker auftretenden Gerüchten von einem nah bevorstehendem Einmarsch der Russen Wahres sei, antwortete er diesem nur, er habe seinen Brief nach Petersburg gesandt S. den Brief Branicki’s bei Schmitt , S. 352. Eine Abschrift desselben legte Benoit seiner Depesche vom 30. Juli bei und theilte die Antwort Keyserlings mit. , während er gleich- zeitig dort wiederholt auf Vermehrung der für Polen be- stimmten russischen Truppen drang. „In vierzehn Tagen“ — schrieb Poniatowski im Juli an Flemming — „wird der Courier aus Petersburg da sein, der uns die Hände völlig lösen wird; bis dahin müssen wir noch ein wenig die Zügel anhalten.“ S. den Brief Poniatowski’s an Flemming bei Schmitt , S. 351 u. 352. Panin sagte etwas später zu Solms, Keyserling sei un peu trop partial und aigrissait les choses . Solms ’ Bericht vom 23. Aug. bei Häusser , S. 82. Ganz kurze Zeit darauf, am 22. Juli, rückte Soltykows Corps in der That in Lithauen unter dem Vorwande eines Durchzuges nach Kiew ein, und bewegte sich in sehr lang- samen Märschen vorwärts Das Datum nach Benoits Depesche vom 27. Juli. In Betreff des Marsches Depesche vom 10. August. . Auf allen Seiten stieg die Leidenschaft. Radzivil erklärte, daß, wenn die Russen auf seinen Gütern Excesse verüben würden, er mit seinen eignen Truppen die Güter Flemmings, Oginski’s und der Czartoryski selbst noch vor der Ankunft der Russen überfallen und plündern werde Benoit , Depesche vom 3. August. . Er sandte eiligst Rzewuski und Pac nach Dresden, um Instructionen zu holen Benoit , Depesche vom 30. Juli. . In diesen Kreisen sprach man davon, die Türken gegen Rußland in Bewegung zu setzen, und rechnete zugleich auch auf Östreichs Unterstützung, da der Wiener Hof die Straßen von Oberschlesien nach Polen eben in Stand setzen ließe, offenbar, um den Marsch seiner Truppen, wenn er nothwendig würde, zu erleichtern Benoit , Depesche vom 30. Juli. . Kaunitz beschäftigte sich damals wirklich mit dem Gedanken, auf die eine oder die andre Weise Rußland entgegenzutreten, und verhandelte dar- über den ganzen Sommer hindurch mit Frankreich, ohne jedoch zu einem Resultate zu kommen S. Beer a. a. O., S. 87. 89. . Während solchergestalt der Ausbruch eines blutigen Bürger- krieges ernstlich zu drohen schien Benoit , Depesche vom 3. August. , trat plötzlich allen uner- wartet eine entscheidende Wendung ein. Katharina gebot ihren Freunden Halt. In zwei rasch aufeinanderfolgenden De- peschen vom 5. und 18. August erklärte sie Keyserling, sie wolle keine Conföderation vor dem Tode des Königs. In ihrem Styl und Ton prägt sich die innere Aufregung aus, in der sie in dem Moment der Abfassung war. Sie be- greife, schrieb sie, die Ungeduld ihrer Freunde, deren In- teresse bei der Sache so groß wäre, daß sie vor aller Welt zu entschuldigen seien. Auch wolle sie dieselben gegen jede Unbill und im Genuß ihrer Freiheit und ihrer Rechte schützen: er solle ihnen die positivsten Versicherungen hierüber geben sowie auch darüber, daß sie nach dem Tode des Königs un- zweifelhaft zu ihren Gunsten handeln werde; aber sie selbst habe noch andre Rücksichten zu nehmen. Sie könne, ohne ihren Ruhm zu schädigen, nicht zugeben, daß man den König ent- throne, aus keiner andern Ursache, als weil er ein zu großes Zutrauen zu einem Schelm und Schwächling von Minister habe, der eben so verwegen in seinen Unternehmungen, als schlaff in der Ausführung gewesen sei und jetzt am Rande des Grabes stehe. Außerdem wären ihre Koffer leer und würden es so lange bleiben, als sie ihre Finanzen geregelt habe, was nicht das Werk eines Augenblickes sei. Auch ihre Armee könne in diesem Jahre das Feld nicht halten und sie habe noch keine Alliance, an der sie erst arbeite. Sie wolle nicht weiter fort- gerissen werden, als ihr Interesse es verlange, und befehle sie daher aufs ernstlichste, den Ungestüm ihrer Freunde zu mäßigen. Sie wolle keinen offenen Bruch, habe ihre Minister beauftragt, mit dem sächsischen in Verhandlung zu treten, und wolle da- her, daß ihre Regimenter ihren Aufenthalt so viel wie möglich abkürzten, und in ihre Quartiere ohne viel Aufsehen zurück- kehrten Gedruckt bei Schmitt , S. 356—359. . Wie aufrichtig sich aber auch Katharina in diesen Depeschen ausgesprochen zu haben scheint, eines Motivs, welches zu ihrem Entschluß wesentlich mitgewirkt hat, gedenkt sie nur mit dem kurzen Wort: „Ich will keine Rußland schädliche Neuerung zugeben.“ Es mag dahingestellt bleiben, in wie weit sie von den Reformideen der Czartoryski unterrichtet war, aber so viel wußte sie, daß jene die Conföderation als einen Weg zur Reform der Mißbräuche betrieben. Alle Welt in Polen sprach öffentlich davon Benoit , Depesche vom 8. Juni: „qu’au surplus une confoederation étoit le seul moyen par lequel ils puissent refondre leur état et en faire une puissance“ . ; noch vor wenigen Monaten hatten die Czartoryski ihr selbst dies mitgetheilt und sie hatte seitdem noch keinen Einspruch dagegen erhoben. Übersahen sie und ihre Minister anfangs die Tragweite der Frage? Daß Key- serling den Reformplänen der Czartoryski bis auf einen ge- wissen Grad mindestens nicht abgeneigt war, ist sicher, und ebenso sicher ist, daß Panin noch nach dem Tode August III. einer sich in gewissen Schranken haltenden Reform in Polen das Wort geredet hat S. neben andern Benoits Bericht vom 25. Juni 1763 und Solms ’ Bericht vom 18. September 1764 bei Häusser , S. 11 und S. 119. . Es scheint in der That, daß die Kaiserin sowohl wie ihre vertrautesten Rathgeber anfangs auch auf die Reformgedanken der Czartoryski eingegangen sind und erst auf die ernsten Vor- stellungen Friedrich II. ihre Einwilligung zur Conföderation zu- rückzogen. Fast in allen Depeschen Benoits, vom ersten Moment an, daß die Reformidee wieder lebendiger hervor- trat, spricht sich die Sorge aus, daß, wenn sie realisirt würde, Polen von neuem eine den Nachbarn gefährliche Macht werden könne. Zu solcher Realisirung schien ihm die Conföderation gradeswegs zu führen, und er bemühte sich wiederholt Keyser- ling hievon zu überzeugen und ihn zu bewegen der Conföderation entgegen zu wirken. Er forderte Solms auf, auch seinerseits in derselben Richtung zu arbeiten, und ließ es hierin so wenig an sich fehlen, daß, als Katharina wirklich dazwischentrat, die „Familie“ von ihm als dem „preußischen Teufel, der den Grafen Keyserling ihr verführt habe“ sprach Depesche Benoits vom 18. September 1762, 25. Juni und 17. August 1763: „C’est ce diable prussien, qui nous a gaté le comte de Keyserling.“ . Friedrich stimmte ihm vollkommen bei, zumal die Conföderation leicht einen neuen Krieg herbeiführen konnte, während für ihn die Erhaltung des allgemeinen Friedens der Hauptgesichtspunkt seiner Politik war. Zwar wies er Benoit an, sich in dieser Frage möglichst zurückzuhalten, indem er zugleich seinen Zweifel aussprach, daß Katharina, welche eben so wenig wie er ein Interesse habe, die Polen eine respectable Macht werden zu lassen, die Reformideen unterstützen würde Rescr. v. 5. Juli, 12. August. . Aber zu- gleich theilte er Solms seine Sorgen in dieser Beziehung mit, der es an Vorstellungen nicht fehlen ließ. Der dänische Gesandte v. Osten in Petersburg, ein Freund Poniatowski’s, schrieb diesem am 6. September, Solms habe ihm gesagt, der König von Preußen wolle vor dem Tode August III. keine Conföderation; und ein andrer Vertrauter schrieb etwa in den- selben Tagen von ebendaher: „Ich weiß nicht, was den plötz- lichen Wechsel in dem Entschluß der Kaiserin in Betreff Ihrer Roepell , Polen im 18. Jahrhundert. 13 Angelegenheiten hervorgebracht hat, aber das weiß ich, daß der König von Preußen vor dem Tode des Königs von Polen keine Conföderation will und daß der Graf Solms hierüber Vorstellungen gemacht hat.“ Beide Briefe bei Schmitt , S. 363. 371. Auch Rulhiere II, 88 ist der Ansicht, daß Friedrichs Widerspruch gegen die Conföderation ein Hauptmotiv der Entschließung Katharina’s gewesen. — Nabielac erzählt in seinem Aufsatz über Branicki in der Biblioteka Ossol. V, 41, daß, als die russischen Truppen in Lithauen unter Soltykow ein- rückten, Friedrich auf die Nachricht hiervon den russischen Gesandten habe zu sich rufen und auch seinerseits einige Truppen in Lithauen über die Gränze gehen lassen. Zu dem Gesandten aber habe er gesagt, er wolle Bundesgenosse Rußlands sein, aber ruhig könne er nicht zusehen, wenn dieses ein fremdes Reich überfalle. Der Gesandte möge hievon seinem Hofe Mittheilung machen und zugleich, daß den Ereignissen in Lithauen eine andre Wendung gegeben werde. Er habe mit großer Verwunderung von dem Verfahren der Russen gehört, und wünsche nicht in die Noth- wendigkeit versetzt zu werden, sich nochmals darüber zu beklagen. Katha- rina habe aus dem Tone ersehen, daß sie ihre Absichten auf Polen auf eine gelegnere Zeit verschieben müsse, und den Abzug der Truppen be- fohlen. — Eine Quelle für diese an sich nicht sehr wahrscheinliche Er- zählung führt Nabielac nicht an. — — Poniatowski schreibt in seinen Mémoires (Posner Ausg. von 1862, S. 79) die Umstimmung Katha- rina’s wesentlich der Eifersucht Panins gegen Keyserling zu, welchem letztere sie ohne Panin Kenntniß von ihren Absichten in Polen zu geben un- mittelbar ihre Aufträge sandte. Panin habe ihr über diese Pläne die stärksten Vorstellungen gemacht, welche um so mehr auf sie gewirkt hätten, als sie gerade damals von Moskau zurückgekommen wäre, und noch unter dem frischen Eindruck gestanden hätte, welchen sowohl die während der Krankheit ihres Sohnes stattgehabten meuterischen Bewegungen als auch das Auftreten Woronzows, Razumoffski’s u. a. gegen ihre von ihr beab- sichtigte Heirath mit Orlow auf sie gemacht hätten. Diese Wendung in Petersburg erfolgte kurz nach der Mitte des Juli, wenn auch der letzte Entschluß etwas später gefaßt sein mag. Denn bereits am 26. Juli übergab Katharina eine Declaration an den sächsischen Geschäftsführer Prasse, in welcher sie den Wunsch aussprach, sich mit seinem Könige friedlich zu verständigen, und ihre Beschwerden in 3 Punkte zusammenfaßte. Unter diesen war auch die Zurücksetzung ihrer Freunde in Polen, aber auch hier mit der Erklärung verbunden, daß sie keine Veränderung der Verfassung der Republik zulassen, sondern deren festeste Stütze sein werde Gedruckt bei Theiner , Mon. Pol. IV, 2. p. 9 mit dem Datum 16/27. Juli. In dem Abdruck bei Schmitt steht 15/26. Juli. . Am 10. August spätestens war die Nachricht von all diesem in Warschau Benoit berichtete bereits am 10. August darüber nach Berlin. . Die Überraschung, Bestürzung und der Un- muth der Czartoryski war groß; der alte Kanzler erkrankte. Im ersten Moment forderten sie von Keyserling, er solle bei der Kaiserin auf eine Zurücknahme ihrer letzten Entschlüsse dringen. Er lehnte das in einem Briefe an Poniatowski vom 21. August entschieden ab, suchte sie aber zugleich durch die Vorstellung zu beruhigen, die Kaiserin habe, wie es ja in der That der Fall war, sich nicht gegen die Conföderation an sich, sondern nur dahin erklärt, daß sie gegenwärtig nicht an der Zeit sei Keyserlings Brief gedruckt bei Schmitt , S. 359—361. . Von Keyserling abgewiesen, wandten sich die Czartoryski mit einer neuen Denkschrift vom 21. August an Katharina. Nachdem sie darin eine Übersicht des bisherigen Ganges der Dinge zwischen ihnen und ihr gegeben, erklärten sie sich bereit ihrem Willen sich zu unterwerfen. Zugleich baten sie aber, daß sie ihnen beistehe, mit Ehren aus dieser Sache, in der auch ihre Ehre verpfändet sei, hervorgehen zu können. Auf Grund einer Schilderung, von welchen Gefahren sie und die Parthei Rußlands von allen Seiten bedroht wären, forderten sie, daß die russischen Truppen noch einige Monate in Polen stehen blieben, damit sie und ihre Freunde nicht auch noch im Tribunal von Petrikau unter- lägen. Dies würde ihre Anhänger ermuthigen, die Gegner im Zaum halten. „Wir, die wir Ew. Majestät kennen“ — schlossen sie —, „geben uns der Hoffnung hin, daß Sie, wenn Sie uns auch die Conföderation verweigern, mindestens wollen werden, daß Ihre Parthei in Polen die Bedeutung und den Glanz wiedergewinnt, welche sie unter der Regierung 13* Ihrer Vorgänger verloren hat.