Kinder- und Haus-Maͤrchen . Gesammelt durch die Bruͤder Grimm . Berlin, in der Realschulbuchhandlung. 1812 . An die Frau Elisabeth von Arnim fuͤr den kleinen Johannes Freimund . Vorrede . W ir finden es wohl, wenn Sturm oder anderes Ungluͤck, vom Himmel geschickt, eine ganze Saat zu Boden geschlagen, daß noch bei niedrigen Hecken oder Straͤuchen, die am Wege stehen, ein kleiner Platz sich ge- sichert und einzelne Aehren aufrecht geblie- ben sind. Scheint dann die Sonne wieder guͤnstig, so wachsen sie einsam und unbeach- tet fort, keine fruͤhe Sichel schneidet sie fuͤr die großen Vorrathskammern, aber im Spaͤt- sommer, wenn sie reif und voll geworden, kommen arme, fromme Haͤnde, die sie su- chen; und Aehre an Aehre gelegt, sorgfaͤltig gebunden und hoͤher geachtet, als ganze Garben, werden sie heimgetragen und Win- terlang sind sie Nahrung, vielleicht auch der einzige Samen fuͤr die Zukunft. So ist es uns, wenn wir den Reichthum deutscher Dichtung in fruͤhen Zeiten betrachten, und dann sehen, daß von so vielem nichts leben- dig sich erhalten, selbst die Erinnerung dar- an verloren war, und nur Volkslieder, und diese unschuldigen Hausmaͤrchen uͤbrig ge- blieben sind. Die Plaͤtze am Ofen, der Kuͤ- chenheerd, Bodentreppen, Feiertage noch ge- feiert, Triften und Waͤlder in ihrer Stille, vor allem die ungetruͤbte Phantasie sind die Hecken gewesen, die sie gesichert und einer Zeit aus der andern uͤberliefert haben. So denken wir jetzt, nachdem wir diese Sammlung uͤbersehen; anfangs glaubten wir auch hier schon vieles zu Grund gegangen, und nur die Maͤrchen noch allein uͤbrig, die uns etwa selbst bewußt, und die nur ab- weichend, wie es immer geschieht, von an- dern erzaͤhlt wuͤrden. Aber aufmerksam auf alles, was von der Poesie wirklich noch da ist , wollten wir auch dieses abweichende kennen, und da zeigte sich dennoch manches neue und ohne eben im Stand zu seyn, sehr weit herum zu fragen, wuchs unsre Samm- lung von Jahr zu Jahr, daß sie uns jetzt, nachdem etwa sechse verflossen, reich er- scheint, dabei begreifen wir, daß uns noch manches fehlen mag, doch freut uns auch der Gedanke, das meiste und beste zu be- sitzen. Alles ist mit wenigen bemerkten Aus- nahmen fast nur in Hessen und den Main- und Kinziggegenden in der Grafschaft Ha- nau, wo wir her sind, nach muͤndlicher Ue- berlieferung gesammelt; darum knuͤpft sich uns an jedes Einzelne noch eine angenehme Erinnerung. Wenig Buͤcher sind mit solcher Lust entstanden, und wir sagen gern hier noch einmal oͤffentlich Allen Dank, die Theil daran haben. Es war vielleicht gerade Zeit, diese Maͤrchen festzuhalten, da diejenigen, die sie bewahren sollen, immer seltner werden (frei- lich, die sie noch wissen, wissen auch recht viel, weil die Menschen ihnen absterben, sie nicht den Menschen), denn die Sitte darin nimmt selber immer mehr ab, wie alle heim- lichen Plaͤtze in Wohnungen und Gaͤrten ei- ner leeren Praͤchtigkeit weichen, die dem Laͤ- cheln gleicht, womit man von ihnen spricht, welches vornehm aussieht und doch so we- nig kostet. Wo sie noch da sind, da leben sie so, daß man nicht daran denkt, ob sie gut oder schlecht sind, poetisch oder abge- schmackt, man weiß sie und liebt sie, weil man sie eben so empfangen hat, und freut sich daran ohne einen Grund dafuͤr: so herr- lich ist die Sitte, ja auch das hat diese Poesie mit allem unvergaͤnglichen gemein, daß man ihr selbst gegen einen andern Wil- len geneigt seyn muß. Leicht wird man uͤbrigens bemerken, daß sie nur da gehaftet, wo uͤberhaupt eine regere Empfaͤnglichkeit fuͤr Poesie oder eine noch nicht von den Ver- kehrtheiten des Lebens ausgeloͤschte Phantasie gewesen. Wir wollen in gleichem Sinn hier die Maͤrchen nicht ruͤhmen, oder gar gegen eine entgegengesetzte Meinung vertheidigen: jenes bloße Daseyn reicht hin, sie zu schuͤz- zen. Was so mannichfach und immer wie- der von neuem erfreut, bewegt und belehrt hat, das traͤgt seine Nothwendigkeit in sich, und ist gewiß aus jener ewigen Quelle ge- kommen, die alles Leben bethaut, und wenn auch nur ein einziger Tropfen, den ein klei- nes zusammenhaltendes Blatt gefaßt, doch in dem ersten Morgenroth schimmernd. Innerlich geht durch diese Dichtungen dieselbe Reinheit, um derentwillen uns Kin- der so wunderbar und seelig erscheinen; sie haben gleichsam dieselben blaͤulich-weißen, mackellosen, glaͤnzenden Augen (in die sich die kleinen Kinder selbst so gern greifen Fischart Gargantŭa 129 b . 131 b . , die nicht mehr wachsen koͤnnen, waͤhrend die andern Glieder noch zart, schwach, und zum Dienst der Erde ungeschickt sind. So ein- fach sind die meisten Situationen, daß viele sie wohl im Leben gefunden, aber wie alle wahrhaftigen doch immer wieder neu und ergreifend. Die Eltern haben kein Brod mehr, und muͤssen ihre Kinder in dieser Noth verstoßen, oder eine harte Stiefmutter laͤßt sie leiden Dieses Verhaͤltniß kommt hier oft vor und ist wohl die erste Wolke, die an dem blauen Him- mel eines Kinds aufsteigt und die ersten Thraͤ- nen erpreßt, welche die Menschen nicht sehen, aber die Engel zaͤhlen. Selbst Blumen ha- ben davon ihren Namen erhalten, die Viola tricolor heißt Stiefmuͤtterchen, weil jedes der gelben Blaͤtter unter sich ein schmales, gruͤnes Blaͤttchen hat, wovon es gehalten wird, das sind die Stuͤhle, welche die Mutter ihren rech- ten lustigen Kindern gegeben; oben muͤssen die zwei Stiefkinder, in dunkelviolett trauernd ste- hen und haben keine Stuͤhle. , und moͤgte sie gar zu Grunde gehen lassen. Dann sind Geschwister in des Waldes Einsamkeit verlassen, der Wind er- schreckt sie, Furcht vor den wilden Thieren, aber sie stehen sich in allen Treuen bei, das Bruͤderchen weiß den Weg nach Haus wie- der zu finden, oder das Schwesterchen, wenn Zauberei es verwandelt, leitet es als Reh- kaͤlbchen und sucht ihm Kraͤuter und Moos zum Lager; oder es sitzt schweigend und naͤht ein Hemd aus Sternblumen, das den Zauber vernichtet. Der ganze Umkreis die- ser Welt ist bestimmt abgeschlossen: Koͤ- nige, Prinzen, treue Diener und ehrliche Handwerker, vor allen Fischer, Muͤller, Koͤh- ler und Hirten, die der Natur am naͤchsten geblieben, erscheinen darin; das andere ist ihr fremd und unbekannt. Auch, wie in den Mythen, die von der goldnen Zeit re- den, ist die ganze Natur belebt, Sonne, Mond und Sterne sind zugaͤnglich, geben Geschenke, oder lassen sich wohl gar in Klei- der weben, in den Bergen arbeiten , die Zwer- ge nach dem Metall, in dem Wasser schla- fen die Nixen, die Voͤgel , (Tauben sind die geliebtesten und huͤlfreichsten), Pflanzen, Stei- ne reden und wissen ihr Mitgefuͤhl auszu- druͤcken, das Blut selber ruft und spricht, und so uͤbt diese Poesie schon Rechte, wor- nach die spaͤtere nur in Gleichnissen strebt. Diese unschuldige Vertraulichkeit des groͤß- ten und kleinsten hat eine unbeschreibliche Lieblichkeit in sich, und wir moͤgten lieber dem Gespraͤch der Sterne mit einem armen verlassenen Kind im Wald, als dem Klang der Sphaͤren zuhoͤren. Alles schoͤne ist gol- den und mit Perlen bestreut, selbst goldne Menschen leben hier, das Ungluͤck aber eine finstere Gewalt, ein ungeheurer menschenfres- sender Riese, der doch wieder besiegt wird, da eine gute Frau zur Seite steht, welche die Noth gluͤcklich abzuwenden weiß, und dieses Epos endigt immer, indem es eine endlose Freude aufthut. Das Boͤse auch ist kein kleines, nahstehendes und das schlech- teste, weil man sich daran gewoͤhnen koͤnnte, sondern etwas entsetzliches, schwarzes, streng geschiedenes, dem man sich nicht naͤhern darf; eben so furchtbar die Strafe desselben: Schlangen und giftige Wuͤrmer verzehren ihr Opfer, oder in gluͤhenden Eisenschuhen muß es sich zu todt tanzen. Vieles traͤgt auch eine eigene Bedeutung in sich: die Mutter wird ihr rechtes Kind in dem Augenblick wieder im Arme haben, wenn sie den Wech- selbalg, den ihr die Hausgeister dafuͤr gege- ben, zum Lachen bringen kann; gleichwie das Leben des Kindes mit dem Laͤcheln anfaͤngt und in der Freude fortwaͤhrt, beim Laͤcheln im Schlaf aber die Engel mit ihm reden. So ist eine Viertelstunde taͤglich uͤber der Macht des Zaubers, wo die menschliche Ge- stalt frei hervortritt, als koͤnne uns keine Gewalt ganz einhuͤllen, und es gewaͤhre je- der Tag Minuten, wo der Mensch alles fal- sche abschuͤttele und aus sich selbst heraus- blicke; dagegen aber wird der Zauber auch nicht ganz geloͤst, und ein Schwanenfluͤgel bleibt statt des Arms, und weil eine Thraͤ- ne gefallen, ist ein Auge mit ihr verloren. oder die weltliche Klugheit wird gedemuͤthigt und der Dummling, von allen verlacht und hintangesetzt, aber reines Herzens, gewinnt allein das Gluͤck. In diesen Eigenschaften aber ist es gegruͤndet, wenn sich so leicht aus diesen Maͤrchen eine gute Lehre, eine Anwendung fuͤr die Gegenwart ergiebt; es war weder ihr Zweck, noch sind sie darum erfunden, aber es erwaͤchst daraus, wie eine gute Frucht aus einer gesunden Bluͤthe ohne Zuthun der Menschen. Darin bewaͤhrt sich jede aͤchte Poesie, daß sie niemals ohne Be- ziehung auf das Leben seyn kann, denn sie ist aus ihm aufgestiegen und kehrt zu ihm zuruͤck, wie die Wolken zu ihrer Geburts- staͤtte, nachdem sie die Erde getraͤnkt haben. So erscheint uns das Wesen dieser Dich- tungen; in ihrer aͤußeren Natur gleichen sie aller volks- und sagenmaͤßigen: nirgends feststehend, in jeder Gegend, fast in jedem Munde, sich umwandelnd, bewahren sie treu denselben Grund. Indessen unterscheiden sie sich sehr bestimmt von den eigentlich loca- len Volkssagen , die an leibhafte Oerter oder Helden der Geschichte gebunden sind, deren wir hier keine aufgenommen, wiewohl viele gesammelt haben, und die wir ein an- dermal herauszugeben denken. Mehrere Aeußerungen einer und derselben Sage we- gen ihrer angenehmen und eigenthuͤmlichen Abweichungen haben wir einigemal mitge- theilt, das minder bedeutende in dem An- hang, uͤberhaupt aber so genau gesammelt, als uns moͤglich war. Gewiß ist auch, daß sich die Maͤrchen in dem Fortgange der Zeit bestaͤndig neu erzeugt, eben darum aber muß ihr Grund sehr alt seyn, bei einigen wird es durch Spuren in Fischart und Rollenha- gen, die an ihrem Ort bemerkt sind, fuͤr bei- nah drei Jahrhunderte besonders bewiesen; es ist aber außer Zweifel, daß sie noch gar viel aͤlter sind, wenn auch Mangel an Nach- richten directe Beweise unmoͤglich macht. Nur ein einziger, aber sicherer ergiebt sich aus ihrem Zusammenhang mit dem großen Heldenepos und der einheimischen Thierfabel, welchen auszufuͤhren natuͤrlich hier der Ort nicht war, einiges ist jedoch im Anhang gleichfalls daruͤber gesagt worden. Weil diese Poesie dem ersten und ein- fachsten Leben so nah liegt, so sehen wir da- rin den Grund ihrer allgemeinen Verbrei- tung, denn es giebt wohl kein Volk, wel- ches sie ganz entbehrt. Selbst die Neger im westlichen Afrika vergnuͤgen ihre Kin- der mit Erzaͤhlungen, und von den Grie- chen sagt es Strabo ausdruͤcklich (Man wird dies Zeugniß am Ende finden bei den an- dern, welche beweisen, wie sehr diejenigen, die gewußt, was eine solche unmittelbar zum Herzen redende Stimme werth ist, solche Maͤrchen geschaͤtzt haben). Noch ein ande- rer hoͤchst merkwuͤrdiger Umstand erklaͤrt sich daraus, naͤmlich die große Ausbreitung die- ser deutschen. Sie erreichen hierin nicht bloß die Heldensagen von Siegfried dem Drachentoͤdter, sondern sie uͤbertreffen diese sogar, indem wir sie, und genau dieselben, durch ganz Europa verbreitet finden, so daß sich in ihnen eine Verwandtschaft der edel- sten Voͤlker offenbart. Aus dem Norden kennen wir nur die daͤnischen Kaͤmpe-Viser, die vieles hierhergehoͤrige enthalten, wenn gleich schon als Lied, welches nicht mehr ganz fuͤr Kinder paßt, weil es gesungen seyn will, doch laͤßt sich hier die Graͤnze eben so wenig genau angeben, als zu der ernsthafteren, historischen Sage, und es giebt allerdings Vereinigungspuncte. England be- sitzt die Tabartische eben nicht sehr reiche Sammlung, aber welche Reichthuͤmer von muͤndlicher Sage muͤssen in Wallis, Schott- land und Irland noch vorhanden seyn, er- steres hat in seinem (jetzt gedruckten) Ma- binogion allein einen wahren Schatz. Auf eine aͤhnliche Weise sind Norwegen, Schwe- den und Daͤnemark reich geblieben, weniger vielleicht die suͤdlichen Laͤnder; aus Spanien ist uns nichts bewußt, doch laͤßt eine Stelle des Cervantes uͤber das Daseyn und Erzaͤh- len der Maͤrchen keinen Zweifel — y aquellas (cosas) que à ti te deven pare- cer profecias, no son sino palabras de con- sejas, o cuentos de viejas , como aquel- los del cavallo sin cabeça, y de la varilla de virtudes , con que se en- aretienen al fuego las dilatadas noches del invierno. Colloq. entre cip. y Berg. . Frank- reich hat gewiß noch jetzt mehr, als was Charles Perrault mittheilte, der allein sie noch als Kindermaͤrchen behandelte (nicht seine schlechteren Nachahmer, die Aulnoi, Murat); er giebt nur neun, freilich die be- kanntesten, die auch zu den schoͤnsten gehoͤ- ren. Sein Verdienst besteht darin, daß er nichts hinzugesetzt und die Sachen an sich, Kleinigkeiten abgerechnet, unveraͤndert gelas- sen; seine Darstellung verdient nur das Lob, so einfach zu seyn, als es ihm moͤglich war; an sich ist der franzoͤsischen Sprache, die sich ihrer jetzigen Bildung nach, fast wie von selbst zu epigrammatischen Wendungen und fein- feingeschnitztem Dialog zusammenkraͤuselt (man sehe nur das Gespraͤch zwischen Riquet à la houpe und der dummen Prinzessin, so wie das Ende von petit poucet ), wohl nichts schwerer, als naiv und gerad, das heißt in der That, nicht mit der Praͤtension darauf, Kindermaͤrchen zu erzaͤhlen; außerdem sind sie manchmal unnoͤthig gedehnt und breit. Eine Analyse, die vor einer Ausgabe steht, sieht es so an, als habe Perrault sie zuerst erfunden, und von ihm (geb. 1633, gestor- ben 1703.) seyen sie zuerst unter das Volk gekommen; bei dem Daͤumling wird sogar eine absichtliche Nachahmung Homers be- hauptet, welche Kindern die Noth des Odys- seus beim Polyphem habe verstaͤndlich ma- chen wollen; eine bessere Ansicht hat Johan- neau. Reicher als alle anderen sind aͤltere italiaͤnische Sammlungen, erstlich in den Naͤchten des Straparola, die manches gute enthalten, dann aber besonders im Penta- merone des Basile, einem in Italien eben so bekannten und beliebten, als in Deutschland seltenen und unbekannten, in neapolitanischen Dialect geschriebenen, und in jeder Hinsicht vortrefflichen Buch. Der Inhalt ist fast oh- Kindermärchen. b ne Luͤcke und falschen Zusatz, der Stil uͤber- fließend in guten Reden und Spruͤchen. Es ganz lebendig zu uͤbersetzen gehoͤrte ein Fi- schart Welch ein viel besseres Maͤrchenbuch als das unsrige haͤtte dieser mit der damaligen Spra- che und mit seinem bewunderungswuͤrdigen Ge- daͤchtniß aufschreiben koͤnnen, wenn er anders den Werth einer getreuen, ungefaͤlschten Auf- zeichnung erkannt haͤtte. und sein Zeitalter dazu; wir den- ken es indessen in dem zweiten Band der vorliegenden Sammlung zu verdeutschen, wo- rin auch alles andere, was fremde Quellen gewaͤhren, seinen Platz finden soll. Wir haben uns bemuͤht, diese Maͤrchen so rein als moͤglich war aufzufassen, man wird in vielen die Erzaͤhlung von Reimen und Versen unterbrochen finden, die sogar manchmal deutlich alliteriren, beim Erzaͤhlen aber niemals gesungen werden, und gerade diese sind die aͤltesten und besten. Kein Um- stand ist hinzugedichtet oder verschoͤnert und abgeaͤndert worden, denn wir haͤtten uns gescheut, in sich selbst so reiche Sagen mit ihrer eigenen Analogie oder Reminiscenz zu vergroͤßern, sie sind unerfindlich. In die- sem Sinne existirt noch keine Sammlung in Deutschland, man hat sie fast immer nur als Stoff benutzt, um groͤßere Erzaͤhlungen daraus zu machen, die willkuͤhrlich erweitert, veraͤndert, was sie auch sonst werth seyn konnten, doch immer den Kindern das Ihri- ge aus den Haͤnden rissen, und ihnen nichts dafuͤr gaben. Selbst wer an sie gedacht, konnte es doch nicht lassen, Manieren, wel- che die Zeitpoesie gab, hineinzumischen; fast immer hat es auch an Fleiß beim Sammeln gefehlt und ein paar wenige, zufaͤllig etwa aufgefaßte, wurden sogleich mitgetheilt Musaͤus und Naubert verarbeiteten meist, was wir vorhin Localsage nannten, der viel schaͤtzbarere Otmar nur lauter solche; eine Erfurter Sammlung von 1787. ist arm, eine Leipziger von 1799. gehoͤrt nur halb hierher, wiewohl sie nicht ganz schlecht zu nennen, eine Braunschweiger von 1801. unter diesen die reichste, obgleich mit ihnen in verkehrtem Ton. Aus der neusten Buͤschingischen war fuͤr uns nichts zu nehmen, ausdruͤcklich aber muß noch bemerkt werden, daß eine vor ein paar Jahren von einem Namensverwandten A. L. Grimm unter dem Titel: Kindermaͤrchen zu Heidelberg herausgekommene, nicht eben wohl . b 2 Waͤren wir so gluͤcklich gewesen, sie in einem recht bestimmten Dialect erzaͤhlen zu koͤnnen, so zweifeln wir nicht, wuͤrden sie viel ge- wonnen haben; es ist hier ein Fall, wo alle erlangte Bildung, Feinheit und Kunst der Sprache zu Schanden wird, und wo man fuͤhlt, daß eine gelaͤuterte Schriftsprache, so gewandt sie in allem andern seyn mag, hel- gerathene, Sammlung mit uns und der unsri- gen gar nichts gemein hat. Die eben ausgegebenen Wintermaͤrchen vom Gevatter Johann (Jena b. Voigt 1813.) sind nur dem Titel nach neu, und schon vor zehn Jahren erschienen. Sie haben mit der Leipziger Sammlung einen Verfasser, der sich auch Peter Kling nennt, und sind in derselben Manier geschrieben. Nur das sechste und zum Theil das fuͤnfte Maͤrchen haben Werth, die an- dern sind ohne Kern und, bis auf wenige Ein- zelheiten hohle Erfindungen. Wir bitten jeden, dem Gelegenheit und Nei- gung es moͤglich macht, dieses Buch im Einzel- nen zu verbessern, die Fragmente zu ergaͤnzen, besonders aber neue und sonderlich Thier-Maͤr- chen zu sammeln. Fuͤr solche Mittheilungen wuͤrden wir sehr dankbar seyn, und durch den Verleger oder durch die Buchhandlungen in Goͤt- tingen, Cassel und Marburg sie am besten erhalten. ler und durchsichtiger aber auch schmackloser geworden, und nicht mehr fest an den Kern sich schließe. Wir uͤbergeben dies Buch wohlwollen- den Haͤnden, dabei denken wir uͤberhaupt an die segnende Kraft, die in diesen liegt, und wuͤnschen, daß denen, welche diese Brosamen der Poesie Armen und Genuͤgsamen nicht goͤn- nen, es gaͤnzlich verborgen bleiben moͤge. Cassel, am 18ten October 1812. Zeugnisse fuͤr Kindermaͤrchen . Strabo I, 2. §. 3. ed. 1620. p. 19. „Wir erzaͤhlen den Kindern, um sie zu ermun- tern, angenehme Geschichten, und um sie abzuhal- ten, schreckliche Maͤrchen, wie die von der Lamia, der Gorgone, von Ephialtes und Mormolyk.“ Lamia , eine Frau, welche Kinder fraß. Gor- gone , eine Frau mit Schlangenhaaren, eher- nen Haͤnden und Zaͤhnen, so groß wie Eher- hauer, ihr Anblick toͤdtete und versteinerte. Ephialtes , ein himmelstuͤrmender Riese, der den Ossa auf den Olymp, den Pelion auf den Ossa setzte. Die Mormolyken sind Geister und Gespenster. Luther hat gesagt: „Ich moͤgt' mich der wundersamen Historien, so ich aus zarter Kindheit heruͤber genommen, oder auch, wie sie mir vorkommen sind in meinem Leben, nicht entschlagen, um kein Gold.“ Doctor Luther hat seine Muͤhe an den alten und verunreinigten Esopum legen und seinen Deutschen ein verneuertes und geschwertes Maͤrleinbuch zurichten wollen, daran der Zeit viel guter Leut ein sonderes Gefallen trugen, — aber, weil sich der theure Mann an der Biblia neben viel Predigen und Schreiben ab- gearbeitet, verblieb dies angefangene Werk, welches Anfang gleichwohl Magister Georg Roͤrer hernachmals in den neunten Theil der deutschen Buͤcher Lutheri hat bringen lassen. — Im schoͤnen Hofpsalm — — gedenkt der Doctor des Affen, so Holzspalten wollte und des Keils vergaß, und da er die Axt auszog daruͤber zu Schanden kam. Er gedenkt auch des Frosches, so auf dem Heller saß und sich ruͤhmet, Geld braͤchte Ehre. Ueber Tisch hab ich etliche gute Fabeln von ihm gehoͤrt, als von der Kraͤhe, so die Affen strafte, die aus einem Johanneswuͤrmchen Feuer blasen wollten, und daruͤber ihren Kopf ver- lor. (Eine nicht unbekannte Fabel, die z. B. in Walchs decas fab. steht.) Schuppii Schriften. Fabul-Hans. S. 530. Johannes Muͤller . „Man sollte die Weisheit der Voͤlker, bei denen man lebt, in ihrer mannichfaltigen Gestalt, selbst in Liedern, quas ad ignem aniculae narrant puellis, aufspuͤren und in Umlauf bringen.“ (Histor. Critik I. 245.) W. Scott. In den Anmerkungen zu seinem Ge- dicht Lady of the lake. Edinb. 1810. p. 392. „A work of great interest might be com- piled upon the origine of popular fiction and the transmission of similar tales from age to age and from country to country. The mythology of one period would then appear to pass into the romance of the next century, and that into the nursery-tale of the subsequent ages. Such an investigation, while it went greatly to dimi- nish our ideas of the richness of human inven- tion would also shew, that these fictions, how- ever wild and childish, possess such charms for the populace, as enable them to penetrate into countries unconnected by manners and language and having no apparent intercourse tho afford the means of transmission. It would carry me far beyond my bounds, to produce instances of this community of fable, among nations, who never borrowed from each other any thing intrinsically worth learning. Indeed the wide diffusion of popular fictions may be compared to the facility, with wich straws and feathers are dispersed abroad by the wind, while valuable metals cannot be transported with- out trouble and labour. There lives, I belie- ve, only one gentleman, whose unlimited ac- quaintance with this subiect might enable him to do it justice; I mean my friend, Mr. Fran- cis Douce , of the british museum, whose usual Kindness will I hope pardon my mentio- ning his name, whileon a subject so closely connected with his extensive and curious re- searches.“ Eloi Johanneau . Mem. de l'acad. celti- que. I. 162. „On connait aussi les contes de fées, du chat botté et du petit Poucet avec ses bottes de 7. lieues, contes populaires de la plus haute antiquité, qui ne sont point de l'invention de Perrault.“ Inhalt . Inhalt . 1. Der Froschkoͤnig oder der eiserne Hein- rich Seite 1 2. Katz und Maus in Gesellschaft — 6 3. Marienkind — 8 4. Gut Kegel- und Kartenspiel — 14 5. Der Wolf und die sieben junge Geise- lein — 17 6. Von der Nachtigall und der Blind- schleiche — 20 7. Von dem gestohlenen Heller — 21 8. Die Hand mit dem Messer — 23 9. Die zwoͤlf Bruͤder — 24 10. Das Lumpengesindel — 30 11. Bruͤderchen und Schwesterchen — 33 12. Rapunzel — 38 13. Die drei Maͤnnlein im Walde — 43 14. Von dem boͤsen Flachsspinnen — 47 15. Haͤnsel und Gretel — 49 16. Herr Fix und Fertig — 58 17. Die weiße Schlange — 63 18. Strohhalm, Kohle und Bohne auf der Reise — 67 19. Van den Fischer un siine Fru — 68 20. Von einem tapfern Schneider — 77 21. Aschenputtel Seite 88 22. Wie Kinder Schlachtens mit einander gespielt haben — 101 23. Von dem Maͤuschen, Voͤgelchen und der Bratwurst — 104 24. Frau Holle — 106 25. Die drei Raben — 110 26. Rothkaͤppchen — 113 27. Der Tod und der Gaͤnshirt — 118 28. Der singende Knochen — 119 29. Von dem Teufel mit drei goldenen Haaren — 122 30. Laͤuschen und Floͤhchen — 130 31. Maͤdchen ohne Haͤnde — 132 32. Der gescheidte Hans — 138 33. Der gestiefelte Kater — 147 34. Hansens Trine — 155 35. Der Sperling und seine vier Kinder — 156 36. Von dem Tischgen deck dich, dem Gold- esel und dem Knuͤppel in den Sack — 161 37. Von der Serviette, dem Tornister, dem Kanonenhuͤtlein und dem Horn — 172 38. Von der Frau Fuͤchsin — 176 39. Von den Wichtelmaͤnnern — 180 I. Von dem Schuster, dem sie die Ar- beit gemacht — ebd. II. Von einem Dienstmaͤdchen, das Ge- vatter bei ihnen gestanden — 182 III. Von einer Frau, der sie das Kind vertauscht haben — 183 40. Der Raͤuberbraͤutigam — 184 41. Herr Korbes Seite 187 42. Der Herr Gevatter — 189 43. Die wunderliche Gasterei — 191 44. Der Gevatter Tod — 193 45. Des Schneiders Daumerling Wander- schaft — 195 46. Fitchers Vogel — 200 47. Van den Machandel-Boom — 203 48. Der alte Sultan — 217 49. Die sechs Schwaͤne — 220 50. Dornroͤschen — 225 51. Vom Fundevogel — 229 52. Koͤnig Droßelbart — 233 53. Sneewittchen (Schneeweißchen) — 238 54. Hans Dumm — 250 55. Rumpelstilzchen — 253 56. Der Liebste Roland — 255 57. Vom goldnen Vogel — 260 58. Vom treuen Gevatter Sperling — 270 59. Prinz Schwan — 273 60. Das Goldei — 278 61. Von dem Schneider, der bald reich wurde — 280 62. Blaubart — 285 63. Goldkinder — 290 64. Von dem Dummling — 294 I. Die weiße Taube — ebd. II. Die Bienenkoͤnigin — 296 III. Die drei Federn — 300 IV. Die goldene Gans — 303 65. Allerlei-Rauh — 308 66. Hurleburlebutz Seite 316 67. Der Koͤnig mit dem Loͤwen — 320 68. Von dem Sommer- und Wintergarten — 323 69. Jorinde und Joringel — 328 70. Der Okerlo — 332 71. Prinzessin Maͤusehaut — 336 72. Das Birnli will nit fallen — 338 73. Das Mordschloß — 340 74. Von Johannes-Wassersprung und Cas- par-Wassersprung — 343 75. Vogel Phoͤnix — 348 76. Die Nelke — 350 77. Vom Schreiner und Drechsler — 354 78. Der alte Großvater und der Enkel — 355 79. Die Wassernix — 356 80. Von dem Tod des Huͤhnchens — 358 81. Der Schmidt und der Teufel — 360 82. Die drei Schwestern — 360 83. Das arme Maͤdchen — 382 84. Die Schwiegermutter — 383 85. Fragmente — 385 a ) Schneeblume — ebd. b ) Prinzessin mit der Laus — 386 c ) Vom Prinz Johannes — ebd. d ) Das gute Pflaster — 387 1. Der 1. Der Froschkoͤnig oder der eiserne Heinrich . E s war einmal eine Koͤnigstochter, die ging hinaus in den Wald und setzte sich an einen kuͤhlen Brunnen. Sie hatte eine goldene Ku- gel, die war ihr liebstes Spielwerk, die warf sie in die Hoͤhe und fing sie wieder in der Luft und hatte ihre Lust daran. Einmal war die Kugel gar hoch geflogen, sie hatte die Hand schon ausgestreckt und die Finger gekruͤmmt, um sie wieder zufangen, da schlug sie neben vorbei auf die Erde, rollte und rollte und geradezu in das Wasser hinein. Die Koͤnigstochter blickte ihr erschrocken nach, der Brunnen war aber so tief, daß kein Grund zu sehen war. Da fing sie an jaͤmmer- lich zu weinen und zu klagen: „ach! wenn ich meine Kugel wieder haͤtte, da wollt' ich alles darum geben, meine Kleider, meine Edelgesteine, meine Perlen und was es auf der Welt nur waͤr'.“ Wie sie so klagte, steckte ein Frosch Kindermärchen. A seinen Kopf aus dem Wasser und sprach: „Koͤ- nigstochter, was jammerst du so erbaͤrmlich?“ — „Ach, sagte sie, du garstiger Frosch, was kannst du mir helfen! meine goldne Kugel ist mir in den Brunnen gefallen.“ — Der Frosch sprach: „deine Perlen, deine Edelgesteine und deine Kleider, die verlang ich nicht, aber wenn du mich zum Gesellen annehmen willst, und ich soll neben dir sitzen und von deinem goldnen Tellerlein essen und in deinem Bettlein schla- fen und du willst mich werth und lieb haben, so will ich dir deine Kugel wiederbringen.“ Die Koͤnigstochter dachte, was schwaͤtzt der ein- faͤltige Frosch wohl, der muß doch in seinem Wasser bleiben, vielleicht aber kann er mir meine Kugel holen, da will ich nur ja sagen; und sag- te: „ja meinetwegen, schaff mir nur erst die goldne Kugel wieder, es soll dir alles versprochen seyn.“ Der Frosch steckte seinen Kopf unter das Wasser und tauchte hinab, es dauerte auch nicht lange, so kam er wieder in die Hoͤhe, hatte die Kugel im Maul und warf sie ans Land. Wie die Koͤ- nigstochter ihre Kugel wieder erblickte, lief sie geschwind darauf zu, hob sie auf und war so froh, sie wieder in ihrer Hand zu halten, daß sie an nichts weiter gedachte, sondern damit nach Haus eilte. Der Frosch rief ihr nach: „warte, Koͤnigstochter, und nimm mich mit, wie du versprochen hast;“ aber sie hoͤrte nicht darauf. Am andern Tage saß die Koͤnigstochter an der Tafel, da hoͤrte sie etwas die Marmortreppe heraufkommen, plitsch, platsch! plitsch, platsch! bald darauf klopfte es auch an der Thuͤre und rief: „Koͤnigstochter, juͤngste, mach mir auf!“ Sie lief hin und machte die Thuͤre auf, da war es der Frosch, an den sie nicht mehr gedacht hatte; ganz erschrocken warf sie die Thuͤre hastig zu und setzte sich wieder an die Tafel. Der Koͤnig aber sah, daß ihr das Herz klopfte, und sagte: „warum fuͤrchtest du dich?“ — „Da drau- ßen ist ein garstiger Frosch, sagte sie, der hat mir meine goldne Kugel aus dem Wasser ge- holt, ich versprach ihm dafuͤr, er sollte mein Geselle werden, ich glaubte aber nimmermehr, daß er aus seinem Wasser heraus koͤnnte, nun ist er draußen vor der Thuͤr und will herein.“ Indem klopfte es zum zweitenmal und rief: „Koͤnigstochter, juͤngste, mach mir auf, weiß du nicht was gestern du zu mir gesagt bei dem kuͤhlen Brunnenwasser? Koͤnigstochter, juͤngste, mach mir auf.“ Der Koͤnig sagte: „was du versprochen hast, mußt du halten, geh und mach dem Frosch die Thuͤre auf. Sie gehorchte und der Frosch huͤpfte herein, und ihr auf dem Fuße immer nach, bis A 2 zu ihrem Stuhl, und als sie sich wieder gesetzt hatte, da rief er: „heb mich herauf auf einen Stuhl neben dich.“ Die Koͤnigstochter wollte nicht, aber der Koͤnig befahl es ihr. Wie der Frosch oben war, sprach er: „nun schieb dein goldenes Tellerlein naͤher, ich will mit dir da- von essen.“ Das mußte sie auch thun. Wie er sich satt gegessen hatte, sagte er: „nun bin ich muͤd' und will schlafen, bring mich hinauf in dein Kaͤmmerlein, mach dein Bettlein zu- recht, da wollen wir uns hineinlegen.“ Die Koͤnigstochter erschrack, wie sie das hoͤrte, sie fuͤrchtete sich vor dem kalten Frosch, sie getraute sich nicht ihn anzuruͤhren und nun sollte er bei ihr in ihrem Bett liegen, sie fing an zu weinen und wollte durchaus nicht. Da ward der Koͤnig zornig und befahl ihr bei seiner Ungnade, zu thun, was sie versprochen habe. Es half nichts, sie mußte thun, wie ihr Vater wollte, aber sie war bitterboͤse in ihrem Herzen. Sie packte den Frosch mit zwei Fingern und trug ihn hinauf in ihre Kammer, legte sich ins Bett und statt ihn neben sich zu legen, warf sie ihn bratsch! an die Wand; „da nun wirst du mich in Ruh lassen, du garstiger Frosch!“ Aber der Frosch fiel nicht todt herunter, sondern wie er herab auf das Bett kam, da wars ein schoͤner junger Prinz. Der war nun ihr lieber Geselle, und sie hielt ihn werth wie sie versprochen hatte, und sie schliefen vergnuͤgt zusammen ein. Am Morgen aber kam ein praͤch- tiger Wagen mit acht Pferden bespannt, mit Federn geputzt und goldschimmernd, dabei war der treue Heinrich des Prinzen, der hatte sich so betruͤbt uͤber die Verwandlung desselben, daß er drei eiserne Bande um sein Herz legen muß- te, damit es vor Traurigkeit nicht zerspringe. Der Prinz setzte sich mit der Koͤnigstochter in den Wagen, der treue Diener aber stand hinten auf, so wollten sie in sein Reich fahren. Und wie sie ein Stuͤck Weges gefahren waren, hoͤrte der Prinz hinter sich ein lautes Krachen, da drehte er sich um und rief: „Heinrich, der Wagen bricht!“ — „Nein Herr, der Wagen nicht, es ist ein Band von meinem Herzen, das da lag in großen Schmerzen, als ihr in dem Brunnen saßt, als ihr eine Fretsche (Frosch) was't.