Peiffer inni. del: Fritzsch Jeni: Sculqis: Von allen Schmuck der gantzen Erde, Graß, Kraͤutern Bluhmen, Baͤum und Fruͤ chte sind Gaͤrten recht der Jnbegriff. Hier laͤßt sich die Natur, wie schoͤn, sie, so in ihrer eignen Pracht, als mit der Kunst Verschwistert, sehn. Geniessen wir sie, Gott zum Preise; so handeln wir nach unsern Pflichten Herrn B. H. Brockes , L ti Com. Palat. Cæs. und Raths-Herrn der Kayserl. freyen Reichs-Stadt Hamburg, Jrdisches Vergnuͤgen in GOTT, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Achter Theil. Herausgegeben von B. H. B. jun. Hamburg , bey Christian Herold . 1746 . All’ Altezza Riverend ma Seren ma ed Elettorale di CLEMENTE AUGUSTO Arcivescovo di Colonia del Sacro Romano Imperio Prencipe Elettore Arci-Cancellario per l’Italia \&c. \&c. \&c. umilmente dedicato dal Autore. D egno ch’ ogn’ un T’ incensi, ogn’ un T’inchini, PRENCE, Onor diGerma- nia e del Impero, Sostegno di sua gloria, e suoi confini, Il di cui sgardo ardente, in occhio nero, Unisce Altezza e Amor, in dolci rai, E spira Maestà dovunque vai. * 3 Deh! D eh! non sdegnar della mia Musa il dono, Ch’ella, come al più degno, offrir Ti ardisce! Da Tua bontà gradita, anni gia sono, Ch’ attonita T’ honora e riverisce. Appena passa un’ hora, ed un momento, In cui, del Tuo favor, non mi rammento. A h! se gli Grandi, al par di Te, Signore, Con cuor clemente, e con benigno viso Guardassero le Muse; or pien d’orrore, Diventarebbe il mondo, un Paradiso: El’ huomo giungerebbe, à un gran sapere, L’ Arte d’esser felice, e di godere. C he giova posseder Regni e tesori, Se l’ insensibil Cuor sempre altro brama, E delle brame sol, sente gli ardori, Mentre cio che possiede, egli non ama? E una impossibiltà, s’altro non lice, In questa guisa, mai, esser felice. Di D i meraviglie e beni, il Mondo e pieno. Per nostri sensi, e ver, toccati siamo D’ogni beltà, d’ogni piacer terreno; Ma, per il pensier sol, ci l’appropriamo. Perche, d’ogni piacer, dunque privarvi, Mortali, e d’ogni ben; nel non pensarvi? A vezzo di cantar del GRAN SOVRANO Le lodi, in Sue fatture, e le bell’ opre, In cui l’ Onnipotente e saggia mano, Per nostro ben celandosi, si scopre; Discopro un raggio del Divino Amore, Ch’ in contentarci, sol, pone il Suo onore. B iasmar, chi stima il mondo; e grand errore. Felice e quel, chi l’ ama, e chi ne gode. Canta, godendo, un tal, del Gran Fattore L’ Amor, la gloria e la possanza e lode. S’Iddio fece il mondo e lo sostenta; Folle è, chi’l mondo e Dio, divider tenta. * 4 Or, O r, chi mai più di Te, Signor, godea De beni di qua giù, ch’ il Ciel Ti diede! Chi, di Te, più sovente unir solea, Nel Tuo gran Cuor, e contentezza e fede! Gia che del Creatore, il mondo e’l tempio; Di ben sacrificar, ci dai l’ esempio. O ! che non vidde in Te, la Patria mia, Avendo la ventura ad inchinar Ti! De’ Cittadini ogn’ un, se stesso ubblia, Per mostrar il suo zelo, in ammirar Ti. Vecchiezza e Gioventù si stancò à gara D’elevar e lodar Virtù si rara. E questo dura ancor, come egli è giusto: Benche lontan; non sei da noi diviso. Al Tuo gran Nome sol, CLEMENTE AUGUSTO, Gioia si mostra ancor in ogni viso. Del ricevuto onor, ch’ ogn’ altro avanza, Non perderemo mai la rimembranza. Vivi V ivi felice! vivi! e regni, e godi, Lodandone l’ Autor, piacer terreni! Rimbombi Europa ognor delle Tue lodi! Sol volgi il Ciel à Te, giorni Sereni! Per nostro ben, Ti dia Bontà sovrana L’oltima mèta della vita umana! I n Te suoi doni il Ciel voglia adunare! Tanto di dispiacer basti ch’ ingombra Sol Tua felicità, quanto suol dare Di luce e di rilievo, al Quadro, l’ombra! A me concesso sia, la Tua memoria Al mondo conservar, cantar Tua gloria! Jrdisches Vergnuͤgen in GOTT. Achter Theil. 8 Theil. A Einleitung. G efild’ und Waͤlder! meine Zuflucht, aus der muͤhselgen Welt voll Pein, Voll Gram und Sorgen! nehmt mich ein Jn euer ruhig Heiligthum! beguͤnstiget mein einsam Leben! Da ich mich, von Zufriedenheit, von einem ernsten Ueberlegen Und von Betrachtungen begleitet, will, aus der Stadt, zu euch begeben! Jhr gruͤnen Ebnen, wie vergnuͤgt begruͤß ich euch! Gluͤck, Heil und Segen Erfuͤllen immer eure Fluren! ihr holden Vorwuͤrf’ unsers Blicks, Jhr angenehmen Gegenden, Der Erden majestaͤtsche Schoͤnheit, du Jnbegriff des wahren Gluͤcks, Du Feld- und Land-Lust voller Anmuth, ihr keusch- und reinen Wohnungen Der hoͤchstbegluͤckten Sterblichen, Die hier, in Unschuld-vollem Frieden, ein unbeneidet Leben naͤhrt, (Ob solches gleich fast goͤttlich ist) da es, in Segen- reicher Stille, Uns einen edlen Muͤßiggang und eine suͤße Ruh gewaͤhrt: Uns, die wir, fuͤr Betrachtungen (um uns so wohl, als andre Wesen, Zu untersuchen) eigentlich formieret scheinen und erlesen; A 2 Die Einleitung. Die wir, die Eigenschaft der Dinge, mit mehrer Ein- sicht, zu ergruͤnden, Nie bessere Gelegenheit, als wie in euren Fluren, finden, Und (in die Scenen der Natur, bey euch, gesetzt) von ihren Werken Die Gruͤnd’ und Wunder faͤhig sind, am allernaͤch- sten zu bemerken. Glorwuͤrdig’ herrliche Natur! O! die du, uͤber alles, schoͤn, Und, uͤber alles, guͤtig bist; die alles liebet, alles naͤhrt; Die, uͤber alles, ehrenwuͤrdig, und, uͤber alles, lie- benswerth; Ja, die selbst goͤttlich, da, in ihr, der Gottheit Wesen Selbst zu sehn. Du, deren Blicke so gefaͤllig, von solcher Wohl- anstaͤndigkeit, Die fast unendlich. Das Betrachten von deiner Vollenkommenheit Bringt lauter Weisheit, und das Forschen in deinem Wesen, lauter Lust. Ein jedes deiner Werke giebt so schoͤne Scenen unsern Augen, Und ist ein herrlicher Spectakel, als alle Kuͤnst’ in unsrer Brust Uns jemals vorzustellen taugen. O groß’ und maͤchtige Natur! Der Vorsicht weiseste Verordnung, durch Vollmacht, rege Schoͤpferinn! Doch mehr, der Du ihr Vollmacht gabst, Du hoͤch- ster Schoͤpfer, Dich allein, Vereh- Einleitung. Verehret, rufet, flehet an, mein Dir allein ergebner Sinn. Dir soll die Einsamkeit, der Ort, mein Feld-Gesang, geweihet seyn, Jndem, mit der Gedanken Wohllaut begeistert, ich anjetzt besinge, Obgleich mit eingeschraͤnkten Worten, die Ordnung der erschaffnen Dinge, Das wahre Wesen der Natur, und der Geschoͤpfe Schoͤnheit preise, Die alle sich, in Dir, entbinden, zu der, von Dir bestimmten, Zeit, Du Quell und Ursprung aller Schoͤnheit und aller Vollenkommenheit! Es ist Dein Wesen undurchdringlich, nicht zu erfor- schen, sonder Schranken. Jn deiner Unermeßlichkeit vergehen aller Welt Ge- danken, Versenken und verlieren sich; die Phantasey hemmt ihren Flug; Die Kraft zu bilden wirket nicht, indem sie, in der Gottheit Meer, Kein Ufer, keinen Grund, kein Ende, noch in dem allerfernsten Zug, Worein sie stieg, nur einen Punkt befindet, welcher naͤher waͤr Zum Umkreis, als das erste Centrum, von dem sie sich zuerst erhoben. Hievon, wenn ich ins leere Weite gestiegen, nahm ich oft die Proben A 3 Bey Einleitung. Bey meiner Ruͤckkehr in mich selbst. Erstaunt ob meinem kleinen Jch, Und ob der unermeßnen Fuͤlle der großen Einheit, scheu ich mich, Die so erstaunlich tiefe Tiefe der Allgemeinheit aus- zufinden, Noch den unendlich hohen Abgrund der Gottheit ferner zu ergruͤnden. Jedoch, weil ich, o hoͤchster Geist! von Dir, so wie ich bin, formieret, Vernuͤnftig hier erschaffen bin, und meines Wesens Wuͤrdigkeit Darinn bestehet, Dich zu kennen, und Deine Vollen- kommenheit Zu untersuchen, zu bewundern; ach so erlaub’, in dieser Zeit, Daß ich die Kraft und Faͤhigkeit, Mit schuldger Freyheit, brauchen moͤge, mit welchen du mich ausgezieret. Erdulde mein verwegnes Naͤhern. Und, weil kein’ eitle Neubegier, Noch stolze Thorheit, noch die Liebe zu etwas sonst, als Dir allein, Mir die Gedanken eingegeben; so laß mein Thun gesegnet seyn. Sey Selbst mein Beystand, leite mich, und zeige Deine Wege mir, Da ich es wag’, in der Natur so weiten Labyrint zu gehen, Dir in demselben nachzuspuͤhren, und Dich in Deinem Werk zu sehen. Lob- Lob-Gedicht. J ndem ich jetzt bedacht- und einsam zur Abend-Zeit spazieren gehe, Die Augen in die Hoͤhe heb, und den gestirnten Himmel sehe, Fuͤhl ich, durch dessen Glanz geruͤhrt, von einer ruhigen und stillen, Mit Ehrfurcht untermischten, Lust die aufmerksame Seel erfuͤllen. Sie glaubt’, in den beflammten Schaaren, und in den Boden-losen Gruͤnden, Den Ewgen Urstand aller Dinge, den HERRR der Schaa- ren, GOTT, zu finden, Ja gegenwaͤrtig, fast zu sehn. Ein tief- und inniges Entzuͤcken Erheiterte mein ganzes Wesen. Ein nicht zu widerstehn- der Trieb, Des Schoͤpfers Herrlichkeit zu preisen, Sein Lob nach Wuͤrden auszudruͤcken, Fuͤhrt’ mich in eine Garten-Laube, woselbst ich, voller Andacht, schrieb: Gottheit! Die ich uͤberall, sonderlich im Heer der Sterne, Finden, ehren und bewundern, lieben und ver- ehren lerne, Laß, von den Dich offenbarnden großen Werken, jetzt mein Lallen, Bloß aus vaͤterlichem Lieben, Ewge Liebe! Dir gefallen! A 4 Die Lob-Lied. Die Wunder-wuͤrdige Verschwendung der Strahlen-rei- chen Flammen-Quellen, Der großen Sonn’ und Welten Heere, beschaͤfftigt sich, in ihrer Pracht, Die Tiefen Deiner ewgen Weisheit, den weiten Abgrund Deiner Macht, Das Grund- und Grenzen- lose Meer der ewgen Liebe vorzustellen. Sie blitzen, funkeln, schimmern, strahlen in nimmer un- terbrochnem Schein, Sie glaͤnzen, waͤlzen sich und prangen in dieser Absicht bloß allein, Der Gottheit Ehre zu verbreiten, im stillen, doch bered- ten, Schweigen, Das ewige selbststaͤndge Wesen, den Schoͤpfer, aller Welt zu zeigen. Sie stellen diesen großen Jnhalt, auf einer Tafel von Sapphir, Die unermeßlich, unbegrenzet, in feurig hellen Schriften, fuͤr; Sie geben unserm Blick und Geist, in uͤberall vorhandnen Werken, Den uͤberall vorhandnen Gott, fast sicht- und fuͤhlbar zu bemerken. Sein Daseyn, Seine weise Liebe und Seine Grenzen-lose Macht Verkuͤndiget ein Tag dem andern, und eine Nacht der andern Nacht. Von Seines Wesens Einfachheit erkennt mein Geist die hellen Spuren Jn den verschiednen Toͤnen, Farben, in den verschiedlichen Figuren Der Lob-Lied. Der Pflanzen, Bluͤhte, Fruͤchte, Thiere, in der Gesichter Unterscheid. Jn der so richtigen als festen Veraͤnderung der Jahres- Zeit Seh ich, daß Er unwandelbar. Es zeigt sich Seine Guͤt’ und Milde Jn allen Schaͤtzen unsrer Erde, Sein Vor-Versehn, Sein Weisheit-Licht, Jn einem Nahrung-Segen-reichen und Aehren-schwan- geren Gefilde. Wie herrlich zeiget Seine Groͤße der Luft- und Wasser- Abgrund nicht! Ja gar der unumschraͤnkte Himmel. Man steht an aller Erden Grenzen Das Feuer Seiner Liebe blitzen, die Strahlen Seiner Weisheit glaͤnzen, Wodurch Er, bloß um uns zu leuchten, das wunderbare Licht formiert, Die Luft zum Athem-ziehn bereitet; die Waͤrme wirkt, um uns das Leben Und dessen Saamen zu erhalten. Die Pflanzen, uns die Kost zu geben, Wenn wir gesund, ja wodurch Er die Kranken auch zu- gleich curiert. Die Bienen, daß sie nicht allein den suͤßen Honig uns gewaͤhren; Daß sie zugleich, durch ihr Betragen und Ordnung, uns die Ordnung lehren. Das Meer, daß es der Handelschaft zu einem Mittel- punkte dien. Die Wolken, daß sie um die Welt, auf Fluͤgeln schneller Winde, fliehn. A 5 Um Lob-Lied. Um unsre Felder zu befeuchten. Die Sonne, mit de n hellen Blicken Uns zu erleuchten, zu beleben, die Welt zu schwaͤnger n und zu schmuͤcken. Den Mond und uͤbrige Planeten, uns etwas Lich t herab zu schicken, Wenn Phocbus in der Ferne wirkt. Den Tag, als unsrer Arbeit Zeit; Die Nacht, die Erde zu bedecken mit einer holden Dun- kelheit, Jn eine suͤß- und holde Stille die Creaturen einzuhuͤllen , Die muͤden Coͤrper zu erquicken, die Geister wieder an- zufuͤllen, Mit einer neuen Kraft zu wirken. Der Morgenroͤthe bunten Schein, Den Tag uns wieder herzubringen, Und die Natur selbst zu verjuͤngen. Es muͤsse denn die Geister-Welt dem Schoͤpfer ewig dank- bar seyn. Es muͤsse, was nur Othem hat, fuͤr solche nicht zu zaͤhlnde Proben Der Liebe, Macht und Weisheit Gottes, die Gott- heit unaufhoͤrlich loben! Auf- Aufmunterung, sich an Gottes Werken zu vergnuͤgen. W ie schoͤn ist das bebluͤhmte Feld! Wie schoͤn der Wald! wie schoͤn die Wiese! Wie schoͤn der bunten Gaͤrten Zelt! Und kurz: Wie schoͤn die ganze Welt! Sie gleicht fast einem Paradiese. Mein Geist, der diesen Schmuck bemerkt, Wird, durch die Pracht, nicht nur geruͤhret; Sein denkend Wesen wird gestaͤrkt, Und, da es solche Wunder spuͤhret, Zu Dem, aus Welchem alles quillt, Was uns mit so viel Lust erfuͤllt, Zum Schoͤpfer aller Welt, gefuͤhret. Er glaubt, Jhn uͤberall zu finden, Zu hoͤren, schmecken und zu sehn. Er scheint, Sein Wesen zu ergruͤnden, Und, da die Creatur so schoͤn, Jn ihrer Ordnung, Zier und Pracht Des Schoͤpfers Lieb’ und weise Macht Ganz uͤberzeuglich zu verstehn. Denn, bloß allein zu unsrer Freude, Schuff Er das schoͤne Welt-Gebaͤude. Wer wollte denn die holden Pflichten, Sich zu vergnuͤgen, nicht verrichten? Wer Aufmunt. zur Vergnuͤg. an Gottes Werken. Wer wollt’ an Seinen schoͤnen Gaben, Zu Seinem Preise, sich nicht laben? Wer wollte sich an allen Schaͤtzen, Die Gott uns schenket, nicht ergetzen? Er schuff sie ja fuͤr uns allein. So laßt uns, Seinen holden Willen, Jm froͤhlichen Genuß, erfuͤllen, Jn unsrer Lust, Jhm dankbar seyn! Die Die Nachtigall. W elch ein hell- und reiner Schall, Der aus jenem Busche dringet! Ach! es ist die Nachtigall, Die ihr erstes Liedchen singet. Gott sey Dank, daß wir die Zeit Wiederum erlebet haben, An der Voͤgel Lieblichkeit Unsern Geist, durchs Ohr, zu laben! Moͤchte sie, wann wir sie hoͤren, Bey der Lust, uns auch belehren! ARIA. Kleiner Saͤnger, sey willkommen! wunderreiche Creatur Deines wunderbaren Schoͤpfers, Dessen Weis- heit, Lieb’ und Macht, Jn dem Reiche der Natur, Dich fuͤr uns hervorgebracht! Die Blaͤtter scheinen sich zu mehren, Ja gleichsam recht hervor zu dringen, Um dein fast uͤberirdisch Singen, So wie wir andern, auch zu hoͤren. Du scheinst zu rufen, daß sie eilen; Sie hoͤren es, bemuͤhen sich Die Knoͤspchen aͤmsig zu zertheilen, Sie wachsen gleichsam sichtbarlich. Es Die Nachtigall. Es scheint, als ob sie sich verbreiten, Um deinem Nest, aus Dankbarkeit, Fuͤr deiner Lieder Lieblichkeit, Ein gruͤnes Schirm-Dach zu bereiten. Geliebte Menschen, laßt uns doch auf ihre suͤße Lieder achten, Und besser, als bisher geschehn, dieß laute Wunder-Werk betrachten. Ein Ton wird einzeln wiederholt, darauf verdoppelt, schnell vermehrt, Ja oͤfters fast vertausendfacht. Oft scheints, als ob sie uns belehrt; Oft, daß sie lacht, oft, daß sie klaget; Oft schliesset sie, mit kurzem Satz, im Steigen, recht als wenn sie fraget; Zum oͤftern sinkt, nach langem Kraͤuseln, und oͤfterm Schlagen, schnell ihr Schall, Jn einem, nach der Ton-Kunst Regeln gedehnten, recht gemeßnen Fall; Bald aber singt, mit neuem Feuer, sie wild, und doch nicht minder schoͤn. Kaum, daß der Menschen schlanke Zunge so manches Wort articulieret, Als sie ein klingend Woͤrter-Heer verschiedlich fuͤget und formieret. Jhr fehlet nichts, nur uns die Kunst, ihr klingend Spre- chen zu verstehn. Zuweilen deucht mich, daß ichs merke: Daß naͤmlich aller Melodey, Und ihres reinen Modulierens, Zweck, Lehr und Jnhalt dieser sey: ARIA. Die Nachtigall. ARIA. Jch singe, mit nie muͤder Kehle, Zu Gottes Ruhm, und dir zur Lust. Ach! waͤre deiner regen Seele Die Absicht der Natur bewußt! Wenn nur dein Geist, beym Hoͤren, denket: “Daß Gott die Kunst zu singen mir, “Die Gabe des Gehoͤres dir, “Dich zu belustigen, geschenket; “So sing, und hoͤrest du, und ich, “Zu Gottes Ruhm, gemeinschaftlich. Die Die Nachtigall. D ie Nachtigall hoͤrt man, zur lieblichen Fruͤh e lings-Zeit, Aus ihrer, zum Wunder, erschaffenen Kehlen , Die Waͤlder begeistern, die Schatten beseelen , Und, singend, die Wunder des Schoͤpfers erzehlen , Mit klingendem Eifer, mit feuriger Fertigkeit. Verstehen wir nun gleich, von ihrem Lob-Gesang, Den Jnhalt nicht, nicht den Zusammenhang; So fassen wir doch dieß, daß dieser Wunder-Klang, Wo nicht der Wunder-Bau der Ohren An uns formieret waͤr, fuͤr uns verlohren Und ganz vergebens wuͤrd’ erklingen. Ach denket dann, bey ihrem Singen, An Den, Der solche Eigenschaft Dem kleinen Vogel eingesenket, Und unserm Geist zugleich des Hoͤrens Kraft, Die Ohren, unserm Koͤrper, schenket; Damit wir uns, bey allen Fruͤhlings-Schaͤtzen, Nicht durchs Gesicht allein, auch durchs Gehoͤr, ergetzen. Behorchet dann noch einst, mit aufmerksamen Sinn, Der Waͤlder holde Saͤngerinn. Arioso. Sie fuͤllet die Luͤfte mit schmetterndem Schallen, Sie laͤsset, mit Floͤthen und Glucken gemischt, Worunter sie, lockend, bald gurgelt, bald zischt, Die reinen Gesaͤnge bald steigen, bald fallen. Jetzt Die Nachtigall. Jetzt aͤchzet, jetzt jauchzt sie, jetzt wirbelt sie strenge Der klingenden Toͤne nicht zaͤhlbare Menge. Es quillet und sprudelt auf einmal ein Chor, Aus ihrem harmonischen Schnabel, hervor. Man hoͤrt sie bald pfeifen, bald, Froͤschen gleich, quarren; Bald klingt sie, wie Glocken; bald mischt sich ein Schnarren, Jn einer sanft winselnden Floͤthe, mit ein; Bald scheint sie zu trauren, bald froͤhlich zu seyn. Unzaͤhlbar veraͤndert sie Stimmen und Klang. Es bleibet ihr Singen ein Wunder-Gesang. 8 Theil. B Ein Ein ander Gedicht von der Nachtigall. B ey der hellen Nachtigall schmetterndem und reinem Singen, Konnt’ ich juͤngst mich nicht enthalten, dieß noch zu Papier zu bringen. Ein hell- und hohles Floͤthen wendet Und endet oͤfters sich in ein Gezisch. Jhr Hals gebiert, vermengt, verschwendet, Ein sonst nicht mischbares Gemisch Von Toͤnen, die sie weiß zu fuͤgen, Daß, sonder Wohllaut, sie dennoch vergnuͤgen. Jetzt quarret sie, dem Frosch im nahen Bach, Jetzt schnarret sie, dem Grase-Koͤnig, nach; Jetzt stimmt, ihr feuriger Gesang, Mit dem durchdringend reinen Klang Metallner Glocken uͤberein. Da sie bald lockt, bald schlaͤgt, bald pfeift, Bald stehnt, bald jauchzt, bald klagt, bald keift; Scheint sie, verwegen, zu probieren Die Toͤne, die nur moͤglich seyn, Hervorzubringen, zu vermaͤhlen, Durch Werkzeug’ ihrer schlanken Kehlen, Und alle moͤgliche Manieren Mit einzumischen, auszufuͤhren, Um desto kraͤftiger der Menschen Ohr zu ruͤhren. ARIA. Die Nachtigall. ARIA. Fehlt’ uns unser horchend Ohr, Und viel tausend Nachtigallen Suͤngen, in vereintem Chor; Wuͤrd’ ihr Klang vergebens schallen. Aber, fehlt’ uns auch das Denken: Daß die Gottheit unsrer Brust, Durch dieß Thierchen, so viel Lust, Bloß aus Liebe, wollen schenken; Schien es, daß, von Absicht leer, Durch ein blindes Ungefehr, Alles dieses, was vorhanden, Koͤnnt’ und wuͤrde seyn entstanden. B 2 Betrach- Betrachtung Goͤttlicher Gegenwart, bey Bluhmen. G eruͤhrt durchs bluͤhende Gepraͤnge, Erstaunt ob aller Wunder Menge, Die jetzt aus Erd’ und Baͤumen quillt, Durch ihren bunten Schmuck erquicket, Durch Farben, Form und Glanz entzuͤcket, Von ihrem Balsam ganz erfuͤllt, Erhebt mein froͤhliches Gemuͤthe Die Allmacht, Weisheit, und die Guͤte, Des Wesens, welches ihre Pracht, Zu unsrer Lust, hervorgebracht. Es mischet sich in mein Ergetzen Ein suͤß- ein liebliches Entsetzen, Das durch mein ganzes Wesen dringt, Das mich zur Lieb’ und Ehrfurcht zwingt, Da ich, in ihnen, in der Naͤhe, So ihr- als meinen Schoͤpfer sehe. Von Andacht heiß, von Lust erstarrt, Verspuͤhr’ ich Sein’ Allgegenwart, Die nie so klar, als hier, zu spuͤhren. Nicht nur der ganzen Erden Zier; Ein jedes Bluͤhmchen, zeigt Jhn mir, Bemuͤht sich, mich zu Jhm zu fuͤhren. Ein’ iede, deucht mich, daß sie spricht: Erblickst du unsern Schoͤpfer nicht? Du kannst in mir, da ich so schoͤn, Sein’ Allmacht, Lieb’ und Weisheit sehn. Und Betracht. goͤttl. Gegenwart bey Bluhmen. Und dieß ist ja Sein wahres Wesen. Du kannst, wo du vernuͤnftig bist, Ganz deutlich, daß, und was, Er ist, Auf allen meinen Blaͤttern lesen. Die Stimm’ und diese schoͤne Schrift, Die meiner Seelen Jnnres trifft, Bringt mich zu einer Seelen-Stille. Jch fuͤhle, wie dieß stille Denken, Mich in Jhn Selber zu versenken, Mir Faͤhigkeit und Anlaß giebt. Jch fuͤhle, wie mein ganz Gemuͤthe, Jm holden Ausbruch Seiner Guͤte/ Jn Furcht und Lust, Jhn ehrt und liebt. Es waͤchst mein kindliches Vertrauen, Wenn die geruͤhrte Seele denkt: Der Bluhmen kleidet, naͤhrt und traͤnkt, Der sie formiert, der mir sie schenkt, Wird auch auf meinen Zustand schauen. Die nahe Gegenwart erregt Noch ferner, da ich Sein mich freue, Mein Herz Sein Daseyn uͤberlegt; Daß ich, was Jhm mißfaͤllig, scheue. Wer einen Kaiser in der Naͤhe, Und bey sich gegenwaͤrtig, saͤhe; Der wuͤrde ja, nach seinen Pflichten, Jhm nichts Mißfaͤlliges verrichten. Wenn ich dann Gottes Naͤh’ und Groͤsse, Bey Bluhmen, die Er schuff, ermesse; Wie sollt’ ich Seiner mich nicht freuen? Wie sollt’ ich nicht die Laster scheuen? B 3 Auf Betracht. goͤttl. Gegenwart bey Bluhmen. Auf die Art kann der Bluhmen Heer Nicht nur zu ihres Schoͤpfers Ehr; Es koͤnnen ihre Lieblichkeiten So gar uns zu der Tugend leiten. Auf die Art lernen wir verstehn, Wenn wir vernuͤnftig Bluhmen sehn, Wie Gott in Bluhmen Selber schoͤn. Auf die Art dienet jede Bluhme, Bey klugen Menschen, Gott zum Ruhme. Die Die schoͤne Nacht. E s uͤbersilberte bereits, mit reinem Lichte, Der helle Mond die dunkle Welt; Wodurch dem menschlichen Gesichte Ein neuer Schauplatz vorgestellt, Um, wie so wunderwuͤrdig schoͤn, Auch bey der Nacht, der Welt-Kreis anzusehn. Nun zeigt zwar uͤberall, in einer hellen Nacht, Der Mondschein Anmuth, Glanz und Pracht; Allein so ausserordentlich Verschoͤnerte sie sich Noch niemals, wenigstens fuͤr mich, Als ich sie jetzt auf meinem Garten finde, So daß ich mich, fast ausser mir, und ganz Erstaunt, den gar zu schoͤnen Glanz Kaum, zu beschreiben, unterwinde. Des Gartens Lage mehrete, Durch die verschiedne Tief’ und Hoͤh, Die Schoͤnheit, die man sonst zertheilt nur | findet; Jndem, bey den verschiednen Stiegen, Sich ein verschiedenes Vergnuͤgen Bald einzeln zeigt, bald sich mit andern bindet. Wenn man im untern Gange steht, Und in der gruͤnenden Allee spazieren geht, Wird unser Blick vergnuͤgt empor gefuͤhrt, Und ihm, da er bequem auf Stiegen aufwaͤrts steiget, Wie so verschiedentlich sich alles ziert, Auch Staffel-weise stets gezeiget; Da sieben Absaͤtz’, ihm, die wir zugleich erblicken, Zur Lust, sich mit so viel besondrer Schoͤnheit schmuͤcken. B 4 Ein Die schoͤne Nacht. Ein schoͤn- und zierliches Gebaͤude, Das oben, wo der Berg am staͤrksten sich erhoͤht, Nebst zween geraden Fluͤgeln, steht, Jst unsrer Augen Ziel. Vor diesen stehn sechs Bogen Von Linden, nach der Kunst gezogen, Auf welchem sechs erhabne Staͤmme sich, Jn richtig zugespitzten Zweigen, Recht zierlich, kuͤnst- und meisterlich, Als wie Laurieren-Kronen, zeigen. Dieß alles traf, in dieser schoͤnen Nacht, Des Mondes heller Strahl. Es stund das Haus in einer weissen Pracht: Der Baͤume Dunkelheit Erhob des Lichtes Herrlichkeit; Ja machten solche scharfe Schatten, Daß wir, am weißlichten Gebaͤude, Statt sechs, zu noch vermehrter Freude, Zwoͤlf Baͤume zu bemerken hatten. Durch diese funkelten, recht wie ein heller Tag, So hell, daß es nicht zu beschreiben, Die angestrahlten Fenster-Scheiben, Vom hellen Mond, im Wiederschlag. Hiedurch war das Gebaͤude ganz Jlluminirt; es fiel und schien, Erhoͤhet durch der Baͤume Dunkel-Gruͤn, Jn netter Simmetrie, ein solcher Glanz, Ein solches Funkeln, solch ein Licht, Jn unser fast darob erstaunetes Gesicht, Daß wir, erstarret, stille stunden, Und uns recht innerlich dadurch geruͤhret funden. Jch Die schoͤne Nacht. Jch trat nachher, im Dunklen, in den Saal, Und fand denselben angefuͤllet Vom sanften Licht, vom Silber-weissen Strahl, Der aus des Mondes Scheibe quillet, Nebst einigen formirten netten Schatten Von Blaͤttern, die, von angestrahlten Zweigen, Sich uͤberall gebildet hatten, Und sich hier an der Wand, dort auf dem Boden, zeigen. Welch angenehmes Schatten-Spiel, Als ich drauf achtete, mir inniglich gefiel. Die Lust ward noch vermehrt, Als ich mich, linker Hand, Nach den durchstrahlten Fenstern, kehrt’, Und alle Scheiben bunt, von Licht und Schatten, fand. Das angestrahlte Glas war nicht, wie sonst, so glatt, Schien minder klar, und etwas matt; Doch schien es weisser noch, als sonst: wodurch die Schatten Der Blaͤtter, welche sich darauf gebildet hatten, Um so viel deutlicher und zierlicher sich zeigten. Wie sich, vom linden West, die wahren Blaͤtter beugten; So beugten, regten sich, und schwebten Die Schatten-Blaͤtter, fast als wenn sie lebten. Jch stund dann auch, durch dieses Glanzes Fuͤlle Nicht weniger geruͤhret, stille, Und ward, durch diese lichte Pracht, Bey dieser wunderschoͤnen Nacht, Zu folgenden Betrachtungen gebracht. B 5 Mein Die schoͤne Nacht. Mein Schoͤpfer! ist die Welt, bey Tage, wu rd derschoͤn; So laͤßt Du uns, in einer neuen Pracht, Wie sie, so gar bey dunkler Nacht, Nicht minder wunderschoͤn, zu Deinen Ehren zu sehn. Auf- Aufmunterung bey hellem Wetter. E in bunter, doch meist gruͤner Glanz, Bedecket unsern Erd-Kreis ganz, Der fast in Licht und Waͤrme schwimmet. Fast jeder Vorwurf, den man sieht, Vergnuͤgt das Auge, schimmert, gluͤht; Luft, Wasser, Feld und Garten glimmet. Was sonst schon herrlich gnug gemahlt, Wird, da es durch- und angestrahlt Vom Sonnen-Licht, an Pracht vermehrt, Verschoͤnert, uͤbersilbert, helle, Ja guͤlden oft auf mancher Stelle, Durchlaͤuchtig, in der That verklaͤrt. Wenn Felder fast Smaragden scheinen; So gleichet, andern Edelsteinen, Das glaͤnzend- bunte Bluhmen-Heer. Da Gott uns nun auf eine Welt, Die so viel herrliches enthaͤlt, Zu unsrer Lust, und Seiner Ehr’, Aus lauter Liebe, hingestellt; So sollte jeder Mensch, zumal Wer im entwoͤlkten Sonnen-Strahl Spazieren gehet, und besiehet, Wie Wald und Feld und Garten gluͤhet, Wie, was er sieht, so wunderschoͤn, Mit Lust, zu Gottes Ehren, sehn. Vernuͤnf- Vernuͤnftiges Gebet. A ch! staͤrke mein vergnuͤgt Gesicht, Daß der Gewohnheit Nebel nicht Dein herrlich Werk vor mir verstecke; Gieb, daß ich Dich, in jeder Stelle, Als aller Schoͤnheit Grund und Quelle, Mit immer neuem Blick, entdecke. Gieb, daß ich Geist und Sinn verbinde, Wenn ich, in Farben und Figur, (Die Liberey der Creatur) Die Proben weiser Liebe finde. Gieb, daß ich, mit geruͤhrter Brust, Bey immer neu empfundner Lust, Von jedem Deiner Werke denke: Es sey ein goͤttliches Geschenke. Laß, wenn die schoͤne Welt mich ruͤhret, Mich von der Wahrheit uͤberfuͤhret Und voͤllig uͤberzeuget seyn: Es stamme, was die schoͤne Welt Bewundernswuͤrdigs in sich haͤlt, Von Gott, vom Schoͤpfer bloß allein. Bey einem jeglichen Genuß Von Anmuth, sey ein froͤhlichs Denken: Dieß wollt’ uns unser Schoͤpfer schenken! Der Anfang; ein Gott Lob! der Schluß. Betruͤb- Betruͤbtes Verfahren der Menschen. F uͤr alle Seine Wunder-Gaben, Die Er erschuff, um uns zu laben, Fuͤr aller Bluhmen Pracht und Zier, Verlangt der große Schoͤpfer hier Nichts, als nur unsre Lust, zu haben. Da nun ein solcher Dienst bequem, Nicht schwehr, nein leicht und angenehm; Jst es dann nicht bedaurenswerth, Daß man dieselbigen verachtet, Sie nicht genießt, sie nicht betrachtet, Sich nicht vergnuͤget, Gott nicht ehrt? Die Die mit großem Nutzen verbundene Schoͤnheit des Grases. W as fuͤhlet ein geruͤhrt Gesicht Fuͤr Anmuth in dem Grase nicht? Da kaum Figuren, Farb’ und Glanz, An einem schoͤnen Bluhmen-Kranz, Voll tausendfacher Zierlichkeiten, Uns so verschiedne Lust bereiten. Der saͤurlich- angenehme Duft, Der aus dem frischen Grase quillet, Und uͤberall die niedre Luft, Mit allgemeiner Anmuth, fuͤllet, Wird hier und dort, und uͤberall, Durch einen angewuͤrzten Schwall, Der inniglich den Geist erfrischet, Aus tausend Kraͤutern, untermischet. Wann wir, von schwarzen Sorgen frey, bequem, bey ruhigem Vergnuͤgen, Hier auf dem Teppich der Natur, im Blumen-reichen Grase, liegen; So laßt uns, mit vernuͤnftgem Blick, auf unser schoͤnes Lager achten, Und die bewundernswerthen Theile, aus welchen es besteht, betrachten. Die Nutzen und Schoͤnheit des Grases. Die Faͤden dieser schoͤnen Decke, von Fingern der Natur gewebt, Sind Meisterstuͤcke schon fuͤr sich: Ein jeder Draht scheint hier belebt; Ein jeder Faden ist ein Kunststuͤck, das alle Kunst weit uͤbersteiget, Und in sich Farben, Licht und Schatten, Glanz, Zeich- nung und Figuren zeiget. Was Wunder dann, daß ein Geweb’, aus solchen schoͤnen Faͤden, schoͤn, Und, sonder inniges Vergnuͤgen, und ohne Lust, nicht anzufehn? Jch lenke dann den frohen Blick, und des Gesichts geschaͤrften Sinn, Auf dieß bewundernswerthe Werk der unsichtbaren Wirkerinn, Und finde, wie mein reges Auge, durch so viel Lieblichkeit verwirret, Von einer Schoͤnheit zu der andern, in immer neuen Wegen, irret, Ganz ungewiß, was ich zuerst, da jedes Kraut von Wundern voll, Vor andern, die nicht minder schoͤn, zuerst besehn und waͤhlen soll. Von jungem, hell durchstrahltem Grase, erblick ich gruͤne Linien; (Die sich sehr zier- und lieblich spitzen) nicht minder gruͤne Zirkelchen Von Klee- und tausend andern Blaͤttern, bald sie be- deckend, bald bedeckt, Jndem bald vor, bald hinter ihnen, bald durch sie, sich ein Spitzchen streckt, Und sie bald zeigt, bald sie versteckt. Jn Nutzen und Schoͤnheit des Grases. Jn den so suͤß verwirrten Tiefen, wohin der Sonne n Strahl nie drung, Herrscht unten eine gruͤne Nacht; dann eine gruͤ ne Daͤmmerung, Die unser Auge kuͤhlt und staͤrkt, ergetzt, erquicket u nd erfrischet, Wenn, etwas hoͤher, mit der Daͤmmrung ein zart gemi l- dert Licht sich mischet, Und oben, auf den netten Spitzen, Jn einem Schimmer-reichen Glanz, viel kleine gruͤ ne Lichter blitzen, Wodurch, in so verschiednem Gruͤnen, da eins das ande re erhoͤht, Ein lieblich angenehm Gemisch, das unsre Blicke lab et entsteht. Wie schmeichelt es nicht dem Gefuͤhl, Da Gras und Kraut so lieblich kuͤhl, Wenn es im Sommer heiß und schwuͤhl, Und man ins frische Gras sich setzet; Da es, selbst dem erhitzten Blut, Von aussen wohl und sanfte thut, Zugleich auch innerlich ergetzet, Da, aus der Kuͤhlung, eine Lust, Die unser Herz vergnuͤgt, entspringet, Und sich von aussen in die Brust, Durch so viel kleine Nerven, dringet. Es seh’ ein menschlich Auge dann, Mit Fleiß, mit Lust und Andacht, an, Was fuͤr ein Schatz, von Nutz und Lust, Der sich aufs Vieh, und uns, erstrecket, Und, manchem, leider! unbewußt, Nur bloß allein im Grase stecket. Ei n Nutzen und Schoͤnheit des Grases. Ein einziges Geschoͤpfe kann Nicht nur allein fast alles Vieh, Und uns, durch sie, Erhalten, speisen und ernaͤhren; Es kann zugleich auch unserm Geist, Wie es ja die Erfahrung weist, Durch viele Sinnen, Lust gewaͤhren, Und uns dadurch zugleich erklaͤren, Wie wunderbar die weise Macht Deß, Der den großen Bau der Welt, So wie Er ihn hervorgebracht, So wunderbar ihn auch erhaͤlt: Ja daß Er, mit dem Pflanzen-Reich, Nicht nur das Thier-Reich hat verbunden; Daß Er, mit einem Stoff zugleich, So manchen Endzweck zu erhalten, So leichte Mittel ausgefunden. Ach lasset Jhn dann ferner walten! Und wenn ihr auch wo Mangel leidet, So denkt: “Der Gras und Bluhmen kleidet, “Zum Nutz dem Vieh, zum Schmuck der Erde, “Das euch zugleich ergetzt und naͤhrt, “Auf diesem schoͤnen Welt-Gebaͤude, “Sey einer festen Zuversicht, “Und kindlichen Vertrauens Pflicht, “Daß Er auch euch versorgen werde, “(Wodurch ihr Jhn am meisten ehrt) “Sey eurer Lust, sey eurer Freude, “Bewunderung, und Dankens, werth. 8 Theil. C Der Der Thau. J ndem ich hier, vom reinen Thau, Den bunten Glanz und Schimmer schau, Faͤllt mir, bey seiner Schoͤnheit, ein: Daß fast durch nichts, auf dieser Welt, Die Herrlichkeit vom Sonnenschein Uns herrlicher wird vorgestellt, Als durch den klaren Thau allein. Nicht nur ein kleines Sonnen-Bild Hat jedes Troͤpfchen angefuͤllt; Die sieben Farben ihrer Strahlen Sieht man darinn sich deutlich mahlen: Man siehet Purpur, gelb und blau, Auch roth, und weiß, und gruͤn, im Thau; So, wie bekannt, vom Sonnenschein, Und ihrem Strahl, die Farben seyn. Man wird dahero fuͤglich koͤnnen Die Troͤpfchen, Sonnen-Spiegel nennen, Die Kraut und Gras und Land befeuchten, Doch auch zugleich die Welt erleuchten, Daß sie, was in der Sonne schoͤn, Auch kann auf unsrer Erde sehn. Schoͤpfer Himmels und der Erden! Sollte dann, durch alle Zier Deiner Wunder, nicht in mir Eine Zuversicht zu dir Billig auch gewirket werden? Lehren Lehren der Creaturen, absonderlich der Bluhmen. W as giebt uns nicht das Buch der Welt von unsers Schoͤpfers Wunder-Wesen Fuͤr uͤberzeuglich-klare Lehren, wie manchen schoͤnen Text, zu lesen? Die Welt scheint eine große Schule, wo alle Creaturen Lehrer, Auch ohne Witz und Klugheit, sind. Die Lehre laͤßt sich fuͤhlen, sehn, Zumal in den so schoͤnen Bluhmen. Ein jeglicher ver- nuͤnftger Hoͤrer Kann, durch Betrachtung, ihren Jnhalt und eigentlichen Sinn verstehn. Sie rufen all’, in sanftem Ton: Es ist ein Gott! Die Ordnung, Pracht, Licht, Farb’, und Absicht, die wir haben, sind nicht durch uns, in uns, gemacht: Wir sind zu dumm, uns selbst zu bilden. So muß dann Anmuth, Pracht und Schein, Die ihr in unserm Wesen findet, von einem andern Wesen seyn, Das weiser ist, als wir und ihr. Dieß sagen sie Jahr aus, Jahr ein. Doch ihre Sprache fassen nur die Geister, welche, durch Betrachten, Nicht nur die schoͤne Schrift allein, den Jnhalt auch darinn, beachten. C 2 Der Lehren der Creaturen, sonderl. der Bluhmen. Der ist nicht nur: Es ist ein Gott. Er ist zugleich, (da wir so praͤchtig, Und zwar fuͤr euch so schoͤn, formieret) Er ist auch liebreich, weis’, und maͤchtig. Sie sagen ferner: Da uns Gott, fuͤr euch, so schoͤn, so herrlich, bildet, Fuͤr euer Aug’ uns faͤrbt, versilbert, zu eurer Lust uns uͤberguͤldet, Fuͤr uns, zu eurem Besten, sorgt; wie sollt’ Er dann fuͤr euch nicht sorgen, Da ihr ja so viel mehr, als wir? Drum setzet eure Zuversicht Auf Seine weise Macht und Liebe, und sorgt nicht fuͤr den kuͤnftgen Morgen. Dieß sind die Worte, lieber Mensch, die jede Bluhme zu dir spricht. Der Der durch den Regen verschoͤnerte Wald. M ich lockte juͤngst ein heitres Wetter, Zum holden Schirm-Dach gruͤner Blaͤtter, Jn einen dicken Wald, zu gehn. Jch sah daselbst, wie wunderschoͤn, Jn denen dicht belaubten Buͤschen, Sich Licht und dunkle Schatten mischen, Und tausend Mischungen entstehn. Darauf bezog sich schnell die Luft Mit einem schwarzen Wolken-Duft. Die vielen Lichterchen verschwunden; Die vielen Schatten, ihre Kinder, Verlohren sich zugleich nicht minder, Mit dem verschwundnen Sonnenschein. Ein dunkel Gruͤn, das allgemein, Ward in dem ganzen Wald allein, Und keine Farbe sonst, gefunden. Jndeß erhub sich uͤberall Ein lispelnder und sanfter Schall. Auf hohen Wipfeln und in Buͤschen Verspuͤhrte man ein lautes Zischen. Es rauschte, durch des Regens Fall, Die Luft, das Laub, daß dem, ders hoͤrte, Es seine Lust annoch vermehrte. Hiedurch nun wurden Laub und Gras, Die Wipfel und der Boden, naß. C 3 Gleich Der durch den Regen Gleich aber fing der kurze Regen, Eh mans gedacht, an, sich zu legen; Es brach der hellen Sonne Schein, Von neuem, uͤberall herein. Da haͤtte man ein Blitzen, Glimmern, Ein Funkeln, Spielen, Glaͤnzen, Schimmern, Jm ganzen Walde, sollen sehn Jn einem Augenblick entstehn! Ein jedes Kraut, ein jedes Blatt, Das, von dem Regen, naß und glatt, Bedeckt ein heller Silber-Schein. Ja, wie ein glattes Spiegel-Glas, Sah man die Stellen, welche naß, Viel Blaͤtter-Bilderchen formieren, Von andern Blaͤttern, die man nah, Und sich in ihnen bilden, sah. Wohin man seine Blicke schickte, Sah man, in dem begruͤnten Dunkeln, Fast nichts, als Diamanten, funkeln, Und an verschiedner Blaͤtter Spitzen, Dem Schein nach, helle Lichter blitzen; Zumal, wo große Tropfen hingen, Worinn der Sonne bunte Strahlen, Die sie mit vielen Farben mahlen, Sich dringen, und zuruͤcke springen. Jch stutzt’, und liesse diese Pracht, Die uͤber Wunder Wunder schoͤn, Mir, durch das Aug’, ans Herze gehn. E s verschoͤnerte Wald. Es dankte mein geruͤhrt Gemuͤthe, Voll Lust, dem Gott, durch Dessen Guͤte So manche Pracht auf dieser Welt, Durchs Aug’, in unsre Seele faͤllt; Zumal fuͤr das Geschenk der Augen, Wodurch wir, was auf Erden schoͤn, Mit innerlicher Lust zu sehn, Uns gleichsam zuzueignen taugen. C 4 Zum Zum Fruͤhlinge. D a uns, mit solcher Wunder-Pracht, Der Lenz jetzt uͤberall anlacht, Und alles, was das Aug’ erblicket, Sich lieblich bildet, herrlich schmuͤcket; Da sich die Welt, wohin man sieht, Mit neuer Schoͤnheit uͤberzieht; Da alles gruͤnet, alles bluͤht: So laß, o Mensch! doch dein Gemuͤth, Durch aller deiner Sinne Thuͤren, Des Schoͤpfers schoͤne Werke ruͤhren, Und dich zu Dem, durch Dessen Macht Sie, bloß fuͤr dich, hervorgebracht, Durch froͤhliches Empfinden, fuͤhren. Es stammet aller Glanz und Schein, Fuͤr dich, nur bloß aus Gott allein. Er will, du sollst an Seinen Schaͤtzen, Zu Seinen Ehren, dich ergetzen. “Die Anmuth deiner frohen Brust, “Ob Seinem Werk, ist Jhm bewußt, “Und deine Lust ist Seine Lust. Kommt, laßt uns Seine Lieb’ und Macht, Jn Bluͤht- und Bluhmen, dann besingen; Laßt uns, entzuͤckt durch ihre Pracht, Jhm unsre Bluhmen-Lust zum Opfer bringen. Jhr Zum Fruͤhlinge. Jhr schimmernden Bluhmen in zierlichen Betten, Wo ihr, wie bunte Flammen, gluͤht; Jn glaͤnzenden Luͤften erhabne Buquetten, Die ihr auf schwanken Zweigen bluͤht, Wie herrlich ist euer ergetzliches Glaͤnzen, Jhr lieblichen Kinder des froͤhlichen Lenzen! Betracht’ ich, wie schoͤn ihr, wie lieblich, wie praͤchtig; Gedenk’ ich, inniglich geruͤhrt, Wie herrlich, wie liebreich, wie weise, wie maͤchtig, Der Schoͤpfer, der euch, fuͤr uns, formiert! C 5 Fruͤh- Fruͤhlings-Betrachtungen. A uf ausgespannten Pfirsich-Baͤumen sieht man e s roͤthlichs Feuer gluͤhn; Auf hohen Aepfel-Baͤumen, bluͤhn, Aus rothen Knospen, weisse Rosen; und auf den Ki r- schen-Baͤumen scheint Zugleich ein schimmernd Weiß, ein glaͤnzend Gruͤn, Als waͤren sie dazu vereint, Sich, in die Wette, zu bestreben, Aus den Behaͤltern sich zu heben, Um ein gedoppeltes Vergnuͤgen, dem menschlichen G e- sicht, zu geben. Seht, wie die Tulpen, Kaiserkronen, Ranunkeln, Primuln, Anemonen, Aurikeln, Hyacinthen, Crokos, Narcissen, Jrides, Tercette n Jonkilchen, guͤldene Violen, auf gruͤn bebuͤschten Ga r- ten-Betten, Aus schwarzer Erde, triftig dringen! Seht, wie sie, auf den schwanken Stielen, Wenn laue Westen-Winde kuͤhlen, Sanft wankend, glaͤnzen, schimmern, spielen! Es scheint ihr hin und wieder schweben Uns groͤßre Lust, als wenn sie still, zu geben. Es laͤßt, als ob sie sich bemuͤhn, Jm Wanken, unsern Blick noch mehr auf sich zu zieht Und uns dadurch, von allen Seiten, Der Form und Farben Lieblichkeiten, Zusamt dem Glanz, der ihnen eigen, Noch desto deutlicher zu zeigen; Auch desto kraͤftiger, da sie sich ruͤhren, Durch ihren Ruch, die Luft zu balsamiren. Ma n Fruͤhlings-Betrachtungen. Man wird zugleich, mit neuer Lust, gewahr, Von Schatten-Bluhmen, eine Schaar, Die, rings umher, in den dadurch geschmuͤckten Steigen, Jn netten Zeichnungen, sich zeigen, Als wenn sie recht getuschet waͤren: Wodurch sie dann, da sie auch Bluhmen gleich, Derselben Meng’, und, durch die Dunkelheit, Der wahren Bluhmen licht- und helle Herrlichkeit Annoch erheben, und vermehren. Bemerkt anbey, daß ihrer Schoͤnheit Pracht Nur bloß fuͤr uns gemacht; Da ihrer Wurzeln Bau, als welchen wir nicht sehn, An Farben und an Form, nicht schoͤn. Suchet dann doch, eure Pflichten, Jm Betrachten, zu verrichten! Wenn wir sie, mit Lust, betrachten, Wird man, Den ja hoch zu achten, Jhn zu ehren, Jhn zu lieben, Schon von selbsten, angetrieben; Welcher dazu das Gesicht, Welcher uns das Sonnen-Licht, Und die schoͤnen Koͤrper, schenket. Jst denn solch ein Gott nicht werth, Daß man Jhn, bewundernd, ehrt, Und, mit Freuden, Sein gedenket? Schoͤn- Schoͤnheit der Baͤume im Fruͤhlinge. U nzaͤhlich ist die Lieblichkeit Auf Baͤumen, in der Fruͤhlings-Zeit, Durch junger Blaͤtter junges Gruͤn, Die aller Augen auf sich ziehn. Da sich das Laub noch nicht geschlossen, Sieht man auf einmal alle Sprossen Des ganzen Baums, von allen Seiten; Wobey des Himmels blaues Licht, Da er annoch durchsichtig, bricht. Das Glaͤnzen vom Sapphir, und von Smaragde n scheinet Hiedurch in jedem Baum vereinet, Und wirket eine reine Lust Jn ein vernuͤnftig Aug’, und eine fromme Brust. Augen - Augen-Lust an Knospen im Fruͤhlinge. K ommt, laßt uns, an den reichen Schaͤtzen, Die sich dem Blick, auf allen Zweigen, Jn aufgequollnen Knospen, zeigen, Die der Gebuhrt jetzt nah, uns jetzt ergetzen! Erwaͤget, wie sie jetzt, im lauen Lenzen, Jn solcher Meng’, auf allen Wipfeln, glaͤnzen. Es scheinet jetzo recht, ob schwebe Um Baͤumen, in der niedern Luft, Von Knospen, ein durchsichtiges Gewebe; Ein braun- mit grau und gruͤn gemischter Duft, Der, sichtlich fast, sich mehret, sich verdicket, Und, durch ein stets sich mehrend Gruͤn, sich schmuͤcket. Willt du, in diesen schoͤnen Werken, Jn ihrer Ordnung, Schmuck und Pracht, Nicht Dessen Weisheit, Lieb’ und Macht, Der sie, fuͤr dich, hervorgebracht, Und Gottes Finger, nicht bemerken; So nuͤtzest, und so brauchst du sie Nicht, als ein Mensch; kaum, als das Vieh. Der Linden Knospen, die, vor allen, Da man, auf ihrer glatten Haut, Ein kraͤftig Roth, das lieblich glaͤnzet, schaut, Am meisten uns gefallen, Eroͤffnen allgemach die rothen Spitzen, Und lassen ein lebendig Gruͤn, in noch gefaltnen Blaͤt- tern, blitzen. Die Augen-Lust an Knospen Die Ypern, die auf ihren Zweigen Uns Millionen Knospen zeigen, Sehn, durch die Menge, rauch und kraus, Umnebelt und bewoͤlket, aus; Sie mehren, in so holder Augen-Weide, Des Fruͤhlings allgemeine Freude. Der Erlen Knospe laͤßt, auf andre Weise, schoͤn, Schon einen fetten Glanz, auf braunen Blaͤttern, sehn Wenn, aus verschiednen Baͤumen, Knospen, in gruͤ - nen runden Augen, dringen, So sieht man andere, gespitzt, aus einem harten Holz entspringen, Sich bald, in mancherley Gestalten, Entwickeln und entfalten, Und in der Ruͤnd’, auf allen Seiten Vom Mittelpuncte, sich verbreiten, Allmaͤhlich uͤberall sich strecken, Allmaͤhlich Zweig und Stamm verdecken. ARIA . Jhr Muͤtter der Blaͤtter, so Muͤtter der Schatten Jhr koͤnnet die Wohnung nicht ferner verstatten Den lieblichen Kindern, durch die ihr, gedrengt, Euch jetzo, zu unserm Vergnuͤgen, zersprengt. Vernuͤnftige Blicke bewundern den Segen, Der in euch, so lange, verborgen gelegen. Allein im Fruͤhlinge. Allein, werft die erstaunten Blicke Auf jene Baͤume dort zuruͤcke! Die Knospen liefern uns nicht Blaͤtterchen allein; Sie stoßen, in gefaͤrbtem Schein, Und wunderschoͤn formiertem Flor, Ein ganzes Bluhmen-Heer hervor. Seht Birn-Baͤum’, Aprikosen, Kirschen, Jn weissen Rosen schimmernd, bluͤhn! Seht dorten Mandel-Baͤum’ und Pfirschen, Jn rothen Rosen, lieblich gluͤhn, Und dort, auf Aepfel-Baͤum- und Buͤschen, Sich beyder Farben zaͤrtlich mischen; Ja, wie dort, auf den schwanken Feigen, Die Fruͤchte selbst schon, statt der Knospen, steigen. Erwaͤget doch, in dieser Fruͤhlings-Zeit, Derselben Drang, der Farben Lieblichkeit, Der Form- und Arten Unterscheid! Will man denn, zu des Schoͤpfers Ehren, Der Knospen liebliches Gebaͤhren, Mit Andacht, und mit Lust, nicht sehn, Jhn, durch Bewundrung, nicht erhoͤhn; Und, da derselben schoͤne Fruͤchte, So wie die Bluͤhte, dem Gesichte Ergetzlich, sich nicht dran ergetzen, Nicht darinn Gottes Macht und weise Liebe schaͤtzen? Mancher- Mancherley Vergnuͤgen im Fruͤhlinge. B emerke doch, mein Geist, die Herrlichkeit, Womit die holde Fruͤhlings-Zeit Die Welt, mit so viel Wundern, zieret, Die man jetzt uͤberall verspuͤhret. Hier singt, dort stimmt, ein Voͤglein wieder Die lange nicht gesungnen Lieder. Doch horchet, welch ein heller Schall! Fuͤrwahr, es ist bereits die Nachtigall. Gott Lob, daß Er uns wollen goͤnnen, Daß wir sie wieder hoͤren koͤnnen. Ewger Urstand aller Dinge, Aller Lust und Herrlichkeit! Gieb, daß in den schoͤnen Werken, Sonderlich zur Fruͤhlings-Zeit, Jch Dich froͤhlich mag bemerken, Und Dir oft ein Lob-Lied singe! Laß mich, Herr, zu Deinen Ehren, Oft der Voͤgel Lob-Lied hoͤren! Die, in ungezaͤhlten Choͤren, Deine Macht und Weisheit lehren, Und Dein Lieben uns erklaͤren. Mancher- Mancherley Vergnuͤgen im Fruͤhlinge. Man sieht, aus kaum zu sehnden Ritzen, Des Grases kleine starre Spitzen, Um Feld und Wiesen zu bedecken, Jn unbegreiflicher Geschwindigkeit, sich strecken. Man sieht zu anfangs, hier und dar, Fast sichtlich, an verschiednen Stellen, Aus duͤrrer Erden, eine Schaar Von kleinen gruͤnen Huͤgeln, quellen; Die aber, eh wir es vermeynen, Sich gleichsam naͤhern, sich vereinen. Der trockne Zwischenstand verkleinert sich Gemach, und gleichsam sichtbarlich; Ein angenehmer gruͤner Schein Wird, unvermuthet, allgemein. Fuͤr wen bebluͤhmen sich die Felder? Fuͤr wen belauben sich die Waͤlder? Fuͤr wen? Fuͤr dich, o Mensch! allein. Willt du denn nicht den holden Willen Des Schoͤpfers der Natur erfuͤllen, Dich Seiner Gaben nicht erfreun? Jn deiner Lust nicht dankbar seyn? Die Erde, die damit noch nicht vergnuͤget schien, Jn einen gruͤnen Sammt sich einzuhuͤllen, Mit Klee und Gras und Kraut, fuͤr uns, sich zu beziehn, Faͤngt an so gar, sich zu bemuͤhn, Durch ein nicht minder schoͤnes Gruͤn, Den ganzen Luft-Kreis zu erfuͤllen, Sich hoͤher, als sie selbst, noch zu erstrecken, Und Baͤum’ und Buͤsch mit Blaͤttern zu bedecken. 8 Theil. D Noch Mancherley Vergnuͤgen im Fruͤhlinge. Noch mehr! Sie will auch dort, mit ihren schoͤnste n Schaͤtzen, Mit Bluhmen, uns ergetzen. Sie laͤßt, zu diesem Zweck, der Baͤume Wipfel bluͤhn Man sieht sie, aͤmsig sich bestreben, Jhr Prangen uͤber sich noch zu erheben, Und, um die Luft nicht minder auszuzieren, Auch Gaͤrten zu formieren, Die in der That in Luͤften schweben. Seh ich der Erde Fruͤhlings-Zier, Komm ich, vor Lust, fast ausser mir; Zumal, da diese Lust mich leitet Zu Dem, Der solche Wunder-Pracht, Durch Seine Goͤttlich weise Macht, Aus Liebe, bloß fuͤr uns, bereitet. De r Der bluͤhende Dornstrauch. E s ist, zur holden Fruͤhlings-Zeit, Die Welt so voller Lieblichkeit, Daß man, nicht ohn’ Ergetzen, siehet, Wie auch so gar der Dornstrauch bluͤhet, Und zwar so angenehm, so schoͤn, Daß wir das schimmernde Gepraͤnge, Der Bluhmen, Farben, Form und Menge, Nicht sonder Lust und Anmuth, sehn. Wie? dacht ich, soll der Fluch der Erden, Mit welchem sie beleget war Zu unsrer Strafe, denn so gar Ein Vorwurf unsrer Anmuth werden? Da ja so Dorn als Disteln bluͤhn, Und sich, zu unsrer Augen-Weide, Mit einem Schimmer-reichen Kleide, Und bunten Farben, uͤberziehn. Doch sey die Antwort ausgesetzt; Weil das, was ich, hier in der Naͤhe, Am Dornstrauch Schoͤn- und Lieblichs sehe, Mir Aug’ und Herz so sehr ergetzt, Daß ich es, mit geruͤhrter Seele, Zum Vorwurf meiner Lieder waͤhle. Wer, mit betrachtendem Gemuͤth, Den Bau des Dornstrauchs uͤbersieht Den Zweig, den Dorn, das Laub, die Bluͤht; Auch, wie so ordentlich sie stehn, Wie sehr sie gleich verworren scheinen: Der findet alle Theile schoͤn, Und zierlicher, als wie wir meynen. D 2 Die Der bluͤhende Dornstrauch. Die Zweige, die, in jungen Sprossen, Vor kurzem erst, hervor geschossen, Sind oben roth, und unten gruͤn. Aus diesen sieht man sich bemuͤhn, Ein zierlich eingeschnittnes Blatt, Das dunkelgruͤn und glaͤnzend glatt, An einem Ort hervorzubrechen: Zugleich auch, einen Dorn sich stechen, Der dunkelroth, und noch nicht hart; Der aber, bald darauf, erstarrt. Allein, was recht verwunderlich! Ein kleines Blaͤttchen theilet sich, Und scheinet, recht in seiner Mitten, Als waͤr’ es kuͤnstlich aufgeschnitten. Es scheint, wenn man es recht besieht, Vom Dorn und grossem Blatt zerspalten, Daß jede Haͤlfte sich bemuͤht, Von beyden Seiten sie zu halten. Es ist dieß kleine Blaͤttchen werth, Daß sich Betracht- und Achtung mehrt. Kein Menschen-Witz vermag zu fassen, Warum es sich muß theilen lassen. Jch brach zween Haͤlften ab, und fuͤgte Sie beyde, vor mir, aufs Papier: Da ich, an ihrer Formen Zier, Mich recht in meinem Geist vergnuͤgte; Zumal erstaunt’ ich, als ich fund, An jeder Haͤlft’, ein halbes Rund, Das, wie ich sie zusammenbrachte, Vollkommen einen Zirkel machte. Ei n Der bluͤhende Dornstrauch. Ein jedes Spitzchen, das es ziert, Jst so subtil, so zart formiert, Daß sie kein Kuͤnstler, mit der Scheere, So nett zu bilden, faͤhig waͤre. Nun lasset uns das große Blatt Am Dornstrauch ebenfals besehn. Es ist so lieblich gruͤn, so glatt, So glaͤnzend, zierlich, und so schoͤn; Es scheint an Glanz, an Farb’ und Zier, Dem lieblich glaͤnzenden Laurier, An Schoͤnheit, fast noch vorzugehn. Zuletzt betrachtet’ ich die Bluͤht, Die jetzt den ganzen Busch bedecket; Die auch ein sonsten traͤg Gemuͤth, Als wie ein Licht, vom Schlaf erwecket, Und, mit Gewalt fast, auf sich zieht. Das Weisse scheinet, auf dem Dunklen, Noch desto kraͤftiger zu funklen. Ein Silber glaͤnzet kaum so rein, Als dieser Bluͤhten weisser Schein. Man sah von ihnen eine Schaar, Die noch nicht ganz geoͤffnet war, An Ruͤnd’ und Glanz, den Perlen gleichen; Jndem die offnen, dort und hier, An weissem Schimmer, Form und Zier, Kaum netten weissen Rosen weichen. Fuͤnf Blaͤtter sind daran zu sehn, Die in so netter Ordnung stehn, Daß, da sie untenwaͤrts sich spitzen, Man durch derselben offne Ritzen Ein fuͤnfeckt Sternchen glaubt zu sehn. D 3 Da Der bluͤhende Dornstrauch. Da sich, in ihrer Mitte, nun Meist funfzehn Faͤserchen erhoͤhn, Auf welchen kleine Kugeln ruhn, Die purpurfarbig sind, und sich, Das Auge mehr noch zu erfrischen, Mit ihrem weissen Grunde mischen; So freu ich recht und labe mich, An dieser Mischung, inniglich. Sehn wir nun, wie, durch Gottes Willen, Die Felder, uns zur Lust, sich fuͤllen, Und Dornbuͤsch’ allenthalben bluͤhn; Laßt sie den Blick doch auf sich ziehn! Laßt uns sie mit Vergnuͤgen sehn, Und, bey so suͤsser Augen-Welde, Durch die darob gefuͤhlte Freude, Den Schoͤpfer, im Geschoͤpf, erhoͤhn! Bluh- Bluhmen, Betrachtung-wuͤrdige Geschoͤpfe. S choͤne Bluhmen! holde Zeugen Von der Weisheit, Lieb’ und Macht Dessen, Welcher euch erdacht, Und, so schoͤn, hervorgebracht; Der, mit so viel Glanz und Pracht, Aus der Erde schwarzen Nacht, Euch befahl, hervorzusteigen: Welcher Farben und Figuren, Auch den Ruch, in euch gesenket; Der uns Menschen das Gesicht, Und das schoͤne Sonnen-Licht, Auch des Riechens Kraft, geschenket. Nichts vermag von GOTT die Spuhren, Und die Wunder, die Jhm eigen, Ueberzeuglicher zu zeigen, Als ihr schoͤnen Creaturen. D 4 Fruͤh- Fruͤhlings-Gedanken. H ier sitz’ ich in zufriedner Stille, Von Streit und Zank und Laͤrm befreyt Jn ungestoͤhrter Einsamkeit. Rings um mich her ist eine Fuͤlle Von Schaͤtzen holder Fruͤhlings-Zeit: Von Rosen, Liljen und Jesminen, Die all’, in tausendfaͤrbgem Gruͤnen, Als wie ein buntes Feuer, gluͤhn. Sollt’ ich dann dieses nicht erwaͤgen, Nicht meinen Geist zusammenziehn? Sollt’ ich nicht froͤhlich uͤberlegen, Wozu so schoͤne Bluhmen bluͤhn? Sollt’ ich mich nicht, mit Ernst, bemuͤhn, Durch ein darauf verwandtes Denken, Der Fruͤhlings-Kinder bunte Pracht Mir zuzueignen? Sollt’ ich nicht Zu Dem, Der sie hervorgebracht, Und mir nicht minder mein Gesicht Dazu geschenkt, mich dankbar lenken? Erfodert es nicht meine Pflicht, Mich an den wunderschoͤnen Gaben, Zum Ruhm Deß, Der sie gab, zu laben; Sie zu beteachten, zu besehn; Sie zu bewundern, und in ihnen, Da sie, nur bloß fuͤr uns, so schoͤn, Und, uns allein zur Lust, erschienen; Auch Gott, in meiner Lust, zu dienen, Jn meiner Freud’ Jhn zu erhoͤhn? E s Fruͤhlings-Gedanken. Es hat ja Gott Sein liebreich Wollen, Daß wir uns hier vergnuͤgen sollen, Durch die Vernunft, uns offenbahrt: Wie daß, bey solcher Augen-Weide, Man, unbegreiflich, Seine Freude Stets auf ein kuͤnftigs Jahr verspahrt! D 5 Bewun- Bewundernswerthe Nahrung der Pflanzen. N icht weit von zwo erhabnen Linden, die, Wolke waͤrts, die Aeste streckten Und welchen, erst entsproßne Blaͤtter, die oft getheilte n Zweige deckten, Besah ich juͤngst derselben Pracht, bewunderte des Wuch - ses Hoͤh, Betrachtete der breiten Wipfel gebogner Zweig’ un d Blaͤtter Menge, Zumal der von der Wurzel ab so weit gedehnten Fieber n Laͤnge, Und faßte nicht, wie ihre Nahrung durch so entfernt Wege geh. Wie, dacht ich, koͤnnen ihre Hoͤhen, so weit entferne t von der Erden, Da sie kein Mensch begiessen kann, getraͤnket und genaͤh- ret werden? Die hohen Wipfel brauchen Naͤsse; wer traͤnket, wer begiesset sie? Wuͤrd’ auch der allerkluͤgste Mensch, mit aller Kunst, mit aller Muͤh, So große Koͤrper anzufeuchten, sie zu bespruͤtzen, sie zu traͤnken, Ein Mittel zu ersinnen wissen, ja nur die Weise zu er- denken? So aber hat ein andrer Geist, ein weit erhabnerer Verstand, Ein herrlich Mittel ausgefunden: das, weil es uns zu sehr bekannt, Zwar Bewundernswerthe Nahrung der Pflanzen. Zwar nicht von uns bewundert wird; das aber an sich selber wehrt, Daß mans bemerket, und darinn die Weisheit des Er- finders ehrt, Samt Seiner Lieb’ und Seiner Macht. Es ziehen, aus der tiefen See, Durch der beflammten Sonne Kraft, sich Feuchtigkeiten in die Hoͤh, Versammlen sich, formieren Wolken, und werden, als im Schlauch gefaßt, Von Winden hin und her getrieben, bis sie zuletzt, durch eigne Last, Sich wieder abwaͤrts senken muͤssen: da, wenn sie nun herunter eilen, Die ihnen widerstehnde Luͤfte sie sanfte von einander theilen, Daß sie nur troͤpflend fallen koͤnnen; wodurch, recht wie ein Gaͤrtner gießt, Der Trank der Blaͤtter und der Pflanzen, nur maͤhlig, auf dieselben fließt, Sie netzet, kuͤhlt, erfrischt und traͤnkt: da sie sich, durch die hohlen Roͤhren, Nachher annoch, von unten auf, durch ein besonders Triebwerk, naͤhren; So noch ein neues Wunderwerk. Ein Thier bemerket dieses nicht, Und sieht in dem, was, in dem Regen, Bewunderns- wuͤrdiges geschicht, Kein’ Absicht, keine Weisheit, Ordnung, noch Frucht- barkeit, noch Nutz, noch Segen. Allein, die kluge Creatur, der Mensch, wird dieß oft uͤberlegen, Jn Bewundernswerthe Nahrung der Pflanzen. Jn diesem unentbehrlichen und Segen-reichen Wel t Getraͤnke, Ein ihm, nebst allen Pflanzen, Thieren, so noͤth- al s nuͤtzliches Geschenke Befinden, sich daruͤber freuen, dem Geber oͤfters dan k- bar seyn, Zu Jhm in Gegenlieb’ entbrennen, und Jhn verehren Leider! nein. Die meisten danken nie dafuͤr, ja denken nicht einma l daran; So daß man: Ja so viel, als wir, dankt auch ein em Thier. wohl sagen kann . Labsal Labsal der Sinne im Fruͤhlinge. J n, ganz von balsamirten Duͤften Erfuͤllt- und fast beschwehrten, Luͤften Erschallt zugleich ein tzwitschernd Klingen Verliebter Voͤgelchen; ihr hell und schmeichlend Singen Ruͤhrt, wie der Kraͤuter Duft die Nase ruͤhrt, das Ohr. Den Augen stellt das Heer der Bluhmen Nicht nur die Felder aus Jdumen; Ein neues Eden, gleichsam vor. Des Zephirs Hauch, bald lau, bald kuͤhl, Erquickt die Seele, durchs Gefuͤhl. Jn Fruͤchten kann sie, durch das Schmecken, Noch eine neue Lust entdecken. Kurz: Durch das, was man riecht, fuͤhlt, hoͤret, und erblicket, Auch schmecket, wird die Seel’, auf so viel Art, entzuͤcket, Wenn sie ihr Denken nur mit ihren Sinnen bindet; Zumal, wenn sie darinn der Wesen Urstand findet. Fruͤh- Fruͤhlings-Gedanken bey einem lauen Regen. D er Himmel weinet Freuden-Thraͤnen, Und traͤnkt das Land. Die Erde lacht, Und sucht, zu ihrer Fruͤhlings-Pracht, Viel tausend Wege sich zu baͤhnen. Bemerkt das liebliche Geraͤusch Von dem so lang’ erseufzten Regen! Erwaͤgt, in ihm, den Nahrungs-Segen: Es troͤpfelt Milch, es regnet Fleisch. Es saͤuseln jetzt gelinde Winde, Der rauhe Nord-Wind schnaubt nicht mehr; Es oͤffnet hunderttausend Muͤnde Des Grases und der Kraͤuter Heer. Es koͤmmt dem aufmerksamen Ohr, Beym Fruͤhlings-Regen, gleichsam vor, Als koͤnnt’ es, von den zarten Roͤhren, Das Schmatzen ihres Saugens hoͤren. Das Land wird schwarz, die Kloͤße kleben; Wodurch, von Gras und Saat, das Gruͤn, Durch dunklen Grund, sich mehr zu heben, Sich mehr noch zu verschoͤnern, schien: Ja, daß, bey jedem Augenblicke, Das Feld sich immer schoͤner schmuͤcke. Es scheint, daß, durch die Feuchtigkeiten, Das Gras gestaͤrkt, sich recht bemuͤht, Sich zu erhoͤhn, sich auszubreiten; Ja, daß man es fast wachsen sieht. Dem Fruͤhlings-Gedanken bey einem lauen Regen. Dem gestern noch kaum Gruͤnen schien Ein ganz besonders lebend Gruͤn, Das Aug’ und Herz und Geist erfrischt, Jn einer Nacht noch, zugemischt. Es schien, bedeckt mit Glanz und Schein, Fast aus den Wolken ausgegossen, Jm Regen mit herab geflossen, Und fast kein irdisch Gruͤn, zu seyn. Dem Gruͤnen, an dem bunten Kranz Des Himmels, wich es kaum an Glanz. Es scheint, wenn es das Licht durchstrahlet, Und das durchlauchtge Laub durchbricht, Jlluminiert mehr, als gemahlet, Und gleichsam selbst ein gruͤnes Licht. Ach, moͤchte doch des Fruͤhlings Zier, Sein bunter Glanz, sein heller Schein, Geliebter Leser, dir und mir, Zur Lust, zum Dank, ein Leitstern seyn! Gedan- Gedanken uͤber Tulpen. F ast erstaunet, seh’ ich hier, Wie der bunten Tulpen Zier Minder pranget, glaͤnzt und bluͤhet, Als in bunten Flammen gluͤhet. Ganz an Feuer-Farben reich, Sehn sie nicht nur Flammen gleich; Sondern, was so schoͤn gemahlet, Wird vom Sonnen-Feur durchstrahlet, Und dadurch darinn erblickt, Wie ein wirklich Feur sie schmuͤckt. Dieser Feuer-gleiche Schimmer Mehrt, in ihnen, sich noch immer, Wenn, vom Winde sanft bewegt, Er bald hier, bald dort, sich regt, Und die Bluhmen bald sich heben, Bald sich drehen, bald sich neigen, Und, im Sinken und im Steigen, Ein beweglichs feurigs Schweben, Als von einer Lohe, zeigen, Welche nimmer still, stets eilt, Und die Luft durchdringt und theilt. Dieser schoͤnen Flammen Wuͤhlen, Jhr so bunt- als reger Schein, Dringt sich in mein Herz hinein; Meine Seele kann sie fuͤhlen. Durch Gedanken uͤber Tulpen. Durch der schoͤnen Farben Pracht, Welche, Flammen gleich, nicht ruht, Wird in ihr ein’ Andacht-Gluht, Gott zu Ehren, angefacht. Es wird recht ein neues Licht Jn ihr Jnnerstes gesenket; Und sie dankt, daß das Gesicht Jhr vom Schoͤpfer sey geschenket, Auch der Sonne heller Schein, Nebst so vieler Bluhmen Schaͤtzen. Sollt’ ich dann, fuͤr solch Ergetzen, Dir, mein Gott! nicht daukbar seyn? 8 Theil. E Der Der fruͤh bluͤhende Rosenstock. J m fuͤnf und vierzigsten nach siebzehn hundert Jahr e ward mir, schon mitten im April, Ein wunderschoͤner Rosenstock, der voͤllig aufgebluͤht, geschenket. Jch stund, bey der besondern Schoͤnheit, vor Lust geruͤhrt erstaunet still, Und ward, in der empfundnen Lust, zum Ruhm des Schoͤpfers hingelenket, Der ein so schoͤn geformt Geschoͤpf, der Blaͤtter, Knosp- und Bluhmen Pracht, Aus hartem Holze steigen laͤßt: der Menschen Seele n sinnlich macht, Den Koͤrpern Nas’ und Augen schenkt; damit wir, a n der Erde Schaͤtzen, So, sonder Sinn, nicht moͤglich waͤr, uns zu vergnuͤgen, zu ergetzen, Jhn zu bewundern, faͤhig waͤren. Darauf verband ich Geist und Sinnen, Roch achtsam, sahe mit Bedacht den Schmuck, von aussen und von innen, Der, Blaͤtter, Knosp- und Bluhmen deckt. Da dann, vor andern, aus dem Gruͤnen, Der kleinen Knospen glaͤnzend Roth, wie kleine fun- kelnde Rubinen, Mir tief in meine Seele strahlten. Jch sahe sie bedacht- sam an, Und fand, daß ihre Lieblichkeit darinn hauptsaͤchlich mit bestand, Daß ein gedaͤmpfter weisser Rand, Da , Der fruͤh bluͤhende Rosenstock. Da, wo das Gruͤn am Rothen graͤnzet, Jn einem sanften Schimmer glaͤnzet; Wodurch ein sanft Gemisch entsteht, Das, von dem sanften Roth- und Gruͤnen, die Lieblich- keit noch mehr erhoͤht. Bey dieser froͤhlichen Betrachtung ward ich, von unge- fehr, gewahr, Wie, auf des Topfes dunklem Boden, ein’ abgefallne Blaͤtter-Schaar Die Erde hin und wieder deckte. Dieß gab von der Vergaͤnglichkeit Der Bluhmen, mir zwar einen Eindruck; inzwischen ward, durch ihren Fall, Und fluͤchtige Beschaffenheit, Jn mir dennoch kein Gram erregt. Daß Creaturen uͤberall Vergaͤnglich und veraͤnderlich, dacht ich, muß nicht getadelt werden: Es ist des Schoͤpfers Ordnung ja. Vielmehr laßt uns auf dieser Erden, Durch die Vergaͤnglichkeit belehrt, uns unsrer Zeit gebrauchen lernen, Die uns der Schoͤpfer schenkt und goͤnnt. Weil wir aus der Erfahrung wissen, Daß, so wie alles sich veraͤndert, wir selbst uns auch veraͤndern muͤssen; So laßt uns doch, so viel wir koͤnnen, uns oft am Jr- dischen vergnuͤgen, Laßt uns, bey jeglichem Genuß, Erkenntlichkeit und Danken fuͤgen! E 2 Je Der fruͤh bluͤhende Rosenstock. Je oͤfter wir, in unserm Leben, an uns von GOTT geschenkten Schaͤtzen, Jn ihnen Seine Weisheit, Lieb’ und Macht bewundernd, uns ergetzen; Je mehr vollfuͤhren wir die Pflichten, zu welchen wir erschaffen seyn: Es ist der beste Gottes-Dienst, uns Sein, in Sei- nen Werken, freun. Noch Noch einige Fruͤhlings-Gedanken. H oͤr, in diesen holden Buͤschen, Linde Winde saͤuselnd zischen! Schau, wie sanft das Laub sich regt! Schau, wie, durch ihr kuͤhles Scherzen, Auch der Schatten sich bewegt, Und wie tausend lichte Stellen Bald, durch ihren Tusch, sich schwaͤrzen, Bald sich, wie vorhin, erhellen! Fuͤhl! es spielen Zephirs Schwingen Mit den balsamirten Luͤften, Die aus tausend Bluhmen dringen; Denen er, wenn er sie ruͤhrt, Mancherley Geruch entfuͤhrt, Und, aus tausend suͤßen Duͤften, Einen einzigen formiert. Eine frohe Seele spuͤhrt, Wenn sie riechet, wie sie soll, Diesen holden Bluhmen-Zoll. Ein ambrirter suͤßer Schwall Fuͤllt den Luft-Kreis uͤberall. Wer behindert uns, zu denken, Wenn die Fruͤhlings-Lust uns ruͤhrt, Daß Dem, Der sie wollen schenken, Ehre, Preis und Dank gebuͤhrt? E 3 Die Die Paͤonien. S eht, wie der laue Junius so manche Bluhmen-Art gebiehret! Seht, wie der Garten, unter andern, auch mit Paͤonien sich zieret, Die, durch die Groͤße nicht allein, Auch durch der Farben Gluht, betraͤchtlich seyn. Man siehet sie, mit Lust, auf einem dunkeln, Nicht gar zu hohen, Busche, funkeln, Und, eben durch dieß dunkle Gruͤn Noch mehr erhoͤht, die Augen auf sich ziehn. Es ist, so viel ich weiß, im Bluhmen-Reich, An Groͤß’, ihr keine Bluhme gleich. Es scheint, ob wolle die Natur Uns, durch der Farben Glanz und Pracht, nicht nur Das Aug’ erfreuen und ergetzen; Durch die ansehnliche Figur Zugleich uns in Bewundrung setzen. Allein, Weil diese Bluhme nur gemein, Und auch der Bauren Garten schmuͤcket; So wird, trotz ihrer Groͤß’ und ihrer Farben Schein, Sie doch von wenigen nur angeblicket. Es scheint, als ob die Achtlosheit, So ihr von Menschen wiederfaͤhret, Jhr so empfindlich sey, daß sie nur kurze Zeit, Darum, bey uns zu bluͤhn begehret. Daher, Die Paͤonien. Daher, wenn sie kaum aufgebluͤht, Zur Probe, daß sie uns nicht lang’ ergetzen werde, Man, unter ihrem Busch, oft auf der Erde Schon abgefallne Blaͤtter sieht; Als wollte sie dadurch, in uͤberfuͤhrnden Lehren, Uns ihre kurze Daur erklaͤren. Es scheint, als ob sie uns noch mehr, als sich, beklagte, Und daß sie dieß, in ihrer Sprache, sagte: Schau, lieber Mensch, noch einmal nach mir her! Denn morgen siehst du mich nicht mehr. Vermuthlich welkt schon morgen unser Prangen; Vielleicht bist du, nebst uns, selbst morgen schon, vergangen. E 4 Schoͤn- Schoͤnheit junger Linden im Fruͤhlinge. W enn in der Linden jungen Zweigen, Die, weich, und noch nicht steif und fest, Sich, nebst den Blaͤttern, abwaͤrts beugen, Zuweilen der verliebte West, Um sie zu kuͤssen, lispelnd blaͤst, Erreget er ein lieblich Spiel, Und ein vergnuͤgendes Gewuͤhl. Man hoͤrt nicht nur ein sanft Gezisch; Man sieht, von Lichtern und von Schatten, Die sich bald trennen und bald gatten, Ein immer wandelbar Gemisch. Bald durch- bald angestrahlte Blaͤtter, Sind weislich bald, bald gelblich gruͤn: Wodurch, in aufgeklaͤrtem Wetter, Ein helles Gruͤne bald, und bald, Jn stets sich aͤndernder Gestalt, Ein dunkelgruͤnes Feur, erschien; Durch welches sich ein blauer Strahl, Vom blauen Himmel, oftermal, Da, wo das Laub sich oͤffnet, wies, Und, bey so schoͤnen irdschen Lichtern, Den es beachtenden Gesichtern Ein himmlisch Feur oft sehen ließ. Es schien, daß sie der West-Wind darum regte, Und, in der Absicht bloß, bewegte, Damit wir deutlich moͤchten sehn, Daß sie an beyden Seiten schoͤn. Wenn Schoͤnheit junger Linden im Fruͤhlinge. Wenn uns nun aus den jungen Baͤumen, So viel Ergetzlichkeiten keimen; So laßt sie, durch das Aug’, auch unsre Seelen ruͤhren, Und uns, in unsrer Lust, zu ihrem Schoͤpfer fuͤhren. E 5 Trost Trost aus Bluhmen. V oll Schwehrmuth, Gram, und recht betruͤbt, Wozu, von einigen der Meinen, Mir eine Nachricht Anlaß giebt, Die mich zum innerlichen Weinen, Ja fast zum aͤusserlichen, zwingt, Die von dem, was ich auf der Welt, Von ihnen, nie mir vorgestellt, Mir traurige Versichrung bringt, Geh’ ich allein, von ungefehr, Mit Schritten, die von Kummer schwehr, Jn meinem Garten auf und nieder. An statt daß sonst ein Lob-Gesang, Jn diesen Steigen, oft erklang, Sang ich jetzt bittre Klage-Lieder: Bis ich, zuletzt, auf einem Platz, Woselbst ein bunter Bluhmen-Schatz, Vom Sonnen-Licht bestrahlet, stunde, Mich, ohn’ auf sie zu denken, funde. Allein, Als wie ein schnelles Licht Durch Dunkelheit und Nebel bricht; So brach und drang ihr bunter Schein Auch durch der Sinne schwarzen Kummer. Jch stutzt’. Und als ich ihre Pracht Erwog, und etwas nachgedacht, Erwacht’ ich, als aus einem Schlummer. Es ward, auf dieser bunten Stelle, Jn meiner Seele gleichsam helle; E s Trost aus Bluhmen. Es ließ, als duͤrften fast die Traurigkeit, und Plagen, Jn diesen Sitz der Anmuth sich nicht wagen. Die Bluhmen schienen nicht mit Glanz und Farb’ allein, Mit lieblichem Geruch, erfuͤllet und umgeben; Es schien ein holder Anmuth-Schein Um ihre bunte Pracht zu schweben, Und ein Vergnuͤgungs-Duft, aus ihr, sich zu erheben, Mit dem Geruch zugleich. Ja, ihr von Gott geschmuͤcktes Heer Erklaͤrte mir, aufs neue, Christi Lehr, Die, an besonderm Trost, so reich, Daß, wenn wir Gott gefaͤllig handeln, Allhier nach unsern Pflichten wandeln, Und Gott gefaͤllig leben wollen, Wir Dem allein vertrauen sollen: Der, so wie Er die ganze Welt Erschuff, regieret, und erhaͤlt; So auch der schoͤnen Bluhmen Pracht, Ohn’ ihre Sorg’, hervorgebracht. Jch fuͤhlte dann, in meiner Brust, von innen, Den Kummer allgemach zerrinnen: Der sanften Anmuth holder Schein Nahm, statt der Schwermuth Nacht, mir alle Sinnen ein. Jndem ich also stehen bleibe, Um recht zu sehn, die Augen reibe, Woraus der schwarze Gram verfleucht; Wird eine Schachtel, die recht schwehr, Versiegelt, mir, von Hamburg her, Von meinem Gaͤrtner, eingereicht. Dieß Trost aus Bluhmen. Dieß war aus Baaden Durlachs Garten, Jn welchem sie zuerst entsprungen, Ein Ausfluß, zu mir hergelenkt, Von fast zwohundert Tulpen-Arten, Der, dafuͤr daß ich sie besungen, Mir war, aus Dankbarkeit, geschenkt, Und der nunmehr in Hamburg bluͤht. Kein Feuer, das man, wie es gluͤht, Und, unverhofft, im Dunkeln sieht, Zieht die sonst ausgedehnten Blicke, So schnell, auf sich allein, zuruͤcke, Als hier sich eine bunte Flamme, die schnell aus d em Behaͤlter drang, Und gleichsam mir ins Auge sprang, Wie ich die Schachtel oͤffnen ließ, Dem drob erstaunten Geiste wies. Es schien, ob loderten zusammen Glanz, Edelstein’, und helle Flammen, Jn einer bunt gefaͤrbten Loh: Der holde Schimmer strahlte so; Es drang der suͤß gemischte Schein Jn meine Brust, so kraͤftig, ein, Daß ich, da ihre Gluht so bunt, Vor Lust, mich kaum besinnen kunnt. Es kam mir fast nicht anders vor, als ob Ergetz en und Vergnuͤgen, Jn einem unsichtbaren Duft, zugleich aus dieser Lo h stiegen, Und alle Sorgen, die mich nagten, Durch ihren Wunder-Glanz, fast mit Gewalt, verjagte . J ch Trost aus Bluhmen. Jch ließ, um an den Herrlichkeiten Mich desto mehr noch zu vergnuͤgen, Sie alle von einander breiten, Und, um sie besser zu erwaͤgen, Jn Schuͤsseln voller Wasser, legen. Mein Gott, welch eine Farben-Menge! Wie uͤber wunder-wunderschoͤn War das fast blendende Gepraͤnge, Von Form und Schimmer, anzusehn! Jch ließ mir das Register reichen; Weil alle Nummern noch daran, Worinn man die verschiednen Zeichen, Und ihre Namen finden kann. Da fand ich denn, wie dieser Namen, Die sie wohl, theils von ungefehr, Und theils aus Absicht, uͤberkamen, Gar eine große Menge waͤr; Wovon ich, einige zu nennen, Damit ich noch, auf manchen Tag, Mich ihrer Pracht erinnern mag, Mich hier nicht hab’ entbrechen koͤnnen. An Tulpen, fand ich folgende: Den Pfalz-Graf, Samson, Flamboyant, Den Admiral, den bonten Held, de goude Scepter, Diamant, Minerva, Juno, Rosen-Kron, Thalia, Constans, Argentina, De Liefde boven all, Achates, de Brand-Vlag, Paragon Royal, Diana, Koͤnigin von Polen, t’ vergult Juweel, der Cardinal, Bona- Trost aus Bluhmen. Bonaventura, Cafferin, de Neger Konigin, Br u nette, Die Kayserinn Zenobia, Sophia, Gellia, Rosette, De Bruyd von Harlem, Sansje pansje, der Chevalie r die Delila, Den Hoogforst, Prinz von Baden-Durlach, D uc de Bourbon, Theresia, Dictator, Socrates, Petron, de Graf van Hollan d Renommee, De Rosemond, Mirtillo, Castor, Euphrates, Carolu s Moree, Conquett van Lew, la Violette, le grand Monarqu e Duc de Bourbon, Jncomparable, Veldheer, Samson, le Peroquet, Du c d’ Epernon, Charmante Brune, Prinz von Homburg, le grand Co - losse, Proserpina, Der Erz-Bischof von Canterbury, der Moor, Elisabeth Christina, Madame Merian, Augustus, Prinz von Hannove r Frisia, Odatus, Pfalz-Graͤfinn von Sulzbach, Columba, De - mus, Florida, La Furieuse, die Pictura, Louis de grote, Tamerlan, La belle Collmar, Sommerschvon, Palais Royal, d e witte Schwan, Latona, Kliffort, Beauregard, Artorius, Pamphilia, Aurora, Kayser von Marocco, den blauen Reyer s Hecuba, L’ Ambassadrice, Kaysers Hof, het guͤlden Vlies, etc. E s Trost aus Bluhmen. Es waren, in Ranunkeln, gleichfals nicht minder eine große Zahl: Le Turban d’ Or, Carl Friederich, Prinz Wilhelm, Hydra, Rosen-Thal, Philoctetes, Anacreon, Apelles, mon Plaisir, Blandina, De rode Draack, de bonte Mantel, Vespasianus, Palatina, Die Dardanella, Duc de Berwick, Hyppomenes, Lao- medon, Manteau d’ Evequ’, Empedocles, Apollo, Sappho, Papillon, Vespasianus, Bruydegam, de Montespan, Mercurius, Porsenna, mon Bijou, Camilla, Pan, Nimroth, Aga, Priamus, Artemidorus, Venus, Chilo, grand Alexandre, Amaranth, Minerva, Nero, bella Donna, de Bruyt, Protector, Oliphant, Die Nonpareille, Leopoldus, Grand-Marechal, Prinz von Piombino, Prinz Lubomirsky, Hiero, Pomona, Memnon, Sol- phorino, Gaillarde, grand Seigneur, Achates, der Graf von Sporck, Lavinia, Arion, Bassa Bonneval, Present Royal, Pamphilia, Die Mignardise, Phoenomene, Andronicus, etc. Von bunt gefaͤrbten Anemonen, die minder nicht, als jene, schoͤn, War gleichfals eine große Menge, vor andern aber die, zu sehn: Bisard d’ Espagne, l’ Electrice, Tiarra, Notus, la Duchesse, Adonis, Beau du Jour, Gigantes, la Monarchie, la Moresse, Super- Trost aus Bluhmen. Superbe, la Grandeur, Merveille, Bisard de Blyc h Aquarius, De Paerl von Brabant, Philomele, Princes van Cont e Pindarus, Conquest de Grisdelin, Pipinus, de Rose-Croon Arcadia, Orange, Reus, de Abondanz, de Jannethon, Andromeda Feu de Bruxelles, la Syrone, den roden Hahn, etc. Hab’ ich nun etwan, durch die Liste, der Dichtkuns t Regeln uͤberschritten, Und scheint sie jemand gar zu lang; den will ich um Ver - zeihung bitten: Es ist zu keiner andern Absicht, als darum bloß allein , geschehn, Den Schoͤpfer solcher schoͤnen Bluhmen, auch in der Menge, zu erhoͤhn, Als welche nicht gnug zu bewundern; indem, an Tul- pen bloß allein, Fuͤnftausend, ganz verschiedner Art, in Carols Ruh, vorhanden seyn. Daß nun, bey ihrer Fluͤchtigkeit, Jch, wenigstens noch eine Zeit, Sie der Vergaͤnglichkeit entzoͤge; Brech’ ich von jeglicher ein Blatt, und lege Es zwischen blau-papierne Blaͤtter: wozwischen, obzwar gleich nicht ganz, Die Farben blieben; doch der Glanz, Und die Figur, noch lange schoͤn, Jn dem Herbario, zu sehn. Damit Trost aus Bluhmen. Damit es von den Bluhmen nun nicht mag, nur beym Register, bleiben; Will ich, von so verschiednen Schoͤnen, doch eine, we- nigstens, beschreiben. Dieß ist die schoͤne Merian, die man la Burghemaitre nennet, Die fast, von allen andern Bluhmen, an Pracht, nicht ihres Gleichen kennet; Und die sowohl an ihrem Bau, als in der schoͤnen Farbe, wehrt, Daß man, zur Dankbarkeit getrieben, in unsrer Lust, den Schoͤpfer ehrt. Sie ist von ganz besondrer Groͤße; sie uͤbertrifft und uͤbersteiget Das Ansehn aller andern fast. Die Form ist recht ver- wunderlich; Jndem an ihr Figur und Umstrich, auch fuͤr den besten Kuͤnstler, sich, Durch fremde Biegung, ungewiß, und gleichsam un- nachahmbar, zeiget: Symmetrisch ohne Symmetrie: scheint recht, als ob ein jedes Blatt Mit andern Blaͤttern nichts gemein, und eine eigne Bildung, hat; Aus denen sich dennoch, mit Ecken und runden Spitzen ausgeziert, Sowohl am Rand, als in der Mitten, ein wunderwuͤr- digs Ganz formiert. Die Blaͤtter scheinen fest und dicke, und recht, als wenn sie sich erhuͤben, An manchem Ort, auf Goldschmids-Art, wie Laubwerk, in die Hoͤh getrieben, 8 Theil. F An Trost aus Bluhmen. An einem andern eingedruͤckt; woran sich denn so Glan z als Licht, Jn den verschiednen Tief- und Hoͤhen, sich senket, sich erhebt, sich bricht, Und dadurch Farb’ und Formen mehrt. Sind nun die Blaͤtter, in der Mitten, Durch ihre Pracht, besonders schoͤn; ist der nicht min- der schoͤne Rand, Auf tausend Arten, ausgeschweift, so wunderkuͤnstlich ausgeschnitten, Daß, mit den allerfeinsten Scheeren, auch des geuͤbtsten Kuͤnstlers Hand, Mehr Regel-recht, nicht auszuschweifen, nicht zierlicher zu schneiden, weiß. Sie lassen hier, mit Lust beschaͤmt, den Fingern der Na- tur den Preis. Was soll ich von der Farbe sagen, die recht, als wie Granaten, bluͤht, Jn einem, dem Rubin, an Farben, recht aͤhnlich-schoͤ- nen Feuer gluͤht? Wodurch ein angenehmes, sanft-gedaͤmpftes und ge- brochnes Gruͤn, Jn vielen nett geformten Adern vermenget, hin und wieder schien. Es scheinet, durch das dunkle Roth, ein gleichsam guͤldner Grund zu spielen; Der Blaͤtter Fuß scheint wirklich Gold. Kurz: Alles, was man an ihr sieht, Scheint, auf so Blick als Geist zu laben, und auf Be- wundrung, abzuzielen. Es Trost aus Bluhmen. Es ward, durch aller Bluhmen Pracht, mein gleich- sam aufgeklaͤrt Gemuͤth Von Kummer, Gram und Sorgen ab- und zu der Gottheit hingezogen, Die alle Ding’ hervorgebracht, ernaͤhret, schmuͤckt, erhaͤlt, regiert; Die so viel liebliche Geschoͤpfe, aus Lieb’ und Huld dazu bewogen, Der Menschen Augen zu ergetzen, so schoͤn, so wunder- wuͤrdig, ziert. Dieß mehrete dann mein Vertrauen zu Seiner Lieb’, und Seiner Macht. Jch dachte: Sollte solch ein Gott, Der solchen Schmuck hervorgebracht, Der nichts, was Er geschaffen, haßt, Dem Gluͤck und Ungluͤck unterthan, Der nichts, als Gutes, will, aus Liebe, und Welcher, was Er will, auch kann, Der, uns zum Besten, so viel Schoͤnheit den fluͤchtgen Bluhmen wollen goͤnnen, Nicht auch, was etwan boͤse scheinet, zu unserm Besten kehren koͤnnen? Hiedurch ward, wenn die schwarze Sorge zuweilen durch die Freude drang, Und, wie der Schatten mit dem Licht, bey einem dicken Nebel, kaͤmpfet, Bey einem, durch die Creatur gewirkten, frohen Lob- Gesang, Durch ein in Gott gesetzt Vertrauen: Was ist, sey alles gut. gedaͤmpfet. F 2 Ueber Ueber drey vortreffliche Vorstellungen des Paradieses. Von dem Hrn. Ridinger. 1. Auf den werdenden Adam. D ein, mit der Herrlichkeit des Schoͤpfers, erfuͤlltes Eden lacht uns an; Die angestrahlten Baͤume funkeln; die Thiere jauchzen. Doch, wer kann Sie sehn, sie ruͤhmen, sie bewundern? Von eines Licht-Meers hellen Wogen Wird Auge, Blick, und Seel’, und Sinn, zum großen Mittel-Punct gezogen, Der allenthalben, sonder Umkreis, hier, uͤberirdisch, strahlt und flammt, Aus dem, nebst allen Creaturen, das Leben selbst, fast sichtbar, stammt. Wie weit reicht hier des Kuͤnstlers Denken, und seine Wunder-Kunst! Man kann Des Großen Wortes rege Wirkung, fast sichtlich, in die Kraft ergehen, Und, den noch nicht gewordnen Adam, fast augenschein- lich, werden sehen. Voll Brunst und Ehrfurcht betet er schon Den, Der ihn noch schaffet, an. Jn Auf den werdenden Adam. Jn einer groͤßern Majestaͤt, mit mehrerm Anstand, wuͤrdiger, Mit weniger Verkleinerung, und edler, hat kein Sterb- licher, Ein Bild des nicht zu Bildenden, in einen Schatten-Riß gebracht: Er zeigt, so viel sichs zeigen laͤßt, den Schoͤpfer in Selbst-eigner Pracht. F 3 2. Auf 2. Auf Evens Schoͤpfung. E va wird! Es jauchzt die Erde, Thier’ und Voͤge l jubiliren: Jhres schlanken Leibes Glanz, ihrer Glieder Symmetrie Dringt auch in der Thiere Herzen, ruͤhrt, durchstrahlt , ergetzet sie; Jedes laͤßt, in seiner Art, ein erstaunt Vergnuͤgen spuͤhren . Nicht genug, mit klugen Strichen, Eden wuͤrdig abzumahlen, So daß alles prangt und funkelt, so daß alles glaͤnz t und gluͤht; Nein, es geht die Kunst so weit, daß hier nicht nu r alles bluͤht, Sondern, daß man, in dem Garten, etwas Heilig es sichtbar sieht: Selbst der Sonnen Sonne scheint in dem Lust-Revie r zu strahlen. Jch bewundere den Kuͤnstler, der so trefflich wirk t und denkt; Doch weit mehr der Geister Urstand, Der ihm so vie l Geist geschenkt. 