“ Es ist dies die bereits öfter angeführte Denkschrift in der Bibl. Ossol. VIII, 14. Schmitt I, 366. Die russischen Truppen blieben in der That zunächst in Polen stehen. Inzwischen hatte Keyserling sich bereits an dem Versuch betheiligt ein Abkommen zwischen den Partheien zu Stande zu bringen, um zu verhüten, daß sie nicht dennoch bei Ge- legenheit der Anfang October bevorstehenden Constituirung des Tribunals von Petrikau gewaltsam aufeinander stießen. Die Hofparthei, von Mniszek, der beim Könige in Dresden war, und von Radzivil vornämlich geleitet, rüstete schon lange und war entschlossen, alles aufzubieten, um die Gegner auch hiebei völlig zu schlagen Benoit , Depesche vom 20. Juli. . Dagegen waren der Primas und der Großkronfeldherr zu einer Vermittlung geneigt. Am 10. August war der erstere, Lubienski, bereits zu diesem Zweck in War- schau angekommen; am 21. August erschien auch Branicki, und es begannen sofort die Unterhandlungen. Beide Partheien streubten sich: Poniatowski weigerte sich an den Verhandlungen Theil zu nehmen. Die Czartoryski erklärten in ihrem Unmuth, die Reform sei ihnen die Hauptsache gewesen, alles Übrige, was man zu ihrem Vortheil ausmachen wolle, sei ihnen gleichgültig. Keyserling mahnte aufs nachdrücklichste, daß Poniatowski er- scheine Benoit , Berichte vom 10. u. 27. August. Keyserlings Brief vom 21. d. M. bei Schmitt a. a. O. . Sie spannten anfangs ihre Forderungen sehr hoch. Der Hof solle das Tribunal von Wilna für ungesetzlich con- stituirt anerkennen und ihnen freie Hand in Betreff des Petri- kauer lassen. Auf der andern Seite war man anfangs eben so hartnäckig, zumal in Lithauen der Adel bereits anfing sich zu Pferde zu setzen, um das Tribunal in Wilna gegen die Russen zu vertheidigen, denen Keyserling, um den Zusammenstoß zu vermeiden, Ordre sandte, nicht bis Wilna vorzugehen. All- mählig aber kam man doch zu einer Verständigung. Am 29. August unterzeichneten der Primas und der Krongroßfeld- herr das Protokoll, welches die Bedingungen derselben enthielt, von welchen die wesentlichste war, daß das Tribunal in Wilna die bereits gegen die Anhänger der Czartoryski erlassenen De- krete nicht vollstrecken und keine neuen erlassen sollte. Von der einen Seite hatte sich hiebei Poniatowski „sehr verständig“ erwiesen, von der andern Mokranowski am meisten zum Ge- lingen beigetragen Benoit , Dep. vom 6., 17., 24., 27. August. In der letztern sagt Benoit von Mokranowski: „Ce galant homme qui possede le coeur et la confiance de presque tous ses compatriotes.“ . Gleichzeitig unterhandelte Katharina in Petersburg mit dem ächsischen Geschäftsträger ihre besondern Beschwerden. Sie verlangte Anerkennung Birons als Herzog von Kurland, wo- gegen sie dem Prinzen Karl ein „Etablissement“ zu verschaffen jede Gelegenheit benutzen werde und inzwischen sich dazu ver- stehen könne, ihm eine „anständige Pension“ auszusetzen. Sodann verlangte sie eine hinreichende Satisfaction in Betreff der vier Minister, welche das Schreiben vom 10. Januar unterschrieben hatten; ferner, daß der König künftig ihre Freunde in Polen nicht mehr zurücksetze, sondern seine „Gnade“ in Betreff der Ämter ihnen, wie allen andern Polen zu Theil werden lasse; daß auf dem nächsten Reichstage ein beiden Partheien gleich- genehmer Marschall gewählt, das Amt des Kanzlers mit einem Freunde Rußlands besetzt, Radzivils Autorität in Lithauen ge- mindert und endlich ihr Titel als Kaiserin von der Republik anerkannt werde. Dagegen wolle sie jeder Conföderation in Polen entschieden entgegentreten. Man würde es russischer- seits für ein Zeichen der Freundschaft ansehen, sagte Panin zu Solms, wenn Friedrich seine Vorstellungen in Dresden dahin mit denen Rußlands verbände, daß die Ruhe in Polen her- gestellt werde Benoit , Bericht vom 17. August. Solms , Bericht vom 5. u. 23. September bei Häusser , S. 84—85. . Solchergestalt ließ sich die völlige Beruhigung in Polen hoffen, und in dieser Hoffnung hatte Keyserling gegen Ende August an Soltykow die Ordre zum Rückmarsch ertheilt Benoit , Dep. vom 3. September. . Allein diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Katharina hatte ihre Freunde von neuem mit Hoffnung und Muth erfüllt, indem sie ihnen durch Keyserling sagen ließ, sie mißbillige nicht, was sie bisher gethan: sie würden die Folgen sehen und es nicht bereuen; ihre Feinde seien schon jetzt über- zeugt, und würden immer mehr davon überzeugt werden, daß die Protection, die sie ihren Freunden gewähre, und die Ach- tung, welche sie für dieselben habe, unveränderlich seien; „sie werden beständig in mir eine Stütze für ihre gerechte Sache finden, und ich werde, so viel ich nur vermag, ihre Interessen fördern“ Katharina’s Dep. an Keyserling vom 11./22. September 1763 bei Schmitt I, 372. . Auch war die Constituirung des Tribunals von Petrikau für beide Partheien zu wichtig, als daß sie es hätten über sich gebracht, nicht alle Kräfte daran zu setzen, um dort zu siegen. Bereits bei den Wahlen der Deputirten ging es fast auf allen Landtagen nicht ohne Blutvergießen ab. Auf dem siradischen erzwang Jakob Malachowski, ein Partheigänger der Czartoryski, mit Gewalt die Wahlen im Sinne seiner Par- thei; in Wißnia, wo Adam Czartoryski und Stanislaw Lubo- mirski gegen den Sohn Mniszeks standen, proclamirten nach gewaltthätigem Tumult die Partheigänger der erstern den Fürsten Adam zum Marschall und zwangen die Gegner mit einem Protest zu weichen; viele Landtage wurden gleich an- fangs zerrissen und gelangten zu gar keiner Wahl. Schon hieraus konnte man voraussehen, daß die Constituirung des Tribunals nicht in Ruhe vor sich gehen werde Kitowicz , Pam., p. 67. Die Einzelheiten nach Szujski IV, 359. Benoit , Dep. vom 14. September. . In der That zogen, als die gesetzmäßige Zeit zur Consti- tuirung des Tribunals herankam — Montag nach dem Fest des heiligen Franziskus (4. October) —, beide Partheien mit zahlreichen bewaffneten Schaaren gen Petrikau. Franz Salezy Potocki, seit ein paar Jahren der Schwiegervater des jungen Brühl, soll 15,000 Edelleute mit sich gehabt und Branicki einen beträchtlichen Theil der Krontruppen dorthin gesandt haben, während die Czartoryski auch ihrerseits so viel Mann- schaft aufbrachten, als sie nur konnten. Kitowicz berichtet, sie hätten die Absicht gehabt, bei dieser Gelegenheit es doch noch zu einer Conföderation zu bringen, und den König für abge- setzt zu erklären. Verhalte es sich hiemit, wie es wolle: gewiß ist, daß beide Partheien bereits in Petrikau gerüstet zum offnen Kampfe einander gegenüberstanden, als am 8. October die Nachricht dorthin kam, König August sei am 5ten in Dresden gestorben. Während eines Interregnums ruhten in Polen alle gewöhn- lichen Gerichte. Die Constituirung des Tribunals in Petrikau hatte keinen Zweck mehr; jedermann kehrte also in die Heimath zurück. Der Bürgerkrieg war noch einmal vermieden. Eine neue Epoche der Geschicke Polens trat ein! Anhang. I. Das Tribunal von Petrikau. (Zu Seite 23.) Zur Ergänzung dessen, was ich über das Tribunal von Petrikau S. 23 gesagt, theile ich aus den „Erinnerungen“ des Königs Stanislaw Poniatowski’s ( Pamiętniki, p. 29 sqq. ) die Schilderung mit, welche derselbe sowohl von den Formen, in welchen das Tribunal herkömmlich constituirt ward, als auch von der Art und Weise giebt, in welcher die einander gegenüber- stehenden Parteien diese Formen zu ihrem Vortheil auszunutzen gewohnt waren: „Seit der Errichtung dieses höchsten Gerichtshofes durch den König Stephan Bathory waren alle Woiwodschaften der Krone verpflichtet am ersten Montag nach dem Fest Mariä Geburt (8. Septbr.) zwei oder drei Deputirte zu erwählen, welche sich am ersten Montag nach dem Fest des heiligen Franziskus (4. Octbr.) in Petrikau einfinden mußten, um zusammen das Tribunal zu constituiren, welches alle vor den Land- und Schloßgerichten ge- führten Rechtshändel in letzter Instanz zu entscheiden hatte. Be- vor die Deputirten jedoch die ihnen im städtischen Rathhause be- stimmten Sessel einnehmen durften, mußten sie die Rechtmäßigkeit ihrer Wahl vor einer Prüfungscommission beweisen, welche aus dem Landrichter und Landschreiber der Woiwodschaft Sieradz, oder in Vertretung dieser, aus dem Starost von Petrikau und dessen richterlichen Beamten bestand. „Zur Gültigkeit der Wahl war damals erforderlich, daß der Deputirte eins timmig von allen zur Wahl Berechtigten und an ihr Theilnehmenden gewählt war. Um nun die Ungültigkeit einer Wahl zu beweisen und den Gewählten von dem Eide aus- zuschließen, welchen die Prüfungscommission nach der Anerkennung der Rechtmäßigkeit der Wahl jedem einzelnen abzunehmen hatte, bediente man sich folgender Mittel: man reichte einen Protest oder ein Manifest des Landtages, welcher den Deputirten, dessen Wahl man anfechten wollte, gewählt hatte, ein, in dem ausge- führt war, daß die und die adlichen und angesessenen Einwohner des Bezirks auf dem in Rede stehenden Landtage laut und ver- nehmlich der Wahl dieses Deputirten widersprochen, durch ihren Widerspruch den Landtag zerrissen