“ (wart) Noch einmal und noch einmal hoͤrte es der Prinz krachen, und meinte: der Wagen braͤche, aber es waren nur die Bande, die vom Herzen des treuen Heinrich absprangen, weil sein Herr erloͤst und gluͤcklich war. 2. Katz und Maus in Gesellschaft . Eine Katze und eine Maus wollten zusam- men leben und Wirthschaft zusammen haben; sie sorgten auch fuͤr den Winter und kauften ein Toͤpfchen mit Fett, und weil sie keinen bessern und sicherern Ort wußten, stellten sie es unter den Altar in der Kirche, da sollt' es stehen, bis sie sein beduͤrftig waͤren. Einstmals aber trug die Katze Geluͤsten darnach, und ging zur Maus: „hoͤr' Maͤuschen, ich bin von meiner Base zu Gevatter gebeten, sie hat ein Soͤhnchen gebo- ren, weiß und braun gefleckt, das soll ich uͤber die Taufe halten, laß mich ausgehen und halt heut allein haus.“ — „Ja, ja, sagte die Maus, geh hin, und wenn du was Gutes issest, denk an mich, von dem suͤßen rothen Kind- betterwein traͤnk ich auch gern ein Troͤpfchen.“ Die Katze aber ging geradeswegs in die Kirche und leckte die fette Haut ab, spatzirte darnach um die Stadt herum und kam erst am Abend nach Haus. „Du wirst dich recht erlustirt haben, sagte die Maus, wie hat denn das Kind geheißen?“ — „ Hautab , antwortete die Katze. “ — „Hautab? das ist ein seltsamer Name, den hab' ich noch nicht gehoͤrt.“ Bald darnach hatte die Katze wieder ein Geluͤsten, ging zur Maus und sprach: „ich biu aufs neue zu Gevatter gebeten, das Kind hat einen weißen Ring um den Leib, da kann ichs nicht abschlagen, du mußt mir den Gefallen thun und allein die Wirthschaft treiben.“ Die Maus sagte ja, die Katze aber ging hin und fraß den Fetttopf bis zur Haͤlfte leer. Als sie heim kam, fragte die Maus: „wie ist denn dieser Pathe getauft worden?“ — „ Halb- aus “ — „Halbaus? was du sagst! den Na- men hab' ich gar noch nicht gehoͤrt, der steht gewiß nicht im Calender.“ Die Katze aber konnte den Fetttopf nicht vergessen: „ich bin zum drittenmal zu Gevat- ter gebeten, das Kind ist schwarz und hat bloß weiße Pfoten, sonst kein weißes Haar am gan- zen Leib, das trifft sich alle paar Jahr nur ein- mal, du laͤßt mich doch ausgehen?“ — Haut- ab, Halbaus, sagte die Maus, es sind so ku- riose Namen, die machen mich so nachdenksam, doch geh nur hin.“ Die Maus hielt alles in Ordnung und raͤumte auf, dieweil fraß die Katze den Fetttopf rein aus und kam satt und dick erst in der Nacht wieder. „Wie heißt denn das dritte Kind?“ — „ Ganzaus “ — Ganz- aus! ei! ei! Das ist der allerbedenklichste Na- men, sagte die Maus; Ganzaus? was soll der bedeuten? „gedruckt ist er mir noch nicht vorge- kommen!“ damit schuͤttelte sie den Kopf und legte sich schlafen. Zum viertenmal wollte niemand die Katze zu Gevatter bitten; der Winter aber kam bald herbei. Wie nun draußen nichts mehr zu fin- den war, sagte die Maus zur Katze: „komm wir wollen zum Vorrath gehen, den wir in der Kirche unter dem Altar versteckt haben.“ Wie sie aber hinkamen, war alles leer — „Ach! sagte die Maus, nun kommts an den Tag, du hast Alles gefressen, wie du zu Gevatter aus- gegangen bist, erst Haut ab, dann Halb aus, dann“ — „Schweig still, sagte die Katze, oder ich freß dich, wenn du noch ein Wort sprichst“ — „Ganz aus“ hatte die arme Maus im Mund, und hatt' es kaum gesprochen, so sprang die Katz' auf sie zu und schluckte sie hinunter. 3. Marienkind . Vor einem großen Walde lebte ein Holz- hacker mit seiner Frau und seinem einzigen Kind, das war ein Maͤdchen und drei Jahr alt. Sie waren aber so arm, daß sie nicht mehr das taͤgliche Brot hatten und nicht wußten, was sie ihm sollten zu essen geben. Da ging der Holz- hacker voller Sorgen hinaus in den Wald an seine Arbeit, und wie er da Holz hackte, stand auf einmal eine schoͤne große Frau vor ihm, die hatte eine Krone von leuchtenden Sternen auf dem Haupt und sprach zu ihm: „ich bin die Jungfrau Maria, die Mutter des Christkind- leins, bring mir dein Kind, ich will es mit mir nehmen, seine Mutter seyn und fuͤr es sorgen.“ Der Holzhacker gehorchte und holte sein Kind und gab es der Jungfrau Maria, die nahm es mit sich hinauf in den Himmel. Da ging es ihm wohl, es aß bloß Zuckerbrot und trank suͤße Milch, und seine Kleider waren von Gold und die Englein spielten mit ihm. So war es vierzehn Jahre im Himmel, da mußte die Jung- frau Maria eine große Reise machen; eh sie aber weg ging, rief sie das Maͤdchen und sag- te: „liebes Kind, da vertrau ich dir die Schluͤs- sel zu den dreizehn Thuͤren des Himmelreichs, zwoͤlf darfst du aufschließen und betrachten, aber die dreizehnte nicht, die dieser kleine Schluͤssel oͤffnet.“ Das Maͤdchen versprach ihren Befeh- len zu gehorchen, wie nun die Jungfrau weg war oͤffnete es jeden Tag eine Thuͤre, und sah die Wohnungen des Himmelreichs. In jeder saß ein Apostel und war so viel Glanz umher, daß es sein Lebtag solche Pracht und Herrlich- keit nicht gesehen. Als es die zwoͤlf Thuͤren auf- geschlossen hatte, war die verbotene noch uͤbrig; lange widerstand es seiner Neugier, endlich aber ward es davon uͤberwaͤltigt und oͤffnete auch die dreizehnte. Und wie die Thuͤre aufging, sah es in Feuer und Glanz die Dreieinigkeit sitzen und ruͤhrte ein klein wenig mit dem Finger an den Glanz, da ward er ganz golden, dann aber schlug es geschwind die Thuͤre zu und lief fort; sein Herz klopfte und wollte gar nicht wieder aufhoͤren. Nach wenigen Tagen aber kam die Jungfrau Maria von ihrer Reise zuruͤck und forderte die Himmelsschluͤssel von dem Maͤdchen, und wie es sie reichte, sah sie es an und sagte: „hast du auch nicht die dreizehnte Thuͤre geoͤff- net?“ — „Nein,“ antwortete es. Da legte sie ihre Hand auf sein Herz, das klopfte und klopfte, da sah sie, daß es ihr Gebot uͤbertre- ten und die Thuͤre aufgeschlossen hatte: „hast du es gewiß nicht gethan?“ „Nein,“ sagte das Maͤdchen noch einmal. Da sah sie den gol- denen Finger, womit es das himmlische Feuer angeruͤhrt hatte, und wußte nun gewiß, daß es schuldig war und sprach: „du hast mir nicht gehorcht und hast gelogen, du bist nicht mehr wuͤrdig im Himmel zu seyn.“ Da versank das Maͤdchen in einen tiefen, tiefen Schlaf, und als es erwachte, war es auf der Erde und lag unter einem hohen Baum, der war rings mit dichten Gebuͤschen umzaͤunt, so daß es ganz eingeschlossen war, der Mund war ihm auch verschlossen und es konnte kein Wort reden. In dem Baum war eine Hoͤhle, darin saß es bei Regen und Gewitter, und schlief es in der Nacht; Wurzeln und Waldbee- ren waren seine Nahrung, die suchte es sich, so weit es kommen konnte. Im Herbst sammelte es Wurzeln und Blaͤtter und trug sie in die Hoͤhle, und wenn es dann schneite und fror, saß es darin. Seine Kleider verdarben auch und fielen ihm ab, da saß es in die Blaͤtter ganz eingehuͤllt, und wenn die Sonne wieder warm schien ging es heraus, setzte sich vor den Baum, und seine langen Haare bedeckten es von allen Seiten wie ein Mantel. Einmal, als es so im Fruͤhjahr vor dem Baume saß, draͤngte sich jemand mit Gewalt durch das Gebuͤsch, das war aber der Koͤnig, der in dem Wald gejagt und sich verirrt hatte. Er war erstaunt, daß in der Einoͤde ein so schoͤ- nes Maͤdchen allein saß, und fragte es: ob es mit auf sein Schloß gehen wollte. Es konnte aber nicht antworten, sondern nickte bloß ein wenig mit dem Kopf, da hob es der Koͤnig auf sein Pferd und fuͤhrte es mit sich heim und bald gewann er es so lieb, daß er es zu seiner Ge- mahlin machte. Nach Verlauf eines Jahres brachte die Koͤnigin einen schoͤnen Prinzen zur Welt. In der Nacht erschien ihr die Jungfrau Maria und sprach: „sag' jetzt die Wahrheit, daß du die verbotene Thuͤr aufgeschlossen hast, dann will ich dir die Sprache wiedergeben, ohne die du doch nicht recht vergnuͤgt leben kannst, bist du aber hartnaͤckig und willst es nicht gestehen, so nehm' ich dein Kind mit.“ Die Koͤnigin aber blieb dabei, sie habe die verbotene Thuͤre nicht geoͤffnet. Da nahm die Jungfrau Maria das kleine Kind und verschwand damit. Am andern Morgen aber, als das Kind fort war, ging ein Gemurmel, die stumme Koͤnigin sey eine Menschenfresserin und habe ihr eigen Kind gegessen. — Nach einem Jahr gebar die Koͤni- gin wieder einen Prinzen, die Jungfrau Maria trat wieder vor sie und bat sie, nun die Wahr- heit zu sagen, sonst verliere sie auch das zweite Kind. Die Koͤnigin aber beharrte darauf, sie habe die verbotene Thuͤr nicht geoͤffnet, und die Jungfrau nahm das Kind mit sich fort. Am Morgen, als es fehlte, sagten des Koͤnigs Raͤ- the laut, die Koͤnigin sey eine Menschenfresse- rin und drangen darauf, daß sie fuͤr ihre gott- lose Thaten gerichtet werde; der Koͤnig aber hieß sie stillschweigen und wollte es nicht glau- ben, weil er die Koͤnigin so lieb hatte. Im dritten Jahr brachte sie eine Prinzessin zur Welt, da erschien die Jungfrau Maria wieder, nahm sie mit in den Himmel und zeigte ihr da ihre zwei aͤltesten Kinder, die mit der Weltku- gel spielten. Darauf bat sie noch einmal, sie moͤgte ihren Fehler gestehen und nicht laͤnger bei der Luͤge beharren. Aber die Koͤnigin war nicht zu bewegen, und blieb bei ihrer Aussage. Da verließ sie die Jungfrau Maria, und nahm das juͤngste Kind auch mit sich. Der Koͤnig konnte nun seine Raͤthe nicht laͤnger zuruͤckhalten, sie behaupteten, die Koͤni- gin sey eine Menschenfresserin, das sey gewiß, und weil sie stumm war, konnte sie sich nicht vertheidigen, da ward sie verdammt auf dem Scheiterhaufen zu sterben. Wie sie nun darauf stand, angebunden war, und das Feuer rings schon zu brennen anfing, da ward ihr Herz be- wegt und sie gedachte bei sich: „ach, wenn ich auch sterben muͤßte, wie gern wollt' ich der Jungfrau Maria vorher noch gestehen, daß ich die verbotene Thuͤre im Himmel aufgeschlossen habe, wie hab' ich so boͤs' gethan, das zu leug- nen!“ Und wie sie das gedachte, in dem Au- genblick, da that sich der Himmel auf, und die Jungfrau Maria kam herunter, zu ihren Sei- ten die beiden aͤltesten Kinder, auf ihrem Arm das juͤngste; das Feuer aber loͤschte sich von selbst aus, und sie trat zur Koͤnigin und sprach: „da du die Wahrheit hast sagen wollen, ist dir deine Schuld vergeben,“ und reichte ihr die Kinder, oͤffnete ihr den Mund, daß sie von nun an sprechen konnte, und verlieh ihr Gluͤck auf ihr Lebtag. 4. Gut Kegel- und Kartenspiel . Es war einmal ein alter Koͤnig, der hatte eine Tochter, die war die schoͤnste Jungfrau auf der Welt. Da ließ er bekannt machen: „wer drei Naͤchte in meinem alten Schloß wacht, soll die Prinzessin zur Gemahlin haben.“ Nun war ein junger Bursch, arm von Haus aus, der ge- dacht: ich will mein Leben daran wagen, nichts zu verlieren, viel zu gewinnen, was ist da lang zu besinnen! Also stellt' er sich vor den Koͤnig und bot sich an, drei Naͤchte in dem Schloß zu wachen. „Du darfst Dir noch etwas ausbitten, das Du mitnimmst in das Schloß, aber von leblosen Dingen,“ sagte der Koͤnig. — „So bitt' ich mir eine Schnitzbank mit dem Schnitz- messer aus, eine Drehbank und ein Feuer.“ Das wird ihm alles in das alte Schloß getragen; darauf, wie es anfaͤngt dunkel zu werden, geht er selbst hinein. Anfangs ist alles still darin, er macht sich sein Feuer an, stellt die Schnitzbank mit dem Messer daneben und setzt sich auf die Drehbank. Wie es aber gegen Mit- ternacht geht, faͤngt ein Geruͤmpel an, erst sach- te, dann staͤrker, bif! baf! hehe! holla ho! im- mer aͤrger, dann ists ein klein bischen still, end- lich kommt ein Bein den Schornstein herunter und stellt sich gerade vor ihn hin. „Heda, ruft der Bursch, noch mehr, eins ist zu wenig. Da geht der Laͤrm von frischem an, dann faͤllt noch ein Bein herunter und noch eins und so fort, bis es neun sind. „Nun ists genug und die sind gut zum Kegelspiel, aber die Kugeln fehlen noch, frisch!“ Da tobts entsetzlich und fallen zwei Koͤpfe herunter. Die setzt er in die Dreh- bank und dreht sie rund: „daß ihr gut schuͤp- pelt!“ dann macht er die Beine gleich und stellt sie wie die Kegel auf: „Heida! nun gehts lustig!“ Da kamen zwei große schwarze Katzen, gin- gen ums Feuer herum und schrien: „au! mi- au! was uns friert! was uns friert!“ — „Ihr Narren, was schreit Ihr, setzt euch ans Feuer und waͤrmt euch.“ Wie die Katzen sich ge- waͤrmt hatten, sagten sie: „Cammrad! wir wollen eins in der Karte spielen.“ „Ja, ant- wortete er, aber zeigt einmal eure Pfoten her, Ihr habt so lange Naͤgel, die will ich Euch erst abschneiden.“ Damit packte er sie am Kragen und hob sie auf die Schnitzbank, da schraubte er sie fest und schmiß sie todt. Dann trug er sie hinaus und warf sie in einen kleinen Teich, dem Schloß gegenuͤber. Wie er die zur Ruh gebracht, und sich wieder zum Feuer setzen wolle te und sich waͤrmen, da kamen viele schwarz- Katzen und Hunde, bald aus allen Ecken und immer mehr und mehr, daß er sich nicht mehr bergen konnte, die schrien, traten ihm auf sein Feuer, zerrten es auseinander und machten es ganz aus. Da faßte er sein Schnitzmesser: „fort ihr Gesindel!“ und hieb ein. Ein großer Theil lief weg, die andern schmiß er todt und trug sie auch hinaus in den Teich. Dann blies er sich das Feuer wieder an aus einem Funken und waͤrmte sich. Als er sich gewaͤrmt hatte, ward er muͤd' und legte sich in ein großes Bett, das in der Ecke stand. Und als er eben einschlafen wollte, fing das Bett an zu fahren und fuhr im gan- zen Schloß herum. „Das geht gut so, nur besser zu!“ sagte er. Da fuhr das Bett, als zoͤgens sechs Pferde, uͤber Schwellen und Trep- pen: hopp! hopp! warf es um, das unterst zu oberst und er drunter. Da schleudert' er Decken und Kissen in die Hoͤh' und stieg heraus: „mag fahren, wer Lust hat!“ legte sich zum Feuer und schlief bis es Tag war. Am Morgen kam der Koͤnig, und als er den jungen Burschen da liegen und schlafen sah, meint' er, der waͤre auch todt, und sagte, es sey schade um ihn. Da erwachte der Bursch von den Worten, und wie er den Koͤnig sah, stand er auf, der fragte ihn, wie es gegangen waͤre in der Nacht? „Recht gut, eine waͤr' herum, die zwei werden auch noch herum gehn.“ Die Die andern Naͤchte gings ebenso, aber er wuß- te schon, wie es anzugreifen war, und am vier- ten Tag ward ihm die schoͤne Koͤnigstochter ge- geben. 5. Der Wolf und die sieben jungen Geislein . Eine Geis hatte sieben Junge, die sie gar lieb hatte und sorgfaͤltig vor dem Wolf huͤtete. Eines Tags, als sie ausgehen mußte, Futter zu holen, rief sie alle zusammen und sagte: „liebe Kinder, ich muß ausgehen und Futter holen, wahrt euch vor dem Wolf und laßt ihn nicht herein, gebt auch Acht, denn er verstellt sich oft, aber an seiner rauhen Stimme und an seinen schwarzen Pfoten koͤnnt ihr ihn erkennen; huͤtet euch, wenn er erst einmal im Haus ist, so frißt er euch alle miteinander.“ Darauf ging sie fort, bald aber kam der Wolf vor die Haus- thuͤre und rief: „liebe Kinder, macht mir auf, ich bin eure Mutter und hab' euch schoͤne Sa- chen mitgebracht.“ Die sieben Geiserchen aber sprachen: „unsere Mutter bist du nicht, die hat eine feine liebliche Stimme, deine Stimme aber ist rauh, du bist der Wolf, wir machen dir nicht auf.“ Der Wolf ging fort zu einem Kraͤmer und kaufte sich ein groß Stuͤck Kreide, die aß Kindermärchen. B er und machte seine Stimme fein damit. Dar- nach ging er wieder zu der sieben Geislein Haus- thuͤre und rief mit feiner Stimme: „liebe Kin- der, laßt mich ein, ich bin eure Mutter, jedes von euch soll etwas haben.“ Er hatte aber seine Pfote in das Fenster gelegt, das sahen die sie- ben Geiserchen und sprachen: „unsere Mutter bist du nicht, die hat keinen schwarzen Fuß, wie du; du bist der Wolf, wir machen dir nicht auf.“ Der Wolf ging fort zu einem Baͤcker und sprach. „Baͤcker, bestreich mir meine Pfote mit frischem Teig,“ und als das gethan war, ging er zum Muͤller und sprach: „Muͤller, streu mir fein weißes Mehl auf meine Pfote.“ Der Muͤller sagte nein. — „Wenn du es nicht thust, so freß ich dich.“ Da mußte es der Muͤl- ler thun. Darauf ging der Wolf wieder vor der sie- ben Geiserchen Hausthuͤre und sagte: „liebe Kinder, laßt mich ein, ich bin eure Mutter, je- des von euch soll etwas geschenkt kriegen.“ Die sieben Geiserchen wollten erst die Pfote sehen, und wie sie sahen, daß sie schneeweiß war und den Wolf so fein sprechen hoͤrten, glaubten sie es waͤre ihre Mutter und machten die Thuͤre auf, und der Wolf kam herein. Wie sie ihn aber erkannten, versteckten sie sich geschwind, so gut es ging, das eine unter den Tisch, das zweite ins Bett, das dritte in den Ofen, das vierte in die Kuͤche, das fuͤnfte in den Schrank, das sechste unter eine große Schuͤssel, das sie- bente in die Wanduhr. Aber der Wolf fand sie alle und verschluckte sie, außer das juͤngste in der Wanduhr, das blieb am Leben. Wie der Wolf seine Lust gebuͤßt, ging er fort, bald darauf kam die alte Geis nach Haus. Was fuͤr ein Jammer! der Wolf war da gewe- sen und hatte ihre lieben Kinder gefressen. Sie glaubte sie waͤren alle todt, da sprang das juͤngste aus der Wanduhr, und erzaͤhlte, wie das Un- gluͤck gekommen war. Der Wolf aber, weil er sich vollgefressen, war auf eine gruͤne Wiese gegangen, hatte sich in den Sonnenschein gelegt und war in einen tiefen Schlaf gefallen. Die alte Geis dachte daran, ob sie ihre Kinder nicht noch erretten koͤnnte, sagte darum zu dem juͤngsten Geislein: „nimm Zwirn, Nadel und Scheere und folg' mir nach.“ Darauf ging sie hinaus und fand den Wolf schnarchend auf der Wiese liegen: „da liegt der garstige Wolf,“ sagte sie und be- trachtete ihn von allen Seiten, nachdem er zum Vieruhrenbrot meine sechs Kindlein hinunterge- fressen hat, gieb mir einmal die Scheere her: „Ach! wenn sie noch lebendig in seinem Leibe waͤren!“ Damit schnitt sie ihm den Bauch auf, und die sechs Geiserchen, die er in der Gier ganz verschluckt hatte, sprangen unversehrt her- B 2 aus. Sie hieß sie gleich hingehen und große und schwere Wackersteine herbeitragen, damit fuͤllten sie dem Wolf den Leib, naͤhten ihn wieder zu, liefen fort, und versteckten sich hinter eine Hecke. Als der Wolf ausgeschlafen hatte, so fuͤhlt' er es so schwer im Leib und sprach: „es rum- pelt und pumpelt mir im Leib herum! es rum- pelt und pumpelt mir im Leib herum! was ist das? ich hab' nur sechs Geiserchen gegessen.“ Er dacht, er wollt einen frischen Trunk thun, das moͤgt' ihm helfen und suchte einen Brun- nen, aber wie er sich daruͤber buͤckte, konnte er vor der Schwere der Steine sich nicht mehr hal- ten, und stuͤrzte ins Wasser. Wie das die sie- ben Geiserchen sahen, kamen sie herzu gelaufen, und tanzten vor Freude um den Brunnen. 6. Von der Nachtigall und der Blind- schleiche . Es waren einmal eine Nachtigall und eine Blindschleiche, die hatten jede nur ein Aug' und lebten zusammen in einem Haus lange Zeit in Frieden und Einigkeit. Eines Tags aber wurde die Nachtigall auf eine Hochzeit gebeten, da sprach sie zur Blindschleiche: „ich bin da auf eine Hochzeit gebeten und moͤgte nicht gern so mit einem Aug' hingehen, sey doch so gut und leih mir deins dazu, ich bring dirs Morgen wieder.“ Und die Blindschleiche that es aus Gefaͤlligkeit. Aber den andern Tag, wie die Nachtigall nach Haus gekommen war, gefiel es ihr so wohl, daß sie zwei Augen im Kopf trug und zu beiden Seiten sehen konnte, daß sie der ar- men Blindschleiche ihr geliehenes Aug' nicht wie- dergeben wollte. Da schwur die Blindschleiche, sie wollte sich an ihr, an ihren Kindern und Kindeskindern raͤchen. „Geh nur, sagte die Nachtigall, und such einmal: ich bau mein Nest auf jene Linden, so hoch, so hoch, so hoch, so hoch, da magst dus nimmermehr finden! Seit der Zeit haben alle Nachtigallen zwei Au- gen und alle Blindschleichen keine Augen. Aber wo die Nachtigall hinbaut, da wohnt unten auch im Busch eine Blindschleiche, und sie trachtet immer hinaufzukriechen, Loͤcher in die Eier ihrer Feindin zu bohren oder sie auszu- saufen. 7. Von dem gestohlenen Heller . Es saß ein Vater mit seiner Frau und seinen Kindern, und einem guten Freund, der ihn besuchte, Mittags am Tisch. Wie sie so saßen und es zwoͤlf Uhr schlug, da sah der Fremde die Thuͤr aufgehen, und es kam ein schneeweiß gekleidetes blasses Kindlein herein: es blickte sich nicht um, sprach auch nichts, son- dern ging still in die Kammer neben an. Bald darauf kam es zuruͤck, und ging eben so still wieder fort. Am zweiten und dritten Tag kam dasselbige Kind wieder; da fragte der Fremde den Vater, wem das schoͤne Kind gehoͤre, das alle Mittag in die Kammer gehe. Der Va- ter antwortete, er wisse nichts davon, er hab es auch noch nicht gesehen. Am andern Ta- ge, als es zwoͤlf Uhr schlug und es wieder hereintrat, so zeigte es der Fremde dem Vater, der sah aber nichts, und die Mutter und die Kinder alle sahen auch nichts. Der Fremde stand auf, ging zu der Thuͤre, oͤffnete sie ein wenig und guckte hinein. Da sah er das blas- se Kindlein auf der Erde sitzen und emsig mit den Fingern in den Dielenritzen graben und wuͤhlen, wie es aber den Fremden bemerkte, verschwand es. Darauf erzaͤhlte er, was er ge- sehen, und beschrieb das Kindlein genau, da er- kannte es die Mutter und sagte: „ach! das ist mein liebes Kind, das vor vier Wochen gestor- ben ist.“ Da brachen sie die Dielen auf und fanden zwei Heller, die hatte das Kind einmal einem armen Mann geben sollen, es hatte aber gedacht, dafuͤr kannst du dir einen Zwieback kaufen, die Heller behalten und in die Dielen- ritzen versteckt, und da hatte es im Grabe kei- ne Ruh und mußte alle Mittage kommen und die Heller suchen. Sie gaben darauf das Geld einem Armen, und nachher ist das Kindlein nicht wieder gesehen worden. 8. Die Hand mit dem Messer . Es war ein kleines Maͤdchen, das hatte drei Bruͤder, die galten bei der Mutter alles, und es wurde uͤberall zuruͤckgesetzt, hart ange- fahren und mußte tagtaͤglich Morgens fruͤh ausgehen, Torf zu graben auf duͤrrem Heide- grund, den sie zum Kochen und Brennen brauch- ten. Noch dazu bekam es ein altes und stum- pfes Geraͤth, womit es die sauere Arbeit ver- richten sollte. Aber das kleine Maͤdchen hatte einen Lieb- haber, der war ein Elfe und wohnte nahe an ihrer Mutter Haus in einem Huͤgel, und so oft es nun an dem Huͤgel vorbei kam, so streck- te er seine Hand aus dem Fels, und hielt dar- in ein sehr scharfes Messer, das von sonderli- cher Kraft war und alles durchschnitt. Mit diesem Messer schnitt sie den Torf bald her- aus, ging vergnuͤgt mit der noͤthigen Ladung heim, und wenn sie am Felsen vorbei kam, klopfte sie zweimal dran, so reichte die Hand heraus und nahm das Messer in Empfang. Als aber die Mutter merkte, wie geschwind und leicht sie immer den Torf heimbrachte, er- zaͤhlte sie den Bruͤdern, es muͤßte ihr gewiß jemand anders dabei helfen, sonst waͤre es nicht moͤglich. Da schlichen ihr die Bruͤder nach und sahen, wie sie das Zaubermesser bekam, holten sie ein und drangen es ihr mit Gewalt ab. Darauf kehrten sie zuruͤck, schlugen an den Fel- sen, als sie gewohnt war zu thun, und wie der gute Elf die Hand herausstreckte, schnitten sie sie ihm ab mit seinem selbeigenen Messer. Der blutende Arm zog sich zuruͤck, und weil der Elf glaubte seine Geliebte haͤtte es aus Verrath gethan, so wurde er seitdem nimmermehr ge- sehen. 9. Die zwoͤlf Bruͤder . Es war einmal ein Koͤnig, der hatte zwoͤlf Kinder, das waren lauter Buben, er wollte auch kein Maͤdchen haben und sagte zur Koͤni- gin: „wenn das dreizehnte Kind, das du zur Welt bringst, ein Maͤdchen ist, so laß ich die zwoͤlf andern toͤdten, ists aber auch ein Bube, dann sollen sie alle miteinander leben bleiben.“ — Die Koͤnigin gedachte es ihm auszureden. Der Koͤnig wollte aber nichts weiter hoͤren: „wenns so ist, wie ich gesagt habe, so muͤssen sie ster- ben, lieber hau' ich ihnen selber den Kopf ab, als daß ein Maͤdchen darunter waͤre. Da war die Koͤnigin traurig, denn sie hat- te ihre Soͤhne von Herzen lieb und wußte nicht, wie sie zu retten waren. Endlich ging sie zu dem juͤngsten, den sie vor allen lieb hatte, of- fenbarte ihm, was der Koͤnig beschlossen, und sagte: „allerliebstes Kind, geh du mit deinen eilf Bruͤdern hinaus in den Wald, da bleibt und kommt nicht nach Haus, einer von euch aber halte immer Wacht auf einem Baum und sehe nach dem Thurm hier, wenn ich ein Soͤhn- chen zur Welt bringe, will ich obenauf eine weiße Fahne stecken, ists aber ein Toͤchterchen eine rothe, und wenn ihr das seht, dann rettet euch, flieht in die weite Welt, und der liebe Gott behuͤt euch. Alle Nacht will ich aufste- hen und fuͤr euch beten, wenns kalt ist im Win- ter, daß ihr nicht friert und ein warmes Feuer vor euch brennt, und wenns heiß ist im Som- mer, daß ihr in einem kuͤhlen Walde ruht und schlaft.“ So gesegnete sie die Kinder und sie gingen fort in den Wald. Oft guckten sie nach dem Thurm, und einer mußte bestaͤndig auf einer hohen Eiche sitzen und Acht haben. Bald auch wurde eine Fahne aufgesteckt, es war aber nicht die weiße, sondern die rothe Blutfahne, die ih- nen den Untergang drohte. Wie die Buben sie erblickten, wurden sie alle zornig und riefen: „sollen wir eines Maͤdchens willen das Leben verlieren!“ da schwuren sie zusammen, mitten in dem Wald zu bleiben, und aufzupassen, wenn sich ein Maͤdchen sehen ließ, wollten sie es ohne Gnade toͤdten. Darauf suchten sie eine Hoͤhle, wo der Wald am dunkelsten war, wo sie wohnten. Alle Morgen zogen elf hinaus auf die Jagd, einer mußte aber zu Haus bleiben, kochen, und den Haushalt fuͤhren. Jedes Maͤdchen aber, das den eilfen begegnete, war ohne Barmherzigkeit verloren; das dauerte viele Jahre. Das Schwesterchen zu Haus aber ward groß und blieb das einzige Kind. Einmal hat- te es große Waͤsche, darunter waren auch zwoͤlf Mannshemden. „Fuͤr wen sind denn diese Hemder, fragte die Prinzessin, meinem Vater sind sie doch viel zu klein,“ da erzaͤhlte ihr die Waͤscherin, daß sie zwoͤlf Bruͤder gehabt haͤtte, die waͤren heimlich fortgegangen, kein Mensch wisse wohin, weil sie der Koͤnig habe wollen toͤdten lassen, und diesen zwoͤlf Bruͤdern gehoͤr- ten diese zwoͤlf Hemder. Das Schwesterchen verwunderte sich, daß ihm niemals von seinen zwoͤlf Bruͤdern etwas zu Ohren gekommen und wie es Nachmittags auf der Wiese saß und die Waͤsche bleichte, da fielen ihm die Worte der Waͤscherin wieder ein, und es ward nachdenk- sam, und endlich stieg es auf, nahm die zwoͤlf Hemder und ging in den Wald hinein, wo sei- ne Bruͤder lebten. Das Schwesterchen kam gerade zu der Hoͤhle, wo sie ihre Wohnung hatten. Die. eilf waren auf der Jagd und nur ein ein- ziger daheim, der kochen mußte. Wie der das Maͤdchen erblickte, faßte er es gleich, und holte sein Schwert: „knie nieder, dein ro- thes Blut muß den Augenblick fließen.“ Das Maͤdchen aber bat ihn: „lieber Herr, laßt mich leben, ich will bei euch bleiben und euch redlich dienen, ich will kochen und den Haushalt fuͤh- ren.“ Es w ar gerade der juͤngste Bruder, den erbarmte die Schoͤnheit des Maͤdchens und er schenkte ihr das Leben. Wie die eilfe nach Haus kamen und sich verwunderten, ein Maͤdchen le- bendig in der Hoͤhle zu finden, sagte er zu ih- nen: „liebe Bruͤder, dies Maͤdchen ist in die Hoͤhle gekommen, und wie ich es niederhauen wollte, da bat es so sehr um sein Leben, es wollt uns treu dienen und den Haushalt fuͤh- ren, daß ichs ihm geschenkt habe.“ Die an- dern gedachten, daß ihnen das vortheilhaft waͤ- re und daß sie nun alle zwoͤlf auf die Jagd ausgehen koͤnnten, und warens zufrieden. Da zeigte es ihnen die zwoͤlf Hemdlein und sagte, es waͤr' ihre Schwester; daruͤber freuten sie sich alle, und waren froh, daß sie es nicht getoͤdtet hatten. Das Schwesterchen uͤbernahm nun den Haushalt, und wenn die Bruͤder auf der Jagd waren, sammelte es Holz und Kraͤuter, stellte zu am Feuer, deckte die Bettlein huͤbsch weiß und rein, und thaͤt alles unverdrossen und flei- ßig. Einmal geschah es, daß es fertig war mit aller Arbeit, da ging es in den Wald spazieren. Es kam an einen Platz, wo zwoͤlf schoͤne hohe, weiße Lilien standen, und weil sie ihr so wohl gefielen, brach sie alle miteinander ab. Kaum aber war das geschehen, so stand eine alte Frau vor ihr: „ach meine Tochter, sagte sie, warum hast du die zwoͤlf Studentenblumen nicht ste- hen lassen! das sind deine zwoͤlf Bruͤder, die sind nun alle in Raben verwandelt worden und sind verloren auf ewig.“ Das Schwesterchen fing an zu weinen, „ach! sagte es, giebts denn kein Mittel sie zu erloͤsen? „Nein, es ist kein Mittel auf der Welt, als ein einziges, das ist so schwer, das du sie nicht damit befreien wirst: du mußt zwoͤlf ganzer Jahr stumm seyn, sprichst du ein einziges Wort, und es fehlt nur eine Stunde daran, so ist alles umsonst und deine Bruͤder sind in dem Augenblick todt.“ Das Schwesterchen setzte sich da auf einen hohen Baum im Wald und spann und wollte zwoͤlf Jahre stumm sitzen, um seine Bruͤder zu erloͤsen. Es geschah aber, daß der Koͤnig auf einer Jagd durch den Wald ritt, und als er an dem Baum vorbei kam, stand sein Hund still und bellte. Der Koͤnig hielt nun, sah hin- auf und war ganz verwundert uͤber die Schoͤn- heit der Prinzessin. Er rief ihr zu, ob sie sei- ne Gemahlin werden wollte. Sie schwieg aber still und nickte nur ein wenig mit dem Kopf. Da stieg der Koͤnig selber hinauf und hob sie herunter, setzte sie vor sich auf sein Pferd und brachte sie heim in sein Schloß, wo die Hochzeit praͤchtig gehalten ward. Die Prin- zessin sprach aber niemals ein Wort und der Koͤnig glaubte sie sey stumm. Doch haͤtten sie vergnuͤgt mit einander gelebt, wenn nicht die Mutter des Koͤnigs gewesen waͤre, die fing an die Koͤnigin bei ihrem Sohn zu verlaͤum- den: „es ist ein gemeines Bettelmaͤdchen, das du aus der Fremde mitgebracht hast, die hin- ter deinem Ruͤcken die schaͤndlichsten Dinge treibt.“ Weil die Koͤnigin nun sich nicht ver- theidigen konnte, ließ sich der Koͤnig verfuͤhren, und glaubte ihr endlich und verurtheilte sie zum Tod. Da ward ein großes Feuer angemacht im Hof, darin sollte sie verbrannt werden. Schon stand sie in den Flammen und die spiel- ten an ihrem Kleide; da war eben die letzte Minute von den zwoͤlf Jahren verflossen, man hoͤrte in der Luft ein Geraͤusch, und es kamen zwoͤlf Raben hergeflogen und ließen sich nieder. Wie sie die Erde beruͤhrten, waren es zwoͤlf schoͤne Prinzen, die rissen das Feuer von ein- ander und fuͤhrten ihre Schwester heraus. Da sprach sie ihr erstes Wort wieder und sagte dem Koͤnig alles, wie es zugegangen und sie die zwoͤlf Bruͤder habe erloͤsen muͤssen; und sie waren alle vergnuͤgt, daß es so wohl gewor- den war. Was sollten sie mit der boͤsen Stiefmutter anfangen; sie ward in ein Faß gesteckt von sie- dendem Oehl und von giftigen Schlangen an- gefuͤllt, und starb da eines boͤsen Todes. 10. Das Lumpengesindel . Haͤhnchen sprach zum Huͤhnchen: „die Nuͤsse sind reif, da wollen wir mit einander auf den Berg gehen, und uns einmal recht satt daran essen, eh sie das Eichhorn alle wegholt.“ Ja, antwortete das Huͤhnchen, „komm da wol- len wir uns eine Lust miteinander machen.