Boͤrne's Mittheilungen aus dem Gebiete der Laͤnder- und Voͤlkerkunde . Zweiter Theil . Mittheilungen aus dem Gebiete der Laͤnder- und Voͤlkerkunde von Ludwig Boͤrne . Zweiter Theil . Offenbach , Bei L. Brunet . 1833 . Gesammelte Schriften von Ludwig Boͤrne . Zwölfter Theil . Offenbach , Bei L . Brunet . 1833 . Inhalt. Sechzehnter Brief Seite 1 Siebzehnter Brief — 12 Achtzehnter Brief — 22 Neunzehnter Brief — 45 Zwanzigster Brief — 53 Ein und zwanzigster Brief — 64 Zwei und zwanzigster Brief — 76 Drei und zwanzigster Brief — 93 Vier und zwanzigster Brief — 97 Fünf und zwanzigster Brief — 113 Sechs und zwanzigster Brief Seite 131 Sieben und zwanzigster Brief — 210 Acht und zwanzigster Brief — 216 Neun und zwanzigster Brief — 228 Dreißigster Brief — 236 Ein und dreißigster Brief — 243 Sechzehnter Brief. Paris, Samstag, den 24. Dezember 1831. D r . Rießer in Hamburg hat für mich gegen mei¬ nen Eduard geschrieben; aber weder in Hamburg noch in Altona wollte die Censur den Druck der Schrift erlauben. Sie wird jetzt in Braunschweig gedruckt. So sind die deutschen Regierungen! So schaamlos ist ihre Censur! So sind die freien Städte — welche die Monarchen nur darum fort¬ bestehen ließen, um republikanische Regierungs¬ formen lächerlich und verächtlich zu machen, um zu zeigen, daß ein Senat von Bürgern so knechtischer Gesinnung seyn könnne , als ein Staatsrath von Edelleuten. Der nehmliche Ceusor , der es doch ge¬ schehen ließ, daß eine Schrift voll der unerhörtesten Schimpfreden gegen mich erschien, deren Titel schon eine Beleidigung war, verbot die Schrift, die meine IV. 1 Vertheidigung übernahm! Und solche Regierungen ver¬ langen noch, daß man sie achte! Campe schreibt mir ferner: „denken Sie sich die Tollheit der Menschen, einige behaupten steif und fest, Sie hätten diese Briefe im östreichischen Solde geschrieben, damit man der Presse beikommen könne. Ist das erhört?“ Glauben Sie mir, so dumm das ist, so giebt es doch Menschen, die noch dümmer sind als das, und es ist darum gar nicht unmöglich, daß irgend ein Lohnbedienter irgend eines Kommis-Voyageurs der Diplomatie ein solches Gerücht vorsätzlich in den Gang gebracht. Sechszehnmal ist Campe schon verhört worden. Ich habe eine Vorstellung davon, was sie ihn alles ausfragen. So oft stand Louvel nicht vor Gericht. Es kostet viele Arbeit, bis man in Deutschland ge¬ hängt wird. Der Artikel gegen meine Briefe, dessen ich gestern erwähnt, steht in der Zeitung von Bern, wie ich Ihnen schon geschrieben, einen Trödelmarkt, wo die aristokratischen Lumpen von ganz Europa auf¬ gehäuft liegen. Er lautet wie folgt: Noch ein Urtheil über Börne's Briefe . „Die Mann¬ „heimer Zeitung schließt eine kurze Kritik dieser po¬ „litischen literärischen Monstrosität folgendermaaßen: „Was hier mit dürren Worten, von allen hochtra¬ „benden Phrasen befreit, gesagt wird, ist leider die „Geschichte der heutigen Tage. Geld- und Ehrgeiz „bilden die Grundlage der Börneschen Ausfälle, „und erwecket in ihm den tödtlichen Haß, welcher „sich auf jeder Seite ausspricht. Weil er nicht Hof¬ „rath, Staatsrath, Minister ist, haßt er alle Be¬ „amten; weil er selbst kein Geld hat, so trifft sein „Haß alle Begüterte, Banquiers oder wohlhabende „Bürger, und weil er endlich nie Fürst werden kann, „so fällt das größte Gewicht seines Hasses auf die „Großen dieser Erde. Was er auszusprechen, in „so furchtbarer Wahrheit laut zu denken wagt, ver¬ „zehrt im Stillen Tausende. Es ist daher die Wuth „ganz begreiflich, mit der alle seine Geistesverwandten „über den Unverschämten herfallen, welcher in so „ganz unbegreiflich naiven Geständnissen der Zeit ver¬ „gißt, und den Schleier lüftet, welchen bisher ein „erkünstelter Patriotismus so fein gewoben hatte. „Es war daher nur ein Schrei des Entsetzens unter „seinen Freunden, als sie ihr klug bewahrtes Geheim¬ „niß so leichtsinnig verrathen, und alle die zarten „Fäden aufgedeckt sahen, mit denen sie ihre Pläne „umsponnen. Sie mußten, und wohl nicht mit Un¬ „recht, fürchten, daß, ist einmal die Maske gefallen, „sich die öffentliche Meinung, welche sie bisher schlau „für sich benutzt, sich gegen sie richten, und so den „Nimbus zerstören würde, der sie umgiebt. Solche „Fingerzeige bleiben für den Triumph der guten „Sache nicht verlohren! Es ist daher Börne's Werk 1* „ein lehrreiches und nützliches Buch!“ Das merkt euch, Kinder, und stellt die Pariser Briefe neben eure Andachtsstunden! — Mein Kamin raucht nicht mehr, er ist ge¬ heilt worden, und gründlich. Ich habe da wieder erfahren, daß man gegen diese spitzbübischen Fran¬ zosen, will man sein Recht behaupten oder erlangen, grob seyn muß. Ist man artig, wird man besiegt, denn sie verstehen noch artiger zu seyn als wir. Diese ihre Waffen wissen sie so geschickt zu gebrau¬ chen; sie geben uns freundliche Worte, süße Ver¬ sprechungen, um uns einzuschläfern und unsere An¬ sprüche zu entwaffnen. Ich aber, der das kannte, ließ mich nie irre führen, und wußte durch periodisch¬ abgemessene, regelmäßig wiederkehrende Grobheit im¬ mer zu erlangen, was mir gebührte. Acht Tage lang schickte ich täglich viermal den Conrad zum Hausherrn mit der Ermahnung, für den Kamin zu sorgen. Da dies nichts half, kündigte ich das Logis auf. Das wirkte. — Herold's Artikel in den Zeitschwingen hat mir sehr gut gefallen. Darin ist jugendlicher Muth und Uebermuth, wie ihn der Kampf dieser Zeit er¬ fordert. So eine Butter-Seele wie dieser Alexis, will es ja nicht besser, als geschmiert zu werden — freilich mit goldenen Messerchen, von zarter Hand, auf zartgeröstetes Weisbrödchen. Nun kömmt eine tüchtige Bürgerfaust, und schmiert sie mit einem Kochlöffel auf Haberbrod; das wird der Berliner Butter-Seele ihre Schmiegsamkeit etwas verleiden. Ob ich die Wiener Gedichte kenne? Wie sollte ich sie nicht kennen! Sie wohnen seit zwei Monaten in meinem Herzen, und ich sehe und höre sie täglich. Aber zanken muß ich mit Ihnen, daß Sie durch solches unzeitiges Fragen mich in meiner Druckerei stören. Ich wollte nächstens mit Ihnen davon zu sprechen anfangen, ich wollte Sie fragen: „Haben Sie die Spaziergänge eines Wiener Poeten gelesen?“ und dann, trott, trott, weiter. Jetzt muß ich erst zu vergessen suchen, daß sie Ihnen bekannt sind. Wenn das noch einmal geschieht, wenn Sie noch einmal durch ungerufenes Entgegenkommen mir meine schüchterne Schriftstellerei verwirren, lasse ich künftig Ihre eigenen Briefe statt der meinigen drucken. Da wird sich auch wohl für Sie ein weib¬ licher Eduard finden, und dann wollen wir sehen, wie Sie mit dieser Hamburger Megäre fertig werden. Der Constitutionel , seit vielen Jahren das mächtigste Blatt der Opposition, ist jetzt in Casimir Perriers Hände gefallen. Er hat ihn für eine halbe Million Aktien gekauft und kann daher mit ihm ver¬ fahren, wie ihm beliebt. Sie müssen das bekannt machen, und die andern sollen es auch weiter ver¬ breiten, damit sich keiner täuschen lasse. Es wird noch einige Zeit dauern, bis der Constitutionel seine Maske völlig abwirft. Das Blatt hat seit vier Wochen schon viertausend Abbonenten ver¬ lohren. Montag, den 26. Dezember. So eben verläßt mich ein Besuch, dessen Ver¬ anlassung mir sehr erfreulich war, dessen Erfolg noch erfreulicher werden kann. Es war ein junger freund¬ licher Mensch, aus Hof in Baiern gebürtig, seit einigen Jahren in einer hiesigen Handlung als Kom¬ mis angestellt. Er sagte, daß er im Namen seiner zahlreichen Freunde käme, die erst kürzlich aus der Zeitung erfahren, daß ich in Paris sey, um mir zu danken für den Eifer, den ich in meinen Schriften für die Sache des Vaterlandes an den Tag gelegt — und so fort. Ich suchte das abzukürzen. Dar¬ auf weiter: er sey beauftragt, mich um Rath zu fragen. Er, seine Freunde und Kameraden, wohl zwei bis dreihundert an der Zahl, alle junge Kaufleute , hätten sich vorgenommen, an die Bairi¬ schen und Badischen Stände eine Adresse zu erlassen, um ihnen für den Muth und die Beharrlichkeit, mit welcher sie für Recht und Freiheit gestritten, die Ge¬ fühle ihrer Bewunderung und ihrer Erkenntlichkeit auszudrücken. Auf meine Bemerkung, daß eine solche Adresse zu spät käme, weil in wenigen Tagen die Stände in München und Carlsruhe auseinander ge¬ hen würden, erwiederte man mir: daran läge nichts; es wäre ihnen ja blos darum zu thun, auch ihrer¬ seits ihre Gesinnung öffentlich kund zu thun. Der ausdrücklichen Bitte zuvorkommend, erklärte ich, daß ich herzlich gern eine solche Adresse aufsetzen würde. Ich bemerkte: der Schritt, den sie zu machen däch¬ ten, würde von den heilsamsten Folgen sein. Uns Andern, aus dem Stande der Gelehrten und Schrift¬ steller, so oft wir von verfassungsmäßigen Rechten, von Freiheit und Staatsreformen sprächen, machte man den Vorwurf der Unruhestiftung und heillosen Zerstörungssucht, und wo man einmal so gnädig sey, uns milder zu betrachten, spottete man unserer lufti¬ gen Schwärmereien, die mit dem wahren Glück des Volkes, das auch für solche hohe Ideen nirgends Sinn habe, in gar keiner Verbindung stünde. Jetzt aber kämen sie, alle Kaufleute, die durch Stand, Gewerbe und tägliche Beschäftigung an das Positive gewiesen, ja durch Maas, Gewicht und Zahlen an die Wirklichkeit, wenn sie sie je vergessen möchten, stündlich erinnert würden, und wünschten und forder¬ ten das Nehmliche. Sie sprächen es aus, daß die materiellen Interessen, wo die Sorge für dieselbe löblich wäre, innigst an die moralischen Interessen gebunden wären, und daß nach Allem das sinnliche Wohlbefinden und Wohlbehagen der Menschen nicht ihre höchste Bestimmung sey. Dieses würde eine große Wirkung machen und die ewigen Feinde der Freiheit in Verwirrung bringen, die, deren Freunde um so leichter zu besiegen, den Stand der Handels¬ leute und den der Gelehrten zu entzweien suchten... In diesem Sinn werde ich nun für die jungen Leute die Adresse abfassen. Dienstag, den 27. Dezember. Dreimal lese ich Ihren Brief. Aber wie kann ich auf Alles antworten? Ein Frauenzimmer frägt mehr, als hundert Männer beantworten können. Von Schlegels Epigrammen habe ich einige vor¬ lesen hören, keine gegen Arndt, aber welche gegen Menzel. Ganz erbärmlich. Der Geck ist jetzt hier. Solche Leute schickt seit der Revolution die preußische Regierung eine Menge hierher. Aber statt zu spio¬ niren, welches ihre Sendung ist, werden sie spionirt. Die französische Regierung erspart dadurch Geld, Spione in Berlin zu besolden. Bequemer und bes¬ ser kann man es nicht haben. Schlegel wohnt, aus alter Freundschaft von der Sta ë l her, bei deren Schwiegersohn, dem Herzog von Broglie, und wird dort, wie man mir erzählt, zum Besten gehabt, und en bas behandelt. Die Damen hier und eine große Zahl von Künstlern haben sich vereinigt, Handarbeiten, kleine Kunstwerke zu verfertigen, und sie zum Vortheile der Polen auszuspielen. Die Gegenstände der Lotterie werden bis zur Ziehung in einem Saale öffentlich ausgestellt. Der Zettel kostet zwei und einen halben Frank. Wie gewöhnlich bei solchen Unternehmungen, stehen die Namen der Frauenzimmer in der Zeitung, bei welchen die Loose zu haben sind. Frau von *** ist diesesmal nicht dabei. Es ist keine legitime Barm¬ herzigkeit, und Revolutionärs verhungern zu sehen, thut auch einem sanften weiblichen Herzen wohl. Die schöne Dame in ihrem Boudoir denkt, wie es einer zärtlichen Gattin ziemt, an den Mann auf dem Bü¬ reau, und begreift, daß an einer Anleihe für Könige mehr zu verdienen sey, als an einer für den Himmel. Siebzehnter Brief. Paris, Freitag, den 30. Dezember 1831. Ihre Frage wegen der Simonisten möchte ich Ihnen gern klar und genau beantworten; aber ich weiß nicht viel davon. Da ich mich nicht schämte, unwissend hierin zu bleiben, will ich mich auch nicht schämen, meine Unwissenheit zu gestehen. Sie ist um so weniger zu entschuldigen, da mir bekannt, daß der Simonismus eine der wichtigsten Erscheinungen, ja noch mehr ist: der Inbegriff von vielen wichtigen Erscheinungen dieser Zeit. Das schwebte vor mir in der Luft und genauer untersuchte ich es nicht. Es ist nicht zu ändern. Hier in Paris braucht man nur einen halben Magen; denn der gefällige Koch¬ topf übernimmt die Hälfte der Verdauung. Hier in Paris braucht man gar kein Herz; denn da alle öffentliche Gedanken in öffentliche Empfindungen über¬ gegangen, ist das Klima davon warm geworden und man braucht die Brust nicht einzuheitzen. Aber tau¬ send Beine braucht man hier, um nach allen Merk¬ würdigen zu gehen, tausend Augen und Ohren, alles Merkwürdige zu sehen und zu hören, und tausend Köpfe, um alles aufzufassen, sich anzueignen und zu verarbeiten. Die Simonisten halten jeden Sonntag öffent¬ liche Vorlesungen, in welchen sie ihre Lehren zusam¬ menstellen und erläutern. Ich habe aber diesen Pre¬ digten nie beigewohnt. Man muß zwei Stunden vorher da seyn, um Platz zu finden, und so viele Zeit mochte ich nicht darauf verwenden. Aus gleichem Grunde war ich auch noch nie in einer Kammersitzung, bei den Verhandlungen der Assisen, noch in einer der öffentlichen Versammlungen, die hier fast jede Woche gehalten werden. Das bürgerliche Leben, das in seinem ganzen Umfange und in allen seine Stockwer¬ ken öffentlich geworden, hat die Architektur hinter sich gelassen, die monarchisch und aristokratisch geblieben. Es giebt in Paris kein öffentliches Gebäude, das selbst für das bescheidenste Bedürfniß einer Volksver¬ sammlung Raum genug hätte. Es ist lächerlich, wie wenige öffentliche Sitze in der Deputirtenkammer sind. Die Regierungen, wenn sie die Freiheit mit keinen moralischen Schranken mehr umziehen dürfen, engen sie wenigstens so viel und so lang als möglich mit Steinmauern ein. Der Saal, den die Simonisten haben, der ist nun besonders klein und ich glaube, daß sie ihn aus Schelmerei so gewählt, damit die Zu¬ hörer um so begieriger herbeiströmen. Wo die Pa¬ riser keinen Platz finden, da eilen sie am liebsten hin, besonders die Frauenzimmer; es ist ihre Wonne, ge¬ stoßen und gedrückt zu werden. Was mich bis jetzt von einer nähern Bekannt¬ schaft, nicht mit den Grundsätzen, sondern mit den Lehren der Simonisten, abgehalten, ist die monarchi¬ sche Verfassung ihrer Kirche. Sie haben einen Papst; vor solchem kreuze ich mich, wie vor dem Satan. Sie haben eine Autorität; die fürchte ich noch mehr, als den Räuber im finsten Walde. Ich lasse mich von keiner Wahrheit gern einschränken; ich trinke, wie der goldgelockte Felix im Wilhelm Meister, am liebsten aus der Flasche. Wenn ein Pabst mir sagt: zwei mal zwei ist vier — glaube ich es ihm nicht, und habe ich es früher gewußt, fange ich an, daran zu zweifeln. Zwar weiß ich recht gut, daß keine neue Kirche der monarchischen Leitung entbehren kann; das Christenthum selbst blieb schwach, ward verfolgt und geschlagen, so lange es republikanisch war, und wurde erst stark, siegend und erobernd, als es einen höchsten Bischof an seine Spitze stellte. Jedem Staate ist die monarchische Gewalt in seiner Kindheit die Laufbank, in seinem Greisenalter eine Krücke; Freiheit gehört dem Jüng¬ lingsalter und den männlichen Jahren. Aber, ob ich auch das begreife, verabscheue ich doch die Monar¬ chie für jedes Verhältniß und für jede Zeit. Ein junger Staat soll lieber auf allen Vieren kriechen und etwas später gehen lernen, soll lieber, sobald er das Greisenalter erreicht, sich freiwillig den Tod geben, als gemächliche und schnellere Entwickelung seiner Glieder, als einige Jahre Frist jämmerlichen Daseins mit der Freiheit bezahlen. Wie einem die Regierung oft alle bürgerliche Gesellschaft, das System die schönste Philosophie verleiden kann; so verleidet ei¬ nem die Kirche jeden Glauben. Muß ich selig seyn im Paradiese, dann will ich lieber in der Hölle lei¬ den. Es liegt gar nicht so viel daran, daß eine neue Wahrheit sich schnell und weit umher verbreite; sie wird leicht an Würde verlieren, was sie an Macht, im Werthe verlieren, was sie im Preise gewinnt. Sie fragen mich: ob die Simonisten etwa das reine Christenthum herzustellen suchen? Ich glaube es. Aber was heißt reines Christenthum ? Es giebt nur eine reine Quelle des wahren Glau¬ bens, und aus dieser fließen die mannigfaltigen Ströme der Religionen, die nach und nach den Schlamm der Ufer abspülen, und sich mit Allem be¬ sudeln, was die schmutzigen Menschen hineingeworfen. Die Simonisten mögen wohl in Frankreich seyn, was die Carbonari in Italien sind. Was diese wol¬ len, weiß ich zwar auch nicht klar; doch daß sie einen edlen Zweck haben, daß sie suchen Licht in das dunkle Lügengebäude des Papstthums zu bringen, und die Zwingburgen der Gewalt niederzureißen: das erfahre ich von der unbeschreiblichen Wuth, mit welcher die geistliche und weltliche Macht in Italien den Carbo¬ narismus verfolgt. Der hier erscheinende Globe ist das Apostel- Blatt der Simonisten; eine Art hausirende Bibel, die alle Tage den wahren Glauben frisch und warm in die Häuser bringt. Doch ich kann keine Milch vertragen und lese darum das Blatt nicht. Von den drei stereotypen Lehren, die der Globe als Motto's täglich hinter seinem Titel hat, kann ich nur die erste annehmen; die zweite ist mir zu trivial; die dritte finde ich falsch, und eine vierte; mir die erste, mangelt gänzlich. Erste Grundlehre . Les in¬ stitutions sociales doivent avoir pour but l'amé¬ lioration du sort moral, physique et intellectuel de la classe la plus nombreuse et la plus pauvre. Daß die bürgerliche Gesellschaft nur für die Mehrzahl, nur für die ärmeren Classen zu sor¬ gen habe, diesem Grundsatze kann man dann erst beitreten, nachdem man stillschweigend angenommen, daß die Minderzahl der Geist- und Güterbegabten, daß jene Glücklichen, für welche schon die Natur ge¬ sorgt, den Schutz und den Beistand der bürgerlichen Gesetze entbehren können. Dann aber bleibt in jenem Grundsatze die reinste, heiligste und unverletzlichste Vorschrift, wie der Sittlichkeit, so der Religion übrig. Weil sie rein ist, wird sie von allen besudelt; weil sie heilig ist, wird sie verspottet; weil unverletzlich, täglich übertreten. Doch ich mag nicht davon sprechen. Wer nur etwas gelebt hat und nur einen Tag nicht sich allein, der konnte wahrnehmen, wie man überall und zu allen Zeiten das niedre Volk als unorgani¬ sches Produkt betrachtet, als Erde, Steine, Sand, Wasser — von Gott, dem Hofarchitekten der Vor¬ nehmen und Reichen, herbeigeschafft, diesen das Le¬ ben wohnlich und angenehm zu machen. Aber der Tag wird kommen, wo der zum Himmel gestiegene Thränendunst aller der Millionen Unglücklichen als Sündfluth niederstürzen, und die Reichen mit allen ihren aufgesparten Gütern bedrohen wird, und dann werden Schrecken und zu späte Reue die hohle Brust der Hartherzigen ausfüllen, und sie werden das Er¬ barmen, dessen Rufe sie nie gefolgt, selbst anrufen. Zweite Grundlehre . Tous les privilèges de la naissauce, sans exception, seront abolis . Werden hier die alterthümlichen bekannten Privilegien gemeint, wie die des Adels, der Pairs, oder sonst eines bevorrechteten Standes, so ist das eine so ent¬ schiedene Wahrheit, ein so fest gegründetes Recht, das man durch ein schadenfrohes Erwähnen derselben IV. 2 nicht die Anmaßung des Widerspruchs herausfordern sollte. Nicht die Vernunft ist auf der Seite der Gleichheit, sondern auf der Seite der Ungleichheit ist der Wahnsinn. Aber der Vernunft ziemt es nicht, dem Wahnsinn entgegen zu treten, ihm den Weg zu versperren; sondern sie soll warten bis er herbei kömmt, bis er losbricht. Dann soll sie ihn bespre¬ chen, heilen, und wenn er sich unheilbar zeigt, ihn an die Kette legen und unschädlich machen. Jedes Wort, noch ferner gegen den Adel gesprochen, ist ein Schwertstreich dem Schlachtfelde entzogen; die Zeit des Redens ist vorüber. Dritte Grundlehre . A chacun selon sa ca¬ pacité, à chaque capacité selon ses oeuvres. Eine heillose Irrlehre! Die Wahrheit ist ganz auf der entge¬ gengesetzten Seite. Jemehr Verdienst , je weni¬ ger Lohn ; das ist die Regel der Vernunft. Verdienst ist die reine Vorausbezahlung, welche die Natur sol¬ chen Menschen leistet, denen sie vertraut, und der, dem sie geworden, hat keinen weitern Lohn zu for¬ dern. Bezahlung werde dem Verdienstlosen, der nichts von der Natur geerbt. „ Jeder Capacität nach ihren Werken ,“ ist auch falsch. Was der Mensch ist , bestimmt seinen Werth, und also seinen Preiß, nicht das, was er thut . Ist das, was er thut sei¬ ner Natur gemäß, ist es blos Lebensäußerung, Selbst¬ erhaltungstrieb, und er hat dafür keinen Lohn zu for¬ dern; ist es seiner Natur zuwieder, kann es nichts Gutes seyn. Diese Irrlehre der Simonisten ent¬ springt aus einer andern, zu welcher sie sich beken¬ nen, der von einer Gütergemeinschaft , — eine Lehre der verderblichsten Art, weil sie den Menschen nicht allein in der bürgerlichen Gesellschaft, sondern auch in seinen reinmenschlichen Verhältnissen zu Grunde richtet. Freiheit und Gleichheit bestehen darin, daß jeder einzelne Mensch in seiner Lebens¬ sphäre, sey nun dieser Kreis so eng gezogen als man wolle, Despot seyn darf; nicht aber darin, daß man alle diese Persönlichkeiten zerstört, und dar¬ aus einen allgemeinen Menschenteig knetet, den man Staat, Kirche, Gemeinde, Volk nennt. Wenn die Lebensgüter gemeinschaftlich sind, wenn das Recht sich Alles nehmen darf, was bleibt dann noch dem schö¬ nen Vertrauen zu fordern, was der Liebe zu geben übrig? Man wirft den Simonisten vor — ob der Vorwurf gegründet, weiß ich nicht — sie wollten die Ehe aufheben. Es fällt mir schwer, das zu glauben. Manche Religionen, mancher politische Bund, haben im Verlaufe späterer Entartung sittenverderbliche Grundsätze angenommen; aber eine neue Religion, eine neue Gemeinde, wurden nie auf Sittenlosigkeit gegründet. Doch einen andern Grundsatz sprechen die Simonisten deutlich aus: den der Emancipa¬ tion der Weiber . Wollen sie damit täuschen, 2* oder täuschen sie sich selbst — ich weiß es nicht. Vielleicht heucheln sie diesen Grundsatz, um die Frauen für ihre Sekte zu gewinnen. Ist es ihnen aber Ernst, dann sind sie in einem Wahne befangen, der nur darum nicht verderblich ist, weil er nie zur Wirklichkeit werden kann. Bei einer flüchtigen Be¬ trachtung scheint es zwar Gewinn, wenn das weib¬ liche Geschlecht emancipirt würde, wenn es gleiche sittliche, gleiche politische Rechte mit den Männern erhielte; der Kreis der Menschheit, scheint es, würde dadurch erweitert werden. Aber es ist Täuschung. Selbstständigkeit des Weibes würde nicht allein die Bestimmung des weiblichen, sondern auch die des männlichen Geschlechts vereiteln. Nicht das Weib, nicht der Mann allein drücken die menschliche Natur aus; nur Mann und Frau vereinigt bilden den voll¬ kommenen Menschen. Nur in der Ehe, nur im Fa¬ milienleben wird der Zweck der Menschheit erreicht. Achtzehnter Brief. Paris, Mittwoch, den 4. Januar 1832. Wie können Sie nur glauben, ich wünschte darum nicht, daß meine Briefe in das Französische übersetzt würden, weil ich fürchte, der Regierung zu misfallen? Wie sollte ich simpler Bürgersmann die Anmaßung haben, mich zu fürchten ? Das ist jetzt ein Prärogativ der Krone, ein Regal der Fürsten. Ich wäre eine Art Falschmünzer, wenn ich mich mit Fürchten beschäftigte; das könnte mich den Kopf ko¬ sten. Es wäre mir darum unlieb, hier übersetzt zu werden, weil mir Angst ist, die Arbeit, von irgend einem ökonomischen Buchhändler aus Gewinnsucht veranstaltet, möchte in die wohlfeilen Hände eines Taglöhners fallen, und ich verunstaltet werden. Mein kleiner weicher Geist ist leicht außer Form gebracht. Wenn aber ein Mann, wie der Professor Willms in Straßburg, der Bruchstücke aus meinen ältern Schriften in der Revüe Germanique so vortreff¬ lich übersetzt hat, auch die Briefe französisch heraus geben wollte, würde ich mich sehr darüber freuen. — Wäre Herr von Raumer darum aus der preußischen Censurbande getreten, um die Schande, Mitglied derselben gewesen zu seyn, abzuwaschen — auch dann würde ihm das nicht zur Ehre gereichen; denn sein Ruf stünde immer nur auf dem Gefrier¬ punkte der Tadellosigkeit. Aber nein, nicht aus Buße, nicht um der beleidigten Menschheit Abbitte zu thun, hat er aufgehört Censor zu seyn; sondern aus gereizter Eitelkeit, weil er sich persönlich gekränkt fühlte, daß die Censur sein Werk über Polen anzu¬ zeigen verboten, that er den angstzitternden Schritt. Ich begreife es nicht, ich werde es niemals fassen, wie ein Mann, der sich nur ein wenig selbstachtet, der nicht schaamlos seine ganze Menschenwürde von sich geworfen, um nackt wie ein Thier im warmen Stalle zu lagern, dort seinen Bauch zu füttern oder bei gutem Wetter auf der Gunst der großen Glücks¬ pächter herum zu grasen — wie ein solcher Mann sich dazu verstehen kann, ein Censor, ein Henker zu werden — nein, schlimmer als ein Henker, denn dieser tödtet nur die schuldig Gerichteten — ein Meuchelmörder der Gedanken, der im Dunkeln lauert und trifft, der das Einzige, was göttlich ist am Menschen: die Freiheit des Geistes , zerstört, daß nichts an ihm übrig bleibe, als das blöde Vieh, das vor der Peitsche seiner Treiber hergeht, und kaut und wiederkaut, was ihm seine Herren in die Krippe geworfen! Und auch hier wieder wie immer, empört sich mein Herz gegen die Dummheit des Volks überall, das gar seine Macht und Uebermacht nicht kennt; das gar nicht ahnet, daß es nur zu wollen braucht, um jede verhaßte Tyrannei umzu¬ stoßen. Wenn unter den Tausenden in jeder Stadt, welche die Censur als einen schändlichen Uebermuth verabscheuen, als eine erbärmliche Feigheit verachten, sich nur zwanzig angesehene Familienhäupter zu dem Bunde vereinigten, jeden Censor als einen ehrlosen Menschen zu betrachten und zu behandeln, unter kei¬ nem Dache mit ihm zu wohnen, an keinem Tische mit ihm zu essen, seine Umgebungen nicht zu berüh¬ ren, ihn zu fliehen wie einen Verpesteten, ihn immer¬ fort mit Verachtung zu bestrafen, mit Spott zu necken — dann würde sich bald kein Mann von Ehre mehr finden, der Censor würde seyn wollen; ja selbst der Gefühllose, wenn er nur von einem ge¬ wissen Range ist, würde nicht den Muth haben, der öffentlichen Meinung zu trotzen, und die Regierungen würden genöthigt seyn, ihre Censur den Schinders¬ knechten anzuvertrauen, und der Anger vor dem Thore würde bedeckt werden mit Pferdeknochen, Schaafschädeln und confiscirten Büchern. Aber wie die Menschen zum Guten vereinigen? Das ist der Jammer. In jedem Lande, in jeder Stadt, in jeder Gemeinde, in jeder Regierung und in jeder Amts¬ stube giebt es edle Menschen genug; aber jeder glaubt, er sey allein gut gesinnt, und so fürchtend, Alle ge¬ gen sich zu haben, wagt es Keiner mit seiner Stimme hervorzutreten, und der Sieg bleibt den Schlechten die sich besser errathen, sich leichter finden. Das ists, was mir vor vielen Andern den Muth giebt, für Recht und Freiheit so laut das Wort zu führen: daß ich weiß, ich stehe nicht allein, daß ich weiß, es giebt Tausende, die so gut und besser sind als ich, die meinem Rufe folgen und sich mir anschließen. Wüßte ich das nicht, glaubte ich im selbstverliebten Dünkel allein zu stehen im Vaterlande, wahrlich, ich wäre nicht der Thor, einer dummen, feigen und un¬ dankbaren Menge meine Ruhe fruchtlos aufzuopfern, und ich schwiege und duldete wie die Andern alle. — Gleich nach Empfange Ihres Briefes schrieb ich nach Stuttgardt, und bestellte dort das Hofblatt, das die Donau- und Neckarzeitung gewaschen hat. Ich behalte mir vor, es zu bläuen und zu bügeln. Erwünschter konnte mir nichts kommen. Da finde ich den General-Stab und das Genie-Corps der Süddeutschen Ministerial-Armee auf einem Flecke beisammen. In Würtemberg bereitet man sich auf die schrecklich drohende unvermeidliche Landplage der Stände mit einer Bedächtigkeit vor, zu der in unsern Tagen die Cholera alle deutsche Regierungen gewöhnt hat. Die besten Aerzte gegen den Liberalismus, die um so besser sind, weil sie die Krankheit selbst über¬ standen, werden herbei gerufen und Rathe gezo¬ gen. Die Doktoren Münch , Pahl , Lindner , von Wangenheim werden am Ständelazarehte an¬ gestellt. Da die Regierung den Liberalismus nicht für contagiös hält, sondern miasmatisch, wird sie die Angestellten keiner strengen Absonderung unterwerfen, und sich darum dem Eintritte in die Kammer von liberalen Männern wie Uhland , Pfizer und Schott nicht allzuängstlich widersetzen. Um aber den üblen Folgen einer solchen Gemeinschaft zwischen Gesunden und Kranken zu begegnen, will die Regierung in einigen Punkten freiwillige Verbesserungen vor¬ schlagen, und hofft dadurch, „ der zweiten Kam¬ mer die Gelegenheit zu benehmen , sich auf Kosten der leitenden Staatsgewalt eine un¬ ruhige Popularität zu erwerben .“ Kurz es ist zum Todtlachen, und alle die komischen Präser¬ vative gegen die Cholera sind erhaben dagegen. Die allgemeine und die Stuttgardter Zeitung sind die zwei großen Rauchfässer, aus welchen in einem fort Chlor-Wolken sich erheben. Herr Münch ist der Lindenblüthen-Thee, dessen Heilsamkeit gegen Erkältung er im feuchten Holland oft erprobt; Herr Lindner ist die Kupfer-Platte auf dem Magen, ein Minimum von diplomatischem Gifte, das homöopatisch heilt; Herr von Wangenheim wird wohl reiben, und wenn nichts hilft, wird die Bundesversammlung den wür¬ temberger Ständen das Dampfbad bereiten. Die Cholera-Politik! Ich bekomme Leibschmerzen, wenn ich nur daran denke. Die Stuttgardter Hof- und Cholera-Zeitung gehört dem Herrn von Cotta, und das auch kömmt mir sehr gelegen. Mit dem Vater der allgemeinen Zeitung habe ich ohnedies ein ernstes Wort zu spre¬ chen. Seine unverschämte Tochter sprach neulich ein freches Wort gegen mich aus, und hätte ich etwas darauf erwiedern wollen, wäre es vom zärtlichen Vater zurück gewiesen worden, wie vor Kurzem Heine es erfahren. Nun aber werde ich nicht län¬ ger mehr der Thor seyn, aus prunkender Großmuth den Vortheil der allgemeinen Sache zu vernachlässi¬ gen, weil zufällig mein eigner damit verbunden ist. Dann brauchte ja jeder schlechte Schriftsteller, jeder feile Zeitungsschreiber mich nur zu beleidigen, um vor meinem Urtheile sicher zu seyn! Ich kenne die geheime Lebensgeschichte der allgemeinen Zeitung sehr genau, von den Jahren des französischen Direktori¬ ums bis zum Untergange Warschaus; und es hängt blos von mir ab, ihr den Namen der deutschen Phryne zu verschaffen. Die allgemeine Zeitung ist freilich ohne Vorliebe die gefällige Allgemeine für Alle, die bezahlen ; aber das Recht hat selten Geld und das Unrecht immer, und wenn das Recht ja einmal die Gunst der Allgemeinen bezahlen kann, ist die Schöne so schlau, ehe sie das Recht einläßt, das Unrecht durch die Hinterthüre zu entlassen, da¬ mit die beiden Nebenbuhler sich nie begegnen, sich messen, und die Schöne auffordern können, endlich einmal zwischen ihnen zu wählen. — Die Briefe von Cormenin habe ich noch nicht gelesen. Sind sie aber wirklich so herrlich, als Sie sie gefunden, dann werde ich, Ihrem Rathe folgend, sie übersetzen und mit deutschen Bemerkun¬ gen verzieren. Ich begehe jedes Staatsverbrechen, wozu Sie mich anreitzen, mit tausend Freuden. Kann mir denn etwas erwünschter seyn, als früher oder später auf der Frankfurter Hauptwache Ihre schöne und gute Gesellschaft zu genießen? Zwar hat diese freie Stadt Frankfurt keine Civil-Liste zu bezahlen, aber unsere Regierung muß ihr Contingent zu jeder Bundes-Tyrannei stellen, und der Senat würde meine Gotteslästerungen über die großen Königs-Magen so streng bestrafen, als ob er selbst ein König wäre. Ja wohl ist die Sache von der größten Wichtigkeit. Nicht darauf kömmt es an, ob man einem Fürsten für seine ungemeine Gefällig¬ keit zu regieren einige Millionen mehr oder weniger giebt — man gebe ihm so viel er braucht, so viel er wünscht, daß er zufrieden sey und uns zufrieden lasse; denn die üblen Launen eines Fürsten sind dem Lande verderblich, und zu allen Zeiten mußte das Volk sein Glück und seine Freiheit erkaufen. Son¬ dern das ist zu bedenken: jeder überflüssige Sold, den ein Volk seinem Fürsten giebt, den dieser nicht für sich und seine Familie verwenden kann, wird dazu gebraucht, einen Hof zu bilden und zu nähren, der als giftiger Nebel sich zwischen Fürst und Volk hinzieht, und eine traurige Thronfinsterniß hervor¬ bringt. Vielleicht ist es wahr, was die Fürstengläu¬ bigen behaupten: eine Krone sey etwas himmlisches, eine Art Sonne, die im reinsten Lichte strahle; aber woher wollen wir Bürger das wissen? Man zer¬ streue den Hofdunst, der jede Krone umgiebt, und dann werden wir sehen, was daran ist. Dann ist zu überlegen, daß man ganz falsch rechnet, wenn man blos die Millionen, die man einem Fürsten als Civilliste bewilligt, zählt. Diese Millonen sind nur das Saatkorn, das dreißigfachen Ertrag giebt; diese Civilliste ist nur die Waffe, womit ein Fürst sich Alles erbeutet von seinem Volke, wornach ihm gelü¬ stet. Ludwig XVIII . hatte fünf und dreißig Millio¬ nen; aber mit diesen fünf und dreißig Millionen holte er sich tausend andere, womit er sich und seine Creaturen für den durch die Emigration erlittenen Verlust entschädigte. Hätte er keine fünf und dreißig Millionen gehabt, sondern nicht mehr als er zu sei¬ nem Unterhalte bedurfte, hätte er die Kammer nicht bestechen können, und das heillose Gesetz der Emi¬ granten-Entschädigung wäre nicht angenommen wor¬ den. Louis Philipp, der Pflaster-König, hat zwölf Millionen jährlicher Einkünfte aus seinem Privatver¬ mögen, und doch verlangt er eine Civil-Liste von achtzehn Millionen. Die Einwohner der Stadt Bourgs haben der Kammer eine Bittschrift übersendet, worin sie darauf antragen, man möchte dem Könige nicht mehr als eine halbe Million geben. Das ist nach meiner Gesinnung eine halbe Million zu viel, ich würde ihm gar nichts geben. Wer die Ehre haben will, ein großes Volk zu regieren, der mag es sich etwas kosten lassen. Frankreich konnte unter sechs Millionen Bürgern einen König wählen; aber König Philipp konnte sich kein Volk wählen; die Völker sind selten. Die Kommission der Kammer war in ihren Ansichten getheilt. Vier Mitglieder derselben stimmten für vierzehn Millionen, die vier andern für zwölf und eine halbe, und das neunte Glied, eben Ihr verehrter Cormenin, stimmte für eine so kleine Summe, daß der ministerielle Bericht- Erstatter der Commission sich schämte, sie in der Kammer laut anzugeben. Dem Kronprinzen wurde überdies, daß ihm die Zeit nicht lange werde, bis er den Thron besteigt, eine Million bewilligt. Nichts empört mich mehr, als diese unverschämte Apanagi¬ rung der Erbprinzen überall. Mein Gott, wer giebt denn dem armen Volke Warte-Geld, wenn es auf den Tod eines bösen Fürsten ängstlich harrt? Aber die Höfe sorgen dafür, daß die Kronprinzen schon in ihrer frühesten Jugend an Verschwendung gewöhnt werden; sie fürchten: in den reifern Jahren der Thronbesteigung möchten sie vielleicht für das Laster nicht genug Empfänglichkeit mehr haben. Der jetzige König wird also vierzehn Millionen bekommen, eine Civilliste, die jedem Deutschen, der, wenn auch mit seinen Füßen, doch nie mit seinem Kopfe Deutschland verlassen, sehr winzig erscheinen muß. Und nach dieser Vergleichung ist sie es auch. Das Budget von Frankreich beträgt vierzehnhundert Millio¬ nen, die Civilliste mit vierzehn Millionen würde also den hundertsten Theil der Staatsausgaben betragen. Das Budget von Baiern beträgt sieben und zwanzig Millionen, und die Civilliste des Königs drei Millio¬ nen, also den neunten Theil des ganzen Staats¬ haushalts. Wenn der König von Frankreich im gleichem Verhältnisse, wie der König von Baiern ausgestattet wäre, würde seine Civilliste auf 155 Millionen steigen; und wenn der König von Baiern dem Könige von Frankreich gleich gesetzt würde, sänke sein Einkommen auf 270,000 Gulden herab. Und wäre das nicht genug? Die ungeheu¬ ren Summen, die der König von Baiern verschwen¬ det, seinen Wohnort zum neuen Athen zu machen, könnten erspart werden: München war die Stadt der Nachteule, schon ehe es Statüen und Gemählde besaß. Ist es nicht ein herzzerreißender Jammer, daß der arme Häusler im Spessart, der sich glück¬ lich schätzt, wenn ihm nur drei Tage in der Woche die Kartoffeln mangeln, den Schweiß seiner Hände versilbern muß, damit in einer sechzig Stunden ent¬ fernten Stadt, die er nie gesehen, wohin er nie kom¬ men wird, eine Klypthothek, eine Pinothek, ein Odeon — Dinge, deren Namen er nicht einmal kennt — die eitle Ruhmsucht eines Königs befriedige? Und dieser kunstliebende König, der Zögling des alten freien Griechenlands, der Nacheiferer eines Perikles, hat den Stellvertretern des baierischen Volks sagen lassen: Er würde sie auseinander treiben , wenn sie sich unterständen , ihm noch so wenig von seiner Civilliste zu streichen ! Und er hat später seiner Adelskammer kund gethan, er wolle sich mit drei Millionen begnügen ! und die Minister dieses Königs haben in öffentlicher Sitzung der Kammer zu verstehen gegeben: ihr Herr würde der Kammer manche Forderung bewilligen, wenn sie sich gegen die Civilliste billig zeigten! Sie — Königin der Unglücklichen, wenn diese sich je ihren Herrscher wählen dürften — haben Sie das auch wohl ver¬ standen? Der König von Baiern ließ seinem Volke sagen, er würde ihm dieses und jenes Recht gewäh¬ ren, diese und jene Freiheit bewilligen, die man doch unmöglich geschenkt verlangen könnte, wenn man sie ihm bezahlte — bezahlte ! Und was hat die Kammer geantwortet? und was hat die badische ge¬ gethan ? und .... doch davon später. Ich will war¬ ten, bis die von Cassel auch dazu kommt, noch eine kurze Zeit warten. Und dann? Nun dann werde ich trauern, daß ich Recht behalten. Ich werde nicht Triumph! Triumph! rufen, wie es der feurige Wel¬ ker schon vor dem Siege, ja schon vor dem Kampfe gethan! Nicht für meine Eitelkeit, für mein Vater¬ land habe ich die Stimme erhoben, und darum weh¬ klagt mein Herz über den Sieg, den mein Geist er¬ rungen..... Ich habe es vergessen: wir glücklichen Deut¬ schen haben einige und dreißig Fürsten, einige und dreißig Civillisten. Rechnen Sie, was das kostet, und athmen Sie dabei, wenn Sie können. Und Tau¬ sende wandern jährlich nach Amerika aus, wandern ge¬ dankenlos vorüber an einigen und dreißig duftenden Küchen, und schiffen sich ein, um in einem fremden Welttheile ihren Hunger zu stillen!.... Ich will noch einmal zur Civilliste des Königs von Frankreich zurückkehren, um Ihnen zu zeigen, wie Unrecht Sie hatten, als Sie mich so oft einen Verschwender ge¬ nannt Vergleichen Sie meinen Haushalt mit dem Louis Philipps, und Sie werden erfahren, wer von uns ökonomischer ist. Die Verschiedenheit der Ver¬ hältnisse mögen Sie immer dabei berücksichtigen. Freilich ist Louis Philipp König und ich bin keiner, und habe auch, wie die Mannheimer Zeitung meynt, wenig Hoffnung einer zu werden. Freilich hat König Philipp eine Frau und sieben Kinder, und ich bin, Gott sey Dank unverheirathet. Aber auf der an¬ dern Seite hat König Louis Philipp freie Woh¬ nung, und ich muß die meinige bezahlen; er hat freies Holz aus seinen Wäldern; er hat eine Frau, die ihm die Wirthschaft führt, und ich muß Alles selbst besorgen und werde geprellt. Also das gleicht sich aus. jetzt stellen Sie unsere Bedürfnisse nebeneinander. Die meinigen sind Ihnen bekannt, ich brauche Ihnen also blos die des Königs mitzu¬ theilen, wie sie vor einiger Zeit bekannt gemacht wurden. Für Doktor und Apotheker jährlich 80,000 Fr. Ich bin viel krank das Jahr durch und weiß, was es kostet— nicht geheilt zu werden. Der Hofstaat des Königs soll aus tausend Personen bestehen (doch das ist viel zu viel). Nun wird ange¬ nommen, daß unter tausend Menschen einer das ganze Jahr durch krank ist. Ich will zugeben, daß die Hofkrankheiten immer von der gefährlichsten Art IV . 