3. Auf 3. Auf die von Adam zum erstenmal erblickte Eva. W elch ein lodernd Liebes-Feuer, welch ein inniges Entzuͤcken, Welch Erstaunen, kann ein jeder, hier, in Adams Seel’, erblicken! Alle Muskeln, Zuͤg’ und Mienen, da sein Gegenstand so schoͤn, Lassen des durchdrungnen Geistes innre Leidenschaften sehn, Geben uns von Adams Herzen, das von Evens Reiz durchstrahlt, Die Empfindungen zu spuͤhren, alle Regungen zu lesen. Waͤre Ridinger ein Zeuge der Zusammenkunft gewesen, Und er haͤtt’, in Eden selber, dieses erste Paar gemahlt, Waͤren sie, das Paradies, nebst der schoͤnen Thiere Horden, Herrlicher nicht vorgestellt, schoͤner kaum gemahlet worden. F 4 Beschrei- Beschreibung meines, nach begluͤckte r Zuruͤckkunft aus Ritzebuͤttel, in voͤllig gutem Stande wieder vorge- fundenen Gartens. G ott Lob! mein’ Hoffnung ist erfuͤllt, Und mein Verlangen ist gestillt: Jch seh die holden Fluren wieder. Jch kann aufs neue, wie so schoͤn (So seit sechs Jahren nicht geschehn) Mein lang verlaßner Garten, sehn; Und darum sing’ ich Freuden-Lieder. Ach! moͤcht’ im Ton, der ungemein, Jhr reiner Klang gestimmet seyn; Ach! moͤcht’ er vielen, wo nicht allen, Vor andern aber Dem, gefallen, Aus Dem, was Luft und Erde fuͤllt, Aus Dem der Stoff von allen Schaͤtzen, Woran Geschoͤpfe sich ergetzen, Jn nie versiegner Fuͤlle, quillt; Der, zum Beweis, daß Er uns liebet, Uns ungezaͤhltes Gutes giebet. Allein, der Wunder große Zahl, Die hier in der so schoͤnen Welt, Auf einmal, mir ins Auge faͤllt, Erregt mir eine suͤße Qual, Durch zweifelhaft gemachte Wahl: Zumal, wenn ich die Blicke schlage Auf dieses Gartens holde Lage, Und Beschreibung seines wieder erblickten Gartens. Und was ich von der schoͤnen Hoͤh Fuͤr schoͤne Vorwuͤrf’ uͤberseh; Die, da ich sie, mit neuen Augen, So, durch Gewohnheit, noch nicht blind, Wie meist geschicht, geworden sind, Beschau; mich so zu ruͤhren, taugen, Daß ich, gezwungen, still zu stehn, Und stumm, fuͤr Anmuth und Behagen, Fast nichts, als dieß, vermag zu sagen: Ach Gott, wie ist die Welt so schoͤn! Es weiß mein ungewiß Gemuͤthe, Da alle Stellen Wunder-voll, Nicht, ob ich Bluhmen oder Bluͤhte, Zuerst, zum Vorwurf waͤhlen soll. Wend’ ich die frohen Augen hier Auf eine bunt gefaͤrbte Zier Von Bluhmen; reißt ein andrer Ort, Der schoͤner noch, sie mit sich fort. Kaum schau ich den; so zieht von neuen, Um mehr annoch mich zu erfreuen, Ein mehr geschmuͤckter dritter, dort, Den ganz darob erstaunten Sinn Auf Bluͤht’ und junge Blaͤtter hin. Ach! seufzt dann die geruͤhrte Seele, Jch weiß nicht, was ich erst erwaͤhle; Herr, Deiner Wunder sind zu viel! Es hat in dem, was uns vergnuͤget, Und uns hier vor den Augen lieget, Dein’ Allmacht weder Maaß noch Ziel. F 5 Jnzwi- Beschreibung Jnzwischen muß ein Anfang seyn. So fang’ ich mit dem schoͤnen Bogen, Womit der Vorhof uͤberzogen, Auf eine Art, die ungemein, Die man kaum gnug bewundern kann, Des schoͤnen Orts Beschreibung an. Hier sind, auf eine fremde Weise, Jn einem Zirkel-runden Kreise, Sechs schoͤne Linden so gesetzt, Daß jedes Stammes schlanke Laͤnge Uns, durch dadurch formierte Gaͤnge, Gleich einer schoͤnen Seul’, ergetzt. Die Wipfel sind, durch Kunst, gebogen, Und so geflochten und gezogen, Daß ein gewoͤlbtes Blaͤtter-Zelt, Wodurch der ganze Platz begruͤnet, Die Durchsicht zu verschoͤnern, dienet, Und, durch die Dunkelheit, erhellt. Von jeder Linde sieht man oben Noch einen eignen Stamm erhoben, Der hoch sich in die Luft erstreckt, Und dessen scharf gespitzten Gipfel Ein, nach der Kunst, geschorner Wipfel, Der dem Laurier sich gleichet, deckt. Durch dieser Laube gruͤne Schatten, Die sich mit holder Kuͤhlung gatten, Wird der erstaunte Blick gestaͤrkt, Da man, im hellen Sonnen-Strahle, Die schoͤne Landschaft, in dem Thale, Dadurch noch herrlicher bemerkt. Die ß seines wieder erblickten Gartens. Dieß wunderschoͤne Stuͤck der Welt, Das hier uns in die Augen faͤllt, Jst so Betrachtungs-wuͤrdig, schoͤn, Daß, wenn der Schritt will weiter gehn, Er gleichsam sich gehemmet fuͤhlet. Die starren Fuͤße bleiben stehn; Weil alles, was die Augen sehn, Zu herrlich glaͤnzt, zu lieblich spielet. Ein gleiches wiederfaͤhrt auch mir, Beym Eintritt in den Garten, hier. Jch fuͤhle gleichsam mich beklemmet: Es bleibt, bey dem zu schoͤnen Blick, Der angefangne Tritt zuruͤck; So Schritt als Feder wird gehemmet. Jch muß, gezwungen, stehen bleiben, Und, statt der Ordnung nachzugehn, Den obern Garten zu besehn, Die schoͤne Landschaft erst beschreiben. Doch hatt’ ich, von derselben Pracht, So bald den Anfang kaum gemacht, Als ich mich gluͤcklich drauf besann, Daß ich derselben Lag’ und Zier, Bereits, mein Leser, Dir und mir, So gut ich es vermocht, gewiesen, Und ihren Schmuck dir angepriesen. vid. Tom. 2. pag. 390. Weshalben ich die Stieg’ hinab, Jn obern Garten, mich begab. Ein Beschreibung Ein laͤnglicht Viereck zeigt sich hier, Worinn der Bluhmen bunte Zier Jn tausend tausend Farben bluͤhet, Ja mehr fast, als sie bluͤhet, gluͤhet; Zumal, wenn sie die Sonne mahlet, Und jedes bunte Blatt durchstrahlet. Drey Stufen fuͤhren uns hinab Jn den bebluͤhmten obern Garten, Wo uns, in Millionen Arten, Der Bluhmen Heer ein Schauspiel gab. Jhr bunt- und bluhmigtes Gewand Scheint von der Flora ausgespannt, Und, uns zur Lust, zur Schau geleget. Die groͤßte Schoͤnheit der Natur, Die sie, an Farben und Figur, Jn ihrem weiten Schooße heget, Bedeckt hier die geschmuͤckte Flur. Ein weises Auge stutzt und starrt Bey diesem Schmuck der schoͤnen Welt; Weil, bey den Farben und Figuren So wunderschoͤner Creaturen, Zugleich des Schoͤpfers Gegenwart, Unleugbar, ihm wird vorgestellt. Es laͤßt den Blick daruͤber schiessen, Und sieht, im Sonnenschein zumal, Veraͤnderungen ohne Zahl, Von Farben, in einander fliessen. Dann haͤlt er eine kluge Wahl, Und laͤßt, von einer zu der andern, Den ernsten Blick bedachtsam wandern, Erwaͤgt, seines wieder erblickten Gartens. Erwaͤgt, vergleicht bald die mit jener; Bald haͤlt er die, bald jene, schoͤner; Bald sieht er, mit Erstaunen, dort, An einem dritt- und vierten Ort, Noch andre, zehnmal schoͤner, bluͤhn, Jn Feuer-Farben gleichsam gluͤhn, Und fuͤhlet, die erstaunten Blicke Von aller andern Schmuck zuruͤcke, Recht mit Gewalt auf sich nur, ziehn. Bey einer solchen Anmuth Fuͤlle, Steht billig unser Fuß oft stille: Man wird, in ihrer Farb’ und Pracht, An allen Orten angelacht; Man will, und kann dennoch nicht, waͤhlen. Dann fragen billig kluge Seelen: Fuͤr wen sie doch hervorgebracht? Die Antwort ist so gleich vorhanden: Durch Lieb’, und eine weise Macht, Sind sie, nur bloß fuͤr uns, entstanden. So lasset dann auch uns allein, Dadurch, wenn man bey ihnen denket, Daß Gott sie schuff, und sie uns schenket, Jn unsrer Lust, Jhm dankbar seyn! Nun war es eben in der Zeit, Worinn der Tulpen Herrlichkeit, (Auch die aus Baden-Durlachs Garten, Von so viel ungezaͤhlten Arten, Wornach mich lange schon verlangt,) Jn buntem Glanz und Feuer prangt. Jch Beschreibung Jch sah nicht minder die Ranunkeln, Bey bunten Anemonen, funkeln; Jch sah dieselben wunderschoͤn, Auf zierlich ausgeschweiften Fluren, Jn Ranken-formigen Figuren, Und Bluhmen, selbst in Bluhmen stehn. Die schoͤnen Theile, voller Glanz, Formierten ein so herrlichs Ganz, Daß ich, durch ihrer Farben Brand, Mich, ausserordentlich geruͤhret, Zum Schoͤpfer aller Welt gefuͤhret, Und gleichsam halb entzuͤcket, fand. Woher, rief ich, woher entstand Der schoͤnen Bluhmen Pracht und Schein, Als bloß aus Gott, aus Gott allein? Ach moͤcht’, ob dieser Augen-Weide, Doch meines Herzens Lust und Freude, Aus Gnaden, Jhm gefaͤllig seyn! Am Ende dieses Gartens findet Derselbige sich ausgeruͤndet; Jndem daselbst die Seiten-Ecken Sich weiter, als die Mitte, strecken. Auf jeder stehet ein Altan, Der eine frey, und der bedecket; Von welchen man bemerken kann, Wie fern sich der Gesichts-Kreis strecket. Di e seines wieder erblickten Gartens. Die Mitte fuͤhrt zur großen Stiegen. Bey dieser sieht man, mit Vergnuͤgen, Was sonst bey uns fast unbekannt, Zur rechten und zur linken Hand, Zween Weinberg’, in der Ruͤnde, liegen, Woran die Trauben-reichen Reben Uns mancherley Vergnuͤgen geben. An jedes Fuße zeiget sich, So kuͤnstlich als verwunderlich, Ein klein Parterr, in netten Ranken: Wovon die wohlgeschlungnen Schranken Manch nach der Kunst geordnet Bild, Aus bunten Stein- und Bluhmen, fuͤllt; Jn deren figurierten Graͤnzen Wir oͤfters, sonderlich im Lenzen, Jn tausend Farben, wunderschoͤn, So mancherley Aurikeln sehn. Von diesem Platz, der unsern Blicken, Da ihn so schoͤne Vorwuͤrf schmuͤcken, So mancherley Vergnuͤgen gab, Tritt man noch eine Stieg hinab, Jn einen dunklen Bogen-Gang: Derselbe gehet, in die Queer, Recht mitten durch den Garten her, Und ist des Gartens Breite lang. Der Bogen-Gang ist in der Mitten, Zum Vortheil des Gesichts, durchschnitten, Und graͤnzt daselbst an einem Teich, Der oft so Fisch- als Wasser-reich, Den, von dem zierlichen Altan, Man, mit Vergnuͤgen, sehen kann. Drey Beschreibung Drey schoͤne Waͤnd’, aus Taxus-Hecken, Die sich um diesen Teich erstrecken, Und sich, im Viereck, um ihn ziehn, Verschoͤnern und verschraͤnken ihn. Um diese Waͤnd’, an beyden Seiten, Sieht man sich, durch zween Gaͤnge, leiten Zur letzten großen Stieg hinab; Woselbst dem Garten die Allee, Von ganz besondrer Laͤng’ und Hoͤh’, Annoch das beste Ansehn gab. Beym Eintritt der Alleen findet Man beyde Seiten ausgeruͤndet. Die Winkel ziert ein hoher Baum, Der, dem Laurier gleich, rund geschnitten, Und welche man dahero kaum Von Lorbeern unterscheiden kann. Jn der getheilten Zirkel-Mitten Eroͤffnet sich, den starren Blicken, Ein herrlich Perspectiv; woran, Um recht nach Wuͤrden auszudruͤcken, Was man darinn fuͤr Schoͤnheit sieht, Man sich gewiß umsonst bemuͤht. Der, durch das Dunkelgruͤn der Waͤnde, Gestaͤrkte Blick durchstreicht behende Des Ganges lange Dunkelheit; Die ihn mit Anmuth haͤlt gefangen, Um nach der lichten Herrlichkeit Des hellern Aug-Puncts zu gelangen. Dieß seines wieder erblickten Gartens. Dieß ist ein hell bestrahltes Feld, Worauf, damit mans unterschiede, Man eine weisse Pyramide, Zum Ziel der Augen, hingestellt. Doch ist die Dunkelheit der Schatten Jm Gange, reizend, und so schoͤn, Daß selber auf den hellen Matten, Trotz seiner angestrahlten Pracht, Der Blick nicht maͤchtig, still zu stehn. Man sieht ihn in die gruͤne Nacht Des Ganges oͤfters ruͤckwaͤrts gehn, Um auszuruhn, und sich zu staͤrken: Bald aber, froͤhlich, ohn Verweilen, Nach seinem Aug-Punct wieder eilen, Und dessen Schoͤnheit zu bemerken. Jnzwischen fuͤhren unsre Schritte, Von Lust und Einsamkeit geleitet, Und von Zufriedenheit begleitet, Nach dieses langen Ganges Mitte. Hier ist ein Platz, der ausgeruͤndet, Von hohen Baͤumen ganz umringt, Worinn man neue Lust empfindet; Jndem daselbst ein Spring-Brunn springt, Dadurch das Aug’ und Ohr der Brust, Uns, eine noch vermehrte Lust, Durch Spruͤtzen und durch Klatschen, bringt. Unglaublich ist die stille Freude, Die hier, ob dieser Augen-Weide, 8 Theil. G Wenn Beschreibung Wenn man sich hier auf Baͤnken setzt, Uns, durch den Fall und Schall, ergetzt. Mich bringt der rege Wasser-Strahl Zu den Gedanken mannichmal: “Das stetig steigende Bewegen “Des reinen Strahls, den wir hier sehn, “Scheint unserm Geist, sich zu erhoͤhn, “Auch Triebe gleichsam einzupraͤgen. “Wir sieigen mit: Allein, es waͤhrt “Dieß unser Steigen nicht gar lange; “Dieweil man, mit des Wassers Gange, “Bald wieder sinkt und abwaͤrts faͤhrt. “Dieß scheint ein Bild von unsrer Ruh: “Wir bringen unsre Lebens-Zeit “Jn Hoffnung, Furcht, in Lust und Leid, “Mit Steigen und mit Fallen, zu. Verlaͤßt man diese Ruͤnde nun, Wie wir, des Ortes Anmuth wegen, Doch oͤfters, nicht ohn’ Unmuth, thun, Um die Alleen, die so schoͤn, Bis ganz zum Ende durchzugehn, Jn welcher wir doch in der Mitten, An beyden Seiten, Thuͤren sehn, Wodurch wir in die Gaͤrten gehn; Jn welchen, nebst den Huͤlsen-Fruͤchten Zu so verschiedlichen Gerichten, Viel Obst- und andre Baͤume stehn: Drauf finden wir, nach vielen Schritten, Von einem Graben sie durchschnitten, Den seines wieder erblickten Gartens. Den eine Bruͤcke deckt und schmuͤckt. Hier wird das vorige Vergnuͤgen Verdreyfacht; da man drey Alleen, Die, unvermuthet, vor uns liegen, Jn holder Symmetrie, erblickt. Wann die zu Ende; sehen wir Noch eine ganz besondre Zier, Jn sieben gruͤnen Bogen, stehen; Durch die wir ein so schoͤnes Feld, Das fast nicht schoͤner auf der Welt, Als durch so viel Arcaden, sehen. Wenn wir, ob diesen schoͤnen Auen Erstaunt, uns drehn, und ruͤckwaͤrts schauen; Erstaunet man, fuͤr Lust, aufs neu: Weil wir nicht nur die lange Reih Der dunklen schattichten Alleen; Nein, gleichfals die erhabnen Hoͤhen Der obern Gaͤrten, vor uns liegen, Und uns ins Auge fallen, sehen. Es steigt, auf vier geraden Stiegen, Die man auf einmal sehen kann, Der Blick den schraͤgen Berg hinan, Bis zu den erst erwaͤhnten Bogen, Worauf die sechs gespitzten Wipfel Der Linden in die Hoͤh gezogen. Naͤchst diesen laͤßt der schoͤne Gipfel Des Garten-Hauses oben her, Nebst den zwo Fluͤgeln in der Queer, Jn netter Symmetrie, sich sehn; G 2 Woruͤber Beschreibung seines wieder erblickten Gartens. Woruͤber noch vier Linden ragen, Die draussen vor der Thuͤre stehn, Und die, zumal bey schoͤnen Tagen, Da sie das rothe Dach bedecken, Und hoch sich in die Luft erstrecken, Jn einem gruͤnen Schimmer glaͤnzen, Und endlich unsern Blick begraͤnzen. Das waͤre von des Gartens Pracht Ein kleiner Abriß nun gemacht, Den ich, Gott Lob! nun wieder sehe. Gieb, Herr! Der Du ihn mir gegeben, Daß ich, bey einem laͤngern Leben, Jn ihm, als Geber Dich erhoͤhe! Ach laß mich an den innern Schaͤtzen, Zu Deinem Preise, mich ergetzen, Oft Deine Creatur besingen, Dir oft ein frohes Dank-Lied bringen! Vergnuͤg- Vergnuͤglicher Gottes-Dienst. Zum Schluß des Fruͤhlings. H eut haben heller Voͤgel Choͤre Sich, mir zur Lust, und Gott zur Ehre, Jm Singen, nicht umsonst, bemuͤht. Gott Lob! so manche schoͤne Bluhme Hat, mir zur Freude, Gott zum Ruhme, Und folglich nicht umsonst, gebluͤht. Die Pracht der Kraͤuter-reichen Felder, Die gruͤnen Schatten kuͤhler Waͤlder, Hab ich, Gott Lob! mit Lust, erblickt. Es hat der Schnee der schoͤnen Bluͤhte Mein drob erstaunendes Gemuͤthe Sowohl, als wie die Welt, geschmuͤckt. Das uͤberall vorhandne Glaͤnzen Der Creaturen, in dem Lenzen, Hat mich ergetzt, hat mich geruͤhrt: Ja, es ist nicht dabey geblieben; Jhr Schmuck hat mich zur Quell getrieben, Und zu dem Schoͤpfer Selbst gefuͤhrt. Jn tiefer Ehrfurcht fing mein Denken Jn Dessen Tief’ an, sich zu senken, Aus Welchem alle Schoͤnheit quillt: Aus Dem entstanden, was entstanden; Jn Welchem das, was ist, vorhanden; Der allen Raum umschraͤnkt und fuͤllt. G 3 Meiu Vergnuͤglicher Gottes-Dienst. Mein Geist, mit dieser Welt verbunden, Durch meine Sinnen, hat in ihr, Jn ihrer Ordnung, Pracht und Zier, Durch alle Sinnen, Gott gefunden: Und zwar auf eine solche Weise, Die, wenn man selbe recht ermißt, Der wahren Gottheit wuͤrdig ist. Sein Werk gereichet Gott zum Preise. Jhn Selbst kann unser Blick nicht sehn; Doch durch Sein Werk, das Er bereitet, Wird unser Geist zu Jhm geleitet. Dieß giebt Sein Daseyn zu verstehn. Wie kann Sich Gott an Creaturen, Die so wie wir, so offenbahren; Wie koͤnnten wir von Jhm nur Spuhren, Daß, und wie groß, Er sey, erfahren: Wenn Gott uns nicht, in unserm Leben, Auch Sinnen, nebst dem Geist, gegeben? So brauchet sie dann, alle beyde, Zu Gottes Ehr’, und eurer Freude. Der Der Sommer. G 4 Gute Gedanken auf dem Lande. J n dieser abgelegnen stillen und angenehmen Ein- samkeit, Wo ich, in ruhigem, vernuͤnftig- und edlem Muͤßiggang, empfinde, Wie ich, von Unruh, Zank und Sorgen, Verdruß und wildem Laͤrm befreyt, Recht als im Haven angelaͤndet, mich endlich in mir selber finde. Es flieht zugleich der Plagen Heer, mit dem Getuͤm- mel, das ich flieh. Da ich, zu viel erst ausgespannt, mich jetzo in mich sel- ber zieh; So fang’ ich erstlich an, zu leben: Jch denk’, und fuͤhle, daß ich denke. Die Gegenwuͤrf’, auf die ich jetzt, fast einzig, die Ge- danken lenke, Sind Gott, sind die Natur, und ich. Jm Schooß von einem tiefen Frieden Belebt mein Glaube sich aufs neu. Von aller Eitel- keit hienieden, Von der betrieglichen, vergaͤnglich- und uͤberfirnsten Pracht der Welt Wird mir, ohn Firniß, ohne Schminke, ein aͤhnlich Bild hier vorgestellt. G 5 Oft, Gute Gedanken auf dem Lande. Oft, wenn ich, durch bebluͤhmte Wiesen, am U fer reger Baͤche, gehe, Und ihren ungehemmten Lauf, mit aufmerksam en Blicken, sehe; Betracht’ ich, in der schnellen Fluth, und in der Well en Fluͤchtigkeit, Mit ernstem Blick, von unserm Leben die aͤhnliche B e- schaffenheit. Wie tausend Wellen, unaufhoͤrlich, von tau - send Wellen sind verdrungen, Und wie die, von den folgenden, von neuem wie - der eingeschlungen, Ohn daß man ihre Spuhren sieht; so senken auch nach kurzer Zeit, Die Menschen alle nach einander sich in den Raum der Ewigkeit. Die Die Rosen. D ie Tulipanen waren welk; der funkelnden Ranun- keln Roth Entfaͤrbt; die bunten Anemonen von aller Pracht beraubt, und todt. Und kurz: Der juͤngst so bunte Garten, der recht bewun- dernswuͤrdig schoͤn, War, ganz von seinem Schmuck entbloͤst, fast oͤd’ und traurig anzusehn. Mich ruͤhrte die Veraͤnderung. Jch dacht’: Ach! ist doch alles nichtig! Dieß ist ein Sinnbild aller Dinge. Wir selbst seyn, wie die Bluhmen, fluͤchtig. Allein, ich kam, nach wenig Tagen, in eben diesen meinen Garten, Und stutzte, wie ich ihn, von neuem, mit Bluhmen ungezaͤhlter Arten, Fast mehr bedecket, als geschmuͤckt, Fuͤr unverhoffter Lust und Anmuth mit Recht darob erstaunt, erblickt. Vor andern aber funkelten, in einer nicht zu zaͤhlnden Menge, Jn einer Anmuth-reichen Roͤthe, und purpurfarbenem Gepraͤnge, Viel aufgebluͤhte Rosen-Buͤsche. Es drang ihr lieblich roͤthlichs Licht, Als wie ein helles Freuden-Feuer, mir in die Seele, durchs Gesicht. Sie Die Rosen. Sie ward, durch ihren schoͤnen Bau, auch durch d en Balsam, den sie spuͤhret, Geruͤhrt, erquickt, ergetzt, erstaunt, und so zu denk en angefuͤhret: Holdselige Rose, liebreizende Bluhme! Du prangest, schimmerst, glaͤnzest, gluͤhst, Du riechest, scheinest, funkelst, bluͤhst, Dem alles erschaffenden Schoͤpfer zum Ruhm e! Wer kann dieß Wunder doch begreifen, Auf welche Weise sich in dir So manche Kraft, so manche Zier, So viele Lieblichkeiten, haͤufen; Wie, in der schwarz- und kalten Erde, Fuͤr unser drob erstaunt Gesicht, Ein roͤthlich und fast flammend Licht, Jn dir, doch zubereitet werde; Wie, aus so hartem Stock, bedornt- und dichten feste n Zweigen, So nett formiert, so schoͤn gefaͤrbte Blaͤtter steigen! Jn deiner lieblichen Figur, Jn deiner Blaͤtter Glanz und Pracht, Die uns erquicken und entzuͤcken, Werd’ ich, von aufgeklaͤrten Blicken Der sich verschoͤnernden Natur, Liebaͤugelnd gleichsam, angelacht. Gott Lob! daß ich mich dein von neuen, Dem, Der dich schuff, zum Ruhm, erfreuen, Jn meiner Lust Jhm danken kann! Es sieht dich mein vergnuͤgt Gemuͤthe Als einen Ausfluß Seiner Guͤte, Und Seiner weisen Allmacht, an. Du Die Rose. Du staͤrkst mein kindliches Vertrauen, Von einem Vater, Der uns hier, Jn Seiner Creaturen Zier, So reich beschenkt, dort, fuͤr und fuͤr, Jn den gestirnten Himmels-Auen, Noch groͤßre Herrlichkeit zu schauen. Es praͤgt dein mehr als irdscher Schein Mir die Gedanken, froͤhlich, ein: “Großer Gott! hier seh’ ich Spuhren, “Wie Du Deine Creaturen “Hier vergnuͤgen kannst und willt. “Hast Du, schon auf dieser Erden, “So viel Wunder lassen werden, “Sie mit solcher Pracht erfuͤllt; “Was mußt Du fuͤr Schaͤtz’ und Gaben, “Unsern Geist noch mehr zu laben, “Nicht in Deinen Himmeln haben! Wie werden nicht in andern Sphaͤren, Zu des allmaͤchtgen Schoͤpfers Ehren, Sich Bilder, Farben, Glanz und Schein, Auf ungezaͤhlte Weise, mehren! Denn die Vernunft kann uns belehren, Und, uͤberzeuglich, uns erklaͤren: Es koͤnn’, in unsrer Erden Pracht, Des Schoͤpfers Weisheit, Lieb’ und Macht, Unmoͤglich, hier erschoͤpfet seyn. Ver- Die Rosen. Verklaͤrte Farben und Figuren, An ganz verklaͤrten Creaturen, Jn tausendfach verschiednem Flor, Stell’ ich, in jeder Welt, mir vor. Was werden dort fuͤr Bluhmen bluͤhen, Und, in noch hellerm Schimmer, gluͤhen! Verschiedentlich gefaͤrbte Strahlen, Aus jeder andern Sonne, werden, Auf ebenfals verschiednen Erden, Die Koͤrper, worauf sich das Licht, Nicht minder, ganz verschiedlich bricht, Unendlich unterschiedlich mahlen. Wer weiß, ob irgendwo nicht Leiber, deren Blut, Jn einer roͤthlich weissen Gluht, Durch eine klar’ und glatte Haut, Wie hier die holde Rose, spielet; Durch die, wenn man den Schimmer schaut, Und die polierte Glaͤtte fuͤhlet, Man, von so frischer Gluht entzuͤndet, Vielleicht noch suͤßern Reiz empfindet, Als wenn man hier, mit Lust, erblickt, Wie suͤß die schoͤne Rose bluͤhet, Und ihre weiche Festigkeit dem Finger, der sie sanfte druͤck t, Zu widerstreben, sich bemuͤhet? Hab’ ich, von andrer Erden Pracht, Was Wunderwuͤrdiges gedacht; So hat die mehr als irdsche Gluht, Die um dich spielt, und in dir ruht, O Rose! mich dazu gebracht. Es Die Rosen. Es hat dein Liebreiz, Glanz und Licht, Ein Andacht-Feuer, durchs Gesicht, Jn meiner Seelen, angefacht. Es preiset mein geruͤhrt Gemuͤthe Die Allmacht, Weisheit, und die Guͤte, Des, Welcher dich so schoͤn gemacht. Die Die Rose. J n einer dick verwachsnen Laube, wo das verschrenkt e Laub so dicht, Daß dem geschaͤrftsten Sonnen-Strahle, daß dem so schnell em als hellem Licht, Es allen Durch- und Zugang wehrte, Herrscht’ eine tiefe Dunkelheit, Die sich, auch selbst zur Mittags-Zeit, Jn eine falbe Daͤmmrung nicht; in eine rechte Nacht verkehrte: So daß, ob gleich, in ihr, ein jeder Vorwurf gruͤn, Doch jeder Vorwurf schwarz, aufs mindste schwaͤrzlicht schien. Jn dieser gruͤnen Nacht saß ich vergnuͤgt, und dachte , Der holden Schatten-Lust, der kuͤhlen Anmuth, nach, Die dieser Ort mir machte: Da denn die Dunkelheit so Aug’ als Geist mir staͤrkte, Daß ich darinn, von selbst, ein Dach, Voll Kuͤhlung und voll Lust, fuͤr mich gewachsen, merkte. Jch sahe die Bequemlichkeit, Die Anmuth dieses Orts, fuͤr mich bereit. Jch sahe mit Verstand: Jch fuͤhlte, Daß, was mich hier, so lieblich, kuͤhlte, Und die so angenehme Nacht, Aus weiser Absicht, fuͤr die Gluht, Und fuͤr der Sonne schwuͤhles Blitzen, Auf eine suͤße Art, mich zu beschuͤtzen, Verwunderlich, hervorgebracht; Genoß der Lust mit Lust, bewunderte die Zier, Und dankte Dem, Der sie mir schenkt, dafuͤr. Wie Die Rose. Wie ich nun den geschaͤrften Blick, Da, wo der Blaͤtter Heer am staͤrksten sich verschrenkte, Jn eine dunkle Tiefe senkte; Bog sich von ungefehr, vom Wind, ein Ast zuruͤck. Gleich sprang, als wie ein Blitz, ein kleines rothes Licht Jn mein erstaunt Gesicht. Ein Rosen-Busch, vom Sonnen-Strahl beschienen, Noch kraͤftiger erhoͤht von dem vertieften Gruͤnen, Drang durch die Oeffnungen der Blaͤtterchen so schnell, Glaͤnzt durch die Dunkelheit derselbigen so hell, Daß es ein wahres Feur, beym ersten Blick, formierte, Und meinen innern Geist, so wie die Augen, ruͤhrte. Es brennet, schimmert, glaͤnzt und gluͤht, Schon vor sich selbst, von eignem Schimmer reich, Die Rose, wenn man selbe gleich, Von Sonnen-Strahlen nicht geschmuͤcket, Nur beym bedeckten Tage sieht, Beym allgemeinen Licht erblicket. Viel groͤßer aber wird, in ihrer Pracht, Die schoͤne Loh, ihr Feur weit heller angefacht, Wenn, bey entwoͤlktem heiterm Wetter, Ein Sonnen-Strahl der Rosen lichte Blaͤtter, Voll Gluht und Feuer, trifft. Hier aber, wo der Grund, Durch welche man sie sah, worauf sie stund, Fast schwarz und dunkel mehr, als wie begruͤnet, Jhr noch zu einer Fulge dienet; Weiß ich, sie wuͤrdig zu beschreiben, So Farb’ als Reim nicht hoch genug zu treiben. 8 Theil. H Der Die Rose. Der rothen Lohe Herrlichkeit Schien, an verschiednen Stellen, Der finstern Laube Dunkelheit, Recht wirklich zu erhellen. Es trieben mich die kleinen schoͤnen Blitze Von meiner Rasen-Bank bemoßtem Sitze, Um in der Naͤhe sie zu sehn. Jch eilte nach den Rosen hin, Und sah, der Bluhmen Koͤniginn, Bewundernswuͤrdig, lieblich, schoͤn, Jn ihrem Purpur-Kleide bluͤhen, Jn ihrem holden Feuer gluͤhen; Bewunderte, vom Finger der Natur, Die wunderschoͤn gebildete Figur; Ergetzte mich, recht inniglich erfreut, An ihrer Blaͤtter Glanz und holden Zaͤrtlichkeit; Erquickte mich an ihrer Balsam-Kraft, Die aus den purpurfarbnen Hoͤhlen, Jm schmeichlenden Geruch, selbst unsern Seelen, Ein’ innerliche Lust verschafft. Vor allen aber mehrt ihr herrliches Gepraͤnge Von klaren Tropfen eine Menge, Die, durch den Thau darauf gespruͤtzt, Bald wie Rubin, bald wie ein Demant, blitzt. Jch suchte Quell und Grund von diesem hellen Schein ; Und fand ihn, in dem Strahl der Sonne, bloß allein: Der nicht mit Farben nur die reine Ruͤnde schmuͤckte; Nein, der darein das Bild von seinem Urbild druͤckte. Dieß Die Rose. Dieß Bildchen fuͤhrte gleich Blick, Herz und Sinn Zur hellen Sonne selber hin. Jch uͤberlegt’, erwog, erkannte, Daß ihre Lebens-Gluht, zum Nutz der Welten, brannte, Und daß, was unsre Welt, nebst so viel andren, fuͤllet, Aus ihrem Wunder-Wesen quillet. Doch kam mir ihre Groͤß’ und Zier Nicht anders, als ihr kleines Bild, Womit dieß Troͤpfchen angefuͤllt, (Jm Gegenhalt mit ihrem Urbild) fuͤr: Aus welchem sie, nebst ungezaͤhlten Sonnen, Als so viel Troͤpfchen nur, geronnen, Und welches ihr, wie sie das Troͤpfchen schmuͤckt, Licht, Waͤrm’ und Glanz gewaͤhrt und eingedruͤckt. Ach! welch ein unbegreiflich Licht, Ach! welch ein wesentlich- selbststaͤndger Wun- der-Schein, Muß aller Dinge Schoͤpfer nicht, Muß aller Sonnen Sonne, seyn! So hat demnach die schoͤne Rose mich, Durch ihre Pracht, recht inniglich, Zu ihres Schoͤpfers Ruhm, geruͤhret; Sie hat zugleich zur Sonnen, und, durch sie, Zu aller Sonnen Sonn’ und Quell, mich hingefuͤhret. Dem dank’ ich, mit gebognem Knie, Daß Er uns, hier in unserm Leben, Nebst dem so schoͤnen Sonnen-Licht, Die Rose, den Geruch, auch das Gesicht, Zu unsrer Lust, aus lauter Huld, gegeben. H 2 Jn Die Rose. Jn aller Schoͤnheit dieser Erden erheb’ ich ihre s Schoͤpfers Macht; Voll Anmuth seufz’ ich nur zu Dem, Der si e und mich hervorgebracht: Denn von der Zier und Pracht der Welt werd e ich nur in so fern geruͤhret : Als mich derselben Pracht und Zier zu unser alle r Ursprung fuͤhret. Gedan- Gedanken uͤber Rosen. A uf einer Stiege, woran Hecken Von Rosen, beyde Seiten, decken, Wovon die aufgebrochne Menge, Ein lieb- und herrliches Gepraͤnge, Den drob erstaunten Augen, zeigt; Da, wenn man auf- und abwaͤrts steigt, Sie fast Gelaͤnder, von Rubinen Und von Smaragd formieret, schienen: Auf dieser Stiege hatte sich, von frischen Rosen halb beschattet, Und halb von ihrem Parasol, mein Marianchen hin- gesetzt. Jch sahe, (von ihr ungesehn) vom Gehen ziemlich abgemattet, Auf einem Rasen-Baͤnkchen sitzend, von Blaͤttern der Allee bedeckt, Wie sie an einer großen Rose, vor andern, Nas’ und Blick ergetzt. Jhr Hand-Buch, die Zufriedenheit des großen Hoff- manns, hatte sie Jnzwischen bey sich hingelegt, um in der spielenden Natur, Nach der vorhin gelesnen Lehre, die allen fast verborgne Spur Des Schoͤpfers aller Welt zu finden. Sie drehete, mit suͤßer Muͤh, H 3 Die Gedanken uͤber Rosen. Die Rose, fast von allen Seiten, und ließ den helle n Sonnen-Strahl Bald seitenwaͤrts, bald in sie, fallen. Hiedurch entde ckte sie Lieblichkeiten, Von Farb- und Formen, sonder Zahl; Nicht weniger von rothen Schatten, die sich verkleine rten und verbreiten, Nachdem sie sich dem Lichte nahn, und von ihm weiche Sonderlich (So wie sie mir nachher erzaͤhlt) hatt’ ihren reg en Blicken sich Manch, in den reinen runden Tropfen (so hell- u nd klarer, als Chrystallen) Erblicktes kleine Sonnen-Bild, mit hellem Schimme r eingepraͤgt, Und ihr, als wie im Jrdischen, was wirklich Himm li- sches gefallen. Zuweilen kaͤm’ ihr, sagte sie, der schoͤnen Rosen For m und Flor, Als eine selbst-gewachsene polierte Balsam-Buͤchse vo r. Sie schienen ihr, und dann zumal, wenn sie der kla re Thau genetzet, Als waͤren sie, bald hie bald da, mit Diamanten gar besetz et Nachdem sie mir, wie schon gesagt, was sie davo n gedacht, erzaͤhlt, Vergnuͤgt’ ich mich, wie leicht zu glauben, daß sie si ch so was Guts gewaͤhlt, Zu Gegenwuͤrfen der Betrachtung. Wir brachen no ch mehr Rosen ab, Da dann derselben Meng’ und Schoͤnheit zu mehr Jde en Anlaß gab; Bis Gedanken uͤber Rosen. Bis ich zuletzt, in einer Laube, wohin mich Lust und Andacht trieb, Dasjenige, so ich gesehn, und folgends dabey, nieder- schrieb: Jhr lieblichen Kinder des froͤhlichen Lenzen! Jhr herrlichen Zeugen der Goͤttlichen Macht! Wir sehen, in eurer erquickenden Pracht, Die Strahlen der Weisheit und Guͤtigkeit glaͤnzen. Es blitzet aus euren bebiesamten Hoͤhlen, Und spielenden Blaͤttern, ein roͤthliches Licht; Es dringet, durch unser betrachtend Gesicht, Zum Lobe des Schoͤpfers, ins Jnnre der Seelen. Vom Balsam, der suͤß aus euch duftet und quillt, Sind unsere Seelen nicht minder erfuͤllt, Gelabet, erquicket, erfrischet, geruͤhret; Auch, da ihr noch ferner erfrischend und kuͤhl, Wird, durch das nicht weniger holde Gefuͤhl, Noch eine vergnuͤgende Wollust gespuͤhret. Wenn folglich der Rosen belustigend Wesen Zu unserm Vergnuͤgen besonders erlesen, Jndem sie durch dreyerley Sinnen ergetzt; So sey sie, vor andern, nach Wuͤrden geschaͤtzt. Jhr Schoͤpfer verdienet erkenntliche Triebe, Voll Dankbarkeit, Andacht, Bewundrung und Liebe, So oft wir ihr glaͤnzend Gebaͤude betrachten. H 4 Je mehr Gedanken uͤber Rosen. Je mehr wir die Schoͤnheit vernuͤnftig beachten, Mit welcher die lieblichen Rosen sich schmuͤcken; Je klaͤrer die Seelen ein Wesen erblicken, Das solche vergnuͤgende Koͤrper bereitet. Bemerkt dann, ihr Menschen! die liebliche Weise, Wodurch, zu des Schoͤpsers verherrlichtem Preise, Die Schoͤnheit der lieblichen Rosen uns leitet. Rosen- Rosen-Theater. W ie ich juͤngst die Rosen-Buͤsche Jn fast flammendem Gemische, Und in uͤberirdscher Zier, Auf bebluͤhmten Rasen sitzend, mit erstauntem Blick, besah; Hoͤret, was mir da geschah! Die Gebuͤsche kamen mir, Auf dem Schau-Platz der Natur, recht als bunte Sce- nen fuͤr. Aber dacht ich: Dieß Theater ist so schoͤn, so wun- derschoͤn; Sind denn, auf so praͤchtger Buͤhne, keine Spielende zu sehn? Jst ein so geschmuͤckter Schau-Platz von Agirenden denn leer? Jn mich uͤberfallndem Schlummer, uͤberfiel mich ein Entzuͤcken; Und ich glaubt’, auf dieser Buͤhne wirklich Spieler zu erblicken. Meines Geistes Auge sah’, ein vergnuͤgtes Geister-Heer Hier an allen Orten schweben, bald sich theilen, bald gesellen. Alle schienen mir Personen, von Bewundrern, vorzustellen. Viele rochen; viele schienen, Mit fuͤr Lust entzuͤckten Mienen, Bald am Rothen, bald am Gruͤnen, Bald an der, bald jeder Bluhme, Dem, Der sie geformt, zum Ruhme, H 5 Sich Rosen-Theater. Sich zu laben, zu vergnuͤgen; Manchen hoͤrt’ ich, seiner Lust einen Dank hinzuzufuͤgen. Endlich liessen sie zuletzt, in gestimmten reinen Choͤren, Voll von Ehrfurcht, Lust und Dank, allgemeine Lieder hoͤren; Da ich dann, wie ich hiedurch, inniglich geruͤhrt, er- wachte, Voll von meinem Traum-Gesicht, Gott zum Preise, Folgends dachte: Schoͤpfer! da wir so viel Wunder hier geniessen, sehn und fuͤhlen; Laß mich, auf dem Welt-Theater, meine Rolle wuͤrdig spielen! Laß mich der Geschoͤpfe Schoͤnheit, und, in ihnen, Dich, verspuͤhren, Ja, so oft derselben Prangen, Ordnung, Schoͤn- heit, Glanz und Schein, Durch die Wunder meiner Sinnen, meiner Seelen Jnnres ruͤhren; Ein Bewundrer Deiner Liebe, Deiner Macht und Weisheit seyn! Rosen- Rosen-Betrachtung, Jhro Churfuͤrstlichen Durchlaucht von Coͤlln, Clemens August, unterthaͤnigst zugeeignet. 1745. W ir waren dem August schon nah, die Rosen waren meist verbluͤhet, Als meine juͤngste Tochter mir, am Morgen, ihrer drey noch bracht: Jn deren Zwiebel-foͤrmgen Koͤrpern, der funkelnden Ru- binen Pracht, Theils weißlicht- und theils dunkel-roth, in lieblichem Gemische, gluͤhet, Und mir, durchs Aug’, ins Herze strahlt; zumal der Blaͤtter holdes Gruͤn, Das ihre lange Staͤngel schmuͤckte, den Glanz noch zu erheben schien. Die eine setzt’ ich vor mir hin, bewunderte der gruͤnen Stangen Gedrehte Ruͤnd’ und Zierlichkeit: an deren gruͤnen Ruͤnd’ und Haut Man, hin und wieder, roͤthliche, den Dornen gleiche, Spitzen schaut, Die doch nur zieren; nicht verletzen. Allein, der Rose funkelnd Prangen, Der holden Roͤthe glaͤnzend Licht, ihr gleichsam recht beflammter Schein, Riß meinen Blick auf sie allein. Jch Rosen-Betrachtung. Jch sah, auf ihren zarten Blaͤttern, sich weisse Stellen, rothe Schatten, Jn einer suͤßen Harmonie, vermischen, brechen, trennen, gatten, Bald an einander reflectiren, Bald in einander sich verlieren. Ein etwas abgebognes Blatt, Das zart, durchsichtig, weiß und glatt, Ließ, augenscheinlich, selbst das Licht, durch sein subtil Gewebe, strahlen, Und diente, welches kaum begreiflich, die untern Blaͤtter roth zu mahlen; So wie ein weisses Glas zuweilen, wenn es gefuͤllt mit rothem Wein, Ein weisses Tischtuch faͤrbt und decket mit einem klaren rothen Schein. Man kann demnach von Rosen-Blaͤttern, durch diese Wirkung, deutlich schliessen, Daß, zwischen weißlicht duͤnnen Haͤuten, sich auch Canaͤle finden muͤssen, Mit einem rothen Saft erfuͤllt. Trifft es nun, daß ein solches Blatt, Von einem Wuͤrmchen angefressen, ein kleines Loͤchlein in sich hat; Sieht man, mit Lust, wie, auf dem untern, ein schnelles rundes weisses Licht Die rothen Schatten unterbricht. Wer Rosen-Betrachtung. Wer aber kann der Farben Menge, der Lichter Mi- schungen, erzaͤhlen, Wenn sie sich, auf der tausendfach gedrehter Blaͤtter aͤussern Flaͤchen, Bald in derselben innre Tiefen versenken, reflectiren, brechen, Bald lieblich in einander fliessen, dort trennen, und sich hier vermaͤhlen? So dacht ich bey der einen Rose, die vor mir auf dem Tische stand; Jndeß die andern, ungefehr, bey der so kostbarn guͤldnen Dose, Die mir, von Coͤlln, der große Churfuͤrst, erst unlaͤngst, zum Geschenk gesandt, Als wie durch einen Zufall, lagen. Jch stutzt’, als ich, erstaunt, erblickte, Wie einer jeden Pracht und Gluht in das polierte Gold sich druͤckte, Als wie in einen hellen Spiegel. Sie schienen beyde fast verklaͤrt; Jhr Feuer, ihre Lieblichkeit, schien, durch des Goldes Glanz vermehrt, Anstatt zu bluͤhn, zu gluͤhn, zu funkeln, und wie ein schimmernder Rubin, Jm Gold aus Ophir eingefaßt: inzwischen ihres Laubes Gruͤn, Jn Gold gefassetem Smaragd, an Farb’ und Glanz, fast aͤhnlich schien. Die Rosen-Betrachtung. Die Augen-Lust vermehrt’ in mir mein erst empfun- denes Vergnuͤgen, Und dacht ich: Der mir meine Lust, durch ein so schoͤn Geschenk, vermehrt, Jst eines wiederholten Danks, und eines bruͤnstgen Wunsches, wehrt. Jch wuͤnscht’: Es moͤge dieser Fuͤrst auf Anmuth- Rosen stetig liegen! Es bluͤhn in Seiner Helden-Seele, bestaͤndig, Rosen suͤßer Lust! Jhm seyn, bey einem hohen Alter, des Alters Dor- nen nie bewußt! Das Gold der Unvergaͤnglichkeit muß Seinen ewgen Nachruhm kroͤnen! Das tausendzuͤngige Geruͤcht laß Seine Vollen- kommenheit, Auch auf die allerspaͤtste Zeit, Durch ihre Ruhm-Trompet, ertoͤnen! Hierauf ergriff ich meine Rosen von neuem wieder; traͤnkte mich Mit ihrem Balsam, der aus ihnen, in unsichtbaren Duͤnsten, raucht, Den ihre purpurfarbne Hoͤhle, fuͤr unsre Nasen, von sich haucht, Und merkt’ an ihnen eigentlich Noch eine nie bemerkte Lust, Wenn man sie mit Bedacht gebraucht. Wie Rosen-Betrachtung. Wie eine junge volle Brust, Die die belebende Natur selbst gleichsam unterstuͤtzt und steift, Wenn man sanft an dieselbe greift, Dem Finger, der sie zaͤrtlich druͤckt, sich strotzend gleich- sam widersetzet; So wird, von einer gleichen Lust, Die Nase, durch die sanfte Haͤrte, und durch die weiche Steifigkeit Der rund- und vollen Ros’, ergetzet: Nur bloß mit diesem Unterscheid, Daß dort der festen Bruͤste Schnee, von einer warmen Gluht erfuͤllet, Wenn aus der Rosen holder Gluht ein’ angenehme Kuͤh- lung quillet. Sie labet aͤusserlich die Nas’, und den Geruch gemein- schaftlich. Durch ihre Eigenschaft, die sinnlich, erquickte meine Seele sich, Und lobte Den, Der, uns zur Lust, die Rose nicht allein so schoͤn, So wunderwuͤrdig schoͤn, gemacht; Der auch, um ihre Pracht zu sehn, Uns Augen, und das Licht, geschenket, Der eine Kraft, die sinnlich ist, in unsre Seelen eingesenket, Und Den man ehrt, wenn man sich freut, und Sein, bey unsrer Lust, gedenket. Das Das Kletten-Kraut. W ie ich, an einem heitern Tage, Jn stiller Einsamkeit, in ungestoͤhrter Ruh, Jm kuͤhl- und feuchten Grase lage; Sah’ ich, in Pflanzen, Kraͤutern, Stauden, den Werken unsers Schoͤpfers zu. Der Farben Schmuck, der Formen Zierlichkeit, Der Form- und Farben Unterscheid, Erfuͤlleten, durchs Auge, meine Brust, Mit einer Fuͤlle reiner Lust; Weil ihr gehaͤufter Schmuck der Seelen Jnnres ruͤhrte, Und mich zum Ursprung aller Schoͤnheit, zur Quell von allen Wundern, fuͤhrte. Vergnuͤgen, Ehrfurcht, Lust, nebst einem heilgen Grauen, Den Schoͤpfer gleichsam Selbst, in unsichtbarem Schein, Mit Blicken meines Geists, zu schauen, Nahm mein Gemuͤth, mein ganzes Wesen, ein. Jch fuͤhlte, wie mein Geist zu einer Stille kam, Die unbeschreiblich suͤß. Mich fuͤllt’ und uͤbernahm Ein rein Vergnuͤgen, eine Lust, Die denen nur, die Gott sich nahn, bewußt. Ein sanftes Feur, voll einer Gluht, Die aus Bewunderung und Andacht stammte, Begeisterte, beweget’ und beflammte Mein fuͤr Vergnuͤgen wallend Blut. Um Das Kletten-Kraut. Um mich nun immer mehr noch zu entzuͤnden, Um ihn noch immer mehr zu suchen, und zu finden; Besah ich uͤberall der Kraͤuter Zierlichkeit, Der Farb’ und Bildungen unzaͤhlbarn Unterscheid. Da ich dann ungefehr, zu meiner rechten Hand, Ein praͤchtiges Gewaͤchs vor vielen andern fand. Dieß Kraut hatt’ Ellen-lange Blaͤtter, meist einer halben Elle breit, Die, in besondrer Zierlichkeit, Sich auf dem Rande falteten; wo sie sich oft zusammen zogen, Bald hier sich hebten, dort sich bogen: Wodurch hier, viel erhabne Stellen, viel hohle Tiefen dort, entstunden, Und uͤberall sich Linien, von nett gezognen Adern, funden. Die viel- und manchen Biegungen, die diese krausen Blaͤtter zeigen, Formieren so viel schoͤne Lichter, formieren so viel schoͤne Schatten, Die hier, auf so verschiedne Art, sich brechen, biegen, trennen, gatten, Daß die, in der so edlen Kunst der Mahlerey, erfahrnen Seelen, Zu ihrer Schildereyen Schmuck, im Vorgrund, immer dieses Kraut, Vor allen andern Kraͤutern, waͤhlen, Als eins der zierlichsten, an welchem die Structur, Die wilde zwar, dennoch symmetrische Figur, Vor vielen Pflanzen, in der That, Was Praͤchtigs und was Großes har. 8 Theil. J Jndem Das Kletten-Kraut. Jndem ich dieser Stauden Bau, Der Blaͤtter Groͤß’ und Ordnung, schau, Der Adern Richtigkeit erwaͤge, Den Schmuck der Farben uͤberlege, Die Ursach’ aller Zier ergruͤnde, Und etwas Wirkendes, in dem Gewirkten, finde; So faͤllt mir Folgends ein: “Nur dieser Pflanzen Bau allein “Koͤnnt’ eine Probe seyn, “Daß ihre Regel-rechte Pracht, “Ohn’ eine weise Macht, “Unmoͤglich sey hervorgebracht. Wie ungluͤckselig seyn wir hier dann auf der Welt, Daß die, von dieser großen Wahrheit, So hell’ und unleugbare Klarheit Uns oͤfter nicht ins Auge faͤllt! Wenn, dacht ich, ich allein, an diesem Orte, saͤße, Und daß ein Kraut, von solcher Groͤße, Jn meiner Gegenwart, schnell aufwaͤrts schoͤsse, Aus einer leeren Stell’ entspruͤnge, Und, sichtbar, in die Hoͤhe druͤnge; Wie wuͤrde nicht mein Geist beschaͤfftigt seyn, Den Grund des Wunders zu ergruͤnden, Den Meister davon auszufinden? Wuͤrd’ ich nicht, wenigstens, mit meinen Schluͤssen Dahin gelangen muͤssen: Es muͤßte hier, im unsichtbaren Schein, Was Geistiges vorhanden seyn, Das sich so ordentlich bewegte, So zierlich und so kuͤnstlich regte? Die Das Kletten-Kraut. Die Wunder nun sind allgemein, Geschehen uͤberall, geschehen stuͤnd- und taͤglich; Nur daß sie nicht so schnell geschehn, Und allgemaͤhlich nur entstehn. Jst es dann nicht betruͤbt und klaͤglich, Daß wir auf aller Wunder Pracht, Noch weniger auf Den, Der sie hervorgebracht, Und sie bestaͤndig schafft, nicht sehn; Uns an den uns geschenkten Schaͤtzen, Zu Dessen Ehren, nicht ergetzen, Der uns gewuͤrdiget, sie uns zu schenken; Auf Jhn kaum die Gedanken lenken, Noch weniger auf Seine Ehre! Wir koͤnnten minder fast auf Jhn nicht denken, Wenn weder Schoͤpfer, Welt, noch Gott, vor- handen waͤre. J 2 Die Die Schoͤnheit der Welt, zur Sommers-Zeit. A ls ich, bey reinem heitrem Wetter, und ganz ent - woͤlktem Sonnenschein, Jn einer ganz zuruͤck gebognen und offnen Chaise, gan z allein, Zur Erndte-Zeit, spazieren fuhr, Ward ich, von ungezaͤhlten Wundern der gleichsam laͤch lenden Natur, Und vieler Gegenwuͤrfe Pracht, So wie mich deucht, recht angelacht. Der Erden ganze Flaͤche schien mit neuen Farben uͤbermahlet, Manch niedrer Busch, manch hoher Wipfel, sehr kraͤftig durch- und angestrahlet. Der gruͤne Klee voll bunter Bluhmen zertheilt’, auch angestrahlt und helle, Von ebenfals bestrahltem Sande, der gleichsam guͤlden, manche Stelle, Formierte mancherley Figuren und Linien; so daß es schien, Ob waͤr der Boden uͤberguͤldet, und, durch Smaragden- gleiches Gruͤn, Bald hie bald dort, illuminieret. Jch ward, durch ihrer Schoͤnheit Pracht, bis in mein Jnnerstes geruͤhret, Und zu der Urquell’ aller Dinge, in meiner Lust, empor gefuͤhret. Jch Die Schoͤnheit der Welt, zur Sommers-Zeit. Jch sah das blaue Firmament, und seine Tiefe sonder Graͤnzen, Gleich einem funkelnden Sapphir, mit hellem Licht erfuͤl- let, glaͤnzen. Jch ward, durch dieser Schoͤnheit Groͤße, die sonder Grund und ohne Schranken, Zur tiefen Ehrfurcht angetrieben. Es breiteten sich die Gedanken Weit kraͤftiger, als sonsten, aus. Erst senkte sich mein Geist hinein Jns tiefe Meer der duͤnnen Luft, erwog das Licht, und Dessen Schein, Der solche ungeheure Tiefen, weit uͤber unserm Luft-Kreis, fuͤllet, Und der sich, ohne Luft und Vorwurf, wie licht er gleich, dem Blick verhuͤllet, Und keinem Auge sichtbar ist. Nichts ist so groß, nichts ist so klein, Als wie des Lichts betraͤchtlichs Wesen. Ob es aus unsrer Sonne quillet, Wie oder nur von ihr beweget und wirkbar wird, ist ungewiß; Wie alles fast, was auf der Welt, in einer lichten Fin- sterniß Und Schatten-reicher Daͤmmrung stecket: So aber weiter keinen Gram in mein belehrt Gemuͤth erwecket; Jndem ich einmal uͤberfuͤhret, daß unsre Pflicht, in diesem Leben, Nicht auf ein gruͤndliches Begreifen, nur aufs Bewun- dern, sich erstreckt: J 3 Wobey Die Schoͤnheit der Welt, Wobey mir aber Glaub’ und Hoffnung zu unsers Schoͤp- fers Lieb’ entdeckt, Er werd’ ein gruͤndlicher Erkenntniß dereinst, nach dieser Zeit, uns geben. Voll ehrerbietiger Bewundrung und Lust, zog ich draus meinen Blick, Von der so dunklen Herrlichkeit des schoͤn- und hellen Lichts, zuruͤck, Den Schmuck der Erde zu betrachten. Jch uͤberlies von unsrer Welt Die Groͤße, samt der Wunder Menge, die ihre runde Flaͤch’ enthaͤlt. Jch uͤberlegte mit Bedacht: Viel hundert tausend Mei- len Felder, Viel hundert tausend Meilen Wiesen, viel hundert tau- send Meilen Waͤlder, Sind auf der Erden Rund vorhanden! Mit wie viel unschaͤtzbaren Schaͤtzen, Von Nahrung, Segen, und von Anmuth, zu unserm Nutzen und Ergetzen, Sind alle diese nicht erfuͤllt! Wer lebt wohl, der den wahren Preis, Nur vom Getraid’, in einem Jahr, zu schaͤtzen, zu be- rechnen, weiß, Den uns das Rund der Erde traͤgt? Wer kann den Schatz und wahren Wehrt Der Baͤum’ und Huͤlsen-Fruͤchte schaͤtzen, so uns der Erden Rund beschehrt Jn einem Jahr? Und wer vermag den Preis des Gra- ses einzusehn, Das Millionen Thiere naͤhrt? Jst zur Sommers-Zeit. Jst es nicht unsre Pflicht, die Lieb’ und Macht und Weisheit zu erhoͤhn, Der Gottheit, wodurch bloß allein uns so viel Gutes wiederfaͤhrt? Wodurch kann doch der Menschen Geist sich von den unvernuͤnftgen Thieren, Als durch Betrachten, unterscheiden? als, im Empfinden, zu verspuͤhren, Daß, wo und wie wir was empfinden, und dann, aus den empfundnen Sachen, Auf Den, Der sie und alles schuff, und sie uns schenkt, den Schluß zu machen, Daß Er sey: daß Er unsrer Liebe, Verehrung und An- betung wehrt; Daß Er uns alles dieß verliehn, und daß Jhm alles zugehoͤrt? Mit solchen Ueberlegungen beschaͤfftigt’ ich mich; und zugleich Betrachtet’ ich die schoͤnen Vorwuͤrf’, in Kraͤutern, Baͤumen, Buͤsch- und Hecken, Die, da sie, an bestrahlten Farben, fast all’, auf andre Weise, reich, Jn nicht zu zaͤhlender Veraͤndrung, uns immer neue Schaͤtz’ entdecken. Bald fuhr ich durch ein dunkles Waͤldchen. Hier war, da sonst die Luͤfte schwuͤhl, Durchs gruͤne Zelt verschrenkter Blaͤtter, in gruͤnen Schatten, alles kuͤhl. J 4 Bald Die Schoͤnheit der Welt, Bald fuhr ich durch ein offnes Feld, das von der Son- nen Glanz bestrahlet, Von ihrem hellen Schein verguͤldet, mit tausend Farben uͤbermahlet, Verherrlicht und erleuchtet war. Dort machten, auf bebluͤhmten Matten, Erhabne liebliche Gebuͤsche, recht zierlich figurierte Schatten. Das Feld war schoͤn, durch die Copie, schattieret von der Sonnen Strahl, Noch schoͤner, an der hellen Seite des Busches, im Original. Hier konnt’ ich, minder lichte Thaͤler, dort feurig’ ange- strahlte Huͤgel, Verschoͤnert durch den Gegensatz, in angenehmer Mi- schung, sehn, Von Farben, Formen, Licht und Schatten. Doch war, vor andern, wunderschoͤn, Jm Rahm, der recht Smaragden-gruͤn, der fast sapphirne Himmels-Spiegel, Der reinen Alster klarer Fluß: von welcher die chry- stallne Fluth, Jn Ufern, welche bald bebuͤscht, und bald beschilft, in Bluhmen ruht. Jhr fruchtbar Naß bebluͤhmt sich selbst; und, in die Wette mit der Erden, Bemuͤht sie sich, mit eignen Bluhmen und Pflanzen, ja so schoͤn zu werden. Sie zeugt ein rundes glattes Gras in den polierten dunklen Binsen; Sie decket sich, an manchem Ort, mit Sittig-gruͤnen Wasser-Linsen; Sie zur Sommers-Zeit. Sie schmuͤckt sich gar mit großen Bluhmen, die auf der glatten Flaͤche schwimmen, Die recht wie Gold und Silber glaͤnzen, und in der Sonnen Strahlen glimmen. Derselben platt- und breite Blaͤtter formieren, auf dem Wasser-Reich, Viel angenehme gruͤne Zirkel, und sehen kleinen Jnseln gleich. Da aber, wo das Wasser klar, schmuͤckt es der schoͤne Wiederschein Von Buͤschen, Baͤumen, Bluhmen, Hecken; er scheint das Urbild selbst zu seyn. Es scheint so gar die stille Flaͤche des glatten Wassers, ohne Wellen, Des Firmamentes blauen Bogen, voll Licht, gedoppelt, vorzustellen. An jenem angestrahlten Ufer der klaren Alster, sah ich, zwischen Den Wipfeln groß- und kleiner Baͤume, auch in den niedrigen Gebuͤschen, Viel Feuer-farbne rothe Daͤcher, als wie Zinnober, gleichsam gluͤhn; Wobey, auf vielen von Glasur, ein jeder Ziegel; Silber schien, Und nebst viel angestrahlten Fenstern, durch auch bestrahl- tes Gruͤn bekraͤnzt, Als waͤren die versilbert, blitzt, und diese, wie verguͤldet, glaͤnzt. J 5 Nach- Die Schoͤnheit der Welt, zur Sommers-Zeit. Nachdem ich nun, mit tausend Freuden, wie schoͤn die Welt, wie wunderschoͤn, Jn jedem Vorwurf, einzeln bald, bald aber uͤberhaupt, besehn; Empfand ich, daß derselben Pracht und Schoͤnheit in- nerlich mich ruͤhrte, Und zu dem Urquell aller Schoͤnheit, dem Geber aller Gaben, fuͤhrte. Jch dankt’ Jhm fuͤr der Sonnen Licht, ich dankt’ Jhm fuͤr der Koͤrper Pracht; Jch dankt’ Jhm, daß Er, fuͤr dieselben, uns, durch die Sinnen, sinnlich macht; Jch dankt’ Jhm fuͤr die Kraft des Geistes, die Er dem Menschen wollen goͤnnen, Daß, beym Genuß der Creatur, wir an den Schoͤpfer denken koͤnnen, Ja, zuversichtlich hoffend, glauben, daß, nach dem Hin- tritt von der Erde, Er uns mit noch weit bessern Guͤtern erfreuen koͤnne, woll’ und werde. Der Der Schoͤpfer, aus den Geschoͤpfen erkannt. Uebersetzt. D ie Schoͤpfung zeigt, an allen Orten, mir, ihres großen Schoͤpfers Spur. Wohin ich meine Blicke lenke, zeigt mir die liebliche Natur Den Eindruck einer holden Gottheit, die ich, durch alle Sinnen, spuͤhre; Und ich empfinde, daß Sie mir das Jnnerste der Seelen ruͤhre. Jn einem Silber-reinen Fluß, von einem rings be- bluͤhmten Bach, Folg’ ich den Spuhren seines Schoͤpfers, in einer ernsten Anmuth, nach. Von der beredten Nachtigall hoͤr’ ich, zur Freude mei- ner Seelen, Sein Lob, Sein unausdruͤcklichs Lob, mit froher Acht- samkeit, erzaͤhlen. Auf den begruͤnt- und bunten Wiesen, auf eines Rosen- stocks Rubin, Da ich sie, als Sein Werk, erwaͤge, bewundr’, entdeck’ und seh ich Jhn. Jn dichten, dick belaubten Waͤldern, erfahr’ ich, in der holden Stille, Wie, Jhm zu Ehren, meinen Geist ein schaudrigtes Vergnuͤgen fuͤlle. Jch Der Schoͤpfer aus den Geschoͤpfen erkannt. Jch sehe Seine Lieb’ und Macht der hohen Berge Gipfel kroͤnen; Jch hoͤre das bebuͤschte Thal, von Seinen Ehren, wie- dertoͤnen; Jch rieche, Gott zum Ruhm, den Balsam, der in den Bluͤht- und Bluhmen steckt, Wobey die Zunge Seine Guͤte, in saͤurlich suͤßen Fruͤch- ten, schmeckt. Nur Er ists, der das Feld mit Weizen, mit fettem Vieh den Anger, deckt. Die dunklen Tiefen preisen Jhn, Jhn ruͤhmen Graͤnzen- lose Meere; Die Luft, der Raum, das Firmament, sind Zeugen Seiner Macht und Ehre. Die Glorie der Gottheit strahlet im Flammen-reichen Sonnen-Licht. Wie glaͤnzet Seine Majestaͤt, in Millionen Sonnen, nicht! Ach! moͤchte Sein, in Seinen Werken, ver- borgner und entdeckter Schein, Bis daß ich von der Erde scheide, mir ein bestaͤnd- ger Vorwurf seyn! Der Der Wiederschein. D urch einen kuͤhlen dunklen Wald floß, mit fast un- vermerktem Lauf, Ein klarer Bach. Des Ortes Anmuth schien recht, ob hielt sie ihn, im Rennen, Und seinem sonst nie stillen Wallen, durch gar zu holde Schoͤnheit, auf; Mit Muͤhe schien er von den kuͤhlen und gruͤnen Schat- ten sich zu trennen. Der still- und reinen Fluth Chrystallen-gleiches Naß, Von mannichfachem Schmuck der Nachbarschaft gezieret, Nimmt Form und Farben an, verschoͤnert sich; formieret Ein flach- und reines Spiegel-Glas, Worinn von Baͤumen, Buͤschen, Huͤgeln, Und allem Schmuck, den sie erhalten, Sich die anmuthigen natuͤrlichen Gestalten Fast mehr verdoppeln, als sich spiegeln: Worinn ein weises Aug’ und aufgeweckt Gemuͤth, Von Himmel, Erde, Baͤum’ und Buͤsche, Ein wunderbar vermengt Gemische, Ein liebliches und neues Chaos, sieht. Man glaubt, auf hohen Baͤumen, Fische, Und Voͤgel in der Fluth, zu sehn; Man zweifelt oft, (getaͤuschet, mit Vergnuͤgen) Ob nicht ein Vogel schwimmt, ob nicht die Fische fliegen, Und sich nicht in der Luft erhoͤhn. Hier Der Wiederschein. Hier sieht man die Natur, von den Originalen, So wunderschoͤn, die zierlichste Copey, Jn einer wunderschoͤn- und netten Schilderey, Mit wahren Wasser-Farben, mahlen. Da nun, in einer schoͤnen Landschaft, der Wie- derschein so wunderschoͤn, Jndem sich die Natur, in ihm uns doppelt zu er- freun bemuͤhet; Jst es demnach, o lieber Mensch! von dir kein straͤfliches Vergehn, Wenn du dich nicht daran ergetzest, und ihn dein blinder Blick nicht siehet? Wodurch du, da, in Gottes Werken, du die ver- goͤnnte Lust nicht fuͤhlst, Dir selbst Lust, Anmuth und Vergnuͤgen, dem Schoͤpfer, Dank und Ehre, stiehlst. Noch Noch einige Betrachtungen uͤber den Wiederschein. ARIA. S piegel des Himmels und der Welt! Deiner Flaͤch’ ist eingepraͤget, Was der Himmel Herrlichs heget. Was den Erdkreis Lieblichs schmuͤcket, Weiß, in schnell formierten Bildern, Die Natur auf dich zu schildern, Hat sie auf dich ausgedruͤcket, Und in dir uns vorgestellt, Spiegel ꝛc. Allein, geliebte Fluth, Du bist ein Bild (ach duͤrft’ ichs nicht erzaͤhlen!) Von unsern ungeruͤhrten Seelen: Denn alles, was auf deiner Flaͤche ruht, Dringt in dich selbst so wenig ein, Als wie der Erde Pracht, des Himmels Schein, So uns doch uͤberall umringet, Jn das Gemuͤth der Menschen dringet. Jhr’ Augen sieht man von den Werken Des Schoͤpfers mehrers nicht bemerken, Als du von deiner Bilder-Pracht. Man kann sie, leider! dann, mit Recht und mit Bedacht, Von allem dem, was Gott gemacht, Wie dich, auch todte Spiegel, nennen. Statt Ueber den Wiederschein. Statt daß sie an der Creaturen, Die uns der Schoͤpfer wollen goͤnnen, Pracht, Ordnung, Farben und Figuren, Und an so mannichfaltgen Schaͤtzen, Sich sollten, Jhm zur Ehr’, ergetzen; So bleibt der Form- und Farben Zier, Zugleich auch Anmuth und Vergnuͤgen, Auf gleiche Weis’, als wie bey dir, Auf ihres Wassers Flaͤchen liegen: Die Seele wird dadurch, indem sie nichts verspuͤhret, So wenig, als dein Grund, geruͤhret. ARIA. Wie betruͤbt ist dein Betragen, Fuͤhllos- menschliches Geschlecht! Nicht nur Baͤume, Buͤsch’ und Huͤgel, Sind so schoͤn allein fuͤr sich; Auch die Fluth, ihr schoͤner Spiegel, Bildet sie umsonst fuͤr dich. Hat dann die Natur nicht Recht, Ueber dich sich zu beklagen? Wie betruͤbt ꝛc. Mich aber, rein- und schoͤn geschmuͤckter Bach, Fuͤhrt deine Spieglung weiter fort, Jm Geist, und zwar an jenen Ort, Woselbst die Luft, vermuthlich, ja so flach, So rein, so klar, an ihren aͤussern Graͤnzen, Als wie du hier. Welch Ueber den Wiederschein. Welch eine Schoͤnheit, welche Zier, Wird dort, im Wiederschein, nicht glaͤnzen, Von Koͤrpern, welche zarter seyn, Wo nicht selbst von des Himmels Schein; Von Sonnen, welche dorten brennen; Von Welten, die symmetrisch rennen! Jn verhimmelnden Jdeen Deucht mich, zu des Schoͤpfers Ehre, Jn dem tiefen Himmels-Meere, Sonnen waͤlzen, Welten drehen, Ja noch etwas mehr, zu sehen. Wenn vielleicht auch dort von ihnen, Der Gestalten Pracht und Zier, Auf der Luft Fluth, so wie hier, Auf der Fluth die Koͤrper, schienen; Welch ein heller Wiederschein, Wie so herrlich muͤßt’ er seyn! 8 Theil. K Der Der Regenbogen. E s hatte juͤngst der schoͤn gefaͤrbte Bogen Das ganze Firmament umzogen, Da mich desselben buntes Glaͤnzen und Schimmer-reicher Farben Pracht Auf folgende Gedanken bracht: Hier siehet man die Sonnen-Strahlen, Die ihnen wesentliche Farben, so sonst nicht sichtbar, deutlich mahlen. Hier zeiget sich, dem menschlichen Gesicht, Das eigentliche Sonnen-Licht; Es legt sich Purpur, Violet, und Roth, und Gelb, und Gruͤn, und Blau, Jn dieser Regel-rechten Ruͤnde des halben Zirkels, uns zur Schau: Denn andre Farben hat es nicht. Wer wird, durch diese Pracht, nicht inniglich geruͤhret? Doch wird mein ganz dadurch durchdrungner Geist, Da er sich aller Macht des Vorurtheils entreißt, Zu Gottes Ruhm, viel weiter noch, gefuͤhret. Er denkt an aller Sonnen Menge, Und schließt: Es wird, von jeglicher, der Schein, An Farben, unterschieden seyn; Es wird, in jeglichem Planeten, ein anders schimmern- des Gepraͤnge, Die Kraft, das Licht zu reflectiren, Veraͤndert, herrlicher zu spuͤhren, Die Aendrung unerschoͤpflich, seyn. O Gott! Der Regenbogen. O Gott! in diesem tiefen Denken Fuͤhl’ ich, erstaunt, mein ganzes Wesen in Deine Groͤße sich versenken. Jm Anblick Deiner Majestaͤt, und Deines uner- schaffnen Lichts, Werd’ ich, in einer frohen Ehrfurcht, und selgen Wollust, fast zu nichts. K 2 Zum Zum Thuͤrmchen in Ritzebuͤttel. J ch kam mir selber hier, Auf dieser meiner Augen Reise, Als wie ein Centrum fuͤr, Von einem großen halben Kreise: Auf dessen aͤußrer Ruͤnde Jch nichts, als Luft und Wasser, finde. Mein Thuͤrmchen schien, um mir, Als um dem Mittelpunct, ein Zirkel, welcher klein; Der Fenster Oeffnungen, zehn Radii zu seyn, Die, divergirend, sich bis an den Umkreis streckten, Und das so schoͤne Stuͤck der Land- und Wasser-Welt, Jn ihren Linien verschrenkt, entdeckten, Das mir, im Mittelpunct verkleint, ins Auge faͤllt. Mir fiel, aufs neu, das Wunder ein, Wodurch sich eine solche Groͤß’, in etwas, das so winzig klein, So sehr verengen kann, so sehr verschrenkt, Und, wunderbar verkleint, sich uns ins Auge senkt, Ja tiefer dringt, und sich, noch mehr verkleint, Jn einen Punct, der unbegreiflich zart, Auf eine uns verborgne Art, Mit unsrer Seel’, im Hirn, vereint. Die Kleinheit scheinet mir so klein, Daß Ort, und Raum, und Zeit, in ihr verschwunden seyn. Es Zum Thuͤrmchen in Ritzebuͤttel. Es scheint, was koͤrperlich, sich hier zu enden; Was Geistigs, das nicht ausgespannt, Das gar mit keinem Raum verwandt, An diesem Ort sich anzufangen. Kann nun der Mensch, als Mensch, hievon gleich nichts verstehn; So hoffen wir dennoch zu einer Faͤhigkeit, Dieß Wunder tiefer einzusehn, Nach diesem Leben, zu gelangen. K 3 Gedan- Gedanken uͤber Bluhmen. W ie schoͤn prangt jede schoͤne Bluhme, Quell aller Schoͤnheit, Dir zum Ruhme So Form als Farben, Glanz und Schein, Samt des Geruchs Ergetzlichkeiten, Konnt’ anders niemand zubereiten, Als Deine Macht, o Gott! allein. Ach! laßt, an ihren bunten Schaͤtzen, Uns, Jhm zum Ruhm, uns dann ergetzen! Sein Ruhm ist eine frohe Brust; Sein Preis ist unser Augen Weide; Sein Lob, o Lieb’! ist unsre Freude; Sein liebster Dank ist unsre Lust. Gluͤck- Gluͤckseligkeit einer Seele, welche den Schoͤpfer in den Geschoͤpfen betrachtet, empfindet, und verehret. D a ich, zur kuͤhlen Abend-Zeit, in meiner schattichten Allee, Von Amts-Geschaͤfften unbeladen, ganz einsam, hier spazieren geh, Der Blaͤtter Schmuck, Figur und Farben, mit innigli- cher Lust, betrachte, Sie, als unmittelbare Zeugen von Gottes weiser Macht, beachte, Einfolglich Dessen Gegenwart, Der allenthalben wirket, nah, Weit deutlicher, als sonst, empfand, und kaum begriff, wie mir geschah; Verspuͤhrte mein geruͤhrter Geist ein Etwas, das man oͤfters spuͤhren, Und, GOTT zu Ehren, fuͤhlen sollte. Ein bruͤnstigs Wallen, eine Lust, Erzeugt aus einer innern Regung, und die, in meiner ganzen Brust, Sich angenehm verbreitete, fing meinen Geist an, zu re- gieren, Gebahr und unterhielt’ in mir ein’ Anmuth, eine See- len-Stille. Es scheint, als ob in solchem Stande, wenn man in Seinem Werk Jhn sucht, Ein selten sonst gespuͤhrt Vergnuͤgen, als eine suͤße Seelen- Frucht, K 4 Aus Gluͤckseligkeit in Betrachtung des Schoͤpfers. Aus allen Blaͤttern gleichsam keime, aus jedem Kraute gleichsam quille, Ja, als wenn Sich der Schoͤpfer Selber hier mehr annoch, als sonst, enthuͤlle. Jn tiefer Ehrfurcht fing mein Denken, Jn Dessen Tief’, an, sich zu senken, Aus Welchem alle Schoͤnheit quillt: Aus Dem entstanden, was entstanden; Jn Welchem das, was ist, vorhanden; Der allen Raum umschraͤnkt und fuͤllt. Jch fuͤhl’, in der erschaffnen Pracht, Fuͤr die, nur Gott, mich sinnlich macht, Und die ich, bloß durch Jhn, empfinde, Durch Jhn allein vermag zu merken; Daß Er, in Seinen schoͤnen Werken, Sich gleichsam Selbst mit mir verbinde. Gieb, Herr! daß ich je mehr und mehr, Jn meiner Lust, zu Deiner Ehr, Da ich Dich fuͤhle, seh’ und schmecke, Mein Gluͤck, in Deiner Lieb’, entdecke! Ver- Vernuͤnftiger Genuß der Bluhmen. W enn ich das liebliche Geschenke Der schoͤnen Bluhmen/ riech’ und sehe; Gieb, Gott! daß Dirs zum Ruhm geschehe, Und ich, bey meiner Lust, gedenke: “Geruch und Aug’ ist Gottes Gabe. “Gott Lob, daß Er der Bluhmen Pracht “So wunderschoͤn fuͤr mich gemacht! “Gott Lob, daß meine Seele sinnlich, und ich des Koͤrpers Sinnen habe! K 5 Betruͤbte Betruͤbte Betrachtung bey schoͤnen Vorwuͤrfen. S o ist die Welt denn wunderschoͤn Fuͤr Menschen, welche sie nicht sehn? So muͤssen Bluhmen Ambra zollen Fuͤr Menschen, die nicht riechen wollen? So schallet die Music, in holder Voͤgel Choͤren, Fuͤr Menschen, welche sie nicht hoͤren, Und nicht, in ihrer Lust, den großen Schoͤpfer ehren? Jst denn die Creatur, auf solche Weise, nicht Umsonst so herrlich zugerichtt; Und alle Ordnung, Schmuck und Pracht, Die, wie wir lehren, doch, vom Schoͤpfer, fuͤrs mensch- liche Geschlecht gemacht, Fuͤr solche Menschen, wie wir seyn, vergebens nur her- vorgebracht? Betrach- Betrachtung der Wunder, wodurch uns alles sichtbar wird. W ie uns das Licht die Koͤrper zeiget; So zeigen Koͤrper uns das Licht. Das Licht, wenn wir im Licht auch stuͤnden, Wuͤrd’, ohne Koͤrper, sich nicht finden; Wir saͤhen seine Schoͤnheit nicht. Wenn es sich nicht an Koͤrper bricht; So steckt, fuͤr uns, sein Schein im Dunkeln: Der Widerschlag macht es erst funkeln. Es stehn Licht, Aug’, und Gegenstand, Jm unzertrennlichen Verband. Doch muͤssen wir auch nicht vergessen, Der Luft Natur noch zu ermessen. Es wuͤrd’, im leeren Raum, das Licht Sich ganz verlieren und zerschlagen, Wuͤrd’ es, im Kreis der Luͤfte, nicht Versammlet, und uns zugetragen. Wir koͤnnen hieraus oeutlich sehn, Wie groß die Wunder, die geschehn; Damit der schoͤne Bau der Erde Den Creaturen sichtbar werde. Will die vernuͤnftge Creatur, Der Mensch, denn nicht, hierinn, die Spuhr Der Weisheit, Lieb’ und Allmacht sehen? Nicht, im Bewundern, Den erhoͤhen, Der Betrachtung der Wunder im Sichtbaren. Der aller Koͤrper Wunder-Pracht Nicht nur allein hervorgebracht; Nein, Der, mit neuen Wunder-Werken, Um, im Genuß, Jhn Selbst zu merken, So wunderbar ihm sichtbar macht? Wie kann, wenn wir dieß nicht erkennen, Nicht Dank und Ruhm dem Schoͤpfer goͤnnen; Der Mensch sich doch vernuͤnftig nennen? Die Die Hochmuths-Bluhme. D er verhaßte Nam’ allein, welchen man von unge- fehr, Liebstes Bluͤhmchen, dir gegeben, hat die Schuld, daß ich bisher Dich, wie du doch wohl verdienst, nicht betrachtet, nicht besungen. Ob mir gleich dein buntes Prangen, zwischen andrer Bluhmen Pracht, Oefters, ins Gesicht gedrungen; Sah ich dich doch, ohn Bedacht, Folglich mit halb blinden Augen, ohne mich an deinen Schaͤtzen, Deiner Form- und Farben Schmuck, zu vergnuͤgen, zu ergetzen, So wie Menschen alle Bluhmen, leider! sehn, veraͤchtlich an. Jetzt, da meine juͤngste Tochter viele davon abge- pfluͤcket, Und sie mir vor Augen leget; find’ ich sie so schoͤn ge- schmuͤcket, Daß ich mich, sie zu bewundern, ferner nicht enthalten kann. Jch bewunderte zuerst ihrer Farben große Menge, Mischung, Unterscheid und Pracht. Jch bewunderte die Laͤnge Der, ganz ausserordentlich, rings umher belaubten Stangen, Woran die gefaͤrbten Kinder aufwaͤrts stehn, nicht abwaͤrts hangen. Ueberall, Die Hochmuths-Bluhme. Ueberall, wo Bluhmen-Sprossen, Aus getheilten Neben-Stielen ihres Stamms hervorge- schossen, Jst derselben Fuß bekraͤnzt, von besondern Blaͤtterchen, Die sehr zierlich, und so schmahl, daß sie gruͤne Linien Gleichsam vorzustellen scheinen; aber die so ordentlich, Von dem Finger der Natur, und so zierlich, sind gezogen, Daß uns billig jeder Strich Zur Bewundrung leiten sollte. Jeder wird dazu bewogen, Wer die Zeichnung uͤberlegt. Jeder Hauptstrich wird in drey Gruͤne Linien getheilt; und ein jeder wird aufs neu, Seitwaͤrts, wiederum in drey, und noch mehrern, aus- gestrecket: So daß man dadurch, in ihnen, einen kleinen Busch entdecket, Der aus Strichen bloß formiert. Jch bemerkte diese Zier, Dadurch, mit Bewunderung, wie ich eins, auf mein Papier Ausgebreitet, vor mir legte. Da ich dann, mit Lust, erblickte Die symmetrische Figur, welche diese Blaͤtter schmuͤckte. Endlich wandt’ ich meinen Blick auf der Bluhmen schoͤnen Bau. Diese legen, voller Schoͤnheit, unsern Augen sich zur Schau, Jn fast seltsamer Figur. Wie ein Ueberflusses-Horn, Jst ihr Hintertheil gebildet; welches in ein Blatt sich endet, Das sich zu vier andern Blaͤttern, die besonders zierlich, vorn, Ueberhalb des Staͤngels, sitzen, in besondrer Biegung, wendet. Mitten Die Hochmuths-Bluhme. Mitten aus dem Hoͤrnchen waͤchst ein besonder-frem- des Blatt, Wovon sich das untre Theil vorwaͤrts bieget, und sich schliesset Ueber das Gehaͤus des Saamens, der an diesem Ort entspriesset; Da das obre Theil hingegen aufwaͤrts steht, und, in der Mitten, Regel-maͤßig ausgeschnitten, Die Figur von einem Kopf-Schmuck, mit gebognen Falten, hat. Von derselben bunten Farben großer Mannichfal- tigkeit, Jhrer Mischung und Verbindung nicht zu zaͤhlndem Unterscheid, Da bald Purpur, weiß, auch Leibfarb, weißlicht- bald, bald dunkel- blau, Roͤthlicht, gruͤnlicht, falb, Lasur, gelblicht, gris de lin und grau, Jhre netten Blaͤtter zieret; Wird ein Blick, der sie bemerkt, eingenommen und ge- ruͤhret. Wenn die Bluhme nun verbluͤhet, steiget, nach ver- lornem Flor, Mitten aus dem starren Staͤngel, ihre Saamen-Huͤls’ hervor; Welche, wie ein kleines Schoͤthchen, weisse Saamen- Koͤrner traͤget, Und, sehr zierlich eingepackt, ihrer immer vierzig heget. Da Die Hochmuths-Bluhme. Da ich diese Bluhme nun, mit Aufmerksamkeit, be- achtet, Und derselben Bildungs-Formen, Farben, Zuͤg’ und Schmuck betrachtet, Und mich recht daran vergnuͤgt und ergetzet; kommt sie mir, Jn des Welt-Buchs A. B. C., als ein neuer Buchstab fuͤr, Der mir seines großen Schreibers Daseyn, Lieb’ und Macht zwar zeiget; Aber dessen rechter Jnhalt mein Begreifen uͤbersteiget. Des Natur-Buchs schoͤne Lettern einzeln hier nur anzusehn Scheint der Mensch auf dieser Welt. Unser hie- siges Studieren Geht nur bloß aufs Buchstabieren. Doch, dasselbe recht zu lesen, und den Jnhalt zu verstehn; Dieses wird, nach dieser Zeit, Jn der selgen Ewigkeit, Von verklaͤrten Geistern erst, wie man billig glaubt, sich fassen, Und des Schoͤpfers Herrlichkeit deutlicher begreifen lassen. Der Der neue Mond. B ewundre, Mensch, den Kreis der Luft! der dir nicht nur das helle Licht Der Sonne, das sich sonst verspreiten, Und, sonder Luft, im leeren Raum zerschlagen wuͤrd’, in dein Gesicht Allein vermoͤgend ist, zu leiten; Nein, welche taͤglich, spat und fruͤh, so gut als wie der Mond, dir dient, Dir den sonst kuͤrzern Tag verlaͤngt: Und, da sie fruͤh den Sonnen-Strahl viel eh, als unsre Erd’, empfaͤngt, Des Abends laͤnger auch behaͤlt; Denselben, eben wie der Mond, von sich laͤßt wieder abwaͤrts prallen, Und, auf die sonst viel eh und spaͤter in dunkle Nacht gesenkte Welt, Jm Wiederschein, herunter fallen, Und uns die Daͤmmerung gebiert: da, wenn dasselbe nicht geschaͤhe, Man, nach der Sonnen Untergang, vor ihrem Aufgang auch, nicht saͤhe. So schaue dann, voll Dank und Andacht, be- wundernd, kuͤnftig, jedermann, Die Luft, als einen wahren Mond, zum Ruhm des weisen Schoͤpfers, an! 8 Theil. L Tirsan- Tirsander. V erachte kuͤnftig, lieber Mensch, wie es bisher von dir geschehen, Gebessert durch Tirsanders Beyspiel, der Bluhmen Schmuck und Pracht nicht mehr! Tirsander hatt’, in seinem Leben, kein’ einzge Bluh- me je gesehen, Er wußte nicht, was Bluhmen waren; als einst Be- rander, ungefehr, Jhm Rosen, Anemonen, Liljen, Ranunkeln, Nelken und Sjonkiljen, Die er mit Fleiß, fuͤr ihn, gesammlet, auf einmal vor die Augen hielte. Tirsander stutzt’, erstarrt fuͤr Lust, die seine Seele ploͤtzlich fuͤhlte: Es war, als wenn ein schneller Blitz ihm seinen Geist, durchs Auge, ruͤhrte; Als wenn ein Strohm von reiner Wollust sein ganzes Wesen uͤberfloß; Als wenn, fuͤr uͤberhaͤufter Anmuth, die er, aus ihrer Pracht, genoß, Er ein belebend Freuden-Feur, in allen seinen Nerven, spuͤhrte. “Mein Gott!” brach er, erstaunet, aus; “mein Gott! was ist das, was ich sehe! “Was fuͤr ein Glanz, und was fuͤr Farben! O welche kuͤnstliche Figuren! “Sind dieses irdische Geschoͤpfe? wie? oder sind es Creaturen “Aus der gestirnten Himmels-Hoͤhe? “Kein Tirsander. “Kein Menschen-Finger hat die Pracht “Formiert; es muß was Goͤttlichs seyn, das ihren Wunder-Bau gemacht. Er sah von einer auf die andre; zog aber den begier- gen Blick Schnell wieder von der andern ab, und auf die erstere zuruͤck, Um ihren Schmuck nicht zu verlieren. Es uͤberlief sein Augen-Strahl, Verwirrt, bald die, bald jene Bluhme, bald alle Bluh- men auf einmal. Um sie nun besser zu betrachten, bracht’ er sie nah an sein Gesicht. Allein, welch eine neue Wollust durchdrunge seine Seele nicht, Als sein Geruch den Balsam spuͤhrte, der aus den schoͤ- nen Blaͤttern quillt, Und, mit noch nie gespuͤhrter Anmuth, ihm schnell sein ganz Gehirn erfuͤllt! Er stutzt’ und er verstummt’ aufs neu. Sein Othem ging schnell aus und ein; Er roch, er schnauft’, er schloß die Augen, und schien, fuͤr Lust, entzuͤckt zu seyn. “Dem Wesen, welches diese Wesen, so wunderbar, zu bilden weiß, “Und meinen Geist durch sie ergetzt, sey ewig Ehre, Lob und Preis! Rief er, fuͤr Wollust ausser sich. Ach! daß wir, wie Tirsander, daͤchten, Und, bey den wunderschoͤnen Bluhmen, GOTT, unsre Lust, zum Opfer, braͤchten. L 2 Unter- Unterscheid der Wissenschaft, daß, und was Gott sey. K ein Thier hat von der Gottheit Nachricht, Erkennt niß, oder Wissenschaft. Die Menschen wissen, daß Er ist. Dieß koͤnnen sie und sollens wissen. Doch was Er sey, scheint bloß ein Vorwurf fuͤr Geiste von viel schaͤrfrer Kraft: Daher wir dieß Erkenntniß billig, nach dieser Zeit, be spahren muͤssen. Doch ist dieß Wissen, daß ein Gott, so klein und so geringe nicht. Denn es bestehet eigentlich darinn, daß wir von Seinen Werken, Jn ihrer Ordnung, Nutz und Zier, zugleich Macht Weisheit, Liebe, merken, Und finden, daß ein jedes Ding: Es ist ein Schoͤpfer, deutlich spricht. Je oͤfter nun der Creatur Pracht, Ordnung, Nutz und Glanz uns ruͤhret; Je oͤfter wird man, daß ein Gott, unwidersprechlich uͤberfuͤhret. Betrach- Betrachtung Goͤttlicher Werke. H ier, wo meine Seele siehet, Und nicht nur mein Aug’ allein, Wie sich die Natur bemuͤhet, Meine Lehrerinn zu seyn; Wo ich, in vergnuͤgter Stille, Meines Schoͤpfers Wunder-Werke, Und, in ihrer Pracht und Fuͤlle, Weisheit, Macht und Liebe merke: Treff ich eine helle Klarheit, Jn der Koͤrper Schoͤnheit, an, Welche mir den Weg zur Wahrheit, Durch die Sinnen, zeigen kann. Nicht nur Himmel, Erd’ und Meere, Sterne, Mond und Sonnenschein, Predigen des Schoͤpfers Ehre; Jeder Vorwurf stimmt mit ein. Jedes Baumes gruͤner Wipfel, Kraut, Bluͤht, Bluhme, Laub und Gras, Jedes Berges steiler Gipfel, Unterweist mich, lehrt mich was. Jch bemerk’ an ihren Lehren, Daß sie voller Weisheit seyn; Auch, daß sie fuͤr uns gehoͤren, Ja nur bloß fuͤr uns allein. Jn den unterschiednen Bildern Jhrer kuͤnstlichen Structur, Die, fuͤr uns, so schoͤn sich schildern, Redet mit uns die Natur. L 3 Daß Betrachtung Goͤttlicher Werke. Daß die Theile, wie wir sehen, Und man nicht verleugnen kann, All’ auf eine Absicht gehen; Zeiget einen Meister an. Der Verband, der unter ihnen, Und zugleich mit uns; erweist, Da sie, mehrentheils, uns dienen, Jhres Ursprungs weisen Geist. Alle Kraͤft’, in allen Dingen, Jhre Ordnung, Nutz und Zier, Die in Aug’ und Ohren dringen, Kommen mir, als Worte, fuͤr, Die uns rufen, die uns lehren, Und, von aller Wunder Pracht, Jhren Jnhalt uns erklaͤren: Gott sey groß, der sie gemacht. Ja, die unser ganzes Leben, (Moͤchten wir sie doch verstehn!) Durch die Nachricht, die sie geben, Mit Bequemlichkeit versehn; Unsern Geist mit Wahrheit fuͤllen, Unser Herz mit Dankbarkeit, Und uns, klaͤrlich, Den enthuͤllen, Welcher sie, fuͤr uns, bereit. Noch Noch einige Betrachtungen uͤber die Anmuth der Waͤlder. D en Sitz des schaudrichten Vergnuͤgens, den Licht- und Schatten-reichen Wald, Der Kuͤhlung, eines heilgen Schreckens, und schneller Voͤgel Aufenthalt, Wuͤnsch’ ich, aus einem neuen Trieb’, in ihm, auf Gottes Werk zu achten, Um ihn noch einmal zu besingen, noch einmal, froͤhlich, zu betrachten. Erhabne praͤchtige Gebaͤude, die ihr, von der Natur Hand selber, So kuͤnstlich, ohne Kunst, formiert! Jhr schoͤn gebogenen Gewoͤlber, Ohn alles Zuthun eines Menschen, vom Schoͤpfer, in die Luft gefuͤhrt! Du holdes Schirm-Dach fuͤr die Hitze! wie ist dein Wohnplatz, wenn es schwuͤhl, Dem ganzen Koͤrper so gefaͤllig, dein gruͤner Schatten doch so kuͤhl! Kein menschlicher Verstand ist faͤhig, ein Lust-Gebaͤude zu erfinden, Worinn sich Symmetrie und Nutz, und Lust und Pracht, so schoͤn, verbinden, Als wie in eines Baumes Bau. Es ist, wenn man es recht beachtet, Ein jeder Zweig ein kleiner Baum; und folglich, wenn man dieß betrachtet, L 4 Ein Ueber die Anmuth der Waͤlder. Ein jeder Wald ein Wald von Waͤldern, da jeder Baum ein kleiner Wald. Ja, wo wir etwas weiter gehn, hat jedes Blaͤttchen die Gestalt Von einem Baum: nur, daß er platt; Jndem es einen Stamm, im Stiel, und so viel Zweig’, als Adern, hat. Dieß fuͤhrt mich auf das Reich der Pflanzen. Der ganze Kreis der schoͤnen Erden Waͤr’, ohne Pflanzen, eine Wuͤste, ja koͤnnte nicht bewoh- net werden. Man stelle sich einst, in Gedanken, ein Bild von einer Erde fuͤr, Worauf nur Sand, Morast und Klippen, nur Hoͤhlen, Berg’ und Stein zu sehn; Welch ein betruͤbt- und oͤder Vorwurf! beraubt von allem dem, was schoͤn! Beraubt von Farben und Figuren, Glanz, Ordnung, Nutzen, Pracht und Zier! Jn Baͤumen, Bluhmen, Gras und Kraut, besteht der Erde ganze Pracht, Erhalt- und Nahrung aller Thiere. Sie sind demnach die groͤßten Proben von einer weisen Lieb’ und Macht. Doch, wieder auf den Wald zu kommen; seht der geraden Staͤmme Menge; Betrachtet die symmetrische, den Seulen gleiche, Ruͤnd’ und Laͤnge: Bemerkt, was sich, in allen Zweigen, Fuͤr holde Lieblichkeiten zeigen; Die Ueber die Anmuth der Waͤlder. Die den, der sie betrachtet, ruͤhren. Die Spitzen wer- den, von der Last Der Blaͤtter, sanft herabgezogen; Und machen, dadurch, jeden Ast Zu einem gruͤn gewoͤlbten Bogen: Die, wenn man weislich denken wollte, Man Ehren-Bogen nennen sollte, Fuͤr Den, Der sie, fuͤr uns, gemacht. Aus dieser Bogen Meng’ entsteht, an jedem Wipfel, eine Ruͤnde; Wovon ich, in dem runden Stamm, die Ursach und den Grund befinde. Mit welcher Lust senkt sich der Blick, zumal im hellen Sonnenschein, Jn die mit Licht vermischten Schatten der Blaͤtter-reichen Baͤum’ hinein! Man sieht, beym linden West, an ihnen, ein lieblichs Licht- und Schatten-Spiel, Von an- und durchgestrahlten Blaͤttern, und ein behaͤg- liches Gewuͤhl. Die obern Zweige lassen oft, zumal, wenn sie, beweget, wallen, Auf die bestrahlten untern Zweige, ihr Bild, in Schat- ten-Zweigen, fallen: Durch deren dunkel-gruͤne Schoͤnheit sie, die bestrahlten lichten Stellen, Nicht nur mit Schatten-Blaͤttern mahlen, noch durch den Gegensatz, erhellen; Die Formen von den Schatten-Blaͤttern, auch ihre dunkle Farb’, erhoͤhn Des angestrahlten wahren Laubes Geweb’, und machens doppelt schoͤn. L 5 Wie Ueber die Anmuth der Waͤlder. Wie manches Schlag-Licht trennt die Schatten! wie mancher Schatten deckt das Licht! Wovon, zu unsrer Augen Lust, stets eins das ander’ unterbricht, Und ein so suͤß Gemisch formiert, daß auch die unge- ruͤhrtsten Augen Sich nicht darinn zur Gnuͤg’ erquicken, nicht satt daran zu sehen taugen. Ach! daß wir doch, in holden Waͤldern, an Den, Der sie formieret, daͤchten, Und uns des herrlichen Erfinders, und weisen Ge- bers, freuen moͤchten! Andacht Andacht bey Bluhmen. B ey dieser Bluhmen Lieblichkeit, bey ihrer Wunder Meng’ und Fuͤlle, Bet’ ich, in ehrerbietger Stille, Der Wunder Schoͤpfer, dankend, an. Jch dank’ Jhm, daß Er ihre Pracht, Zum Besten vieler Creaturen, und auch fuͤr mich, her- vorgebracht! Jch dank’ Jhm, daß ich sie bewundern; in ihnen Seine Weisheit, Macht, Und vaͤterliche Liebe, finden: Jch dank’ Jhm, daß ich danken kan! Es offenbahrt fast nichts so klar, es zeiget uns fast nichts so sehr, Jm ganzen Reiche der Natur, als wie der Bluhmen holdes Heer, Die Goͤttliche vereinte Dreyheit, die Weisheit, All- macht, und die Liebe. Der Farben und Figuren Ordnung, die Sym- metrie, Geruch, und Pracht, Zeigt ihres Urstands tiefe Weisheit; ihr Daseyn, zeiget Seine Macht. Die Absicht, die Jhn, Creaturen durch Bluhmen zu ver- gnuͤgen, triebe; Erweiset, offenbahrt, und zeiget, da Er, denselben, das Gesicht, Auch das dazu nothwendge Licht, Und einen Geist, der fuͤhlt, geschenkt, unwidersprechlich, Seine Liebe. “Moͤcht’ Andacht bey Bluhmen. “Moͤcht’ unsrer Seelen andre Kraft, die Ueberle- gung, sich bemuͤhn, “Den Seelen-Honig, der in Bluhmen wahrhaftig steckt, daraus zu ziehn, “ Jn ihren Freuden, Gott zu finden; und oft, an allem dem, was schoͤn, “ Jm schoͤnen Reich der Creatur, mit Lust, den Schoͤp- fer zu erhoͤhn! Herr! laß mich, mich, meiner und Deiner bewußt, Bey Bluhmen, mit innigst geruͤhreter Brust, Die Kraft des Erwaͤgens zur sinnlichen fuͤgen! Herr! laß mich die schwarze Gewohnheit besiegen! Mein Dienst, Dir zum Ruhm, sey mein irdisch Vergnuͤgen; Mein Opfer, sey meine bewundernde Lust! Schwaͤche Schwaͤche des menschlichen Begriffes. E s sieht die Seele, durchs Gesicht, Von kleinen Koͤrpern nicht zu sagen, Die allergroͤßten Koͤrper nicht: Sie kann die Luft, sie kann das Licht, Wie scharf sie sonst auch sieht, nicht sehn. Mit welchem Recht kann sie denn wagen, Der Geister Wesen zu verstehn? Ja, laßt uns etwas weiter gehn. Wuͤrd’ eine Seel’, in Finsternissen, Und ohne Sonne, von der Welt, Und aller Schoͤnheit, etwas wissen? Sie wird durchs Licht ihr vorgestellt. So weiß sie, wenn ein geistigs Licht Die Geister-Welt ihr nicht entdecket, Von Geistern das geringste nicht: Sie ist fuͤr sich ja selbst verstecket. Wie kann sie sich denn unterwinden, Die Welt der Geister einzusehn? Wie kann sie gar sich unterstehn, Der Gottheit Wesen zu ergruͤnden? Gedan- Gedanken uͤber die Geheimniß-voll Veraͤnderung der Raupen. B ilder abgeschiedner Seelen, Sommer-Voͤgel! mi t Vergnuͤgen Seh’ ich euch, in reiner Luft, aus dem Staub erhoben fliegen. Jhr habt euren morschen Koͤrper, der euch an der Erd e band, Der ein Wurm war, abgelegt; und den kuͤmmerlicher Stand, Da ihr krocht, erfreut veraͤndert. Man wird euch, im Gegenhalt Mit der vormals haͤßlichen und verworfenen Gestalt, Nicht verschoͤnert und verbessert; in der That verherr- licht, nennen; Ja, betrachtet man euch recht, fuͤr verklaͤrt fast, schaͤtzen koͤnnen. Da ihr erst am Staube klebtet, koͤnnt ihr euch nun- mehr erheben, Und, mit neuer Kraft begabt, in durchstrahlten Luͤften schweben, Waͤrm’ und Licht vergnuͤgt geniessen, und, was auf der Erde schoͤn, Bluhmen, Baͤume, Gras und Kraut, allenthalben uͤbersehn. Wenn man, gegen euch, nunmehr, die zuruͤckgelaßne Haut, Und des morschen Dattel-Kerns klaͤgliche Figur beschaut; Schei- Ueber die Veraͤnderung der Raupen. Scheinet ihr, an Symmetrie, Schmuck der Farben, und Figur, Ein durchaus verherrlicht Wesen, eine neue Creatur. Es bringt eurer schlechten Formen praͤchtige Veraͤn- derung, Eurer Kraͤft’ und ganzen Wesens gaͤnzliche Verwandelung, Dem, Der euch, und alles, schuff, nicht Bewundrung nur, und Ehre; Sondern, sie erweckt in uns die Geheimniß-volle Lehre: “Daß, und wie, auch unser Wesen, einer Aenderung nicht nur; “Einer herrlichen Verbeßrung und Verklaͤrung, faͤhig sey. Denn es ist unwidersprechlich, daß die Wege der Natur, Nach des Schoͤpfers weiser Ordnung, Macht und Liebe, mancherley. Bleibt nun gleich der Zweifel uͤbrig, daß, wie sie bey euch geschehen, Unsere Veraͤndrungen, nicht zu fuͤhlen, nicht zu sehen; Heben unsrer Sinnen Schwaͤchen doch die Moͤglichkeit nicht auf. Da wir ja den großen Koͤrper unsrer Luft nicht sehen koͤnnen, Der doch, unverneinlich, da; da wir des Gebluͤtes Lauf, Sein unwidersprechlichs Zirkeln, und sein unaufhoͤrlichs Rennen, Nicht vermoͤgend seyn, zu fuͤhlen: sind sie, darum, zu verneinen? Dieses wuͤrde der Erfahrung und Vernunft zuwider scheinen. So Ueber die Veraͤnderung der Raupen. So wie eure Raupen-Haut, eures jetzgen Koͤrpers Pracht Lebend Futteral gewesen, sah ihn gleich kein Augen- Strahl; Kann auch, unsers Koͤrpers Bau, leicht ein lebend Futteral Eines unsichtbaren Koͤrpers, ohne Widerspruch, ja seyn. Ja, mit dieser Lehre traͤffe gar die grosse Wahrheit ein: Daß die Seelen, nach dem Scheiden, von dem koͤrper- lichen Wesen, Womit sie, zu ihrem Nutzen, bis daher vereint gewesen, Das Subtileste behielten, und die zarten Stamina, Die vergaͤnglich nicht, nicht sichtbar, bey denselben blei- ben werden: Weil sie sonst von aller Schoͤnheit der von Gott erschaff- nen Erden, Ohne Sinnen, nichts mehr merken; des so schoͤnen Sonnen-Lichts, Jn Ermanglung des Gesichts, Nicht geniessen koͤnnt- und wuͤrden, waͤr’ es ihnen noch so nah. Ja, es finden die Gedanken Darinn einen Widerspruch, daß ein Wesen, ohne Schranken, (Welches doch umschraͤnkt) bestuͤnde, seine Dauer noch verlaͤngte, Wo es sich nicht, als ein Tropfen, in ein Geister-Meer vermengte: Aber, wenn auch dieß geschaͤhe; blieb es nicht fuͤr sich allein. Wirft Ueber die Veraͤnderung der Raupen. Wirft mir jemand etwan ein: Sie wird eine Monas werden, sonder Graͤnzen und Figur; So gesteh’ ich offenherzig: Einer Monadis Natur Fass’ ich und begreif sie nicht. Wie ich denn dabey gestehe, Daß ich, ohn Verringerung vieler Vorzuͤg’ unsrer Seelen, Die monadische Verwandlung, da sie uns was raubt, nicht sehe: Da, im Koͤrper-losen Wesen, schoͤne Gegenwuͤrfe fehlen, Und wir, in dergleichem Stande, eine ganze Welt ver- lieren, Welche wir vorher besessen; die der Schoͤpfer uns geschenkt, Jhrer froͤhlich zu geniessen, wo man nur dabey gedenkt: Denn wir konnten hier auch denken, uns erinnern, uͤberlegen. Wenn wir also klar verspuͤhren, Daß man, bey dem Tausch, verliehrt; scheint es dem Begriff zugegen, Den wir vom Verbessern hegen, Beym betraͤchtlichen Verlust aller Schoͤnheit dieser Erden, Diesen Widerspruch zu glauben, daß wir dadurch besser werden? Aber welch ein starker Einwurf faͤllt mir hier zuletzt noch ein! Koͤnnen Engel, ohne Koͤrper, seliger und weiser seyn; Warum nicht auch unsre Seelen? Dieser Schluß scheint von Gewicht; Dennoch uͤberfuͤhrt er mich, von der Folge, voͤllig nicht. 