“ Sie gingen zusammen fort, und weil es ein hel- ler Tag war, blieben sie bis zum Abend; nun weiß ich nicht, ob sie sich so dick gegessen oder ob sie so uͤbermuͤthig geworden waren, sie woll- ten nicht zu Fuß nach Haus gehen, und das Haͤhnchen mußte einen kleinen Wagen von Nuß- schaalen bauen. Als er fertig war, setzte sich Huͤhnchen hinein und sagte zum Haͤhnchen: „du kannst dich nur immer vorspannen.“ — „Nein, sagte das Haͤhnchen, das waͤre mir recht! lieber geh ich zu Fuß nach Haus, als daß ich mich vorspannen lasse, so haben wir nicht gewettet; Kutscher will ich wohl seyn und auf dem Bock sitzen, aber selbst ziehen, das thu ich nicht.“ Wie sie sich so stritten, schnatterte eine En- te daher: „ihr Diebsvolk, wer hat euch gehei- ßen in meinen Nußberg gehen, das soll euch schlecht bekommen“, ging damit auf das Haͤhn- chen los. Aber Haͤhnchen war auch nicht faul, und stieg der Ente tuͤchtig zu Leib, endlich hack- te es mit seinen Sporn so gewaltig, daß sie um Gnade bat und sich gern zur Strafe vor den Wagen spannen ließ. Haͤhnchen setzte sich auf den Bock und war Kutscher, und nun ging es fort, im Gallop: Ente lauf zu was du kannst! Als sie ein Stuͤck Wegs gefahren wa- ren, begegneten sie zwei Fußgaͤngern, einer Stecknadel und einer Naͤhnadel. Die riefen halt und sagten, es werde gleich stichdunkel werden, da koͤnnten sie keinen Schritt weiter, dabei waͤr es so schmutzig auf der Straße, ob sie nicht ein wenig einsitzen koͤnnten; sie seyen auf der Schneiderherberge vor dem Thor gewe- sen und haͤtten sich beim Bier verspaͤtet. Das Haͤhnchen, da es magere Leute waren, die nicht viel Platz einnahmen, ließ sie beide einsteigen, doch mußten sie versprechen, ihm nicht auf die Fuͤße zu treten. Spaͤt Abends kamen sie zu ei- nem Wirthshaus, und weil sie die Nacht nicht weiter fahren wollten, die Ente auch nicht gut zu Fuß war und von einer Seite auf die an- dere fiel, kehrten sie ein. Der Wirth machte anfangs viel Einwendungen, sein Haus sey schon voll, gedachte auch wohl, es moͤgten keine vornehme Passagiere seyn; endlich aber, da sie suͤße Reden fuͤhrten, er solle das Ei haben, wel- ches das Huͤhnchen unterwegs gelegt hatte, auch die Ente behalten, die alle Tage eins lege, so gab er nach. Nun ließen sie sich wieder frisch auftragen und lebten in Saus und Braus. Fruͤh Morgens, als es erst daͤmmerte und noch alles schlief, weckte Haͤhnchen das Huͤhnchen, holte das Ei, pickte es auf und sie verzehrten es zusammen, die Schalen aber warfen sie auf den Feuerheerd. Dann gingen sie zu der Naͤh- nadel, die noch schlief, packten sie beim Kopf und steckten sie in das Sesselkissen des Wirths, die Stecknadel aber in sein Handtuch, darauf flogen sie, mir nichts dir nichts, uͤber die Heide davon. Die Ente, die unter freiem Himmel schlafen wollte und im Hof geblieben war, hoͤrte sie fortschnurren, machte sich munter und fand ei- einen Bach, auf dem sie hinunter schwamm, und das ging geschwinder als vor dem Wagen. Ein paar Stunden darnach stieg der Wirth aus den Federn, wusch sich und wollte sich am Hand- tuch abtrocknen, da zerriß er sich das Gesicht mit der Stecknadel, dann ging er in die Kuͤche und wollte sich eine Pfeife anstecken, wie er aber an den Heerd kam, sprangen ihm die Eierscha- len in die Augen. „Heute Morgen trifft Alles meinen Kopf,“ sagte er, und setzte sich aͤrger- lich in seinen Großvaterstuhl — auweh! da ward er noch schlimmer getroffen von der Naͤhnadel und nicht an den Kopf. Da ward er vollends boͤs' und hatte Verdacht auf die Gaͤste, die so spaͤt gestern Abend gekommen waren, und wie er ging und sich nach ihnen umsah, waren sie fort. Da that er einen Schwur, kein Lumpengesindel mehr in sein Haus zu nehmen, das viel ver- zehrt, nichts bezahlt und obendrein zum Dank Schabernack treibt. 11. Bruͤderchen und Schwesterchen . Bruͤderchen nahm sein Schwesterchen an der Hand und sagte: „seit die Mutter todt ist, ha- ben wir keine gute Stunde mehr, die Stiefmut- ter schlaͤgt uns alle Tage, und wenn wir zu ihr kommen, stoͤßt sie uns mit dem Fuß fort; sie Kindermärchen. C giebt uns auch nichts zu essen, als harte Brot- krusten; dem Huͤndlein unter dem Tisch gehts besser, dem wirft sie doch manchmal was Gu- tes zu, daß Gott erbarm, wenn das unsere Mutter wuͤßte! Komm laß uns miteinander fortgehen.“ Sie gingen zusammen fort und kamen in einen großen Wald, da waren sie so traurig und so muͤde, daß sie sich in einen hoh- len Baum setzten und da Hungers sterben wollten. Sie schliefen zusammen ein, und wie sie am Morgen aufwachten, war die Sonne schon lange aufgestiegen und schien heiß in den hoh- len Baum hinein. „Schwesterchen, sagte das Bruͤderchen nach einer Zeit, mich duͤrstet so ge- waltig, wenn ich ein Bruͤnnlein in der Naͤhe wuͤßte, ich ging hin und traͤnk einmal, es ist mir auch, als hoͤrte ich eins rauschen.“ — „Was hilft das, antwortete das Schwesterchen, warum willst Du trinken, da wir doch Hungers sterben wollen.“ — Bruͤderchen aber schwieg still und stieg heraus, und weil es das Schwe- sterchen immer fest mit der Hand hielt, mußte es mit heraus steigen. Die boͤse Stiefmutter aber war eine Hexe, und wie sie die zwei Kin- der hatte fortgehen sehen, war sie ihnen nach- gegangen und hatte ein klares Bruͤnnlein in der Naͤhe des Baums aus dem Felsen springen las- sen, das sollte durch sein Rauschen die Kinder herbeilocken und zum trinken reizen, wer aber davon trank, der ward in ein Rehkaͤlbchen ver- wandelt. Bruͤderchen kam bald mit dem Schwe- sterchen zu dem Bruͤnnlein, und als er es so glitzerig uͤber die Steine springen sah, ward seine Lust immer groͤßer, und er wollte davon trinken. Aber dem Schwesterchen war Angst, es meinte, das Bruͤnnlein spraͤche im Rauschen und sagte: „wer mich trinkt, wird zum Reh- kaͤlbchen; wer mich trinkt, wird zum Rehkaͤlb- chen!“ da bat es das Bruͤderchen, nicht von dem Wasser zu trinken. „Ich hoͤre nichts, sag- te das Bruͤderchen, als wie das Wasser so lieb- lich rauscht, laß mich nur gehen!“ Damit legte es sich nieder, beugte sich herab und trank, und wie der erste Tropfen auf seine Lippen gekommen war, da lag ein Rehkaͤlbchen an dem Bruͤnnlein. Das Schwesterchen weinte und weinte, die Hexe aber war boͤse, daß sie es nicht auch zum Trinken hatte verfuͤhren koͤnnen. Nachdem es drei Tage geweint, stand es auf und sammelte die Binsen in dem Wald, und flocht ein wei- ches Seil daraus. Dann band es das Rehkaͤlb- chen daran und fuͤhrte es mit sich. Es suchte ihm auch eine Hoͤhle, trug Moos und Laub hin- ein und machte ihm ein weiches Lager; am Mor- gen ging es mit ihm hinaus, wo zartes Gras war und sammelte das allerschoͤnste, das fraß es ihm aus der Hand, und das Rehkaͤlbchen war C 2 dann vergnuͤgt und spielte auf den Huͤgeln. Abends aber, wenn Schwesterchen muͤde war, legte es seinen Kopf auf den Ruͤcken des Reh- kaͤlbchens, das war sein Kissen, und so schlief es ein; und haͤtte das Bruͤderchen nur seine mensch- liche Gestalt gehabt, das waͤre ein herrliches Le- ben gewesen. So lebten sie lange Jahre in dem Wald. Auf eine Zeit jagte der Koͤnig und verirrte sich darin. Da fand er das Maͤdchen mit dem Thier- lein in dem Wald und war erstaunt uͤber seine Schoͤnheit. Er hob es zu sich auf sein Pferd und nahm es mit, und das Rehkaͤlbchen lief an dem Seile nebenher. An dem koͤniglichen Hofe ward ihm alle Ehre angethan, schoͤne Jungfrauen mußten es bedienen, doch war es selber schoͤner, als alle andern; das Rehkaͤlbchen ließ es nie- mals von sich, und that ihm alles Gute an. Bald darauf starb die Koͤnigin, da ward das Schwesterchen mit dem Koͤnig vermaͤhlt und lebte in allen Freuden. Die Stiefmutter aber hatte von dem Gluͤck gehoͤrt, das dem armen Schwesterchen begeg- net; sie dachte es waͤre laͤngst im Wald von den wilden Thieren gefressen worden, aber die hat- ten ihm nichts gethan, und nun war es Koͤnigin im Reich. Die Hexe war so boͤse daruͤber, daß sie nur darauf dachte, wie sie ihr das Gluͤck ver- derben konnte. Als im folgenden Jahr die Koͤ- nigin einen schoͤnen Prinzen zur Welt gebracht hatte, und der Koͤnig auf der Jagd war, trat sie in der Gestalt der Kammerfrau in die Stu- be, worin die Kranke lag. „Das Bad ist fuͤr euch bereitet, sagte sie, das wird euch wohlthun und staͤrken, kommt eh' es kalt wird.“ Sie fuͤhrte sie darauf in die Badestube; wie die Koͤ- nigin hineingetreten war, schloß sie die Thuͤre hinter ihr zu, drin aber war ein Hoͤllenfeuer angemacht, da mußte die schoͤne Koͤnigin erstik- ken. Die Hexe hatte eine rechte Tochter, der gab sie ganz die aͤußerliche Gestalt der Koͤnigin und legte sie an ihrer Stelle in das Bett. Der Koͤnig kam am Abend heim, und wußte nicht, daß er eine falsche Frau habe. Aber in der Nacht — sah die Kinderfrau — trat die rechte Koͤ- nigin in die Stube, sie ging zur Wiege, nahm ihr Kind heraus, hob es an ihre Brust und gab ihm zu trinken, dann schuͤttelte sie ihm sein Bett- chen auf, legte es wieder hinein und deckte es zu. Darauf ging sie in die Ecke wo das Reh- kaͤlbchen schlief und streichelte ihm uͤber den Ruͤk- ken. So kam sie alle Nacht und ging wieder fort, ohne ein Wort zu sprechen. Einmal aber trat sie wieder ein und sprach: „Was macht mein Kind? was macht mein Reh? nun komm' ich noch zweimal und dann nimmer- mehr.“ und that alles, wie in den andern Naͤchten. Die Kinderfrau weckte aber den Koͤnig und sagte es ihm heimlich. Der Koͤnig wachte die andere Nacht, und da sah er auch, wie die Koͤnigin kam und hoͤrte deutlich ihre Worte: „Was macht mein Kind? was macht mein Reh? nun komm' ich noch einmal und dann nimmer- mehr.“ Aber er getraute sich nicht, sie anzureden. In der andern Nacht wacht' er wieder, da sprach die Koͤnigin: „Was macht mein Kind? was macht mein Reh? nun komm' ich noch diesmal her und dann nim- mermehr.“ Da konnte sich der Koͤnig nicht laͤnger halten, sprang auf und umarmte sie, und wie er sie an- ruͤhrte, ward sie wieder lebendig, frisch und roth. Die falsche Koͤnigin ward in den Wald gefuͤhrt, wo die wilden Thiere sie fraßen, die boͤse Stief- mutter aber ward verbrannt, und wie das Feuer sie verzehrte, da verwandelte sich das Rehkaͤlb- chen, und Bruͤderchen und Schwesterchen waren wieder beisammen und lebten gluͤcklich ihr Lebe- lang. 12. Rapunzel . Es war einmal ein Mann und eine Frau, die hatten sich schon lange ein Kind gewuͤnscht und nie eins bekommen, endlich aber ward die Frau guter Hoffnung. Diese Leute hatten in ihrem Hinterhaus ein kleines Fenster, daraus konnten sie in den Garten einer Fee sehen, der voll von Blumen und Kraͤutern stand, allerlei Art, keiner aber durfte es wagen, in den Gar- ten hineinzugehen. Eines Tages stand die Frau an diesem Fenster und sah hinab, da erblickte sie wunderschoͤne Rapunzeln auf einem Beet und wurde so luͤstern darnach, und wußte doch, daß sie keine davon bekommen konnte, daß sie ganz abfiel und elend wurde. Ihr Mann erschrack endlich und fragte nach der Ursache; „ach wenn ich keine von den Rapunzeln aus dem Garten hinter unserm Haus zu essen kriege, so muß ich sterben.“ Der Mann, welcher sie gar lieb hatte, dachte, es mag kosten was es will, so willst du ihr doch welche schaffen, stieg eines Abends uͤber die hohe Mauer und stach in aller Eile eine Hand voll Rapunzeln aus, die er seiner Frau brachte. Die Frau machte sich sogleich Salat daraus, und aß sie in vollem Heißhunger auf. Sie hat- ten ihr aber so gut, so gut geschmeckt, daß sie den andern Tag noch dreimal soviel Lust bekam. Der Mann sah wohl, daß keine Ruh waͤre, also stieg er noch einmal in den Garten, allein er erschrack gewaltig, als die Fee darin stand und ihn heftig schalt, daß er es wage in ihren Gar- ten zu kommen und daraus zu stehlen. Er ent- schuldigte sich, so gut er konnte, mit der Schwan- gerschaft seiner Frau, und wie gefaͤhrlich es sey, ihr dann etwas abzuschlagen, endlich sprach die Fee: „ich will mich zufrieden geben und dir selbst gestatten Rapunzeln mitzunehmen, so viel du willst, wofern du mir das Kind geben wirst, womit deine Frau jetzo geht.“ In der Angst sagte der Mann alles zu, und als die Frau in Wochen kam, erschien die Fee sogleich, nannte das kleine Maͤdchen Rapunzel und nahm es mit sich fort. Dieses Rapunzel wurde das schoͤnste Kind unter der Sonne, wie es aber zwoͤlf Jahr alt war, so schloß es die Fee in einen hohen hohen Thurm, der hatte weder Thuͤr noch Treppe, nur bloß ganz oben war ein kleines Fensterchen. Wenn nun die Fee hinein wollte, so stand sie unten und rief: „Rapunzel, Rapunzel! laß mir dein Haar herunter.“ Rapunzel hatte aber praͤchtige Haare, fein wie gesponnen Gold, und wenn die Fee so rief, so band sie sie los, wickelte sie oben um einen Fen- sterhaken und dann fielen die Haare zwanzig Ellen tief hinunter und die Fee stieg daran hinauf. Eines Tages kam nun ein junger Koͤnigs- sohn durch den Wald, wo der Thurm stand, sah das schoͤne Rapunzel oben am Fenster ste- hen und hoͤrte sie mit so suͤßer Stimme singen, daß er sich ganz in sie verliebte. Da aber keine Thuͤre im Thurm war und keine Leiter so hoch reichen konnte, so gerieth er in Verzweiflung, doch ging er alle Tage in den Wald hin, bis er einstmals die Fee kommen sah, die sprach: „Rapunzel, Rapunzel! laß dein Haar herunter.“ Darauf sah er wohl, auf welcher Leiter man in den Thurm kommen konnte. Er hatte sich aber die Worte wohl gemerkt, die man sprechen muß- te, und des andern Tages, als es dunkel war, ging er an den Thurm und sprach hinauf: „ Rapunzel, Rapunzel, laß dein Haar herunter! “ da ließ sie die Haare los, und wie sie unten waren, machte er sich daran fest und wurde hin- aufgezogen. Rapunzel erschrack nun anfangs, bald aber gefiel ihr der junge Koͤnig so gut, daß sie mit ihm verabredete, er solle alle Tage kommen und hinaufgezogen werden. So lebten sie lustig und in Freuden eine geraume Zeit, und die Fee kam nicht dahinter, bis eines Tages das Rapunzel anfing und zu ihr sagte: „sag' sie mir doch Frau Gothel, meine Kleiderchen werden mir so eng und wollen nicht mehr passen.“ Ach du gottlo- ses Kind, sprach die Fee, was muß ich von dir hoͤren, und sie merkte gleich, wie sie betrogen waͤre, und war ganz aufgebracht. Da nahm sie die schoͤnen Haare Rapunzels, schlug sie ein paar Mal um ihre linke Hand, griff eine Scheere mit der rechten und ritsch, ritsch, waren sie abge- schnitten. Darauf verwieß sie Rapunzel in eine Wuͤstenei, wo es ihr sehr kuͤmmerlich erging und sie nach Verlauf einiger Zeit Zwillinge, einen Knaben und ein Maͤdchen gebar. Denselben Tag aber, wo sie Rapunzel ver- stoßen hatte, machte die Fee Abends die abge- schnittenen Haare oben am Haken fest, und als der Koͤnigssohn kam; „ Rapunzel, Rapunzel, laß dein Haar herunter! “ so ließ sie zwar die Haare nieder, allein wie erstaunte der Prinz, als er statt seines gelieb- ten Rapunzels die Fee oben fand. „Weißt du was, sprach die erzuͤrnte Fee, Rapunzel ist fuͤr dich Boͤsewicht auf immer verloren!“ Da wurde der Koͤnigssohn ganz verzwei- felnd, und stuͤrzte sich gleich den Thurm hinab, das Leben brachte er davon, aber die beiden Augen hatte er sich ausgefallen, traurig irrte er im Wald herum, aß nichts als Gras und Wurzeln, und that nichts als weinen. Einige Jahre nachher geraͤth er in jene Wuͤstenei, wo Rapunzel kuͤmmerlich mit ihren Kindern lebte, ihre Stimme daͤuchte ihm so bekannt, in dem- selben Augenblick erkannte sie ihn auch und faͤllt ihm um den Hals. Zwei von ihren Thraͤ- nen fallen in seine Augen, da werden sie wie- der klar, und er kann damit sehen, wie sonst. 13. Die drei Maͤnnlein im Walde . Einem Mann war seine Frau gestorben, da war er unschluͤssig ob er sich wieder eine nehmen sollte oder nicht. Endlich zog er sei- nen Stiefel aus, der hatte in der Sohle ein Loch, und sprach zu seiner Tochter, seinem ein- zigen Kind: „nimm diesem Stiefel, trag ihn auf den Boden, da ist ein großer Nagel, dar- an haͤng ihn auf, dann hole Wasser und gieß es hinein; haͤlt er das Wasser, so will ich wie- der eine Frau nehmen, laͤufts aber durch, so laß ichs bleiben.“ Das Maͤdchen that, wie ihm geheißen war, das Wasser aber zog das Loch zusammen und der Stiefel ward voll bis oben hin. Der Mann sah selber nach, obs richtig war, dann sagte er: da muß ich mir wohl eine Frau nehmen; ging hin und freite eine Witt- we. Diese brachte auch eine Tochter von ih- rem ersten Mann mit ins Haus, und als sie sah, daß ihr Stiefkind schoͤn war und jeder- mann es lieb hatte, ihre Tochter aber haͤßlich, so ward sie neidisch, setzte es uͤberall zuruͤck und dachte nur darauf, wie sie es recht quaͤlen wollte. Einmal mitten im Winter, als der Schnee hoch lag, naͤhte sie ein Kleid von feinem Pa- pier, und als es fertig war, rief sie das Stief- kind und sagte: „ich habe Lust Erdbeeren zu essen, da zieh das Kleid an, geh in den Wald und suche mir das Koͤrbchen voll: und daß du nicht eher nach Haus kommst, bis du es voll hast!“ Das Maͤdchen weinte bitterlich und sagte: „im Winter wachsen keine Erdbeeren im Walde, und wenn sie auch da waͤren so liegt der Schnee darauf, wie soll ich sie finden; und draußen ists so kalt, daß der Athem friert, wie kann ich in dem Papierkleid gehen, da weht ja der Wind durch, und die Dornen reißen es mir herunter.“ — Rede kein Wort mehr, sag- te die Mutter, und geh gleich hinaus und su- che die Erdbeeren;“ in ihrem neidischen Her- zen aber gedachte sie, das Maͤdchen werde drau- ßen erfrieren und nimmermehr heimkommen, darum hatte sie ihm auch das duͤnne Papier- kleid gemacht. Das Maͤdchen aber war gehor- sam, that das Papierkleid um, ging in den Wald, da war aber nichts als Schnee und nir- gends auch nur ein gruͤn Haͤlmchen zu sehen. Es ging immer weiter, und als es mitten in den Wald kam, da sah es ein kleines Haus, aus dem guckten drei kleine Maͤnner. Es sagte ihnen guten Tag, und weil es so artig gruͤßte, fragten sie, was es in dem leichten Papierklei- de im Walde zur Winterszeit suche. „Ach!“ sagte es, „ich soll ein Koͤrbchen voll Erdbeeren suchen und darf nicht eher nach Haus kommen bis ich es mitbringe.“ Die drei Maͤnner sag- ten darauf: „geh hinter unser Haus und raͤu- me den Schnee weg, da haben sie Schutz ge- habt und sind gewachsen, da wirst du vollauf finden.“ Das Maͤdchen bedankte sich und that, wie sie es geheißen hatten. Waͤhrend es nun den Schnee wegraͤumte und die Erdbeeren ab- brach, sprachen die drei Maͤnnlein unter sich: „was sollen wir ihm schenken, weil es so ar- tig gegen uns gewesen und so schoͤn ist?“ da sagte das eine: „ich schenke ihm, daß es noch schoͤner wird, „das andere sagte: „ich schenke ihm, daß die goldenen Ducaten aus seinem Munde fallen, wenn es spricht;“ das dritte: „ich schenke ihm, daß ein Koͤnig kommt und es heirathe.“ Wie nun das Maͤdchen wieder her- vorkam, schenkten sie ihm das alles, und als es sich bedanken wollte, fielen schon Ducaten aus seinem Munde. Da ging es nach Haus und verwunderte sich die Stiefmutter uͤber die Erd- beeren, die es brachte, so verwunderte sie sich noch mehr, als sie sah, wie ihm die Ducaten aus dem Munde fielen; es dauerte auch nicht lange, so kam ein Koͤnig und holte es ab, und machte es zu seiner Gemahlin. Die Mutter aber gedachte, sie wollte ihrer Tochter auch ein so großes Gluͤck verschaffen. Da naͤhte sie ihr einen praͤchtigen Pelzrock und hieß sie hinausgehen in den Wald, und die klei- nen Maͤnner um ein Geschenk bitten. Die Maͤnner aber sahen, daß sie ein boͤses Herz hatte und statt guter Geschenke gaben sie ihm schlimme. Der erste, daß sie in ihrem Pelzrock friere, als waͤr er aus Papier, der zweite, daß sie alle Tage garstiger werde, der dritte, daß sie eines ungluͤcklichen Todes sterbe. Zitternd vor Frost kam sie nach Hause und erzaͤhlte der Mutter, was ihr begegnet war, und als diese sah, daß die Verwuͤnschungen der drei Maͤnner anfingen einzutreffen, dachte sie nur darauf, wie sie sich raͤchen wollte. Sie ging zu ihrer Stief- tochter, der Koͤnigin, und stellte sich freundlich und liebreich an, da ward sie wohl aufgenom- men und ward ihr eine eigene Wohnung gege- ben. Bald darauf gebar die Koͤnigin einen Prinzen, und als sie in der Nacht allein, krank und schwach war, da hob sie das boͤse Weib mit ihrer Tochter aus dem Bett, und sie tru- gen sie hinaus zu dem Fluß und warfen sie hinein. Am andern Morgen sagten sie dem Koͤnig, die Koͤnigin sey in der Nacht ge- storben. In der folgenden Nacht sah der Kuͤchen- junge, wie eine Ente durch die Gosse in die Kuͤche hineinschwamm. Sie fragte: „Was machen meine Gaͤste?“ — Er antwortete: „Sie schlafen feste.“ „Was macht mein Kindelein?“ „Es schlaͤft in der Wiege fein.“ Da ging sie hinauf in der Koͤnigin Gestalt, gab ihm zu trinken, pflegt' es, macht' ihm sei- ne Wiege, deckt es zu und schwamm als Ente am Morgen wieder durch die Gosse fort. So kam sie noch eine Nacht, in der dritten aber sagte sie zu dem Kuͤchenjungen: „geh zu dem Koͤnig und sag ihm, er solle sein Schwert drei- mal auf der Schwelle uͤber mir schwingen.“ Der Kuͤchenjunge lief und sagts dem Koͤnig, und als der Koͤnig dreimal sein Schwert ge- schwungen, da stand die Koͤnigin wieder leben- dig vor ihm. Die Falschheit der Stiefmutter und ihrer Tochter kam an den Tag und sie wurden den wilden Thieren im Walde zu fres- sen gegeben. 14. Von dem boͤsen Flachsspinnen . Vorzeiten lebte ein Koͤnig, dem war nichts lieber auf der Welt als Flachsspinnen, und die Koͤnigin und seine Toͤchter mußten den ganzen Tag spinnen, und wenn er die Raͤder nicht schnurren hoͤrte, war er boͤse. Einmal mußte er eine Reise machen, und ehe er Abschied nahm, gab er der Koͤnigin einen großen Kasten mit Flachs und sagte: „der muß gesponnen seyn, wann ich wieder komme.“ Die Prin- zessinnen wurden betruͤbt und weinten: „wenn wir das alles spinnen sollen, muͤssen wir den ganzen Tag sitzen und duͤrfen nicht einmal auf- stehen.“ Die Koͤnigin aber sprach: „troͤstet euch, ich will euch schon helfen. Da waren im Lande drei besonders haͤßliche Jungfern, die er- ste hatte eine so große Unterlippe, daß sie uͤber das Kinn herunterhing, die zweite hatte an der rechten Hand den Zeigefinger so dick und breit, daß man drei andere Finger haͤtte daraus ma- chen koͤnnen, die dritte hatte einen dicken breiten Platschfuß, so breit wie ein halbes Kuchenbrett. Die ließ die Koͤnigin zu sich fordern und an dem Tage, wo der Koͤnig heim kommen sollte, setzte sie alle drei nebeneinander in ihre Stube, gab ihnen ihre Spinnraͤder und da mußten sie spinnen, auch sagte sie einer jeden, was sie auf des Koͤnigs Fragen antworten solle. Als der Koͤnig anlangte, hoͤrte er das Schnurren der Raͤder von weitem, freute sich herzlich und ge- dachte seine Toͤchter zu loben. Wie er aber in die Stube kam und die drei garstigen Jungfern da sitzen sah, erschrack er erstlich, dann trat er hinzu und fragte die erste, woher sie die ent- setzlich große Unterlippe habe? „vom Lecken, vom Lecken!“ Darauf die zweite, woher der dicke dicke Finger? „vom Faden drehen, vom Fa- den drehen und umschlingen!“ dabei ließ sie den Faden ein paarmal um den Finger laufen. Endlich die dritte: woher den dicken Fuß? „vom Treten, vom Treten!“ wie das der Koͤ- nig hoͤrte, befahl er der Koͤnigin und den Prin- zessinnen, sie sollten nimmermehr ein Spinnrad anruͤhren und so waren sie ihrer Qual los. 16 . Haͤnsel und Gretel . Vor einem großen Walde wohnte ein ar- mer Holzhacker, der hatte nichts zu beißen und zu brechen, und kaum das taͤgliche Brod fuͤr seine Frau und seine zwei Kinder, Haͤnsel und Gretel. Einmal konnte er auch das nicht mehr schaffen, und wußte sich nicht zu helfen in seiner Noth. Wie er Abends vor Sorge sich im Bett herumwaͤlzte, da sagte seine Frau zu ihm: „hoͤre Mann, morgen fruͤh nimm die beiden Kinder, gieb jedem noch ein Stuͤckchen Brod, dann fuͤhr sie hinaus in den Wald, mitten inne, wo er am dicksten ist, da mach ihnen ein Feuer an, und dann geh weg und laß sie dort, wir koͤn- nen sie nicht laͤnger ernaͤhren.“ „Nein Frau, sagte der Mann, das kann ich nicht uͤber mein Herz bringen, meine eigenen lieben Kinder zu den wilden Thieren zu fuͤhren, die sie bald in Kindermärchen. D dem Wald zerreißen wuͤrden.“ „Wenn du das nicht thust, sprach die Frau, so muͤssen wir alle miteinander Hungers sterben;“ da ließ sie ihm keine Ruhe, bis er Ja sagte. Die zwei Kinder waren auch noch wach von Hunger, und hatten alles gehoͤrt, was die Mutter zum Vater gesagt hatte. Gretel dach- te, nun ist es um mich geschehen und fing er- baͤrmlich an zu weinen, Haͤnsel aber sprach: „sey still, Gretel, und graͤm dich nicht, ich will uns helfen.“ Damit stieg er auf, zog sein Roͤcklein an, machte die Unterthuͤre auf und schlich hinaus. Da schien der Mond hell und die weißen Kieselsteine glaͤnzten wie lauter Ba- tzen. Haͤnsel buͤckte sich und machte sich sein ganz Rocktaͤschlein voll davon, so viel nur hin- ein wollten, dann ging er zuruͤck ins Haus- „troͤste dich, Gretel, und schlaf nur ruhig,“ leg- te sich wieder ins Bett und schlief ein. Morgens fruͤh, ehe die Sonne noch aufge- gangen war, kam die Mutter und weckte sie alle beide: „steht auf, ihr Kinder, wir wollen in den Wald gehen, da habt ihr jedes ein Stuͤck- lein Brod, aber haltets zu Rathe und hebts euch fuͤr den Mittag auf.“ Gretel nahm das Brod unter die Schuͤrze, weil Haͤnsel die Stei- ne in der Tasche hatte, dann machten sie sich auf den Weg in den Wald hinein. Wie sie ein Weilchen gegangen waren, stand Haͤnsel still und guckte nach dem Haus zuruͤck, bald darauf wieder und immer wieder. Der Vater sprach: „Haͤnsel, was guckst du zuruͤck und haͤltst dich auf, hab Acht und marschir zu.“ — „Ach, Vater, ich seh nach meinem weißen Kaͤtz- chen, das sitzt oben auf dem Dach und will mir Ade sagen.“ Die Mutter sprach: „ei Narr, das ist dein Kaͤtzchen nicht, das ist die Morgensonne, die auf den Schornstein scheint.“ Haͤnsel aber hatte nicht nach dem Kaͤtzchen gese- hen, sondern immer einen von den blanken Kiesel- steinen aus seiner Tasche auf den Weg geworfen. Wie sie mitten in den Wald gekommen waren, sprach der Vater, „nun sammelt Holz, ihr Kinder, ich will ein Feuer anmachen, daß wir nicht frieren.“ Haͤnsel und Gretel trugen Reisig zusammen, einen kleinen Berg hoch. Da steckten sie es an, und wie die Flamme recht groß brannte, sagte die Mutter: „nun legt euch ans Feuer und schlaft, wir wollen in dem Wald das Holz faͤllen, wartet, bis wir wieder kommen, und euch abholen. Haͤnsel und Gretel saßen an dem Feuer, bis Mittag, da aß jedes sein Stuͤcklein Brod, und dann wieder bis an den Abend; aber Va- ter und Mutter blieben aus, und niemand woll- te kommen und sie abholen. Wie es nun fin- stere Nacht wurde, fing Gretel an zu weinen, Haͤnsel aber sprach: „wart nur ein Weilchen, D 2 bis der Mond aufgegangen ist. Und als der Mond aufgegangen war, faßte er die Gre- tel bei der Hand, da lagen die Kieselsteine wie neugeschlagene Batzen und schimmerten und zeigten ihnen den Weg. Da gingen sie die ganze Nacht durch, und wie es Morgen war, kamen sie wieder bei ihres Vaters Haus an. Der Vater freute sich von Herzen, als er seine Kinder wieder sah, denn er hatte sie ungern allein gelassen, die Mutter stellte sich auch, als wenn sie sich freute, heimlich aber war sie boͤs. Nicht lange darnach, war wieder kein Brod im Hause und Haͤnsel und Gretel hoͤrten wie Abends die Mutter zum Vater sagte: „einmal haben die Kinder den Weg zuruͤckgefunden, und da habe ichs gut seyn lassen, aber jetzt ist wie- der nichts, als nur noch ein halber Laib Brod im Haus, du mußt sie morgen tiefer in den Wald fuͤhren, daß sie nicht wieder heim kom- men koͤnnen, es ist sonst keine Huͤlfe fuͤr uns mehr.“ Dem Mann fiels schwer aufs Herz, und er gedachte, es waͤre doch besser, wenn du den letzten Bissen mit deinen Kindern theiltest, weil er es aber einmal gethan hatte, so durfte er nicht nein sagen. Haͤnsel und Gretel hoͤrten das Gespraͤch der Eltern; Haͤnsel stand auf und wollte wieder Kieselsteine auflesen, wie er aber an die Thuͤre kam, da hatte sie die Mutter zu- geschlossen. Doch troͤstete er die Gretel und sprach: „schlaf nur, lieb Gretel, der liebe Gott wird uns schon helfen.“ Morgens fruͤh erhielten sie ihr Stuͤcklein Brod, noch kleiner als das vorigemal. Auf dem Wege broͤckelte es Haͤnsel in der Tasche, stand oft still, und warf ein Broͤcklein an die Erde. “ Was bleibst du immer stehen, Haͤnsel, und guckst dich um, sagte der Vater, geh dei- ner Wege.“ — „Ach! ich seh nach meinem Taͤubchen, das sitzt auf dem Dach und will mir Ade sagen“ — „du Narr, sagte die Mutter, das ist dein Taͤubchen nicht, das ist die Morgenson- ne, die auf den Schornstein oben scheint.“ Haͤnsel aber zerbroͤckelte all sein Brod und warf die Broͤcklein auf den Weg. Die Mutter aber fuͤhrte sie noch tiefer in den Wald hinein, wo sie ihr Lebtag nicht ge- wesen waren, da sollten sie wieder einschlafen bei einem großen Feuer, und Abends wollten die Eltern kommen und sie abholen. Zu Mit- tag theilte Gretel ihr Brod mit Haͤnsel, weil der seins all auf den Weg gestreut; der Mit- tag verging und der Abend verging, aber nie- mand kam zu den armen Kindern. Haͤnsel troͤ- stete die Gretel und sagte: „wart, wenn der Mond aufgeht, dann seh ich die Broͤcklein Brod, die ich ausgestreut habe, die zeigen uns den Weg nach Haus.“ Der Mond ging auf, wie aber Haͤnsel nach den Broͤcklein sah, da waren sie weg, die viel tausend Voͤglein in dem Wald, die hatten sie gefunden und aufgepickt. Haͤnsel meinte doch den Weg nach Haus zu finden und zog die Gretel mit sich, aber sie ver- irrten sich bald in der großen Wildniß und gingen die Nacht und den ganzen Tag, da schliefen sie vor Muͤdigkeit ein; und gingen noch einen Tag, aber sie kamen nicht aus den Wald heraus, und waren so hungrig, denn sie hatten nichts zu essen, als ein paar kleine Beer- lein, die auf der Erde standen. Am dritten Tage gingen sie wieder bis zu Mittag, da kamen sie an ein Haͤuslein, das war ganz aus Brod gebaut und war mit Ku- chen gedeckt, und die Fenster waren von hellem Zucker. „Da wollen wir uns niedersetzen und uns satt essen, sagte Haͤnsel; ich will vom Dach essen, iß du vom Fenster, Gretel, das ist fein suͤß fuͤr dich.“ Haͤnsel hatte schon ein gut Stuͤck vom Dach und Gretel schon ein paar runde Fensterscheiben gegessen, und brach sich eben eine neue aus, da hoͤrten sie eine feine Stimme, die von innen herausrief: „knuper, knuper, Kneischen! „wer knupert an meinem Haͤuschen!“ Haͤnsel und Gretel erschracken so gewaltig, daß sie fallen ließen, was sie in der Hand hielten, und gleich darauf sahen sie aus der Thuͤre eine kleine steinalte Frau schleichen. Sie wackelte mit dem Kopf und sagte: „ei, ihr lieben Kin- der, wo seyd ihr denn hergelaufen, kommt her- ein mit mir, ihr sollts gut haben,“ faßte beide an der Hand und fuͤhrte sie in ihr Haͤuschen. Da ward gutes Essen aufgetragen, Milch und Pfannkuchen mit Zucker, Aepfel und Nuͤsse, und dann wurden zwei schoͤne Bettlein bereitet, da legten sich Haͤnsel und Gretel hinein, und meinten sie waͤren wie im Himmel. Die Alte aber war eine boͤse Hexe, die lauerte den Kindern auf, und hatte um sie zu locken ihr Brodhaͤuslein gebaut, und wenn eins in ihre Gewalt kam, da machte sie es todt, kochte es und aß es, und das war ihr ein Fest- tag. Da war sie nun recht froh, wie Haͤnsel und Gretel ihr zugelaufen kamen. Fruͤh, ehe sie noch erwacht waren, stand sie schon auf, ging an ihre Bettlein und wie sie die zwei so lieblich ruhen sah, freute sie sich und gedachte, das wird ein guter Bissen fuͤr dich seyn. Sie packte Haͤnsel und steckte ihn in einen kleinen Stall, und wie er da aufwachte, war er von einem Gitter umschlossen, wie man junge Huͤhn- lein einsperrt, und konnte nur ein paar Schritte gehen. Das Gretel aber schuͤttelte sie und rief: steh auf, du Faullenzerin, hol Wasser und geh in die Kuͤche und koch gut zu essen, dort steckt dein Bruder in einem Stall, den will ich erst fett machen, und wann er fett ist, dann will ich ihn essen, jetzt sollst du ihn fuͤttern. Gre- tel erschrack und weinte, mußte aber thun, was die Hexe verlangte. Da ward nun alle Tage dem Haͤnsel das beste Essen gekocht, daß er fett werden sollte, Gretel aber bekam nichts, als die Krebsschalen, und alle Tage kam die Alte und sagte: „Haͤnsel, streck deine Finger heraus, daß ich fuͤhle, ob du bald fett genug bist.