3 seyen, die täglich zwei ärztliche Visiten erfordern. Jede Visite zu 10 Fr. gerechnet, also tägtich 20 Fr., macht das jährlich 7,900 Fr. Arztlohn. Täglich für 2 Fr. Medizin, beträgt jährlich 730 Fr., also Arzt und Apotheker zusammen kosten jährlich 8,630 Fr., woher nun 80,000? Das ist Verschwendung. — Livr é e-Bediente , 200,000 Fr., zu viel. Be¬ soldete Tagediebe von Rang , 650,000 Fr., unerhört! Küche 780,000 Fr., davon werde ich in meinem künftigen Werke: von den Königs-Ma¬ gen weitläufiger sprechen. Keller 180,000: die Flasche zu 5 Fr. gerechnet, käme auf das Jahr 36,000 Flaschen, und auf den Tag 100. Können Mann und Frau und Schwester und sieben Kinder, meistens Frauenzimmer, täglich 100 Flaschen Wein trinken? Und denken Sie nicht etwa, daß darunter der Gebrauch für fremde Tischgäste mitbegriffen sey, denn die Ausgabe für diese werden unter dem Arti¬ kel Feten besonders mit 400,000 Fr. berechnet. — Für 300 Pferde jährlich 900,000 Fr.; also jedes Pferd 3,000 Fr. Ein Pariser Blatt bemerkte: Tausende in Paris würden sich glücklich schätzen, wenn sie zu ihrem Lager das Stroh jener Pferde hätten. Und erinnern Sie sich noch des herrlichen Marstalles in Hannover, des dortigen Museums, das alle Reisende, alle neugierigen Damen besuchen? Einige hundert Pferde zum Gebrauche eines Königs, der seit hundert Jahren nicht in Hannover residirte, werden dort gefüttert mit dem Brode, getränkt mit dem Schweiße der unglücklichen Unterthanen, damit die Majestät des Thrones auch in Abwesenheit des Königs sichtbar werde. Und wenn es kalt ist in Hannover, aber recht kalt, so daß die Thränen der Unglücklichen zu Eis werden, dann — wird in der Nacht Stroh gestreut auf dem Steinboden des Mar¬ stalles, quer über die durchlaufende trübe Gosse ge¬ legt, und die armen Leute, die kein Holz haben und kein Bett und keine Suppe haben, ihre erfrornen Glieder zu wärmen, dürfen dahin kommen und dort schlafen zwischen den königlichen Pferden bis der Tag graut. Es ist keine Verschwendung, wie man sie oft den Höfen vorwirft; o nein. Das Stroh kann man den andern Tag für die Pferde gebrauchen, und den Stellvertretern der königlichen Majestät ist der warme Dunst so vieler Menschen ohnedies gedeihlich. Gott, Gott! nein, Teufel! Teufel! Da wir doch keine Heiden mehr seyn dürfen, welche die mensch¬ lichen Götter anriefen! Weiter. Für Heitzung 250,000 Fr. Da¬ mit könnte man ganz Sibirien wärmen, und das Holz wäre dort besser verwendet, damit unsere armen Polen nicht erfrieren. Uebrigens steht die ganze Ausgabe betrügerisch da, da der König sein Holz aus seinen Domainen-Waldungen zieht, und es also nicht 3 * zu bezahlen braucht. — Beleuchtung 370,000 Fr., und trotz den vielen Kerzen lebt König Philipp wie jeder König, immer im Dunkeln! Wäsche 160,000 Fr. Rechnen Sie mir aus, wie das möglich ist. Mu¬ sik , Theater , 300,000 Fr. Reisen eine Mil¬ lion; Geschenke , 160,000 Fr. Ein Fürst hat gut schenken! Und alle diese Ausgaben zusammen nennt man an den Höfen : die kleinen Vergnü¬ gungen der Fürsten, les menus plaisirs . Was kosten ihnen nicht erst ihre großen Freuden , Kriege, Eroberungen, Mätressen, Leibgarden, Günst¬ linge, Bestechungen, geheime Polizei! Und fragen Sie vielleicht, aber im Ernste, wie sind solche große unmögliche Bedürfnisse nachzuweisen? ist die Ant¬ wort: höchstens der vierte Theil dieser Summe wird zu angegebnem Gebrauche verwendet; drei Viertheile werden gestohlen, kommen in die Hände einiger be¬ günstigten Lieferanten, die den Vortheil mit dem Hof¬ minister theilen. Aber nicht der König, das Volk wird betrogen, welches die Civilliste bezahlen muß. Neulich las ich einige merkwürdige Beispiele von Hof-Gaunereien. Die Kaiserin Katharina von Rußland, welche ihren Haushalt selbst übersah, fand einmal in der Rechnung 28,000 Fr. für Talglichter angesetzt. Diese große Summe fiel ihr um so mehr auf, da sie den strengsten Befehl gegeben hatte, daß an ihrem Hofe kein Talglicht gebrannt werden sollte. Sie stellte Untersuchungen an, und da fand sich, daß der junge Prinz, nachmaliger Kaiser Alexander, sich ein Talglicht hatte kommen lassen, um damit seine aufgesprungene Lippe zu bestreichen. Der Lakai, der das Licht kaufte, stellte vier Pfund in Rechnung, der Vorgesetzte über ihn machte eine Summe von 300 Fr. daraus, und so von Diener zu Diener hinaufsteigend, schwoll die Summe immer höher an, bis endlich der Oberhof-Intendant die runde Summe von 28,000 Fr. zu Papier brachte. Ludwig XVIII . hat berechnet, daß ihm jedes frische Ei, das er verzehre, auf 30 Fr. zu stehen komme Es ist wahr, die Hof¬ diebe treiben ihr Handwerk mit großer Genialität, und ich selbst, wenn ich Richter wäre, würde mich bedenken, solche große Künstler an den Galgen zu bringen. Solche Geschichten wären sehr spashaft, sehr unterhaltend, wenn nur das Volk den theuern Spaß nicht bezahlen müßte. Donnerstag, den 5. Januar. Gestern war in diesem Winter der erste Abend bei ***. Das ganze Perpetuum Mobile der Kammer war da; Odillon-Barrot, Pag è s, Clauzel, Lamarque, Mauguin, und wie sie sonst alle heißen. Auch die Generale Romarino und Langermann, Lele¬ well und noch viel andere confiscirte Polen. Wenn man denn Lelewell sieht und hört, sollte man es ihm nicht zutrauen, daß er den Geist und Muth hätte, vor einer Revolution herzugehen. Er sieht so zer¬ quetscht aus, spricht so matt und gebrochen, hat ein so furchtbares Organ, daß man ihn für einen deut¬ schen Stubengelehrten halten sollte. Doch vielleicht hat ihn das Unglück seines Vaterlandes niedergewor¬ fen; vielleicht auch (und das ist das Wahrscheinlichste, ist er bedenklich, an öffentlichen Orten frei zu spre¬ chen. Denn ein anderer Pole klagte mir, es wäre ein Jammer und eine Schande, wie viele Spione es unter ihnen in Paris gäbe. Unter den anwesen¬ den Deutschen war auch Börne , der Verfasser „der berüchtigten Briefe aus Paris,“ wie sie die berühmte allgemeine Zeitung nur allzugelinde nennt. Er mußte mich wohl für einen Franzosen gehalten haben; denn er unterhielt sich mit einem Deutschen über Dinge, die gewiß keiner hören sollte, und es hinderte ihn gar nicht, daß ich ganz nah dabei stand. Und so habe ich denn gehört, wie dieser Freiheitsheld, dieser Demagog, dieser Fürstenknacker, zu dem andern sagte: er verspräche, wenn er ihm ein Pfund Rauch¬ tabak und ein halbes Pfund Schnupftabak aus Deutsch¬ land verschaffte, dafür seinen Fürsten, so viel und so lange er wolle, öffentlich zu loben. Und für einen so heillosen Menschen, der für anderthalb Pfund Ta¬ bak sein Gewissen verkauft, können Sie eingenom¬ men seyn? Der Deutsche, dem er dieses Anerbieten machte, war Herr von *** aus ***. Es herrschte eine besonders große Bewegung in der Gesellschaft. Die Herren waren noch ganz heiß von der Kammersitzung, in der an diesem Tage ein heftiger Aufruhr statt fand, weil Montalivet die Franzosen Unterthanen des Königs genannt. Sie werden das in der Zeitung gelesen haben. *** ließ die seitdem bekannt gewordene Protestation in der Gesellschaft circuliren, welche die anwesenden Depu¬ tirten unterschrieben. Um Mitternacht rief mich *** in ein abgelegenes Cabinet, wo ich ***, den Gene¬ ral *** und *** an einem Tische mit Schreiben beschäftigt fand. Die deutschen Angelegenheiten kamen da zur Sprache. Was dort verhandelt worden, wage ich nicht dem Papiere anzuvertrauen, und es in un¬ sere Sprache zu übersetzen, habe ich heute keine Zeit. Doch eine wichtige Aeußerung des Generals *** muß ich Ihnen mittheilen. ( P . 414. T . 4. Mo¬ nat 18.) „Soli Branz, Resseo pariam vorum „catibis, press ar littotas massica plissos, voris¬ „silo caruss ab itanis. Os? pervens politan. „Ciro! navira canti babus sirneos romarinos; „vertel. Cassus iran poplita poplites, varina „faessionibus. Venamos pur? valemi naro inoi¬ „tamentamus. Pasti? marmorum quesitan. Cass „ab, papiron gash.“ Ich fragte ***, welche Garantie man den Deutschen gäbe? Darauf brach er in ein lautes und boshaftes Lachen aus, und sprach: Ihr seyd ein Volk und verlangt Garantie? Ich schämte mich meiner Uebereilung und um meine Ver¬ legenheit zu verbergen, erzählte ich ihm eine bekannte deutsche Anekdote. Kaiser Joseph errichtete zwei Regimenter von lauter Juden. Als diese einmal in Friedenszeiten Nachts durch einen Wald marschiren sollten, baten sie den General, er möchte ihnen Be¬ deckung mitgeben, weil, wie das Gerücht ging, Räu¬ ber den Wald unsicher machten. Praxas kuhu, praxas kuhu — sagte ich noch. Mündlich das Nähere. — Heute schickte mir der hiesigen Gesandte der freien Städte ein Protokoll der frankfurter Poli¬ zei mit, das ihm für mich zugeschickt worden war. Ich habe es aber auch gar zu gut und bequem in dieser Welt, über die alle Menschen klagen, und mein Hotel des menus-plaisirs ist viel reicher ver¬ sorgt, wie das des Königs. Wie glücklich war ich, als ich den guten alten Kanzlei-Styl wieder sah! Ich drückte ihn an mein Herz, ich küßte ihn. Ein Ruf zu einem Staatsamte in Form eines Steckbrie¬ fes abgefaßt! Das Protokoll ist geschrieben „in Gegenwart Sr. Hochwohlgeboren des wohlregierenden jüngern Herrn Bürgermeisters Herrn Senatoris Dris Miltenberg; S. T. Herrn Senatoris Dris Beh¬ rends; S. T. Hofs. des Raths, und meiner des Actuarii Münch.“ Herr , wird meinem Namen niemals vorgesetzt, sondern ich heiße immer der Dr. Ludwig Baruch modo Boerne. Das Herr, das sie mir gestohlen, schenkten sie dem jüngern Bür¬ germeister, so daß dieser zweimal Herr vor seinem Namen hat. Er hätte es nicht annehmen sollen. Heißt das wohl regieren? Ich mußte in Gegen¬ wart meiner , des Dris Ludwig Baruch modo Boerne , herzlich lachen über das Polizei-Protokoll. Es hat 57 Zeilen und nur ein einziges Punktum. Es fängt an: „als vorkam, daß des zufolge,“ und endet: „zu sistiren habe.“ Hat man je eine Schrift gelesen, die anfängt: als vorkam , daß des zu¬ folge ? Konnte da je etwas Gutes daraus werden? In der Mitte des Protokolls heißt es: Nach dem Reichs-Deputations-Schluß von 1803, müsse ich als Pensionir ein Amt annehmen, und nach meiner Vorstellung an den Senat von 19. Juli 1815, wollte ich eines annehmen. Da ich nun zugleich müßte und wollte, sollte ich mich sistiren , um der frankfurter Polizei in ihrer großen Verlegenheit auszuhelfen; denn sie könnte ohne mich länger nicht mehr fertig werden. Ich schicke morgen dem Dr . Reinganum das Protokoll, und bei dem können Sie es lesen. Bringen Sie aber einige Punkte hin¬ ein, es könnte sonst ihrer Brust schaden. Sieben und funfzig Zeilen und ein Punktum ! Es ist gräulich , wie Eduard Meier in Hamburg sagt; und, was zu arg ist , ist zu arg , wie er ebenfalls sagt; und, da muß einem die Geduld reißen , wie er nicht minder sagt. Sieben und funfzig Zeilen und ein Punktum! Das ist ja noch ärger wie Falstaffs Wirthshaus-Rechnung. Ein Penny für Brod, und dreißig Schilling für Sekt. O Herr Aktuarius Münch, warum haben Sie nichts von mir profitirt? Ich war drei Jahre Ihr College, und Sie hätten von mir lernen können, wie man Punkte setzt, Fallen stellt, Schlingen legt. Dem *** werde ich nicht schreiben, das habe ich mir schon früher vorgenommen. Glauben Sie doch ja nicht, daß mir solche Dinge Gemüthsbewe¬ gung machen. Unangenehme Berührungen von Men¬ schen weiß ich leicht zu heilen. So oft mir ein Narr oder ein Bösewicht vorkömmt, erhebe ich ihn zu einem Narrenkönig, oder zu einem Könige der Bösewichter. Dann sehe ich sein ganzes Volk hinter ihm, und mit der Menschheit darf man nicht rechten. Gott hat sie geschaffen, wie sie ist, und hat allein alles zu verantworten. *** ist mir ein solcher Narrenkönig. „ Ich kann dich nur beklagen “ — kömmt das nicht in einer Oper, ich glaube in der Zauberflöte vor? Nun, ich sage dem ***: Ich kann dich nur beklagen, eitler Narrenkönig! Den Cormenin, und was Sie sonst wünschen, werde ich Ihnen durch die erste Gelegenheit schicken, Drei Briefe sind erschienen, und jetzt in einer Bro¬ chüre vereinigt herausgekommen. Den dritten Brief habe ich gelesen. Es ist die Weisheit in Zahlen und ist die Thorheit in Zahlen. So, und nur so allein muß man die Menschen belehren; denn sie sind so dumm, daß sie nichts begreifen, was sie nicht zählen können. Sie sind gar zu dumm, die Menschen! Wenn sie nur einen einzigen Tag wollten, oder nur einen einzigen Tag nicht wollten, dann wäre wenig¬ stens allen Leiden ein Ende gemacht, die von den Menschen kommen, und blieben dann nur noch Ueber¬ schwemmungen, Erdbeben, Krankheiten übrig, welche Plagen nicht viel bedeuten. Aber wollen ! Das ists. Nicht wollen ; das ists noch mehr. Kaiser Maximilian hatte einen Hofnarren, der sagte ihm einmal: Wenn wir nun Alle einmal nicht mehr wollen , was willst du dann thun ? Ich weiß nicht, was der Kaiser darauf geantwortet; aber der Narr, der schon vor länger als drei Jahrhun¬ derten einen solchen großen Gedanken haben konnte, mußte ein erhab'ner Geist gewesen seyn. Neunzehnter Brief. Paris, Montag, den 9. Januar 1832. Gestern war ein schönes Concert im italienischen Theater, wobei mir, wie gewöhnlich, das letzte Musik¬ stück am besten gefiel; denn ich bin immer froh, wenn ein Concert zu Ende ist. Es ist mit dem Kunstgenusse, wie mit dem sinnlichen: Ohr, Auge, die Seele habe einen Punkt der Sättigung, den, er¬ reicht, alles weitere nicht mehr mundet, noch gut be¬ kömmt. Die vielen und besonders verschiedenartigen musikalischen Gerichte, eines nach dem andern vorge¬ setzt, stumpfen die Empfänglichkeit ab, und richten das Urtheil ganz zu Grunde. Es ist eine abscheu¬ liche Ueppigkeit, die den Menschen endlich empfin¬ dungsarm macht. Dieses im Vorbeigehen; denn man soll jede Gelegenheit benutzen, einer Freundin etwas Philosophie in Verwahrung zu geben. Die Zeit kann kommen, daß man sie bei ihr braucht, und dann ist der überraschende Vorrath sehr angenehm. Meine Malibran hatte einen starken Husten und sang schlecht. Das verzieh ich ihr auf der Stelle. Aber sie trug ein Kleid von rothem Sam¬ met, das einen reifrockartigen Umfang hatte, und das konnte ich ihr anfänglich nicht verzeihen. Als aber darauf Herr von Berriot erschien, verzieh ich ihr das auch. Es ist das liebenswürdigste Gesicht, das mir je an einem Manne vorgekommen, Er ist bescheiden, sinnig, voll Geist und Gemüth. So ist auch sein körperlicher Anstand und so sein Spiel. Paganini's Humor hat er nicht, vielleicht auch nicht seine Tiefe; aber seine Höhe und eine Harmonie, die Paganini nicht hat. Grazie möchte ich in seinem Spiel nicht nennen, was ein besseres Wort verdiente; denn mit Grazie verbindet man doch immer die Vorstellung einer weiblichen Kraftlosigkeit; doch weiß ich nicht, wie ich es nennen soll. Was mir an Berriot am meisten gefiel, war seine Anspruchlosigkeit sowohl in seinem Vortrage, als in seiner Komposition. Ich habe an andern großen Komponisten und Virtuosen oft bemerkt, daß sie ihrer gelungensten Stellen sich selbst bewußt sind, und wenn sie an diese kommen, gleichsam zur Bewunderung herausfordern. Berriot bleibt sich immer gleich, giebt keinem Theile seines Spieles und seiner Komposition einen Vorzug vor dem andern, und fordert keinen für ihn. Kurz, Berriot ist ein Nebenbuhler, der meiner würdig ist, und da Madame Malibran das Unglück hat, mich gar nicht zu kennen, konnte sie keine bessere Wahl teffern . Schon seit zehn Jahren komme ich nach Paris, und erst vor vierzehn Tagen habe ich die berühmte Mars zum erstenmal spielen sehen. Aber das Sie ja meine Ungeschicklichkeiten keinem verrathen! Ich hätte Ihnen früher über jenen Abend geschrieben, aber ich wußte nicht, was ich Ihnen sagen sollte, und ich weiß es heute noch nicht was ich davon den¬ ken soll. Die Sache ist: ich habe alle Uebung im Kunsturtheile verloren. In frühern Jahren war ich, wie mich mehrere dramatische Dichter und Schau¬ spieler, deren Stücke und deren Spiel ich gelobt, versichert haben, ein sehr guter Theaterkritiker; aber seitdem hat das unverschämt prosaische Europa mich aus aller Aesthetik geworfen. Ich glaube , daß die Mars die größte Künstlerin ist, als welche sie den Ruhm hat; aber ich weiß es noch nicht. Doch weiß ich auch nichts im geringsten, was diesen Glau¬ ben schwankend machen könnte. So viel merkte ich wohl, daß sie in den gewöhnlichen Momenten des Spiels sehr ökonomisch ist mit ihren Mitteln, und man darum, den Reichthum ihrer Kunst zu beurthei¬ len, erst jene Feierlichkeiten des Herzens abwarten soll, in welchem sich Glanz und Aufwand zeigen muß. Zu solchen Feierlichkeiten boten aber die beide Stücke, in welchen sie auftrat, keinen Anlaß. Es waren: l'Ecole des Vieillards von Delavigne, und les faus¬ ses confidences von Marivaux. Mir behagen die neuen Lustspiele nicht, auch nicht die Bessern. Die alten guten Komödien gaben uns Federzeichnungen, geistreiche Umrisse von Charakteren, die Leser, Zu¬ hörer, und Schauspieler ausmalten Das beschäftigte den Geist, und gab der Kunst Beschäftigung. Die neuen Komödiendichter aber, ohne Geist und ohne Erfindung wie sie sind, zeigen ihre Kunst nur in den Farben, und darum bleibt dem Schauspieler nichts weiter übrig, als ein Stück, das ihm nichts zu er¬ gänzen gelassen, zu kopiren. Das Drama Delavig¬ nes ist solcher modernen Art, und selbst eine Mars konnte die Feinheit ihrer Rolle nicht noch feiner aus¬ spinnen, und wer daher, wie ich das Stück gelesen und gut verstanden, erfuhr nichts Neues von ihr. In dem alten Lustspiele les fausses confidences , fand ich die Mars zu modern. Was allen männli¬ chen Rollen in dem Stücke gelang, ihren Empfindun¬ gen etwas Perückenartiges zu geben, mußte einem schönthuenden Frauenzimmer mislingen. Thut denn die Mars schön? — werden Sie mich vielleicht mit Verwunderung fragen? Doch vergessen Sie nicht, daß es zehn Jahre sind, daß Sie sie gesehen, und zehn Jahre sind ein Jahrhundert im Leben eines Frauenzimmers. Ich will es bekennen, daß die Mars mir nicht gefiel, weil sie alt ist. Zu meinem Unglücke saß ich ihr ganz nahe, und glaubte über¬ dies meinem boshaften Vergrößerungs-Glase, das selbst eine Hebe verläumdet. O die Runzeln, diese Särge ohne Deckel! Und das graudämmernde Lä¬ cheln, das mit dem letzten Strahle der untergegan¬ genen Schönheit gemischt ist! Lächeln aber ist die ganze Kunst einer Schauspielerin in diesen moderen Komödien, wo Tugend und Laster, Treue und Ver¬ rath, Liebe und Haß, Kraft und Mattigkeit, zu dem bequemen und leicht verdaulichen Ragout, das man gesellschaftliches Leben nennt, zusammengelächelt sind. Die Schauspielerin, die nicht mehr gut lächeln kann, soll die Medea spielen, die Clytemnestra — oder die Antigone, aber nicht die junge Frau eines alten Mannes, in diesem reconvalescirenden noch schwachen Jahrhunderte. Ach die Weiber, welchen höchstens der Spiegel sagt, daß sie alt geworden, aber nie das Herz! Und wenn nun die müden alten Züge des Gesichts der Empfindung nicht mehr nachkommen können — es ist gar zu traurig. Ich hätte der alten Mars gern die Jugend und Schönheit meiner acht¬ zehnjährigen Geliebten auf den Abend geliehen, und hätte mit einer zahnlosen Braut den ganzen Abend gekos't; so gerührt war ich. Die abscheulichen Run¬ IV . 4 zeln! Ich könnte darüber weinen, wenn ich nicht lachen müßte, daß ich ein Mann geworden. Und wenn ich den Spiegel küßte, ich sehe keine Runzeln in meinem Gesichte. Und doch sind sie da; aber wir Männer haben keine Augen dafür. Ja die Weiber haben keinen bessern Freund als mich, und einen der seltensten Art; einen Freund in der Noth und nur in der Noth, nicht im Glücke. An euern Freuden will ich nicht Theil haben, ich habe keinen Sinn da¬ für; aber euere Leiden von verrathener Liebe bis zum Schmerze eines besiegten Hutes: sie sind mir alle heilig. Die Mars hatte wegen Krankheit seit einem Jahre nicht spielen können, und da sie nun zum Erstenmale wieder auftrat, wurde sie mit lebhaftem, aber doch nicht mit jenem stürmischen Beifalle emp¬ fangen, welcher im Anfange des Winters der Mali¬ bran zu Theil ward, als sie von einer Kunstreise von einigen Monaten, die sie in Gesellschaft des Herrn von Berriot gemacht, zurückkehrte. Jugend und Schönheit haben Kredit, die alte Mars mußte den Beifall mit ihrem Spiele baar vorauszahlen. Nicht wegen, aber trotz der Mars hätte ich mich diesen Komödien-Abend sehr gelangweilt, hätte nicht Monrose mitgespielt in Marivauxs Stücke. Mon¬ rose ist ein unvergleichlicher Schauspieler für alle spitzbübische Bedienten, welche in neuerer Zeit, durch die Konkurrenz ihrer Herren, ganz zu Grunde gerich¬ tet worden. Die Schelmerei ist so wenig schändlich mehr, daß man die vertrauten Bedienten nicht mehr braucht; denn man thut alles selbst, und öffentlich. Auch dadurch hat die neue Komödie viel verloren. Monrose ist ein herrliches antikes Kunstwerk. Der König war auch im Theater. Den vorigen Winter sah ich ihn in den Fourberies de Scapin — nicht den König, sondern Monrose — und erstaunte über sein Talent. Er wurde mit Beifalls-Aeußerungen empfangen — nicht Monrose, sondern der König — der Zorn über meine dicke Dinte hat mich ganz ver¬ wirrt gemacht, und ich weiß gar nicht, was ich schreibe — aber es waren einstudirte Choristen, das merkte man gleich. Von den Briefen eines Verstorbenen im Morgenblatte habe ich die, welche mich betreffen, aber nur flüchtig gelesen; die andern noch gar nicht. Ich werde sie mir zu verschaffen suchen, und dann auch darüber sprechen. Ich glaube, daß sie Ro¬ bert geschrieben. Der unglückliche Robert, der an den Ufern der Oos trauert, daß in den Stürmen der Julirevolution seine nicht assekurirten 4 * Vaudevilles untergegangen! Dort sinnt und sinnt er, wie zu machen, daß von ihm gesprochen werde. Dem Manne kann geholfen wer¬ den , — sage ich, wie Karl Moor in den Räubern. Zwanzigster Brief. Paris, Mittwoch, den 11. Januar 1832. Gestern war ich wieder bei dem monatlichen encyclopädischen Diner. Die Gesellschaft war gut, das Essen schlecht. Es compensirt sich alles; bei den Aristokraten speißt man besser. Ich habe mich viel mit Polen unterhalten, mit den Generalen Lan¬ german und Uminski. Letzterer war erfreut, mich kennen zu lernen; er hatte in Strasburg meine Briefe gelesen. Mehreren Anwesenden wurde ich vorgestellt als ein Allemand très destingué . Bei Tische wieder die gewöhnlichen Toasts auf alle Völ¬ ker des Erdenrundes und die Deutschen zuletzt, wie immer. Jullien hat eine halbe Stunde sehr schön gesprochen. Der Trink-Refrain à l'union des peuples kettete Volk an Volk, und nahm sich in der Wiederholung recht musikalisch aus. Und wäre es auch blos eine Komödie — ist nicht die Bühne eine Beglaubigung des Lebens? Von den Mitgliedern der letzten polnischen Revolutions-Regierung waren auch zwei auwesend , der Minister der auswärtigen Angelegenheiten, und der der Finanzen. Der Letz¬ tere war sehr freundlich gegen mich, und wird mich besuchen. *** war poetisch und hat ihm erzählt: jedes Wort in meinen Briefen wäre ein Thräne, den Polen geweint. Und das geschah vor dem Essen, da er noch nicht getrunken! Die Thränen machten Eindruck auf einen Finanz-Minister; ist das nicht merkwürdig? Bei dem Toaste auf die Deutschen, wurde des Herrn Bo-erne des Allemand distingué und seiner Lettres de Paris gedacht. Zum Glücke für uns Deutsche haben auch mehrere andere Natio¬ nen auf die Gesundheit nicht geantwortet, und man bemerkte unsere Blödigkeit nicht. Nach dem Toaste auf die Spanier wurde ein Gedicht l'Espagne et Torrijos , à Ferdinand VII. von Barthelemy gelesen. Barthelemy und Mery geben seit einem Jahre eine politische Wochenschrift in Versen unter dem Namen Némésis heraus. Der schändliche Mord des Torrijos und fünfzig seiner Unglücksgefähr¬ ten, die kürzlich in Malaga erschossen wurden, gab Stoff zu erwähntem Gedichte. Da Sie es in Frankfurt sicher nicht haben, will ich Ihnen diejeni¬ gen Stellen mittheilen, die von der Versammlung mit stürmischem Beifalle aufgenommen wurden. Voilà ce roi chrétien, que sa mère appellait Ferdinand coeur de tigre et tête de Mulet: C'est le type incarné de l'absolu pouvoir. — D'un clergé despote orguellieux mannequin, Je pare le gibet d'un cordon Franciscain, L'Espagne est pour l'Europe une place de Grève. Chose horrible! on dirait que depuis neuf années, Comme sur des gradins, assise aux Pyrenées, L'Europe, par plaisir, contemple avec effroi La liberté qui meurt sous les griffes d'un roi. Et nous, pour admirer ce long mortyrologe , Nous nous sommes placés dans la première loge — Et nous, nous peuple fier qui, sous le grand drapeau, Chassons les rois mauvais comme un lâche troupeau, Nous qui pouvons si bien leur tendre une main forte, Nous souffrons qu'on les pende au seuil de notre porte, Et les pieds convulsifs de ceux qui sont mourir Sont comme les marteaux qui nous disent d'ouvrir! Et quel est donc le Dieu, le Baal espagnol, Pour qui fume ce sang repandu sur le sol? Quel est l'homme assez fort pour que dans ses domaines On recrute pour lui des victimes humaines? Eh bien! connaissez donc le monarque puissant Qui reçoit en tribut l'holocauste de sang. C'est un Bourbon qui suit de ses aeux la trace Imbécille héritier d'une stupide race; Un roi caputchonné qui dans une oraison Mêle un verset d'église avec la pendaison; Comme Charles son père, en hurlant il dévore Les boeufs amoncelés qui palpitent encore. Les Bourbons sont des rois mangeurs. On sait quelle énorme consommation de viandes, faisait en Angléterre Louis-le-désiré. Charles IV. a surpassé par sa voracité tous les rois de sa race. Nous l'avons vu à Marseille et nous avons même assisté à ses repas; au moment où l'on apportait les filets de boeuf saignant, il s'agitait avec con¬ vulsion sur son fauteuil et poussait des rugisse¬ mens ranques comme ceux du tigre. Son fils Ferdinand n'a pas dégénéré; il conserve encore ce royal appétit. Signe de son instinct, il a sous un front chauve Le cerveau déprimé, comme une bête fauve. Roi fangeux, que le ciel pétrit dans sa colère Voilà pourtant celui que l'Europe tolère! Triste peuple, cadavre empoisonné d'ulcères La vermine du cloître a rongé ses viscères. Dans les jours solennels, courbé sur son chemin L'ambassadeur Français va lui baiser la main; Tr!!! par son envoyé, quand cet affront la touche, La France avec horreur doit essuyer la bouche; La main de l’Egorgeur! la main de Ferdinand! II n'est rien de plus vil dans tout le continent! Oh! des peuples souffrans la justice est tardive Elle a le pied boiteux, mais enfin elle arrive; Le peuple est patient car il est éternel, Nos pleures ont coulé sur le sang fraternel! Je ne peux pas juger le roi par contumace, La France contre Lui doit se lever en masse; Cette fois nous avons le droit d'intervenir, Oui, quand un criminel si grand est à punir; Quand son nom fait bouillir la haine universelle, Il faut le reclamer du sol qui le recèle; Si cet infame roi, fuyant de son palais, Court chercher un asile au Gibraltar anglais, II faudra, par pudeur, qu'on nous le restitue, Car il faut voir la fin d'un règne de forfaits; Les peuples de l'Espagne, une fois satisfaits Epouvantant les rois d'un juste régicide Suspendront son cadavre aux colonnes d'Alcide. Freitag, den 13. Januar. Wie war ich mit Ihrem gestrigen Briefe über¬ rascht, ehe ich ihn geöffnet! Aber als ich ihn las, mußte ich heulen wie ein Kind, das sich ein Loch in den Kopf gefallen. Schreiben Sie mir keine solchen Briefe mehr; man kann nicht Mann genug seyn in dieser kriegerischen Zeit ... Wollen Sie sich denn Ihre Aengstlichkeit niemals abgewöhnen? Habe ich Ihnen nicht erst kürzlich erklärt, wie es jetzt ein Majestäts-Verbrechen geworden, sich zu fürchten, weil es ein Eingriff in die Rechte der Krone ist? — Die englischen Blätter lese ich nicht; ich kann also nicht sagen, ob Uebersetzungen meiner Briefe darin angekündigt, oder überhaupt davon gesprochen worden. Aber hier in Paris erscheinen zwei Uebersetzungen. Die eine ist im Courrier von gestern angezeigt. Le¬ sen Sie selbst was dabei gesagt ist. Welcher Buch¬ händler die andere herausgiebt weiß ich nicht. Im Literaturblatte , (der Beilage zum Morgenblatte vom 19. Dezember 1831) sagt Menzel bei Gele¬ genheit einer Beurtheilung über Wilhelm Müllers Schriften etwas über mich, das Sie erfreuen wird. Lesen Sie es ja. Er vergleicht die Verfolgungen, die ich jetzt von den Philistern zu ertragen habe, mit denen, welchen Lord Byron ausgesetzt war, und wie wir beide aus gleichem Grunde verkannt werden. Ich bin dem Menzel für seinen guten Willen und seine schmeichelhafte Zusammenstellung sehr großen Dank schuldig; aber die Vergleichung muß ich zu¬ rückweisen, ich habe sie weder verdient noch verschul¬ det. So zerrissenen Herzens bin ich nicht wie By¬ ron. So wie er habe ich nie an der Menschheit verzweifelt. Sie ist mir klar und darum ist sie mir schuldlos. Gott ist in ihr, der Teufel nur in ihren Quälern. Und gegen diesen sich nicht blos zu be¬ kreuzigen, sondern ihm mit Wort und Schwert ent¬ gegen zu treten; denn er hat ein Ohr, das man schrecken, Fleisch und Bein, das man treffen kann — dazu muntere ich die Schläfrigen auf, dazu mache ich die Abergläubigen beherzt. Auch an Deutschland verzweifle ich nicht, wie Menzel glaubt. Man schilt keinen Bettler wegen seines Geizes, den Reichen schilt man. Ein Volk ist ein einziges Kind. Auch mit Liebe im Herzen muß man es schelten; schelten über jeden Fehler, und wenn der Fehler auch der Dorn einer Tugend wäre. Es ist nicht meine Schuld, es ist mein Verdienst, wenn ich ein besserer Pädagog bin, als es mancher Andere ist. Es giebt nachtwan¬ delnde Völker: aber die Nacht eines Volkes ist lang, sehr lang, sie zählt Tage und Jahre und Jahrhun¬ derte und besser, daß man solch ein nachtwandelndes Volk anrufe, und könnte auch geschehen, daß es den Hals darüber bräche, als es so fort dämmern zu las¬ sen, in schwankender Mitte zwischen Thier und Pflanze, in schwankender Mitte zwischen Schlaf und Tod. Samstag, den 14. Januar. Nachfolgendes Gedicht von Berenger zirkulirt in der Handschrift. Dem guten Manne mag es in St. Pelagie nicht gefallen haben, und darum läßt er es wohl nicht drucken. La Paix. J'aime la paix, je hais la guerre, La guerre ne va qu'aux héros; Et moi par goût, par caractère Je cherche avant tout le repos. Les seuls conseils de la prudence Doivent me régler désormais. Pour moi d'abord et pour la France Je veux la paix. Grace a mes flatteurs, je l'avoue, J'ai de la gloire à bon marché Et de maint exploit on me loue Ou mon courage a trébuche Aussi de Valmy, de Jemapes Pour ne point gâter les hauts faits Gardons bien qu'on re m'y rattrape, Je veux la paix De l'empire on veut les frontières, On veut l'agrandir, et pourquoi? Mon dieu! la France de nos pères Est déja trop grand pour moi. Si quelque voisin le propose De grand coeur ici je permets Qu'on en rogne encore quelque chose; Je veux la paix. Un conquérant dans sa manie Fit une France exprès pour lui, Aussi vaste que son génie. Il en faut une autre aujourd'hui. Formons loin des champs de bataille Sans jaloux, sans peine, sans frais, Un petit royaume à ma taille. Je veux la paix. D'un oeil sec j'ai vu la Belgique Briser le sceptre de Nassau, Je vois la Pologne héroique Lutter au bord de son tombeau; L'Italie en vain nous appelle, Tranquille au fond de mon palais Qu'autour de moi le sang ruisselle; Je veux la paix. Oui je redoute les alarmes, J'abhorre le bruit du canon, Et je vous ai donné pour armes Non pas un coq, mais un chapon. Ma couronne est mieux affermie Et même . . . . . . . . . . . Je veux la paix. Viele Verse im heutigen Briefe. C'est pour former le coeur et l'esprit aux jeunes Alle¬ mands . Der Schatten an der Oos schrieb in das Morgenblatt: „ich hätte die „Briefe eines Verstorbe¬ nen“ (das Buch) benutzt .“ Sollte er wohl damit meinen, daß ich den leichten Briefstyl nachzuahmen gesucht? Nun, ist es nicht geschehen, so kann ich es noch thun. Adieu, ma bonne amie, je dévore un oeuf . Sur ce, n'ayant plus rien à dire — Salut , fraternite, ou la mort . Ach! ich plumper Bürgersmann kann die Freiheit keine zwei Zeilen lang ertragen. Gott zum Gruß, und wann kömmt mein Kanaster? Ein und zwanzigster Brief. Paris, Sonntag den 15. Januar 1832. O, es ist himmlisch! Ich hatte vermicelle, cotelettes de veau aigre-doux , épinards — nein, in allen Dingen die Wahrheit; ich hatte keine épi¬ nards , sondern choucroûte garnie ; mögen mich die Diplomaten immerhin verachten — und poulet au cresson . Ich war in reiner kalter Luft lange spa¬ zieren gegangen und hatte einen herrlichen Hunger mit nach Hause gebracht. Und als ich mit dem Es¬ sen fertig war, blieb noch ein kleiner Hunger übrig, und es that mir leid, daß ich nicht auch omelette soufflée bestellt hatte. Da schickte Freund D. ... ein Zeitungsblatt mit Empfehlung, die allgemeine Zeitung von Stuttgart und darin fand ich: Rap¬ sodien , veranlaßt durch Herr Börne's Briefe , von Pittschaft . Da hatte ich meine omelette soufflée ! Es ist nicht der Philosoph Pitt¬ schaft, der im Tollhause sitzt; denn er sitzt nicht mehr im Tollhause, weil er sich erhängt hat. Es ist des¬ sen Bruder, der Medizinalrath Pittschaft in Baden an der Oos. Hätte ich nur meinen Himmel mit Ihnen theilen können; die andere Hälfte ist noch groß genug. Mein Tischchen schwankte unter der Last des aufgehäuften Deserts; mein Salzfaß ward süß davon. Zuerst: Während der Jahre, die ich in Halle bei Reil wohnte, erschien das bekannte Buch dieses großen Arztes: Rapsodien über die psy¬ chische Behandlung der Wahnsinnigen . Lange vor und nach Erscheinung dieses Werkes, das seinem Verfasser besonders lieb war, hörte ich alle Tage von Rapsodien sprechen, so daß seitdem und bis heute, so oft ich das Wort Rapsodien lese oder höre, ich gleich an verrückte Menschen denke. Ferner: Ich dachte, wie viel zweckmäßiger es wäre, wenn statt meiner Herr Pittschaft sich am Frankfurter Polizeiamte anstellen ließe, weil dann Polizei-Amt und Medizi¬ nalrath sich wechselseitig ihren Styl verbessern könn¬ ten. Von dem Polizei-Protokoll neulich habe ich, wie Sie aus meinem Briefe mit Kummer ersehen haben werden, das Asthma bekommen, wegen gänz¬ lichen Mangels an Punkten, und an den Rapsodien des Herrn Pittschaft wäre ich beinahe erstickt, wegen des Ueberflusses an Punkten. Nein, so ein pünkt¬ licher Mann ist mir noch gar nicht vorgekommen. IV . 