und diesen ihren Protest im Grodgericht hätten eintragen lassen. Ein zweites Mittel, um die Verwerfung der Wahl eines Deputirten herbeizuführen, war, daß man der Prüfungscommission ein gegen ihn erlassenes Con- demnat einreichte, d. h. ein von irgend einem Gericht im Lande gegen ihn, sei es vor, sei es nach seiner Wahl, erlassenes Con- tumacial-Dekret vorlegte. „Die Mittel der Vertheidigung gegen solche Angriffe waren: 1) die Vorlage eines laudum, d. h. eines den Würdenträgern der Woiwodschaft vorgelegten Attestes der Wahlbeamten, daß dieser und dieser rechtmäßig gewählt sei; 2) der Nachweis, daß der gegen den Gewählten eingelegte Protest von solchen unterschrieben sei, welche persönlich auf dem Landtage nicht gegenwärtig ge- wesen wären, oder daß sie 3) obwohl gegenwärtig ihren Wider- spruch bei der Wahl nicht laut erklärt hätten; 4) daß die Pro- testirenden ohne Grundbesitz im Bezirk wären; 5) daß gegen sie selbst Condemnate vorlägen, oder endlich 6) das Einbringen eines Verzichts auf das Condemnat von Seiten dessen, auf dessen Klage es erlassen war. Ueber alle diese Einreden und Vertheidigungen entschied die Prüfungscommission endgültig; von ihr allein hing es ab, ob der eine als rechtmäßig gewählter Deputirter zum Eide zugelassen, der andere gänzlich zurückgewiesen oder die Zu- lassung so lange aufgeschoben wurde, bis seine Sache von den bereits als rechtmäßig gewählt anerkannten Deputirten unter- sucht und entschieden sei. „So schrieb es das Recht vor, dessen Bestimmungen nun durch folgende Misbräuche verletzt wurden. Wer in Polen einen Proceß beim Tribunal hatte, oder Ansehen und Einfluß im Lande er- werben wollte, bemühte sich darum eine aus seinen Freunden be- stehende Mehrheit unter den Deputirten zu erreichen. Man be- eiferte sich daher auf allen Landtagen gleichzeitig, so viel man nur irgend konnte, die Wahl solcher Personen durchzusetzen, auf welche man mit Sicherheit rechnen konnte und umgekehrt alle die Landtage zu zerreißen, auf welchen man keinen ausreichenden Einfluß zu haben glaubte. Da aber die Einstimmigkeit der Vota auf den Landtagen ein gesetzliches und zwar das unent- behrlichste Erforderniß für die Gültigkeit der Wahl war, diese Einstimmigkeit jedoch durch irgend einen Protest unmöglich ge- macht werden konnte, so konnte es sich ereignen und hat sich in Folge des in Polen herrschenden Partheikampfes in der That öfter ereignet, daß unter den in Petrikau zusammentretenden weltlichen Deputirten nicht sieben waren, gegen deren Wahl kein im Recht begründeter Einwand vorlag. Und da das Gesetz end- lich bestimmte, daß zur Constituirung des Tribunals wenigstens sieben Deputirte vorhanden sein müßten, so hätte das Land gar oft seinen höchsten Gerichtshof entbehren müssen, wenn nicht die Prüfungscommissare und die zur Constituirung des Tribunals herkömmlich zusammenströmenden Personen jeden Standes zur Ver- meidung solchen Übels alle Mühe angewandt hätten, diejenigen, die mit Protesten und Condemnaten gegen die Deputirten herbei- gekommen waren, zu bestimmen, daß sie freiwillig deren Ein- bringung unterließen. „Bis dahin war noch kein Misbrauch; sobald aber die Prü- fungscommissare sich erlaubten, die Deputirten anzunehmen oder abzuweisen, ohne Rücksicht auf die Documente, welche jene recht- fertigten oder verurtheilten, rein nach persönlichen Rücksichten oder aus Haß, fingen auch die Privatpersonen, die hiebei betheiligt waren, an sie zu erkaufen, um sich hiedurch der Annahme oder Verwerfung bestimmter Deputirter zu versichern. Waren die Prüfungscommissare nicht käuflich oder bereits von der Gegen- parthei gewonnen, so nahmen die tobenden Magnaten auch zu andern Mitteln ihre Zuflucht. „Das Gesetz bestimmte den ersten Montag nach dem Festtag des heiligen Franziskus im October zur endgültigen Prüfung der Wahlen der Deputirten: an diesem Tage nahm der älteste der Prüfungscommissare in der Kathedrale in Petrikau nach einer hohen Messe den Richtereid ab. Er saß hiebei hinter einem Tisch, auf welchem vorher alle Proteste, Condemnate, lauda und Atteste niedergelegt waren, auf Grund welcher die Deputirten zum Eide zugelassen oder zurückgewiesen wurden. „Dieser Tisch war daher der Punkt, welchem soviel als irgend möglich nahe zu kommen jeder ein Interesse hatte, der ein Mani- fest, Condemnat, laudum oder Attest einbringen wollte. Es war daher ein Interesse der Partheien und ihrer Führer, von deren Geist und Witz das Gelingen abhing, diesen Tisch mit den eigenen Anhängern zu umgeben und die Gegner von demselben abzu- halten, denn alles was dort nicht niedergelegt war, hatte nicht die geringste Bedeutung. Anfangs bediente man sich hiezu nur der Gewandtheit, aber in kurzem trat diese hinter den Massen- andrang der Anwesenden zurück, die sich beeiferten zuerst den Platz einzunehmen: dann wurden die Mitbürger, welche sich dorthin durch- drängen wollten, mit Gewalt weggestoßen oder man riß ihnen die Papiere aus den Händen, durch welche sie die erwählten Deputirten sei es stützen, sei es stürzen wollten.“ II. Traduction d’une lettre d’un gentilhomme Polonois de Province, à un de ses amis d’un autre Palatinat. Geheimes Staatsarchiv. Repositur 9, No. 27, ad Relation des von Wallenrod vom 12. September 1744. (Zu Seite 69.) Comme le Roi a rejoui le coeur de son peuple par son heureux retour dans le royaume, retour que nous avons sou- haité depuis longtems et que nous voyons, que les demandes et les desseins de ce prince, pleins de droiture et de sin- cerité, ne tendent, qu’à la conservation du bien public, rien ne sauroit etre plus conforme au zele de l’ordre equestre, rien plus digne de son attention, que de deliberer en freres, avec une union parfaite, sur les moyens les plus salutaires et efficaces à aider à la prosperité de notre chere patrie. Le tems et l’occasion nous favorisent, nous sommes en etat d’ef- fectuer aisement tout ce que notre bonheur et la conser- vation du bien public demandent; il ne s’agit que de le vou- loir et de prendre de telles mesures, que la circonspection pour remedier au deplorable etat de la Republique jointe aux re- flexions sur la decadence considerable de la gloire de notre nation nous peuvent fournir. Ce sont ces reflexions, Mon- sieur, qui en consequence de notre amitié reciproque m’en- gagent à vous ouvrir mon coeur et à vous dire mes senti- ments sur la situation presente de nos affaires. Je les sou- mets à la decision de votre esprit eclairé. Si je parle libre- ment, souvenez vous, Monsieur, que je me sers du privilege de ma nation. Vous savez que selon nos loix il m’est permis de penser ce que je veux et de dire ce que je pense. Sen- tire quid velim, dicere quod sentiam . Le terme de la Diete ordinaire s’approche et le tems pour l’Election des nonces s’avance à grands pas. Si nous voulons comme il n’en faut pas douter, que la Diete sub- siste efficacement pour l’avancement du bien public, c’est aux dietines, ou il faut songer aux moyens reels pour la soutenir. Je ne sais pas, si je serai elû nonce, quoique j’avoüe, que j’em- ployerai tous les moyens permis a le devenir, puisque je me crois dans le devoir de sacrifier ma vie et tout ce que j’ai, au bien public. Cependant que cela arrive ou non, je vous supplie, Mon- sieur, de communiquer à Messieurs nos frères, tant particu- lierement chez eux, que dans les conferences publiques les reflexions suivantes, reflexions qui me semblent assez con- venir à l’etat present de nos affaires. Remplissez, je vous prie, le vide, que vous trouverez et ajoutez de vos propres lumieres, ce qui leur manque de per- fection, afin que ce qui en paroitra utile à la patrie, puisse etre inséré dans les instructions des nonces de la diete pro- chaine. J’avoüe Monsieur, que le feu de guerre, qui a em- brasé dernierement notre voisinage, m’a tellement epouvanté que jusqu’à cette heure je ne saurois sortir de ma frayeur. Je la crois fondée, quand je considere l’insuffisance de nos forces et la nonchalance et l’assoupissement, où nous nous trouvons. Nous sommes sans armée, sans argent, sans con- seil, bref nous sommes depourvus de tout ce que la sureté et la defense du pais demandent. Ce sont ces considerations, qui m’affligent, ce sont elles qui me font craindre qu’en peu de tems il nous pourroit bien arriver ce que nous avons vû arriver à d’autres pais beaucoup mieux munis et defendus que le notre. Je ne publie point ma crainte (Dieu m’en preserve) dans le dessein d’exciter les etats du Royaume, contre qui que ce soit; la paix avec nos voisins soit exactement gardée; mais en même tems je souhaiterois, que nous fussions ga- rantis de toute sorte d’invasion imprevue. Le seul et l’unique moyen d’y reüssir est une considerable augmentation de notre armée; comme c’est une affaire decidée hors de doute et d’ex- ception, il seroit raisonnable de la mettre au plutot en pra- tique; autrement nous serons obligés de suivre toujours les regles du plus fort et de nous soumettre à ses loix. Nous nous apercevons, il est vrai, qu’une nombreuse armée nous est d’une necessité absolue. Nous pensons à cela depuis tant d’années, ou pour mieux dire, il nous semble d’y avoir pensé; toutefois cela s’est fait sans succès et sans realité. Peut-etre que nous n’y pensons pas serieusement, ou que chacun, pour s’epargner soi meme, fait de propos deliberé trainer en lon- gueur une affaire, que pour la conservation de notre bonheur et de notre sureté, nous trouvons tous indispensablement ne- cessaire. Nous nous efforçons de trouver des fonds suffisants pour faire la levée des troupes. Nous voulons tripler les impots, que nous payons actuellement, pour tripler l’armée. Nous destinons à cet usage le Czopowe et le Szelezne (impots qu’on paye des tonneaux et de la boisson) et quelques autres fonds dans la persuasion, que cela suffit; mais nous ne considerons pas, dans quelle misere et dans quelle desolation le païs se trouve partout et à quel point les villes sont ruinées et les pauvres sujets accablés. Nous ne faisons point reflexion, qu’une grande partie de noblesse rejette avec raison la capi- tation, comme un impot trop onereux, trop honteux et peu convenable à la liberté de la nation. Or comme nous traitons cette affaire avec peu de soli- dité, tout finit par un vain verbiage et nos projets ressem- blent à des chateaux en l’air. Dites-moi, Monsieur, je vous prie, s’il est possible, de tripler les impots ordinaires dans le tems, que la necessité nous oblige, d’assigner des endroits deserts pour la paye de l’armée quoique peu nombreuse. Roepell , Polen im 18. Jahrhundert. 