“ Haͤnsel streckte ihr aber immer ein Knoͤch- lein heraus, da verwunderte sie sich, daß er gar nicht zunehmen wolle. Nach vier Wochen sagte sie eines Abends zu Gretel: „sey flink, geh und trag Wasser herbei, dein Bruͤderchen mag nun fett genug seyn oder nicht, morgen will ich es schlachten und sieden, ich will derweile den Teig anma- chen, daß wir auch dazu backen koͤnnen. Da ging Gretel mit traurigem Herzen und trug das Wasser, worin Haͤnsel sollte gesotten wer- den. Fruͤh Morgens mußte Gretel aufstehen, Feuer anmachen und den Kessel mit Wasser aufhaͤngen. „Gieb nun Acht, bis es siedet, sag- te die Hexe, ich will Feuer in den Backofen machen und das Brod hineinschieben;“ Gretel stand in der Kuͤche und weinte blutige Thraͤ- nen, und dachte, haͤtten uns lieber die wilden Thiere im Walde gefressen, so waͤren wir zu- sammen gestorben und muͤßten nun nicht das Herzeleid tragen, und ich muͤßte nicht selber das Wasser zu dem Tod meines lieben Bruders, sieden, du lieber Gott, hilf uns armen Kin- dern aus der Noth. Da rief die Alte: „Gretel komm gleich einmal hierher zu dem Backofen,“ wie Gretel kam, sagte sie: guck hinein, ob das Brod schon huͤbsch braun und gar ist, meine Augen sind schwach, ich kann nicht so weit sehen, und wenn du auch nicht kannst, so setz dich auf das Brett, so will ich dich hineinschieben, da kannst du darin herumgehen und nachsehen.“ Wenn aber Gretel darin war, da wollte sie zumachen und Gretel sollte in dem heißen Ofen backen, und sie wollte es auch aufessen: das dachte die boͤse Hexe, und darum hatte sie das Gretel ge- rufen. Gott gab es aber Gretel ein und sie sagte: „ich weiß nicht, wie ich das anfangen soll, zeigs mirs erst, setz dich drauf, ich will dich hin- einschieben.“ Und die Alte setzte sich auf das Brett, und weil sie leicht war, schob sie Gretel hinein so weit sie konnte, und dann machte sie geschwind die Thuͤre zu, und steckte den eisernen Riegel vor. Da fing die Alte an in dem heißen Back- ofen zu schreien und zu jammern, Gretel aber lief fort, und sie mußte elendiglich verbrennen. Und Gretel lief zum Haͤnsel, machte ihm sein Thuͤrchen auf und Haͤnsel sprang heraus, und sie kuͤßten sich einander und waren froh. Das ganze Haͤuschen war voll von Edelgestei- nen und Perlen, davon fuͤllten sie ihre Taschen, gingen fort und fanden den Weg nach Haus. Der Vater freute sich als er sie wieder sah, er hatte keinen vergnuͤgten Tag gehabt, seit seine Kinder fort waren, und ward nun ein reicher Mann. Die Mutter aber war gestorben. 16. Herr Fix und Fertig . Fix und Fertig war lange Zeit Soldat ge- wesen, weil aber der Krieg ein Ende hatte und nichts mehr zu thun war, als einen und alle Tage dasselbe, nahm er seinen Abschied und wollte Lakai bei einem großen Herrn werden. Da gabs Kleider mit Gold besetzt, viel zu schaf- fen und immer was Neues. Also machte er sich auf den Weg und kam an einen fremden Hof, da sah er einen Herrn, der in dem Gar- ten spazieren ging. Fix und Fertig besann sich nicht lang, trat frisch auf ihn zu und sagte: „mein Herr, ich suche Dienste bei einem großen Herrn, sinds Ew. Majestaͤt selbst, so ist mirs am liebsten, ich kann und weiß alles, was dazu gehoͤrt, kurz und lang, wies befohlen wird.“ Der Herr sagte: „recht, mein Sohn, das waͤre mir lieb, sag an, was ist anjetzt mein Verlan- gen?“ Fix und Fertig ohne zu antworten drehte sich um, lief eilend und brachte eine Pfeife und Taback. „Recht, mein Sohn, du bist mein Bedienter, aber nun gebe ich dir auf, mir die Prinzessin Nomini zu schaffen, die schoͤnste auf der Welt, die will ich zu meiner Gemahlin ha- ben.“ — „Wohlan, sagte Fix und Fertig, das ist mir ein kleines, die sollen Ew. Maj. bald haben, geben Sie mir nur eine Chaise bespannt mit Sechsen, einen Leibkutscher, Haiducken, Lau- fer, Lakaien, Koch und einen voͤlligen Staat, mir selbst aber fuͤrstliche Kleider, und jedermann muß meinen Befehlen gehorchen.“ Nun fuh- ren sie ab, der Herr Bedienter saß in der Kut- sche und es ging immer dem koͤniglichen Hof zu, wo die schoͤne Prinzessin war. Als die Chaus- see zu Ende war, fuhren sie ins Feld hinein und kamen bald vor einen großen Wald, der war voll von vielen tausend Voͤgeln, da war ein grausamer Gesang, praͤchtig in die blaue Luft hinein. „Halt! halt! rief der Fix und Fertig, die Voͤgel nicht gestoͤrt! die preisen ihren Schoͤ- pfer und wollen mir wieder einmal dienen, links um!“ der Kutscher mußte also umdrehen und um den Wald herumfahren. Darnach waͤhrte es nicht lang, so kamen sie an ein großes Feld, da saßen an die tausend Millionen Raben, die schrien nach Speise uͤberlaut. „Halt! halt! rief der Herr Fix und Fertig: bind eins von den vordersten Pferden los, fuͤhr es aufs Feld und stichs todt, daß die Raben gespeist werden, die sollen meinetwegen keinen Hunger leiden.“ Nachdem die Raben gesaͤttigt waren, ging die Reise weiter und sie kamen an ein Wasser, dar- in war ein Fisch, der klagte erbaͤrmlich: „um Gotteswillen! ich habe keine Nahrung in die- sem schlechten Sumpf, setzt mich in ein fließen- des Wasser, dafuͤr will ich euch einmal gegen- dienen.“ Eh er noch ausgeredet, hatte Fix und Fertig halt! halt! gerufen; „Koch nimm ihn in die Schuͤrze, Kutscher fahr zu nach einem fließen- den Wasser.“ Fix und Fertig stieg selber aus und setzte ihn hinein, daß der Fisch vor Freude mit dem Schwanz schlug. Herr Fix und Fer- tig sprach: „laßt nun die Pferde rasch laufen, daß wir zu Abend noch an Ort und Stelle sind.“ Als er in der koͤniglichen Residenz anlangte fuhr er gerade nach dem besten Gasthof, der Wirth und alle seine Leute kamen heraus, empfingen ihn aufs beste und meinten, ein fremder Koͤnig sey angekommen, und es war doch nur ein Herr Bedienter. Fix und Fertig aber ließ sich gleich bei dem koͤniglichen Hof anmelden, suchte sich be- liebt zu machen und hielt um die Prinzessin an. „Mein Sohn, sagte der Koͤnig, dergleichen Freier sind schon viele abgewiesen worden, weil keiner hat ausrichten koͤnnen, was ich ihnen auferlegt hatte, um meine Tochter zu gewinnen.“ „Wohl- an, sprach Fix und Fertig, geben Ew. Majestaͤt mir nur was rechtes auf.“ Der Koͤnig sagte: „ich habe ein Viertel Mohnsamen saͤen lassen, kannst du mir denselben wieder herbei schaffen, daß kein Korn fehlt, so sollst du die Prinzessin fuͤr deinen Herrn haben. Hoho! dachte Fix und Fertig, das ist ein geringes fuͤr mich. Nahm darauf ein Maaß, Sack und schneeweiße Tuͤcher, ging hinaus, und die letztern breitete er neben das besaͤte Feld hin. Gar nicht lange, da ka- men die Voͤgel, die im Walde bei ihrem Sin- gen nicht waren verstoͤrt worden, und lasen den Samen, Koͤrnchen fuͤr Koͤrnchen auf und trugen ihn auf die weißen Tuͤcher. Als sie alles auf- gelesen hatten, schuͤttete es Fix und Fertig zu- sammen in den Sack, nahm das Maaß unter den Arm, ging zu dem Koͤnig und maaß ihm seinen ausgesaͤten Samen wieder zu, gedachte nun die Prinzessin waͤre schon sein — aber gefehlt: „noch eins, mein Sohn, sagte der Koͤnig, meine Tochter hat einstmals ihren goldnen Ring ver- loren, denselben mußt du mir erst wiederschaffen, eh du sie bekommen kannst.“ Fix und Fertig machte sich keine Sorgen: „lassen Ew. Majestaͤt mir nur das Wasser und die Bruͤcke zeigen, wo der Ring verloren worden, so soll er bald her- beigeschafft seyn.“ Als er hingebracht war, sah er hinab, da schwamm der Fisch herzu, den er auf seiner Reise in den Fluß gesetzt hatte, streck- te den Kopf in die Hoͤhe und sagte: „wart ei- nige Augenblicke, ich fahre hinunter, ein Wall- fisch hat den Ring unter der Floßfeder, da will ich ihn holen;“ kam auch bald wieder und warf ihn ans Land. Fix und Fertig bracht ihn zum Koͤnig, dieser aber antwortete: „nun noch eins, in jenem Walde ist ein Einhorn, das hat schon vielen Schaden gethan, wenn du das toͤdten kannst, dann ist nichts mehr uͤbrig. Fix und Fertig bekuͤmmerte sich auch hier nicht groß, son- dern ging geradezu in den Wald. Da waren die Raben, die er einmal gefuttert und sprachen: „noch eine kleine Weile Geduld, jetzt liegt das Einhorn und schlaͤft, aber nicht auf der scheelen Seite, wenn es sich herumdreht, dann wollen wir ihm das eine gute Auge, das es hat, aus- picken, dann ist es blind und wird in seiner Wuth gegen die Baͤume rennen und mit seinem Horn sich festspießen; dann kannst du es leicht toͤdten.“ Bald waͤlzte sich das Thier ein paar Mal im Schlaf herum und legte sich auf die andere Seite, da flogen die Raben herunter und hackten ihm sein gesundes Auge aus. Wie es die Schmerzen empfand, sprang es auf und rennte unsinnig im Wald herum, bald auch hatte es sich in eine dicke Eiche festgerennt. Da sprang Fix und Fertig herbei, hieb ihm den Kopf ab, und brachte ihn dem Koͤnig. Dieser konnte nun seine Tochter nicht laͤnger versagen, sie ward dem Fix und Fertig uͤbergeben, der sich gleich in vol- lem Staat, wie er gekommen war, mit ihr in die Kutsche setzte, zu seinem Herrn fuhr und ihm die liebevolle Prinzessin brachte. Da ward er wohl empfangen, und in aller Pracht Hochzeit gehal- ten; Fix und Fertig aber wurde erster Minister. Ein jegliches in der Gesellschaft, wo dies erzaͤhlt wurde, wuͤnschte auch bei dem Vergnuͤ- gen zu seyn, eins wollte Kammerjungfer, das andere Garderobemaͤdchen werden, dafuͤr wollte einer Kammerdiener, der andere Koch werden u. s. w. 17. Die weiße Schlange . Auf des Koͤnigs Tafel ward alle Mittage eine verdeckte Schuͤssel gesetzt, wenn alle fort- gegangen waren, aß der Koͤnig noch allein dar- aus, und es wußte kein Mensch im ganzen Reich, was das fuͤr eine Speise war. Einer von den Dienern ward neugierig, was in der Schuͤssel seyn koͤnne, und wie ihm der Koͤnig einmal befohlen hatte, die Schuͤssel fortzutra- gen, konnt' er sich nicht mehr zuruͤckhalten, nahm sie mit auf seine Kammer und deckte sie auf. Und als er sie aufgedeckt hatte, da lag eine weiße Schlange darin, wie er die ansah, bekam er auch Lust davon zu essen und schnitt sich ein Stuͤck ab und aß es. Kaum aber hat- te das Schlangenfleisch seine Lippen beruͤhrt, so verstand er die Thiersprache, und hoͤrte, was die Voͤgel vor dem Fenster zu einander sagten. Denselben Tag kam der Koͤnigin einer ih- rer schoͤnsten Ringe fort, und der Verdacht fiel auf ihn, der Koͤnig sagte auch, wenn er nicht bis Morgen den Dieb schaffe, solle er bestraft werden, als waͤre ers gewesen. Der Diener ward traurig und ging herab auf des Koͤnigs Hof. Da saßen die Enten am Wasser und ruhten sich, und als er die so betrachtete, da hoͤrte er eine sprechen: „es liegt mir so schwer im Magen, ich habe einen Ring gefressen, den die Koͤnigin verloren hat.“ Er nahm die En- te und trug sie zum Koch: „schlacht doch die, sie ist so fett,“ und als der Koch ihr den Hals abgeschnitten, und sie ausnahm, da lag der Koͤnigin Ring ihr im Magen. Der Diener brachte ihn dem Koͤnig, der erstaunte und war froh, und weil es ihm leid war, daß er ihm Unrecht gethan, sagte er: „fordre wornach du Lust hast, und was fuͤr eine Ehrenstelle du an meinem Hof haben willst.“ Der Diener aber, ob er gleich jung und schoͤn war, schlug alles aus, war traurig in seinem Herzen und wollte nicht laͤnger bleiben; er bat nur um ein Pferd und um Geld in die Welt zu ziehen: das ward ihm aufs beste gegeben. Am Am andern Morgen ritt er fort und kam an einen Teich, da hatten sich drei Fische im Rohr gefangen, die klagten, daß sie da sterben muͤßten, wenn sie nicht bald wieder ins Was- ser kaͤmen. Er stieg ab, nahm sie aus dem Rohr und trug sie ins Wasser: die Fische rie- fen: „wir wollen daran gedenken und dirs ver- gelten.“ Er ritt weiter, bald darauf hoͤrte er, wie ein Ameisenkoͤnig rief: „geh mit deinem großen Thier fort, das zertritt mit seinen brei- ten Fuͤßen uns alle miteinander.“ Er sah zur Erde, da hatte sein Pferd in einen Ameisen- haufen getreten; er lenkte es ab und der Amei- senkoͤnig rief ihm nach: „wir wollen daran ge- denken und dirs vergelten.“ Darauf kam er in einen Wald, da warfen die Raben ihre Jun- gen aus den Nestern, sie waͤren groß genug, sprachen sie, und koͤnnten sich selber ernaͤhren. Die Jungen lagen auf der Erde und schrieen, sie muͤßten Hungers sterben, ihre Fluͤgel waͤren noch zu klein, sie koͤnnten noch nicht fliegen und sich etwas suchen. Da stieg er vom Pferd ab, nahm seinen Degen und stach es todt und warfs den jungen Raben hin, die kamen bald herbeigehuͤpft und fraßen sich satt und sag- ten: „wir wollen daran gedenken und dirs ver- gelten.“ Er ging weiter und kam in eine große Stadt, da ward bekannt gemacht, wer die Prin- Kindermärchen. E zessin haben wolle, der solle ausfuͤhren, was sie ihm aufgeben werde, sey er hernach nicht im Stande, habe er sein Leben verloren. Es wa- ren aber schon viele Prinzen da gewesen, die waren alle dabei umgekommen, daß niemand sich mehr daran wagen wollte; da ließ es die Prinzessin von neuem bekannt machen. Der Juͤngling gedachte, er woll' es wagen und mel- dete sich als Freier. Da ward er hinaus ans Meer gefuͤhrt, und ein Ring hinabgeworfen, den sollt er wiederholen, und wenn er aus dem Wasser heraufkaͤme ohne den Ring, werde er wieder hineingestuͤrzt und muͤsse darin ster- ben. Wie er aber am Ufer stand, kamen die Fische, die er aus dem Rohr in das Wasser geworfen hatte, und der mittelste hatte eine Muschel im Munde, darin lag der Ring, die Muschel legte er zu seinen Fuͤßen an den Strand. Da war der Juͤngling froh, brachte dem Koͤnig den Ring und verlangte die Prin- zessin. Die Prinzessin aber, als sie hoͤrte, daß es kein Prinz sey, wollte ihn nicht, sie schuͤtte- te zehn Saͤcke Hirsen ins Gras: die solle er erst auflesen, daß kein Koͤrnchen fehle, ehe die Morgensonne aufgegangen. Da kam der Amei- senkoͤnig mit alle seinen Ameisen, die der Juͤng- ling geschont hatte und lasen in der Nacht al- len Hirsen auf, und trugen ihn in die Saͤcke, und vor Sonnenaufgang waren sie fertig. Wie die Prinzessin das sah, erstaunte sie, und der Juͤngling ward vor sie gebracht, und weil er schoͤn war, gefiel er ihr, aber sie verlangte noch zum dritten, er solle ihr einen Apfel vom Baum des Lebens schaffen. Als er stand und daruͤber nachdachte, wie er dazu gelangen koͤn- ne, da kam einer von den Raben, die er mit seinem Pferd gefuͤttert, und brachte den Apfel in dem Schnabel. Da ward er der Gemahl der Prinzessin und, als ihr Vater starb, Koͤnig uͤber das ganze Land. 18. Strohhalm, Kohle und Bohne auf der Reise . Ein Strohhalm, eine Kohle und eine Boh- ne schlugen sich zusammen, und wollten ge- meinschaftlich eine große Reise machen. Sie waren schon durch viele Laͤnder gezogen, da kamen sie an einen Bach ohne Bruͤcke und konnten nicht hinuͤber. Endlich wußte Stroh- halm guten Rath, er legte sich quer uͤber und die andern sollten uͤber ihn hingehen, erst Koh- le, dann Bohne. Kohle ging breit und lang- sam darauf, Bohne trippelte nach. Wie aber die Kohle mitten auf den Strohhalm kam, fing der an zu brennen, und brannte durch, Kohle fiel zischend ins Wasser und starb, Strohhalm E 2 floß in zwei Theile zerstuͤckt fort, Bohne, die noch etwas zuruͤck war, rutschte auch nach, und fiel hinunter, half sich aber ein bischen mit Schwimmen. Sie mußte doch endlich so viel Wasser trinken, daß sie zerplatzte, und ward in diesem Zustand ans Ufer getrieben. Zum Gluͤck saß da ein Schneider, der auf seiner Wander- schaft ausruhte, weil er nun Nadel und Zwirn bei der Hand hatte, naͤhte er sie wieder zusam- men; seit der Zeit aber haben alle Bohnen ei- ne Naht. Nach einer andern Erzaͤhlung ging die Bohne zuerst uͤber den Strohhalm, kam gluͤck- lich hinuͤber und sah auf dem gegenseitigen Ufer der Kohle zu wie die heruͤberzog. Mitten auf dem Wasser brannte sie den Strohhalm durch, fiel hinab und zischte. Wie das die Bohne sah, lachte sie so stark, daß sie platzte. Der Schneider am Ufer naͤhte sie wieder zu, hatte aber gerade nur schwarzen Zwirn, daher alle Bohnen eine schwarze Naht haben. 19. Von den Fischer und siine Fru . Daar was mal eens een Fischer un siine Fru, de waanten tosamen in'n Pispott, dicht an de See — un de Fischer ging alle Dage hen un angelt, un ging he hen lange Tid. Daar satt he eens an de See bi de Angel un sach in dat blanke Water, un he sach uͤm- mer na de Angel — daar ging de Angel to Grun'n, deep unner, un as he se heruttreckt so haalt he eenen groten Butt herut — de Butt sed' to em: „ick bidd di, dat du mi lewen lettst, ick bin keen rechte Butt, ick bin een verwuͤnscht' Prins, sett mi wedder in dat Water un laat mi swemmen“ — Nu, sed' de Mann, du bruukst mich so veele Woord' to maken, eenen Butt, de spreken kan, hadd ick doch woll swemmen laten. Daar sett't he en wedder in dat Water, un de Butt ging fuurts weg to Grun'n un leet eenen langen Stripen Bloot hinne sich. De Mann averst ging to siine Fru in'n Pispott un vertellt eer, dat he eenen Butt fangen hadd, de hadd to em segt, he weer een verwuͤnscht' Prins, doon hadd he em wedder swemmen laten. „Hest du di den nix wuͤnscht?“ sed' de Fru. — „Nee! sed de Mann, wat sull ick mi wuͤnschen?“ — „Ach! sed' de Fru, dat is doch oͤvel, uͤmmer in'n Pispott to wanen, dat is so stinkig un dreckig hier, ga du noch hen un wuͤnsch uns ne luͤtte Huͤtt!“ den Mann was dat nich so recht, doch ging he hen na de See, un as he hen kamm, so was de See gans geel un groͤn, da ging he an dat Water staan, un sed: „Mandje! Mandje! Timpe Te! Buttje! Buttje in de See! Mine Fru, de Ilsebill, Will nich so, as ick wol will.“ Daar kam de Butt answemmen un sed': „na wat will se denn?“ — „Ach! sed' de Mann, ick hev di doch fangen haͤtt, nu sed' mine Fru, ick hadd mi doch wat wuͤnschen sullt, se mag nich meer in Pispott wanen, se wull geern ne Huͤtt hebben.“ — „Ga man hen, sed de Butt, se is all daar in.“ — Daar ging de Mann hen, und siine Fru stund in eene Huͤtt in de Doͤoͤr, un sed to em: „kumm man herin; suͤ, nu is dat doch veel be- ter!“ Un daar was eene Stuwe un Kamer un eene Koͤck daar in, un da achter was een luͤtte Gaarn mit allerhand Groͤnigkeiten un een Hoff, da weeren Hoͤner und Aanten. „Ach, sed de Mann, nu willn wi vergnoͤgt lewen“ — „Ja, sed de Fru, wi willnt versoͤken.“ So ging dat nu wol een acht oder veer- tein Daag, daar sed' de Fru: „Mann! de Huͤtt wart mi to eng, de Hoff un Gaarn is to luͤtt, ick will in een grot steenern Slott wa- nen; ga hen tum Butt, he sall uns een Slott schaffen.“ — „Ach Fru, sed de Mann, de Butt hett uns eerst de Huͤtt gewen, ick mag nu nich all wedder kamen, den Butt muͤgt et verdree- ten.“ — J watt, sed de Fru, he kann dat recht good, un deet dat geern, ga du man hen!“ Daar ging der Mann hen un siin Hart was em so swar; as he awerst bi de See kam, was dat Water gans vigelett un grag un dunkel- blag, doch was't noch still, dar ging he staan un sed: „Mandje! Mandje! Timpe Te! Buttje, Buttje in de See! Mine Fru, de Ilsebill, Will nich so, as ick wol will.“ „Na! wat will se denn?“ sed de Butt. — Ach, sed de Mann, gans bedroͤvd, mine Fru will in een stenern Slott wanen.“ — „Ga man hen, se steit voͤr de Doͤoͤr“ sed de Butt. Daar ging de Mann hen un siine Fru stund voͤr eenen groten Pallast. „Suͤ Mann, sed se, wat is dat nu schoͤn!“ Mit des gin- gen se tosamen herin, daar weeren so veel Be- deenters, un de Waͤnde weeren all blank, un goldne Stoͤoͤl un Dische weeren in de Stuw, un achter dat Slott was een Gaarn un Holt, woll eene halve Miil lang, daar in weren Hir- sche, Reeh un Hasen, un up den Hoff Koͤh- un Peerdstaͤll. „Ach! sed de Mann, nu willn wi ook in dat schoͤne Slott bliwen, un tofre- den sin!“ — „Dat willn wi uns bedenken, sed de Fru, un willn't beschlapen.“ Mit des gin- gen se to Bed. Den annern Morgen waakt de Fru up, dat was all Dag: da stoͤdd' se den Mann mit den Ellbagen in de Siid, un sed: „Mann stah up, wi moͤten Koͤnig warden oͤver all dat Land.“ — „Ach! Fru, sed de Mann, wat wulln wi Koͤnig warden, ick mag nich Koͤnig sin;“ na denn will ick Koͤnig sin. — „Ach! Fru, sed de Mann, wo kannst du Koͤnig sin, de Butt muͤgt dat nich doon“ — „Mann, sed de Fru, ga stracks hen, ick moͤt Koͤnig sin.“ Daar ging de Mann un was gans bedroͤvd, dat sin Fru Koͤnig warden wull. Un as he an de See kamm, was se all gans swartgrag un dat Water geert so van unner up. Daar ging he staan un sed: „Mandje! Mandje! Timpe Te! Buttje, Buttje in de See! Mine Fru, de Ilsebill, Will nich so, as ick wol will.“ „Na wat will se denn?“ sed de Butt. — „Ach! sed de Mann, mine Fru will Koͤnig warden“ — „Ga man hen, se is't all,“ sed de Butt. Daar ging de Mann hen, un as he na den Pallast kamm, da weren daar so veele Sol- daten un Pauken un Trumpeten, un siine Fru satt up eenen hogen Troon van Gold un De- mant un had eene grote goldne Kroon up un up beiden Siiden bi eer daar stunden soͤs Jum- fern, uͤmmer eene eenen Kops luͤtjer as de ann- re. „Ach, sed de Mann, bist du nu Koͤnig?“ — „Ja, sed se, ick bin Koͤnig.“ Un as he eer so ne Wile anseen had, so sed he: „ach Fru! wat lett dat schoͤn, wenn du Koͤnig bist, nu willn wi ook nich meer wuͤnschen.“ — „Nee Mann, sed se, mi duurt dat all to lang, ick kan dat nich meer uthollen, Koͤnig bin ick, nu moͤt ick ook Kaiser warden!“ — „Ach! Fru, sed de Mann, wat wullst du Kaiser warden?“ — „Mann, sed se, ga tum Butt, ick wull Kaiser sin“ — „Ach Fru, sed de Mann, Kaiser kan he nich maken, ick mag den Butt dat nicht seg- gen.“ — „Ick bin Koͤnig, sed de Fru, un du bist min Mann, ga gliik hen!“ Da ging de Mann weg, un as he so ging, dacht he: „dit geit un geit nich good, Kaiser is to utver- schamt, de Butt ward am Ende moͤde.“ Mit des kamm he an de See, dat Water was gans swart un dick, un et ging so een Keekwind aͤver hen, dat dat sik so koͤret; daar ging he staan un sed: „Mandje! Mandje! Timpe Te! Buttje, Buttje in de See! Mine Fru, de Ilsebill, Will nich so, as ick wol will.“ „Na wat will se denn?“ sed de Butt. — „Ach, sed he, min Fru will Kaiser warden.“ — „Ga man hen, sed de Butt, se is't all.“ Daar ging de Mann hen, un as he daar- kamm, so satt siine Fru up eenen seer hogen Troon, de was van een Stuͤck Gold, un had eene grote Kroon up, de was wol twee Ellen hoch, bi eer up de Siiden dar stunnen de Tra- banten, uͤmmer een luͤttjer as de anner, von den allergroͤtsten Risen, bett to den luͤttsten Dwark, de was man so lang, as miin luͤttje Finger. Vor eer dar stunden so veele Fuͤrsten un Graven, da ging de Mann unner staan, un sed: „Fru! bist du nu Kaiser?“ — Ga sed se, ick bin Kaiser.“ — „Ach! sed de Mann, un sach se so recht an, Fru wat lett dat schoͤn, wenn du Kaiser bist.“ — „Mann, sed se, wat steist du daar, ick bin nu Kaiser, nu will ick aͤwerst ook Papst warden.“ — „Ach! Fru, sed de Mann, wat wist du Pabst warden, Pabst is man eenmal in de Christenheit.“ — „Mann, sed se, ick moͤt huͤuͤt noch Pabst war- den.“ — „Ne Fru, sed he, to Pabst kan de Butt nich maaken, dat geit nich good.“ — „Mann, wat Snak, kan he Kaiser maken, kan he ook Pabst maken, ga fuurts hen!“ Daar ging de Mann hen, un em was gans flau, dee Knee un de Waden slakkerten em, un bu- ten ging de Wind, un dat Water was, as kaakt dat, de Schep schoten in de Noot un dans- ten un sprungen up de Buͤlgen, doch was de Himmel in de Midde noch so'n beeten blag, awerst an de Siden, daar toog dat so recht rood up as een swaar Gewitter. Dar ging he recht voͤrzufft staan un sed: „Mandje! Mandje! Timpe Te! Buttje, Buttje in de See! Mine Fru, de Ilsebill, Will nich so, as ick wol will.“ „Na, wat will se denn?“ sed de Butt. — „Ach! sed de Mann, miin Fru will Pabst warden.“ — „Ga man hen, sed de Butt, se is't all.“ Daar ging he hen, un as he daar kamm, satt sine Fru up eenen Tron, de was twee Mil' hoch, un had dree groote Kroonen up, un um eer da was so veel van geistlike Staat, un up de Siden bi eer, daar stunden twee Reegen Lich- ter, dat groͤtste so dick un groot as de aller groͤt- ste Torm, bet to dat alle luͤttste Koͤken-Licht. „Fru, sed de Mann, un sach se so recht an, bist du nu Pabst?“ — „Ja, sed se, ick bin Pabst!“ — „Ach! Fru, sed de Mann, wat lett dat schoͤn, wenn du Pabst bist; Fru, nu wes tofreden, nu du Pabst bist, kanst du nix meer warden.“ — „Dat will ick mi bedenken, sed de Fru, daar gingen see beede to Bed, awerst se was nich tofreden un de Girigkeit leet eer nich slapen, se dacht uͤmmer, wat se noch wol warden wull. Mit des ging de Suͤnn up; ha, dacht se, as se se ut den Finster so herup ka- men sach, kann ick nich ook de Suͤnn upgaan laten? daar wurd se recht so grimmig, un stoͤdd eeren Mann an: „Mann ga hen tum Butt, ick will warden, as de lewe Gott!“ de Mann was noch meist im Slaap, averst he verschrack sich so, dat he ut den Bed feel. „Ach! Fru, sed he, gaa in di un bliw Pabst.“ — „Ne, sed de Fru, un reet sich dat Liivken up, ick bin nich ruhig, un kan dat nich uthollen, wenn ick de Suͤnn un de Maan upgaan see, un kan se nich ook upgaan laten, ick moͤt warden, as de lewe Gott!“ — „Ach Fru, sed de Mann, dat kan de Butt nich, Kaiser un Pabst kan he maken, awerst dat kan he nich.“ — „Mann, sed se, un sach so recht graͤsig ut, ick will war- den as de lewe Gott, gaa gliik hen to'm Butt.“ Dat fuur den Mann so doͤrch de Gleder, dat he bewt voͤr Angst; buten awer ging de Storm, dat alle Boͤme un Felsen umweigten un de Himmel was gans swart, un dat dunnert un blitzt; daar sach man in de See so swarte hoge Buͤlgen as Barg' un hadden baben all eene witte Kroon van Schuum up, da sed he: „Mandje! Mandje! Timpe Te! Buttje, Buttje in de See! Mine Fru de Ilsebill, Will nich so, as ick wol will.“ „Na wat will se den?“ sed de Butt. — „Ach! sed he, se will warden as de leve Gott.“ — „Gah man hen, se sitt all wedder in'n Piß- pott.“ Daar sitten se noch huͤt un dissen Dag. 20. Von einem tapfern Schneider . I. In einem Staͤdtlein Romandia war ein Schneider gesessen, welcher auf ein Zeit, als er gearbeitet, einen Apfel bei sich liegen gehabt, darauf viel Fliegen, wie dann Sommerszeiten gewoͤhnlich, gesessen; das thaͤt dem Schneider Zorn, nahm einen Fleck von Tuch und schlug auf den Apfel und erschlug der Fliegen sieben. Als solches der einfaͤltige Schneider gesehen, ge- dacht er bei sich selbst, sein Sach sollte gut wer- den, ließ sich bald einen sehr schoͤnen Harnisch machen und darauf mit goldenen Buchstaben schreiben: sieben auf einen Streich ge- schlagen ! zog mit seinem Harnisch auf der Gasse, wer ihn besahe, der meinte, er haͤtte sie- ben Menschen auf einen Streich zu todt geschla- gen; ward darnach von jedermann uͤbel gefuͤrch- tet. Nun war in derselben Gegend ein Koͤnig, dessen Lob weit und uͤberall erschallte, zu dem sich der faule Schneider fuͤgte, in den Hof trat, sich daselbst in das Gras niederlegte und schlief. Die Hofdiener, die aus- und eingingen, den Schneider in dem reichen Harnisch sahen und die Ueberschrift lasen, sich sehr verwunderten, was dieser streitbare Mann, jetzt, zur Zeit des Friedens, in des Koͤnigs Hof thun wollt'; sie gedachten, ohn Zweifel sey es ein großer Herr. Die Herren Raͤthe, so ihn gleichfalls gesehen, koͤnigl. Majestaͤt solches zu wissen thaͤten mit Anzeigung, daß, wo sich Zwiespalt begebe, er ein sehr nuͤtzlicher Mann waͤre. Dem Koͤnig die Reden wohl gefielen, bald nach dem geharnisch- ten Schneider schickte, ihn, ob er Dienst begeh- ret, fragte; dem der Schneider bald antwortete, er darum allher kommen waͤre, und baͤte koͤnig- liche Majestaͤt, wo sie ihn zu brauchen haͤtte, allergnaͤdigst Dienst mitzutheilen. Der Koͤnig ihm bald Dienst zusagte und ihm ein besonder Losament verordnete. Nun es stund nicht lange Zeit, die Reuter wurden dem guten Schneider gram, haͤtten gewollt, daß er beim Teufel waͤr, denn sie geforcht, wo sie mit ihm sollten uneins werden, moͤgten sie ihm keinen Widerstand thun, wann er allwegen sieben auf einen Streich zu todt schlagen wuͤrde; stets gedachten, wie sie doch von dem Kriegsmann kommen moͤgten, doch letzt- lich zu Rath wurden und mit einander uͤberein kamen, all miteinander vor den Koͤnig zu tre- ten und um Urlaub zu bitten, welches auch ge- schahe. Der Koͤnig, als er sahe alle seine Die- ner um eines Mannes willen Urlaub nehmen, ein traurigerer Mann er nie ward, haͤt gewollt, er haͤtt den Kriegsmann nie gesehen, durft ihm doch nicht Urlaub geben, dann er forchte, er sammt allem seinen Volk zu todt geschlagen und hernach sein Reich von dem Krieger besessen werde. Such- te Rath und nach langem Hin- und Hergedenken letztlich einen Sinn erfande, vermeinte dadurch des Kriegsmannes (den niemand fuͤr einen Schnei- der schaͤtzte), abzukommen, nach ihm schickte, ihm vorhielt, wie er wohl vernommen, daß er ein gewaltiger starker Kriegsmann waͤre, nun haͤtt er zwei Riesen im Wald, die ihm außer- maßen groß Schaden thaͤten mit rauben, mor- den, brennen, einem und dem andern, und man koͤnnte ihnen weder mit Waffen noch andern Din- gen zukommen, denn sie erschluͤgen alles; und so er sich unterstehn wollt, die Riesen umzubrin- gen und braͤchte sie um, so wollt' er ihm seine Tochter zu einem Weib und sein halb Koͤnig- reich zu einer Ehsteuer geben, wollt ihm auch hundert Reuter zu Hilf wider die Riesen geben. Der Schneider war wohl zu Muth, daß er sollt eines Koͤnigs Tochtermann werden, sprach, er wollt gern die Riesen umbringen, und wohl ohne Hilf der Reuter sie zu toͤdten wisse. Demnaͤchst zu Wald sich verfuͤgte, die Reuter vor dem Wald warten hieß, hineintrat, von weitem lugte, ob er die Riesen irgend sehen moͤgte, doch nach lan- gem Suchen sie unter einem Baum schlafend fand und schnarchelten, daß die Aest an den Baͤumen sich bogen. Der Schneider sich nicht lange besann, was ihm zu thun waͤre, schnell sein Busen voll Stein lase, auf den Baum, darunter sie lagen, stiege, anfing den einen mit dem Stein auf seine Brust zu werfen, davon er alsbald erwachte, uͤber den andern zuͤrnen ward, und sagte, warum er ihn schluͤg? der an- dere aber entschuldigte sich so best' er mogte; in- dem sie wieder schlafen wollten, der Schneider wieder einen Stein faßte und den andern warf, darvon er uͤber sein Mitgesellen zuͤrnen ward und sagte, warum er ihn werfe? Als sie aber von solchem Zanken ließen und ihnen die Au- gen zugangen waren, der Schneider gar heftig auf den ersten warf, daß der Riese nicht mehr vertragen mogte, seinen Gesellen heftig schluge (dann er vermeinte, er waͤre von ihm geschla- gen), welches der andere auch nicht leiden wollt', aufstunden, Baͤum ausrissen und einander selb zu todt schlugen, doch zu allem Gluͤck den Baum, darauf der Schneider saß, stehen ließen. Als solches der Schneider sahe, baß zu Muth ward, dann er nie gewesen war, froͤhlichen ab dem Baum stiege, jeglichem mit seinem Schwert ein Wunden oder etlich schlug und wieder aus dem Wald zu den Reutern ging. Die Reuter ihn fragten, ob er die Riesen nirgends gesehen haͤt- te? „ja, sagte der Schneider, ich hab sie zu todt geschlagen und unter dem Baum liegen lassen.