5 Nur folgende kurze Stelle: „Es kann dem Kenner¬ „auge nicht entgehen, daß der Teufel sich nur durch „seine Klugheit hält. Der Teufel selbst verstellt sich „in einen Engel des Lichts. So sagt der Apostel. „Dem Schlechten stehen viel mehr Waffen zu Gebote, „als dem Edlen. Dieser muß zur Erreichung seines „Zweckes sich selbst einsetzen. Jener setzt Andere ein. „Jede Geburt hat ihre Wochen. Wenn nur das „Kind beim Leben bleibt und zu einem großen kräf¬ „tigen Manne heranwächst. Unsere Zeit leidet an „einem ungebührlichen Heishunger. Macht sie es „doch wie Saturn und verzehrt die eignen Kinder. „Wenn sie nicht mäßiger wird, wird sie sich den „Magen überladen,“ Sancho Pansa hat nicht mehr Sprichwörter und nicht mehr Punkte; und so geht es in einem fort. Dann fand ich so schön, daß Pitt¬ schaft und der Schatten Robert Beide in Baden woh¬ nen, und ich konnte mir so herrlich ausmalen, wie der Medizinalrath, der im Winter keine Kranke hat, und Robert der in keiner Jahreszeit Leser hat, sich gegenseitig in diesen langen Ferien mit einem Kran¬ ken und einem Leser ausgeholfen, und wie sie beide auf dem Berge und auf dem Sopha einander gegen¬ über saßen, und Robert dem Medizinalrathe seine verstorbenen Briefe vorgelesen, und dabei vor und nach jedem Komma einen prüfenden Blick auf ihn ge¬ worfen, um zu untersuchen, ob er nicht außer sich gekommen; und wie der Medizinalrath wirklich außer sich gekommen vor Ungeduld, und nach Hause ge¬ gangen, seine Rapsodien gegen mich geschrieben, den andern Tag wiedergekommen, und sie aus Rache dem Robert auch vorgelesen — ist das nicht Alles schön vom Anfange bis zum Ende, mit Ausnahme der Punktarmuth im langen Satze, welcher erst die Hälfte seines Wegs zurückgelegt, die ich aber vor¬ setzlich mildthätig aufgenommen, um mich auf das Polizei-Amt würdig vorzubereiten, und dann den Medizinalrath, seine Vollpünktlichkeit nämlich, damit homöopatisch zu heilen, und ihn dabei an das zu er¬ innern, was Horaz sagt in seiner Poeten-Kunst: omne tulit punctum qui miscuit utile dulci , welches auf Deutsch heißt für Frauenzimmer: Punkte sind nützlich und angenehm, doch nicht zu viel und nicht zu wenig? Und fragen Sie mich nicht, was das Fragezeichen bedeute am Ende des Satzes, ich habe es vergessen; und fragen Sie mich gar nichts, bis ich mich ausgeruht, .... Jetzt fragen Sie, aber nicht was Herr Pittschaft eigentlich will? denn ich weiß es nicht. Er sagt: Ich wäre eine Leuchte , und ein Prophet , und ein brennender Busch , und ein Repräsentant der sieben fetten Kühe , (Ach, hätten alle Volksvertreter nur solche fette Committenten, dann brauchte man gar keine reprä¬ sentative Verfassungen!) und ein Dornbusch . Und 5* ich wäre darum ein Dornbusch, weil ich haben wollte daß etwas von den Andern daran hängen bliebe. Freilich bin ich ein Dornbusch, und von den Flocken, die an mir hängen geblieben, könnte ich mir einen weiten Schaafpelz machen lassen. Aber wer hieß den Medizinalrath mir so nahe kommen? Und wenn etwas von ihm hängen geblieben, ist das meine Schuld? Der Dornbusch steht, die Heerde geht; sie kann ausweichen. Ferner wäre ich der Engel mit dem Schwerte und ein Würgeengel . Dann spricht er von Schuhen und vom Schuhputzen. Er¬ stens sagt er: ich verlangte, die Deutschen sollten ihre Schuhe vor mir ausziehen, und zweitens sagt er: Ich sähe Deutschland für eine Kratzbürste an, und putzte meine Schuhe daran ab. Jedermann weiß, daß ich nie Schuhe trage. Sie sehen, Pitt¬ schaft ist ein Demagog, er will das Volk aufklären, er schreibt für Stiefelputzer. Wie oft habe ich Ih¬ nen zu Baden gesagt: dieser Ort ist ein wahres Carbonaro-Nest; aber Sie wollten mir es nicht glau¬ ben. Was macht Robert dort? Warum kehrt er nicht zum Königstädtischen Theater zurück? Warum ist er kein unschuldiger Waldfrevler geblieben? Warum ist er der Macht der Verhältnisse untreu geworden; und liebäugelt jetzt mit allen deutschen Mächten? Warum hat er seine schmerzstillenden Didaskalien unterbrochen? Zehen aufrührerische Völker hätte man dabei beruhigen können. Diebitsch hätte sie ins Polnische übersetzen lassen, und hätte dann Warschau im Schlafe überrumpelt. Noch einmal: was hat Robert in Baden zu thun? Thöricht, das zu fragen. Wer hat die Badener Bürger aufgehetzt, bei der Ständeversammlung eine Bittschrift um Preßfreiheit einzureichen? Wer hat diese Bittschrift verfaßt? Das hat der Nehmliche gethan, der auch die Ber¬ liner Briefe in den Messager geschickt. O, ich habe das gleich verstanden! Ich durchschaute Den und Jenen und Manchen und gar Viele. Ich ließ mich nicht von ihren ehrlichen Gesichtern irre führen; es täuschte mich nicht, daß sie sich für Polizei-Spione ausgaben; ich erkannte sie auf der Stelle als geheime Carbo¬ nari. Und jetzt schreibt Robert gegen mich; aber ich bedanke mich dafür; ich will nicht seine Maske sein, ich mag nicht sein Gesicht berühren. Und Pitt¬ schaft gesellt sich ihm bei; der undankbare Medizi¬ nalrath! Undank! Undank! Wenn er den Deutschen sagt: „ Ihr habt immer den Saft zu dem Punsche hergeben müssen , womit sich An¬ dere gütlich gethan “ — von wem hat er das gelernt? Er rede! Wer gab ihm den Muth, Deutschland zu warnen für Rußlands Joche? Er rede! Wer gab ihm den Muth, schon im Sommer für die Contagiosität der Cholera zu schreiben, und der preußischen Regierung zu trotzen? Er rede. Und was nützt ihm die Heuchelei. Seine russische Praxis ist ihm auf immer verlohren, denn er hat Rußland gelästert. Seine französische Praxis ist ihm auch verlohren, denn er hat Frankreich ge¬ lästert. Seine preußische Praxis ist ihm auch verlohren, denn er hat Preußen für ansteckend erklärt; und was ihm von deutschen Bundeskrankhei¬ ten noch übrig bleibt, wird ihm zur Strafe entzogen werden, weil er, ein badischer Unterthan, ein Staats¬ diener, ein Medizinalrath, sich erlaubt hat, von Po¬ litik zu sprechen, ehe er zweitausend Gulden Cau¬ tion geleistet hat. Darum werfe er sich ganz in meine Arme; er hat sich mir verschrieben, mein ist er und mir gehört er zu. Es wäre nicht dazu ge¬ kommen, wenn ihn Robert nicht verführt. Daß Beide mich getadelt, kann ich ihnen ver¬ zeihen; aber daß sie mich gelobt, das verzeihe ich ihnen nie. Sie rühmen meine Unbestechlichkeit. Pitt¬ schaft sagt: Er wolle nicht glauben, daß die Heraus¬ gabe der Briefe eine Geldspekulation gewesen, und Robert verbürgt sich, daß ich nicht feil bin. Wer wird eine solche Bürgschaft verschmähen? Auch danke ich schön für die gute Meinung. Aber das Lob der Unbestechlichkeit muß man keinem Freunde öffentlich geben; das ist ein Tadel für Tausende, erweckt den Neid und ruft nur den Widerspruch her¬ vor. Nun werden meine Gegner sagen: Er ist wohl feil; (ich thue es, um zu zeigen, daß ich selbst einen Affen nachäffen kann,) aber wohlfeil ist er nicht. Er würde sich nie so geringe schätzen, in den Hundstagen jedes Jahres um zwanzig Friedrichsd'or seine Ehre zu vermiethen.... Der unglückselige Robert! Eine Welt hätte er setzen sollen zwischen sich und mir, und jetzt, das Glück verschmähend, daß ich ihn vergesse, sucht er mich auf, und zwingt mich, seiner zu gedenken. Was gab ihm den kecken Muth, mich herauszufordern? Ist es etwa, daß ich ein Herz habe, und seine eigne Brust nichts zu durch¬ bohren darbietet? Ist es, daß er seine Brieftasche, seine polnischen Loose gut verschlossen weiß, und daß ich sie nicht durchlöchern kann und seine Seele nicht berühren? Das der Unglückselige es wagt, den tief¬ begrabnen Schmerz aus meiner Brust heraufzuwüh¬ len; daß jener Würmer einer, die von Polens Leiche schmaußen, über meinen Weg zu kriechen wagt! Wenn ich der Polen gedenke, und des Sommers und Badens, und wie oft ich dort aus dem Lesezimmer in das nahe Gebüsch wankte, meinen Schmerz oder mein Entücken auszuweinen; und wie ich mit krampf¬ bewegtem Herzen der Stunde entgegensah, welche die Zeitung brachte; — und wenn ich nun endlich das Blatt in meiner zitternden Hand hielt und es nicht zu lesen wagte; nicht zu erfahren wagte das Ur¬ theil jener furchtbaren, namenlosen Macht, die größer als das All, höher als der Himmel, älter als die Ewigkeit; den Richterspruch: ob es einen Gott giebt oder nicht — und kam dann jener Robert, riß mir das Blatt aus der Hand, bat, „ um Got¬ teswillen nur eine Minute ,“ wendete das Blatt herum, sah unten nach dem Courszettel; War¬ schau war gefallen, und die polnischen Loose waren gestiegen, und ein Höllenschein verklärte sein silber¬ graues Gesicht — — wenn Wünsche Dolche wären, er lebte nicht mehr! Und jetzt wagt es solch ein vermaledeiter Goldanbeter, der die Blätter der Ge¬ schichte ungelesen und verächtlich überschlägt, um am Ende vor dem Courszettel niederzufallen und ihn an¬ zubeten; der seinen Blick von dem schönen Gesichte der Zeit, so voll erhabnen Lächlens, schöner Trauer und blinkender Thränen, abwendet, um sie herum¬ gehet und ihren ...... küßt — ein solcher Mensch wagt es, ungerufen vor mir zu erscheinen und zu sagen: Da bin ich! Montag, den 16. Januar. In der nämlichen Stuttgarter Zeitung, in wel¬ cher Herr Pittschaft sein Herz erleichtert, standen auch kurz vorher zwei Briefe, welche Herr Wurm , der Redakteur der Börsenhalle, einer der verlornen Vorposten der feindlichen Armee, und Herr Mebold , Redakteur der Stuttgarter Zeitung, wegen meiner gewechselt. Herr Mebold hatte früher etwas zu meiner Vertheidigung gegen Herrn Wurm, seinen al¬ ten Freund und Dutzbruder, in seinem Blatte ge¬ schrieben. Herr Wurm beklagt sich darüber und frägt seinen alten Freund: wie er ihn nur verkennen möge, ihn einen freisinnigen Mann, einen Patrioten, der „ gegenwärtig an einem Kommentar über Preßgesetzgebung nach englischen und ame¬ rikanischen Grundsätzen arbeitet ?“ Ist das nicht wieder recht schön deutsch; während die Frei¬ heit sich auf dem Schlachtfelde verblutet, statt sie zu verbinden und zu rächen, an einer Chirurgie nach englischen und amerikanischen Grundsätzen zu schrei¬ ben? Auch Herr Dr. Schott in Stuttgart, ein sehr achtungswürdiger freisinniger Mann, Chef der dortigen liberalen Parthei, schrieb seinem Freunde Wurm einen Brief, den ich Ihnen mittheilen will. „Mein lieber Freund! da Sie in dem Schreiben an „unsern Freund Mebold meiner mit Namen und zu¬ „gleich des Umstands erwähnen, daß Sie mir die „Kritik über Börne zugesendet, so glaube ich, Börne, „den ich persönlich kenne und dessen Talent ich be¬ „wundere, die Erklärung schuldig zu seyn, daß ich, „für meine Person, Ihre Kritik seiner Briefe nicht „billigen kann. Wie ist denn Aristophanes mit den „Atheniensern und mit Sokrates, dem edelsten aller „Menschen umgegangen? Und was hat Swift „dem englischen Volk und seinen Machthabern nicht „geboten? Dessenungeachtet sind und werden sie die „Bewunderung aller Zeiten bleiben. Beide, wenn „sie lebten, würden Börne als ebenbürtig anerkennen. „Sein ausgezeichnetes Talent darf da nicht mit der „moralischen, und noch weniger mit der politischen „Elle gemessen werden. Das deutsche Vaterland „sollte es sich vielmehr zur Ehre rechnen, daß an „seinem literarischen Himmel ein solcher Stern der „Satyre und des Humors aufgegangen ist. Bei „dieser Ueberzeugung konnte ich für meine Person „dieses Blatt Ihrer Zeitschrift nicht als Probeblatt „auf dem Museum auflegen.“ Es kömmt mir spaßhaft vor, daß man in Deutsch¬ land schon einige Monate lang von meinen Briefen spricht und schreibt; daß ich fast so berühmt ge¬ worden, wie die Sontag. Und dabei gebrauchen alle mine Gegner den Polizeipfiff, zu sagen: es ver¬ lohne sich gar nicht der Mühe, des Buches zu er¬ wähnen. Auch Robert gebraucht ihn. Er sagt: die Briefe wären zu platt, für Deutschland verführerisch zu seyn; das Buch wäre gar nicht der Rede werth. Aber warum spricht er davon? Warum reden die Andern davon? Das ist leicht zu erklären. Bei stürmischem Wetter setzen sich die Mücken auf den Rücken des Wanderers, um wärmer, schneller, und sicherer fortzukommen. Ich mag deren Tausende auf dem Rücken haben, aber ich spüre es gar nicht. Zwei und zwanzigster Brief. Paris, Donnerstag, den 19. Januar 1832. Lassen Sie die Leute immerhin sprechen von meiner Heftigkeit, die nicht nütze, die nur schade; das sind alles Worte ohne Sinn, wären sie auch noch so gut gemeint. Wer nützt? Wer schadet? Die See geht hoch, der Wind ist gut und Gott sitzt am Steuer. Ich armer Schiffsjunge schwanke oben im Mastkorbe und rufe: Klippe und Sandbank und feindliche Segel und Land herab. Als wenn ich mit dem Rücken gelehnt stünde an der Mauer der Welt, und nur so vor mir mich zu bewegen brauchte, wie und wohin ich wollte! Ich habe keine Freiheit hinter mir, und darum keine vor mir. Ich treibe, weil ich werde getrieben, ich reize, weil ich werde gereizt. Der Wind ist heftig, der mich schüttelt; ist das meine Heftigkeit? Habe ich den Wind ge¬ macht? Kann ich ihn schweigen heißen? Giebt es Menschen ohne Brust, die nicht zu athmen brauchen — gut für sie; aber sie mögen nicht rechten mit mir; ich brauche die Lebensluft der Freiheit, um fortzudauern. Und wenn sie wieder einmal von ei¬ nem meiner guten Freunde sagen hören: er dauert mich, er darf es gar nicht wieder wagen, nach Deutsch¬ land zu kommen, er würde in jeder Gesellschaft, an jedem öffentlichen Orte beschimpft werden — so mis¬ trauen Sie dem Herzen oder dem Kopfe dieses gu¬ ten Freundes. Er ist entweder Einer jener Gossen, welche die Verläumdungen der Polizei weiter schwem¬ men, oder ist ein matscher Schwamm, der jedes, worin man ihn getaucht, gedankenlos aufnimmt und es bei der Berührung behaglich wieder abtröpfelt. Wir haben das gleich vom Anfange bemerkt und ver¬ standen, wie jene, die ich in das Herz getroffen, das Volk gegen mich aufzuwiegeln suchen. Alle Hunde, die ihren Hof bewachen, haben sie von der Kette los¬ gelassen; alle hungrigen Zeitungschreiber mußten ein Geschrei erheben, ehe man ihnen die Schüssel füllte, und dieses Gebell und dieses Geschrei sollen das Conzert der öffentlichen Meinung bilden! Seyen Sie nur ruhig, wie ich es auch bin; ich bin ganz der Mann, solche Gauklerkünste zu vereiteln. Die Ari¬ stokraten möchten den Streit aus ihrem Gebiete ent¬ fernen, denn sie wissen recht gut, daß er sie gilt und nicht das Volk; aber wir kennen das und spotten ihrer vergebenen List. Das Vaterland herabwürdi¬ gen! Deutsches Volk beschimpfen! Hätte ich wirk¬ lich gethan, was sie durch ihre Ausrufer mich be¬ schuldigen lassen — die Hände küßten sie mir dafür! Vaterland, Volk, Ehre, Schande, das sind den Ari¬ stokraten nur mythologische Geschöpfe, und sie hätten mich glücklichen Jäger bewundert, dem solche Fabel¬ thiere einmal wirklich in den Schuß gekommen, und der sie getroffen und dann abgethan. Ihr Vater¬ land ist der Hof; ihre Ehre ist in der Unterwürfig¬ keit des Volks; ihre Schande in dessen Freiheit, und das Volk ist nichts, ein Stuhl, ein Tisch, ein Ofen, das man weder schänden noch ehren kann. Vor solchen Menschen soll ich mich fürchten? Sie, ohne Herz und ohne Gott, was vermögen sie mir gegenüber, der ich liebe und glaube? Mit einem einzigen Worte durchbreche ich den Nebel ihrer Ver¬ läumdungen; mit einer einzigen Zeile zünde ich ihre Lügenbände an, und verbrenne sie zu Asche. Ich erwarte sie, wenn ich nach Deutschland komme. Gestern las ich wieder in hiesigen Blättern von Mauthzerstörungen im Hessischen, ich weiß aber nicht, ob das die alten oder neuen Geschichten sind. Indessen wahrscheinlich das Erstere, da Sie mir in Ihren letzten Briefen von keinen spätern Vorfällen schreiben. Das sind recht traurige Verhältnisse, und am traurigsten ist, daß sich die Regierungen nicht zu helfen wissen. Immer Gewalt, immer Blutver¬ gießen! Warum suchen sie das Volk über die wahre Beschaffenheit der Mauth, ihre Nothwendigkeit und Nützlichkeit nicht aufzuklären? Warum suchen sie es nicht durch Sanftmuth zu beruhigen, durch Ueberre¬ dung zu gewinnen? Warum tragen sie den Geist¬ lichen nicht auf, von der Kanzel herab ihre Gemein¬ den im Zollwesen zu unterrichten? Wäre ich Pfar¬ rer von Fechenheim, Bergen oder Bockenheim, hätte ich am ersten Sonntage nach dem monarchischen Ge¬ metzel an der Mainkur ohngefähr folgende Predigt gehalten, und dadurch gewiß zur Erhaltung der Ruhe mehr beigetragen, als zehn Schwadronen Husaren im Stande sind. Liebe Gemeinde! „Am Freitag wart Ihr wieder rechte Esel ge¬ wesen, und habt Euch todschießen lassen. Wißt Ihr warum? Ich will die ganze Woche keinen Tropfen Wein trinken, wenn Ihr es wißt. Dummköpfe seyd Ihr und Schwerenöther! Ihr jammert über die Mauth, Ihr wollt keine Mauth bezahlen! Wißt Ihr denn, was die Mauth ist heut zu Tage? Wißt Ihr, was sie sonst gewesen? Begreift Ihr denn gar nicht, wie viel besser Ihr es jetzt habt, als in frü¬ hern Zeiten? Nun, so gebt Acht; ich will Euch eine Laterne in den Kopf hängen.“ „Viele von Euch sind doch schon einmal den Rhein hinabgefahren; der Hans dort, das weiß ich, ist oft als Floßknecht nach Holland gekommen, ehe er sich ein Frau genommen — ein kreuzbraves Weib, sie hat mir gestern eine fette Gans geschickt. Und wer von Euch nicht am Rhein war, der ist doch ein¬ mal in Königstein gewesen und am Falkenstein vor¬ beigekommen. Nun, das ist alle eins. Oben auf den Bergen an beiden Seiten des Rheins, da sehet Ihr viele verfallene alte Schlösser, die man Burgen nennt. Sie waren aber nicht immer so öde und verfallen, wie sie jetzt sind. Ehemals waren es prächtige Schlösser, worin die Ritter wohnten, und es ging lustig daher. Liebe Kinder! Die Ritter, das waren prächtige Leute! An denen hatte doch der liebe Herrgott noch seine Freude. Wenn sie sich recht wild herumtummelten in ihres Vaters Garten, und er lag am Sonnenfenster und sah zu, wie sie spielten, lachte er und sagte: Jugend hat keine Tu¬ gend, das will sich austoben; aber es ist mein Herz und mein Blut. Wenn aber der liebe Herrgott uns jämmerliche Wichte siehet, seine jüngsten Kinder, die den ganzen Tag hinter den Büchern hocken und heu¬ len, wenn sie der gestrenge Herr Schulmeister mit seinem Lineal anrührt, dann schämt er sich, unser Vater zu sein, schlägt das Fenster zu und brummt: Ja, ja, ich bin alt geworden! So ein Ritter war kerngesund, stark wie ein Stier, und wenn er sein Kreuz gegen den Teufel geschlagen hatte, fürchtete er sich vor nichts in der Welt. So ein Kerl hat Euch den Tag zehn Pfund Roth- und Schwarz¬ wildpret gegessen, sechs Pfund Hammelfleisch, ein schön Stück Schinken, einen großen Rosinenkuchen, aber wenig Brod. Dazu hat er getrunken zwei Eimer Bacharacher oder Rüdesheimer, und Abends vor dem Schlafengehen ein paar Maas warmen Gewürzwein. Ich sage Euch Kinder, es ist nichts gesünder als warmer Wein mit Zucker, Nelken und Zimmt angemacht. Gestern hatte ich einen starken Schnupfen, und ich legte mich früh zu Bette. Wie ich nun das Licht auslöschen wollte, wer kömmt herein? Meine Haushälterin. Sie hatte mir kein Wort davon gesagt, war in die Küche gegangen und hatte mir eine Kumpe Glühwein gemacht. Den setzt sie vor mein Bett und sagt: Herr Pastor, das wird Euch gut thun. Ich habe den Glühwein getrunken, habe tüchtig geschwitzt, und heute morgen war der Schnupfen weg. Merkt Ihr noch was davon? Seht Ihr, solch ein lustig Leben haben die alten Ritter geführt: gut gegessen, gut getrunken und gut geschlafen. Und die übrige Zeit haben sie gejagt und sich untereinander herumgebalgt. Das war aber kein Kriegführen wie heute, es war ein wahrer Spaß. Man schlug sich einander auf Helm und Schild, IV . 6 und war einer tüchtig getroffen, so ging er zum Schmidt und den andern Tag war alles wieder gut. Das hundsföttische Pulver war noch nicht erfunden. „Nun hört weiter. Die Ritter hatten zwar große Schlösser, schöne Pferde, viele Jagdhunde und Knechte; aber sie hatten kein Geld. Woher wollten sie Geld haben? Sie arbeiteten niemals und ver¬ dienten also nichts. Aber alle Menschen sind Got¬ tes Kinder, und wenn es einen Menschen giebt, der nichts arbeitet, ist es Christenpflicht, daß der Andere, welcher arbeitet, ihn ernährt. Die frommen Ritter, welche Gottes Gebot kannten und ehrten, richteten sich auch darnach, und so oft sie Geld brauchten, nahmen sie es von den Arbeitsleuten, die welches hat¬ ten; und das machten sie so. Auf die hohen Thürme ihrer Burgen stellten sie einen armen Knecht mit ei¬ nem Horn, der mußte Tag und Nacht Acht geben, und umher schauen, und sobald ein Schiff mit Waa¬ ren den Rhein hinauffuhr, oder ein Wagen auf der Chaussee kam, um ihre Ladung auf die Frankfurter Messe zu bringen, stieß der Knecht ins Horn. Die Ritter, die das Zeichen verstanden, sprangen darauf vom Tische oder aus dem Bette auf, ergriffen ihr Schwert und eilten die Burg hinab. Schiff und Wagen wurde angehalten, Schiffer, Fuhrleute und Kaufherren wacker durchgebläut, Kisten und Kasten aufgeschlagen, und Alles herausgenommen. Darauf sagten die Ritter: Viel Glück zur Frankfurter Messe, Ihr Herren; und kehrten mit ihrem Fange jubelnd zur Burg zurück. Und weil sie auf diese Art ihr Brod verdienten, nannte man sie Raubritter . Die Waaren verkauften sie dann um einen Spottpreis an Juden, und so hatten sie Geld. Die Juden ver¬ kauften den geplünderten Kaufleuten ihre eigenen Waaren wieder und darauf zogen sie zur Frankfur¬ ter Messe, und alles war gut. So ist die Mauth entstanden , und was damals die Raubrit¬ ter waren , das sind heute die Zöllner .“ „Jetzt gebt weiter Acht. Die Kaufherren über¬ legten endlich bei sich: Wäre es nicht gescheidter, wir gäben den Rittern lieber gleich so viel baar Geld, als sie für unsere Waaren von den Juden bekommen? Diese Spitzbuben lassen sich von uns zweimal so viel bezahlen, als sie selbst bezahlten. So wäre die Hälfte Profit und die Prügel wären auch gespart. Sie schickten also dem Ritter Kunz eine Deputation, die trug ihm vor: Herr Ritter, Ihr seyd ein ehrlicher Mann, Ihr habt uns nie etwas zu leid gethan; aber Euer Nachbar, der Ritter Ruprecht, ist ein Spitzbube und ein Räuber, der, so oft wir vor bei¬ kommen, uns mishandelt und beraubt. Wir kommen also, Euch einen Vorschlag zu machen. So oft wir an Eure Burg kommen, begleitet uns mit einem 6 * Fähnlein bis vor der Burg Eures bösen Nachbarn vorüber, beschützt uns und duldet nicht, daß er uns beraube und zu Grunde richte. Für Euern guten Willen geben wir Euch jedesmal hundert Goldgulden. Ritter Kunz erwiederte: Ihr seyd kluge Leute und ich will es bedenken, heute Abend gebe ich meinen Nachbarn einen Schmaus: Habt Ihr nicht vielleicht ein Fäßchen Bacharacher auf Euerem Schiff? Die Kaufleute holten das Fäßchen, gingen darauf zu Rit¬ ter Ruprecht und sagten ihm: Herr Ritter, Ihr seyd ein ehrlicher Mann, Ihr habt uns nie etwas zu Leid gethan; aber Euer Nachbar der Ritter Kunz, ist ein Spitzbube und ein Räuber, der, so oft wir vorbeikommen, uns mishandelt und beraubt. Wir kommen also Euch einen Vorschlag zu machen. So oft wir an Eure Burg kommen, begleitet uns mit einem Fähnlein bis vor der Burg Eures bösen Nach¬ barn vorüber, beschützt uns und duldet nicht, daß er uns beraube und zu Grunde richte. Für Euern guten Willen geben wir Euch jedesmal hundert Gold¬ gulden. Ritter Ruprecht erwiederte: Ihr seyd kluge Leute und ich will es bedenken; morgen Mittag gebe ich meinen Nachbarn einen Schmaus, habt Ihr nicht vielleicht einige gute Schinken auf Euerm Wagen? Die Kaufherren holten die Schinken und gingen dar¬ auf zum Ritter Eberstein, und so gingen sie von einem Ritter zum andern von Rüdesheim bis nach Bonn und sprachen mit allen auf die nehmliche Weise. Und wie Abends viele Ritter zum Ritter Kunz zum Schmausen kamen, und jeder seinem Nachbarn er¬ zählte, wie die Kaufherren ihn ins Gesicht einen ehr¬ lichen Mann gescholten, und seinen Nachbarn als Spitzbuben gelobt, lachten sie Alle ganz unbändig und zechten bis der Morgen graute. Die Handels¬ leute hatten es aber jetzt viel besser als früher.“ „So währte das einige Jahrhunderte lang. Endlich merkten die Kaiser, Könige, Herzöge, Für¬ sten, Landgrafen, die Vorfahren unserer gnädigsten Landesherren, daß sie lang dumm gewesen. Sie dach¬ ten: Ei, die Ritter verdienen ein schön Stück Geld an den Bürgers- und Landleuten, sind wir nicht rechte Narren, daß wir es nicht selbst verdienen? Wer ist Herr im Lande, wir oder die Ritter? Das muß anders werden. Sie sagten also den Kaufleu¬ ten: Ihr untersteht Euch nicht mehr, Euch von den Rittern loszukaufen; das Geld, das Ihr ihnen ge¬ geben, gebt Ihr künftig uns selbst, und dagegen be¬ schützen wir Euch gegen jede Gewalt. Die Kauf¬ leute mußten das zufrieden seyn, und den Rittern wurde von den Landesherren untersagt, sie zu beun¬ ruhigen. Diese ließen sich aber nicht wehren, und wenn die Kaufleute vorüber kamen und nicht bezahl¬ ten, wurden sie wie früher geplündert und todtgeschla¬ gen. Sie mußten also, wollten sie Ruhe haben, die Ritter auch bezahlen. Unsere gnädigsten Landesherren erfuhren dies und dachten bei sich: Unsere Kaufleute geben für jede Ladung Waare den Rittern hundert Goldgulden, und uns hundert Goldgulden, wäre es nicht klüger, sie geben uns zweihundert Goldgulden und den Rittern gar nichts? Sie ließen also die Kaufleute rufen und sagten ihnen: Ihr gebt uns künftig zweihundert Goldgulden für jede Fuhre und den Rittern gar nichts; und diese wollen wir schon das Handwerk legen. Auch hielten sie Wort, zerstör¬ ten alle Raubburgen, nahmen die Ritter gefangen und führten sie an ihren Hof, wo sie durch gutes Futter bald zahm gemacht wurden. Den Kaufleuten aber gaben sie das Geleit , so oft sie auf die Messe zogen. Als es nun keine Ritter und keine Räube¬ reien mehr gab, und die Kaufherren keine Furcht mehr hatten, gingen sie zu ihren Landesherren und sagten ihnen: wir danken unterthänigst für den bis jetzt ge¬ leisteten Schutz; aber wir brauchen ihn nicht mehr, denn die Straßen sind sicher. Die Fürsten erwie¬ derten darauf: es freut uns, daß Ihr uns nicht mehr braucht, wir brauchen aber Euer Geld, und den Ge¬ leit müßt Ihr bezahlen nach wie vor, und das ist jetzt altes Herkommen. Nach einiger Zeit bedachten die Fürsten: ist es nicht ganz überflüssig, daß wir den Kaufleuten Husaren zur Begleitung mitgeben, da doch die Wege sicher sind? Die Kosten des Geleits könnten wir ja sparen. Sie hoben also das Geleit auf, und ließen sich statt Geleitsgeld Zoll be¬ zahlen. An allen Ein- und Ausgängen des Landes wurden Zollhäuser errichtet, und so oft da Waa¬ ren vorüberkamen, mußten sie den alten Raub und das alte Geleit abkaufen, welche Abgabe man Zoll nannte. Beklagte sich nun ein benachbarter Fürst, daß man seine Untherthanen drücke, antwortete der diesseitige: Herr Bruder, macht es mit meinen Unter¬ thanen, wie ich es mit den Eurigen mache; laßt Euch auch Mauth von ihnen bezahlen; Schaafe wollen ge¬ schoren seyn, sonst gedeihen sie nicht.“ „Jetzt werdet Ihr deutlich einsehen, daß Ihr Ochsen seyd, wenn Ihr Euch über die Mauth be¬ klagt. Habt Ihr es nicht ehemals noch viel schlim¬ mer gehabt? Sonst wurdet Ihr beraubt und gemis¬ handelt; jetzt werden Euere Kisten mit Ordnung ge¬ öffnet, man nimmt Euch mit Höflichkeit Euer Geld ab, und Ihr bekommt keine Schläge mehr. Zwar werdet Ihr noch jetzt, wie zu den Zeiten der Raub¬ ritter, todt gemacht, wenn Ihr die Mauth nicht be¬ zahlen wollt und Euch zur Wehre setzt; Ihr werdet aber nicht mehr wie damals todt gehauen, welches grob war, sondern todt geschossen, welches viel höf¬ licher ist, und gar nicht wehe thut; und da Ihr auf Befehl Eueres gnädigen Landesherrn todtgeschossen werdet, so ist das noch eine Ehre für Euch. Wenn Ihr aber fragt: warum nimmt unser gnädigster Landesherr, der doch so reich ist, uns armen Teufeln ihre paar Pfennige weg; warum müssen wir das Pfund Zucker mit dreißig Kreuzer bezahlen, das uns noch vor acht Tagen nur achtzehn gekostet? So zeigt Ihr wieder, daß Ihr Ochsenköpfe seyd. Be¬ hält denn unser gnädigster Landesvater Euer Geld für sich? Ei bewahre! Das braucht er nicht, er hat mehr als genug. Aber mit Euerm Gelde er¬ nährt er die Nachkommen jener Raubritter, die wie ihre Vorfahren nicht arbeiten und nichts erwerben, als Müßiggänger an seinem Hofe leben, und für die Ihr, da sie Euch nicht mehr berauben dürfen, wie billig, sorgen müßt. Und nicht blos für diese Räu¬ berbrut braucht unser gnädigster Landesfürst Euer Geld, sondern auch seine vielen Soldaten zu bezahlen. Und jetzt seyd mir keine Esel und fragt: wozu braucht er so viele Soldaten? Das habt Ihr ja am Freitag selbst gesehen, wozu er sie braucht! Hätte er keine Soldaten gehabt, hätte er ja mit Euch nicht fertig werden können, als Ihr die Mauth gestürmt. Nun sagt Ihr aber vielleicht: aber wäre keine Mauth da, wären wir ruhig geblieben; sind wir ruhig, braucht man keine Soldaten; hat man keine Soldaten, braucht man unser Geld nicht; braucht man unser Geld nicht, ist die Mauth unnöthig. In dem, was Ihr da sagt, ist etwas Verstand, und ich sehe, Ihr seyd gar nicht so dumm, wie Ihr aussehet. Aber, liebe Kinder, Ihr müßt noch etwas bedenken. Unser gnädigster Landes¬ vater braucht nicht blos seine Soldaten gegen Euch, seine Kinder, sondern er braucht sie auch gegen Fremde, gegen den äußern Feind. Fragt Ihr nun: wer ist sein Feind, wer will ihm etwas zu Leide thun? muß ich Euch aufrichtig antworten: es denkt keiner daran. Aber unser gnädigster Laudesherr hat eine große Fa¬ milie, für die er auch sorgen muß. Alle Kaiser, Kö¬ nige, Großherzoge, Herzoge und Fürsten sind seine nahen Verwandte, denen er in der Noth beisteht; das ist Christenpflicht. Macht Ihr es nicht auch so? Der Kaiser von Rußland ist sein Bruder, der Kai¬ ser von Oesterreich ist auch sein Bruder, der König von Preußen ist sein Schwager. Nun sehet: der Kaiser Nikolas will Polen haben, der Kaiser Franz will Italien haben, der König Friedrich Wilhelm weiß selbst nicht, was er haben will; denn er will Alles haben. Nun ist aber das mächtige Frankreich drü¬ ben; dort ist der König nicht Herr über Alles, er ist nicht mehr als jeder Andere, er ist nur der erste Bauer im Lande. Das Volk ist dort Alles, und für das Volk geschieht Alles. Nun sagen die Fran¬ zosen: alle Völker sind mit uns verwandt, wir sind Alle von einer Familie. Die Polen sind unsere Brüder, die Italiener sind unsere Vettern, die Deut¬ schen sind unsere guten Nachbarn. Und wir wollen nicht leiden, daß ihnen Jemand etwas zu Leide thue, sondern ihnen helfen. Darum leiht unser gnädigster Landesfürst den Kaisern und Königen seine Soldaten, damit sie mit den Franzosen fertig werden, und darum müßt Ihr Mauth bezahlen. Und die Solda¬ ten, die man gegen die Franzosen schickt, das sind Euere eigenen Söhne und Brüder, und damit sie gern maschiren — denn wer könnte sie zwingen, wenn sie nicht wollten — lügt man ihnen vor, die Franzosen wären Feinde der Deutschen, und wollten unser Land erobern. Glaubt es nicht. Die Fran¬ zosen sind Euere besten Freunde, und wenn sie kom¬ men, kommen sie blos den Polen und Euch beizuste¬ hen, und Ihr müßt sie mit Jubel empfangen und gleich in die Schenke führen. Aber schließt Eure Mädchen ein, bis sie wieder fort sind.“ „Jetzt habe ich Euch erklärt, was die Mauth ist; nun geht und bessert Euch. Wie wollt Ihr es denn vor Gott und Euerem Gewissen verantworten, wenn Ihr widerspenstig seyd gegen Euren gnädigsten Landesherrn, und ihn zwingt, Soldaten gegen Euch zu schicken, die ja Alle Euere Brüder und Söhne sind, und die, wenn sie Euch erschießen, Vater- und Brudermörder werden? Gehet und bezahlt die Mauth. Und wollt Ihr ja einmal wieder kommen und die Mauth zerstören, so seyd keine Ochsen, und bleibt weit von den Soldaten stehen, was ihnen Herz macht auf Euch zu schießen, sondern geht ihnen ganz nahe auf den Leib, damit sie Euch erkennen. Bringt Euere Töchter mit. Die Lise dort wird un¬ ter den Jägern gewiß mehr als einen Schatz finden — brauchst nicht roth zu werden, Lise, wir waren Alle einmal jung — und wenn sie nun zu ihnen tritt und sagt: „aber Peter, aber Hans, seyd Ihr „denn stockblind? Sehet Ihr denn nicht, daß ich es „bin? Haben wir nicht auf der vorigen Kirchweih „mit einander getanzt? Peter, da ist ja mein Va¬ „ter, der Dir manchen Apfel von seinem Baume ge¬ „holt? Hans, da ist ja mein Bruder, dem Du erst „neulich den Bierkrug an den Kopf geworfen? Lie¬ „ber Peter, kennst Du Deine Lise nicht mehr? Willst „Du um ein Stück Kommisbrod ein Mörder werden? „Bist Du nicht selbst ein Bauerkind! Was gehen „Dich die Fürsten, was geht Dich die Mauth an? „Komm zu uns lieber Hans! Du sagst nichts? Nun, „da steh ich, schieß mich armes Mädchen todt, wenn „Du das Herz hast.“ Aber ich sage Euch, meine geliebten Kinder, Hans und Peter werden nicht das Herz haben zu schießen, sondern das Gewehr wird ihnen aus der Hand fallen, und sie werden anfangen zu weinen. Und alle ihre Kameraden werden das Gewehr wegwerfen, Euch in die Arme stürzen und heiße Thränen vergießen, daß sie so gottlos ver¬ blendet gewesen. Dann braucht Ihr keine Mauth mehr zu bezahlen. Jetzt geht nach Hause und bessert Euch. Wer mich nicht verstanden, ist ein Esel. Amen!“ Drei und zwanzigster Brief. Paris, Sonntag, den 22. Januar 1832. Es widerfährt mir seit einigen Tagen das Sonderbare, daß ich an zwei Briefen für Sie zu gleicher Zeit schreibe. Der eine gegenwärtige liegt auf dem Pulte, vor dem ich stehe, und der andere liegt auf dem Schreibtische, an dem ich sitze. Die Abwechselung ist artig und unterhält mich. Nach einigen Sätzen gehe ich vom Stehbriefe zum Sitz¬ briefe, oder zurück und setze bald den einen bald den anden fort. Die Sache verhält sich so. Der Tisch¬ brief behandelt einen Gegenstand, der zwar kurzwei¬ lig aber langwierig ist, und sich sehr ausdehnt, den ich aber aus Gründen der Kochkunst nicht unterbre¬ chen darf. Darum habe ich ihn vom Pultbriefe ge¬ trennt, und Sie werden ihn einige Tage später er¬ halten als diesen. Es giebt nehmlich einen Härings- Salat . Den Häring habe ich aus Berlin bekom¬ men und den will ich zwiebeln und zurecht machen. Einen Artikel im literarischen Unterhaltungsblatt, den der Referendar Häring unter dem Schäfernamen Wil¬ libald Alexis gegen mich geschrieben, und von dem ich früher schon gehört, habe ich jetzt erhalten und ihn gelesen. Nun weiß ich wahrhaftig selbst nicht, wie mir in den Sinn gekommen, diesem Männchen zu antworten; aber eine innere Stimme rieth mir dazu. Dabei machen mir meine ungeschickten Ver¬ suche, die Sprache solcher Gegner nachzuahmen, tau¬ send Spaß. Ich bin an gar keine grobe Arbeit ge¬ wöhnt, und meine rechte Hand ist mir wund von dem wenigen Schimpfen. Ich bin dabei eigentlich in einer wunderlichen Lage. Warum ich mich mit solchen unbedentenden Menschen und auf solche Weise einlasse, darf ich nicht deutlich machen, denn sonst würde ich meine beabsichtigte Wirkung verfehlen. Und doch möchte ich aus Eigenliebe durchschaut und er¬ rathen seyn. Das setzt mich in Verlegenheit. Hä¬ rings-Salat , Zwiebeln , Zurechtmachen , Schäfer , Männchen , unbedeutender Mensch — Sie werden sehen, daß mein Wörterbuch von Schimpfwörtern viel reicher werden wird, als das von Meyer, von Wurm, von Robert und von Alexis. Montag, den 24. Januar. Gestern, Sonntag, hat Casimir Perrier wieder einen Bubenstreich begangen. An dem Tage, wo die Kirche seines Glaubens geschlossen ist, wo die Börse keinen Gottesdienst hält, vergißt er am leich¬ testen Gott und sein Gebot, und folgt seinen bösen Neigungen. An Börsentagen bedenkt er sich doch noch etwas, die Renten, das zarte, leicht verletzliche Ge¬ schöpf, durch allzurauhes Wesen zu schrecken. Ich kenne kein Land in der Welt, ich kenne keine Zeit in der Geschichte, wo ein Volk unter so schmach¬ voller Herrschaft gestanden, als jetzt das Französische. Tausendmal, ja zehntausendmal lieber, möchte ich einen Thron unter dem Galgen errichtet sehen, von Henkersknechten bedient und von Raben umschmeichelt, als sehen, wie ein König auf dem Drehstuhle trohnt und wie sein erster Minister Glück, Ruhm und Ehre eines großen Volks wie ein Buchhalter unter Soll und Haben bringt. Ich habe mich nie so sehr er¬ niedriget, vor einem Könige: Vivat ! zu schreien; nicht, da ich als gedankenloses Kind Kaiser Franz im Krönungszuge gesehen, wo alles schrie; nicht als Napoleon an mir vorüberzog, den ich mit dem Glau¬ ben eines Jünglings wie einen Gott anstaunte; aber kehrte morgen Karl X . nach Paris zurück mit seinem alten Herzen und seinem neuen Hasse, mit dem gan¬ zen Gefolge aller seiner Laster, aller seiner Thor¬ heiten, umgeben von den Trabanten seiner Rache, — ich, jetzt ein alter Mann, kletterte auf einen Baum und würde, wie ein betrunkener armer Teufel, den die Polizei bezahlt, Vivat schreien, bis ich die Stimme verlöhre. Was ist's mit der Tyrannei? Sie macht unglücklich und das ist Alles. Wie der Winter drängt sie Blut und Leben zurück; aber das stille Herz ist dann der Kerker, nicht der Sarg der Frei¬ heit. Aber diese giftige Geldwirthschaft hier trocknet wie der Sirokko alle Adern aus, und könnte sie zehn Jahre fortdauern, würde dann kein Tyrann es der Mühe werth halten, solch ein Volk von Mumien zu unterjochen? Ich wollte von den Simonisten sprechen, über die man gestern wie über eine Diebsbande hergefal¬ len, aber Sie können das in den Zeitungen lesen, und Sie wissen so gut als ich, was dabei zu denken und zu fühlen ist. Vier und zwanzigster Brief. Paris, Samstag, den 28. Januar 1832. — Rothschild hat dem Papste die Hand geküßt und beim Abschiede seine hohe Zufriedenheit mit dem Nachfolger Petri unter allergnädigsten Ausdrücken zu erkennen gegeben. Jetzt kömmt doch endlich einmal alles in die Ordnung, die Gott beim Erschaffen der Welt eigentlich hat haben wollen. Ein armer Christ küßt dem Papste die Füße und ein reicher Jude küßt ihm die Hand. Hätte Rothschild sein römisches An¬ leihen, statt zu 65 p. c. zu 60 erhalten und so dem Kardinal-Kämmerling zehn Tausend Ducaten mehr spendiren können, hätte er dem heiligen Vater um den Hals fallen dürfen. Wie viel edler sind doch die Rothschild, als deren Ahnherr Judas Ischariot! Dieser verkaufte Christus für dreißig kleine Thaler, die Rothschild würden ihn heute kaufen, wenn er für Geld zu haben wäre. Ich finde das alles sehr schön. lV. 7 Louis Philipp, wenn er in einem Jahre noch König ist, wird sich krönen lassen; aber nicht zu Rheims in St. Remi, sondern zu Paris in Notre-Dame de la bourse und Rotschild wird dabei als Erzbischof fungiren. Nach der Krönung wird man, wie üblich, Tauben auffliegen lassen, und eine unter ihnen, eine lustige Lachtaube, wird nach St. Helena hinüberfliegen, sich auf das Grab Napoleons setzen und seinen Ge¬ beinen lachend erzählen, sie habe gestern seinen Nach¬ folger salben sehen, aber nicht vom Papste, sondern von einem Juden, und der jetzige Beherrscher Frank¬ reichs habe den Titel angenommen: Empereur des cinq pour Cent, Roi des trois pour Cent, pro¬ tecteur des banquiers et médiatiseur des agens de change. Ich weiß aber wahrhaftig nicht, was die dumme Taube dabei zu lachen findet. Wäre es nicht das größte Glück für die Welt, wenn man alle Könige wegjagte und die Famile Rothschild auf deren Throne setzte? Man bedenke die Vortheile. Die neue Dynastie würde keine Anleihen machen, denn sie wüßte am besten, wie theuer ihnen das zu stehen käme, und schon dadurch allein würde die Abgaben¬ last der Unterthanen jährlich um viele Millionen er¬ leichtert werden. Die Bestechungen der Minister müßten aufhören, die activen wie die passiven; denn womit sollten sie, wofür sollte man sie bestechen? Das wird dann alte Regel. Dadurch würde die Moral sehr in Flor kommen. Alle Civillisten wür¬ den aufhören, bis auf die der Rothschilde, welche aber für die Völker keine neue Last wäre, denn die Rothschilde hatten sie als Privatleute auch schon be¬ zogen, und zwar eine stärkere, als die irgend eines andern Fürsten. Wenn das Haus Rothschild auf dem französi¬ schen Throne säße, wäre die Welt von der großen Furcht des Kriegs befreit, der zwischen diesem mäch¬ tigen Hause und dem Hause Habsburg auszubrechen droht. Oesterreich und Rothschild sollen, wie die englischen Blätter aus guten Quellen berichten, seit einiger Zeit sehr gereitzt gegen einander sein. Oe¬ sterreich hat nehmlich die Entdeckung gemacht, daß die Freundschaft, mit welcher die Brüder Rothschild es beehren, ihm theuer zu stehen komme. Das letzte vierprocentige Anleihen schloß jenes Haus zu 85 oder 86 ab. Aber gleich nach Abschluß des Vertrags gewann es 6 bis 7 p. c. Ein so außerordentlicher Umstand, mußte die Aufmerksamkeit des österreichi¬ schen Kabinets erwecken. Es beschloß daher, für seine Finanzen künftig wohlfeilere Agenten zu wählen, oder seinen Geldunternehmungen eine Concurrenz zu eröffnen. Das Haus Rothschild, um solche Schritte zu vereiteln und der österreichischen Regierung zu zeigen, daß man seine Allianz nicht ungestraft brechen dürfte, wußte darauf durch seine Verbindungen und 7 * Speculationen das baare Geld in Wien, Frankfurt und andern Städten so selten zu machen, daß kein anderes Haus im Stande war, eine Staats-Anleihe zu unternehmen. Oesterreich mußte um Vezeihung bitten. Schon früher fand eine Spannung zwischen beiden Häusern statt. Oesterreich hatte nehmlich dem Hause Rothschild die Summen überlassen, die ihm aus den französischen Contributionsgeldern für seinen Antheil zugefallen. Diese Summen sollten in fran¬ zösischen Renten, die damals niedrig waren, angelegt und solche verkauft werden, sobald sie einen hohen Stand erreicht hätten. Nach einigen Jahren ver¬ kaufte das Haus Rothschild jene Renten und verrech¬ nete sie zu 95. Oesterreich aber entdeckte, daß zur Zeit des Verkaufs die Renten Al Pari gestanden. Es war eine kleine Differenz von acht Millionen Gulden. Oesterreich war darüber empfindlich und schmollte; Rothschild aber wußte durch Vermittlung beiderseitiger Freunde alles wieder auszugleichen. Das französische Blatt, welches diese Friedens- und Kriegsgeschichten nach englischen Blätter um¬ ständlich erzählte, bemerkt darauf folgendes: „Durch „welche Mittel wissen jene Banquiers die österreichi¬ „sche Regierung zu zwingen, sich nach ihren An¬ „maßungen zu bequemen? Es sind dieselben Mittel, „welche sie unter dem Minister Villele angewendet, „mit welchem die Herren Rothschild ungeheuren Ge¬ „winnst getheilt haben, wie wir es in der Folge be¬ „weisen werden; sind die nehmlichen Mittel, die sie „neulich beim Anleihen des Ministeriums Perrier in „Bewegung gesetzt. Hat man nicht durch fort „dauernde Verkäufe, von jenen bewirkt, welche die „Anleihe zu einem unbilligen Satze haben wollten, „die französischen Fonds erdrücken sehen? Diese „Darleiher haben unter unsern Augen das Nehmliche „gethan, worüber die österreichische Regierung sich „beklagte, als sie mit ihnen brechen wollte. Unsere „fünf-procentigen wurden unter 80 Fr. hinabgedrückt, „um das Anleihen zu diesem Preise zu haben, und so¬ „bald die Anleihe zu 84 zugeschlagen war, stiegen „die Fonds bis über 88 Fr. Es ist immer das „nehmliche Spiel, welches diese Rothschild treiben, „um sich auf Kosten des Landes, das sie ausbeuten, „zu bereichern..... Wir haben es schon frü¬ „her gezeigt , daß die Geldleute die gefähr¬ „ lichsten Feinde der Völker sind . Sie haben „am meisten dazu beigetragen , den Grund¬ „bau der Freiheit zu untergraben , und ohne „Zweifel wäre der größte Theil der euro¬ „päischen Völker schon in vollem Besitze der „Freiheit , wenn die Rothschild , die Ouvrad , „die Aguado , die Casimir Perrier und an¬ „ dere , mit ihrem Gelde nicht die absolute „ Gewalt unterstützt hätten .