8 Theil. M Engel Ueber die Veraͤnderung der Raupen. Engel scheinen andre Wesen, Die vom Schoͤpfer, gleich im Anfang, eingerichtet und erlesen, Daß sie, sonder Sinnen, fuͤhlen, hoͤren, riechen, schmecken, sehn, Und, vielleicht auf mehrer’ Arten, Guts geniessen und verstehn. So sind unsre Seelen nicht: da dieselben alle Gaben, Zu geniessen, zu begreifen, bloß nur durch die Sinnen haben. Ja, es ist auch von den Engeln, uns, der eigentliche Stand, Ob sie nicht verklaͤrte Koͤrper selber haben, nicht bekannt. Kurz: Jn dieser dunklen Sache, Da es ohne dieß bekannt, daß die wirkende Natur Jmmer Staffel-weise wirke, und nicht schnelle Spruͤnge mache; Scheint es mir der Wahrheit aͤhnlich, einer solchen Creatur, Wie wir seyn, Veraͤndrungen, Stafel-weise, zuzuschreiben, Aber, von ihr, kein Vernichten ihres halben Theils zu glaͤuben. Hierzu kann der Sommer-Voͤgel schoͤner und verbessert Leben Uns, wo nicht ein uͤberzeugend, doch ein lehrend, Bey- spiel geben. Die Die Bluhmen-Allee. J ndem ich hier durch ein’ Allee, Von mehr als tausend Nelken, geh, Riech’ ich den Balsam-reichen Duft, Der, in der ganz ambrirten Luft, Als ein unsichtbar-suͤßer Schwall, Die Athmosphaͤr hier uͤberall, Mit ungesehnen Kreisen, fuͤllet, Die der Geruch allein enthuͤllet. Jch ging den ganzen Gang zum Ende, Um dieser Anmuth nachzudenken, Und minstens unserm Schoͤpfer hier, Fuͤr den Geruch, auch ihre Zier, Ein bruͤnstiges Gott Lob! zu schenken. Jch setzte mich hieselbst, voll Andacht und voll Lust, Jn einer Sommer-Laube, nieder, Und sang, mit recht geruͤhrter Brust, Voll Dank und Ehrfurcht, diese Lieder. Da ich allhier die Blicke ruͤckwaͤrts wende, Und sie, von diesem hier bis jenem Ende, Durch diesen schoͤnen Gang, gerade vor mir, sende; Erblick’ ich, aller Nelken Menge, Durch die dadurch verkuͤrzte Laͤnge Vereinet, dicht beysammen stehn. Hiedurch schien, in vermehrtem Glanz, Ein buntes wunderschoͤnes Ganz, Aus sonst getheiltem Schmuck gefuͤget, zu entstehn. M 2 Erst Die Bluhmen-Allee. Erst sah ich Linien, von gleich geformten Toͤpfen, Jm ganz geraden Strich, bis ganz zu Ende gehn. Das blaͤulich-gruͤne Laub, gekroͤnt mit bunten Knoͤpfen, Bedeckt’ und fuͤllte sie; bis, an geraden Stangen, Von rischen Stecken, sich die Pracht Der Bluhmen selbst, der Nelken, sichtbar macht, Die meist gerade stehn, zum Theil auch abwaͤrts hangen. Hier stutzte Blick und Geist, durch die Verschie- denheit Der tausendfach gefaͤrbten Herrlichkeit, So dieses Heer der Bluhmen zieret, Mit Recht fast ausser sich gesetzt, mit Recht geruͤhret. Sie waren wunderwuͤrdig schoͤn; Und ist nicht leicht, im Bluhmen-Reich, Ein Schmuck, der diesem Schmucke gleich, Nicht leicht was Lieblichers, zu sehn. Mein Blick, in solcher bunten Zier, Von beyden Seiten, eingeschraͤnket, Stutzt, nebst dem Geist, bald dort bald hier: Der weiß nicht, was er sieht; der weiß nicht, was er denket. Bald stehn, bald eilen sie; und, mitten in dem Eilen, Zwingt sie der Schoͤnheit Ueberfluß, Bald hier bald dorten zu verweilen. Bald schwebt der Blick die eine Seit hinab; Die andre Seite zieht ihn wieder zu mir her: Bald, weil ihm jede Seit’ ein neu Vergnuͤgen gab, So uͤberlaͤuft er sie zum oͤftern, in der Queer, Jn zackigter Bewegung, hin und wieder, Jn Winkelfoͤrmiger Veraͤndrung, auf und nieder. Er Die Bluhmen-Allee. Er sucht, mit einer suͤßen Muͤh, Bald beyder Schoͤnheit zu vergleichen: Bald kommt ihm vor, als muͤßten die, An Schmuck und Schoͤnheit, jenen weichen; Bald aber, ganz fuͤr Lust verwirrt, Bekennet er, daß er geirrt, Und muß oft, halb beschaͤmt, gestehn, Sie waͤren beyde gleiche schoͤn. Allein, hier ist die Lust und Pracht noch nicht zum Ende; Es stehen, hinter dieser Zier Der schoͤnen Nelken, dort und hier, Erhabene belaubte gruͤne Waͤnde, Voll bunt gefaͤrbter Lieblichkeiten, Von Malva hier, und, an der andern Seiten, Von Sonnen-Bluhmen, deren Pracht Den Blick, nicht weniger, aufmerksam macht. Jch koͤnnt’, und wollte nicht ermuͤden, Hier den bebluͤhmten Pyramiden, Und dort dem guͤldnen Glanz der praͤchtgen Sonnen- Wenden, Die regen Blicke zuzusenden; Jn dieser heitern Zeit zumal, Da der entwoͤlkte Sonnen-Strahl Der guͤldnen Blaͤtter Gold, noch eins so stark, verguͤldet, Und sie dem Golde gleich, ja noch fast guͤldner, bildet. Der Bluhmen Groͤß’, und ihre Menge, Die, ob sie sich gleich nicht so nahe stunden, Von meinem Sitze dennoch nah, Weil ich sie in Verkuͤrzung sah, Nach meinem Aug-Punct sich verbunden; Formierten ein so groß- und herrliches Gepraͤnge, M 3 Als Die Bluhmen-Allee. Als waͤren es, mit durchgeflochtnen Kronen, Von Schmelz, ja von Smaragd, verfertigte Festonen. Wenn nun zugleich der Malva rothe Bluͤhte, Durch ihr durchstrahlet Laub, recht wie Rubinen, gluͤhte; Ward Blick und Sinn dadurch zu neuer Lust bewegt, Und, nebst dem wallenden Gebluͤte, Auch mein erheitertes Gemuͤthe, Zum Preise, Lob und Dank erregt. Daß vernuͤnftge Menschen-Seelen, Um den Schoͤpfer zu erhoͤhn, Bluhmen nicht zum Vorwurf waͤhlen; Kann ich wahrlich nicht verstehn. Jn den bunten Bluhmen werden Mehr fast, als sonst wo auf Erden, Gottes Lieb’ und Macht gespuͤhrt; Sie sind, bloß durch Jhn, geziert. Wer, als Gott, als Gott allein, Hat, mit Farben, Form und Schein, Sie, und zwar fuͤr uns, formiert? Nicht durch das Gesicht allein Ruͤhret uns der Bluhmen Schein; Jhre duftende Natur Labt uns im Geruch nicht nur: Sondern, da sie weich und kuͤhl, Schmeicheln sie uns durchs Gefuͤhl. Ja Die Bluhmen-Allee. Ja noch mehr! die Bluhmen haben, Uns auch im Geschmack zu laben, Tausendfache Suͤßigkeit; Die, im Honig, uns erfreut. Laßt uns also ferner nicht Diese Creatur verachten. Lasset uns, nach unsrer Pflicht, Bey den Bluhmen, dieß betrachten: Daß nicht nur durch einen Sinn Man von Bluhmen wird geruͤhret; Sondern, daß der Geist darinn, Fast durch jeden, Lust verspuͤhret. Gott hat sie fuͤr uns erkohren. Achten wir, nach unsrer Pflicht, Sie, zu Seinem Ruhm, nun nicht; Jst Sein’ Absicht ja verlohren. Wozu nuͤtzt uns der Verstand, Als allein in Gottes Werken Seine Weisheit zu bemerken? Nirgends wird Er so bekannt. Unsre Sinnen sind die Thuͤren, Wodurch unsers Schoͤpfers Macht, Jn der Creaturen Pracht, Und Sein Daseyn, zu verspuͤhren. M 4 Jn Die Bluhmen-Allee. Jn den Bluhmen, in der Bluͤhte, Da sie gar zu wunderschoͤn, Kann das menschliche Gemuͤthe, Von der Gottheit Lieb’ und Guͤte, Proben, die unleugbar, sehn. Jch aufs wenigste gestehe, Und ich danke Gott dafuͤr, Daß ich sie mit Freuden sehe; Ja, daß ich, in ihrer Zier, Mit vergnuͤgter Dank-Begier, Gottes weise Macht erhoͤhe. Gieb, Herr, daß es oft von mir, Jnniglich geruͤhrt, geschehe! Erin- Erinnerung einiger Umstaͤnde bey einer gefaͤhrlichen Wasser-Fahrt, von Ritzebuͤttel nach Hamburg. 1745 . F ruͤh, als annoch der reine Mond sein Silber-Horn im Osten wies, Noch eh Auroren sanftes Licht den Rosen-Schimmer sehen ließ, Betraten wir bereits die Jagd, worauf, als einem Was- ser-Wagen, Des reichen Elb-Strohms breiter Ruͤcken, uns nach Cuxhaven hergetragen, Um wiederum zuruͤck zu kehren. Die rothen Flagg’ und Wimpel spielten, Und walleten in kuͤhler Luft, weil sie des Suͤdwinds Hauchen fuͤhlten. Wir gruͤßten das verlaßne Land mit unserm donnernden Geschuͤtze; Wir sahen auch gar bald darauf vom Schlosse, das uns dankt’, die Blitze, Und hoͤrten der Canonen Knall. Gleich zog man alle Segel auf, Die eingetretne strenge Fluht befordert’ unsern schnellen Lauf, Die guͤldne Sonne brach hervor, es glaͤnzte die bestrahl- te Fluht, Luft, Himmel, Meer und Erde lachte, erquickt durch ihre Segens-Gluht. M 5 Nichts Erinnerung einiger Umstaͤnde Nichts war Gefuͤhl-los, als der Mensch. Denn man bewunderte dieß Licht Durch der Gewohnheit Macht geblendet, trotz seinem hellen Schimmer, nicht. Jnzwischen sah man hin und wieder sich, aus dem Wasser Duͤft’ erheben, Und sie, eh man es sich versah, im Firmament, als Wolken, schweben, Der Sonne Glanz und Licht verdunkeln. Der Suͤdwind staͤrkte sich, und blies So heftig, daß uns seine Wut, statt segeln, nur lavie- ren ließ. Die Ebbe widerstund uns auch. Wir mußten denn die Segel brassen, Und, wider Willen, unser’ Anker, nicht weit von Gluͤck- stadt, fallen lassen. Dieß war geschehn; doch unvorsichtig. Der Schiffer hatt’ uns, aus Versehn, Auf eine Sandbank hingesetzt. Wir wußten nicht, daß dieß geschehn, Bis daß, nach mehr verlaufnem Wasser, wir einen Stoß am Steuer spuͤhrten; Dabey bemerkten, daß die Schiffer sich draussen unge- woͤhnlich ruͤhrten; Auch sahen, daß sie die Chaloupe mit vier Matrosen aus- geschickt, Damit, durch einen andern Anker, wir von der Sand- bank abgeruͤckt Und abgezogen werden moͤgten. Allein, es war des Windes Blasen So heftig, und die Schaar der Wellen fing an so fuͤrch- terlich zu rasen, Daß bey einer gefaͤhrlichen Wasser-Fahrt. Daß dieses Boot nicht nur, den Vorsatz zu enden, nicht im Stande war; Sie kamen durch der Wellen Wut noch in die aͤusserste Gefahr, Jhr Leben, wir sie, zu verlieren; so auch gewiß gesche- hen waͤr, Wenn sie den zugeworfnen Strick nicht noch erhascht. Was nun noch mehr Uns unsern Zustand schlimmer machte, war, daß wir, ohne Grund nicht, schlossen, Daß, wenn durch die noch waͤhrnde Ebbe mehr Wasser wuͤrde seyn verflossen, Das Schiff gewiß zerstoßen wuͤrde. Worauf man denn so gleich befahl, Die Schau, wie man sie heisset, wehn, und einen Noth- Schuß thun zu lassen; Ja, dieß geschah, weil niemand kam, annoch zum zweyt- und drittenmal. Wie wir nun (wie es leicht zu glauben) so zwischen Furcht und Hoffnung sassen; Da ward ein großer Fischer-Ever von weitem unser noch gewahr, Und naͤherte sich unsrer Jagd. Wodurch denn unsere Gefahr Sich um ein gutes Theil verlohr. Denn wenn nun- mehr das Schiff auch brechen, Zerstoßen und zertruͤmmern wuͤrde, wir uns doch Huͤlf’ annoch versprechen Und in den Ever retten konnten. Es stuͤrmete der Win- de Wut, Es gossen schwarze Regen-Wolken auf uns solch eine dicke Fluht, Daß Erinnerung einiger Umstaͤnde Daß keiner oben bleiben konnte. Zuletzt kam noch ein kleines Boot Mit drey Matrosen auf uns zu, und minderte Gefahr Noth. Zumal, als sie sich Seit-waͤrts legten, Und, durch den eingesenkten Anker, das Schiff von sei- nem Ort bewegten, Auch, ehe wir es fast gedachten, Das Schiff, von seiner seichten Bank, auf mehr als zwoͤlf Fuß Wasser brachten. Ja, die nachher, wie wir verspuͤhret, Uns noch den groͤßten Dienst gethan; wodurch wir denn erstaunt gestehen, Daß diese erstere Gefahr Uns eine Huͤlfe zugefuͤhret, Die, in der andern, noͤthig war. Nunmehr war Sorg’ und Furcht verschwunden; nun- mehr war die Gefahr vorbey, Wofuͤr Dem, Der die Welt regiert, Lob, Ehr und Preis gewidmet sey. Allein, was stand uns noch bevor! Mir schaudert noch fast jetzt die Haut; Weil mir, wie damals vor der Noth, noch jetzt vor der Erinnrung, graut. Wir lagen stille, bis die Fluht, nach ihrer Ebbe, wieder kam, Und mit dem wiederkehrnden Wasser uns wieder auf den Ruͤcken nahm. Wir eilten erst nach Grauer-Ort, Als bey einer gefaͤhrlichen Wasser-Fahrt. Als einem recht bequemen Haven; allein, es ging, zu unserm Besten, Der Wind, der erst aus Suͤden blies, durch Suͤd-Suͤd- Westen, nach dem Westen. Wir fuhren, durch den guten Zufall verfuͤhret, darauf weiter fort, Paßirten Stade, samt der Luͤhe, so dann die letzten Ha- ven waren, Wohin man sich salviren kann, bey schnell entstehenden Gefahren. Kaum hatten wir sie hinter uns, da fiel ein schreckli- cher Orcan, Mit solcher wuͤtenden Gewalt, uns, und das Schiff, von hinten, an, Daß er die Segel fast zerriß; die Fluht fing graͤulich an zu schaͤumen, Und, in gethuͤrmte Wellen-Berge, zu schwellen und sich aufzubaͤumen, Wobey, als wie ein Wolken-Bruch, ein ungestuͤhmer Regen fiel. Nunmehr war unser schwaches Schiff der Wellen und der Stuͤrme Spiel, Es wankete die Wasser-Welt in einem wallenden Gewuͤhl; Die Nacht brach an, geschwaͤrzt, und schwer von Schrek- ken-reicher Dunkelheit; Sie mehrte, durch den finstern Schleyer, der weissen Wellen Graͤßlichkeit. Man konnte von der schwarzen Fluht nichts anders, als den Schaum, nur sehn, Nichts, als der Stuͤrme Rasen, hoͤren. Ein unertraͤgli- Getoͤn, Von Erinnerung einiger Umstaͤnde Von Heulen, Pfeiffen, Schnauben, Sausen Der Winde, fuͤllet Luft und Ohr; ein fuͤrchterliches Bruͤl- len, Brausen, Der wilden Fluht, betaͤubt uns fast. Es ward, in dun- keln Finsternissen, Das Schiff bey Schulau, Wittenbergen und Blankenes’ vorbey gerissen, So schnell, als wie ein Pfeil vom Bogen. Doch, nun ging die Gefahr erst an. Bey Neuenmuͤhlen, Altona und Hamburg lagen viele Schiffe, Durch welche wir paßiren mußten. Es uͤberdachte Je- dermann, Wie schwer dieß wuͤrd’, im Dunkeln, halten. Denn, wenn wir eines nur beruͤhrt, wuͤrd’ unser Schiff so gleich zerspalten, Zertruͤmmern und zerscheitern muͤssen. Allein, es war kein andrer Rath, Vor Anker konnten wir nicht reiten; wir waͤren ploͤtzlich voll geschlagen. Das eine Boot war abgerissen, und von den Wellen weggetragen; Das andre war bereits gesunken. Der Ever, der noch bey uns war, Stund selbst in aͤusserster Gefahr, Er konnte sich und uns nicht helfen. Weil Noth nun kein Gesetze hat; So wagten wirs in Gottes Namen. Da haͤtte man nun ein Geschrey von Backbort, Stuͤrbort, von Louv-an, Und andern laͤrmen hoͤren sollen, bis daß uns endlich der Orcan Durch bey einer gefaͤhrlichen Wasser-Fahrt. Durch alle Schiffe gluͤcklich trieb, und wir auf stiller Wasser kamen, Recht wie es eben Mitternacht. Ob, fuͤr die Huld, die wir verspuͤhrt, Da uns der Schoͤpfer, wunderbar, Jm Dunkeln selbst, durch Sturm und Fluht, und durch so mancherley Gefahr, Beschirmet, in den Port gefuͤhrt, Nun nicht dem HERRN der Wind’ und Wellen Lob, Ehre, Preis und Dank gebuͤhrt, Daran wird ja wohl niemand zweifeln, am wenigsten die wir erhalten, Und wovon keiner nicht einmal die Mittel der Erhaltung weiß. Dir sey denn, HErr, fuͤr Deinen Schutz und fuͤr Dein vaͤterliches Walten Lob, Ehre, Ruhm, und Dank, und Preis! Ueberlegung. J n der Gefahr, worinn wir waren, Hatt ich, auf mich, und andre, Acht, Und fand, daß jeder die Gefahren, So viel ihm moͤglich, kleiner macht. Man schien, bey so bestalten Sachen, Sich selber dreist, fuͤr Angst, zu machen. Wir suchten uns zu uͤbertaͤuben, Und zwungen uns selbst, was zu glaͤuben, Das ohne den geringsten Grund. Ob Ueberlegung nach einer ausgestandenen Ob ich dem seltsamen Betragen Nun gleich zu Anfang widerstund: So muß ich doch mit Wahrheit sagen, Daß ich es selbst nicht aͤndern kunnt. Doch meynt ich auch zugleich dabey, Und meyn es noch, daß dieß Verfahren das beste nicht gewesen sey. Durch Phantasey die Noth zu mindern, Mußt uns an wahrer Andacht hindern. Kein kraͤftiges Gebeth hat statt, Wenn man sich selbst zu denken zwinget: Daß das, woraus die Furcht entspringet, Nicht eben viel zu sagen hat. Doch scheinet auch nicht minder wahr, Daß unvermeidliche Gefahr Die Seele fast verstocken kann. Furcht, Gram, und Unmuth tritt sie an; Jhr wird die rege Kraft verschraͤnket, Sie denkt, und weiß nicht, was sie denket, Von schwerer Angst fast unterdruͤckt. Jn naher Noth, in Furcht, und Grauen, Scheint sie zum Bethen, zum Vertrauen, Am allerwenigsten geschickt. Hieraus nun nehm ich diese Lehre: “Da sich der Seelen Schwaͤch’ entdeckt, “Wenn sie Gefahr und Unfall schreckt; “Wie noͤthig es dem Menschen waͤre, “Bey ruhigen und sichern Zeiten, “Und wenn die Lebens-Tage schoͤn, “Zum Lob und Dank uns zu bereiten, “Auf Gottes Lieb und Macht zu sehn, “Durch Zuversicht Jhn zu erhoͤhn. Weil, gefaͤhrlichen Wasser-Fahrt. “Weil, wenn Gefahr, und Sturm, und Noth “Den nahen Untergang uns droht; “Die Seele, ganz betaͤubt, befindet, “Daß ihre beste Kraft verschwindet; “Jndem nun der gewisse Tod “Uns alle wird dereinst ereilen. Erwegt denn, ob nicht diese Zeilen Uns allen nuͤtz- und noͤthig seyn: Verehre Gott bey guten Tagen, Weil, in Gefahr, in Noth und Plagen, Am mindsten, wenn die Todes-Pein Den Coͤrper und die Seele druͤckt; Wir, zu der großen Pflicht, geschickt. 8 Theil. N Lob Lob des Schoͤpfers in den Geschoͤpfen. D es Silber-weissen Mondes Schein, Der, heiter und entwoͤlkt, in sanftem Lichte strahlet, Und jetzt die Schilderey der Welt, Da er sie bloß durch Schatten mahlet, Jn einer Zeichnung uns vor Augen stellt, Als waͤre sie getuscht, dringt nicht allein Jn mein Gesicht; er dringt zugleich hinein Jn meinen Geist: Die Seele wird geruͤhret, Und zu desselben Quell, die Sonne, ja so gar Zur Quell des Sonnen-Lichts, empor gefuͤhret. Mir stellt der Schoͤpfer Selbst Sich, in Gedanken dar; Und sink’ ich, voller Ehrfurcht, Lust, Und fuͤr Erstaunen fast erstarrt, Ob Seiner meinem Geist so nahen Gegenwart, Da Seine Lieb’, im hellen Firmament, Mit Weisheit und mit Macht vereinet, So wunderwuͤrdig strahlt, so helle scheinet, So herrlich funkelt, flammt und brennt, Jn feuriger Bewundrung, nieder: Es quillen aus der fast entzuͤckten Brust, Zum Opfer, bruͤnstige Lob- Dank- und Freuden-Lieder. Was Lob des Schoͤpfers in den Geschoͤpfen. Was geben, o ewigs unendliches Wesen! Von Deiner Weisheit, Lieb’ und Macht, Uns Deine Geschoͤpfe fuͤr Wunder zu lesen, Die man nie gnug bewundern mag. Dich zeigt und preist und lobt der Tag, Jn der geschmuͤckten Erden Pracht; Dich zeigt und preist und lobt die Nacht, Jn dem beflammten Heer der Sternen. Auf! laßt uns, von Seinem allmaͤchtigen Willen, Voll bruͤnstiger Liebe, die Absicht erfuͤllen, Jn unsrer Lust, Jhn loben lernen! Alleinige Quelle der Ordnung, des Lichts, Der Geister, der Koͤrper, und ihrer Beschaf- fenheit, Der Schoͤnheit, des Lebens, der Lust, der Em- pfindlichkeit, Der Sinnen; vor allen des regen Gesichts! Da, einzig durch Deinen allmaͤchtigen Willen, Sich Himmel und Erde mit Wundern erfuͤllen, Der Wald sich beblaͤttert, das Feld sich be- bluͤhmet, Die Gaͤrten sich schmuͤcken, der Anger sich ziert, Und alles die sinnlichen Seelen uns ruͤhrt; Sey ewig gepriesen! sey ewig geruͤhmet! N 2 Das Das herrliche Schau-Spiel der Natur. W as fuͤr ein herrliches Spectakel! was fuͤr ein Schimmer! Alles bluͤhet! Was fuͤr Figuren! welche Farben! Wie hat sich die Natur bemuͤhet, Das Welt-Theater auszuschmuͤcken! Welch holde Schoͤn- heit! welch ein Glanz! Es scheinet Feld und Wald und Garten und Berg und Thal, ein Bluhmen-Kranz. Erstaunter Menschen-Geist, erwege! Fuͤr dich ist alle diese Pracht, Auf diesem wunderschoͤnen Schau-Platz, fuͤr dich allein, hervorgebracht. Durch die dazu geschenkte Augen, vermagst du, was so wunderschoͤn, Zu nutzen, und dir zuzueignen. Du kannst, du sollt, du mußt sie sehn, Zu deiner Lust, und Dem zum Preise, Der dir die Augen und das Leben, Auch so viel schoͤne Gegenwuͤrfe, dich zu belustigen, gegeben. Die Bluhmen koͤnnten alle da seyn; was huͤlf’ es dir, waͤr dein Gesicht, Zu diesem schoͤn geschmuͤckten Wunder, so wunderbar nicht zugericht, Das Licht zugleich dir nicht verliehn? Du wuͤrdst, in schwarzen Finsternissen, Auch mitten unter allen Bluhmen, von allen Bluhmen nichtes wissen. Unleug- Das herrliche Schau-Spiel der Natur. Unleugbar ist es, daß die Seelen, Bloß durch die Werkzeug’ unsrer Sinnen, sich mit der ganzen Welt vermaͤhlen: So laß sie dann, wenn wir die Wunder des Schoͤpfers, durch die Sinnen, spuͤhren, Derselben Ordnung, nebst der Schoͤnheit, in suͤßer Lust, ihr Jnnres ruͤhren, Und, auf der Leiter der Geschoͤpfe, zu ihr- und unserm Schoͤpfer fuͤhren! Laßt uns den Schau-Platz der Natur, und was fuͤr Wunder drauf geschehn, Jn den drey schoͤnen Jahres-Zeiten, in dreyen Hand- lungen, besehn! Der Fruͤhling zieht den Vorhang auf. Jn figu- rirten Garten-Beeten Kommt eine bunt geputzte Schaar, in buntem Schim- mer, aufgetreten. Die Schnee-Bluhm und die Crocos steigen, Jn silbernem und guͤldnem Moor, Zuerst, oft unverhofft, und oft aus noch beeister Erd’, hervor. Worauf die zarten Primulen, und die Aurikelchen, sich zeigen, Jn bunten, nett gestickten Kleidern. Bald treten praͤchtge Kayser-Kronen, Jn einem stolzen Anstand, auf. Die bunte Schaar der Anemonen, Nebst den Ranunkeln, tritt hervor. Worauf die schimmernden Narcissen, Samt den Terzetten und Jonkiljen, sich eilend einzu- stellen wissen. N 3 Hierauf, Das herrliche Schau-Spiel Hierauf, eh mans bemerkt, erscheinen Die blau- und weissen Hyacinthen, die, mit der Pracht, den Ruch vereinen, Der ihre Sprache scheint zu seyn; mit welcher sie, mit unserm Geist, Durch unsre Nase, lieblich reden. Ach! moͤchten wir sie doch verstehn, Und diesen Jnhalt doch bemerken: Wir riechen, bloß fuͤr dich, so schoͤn; Was sich fuͤr Pracht, fuͤr Glanz und Farb’, in unsern netten Blaͤttern weist, Das glaͤnzt, das prangt, und zeiget sich So bunt, so lieblich, bloß fuͤr dich. Dieß lispeln sie uns unauf hoͤrlich, so lang sie bluͤhen, ohne Ruh, Jn ihrem suͤßen Hauchen, zu. Dieß war des Fruͤhlings erster Auftritt. Der andre folgt unmittelbar, Und stellt, in koͤniglicher Pracht, die bunten Tulipanen dar: Die siehet man so herrlich funkeln, und in so holden Farben bluͤhen, Daß sie die Augen aller Schauer, durch buntes Schim- mern, auf sich ziehen. Sie prangen auf erhabnen Stielen; Worauf sie, hin und wieder wankend, geschaͤfftig durch einander wuͤhlen: Und, da sie, durch ihr sanft Bewegen, in noch vermehr- tem Glanze blinken; So scheinen sie, als ob sie uns, sie mehr noch zu betrach- ten, winken, Uns der Natur. Uns mit gebognen Haͤuptern gruͤßen, bald sich erhoͤhen bald sich senken, Um unsern Blick auf sich zu lenken. Sie scheinen, zu dem Zweck geschaͤfftig, durch ihre Schoͤn- heit uns zu ruͤhren, Und das geruͤhrte Herz sodann auf aller Schoͤnheit Quell zu fuͤhren. Mich deucht dabey, ob sagten sie: Seht uns doch anders, als das Vieh, Und mit vernuͤnftgen Augen, an. Verschiebt es nicht, uns anzusehen, Jn uns den Schoͤpfer zu bewundern: wir bleiben hier nicht lange stehen, Wir treten bald vom Schau-Platz ab; da nie- mand euch versichern kann, Ob ihr so lang annoch auf Erden, Daß nir euch wieder sichtbar werden. Nebst ihren eilen auch zugleich die funkelnden Gen- zianellen, Jn einem schoͤnen blauen Feur, sich auf dem Schau-Platz darzustellen. Des Himmels allerschoͤnstes Blau, wenn er am herr- lichsten geschmuͤckt, Jst kaum so schoͤn, als wie der Glanz, den man auf ihrem Kleid’ erblickt. Sie scheint, durch diesen Himmels-Glanz, zu diesem Zweck sich zu bemuͤhen, Ein Auge, das vernuͤnftig sieht, hinauf und Himmel- waͤrts zu ziehen. N 4 Jm Das herrliche Schau-Spiel Jm Sommer treten auf den Schau-Platz, um uns durchs Auge liebzukosen, Auf hell- und dunkel-gruͤnen Buͤschen, die rothen, weiss- und bunten Rosen. Sie stellen uns das Welt-Theater in einem mehr als irdschen Flor, Als ein nicht ganz verlornes Eden, in Paradieses Far- ben, vor. Mit Balsam fuͤllen sie die Luft. Jedwede Bluhme, jeder Straus, Haucht einen perfumirten Othem, der uns ergetzt, und lehret, aus. Jn einer Sprache, welche riecht, versuchen sie, vernuͤnft- gen Seelen, Von ihres Schoͤpfers Weisheit, Macht und Liebe, vieles zu erzaͤhlen. Der Jnhalt, lieber Mensch! ist dieser: Bewund re in unsrer Blaͤtter Pracht, Und, in dem Balsam, der uns fuͤllet, Der, Wel- cher uns fuͤr dich gemacht. Willt du denn dem liebreichen Schoͤpfer, in einem Dank-erfuͤllten Leben, Nicht ein Jhm wohlgefaͤlliges, dich selbst vergnuͤ- gend, Opfer geben? Es trat hierauf, mit neuer Pracht, gehuͤllt in einem Silber-Moor, Jm Glanz, der fast die Augen blendet, der Liljen weisses Heer hervor. Die der Natur. Die praͤchtige Figur, ihr Anstand, nahm minder nicht, als wie ihr Schein, Der, blitzend, in die Augen faͤllt, vernuͤnftger Schauer Augen ein. Es wird vom Duft, der, recht im Schwall, aus den Kelch-formgen Blaͤttern quillet, So wie der Garten nebst der Luft, nicht minder mein Gehirn erfuͤllet. Bey ihnen funkelt tausendfaͤrbig, und gluͤht, und flammt, der bunte Mah; Es steht die Lichnis, Flos Adonis, und Cardinalis, gleichfals da. Wenn diese nun der Buͤhne Schoͤnheit, durch ihre Schoͤnheit, lang erhoben; Sodann erblickt man andre Scenen, und werden gleich- sam vorgeschoben. Dann stellt der Herbst, nicht minder praͤchtig, ein’ un- gezaͤhlte Bluhmen-Schaar, Jn Tuberosen, Sonnen-Bluhmen, Nasturtium und Malva, dar. Die Bluhm’ aus Africa, der Aster, der Amarant, die Balsamine, Flos admirabilis, und andre, verzieren noch zuletzt die Buͤhne. Zu dieser Zeit begeben sich die Spieler, nach und nach, zur Ruh. Dann wirft der Winter, bis zum Lenz, der schoͤnen Buͤhne Vorhang zu. N 5 Jn Das herrliche Schau-Spiel Jn dieses Schau-Spiel der Natur begleitet mich, mit klugen Blicken, Gar oft, der Kern von meinen Freunden, mein Wilckens, Muͤller, Hagedorn, Und helfen mir die Form- und Farben, die die belehrn- den Spieler schmuͤcken, Mit groͤßrer Achtung zu bewundern. Jhr’ Einsicht dient mir oft zum Sporn, Das, was an ihnen wunderwuͤrdig, was schoͤn, und unnachahmbar schoͤn, Mit schaͤrfern Blicken zu bemerken. Jhr Beyspiel leh- ret mich, die Lehren, Die die Natur, in Bluhmen, predigt, mit groͤßrer Sorg- falt anzuhoͤren, Und ihre Sprache zu verstehn; Jn welcher jede, statt der Ohren, mit unsrer Seele, durchs Gesicht, Auch durchs Gefuͤhl und den Geruch, und also durch drey Sinnen, spricht. Jndem wir uns daran vergnuͤgten, sprach Wilckens, aller Tichter Zier: Warum sind wir an diesem Ort? Auf diesem Schau- Platz wollen wir Nicht stumme; redende Personen, sowohl als unsre Bruͤder, seyn. Mir faͤllt ein lehrender Gedanke, den ich erst juͤngst ent- worfen, ein; Erlaubt mir, ihn zu recitiren! Drauf fing er, wie er sich besann, Mit diesem schoͤnen Ausdruck, an: Laß der Natur. Laß mich, o wunderthaͤtger Schoͤpfer! mit innig- lich geruͤhrten Freuden, Am schoͤnen Schau-Platz der Natur, mein auf- merksames Auge weiden! Vermehr’ in mir die Kraft der Seele, das Herr- liche von Deinen Werken, Mit Lust und Achtsamkeit zu sehn! Laß mich das, was so schoͤn, bemerken, Und das, was ich bemerke, fuͤhlen! Vermehre die Empfindlichkeit, Die wahre Quelle des Vergnuͤgens! Ach! wenn ich die Beschaffenheit Und Schoͤnheit aller Dinge sehe, die, bloß allein durch Dich, sich schmuͤcken; So laß mich Dich darinn erblicken! Laß mich Dein Goͤttlichs Daseyn ruͤhren, Unendlichs Meer der selgen Lust! Denn ohn’ ein innerlichs Entzuͤcken Kann keine Seele Dich erblicken. Nach ihm bestieg, mit edlem Anstand, und einer aufgeweckten Miene, Von diesem Schau-Platz der Natur, die schoͤn geschmuͤckte bunte Buͤhne, Von Hagedorn. Und wie sein Geist, der schwarzen Schwehrmuth nicht geneigt, Vielmehr, bey seinem scharfen Denken, ein offen munter Herze zeigt; So Das herrliche Schau-Spiel So bracht’ er, bey der Bluhmen Flor, Dieß angenehme Lied hervor: Alle schoͤne Creaturen Sind dem Menschen zum Genuß; Und auf diesen schoͤnen Fluren Leben wir in floribus. Wie ich mich an allen Schaͤtzen, Welche die Natur uns beut, Pflag zu laben, zu ergetzen; Freu ich mich der Bluhmen heut. Wunderschoͤn sind sie geschmuͤcket, Jede prangt in buntem Licht; Aber wir seyn mehr begluͤcket. Jch beneide Bluhmen nicht. Wie viel Guts ist uns geschenket! Denkt, wie viel wir besser seyn! Da man sie mit Wasser traͤnket; Traͤnkt man uns mit suͤßem Wein. Nun fehlte noch der kluge Muͤller. Der ließ, mit tief erwognen Lehren, Sich, bey den Bluhmen, folgends hoͤren: So wie ich, an der Bluhmen Schaͤtzen, Gewohnt, mich innigst zu ergetzen; So find’ ich, daß der Bluhmen Reich Auch uns, in vielen Stuͤcken, gleich. Der der Natur. Der Mensch tritt in die Welt, wie sie; er tritt auch, so wie Bluhmen, ab: Auf Bluhmen wartet die Verwesung; auf uns, ein unvermeidlichs Grab. Allein, man darf, darum, nicht meynen, daß sie, und daß auch wir, vergehn; Da wir, in unsern regen Seelen, wie sie im Saa- men, stets bestehn. Nachdem ich dieß, mit Lust, gehoͤrt; fiel mir, bey dieser Handlung, ein: Ach! moͤchten, auf dem Welt-Theater, dergleichen Spieler, viele seyn! Die Die Herrlichkeit des Schoͤpfers Die Herrlichkeit des Schoͤpfers in den Geschoͤpfen. Uebersetzt. J hr einsamen bebuͤschten Huͤgel, ihr muͤßt mir euren Schatten leihen, Um, in demselben, unserm Schoͤpfer, den Ausbruch mei- ner Lust zu weihen. Die Stadt, der Sitz der Leidenschaften, wodurch sie un- sern Geist bethoͤrt, Hat lange die Betrachtungen mir unterbrochen und ge- stoͤhrt. Jhr Waͤlder, ihr allein vermoͤgt, sie zu erzeugen und zu naͤhren; So wuͤrdigt unsern großen Meister, Jhn zu erheben, zu verehren. Er spricht mit mir in jedem Wesen, ich seh Jhn in der Luft, Er glaͤnzt Jm Firmament, auf unsrer Erd’, auch in dem Meer, das sie begraͤnzt; Es praͤgt die reizende Natur, ohn allen Makel, schoͤn und rein, Sich den darob erstaunten Augen, bey mir, an allen Orten ein; Es pranget Gott an allen Enden, mit Ehr und Herr- lichkeit gekroͤnet; Sein unermeßlich Wesen reicht, so weit der Himmel Kreis sich dehnet. Vergieb, in den Geschoͤpfen. Vergieb, o großer Schoͤpfer! denn der Neubegier Verwegenheit, Wenn, da ich, aͤmsig zu erforschen der Wunder Man- nigfaltigkeit, Mich, bald die Ebnen, bald die Waͤlder, in ihnen, hin und wieder gehn, Und bald von Dir, bald meiner Liebe, mich Wechsels- weise sprechen sehn. Jch komme nicht in dieser Waͤlder so Laub-als Schat- ten-reiche Buͤsche, Der Voͤgel Lieder anzuhoͤren, noch ihr hell-klingendes Gezische; Jch komme bloß allein, o GOTT! um Deiner Stimme Lieblichkeit Zu hoͤren, welche der Natur Gesetze giebt, und Maaß und Zeit. Jch fuͤhl ein inniges Vergnuͤgen, allein bey kuͤhl- und stillen Baͤchen, Jn einem feurigen Gebeth, mit Dir, o GOTT! mich zu besprechen. Da ruͤhm ich Deine Weisheit, Macht und Lieb in hellen heilgen Liedern, Und hoͤre die gefaͤllig’ Echo, im Wiederhall, den Klang erwiedern. Vom Balsam-Duft, den uns die Ros’ aus ihren offnen Blaͤttern schickt, Sind meine Sinnen fast bezaubert, und wird die Seele selbst erquickt. Es wendet meine Augen aufwaͤrts, zu Dir, der Duͤfte suͤße Schwall. Fuͤr eine Seele, die Dich sucht, bist Du, o Schoͤpfer! uͤberall. Wer Die Herrlichk. des Schoͤpf. in den Geschoͤpfen. Wer ruͤhmt nicht, preiset und bewundert der hellen Sterne funkelnd Licht, Das durch die Finsterniß der Nacht, und ihren dunklen Schleyer, bricht; Zusammt der Morgen-Roͤthe Schimmer, der alle Sterb- lichen belehrt, Durch ihr gefaͤrbtes feurigs Glaͤnzen, daß Tag und Sonne wiederkehrt? Und endlich, wer erstaunet nicht, wenn er das helle Mond-Licht sieht, Zusammt der Sonne Wunder-Feuer, wenn es am hellen Mittag gluͤht? Jnzwischen ist doch aller Glanz, und aller ihrer Schoͤn- heit Pracht, Bey meines Gottes eignem Licht, nur Schatten, Fin- sterniß und Nacht. “Unendlich-groß- und maͤchtger Schoͤpfer! die Pracht und Schoͤnheit Deiner Werke, “Die zeigen Deine Herrlichkeit, und machen, daß ich Dich bemerke. “Was fuͤr verschiedene Bewegung erregt der Anblick aller Zier, “Worinn so Erd als Himmel glaͤnzen, durch ihre Schoͤn- heit, nicht in mir! “Welch Ordnung, Lieblichkeit, o GOTT! welch Anmuth, Harmonie und Pracht, “Wird mir, in Deinen Wunder-Werken, und doch zum Theil nur, kund gemacht! “Wer reicht denn selbst an Deines Wesens, und Majestaͤt Vollkommenheit? “O HERR! der Mensch verlieret sich in Deine Unermaͤß- lichkeit. Hasen- Hasen-Pappeln. J ch ward, zur schwuͤhlen Sommers-Zeit, da wir schon in August getreten, Auf meines Gartens bunten Beeten, Bey der so mannigfach gefaͤrbten und schoͤn geformten Bluhmen Schaar, Ein ausserordentliches lieblichs und schoͤn gefaͤrbt Ge- waͤchs gewahr. Die Augen zogen sich, so gleich, von allen andern Bluh- men ab, Weil ihre zierliche Figur, Jm holden Bau der Blaͤtter, mir nicht nur Ein ausserordentlich Vergnuͤgen gab; Durch die besondre Lieblichkeit Der sanften Rosen-farbnen Roͤthe, mit weissen Strichen sanft gemischt, Ward, durch das Auge, mein Gemuͤth ergetzt, geruͤhret und erfrischt. Es glich sich dieser Bluhme Form und ihres Baues aͤußrer Riß Fast der einblaͤttrichten Convolvel, und der Flos admi- rabilis, Nur mit dem Unterscheid allein, Daß, so wie jener nette Kelch’, aus einem einzgen Blatt, formiert, Man hier an dieser, daß dieselbe aus ihrer fuͤnf erbaut, verspuͤhrt. Hieraus erscheint, daß die Natur, verschiedne Formen auszudruͤcken, Und Bluhmen, auf dieselbe Weise, hervor zu bringen und zu schmuͤcken, 8 Theil. O An Hasen-Pappeln. An keinem armen Einerley Verbunden und gebunden sey; Nein, daß sie, an Erfindungs-Kraͤften, ganz unerschoͤpflich und geschickt, Daß sie dieselbige Figur auf unterschiedne Weise schmuͤckt Der gruͤne Fuß, worauf die Bluhm’, in ihrer netter Stellung, ruht, Gleicht einem aufgestutzten Hut, Woraus fuͤnf nette spitze Blaͤtter, in ordentlicher Ruͤnde steigen, Und dadurch eine zierliche formierte runde Krone zeigen Die dieser Bluhme Purpur stuͤtzt, So lange sie in Knospen sitzt; Woran man aber nachmals siehet, So bald sie voͤllig aufgebluͤhet, Wie ein gestreiftes Silber-Weiß sich, Strich-weis, in der Purpur mischt, Wo durch sie die getheilte Roͤthe so lieblich und so lind macht, Daß sie, mit einer sanften Pracht, Der Schauer Geist, durchs Aug’, erfrischt; Zumal des schoͤnen Laubes Gruͤn Die sanfte Lieblichkeit der Bluhmen zu mehren, zu erhoͤ- hen schien. Da ich dieselbe nun bedachtsam, mit meinen Augen uͤberliefe, Erblickt’ ich, wie die innre Tiefe, Wo alles, sonst fast Silber-weiß, ein dunkel-rothes Fuͤnf- eck ziert, Das jedes Blatt darinn formiert, Durch Hasen-Pappeln. Durch einen Purpur-farbnen Strich, den es an beyden Seiten hat; Wovon es aber immer einen, durch sein benachbart Blatt, verstecket, Und eine Seite nur entdecket. Jn dieses dunklen Fuͤnfecks Mitten, weil sich die Blaͤtter unten spitzen, Sieht man, aufs neu, ein fuͤnfeckt Sternchen, in einem weissen Schimmer, blitzen. Aus dieses Sternchens Mittel-Punkt erhebet sich ein klein Gebuͤsch, Woran sich weiß und Purpur mengt, in fast nicht sicht- lichem Gemisch, Woraus zuletzt sich abermal ein dunkles fedrigt Fuͤnfeck strecket, Und uns dadurch so manche Mischung, in dieser schoͤnen Bluhm’, entdecket. Jndem ich nun, wie die Natur dieß schoͤne Bluͤhmchen so geschmuͤckt, Mit einem recht geruͤhrten Geist, und innrer Lust, noch einst erblickt; Sah ich, in selbiger, ganz unvermuthet Spuren Von darinn lebenden sehr kleinen Creaturen; Sie waren Wunder-klein, man sah sie kaum einmal, Sie waren laͤnglich, schwarz, und unbeschreiblich schmal, So daß, von zarten Linien, und von sehr fein gezognen Strichen, Sie, abgeschnittnen Theilen, glichen. Jch sah erstaunt, wie schnell, wie fertig, sie die kaum sichtbarn Glieder regten, Mit welcher regen Aemsigkeit sie rannten, liefen, sich bewegten. O 2 Jch Hasen-Pappeln. Jch bitt’ euch, sagt mir doch, rief ich, auf welche Weis koͤnnt ihr leben? Wie koͤnnt ihr euch so schnell, so fertig zu der von jene Stell’ erheben? Allein, kaum hatt’ ich dieß gesprochen; Da ward mein ernstliches Bewundern, von einem neuen unterbrochen, Als viele sich behende bogen, Aus ihrem Ruͤcken selbst, geschwinde Fluͤgel zogen, Und, wie der Blitz, von dannen flogen. Mein GOTT! in welches Abgrunds Meer der Kleinheit, fuͤhrt mich dieses Thier Da Du so kleiner Creatur so feine Gliederchen, das Leben, Fast unsichtbare Fluͤgelchen, und solche Fertigkeit gegeben; So koͤmmt mir Deine Groͤß’, im Kleinen, von neuem unbegreiflich fuͤr. Vernuͤnf- Vernuͤnftiger Gebrauch der Welt. F uͤr mich belebet sich die Scene der Felder, es beseelen sich Die Waͤlder, Thaͤler, Berg’ und Auen, das Morgen- Gold, das Abend-Roth, Und alles schmuͤcket sich fuͤr mich. Jn eines blinden Poͤbels Augen ist alles einsam, alles todt: Ein Wald ist eine dunkle Wuͤste, des hellen Bachs be- schaͤumter Fall Jst nichts, als Wasser: und der Zephyr ein bloßer Hauch, ein leerer Schall; Jn einem weisen Blick hingegen, der sich durch Ueberlegen hebet, Glaͤnzt alles, alles unterweiset und lehret, alles denkt und lebet. Die klaren Fluthen, bald in Wiesen, bald zwischen Schat- ten-reichen Huͤgeln, Die werden Wechsels-weise mir zu Welt- und bald zu Himmels-Spiegeln. Sie murmeln mir, auf mancher Stelle, Jm Rieseln, die Vermahnung zu: Gedenk an unsrer großen Quelle! Bald reizt, indem ich so gedenke, ihr sanftes Rauschen mich zur Ruh. Der dunkle Wald belehret mich, und heißt mich mein vergnuͤgtes Denken Auf Den, durch Dessen Wort er ward, mit Lust und Dankbarkeit zu lenken. O 3 Die Vernuͤnftiger Gebrauch der Welt. Die kuͤhlen Luͤfte lassen mich, bald hie, bald dort, di e wahren Lehren: Wir wehen, bloß durch Gott, so sanft fuͤr dich; i n suͤßem Lispeln, hoͤren. Die Bluhmen, die in solcher Pracht mit Balsam ange - fuͤllet stehn, Belehren mich, in bunter Schrift: Wir seyn, durch Gott, fuͤr dich so schoͤn Der Der Herbst . Betrachtungen uͤber die Schoͤnheit der Welt, im Herbst. O bgleich, bey etwas ferner Sonne, die Tag’ all- maͤhlich dunkel werden; Entfernt sich doch auch manche Dunkelheit, Jm Fall der Blaͤtter, von der Erden. Die Schatten, die sie machten, schwinden, wodurch die mehr entdeckte Welt, Von duͤstern Schatten erst geschwaͤrzt, an manchem Ort mehr Licht erhaͤlt. Die dunkel-gruͤnen Blaͤtter selber bemuͤhn sich, den Ver- lust des Lichts, Da sie sich gelb und helle faͤrben, so viel sie koͤnnen, zu ersetzen, Wodurch sie durch den bunten Schimmer zugleich der Menschen Aug’ ergetzen. Unglaublich ist, wie durch die Mischung der Farben, die man jetzt erblickt, Der Erden obre Flaͤch’, im Herbst, so angenehm, so schoͤn sich schmuͤckt. O 5 Durch Betrachtungen Durch gruͤne Baͤume sieht man gelbe, durch gelb e gruͤne Baͤume, prangen, Jn rothen Blaͤttern scheinen Fruͤchte noch an dem leere n Baum zu hangen. Es scheinen jetzt fast alle Blaͤtter sich zu bemuͤhn, bevo r sie sterben, Sich noch viel schoͤner, als vorher, ja selbst den Bluh- men gleich, zu faͤrben. Wie denn die Sonnen-Bluhmen selbst kaum einen hoͤhern Glanz behielten, Als viele Blaͤtter, welche hell- und guͤldnem Blech fast aͤhnlich, spielten. Der groͤßte Theil mischt in das Gelbe, was roͤthliches: hiedurch nun schien So mancher Baum, bald hie bald dort, recht wie Na- sturtium, zu bluͤhn, Und wie die Bluhm’ aus Africa, die meist ein brennend gelb- roth schmuͤcket. Die lieblich schoͤn gefaͤrbten Baͤume, die man jetzt uͤberall erblicket, Die man auf Feldern, in den Gaͤrten, zumal in dich- ten Waͤldern, sieht, Erfuͤllen in dem kuͤhlen Herbst, durchs Aug’, ein achtsa- mes Gemuͤth Mit ausserordentlicher Lust. Das Gelb, das jetzt die Blaͤtter hegen, Scheint meistens eine sanfte Waͤrme der kuͤhlen Land- schaft einzupraͤgen, Auch bey bewoͤlkter, truͤber Luft. Wann aber, wie es oft geschicht, Durch den verdickten Dunst der Wolken, der schnelle Strahl der Sonne bricht, Und uͤber die Schoͤnheit der Welt. Und Luft und Land mit Licht bestroͤhmet; mein Gott! welch eine bunte Gluht Verklaͤhret ploͤtzlich alle Vorwuͤrf’! Nicht Farben, ein gefaͤrbter Glanz Erfuͤllet Luft, und Land, und Fluht, Verherrlicht den Gesichtkreis ganz. Die Erde scheint illuminiret. Ach! nehmt denn, in des Herbstes Pracht, Jhr bloß durch Gott begluͤckte Menschen, des Schoͤp- fers Wunder doch in Acht! Bestrebt euch, froͤhlich zu bemerken, und, unserm Gott zum Ruhm, zu sehn: “Es sey, in jeder Jahres-Zeit, die Welt, nicht schoͤn nur; wunderschoͤn! Froͤhliche Froͤhliche Herbst-Betrachtungen. 1741 . E s zeigte sich, in zwanzig Jahren, Kein Herbst so lang’ und lieblich nicht, das Wetter nicht so warm, so schoͤn, Als heuer, da wir seine Milde, tief im November noch, erfahren, Und, uͤberall, das Gras noch gruͤn, die Baͤume noch beblaͤttert, sehn, Die Wege gut, die Erde hart, die Gaͤrten noch nicht oͤde, finden. Man weiß, in vielen Wochen, nichts von kalter Luft, von Sturm und Winden. Die angenehme Witterung ist dann ja wohl mit Rechte wehrt, Daß man, durch einen Herbst-Gesang, Den, Welcher ihn uns schenket, ehrt. Wes Endes dann, voll Lust und Andacht, ich dem Re- gierer aller Dinge, Der, durch den steten Zeiten-Wechsel, die Welt erhaͤlt, aufs neu besinge: Wie wird uns, jetzt im Herbst, die Welt, Jn neuer Schoͤnheit, vorgestellt! Was man erblickt, ist bunter, wie zuvor. Die Blaͤtter scheinen jetzt in einem neuen Flor, Der, wenigstens, nicht minder schoͤn, Wo er nicht schoͤner noch, als wie vorher, zu stehn. Das Froͤhliche Herbst-Betrachtungen. Das Gruͤne, welches, nach und nach, sich unsern Augen sanft entzog, Und unvermerkt, in sanfter Stille, von unsern Graͤnzen gleichsam flog, Wird, durch ein roͤthlichs Gelb, ersetzet, Und unser Blick dadurch, auf andre Weis’, ergetzet. Ein angenehm Gemisch, von hell- und dunkel- gruͤn, Von roth mit gelb gemengt, Von gelb mit gruͤn besprengt, Bemuͤht sich jetzt, der Erden Flaͤche, mit neuer Schoͤn- heit, zu beziehn. Die Blaͤtter, welche gleichsam voͤllig ihr Ziel erreichet, und gereift, Die werden heuer nicht, wie sonst, von Sturm und Winden abgestreift, Und weit von ihrem Stamm gefuͤhrt. Man sieht ein lind und sanft Bewegen, Bey einer still- und lauen Luft. Es faͤllt, als wie ein bunter Regen, Der Blaͤtter Heer, von selbst, herab: Nicht mehr an ihren Aesten fest, Scheint es, als ob der muͤde Baum sie selbst herunter- fallen laͤßt. Hiedurch ward ich, in sanfter Stille, in meiner Ein- samkeit, geruͤhret, Und zu vernuͤnftiger Betrachtung, und zur Belustigung, gefuͤhret, Als ich, wie, durch den Fall der Blaͤtter, sich jetzt der Erden Flaͤche schmuͤckte, Aus einem Fenster, juͤngst erblickte, Das Froͤhliche Herbst-Betrachtungen. Das dem entlaubten Garten nah: Da ich, von oben, durch die Wipfel, die nackt, und ihres Schmucks beraubt, Den, durch die abgefallnen Blaͤtter, geschmuͤckten bun- ten Boden sah. Es schien derselbige nunmehr, an statt der Baͤume, ganz belaubt, Und einer zierlichen Tapete, von ganz verschiednen Far- ben reich, Zu unsers Blicks Belustigung, an Pracht, in allen Stuͤcken, gleich: Die man, bald hier, vom gruͤnen Grase, bald dort, von einem dunklen Grunde Der feuchten Erde, hie und da, als einer Fulg’, erhoben funde. Die ungezaͤhlten bunten Blaͤtter, an Form und Farben vielerley, Formierten, durch ihr bunt Gemisch, ein’ angenehme Schilderey. Jch konnte, bey den vielen Farben, und den verschie- denen Gestalten, Mich, ihrer inniglich zu freuen, und Gott zu danken, nicht enthalten, Der, Seiner weisen Ordnung nach, uns annoch eine Lust verliehn, Daß auch so gar die schoͤnen Blaͤtter, auch selbst zu der Zeit, da sie fliehn, Und ihren Stamm, und uns, verlassen, sich doch vor- hero noch bemuͤhn, Uns, Froͤhliche Herbst-Betrachtungen. Uns, bey dem Abschied, zu ergetzen; daß Er uns dazu das Gesicht, Nebst dem bewundernswuͤrdigen, die Welt erhellnden, Sonnen-Licht, Auch einen Geist, der, wenn er denket, Sich alles zuzueignen, faͤhig, aus vaͤterlicher Huld, geschenket. Jch wuͤnsche mir, und vielen Menschen, daß, durch ein frohes Ueberlegen, Wir dieser Augen-Lust geniessen, uns freuen, und Gott danken moͤgen! Noch Noch einige Betrachtungen uͤber die Schoͤnheit der Baͤume und der Welt, im Herbst, bey heiterm Wetter. M an sieht, mit den verwehten Blaͤttern, die dunklen Schatten mit verwehn, Und, statt der vorgen gruͤnen Nacht, die Baͤum’ in gruͤ- ner Daͤmmrung stehn. Wir sehen jetzt, vom Licht und Dunklen, in jedem Baum, ein suͤß Gewuͤhl, Und in den Blaͤttern, die vermindert, ein holdes Licht- und Schatten-Spiel; Womit noch das sapphirne Blau, der mehr entdeckten Luft, sich mischet, Und, durch der Blaͤtter Oeffnung brechend, den Blick ergetzet und erfrischet. Durch vielerley Veraͤndrungen nimmt die Natur, im Herbst, uns ein. Vom Gruͤnen, das bald scheiden will, vergnuͤgt uns jetzt so mancher Schein. Beschattete Parteyen, Laub, im Herbst, bey aufgeklaͤr- tem Wetter, Sind, durch benachbarte Parteyen der an- und durch- gestrahlten Blaͤtter, Beym Ueber die Schoͤnheit der Baͤume u. der Welt. Beym hellen Gruͤnen, dunkler gruͤn; hingegen sind dort lichte Stellen, Durch dunkle, mehr herausgebracht. Worauf denn, oft noch, manches Blatt, Das, noch vor andern, frisch und glatt, Von Sonnen-Strahlen schnell getroffen, die es, im Wie- derschlag, erhellen, Den Baum mit kleinen Lichtern ziert; die dann, bey Blaͤttern, die im Dunklen, Wie weisse Funken reines Silber, ja recht wie kleine Blitze, funkeln. Von Blaͤttern, welche roth gefaͤrbt; von gelben, die wie uͤberguͤldet, Jn deren Glaͤtte sich nicht minder ein kleines Sonnen- Bildchen bildet, Wenn sich darauf die hellen Strahlen, in eines Winkels Puncte, brechen, Und unsern Blick, gefaͤrbt, vergnuͤgen, mit buntem Glanz; nicht einst zu sprechen. Durch den, in der verlaͤngten Nacht, herabgesunknen feuchten Duft, Beherrschet jetzt ein reiner Feur, und heller Licht, die klare Luft; Wodurch die uͤberstrahlte Welt, nebst jedem Vorwurf, wunderschoͤn, Und wirklich schoͤner, wie vorher, recht als durch ein Chrystall, zu sehn. Der Bluhmen und der Kraͤuter Rest, vom Licht bald durch- bald angestrahlet, Scheint, durch der Sonnen helle Gluht, illuminirt mehr, als gemahlet. 8 Theil. P “Wer Ueber die Schoͤnheit der Baͤume u. der Welt. “Wer wollte denn nicht, auch im Herbst, auf Gott, durch Welchen er so schoͤn, “Die große Quell der Jahres-Zeiten, in ihrem Wunder- Wechsel, sehn, “Und, in Bewunderung und Dank, nicht Dessen Macht und Lieb’ erhoͤhn; “Dem, da Er, durch das ganze Jahr, fuͤr uns, die Welt so herrlich zieret, “Jn unserm froͤhlichen Bewundern, Lob, Ehre, Preis und Dank gebuͤhret. Gedan- Gedanken im Herbst, wenn es truͤbe. J ch fuͤhle, durch der Welt anjetzo neue Zier Geruͤhret, einen Trieb in mir, Der Welt Gestalt im Herbst, von neuem, zu beschreiben. Der feuchte Dunst beschwitzter Fenster-Scheiben, Mit der, den ganzen Kreis der Luft Erfuͤllenden, noch duͤnnen Nebel Duft, Veraͤndern jetzt der Vorwuͤrf’ aͤußre Flaͤchen. Der Koͤrper Umriß scheint sich uͤberall zu schwaͤchen; Was man erblickt, ist ungewiß. Ein sichtbar Grau, womit die Luft erfuͤllet, Beziehet alles, und verhuͤllet, Mit einer lichten Finsterniß, Was man sonst deutlicher, bey klarer Luft, gesehn. Doch ist, was man erblickt, auch jetzt noch schoͤn, Zumal bey einem stillen Wetter. Die gelblichten, mit Gruͤn vermischten, Blaͤtter, Die sich, in truͤber Luft, mit sanften Farben, mischen, Vergnuͤgen unsern Blick, auf bunten Buͤschen, Jn einer allgemein- und sanften Harmonie. Selbst unser Geist, der uͤberall gebrochner Farben Schoͤnheit spuͤhret, Wird, durch den, dort und hie, Und uͤberall, gedaͤmpften Schein, Der bunten Welt, nicht nur allein Auf eine neue Art, geruͤhret; P 2 Er Gedanken im Herbst, wenn es truͤbe. Er wird so gar, in stiller Einsamkeit, Zu einer Art Zufriedenheit Gebracht, und allgemach, mit Lust, darinn versenket, So, daß er ernsthaft- fast und tiefer jetzt gedenket, Als wie zu andrer Zeit. So mancher, von der schoͤnen Blaͤtter Last Bereits beraubte, schwarze Ast Vermehret seine Traurigkeit; Doch wird sie, da der Blick dadurch nicht mehr gehindert Und aufgehalten wird, durch den gefaͤrbten Rest Der Blaͤtter, die annoch an ihren Zweigen fest, Jn einer schoͤnen Fern, gemildert und gelindert. Wie eine bunte Daͤmmerung, im Herbst, der Erden Flaͤche deckt; So fuͤhlt man, daß sie sich auch auf den Geist erstreckt: Es wird, wie man es jetzt bemerkt, Die Kraft zu denken, fast gestaͤrkt. Die rege Fluͤchtigkeit der eilenden Gedanken Bezaͤhmt und ziehet sich in abgemeßne Schranken. Man zieht, vom gar zu starken Licht der hellen Vorwuͤrf’ ungeblendet, Sich in sich selbst: da die Beschaffenheit Sich, mehrentheils, bey der Vergaͤnglichkeit Der Blaͤtter, auch auf unsrer Lebens-Zeit Vergaͤnglichen und fluͤchtgen Zustand wendet; Die aber, glaubet man nur fest, Uns einen bessern hoffen laͤßt. Verschiedne siehet man fast sichtbarlich erbleichen. Das Gelbe mehret sich, es mindert sich das Gruͤn; Verschiedne siehet man von ihrem Sitze fliehn; Von vielen sieht man schon die kleinen Leichen; Verschiedne Gedanken im Herbst, wenns truͤbe. Verschiedne taumeln jetzt recht Schaaren-weis herab, Und suchen ihr bestimmtes Grab; Doch viele sitzen noch auf ihrer vorgen Stelle, Und machen Luft und Welt, auch selbst im Sterben, helle. Jch fuͤhle wenigstens, durch sanften Drang gezwungen, Bey der Gelegenheit in mir den Trieb Zu schreiben, was ich einst schon schrieb; Zu singen, was ich einst gesungen: ARIA . Bleiche Blaͤtter, bunte Buͤsche, Gelbe Stauden, roͤthlichs Rohr, Euer fluͤsterndes Gezische Kommt mir, wie ein Sterblied, vor. Aber, da ihr, wenn ihr sterbet, (Wie in einer hellern Gluht Ein verloͤschend Fuͤnkgen thut) Euch am allerschoͤnsten faͤrbet: Wird, durch euer buntes Kleid, Nicht nur Aug’ und Herz erfreut, Und zu Gottes Ruhm gefuͤhret; Sondern, auf besondre Weise, Durch so holden Schmuck geruͤhret, Wuͤnscht mein Herz, nicht minder schoͤn, Zu des Allerhoͤchsten Preise, Wenn ich sterbe, zu vergehn! P 3 Betrach- Gedanken bey dem Fall der Blaͤtter im Herbst. J n einem angenehmen Herbst, bey ganz entwoͤlktem heiterm Wetter, Jndem ich im verduͤnnten Schatten, bald Blaͤtter-loser Baͤume, geh’, Und des so schoͤn gefaͤrbten Laubes annoch vorhandnen Rest beseh; Befaͤllt mich schnell ein sanfter Regen, von selbst herab- gesunkner Blaͤtter. Ein reges Schweben fuͤllt die Luft. Es zirkelt, schwaͤrmt’ und drehte sich, Jhr bunt, sanft abwaͤrts sinkend Heer; doch selten im geraden Strich. Es schien die Luft, sich zu bemuͤhn, den Schmuck, der sie bisher gezieret, So lang es moͤglich, zu behalten, und hindert’ ihren schnellen Fall. Hiedurch ward ihre leichte Last, im weiten Luft-Kreis uͤberall, Jn kleinen Zirkelchen bewegt, in sanften Wirbeln um- gefuͤhret, Bevor ein jedes seinen Zweck, und seiner Mutter Schooß, beruͤhret; Um sie, bevor sie aufgeloͤst, und sich dem Sichtlichen entruͤcken, Mit Decken, die weit schoͤner noch, als persianische, zu schmuͤcken. Jch Bey dem Fall der Blaͤtter im Herbst. Jch hatte diesem sanften Sinken, der Blaͤtter lieb- lichem Gewuͤhl, Und dem dadurch, in heitrer Luft, erregten angenehmen Spiel, Der bunten Tropfen schwebendem, im lindem Fall for- miertem, Drehn, Mit offnem Aug’, und ernstem Denken, nun eine Zeitlang zugesehn; Als ihr von dem geliebten Baum freywilligs Scheiden (da durch Wind, Durch Regen, durch den scharfen Nord, sie nicht herab- gestreifet sind; Nein, willig ihren Sitz verlassen, in ihren ungezwungnen Faͤllen) Nach ernstem Denken, mich bewog, sie mir zum Bilde vorzustellen, Von einem wohlgefuͤhrten Alter, und sanftem Sterben: Die hingegen, Die, durch der Stuͤrme strengen Hauch, durch scharfen Frost, durch schwehren Regen, Von ihren Zweigen abgestreift und abgerissen, kommen mir, Wie Menschen, die durch Krieg und Brand und Stahl gewaltsam fallen, fuͤr. Wie gluͤcklich, dacht’ ich, sind die Menschen, die den freywillgen Blaͤttern gleichen, Und, wenn sie ihres Lebens Ziel, in sanfter Ruh’ und Fried’, erreichen; Der Ordnung der Natur zufolge, gelassen scheiden, und erbleichen! P 4 Zum Zum Herbst. O ft trauret selber mein Gemuͤth, Wenn es, im Herbst, bey truͤbem Wetter, Den Rest der gelblich-gruͤnen Blaͤtter, Durch die beschwitzten Fenster-Scheiben, als wie durch einen Nebel, sieht, Der unser’ Augen schwaͤcht und blendet, und worinn ein gedaͤmpftes Licht, An der verduͤnnten Feuchtigkeit, sich heftet, sich verwirrt und bricht: Worinn die Farben zwar zu sehen, doch die Figur sich ganz verzieht; Den doch, an unterschiednen Stellen, Die Spuhren abgeloffner Tropfen ein wenig theilen und erhellen; Durch deren Striche man die Vorwuͤrf dann alsbald deutlicher bemerkt. Es wird, nach weggenommner Hindrung, das Aug’ erheitert und gestaͤrkt. Man sieht, wenn sich der Duft zertheilt, die Vorwuͤrf’ alle schoͤn und rein. Bey diesem ernsten Ueberlegen, fiel mir noch ferner dieses ein: Laß nicht den Dunst der Leidenschaften An deiner Augen Fenster haften: Denn, ein durch sie bewoͤlkt Gemuͤth Bemerkt sodann nicht, was es sieht. Die Zum Herbst. Die allerzierlichsten Figuren Der Wunder-vollen Creaturen, Verlieren, wenigstens, bey dir, Pracht, Ordnung, Symmetrie, und Zier. Ein paar, durch Reu, vergoßne Zaͤhren Wird dir gleich eine klare Durchsicht, und eine neue Lust, gewehren. Ja, soll sich, in der Phantasey, nicht alles durch einander mischen; Muß man den Duft der Leidenschaften, von jedem Sinn, zuweilen wischen: Sodann stellt sich die Creatur, mit ihrer Pracht und Schoͤnheit, klar, Und nicht benebelt, wie vorhin, den Augen, und dem Geiste, dar. P 5 Noch Noch andre Herbst-Gedanken. D ie Farben brennen jetzo nicht, Es scheint, daß die Natur, nach Mahler Art, Mit minderm Glanz und Kraft die bunten Farben paart, Die gar zu starken daͤmpft, die gar zu hellen bricht. Es scheint, ob sie der Welt ein’ Art von Anmuth gebe, Und eine Harmonie zu zeigen sich bestrebe, Die sanfter als vorhin, daß sie das mattre Licht Der Farben jetzt nur bloß durch dunklen Grund erhebe, Wozu der Daͤmmrung gleiche Duft Der jetzt halb klar- halb dunklen Luft Jhr wunderwuͤrdig dient, als deren Dunkelheit, Der schwachen Farben Lieblichkeit So angenehm erhoͤht, daß ein vergnuͤgt Gemuͤth, So weit es sehen kann, die Welt nicht anders sieht, Als waͤre sie, zu noch vermehrterm Prangen, Mit kuͤnstlichen Tapeten ganz behangen. Wie viele Kunst, wie viele Muͤh Zu solcher Farben Harmonie Jn der erhabnen Mahlerey Erfordert wird; ist denen nur bekannt, Die Muͤhe, Fleiß, Verstand Auf diese edle Kunst verwandt: Hier aber sieht man jetzt, zumal im Wald und Buͤschen, Die Farben sich von selbst so kuͤnst- und lieblich mischen, So angenehm, so sanft sich brechen, Daß es nicht glaublich ist, nicht auszusprechen. Ein Herbst-Gedanken. Ein sanftes dunkel Gelb, ein sanftes dunkel Braun, Ein sanftes dunkel Roth, ein sanftes dunkel Gruͤn, Sieht man licht-gelb-, licht-braun-, licht-roth-, licht- gruͤne Stellen, Wohin man sieht, erheben und erhellen; So, daß kein Ort fast zu erblicken, Den nicht verschiedne Farben schmuͤcken, Die, vor im Sommer, auch zwar schoͤn, Doch bloß allein im gruͤnen Schmuck, zu sehn. Da denn zugleich, bey mehr entlaubten Zweigen, Und durch der Farben Unterscheid, Jn noch vermehrter Deutlichkeit, Sich tausend vormals nie gesehne Weiten zeigen. Von gelb- und rothem Laub, von lieblich gruͤnem Mooß Jst, in den Waͤldern, jetzt der Ueberfluß so groß, Daß es nicht moͤglich zu beschreiben; Wer es nicht selbst gesehn, kann es unmoͤglich glaͤuben. Das Gelbe, das man hie und dort im ganzen Wald’ erblickt, Laͤßt, als ob lauter Sonnen-Schein den ganzen Wald erfuͤllt und schmuͤckt. Ja, wie wird jetzt im Herbste nicht So manch- gefaͤrbter Glanz, so manches bunte Licht, Das uͤberall die Luft jetzt zieret, Jm tausendfach gefaͤrbten Obst verspuͤhret! Schau! wie die Obst-Baͤum’ und die Reben Sich in die Wette fast bestreben, Dir, nebst dem Nutzen, auch ein’ Augen-Lust zu geben. Bewun- Herbst-Gedanken. Bewunderst du, im lauen Herbst, den Schmuck der Welt, der Farben Pracht, Die sich an allen Orten zeigen; So ruͤhmst du Dessen Weisheit, Macht, Und Liebe, Welcher sie nur bloß, zu deinem Nutz, hervorgebracht. Jhn ehrt schon deine stumme Lust, Jhn preist so- gar dein froͤhlichs Schweigen. Aloe Aloe Margaritifera. L iebster Gott! was seh ich hier! Ein mit lauter Diamanten uͤberall bedecket Kraut, Dessen Schimmern, Glaͤnzen, Funkeln, und metallisirte Zier Auch der Unempfindlichste mit erstaunten Blicken schaut. Das besonders schoͤne Gruͤn dieser Staud’ ist ganz be- leget Mit erhabnen kleinen Blaͤsgen, die durchsichtig und so rein, Daß der Sonnen-Strahlen Schein Durch das Naß, so jedes Blaͤschen in dem runden Zir- kel heget, Wie ein kleines reines Licht Dringet, sich vereint, und bricht Oft, wie ein Opal sich mahlet, Oft auch von der glatten Haut, wie ein Demant, ruͤck- waͤrts strahlet. Nach dem Stand’, in dem mans sieht, scheints im Sil- ber-weissen Schein, Ja, recht als mit klarem Silber, uͤberall belegt zu seyn. Um recht schoͤnes Gruͤn zu haben, Streichet man es sonst auf Silber, hier liegt Silber auf das Gruͤn; So, daß, unsern Blick zu laben, Diese Mischung noch viel schoͤner; herrlicher u. heller schien. Jedes Blaͤschen scheinet mir, als ob ich ein Troͤpfgen Thau, Das verhaͤrtet, und doch funkelnd in der Sonnen Strah- len, schau. Alle Aloe Margaritifera. Alle Farben, die die Sonne, nach der Lehre Newtons, heget, Sind, so wie die Thaues-Tropfen, jedem Blaͤschen ein- gepraͤget. Und, da solch ein helles Blaͤschen sich aus jeder Oeff- nung streckt, Wird ein allgemeiner Schimmer auf dem ganzen Kraut entdeckt. Um es besser zu besehn, pfluͤckt ich etwas davon ab, Das mir, eine neue Schoͤnheit zu entdecken, Anlaß gab, Da auf jeder innern Spitzen ein klein Puͤnktgen, wie Rubin, Recht im feuerreichen Glanz, gluͤhte, blitzte, flammt’ und schien. Jch erstaunt’ ob aller Pracht, die man an dem Kraut erblicket, Und bewunderte den Schoͤpfer, Der es so fuͤr uns geschmuͤcket, Daß wir, wie wir Seine Weisheit, Lieb und Macht, an allen Gaben, Auch am Perlen-traͤchtgen Kraut, zu bewundern Ursach haben. Betrachtung Betrachtung der Herbst-Bluhme, Aster. J m Herbst, an einem heitern Morgen, nach allbereits verschwundner Nacht, Sah ich, der, in dem spaͤten Herbst, annoch vorhandnen Bluhmen Pracht, Jn dem noch bunten Garten, an. Durchs Auge ward mein Geist geruͤhret, Und, in der schoͤnen Farben Schmuck, zu ihrer Urquell hingefuͤhret: Da dann ein lieblich Freuden-Feur, durch aller Farben bunten Brand, Von heisser Andacht angefacht, in meiner regen Seel’, entstand. Jch sah die Sonnen-Bluhme funkeln: Es bluͤht die africansche Bluhme, Die Flammen-Seulen-gleiche Malva, zu ihres großen Schoͤpfers Ruhme; Die Rittersporn, die Ringel-Bluhme, Flos admi- rabilis; der Mah, Den uns Siberien geschenkt. Wobey ich, fast er- staunet, sah, Die Bluhmen, die man Aster nennt, in weiß- auch rothen Farben prangen. Um Betrachtung der Herbst-Bluhme, Aster. Um die nun naͤher zu betrachten, fuͤhlt’ ich ein sehn- liches Verlangen. Jch pfluͤckte, von verschiednen Sorten derselben, unter- schieden’ ab; Wovon mir jede reichen Stoff zu froͤhlicher Betrach- tung gab. Es bluͤht dieß praͤchtige Gewaͤchs, Dem, Der sie wach- sen laͤßt, zum Preise: Zu Anfangs: wenn sie voͤllig bluͤht; zuletzt auch, auf besondre Weise. Viel ausgeschnittne Blaͤtter zieren den ganzen Staͤn- gel: bis zuletzt Dieselben oberwaͤrts sich spitzen, Und nah am kuͤnftgen Knopf der Bluhme, in solcher schoͤnen Ruͤnde, sitzen, Daß, eh die Bluhmen aufgebluͤht, Man, an der ganz besondern Staude, die schoͤnste gruͤne Bluhme sieht; Bis sich die Bluhme selbst entwickelt. Dann wird man einer netten Schaar, Von fuͤnf und dreyßig schoͤnen Blaͤttern, die Purpur, oder weiß, gewahr; Die alle, mit den untern Spitzen, Jn einem nett geformten Kranz, von Silber-weissen Zaͤ- sern, sitzen. Wie ganz besonders, und wie fremd, nun alles an der Bluhmen Bau; Jst doch noch mehr bewundernswehrt, was ich in ihrer Mitten schau: Es Betrachtung der Herbst-Bluhme, Aster. Es glaͤnzt in allen diesen Bluhmen, an Gelb’ und Ruͤnd’, ein Sonnen-Bild, Das den, der es genau betrachtet, mit ganz besondrer Lust erfuͤllt. Der gleichsam guͤldne runde Koͤrper, so Regel-recht geformt, bestehet Aus ungezaͤhlten kleinen Puncten, die all’ auf eine Weis’ erhoͤhet; Doch aber in so seltnem Rang, und fremder Ordnung, daß ich nimmer Dergleichen sonst bemerket habe. Der kleinen Puͤnctchen gelber Schimmer Scheint in der Ruͤnde nur zu stehn. Allein, betrachtet man sie recht; so sieht man sie zugleich sich drehn, Und Neben-Zirkelchen formieren: die kuͤnstlich dergestalt sich schwingen, Daß sie besondre Ranken machen, und, mit besondrer Zierlichkeit, So richtig durch einander laufen, daß es ein achtsam Aug’ erfreut. Kein Kuͤnstler wuͤrd’ auf die Figuren, die sich in dieser Bluhm’ entdecken, Mit aller Muͤh, gerathen koͤnnen. “Laßt uns der kuͤnstlichen Natur denn doch ein acht- sam Auge goͤnnen, “Der Striche Richtigkeit bewundern, die Schoͤnheit der Erfindung preisen, “Und als vernuͤnftige Beschauer der zierlichen Geschoͤpf’ uns weisen! 8 Theil. Q “Zu Betrachtung der Herbst-Bluhme, Aster. “Zu Ehren Dem, Der, als die Quelle der Weisheit, uͤberall sich zeigt; “Und Dessen Einsicht alle Tiefen der Wissenschaften uͤbersteigt, “Die Menschen, Geistern, Engeln, eigen.” Jch finde mich dadurch geruͤhret, Und, so zu denken, angetrieben: Gott, Den man allenthalben spuͤhret, Nimm meine froͤhliche Bewundrung zum Opfer, das nur Dir gebuͤhret! Die Die Honig-Bluhme. D a du, fast aller Bluhmen Pracht, besehn, bewun- dert, und beschrieben; Sprich, warum willt denn du, Bevor der Frost mich aufgerieben, Auch meiner Farben Schmuck nicht sehn? rief mir die Honig-Bluhme zu: Als ich, wie ich bisher gethan, Sie nur unachtsam angeblicket, sie unbemerkt vorbey zu gehn, Mich im Begriff befand; Da ich, durch ihren sanften Ruf geruͤhret, bey ihr stille stand, Um, mit Bedachtsamkeit, auch ihren Schmuck zu sehn. Jch stutzt’, und schaͤmte mich, daß ihres Purpurs Pracht Mich, bis dahero, nicht aufmerksamer gemacht; Da er jedoch recht brennend schoͤn. Jhr ernsthaft Wesen schiene mir was Majestaͤtisches zu zeigen. Der dunkle Schmuck, der ihren Blaͤttern eigen, Kam, in der duͤstern Roͤthe, mir, Als wie ein Kleid, das Kronen schmuͤcket, fuͤr. Jch schnitte dann verschiedne Bluhmen, den Bau recht zu betrachten, ab; Wovon ein’ jede zur Bewundrung Gelegenheit und An- laß gab. Q 2 Die- Die Honig-Bluhme. Diejenigen, die man schon voͤllig aufgebluͤhet, Und zur Vollkommenheit gelanget, siehet, Bestehn aus einem runden Kranz, Von purpurfarbnen kleinen Kelchen, woran ein matter Silber-Glanz Der aͤußren Blaͤtter Spitzen faͤrbt; die innersten zwey kleinen ausgenommen. Man sieht aus jedem dieser Blaͤtter, im Grund’, ein weisses Spitzchen kommen, Ein weisses Staͤnglein aus der Mitten. Ein kleiner Huͤgel hebt sich dann Von lauter Bluͤhmchen, deren Menge, Jndem sie alle dunkel-roth, das dunkle purpurne Ge- praͤnge, An dieser Bluhme Bau, formiert; Worauf jedoch, sie zu erheben, auf gleichfals purpur- farbnen Spitzen, Viel silberfarbne Haͤmmerchen, auf einem dunklen Grunde, blitzen. Eh sich der Bluhmen Huͤgel oͤffnet, ist zwar der untre Kranz zu sehn, Der auf acht gruͤnen spitzen Blaͤttern, die sich einander zieren, ruht; Doch liegt die purpurfarbne Gluht, Jn einer dunkel-braunen Decke, annoch versteckt. Nicht minder schoͤn Jst, wenn die Blaͤtter abgefallen, Das Saamen-Haͤuschen, welches gruͤn, und woran, wie ichs zaͤhlt’, an allen, Drey hundert fuͤnf und siebenzig sehr nett rangirte Spitzen stehn: Da Die Honig-Bluhme. Da fuͤnf und siebzig Saamen-Koͤrner, ein jedes mit fuͤnf starren Spitzen, Ein jeglichs im besondern Kelch, bewundernswerth ge- ordnet, sitzen. Wenn man auf die besagten Spitzen ein solches Saamen- Kelchlein setzt, Bleibt es, als auf fuͤnf Beinen, stehn; und durch die laͤnglichte Figur, Von einem kleinen Zucker-Huth, wird ein betrachtend Aug’ ergetzt. Das Laub, an dieser Honig-Bluhme, gleicht voͤllig einer Helleparten. Bewundre doch, vernuͤnftger Mensch! die viele Millionen Arten, Wodurch die bildende Natur Die Weisheit ihres Schoͤpfers zeiget, Die allen menschlichen Begriff und Witz unend- lich uͤbersteiget! Durch ein so dich vergnuͤgendes, als ehrerbietiges, Bemuͤhn, Bist du geschickt, aus Honig-Bluhmen der Andacht Honigseim zu ziehn. Q 3 Die Die Biesam-Bluhme. D ie Biesam-Bluhme fehlt mir noch, zum Ruhm des Schoͤpfers, zu betrachten. Jhr gleichfals ganz besondrer Bau verdient mit Recht, ihn zu beachten. Mich ruͤhrt ihr kraͤftiger Geruch. Doch das, so wir an ihr ersehn, Jst auch nicht weniger betraͤchtlich, und, auf besondre Weise, schoͤn. Sie scheint, aus lauter Linien, aus lauter Strichen, zu bestehn, Wenn man sie obenhin besieht: Bemerkt mans aber eigentlich; So sind die Blaͤtter Trichter-formig. Der Obertheil ist, bis zur Mitten, So wunderkuͤnstlich eingeschnitten, Als wenn es, mit der feinsten Scheere, So richtig eingekerbet waͤre. Daher scheint jedes Blatt ein Strich, Die ganze Bluhm’ aus Faͤserchen, theils weiß-, theils purprichten, formieret, Und also, vor den andern Bluhmen, auf eine neue Art, gezieret: Die, weil sie alle mit einander aus einem runden Knopfe steigen, Der ebenfals betrachtenswerth, sich all’ in netter Ruͤnde zeigen. Der Die Biesam-Bluhme. Der Knopf ist rund, und hart, und fest, Mit Schuppen rings umher bedeckt, als waͤren sie daran gepreßt, Und auf einander so gefuͤget, Daß auf zwo Fugen eine Schuppe, sie kraͤftig zu ver- decken, lieget. Derselben Farb’ ist dunkel-gruͤn, mit einem rothen Rand umher. Jch hatte juͤngst, von ungefehr, Dergleichen Knopf, recht in der Mitten, Mit einem Messerchen durchschnitten; Und ward, in selbem, eine Schaar Von Faͤserchen, die nicht zu zaͤhlen, durch ihre Meng’ erstaunt, gewahr: Sie stehen allzumal gedraͤngt, auf einem Grunde, der so fest, Daß er sich kaum zerschneiden laͤßt. An jeder Spitze Fuß entspringt allhier der Saam’: und hab’ ich hier Zwey hundert Koͤrnerchen gezaͤhlt, wovon um jedes funfzig Spitzen, Jn Silber-weissem Glanze sitzen; Die, weil sie kuͤrzer, als die Blaͤtter, allein den Bauch des Knopfes fuͤllen, Und jedes Blattes Huͤls’ umhuͤllen. Da oberwaͤrts aus ihm sodann, die Trichter-formgen Blaͤtter steigen, Die alle, kuͤnstlich eingekerbt, am End’, auf zwanzig Spitzen zeigen: So, daß dadurch an jeder Bluhme, wenn wir sie mit Bedacht besehn, Jn die vier tausend nette Spitzen, in einer richtgen Ord- nung, stehn. Q 4 “Be- Die Biesam-Bluhme. “Bewundre, Mensch! in dieser Menge der Blaͤt- terchen, die Strichen gleich, “Wie die Natur an feiner Kunst, und an Erfindungen, so reich; “Und laß, in dieser schoͤnen Bluhme, die drinn entdeckten Seltsamkeiten, “Dich doch zu ihrem ersten Urstand, zu einem weisen Schoͤpfer, leiten! “Noch mehr! Es bluͤhet diese Bluhme nicht nur in einer weissen Zier; “Sie bringt, in eben dieser Form, auch purpurfarbene herfuͤr. “Noch mehr! Sie ist mit suͤßem Duft, bewunderns- wuͤrdig, angefuͤllet, “Und es vergleicht sich der Geruch dem Biesam, wel- cher aus ihr quillet: “Wofuͤr, wenn man vernuͤnftig riecht, bey dem er- quickenden Genuß, “Ein jeder, der dadurch erquickt, dem Schoͤpfer billig danken muß. Der Der Papagay. D u zwingest mich, du schoͤnes Thier, Dein glaͤnzend, lieblich-bunt- und reizendes Ge- fieder, Samt deines Coͤrpers Bau und Zier, Zu deines Schoͤpfers Ruhm, zum Vorwurf meiner Lieder, Mit froͤhlicher Aufmerksamkeit, zu wehlen. Wie oft hast du in meiner Seelen, Durch deinen Wunder-Schmuck, ein’ innre Lust erweckt! Der Farben Pracht des Kleides, das dich deckt, Hat oft, da die Natur so herrlich dich gezieret, Durchs Auge, meinen Geist geruͤhret, Und, voll Bewundrung, ihn, auf Den gefuͤhrt, Der die Natur beseelt, Der das erfreu’nde Licht Erschuff, die Coͤrper formt’, den Menschen das Gesicht Geschenkt, und einen Geist zu allem wollen fuͤgen, Der faͤhig und geschickt, An allem dem, was Er so herrlich schmuͤckt, An Farb’ und Symmetrie sich zu vergnuͤgen. Du traͤgest, schoͤnes Thier, geschmuͤckter Papagay, Von Pflanzen, Laub und Gras die schoͤnste Liberey. Jhr lieblich Gruͤn, womit sich Feld und Waͤlder schmuͤcken, Bedecket deinen glatten Ruͤcken, Die Schwingen ebenfalls, worauf wir mancherley Gemisch, von licht- und dunkel Gruͤnen, So wie bey ihnen, Auf jeder Feder fast, erblicken. Q 5 Allein, Der Papagay. Allein, was fuͤr ein Gelb, das einer Bluhme gleicht, Ja dem das schoͤnste Gelb von allen Bluhmen weicht, Bricht auf einmal in gleichsam guͤldnem Flor Aus deinem Hals’ hervor, Und schmuͤckt, und kroͤnt dein Haupt? Wie lieblich, hell und klar Glaͤnzt in dem guͤldnen Grund’, in einem weissen Kreise, Wie Silber, eingefaßt, dein schwarzes Augen-Paar! Es glimmt daselbst auf gleiche Weise, Als wenn, auf schwarz-poliert- und glaͤnzenden Corallen Sich brechend, Sonnen-Strahlen fallen. Des Hauptes Vordertheil schmuͤckt ein aus gelb und roth Gemischtes Roth der glaͤnzenden Auroren, Wenn sie den fruͤhen Tag gebohren. Des krummen Schnabels halber Kreis, Der glatt und weiß, Gleicht einem glaͤnzenden Agat, Der ungestreift: wobey er keine Oeffnung hat. Es schließt dahero jedermann Mit Recht, daß er nicht riechen kann. Ein gelblich Gruͤn bedeckt, zu unsrer Augen-Lust, Den untern Theil des Schweifs, den Bauch, die ganze Brust. Recht oben auf der Fluͤgel Ecken, Die uͤberall sonst dunkel gruͤn, Sieht man drey roͤthlich-gelbe Flecken, Jn einer netten Ordnung, gluͤhn. An seinen Fuͤßen sind die Zaͤh’ und Klauen, Nicht, wie wir sie an andern Voͤgeln schauen, An welchen wir, daß sich drey Zaͤhe vorwerts strecken, Und einer hinterwerts, entdecken; Da Der Papagay. Da sich im Gegentheil zween Zaͤhe vorn, zween hinden Am Fuß des Papagayen finden. Wobey er, welches sonderlich, wenn er herabsteigt oder klim̃t, Gar oft, als einen dritten Fuß, den Schnabel mit zu Huͤlfe nimmt. Der Farben Schoͤnheit an den Federn, da ja die Far- ben anders nichts, Als wie ein Wiederschein des Lichts, Die muß, aus der verschiednen Bildung verschiedner Faͤserchen entstehn. Muß also deren Eigenschaft, wodurch dieselbige so schoͤn, Jhr Wunder-Bau beherziget, auch ihre Ordnung angesehn, Die Symmetrie bewundert werden. “Ein Geist, den diese Schoͤnheit ruͤhret, “Wird billig, voll Bewunderung, zu aller Schoͤnheit Quell gefuͤhret, “Der die Natur beseelt, belebt, und welcher das er- freunde Licht “Erschuff, die schoͤnen Coͤrper formt, der auch den Menschen das Gesicht “Geschenkt, und einen Geist annoch zu allem diesem wollen fuͤgen, “Der faͤhig und geschickt, “An allem dem, was Er gebildet, und welches Er so herrlich schmuͤckt, “An Farben, an der Symmetrie, sich durch die Sin- nen, zu vergnuͤgen. “Er wird, da Seine Liebe, Weisheit und Macht, die Creaturen weisen, “Jn seiner drob empfundnen Lust, so ihr, als seinen Schoͤpfer, preisen.” Erbauliche Erbauliche Gedanken uͤber Hn. Roͤsels Erbauliche Gedanken uͤber Herrn Roͤsels vortreffliches Jnsecten-Werk. A ch! wie ist des Menschen Geistes Kraft und Schaͤrfe doch so klein, Und die Blindheit unsrer Seelen doch so groß, als allge- mein! Die Materie sowohl, als der Geist, ist uns verborgen; Auch der untheilbare Stoff, woraus erstere besteht, Als derselben Fuͤgungen, unerachtet aller Sorgen, Alles ernsten Ueberlegens, sind, wenn man recht in sich geht, Dunkel und ganz unbegreiflich. Von dem Geist begrei- fen wir, Wo es moͤglich; minder noch. Dennoch kommt uns oͤfters fuͤr, Daß, wo wir nicht eben alles, vieles jedennoch, begreifen. Unser Stolz lenkt unsern Blick, von den Dingen, truͤg- lich ab, Wo er sieht, daß sich darinn zu viel Schwierigkeiten haͤuffen; Sucht sich aber desto mehr auf diejenigen zu steiffen, Wovon die Empfindung ihm kaum den Schein der Wahrheit gab, Wann, durch seiner Sinnen Mittel, von verschiednen Eigenschaften, Die an solchen Wesen haften, Er, vortreffliches Jnsecten-Werk. Er, ein daͤmmrig Licht erblickt. Die Empfindungen allein Leiten und belehren ihn. Diese theilt er kluͤglich ein Jn, von ihm formierte, Classen, ziehet Folgen, machet Schluͤsse: Daß er die selbstaͤndge Wahrheit unbetrieglich haben muͤsse. Da jedoch, bey jedem Menschen, andre Folgen und Jdeen, Die den seinen widersprechen, wie man es erfaͤhrt, entstehen. Woraus soviel Widerspruͤche, Zaͤnkereyen, Ketzereyen, Unser Leben zu verbittern, uns zu foltern, sich nicht scheuen, Und wodurch Geselligkeit, Lieb und Eintracht von der Erden, Nebst Vergnuͤgen, Lust und Anmuth, leider, ganz ver- bannet werden! Sieht man also, daß der Stolz, Jrrthum und Unwissenheit, Bloß allein die Ungluͤcks-Quellen unsrer ganzen Lebenszeit. Mit so graͤmlichen Gedanken, und so bittrer Traurigkeit War ich juͤngst beschaͤfftiget, und beklagte, fast mit Traͤhnen, Unser menschliches Geschlecht, da die Sterblichen so blind, So verwirret, so betrogen, dumm, und so voll Einfalt sind, Und sich doch, vom Stolz verfuͤhrt, stets nach hohen Din- gen sehnen. Schloß auch, daß bey solcher Einfalt, bey so duͤsterer Erkenntniß, Bey so wenig Wissenschaft, und benebeltem Verstaͤndniß, Keiner Creatur gebuͤhre, aufgeblaͤht und stolz zu seyn; Sondern, daß ein tiefes Trauren billig sie belehren muͤsse: Daß ihr Vorzug vor den Thieren, nicht sehr groß sey, sondern klein, Und daß sie, von allen Dingen, nicht vielmehr, als jene, wisse. Aber Erbauliche Gedanken uͤber Hn. Roͤsels Aber in der dunklen Schwermuth, strahlt’ ein helles Freuden-Licht, Das die Nacht des Grams besiegte, unverhofft mir ins Gesicht. Dein bewundernswuͤrdigs Werk, das bis zur Natur fast steiget, Edler Roͤsel, wurde mir, von Jnsecten, vorgezeiget. Jch erstaunt’, und mich befiel, bey dem reinsten Wol- lust-Strahl, Freud, Ergetzen, Ueberlegung und Bewundrung auf einmal. Meine Seele ward, durchs Auge, ganz, und inniglich ge- ruͤhret, Ja zugleich, durch Ueberlegung, zu der Wahrheit hin- gefuͤhret, Die vorher bey mir versteckt, unterdruͤckt, begraben, schien: Wie so sehr der Menschen Geist, einem Thier, sey vorzuziehn. Deine Faͤhigkeit, die Wunder unsers Schoͤpfers, in den Werken, Nicht durch Strich’ allein zu bilden, sondern durch ein weises Mischen Kleiner Theile schlechten Staubes, Geist und Auge zu erfrischen, Da fast gar kein Unterscheid zwischen der Natur zu merken, Und den Bildern deiner Hand; zeigt uns uͤberzeuglich an, Da kein einziges Geschoͤpf, bloß ein Mensch, so wirken kann; Was ein Mensch, vor allen Thieren, fuͤr ein’ auserlesne Gabe, Folglich, welchen großen Vorzug er, vor ihnen, wirklich habe. Deine vortreffliches Jnsecten-Werk. Deine Kunst bringt mir demnach eine bessre Meynung bey Von dem menschlichen Geschlecht, als ich sie vorher ge- heget, Wie mein Gram mich unterdruͤckt. Da mein Geist nunmehr erweget: Daß, was deine Hand formiert, keinem Thiere moͤglich sey. Nimm demnach, erhabner Geist, das Bekenntniß meiner Lust, Welche du, in meiner Brust, Durch die weise Hand erregt, als ein Prob-Stuͤck deiner Staͤrke, Jn der edlen Bildungs-Kunst; aber auch als eine Probe Meiner wahren Dankbarkeit, da ich, deines Pinsels Werke, Oeffentlich erheb’ und lobe. Diesen Dank bin ich dir schuldig, und daher um desto mehr, Als ich die Betrachtungen, die dein herrlich Werk be- gleiten, Meinem Singen aͤhnlich finde, und dem Ton von meinen Saiten. Denn wir mahlen, dichten, schreiben, beyde, zu des Schoͤpfers Ehr. Ja, ich seh mich uͤbertroffen. Deine Kunst legt augen- blicklich, Ohne die geringste Muͤh deiner Schauer, so geschicklich Jhnen die Natur vor Augen, und so lebhaft. Jch hin- gegen Kann, ohne einige Bemuͤhung meines Lesers, ihm den Sinn Nicht so schnell vor Augen legen. Dennoch Gedanken uͤber Hn. Roͤsels Jnsecten-Werk. Dennoch soll mich dieß nicht hindern. Meine Hoffnung geht dahin, Daß vermuthlich, auf der Erden, Zeiten annoch kommen werden, Wo die Menschen nicht so sehr, als wie jetzo, von der Spuhr Der, zu ihrem wahren Schoͤpfer einzig fuͤhrenden, Natur, Durch Exempel, durch Gewohnheit, ja auch, leider! gar durch Lehren, Straͤflich abgezogen werden, und, wo, deine Mahlereyen, Ja, vielleicht auch meine Schriften, Menschen Augen mehr erfreuen, Und zum Schoͤpfer fuͤhren duͤrften. Um dich laͤnger nicht zu stoͤhren, Brech ich hier, mein sonst vielleicht gar zu langes Schrei- ben, ab, Das dir ungeschminkte Proben meiner sondern Achtung gab. Denke, wenn du es vielleicht mehr als einmal duͤrftest lesen, Daß ich dir ergeben bleibe, so wie ich es laͤngst gewesen. Betrach- Betrachtung Goͤttlicher Werke. M ein Schoͤpfer! wie so wunderschoͤn Jst hier der Erd-Kreis anzusehn! Von wie viel Farben und Figuren Seh ich hier schoͤne Creaturen, Verherrlicht durch den Sonnen-Strahl, Fast ohne Maße, sonder Zahl! Mein Auge sieht sich muͤd’ und matt An allen Wundern; doch nicht satt. Hier seh ich schoͤne Bluhmen prangen, Dort Baͤume voller Fruͤchte hangen: Da Wiesen, und drauf glattes Vieh Jm Grase gehn, bis an die Knie, Viel’ auf dem weichen Klee sich strecken; Da Bluhmen sie fast ganz bedecken. Hier kann ich schattichte Alleen, Die nach der Schnur gepflanzt sind, sehen; Dort ohne Kunst gewachsne Hecken. Hier seh ich rothe Daͤcher, zwischen Bald hohen und bald niedern Buͤschen; Hier Thaͤler, dort bebluͤhmte Huͤgel: Und dort, in einem langen Strich, Die Elbe, die dem Silber glich, Als einen schoͤnen Himmels-Spiegel, Bedeckt von vieler Schiffe Last; Manch rothes Seegel, manchen Mast. Jch sehe noch, an jenem Strande, Entfernte Baͤum’ auf gelbem Sande; Von welchen ihr auch schoͤnes Gruͤn Mit etwas Blau gemischet schien. 