“ lassen.“ Sie wolltens aber nicht glauben, daß er also unverletzt sollt' von den Riesen kom- men, sondern ritten in den Wald, dies Wun- der zu besichtigen, und fandens also, wie ihnen der Schneider gesagt hatte. Darob sie sich sehr verwunderten, großen Schrecken empfingen und noch uͤbler zu Muth waren, dann vor, dann sie mehr forchten, er wuͤrd sie, wo er ihnen Feind waͤr' all umbringen, ritten also heim und sag- ten dem Koͤnig die That an. Der Schneider begerte die Tochter mit sammt dem halben Koͤ- nigreich; der Koͤnig, als er sahe die Riesen er- wuͤrgt, deswegen er seine Tochter dem unbekann- ten Krieger sollt zur Eh geben, war ihn seines Verheißens sehr gereuen, gedacht, wie er doch sein mit Fuͤgen moͤgt abkommen, dann er ihm die Tochter zu geben keineswegs gesinnet. Dem Schneider noch einmal sagte, wie er ein Ein- horn im Walde haͤtte, das ihm so sehr großen Schaden an Fisch und Leut thaͤt, wenn er das- selbige fing, wollt er ihm die Tochter geben. Der Schneider war dessen wohl zufrieden, nahm ein Stricklein, ging zum Wald, befahl seinen Zugeordneten, heraußen zu warten, er wollt al- lein hinein, spazierte also im Walde umher. Indem ersah er das Einhorn gegen ihn daher springen, der Meinung ihn umzubringen; der Schneider aber war nicht unbehend, wartete bis das Einhorn gar nahe zu ihm kam, und als es Kindermärchen. F nahe bei ihm war, stellte er sich hinter den Baum dabei er zu allernaͤchst war; das Einhorn aber, so sich in vollem Lauf nicht wenden konnt, mit dem Horn in den Baum lief und also darin un- verwendt stecken blieb. Als solches der Schnei- der sah, herzuginge, dem Einhorn den Strick, so er mit sich genommen haͤtt, um den Hals thaͤt und an den Baum bande, hinaus zu seinen Ge- sellen ging, ihnen seinen Sieg uͤber das Ein- horn anzeigt, solches hernach dem Koͤnig zu wis- sen thaͤt, welcher außer der Maßen traurig war, nicht wußt, wie ihm zu thun waͤre, dann der Schneider der Tochter begert. Doch begert der Koͤnig noch einmal an den Kriegsmann, er sollt ihm das wilde Schwein, so im Wald liefe, fa- hen, hernach wollt er ihm die Tochter ohne al- len Verzug geben, wollt' ihm auch seine Jaͤger zuordnen, die ihm helfen sollten das Wildschwein fahen. Der Schneider zog mit seinen Gesellen zum Wald, wie sie dazu kamen, befahl er ih- nen heraußer zu bleiben, daß sie gar wohl zu- frieden waren, denn das Schwein sie dermaßen oft empfangen, daß sie ihm nicht mehr begerten nachzustellen, dankten ihm fleißig. Der Schnei- der trat hinein, und als ihn das Schwein er- sahe, lief es gleich auf ihn mit schaumendem Mund und wetzenden Zaͤhnen und wollt' ihn zur Erde werfen. Zu allem Gluͤck aber stunde eine Capelle in dem Wald, darin man vor Zei- ten Ablaß geholt, darbei eben der Schneider war, und als der Schneider solches ersahe, zu- naͤchst in die Capelle lief, oben zum Fenster wie- der hinaussprang, dem die Sau alsbald nach- folgte und in dem Capellein stand; der Schnei- der aber lief gleich zu der Thuͤre, schlug die zu und versperrte das Gewild im Kirchlein. Dem- naͤchst er hinging und seinen Gesellen solches an- zeigt, die mit einander heim ritten und es dem Koͤnig anzeigten. Ob der Koͤnig solcher Maͤhr froh oder traurig gewesen, mag ein jeglichs ge- ring verstaͤndig leichtlich abnehmen, dann er sein Tochter dem Schneider hat geben muͤssen; zwei- felt mir aber gar nicht, haͤtt' er gewußt, daß er ein Schneider waͤre, er haͤtt' ihm eh' einen Strick gegeben, als seine Tochter. Nun der Koͤnig mußt seine Tochter einem Unbekannten geben, nicht mit kleiner Bekuͤmmerniß; darnach aber der gut Schneider wenig fragt, er allein ge- dacht, wie er des Koͤnigs Tochtermann werden moͤge. Also war die Hochzeit mit kleinen Freu- den vollbracht und aus einem Schneider ein Koͤ- nig gemacht. Nun als er etliche Naͤcht bei sei- ner Braut gelegen, hat er im Schlaf geredet und gesagt: „Knecht, mach mir das Wamms, flick mir die Hosen, oder ich will dir das Ehl- maß uͤber die Ohren schlagen.“ Welches die gut Jungfrau wahr genommen hat, solches ihrem Herrn Vater, dem Koͤnig, anzeigte, ihn darbei F 2 auch bat, er sollt' sie des Mannes abhelfen, dann sie wohl merke, daß er ein Schneider waͤre. Solche Red dem Koͤnig sein Herz durchschnit- ten, daß er seine einzige Tochter einem Schnei- der gegeben haͤtte: doch troͤstete er sie aufs beste und sagte, sie sollt die zukuͤnftig Nacht die Kam- mer oͤffnen, so wollt' er etliche Diener vor die Kammer stellen, und wann er mehr also sagt, muͤßten sie hineingehen: solches der Frauen Ge- fallen war. Nun haͤtt der Koͤnig am Hof einen Waffentraͤger, der dem Schneider hold war und des Koͤnigs Red zu der Frauen gehoͤrt hatte, sich schnell zum jungen Koͤnig fuͤgte, und ihm das schwere Urtheil, so uͤber ihn gegangen, er- oͤffnete mit Bitten, er wolle sich so best er moͤgt, verwahren. Der Schneider sagt ihm seines War- nens großen Dank: er wuͤßte dieser Sachen wohl zu thun. Wie nun die Nacht kommen war, der Schneider sich mit der jungen Koͤnigin legte nicht anders thaͤte, als ob er schlief, die Frau aber stund heimlich auf, oͤffnete die Kammer und legte sich wieder zu Bett. Der Schneider, der solches al- les gehoͤrt, fing an zu reden, gleich als im Schlaf mit heller Stimm, daß die vor der Kammer wohl hoͤren moͤgten: „Knecht, mach mir die Hosen, bletz mir das Wammes, oder ich will dir das Ehlmaß uͤber die Ohren schlagen, ich hab sieben auf ein Strich zu todt geschlagen, ich hab ein Einhorn sammt einer wilden Sau gefangen, sollt' ich dann die vor der Kammer fuͤrchten?“ Die vor der Kammer, als sie solche Wort vernom- men, nicht anderst flohen, oder als jagten sie tausend Teufel, und keiner wollt' seyn, der sich an den Schneider richten wollt', also blieb der Schneider sein Lebtag ein Koͤnig. II. An einem Sommermorgen saß ein Schnei- derlein auf seinem Tisch vor dem Fenster, da kam eine Bauersfrau der Straße daher und rief: „gut Mus feil! gut Mus feil!“ — da streckte das Schneiderlein seinen Kopf zum Fen- ster hinaus und rief: „Hier herauf, liebe Frau, ihr macht einen guten Kauf.“ Als die Frau hinauf kam, besah es alle Toͤpfe, zuletzt kauft' es sich ein Viertelpfund. Darnach schnitt es ein Stuͤck Brot uͤber den ganzen Laib, schmierte das Mus darauf, legte es neben sich auf den Tisch und gedacht, du wirst gut schmecken, aber erst will ich das eine Camisol fertig machen, eh ich dich esse; fing an zu naͤhen und machte große Stiche vor Freuden. Indeß ging der Geruch von dem Mus auf und zu den Fliegen, da ka- men sie in Menge und setzten sich auf sein Mus- brot. „Wer hat euch zu Gast gebeten,“ sagte es und jagte sie fort; es dauerte aber nicht lan- ge, so kamen sie von neuem und ließen sich noch zahlreicher auf das Musbrot nieder. Mein Schnei- derlein ward boͤs, ergriff einen großen Tuchlap- pen und: „euch will ichs geben“ schlug es drauf. Darnach zog es ab und zaͤhlte, wie viel es ge- troffen, da lagen neun und zwanzig todt vor ihm. „Bist du so ein Kerl!“ sprach es und verwundert sich uͤber sich selbst und in der Freu- de seines Herzens naͤhte es sich einen Guͤrtel und stickte darauf: 29 auf einen Streich ! „Du mußt in die Welt hinein!“ dacht das Schneiderlein, band sich den Guͤrtel um den Leib und sucht' im Haus, ob nichts da waͤr zum mitnehmen, da fand es einen alten Kaͤs, den steckt' es in die Tasche, unterwegs fing es einen Vogel, der mußte auch hinein. Das Schneider- lein stieg auf einen hohen Berg, wie es oben hin kam, saß da auf der Spitze ein großer Riese, zu dem sprach es: „Cammerad, wie gehts, ihr seht euch wohl hier oben in der Welt um, ich will mich auch hinein begeben.“ Der Riese aber blickte ihn veraͤchtlich an und sprach: „du bist ein miserabeler Kerl.“ Das Schneiderlein knoͤpf- te seinen Rock auf, zeigte dem Riesen den Guͤr- tel: „da kannst du sehen, was du fuͤr einen Mann vor dir hast.“ Der Riese las die Worte: 29 auf einen Streich! und weil er meinte 29 Menschen auf einen Streich erschlagen, fing er an Respect vor dem Schneiderlein zu kriegen, doch wollt er es erst pruͤfen. Da nahm er ei- nen Stein und druͤckte ihn so stark, daß das Wasser herauslief: „so stark bist du doch nicht.“ — „Wenns weiter nichts ist, sagte das Schneider- lein, das kann ich auch.“ Darauf griff es in die Tasche, holte den faulen Kaͤs und druͤckte ihn, daß der Saft heraus lief: „gelt! das war noch besser.“ Der Riese verwunderte sich, nahm einen Stein und warf ihn so hoch, daß man ihn kaum mehr sehen konnte: „das mach mir nach.“ — „Der Wurf war gut, sagte das Schneiderlein, doch hat dein Stein wieder zur Erde fallen muͤssen, ich aber will dir einen wer- fen, der soll gar nicht wiederkommen.“ Da nahm es den Vogel aus der Tasche und warf ihn in die Luft und der Vogel flog ganz fort: „wie gefaͤllt dir das!“ der Riese erstaunte, schlug sich zu ihm und sie gingen zusammen weiter. Da kamen sie an einen Kirschbaum, der Riese nahm die Krone und bog sie herunter und gab sie dem Schneiderlein, daß es auch davon essen koͤnnte. Das Schneiderlein aber war zu schwach und konnte der Staͤrke des Baums nicht wider- stehen und ward mit in die Hoͤhe geschnellt. „Was ist das, sagte der Riese, hast du die schwache Gerte nicht halten koͤnnen!“ — „Das ist ja nichts, antwortete das Schneiderlein dazu, fuͤr einen der 29 auf einen Streich getroffen hat: weißt du, warum ich es gethan habe? da unten da schießen die Jaͤger in das Gebuͤsch, da bin ich flugs uͤber den Baum hinuͤber gesprungen, das thust du mir nicht nach.“ Der Riese glaub- te nun es uͤbertraͤf niemand auf der Welt das Schneiderlein an Staͤrke und Klugheit. (Das weitere fehlt.) 21. Aschenputtel . Es war einmal ein reicher Mann, der leb- te lange Zeit vergnuͤgt mit seiner Frau, und sie hatten ein einziges Toͤchterlein zusammen. Da ward die Frau krank, und als sie todtkrank ward, rief sie ihre Tochter und sagte: „liebes Kind, ich muß dich verlassen, aber wenn ich oben im Himmel bin, will ich auf dich herab sehen, pflanz ein Baͤumlein auf mein Grab, und wenn du etwas wuͤnschest, schuͤttele dar- an, so sollst du es haben, und wenn du sonst in Noth bist, so will ich dir Huͤlfe schicken, nur bleib fromm und gut.“ Nachdem sie das gesagt, that sie die Augen zu und starb; das Kind aber weinte und pflanzte ein Baͤumlein auf das Grab und brauchte kein Wasser hin zu tragen, und es zu begießen, denn es war ge- nug mit seinen Thraͤnen. Der Schnee deckte ein weiß Tuͤchlein auf der Mutter Grab, und als die Sonne es wie- der weggezogen hatte, und das Baͤumlein zum zweitenmal gruͤn geworden war, da nahm sich der Mann eine andere Frau. Die Stiefmut- ter aber hatte schon zwei Toͤchter, von ihrem ersten Mann, die waren von Angesicht schoͤn, von Herzen aber stolz und hoffaͤhrtig und boͤs. Wie nun die Hochzeit gewesen, und alle drei in das Haus gefahren kamen, da ging schlim- me Zeit fuͤr das arme Kind an. „Was macht der garstige Unnuͤtz in den Stuben, sagte die Stiefmutter, fort mit ihr in die Kuͤche, wenn sie Brod essen will, muß sies erst verdient ha- ben, sie kann unsere Magd seyn.“ Da nah- men ihm die Stiefschwestern die Kleider weg, und zogen ihm einen alten grauen Rock an: „der ist gut fuͤr dich!“ sagten sie, lachten es aus und fuͤhrten es in die Kuͤche. Da mußte das arme Kind so schwere Arbeit thun: fruͤh vor Tag aufstehen, Wasser tragen, Feuer an- machen, kochen und waschen und die Stief- schwestern thaten ihm noch alles gebrannte Her- zeleid an, spotteten es, schuͤtteten ihm Erbsen und Linsen in die Asche, da mußte es den gan- zen Tag sitzen und sie wieder auslesen. Wenn es muͤd war Abends kam es in kein Bett, son- dern mußte sich neben dem Heerd in die Asche legen. Und weil es da immer in Asche und Staub herumwuͤhlte und schmutzig aussah, ga- ben sie ihm den Namen Aschenputtel . Auf eine Zeit stellte der Koͤnig einen Ball an, der sollte in aller Pracht drei Tage dauern, und sein Sohn, der Prinz, sollte sich eine Ge- mahlin aussuchen; dazu wurden die zwei stol- zen Schwestern auch eingeladen. „Aschenput- tel riefen sie, komm herauf, kaͤmme uns die Haare, buͤrst uns die Schuhe und schnalle sie fest, wir gehen auf den Ball zu dem Prinzen.“ Aschenputtel gab sich alle Muͤhe und putzte sie so gut es konnte, sie gaben ihm aber nur Scheltworte dazwischen, und als sie fertig wa- ren, fragten sie spoͤttisch: „Aschenputtel, du gingst wohl gern mit auf den Ball?“ — „Ach ja, wie kann ich aber hingehen, ich habe keine Kleider.“ — „Nein, sagte die aͤlteste, das waͤr mir recht, daß du dich dort sehen ließest, wir muͤßten uns schaͤmen, wenn die Leute hoͤrten, daß du unsere Schwester waͤrest; du gehoͤrst in die Kuͤche, da hast du eine Schuͤssel voll Linsen, wann wir wieder kommen muß sie gelesen seyn, und huͤt dich, daß keine boͤse darunter ist, sonst hast du nichts Gutes zu erwarten.“ Damit gingen sie fort, und Aschenputtel stand und sah ihnen nach, und als es nichts mehr sehen konnte, ging es traurig in die Kuͤ- che, und schuͤttete die Linsen auf den Heerd, da war es ein großer, großer Haufen. „Ach, sagte es und seufzte dabei, da muß ich dran lesen bis Mitternacht und darf die Augen nicht zufallen lassen, und wenn sie mir noch so weh thun, wenn das meine Mutter wuͤßte!“ Da kniete es sich vor den Heerd in die Asche und wollte anfangen zu lesen, indem flogen zwei weiße Tauben durchs Fenster und setzten sich neben die Linsen auf den Heerd; sie nickten mit den Koͤpfchen und sagten: „Aschenputtel, sollen wir dir helfen Linsen lesen? „Ja, ant- wortete Aschenputtel: die schlechten ins Kroͤpfchen, die guten ins Toͤpfchen.“ Und pick, pick! pick, pick! fingen sie an und fraßen die schlechten weg und ließen die guten liegen. Und in einer Viertelstunde waren die Linsen so rein, daß auch nicht eine falsche dar- unter war, und Aschenputtel konnte sie alle ins Toͤpfchen streichen. Darauf aber sagten die Tauben: „Aschenputtel, willst du deine Schwe- stern mit dem Prinzen tanzen sehen, so steig auf den Taubenschlag.“ Aschenputtel ging ih- nen nach und stieg bis auf den letzten Leiter- sproß, da konnte es in den Saal sehen, und sah seine Schwestern mit dem Prinzen tanzen, und es flimmerte und glaͤnzte von viel tausend Lichtern vor seinen Augen. Und als es sich satt gesehen, stieg es wieder herab, und es war ihm schwer ums Herz, und legte sich in die Asche und schlief ein. Am andern Morgen kamen die zwei Schwe- stern in die Kuͤche, und als sie sahen, daß Aschenputtel die Linsen rein gelesen, waren sie boͤse, denn sie wollten es gern schelten, und da sie das nicht konnten, huben sie an von dem Ball zu erzaͤhlen und sagten: „Aschenputtel, das ist eine Lust gewesen, bei dem Tanz, der Prinz, der allerschoͤnste auf der Welt hat uns dazu gefuͤhrt, und eine von uns wird seine Ge- mahlin werden.“ — „Ja, sagte Aschenputtel, ich habe die Lichter flimmern sehen, das mag recht praͤchtig gewesen seyn.“ — „Ei! wie hast du das angefangen,“ fragte die aͤlteste. — „Ich hab' oben auf den Taubenstall gestan- den.“ — Wie sie das hoͤrte, trieb sie der Neid und sie befahl, daß der Taubenstall gleich sollte niedergerissen werden. Aschenputtel aber mußte sie wieder kaͤm- men und putzen; da sagte die juͤngste, die noch ein wenig Mitleid im Herzen hatte: „Aschen- puttel, wenns dunkel ist, kannst du hinzugehen und von außen durch die Fenster gucken!“ — „Nein, sagte die aͤlteste, das macht sie nur faul, da hast du einen Sack voll Wicken, Aschenputtel, da lese die guten und boͤsen aus- einander und sey fleißig, und wenn du sie mor- gen nicht rein hast, so schuͤtte ich dir sie in die Asche und du mußt hungern, bis du sie alle herausgesucht hast.“ Aschenputtel setzte sich betruͤbt auf den Heerd und schuͤttete die Wicken aus. Da flogen die Tauben wieder herein und thaten freund- lich: „Aschenputtel, sollen wir dir die Wicken lesen?“ „Ja, — die schlechten ins Kroͤpfchen, die guten ins Toͤpfchen.“ Pick, pick! pick, pick! gings so geschwind, als waͤren zwoͤlf Haͤnde da. Und als sie fertig wa- ren, sagten die Tauben: „Aschenputtel, willst du auch auf den Ball gehen und tanzen.“ — „O du mein Gott, sagte es, wie kann ich in meinen schmutzigen Kleidern hingehen?“ — „Geh zu dem Baͤumlein auf deiner Mutter Grab, schuͤttele daran und wuͤnsche dir schoͤne Kleider, komm aber vor Mitternacht wieder.“ — da ging Aschenputtel hinaus, schuͤttelte das Baͤumlein und sprach: „Baͤumlein ruͤttel und schuͤttel dich, wirf schoͤne Kleider herab fuͤr mich!“ Kaum hatte es das ausgesagt, da lag ein praͤch- tig silbern Kleid vor ihm, Perlen, seidene Struͤmpfe mit silbernen Zwickeln und silberne Pantoffel und was sonst dazu gehoͤrte. Aschen- puttel trug alles nach Haus, und als es sich gewaschen und angezogen hatte, da war es so schoͤn wie eine Rose, die der Thau gewaschen hat. Und wie es vor die Hausthuͤre kam, so stand da ein Wagen mit sechs federgeschmuͤck- ten Rappen und Bediente dabei in Blau und Silber, die hoben es hinein, und so gings im Gallop zu dem Schloß des Koͤnigs. Der Prinz aber sah den Wagen vor dem Thor halten, und meinte eine fremde Prinzes- sin kaͤme angefahren. Da ging er selbst die Treppe hinab, hob Aschenputtel hinaus und fuͤhrte es in den Saal. Und als da der Glanz der viel tausend Lichter auf es fiel, da war es so schoͤn, daß jedermann sich daruͤber verwun- derte, und die Schwestern standen auch da und aͤrgerten sich, daß jemand schoͤner war wie sie, aber sie dachten nimmermehr, daß das Aschen- puttel waͤre, das zu Haus in der Asche lag. Der Prinz aber tanzte mit Aschenputtel und ward ihm koͤnigliche Ehre angethan. Er ge- dachte auch bei sich: ich soll mir eine Braut aussuchen, da weiß ich mir keine als diese. Fuͤr so lange Zeit in Asche und Traurigkeit lebte Aschenputtel nun in Pracht und Freude; als aber Mitternacht kam, eh' es zwoͤlf geschla- gen, stand es auf, neigte sich und wie der Prinz bat und bat, so wollte es nicht laͤnger bleiben. Da fuͤhrte es der Prinz hinab, unten stand der Wagen und wartete, und so fuhr es fort in Pracht wie es gekommen war. Als Aschenputtel zu Haus war, ging es wieder zu dem Baͤumlein auf der Mutter Grab: „Baͤumlein ruͤttel dich und schuͤttel dich! nimm die Kleider wieder fuͤr dich!“ Da nahm der Baum die Kleider wieder, und Aschenputtel hatte sein altes Aschenkleid an, damit ging es zuruͤck, machte sich das Gesicht staubig und legte sich in die Asche schlafen. Am Morgen darauf kamen die Schwe- stern, sahen verdrießlich aus und schwiegen still. Aschenputtel sagte: „ihr habt wohl gestern Abend viel Freude gehabt“ — „Nein, es war eine Prinzessin da, mit der hat der Prinz fast immer getanzt, es hat sie aber niemand ge- kannt und niemand gewußt, woher sie gekom- men ist. — „Ist es vielleicht die gewesen, die in den praͤchtigen Wagen mit den sechs Rap- pen gefahren ist?“ sagte Aschenputtel. — „Wo- her weißt du das?“ — Ich stand in der Haus- thuͤre, da sah ich sie vorbeifahren.“ — „In Zukunft bleib bei deiner Arbeit, sagte die aͤlte- ste und sah Aschenputtel boͤse an, was brauchst du in der Hausthuͤre zu stehen.“ Aschenputtel mußte zum drittenmal die zwei Schwestern putzen, und zum Lohn gaben sie ihm eine Schuͤssel mit Erbsen, die sollte sie rein lesen; „und daß du dich nicht unterstehst von der Arbeit wegzugehen, rief die aͤlteste noch nach. Aschenputtel gedachte: wenn nur meine Tauben nicht ausbleiben, und das Herz schlug ihm ein wenig. Die Tauben aber ka- men wie an dem vorigen Abend und sagten: „Aschenputtel, sollen wir dir die Erbsen le- sen?“ — „Ja, die schlechten ins Kroͤpfchen, die guten ins Toͤpfchen.“ Die Tauben pickten wieder die boͤsen heraus, und waren bald damit fertig, dann sagten sie: „Aschenputtel, schuͤttele das Baͤumlein, das wird dir noch schoͤnere Kleider herunter werfen, geh auf den Ball, aber huͤte dich, daß du vor Mitternacht wieder kommst.“ Aschenputtel ging hin: „Baͤumlein ruͤttel dich und schuͤttel dich, wirf schoͤne Kleider herab fuͤr mich.“ Da fiel ein Kleid herab noch viel herrlicher und praͤchtiger als das vorige, ganz von Gold und Edelgesteinen, dabei goldgezwickelte Struͤmpfe und goldene Pantoffel; und als Aschenputtel damit angekleidet war, da glaͤnzte es recht, wie die Sonne am Mittag. Vor der Thuͤre hielt ein Wagen mit sechs Schimmeln, die hatten hohe weiße Federbuͤsche auf dem Kopf, und die Bedienten waren in Roth und Gold gekleidet. Als Aschenputtel ankam, stand schon der Prinz auf der Treppe und fuͤhrte sie in den Saal. Und waren gestern alle uͤber ihre Schoͤnheit er- staunt, so erstaunten sie heute noch mehr und die die Schwestern standen in der Ecke und waren blaß vor Neid, und haͤtten sie gewußt, daß das Aschenputtel war, das zu Haus in der Asche lag, sie waͤren gestorben vor Neid. Der Prinz aber wollte wissen, wer die fremde Prinzessin sey, woher sie gekommen und wohin sie fahre, und hatte Leute auf die Stra- ße gestellt, die sollten Acht darauf haben, und damit sie nicht so schnell fortlaufen koͤnne, hat- te er die Treppe ganz mit Pech bestreichen las- sen. Aschenputtel tanzte und tanzte mit dem Prinzen, war in Freuden und gedachte nicht an Mitternacht. Auf einmal, wie es mitten im Tanzen war, hoͤrte es den Glockenschlag, da fiel ihm ein, wie die Tauben es gewarnt, erschrack und eilte zur Thuͤre hinaus und flog recht die Treppe hinunter. Weil die aber mit Pech bestrichen war, blieb einer von den golde- nen Pantoffeln festhaͤngen, und in der Angst dacht es nicht daran, ihn mitzunehmen. Und wie es den letzten Schritt von der Treppe that, da hatt' es zwoͤlf ausgeschlagen, da war Wa- gen und Pferde verschwunden und Aschenput- tel stand in seinen Aschenkleidern auf der dun- keln Straße. Der Prinz war ihm nachgeeilt, auf der Treppe fand er den goldenen Pantof- fel, riß ihn los und hob ihn auf, wie er aber unten hinkam, war alles verschwunden; die Leute auch, die zur Wache ausgestellt wa- Kindermärchen. G ren, kamen und sagten, daß sie nichts gesehen haͤtten. Aschenputtel war froh, daß es nicht schlim- mer gekommen war, und ging nach Haus, da steckte es sein truͤbes Oel-Laͤmpchen an, haͤngte es in den Schornstein und legte sich in die Asche. Es waͤhrte nicht lange, so kamen die beiden Schwestern auch und riefen: „Aschen- puttel, steh auf und leucht uns.“ Aschenput- tel gaͤhnte und that als wacht es aus dem Schlaf. Bei dem Leuchten aber hoͤrte es, wie die eine sagte: „Gott weiß, wer die verwuͤnsch- te Prinzessin ist, daß sie in der Erde begraben laͤg! der Prinz hat nur mit ihr getanzt und als sie weg war, hat er gar nicht mehr blei- ben wollen und das ganze Fest hat ein Ende gehabt.“ — „Es war recht, als waͤren alle Lichter auf einmal ausgeblasen worden,“ sagte die andere. Aschenputtel wußte wohl wer die fremde Prinzessin war, aber es sagte kein Woͤrtchen. Der Prinz aber gedachte, ist dir alles an- dere fehlgeschlagen, so wird dir der Pantoffel die Braut finden helfen, und ließ bekannt ma- chen, welcher der goldene Pantoffel passe, die solle seine Gemahlin werden. Aber allen war er viel zu klein, ja manche haͤtten ihren Fuß nicht hineingebracht, und waͤren die zwei Pan- toffel ein einziger gewesen. Endlich kam die Reihe auch an die beiden Schwestern, die Pro- be zu machen; sie waren froh, denn sie hatten kleine schoͤne Fuͤße und glaubten, uns kann es nicht fehlschlagen, waͤr der Prinz nur gleich zu uns gekommen. „Hoͤrt, sagte die Mutter heim- lich, da habt ihr ein Messer, und wenn euch der Pantoffel doch noch zu eng ist, so schnei- det euch ein Stuͤck vom Fuß ab, es thut ein bischen weh, was schadet das aber, es vergeht bald und eine von euch wird Koͤnigin.“ Da ging die aͤlteste in ihre Kammer und probirte den Pantoffel an, die Fußspitze kam hinein, aber die Ferse war zu groß, da nahm sie das Messer und schnitt sich ein Stuͤck von der Fer- se, bis sie den Fuß in den Pantoffel hinein- zwaͤngte. So ging sie heraus zu dem Prin- zen, und wie der sah, daß sie den Pantoffel anhatte, sagte er, das sey die Braut, fuͤhrte sie zum Wagen und wollte mit ihr fortfahren. Wie er aber ans Thor kam, saßen oben die Tauben und riefen: „Rucke di guck, rucke di guck! Blut ist im Schuck: (Schuh) Der Schuck ist zu klein, Die rechte Braut sitzt noch daheim!“ Der Prinz buͤckte sich und sah auf den Pan- toffel, da quoll das Blut heraus, und da merk- te er, daß er betrogen war, und fuͤhrte die fal- sche Braut zuruͤck. Die Mutter aber sagte zur G 2 zweiten Tochter: „nimm du den Pantoffel, und wenn er dir zu kurz ist, so schneide lieber vor- ne an den Zehen ab. Da nahm sie den Pan- toffel in ihre Kammer, und als der Fuß zu groß war, da biß sie die Zaͤhne zusammen und schnitt ein groß Stuͤck von den Zehen ab, und druͤckte den Pantoffel geschwind an. Wie sie damit hervortrat, meinte er, das waͤre die rech- te und wollte mit ihr fortfahren. Als er aber in das Thor kam, riefen die Tauben wieder: „Rucke di guck, rucke di guck! Blut ist im Schuck: Der Schuck ist zu klein, Die rechte Braut sitzt noch daheim!“ Der Prinz sah nieder, da waren die weißen Struͤmpfe der Braut roth gefaͤrbt und das Blut war hoch herauf gedrungen. Da brachte sie der Prinz der Mutter wieder und sagte: „das ist auch nicht die rechte Braut; aber ist nicht noch eine Tochter im Haus“ — „Nein, sagte die Mutter, nur ein garstiges Aschenput- tel ist noch da, das sitzt unten in der Asche, dem kann der Pantoffel nicht passen. Sie wollte es auch nicht rufen lassen, bis es der Prinz durchaus verlangte. Da ward Aschen- puttel gerufen und wie es hoͤrte, daß der Prinz da sey, wusch es sich geschwind Gesicht und Haͤnde frisch und rein; und wie es in die Stube trat, neigte es sich, der Prinz aber reichte ihr den goldenen Pantoffel und sagte: „probier ihn an! und wenn er dir paßt, wirst du meine Gemahlin.“ Da streift es den schwe- ren Schuh von dem linken Fuß ab, setzt ihn auf den goldenen Pantoffel und druͤckte ein klein wenig, da stand es darin, als waͤr er ihm an- gegossen. Und als es sich aufbuͤckte, sah ihm der Prinz ins Gesicht, da erkannte er die schoͤ- ne Prinzessin wieder und rief: „das ist die rechte Braut.“ Die Stiefmutter und die zwei stolzen Schwestern erschracken und wurden bleich, aber der Prinz fuͤhrte Aschenputtel fort und hob es in den Wagen, und als sie durchs Thor fuhren, da riefen die Tauben: „Rucke di guck, rucke di guck! Kein Blut im Schuck: Der Schuck ist nicht zu klein, Die rechte Braut, die fuͤhrt er heim!“ 22. Wie Kinder Schlachtens mit einan- der gespielt haben . I. In einer Stadt Franecker genannt, gele- gen in Westfriesland, da ist es geschehen, daß junge Kinder, fuͤnf- und sechsjaͤhrige, Maͤgdlein und Knaben mit einander spielten. Und sie ordneten ein Buͤblein an, das solle der Metz- ger seyn, ein anderes Buͤblein, das solle Koch seyn, und ein drittes Buͤblein, das solle eine Sau seyn. Ein Maͤgdlein, ordneten sie, solle Koͤchin seyn, wieder ein anderes, das solle Un- terkoͤchin seyn; und die Unterkoͤchin solle in ei- nem Geschirrlein das Blut von der Sau em- pfahen, daß man Wuͤrste koͤnne machen. Der Metzger gerieth nun verabredetermaßen an das Buͤblein, das die Sau sollte seyn, riß es nieder und schnitt ihm mit einem Messerlein die Gurgel auf, und die Unterkoͤchin ewpfing das Blut in ihrem Geschirrlein. Ein Raths- herr, der von ungefaͤhr voruͤbergeht, sieht dies Elend: er nimmt von Stund an den Metzger mit sich und fuͤhrt ihn in des Obersten Haus, welcher sogleich den ganzen Rath versammeln ließ. Sie saßen all' uͤber diesen Handel und wußten nicht, wie sie ihm thun sollten, denn sie sahen wohl, daß es kindlicher Weise gesche- hen war. Einer unter ihnen, ein alter weißer Mann, gab den Rath, der oberste Richter solle einen schoͤnen rothen Apfel in eine Hand neh- men, in die andere einen rheinischen Gulden, solle das Kind zu sich rufen und beide Haͤnde gleich gegen dasselbe ausstrecken: nehme es den Apfel so soll es ledig erkannt werden, nehme es aber den Gulden, so solle man es toͤdten. Dem wird gefolgt, das Kind aber ergreift den Apfel lachend, wird also aller Strafe ledig erkannt. II. Einstmals hat ein Hausvater ein Schwein geschlachtet, das haben seine Kinder gesehen; als sie nun Nachmittag mit einander spielen wollen, hat das eine Kind zum andern gesagt: du sollst das Schweinchen und ich der Metzger seyn;“ hat darauf ein bloß Messer genommen, und es seinem Bruͤderchen in den Hals gesto- ßen. Die Mutter, welche oben in der Stube saß und ihr juͤngstes Kindlein in einem Zuber badete, hoͤrte das Schreien ihres anderen Kin- des, lief alsbald hinunter, und als sie sah, was vorgegangen, zog sie das Messer dem Kind aus dem Hals und stieß es im Zorn, dem andern Kind, welches der Metzger gewesen, ins Herz. Darauf lief sie alsbald nach der Stube und wollte sehen, was ihr Kind in dem Badezuber mache, aber es war unterdessen in dem Bad ertrunken; deßwegen dann die Frau so voller Angst ward, daß sie in Verzweifelung gerieth, sich von ihrem Gesinde nicht wollte troͤsten las- sen, sondern sich selbst erhaͤngte. Der Mann kam vom Felde und als er dies alles gesehen, hat er sich so betruͤbt, daß er kurz darauf ge- storben ist. 23. Von dem Maͤuschen, Voͤgelchen und der Bratwurst . Es waren einmal ein Maͤuschen, ein Voͤ- gelchen und eine Bratwurst in Gesellschaft ge- rathen, hatten einen Haushalt gefuͤhrt, lang' wohl und koͤstlich im Frieden gelebt und treff- lich an Guͤtern zugenommen. Des Voͤgelchens Arbeit war, daß es taͤglich in Wald fliegen und Holz beibringen muͤßte. Die Maus sollte Was- ser tragen, Feuer anmachen und Tisch decken, die Bratwurst aber sollte kochen. Wem zu wohl ist, den geluͤstert immer nach neuen Dingen! Also eines Tages stieß dem Voͤglein unterweges ein anderer Vogel auf, dem es seine treffliche Gelegenheit erzaͤhlet und ge- ruͤhmet. Derselbe andere Vogel schalt es aber einen armen Tropfen, der große Arbeit, die bei- den zu Haus aber gute Tage haͤtten. Denn, wenn die Maus ihr Feuer angemacht und Was- ser getragen hatte, so begab sie sich in ihr Kaͤm- merlein zur Ruhe, bis man sie hieße den Tisch decken. Das Wuͤrstlein blieb beim Hafen, sahe zu, daß die Speise wohl kochte, und wann es bald Essenszeit war, schlingte es sich ein mal viere durch den Brei oder das Gemuͤß, so war es geschmalzen, gesalzen und bereitet: kame dann das Voͤglein heim und legte seine Buͤrde ab, so saßen sie zu Tisch und nach gehabtem Mahl schliefen sie sich die Haut voll bis den an- dern Morgen, und das war ein herrlich Leben. Das Voͤglein anderes Tages wollte aus Anstiftung nicht mehr ins Holz, sprechend: es waͤre lang genug Knecht gewest, und haͤtte gleich- sam ihr Narr seyn muͤssen, sie sollten einmal umwechseln und es auf eine andere Weise auch versuchen. Und wie wohl die Maus heftig da- fuͤr bate, auch die Bratwurst, so war der Vo- gel doch Meister, es mußte gewagt seyn, spiele- ten derowegen und kam das Loos auf die Brat- wurst die mußte Holz tragen, die Maus ward Koch, und der Vogel sollte Wasser holen. Was geschicht? das Bratwuͤrstchen zog fort gen Holz, das Voͤglein machte Feuer an, die Maus stellte den Topf zu und erwarteten al- lein, bis Bratwuͤrstchen heim kaͤme und Holz fuͤr den andern Tag braͤchte. Es blieb aber das Wuͤrstlein so lang unterweg daß ihnen beiden nichts guts vorkam, und das Voͤglein ein Stuͤck Lufts hinaus entgegen floge. Unfern aber fin- det es einen Hund am Weg, der das arme Bratwuͤrstlein als freie Beut angetroffen, an- gepackt und niedergemacht. Das Voͤglein be- schwerte sich auch dessen als eines offenbaren Raubs sehr gegen den Hund, aber es half kein Wort, denn sprach der Hund, er haͤtte falsche Briefe bei der Bratwurst gefunden, deswegen waͤre sie ihm des Lebens verfallen gewesen. Das Voͤgelein, traurig, nahm das Holz auf sich und heim und erzaͤhlete, was es gesehn und gehoͤret. Sie waren sehr betruͤbt, vergli- chen sich aber das beste zu thun und beisammen zu bleiben. Derowegen so deckte das Voͤglein den Tisch und die Maus ruͤstete das Essen und wollte anrichten, und in den Hafen, wie zuvor das Wuͤrstlein, und durch das Gemuͤß schlingen und schlupfen, dasselbige zu schmelzen; aber ehe sie in die Mitte kame, ward sie angehalten und mußte Haut und Haar und dabei das Leben lassen. Als das Voͤglein kam, wollte das Essen auftragen, da war kein Koch vorhanden. Das Voͤglein warf bestuͤrzt das Holz hin und her, rufte und suchte, kunnte aber seinen Koch nit mehr finden. Aus Unachtsamkeit kam das Feuer in das Holz, also daß eine Brunst entstunde; das Voͤglein eilte Wasser zu langen, da entfiel ihm der Eimer in den Brunnen, und es mit hinab, daß es sich nit konnte mehr erholen, und da ersaufen mußte. 