“ Düpin hat diese Woche in der Kammer die Banquiers loup-cerviers , Luchse genannt! Das sind Raubthiere, die zum Katzengeschlechte gehören. Casimir Perrier hat ihm über seine unzeitige Natur¬ geschichte die bittersten Vorwürfe gemacht. Das führt mich auf die Rothschilde zurück. Noch einmal — wäre es nicht ein Glück für die Welt, wenn alle Kronen auf deren Häuptern säßen, statt daß sie jetzt zu ihren Füßen liegen? Es kommt auch noch dahin. Sitzen die Rothschild noch auf keinen Thronen, so werden sie wenigsstens , sobald ein Thron frei wird, um Rath gefragt, wen man darauf setzen solle. Herr von Gagern hat dieses neulich öffentlich in der allgemeinen Zeitung erzählt. Es ist eine schöne Geschichte. Herr von Gagern war früher Gesand¬ ter beim Bundestage. Dieser große Staatsmann, der den Aristokratismus ganz allerliebst romantisch zu machen weiß und zwischen den Gräbern alter Ritter mit seinem Adelstolze im Mondscheine spazie¬ ren geht, hat sich auf einer solchen nächtlichen Wan¬ derung schon vor vielen Jahren erkältet. Seit der Zeit leidet er an einem politischen Mundflusse, einer Krankheit, die unter den Diplomaten eben so selten gefunden wird, als die Mundsperre häufig unter ih¬ nen vorkömmt. Diese seltene Krankheit des Herrn von Gagern giebt uns aber über die verborgene Phy¬ siologie der Diplomaten und Aristokraten lehrreiche und nützliche Aufschlüsse. Der große Staatsmann schreibt der kleinen allgemeinen Zeitung über Grie¬ chenland aus Hornau einen Brief. Hornau liegt aber nicht in Griechenland, sondern im Taunus, und ich glaube, daß wir vor zwei Jahren, als wir den Sommer in Soden zugebracht, eines Abends in der Schenke von Hornau Eierkuchen gegessen. Herr von Gagern schreibt: er, Herr von Stein und Ca¬ podistrias , hätten sich in Nassau und Ems oft von Griechenland unterhalten. Ich kann das bezeu¬ gen. In Ems habe ich zwei nach einander folgende Sommer diese Herren sehr oft eifrig mit einan¬ der sprechen hören. Ich hätte aber, ob ich zwar viel gehorcht, nie gedacht, daß von Griechenland die Rede sey. Es schien mir als sprächen sie von ihren eignen Angelegenheiten und denen ihrer Famile . Sie gehörten „zu den wärmsten, und eifrigsten Verthei¬ digern Griechenlands, oder der griechischen Frage .“ Warum Herr von Gagern das allgemein bekannte Wort Griechenland ganz ohne Noth mit griechische Frage übersetzt, will ich Ihnen erklä¬ ren. Es giebt nichts weichherzigeres, warmblütige¬ res, nervenzarteres, thränenreicheres, kurz gefühlvol¬ leres als ein Diplomat, und ein solcher hat sich sehr in Acht zu nehmen, bei seinen starken und häufigen Gemüthsbewegungen seine zarte Gesundheit nicht ganz zu Grunde zu richten. Strenge Diät ist ihm un¬ entbehrlich. Wenn daher Tausende der edelsten Por¬ tugiesen vom Fleischer Miguel geschlachtet und zer¬ fetzt werden; wenn die Italiener, von der Treibjagd der List und Gewalt in ihr Todesnetz gejagt, von feigen und bequemen Jägern erlegt werden; wenn Belgien wie ein Käse zerschnitten, zugewogen und, in Protokoll-Papier gewickelt, den hungrigen Käufern stückweise eingehändigt wird; wenn Polen den Keu¬ lenschlägen des Tyrannen unterliegt, und sterbend den Helfers-Helfern flucht — wie wollen die Diplomaten es ertragen, täglich solche Gräuel und Schändlichkei¬ ten zu sehen und zu hören? und doch ist ihnen das Schicksal der Völker anvertraut; wie erleichtern sie sich den Schmerz? Durch eine einfache Veränderung der Worte. Sie stellen sich an, als gäbe es kein Land und kein Volk in der Welt; sie suchen das zu vergessen und es gelingt ihnen durch Uebung. Sie sagen darum nie: Portugal und Portugiesen, Italien und Italiener, Belgien und Belgier, Polen und pol¬ nisches Land; sondern sie sagen: die portugiesi¬ sche Frage , die italienische Frage , die bel¬ gische Frage , die polnische Frage . Es ist eine Art Salpeter-Säure, welche das Blut abkühlt, und das Herz ruhiger macht. Aus diesem diäteti¬ schen Grunde spricht Herr von Gagern von der griechischen Frage ; aber sein Herz ist gut. Jetzt weiter; und verlasse mich nicht, lieber Scherz! denn mir graut vor diesen Seelenverkäufern. „ Monarchische Verfassung , deutsche Leib¬ „ wache , hinreichender Kredit , waren die „ großen Grundsätze , worüber wir einver¬ „ standen waren .“ Hört! Hört! vernehmet doch die großen Grundsätze dieser großen Männer! Ein edles Volk, Erbe des schönsten Jahrtausendes der Zeit, Nachkommen von den Lieblingen der Götter, noch immer verklärt von der Abendröthe einer vor zwanzig Jahrhunderten untergegangenen Sonne, noch immer duftend von den Wohlgerüchen eines verbliche¬ nen Paradieses. — Dieses edle Volk, verarmt, ver¬ schmäht, vergessen, zu Boden gedrückt, erinnert sich, was es gewesen und schüttelt seine Ketten; will wie¬ der werden, was es war und wirft seine Ketten ab. Es ergreift sein rostiges Schwert und kämpft. Män¬ ner, Weiber, Kinder, Greise stürzen und füllen den Abgruud aus, der die Knechtschaft von der Freiheit trennt. Die übriggebliebenen ziehen darüber weg, treten ihr eignes Herz mit Füßen, suchen den Feind und siegen. Einer kämpft gegen hundert. Die christlichen Könige Europens erfahren, ein kleines Christen-Völkchen habe sich gegen Mohamet empört — sie lachen. Das Völkchen siegt — sie werden aufmerksam. Der Sieg wird entscheidender — sie werden bedenklich. Ein Volk soll die Freiheit erwer¬ ben, ohne sie und trotz ihnen? Nein! Sie lassen den Griechen sagen: Ihr seyd zu schwach, wir wollen euch helfen. Sie schicken ihre Flotten ab, die Grie¬ chen von ihren Feinden zu trennen, damit sie nicht den letzten Sieg erringen. Ein edelmüthiger Staats¬ mann läßt sich von seinem Herzen hinreißen und giebt den Befehl, daß man die Flotte der Türken zerstöre. Codrington siegt und die christlichen Mächte trauern und zürnen. Der Admiral wird zurückgeru¬ fen und wie ein Schulbube ausgescholten. Die Griechen sind frei ! Dieser Angstruf schallt von Hof zu Hof. Wie ist dem Verderben Einhalt zu thun? Darauf sinnen jetzt die Räthe der Fürsten. Es giebt viele magere Fürstensöhne in Europa, die kann man mästen mit dem Fleische und Blute der Griechen — also monarchische Verfassung . Die Griechen sind begeistert, sie leiden an der ge¬ fährlichsten Brustentzündung; schnell, nur ja recht schnell das stärkste freiheittreibende Mittel — also deutsche Leibwache . Aber kein Königsohn wird der Narr seyn, sein eignes Geld nach Griechenland zu bringen, die Griechen müssen ihn aus ihrem Beu¬ tel bezahlen, wenn er sie glücklich machen soll; aber die Griechen sind arm, sie müssen also borgen; ihr König thut es in ihrem Namen — also hinrei ¬ chender Kredit . Viele Fürstensöhne meldeten sich, die Griechen glücklich zu machen. Wen unter ihnen wählen? das ist die griechische Frage . Den Edelsten, den Tapfersten, den Geistreichsten, den Muthigsten? Nein! Den, der am meisten Kre¬ dit hat ; den, der seine Minister, Oberstallmeister, Gesandte, Hofmarschälle, Oberkammerherren, und ad¬ ligen Garde-Offiziere am besten bezahlen kann. Herr von Gagern erkundigt sich also sorgfältig „ bei dem ersten europäischen Wechsel-Hause “ (also bei Herrn von Rothschild), welcher Fürst den mei¬ sten Kredit habe? Herr von Rothschild schlägt in seinem Kreditbuche nach, es standen alle Fürsten Eu¬ ropas darin, nur der einzige Prinz Friedrich der Niederlande nicht. Herr von Rothschild schließt mit Recht daraus, daß ein Fürst, der nie Kredit bei ihm gesucht, des Kredits am allerwürdigsten sey. Er giebt also dem Herrn von Gagern den Bescheid: Prinz Friedrich der Niederlande hat den größten Kredit. „Also ist Prinz Friedrich der Niederlande am würdigsten, König der Griechen — ich will sagen König der griechischen Frage — zu werden,“ ruft Herr von Gagern aus. Er eilt, diesen großen Grundsatz dem Grafen Capodistrias mitzutheilen. Dieser aber ist auf Reisen, angeblich einen griechi¬ schen König zu suchen, eigentlich aber, um zu erlau¬ schen, gegen welche künftigen Ansprüche er das mos¬ cowitische Interesse werde zu vertheidigen haben. Herr von Gagern reist dem Compagnon seiner gro¬ ßen Grundsätze nach. In Paris verfehlt er ihn, in Brüssel erwischt er ihn, und erzählt ihm athemlos: Herr von Rothschild habe erklärt, Prinz Friedrich der Niederlande habe am meisten Kredit, und er solle daher gleich zu dessen Vater, dem Könige, gehen und die griechische Frage mit ihm in Ordnung bringen. Capodistrias gehörte aber unglücklicherweise zu den¬ jenigen Diplomaten, welche die Mundsperre im höch¬ sten Grade haben, und Herr von Gagern konnte nichts von ihm herausbringen. Er bekam zur Antwort: ich kann nicht zum Könige gehen, ich habe kein Kleid . Nun bei den Göttern! ich habe Cornelius Nepos und Plutarch gelesen, und habe darin nicht einen einzigen großen Mann des Alterthums gefun¬ den, der so arm gewesen, daß er kein Kleid gehabt, wo es darauf ankam, für das Glück eines großen Volks zu reden und zu handeln! Warum hat Herr von Gagern, einer der wärmsten und frühsten Vertheidiger der griechischen Frage , nicht dem Grafen Capodistrias ein paar hundert Franken vorgeschossen, daß er sich ein Kleid machen lasse? Jeder geschickte Schneider verfertigt in einem halben Tage einen vollständigen Anzug. Capodistrias erbot sich jedoch, zum niederländischen Minister zu gehen, „aber nicht als Staatsmann, sondern Mann zu Mann .“ Er geht. Herr von Gagern stirbt vor Ungeduld, bis der Mann vom Manne zurückkömmt, was hat er gesagt? „... j'ai trouvé la fibre un peu molle ,“ erwiederte Capodistrias ... „was „ ich mit der Pflicht des wirklichen Staats¬ „ mannes explicirte ,“ bemerkt Herr von Gagern. Er aber dürfe seinen Mundfluß haben, weil er nur „ in der Rolle des Dilettanten erschien .“ Aber in meinem Leben hätte ich nicht errathen, daß eine lockere Fiber das Wesen eines wahren Staatsmannes bilde, und daher der vierwöchentliche Gebrauch des Schwalbacher Brunnens, da die Fiber spannt, einen Talleyrand zum Esel machen würde! Kurz, die einzige Sorge des Herrn von Stein, des Grafen Capodistrias und des Herrn von Gagern war: einen Prinzen mit Griechenland zu apanagiren, Rothschild zu einem neuen Anleihen zu verhelfen, und den Prinzen und die Curse der griechischen Papiere durch deutsche Leibwachen zu schützen. Kürzer und kräftiger hat noch keiner das seelenlose, mechanische, selbstsüchtige, schacherhafte Treiben der neuern euro¬ päischen Staatskunst, des Monarchenthums und der Hofschwänzelei dargethan, als dieser Herr von Ga¬ gern in Hornau, wo wir vor zwei Jahren Eier¬ kuchen gegessen. Montag, den 30. Januar. Lassen Sie den *** tausend, ja zehntausend male von mir grüßen und danken für die herrliche Gesundheit, die er ausgebracht: Allen Völkern ohne König ! hier sagen sie: Les Rois s'en vont. Diese Taugenichtse von Franzosen finden doch gleich das rechte Wort für jede Sache, sobald wir guten Deutschen die rechte Sache gefunden. Wir wollen unsere Töchter mit ihren Söhnen, unsere Ideen mit ihren Worten vermählen, dann haben wir eine mächtige Verwandtschaft und wehe dann jedem, der uns zu nahe kömmt mit feindlichen Gedanken. Was Sie mir von den Polen geschrieben, und wie herrlich sie in Frankfurt aufgenommen worden, hat mich bis zu Thränen gerührt. Dem Manne, der auf der Brücke einem Polen seinen Mantel umge¬ hängt und stillschweigend fortging, dem sollte man auf dieser Stelle ein Denkmal errichten; keinen schö¬ nern Zug des Herzens weiß die alte Geschichte zu erzählen. So mögen sie meine Briefe widerlegen! Ich will unter Männern der Wahrheit gern der ein¬ zige Lügner, in einem Lande des Glaubens gern der einzige Spötter, unter einem starken Volke der ein¬ zige Schwächling seyn, und bin ich erst der Schlech¬ teste aller Deutschen geworden, dann ist keiner seli¬ ger als ich. Guter Gott, was ist an einem einzel¬ nen Menschen, was an mir gelegen? Bessere als ich sind verkannt worden. Das Leben ist kurz und der Tod noch kürzer. Aber der Tag der Wahrheit kömmt einmal, und keinem wird Gerechtigkeit zu spät aus¬ gezahlt, der, wie ich, als er seinem Vaterlande diente, nicht einmal Gerechtigkeit als Lohn verlangte. Von den herrlichen Reden Raspails und der übrigen jungen Republikaner, die neulich vor Gericht standen, aber richteten statt gerichtet zu werden, habe ich einiges übersetzt, daß ich Ihnen später mittheilen werde. Der und jener Ball, bei dem und jenem Bankier diesen Winter, hat Sie doch vielleicht etwas glacirt. Eine kleine republikanische Vorlesung zum Erwärmen kann immer gut seyn. Noch einmal — was Sie mir von Frankfurt geschrieben, hat mich bis tief in das Herz gefreuet. Möge es fortgehen auf diesem Wege; möge es sich emsig auf seine große Bestimmung vorbereiten und sich deren würdig zu machen suchen. Denn Frank¬ furt ist bestimmt, einst die Hauptstadt des deutschen Reichs und der Sitz der deutschen National-Versamm¬ lung zu werden. Dort, wo jetzt die Tyrannei auf dreißig Stühlen thront, wird in wenigen Jahren die Freiheit gekrönt werden. Den Taxischen Pallast, die deutsche Bastille, wird man niederreißen und nach¬ dem der Boden von allen Trümmern der Zwingburg gesäubert, wird auf dem Platze eine hohe Säule sich erheben, welche die Inschrift trägt: Hier liegt Deutschlands Schande ! Fünf und zwanzigster Brief. Paris, Donnerstag, den 2. Februar 1832. In dem letzten Hefte der Revüe de Paris (vom 29. Januar) stehen Proben aus der bald er¬ scheinenden Uebersetzung meiner Briefe. Es ist das Krönungsgemälde von David und ein Stück von Lord Byron. Ich finde das alle sehr matt; zum Glücke habe ich eine gute Natur. Der kleine Aer¬ ger macht mir eine Gänsehaut, aber nach innen dringt die Erkältung nicht. — Ich habe schon in einer andern Recension gelesen, daß man mich gereizt und nervenschwach genannt. Das wunderte mich nicht. Die Gemeinen im Volke haben sogar keine Vorstellung davon, wie man anders als sie selbst denken und fühlen könne, daß, finden sie es einmal, sie die wundervolle Er¬ scheinung einer Krankheit zuschreiben. Sie kennen so wenig die Macht und Wirksamkeit des Geistes, IV . 8 daß sie es lächerlich finden, wenn ein körperschwacher Mensch die hohe und dicke Mauer der Gewohnheit zu erschüttern sucht. Ich erinnere mich, daß, als vor mehreren Jahren eine Verschwörung gegen die russische Regierung entdeckt wurde und die Haupt¬ verschwornen hingerichtet wurden, man von einem derselben nichts verächtlicheres glaubte sagen zu kön¬ nen, als er sey nervenschwach und habe doch gesucht ein Reich umzustürzen! Auch Robert hat mich einen nervenschwachen Athleten genannt. Ueber die Spötter! weil sie, wie jener Crotoneser, von Kind¬ heit an gewöhnt, ein Kälbchen mit sich herumzuschlep¬ pen, in ihrem Alter es dahin gebracht, einen ganz lebendigen Ochsen zu tragen, halten sie sich für stark, weil sie dumm sind. Diese Menschen, die, weil sie sich nie der Außenwelt widersetzt, auch niemals Wi¬ derstand gefunden, sehen nicht die nächste Grenze ihrer Kraft und halten sich für mächtig, weil sie zur allgemeinen Materie gehören. Der Johanniter Meyer in Hamburg kennt mich besser. Er nennt mich so ein Kerl , was doch auf eine sechs Fuß hohe Seele hindeutet. Ach! wäre ich nur so ein Kerl ! nicht wie jetzt, ein jämmerlich übersetzter Kerl , sondern ein untersetzter Kerl , mit breiten Schul¬ tern, breiter Brust, breiten Zähnen, breiten Fäusten und breiten Gedanken — Hei! wie wollte ich sie zurichten! Denn wahrlich, stünden mir alle Waffen der olympischen Götter frei, ich wählte nicht Jupi¬ ters königliche Blitze, nicht Dianens ferntreffenden Pfeil, nicht Merkurs Rednerlist, nicht Apollo's Leier, nicht das Lächeln der Grazien, nicht Aphroditens Zauberblick, nicht Amors Schelmerei — ich wählte mir nur die Keule des Herkules und Sylens groben Spaß. Sie schrieben mir neulich, es sey meiner un¬ würdig, wie ich mich gegen Robert und Pittschaft ausgesprochen. Freilich ist es meiner unwürdig: aber es ist ganz meiner würdig, in solcher Zeit nicht an meine Würde zu denken. Sind es Worte, die man braucht in diesen Tagen der Entscheidung? Soll ich daran denken, wie Leute von Geschmack über meine Schreibart urtheilen, was Weiber von meiner Aesthetik halten? Wenn ich Ruhe, Blut und Leben an die Sache des Vaterlandes wage, soll ich ängstlich besorgt sein, mir meine Kleider nicht zu verunreinigen? Wenn die Feinde der Freiheit im Kothe lagern, soll ich fern bleiben und sie nicht an¬ greifen, um meine Stiefel nicht zu beschmutzen? Wenn es darauf ankömmt, von den feinsten Worten ein Filigran zu flechten, ein Drathnetz für Mücken¬ seelen — ich verstehe das so gut als einer. Wenn es darauf ankömmt, eine Satire zu spitzen, so spitz, das sie durch die Pore eines Glases dringt — ich verstehe das so gut als einer. Wenn es darauf an¬ kömmt, ein Gift zu mischen, klar, hell, rein, durch¬ 8* sichtig, ohne Farbe, Geruch und Geschmack, unschul¬ dig wie frisches Quellwasser, ein Verläumdungsgift, eine aqua tofana — ich verstehe das so gut als einer. Aber nein, ich will die Kerls todt schlagen, am hellen Tage und vor Aller Augen; denn Alle sol¬ len es wissen, und sie selbst, daß sie von meiner Hand gefallen. Wie? wenn ein dummer Bauerlüm¬ mel mir in der Schlacht gegenüber steht, der gar nicht weiß, wo er sich befindet, nicht weiß, woher er gekommen, wohin er geht, für was, für wen er streitet — soll ich ihn schonen, weil er dumm ist? Er gilt seinen Mann und seine Kugel trifft so gut, als kenne er ihr Ziel. Darum schlage ich ihn zu Boden. Soll ich ihm verächtlich den Rücken wenden, daß er mich von hinten treffe? Fein thun mit sol¬ chen plumpen Thieren, unter Scherz und Lachen Kirschkerne schnellen gegen solche Elephanten — es ist lächerlich. Sie spüren es gar nicht. Oder glauben Sie vielleicht, daß Alle die Plumpheit, die Roheit, die Gemeinheit meiner Gegner fühl¬ ten? Glauben sie das nicht. Nicht einmal die bessern Alle. Ich habe das erfahren. Ein wohl¬ meinender Freund brachte mir das Blatt aus Stutt¬ gart; ich las es in seiner Gegenwart und ergötzte mich unter lautem Lachen an dem Fischweiberwitze einer deutschen Hofzeitnng . Aber der Freund be¬ merkte mit bedenklichem Gesichte: ja es bleibt doch immer etwas hängen. Ich erwiederte pah! das bür¬ stet mein Bedienter wieder aus. Als ich aber spä¬ ter darüber nachgedacht, fand ich, daß ich nur eine leere Floskel gebraucht, um etwas zu sagen, und daß der Freund Recht gehabt. Selbst Heine, der doch so fein ist in seinen Ausdrücken, und ein plumpes Wort gar nicht verstehen sollte, bemerkte, als er sah, wie ich mich lustig machte, über ein anderes jener rohen Tabaksblätter, es wäre Perfidie darin. Und hätte ich mich blind gelesen, ich hätte die Perfidie nicht gefunden. So urtheilen aber die Leute, die entweder selbst zur rohen Menge gehören, oder aus Erfahrung besser wissen als ich, wie man auf sie wirkt. Die ministeriellen Blätter, die Hofzeitungen, warum schreiben sie denn so plump, warum schimp¬ fen sie so pöbelhaft gegen die Vertheidiger der Frei¬ heit? Glauben Sie, weil sie nicht fein zu seyn ver¬ stehen? O nein! Sie verstehen es nur zu gut. Wenn sie einen Streit unter sich haben, Hof gegen Hof, Fürst gegen Fürst, Macht gegen Macht, dann kocht selbst ihr heftigster Zorn nie so stark über, daß der trübe Schaum der Wuth zum Vorschein käme. Haß im Herzen, haben sie die liebevollsten Worte auf den Lippen und mit der ausgesuchtesten Höflich¬ keit stoßen sie dem Feinde ein schönes Schwert in die Brust. Wo es aber darauf ankömmt, die Frei¬ heit nieder zu reden, da wo die öffentliche Meinung die Menge entscheidet, sind sie grob und plump, um auf die grobe, plumpe und gedankenlose Menge zu wirken, die in allen Ständen, vom Hofmanne bis zum Bauer, die Mehrzahl bildet. Was sie gegen uns, sollten wir gegen sie thun. Seit fünfzehn Jah¬ ren hat die Freiheit den Sieg, den sie siebenmal er¬ rungen, siebenmal wieder verlohren, weil sie zu mä¬ ßig war, wie in ihren Handlungen, so in ihren Re¬ den. Die Völker glauben noch nicht fest genug an ihr eigenes Recht, und daß sie allein alles Recht be¬ sitzen. Sie kennen noch nicht genug ihre eigene Macht und daß Keiner Macht hat neben ihnen. Sie wissen noch nicht genug, daß die Welt ihnen allein gehört und Königen nicht der kleinste Theil davon der sich weiter erstreckte, als ihr väterliches Erbe, und daß sie darum von allem was sie wollen und was sie thun, keinem Rechenschaft zu geben haben, als Gott allein. Darum, weil sie das nicht wissen, ihr Recht und ihre Macht nicht kennen, wollen die Völker in den Augen ihrer Fürsten gut und billig er¬ scheinen, rechtfertigen sich, statt Rechtfertigung zu be¬ gehren, fordern, wo sie nehmen sollten, fordern nicht alles, was ihnen gebührt und fordern es mit so lei¬ sen höflichen Worten, daß man sich anstellt, die Hälfte nicht verstanden zu haben, und die verstandene Hälfte abzuschlagen den Muth bekömmt; das muß anders werden. Keine Schonung mehr, nicht im Handeln, nicht im Reden. Liegt die Freiheit hinter einem Meere von Blut — wir holen sie; liegt sie tief im Kothe versenkt, wir holen sie auch. Darum siegt die Bosheit überall, darum wissen Dummheit und Gemeinheit immer den Vorsprung zu gewinnen, weil sie den kürzesten Weg zum Ziele nehmen, un¬ bekümmert, ob er rein sei oder schmutzig. Sie hält die Reinlichkeit nicht ab, sie gebrauchen selbst edle Mittel, wenn etwas Schlechtes dadurch zu erreichen, und wir sollten den Koth meiden, auch wenn er zum Guten führt? Wir suchen reinliche Umwege, ver¬ lieren die Zeit und alles; denn wo wir auch den Feind einholen, wo und wenn wir auch zu ihm stoßen, wir finden ihn immer im Schlamme, den wir früher oder später durchwaten müssen, wollen wir siegen für das Recht. Was andere thun für die Tyrannei, warum sollen wir es nicht für die Frei¬ heit thun? Schwert gegen Schwert, List gegen List, Koth gegen Koth, Hundegebell gegen Hundegebell. Heine sagt: auch die Freiheit müsse ihre Jesuiten haben; ich sage das auch. Aber nicht das allein, die Freiheit muß alles haben, was im Lager der Tyrannei zu finden: Stück-Knechte, Rothmäntel, Baschkiren, Marodeurs, Paukenschläger und Tro߬ buben. Lernen wir begreifen, daß die Tyrannen nur solche Waffen fürchten, die sie selbst gebrauchen; denn nur diese kennen sie. Darum der List ja keine Of¬ fenheit, dem Laster keine Tugend, der Frechheit keine Milde, der Plumpheit keinen Anstand gegenüber. Ist es wie in den großen Kämpfen dieser Zeit, wo Macht gegen Macht streitet, nicht auch in den kleinen Kämpfen aller Zeiten, wo jeder Mensch für sein besonderes Leben gegen das andere besondere Leben kämpft? Siegt nicht immer der Dumme über den Weisen, der Bösewicht über den edlen Mann? Das geschieht, weil die edlen Menschen den Sieg mit dem Kampfe, die Beute mit der Waffe verwech¬ seln, und mit Recht für das Recht streiten. Nur mit Unrecht gewinnt man das Recht; denn man kann selbst im Kampfe für die Wahrheit die Söldlinge nicht entbehren, und diese bezahlt man mit Tugend nicht. Sehen Sie Rousseau. Es gab keinen Men¬ schen, der das Gute mehr geliebt, das Schlechte mehr gehaßt, als er. Er kämpfte sein ganzes Leben für Freiheit und Recht, und warum wurde er so ver¬ kannt? Warum wurde er so verspottet? Warum war sein Leben so voll Schmach und Noth? Er verspottete die Gemeinheit und war gutmüthig gegen die Gemeinen; er bekämpfte den Trug und lebte in Frieden mit allen Betrügern; er verfolgte alles Schlechte, und schonte die Schlechten. Ueber die Sache verschwand ihm der Mensch; er liebte das Gute, und verstand die Guten nicht zu lieben; aber man muß Feinde haben, um Freunde zu finden, man muß hassen, um lieben zu können. Rousseau haßte und liebte Keinen, darum stand er allein; er verschonte Jeden, darum wurde er nicht verschont; er verfolgte Keinen, darum wurde er von Allen ver¬ folgt. Gott und Welt, Himmel und Erde verthei¬ digte er, aber sich selbst wußte er nicht zu vertheidi¬ gen. Das schien ihm schnöder Lohn für freien Liebes¬ dienst, und den verschmähte er. Darum ging er zu Grunde. Alle Blitze seiner Beredtsamkeit gebrauchte er für Andere; für sich selbst war er wehrlos und stumm. Einmal sagt er in seinen Bekenntnissen: „Hätte ich meine Kraft gebrauchen wollen gegen meine Feinde, ich hätte gewiß die Lacher auf meine Seite gehabt.“ Ich habe mir das gemerkt. Die Lacher will ich auf meiner Seite ziehen; die Lacher , die gutes Herz und gute Fäuste haben, und nicht die feinen Lächler , die, ob sie zwar tausendmal mir recht gäben, doch tausendmale mich todtschlagen ließen, ohne die Hand für mich aufzuheben; aber mir immerfort recht gäben und immerfort lächeln würden. Göttliche Grobheit! vor dir falle ich nieder. Abends . So eben habe ich die Abendzeitung, den Messager, gelesen. Gestern war sie noch mini¬ steriell, heute hat sie die gewechselt. Die Actionairs haben sich nicht gut gestanden bei dem bisherigen Ministerialismus der Zeitung, und haben darum die Redaktion geändert. Es ist merkwürdig! Läse ich keine andere Zeitung, als nur den Messager, hätte ich denken müssen, daß seit gestern sich die ganze Welt geändert, daß ein Comet an die Erde gestoßen und sie in eine neue Bahn getrieben. Dar¬ aus sah ich wieder, wie weit die Meinung der Re¬ gierenden von der des Volkes absteht. Und wer von beiden auch irre, gleichviel. Der Abstand bleibt im¬ mer der nehmliche. Und so ist es überall. Wie kann das gut enden? Verflossene Nacht hat man eine Verschwörung entdeckt. Aber keine von den neuen dummen Gas¬ senverschwörungen beim hellen Sonnenscheine, sondern eine von der guten alten Art, schauerlich, mitter¬ nächtlich, blutdürstig, wie sie in den Melodramen vorkommen. Einige hundert Menschen, mit Dolchen und Pistolen bewaffnet, wurden um Mitternacht in einem Hause überfallen. Sie setzten sich zur Wehre. Der erste eindringende Soldat wurde erschossen. Einige hundert sind arretirt. Die Verschwornen sollen starke bewaffnete Trupps in verschiedenen Stadttheilen aufgestellt haben. Man wollte in die Tuillerien dringen; General Bour¬ mont soll in Paris seyn. Doch ist alles noch schwankendes Gerücht. Waren es Republikaner? Waren es Carlisten? Man sagt das Letztere. Wäre das — der König hatte am nehmlichen Abend einen Ball — dann muß in der Gesellschaft doch mehr als Einer gewesen seyn, der von der Verschwörung wußte. Es ist eine interessante Situation! Heuer gedeiht aber nichts. Warum sind sie nicht so klug wie Joseph von Egypten gewesen, und haben in den Jahren der Fruchtbarkeit besser für die Hungerjahre gesorgt? Jetzt kömmt die Bescherung. — Habe ich Ihnen vor einiger Zeit nicht ein¬ mal geschrieben: in Oesterreich würden sie erschrecken über die furchtbaren Fortschritte des Liberalismus, wenn sie erfahren, daß sogar in Constantinopel eine Zeitung erscheint? Nun das war damals freilich gescherzt; aber es war ein Scherz im Geiste des Ernstes. Und jetzt ist es wirklicher Ernst geworden. Der Oesterreichische Gesandte in Constantinopel hat der hohen Pforte eine sehr eindringliche Note über¬ reicht, worin er im Namen seines Hofes vorstellt, welch eine schrecklich gefährliche Sache es um eine Zeitung wäre, selbst wenn sie im Sinne der Regie¬ rung geschrieben. Gäbe man dem Teufel einen Fin¬ ger, bekomme er bald die ganze Hand. Was sagen Sie dazu? Und wenn ich mich auf den Kopf stelle, ich kann nicht mehr lügen, kann nicht mehr satyrisch seyn. Alle Phantasie geht dabei zu Grunde. Bei dieser Gelegenheit will ich Ihnen eine artige Ge¬ schichte von der russischen Censur erzählen. Hängt Euch deutsche Censoren! das da hättet Ihr nie er¬ funden. Im Jahre 1813 wollte ein Russe die Be¬ schreibung einer Reise drucken lassen, die er im Jahre 1812 durch Frankreich gemacht. Die Censur fand auch an dem Buche nichts auszusetzen, außer dem Titel; denn es war nicht schicklich, daß ein Russe 1812 in Frankreich reise, zu einer Zeit, wo Ru߬ land und Frankreich Krieg führten. Um diesem Mis¬ stande abzuhelfen, strich die Censur den Titel Reise durch Frankreich aus und schrieb dafür Reise durch England , und wo im Buche das Wort Frankreich vorkam, setzte sie England an dessen Stelle. Jetzt noch zwei chinesische Anekdoten zum Einschlafen , denn ich will zu Bette gehen. Der Kaiser von Rußland ließ dem Kaiser von China sa¬ gen: er möchte doch an der Grenze seines Reichs einen Cordon gegen die Cholera ziehen lassen. Dar¬ auf ließ der Kaiser von China erwiedern: er werde das bleiben lassen; denn er habe gehört, daß die Krankheit nur Müssiggänger, Trunkenbolde und un¬ reinliche Menschen befalle, und es wäre ihm ganz lieb, wenn er fünf Millionen solcher Unterthanen verlöhre. Auch an einer andern Grenze des chinesi¬ schen Reichs wollte der Regierungsbeamte von Maas¬ regeln gegen das Eindringen der Cholera nichts hö¬ ren, weil er sie als fruchtlos und den Müssigang be¬ günstigend ansah. Um seine Meinung zu unterstützen, erzählte er folgende Anekdote: „Im Jahre 1070 brach in Peking eine sonder¬ „bare Krankheit aus, deren Wirkung sich an den „Haaren derjenigen zeigte, die in freier Luft lebten. „In kurzer Zeit verlohr der Kranke die Hälfte sei¬ „ner Haare und darauf starb er. Als der damalige „Kaiser Tschanglug dieses erfuhr, sagte er mit be¬ „stimmten Worten, er wolle von dieser Krank¬ „ heit nichts hören . Dieser höchste Wille, mit „Festigkeit ausgedrückt, machte die Seuche verschwin¬ „den.“ Gute Nacht. Freitag, den 3. Februar. Ist denn das Alles wahr, was ich in einer Stuttgarter Zeitung gelesen, wie neulich die Frank¬ furter beim Durchzuge der Polen durch manches schöne Wort eine noch schönere Gesinnung offenbart? Einer, der vor dem Wagen der Polen zog, sagte: „Dir helf ich ziehen, Philipp, was geht mich Kaiser „und König an? Das hier sind brave Kerle, das „weiß ich.“ Ein Anderer, den man abwendig ma¬ chen wollte, antwortete: „Ei, Ihr habt die Sontag „ziehen wollen; die haben den Russen noch etwas „ganz Anderes vorgesungen.“ Ein dritter äußerte: „ wir müssen den jungen Leuten zeigen , daß „ wir keine Preußen sind .“ Der Berichterstat¬ ter in der Stuttgarter Zeitung bemerkte hierbei, daß die Frankfurter, die sich so geäußert, aus den nie¬ drigen Ständen gewesen. Diese Bemerkung war ganz überflüssig. Man weiß recht gut, daß bei uns, wie überall, die höheren Stände weder so viel Ver¬ stand, noch so viel Herz haben. Der Polenzug durch Deutschland wird die schönsten Früchte tragen. O, die klugen Leute! O, die schlauen Staatsmänner! Vor dem großen Freiheitsmagazin im fernen War¬ schau war ihnen bange; sie zerstreuten es, und jetzt geht die Freiheit hausiren im ganzen Lande, von Stadt zu Stadt, von Dorf zu Dorf! Von der Schmach und Tücke, die Oesterreich und Preußen den edlen Polen angethan, mußten die öffentlichen Blätter schweigen; und jetzt schicken sie zwanzigtau¬ send Prediger im Lande herum, die erzählen, was sie geduldet und lehren, wie man zu dulden aufhöre. Kommen jetzt die Russen, dann wird man lange rei¬ sen müssen, um von Frankreich aus ihre Gräber zu besuchen. Was sich aber Preußen für Mühe giebt, sich verhaßt zu machen! So viel Bescheidenheit hätte ich ihm gar nicht zugetraut. Große Genies brau¬ chen nicht zu studiren. Daß aber meine guten Deut¬ schen ihren Preußenhaß auch gut verwenden! Es ist in ihrer schönen Art, über ihr Herz doppelte Buchhalterei zu führen: was sie dem Hasse geliehen (und sie leihen ihm nur und nehmen später zurück) setzen sie gleich der Liebe in die Einnahme. Thut das nicht. Ihr möget Preußen hassen, aber liebt darum Oesterreich nicht mehr. Preußen klappert und warnt; Oesterreich zischt nicht eher, bis es gebissen. Preußen watschelt, wie ein Bär, auf die Freiheit los; Oesterreich wartet, bis sie an dem Dickicht vor¬ bei kömmt, wo es verborgen lauert. Hasset Preußen, aber fürchtet Oesterreich. Oesterreich kann , was Preußen nur will . Preußen ist nur Oester¬ reichs Mund; rechtet mit dem Herzen, und nicht mit den Lippen. Oesterreich findet die Weichsel roth genug, es ist ganz zufrieden, und jetzt will es den Rest der Polen dazu benutzen, im Deutschen Volke Haß gegen Preußen zu erregen, das es fürchtet, mehr als Rußland. Dieses ist doch ein Körper , aber Preußen ist ein schauerlicher Geist. Hätte Oester¬ reich nicht diesen Zweck, wäre es nicht damit einver¬ standen, hätte die Begeisterung des deutschen Volks für die edlen Polen in gar manchem deutschen Lande, in gar mancher Stadt, sich so ungestört nicht zeigen dürfen; hätte man nicht gesehen, daß selbst die feig¬ sten aller Regierungen an dieser Begeisterung Theil genommen. Gar manche von den edlen Männern, die im milden Wirken für die Polen sich ausgezeich¬ net, sind der österreichischen Regierung mit ganz be¬ sonderer Liebe zugethan, durch ganz besondere Bande an sie geknüpft. Hasset eure offnen Feinde, aber fürchtet die Danaer , auch wenn sie Ge¬ schenke bringen ! Samstag, den 4. Februar. Heine wurde neulich von Jemand gefragt: worin er sich in seinen politischen Ansichten von mir unterscheide? Er antwortete: ich bin eine gewöhn¬ liche Guillotine und Börne ist eine Dampfguillotine. — Mehr als zweihundert Personen sind wegen der letzten Verschwörung arretirt worden, und dar¬ unter Leute von Namen, wie der General Düfour . Das ist der nehmliche General Düfour, welcher in den Juli-Tagen, als der Herzog von Orleans vor dem Rathhause um die Gunst des Volkes bettelte, zu ihm sagte: Sie sehen, gnädiger Herr, welch ein schlechtes Ende schlechte Könige nehmen, und das diene Ihnen zur Lehre. Worauf der Herzog von Orleans ganz prächtig die Hand auf sein Herz legte, und nachdem er eine der schönsten Stellungen Tal¬ ma's ausgewählt, zu Düfour sagte: „es bedarf Ih¬ rer Ermahnungen nicht; ich bin ein guter Franzose, habe die Freiheit immer geliebt, immer für sie ge¬ kämpft.