14 Seroit-il juste, seroit-il de l’equité, d’accabler nos pauvres confreres par un rehaussement de capitation, pendant qu’ils nous demandent des egards et de la compassion. Vous me demanderez peut-etre, de quoi je veux donc faire subsister l’armée, surtout une armée nombreuse, proportionnée à l’eten- due de notre Royaume, bien reglée, bien exercée et payée, de la façon, qu’elle ne soit à charge à qui que ce soit. Vous etes curieux de savoir, d’où je veux prendre les fraix pour les armes, l’artillerie, l’amunition et autres appareils de guerre. Je vous repondrai, Monsieur, que le veritable amour de la patrie, un zele sincere pour le bien public et une serieuse reflexion sur notre propre sureté et conservation, sont pour moi les fonds les plus surs. C’est dans ces sources intaris- sables que je m’en vais puiser des tresors pour tous les be- soins de la Republique. Tout ce que je souhaite, est, qu’il plaise à Dieu, de diriger si efficacement nos coeurs, que tous les interêts particuliers, qui nous seduisent si honteusement et qui nous font un tort inexprimable disparoissent et fassent place à l’utilité publique. Avant que de proposer le principal expedient, pour l’en- tretien de l’armée, je m’en vais alleguer quelques uns de moindre importance. Je commencerai par le tresor de la cou- ronne. Le Roi ayant confié l’administration du dit tresor à un de nos confreres bien intentionnés pour le bien public, celui-ci s’en est acquitté avec tant de zele, moderation et désinteressement, qu’à son propre aveu, il a doublé les re- venus de la Republique. Que cela nous serve d’avis et nous fasse remarquer, ce qu’une conduite désinteressée, jointe à une bonne econo- mie, peut effectuer et que ceux qui auront desormais l’ad- ministration du dit Tresor en prennent un bon exemple. Voulons nous encore augmenter les revenus du Tresor, eta- blissons une Douane generale, non seulement du blé et de tout ce que notre païs produit, mais aussi d’autres marchan- dises. Que cette Douane soit universelle, egale partout et sans exception. Ce n’est pas un nouvel expedient, que je propose, nous nous en sommes servis en d’autres occasions, lorsque les besoins de la Republique l’ont demandé et que l’amour de la patrie l’a exigé; qu’on lise la dessus la constitution de l’année 1710. Etablissons par exemple, qu’on doit payer d’un Last (ou de soixante mesures de blé) un ecû espece; qu’y a-t-il, que le gentilhomme vendeur pourra perdre par la? rien, ou fort peu de chose; car il ne manquera pas de se faire payer par l’acheteur ce qu’il a donné; l’argent lui revient et les re- venus du tresor seront de cette façon notablement augmentés. Avant toutes choses nous devrions faire reflexion, que puisque la quantité des commerces et le nombre des nego- ciants est presque dans tous les pays la source de l’abon- dance, la prudence veut, que nous favorisions par toutes voyes raisonnables le commerce. Nous avons agi jusqu’ici, d’une maniere tout a fait opposée. C’est la veritable raison, pour- quoi il y a peu de marchands, qui veulent entrer avec nous en negoce, et que ceux qui restent parmi nous, sont visible- ment ruinés. De la vient la decadence des villes et pauvreté des ha- bitans au grand prejudice de la Republique. Je ne veux point alleguer mille difficultés, charges et redevances, que les par- ticuliers font naitre aux negociants; qu’on regarde seulement la Douane, qu’ils sont obligés de payer actuellement a la Republique; n’est elle pas si exorbitante, si disproportionnée et outre toute equité, qu’il est naturel, qu’elle degoute les gens du trafic et du commerce? Or il evident, que plus la taxe des impots sera diminuée, plus le nombre des commer- çans croitra et les revenus du Tresor augmenteront. Il suffit de garder cette seule proportion et d’établir, que les marchan- dises d’entrée doivent payer plus de douane, que celles qui sortent du Royaume. Comme le credit public est l’ame et le fondement du negoce, prenons à coeur de le maintenir, ayons soin, que les lettres de change, les billets et les obli- 14* gations soient exactement payées, car sans cela, nous ne fe- rons jamais rien qui vaille. Pour donner à cette maxime son lustre et sa perfection, il seroit necessaire, d’abolir absolument toutes les libertations et exemtions et faire des loix contre ceux, qui se voudront opposer à cette reforme. Peut-etre ne sera-t-il pas hors de propos, de faire ici quelque mention des Juifs. Tout le monde sait, que cette race repandue dans tout le Royaume est dans une situation beaucoup plus heureuse, que nos bourgeois et nos païsans, de la maniere, qu’un cer- tain auteur a appelé à juste titre la Pologne, le Paradis des Juifs. Comme on protege partout les Juifs, ils ont trouvé par leurs ruses, friponneries et leur industrie le moyen d’oter aux Chretiens tout le negoce et les moyens de gagner leur vie. Avec tout cela, ils payent fort peu à la Republique. Pour obvier à cet inconvenient, il ne faut que mettre en pra- tique les loix et les constitutions ecrites à ce sujet, en leur defendant d’avoir d’autres marchandises à vendre, que celles qui leur sont promises. Qu’on fasse outre cela un reglement, que les Juifs à proportion de leur grande multitude, doivent fournir leur contingent aux impots publics. La capitation generale des Juifs a été autrefois pratiquée. On le peut voir dans la constitution de l’an 1564. Seroit-il impraticable, de renouveller dans le tems ou nous sommes le meme reglement? En voici le moyen. Apres avoir fait une specification generale des Juifs dans toutes les provinces, ce qu’on pourra facilement executer, qu’on fasse alors une taxe une fois pour toutes, tant et tant pour chaque tête. Je suis convaincu, que la somme, qui en reviendra, sera plus importante, qu’on ne le saurait croire. De cette façon là, on pourra toujours savoir, combien il y a des Juifs dans le païs et juger de l’accroisement, ou de la diminution de cette nation, chose toujours pratiquée et absolument neces- saire, dans tous les païs bien reglés. Apres avoir parlé du tresor, je m’en vais parler des Sta- rosties. Nous savons, qu’elles sont destinées en premier lieu, à la defense de la Republique et en second lieu à recom- penser le merite. Pour obtenir le but de leur destination, rien n’est plus juste, que de faire observer inviolablement les loix la dessus données. Qu’on fasse payer exactement le quart de ce qu’elles rapportent, pour l’entretien de l’armée. Je remets la maniere de savoir au juste combien ce quart de revenus peut valoir, a la recherche et à la decision des Etats de la Republique, car peut-etre, que ce point ne sauroit etre epluché sans le secours et la rigueur des loix. L’impot du Czopowe et du Szelezne , de qui on a tant parlé, qu’il fut entierement employé à l’entretien de l’armée, pourroit, je l’avoue, faire une somme assez conside- rable. Toutefois j’ai des raisons assez solides, qui me font entrevoir la chose d’un oeil different. Il me semble etre hors de l’equité de priver entierement les Palatinats de ce revenû domestique, dans le tems, que pour fournir à leur depenses annuelles, ils ont besoin d’un fond certain et fixé. Cepen- dant je crois, que si on faisoit les choses de la maniere, que je m’en vais indiquer, on pourroit satisfaire en meme tems aux besoins publics de la Republique et aux depenses par- ticulieres des Palatinats. 1 mo. On pourroit etablir, que le Szelezne et le Czopowe fut universellement payé, non seulement dans les villes ro- yales, mais aussi par tous les biens du clergé et de la noblesse. 2 do. On pourroit hausser le prix des boissons, en faisant payer un Garniec de bierre six gros et autant la quarte d’un Garniec de brandevin. Depense tres petite en particulier et tres grande pour le profit public. Or ayant fait de ce revenu une somme totale, qui cer- tainement ne seroit pas petite, on en pourroit laisser une certaine portion à chaque Palatinat, à proportion de son etendue. On employeroit cet argent tant à la pension des nonces à la Diete et des Deputés aux tribunaux, qu’à la recompense des personnes bien meritées et aux aumones à donner aux gens que le feu a ruinés. Le reste de la somme reviendroit à la Republique pour l’entretien de l’armée. J’espere que personne ne trouvera à redire, à ce que je viens d’avancer à l’egard des nonces et des Deputés, qu’il faut fournir a leur entretien, qu’on con- sidere un peu, combien il se fait, a cette occasion de cor- ruptions honteuses et combien il se commet de parjures, crimes, auxquels ou l’indigence, ou les depenses mal reglées donnent lieu. Par cette raison assignons une subsistence honnette et due aux gens, qui servent la patrie et travaillent pour le bien public, mais imposons en meme tems une marque d’infamie eternelle et ineffaçable aux memes gens, s’ils auront la bas- sesse de commettre des crimes susmentionnés. Tachons à de- raciner des injustices si honteuses et si frequentes, qui ne peuvent qu’exiter la colere de Dieu et provoquer ses cha- timents sur tout le Royaume. Comme ce que je viens de dire à l’egard du Czopowe que le reste de revenu doit etre employé au profit de l’armée est evident, il seroit inutile d’en parler d’avantage. Toutefois je ne crois pas pecher contre l’ordre de mon propos, en fai- sant ici mention de quelques moyens, qu’on a deja proposés à plusieurs reprises, savoir le monopole du tabac et du pa- pier. L’impot sur les moulins, que la Republique a proposé il n’y a pas longtems qu’on devoit payer d’un rouage, un ou deux ecus, selon la difference des moulins; l’egalité des mesures et des poids dans tout le Royaume pour le blé, pour les boissons et autres marchandises, ne peut etre que d’une tres grande utilité. Nous avons des loix, qui en parlent; il seroit facile de les renouveler. Au reste comme nous voyons les soins pa- ternels, que le Roy prend pour l’avancement du bien public, prions le qu’il plaise à sa Majesté de rassembler les postes de la couronne de Lithuanie et celles de Prusse en un seul corps et d’en faire un seul sisteme; je ne doute aucunement, que le coeur genereux de sa Majesté ne soit porté à nous accorder cette grace. Si notre demande reussit, faisons une Taxe raisonnable et juste pour le port des lettres, etablissons, qu’il la faut payer generalement et sans exception. Reglons des stations dans toute l’etendue du Royaume, pour la commodité des Pas- sagers à la maniere d’autres païs. Cela etant fait, donnons le tout en ferme au plus offrant. J’espere, que cela fera un profit assez considerable sans compter la commodité et l’avantage, qui en reviendra aux passagers, n’etant plus obligés d’avoir leurs propres