24. Frau Holle . Eine Wittwe hatte zwei Toͤchter, davon war die eine schoͤn und fleißig, die andere haͤß- lich und faul. Sie hatte aber die haͤßliche und faule viel lieber, und die andere mußte alle Ar- beit thun und war recht der Aschenputtel im Haus. Einmal war das Maͤdchen hingegan- gen, Wasser zu holen, und wie es sich buͤckte den Eimer aus dem Brunnen zu ziehen, buͤckte es sich zu tief und fiel hinein. Und als es er- wachte und wieder zu sich selber kam, war es auf einer schoͤnen Wiese, da schien die Sonne und waren viel tausend Blumen. Auf der Wiese gieng es fort und kam zu einem Back- ofen, der war voller Brot; das Brot aber rief: „ach! zieh mich 'raus, zieh mich 'raus, sonst verbrenn' ich, ich bin schon laͤngst ausgebacken!“ da trat es fleißig herzu und holte alles heraus. Darnach ging es weiter und kam zu einem Baum, der hing voll Aepfel und rief ihm zu: „ach! schuͤttel mich! schuͤttel mich! wir Aepfel sind allemiteinander reif!“ Da schuͤttelt' es den Baum, daß die Aepfel fielen, als regenten sie, solang bis keiner mehr oben war, darnach ging es wieder fort. Endlich kam es zu einem klei- nen Haus, daraus guckte eine alte Frau, weil sie aber so große Zaͤhne hatte, ward ihm Angst und es wollte fortlaufen. Die alte Frau aber rief ihm nach: „fuͤrcht dich nicht, liebes Kind, bleib bei mir, wenn du alle Arbeit im Haus ordentlich thun willst, so soll dirs gut gehn: nur mußt du recht darauf Acht geben daß du mein Bett gut machst, und es fleißig aufschuͤt- telst, daß die Federn fliegen, dann schneit es in der Welt; Darum sagt man in Hessen, wenn es schneit: die Frau Holle macht ihr Bett. ich bin die Frau Holle. Weil die Alte so gut sprach, willigte das Maͤdchen ein und begab sich in ihren Dienst. Es besorgte auch alles nach ihrer Zufriedenheit und schuͤt- telte ihr das Bett immer gewaltig auf, dafuͤr hatte es auch ein gut Leben bei ihr, kein boͤses Wort und alle Tage Gesottenes und Gebrate- nes. Nun war es eine Zeitlang bei der Frau Holle, da ward es traurig in seinem Herzen und ob es hier gleich viel tausendmal besser war, als zu Haus, so hatte es doch ein Ver- langen dahin; endlich sagte es zu ihr: „ich habe den Jammer nach Haus kriegt, und wenn es mir auch noch so gut hier geht, so kann ich doch nicht laͤnger bleiben.“ Die Frau Holle sagte: „du hast Recht und weil du mir so treu gedient hast, so will ich dich selbst wieder hin- aufbringen. „Sie nahm es darauf bei der Hand und fuͤhrte es vor ein großes Thor. Das ward aufgethan und wie das Maͤdchen darun- ter stand, fiel ein gewaltiger Goldregen, und alles Gold blieb an ihm haͤngen, so daß es uͤber und uͤber davon bedeckt war.“ Das sollst du haben, weil du so fleißig gewesen bist,“ sprach die Frau Holle. Darauf ward das Thor verschlossen und es war oben auf der Welt, da ging es heim zu seiner Mutter und weil es so mit Gold bedeckt ankam, ward es gut aufge- nommen. Als die Mutter hoͤrte, wie es zu dem Reich- thum gekommen, wollte sie der andern schoͤnen und faulen Tochter gern dasselbe Gluͤck verschaf- fen, und sie mußte sich auch in den Brunnen stuͤrzen. Sie erwachte, wie die andere auf der schoͤnen Wiese und ging auf demselben Pfad weiter. Als sie zu dem Backofen gelangte, schrie das Brod wieder: „ach! zieh mich 'raus, zieh mich 'raus, sonst verbrenn ich, ich bin schon laͤngst ausgebacken!“ die Faule aber antworte- te: „da haͤtt' ich Lust, mich schmutzig zu ma- chen!“ und ging fort. Bald kam sie zu dem Apfelbaum, der rief: „ach! schuͤttel mich! schuͤt- tel mich! wir Aepfel sind alle mit einander reif“ sie antwortete aber: „du kommst mir recht, es koͤnnt mir einer auf den Kopf fallen!“ ging damit weiter. Als sie vor der Frau Holle Haus kam, fuͤrchtete sie sich nicht, weil sie von ihren großen Zaͤhnen schon gehoͤrt hatte, und verdingte sich gleich zu ihr. Am ersten Tag that sie sich Gewalt an und war fleißig und folgte der Frau Holle, wenn sie ihr etwas sagte, denn sie gedachte an das viele Gold, daß sie ihr schenken wuͤrde; am zweiten Tag aber fing sie schon an zu faullenzen, am dritten noch mehr, da wollte sie Morgens gar nicht aufstehen, sie machte auch der Frau, Holle das Bett schlecht und schuͤttelte es nicht recht, daß die Federn aufflogen. Das ward die Frau Holle bald muͤd und sagte der Faulen den Dienst auf. Die war es wohl zufrieden und meinte nun werde der Goldregen kommen, die Frau Holle fuͤhrte sie auch hin zu dem Thor als sie aber darunter stand, ward statt des Golds ein großer Kessel voll Pech ausgeschuͤttet. „Das ist zur Beloh- nung deiner Dienste“ sagte die Frau Holle und schloß das Thor zu. Da kam die Faule heim, ganz mit Pech bedeckt, und das hat ihr Lebtag nicht wieder abgehen wollen. 25. Die drei Raben . Es war einmal eine Mutter, die hatte drei Soͤhnlein, die spielten eines Sonntags unter der Kirche Karten. Und als die Predigt vorbei war, kam die Mutter nach Haus gegangen und sah, was sie gethan hatten. Da fluchte sie ih- ren gottlosen Kindern und alsobald wurden sie drei kohlschwarze Raben und flogen auf und davon. Die drei Bruͤder hatten aber ein Schwe- sterchen, das sie von Herzen liebte, und es graͤmte sich so uͤber ihre Verbannung, daß es keine Ruh mehr hatte und sich endlich auf- machte, sie zu suchen. Nichts nahm es sich mit auf die lange lange Reise, als ein Stuͤhlchen, worauf es sich ruhte, wann es zu muͤd gewor- den war, und nichts aß es die ganze Zeit, als wilde Aepfel und Birnen. Es konnte aber die drei Raben immer nicht finden, außer einmal waren sie uͤber seinen Kof weggeflogen, da hat- te einer einen Ring fallen lassen, wie es den aufhob, erkannte ihn das Schwesterchen fuͤr den Ring, den es einsmals dem juͤngsten Bruder geschenkt hatte. Es ging aber immer fort, so weit, so weit bis es an der Welt Ende kam, und es ging zur Sonne, die war aber gar zu heiß und fraß die kleinen Kinder. Darauf kam es zu dem Mond, der war aber gar zu kalt, und auch boͤs, und wie ers merkte, sprach er: ich rieche, rieche Menschenfleisch. Da machte es sich geschwind fort und kam zu den Sternen, die waren ihm gut und saßen alle jeder auf Stuͤhlerchen und der Morgenstern stand auf und gab ihm ein Hinkelbeinchen, „wenn du das Beinchen nicht hast, kannst du nicht in den Glasberg kommen, und in dem Glasberg da sind deine Bruͤder!“ da nahm es das Hinkelbeinchen, wickelte es wohl in ein Tuͤchelchen und ging so lange fort, bis es an den Glasberg kam, das Thor war aber verschlossen. Und wie es das Beinchen hervorholen wollte, da hatte es das Beinchen unterweges verloren. Da wußte es sich gar nicht zu helfen, weil es gar keinen Schluͤssel fand, nahm ein Messer und schnitt sich das kleine Fingerchen ab, steckte es in das Thor und schloß gluͤcklich auf. Da kam ein Zwerg- lein entgegen und sagte: mein Kind, was suchst du hier? „ich suche meine Bruͤder, die drei Raben.“ Die Herren Raben sind nicht zu Haus, sprach das Zwerglein, willst du aber hierinnen warten, so tritt ein, und das Zwerglein brachte drei Tellerchen getragen und drei Becherchen, und von jedem Tellerchen aß Schwesterchen ein Bischen und aus jedem Becherchen trank es ein Schluͤckchen und in das letzte Becherchen ließ es das Ringlein fallen. Auf einmal hoͤrte es in der Luft ein Geschwirr und ein Geweh, da sagte das Zwerglein: die Herren Raben kommen heim geflogen. Und die Raben fingen jeder an und sprachen: wer hat von meinem Tellerchen gegessen? Wer hat aus meinem Becherchen getrunken? wie der dritte Rab aber seinem Becherchen auf den Grund kam, da fand er den Ring, und sah wohl, daß Schwesterchen angekommen war. Da erkannten sie es am Ring, und da waren sie alle wieder erloͤst und gingen froͤlich heim. 26. 26. Rothkaͤppchen . Es war einmal eine kleine suͤße Dirn, die hatte jedermann lieb, der sie nur ansah, am al- lerliebsten aber ihre Großmutter, die wußte gar nicht, was sie alles dem Kind geben sollte. Ein- mal schenkte sie ihm ein Kaͤppchen von rothem Sammet, und weil ihm das so wohl stand, und es nichts anders mehr tragen wollte, hieß es nur das Rothkaͤppchen; da sagte einmal seine Mutter zu ihm: „komm, Rothkaͤppchen, da hast du ein Stuͤck Kuchen und ein Bouteille mit Wein, die bring der Großmutter hinaus, sie ist krank und schwach, da wird sie sich daran laben; sey huͤbsch artig und gruͤß sie von mir, geh auch ordentlich und lauf nicht vom Weg ab, sonst faͤllst du, und zerbrichst das Glas, dann hat die kranke Großmutter nichts.“ Rothkaͤppchen versprach der Mutter recht gehorsam zu seyn. Die Großmutter aber wohn- te draußen im Wald, eine halbe Stunde vom Dorf. Wie nun Rothkaͤppchen in den Wald kam, begegnete ihm der Wolf, Rothkaͤppchen aber wußte nicht, was das fuͤr ein boͤses Thier war, und fuͤrchtete sich nicht vor ihm. „Guten Tag, Rothkaͤppchen.“ — „Schoͤn Dank Wolf.“ — „Wo willst du so fruͤh hinaus, Rothkaͤpp- chen,“ — „zur Großmutter.“ — Was traͤgst Kindermärchen, H du unter der Schuͤrze? — „die Großmutter ist krank und schwach, da bring ich ihr Kuchen und Wein, gestern haben wir gebacken, da soll sie sich staͤrken.“ — „Rothkaͤppchen, wo wohnt deine Großmutter?“ — „Noch eine gute Vier- telstunde im Wald, unter den drei großen Eich- baͤumen, da steht ihr Haus, unten sind die Nußhecken das wirst du ja wissen“ sagte Roth- kaͤppchen. Der Wolf gedacht bei sich, das ist ein guter fetter Bissen fuͤr mich, wie faͤngst dus an, daß du den kriegst: „hoͤr Rothkaͤpp- chen, sagte er, hast du die schoͤnen Blumen nicht gesehen, die im Walde stehen, warum guckst du nicht einmal um dich, ich glaube, du hoͤrst gar nicht darauf, wie die Voͤglein lieblich singen, du gehst ja fuͤr dich hin als wenn du im Dorf in die Schule gingst, und ist so lustig haußen in dem Wald.“ Rothkaͤppchen schlug die Augen auf, und sah wie die Sonne durch die Baͤume gebrochen war und alles voll schoͤner Blumen stand; da gedacht es: ei! wenn ich der Großmutter einen Strauß mitbringe, der wird ihr auch lieb seyn, es ist noch fruͤh, ich komm doch zu rechter Zeit an, und sprang in den Wald und suchte Blu- men. Und wenn es eine gebrochen hatte, meint es, dort stuͤnd noch eine schoͤnere und lief dar- nach und immer weiter in den Wald hinein. Der Wolf aber ging geradeswegs nach dem Haus der Großmutter und klopfte an die Thuͤ- re. „Wer ist draußen“ — „das Rothkaͤppchen, ich bring dir Kuchen und Wein, mach mir auf.“ — „Druͤck nur auf die Klinke, rief die Großmutter, ich bin zu schwach und kann nicht aufstehen.“ Der Wolf druͤckte an der Klinke, und die Thuͤre sprang auf. Da ging er hin- ein, geradezu an das Bett der Großmutter und verschluckte sie. Dann nahm er ihre Kleider, that sie an, setzte sich ihre Haube auf, legte sich in ihr Bett und zog die Vorhaͤnge vor. Rothkaͤppchen aber war herum gelaufen nach Blumen, und erst als es so viel hatte, daß es keine mehr tragen konnte, machte es sich auf den Weg zu der Großmutter. Wie es ankam stand die Thuͤre auf, daruͤber verwunderte es sich, und wie es in die Stube kam, sahs so seltsam darin aus, daß es dacht: ei! du mein Gott wie aͤngstlich wird mirs heut zu Muth, und bin sonst so gern bei der Großmutter. Drauf ging es zum Bett und zog die Vorhaͤnge zuruͤck, da lag die Großmutter und hatte die Haube tief ins Gesicht gesetzt und sah so wun- derlich aus. „Ei Großmutter, was hast du fuͤr große Ohren!“ — „daß ich dich besser hoͤ- ren kann.“ — „Ei Großmutter, was hast du fuͤr große Augen!“ — „daß ich dich besser se- hen kann.“ — „Ei Großmutter was hast du fuͤr große Haͤnde!“ — „daß ich dich besser H 2 packen kann.“ — „Aber Großmutter, was hast du fuͤr ein entsetzlich großes Maul!“ — „daß ich dich besser fressen kann.“ Damit sprang der Wolf aus dem Bett, sprang auf das arme Rothkaͤppchen, und verschlang es. Wie der Wolf den fetten Bissen erlangt hatte, legte er sich wieder ins Bett, schlief ein und fing an, uͤberlaut zu schnarchen. Der Jaͤ- ger ging eben vorbei und gedacht wie kann die alte Frau so schnarchen, du mußt einmal nach- sehen. Da trat er hinein und wie er vors Bett kam, da lag der Wolf den er lange ge- sucht, der hat gewiß die Großmutter gefressen vielleicht ist sie noch zu retten, ich will nicht schießen, dachte der Jaͤger. Da nahm er die Scheere und schnitt ihm den Bauch auf, und wie er ein paar Schnitte gethan, da sah er das rothe Kaͤppchen leuchten, und wie er noch ein wenig geschnitten, da sprang das Maͤdchen her- aus und rief: „ach wie war ich erschrocken, was wars so dunkel in dem Wolf seinem Leib;“ und dann kam die Großmutter auch lebendig heraus. Rothkaͤppchen aber holte große schwere Steine, damit fuͤllten sie dem Wolf den Leib, und wie er aufwachte, wollte er fortspringen, aber die Steine waren so schwer, daß er sich todt fiel. Da waren alle drei vergnuͤgt, der Jaͤger nahm den Pelz vom Wolf, die Großmutter aß den Kuchen und trank den Wein, den Roth- kaͤppchen gebracht hatte, und Rothkaͤppchen ge- dacht bei sich: du willst dein Lebtag nicht wie- der allein vom Weg ab in den Wald laufen, wenn dirs die Mutter verboten hat. Es wird auch erzaͤhlt, daß einmal, als Roth- kaͤppchen der alten Großmutter wieder Gebacke- nes brachte, ein anderer Wolf ihm zugesprochen und es vom Weg ableiten wollen. Rothkaͤpp- chen aber huͤtete sich und ging gerad fort ihres Wegs, und sagte der Großmutter daß sie den Wolf gesehen, daß er ihm guten Tag gewuͤnscht aber so boͤs aus den Augen geguckt; „wenns nicht auf offner Straße gewesen, er haͤtt mich gefressen.“ — „Komm, sagte die Großmutter wir wollen die Thuͤre verschließen, daß er nicht herein kann.“ Bald darnach klopfte der Wolf an und rief: „mach auf, Großmutter, ich bin das Rothkaͤppchen, ich bring dir Gebackenes.“ Sie schwiegen aber still und machten die Thuͤre nicht auf, da ging der Boͤse etlichemal um das Haus und sprang endlich aufs Dach, und wollte warten bis Rothkaͤppchen Abends nach Haus ging, dann wollt' er ihm nachschleichen und wollts in der Dunkelheit fressen. Aber die Großmutter merkte, was er im Sinn hatte; da stand vor dem Haus ein großer Steintrog: „hol' den Eimer, Rothkaͤppchen, gestern hab ich Wuͤrste gekocht, da trag das Wasser, worin sie gekocht sind, in den Trog.“ Rothkaͤppchen trug so lange bis der große, große Trog ganz voll war. Da stieg der Geruch von den Wuͤr- sten dem Wolf in die Nase, er schnupperte und guckte hinab, endlich machte er den Hals so lang, daß er sich nicht mehr halten konnte, er fing an zu rutschen, und rutschte vom Dach herab und gerade in den großen Trog hinein und ertrank. Rothkaͤppchen aber ging froͤhlich und sicher nach Haus. 27. Der Tod und der Gaͤnshirt . Es ging ein armer Hirt an dem Ufer ei- nes großen und ungestuͤmen Wassers, huͤtend einen Haufen weißer Gaͤnse. Zu diesem kam der Tod uͤber Wasser, und wurde von dem Hir- ten gefragt, wo er herkomme, und wo er hin wolle? Der Tod antwortete, daß er aus dem Wasser komme und aus der Welt wolle. Der arme Gaͤnshirt fragte ferners: wie man doch aus der Welt kommen koͤnne? Der Tod sagte, daß man uͤber das Wasser in die neue Welt muͤsse, welche jenseits gelegen. Der Hirt sag- te, daß er dieses Lebens muͤde, und bate den Tod, er sollte ihn mit uͤber nehmen. Der Tod sagte, daß es noch nicht Zeit, und haͤtte er jetzt sonst zu verrichten. Es war aber unferne da- von ein Geizhals, der trachtete bei Nachts auf seinem Lager, wie er doch mehr Geld und Gut zusammenbringen moͤgte, den fuͤhrte der Tod zu dem großen Wasser und stieß ihn hinein. Weil er aber nicht schwimmen konnte, ist er zu Grunde gesunken, bevor er an das Ufer kom- men. Seine Hunde und Katzen, so ihm nach- gelaufen, sind auch mit ihm ersoffen. Etliche Tage hernach kam der Tod auch zu dem Gaͤns- hirten, fand ihn froͤhlich singen und sprach zu ihm: „willst du nun mit?“ Er war willig und kam mit seinen weißen Gaͤnsen wohl hinuͤber, welche alle in weiße Schafe verwandelt worden. Der Gaͤnshirt betrachtete das schoͤne Land und hoͤrte, daß die Hirten der Orten zu Koͤnigen wuͤrden, und indem er sich recht umsahe, ka- men ihm die Erzhirten Abraham, Isaac und Jacob entgegen, setzten ihm eine koͤnigliche Kro- ne auf, und fuͤhrten ihn in der Hirten Schloß, allda er noch zu finden. 28. Der singende Knochen . Ein Wildschwein thaͤt großen Schaden in dem ganzen Land, kein Mensch getraute sich in den Wald, wo es herum lief, und wer so kuͤhn war und auf es einging und es toͤdten wollte, dem riß es den Leib mit seinen Hauern auf. Da ließ der Koͤnig bekannt machen, wer das Schwein erlege, der solle seine Tochter zur Ge- mahlin haben. Nun waren in dem Koͤnigreich drei Bruͤder, davon war der aͤlteste listig und klug, der zweite von gewoͤhnlichem Verstand, der dritte und juͤngste aber war unschuldig und dumm. Die gedachten die Prinzessin zu ge- winnen, wollten das Wildschwein aufsuchen und toͤdten. Die zwei aͤltesten gingen mit einander, der juͤngste aber ging allein. Als er in den Wald hineinkam, trat ein kleiner Mann vor ihn, der hielt eine schwarze Lanze in der Hand und sag- te zu ihm: „nimm diese Lanze und geh damit auf das Schwein los, ohne Furcht, du wirst es leicht toͤdten.“ Also geschah es, er traf mit der schwarzen Lanze das Schwein, daß es zur Erde fiel, nahm es dann auf die Schulter und zog vergnuͤgt heim. Unterwegs kam er an ein Haus, darin waren seine beiden aͤltesten Bruͤ- der, und machten sich lustig beim Wein; als sie ihn mit dem Schwein auf dem Ruͤcken daher ziehen sahen, riefen sie ihn an: „komm herein und trink mit uns, du wirst doch muͤde seyn.“ Der unschuldige Dumme denkt an nichts Boͤses, tritt ein, erzaͤhlt ihnen wie er das Schwein durch die schwarze Lanze getoͤdtet habe, und freut sich uͤber sein Gluͤck. Abends gingen sie mit einander nach Haus, da machten die bei- den aͤltesten einen Anschlag auf des andern Le- ben, ließen ihn voran gehen, und als sie vor die Stadt an die Bruͤcke kamen, fielen sie uͤber ihn her, schlugen ihn todt und begruben ihn tief unter die Bruͤcke. Dann nahm der aͤlteste das Schwein, trugs zu dem Koͤnig, gab vor er habe es getoͤdtet und erhielt die Prinzessin zur Gemahlin. Das dauerte viele Jahre, doch sollt es nicht verborgen bleiben. Da ging einmal ein Hirt uͤber die Bruͤcke und sah unten im Sand ein Knoͤchlein liegen, und weil es so rein und schneeweiß war, wollt er sich ein Mund- stuͤck daraus machen, ging hinab und hob es auf. Darnach machte er sichs zum Mundstuͤck fuͤr sein Horn, und wie er ansetzen und blasen wollte, da fing das Knoͤchlein an, von selbst zu singen: „Ach! du liebes Hirtelein, du blaͤßt auf meinem Knoͤchelein: meine Bruͤder mich erschlugen unter die Bruͤcke begruben, um das wilde Schwein fuͤr des Koͤnigs Toͤchterlein.“ Da nahm der Hirt das Horn und trug es vor den Koͤnig, da sang es wieder dieselben Worte. Als der Koͤnig das hoͤrte, ließ er unter der Bruͤcke graben, da ward bald das Gerippe her- ausgegraben. Die zwei boͤsen Bruͤder gestan- den ihr Verbrechen und wurden ins Wasser ge- worfen. Das Gebein aber von dem Gemorde- ten ward auf dem Kirchhof in ein schoͤnes Grab gelegt. 29. Von dem Teufel mit drei goldenen Haaren . Ein Holzhacker hackte vor des Koͤnigs Haus Holz, oben am Fenster stand die Prin- zessin und sah ihm zu. Als es Mittag war, setzte er sich in den Schatten und wollte ru- hen, da sah die Prinzessin, daß der Holzhacker fehr schoͤn war, und verliebte sich in ihn, und ließ ihn herauf rufen; und als er die Prinzes- sin erblickte, und sah wie schoͤn sie war, ver- liebte er sich wieder in sie. Da waren sie bald in ihrer Liebe einig, aber dem Koͤnig ward ver- rathen, daß die Prinzessin einen Holzhacker lieb habe. Als der Koͤnig das hoͤrte, ging er zu ihr und sagte: „du weißt, daß der dein Braͤu- tigam wird, der die drei goldenen Haare bringt, die der Teufel auf dem Kopf hat, er mag nun ein Prinz oder ein Holzhacker seyn; er gedach- te aber, kein Prinz ist noch so muthig gewe- sen, daß er es gekonnt, so wird ein schlechter Holzhacker es noch weniger koͤnnen. Die Prin- zessin war betruͤbt, denn es waren schon viele Prinzen umgekommen, welche die drei golde- nen Haare beim Teufel holen wollten, weil aber kein anderes Mittel uͤbrig blieb, so ent- deckte sie dem Holzhacker, was ihr Vater ge- sagt hatte. Der Holzhacker war gar nicht be- truͤbt und sagte: „das soll mir schon gelingen, bleib mir nur getreu, bis ich wiederkomme, mor- gen fruͤh zieh ich aus.“ Also begab sich der Holzhacker auf die Reise zum Teufel, und kam bald an eine große Stadt. Vor dem Thor fragte ihn der Waͤchter, was er fuͤr ein Handwerk verstehe und was er wis- se? „Ich weiß alles,“ antwortete er. „Wenn du alles weißt, sagte der Thorwaͤchter, so mach unsere Prinzessin gesund, die kein Arzt in der Welt curiren kann.“ — „Wenn ich wieder komme.“ In der zweiten Stadt wurde er auch gefragt, was er wisse? „Ich weiß alles.“ — „So sag uns warum unser schoͤner Markt- brunnen vertrocknet ist?“ — „Wenn ich wie- der komme,“ sagte der Holzhacker und ließ sich nicht aufhalten. Da kam er an einen Feigen- baum, der wollte verdorren, nebenbei stand ein Mann, der fragte ihn, was er wisse? „Ich weiß alles.“ — „So sag mir warum der Fei- genbaum welkt und keine Fruͤchte traͤgt?“ — „Wenn ich wieder komme.“ — Er ging wei- ter und kam zu einem Fischer, der mußte ihn uͤberschiffen, der fragte ihn, was er wisse? „Ich weiß alles.“ — „So sag mir, wann werd' ich einmal abgeloͤst werden und ein anderer die Leute uͤberschiffen?“ — „Wenn ich wieder komme.“ Nachdem der Holzhacker druͤben war, kam er in die Hoͤlle, da sahs schwarz und rusig aus, der Teufel aber war nicht zu Haus, nur seine Frau saß da. Der Holzhacker sagte zu ihr: „guten Tag, Frau Teufelin, ich bin hierher ge- kommen und moͤchte die drei goldenen Haare haben, die euer Mann auf dem Kopfe traͤgt; auch moͤgt ich wissen, warum eine Prinzessin nicht kann geheilt werden, warum ein tiefer Marktbrunnen ohne Wasser, und ein Feigen- baum ohne Fruͤchte ist, und warum ein Schif- fer nicht abgeloͤst wird. Die Frau erschrack und sagte: „wenn der Teufel kommt und fin- det dich hier, so frißt er dich gleich auf, die drei goldenen Haare kannst du nimmermehr kriegen, weil du aber so jung noch bist, so dauerst du mich, und ich will sehen ob ich dich erretten kann.“ — Der Holzhacker mußte sich unter das Bett legen, und kaum hatte er ein Weilchen da gelegen, da kam der Teufel nach Haus: „guten Abend Frau,“ und fing an sich auszuziehen und sagte dann: „wie ist mir in der Stube! ich rieche, ich rieche Menschenfleisch, da muß ich einmal nachsehen.“ — „Was wirst du wohl riechen! sagte die Frau, du hast den Schnupfen, und da steckt dir immer der Ge- ruch von Menschenfleisch in der Nase, wirf mir nicht alles untereinander, ich habe eben erst gekehrt.“ — „Ich will nur still seyn, ich bin muͤde heut Abend, aber du goͤnnst mir den Bissen nicht, den ich ins Maul stecke.“ Damit legte sich der Teufel ins Bett und seine Frau mußte sich zu ihm legen. Bald schlief er ein, erst blies er, dann schnarchte er, anfangs sachte, dann so laut, daß die Fenster zitterten. Als die Frau sah, daß er so fest schlief, packte sie eins von den drei goldenen Haaren fest, riß es heraus und warf es dem Holzacker unter das Bett. Der Teufel fuhr auf: „was hast du vor, Frau, was raufst du mich?“ — „Ach! ich hatte einen schweren Traum, da muß ich es in der Angst gethan haben.“ — „Wovon hast du denn getraumt ?“ — „Mir traͤumte von einer Prinzessin, die war sterbenskrank, und kein Arzt war auf der Welt, der sie heilen konnte.“ — „Warum thun sie nicht die weiße Unke weg, die unter ihrem Bett steckt“ damit legte er sich auf die andere Seite und schlief wieder ein. Als ihn die Frau schnarchen hoͤrte, faßte sie das zweite Haar, riß es aus und warf es unter das Bett. Der Teufel sprang auf: „ei so soll dich — bist du toll geworden, du reißt mich ja wieder ent- setzlich in den Haaren!“ — „Ach! lieber Mann, ich stand vor einem großen Marktbrun- nen, die Leute jammerten weil kein Wasser darin war, und fragten mich, ob ich keine Huͤl- fe wisse, da guckte ich hinein, er war so tief, daß mir schwindlicht wurde, ich wollte mich hal- ten und da bin ich dir in die Haare gerathen.“ — „Du haͤttest nur sagen sollen, sie muͤßten den weißen Stein herausholen, der unten liegt, aber laß mich mit deinen Traͤumen in Ruh.“ Er legte sich wieder und schnarchte bald so ab- scheulich wie vorher. Die Frau gedacht: du mußt es noch einmal wagen, und riß auch das dritte Goldhaar heraus und warfs hinunter. Der Teufel fuhr in die Hoͤh und wollte uͤbel wirthschaften, die Frau aber besaͤnftigte ihn, kuͤßte ihn und sagte: „das sind boͤse Traͤume! Ein Mann zeigte mir einen Feigenbaum, der verdorren wollte und klagte, daß er keine Fruͤch- te trage, da wollte ich an dem Baum schuͤtteln, ob wohl noch etwas herabfalle, und da habe ich deine Haare geschuͤttelt.“ — „Das waͤre auch umsonst gewesen, an der Wurzel nagt ei- ne Maus, wenn die nicht getoͤdtet wird, so ist der Baum verloren, ist die erst todt, dann wird er schon wieder frisch werden, und Fruͤchte tra- gen; aber plag mich nicht mehr mit deinen Traͤumen, ich will schlafen, und wenn du mich noch einmal aufweckst, so kriegst du eine Ohr- feige.“ Der Frau war Angst vor dem Zorn des Teufels, aber der arme Holzhacker mußte noch etwas wissen, das wußte der Teufel al- lein. Da zupfte sie ihn an der Nase und zog ihn in die Hoͤh. Der Teufel sprang wie un- sinnig auf, und gab ihr eine Ohrfeige, daß es schallte. Die Frau fing an zu weinen und sag- te; „willst du, daß ich ins Wasser falle? Ein Fischer hatte mich uͤber den Strom gefahren, und als der Nachen aus Ufer kam, stieß er an, da fuͤrchtete ich mich zu fallen und wollte mich an den Stamm halten, woran die Kette fest- gemacht wird, da hab ich mich an deine Nase gehalten.“ — „Warum hast du nicht Acht ge- geben? das thut der Nachen jedesmal.“ — Der Fischer klagte mir, daß niemand komme, ihn abzuloͤsen und er seiner Arbeit kein Ende sehe.“ — „Er muß den ersten, der kommt an- halten, so lange zu fahren, bis ein dritter kommt, der ihn wieder abloͤst, so ist ihm ge- holfen; aber du traͤumst curios, das ist wahr mit dem Schiffer und alles andere auch: jetzt weck mich nicht wieder, der Morgen muß bald anbrechen, ich will noch schlafen, sonst spring ich uͤbel mit dir um.“ Wie nun der Holzhacker alles gehoͤrt hat- te, und der Teufel wieder schnarchte, bedankte er sich bei der Frau Teufelin und zog fort. Als er zu dem Fischer kam, wollte der Aus- kunft haben. „Fahr mich nur erst hinuͤber.“ Druͤben aber sagte er zu ihm: „der erste, der wieder kommt und will uͤbergefahren seyn, den halt an, daß er so lange das Amt uͤbernimmt, bis ihn wieder einer abloͤst.“ Darauf kam er zu dem Mann mit dem unfruchtbaren Feigen- baum und sagte ihm: „toͤdte nur die weiße Maus, die an den Wurzeln nagt, so wird dein Baum wieder Fruͤchte tragen wie vorher.“ — „Was verlangst du zur Belohnung,“ fragte der Mann. „Ein Regiment Infanterie“ und kaum hatte er das gesagt, so marschirte ein Regiment hinter ihm her. Der Holzhacker ge- dacht, das geht gut, und kam in die Stadt, wo der Marktbrunnen vertrocknet war: „holt den weißen Stein heraus, der auf dem Grund liegt.“ Da stieg einer hinab und holte den Stein, und kaum war er oben, so fuͤllte sich der Brunnen wieder mit dem klarsten Wasser. „Womit sollen wir dich belohnen,“ fragte der Buͤrgemeister. — „Gebt mir ein Regiment Cavallerie.“ Und als der Holzhacker zum Thor hinausging, ritt auch ein Regiment Ca- vallerie hintendrein. So kam er in die andere Stadt, wo die Prinzessin krank lag, die kein Arzt curiren konnte. „Macht nur die weiße Unke todt, die unter dem Bett versteckt ist,“ und wie das geschehen war, so fing die Prinzessin an sich zu erholen, frisch und roth zu werden. „Was „Was willst du zur Belohnung?“ fragte der Koͤnig. „Vier Wagen mit Gold beladen,“ sagte der Holzhacker. Endlich kam der Holzhacker heim und hin- ter ihm ein Regiment Infanterie, ein Regi- ment Cavallerie und vier Wagen ganz mit Gold beladen, die drei goldenen Haare aber trug er bei sich. Vor dem Thore hieß er seine Be- gleitung warten, wenn er aber von dem Schloß ein Zeichen gaͤbe, dann sollten sie schnell einzie- hen. Darauf ging er vor der Prinzessin, sei- ner Geliebten, Vater, reichte ihm die drei gol- denen Haare des Teufels und bat ihn, seinem Versprechen gemaͤß ihm die Prinzessin zu ge- ben. Der Koͤnig erstaunte, sagte, mit den drei goldenen Haaren habe es seine Richtigkeit, aber wegen der Prinzessin muͤsse er sich bedenken. Wie der Holzhacker das hoͤrte, stellte er sich zum Fenster und pfiff hinaus, da kamen auf einmal durch das Thor ein Regiment Infan- terie, ein Regiment Cavallerie und vier schwer- beladene Wagen marschirt. „Herr Koͤnig, sag- te der Holzhacker, seht her, das sind meine Leute, die ich mitgebracht habe, und dort das ist mein Reichthum in den Wagen, die sind voller Gold: wollt ihr mir nun die Prinzessin geben? „Der Koͤnig erschrack und sagte: ja von Herzen gern“ Da wurden beide vermaͤhlt und lebten in Gluͤckseligkeit. Kindermärchen. J Darum- wer den Teufel nicht fuͤrchtet, der kann ihm die Haare ausreißen und die ganze Welt gewinnen. 30. Laͤuschen und Floͤhchen . Ein Laͤuschen und ein Floͤhchen die lebten zusammen in einem Haushalt, und brauten sich Bier in einer Eierschale. Da fiel das Laͤus- chen hinein und verbrennte sich. Daruͤber fing das Floͤhchen laut an zu schreien. Da sprach die kleine Stubenthuͤre: „was schreist du Floͤhchen?“ — „weil sich Laͤuschen verbrennt hat.“ Da fing das Thuͤrchen an zu knarren. Da sprach ein Besenchen in dem Hausehrn: „was knarrst du Thuͤrchen?