“ Fast geweint hat der gute Herzog vor ed¬ lem Zorne. Jetzt sitzt er auf dem Throne und Düfour im Kerker. Auf Perriers Ball hätte ich leicht kommen kön¬ nen, wie jeder Andere auch. Man konnte sich ein Billet dazu verschaffen, wie zum Theater; aber ich wollte nicht. Ich will nicht wandeln, wo Sünder gehen, und mich nicht setzen, wo Spötter sitzen. — Bei dem Anlasse neulich, wo die Simoni¬ sten in die rauhen Fäuste der Gewalt gefallen, haben sich die Franzosen hier wieder auf eine sehr liebens¬ würdige Art gezeigt. Die öffentliche Meynung war zum großen Theile gegen die Simonisten; fast alle Blätter, am meisten aber die Liberalen, waren ihnen entgegen. Der Figaro besonders, dieses reiche Na¬ delkissen, stach sie täglich auf das grausamste. Aber seit dem Tage, daß die Regierung sich plump, wie jede, in ein zartes Verhältniß des Geistes gemischt, hat sich alles geändert. Alle bisher feindlichen Blät¬ ter nehmen sich der Simonisten auf das freundlichste an. Der Figaro erklärt auf eine edle und rüh¬ rende Weise, er werde von nun an kein Wort mehr gegen sie schreiben, sondern all seinen Spott der rohen Gewalt zuwenden. Ein Blatt für die prote¬ stantischen Interessen, das die religiöse Lehre der Simonisten stets mit Kraft und Ernst bekämpft, machte gleich am andern Morgen bekannt, es ent¬ sage von nun an seinem Kriege, und werde die Waffe nun gegen die gemeinschaftlichen Feinde füh¬ ren. Ein Mann, der eine Schrift gegen die Simo¬ nisten zum Drucke fertig hatte, erklärte öffentlich, er werde sie unter solchen Verhältnissen nicht bekannt IV. 9 machen. Ist das nicht alles, wie bei uns? Auch dort, sobald die Regierung einen Menschen, ein Buch, eine Lehre verfolgt, erheben sich gleich die lieben, guten, hochherzigen Deutschen zum Schutze und zum Beistande der Schwachen. Das Gedicht auf den Preußen-Galgen ist wun¬ derschön. Ich werde es dem General Uminski mit¬ theilen. Schrieb ich Ihnen nicht schon im Anfange die¬ ses Winters, es würde noch dahin kommen, daß die französische Regierung, von der man früher erwartet, sie würde andern Völkern beistehen, ihre Freiheit zu erkämpfen, sich mit allen despotischen Mächten ver¬ bindet, die Freiheit überall zu unterdrücken? Nun heute erzählt man, Schiffe mit Menschen wären aus einem französischen Hafen ausgelaufen, um Ankona zu besetzen, und gemeinschaftlich mit Oesterreich und dem Papste die Italiener unter das alte schmähliche Joch zu bringen! Wahrhaftig ich schäme mich. Mein Argwohn hinkt lächerlich hinter der Tyrannei her, die, Hand in Hand mit der Thorheit, schneller als der Wind seinen Blicken enteilt. Sechs und zwanzigster Brief. Paris, Dienstag, den 7. Februar 1822. Vor einigen Tagen wurden hier, zum Ersten¬ male seit der Revolution, zwei Menschen hingerichtet. Da verlosch der letzte Strahl eines schönen Tages. Als damals das Volk über das Leben aller seiner Feinde gebot und es schonte, dachten einige edle Männer daran, diese Tugend des Volkes, so lange sie noch regierte zum künftigen Gesetze zu erheben, damit, wenn die Macht wieder an Jene käme, die nie geschont, sie ihren Rachedienst doch wenigstens nicht mit Blut sollen stillen dürfen. Sie trugen da¬ her in der Kammer auf die Abschaffung der Todes¬ strafe an. Doch jene Andern, die es genau berech¬ neten, wie viel in dieser betrübten Zeit, da ihr Ge¬ werbe ganz darnieder lag, ihnen an Kapital und Zinsen verlohren ginge, und daß sie das später alle wieder herbeischafften müßten, es zum alten Schatze 9 * zu legen, erschracken über die Abschaffung der Todes¬ strafe. All ihr Glück liegt in der Hoffnungslosig¬ keit des Unglücks — wie kann man regieren ohne Tod? Doch schwiegen sie. Denn damals standen ihre unglücklichen Freunde vor Gericht, die Minister Karls X. , die ganz in ihrem Geiste und nach ihrem Herzen gehandelt, denen es aber mislungen war. Man wollte sie vom Tode retten und ließ darum die Wünsche des Volks für die Abschaffung der Todesstrafe nicht kalt werden. Sobald aber die Minister zur Gefangenschaft verurtheilt waren, be¬ freite man sich von der schweren Heuchelei und führte für die Beibehaltung der Todesstrafe alle die Gründe an, welche die Mächtigen, Vornehmen und Reichen seit jeher geltend gemacht, weil ihnen der Schutz ihrer Macht und die unbestrittene Herrschaft ihrer Leidenschaften und eine mathematische Sicherheit ihrer Reichthümer höher gelten, als Christus Lehre und als das Gebot der Menschlichkeit. Ihr eignes Herz zum Maasstabe nehmend, hatten sie ausgemessen, nach ei¬ nem Jahre würde das Herz des Volks so klein ge¬ worden seyn, daß die große Idee von der Abschaf¬ fung der Todesstrafe nicht mehr Platz darin findet. Aber sie täuschten sich. Vor einigen Monaten wollte man auf dem Gr è ve-Platze einen Verbrecher hinrichten, als aber das Volk die Vorbereitungen sah, zeigte es sich so aufgeregt und widersetzlich, daß man die Hinrichtung nicht vorzunehmen wagte. Jetzt haben sie den Richt¬ platz an das Ende der Vorstadt St. Jaques verlegt, außerhalb des Gesichtskreises des Volkes, eine Stunde vom Mittelpunkte der Stadt entfernt. Die letzte Hinrichtung haben sie ganz im Stillen voll¬ zogen; erst zwei Tage später erfuhr Paris davon. Die Zeitungen der Minister haben es im Triumphe erzählt, wie schön Alles gelungen, und wie der Schleier des Geheimnisses alles dicht bedeckte. Das Schaffot wurde in der Nacht aufgerichtet und die Verbrecher morgens acht Uhr auf den Richtplatz ge¬ führt. Diese waren schon seit vielen Monaten ver¬ urtheilt, auf die Begnadigung hofften sie nicht mehr, sie war ihnen Gewißheit. Noch am Nachmit¬ tage gingen sie im Hofe der Conciergerie ruhig und rettungsfroh spatzieren, und als sie sich Abends zu Bette legen wollten, kündigte man ihnen für den andern Morgen den Tod an. Der eine Verurtheilte sagte am Fuße der Guillotine zum Henker: eilt Euch ! eilt Euch ! Aber sie haben ihn nicht ver¬ standen, diesen Donner des Himmels. Eilt Euch ! Eilt Euch ! ruft es ihnen von oben herab; kurz ist Eure Zeit! Die heillos verblendeten Thoren! Als der edle Tracy in der Kammer auf die Abschaffung der Todesstrafe angetragen, da hätten sie nicht ruhen und rasten, sie hätten ihre Kinder nicht wiedersehn, nicht eher essen, trinken und schlafen sollen, bis das rettende Gesetz angenommen und verkündigt worden. Die Unglückseligen! Für wen denn haben sie das Schaffot aufgerichtet, für wen haben sie das ver¬ rostete Beil des Henkers wieder blank geschliffen? Für sich seblst . Nicht zum Zweitenmale wird das Volk seine Freiheit Tyrannen anvertrauen, nicht zum zweitenmale wird es seinen Feinden das Leben schenken. — Wenn Pfeilschifters Blätter für den deutschen Adelstand nicht eben so unsichtbar sind, als es noch alle seine frühern Schriften waren, wenn man sie in Frankfurt finden kann, bitte ich Sie, mir einige davon hieher zu schicken. Es ist ein Werk der Menschlichkeit und ich wäre im Stande selbst daran zu arbeiten. Charpie für den deutschen Adel¬ stand — er wird sie bald nöthig haben. Zupft! Zupft! Ihr habt es nicht für die Polen gethan: doch wir rächen uns nicht. Auch ein Edelmann wird zum Menschen, sobald er krank und unglücklich geworden. Ach, wie schön ordnet sich das jetzt alles; wir dum¬ men Demokraten hätten das nie gefunden. In den frühesten Zeiten war das Volk nichts, der Fürst we¬ nig, der Adel Alles. Aber die Fürsten wollten mehr werden, und verbanden sich mit dem Volke, den Adel zu unterdrücken. Das gelang nach einigen Jahr¬ hunderten. Die Fürsten wurden viel, der Adel sank zu wenig herab, das Volk erhob sich zu etwas. Nun aber wollten die Fürsten Alles werden, und verban¬ den sich wieder mit dem Adel, um das Volk in sein altes Nichts zurück zu stürzen. Das gelang nicht; ja, das Volk wurde immer mächtiger und gelangte endlich zu der späten Einsicht, daß ihm allein Alles gebühre, und den Fürsten und Edelleuten, so lange sie außer dem Volke stehn, nicht das Geringste. Jetzt in unsern Tagen ist die Noth und Gefahr für die Fürsten so groß geworden, daß sie, wie immer in Gefahren, sich hinter die Fronte der Streiter bege¬ ben. Den Adel, an dessen Spitze sie sonst standen, stellen sie vor sich hin, und das ändert die Lage des Kampfes auf das Allervortheilhafteste für uns. Den Völkern war eine Art religiöser Scheu vor ihren Fürsten anerzogen, und darum, ob sie zwar immer wußten, daß der Adel ihr eigentlicher Feind sey, tru¬ gen sie doch Bedenken, denselben mit aller Macht zu treffen, aus Furcht, die Fürsten zu verletzen, die vor ihm standen. Jetzt aber, da die Fürsten zurücktreten, wird die Völker nichts mehr abhalten, ihren ewigen Feind mit aller Kraft zu bekämpfen, und ihr Sieg ist sicher. Nach dem polnischen Kriege hat sich der mächtige Kaiser Nikolas ganz erschöpft in die Arme seines Adels geworfen; der absolute König von Preu¬ ßen organisirt die Aristokratie der Schweiz, und dient als gemeiner Ritter in ihren Reihen. Der englische Adel drängt seinen König zurück, und der französische rüstet sich mit dem Gelde der dummen Banquiers. Darum schreibt, Ihr Pfeilschifter! Zupft, Ihr gnä¬ digen Fräulein von Neuschatel! Zupft; das ist Wei¬ berarbeit, das kömmt Euch zu! Aber erröthet, daß Ihr die alten Fischweiber von Paris übertroffen, und furienartiger, als jene einst die Aristokraten mishan¬ delt, mit Euern zarten adlichen Händen den Demo¬ kraten das Gesicht zerkratzt, die der galante Herr von Pfuel, einst der Bayard des Tugendbundes, ge¬ fesselt vor Euer Sopha geschleppt. Zupft, während wir die Schwerter wetzen! — In der allgemeinen Zeitung — nicht in der des Herrn von Cotta, sondern in der deutschen allgemeinen Zeitung — stehet: „noch ein Wort über Börne ;“ ein sehr verdienstvoller Artikel, der wegen der vielen Wunden, die er empfangen, mit dem Censur-Orden geschmückt worden ist. Das ist nun einer der Wohlwollenden, der froh und emsig Alles herbeigeholt, was er zu meiner Vertheidigung für nöthig hielt, und der es herzlich bedauert, daß er mich nicht in Allem vertheidigen kann. Nun wohl, er hat mich besser verstanden, als die Andern; aber auch nur besser verstanden was ich gesagt , was gedruckt zu lesen war. Doch was ich nicht gesagt, was nicht gedruckt worden, das entging ihm, wie es den Uebrigen entgangen. Haben Euch denn die täglichen Gedankenstriche Euerer Censur nicht wenig¬ stens im Errathen einige Uebung gegeben? Ach, das ist eben der Jammer mit den Deutschen. Weil sie immer so gründlich, so vollständig sind; weil sie Alles, was sie thun, mit dem Anfange anfangen, und mit dem Ende aller Dinge endigen; weil, so oft sie leh¬ ren, sie Alles lehren, was sie wissen über Alles; weil sie, wäre auch nur zu reden von der Angelegenheit dieser Stunde, von den Verhältnissen eines beschränk¬ ten Raumes, sie die ganze Ewigkeit, die ganze Un¬ endlichkeit durchsprechen; weil sie hinausschiffen in den großen Ocean, so oft sie sich die Hände waschen wollen- urtheilen sie, findet sich einmal ein Mann, der sagt, was zu wissen nur eben Noth thut, es sey ein oberflächlicher, einseitiger Mensch, der luftige Worte spräche und nichts gründliches sage. Was ist da zu thun? Ach, gestehet es nur, wenn wir uns wechselseitig unerträglich sind, so ist doch meine Last viel größer, als die Euere. Meine kleine Bür e unter dreißig Millionen Menschen vertheilt: das gibt jedem von Euch gar wenig zu tragen. Aber mir hocken dreißig Millionen Deutsche auf dem Rücken, und die sind sehr schwer, sehr schwer! Gesteht es nur, ich brauche mehr Geduld mit Euch, als Ihr Geduld mit mir braucht. Mein wohlmeinender Freund in der deutschen allgemeinen Zeitung sagt: man möge nicht vergessen, daß ich ein Jude bin. Aber das spricht er nicht als Vorwurf wie die Andern aus; nein, er gedenkt dessen zu meiner Entschuldigung, ja, zu meinem Lobe. Er sagt: mit Recht wäre ich gegen die Deutschen erbittert, die mein Volk so gedrückt und geschändet; nicht der Haß, die Liebe habe mich verblendet. Fer¬ ner: „Der Ironie Börne's ist das Franzosenthum „der Riesenmaasstab geworden, mit welchem gemes¬ „sen die deutsche Nationalität in ihrer ganzen „Zwerghaftigkeit und Verkrüppelung erscheinen soll.“ Ferner: „Auch die Ironie bedarf eines Gegensatzes, „wie Alles in dieser Welt voll Licht und Schatten, „und sie muß daher, um ihren Gegenstand in seiner „ganzen Kleinheit darzustellen, ein wirklich oder schein¬ „bar Großes ihm entgegensetzen.“ Ferner: „Die „ernsten schlagenden Worte eines Rotteck und Wel¬ „ ker , aber wahrlich nicht die fliegenden Witze eines „ Heine und Börne , streuen den Saamen künfti¬ „ger Thaten über unser Vaterland aus.... Hat „man Börne's Briefe zu Ende gelesen, so ist auch „der Eindruck vorüber und es ist uns nicht anders zu „Muthe, als hätten wir einem glänzenden Feuer¬ „werke zugesehen .... Allein alle diese einzelnen „Winke können doch nimmer die Bahn bezeichnen, „auf welcher die Nationen vorwärts zu schreiten ha¬ „ben; das vermögen keine blendenden, zuckenden Ge¬ „dankenblitze, sondern nur das Licht der klaren un¬ „ wandelbaren Sonne.“ Und noch mehrere Dinge solcher Art spricht der Freund, auf welche ich Dinge meiner Art erwiedern will. Es ist wie ein Wunder! Tausendmale habe ich es erfahren, und doch bleibt es mir ewig neu. Die Einen werfen mir vor, daß ich ein Jude sey; die Andern verzeihen mir es; der Dritte lobt mich gar darfür; aber Alle denken daran. Sie sind wie gebannt in diesem magischen Judenkreise, es kann keiner hinaus. Auch weiß ich recht gut, woher der böse Zauber kömmt. Die armen Deutschen! Im untersten Geschosse wohnend, gedrückt von den sieben Stockwerken der höhern Stände, erleichtert es ihr ängstliches Gefühl von Menschen zu sprechen, die noch tiefer als sie selbst, die im Keller wohnen. Keine Juden zu seyn, tröstet sie dafür, daß sie nicht einmal Hofräthe sind. Nein, daß ich ein Jude ge¬ boren, das hat mich nie erbittert gegen die Deut¬ schen, das hat mich nie verblendet. Ich wäre ja nicht werth, das Licht der Sonne zu genießen, wenn ich die große Gnade, die mir Gott erzeigt, mich zu¬ gleich ein Deutscher und ein Jude werden zu lassen, mit schnödem Murren bezahlte — wegen eines Spot¬ tes, den ich immer verachtet, wegen Leiden, die ich längst verschmerzt. Nein, ich weiß das unverdiente Glück zu schätzen, zugleich ein Deutscher und ein Jude zu seyn, nach allen Tugenden der Deutschen streben zu können, und doch keinen ihrer Fehler zu theilen. Ja, weil ich als Knecht geboren, darum liebe ich die Freiheit mehr als Ihr. Ja, weil ich die Sclaverei gelernt, darum verstehe ich die Freiheit besser als Ihr. Ja, weil ich keinem Vaterlande ge¬ boren, darum wünsche ich ein Vaterland heißer als Ihr, und weil mein Geburtsort nicht größer war, als die Judengasse, und hinter dem verschlossenen Thore das Ausland für mich begann, genügt mir auch die Stadt nicht mehr zum Vaterlande, nicht mehr ein Landgebiet, nicht mehr eine Provinz; uur das ganze große Vaterland genügt mir, so weit seine Sprache reicht. Und hätte ich die Macht, ich dul¬ dete nicht, daß Landgebiet von Landgebiet, daß deut¬ scher Stamm von deutschem Stamm auch nur eine Gosse trennte, nicht breiter als meine Hand; und hätte ich die Macht, ich duldete nicht, daß nur ein einziges deutsches Wort aus deutschem Munde jen¬ seits der Grenzen zu mir herüberschallte. Und weil ich einmal aufgehört, ein Knecht von Bürgern zu seyn, will ich auch nicht länger der Knecht eines Fürsten bleiben; ganz frei will ich werden. Ich habe mir das Haus meiner Freiheit von Grunde auf gebaut; macht es wie ich und begnügt Euch nicht, das Dach eines baufälligen Staatsgebäudes mit neuen Ziegeln zu decken. Ich bitte Euch, verachtet mir meinen Juden nicht. Wäret Ihr nur wie sie, dann wäret Ihr besser; wären ihrer nur so viele als Ihr seyd, dann wären sie besser als Ihr. Ihr seyd dreißig Millionen Deutsche, und zählet nur für drei¬ ßig in der Welt; gebet uns dreißig Millionen Juden, und die Welt zählte nicht neben ihnen. Ihr habt den Juden die Luft genommen; aber das hat sie vor Fäulniß bewahrt. Ihr habt ihnen das Salz des Hasses in ihr Herz gestreut; aber das hat ihr Herz frisch erhalten. Ihr habt sie den ganzen lan¬ gen Winter in einen tiefen Keller gesperrt, und das Kellerloch mit Mist verstopft; aber Ihr, frei dem Froste blosgestellt, seyd halb erfroren. Wenn der Frühling kömmt, wollen wir sehen, wer früher grünt, der Jude oder der Christ. — Sie sagen: Die Franzosen erschienen mir als Riesen, und die Deutschen stellte ich als Zwerge ne¬ ben sie. Soll man da lachen oder trauern? Wem soll man begegnen? Was soll man beantworten? Unverstand und Misverstand sind Zwillingsbrüder, und es ist schwer, sie von einander zu unterscheiden, für jeden, der nicht ihr Vater ist. Wo habt Ihr klugen Leute denn das herausgelesen, daß ich die Franzosen als Riesen anstaune, und die Deutschen als Zwerge verachte? Wenn ich den Reichthum jenes schlechten Banquiers, die Gesundheit jenes dummen Bauers, die Gelehrsamkeit jenes Göttinger Professors preise, und mich glücklich schätze, solche Güter zu besitzen — bekenne ich denn damit, daß jene glücklicher sind als ich, und daß ich mit ihnen tauschen möchte? Ich, mit ihnen tauschen? Der Teufel mag sie holen alle drei. Nur ihre Vorzüge wünsche ich mir, weil mir diese Güter fehlen. Mir würden sie zum Guten gereichen; aber jenen, die sie besitzen, gedeihen sie nicht, weil es die einzigen Gü¬ ter sind, die ihnen nicht fehlen. Wenn ich den Deutschen sage: Macht, daß Euer Herz stark genug werde für Euern Geist; daß Euere Zunge feurig genug werde für Euer Herz; daß Euer Arm schnell genug werde für Euere Zunge; eignet Euch die Vorzüge der Franzosen an; und Ihr werdet das erste Volk der Welt — habe ich denn damit erklärt, daß die Deutschen Zwerge sind, und die Franzosen Riesen? Austauschen, nicht tauschen sollen wir mit Frankreich. Käme ein Gott zu mir und spräche: Ich will dich in einen Franzosen umwandeln mit allen deinen Gedanken und Gefühlen, mit allen dei¬ nen Erinnerungen und Hoffnungen — ich würde ihm antworten: Ich danke, Herr Gott. Ich will ein Deutscher bleiben mit allen seinen Mängeln und Auswüchsen; ein Deutscher mit seinen sechs und dreißig Fürsten, mit seinen heimlichen Gerichten, mit seiner Censur, mit seiner unfruchtbaren Gelehrsam¬ keit, mit seinem Demuthe, seinem Hochmuthe, seinen Hofräthen, seinen Philistern — — auch mit seinen Philistern? — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — Nun ja, auch mit seinen Philistern. Aber ich sage Euch, es ist schwer, ein gerechter Rich¬ ter seyn! Ihr sagt: Die Ironie bedürfe eines Gegen¬ satzes, die der meinigen fehle. Wie! Merket Ihr, was ihr fehlet, dann fehlt ihr ja nichts mehr, und merkt Ihr nichts, dann fehlt ihr wieder nichts. Ihr ja seyd selbst der Gegensatz! Soll ich Euch, breit wie Ihr seid, auf das schmale Papier hinstellen, das ja kaum für meine kleine Ironie groß genug ist? Man malet den Schatten, man malet nie das Licht. Soll ich Euch etwa loben , ein Volk loben? Seid Ihr denn mehr als Sonne und Mond? Nun, wenn die Sternkundigen von Mond und Sonne lehren, dann reden sie nicht lange und breit davon, daß Mond und Sonne leuchten — das siehet jeder dumme Hanns — von ihrem Schatten, ihren Flecken reden sie. Das ist, was gelernt werden muß, darin ist die Wissenschaft. Von den Tugenden der Franzosen konnte ich sprechen, denn das sind Lichtflecken . Ihr seyd ein Ganzes mit meinem Buche. Beur¬ theilt es, aber beurtheilt Euch mit, daß Ihr es nicht falsch beurtheilet. Ihr sagt: mit solchen fliegenden Witzen streue man nicht den Saamen künftiger Thaten über unser Vaterland aus! O schonet nicht! Ich bekomme Krämpfe, wenn ich von Saamen ausstreuen reden hören. Jetzt reden sie noch von säen, da doch ihr Korn schon längst geschnitten ist, und es nur an Dreschern fehlt, die es ausschla¬ gen! Nun, ich war einer von den Flegeln, die Euch gedroschen; dankt es mir! Saamen aus¬ streuen ! Man verliert alle Geduld. So macht Euch auch eine neue Erde für Euern Saamen, das wäre noch viel gründlicher. So wirkt man nicht — meinet Ihr. Wenn man meine Briefe gelesen, bliebe nichts übrig, es war ein glänzendes Feuerwerk! Bin ich ein Gott? Kann ich Euch den Tag geben? Ich kann Euch nur zeigen, daß Ihr im Dunkeln lebt, und dazu leuchtet ein Feuerwerk lang und hell genug. Es bliebe nichts übrig? Wenn man meine Briefe gelesen, bleibt noch die ganze Göttinger Bib¬ liothek übrig. Wie! Ich hätte nichts gewirkt? Hört doch die argen Schelme an! Sie zanken mit mir, daß ich ihnen Wasser statt Wein einschenkte, und können doch vor Trunkenheit kaum den Vorwurf stammeln. Was nennt Ihr wirken? Was nennt Ihr die Menschen bewegen? Heißt Ihr das, sie bewegen, wenn es Euch gelingt, sie zu Eueren Ge¬ sinnungen hinüber zu ziehen? Wenn so, dann bin ich bescheidener als Ihr. Ich nenne es auch die Menschen bewegen, wenn es mir gelingt, sie fortzu¬ treiben, entfernten sie sich auch von meiner Gesinnung. Sie gingen doch, sie blieben nicht länger stehen. Und das ist mir gelungen. Welche Begebenheit der Welt hat denn seit der großen Sontag das deutsche Volk so in Bewegung gesetzt als mein Buch? Nun freilich, der Sängerin haben sie den Wagen gezogen, und nach mir, der gepfiffen, haben sie mit faulen Aepfeln geworfen; aber sie haben sich bewegt für mich, wie für sie, und die Bewegung war ihnen gut. Freilich haben sie die Sängerin mit Flötenliedern in den Schlaf gelullt, und mich haben sie mit einer gräu¬ lichen Katzenmusik aus dem Schlafe geweckt; aber bis vor Mitternacht haben sie vor meinem Hause gekesselt und geklappert, sie sind später zu Bette ge¬ gangen, sie haben drei Stunden weniger ge¬ schlafen . Ist das nicht Gewinn? Habe ich nicht die Röthe des Zorns in tausend blutleere Wangen gejagt, und seyd Ihr denn so ganz gewiß, daß nicht manche schüchterne Schaamröthe das benutzt, sich leise, sachte auch darüber hinzuschleichen? Habe ich nicht manches kalte Herz entflammt? Mag nun die Flamme meinen Scheiterhaufen anzünden, oder den Weihrauch, den man auf meinen Altar gestreut — was geht das Euch an? Das ist meine Sache. Ge¬ nug, es flammt. Seyd nicht undankbar gegen einen Euerer treusten Diener, der mit den Andern gehol¬ lV . 10 fen, Euch aus dem Schlafe zu rütteln. Als der große Friedrich in seinen hohen Jahren schlafbegierig geworden, da, seiner Fürstenpflicht eingedenk, befahl er seinem Kammerdiener, ihn früh zu wecken und wenn er nicht gleich das Bett verließe, ihm die Decke vom Leibe wegzuziehen. Er murrte immer über die Gewalt; aber war er einmal munter ge¬ worden, dann lobte er seinen Diener. Trinkt nur erst Eueren Kaffee, und dann werdet Ihr es mir danken, daß ich Euch die Bettdecke vom Leibe weg¬ gezogen. Die Zeit wird kommen, wo Ihr alle meine Vorwürfe ungerecht gemacht; und dann werdet Ihr die Ersten seyn, es zu gestehn, daß sie einst gerecht gewesen. — Sie verlangen, ich solle ihnen die Bahn be¬ zeichnen , auf welcher sie vorwärts zu schreiten haben . Wenn ich ein Narr wäre! Ich weiß oft nicht: spottet Ihr über Euch selbst, oder wollt Ihr mich zum Besten haben? Wie? Soll ich Euch Bücher schreiben? Soll ich reden von Preßfreiheit und Censur, ja nicht zu vergessen die Caution; von öffentlichen Gerichten; von Geschwornen; von Ab¬ schaffung des Neubruchszehenten, des Blutzehenten, und anderer Teufelszehnten; von Aufhebung der Frohnden und Zünften; von Aufhebung der Univer¬ sitäts-Gilden; von persönlicher Freiheit; von einem gemeinschaftlichen deutschen Gesetzbuche; von gleichem Maaße und Gewicht und gleichem Münzfuße; von Freiheit des Handels; von wahrer freier Volksver¬ tretung; von starker Wehrverfassung gegen das Aus¬ land? Von dem Allen sollte ich Euch sprechen? Hat es denn noch Keiner vor mir gethan? Habt Ihr geschlafen die letzen funfzig Jahre? Dankt es mir doch, daß ich Euch den Buchbinder-Lohn erspare. Positives wollen sie haben! Wahrhaftig, sie haben es mir vorgeworfen, es sey gar nichts Positives in meinen Briefen. Positives! Und ihr Postament ist die ganze Erde! Ist es Euch noch nicht hoch, noch nicht breit genug? Traut Ihr seiner Dauerhaftigkeit nicht, und bittet mich, noch eine Lage Positives aufzusetzen? Ich verbürge mich für seine Dauerhaftigkeit. Wagt es, wagt es endlich einmal, die Bildsäule der Freihet darauf zu setzen. Olden¬ burger ! — Doch nein, ich will mich nicht ärgern und Euch auch nicht. Doch könnt Ihrs nicht mit Freundschaft anhören, was ich Euch mit Freundschaft sage, daß Ihr Alle wie die Oldenburger Herren seyd? Diese arbeiten jetzt an guten Communalschuhen, und sind diese fertig nach hundert Jahren, stecken sie die Füße hinein; und nach hundert Jahren stellen sie den Leib auf die Füße; und nach hundert Jahren stellen sie den Hals auf den Leib; und nach hundert Jahren setzen sie den Kopf auf den Hals; und nach hundert Jahren setzen sie den Freiheitshut auf den 10* Kopf; und dann hat Oldenburg eine Constitution, so gut und so schön wie eine. O Oldenburger! Oldenburger! Neue Ideen wollen sie auch von mir haben! Ein anderer Narr hat erzählt, er habe in meinem Buche nicht eine, nicht eine einzige neue Idee ge¬ funden. Spannet alle Euere Professoren auf die Folter, und wenn sie Euch beim dritten Grade eine neue Idee bekennen, dann hat ihnen der Schmerz die Lüge abgepreßt, die sie widerrufen, sobald Ihr sie von ihrer Qual befreit. — Schweigt! Ihr wißt nicht, wie man Völker erzieht. Ich verstehe es bes¬ ser. Ein Volk ist ein Kind! Habt Ihr einen hoff¬ nungsvollen Knaben, geschmückt mit allen Vorzügen des Körpers, ausgestattet mit allen Gaben des Her¬ zens und des Geistes; aber eine unheilbare Schwäche, eine schlimme Angewohnheit verunziert des Knaben gute Natur, oder für einen gemeinen Fehler hat er Strafe verdient — werdet Ihr, wie folgt, mit ihm reden? „Komm her Junge, küsse mich. Du bist ein herrliches Kind, meine Freude und mein Stolz; deine Mutter lobt dich, deine Lehrer rühmen dich, deine Kameraden bewundern dich. Und jetzt hast du eine Ohrfeige, denn du warst unartig gewesen. Und jetzt küsse mich wieder, theures Kind!“ Nein, so han¬ delt Ihr, so redet Ihr nicht, so thöricht seyd Ihr nicht. Ihr gebt dem Knaben eine Ohrfeige und von dem Uebrigen schweigt Ihr. Darüber gehen seine schönen Eigenschaften nicht zu Grunde. War aber ein reifer und verständiger Mann bei der Züchtigung des Knaben, dann vernahm er wohl etwas in der schwankenden Stimme des Vaters, das wie eine frohe Rührung klang; dann sah er wohl etwas in seinem Auge, das wie eine Hoffnungs-Thräne schim¬ merte. Dann küßte vielleicht der fremde Mann den weinenden Knaben, doch ganz gewiß tadelte er den Vater nicht. Donnerstag, den 9. Februar. Es erzählte mir Jemand aus der Zeitung, die Juden in Frankfurt würden mehrere Freiheiten be¬ kommen; statt funfzehen Paare jährlich, sollen künf¬ tig achtzehn Paare heyrathen dürfen. O Zeitgeist! Zeitgeist! Wer kann dir widerstehen? — Wenn * * * * zu Ihnen kömmt, binden Sie sich einen dicken Schawl um den Hals, denn er haut Einem den Kopf ab, ehe man sich's versieht. Das ist ein Jacobiner! — In Preußen hat man den Juden das deut¬ sche Predigen verboten. Ach ja, ich will es wohl glauben. Wie glücklich wären sie, wenn sie auch in den Kirchen, den Gerichten, auf dem Markte, in den Zeitungen und sonst überall, wo man mit der Menge spricht, die deutsche Sprache verbieten und dafür die hebräische einführen könnten, die Keiner verstehet! Hebräisch regieren — das wäre etwas himm¬ lisches! Ein Punkt kann den ehrlichsten Mann an den Galgen bringen; ein Punkt, ein Strich mehr oder weniger, da oder dort, giebt dem Gesetze einen ganz andern Sinn; man kann das Recht kneten wie Butter und eine grobe Constitution so fein machen, daß sie durch ein Nadelöhr geht. Denkt daran, Ihr christlichen Minister! werdet Rabbiner und ich habe das erfunden! Auch will man jetzt in Preußen al¬ len Civilbeamten Uniformen geben. Das ist die rechte Höhe der Tyrannei, der Superlativ, der deut¬ sche Superlativ des Monarchismus; es ist eine aller¬ höchste Spitzbüberei. Dadurch will man die Regie¬ rung ganz vom Volke trennen, die Beamten unter den Corporalstock der Disciplin bringen, Vaterlands¬ liebe in blinden Gehorsam verwandeln, und aus dem sitzenden Heere der Schreiber ein stehendes Heer machen; aus Richtern und Hofräthen Soldaten, welche die Feder statt der Flinte schultern, statt Patron¬ taschen Wappen tragen und Verordnungen und Stra¬ fen wie Patronen gebrauchen. Die Kammergerichts- Assessoren werden Schildwache stehen müssen und die Referendaire des Nachts patrouilleren. Das Mini¬ sterium wird das Hauptquartier und jedes Amt eine Wachtstube. So verknechtet man das Volk, so verknechtet man seine Hüter, so verknechtet man Alles von der Hütte bis zum Throne, vom Bettler bis zum Oberknechte. Ach! so viele Um¬ stände wären gar nicht nöthig. Die Preußen sind gute Menschen und leitsam wie die Hämmel. Der Kühnste unter ihnen, der Herr Professor von Raumer, ist noch furchtsam wie ein Spatz. Er hatte einmal den Muth, von der Galeerenbank der Censur weg¬ zulaufen. Es war in den Schreckenstagen der Cho¬ lera, wo Jeder den Kopf verlor. Er hätte ihn frei¬ lich nicht gehabt, wäre nicht Sr. Excellenz, der Ge¬ heimerath von Raumer, Galeerenhauptmann und sein Onkel gewesen, auf dessen Schutz er rechnen durfte, wenn man ihn wieder erwischte. Indessen er hatte ihn. Gleich ließ er seine Heldenthaten, als sein eig¬ ner Homer, in die allgemeine Zeitung setzen. Das war zu viel. Dagegen konnte ihn auch sein gnädi¬ ger Onkel nicht schützen, das griff die preußische Monarchie zu gefährlich an. Man befahl dem Pro¬ fessor Raumer, seinen kühnen Schritt zu leugnen, und er hatte die Feigheit, es zu thun und öffentlich be¬ kannt zu machen, er habe die Nachricht nicht in die allgemeine Zeitung geschickt, er wisse nichts davon. Und hätte er wirklich nichts davon gewußt, er hätte das doch nicht erklären dürfen. Braucht man Uni¬ formen gegen oder für solche Menschen? Herr von Raumer kam wieder zu Gnade und zu größerer als vorher. Denn nicht aufrichtige, treuergebene Diener will man haben, Menschen, die mit Herz und Glau¬ ben dem Absolutismus dienen; nein, Herz und Glau¬ ben sind der Tyrannei verhaßt, auch wenn sie ihr dienen. Man will freigesinnte, aber gottvergessene Menschen, die ein Gewissen zu verkaufen, die eine ursprünglich gute Gesinnung dem Teufel zu verschrei¬ ben haben. Die sucht man, die belohnt man am be¬ sten. Die kann man dem Volke zur Verführung aufstellen, als hohnlächelnde Beweise vorzeigen, daß Tugend nichts ist und Ehre eine Waare. So ver¬ knechtet, so entadelt man die Menschheit, daß sie Gott selbst nicht mehr erkennt und sie der Gewalt der Tyrannei überläßt. Freitag, den 10. Februar. Heute bin ich ganz vergnügt, daß ich gestern keinen Brief bekommen. Dafür bekomme ich ihn heute, oder jeder Funke der Menschlichkeit müßte in Ihnen erloschen seyn. Haben Sie meine erschüttern¬ den Ermahnungen vom Neujahrstage schon vergessen? Warten Sie nur, dann schreiben ich Ihnen wieder einen Brief, der Ihnen das Herz in tausend kleine Stücke brechen soll. Den gestrigen Abend brachte ich in einer Soi¬ rée St. Simonienne zu, bis gegen Mitternacht. Es ist eine wöchentliche Zusammenkunft, die, wie jede Andere, der geselligen Unterhaltung gewidmet ist, und keine besondere religiöse oder doctrinaire Bestim¬ mung hat. Ich kann Ihnen nicht beschreiben, wel¬ chen wohlthuenden Eindruck das Ganze auf mich ge¬ macht. Es war mir, als wäre ich aus der Winter¬ kälte einer beschneiten nordischen Stadt in ein Glas¬ haus gekommen, wo laue Frühlingslüfte und Blumen¬ düfte mich empfingen. Es . war etwas aus einer fremden Zone und aus einer schönern Jahreszeit. Und doch war ich mit keinem vorbereitet günstigem Gefühle, sondern ganz anders, mit unfreundlichen Gedanken dahin gekommen. Ich hatte mir fest ver¬ sprochen: dort findest du Menschen, die einem Jahr¬ hunderte und einer Welt vorausgeeilt, oder die Jahr¬ tausende zurückgegangen, um das Kinderparadies der Menschheit aufzusuchen; und du findest sie mit den neuesten Gesichtern vom 9. Februar 1832, mit den Meinungen, Reden, Gesinnungen, Witzworten, Fra¬ gen und Antworten und dem ganzen ewigen Kalen¬ der aller Franzosen und Pariser. Ich fand sie nicht so. Es schwebte ein Geist heitern Friedens über diesen Menschen, ein Band der Verschwisterung um¬ schlang sie Alle und ich fühlte mich mit umschlungen. Eine Art Wehmuth überschlich mich, ich setzte mich nieder, und unbekannte Gefühle lullten mich in eine Vergessenheit, die mich dem Schlummer nahe brachte. War es der magnetische Geist des Glaubens, der auch den Ungläubigen ergreift wider seinen Willen? Ich weiß nicht. Aber schweigende Begeisterung muß wohl mehr wirken als redende; denn die Reden der Simonisten haben mich nie gerührt. Dabei war Alles Lust und Freude, nur stiller. Es wurde ge¬ tanzt, Musik gemacht, gesungen; man spielte Quar¬ tetts von Haydn . Es waren wohl hundert Men¬ schen, ein Dritttheil Frauenzimmer. Die Männer waren mit ihren Weibern gekommen! Das sieht man freilich in andern Pariser Gesellschaften auch; aber dort kommen und gehen die Männer mit ihren Weibern, während sie aber beisammen sind, findet eine Art Ehescheidung zwischen ihnen statt. Hier aber konnte ich erkennen, welcher Mann zu welcher Frau gehörte. Im Vorzimmer saß eine ganze Reihe Kammer- und Dienstmädchen. Sie kamen oft in das eine Gesell¬ schaftszimmer, um durch die offne Thüre des Salons ihre Herrschaften tanzen zu sehen und singen zu hören. Diese Gleichheit gefiel mir sehr. Noch beim Nach¬ hausegehen auf den Boulevards fühlte ich mich seelen¬ warm und ich ging zu Tartonie und aß ein Glas Plombieres, wobei ich Ihrer gedachte, besonders als ich an die Vanille kam. — Es geht dem *** wie vielen Deutschen, welche die Nebensache zur Hauptsache gemacht. Die fran¬ zösische Leichtigkeit ist bei ihnen zum Leichtsinn, das so nothwendige und darum verzeihliche sich Hervor¬ stellen zur Zudringlichkeit geworden, und wenn sie sich als die gemeinsten Charlatane betragen, glauben sie Leute von Welt, feine Pariser zu seyn. An der deutschen Tribune zu arbeiten, dazu habe ich keine Zeit jetzt. Aber ich thue es, sobald ich frei werde. Das ist ein Schlachtfeld, auf dem kein Mann, der sein Vaterland liebt, fehlen soll. Aber die Zeitung, wird sie noch lange bestehen? Sie hat bis jetzt der Censur getrotzt, wofür der Redac¬ teur zu sechs-monatlicher Gefängnißstrafe verurtheilt worden. Ich schicke Ihnen heute den Herings-Salat. Es ist eine große Schüssel und Sie werden Durst darauf bekommen. Herings-Salat. Beim Thor , beim hohen Odin , und beim höchsten Bör , meinem erhabenen Ahn, dieser Knabe Alexis kämpft mit einer Berserker-Wuth, für die ihm einst in Walhalla ein Zwiebelkuchen duften wird! Aber noch bedenke ich mich. Soll ich, oder soll ich nicht? Kennten mich nur die Menschen alle, fühlten es nur alle mit, welch einen Stolz ich aufzuopfern habe, wenn ich solchen niedrigen Troßbuben das Ge¬ sicht zuwende. Aber auch diesen Stolz lege ich auf den Altar des Vaterlandes, und wahrlich, hätte ich ihm alles zu verdanken, was ich ihm zu verzeihen habe — ich wäre ihm jetzt nichts mehr schuldig. Oder glaubt Ihr, es wäre nichts, mit einem Philisterchen zu rechten, daß es geworden, wie es die Natur in einer langweiligen Stunde aus dem Kern einer Ha¬ selnuß geschnitzelt? Wenig für einen Mann von Ehre und Gefühl, sich vor ein Nürnberger Schäch¬ telchen hinzustellen, wie es beschaffen, wenn eben der letzte Nachtlichtdocht herausgenommen: offen und leer — und es ernsthaft zu fragen, warum es nichts enthalte, und wo seine Seele hingekommen? Es ist viel. Und doch dauert mich der arme Schelm! Sie haben ihm heimlich Branntwein in seine Bierkalt¬ schale gegossen, und der blasse blöde Junge, der frü¬ her nicht den Muth hatte, eine rothwangige Bauern¬ dirne zum Tanze aufzufordern, stürzt hervor, wird ein Held, fliegt die Sturmleiter hinauf, und erwacht nicht eher aus seinem Taumel, bis eine starke Faust dort oben ihn mit einer Ohrfeige lachend in den Graben hinunter stürzt. Dann jammert er: Ach, Papa Schlessinger! Ach, lieber Papa Schlessinger! Ach, wäre ich doch freimüthig und zu Hause geblie¬ ben! Ach, hätte ich doch kein Handgeld genommen! Ach, wäre ich nur fort von hier, man erwischte mich kein zweitesmal! Thörigter Knabe! Trinke Milch und gehe nicht hin wo Werber zechen. Sie haben dir wohl versprochen, du solltest Hauptmann werden; aber du bliebest Trommelschläger dein ganzes Leben. Du dauerst mich. Ich habe des großen Bör , meines göttlichen Ahns, gedacht. Das war er, und darum nenne ich mich Börne (Sohn des Bör). Mütterlicher Seite stamme ich von Belsta ab, des Riesen Bergthor Tochter, und Gattin des Bör. Keiner, der mich kennt, wird mich des Ahnenstolzes fähig halten; ich erwähne nur meine Abstammung, um jenen thörigten Menschen, welche glauben, daß eine hohe Geburt ein niederes Leben gut mache, und eine niedrige Geburt ein hohes Leben verderben könne, mir vorwerfen, ich sei als Jude geboren, und darum weniger als sie — um ihnen zu zeigen, das ich mehr bin, als sie, wie durch mein Leben, so auch durch meine Geburt. Der Ursprung meiner Familie geht hoch über das Christenthum hinaus, und ist noch älter als das Judenthum. Wir stammen aus der Lichtwelt, Mu߬ pellheim war unser Wiegenland; Ihr aber stammt aus der Nebelwelt, von Nilfheim seyd Ihr her¬ gekommen, seyd Imer's böse Kinder, und die ver¬ zwergten Enkel der langweiligen, aber einst gewalti¬ gen Eisriesen . Einst heyrathete ein Mann aus meiner Familie eine Frau aus der Eurigen, die Kuh Andumbia , und diese Verwandschaft spüre ich bei naßkaltem Wetter in allen meinen Gliedern. Zwei tausend Jahre vor Christus zog der mäch¬ tige Heimball , Nachkomme Bör's und einer mei¬ ner glorreichen Vorfahren, mit einem zahllosen Heere dem Mittage zu, um dort die Teutonen, die Nach¬ kömmlinge Imers, aufzusuchen, und mit diesen seinen tückische Vettern einen alten Rechtsstreit auszukämpfen. Nach langem und beschwerdevollen Zuge kam Heim¬ ball mit seinem Heere an der Grenze des feindlichen Landes an. Die Nacht war angebrochen, aus allen Städten und Dörfern schallten die Sturmglocken, und zahllose Wachtfeuer brannten rings umher. Heim¬ balls kampfbegierige Streiter jauchzten dem kommen¬ den Morgen entgegen. Als der Held eben sein letz¬ tes Horn ausgeleert, und sich unter einer Eiche zur Ruhe legen wollte, wurde ihm eine Botschaft gemel¬ det. Es erschienen fünf und zwanzig Zwerge in seidnen Kleidern und mit hundert Bändern und Gold¬ blechen behangen. Der Kleinste derselben trat her¬ vor, warf sich Heimball zu Füßen, küßte sie, stand dann wieder auf und sprach: „Allerdurchlauchtigster „Fürst und Herr, Allergnädigste Geisel Gottes! „Mein Herr, der König der Hofräthe , sendet „mich zu Allerhöchstderen allerhöchster Person, und „flehet Allerhöchstdieselben, ihn in diesen kritischen „Zeiten mit keinem Kriege zu überziehen, weil deren „heilige Person gerade beschäftigt ist, mit ihren ge¬ „treuen Unterthanen die Stumme von Portici einzu¬ „studiren. Allerhöchstdieselben mögen geruhen zu be¬ „denken, oder wollen geruhen zu bedenken, wie es „meiner schuldigsten Ehrfurcht am angemessensten lau¬ „tet, daß von dieser neuen Oper das Glück des gan¬ „zen Volkes der Hofräthe abhängt, und darum ge¬ „ruhen gefälligst umzukehren, und Allerhöchstderen „Königreich, das gesegnete Mußpellheim, wieder mit „Allerhöchstderen Gegenwart zu beglücken. Mein „Herr und König übersendet Ew. glorreichen Maje¬ „stät durch meine unwürdigen Hände dieses blaue „Band der schönen Sängerin, deren Hausorden, als „ein Zeichen seiner Freundschaft und unwandelbaren „Gesinnung, und bittet Allerhöchstdieselben mit Aller¬ „höchstdenselben einen Allerhöchsten Zollvertrag abzu¬ „schließen, zu wechselseitigem Vortheile der beider¬ „seitigen Höfe.“ Als darauf der Zwerg dem großen Heimball das kleine Ordensband umhängen wollte, aber kaum seine Knie erreichen konnte, brach darüber Heimballs Heer in solch ein donnerndes Gelächter aus, daß achtzehn von den Zwergen vor Schrecken umfielen und starben. Deren Anführer und Vor¬ mund riß sich die Haare aus dem Kopfe, warf sich Heimball abermals zu Füßen und sprach mit thränen¬ den Augen: „Allerdurchlauchtigstes göttliches Wesen! „Mächtiger Beherrscher von Mußpellheim! Mögen „Allerhöchstdieselben in Allerhöchstderen gerechtem „Zorne, wenn ich mich allerunterthänigst so aus¬ „drücken darf, es unserm unglücklichen Lande nicht „anrechnen, daß einige schlechte Hofräthe sich erkühnt, „in Gegenwart Allerhöstderen geheiligter Person um¬ „zufallen und zu sterben. Es sind junge Leute, „die erst vor zehn Jahren von Jena zurückgekommen, „wo ihnen die Burschenschaft heillose demagogische „Schwärmereien in den Kopf gesetzt. Wollen Aller¬ „höchstdieselben Gnade für Recht ergehen lassen, und „sich damit begnügen, daß wir zu Allerhöchstderen „Satisfaction gleich morgen früh unsern Censor auf¬ „knüpfen, weil er, wie dieses Beispiel der frechsten „majestätsschändenden Todesart lehrt, den revolutio¬ „nairen Grundsätzen nicht streng genug Einhalt ge¬ „than. Gnade! Friede! O, wäre die Stumme „von Portici hier, daß sie selbst für uns reden könnte!“ Heimball gerieth in den heftigsten Zorn und sprach. „Ihr feigen Hunde habt nicht den Muth „mit uns zu kämpfen, und wollt uns meuchelmörderisch „in den Rücken fallen! Ihr sprecht von Frieden, „und im ganzen Lande erschallen die Sturmglocken! „Ihr sprecht von Ergebenheit, und rings umher ver¬ „rathen zahllose Wachtfeuer ein zahlloses Heer!“ — Der Zwerg schlug sich vor die Stirn und erwiederte: „O jammervolles, o allerhöchstbetrübtes Misverständ¬ „niß! Allerhöchstdieselben geruhen nichts zu wissen, „was Sie sprechen! Allerhöchstdieselben geruhen „falsch zu hören und falsch zu sehen! Was Sere¬ „nissimus für Sturmglocken gehalten, ist nichts als „das festliche Geläute, womit wir Allerhöchstderen er¬ „freuliche Ankunft feiern, und was Allerhöchstdieselben „geruhten für Wachtfeuer anzusehen, waren die Illu¬ „minationen, die im ganzen Lande der Hofräthe von „der Polizei anbefohlen worden. O Gnade! O „Barmherzigkeit!“ Heimball gab dem Zwerge einen Fußtritt und sprach: „Fort, Hunde, mit Tagesan¬ „bruch seht Ihr mich wieder!“ Nach Aufgang der Sonne stand Heimball mit seinem ganzen Heere im Gebiet der Hofräthe. Der Zwerg vom vorigen Tage trat abermals hervor und sprach: „Allerdurchlauchtigster, ich wünsche wohl „geruht zu haben. Allerhöchstderen heiterer Blick „verkündet uns Ruhe und Frieden. Der Censor ist „gehenkt, und die Güter der achtzehn Demagogen, die „gestern Abend eines revolutionairen Todes gestorben, „sind confiszirt worden. Ich bin von meinem Könige „und Herrn bevollmächtigt, dem durchlauchtigsten Be¬ „herrscher von Mußpellheim eine Oper-Allianz anzu¬ „bieten. Die beiderseitigen respectiven Höfe sollen auf „ewige Zeiten ihre Sängerinnen und Tänzerinnen „mit einander austauschen, zum größten Vortheile „des Handels, der Industrie, der Moral, Gesund¬ „heitspolizei und Bevölkerung der beiden Staaten. IV . 11 „Um Allerhochstdenselben die Kosten der Kriegsrüstung „zu ersetzen, will mein König und Herr die Hälfte „seiner Staaten an Ew. Majestät abtreten. Höchst¬ „deren allerunterthänigster Zwerg hat seinem Herrn „dazu gerathen. Wir sind unserer Hofräthe, Domai¬ „nenverwalter, Gardeoffiziere, Minister, Kammer¬ „herren, Oberstallmeister, Ober-Cermonienmeister, Hof¬ „damen, Maitressen, General-Intendanten, und Hof¬ „banquiers in allem nur 814. Für diese bleibt die „Hälfte des Landes groß genug und wenn die uns „bleibenden Unterthanen zweimal so viel Steuer be¬ „zahlen, als früher, verlieren wir nichts an den An¬ „dern. Geruhen jetzt Ew. Majestät ein ganz unter¬ „thäniges Frühstück einzunehmen, und dann der „General-Probe der Stummen von Portici huldreichst „beizuwohnen.“ Nachdem der Zwerg-Hofrath so gesprochen, er¬ hob sich im Hintergrunde ein wildes Geschrei: Zu den Waffen , zu den Waffen ! Keinen schmachvollen Frieden ! Auf Brüder ! Es lebe Teutonia ! Es lebe die Freiheit ! Heimball schob die Hofräthe, welche die Aussicht hemmten, weg, um zu sehen, was hinter ihnen vor¬ ging. Da gewahrte er eine Schaar edler Jünglinge, welchen der Muth in den Augen blitzte, welchen Kampfbegierde die Wangen röthete, und, den Ruf zur Schlacht erwartend, freudig mit den Schwertern auf den Schild schlugen. Heimball mit seiner Hel¬ denschaar, streckten froh bewegt ihre Arme den Hel¬ denbrüdern entgegen und riefen: „Gruß, Liebe und „Dank euch Brüdern! Wir kommen, Ihr seyd es „werth mit uns zu streiten, und Sieger oder besiegt, „in Walhalla trinken wir aus einem Horn!