chevaux, attelages, cochers et postillons, choses, qui pour faire un voyage à l’heure qu’il est, sont in- dispensablement necessaires, tant à un grand seigneur, qu’à un simple gentilhomme et aux gens d’un etat plus bas. Comme tous ces moyens ont été autrefois pratiqués, je ne doute pas, qu’ils ne puissent reussir. Cependant puisque tout ce que je viens de proposer jusqu’ici ne suffit pas à l’entretien d’une nombreuse armée, telle qu’il nous faut, ni aux autres fraix à faire, proposons le dernier moyen le plus certain, infaillible et suffisant pour tous les besoins de la Republique. Pour reussir dans ce projet salutaire, il ne faut que tous ceux, qui aiment veri- tablement leur patrie, leur honneur et la gloire de la nation, fassent paroitre le zele, qu’ils ont pour l’avancement du bien public. Il ne faut, dis-je, que ceux, qui au milieu d’une paix profonde aiment la douceur de la liberté, prouvent à quel point la conservation de la sureté publique leur est chere. C’est ici que je les prie de se souvenir de l’ancienne ge- nerosité Polonoise, generosité, par laquelle leur ancetres ont rendu leur nom fameux et respectable parmi toutes les na- tions. Prets à sacrifier leur bien et leur vie à la defense de la patrie, rien ne leur etoit trop cher. Pensons de la meme façon, puisque le meme sang coule dans nos veines. Prou- vons que le meme esprit nous anime et que rien ne nous sauroit etre ni de trop cher, ni de trop precieux en compa- raison de notre patrie. Tous les attachemens doivent, selon le dire d’un ancien Romain, faire place à l’amour de la patrie. Je doute qu’il y aura personne, qui se voudroit opposer à cette resolution salutaire, à moins que ce ne fût un homme, qui ne meritât point le nom d’un veritable fils de la patrie, mais d’un fils denaturé, separé de la Societé fraternelle, condamné à une ignominie eternelle et indigne de jouir à jamais des libertés et privileges de la noblesse. Je me souviens de l’offre, que le Castellan de Kyovie fit à la derniere diete. C’etoit la di- zieme de ses revenus, qu’il s’offrit à donner, pour etre em- ploié aux besoins de la Republique. Suivons un aussi bel exemple et des sentiments si dignes d’un citoien de la Republique. Accordons-nous, joignons nos mains et nos coeurs pour soutenir une si belle et une si louable resolution. Considerons, que sans une formidable armée et sans des forces requises, pour parer les coups, qu’on nous voudra porter, nous serons toujours en danger exposés à es- suyer honteusement les memes, ou peut-etre encore de plus grands malheurs. Ne refusons point à faire cette offrande, qui tend à notre gloire et à notre profit. N’epargnons rien pour secourir la Republique. Que les biens hereditaires aussi bien que ceux du Roi et du clergé, de meme que les sommes placées en Banque et pretées à interêt fournissent egalement leur cote- part au besoin public. Avouons nos revenus de bonne fois et sous l’examen de la conscience. Mettons en quelque partie part, pour con- server le total. Pour eviter que cette collecte ne paroisse point forcée et de la nature de la capitation (impot digne d’etre aboli et dont meme le nom choque la liberté de la nation) faisons une constitution, que la dite collecte ne doit durer, que d’une diete ordinaire à l’autre, mais fixons en meme tems le terme le plus court pour la commencer. Ayons soins qu’elle soit bien administrée et l’argent, qui en reviendra, bien placé et employé aux besoins les plus pressants et essentiels de la Republique. Outre une bonne armée, que nous paroissons generalement souhaiter, il y a plusieurs choses tres necessaires à la guerre, qui nous manquent. Point d’arsenaux, ou s’il y en a, ils sont vides, point d’artillerie, point d’armes, point de muni- tions, bref il nous manque tout. Pour remedier à cela, je veux que cette collecte serve de fond pour tous les besoins et appareils de guerre. Je suis persuadé, Monsieur, que mettant serieusement et sans delai la main à l’ouvrage, nous trouverons des egards et de la consideration aupres de nos voisins. La prompte levée d’une bonne armée et l’acquisition de tout ce qu’il lui faut, les engagera à rechercher notre amitié, voyant qu’elle leur peut etre utile et secourable. Mais si au contraire, nous economisons à contre tems, si dis-je trop menagers et trop lents à faire tout d’un coup une depense raisonnable, nous ne faisons, qu’une petite augmentation d’armée, nous verrons à notre honte et prejudice, que cette epargne deplacée, qu lieu de profit, nous exposera à la risée publique, sans parler des calamités, qui pourroient bien naitre de ce manque des forces et que je prie Dieu de detourner. C’est pourquoi travaillons avec assiduité pour faire reussir un dessein si salutaire. Ac- cordons-nous d’abord aux dietines, afin qu’on puisse donner des instructions les plus fortes aux nonces de la diete et leur recommander de n’epargner ni peines ni soins pour maintenir absolument cet article. En ecrivant ceci, il me vient une pensée. Ne pourroit- on pas en cette occasion corriger l’habitude, qu’on a de rompre les dietines, habitude si pernicieuse au bien public, et dont nous nous plaignons tous les jours avec raison. Vous savez, Monsieur, que quelquefois, pour soutenir un miserable interet particulier, on se sert dans les instructions de cette clause formelle et bien extraordinaire: etiam cum discrimine comitiorum , c’est à dire, il faut soutenir cet interet meme aux depens de la Diete. Seroit-il pos- sible, qu’un homme de bon sens, qui aime l’honneur, puisse approuver un tel abus, que nous emploions si mal notre li- berté, que nous changeons plutot en licence, que nous fai- sons si peu de cas d’un bijoux si precieux et inestimable que la liberté? Qu’on me dise tant qu’on voudra, qu’il y a des points sur lesquels il y a des contestations sans accord, à la bonne heure, pourquoi ne les met-on pas à part et en arriere pour etre examinés une autre fois, laissant toujours subsister les autres points, où il n’y a point de contradiction? Or pour empecher que l’article de l’augmentation de l’armée n’aye pas le meme sort, mettons dans les instructions des nonces, que puisque le dit article avoit deja eté epluché et decidé aux Dietines, il devoit absolument avoir lieu et etre maintenu à la Diete. Comme dans tout ce que je viens de proposer, il n’y a rien de contraire à la liberté, il ne faut point craindre, que cette paupiere si delicate, comme nous aimons à appeler la liberté en sera blessée. Le liberum veto, que j’estime infinement, restera toujours dans sa vigueur. C’est à l’abus, que j’en veux, qu’il soit reformé. J’ai dit plus haut que parmi la noblesse plusieurs de nos confreres se plaignent de la capitation. Ayons des egards et de la compassion pour eux. Comme nous voyons qu’il y en a, qui sont dans la derniere indigence, affranchissons les de toute contribution. Cela a besoin de quelque eclaircis- sement. 1 mo. Cette exemtion ne doit servir qu’à ceux de nos con- freres, dont les revenues ne passent pas mille florins de Po- logne. 2 do. Afin qu’un tel privilege rapporte quelque utilité au public, etablissons, que ceux qui ne contribuent rien à l’en- tretien de l’armée doivent elever leur enfants pour le service de la Republique. Formons de cette jeunesse des cadets pour recruter les Regimens et qu’une partie d’eux serve de Pocztowy (ou des Dragons) dans les Drapeaux Polonois. Faisons quelque distine- tion entre eux et les simples soldats, qui n’ont point de nais- sance. Par exemple donnons aux dits cadets quelque chose de plus et que les officiers les traitent avec plus de menage- ment. Mais que les peres par reconnoissance soient obligés de donner de bon gré leur fils à l’armée à proportion de leur famille selon qu’elle se trouvera ou grande, ou petite. Nous avons eu autrefois en Pologne des Regimens de Cuirassiers et de Fuseliers formés de la noblesse; pourquoi la meme chose ne se pourroit il pas pratiquer maintenant? En attendant don- nons à chaque Regiment deux cents cadets et dans les Dra- peaux Polonois trois Pocztowy par Towarzysz, abolissons la hon- teuse maniere de chatier un soldat à coup de Kanszuk et de Canne. Reformons la jurisdiction, que le Towarzysz a sur son Pocztowy. Que le soldat une fois enrollé ne depende plus de lui, ni à l’egard de sa personne, ni à l’egard de son cheval. Confions la jurisdiction de Pocztowy aux officiers commandants dans les Drapeaux, qui seront obligés de les tenir sous une bonne discipline, de les exercer et de leur faire observer leur devoir. Et puisque la derniere disposition de la Republique à l’egard de la subsistence de la Cavallerie n’est pas suffisante, il faut absolument augmenter sa paye, pour exercer les troupes. Assignons une certaine quantité de poudre des arsenaux, tant pour les Regimens etrangers, que pour les Drapeaux Polonois. Je suis sur, que par un bon arrangement et application, nous aurons non seulement une nombreuse armée, mais aussi une armée bien reglée, mobile et de service. Peut-etre, Monsieur, qu’en cet endroit vous me formerez une objection et me direz, que, quoique nous puissions trouver des fonds suffisants, pour nourrir nos troupes, il nous man- quera des hommes, pour en faire une armée nombreuse, la Pologne etant un païs desert et peu peuplé. Je le sais très bien, Monsieur, à quel point la peste, la famine, les mala- dies epidemiques et autres revolutions ont depeuplé le Royaume. Je ne l’ignore non plus, que personne ne permet, que les enrollements se fassent dans ses biens et que chaque jour on redemande des sujets des terres. Mais avec tout cela, je voudrois bien savoir comment com- biner des choses si opposées, savoir que la Republique doit mettre sur pied une armée, et les levées ne doivent pas etre permises. C’est une pure contradiction. Cependant j’espere que l’amour de la patrie applanira facilement cette difficulté. Le meilleur seroit, d’assigner les Palatinats et les Districts aux Regimens et aux Drapeaux et de donner au Regiment le nom du Palatinat, où il sera levé. Voila un moyen raisonnable et qui ne manquera point d’utilité, car ordinairement les gens du meme païs et de la meme province, se comportent mieux et s’assistent reciproquement avec plus de sincerité. Pour suppleer à la disette d’hommes dans le Royaume, je m’en vais proposer un remede assez efficace, mais je vous prie Mon- sieur, de m’entendre avec patience et sans prevention. Je m’addresse d’abord avec une entiere confiance à la sainte eglise. Comme j’adore avec un coeur veritablement catho- lique la sainteté de son institution, et que je sais qu’elle est