8 Theil. R Um Betrachtung Goͤttlicher Werke. Um alles dieses ziehet sich, Von Bergen, ein fast blauer Strich, Der mit dem Luft-Kreis sich vereinet; Worauf die Luft zu ruhen scheinet. So weit erstreckte sich die Reise Der Augen. Hierauf zog mein Blick Sich aufwaͤrts, zu dem Himmels-Kreise, Durch manches schoͤne Wolken-Bild, Das dort das Firmament erfuͤllt, Aufs neu erstaunet, sich zuruͤck. Hier sank er in der blauen Tiefe grundlosen Abgrund, den der Schein Der Sonnen und das Leere faͤrbt, ohn’ alle Gegen- wuͤrf’, hinein. Weil hier der Raum sich nun nicht endet; War meiner Augen Kraft geblendet. Es sah, beym Glanz des hellsten Lichts, Nichts Koͤrperlichs, und folglich, nichts. Doch fing mein Seelen-Aug’ hier an, Durch Schatten dunkler Nacht belehret, Zu sehn, was man nicht sehen kann, Wann Finsterniß es nicht erklaͤret. Es stellte sich, in dieser Ferne, Das ungezaͤhlte Heer der Sterne, Und Sonn- und Welten- Heere, mir, Jn ihnen, mit Erstaunen, fuͤr. Die Seele sah hier, in Gedanken, Des Schoͤpfers Werke, sonder Schranken. Durch nichts wird Seine Majestaͤt Mehr, als durchs Firmament, erhoͤht. Hier, da Sich Gott Selbst scheint zu zeigen, Ehrt Jhn mein ehrerbietigs Schweigen. An An meinem Gebuhrts-Tage. 1741 . J n dieser Welt, wo Gluͤck und Ungluͤck, wo Boͤs’ und Gut’, als Licht und Schatten, Bestaͤndig wechseln, ja zugleich sich, als in einer Daͤmm- rung, gatten; Wo ungezaͤhlte Creaturen, zur Anmuth, zur Bequem- lichkeit, Zur Nahrung, Waͤrme, Kuͤhl- und Kleidung, im Winter und zur Sommers-Zeit, Zu Gegenwuͤrfen unsrer Sinnen, zur Lust, auch oft zur Qual, vorhanden: Bin ich, nunmehr vor sechszig Jahren, auf unsers Schoͤpfers Wink, entstanden; Wo Menschen, welche sich so wenig am Geist, als an Gesichtern, gleich, Sich hassen, lieben, helfen, schaden, an Eigenliebe alle reich. Was hab’ ich nicht fuͤr vieles Gut’, in so viel abge- wichnen Jahren, Von Gottes Vater-Hand, genossen! Auf wie viel unge- zaͤhlte Weise Hab’ ich, nebst allen Meinigen, den Ausbruch Seiner Huld erfahren! So ist es dann ja meine Pflicht, daß ich Jhn lobe, ruͤhme, preise. R 2 Wenn An seinem Gebuhrts-Tage. Wenn ich den Zustand dieser Welt, und den Zusam- menhang erwege, Von Menschen, welche sich so wenig an Geist- als an Gesichtern gleich, Die, ob sie gleich fuͤrs Ganze wirken, doch all’, an Ei- genliebe reich, Sich selber bloß vor Augen haben; wenn ich ihr Wuͤh- len uͤberlege, Und aller Krieg fast, gegen alle: so stutz ich, und er- staune schier, Ob der betraͤchtlichen Gefahr, die allen Meinigen, auch mir, Bestaͤndig uͤberm Haupt geschwebet. Wenn ich nachher, die vielen Faͤlle, Die allen Menschen taͤglich drohn, als Krankheit, Feuer, Wassers-Noth, Krieg, Armuth, Pestilenz, Verletzung, Verlaͤhmung, einen schnellen Tod, Und aller Elementen Krieg, wie billig, mir vor Augen stelle, Wovor ich, in so langer Zeit, durch Gottes Huld, be- wahret bin; Wenn ich zugleich die vielen Guͤter, mein Schoͤpfer! die bloß Dein Geschenke, Und die Du mir, aus lauter Gnaden, bisher gelassen, uͤberdenke: So bricht mein, durch dieß Ueberlegen, mit hoͤchstem Recht geruͤhrter Sinn, Jn heissen Seufzern, froͤhlich aus: Regierer aller Dinge! Dir, Als einzgem Geber alles Guten, sey Ehre, Preis und Dank dafuͤr! Von An seinem Gebuhrts-Tage. Vor allem aber dank ich Gott, daß, durch die mir verliehne Gabe, Jch mich, an Seiner Haͤnde Werke, nicht oft allein ver- gnuͤget habe; Nein, daß ich selbige betrachtet, als Seiner Haͤnde Werk; ja gar, Daß Er, durch Seine Gnad’ allein, wie sonst, auch im verstrichnen Jahr, Bequemlichkeit, Gelegenheit, auch Faͤhigkeit, mir wollen goͤnnen, Daß ich, durch manches frohe Lied, sie andern gleichfals zeigen koͤnnen: So daß, wie mancher, hie und dort, durchs Licht der Wahrheit, sey geruͤhrt, Jch, Gott allein sey Dank dafuͤr! nicht ohne Regun- gen, verspuͤhrt. Mein heisser Wunsch ist: Daß, wofern ich laͤnger auf der Welt soll leben, Jch darinn, wie in allem Guten, mag, fortzufahren, mich bestreben, Damit die, meiner Einsicht nach, nothwendge Menschen- Pflicht auf Erden, Des Schoͤpfers in den Werken sich zu freuen, moͤg’ er- halten werden. Gieb aber, daß, bey solcher Arbeit, mein Jch sich nicht zu weit vergeh, Und glaube, daß, bey dieser Lehre, durch mich was Son- derlichs gescheh! Laß mich vielmehr, in wahrer Demuth, die große Wahr- heit wohl bedenken: “Daß Gott allein die Faͤhigkeit, das Wollen, das Voll- bringen, schenken, R 3 Und An seinem Gebuhrts-Tage. “Und alles Gute geben muß; daß nichts von allem uns gehoͤrt; “Daß wir, auch selbst in guten Thaten, dennoch fuͤr uns nichts mehrers werth, “Als ein gebrauchtes Werkzeug ist.” Den so ge- nannten freyen Willen Seh man als keinen Vorzug an; indem es wird un- leugbar seyn, Daß Gott, auch selbst das Wollen, giebt. Wenn wir demnach was Guts erfuͤllen, Jst dennoch nichts von allem unser; nur Gott gehoͤrt die Ehr’ allein. Auf Auf meinen Gebuhrts-Tag. 1742 . D er Tag, an welchem ich der guͤldnen Sonnen Schein, Zum erstenmal, erblickt, bricht abermal herein. Schon zwey und sechszig mal hab’ ich ihn sehen koͤnnen: Das drey und sechszigste will Gott mir heute goͤnnen. Wie billig ist demnach, daß mein geruͤhrter Geist Dich, unsers Lebens Quell, fuͤr solche Gnade, preist; Daß ich, fuͤr so viel Guts, das ich, in so viel Jahren, Durch Deine Gnad’ allein, genossen und erfahren, Von Herzen dankbar sey! Jch stutze vor der Zahl, Die nicht zu zaͤhlen ist. Die Menge stoͤhrt die Wahl; Jch weiß nicht, welches ich von allen, erst, besingen, Was ich verschieben soll. Kein Ton will mir gelingen; Weil aller Guͤter Zahl, womit Du mich begluͤckt, Wie eine suͤße Last, den Geist fast unterdruͤckt. Jch muß mich dann nur bloß zur Allgemeinheit kehren, Und Deine Lieb’, o Gott! in frohem Schweigen, ehren. Dir ist es ja bekannt, mein Rechnen braucht es nicht, Was mir von Dir fuͤr Guts geschehen, und geschicht. Jch koͤnnt’, und wuͤrd’ auch leicht, durch ordentlichs Erzehlen, Verschiedner Leser Sinn, durch Neid und Argwohn, quaͤlen, Ob fuͤhrt’ ein eitler Ruhm den Dank-erfuͤllten Kiel, Und daß ich, in dem Dank, mir selbst zu viel gefiel. Daher will ich vielmehr, in stillem Ueberlegen, Die Ueberschwenglichkeit von Deiner Huld erwegen, Die Du den Meinigen sowohl, als mir, erzeigt, Die ihr und mein Verdienst unendlich uͤbersteigt. R 4 Sey, Auf seinen Gebuhrts-Tag. Sey, ewge Liebe! dann fuͤr das, was mir erwiesen Jn meiner Lebens-Zeit, so hier als dort gepriesen! Jch trete dann nunmehr schon in mein Stuffen-Jahr, Wie mans zu nennen pflegt, worinn man viel Gefahr Den Menschen prophezeiht; wovon ich aber glaͤube, Daß mehr der Aberglaub’ uns zu der Meynung treibe, Als daß sie gruͤndlich sey. Erfahrung widerspricht, Und unterschreibt den Schluß von diesem Satze nicht: So wird auch der Vernunft es nicht an Gruͤnden fehlen; Sie heißt es eitlen Wahn, sie heißt es Tage-waͤhlen. Jnzwischen, da jedoch mein wohlbelehrter Geist, Daß jedes Jahr mit Recht wohl ein Gefahr-Jahr heißt, Mehr als zu wohl erkennt; so schuͤtt’ ich Wunsch und Flehen, Mein Schoͤpfer! vor Dir aus. Soll ich mein Ende sehen, Jst meines Lebens Ziel in diesem Jahr bestimmt, Und willt Du, daß darinn mein Lebens-Tocht verglimmt; So laß mich, wenn Du willt, o Gott! nicht anders wollen! Laß mich Dir, meinem Herrn, mein Leben willig zollen, Voll Glaubens, daß Du mir, nach hier vollbrachter Zeit, Worein Du mich gesetzt, der selgen Ewigkeit Vergnuͤgen schenken wirst; wozu Du, ewge Liebe! Aus ewger Liebe bloß, der Hoffnung suͤße Triebe Uns selber eingepraͤgt. Wo aber ich allhier Noch laͤnger leben soll; o Gott! so schenke mir, Nebst allen Meinigen, auf allen unsern Wegen, Doch ferner, wie vorhin, Gesundheit, Weisheit, Segen; Und staͤrke meinen Geist, damit ich jeden Tag, Jn Deinen Wundern, Dich, mit Lust, bewundern mag! Auf Auf meinen Gebuhrts-Tag. 1743 . G ott Lob! es ist, von meinen Jahren, Auch das, so man gefaͤhrlich haͤlt, Das drey und sechszigste, vergangen, und, wie ein Strohm, dahin gefahren. Jch seh annoch die schoͤne Welt. Mein noch, Gott Lob! gesundes Aug’ sieht meines ersten Tages Strahl, Jn Ruh, Gesundheit, und Vergnuͤgen, zu Gottes Ehren, abermal. Was kann ich anders thun, als danken? was sonst, als laue Freuden-Zaͤhren, Fuͤr Deine Guͤte, Gnad’ und Liebe, Dir, Herr des Le- bens! zu gewaͤhren? Dir sey demnach Lob, Ehr’ und Preis, daß Du mir meine Lebens-Zeit So fern, so lang’, erstrecken wollen; daß Du so viel Bequemlichkeit, Gesundheit, Nothdurft, und Vergnuͤgen, mir in derselben wollen goͤnnen! Zumal, daß ich, HERR! Deine Werke betrachten und bewundern koͤnnen; Das ja, so viel ich es begreife, der edelst’ Endzweck fast allein Von unserm Leben auf der Erden, zu Deinen Ehren, scheint zu seyn. R 5 Ach Auf seinen Gebuhrts-Tag. Ach schaͤrfe ferner meine Sinnen! vermehre meines Geistes Kraft, Daß ich die Schoͤnheit dieser Erden, so mancher Koͤrper Eigenschaft, Geniessen, ihrer mich erfreuen, in meiner Lust Dir danken moͤge, So lange, bis, nach Deinem Willen, ich mich dereinst zur Ruhe lege! Laß meine Meynung mich nicht taͤuschen, die ich von unsern Pflichten hege, Daß naͤmlich sie hierinn bestehn: “Aus Deinen Werken Dich erkennen, des uns geschenk- ten Guts geniessen, “Erwegen, daß so Geist als Koͤrper allein aus Deiner Liebe fliessen; “Uns Dein in Deinen Werken freuen, und Dich, in unsrer Lust, erhoͤhn. Auf Auf meinen fuͤnf und sechszigsten Gebuhrts-Tag. G ott Lob! es ist von meinen Jahren das vier und sechszigste vollbracht; Der zwey und zwanzigste September beschliesset es, und faͤngt zugleich Das fuͤnf und sechszigste schon an. Was hab’ ich Dei- ner Lieb’ und Macht, O Herr des Lebens! nicht zu danken! Wie wunderbar, wie Gnaden-reich, Hast Du mich, auch dieß Jahr, gefuͤhrt! und so viel Gutes mir erhalten, Was Du mir bis daher geschenkt; die Leibes-Kraͤfte, da ich mich So stark, als jemals, noch befinde. Mein Geist, Gott Lob! befindet sich, Nicht minder, noch in vorger Staͤrke: Jch kann mein Amt so gut verwalten, Als wie es sonst von mir geschehn. Es bluͤhen meine Kinder auch, Voll von Gesundheit und von Leben. Zwar mußte, durch des Todes Hauch. Von ihnen eins, zu meinem Gram, im abgewichnen Jahr, erkalten. Doch hat derselben sanfter Tod, in dem empfindlichẽ Verlust, Mich sehr getroͤstet und gestaͤrkt; dieß staͤrkt auch jetzt noch meine Brust: Sie starb vergnuͤgt, wie sie gelebt. Auch, dieses traurige Geschick Mir etwas wenigstens zu lindern, ließ sie mir einen Sohn zuruͤck, Der Auf seinen fuͤnf u. sechszigsten Gebuhrts-Tag. Der wenig seines Gleichen hat; wie alle, die ihn sehen, sagen. Daß ich nun diesen herben Fall noch mit Gelassenheit ertragen, Erkenn’ ich, daß es Deine Gnade, und meine Staͤrke nicht, gewesen; Weil der Erblaßten Werth mir kund. Allein, ich wende meinen Sinn Auf tausend tausend angenehme, von Dir geschenkte, Vorwuͤrf’ hin. Erweg’ ich, wie so oft Du, Herr, zur Lust und Nah- rung, mich gespeiset, Jn meinen vier und sechszig Jahren; so traͤget dieses eine Zahl Von, uͤber sechs und vierzig tausend, noch sieben hundert zwanzigmal; Wofuͤr, bey der Erinnerung, mein recht geruͤhrter Geist Dich preiset. Auch uͤber drey und zwanzig tausend, bracht ich, in einer sanften Ruh, Drey hundert sechszig suͤße Naͤchte, erquicket und gestaͤr- ket, zu. Die Menge bringt mich zum Erstaunen: und mein dadurch geruͤhrt Gemuͤthe Erhebet, ruͤhmet, dankt und lobet Dein’ Allmacht, Weis- heit, Lieb’ und Guͤte; Mit heissem Flehn, und fester Hoffnung, daß mir, so lang’ ich auf der Erde, Dein Lieben ferner Speis’ und Trank, und sanfte Ruhe, goͤnnen werde! Auf Auf meinen sechs und sechszigsten Gebuhrts-Tag. D as fuͤnf und sechszigste von meinen Lebens-Jahren Jst, wie die vorigen, nun auch dahin gefahren: Das sechs und sechszigste faͤngt sich jetzt eben an. Mein Gott! wie fleucht die Zeit! beklagt sich jeder- mann; Jch aber klage nicht. Mit dankbarem Gemuͤthe Verehr’ ich, in dem Lauf der Dinge, Dessen Guͤte, Der alles in der Welt, in solcher Richtigkeit, Jn solcher Ordnung, Maß und Daur, bis auf die Zeit, Bewundernswuͤrdig, weis’ und herrlich eingerichtet: Daß, was vernuͤnftig ist, und denken kann, verpflichtet, Jn dieser stillen Dau’r der Dinge, die vergehn, Ein uͤbermenschliches Regieren einzusehn, Und eine Liebe, Macht und Weisheit zu erhoͤhn, Die aller Sterblichen Begriff weit uͤbersteiget, Die sich unwandelbar, bey aller Aendrung, zeiget. Jch finde mich, zumal bey dieser Zeit, geruͤhrt, Da ich noch denken kann, da noch mein Geist verspuͤhrt, Was, auch in diesem Jahr, das eben jetzt verflossen, Jch, durch des Hoͤchsten Huld, fuͤr vieles Gut genossen; Das meine Schuldigkeit mir zur Erinnrung bringt, Und mich zum Preis und Dank, bey Freuden-Thraͤnen, zwingt. Jch bin in diesem Jahr, Gott Lob! gesund geblieben, Nebst allen Meinigen. Sein vaͤterliches Lieben Hat Auf seinen sechs u. sechszigsten Gebuhrts-Tag. Hat Krankheit, Schmerz und Noth, und Ungluͤck, Fluth und Brand, Und manches Creutz, von mir so gnaͤdig abgewandt; Ja einen Sohn, so gar in schreckenden Gefahren, Jn Sturm und See-Gefecht, gewuͤrdigt, zu bewahren, Und ihn, mit Sieg und Beut, von Kugeln unberuͤhrt, Von Fluthen unversehrt, juͤngst zu mir hergefuͤhrt. Du hast mir, dieses Jahr, die Freude wollen goͤnnen, Daß meine Tochter ich so wohl berathen koͤnnen, Mir einen Schwieger-Sohn, ihr einen Mann, beschehrt, Den sie nicht nur, und ich; den jeder, liebt und ehrt. Du fuͤhrtest sie begluͤckt auf ihren fernen Wegen; Sie spuͤhren auch noch jetzt, in Frankreich, Deinen Segen. Von meinem andern Sohn lief juͤngst die Nachricht ein: Zu einem hohen Post sollt’ er berufen seyn. Wo es ihm nuͤtzt; so gieb, o Gott! daß es geschehe, Und daß ich meine Lust an seinen Ehren sehe! Mein heisser Wunsch ist der: HERR! laß mich alles dieß, Nebst so viel anderm Gluͤck, nebst ungezaͤhlten Gaben Am Koͤrper und am Geist, die ich annoch genieß, Die noch kein Alter schwaͤcht, doch oft vor Augen haben! Laß mich mein kuͤnftigs Jahr, und ganze Lebens- Zeit, Jn frohem Ueberschlag, und in Erkenntlichkeit, Daß Auf seinen sechs u. sechszigsten Gebuhrts-Tag. Daß Du allein die Quell von allem Guten, bleiben, Und, wo es Dir gefaͤllt, viel Nuͤtzliches noch schreiben, Zu mein- und andrer Lehr! Gieb, daß ich, jeden Tag, Jn dieser schoͤnen Welt Dein’ Allmacht zeigen mag, Bis Deine Vater-Huld, zum irdischen Vergnuͤgen, Dereinst, wenn Dirs gefaͤllt, ein himmlisches wird fuͤgen! Das Das Buch der Natur. U nsre Sprachen, unsre Woͤrter, schrift- und muͤndlich, kommen mir, Als verkoͤrperte Gedanken unsrer regen Seelen, fuͤr. Sollte man, mit Recht, nicht koͤnnen Die betraͤchtlichen Figuren Der, im allgemeinen Welt-Raum, sicht- und hoͤrbarn Creaturen, Zeichen Goͤttlicher Gedanken, Worte, die verkoͤrpert, nennen? Lettern jenes großen Worts, da der Schoͤpfer sprach: Es werde? Schriften, die Sein ewigs Wollen, durch die Weisheit, Allmacht, Liebe, Fuͤr belebte Creaturen, sie zu unterweisen, schriebe? Dieß heißt billig das Natur-Buch. Unser ganzer Kreis der Erde Jst darinn ein einzigs Blatt. Andre Kreise, welche man, Nebst den Sonnen, in den Sternen, zaͤhlen, und nicht zaͤhlen, kann, Seh’ ich, in erstaunter Ehrfurcht, als so viele Blaͤtter, an, Die die Majestaͤt der Gottheit, uns, auf eine Weis’, erklaͤren, Als es aller Menschen Schriften, Wort’ und Buͤcher, nimmer lehren. O du großes Buch der Weisheit! wem dein Jnhalt recht bekannt, Der haͤlt billig alle Buͤcher, die die Menschheit schrieb, fuͤr Tand. Ver- Vergleichung anderer Creaturen mit dem Mond. V on uns sind alle Creaturen, (indem sie nicht selbst- staͤndig schoͤn, Und bloß durch ihren Schoͤpfer nur) mit Recht, nicht an- ders anzusehn, Als wie, in einer finstern Nacht, wir unsers Mondes Silber-Schein, Wenn wir ihn mit Vernunft betrachten, stets anzusehen, schuldig seyn. Wir wissen, daß, wie angenehm und reizend gleich sein holdes Licht, Er doch von seinem hellen Schimmer ein eigentlicher Ur- sprung nicht; Als welchen er nur von der Sonnen, und ihrem Lebens- Strahl, erhaͤlt. Daher wir, wenn, bey stiller Nacht, der Mondschein uns so wohl gefaͤllt, Wir, voll Vergnuͤgen, billig denken: Daß wir im Son- nenschein spazieren, Und daß uns, in des Mondes Licht, der Sonne Strahlen wirklich ruͤhren. Auf gleiche Weise muͤssen wir die Creaturen auch betrachten, Und, in derselben Schoͤnheit, Den, durch Dessen Wollen sie so schoͤn, Geruͤhrt durch ihren Schmuck, doch mehr durch dieses Schmuckes Quelle, sehn, Und, im Vergnuͤgen, ihre Schoͤnheit, doch mehr Den, Der sie schenkt, betrachten. 8 Theil. S Noch Vergleichung andererCreaturẽ mit dem Mond. Noch wirklicher ist Er bey ihnen, als wie die Sonn’ im Mond, zu spuͤhren: Da sie so wenig, sonder Jhn, als in des Mondes Fin- sterniß Er Licht behaͤlt, den Schmuck behalten; nein, alle Schoͤn- heit gleich verlieren, Ja gar vergehn und schwinden wuͤrden. Jst diese Wahr- heit nun gewiß, Wie sie wahrhaftig ist; so denket, ob es nicht eure Pflicht erfodert, Die Creaturen zu betrachten und anzusehn? so ihrent- wegen, Als euch in ihnen zu vergnuͤgen? auch, da der Schoͤpfer Selbst zugegen, Ob nicht, zum wahren Gottes-Dienst, mit Recht ein Andacht-Opfer lodert? Da wir in ihnen uns vergnuͤgen, zu Gott uns nahn; ja gar, in ihnen, Wenn wir derselben uns erfreun, und, selbst durch unsre Lust, Jhm dienen: So geb’ ich allen Menschen, Christen, und Geistlichen, zu uͤberdenken, “Wie es so noͤthig, Sinn und Seelen auf unsers Schoͤp- fers Werke lenken. Der Der Winter. S 2 Der Bluhmen-Topf. Jm Winter. M ein Gaͤrtner schickt’, im Januar, Wie alles noch gefroren war, Mir einen Topf mit schoͤnen Bluhmen, an welchen ich mich recht erquickte: Jndem ich Hyacinthen, Crocos, theils weiß, theils Pur- pur, drinn erblickte, Auch manche Schnee-Bluhm’; uͤberall mit jungem fri- schem Laub umgeben. Er hatte, bey den selbst gewachsnen, um ihre Pracht noch zu erheben, Levcojen, Nelken und Violen, nebst rothem Pfeffer, eingesteckt; Wovon der Farben bunte Menge, dem Blick, so manche Lust erweckt, Der sie bald all, bald einzeln, sah. Sie hatten mich am Tag’ ergetzet: Nicht weniger zur Abend-Zeit, wie ich sie nah ans Licht gesetzet; Woselbst ich, so wie ich gewohnt, das Licht mit meiner Hand bedeckt, Und dadurch, mit gestaͤrkten Augen, da sie dem Schein des Lichts so nah, Derselben Farben, Glanz und Gluht verdoppelt und vervielfacht sah. S 3 Allein, Der Bluhmen-Topf. Allein, ich hab’ ein neu Vergnuͤgen, an dieser Bluh- men Pracht, empfunden, So ich bisher noch nicht beacht. Jch sah u. ich bemerkte sie, Von ungefehr, wie ich erwacht, noch eins, des andern Morgens, fruͤh, Noch ehe sich des Tages Licht, in vollem Schimmer, eingefunden. Man sahe solches, ungewiß, bey noch vorhandner Daͤmm- rung Graͤnzen, Zwar ziemlich klar, doch aber noch in einem schwachen Grade, glaͤnzen. Was nun der sanft gebrochne Schein, fuͤr eine suͤße Harmonie, Auf meinem Bluhmen-Topf, erweckte, Und welchen Schmuck er mir entdeckte; Beschreib’ ich dir, geliebter Leser, zwar gern, jedoch nicht ohne Muͤh. Es schien der Rest verschwundner Schatten, Mit dem erst neugebohrnen Licht, und jungen Farben, sich zu gatten. Man konnte fast den sanften Kampf der Schatten und des Lichts bemerken: Die sah man, sich allmaͤhlich schwaͤchen; und diese, sich fast sichtlich staͤrken. Man siehet zierliche Figuren, aus einem leeren Dunklen, steigen, Und, wie aus einem Chaos, sich, sonst nicht gesehne Farben, zeigen. Die bunten Lieblichkeiten waren zwar nicht so stark, so brennend nicht, Als wie der volle Tag sie zeigt; dennoch war das ge- brochne Licht So Der Bluhmen-Topf. So suͤß gemildert, und so sanft gemischt, gedaͤmpft, und dennoch schoͤn, Um und im ganzen Busch, zu sehn. Ein’ angenehme liebliche durchsichtge bunte Daͤmmerung Bedeckt’, umgab, durchdrung, Die Bluhmen und das Laub; wovon das zarte Gruͤn Den dunklen Boden selbst sanft gruͤn zu faͤrben schien. Jch stellte mir, bey diesem sanften Flor, Die gleichsam junge Welt, beym fruͤhen Morgen, vor: Die wir, bevor uns, von Auroren, Der volle Morgen wird gebohren, Jn solcher sanften Pracht, fruͤh, taͤglich sehen koͤnnen. Nur ist betruͤbt, daß wir ihr nicht, Zu unsrer Lust, nach unsrer Pflicht, Den Blick und die Betrachtung goͤnnen: Vielmehr den schoͤnsten Theil des Lebens, der recht zu unsrer Lust erschaffen, Nicht unsrer Achtung wuͤrdig schaͤtzen; nein, ihn ver- schnarchen und verschlafen! Mit welcher Anmuth koͤnnten wir, sich Licht, Figur und Farben mehren, Und, in den frisch bethauten Pflanzen, die Schoͤnheit, nebst dem Tag, gebaͤhren, Sich alles stets verschoͤnern sehn! Wie wuͤrden, nebst des Koͤrpers Augen, Auch unsers Geistes Augen nicht, das Licht, die Schat- ten, sanft verdrengen, All’ Augenblick, mehr Himmlisches sich mit den irdschen Theilen mengen, Zu sehn und zu bemerken taugen. S 4 Es Der Bluhmen-Topf. Es hatt’ ein gleichsam dunkles Nichts Die Pracht der Welt, vor uns, verstecket; Fruͤh wird sie, durch den Glanz des Lichts, Dem frohen Geist, durchs Aug’, entdecket. Ach! daß ihr, in der Creatur, und in der Gabe des Gesichts, Noch in dem schoͤnen Lichte nicht, den Schoͤpfer, Der die Erde schmuͤcket, Formiert und faͤrbet, nicht bemerkt, und nicht des Lichtes Quell erblicket! Zu diesem Denken brachte mich der schoͤne Bluhmen- Topf, der mir, Fruͤh in der Daͤmmerung, die Zier Der fruͤh geschmuͤckten großen Welt, Jm Kleinen, deutlich vorgestellt. Der Der schon in Weihnachten gruͤnende Linden-Zweig. J m vier und vierzigsten, nach siebzehn hundert Jahr, Ward mir ein Linden-Zweig, der schon beblaͤttert war, Zur Weihnacht-Zeit, gebracht. Jch stutzte fuͤr Ver- gnuͤgen; Jch glaubt’, es moͤchte mich mein schnelles Auge triegen. Drum nahm ich ihn, in Eil, begierig, in die Hand, Da ich ihn wirklich gruͤn, und voller Laub, befand. Kann dieses moͤglich seyn? mein Gott! rief ich, fuͤr Freuden; Kann auch, im Winter, sich ein Zweig mit Blaͤttern kleiden? Es uͤberlief mein Blick die Farben, Form und Schein. Unmoͤglich kann ein Laub, im Fruͤhling, schoͤner seyn. Der Zweig war weißlicht gruͤn, rund, starr und lieblich glatt. Ein staͤrker gruͤner Glanz deckt jedes zarte Blatt, Das wie ein Herz formiert, sehr zart gewebt und platt; Das, um den aͤussern Rand, gekerbte Spitzen hatt’, Und worinn man, mit Lust, der Adern Meng’ erblicket, Die das durchsichtge Laub ernaͤhret, stuͤtzt und schmuͤcket. Wie nun mein Aug’ hierauf, auf jedes Blattes Stiel, Und ihre zierlich rund- und schlanke Laͤnge fiel; Erstaunt’ ich. Denn es ward mein schneller Blick gewahr, Wie, an des Stieles Fuß, auch schon fuͤrs kuͤnftge Jahr, S 5 Ein Der in Weihnachten gruͤnende Linden-Zweig. Ein kleines Knoͤspchen saß. Die Blaͤtter an der Spitzen Sah ich, annoch verhuͤllt, in kleinen Huͤlsen sitzen; Wovon ein einziges, das recht unglaublich klein, Noch unentwickelt, schien ein Embryo zu seyn. Jch konnte mich nicht satt, an diesem Wunder, sehen. Allein, es blieb mein Geist dabey nicht lange stehen. Jch fragte: Wie man es mit diesem Zweig gemacht, Und wodurch man ihn doch zum fruͤhen Wuchs gebracht? Die Antwort war: Man haͤtt’ ihn, durch ein Scheiben- Glas, Jn eine warme Stub’ allmaͤhlich eingeleitet, Wodurch er sich, von selbst, belaubt und ausgebreitet. Wie, dacht ich, steckt im Stamm’, im Frost, noch so viel Kraft? Wie, oder zog der Zweig des Wachsthums Eigenschaft Aus einer warmen Luft? Jch faßte beydes nicht. Dennoch nahm ich daher so viel zum Unterricht: Daß der Natur Trieb sich, in Pflanzen, nicht vermindre, Und daß die Kaͤlte bloß den steten Wachsthum hindre. Dieß hast du, liebster Zweig, mich nun, mit Lust, gelehrt: Du hast mich auch zugleich, voll Andacht, hingekehrt Zum Herrn der Creatur; da Er mir goͤnnen wollte, Daß ich mich, Jhm zum Ruhm, an dir vergnuͤgen sollte. Von Von der Kaͤlte ausgepreßte Seufzer. Den 11 Jun. 1741. M ildre doch den kalten Duft Jn der Luft, Welcher alle Lust vermindert, Und uns hindert, Des bebluͤhmten Schmucks der Erden Froh zu werden! Laß (wie unsre schoͤnste Zeit, Jn den abgewichnen Jahren, Durch der Kaͤlte Widrigkeit, Ungepruͤft, davon gefahren) Auch nicht abermal ein Theil Unsrer Zeit, in strenger Eil’, Ohne, daß wir es verspuͤhren, Uns, auch heuer, nicht verlieren! Zwar verdienten wir es wohl: Weil wir nicht (wie man doch soll) Deine Lieb’, in Deinen Werken, Mit vergnuͤgtem Ernst, bemerken; Sondern, durch Gewohnheit blind, Lust-Geruch- und Fuͤhl-los sind. Aber, da wir es erkennen; Ach! so senke laue Duͤfte, Statt der kalten, in die Luͤfte: Daß auch wir, von Andacht heiß, Jn vernuͤnftger Lust entbrennen, Unsers Lebens hier geniessen; Dir Dank, Ehre, Lob und Preis, Jn bequemlicher Betrachtung Deiner Wunder, geben koͤnnen! Der Der fruͤhe Frost. 1741 . E s ragten die noch frisch- und gruͤnen Binsen, Aus der schon starren Fluth, hervor, Und streckten, da ihr Fuß gefesselt, die Spitzen aus dem Eis empor. Die sonst schon laͤngst gesunknen Wasser-Linsen Sah man, darob erstaunt, und dennoch mit Vergnuͤgen, Als im durchsichtigen Chrystall, Jm glatten Eis, als eingeschmelzet, liegen. Es ward hiedurch ein gruͤnes Eis formiert. Es schien das schnell erstarrte Naß Nicht anders, als ein Spiegel-Glas, Das man mit gruͤner Farb’ und Rankenwerk geziert, Und kuͤnstlich uͤbermahlt. Jch sahe dieß mit Lust. Und obgleich die besorgte Brust, Die zu befuͤrchtende zu fruͤhe Kaͤlte, schreckte, Die mir, vom vorgen Jahr, noch im Gedaͤchtniß steckte; So sah ich doch, vergnuͤgt, dieß schoͤne Schauspiel an, Und troͤstete den bangen Muth, Mit diesem stillen Ueberlegen: “Daß Gott es leichtlich aͤndern kann; “Und daß, was Er gethan, und thut, “Unwidersprechlich, gut. Unter- Untersuchung der die Erde begleitenden Luft-Kugel, samt der vermuthlichen Ursache der, bey so bestaͤndiger Bewegung der Erde, so veraͤnderlichen Winde. N achdem ich oft den weiten Luft-Kreis, der unser’ Erd’ umgiebt, betrachtet, Desselben Hoͤhe, Tiefe, Weite, auch was darinn geschicht, beachtet, Und ich in diesen hohlen Raum den Geist versenket’, und befand, Daß, wie dort alles sehr betraͤchtlich, uns alles doch fast unbekannt; Bemuͤht’ ich mich nach allen Kraͤften, von der bewegten Luft, den Winden, Den Zustand, ob, und auch wie weit, mir moͤglich, etwas zu ergruͤnden: Jndem man, durch der regen Erde bestaͤndig- und gleich- foͤrmigs Drehn, Fast glauben sollt’, es muͤßten auch die Wind’ auf gleiche Weise wehn. So viel wir, von dem Dunst- und Luft-Kreis um unser Erden-Kugel, fassen; So wird, von ihren aͤussern Graͤnzen, sich anders nichts begreifen lassen, Als, Untersuchung der Luft-Kugel, Als, daß dieselben gleichfals rund seyn, und, mit der Ruͤndung unsrer Erden, Worauf die untern Graͤnzen ruhn, fast gleich gerechnet koͤnnen werden. Jn diesem groß- und weiten Kreise von fluͤßiger Materie, Jst ganz erweislich, daß die Erde, nebst ihr, sich um die Sonne dreh. Da nun von einer runden Kugel, die sich um feste Angel lenket, Die eigentliche Bildung dieß: daß sie am groͤßten in der Mitten, Und daß sie eng- und kleiner wird, je weiter sie sich abwaͤrts senket; Wie uns ein Apfel zeigen kann, wenn man ihn dreymal durchgeschnitten, Erst mitten durch, dann nach den Ecken: so weiset sich von selber ja, Daß zwischen denen Tropicis, und in der Zona torrida, Der Erden Rund am allergroͤßten; hingegen immer kleiner werde, Je naͤher sie den Angeln koͤmmt. So wie nun die Figur der Erde; So muß die Luft, die auf ihr ruht, wo sich ihr Grund senkt, auch sich senken, Und folglich nach den beyden Angeln von oben immer abwaͤrts lenken: Wodurch daselbst, an Luft, dann mehr, als oben, sich zu finden scheint, Als die sich, durch der Erde Senkung, durch eignes Sen- ken da vereint. Wann und Ursachen der veraͤnderlichen Winde. Wann nun begreiflich, da die Erde, in einer starken Fahrt, sich drehet; Daß da, woselbst ihr Kreis am groͤßten, der Drang am heftigsten entstehet, Jn der daselbst vom Sonnen-Feur zugleich gedehnten Luft; wie wir Dann, zwischen denen Tropicis, die Wirkung finden, da wir hier Die Wind’ in unveraͤnderlich- und immer gleichem Gange wehen, Und halbe theils, theils ganze Jahre, in einem Zuge blasen sehen: Wann aber, gegentheils, bey uns, in unserm kaͤltern Himmels-Strich, Die Winde so veraͤnderlich; So scheint die Ursach klar zu seyn, daß sich die Luft mehr abwaͤrts lenkt, Und auf der runden Erden-Kugel, die hier sich senkt, herunter senkt. Da dann, indem ihr hier zugleich, der Widerstand von mehrerer, Und nicht so sehr verduͤnnter, Luft, in ihrem Gang’, im Wege stehet, Der Wind unordentlicher stets, und nimmer so bestaͤndig, wehet; Zumal auch die vermengten Duͤnste, die stets sich in die Luft erheben, Von allerley Materien, zu diesen Winden Anlaß geben. Dann tritt, vermuthlich, dieß noch bey, daß aus den Polis, wie man meynt, Und es aus der Erfahrung scheint, Von Untersuchung der Luft-Kugel, ꝛc. Von einem Luft-Meer in der Erde, das man Centralisch heisset, quille, Ein nie versiegner starker Luft-Strich, der stets die aͤußre Luft erfuͤlle, Veraͤndre, reg’ und fluͤchtig mache. Aus diesem allem zeiget sich, Woher bey uns, in unserm Welt-Strich, die Winde so veraͤnderlich: Wie laͤcherlich es folglich sey, daß man, bey so gestalten Sachen, (Da Winde meist das Wetter machen) Von einer kuͤnftgen Witterung, in den Calendern es will wagen, Was Zuverlaͤßiges zu sagen. Es zeigt, aus angefuͤhrten Gruͤnden, nicht minder sich, zu gleicher Zeit, Vom Luft-Kreis, und vom Bau der Erde, die Ordnung und die Richtigkeit: Wie herrlich alles eingerichtet, nach Regeln, nach Ge- wicht und Maße; Auch, daß der Menschen Geist davon zwar wenig, den- noch etwas, fasse. Verdienet dann so großer Werke Quell, Ursprung, Schoͤpfer, Herr und Meister, Der auch zugleich, sie zu erkennen, uns einen Strahl in unsre Geister, Aus Seinen Wundern Jhn zu merken, vor allen Thieren, eingesenkt, Nicht, daß man sie erwegt, und Jhm ein heiliges Bewundern schenkt? Nutzen Nutzen des Mangels. Neu-Jahrs-Gedicht auf 1739. J m sich bisher, fuͤr unsre Flaͤche, vom Licht entfernden Sonnen-Wege, Der, um der Jahres-Zeiten Wechsel, vom Schoͤpfer, wunderbarlich schraͤge, Geordnet worden und gemacht, entfernt die Erde sich nicht mehr. Jndem derselben großer Weg von oben sich herabwaͤrts senkt, Wird unser stets beweglichs Wohnhaus, die Welt, zu- gleich herab gelenkt; Und eben dadurch stammt, fuͤr uns, der Sonnen-Strah- len Wiederkehr. Die Sonne faͤllt, indem wir sinken, nach Nordens Flaͤche nach und nach, Mit ihren Strahlen allgemach, Und uͤber unsern Erd-Strich her: Der, da er, bis daher, bestaͤndig, in seinem Gange hoͤ- her stand, Vom Sonnen-Feuer abgewandt, Und nicht getroffen werden konnte, von dem erwaͤrmden Flammen-Meer. Kein groͤßer Zeichen Deiner Wunder, als daß die Erde schraͤge steht, Auch sich, in einem schraͤgen Weg, bestaͤndig um die Sonne dreht, Wodurch sie sich, zu unserm Nutzen, bald senkt, bald wiederum erhoͤht, 8 Theil. T Hast Nutzen des Mangels, Hast Du, o Gott! uns hier gezeigt: Ein Wunder, das vor andern wehrt, Daß man, mit recht geruͤhrter Seele, den wahren Gott darinn verehrt. Da heute nun der Tag, den wir, mit Recht, bey die- sem Wechsel, feyren; So laßt uns, unserm Gott zur Ehr’, auch unsern Preis und Dank erneuren: Unendlicher Schoͤpfer! unendliche Liebe! unend- liche Weisheit! unendliche Macht! Wir preisen, in Deiner erschaffenen Wunder, den Geistern enthuͤlleten, Ordnung und Pracht, Mit frohem Entsetzen, Erstaunen, Betrachten, Mit tiefer Bewundrung, Verehrung, Erkenntlich- keit, Des Goͤttlichen, nie zu ergruͤndenden Wesens, auch Engeln verborgene, selge Vollkommenheit. Auf dann, mein Geist! bereite dich; laß jetzo, zu der Gottheit Ehren, Jn Dank, Betrachtung und Bewundrung, von Seiner Lieb’ ein Dank-Lied hoͤren! Es soll von meines Schoͤpfers Huld, und weisen Macht in allen Dingen, Zumal wie Er, durch unsern Fleiß, ja selbst durch Duͤrf- tigkeit, die Welt, Auf recht bewundernswerthe Weise, regieret, leitet und erhaͤlt, Jm sonst nicht gar bekannten Ton, mein angestimmtes Lied erklingen. Ach in einem Neu-Jahrs-Gedichte. Ach laß, o weisester Regierer! von meinem Dir geweih- ten Singen, Den Ausdruck, wie die Absicht, Dir gefallen, und mein Thun gelingen! Daß diese Welt ganz unbegreiflich, so manchen ganz verschiednen Staat, Und jeder Stand und Staat aufs neue so viele Reich’ und Arme, hat; Daß manche gluͤcklich, wenn viel andre hingegen ungluͤck- selig, scheinen: Jst (wie vielleicht die allermeisten es in der That nicht anders meynen) Gar nicht ein ungefaͤhrer Zufall. Vielmehr hat alles seinen Grund, Jn einer Goͤttlich-weisen Ordnung; die aber bloß nur denen kund, Die es, in Demuth, uͤberlegen. Man wird, wenn dieß geschicht, befinden, Daß die Verschiedenheit der Staͤnde, auch nach den allerstrengsten Gruͤnden Der menschlichen Regierungs-Kunst, nicht nur von allen Maͤngeln frey; Nein, daß sie gar, zum Heil des Ganzen, unwidersprech- lich noͤthig sey: So daß, wenn man dieß scheinend Uebel, das aber, in der That, ein Gut, Wodurch des Hoͤchsten weise Vorsicht besondre Wunder an uns thut, Vermoͤgend waͤren, wegzunehmen, und es zu aͤndern; auf der Erden Ein’ ungluͤckselige Verwirrung, die unertraͤglich, wuͤrde werden. T 2 Was Nutzen des Mangels, Was alles auf der Welt erhaͤlt, was alles auf der Welt verbindet, Jst die nothwendge Wechsel-Huͤlfe, die einer an dem andern findet; Weil keiner lebt auf dieser Erden, er fang’ es, wie er will auch, an, Der keines andern noͤthig hat, und sonder alle leben kann. Wer vieles kann, hat selten viel: Wer viel besitzt, wird nicht viel koͤnnen. Daher entsteht, da dieser hat, und jener kann, ein Gleich- gewicht, Wenn der, der hat, dem, welcher kann, und der, so kann, nach seiner Pflicht, Das, was er kann, dem, der da hat, fuͤr das, was er hat, gern wird goͤnnen: Wodurch die Reichen und die Armen, die Klugen, Dum- men, Starken, Schwachen, Die tapfer sind, und die, so furchtsam, ein Buͤndniß mit einander machen, Und sich, ohn beyderseits Verderben, nicht koͤnnen von einander trennen. Nun muß zwar (wie in vielen Dingen) von vielen, welche dieß nicht fassen, Auch hier die allerhoͤchste Weisheit Sich, von der Thor- heit, meistern lassen; Wenn fast die meisten sich beschwehren, daß Gott der Herr, in diesem Leben, Nicht allen Menschen, Seine Guͤter, in einem gleichen Maß gegeben: Allein, wenn sie es untersuchten, so wuͤrde jedermann gestehn, Daß alle Dinge, die geschehen, zu ihrer aller Heil geschehn. Um in einem Neu-Jahrs-Gedichte. Um nun, von dieser großen Wahrheit, ein deutlichs Ebenbild zu geben, Will ich, was einst Chrysostomus, zu diesem Endzweck, von der Welt Fuͤr ein vortreff lichs Bild gezeigt, euch auch zu zeigen, mich bestreben. Er spricht: Es ward, vor vielen Jahren, zu einer recht gluͤckselgen Stadt, Ein unvergleichlich fruchtbarer und schoͤner Boden aus- ersehen, Der alles, was nur die Natur, an Pracht und Lustig- keiten, hatt’, Jn seiner Lag’ in sich beschloß. Die allerzierlichsten Alleen, Die allerherrlichsten Pallaͤste, von Marmor, Jaspis und Porphier, Die allerschoͤnsten Lust-Fontainen, Bosquetten, Gaͤrten, waren hier; Parterren, Waͤlder von Laurier, Orangerien, große Teiche. Die Buͤrger dieses Lust-Reviers, sind lauter Edle, lauter Reiche, Jn Purpur und Drap d’or gekleidet, mit Perlen und Rubin behangen. Man sahe nichts, als guͤldne Meublen, in ungemeßnen Zimmern, prangen. Um nun, mit sich allein vergnuͤgt, in Ruh’ und Sicher- heit zu seyn; So gruben sie die Ueberschrift, auf allen ihren Thoren, ein: “ Kein Armer nahe sich herzu! kein polternd Hand- werk, Hunger, Noth! “Kein graͤmlichs Sorgen! keine Bauren! kein’ Arbeit! keine Sucht nach Brodt! T 3 Hin- Nutzen des Mangels, Hingegen ward ein’ andre Stadt, an einem andern Ort, gebauet, Wo man, auf einem duͤrren Sande, nur starr’ und duͤrre Dornen schauet; Wo nichts, als kalter Kieselstein, verfaultes Mooß, und truͤbe Luft, Jm Schatten eines schroffen Felsens; wo den nicht leicht zertheilten Duft Die Sonne kaum zu Mittag theilet. Hier wird ein schwirrendes Getoͤn Bestaͤndig, Tag und Nacht, gehoͤrt. Nur Handwerks- Huͤtten sind zu sehn; Beschmutzte Buden, niedre Daͤcher. Die Buͤrger die- ser armen Stadt Sind Handwerks-Arbeits-Acker-Leute, nie ruhig, stets von Arbeit matt. Nun laßt uns einst, mit ernstem Fleiß, auf das Be- tragen und das Leben Der Seligen der ersten Stadt, wo nichts als Reichthum, Achtung geben. Wie lange wird die Freude dauren, wie lange die Zufrie- denheit? So bald die Mittags-Zeit erscheinet, entfernt sich die Bequemlichkeit: Kein Koch, kein Diener, ist zugegen, kein Essen gaar, kein Tisch gedeckt. Da sich, zu einer Mahlzeit nur, die Zahl der Haͤnde weit erstreckt, Die alle dazu noͤthig sind; so ist kein’ einzige vorhanden. Viel guͤldne Schuͤsseln, Teller, Aufsaͤtz’ und silberne Ge- faͤße standen, Jn in einem Neu-Jahrs-Gedichte. Jn großer Anzahl, auf der Tafel; allein, sie waren kalt und leer. Es murrte der betruͤbte Magen, bey diesem Reichthum, immer mehr. Das Geld und Gold, ein wahrer Proteus, der sich in allerley verkehrt, Wenn er sich nicht verwandeln kann, verlieret alsbald seinen Wehrt, Und hat nicht den geringsten Nutzen. Sie wollten sich zur Ruhe legen; Kein aufgemachtes Bett war da: Kein Knecht, kein Maͤdchen, war zugegen; Ein jeder muß sich selbst entkleiden. Fruͤh zeigte sich dieselbe Noth: Es war nicht Kleid, nicht Waͤsche, da; es mangelte das Morgen-Brodt. Und kurz: Sie wurden bald gewahr, daß Reiche unter sich allein, Mit lauter Reichen, sonder Arme, unmoͤglich koͤnnen gluͤcklich seyn; Ja, daß sie selbsten arm ohn’ Arme, mit allem Reich- thum, werden muͤssen. Sie wuͤrden sonder Kleider gehn, und sonder Schuh’ an ihren Fuͤssen: Sie muͤßten, mitten in dem Golde, selbst hacken, gra- ben, pfluͤgen, saͤ’n; Selbst backen, brauen, Kleider machen, selbst waschen, spinnen, egen, maͤh’n. Die Armen koͤnnten ebenfals unmoͤglich ohne Reiche leben: Wem wollen sie, von ihrem Fleiß, die Frucht; wem ihrer Stirne Schweiß, T 4 Der Nutzen des Mangels, Der Hand Geschicklichkeit, und wem, der starken Armen Arbeit, geben? Von welchem wollen sie den Lohn, von aller ihrer Muͤhe, heben? Ein solch bewundernswuͤrdigs Band verbindet jetzo Herr und Knecht, Die Bauren, Edelleut’, und kurz, das ganze menschliche Geschlecht. Die Armuth ist der Welt so noͤthig, daß, ohne sie, die Welt nicht Staͤdte, Nicht Ordnung, nicht Bequemlichkeit, Gesetze, noch was Gutes, haͤtte. Waͤr’ Armuth nicht; waͤr’ alles arm. Ein jeder wuͤrde nicht allein Sein eigner Diener werden muͤssen; wir wuͤrden, auf dem trocknen Lande, Nicht anders, als durch Sturm verschlagnes schiff bruͤ- chigs Volk auf oͤdem Strande, Jn einem Meer von Elend wuͤhlen, und sonder Schutz und Huͤlfe seyn. Noch mehr! wir koͤnnen deutlich zeigen, daß bloß allein die Armuth wehrt, Daß wir sie aller Kuͤnste Mutter, die sie erzeugt, erhaͤlt, ernaͤhrt, Mit Recht, unwidersprechlich, nennen. Der Mangel uns nothwendger Guͤter Schaͤrft, wie der Wetzstein stumpfen Stahl, die unge- schliffensten Gemuͤther, Und spornet sie zum Denken an: so daß, wenn wir sie von uns trennten, Wir, sonder Wissenschaft, Erfindung, uns selbst kaum Menschen nennen koͤnnten. Erwege in einem Neu-Jahrs-Gedichte. Erwege dann, auch selbst im Mangel, was er fuͤr Wunder an uns thut, Da er allein, uns, alle Staͤnde, den geistlichen nicht ausgenommen, Zum kuͤnft- und gegenwaͤrtgen Nutzen, gewaͤhret! was er fuͤr ein Gut! Und was wir, durch die Duͤrftigkeit, fuͤr große Guͤter uͤberkommen! Erwege ferner, Gott zum Preise, was Er, die Absicht zu erhalten, Fuͤr ein geringes Mittel braucht; wie Sein Anbetung- wuͤrdigs Walten, Auch hierinn, zu verehren sey: da Er, daß wir, auf dieser Erden, Uns, Jhm zum Ruhm, beschaͤfftigen, und dadurch erst recht Menschen werden, Ein Wunderwerk uns anerschaffen, ein solches Glied in uns gelegt, Das immer mehr noch zu bewundern, je weniger man es erwegt. Wir finden all’, in unsern Koͤrpern, ein ganz beson- ders Theil gesenket, Das, ob mans gleich kaum glauben wird, fast aller Men- schen Handlung lenket; Das, wenn man es genau erwegt, fast selber den Ver- stand uns schenket; Das gleichsam aller Wissenschaften, und aller Kuͤnste, die man kennt, Erfinder, Meister und Besorger; das Triebwerk ist und Jnstrument. Artium largitor venter. T 5 Dieß Nutzen des Mangels, Dieß ist, mit einem Wort, der Magen: der, wie man meynt, nicht uns allein Zum Besten; nein, der ganzen Welt, und allen Men- schen insgemein, Zur Unterhaltung, zum Verband, zum Fuͤhrer, zum Be- schuͤtzer, dienet; Durch den allein die Handelschaft, im regen Flore, bluͤht und gruͤnet. Er ist der Grund des Regiments; durch ihn erhalten sich die Thronen: Er macht und stuͤtzet alle Staͤnde, von Bauren an, bis zu den Kronen. Der Magen, wenn man seinen Bau, nur obenhin, erweget, scheint Nur unsern Leib allein zu naͤhren; allein, auf wunder- bare Weise, Hat Der, so alles eingerichtet, zu unserm Nutz, und Seinem Preise, Durch ihn, das menschliche Geschlecht, auf wunderbare Art, vereint. Der Magen leitet uns die Hand; der Magen schaͤrfet unsre Sinnen; Der Magen naͤhret sich, und andre. Was wir voll- bringen und beginnen, Hat meistens seinen Grund im Magen. Kein Mensch wird leugnen, wers erwegt, Daß, von dem menschlichen Geschlecht, die eine Haͤlft’, um sie zu speisen, Und Kost und Nahrung darzureichen der andern Haͤlfte, Sorge traͤgt. Gewiß, in einem Neu-Jahrs-Gedichte. Gewiß, wenn wir nur uͤberlegen, wie groß die Zahl der Menschen sey, Die sich mit nichts beschaͤfftigen, als, durch verschiedne Faͤhigkeiten, Den andern Menschen ihre Kost, Gemuͤs’ und Speisen zu bereiten; Wird man mit Recht erstaunen muͤssen, nur ob der Namen lange Reih, Die all’, ihr eigen Brodt zugleich, aus aller andern Brodt, gewinnen. Da giebt es Muͤller, Becker, Fleischer, die Gaͤrtner, Koͤche, nebst Koͤchinnen, Der Bauren ungezaͤhlte Schaar, die Obst-Verkaͤufer, Honig-Saͤmer, Die Fischer, die Pasteten-Becker, die Salz-Gewuͤrz- und Tauben-Kraͤmer, Die Schaͤfer, Milch- und andre Hoͤker, die Eßig-Brauer, Hering-Packer; Die Wurzeln, Ruͤben, Kohl, verkaufen, theils aus dem Garten, theils vom Acker; Die unsre Tisch-Geraͤthschaft machen, als Loͤffeln, Messer, Toͤpf’ und Teller; Die Huͤhner-Schwein- und Ochsen-Kaͤufer, die Schuͤtzen, Jaͤger, Vogelsteller, Die Kaͤs’- und Butter-Haͤndler; Schiffer, so lauter Trank- und Nahrungs-Waaren, Von weit entfernten Ort und Enden, fuͤr unsre Tische, zu uns fahren; Auch die Confect- und Zucker-Becker, samt denen, die die Menschen traͤnken, Die Winzer, Brauer, Wein-Verkaͤufer, Thee-Haͤndler, Thee- und Caffee-Schenken, Die Nutzen des Mangels, Die Kruͤger, die Getraide-Haͤndler, die Fleisch- und Fische-Raͤucherer, Die Toͤpfer, Gruͤtz- und Graupen-Muͤller, und fast unzaͤhlich’ andre mehr. Naͤchst diesen haben wir dem Magen, an jedem Ort, zu allen Zeiten, (Und, wenn ichs recht erweg’, in ihm, allein den schar- fen Wunder-Saft, Der alles aufzuloͤsen weiß, und uns den Appetit verschafft) So Dach als Fach, nebst aller Kleidung, und anderen Bequemlichkeiten, Als ihren Trieb- und Regung-Federn, fast einzig und allein zu danken. Wollt’ ich nun alle Arten zaͤhlen, die sich, fuͤr sich, mit uns, bemuͤhn, Um uns, und sich zugleich, dem Mangel, der jeden druͤcket, zu entziehn; So haͤtte, diese meine Schrift, nur gar zu weit gedehnte Schranken: Jch wuͤrde fast ein ganzes Buch, von bloßen Namen, fuͤllen koͤnnen, Von Leuten, die, zu ihrem Vortheil, uns tausendfachen Vortheil goͤnnen. Nun fordert meine Schuldigkeit, daß ich die weisen Wunder-Wege Der Gottheit, in der Arbeit selbst, zu Seinen Ehren, uͤberlege: Jn welchen sich denn solche Weisheit, und Macht, und Liebes-Proben, finden, Daß alle Vortheil’, Absicht, Endzweck, und Ordnungen, nicht zu ergruͤnden. Es in einem Neu-Jahrs-Gedichte. Es sind der Menschen Koͤrper ja, auf eine solche Art, gebauet, Daß man bestaͤndig einen Abgang, an dessen Bau und Wesen, schauet. Wir sind daher auf eine Erde, von einer solchen Art, gesetzt, Die, durch die Fruchtbarkeit, die Theile, die wir verlieren, zu ergaͤnzen, Bis zur Verwundrung, faͤhig ist; ja, die zugleich uns auch ergetzt Jm lieblichen Gewuͤrz des Hungers. Doch hat dieselbe solche Graͤnzen, Daß sie, durch unsern Beytrag nur, wenn man sie pfluͤ- get, eget, duͤngt, Uns alles das, was wir beduͤrfen, in einer solchen Maße, bringt, Die wieder ihre Maße hat. Denn, sollte sie zu reich- lich tragen; Wuͤrd’, uns zum Schaden, das Getraid’, im Preise, so herunter schlagen, Daß Buͤrger, Bauer, Edelmann, beym Ueberfluß, ver- armen wuͤrde, Und keiner recht bestehen koͤnnte, durch eines armen Reich- thums Buͤrde. Der Bauer kriegte keine Muͤhe, der Edelmann kein Land, bezahlt; Der Buͤrger haͤtte nichts zu tauschen. Und kurz: Zu große Fruchtbarkeit Braͤcht’, in dem groͤßten Ueberfluß der Erden, eine theure Zeit. Woraus denn abermal ein Glanz von einer weisen Vor- sicht strahlt. Allein, Nutzen des Mangels, Allein, worinn man, noch am meisten, der Weisheit. hellen Glanz ersieht, Jst, daß die Erd’, ohn’ unsern Fleiß, kein Korn aus ihrem Schooße zieht. Wenn eine Bluhme mehrentheils, ohn sonderliches Zu- thun, bluͤht; Wenn alle Fruͤchte, fast von selbst, fuͤr uns, auf den erhabnen Zweigen, Und ohne sonderliche Muͤhe, in ihrem holden Schmuck fich zeigen: So muß das Allernoͤthigste, das Korn, mit groͤßrer Muͤh’ allein Gebaut, geduͤnget und gepfleget, erhalten und behan- delt seyn. “Ja, moͤchte mancher hierauf sprechen: Dieß ist ein Ungluͤck, und kein Gluͤck; “Und ich beklage mich mit Recht, daß ein nicht billiges Geschick “Mich recht zum Sclaven-Stand verdammt. Wie elend bin ich nicht daran, “Daß ich mich mit so bitterm Schweiß, und saurer Muͤh, nur naͤhren kann! “Wenn ihr, statt meiner, graben muͤßtet, wenn ihr in meiner Stelle waͤrt; “Jhr wuͤrdet andre Lieder singen, ihr wuͤrdet dieß kein Gluͤck nicht nennen, “Noch mein so kuͤmmerliches Leben, fuͤr etwas Gutes, schaͤtzen koͤnnen: “Jhr murrtet minder nicht, als ich; ihr hieltet euch mit Recht beschwehrt. “Den in einem Neu-Jahrs-Gedichte. “Den ganzen Tag im tiefen Schlamm, im Sumpf und hohlen Graben stehn, “Den klebrichten und zaͤhen Boden, bestaͤndig, in die Hoͤhe werfen; “Jm aufgebrochnen weichen Acker, bestaͤndig, hinterm Pfluge gehn; “Die Sonne mag, so stark sie will, die unbequemen Strahlen schaͤrfen, “Jn nie versiegnem lauen Schweiß, und schwehrer Muͤh, bestaͤndig maͤhn: “Dieß wirst du ja wohl kein Vergnuͤgen, kein ange- nehmes Leben, nennen, “Wofern du redlich richten willt, noch eine Freude heissen koͤnnen. Dein Klagen hat, o lieber Mensch! vom Recht zwar wirklich einen Schein; Doch ist es, wenn mans recht ermißt, dennoch nur bloß ein Schein allein. Erweg’ es aber einst mit Ernst; so wirst du, neben mir, gestehen: Dein Stand sey wirklich gluͤcklicher, als er, von aussen, anzusehen. Jch will von denen schwarzen Sorgen, so die, vor dir, begluͤckten Seelen; Nicht von der Unruh, Furcht und Gram, so die geehr- tern Menschen quaͤlen, Und welche dir, in deinem Stande, und aller Arbeit, wirklich fehlen, Die dein Gemuͤthe nicht zerreissen, die bloß allein die Großen plagen, Und Tag und Nacht die Ruhe rauben, und recht zer- foltern, hier nichts sagen. Jch Nutzen des Mangels, Jch will von deinem sanften Schlaf, der bloß der Arbeit Frucht, nicht sprechen; Auch nicht von den so suͤßen Luͤsten, wodurch dein Brodt so lieblich schmeckt, Vom allerbesten Koch gewuͤrzt: wovon der Reiche nichts entdeckt, Da Ueberfluß und Muͤßiggang ihm Appetit und Magen schwaͤchen. Die moͤrderischen Plage-Geister, die nie zufriednen Lei- denschaften, Die an dem schwehren Gold’, imgleichen am leichten Dunst der Ehre, haften, Die ihren Wirth bestaͤndig foltern, bestaͤndig hin und wieder reissen, Die ihn des Tages nimmer ruhn, des Nachts ihn im- mer wachen heissen; Die Wellen, die ihn stets erheben, und stets versenken, deren Brand Die Seele bis aufs Mark verzehrt, sind dir Gluͤckselgen unbekannt. Hingegen kannst du ja das schoͤnste von allen Dingen, welche schoͤn, Des Lichts und Lebens Quell, die Sonne, viel oͤfterer, als jene, sehn, Und (wenn du es nur erst gewohnt) dich an derselben wahren Schaͤtzen Nicht nur allein, in sanfter Lust; der Gottheit Selbst, zur Ehr’, ergetzen. Doch, in einem Neu-Jahrs-Gedichte. Doch, laßt uns nach der Ordnung gehn, und nicht nur von der schlimmen Seiten, Das Allernoͤth- und nuͤtzlichste der Welt, die Arbeit, an zu sehn. Sie hat den Grund in Gottes Ordnung. Den Satz wird niemand leicht bestreiten, Wer, wie wir oben angefangen, erwegt, daß eben, was uns noth, Und das wir nicht entbehren koͤnnen, das Allernoͤthigste, das Brodt, Sich ohne Muͤh nicht bauen laͤßt. Dieß zeigt ein wei- ses Ueberlegen; Dieß zeigt, obgleich in harten Schaalen, den schoͤnsten Kern, den reichsten Segen. Was wuͤrde doch mit allen Menschen, auf diesem unserm Bau der Erden, So wie wir uns darauf befinden, fuͤr ein betruͤbter Zu- stand werden, Wenn keiner etwas wirken muͤßte, von Arbeit keiner etwas wuͤßte, Wenn nicht ein jeglicher, aus Noth, zur Arbeit sich bequemen muͤßte. Jch will vom allgemeinen Nutzen, der andern aus der Arbeit sprießt, Da immer einer von des andern Bemuͤhung etwas Guts genießt, Wie noͤthig es, nicht einmal sprechen. Wir wollen nur allein erwegen, Wie jeder, der jetzt, durch die Arbeit, sein Brodt erwirbt, und Gutes thut, Wenn er bestaͤndig muͤßig ginge, als wie ein Wasser, das stets ruht, Verfault, auch fast verfaulen duͤrfte: Entweder wuͤrd’ er sich kaum regen; 8 Theil. U Wo Nutzen des Mangels, Wo nicht, doch nichts, als Boͤses, thun. Denkt, welch’ ein’ ungluͤckselge Buͤrde Sich selbst, und andern eine Last, der Muͤßiggaͤnger werden wuͤrde! Man stelle Millionen Bauren, und Millionen Hand- werks-Leute, Die alle taͤglich muͤßig gingen, und nichts verrichteten, sich fuͤr, Die sich mit nichts beschaͤfftigten, so wenig morgen, als wie heute; Was fuͤr ein ungluͤckselges Schwaͤrmen stell’ ich, in sol- chem Stande, mir, Vom ganzen menschlichen Geschlecht, welch ein Spectakel, vor die Augen! Vor langer Weile wuͤrde keiner sich selbst fast zu ertragen taugen; Der rege Geist, der in uns ist, wuͤrd’ ohne Zweck und Vorwurf bleiben, Und kraͤftiglich sich bloß bemuͤhn, sich selbst bestaͤndig umzutreiben. Wie wuͤrd’ uns doch ein jeder Tag, wie jede Stunde, doch so lang, Ja jegliche Minute, werden! Ein solcher ewger Muͤßig- gang Wuͤrd’ uns, als Bley und Steine, druͤcken, wann, wie dem Vieh das Gras und Kraut, Uns unser Korn von selbsten wuͤchse, ohn daß man es mit Muͤhe baut. Bewundert dann, mit froher Andacht, des hoͤchsten Wesens weise Fuͤhrung, Und betet Seine Vater-Lieb’, und Seine gnaͤdige Regierung, Auch in einem Neu-Jahrs-Gedichte. Auch selber in der Arbeit, an! Der ein so noͤth- und nuͤtzlichs Band, Der ganzen Menschheit wohl zu thun, auch in der Ar- beit selbst, erfand, Und Der euch ein so noͤthigs Gut, das euch so nuͤtz, als wie das Leben, Wenn wir den wahren Werth betrachten, auch in der Arbeit selbst, gegeben: So daß man, wenn man dieß bedenkt, fast sagen kann, daß in der That Die Arbeit mehr von einem Segen, als von dem Fluch, das Ansehn hat. Es findet sich, wenn ihr vernuͤnftig die Arbeit an ihr selbst erwegt, Daß das, so an ihr wirklich muͤhsam, dennoch auch mehr Bequemlichs hegt, Als wie man wohl vermuthen sollte; indem Veraͤndrung, Unterscheid, Gewohnheit, Wechsel, Speis’ und Trank, des sanften Schlafs Bequemlichkeit, So wie sie selbst der Arbeit Frucht, auch selbst die Arbeit euch versuͤssen: Unmoͤglich waͤr’ es, sonder Arbeit des wahren Lebens zu geniessen. Jch habe selbst, in meinem Vorwerk, das Dreschen, zu dem Zweck, betrachtet, Und, bey der sonst nicht leichten Arbeit, daß sie so sauer, als man meynt, Und als es dem, der obenhin es uͤbersiehet, etwa scheint, Und man es etwa glauben moͤchte, recht in der That nicht sey, beachtet. U 2 Jch Nutzen des Mangels, Jch sprech’ hier nicht von der Gewohnheit, die alles leichte macht, einmal. Jch sahe, wenn die Drescher erst die Diele, in gesetzter Zahl, Hinab, und dann herauf, gedroschen, daß sie die Flegel aus den Haͤnden, Auf eine Zeitlang, alle, legten, um das gedroschne Stroh zu wenden; Das, durch die Aenderung der Arbeit, gewiß nicht ohn’ Erleichtrung war. Der Wechsel nun geschicht zum oͤftern. Zuletzt wird, wenn die Aehren leer, Das Stroh mit Gaffeln aufgeworfen; welch’ Arbeit ebenfals nicht schwehr. Dann wird was Neues angelegt; Bis etwan eine Glocke schlaͤgt. Da wird das Vieh getraͤnkt, gefuͤttert: und endlich, wenn das Korn heraus, Dasselbe sanft zu Hauf geschoben, geworfelt; wenn vorher das Haus, Samt dem Getraide, mit dem Besem, gemach gereinigt. Alles dieß, So mir, wie ich es uͤberlegte, recht klar und uͤberzeuglich wies, Daß in der Arbeit, durch den Wechsel allein, die Widrig- keit gelindert, Die Muͤhe in der That versuͤßet, und, wenigst, guten Theils vermindert, Das, was beschwehrlich, leichter wird. So wird, wenn wir es recht besehn, Es mit den allermeisten Kuͤnsten, fast mit der meisten Arbeit, gehn. Doch, in einem Neu-Jahrs-Gedichte. Doch, laßt uns wieder zu dem Nutzen der noͤthgen Duͤrftigkeit uns kehren, Und, daß nur sie den Menschen fast zum Menschen recht gemacht, erklaͤren. Sie schaͤrfet, an dem harten Wetzstein der Nothdurft, den sonst stumpfen Witz. Sie ist der Ursprung und die Quelle von Staͤdten, Reich- und Regimenten, Gesetzen, Buͤndniß, und Gesellschaft. Sie ist die Wur- zel, und der Sitz, Von jeder Wissenschaft und Kunst; die nicht ohn sie bestehen koͤnnten. Waͤr keiner; waͤr’ ein jeder, duͤrftig: Und, wenn mans recht erwegt, so waͤren, Ohn’ Armuth, alle Menschen arm. Der Trieb, wodurch der Menschen Geist, Vor allem Vieh, den Vorzug hat, und so viel Wunder- Werke weist, Wuͤrd’, ohne den geruͤhmten Mangel, in faule Dumm- heit sich verkehren. Wozu wuͤrd’ unsers Geistes Kraft uns nuͤtz seyn, und wie wenig wehrt, Da die Natur den Thieren meist, was sie gebrauchen, selbst beschehrt, Weil sie sich sonst nicht rathen koͤnnten; wenn sie auch uns, wie sie, beschenkt’, Und das, was uns bekleidet, schuͤtzet, erhaͤlt, bequem ist, naͤhrt und traͤnkt, Sich alles um und bey uns faͤnde? Es hat die Gott- heit, in der Welt, Uns Vorwuͤrf’, unsern Geist zu uͤben, an allen Orten, dargestellt. U 3 Daß Nutzen des Mangels, Daß er nun nicht unfruchtbar, stumpf, ohn Kunst und Wissenschaften, bliebe, Und etwas, diese zu erlangen, ihn unauf hoͤrlich spornt’ und triebe, Hat er, zum weisen Zweck, den Mangel ihm, zum Ge- faͤhrten, zugegeben; Damit er sich, stets zu verbessern, und kuͤnstlicher zu seyn, bestreben, Und nimmer muͤßig bleiben moͤchte. Denn dieß wird jeder zugestehn, Daß, wenn wir nicht auf Speis’ und Trank, und uns zu kleiden, muͤßten sehn, Und alles dieß, im Ueberfluß, sich uͤberall zugegen fuͤnde, Der Menschen Geist, von allen Dingen, unstreitig, we- niger verstuͤnde; Die allerbesten Kraͤfte wuͤrden, mit noch vermehrtem Unvergnuͤgen, Und wo nicht lauter Unkraut tragen, doch ungluͤckselig Braache liegen. Doch, eh’ ich die Gedanken schliesse, muß ich, zum Trost noch fuͤr die Armen, Ein Wort der Wahrheit hier erwehnen. Habt ihr auf Erden minder Freuden, Und muͤßt ihr, bey der Duͤrftigkeit, ein mehrers, als die Reichen, leiden; So glaubt gewißlich, euer Vater wird sich schon eurer auch erbarmen, Und was ihr, in der kurzen Zeit, Nach Seiner weisen Ordnung, duldet, in jener langen Ewigkeit, Mit in einem Neu-Jahrs-Gedichte. Mit unaufhoͤrlichem Vergnuͤgen, und nie versiegten Freuden-Fluͤssen, Euch, eure Seelen zu erfuͤllen, die Arbeit zu belohnen wissen. Nunmehro lenk’ ich mich, mit Freuden, zum andern Endzweck meiner Lieder, Und danke, mit erkenntlichem, mit Lust und Andacht- vollem Sinn, Der Gottheit, Deren gnaͤdigs Wollen erlaubet, daß ich heute wieder, Des vorgen Jahres vieles Gute zu uͤberdenken, faͤhig bin. Ja, Gott! Du hast im vorigen, so wie in abgewich- nen Jahren, Mit Gutem mich, und alle Meinen, zu uͤberschuͤtten, fortgefahren. Du hast uns nicht nur Leib und Leben, von Schmerz und Krankheit ungekraͤnkt, Das ganze Jahr hindurch, erhalten (so wohl wahrhaf- tig Dankens wehrt) Du hast noch eine neue Gabe, zu allen andern, mir ge- schenkt, Und, in der Tochter jungem Sohn, auch mir ein Kin- des-Kind beschehrt. Ach laß doch auch von Deiner Gnad’ ein Vorwurf, neben uns, auf Erden, Und Deinen Wunder-großen Namen zu preisen, ihn ein Werkzeug werden! Jn Hamburg hast Du meine Kinder, in Goͤttingen, auch die bey mir, So gnaͤdig, dieses Jahr, bewahrt; Dir, Herr, sey Preis und Dank dafuͤr! U 4 Vor Nutzen des Mangels, Vor andern ist eins meiner Kinder, aus einer drohenden Gefahr, Die ihm recht uͤberm Haupte schwebte, und gleichsam unvermeidlich war, Fast wunderbar errettet worden. Von Steinen eine große Last Lag uͤber ihm auf einer Stange, wovon die Stuͤtze weg- gerissen: Wie er nun diese Stang’ ergreift, stuͤrzt, wie er sie kaum angefaßt, Die schwehre Buͤrde schnell herunter, und haͤtt’ ihn ganz zerschlagen muͤssen, Wenn nicht, o Herr! Dein gnaͤdigs Wollen den Unfall von ihm abgekehrt, So daß der Schutt, der um ihn lag, ihn im geringsten nicht versehrt. Sey, Herr! fuͤr diesen Schirm und Schutz, der ihm, recht wunderbar, erwiesen, Sowohl von ihm, als auch von mir, gedankt, gelobet und gepriesen! Nicht minder fuͤr so Huͤlf’ als Schutz, die ebenfals, recht wunderbar, Mein kleiner Garlieb auch genossen, da er aus einem Boot gefallen, Und mitten in dem Graben trieb; wohin kein einzger von uns allen Gelangen, und ihn retten konnt. Wie viele Dinge sich dabey Verbinden muͤssen, daß er noch, doch kuͤmmerlich, geret- tet sey, Hab’ in einem Neu-Jahrs-Gedichte. Hab’ ich, in einem eignen Stuͤck, aus schuldger Dank- Begier getrieben, Dir, Herr, sey nochmals hier dafuͤr Lob, Ehre, Preis und Dank! beschrieben; Nicht minder, wie es einst entsetzlich bey uns geblitzet und gestuͤrmet, Und Deine Gnade Land und Haus, die Meinigen und mich, beschirmet. Des Jrdischen Vergnuͤgens Auszug ist dieses Jahr ans Licht gekommen, Der sechste Theil zum Stande bracht, das erste guͤn- stig aufgenommen; Vom letzten hoff’ ich eben das, und wuͤnsche, daß es vielen Frommen, So wie die andern, schaffen moͤge! Von mehrerm Guten will ich schweigen, Und meinen Leser nicht beschwehren mit dem, was eigent- lich mein eigen. Vielmehr will ich mich ingeheim bemuͤhen, Gott, fuͤr alle Gaben, Die ich und alle Meinigen, so unverdient, empfangen haben, Mit tiefer Ehrfurcht zu bewundern, und, recht geruͤhret, Jhm allein, Als einzgem Ursprung alles Guten, ergeben, froh und fromm zu seyn: Voll Hoffnung, daß auch Er die Sorgen, die eben jetzt mein Amt umgeben, Und die damit verknuͤpfte Arbeit, zum Besten leiten werd’ und heben. U 5 Neu- Neu-Jahrs-Gedicht, auf das 1740ste Jahr. Von der eigentlichen Absicht unsers Hierseyns. O ewiges, einiges Alles in allen! Durch Dessen Entschliessen die herrliche Welt, Begeisterten Koͤrpern, zur Schau gestellt; Durch Dessen Wollen die Wasser wallen, Die Flammen steigen, die Berge stehn; Durch Dessen Wort das Licht so schoͤn; Durch Dessen Ordnung alle Dinge, Die auf der Welt geschehn, geschehn: Da heut, bey unsrer Erde Drehn, Jch, Dir zu Ehren, Lieder singe; So laß Dir, mein Dir nur gewidmetes Lallen, O ewiges, einiges Alles in allen, Aus Lieb’ und Erbarmen, zum Opfer, gefallen! Bey dieser ganz besondern Zeit, worinn ich unsers Schoͤp- fers Werke, Mit einer billigen Bewundrung, Betrachtung und Ver- ehrung merke, Erstaun’ ich uͤber unsre Traͤgheit, und kann auf keine Weise fassen, Wie doch vernuͤnftige Geschoͤpfe, fast unvergeblich, un- terlassen, Ein Neu-Jahrs-Gedicht, auf das 1740ste Jahr. Ein sonst fast augenfaͤlligs Wunder, mit einger Andacht- anzusehn, Sich ihres Nutzens wegen freun, und Gottes Allmacht zu erhoͤhn; Warum, da sie vernuͤnftig sind, sie der Geschoͤpfe Herr- lichkeit, Zu Ehren Des, Der sie gemacht, nicht wuͤrdigen zu uͤber- legen. Dieß bringt mich auf ein ferners Denken, und auf ein ernstliches Erwegen, Was doch der Menschen Absicht sey, in ihrer ganzen Lebens-Zeit; Ob sie hier einen Endzweck haben: wie, oder ob wir, gleich den Thieren, Von einem Tag zum andern leben; seyn, und uns wiederum verlieren. Man stehet auf, man legt sich nieder; man ziehet Kleider aus und an: Dieß thut ein Kind, dieß thut der Juͤngling, der Mann, und auch der alte Mann; Das andere Geschlecht nicht minder. Dieß heißt man, seyn; dieß heißt man, leben. Wenn man uns aber einmal fragte: Zu welchem End- zweck lebet ihr? Was ist die Absicht eures Lebens? Zu welchem Ende seyd ihr hier? Wozu schuff euch, Der euch geschaffen? was wuͤrdet ihr fuͤr Antwort geben? Zu Neu-Jahrs-Gedicht, Zu trinken, essen, euch zu mehren? erhaben, groß und reich zu werden? Dieß sagt ihr nicht: Jhr wißt es besser. Die eitlen Handlungen allein, Die koͤnnen nimmermehr der Endzweck vernuͤnftger Crea- turen seyn, Wovon die Seelen ewig dauren, und, nach dem Abschied von der Erden, Der Seligkeit geniessen sollen. Jhr stutzt vielleicht bey meinem Fragen. Denn wuͤrdet ihr, im Ernst, wohl sagen, Jndem ihr nie daran gedacht: Zu diesen angefuͤhrten Werken haͤtt’ uns ein weiser Gott gemacht, Damit ihr hier, in vielen Stuͤcken, ein thierisch Leben solltet fuͤhren? Jhr solltet Ehr’ und Reichthum suchen, um beyd’, im Sterben, zu verlieren? Dieß thut ihr nicht. Was bleibt denn uͤbrig? Kommt, laßt uns, mir und euch zur Lehr, Zugleich dem Ursprung aller Dinge zum Preise, Lobe, Ruhm und Ehr, Die Quellen des Betragens suchen! ob etwan, wenn wir sie bedacht, Wir, durch die Herrlichkeit geruͤhrt, noch moͤchten seyn zu recht gebracht. Wir Menschen kommen in die Welt, und merkens nicht. Wenn wir es merken, Daß wir auf Erden seyn, und leben; hat die Gewohn- heit allbereit, Daß wir gekommen, ausgetilgt, durch schlaͤfrige Ver- gessenheit. Das auf das 1740ste Jahr. Das Wachsen unsers Geists und Koͤrpers, und wie sich beyder Wesen staͤrkt, Wird mehr von uns nicht, als die Pflanzen ihr Wach- sen fuͤhlen, auch bemerkt. Da wir, beym Anfang unsers Wesens, zu denken, nicht im Stande seyn, Wie wir gekommen; nimmt Gewohnheit uns derge- stalt die Sinnen ein, Daß wir auch das Wozu versaͤumen. Die viel- und mancherley Geschaͤffte Der andern, unsre gleicherweise, die schwehren Sorgen fuͤr das Brodt, Die Leidenschaften, die Begierden, verschiedne Faͤlle, manche Noth, Beschaͤfftigen den regen Geist, und schwaͤchen unsers Koͤrpers Kraͤfte: So daß wir voͤllig alles Denken, an unsern Endzweck, fast verlieren, Ja unser’ ungluͤckselge Schlafsucht, zu dieser Pflicht, nicht einst verspuͤhren. Wir treten folglich einen Tag, und ein Jahr nach dem andern, an; Wir werden alt, erkranken, sterben: ohn’ auf die erste unsrer Pflichten, Zum Ruhm des Schoͤpfers hier zu leben, nur einmal unsern Sinn zu richten, Und ehe wir auf unsern Endzweck kaum einen einzgen Blick gethan. Die vielerley Beschaͤfftigungen, womit die Menschen sich zerwuͤhlen, Sind meistens gut, und nicht zu tadeln; nur daß sie auf den Zweck nicht zielen, Zu Neu-Jahrs-Gedicht, Zu welchem wir nicht leugnen koͤnnen, und auch zu leug- nen nicht begehren, Daß wir dazu erschaffen seyn, als naͤmlich zu des Schoͤp- fers Ehren. Wenn dieß nicht wahr; so folgt von selbst, daß zwischen uns und andern Thieren, Wie sehr wir uns auch selbsten schmeicheln, kein wahrer Unterscheid zu spuͤhren. Zwar stellen uns die Geistlichen die schoͤnsten Him- mels-Lehren fuͤr, Daß wir, zu einem kuͤnftgen Leben, uns, auf der Welt, bereiten sollen: Doch weiß ich, daß sie nicht die Absicht des Schoͤpfers dadurch scheiden wollen, Von der verlangten Zubereitung zum Kuͤnftigen; es wird vielmehr, Die allerbeste Zubereitung zum Kuͤnftigen, des Schoͤp- fers Ehr’, Und daß wir unsern Gott als Schoͤpfer, in Seinem großen Werk erhoͤhn. Wobey wir aber allerdings auf das Erloͤsungs-Wunder sehn, Und es als einen rechten Ausbruch von Goͤttlicher Er- barmung achten, Es als solch eine Liebes-Probe von einer ewgen Huld betrachten, Die nimmer gnugsam zu bewundern. Allein, faͤllt da- durch Gottes Zweck, Wozu Er uns, von Anbeginn, auf diesen Erd-Kreis setzen wollen, Daß wir im Koͤrperlichen Jhn bewundern u. verehren sollen, Jhn suchen sollen, und Jhn finden, bey allen Christen gaͤnzlich weg? Un- auf das 1740ste Jahr. Unmoͤglich wird man dieses sagen, unmoͤglich wird man dieses meynen; Unmoͤglich kann man unsern Satz, bey menschlicher Ver- nunft, verneinen. Wuͤrd’ hiedurch nicht des Schoͤpfers Wunder, wofuͤr Jhn alle Geister loben, Die Thronen und die Seraphinen, vor uns getilgt und aufgehoben? Die wir doch zu dem Zweck erschaffen; die wir der Sin- nen edle Gaben, Wodurch Sein Werk mit uns vereint, ja nicht umsonst empfangen haben: Es muͤßten denn des Schoͤpfers Werke, und Sein darinn verborgner Schein, Nicht unserer Betrachtung wuͤrdig, fuͤr unsern Geist zu niedrig seyn. Dieß werden wir, wie ich vermeyne, so wenig zugestehen koͤnnen, Als daß wir uns dazu zu klein, und zu geringe, werden nennen. Die Weisesten noch unter uns, die lehren: Es sey unser Leben Nur als ein Durchzug durch die Welt, und eine Wall- fahrt, anzusehn; Wodurch sie uͤberzeuglich darthun, und ihre Meynung zugestehn, Zu einer eignen Absicht sey uns dieses Leben nicht gegeben. Allein, Neu-Jahrs-Gedicht, Allein, es ist dennoch ein Endzweck: Natur und Bibel zeigen ihn; Scheint er gleich fast, durch Adams Fall, nebst aller Herrlichkeit, verlohren. Ward nicht der erste Mensch erschaffen, zum Herrn der Creatur erkohren, Damit an ihm, und seinem Geist, des Schoͤpfers Macht und Lieb’ erschien? Damit sein denkender Verstand erkennen moͤchte, sehn und schmecken, Wie alle Goͤttliche Geschoͤpfe des Schoͤpfers Herrlichkeit entdecken, Daß er, in ungezaͤhlten Wundern, und im Genuß so vieler Sachen, Auf Goͤttliche Vollkommenheit sollt’ unaufhoͤrlich Schluͤsse machen, Sein’ Allmacht, Seine Weisheit preisen, den Ausbruch Seiner Liebe sehn, Und, in bestaͤndiger Bewundrung, Sein unausdruͤck- lichs Lob erhoͤhn; Anbey, geruͤhrt durch ihres Schoͤpfers erhabne Weis- heit, Macht und Lieben, Jn einem tugendhaften Wandel sich mit einander sollten uͤben? Die Absicht Gottes, da Er uns den Geist, der uͤber- legt, gegeben, Der uns von Thieren unterscheidet, ist uͤberzeuglich, klar und wahr; Wodurch wir uns, durch die Betrachtung, wie alles doch so wunderbar, Zu Seiner seligen Bewundrung, und uns zugleich zu Jhm, erheben. Durch auf das 1740ste Jahr. Durch alle Koͤrper, die nicht denken, von allen Sonnen, allen Erden, Kann Gottes Allmacht nicht erkannt, bewundert, ange- betet werden. Wenn kein vernuͤnftger Geist in ihnen; Kann bloß ihr Daseyn ihm nicht dienen. Sie werden ihren großen Schoͤpfer und Herrn so wenig, als ein Stein, Zu ehren, zu erhoͤhn, zu lieben, und zu bewundern, faͤhig seyn. Wer kann dieß leugnen? Keine Seele, kein Christ, kein Jude. Ja selbst Heiden Und Tuͤrken muͤssen dieß gestehn, Daß Gott dem Menschen Weisheit gab, um, durch Ver- stand, zu unterscheiden, Und, durch die Creatur, zu finden: “Es sey ein Gott; und auch zugleich, “Weil Er, an Vollenkommenheiten, vor allen Creaturen, reich, “Er sey zu ehren, anzubeten; Er sey zu lieben und zu loben. “Und, weil, in Seiner Creatur, sich Seine Eigenschaften weisen, “Sey Er in ihnen zu betrachten, und, in Bewunderung, zu preisen: “Durch sie, da sie Jhn offenbahren, sey Er am wuͤrdigsten erhoben. War dieß nun, wie es nicht zu leugnen, des ersten Menschen Zweck und Pflicht, Wozu er bloß allein erschaffen; so leugnet, hoff’ ich, keiner nicht, 8 Theil. X Daß Neu-Jahrs-Gedicht, Daß (da wir ja noch zugestehn, wir seyn zu Gottes Ehren hier) Wir auch, darnach zu streben, schuldig, in Seiner Crea- turen Zier Sein’ Allmacht ernstlich zu bewundern; und, eben da- durch, uns befleissen, Dem Fall, worein uns Adam stuͤrzte, nach Moͤglichkeit uns zu entreissen: Damit wir, obgleich voller Schwachheit, uns, nach der ersten Pflicht zu leben, Wozu der Mensch erschaffen worden, und Gott zu dienen, uns bestreben. Dieß war der Endzweck unsrer Schoͤpfung, warum Gott Menschen werden lassen, Durch ihren Geist: Es sey ein Gott, Der zu verehren wehrt; zu fassen. Der Endzweck hat nicht aufgehoͤrt; er dauret noch, und ist allein Der einzige Bewegungs-Grund, daß wir hier auf der Erde seyn. Ja, werden hier wohl viele sprechen: Jst denn die Ordnung in der Welt, So wie sie ist, nicht Gottes Ordnung? Daß hier ein Baur, ein Handwerksmann, Ein Kaufmann, ein Soldat, ein Schiffer, nur bloß fuͤr das so liebe Geld, Zeit, Arbeit, Fleiß und Leben wagt; da man ohn Geld nicht leben kann? Da alle Vortheil nicht zu zaͤhlen, die, auf dem Kreise dieser Erden, Durch dieses nuͤtzliche Metall, erschwitzet und erhalten werden. Hierauf auf das 1740ste Jahr. Hierauf erwiedr’ ich: Jhr habt Recht. Durch dieses nuͤtzliche Metall Wird Muͤhe, Schweiß und Fleiß belohnt; der Nutzen zeigt sich uͤberall: Und ist es folglich nicht verboten, in diesem unserm irdschen Leben, Jn einer vorgeschriebnen Ordnung, mit Muͤh darnach sich zu bestreben, Desselben Wehrt erkennen lernen. Jedoch wird keiner hieraus schliessen, Daß wir, ob sey das Geld die Absicht von unserm Hier- seyn, meynen muͤssen. Sollt’ Adam zu dem Endzweck wohl von Gott gebildet worden seyn, Um Geld und Reichthum zu erwerben? Besteht darinn des Schoͤpfers Ruhm, Daß einer, in der kurzen Daur des Lebens, mehr zum Eigenthum, Als wie ein anderer, erhalte? Du sprichst, verhoff’ ich, selber: nein. So zeiget sich dann uͤberzeuglich, es sey auf Erden unser Wesen Gewiß zu einem andern Endzweck, von unserm Schoͤp- fer, auserlesen. Weil aber, ich weiß nicht, wodurch, sich dieser, leider! meist verlohren; So scheint, man hab’, an dessen Stelle, sich einen anderen erkohren. Und, da uns, leider! durch Gewohnheit, der Zweck von unserm Daseyn fehlt; So scheint, es habe sich die Menschheit hier andre Ne- benweg’ erwaͤhlt. X 2 Der Neu-Jahrs-Gedicht, Der groͤßte Theil der Menschheit glaubet, als ob das Geld der einige, Der wahre Zweck von unserm Hierseyn, und unsers Le- bens Absicht, sey. Die Allgemeinheit dieser Meynung stimmt diesem Vor- urtheile bey: Man glaubt, wie Geld hier unentbehrlich; so sey es auch die wuͤrdigste Beschaͤfftigung der Sterblichen. Und, ob wirs gleich nicht deutlich sagen; So scheint man, ohn’ es selbst zu wissen, mit dieser Mey- nung sich zu tragen, Ob sey es unsers Lebens Absicht. Dieß waͤr von einer Creatur, Die nicht verlangte, Gott zur Ehr’ allhier hervorgebracht zu seyn, Vielleicht nicht ungereimt geschlossen. Da der Zusam- menhang der Dinge Das Geld in einen Wehrt gesetzt, wodurch man nicht nur, was bequem, Was noͤthig, nuͤtzlich, herrlich, praͤchtig, ergetzend, lieb- lich, angenehm, Sich zu verschaffen, faͤhig ist: wodurch man nicht nur viele Plagen, Beschwerlichkeiten, Frost und Bloͤße, von sich vermoͤ- gend zu verjagen; Nein, woran, durch die Koͤniginn der Welt, (die Mey- nung) Ehre, Ruhm, Ja, leider! fast die Tugend selbst, als wie ihr wahres Eigenthum, Gehef- auf das 1740ste Jahr. Geheftet: und, im Gegentheil, an Armuth, oͤfters, Unmuth, Bande, Verachtung, Ungluͤck, Plag’ und Noth, Spott, Unbe- quemlichkeit und Schande, Verknuͤpft hat, und mit ihr vereint; So scheinets, daß man in der That, (Zumal beym Mangel eines Endzwecks) man nicht so großes Unrecht hat, Das maͤchtige Metall zu waͤhlen, das Gold zu einem Gott zu machen: Absonderlich, wenn man erwegt, wie gleichsam rechte Wunder-Sachen, Durch den Gebrauch des lieben Geldes, fast auf dem ganzen Kreis der Erden, An allen Orten, ausgefuͤhrt, verrichtet und gewirket werden. Noch sieht man eine Neben-Absicht, die Menschen in Bewegung bringen, Die ist der Stolz, und heisset Ehre: da man sich, uͤber seines Gleichen, Durch wahre theils, theils falsche Gaben, bemuͤht ist, sich empor zu schwingen, Und, wo es moͤglich, einen Vorzug vor allen, suchet zu erreichen. Ob nun, durch diese Leidenschaft, nicht minder, als durch Geld, auf Erden, Unwidersprechlich, viele Dinge, die gut sind, ausgefuͤh- ret werden; So wird doch jeder leicht gewahr, daß sie zu Krieg und Blut-vergiessen, Verraͤthereyen, Land-Verwuͤstung, nicht minder, oͤfters dienen muͤssen: X 3 Da Neu-Jahrs-Gedicht, Da jeder, was du suchest, sucht; da jeden eine Hoheit reizt, Die sich bestaͤndig gegen deine, und gegen andrer Hoheit, spreizt. Wir suchen, ausser Ehr’ und Geld, noch den Ver- stand und Witz zu schaͤrfen; Wir wollen alle Dinge fassen: Wir suchen uns, mit aller Macht, Fast uͤber die Natur und Gott zu Richtern gleichsam aufzuwerfen, Und sind auf nichts, als aufs Begreifen, mit aller See- len-Kraft, bedacht. Der Seelen beste Kraft hingegen, uns Gottes Werke vorzustellen, Als herrlich, als bewundernswuͤrdig, als nuͤtzlich, noͤthig, ordentlich; Als solche Werke, woriñ uns, der allgewaltge Schoͤpfer, Sich, Durch alle Sinnen, offenbahrt: versaͤumt man, fast in allen Faͤllen. Dieß sind nun die Beschaͤfftigungen der Menschen, die auf Erden leben; Wovon doch wohl kein’ einzige taugt, einen Endzweck abzugeben, Weshalben wir auf Erden kommen. Um nun, so viel mir moͤglich ist, ein Mittel mir und euch zu zeigen, Wodurch man, was bisher versaͤumt, am allerleichtsten aͤndern kann; So will ich meine Meynungen, die dazu tauglich, nicht verschweigen: “Auf Besserung der Phantasie koͤmmt, wie mich deucht, fast alles an. “Vor auf das 1740ste Jahr. “Vor uns sind, fast die meisten Dinge, nicht, was sie seyn; nein, das, was wir “Davon uns vorzustellen pflegen. “Hieraus nun sieht man uͤberzeuglich, wie viel uns denn daran gelegen, “Die Kraft, sich etwas vorzustellen, so wie es ist, wohl auszuuͤben: “Einfolglich Gottes Wunder-Werke als Wunder-Werk’ auch anzusehn; “Durch selbe, Sein’ Allgegenwart, und, nebst der Weis- heit, auch Sein Lieben, “Jn allen Dingen, zu bewundern, und Gott in ihnen zu erhoͤhn. Erkennt demnach, geliebte Menschen! in dieser nicht bestrittnen Wahrheit, Von diesem unserm Lehr-Satz hier, sowohl die Gruͤnd- lichkeit als Klarheit: “Daß naͤmlich Gott, zu diesem Endzweck, euch bloß die Sinnen, Geist und Leben, “Damit ihr Jhn, in Seinen Werken, erkennen, preisen und erheben, “Und Jhm allein vertrauen, lieben, und Jhn bewun- dern sollt, gegeben. Aus dieser Absicht fließt zugleich: “Daß, da wir Gott nicht dienen koͤnnen, “Und Er, aus Lieb’, uns doch ein Mittel, in unserm Naͤchsten, wollen goͤnnen; X 4 “Daß Neu-Jahrs-Gedichte, “Daß wir ihn auch, als Sein Geschoͤpf, stets zu be- trachten, schuldig seyn, “Und uns, mit allem Ernst, bestreben, an ihm den Lie- bes-Dienst zu uͤben, “Den wir an Gott nicht uͤben koͤnnen. So laßt uns dann den Naͤchsten lieben! Es fußt sich, auf die zwey Gebote, die ganze Sitten-Lehr’ allein. Es scheint, wenn man es untersuchet, daß man fast uͤberzeuglich findet, “Daß unsre, mit des Naͤchsten Liebe, in Gottes Liebe, sich verbindet; “Und daß, zu unserm eignen Besten, nach ganz untrieg- lich wahren Schluͤssen, “Sie, aus der seligen Bewundrung des Schoͤpfers in den Werken, fliessen. “So uͤberlege doch ein jeder, mit einem seligen Er- wegen, “Wie viel, an dieser großen Wahrheit, dem mensch- lichen Geschlecht gelegen. “Wofern man diesen Zweck verlaͤßt, und von der Absicht sich entfernt; “So weiß ich nicht, woher man doch, vom Licht und Adel unsrer Seelen “Sowohl, als auch von ihrer Dauer, so viel Vortreff- liches erzaͤhlen, “Jhr herrlichs Vorzugs-Recht erweisen, ein ewigs Leben glauben lernt. “Will auf das 1740ste Jahr. “Will man demnach nicht allen Vorzug vor andern nicht vernuͤnftgen Thieren, “Ja allen Adel unsers Geistes, da er zu Gottes Ruhm gemacht, “Die Faͤhigkeit, Jhn zu verehren in Seiner Creaturen Pracht, “Ja, unsers Wesens ewge Dauer, die hierauf bloß nur fußt, verlieren; “So muß uns nichts, auf dieser Welt, die Wahrheit und den selgen Glauben, “Der Mensch sey, Gott zu Ehren, hier auf diese Welt gesetzet; rauben: “Einfolglich sollt’, in Gottes Werken Jhn zu bewun- dern, bloß allein “Der Hauptzweck unsrer Handlungen, und unsers ganzen Lebens, seyn. Hier aber, deucht mich, hoͤr’ ich dich zuletzt noch einen Einwurf machen: Wann dieses Gottes Absicht ist; wie daß, bey so be- stalten Sachen, Die Menschen fast nichts minder thun? und wie doch Gott dieß dulden kann? Darauf ist meine Antwort diese: Zeig’ erstlich mir die Ursach an, Warum doch, auf dem Kreiß der Welt, so viel, so viele Millionen, Jn falschem Gottes-Dienste leben, in irrigen Religionen? Vielleicht erscheinet noch die Zeit, da sich hierinn die Menschheit bessert, Und, durch Erfuͤllung ihrer Absicht, des Schoͤpfers Lob und Ruhm vergroͤssert. X 5 Jn- Neu-Jahrs-Gedicht, Jnzwischen ist unstreitig wahr, und bleibet es bey unsern Schluͤssen, Die ich annoch, mit wenigem, hier werde wiederholẽ muͤssen. “Es ist der Endzweck aller Menschen, das große Welt- Buch zu studieren, “Als welches uns den Schoͤpfer zeigt, und Sein all- maͤchtiges Regieren; “Das Buch, worinn die wahre Weisheit, die Furcht des Herrn, sehr klar geschrieben, “Und dessen Jnhalt deutlich zeigt: Man soll Jhn ehren, fuͤrchten, lieben. “Dieß ist der Endzweck unsers Hierseyns: Daß, durch das Sinnliche, die Seelen, “Da sie sich, nach des Schoͤpfers Ordnung, mit der Materie vermaͤhlen, “Zu einer bruͤnstigen Bewundrung des Schoͤpfers in den Creaturen, “Geschickt und faͤhig werden moͤchten, die uͤberzeuglich hellen Spuhren, “Daß Gott, und was Er sey, zu sehn; “Jn den Betrachtungen der vielen darinn enthaltnen Herrlichkeiten, “Des Schoͤpfers anzubetend Wesen, in froher Ehrfurcht, zu erhoͤhn, “Und uns zugleich, nach dieser Zeit, zum ewgen Preise zu bereiten. “Ach moͤchte doch hievon die Menschheit, auf an- der’ Art, belehret werden! “Ach moͤchten wir, wozu wir hier, warum uns Gott, auf dieser Erden, “Zu Seinen Ehren naͤmlich, schuff, recht uͤberzeuglich einzusehn, “Ver- auf das 1740ste Jahr. “Vernuͤnftig uͤberfuͤhret seyn! Wie wuͤrd’, in unserm Geist und Sinnen, “Die Creatur, ja Selbst der Schoͤpfer, ein’ andere Ge- stalt gewinnen! “Wie wuͤrde man, so lang wir hier, an Gott, im Jrd- schen, sich vergnuͤgen, “Und, zum untadelhaften Leben, den Glauben des zu- kuͤnftgen, fuͤgen! “Wie wuͤrde doch, wenn, in den Werken, wir, unsern Gott mit Lust zu ehren, “Durch Lehr’, Ermahnung und Exempel dahin gefuͤhrt, gewohnet waͤren, “Die ganze Menschheit anders denken; auch anders leben, anders seyn! “Jhr Endzweck waͤr’, in der Erkenntniß des Guten, Gottes Ehr’ allein. “So laßt uns dann doch kuͤnftighin nicht ferner sonder Endzweck leben; “Laßt uns auf Gottes weise Macht, in Seinen Wer- ken, Achtung geben, “Und, wozu wir allhier erschaffen, doch, zu erfuͤllen, uns bestreben! O ewiges, einiges Alles in allen! Durch Dessen Entschliessen die herrliche Welt, Begeisterten Koͤrpern, zur Schau gestellt; Durch Dessen Wollen die Wasser wallen, Die Flammen steigen, die Berge stehn; Durch Dessen Wort das Licht so schoͤn; Durch Dessen Ordnung alle Dinge, Die auf der Welt geschehn, geschehn: Ach Neu-Jahrs-Gedicht, Ach laß doch, so oft wir, in Deinen Geschoͤpfen, Dich, und Dein herrlichs Wesen, sehn, Die Lieder, die von uns erkenntlichst erschallen, Dir, ewiges, einiges Alles in allen, Aus Lieb’ und Erbarmung, zum Opfer, ge- fallen! Nun wend’ ich mich zu meiner Lieder besondrer Absicht, und erkenne, Wie viel, wie fast unzaͤhlich viel, von Gluͤck und Gutem, Gott mir goͤnne; Wie groß die Menge Seiner Gaben, die kaum zu zaͤh- len, kaum zu fassen, Er mir im vorgen Jahr geschenkt, und mir im vorgen Jahr gelassen. Wenn ich, so wie ich schuldig waͤr, sie, in der Ordnung, sollte zaͤhlen; So wuͤrde mir das Ende fast, und die Geduld dem Le- ser, fehlen. Da ausser dem, was uns nicht angeht, uns selten auch zu ruͤhren pflegt; So deucht mich, daß es besser sey, wenn sie mein Geist fuͤr sich erwegt, Und, in der Stille, meinem Schoͤpfer zum Ruhm, sie bey mir uͤberlegt; Jhm herzlich dank’, Jhn lob’ und preise, und, mit ge- ruͤhrter Seel’, erkenne, Daß ich das Gute nicht verdient, und Er mirs bloß aus Gnaden goͤnne. Wann auf das 1740ste Jahr. Wann aber auch verschiedne Zufaͤll’, im vorgen Jahr, mir uͤberkommen, Die mir empfindlich gnug gewesen, und mancherley Verdruß erregt; Wovon doch aber mehrentheils die wilden Stuͤrme sich gelegt, Durch Gottes allgewaltigs Walten: hab’ ich mir jetzo vorgenommen, Auch dafuͤr meinen Gott zu preisen; und, was auch dabey mir geschehn, Durch Ueberlegen und Erinnern, zum Ruhm des Schoͤp- fers, einzusehn. Es haben sich, in meinem Amt, viel Zwistigkeiten an den Graͤnzen, Mit einer maͤchtgen Nachbarschaft, ganz unverhofft, hervorgethan: Bald kamen hier Verdrießlichkeiten voll Schwierigkeiten auf die Bahn, Die mehrentheils von Folgen sind, und nicht so leicht- lich zu ergaͤnzen; Doch ist es mehrentheils mit allen, Gott Lob! so leidlich ausgefallen, Daß mein mir untergebnes Amt, und ja so wenig unser Staat, An seinem wohlbeseßnen Recht, was merkliches verloh- ren hat. Die Anstalt, die, zu Land und Wasser, Gott Lob! noch ferner Seuchen wegen, Von mir gemachet werden muͤssen, begleitete zugleich Dein Segen. “O Du Neu-Jahrs-Gedicht, “O Du allmaͤchtiger Beschuͤtzer! wem anders sonsten, als nur Dir, “Der Du dem boͤsen Uebel steurest, gebuͤhret Lob und Dank dafuͤr? Von einigen von meinen Kindern empfing ich, im verwichnen Jahr, Zuweilen eine solche Nachricht, die eben nicht die beste war: Daß sie was rechts zwar lerneten, und was rechtschaf- fenes studierten; Jedoch, daß ihres Gleichen sie, zu großem Aufwand, auch verfuͤhrten, Nach Art der meisten hohen Schulen: Daruͤber hab’ ich manche Nacht, Jndem ich es noch schlimmer glaubte, mit schwarzen Sorgen zugebracht. Ach gieb, daß, bey so vielen Gaben, die Du denselbigen gegeben, Durch ihren Schaden klug gemacht, sie kuͤnftig moͤgen wirthlich leben! Ein dritter noch von meinen Soͤhnen gewann zur See-Fahrt solche Lust, Daß er, mit wiederholtem Bitten, dahin mich zu bewe- gen wußt, (Da ich, zu einer Lebens-Art die Kinder ohnedeß zu zwingen, Nicht billig, noch erlaubet, halte) es ihm, zur Probe, zuzustehn: Da er dann, gluͤcklich, Lissabon, nachhero Petersburg, gesehn; Auch, auf das 1740ste Jahr. Auch, muͤnd- und schriftlich, mir bezeugt, wie ihm sein Stand, in allen Dingen, So angenehm und reizend waͤre, daß er, sein einst er- waͤhltes Leben, Nicht einst fuͤr eines Koͤnigs Stand, gesinnet waͤre, wegzugeben. “Ach Herr! Der Du in allen Staͤnden, auch in der Fern’ und Naͤh, regierst; “Regier’ auch ihn auf seinen Wegen! Der Du auch durch die tiefen Fluthen “Die schwehren Wasser-Schloͤsser fuͤhrst; “Ach lenke sein gefaͤhrlichs Wallen, durch Deine Wun- der-Hand, zum Guten, “Und laß ihn, auf dem weiten Meer, wie Dein allmaͤch- tiges Regieren, “Auch Deine vaͤterliche Vorsicht, Dein Wohlthun, Deinen Segen, spuͤhren! Noch hast Du eins von meinen Kindern, in unter- schiedlichen Gefahren, Zumalen einst mit Schieß-Gewehr, o Herr! gewuͤrdigt, zu bewahren. Da auch was, so mit eben diesem geschehen sollen, nicht geschehn; So gieb, daß das, was es gewaͤhlt, und nicht gewaͤhlt, sey wohlgethan, Und nimmer ihn gereuen moͤge! Von meinen Dir geweihten Werken ist auch, in die- sem Jahr nunmehr, Zu Deinen Ehren, und zugleich zu vieler Leser Lust und Lehr, Der Neu-Jahrs-Gedicht, Der sechste Theil von meinen Schriften, den andern fuͤnfen beygefuͤget, Der, wie ich hoͤre, manchen Leser, so wie die anderen, vergnuͤget. Auch ist, der andre Theil der Werke, von neuem wieder aufgelegt; Jmgleichen wird auch, fuͤr den fuͤnften, die rege Presse schon bewegt: So daß ich fuͤr den starken Abgang, als eine sonderbare Gabe, Dir, Geber alles Guts, zu danken, und mich zu freuen, Ursach habe. Des großen Popen herrlichs Werk, was er von unserm Stand gedacht. Jst ebenfals, in diesem Jahr, von mir, in unsre Sprach gebracht Auch stimmt’ ich, in beseelten Toͤnen, zum himmlischen Zusammenklang Jm Jrdischen, ein toͤnend Lied, und manchen froͤh- lichen Gesang. “Jch senke mich hier, Demuths-voll, vor Dir, o großer Schoͤpfer! nieder, “Und schliesse die, zu Deiner Ehr’, und unsrer Lehr’, er- zielten Lieder. “Laß, Herr! so wie sie uͤberzeuglich, und unsern wah- ren Endzweck zeigen, “Uns doch des Jnhalts große Wahrheit erkennen, merken und verstehn: “Damit sie uns, zu Deinem Ruhm, mag dergestalt zu Herzen gehn, “Daß wir, in Deinen großen Werken, nicht ferner Deinen Ruhm verschweigen; “Dich auf das 1740ste Jahr. “Dich darinn zu verherrlichen, Dich herzlich zu ver- ehren suchen, “Und alle traͤge Blind- und Taubheit, als eine Seelen- Pest, verfluchen! “Wenn wir nun kuͤnftig nicht, wie vor, durch unter- lassenes Betrachten, “O Schoͤpfer! Deine Weisheit, Macht und Lieb’, in Deinem Werk, verachten; “Nicht, statt, durch froͤhliche Betrachtung derselben, zu Dir aufzusteigen, “Uns selbst, von unsers Geistes Hoͤhe, zur Achtlosheit der Thiere neigen: “So wird dereinst ein froh Erinnern, (wenn wir zum andern Stand erlesen) “Daß wir, nach unserm wahren Zweck, zu Deinen Ehren, hier gewesen, “Verhoffentlich ein Anfang seyn der uns versprochnen Seligkeit, “Die Du, o Liebe! bloß aus Liebe, uns dort, nach die- ser Zeit, bereit. 