“ Da erbleichte der Zwerg, sprang auf einen Stuhl, sah die tapfern Jünglinge zornig an und sprach: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht ! Heimballs Kriegern bot sich darauf ein Schauspiel dar, worüber sie zu Bildsäulen erstarrten, und ihnen Schwert und Schild mit donnerndem Getöse aus den leblosen Händen fiel. Sobald die teutonischen Jünglinge gehört: Ruhe ist die erste Bürgerpflicht ! legten sie ihre Rüstung ab, zogen Schlafröcke an, stopften ihre Pfeifen und fingen an zu lesen und zu schreiben. Heimball sprach darauf zu seiner Schaar: „Auf, tapfere Genossen, „flieht, fort von hier. Wir sind gekommen mit „Männern zu kämpfen, nicht mit Schulmeistern und „ihren Knaben. Fort von jener bedauernswürdigen „Jugend, fort von diesen verächtlichen Alten! Flieht „und schaut nicht rückwärts, bis wir nach Mußpell¬ „heim gekommen.“ So verließ Heimball mit sei¬ „nem Heere Teutonia, ließ aber zur Bewachung „der Hofräthe sechs Mann und einen Unteroffizier „zurück.“ 11* Dieser Unteroffizier war Heimballs jüngster Sohn, der aber trotz seiner königlichen Abstammung nicht besser gehalten wurde, als der gemeinste Krie¬ ger. Nachdem aber sein Vater fortgezogen war, und der junge Mensch sich selbst überlassen blieb, konnte er den Schmeicheleien und Kriechereien der Hofräthe nicht lange wiederstehen. Er verweichlichte, sein reines skandinavisches Blut artete aus, und von dem vielen Essen und Trinken, daß man ihm alle Tage vorsetzte, bekam er die Gicht, welche Krank¬ heit sich durch länger als zweitausend Jahre in sei¬ ner Familie fortgeerbt. Vier und zwanzig hundert Jahre nach Heimball reiste ein Nachkömmling jenes Unteroffiziers, Namens Widar , wegen seines Po¬ dagra's nach Baden bei Rastadt. Auf dem Wege dahin, im würtembergischen Städtchen Mergentheim, lernte er ein schönes Mädchen kennen, Namens Goldchen , Tochter des Juden Baruch . Er ver¬ liebte sich in sie, und verlangte sie zur Gattin. Er erhielt sie unter der Bedingung, ein Jude zu werden und den Namen Baruch anzunehmen. Widar lernte in Baden den berühmten Dichter Robert kennen, der ihn Tag und Nacht um Stoff zu einem Drama quälte. Widar erzählte ihm seine eigene Lebens¬ geschichte und daraus entstand Roberts Europäisches Schauspiel: die Macht der Verhältnisse . Dar¬ auf zog Widar oder Baruch an den Main, da, wo später Frankfurt erbaut wurde. Die Gegend gefiel ihm und er ließ sich da nieder. Sein Haus stand an der Stelle, wo jetzt in Sachsenhaußen die untere Mühle liegt. Nach und nach siedelten sich viele Hei¬ den und Juden dort an, und es entstand eine Stadt, die Widar nach seinem Namen nannte. Dieses zeigt auch das Wort Frankfurt ganz deutlich; denn Frank heißt im skandinavischen Wi , und furt heißt dar . Also waren es Juden, die Frankfurt gegründet, und S . T . der Herr Senator Dr . Schmitt Wohlgeboren, waren daher im größten Irrthum, als sie gegen mich, der die Rechte der Juden vertheidigte, vor einigen Jahren im Gelehrtenvereine bemerkten: die Juden könnten keine Bürger seyn in Frankfurt, weil es vor 1500 Jahren Christen gewesen, welche Frankfurt erbaut. Gerade im Gegentheile. Wenn hier die Religion ein Recht geben oder nehmen könnte, wären die Frankfurter Juden die einzigen Bürger, und die Christen wären blos Schutzchristen, welche die Juden in eine Christengasse einsperren und ihnen verbieten dürften, mehr als zwölf Ehen jährlich zu schließen, damit sie nach und nach aussterben, und den Handel der Juden nicht ganz zu Grunde richten. Auf diese Weise ist meine früher heidnische Fa¬ milie eine jüdische geworden, und ist es geblieben bis auf den heutigen Tag. Ich aber, als im Jahre 1818 die jüdische Familie Rothschild so übermächtig wurde, beschloß zum Christenthume überzugehehen ; denn es war immer meine Neigung, es mit der schwächern und unterdrückten Parthei zu halten. Der Pfarrer wollte mich aber unter dem Namen Baruch nicht taufen, und darum nahm ich den Namen Börne an, um hiedurch das zerrissene Band mit meinem Ahn¬ herrn, dem göttlichen Bör, wieder fest zu knüpfen. Seitdem heiße ich also Börne und nicht Baruch modo Börne , wie das Frankfurter Polizei-Proto¬ koll ohne Punkte vom 5. Dez. sagt. Ich habe den Namen mit Wissen und gnädigster Erlaubniß meiner hohen Obrigkeit angenommen. Wenn ich von mir selbst spreche, heiße ich kurzweg Börne ; wenn aber andere von mir sprechen, heiße ich Herr Börne. Und ich heiße mit viel größerem Rechte Herr, als irgend ein Frankfurter Senator der drei Bänke, den ältern und jüngern Bürgermeister nicht ausgenommen. Denn ich bin wahrer Herr, ich diene keinem, ich bin keiner Macht Unterthan. Ich diene nur der Wahr¬ heit und dem Rechte, ob es mich zwar nur so weit angeht, daß ich selbst es nicht zu verletzen habe. Wäre ich aber eine obrigkeitliche Person, ein Richter, ein Senator, ein Bürgermeister; wäre das Recht meiner Mitbürger meinem Schutze anvertraut und irgend eine zahnstochernde Excellenz, dem etwa einer meiner Schutzbefohlenen wegen der Form seiner Nase mißfallen, lächelte mir beim Dersert den Befehl zu, dessen Recht zu kränken, ließ ich lieber meinen armen Leib in tausend Stücke hauen und ihn als Fraß den Schweinen vorwerfen, als daß ich meine unsterbliche Seele um das Spottgeld eines solchen Lächelns verkaufte. Also Herr Börne heiße ich und werde jedem zu begegnen wissen, der mir mein Herr anrührt. Als vor einiger Zeit einige junge Leute von der Gesellschaft der Volksfreunde , wegen Vergehen, die mit fünfjähriger Einsperrung bestraft werden können, vor ihren Richtern standen, und an¬ geschuldigt auf diese Weise, ihre Vertheidigung auf eine, wenn auch nicht strafwürdige doch höchst straf¬ fällige Weise führten; Recht und Orduung ihre eige¬ nen Richter, den König und die Verfassung verhöhn¬ ten und bei dem Verhör der Gerichts-Präsident die Angeklagten beim Namen rief, ohne Herr vorzusetzen; da sprach Raspail , einer derselben, zum Präsiden¬ ten: „Wenn ich das Wort an Sie richte, nenne ich Sie Herr Präsident ; wenn Sie mit uns sprechen, sagen Sie blos Raspail , Hubert , Thauret . Doch sind wir gleich vor dem Gesetze; geben Sie uns die Eigenschaft, die wir Ihnen selbst ertheilen. Die Achtung, die Sie von uns selbst zu fordern das Recht haben, sind Sie auch uns schuldig.“ Lautes Bravorufen der Zuhörer folgte auf diese Anrede. Der Präsident aber nahm keine Rücksicht darauf und fuhr fort, Raspail zu sagen, ohne Herr. Darauf sprach Raspail: „Herr Präsident, nennen Sie mich „ Herr Raspail , ich verlange es; nicht für mich „(man weiß, wie wenig wir auf so nichtige Dinge „halten), aber ich fordere es im Namen der Würde „der Vertheidigung und der Achtung, die man den „Angeklagten schuldig ist. Die Beklagten, die man „alle Tage auf diese Bänke schleppt, sind gewohnt „vor Ihnen zu zittern. Nun wohl! Sie mögen sich „selbst achten lernen, es ist ein gutes Beispiel, das „wir ihnen geben.“ So wie Raspail vor den As¬ sisen, stehe ich jetzt vor der Frankfurter Polizei. Mein Verbrechen ist mir unbekannt; aber die mir drohende Strafe ist fürchterlich. Wenn ich verurtheilt werde, muß ich den Galeeren-Dienst bei diesem Amte versehen. Darum sage ich im Gefühle meiner Würde dieser Polizei: „Madame! Wenn ich Sie anrede, „nenne ich Sie Madame ; nennen Sie mich Herr . „Die Achtuug , die ich Ihnen bezeuge, sind Sie auch „mir schuldig. Den Doktor erlasse ich Ihnen, auch „meine übrigen Titel, deren ich viele habe, brauchen „Sie mir nicht zu salviren , auch dem Wohlge¬ „bornen entsage ich. Aben nennen Sie mich „ Herr Börne , ich bestehe darauf.“ — Auf dieses Tutti lasse ich ein Solo folgen; denn ich spiele ein unpartheiisches Doppel-Conzert, indem ich zwar als Komponist und Conzertgeber mir die erste Stimme vorbehalte, doch zur gehörigen Zeit mit der zweiten abwechsle. Jetzt kömmt die Reihe zu geigen an den Meister Alexis. „Noch nie habe „ich ein Buch mit so steigendem Widerwillen, bis es „zuletzt völliger Ekel wurde, durchgelesen. Börne „ist ein deutscher Ultraliberaler, sagen Sie. Mein „Gott, reicht denn das Wort aus, diesen Inbegriff „von knabenhafter Wuth, pöbelhafter Ungezogenheit, „diesen bodenlosen Revolutionsgeist, diese hohle, ans „alberne streifende Begeisterung für negirende Be¬ „griffe auszudrücken, ja nur zu bezeichnen? Thut „man nicht unsern Liberalen Unrecht, Börne als ei¬ „nen ihres Gleichen zu nennen? Mich dünkt, so „etwas von erschütternd Nichtigem, in einer ab¬ „schreckenden Gestalt, ist noch nicht da gewesen, we¬ „nigstens nicht in der deutschen Literatur .... Es „wälzt sich ein Gemeinplätzen, in einem bachantischen „Taumel, oder wie jener irische Häuptling, der sich „vor der Fronte in den Koth warf, um sich abzu¬ „kühlen, wenn ihn das Fieber brannte. Es juckt „ihn und er kratzt sich, daß es eine Lust ist.“ Noch einmal, mich dauert der arme Schelm! Vor vierzig Jahren hatte irgend ein pfuschender Naturgesell von Lappen, die er seiner Meisterin gestohlen, dem klei¬ nen hagern Seelchen Röckchen und Höschen zusam¬ mengeschneidert. Zur Ruhe, zum Sitzenbleiben und zum Referiren gebohren, war dem Seelchen das enge Kleidchen weit genug und die Nähte hielten. Aber da schlägt ein Blitz in seiner Nähe nieder, das Seelchen erschrickt, springt auf, zum erstenmale be¬ wegen sich die Glieder, die knappe Sprache platzt , Lumpenworte hängen herum, und dem armen nackten Seelchen kann man alle Rippchen zählen. Edler! Warum bist du erschrocken? Nicht dir galt der Blitz; Lorbeeren verschont er. Uebrigens nehmen Sie mir es nicht übel, wenn ich mehreremale Du zu Ihnen sage. Zuweilen rede ich in Streckversen, und dann dutze ich jeden ohne Unterschied des Ran¬ ges, der mir in den Weg kömmt. Aber eines bitte ich Sie mir zu erklären. Ich erinnere mich ganz genau: es war im Jahre 1819, nach dem Karlsba¬ der Congresse, da nahm ich Assafötida ein, und zwar in Mixtur; denn ich verabscheue die feigen Pillen. Es war ein einziger Löffel voll, es war der Ekel einer Minute und der Schauer von fünf Minuten. Aber hinge mein Leben davon ab, ich nähme keinen zweiten Löffel Assafötida. Sie aber, mein Bester, haben mehrere Stunden an meinem Buche mit im¬ mer steigendem Ekel gelesen! Wie ertrugen Sie das? Wer hieß Sie das? Wer bezahlte Ihnen das? Oder finden Sie solche Freude am Ekel, daß Sie ihn gutwillig suchen, warum erbrechen Sie sich vor den Augen aller Welt? Ist das artig? Thut das ein wohlerzogener Mensch? Zwar haben es die al¬ ten Römer auch gethan, aber Sie sind kein alter Römer, sondern im Gegentheil ein Referendair. Zweitens, beantworten Sie mir die Frage: ist das literarische Unterhaltungs-Blatt ein Nachtgeschirr? Endlich möchte ich wissen, wo Sie gelesen, daß ein irischer Häuptling sich durch ein Schlammbad vom Fieber geheilt? Ich habe eben das Fieber, aber es nützt mir nichts. Alexis : „Von diesem in ihm kochenden Grimme „merkte man wenig, als er vor einigen Jahren eine „Reise durch Nord-Deutschland machte. Man wußte „bis dahin nicht viel mehr von ihm, als daß er um „Frankfurt herum berühmt sey. ... Die Meisten „hörten zum Erstenmale von ihm, weil er ins Mor¬ „genblatt eine Kritik über die Sontag einrücken las¬ „sen, und so wurde er in Berlin präsentirt.“ „ Es „ ist der Mann , der über die Sontag ge¬ „ schrieben .“ Theurer Freund! Du gleichst dem Geiste, den du begreifst. Du saubergewaschenes, kuchenlächlendes, bimmbammelndes Sonntagskind, er¬ kennest nur den müßigen, schöngeputzen, lustigen Sonn¬ tag in mir; aber die Wochentage voll schwerer Sor¬ gen, saurer Arbeit und lohngeiziger Bezahlung, die hast du nicht erkannt. Ja, es kochte damals, wie später der Grimm in mir, nur heißer noch; denn als in den Juli-Tagen der Vulkan sich in einem Feuerstrome Luft gemacht, da wurde mit Millionen Herzen auch das meinige friedlicher und stiller. Da¬ mals aber, da die Freiheit nur erst rauchte und kna¬ benhaft mit Steinen warf nach der Tyrannei, da, zu stolz zum Kinderspiele, verschloß ich meine Brust, und ließ den Grimm darin kochen zum späterm Ge¬ richte. Hättest du meine Glut geahndet, schwammi¬ ger Alexis, du wärest entsetzt von mir weggelaufen, und hättest dich vor Angst in ein Wasserfaß gestürzt. Vielleicht hörtest du zuweilen, mie es siedete in mir; aber du dachtest wohl, ich summe ein Sonntags-Lied¬ chen und liebtest mich darum. Doch über den Nar¬ ren! daß er noch selbst herbeischleppt, was er ver¬ stecken sollte, damit es mein Spott nicht finde. Ja freilich, so ist es, man wußte in Berlin nichts von mir, als daß ich über die Sontag geschrieben, und so wurde ich jedem vorgestellt: es ist der Mann der über die Sontag geschrieben ! Wenn ich jener Tage gedenke — doch ich will erst das Feuer schüren; mich friert, wenn ich daran denke. Komme her, Muse, setze dich zu mir beim Kamin und er¬ zähle mir von jenen Tagen. Aber sei vernünftig und kichere nicht. Ich wohnte in der Stadt Rom und doch war es fürchterlich kalt. Aber es war die Stadt Rom unter den Linden. Am zweiten Tage nach meiner Ankunft, Morgens zwischen zehn und zwölf Uhr und 22 bis 24 Grade, kamen Robert und Hering zu mir, schwarz gekleidet, in seidenen Strümpfen und überhaupt sehr festlich zubereitet. Ich saß gerade beim Kaffee. Börne! sagte Robert, trinken denn die Geister Kaffee? Darauf sah er Hering an und wartete auf eine günstige Rezension seines Einfalls. Hering aber, der seinen Beifall für sich selbst auf¬ sparen wollte, sprach: „Warum nicht? Im Kaffee „ist Geist, schöne Geister begegnen sich, darum trinkt „Börne Kaffee.“ Darauf sagte er: O Börne! Sontag! Göttlich! und fiel mir laut schluchzend um den Hals. Robert aber sprach, mit bewegter doch fester Stimme: ermannen Sie sich, Referendär; wir wollen gehen, das Volk hart Ihrer, Börne. Wir gingen. Vor dem Hause begegnete uns ein Mann, wir blieben stehen. Hering sprach: Hofrath! Börne! Der Hofrath war erstarrt und rief: Börne? Son¬ tag — göttlich! dann ging er. Nach zehn Schrit¬ ten kam wieder ein Mann. Robert sprach: Hof¬ rath! Börne! Der Hofrath war erstarrt und rief: Börne? Sontag — göttlich! Etwas weiter begeg¬ nete uns wieder einer. Hering sprach: Hofrath! Börne! Der Hofrath war erstarrt und rief: Börne? Sontag — göttlich! So wurde ich unter den Lin¬ den vier und dreißig Personen vorgestellt, die alle Hofräthe waren. Endlich erreichten wir den Pariser Platz. Ich hoffte, meine Leiden würden jetzt geendigt seyn; aber nein. Man schleppte mich den Thier¬ garten zu. Unter dem Brandenburger Thore mach¬ ten wir halt. Hering blieb mir zur Seite, damit ich nicht entwischte; Robert aber stellte sich mir gegen¬ über, zog ein dickes Manuskript aus der Tasche, es waren gewiß hundert Bogen, ich zitterte wie ein Espenblatt, und er fing zu lesen an. „Heil dir im Siegeskranz, Vater des Vaterlands!“ — Da schlug sich Robert vor die Stirn und rief: ich Esel! da habe ich den Waldfrevel statt der Rede eingesteckt! Schadet aber nichts, ich weiß sie auswendig. „Edler „Börne. Hier unter diesen Pferden, die einst die „Franzosen schmachvoll nach Paris geführt, die wir „aber glorreich wieder zurückgebracht; hier unter die¬ „sen Pferden, wo Jahn einem Turnjungen Ohrfeigen „gegeben, weil auf die Frage: was er jetzt denke? „der Junge geantwortet: er denke gar nichts, wor¬ „auf Jahn gesagt: er solle daran denken, wie man „die Pferde wieder schaffe; hier unter diesen Pferden „denke ich“ .... Lieber Robert, fiel ich ins Wort, ganz Berlin weiß, daß Sie unter Pferden ein den¬ kendes Wesen sind, aber ... doch Robert ließ sich nicht einhalten und fuhr fort: „Hier unter diesen „heiligen Hallen, glücklich nachgebildet den Propyläen „in Athen, welche eben so viele Talente zu erbauen „gekostet, als Sie besitzen, nehmlich tausend und „zwölf; hier unter diesen schönen Talenten — ich „wollte sagen Propyläen — wo einst die verdienten „Männer des Alterthums auf Kosten unsers gelieb¬ „ten Königs verpflegt worden, freie Kost, Wohnung, „Heizung und Wäsche hatten, täglich eine Flasche „Champagner, und monatlich hundert Thaler Taschen¬ „geld“ . . . . Der Referendär fiel hier dem Robert ins Wort, und sagte: lieber Robert, Sie faseln. Sie verwechseln Propyläen mit Prytanäen. Robert aber erwiederte ärgerlich: Prytanäen oder Propyläen, das ist mir alles eins. Er wollte fortfahren; ich aber halb todt vor Hunger und Durst, raffte alle meine Kraft zusammen und sprach: „lieber Robert! In „den Prytanäen oder Propyläen, denn weil es Ihnen „alle eins ist, ist es mir auch alle eins, bekamen die „verdienten Männer des Vaterlandes, wenn sie Hun¬ „ger hatten, ein Gebackenes zu essen, das man „Madsa nannte. Sind Sie der Meinung, daß „das Wort Mazza , womit Ihre Glaubensgenossen „das ungesäuerte Brod bezeichnen, das sie an ihrem „Pascha essen, mit jenem griechischen Madsa ver¬ „wandt sey? Ich bin nicht der Meynung, sondern „ich stimme mit der des berühmten seeligen Wolf „überein, der in seinen Prolegomenen zum Homer „gezeigt, daß das griechische Madsa , nichts anders „gewesen, als ein Berliner Pfannkuchen. Ach, lieber „Robert! Ach, theurer Alexis! wie glücklich wäre ich, „wenn ich jetzt ein Dutzend Pfannkuchen hätte! Aber „wohlverstanden, von den Guten in der Jägerstraße, „mit einer Zuckerglasur und mit Aprikosen gefüllt.“ Robert, an den Rest seiner Rede denkend, sagte schmerz¬ lich lächlend: Herr, dein Wille geschehe! Sie führ¬ ten mich zurück. Bald kam ein Mann, wir blie¬ ben stehen, und Hering sagte: Justizath ! Börne! Der Justizath erstarrte und sagte: Börne? Sontag — göttlich! Das wiederholte sich alle zehn Schritte, bis unter die Stechbahn. Diesesmal aber waren es lauter Justizräthe. Endlich traten wir bei Justi ein, und dort wurde ich im Namen der preußischen Mon¬ archie von deren Stellvertretern mit Pfannkuchen, Chocolade und Madera bewirthet. Hering überreichte mir den ersten Pfannkuchen auf silbernem Teller, und sprach: Börne! Dieser Pfannkuchen ist ein Bild Ih¬ rer schönen Seele! Darüber mußte ich aber in ein so unbändiges Lachen ausbrechen, daß ich die Choco¬ lade umstieß, die herabfloß und mir ein ganz neues schwarzes Kleid zu Grunde richtete, das mir am nehmlichen Morgen erst der Schneider gebracht hatte. Denn am Tage vorher, den zweiten meiner Ankunft in Berlin, waren mir meine Kleider aus dem Zim¬ mer gestohlen worden, woraus ich erkannte, daß Preußen wirklich eine von republikanischen Institu¬ tionen umgebene Monarchie sei; denn je freier ein Volk, je schlechter ist seine Polizei. In Paris wurde mir nie etwas gestohlen. Und diese Menschen, die mir einen Purpur¬ mantel umgeworfen, mich unter den Linden im Triumpfe herumgeführt, vor mir hergingen wie Ha¬ man vor dem Mardochai, und ausriefen: so ehrt Ahasverus den Mann , der über die Son¬ tag geschrieben ! — diese Menschen, die mir tau¬ send und zwölf Talente angeschmeichelt und meine Seele mit einem Pfannkuchen verglichen — machen mir jetzt die größten Grobheiten, aus Todesfurcht, Herr von Arnim, der Polizei-Präsident möchte es er¬ fahren, daß sie bei einem Essen, das sie mir im Kaffe Fran ç ais unter den Linden gegeben, allen Königen den Tod zugetrunken! Alexis : „Ihm zitterte das Herz unter sei¬ „ner Brust, und die Brücke unter seinem Gesäß „beim Gedanken, daß auf derselben Brücke der erste „Freiheits-Kämpfer des July gefallen.“ .... Ach, die Nase! Die Königsnase — darauf sitzen jetzt schon dreihundert Mücken! .... Meinen Jammer, daß „ deutsche Genies “ hungern mußten, den lobt und billigt der Philister; doch das ist seine einzige Unpartheilichkeit .... „Man kann ihm keine größere Freude machen, als wenn man ihm deutsche Dumm¬ heiten mittheilt.“ Danke, lieber Herr! — „Der Patriot fingirt , daß ihm jemand aus Oesterreich folgendes schreibt.“ Das haben die andern Philister auch gesagt: ich hätte den Brief erdichtet, denn ich hätte den Muth nicht gehabt, in meinem eigenen Namen gegen Göthe zu schreiben; sie wollen mich lV . 12 nur allein stellen, alle Schuld auf mich allein häufen; das ist ein Pfiff, den sie von irgend einem abgesetz¬ ten Polizei-Diener gelernt. Vielleicht hoffen sie auch auf diese Weise, mir den Namen des braven Man¬ nes abzulocken, der den Brief geschrieben. O! geht, geht. Ich bin ein gerader schlichter Mann, aber für euch bin ich noch zehntausendmal zu schlau. Der Referendär hat mir auch vorgeworfen, ich hätte nichts gelernt, ich wäre ein unwissender Mensch! Oder hat es mir Robert vorgeworfen, oder Pittschaft, oder ein Anderer? Die vielen Grobheiten haben mich ganz verwirrt gemacht; daher kann ich unmög¬ lich darüber Buch und Rechnung führen. Ich muß es mit meinen Gegnern machen, wie es einmal Schinderhannes mit einem Trupp Juden gemacht, der ihm in seine Hand gefallen. Er zwang sie alle, ihre schmutzigen Stiefel auszuziehen; diese warf er untereinander und befahl ihnen, sie jetzt wieder anzu¬ ziehen. Nun hätte man das Geschrei und Zanken der Juden hören müssen, wie sie einander in die Haare fielen und sich die Stiefel aus den Händen rissen. Schinderhannes stand dabei und hielt sich die Seiten. Wie kommt es aber, daß mich noch keiner von euch Schinderhannes genannt? Ihr seyd doch im S eures Schimpfwörterbuchs und schon über die Schmeisfliege hinaus. Aber jetzt ist es zu spät. Wer mich jetzt Schinderhannes nennt, der ist nichts als ein schlechter Nachdrucker. Ich verwahre feierlich meine Rechte auf den Schinderhannes, und der hohe deutsche Bund wird es gewiß nicht zugeben, daß man den 18. Artikel der Bundesakte übertrete, und meine Schriften ganz, oder zum Theile nach¬ drucke. Also Einer von meinen Gegnern sagte, ich wäre ein unwissender Mensch. Ich? Wie viele Ge¬ lehrte giebt es denn in Deutschland außer mir, die einem armen Scribenten zu rathen wissen, wie er es zu machen hat, mit seinem Einkommen auszukommen, daß er nicht nöthig habe, für Tagelohn zu schimpfen? Er muß es machen wie der Thrazier Paräbius , der Freund des Königs Phinous . Er muß der Nymphe Thynis einen Altar errichten, dann wird es ihm nie mehr an Lebensmitteln fehlen. Ich weiß freilich nicht, wer der Apollonius ist, der die Geschichte des Paräbius erzählt — ob Apollonius Liminus , des Cressus Freigelassener, der korrekteste Schriftsteller aller Zeiten, denn er hat nie etwas herausgegeben; oder Apollonius der Rhodier , von dem man ein berühmtes Heldengedicht vom Ar¬ gonautenzuge besitzt; oder Apollonius Cronus , der Philosoph aus der Megarischen Schule; oder Apollonius Parga , der berühmte Mathematiker, welcher ein Meisterwerk von den Kegelscheiben her¬ ausgegeben; oder Apollonius von Tyana , der 12* Pythagoräer, von dem man die unglaublichsten und lächerlichsten Wunder erzählt, (so soll er in der kur¬ zen Zeit von zehn Jahren einen ganzen Monat des Freimüthigen zweimal durchgelesen haben) — aber ein einzelner Mensch kann nicht alles wissen. Da¬ gegen weiß ich, daß Carme die Tochter Eubulus und Enkelin Carmanors war, und daß Jupiter mit ihr die Britonortis erzeugte, und daß die¬ jenigen Gelehrten, welche, wie Schwabe in seinem mythologischen Lexicon, behaupten, die Carme wäre eine Tochter des Phönix und Enkelin des Agenors gewesen, crasse Ignoranten, jämmerliche Wichte, ver¬ fluchte Kerls, und elende Schmeisfliegen sind, welchem Gesindel man einmal auf die Finger klopfen muß, daß etwas Furcht hineinfährt. Ich habe gelernt, daß man sich sehr hüten müsse, die Δειπνα απο σϰυ¬ ριδος der Griechen mit den Sportulis der Römer zu verwechseln, daß man ungebetene Gäste σϰιας nannte, und ich weiß auch den Grund davon. Nicht weniger ist mir aus meinen Studien bekannt, daß man bei den Römern diejenigen Causarii nannte, welche wegen Kränklichkeit vom Kriegsdienste befreit werden mußten, daß aber, weil dabei oft Betrüge¬ reien vorgingen, bei ausbrechendem Kriege strenge Untersuchungen angestellt wurden, weßwegen der hohe Frankfurter Senat, als er den Beschluß gefaßt, mich bei der Polizei anzustellen, welches ein Kriegsdienst ist, ein Platz im Genie-Korps, und da Einer der Sena¬ toren die Einwendung gemacht: meine Kränklichkeit ver¬ statte mir nicht, diesen Dienst zu versehen, erklärte: nun, so solle ich im Dezember von Paris nach Frankfurt reisen, um mich von dem dortigen Stadt¬ physikus untersuchen zu lassen? Und weiß ich nicht, daß, thät' ich dies auch, es mir nichts nützen würde, weil, wenn auch der Frankfurter Stadtphysikus mich aus alter Freundschaft krank machte, ich doch dienen müßte, da, so oft ein Tumult entsteht, oder die Stadt in höchste Noth geräth, gar keine Entschuldigung an¬ genommen wird? War aber nicht neulich in Frank¬ furt ein Tumult wegen der Thorsperre, und ist nicht die Stadt durch die preußische Mauth in die höchste Noth gerathen? Das Alles weiß ich, und ich wüßte noch tausendmal mehr, wenn ich aus Funkes Real- Schullexicon, worin ich das Zeug gestern Abend ge¬ lesen, noch einige andere klassische Werke von zu Hause mitgenommen hätte, wie: Eschenburgs Hand¬ buch der klassischen Literatur, Heliodore die Lauten¬ spielerin aus Griechenland, Thibaults Pandekten und Roberts Waldfrevel. Und jetzt kommen solche Mord¬ brenner, solche Mauerbrecher, Dornbüsche, lächerliche Thoren, heillose Gesellen und jämmerliche Wichte, und erfrechen sich zu sagen, ich hätte nichts gelernt! Aber ich werde dem seichten Geschwätze dieser elenden Schmeisfliegen bald ein Ende machen. Ich beschwöre Sie, lassen Sie auf der Stelle aus meinem Hause den großen Koffer holen, der in der Dachkammer steht. Nicht den englischen Koffer; denn darin lie¬ gen bloß meine Novellen, Romane, Tragödien, Vaude¬ ville's, Romanzen, Xenien, und eine deutsche Ueber¬ setzung von Willibald Alexis Schriften — welche mir alle zu meinem ernsten Zweck nicht dienen können. Sondern den größern deutschen Koffer, welcher mit einem Felle überzogen ist, den drei Latten festhalten. Darin liegen meine gelehrten Manuskripte. Ferner ein großes gelbes Felleisen, worin die zu meinen Werken gehörigen Citate gepackt sind. Ganz oben im Koffer liegt ein Verzeichniß sämmtlicher Manu¬ skripte, wovon ich eine Abschrift mit nach Paris ge¬ nommen. Ich bitte Sie nun inständig, aus dem Koffer diejenigen Manuskripte zu nehmen, die ich Ih¬ nen mit den Nummern bezeichnen werde, und sie mir durch die Post hieher zu schicken. Nur vier oder fünf will ich drucken lassen: das wird ganz hinrei¬ chen, der Welt zu zeigen, wer ich bin. Aber, um des Himmelswillen, lassen Sie den Koffer und das Felleisen in Ihrer alleinigen Gegenwart öffnen und untersuchen, aber ja keinen Ihrer gelehrten Freunde dabei seyn. Es könnte mir Einer ein Manuskript, oder gar einen Gedanken, oder gar ein Citat stehlen; denn die Gelehrten haben in solchen Dingen weder Schaam noch Gewissen. Ich wünsche also zu haben: „No. 189. De Confectione tractarum Berolinensium . Auctore L. Boerne 1826. No . 214. De captura harengorum 1831. No. 215. Deutsche Ubersetzung des nehmlichen Werkes: Von dem Heringsfange . Mit Zeich¬ nungen. No. 333. Kommentar über die Ge¬ setzgebung der geheimen Polizei , nach eng¬ lischen und nordamerikanischen Grundsätzen bearbeitet . Mit Anmerkungen von Wurm . End¬ lich mein Hauptwerk: No. 709. Vollständiges Verzeichniß aller Trauerspiele , Lustspiele , bürgerlichen Schauspiele , Liederspiele , Me¬ lodramen und Opern , welche auf sämmtli¬ chen deutschen Bühnen vom Jahre 1774 bis zum Jahre 1827 aufgeführt worden sind , nebst Angabe der darin aufgetretenen Schau¬ spieler und Schauspielerinnen , Sänger und Sängerinnen , und Nachweisungen al¬ ler über die theatralischen Leistungen Deut¬ lands erschienenen Kritiken . Nach den Quel¬ len bearbeitet von Ludwig Börne , und mit einer Vorrede von Ludwig Robert , zwölf Theile. Ich wollte dieß Werk schon verflossenen Sommer in Ba¬ den drucken lassen, ließ mich aber durch Robert da¬ von abwendig machen. Er widerrieth mir wegen der stürmischen Zeit, in welcher alle Talente untergingen. Ich hätte mich aber von Robert nicht sollen abwen¬ dig machen lassen. Grobe und schwere Talente, wie die Seinigen, gehen freilich leicht unter; aber meine, leicht wie Nußschaalen, schwimmen oben und haben keinen Sturm zu fürchten. Ich werde das Manu¬ skript dem Hrn. Brockhaus anbieten, der es gewiß gern verlegt, da es ein deutsches Nationalwerk ist, und gleichsam eine Fortsetzung von Ludens Geschichte der Deutschen. Es ist nur ein Jammer, daß er so schlecht bezahlt. Der Referendär Hering oder Willibald Alexis, wie er mit seinem Süßwasser-Namen heißt, baut ein Pantheon für die großen deutschen Männer und stellt die Büsten von Menzel , Pustkuchen , Heine und Börne hinein .... Wie kömmt Pustkuchen hie¬ her? Pustkuchen hat gegen Göthe geschrieben, und wer gegen Göthe schreibt, den hohen Priester von Karlsbad, ist ein Revolutionair. Hering macht die Inschrift für genannte Büsten. Als er aber an die von Heine kömmt, zupft ihm Einer am Rock. Ich weiß nicht, wie er heißt, es ist aber Jemand von der hohen Polizei. Der sagt ihm etwas ins Ohr, wor¬ auf der Referendär ein pfiffiges Gesicht macht, und lispelt: ich verstehe ! Der Wesbinder, der deutsche Pantheos, schreibt nun, statt der Inschrift zu Hei¬ ne's Büste, folgendes von ihm. „Heine hat — doch „halt! ich denke lieber an das, was Heine noch „thun wird. Heine hat, so lang es eine kitzliche „Opposition war, als Liberaler gefochten; jetzt ist er „es nur noch aus jugendlichem Muthwillen. Sein „Talent will Beschäftigung haben. Ich hoffe, die „Zeit zu erleben, wo er denselben Kitzel darein setzt, „ gegen den jetzt bequemen Liberalismus „ sich in Ungelegenheit zu setzen . Ich lasse „den Schleier über seiner Büste im Pantheon der „deutschen Republik ruhen, und denke an seine Büste „in der deutschen Literatur.“ Ist das nicht merk¬ würdig? Eine ähnliche Aeußerung über Heine, einem andern Artikel entnommen, den man auch aus Ber¬ lin eingeschickt, und auf den ich zurückkommen werde, lautet wie folgt: „Ein Schriftsteller (Heine), nicht „ohne Geist und auch nicht ganz ohne Poesie (ob¬ „wohl der Funke schon zu erlöschen beginnt) und „den man früher gern mit Börne oder Lord Byron „zusammenstellte, wandelt eine ähnlich gefährliche „Bahn, und wir wünschen es aufrichtig zu seinem „Besten, daß er zeitig umkehre . Schon das „Streben, der Mode und der Tagesneigung bestän¬ „dig zu huldigen, ist äußerst bedenklich. Ueberschrei¬ „tet er auch einst nur um ein Haarbreit die Grenze, „so stürzt er (wie jetzt Börne) erbarmungslos von „seiner Höhe herab, und hinter ihm erschallen Ver¬ „achtung und Hohngelächter.“ Diese Zwerge fühlen selbst, daß sie dem Kampfe der Zeit nicht gewachsen sind, und darum möchten sie Heine anwerben. Nun, was gewönnen sie dabei? Wäre ein kleiner Vortheil der guten Sache mit der Schande eines verdienstvollen Mannes nicht zu theuer bezahlt, so wünschte ich, Heine ließe sich von den Polizei-Werbern verlocken. Nicht ihnen, uns würde das nützen. Die Wahrheit würde ihn treffen, wie die Andern auch, nur tödtlicher, weil er stark ist und Widerstand leistet; während der Kleister der Andern sich um die Schärfe der Schwerts legt, sie einwickelt, und manchen guten Streich abhält. Wie konnte gegen alle Naturgeschichte unter den literarischen Hasen, die gar keine Stimme haben, sich ein solches Geheul erheben? Ein anderer Artikel in dem nehmlichen Blatte, ein Brief aus Berlin , wahrscheinlich von dem nehmlichen Hering, erklärt die wunderbare Erscheinung, und giebt die besten Auf¬ schlüsse. Mir brauchte er sie nicht erst zu geben; die Naturgeschichte der deutschen Hasen im gesunden und im kranken Zustande war mir zu genau bekannt, als daß mir jene Erscheinung hätte unerklärlich blei¬ ben können. Aber Andern, die weniger belehrt als ich, werden die Aufschlüsse nützlich und willkommen seyn. Der zweite Alexis schreibt von mir: „Der „Verfasser genoß hier früher eines außerordentlich „guten Rufes, der viel über seine Verdienste hinaus¬ „ragte ... Der Mann wurde hier verehrt und „ vergöttert ..... Und jetzt auf einmal dieser un¬ „geheure Abfall! Man spricht nur mit Abscheu und „Widerwillen von ihm. Jeder möchte seine „ Hand in Unschuld waschen und nie bekannt „ mit ihm gewesen seyn . Gewiß sind die in je¬ „nen Briefen niedergelegten Ansichten durchaus ver¬ „werflich, aber eben so gewiß ist es, daß die jetzt „ hier vorherrschende persönliche Erbitte¬ „ rung nicht allein aus dieser Quelle fließt . „Theils tritt bei vielen gekränkte Eitelkeit ins Spiel, „theils bei Andern, die Furcht , man möchte nun „ auch sie nach einem neuen Maasstabe zu „ beurtheilen versucht werden .... Die Juli¬ „revolution hatte ihn völlig berauscht, und in diesem „Rausche zeigte er sich auf einmal wie er war. „ Daß ihn dieß gereut , bezweifle ich gar „ nicht .“ O der große Menschenkenner! .. Doch ich will das wichtigere besprechen. Ja freilich, das ist es. Sie haben mich verehrt und vergöttert in Berlin. Als ich aber anfing gegen die Gewaltigen im Lande zu reden, da ward ihnen todesangst. Sie dachten an die Hausvogtei, an Magdeburg, Köpenick, den Galgen und Pilatus-Kamptz . Sie verläug¬ neten mich und werden mich noch hundert mal ver¬ läugen, ehe der Hahn kräht. Kräht aber einmal der deutsche Hahn , werden sie sich wie die Wür¬ mer zu meinen Füßen winden, und von denen mit Haß und Abscheu sprechen, welche sie jetzt verehren und vergöttern. O Berliner! O Hasenpasteten! O Kuchen¬ fresser! O Ihr dreizehn Bühnendichter, welchen erst die Knochen wieder hart geworden, und die Ihr, seit die Katze nicht zu Hause ist, ganz lustig auf den Tischen herumspringt! — wenn ich jetzt unter Euch erschiene, mit meinem alten Herzen zu Eurem alten Herzen träte, würdet Ihr nicht entsetzt vor mir flie¬ hen, wie vor dem Dämon der Cholera, und mit thränenden Augen vor Eurem Pilatus wimmern: O wir Unglücklichen! Wir kennen den Mann gar nicht? Ich komme! Wenn Ihr nicht artig seyd, komme ich. Wahrhaftig, ich muß nach Berlin; das Herz hüpft mir vor Freude, wenn ich daran denke. Ich muß diese Menschen in Angstschweiß verwandeln, daß ihr ganzes Daseyn in den Gossen abfließe. Den Einen suchte ich in dem Buchladen auf, wo nichts geheim bleibt, fiele ihm um den Hals und spräche: „Du siehst, theurer Freund, ich habe Wort gehalten „und kam, sobald mich Preußens Söhne riefen!“ An den Andern drängte ich mich in der Oper, zeigte ihm den Messager und sagte ganz laut: „Du bist „ein Schelm, dein Styl ist gar nicht zu verkennen.“ Dem Dritten schrie ich bei Rehäly zu: „Deine „gestrige Nachricht, daß der König abdanke, bestätigt „sich; um desto besser.“ Meinem vertrautesten Freunde aber, dem Referendär Hering, schriebe ich folgenden Brief: „Theurer Brutus! Himmlisch warst du „wieder gestern Abend. Warum mußtest du uns „wegen deiner Diarrhö sobald verlassen? Als du „fort warst, tranken wir auf die Gesundheit des „preußischen Marats. Deine Epigramme auf Hrn. „von Witzleben und den Prinzen von Meklenburg „wurden zum zweitenmale vorgelesen und mit jauch¬ „zendem Beifall aufgenommen. Der österreichische „Gesandte läßt dich erinnern, daß du ihm eine Ab¬ „schrift davon versprochen. Ich habe heute Briefe „vom General Uminsky bekommen. Tausend Grüße „für dich. Nie wird er es vergessen, daß du ihn „drei Tage in deinem Hause versteckt gehalten, und „er seine Flucht von hier nur deiner Anstrengungen „zu verdanken hat. Morgen versammeln wir uns „wieder zum Abendessen. Wir feiern den 31. Ja¬ „nuar, den schönen Tag, an dem das Haupt eines „ Tyrannnen gefallen. Du wirst doch kommen? Noch „eine andere, noch eine schönere Begebenheit feiern „wir. Aber du erfährst das erst morgen. Doch „nein, du lieber ungeduldiger Mensch, noch heute, „du sollst es gleich erfahren. Rathe! Wie, dein „Herz sagt dir, du ahndest nicht? Du hast gewiß „wieder Leibschmerzen. Die Sontag ist in die „ Wochen gekommen und die hohe Kindbetterin „und das neugeborne Kind befinden sich sehr wohl. „Und jetzt? Bist du heute im Stande ein vernünf¬ „tiges Wort in den Freimüthigen zu schreiben, dann „will ich zwölf Dutzend Austernschaalen ohne ihren „Inhalt hinunterschlingen. Dein Spartakus . „N. S. Die Kisten mit den Dolchen werden heute „Abend bei dir abgeholt werden.“ Dieses Billet würde ich an den Referendär Hering adressiren, ver¬ siegeln, wieder aufbrechen, und damit auf die Polizei gehen, meinen Permissionsschein gegen acht Groschen erneuern zu lassen. Da ließ ich das Billet unbe¬ merkt aus der Tasche fallen. Ein Polizeibeamter würde es aufheben, und es ganz natürlich finden, das es der Referendär dort verlohren. Und jetzt die Untersuchung, die Herings-Angst! Das alle müßte köstlich seyn. — Gott stehe mir bei! Ich wollte das Brock- Narren-Haus verlassen, in dem ich mich einige Stun¬ den aufgehalten, da stürzte mir auf dem Korridor ein verrückter Philolog entgegen, und hielt mich fest, und drehte mir alle Knöpfe vom Rocke. Ich weiß nicht, wie der Narr heißt; es muß aber ein ausgezeichne¬ ter deutscher Philolog seyn, denn er versteht kein deutsch. Der Narr hat No. 97 im Hause. Der läßt sich, wie folgt, vernehmen. „Börne (der Phi¬ „losoph, wie er sich selbst nennt) hat in den Briefen „aus Paris einen Beitrag zur forcirten Juden¬ „ literatur geliefert, zu welcher auch Heine, sein „Freund und Idol, schon manches steuerte, und damit „ein sehr widerliches Buch geliefert, welches einer „scharfen Geisel wird Stand halten müssen. Diese „Briefe ganz zu durchlesen, ist ein Opfer, zu dem „man sich nur in gerechter Indignation und mit gro¬ „ßem Unwillen entschließen kann. Wenn sich glück¬ „liche Anlagen und Scharfsinn so mit Frechheit und „Anmaßung paaren, vergißt man darüber das Has¬ „senswürdige und Verworfene, was jedem Abtrünni¬ „gen, jedem Renegaten, und jedem an seinem ange¬ „stammten Glauben seiner Väter zum Verräther ge¬ „wordenen anklebt. Daß ein solcher auch sein Va¬ „terland und was seinen Landsleuten heilig und ver¬ „ehrungswürdig erscheint, zu beschimpfen versucht, ist „darum kein Wunder, und wird sich diese Untreue ge¬ „wiß empfindlich strafen. Ein Herr Dr . Meyer hat „in einer kleinen Schrift, betitelt ...... schlagend „ und tiefgreifend , doch fast zu flüchtig den ersten „Streich dagegen geführt. Wie kann auf so weni¬ „gen Seiten mit zwei Bänden Auswurf gekämpft „werden? Doch vielleicht findet ein tüchtiger Mann „Ruhe und Resignation, um für Deutschland gegen „Börne in die Schranken zu treten. Darum sey auch „hier ein einzelner Fleck, der uns anzuhangen zuge¬ „dacht wird, beleuchtet.“ Sehen wir jetzt, was diese Flecklaterne beleuchtet. Ich hätte die deutsche Sprache geschmäht und verächtlich herab¬ gesetzt , und die französische über sie erho¬ ben , diese fände ich sublim ! Und das müsse „eine Verachtung bei jedem Freunde seiner Muttersprache unter uns hervorbringen , die höher steigen muß , als irgend eine Scala auszudrücken vermag .