etablie par le saint esprit, je suis persuadé, qu’elle est tres- portée de reformer tous les abus nuisibles à la Republique. Les fondations des couvents sont dans leur but tout a fait pieuses. Mais puisque les meilleurs etablissements, qu’on trouve dans ce monde sont sujets à la corruption et au chan- gement, je suis persuadé que l’Eglise meme ne sauroit ap- prouver les abus, que le tems a introduits en fait des mo- nasteres. Quelles resolutions ne suit-on pas tous les jours dans le choix de la vie du couvent? resolutions, où l’etourderie, la legereté et la precipitation ont toutes part. Que les suites, qui en resultent, sont pernicieuses, terribles et meme prejudiciables a la pureté de la foy catholique! Que le danger, qui en provient, est grand pour les ames, que le sauveur du genre humain a si cherement achetées par sa pas- sion! Le souvenir meme en est affligeant. Que le nombre de ceux est petit, qui par la voye d’une vocation legitime entrent dans le monastere, dans le dessein de faire penitence et sauver leurs ames. La pluspart des hommes choisissent le Couvent dans l’enfance, avant que l’age ait meuri la raison, pour faire entre le bon et le mauvais un discerne- mcnt juste. Co mbien n’y en a-t-il pas, qui ou par eblouisse- ment, bigotterie, ou persuasion, se font religieux, sans avoir pensé à ce qu’ils font. Il est certain, que cela ne s’appelle point suivre la sainte institution des premiers fondateurs, qui a été tout autre à cet egard. Ils n’ont pas voulû, que les couvents cherchassent des hommes, mais bien que les hommes cherchassent les cou- vents. Cependant si on ne prend pas garde de reformer à tems une si mauvaise coutume il faut apprehender les suites, qui en pourront naitre. Un Edit general de n’admettre personne dans un couvent pour y faire profession, avant l’age de vingt cinq ans, chan- geroit bien la face des choses. Au lieu de tant de scandales, que nous voyons arriver tous les jours, nous verrions grand nombre de gens embrasser d’autres Etats de vie au profit du bien public. Les uns choisiroient les armes, les autres le commerce, les manufactures, les metiers, ou l’agriculture et tous choi- siroient le mariage. On travailleroit tranquillement pour le bien public, chacun remplissant les devoirs de sa fonction avec assiduité, aisance et satisfaction. La meme autorité qui a relevé l’etablissement des couvents pourroient, sur des re- presentations fortes et fondamentales, corriger les abus et con- duire dans un chemin droit ce qui s’en est detourné. Quant à nous, favorisons toujours le mariage, c’est un sacrement digne de veneration, un etat, que Dieu a etabli pour peupler la terre à l’accroissement de sa gloire. Les prieres d’un laboureur ignorant, ou d’un simple sol- dat, ne seroient-elles pas aussi agreables à Dieu, que celles d’un Religieux enfermé dans sa cellule? Y a-t-il du doute, que celui, qui à la sueur de son front laboure la terre avec la charrue et celui qui, remplissant la charge de sa fonction, sacrifie à Dieu ses travaux avec plus de peine et d’applica- tion, que le moine assis dans le couvent ne sauroit aussi bien sauver son ame, que l’hermite le plus attentif aux devoirs de la mortification de son corps? Regardant d’un oeil de com- passion la desolation de notre Royaume et la vaste entendue de ses champs en friche et sans culture, nous avons de justes raisons de prier le Saint Siege, qu’il lui plaise de diminuer le grand nombre des fetes hebdomadaires, qui au lieu de la devotion donnent occasion aux faineants de commettre tant d’excès. Nous avons des exemples, que presque dans tous les etats catholiques, le Saint Pere d’aujourd’huy a fait publier des or- donnances si salutaires. Prenons seulement à tache de pra- tiquer les vertus, que le Christianisme nous enseigne, ayons de l’amour et de la compassion pour notre prochain et nous nous apercevrons, que la benediction divine accompagnera toutes nos actions. Ne souffrons point de faineants ni de vagabonds, ni de mendiants. Qu’on donne à travailler aux gens desoeuvrés, que les vagabonds soient arretés et chatiés et les pauvres nourris dans les Hospitaux, ou d’aumones des eglises. Ayons soins des orphelins et des enfans exposés, nourrissons les dans le dessein de les rendre un jour utiles à la Republique. Etablissons au lieu des couvents dont il n’y a deja que trop, des Hospitaux dans les Diöceses. Que les Eveques en ayent la direction pour faire elever des dits enfants, selon la disposition de leur corps et la ca- pacité de leur genie. Sans remplir inutilement les couvents, nous en pourrons un jour former des colonies. Les maisons d’invalides sont d’une grande utilité. Nous le voyons en d’autres païs. Joignons quelques fondations peu necessaires ensemble et employons-les a un dessein si beau et si profitable à la Re- publique. Examinons encore ce qui se passe parmi les gens du rite Grec en Russie. Les mariages des gens d’eglises y ont produit beaucoup de jeunes faineants. Laissons autant qu’il en faut, pour servir l’église et que le reste cultive bon gré ou mal gré la terre, ou s’applique aux metiers, ou suive la voye des armes. Par de tels moyens raisonnables et fondés sur l’equité nous verrons en peu de tems notre Royaume plus peuplé et plus florissant. C’est ce qui s’appelle le veritable amour de la patrie. Vera et perfecta caritas . Enfin recourons à la clemence et à la generosité du Roy. Supplions Sa Majesté, qu’il lui plaise d’accorder aux grandes et aux petites villes du Royaume sa protection, de la sorte, que les pauvres citoiens exposés à de conti- nuelles vexations et gemissant, pour ainsi dire, sous l’esclavage, puissent mener une vie tranquille sans troubles et sans agi- tation. Qu’ils puissent, dis-je, jouir en paix du travail de leur mains, tant à l’egard de leur privileges, qu’à l’egard du libre exercice de la Religion, avec la limitation pourtant, que cela ne se fasse, que dans leurs propres maisons. Nous verrons, qu’en peu de tems il en reviendra un profit considerable à la Republique. Les villes seront bientot rem- plies de marchands et enrichies par la voye des metiers et des manufactures et deviendront florissantes. Autrefois les villes donnoient des recrues à l’armée. Cela se pourra faire encore avec le tems, principalement, si nous defendons rigoureusement au clergé et à la noblesse, d’ac- querir des maisons et des fonds dans les villes, ce qui ruine totalement les pauvres bourgeois opprimés sans cela par des impots publics. Qu’on ne prenne point ce que je viens de dire par rap- port au libre exercice de la religion, pour un sujet de scan- dale. Je ne veux point, Dieu m’en preserve, introduire par là des heresies, je ne passe point les bons prescripts à ce sujet. Tout ce que je souhaite en bon chretien est, qu’à l’imi- tation de notre Sauveur, qui est venu en ce monde pour sauver generalement et sans exception tous, nous traitions nos pro- chains avec plus d’indulgence et avec plus d’humanité. Voila ce que je veux, etant persuadé, que le clergé par la regularité de sa vie, par ses instructions, catechisme et la solidité de ses sermons, trouvera l’occasion de ramener plus de gens au sein de l’eglise, que si, au lieu de la dou- ceur, on employeroit la force et la persecution. Je pourrois finir ici, Monsieur, si je ne trouvois point necessaire, d’ajouter encore quelque reflexions pour l’utilité publique. La confiance que j’ai en vous, jointe à l’empres- sement de communiquer par votre canal mes pensées à nos confreres m’enhardissent de vous supplier, Monsieur, d’avoir encore un peu de patience et de m’ecouter. Les grandes et frequentes emulations ou jalousies dans les Palatinats ne nous permettent pas de parvenir facilement à l’election des jugéments provinciaux, dits jugements ter- restres, ce qui fait un tort considerable à tant de gens en leurs procès. Vous savez, Monsieur, que les jugements terrestres ad- ministrés de la maniere qu’il faut, diminuent de beaucoup les proces dans les tribunaux; car les juges provinciaux ou terrestres relevant d’une cour superieure, qui est celle de leur Tribunal, sont obligés de prononcer leur sentences, selon la justice, avec beaucoup de circonspection. Entre autres ju- gemens terrestres d’à present vaquent ceux de Siradie et de Lublin, demandent une plus particuliere attention. Comme les greffiers terrestres des dits Palatinats n’existent point jüsqu’à present, la fonction d’ecrire des sentences dans les Tribunaux sera conferée à un des Deputés. Combien de tours et d’intrigues n’employe-t-on pas pour briguer cette charge, qu’on achete le plüs souvent bien cher en payant des sommes considerables. Or le Deputé, qui a reüssi dans son dessein et a obtenu la dite fonction, poür rattraper les fraix, qu’il a depensés et meme pour gagner aü marché, met les Decrets à un prix, qu’il veut. Il ecorche sans misericorde, sans craindre ses compag- nons, puisque c’est d’eux qu’il a acheté cette abominable per- mission. Il ajoute souvent des menaces à ses demandes outrées disant, si vous ne me payez tant et tant de votre Decret, je vous taillerai bien de la besogne, en mettant des clauses, que vous aurez de la peine d’effacer si tot. Le pauvre solli- citeur voyant qu’on lui tient le poignard sur la gorge, hors d’etat de s’opposer à une telle injustice et de parer le coup consent à tout ce que l’autre demande. Pour obvier sans delai à ce grand scandale, il suffit, puisqu’on a coutume d’elire les membres, qui composent les jugements terrestres par la pluralité des voix, de se donner la main et de compromettre, qu’on ne veut point rompre les dietines sur l’election du marechal, alors j’espere, qu’on reussira facilement dans l’election des jugements terrestres. A cette occasion il me vient dans l’esprit et me semble, qu’on fait bien d’envoyer les jeunes seigneurs de notre royaume dans les pays etrangers, pour se former et gagner de l’experience. C’est là, où ils se pourront informer de la situation, du gouvernement, de l’economie, des revenus et des forces des differents etats, et examiner les interêts et manieres de chaque païs, pour en choisir les meilleurs et l’appliquer au profit de la Republique. Comme je suis in- formé de quelques coutumes et usages, qui se pratiquent dans des païs etrangers, je souhaiterois, que nous les puissions imiter. Entre autres choses je trouve, que la plupart des affaires les plus difficiles se terminent heureusement par la plura- lité des voix. Or puisqu’il y a quelques fois des matieres tres-delicates sur le tapis, ou quelques uns de ceux, qui donnent des suffrages ne veulent point contredire publique- ment aux avis des autres, crainte d’offenser leur superieurs, ou des personnes d’un credit relevé, on traite les dites af- faires par la voye du scrutin. Chacun des assesseurs choisit deux ballotes diversement colorées, savoir du blanc et du noir. La premiere signifie l’approbation, l’autre la negation ou l’exclusion. Alors il met conformement à son sentiment et selon le dictamen de sa conscience une des dites ballotes Roepell , Polen im 18. Jahrhundert. 