8 Theil. Y An- Andenken der ausserordentlich grimmigen Kaͤlte des 1740sten Jahres, nebst derselben wahrscheinlichen Ursache. Zum Neu-Jahrs-Gedicht auf 1741. G ott Lob! es ist auch dieses Jahr, dieß recht besondre Jahr, zum Ende! Es hat schon unsrer Erden Flaͤche die so genannte Son- nen-Wende, Vor wenig Tagen, uͤberschritten. Wir naͤhern uns dem Sonnen-Strahl, Der alles in Bewegung bringt, belebt und waͤrmet, abermal. Mein Opfer, welches ich gewohnt zu dieser Wechsel- Zeit zu bringen, Und den allgegenwaͤrtgen Herrn der Tag’ und Zeiten zu besingen, Soll jetzt in der Erinnerung des, was im vorgen Jahr geschehn, Da es ganz ausserordentlich u. recht entsetzlich fror, bestehn. Jch werde mich zugleich bemuͤhn, so weit sich meine Kraͤfte strecken, Von den verborgnen Eigenschaften der Kaͤlte so viel zu entdecken, Als bis daher davon bekannt; weil auch der Frost den Schoͤpfer preist, Und er, wie alles auf der Welt, auch Gottes Macht und Weisheit weist. “Ach Andenken der grimmigen Kaͤlte des 1740 Jahrs. “Ach gieb, unwandelbarer Gott, Du Herr und Urquell aller Dinge! “Daß, was, zu unserm Unterricht, und Dir zum Ruhm, ich hievon singe, “Zuvoͤrderst Dir zum wuͤrdgen Ruhm, und uns zum Unterricht, gelinge! Jm Winter siebzehnhundert vierzig, im Jenner, fiel, mit solcher Strenge, Ein nimmer fast erhoͤrter Frost, die Welt und Elementen an, Daß man die, durch derselben Wut, gewirkter fremden Faͤlle Menge, Und sonderbaren Wirkungen, kaum zaͤhlen noch erzehlen kann. Doch zwingt mich die so gar besondre Veraͤnderung in der Natur, Es, Gott zum Ruhm, zu uͤberlegen; zugleich den Men- schen auch die Spuhr Von der ergrimmten Macht des Frosts ein Ueberbleibsel vorzulegen, So weder Feur noch Sonne schmelzt: damit sie wenig- stens darinn, Bey etwa nicht so starkem Frost, in kalten Wintern, kuͤnftighin, Jm Gegenhalt geringrer Plage, durch diese Schrift, sich troͤsten moͤgen; Nicht minder uns zur Ueberlegung, daß, da die strenge Noth vorbey, Man fuͤr die Aendrung, fuͤr den Schutz, auch unsere Bequemlichkeit, Jn einer so fatalen Zeit, Man, dem Regierer aller Dinge mit Ernst zu danken, schuldig sey; Y 2 Jm- Andenken der grimmigen Kaͤlte Jmgleichen ernstlich zu bedenken, wie leicht (wehrt’ es der Schoͤpfer nicht) Die Luft, so uns so unentbehrlich, uns, wenn sie aus dem Gleichgewicht; Ersticken, laͤhmen und erdruͤcken, und allen koͤnnte toͤdt- lich werden. Jch suche dann, so gut ich kann, von ausserordentlichen Faͤllen, Die die ergrimmte Kaͤlte wirkte, ein lebhaft Bild dir vorzustellen. Bey einem starken Sturm aus Osten, fing es entsetz- lich an zu frieren; Luft, Erde, Fluth, ja die Natur, schien selbst durch die Gewalt entstellt: Ein scharfer, recht ergrimmter Frost, fing an so wuͤtend zu regieren, Befiel mit solchem strengen Druck, als eine schwehre Last, die Welt, Droht’, alles ploͤtzlich zu verderben; droht’, alle Koͤr- per zu erdruͤcken, Und, was lebendig, Thier’ und Menschen, schnell zu ent- seelen, zu ersticken. Die Luft schien selbst erstarret, dick, gedrungen, schwehr, und gleichsam fest: Der rothe Saft im Wetter-Glase ward dergestalt durch sie gepreßt, Daß er, weit uͤber alle Grade, noch zwey Queer-Finger tief, gesenkt, Ganz in der untern kleinen Kugel verschlossen und darinn verschrenkt, So des 1740sten Jahres. So man sonst nie bemerket, lag. Die Zimmer waren dergestalt Mit kalten Theilen angefuͤllt, daß auch die heftigste Gewalt Des Feuers, sie nicht mildern konnte. Wer dichte bey dem Ofen saß, Empfand kaum eine laue Waͤrme. Wenn man den innern Theil der Hand, Durch die zu nahe Nachbarschaft des Ofens, manchmal fast verbrannt; Druͤckt’ ihren aͤussern Theil der Frost. Ja, ob man auch gleich nicht vergaß, Jn Pelzwerk sich noch einzuhuͤllen, mit rauhen Muͤtzen sich zu decken, Die Fuͤß’ in einen guten Fuß-Sack, von einer Baͤren- Haut, zu stecken; Konnt’ einer dennoch kaum sich bergen. Es mußte denken, lesen, schreiben, Weil man sich recht beklemmet fuͤhlte, zween ganze Tage unterbleiben. Man konnt’ und wollte fast nichts sagen; man saß und dacht’, und dachte nicht: Sprach einer noch ein Wort; geschah’ es mit einem stoͤrrischen Gesicht. Es drenget’ alles sich zum Ofen, um ihn zur Lindrung anzufassen; Es konnte fast und wollte keiner, den ganzen Tag, den Stand verlassen. Y 3 Der Andenken der grimmigen Kaͤlte Der Wein zu dem geweihten Kelch war, in der Kirche, so gefroren, Daß man, denselben aufzuthauen, ihn zu dem Feuer bringen mußt. Viel Huͤhner, Enten, ja das Vieh, wovon sonst keiner was gewußt, Hat hie und dort, selbst in den Staͤllen, das Leben, durch den Frost, verlohren. Die Baͤume borsten von einander. Nicht nur das Bier; so gar der Wein, Fror, selber in gewoͤlbten Kellern. Tief ausgegrabne Brunnen deckte Ein starr, fast undurchdringlichs Eis. Wir haben aus der Luft die Kraͤhen, Nebst andern Voͤgeln, selbst im Flug erstarrt, herunter- fallen sehen. Kein Brodt war eßbar; und kein Stein Konnt’, ehe man es aufgethauet, an Kaͤlt’ und Haͤrte, fester seyn. Es war in keinem Haus’, im Flecken, ein Fenster-Schlag herabgelassen: Daher schien’ alles oͤd’ und leer, Und recht, als ob, in allen Gassen, Fast alles ausgestorben waͤr. Vom Bremer Post-Knecht lief bey uns, nach kurzer Zeit, die Nachricht ein, Er sollte, nebst zwo alten Leuten in Bremen, ebenfals nicht minder Jm Lande Wursten zwo Personen, in Steinau auch zwey kleine Kinder, Und noch vier Menschen, auf der Post, erstarret und erfroren seyn. Ver- des 1740sten Jahres. Verschiedne haben ihre Beine; verschiedne, Fuͤße, Fin- ger, Ohren, Auch andre Glieder, ungluͤckselig, in diesem harten Frost, verlohren. Dem unerhoͤrten Winter folgt ein nie erlebter Fruͤh- ling nach. Die Kaͤlte wollte nicht entweichen, es wollte sich kein Eis verlieren: Aus der annoch gefrornen Erd’ erschien’ annoch kein Gras; es brach Kein Laub aus noch erstarrten Baͤumen; im May war noch kein Gruͤn zu spuͤhren. Nun sahe man im Junius zwar wohl kein wirklich Eis nicht mehr; Doch war, im Julius so gar, die Luft noch nicht von Kaͤlte leer. Kein Regen fiel, kein Gras erschien: So wie die Kaͤlte erst gethan; So hinderte die strenge Duͤrre und Regen-Mangel nun daran: Wodurch das Vieh, so fast verkam, annoch in aͤusserster Gefahr, Fuͤr Hunger umzukommen, war. Den Fruͤhling fuͤhlt’ und sah man nicht; es war kein Sommer fast zu spuͤhren; Es schien der Herbst, in diesem Jahr, den vorgen Win- ter zu beruͤhren: Ja, wie das Korn kaum eingefuͤhrt, das heuer tief im Herbst geschah, War allbereit, zu unserm Schrecken, ein neuer Winter wieder da. Y 4 Es Andenken der grimmigen Kaͤlte Es fing der Frost schon vor der Mitten des reifenden Octobers an; Jndem ein ungewohntes Eis bereits die Wasser-Graben deckte, Und nicht allein den bangen Landmann, auch den er- staunten Gaͤrtner, schreckte: Der sich annoch, was ihm fuͤr Schaden der Frost, im vorgen Jahr, gethan, Nicht nur erinnert; sondern auch den noch von Aepfeln schwehren Baum, Fuͤr banger Furcht und Schrecken, kaum Sich unterstehet, anzusehn: indem er schon besorgen muß, Die kaum zur Haͤlfte reife Frucht moͤcht’ ihm noch an dem Zweig’ erfrieren, Und er dadurch sein langes Hoffen, von einem ganzen Jahr, verlieren, Zusamt dem Vortheil und Genuß. Es ist der Zufall nicht erhoͤrt, und, was man sah, war nie gesehn: Man siehet alle Baͤume gruͤn, voll Frucht und voller Blaͤtter stehn, An deren schon erstarrtem Fuß Das Wasser allbereit gefroren, Und seinen schluͤpfrich- regen Fluß, Durch ein ganz unerwartet Eis, und einen schnellen Frost, verlohren. Wie kann es aber moͤglich seyn? Hoͤrt der so fest gesetzte Lauf Der nimmer unterbrochnen Ordnung, im Reiche der Na- tur, denn auf, Die des 1740sten Jahres. Die der unwandelbare Schoͤpfer Selbst, unveraͤnderlich, gegruͤndet; Jn welcher Ordnung man den Schoͤpfer am uͤberzeug- lichsten fast findet, Und die Er Selbst auch, nach der Schrift, unwandelbar hat festgestellt? Es scheinet, daß, auf diese Weise, der Zeiten Wechsel, in der Welt, Nicht mehr, wie in den vorgen Zeiten, die ihm bestimmte Ordnung haͤlt. Jn diesem Jahre, da man vierzig nach siebzehnhundert hat gezaͤhlt, Hat fast der Fruͤhling, nebst dem Sommer, ja fast so gar der Herbst, gefehlt. Die wuͤterische Tyranney des Winters, welcher sonder gleichen, War selbst der Sonnen ungehorsam, und wegerte sich, ihr zu weichen. Jm Fruͤhling war kein Gras noch Kraut: Jm Herbst ward keine Baum-Frucht reif; Sie wurden, durch ein fruͤhes Eis, annoch in gruͤnen Blaͤttern steif. Es ist, da es so spaͤt noch fror, und alles wieder schon gefroren, Das siebzehnhundert vierzigste von unsern Jahren fast verlohren: Ja in dem neun und dreyßigsten hat schon die Kaͤlte sehr regiert, Da man, den ganzen Sommer uͤber, nur wenig Waͤrme hat verspuͤhrt. Y 5 Wie? Andenken der grimmigen Kaͤlte Wie? stehet denn nicht in der Schrift? ist es nicht deutlich gnug erklaͤret: Nie hoͤren Frost und Sommer auf, so lange als die Erde waͤhret? Faͤllt denn der kraͤftigste Beweis der Schrift sowohl, als der Natur, Nicht, durch die Aendrung, voͤllig weg? Wo bleibt der Gottheit hellste Spuhr? So sprach der Kleinglaub’; und es schien, als ob ich selber, diese Gruͤnde, Von ziemlicher Erheblichkeit, und nicht so ungereimet, fuͤnde. Allein, so bald ich mich besann, verspuͤhret’ ich, wie, nach und nach, Das helle Sonnen-Licht der Wahrheit des Jrrthums truͤben Duft durchbrach; Wobey sie mir doch eine Lehre, die von Gewicht, vor Augen legte, Und meinen Geist recht innig ruͤhrt’: Ach daß er ander’ auch bewegte! “Verdienet die Unachtsamkeit, wodurch die Men- schen Gottes Segen, “So unerkenntlich, nicht zu schaͤtzen, ja gleichsam zu ver- achten pflegen, “Nicht eine kleine Zuͤchtigung? Es muß der May uns Gras gewaͤhren; “ Das Wasser das muß geben Fisch: Aus dem gemißbrauchten Vers des Gesanges: Singen wir aus Herzens Grund ꝛc. so wird man fast von jedem hoͤren. “Von des 1740sten Jahres. “Von der unseligen Gewohnheit, des Fruͤhlings Pracht nicht anzusehn, “Und, in der uns gebotnen Lust, des Schoͤpfers Ehre zu erhoͤhn, “Will ich nicht einmal was erwehnen: obgleich die Gabe des Gesichts “Uns gleich, samt allen andern Sinnen, hier auf der Welt, zu anders nichts, “Als die von Gott gewirkten Wunder zu merken, bloß allein gegeben. Nun wird die Ausnahm von der Regel der sonst so wohl gepflegten Erden, Uns eines besseren berichten, ein kraͤftiger Beweis-Grund werden: “Daß Gott regiert; daß wir allein das Gute, was wir hier geniessen, “Von Jhm und Seiner Huld empfangen, und bloß von Gott, erwarten muͤssen. Jnzwischen spuͤhren wir annoch, (o moͤcht’ es doch ein jeder spuͤhren!) “Daß, mitten in der Zuͤchtigung, uns Strahlen Sei- ner Guͤte ruͤhren; Da uns das noͤthigste Getraide, obgleich der Sommer fast gefehlt, Obgleich der Winter noch so streng’, und noch so heftig uns gequaͤlt, Doch, durch ein wirklich wahres Wunder, und durch des großen Vaters Lieben, Jm Sommer dennoch wohl gerathen, und in dem Frost behalten blieben. Wie Andenken der grimmigen Kaͤlte Wie wuͤrd’ es sonst mit ganzen Laͤndern, mit Millionen Menschen, stehn? Es muͤßte wenigstens Europa, fuͤr Hunger, mehrentheils vergehn. Darum erwege doch ein jeder, was uns, in beyden vor- gen Jahren, Dadurch, daß uns der Rokken blieb, fuͤr eine Gnade wiederfahren! Ja, sprichst du, alles dieses hebt doch meinen ersten Einwurf nicht; Es ist uns anders doch ergangen, als, von der Zeit, die Bibel spricht: Der Sommer ist nicht warm gewesen, der Herbst hat keine Frucht gereift; Hiedurch werd’ ich um desto mehr in meiner Meynung noch gesteift. So hoͤre! Diese Stelle handelt ja nicht allein von einem Lande; Nein! sondern von der ganzen Welt. Nun blieb der Rest der Welt im Stande: Jn andern Theilen unsrer Erden hat es an Waͤrme nicht gefehlt; Man hat daselbst, wie sonst, geerndtet, und sie hat gar kein Frost gequaͤlt. So folgt ja nicht: Was einem Lande, zur Strafe etwan, auferlegt, Daß es die Ordnung fuͤr das Ganze durchloͤchert, und zu Boden schlaͤgt. Laßt uns vielmehr die Schuld erkennen, und daß wir alles wohl verdient; Weil sonst vielleicht, durch fernen Frost verderbet, uns kein Gras mehr gruͤnt. Der des 1740sten Jahres. Der Rokken, den man in die Erde, nur kuͤmmerlich, hineingebracht, Jst in Gefahr, durch der bereits so fruͤh gefuͤhlten Kaͤlte Macht, Wofern sie dauret, aufgerieben zu werden, gaͤnzlich zu verderben, Und folglich, Thier’ und Menschen selbst, fuͤr großer Hungers-Noth, zu sterben. Wir flehen Dich demnach, wie billig, Regierer, Herr und Vater! an: Laß sich die strenge Kaͤlte mindern! weil niemand sonst uns helfen kann. Der Zeiten Wechsel kehre wieder! Laß sich die Wut des Frosts entfernen; Und laß uns besser, als vorhin, Dein herrlichs Werk bewundern lernen! So dacht ich einst im vorgen Jahr, als eben an dem dritten Tag, Am zehnten des November-Monats, ein ungewohnter Donnerschlag, Nebst einem ungewohnten Hagel, der kleinen Tauben- Eyern gleich, Bey einem ungeheuren Sturm, der aufgebrachten Luͤfte Reich, Mit einem hellen Blitz, zerriß. Ob nun dadurch die kalten Theile, Die in der Luft so lange herrschten, zertheilt, vertrieben, und, in Eile, Jn Andenken der grimmigen Kaͤlte Jn eine Art von Gaͤhrung kommen; begreif ich eigent- lich zwar nicht: Doch dieses ist unleugbar wahr, (und halt’ ich es fuͤr meine Pflicht, Es zu bemerken und zu zeigen) daß, eben von derselben Zeit, Des strengen Frosts, der starken Kaͤlte, so ungewohnte Heftigkeit, Recht als auf einmal, aufgehoͤrt; die Luft ward feucht. Und, wie wir pflegen, Jm Herbst, ein meistens schlackricht Wetter, zuweilen Schnee, zuweilen Regen, Auch wohl gelinde Luft, zu haben; so ist es jetzt schon lange her, Daß das gewohnte Wetter herrscht: wir fuͤhlen keinen Frost nicht mehr. Ob dieß nun durch den Blitz gewirkt, kann ich nicht eben fest bestreiten; Genug, daß die Natur, Gott Lob! sich wieder scheinet einzuleiten Jn ihren sonst gewohnten Gang: Und dieses ist wohl so viel wehrt, Daß man des Schoͤpfers Hand erkennet, und Seine Huld darinn verehrt; Jndem, als durch ein Wunderwerk, wir dadurch neue Hoffnung haben, Jm angenehmern Lenz und Sommer uns kuͤnftig, wie vorhin, zu laben. Denn, daß wir, bey des Jahres Schluß, aufs neue, Schnee und Frost bekommen, Dadurch wird, weil es Winter ist, uns unsre Hoffnung nicht benommen. Nachdem des 1740sten Jahres. Nachdem wir nun, was, durch den Frost, der Welt, im vorgen Jahr, geschehn, Zu schuldiger Erinnerung, mit Ernst betrachtet und besehn; Wird es nicht ohne Nutzen seyn, den Geist, den Gott uns hat gegeben, Sich auf den Zustand der Natur, im Frost, zu wenden, zu bestreben, Und uns, so weit es uns vergoͤnnt, ihn zu ergruͤnden, zu bemuͤhn: Damit wir der Unwissenheit, so viel es moͤglich, uns entziehn; Um, in bewundernder Erkenntniß von unsers Gottes weisen Wegen, Desselben Allmacht, Lieb’ und Weisheit, in Lieb’ und Furcht, zu uͤberlegen. Nachdem wir, in verschiednen Schriften, fast uͤber- zeuglich, anerkannt, Und gleichsam Sonnen-klar befunden, daß bey uns, in und um der Erden, Auch unsrer untern Luft, die Theile der Waͤrme, bloß gefunden werden, Wovon man meynete, sie wuͤrden uns von der Sonne zugesandt; So deucht mich, daß man weiter gehen, und auch daraus erweisen koͤnne, Woher uns, oft im Sommer selber, der nahen Sonne Strahl nicht brenne, Und es zuweilen heftig kalt: da naͤmlich durch den kal- ten Duft, Der aus dem Nord-Pol oͤfters quillt, die warmen Theil’ in unsrer Luft Ver- Andenken der grimmigen Kaͤlte Verdrengt, vertrieben, und geschwaͤcht; einfolglich (wie die Wolken hindern, Daß uns der Sonnen-Strahl nicht trifft) sie auch der Sonne Kraft vermindern, Durch ihrer Theile frostigs Wesen, daß sie dieselben nicht durchdringt, Noch die Partikeln lauer Waͤrme in richtige Bewegung bringt, Ohn welche wir die linde Kraft der holden Waͤrme nicht verspuͤhren. Jch lasse mich durch diese Meynung, da sie gegruͤndet, weiter fuͤhren, Und deucht mich, wie aus selbiger, von Folgerungen mancherley, So auch vielleicht aus ihr zugleich, die Ursach zu ergruͤn- den sey, Woher (wie sonst zur Winter-Zeit die Kaͤlte pflege her- zukommen) Sie sonderlich in diesem Jahr, so heftig, uͤberhand ge- nommen. Vermuthlich (da, wie wir erwiesen, daß in der Erd’ ein wahres Meer, Von einer innern Luft, vorhanden, und daß sie, aus dem Nord-Pol her, Bestaͤndig quillet, uͤberwaͤrts sich in die aͤußre Luft er- giesset, Siehe des Jrdischen Vergnuͤgens vierten Theil, S. 402. Und uͤberall die ganze Flaͤche von unserm Erden-Kreiß befliesset) Hat des 1740sten Jahres. Hat sich, ganz ausserordentlich, von einer kaͤltern Luft ein Guß, Von scharfen Theilen, ausgegossen, in großer Meng’ und Ueberfluß, Wodurch die warmen Feuer-Theilchen vielleicht geschwaͤ- chet und gehemmet: Und, da der Sonnen rege Kraft, durch jener Menge, recht verdaͤmmet, Zu ihnen gleichsam nicht gelangen, noch in Bewegung bringen kann; Seh’ ich sie fuͤr des scharfen Frosts und strengen Winters Ursach an. So wie der Wolken dichte Koͤrper uns oft das Licht der Sonne rauben, Und unsern Augen sichtbar sind; so scheinet von der Luft zu glauben, Daß sie von kalten Theilen oft ganz angefuͤllet koͤnne seyn: Durch die, so wie das Licht durch Wolken nicht dringen kann, vom Sonnenschein Der Waͤrme Kraft nicht koͤnne dringen. Die kalten Theile kommen mir Sodann, in unsrer untern Luft, als unsichtbare Wolken fuͤr, Wodurch der Sonnen warme Kraft so wenig, als, am truͤben Tag, Das Licht durch Wolken dringen kann, zu wirken und zu gehn vermag. Wann also nun die rege Kraft der Sonnen unser Feur nicht ruͤhret, Das Gott um unsre Welt gelegt, und dieß durch sie nicht angeschuͤhret; So wird, auf unsrer Erden Flaͤche, auch eine Waͤrme nicht verspuͤhret. 8 Theil. Z Nach- Andenken der grimmigen Kaͤlte Nachdem wir nun, nach Moͤglichkeit, von unsers Schoͤpfers weisen Wegen, Auch wenn der rauhe Winter ras’t, das Wunderwerk zu uͤberlegen, Die Kraft des Geistes angestreckt; so heischt es meine Schuldigkeit, Dem Guten, welches mir, besonders in der vergangnen Jahres-Zeit, So uͤberschwenglich, zugeflossen, in froher Andacht nach- zudenken, Und Dem, Der alles Gute giebt, ein Dank-begierges Herz zu schenken. Bey der ergrimmten Kaͤlte Wut, die fast die halbe Welt bestuͤrmt, War ich, nebst allen Meinigen, durch Dich gesichert und beschirmt. Unzaͤhliche Bequemlichkeit konnt’ ich, bey scharfem Frost und Winden, Durch warmer Zimmer lauen Duft, in Kleidern, Trank und Speis’, empfinden: So daß, da die gemeine Plage mich und die Meinen nicht beruͤhrt, Jch schuldig, Dessen Huld zu preisen, durch Dessen Schutz ich nichts gespuͤhrt. Denn alles, was viel’ andre druͤckte, haͤtt’ auch mir uͤberkommen koͤnnen, Wenn, durch die mir geschenkten Umstaͤnd’, Er mir den Schutz nicht wollen goͤnnen. Du segnetest vor vielen andern, mit reifen Fruͤchten, dieses Land; Du schuͤtzetest, und benedeytest mit Gluͤck und Segen, meinen Stand. Es des 1740sten Jahres. Es hat, in diesem Jahr annoch, ein ganz besonderes Vergnuͤgen, Zu ungezaͤhltem anderm Guten, zu meiner Lust, sich muͤssen fuͤgen: Da ich ein kleines Enkelchen, das schoͤn, ja recht aus- nehmend schoͤn, Und mit besonderm Geist begabt, zum allererstenmal gesehn. Es hat mich sein so lebhaft Wesen in ganz besondre Lust gesetzet; Sein kindisch-munterer Betrieb hat mich recht ungemein ergetzet, Und zwar weit mehr, als unsre Sippschaft: Denn, wenn ihn auch ein Fremder sieht, So ist wohl keiner, dessen Lieb’ er nicht gleich zu und auf sich zieht. “Jch danke Dir, mein Gott! von Herzen, daß Du denselben uns gegeben, “Und flehe Dich inbruͤnstig an: Laß ihn zu Deinen Ehren leben! Was sind nicht sonst, in meinem Amte, fuͤr Faͤlle von mir abgekehrt, Die wuͤrdig, daß mein Geist die Hand, die mich beschirmt, in Demuth ehrt! Jch habe, mit Gewalt und Waffen, des Strandes Frey- heit schuͤtzen muͤssen, Wie Guͤt- und Lindigkeit nicht half; was uns schon mehrentheils entrissen, Ward herzhaft wieder hergestellt: Wobey dann ich und jedermann, Daß alles gluͤcklich ausgefuͤhrt, Gott nie genug verdan- ken kann. Z 2 Viel Andenken der grimmigen Kaͤlte Viel Graͤnz- und andre Streitigkeiten sind all’ in sol- chem Stande blieben, Daß keine feindliche Gewalt dieselben noch zuruͤck ge- trieben. Verschiednes ist zum Landes-Besten, so noch nicht einge- richtet war, Verbessert und verordnet worden, in diesem abgewichnen Jahr. Weil dann nun auch in diesem Lande mein Regiment zu Ende gehet, Und eine neue Lebens-Art, aus der Veraͤnderung, ent- stehet, Da ich die Einsamkeit verlassen, und wieder in die große Welt, (Die ich fast, und sie mich, vergessen) weil es dem Him- mel so gefaͤllt, Mich auf das neu begeben muß; so gieb, auf diesen neuen Wegen, Mir, o Du Segens-reicher Gott! doch auch von neuem Deinen Segen! “Ach gieb, wenn die beschiedne Zeit, so wie bisher, begluͤckt vorbey, “Daß meine Wiederkehr nach Hamburg doch auch gebenedeyet sey; “Daß ich, wenn ich dort neue Aemter, die mir beschie- den sind, erhalten, “Sie Dir zur Ehre, meinem Naͤchsten und mir zum Besten, mag verwalten! Jch habe hier, obgleich nicht immer, so manchen stil- len Tag verbracht; Jch gab, in meiner Einsamkeit, auf Deine Creaturen Acht. Jch des 1740sten Jahres. Jch habe, Dir zum Ruhm, mit Lust, hier manch erbau- lichs Lied geschrieben; Ach gieb, daß ich nicht minder dort, die suͤßen Pflichten auszuuͤben, Gelegenheit und Lust behalte! Dieweil ich voͤllig uͤberfuͤhrt, Daß, wenn man sich nicht Deiner freut, man seine Le- bens-Zeit verliert. Zumal ich, was, von meinen Lehren, ich oͤfters in den vorgen Jahren, Daß sie nicht ohne Nutz gewesen, Gott Lob! auch dieses Jahr erfahren; Wovon ich aber lieber schweigen, und meinem Schoͤpfer, in der Still, Dafuͤr, in tiefer Demuth, danken, als Neid und Miß- gunst reizen will. Nur muß ich noch mit einem Wort, weil es doch ohne das bekannt, Mich dieses oͤffentlich erinnern, daß mir ein kostbar schoͤ- ner Band, Von meinem uͤbersetzten Buche, aus Holland juͤngst ward uͤbersandt, Das von dem klugen Opterbeek, sehr schoͤn, in Nieder- laͤndscher Tracht, Mit dem Versprechen, fuͤr noch mehr, wohl uͤbersetzt ans Licht gebracht. Du hast, noch vor des Jahres Schluß, von einem meiner Soͤhne, mir Die Nachricht unverhofft gegoͤnnt, daß er, nach abge- legter Reise, Die wohl gefaͤhrlich gnug gewesen, in Hamburg kommen, und bald hier, Zu meinem Trost, erscheinen wird: Auch dieß gereicht Dir, Herr! zum Preise, Z 3 Daß Andenken der grimmigen Kaͤlte Daß Du, in so gar mancherley und fast unglaublichen Gefahren, Auf seinen fernen Wasser-Wegen, gewuͤrdiget, ihn zu bewahren. “Ach Herr! laß auch im kuͤnftgen Jahr, so mir als auch den lieben Meinen, “Jn ihren so verschiednen Staͤnden, die Sonne Dei- ner Gnade scheinen! Jch schliesse dann. Doch, eh ich schliesse, muß ich noch eins zuruͤcke gehen, Und auf den Vorwurf dieses Liedes, den schwehren Frost, noch einmal sehen. Der Kaͤlte Zustand sollte billig zu einem ernsten Ueber- legen, Wie leicht, auch bloß nur durch die Luft, wir aufzurei- ben; uns bewegen: Nicht weniger, wie ordentlich die Elementen eingerichtet, Daß, durch ein Regel-recht Verhaͤltniß derselbigen, wir nicht vernichtet; Wie sonst, wenn durch ein Ungefehr Der Kreiß der Welt besorget waͤr, Bald durch zu großer Hitze Macht, bald durch zu stren- ger Kaͤlte Buͤrde, Gewiß genug geschehen wuͤrde. Denn ein so seltner Fall, wie der in abgewichner Win- ters-Zeit, Scheint eine Absicht zu entdecken, “Um, die vor Gottes Werken blind, vom Schlaf der Unempfindlichkeit, “Durch starkes Ruͤtteln, zu erwecken. Mein des 1740sten Jahres. Mein Schoͤpfer! da Du solche Wunder, im Reiche der Natur, verrichtest, Mit einer unleugbaren Weisheit, vereint mit Lieb’ und Macht, regierst, Was Du erschaffen, Welt und Himmel, in un- verruͤckter Ordnung fuͤhrst, Und Creaturen, die vernuͤnftig, dadurch zum Dank und Ruhm verpflichtest: Ach! laß doch, unsrer Seelen Kraͤfte darauf zu richten, uns bestreben, Daß wir, in froͤhlicher Betrachtung, Dir unsern Dank zum Opfer geben, Und, in Bewundrung, Lob und Ehrfurcht, zu Deinen heilgen Ehren leben! Z 4 Neue Neue Betrachtungen uͤber die Natur des Lichts und der Waͤrme, nach Anleitung des Spect. de la Nat. Auf das 1742ste Jahr. “ Q uell des Lebens, Brunn des Lichts, ewiges selbststaͤndigs Licht, “Urstand aller Geist- und Koͤrper! Es erfodert meine Pflicht, “Bey der Zeit, die so betraͤchtlich, da sich unser Jahr geendet, “Und sich unsrer Erden Flaͤche zu der Sonne wieder wendet, “Fuͤr so Segen-reiche Ordnung in derselben Waͤrm’ und Schein, “Dir, so ihr- als unserm Schoͤpfer, ein bewundernd Herz zu weihn, “Und zugleich, so viel mir moͤglich, mehr auf solche Spuhr zu bringen, “Ein Dein Werk verherrlichend Lob- und Freuden-Lied zu singen. Was ist eigentlich der Zweck unserer Aufmerksamkeit, Bey dem eingetretnen Jahr, bey der frohen Wechsel-Zeit, Anders, als, zu Gottes Ehren, Seine weise Macht beachten, Und die Proben Seiner Lieb’ auch zugleich dabey be- trachten, Die Betracht. uͤber die Nat. des Lichts u. der Waͤrme. Die Er, in dem Drehn der Erde, uns allein zum Nutzen zeigt? Das wahrhaftig solch ein Wunder, so das Denken uͤbersteigt. Ein so schreckliches Gewicht in so richtger Ordnung fuͤhren, Einen solchen großen Koͤrper wohl und Regel-recht regieren, Daß er alle Tage sich zu und von der Sonne dreht, Und zugleich, durch die Bewegung, jaͤhrlich um dieselbe geht, Zeiget Macht und Lieb’ und Weisheit, um so mehr und deutlich, an, Als der Thier’ und Pflanzen Reich nimmer sich erhalten kann, Wenn die richtige Bewegung unserm Erd-Kreiß fehlen sollte, Und sie nicht in steter Ordnung, sondern wild und fluͤch- tig, rollte. Da der Sonne waͤrmend Licht so nothwendig allen Dingen, Und dennoch, wenn ihre Strahlen stets auf eine Stelle dringen, Alle Dinge gleich verkommen, sterben muͤßten, und vergehn; Welches jetzt behindert wird durch das ungehemmte Drehn: So e rwege man doch oft, zu des großen Schoͤpfers Ehre, Welche Weisheit, welche Liebe, welche Macht, dazu gehoͤre, Ausser Sonn’ und Welt zu schaffen, durch so weisliches Verwalten, Das so einst erschaffen worden, unverruͤcket zu erhalten. Dieß Erhalten zu betrachten, dieses Wunder zu ermessen, Muͤsen wir, zu dieser Zeit, voll Bewundrung, nicht vergessen. Z 5 Wann Betrachtungen uͤber die Natur Wann ich nun, bey der Betrachtung, mich zugleich getrieben fuͤhle, Auch das Licht zu untersuchen, und desselben Eigenschaft; Ferner, in wie fern hierinn dieser Sonnen wahre Kraft Bey demselben sich erstrecket; wend’ ich mich zu diesem Ziele: “Herr, Der Du der Menschen Geist zugerichtet und bereitet, “Daß er, staffelweise nur, zu der Wahrheit wird geleitet; “Da uns die Erfahrung zeigt, daß sich, zu gewissen Jahren, “Viele Wissenschaften gleichsam auf behalten und ver- spahren; “Welches meine Meynung staͤrket, daß die Welt noch immer mehr, “An Begriffen, sich bereichert, und sich bessert, Dir zur Ehr: “Staͤrke meiner Seelen Kraͤfte! Laß, da ich mir vor- genommen, “ Licht und Waͤrme zu betrachten, es begluͤckt zum Stande kommen, “Daß darinn, wie ordentlich die Natur (durch Dich regiert) “Jhr Geschaͤfft, uns bloß zum Nutzen, so verwunder- lich, vollfuͤhrt, “Offenbar und deutlich werde, wir vernuͤnftiger ver- stehn, “Und wir gruͤndlicher, in allem, Deine weisen Wege sehn! Ein des Lichts und der Waͤrme. Ein jeder glaubte fast bisher, ob stammten Waͤrme, Licht und Schein, Unmittelbar und wesentlich, aus unsrer Sonne bloß allein; Da doch nunmehro die Erfahrung uns uͤberfuͤhrt, (wie fremd es klinget) Daß, bloß die Sonne, Licht und Waͤrme belebt und in Bewegung bringet, Und daß die Waͤrm’ und Lichtes Theile, so in der Luft, als auf der Erden, Fuͤr sich allein vorhanden sind, und uͤberall gefunden werden. Wir wollen erst den Kreiß der Luft betrachten, wie er zu dem Licht Das meiste beyzutragen scheine; wie wunderbar er zu- gericht, So daß, wenn keine Luft vorhanden, des Lichtes jetzt so lieblichs Blitzen Uns kein Vergnuͤgen geben koͤnnte, und uns sehr wenig wuͤrde nuͤtzen: Nachhero, wie der Waͤrme Theile, vom Schoͤpfer, unsrer Welt geschenkt, Und wie er sie bald mehr, bald minder, der Erde Flaͤchen eingesenkt. Zum ersten Theile der Betrachtung wird unsre Daͤmm- rung, die wir spuͤhren, So fruͤh, als auch des Abends spaͤt, am allerdeutlichsten uns fuͤhren. Ein schwaches Licht faͤngt maͤhlich an, und machet den Gesichts-Kreiß grau, Noch eh ich von der Sonnen Koͤrper, nebst ihren Strah- len, etwas schau. Dieß Betrachtungen uͤber die Natur Dieß ist ja fremd, und kaum begreiflich. Mir zeiget sich ja sonst kein Licht, Wenn nicht sein Strahl die Augen trifft. Jetzt ruͤhrt es meinen Blick ja nicht, Jndem die Sonne weit entfernt. Ja, waͤr’ auch gleich ein Strahl zu spuͤhren, Wuͤrd’ alles sich doch, in der Tiefe des Himmels unge- spuͤhrt, verlieren; Wo etwa nicht ein fester Koͤrper daselbst vorhanden, welcher ihn, Jm Wiederschlage, ruͤckwaͤrts schickte, und etwa, wie der Mond, uns schien: Sonst ist, nach der Natur des Lichts, sein Glanz und Schein vor uns verschwunden. Wird nun, fuͤr uns, in der Natur, ein solcher Koͤrper wohl gefunden, Der uns so großen Dienst gewaͤhrt? Wofern er ist; so muß sein Wesen Um desto mehr betraͤchtlich seyn, weil er uns, ungesehen, nuͤtzt, Und desto mehr bewundernswehrt, weil er allein fuͤr uns erlesen. Dieß ist der zarte Luft-Kreiß nun, der rings um unsern Erd-Kreiß liegt, Und welchen eine weise Liebe, und Wunder-Macht, uns zugefuͤgt: Damit, nebst manchem anderm Nutzen, durch ihn, die Buͤrger dieser Erden, Mit fruͤh- und spaͤterm Licht versehn, beschienen und erleuchtet werden. Daß des Lichts und der Waͤrme. Daß er aus lauter zarten Blaͤschen bestehet, haben wir gesehn, Durch welche tausend Wunder-Werk’, im Regen, Blitz und Thau, geschehn. Siehe den Anhang zur Seifen-Blase, VII. Th. S. 479. Jetzt zeiget uns sein zarter Koͤrper noch einen neuen Nutzen an, Da man, durch sein durchsichtigs Wesen, die Himmels- Koͤrper sehen kann, Und auch zugleich, durch ihr Geweb’, ein unaussprech- lichs Gut empfaͤnget, Da sie nicht nur den Tag uns schafft; ihn auch noch, fruͤh und spaͤt, verlaͤnget. Wenn unsrer Erden Flaͤche sich dem Sonnen-Licht, auf achtzehn Grad, Des Morgens, kaum genaͤhert hat; Empfaͤngt die Luft, die zwanzig Meilen noch hoͤher, als die Erde, stehet, Bereits vom Sonnen-Licht die Kraft; die sie beruͤhrt, und in sie gehet, Sich bieget, und sich abwaͤrts lenkt, Und sich, das Licht stets reflectirend, dadurch zu uns herunter senkt: Wodurch, indem die Lichtes-Theile bestaͤndig in der Wirkung bleiben, Sie sich, nicht nur in gleichem Strich; auf allen Sei- ten, um sich treiben, Und dadurch alle Ding’ erhellen, die neben, um und an uns seyn, Mit einem, durch der Luft Natur erregten, mittelbaren Schein. Der Betrachtungen uͤber die Natur Der Nutzen wird nicht fruͤh und spaͤt, in unsrer Daͤmm- rung nur, verspuͤhret; Auch wenn die Sonn’ am hoͤchsten steht, verschafft die Luft uns, und gebieret, Die staͤrksten Wirkungen des Lichts. Der Strahl selbst, den die Erd’ erhaͤlt, Schlaͤgt wieder ruͤckwaͤrts in die Luft; wo er aufs neu herunter faͤllt, Und alle Vorwuͤrf’ helle macht, durch ihr stets nieder- schlagend regen, Wodurch sie uns erwaͤrmt und leuchtet, durch ein bestaͤn- diges Bewegen. Denn daß die Luft, zusamt dem Licht, zugleich uns auch die Waͤrm’ erhaͤlt, Sie bald vermehret, bald vermindert, hat die Erfahrung festgestellt. Der Luft-Kreiß macht und unterhaͤlt um uns den allge- meinen Tag, Durch den man alles, was erschaffen, und koͤrperlich, zu sehn vermag; Der aber, wenn mans recht bedenkt, und sich nicht, wie bishero, irrt, Weit minder noch durchs Sonnen-Licht, als durch die Luft, verursacht wird. Dieß wird man nicht so leichtlich glauben. Wie? wird man sagen, wenn die Luft, Da sie der Sonnen Licht vereint, den Tag verursacht; (laß den Duft Einst, in Gedanken, sich verlieren) Wird man sodann die Sonne sehn, und dennoch keinen Tag verspuͤhren? Jch des Lichts und der Waͤrme. Jch will einst, so wie du, gedenken. Die Luft ist weg, es ist geschehn; Wir sehn die Erde nun enthuͤllet, und uͤber ihr die Sonne stehn. Fruͤh gehet, vor der Sonnen Aufgang, nun keine Daͤm- merung vorher: Die Morgen-Roͤth’ ist auch nicht da; weil alle Himmels- Theile leer, Und nichts darinn, woran das Licht, Und dessen schraͤger Strahl, sich bricht. Die allerdicksten Finsternissen bedecken uns bis zur Secunde, Da sich der Sonnen Koͤrper zeigt: Der bricht dann ploͤtzlich aus dem Grunde, Nicht groͤßer, als wir ihn des Mittags, in seiner groͤßten Hoͤhe, sehn, Und bleibt in dieser Form bestaͤndig, bis wieder zu dem Untergehn; Das dann fuͤr uns nicht minder schwarz, als wie die allerdickste Nacht. Nun wird die Sonne zwar die Augen, mit einer hell beflammten Pracht, Mit einem hellen Glanz, uns ruͤhren; Doch, da wir keinen Luft-Kreiß setzen, wird man sie anders nicht verspuͤhren, Als wie ein Feur, das in der Nacht, auf einem weiten Felde, brennt. Es ist zwar Tag, man sieht die Sonne, auch das, was sich von uns nicht trennt, Und Betrachtungen uͤber die Natur Und etwan alle nahe Vorwuͤrf’; allein, die Strahlen, welche fallen Auf Koͤrper, die ein wenig fern, verlieren sich den Au- genblick Jn die geraume Himmels-Tiefe, und kommen nicht auf uns zuruͤck: Dahero kann man sie nicht sehn, und spuͤhrt fast nichts von ihnen allen. Der Sonnen Glaͤnzen unerachtet, so ist es jedennoch gewiß, Auch bey derselben Gegenwart umgaͤb’ uns Nacht und Finsterniß. Anstatt der all erhellnden Weiße, (woraus die Tage meist bestehn, Und die uns die Natur entdeckt, da sie des Himmels Blau formieret, Und auch zugleich, auf unsrer Welt, mit Farben den Gesichts-Kreiß zieret) So wuͤrden wir nur schwarze Tiefen, und einen dunklen Abgrund, sehn, Jn welchen, von der Sonnen Strahl, kein einzger Vor- wurf zu erblicken, Der faͤhig, das empfangne Licht auf unsre Welt herab zu schicken. Zwar wuͤrden wir, am Firmament, die Gegenwuͤrfe sich vermehren, Und, nebst der Sonn’, auch Sterne sehn; doch kann uns dieß noch mehr erklaͤren, Daß, des Lichts und der Waͤrme. Daß, sonder Luft-Kreiß, auch kein Tag auf unsrer Erde koͤnnt’ entstehn: Weil bloß die Luft, durchs Reflectiren, der Sonnen Schein so sehr verstaͤrkt, Daß man, durch das vermehrte Licht, der Sterne Ge- genwart nicht merkt. Und also wuͤrde zwar die Sonne sich uͤber unserm Haupt erhoͤhn; Doch wuͤrden wir, wo unser Luft-Kreiß nicht da waͤr, oder sollte schwinden, Uns, selber bey der Sonnen Glanz, in einer steten Nacht befinden: Jn welcher dann, mit unsrer Nacht, sich noch ein solcher Unterscheid Eraͤugen wuͤrde, daß, da jetzt, in einem angenehmen blauen, Und einem lieblich-holden Grunde, das funkelnde Gestirn zu schauen; Der Grund dann wuͤrde dunkel seyn, und schwarz, recht als ein Trauer-Kleid. Wie? wirfst du mir vielleicht noch weiter, bey diesen meinen Schluͤssen, ein: Soll denn der schoͤne blaue Himmel hinfuͤro nun nichts anders seyn, Als wie ein wenig Luft und Wasser? Soll denn nur bloß, von unsrer Erden, Als ein’ um sie gespannte Decke, der Himmel angesehen werden? Jch spreche: Ja. Und dieses ist ein solches Wunder, welches wir Besonders zu bewundern haben. Uns zeiget diese Ord- nung hier 8 Theil. A a Recht Betrachtungen uͤber die Natur Recht klar und uͤberzeuglich an, daß des selbststaͤndgen Schoͤpfers Wesen, Von Seiner vaͤterlichen Lieb’, als einen Vorwurf, uns erlesen. Zwar scheinen Luft- und Wasser-Blaͤschen von nicht besonderm Wehrt zu seyn, Und, zu so einer großen Probe, zu klein und zu gering. Allein, Des Schoͤpfers weise, maͤchtige und Gnaden-reiche Allmacht-Hand Hat sie mit solcher Kunst geordnet, so kuͤnstlich um die Welt gespannt, Damit der Flammen-reichen Sonne, zusamt so vieler Sterne, Schein, Fuͤr uns, mit allen ihren Strahlen, nicht sollten sonder Nutzen seyn. “Gott kann bereichern und verschoͤnern, das, was Er will. Nach Seinem Willen “Muß, auch aus Luft- und Wasser-Blaͤschen, ein Schatz von Ehr- und Nutzen quillen. “Er weiß aus ihnen, uns zum Besten, (1) die sanften Daͤmmrungen zu ziehn, “Durch sie die Augen zum Empfang (2) des großen Lichtes zu bereiten. “Er laͤsset, bloß durch dieses Mittel, (3) der Morgen- Roͤthe Rosen bluͤhn; “Er bringt aus ihnen, uns zum Besten, (4) des Ta- ges Glanz und Herrlichkeiten, “Die uns die Sonne selbst nicht reicht. Er hat sie zubereiten wollen, “Daß sie zugleich auch, von der (5) Waͤrme, uns zu Behaͤltern dienen sollen, “Die des Lichts und der Waͤrme. “Die alles das, was lebet, naͤhrt. Er hat (6) den hellen blauen Bogen, “Der uͤberall das Aug’ ergetzt, aus ihnen, um die Welt gezogen, “Als unsrer Wohnung schoͤn Gewoͤlbe. Der Schoͤpfer haͤtt’ es koͤnnen schwaͤrzen; “Allein, der Schwaͤrze Dunkelheit betruͤbt und schrecket unsre Herzen. “Die rothe Farbe, nebst der weissen, dient auch zu die- sem Endzweck nicht: “Die Augen wuͤrden uns verletzet durch solcher Farben blendend Licht. “Die gelbe dient der Morgen-Roͤthe; auch staͤche, wenn der Himmel ganz “Jn einer gelben Farbe brennte, davon nicht ab der Sternen Glanz. “Der schoͤne Bogen haͤtte zwar, in einem angenehmen Gruͤnen, “Zu unsrer Lust, nicht minder schoͤn, und voller Lieb- lichkeit, geschienen; “Allein, dieß ist die holde Farbe, mit welcher Gott die Welt geschmuͤckt, “Die man, als einen schoͤnen Teppich, stets unter un- serm Fuß erblickt. “Das Blau hat dieß noch uͤberdem, daß, sonder Haͤrt- und Traurigkeit, “Es, durch noch einen dunklern Grund, die Stern’ erhebt, und uns erfreut. A a 2 So Betrachtungen uͤber die Natur So kuͤnstlich ist dieß Luft-Gebaͤude, daß, ob es gleich sehr dick und dicht, Es doch so klar ist, so durchsichtig, daß auch der fernen Sterne Licht Durch den behenden Koͤrper strahlt, durch ihr so zartes Wesen bricht. Jch frage dann vernuͤnftge Seelen, warum des Schoͤp- fers Wunder-Hand Das ausgedehnte Luft-Gewebe um unsern Erden-Kreiß gespannt? Ein sich und uns betriegender Philosophus irrt, wenn er meynet, Und saget, daß er ihm ein Hefen von jenen regen Wir- beln scheinet. Da gegentheils ein redliches und mehr erleuchtetes Gemuͤth, Jn diesem Wunder, Wunder-Proben von einer weisen Ordnung sieht, Und auch von Gottes Macht und Liebe, wodurch, mit solchen reichen Schaͤtzen, Da diese Welt fuͤr uns gemacht, Er uns gewollt, und will, ergetzen. Nun laßt uns noch, bewundernd, sehn, wie Gott auch unsre Welt bezirket Mit Theilen einer suͤßen Waͤrm’, und wie die Sonn’ in ihnen wirket. Der Schoͤpfer, wie Er unsre Sonne formieret, und ihr eine Stelle Jm tiefen Himmel angewiesen, hat sie zum Mittelpunct gemacht, Aus welchem Licht und Farben quillen. Sie zeiget uns der Erden Pracht, Jn schoͤnen Farben; macht dabey der dunklen Erden Flaͤche helle, Und des Lichts und der Waͤrme. Und alle Creaturen sichtbar. Doch Gottes Weisheit hat anbey, Zu zeigen, wie es Seiner Weisheit und Macht so leicht und moͤglich sey, Aus einem einzgen Jnstrument verschiedne Wirkungen zu bringen, Dieß große Wunder-Rund bestimmt, zugleich ein richtig Maß von Hitz’ Und Waͤrm’ auf Erden auszuspenden; wodurch dieselbe allen Dingen, Den Menschen, Thieren, und den Pflanzen, auf mehr als eine Weise, nuͤtz. Zwar kann die Waͤrme denen Koͤrpern, im eigent- lichen Sinn, das Leben, Jmgleichen ihres Wesens Bau, und ihren Unterhalt, nicht geben; So haben auch die Elementen, wodurch sich jeder Koͤr- per naͤhrt Und zunimmt, ihr besondres Wesen, das zu der Waͤrme nicht gehoͤrt. Allein, man nennet sie dennoch, mit Recht, belebend: weil von ihr Die Elementen in Bewegung gebracht; auch aller Koͤr- per Theile, Durch sie, zum Wachsthum ausgedehnet, und zu der vollenkommnen Zier Gebracht, zu welcher sie bestimmt. Durch Waͤrme sind die Wind’ in Eile Erzeugt, wie sie die Luͤfte dehnt. Durch Waͤrm’, indem sie aus der See Das Wasser hebt, und es, in Duͤften verbreitend, maͤh- lich in die Hoͤh, A a 3 Mit Betrachtungen uͤber die Natur Mit einem regen Triebe, zieht, erfrischt sie alles durch den Regen, Und bringet Menschen, Pflanzen, Thieren, Trank, Nah- rung, Ueberfluß und Segen. Sie macht, daß wir die Sonne wuͤnschen; dieweil man keinen schoͤnen Tag, Ohn’ eine holde Waͤrme, fuͤhlen, kaum athmen, und kaum leben mag. Die Laͤnder werden in so fern nur angenehm und hoch geschaͤtzet, Als sie der Sonne nahe liegen, und unter ihren Strahl gesetzet. Uns grauet vor den Laͤndereyen, auf welche sie nur seit- waͤrts faͤllt; Wie man denn die, wo sie nicht scheint, fast gleichsam nur fuͤr Graͤber haͤlt. Und, weil die Sonne jeden Vorwurf auch waͤrmet, welchen sie erhellt, Wird sie die Seele der Natur mit Recht geheissen, und der Welt. So wie das Herz, in unsern Koͤrpern, das rege Feuer- reiche Blut, Jm Druck, den ganzen Leib durchtreibt, und uns dadurch belebt, erhaͤlt; So scheint die Sonne, da dieselbe den Stoff des Lichtes und der Gluht (Der um und in den großen Koͤrpern sich waͤlzender Planeten ruht) Jn stetige Bewegung bringt, und dadurch solche Wunder thut, Mit Wahrheit und mit Recht zu nennen das Herz der Planetarschen Welt. Und des Lichts und der Waͤrme. Und dennoch muͤssen wir ihr Wesen nicht gar zu groß, und hoͤher, schaͤtzen, Als es die Wahrheit uns erlaubt; noch sie in einen Rang versetzen, So keiner Creatur gebuͤhrt: wie es von manchem Volk geschehn, Und von verschiednen Philosophen, die sie als Ursprung angesehn, Von allem Licht und allem Feuer. Auch bey der Sonne fernen Pracht, Und mitten in der dicksten Nacht, Jst noch bey uns ein Feur vorhanden. Der Schoͤpfer macht, daß eine Gluht, Sowohl in unsrer niedern Luft, als oben in der Erde, ruht; Ein Element, das voller Kraft und Schnelligkeit: man wuͤrd’ es koͤnnen, Mit Recht, da es fuͤr uns allein gemacht, ein irdisch Feuer nennen. Dieß unterhaͤlt uns unser Lebe n , und hat sein Wesen nicht vom Licht, Jmgleichen von der Sonne nicht; Doch wird es von der Kraft derselben und ihrer immer regen Macht, Zu aller Creaturen Nutzen, belebt und in Bewegung bracht. Es ist, ob es gleich nicht zu sehn, doch gegenwaͤrtig in der Nacht, Da es zuweilen unsern Augen sich, in den Funken, sicht- bar macht. Am hellen Tage wird es nur durchs Sonnen-Feur ge- preßt, gerieben, Jn einen starken Drang gesetzt, und heftig nach uns her getrieben: A a 4 Daß Betrachtungen uͤber die Natur Daß also, weder Sonn’ noch Funke, das eigentliche Licht erregt; Nein, daß es nur, durch ihren Trieb, sich in vermehrter Kraft bewegt. Waͤr’ auch das Licht ein wahres Feuer; so waͤre doch der Sonnen Schein Ein praͤcht- und herrlichs Jnstrument, das solches zu uns treibt, allein Bestimmet, den Gebrauch des Feuers, durch allgemeinen Druck, von weiten, Da er dem Licht ihn einverleibt, zu unserm Nutzen zu bereiten: Und wird man hoͤher, als die Sonne, mit seinem Den- ken, steigen muͤssen, Den Ursprung einer solchen Ordnung, und den Bewe- gungs-Grund zu wissen. Doch wird man von der Absicht Des, Der diese Ord- nungen regiert, Und ihrer Trieb-Kraft Federn macht, recht uͤberzeuglich uͤberfuͤhrt. Man wird so gar erstaunen muͤssen ob aller Vorsicht, die geschehen, Wodurch wir unser Leben selbst dann auch zugleich ver- laͤngert sehen, Wenn man noch (ausser jenem Licht, das alle Dinge fuͤllt) erwegt, Wie Gott, so bey, und bloß fuͤr uns, so in die Rinde unsrer Erde, Als in den untern Kreis der Luft, ein schnelles Element gelegt, Voll Kraͤfte; welches wehrt, daß es ein irdisch Feur genennet werde. Daß des Lichts und der Waͤrme. Daß dieses Feuer, unaufhoͤrlich, das Leben in der ganzen Welt, Doch von der Sonnen nicht verursacht, noch von dem Licht, das Seyn erhaͤlt; Auch daß das, so es von der Sonnen empfaͤngt, in anders nicht bestehet, Als in dem Druck und schnellen Drang, des hellen Lich- tes Fluͤßigkeit, Als durch ein Mittel, dessen reg- und fliessende Be- schaffenheit Vom Feur sich bis zur Sonn’ erstreckt, von einem bis zur andern gehet; Daß solch ein Feuer um uns ist, auch daß dem Feur das Licht nicht eigen: Davon will ich euch klare Proben, statt ungewisser Schluͤsse, zeigen. 1) Man kann ein’ angenehme Waͤrme in einem dunklen Ort verspuͤhren, Und ein hellglaͤnzend Licht, durchs Fenster, in ein sehr kaltes Zimmer fuͤhren. 2) Das Feur in einer warmen Stube ist fuͤhlbar, obgleich unser’ Augen, Die sonst so leicht geruͤhret sind, davon nichts zu be- merken taugen; Jndem das Feur, wie stark es gleich, da es vertheilet und verbreitet, Wenns nicht gepreßt wird und gedrengt, das Licht nicht nach dem Auge leitet: Da gegentheils, das Licht vom Mond, das Auge trifft im Wiederschlag, Und doch auch, die geringste Waͤrm’ auf uns zu wir- ken, nicht vermag. A a 5 So Betrachtungen uͤber die Natur So koͤnnen wir demnach ein Feur, ohn’ allen Glanz und Schimmer, finden; Und auch zugleich ein helles Licht, wovon wir keine Waͤrm’ empfinden. 3) Wir werden auch noch ferner leicht das Licht vom irdschen Feuer trennen, Und, daß sie oͤfters nicht vereint, annoch viel klaͤrer zeigen koͤnnen. Laßt uns nur auf der Alpen Spitzen, und Pic von Teneriffa gehn, Zumalen auf die Cordeliere in Perou, welche von den Hoͤhn Der Erde wohl die allerhoͤchsten. Man wird sodann, vermuthlich, denken, Weil wir, in einer solchen Hoͤhe, uns naͤher zu der Sonne lenken, Daß es daselbst wird heisser seyn. Allein, man wage dieses nicht Jn duͤnnen Kleidern; weil es uns an Waͤrme dorten noch gebricht, Auch in den allerdicksten Pelzen: Je hoͤher wir dort kommen werden; Je mehr empfinden wir von Kaͤlte und strenger Schaͤrfe die Beschwerden. Des Pico Luft, der vom Æquator nicht weiter liegt, als achtzehn Grad, Jst schneidender, als man dieselbe, im staͤrksten Frost, in Deutschland hat, Ob wir gleich mehr als funfzig Grad davon entlegen. Dieß ist wahr Durch uͤberzeugliche Erfahrung. Nun wird schon allgemaͤhlich klar, Ob des Lichts und der Waͤrme. Ob unser Feuer und die Hitze Von oben komme, oder nicht vielmehr in niedern Oer- tern sitze. Weil aber man noch denken koͤnnte, Daß, durch den Wiederschlag der Ebne, vielleicht das Feuer staͤrker brennte; So laßt uns, statt gespitzter Berge, der Cordeliere in Perou Hoͤhn Betrachten, die, wie andre Berge, aus Pyramiden nicht bestehn: Nein, wo, im Gegentheil, man Ebnen von vielen hundert Meilen findet, Und wo man eine reine Luft, und ein sehr heitres Licht, empfindet; Jndem sie uͤber alle Wolken belegen, wo des Lichtes Schein, Durch den geraden Sonnen-Strahl, vor andern muͤßte kraͤftig seyn. Kein Wind ist, der dasselbe schwaͤchen, Kein Nebel, der es koͤnnte brechen; Und dennoch ist es sonder Hitze: Es schmilzt kein Schnee, der dorten liegt; Auch wachsen keine Pflanzen da. Wenn jemand sich hieher verfuͤgt, Das ohn Gefahr dann nicht geschicht; muß er sich, wie im Norden, decken: Und trifft er oft erfrorne Koͤrper, an diesem rauhen Ort, mit Schrecken, Von Thieren und von Menschen, an, die lange dauren; da von Winden, Von Hitze, Regen, und von Wuͤrmern, gar nichts an diesem Ort zu finden. Waͤr Betrachtungen uͤber die Natur Waͤr nun im Licht zugleich ein Feuer; so muͤßte hier des Lichtes Schein, Vom Wind und Duft nicht unterbrochen, auch voller Waͤrm’ und Hitze seyn: Und dennoch funkelt hier ein Licht voll Glanz, und auch im Wiederschlag, Wovon man eine Spuhr von Hitze dennoch zu fuͤh- len nicht vermag. Daher ich dann nicht anders schliesse, als: Da das Licht, so wir empfangen, Begleitet ist mit vieler Hitze, wir selbige dadurch erlangen, Daß es auf uns ein Feuer preßt, das es in unsrer Gegend findet, Und das man nicht an hohen Oertern, wo es so haͤu- fig nicht, empfindet. 4) Wenn wir von hohen Bergen steigen, und uns gemach herab verfuͤgen, Empfindet man die Luft nicht mehr so scharf, und siehet mit Vergnuͤgen, So wie man immer tiefer koͤmmt, den aufgeloͤs’ten Schnee zergehn, Und, etwas tiefer, Kraͤuter, Bluhmen, Gebuͤsch und gruͤne Baͤume stehn; Jnzwischen daß den obern Gipfel, wie hell sich gleich das Licht entdeckt, Dennoch ein nie geschmolzner Schnee, unaufgeloͤs’tes Eis, versteckt. Bald komm’ ich in die Waͤlder selbst, und, wenn die Sonne kaum zugegen, Bin ich gezwungen, meine Kleider, fuͤr Hitze, von mir abzulegen; Die des Lichts und der Waͤrme. Die mich doch, oben auf den Bergen, kaum fuͤr den scharfen Frost beschuͤtzt: Daher denn das, was in der Ebne, in der Veraͤnd- rung, mich erhitzt, Jn dem daselbst vorhandnen Feuer, und in dem Lichte, nicht zu finden. Vorher verließ die Waͤrme mich, so wie ich von den niedern Gruͤnden Mich allgemach entfernete: Und alles zwinget mich, zu denken, Daß alle Waͤrm’- und Feuer-Theile an niedre Oerter sich verschrenken. 5) Mein erster Argwohn staͤrket sich noch durch ein neu Experiment. Wenn in dem Heerd, vom hohlen Spiegel, man einer Kohle, welche brennt, Entgegen ein auf funfzig Fuß entferntes Brennglas haͤlt; entzuͤndet Ein Vorwurf sich, der Flammen faͤhig: anstatt daß von dem Monden-Schein, Wenn auch die Strahlen, in dem Spiegel, fuͤnf hun- dertmal verstaͤrket seyn, So wenig Waͤrme wird gewirkt, daß sich ein Wetter- Glas, so man, Wenn eine warme Hand sich naht, veraͤndern und bewegen kann, Sich im geringsten nicht bewegt. Es zeigt dann eine kleine Gluht Weit mehr und groͤßere Gewalt, als wie ein großes Licht nicht thut. Es Betrachtungen uͤber die Natur Es brennt vielleicht auch selbst ein Licht Fuͤr sich, durch eigne Kraͤfte, nicht, Und nur durch die Dazwischenkunft des Feuers, das durchs Licht vertrieben, Wenn dieses zu gewisser Staͤrke der Heftigkeit gebracht. Man findet, Daß, wenn im Brennglas es gebogen, es heftiger das Feur entzuͤndet, So es daselbst trifft und begegnet, und welches in der Luft geblieben. Doch wollen wir dem Licht den Ruhm, den es bisher gehabt, nicht rauben, Und ferner, daß es waͤrm’ und brenne, so weit die Kraft sich strecket, glauben. Obgleich, was wir vorher erwiesen, uns an dem Vor- zug zweifeln laͤßt; So ist es schon fuͤr uns genug, wenn man ein irdisch Feuer fest Und ausser allen Zweifel setzt, in welchem wir auf Erden leben, Und das man fuͤhlet, wenn die Strahlen der Sonnen ihm den Eindruck geben, Es preßt, und kraͤftig auf uns treibt; das auch das Licht, in dunkler Nacht, Wenn es dawider stark gedruckt und sehr gepreßt wird, glaͤnzend macht. 6) Das Licht drengt, ohne Hinderniß, durch Glas, Chrystall und Edelstein; Doch hoͤret die Durchsichtigkeit der Koͤrper auf, samt ihrem Schein, So bald des Lichts und der Waͤrme. So bald das Feuer sie durchdringt und gluͤhend macht. Es ist daher Das Feur so wenig selbst das Licht; daß es, im Ge- gentheil, vielmehr Es ruͤckwaͤrts drengt, es ganz vertreibet, So daß ihm, durch dieselben Koͤrper, durchaus kein Durchgang uͤbrig bleibet. 7) Das Sonnen-Licht, das auf den Bergen, auch wenn der Sommer uns erhitzt, Dennoch mit schwacher Waͤrme blitzt, Weil es da so viel Feur nicht findet zu einem hefti- gen Gedrenge, Treibt, mit so großer Heftigkeit, das, welches, in weit groͤßrer Menge, Jn unsrer untern Luft vorhanden, und setzet es in solche Wut, Daß, wenn die Sonne gleich hinweg, man dennoch, in der Nacht, die Gluht Und eine schwehre Hitze fuͤhlt. Wofern das Licht das Feuer waͤr; So wuͤrden wir weit groͤßre Waͤrme, so vor als nach der Sonnen-Wende, Und in dem Julio nicht mehr, Als in dem Monat May, verspuͤhren: Bey dieser beyden Monat’ Ende Jst ja das Licht von gleicher Staͤrke. Das Licht des Morgens, fruͤh um Neun, Stimmt mit dem Licht des Nachmittags, um Drey, vollkommen uͤberein: Allein, Betrachtungen uͤber die Natur Allein, das erste faͤngt nur an, das Feuer bey uns anzuschuͤhren; Statt daß die aufgebrachte Gluht die Heftigkeit laͤßt staͤrker spuͤhren, Sie auch noch laͤnger unterhaͤlt, auch bey schon unter- gangnem Licht. Es reizt demnach das Licht das Feuer, und ist das Feuer selber nicht. 8) Wodurch wir, allem Ansehn nach, in diesem Jrr- thum uns befinden, Jst, weil wir sehen, daß sie meist beysammen seyn, und sich verbinden. Und wir vermeynen, daß, ein Strahl vom Licht, ein Strahl sey von der Gluht, Wenn ersterer, im hohlen Spiegel, im Brennen solche Wirkung thut: Da es, in der vereinten Strahlen gedrungnem Mit- telpunct und Heerd, Fast alles, was sich da befindet, zerstoͤhret und in Kalk verkehrt. Allein, es brennt vielleicht das Licht daselbst nicht staͤrker, als es brennt An allen Orten: Seine Kraft ist hier nur weniger getrennt, Und es vereint sich staͤrker hier. Auch treibt es hier des Feuers Flammen Weit mehr und heftiger zusammen, Die es in dieser Gegend findet; doch bringt das Licht sie nicht hinein: Und muß daher von uns das Licht nicht mit dem Feur vermischet seyn. So viel des Lichts und der Waͤrme. 9) So viel Beweisthum wir nun haben, daß in der allgemeinen Welt Das Licht sich uͤberall befinde; so bleibt es ja so fest gestellt: Es sey das Feuer, uns zu Dienst, (nicht, wie der Stagirith gemeynet, Jm Obertheil der duͤnnen Luft, noch in dem Licht, wie es uns scheinet; Nein!) in der untern Luft, ja gar so auf als in der Erde Gruͤnden, Jn unsrer Nachbarschaft, zu finden. Es ist das Element des Feuers, selbst in dem Wasser, das uns traͤnkt, Auch in der Luft, wodurch wir athmen, auch in der Erde, die uns naͤhrt, Zu unserm Besten, eingeschrenkt. Und dieß wird folgends leicht erklaͤrt: Das Wasser, wenn es ohne Feuer, wird Eis, und fließt fuͤr uns nicht mehr; Die Luft ist sonder Feur unleidlich, die Erde ganz von Kraͤften leer. Das Feuer ist dann allenthalben; wird um- auch unter uns, verspuͤhrt, Und ist uns stets zum Dienst bereit: so daß man seine Kraft verliert, Wenn man erhabner’ Oerter waͤhlt, als die uns Gott, in diesem Leben, Zu unserm Wohnplatz eingegeben. 8 Theil. B b “Jst Betrachtungen uͤber die Natur “Jst es demnach nicht angenehm, daß, da wir von dem Element, “So uns so großen Nutzen bringt, den eigentlichen Sitz ergruͤnden; “Wir eine Probe von der Guͤte des Schoͤpfers uͤber- zeuglich finden, “Und man, in dieser großen Gabe, Desselben weise Lieb’ erkennt; “Auch, daß man von des Jrrthums Nebel zugleich sich mehr und mehr entfernet, “Und in der Sonn’, in Waͤrm’ und Licht, die Wege der Natur erlernet? “Hiedurch wird es in unserm Geist selbst licht; und eine neue Klarheit “Entdeckt uns eine neue Spuhr zu der so lang gesuch- ten Wahrheit, “Dem rechten Vorwurf unsers Geistes, nach welchem unsre Seele strebt, “Obgleich der Jrrthum sie fuͤr uns in einen tiefen Born begraͤbt. “Die Wahrheit, ob sie uns gleich, leider! fast bloß dem Namen nach, bekannt, “Zieht doch, wie der Magnet das Eisen, den unter- suchenden Verstand, “Durch innerlich- geheimen Trieb, nach ihrem reinen Himmels-Licht. “Thut nun ihr Name schon so viel; was wirkt ihr Wesen selbst wohl nicht, “Das hier auf Erden zwar vorhanden, doch mehren- theils noch sehr verstecket, “Und welches uns ein ander Leben, vermuthlich, aller- erst entdecket? Nun- des Lichts und der Waͤrme. Nunmehro treibt mich meine Pflicht, erkenntlich einst zuruͤck zu denken Auf alles Gute, was mir Gott, im abgewichnen Jahr, erwies, Was Er mir gab, was Er mir ließ; Was Er annoch dazu, von neuem, mir und den Meini- gen zu schenken, So gnaͤdig uns gewuͤrdigt hat. Was, seit so vielen Jahren her, Mein Wunsch und mein Verlangen war: mein Amt, das ich bisher gefuͤhret, Von meiner Vater-Stadt entfernt, gesund, mit Nutzen, und mit Ehr, Zuruͤck zu legen; ist erfuͤllt! Jch bin nun wieder ange- langet Daselbst, wo Hamburg noch, Gott Lob! in unverruͤck- tem Schimmer pranget. So viele sonderbare Faͤlle, die mir, in den verfloßnen Jahren, Auf nicht so leicht erlebte Weise, zusamt den Meinen, wiederfahren, Wovon ich vieles schon gemeldet; sind meist zum Guten ausgeschlagen. Brand, Wassers-Noth, Pest, Mißwachs, Krieg, samt annoch mehrern Landes-Plagen, Beruͤhrten unsre Graͤnzen zwar; doch hat des Hoͤchsten Vater-Hand Sie alle, so daß es kaum glaublich, recht wunderbar von uns gewandt, Und uns in Seinem Schutz erhalten. Der Schoͤpfer hat mir wollen goͤnnen, Daß ich den Ort geschmuͤckter, schoͤner, gesegneter, ver- lassen koͤnnen, B b 2 Als Betrachtungen uͤber die Natur Als wie ich ihn, beym Antritt, fand. “Allmaͤchtiger Regierer, Dir, “Aus Welchem alles Gute stammet, sey Ehre, Preis und Dank dafuͤr! Jch wuͤrde, mit besondrer Lust, von allem noch ein mehrers schreiben: Doch, nicht den schwarzen Neid zu reizen, muß es hier, leider, unterbleiben; Zumal ich vieles aufgezeichnet, so meistens schon das Licht gesehn, Und das auch von dem uͤbrigen, vielleicht mit ehstem, wird geschehn. Doch muß ich noch, fuͤr alle Lieder, die, Herr, durch Deine Gnad’ allein, Von Dir und Deinen Wunder-Werken, daselbst von mir verfertigt seyn, Dir ein besondres Dank-Lied bringen. Mir gab der stillen Einsamkeit, Von allem Laͤrm entfernte Ruhe, gar oft dazu Gele- genheit. Die Vorwuͤrf’ unserer Bewundrung, am Himmel, auf dem Land’ und Meere, Entdecken mehr, als in den Staͤdten, sich dorten, Herr, zu Deiner Ehre. Der Mond, die Sonne, Felder, Waͤlder, die Fluth, die Schimmer-reichen Sterne, Bebluͤhmte Gaͤrten, Berg und Thal, sind dort, in einer offnen Ferne, Von stolzen Haͤusern unbehindert, in einer groͤßern Weite, schoͤn, Den freyen unverschraͤnkten Blicken, zu allen Zeiten, zu besehn. Es des Lichts und der Waͤrme. Es spornte der zu aller Zeit mir unverhohlne Schmuck mich an, Daß ich, zu meiner Lust, und Dir zur Ehre, manches Lied begann; So, ohne die entdeckten Vorwuͤrf’, im Himmel, auf dem Land’ und Meere, Wo alles voll von Deinen Wundern, vermuthlich unter- blieben waͤre. “Jch preise dann, in froher Andacht, mit unvergessen- dem Gemuͤthe, “Fuͤr den dadurch erregten Klang von meinen Liedern, Deine Guͤte! “Und wuͤnsch’ aus innerm Trieb der Seele, daß sie mir, doch nicht mir allein, “Auch andern Neben-Menschen, nuͤtzlich; Dir aber nicht mißfaͤllig, seyn! Nunmehro, da ich, Herr! durch Dich und Deine Huld zuruͤck gekommen, Und wieder meinen vorgen Sitz und Aemter ein- und uͤbernommen, Wobey ich aller Meinigen so Wohlfahrt- als Gesund- heit-Stand, (Dir, Herr, sey Lob und Preis dafuͤr!) so wie ich sie gelassen, fand; So fordert meine tiefe Pflicht, Herr, Deine Gnade zu besingen, Und, fuͤr das laͤngst gewuͤnschte Gluͤck, ein Freuden-Opfer Dir zu bringen. B b 3 Herr, Betrachtungen uͤber die Natur Herr, Der Du allgegenwaͤrtig, uͤberall den Zep- ter fuͤhrest! Herr, Der Du, wie alle Welt, alle Umstaͤnd’ auch regierest! Da Du mich, wie ich gewuͤnscht, hier gesund zuruͤck gebracht; So erkenn’ ich Deine Weisheit, lobe Deine Lieb’ und Macht. “Ach laß mich dann auch, wie zuvor, mein Amt mit Redlichkeit verwalten, “Das Gute zu befoͤrdern suchen, und manchem Men- schen nuͤtzlich seyn! “Laß aber auch, bey diesen Pflichten, mich nicht in jener Pflicht erkalten, “Jn Deinen Werken Dich zu suchen, und den darinn verhuͤllten Schein, “Von Deiner Lieb’ und weisen Macht, mit Andacht- voller Lust zu sehen! “Ach laß die Wunder der Natur, die bloß allein durch Dich geschehen, “Mich ruͤhren, und bestaͤndig reizen, in ihnen Dich nur zu erhoͤhn! “Laß mich, zumal im schoͤnen Licht, durch welches alle Koͤrper schoͤn, “Dein Segen-reiches Daseyn spuͤhren, Dich, unbegreif- lichs Licht, entdecken, “Und Deine Freundlichkeit im Licht, so wie in allem, sehn und schmecken! “Es komme das, zu Deinen Ehren, beschriebne Leben auf dem Lande, “Zum Nutzen meines Neben-Menschen, und meines eignen, bald zum Stande! “Ach des Lichts und der Waͤrme. “Ach laß dann auch in diesem Jahr, so mir, als auch den lieben Meinen, “Jm Zeitlichen, wo es uns nuͤtz, die Sonne Deines Segens scheinen! “Bis daß dereinst, nach dieser Zeit, von dieser Wall- fahrt aufgenommen, “Wir alle, Dank- und Lobes-voll, zu Deinem ewgen Lichte kommen. Schluß. Einziger Ursprung unendlicher Kraͤfte, Born des Erschaffenen, Quelle des Lichts, Ewig-selbststaͤndige Klarheit und Wahrheit, mehre die Schaͤrfe des Seelen-Gesichts! Gieb uns, von Deinen Geschoͤpfen geruͤhret, in den Geschoͤpfen, Dein schaffendes Wesen, Als ein allmaͤchtiger Urstand von allem, voller Be- wundrung erstaunet, zu lesen! Laß uns, im Jnnersten unserer Seelen, wuͤrdige Bilder formieren, und denken: Daß wir, zu Deiner Verherrlichung, schuldig, auf die Geschoͤpfe die Sinnen zu lenken, Und, durch die irdische Schoͤnheit geruͤhret, Von den Geschoͤpfen zum Schoͤpfer gefuͤhret, Dir, voll Erstaunen, Vergnuͤgen und Ehrfurcht, unsere Seelen zum Opfer zu schenken. B b 4 Der Der Sonntag. Neu-Jahrs-Gedicht aufs Jahr 1743. N unmehro waͤlzet sich die Erd’ in ihrem großen schraͤgen Kreise, Auf die bisher gewohnte Weise, Nicht ferner aufwaͤrts um die Sonne; sie faͤnget, sich nunmehr zu lenken, Und wieder abwaͤrts sich zu senken, Zu unserm Heil, von neuem, an. Die Strahlen, die, nach unserm Stand, Uns bis daher nicht treffen koͤnnten, weil wir von ihnen abgewandt, Die seitwaͤrts sich verspreiteten, da wir jetzt wiederum hernieder Jn unsern schraͤgen Kreis-Lauf kommen, die treffen uns von neuem wieder, Und praͤgen uns und unserm Luft-Kreis, durch ihren regen Wunder-Schein, Nach dem durch sie vertriebnen Frost, Licht, Fruchtbar- keit und Leben ein. “O Gott! Der Du, nebst allen Himmeln, auch unsre Welt so richtig lenkest, “Und, durch derselben schraͤgen Lauf, so ungezaͤhltes Gut uns schenkest: “Wir preisen billig Deine Liebe, wir ruͤhmen Deine weise Macht, “Daß Du uns wunderbar erhaͤltst, so wie Du uns hervorgebracht. “Wo Der Sonntag, ein Neu-Jahrs-Gedicht. “Wo wir, in Deiner weisen Fuͤhrung, uns, fuͤr Be- wundrung, je verlieren, “Wo irgend Deiner Weisheit, Lieb’ und Allmacht Ausbruch zu verspuͤhren; “So ist er in des Kreises Schraͤge, worinn der Schoͤp- fer unsre Welt “So richtig um die Sonne fuͤhrt, so ordentlich darinn erhaͤlt, “Woraus die Jahres-Zeiten stammen, und so viel Wunder-Ding’ entstehen, “Und so viel Guts gewirket wird, mit tiefer Ehrfurcht zu ersehen. “Wir preisen dann, mit Lust und Andacht, zumal zu dieser Wechsel-Zeit, “Jn ehrerbietigster Bewundrung, Dein’ Allmacht, Weisheit, Guͤtigkeit, “Und freuen uns, daß wir hierinn den Vorzug vor den andern Thieren, “Jndem wir Deine Macht bemerken und preisen koͤn- nen, deutlich spuͤren: “Der, vor denselben, ins besondre nur uns gegoͤnnete Verstand “Macht uns Dein unleugbares Daseyn, in Deiner Werke Pracht, bekannt. “Unendlichs Wesen aller Wesen! ach moͤchten aller Menschen Seelen “Dein weises Walten doch erkennen, und Deiner Wun- der Meng’ erzaͤhlen! “Du Quell der Ewigkeit und Zeit, laß von der Zeit, die uns verliehn, “Uns doch, mit Andacht und mit Lust, und mit Auf- merksamkeit, bemuͤhn, B b 5 “Hier Der Sonntag, “Hier einen Theil Dir aufzuopfern! HERR! laß uns doch, in unserm Leben, “Jn der Bewundrung Deiner Werke, zuweilen uns zu Dir erheben, “Und, von den Tagen, die wir hier, den, welchen Du Dir Selbst geweiht, “Zu der Betrachtung Deiner Wunder, zum Preise Deiner Herrlichkeit, “Besonders suchen anzuwenden!„ Jch will mich wenigstens bemuͤhen, So mich als dich, geliebter Leser! zu dieser unsrer Pflicht zu ziehen. Dieß soll, zu dieser Wechsel-Zeit, mein Gott geweihtes Opfer seyn. Ach stimmte doch mit meinem Wuͤnschen auch dießmal mein Vermoͤgen ein! So wie wir Tag und Nacht in Stunden; so theilen wir, von unsrer Zeit, Nach dem bestimmten Lauf des Monds, mit Regel- rechter Richtigkeit, Ein jedes Jahr, in Wochen ein. Der Sonntag macht den Unterscheid; Jndem wir, eben durch denselben, bestaͤndig jede Woch’ erneuren. Wir sondern ihn von andern Tagen, in guter Ordnung, ab, und feyren, An selbigem, von aller Arbeit. Den Sonntag hat die Christenheit Zu ihrem Gottes-Dienst geheiligt, und der Religion geweiht. Dieß ein Neu-Jahrs-Gedicht. Dieß ist nun heilsam, billig, noͤthig, doch einen Theil von unserm Leben Der ewgen Quell der Zeiten, Gott, so viel an uns, zu uͤbergeben, Und, neben ihr, uns Jhm zu widmen. Dieß zeigt uns die Vernunft nicht nur, Zusamt dem Beyspiel vieler Voͤlker; wir haben eine klare Spuhr, Daß es der Schoͤpfer Selbst geboten. Es soll, spricht Er, von allen Tagen, Der siebende Mir heilig seyn. Jst es mir nun erlaubt, zu fragen: Wie heiligen wir diesen Tag? Wir wirken nicht. Gut. Wie denn mehr? Wir gehen zweymal in die Kirche; und dieses thun wir Gott zur Ehr. Gut. Was geschicht dann in der Kirche? Wir hoͤren Gottes Wort, wir singen, Wir beten, wir communiciren, wir lesen auch wohl. Gut. Allein Schleicht sich die leidige Gewohnheit in diese Handlun- gen nicht ein? So daß viel tausend in den Tempel, fast bloß nur aus Gewohnheit, gehen, Von allem, was sie beten, singen, und was sie hoͤren, nichts verstehen; Und dennoch, mit sich wohl zufrieden, den einen Sonn- tag wie den andern, Ohn’ Andacht, nach der Kirche hin, und ungebessert aus ihr, wandern? Sie Der Sonntag, Sie gehen mehrentheils hinaus, so wie sie in die Kirche kamen; Da sie, die meiste Zeit der Predigt, gehofft auf ein er- seufztes Amen. Von fremden, immer regen Geld- und Welt-Gedanken, sonder Zahl, Die bald die Wollust, bald der Geiz, erzeuget, sprech’ ich nicht einmal. Ja, sprichst du, dieß ist, leider! wahr; allein, es muß, in unserm Leben, Wie das bekannte Sprichwort zeigt, der Miß- brauch den Gebrauch nicht heben. Wie viele fromme Seelen sind, die in die Kirch’ aus Andacht gehn, Mit Andacht singen, ernstlich beten, und, was der Lehrer sagt, verstehn, Ja, sich daraus zu bessern, suchen! So geb’ ich dieses zu. Allein, Du wirst auch dieß mir zugestehn, daß solcher Seelen wenig seyn, Jm Gegenhalt mit allen andern: zudem, so heischt das Christenthum, Nebst vielen guten Ordnungen, daß stets ein Evangelium, Wie man es nennt, erklaͤret werde. Die Ordnung zwinget alle Lehrer, Daß sie, die Herrlichkeit des Schoͤpfers in Seinem Schoͤpfungs-Werk, dem Hoͤrer, Behindert werden, vorzustellen. Man hat vielleicht hiebey gedacht, Wie man zuerst, im Christenthum, die Kirchen-Ordnun- gen gemacht, Dieß ein Neu-Jahrs-Gedicht. Dieß wuͤrd’ ein jeder selber thun: Allein, da dieses sich nicht findet; So scheinen unsere Gedanken, in diesem Fall, nicht ungegruͤndet. Es wird, im neuen Testament, der Mittler, als der Sohn, verehret: Allein, es hat, durch diesen Dienst, des Vaters Dienst nicht aufgehoͤret: Und ist der Menschen Sabbaths-Pflicht, in froher An- dacht Gott zu loben, Und Jhn als Schoͤpfer zu verehren, verhoffentlich nicht aufgehoben. Man thue jenes nach der Ordnung; doch unterlasse man die Pflicht Und Absicht, wozu dieser Tag geweiht, und erst bestim- met, nicht. Daß unser Sonntag in der Schoͤpfung den Grund und seinen Ursprung hat, Wird wenigstens ein Christ nicht leugnen. Wie, nach des Schoͤpfers weisem Rath, Was in dem Graͤnzen-losen Umfang des Raums und der Natur vorhanden, Der Himmel Himmel Heer, die Schaar der Sonnen, und die Welt, entstanden, Jn einer abgemeßnen Zeit, die uns die Schrift sechs Tage nennt, Und, wie Er alles uͤbersehn, gefunden, was gemacht, sey gut; Hat Gott, so wie es ferner heißt, am siebenden darauf geruht, Und ihn zum Ruhe-Tag geheiligt. Woraus ein jeder leicht erkennt, Der Der Sonntag, Der Ausdruck wolle so viel sagen: “Daß den Be- wohnern dieser Welt, “Die mit Vernunft von Jhm begabt, ein solcher Tag sey vorgestellt, “Als ein Erinnrungs-Tag der Schoͤpfung. Es sind die Sinnen uns gegeben, “Den Schoͤpfer durchs Geschoͤpf zu finden; der Geist, den Schoͤpfer zu erheben, “Sein’ Huld und weise Macht zu loben.