“ Wo der Narr in mei¬ nen Schriften das gelesen, möchte ich wissen. O Schulmeister! Mascula sunt panis, piscis, civis, crinis, ignis, funis, glis, vectis, sollis, fascis, lapis, amnis, Sic fustis, postis, sic axis, vermis et unguis, Et penis, collis, callis, sic sanguis et ensis. Mugulis et mensis, pollis cum caule, canalis; Et vomis, sentis, pulvis, sitis, cucumisque, Anguis, item cuspis, torris, cum cassibus orbis. So wollen wir künftig mit einander korrespondiren; aber nur ja nicht deutsch. Sie verstehen mich nicht und ich verstehe Sie nicht. Habe ich außer den Schimpfwörtern, worin ich seit einigen Mona¬ ten bei dem ersten deutschen Schullehrer fleißi¬ gen Unterricht genommen, sonst ein Wort in Ihrem Artikel verstanden, will ich kein ehrlicher Mann seyn. Schreiben wir uns lateinisch. — Jetzt will ich der Stuttgarter Hofzei¬ tung einen Besuch machen. Ich habe mich über und über mit Kölnischem Wasser gewaschen, meine Klei¬ der gewechselt, und bin herzlich froh, daß ich von der Bürger-Canaille einmal loskomme. So eine Hofzeitung, die hat doch eine ganz andere Art und Sprache, und noch in ihrem Morgenanzug von Lösch¬ papier ist sie reizender, als eine bürgerliche Abend¬ zeitung in ihrem Velinkleide. Ihr Zorn ist zarter champagner Schaum; ihr Spott, Prickeln auf der Zunge, das mehr schmeichelt als wehe thut; und ihr Unmuth, ein trübes Wölkchen über der Sonne, an seinem Rande von ihrem Liebesblick gefärbt. Sie straft durch Vergebung und schweigt wenn sie verach¬ tet. Und alle, die einer so lieben, gnädigen Hof¬ zeitung nahe kommen, werden übergossen von ihrem Rosenschimmer, verzuckert, waren sie vorher noch so bitter; und fein, artig und gewandt, waren sie frü¬ her die plumpsten Grobiane und die schwerfälligsten Tölpel gewesen. Seht den ehrlichen Münch und den ehrlichen Lindner . Es sind, wie allgemein be¬ kannt, ehrliche und brave Männer; es sind aber eben Bürgersleute, gerade aber knorrig, treu aber knurrig. Doch wie hat sie die Hofzeitung umgewan¬ delt! Wie fein sind sie geworden, seitdem sie daran arbeiten! In diese Schule müßt Ihr gehen, Ihr Meyer, Ihr Würmer, Ihr Heringe, Ihr Roberts, Ihr Pittschaft, und wie Ihr sonst alle heißen möget. Dieser Stuttgarter Hofzeitung haben meine Briefe aus Paris auch nicht gefallen; aber wie fein giebt sie das zu verstehen! Und wendet nicht ein: ja die IV . 13 Herren, welche die Stuttgarter Hofzeitung schreiben, bekommen einen jährlichen Gehalt von dreitausend Gulden und für dreitausend Gulden kann man schon fein seyn, aber wir armen Schlucker, womit sollen wir die Artigkeit bestreiten? Das sind leere Ent¬ schuldigungen. Stehen nicht in dem nehmlichen Wörterbuche die feinen Worte und Redensarten, wie die groben? Was hält Euch ab sie zu wählen? Schlingels seyd Ihr. Bedenkt nur, welche gemeine Schimpfreden Ihr gegen mich geführt, und vergleicht damit die zarten Ausdrücke, deren sich die Stuttgar¬ ter Hofzeitung bedient. Frivoler Jude , herz¬ loser Spötter , elender Schwätzer , toller Schwätzer , erbärmliche Judenseele , ehrlos , schaamlos , seichtes Ge s chwätz , inhaltloses Geschwätz , leichtfertiges Geschwätz , armer Revolutions-Jäger , schaamlose Frechheit , seichte Frivolität , ungeheure Anmaßung , jüdische Anmaßung , schmutziges Buch , ekel¬ haftes Buch , niederträchtiges Buch , elende Schmeisfliege . Stand Euch das nicht alles auch zu Gebote? Schämt Euch! Und jetzt erst die un¬ vergleichliche Syntax, mit welcher die artigen Worte zusammengesetzt sind! „Ueberall zeigt sich der fri¬ „vole Jude, dem nichts heilig ist, der herzlose Spöt¬ „ter auf Geist und Charaktere der deutschen Na¬ „ tion , der elende Schwätzer ins Blaue hinein, der „ der Menge gefallen will und der Erbärmlich¬ „keit der Leidenschaften des Tages, und im Grunde „doch selbst nicht weiß, was er eigentlich will. Wohl „kann man sagen, daß sich Börne durch dieses Buch „in jeder Rücksicht selbst gebrandmarkt hat; kein „ Deutscher , dem die Ehre seines Landes „ heilig ist , wird ihn fortan mehr in seiner „ Gesellschaft dulden können .“ Lieber alter Freund! Sie sind alt geworden und wissen nicht, was Sie sprechen. Um der Menge zu gefallen , hätte ich die deutsche Nation verspottet? Das wäre doch ein sonderbares Mittel! Was ist denn die Nation anders als die Menge ? Verspottet man Einen, wenn man ihm gefallen will? Sie freilich und Ihre Bande, Sie verstehen unter Nation nicht die Menge, sondern nur die dreißigtausend unter dreißig Millionen Menschen, welche die Blutsauger des Volks sind, die ohne Vaterland und selbst ohne Fürsten nur den Hof kennen, an den sie festgeschlos¬ sen, und keinen andern Gott haben, als den Hof¬ knecht, der ihnen ihr Futter vorwirft. Diese Nation würde ich wohl verspottet haben, wenn sie eine Ehre hätte, die man verwunden könnte, und wenn sie nicht, sobald sie satt ist, jedes Spottes spottete. Ach bester Freund, es wäre recht schön, wenn mich künf¬ tig kein Deutscher in seiner Gesellschaft duldete; aber ich fürchte, man duldet mich nach wie vor. Wie oft 13 * waren wir nicht in frühern Zeiten in der Gesellschaft manches braven Mannes, dem die Ehre seines Lan¬ des heilig ist, und doch wurden wir nicht zur Thüre hinaus geworfen! Man wußte, daß wir betrügeri¬ sche Schuldenmacher, unverschämte Bettler, lausige Schmarozer, ehrlose Kuppler, feile Lohnschreiber, und die niederträchtigsten Spione aller Europäischen Höfe wären, und daß wir unser deutsches Vaterland für tausend Silberrubel zehntausendmal verrathen — und doch warf man uns nicht zur Thür hinaus! Es ist aber ein geduldiges Volk, das Deutsche! Wie gerne ließe ich mich zur Thüre hinauswerfen, wenn nur das zur heilsamen Uebung unter den Deutschen würde, daß sie nicht länger niederträchtige Schurken, die sie im Grunde ihrer Seele verachten, aus weibischer Aengstlichkeit wie ehrliche Leute, und Menschen, die sie hassen, aus dummer Höflichkeit mit Achtung be¬ handeln! — „Bevor Ref. dieses im Vergleich zu „der Niederträchtigkeit des Buches noch sehr gelinde „Urtheil nur durch einige Belege, wie sie ihm gerade „in die Augen fallen, motivirt, hat er sich dagegen „zu verwahren, als ob er zu den Juden-Feinden ge¬ „gehöre , zu welchen man seine Landsleute so gerne „rechnet .... Er schätzt den braven aufgeklärten „redlichen Mann, wessen Religion er auch seyn möge. „Wenn er aber alle die Verworfenheit, welche man „gewöhnlich dem jüdischen Volke Schuld giebt, so „schaamlos ausgesprochen sieht, wie in diesem Buche „des Herrn Baruch Börne .... dann kann er auch, „tief empört über solche Schändlichkeit, gegen den „Juden auftreten. Auch er muß am Ende überzeugt „werden, daß solcher schaamlosen Frechheit und seich¬ „ten Frivoltät nur der Jude fähig ist.“ Seht Ihr, Ihr gemeinen bürgerlichen Rezensenten! Ihr habt Euch gegen mich, den Juden, ereifert; aber Ihr habt es mit Eurer gewöhnlichen tölpelhaften Art ge¬ than. Lernet von diesem Hofzeitungs-Schreiber, wie man mit Hofmanier grob sey. Als er gegen den Baruch in Börne losziehen wollte, durch welche Theilung er nichts gewann, als was Göthe's Zau¬ berlehrling durch Spaltung des Besenstiels gewonnen: daß er von zweien bedient wird, statt früher von ei¬ nem — bedachte er: Halt! Dem Herrn von Moses bin ich Geld schuldig; von Herrn von Aa¬ ron will ich Geld borgen; bei Herrn von Jakob werde ich oft zu Tische geladen, Herr von Abraham zahlt mir meine russischen Gelder aus; Herr von Isaak hinterbringt mir, was am Münchner Hof vor¬ geht; Herr von Joseph besorgt mir meine Wiener Korrespondenz — ich muß diese kostbaren Leute scho¬ nen, und nun sagen, die Juden wären brave schar¬ mante Leute, und der Baruch Börne mache eine Ausnahme. Von dem lernt, Ihr Flegel. Und fragt Ihr mich, wie viele Dukaten und Flaschen Cham¬ pagner es mich gekostet haben würde, den Stuttgar¬ ter Hofzeitungsschreiber zu meinem Lobredner zu ma¬ chen? so sage ich Euch: ich bin ein Lump, wie Ihr alle seyd; aber diese kleine Ausgabe hätte mich nicht belästiget. Der arme Teufel fühlt es manchmal selbst, daß zum Schreiben die Finger allein nicht hinreichen, wie auch ein Geist dazu gehöre, und dann im Gefühle seiner Armseligkeit, ruft er den Geist Mendelsohns aus dem Grabe hervor, daß er ihm beistehe in sei¬ ner Noth. „O edler Moses Mendelsohn, im Grabe „mußt du dich umwenden, daß länger als ein halbes „Jahrhundert nach dir einer deines Volkes also „schwatzen kann.“ Und da der edle Moses Mendel¬ sohn auf die Beschwörung eines Taugenichts natürlich nicht erschien, wurde er zum zweitenmal hervorgeru¬ fen. „Nochmals rufe ich den Schatten des edlen „Mendelsohns an. Zürnend erscheine deinem entar¬ „teten Enkel und bessere ihn, wenn es möglich ist.“ Vielleicht wundert man sich darüber, daß ein Hofzei¬ tungs-Schreiber so romantisch ist; aber was kann man nicht alles seyn für dreitausend Gulden jährlich? Gebet dem Manne Sechstausend Gulden, und er wäre im Stande und würde ein ehrlicher Mann dafür. Der Stuttgar t er Hofzeitungs-Schreiber wie die ganze Schaafheerde, die gegen mich geblöckt, fürchtet mich mehr, als den bösen Wolf, und sähe daher gar zu gern, daß ich keine Gelegenheit versäumte, mich todtschießen zu lassen. So ein Schuß ist freilich eine Kritik, die keine Antikritik zu fürchten hat. Darum sucht der Narr auch meinen Ehrgeiz rege zu machen und sagt: „Bald will Hr. B. nur Revolutionen „und zappelt krampfhaft darnach, bald fürchtet seine „erbärmliche Judenseele sie ängstlich, wie im „19ten Brief. So oft Spektakel und Auflauf „war in Paris, hatte er Zahnweh oder dicke Ba¬ „cken und jammert dann hinterdrein wahrhaft kin¬ „disch-komisch, nicht dabei gewesen zu seyn.“ Mein guter alter Freund, wo haben Sie denn im 19ten Brief Furcht gefunden? Unser Muth und unsere Bangigkeit sind freilich sehr verschieden von einander. Sie fürchten alles, nur die Polizei nicht, weil Sie unter deren besonderm Schutz stehen; ich aber fürchte nichts als den Meuchelmord der Polizei, eine offene Kugel fürchte ich nicht. Wenn ich sie früher oder später einmal in Stuttgart besuche, werde ich Ihnen beweisen, daß eine dicke Backe einem wirklich am Ausgehen hindern kann, und daß, wenn man in Paris zu Hause bleibt, und man als Ober-Spion keine andern Spione unter sich hat, man nicht er¬ fährt, was sich in der Stadt ereignet. Es gab noch mehrere solcher Narren, die, um mich los zu werden, einen kindischen Ehrgeiz in mir aufzuregen suchten. Als sie erröthen mußten, daß ich, ich allein unter all den Stummen und Ver¬ schnittenen, es gewagt, den Unterdrückten des Volks die Wahrheit zu sagen, da meinten sie: Welch ein großer Muth , sich in Paris hinzusetzen , und dort gegen deutsche Regierungen zu schreiben . Und jetzt hoffen sie, ich würde hurtig wie ein thörigter Knabe in die Höhle des Tigers laufen. Und was ist die Höhle des Tigers gegen das dunkle und heimliche Gericht, worin deutsche Re¬ gierungen die Beleidigung ihrer himmlischen Allmacht rügen? In dunkler Nacht aus dem Bette gezerrt werden von Räubern, die sich Gerichtsdiener nennen; dummen, tückischen, abergläubischen Staatspfaffen, die, ihren Gott im Bauche, der sie füttert, verehrend, die kleinste Beleidigung ihres Gottes grausam strafen — ihnen Rede stehen während sie sitzen und ver¬ dauen; und dann aus der Welt zu verschwinden, wie eine Seifenblase, nicht Luft, nicht Erde zeigt unsre Spur; ausgelöscht im Gedächtnisse seiner sehr deut¬ schen Mitbürger, welchen der kleinste Schreck den Kopf trifft, welchen Polizeifurcht wie ein Sirocco das Herz ausdörrt; und dann zu schmachten in einem feuchten Gewölbe, ohne Licht, ohne Luft, ohne Buch, ohne Freundestrost, erfrierend von dem kalten Blicke der Kerkerwärter — den Muth verlangt Ihr von mir? Gebet mir offenes Gericht, gebet mir den Schutz, den in Frankreich noch der Mörder hat, ge¬ bet Preßfreiheit, daß meine Freunde aus den Zei¬ tungen ersehen können, wo ich hingekommen, und dann will ich Euch zu Rede stehen. Aber Ihr wer¬ det Euch wohl hüten, das zu thun; denn ich stünde dann Euch nicht Rede, Ihr müßtet mir und dem Volke Rede stehen. Fragt Massenbach, fragt Ypsi¬ lanti, fragt die andern Schlachtopfer alle, wie sie im Kerker gelebt, warum sie gestorben? Gehet hin, fragt sie, sie stehen jetzt vor Gott und brauchen nicht mehr zu schweigen. Fragt Jahn , der endlich frei¬ gekommen, was seine Richter ihn gefragt? Er schweigt, er darf nicht reden. An einer langen Kette hält man ihn fest — das ist seine Freiheit. Fragt Murhardt in Kassel, der schuldlos erklärt worden, warum er im Kerker geschmachtet? Er ist stumm. Er hat schwören müssen, die Geheimnisse der Tyrannei nicht zu verrathen. Die thörigten Menschen! Solch einen Eid halten, den man ihnen, den Dolch auf der Brust, abgezwungen? Der lä¬ stert Gott, und verräth die Liebe, der lebendig aus der Höhle der Tyrannei kömmt und seinen Brüdern nicht erzählt, was im Dunkeln die Bosheit übt und die Unschuld leidet. Ich hielte solchen Schwur nicht; es ist Sünde, ihn zu halten. Ich habe in meinen Briefen gesagt: im nächsten Jahre würde das Dutzend Eier theurer seyn, als das Dutzend Fürsten — und jetzt, lieber alter Freund, machen Sie sich lustig über mich, weil von dieser Prophe¬ zeihung „ gerade das Gegentheil eingetroffen .“ O ich möchte mich aufknüpfen! Das da habe ich nicht erfunden! Ich räume Ihnen ganz beschämt den er¬ sten Platz ein, Sie sind ein viel feinerer Spasvogel als ich. Warum sind Sie nicht immer so fein? Warum — Sie, ein Hofzeitungs-Schreiber, ein Dietrich zu den größten wie zu den kleinsten Kabi¬ netskasten aller Fürsten Europa's, ein Meister-Schelm, der die Polizei selbst betrügt — warum sind Sie zu¬ weilen so grob, daß Sie in Verdacht gerathen, ein ehrlicher Mann zu seyn, und Ihren wohlerworbenen Ruf gefährden? Wie konnten Sie sich nur vergessen, „ Ei , ei ,“ zu rufen. Ei , ei — ist das nicht die Essenz der Dummheit? Riecht das nicht den Phi¬ lister eine Meile im Umkreise? Ich ließe mich lie¬ ber todtschlagen, ehe ich ei , ei sagte oder schriebe. Uud Sie haben, ei , ei drucken lassen — läugnen Sie es nicht. Um mich über die Eleusinien der deut¬ schen Höfe lustig zu machen, erzählte ich, daß der parsamste aller Sterblichen, ein deutscher ungeadelter jüdischer Jüngling, in gemeiner Reitertracht auf einem Hofballe des Allerchristlichen Königs getanzt. Und Sie bemerkten darauf: „ Ei , ei , Hr. Baruch Börne, „man sollte fast glauben, daß Ihnen doch die Zeit „ein wenig lange wird, bis Sie sich herablassen kön¬ „nen, einer Prinzessin oder Herzogin die Hand zum „Tanze zu reichen!!“ Ich bitte Sie, zeigen Sie mir die Brücke, die von meinem Spotte zu Ihrem führt; ich kann sonst nicht hinüber kommen. Und ei , ei ! Ehe ich Ihr Ei , ei gelesen, war es mir eine Belustigung, mich mit Ihnen zu necken, aber dieses Ei , ei hat mich ganz verstimmt, und unwil¬ willig rufe ich aus: es ist eine Schmach! Mit solchem Ei-ei-Gesindel muß ich mich herumschlagen! Der Stuttgarter Hofzeitungs-Schreiber, als er den höchsten Gipfel der Begeisterung erreicht — dort oben in jener reinen Höhe, wo der Hofzahlmeister wohnt; in jener seligen Stunde, wo er sein Quar¬ tal empfangen, sagt er, schreibt er als heiße, gefühl¬ ausströmende Quittung: „ O du elende Schmeis¬ fliege !“ Nein das ist zu arg, und „ was zu arg ist , ist zu arg ,“ sagt Eduard Meyer in Hamburg. Erst jetzt verstehe ich das große Wort. Und du mit einem kleinen d — so alles Herkommen und deutsche Sitte verhöhnend! Und O! Hätte er wenigstens gesagt: Ach , du elende Schmeisfliege! Eine Grob¬ heit, die mit Ach anfängt, kann ein vernünftiger Mensch eigentlich gar nicht übel nehmen. Ach ist ein Ausathmen, und von einer Grobheit zeigt es an, daß die Grobheit in dem Menschen gesteckt, und daß er, blos sich Luft zu machen, sie ausgesprochen. O aber ist ein Einathmen, und verräth, daß eine Grob¬ heit, die damit beginnt, außer dem Menschen gewe¬ sen, daß er sie vorsätzlich aufgenommen, und daß, wenn der Grobian das Maul gehalten, er nicht grob gewesen wäre. Man wird daher finden, daß alle Grobheiten in meinen gesammelten Schriften mit ach anfangen, in einigen wenigen Fällen ausgenommen, wo ich aus Ironie o gebrauchte. Der Freund, der mir aus Stuttgart das Hof¬ blättchen mit dem Stall-Artikel schickte, schrieb: er wäre von Lindner , und er erkenne seine Art in der Schmeisfliege . Aber das beweis't nichts; es giebt oft täuschende Aehnlichkeiten und ich glaube es nicht. Doch wer ihn auch verfaßt! O du elende Schmeisfliege ! ist zu arg und das lasse ich mir nicht gefallen. Glaubt Ihr denn, weil ich so lange geschwiegen, ich würde das fort geduldig anhören? Warum glaubt Ihr das? Etwa weil ich ein Deut¬ scher bin? Aber höret, was Eduard Meyer sagt: „Der Deutsche ist geduldig , schweigsam und „bedenklich , aber doch nur bis zu einem ge¬ „wissen Grade . Wenn ihm die Geduld reißt , „wenn er das Schweigen bricht und einen „Entschluß gefaßt hat , so wird sich man¬ „cher wundern über die scheinbare Umwand¬ „lung seiner Natur . Und ich fühle es , daß „auch ich ein Deutscher bin .... Man muß „dem Gesindel einmal auf die Finger klop¬ „fen , daß etwas Furcht hineinfährt .“ Ja, ich fühle es, daß auch ich ein Deutscher bin! Wehe euch, wenn mir die Geduld reißt! Wehe dem Ge¬ sindel, wenn ich ihm auf die Finger klopfe, daß Furcht hineinfährt! Ich gebe euch mein Wort: sie fährt nicht wieder heraus. Ja, ich bin ein Deutscher! Ja, mir reißt die Geduld! Ja, ich klopfe! Ihr Schlingels, Ihr Flegels, Ihr Ochsen, Ihr Esel, Ihr Schweine, Ihr Schaafe, Ihr Mordbrenner, Ihr Spitzbuben, Ihr jämmerlichen Wichte, Ihr Sch — doch ohne Leidenschaft! Alles mit Ordnung. Ihr! A. Aalquappen, Aasfliegen, Abdecker, Abendländer, Aberwitzige, Achselträger, Affen, Alltagsgesichter, Ameisenfresser, Anfänger, Angeber, Anschwärzer, Aristokraten, Auerochsen, Aufpasser, Aufschneider, Aufwischlumpen, Auskundschafter, Ausreißer, Aus¬ rufungszeichen, Austerschaalen, Auswurf, Autoren; B. Bagage, Bandwürmer, Bängel, Bärenhäuter, Bauchdiener, Bauchredner, Bedienten, Bestien, Beu¬ telschneider, Blattläuse, Blutigel, Bösewichter, Brech¬ eisen, Brechpulver, Broddiebe, Brudermörder, Brumm¬ bären, Brunnenschwängel, Büffel, Buschklepper, Butterfässer; C. Cabalenmacher, Censoren, Charletane, Chinesen, Correkturbogen; D. Dachshunde, Delinquenten, Demokraten, Des¬ poten, Dichterlinge, Diebe, Diebslaternen, Dienst¬ boten, Diplomatiker, Doggen, Dompfaffen, Dorn¬ büsche, Dreckkäfer, Druckfehler, Dubletten, Duck¬ mäuser, Dummköpfe, Düten; E. Eintagsfliegen, Eisschollen, Elendthiere, Esel, Eselsköpfe, Eulen; F. Falschmünzer, Ferkel, Filzläuse, Fischweiber, Fladen, Fledermäuse, Flegel, Fratzengesichter, Frost¬ beulen, Fußschemmel; G. Galgenvögel, Gaudiebe, Gecken, Gegenfüßler, Geheimschreiber, Geifermäuler, Gelehrte, Gemein¬ schreiber, Giftmischer, Gimpel, Gliedermänner, Glocken¬ schwängel, Grobiane, Grundeln, Grundsuppen; H. Halunken, Hasenfüße, Heringe, Hofhunde, Hof¬ narren, Hunde , Hundsvötter, Hungerleider; I. Janitschaaren, Insgesammt, Johanniswürm¬ chen, Irrwische; K. Kammerdiener, Käsemaden, Kellerwürmer, Kerls, Kellerhunde, Kipper und Wipper, Kleckse, Kleinstädter, Klöse, Klötze, Knechte, Kostgänger, Kothkäfer, Krähen, Krautköpfe, Krebse, Krüppel, Kundschafter, Kürbisse; L. Laffen, Lästermäuler, Laxirmittel, Lebkuchen, Lehrjungen, Leibeigene, Lichtstumpen, Lieferanten, Lohnbedienten, Lotterbuben, Luder, Luftpumpen, Lüm¬ mel, Lumpen, Lumpenhunde; Makulatur, Maden, Mameluken, Mastvieh, Maultrommeln, Maulwürfe, Mispeln, Milchbröd¬ chen, Mistkäfer, Mordbrenner, Murmelthiere; N. Nachtgeschirre, Nachtmützen, Nachtwandler, Nar¬ ren, Nudeln; O. Ochsen; P. Papagayen, Pedanten, Pharisäer, Philister, Pinsel; Q. Quantitäten, Quappen, Quarke, Quintaner, Quitten; R. Rapunzeln, Räucherkerzchen, Recensenten, Re¬ kruten, Referendaren, Renegaten, Resonanzböden, Rohrdommeln, Rotznasen; S. Schaafe, Schaafsköpfe, Schandbuben, Scheuer¬ lappen, Schinderknechte, Schindmähren, Schlaraffen¬ gesichter, Schlingel, Schlucker, Schmarotzer, Schmeis¬ fliegen, Schnitzel, Schufte, Schulfüchse, Schurken, Schweine, Scribler, Siebenschläfer, So so, Söldner, Spanferkel, Speichellecker, Spione, Spürhunde, Stie¬ felknechte, Stimmgabeln, Stockfische, Stöpsel, Sudler; T. Tagediebe, Tagelöhner, Taugenichtse, Theekessel, Tintenklekse, Tölpel, Trampelthiere, Tremulanten, Trommelschläger, Trompeter, Troßjungen, Trüffel¬ hunde, Tuckmäuser; U. Unleserliche, Unterthanen, Unverschämte: V. Verschnittene, Verjagte, Vielschreiber, Vorhäng¬ schlösser; W. Wachsbilder, Waldfrevler, Wandläuse, Wanzen, Wassergeister, Wasserköpfe, Weihrauchfässer, Wespen, Wetterhähne, Wichte, Windmühlen, Wische, Wohl¬ edelgebohrne, Wohlgebohrne, Würmer, Wurstmäuler; Z. Zahnstocher, Zeitungs-Schreiber, Zeloten, Zeug¬ drucker, Zitteraale, Zwerge; — Ihr sollt sehen, daß ich mit euch fertig werden kann. Jetzt aber bitte ich den ersten Kunstkenner sei¬ ner Zeit, den Herrn Geheimen Kabinets-Sekretair Saphir in München, öffentlich zu entscheiden, wer von uns gröber gewesen. Nicht der Herr Saphir oder ich — so anmaßend bin ich nicht; sondern Hr. Meyer, Hr. Wurm, Hr. Hering, Hr. Robert, Hr. Pittschaft, die Münchner Hofzeitung, die Stutt¬ garter Hofzeitung, die Mannheimer Zeitung, die Berner Zeitung, und alle die andern Menschen und Blätter, die ich nicht gelesen, sie alle für Einen ge¬ zählt — oder ich, jenen Allen der einzelne gegenüber. Ende des Herings-Salats . lV. 14 Sieben und zwanzigster Brief. Paris, Montag, den 15. Februar 1832. Ich las kürzlich in einem englischen Journale eine gute Kritik von meinem Buche, mit sehr vielen Auszügen. Ich mußte im Lesekabinet laut auflachen, als ich den Konrad mit seinen Abendteuern übersetzt fand. Was der Mensch Schicksale haben kann! Wurde es denn Konrad bei seiner Wiege vorgesun¬ gen, daß einst in einem Londoner kritischen Journale von ihm die Rede seyn würde? Die Uebersetzungen lesen sich sehr schön und viel schöner, als das Ori¬ ginal. Die englische Sprache eignet sich sehr für diese Art zu schreiben. Sie hat etwas kräftiges, schwer treffendes, braun und blau schlagendes. Jedes Wort ist ein Knotenstück, jede Rede eine Prügelei. Der Mädchen-Verein für die Polen in Mainz hat an das hiesige polnische Komit é (nehmlich das aus Polen selbst zusammengesetzte, an dessen Spitze Lelewell als Präsident steht) ein Schreiben erlas¬ sen, das diese hochgeprüften unerschütterlichen Män¬ ner mit thränenden Augen gelesen. Ganz deutsch und fromm im schönsten Sinne des Wortes, ganz unterwürfig und mädchenhaft, und wie Mondesblick, freundlich aber wehmüthig auf die deutschen Männer herabsehend, welche schlafen . Der Brief wird von hier in die deutschen Blätter geschickt werden, und Sie werden ihn darin lesen. Diesen Mädchen-Brief haben die jungen deutschen Patrioten hier an sämmt¬ liche Universitäten, mit folgendem Rundschreiben be¬ gleitet, geschickt: „Nachstehendes Schreiben deutscher „Jungfrauen haben uns mit thränenden Augen die „Polen gegeben, damit wir es unserm Volke bekannt „machen, und in Sonderheit euch akademischen Brü¬ „dern, in deren höhern Bildung und veredelten Ge¬ fühlen das Vaterland zweier Nationen den Keim „seiner großen Hoffnungen niederlegte. Mit Stolz „und Schaamgefühl erfüllen wir den Wunsch der „ Männer . Er wird einen gewaltigen und folge¬ „reichen Wiederhall finden, denn es sind Worte der „Wahrheit, aus deutscher Jungfrauen Munde „hinüberströmend in deutscher Jünglinge Brust. „Als wir sie lasen, diese deutschen Worte, da schwu¬ „ren wir bei unserer Ehre und bei unserm Vater¬ „lande, uns würdig zu machen der Jungfrauen, „welche sie dachten. Diesen Schwur, Brüder, wir 14 * „senden ihn euch! Polen , Deut s che , Männer „— diese Worte wird hinfort keine Verschiedenheit „der Bedeutung trennen!“ Ich kenne die Jünglinge, die das geschrieben. Kennte ich sie nicht und hätte ich sie nicht erkannt, würde ich spotten, wie ich es oft gethan, über die hohlen Reden, die wie Seifen¬ blasen glänzen und zerfließen. Aber ich kenne sie. Sie haben in Deutschland und in Belgien für die Freiheit muthig gekämpft, und ob sie zwar unglücklich waren und kein beredtsamer Sieg für sie sprach, sind sie doch bescheiden und fromm geblieben und ha¬ ben nur Worte für ihre künftigen Thaten, keine für ihre vergangenen. Wenn das deutsche Volk viele solcher zählt, nun, dann kann es wohl fallen im Kampfe gegen Tyrannei, aber in die alte Gefangen¬ schaft geräth es nimmermehr. Der Doktor Gartenhof sollte mir eigentlich zur Warnung dienen. Der hat lange nicht so heftig geschrieben, als ich, und doch haben sie ihn eingesperrt. Dabei hat er noch das Glück, daß der constitutionelle Geist in Hessen ihn gegen gesetzwidrige Gewaltthätig¬ keiten schützt. Wie würde es mir ergehen, wenn ich mich in Frankfurt der schnödesten Willkühr preiß gäbe? Ich werde mich sehr bedenken, nach Deutschland zu kommen. Lesen Sie denn die deutsche Tribune nicht? Sind Sie nicht erstaunt, was der kleine Herkules, den Sie noch in der Wiege gesehen, für ein prächti¬ ger Mann geworden? Ich war der kleine Herku¬ les in der Wiege, der einige Schlangen zerdrückt, aber der Wirth, der schwingt die eiserne Keule und schlägt Ochsen und Löwen todt. Ach! wie bald wer¬ den sie kommen, und werden mich wegen meines sanften Wesens, wegen meiner mäßigen und beschei¬ denen Schreibart loben. Wie bald wird der Meyer drucken lassen: „ was zu arg ist , ist zu arg . „Die Börneschen Briefe hatten meinen Unwillen in „hohem Grade erregt, aber die Reden von Wirth „übertreffen doch noch die dort aufgetischten Frechhei¬ „ten. Man muß dem Gesindel einmal auf die „ Finger klopfen , daß etwas Furcht hinein¬ „ fährt .“ Das ist ein braver Wirth, der giebt seinen Gästen reinen Wein, und sie werden sich gesunden Muth daran trinken. Endlich, endlich findet sich doch einmal Einer, der einen deutschen Mann steckt in das hohle deutsche Wort, und jetzt hat es eine Art. Das Wort hinter der That, der Diener hinter seinem Herrn, das ist feine Sitte. Die große Idee einer deutschen National-Association zur Vertheidigung der Presse, hat Wirth zugleich ausgeführt und besprochen. Man unterzeichnet monatliche Beiträge, die kleinste Summe wird angenommen, sogar ein Kreuzer monat¬ lich. Mit diesem Gelde werden die liberalen Bü¬ cher und Zeitungen befördert, die Geldstrafen für Preßvergehen bezahlt, und nöthigenfalls für die Fa¬ milie derjenigen Schriftsteller gesorgt, die wegen Preßvergehen eingekerkert werden. Das Eigenthum der Blätter gehört der Gesellschaft. Der Redakteur eines liberalen Journals wird aus der Kasse bezahlt. Die Journalisten werden als Beamte des Volks angesehn, und können, wenn sie sich unfähig oder des Vertrauens unwürdig zeigen, abgesetzt werden. Diese Idee, die öffentliche Meynung förmlich zu organi¬ siren, um sie der Standesmeynung der Regierung entgegen zu setzen, und die Organe derselben, die Journalisten, als die Beamten des Volks zu betrach¬ ten, schwebte mir schon längst vor. Wenn dieser Plan, dessen Ausführung in Rheinbaiern schon be¬ gonnen, sich über ganz Deutschland verbreitet und Wurzel faßt, kann noch alles gerettet werden, sogar auf friedlichem Wege. Dienstag, den 16. Februar 1832. Ich gehe heute Abend in Gesellschaft und habe mich noch gar nicht entschieden, wie ich meine Hals¬ schleife binden soll. Man knüpft sie jetzt: en porte¬ manteau, en bec-de lièvre und en chauve¬ souris . Mantelsack ist sehr bequem und so trage ich sie gewöhnlich. Fledermaus ist eine uralte Mode. Ich erinnere mich, daß ich an dem Tage, wo ich confirmirt worden, eine Fledermaus-Schleife getragen. Aber was Hasen-Maul ist, weiß ich nicht. Ich will *** fragen, der alles, was sich auf Hasen be¬ zieht, sehr genau kennt. . . . . . Man muß jetzt mit den Schuften per¬ sönlich Krieg führen, ich thue es auch, ob es zwar sonst meine Art nicht war. Es ist nothwendig. Im kleinen Kriege ist ein Mann ein Mann und einer weniger, ist auch schon ein Sieg. Es ist schön von den Frankfurtern, daß sie Bockenheim in Bann gethan. Das ist ganz in mei¬ nem Geiste gehandelt. Dadurch wird Bockenheim gegen seine Mauth und Regierung aufgeregt und das kann gute Folgen haben. Sie werden sehen, die Leute lernen etwas aus meinen Briefen. Sehen Sie, welch eine traurige und zugleich lächerliche Sache es mit der Censur ist. Frankfurt ist nur vier Stunden von Hanau entfernt, und man weiß nicht genau, was dort vorgeht, und Sie schrei¬ ben mir, vorgestern sollen dort Unruhen statt gefunden haben! Acht und zwanzigster Brief. Paris, Sonntag, den 19. Februar 1832. Alle Deutsche hier warnen mich auf's Drin¬ gendste, ja nicht nach Deutschland zu reisen, weil man ganz ohne Zweifel mich einkerkern würde. Mir schaudert vor dem Gedanken, unter die Bärentatzen einer aufgebrachten deutschen Regierung zu fallen. Die Frankfurter Jahrbücher haben mir sehr gefallen und überhaupt macht mir die Sache große Freude. Es ist doch wenigstens ein Dämmer¬ licht, und da es in Frankfurt bis jetzt Nacht gewe¬ sen, kann es keine Abenddämmerung, es muß eine Morgendämmerung seyn. Die Artikel sind alle gut geschrieben, und bei der nöthigen Mäßigung fehlt es doch auch nicht an der erforderlichen Kraft. Dieses Lüftchen von Freiheit, wäre es denn je zu uns ge¬ kommen, hätten die Franzosen keinen Sturm gehabt? Hätten die deutschen Regierungen je etwas gehört von der Stimme des Himmels, hätte Frankreich nicht ge¬ donnert? Schlimm genug für das deutsche Volk, daß die Furcht der Könige seine einzige Hoffnung, ihr Schrecken sein einziger Trost ist. Montag, den 20. Februar. Friede! Friede! Friede! Nicht Casimir Per¬ rier seufzet so nach Frieden, wie ich seufze! Doch mein Friede ist wohl ein anderer. Wie bin ich die¬ ses Kampfes müde! Wie ängstigen mich die Blut¬ flecken, die mir vor den Augen flimmern! Ich möchte spielen und sollte ich darüber zum Kinde wer¬ den. Ich möchte in einem Kolleg bei meinem Schop¬ pen sitzen, das Wochenblättchen lesen und Anekdoten erzählen, bis ich darüber zum Philister würde. Die Zunge ist mir trocken; ich bin so durstig, daß ein Morgenblatt, ein Abendblatt, mir Labsal wäre. Ich bin nicht dumm und faul geworden, wie ich neulich meynte; ich bin der Politik überdrüßig geworden. Bestellen Sie sich etwas Lustiges bei mir, schlechte Witze, wohlfeile Späße; es wird mir alles gut thun. Soll ich Ihnen kleine Geschichten erzählen? Kürz¬ lich vertheidigte ein Advokat einen Angeschuldigten vor Gericht. Es war ein Preßvergehen und die Sache von keiner großen Bedeutung. Der Advokat hatte schon zwei Stunden gesprochen, und war noch so ferne vom Ziele als zwei Stunden früher. Da erhob sich einer der Geschwornen und sagte: Müßte ich auch fünf hundert Franken Strafe bezahlen, ich halte das nicht länger aus. Ich bekomme Krämpfe, ich falle in Ohnmacht, wenn der Advokat noch län¬ ger spricht; meine Langeweile ist unerträglich! Der Advokat lächelte und schwieg. Der Präsident und die Richter lächelten; alle Zuhörer lächelten, und waren des Scherzes froh, der Allen wohlthat. Aber den folgenden Tag erfuhr man, daß der gute Ge¬ schworne, als er nach Hause gekommen, einen An¬ fall von Schlag gehabt, und daß man ihm zu Ader lassen mußte. Das vermag die Langeweile! In ein Kaffehaus in Mailand traten vor eini¬ ger Zeit zwei österreichische Offiziere in bürgerlicher Kleidung. Der Eine fragte den Andern, ob er Cho¬ colade trinken wolle? Dieser antwortete: er möge lieber Thee. Gleich darauf wurden die Offiziere vor die Polizei geladen, und ihnen vorgehalten, sie wären Revolutionaire, Carbonari, Liberale und sie sollten nur alles gestehen, dann würde man ihnen vielleicht das Leben schenken. Die Offiziere sahen sich einander verwundert an, und betheuerten ihre Unschuld. Unschuldig? donnerte der Polizei-Direktor. Herbei, Zeuge! Da kam ein italienischer Spion, und sagte den Offizieren ins Gesicht, sie hätten im Kaffehause von Freiheit gesprochen. Der gute Spion hatte lieber Thee gehört und das für Liberté verstanden. Die Offiziere wurden mit einem ernsten Verweise wegen ihrer Unvorsichtigkeit entlassen. Den andern Morgen wurde bei der Parade dem Offiziers- Korps die Parole gegeben: Es solle bei Strafe der Degradation künftig keiner mehr in einem Kaffehaus sagen: ich trinke lieber Thee , sondern: ich trinke Thee lieber . Der Spion bekam eine Extra-Gra¬ tification von zehn Dukaten. Im preußischen Lande Posen haben zwei Brü¬ der der heiligen Hermandad Rottecks Weltge¬ schichte verbrannt. Sie sind dafür zu Hofräthen ernannt worden. — Gestern ist hier ein Roman in zwei Bänden erschienen, mit dem Titel: Crac! Pchet! Bavunhd ! Wie fordert man das Buch in der Leihbibliothek? In Hannover er¬ scheint ein Journal, worin dem hannöverischen Volke periodisch bewiesen wird, daß es durch seine unver¬ gleichliche Regierung das glücklichste Volk der Welt sey. Das Journal wird von drei Hofräthen redigirt. Sie heißen: Hüpeden , Wedemier , Ubbehohde . Wer solchen Namen nicht glaubt, der ist schwer zu befriedigen. — Der Rektor der Berliner Universität (ich glaube er heißt Marheineke ) hat an alle deutsche Universitäten geschrieben, sie möchten doch subscribiren auf die Werke des Königlich Preußi¬ schen Hofphilosophen Hegel , die in einer styl¬ verbesserten Ausgabe erscheinen werden. — So eben verläßt mich Einer, der im Na¬ men des Verlegers der angekündigten Uebersetzung meiner Briefe zu mir kam, und mich um biographi¬ sche Notizen bat, die man dem Buche vordrucken wolle. Ich musterte in Gedanken alle Merkwürdig¬ keiten und Erinnerungen meines Lebens, um einige davon hinauszuschicken. Aber da erging es mir, wie der Viertelsmeisterin Wolf in den Hussiten vor Naum¬ burg. Ich fand, daß es alle meine lieben Kinder sind und ich konnte nicht wählen. Ich ließ den Mann wieder gehen, und sagte ihm, daß ich gar nichts von meinem Leben wisse, und er solle sich an Andere wenden, die besser unterrichtet wären, als ich in dieser Sache. Im Ernste, ich begreife gar nicht, wie Einer so unverschämt seyn kann, von sich selbst zu reden, außer er müßte sich über sich lustig machen. Das wollte ich aber auch nicht. Darin sind meine Franzosen ganz andere Leute. Dr. **** hat vom Buchhändler Brockhaus den Auftrag, für ein biogra¬ phisches Lexicon das Leben der hier wohnenden be¬ rühmten Männer zu schreiben. *** wendete sich schriftlich an diese selbst, und gleich den andern Tag hatte er von Allen die vollständigsten Selbstbiogra¬ phien, worin sie ohne alle Satyre sich auf das Schönste lobten. Mancher besuchte außerdem ***, und firnißte noch mündlich sein schriftliches Lebensge¬ mälde. In dem Namens-Verzeichnisse der Personen, deren Biographien geliefert werden sollen, welches Brockhaus dem *** geschickt, wählte dieser auch meinen Namen aus. Aber Brockhaus entzog ihm die¬ sen Artikel. Gewiß aus Furcht, er möchte als mein guter Bekannter Gutes von mir sagen. Jetzt läßt er sich ohne Zweifel meine Biographie von einem Hering oder einem andern solchen Vieh schreiben. Ich lache jetzt schon darüber. Solche Narren mey¬ nen, sie könnten einen jeden beliebigen Ruf machen. Von der siegenden Macht der Wahrheit haben sie gar keine Vorstellung. Ich freue mich sehr auf Ihren nächsten Brief, worin Sie mir ganz gewiß von dem Aufruhr in Wisbaden erzählen werden, und von den Gefahren, welchen dort unser Geld ausgesetzt ist. Nun was mich angeht, so kann ich es gar nicht erwarten, bis sie mir den letzten Kreuzer genommen. Habe ich erst nichts, dann bin ich alles was ich habe, und das gäbe mir frische Lebenskraft und machte mich ganz wieder jung. Man fühlt die Leiden des armen Volks doch nicht ganz, so lange man sie errathen muß. Und Sie gar, ein Frauenzimmer, wie können Sie fürchten für Ihr Geld? Möchten Sie nicht jung bleiben bis zum Grabe? Ach! der Reichthum macht einem alt, sehr alt. Wissen Sie, warum man den Deputirten in Wisbaden arretirt hat, oder arre¬ tiren wollte? (Ich weiß nicht, wie weit es gekom¬ men.) Weil man ihn in Verdacht hatte, Artikel ge¬ gegen die Nassauer Regierung in die Hanauer Zei¬ tung geschrieben zu haben. Sehen Sie, die sind klug! Sobald sie eine Henne gackern hören, suchen sie die Revolution in der Dotter des frischen Ei's auf; sie warten nicht, bis sie herauskriecht. Und das ist das Geheimniß: die kleinen deutschen Fürsten alle sind von ihrem Adel an Oester¬ reich und Preußen verkauft . Die Minister dieser kleinen Fürsten drücken das Volk noch über ihre eigne Neigung hinaus, damit es sich empöre, und Oesterreich und Preußen Anlaß bekämen, die Staa¬ ten mit ihren Truppen zu besetzen. Dann jagt man die kleinen Fürsten fort, und die Judasse von Mini¬ ster werden gut besoldet. Sind aber die kleinen Fürsten so dumm, daß sie das nicht einsehen? O nein, sie sind gar nicht so dumm, sie sehen das recht gut ein. Wenn sie aber ihre Bürger nicht wie Hunde regieren können, wollen sie lieber gar nicht regieren, und treten darum ihre Herrschaft gern an Mächtigere ab, denen es mit der Unterdrückung des Volks besser gelingt als ihnen. Ich kann es nicht verantworten, bis mein lieber Graf Bellinghausen von Wien zurückkömmt, und seine Pandora-Büchse öffnet. Es möchten wohl Uebel herauskommen, von denen er sich gar nicht erinnerte, sie eingeschlossen zu haben. Höchst merkwürdig ist ein Artikel in den neue¬ sten Blättern der deutschen Tribüne: „ Der Kampf „ des deutschen Bundes mit der deutschen „ Tribüne .“ Der Verfasser sagt: ohne Zweifel werde die deutsche Bundesversammlung ihren neuen Feldzug gegen die deutsche Freiheit damit beginnen, daß sie die Tribüne verbietet. Was wird nun dar¬ auf erfolgen? Die Tribüne wird sich nicht wehren lassen und fort erscheinen. Die Baierische Regierung wird dann durch Soldatengewalt die Presse zerstören wollen; dann aber werden die Bürger in Rheinbaiern sich bewaffnen und werden zur Vertheidigung ihrer Freiheit gegen die Königssoldaten kämpfen. Gelingt es ihnen nicht und sind sie zu schwach, dann wird man die benachbarten Franzosen zu Hilfe rufen, die trotz und entgegen ihrer „ verächtlichen Regie¬ rung ,“ den Deutschen beistehen werden. Und dann allgemeiner Krieg. ... Dieser offene Trotz muß einen ganz besondern Grund haben. Und hätte er keinen, wäre er blos aus der sehr edlen Leidenschaft¬ lichkeit des Redakteurs hervorgegangen, auch dann wäre er von den besten Folgen. In der jetzigen Lage der Dinge können wir für die Freiheit gar nichts vernünftigeres thun; unsere ganze Hoffnung beruht auf der Unvernunft der Tyrannei. Diese herauszu¬ fordern, zu reizen, muß der Zweck jedes liberalen Schriftstellers seyn, der von der Sache etwas ver¬ steht. Oesterreich und Preußen müssen die Revolution machen . Und man kann ihnen ge¬ rade heraussagen, was man von ihnen erwartet; denn sie werden uns zum Trotze und um unsere Er¬ wartung zu täuschen, gewiß nicht vernünftig werden. Von dem ersten März an erscheinen im Badi¬ schen zwei neue liberale Blätter, ohne Censur. Das Eine in Heidelberg vom Deputirten von Itzstein re¬ digirt, das Andere in Freiburg von den Deputirten Duttlinger, von Rotteck und Welker. Das ist nun zum erstenmal in Deutschland, daß bedeutende und angesehene Männer ein politisches Blatt schreiben. Das wird glückliche Folgen haben. Was aber wird die hohe Bundesversammlung thun? Die Art, wie ich geschrieben und die Tribüne, war den Herrn für einige Zeit wenigstens gewiß willkommen. Das gab ihnen Vorwand, gegen die Preßfreiheit mit Strenge zu verfahren, und Tausende von deutschen liberalen Philistern, die früher in der Abenddämmerung ein leises Wort mitgesprochen, sind von unserm lauten Worte am hellen Tage so in Schrecken versetzt wor¬ den, daß sie seitdem schweigen. Das war jenen in Frankfurt auch Gewinn. Wenn aber Männer, wie die genannten, mit Festigkeit doch mit Mäßigung, auf eine dem ängstlichen und frommen Gemüthe der Deutschen entsprechende Weise — — und sie wirken doch, nur langsamer — die constitutionelle Gesin¬ nung zu verbreiten suchen, dann werden Oesterreich und Preußen, deren bisheriger Einfluß auf die klei¬ nen deutschen Mächte hierdurch bedroht wird, alles anwenden, dem, was sie als ihr Verderben ansehen, Einhalt zu thun. Und was dann? Geduld. Wir werden sehen, wer am nächsten erste April den An¬ dern in den April schickt. Dienstag, den 21. Februar. Diesen Morgen besuchte mich Jemand aus Wis¬ baden und der von dort kömmt. Der erzählte mir, man habe nicht einen Deputirten, sondern einen Be¬ amten arretirt, den man in Verdacht hatte, Artikel gegen die Nassauer Regierung in die Hanauer Zei¬ tung geschrieben zu haben. Der eigentliche Verfasser jener Artikel sey der Papierhändler Schulz in Wis¬ baden, und als dieser von der Arretirung jenes Beamten erfahren, sey er vor Schrecken gestor¬ ben . Wir Deutsche empfinden jetzt die üblen Fol¬ gen, daß man Polignac und seine Gesellen nicht auf¬ geknüpft hat. Ein solches Beispiel hätte die deut¬ schen Ministerchen doch etwas stutzig gemacht. Wie bequem es aber unsere Regierungen haben! Wie wohlfeil die Tyrannei bei uns ist! Die Regierun¬ gen können ein Schreckenssystem ohne Guillotine einführen. Sie brauchen ihre unterthänigen Philister nur mit Gefängniß zu bedrohen, und da sterben sie IV . 