“ — „soll ich nicht knarren? Laͤuschen hat sich verbrennt, Floͤhchen weint.“ Da fing der kleine Besen an entsetzlich zu kehren. Da kam ein Waͤgelchen vorbei: „was kehrst du Besenchen?“ — „Soll ich nicht kehren? Laͤuschen hat sich verbrennt, Floͤhchen weint, Thuͤrchen knarrt.“ Da sagt das Waͤgelchen, so will ich ent- setzlich rennen und rennt entsetzlich. Da sagt das Mistchen, an dem es vorbeirennt: „was rennst du Waͤgelchen?“ „Soll ich nicht rennen? Laͤuschen hat sich verbrennt, Floͤhchen weint, Thuͤrchen knarrt, Besenchen kehrt.“ Da sagt das Mistchen, so will ich anfan- gen zu brennen, und brennt entsetzlich. Da stand ein Baͤumchen das sagt: „Mistchen was brennst du?“ — „Soll ich nicht brennen? Laͤuschen hat sich verbrennt, Floͤhchen weint, Thuͤrchen knarrt, Besenchen kehrt, Waͤgelchen rennt.“ Da sagt das Baͤumchen, so will ich mich schuͤtteln, und schuͤttelte all sein Laub ab. Da sagt ein Maͤdchen mit dem Wasserkruͤgelchen: „Baͤumchen was schuͤttelst du dich?“ — „Soll ich mich nicht schuͤtteln? Laͤuschen hat sich verbrennt, Floͤhchen weint, Thuͤrchen knarrt, Besenchen kehrt, J 2 Waͤgelchen rennt, Mistchen brennt. Da sagt das Maͤdchen, so will ich mein Wasserkruͤgelchen zerbrechen, und zerbrach sein Wasserkruͤgelchen; da sagt das Bruͤnnlein: „Maͤdchen was zerbrichst du dein Was- serkruͤgelchen?“ „Soll ich mein Wasserkruͤgelchen nicht zerbrechen? Laͤuschen hat sich verbrennt, Floͤhchen weint, Thuͤrchen knarrt, Besenchen kehrt, Waͤgelchen rennt, Mistchen brennt, Baͤumchen schuͤttelt sich.“ Ei! sagte das Bruͤnnchen, so will ich an- fangen zu fließen, und fing so entsetzlich an zu fließen, daß alles ertrunken ist, das Maͤdchen, das Baͤumchen, das Mistchen, das Waͤgelchen, das Besenchen, das Thuͤrchen, das Floͤhchen, und das Laͤuschen, alles miteinander. 30. Maͤdchen ohne Haͤnde . Ein Muͤller, der so arm war, daß er nichts weiter hatte, als seine Muͤhle und einen gro- ßen Apfelbaum dahinter, ging in den Wald Holz holen. Da trat ihn ein alter Mann an, der sprach: was quaͤlst du dich so sehr, ich will dich reich machen, verschreib mir dafuͤr, was hinter deiner Muͤhle steht, in drei Jahren will ichs abholen. Der Muͤller denkt: das ist mein Apfelbaum, sagte ja, und verschriebs dem Man- ne. Wie er nach Haus kommt, sagt seine Frau zu ihm: „Muͤller, woher kommt der große Reichthum, der auf einmal Kisten und Kasten in unserm Haus angefuͤllt hat?“ — das kommt von einem alten Mann aus dem Wald, ich hab ihm dafuͤr verschrieben, was hinter der Muͤhle steht. — „Ach Mann, sprach die Frau erschrocken, das wird schlimm werden, der alte Mann war der Teufel und er hat unsere Toch- ter damit gemeint, die hat gerad hinter der Muͤhle gestanden und den Hof gekehrt.“ Die Muͤllerstochter war aber gar schoͤn und fromm, und nach drei Jahren kam der Teufel ganz fruͤh und wollte sie holen, aber sie hatte mit Kreide einen Kranz um sich gemacht und sich rein gewaschen. Da konnte der Teufel nicht zu ihr kommen, zornig sprach er zu dem Muͤl- ler: „thu ihr alles Waschwasser weg, daß sie sich nicht mehr waschen kann, und ich Gewalt uͤber sie habe.“ Der Muͤller fuͤrchtete sich und that es. Am andern Tag kam der Teufel wie- der, aber sie hatte auf ihre Haͤnde geweint und sich mit ihren Thraͤnen gewaschen, und war ganz rein; da konnte ihr der Teufel abermals nicht nahen, aͤrgerte sich sehr und befahl dem Muͤller: „hau ihr die Haͤnde ab, daß ich ihr was anhaben kann. Der Muͤller aber entsetzte sich und antwortete: wie koͤnnte ich meinem lieben Kind die Haͤnde abhauen, nein, das thu ich nicht. „Weißt du was, so hol ich dich selber, wenn dus nicht thust!“ Da fuͤrchtete sich der Muͤller gewaltig und versprach ihm in der Angst, zu thun was er befohlen haͤtte. Ging zu seiner Tochter und sprach: mein Kind, der Teufel wird mich holen, wenn ich dir nicht beide Haͤnde abhaue, und da habe ich es ihm versprochen, ich bitte dich um Verzeihung. „Vater, sagte sie, macht mit mir was ihr wollt,“ legte ihre beiden Haͤnde hin und ließ sie abhauen. Zum drittenmal kam der Teu- fel, allein sie hatte so lang und viel auf ihre Stuͤmpfe geweint, daß sie doch ganz rein wur- de, da hatte der Teufel alles Recht an ihr verloren. Der Muͤller, weil er so großes Gut durch sie gewonnen hatte, versprach ihr nun, er wolle sie Zeitlebens aufs koͤstlichste halten, allein sie mochte nicht mehr dableiben: „ich will fort von hier, mitleidige Menschen werden mir schon so- viel geben, als ich zum Leben brauche.“ Die beiden abgehauenen Haͤnde ließ sie sich auf den Ruͤcken binden; mit Sonnenaufgang zog sie fort und ging und ging den ganzen Tag, bis es Abend wurde, da kam sie zu des Koͤnigs Gar- ten. In der Gartenhecke war eine Luͤcke, durch die ging sie hinein, fand einen Obstbaum, den schuͤttelte sie mit ihrem Leib, und wie die Aepfel zur Erde fielen, buͤckte sie sich nieder und hob sie mit ihren Zaͤhnen auf und aß sie. Zwei Tage lebte sie so, am dritten aber kamen die Waͤchter des Gartens, die sahen sie, nahmen sie gefangen und warfen sie ins Gefangenhaus, des andern Morgens wurde sie vor den Koͤnig gefuͤhrt, und sollte Landes verwiesen werden. Ei, sprach der Koͤnigssohn, sie kann ja lieber die Huͤner auf dem Hof huͤten! So blieb sie eine Zeitlang da und huͤtete die Huͤner, der Koͤnigssohn aber sah sie oft und gewann sie von Herzen lieb; mittlerweile kam nun die Zeit, daß er sich vermaͤhlen sollte. Da wurde ausgeschickt in alle weite Welt, um ihm eine schoͤne Gemahlin auszusuchen. „Ihr braucht nicht weit zu suchen und zu senden, sprach er, ich weiß mir eine ganz in der Naͤ- he.“ Der alte Koͤnig besann sich hin und her und es war ihm keine Jungfrau im Land be- kannt, die schoͤn und reich waͤre: „du wirst doch nicht etwa gar die da wollen heirathen, die die Huͤner im Hofe huͤtet?“ Der Sohn aber erklaͤrte, er wuͤrde nimmermehr eine andere nehmen, da mußte es endlich der Koͤnig zuge- ben, und bald darauf starb er; der Koͤnigssohn folgte ihm im Reich nach, und lebte in soweit gluͤcklich mit seiner Gemahlin. Nun mußte aber einmal der Koͤnig in den Krieg ziehen und waͤhrend seiner Abwesenheit gebar sie ein schoͤnes Kind, und sandte einen Boten mit einem Brief ab, worin sie ihrem Gemahl die frohe Nachricht meldete. Der Bote ruhte unterwegs an einem Bache und schlief ein, da kam der Teufel, der ihr immer zu scha- den trachtete, und vertauschte den Brief mit ei- nem andern, worin stand, daß die Koͤnigin ei- nen Wechselbalg zur Welt gebracht haͤtte. Der Koͤnig, als er den Brief las, betruͤbte sich sehr, doch schrieb er zur Antwort: man solle die Koͤ- nigin und das Kind wohl halten, bis zu seiner Ruͤckkunft. Der Bote ging mit dem Brief zuruͤck und als er am naͤmlichen Platz ruhte und ein- geschlafen war, nahte sich der boͤse Teufel wie- der, und schob einen andern Brief unter, worin der Koͤnig befahl, Koͤnigin und Kind aus dem Land zu jagen. Dies mußte nun so geschehen, so sehr auch alle Leute vor Traurigkeit wein- ten: „ich bin nicht hierhergekommen, um Koͤni- gin zu werden, ich habe kein Gluͤck und ver- lange auch keins, bindet mir mein Kind und die Haͤnde auf den Ruͤcken, so will ich in die Welt ziehen.“ Abends kam sie in einen dicken Wald zu einem Brunnen, wobei ein guter al- ter Mann saß. „Seyd doch so barmherzig, sprach sie, und haltet mir mein Kind an die Brust, so lange bis ich ihm zu trinken gegeben habe“ welches der Mann that, und darauf sagte er zu ihr: dort steht ein dicker Baum, zu dem geh hin und schlinge deine abgestumpften Arme drei- mal um ihn!“ und als sie es gethan, wuchsen ihr die Haͤnde wieder an. Darauf zeigte er ihr ein Haus: „darin wohne und geh nicht heraus und mache niemand die Thuͤr auf, der nicht dreimal um Gotteswillen darum bittet.“ Indessen war der Koͤnig nach Haus gekom- men und sah ein, wie er betrogen worden war. In der Begleitung eines einzigen Dieners mach- te er sich auf, und nach einer langen Reise ver- irrte er sich endlich gerade in der Nacht in dem- selben Walde, wo die Koͤnigin wohnte, er wußte aber nicht, daß sie ihm so nah war. Dort hin- ten, sprach der Diener, glimmt ein Lichtchen in einem Haus, gottlob, da koͤnnen wir ruhen. — „ach nein, sprach der Koͤnig, ich will nicht so lange rasten, und weiter nach meiner geliebten Frau suchen, eher habe ich doch keine Ruhe.“ Allein der Diener bat so viel und klagte so uͤber Muͤdigkeit, daß der Koͤnig, aus Mitleid einwilligte. Wie sie zu dem Haus kamen, schien der Mond und sie sahen die Koͤnigin am Fen- ster stehen. „Ach, das muß unsere Koͤnigin seyn, so gleicht sie ihr“ sagte der Diener, aber ich sehe doch, daß sie es nicht ist, denn diese da hat Haͤnde. Der Diener sprach sie nun um Herberg an, aber sie sagte es ab, weil er nicht um Gotteswillen gebeten hatte. Er wollte wei- ter gehen, und einen andern Platz zum Nacht- lager suchen; da trat der Koͤnig selbst hinzu: lasset mich ein, um Gotteswillen! nicht eher darf ich euch einlassen, bis ihr mich dreimal um Gotteswillen gebeten habt,“ und wie der Koͤ- nig noch zweimal gebeten hatte, machte sie auf, da kam sein Soͤhnlein herausgesprungen fuͤhrte ihn zur Mutter hin, und er erkannte sie also- bald fuͤr seine geliebte Frau. Den andern Mor- gen reisten sie allemiteinander in ihr Land, und wie sie zum Haus heraus waren, war es hin- ter ihnen verschwunden. 32. Der gescheidte Hans . I. Hansens Mutter spricht: „wohin Hans?“ Hans antwortet: „zur Grethel.“ — „Machs gut Hans“ — „Schon gut machen, Adies, Mutter“ — Hans kommt zur Grethel: „gu- ten Tag Grethel.“ — Guten Hans: was bringst du Gutes?“ — „Bring nichts, gege- ben han.“ — Grethel schenkt dem Hans eine Nadel, Hans spricht: Adies, Grethel.“ — „Adies, Hans.“ — Hans nimmt die Nadel und steckt sie in einen Heuwagen und geht hinterher nach Haus. „Guten Abend, Mutter.“ — Guten Abend Hans, wo bist du gewesen?“ — “Bei der Grethel.“ — „Was hast du ihr gebracht?“ — „Nichts gebracht, gegeben hat“ — „Was hat sie dir gegeben?“ — „Nadel gegeben“ — „wo hast du die Nadel, Hans“ — „In Heu- wagen gesteckt.“ — „Das hast du dumm ge- macht, mußts an Aermel stecken.“ — „Thut nichts, besser machen.“ „Wohin Hans?“ — „zur Grethel.“ — „Machs gut, Hans.“ — „Schon gut machen, Adies, Mutter.“ — Hans kommt zur Grethel: „guten Tag, Grethel:“ — guten Tag, Hans: was bringst du Gutes?“ — Bring nichts, ge- geben han.“ Grethel schenkt dem Hans ein Messer. „Adies, Grethel“ — „Adies, Hans“ — Hans nimmt das Messer, steckts an den Aermel und geht nach Haus. „Guten Abend, Mutter.“ — „Guten Abend, Hans, wo bist du gewesen?“ — „Bei der Grethel.“ — „Was hast du ihr gebracht!“ — „Nichts gebracht, gegeben hat?“ „Was hat sie dir gegeben?“ — „Messer ge- geben.“ — Wo hast du das Messer Hans?“ — „An den Aermel gesteckt.“ — „Das hast du dumm gemacht, mußts in die Tasche stek- ken.“ — „Thut nichts, besser machen.“ „Wohin, Hans?“ — „zur Grethel.“ — „Machs gut, Hans.“ — „Schon gut machen, Adies, Mutter.“ — Hans kommt zur Gre- thel: „guten Tag, Grethel.“ — „Guten Tag, Hans: was bringst du Gutes?“ — „Bring nichts, gegeben han.“ Grethel schenkt dem Hans eine junge Zie- ge. „Adies, Grethel“ — „Adies, Hans.“ Hans nimmt die Ziege bindet ihr die Beine und steckt sie in die Tasche, wie er nach Haus kommt, ist sie erstickt. „Guten Abend, Mut- ter.“ — „Guten Abend, Hans, wo bist du gewesen?“ — „bei der Grethel.“ — „Was hast du ihr gebracht?“ — „Nichts gebracht, gegeben hat.“ — „Was hat sie dir gegeben?“ — „Ziege gegeben.“ — „wo hast du die Zie- ge, Hans?“ — „In die Tasche gesteckt“ — „das hast du dumm gemacht, Hans, mußts an ein Seil binden.“ — „Thut nichts, besser machen.“ „Wohin Hans?“ — „zur Grethel.“ — Machs gut, Hans.“ — „Schon gut machen, Adies, Mutter.“ — Hans kommt zur Gre- thel: „Guten Tag, Grethel.“ — „Guten Tag, Hans: was bringst du Gutes?“ — „Bring nichts, gegeben han.“ — Grethel schenkt dem Hans ein Stuͤck Speck. Hans bindet den Speck an ein Seil und schleifts hinter sich, die Hunde kommen und fressen es ab, wie er nach Haus kommt, ist das Seil leer. „Guten Abend, Mutter.“ — „Guten Abend, Hans, wo bist du gewesen?“ — „Bei der Grethel.“ — „Was hast du ihr gebracht?“ — „Nichts gebracht, gegeben hat.“ — „Was hat sie dir gegeben?“ — „Stuͤck Speck gege- ben?“ — „wo hast du den Speck, Hans?“ — „Ans Seil gebunden, heim gefuͤhrt, fort gewe- sen.“ — „Das hast du dumm gemacht, Hans, mußts auf dem Kopf tragen.“ — „Thut nichts, besser machen.“ „Wohin, Hans?“ — „zur Grethel.“ — „Machs gut, Hans.“ — Schon gut machen, Adies, Mutter.“ — Hans kommt zur Grethel: „guten Tag, Grethel:“ — „guten Tag, Hans: was bringst du Gutes?“ „Bring nichts gegeben han.“ — Grethel schenkt dem Hans ein Kalb, Hans setzt es auf den Kopf, und es zertritt ihm das Gesicht. — „Guten Abend, Mutter.“ — „Gu- ten Abend, Hans, wo bist du gewesen?“ — „Bei der Grethel.“ — „Was hast du ihr ge- bracht?“ — „Nichts gebracht, gegeben hat.“ „Was hat sie dir gegeben?“ — „Kalb gege- ben.“ — „Wo hast du das Kalb, Hans?“ — „Auf den Kopf gesetzt, Gesicht zertreten.“ — „Das hast du dumm gemacht, Hans, mußts leiten und an die Raufe stellen-“ — „Thut nichts, besser machen.“ „Wohin Hans?“ — „Zur Grethel.“ — „Machs gut, Hans.“ — „Schon gut machen, Adies Mutter.“ — „Guten Tag, Grethel.“ — „Guten Tag, Hans: was bringst du Gutes?“ — „Bring nichts, gegeben han.“ Grethel sagt: „ich will mit dir gehen.“ Hans bindet die Grethel an ein Seil, leitet sie, fuͤhrt sie vor die Raufe und knuͤpft sie fest. „Guten Abend, Mutter.“ — „Guten Abend, Hans: wo bist du gewesen?“ — „Bei der Grethel.“ — „Was hast du ihr gebracht.“ — „Nichts gebracht, gegeben hat.“ — „Was hat sie dir gegeben.“ — „Grethel mitgegangen.“ — „Wo hast du die Grethel.“ — „Geleitet, vor die Raufe geknuͤpft, Gras vorgeworfen.“ — „Das hast du dumm gemacht, mußt ihr die Augen freundlich zuwerfen.“ — „Thut nichts, besser machen.“ Hans geht in den Stall, sticht allen Kaͤl- bern und Schafen die Augen aus und wirft sie der Grethel ins Gesicht; da wird Grethel boͤs, reißt sich los, und laͤuft fort und ist Han- sens Braut gewesen. II. Im Geslinger Thal, da wohnt eine sehr reiche Wittfrau, die haͤtt' einen einigen Sohn, der war einer groben und tollen Verstaͤndniß: er war auch der allernaͤrrischte Mensch unter al- len Einwohnern desselbigen Thals. Derselbige Geck sahe auf eine Zeit zu Sarbruͤcken, eines wohlgeachten herrlichen Manns Tochter, die eine schoͤne, wohlgestalte, verstaͤndige Jungfrau war. Der Narr ward ihr gleich hold und la- ge der Mutter an, daß sie ihm dieselbige zu ei- ner Frauen schaffen wollte, wo nicht, so wollte er Ofen und Fenster einschlagen und alle Stie- gen im Haus abbrechen. Die Mutter wußt und sahe wohl ihres naͤrrischen Sohns Kopf und fuͤrcht, wenn sie ihn gleichwohl um die Jungfrau werben ließe und ihm ein groß Gut dazu gebe, so waͤr er doch ein so ungehobelter Esel, daß nichts mit ihm auszurichten oder ver- sehen waͤre. Wiewohl aber der Jungfrauen Eltern herrliche Leute und von gutem Ge- schlecht, so waren sie doch also gar arm, daß sie Armuth halber die Tochter ihrem Stande nach nit wuͤßten zu versorgen, derohalben die- se Werbung desto leichter Statt gewann. Die Mutter furchte nun auch, dieweil ihr Sohn also ein großer ungeschickter Goͤtz waͤre, daß ihn vielleicht die Jungfrau nit woͤllen haben, gab ihm darum allerhand Lehren, damit er sich bei der Braut fein hoͤflich zuthun und hurtig machen koͤnnte. Und als der Klotz erstlich mit der Jungfrau red't, da schankt sie ihm ein huͤbsch paar Handschuh aus weichem Corduan- leder gemacht. Lawel thaͤt sie an, zog heim; so kommt ein großer Regen, er behielt die Handschuhe an: galt gleich, ob sie naß wurden oder nit. Wie er aber einen Steg will gan, so glitscht er aus und faͤllt ins Wasser und Moor, er kommt heim, war wohl besudelt, die Handschuhe waren eitel Fleisch; klagts der Mutter, die gut alt Mutter schalt ihn und sagte, er sollts ins Fazziletlin (Schnupftuch) gewickelt und in Busen gestoßen haben. Bald darnach zeucht der gut Loͤffel wieder zu der Jungfrauen; sie fragt nach den Handschuhen, er sagt ihr, wie es ihm mit gegangen waͤre. Sie lacht und merkt das erst Stuͤck seiner Weisheit und schenkt ihm ein Habicht. Er nahm ihn, ging heim und gedacht an der Mut- ter Rede, wuͤrgt den Habicht, wickelt ihn in sein Brusttuch und stieß ihn in den Busen. Kam heim, wollt den huͤbschen Vogel der Mut- ter zeigen, zog ihn aus dem Busen. Die Mut- ter faͤhrt ihm wieder uͤber den Kamm, sagt, er sollte ihn fein auf der Hand getragen haben. Zum drittenmal kommt Jockel wieder zu der Jungfrauen, sie fragt, wie es um den Habicht staͤnde, er sagt ihr, wie es ihm mit gegangen; was sie gedacht: er ist ein lebendiger Narr; sah wohl, daß ihm nichts saͤuberlichs noch herr- lichs gebuͤhrte, und schenkt ihm ein Egge, die er brauchen sollt, wenn er gesaͤt haͤtte. Er nahm der Mutter Wort zu Herzen, und trug sie sie auf den Haͤnden empor, wie ein anderer Loffelbitz heim. Die Mutter war gar uͤbel zu- frieden, sprach, er sollt sie an ein Pferd gebun- den haben und heim geschleift. Letztlich sahe die Jungfrau, daß Chrisam und Tauf an ihm verloren war, denn es war weder Vernunft noch Weisheit in ihm, wußt nit, wie sie des Narren ledig werden sollt, gab ihm daher ein groß Stuͤck Specks, und stieß es ihm in den Busen: er wars wohl zufrieden. Er wollt heim und fuͤrcht, er wuͤrds im Busen verlieren, und bands einem Roß an den Schwanz, saß drauf und ritt heim, da liefen die Hunde hin- ten nach und rissen den Speck dem Pferd vom Schwanz und fraßen ihn. Er kommt heim, der Speck war auch hinweg. Hintennach sahe die Mutter ihres Sohns Weisheit, fuͤrcht, die Heirath wuͤrd' nit vor sich gehen, fuhr zu der Jungfrau Eltern, begehrt den Tag der Bere- dung zu wissen mit ihrem Sohn, und wie sie hinweg will, befiehlt sie ihm ernstlich, daß er wohl Haushalt und kein groß Wesen mach, denn sie hab eine Gans uͤber Eiern sitzen. Als nun die Mutter aus dem Haus war, so zeucht der Sohn fein in den Keller, sauft sich voller Weins und verliert den Zapfen zum Faß, wie er den sucht, so lauft der Wein alle in den Keller. Der gut Vetter nimmt einen Sack mit Mehl, und schuͤtt' es in den Wein, daß es die Kindermärchen. K Mutter nit saͤhe, wenn sie kommt. Demnach lauft er auf hin ins Haus, und hat ein wild's Gebraͤcht: so sitzt die Gans da und bruͤtelt, die erschrickt und schreit gaga! gaga! Den Narren kommt ein Furcht an und meint, die Gans haͤt gesagt: „ich wills sagen,“ und fuͤrcht, sie schwaͤtzt, wie er im Keller Haus ge- halten; nahm die Gans und hieb ihr den Kopf ab. Nun furcht er, wo die Eier auch verduͤr- ben, so waͤr er in tausend Laͤsten, bedacht sich und wollt' die Eier ausbruͤten, meint doch, es wuͤrd sich nit wohl schicken, dieweil er nit voll Federn waͤre, wie die Gans. Bedacht sich bald, zeucht sich ganz aus und schmiert den Leib zuring mit Honig, den haͤtt die Mutter erst neulich gemacht und schuͤtt darnach ein Bett aus und walgert sich allenthalb in den Federn, daß er sahe, wie ein Hanfbutz, und setzt sich also uͤber die Gaͤnseier und war gar still, daß er die jungen Gaͤns nit erschreckt. Wie Hans- wurst also bruͤtet, so kommt die Mutter und klopft an die Thuͤren: der Lawel sitzt uͤber den Eiern und will keine Antwort geben, sie klopft noch mehr, so schreit er gaga! gaga! und meint, dieweil er junge Gaͤns (oder Narren) bruͤtelt, so koͤnnt' er auch kein andre Sprach. Zuletzt draͤut ihm die Mutter so sehr, daß er aus dem Nest kroch und ihr aufthaͤt. Als sie ihn sahe, da meint' sie, es waͤr der lebendige Teufel, fragt, was das waͤre, er sagt ihr alle Ding nach der Ordnung. Der Mutter wars Angst mit dem Doppelnarren, dann die Braut sollt bald nachfolgen, und sagt zu ihm, sie wollts ihm gern verzeihen, er sollt sich nur jetzt zuͤch- tig halten, denn die Braut kaͤme, daß er sie fein freundlich empfahen und gruͤßen sollte und die Augen also hoͤflich und fleißig in sie wer- fen. Der Narr sagt ja, er wollts alles thun, wischt die Federn ab, und thaͤt sich wieder an, geht in den Stall und sticht den Schafen al- len die Augen aus, stoͤßt sie in Busen. So- bald die Braut kommt, so geht er ihr entge- gen, wirft ihr die Augen, alle, soviel er hat, ins Angesicht, meint, es muͤsse also seyn. Die gut Jungfrau schaͤmet sich, daß er sie also be- schmutzt und verwuͤst hat, sah des Narren Grobheit, daß er zu allen Dingen verderbt war, zog wieder heim, sagt ihm ab. Also blieb er ein Narr nach wie vor und bruͤtelt junge Gaͤns noch auf diesen Tag aus. Ich besorg aber, wenn sie ausschliefen werden, so sollten es wohl junge Narren seyn. Gott behuͤt uns. 33. Der gestiefelte Kater . Ein Muͤller hatte drei Soͤhne, seine Muͤh- le, einen Esel und einen Kater; die Soͤhne K 2 mußten mahlen, der Esel Getreide holen und Mehl forttragen und die Katz die Maͤuse weg- fangen. Als der Muͤller starb, theilten sich die drei Soͤhne in die Erbschaft, der aͤltste bekam die Muͤhle, der zweite den Esel, der dritte den Kater, weiter blieb nichts fuͤr ihn uͤbrig. Da war er traurig und sprach zu sich selbst: „ich hab es doch am allerschlimmsten kriegt, mein aͤltster Bruder kann mahlen, mein zweiter kann auf seinem Esel reiten, was kann ich mit dem Kater anfangen? laß ich mir ein paar Pelz- handschuhe aus seinem Fell machen, so ists vorbei.“ „Hoͤr, fing der Kater an, der alles verstanden hatte, was er gesagt, du brauchst mich nicht zu toͤdten, um ein paar schlechte Handschuh aus meinem Pelz zu kriegen, laß mir nur ein paar Stiefel machen, daß ich aus- gehen kann und mich unter den Leuten sehen lassen, dann soll dir bald geholfen seyn.“ Der Muͤllerssohn verwunderte sich, daß der Kater so sprach, weil aber eben der Schuster vorbei- ging, rief er ihn herein und ließ ihm ein paar Stiefel anmessen. Als sie fertig waren, zog sie der Kater an, nahm einen Sack, machte den Boden desselben voll Korn, oben aber eine Schnur daran, womit man ihn zuziehen konnte, dann warf er ihn uͤber den Ruͤcken und ging auf zwei Beinen, wie ein Mensch, zur Thuͤr hinaus. Dazumal regierte ein Koͤnig in dem Land, der aß die Rebhuͤhner so gern: es war aber eine Noth, daß keine zu kriegen waren. Der ganze Wald war voll, aber sie waren so scheu, daß kein Jaͤger sie erreichen konnte. Das wuß- te der Kater und gedacht seine Sache besser zu machen; als er in den Wald kam, thaͤt er den Sack auf, breitete das Korn auseinander, die Schnur aber legte er ins Gras und leitete sie hinter eine Hecke. Da versteckte er sich selber, schlich herum und lauerte. Die Rebhuͤhner ka- men bald gelaufen, fanden das Korn und eins nach dem andern huͤpfte in den Sack hinein. Als eine gute Anzahl darin war, zog der Ka- ter den Strick zu, lief herzu und drehte ihnen den Hals um; dann warf er den Sack auf den Ruͤcken und ging geradeswegs nach des Koͤnigs Schloß. Die Wache rief: „halt! wo- hin.“ — „Zu dem Koͤnig,“ antwortete der Kater kurzweg. — „Bist du toll, ein Kater zum Koͤnig?“ — „Laß ihn nur gehen, sagte ein anderer, der Koͤnig hat doch oft lange Weil, vielleicht macht ihm der Kater mit seinem Brummen und Spinnen Vergnuͤgen.“ Als der Kater vor den Koͤnig kam, machte er einen Reverenz und sagte: „mein Herr, der Graf, dabei nannte er einen langen und vornehmen Namen, laͤßt sich dem Herrn Koͤnig empfehlen und schickt ihm hier Rebhuͤhner, die er eben in Schlingen gefangen hat.“ Der Koͤnig erstaun- te uͤber die schoͤnen fetten Rebhuͤhner, wußte sich vor Freude nicht zu lassen, und befahl dem Kater so viel Gold aus der Schatzkammer in den Sack zu thun, als er tragen koͤnne: „das bring deinem Herrn und dank ihm noch viel- mal fuͤr sein Geschenk.“ Der arme Muͤllerssohn aber saß zu Haus am Fenster, stuͤtzte den Kopf auf die Hand und dachte, daß er nun sein letztes fuͤr die Stiefeln des Katers weggegeben, und was werde ihm der großes dafuͤr bringen koͤnnen. Da trat der Kater herein, warf den Sack vom Ruͤcken, schnuͤrte ihn auf und schuͤttete das Gold vor den Muͤller hin: „da hast du etwas vor die Stiefeln, der Koͤnig laͤßt dich auch gruͤßen und dir viel Dank sagen.“ Der Muͤller war froh uͤber den Reichthum, ohne daß er noch recht be- greifen konnte, wie es zugegangen war. Der Ka- ter aber, waͤhrend er seine Stiefel auszog er- zaͤhlte ihm alles, dann sagte er: „du hast zwar jetzt Geld genug, aber dabei soll es nicht blei- ben, morgen zieh ich meine Stiefel wieder an, du sollst noch reicher werden, dem Koͤnig hab ich auch gesagt, daß du ein Graf bist.“ Am andern Tag ging der Kater, wie er gesagt hat- te, wohl gestiefelt, wieder auf die Jagd, und brachte dem Koͤnig einen reichen Fang. So ging es alle Tage, und der Kater brachte alle Tage Gold heim, und ward so beliebt wie ei- ner bei dem Koͤnig, daß er aus- und eingehen durfte und im Schloß herumstreichen, wo er wollte. Einmal stand der Kater in der Kuͤche des Koͤnigs beim Heerd und waͤrmte sich, da kam der Kutscher und fluchte: „ich wuͤnsch' der Koͤnig mit der Prinzessin waͤr beim Henker! ich wollt ins Wirthshaus gehen und einmal trinken und Karte spielen, da soll ich sie spa- zieren fahren an den See.“ Wie der Kater das hoͤrte, schlich er nach Haus und sagte zu seinem Herrn: „wenn du willst ein Graf und reich werden, so komm mit mir hinaus an den See und bad dich darin.“ Der Muͤller wuß- te nicht, was er dazu sagen sollte, doch folg- te er dem Kater, ging mit ihm, zog sich splin- ternackend aus und sprang ins Wasser. Der Kater aber nahm seine Kleider, trug sie fort und versteckte sie. Kaum war er damit fertig, da kam der Koͤnig dahergefahren; der Kater fing sogleich an, erbaͤrmlich zu lamentiren: „ach! allergnaͤdigster Koͤnig! mein Herr, der hat sich hier im See gebadet, da ist ein Dieb gekommen und hat ihm die Kleider gestohlen, die am Ufer lagen, nun ist der Herr Graf im Wasser und kann nicht heraus, und wenn er laͤnger darin bleibt wird er sich verkaͤlten und sterben.“ Wie der Koͤnig das hoͤrte, ließ er Halt machen und einer von seinen Leuten muß- te zuruͤckjagen und von des Koͤnigs Kleidern holen. Der Herr Graf zog die praͤchtigsten Kleider an, und weil ihm ohnehin der Koͤnig wegen der Rebhuͤner, die er meinte von ihm empfangen zu haben, gewogen war, so mußte er sich zu ihm in die Kutsche setzen. Die Prin- zessin war auch nicht boͤs daruͤber, denn der Graf war jung und schoͤn, und er gefiel ihr recht gut. Der Kater aber war vorausgegangen und zu einer großen Wiese gekommen, wo uͤber hun- dert Leute waren und Heu machten. „Wem ist die Wiese, ihr Leute?“ fragte der Kater. — „Dem großen Zauberer.“ — „Hoͤrt, jetzt wird der Koͤnig bald vorbeifahren, wenn der fragt, wem die Wiese gehoͤrt, so antwortet: dem Gra- fen; und wenn ihr das nicht thut, so werdet ihr alle todtgeschlagen.“ — Darauf ging der Kater weiter und kam an ein Kornfeld, so groß, daß es niemand uͤbersehen konnte, da standen mehr als zweihundert Leute und schnit- ten das Korn. „Wem ist das Korn ihr Leu- te?“ — „Dem Zauberer.“ Hoͤr t , jetzt wird der Koͤnig vorbeifahren, wenn er fraͤgt, wem das Korn gehoͤrt, so antwortet: dem Grafen; und wenn ihr das nicht thut, so werdet ihr alle todtgeschlagen.“ — Endlich kam der Kater an einen praͤchtigen Wald, da standen mehr als dreihundert Leute, faͤllten die großen Ei- chen und machten Holz. — „Wem ist der Wald, ihr Leute?“ — „Dem Zauberer.“ — „Hoͤrt, jetzt wird der Koͤnig vorbeifahren, wenn er fraͤgt, wem der Wald gehoͤrt, so antwortet: dem Grafen; und wenn ihr das nicht thut, so werdet ihr alle umgebracht.“ Der Kater ging noch weiter, die Leute sahen ihm alle nach und weil er so wunderlich aussah, und wie ein Mensch im Stiefeln daherging, fuͤrchteten sie sich vor ihm. Er kam bald an des Zauberers Schloß, trat kecklich hinein und vor ihn hin. Der Zauberer sah ihn veraͤchtlich an, und fragte ihn, was er wolle. Der Kater machte einen Reverenz und sagte: „ich habe gehoͤrt, daß du in jedes Thier nach deinem Gefallen dich ver- wandeln koͤnntest; was einen Hund, Fuchs oder auch Wolf betrifft, da will ich es wohl glau- ben, aber von einem Elephant, das scheint mir ganz unmoͤglich, und deshalb bin ich gekommen und mich selbst zu uͤberzeugen.“ Der Zaube- rer sagte stolz: „das ist mir eine Kleinigkeit,“ und war in dem Augenblick in einen Elephant verwandelt; „das ist viel, aber auch in einen Loͤwen?“ — „Das ist auch nichts,“ sagte der Zauberer und stand als ein Loͤwe vor dem Ka- ter. Der Kater stellte sich erschrocken und rief: „das ist unglaublich und unerhoͤrt, dergleichen haͤtt' ich mir nicht im Traume in die Gedan- ken kommen lassen; aber noch mehr, als alles andere, waͤr es, wenn du dich auch in ein so kleines Thier, wie eine Maus ist, verwandeln koͤnntest, du kannst gewiß mehr, als irgend ein Zauberer auf der Welt, aber das wird dir doch zu hoch seyn. Der Zauberer ward ganz freund- lich von den suͤßen Worten und sagte: „o ja, liebes Kaͤtzchen, das kann ich auch“ und sprang als eine Maus im Zimmer herum. Der Ka- ter war hinter ihm her, fing die Maus mit ei- nem Sprung und fraß sie auf. Der Koͤnig aber war mit dem Grafen und der Prinzessin weiter spatzieren gefahren, und kam zu der großen Wiese. „Wem gehoͤrt das Heu?“ fragte der Koͤnig — „dem Herrn Gra- fen“ — riefen alle, wie der Kater ihnen be- fohlen hatte. — „Ihr habt da ein schoͤn Stuͤck Land, Herr Graf,“ sagte er. Darnach kamen sie an das große Kornfeld. „Wem gehoͤrt das Korn, ihr Leute?“ — „Dem Herrn Grafen.“ — „Ei! Herr Graf! große, schoͤne Laͤndereien!“ — Darauf zu dem Wald: „wem gehoͤrt das Holz, ihr Leute?“ — „Dem Herrn Grafen.“ — Der Koͤnig verwunderte sich noch mehr und sagte: „Ihr muͤßt ein reicher Mann seyn, Herr Graf, ich glaube nicht, daß ich einen so praͤchtigen Wald habe.“ Endlich kamen sie an das Schloß, der Kater stand oben an der Trep- pe, und als der Wagen unten hielt, sprang er herab, machte die Thuͤre auf und sagte: „Herr Koͤnig, Ihr gelangt hier in das Schloß meines Herrn, des Grafen, den diese Ehre fuͤr sein Lebtag gluͤcklich machen wird.“ Der Koͤnig stieg aus und verwunderte sich uͤber das praͤch- tige Gebaͤude, das fast groͤßer und schoͤner war, als sein Schloß; der Graf aber fuͤhrte die Prinzessin die Treppe hinauf in den Saal, der ganz von Gold und Edelsteinen flimmerte. Da ward die Prinzessin mit dem Grafen versprochen, und als der Koͤnig starb, ward er Koͤnig, der gestiefelte Kater aber erster Mi- nister. 34. Hansens Trine . Hansens Trine war faul und wollte nichts thun. Sie sprach zu sich selber: „was thu' ich? eß ich, oder schlaf ich, oder arbeit ich? — Ach! ich will erst essen!“ — Als sie sich dick satt gegessen hatte, sprach sie wieder: „was thu' ich? arbeit ich, ober schlaf ich? — Ach! ich will erst ein bischen schlafen.“ Dann leg- te sie sich hin und schlief, und wenn sie auf- wachte, war es Nacht, da konnte sie nicht mehr zur Arbeit ausgehen. Einmal kam der Hans Nachmittags nach Haus und fand die Trine wieder in der Kammer liegen und schlafen, da nahm er sein Messer und schnitt ihr den Rock ab, bis an die Knie. Trine wachte auf und gedacht: nun willst du zur Arbeit gehn. Wie sie aber hinauskommt und sieht, daß der Rock so kurz ist, erschrickt sie, wird irr, ob sie auch wirklich die Trine ist, und spricht zu sich sel- ber: „bin ichs oder bin ichs nicht?“ Sie weiß aber nicht, was sie drauf antworten soll, steht eine Zeitlang zweifelhaftig, endlich denkt sie: „du willst nach Haus gehen und fragen, ob dus bist, die werdens schon wissen.