„ Dieß kann nun besser nicht geschehn, Als wenn wir mit Bewunderung, mit Lust und Andacht, uͤbersehn, Wie gut, wie herrlich, was geschaffen; wie wunder- barlich Gott die Welt, Bey ihrem wandelbaren Wesen, doch stets unwandelbar erhaͤlt. “Laßt uns, an diesem Seinem Tage, des Schoͤpfers dann nicht ganz vergessen! “Laßt uns, daß Er die Welt, und uns, aus Lieb’, erschaffen, doch ermessen! Dieß kann nun, wenn wir erst die Kirche besucht, und, was man darinn lehrt, Vom Glauben und Beweis des Glaubens, in ernster Andacht angehoͤrt: Bey mangelnder Gelegenheit, selbst das Original zu sehen; Jn etwa folgender Copie, des Sonntags, auch daheim, geschehen: Sonn- ein Neu-Jahrs-Gedicht. Sonntags-Lied. H err der Tage, Jahr’ und Zeit! Gieb, daß ich, an diesem Tage, Von der Wunder Herrlichkeit, Die Du schuffst, was wuͤrdigs sage! Laß jetzt Sinnen und Gedanken heut auf die Geschoͤpfe sehn, Um Dich, ihrer aller Ursprung, in Denselben zu erhoͤhn! Laßt uns erst, nach unsrer Pflicht, Blick und Geist zur Sonne lenken, Und, bey ihrem Wunder-Licht, An der Sonnen Sonne denken! Bloß der Creatur zum Besten, praͤgte Gott so hellen Schein, Anmuth, Farben, Waͤrm’ und Leben, diesem Himmels- Koͤrper ein. Ohne dieses Wunder-Licht, Ohne diese Quell des Lebens, Waͤre, was Gott zugericht, Auf der ganzen Welt, vergebens: Was, durch Weisheit, Macht und Liebe, Herrliches darauf geschehn, Koͤnnten auch die schaͤrfsten Augen, sonder ihren Strahl, nicht sehn. Stell, erstaunte Seele! dir, Jn der Groͤß’ und Kraft der Sonne, Jhres Ursprungs Groͤße fuͤr! Laß Bewundrung, Lust und Wonne Jetzt dein ganzes Wesen fuͤllẽ! Preise Den, aus Dem ihr Licht, Zu der Creaturen Besten, brach, und unauf hoͤrlich bricht. Ja, Sonntags-Lied. Ja, beschau, in dunkler Nacht, Millionen Sonn - und Erden, Worinn Weisheit, Lieb’ und Macht, Recht erstaunlich, sichtbar werden! Nichts kann unsers Schoͤpfers Wesen herrlicher, als sie, erhoͤhn; Nirgends laͤßt sich Gottes Groͤße groͤßer, als in ihnen, sehn. Hegt der menschliche Verstand Kraͤfte, die vom Himmel stammen, Wo sein Geist mit Gott verwandt; Muͤssen reiner Andacht Flammen, Muß Bewundrung, Lieb’ und Ehrfurcht, wenn wir solche Wunder sehn, Dem zum Preise, Der sie wirket, billig in der Seel’ entstehn. Ferner laßt uns, von der Welt, Die vier Element’ erwegen, Wodurch alles sich erhaͤlt, Scheinen sie sich gleich zugegen! Solcher widerwaͤrtgen Dinge nicht begreiflichen Verband Fuͤgt, zu der Geschoͤpfe Besten, bloß ein Goͤttlicher Verstand. Laßt uns erst die Erd’ und Fluth, Mit vergnuͤgtem Ernst, betrachten, Und nachher die Luft und Gluht Ebenfals mit Lust beachten! Jedes ist von Wundern traͤchtig; jedes naͤhrt, ergetzt und nuͤtzt; Und der ganze Bau der Erde wird von ihnen unterstuͤtzt. Die Sonntags-Lied. Wird nicht von der Erden Pracht Ein vernuͤnftiges Gesichte Taͤglich gleichsam angelacht Durch Gras, Kraͤuter, Baͤume, Fruͤchte? Bluhmen, Holz, Metall und Stein, was uns nuͤtzet, schuͤtzt und naͤhrt, Wird uns auf dem Bau der Erden, durch der Erden Stoff, beschehrt. Daß sie fest, und nicht zu fest, Daß sie dicht, und nicht zu dichte: Daß sie sich durchdringen laͤßt; Doch die schwehresten Gewichte, Ohne Wanken, haͤlt und traͤgt; daß sie das ergrimmte Meer Daͤmmt, da sie doch Wasser durchlaͤßt: koͤmmt vom wei- sen Schoͤpfer her. Hegt der menschliche Verstand Kraͤfte, die vom Himmel stammen ꝛc. Laßt uns auch die Fluth besehn, Und, in ihrem Wunder-Wesen, Dessen Macht und Lieb’ erhoͤhn, Der sie recht fuͤr uns erlesen! Menschen, Thiere, Baͤum’ und Pflanzen, traͤnkt der kuͤhle Saft der Fluth; Wasser waͤscht und tilgt die Flecken, loͤscht den Durst, und loͤscht die Gluht. 8 Theil. C c Durch Sonntags-Lied. Durch die rege Fluͤßigkeit Eilt es durch den Kreiß der Erden, Da, durch Stroͤhme, weit und breit, Alle Laͤnder fruchtbar werden. Welch ein Segen in der Schiff-Fahrt, welcher in der Fische Schaar, Die so Fluͤss’ als Meer uns zollen, macht der Schoͤpfer offenbar! Hegt der menschliche Verstand ꝛc. Auch die Luft verdient zumal, Daß wir Gottes Lieb’ erhoͤhen: Sie laͤßt uns der Sonnen Strahl, Den man sonst kaum saͤhe, sehen; Sie erhaͤlt uns unser Leben, da, im steten Athem-ziehn, Uns das Leben zu verlaͤngern, ihre Theilchen sich bemuͤhn. Sie giebt uns der Daͤmmrung Licht, Sie bereitet Thau und Regen. Was bringt, in der Schiff-Fahrt, nicht, Sie, im Winde, nicht fuͤr Segen! Sie ernaͤhret Thier und Pflanzen. Der Geruch und das Gehoͤr Wirkte, waͤr’, und ruͤhret’ uns, waͤr die Luft nicht, nimmermehr. Hegt der menschliche Verstand ꝛc. Ferner Sonntags-Lied. Ferner laͤßt des Feuers Kraft, Um den Schoͤpfer zu erhoͤhen, Da es so viel Nutzen schafft, Tausend Wunder-Dinge sehen. Es wird wohl mit Recht die Seele aller Creatur genannt, Und, in seiner regen Wirkung, eine weise Macht erkannt. Feuer theilt, vereint, verzehrt, Kruͤmmet Holz, und schmeidigt Eisen, Schmelzet, reiniget, bewaͤhrt, Treibet, leuchtet, kocht die Speisen, Macht und brennet Kalk und Ziegel, faͤrbt, erweichet, distilliert, Trocknet, macht durchsichtigs Glas; waͤrmt und heizet, wenn uns friert. Hegt der menschliche Verstand ꝛc. Auf! nun auch den Schmuck der Welt, Mit Bewundrung, zu beschauen! Dieß sind Gaͤrten, Wald und Feld, Berg’ und Thaͤler, Buͤsch’ und Auen: Hier bezeugt sich allenthalben, in derselben Nutz und Pracht, Des, Der sie so schoͤn erschaffen, Groͤße, Weisheit, Lieb’ und Macht. C c 2 Seht Sonntags-Lied. Seht die holde Lieblichkeit Jn dem bunt bebluͤhmten Garten! Seht darinn, die meiste Zeit, Bluͤht’ und Fruͤchte mancher Arten! Welche zwar die Menschen pflanzen: Aber, in der Menschen Hand, Da sie, was Gott schuff, nur ordnen; wird des Schoͤp- fers Hand erkannt. Seht den Schatten-reichen Wald; Denkt, durch wen der Wuchs der Baͤume, Jn so lieblicher Gestalt Jhrer Zweig’ und Blaͤtter, keime! Fuͤhlt, mit Lust, die kuͤhlen Schatten; seht, mit Lust, das gruͤne Licht, Welches in den Waͤldern herrscht: doch vergeßt des Schoͤpfers nicht! Seht das Aehren-schwangre Feld, Das, mit Segen angefuͤllet, Euch, recht klar, vor Augen stellt, Daß aus Gott der Segen quillet! Sprecht, (wenn ihr, daß es so schoͤn, und so nuͤtzlich, seht) und denkt: Herr, wie groß sind Deine Werke! Herr, was hast Du uns geschenkt! Laßt Sonntags-Lied. Laßt uns auch die Berge sehn, Die uns in Erstaunen setzen, Und, da sie so nuͤtz als schoͤn, Beym Erstaunen auch ergetzen! Da sie auswaͤrts oft von Reben, Aeckern, Wald und Kraut bedeckt; Liegt, in ihren hohlen Baͤuchen, Demant und Metall versteckt. Merkt, wie an den Gipfeln sich, Uns zum Nutz, die Wolken brechen! Wodurch, recht verwunderlich, Aus dadurch formierten Baͤchen, Alle Stroͤhm’ und Fluͤss’ entstehen; wodurch sich der Regen senkt, Der die Laͤnder fruchtbar macht, Pflanzen, Thier und Menschen traͤnkt. Seht dann auch die Thaͤler an, Wie, in ihren feuchten Gruͤnden, Daß das Vieh sich weiden kann, Klee und fettes Gras zu finden; Wie in ihren kuͤhlen Schatten so viel Kraͤuter-Werk entsprießt, Welches, nebst dem fluͤchtgen Wilde, auch das zahme Vieh genießt. C c 3 Laßt Sonntags-Lied. Laßt uns auch der Erden Zier, Busch- und Straͤucher-Werk, erwegen, Die, in ihrem Lust-Revier, Licht zugleich und Schatten hegen! Hoͤrt, wie aus der Voͤgel Schnaͤbeln, womit alle Buͤsch’ erfuͤllt, Ein zu unsrer Lust gereichend angenehmes Gurgeln quillt. Lasset ferner Blick und Geist Die bebluͤhmten Wies- und Auen, Was auf ihnen schoͤn sich weist, Gras und Klee und Bluhmen, schauen! Wie vergnuͤgt nicht unser’ Augen, als der schoͤnste Schmuck der Welt, Ein mit Silber-klaren Baͤchen angenehm durchschlaͤn- gelt Feld! Ferner lasset uns das Heer Der erschaffnen Thier’ erwegen, Und in ihnen, Gott zur Ehr, Tausend Wunder uͤberlegen! Wieviel Adern, Knochen, Nerven, daß man sie nicht zaͤhlen kann, Haut und Blut, und Hirn, und Sinnen, trifft man nicht in ihnen an? Seht, Sonntags-Lied. Seht, wie weis’ und wundernswehrt Jedes Theil in Ordnung lieget; Wie das, was sie schmuͤckt und naͤhrt, Eingerichtet und gefuͤget! Merkt, in ihren schoͤnen Formen, den so reichen Unter- scheid, Und der Thiere, Fisch’ und Voͤgel, große Mannichfal- tigkeit! Endlich laß auch deinen Blick, Mit erstaunter Ehrfurcht, fallen Auf der Schoͤpfung Meister-Stuͤck, Auf dich selbst, o Mensch, vor allen! Gottes Groͤße wird in dir am vernehmlichsten er- kannt: Herz und Haupt und Mund von allen, wirst du wohl mit Recht genannt. Lenk vor allem den Verstand Auf die Wunder unsrer Sinnen! Wodurch Gott die Welt verband Mit der Seelen Kraft von innen. Habet, in der Sinnen Nutz, auf des Schoͤpfers Weis- heit Acht! Sollte Der nicht sehn und hoͤren, Der das Aug’ und Ohr gemacht? C c 4 “Nichts, Sonntags-Lied. “Nichts, als Wunder, zeigt dein Leib: “Schoͤnheit, Anstand und Geberden “Zeigen, so bey Mann als Weib, “Einen Herrn und Schmuck der Erden: “Aber ein unsterblich Licht, das in deiner Seele brennt, “Zeiget dadurch seinen Wehrt, daß es einen Gott erkennt. “Daß es weiß, und fassen kann, “Daß von allem, was entstanden, “Gott ein Urstand sey; daran “Zeigt sich, was in ihm vorhanden: “Daß in ihm, zu seinem Koͤrper, ein vernuͤnftger Geist gefuͤgt; “Und zugleich, daß etwas Goͤttlichs in dem Geist verborgen liegt. “Brauche dann dieß Seelen-Licht, “Deines Schoͤpfers Ruhm zu mehren! “Jedes Seiner Werke spricht: “Daß nur Er allein zu ehren. “Widme sonderlich, vor allen, diesen heilgen Tag dazu: “ Gott in Seinen Werken finden, ist die wahre Seelen-Ruh. Nach Der Sonntag, ein Neu-Jahrs-Gedicht. Nach den vollfuͤhrten Sonntags-Pflichten, erfodert meine Schuldigkeit, Fuͤr die mir, auf so manche Weise, in der verfloßnen Jahres-Zeit, Erzeigte, nicht zu zaͤhlnde Wohlthat, den Schoͤpfer in- niglich zu loben, Zu preisen, ruͤhmen, und zu danken. Mein Gott! wie viel- und große Proben, Von Deiner vaͤterlichen Lieb’, empfing ich im vergang- nen Jahr! Du wendetest nicht nur, o Herr! so viel, so mancherley Gefahr, Von mir und allen Meinen ab. Dir sey, o Herr, da- fuͤr gedanket! Von allen, welche fern und nah, noch Kind noch Kin- des-Kind erkranket. Zween Soͤhne, welche dieses Jahr in fremder Herren Dienste traten, Jst der Versuch von ihrem Gluͤck bishero recht erwuͤnscht gerathen: Da einer, bey dem besten Herrn, das Gluͤcke hat, im Dienst zu stehn; Der ander’, in Gesandtschaft, Rußlands entfernetes Revier gesehn, Mit einem Herrn, der lauter Guͤte. Der dritte, wel- cher schon erwaͤhlt, Zu einer wichtigen Bedienung, hat zwar des Zwecks annoch verfehlt, Durch einen unverhofften Zufall; doch ist noch Hoffnung da: Vielleicht Daß er das fast erhaltne Ziel, wo es ihm nuͤtz ist, noch erreicht. C c 5 “Ver- Der Sonntag, “Verleih, o Vater! doch, daß sie vergnuͤgte Buͤrger dieser Erden, “Daß jeder, Deines Namens Ruhm zu mehren, mag ein Werkzeug werden! “Gesegn’, o Vater, ihr Beginnen! Gebenedey, o Herr, ihr Thun! “Jn Deiner seligen Erkenntniß laß all’ ihr Gluͤck und Heil beruhn! Wie ich, in einem fremden Zufall, gesund und unver- letzt geblieben, Nebst allen Meinigen; daruͤber hab’ ich ein eignes Blatt geschrieben. Jch wiederhole meinen Dank, und, inniger Bewegung voll, Weiß ich nicht, wie ich diese Gnade, mein Gott! Dir gnug verdanken soll. Daß mich zum Buͤrgermeister-Loß der Rath erkiest, ist eine Ehre, Der ich, wenn ich mich ihrer nicht erinnerte, nicht wuͤr- dig waͤre. Daß nun das Loß mich nicht getroffen, ich nicht erwaͤhlet; auch dafuͤr (Jndem es einen bessern traff) verehre, preis’, und dank’ ich Dir. Denn wem die Buͤrde dieses Amts bekannt ist, wird mit mir gestehen, Man troͤste sich daruͤber leicht, wenn man dazu nicht ausersehen. Hier ein Neu-Jahrs-Gedicht. Hier schließ ich dann nunmehr mein Lied, bey diesem angetretnen Jahr, Das diesesmal ein Lehr-Gedicht von wahrer Sonntags- Feyer war. “Jst es mir nuͤtz; laß, Herr, dergleichen sich oͤfters noch mit mir erneuern, “Bis ich dereinst, in selger Ruh, den ewgen Sabbath werde feyern! Das Neu-Jahr-Gedicht auf 1744, welches eine neue, aus der Verschiedenheit anderer Planeten, sowohl im Koͤrper- als im Sittlichen, hergenommene Betrachtung des Zustandes unserer Erde, im Gegenhalt der theils bessern, theils schlechtern Umstaͤnde der andern, enthielte; ist, durch einen besondern Zufall, von Abhaͤnden gekommen. Eine Eine Erzehlung. Zum Neu-Jahrs-Gedicht auf das 1745ste Jahr. W eiter nicht, sprach einst der Schoͤpfer, soll dein Waͤlzen, Wirbeln, Drehn, Erde! von der Sonnen Licht sich entfernen; diese Graͤnzen Sollt du nimmer uͤberschreiten. Da wir nun, zur Sonnen Glaͤnzen Heut uns wiederum zu naͤhern, den begluͤckten Anfang sehn; Laßt uns diese Gnad’ erkennen! Laßt uns auf dieß Wunder achten, Und darinn der Gottheit Allmacht, Lieb’ und Weisheit doch betrachten! “Laßt uns uns zur Sonnen Sonne, wie die Welt zur Sonne, nahn: “Und, wie wir sonst andre Wunder auf der Welt mit Lust besahn; “Auf die Herrlichkeit des Schoͤpfers unsers Geistes Kraͤfte lenken, “Und, zu dieser Wechsel-Zeit, auf des Wesens Groͤße denken, “Woraus alle Wesen stammen! Nichts erhebet Got- tes Ehr “Wuͤrdiger, als Seine Werke. Nichts erhebt uns selbst so sehr, “Nichts Neu-Jahrs-Gedicht auf das 1745ste Jahr. “Nichts kann unsers eignen Wesens Stand und Groͤß’ uns mehr enthuͤllen, “Als wenn Seiner Creaturen Groͤßen unsre Seelen fuͤllen, “Und sie dadurch selbst vergroͤßern.„ Um uns selbst nun zu erhoͤhn, Jn des Schoͤpfers Wunder-Werken, wenn wir Jhn darinn ersehn; Tret’ ich eine neue Bahn, “(gieb, o Gott, daß es gelinge, “Wenn ich in der Allmacht Tiefen, mit erstaunter Ehr- furcht, dringe!) Durch ein neues Dichten, an. Vorurtheile zu bekaͤmpfen, Und, nach aller Moͤglichkeit, die Unachtsamkeit zu daͤmpfen; Auch zugleich von Gottes Wundern, wie Er Sich, auf dieser Welt, Jn denselben, so unendlich majestaͤtisch dargestellt, Ob es viele gleich nicht merken, etwas wuͤrdigs zu erzehlen: Jst, bey folgender Geschicht, bloß die Absicht meiner Seelen. Erzehlung. D er weise Silvius, verfolgt von falschen Freunden, Beneidet und gehaßt von ungerechten Feinden, Hatt’ eine lange Zeit, in einer weiten Hoͤhle, An eines Berges Fuß, der sein verwegnes Haupt Bis an die Wolken streckt, von Fichten rings belaubt, Den jungen Cernamir erzogen: dessen Seele, Von der Natur, zum Sitz der Wissenschaft bestimmt, Worinn der Weisheit Feur von Jugend auf geglimmt; Und der, seit kurzem nur, ins siebenzehnte Jahr Nunmehr getreten war. Die Neu-Jahrs-Gedicht Die Hoͤhle schien mit Fleiß, von Fingern der Natur, Zu diesem Endzweck, ausgegraben: Damit man, ganz entfernt von aller Menschen Spuhr, Jn Sicherheit, darinn konnt’ eine Wohnung haben; Auch, nebst geruhiger und sanfter Sicherheit, Genugsame Bequemlichkeit; Ein sanft einsiedlerisch vergnuͤglichs Leben fuͤhren, Und das geheime Buch der Welt-Weisheit studieren. Der Umfang ihrer hohlen Weite War, in der Laͤng’ und in der Breite, Fast eine halbe Meile groß. Durch Riss’ und Spalten fiel, in die sonst dunkle Schooß, Von oben, ein geschwaͤcht, gemischtes, daͤmmricht Licht, Wie es fruͤh, durch die Luft, und auch des Abends, bricht: So daß allhier kein Licht noch dunkler Schatten schwebte, Und man, in dieser Hoͤhl’, in steter Daͤmmrung lebte. Der Umstaͤnd’ insgesammt, die ihm so nuͤtzlich schienen, Beschloß sich Silvius vernuͤnftig zu bedienen, Um Cernamir, entfernt von Menschen, zu erziehn. Er sucht absonderlich, dahin sich zu bemuͤhn, Daß seine Seele rein von allem Jrrthum bliebe, Von allem Vorurtheil, von allem falschen Triebe Der blinden Leidenschaft: damit, wenn er die Welt Dereinst erblicken sollt’, und was sie in sich haͤlt; Er ihre Schaͤtze moͤg’ in einem andern Licht, Als wie es, leider! meist von Sterblichen geschicht, Und nach dem wahren Zweck der Schoͤpfung, uͤbersehen, Und, im vergnuͤglichen Genuß, bewundernd, GOTT erhoͤhen. Da auf das 1745ste Jahr. Da sonst die Menschen stets, zu einer solchen Zeit, Da die Vernunft noch schwach, der Koͤrper Herrlichkeit Jn die noch stumpfen Sinne fassen, Und, durch Gewohnheit, sich zur Unempfindlichkeit, Zeit ihres Lebens, bringen lassen: Wodurch sie, alle Pracht und Wunder dieser Erden, Daß sie bewundernswehrt, zu sehn, behindert werden. Sie fahren fort, und sehn die Welt, im Nebel, an, Wie es ihr junges Aug’, ohn’ Achtsamkeit, gethan: Wodurch sie, leider! dann, ob sie es gleich nicht glauben, Sich selber alle Lust, und Gott die Ehre, rauben. Jhr Denken bindet sich mit ihren Sinnen nicht: Hiedurch vernimmt kein Ohr, es siehet kein Gesicht; Bewundrung, Lust und Nutz, Lieb’, Ehrfurcht, Andacht, schwinden. “Nur Dank und Andacht zeigt ein denkendes Empfinden. “Dem, dacht er, tritt noch bey: daß die Religionen, “Fast aller Sterblichen, die auf der Erde wohnen, “Die doch zur Herrlichkeit der ersten Offenbahrung, “Durch Ueberzeugung, Lehr’, Ermahnung und Erfah- rung, “Die Menschheit billig leiten muͤssen, “Von dieser Wahrheit uns nichts zeigen, und nichts wissen. Um nun auf eine Weis’, als es sonst nicht geschehn, Jn der Geschoͤpfe Wehrt den Schoͤpfer zu erhoͤhn; Hatt’ unser Silvius beschlossen, An seinen seines Leids und Ungluͤcks Mitgenossen, Den jungen Cernamir vernuͤnftig zu probieren, Ob nicht die neue Art, ihn in die Welt zu fuͤhren, Jhn Neu-Jahrs-Gedicht, Jhn besser machen wuͤrd’. Ob, und wie weit, er nun Den Zweck erhalten hab; hievon wird der Bericht, Von seiner merklichen Geschicht, Ein mehrers uns zu wissen thun. Doch muͤssen wir hiebey, von diesem jungen Helden, Vorher noch dieses melden: Daß Silvius ihm oft, des Nachts, das Firmament, Jn der gestirnten Pracht, zu sehn, vergoͤnnt; Wovon er ihm hernach, in seinen weisen Lehren, Des großen Schoͤpfers Wunder-Macht, Der solch ein Sternen-Heer hervorgebracht, Bemuͤht gewesen, zu erklaͤren. Jm fuͤnf und zwanzigsten nach siebzehnhundert Jahr, Wie, nach dem Lenz, die Welt dem Sommer nahe war, Da unsrer Erden Flaͤch’ am allerhellsten scheint, Wollt’ unser Silvius den liebenswuͤrdgen Freund, Um ihre Schoͤnheit recht zu sehen und zu fassen, Die Wunder dieser Welt zuerst erblicken lassen. Damit nun dieß so unvermerkt als unverhofft geschehen moͤchte; Hatt’ er dem alten Roderich, dem wohlgepruͤften treuen Knechte, Befohlen, auf den kleinen Fluß, der, von der Hoͤhle nicht gar weit, Sein reines Wasser schaͤumend rollt’ in moͤglicher Ge- schwindigkeit, Ein kleines Fahrzeug hinzulegẽ: nachdem derselbige vorher, Jn einem wohlgebauten Staͤdtchen, das von der Hoͤhlen ungefehr Drey halbe Meil entfernet lag, ein sauber Haus ihm eingerichtet; Wobey er, es geheim zu halten, den Roderich mit Ernst verpflichtet. Die auf das 1745ste Jahr. Die Sonne war nun untergangen, der Abend brach gemach herein, Als Silvius den Cernamir, beym Essen, ein paar Glaͤser Wein Mehr, als gewoͤhnlich, trinken ließ: wobey er einen weissen Saft, Von einer schlaͤfrig machenden und opiatschen Eigenschaft, Ganz unvermerkt, zu mischen wußte, daß Cernamir, durch diesen Trank Benebelt, und gemach betaͤubt, in einen tiefen Schlum- mer sank. Sie brachten ihn hierauf so gleich in das bestellte Boot, und legten Die Reis’, in etwan einer Stunde, weil sie die Ruder kraͤftig regten, Bis an die Stadt begluͤckt zuruͤck. Den Cernamiro brachte man So gleich in ein geputztes Bette, ließ ihn allein, und gab sodann, Des Morgens, Acht auf sein Betragen. Wie selbiger nun fruͤh erwachte, Und sich die Menge neuer Vorwuͤrf’ ihm, unvermuthet, sichtbar machte; Jst leicht zu glauben, daß ihn alles in gaͤnzliche Ver- wirrung brachte. Erst blieb er eine lange Zeit, und ohne sich zu ruͤhren, liegen; Ließ aber die erstaunten Blicke auf alles, was im Zim- mer, fliegen, So daß er fast, in seinen Augen, allein zu leben schien. Er fiel Von einem Vorwurf auf den andern: Bald war dieß seiner Augen Ziel, 8 Theil. D d Bald Neu-Jahrs-Gedicht, Bald das; bald alles, was vorhanden. Zuletzt fing, sich sein Haupt zu drehen, Und er, sich aufzurichten, an. Man konnt’ an ihm, fast sichtbar, sehen Die Menge stets sich mehrender und ihn verwirrender Jdeen, Die ihn in ein Erstaunen setzten. Dieß waͤhrt fast eine Stunde lang, Bis eine starke Neubegier zuletzt ihn, aufzustehen, zwang. Jm Zimmer (dessen obre Fenster allein geoͤffnet, daß er nicht Die Blicke weit erstrecken koͤnnte) verwandt’ er sein erstaunt Gesicht Auf jeden Vorwurf, nach einander; betastet’ alles, was ihm nah: Und jedes schien ihn zu vergnuͤgen, was er betastet’ und besah. Des ganzen Zimmers Symmetrie schien dem geruͤhrten Geist vor allen; Die zierlichen Mobilien doch auch nicht minder, zu ge- fallen. Zuletzt sah er, von ungefehr, den ihm bekannten Schreib- Tisch stehn, Den man zugleich mit hergebracht. Er freute sich, ihn hier zu sehn: Papier, nebst Dintenfaß und Federn, befanden sich zu recht geleget. Drauf fiel er, theils vom Sehen matt, von Neugier theils dazu beweget, Jn den ihm auch bekannten Lehn-Stuhl; saß etwas stille, dacht, und schien Die ganz zerstreueten Jdeen zusammen und zu recht zu ziehn. Und, auf das 1745ste Jahr. Und, wie er sonst dazu gewoͤhnt, was er bemerket, auf- zuschreiben; Schien die Gewohnheit seine Hand, zu dieser Handlung, anzutreiben. Er griff zur Feder, sann ein wenig: Und, wie er etwas nachgedacht; So wurden folgende Gedanken, in Eile, zu Papier gebracht: Die zwar, von einiger Zerstreuung, in den Jdeen; doch daneben, Von seiner reinen Art zu denken, ein’ unleugbare Probe geben. “Wo bin ich? Jst, was mir hier in die Augen faͤllt, “Auch wirklich? Bin ich hier in einer neuen Welt? “Jst alles das, was hier vorhanden, “Und was ich fuͤhl’ und seh, von ungefehr entstanden? “Jst es, so wie es ist, gewachsen? Oder muß “Ein Geist gewesen seyn, der, nach vernuͤnftgem Schluß, “Die Theile so gefuͤgt; der alles, mit Bedacht, “Zu solcher Ebenmaß so ordentlich gebracht? “Dieß scheint mir wahr zu seyn. Allein, wo ist der Geist? “Wo find’ ich den Verstand? Jst er nicht hier? Wie heißt, “Wie nennt er sich? Jch kann ja nichts von ihm verstehen: “Jch hoͤr’, ich fuͤhl’ ihn nicht; ich kann ihn auch nicht sehen. D d 2 “Doch Neu-Jahrs-Gedicht, “Doch halt! er ist vordem vermuthlich hier gewesen: “Dieß kann ich wenigstens aus aller Ordnung lesen. “Vielleicht ist er noch hier; und daß nur meine Augen, “Als die vielleicht zu schwach, ihn nicht zu sehen taugen. “Vielleicht hat Silvius dieß alles hier gemacht. “Ach Silvius! was hat dich von mir weggebracht? “Wo bist du, wehrter Freund? Du koͤnntest mich belehren: “Du bist allein geschickt, die Wahrheit zu erklaͤren. “Er hat mir oftermals von einer Gottheit Wesen, “Als der selbststaͤndigen Vernunft, mir viel gelesen, “Geschrieben, und erzaͤhlt, und mir von Seiner Macht “So viel ehrwuͤrdige Gedanken beygebracht. “Die Gottheit hat vielleicht hier diese neue Welt “Unmittelbar gemacht, und mich darein gestellt: “Vielleicht ist es von Jhr, durch Mittel nur, ge- schehen; “Doch kann ich auch ja nicht einmal die Mittel sehen. Drauf legt’ er seine Feder nieder, Stund auf, und ging, mit sanften Schritten, im ganzen Zimmer auf und nieder, Von mancherley Jdeen voll, gesenkt, im ernsten Ueberlegen; Bis, zu vermehrtererm Erstaunen, von den geschloßnen Fenster-Schlaͤgen Sich zween, von aussen, oͤffneten. Er sah vom hellen Sonnen-Scheine Bestrahlte Haͤuser; viele Fenster, die eben so geformt, wie seine. Er auf das 1745ste Jahr. Er sahe Menschen durch dieselben: Er schloß daher, daß sie darinn, Wie er in seinem Wohnplatz, wohnten. Jhm fiel dar- auf in seinen Sinn, Was, von der Welten Vielheit, ihm sein Silvius so oft erzehlet, Wenn er den hell gestirnten Himmel zu seinem Gegen- wurf erwaͤhlet: Und der Gedanke, wie er sich an allen Gegenwuͤrfen matt, Doch aber sich nicht satt gesehn, trieb ihn, daß er die Lagerstatt Auf seinem Stuhl von neuem nahm; ergriff aufs neu die Feder wieder, Und schrieb, wie vormals, aufs Papier, die folgenden Gedanken nieder: “Es ist vielleicht der Bau der allgemeinen Welt “Mit dem, was mir allhier in meine Sinne faͤllt, “Jn vielen Stuͤcken, zu vergleichen. “Was, von Planeten, dort, mein Denken kann erreichen, “Jndem sie Wohnungen von Creaturen seyn, “Stimmt mit den Wohnungen, die hier sind, uͤberein. “Der dunkele Begriff, den ich vorhero mir “Von einer Stadt gemacht, stellt mir den Himmel fuͤr, “Als eine große Stadt der Gottheit; die Planeten, “Als Haͤuser, deren Platz die Creatur von noͤthen, “Die dorten Buͤrger sind. Mit Recht wird der Verband “So vieler Haͤuser, dort, fuͤr eine Stadt erkannt, D d 3 “Fuͤr Neu-Jahrs-Gedicht, “Fuͤr eine Residenz des Hoͤchsten. Jch erseh, “Jn der die große Welt vereinenden Jdee, “Ein wunderbares Bild von Gottes Werk gemahlt, “Woraus die Gottheit Selbst mir in die Seele strahlt; “Das, durch die Groͤße, meinen Geist “Zur frohen Andacht treibt, zur tiefen Ehrfurcht reißt. “Jn dieser Stadt des Allerhoͤchsten sind Millionen Son- nen-Heere, “Anstatt der Fackeln, aufgesteckt: die nicht nur durch das tiefe Leere, “Zur Pracht, und zur Bewundrung, funkeln; nein, die, durch Kraͤfte, Waͤrm’ und Licht, “Den großen Haͤusern der Planeten, nach einem treuen Unterricht “Vernuͤnftiger Analogie, so ungezaͤhlten Nutzen bringen, “Sie fruchtbar machen, sie erwaͤrmen, in Regel-rechte Wirbel schwingen, “Erleuchten, zieren, und beleben. Bewunderns- wuͤrdge Himmels-Stadt! “Die wohl mit allem Recht den Namen der Re- sidenz des Schoͤpfers hat: “Du fuͤllst mit Ehrfurcht, voller Andacht, den Geist, mein ganzes Wesen, an, “Daß ich, mit Lust darinn versunken, erstaunt, nichts weiter denken kann. Hier warf er seine Feder nieder, und sich selbst in den Stuhl zuruͤck, Ganz ausser sich von tiefem Denken. Allein, in selbem Augenblick Trat auf das 1745ste Jahr. Trat Silvius, der ihn nicht laͤnger vermoͤgend war allein zu lassen, Jn die entschloßne Stub’ hinein, und eilt’, ihn bruͤnstig zu umfassen. Man stelle sich die Freude vor, die Cernamiro uͤberkam; Mit welcher Lust er seinen Freund umhals’t’, und in die Arme nahm, Den er, fuͤr sich, verlohren hielte. Auf all’ an ihn ergangne Fragen Konnt’ unser Silvius unmoͤglich, so schnell, ihm seine Antwort sagen; Jedoch geschah’ es nach und nach: bis Silvius von ungefehr Das voll geschriebne Blatt erblickte. Er las’ es, stutzt’, und ward so sehr, Durch der Jdeen und des Ausdrucks erhabne Richtigkeit, geruͤhret, Daß er ihn auf das neu umarmte. “Nun bin ich gaͤnzlich uͤberfuͤhret, “Daß mich mein Hoffen nicht getaͤuscht; sprach er: Jch seh’ in euch nunmehr, “Was ich, zu sehn, mir laͤngst gewuͤnscht; ihr werdet, zu des Schoͤpfers Ehr, “Auf dem von Jhm so schoͤn formierten, so schoͤn ge- schmuͤckten Bau der Erden, “Ein Jhm gefaͤlliger Bewohner, zu Seinem Ruhm ein Werkzeug, werden. Hierauf ersucht’ er Cernamir, nunmehr mit ihm umher zu gehn, Um dieses Planetarsche Haus, wie er es nennte, zu besehn. D d 4 Was Neu-Jahrs-Gedicht, Was sie darinn nun angetroffen, und wie, desselben Wunder-Pracht, Den neuen Blick des jungen Weisen geruͤhrt, fast aus sich selbst gebracht; Und was fuͤr ein Jdeen-Heer in ihm entstanden; wie vernuͤnftig Er alle Vorwuͤrf’ angesehn: davon soll meine Feder kuͤnftig Dem Leser mehr annoch berichten. Jndem, zu dieser Wechsel-Zeit, Es billig meine Pflicht erfodert, in ehrerbietger Dank- barkeit, Dem grossen Geber alles Guten, fuͤr alles, was ich Guts genossen, Jn dem entwichnen Fluß der Zeit, des Jahres, das nunmehr verflossen, Mein Andacht-Opfer darzubringen. O Gott! wie wird mein Geist geruͤhrt, Wenn ich erwege, wie Du mich bisher so wunderbar gefuͤhrt: Mir alles Meine, nebst den Meinen, nicht nur erhalten; auch daneben Mir annoch ungezaͤhlte Proben von Deiner Gnad’ und Huld gegeben, Die Freude, Lob und Dank erfodern. Jch war, doch nur zween Tage, krank. Fuͤr die so schleunige Genesung, mein Schoͤpfer, sey Dir Preis und Dank! Zumal ich, schon im dritten Tag’, im Speisen solche Lust empfunden, Als ich, so lang’ ich auch gelebt, kein einzigsmal darinn gefunden. Die auf das 1745ste Jahr. Die Lust im Schmecken ging so weit, daß, wie ich sie mit Ernst erwog, Und alle Kraͤfte meines Denkens, bey dieser Lust, zu- sammen zog, Jch sprach: “Wenn ich, in meinem Leben, kein’ andre Lust, als die, genossen, “Und Gott, mich alsobald darauf aus dieser Welt zu ziehn, beschlossen; “Koͤnnt’ ich mich nicht mit Recht beklagen. Denn, da uns Gott nichts schuldig ist; “So ist es unsre Schuldigkeit, daß man, was Er uns schenkt, ermißt, “Den Geber in den Gaben ehret. Ach daß, so oft ich Gutes spuͤhre, “Jch damit so, und, neben mir, ein jeder Sterb- licher, verfuͤhre! “Ach! laßt uns, da wir taͤglich essen, uns doch mit frohem Ernst bemuͤhn, “Das Glied, wodurch wir, wunderbar, aus Koͤrpern eine Wollust ziehn; “Die sonst fuͤr uns verlohren waͤre, wo nicht sein wun- derbar Gewebe “Uns die darinn verborgnen Kraͤfte, im Schmecken, zu erkennen gaͤbe: “Die Zunge, sag ich, zu bewundern; und Dem, Der sie, fuͤr uns allein, “So huld- und liebreich eingerichtet, so oft wir schmecken, dankbar seyn! D d 5 Wie Neu-Jahrs-Gedicht, Wie oft hab ich, in diesem Jahr, was Du uns Gutes wollen goͤnnen, Jn Feldern, Waͤldern, und im Garten, durch andre Sinnen, schmecken koͤnnen; Dein’ Allmacht, Lieb’ und Weisheit spuͤhren! Jch ward den Großen dieser Welt, Zumal des Kaysers wuͤrdgem Bruder, in diesem Jahre zugesellt. Wie gnaͤdig hat der große Fuͤrst nicht meine Lieder aufgenommen! Was fuͤr ein kostbares Geschenk hab ich von Jhm juͤngst uͤberkommen! Von einem solchen Brief begleitet, dergleichen wohl kein Fuͤrst leicht schriebe; Jn welchem Gnade, Guͤtigkeit, samt Weisheit, Huld und Menschen-Liebe, Aus allen Zeilen, glaͤnzt und strahlt: Wofuͤr dem Herrn, Der alles fuͤhrt, Der auch der Fuͤrsten Herzen lenket, von mir Lob, Preis und Dank gebuͤhrt. Um uns an Goͤttlichen Geschoͤpfen und der Natur Pracht zu ergetzen, War ich, in diesem Jahr, bedacht, ein herrlichs Werk the Seasons, die Jahres-Zeiten. zu uͤbersetzen, Das, von so einem schoͤnen Vorwurf, ein tief gelehrter Britte schrieb, Den auch, wie mich, des Schoͤpfers Werk zur froͤh- lichen Bewundrung trieb; Jn auf das 1745ste Jahr. Jn welcher Schrift der große Thomson so sinnreich, so begluͤckt, gewesen, Daß wir bey keiner Nation dergleichen Meister-Stuͤck gelesen. “Ach! waͤre mein, in guter Absicht, ihm angelegtes teutsche Kleid “Geschickt, auch meinem Volk zu zeigen die Ordnung, Pracht und Herrlichkeit “Der Gottheit, in den schoͤnen Werken, die er so herr- lich abgemahlet, “Daß ein sonst nicht gesehnes Licht nunmehr in unsern Seelen strahlet! Von meinem Jrdischen Vergnuͤgen hat dieses Jahr der erste Theil, Zum siebendenmal aufgelegt, vielleicht zu manches Lesers Heil, Die Presse wiederum verlassen. Mir faͤllt hiebey mit Freuden ein: Daß noch, Gott Lob! von meinen Liedern die Leser nicht ermuͤdet seyn. Von meinen Kindern in der Fremde, hab ich, Gott Lob! in diesem Jahr, Stets gute Zeitungen erhalten. Der uͤbrigen zwiefaches Paar Hat, nebst dem kleinen schoͤnen Enkel, zu meiner Lust, gesund gelebet, Und jedes hat, zum Weg der Tugend sich zu erhoͤhn, Gott Lob! bestrebet: Wie ich denn auch fuͤr Marianne, zu einer recht erwuͤnsch- ten Eh Mit Gottes Huͤlfe zu gelangen, bereits in guter Hoff- nung steh. O Gott, Neu-Jahrs-Gedicht, auf das 1745ste Jahr. O Gott, Du einzge Segens-Quelle! wie groß, wie herrlich, sind die Gaben, Die wir bereits auf dieser Welt geniessen, und genossen haben! Gieb, daß wir es erkennen moͤgen! Laß uns, o Geber! Dir allein, Fuͤr so viel unverdiente Guͤte, in froher Ehrfurcht, dankbar seyn! Und hiemit leg’ ich dann fuͤr jetzt, voll Andacht, meine Feder nieder. “Herr! segne, nebst den Meinen, mich, und meine Dir geweihten Lieder, “Daß ich, zu dieser Wechsel-Zeit, gesund, vergnuͤgt, noch manchen Tag, “Jn Deinen Werken Dich bewundern, Dich preisen, und Dir danken mag! Der Der im Winter schon bluͤhende Kirsch-Baum. J m Februario bereits, wie noch der Frost die Erde druͤckt, Ward mir ein bluͤhend Kirschen-Baͤumchen, von mei- nem Gaͤrtner, zugeschickt, Das ich mit innigem Vergnuͤgen, jedoch nicht ohn’ Er- staunen, sah. Durch sein fast blendend Weiß geruͤhrt, begriff ich kaum, wie mir geschah. Aus mehr als tausend weissen Bluhmen ein auf einmal entspringend Licht, Samt der Figuren Lieblichkeit, bezauberte fast mein Gesicht; Wobey zugleich, aus zarten Blaͤttern, ein sanftrer Licht, das lieblich gruͤn, Verschoͤnert durch die Nachbarschaft, und sie zugleich verschoͤnernd, schien. Die Blaͤtterchen der Bluhmen waren so zart, durchsich- tig, und so klar, Daß auch so gar derselben Schatten nicht schwarz, nein weiß und helle, war. Jn jedem Kelch sah man annoch, auf kleinen Silber- weissen Spitzen, Auf fuͤnf und zwanzig gelbe Puͤnctchen, die fast dem Golde glichen, blitzen, Und ihrer Mutter Schoͤnheit mehren. Es saß der Bluhmen Heer so dicht, Und in einander recht gepreßt; man sah fast keinen Staͤngel nicht. Sie Der im Winter schon bluͤhende Kirsch-Baum. Sie sahn daher, an Weiss’ und Ruͤnde, fast einer Schnee- Ball-Bluhme gleich; Nur mit dem Unterschied allein, Daß viele, noch nicht aufgebrochne, den runden Perlen aͤhnlich seyn. Jch sah, mit allen meinen Kindern, von diesem Baͤum- chen jeden Zweig, Mit Anmuth und Erstaunen, an: als Julius, von ungefehr, Von einer kleinen Juden-Kirsche die rothe Kugel, obenher Auf die Schnee-weissen Bluhmen legte; die, da sie einer Kirsche glich, Die holde Schoͤnheit noch vermehrte. Die rothe Gluht vermischte sich, Und glaͤnzte, durch den weissen Schimmer, und durch der zarten Blaͤtter Gruͤn, So herrlich, daß ein funkelnder und rund geschliffener Rubin Nicht schoͤner haͤtte glaͤnzen koͤnnen. “Jch freute mich recht inniglich, “Und dankte Dem, Der alles schafft, daß, auf so un- verhoffte Weise, “Annoch im Frost, im Schnee und Eise, “Er den noch nicht vorhandnen Lenzen, “Uns, zum voraus schon, laͤsset glaͤnzen. “Jch wuͤnschte, mit vergnuͤgtem Sehnen, um Seine Liebe zu erheben, “Den nicht so gar entfernten Fruͤhling bald froͤhlich wieder zu erleben. Ver- Vermischte Gedichte . Vertheidigung meines vielen Schreibens. H oͤrst du denn noch nicht auf, mein Geist! in dei- nen Schriften auszuschweifen? Die Menschen, die doch deines Gleichen, mit Unterricht zu uͤberhaͤufen? Jhr allgemeines Thun zu tadeln? und einer neuen Wahr- heit Licht Denselben gleichsam aufzudringen? Wer hat doch, zu so schwehrer Pflicht, Dich anders, als du selbst, verdammt? Von wem bist du zu einem Lehrer Des menschlichen Geschlechts bestellt? Bemerkst du nicht, daß deine Hoͤrer So vieler Lehren uͤberdruͤßig, dieselbigen nicht ferner lesen; Und, lesen sie sie gleich einmal, doch bleiben, wie sie vor gewesen? Was willt du doch, besinne dich! auf die nicht ungerech- ten Fragen, Die die Erfahrung ja bewaͤhrt, betrogner Geist! zur Antwort sagen? 8 Theil. E e Ja, Vertheidigung Ja, ja! dein Vorwurf ist gerecht. Die Fragen sind es, leider! wehrt, Daß man auf ihren Jnhalt achte: und, was noch meinen Gram vermehrt, Jst, daß mir die Erfahrung zeigt, ich hab’ im Hoffen mich geirret. Es ist auch nicht zum erstenmal, daß der Gedanke mich verwirret: “Was nuͤtzt, daß ich die schoͤne Welt, daß ich der Erd’ und Himmel Pracht, “Den sproͤden Menschen angepriesen, zum Preise Des, Der sie gemacht, “Und ihrem eigenen Vergnuͤgen? Da sie, trotz dem, was ich geschrieben, “Und trotz der unleugbaren Wahrheit, doch immer unempfindlich blieben. “Daß auch so gar begabte Geister, vom laͤcherlichen Stolz besiegt, “Es nicht des Ansehns wuͤrdig achten, und lieber im- mer unvergnuͤgt, “Selbst Gott zur Schande, bleiben wollen; als an von Jhm erschaffnen Schaͤtzen, “Jhr zeitlich Leben zu begluͤcken, sich laben wollen und ergetzen: “Die sich geschaͤmt, und noch sich schaͤmen, zu weisen, daß von meinem Werke “Sie die geringste Kundschaft haͤtten. Es scheint, so viel ich es bemerke, “Und hab ichs, leider! oft gespuͤhrt, “Wofern man glaubt’, ob laͤsen sies, sie hielten sich encanaillirt. Wie seines vielen Schreibens. Wie oft hab ich, bey dem Betragen, mit einem bittern Grimm, gelacht; Bald aus Verdruß, und bald aus Mitleid! Vom großen Vorwurf keck gemacht, Da ich zum Lobe Gottes schrieb, hab ich von ihnen oft gedacht: “Wie seyd ihr doch bey dieser Arbeit, da ihr sonst so beredt, so stumm? “Wird euer sonst so kluge Geist, allein bey diesem Vor- wurf, dumm? “Es soll vielleicht der arme Author durch euren Neid beehret seyn, “Gedacht ich oft; doch dacht ich auch: Fuͤrwahr, das waͤr fuͤr sie zu klein. “Vielleicht verachten sie die Verse, und alle Dichterey. Doch nein: “Sie lesen andre Verse ja. Was bleibt, von allem, dann noch uͤber, “Als diese Warnung an mich selbst: Was nuͤtzt es alles? Schweige lieber! Allein, hingegen dacht ich auch: und eben, was ich da gedacht, Dient auch, zur Antwort, auf die Fragen, die du zu Anfangs vorgebracht. Jch dachte naͤmlich: “Soll ich dann, weil etwan Alle, meine Lehren, “Aus dieser, bald aus jener Ursach und Absicht, nicht mehr lesen, hoͤren, “Und merken wollen, darum schweigen? Da ich jeden- noch uͤberfuͤhrt, “Daß viele sie noch nicht verachten; daß viele noch, dadurch geruͤhrt, E e 2 “Sich, Vertheidigung “Sich, Gott zum Ruhm, daran vergnuͤgen. Wie die Verleger es bewaͤhren, “Die eine neue Auflag bald, bald einen neuen Theil, begehren. “Es ist ja keine Moͤglichkeit noch Hoffnung, auf der Erden, allen “Mit so verschiednen Meynungen erfuͤllten Menschen, zu gefallen. Warum ich zu so schwehren Pflichten, so wie du fragst, mich selbst verdammt, Da ich doch kein bestellter Lehrer? So hoͤre: “Mein Betragen stammt “Aus einer allgemeinen Pflicht. Die allgemeine Men- schen-Liebe “Jst einzig, welche mich, fuͤr dich und mich, zu dieser Arbeit triebe. Es ist ein Trieb, sich zu vergnuͤgen, bey allen Men- schen, allgemein: Ein jeder wuͤnschet, rennet, laufft, und sehnet sich, ver- gnuͤgt zu seyn. Ein jeder sucht verschiedne Wege, zu seinem Endzweck zu gelangen: Ein jeder irrt in seiner Wahl; fast einen jeden taͤuscht der Schein. Der eine glaubet: Das Vergnuͤgen besteh’ in Hoheit, Pracht und Prangen. Der andre siehet volle Kasten fuͤr Quellen des Ver- gnuͤgens an. Der meynt: Daß man ohn Wein und Weiber unmoͤglich sich vergnuͤgen kann. Dieß seines vielen Schreibens. Dieß sind die Meynungen der Menschen, wornach die mehresten sich lenken, Und darinn ihr Vergnuͤgen suchen. Nun soll mein Le- ser nicht gedenken, Daß ich dieselben ganz verwerfe. Ein solcher Zeno bin ich nicht, Und kein so strenger Sitten-Lehrer: indem ich einem jeden goͤnne, Daß er an Ehre, Geld, und Wein, und Liebe, sich ver- gnuͤgen koͤnne; Wenn es nach Ordnung, Regeln, Maß’ und Ueberle- gung nur geschicht. Jch halte diese Gegenwuͤrfe vielmehr fuͤr Mittel zum Vergnuͤgen, Jn welchen Quellen vieler Anmuth, zum Labsal unsers Lebens, liegen. Sie sind es aber nicht allein. “Erwegt die Wege der Natur! “Seht Euch, die Welt, den Himmel, an; so kommt ihr auf die rechte Spuhr. “Jhr selbst besteht aus Geist und Koͤrper. Der Geist ist sinnlich und vernuͤnftig. “Der Koͤrper ist fuͤr die fuͤnf Sinnen bewunderns- wuͤrdig zugericht. “Die Welt hat Millionen Vorwuͤrf fuͤr sie. Der Himmel hat das Licht. “Der Geist, waͤr’ er auch noch so klug, begriff von aller Erden Schaͤtzen, “Wofern er keine Sinnen haͤtte, nichts, und es koͤnnt ihn nichts ergetzen. E e 3 “Darum Vertheidigung “Darum hat Gott fuͤr ihn den Koͤrper, mit den fuͤnf Sinnen, ausgefunden, “Und, durch der Sinnen Wunder-Mittel, ihn mit der ganzen Welt verbunden, “Damit er ihr geniessen moͤchte; damit er, was auf Erden schoͤn “Und angenehm, empfinden, fuͤhlen, auch hoͤren, schmecken moͤcht’, und sehn. Dieß ist des Koͤrpers, unsers Geists, und der Natur Beschaffenheit. “Damit der Mensch an so viel Gutem, an Millionen Erden-Schaͤtzen, “Auf Millionen Art und Weise, sich laben sollt’, und koͤnnt’ ergetzen; “Hat Gott ihn in die Welt gesetzt. Dieß alles ist fuͤr dich bereit; Komm, schlacht’, und iß! (scheint seine Stimm’ an alle Sterblichen zu seyn) Gebrauche die Vernunft allein, Und deines Geistes Kraft, das Denken, bey deinen Sinnen. Ueberlege, Daß du was schmeckest, wenn du schmeckst; daß, wenn du riechest, fuͤhlest, hoͤrst, Du wirklich hoͤrest, fuͤhlest, riechst: daß du, in deiner Lust, Mich ehrst, Wenn du die schoͤnen Werke siehst, mit Lust und Achtsamkeit. Erwege, Daß Jch die Kraft, die ganze Welt dir zuzueignen, bloß nur dir Geschenkt, und keinem andern Thier: Ja, seines vielen Schreibens. Ja, daß dir desto deutlicher der Strahl von Mei- ner Liebe scheinet; So hab Jch, Meinen Dienst so gar, mit einer solchen Lust, vereinet. “So liegt es dann ja nicht an Gott, daß von den Sterblichen hienieden “Die allermeisten unzufrieden; “Zumal die, so, von Seiner Hand, Gesundheit, Noth- durft, und noch mehr, “An Geld, Bequemlichkeit, an Ehr’, “An Leibes- und Gemuͤthes-Gaben, “Auf dieser Welt empfangen haben. Durch dieses unvernuͤnftige, dieß ungluͤckselige Be- tragen, Das alle Lebens-Lust verbittert, und das, von allen unsern Plagen Auf dieser Welt, die Quell’ allein, Jndem sie, leider! allgemein; Bin ich, nachdem ich es erkannt, zu mein- und deinem Nutz und Frommen, Auf den von mir erkiesten Weg zu meiner neuen Lehr- Art kommen, Jn dieser festen Ueberzeugung: “Daß, da der Weg, zu Gottes Ehre, “Und zu der, sonst auf dieser Welt umsonst gesuchten Lust, uns fuͤhret, “Der wahren Stimme der Natur, in dieser meiner sanften Lehre, “Ein aufmerksames Ohr gebuͤhret; E e 4 “Auch Vertheidigung seines vielen Schreibens. “Auch daß, wo nicht die jetzigen, vermuthlich doch die kuͤnftgen Zeiten, “Zu der so klar- als suͤßen Wahrheit sich endlich wer- den lassen leiten. Jn dieser festen Zuversicht Fahr ich, mit meinen Liedern, fort: und, in den wun- derbaren Werken, Des Schoͤpfers Weisheit, Macht und Liebe, mit froher Andacht, zu bemerken, Ermuͤd’ ich nicht. Versuch Versuch einer etwanigen Vorstellung von der unbegreiflichen Groͤße Goͤttlicher Allwissenheit. M eine Seele! senke dich, voller Andacht, noch einmal Jn des tiefen Firmaments Grund- und Graͤnzen- loses Thal: Wende die geschaͤrften Kraͤft’, und des Geistes regen Blicke, Aus der hell gestirnten Tiefe weitem Raum, nicht eh zuruͤcke, Ehe du von Gottes Groͤße, die dieß große Ganz erfuͤllt, Die so groß, daß Sich Sein Wesen, durch die Groͤße selbst, verhuͤllt, Hier in diesem Kreis ohn Umkreis, ein Jhm nicht un- wuͤrdigs Bild Angetroffen, und verehrt. Ueberleg’, auf dieser Reise, Die, (wie fluͤchtig gleich dein Wesen, so daß du, im Augenblick, Tausend Millionen Meilen, ja noch ihrer mehr, zuruͤck Legen, und durchstreichen kannst; wenn du auch, auf solche Weise, Gleich dein ganzes Leben reistest) doch kein Ziel hat, Gott zum Preise, Erstlich, diesen Wunder-Raum! Dann erweg’, in die- ser Ferne, Jenes Graͤnzen-lose Heer der beflammten hellen Sterne, E e 5 Welche Vorstellung der unbegreiflichen Groͤße Welche lauter Sonnen sind! Ferner, die noch groͤßre Zahl Aller Welten, die um sie, durch derselben Lebens-Strahl Helle, fruchtbar, warm gemacht, sich bestaͤndig richtig drehen, Und um sie (wie wir Planeten all’ um unsre Sonne) gehen! Weiter! Dann betracht’ einmal aller derer Creaturen, Die darinn enthalten sind, unterschiedliche Figuren, Und vor andern deren Wesen, welche denken! Dann hab Acht Auf die Menge der Gedanken, die von ihnen sind gedacht, Von der Zeit, da sie entstanden, und die sie, auf ihren Erden, Noch, so lange sie bestehn, kuͤnftighin erzeugen werden. Hier halt ein! “und uͤberlege eines Wesens Groͤß’ und Stand, “Dem sie alle unverborgen, Dem sie alle wohl bekannt; “Welches den Zusammenhang aller dieser Ding’ er- gruͤndet: “Der, in einer ewgen Kette, alles, was erschaffen, bindet; “Der, was war, was ist, was kommt, all’, auf einmal, vor sich findet: “Dem das Geistige nicht minder, als das Koͤrperliche, klar, “Und, so wie Ers jetzo kennet, immer unverborgen war. Dieses Goͤttlicher Allwissenheit. Dieses zeiget dir, vermuthlich, einen Gott viel wuͤrd- ger an, Als das unanstaͤndge Bild, so, von einem alten Mann, Nicht dem Blick nur, auch dem Geist, leider! oft wird vorgestellt, Und wodurch man in den Graͤuel eines Goͤtzen-Diensts verfaͤllt; Den doch Gott so scharf verboten. Schaͤrf’ uns, Herr! doch den Verstand, Der Du unumschraͤnkt unendlich, Der Du groß und unbekannt: Hiob 36, 26. Daß wir Dich, als Gott, zu kennen, und zu ehren, uns bestreben, Und Dir, zum gefaͤllgen Opfer, Ehrfurcht und Be- wundrung geben! Betraͤcht- Betraͤchtlicher Trost fuͤr Ungluͤckliche und Arme. A n jedem Abend wird die Welt von uns, und wir von ihr, verlassen: Sie nuͤtzt uns nicht; die ganze Pracht und Schoͤnheit ist, fuͤr uns, nicht schoͤn. Die Menschen wollen uns nicht laͤnger, und wir diesel- ben auch nicht, sehn. Die besten Freunde scheiden sich: sie scheinen, uns; wir sie, zu hassen. Wir werden Sinnen-los; verlieren Geschmack, Geruch, Gehoͤr, Gesicht, Nebst allen ihren Gegenwuͤrfen, als Speisen, Bluhmen, Klang und Licht. Wir leben, wo wir anders leben, so dann, nur von der Luft allein. Kein Armer, wenn er schlaͤft, ist arm: Ein Reicher hoͤrt auf, reich zu seyn. Ein Koͤnig ist kein Koͤnig mehr; Ehr’, Ansehn, Schaͤtz’ und Zepter schwinden: Ein Bettler kann, in seinem Traum, den Thron, den der verlohren, finden. Denn, wird man einen Reichen reich, so lang er schlaͤft, mit Recht, wohl nennen? Noch einen Armen wirklich arm, wenn er nicht wachet, heissen koͤnnen? “Da Trost fuͤr Ungluͤckliche und Arme. “Da nun, die halbe Lebens-Zeit, kein Armer arm, kein Reicher reich; “So sind, in ihrem halben Leben, die Menschen sich einander gleich. “Die Gleichheit, welche die Natur mit allen Sterblichen beachtet, “Verdient, daß man, in dieser Ordnung, der weisen Vorsicht Huld betrachtet. “Da einer, in der Lebens-Haͤlfte, sein Ungluͤck; der, sein Gluͤck, verliert; “Wird eine Art von Gleichgewicht, bey aller Ungleich- heit, verspuͤhrt: “Bis daß zuletzt, nach kurzer Dauer, des stillen Todes lange Nacht “Den ganzen Unterscheid hinwegnimmt, und alles voͤl- lig aͤhnlich macht. Neue Neue Erd-Beschreibung. E s ist der Erd-Kreis ein Planet, Der einmal, jaͤhrlich, um die Sonn’, und taͤglich um sich selbst, sich dreht, Wodurch die Sonne, vielen Voͤlkern, stets auf- und immer untergeht; Den Laub und Gras, von aussen, schmuͤcken: auf wel- chem den Bewohnern scheinet, Daß ein Triangel aus drey Winkeln, und ein Quadrat aus vier, besteht; Und wo man schließt: Ein Theil sey kleiner, als wie sein Ganz, wenn es vereinet: Worauf man, daß ein Ding, zugleich nicht seyn, und seyn kann, stark verneinet; Auch, daß zwey Paar nicht mehr als vier sey, mit ziem- licher Gewißheit, meynet. Vor- Vorzuͤge der Mahlerey. M it der Kunst noch nicht zufrieden, so im Lesen als im Schreiben Die Gedanken zu verkoͤrpern; fand die guͤtige Natur, Uns zum Nutzen und Ergetzen, annoch eine neue Spuhr, Jhre Guͤte gegen uns weit- und hoͤher noch zu treiben. Da wir, sonder Muͤhe nicht, auch nicht ohne Zeit, erst lesen, Was desjenigen, der schrieb, Zweck und Absicht sey gewesen; Schenkt sie uns die Mahlerey: Wo wir, sonder tiefes Denken, ohne Muͤh, durch bloßes Sehen, Was des Kuͤnstlers Geist gedacht, was sein Zweck gewesen sey, Jn der groͤßten Deutlichkeit, gleich im Augenblick, ver- stehen. Sprich dann, edler Ridinger, ob nicht unsrer Dich- terey, Deines Griff- und Pinsels Werk, billig vorzuziehen sey? Die Die Sprache der Natur. D as Welt-Buch muß der Mensch studieren. Dieß schrieb des Schoͤpfers Wunder-Hand. Er schenkt uns Sinnen und Verstand, Daß uns der Jnhalt koͤnnte ruͤhren, Und uns auf Sein Erkenntniß fuͤhren. Der Jnhalt ist der Unterricht: Euch zeigt Mein Werk, daß Jch gewollt, Daß ihr Mein Daseyn wissen sollt. Ein mehrers brauchen wir hier nicht. Doch merket, wie der Mensch es macht! Was Gott, und zwar fuͤr ihn, geschrieben, Laͤßt er, von seinen eignen Trieben Verfuͤhret, straͤflich aus der Acht. Er braucht, er nuͤtzt, er liest es nicht; Er glaubt, was Paul und Peter spricht: Die sagen nichts von Gottes Werken; Noch, daß Er darinn sichtbarlich Zu sehn, zu spuͤhren, zu bemerken. Ein jeder schreibt sein Buch fuͤr sich. Sie sehn nicht, was sie sollen sehen: Nicht Gott, in Seiner Werke Zier; Sie ziehn, die eigenen Jdeen, Des schoͤnen Welt-Buchs Jnhalt fuͤr. Jhr Hirn-Gespinnst ists ganz allein, Womit sie hier beschaͤfftigt seyn: Man lehrt, mit Zanken und Geschrey, Nicht, daß ein Gott; nein, was Er sey. Was Die Sprache der Natur. Was Gott schreibt, das muß allgemein; Muß allen denen leserlich, Fuͤr die Er es geschrieben, seyn. Es kennt so gleich der Geist fuͤr sich Das, was er, durch die Sinnen, kennet. Das Wissen ist recht wunderbar, Das Gott uns, durch die Sinnen, goͤnnet. Die Wissenschaft ist allen klar; Kein metaphysisches Studieren, Kein tiefes Gruͤbeln, braucht es hier: Der Bauer kann so gut, als wir, Was seine Sinnen ruͤhret, spuͤhren. Es ist kein Kraut, kein Gras, so klein, Kein Bluͤhmchen, und kein Laub, so zart, So winzig ist kein Staub, kein Stein, Es kann des Schoͤpfers Zeuge seyn. Es zeigt nicht Seine Macht allein, Und Seiner weisen Liebe Schein; Es zeigt selbst Seine Gegenwart: Jndem Er es, zusamt der Welt, Nicht nur erschuff; auch noch erhaͤlt. Die Sonne, die am Himmel flammet, Aus welcher, was uns auf der Welt Ernaͤhret, nuͤtzet und gefaͤllt, Unwidersprechlich quillt und stammet, Zeigt, in dem Nutzen und der Pracht, Wie herrlich Der, Der sie gemacht. 8 Theil. F f Wenn Die Sprache der Natur. Wenn wir, auf diese Weise, sehn; Wird aller Eigenduͤnkel schwinden: Wir werden gruͤndlicher verstehn Jn dem, was von Jhm Selbst geschehn, Und in dem Welt-Buch klaͤrer lesen Sein Daseyn und Sein Goͤttlichs Wesen, Als wirs in allen Buͤchern finden. Wenn wir nun davon uͤberfuͤhrt; So werden Seine Herrlichkeiten Uns erstlich zur Bewundrung leiten, Worinn man sich, in Jhm, verliert: Wir werden, in Jhm, froͤhlich werden. Dieß ist, von Diensten auf der Erden, Der beste Dienst, der Jhm gebuͤhrt. Naͤchst diesem wird es unsern Seelen So dann an dem Begriff nicht fehlen, Und an der Wissenschaft, daß man Dem Schoͤpfer nichts vergelten kann; Da finden sich so dann die Triebe Zu einer wahren Naͤchsten-Liebe. Wir kommen dadurch auf die Spuhr: Daß, da er Gottes Creatur Sowohl, als wir; der Schoͤpfer wolle, Daß man, in ihm, Jhn lieben solle. Dieß ist die Stimme der Natur, Die wir an allen Orten hoͤren; Dieß sind des Welt-Buchs weise Lehren, Die wir an allen Orten sehn, Und uͤberall geschrieben stehn. Laßt Die Sprache der Natur. Laßt uns das Welt-Buch dann studieren; Doch nach der Ordnung dieser Zeit: “Wir sollen hier nur buchstabieren; “Das Lesen lehrt die Ewigkeit. Es stimmt, von allen unsern Schluͤssen, Der beste, dieser Wahrheit bey: “Der Mensch soll, hier auf Erden, wissen, “Nicht, was Gott sey; nein, daß Er sey. F f 2 Gleich Gleichniß von der Zweyseitigkeit aller Dinge. J n einer Oper sah ich einst ein Paar Schnee-weisser Masquen kommen, Mit sanftem Schritt; sie hatten sich einander bey der Hand genommen: Sie tanzeten mit leichtem Fuß; sie schienen ungemein vergnuͤgt, Und recht, als haͤtte Fried’ und Eintracht sie sich einan- der zugefuͤgt. Jnzwischen drehete sich eine, als wie von ungefehr, heruͤm; Da war sie schwarz, wie Pech und Kohlen. Die andre hatt’ es kaum gesehn; So schiene sie darob erstaunt, und in Verwunderung zu stehn: Allein, kaum wendete sie sich; so war sie ja so schwarz, so schlimm, So daß die erste, durch den Anblick, denselben Schrecken jetzt verspuͤhrte, Den jene, durch der erstern Schwaͤrze gewirket, kurz vorhero ruͤhrte. Sie merkten endlich alle beyde, daß sie, an Weiß- und Schwaͤrze, reich, An gut- und boͤsen Eigenschaften einander fast vollkom- men gleich. Daruͤber schienen sie zuletzt sich mit einander zu vergleichen. Man sahe sie, mit neuer Freundschaft, einander sich die Haͤnde reichen, Und Von der Zweyseitigkeit aller Dinge. Und froͤhlich huͤpfen, tanzen, springen; bald vorn, bald seitenwaͤrts, sich drehn: Sie liessen bald die schwarze Seite, und bald die weisse wieder, sehn. Jch dachte diesem Handel nach; und fiel, bey die- sem Spiel, mir bey: “Wie es, in unsrer ganzen Welt, nicht anders fast bestellet sey. “Es hat ein jedes Ding zwo Seiten: halb ist es haͤß- lich, und halb schoͤn. “Wer klug ist, suchet stets von sich die weisse Seite vorzudrehn. “Wenn wir nun recht vernuͤnftig waͤren; so muͤßten wir uns auch bemuͤhen, “Von allen Gegenwuͤrfen stets die beste Seite vorzu- ziehen: “Weil, da doch nichts hier voͤllig weiß, wir, wenigstens mit groͤßern Freuden, “Am Naͤchsten uns vergnuͤgen koͤnnten, und unser Aug’ am Weissen weiden. F f 3 Die Die Suppe. V on seiner Tafel sandt’ Amintas einst an drey un- terschiedne Kranken, Zum Labsal, angewuͤrzte Suppen, so niedlich, als es moͤglich war. Nun nahmen sie dieselbe zwar: Doch, weil sie von verschiednem Geist, und ganz ver- schiedenen Gedanken; So nahm der erste seine Schaale, und soffe sie, als wie ein Schwein, Ohn’ etwas, was daran, zu kosten, in einem starken Zug’, hinein. Der andre sah die Schuͤssel an, durchsuchte alles, nahm die Stuͤcken; Besahe Wurzeln, Kraͤuter, Fleisch: besah, mit aufmerk- samen Blicken, Ein jedes Koͤrnchen vom Gewuͤrze; bemuͤhete sich, das Gewicht, Und das Verhaͤltniß, auszufinden. Jndem er nun von allen spricht, Der Waͤrterinn gelehrt erklaͤrt, wo Jngber und der Pfeffer wachsen, Jn Java naͤmlich, und der Kuͤmmel an manchem Ort, und auch in Sachsen; Da war die schoͤne Suppe kalt, und zum Genuß nicht ferner nuͤtz. Und kurz darauf befiel, aufs neue, ihn seines wilden Fiebers Hitz. Der Die Suppe. Der dritte nahm, mit frohem Muth, die ihm gesandte Schuͤssel an, Genoß und kostete dieselbe; empfand, was man daran gethan; Verband sein Denken mit der Zunge: fand eine schoͤne Harmonie Jn den so wohl gemengten Theilen; vergnuͤgte sich, indem er sie, Mit Lust, bedachtsam niederschluckte, und dankte, fast bey jedem Bissen, Dem Geber, welcher ihn erquickt. Nun moͤcht’ ich wohl die Meynung wissen Von denen, welche diese Nachricht, mit einigem Be- dacht, gelesen, Ob das Betragen von dem Letzten nicht das vernuͤnf- tigste gewesen? “Wie vielen werden, von dem Schoͤpfer, dergleichen Suppen nicht geschenkt! “Wie selten findet sich ein Mensch, der, wie der dritte, speist und denkt! F f 4 Beweg- Beweg-Gruͤnde, weswegen ein vernuͤnftiger Gebrauch unserer Sinnen, in Betrachtung Goͤttlicher Werke, nicht zu versaͤumen. D as, was wir eigentlich (wenn wir nur Ernst dazu gebrauchen wollten) Jn unsern Maͤchten haben sollten, Sind unsere Gedanken ja: Sie sind ja Kinder unsrer Seelen. Wir koͤnnen, fuͤr sie, Vor- und Gegenwuͤrfe waͤhlen, Aus so viel Dingen auf der Welt, Von fast unzaͤhlichen Gestalten: Es steht in unsrer Macht, dabey uns aufzuhalten, So lang’ es uns gefaͤllt; Wir koͤnnen, durch ein achtsam Ueberlegen, Derselben Farben und Figur, Kraͤft’, Eigenschaften und Natur, Bewundern, und mit Lust bewegen. Was hindert uns, dabey nicht still zu stehn, Und sie, mit Achtsamkeit zu hoͤren und zu sehn? Zumal wir, dadurch, nicht nur manche Lust empfinden; Nein, da wir Gott so gar, in ihren Wundern, finden. “Wollt ihr, in dieser Welt, in Gott vergnuͤget seyn; “Wollt ihr euch Seiner Macht und Lieb’ und Weisheit freun; “Wollt Nothwend. u. vernuͤnftiger Gebrauch der Sinne. “Wollt ihr, im Jrdischen, den Schoͤpfer liebgewinnen, “Auch Jhn, in Seinem Werk, erhoͤhen: so vermaͤhlt “Vernuͤnftige Gedanken mit den Sinnen. “Wo dieses nicht geschicht; so wird der Zweck verfehlt, “Zu welchem ihr gemacht. Jhr habt nicht Geist allein; “Jhr habt, ein Geist, mit Fleisch verbunden, sollen seyn. “Durchs Fleisch kann unser Geist allein, von Gottes Werken, “Die koͤrperlich, ihr Daseyn merken. “Ohn dieses Werkzeug kann das, was durch Gott geschehn, “Die Seele nimmermehr verstehn; “Ja nicht einmal begreifen, und erweisen, “Daß eine Gottheit sey, noch weniger Sie preisen. F f 5 Das Das lehrende Kerzen-Licht. M ir strahlte juͤngst ein Kerzen-Licht, Jm Dunklen, ploͤtzlich ins Gesicht. Es traff desselben Glanz und Schein Nicht meines Koͤrpers Aug’ allein; Mein Geist ward ebenfals geruͤhrt, Und, durch desselben helle Klarheit, Zu einer unleugbaren Wahrheit, Auf einen neuen Weg, gefuͤhrt. Jch dachte: “Koͤmmt die helle Gluht, “Die solche Wunder bey uns thut, “Vielleicht von einem Ungefehr, “Und also von sich selber, her? “O nein! sie hat der Menschen Hand, “Und einen menschlichen Verstand, “Zur Ursach’ und zu ihrem Grunde: “Der eine solche Kunst erfunde, “Daß man, aus Jnschlitt, Wachs und Dacht, “So nutzbar, in der dunklen Nacht, “Uns eine kleine Sonne macht. “Wie kann es dann doch moͤglich seyn, “Daß man der Sonnen Wunder-Schein, “Das ungemeßne Licht-Gefaͤße, “Von solcher Ordnung, Pracht und Groͤße, “Das Leben, Aug’ und Schmuck der Welt, “Von ungefehr entstanden haͤlt? “Dieß waͤr, von ihrer Kraft und Pracht, “Weit aͤrger, als ein Vieh, gedacht. “Wo Das lehrende Kerzen-Licht. “Wo Absicht, Ordnung, Nutz, vorhanden; “Jst nichts von ungefehr entstanden: “Es muß ein weiser Geist allein “Die Urquell’ aller Ordnung seyn. “Und also, nebst viel tausend Gruͤnden, “Die sich in der Natur befinden, “Macht uns ein Kerzen-Licht so gar “Der Sonnen Schoͤpfer offenbar. Anhang. D ie Sonne zeiget ihre Kraft und helle Strahlen nicht so sehr Der, durch ihr helles Lebens-Licht, erwaͤrmten und bestrahlten Erden, Als, durch dieselbige, vielmehr, Von ihrem wunderbaren Schoͤpfer, die Macht, die Weisheit, Lieb’ und Ehr Bestaͤndig offenbahret werden. Mensch- Menschliche Unwissenheit, im Buche der Natur zu lesen. C œcutus ging zum Brillen-Macher, um eine Brill ihm zu erkaufen. Er nahm verschiedene derselben aus einem aufgethuͤrmten Haufen, Setzt’ eine nach der andern auf, versucht’, an ein ge- druckt Papier, Die Guͤte des geschliffnen Werkzeugs; allein, er aͤrgerte sich schier, Als er kein’ einzige gerecht fuͤr sich und seine Augen fand. Bald legt’ er die, bald jene, nieder; nahm eine andere zur Hand, Bis er sie alle fast probiert. Drauf fing der Brillen- Macher an: Mein Freund, ihr koͤnnt vielleicht nicht lesen. Darum, daß ich nicht lesen kann, Sprach jener, kauf’ ich eine Brille. Denn, haͤtt’ ich ein so gut Gesicht; Gebraucht’ ich eurer Brillen nicht. Wie laͤcherlich nun dieser Schluß; So gab er mir zum ernsten Denken doch Anlaß; wel- ches ich denn hier, Geliebter Leser! gleichfals dir, Wiewohl betruͤbt, entdecken muß. “Wir alle sind Cœcutus gleich. Wer hat, im Buche der Natur “Zu lesen, jemals wohl gelernt? Man hat ja kaum einmal die Spuhr “Der Menschliche Unwissenheit im Buche der Natur. “Der schoͤnen Lettern angesehn, viel minder darinn buch- stabiert, “Noch weniger darinn studiert, “Den Jnhalt, der der wahre Gott, in seinen großen Wunder-Werken, “Die dieses Buches Lettern sind, zu uͤberlegen, zu be- merken; “Und meynen doch, die weise Schrift, und den darinn verborgnen Schein, “Durch unsrer Augen Brillen bloß, zu lesen, schon ge- schickt zu seyn. “Wahrhaftig, es sind unser’ Augen, wenn unser Geist nicht lesen kann, “Nichts, als ein bloßes Brillen-Glas. Wir sehn den Kreis der Erden an, “Als einer, der nicht liest, ein Buch; obgleich, in des- sen klugen Zuͤgen, “Der allertiefsten Weisheit Schaͤtze enthalten, und ver- borgen liegen. Stunden Stunden-Betrachtungen. Obgleich die Zeit, von der Natur, in Tag und Nacht, und von uns, in Stunden, eingetheilet wird; so befin- den wir jedoch, daß dadurch eine langweilige Einfoͤr- migkeit bey uns sich nicht unterbreche. Wir ver- bringen unsere Dauer in einem ungefuͤhlten Zug. Jndem wir nicht daran gedenken; bemerken wir kaum, daß wir seyn, wenn wir uns in guten Umstaͤnden befinden: und, in verdrießlichen, werden wir, in einer nicht unterbrochenen bittern Stille, gleichsam als in einem schwehren Schlaf, und wie in einem schleichen- den Drang eines Strohms, fortgezogen. Jnson- derheit empfinden wir eine verdrießliche lange Weile, bey schlaflosen Naͤchten. Diese beschwehrliche Lang- wierigkeit nun nicht allein zu unterbrechen; sondern auch zugleich, (nebst einer vernuͤnftigen Erinnerung unsers Daseyns) in guten Zeiten, unser Vergnuͤgen zu vermehren; in kranken und betruͤbten aber, durch erbauliche Betrachtung: daß wir, bey jeder Stunde, dem Ende unserer beschwehrlichen Umstaͤnde, und dem Anfange einer ewig daurenden Gluͤckseligkeit, uns naͤhern; habe ich nicht undienlich erachtet, folgende Stunden-Betrachtungen anzustellen. 1. J etzt schlaͤgt es Ein. Laß diese Zahl, Die aller Zahlen Grund allein, Geruͤhrtes Herz! dir allemal Der großen Einheit Denk-Bild seyn, Aus welcher alles, was vorhanden, Der Welt und Sonnen Heer’, entstanden. 2. Es Stunden-Betrachtungen. 2. Es schlug jetzt Zwey. Die Zeiten ei l en. Erwege Zeit und Ewigkeit! Du selbst bestehst aus zweyen Theilen: Du bist aus Seel’ und Leib bereit. Quaͤlt etwa dieses hier ein Leid; Die Ewigkeit wird alles heilen. 3. Drey schlug es. Jch erweg hiebey, Zu meinem Trost, ein heilges Drey: Und, daß der Schoͤpfer aller Welt, Der sie erschuff, regiert, erhaͤlt, Allmaͤchtig, weis’ und liebreich sey. 4. Jetzt schlug es Vier. Vier Jahres-Zeiten Bezeichnen unsre Lebens-Zeit: Die all’, in reger Fluͤchtigkeit, Nebst uns, bestaͤndig vorwaͤrts gleiten; Bis daß dereinst ein stetes Heut, Ein ewger Fruͤhling, uns erfreut. 5. Da es nunmehro Fuͤnfe schlug; Erweg’ ich, und zwar wohl mit Fug, Der herrlichen fuͤnf Sinnen Gaben, Wodurch der Geist die Welt empfindet, Wodurch ihn Gott mit Koͤrpern bindet, Und wir so viel Vergnuͤgen haben. 6. Schon Stunden-Betrachtungen. 6. Schon Sechs! Von vier und zwanzig Stunden, Worein die Tages-Zeit getheilt, Jst schon der vierte Theil verschwunden. Da auf der Welt nun nichts verweilt, Sich alles aͤndert, wechselt, eilt; So laßt uns, bis er eingetroffen, Den letzt- und besten Wechsel hoffen. 7. So eben schlug der Seiger Sieben, Die man die heilge Zahl sonst heißt. Ach wuͤrd jetzt, mehr als sonst, mein Geist, Der Gottheit allgemeines Lieben, Das sich in allen Dingen weist, Doch zu bewundern, angetrieben! 8. Die Glocke schlug jetzt eben Acht. Mein Herze, nimm des Schoͤpfers Macht, Die alle Ding’ hervorgebracht, Jn Seiner schoͤnen Werke Pracht, Jn dieser Stunde, mit Bedacht, Mit Andacht, und mit Lust, in Acht! 9. Die neue Stunde tritt herein, Sie ist schon da, es schlaͤget Neun. Moͤcht jetzt des Schoͤpfers Weisheits-Schein Doch etwas mehr, als insgemein, Ein Vorwurf unsers Denkens seyn! 10. Jetzt Stunden-Betrachtungen. 10. Jetzt hat es eben Zehn geschlagen. Bist du befreyt von Pein und Plagen; So danke Gott. Druͤckt dich ein Leid; So denke: daß selbst unsrer Zeit Unauf haltbare Fluͤchtigkeit, Von deinem Kummer und Verdruß, Stets etwas mit sich nehmen muß. 11. Schon eine Stunde wieder hin, Ob ich ihr Fliehn gleich nicht empfunde. Eilf schlug es: und die letzte Stunde Beginnt bereits. Moͤcht’ unser Sinn Sich zu den selgen Ewigkeiten, Dem Schluß von unsrer Zeit, bereiten! 12. Des Tages letzte Stunde schlaͤgt. Wie gluͤcklich, wer dabey erwegt, Daß, auch von unsern Lebens-Tagen, Die letzte Stund’ einst werde schlagen; Und wer, befreyt von Gram und Sorgen, Mit zuversichtlichem Gemuͤth, Dem kuͤnftig-ewgen Freuden-Morgen, Den Gott verspricht, entgegen sieht! 8 Theil. G g Weil Stunden-Betrachtungen. Weil alle diese Betrachtungen auf die Nacht- und Tages-Stunden sich schicken, ausser die eilfte und zwoͤlfte; so sind, beyde folgende, des Tages zu ge- brauchen. 11. Dieß war der eilfte Seiger-Schlag. Gieb, Herr! daß ich bedenken mag, Wie, selbst aus Arbeit und aus Muͤhe, Der Mensch so Lust als Segen ziehe. Es ist des Menschen Gluͤck allein, Bey seiner Arbeit froͤhlich seyn. Pred. Sal. 3, 22. 12. Jetzt schlug es Zwoͤlf. Die Mittags-Zeit, Worinn uns Gott, in unserm Leben, So reichlich Speis’ und Trank wird geben, Zum Nutz, zur Lust; ist nicht mehr weit. Ach moͤchten wir die Gab’ ermessen, Und so, zu Gottes Ehren, essen! 1 Corinth. 10, 31. Jhr esset, oder trinket, oder was ihr thut, so thut es alles zu Got- tes Ehren. Bessere Bessere Anwendung unserer Seelen-Kraͤfte. B ey ungezaͤhlten leiblichen und ungezaͤhlten Seelen- Gaben, Die wir, von Gottes weiser Liebe, zum Vorzug vor den Thieren, haben, Jst dieß vor andern hoch zu schaͤtzen: “Daß wir uns, auf der Welt, nicht nur am Gegen- waͤrtigen ergetzen, “Uns laben und vergnuͤgen koͤnnen: Man kann an dem auch, was vergangen, “Durch das Gedaͤchtniß; und, durch Hoffnung, an dem, was noch nicht angefangen, “Der Seelen ein Vergnuͤgen schaffen.„ Wir aber brauchen diese Kraͤfte, Statt uns zu nuͤtzen, uns zu plagen. Wir rauben, durch Unachtsamkeit, Uns selbst, das gegenwaͤrtge Gute. Des Guten der vergangnen Zeit Erinnern wir uns, uns zur Plage: Wir graͤmen uns, daß es dahin; Da der genossene Besitz, verfuͤhr man billig; unserm Sinn Doch einen Trost ertheilen muͤßte. Die Hoffnung fuͤr ein kuͤnftigs Gut Wird von der bittern Furcht verschlungen. Da es nun auf uns selbst beruht, Uns zu vergnuͤgen und zu plagen; wuͤrd’ unser Gluͤck dann nicht vergroͤßert, Wenn man, durch ein vernuͤnftigs Denken, die Kraft der Phantasey verbessert? G g 2 Und, Bessere Anwendung unserer Seelen-Kraͤfte. Und, da die Dinge dieser Welt, Fuͤr uns, so sehr nicht, was sie sind, als das sind, wozu man sie macht, Und wie man sie sich vorgestellt; So sey man kuͤnftig doch bedacht, Sich das von ihnen vorzustellen, was unser Wohl vermehren kann, Und sehe nicht ein jedes Ding, von seiner schlimmen Seiten, an. “Laßt, fuͤr das gegenwaͤrtge Gut, euch die Ge- wohnheit nicht verblenden. “Erweget ihr, daß ihr es habt; so habt ihr euer Gluͤck in Haͤnden: “Sonst habt ihrs, da ihrs habet, nicht. Bey dem vergangnen Guten, denkt: “Daß ihr es in der That besessen. Hat etwan euch ein Leid gekraͤnkt, “Und es ist weg und uͤbergangen; so freuet euch, daß es vorbey. “Vom kuͤnftgen Guten hofft und glaubt, von uͤber- fluͤßgen Sorgen frey, “Daß, wenns euch nuͤtzt, das große Wesen, es euch zu geben, maͤchtig sey. “Gebrauchten wir der Seelen Kraͤft’ auf diese Weis’, auf dieser Erden; “Wir wuͤrden, wo nicht ganz begluͤckt, doch wenigstens begluͤckter, werden. Die Die abgewandte Gefahr. W enn ein von uns gewendet Ungluͤck, mit Recht, ein wahres Gluͤck zu nennen; So werd’ ich mich, mit hoͤchstem Fug, aufs neu begluͤcket heissen koͤnnen. Da eine nicht vorher zu sehnde, nicht vorzubeugende Gefahr, Sowohl mir selbst, als meinen Kindern, so nah, und kaum vermeidlich, war; So hat sie uns doch nicht betroffen. Jch sehe diese Wohlthat an, Als eine Gnade, die ich Gott, durch Dank, nicht gnug verdanken kann. Damit ich, wie so vieles Gute, auch dieses nicht vergessen moͤge; So wird mein Leser mir vergoͤnnen, daß ichs auch ihm vor Augen lege: Zur stetigen Erinnerung, damit auch er sein Gluͤck ermesse, Bey auch von ihm vermiednem Ungluͤck, und auch des Dankens nicht vergesse. Jn dem von mir bewohnten Zimmer fiel der gegipste Boden ein; Durch dessen Last, da er so dick, und ja so schwehr, als wie ein Stein, Der Stuhl, der Sitz von meiner Tochter, zertruͤmmert ward und abgeschlagen. Der ganze Boden war bedeckt mit großen Stuͤcken Schutt und Graus; Die ganze Stube sah zerstoͤret und gleichsam ruiniret aus, Als ich, erstaunt, in selbe trat. Wie glaublich, war mein erstes Fragen: G g 3 Ob Die abgewandte Gefahr. Ob keinen dieser Fall betroffen? Zur frohen Antwort hoͤrt’ ich: Nein; Und ferner: Daß die juͤngsten Kinder, die in der Stunde schreiben lernen, Dadurch Gelegenheit gefunden, von der Gefahr sich zu entfernen, Da sie, in einer andern Stube zu schreiben, angewiesen seyn, Weil die zween aͤltesten den Lehrer, in fremden Sprachen sich zu uͤben, Zu gleicher Zeit vermuthet hatten; und der waͤr’ eben ausgeblieben, Zu ihrer aller groͤßtem Gluͤck. Wie mancher Umstand hat nicht muͤssen, Bey diesem Fall, zusammen laufen, daß ihr dem nahen Tod’ entrissen, Und unversehrt geblieben seyd! fing ich, halb bang, halb froͤhlich, an. Wer ist, der eine weise Vorsicht, nach Wuͤrden, gnug bewundern kann, Die so geringe Mittel braucht, und in Gefahr so leicht uns schuͤtzt! Wie leicht haͤtt’ ich zerquetschte Schaͤdel, den Boden ganz mit Blut bespruͤtzt- Wie leicht erblaßte, Koͤrper finden; wie leicht, an einem hier, die Knochen Von Arm und Bein, am andern dort, den Kopf gesplit- tert und gebrochen, Voll Die abgewandte Gefahr. Voll Gram und Wehmuth, sehen koͤnnen! Jetzt aber, Gott sey Dank dafuͤr! Seyn wir gesund, uns fehlet nichts, und koͤnnen, un- versehret, sehen, Was uns, in solcher nahen Noth, von Gott, fuͤr Huͤlf’ und Heil geschehen. “Wir preisen dann, fuͤr die Beschirmung, Dich unsern Gott, und danken Dir! “Ach laß ein oͤfteres Erinnern, an Deinen Schutz, uns innig ruͤhren, “Und uns, Dein uns beschirmend Aug’, auch kuͤnftig, wie bisher, verspuͤhren! G g 4 Der Der Naͤchste. D ein Naͤchster, lieber Mensch! ist jeder, den Gott auf diesen Kreis der Welt, Mit dir zugleich, hat hingestellt, Daß ihr einander nuͤtzen solltet, gemeinschaftlich euch Seiner freun, Und, in der suͤßen Leidenschaft der Lieb’ und Freundschaft, froͤhlich seyn. Nun steht euch frey, den edlen Zweck, zu welchem ihr gemacht, zu waͤhlen; Wie oder, statt der Lieb’ und Freundschaft, euch zu ver- folgen und zu quaͤlen: Euch an einander zu ergetzen; wie oder, so wie Hund und Katzen, Euch zu zerbeissen und zu kratzen. Das Das wahre Leben. W enn wir auf unser ganzes Leben, So wie wir sollten, Achtung geben, Mit rechtem Ernst; so findet sich: Vom Leben komm’ uns eigentlich Nur eine einzige Minute, Zum Nutz, und in der That, zu gute. Denn die Minute, die verschwunden, Jst weg, gehoͤret uns nicht mehr; Die kuͤnftge fehlt uns ja so sehr, Da sie sich noch nicht eingefunden. Hieraus nun folget diese Lehr: “Daß, da, von unsern Lebens-Theilen, “Die alle fluͤchtig sind und eilen, “Die einzige Minut’ allein, “Die gegenwaͤrtig, uns gehoͤret; “Wir desto mehr verpflichtet seyn, “Wo uns kein Schmerz noch Gram beschwehret; “Dieselbe froͤhlich zu gebrauchen: sie ungenutzet nicht vergehn, “Und ungepruͤft verschwinden lassen. Es wird uns die Erfahrung geben, “Daß wir, wenn solches nicht geschicht, ob wir gleich leben, doch nicht leben: “Geschichts hingegen; daß wir leben, und Gott, in unsrer Freud’, erhoͤhn. G g 5 Der Der Punct. J uͤngst hatt’ ich einen Punct auf mein Papier gemacht: Mein Aug’ erblickt’ ihn kaum. Mein Geist hatt’ aber Acht Auf seine Kleinheit; sonderlich Auf seine fast vollkommne Ruͤnde. Die Ruͤnd’ und Kleinheit brachten mich Zu einem abgezognen Denken. Es fing mein Geist an, sich ins Meer Der dunklen Kleinheit zu versenken: Dieß kam mir gleichsam vor, als obs unendlich waͤr. Denn, dacht ich, ich vermag ein Puͤnctchen, das so klein, Mir in Gedanken vorzustellen, Daß, wenn man meinen Punct dagegen haͤlt, Er, unserm Kreis der Welt, An Groͤße, gegen jenem, gleichet. Wie fern, wie weit nun gleich das Ziel, Wohin der Geist, im Kleinen, reichet; So finden wir doch ja so viel Bewundernswuͤrdiges, von seinen weiten Schranken, Und wie so fern er sich, im Großen, auch erstreckt: Worinn den forschenden Gedanken Ein Ziel so wenig scheint gesteckt; Daß ich gar leicht den Kreis der Erden, Durch die Vergleichung andrer Groͤßen Jm Himmels-Raum, die nicht zu messen, Zu Der Punct. Zu einem Punct, der meinem Puncte gleich, Zu machen, mich geschickt befinde. Woraus ich mich, zu schliessen, unterwinde: “Wie unser Geist an Faͤhigkeit so reich; “Auch, daß wir noch dadurch die Wahrheit mehr erkennen: “ Nichts Endlichs sey, fuͤr sich, groß oder klein zu nennen. “Nur die Unendlichkeit der Gottheit bloß allein, “Als unvergleichbar, kann groß, an sich selber, seyn. Zwo Zwo Seelen. Z wo Seelen kamen auf die Welt. Sie waren Kinder, wußten nichts; Durch ihre Sinnen nahmen sie allmaͤhlich an Erkennt- niß zu. Jhr Wesen schien, sich zu entwickeln; genaͤhrt durch Essen, Trank und Ruh. Die eine ward, durch die Natur, durch alle Herrlichkeit des Lichts, Kurz, durch die Creatur geruͤhrt: genoß derselben, war vergnuͤget, Und dankte Dem, Der sie, fuͤr sie, so weis’ und wun- derbar gefuͤget; Der sie von tausend Gegenwuͤrfen, und fuͤr der ganzen Erde Pracht, Durch manches Werkzeug ihrer Sinnen, zu ihrem Be- sten, sinnlich macht. Darauf verließ sie ihren Leib. Die andre thate nichts auf Erden, Als Tag und Nacht sich zu bemuͤhn, viel Geld zu samm- len, reich zu werden; Auf die Natur, auf ihre Schoͤnheit, auf ihres Schoͤpfers Herrlichkeit, Auf Seine Weisheit, Macht und Liebe, zu denken; hatte sie nicht Zeit. Zuletzt verließ auch sie die Welt. “Bey deinem Schei- den, liebste Seele! “Sprich: welcher wolltest du, von beyden, hier wohl geglichen haben? Waͤhle! Noth- Nothwendigkeit, unsere Vorstellungen wohl ein- zurichten. E s haͤnget von dem Menschen ab, um, mehrentheils in allen Sachen, Des Lebens Zufaͤll’ insgesammt willkuͤhrlich boͤs’ und gut zu machen. Des Geists und der Jdeen Zustand verursacht und be- stimmt allein Den eigentlichen Wehrt der Dinge, und macht, fuͤr uns, das, was sie seyn. Die Art, so wie wir sie empfangen; die Form, die sie, im Herzen, nehmen; Die Farben, die sie da erhalten: macht eigentlich ihr Wesen aus. “Ach! laßt uns dann doch, die Jdeen zu recht zu bringen, uns bequemen: “Denn unser ganzes Gluͤck und Ungluͤck, in diesem Le- ben, folgt daraus. Allein, wie ist dieß anzufangen? Bey einem jeden Zufall denke: (1) Ein Wesen sey, das alles lenke; Daß nichts von ungefehr geschicht: (2) Daß dir wohl eh, was schlimm geschienen, Dennoch, wie du es oft erfahren, zum Besten habe muͤssen dienen: (3) Daß Noͤthige u. anstaͤndige Einrichtung uns. Jdeen. (3) Daß du ein Mensch, der nicht verdiene, daß alles, wie er es versehn, Nach der von ihm gemachten Richtschnur, dennoch von statten muͤsse gehn: (4) Und endlich auf das viele Gute, so dir von Gott annoch gelassen; So wirst du dich, versuch es nur, in allem Ungluͤck leichter fassen. Der Der unvernuͤnftige Mensch. D er Mensch ist ein vernuͤnftigs Thier. Wer sagt es? Wir. Nun wohl! es sey. So laßt dann sehn, Worinn die Proben der Vernunft, bey uns, denn eigent- lich bestehn? Es zeigt und lehrt uns die Vernunft: “Daß wir der Sinnen Schaͤtz’ und Gaben, “Um, Gott zum Ruhm, die schoͤne Welt zu nuͤtzen, uͤberkommen haben. Es lehret die Vernunft uns weiter: “Daß die Ver- nunft, bey dem Genuß, “Gebraucht seyn, und nicht fehlen muß; “Weil Sehn und Hoͤren, ohn Erwegen, ein thierisch Sehn, ein viehisch Hoͤren. Nun mag uns die Erfahrung lehren: Ob die so sehr vernuͤnftge Pflicht, Von den sich selbst so nennenden vernuͤnftgen Buͤrgern dieser Erde, Vernuͤnftig ausgerichtet werde? “So lange dieses nicht geschicht, “Und du, zu Deines Schoͤpfers Ruhm, nicht riechest, hoͤrest, schmeckst und fuͤhlest, “Dir selbst die dir gegoͤnnte Lust, dem Geber Seine Ehre, stiehlest; “Wie werden andre Wesen, Geister, und Engel, dich, mit Fug, wohl koͤnnen “Ein mit Vernunft begabtes Thier, wie du dich selber nennest, nennen? Das Das wahre Leben. W ir leben; aber welch ein Leben, wenn man nicht, daß wir leben, denkt! Jnzwischen, daß sich unsre Zeit bestaͤndig, wie ein Strohm, versenkt, Wird man, mit eitlem Tand beschaͤfftigt, kaum, daß wir leben, einst gewahr; Und eh wir merken, daß wir leben, zeigt sich bereits die Todten-Baar. Wir suchen Brodt, wir suchen Reichthum, wir streben nach dem Schmuck der Ehre, Als wenn, geehrt und reich zu seyn, der Endzweck un- sers Daseyns waͤre: Da doch Natur, Vernunft und Schrift, nebst unsern Sinnen, unserm Geist, Jn einer allgemeinen Sprache, ganz einen andern End- zweck weist. Es predigt uns die ganze Welt den wahren Satz: “Der Schoͤpfer wolle, “Daß man, in Seinen Werken, Jhn bewundernd, sich vergnuͤgen solle. “Zu dieser Absicht scheinet uns das Leben, auf der Welt, gegeben. “ Zum Ruhm des Schoͤpfers sich vergnuͤgen, das ist allein ein wahres Leben. Gottes Gottes Wort in Seinen Werken. W ie kann ein Wesen, das vernuͤnftig, das Welt- Gebaͤude doch verachten! Wie kann ein Mensch sich doch enthalten, als Gottes Werk, es zu betrachten; Da doch des Schoͤpfers wahres Wesen Sich, durch die Sinnen, unserm Geist, Jn den von Jhm gewirkten Werken, als wie in einem Spiegel, weist! Dieß ist das große Wunder-Buch, das Gott, von Seiner Weisheit, Liebe Und Allmacht uns zu uͤberzeugen, und zu belehren, Sel- ber schriebe. Der Jnhalt ist die Gottheit Selbst. Die schoͤn geform- ten Creaturen Sind, von der Schrift des großen Schreibers, die Let- tern, Ziefern und Figuren. Ja dieses Buch ist Gottes Wort: Gott sprach es Selbst. Es hieß: “Es werde “Das Licht, das Meer, und Erd’ und Himmel! Und Licht, und Himmel, Meer und Erde, “Entstand, erschien und war so fort. Jst dieses dann nicht Gottes Wort? Ja zeigt uns nicht die Bibel selbst, samt der Vernunft und der Erfahrung: “Es sey, von unsers Schoͤpfers Wesen, die Welt, die erste Offenbahrung? 