15 dans une bourse destinée à cet usage, en gardant l’autre. Cela etant fait à la ronde on suppute publiquement ces suf- frages muets et c’est de cette façon que les affaires se ter- minent aisement. Ne seroit-il pas à propos de se servir du meme moyen dans nos dietines d’election? Je retourne aux Tribunaux et à l’administration de la justice. Il est impossible d’exprimer les injustices, les hor- reurs et les inconvenients, qu’on voit arriver tous les ans, dans les reassomtions et dans les seances des tribunaux. On en pourroit citer une grande quantité d’exemples. Pour remedier à l’avenir à de tels excés, prions le roy, qu’il lui plaise, de nommer, comme cela se pratique à la commission de Radom, deux senateurs de l’ordre eccle- siastique et deux de l’ordre seculier pour assister à la reassomtion des tribunaux. Qu’il leur soit ordonné d’avoir soin, qu’il ne soit admis aucun deputé, sans pouvoir prouver la legalité de son election et qu’ils ayent l’oeil sur l’admi- nistration de la justice, dans toutes les affaires, qu’on jugera aux tribunaux. Pour abreger les cours des procès et de les finir au plutot, il faut beaucoup de deliberation. Sans entrer dans le detail de ces choses, je dirai seule- ment que les procès concernant les possessions des biens obérés pourroient etre abregés, si on etablissoit, que toutes les dettes contractées sur des terres fussent presentées dans les Grods , auxquels elles appartiennent pour y etre enre- gistrées, imprimées et exposées aux yeux du public, aver- tissement fait, que les pretensions, qui ne se trouveront point enregistrées et hypothequées dans le Grod , doivent etre de- clarées nulles et sans valeur. On eviteroit par là beaucoup de difficultés, confusions, priorités, depenses et autres em- brouillements. Dans tout le royaume l’ordre et la sureté interieure se conservent le mieux par le maintien de la justice; mais pour maintenir la justice, il faut de l’execution. Or comme l’execution des decrets dans notre Royaume appartient aux starostes du Grod , rien ne sauroit etre plus juste, ni plus equitable, que de rendre aux starosties des grods les biens, qu’on leur a otés. Les starosties etant obligées par les loix d’entretenir des revenus des dits biens, des gardes et des gens pour le ser- vice du public, il y en a plusieurs, qui faute de revenu ne sont pas en etat de satisfaire à leur devoir. Une garde particuliere par exemple de cent hommes, qui ne dependroit que des ordres des tribunaux, contribueroit beaucoup au relief et au maintien de la justice et rendroit les decrets des dites cours plus respectables. Au reste pour conserver la justice dans toute sa vigueur, nous avons la charge d’instigateur de la couronne, fonction, qu’on a negligée depuis quelque tems. Pourvu qu’il fut toujours attentif à son devoir, pour- suivant en justice, sans delateur, en vertu de sa charge ceux, qui pechent contre les loix et que, par une pension honorable, il fut payé de la Republique regulierement de ses peines, depenses et fraix de voyage, nous verrions bientot cesser un grand nombre de violences, qui se commettent sans crainte. Le plus fort n’opprimeroit plus impunement celui, qui n’est point en etat de lui faire tête et se trouve plus foible que lui. Enfin rien ne manqueroit à notre bonheur, pourvu que nous fussions assez disposés à employer des moyens convenables à maintenir la regularité et le bon ordre dans notre Royaume. Regardons d’autres etats libres et d’autres Republiques en Europe. L’arrangement interieur et les loix fondamentales de l’Angleterre ne different pas beau- coup des notres; cependant que le gouvernement en est beau et la gloire de la nation bien soutenue! Que la Hollande, la Venise et les Cantons Suisses se gouvernent bien, etant partout admirés et respectés. Imitons ces beaux exemples, ayons des forces requises, tachons d’introduire partout le bon ordre, alors tout ira bien. 15* Notre amitié sera cherie, on s’empressera d’entrer avec nous en alliance. La gloire de notre nation croitra et s’etablira parmi toutes les nations etrangeres. Ce projet a été imprimé en Polonois et publié à Varsovie avant les dietines de l’an 1744; l’auteur en est 2077 Chiffre für General Poniatowski. . III. Die Constituirung des Petrikauer Tribunals im Jahre 1749. (Zu Seite 78.) Von den Vorgängen bei der Constituirung des Petrikauer Tribunals im Jahre 1749 giebt neben Kitowicz, welchem ich im Text gefolgt bin, auch der König Stanislaw Poniatowski in seinen „Erinnerungen“ ( Pamiętniki, p. 33 sqq. ) eine recht leben- dige Schilderung, welche ich, da er Augenzeuge dabei war und seine Auffassung und Darstellung von der des Kitowicz mannichfach abweicht, noch nachträglich mittheilen will. „Um die Bestimmung des Gesetzes von 1717 zu umgehen, welches den Feldherren verbot jemals mit dem Heer der Republik sich in die Constituirung des Tribunals zu mischen, ließ die Parthei der Potocki bereits im August 1749 das Gerücht ver- breiten, daß ein gewisser Pęcherzewski an der Spitze einer Räuber- bande die Umgegend von Petrikau heimsuche. Dieser Pęcherzewski existirte in der Wirklichkeit ebenso wenig als seine Bande; gleich- wohl aber benutzte der Großfeldherr der Krone, Potocki, dieses falsche Gerücht, gab dem Woiwoden von Smolenski, Sapieha, welcher damals Regimentarius in Großpolen war, den Befehl, einen Theil der Kronarmee zur Ausrottung der vermeintlichen Störer der öffentlichen Ordnung zusammenzuziehen, und der Woiwode benutzte dies, um die wahren Absichten des Kron-Groß- feldherrn auszuführen: er befahl einem Theil der Kronarmee, ihn nach Petrikau zu begleiten. „Ein anderer von den Potocki, derselbe, der als General der Artillerie von Lithauen starb, damals aber nur erst Starost von Tlomacz war, ein Schwestersohn des Kron-Großfeldherrn, hatte sich auf dem Landtage von Belz zum Deputirten wählen lassen: der damalige Kastellan von Belz aber, Lipski, reiste selbst nach Petrikau, um dort die Ungültigkeit dieser Wahl zu beweisen. Potocki wollte Marschall des Tribunals werden, wesentlich um durch sein eigenes Ansehen und durch seinen Einfluß auf die Collegen alle die Rechtsacte wieder für ungültig erklären zu lassen, welche bei dem Tribunal in den letzten Jahren zu dem Zweck eingebracht worden waren, den Beweis zu liefern, daß Graf Brühl in grader Linie aus einem alten polnischen Hause stamme, welches einst in der Republik gelebt und von dem ein Zweig vor zwei Jahrhunderten das Land verlassen habe. Außerdem aber beabsichtigte Potocki gegen meinen ältesten Bruder, den Groß- Kammerherrn, den Proceß zu erneuern, welcher die Folge des Zweikampfs gewesen war, in dem mein Bruder im Jahre 1744 das Unglück gehabt hatte, den Grafen Tarlo, Woiwoden von Lublin, zu tödten.“ (S. oben S. 75.) „Einer der Hauptmängel unserer Gesetzgebung war, daß die Processe am Tribunal ins Unendliche fortgesponnen werden konnten. Wer seinen Proceß verlor, konnte im folgenden Jahr und selbst noch nach mehreren Jahren ihn unter dem Vorwande wieder an- strengen, daß das Urtheil, über welches er sich beklage, das Gesetz verletze. Die Formel hiefür lautete: quod vim legis sapit . Gewann er jetzt, so konnte aber auch sein Gegner im dritten Tribunal von neuem ihm Gleiches mit Gleichem vergelten und so bis ins Unendliche fort. Es ist auf diese Weise in einzelnen Processen 12 Mal abgeurtheilt worden. Im Jahre 1768 aber wurde dieser Mißbrauch aufgehoben: ein Gesetz aus diesem Jahre stellte fest, daß zwei in einer Sache von zwei Tribunalen über- einstimmend erlassene Dekrete dieselbe endgültig entscheiden sollten. Die Proceßsüchtigen bemühen sich seitdem, die Dekrete nicht über- einstimmend werden zu lassen. „Die Potocki konnten bei dieser Lage der Dinge meinem Bru- der leicht die bittersten Früchte ihres Hasses fühlen lassen, dessen Quelle die alte Nebenbuhlerschaft des Groß-Kronfeldherrn und meines Vaters war, der aber jetzt noch einen neuen Stachel der Neid gab, welchen die damals sehr einflußreiche Stellung meiner Familie am Hofe in ihnen erweckte. „Meine Familie mußte daher zu ihrer eignen Vertheidigung sich der in der That ungültigen Wahl Potocki’s widersetzen, der nach dem Amt des Marschalls im Tribunal strebte. „Zum Unglück gab es diesmal nur fünf gültig erwählte De- putirte, und die Potocki wollten sich nicht anders dazu verstehen, daß die Hindernisse für die Anerkennung von zwei andern Wahlen, durch welche dies Tribunal complet gemacht werden konnte, be- seitigt würden, als unter der Bedingung, daß auch wir ihren Candidaten zum Marschallsamt unterstützten. „Alle Verhandlungen in dieser Hinsicht waren bis zum Mittag des 6. October fruchtlos. Die Stunde des Gottesdienstes, welcher herkömmlich der Einsetzung des Tribunals vorausgehen mußte, war bereits vorüber und es waren nur noch wenige Stunden übrig, innerhalb deren leicht die Sonne untergehen konnte, welche nach der Forderung des Gesetzes noch am Himmel stehen mußte, wenn die Einsetzung des Tribunals nicht rechtsungültig werden sollte. Es versammelten sich daher beide Partheien schon um 1 Uhr in der Kirche zu Petrikau, nicht sowohl in der Hoffnung noch etwas Gutes zu Stande bringen, als vielmehr in der Er- wartung blutiger Scenen. „Da wir nicht die Schuld an solchen tragen wollten, em- pfahlen wir ausdrücklich dem Adel unserer Parthei nicht zuerst zu den Säbeln zu greifen, und nicht eher auf die Gegner los- zuschlagen, als bis einer von den Unsrigen verwundet wäre. Es waren von unserer Parthei etwa 1000 Edelleute dort; die Gegner etwas weniger stark, aber dieser Nachtheil ward für sie reichlich dadurch aufgewogen, daß die anwesenden Krontruppen auf ihrer Seite standen. Sapieha, der Woiwode von Smolensk, kam unter Vorantritt einer Compagnie Tartaren mit der Mütze auf dem Kopf und die Hand am Säbelgriff in die Kirche. Vergebens setzte ihm der Unterkanzler von Lithauen, Sapieha, sein Blutsver- wandter, der dort aber mit uns war, das Ungewöhnliche und Gesetz- widrige seines Benehmens auseinander. Einige hundert Dragoner und Tartaren standen unter dem Befehl des Smolensker Woiwoden und des Starosten von Auschwitz, Malachowski, der damals der zweite