15 gleich vor Schrecken. So kriecht, kriecht, Ihr Regen¬ würmer, die Ihr nach dem Gewitter in Frankreich Euch aus der Erde hervorgewagt — kriecht, bis Euch der Fuß der Tyrannei zerquetscht! Welker hat in der Ankündigung seiner neuen Zeitung, die der Frei¬ sinnige heißen wird, gasagt : „ das neue Blatt „ wird zeigen , daß Baden werth ist , das un¬ „ schätzbare Gut der Preßfreiheit zu ge¬ nießen .“ Zeigen — werth ist — wem zeigen? Der Regierung? Der Bundesversammlung? Die¬ ser zeigen, daß ein deutsches Volk der Freiheit wür¬ dig sey? Um den Beifall der Regierungen buhlen? Großer Gott! Wie kann man nur so wenig die Würde des Bürgers, so wenig die Würde eines Volks fühlen, in dessen Namen man spricht, daß man sagt, man wolle zeigen, daß das Volk des Bei¬ falls seiner Regierung würdig sey? Die Regierun¬ gen müssen um den Beifall ihrer Völker buhlen; sie, aus dem Volke hervorgegangen, von ihm erhoben, von ihm theuer bezahlt — sie müssen zeigen, daß sie des Vertrauens würdig sind, das man in sie ge¬ setzt, daß sie die Macht verdienen, die man ihnen geliehen zum Besten aller. Das Volk braucht nicht zu bitten, das Volk braucht nicht zu schmeicheln, ihm ist alle Macht, sein ist alle Herrschaft, und die Re¬ gierung ist sein Unterthan. In einem deutschen Blatte las ich: in Preußen wäre ein junger Patriot wegen seines Patriotismus (welches man in der Schindersprache demagogische Umtriebe nennt) zu lebenslänglicher Unter¬ suchung verurtheilt worden. Man kann nicht wah¬ rer und geistreicher die himmelschreiende Grausamkeit der deutschen Gerichte bezeichnen, die überlegend, ob sie einen armen gefangenen Vogel fliegen lassen oder braten sollen, ihn rupfen sein ganzes Leben lang. — In dem nehmlichen Blatte stehen einige Strophen eines Ring- oder Dosen-Gedichts, welches der Hof¬ rath Rousseau in Frankfurt an den Kaiser Franz gemacht hat. Er sagt darin: die Welt habe den Schwindel, und wenn sie Kaiser Franz nicht am Arme fest hielte, wäre sie schon längst umgefallen. Dann sagt er: Jakob hätte sieben Söhne gehabt, — so viel mir bekannt, hat er zwölf Söhne gehabt; aber weil zwölf nur eine Sylbe hat und sieben zwei Sylben, hat der zarte Lyriker fünf Menschen todtge¬ schlagen. Also Jakob habe sieben Kinder gehabt und nur einen Benjamin. Aber Kaiser Franz mache keinen Unterschied zwischen seinen Kindern, und Un¬ garn, Böhmen, Italia stünden ihm in gleicher Liebe nah ! Ich habe die größte Lust, das Gedicht ganz zu lesen. Bringen Sie mir es mit. Nicht schicken — es wäre schade um das Kreuz. 15 * Neun und zwanzigster Brief. Paris, Sonntag den 26. Februar 1832. Der deutsche Bund zur Vertheidigung der Pre߬ freiheit hat hier die größte Theilnahme gefunden; mit steigender Wärme wird diese Angelegenheit behandelt, und der Kreis der Mitglieder erweitert sich täglich. Die hier befindlichen deutschen Handlungs-Kommis, von deren Gesinnung und Streben ich Ihnen schon früher geschrieben, haben sich vereinigt und ihre Liste mit Unterschriften ist schon bedeutend angewachsen. Die deutschen Handwerksgesellen haben schon, ehe diese Veranlassung kam, ihren Patriotismus an den Tag gelegt. In dem Speisehause, das sie gewöhn¬ lich besuchen, wo der Wirth ein Deutscher ist, wird der Westbote (ein in Rheinbaiern erscheinendes, im Geiste der Tribüne geschriebenes Blatt) schon längst gehalten, und mit einem Eifer gelesen, und mit einer Wärme und einem Verstande erklärt, daß es zum Bewundern ist. Diese tragen auch ihren Sou mo¬ natlich zur Association bei. Der Advokat Sa¬ voie aus Zweibrücken, einer der Gründer des Ver¬ eins, ist seit einigen Tagen hier und setzt für die gute Sache alles in Bewegung. Die Polen haben begriffen, daß diese Angelegenheit nicht blos eine deut¬ sche, sondern eine europäische, und mehr als alles, eine polnische sey. Sie bedachten, daß der Rückweg nach Polen über Deutschland gehe, und daß nur ein freies Deutschland den Durchzug gewähre. Darum werden auch sie sich der Association anschließen, und im Namen des hiesigen polnischen Komit é s eine Be¬ kanntmachung erlassen. Die italienischen Flüchtlinge werden diesem Beispiele folgen; denn noch mehr als die Deutschen selbst, drückt sie die deutsche Tyrannei. Die spanischen Patrioten werden es auch thun. Alle begreifen, daß Deutschland der Wall ist, der die Freiheit des westlichen Europa's gegen die Angriffe des östlichen schützt. Wenn wir nur drei Monate Zeit hätten! Jeder Tag ist ein Sieg. Denn nichts zu schaffen ist in Deutschland, es ist nur wegzu¬ schaffen: das kleine Hinderniß, das die größte Be¬ wegung aufhält. Es ist Mittag, das Volk sieht hell; doch ein Fensterladen macht Tag zu Nacht und macht das Volk blind. Ein schlechtes Stück Holz zerschla¬ gen und alles ist gewonnen. Aber wir werden keine drei Monate Zeit haben! Das Gewitter in Frank¬ furt steigt schwarz empor und wird die Frucht auf dem Halme zerschlagen. Eins wird immer gewon¬ nen und das eine rettet die Zukunft. Durch die Be¬ wegungen der deutschen Patrioten, die trotz ihrer Heftigkeit und scheinbaren Unregelmäßigkeit, doch kalt und sehr gut berechnet sind, werden die in Frankfurt völlig den Schwindel bekommen, die letzte Haltung verlieren und ganz ohne Kopf thun, was sie bis jetzt mit wenig Kopf gethan. Völker sind, wie die Oli¬ ven. Dem leichten Drucke geben sie süßes Oehl, dem starken bitteres. Die Herren Diplomaten in Frankfurt pressen sie nun um einen Grad stärker, als sie es bis jetzt gethan, bereiten sich einen bittern Salat und sie werden den Mund verziehen. Haben denn nicht auch Frauenzimmer, und be¬ sonders Jüdische in Frankfurt für den Verein unter¬ schrieben? Letzteren muß man vorstellen, das sey das einzige Mittel, die Heiraths-Freiheit (wor¬ an ihnen wohl mehr, als an der Preßfreiheit liegt) zu gewinnen. Thun Sie das. Montag, den 27. Februar. Gestern Abend hatten wir ein patriotisches Es¬ sen, etwa sechszig Deutsche, meistens Handlungs-Kom¬ mis. Der Zweck der deutschen Association für die Preßfreiheit wurde besprochen, und da zeigte sich denn wieder, was sich in jeder Gesellschaft zeigt. Einige sind begeistert; die Andern, der Wärme froh, die ihnen fehlt, sonnen sich gern; die meisten sind kalt, bleiben es gern und müssen mit Gewalt ins Feuer geworfen werden. Deutsche Bedenklichkeiten ohne Ende. Von den Juli-Tagen wollte der Eine nicht gesprochen haben: das könne uns verdächtig machen. Andere unterschrieben, aber nur mit Buchstaben, und erklärten alle Theilnahme zu verweigern, wenn sie ihre Namen nennen müßten. Es war zum Lachen. Sie stürzten nach dem Essen, als sie warm gewor¬ den, wie blind nach dem Tische zu, worauf der Sub¬ scribtions-Zettel lag, gleich Einem, der in Gefahr, vor der er zittert, die er aber nicht fliehen kann, mit geschlossenen Augen stürzt. Deutsche Art trat in dem Antrage mächtig hervor: sie müssen doch eine Regierung haben, ein Komit é , Präsidenten, Sekre¬ tair. Sie wollten für eine Freiheit kämpfen, die ih¬ nen fehlt, und wurden gleich anfänglich ihrer eigenen Freiheit müde, und suchten sich unter dem Namen ei¬ nes Komit é s eine Herrschaft. Ich stellte ihnen das Gefährliche einer Kommission vor; wie dann alle Bewegungen, alle Geheimnisse und Papiere in die Hände weniger kämen, wie dann leicht die Polizei Einfluß erhalte, durch wenige gewonnene Mitglieder alles leiten, alles verhindern könne; wie sie dann wisse, wo sämmtliche Papiere zu finden. Wie viel Eindruck meine Vorstellung gemacht, muß ich abwar¬ ten. Savoie hielt eine schöne Rede, die mit größerm Enthusiasmus hätte aufgenommen werden sollen. Auf Vaterland, Freiheit wurden mit mäßiger Wärme Toasts ausgebracht. Als aber — kann ich es doch ohne Lachen kaum schreiben — veranlaßt durch einige anwesende Polen, die Gesundheit der Polen ausge¬ bracht wurde, folgte stürmischer lauter Beifall. So sind sie! Für fremde Freiheit hellflammend, für eigne muß man sie erst einheitzen. Die hiesigen deut¬ schen Handwerker sollen sich aber vortrefflich beneh¬ men. Gestern wurde an einem ihrer Versammlungs¬ orte eine Liste aufgelegt, und gleich in den ersten Stunden waren dreißig unterschrieben. Ob man ih¬ nen zwar gesagt, der monatliche Beitrag von einem Sou sei willkommen, wollte doch keiner weniger als einen Frank uuterzeichnen , und sagten dabei: gingen die Geschäfte besser, würden sie mehr geben. Nachmittags, sagte ich zu Konrad: „Geben „Sie Acht. In der Rüe Tirechappe No. 7. „am Ende der Rüe St . Honor é , es ist eine „kleine finstere Gasse, ist ein Speisehaus. Der „Wirth ist ein Deutscher. Dort gehen Sie heute „hin essen. Fordern Sie von dem Wirth die Liste „für die Deutschen. Viele Handwerker und Andere „haben unterschrieben. Wir machen Geld zusammen, „und wollen die Fürsten wegjagen. Sie unterzeich¬ „nen auch mit einem Franken monatlich, und ich will „das Geld für Sie bezahlen.“ Konrad lachte, und war sehr vergnügt über die Revolution und sagte: ich brauche ihm das Geld nicht wieder zu bezahlen, er gebe das selbst gern. Sein Freund, der Schrei¬ nergesell aus Kassel habe schon gestern mit ihm von der Sache gesprochen. Und er möchte gern wissen, „ wenn der Spektakel losgeht ,“ damit er gleich fort nach Deutschland eile. Also Konrad hat da ge¬ gessen, es waren schon 69 Unterschriften und meistens mit einem Frank. Das sind arme Leute . Die Komis, die doch alle guten Gehalt haben, und oft Söhne reicher Eltern sind, haben auch nur einen Frank gegeben! Konrad ein Verschworner! O Zeitgeist! Es interessirt mich sehr zu wissen, wer im Ge¬ lehrten-Verein ja, und besonders wer nicht unter¬ schrieben. Daß es *** gethan, ist ein gutes Zei¬ chen; denn es bewis't , daß die Sache Mode ist. Das Pereat: der deutsche Bund , der todte Hund , hat mir sehr gut gefallen. Vivat Pereat! Dienstag, den 28. Februar. O, prächtig, da haben wir sie schon! Sie heu¬ len mit den Wölfen, damit sie selbst für Wölfe ge¬ halten und nicht gefressen werden. Den einzelnen deutschen Regierungen wird bange vor der allgemei¬ nen deutschen Association, die von Rheinbaiern aus¬ geht; sie wollen dieser fürchterlichen Einigung aller Deutschen zuvorkommen, und was thun sie jetzt in ihrer Schlauheit? Sie erfinden eine Badische, eine Würtembergische, eine Darmstädter Freiheit, daß nur keine Deutsche sich bilde. Herr von Fahnenberg, Ober-Post-Direktor in Karlsruhe, sonst ein achtungs¬ werther Mann, aber ein Mitglied der Regie¬ rung , also in ihrem Geiste, auf ihren Befehl, und zu ihrem Vortheile handelnd, stellt sie an die Spitze einer Grosherzoglich—Badischen—Preßfreiheits-Asso¬ ciation. Im Falle also, der Absolutismus in seinem Kampfe unterläge — berechnen unsere vorsichtigen Regierungen — haben wir doch im schlimmsten Falle nur einen Grosherzoglich Badischen, einen Königlich Baierischen, einen Herzoglich Nassauischen Liberalis¬ mus und mit diesen kleinen Freiheitchen werden wir in einer günstigeren Zeit schon fertig werden. Unter¬ dessen genießt die Badische Regierung einen Finanz¬ vortheil bei dieser Sache. Die Bundeskasse der Preßfreiheits-Association vermehrt die Kaution der Journalisten, und sichert ihre Bestrafung. Alles schön, alles gut; es kömmt nun darauf an, wie weit die Dummheit des Deutschen Volkes geht. Und geht sie so weit, daß sie ihren Patriotismus provinzialisi¬ ren und mit 39 dividiren lassen, dann wären ja alle diese schlauen Mittelchen ganz unnöthig. Sind wir denn wirklich so dumm, als die Regierungen glau¬ ben? — Gestern steht in der allgemeinen Zeitung, daß in Berlin wegen Heine's, zwischen einem Anhänger und einem Gegner desselben, ein Duell vorgefallen. Die politischen Duells sind seit einiger Zeit sehr häufig, auch hier zwischen den Polen. Das ist ein gutes Zeichen. Je größer die Erbitterung zwischen den Partheien, je näher der Kampf; je näher der Kampf, je näher der Sieg. Dreißigster Brief. Paris, Donnerstag, den 1. März 1832. Da ist die Adresse nach Zweibrücken. Sie hat mir den ganzen Vormittag verzehrt und ich muß darum über alles übrige heute schweigen. Sie sollen sich in alphabetischer Ordnung unterschreiben. Wenn nur nicht unglücklicher Weise der wahrscheinliche Abraham in der Gesellschaft ein furchtsames Herz hat, und sich bedenkt, den Anfang zu machen! Vor¬ wärts, Israel! Die Mauern Jericho's sind von Trompeten eingefallen — aber es ist kein wahres Wort daran. Unter Trompete verstand die heilige Schrift die Preßfreiheit . Vor ihr werden auch die Mauern der Tyrannei fallen. Und leset das Kapitel von Samuel und Saul zweimal, zehn Mal, hundert Mal. Adieu. An die Herren Vorsteher des Deutschen Preßvereins in Zweibrücken. Wir haben die Ehre, Ihnen eine Liste von Einwohnern Frankfurts, die dem schönen Bunde für das freie deutsche Wort beigetreten, zugleich mit dem Betrage der Sammlung des ersten Monats zu übersenden. Alle die Unterzeichneten sind jüdischen Glaubens . Wenn dieses Verhältniß unserer Theil¬ nahme eine besondere Bedeutung giebt, die sie ohne dies nicht hätte: so ist das weder unsere Schuld noch unser Verdienst, es ist nur unser Mißgeschick. Wir hätten vorauseilen sollen in einem Kampfe, der uns mehr verspricht, als den übrigen Deutschen, weil uns alles fehlet; doch wir sind die Minderzahl, und es ziemte uns daher die Beschlüsse der Mehr¬ heit abzuwarten, und ihrer Leitung zu folgen. Ihr dürft unserem Mitgefühle vertrauen; den Schmerz, kein Vaterland zu haben, kennen wir seit länger als Ihr. In dem Kriege, den sie den Befreiungs¬ krieg genannt, der aber nichts befreit, als unsere Fürsten von den Banden, in welche die große, mäch¬ tige und erhabene Leidenschaft eines Helden ihre klei¬ nen schwachen und verächtlichen Leidenschaften ge¬ schmiedet, haben auch wir die Waffen geführt. Ehe der Kampf begann, genossen wir in Frankfurt, wie überall in Deutschland, wo französische Gesetzgebung herrschte, gleiche Rechte mit unsern christlichen Brü¬ dern. Und nicht etwa dem Murren des Volkes wurde diese neue Gleichheit anfgedrungen . Sie überraschte, wie alles Fremde, doch sie ward willkommen, wie alles was die Liebe bringt. Die nehmlichen Bürger tranken herzlich aus einem Glase mit uns, die noch den Tag vorher uns mit Verachtung angesehen, oder mit Haß den Blick von uns gewendet. Denn das ist der Segen des Rechts, wenn es mit Macht gepaart, daß es wie durch einen Zauber die Neigungen der Menschen umwandelt: Mistrauen in Vertrauen, Thorheit in Vernunft, Haß in Liebe. Dem Wasser gleichet Gerechtigkeit; sie fällt schnell herab und stei¬ get nie hinauf. Jede Regierung vermag in allem, was gut und schön ist, die Meinungen und Gesin¬ nungen, das Herz und den Willen der Völker um¬ zuwandeln; aber Völker brauchen Jahrhunderte, ihre Regierungen zu veredlen, und nie der friedlichen Mahnung, nur der Gewalt gelingt es endlich, ihre Wildheit zu bezähmen. Als wir aber aus dem Kampfe zurückkehrten, fanden wir unsere Väter und Brüder, die wir als freie Bürger verlassen, als Knechte wieder, und das sind wir geblieben bis auf heute. Nicht blos die Rechte des Staatsbürgers, nicht blos die des Orts¬ bürgers hat man uns geraubt, wir genießen nicht ein¬ mal die Menschenrechte, die, weil sie älter als die bürgerliche Gesellschaft, kein Recht unterdrücken noch modeln darf. Man hat sich uns gegenüber das Recht der Pest angemaaßt , das Recht , unsere Bevölkerung zu vermindern , und um dieses fluchwürdige Ziel zu erreichen , verstattet man uns , die wir in Frankfurt fünftausend an der Zahl sind , jährlich nur funfzehn Ehen zu schließen . Höre es, deutsches Volk! Und wenn Freiheit , Recht , Menschlichkeit in Deinem Wörterbuche stehen, erröthe, daß Du ohne Erröthen diese Schmach, die das ganze Vaterland schändet, so lange ertragen konntest. So wurde uns gelohnt. Wir waren nicht die einzigen, aber wir waren die am meist Betrogenen; und wahrlich, nicht die einzigen zu seyn, hat uns mehr geschmerzt, als die am meist Betrogenen zu seyn. Verdienten wir unser Schicksal? So wenig als Ihr es verdientet. Doch hat es je der Tyran¬ nei an Unverschämtheit gefehlt, wenn sie aus Spott eine Rechtfertigung sucht, über die sie ihre Gewalt erhob? Dich, christlich deutsches Volk, haben Deine Fürsten und Edelleute als ein besiegtes Volk, Dein Land als ein erobertes Land behandelt. Und uns, jüdisch deutschem Volke sagte man, wir wären aus dem Orient gekommen, hätten zur angenehmen Ab¬ wechslung die Babylonische Gefangenschaft mit der Deutschen vertauscht, wir wären fremd im Lande und wir betrachteten ja selbst unsere Mitbürger als Fremdlinge. Doch das ist unser Glauben, was auch die Verläumdung gelogen, das ist die Lehre unserer Väter; was auch die Schriftgelehrten herausgedeutet! Als Gott die Welt erschuf, da schuf er den Mann und das Weib, nicht Herrn und Knecht, nicht Juden und Christen, nicht Reiche und Arme. Darum lieben wir den Menschen , er sei Herr oder Knecht, arm oder reich, Jude oder Christ. Wenn unsere christ¬ lichen Brüder dieses oft vergessen, dann kömmt es uns zu, sie mit Liebe an das Gebot der Liebe zu ermahnen — uns, die wir älter sind als sie, die wir ihre Lehrer waren, die wir den einen und wah¬ ren Gott früher erkannt, und der reinen Quelle der Menschheit näher stehen als sie. Viele unserer Glaubensgenossen, und wie hier so gewiß auch überall, zögern noch dem Vereine bei¬ zutreten. Sie theilen unsere Gesinnungen, ihr Herz schlägt so warm als das unsere für die Freiheit des Vaterlandes; aber sie sind bedenklich, sie, die Rei¬ chen unter uns, weil sie, den Räthen der Gewalt¬ herrscher näher stehend, sich einflüstern ließen: wenn das Volk zur Macht käme, werde es die Ketten der Juden noch enger schließen. Schenkt diesen Einflüsterungen kein Gehör, ge¬ liebte Glaubensgenossen! So sprechen jene nur, um Bürger von Bürger zu trennen, damit sie das so getrennte, sich wechselseitig mistrauende Volk leichter nach ihrer Willkühr beherrschen können. Tretet dem Bunde bei. Die Freiheit der Presse gründet die Herrschaft der Vernunft, und unter dieser Herrschaft sind Alle gleich, giebt es keine Knechte. Sie aber, würdige und muthige Männer, die für das deutsche Volk das Wort genommen, sprechen Sie es aus, was unsere Glaubensgenossen zu er¬ warten haben von der Freiheit des Vaterlandes. Reden Sie klar und offen, nicht für uns, nur für die Andern, die ängstlich noch zurückgeblieben. Doch wie auch Ihre Antwort günstig oder nicht, wir treten nicht zurück. Als die Polen ihren Kampf begannen, so erhaben er auch war, lud man dort die Juden nur zum Kampfe ein, aber nicht einmal zur Hoffnung der Siegesbeute. Polen unterlag! Be¬ ginnt jetzt Euren Kampf, wir theilen ihn und ver¬ trauen auf Gott. Wir wissen: das Schuldbuch des Himmels hat nur noch wenige leere Blätter, die Thorheiten und Sünden der Menschen in Rechnung zu bringen. Dem Undanke, dem verrathenen Ver¬ trauen folgt bald die Strafe nach. Ihr werdet frei mit uns, oder Ihr werdet nicht frei. Euch aber, geliebte Glaubensgenossen, sey es lV . 16 gesagt: wenn einst unsere christlichen Brüder die Freiheit sich gewonnen, und wir theilen, wie den Kampf, so die Beute des Sieges mit ihnen, dann — nichts vergessen, nichts vergeben, keine Versöh¬ nung, die nur die Grenze des Hasses ist. All un¬ ser Gedächtniß liege bei den Gebeinen unserer Vä¬ ter; nur in der Zukunft wollen wir leben, nur für die Zukunft wollen wir sterben. Ein und dreißigster Brief. Paris, Montag, den 5. März 1832. Der Lindner ist zum Legations-Rath in Mün¬ chen ernannt worden, und hat die allergnädigste Erlaubniß , die Uniform des königlichen Hauses tragen zu dürfen , taxfrei bekommen . Ich möchte ihn sehen in seiner Livree. Dieser Lind¬ ner ist die vollendetste Laquaien-Seele, die ich je kennen gelernt; er ist mit gelben Aufschlägen und geprägten Knöpfen auf die Welt gekommen. Er und Hormayer schreiben die neue baierische Staatszeitung, und der Letztere hat das Feld der Literatur zu be¬ bauen übernommen. Das wird eine schöne Landwirth¬ schaft werden! — Ach, was habe ich für einen schönen neuen Ueberrock! Haselnußfarbe, bequem über den Frack zu tragen, wattirt, lang, ein Meisterstück. Sie hät¬ ten Ihre Freude daran. Auch hat ihn der berühmte 16* Staub gemacht, der Rothschild der Schneider. Als ich ihm sagte: Noch nie hätte mir ein pariser Schnei¬ der einen Ueberrock nach Wunsch gemacht und ich bäte ihn darum, die Sache mit Ernst zu bedenken, lächelte er ganz mitleidig und sagte: une maison comme la nôtre ! Und der Mann hat Recht, stolz zu seyn. Was die Natur an mir verdorben, hat er wieder gut gemacht. Meine Taille sollten Sie sehen! — — Mit diesem schönen Ueberrock ausgeschmückt (und in dieser Absicht schone ich ihn und ziehe ihn sel¬ ten an), werde ich künftigen Sommer den Redakteur der Mannheimer Zeitung in Heidelberg besuchen, und werde ihm sagen: Ich bin der Verfasser der Briefe aus Paris, zu dem die Stuttgarter Hof-Zeitung ge¬ sagt hat: O , du elende Schmeisfliege ! Die zwei Haupt-Redakteurs an dieser Zeitung sind der ehrliche Lindner, und geheime Hofrath Münch, von denen jeder dreitausend Gulden Gehalt bekömmt. Dafür müssen sie grob seyn. Sie aber werden weit schlechter bezahlt, und sind daher auch weit weniger grob. Indessen haben Sie von mir gesagt: Ich hasse die Fürsten, weil ich keine Hoffnung hätte, selbst ein Fürst zu werden, und haßte die Reichen, weil ich kein Geld hätte. Das eine ist dumm, und darum verzeihe ich es Ihnen; aber das andere ist gelogen. Betrachten Sie mich in diesem Rocke; sehe ich aus, wie ein Mann der arm ist? Der Rock hat eine Haselnußfarbe, einen Sammtkragen, und ist mit Seide gefüttert und wattirt von oben bis unten. Er hat fünf Taschen und eine sechste geheime für Ver¬ schwörungslisten, und kann bis am Halse zugeknöpft werden. Fühlen Sie einmal dieses Tuch an; fra¬ gen Sie Herrn Zimmern daneben, wieviel die Elle von solchem Tuche kostet und Sie werden erstaunen. Und Sie nennen mich arm? Wenn Ihre ganze Garderobe so viel wehrt ist, als mein einziger Rock, sollen Sie mich zum Fenster hinaus in den Neckar stürzen. Hundert und dreißig Franken hat er geko¬ stet. Ueberhaupt, für wie reich halten Sie mich?.. Der Redakteur, dem mein grimmiges Gesicht ganz angst gemacht, möchte gern höflich seyn und mich für sehr reich erklären; aber so ein armer Teufel von Pescheräh hat nicht weit zählen gelernt, und er ant¬ wortet: O, Herr von Börne, Sie sind gewiß drei bis vierhundert Gulden reich ... Vierhundert Gul¬ den! Sie sinn ein Narr. Eine Million bin ich reich, sowohl an baarem Gelde, als an Manuscrip¬ ten und guten Eigenschaften. Sie aber, wie viel sind Sie werth? .. O! ich bin wenig werth .... Wenig werth? Gar nichts sind Sie werth. Sie sind nicht werth, daß Sie der Teufel holt! Dann ginge ich fort und lachte mich todt. Nur eines ist mir unerklärlich: Warum der Redakteur der Mann¬ heimer Zeitung von den Heidelberger Studenten noch niemals Prügel bekommen. — Soviel ich das undeutlich geschriebene Motto aus dem Tacitus lesen kann, heißt es in deutscher Uebersetzung ohngefähr wie folgt: „Nicht blos gegen „die Schriftsteller, sondern auch gegen deren Werke, „wurde auf Befehl der Triumviren mit Erbitterung „verfahren, und die Denkmäler der erhabensten Geister „wurden auf dem Forum verbrannt — als könnten „durch Feuer die Klagen des römischen Volks, die Frei¬ „heit des Senats und das Gefühl des ganzen Men¬ „schengeschlechts vernichtet werden!“ Mittwoch, den 7. März. Nicht auf Myrons Kuh wurden zu ihrer Zeit so viele Epigramme gemacht, als in Deutschland seit eini¬ gen Monaten auf mich gemacht wurden! Und es sind nicht blos kleine Schaumuster von Witz, von Fingers¬ länge, wie jene griechischen waren; sondern es sind ganze lange, breite, schwere Witzstücke, woran drei Blei hängen, das bekannte Fabrikzeichen der deutschen Satyre. Es ist aber merkwürdig, was ich bei den Fabrikanten Kredit habe! Sie schicken mir ihre Waare unbestellt, unverlangt, und scheinen ganz unbekümmert, ob ich sie einmal bezahlen werde oder nicht. Aber ich bezahle sie — ehrlich währt am längsten. Ein solches Witzstück erhielt ich gestern in meinem Briefe, der das Postzeichen: Hamburg . 15. Nov. trug. Der Mensch denkt's, Gott lenkt's. Ich wollte darauf schwören, daß der Briefsteller acht Tage nach dem 15. November sich Morgens vergnügt die Hände rieb und jubelte: heute kommt mein Brief nach Paris, heute wird er braun, roth, gelb und weiß vor Aerger, und zerbricht sich den Kopf, wer das Sonett gemacht haben mag. Goethe oder Platen, oder Uhland, oder Heine, oder Chamisso — und kann es nicht errathen. Aber es kam ganz anders. Den Brief erhielt ich erst gestern, also vier Monate später, weil die Adresse falsch war. Die Straße Rue de Provence war zwar richtig angegeben, aber die Hausnummer war falsch. Ich wohne Nr. 24, und die Adresse hatte Nr. 21. Vier Monate suchte mich der Briefträger, bis er mich endlich fand! Und ich wohne doch der Nr. 21 ge¬ rade gegenüber! Und ich erhielt den Brief zugleich mit dem ersten Veilchen, zu einer Zeit, wo mich nichts ärgern kann, weil ich dann meinem Ost entgegen¬ dämmere, weil ich dann des baldigen Wiedersehens froh bin. So weise hat mein Schutzgeist alles gelenkt, um die Bosheit des Hamburger Sonnettiers zu vereiteln. Aber so ist der Deutsche! Dieser unbekannte Hamburger — ein Mensch, der so gar keine Schul¬ kenntnisse hat, der so wenig von Geographie, Stati¬ stik, Historie, Topographie, Biographie gelernt hat, daß er nicht einmal weiß, daß ich in der Rüe de Provence No. 24 wohne und nicht No. 21 — nimmt sich heraus, ein Dichter seyn zu wollen, nimmt sich heraus, ein Sonett auf mich zu werfen! Und mit welcher Bosheit ging er dabei zu Werke! Daß ich ja nichts ahnden möchte; daß ich ja in der Er¬ wartung schwelgte, das Innere des Briefes werde so rücksichtsvoll und artig seyn als sein Aeußeres, und die Ueberraschung, der Schrecken mich so fürchterlicher darnieder werfe — schrieb er auf die Adresse: à Mon¬ sieur L. Boerne , savant Allemand und fran¬ kirte den Brief. Wie man Einem Grobheiten fran¬ kirt schicken mag, begreife ich nicht; nie hätte ich das Herz dazu. Hier folgt die Abschrift des Sonett's. Das „ Entwichner Wechselbalg “ wird Ihnen gefallen. Ich bitte, sehen Sie in meinem Schimpfwörterbuche nach, ob in W. Wechselbalg steht; wenn nicht, tragen Sie es nach. An L. Börne den Briefsteller aus Paris. Ist der ein Deutscher , der mit frechem Hohne, Den deutschen Namen schändet, ihn entehrt, Was Deutschen heilig ist, giftig zerstört, Es richtend nicht , hin richtend gleich dem Frohne! — Schütz Himmel uns vor dem verworfenen Sohne Des Vaterlands, der Jud' und Christ empört, Der Lug und Trug zu lehren nur begehrt, Sich flechtend selbst der ew'gen Schande Krone! — Du wähnst Dich sicher im Asyl der Franken, Und nicht zu Deutschen, nicht in Deutsche Schranken, Entwichner Wechselbalg, kehrst Du zurück! Doch wohin Dich die flücht'gen Sohlen tragen, So lang' im Busen Deutsche Herzen schlagen, Ist auch Verachtung Dein gerecht Geschick! Donnerstag, den 8. März. Als ich gestern den Wechselbalg suchte, war er nicht zu finden. Erst einen Tag in meinem Zim¬ mer und schon verschwunden! Darum heißt er auch mit Recht ein flüchtiger Wechselbalg. Endlich fand ich ihn unter meinen Papieren versteckt und niedergekauert. Und als ich so Nachsuchung hielt, fiel mir noch ein anderes Blatt in die Hände, ein köstliches Blatt, eine wahre papierene Krone, und ich kann darum wie Saul sagen: ich war hingegangen, einen Esel zu suchen und habe eine Krone gefunden. Doch nein! O Gott nein! Jetzt nicht scherzen, nicht lachen! Lesen Sie, lesen Sie. Dieses schwefelfar¬ bige Aktenstück aus dem Archive der Hölle, wurde mir im Winter vor unserem Aufenthalte in Soden von *** vertraulich mitgetheilt. Ich sollte es zum Drucke befördern. Nun hatte mich wohl damals meine schwere Krankheit unempfindlich, später die fran¬ zösische Revolution hoffnungstrunken gemacht. Es war mir ganz aus dem Sinne gekommen. Jetzt, ge¬ sund genug und nur zu nüchtern, fand ich das Pa¬ pier wieder. Jetzt will ich es drucken lassen. Schrei¬ ben Sie mir es ab, und verbrennen Sie sogleich das Original. Die Handschrift möchte vielen in Frankfurt wohl bekannt seyn. O! es kocht, es kocht in mir! Aber meine bevorstehende Reise läßt mir nicht Zeit zu warten, bis meine Zorn Suppe gar geworden. Unglückliches Volk! Unglückliches Vater¬ land! Kein Wahnsinniger wird so bevormundet und gepeinigt. Es ist mir, als sähe ich das ganze Deut¬ sche Volk im Drillhäuschen. Doch genug, genug! Bericht des Oesterreichischen Generals von Langenau an den Fürsten von Metternich. (Frankfurt, 1823. In die Majorität der Bundes-Gesandten ist ein Geist des Widerspruchs gefahren, der sich in zwei¬ facher Beziehung in der Form des Liberalismus ma¬ nifestirt, obwohl er durch und durch politischer Natur ist. Die erste Form ist die Gesetzlichkeit . Kein Antrag darf ohne strenge Prüfung zur Abstimmung gebracht werden. An jeden wird der Buchstabe des Gesetzes als Maasstab gelegt; jede Discussion wird auf Grundsätze zurückgeführt. Alles wird unter die Lupa der Bundes-Versammlung gebracht; kein Gesetz wird für oder wider angeführt, ohne durch künst¬ liche Exegese den Sinn desselben auf so folgenreiche Weise auszudehnen, daß der Convenienz bald gar kein Spielraum mehr übrig bleiben wird. Aber nicht die Gesetzlichkeit, die Verfassungsmäßigkeit ist der letzte Zweck dieser Sophisten. Dieser liegt vielmehr darin, den großen Bundesmächten die formale Rechts¬ gleichheit aller Bundesglieder so unerträglich zu ma¬ chen, daß sie, um sich in ihren Interessen nicht bin¬ den zu lassen, sich genöthigt sehen, im Bunde nur eine passive Rolle zu spielen, und nur durch diese Passivität gegen die Action der Mindermächtigen zu reagiren. Allein dies gerade fördert ihren Zweck, in dem die kleinern Staaten, eben durch diese Thätigkeit, die öffentliche Meinung in dem Grade für sich gewin¬ nen, in welchem die größern durch ihre Unthätigkeit, die als hemmendes Prinzip erscheint, dieselbe verlieren. Die zweite Form ist die der Nationalität . In dieser Form suchen sie die verschiedenen, oft sich widerstrebenden Interessen der einzelnen kleinen Staa¬ ten in Separathandlungen auszugleichen und zur Er¬ haltung der so errungenen gemeinsamen Interessen förmliche Bünde im Bunde zu stiften. Warum wird mit so großem Eifer, mit so vieler Umsicht an der Organisation der gemischten Armee-Corps gearbeitet? Warum der Vereinigung darüber alle Rangverhältnisse so leicht geopfert? Warum stehen die Theilhaber dieser Corps, so bald sie die Selbstständigkeit der¬ selben nur von weitem gefährdet glauben, gleich für einen Mann? Warum hat man in den Staaten, welche von Protestanten regiert werden, mit so un¬ wandelbarer Hartnäckigkeit allen Schwierigkeiten, die sich der Gründung eines gemeinsamen Systems für die Katholischen Kirchenangelegenheiten in den Weg stellten, Trotz geboten? Hat nicht, um nur das System zu Stande zu bringen, Würtemberg seinen Landesbischof einem Badischen Erzbischof unterge¬ ordnet, Darmstadt der Metropolitanwürde, welche Mainz so lange zierte, entsagt, Kurhessen dem Großherzogthum Hessen den Vorrang eingeräumt? Hat man nicht selbst die kleinen Staaten Norddeutsch¬ lands in den süddeutschen Verein zu locken gewußt? Warum wird auf einmal jede Finanz-Rücksicht und jedes Provinzial-Interesse für nichts geachtet, um nur den süddeutschen Handelsbund, an welchem in Deutschland so eifrig gearbeitet wird, zu Stande zu bringen? — Die öffentliche Meinung soll da¬ mit gewonnen werden , die Völklein sollen an die Möglichkeit glauben , daß sie ein Volk werden könnten ; sie sollen in solchen Ver¬ einen ihr Wohl gegründet finden , sie sollen Parthei nehmen gegen die , welche , weil sie andere Interessen haben , den gleichen Weg nicht nehmen können , und in dieser neuen Liebelei mit den Völkern und der öffentli¬ chen Meinung , wollen jene Liberalen dem Einflusse ein Ziel stecken , den , zu ihrem großen Verdrusse , die großen Mächte noch immer auf die innern Angelegenheiten der einzelnen deutschen Staaten ausüben und aus¬ zuübenberufen sind . Diese Menschen die oft weniger liberal sind, als sie, um zu ihrem Zwecke zu ge¬ langen, sich darstellen, theilen sich zwar wieder in zwei verschiedene Klassen, in die Idealisten und Realisten ; allein, wenn auch von verschiedenen Gesichtspunkten ausgehend, streben sie doch beide nach dem einen Ziele, gegen die beiden großen Mächte einen Antagonismus zu organisiren. An der Spitze der Idealisten steht der Frei¬ herr von Wangenheim . Ihm schließen sich mehr oder weniger an die Herren von Carlowitz und Harnier . Realisten sind der Freiherr von Are¬ tin und der Herr von Lepel . Jener läßt die Idea¬ listen sprechen und zieht, indem er sie zu bekämpfen scheint, die Conclusa, wie sie es wollen, gegen Oesterreich; dieser stimmt offen und unverholen für Alles, was gegen die großen Mächte ist. — Ihm folgt, wenn irgend möglich, der Herr von Roth . Auf Graf Eyben , Graf Grüne , Graf Beust und Baron Penz ist nicht zu rechnen; sie sind den Idealisten und Realisten persönlich befreundet, und, wenn sie auch gegen die großen Mächte nichts unternehmen, sind sie doch auch nicht für sie zu gebrauchen. Macht man Ansprüche auf sie, so schützt der eine die Forderungen der Ehre, der andere gar die des Pandektenrechtes vor — im Grunde liebäugeln auch sie mehr oder minder mit der Popularität. Aus Freiherrn von Blittersdorf ist nicht klug zu werden, er lebt in allen Elementen mit gleicher Leichtigkeit. Was bleibt uns? Ein Präsident, der zwar sa¬ gen muß, was wir wollen, es auch gern und mit Heftigkeit sagt, aber es nicht vertheidigen kann, so daß er mit dem besten Willen oft das Gegentheil von dem selbst mit beschließen hilft, was er durch¬ setzen sollte; ein Graf Goltz , der das, was Graf Buel bejaht, zwar nie verneint, aber zur Verthei¬ gung der Sache nie auch nur das mindeste beizutragen vermag; der Herr von Hammerstein , der uns nur bei seinem ersten Auftritte liberal und also gefährlich erschien, jetzt aber sich täglich besser zeigt. Er hat Kenntnisse, Verstand und einen gewissen Geist der Intrigue, und den Stolz, der über die Kleinen hinwegsieht; er wird uns, wenn Sie ihn mit dem Bande, das er uns selbst darreicht, vollends fesseln, wichtige Dienste leisten können. Der Minister Mar¬ schall , auf den unter allen Umständen und für jeden Zweck zu bauen ist; der Freiherr Leonhardi , der nicht mucksen darf, und die Gesandten der so¬ genannten freien Städte, obwohl auch diese, der Mehrzahl nach, die Faust in der Tasche machen. Hieraus folgt, daß, so gute Elemente wir auch haben, dennoch an der Begründung des Stabilitäts- Systems, und mithin an Herstellung der Ruhe, nicht zu denken ist, wenn man nicht die Idealisten zusammt den Realisten bannen kann. — Die Bundes-Ver¬ sammlung muß epurirt werden. Darauf müssen Oesterreich und Preußen vor allen Dingen wirken. Die auf diesen Zweck berechneten Schritte müssen zwar gemeinschaftlich verabredet, aber nur abwechselnd von Einem dieser beiden Staaten allein und sehr nach und nach gemacht werden, damit nicht andere als die angegriffenen sich in ihrer Würde gefährdet glauben mögen. Deshalb darf man die Epuration auch nicht beim Freiherrn von Aretin anfangen, obwohl seine Entfernung, weil er vor allen Andern der Verstockteste und daher der Gefährlichste ist, am wünschenswerthesten wäre. Bayern hält am meisten auf seine Unabhängigkeit, würde also am ersten Lärm blasen, und nicht ohne großen Anhang bleiben. Da¬ her muß das bayerische Gouvernement nicht gereizt, sondern ins Interesse gezogen und für die Epuration gewonnen werden. Dies ist zum Glück gar nicht so schwer, da der Minister Rechberg das bayerische anti-österreichische System vergißt, sobald man ihn in irgend einen magischen Spiegel die Revolution und den Fürsten Metternich als deren Bändiger zeigt. Nicht ohne Erfolg hat Preußen in seinen Cir¬ kular-Bemerkungen über die Köthensche Streit-An¬ gelegenheit den Freiherrn von Aretin nicht nur ge¬ schont, sondern sogar gelobt. Rechberg findet diese Bemerkungen vortrefflich, das Benehmen der Mehr¬ zahl der Bundesgesandten abscheulich. Gelingt es, das bayerische Gouvernement in dieser Stimmung zu erhalten, so wird der Epuration kein großes Hinder¬ niß im Wege stehen. Es kommt dann nur darauf an, immer nur Einen Gesandten auf Einmal und zuerst einen solchen zu attaquiren, dessen Hof von den übrigen aus irgend einem Grunde am leichtesten zu isoliren ist. Es ist ziemlich gleichgültig, wer dieser erste sey. Alles ist gewonnen, wenn um seines Benehmens gegen die großen Mächte willen nur Einer rappellirt wird. Zeigt man dann nur den festen Entschluß, daß, wenn es seyn muß, der nehm¬ liche Prozeß sofort werde von vorn angefangen werden; so darf man mit Sicherheit darauf rechnen, daß der böse Geist, der jetzt in der Bundes-Ver¬ sammlung sein Unwesen treibt, bald gebannt seyn wird. Keinem Gesandten wird es alsdann so leicht wieder einfallen, in seinen Berichten, die wir ja meistens perlustriren können, den Geist der Opposition, der allerdings in den deutschen Fürsten zu leicht nur geweckt werden kann, zu nähern, vielmehr werden sie, um sich in ihren einträglichen und zugleich ru¬ higen Posten zu befestigen, selbst dazu mitwirken, ihre Höfe dem österreichischen, also auch dem preußi¬ schen An- und Absichten, aus treuer Anhänglichkeit an das alte Kaiserhaus entgegen zu führen. Dies ist der einzige Weg, auf welchem meines Dafürhaltens wir das wieder erobern können, was wir uns in unbegreiflicher Sorglosigkeit haben ent¬ reißen lassen.