8 Theil. H h Des Des Schoͤpfers Herrlichkeit. D er Unendlichkeiten Tiefe, Raum, und Ewigkeit, und Zeit, Sind erfuͤllt von Gottes Liebe, Majestaͤt und Herrlichkeit. Millionen Welt- und Sonnen, die durch Jhn hervor- gebracht, Sind die Proben Seiner Weisheit, sind die Zeugen Seiner Macht. Der Natur Buch giebt den Geistern, von des großen Schoͤpfers Wesen, Ein unwidersprechlichs Zeugniß, in der Creatur, zu lesen. “Es erzehlt ein Tag dem andern, und die Nacht dem andern Morgen “Der allgegenwaͤrtgen Gottheit uͤberall vorhandne Spuhr. “Koͤnnt’ ich doch von der Natur, “Von dem Himmel, von den Sternen, und der Welt, die Stimme borgen, “Um Den wuͤrdig zu besingen, “Durch Den die Natur, der Himmel, Stern’ und Welt’, ihr Seyn empfingen! Die Die Einheit des Schoͤpfers. D er Prinz von Malva, der ein Heide, bemuͤhete sich, seine Lehre, Als ob, statt eines Einigen, von Goͤttern eine Vielheit waͤre; Durch diese Gruͤnde, zu behaupten: “Daß unser’ allgemeine Welt, “Sprach er, ein’ ungezaͤhlte Zahl von Sonnen-Heeren in sich haͤlt; “Jst wahr, und nimmermehr zu leugnen: auch, daß ein jede Sonn’ um sich “Verschiedene Planeten lenke, in richtger Ordnung um sich fuͤhre, “Erleuchte, schmuͤcke, fruchtbar mache, belebe, waͤrm’, und sie regiere; “Jst auch unwidersprechlich wahr. Nun sage mir, ich bitte dich! “Muß nicht das Reich von jeder Sonne ein eigenes Systema seyn, “Das mit den Reichen andrer Sonnen gar nichts gemeinschaftliches heget, “Sie nicht beruͤhret, sie nicht nuͤtzt, und von dem gar zu fernen Schein “Gar keine Wirkung fuͤhlt noch braucht? Wenn man nun ferner noch erweget, “Daß ihre zugehoͤrgen Theile nach ihrem Mittel-Punct sich lenken, “Und, so wie wir, mit unsrer Luft, uns stets nach unsrer Sonne senken, “Sie ebenfals, wie unsre Koͤrper, nach ihrem einge- senkten Drang, “Sich auch zum Centro senken werden; wodurch dann kein Zusammenhang H h 2 “Mit Die Einheit des Schoͤpfers. “Mit andern Sonnen uns begreiflich: warum kann jede Sonne nicht, “Nebst ihren planetarschen Erden, fuͤr sie besonders eingericht, “Von einem eignen Gott geschaffen, erhalten und regieret seyn? “Der Mangel des Zusammenhangs, im großen Ganzen, bloß allein, “Giebt meiner Meynung das Gewicht: “Der Raum von Millionen Meilen, der zwischen jedem sich befindet, “Behindert ja, daß keine Sonne sich mit der andern je verbindet. Jch stutzt’, ob diesem Satz, ein wenig. Allein, so bald ich mich besann, Erwiedert’ ich, mit ernstem Laͤcheln: “Wie geht ein solcher Schluß doch an, “Der sich auf keine Wahrheit gruͤndet? Die großen Welt-Gebaͤude hangen, “Unleugbar, unter sich zusammen. Jndem wir der Gestirne Prangen, “Mit unsern Augen, sehen koͤnnen, und wir, durch ihren Wunder-Schein, “Jhr helles Funkeln, Blitzen, Glaͤnzen, und lichte Herr- lichkeit, geruͤhret, “Durch die Bewundrung ihrer Ordnung und Groͤßen, zu der Quell gefuͤhret, “Von ihren Groͤßen, ihrer Ordnung, zum wahren Gott geleitet seyn; “So sind sie nicht fuͤr uns umsonst. Ja, waͤre dieß noch nicht genug; “So Die Einheit des Schoͤpfers. “So faͤllt mir ein Beweisthum bey: “Daß eine der entferntsten Sonnen, zugleich fuͤr uns, erschaffen sey, “Einfolglich sich mit uns verbinde; da, sonder ihren steten Glanz, “Der allergroͤßte Theil der Welt vor uns verborgen waͤr’, und ganz “So ungebraucht, als ungenuͤtzt, so lang die Welt steht, bleiben muͤßte, “Und man von dem Gebrauch des Meers und seinen Jnseln nichtes wuͤßte. “Dieß ist der Wunder-reiche Pol-Stern. Den ich nun in weit groͤßrer Achtung, “Wie vor, hinkuͤnftig halten werde; “Weil er uns nicht nur, wie vorhin, durchs Meer, zu einer neuen Erde “Gewisse Wege zeigen kann; Er leitet uns, durch die Betrachtung, “Zur majestaͤtschen Einheit Gottes. Das unbegreiflich- tiefe Leere, “Der Raum, der zwischen allen Sonnen, vermindert nicht des Schoͤpfers Ehre: “Ein richtiger Vernunft-Schluß zeigt, daß er dieselbe noch vermehre. “Denn, daß er leer, ist nicht erweislich.„ Mein Gegner stutzt’ ob diesem Satz: Der Wahrheit, die unwidersprechlich, gab er, nach ern- stem Denken, Platz. Zwar wollte sich, von seinem Eifer, die Hitze noch nicht voͤllig legen; Doch sprach er: “Was ich jetzt gehoͤrt, will ich, mit mehrerm Ernst, erwegen. Die Die Groͤße unsers Geistes, aus der Betrachtung Goͤttlicher Groͤße auch im Kleinen. J ndem ich neulich, voller Ehrfurcht, die uͤberall durchstrahlten Blicke, Jn unsers Himmels dunkle Tiefe, die aber hell von Ster- nen, schicke, Den Grund- und Graͤnzen-losen Raum, der Sternen und der Sonnen Groͤße, Bey ihrer ungezaͤhlten Menge, mit aufmerksamen Blick, ermesse; Erstaunt’ ich, als ich uͤberdachte, wie solch ein unge- heurer Raum, Worinn fast alle Maße schwindet, und welcher den Ge- danken kaum, Ein Ziel zu finden, zugesteht, daß, sag’ ich, eine Tief’ und Breite, Daß eine Graͤnzen-lose Weite, Die, Sonnen sonder Zahl und Maße, in ihrem tiefen Schooß enthaͤlt, So unbegreifllich sich verkleint, daß alles, durch den Gang der Augen, Jn unserm innersten Gehirn, in ein so kleines Puͤnctchen faͤllt, Daß wir die Kleinheit dieses Puncts kaum mit dem Geist zu fassen taugen. Welch Die Groͤße unsers Geistes. Welch ein bewundernswuͤrdigs Wunder, daß solche koͤrperliche Groͤße Jn solche koͤrperliche Kleinheit sich senken, sich verschraͤn- ken kann! Je mehr ich dieß erstaunliche geheime Wunder-Werk ermesse; Je mehr treff ich, von Gottes Allmacht und Weisheit, darinn, Proben an, Nicht weniger von Seiner Liebe: da Er dieß Mittel ausgefunden, Und solche große Creaturen mit unsrer Kleinheit hat verbunden; Da Er, durch unsrer Augen Spiegel, dem Geist der Men- schen deutlich zeigt Den Ausbruch Seiner weisen Macht, der alles Denken uͤbersteigt, Worinn man Gott als Gott erkennt. All’ andre Werke haben Schranken; Hier aber schwinden alle Kraͤfte der ausgespanntesten Gedanken: Sie finden weder Maß noch Ende; sie stocken, sie ver- lieren sich, Und sehen, in dem weiten Raum der Ewigkeit, Herr! nichts, als Dich. Weil wir denn in der Gottheit Tiefen, uns selbst ver- lierend, uns versenken; So laßt uns wenigstens die Kleinheit vom menschlichen Gesicht bedenken. Wir finden ein so kleines Puͤnctchen, worein so manche Sonn’ und Welt, Worein zugleich der Raum des Himmels, der sonder Ziel und Graͤnzen, faͤllt; H h 4 Daß Die Groͤße unsers Geistes. Daß er den Augen selbst nicht sichtbar. Bey dieser Kleinheit faͤllt mir bey: “Ob nicht, die unsichtbare Kleinheit des Geistes, noch viel kleiner sey? “Ob nicht von diesem kleinen Punct der Abstand zu des Geistes Schranken “Vielleicht so groß, als wie der Abstand des Aug- Puncts von des Himmels Hoͤhn? “Wie, oder ob vom kleinsten Koͤrper zum Geist, der Quelle der Gedanken, “Vielleicht kein Abstand uͤberall, und gar kein Raum ihm zuzustehn? Hier scheinen, wie des Koͤrpers Augen, des Geistes Augen zu erblinden: Sie koͤnnen zwar was sehr betraͤchtlichs, doch nichts begreifliches, hier finden. Doch, da der Geist in einem Bande mit seinem Leib und Koͤrper steht; So scheints, daß er, mit seinem Denken, noch nicht aus seinem Schranken geht, Wenn er sich dennoch Schluͤss’ erlaubet, Und Graͤnzen zwischen ihnen glaubet. Es moͤgen nun dieselbigen so unempfindlich, zart und klein, Ja wie ein mathematscher Punct, und, waͤr’ es moͤglich, kleiner seyn: Doch, weil es meinem Blick zu tief, und ich es nicht vermag zu fassen; Will ich es eines schaͤrfern Geists gepruͤftrer Meynung uͤberlassen, Und Die Groͤße unsers Geistes. Und mich daran allein begnuͤgen, “daß ich von Gottes weiser Macht, “Die unermeßlich, wie im Großen, so auch im Kleinen, was gedacht. “Hiedurch sieht unser Geist zugleich sich selbst als etwas Großes an; “Weil er, durch unsers Schoͤpfers Gnade, von Gott, was Großes denken kann. H h 5 Das Das Metall. W er sagt, daß nicht die Unter-Welt Die obere beherrscht, regieret? Gab nicht der Erden Schooß, das Geld, Das uͤberall den Zepter fuͤhret? Was unsrer Erden Schlund gebar, Das Erz, regiert die Zeit so gar. Die Glocken heissen und befehlen, Wenn wir bald dieß, bald jenes, thun: Wenn wir erwachen, oder ruhn; So muͤssen wir die Glocken zaͤhlen. Was uns um unsre Freyheit bringt, Womit man uns beherrscht und zwingt, Sind Stuͤcke, Schwerter, und Pistolen: Den Stoff zu diesem Mord-Gewehr Giebt uns der Erden Jnnres her; Man muß es aus der Tiefe hohlen. Allein, was schmaͤhlen wir aufs Geld? Was tadeln wir die Unter-Welt, Daß sie uns das Metall gewaͤhret? Der Menschen Bosheit bloß allein Kann hier, nicht sie, zu tadeln seyn, Die den Gebrauch in Mißbrauch kehret; Die, was die guͤtige Natur Uns, im Metall, fuͤr Guts geschenket, Auf Ungluͤck und auf Plagen nur, Zum allgemeinen Schaden, lenket. “Erweget, was, in unserm Leben, “Fuͤr Gutes, durchs Metall, geschicht! “Das Boͤse kann das Gute nicht, “Und den Gebrauch kein Mißbrauch, heben. Goͤtt- Goͤttliche Offenbahrung in den Werken. J n welcher Absicht sollte wohl der Schoͤpfer so viel Wunder-Gaben, Und Sinnen, ihrer zu geniessen, und den erwegenden Verstand, Auf dieser Welt, hervorgebracht, und sie in uns vereinet haben, Als bloß, daß Seine Weisheit, Macht und Liebe von uns sollt’ erkannt, Gefuͤhlet, und gepriesen werden? Will man denn sol- chen heilgen Willen, Der bloß auf unser Wohl nur zielt, ihm widerspaͤnnstig, nicht erfuͤllen; So handeln wir der Pflicht entgegen, zu welcher wir erschaffen seyn, Und suͤndigen, durch die Beraubung der Lust, nicht gegen uns allein; Wir widerstehn der Ordnung Gottes, und dem in uns gesenkten Triebe, Jn unsrer Freude, zur Bewundrung der Weisheit, All- macht und der Liebe Des Schoͤpfers, oft uns zu erhoͤhn; Jn Seinen wunderbaren Werken, Durch die uns zugefuͤgten Sinnen, Jhn zu erkennen, Jhn zu sehn, Und, in der Weisheit, Macht und Liebe, Sein wahres Wesen zu bemerken; Uns Goͤttliche Offenbahrung Uns Seiner Guͤt’ und Huld zu freuen, Sein’ unum- schraͤnkte Macht zu ehren, Die tiefe Weisheit zu bewundern, und Sein unendlichs Lob zu mehren. Jn welchem viehischen Betragen, ich, gegen Gott, die groͤßte Suͤnde, Man sag’ auch, was man will, dagegen, von allen andern Suͤnden, finde. Die allermeisten andern Suͤnden betreffen unsern Naͤchsten nur; Hier suͤndigen wir gegen Gott. Die Suͤnde wider die Natur Jst dieser Suͤnde rechter Name. Ein viehisch Laster! Doch, ein Vieh, Jndem es die Vernunft nicht hat, und Gott nicht kennt, begeht es nie. “Wir haben die Vernunft bekommen, um einen Schoͤpfer zu erkennen: “Jn Seinen Werken zeigt Er Sich; Sein Wesen, Weisheit, Lieb’ und Macht, “Sein Daseyn zeigt die Creatur. Daher wird man sie nicht nur koͤnnen; “Man wird dieselbe wirklich muͤssen, die erste Offen- bahrung nennen. “Es giebt sie uns der Erden Schmuck; es giebt sie uns des Himmels Pracht, “Jn einer hellen Schrift, zu lesen. Ein Gott hat uns hervorgebracht! “Ruft uns die Stimme der Natur, aus allen ihren Wer- ken, zu. “Die in den Werken. “Die Sinnen gebens unsrer Seele zu sehn, zu fuͤhlen, und zu schmecken; “Und unsre Seele kann, in sich, der Gottheit Gegen- wart entdecken, “Wenn ihre Kraft, zu uͤberlegen, sich mit der sinnlichen verbindet, “Als wodurch sie, und zwar allein, den Schoͤpfer in Geschoͤpfen findet. Genaue Genaue Untersuchung unserer Seelen. E s scheinet, als ob unsre Seele Sich, durch die kuͤnstlichen Canaͤle Der Sinnen, mit der Welt vermaͤhle. Denn, ohne Sinnen, wuͤßten wir, Von unsrer Erden Pracht und Zier, Von Formen, Farben, Ordnung, Licht, Von allem, das geringste nicht. “Ja, denk’ ich recht, die Seele koͤnnte, “Wenn Gott ihr nicht die Sinnen goͤnnte, “Sich ihrer selbst ganz unbewußt, “Daß sie ein Wesen, selbst nicht spuͤhren: “Ja, sollte sie so gar die Gaben “Der Sinnen, und die Werkzeug’, haben; “So wuͤrde sie dennoch nichts wissen, “Und sich selbst unbekannt seyn muͤssen, “Wenn keine Gegenwuͤrfe waͤren, “Die ihr, sich, sie, und Gott, erklaͤren. Man stell sich eine junge Seele ohn’ Haͤnde, son- der Aug’ und Ohr, Und, nebst dem Mangel aller Vorwuͤrf’, auch ohne Nas’ und Zunge vor; Wie ist es moͤglich, daß Jdeen Jn einer solchen Seel’ entstehen? Wie kann sie, ohn’ Jdeen, denken? Jhr Genaue Untersuchung unserer Seelen. Jhr fehlt nicht nur der Phantasey; ihr fehlet des Gedaͤchtniß Kraft, Und, ohne Vorwuͤrf’, ohn’ Jdeen, der Ueberlegung Eigenschaft, Die wir Vernunft zu nennen pflegen. “Es scheint demnach, daß einer Seelen, “Der Vorwuͤrf’, und die Sinne, fehlen, “Der Seelen Name kaum gebuͤhr; daß sie, mit ihnen, durch die Zeit, “Und durch Erfahrung, allererst zur denkenden Be- schaffenheit, “Und ihrem Wesen, recht gelange: daß sie sich allge- mach verbeßre; “Daß, durch ein oftes Ueberlegen, die Kraft zu schlies- sen, sich vergroͤßre: “Daß sie sodann erst richtig schliesse, wann sie vom Jrr- thum sich entfernt; “Und daß, durch oft gepruͤften Jrrthum, sie sich der Wahrheit naͤhern lernt. Durch solch ein Denken von der Seelen Wird ihr dennoch kein Vorzug fehlen. Denn, daß der Schoͤpfer haben wolle, Daß sie, durch Mittel ihrer Sinnen, und durch den Gegenwurf der Welt, Sich allgemach verbessern solle; Dieß nimmt ihr nichts von ihrem Wesen. Vielmehr bleibt dieses festgestellt: “Daß, wenn sie ihre Pflicht beachtet, “Den Schoͤpfer, im Genuß, bewundert, und, Gott zum Ruhm, die Welt betrachtet, “Sie Genaue Untersuchung unserer Seelen. “Sie ein vernuͤnftigs Wesen worden.„ Woraus ihr selbst der Trost entspriesset, Und sie, von ihrer ewgen Dauer, aus diesem Grunde, sicher schliesset: Daß, weil ihr Gott die ewge Liebe; Er auch, aus ewger Liebe, wolle, Daß sie, zu Seinem Ruhm, bestehn, und ewig Guts geniessen solle. Gedemuͤ- Gedemuͤthigter Stolz der Menschen. W as hat die Menschheit doch fuͤr Recht, daß sie sich selbst vernuͤnftig nennet: Da doch der Mensch und die Vernunft sich stets, fast unvereinbar, trennet; Da er nicht in- nicht ausser sich, kaum das geringste, gruͤndlich kennet? Wir scheinen dazu nicht geschaffen, wie wir (doch bloß aus Stolz nur) wollen, Daß wir der Dinge Grund und Wesen, nach ihrem Ur- stand, kennen sollen: Auf diesem unsern Erd-Planeten scheint ein so ausge- dehnter Witz, Als wir uns zuzueignen suchen, uns nicht ertheilet, auch nicht nuͤtz. Vermuthlich wird, nach diesem Leben, Der Schoͤpfer, nach der weisen Ordnung, uns ein gewis- sers Wissen geben. “Genug, daß wir, Jhn zu bewundern, uns Sein zu freuen, so viel Gaben, “Vor allen andern Thier- und Wesen, in solchem Maß, empfangen haben. 8 Theil. J i Der Der Schlaf, eine Abbildung des Todes. W enn wir des Abends schlafen gehn, wir gleichsam uns der Welt entziehn: Da naͤmlich unsere Bekannten von uns, und wir von ihnen, fliehn, Die besten Freunde sich von uns, und wir von ihnen gleichfals, scheiden; Die Sinnen selber uns verlassen, und wir, von allen ihren Freuden, Vom Licht, von Hoͤren, Schmecken, Riechen, und Fuͤh- len, uns beraubet sehn, Gedaͤchtniß und Verstand verlieren: muß man dann nicht mit Recht gestehn, Daß wir die Welt, mit aller Pracht, so oft wir schlafen gehn, verlassen? Was ist denn fuͤr ein Unterscheid, wenn wir, im letz- ten Schlaf, erblassen, Als daß wir nicht so bald erwachen? Daß aber dieß einst wird geschehn, Und, von dem kuͤnftigen Erwachen, zu einem Freuden- reichen Leben; Davon, Gott Lob! kann jeder Morgen uns ein beleh- rend Beyspiel geben, Das, (dadurch, daß wir, wenn wir schlafen, dennoch aufs neu erwachen koͤnnen) Um unsre Hoffnung hier zu staͤrken, uns Gott auf Erden wollen goͤnnen. Der Der Hochmuth, die Quelle des menschlichen Ungluͤcks. O großer Gott! was ist der Mensch? Ein Wesen, welches uͤberleget; Das allenthalben Wahrheit sucht: und, wenn er alles recht erweget; Doch allenthalben Jrrthum findet. Wenn er sein Jnnerstes ergruͤndet, Wenn er nach Billigkeit verfaͤhrt; so sollt’ ihn ja der Fehler Menge, Der Leidenschaften zaͤhe Stricke, des Labyrinths ver- worrne Gaͤnge, Die er bey sich und andern spuͤhrt, doch auch auf die Gedanken bringen: “ Wer gab denn dir allein Befugniß, die Wahr- heit aus der Gruft zu ziehn, “Jn welche sie gesenket scheint? Wer gab denn dir das Richter-Amt? “Jst es denn bloß in deiner Brust, wo Weisheit unbetrieglich flammt? “Ein jeder deines gleichen denkt und urtheilt eben so von sich, “Als du von dir und deinem Geist. Von wem wird dieser Zwist entschieden? “Du hast nicht den geringsten Vorzug: du kamst, und bist, wie er, hienieden. “Ein jeder deines gleichen fuͤhlt sowohl, als du, sein denkend Jch, J i 2 “ Und Der Hochmuth, “ Und glaubet, was er denkt, sey recht. Die Ei- gen-Lieb’ herrscht in uns allen, “Und fodert, es soll einem jeden nur das, was ihm gefaͤllt, gefallen. “Ein jeder Geist scheint, auf der Welt, mit sich, und sonst mit nichts, zufrieden. Dieß scheinet nun die wahre Quelle von unsrer Noth und Plag’ hienieden. Doch laß uns ernstlich untersuchen, ob diese Plagen, Noth und Pein, Der Eigen-Liebe beyzumessen, und ihr nur zuzuschreiben seyn. Jch meyn’ es nicht: Denn Eigen-Liebe scheint uns, von Gott, in unserm Leben, Als eine Quelle des Vergnuͤgens, zum Labsal und zum Trost, gegeben. Wie wuͤrde man, ohn’ Eigen-Liebe, sein eignes Jch ertragen koͤnnen, Wofern uns, eine weise Liebe, die Troͤsterinn nicht wol- len goͤnnen? Der Mißbrauch unsrer Eigen-Liebe, der Hochmuth, ist es bloß allein, Wodurch wir, allen andern Menschen, und uns selbst, unertraͤglich seyn. Wenn dir ein andrer widerspricht, kann es dein Hoch- muth nicht vertragen; Er denkt so gleich: Der Widersprecher woll’ eigentlich nichts anders sagen, Als: die Quelle des menschlichen Ungluͤcks. Als: Du seyst nicht so klug, als er. Gleich wird dein schwuͤlstger Stolz gereizt Zu seiner Selbst-Verthaͤdigung; gleich faͤngt er Feuer, strebt und spreizt Sich gegen alle fremde Lehre, sie sey so deutlich und so klar, So gruͤndlich und unwidersprechlich, als wie sie woll’, und noch so wahr. Der Stolz vergißt recht unvergeblich, daß er sich tausendmal geirret, Daß Vorurtheil und Uebereilung ihn tausend- tausend- mal verwirret. Ja, er vergißt so gar sein Wesen, das bloß so einge- richtet scheint, Daß er nichts, gruͤndlich, wissen soll: daß, wenn er nur vernuͤnftig meynt; Er seiner Absicht schon gemaͤß, wozu er in der Welt, gelebet. Wo er, die wahre Wissenschaft hier zu erlangen, sich bestrebet, Die, wie es scheint, ein Eigenthum von einer andern Athmosphaͤre; So will er fliegen, sonder Fluͤgel: da aber ihn, sein’ eigne Schwehre, Bestaͤndig wieder ruͤckwaͤrts zieht. “Nur die Bewun- derung allein, “Scheint bloß die Absicht und das Ziel, bey allen Sterblichen, zu seyn, “Wohin ihr Geist gelangen kann. Nur durch Be- wundrung dienet er “Sich selbst, ohn allen Zank und Streit. So wird, nicht minder, Gott der Herr, J i 3 “Bloß Hochmuth, eine Quelle des menschl. Ungluͤcks. “Bloß durch Bewunderung, geehrt. Die Wissens- Sucht, wornach wir streben, “Dient minder unsers Schoͤpfers Weisheit, als unsre Weisheit, zu erheben: “Da wir, was Gott uns hier verborgen, und das Ge- heimniß Seiner Macht, “Jhm gleichsam abzulauren suchen. Gott hat die Welt hervorgebracht “Zu unserm Nutzen, uns zur Lust: Wir aber wollen gruͤndlich wissen, “Wie Er gewirkt; und daß Er so, und anders nicht, verfahren muͤssen. “Steckt nicht, in diesem Unterfangen, “Der Eva straͤflichs, ihr vom Teufel selbst eingegebenes, Verlangen, “ Zu seyn, wie Gott? Dieß ist die Quelle, woraus so vieles Ungluͤck fließt, “Und Zank, und Ketzerey, und Neid, sich auf die Sterb- lichen ergießt: “Die sonst, gemeinschaftlich, die Wahrheit, auf Erden, ruhig suchen koͤnnten, “Wenn sie das privativsche Wissen, und Stolz, und Eigensinn, nicht trennten. “Ach folgten wir, von der Natur, den wahren un- leugbaren Schluͤssen: “Daß Thiere denken, Menschen meynen, und daß allein die Engel wissen! Ver- Vernuͤnftige Anwendung der Vergaͤnglichkeit. W as hat der Mensch, der selbst so fluͤchtig, fuͤr Grund, sich uͤber aller Dinge Vergaͤnglichkeit und Fluͤchtigkeit, mit murrschem Graͤ- men, zu beschwehren? Die Klagen moͤchten dann mit Recht ihm zustehn, und fuͤr ihn gehoͤren, Wenn er nicht selber fluͤchtig waͤr, wenn er nicht selber stets verginge. “Ach! braͤchten, beyder Fluͤchtigkeit, “Jhn doch zu dem vernuͤnftgen Schluß, “Sich ihrer, und auch seiner Zeit, “Vernuͤnftig und wohl zu gebrauchen; durch ihren oͤfteren Genuß “Sich zu vergnuͤgen; oft zu danken dem Wesen, welches ihm sein Leben, “Von einer ihm bestimmten Daur, und so viel Guts darinn, gegeben! J i 4 Unempfind- Unempfindlichkeit uͤber Goͤttliche Wohlthaten, ein Verbrechen. W enn ich den Menschen recht mit Ernst, was um und an ihm ist, erwege, Und, daß er eigentlich ein Wesen, ein solches Wesen, uͤberlege, Das riechen, schmecken, fuͤhlen, hoͤren, auch sehen, und gedenken, kann; So seh’ ich ihn nicht anders an, Als daß ihm, hier in diesem Leben, Die Sinnen, nebst der Kraft zu denken, zum sicheren Beweis gegeben: Daß, Der sie ihm gegeben, wolle, Daß er sie anders, als ein Thier, das nicht gedenket, brauchen solle. Soll denn die Absicht, Pflicht und Vorzug, von einer so begabten Seelen, Allein, um Reichthum zu erwerben, Metall zu haͤufen, Geld zu zaͤhlen, Wie es doch meist geschicht, bestehn? “Was kann denn fuͤr ein Endzweck seyn, “Daß wir so vielerley erhalten, in diesem Leben, als allein: “Zu Dessen Preis und Ruhm und Ehren, “Der uns dieß alles wollen schenken, “Bedachtsam, suͤße Bluhmen riechen; was schoͤn ist, sehen; Toͤne hoͤren; “Was sanft ist, fuͤhlen; Fruͤchte schmecken, mit An- muth; und dabey gedenken: “ Daß Unempfindlichkeit uͤber Goͤttl. Wohlthaten. “ Daß aller dieser Guͤter Fuͤlle “Aus Gott, und Seiner Liebe, quille; “Jhm, mit geruͤhrter Seele, danken, daß, fuͤr so schoͤ- ner Werke Pracht, “Er, bloß aus Liebe, wunderbar, mit solcher Kunst, uns sinnlich macht? “So ist es dann ja wohl betruͤbt, “Daß wir, in unserm ganzen Leben, “(Da wir aus dem, was Gott uns giebt, “Nichts machen, nicht drauf Achtung geben, “Es gleichsam fast nicht haben wollen) der Liebe selber widerstreben, “Und auch zugleich, so viel an uns, des weisen Schoͤp- fers Absicht schwaͤchen, “Uns schaden, Gottes Ehre rauben! “Wer kann hievon was anders glauben, “Als: es sey dieses ein Verbrechen? J i 5 Betruͤbte Betruͤbte Fragen. J st es wahr, daß, Gott zum Ruhm, diese Welt her- vorgebracht? Jst es wahr, daß unser Geist, unsers großen Schoͤpfers Willen, Durch Geniessen, in Betrachtung, Jhm zu Ehren, zu erfuͤllen, Fuͤr die Koͤrper, sinnlich worden, und zu diesem Zweck gemacht? Jst es wahr, wie es wahrhaftig, daß, von allen andern Pflichten, Diese die hauptsaͤchlichste? Jst es wahr, daß nicht nur hier; Sondern (wenn wir, auf der Welt, diese holde Pflicht verrichten, Und, in Seiner Werke Zier, Mit Bewundrung, Jhn betrachten, Gottes Weisheit, Gottes Liebe, Gottes Macht, in ihnen achten) Auch der Geist dadurch bereitet, in der selgen Ewigkeit, Jn dem Preise fortzufahren, Gottes Vollenkommenheit Zu erheben und zu preisen? Jst es wahr, daß, wo wir nicht Unserm Gott, in diesem Leben, Das, was Jhm gebuͤhrt, gegeben: Durch Versaͤumung dieser Pflicht Wir nicht nur den wahren Zweck, wozu wir doch hier erkohren; Sondern unsre ganze Zeit, uns, ja Selber Gott, ver- lohren? Jst Betruͤbte Fragen. Jst es wahr, daß eine Seele, die so sorglos hier gelebt, Die, in ihrer Lust den Schoͤpfer zu erhoͤhn, sich nicht bestrebt, (Wenn sie sich vom Koͤrper trennet, und zugleich von allem dem, Was ihr hier so lieb gewesen, so beliebt, so angenehm) Muͤß’, erstaunet, nur allein ob den Unterlassungs-Suͤnden, Jn ihr selbst, ein schreckend Leer, eine tiefe Wuͤste, finden? “Jst dieß, sag’ ich, alles wahr; ach! wie kann es moͤglich seyn, “Daß wir uns der schoͤnen Welt nicht gebrauchen Gott zu Ehren, “Daß wir nicht, in unsrer Lust, Seines Namens Ruhm vermehren: “Da wir, durch so schnoͤden Wandel, nicht allein in irdschen Dingen, “Aller Freuden uns berauben; sondern uns, nach die- ser Zeit, “Um die uns, zum Lohn der Lust, dort verheißne Se- ligkeit, “Ja zugleich, so viel an uns, Gott um Seine Ehre, bringen? Unter- Untersuchung der Liebe. D as, was wir Menschen, Liebe nennen, ist anders nichts, als ein Verlangen, Von einem Vorwurf, den wir uns, durch Phantasey, selbst zugeschickt, Und, mehrentheils, mit selbst erdachten Vollkommenhei- ten ausgeschmuͤckt, Ein vorgestelletes Vergnuͤgen, zu unserm Besten, zu em- pfangen. Die Meynung, und der suͤße Vorwand, als ob man bloß, in unserm Triebe, Auf der Geliebten Bestes saͤhe, dient gleichsam unsrer Eigen-Liebe Zum Frey-Brief’, unsere Begierd’ an der Geliebten zu entdecken; Da, unterm Schein der Gegen-Lieb, wir ihre Eigen- Lieb’ erwecken. Die Eigen-Liebe der Geliebten verblendet sie, daß sie vermeynt, Die Liebe dessen, der sie liebet, sey Lieb; ob es gleich nur so scheint: Sie glaubt, daß seine wahre Absicht, die doch nur Eigen- Lieb’ allein, Ganz uͤberzeugliche Beweise von ihrem Wehrt und Vor- zug seyn. Wird Untersuchung der Liebe. Wird diese Eigen-Liebe nun von einer Meynung unterstuͤtzet, Daß deine Lieb’, ihr Vortheil, Ehr’, auch Lust, ver- spricht, ihr folglich nuͤtzet; So scheinets, als ob Gegen-Lieb’ entstehe: die doch, in der That, Nichts anders, als bloß Eigen-Liebe, zu ihrem wahren Grunde hat. Die Die Ausschweifungen der Leidenschaften. J ch sahe neulich, im Gesicht, von Menschen, drey verschiedne Haufen, Auf dreyen ganz verschiednen Wegen, auf ganz ver- schiedne Weise, laufen. Der eine Weg fuͤhrt in die Hoͤhe, zu einer Boden-losen Tiefe: Jn diese stuͤrzte fast ein jeder, der auf dem steilen Wege liefe, So bald als er den aͤussern Rand von dieser hohlen Gruft beruͤhrte. Nur einige, die sich von ihnen meist selber Philosophen nennten, Anstatt sie einen kleinen Fußsteig, der durch die niedre Tiefe fuͤhrte, (Auf welchen sie, in Sicherheit, durch diesen Abgrund kommen koͤnnten) Erwaͤhlen sollten; waͤhlten einen, der uͤber einen Berg sich streckte, Der noch viel hoͤher, welchen man an dieses Abgrunds Rand entdeckte: Von welchem sie zuletzt denn alle, Mit einem desto schwehrern Falle, Jn hoͤherm Sturz, herunterschossen, Und ihres Lebens Lauf beschlossen. Der Die Ausschweifungen der Leidenschaften. Der andre Weg ist weich und schluͤpfrig, ein uner- gruͤndlicher Morast: Auf welchem die, so ihn beschritten, von einem Huͤgel- chen zum andern, Jn einer stetigen Gefahr, bald springen, bald geruhig wandern; Bis sie zuletzt, ermuͤdet, schwach, gedruckt von ihrer eignen Last, Fast alle, nach und nach, versunken, Und, im verfaulten Wust, ertrunken. Der dritte senkte sich stets abwaͤrts; und die densel- bigen erwaͤhlen, Bemuͤhen sich, die hohle Tiefe bestaͤndig mehr noch aus- zuhoͤhlen: Sie suchen sich hindurch zu graben, sie wollen durch, sie muͤssen fort; Und dennoch graben sie mit Fleiß, und stets am aller- haͤrtsten Ort. Sie suchen, sonder Ruh’ und Rast, bey ihrer Graͤberey, von allen, Die Stellen sich vor andern aus, woselbst ergiebige Metallen: Da sie dann theils der giftge Duft, der aus den Minen stieg, erstickte, Und theils die eingeschoßne Last des schwehren Erzes sie erdruͤckte. Guter Guter Rath. W enn, ausser unsrer Erden etwan, vernuͤnftgen We- sen, von der Welt Besondrer Schoͤnheit, Anmuth, Ordnung, wuͤrd’ irgend etwas vorgestellt; So koͤnnten sie nicht anders denken, als daß, in unge- stoͤrten Luͤsten, Der Erden Buͤrger und Bewohner, ohn’ allen Zweifel, leben muͤßten. Erfuͤhren sie, daß wir dennoch in Unruh, Gram und Sorgen schwebten, Und, sonder einiges Vergnuͤgen, in solchem schoͤnen Orte, lebten; So wuͤrden sie unmoͤglich anders gedenken, und dabey verbleiben: Die Schuld davon waͤr’ anders niemand, als unserm Geiste, zuzuschreiben. Betrachteten sie nun den Geist des Menschen, um ihn zu ergruͤnden; So wuͤrden sie in seinem Wesen, mehr als es jemals zu vermuthen, Von Klugheit und von Unverstand, von Groͤß’ und Kleinheit, Boͤs- und Guten, Ein nicht entwickelbar Gewebe, ein ordentliches Chaos, finden. Wo sie sich nun, in diesem Stande, mit uns so viel befassen wollten, Um einen Rath uns zu ertheilen, wie wir uns hier verhalten sollten, Um Guter Rath. Um auf der schoͤnen Erde gluͤcklich, und, nach dem Le- ben auf der Erden, Auch ewig dort begluͤckt zu werden; So wuͤrd hierinn der Rath bestehn: Sucht euch im Leiblichen zu naͤhren, Jm Sinnlichen euch zu vergnuͤgen, nur in Be- wundrung Gott zu ehren, Und stets von ihm das allerbeste und das vollkom- menste zu glauben; So wird euch das Vergnuͤgen hier, den Himmel dort, kein Teufel rauben. 8 Theil. K k Ver- Verehrung des Schoͤpfers in den Geschoͤpfen. A ch was erregen nicht in mir, so mannichfaltige Be- wegung, So viele Wunder auf der Welt, Schmuck, Ordnung, Schoͤnheit, Pracht, fuͤr Regung! Welch eine Harmonie, o Gott! zeigt uͤberall uns die Natur! Und doch sieht man, von Deinen Werken, den kleinsten Theil, in ihnen, nur. “Wer taugt denn Deiner Majestaͤt selbststaͤndgem We- sen nachzuspuͤhren? “ Jn Deiner Unermeßlichkeit muß Mensch und Engel sich verlieren. Cornaro Cornaro. W as man vom trinkbarn Golde ruͤhmt, daß es uns nicht nur unser Leben Auf hundert Jahr, verlaͤngern soll, in unzerstoͤrlicher Gesundheit; Daß es zugleich, die sanfte Ruh, und ein vergnuͤgtes Herz zu geben, Der Leidenschaften Wut zu daͤmpfen, der Seelen Kraͤfte zu erheben, Bequem, geschickt und faͤhig sey: liest man in dunklen Schriften wohl. Allein, hier hab ich das Recept. Cornaro giebt es uns zu lesen, Jn unverfaͤlschter Deutlichkeit: es ist probat; es ist nicht schwehr, Nicht kostbar. Jst es denn wohl moͤglich, daß es noch nie gebraucht gewesen? Daß nicht einmal ein Philosoph, die doch, vor allen andern, mehr, Um ihrer Seelen Kraft zu schaͤrfen, sich zu bemuͤhen suchen sollten, Den sichern Weg nicht eingeschlagen? Der, wenn sie nur vernuͤnftig wollten, Nicht schwer, und gar nicht unersteiglich; und der, zur Wissenschaft, zur Ehr, Zur Tugend, zur Geselligkeit, zum Gottes-Dienst, zu allen Pflichten, Die wir, auf diesem Wunder-Bau der Welt, gehalten, zu verrichten, K k 2 Bey Cornaro. Bey einem langen, froͤhlichen, vergnuͤgten Leben, sicher fuͤhrt. Jch bin nicht nur fuͤr sie, fuͤr mich; fuͤrs ganze mensch- liche Geschlecht, Von einer billigen Verwundrung und inniglichen Scham geruͤhrt: Und dieses, wie es mich beduͤnkt, mit großem Fug und großem Recht. Das Mittel, wodurch alle Menschen zum spaͤten Alter faͤhig seyn, Und zwar zum frohen und gesunden, ist bloß die Maͤßig- keit allein: Wozu er solche leichte Regeln, die alle unumstoͤßlich, giebet, Daß es der ganzen Menschheit schimpflich, daß man sie noch nicht ausgeuͤbet. Was hab ich, dacht ich, bey dem Zustand, fuͤr meine Lehren, doch zu hoffen, “Daß man sich, im Gebrauch der Sinnen, zu Gottes Ruhm, vergnuͤgen soll; Da diese Lehre, die das Leben, bey einem ungestoͤhrten Wohl, Uns zu verlaͤngern faͤhig ist, noch ihre Absicht nicht getroffen! Das, was der Mensch hat, heißt es dort, das laͤßt er willig fuͤr sein Leben; Und dennoch sieht man keinen fast, es zu erhalten, sich bestreben. Wie wenig werden sich demnach an deine gut gemeynten Lehren, Dacht ich, da sie noch lange nicht so viel versprechen koͤnnen, kehren! “Ver- Cornaro. “Vergnuͤgt seyn, ist ein großes Gut; in Gott ver- gnuͤgt seyn, noch vielmehr: “Es sind zwo ungemeine Schaͤtze, der Menschen Lust und Gottes Ehr. Allein, auch alle beyde hat Cornari Lehr nicht ausge- schlossen; Da sie vielmehr, als schoͤne Fruͤchte, aus seiner Lehre Saamen sprossen: Und sie verspricht annoch daneben Ein lang-gesundes, froͤhlichs Leben; Jn welchem wir, um desto laͤnger, die Gott und uns geweihten Pflichten, Auch die zu unsers Naͤchsten Besten, geschickt und faͤhig zu verrichten. Jch muß es wenigstens gestehn, ich bin, dieß schoͤne Buch zu lesen, Doch minder um des Lebens Laͤng’ und Dauer ange- flammt gewesen, Als daß ich, in demselbigen, zugleich den Nutzen eingesehn, Auf welche Weise wir zugleich, der Leidenschaft zu wider- stehn, Von selbst, geschickt und faͤhig werden. Steckt hier der Menschen hoͤchstes Gut, Die Kraft des Koͤrpers und der Seelen, in einem wohl- gemischten Blut; So sollt’, ein solches zu erzeugen, von klugen Buͤrgern dieser Erden Der allerehrste Zweck ja seyn, und ihres Denkens Vor- wurf werden. K k 3 Das Das beste Leben. V on einem jeglichen Vergnuͤgen sollt billig Gottes Lob das Ende; Das Ende von dem Lobe Gottes, ein Anfang vom Ver- gnuͤgen, seyn: Dieß waͤr’ ein recht begluͤcktes Leben, in dieser Welt, fuͤr alle Staͤnde. “Ach wuͤrd’ es doch, zu unserm Nutzen, und Gottes Ehren, allgemein! Schaͤd- Schaͤdliche Verabsaͤumung der Kraͤfte unsers Gedaͤchtnisses. D ie meisten halten dieß fuͤr wahr, daß der Verstand aus dreyen Kraͤften, Gedaͤchtniß, Phantasey, Verstand, bestehe. Wenn wir nun bisher, Um Gott zu kennen, uns allein an den Verstand am meisten heften, Und, was Gott sey, begreifen wollen; das aber unbe- greiflich schwehr, Und viele Ketzerey gewirkt: so waͤr’ es wohl zu uͤberlegen, Ob, da die andern Kraͤfte ganz hintangesetzt, wir dieser- wegen Nicht in den Labyrinth gerathen. “Wenn wir, bey allen Wunder-Gaben, “Die wir, aus Gottes Huld und Liebe, besitzen, und empfangen haben, “Nur das Gedaͤchtniß angestreckt, und, durch der Gaben große Zahl, “Zum Danken uns geschickt gemacht, und zur Be- wunderung zumal; “So scheinet fast von selbst zu folgen, daß Gott, von allem Zanken frey, “Weit wuͤrdiger verehret worden, und immer zu ver- ehren sey: “Daß es einfolglich unsre Pflicht, anstatt ein schwuͤl- stiges Begreifen, “Das gar dem Glauben widerspricht, stets die Erinne- rung zu haͤufen; K k 4 “Und Schaͤdl. Verabsaͤumen uns. Gedaͤchtniß-Kraͤfte. “Und uns durch das Gedaͤchtniß mehr, Gott zu ver- ehren, zu bemuͤhn, “Als den Verstand im Gottes-Dienst, den andern Kraͤften vorzuziehn. Dieß wird nun ebenfals fuͤr die, so, durch die Phan- tasey verfuͤhrt, Enthusiasten worden sind, vertieft in ihren dunklen Lehren, Auch der Erinnerung vergessen, und, durch dieselbe nicht geruͤhrt, Den Schoͤpfer alles Danks berauben, zu ihrer Besserung, gehoͤren. Neuer Neuer Beweis des Nutzens und der Wahrheit des Copernicanischen Systematis, aus dem 3, 4 und 5 Verse des 1 Capitels im ersten Buche Mosis. W ie noͤthig des Copernici vortreff lichs Welt-Syste- ma sey, Wird sich aus diesem Satze zeigen. Es machet eine schwehre Stelle, Jn unsrer Schrift, die dunkel sonst, und kaum zu loͤsen, deutlich, helle, Und, vom bishero stark bestrittnen und zweifelhaften Vorwurf, frey. Man hat fast gar nicht fassen koͤnnen, wenn Moses von der Schoͤpfung spricht: Es ward aus Abend und aus Morgen der erste Tag. Da doch das Licht Der Sonne gar noch nicht erschaffen. Wie haͤtte selbige denn rennen, Und uns den Morgen und den Abend, durch ihren Kreis- Lauf, geben koͤnnen, Da sie noch uͤberall nicht da? Allein, wenn man es so verstehet, Daß, wie es ausserdem ja klar, sich unser Kreis der Erde drehet; So kann, weil schon das Licht erschaffen, durch dieses Drehen unsrer Erden, Ein Morgen und ein Abend fuͤglich von uns sich vorge- stellet werden. Sene- Seneca , Lib. de Or. Sap. XXXII. C uriosum nobis Natura ingenium dedit: et artis sibi ac pulchritudinis suæ conscia, Spectatores nos tantis rerum spectaculis genuit. Perditura fru- ctum sui, si tam magna, tam clara, tam subtiliter ducta, tam nitida et non vno genere formosa, soli- tudini ostenderet. Uebersetzt. E s gab die wirkende Natur uns einen Geist voll Neu- begier; Und, da sie sich selbst ihrer Kunst bewußt, und deß, was an ihr schoͤn: Hat sie uns, ihre Treff lichkeiten und schoͤne Schauspiel’ anzusehn, Erzeuget und uns werden lassen. Sie wuͤrd’ auch selbst die Frucht von ihr Und ihrer Absicht Zweck verlieren, wenn solche große Herrlichkeiten, So kuͤnstlich- und so zarter Werke, voll glaͤnzenden Voll- kommenheiten, Die auf viel tausend Arten schoͤn, nur bloß einsiedlerische Wuͤsten, Von allem Geist und Denken leer, und ohn’ Empfindung, sehen muͤßten. Die Die Groͤße des Schoͤpfers aus der Groͤße Seiner Werke. H errscher der beflammten Schaaren, Die, in jenen tiefen Hoͤhn, Schon seit so viel tausend Jahren, Sich bewegen, waͤlzen, drehn, Die, in unverruͤcktem Kreise, Dir, Herr Zebaoth, zum Preise, Die bestimmten Wege gehn. Nirgends, als in ihrem Lichte, Kann das menschliche Gesichte, So erhaben, praͤchtig, schoͤn, Deiner Allmacht Ausbruch sehn. Unser’ Erde, Berge, Meere, Aller Creaturen Heere, Offenbahren, zeigen Dich Doch in keinem wuͤrdgern Bilde, Als im himmlischen Gefilde, Weist Dein Goͤttlichs Daseyn sich. Diesen nie begriffnen Raum, Seine Hoͤhe, Groͤß’ und Weite, Seine Laͤnge, Tief’ und Breite Fassen alle Engel kaum. Es vermoͤgen nicht einmal Ewig denkende Gedanken, Jn dem hohlen Abgrunds-Thal, Ende, Maaße, Ziel und Schranken, Umfang, Kreis und Schluß zu finden, Noch die Tiefe zu ergruͤnden. Jn Die Groͤße des Schoͤpfers Jn dem Raum nun, ohne Graͤnzen, Sieht man, sonder Maaß und Zahl, Millionen Sonnen glaͤnzen, Welches alle Licht-Gefaͤße, Von so unermeßner Groͤße; Daß der menschliche Verstand, Wenn er ihren Umkreis spuͤrt, Und ihm der Begriff bekannt, Sich in ihnen fast verliert. Da denn ihre Groͤßen eben, Samt dem Jnhalt, Laͤng’ und Breite, Von der ungeheuren Weite, Jhres Raums, worinn sie schweben, Unleugbare Proben geben. Ja, was das erstaunlichste, Daß sie, nebst dem Raum, den Augen Sich dennoch zu zeigen taugen, Und ich sie auf einmal seh. Von so ungemeßner Lichter Ungezaͤhlt- und großen Flammen Zieht, in unsere Gesichter, Wunder- wunderbar verkleint, Wunder- wunderbar vereint, Alles sich im Punct zusammen. Hier scheint alle Groͤße klein; Und die Kleinheit groß zu seyn. Aber, da ich dieß bedenke, Faͤllt mir noch ein Wunder ein. Naͤmlich dieß: Auf welche Weise Gott die ungeheuren Kreise, Samt dem ganzen Himmel, lenke! Laßt aus der Groͤße Seiner Werke. Laßt uns, unserm Gott zur Ehre, Jn den wunderbaren Werken, Mit erstaunter Ehrfurcht, merken, Welche Kraft dazu gehoͤre, Solche Koͤrper, solche Schwehre, Jhre Zahlen- losen Heere, Zu erhalten und regieren, Und in solcher Ordnung fuͤhren! Dieß Bewegen sollt’ allein Uns ein solcher Vorwurf seyn, Deß wir nimmermehr vergessen; Sondern darinn Gottes Macht, Unauf hoͤrlich, mit Bedacht, Mit erstaunter Furcht, ermessen, Und Jhr darum ehren sollten, Wenn wir Menschen heissen wollten. Nichts auf Erden stellet mir Wuͤrdiger die Gottheit fuͤr. Nichts im Reiche der Natur Giebt uns eine solche Spur, Laͤßt von einer Gottheit Werken Sichtlicher die Kraft bemerken, Machet Seine Allmacht-Hand Unserm Geist so klar bekannt. Der Du alle Dinge traͤgest Bloß durch Dein allmaͤchtig Wort, Und das Sternen-Heer bewegest Um den, durch Dich, festen Nord Jn bestaͤndig reger Ruh. Großer Gott! wer ist, wie Du? O un- Die Groͤße des Schoͤpfers ꝛc. O unendlichs ewigs Wesen, Welche Wunder giebt von Dir, Und von Deiner Allmacht, hier, Dieses Himmels-Buch zu lesen! Wie so praͤchtig, wunderbar, Wie so herrlich, wie so wahr Jst der Jnhalt! Wie so klar Laͤßt es uns den Schoͤpfer sehn! Dieß kann ich daraus verstehn: Raum und Ewigkeit umschraͤnken, Sonnen waͤlzen, Welten drehn, Aller Himmel Himmel lenken, Daß sie ewig richtig gehn; Herrlicher und anders seyn, Als erschaffne Geister denken, Kann, und ist mein GOTT allein. Die Die verdrießliche Frage. J ch sehe so viel Wunder-Ding’, aus allen Orten, jetzt entspriessen, (Da recht als wie ein Wunder-Meer aus Wasser, Luft und Erde quillt) Daß ihre mannigfache Zier und Pracht mein ganzes We- sen fuͤllt. Jch fuͤhle mein gefuͤlltes Herz von Anmuth gleichsam uͤberfliessen. Dabey faͤllt, mitten in der Lust, der wohlgemeynte Wunsch mir ein: “Ach waͤr, bey allgemeiner Schoͤnheit der Welt, die Lust auch allgemein! Jch wiederhole denn zum Schluß, bey meiner oft ge- fuͤhrten Klage Ob unsrer Unempfindlichkeit, die euch vielleicht verhaßte Frage: “Da die Natur an tausend Orten, wie ihr es allenthal- ben hoͤret, “Zugleich auch allenthalben seht, daß in der Werke Schmuck und Schein “Sie uns den Schoͤpfer deutlich zeigt, auch das ja, was Er ist, uns lehret; “Wie kann man blind vor ihrer Schoͤnheit, und taub vor ihrer Lehre seyn? Hartes Hartes Betragen der Menschen gegen einander. J ndem ich juͤngst, in meinem Zimmer, bey einer Erden- Kugel steh, Und, auf derselben, neue Proben vom menschlichen Ver- stande seh, Der, (da er etwas, das so groß, bewundrungswuͤrdig, so verkleinet) Recht unbegreiflich die Natur, zusamt der Kunst, in sich vereinet; Bewundert’ ich Natur und Kunst, von beyden inniglich geruͤhrt: Doch ward ich, eh ichs mich versah, auf eine neue Bahn gefuͤhrt. Jch sahe, mit geschaͤrftem Blick, die Stellen an, wo Christen wohnen, Jm Gegenhalt mit andern Oertern verschiedener Reli- gionen, Und stutzte, da ich die Verhaͤltniß so klein, so gar aus- nehmend klein, An Weite, Meng’ und Laͤnge fand, daß, nicht nur nach dem Augenschein, Auch in der That fast kein Verhaͤltniß von uns zu ihnen sich befindet, Zumal, wenn sich mit diesen allen noch eine Schwierigkeit verbindet, Da Hartes Betragen der Mensch. gegen einander. Da auch die Christenheit, von neuem, sich wieder in drey Theile reißt, Wovon ein jedes Drittel sich rechtglaͤubig, jene Ketzer, heißt, Sie mehrentheils verdammt, und niemand, als sich alleine, selig preist. Mich uͤberfiel, bey diesem Denken, ein Schrecken. Denn mir kam die Welt, Wie sie, von allen, gegen alle, beschrieben wird, und vor- gestellt, (Da sie sich alle durch einander des Jrrthums zeihen und verdammen) Als wie der Hoͤllen Vorhof vor. Denn alle werden zu den Flammen Von allen ordentlich vertheilt. Wofern man ihnen glauben soll; So ist der Himmel leer von Seelen, der Pfuhl der Hoͤllen aber voll, Und, wenige nur ausgenommen, so traͤgt hieran fast niemand Zweifel, Einfolglich, nach dem Spruch der Welt, gehoͤrt die Welt fast ganz dem Teufel. Jch wollte mich, voll heilgem Eifer, zu einer Widerle- gung wenden; Allein mir kam ein Schaudern an, die Feder fiel mir aus den Haͤnden. 8 Theil. L l Großer Großer Trost uͤber unsere Kleinheit. E s ist die ganze Erden-Welt, Wenn man sie bey dem Wunder-Bau und Heer der festen Sterne haͤlt, Ein nicht zu findend Puͤnctchen nur; was wird denn doch aus dieser Erden Bewohn- und Buͤrgern immer werden? Der Mensch scheint, nach der Wahrheit Schein, Fast ganz vernichtiget zu seyn. Wird man denn nun wohl glauben koͤnnen, ob hab’ ihn Gott in Seinen Werken Gewuͤrdiget, ihn zu bemerken? Und daß fuͤr ihn der Jahre Kreis, die Aenderung der Tag’ und Zeiten Sich in so richtger Ordnung leiten? Die Herrlichkeit der Creaturen, die Gott der Herr her- vorgebracht, Jst nicht mit Ellen abzumessen. Der Mensch hat die Vernunft empfangen, Und, nebst dem Willen, eine Seele. Dem kleinen Wesen theilt die Macht Des Schoͤpfers eine Kenntniß mit, von Seinen Werken, die das Licht Des Sonnen-Koͤrpers selber nicht Geschickt und faͤhig zu erlangen. Dem Menschen hat Er den Gebrauch von aller Herrlich- keit bestimmt; Der Mensch ists, welcher bloß den Nutzen von allen diesen Schaͤtzen nimmt. Den Großer Trost uͤber unsere Kleinheit. Den Menschen hat Er bloß erwaͤhlt, ihm Seine weise Macht zu weisen; Nur er ists, welchem Gott erlaubt, fuͤr alle Wunder Jhn zu preisen. Es kann der Mensch gewiß mit Nutzen sein’ ungeheure Kleinheit fuͤhlen; Allein, er muß um desto mehr Verwundrung-voll und dankbar seyn, Zu sehen, daß Gott ihn allein Gewuͤrdigt, mit so vieler Huld und Vorzug nur auf ihn zu zielen, Jhn zum Besitzer der Natur, so ungezaͤhlter schoͤnen Sachen, Und zum Betrachter Seiner Werk’ und Wunder ihn allein zu machen. Anstatt denn, seine Niedrigkeit mit Gram und Dumm- heit anzusehn, Fuͤhlt er vielmehr sein niedrigs Etwas um desto mehr sich noch erhoͤhn, Wenn er die edele Bestimmung von seinem Wesen uͤber- denkt, Auch daß sie ihm, ohn sein Verdienst und Wuͤrdigkeit umsonst geschenkt. Er kann sich selbst, wenn er vernuͤnftig, die suͤße Wahr- heit nicht verhehlen, Daß ihn der Schoͤpfer hier zum Vorwurf von Seiner Liebe wollen wehlen. Ja, sollten auch in andern Sphaͤren, und andern Wel- ten, Millionen Vernuͤnftger Creaturen wohnen, L l 2 Die Großer Trost uͤber unsre Kleinheit. Die Gott nicht weniger gewuͤrdigt, auch ihnen Guͤter zuzuwenden, (So doch gewiß aus unsrer Sphaͤre Ein unnuͤtz Untersuchen waͤre) Waͤr’ es darum nicht minder wahr, daß hier der Mensch an allen Enden Des Schoͤpfers Gnaden- reiche Hand und vaͤterliche Sor- ge findet, Auch wie, zu seinem Nutz, sich alles in solcher schoͤnen Ordnung bindet. “Welch’ eine Wuͤrde! welche Groͤße! solch einen Gott und Vater haben, “Der nicht allein, fuͤr uns, die Erde mit solchen unge- zaͤhlten Gaben “Bedeckt, erfuͤllet, schmuͤckt und ziert, “Der auch so gar den Himmel, mit fuͤr uns, und uns zu Dienst, regiert! Krankheit Krankheit des Geistes. D ie unersaͤttliche Begierde, von allen, alles zu ver- stehen, Und alle Dinge zu erklaͤren, auch, bloß nach unseren Jdeen, Die doch so unvollkommen sind, die Wege Gottes ein- zurichten, Jst unsers Geistes groͤßte Krankheit. Die noͤthigste von unsern Pflichten, Und unsrer Seelen groͤßte Staͤrke, ist, vor des Schoͤpfers Weisheit schweigen, Und, in Bewundrung- voller Demuth, vom Schoͤpfer, ihren Abhang zeigen. L l 3 Seltsames Seltsames Betragen der Menschen. D as rege Wesen, das, in mir, Sieht, hoͤret, fuͤhlet, riecht und schmecket, Dem sich die ganze Welt entdecket, Und das sich doch, so mir, als dir, Ja gar sich, vor sich selbst, verstecket, Das sollte ja, von Buͤrgern dieser Erden, Vorher erkannt und wohl begriffen werden, Bevor sie sich, mit Recht, vernuͤnftig nennen, Und sich dadurch, vor allem Vieh nicht nur, Vor einer jeden Creatur, Ja, fast vor Engeln selbst, den Vorzug geben koͤnnen. Man sage mir, mit welchem Recht Das eitle menschliche Geschlecht Die Weisheit, die weit hoͤher geht, Sich zuzueignen untersteht, Da sich die Seele selbst nicht kennt, da der Verstand, Da sich ihr eigner Geist und Coͤrper unbekannt. Da aller Menschen Thun so naͤrrisch eingerichtet, Daß, wenn man uͤberhaupt die Handlungen erwegt, Die Thorheit gleich mit Recht den Hochmuth niederschlaͤgt, Und die Vernunft, die sie sich selbst geschenkt, vernichtet. Kehrt einmal auf euch selbst, bedachtsam, euren Sinn, Seht, ob, was ich gesagt, nicht wahr! Damit forthin Sich keiner wegere, die Wahrheit zuzustehn; So laßt uns mit Bedacht der Menschen Thun besehn. Die Seltsames Betragen der Menschen. “Die Menschen kommen auf die Welt, bemuͤhen sich, sich zu ernaͤhren, “Dann werden sie verliebt, und suchen sich fortzupflan- zen, zu vermehren, “So wie es auch die Thiere machen. Man strebt dar- auf nach eitlen Ehren; “Dann wird man geizig. Unser Zweck ist, Geld und Reichthum zu erwerben. “Wir werden endlich krank, und sterben. Oder deutlicher: “Jn unsrer Jugend schwaͤrmen wir, in voͤlliger Zu- friedenheit, “Sind fuͤr uns selber unbesorgt. Nur wuͤnschen wir, zur selben Zeit, “(Als fromme wohlgerathne Kinder) daß unsre Eltern kluͤger waͤren! “Um dreißig Jahren duͤnket uns zuweilen, daß wir selbst nicht klug. “Jm vierzigsten erfahren wirs, und suchen alsdenn umzukehren. “Sind wir nun funfzig; schmaͤhlen wir auf den bishe- rigen Verzug, “Bemerken oͤfters, mit Befremdung, der schnellen Zeiten strengen Fluß, “Und treiben unsern klugen Vorsatz zu einem ernstlichen Entschluß. “Jn den großmuͤthigen Gedanken, da man sich zu ver- bessern strebt, “Entschliesset man, entschliesset wieder, und stirbt zu- letzt, wie man gelebt. L l 4 Der Der betraͤchtliche Verlust, in dem betruͤbten und fruͤhzeitigen Ableben des weiland S. T. Herrn Hof-Raths Drollingers. A uf diesem regen Erd-Planeten, worauf wir uns gesetzet sehn, Jst, vom Materialischen, fast alles ordentlich und schoͤn. Das aber, welches man, bey uns, vernuͤnftig, klug und geistig nennet, Jst manchem Fehler unterworfen, und selten nur davon getrennet. Jn unsers Geistes Schwachheit bloß, hat jedes Laster seinen Sitz: Stolz, Arglist, Ungerechtigkeit, Verfolgung, Bosheit, eitler Witz, Der Unglaub’ und der Aberglaub’. Es bringen, da sie stets sich haͤufen, Die Leidenschaften ihn dazu, fast unauf hoͤrlich auszu- schweifen. Der Leim der Lust, der Wind der Ehre, die strenge Gold- und Silber-Sucht, Sind, nebst derselben schlimmen Folgen, bloß des ver- fuͤhrten Geistes Frucht. Der Auf das Ableben des Hn. Hof-R. Drollingers. Der Jrrthum herrschet in den Geistern, fast aller, die auf Erden wohnen. Erstrecken sich der Seelen Schwaͤchen nicht gar auch auf Religionen? Ein jeder glaubt, mit Ausschluß andrer, als ob nur er die Wahrheit haͤtt. Viel Millionen ehren Brama, viel Millionen Mahomet. Viel’ haben mehr, als tausend, Goͤtter; viel’ einen fal- schen, viele keinen: Viel glauben Seelen-Wandrungen; da gegentheils ver- schiedne meynen: Die Seelen sterben mit dem Koͤrper; und was des Aberglaubens mehr. Ein jedes Volk denkt fast besonders; ein jedes Land hat seine Lehr. Wie straͤf- und schaͤdlich ist noch ferner die Kraͤnklich- keit der starren Seelen, Die, statt, nach ihrer Pflicht und Ordnung, sich Gottes Werk zum Zweck zu waͤhlen, Vor Gottes Werk, vor der Natur, ja vor der Gottheit Selber, blind, Und minder fast, als alles Vieh, vor Seiner Lieb’ em- pfindlich sind! Die das bestirnte Firmament, worinn Sich Gott am hellsten zeiget, Kaum ihres Blickes wuͤrdigen. Was aus der frucht- barn Erde steiget, An Baͤumen, Kraͤutern, Gras und Bluhmen, an Feld- an Baum- an Garten-Frucht, Dafuͤr wird Lust, Bewundrung, Dank, in ihnen, nur umsonst gesucht: L l 5 Sie Auf das fruͤhzeitige Ableben Sie wuͤhlen, schwaͤrmend, durch einander, und sterben, eh sie das, was schoͤn, Und was bewundernswehrt, auf Erden, zum Ruhm des Schoͤpfers, angesehn. Nun finden sich zwar hier und da erhabne Geister, große Seelen, Die ihres wahren Endzwecks hier nicht nur alleine nicht verfehlen, Da sie den Schoͤpfer sehn und schmecken; nein, die, den Jrrenden zu gut, Die Gottheit in den Creaturen, in Himmel, Erde, Luft und Fluth, Allgegenwaͤrtig darzustellen, und aus der Blindheit uns zu ziehn, Um Gott in unsrer Lust zu ehren, in reinen Liedern, sich bemuͤhn: So wie, vom großen Drollinger, bewundernswuͤrdig, ist geschehn, Und wir in seinen herrlichen, nie gnug gepriesnen, Schrif- ten sehn. Allein, bedaurenswehrter Fall! der große Geist ver- laͤßt die Welt: Es stirbt, der nimmer sterben sollte; der Wahrheit staͤrkste Stuͤtze faͤllt. Dein Aug’, in welchem sich so oft des Schoͤpfers Werk gespiegelt, bricht; Der Werkzeug’ aller deiner Sinnen gebrauchest du nun ferner nicht. Dein des Hrn. Hof-Raths Drollingers. Dein Koͤrper schwindet und verwes’t; wir sehen deine sanften Blicke, Auf dieser Welt, hinfort nicht mehr: du laͤssest uns betruͤbt zuruͤcke. Dein Geist, der oft, im Sternen-Heer, der Sonn’ und Sternen Herrn erblickt, Und welcher oft, bewundernd, sah, wie herrlich Gott die Welt geschmuͤckt, Der es auch andern zeigt’, entweicht, und wird dem Erden-Kreis entruͤckt. Die sich gelassene Vernunft kann solchen Zufall nicht begreifen; Sie duͤrfte sich fast unterstehn, wie sie gewohnt ist, aus- zuschweifen, Und sprechen: Da der Erden Buͤrger bisher so straͤflich sich verirrt, Da der Gewohnheit Seelen-Schwindel die ganze Mensch- heit fast verwirrt, Und Drollingers erhabner Geist sie auf die rechten Wege fuͤhret, Wodurch die Unempfindlichkeit und Blindheit sich gemach verlieret; So wird er von der Welt gerissen! Was haͤtt’ er nicht noch Gutes thun, Wie viele noch belehren koͤnnen? Jetzt muß er schon im Grabe ruhn! Mich selbst erschuͤttert dieser Fall, mich beuget dein betruͤbtes Scheiden; Dein Tod erregt, in meinem Geist, ein innerlichs em- pfindlichs Leiden: Auch Auf das Ableben des Hn. Hof-R. Drollingers. Auch fuͤhl ich den Verlust der Menschen, in deinem Sterben, gar zu wohl; Und auf des Einwurfs kuͤhnen Schluß weiß ich kaum, was ich sagen soll. Daher ich auf den Mund die Hand, gebuͤckt, mit diesen Worten, lege: Wie unbegreiflich sind, o Herr! wie unerforschlich, Deine Wege! Zugleich erblick ich dich, im Geist, in den gestirnten Himmels-Hoͤhn: Was du im Schatten hier erblicktest, kannst du im Licht, verklaͤrt, jetzt sehn. Jch sehe dich den großen Lohn des ewig selgen Lebens erben: Und dieses ist allein mein Trost bey deinem Thraͤnen- werthen Sterben. Schluͤsse Schluͤsse der Vernunft. D er Engel, aller Seligen, ja aller Geister, Schul- digkeit, Jst, von der unumschraͤnkten Gottheit unendlichen Voll- kommenheit, Das allerbest- und herrlichste, wozu sie faͤhig, zu ge- denken, Und alle, zu so edlem Zweck, des Sinnes Kraͤfte hinzu- lenken. Nun ist der Glaub’: “Es werde Gott dem, was Er, Sich zur Ehr, gemacht, “Und was Er, auch zugleich aus Liebe, fuͤr Sein Ge- schoͤpf, hervorgebracht, “(Da Er ja nichts geschaffen hat, wozu Er Haß hat) Gutes goͤnnen; Nach unserem Begriff, das Beste, was alle Geister den- ken koͤnnen. Der Will ’ ist da: Er ist die Liebe. Die Macht nicht minder. Er ist weise, Und weiß, wie Seiner Majestaͤt, ohn’ Abbruch Seiner Heiligkeit, Und Seinem stets gerechten Recht, genug geschehen koͤnn’. Es zeigen Schrift, Werk, und unsrer Seelen Kraͤfte, daß dieses einer Gottheit eigen. So kann dann die Vernunft nicht anders, als glau- ben, unserm Gott zum Preise, Mit einem, voller Zuversicht, auf Gott allein gekehrten Muth: “Wie das, was Gott geschaffen, gut, “Und Schluͤsse der Vernunft. “Und Er, zu Seiner Ehr ’, es schuff; auch bloß (da Er die ewge Liebe ) “Die Liebe, Seiner Macht und Weisheit Geschoͤpf hervorzubringen, triebe: “So werd’, ob wirs gleich nicht ergruͤnden, “Die ewge Liebe, Weisheit, Macht, der Herr und Schoͤpfer, Mittel finden, “Daß Er, nicht eine kurze Zeit, “Auf dieser Kummer-reichen Erde, “Von wenigen allein; auch dort, von allen, in der Ewigkeit, “Jn ewgem Wohl der Creaturen, auch ewiglich geehret werde. Da die Philosophi nunmehr, um Gottes Macht noch zu erhoͤhn, Ob schaff’ Er immer neue Welten, in Lehren, oͤffentlich gestehn; So stell’ ich dieß an seinen Ort, und moͤcht’ es fuͤr gewiß nicht sagen. Doch deucht mich, daß man wenigstens hiebey, mit Recht, wohl koͤnne fragen: “Ob nicht die Zeugungen der Dinge, die unauf hoͤrlich noch geschehn, “Als eine Art von daurender bestaͤndgen Schoͤpfung anzusehn? “Und ob es von der Gottheit Wesen, von Seiner Lieb’ und weisen Macht, “Nicht sey viel wuͤrdiger gedacht, “Daß Er sie nicht vernichtigen, noch minder ewig quaͤlen werde? “Da Schluͤsse der Vernunft. “Da Seine Liebe, Weisheit, Ehre, ja sehr darunter leiden muͤßte, “Daß Er, da Er, zu Seiner Ehr, die Creatur her- vorgebracht, “Er Sich, in alle Ewigkeit, davon sodann verlaͤstert wuͤßte: “Es haͤtte ja, die ewge Weisheit, hiedurch, den gan- zen Zweck verlohrn; “Es haͤtte ja, die ewge Liebe, fast einen ewgen Haß gebohrn. “Wenn Goͤttliche Gerechtigkeit von solchen Eigen- schaften waͤre, “Daß, bloß durch sie, des Schoͤpfers Absicht, als Seine Lieb’ und Seine Ehre, “Des großen Zwecks verfehlen muͤßte; und Gott, so wie es wuͤrd’ ergehen, “Unstreitig, ja vorher gesehen; “So kann die menschliche Vernunft unmoͤglich etwas anders fassen, “Als dieß: Die ewge Liebe wuͤrde nie Menschen haben werden lassen. Wie weit nun aber die Vernunft, in Glaubens- Sachen, anzuhoͤren, Das werden deutlicher, als ich, vernuͤnftge Geist- lichen erklaͤren. Noth- Nothwendiger Verband der Koͤrper, der Sinnen, und der Seele. F arben, Formen, Schatten, Licht, Sind die Schoͤnheit dieser Erden. Aber doch sind sie es nicht Ohn’ ein sie verbindend Aug ’, ohn’ ein sinnliches Gesicht. Und auch hierzu muß annoch sich ein Ueberlegen fuͤgen, Soll man anders an der Pracht dieser Erden sich ver- gnuͤgen, Jhren Wunder-Bau bewundern, ihre Lieblichkeit em- pfinden, Und, in ihnen, ihren Ursprung, einen weisen Schoͤpfer, finden. Gottes Gottes Groͤße. M it gebuͤhrender Bewundrung sah die Seele durchs Gesicht Juͤngst des eben aufgegangnen großen Monden -Koͤrpers Licht, Welcher, bloß durch einen Schein, Wie von Licht, so auch von Groͤße, alle große Sterne klein, Nacht und Schatten helle macht, Da er doch nicht licht, nicht groß. Dieses nahm mein Geist in Acht, Und betrachtete zumal: Ob wir hier mit Recht wohl koͤnnen Etwas an sich selber groß, ohne dran zu irren, nennen? Von der wahren Groͤße Stand Ward mir endlich diese Wahrheit, die unstreitig ist, bekannt: “Jn den Coͤrpern, die erschaffen, und in aller Himmel Gruͤnden, “Trotz der ungeheuren Groͤßen, ist nichts groß, nichts klein zu finden, “Als nur bloß Vergleichungs-weise. Nichts fuͤr sich ist groß und klein. “ Der nur, der kein Gleiches hat, keiner sonst, ist groß allein. 8 Theil. M m Von Gottes Groͤße. Von der koͤrperlichen Groͤße ward ich zu den Geistig- keiten, Und derselben unergruͤndlich- unbegreiflich- unbekannt- Jn sich selbst verborgenen, denkenden Beschaffenheiten Unvermerket hingefuͤhrt. Da ich denn derselben Stand, Mit verwirretem Erstaunen, ohne Raum und Ort befand, Dergestalt, daß tausend Geister kaum von einer Nadel- Spitze Den fast unsichtbaren Platz, oder Raum, zu ihrem Sitze, Wie es scheint, gebrauchen muͤssen. Wenn man sich die Geister-Welt, Nach den Gruͤnden unsers Wissens, wie man lehrt, vor Augen stellt, Hat so wenig Raum und Geist mit einander was gemein, Daß uns deucht, die Geister koͤnnten all’ an einem Orte seyn, Ohn’ einander sich zu hindern. Ob ich gleich, daß dieser Schluß Mir nicht eben richtig scheint, und ganz unbegreiflich faͤllt, Mit Erlaubniß unsrer Weisen, oͤffentlich gestehen muß. Da vielmehr es ordentlicher, von denselben dieß zu glaͤuben, Daß sie in ein Mittel-Wesen, zwischen Geist und Leib, gehuͤllt, Wodurch jeder, abgesondert, doch noch einen Ort erfuͤllt, Und sie etwan, auf die Weise, unter sich verschieden bleiben. Was die menschliche Vernunft von den Geistern fasset, scheint Den Begriff uns fast zu geben. Doch begreif’ ich auch dabey, Daß ihr Wesen von der Gottheit auch darinn verschieden sey: Daß Gottes Groͤße. “Daß der große Geist der Geister, Der sie all’ in Sich vereint, “Und woraus sie all’ entstanden, “(So wie sie nur irgendwo) allenthalben ganz, vor- handen, “So wie die vergangenen, kuͤnft- und gegenwaͤrtgen Zeiten, “Der Unendlichkeiten, Tiefen, aller grauen Ewigkeiten “Ewigkeiten in Sich fasse; “Nirgend nicht sey, sonder Ziel, sonder Zahl und sonder Maasse.„ Diese Meynung von der Gottheit, und von der Allge- genwart, Ausser, daß sie uns erfreulich, und sehr troͤstlich, koͤmmt sie mir Als die wuͤrdigste Jdee einer wahren Gottheit fuͤr. Alle Dinge, die erschaffen, sind, und sind nicht groß und klein; Der nur, Der kein Gleiches hat, GOTT der HERR, ist groß allein. M m 2 Goͤttliche Goͤttliche Guͤte mit Dank geniessen, Goͤttliche Guͤte mit Dank geniessen, ist besser, als Jhn begreifen wollen. D er Menschen Geist wuͤßt’, ohne Koͤrper, nichts; Die Sinnen sind allein die Quellen seines Lichts. Es hat der weise Gott ein Mittel ausgefunden, Und durch den Leib uns mit der Welt verbunden. Warum verachtet denn der Geist so freventlich Die Sinnen und den Leib, die doch sein eignes Jch Zusammen halten und ernaͤhren, Ergetzen, nuͤtzen und belehren? Will, auf der Welt, der Mensch bloß den Verstand allein, Mit seines Koͤrpers Ausschluß, brauchen; So werden wir schon hier den Todten aͤhnlich seyn. Man lebte, sonder Leib, als waͤr man schon gestorben; Sechs achtel Theile sind dadurch von uns verdorben. “Der Schoͤpfer hat uns in dieser Welt “Gewuͤrdigt, so mancherley Guͤter zu haͤufen. “Wie daß so viel Schoͤnes uns denn nicht gefaͤllt! “Wir sollen geniessen; wir wollen begreifen. “Er hat uns in solchen Stand gestellt, “Die Wunder der Koͤrper, durch Koͤrper, zu kennen; “Jn Werken den Meister bewundern zu koͤnnen, “Jn ihnen uns tausend Vergnuͤgen zu goͤnnen. “Die sinnlichen Kraͤfte vom Geiste zu trennen, “Da Gott sie, zur herrlichen Absicht, vereint; “ Lauft wider die Ordnung der Schoͤpfung, und scheint, Jndem ist besser, als Jhn begreifen wollen. “Jndem wir die Weisheit und Macht nicht betrachten. “Man woll’, in Geschoͤpfen, den Schoͤpfer verachten; “Und (mit dem Hirn-Gespinnst allein “Beschaͤfftiget, vergnuͤgt, zufrieden,) “Da Gott uns die Welt noch, zum Wohnplatz, beschieden, “Aus Uebermuth, schon dorten seyn. “Laßt uns die Gewohnheit nicht ferner verleiten; “Vielmehr uns, zu kuͤnftgen Vergnuͤglichkeiten, “Durch kluges Geniessen des Jrdschen, bereiten! M m 3 Aufrichtiges Aufrichtiges Gestaͤndniß, nach schuldiger Aufrichtiges Gestaͤndniß, nach schuldiger Bemuͤhung unsern Geist zu untersuchen. V on allen Menschen abgesondert, um in der Stille Gott zu loben, Saß ich in meinem kleinen Thurm, von allem Niedrigen erhoben. Hier sieht man, in so weiter Ruͤnde, den Himmel, Erd’ und Wasser an, Daß man, vom Zirkel am Gesichts-Kreis, auf neunzig Grad erblicken kann. Jch drehte meinen Augen-Punkt in diesem Zirkel allgemach; Jch dachte dieser hohlen Weite, zusammt des Himmels Tiefe, nach, Und konnte, durch des Raumes Jnhalt fast unterdruͤcket, dieß verspuͤhren, Daß in der ungeheuren Groͤße sich die Gedanken selbst verliehren. Jch zog zuletzt des Geistes Blicke, Und meinen denkenden Verstand, So viel mir noch zu denken uͤbrig, von dieser Groͤß’ auf mich zuruͤcke, Da ich mich kaum, vor Kleinheit, fand. Ja, Bemuͤhung unsern Geist zu untersuchen. Ja, da ich ferner, wie so klein, Jm Gegenhalt mit meinem Koͤrper, die so viel kleinern Augen seyn; Noch mehr, wie ich noch uͤberlegte, Und den so kleinen Punkt erwegte, Des Nervchens, wo die Linien von beyden Augen sich verbinden, Konnt ich den Punkt, von diesem Punkt, auch nicht ein- mal durchs Denken finden. Und dennoch senkt’ sich solche Groͤße, in eine Stelle, die so klein, Daß sie so wenig, als die Groͤße, dem Geist begreiflich ist, hinein, Und ist noch immer koͤrperlich, wie groß auch seine Klein- heit bleibet, Bis es, so wie es mich bedeucht, daselbst dem Geist sich einverleibet, (Wo man vom Geist so sagen kann) der es entwickelt, uͤberleget, Und anders mit der Form verfaͤhrt, als wie ein bloßer Koͤrper pfleget. Die Stelle, (wo es eine Stelle) den Ort, (wo es ein Ort zu nennen) Laßt uns ein wenig untersuchen, um, wo der Geist be- ginnt, zu kennen; Weil eben zwischen Geist und Koͤrper, wofern wir anders richtig schliessen, An diesem Ort, die Grenzen seyn, und End’ und Anfang machen muͤssen. M m 4 Es Aufrichtiges Gestaͤndniß, nach schuldiger Es scheint, ob muͤssen große Dinge, sowohl im Him- mel, als auf Erden, Eh’ unser Geist sie faßt, verkleint, Und, eh sie was, mit ihm vereint, Jn ein gewisses Maaß gebracht, und fuͤr ihn eingerichtet werden; Da auch, wenn Dinge gar zu klein, Vergroͤßrungs-Glaͤser noͤthig seyn. Sprich nicht: Das liegt an unsern Augen, Weil sie sonst nichts zu sehen taugen. Es scheint vielmehr, daß das Gesicht Sey fuͤr den Geist so zugericht’t, Als daß der Geist, das edelste, sich nach dem schlechtern richten sollte; Wie in der That geschehen muͤßte, wofern man dieß be- haupten wollte. Es scheint demnach, was wir gesagt, aus diesem Grunde ziemlich klar, Und gleichsam uͤberzeuglich wahr, Daß Koͤrper ein gewisses Maaß von einer Groͤße muͤssen kriegen, Damit derselbigen Figuren sich mit dem Geiste koͤnnen fuͤgen. Allein! Es duͤrft’ hier mancher sprechen: Hier wird noch einzu- werfen seyn: Figuren sind ja koͤrperlich; Der Geist, so geistig, kann ja sich Mit den Figuren nicht befassen. Wie Bemuͤhung unsern Geist zu untersuchen. Wie wird doch wohl ein einfach Wesen, Das bloß zum Denken nur erlesen, Mit koͤrperlicher Bilder Formen sich fuͤgen und verbinden lassen, Und waͤren sie auch noch so klein? Die Schwierigkeiten, die sich hier vom Geist, zum Geiste selber, haͤufen, Die scheinen ihm fast ja so schwehr, unmoͤglicher fast zu begreifen, Als daß aus Koͤrpern, die gefuͤgt, wenn sie sich etwa kuͤnstlich trennten, Nicht Theile sich vergeistern koͤnnten. Es waͤr denn, daß die Einfachheit, die große neu erfundne Wahrheit, Nicht eben die vermeynte Klarheit, Als wie man glaubet, in sich schloͤße. Jedoch, dieß sey dahin gestellt. Auf das, so wir uns vorgenommen: Ob naͤmlich Kleinheit, oder Groͤße, Jn dem, was geistig, anzutreffen; muß unsere Betrach- tung kommen. Daß einem Geist, so wie wir ihn, fuͤr sich alleine, zu erwegen, Und einen denkenden Begriff von ihm uns bloß zu ma- chen pflegen, Wohl keine Groͤße zuzueignen, begreift man, so wie wir begreifen; Allein dann, wenn er sich mit Groͤßen befassen muß, da scheinen eben Die Schwierigkeiten sich zu haͤufen, Und etwas Unbegreifliches sich augenblicks hervor zu geben. M m 5 Wie Aufrichtiges Gestaͤndniß, nach schuldiger Wie wenig wir nun fassen koͤnnen; so scheinet doch, man koͤnne schliessen, Daß Geister, wenn sie mit den Koͤrpern sich fuͤgen, sich veraͤndern muͤssen; Daß sie in einen andern Stand, als sie vorher gewesen, kaͤmen, Und, es geschehe wie es wolle, doch etwas anders an sich naͤhmen, So sie vorhero nicht gehabt. (wofern wir sie, Wie in der neuen vorbestimmten, also genannten Har- monie, Nicht bey und nebst den Koͤrperchen fast muͤßig, wollten laufen lassen.) Allein, wie dieses recht gescheh, gesteh’ ich gern, es nicht zu fassen. Es koͤnnen unsers Koͤrpers Augen fast alles, aber sich nicht, sehn, Als etwa bloß in einem Spiegel; so scheint es mit dem Geist zu gehn. Wer aber reichet uns den Spiegel, in welchem unser Geist sich zeiget? Da alles das, was in und um uns, von seinem wahren Wesen schweiget; So deucht mich, wenn man dieses erst, wie unsre Pflicht, ermessen wollte, Daß man von einem Richter-Spruch so lange sich ent- halten sollte, Bis dieser Spiegel erst gefunden, Und daß die Menschheit, diesen Satz wohl zu beherzigen, verbunden: Bevor Bemuͤhung unsern Geist zu untersuchen. Bevor wir uns nicht selbst gefaßt, und was wir ei- gentlich ergruͤbelt, Wird uns der Ausdruck: Es ist so, und anders nicht; mit Recht veruͤbelt. Es scheint uns besser anzustehen, Nachdem wir alles untersuchet, und uns, wie alles, an- gesehen, Zu dem aufrichtigen Gestaͤndniß: Wir wissen wenig; uns zu kehren, Den Schoͤpfer durch Bewunderung, in Seinen Werken, zu verehren, Und, in gelehrter Demuth, Jhn am wuͤrdigsten oft zu erhoͤhen, Nebst einem kindlichen Vertrauen: Es werd’ uns Gott, nach diesem Leben, Von uns, von allen, und von Sich, aus Gnaden, mehr Erkenntniß geben. “Wobey wir hier doch billig danken, daß Er uns einen solchen Grad, “Uns, in Bewundrung, zu vergnuͤgen, zu Seiner Ehr, geschenket hat. Unter- Untersuchung eines vom Koͤrper getrenneten Geistes. J ch mag auch denken, was ich will; Die ganze Welt bleibt vor sich still, Und fuͤhlet nichts von meinem Denken: Nichts kann sich aͤndern, regen, lenken. Es wird, auf unsrer ganzen Erden, Dadurch nichts ausgerichtet werden, Wo, durch ein koͤrperlichs Bewegen, An mir sich keine Theile regen. Hieraus erhellet, daß der Geist, Wie, oder was man Seele heißt, Fuͤr sich, nichts mit der Welt zu schaffen. Es ist demnach ein Mittel-Wesen Zu dieser Absicht bloß erlesen. Dieß scheint das sinnliche Vermoͤgen, Das unsre Seelen in sich hegen, Daß solches sich mit ihr verbinde: Und daß man anders keinen Band Mit unsrer Welt, und den Verstand, Als bloß das Sinnliche, befinde. Hier aber moͤchte mancher sprechen, Und unser kuͤnftigs Hoffen schwaͤchen: Hoͤrt, bey vollbrachtem Lebens-Lauf, Bey uns das Sinnliche nun auf; So scheint die Welt und Geist getrennet: Die Welt wird, nebst der Pracht des Lichts, Fuͤr ihn sodann ein leeres Nichts, Jndem er nichts von ihr mehr kennet. Ja, Untersuch. eines vom Koͤrper getrennten Geistes. Ja, weil nicht nur die Welt allein, Auch Himmels-Koͤrper, Koͤrper seyn; So schienen sie, nebst ihrem Wesen, Fuͤr unsre Seele nicht erlesen: Einfolglich waͤr’ auch alle Pracht, Die Gott darinn hervorgebracht, Fuͤr unsre Geister nicht gemacht. Der strenge Schluß verwirret mich. Doch, denk’ ich nach; so findet sich: Daß, da das sinnliche Vermoͤgen Was Geistigs, wovon eigentlich Den Grund die Seelen in sich hegen; Wird sich die Kraft nicht von ihr trennen, Noch mit dem Koͤrper schwinden koͤnnen. Wirfst du mir etwa ferner ein: Es koͤnne doch die Kraft allein, Ohn leiblichs Werkzeug, nichts verfangen; So ist es noch nicht ausgemacht, Ob man genugsam nachgedacht, Ob alles Leibliche vergangen. Vielleicht sind koͤrperliche Theile Bey ihr, die so subtil und fein, Daß sie nicht sicht- nicht fuͤhlbar seyn; Und daß die Ordnung der Natur, Jm Tode, die zu groben nur, So sie bishero eingekleidet, Von ihrem Wesen trennt und scheidet. Vielleicht kann die Verwandelung, Und merkbare Veraͤnderung, Des Untersuchung Des Seiden-Wurms, in diesem Leben, Uns ein etwanigs Beyspiel geben: Als welcher, zu gewisser Zeit, Die groben Huͤlsen, und das Kleid, Das erst ihn einzuschraͤnken pfleget, Wenn es verschrumpfet, von sich leget; Da man in einer schoͤnern Haut, Aufs neu’, ihn eingehuͤllet schaut. Daß aber unser Leib so zart, Daß man desselben Gegenwart Mit Augen nicht vermag zu sehen; Kann nichts beweisen: da uns ja Die große Luft, die uns so nah, Und, wie erweislich, wirklich da, Nicht sichtbar; wie du mußt gestehen. O welch ein heller Wahrheits-Schein Praͤgt hier sich meiner Seelen ein, Der, tausendfaches Widersprechen, Das hier so manchen Geist geplagt, Und, recht als wie ein Wurm, genagt, Vermoͤgend, kraͤftiglich zu schwaͤchen! Von welchem Geiste konnte sich Der Stand von unserm Geiste fassen, Noch seine Graͤnzen eigentlich, Als unbegraͤnzt, begreifen lassen? Der hier im Koͤrper immerdar Bisher verschraͤnkt gewesen war, Und eben dadurch bloß allein, Ein Individuum zu seyn, Geschickt eines vom Koͤrper getrennten Geistes. Geschickt gewesen; das nunmehr Von Form, Figur und Schranken leer: So daß die Geister etwa muͤssen, Wie Wasser, in einander fliessen; Wie, oder man muß dieses glaͤuben, Daß sie, wie hier, geschieden bleiben. Denn, sprecht, in einem dunklen Sinn, Von einem Geiste, immerhin: Er sey ein Simplex. Denn das deine Muß doch ein ander Simplex seyn, Ein anders Seyn, als wie das meine: Einfolglich, wo es sich mit mir Nicht soll verwirren; muß es sich, Recht in der That und wesentlich, Durch ein nothwendigs dort und hier, Durch etwas minstens, unterscheiden. Die Meynung aber, daß die Seelen Mit zartem Stoff sich noch vermaͤhlen, Mit duͤnnen Wesen sich bekleiden, Wuͤrd’ alle Schwierigkeiten heben, Und viel Erlaͤuterungen geben Jn Sachen, die, seit so viel Jahren, Voll Widerspruch, und dunkel, waren. Seelen- Seelen-Betrachtung. D enkend und empfindend Puͤnctchen, das sich selber Seele nennet, Das sich selber zwar bewußt, aber sich dennoch nicht kennet, Komm einmal, dring’ in dich selbst; laß von deinem wahren Wesen, Jn so fern du dir begreiflich, uns doch etwas gruͤndlichs lesen! Da wir uns auf dich verlassen; da, was du fuͤr wahr erklaͤrt, Wir fuͤr wahr und richtig halten; ist es wohl der Muͤhe wehrt, Deine Kraft zu untersuchen: da wir, ohne dich zu kennen, Wenn du dich wo selbst betroͤgst, auch betrogen werden koͤnnen. Dir ist selbst daran gelegen, deine Kinder, die Ge- danken, Einst mit Ernst auf dich zu wenden; deine Kraͤfte, deine Schranken, Ordentlich zu untersuchen. Sprich nicht, um zu wi- derstreben: “ Wem soll ich von meinem Wesen und Verfah- ren Rechnung geben? “Der mich fragt, der bin ich selbst; und zwar bin ich es allein: “Denn mein Koͤrper kann unmoͤglich uͤber mich ein Richter seyn. Gut! Seelen-Betrachtung. Gut! die Ausflucht scheinet billig. Aber, doch zum Zweck zu kommen, Und nicht erst zu untersuchen, ob nicht unser Wesen sey, Statt zwey Theil’, als Seel’ und Koͤrper, eigentlich gefuͤgt aus drey, Aus dem Koͤrper, Seel’ und Geist; laß, von einer an- dern Seelen, Uns die Schranken untersuchen, und zu unserm Vor- wurf waͤhlen. Wir befinden, daß die Seele fuͤhlet, merket, denkt und meynt: Wobey sie, nach ihrem Wesen, dennoch so beschaffen scheint, Daß, wenn keine Koͤrper waͤren, und wenn ihr die Sin- nen fehlten, Auch so gar ihr’ eignen Kraͤfte ewig sich vor ihr ver- hehlten; Ja, sie wuͤrde sich, vermuthlich, selber unbewußt ver- bleiben. Jst denn solchem Wesen wohl, das nur bloß die Faͤhigkeit, Durch Erfahrung, in sich hegt, das Vermoͤgen zuzu- schreiben, Mich zur Wahrheit hinzufuͤhren, und zur Vollenkom- menheit? Unsers Koͤrpers Wunder-Bau ist so wunderbar gefuͤget, Zu der offenbahren Absicht, wie es ja vor Augen lieget, Daß wir sinnlich werden sollen; da die Menschen, bloß allein Durch die Werkzeug’ ihrer Sinnen, mit der Welt ver- bunden seyn. 8 Theil. N n Waͤr Seelen-Betrachtung. Waͤr der ganze Kreis der Welt voll von solchen Men- schen-Seelen, Die entbloͤßt von allen Sinnen; wuͤrd sich die Natur verhehlen; Wuͤrden ihnen Erd’ und Himmel, ja sie ihnen selber fehlen. “Thut denn eine Seele wohl, daß sie Sinn’ und Welt verachtet, “Die doch ihre Lehrer sind? daß sie sich allein betrachtet “Als der Wahrheit einzge Quelle? daß sie, frech, bereits hienieden “Alle Dinge fassen will, welche sie, nach dieser Zeit, “Jn verklaͤrter Wissenschaft, und vermehrter Faͤhig- keit, “Nach des Schoͤpfers Lieb’ und Ordnung, zu begreifen, erst beschieden? “Denn aus ihrer Schwaͤche selbst machet sie mit Recht den Schluß: “Daß sie, von der Gottheit Liebe, Beßrung hoffen kann, und muß. “Durch die Sinnen sich der Welt, “Auf vernuͤnftge Art, gebrauchen, scheinet hier der Menschen Pflicht, “Zu dem Endzweck scheinen Koͤrper, Seel- und Sinnen, zugericht’t. “Will man das, was Gott verbunden, und einander zugesellt, “Trotz- Seelen-Betrachtung. “Trotz- und eigenwillig, trennen? Wollt ihr denn, auf dieser Erden, “Statt mit Fleisch vereinter Seelen, schwaͤrmende Ge- spenster werden? “Welch ein Umsturz der Natur! welch ein thoͤrichter Verstoß! “Da ihr Seel- und Sinnen trennet, seyd ihr Sinn- und Sinnen-los. N n 2 Gleich- Gleichniß. J ndem ich, nach verfloßner Nacht, Und einer sanften Ruh’, erwacht; Erblickt’ ich, an der Wand, die meiner Augen Ziel, Von einem Linden-Baum, den Phoͤbus Licht bestrahlt, Und den der Wind bewegt, ein scherzend Schatten-Spiel; Jndem der Blaͤtter Heer daran sich deutlich mahlt, Und, unaufhoͤrlich, eine Stelle Bald dunkel macht, bald wieder helle. Jch dachte diesem nach, und fand, daß auf der Erden, Dergleichen Aendrungen, die Licht und Schatten macht, Jn Tag und Nacht, Bestaͤndig, auch gefunden werden. Denn, daß sie langsamer, und nicht so schnell, geschehn, Wie wir es hier im Spiel der Blaͤtter sehn, Bestreitet dieses Gleichniß nicht. Die Zeit, worinn die Aenderung geschicht, Thut, an und fuͤr sich selbst, fast nichts dazu; da man, Mit Recht, von unsrer Zeit ja sagen kann: Daß eigentlich Die Zeit, fuͤr sich, (Aufs wenigste, wie wir sie kennen) Nicht kurz, nicht lang, zu nennen. Wenn wir demnach, nach dieser Zeit, Nicht eine Ewigkeit Zu hoffen haͤtten; koͤnnten wir, Nebst unsrer Zeit und Dauer hier, So wie der Tag und Nacht auf Erden, Mit diesem Licht- und Schatten-Spiel, Nicht ungereimt, verglichen werden. Zu- Zustand der Welt. W enn wir der Erde stetes Drehn, Mit einiger Aufmerksamkeit, besehn, Und, was dadurch geschicht, erwegen; So findet sich, daß, immerfort, Zu einer Zeit es fruͤh, am andern Ort Es spaͤte sey: daß hier sich Menschen niederlegen; Die andern dort, zur selben Zeit, Mit schon erschlafner Munterkeit, Von ihren Lager-Staͤten Auf ihre Beine treten. Dieß unauf hoͤrliche Gewuͤhl auf dieser Welt, Das mir die Phantasey, im Geist, vor Augen stellt, Ruͤhrt meinen Geist auf eine fremde Weise: “So, daß ich Den, mit froher Ehrfurcht, preise, “Der das, was sonder Ordnung scheint, “Auf eine Art, die einfach ist, vereint, “Und eine Welt, worinn sich unser Geist verliert, “So wunderbar, so ordentlich, regiert; “Ja, welcher, die Verschiedenheit “So vieler Handlungen, zu einer Zeit, “Auf einmal uͤbersieht, Geschoͤpfe schaffet, lenket, “Und ihnen ihre Daur, so wie ihr Wesen, schenket. N n 3 Die Die nicht ganz unsichtbare Gottheit. D er Geist des Menschen, nicht der Koͤrper, ist, einen Gott zu sehn, erlesen: Kein Aug’ hat einen Geist zum Vorwurf. Es ist Sein eigentliches Wesen Nicht sichtbar; dennoch ist Er sichtbar in Seinen wun- derbaren Werken, Worinn die Augen der Vernunft, die Er uns schenkt, Jhn sehn und merken. “So deutlich, und noch deutlicher, als wenn wir Jhn mit Augen saͤhn, “Kann man die Wirklichkeit des Schoͤpfers, in dem Erschaffenen, verstehn. Woraus dann dieses klaͤrlich fliesset: “Daß, weil der Gottheit Werk allein “Die Spuhren Seines Wesens seyn, “Der, so vor sie die Augen zu- auch selbst vor Gott die Augen schliesset. Ungluͤck- Ungluͤckselige Folgen der Unachtsamkeit. O Gott! wo kommt doch dieses her, Daß wir, recht als in einem Meer Von Guͤtern, und von Wundern, schwimmen: Und man doch immer, ungeruͤhrt, Fast alles, im Besitz, verliert; Sich nimmer, Dir, wie sichs gebuͤhrt, Bemuͤht, ein Dank-Lied anzustimmen! Die meisten Dinge scheinen so; Man wird derselben bloß nur froh, So lange sie von uns entfernet. Es ist nur ein Gesichts-Punkt da, Wo es gefaͤllt: Kommt es zu nah; Verzieht sich ploͤtzlich alles das, (Als wie, durch ein Vergroͤßrungs-Glas, Bey Dingen, die zu nahe stehn) Was in dem Aug-Punkt wunderschoͤn, So lang’ es nicht zu nah, zu sehn. Der Fehler aber lieget nicht Am Vorwurf, auch nicht am Gesicht; Er liegt allein, daß wir das Denken Nur immer vorwaͤrts, und fast nie, Aufs wenigste nicht ohne Muͤh’, Aufs Gute, so uns nah ist, lenken. N n 4 “So Ungluͤckselige Folgen der Unachtsamkeit. “So lang’ uns, was man hat, nicht ruͤhrt, “Jst es unmoͤglich, auf der Erden, “Beym groͤßten Gluͤck, begluͤckt zu werden; “Da man, was man bekommt, verliert. “So lange man zu allen Sachen, “Die gut sind, nicht das Denken fuͤgt; “Kann uns kein Koͤnigreich vergnuͤgt, “Kein Kaysers-Zepter gluͤcklich, machen. Der Der Schoͤpfer, durch Seine Werke gepriesen. H err der Tiefen! Quell der Meere! Urstand, Fuͤhrer und Monarch nicht zu zaͤhlnder Erden-Heere! Aller Stern- und Sonnen Sonne, deren Licht aus Dir nur quillt! Der der Himmel Himmels-Sphaͤre, Ja, das unumschraͤnkte Leere, Allenthalben gegenwaͤrtig, uͤberall umschraͤnkt und fuͤllt! Grund der Wesen! Schoͤpfer, Meister, Aller Menschen, Engel, Geister! Deiner Creaturen Choͤre Singen, in nie stillen Toͤnen, die so sanft als allgemein: Ewger Ursprung unsers Wesens, wahres Wesen! Dir allein Sey Lob, Preis und Dank und Ehre! N n 5 Die Die Wollust. V on allem, was da lebt, Magnet, der allgemein, O suͤße Wollust, ohne dich Wuͤrd’ uns, zu sterben, und zu leben Auf dieser Welt, gleichguͤltig seyn. Es regt sich, was sich regt, nur bloß durch dich allein. Es lebt kein Fuͤrst, kein