Unterbefehlshaber des Kron-Großfeldherrn und später Kron- vorschneider war, an der Kirche, bereit, auf die erste Aufforderung dreinzuschlagen. Der Großkammerherr sah bei seinem Eintritt die Starosten von Tlomacz und Auschwitz in der ersten Kirchen- bank sitzen und nahm absichtlich zwischen ihnen Platz. Den Grund werden wir später sehen. Einer von unsern Freunden, Glienka, damals Landschreiber und später Unterkämmerer in Lomz̀a, redete laut zu den Versammelten und sprach seine Verwunderung und seinen Unwillen darüber aus, daß mit unzweifelhafter Verletzung des Gesetzes von 1717 Krontruppen bei der Constituirung des Tribunals herangezogen wären. Ihm antwortete zwar der Starost von Auschwitz, aber seine Rede bestand aus nichts als aus leeren Phrasen, das Factum selbst verurtheilte ihn hinlänglich. Bald darauf begaben sich einige Edelleute, welche dadurch gelangweilt waren, daß man nicht zum Geschäft des Tages kam, zur Sa- kristei an den Tisch, an welchem der Eid geleistet wurde. Dies, was jährlich ein Gegenstand allgemeiner Beachtung war, rief, ohne daß von den Partheiführern ein Befehl dazu ausgegangen wäre, bei allen Untergeordneten den Eifer hervor, so viel wie möglich in die Nähe des Tisches zu drängen. Der allgemeine laute Lärm, der hiedurch entstand, irrte den Anführer der von dem Smolensker Woiwoden mitgebrachten Tartaren: er gab, in- dem er seine Mütze in die Höhe hob, das verabredete Zeichen, und in demselben Moment zogen die Tartaren die Säbel und viele Edelleute unsrer Parthei eilten, da mit ihnen kein Zeichen, keine Losung verabredet war, sie auch keinen Befehl zum Kampf hatten und unsere Stärke nicht kannten, zur Kirche hinaus. Gleich- zeitig stellte sich ein gewisser Czarnecki, ein von Potocki bezahlter Lärmmacher, in der Meinung, daß es losgehen sollte, mit blankem Säbel in der Hand vor meinen Bruder und schrie: ‚Du hast den Woiwoden von Lublin erschlagen, du willst den Herrn Po- tocki nicht Marschall des Tribunals werden lassen, du bildest dir ein, daß du ein ‚Herr’ bist, ich werde dir auf deine Kosten zeigen, daß es nichts damit ist.‘ Während des schrie ein gewisser Komorowski, der Stallmeister der Kastellanin von Kaminiec, der Schwester des Starosten von Tlomacz, war, dasselbe auf der rechten Seite des Großkammerherrn, während ein Bruder von jenem, ein Offizier in der Artillerie, über einige Bänke hinweg- springend, sich mit zur Hälfte gezogenem Säbel hinter den Kammerherrn stellte. Dies bemerkte der Kronmundschenk der Krone Gozdzki, später Woiwode von Podlachien, der zu keiner Parthei ge- hörte, indem er sich zufällig umdrehte, und rief entrüstet dem Offizier zu, wozu er den Säbel zöge. Komorowski, in Verwirrung ge- bracht, antwortete: zur Vertheidigung. In dem Fall, entgegnete Gozdzki, konntest du an deinem Ort bleiben, und nöthigte ihn, indem er ihn zurückstieß, seinen Säbel wieder in die Scheide zu stecken. Gleichzeitig ergriff mein Bruder die Hände seiner Nach- barn, der Starosten von Tlomacz und Auschwitz, legte sie auf die Taschen seines Rockes und sagte: ‚Fühlt nur, ihr Herren, ihr seht, ich habe zwei Pistolen bei mir die für euch bestimmt sind, wenn ihr nicht im Augenblick euren Schreiern und Soldaten be- fehlt Ruhe zu halten und die Säbel einzustecken; ich habe von eurer Absicht gewußt, ich hätte mich mit dem Adel, der zu mir hält, auch schlagfertig machen können, aber ich habe solche Sünde nicht auf mich nehmen wollen; ich setzte mich absichtlich in eure Mitte, damit für den Fall, daß ihr es auf mein Leben abge- sehen hättet, ihr mir Gesellschaft leistetet.‘ Während er dies sprach, warf sich der Oberst Bledowski, ohne den Säbel zu ziehen, mitten unter die Tartaren und rief: ‚Brüder, erinnert euch eures alten Führers, denkt daran, ich sage euch dies, daß sie euch zum Bösen mißbrauchen.‘ Dies hielt sie in Schranken. Der General Mokranowski, ein sehr populärer Mann, hielt, ohne den Säbel zu ziehen, die Masse des Adels der Potocki dadurch in Schranken, daß er ihnen das Schreckliche der That, zu der sie gedrängt wurden, vorstellte. Malachowski und Potocki sahen jetzt, daß der erste Rausch des Haufens vorüber war, und wagten nach der Drohung meines Bruders es nicht mehr laut den Ihrigen neuen Befehl zum Blutvergießen zu geben. Sie schrieen vielmehr, daß man die Säbel einstecke, und forderten kurz darauf meinen Bru- der zu einer Conferenz in der Sakristei auf. Das Ergebniß derselben war, daß aus Mangel einer hinreichenden Anzahl rechts- gültig gewählter Deputirten das Tribunal nicht eröffnet werden konnte. Mein Bruder sagte ihnen: ‚Ihr werdet das zu verant- worten haben.‘ Es wurde ein Manifest beim Grod eingereicht, welches die Ursachen nachwies, woher das Tribunal nicht eröffnet worden sei. Wir gingen alle zur Kastellanin von Kaminiec, welche, für eine Frau sehr unpassend, die ganze Scene in der Kirche von der Tribüne der Orgel mit angesehen hatte, und jetzt mit einem halben Dutzend schöner Nichten und Dienerinnen beschäftigt war, den Partheigängern ihres Bruders die Humpen mit Ungarwein zu füllen. Sie nahm uns mit der größten Artig- keit auf, wiederholte aber nach links und nach rechts halblaut, es sei doch sehr schade, daß die Arbeit nicht zu Ende ge- bracht sei. „Am folgenden Morgen verließen alle Petrikau in banger Er- wartung der Folgen, welche es nach sich ziehen würde, daß Polen zum erstenmal auf ein ganzes Jahr kein höchstes Tribunal hatte. Aber es ereignete sich nichts Ungewöhnliches; die öffentliche Ruhe ward nicht gestört, und man wartete, ohne irgend einen Schritt zu thun, bis zur Eröffnung des Tribunals im Mai 1750. (?) Dies beweist einerseits, wie gut diese Gesellschaft ist, und zum andern, daß, so lange ein Volk, wie die Engländer sagen, nicht reif für eine Revolution ist, diese auch trotz der wunderbarsten Ereignisse nicht möglich ist.“ IV. Traduction d’un manifeste fait par quelques senateurs et nonces contre la rupture de la diette. (Zu Seite 94.) Nous Senateurs, Ministres d’Etat et Nonces des Palati- nats, Terres et districts assemblés à diette generale de Grodno, considerant que notre patrie demande un secours, que la mauvaise issue des diettes ne lui permet pas d’obtenir, nous sommes determinés à rendre la presente protestation publique, afin que les siecles presentes et à venir soient instruits de la sincerité de nos intentions. En premier lieu depuis que les troubles domestiques ont été appaisés et que la diette de pacification a fixé le re- tablissement de la paix et de la tranquillité publique, sa Maj. a pris tant de soin de l’affermir, que le bruit des armes, qui s’est fait entendre au loin, n’a porté aucune atteinte à notre felicité. L’application que S. M. a donnée à nous conserver cette douce paix, a rendu tout le monde envieux de notre bonheur et excite en nous une juste re- connoissance pour un si bon maitre, puisque nous ne devons attribuer notre prosperité qu’à la sagesse de son gouverne- ment. Mais ce n’est pas encore à quoi s’est borné notre felicité; non seulement le feu de guerre n’a pu nous ap- procher, mais même celui des divisions internes n’a pu se glisser parmi nous et si nous voulons compter nos années malheureuses par le nombre des diettes infructueusement ter- minées, il est evident qu’à commencer par S. M. la liberté du suffrage qui nous est si precieuse a été conservée en son entier. Enfin S. M. ayant affermi les fondements de notre liberté, en nous faisant jouir dans une paix constante de notre droit de suffrage et de tous les avantages, que nos loix nous procurent; pouvoit-elle faire rien de plus pour nous? Le Roi a convoqué la presente diette ordinaire à Grodno dans le tems prescrit par les loix. Il a fait voir par les propositions emanées de son throne, que sa vigilance pater- nelle n’avoit en vue que le bien de la patrie et non son interet particulier. Il n’a rien demandé pour lui même; con- tent de satisfaire aux desseins et aux volontés des états de la republique et quoiqu’il soit seul le juge equitable du me- rite, il a distribué les charges vacantes avec l’approbation ge- nerale de la nation. Les voix des nonces se sont fait en- tendre et tous ceux qui ont voulu parler, ont été ecoutés. Quelques uns d’eux ont desiré des reponses à leurs demandes, et ils en ont reçu de suffisantes par la bouche du marechal. Ici s’arrete la plume dont nous ne nous servons que pour faire voir la sincerité de nos intentions pour le bien public, et non pour accuser personne. Ainsi nous protestons devant dieu et les hommes que nous avons toujours souhaité de profiter d’un si doux regne, comme d’un tems salutaire pour secourir la patrie. Nous ne desirions autre chose, si non, que la tenue de la diette put rendre aux loix leur premiere vigueur, qu’elles ont perduë et qu’elles fussent observées en tout point: que grace à la paix dont nous jouissons depuis si longtems, la Patrie put recouvrer son ancien lustre, que la justice qui a souffert par l’introduction de plusieurs abus fut retablie par une nouvelle constitution et put servir de bouclier aux opprimés. Nous souhaitions aussi de faire en sorte que toutes les autres pro- positions salutaires pour le bien public fussent mises en exe- cution. Mais qu’ont produit nos desirs? Qu’avons nous re- cueilli de nos soins et de nos fatigues que de voir notre patrie destituée de conseil, tomber de plus en plus en deca- dence? Maintenant donc que la tranquillité publique est le seul bien dont nous jouissons, nous protestons devant la patrie que notre unique but est le maintien de la paix et de l’auto- rité royale, ainsi que la conservation de la sainte eglise, de la religion catholique romaine, de nos loix et libertés, pour le soutien desquelles nous voulons vivre et mourir. Fait à Grodno ce 17 Oct. 1752. Komorowski, Primas; Zaluski, Evêque de Cracovie; Deur- bowski, Evêque de Cujavie; Sierakowski, Evêque de Przemisl; Lestki, Evêque de Chelm; Jean Branicki, gr. general; Radzivil, gr. general; Malachowski, gr. chancelier; Czartoryski, gr. chancelier; Podoski, Palatin de Plock; Fr. Rzewuski, notaire de la couronne, nonce de Chelm; Joh. Wilizewski, nonce du district de Wistk; St. Ponia- towski, Colonel, nonce de Lomzyn du palatinat de Masovie; Ant. Glinka, nonce du même endroit, a ajouté, salva libera voce je me soussigne; Ant. Kossowski, thresorier de la cour, nonce du palatinat de Kujavie; J. Podoski, Staroste de Zlatovie, nonce de Dobrzyn; Ant. Sollchub, general d’Ar- tillerie de Lithuanie, nonce de Livonie; Weresczinski, Co- lonel du petit general de la couronne Pioro staroste de Rydikow, nonce de Livonie (L. Z.?). Druck von Friedr. Andr. Perthes in Gotha.