Baur, kein Kaufmann, kein Soldat, Der, auf der Welt, nicht dich zum Endzweck hat. Wie? rechnet man die Lust der Sinnen gar fuͤr nichts? Fuͤr wen ist doch der Wein? fuͤr wen die Pracht des Lichts? Fuͤr wen ist die Musik? fuͤr wen die schoͤne Bluͤhte? Fuͤr wen ein schoͤner Leib? Ein froͤhliches Gemuͤhte Gebraucht sich aller Ding’, und nimmt nur dieß in Acht, Daß er der Ordnung folgt, zumal im Lieben, Die Der in Brust und Schrift ihm vorgeschrieben, Der, bloß aus Lieb’ allein, ihn und die Welt gemacht. Verab- Verabsaͤumte Betrachtung Goͤttlicher Geschoͤpfe hoͤchstschaͤdlich. W ofern die Absicht Gottes war, in uns, Geschoͤpf hervor zu bringen, Die der von Jhm erschaffnen Werke geniessen sollten, Jhm zur Ehr; So laßt uns doch einmal erwegen, da wir, in so viel schoͤnen Dingen, Uns nicht vergnuͤgt, Gott nicht erkannt; wenn wir ge- storben, wie so schwehr Uns denn die Rechnung fallen duͤrfte, fuͤr das, was hier von uns geschehn, Fuͤr das, was von uns unterlassen. Wird es nicht fast unleidlich klingen, Wenn wir, erstaunt, zuruͤcke denken, und, wegen Gottes Werk’ auf Erden, Betruͤbt uns selber fragen werden: War denn die Welt voll solcher Schaͤtze? so sehr Bewun- derns-wehrt? so schoͤn? Wir haben dieses nicht bemerkt, geschmeckt, gehoͤret, noch gesehn. Wie gluͤcklich wuͤrden wir uns schaͤtzen, wenn uns sodann, die Pracht der Erden Noch einst zu sehn und zu geniessen, aus Gnaden moͤcht’ erlaubet werden. Mittel Mittel gegen die Unachtsamkeit. D aß man an so vielem Guten sich so selten nur ver- gnuͤgt, Kommt, daß der Gewohnheit Staͤrke die Aufmerksamkeit besiegt. Doch, es schadet zum Vergnuͤgen die Gewohnheit nicht allein; Nein, auch dieß, daß die Gedanken mehrentheils zer- streuet seyn, Der Beschaͤfftigungen Vielheit, und der Vorwuͤrf’. Es verhindern Auch die Traͤgheit des Gemuͤths, nebst der Unempfind- lichkeit, Andrer Jrrenden Exempel, Stolz und Unzufriedenheit, Den Genuß des vielen Guten. Diese Feinde muß man mindern, Und sie zu bekaͤmpfen suchen, eh wir zur Aufmerksamkeit, Als dem Schluͤssel zum Vergnuͤgen und zum Dank, ge- langen koͤnnen. Wann nun dieses sonder Muͤhe, ja fast sonder Kampf und Streit, Nicht erhalten werden kann, Und sie wirklich eine Kunst, eine solche Kunst zu nennen, Welche nicht so leicht zu lernen; ach! so fange man doch an, Sich mit Sorgfalt zu bemuͤhn, Die sich stets zerstreunden Blicke, den nicht minder fluͤcht- gen Geist, Zu bezaͤhmen, und sie beyde fest auf einen Punkt zu ziehn, Weil, auf solche Art zu sehen, eigentlich nur sehen heißt. Beyder Mittel gegen die Unachtsamkeit. Beyder concentrirte Kraͤfte werden denn zuerst erblicken, Wie die Werke der Natur sich Bewunderns-wuͤrdig schmuͤcken, Dadurch muß und wird Bewundrung in der regen Seel’ entstehn. Man wird tausend Ding’ entdecken, die man nie vorher gesehn. Dann wird der geruͤhrte Geist, da er so viel Wunder spuͤhret, Jn der neu empfundnen Lust, zu der Wunder-Quell gefuͤhret, Und von Andacht, Lieb’ und Ehrfurcht inniglich erfuͤllet werden, Gegen den allmaͤchtigen Schoͤpfer Himmels und der Erden, Der gewollt, daß sie entstuͤnden, und der uns fuͤr ihre Pracht, Durch der Sinnen Wunderwerke, wunderbar empfindlich macht, Ja, dabey uns noch die Kraft, zu erwegen und zu denken: Daß wir alles Jhm zu danken; uns gewuͤrdiget, zu schenken. Verboth Verboth, an Goͤttliche Geschoͤpfe sich zu vergnuͤgen, suͤndlich. U ns zeiget dieses die Natur Jn ihren ungezaͤhlten Schaͤtzen. Es zeiget uns die Schrift die Spur, Man soll an selben sich ergetzen. Es leget die Vernunft uns klar Die Absicht einer Weisheit dar, Daß solche Ordnung, solche Pracht Ja wohl umsonst nicht sey gemacht. So spricht Natur, Vernunft und Schrift. Ein schwaͤrmrischer Phantast hingegen Sucht, bloß auf sich allein sich fußend, sie alle drey zu widerlegen, Und traͤumt: Der Mensch, aus Seel’ und Leib, soll auf der Welt ein Geist allein, Dis Goͤttliche Geschenk, die Sinnen, soll suͤndlich: alles teuflisch seyn, Was koͤrperlich, was in der Welt. Vortrefflich waͤre diese Lehre, Wofern der Urstand, Herr und Schoͤpfer der Welt, nicht Gott, der Teufel, waͤre. Die Die Weisheit. D ie Weisheit ist: Von allen Sachen, Sowohl die koͤrperlich, als geistig, sich richtige Begriffe machen. Um nun zur selben zu gelangen; so muͤssen wir die Ei- genschaft Der, von dem Schoͤpfer, unsern Seelen einst anerschaff- nen Wunder-Kraft, Uns etwas in uns vorzustellen, zu untersuchen uns bemuͤhen, Und, um von allem Jrrthum, Trug und Widerspruch uns abzuziehen, Die Phantasie verbessern lernen, zumal, da alles auf der Welt, Fuͤr uns, das, was es ist, nicht ist; nein, das, was man sich vorgestellt. Nun sind die Sinnen eigentlich, wenn man es recht erwegt, die Thuͤren, Wodurch die Koͤrper unsre Seelen, und unsre Seelen sie, beruͤhren. Die Thuͤren muͤssen denn geoͤffnet, gerad’, und nicht ge- kruͤmmet, stehn, Damit die Vorwuͤrf’ auch gerad’ und richtig durch die- selbe gehn. Es muß kein Dunst von Leidenschaft und Vorurtheil die Gaͤng’ erfuͤllen; Kein Spinnen-Webe der Gewohnheit den freyen Durch- gang uns verhuͤllen: Weil, Die Weisheit. Weil, wo die Vorwuͤrf’ unsern Geist, von aussen schon verstellt, beruͤhren, Sie ihn in seiner Urtheils-Kraft behindern und gewiß verfuͤhren. Man spanne denn zu diesem Endzweck die Kraft an, wie es sich gehoͤrt. Man lege die Physik zum Grunde, die uns der Koͤrper Wesen lehrt, Und uns derselben Eigenschaften bloß durch Erfahrungen erklaͤhrt. Dann lerne man die Menschen kennen, und fange bey sich selber an, Weil Selbst-Erkenntniß uns am besten zur Kenntniß an- drer leiten kann. Wann wir bey dieser ersten Sprosse zur Wahr- und Weisheit angefangen; So werden wir zur andern Staffel der Geister sicherer gelangen, Zu welcher, ohne daß man jene zuerst bestieg und da nicht irrt; Ohn’ Jrrthum, sonder Fehl und Zweifel, man nimmer- mehr gelangen wird. Verschie- Verschiedene Arten der Abgoͤtterey, auch bey Christen. J e mehr mir die Verkleinerung von Gott, im alten Mann, zuwider, Je lieber wehl’ ich diesen Greuel zu einem Vorwurf mei- ner Lieder, Um, wo es moͤglich, alle Menschen in diesem Stuͤck be- kehrt zu sehn, Daß von der Gottes-Laͤsterung sie sich bestreben abzustehn. Es ist nicht gnug, daß man von Gott ein Bild vom alten Mann formieret, Bey welcher winzigen Jdee man selbst den wahren Gott verlieret. Es bleibet nicht allein beym Bilde. Es dichtet diesem alten Mann Ein jeder, ohn’ es selbst zu merken, sein’ eigne Leiden- schaften an. Der Gott der Geizigen ist hart, scharf, ernsthaft, unerbittlich, strenge, Der Wollust und Vergnuͤgen haßt, ein Feind von glaͤn- zendem Gepraͤnge, Ein reicher Herr, ein Herr von allem, der alles Gold und Geld der Welt, Sowohl gepraͤgt, als ungepraͤget, besitzt, und in Ge- wahrsam haͤlt, Der, die er liebet, segnen kann, der aber niemand anders liebet, Als der, mit Ausschluß aller andern, sich unaufhoͤrlich Muͤhe giebet, 8 Theil. O o Und Verschiedene Arten der Abgoͤtterey, Und bloß auf sich allein bedacht, des Tages und des Nachts nicht ruht, Um ein, von ihm selbst nicht gebrauchtes, und ein bald zu verlassend, Gut. Der Stolzen Gott ist ein Monarch, der uͤber alle Ding’ erhoͤhet, Nur Loben, Ruhm und Preis verlangt, und bloß allein nach Ehren stehet, Dem das, was irdisch, zu geringe, der nur allein im Großen groß, Der das, was klein, veraͤchtlich schaͤtzet, und welcher nur den Hohen bloß Gewogen ist, und ihrer achtet. Dem aller Engel Schaa- ren dienen, Und die, aus Ehrfurcht seine Pracht nur anzusehn, sich nicht erkuͤhnen; Der bloß nach seinem Willen herrscht, der nur gebiethe- risch befiehlt, Und dessen Herrschen nicht auf Liebe, nur bloß allein auf Hoheit, zielt. Die Gottheit einer weichen Wollust ist ein von red- lichem Gemuͤthe, Nachsichtlich und verzeihend Wesen, das minder Strenge liebt, als Guͤte; Der alles so genau nicht nimmt, dem unsre Schwaͤche wohl bewußt, Dem Gut- und Boͤses einerley. Ein Wesen, welches keine Lust An Plagen und an Strafen findet, das ihnen wird, nach diesem Leben, Es sey gewesen, wie es sey, ein ewigs froͤhlichs Leben geben; Dieß auch bey Christen. Dieß zu erlangen, glaubt man ihn. Der alte Mann scheint ihm zu gut, Als daß Er ihn bestrafen sollte mit einer ewgen Hoͤllen- Gluht. Dieß sind die Fruͤchte, wenn man Gott, in den betro- genen Jdeen, Als wie ein altes Menschen-Bild, gewohnt gewesen, an- zusehen, Statt Jhn als ein unendlichs All, das unbegreiflich, unumschraͤnkt, Das Millionen Sonnen, Welten, und Raum und Himmel schuff und lenkt, Allgegenwaͤrtig, maͤchtig, weis’, und ewig, guͤtig zu be- trachten. Wenn wir Jhn nicht unendlich anders, als aller Witz Jhn fasset, achten, Und glauben, daß der Gottheit Wesen durchaus nicht Formen faͤhig sey, Begehn wir das verbothne Laster der schaͤndlichen Ab- goͤtterey. O o 2 La La Divinité est incomprehensible. R aison reconnois toi, connois toi, par toi-même! Tu ne sçais rien de sur, si non, qu’il est un Dieu. So yés soumise à Lui, addresse à Lui tes voeux. Dire, qu’on le comprend, est erreur, est blaspheme. Sur cette terre, à toi Il voulût Se montrer Dans Ses ouvrages seuls. Il veut se reveler Dans leur beauté, leur ordre \& l’excellence, Mais sache, qu’icy bas, Il a voulû cacher Son incomprehensible Essence. Auf Auf Herrn Reinbecks Bildniß. D ieß sind des großen Reinbecks Zuͤge; dieß ist sein holdes Angesicht, Des schoͤnern Geistes schoͤne Schaale. Es leuchtet dieses große Licht, Jn seinen Gott geweihten Schriften, als wie der Mond bey dunkler Nacht, Durch die, von ihm gezeigte, Sonne, selbst hell, und selbst zum Licht gemacht. O o 3 Gott Gott gefaͤlliger Dienst. W ofern ein Gott, so wird Jhm ja ein, durch Sein Werk, vergnuͤgt Gemuͤthe, Als welche Werk’ Er uns, aus lauter Guͤte, Jn diesem Leben wollen goͤnnen, Unmoͤglich mißgefallen koͤnnen. Die Anmuth, welche man darinn verspuͤhret, Da sie, in unsrer Lust, zu Seiner Ehr’, uns ruͤhret; Jst in der That Ein Ausbruch, ein Beweis, von Seiner Liebe Und Absicht, wozu Er uns hier erschaffen hat: Und die Betrachtungen von Weisheit und von Macht, Wodurch, was ist, hervor gebracht, Gereichen und gehoͤren, So viel Jhn ein Geschoͤpf kann ehren, Jhm zu Ehren. Es ist dahero nichts so klein, Worinn, zu unserer Belustigung, Betrachtung und Bewunderung, Nicht sollten Gruͤnde seyn. Weil alles, da es uns sich durch die Sinnen weiset, Ja Den, Der uns die Sinnen schenkt, Die Koͤrper ebenfalls, auch was in uns gedenkt; Jn einer froͤhlichen Betrachtung, wirklich preiset. Vernunft Vernunft und Glaube. E s ist unsere Vernunft, in uns, ein lebendigs Licht, Welches das, was wahr und irrig, zeigt, bemerkt und selbft empfindet. Von dem Großen Geist der Geister ist es in uns ange- zuͤndet. Man verachte denn den Wehrt dieser großen Gabe nicht. Ob nun gleich die helle Fackel ins Unendliche nicht glaͤnzet, Jst sie, bey der ganzen Menschheit, und bey jedem, gleich begraͤnzet; So befugt dieß uns doch nicht, daß wir sie vom Glauben trennen, Weil wir, ohne die Vernunft, nimmermehr recht glauben koͤnnen. Heiden, Juden, Tuͤrken glauben. Bloß nur die Ver- nunft allein Muß, daß unser besser sey, Richtschnur, Prob’ und Richter seyn. Nun ist des Verstandes Kraft, die Erfahrung lehrts hienieden Fast bey jedem andrer Gattung, und unglaublich unter- schieden; Doch besteht dieß nur in Graden, und der Grund ist allgemein. Denn ein Licht bleibt doch ein Licht, ist dieß groß, gleich jenes klein. O o 4 Wann Vernunft und Glaube. Wann nun auch der groͤßte Geist, die durchdringensten Gedanken, Jn der Dinge Grund nicht dringen, denn der Geist hat seine Schranken, Ueber die sein schwaches Licht nicht vermoͤgend weg zu scheinen; Also zeigt sein eigner Strahl, daß wir, auf der Welt, nur meynen, Und nicht weiter gehen koͤnnen. Selbst der Glaube zeigt dieß an: (Welcher eine feste Meynung) daß man hier nicht wissen kann. Dannenher ist unsre Pflicht, uns allhier, in allen Faͤllen, So weit unsre Kraͤfte gehn, stets das Beste vorzustellen, Unsere Vernunft zu brauchen, auch beym Glauben; denn nur dieß Setzet unsern Glauben fest, macht die Zuversicht gewiß. Wir schraͤnken unsre Meynung dann in diesen wichtgen Lehr-Satz ein: Des Glaubens Anfang muß Vernunft, ihr End’ und Schluß der Glaube, seyn. Ungluͤcklicher Ungluͤcklicher Mißbrauch der Kraͤfte unsers Geistes. W ir haben eine Faͤhigkeit, wodurch ein gegenwaͤrt- ges Gut, Wenn wir es, daß es gut, erwegen, von uns gefuͤhlt wird und empfunden; Auch eine, wodurch unsre Lust, wenn sie vergangen und verschwunden, Durch die Erinnerung, annoch recht wie vor unsern Augen ruht. Wir haben ferner auch die Hoffnung, ein kuͤnftig Gut herbey zu ziehn. Und dennoch scheinen wir, mit Fleiß, uns ungluͤckselig zu bemuͤhn, Die drey gluͤckselgen Faͤhigkeiten fuͤr uns ungluͤcklich umzukehren, Und dadurch unsre Lust auf Erden zu mindern, und die Last zu mehren. Des Gegenwaͤrtigen genießt man, durch ein versaͤumt Erwegen, nicht. Die Lust, die weg, erweget man: sie steht uns gleich- sam vor Gesicht; Doch klaget man, sie sey nicht mehr, Und seufzet, mit vergebnem Wuͤnschen: Ach wenn sie noch zugegen waͤr! Statt suͤßer Hoffnung, mindert uns, die bittre Furcht der kuͤnftgen Zeit, Das Gute, wenn wir Gutes haben: wo nicht; ver- mehrt sie unser Leid. O o 5 Der Der Goͤttlicher Absicht und Ordnung widerstrebende Mensch. D er Schoͤpfer hieß die schoͤne Welt, von uns genannt, das Rund der Erden, Zu einer Zeit, die Jhm gefiel, entstehen, sich verbinden, werden. Es sonderte sich von dem Trocknen das fluͤßige gelenke Naß: Es wurden Ebnen, Berge, Thaͤler; es keimten Pflanzen, Laub und Gras. Der Kraͤuter Gruͤn bekraͤnzete der aufgethuͤrmten Berge Gipfel; Das wunderschoͤne Laub bekroͤnte, nebst mancher Frucht, der Baͤume Wipfel: Bebluͤhmtes Gras bedeckt’ und schmuͤckte die Wiesen und das ebne Feld. Und kurz: Licht, Farben, Formen, Schatten, verschoͤ- nerten die Ober-Welt. Es wurden Thiere, welche faͤhig, die Pflanzen, die darauf entspriessen, Zu ihrer Lust, zu ihrer Nahrung, auf manche Weise, zu geniessen. Allein, es war annoch kein Wesen, in welchem eine Kraft gepraͤgt, Die Wunder, die die Welt erfuͤllten, und uͤberall ihm vorgelegt, Zu Der Gottes Absicht widerstrebende Mensch. Zu sehn, zu merken, zu bewundern: und, im Geniessen, Sehen, Schmecken, Jm Hoͤren, Fuͤhlen, und Geruch, ein schaffend Wesen zu entdecken; Desselben Weisheit, Macht und Liebe zu spuͤhren: den- kend einzusehn, Daß nichts sich von sich selber bildet; und folglich deutlich zu verstehn: “Ein alles wirkender Verstand hab’ aller Koͤrper Schmuck und Pracht “Erdacht, gefuͤgt, geformt, geordnet, und zu dem Zweck hervorgebracht, “Den Creaturen wohl zu thun, und, in dem Wohlthun, Sich zu weisen; “Damit, in ihrem eignen Gluͤck, sie Seine weise Liebe preisen, “Jn ihrer Lust Jhn ehren moͤchten. Zu diesem End- zweck bloß, entstand “Der Mensch, aus Seel’ und Leib gefuͤgt: Jhr unbe- greiflicher Verband “Vereint uns dergestalt mit Koͤrpern, die, durch den Sinn, die Seele ruͤhren, “Daß wir, durch denken, sie geniessen, ja gar darinn die Gottheit spuͤhren. Nun wird ja der vernuͤnftge Mensch, zu Gottes Ruhm, sich zu vergnuͤgen, Jn Seinen Wundern Jhn zu merken, das Denken zum Genuß zu fuͤgen, Jn froͤhlicher Empfindlichkeit, des großen Schoͤpfers holden Willen, Der Ehre sucht in unsrer Lust, nach seinen Pflichten zu erfuͤllen, Mit Der Gottes Absicht widerstrebende Mensch. Mit ehrerbietigem Bewundern und Danken oft beschaͤff- tigt seyn, Und dieß als einen Gottes-Dienst besonders rechnen? Leider, nein! Die meisten kommen, leben, sterben; ohn’, in so unge- zaͤhlten Gaben, Auf sie, auf Gott, derselben Schoͤpfer und Geber, je gedacht zu haben. Wir sind nicht unserm großen Ursprung, nicht uns, nur bloß dem Mammon, hold; Der Menschen einzigs Augenmerk, ihr hoͤchstes Gut, ihr Gott, ist Gold. Wie straͤflich ist nun dieß Verfahren! Der Schoͤpfer sucht uns zu gefallen Jn Seinen herrlichen Geschoͤpfen: Fuͤr uns ist Weis- heit, Lieb’ und Macht, Jn ihnen, uͤberall zu sehn. Wir lassen alles aus der Acht, Und, statt in ihnen Gott zu ehren, macht man sich Goͤtter aus Metallen. Bey dem Betragen scheint es fast: (wie sehr mich die Bekenntniß quaͤlt) “Des Schoͤpfers Zweck sey nirgend sonst, als bey dem Menschen nur, verfehlt. Ver- Vertrauen. S o bald wir einen Gott erkannt, durch Dessen Lieb’ und weise Macht, Was in den Himmeln, auf der Erde, verwunderlich hervorgebracht, Verwunderlich erhalten wird, und daß wir fest versi- chert seyn, Das Allervollenkommenste von allen sey nur Er allein; So scheint es unsre Schuldigkeit, und eine von den groͤßten Pflichten, Jn dieser Regel Seinen Willen, zu Seinen Ehren, aus- zurichten: “An statt wir, Seine Wege fassen, und Sein Regieren wissen wollen, “Ja, unsre Lebens-Zeit verbringen, zu untersuchen, zu ergruͤnden; “Daß wir vielmehr, mit allen Kraͤften der Seelen, uns bemuͤhen sollen, “Was ein so weis- und liebreichs Wesen verhaͤngt und wirket, gut zu finden: “Zu glauben, wenn es uns gleich fremd, zuwider, nicht ersprießlich, schien, “Daß Er es fuͤr das große Ganze geordnet; daß es nach der Erde, “Wo nicht noch hier bey unserm Leben, zu unserm Be- sten dienen werde. “Erweis- Vertrauen. “Erweislich ist es, daß man Gott mehr ehre, fuͤrchte, lieb’ und dien, “Zu glauben: Es sey alles gut, “Was ein so weis- als liebreichs Wesen verordnet, kommen laͤßt, und thut. “Zu hoffen ist, wenn wir hierinn uns Gott zu unter- werfen trachten, “Er werd’ ein solches Seelen-Opfer weit mehr, als alle Opfer, achten. Zu Zu den Meynungen. H alt! rief ein alter Philosoph: man schlaͤgt dich wirklich. Meynest du, Daß man dich schlaͤgt? Weißt du es nicht? Man schilt dich: Giebest du nicht zu, Zu wissen, daß man dich gescholten? Ja, lieber Phi- losoph! es scheinet, Wir wissen etwas. Jch gestehe: Jch hab’ hierinn nicht recht gemeynet; Jch gebe deiner Meynung nach. Allein, was wir jetzt Wissen nennen, Betrifft nur bloß das, was die Seelen, durch ihrer Sin- nen Huͤlf’, erkennen, Und ist doch auch kein rechtes Wissen; Man wuͤrd’ es eine Fuͤhlungs-Art und ein Empfinden heissen muͤssen. Davon ist aber nicht die Rede. Wir sprechen bloß allein von Schluͤssen, Die unsre Seel’, aus Folgen, macht, wenn sie der Dinge Gruͤnd’ ergruͤnden, Und, von den Sinnen abgezogen, fuͤr sich will neue Wahrheit finden: Hier, wo wir redlich denken wollen, wird es gewiß bey einem Glaͤuben, Und, welches meistens einerley, bey einem starken Mey- nen, bleiben. Betrach- Betrachtung uͤber die bestaͤndige Veraͤnderung unsers Koͤrpers. J ndem ich juͤngst, das Nagel-Fleisch zu loͤsen, Am Daumen hinten etwas schnitte, Und mir von ungefehr das Messer tiefer glitte, So daß, fast bis aufs Fleisch, das Horn gespalten war, Und, durch den Schnitt, das Blut bereits zu dringen schien; Mußt’ es jedoch nicht ganz und gar Durchhin gegangen seyn: Denn erstlich floß kein Blut, ich fuͤhlt’ auch keine Pein. Jch dankte Gott dafuͤr, daß, vor so nahem Schaden, Der um die Breite kaum von einem Haar Von mir entfernet war, Er mich so gnaͤdiglich beschuͤtzt aus lauter Gnaden. Jndem ich nun darauf, Nach dem Verlauf Von wenig Tagen, Die Augen einst auf diesen Schnitt geschlagen; Ward ich, Verwundrungs-voll, gewahr, Daß, da er erst am Hintertheile, Am Fuß des Nagels, stand, nunmehr, und zwar Jn solcher Eile, Die meist schon ausgewachs’ne Ritze, Ganz vorn schon, an des Nagels Spitze, Zu Bestaͤndige Veraͤnderung unserer Koͤrper. Zu sehen war. Jch stutzt’, als ich dieß sah, und dachte: Wie geht doch dieses zu? Auf welche Weise Geht dieß so schleunig fort? Stoͤßt sich der Nagel sachte, Von Zeit zu Zeiten, weg? Wie, oder geht er leise, Bestaͤndig, Tag und Nacht? Jst denn ein Nagel nur Allein veraͤnderlich? Erstrecket sich Die Aendrung der Natur Nicht auch auf unser Haar? Ja, was noch mehr, sollt’ es nicht gar Sich auf den ganzen Leib erstrecken? Da wir ja sichtbarlich entdecken, Und ganz unwidersprechlich spuͤhren, Wie Wunden-Maal’ und Narben sich verlieren. Ja, ja, dieß ist gewiß! An uns verneut, verschwindet, Ersetzet und ergaͤnzt sich alles dergestalt, Bestaͤndig, und so bald, Daß, der mich jetzo sieht, dasselbe Mich nicht findet, Was er vordem gesehn. Wie? bin ich denn nicht mehr dasselbe Jch? Hab ich denn aufgehoͤrt? Treff ich mein wirklichs Mich Jn mir nicht ferner an? Dieß waͤre wirklich wahr, Wenn ich mich nur gefuͤgt befuͤnde Aus einer ungefehren Schaar Materie: und wenn ich nicht bestuͤnde Aus etwas, welches fest und unzerstoͤrlich; Aus etwas, welches bleibt, und unauf hoͤrlich, Ohn’ Aenderung, besteht. Man mag es Stamina, Man mag es Germen nennen. Ja, wenn man es erwegt, Und die Oeconomie vernuͤnftig uͤberlegt; So wird man hierinn was erkennen, 8 Theil. P p Das, Bestaͤndige Veraͤnderung unserer Koͤrper. Das, wie in allen andern Werken Des Schoͤpfers, so auch hier, recht sonderlich, zu merken. Die unauf hoͤrliche Veraͤnderung Der Theile, die mein Wesen fuͤgen; Die unnachlaͤßliche Verwandelung Derselben: (da sie stets verfliegen, Und doch, so ordentlich, sich wieder andre finden, Die, statt der vorigen, sich wieder mit mir binden; Die ihnen gaͤnzlich gleich, an Wesen und Figur, An Kraͤften, an Gebrauch, an Stellung und Natur) Dieß, sag’ ich, kann ja nimmermehr Von einem blinden Ungefehr, Jn solcher Richtigkeit und Ordnung, wie wir sehen, Die sonder allen Fehl, geschehen. Es muß bey uns ein festes Wesen, Das unveraͤnderlich, zugegen seyn, Das, alle Theile zu erlesen, Zu ordnen, fuͤgen, zu zerstreun, Geschickt und faͤhig ist: das, auf dieselbe Art, Wie sie getheilet hat, auch andre wieder paart, Die ihnen voͤllig gleich; weil sonst nicht die Natur, Nicht unsere Figur, Dieselben wuͤrden bleiben koͤnnen, Und niemand wuͤrd’ uns wieder kennen. Es sey nun, daß durch eine Kraft, Die etwa, wie der Saamen und die Saat, Mit einem Urstoff sich vereinigt hat, Der unveraͤnderlich. - - - So weit war ich, Hierinn, mit meinem Denken, kommen, Als mich bedeucht, daß ich zwar etwas sehe, Wie es vielleicht mit unsern Koͤrpern gehe; Wie er, ob er gleich abgenommen, Doch Bestaͤndige Veraͤnderung unserer Koͤrper. Doch immer als derselbige bestehe. Doch deucht mich auch dabey, Daß, wie es eigentlich geschehe, Uns doch nicht recht begreiflich sey. Thun es die Stamina fuͤr sich allein; So find’ ich, daß sie mir doch dunkel seyn. Thut es denn unsre Seele; So fass’ ich nicht, wie sie Sich mit des Koͤrpers Stoff vermaͤhle. Jst es denn noch ein’ andre Kraft; So ist mir (ich gesteh’s) auch deren Eigenschaft, Trotz aller meiner Muͤh’ und Sorgen, Dennoch verborgen. Wir werden denn auch hier, mit unserm Denken, Gezwungen, uns von uns zu lenken, Und in des Schoͤpfers Weisheit, Macht und Lieb’ uns einzig zu versenken. Jndem wir, wenn wir redlich denken, dieß offenbar gestehen muͤssen: Daß, ob wir gleich die Weis’ und Art von unsrer Aen- derung nicht wissen, Man darum doch ganz uͤberzeuglich spuͤhre, Daß Ordnung, Absicht, Macht, darinn zu finden sey; Auch, daß ein weiser Geist, so viel und mancherley, Auf eine weise Art, unmoͤglich ein Ungefehr, darinn regiere; Nicht minder, daß es uns zugleich von unserm Nichts, Und von der Herrlichkeit und Weisheit Seines Lichts, Unwidersprechlich uͤberfuͤhre. P p 2 O gluͤck- Bestaͤndige Veraͤnderung unserer Koͤrper. O gluͤckliches Erkennen unsrer Schwaͤche! O selge Demuth! du allein Sollt meines Wissens End’ und Anfang seyn. Wenn ich, vom Stolz verfuͤhrt, in mir, kaum einen Dunst und leeren Schein, Von Fruͤchten falscher Groͤße, breche; So machet mich dein holdes Licht, mit Recht, in meinen Augen klein, Und fuͤhret mich zur wahren Groͤße, zu meinem Ursprung, wieder ein. Das Das Große aus dem Kleinen. S o wie an eines Zirkels Centro die Winkel immer enger seyn; Man aber, wenn sie noch so klein, Doch in demselben eine Gleichmaß, wie fern sich auch der Zirkel ruͤndet, Mit ihren divergirenden und laͤngsten Radiis, sich findet: So werden wir, auch in den kleinsten von Gott erschaff- ner Creaturen, Doch ein’ ununterbrochne Groͤße gewahr, und sehn in ihnen Spuhren, Die uns, von sich, auf allen Seiten, Zu einer Unermeßlichkeit, zum Ursprung aller Dinge, leiten. P p 3 Das Das Leben. J ch sah’, in reger Munterkeit, ein kleines Wuͤrmchen sich bewegen, Und mit fast nimmer stillen Gliedern, in steter Fertigkeit, sich regen. Jch sah dann, daß das Thierchen lebt, und dachte mit Bedacht dabey, Was eigentlich das Leben sey. Es muß ja, fiel mir ein, das Leben Wohl nicht von großer Wuͤrde seyn, und sich sein Wehrt nicht weit erstrecken; Weil alles, was wir an dem Leben Vortreffliches und Guts entdecken, Auch einem solchen kleinen Thier, und so verworfnem Wurm, gegeben. Jch ging im Denken weiter fort. Es lebt ein Wurm, es lebt ein Thier, Sowohl, und minder nicht, als wir: Es hoͤret unser Lebens-Lauf Sowohl, als wie des kleinen Wurms, und aller Thiere Leben, auf. Er kam, er war, er lebt’, er stirbt; wir kamen, waren, lebten, sterben: Man siehet, was man an uns sieht, auch was wir an ihm sehn, verderben. Ja, sprichst du, es ist bloß der Geist, Worinn der Unterschied sich weist. So Das Leben. So sage: Kennest du den seinen? Noch mehr! Sprich: Kennest du den deinen? Denn, wie ich hoffe, denkst du nicht, ob hab’ ein solches Wuͤrmchen keinen. Was lebt, kann ohne Geist nicht leben. Dieß wird von dir ja zugegeben. Wir koͤnnen gleichsam in ihm sehen, Daß minstens dunkele Jdeen Jn seinem kleinen Geist vorhanden; Jndem er, was ihm schaͤdlich scheinet, Mit Vorsicht gleichsam und mit Fleiß Verabscheut, und zu meiden weiß. Man spruͤtze nur ein Troͤpfchen Wasser vor ihm in sei- nen Weg und Lauf, Gleich hoͤret er zu laufen auf; Man siehet ihn Sich ungesaͤumt zuruͤcke ziehn. Wo bleibt sein Geist denn? Stirbt er mit? Wie? koͤnnen Geister denn auch sterben, Und, durch die Trennung ihrer Theile, sowohl als wie der Leib, verderben? Jst dieß gewiß und ausgemacht? O nimm dich bey dem Schluß in Acht! Weil wir ja sonst von unsern Geistern, wenn sie sich von den Koͤrpern trennen, Vielleicht ein gleiches schliessen koͤnnen. Wirst du der Geister Einfachheit, worauf du alles baust, verlassen; Wirst du ja von den Geistern minder, als wie du erst geglaubet, fassen, Und wie du meynest, nichts verstehn. P p 4 Doch Das Leben. Doch hoͤre! laß uns weiter gehn! Wie waͤr’ es, wenn sie alle blieben, und daß, im Schooße der Natur, Sie andre Stamina belebten, Die etwa besser, als die ersten; daß sie sich allemal bestrebten, Den ersten Zustand zu verbessern? Daß dieses Gott nicht moͤglich sey, Zu glauben, faͤllt dir, (wie ich hoffe) mein Leser, ja wohl nimmer bey. So fragt sich: Ob, bey diesem Satz, man wohl geden- ken koͤnn’ und solle, Daß es die Gottheit also wolle? Und ob, von Seiner weisen Macht, Dieß auch sey wuͤrdiglich gedacht? Es scheint der Wahrheit nicht zuwider; wofern man diese Meynung nimmt: “Daß alles das, was Gott geschaffen, sey zur Ver- besserung bestimmt. Vermuthlich kaͤm’ es darauf an: Wie es der Menschen Schuldigkeit, Von Gott das Vollenkommenste, wozu sie faͤhig, zu ge- denken; Ob (wenn wir unsrer Seelen Kraͤfte auf Gott in dieser Sache lenken) Es eine Seiner Gottheit wuͤrdig- und groͤßere Voll- kommenheit Bezeug’, ein Wesen, das Er schuff, noch immer weiter zu verbessern, Und das ihm eingesenkte Gut noch stets zu mehren, zu vergroͤßern; Wie, Das Leben. Wie, oder es stets zu verstoͤhren, und, statt der einst geschaffnen Sachen, Bestaͤndig neue zu formieren, und immer andere zu machen? Jm Koͤrperlichen scheint es zwar, als ob die bildende Natur, Was sie hervorgebracht, verstoͤhre, Und nimmer, wenn sie was hervorbringt, sich zu den- selben Formen kehre; Nein, immer neue Wesen bilde. Ob aber, da sich ja der Geist, Von Koͤrpern, fast in allen Dingen, am Wesen unter- schieden weist, Es eben die Beschaffenheit mit ihm, als mit dem Koͤr- per, habe, Und er sowohl, als wie die Koͤrper, zu einer kurzen Daur entstehe, Und eben so, wie sie, vergehe; Dieß scheinet dem Begriff zugegen, Den unsre Geister von dem Geist, und von des Schoͤp- fers Weisheit, hegen. Nun haben wir uns den Begriff vom Besten ja nicht selbst geschenket; Er ist uns von der Gottheit Selbst, die uns den Geist gab, eingesenket, Jn eines Geists Verbesserung mehr Vollenkommenheit zu finden, Als wenn die Geister wie die Koͤrper vergingen, neue stets entstuͤnden, Und gleichsam, wie die Wasser-Blasen, die Geister kaͤmen, und verschwuͤnden. P p 5 So Das Leben. So lange nun der Geister Dauer uns besser, als ihr Schwinden, scheint; So scheinet unsre Pflicht zu seyn, wenn man von ihrem Wesen meynt, Daß es besteh’, und sich verbeßre. Ja, sollte man hierinn auch irren, Und etwan uns, durch Vorurtheile, die Schwaͤche un- sers Geists verwirren; So deucht mich, daß ein solcher Jrrthum, der Gottes Ruhm zum Grunde setzt, So straͤflich nicht, als wie man meynet, und Seine Groͤße nicht verletzt. Doch, weil wir, wenn wir redlich denken, befinden, daß wir wenig fassen; So will ich die Materie weit groͤßern Geistern uͤberlassen: Und mich allein damit begnuͤgen, “wie auch ein Wuͤrm- chen, das so klein, “Zu groß- und wuͤrdiger Betrachtung des Schoͤpfers koͤnn’ ein Anlaß seyn; “Und daß sich eben unser Geist von ihm, und allen andern Thieren, “Am meisten darinn unterscheide, daß wir der Gott- heit Wesen spuͤhren. Unor- Unordentliche Selbst-Liebe. E s glaubt der Mensch, er liebe sich. Allein er liebt sich in der That nicht so, wie er es selbst vermeynet. Es laͤßt, ob unterscheid’ er sich von sich zuweilen, und es scheinet, Ob sey er stets derselbe nicht. Es hasset oft sein heutigs Jch Sein gestriges. Jch irrte mich, Giebt er noch wohl von gestern zu; Heut aber liebt er sich so sehr, Daß, wenn auch du Jhn noch so deutlich uͤberfuͤhrtest, verachtet er doch deine Lehr, Er giebt nicht nach, er weichet nicht. Sein heutigs Jch kann nicht vertragen, Daß man ihn eines Fehlers zeiht; viel minder wird ers selber sagen, Wie er vom gestrigen doch noch zuweilen selbst thut, oder leidet, So daß er sich fast alle Tage, von den verfloßnen, unter- scheidet. Allein, bedenke, lieber Mensch, der heute sich so heftig streubet, Daß dein, dem Schein nach, festes Heute gewiß nicht immer heute bleibet. Als Unordentliche Selbst-Liebe. Als morgen ist dein heutiges ein gestrigs Jch. Drum uͤberlege, Daß du dich heute irren kaunst, wie du vor diesem oft gethan. Es bricht ein steter Morgen an, Der, mit dem heutigen, vielleicht verfahren wird, und minstens kann, So wie der heutige mit dem, der jetzo gestern ist, gethan. “Dieß sind zur wahren Selbst-Erkenntniß die sichersten und besten Wege. Unver- Unvermeidliche Strafe der Unaufmerksamkeit auf Goͤttl. Werke. W enn etwa dir von einem Großen, was Kuͤnstliches geschenket waͤr, Das er mit eigner Hand gemacht; so wuͤrd’ es ja, zu seiner Ehr, Von dir, vermuthlich, oft betrachtet. Waͤr das Geschenk von einem Fuͤrsten, geschaͤhe solches noch wohl mehr. Von einem Kayser wuͤrd’ es ja von dir weit mehr annoch geachtet. Wenn aber aller Kayser Kayser euch wunderschoͤne Bluh- men schenket; So wuͤrdigt ihr sie kaum so viel, daß ihr so schoͤner Ga- ben Pracht, Noch in denselben Seiner Weisheit, und Seiner Lieb’ und Wunder-Macht, Wodurch Er sie fuͤr euch erschuff, und sie euch schenkete, gedenket. Sonst schaͤtzt ihr, wenn wir suͤndigen, die Suͤnden darum bloß allein, Weil gegen ein unendlichs Wesen sie freventlich began- gen seyn, Auch einer ewgen Strafe wehrt. Sollt’ eine straͤfliche Verachtung Der Gaben dieses ewgen Wesens, in einer rohen Nicht- Betrachtung, Nicht Strafe der Unachtsamkeit auf Gottes Werke. Nicht gleiche Strafe wirken muͤssen, aufs wenigste ver- dienen koͤnnen? Und zwar um so viel mehr annoch, als Gott in Seiner Creatur, Als Schoͤpfer, sich zu offenbahren, und nur in ihnen uns die Spur Von Seines Wesens Wirklichkeit, zu Seiner Ehre, wol- len goͤnnen? Die Die unerlaubte Gruͤbeley. A us allen Dingen, die wir sehen, Bey uns, auch in des Himmels Hoͤhen, Faßt dieß der menschliche Verstand: Gott ist bekannt und unbekannt. Es laͤßt uns die Erfahrung lernen, Daß, wenn wir Jhn begreifen wollen, Jndem wir nicht thun, was wir sollen; Wir uns nur mehr von Jhm entfernen. Jn Werken wollt’ Er uns Sich zeigen; Wir wollen Jhn darinn nicht sehn, Wir wollen, durch uns, zu Jhm steigen, Durch unser Wissen, das uns eigen, Uns selbst zu Seinem Thron erhoͤhn; Wir wollen nicht, wie Gott gewollt, Daß Jhn die Menschheit finden sollt; Nein, unser Geist soll Jhn verstehn. Wie aber kann dieß moͤglich seyn, Da Gott so groß, und wir so klein? Es scheint, wir koͤnnen selbst verspuͤhren, Wenn Seine Wunder uns nicht ruͤhren, Wir, da man auf der andern Bahn Unmoͤglich Jhn erreichen kann, Nebst unsrer Lust, selbst Gott verlieren. Er hat, so viel wir koͤnnen fassen, Sich Selbst nicht unbezeugt gelassen. Dieß ist in Seinem Werk geschehn, Aus diesem koͤnnen wir Sein Wesen, Daß Er wahrhaftig sey, nun lesen, Zugleich auch Seine Weisheit sehn. Wir koͤnnen, daß Er liebreich, maͤchtig, Unendlich heilig, herrlich praͤchtig, Aus Die unerlaubte Gruͤbeley. Aus dem, was Er gewirkt, verstehn. Ein mehrers von Jhm zu ergruͤbeln, Als wie Er Selbst erkannt will seyn, Geschicht aus Hochmuth bloß allein, Und ist daher uns zu veruͤbeln. Koͤnnt’ auch sogar bey uns auf Erden Ein Fuͤrst dadurch geehret werden, Wenn seine Unterthanen dessen, Womit Er sie beschenkt, vergessen, Und all ihr aͤmsiges Bemuͤhn Auf nichts bestrebeten zu ziehn, Als wie sie seinen Geist und ihn, Auf welche Weise er regierte, Was er fuͤr eine Absicht fuͤhrte, Vermoͤgten aus- und abzumessen? Wie viel unmoͤglicher ist nun, Was wir in Ansehn Gottes thun? Wie viel unbilliger daneben, Daß, statt Jhm Ehrfurcht, Lob und Preis, Bewunderung und Dank zu geben, Wir denken, zanken, gruͤbeln, haͤuffen, Sein wahres Wesen zu begreiffen. Aus des vortrefflichen Tit. Herrn Ribow habe ich die hieher gehoͤrige schoͤne Stelle herzusetzen nicht unterlassen koͤnnen: D ie heilige Schrift berichtet uns an einem Orte Es. 45, 15. Daß Gott ein Gott sey, der sich verbuͤrge, oder ein verborgener Gott. Und in einer andern Stelle saget sie uns: Gott offenbahre sich, und lasse sich gleich- sam vor Augen sehen. Roͤm. 1, 19. 20. Diese zwo Arten, uns Die unerlaubte Gruͤbeley. uns Gott vorzustellen, scheinen einander entgegen gesetzt zu seyn; allein sie sind es deswegen in der That nicht. Gott ist vor unsern Sinnen verborgen; Er offenbahret sich aber in unserer Vernunft. Gott ist auch selbst unsrer Vernunft verborgen, wenn sie Jhn in den ordentlichen und gemeinen Begriffen, welche sie von Dingen hat, suchen will; doch of- fenbahret Er sich auch eben dieser Vernunft, wenn sie ihre Begriffe von alle dem, was sie vom Coͤrperlichen bey sich haben, reiniget, und wenn sie ihnen alle die Geistigkeiten giebt, die sie zu haben faͤhig ist. Gott ist ein Gott, der sich der verwegenen Vermessenheit einer hochmuͤthigen Seele verbirgt, die sich unterstehet, die goͤttlichen Tiefen zu er- gruͤnden, und das Unendliche, so zu sagen, zu messen, indem sie alles, was Gott ist, begreifen will; die aber doch, wenn sie Jhn nicht begreifen, u. ganz u. gar in ihren Begriff einschlies- sen kann, denselben nicht erkennet, und nichts von Jhm weiß. Fast eben so, als wie sich ein Mensch unvermoͤgend machen wuͤrde, die Sonne anzusehen, wenn er sie gar zu scharf ansehen wollte. Hingegen ist Gott ein Gott, der sich einer weisen und demuͤthigen Vernunft offenbahret, die sich unfaͤhig achtet, alles das, was Gott ist, zu erkennen, und die sich begnuͤget, zu erkennen, daß er sey, Jhn in Sei- nen Werken zu finden, den Schoͤpfer in den Geschoͤpfen zu sehen, und Jhn unter der Decke gewahr zu werden, worun- ter Er Seine Hoheit vor uns verstecket. Darum kann man eben das von Gott sagen, was man von dem Lichte gesaget hat, das nichts sey, welches mehr bekannt, und auch zugleich mehr unbekannt sey. Es ist kein Kuͤnstler, kein Schiffmann, kein Soldat, der nicht das Licht kennete; gleichwol aber giebt es keine Philosophen u. keinen so tiefsinnigen Verstand, der erklaͤren koͤnnte, was es sey. 8 Theil. Q q Anleitung Anleitung zur Demuth. J ch weiß, ich bin. Woher? Jch denke. Jch weiß, daß ich mich nicht gemacht; Auch, daß, der mich hervorgebracht, Mir alles, was ich habe, schenke. Was ist dafuͤr denn meine Pflicht? “Daß ich auf mein Verdienst mich nicht; “Auf Seine Lieb’ allein, verlasse: “Daß ich von allem, was geschicht, “Dieß, daß nur Er vollkommen, fasse; “Und daß, bey diesem Unterricht, “Jch nichts so sehr, als Hochmuth, hasse. Die Die bestrafte Achtlosheit auf das Gute. E s scheint mit uns, in dieser Welt, Wenn wir drauf achten, so bestellt, Daß in der Hoffnung bloß allein Wir nur vergnuͤgt und gluͤcklich seyn. So bald die Hoffnung nicht mehr da, Jst unser Unvergnuͤgen nah: Es sey, daß das, so wir gehofft, von uns unmoͤglich zu erlangen; Es sey, daß wir, was wir gehofft, erhalten haben und empfangen: Jndem, so bald wir es besitzen, da wir das Gute nicht betrachten, Wir es, fast im Besitz, verlieren, dadurch, daß wir darauf nicht achten. Nun ist es wahr, wir haben oft die Dinge koͤstlicher geschaͤtzt, Als wie sie wirklich wehrt gewesen: und folglich wird man, im Genuß Derselben, weniger ergetzt; Und macht sodann, selbst der Besitz, uns einen billigen Verdruß. Allein, wenn das, was wir erhalten, auch noch so gut, auch noch so schoͤn; Verschwindet doch, so bald es unser, da wir nicht auf das Gute sehn, Q q 2 Auch Die bestrafte Achtlosheit auf das Gute. Auch die vorher gehoffte Freude. Dieß ist nun unsre Schuld allein: Und koͤnnen wir, bey dem Betragen, auf Erden nimmer gluͤcklich seyn; Weil, wenn wir auch die ganze Welt, auf diese Weis’ und Art, erhielten, Durch Unterlassung des Erwegens, wir dennoch kein Vergnuͤgen fuͤhlten. Gott Gott zu lieben, eine noch groͤßere Pflicht, als Jhn zu ehren. G iebt nicht die ungezaͤhlte Menge der uns von Gott geschenkten Gaben, Die unsre Seele, durch die Sinnen, auf nicht zu zaͤhlnde Weise, laben, Uns uͤberzeuglich zu verstehn: “Daß, bey Formierung unsers Wesens, die Gottheit mehr darauf gesehn, “Durch unser hiesiges Vergnuͤgen auf der von Jhm geschmuͤckten Erden, “Von uns geliebt; als, durch des Witzes Begriff, von uns geehrt zu werden? Q q 3 Der Der vernuͤnftige Gottes-Dienst. W as waͤr die Erde, sonder Licht? Was waͤren Erd’ und Licht, ohn’ Augen? Was waͤren Erd’ und Licht und Augen, ohn einen sie verstehnden Geist, Der faͤhig, im Geschoͤpf zu finden, daß alles einen Schoͤpfer weist, Durch uͤberlegen und vergleichen? Koͤnnt wohl, von allen, etwas taugen, Der Wesen Ordnung zu verbinden, Und, in derselbigen Vergleichung, derselben Quelle, Gott, zu finden, Durch Schluͤsse, die unwidersprechlich; als diese Kraft, die in uns lebt, Und die uns uͤber alle Dinge, die um und bey uns sind, erhebt? Hierinn bestehet unser Adel und Vorzugs-Recht vor allen Thieren: “Daß, in Betrachtung Seiner Werke, wir Liebe, Macht und Weisheit spuͤhren, “Und Gott, den wahren Gott, erkennen; wovon sonst keine Creatur Von allen, die auf dieser Welt, da sie nicht schliessen, eine Spuhr Zu finden und zu sehn, vermoͤgend. Nun zeiget uns dieselbe Kraft Der uͤberlegenden Vernunft, zugleich: daß uns die Ei- genschaft, Von Der vernuͤnftige Gottes-Dienst. Von Gott was mehrers zu begreifen, als, daß Er sey, daß Er das Beste; Daß Er ganz anders, als Geschoͤpfe Jhn halten koͤn- nen, und der Groͤßte; Jn diesem Leben, nicht gegeben. Ein mehrers von Jhm wissen wollen, Da wir aus der Erfahrung sehn, daß wir hier mehr nicht wissen sollen, (Wie es uns ja der Widerspruch von allen, gegen alle, zeigt) Scheint ein verwegner Stolz zu seyn, der alle Schran- ken uͤbersteigt, So einer Creatur gesetzt. Ein Wesen, welches in die Welt, Die so viel Wunder in sich haͤlt, Nebst ungezaͤhlten Creaturen, auch Creaturen setzen koͤnnen, Den Es, vor anderen Geschoͤpfen, besondern Vorzug wollen goͤnnen; Die Es, mit einer Faͤhigkeit zu uͤberlegen und zu denken, Als die sie sich nicht selbst gegeben, allhier gewuͤrdigt, zu beschenken: Muß nicht allein, Wahrhaftig und unwidersprechlich, vernuͤnftiger und weiser seyn, Als alle Seine Creaturen; Es folgt, zu Seinem groͤßern Preise: Er denke, von den kluͤgsten Geistern, auf eine ganz ver- schiedne Weise. Das uns von Jhm geschenkte Licht der Weisheit zeigt uns selber an, Daß man, aus Ehrfurcht gegen Jhn, von Jhm nicht anders schliessen kann, Q q 4 Als, Der vernuͤnftige Gottes-Dienst. Als, daß Er anders, als wie wir, gedenken koͤnnen, denken muͤsse: Sonst waͤr’ Er bloß der kluͤgste Mensch. Dieß scheinen ungereimte Schluͤsse. Das Denken oder der Jnstinct der Thier’ ist ja nicht einerley: Wir sehen, daß ein jedes Thier, auf andre Weise, witzig sey. Wie koͤnnen wir, die auch Geschoͤpfe, dann wohl, mit Billigkeit, verlangen, Daß wir dieselbe Art zu denken, wie eine Gottheit denkt, empfangen, Ohn’ einen unvernuͤnftgen Stolz? Wir denken besser, als das Vieh; Wir uͤberlegen, wir verbinden, und schliessen besser, als wie sie. Doch folgt aus diesem unsern Vorzug, da wir oft irren, nicht der Schluß, Daß unser eingeschraͤnkte Geist, so wie die Gottheit, denken muß; O nein! die Billigkeit, die Demuth, die Anerkenntniß unsrer Schwaͤche, Die Ehrfurcht gegen unsern Schoͤpfer, vertragen solche Thorheit nicht. So wenig eine kleine Grube des großen Welt-Meers Tief’ und Flaͤche Jn seinen engen Schranken faßt; so wenig leidet unsre Pflicht, Daß wir, was Gott, begreifen wollen. Erwege selber, wenn ein Thier, Das ein Geschoͤpf sowohl, als du, von deinem Wesen und von dir, Was Der vernuͤnftige Gottes-Dienst. Was wesentliches untersuchen, und deine Schluͤss’ er- gruͤbeln wollte; Wuͤrd’ es nicht unvermeidlich irren? wuͤrd’ es gedenken, wie es sollte? Sprich nicht: Ein Thier ist unvernuͤnftig; wir ha- ben die Vernunft empfangen. Denn hoͤr! ist dieses recht geschlossen: Wir denken bes- ser; darum kann Dein Geist, der, sonder Zweifel, endlich, zu dem Unend- lichen gelangen, Der Gottheit wahres Wesen kennen? Fuͤrwahr! es geht der Schluß nicht an: Dieß ist ein Sprung, der unerlaubt. Ja, sprichst du: Dennoch wird man muͤssen Der Seelen Kraͤfte dazu brauchen, von Gott, so viel man kann, zu wissen. O nein, mein Freund! dieß folget nicht. Die Graͤnzen unsers Geistes zeigen, Jn Dingen, die nicht sinnlich sind, wenn er vom Leib- lichen sich zieht, Und abgezogne Schluͤsse zeugt, wie ernstlich er sich auch bemuͤht, Daß wissen nicht fuͤr uns gehoͤrt: Dieß hieß die Schran- ken uͤbersteigen, Die hier dem Geist von Gott gesetzt. Ein gruͤndlichs Wissen ist vielleicht Den Engeln kaum noch zuzustehn; viel minder uns, in diesem Leben. Wird denn, was Engel nicht vermoͤgen, von eines Men- schen Geist erreicht? Q q 5 “Ge- Der vernuͤnftige Gottes-Dienst. “Gebrauche deiner Seelen Kraͤfte, zum Zweck, wozu sie dir gegeben. “Such’, in Bewundrung Seiner Werke, den großen Schoͤpfer zu erheben. Hiebey wird aller Zank vermieden, den die bisherge Wissens-Sucht, Das Kind des Hochmuths, angerichtet: da jeder Gott allein zu kennen, Mit Ausschluß anderer, verlangt; woraus die ungluͤck- selge Frucht Von Zank und Ketzereyen stammt. Die Wesen, die sich Menschen nennen, Und die von unserm Erd-Planeten den aͤussern runden Kreis bewohnen, Sind unter sich getheilt, und Feinde, durch mancherley Religionen. Von denen ist nun eine, keine; wie, oder sie sind alle, gut. Das letzte wuͤrd’ ich etwa glauben, wenn sie sich nicht mit Schwerdt und Gluht Einander suchten aufzureiben. Dieß stimmet mit der Wahrheit Schein, Mit einer ewgen Liebe Willen, die unser Gott, nicht uͤberein. Wie kann man, sonder Raserey, in Glaubens-Sachen, sich erkuͤhnen, Der ewgen Liebe, durch Verfolgung, durch Zank, durch Haß und Mord, zu dienen? Daß keine gut sey; diese Meynung kommt, ich gesteh’ es gerne, mir, Wenn ich es recht erwege, Gott und Menschen unan- staͤndig fuͤr. Jst Der vernuͤnftige Gottes-Dienst. Jst es nur eine; muß dieselbe, da sie von Gott stammt, deutlich, klar, So unveraͤnderlich, so rein, so uͤberzeuglich, offenbar, Ohn’ alle Fehler, Zweifel, Zwist, unwidersprechlich, all- gemein, Und auf Vertraͤglichkeit und Liebe, zu Dessen Ruhm, gegruͤndet seyn, Aus welchem sie, und alles, stammt. Dieß scheint nun die: Jn Gottes Werken, Voll stets bewundernden Vergnuͤgens, Sein’ All- macht, Lieb’ und Weisheit merken; Nach den Gesetzen der Natur vergoͤnnte Freud’, erlaubte Lust, Zum Ruhm Des, Der sie schenkt, geniessen, be- freyt von aller Laster Wust; Den Naͤchsten, unser Mitgeschoͤpf, wie uns, zu lie- ben, uns bestreben, Und, in gelaßner Zuversicht auf Seine Liebe, Gott erheben: Dieß scheint ein wahrer Gottes-Dienst, und Gott, was Gottes ist, gegeben. Das Christenthum hat selber nicht, Was dieser Wahrheit widerspricht: Es ist auf diesen Grund gegruͤndet. Je mehr man, ihren wahren Saͤtzen recht nachzusinnen, sich bestrebt; Je mehr es ihren großen Ursprung, im Beyfall, und sich selbst, erhebt; Je mehr man Seine Groͤße findet. Worinn Der vernuͤnftige Gottes-Dienst. Worinn es aber weiter geht, den Glauben; davon laß ich lieber Den uͤberzeuglichen Beweis, voll Glaub’ und Hoffnung, denen uͤber, Die sonderlich dazu bestellt, und die, mit mehr geuͤbten Haͤnden, Die Schaͤtze der Geheimnisse, als ich, vermoͤgend, aus- zuspenden. Das Das Grab der Belise. S o oft ich in der Kirche bin, Wo mein verlohrner Schatz begraben, Erweget mein gebeugter Sinn Die Menge der verlohrnen Gaben. Da denn mein Blick so gleich sich lenkt Zur Stelle, wo man sie versenkt: Worauf mein Geist dann uͤberdenkt, Wie schoͤn, wie fromm, wie auserlesen, Jm Leben mein Gemahl gewesen. Gewesen! ach betruͤbtes Wort! Wobey ich diese Wuͤnsche zolle: Daß Gott, die ewge Liebe, dort Sie ewiglich erfreuen wolle! Eine Eine Lehr-reiche Geschichte. N ach einem entsetzlichen Sturm, und gaͤnzlicher Zertruͤmmerung seines Schiffs, wird Miran- der, ein deutscher Edelmann, halb todt durch die Brandung an ein sonst uͤberall mit steilen Felsen be- setztes Ufer, jedoch, zu seinem Gluͤck, an eine etwas fla- che Stelle geworfen. Hieselbst, nachdem er seine noch uͤbrigen wenigen Kraͤfte angewendet, in moͤglicher Eile weiter aufs Land zu gelangen, und denen ihn wieder zu- ruͤckrollenden Wellen zu entkriechen, trifft er eine kleine Hoͤhle an, worinn er sich begiebt. Er danket dem Him- mel inbruͤnstig fuͤr seine sonderbare Errettung, und sank fuͤr großer Muͤdigkeit in einen tiefen Schlaf. Nachdem er nun des Morgens, um die Lage des Lan- des zu uͤbersehen, auf die fast unersteiglichen Felsen ge- klettert, wird er gegen Osten, zwischen zween Himmel- hohen, sich unten aber allgemach verbreitenden Bergen, in einem dadurch formirten Thal, einer sehr anmuthigen Gegend gewahr. Ein uͤberaus klarer Fluß schlaͤngelte wie ein fliessend Silber sich durch die Ufer, welche auf beyden Seiten mit vielen geraden Palmen-Orangen-Oliven- und andern Frucht-Baͤumen bepflanzet waren, wovon das schoͤne Gruͤn ihrer Wipfel beyde Seiten des Wassers mit einem kraͤftigen Wiederschein sehr anmuthig faͤrbte, derselben Schoͤnheit verdoppelte, und dadurch den Augen den lieb- lichsten Vorwurf von der Welt darstellte. Die Anhoͤ- he zur Rechten war von Weinreben, die Linke mit ver- schiedenen ordentlich eingetheilten kleinen Kornfeldern bedecket. Das Gras war kurz und gruͤn, worauf man- cherley fremde Thiere ruhig weideten; wie er denn auch den Eine Lehr-reiche Geschichte. den Fluß mit vielen Wasser-Voͤgeln, deren einige die schoͤnsten Federn hatten, an vielen Orten fast bedecket, und in dem Wasser ganze Heere beschuppter Fische wim- meln sahe. Die Luft schien nicht nur von gebiesamten Duͤnsten aus unzaͤhligen Bluhmen, sondern zugleich von suͤßen Toͤnen lieblich singender Voͤgel ganz ange- fuͤllet. Kurz! die ganze Landschaft war ein Jnbegriff anmuthiger Vorwuͤrfe, und schien fast ein irdisches Pa- radies vorzustellen. Nachdem Mirander nun durch einen etwas weniger gefaͤhrlichen Weg von dem Gebuͤrge herabgestiegen, und in einem kleinen lustigen Waͤldgen angelanget war, ward er unvermuthet einen Mann ansichtig, dem seine majestaͤtische Mine ein ehrwuͤrdiges Ansehn gab. Es hatte derselbe einen weissen Bart, der uͤber seine Brust herab hieng, seine Augen waren sehr lebhaft, durchdrin- gend, und zugleich voller einnehmender Sanftmuth. Er war zwar in Ziegenfelle gekleidet, die aber, weil sie auf eine zierliche Art zugeschnitten waren, ihm nicht uͤbel anstunden. Jhn begleitete eine fast auf dieselbe Art bedeckte lange und sehr ansehnliche Frau, deren Gesichts- zuͤge noch den Rest von einer ausnehmenden Schoͤnheit zeigten. Diese hatte einen Knaben von ungefehr acht Jahren bey der Hand. Nachdem sie alle bey dem er- sten Anblicke etwas stutzig sich eine Zeitlang von ferne an- gesehen hatten, nahete Mirander sich ihnen voller Freu- de, an einem so entlegnen Orte Menschen so unvermu- thet angetroffen zu haben, zumal ihr sittsamer Anstand ihn etwas dreiste gemacht hatte. Er redete sie in Fran- zoͤsischer Sprache an. Der ehrwuͤrdige Greis antwor- tete ihm zu seiner groͤßten Verwunderung Teutsch. Nachdem sie ihn nun beyde mit vieler Hoͤflichkeit in ihre nicht Eine Lehr-reiche Geschichte. nicht fern gelegene Wohnung einzutreten genoͤthiget, und mit auserlesenen Fruͤchten erquicket hatten, erkun- digte Mirander sich nach ihren Umstaͤnden, und bat aufs instaͤndigste, seine Neubegier zu vergnuͤgen, und ihm einige Nachricht davon zu ertheilen. Der ansehnliche Alte gab ihm, nachdem er von seiner Abkunft und ganzem Lebenslauf ihn kuͤnftig weitlaͤuftig zu benachrichtigen versprochen, einen kurzen Begriff von ihrer nunmehr in die sechs Jahr gefuͤhrten Lebensart. Jch habe, fieng er an, nachdem ich fast die halbe Welt mit abwechselnden Gluͤcks- und Ungluͤcksfaͤllen durchgewandert bin, bey den meisten Voͤlkern eine be- daurenswuͤrdige Abweichung von den Wegen der Na- tur, und von derjenigen Absicht, wozu die Menschen, nach ihrer allerseitigen Gestaͤndniß, hervor gebracht sind, angetroffen. Jch habe zwar, fuhr er sort, fast uͤberall Religionen gefunden, welche zu dieser Absicht leiten sollten: wie denn auch in einigen theils mehr, theils minder darauf gezielet wird, und hin und wieder ein Strahl von dem Lichte der Wahrheit darinn zu erblicken ist. Jedoch ist es, durch unzaͤhlige Kuͤnsteleyen, auch sogar im Christenthume, wieder verdunkelt und oft unsichtbar worden. Ja ich habe gefunden, daß die Menschen, wie in den meisten Religionen, durch Betrug und Aberglauben, so in der Philosophie durch Hochmuth und Eigensinn bis auf un- sere Zeiten verfuͤhret werden, da naͤmlich ein jeder Philo- soph ein Welt-Systema nach einem von ihm erdachten Leisten gleichsam zugeschnitten, und sich fast unterstan- den, wenn ich so reden darf, einen Schoͤpfer des Schoͤp- fers abzugeben; wenigstens alle Jdeen des Schoͤpfers in seiner Jdee zu vereinen. Wodurch denn sowohl, als Eine Lehr-reiche Geschichte. als durch die Religions-Jrrthuͤmer, die Wahrheit im- mer mehr und mehr verdunkelt, und der Mensch von der Einfachheit seiner wahren Pflichten ist abgefuͤhret worden. Seiner Meynung nach, koͤnnte die Haupt-Absicht desjenigen allmaͤchtigen, weisen und liebreichen We- sens, welches sinnliche und zugleich denkende Creaturen hervorgebracht hat, wohl keine andere, als diese, gewesen seyn, den Menschen naͤmlich durch die seinem Koͤrper anerschaffenen Sinnen faͤhig zu machen, die Gegenwart unzaͤhliger von ihm formirter koͤrperlichen Geschoͤpfe zu bemerken, ihrer mit Vergnuͤgen zu geniessen, durch die Anwendung seines Geistes derselben Ursprung und Schoͤpfer zu erkennen, in der Creaturen Mannigfaltig- keit und Schoͤnheit die weit herrlichere Eigenschaften ihres Ursprungs, insbesondere seine Allmacht und Weis- heit, zu bewundern, auch in dem aus den Geschoͤpfen ihm zufliessenden tausendfachen Nutzen, und einem da- mit bestaͤndig verbundenen Vergnuͤgen, in kindlicher Gegenliebe denselben zu verehren. Dieses, sprach er, zeige uns die Natur. Die gesunde und reine Vernunft fuͤhre uns weiter, und bedeute uns, daß, da wir Gott selbst zu dienen uns zu schwach befinden; wir in unsern Naͤchsten sein Bild zu verehren, und, so viel an uns, den- selben das Leben angenehm und ertraͤglich zu machen, nach Moͤglichkeit uns zu bemuͤhen schuldig waͤren. Aus welchem Dienst, durch eine verwunderlich eingerichtete Wechsel-Ordnung, denn zugleich unser eigen Bestes, Heil und Erhaltung fliesset. Ferner bringe dieselbige Vernunft, zum Glauben und zu einer vesten Zuversicht, daß, da Gottes Liebe eine von seinen vollkommensten Eigenschaften, und selbige, wie alles an Jhm, ewig, er 8 Theil. R r auch, Eine Lehr-reiche Geschichte. auch, aus ewiger Liebe, es denen von Jhm mit den groͤß- ten Vorzuͤgen, und zumal mit einem Begriff von Jhm selbst begabten Geschoͤpfen mit dieser kurzen Lebenszeit es nicht wird bewenden lassen, ihnen nur Gutes zu thun, sondern uns zu einem stets sich verbessernden Stande koͤnne, wolle, und werde verhelfen. Hier nun finge sich, redete er weiter, allererst die Of- fenbahrung an, und haͤtten wir solche als ein Mittel an- zusehen, uns dazu zu verhelfen; durch dieselbe wuͤrden wir auf die christliche Religion, als die beste von allen, gefuͤhret; jedoch so, daß wir daruͤber den Grund nicht vergessen, oder uns von dem Dienste des Schoͤpfers ab- geben, am wenigsten, daß wir uͤber einem Dienst, der eigentlich fast ganz allein auf unser Bestes abzuzielen scheinet, die in unserer Natur gegruͤndeten Haupt- Pflichten ganz vergessen und aus den Augen setzen muͤß- ten. Zu welchem meinen Glauben, fuhr er fort, der Zustand in dieser Welt noch ein großes beytraͤgt, da naͤmlich nur sehr selten die Tugend belohnet und das La- ster bestrafet wird, welches alles, auf ein anderes Leben, recht mit Fingern zeiget. Dieses ist, nach vieljaͤhrigem Nachsinnen und Unter- suchung vielerley Religionen, mir, als ein mit unsrer und der ganzen Natur uͤbereinstimmender Grund eines Gottes-Dienstes vorgekommen, welcher zugleich unsere Pflichten mit in sich schliesset. Es dienet nicht allein die Einfachheit dieses Grund-Satzes, sondern die Ueber- einstimmung desselben mit dem Zustande unserer ersten Eltern im Paradiese, mit dazu, seine unumstoͤßliche Wahrheit zu bewaͤhren. Nach Eine Lehr-reiche Geschichte. Nach dieser Grund-Regel habe ich, bereits vor vielen Jahren, gewuͤnschet, im Stande zu seyn, mein Leben ein- zurichten, auch bereits einen Anfang dazu gemacht, wie ich noch in der Welt war; woselbst ich es denn, ohne Ruhm, weiter als viele andere gebracht, ob ich gleich, wie leicht zu glauben, daselbst noch viele Verhinderungen angetroffen habe. Da ich nun, durch unzaͤhlbare Zu- faͤlle, an diesem Orte, von allen Menschen abgesondert, mich befinde: so habe ich destoweniger Hinderniß gehabt, mich mit mehrer Muͤhe darauf zu befleißigen. Wozu denn meine geliebte Gemahlinn, durch ihren erhabenen Geist, ein großes beygetragen hat, dergestalt, daß wir nunmehr sechs Jahre uns taͤglich damit beschaͤfftigen, uns zu vergnuͤgen; in allen Vorwuͤrfen die darinn durch Gottes Finger gepraͤgte Weisheit zu bemerken, und zu bewundern. Jch kann euch, mein lieber Freund, nicht beschreiben, wie weit wir durch die taͤgliche Ge- wohnheit unsre sonst zerstreuten Gemuͤths-Kraͤfte ge- bracht haben; so daß wir nunmehr ohne Muͤhe un- sere Sinnen vernuͤnftig gebrauchen koͤnnen. Wir se- hen, was wir sehen, und hoͤren, was wir hoͤren. Wir riechen, fuͤhlen und schmecken, was wir wirklich rie- chen, fuͤhlen und schmecken. Das zarte Gemuͤth unsers lieben Sohnes haben wir bey Zeiten dazu angefuͤhret, welcher denn dadurch, daß er weniger Vorurtheile abzulegen und weniger Ge- wohnheits-Schwierigkeiten zu uͤbersteigen gehabt, zu unser beyderseits nicht auszusprechendem Vergnuͤgen, alles auf diesem Wege so leicht gefunden; daß wir uns gar oft, mit Lust, von ihm uͤbertroffen sehen. R r 2 Was Eine Lehr-reiche Geschichte. Was nun die Einrichtung und Ordnung unserer taͤg- lichen Beschaͤfftigung betrifft; so bestehet selbige in solgenden: Nachdem wir den Sonntag, zu Ausuͤbung unserer Christen-Pflichten, wobey wir jedoch des Schoͤpfers nicht vergessen, insbesondere ausgesetzet; fangen wir alle Morgen, wenn wir erwachen, welches kurz vor dem Aufgange der Sonne bey uns zu geschehen pfleget, ehe wir aufstehen, an, unsere Gedanken auf den Schlaf, als ein Wunder der Natur und eine Gabe des uns liebenden Schoͤpfers, mit stillem Nachdenken zu wenden; und fuͤr die genossene Suͤßigkeit desselben Dem, welcher uns hier damit begluͤckseliget, mit wenigen, doch nicht leeren Worten, herzlich zu danken. Sobald dieses geschehen, erheben wir uns, erfrischen und reinigen Gesicht und Haͤnde in einer klaren Quelle, dessen kuͤhlendes und rei- nigendes Wesen wir nicht obenhin, sondern als ein mit mancherley Kraͤften begabtes Geschenke, ansehen, wo- durch der Mensch unzaͤhliges Gutes geniesset. Hierauf begeben wir uns an einen erhabenen Ort, um uns an der Morgenroͤthe zu ergetzen, den Aufgang der Sonne zu bewundern; der Sonne, des herrli- chen Spiegels der Gottheit, welcher durch seine Gegen- wart, die in der Dunkelheit versunken gewesene Welt wieder aufs neue hervorgebracht hat, und uns dadurch gleichsam taͤglich ein Ebenbild der ersten Schoͤpfung sehen laͤsset. Haben wir beym Anblicke dieser herrlichen Schoͤnheit und dieses, Himmel und Erde uͤberstroͤmenden Lichts, selbst neue, auf Bewunderung, Ehrfurcht und Andacht abzielende, Vorstellung; so fahren wir in stiller Ueber- legung darinn fort, theilen auch wohl unsere Gedanken uns Eine Lehr-reiche Geschichte. uns einander mit: wo aber nicht; ermuntern wir unsere Jdeen durch die Betrachtungen, welche ich von einem großen Geiste in spanischer Sprache uͤber diesen majestaͤtischen Vorwurf erhalten, und zu meiner Erbau- ung, so gut ich gekonnt, uͤbersetzt habe. Oder wir ver- lesen des unvergleichlichen Miltons Morgen-Gebet un- serer ersten Eltern bey Erbilckung der aufgehenden Sonne; lassen auch selbiges wol zuweilen uns von un- serm Kinde, welches bereits der englischen Sprache maͤchtig ist, und solches laͤngst auswendig gelernet hat, vorbeten. Wobey ihm der Knabe solches sogleich her- sagte, und, seines schoͤnen Jnhalts halber, von Mirander bald darauf selbst auswendig gelernet wurde. Es ver- dienet, seiner Schoͤnheit wegen, hier einen Platz, und lautet also: A ller dieser Creaturen Herrlichkeit und Wunder-Pracht Jst, o Vater alles Guten! durch Dein’ Allmacht bloß, gemacht! Dieß so wunder- wunderschoͤne Welt-Gebaͤud’ ist einzig Dein. Welch ein Vorwurf des Erstaunens mußt Du nun wol selbst nicht seyn! O du Unaussprechlicher! Dessen Sitz der Himmel ist, Ja weit uͤber alle Himmel, der Du uns unsichtbar bist, Oder in der Daͤmmerung Deiner allerschlechtsten Werke, Nur allein von uns zu sehn! welche doch noch deutlich zeigen, Daß Dein unbegreiflichs Lieben, daß die Weisheit, Macht und Staͤrke Deiner unumschraͤnkten Gottheit, unsern Geist weit uͤber- steigen. R r 3 Redet Eine Lehr-reiche Geschichte. Redet ihr! die ihr viel besser, als wir koͤnnen, reden koͤnnt, Lichtes-Kinder, heilgen Engel, weil euch, Jhn zu sehn, ver- goͤnnt; Die ihr mit Gesaͤng- und Psalmen euch, Jhn zu erhoͤhn, bestrebet, Und mit ungezaͤhlten Choͤren, in so rein- so hellem Licht, Welches keine Nacht begrenzet, noch die Klarheit unter- bricht, Unaufhoͤrlich jubilirend, Seinen heilgen Thron umgebet. Jhr! durch die im Himmel droben, und nicht minder hier auf Erden, Aller Creaturen Schaaren zu dem Zweck vereinet werden, Jhn zu loben, als den Ersten, als den Letzten, und zugleich Als den Mittelsten ohn End’. Und du schoͤnster Stern der Sternen, Den man von dem Nacht-Gestirn sich am spaͤtsten sieht entfernen, Wo du nicht vielmehr gehoͤrest zu der Morgenroͤthe Reich, Der du als ein sichrer Bothe eines nahen Tages glaͤnzest, Und mit deinem hellen Zirkel den verjuͤngten Morgen kraͤnzest, Lobe du, in deinem Kreis, unsern Schoͤpfer in der Zeit Dieses neugebohrnen Tages, voller Lust und Suͤßigkeit. Sonne, die du Aug’ und Seele dieser weiten Welt! erkenne Jhn fuͤr deinen Oberherrn. Es erschall sein Lobgesang Stets in deines ew’gen Laufs nimmer ruhendem Gerenne, Wenn du steigest, auch am Mittag, und bey deinem Un- tergang. Mond! der, da du jetzt der Sonne fruͤh begegnest, dich entziehest, Und, mit denen vesten Sternen, nebst derselben Kreise, fliehest, Worinn Eine Lehr-reiche Geschichte. Worinn sie bestaͤndig gehn! Und ihr andern fuͤnf, die ihr Jm geheimen Tanz bestaͤndig, sonder Ruhe, fuͤr und fuͤr, Euch nicht sonder Klang beweget, lobet Den, durch Den das Licht, Aus der Finsterniß gerufen, in so helle Strahlen bricht! Luft! und alle Elementen! aͤltste Kinder der Natur, Die ihr weiter Schooß erzeugt! die, ohn daß ihr je verweilet, Jns Geviert, in vielgeformten, regen Zirkeln, laufet, eilet, Alles mischt, und alles naͤhret! laßt, dem großen Gott zu Ehren, Jn bestaͤndig neuer Aendrung, neue Lieder jauchzend hoͤren. Nebel! Duͤnste! die ihr falb, grau und schmutzig, bis die Strahlen Unsrer Sonnen euch den Saum uͤberguͤlden und bemahlen, Ob ihr in verduͤnneten, allgemach erhabnen Duͤften, Aus den feuchten Seen steiget, oder aus der Berge Gruͤften, Dem zum Ruhm, Der alle Welt wunderbar hervor gebracht, Ob ihr, am gefaͤrbten Himmel, einen Schmuck in Wolken macht, Und, zu diesem Endzweck sanft, euch unsichtbar hebt und steiget, Oder wenn ihr euch, die Erd’ auch zu traͤnken, abwerts neiget, Auf, vermehret Seinen Ruhm! Auf, vermehrt auch ihr, ihr Winde! Die ihr aus vier Himmels-Theilen heftig bald, und bald gelinde, R r 4 Weht Eine Lehr-reiche Geschichte. Weht und blaset, Seinen Ruhm! Auch ihr Fichten, nebst dem Heer Aller Pflanzen, die, durch sie, eure Wipfel oft beweget, Bieget euer Haupt, zum Zeichen eurer Demuth, Jhm zur Ehr! Auch ihr Brunnen, die ihr wirbelnd fließt, und ein Ge- raͤusch erreget, Welches sanft und lieblich klingt, rauscht und wirbelt Jhm zum Preise! Alle Seelen, die ihr lebt! Voͤgel, die ihr steigt im Singen, Traget Seinen Ruhm empor, so im Ton, als auf den Schwingen! Jhr, die ihr in Wassern glitscht! Jhr, die auf dem Er- den-Kreise Praͤchtig tretet, oder kriechet, zeuget, ob, so fruͤh als spat, Meine Zunge, Huͤgel, Thaͤler, Brunnen, oder frische Schatten, Gott zu ruͤhmen, zu beehren, einmal wol geschwiegen hat, Die mein stetiger Gesang, als womit sie stets sich gatten, So zum Klang als Wiederhall Seines Ruhms geschickt gemacht. Dir, allgegenwaͤrt’ger Herr! sey mein Morgen-Gruß gebracht! Ach! erbarme Dich, gieb uns, ew’ge Guͤte, nichts als Gutes. Wo die Nacht auch etwas Boͤses haͤtt’ erzeuget und ver- borgen; So vertilg es, wie die Schatten jetzt vertilgt der helle Morgen. Nachher, Eine Lehr-reiche Geschichte. Nachher, fuhr er fort, begeben wir uns zu unserer gewoͤhnlichen Arbeit; wobey wir uns aber gewoͤhnet, an allen unsern Werkzeugen die Materie als eine goͤttliche Gabe, und die Zubereitung und Zuschickung derselben, so zum verschiedenen Gebrauche, als eine Probe der unserm Geiste von Gott zugelegten Geschick- lichkeit, und mannigfaltiger Faͤhigkeit, zu betrachten; da wir denn zugleich einen unstreitigen Vorzug vor andern Thieren in demselben befinden. Die bewun- dernswuͤrdige Zubereitung unserer Haͤnde dienen uns bestaͤndig, und oft bey jedweder veraͤnderlichen Be- wegung, zu einem Vorwurfe und Beweise eines weisen Wesens, der uns selbige nicht allein, sondern auch dazu unserm Geiste eine so bewundernswuͤrdige Faͤhig- keit, uns derselben nuͤtzlich zu gebrauchen, gegeben hat. Zu Anfange kamen uns dergleichen Ueberlegungen etwas schwer an; aber durch oͤftere Wiederholung derselben, fallen sie uns gleichsam von selbst bey: und kann ich euch nicht sagen, was fuͤr ein inniges Ver- gnuͤgen wir dabey empfinden, wenn wir dergleichen Vorstellungen als Erfuͤllungen derjenigen Pflichten, wozu wir gemacht seyn, und zugleich als ein Theil eines zwar schwachen, doch schuldigen, Gottes-Dienstes ansehen. Ja, indem wir unsere Arbeit mit unserm Vergnuͤgen, und mit letzterem zugleich eine dem Schoͤp- fer aller Dinge zu leistende Pflicht verbinden; so ist es mir schwer, diejenigen suͤßen Empfindungen aus- zudruͤcken, welche bey dergleichen Betrachtungen sich durch unser ganzes Wesen ausbreiten, und was wir fuͤr ein inniges, sanftes und ruhiges Vergnuͤgen da- durch empfinden. R r 5 Bey Eine Lehr-reiche Geschichte. Bey unserer Mittags-Mahlzeit, auch beym Ge- nusse anderer Speisen und Fruͤchte, haben wir uns gewoͤhnet, nicht allein mit Aufmerksamkeit das Ver- gnuͤgen des Geschmacks uns zuzueignen; sondern wir erinnern uns zugleich der uns von Gott zu eben die- sem Vergnuͤgen geschenckten Vorwuͤrfe, und der uns dabey gegoͤnnten Geschicklichkeit, dieselben durch fast unzaͤhlbare Veraͤnderungen, in unterschiedlicher Zube- reitung derselben, uns die Art von Vergnuͤgen im- mer zu vermehren. Absonderlich aber ermangeln wir nicht, auf die zu solcher Lust uns auf eine so bewun- dernswerthe Art zugerichteten Werkzeuge der Zunge, des Gaums ꝛc. nicht weniger der den Speisen beyge- legten Nahrungs-Kraft, einige Pflichtmaͤßige Gedan- ken zu wenden. Diese Beschaͤfftigung sehen wir an als eine Handlung, durch welche wir uns nicht allein von den Thieren unterscheiden, sondern wodurch wir in der empfundenen und durch die Betrachtung uns zugeeigneten Lust zu einer Dankbegier gegen denjeni- gen, durch dessen weise Macht und Guͤte wir so man- nigfachen Vergnuͤgens auf eine so kuͤnstliche Weise theilhaftig werden, uns aufgemuntert finden; und in einem bruͤnstigen Verlangen, uns seinem Willen ge- maͤß zu bezeigen, gestaͤrket und bevestiget werden. Nach aufgehobener Tafel verfuͤgen wir uns aber- mal zu unserer Arbeit, und nach Endigung derselben, wenn der Tag kuͤhle worden, begeben wir uns entwe- der in jenen lustigen Wald, oder auf die am Ufer des Flusses belegene Wiese, oder in unsern angelegten Garten; da uns denn die unzaͤhlbaren Vorwuͤrfe un- gezaͤhltes Vergnuͤgen erregen. Wobey es uns un- moͤglich an guten Vorstellungen fehlen kann, da durch der Eine Lehr-reiche Geschichte. der Vorwuͤrfe Mannigfaltigkeit unsere zu Betrach- tungen gewohnten Seelen von stets neuen Gedanken gleichsam uͤberquellen. Wenn wir nun darauf die untergehende Sonne, und endlich den gestirneten Him- mel, mit so vieler Ehrfurcht als Vergnuͤgungen be- trachtet, und ein leichtes Abend-Brodt verzehret ha- ben; so legen wir uns zur Ruhe, und erwarten eines froͤhlichen Morgens, um unser Vergnuͤgen von neuem wieder anzufangen. Nachdem Mirander, durch die Buͤndigkeit dieses Vortrages, ganz eingenommen, denselben bewundert, und nebst einer dienstlichen Danksagung fuͤr dessen Mit- theilung, selbige mit diesem herzlichen Wunsche beglei- tet: daß doch diese guten Lehren so beschaffen seyn moͤchten, daß sie auch denen in der Welt lebenden Menschen koͤnnten brauchbar gemacht werden; so fing die Gemahlinn mit der ihr eigenen und gewohn- ten Leutseligkeit an: Sie glaube nicht, daß ein ein- ziger Punkt in ihren Lebens-Regeln vorhanden waͤre, welcher von allen, so sich in der Welt befaͤnden, nicht sollte koͤnnen gebrauchet werden. Jhr waͤre die Welt, nebst allen denjenigen Unruhen und muͤhseligen Be- schaͤfftigungen, welche einem jeden Stande gleichsam eigen und fast nicht davon zu trennen, noch, mehr als zu wohl bekannt. Sie haͤtte verschiedene Jahre bey Hofe zugebracht; dennoch getraue sie sich zu erweisen, daß auch alle daselbst insgemein herrschende Eitelkei- ten, ihre Lehr-Saͤtze vollkommen zulassen koͤnnten. Wie viel weniger werden sie in andern Staͤnden eine Zerruͤttung machen; indem von dem hoͤchsten bis zu dem niedrigsten, ja so gar dem Bauren-Stande, es die Menschen nicht hindern koͤnnte, ihre Sinnen mit Eine Lehr-reiche Geschichte. mit mehrer Anmuth zu gebrauchen, sich ihr Essen und Trinken besser schmecken zu lassen, und bey ihrer ohnedas unvermeidlichen Arbeit, dieselbe mit ange- nehmen Gedanken zu versuͤßen; ja, mit einem sol- chen Vergnuͤgen zugleich das Haupsaͤchlichste, naͤm- lich einen vernuͤnftigen Gottes-Dienst, zu verbinden: welches, ihrer Meynung nach, einer vernuͤnftigen Seele, zur Vermehrung ihres Gluͤcks, zur Erleichte- rung ihrer Arbeit, und zum Trost bey allen Unfaͤllen, nothwendig dienen wuͤrde, ohne daß sie deswegen von ihren gewoͤhnlichen Handelungen etwas abbrechen duͤrften. Kurz! das von allen Menschen sonst ver- gebens gesuchte Vergnuͤgen auf dieser Welt, wuͤrde auf diesen Weg angetroffen, und das Leben der Ein- wohner dieses Erdbodens dadurch ertraͤglicher und angenehmer werden. Ver- Verzeichniß der in diesem achten Theile befindlichen Gedichte, nach dem Alphabet. A bgoͤtterey, verschiedener Arten, auch bey Chri- sten Seite 577 Achtlosheit, die bestrafte, auf das Gute 611 Adam, auf den werdenden 84 Aloë Margaritifera 237 Andacht bey Bluhmen 171 Anwendung, vernuͤnftige, der Vergaͤnglichkeit 503 Aster, Herbst-Bluhme, Betrachtung derselben 239 Aufmunterung, sich an Gottes Werken zu ver- gnuͤgen 11 ——— bey hellem Wetter 27 Augen-Lust an Knospen im Fruͤhlinge 45 Ausschweifungen der Leidenschaften 510 Baͤume, deren Schoͤnheit im Fruͤhlinge 44 Begriffes, Schwaͤche des menschlichen 173 Betrachtung Goͤttlicher Gegenwart bey Bluhmen 20 —— uͤber den Wiederschein 143 —— betruͤbte, bey schoͤnen Vorwuͤrfen 154 —— der Wunder, wodurch uns alles sicht- bar wird 155 —— Goͤttlicher Werke 165 —— uͤber die Anmuth der Waͤlder 167 —— verabsaͤumte, Goͤttlicher Geschoͤpfe, hoͤchstschaͤdlich 571 —— uͤber die bestaͤndige Veraͤnderung un- sers Koͤrpers 592 Betragen, hartes, der Menschen gegen einander 528 —— seltsames, der Menschen 534 Beweg-Gruͤnde, weswegen ein vernuͤnftiger Ge- brauch unserer Sinnen, in Betrachtung Goͤtt- licher Werke, nicht zu versaͤumen 456 Beweis, neuer, des Nutzens und der Wahrheit des copernicanischen Systematis, aus dem 1 B. Mos. 1, 3-5. 521 Biesam- Biesam -Bluhme S. 246 Bildniß des Herrn Reinbecks 581 Bluhmen, Lehren der 35 —— Betrachtung-wuͤrdige Geschoͤpfe 55 —— Trost aus 74 —— Andacht bey 171 —— Allee 179 —— Topf, im Winter 277 Buch der Natur 272 Cornaro 515 Creaturen, Lehren der 35 Demuth, Anleitung dazu 610 Dienst, Gott gefaͤlliger 582 La Divinité est incomprehensible 580 Dornstrauch, der bluͤhende 51 Einheit des Schoͤpfers 483 Einleitung 3 Neue Erd-Beschreibung 446 Eva, auf die von Adam zum erstenmal erblickte 87 Auf Evens Schoͤpfung 86 Fragen, betruͤbte 506 Frage, verdrießliche 527 Frost, der fruͤhe, 1741 284 Zum Fruͤhlinge 40 Fruͤhlings -Betrachtungen 42 Fruͤhlings -Gedanken 56, 69 ——— bey einem lauen Regen 62 Jm Fruͤhlinge, Schoͤnheit der Baͤume 44 ——— — junger Linden 72 ——— Augen-Lust an Knospen 45 ——— mancherley Vergnuͤgen 48 ——— Labsal der Sinne 61 Fruͤhling, vergnuͤglicher Gottes-Dienst zum Schlusse desselben 101 Garten, Garten, Beschreibung meines in voͤllig gutem Stande wieder vorgefundenen S. 88 Gebet, vernuͤnftiges 28 Gebuhrts-Tag des Hrn. Verfassers 1741. 259 ——— ——— 1742. 263 ——— ——— 1743. 265 ——— auf dessen 65sten 267 ——— — 66sten 269 Gedanken, gute, auf dem Lande 105 —— uͤber Rosen 117 —— uͤber Bluhmen 150 —— uͤber die Geheimniß-volle Veraͤnde- rung der Raupen 174 —— im Herbst, wenn es truͤbe 227 Gedichte, vermischte 431 Gefahr, die abgewandte 469 Gegenwart, Betrachtung Goͤttlicher, bey Bluh- men 20 Genuß, vernuͤnftiger, der Bluhmen 153 Geschichte, eine Lehr-reiche 622 Gestaͤndniß, aufrichtiges, nach schuldiger Bemuͤ- hung unsern Geist zu untersuchen 550 Glaube und Vernunft 583 Gleichniß 564 Gluͤckseligkeit einer Seele, welche den Schoͤpfer in den Geschoͤpfen betrachtet ꝛc. 151 Gottes-Dienst, vergnuͤglicher, zum Schlusse des Fruͤhlings 101 ——— der vernuͤnftige 614 Gottheit, die nicht ganz unsichtbare 566 Grab der Belise 621 Gras, die mit großem Nutzen verbundene Schoͤn- heit desselben 30 Groͤße unsers Geistes, aus der Betrachtung Goͤtt- licher Groͤße auch im Kleinen 486 — des Schoͤpfers, aus der Groͤße Seiner Werke 523 — Gottes 545 Das Große aus dem Kleinen 597 Gruͤbeley, die unerlaubte 607 Guͤte, Goͤttliche, mit Dank geniessen, ist besser, als Jhn begreifen wollen 548 Hasen- Hasen-Pappeln S. 209 Der Herbst 215 Herbst -Betrachtungen, froͤhliche 220 Jm Herbst, Betrachtungen uͤber die Schoͤnheit der Welt 217. 224. 227 —— Gedanken bey dem Fallen der Blaͤtter 230. 234 Zum Herbst 232 Herbst -Bluhme Aster, Betrachtung derselben 239 Herrlichkeit des Schoͤpfers in den Geschoͤpfen 206. 482 Hochmuths -Bluhme 157 Hochmuth, die Quelle des menschlichen Ungluͤcks 499 Honig -Bluhme 243 Jnsecten -Werk, vortreffliches, des Herrn Roͤsels, erbauliche Gedanken daruͤber 252 Kerzen-Licht, das lehrende 458 Kirsch-Baum, der im Winter schon bluͤhende 429 Kletten-Kraut 128 Knospen, Augen-Lust an, im Fruͤhlinge 45 Krankheit des Geistes 533 Labsal der Sinne im Fruͤhlinge 61 Leben, das wahre 473. 480 — das beste 518 Das Leben 598 Lehren der Creaturen, absonderlich der Bluhmen 35 Linden-Zweig, der schon in Weihnachten gruͤnende 281 Lob-Gedicht 7 Lob des Schoͤpfers in den Geschoͤpfen 194 Luft-Kugel, Untersuchung der die Erde begleitenden 285 Der Menschen betruͤbtes Verfahren 29 Mensch, der unvernuͤnftige 479 — der widerstrebende 586 Metall 490 Meynungen, zu den 591 Mißbrauch, ungluͤcklicher, der Kraͤfte unsers Geistes 585 Mittel gegen die Unachtsamkeit 572 Mond, der neue 161 Nacht, Nacht, die schoͤne S. 23 Die Nachtigall 13. 16. 18 Der Naͤchste 472 Nahrung, bewundernswerthe, der Pflanzen 58 Neu-Jahrs-Gedicht 1739. Der Nutzen des Man- gels 289 ———— 1740. Von der eigentlichen Absicht unsers Hierseyns 314 ———— 1741. Das Andenken der grimmigen Kaͤlte des 1740- sten Jahrs, nebst derselben wahrscheinlichen Ursachen 338 ———— 1742. Neue Betrachtungen uͤber die Natur des Lichts und der Waͤrme 360 ———— 1743. Der Sonntag 392 ———— 1745. Eine Erzehlung 412 Nothwendigkeit, unsere Vorstellungen wohl ein- zurichten 477 Offenbahrung, Goͤttliche, in den Werken 491 Paͤonien 70 Der Papagey 249 Der Pflanzen bewundernswerthe Nahrung 58 Pflicht, Gott zu lieben, eine noch groͤßere, als Jhn zu ehren 613 Der Punct 474 Rath, guter 512 Raupen, Gedanken uͤber ihre Geheimniß-volle Ver- aͤnderung 174 Der Regenbogen 146 Hrn. Ridingers drey vortreffliche Vorstellungen des Paradieses 84 Rosen 107. 112. 117. 121. 123 Rosenstock, der fruͤh bluͤhende 66 Schauspiel, das herrliche, der Natur 196 Schlaf, eine Abbildung des Todes 498 S s Schluͤsse Schluͤsse der Vernunft S. 541 Schoͤnheit des Grases, mit großem Nutzen ver- bunden 30 —— der Baͤume im Fruͤhlinge 44 —— junger Linden im Fruͤhlinge 72 —— der Welt, zur Sommers-Zeit 132 Der Schoͤpfer, aus den Geschoͤpfen erkannt 139 ——— durch Seine Werke gepriesen 569 Schwaͤche des menschlichen Begriffes 173 Seele, Gluͤckseligkeit einer, welche den Schoͤpfer in den Geschoͤpfen betrachtet ꝛc. 151 Seelen -Betrachtung 560 Seelen -Kraͤfte, bessere Anwendung unserer 467 Zwo Seelen 476 Selbst-Liebe, unordentliche 603 Seneca , Lib. de Or. Sap. XXXII. uͤbersetzt 522 Seufzer, von der Kaͤlte ausgepreßt, den 11ten Jun. 1741 283 der Sinne, Labsal, im Fruͤhlinge 61 Der Sommer 103 Sonntags -Lied 399 Sprache der Natur 448 Stolz, gedemuͤthigter, der Menschen 497 Strafe, unvermeidliche, der Unaufmerksamkeit auf Goͤttliche Werke 605 Stunden -Betrachtungen 462 Die Suppe 454 Der Thau 34 Thuͤrmchen in Ritzebuͤttel 148 Tirsander 162 Trost aus Bluhmen 74 — betraͤchtlicher, fuͤr Ungluͤckliche und Arme 444 — großer, uͤber unsere Kleinheit 530 Tulpen, Gedanken uͤber 64 Unachtsamkeit, ungluͤckselige Folgen der 567 ——— Mittel gegen die 572 Unaufmerksamkeit auf Goͤttliche Werke, deren unvermeidliche Strafe 605 Unem- Unempfindlichkeit uͤber Goͤttliche Wohlthaten, ein Verbrechen S. 504 Untersuchung, genaue, unserer Seelen 494 ——— der Liebe 508 ——— eines vom Koͤrper getrenneten Geistes 556 ——— der die Erde begleitenden Luft- Kugel 285 Unwissenheit, menschliche, im Buche der Natur zu lesen 460 Verabsaͤumung, schaͤdliche, der Kraͤfte unsers Gedaͤchtnisses 519 Veraͤnderung, Betrachtung uͤber die bestaͤndige, unsers Koͤrpers 592 Verband, nothwendiger, der Koͤrper, der Sinnen und der Seele 544 Verboth, an Goͤttlichen Geschoͤpfen sich zu vergnuͤ- gen, suͤndlich 574 Verehrung des Schoͤpfers in den Geschoͤpfen 514 Verfahren, betruͤbtes, der Menschen 29 Vergaͤnglichkeit, vernuͤnftige Anwendung der 503 Vergleichung anderer Creaturen mit dem Mond 273 Vergnuͤgen, mancherley, im Fruͤhlinge 48 Verlust, betraͤchtlicher, in dem betruͤbten Ableben des S. T. Herrn Hof-Raths Drollin- gers 536 Vernunft, Schluͤsse derselben 541 Vernunft und Glaube 583 Versuch einer Vorstellung von der unbegreiflichen Groͤße Goͤttlicher Allwissenheit 441 Vertheidigung seines vielen Schreibens 433 Vertrauen 589 Vorwuͤrfen, betruͤbte Betrachtung bey schoͤnen 154 Vorzuͤge der Mahlerey 447 Wald, der durch den Regen verschoͤnerte 37 Waͤlder, Betrachtungen uͤber deren Anmuth 167 Wasser-Fahrt, gefaͤhrliche, von Ritzebuͤttel nach Hamburg 185 Die Weisheit 557 S s 2 Welt, Welt, deren vernuͤnftiger Gebrauch S. 213 Werke, Betrachtung Goͤttlicher 165. 257 Der Wiederschein 141. 143 Winde, vermuthliche Ursachen der so veraͤnderli- chen 285 Der Winter 275 Wissenschaft, Unterscheid der, daß, und was Gott sey 164 Die Wollust 570 Wort, Gottes, in Seinen Werken 481 Wunder, Betrachtung der, wodurch uns alles sichtbar wird 155 Zustand der Welt 565 Zweyseitigkeit aller Dinge, Gleichniß davon 452 Gedruckt mit Piscators Schriften.