“ Also geht sie wieder zuruͤck, klopft ans Fenster und ruft hinein: „ist Hansens Trine drinnen?“; die andern antworten, wie sie meinen: „ja, die liegt in der Kammer und schlaͤft.“ — „Nun dann bin ichs nicht,“ sagt die Trine vergnuͤgt, geht zum Dorf hinaus und kommt nicht wie- der, und Hans war die Trine los. 35. Der Sperling und seine vier Kinder . Ein Sperling hatte vier Junge in einem Schwalbennest, wie sie nun fluͤck waren, stoßen boͤse Buben das Nest ein; sie kommen aber alle in Windbraus davon. Nun ist dem Alten leide, weil seine Soͤhne in die Welt kommen, daß er sie nicht zuvor vor allerlei Gefahr ver- warnet und ihnen gute Lehren fuͤrgesagt habe. Aufn Herbst kommen in einem Weizen- acker viel Sperlinge zusammen, allda trifft der Alte seine vier Jungen an, die fuͤhrt er mit Freuden mit sich heim: „ach, meine lieben Soͤhne, was habt ihr mir den Sommer uͤber Sorge gemacht, dieweil ihr ohne meine Lehre in Winde kamet; hoͤret meine Worte, und fol- get eurem Vater, und sehet euch wohl vor: kleine Voͤglein haben große Gefaͤhrlichkeit aus- zustehn!“ Darauf fraget er den aͤltern, wo er sich den Sommer uͤber aufgehalten, und wie er sich ernaͤhrt haͤtte? „Ich habe mich in den Gaͤrten gehalten, Raͤuplein und Wuͤrmlein ge- sucht, bis die Kirschen reif wurden.“ — „Ach! mein Sohn, sagte der Vater, die Schnabelweid ist nicht boͤs, aber es ist große Gefahr dabei, darum habe forthin deiner wohl Acht und son- derlich wenn Leut in Gaͤrten umher gehn, die lange gruͤne Stangen tragen, die inwendig hohl sind und oben ein Loͤchlein haben.“ — „Ja, mein Vater, wenn denn ein gruͤn Blaͤtt- lein aufs Loͤchlein mit Wachs geklebt waͤre?“ spricht der Sohn. — „Wo hast du das ge- sehn?“ — „In eines Kaufmanns Garten,“ sagt der Junge. — „O! mein Sohn, spricht der Vater, Kaufleut, geschwinde Leut, bist du um die Weltkinder gewesen, so hast du Welt- geschmeidigkeit genug gelernt, siehe und brauchs nur recht wohl, und trau dir nicht viele.“ Darauf befragt er den andern: „wo hast du dein Wesen gehabt?“ — „Zu Hofe,“ spricht der Sohn. — „Sperling und alberne Voͤglein dienen nicht an diesem Ort, da viel Gold, Sammet, Seiden, Wehr, Harnisch, Sperber, Kautzen und Blaufuͤß sind, halt dich zum Roßstall, da man den Haber schwingt, oder wo man drischet, so kann dirs Gluͤck mit gutem Fried auch dein taͤglich Koͤrnlein be- scheeren.“ — „Ja Vater, sagt dieser Sohn, wenn aber die Stalljungen Hebeitzen machen und ihr Maschen und Schlingen ins Stroh binden, da bieibt auch mancher behenken.“ — „Wo hast du das gesehn?“ sagte der Alte. — „Zu Hof, beim Roßbuben.“ — „O! mein Sohn, Hofbuben, boͤse Buben, bist du zu Hof und um die Herren gewesen, und hast keine Fe- dern da gelassen, so hast du ziemlich gelernet, du wirst dich in der Welt wohl wissen auszu- reißen, doch siehe dich um und auf; die Woͤlfe fressen auch oft die gescheidten Huͤndlein.“ Der Vater nimmt den dritten auch vor sich: „wo hast du dein Heil versucht?“ — „Auf den Fahrwegen und Landstraßen hab ich Kuͤbel und Seil eingeworfen und da bisweilen ein Koͤrnlein oder Graͤuplein angetroffen.“ — „Dies ist ja, sagt der Vater, eine feine Nah- rung, aber merk gleich wohl auf die Schanz, und siehe fleißig auf, sonderlich wenn sich einer buͤcket, und einen Stein aufheben will, da ist dir nicht lang zu bleiben.“ — „Wahr ists, sagt der Sohn; wenn aber einer zuvor einen Wand oder Handstein im Busen oder Tasche truͤge?“ — „Wo hast du dies gesehn?“ — Bei'n Bergleuten, lieber Vater, wenn sie aus- fahren fuͤhren sie gemeinlich Handstein bei sich.“ — „Bergleut, Werkleut, anschlaͤgige Leut, bist du um Bergburschen gewesen, so hast du was gesehen und erfahren.“ „Fahr hin und nimm deiner Sachen gleichwohl gut Acht, Bergbuben haben manchen Sperling mit Kobold umbracht.“ Endlich kommt der Vater an juͤngsten Sohn: „Du mein liebes Gackennestle, du warest allzeit der alberst und schwaͤchest, bleib du bei mir, die Welt hat viel grober und boͤ- ser Voͤgel, die krumme Schnaͤbel und lange Krallen haben, und nur auf arme Voͤglein lauern, und sie verschlucken, halt dich zu dei- nesgleichen, und lies die Spinnlein und Raͤup- lein von den Baͤumen, oder Haͤuslein, so bleibst du lang zufrieden.“ — „Du, mein lieber Va- ter, wer sich naͤhrt ohn' ander Leut Schaden, der kommt lang hin, und kein Sperber, Ha- bicht, Aar oder Weih wird ihm nicht schaden, wenn er zumal sich und seine ehrliche Nahrung dem lieben Gott all Abend und Morgen treu- lich befiehlt, welcher aller Wald- und Dorf- voͤglein Schoͤpfer und Erhalter ist, der auch der jungen Raͤblein Geschrei und Gebet hoͤret, denn ohne seinen Willen faͤllt auch kein Sper- ling oder Schneekuͤnglein auf die Erde.“ — „Wo hast du dies gelernt?“ — Antwortet der Sohn: „Wie mich der große Windbraus von dir wegriß, kam ich in ein Kirch, da las ich den Sommer die Fliegen und Spinnen von den Fenstern ab, und hoͤret diese Spruͤch pre- digen, da hat mich der Vater aller Sperlinge den Sommer uͤber ernaͤhrt, und behuͤtet vor allem Ungluͤck und grimmigen Voͤgeln.“ — „Traun! mein lieber Sohn, fleuchst du in die Kirchen und hilfest Spinnen und die sumsen- den Fliegen aufraͤumen, und zirpst zu Gott, wie die jungen Raͤblein, und befiehlst dich dem ewigen Schoͤpfer, so wirst du wohl bleiben, und wenn die ganze Welt voll wilder tuͤckischer Voͤgel waͤre.“ „Denn wer dem Herrn befiehlt seine Sach, Schweigt, leidet, wartet, betet, braucht Glimpf, thut gemach, Bewahret Glaub und gut Gewissen rein, Deß will Gott Schutz und Helfer seyn.“ 36. 36. Von dem Tischgen deck dich, dem Goldesel und dem Knuͤppel in dem Sack. I. Es war einmal ein Schuster, der hatte drei Soͤhne und eine Ziege; die Soͤhne mußten ihm beim Handwerk helfen, und die Ziege muß- te sie mit ihrer Milch ernaͤhren. Damit sie nun alle Tage gut saftig Futter bekaͤm, sollten die Soͤhne sie der Reihe nach auf die Weide fuͤh- ren. Der aͤlteste fuͤhrte sie auf den Kirchhof, ließ sie da herumspringen und fressen; am Abend, als er heim wollte, fragte er: „Ziege, bist du satt?“ die Ziege antwortete: „Ich bin so satt, ich mag kein Blatt meh! meh!“ „Nun so komm nach Haus“ sagte er, zog sie in den Stall und band sie fest. Der alte Schuster fragte seinen Sohn, ob die Ziege auch genug zu fressen gekriegt haͤtte; der Sohn ant- wortete: sie ist so satt, sie mag kein Blatt.“ Er wollte aber selbst sehen, ob das wahr sey, ging in den Stall und fragte: „Ziege, bist du satt?“ die Ziege antwortete: Kindermärchen. L „Wovon sollt ich satt seyn? ich sprang nur uͤber Graͤbelein, und fand kein einzig Blaͤttelein: meh! meh!“ Wie der Schuster das hoͤrte, glaubte er sein Sohn habe ihn belogen, ward zornig, sprang hinauf, nahm seinen Stock von der Wand und pruͤgelte ihn fort. Tags darauf mußte der zweite Sohn die Ziege weiden, er fuͤhrte sie unter lauter gute Kraͤuter, die fraß die Ziege alle ab. Am Abend fragte er: „Zie- ge, bist du satt?“ „Ich bin so satt, ich mag kein Blatt meh! meh!“ „Nun so komm nach Haus,“ zog sie in den Stall und sagte dem Alten, die Ziege sey satt und wohl gefuttert. Der Alte ging wie- der hinunter und fragte: „Ziege bist du satt?“ „Wovon sollt ich satt seyn, ich sprang nur uͤber Graͤbelein und fand kein einzig Blaͤttelein: meh! meh!“ Der Schuster ward zornig und pruͤgelte auch seinen zweiten Sohn zum Haus hinaus. Endlich mußte der dritte Sohn die Ziege auf die Weide fuͤhren. Der wollt sich auch huͤten, und suchte das schoͤnste Futter aus, die Ziege ließ auch nichts uͤbrig. Abends fragte er: „Zie- ge bist du satt.“ „Ich bin so satt, ich mag kein Blatt meh! meh!“ „Nun so komm nach Haus“ damit zog er sie in den Stall und versicherte den Vater, daß sie sich satt gefressen. Der Alte aber ging wie- der hin: „Ziege, bist du satt?“ „Wie sollt ich satt seyn? ich sprang nur uͤber Graͤbelein und fand kein einzig Blaͤttelein meh! meh!“ Da jagte er auch seinen dritten Sohn mit Schlaͤgen zum Haus hinaus. Der Schuster wollte nun selber seine Ziege auf die Weide treiben, band sie an ein Seil und fuͤhrte sie mitten unter die besten Kraͤuter; die Ziege aber fraß darin den ganzen Tag. Abends fragte er: Ziege, bist du satt?“ „Ich bin so satt, ich mag kein Blatt meh! meh!“ „Nun so komm nach Haus“ sagte er und zog sie in den Stall, als er sie festgeknuͤpft hatte, fragte er noch einmal: „Ziege, du bist doch satt?“ Die Ziege aber antwortete ihm, nun auch: „Wie sollt ich satt seyn? ich sprang nur uͤber Graͤbelein und fand kein einzig Blaͤttelein, meh! meh!“ Wie der Schuster das hoͤrte, da sah er das er seine drei Soͤhne unschuldig fortgejagt hatte, und ward uͤber die boshafte Ziege so zor- nig, daß er sein Rasirmesser holte, ihr den gan- zen Kopf kahl scheerte und sie fortpeitschte. L 2 Der aͤlteste Sohn war indeß zu einem Schreiner in die Lehr gegangen, und als seine Jahre herum waren, und er auf die Wander- schaft wollte, gab ihm dieser ein Tischgen deck dich. Er brauchte nur zu sagen: Tischgen deck dich! so war das Tischgen mit weißem Tuch ge- deckt, ein silberner Teller stand da, silberne Mes- ser und Gabel lagen dabei, vorn ein Cristall- glas mit rothem Wein gefuͤllt, und rund herum die schoͤnsten Schuͤsseln voll Essen. Damit zog er vergnuͤgt in die Welt, und wo er war, im Feld, im Wald oder in einer Wirthsstube, wenn er sein Tischgen hinsetzte und: „Tischgen deck dich sagte, so hatte er die praͤchtigste Mahlzeit. Einmal kam er in ein Wirthshaus, wo die Gaͤste schon alle versammelt waren, sie fragten ihn, ob er mitessen wollte, er antwortete: nein „aber ihr sollt mit mir essen.“ Damit stellte er sein Tischgen in die Stube, sprach: „Tischgen, deck dich!“ da stand es voll von dem kostbarsten Essen und wenn eine Schuͤssel abgehoben war, kam alsbald eine neue an ihre Stelle, und alle Gaͤste wurden herrlich tractirt. Der Wirth ge- dachte, wenn du ein solches Tischgen haͤttest, waͤrst du ein reicher Mann, und Nachts als der fremde Schreiner eingeschlafen war, und sein Tischgen in eine Ecke gestellt hatte, holte er ein anderes, das ebenso aussah, und stellte es fuͤr das aͤchte hin. Am Morgen fruͤh stand der gute Geselle auf, nahm sein Tischgen deck dich auf den Ruͤcken, und merkte nicht, daß es ihm vertauscht war. Er ging heim und sagte zu seinem Vater: sorgt nicht weiter und bekuͤmmert euch nicht ich habe ein Tischgen deck dich, da koͤnnen wir alle Tage im Ueberfluß leben.“ Der Vater freute sich, und ließ die Verwandten einladen und wie alle beisammen waren, setzte der Sohn sein Tischgen mitten in die Stube und sprach: „Tischgen deck dich!“ Aber das Tischgen blieb leer nach wie vor, da sah der Sohn, daß es ihm vertauscht war, schaͤmte sich; die Verwand- ten gingen ungetrunken und ungegessen fort und Vater und Sohn mußten wieder zum Handwerk greifen. Der zweite Sohn war zu einem Muͤller gegangen, als er ausgelernt hatte, gab ihm die- ser den Esel Bricklebrit zum Geschenk, so oft man zu ihm sagte: „Bricklebrit!“ so fing er an Ducaten auszuspeien hinten und vorn. Mit diesem Esel kam er in dasselbige Wirthshaus, wo seinem Bruder das Tischgen deck dich ge- stolen war. Er ließ sich fuͤrstlich tractiren, und wie die Rechnung kam, ging er in den Stall zu seinem Esel und sagte: „Briklebrit!“ da hat- te er mehr Ducaten, als er brauchen konnte. Der Wirth aber hatte das mit angesehen, stand auf in der Nacht, band das Goldeselein los, und stellte seinen Esel dafuͤr hin. Mit diesem zog am Morgen der Muͤllerspursch fort, und wußte nicht, daß er betrogen war. Als er heim kam zu seinem Vater, sagte er auch: „lebt lu- stig, ich hab das Eselein Bricklebrit und so viel Gold, als ihr wuͤnscht. Da ließ der Vater wieder alle Verwandten einladen, ein großes weißes Tuch ward mitten in die Stube ausge- breitet, der Esel aus dem Stall geholt, und auf das Tuch gestellt. Der Muͤller sprach: „Brick- lebrit!“ aber umsonst, es kam kein Ducaten zum Vorschein. Da sah er, daß er betrogen war, schaͤmte sich und trieb sein Handwerk sich zu ernaͤhren. Der dritte Sohn war zu einem Drechsler gegangen, der schenkte ihm auf die Wander- schaft einen Sack mit einem Knuͤppel. So oft er sprach: „Knuͤppel, aus dem Sack!“ so sprang der Knuͤppel heraus und tanzte unter den Leuten herum, und schlug sie erbaͤrmlich. Der Drechsler aber hatte gehoͤrt, daß seine Bruͤder in einem Wirthshause ihre erworbene Schaͤtze verloren haͤtten: also zog er in dassel- bige, sagte, daß seine Bruͤder ein Tischgen deck dich, und den Esel Bricklebrit bekommen, was er aber da in dem Sack mit sich fuͤhre, das sey noch koͤstlicher und noch viel mehr werth. Der Wirth war neugierig, meinte aller guten Dinge waͤren drei, und wollt sich in der Nacht den Schatz auch noch holen. Der Drechsler aber hatte seinen Sack unter sein Kopfkissen gelegt, wie nun der Wirth kam und daran zog, sprach er: Knuͤppel aus dem Sack, da fuhr der Knuͤp- pel aus dem Sack uͤber den Wirth her, tanzte mit ihm und pruͤgelte ihn so erbaͤrmlich, daß er gern versprach das Tischgen deck dich und den Esel Bricklebrit wieder herauszugeben. Da- mit zog nun der juͤngste Sohn heim, brachte alles seinem Vater, und lebte mit ihm und sei- nen Bruͤdern in Gluͤck und Freude. Die Ziege aber war in eine Fuchshoͤhle ge- laufen. Wie nun der Fuchs heim kam, und in seine Hoͤhle guckte, funkelten ihm ein paar große Augen entgegen. Vor Schrecken lief er fort, da begegnete ihm der Baͤr und sagte: „Bru- der Fuchs, was machst du fuͤr ein Gesicht?“ — „Ein grimmig Thier sitzt in meiner Hoͤhle mit entsetzlichen feurigen Augen.“ — „Das will ich dir heraustreiben, sagte der Baͤr, und ging zur Hoͤhle, wie er aber hinkam, und die Augen schimmern sah, kriegte er auch Furcht, und lief wieder zuruͤck. Da kam eine Biene geflogen und fragte:“ was siehst du so verdrießlich aus Baͤr? — „Es sitzt ein grimmig Thier dem Fuchs in seiner Hoͤhle, das koͤnnen wir nicht verjagen.“ Die Biene sagt: „ich bin ein gerin- ges Thier, und ihr achtet mich nicht, vielleicht kann ich euch aber helfen.“ Fliegt darauf in die Fuchshoͤhle und sticht die Ziege auf den plat- ten rasirten Kopf, da springt sie auf, schreit meh! meh! lauft fort, und niemand weiß bis auf den Tag, wo sie hingelaufen ist. II. Ein Schneider hatte drei Soͤhne, die wollt' er nach einander in die Welt schicken, da soll- ten sie was rechtschaffenes lernen, und damit sie nicht leer ausgingen, bekam jeder einen Pfann- kuchen, und einen Heller mit auf den Weg. Der aͤltste zog aus und kam zu einem kleinen Mann, der wohnte in einer Nußschale, war aber gewaltig reich. Er sprach zu dem Schnei- der: „wenn du meine Heerde an dem Berg weiden und huͤten willst, sollst du ein gut Ge- schenk von mir haben; doch mußt du dich in Acht nehmen, vor einem Haus am Fuße des Bergs, da gehts lustig zu, man hoͤrt immer Mu- sik und Tanzgeschrei, trittst du einmal hinein, so ists mit uns vorbei. „Der Schneider wil- ligte ein, trieb die Heerde auf den Berg, huͤtete sie fleißig blieb auch immer weit von dem Haus. Einmal aber, auf einen Sonntag hoͤrt' er, wie gar lustig es darin war, dacht, einmal ist kein- mal, ging hinein, tanzte, und war vergnuͤgt. Als er aber wieder heraus kam, war es Nacht und die ganze Heerde fort, da ging er mit schwerem Herzen zu seinem Herrn und gestand ihm was er gethan. Der Herr in der Nuß- schale war gewaltig boͤs, doch weil er so lang seinen Dienst ordentlich versehen und weil er auch seinen Fehler offenherzig gestanden, schenk- te er ihm ein Tischgen deck dich. Der Schnei- der war damit von Herzen zufrieden und mach- te sich auf den Heimweg zu seinem Vater. Un- terwegs kam er in ein Wirthshaus, da ließ er sich von dem Wirth eine besondere Stube ge- ben, sagte, er brauche kein Essen und schloß sich ein. Der Wirth dachte, was mag der wunder- liche Gast vorhaben, schlich sich hinauf, und guckte durch das Schluͤsselloch, da sah er wie der Fremde einen kleinen Tisch vor sich setzte, „Tischgen deck dich!“ sprach und alsbald das beste Essen und Trinken vor sich stehen hatte. Der Wirth meinte, das Tischen waͤr noch bes- ser fuͤr ihn selber, und in der Nacht, als der Fremde fest schlief, holt' er es heraus, und stellte ein anderes dahin, das ebenso aussah. Am Morgen zog der Schneider fort und merkte nichts von dem Betrug. Als er heim kam er- zaͤhlte er seinem Vater sein Gluͤck, der war froh, und wollte gleich das Wunder probiren, allein alles Sprechen, „Tischgen deck dich“ war umsonst, es blieb leer, und der junge Schneider sah nun, daß er bestolen war. Da bekam der zweite Sohn seinen Pfann- kuchen und Heller, sollt in die Welt gehn und es besser machen. Er kam auch zu dem Herrn in der Nußschale, diente ihm lange Zeit treu- lich, zuletzt aber ließ er sich auch verleiten, ging in das Haus, machte sich lustig, tanzte und verlor die Heerde. Da mußte er seinen Ab- schied nehmen, der Herr aber schenkte ihm ei- nen Esel, wenn er zu dem sprach: „ruͤttel und schuͤttel dich, wirf Gold hinter dich und vor dich“ da regnete es Gold von allen Seiten. Der Schneider ging vergnuͤgt nach Haus, im Wirthshaus aber vertauschte ihm der Wirth den Esel mit einem gemeinen und wie er nach Haus kam und seinen Vater reicher machen wollte, wars vorbei und er um sein Gluͤck gebracht. Endlich ward der dritte Sohn mit der Aus- stattung in die Welt geschickt und der versprachs besser zu machen. Er diente dem Herrn in der Nußschale getreulich, und damit er nicht in das gefaͤhrliche Haus gerathe, verstopfte er sich die Ohren mit Baumwolle und als das Jahr her- um war, uͤberlieferte er ihm die ganze Heerde, und kein Stuͤck fehlte. Da sagte der Herr: „ich muß dich besonders belohnen, da hast du einen Ranzen darin steckt ein Knuͤppel, und so- bald du sprichst: Knuͤppel aus dem Ranzen, so springt er heraus und weht die Leute durch und durch.“ Der Schneider machte sich damit auf den Heimweg und kehrte bei dem Wirth ein, der seinen beiden Bruͤdern ihre Geschenke abge- nommen. Er warf seinen Ranzen auf den Tisch und erzaͤhlte von seinen Bruͤdern: „der eine hat ein Tischgen deck dich, der andere einen Goldesel mitgebracht, das ist alles recht gut, aber nichts gegen das, was ich da im Ranzen habe, das kann die ganze Welt nicht bezahlen. Der Wirth ward neugierig und hoffte den Schatz auch noch zu kriegen. Als es Nacht ward, legte sich der Schneider auf die Streu und seinen Ranzen legte er unter den Kopf. Der Wirth blieb auf und wartete, bis er dacht der Schneider schlafe fest, da ging er herzu, holte einen andern Ranzen, und wollte dem Schneider seinen unter dem Kopf wegziehen. Der war aber wach geblieben, und als er die Hand des Wirths merkte, rief er: „Knuͤppel aus dem Ranzen!“ Da sprang der Knuͤppel heraus, auf den Wirth und pruͤgelte ihn so wichtig, daß er auf die Knie fiel und sehr um Gnade schrie. Der Schneider ließ aber den Knuͤppel nicht eher ruhen, bis der Dieb das Tischgen deck dich und den Goldesel heraus gab. Dann zog er mit den drei Wunderstuͤk- ken heim und sie lebten von nun an in Reich- thum und Gluͤckseeligkeit, und der Vater sag- te:“ meinen Pfannkuchen und meinen Heller hab ich nicht umsonst ausgegeben!“ 37. Von der Serviette, dem Tornister, dem Kanonenhuͤtlein und dem Horn . Es waren drei Bruͤder aus dem Schwar- zenfelsischen, von Haus sehr arm, die reisten nach Spanien, da kamen sie an einen Berg, der ganz von Silber umgeben war. Der aͤlteste Bruder machte sich bezahlt, nahm so viel als er nur tragen konnte, nnd ging mit seiner Beu- te nach Haus. Die andern zwei reisten weiter fort und kamen zu einem Berg, wo nichts als Gold zu sehen war. Nun sprach der eine zu dem andern: „wie sollen wir es machen?“ und der zweite nahm sich auch soviel Gold als er nur tragen konnte und ging nach Haus; der dritte aber wollte sein Gluͤck noch besser versu- chen und ging weiter fort. Nach drei Tagen kam er in einen ungeheuren Wald, da hatte er sich muͤd gegangen, Hunger und Durst plagten ihn, und er konnte nicht aus dem Wald heraus. Da stieg er auf einen hohen Baum und wollte sehen, ob er Waldes Ende finden moͤgte, er sah aber nichts als Baumspitzen; da wuͤnschte er nur noch einmal seinen Leib zu saͤttigen und begab sich, von dem Baum herunter zu steigen. Als er herunter kam, erblickte er unter dem Baum einen Tisch mit vielerlei Speise besetzt, da ward er vergnuͤgt, nahte sich dem Tisch und aß sich satt. Und als er fertig gegessen hatte, nahm er die Serviette mit sich und ging wei- ter, und wenn ihn wieder Hunger und Durst ankam, so deckte er die Serviette auf und was er wuͤnschte, das stund darauf. Nach einer Tagreise kam er zu einem Koͤhler, der brannte Kohlen und kochte Kartoffeln. Der Koͤhler bat ihn zu Gast, er sagte aber: „ich will nicht bei dir essen, aber ich will dich zu Gast bitten,“ der Koͤhler fragte: „wie ist das moͤglich, ich sehe ja nicht, daß du etwas bei dir hast.“ — „Das thut nichts, setz' dich nur her“ damit deckte er seine Serviette auf, da stand alles, was zu wuͤnschen war. Der Koͤhler ließ sichs gut schmecken und hatte großen Gefallen an der Serviette und als sie abgegessen hatten sag- te er: tausch mit mir, ich geb dir fuͤr die Ser- viette einen alten Soldatentornister wenn du mit der Hand darauf klopfst, kommt jedesmal ein Gefreiter und sechs Mann Soldaten mit Ober- und Untergewehr heraus, die koͤnnen mir im Wald nichts helfen, aber die Serviette waͤr mir lieb.“ Der Tausch ging vor sich, der Koͤh- ler behielt die Serviette, der Schwarzenfelser nahm den Tornister mit. Kaum war er aber ein Stuͤck Wegs gegangen, so schlug er darauf, da kamen die Kriegshelden heraus: „was ver- langt mein Herr?“ — „Ihr marschirt hin und holet bei dem Koͤhler meine Serviette, die ich dort gelassen.“ Also gingen sie zuruͤck und brachten ihm die Serviette wieder. Abends kam er zu einem andern Kohlenbrenner, der lud ihn wiederum zum Abendessen ein und hatte deßgleichen Kartoffeln ohne Fett. Der Schwar- zenfelser aber deckte seine Serviette auf und bat ihn zu Gast, da war alles nach Wunsch. Als die Mahlzeit vorbei war, hielt auch dieser Koͤhler um den Tausch an, er gab fuͤr die Ser- viette einen Hut, drehte man den auf dem Kopf herum, so gingen die Canonen, als stuͤnd eine Batterie auf dem Flecken. Als der Schwar- zenfelser ein Stuͤck Wegs fort war, klopfte er wieder auf seinen alten Ranzen, und der Ge- freite mit sechs Mann mußte ihm die Serviet- te wieder holen. Nun ging es weiter fort in dem naͤmlichen Wald und er kam Abends zu dem dritten Koͤhler, der lud ihn, wie die andern auf ungeschmelzte Kartoffeln, erhielt aber von ihm ein Tractament und vertauschte ihm die Serviette fuͤr ein Hoͤrnchen, wenn man darauf blies, fielen alle Staͤdte und Dorfschaften, wie auch alle Festungswerke uͤbern Haufen. Der Koͤhler behielt aber die Serviette nicht laͤnger als die andern, denn der Gefreite mit sechs Mann kam bald und holte sie ab. Wie nun der Schwarzenfelser alles beisammen hatte, kehr- te er um nach Haus, und wollt seine beiden Bruͤder besuchen. Diese waren reich von ih- rem vielen Gold und Silber und wie er nun kam, einen alten zerrissenen Rock anhabend, da wollten sie ihn nicht fuͤr ihren Bruder erken- nen. Alsobald schlug er auf seinen Tornister und ließ 150 Mann aufmarschiren, die mußten seinen Bruͤdern die Hucke (den Buckel) recht vollschlagen. Das ganze Dorf kam zu Huͤlfe, aber sie richteten wenig aus bei der Sache; da ward es dem Koͤnig gemeldet, der schickte ein militaͤrisch Commando ab, diese Soldaten ge- fangen zu nehmen; aber der Schwarzenfelser schlug in einem hin auf seinen Ranzen und ließ Infanterie und Cavallerie aufmarschireen , die schlugen das militaͤrische Commando wieder znruͤck an seinen Ort. Am andern Tag ließ der Koͤnig noch viel mehr Volk ausmarschiren um den alten Kerl in Ruh zu setzen. Der aber schlug auf seinen Ranzen so lang bis eine ganze Armee herausgekommen, dazu drehte er seinen Hut ein paar mal, da gingen die Cano- nen und der Feind ward geschlagen und in die Flucht gejagt. Da ward Friede geschlossen und er zum Vicekoͤnig gemacht, wie auch die Prin- zessin ihm zur Gemahlin gegeben. Der Prinzessin aber lag es bestaͤndig im Sinn, daß sie so einen alten Kerl zum Gemahl nehmen muͤssen und wuͤnschte nichts mehr, als daß sie ihn wieder los werden koͤnnte. Sie forschte taͤglich in welchen Vortheilen seine Macht bestehe, er war auch so treu und ent- deckte ihr alles. Da schwaͤzte sie ihm seinen Ranzen ab und verstieß ihn, und als darauf Soldaten gegen ihn marschirten, war sein Volk verloren, aber noch hatte er sein Huͤtgen, da griff er daran und ließ die Kanonen gehen, so schlug er den Feind und ward wieder Friede gemacht. Darnach aber ließ er sich wieder be- truͤgen und die Prinzessin schwaͤzte ihm sein Huͤtchen ab. Und als nun der Feind auf ihn eindrang, hatte er nichts als sein Hoͤrnchen, da blies er darauf, alsbald fielen Doͤrfer, Staͤd- te und alle Festungswerke uͤbern Haufen. Da war er Koͤnig allein und blieb, bis er gestor- ben ist. 38. Von der Frau Fuͤchsin . I. Es war einmal ein alter Fuchs mit neun Schwaͤnzen, der wollte sehen, ob ihm seine Frau treu waͤre, streckte sich unter die Bank und stellte sich mausetodt. Da ging die Frau Fuͤchsin hinauf in ihre Kammer, schloß sich ein und ihre Magd die Katze saß auf dem Heerd und kochte. Als es nun bekannt wurde, daß der alte Fuchs gestorben war, klopfte es an die Hausthuͤr: „was „was macht sie Jungfer Katze? schlaͤft se oder wacht se?“ Da ging die Katze und machte auf: ein junger Fuchs stand haußen: ich schlafe nicht, ich wache, ich koche warm Bier und Butterlein, will der Herr mein Gast seyn? „Nein ich bedanke mich, was macht die Frau Fuͤchsin?“ sie sitzt auf ihrer Kammer, beklagt ihren Jammer, weint ihre Aeuglein seidenroth weil der alte Herr Fuchs ist todt. „Sag sie, es waͤr ein junger Fuchs da, der wollte sie gern freien!“ Da ging die Katz die Tripp die Trapp, da schlug die Thuͤr, die Klipp die Klapp: Frau Fuͤchsin sind sie da? — „ach ja mein Kaͤtzchen ja!“ — es ist ein Freier draus. Da sprach die Frau Fuͤchsin: „mein Kind, wie sieht er aus? hat er denn auch neun so schoͤne Zeiselschwaͤn- ze, wie der selige Herr Fuchs?“ — ach nein, er hat nur einen Schwanz. — „Da will ich ihn nicht haben.“ Die Katz geht hinunter und schickt den Freier fort; bald darauf klopft es wieder an, Kindermärchen. M und es ist ein anderer Fuchs, der hat zwei Schwaͤnze, und es geht nun eben so, wie mit dem ersten. Darauf kommen andere, immer mit einem Schwanz mehr, bis zuletzt ein Freier mit neun Schwaͤnzen da ist. Nunmehr spricht die Fuͤchsin zur Katze: „nun macht mir Thor und Thuͤr auf und kehrt den alten Herrn Fuchs hinaus!“ wie sie aber eben Hochzeit halten wollen, kommt der alte Fuchs wieder, pruͤgelt das ganze Ge- sindel zum Haus hinaus und jagt die Frau Fuͤchsin fort. II. Der alte Fuchs ist gestorben, ein Freier ein Wolf kommt vor die Thuͤr und klopft an: guten Tag, Frau Katz von Kehrewitz, wie kommts, daß sie alleine sitzt? was macht sie gutes da? Katz. „Brock mir Weck und Milch ein, will der Herr mein Gast seyn?“ Wolf: danke schoͤn; Frau Fuͤchsin nicht zu Haus? Katze: „sie sitzt droben in der Kammer beweinet ihren Jammer, beweinet ihre große Noth, daß der alte Herr Fuchs ist todt.“ Wolf. Will sie einen andern Mann han, so soll sie heruntergan. — Die Katz die lief die Trepp hinan, und ließ ihr Zeilchen rummergan, bis sie kam vor den langen Saal, klopft an mit ihren fuͤnf goldenen Ringen: „Frau Fuͤchsin ist sie drinnen? will sie einen andern Mann han, so soll sie nur heruntergan.“ Fr. Fuͤchsin: hat der Herr rothe Hoͤslein an und ein spitz Maͤulchen? Katze. „nein“ Fr. Fuͤchsin: so kann er mir nicht dienen. Nun wird der Wolf abgewiesen, darauf kommt ein Hund, dem geht es eben so, ein Hirsch, ein Hase, ein Baͤr, ein Loͤwe und alle Waldthiere. Aber denen fehlt immer etwas, was der alte Fuchs hatte, und die Katze muß sie alle wegschicken. Endlich kommt ein junger Fuchs: Fr. Fuͤchsin: hat der Herr rothe Hoͤslein an und ein spitz Maͤulchen? Katze. „ja.“ Fr. Fuͤchsin: so soll er heraufkommen. Katz kehr die Stube aus und schmeiß den alten Fuchs zum Fenster naus! bracht so manche dicke fette Maus ins Haus, fraß sie immer alleine, gab mir aber keine. Nun wird Hochzeit gehalten und getanzt, und wenn sie nicht aufgehoͤrt haben zu tanzen, so tanzen sie noch. M 2 39. Von den Wichtelmaͤnnern . I. Von dem Schuster, dem sie die Arbeit gemacht . Ein Schuster war so arm geworden, daß er nichts mehr hatte, als das Leder fuͤr ein einziges paar Schuhe. Die schnitt er am Abend zu, legte sich ins Bett und wollte sie am andern Morgen in die Arbeit nehmen. Wie er aber aufgestanden ist, und sich zur Ar- beit setzen will, da stehen die beiden Schuhe schon fertig und schoͤn gemacht auf seinem Tisch. Es kam auch bald ein Kaͤufer, der bezahlte sie so gut, daß sich der Schuster Leder zu zwei paar Schuhen kaufen konnte, die schnitt er wieder Abends zurecht, und wie er sie am an- dern Morgen arbeiten wollte, waren sie eben so wohl schon fertig, und fuͤr das Geld, das er daraus loͤste, konnte er Leder zu vier paar Schuhen kaufen, die aber standen am dritten Morgen gemacht da. Und so gings weiter, so viel der Schuster am Abend zugeschnitten hat- te, so viel war am Morgen fertig, und er war bald wieder ein wohlhabender Mann. Wie er sich eines Abends kurz vor Weih- nachten zu Bett legen wollt, und wieder vieles zurecht geschnitten hatte, sprach er zu seiner Frau: „wir wollen doch einmal aufbleiben und sehen, wer in der Nacht unsere Arbeit thut.“ Also steckten sie ein Licht an, verbargen sich in den Stubenecken hinter die Kleider, die da auf- gehaͤngt waren und gaben Acht. Um Mitter- nacht kamen zwei kleine niedliche, nackte Maͤnn- lein, die setzten sich an den Arbeitstisch, nah- men alle zugeschnittene Arbeit vor sich, und ar- beiteten so unglaublich geschwind und behend, daß der Schuster vor Verwunderung die Au- gen nicht von ihnen abwenden konnte. Sie hoͤrten auch nicht auf, bis sie alles fertig ge- macht hatten, dann sprangen sie fort und es war noch lange nicht Tag. Die Frau aber sprach zu ihrem Mann: „die kleinen Maͤnner haben uns reich gemacht, wir muͤssen uns dankbar beweisen, sie dauern mich, daß sie so ohne Kleider herumgehen und frieren; ich will Hemder, Rock, Camisol und Hosen fuͤr sie naͤhen, auch jedem ein paar Struͤmpfe stricken, mach du jedem ein paar kleine Schuhe.“ Der Mann war das zufrie- den, und wie alles fertig war, legten sie es am Abend zurecht, sie wollten auch sehen, was die Maͤnnlein dazu machten und versteckten sich wieder. Die Kleinen kamen, wie gewoͤhnlich, um Mitternacht; wie sie die Kleider da liegen sahen, schienen sie recht froͤhlich, mit der groͤß- ten Geschwindigkeit zogen sie sich an, und als sie fertig waren, huben sie an zu huͤpfen, zu springen, zu tanzen, und so tanzten sie zur Thuͤr hinaus, und sind nicht wieder gekommen. II. Von einem Dienstmaͤdchen, das Ge- vatter bei ihnen gestanden . Ein armes Dienstmaͤdchen war fleißig und reinlich, und kehrte alle Tage dem Schmutz vor die Thuͤre auf einen großen Haufen. Eines Morgens fand es einen Brief darauf liegen, und weil es nicht lesen konnte, bracht es ihn seiner Herrschaft, da war es eine Einladung von den Wichtelmaͤnnern an das Maͤdchen, es moͤchte ihnen ein Kind aus der Taufe heben. Das Maͤdchen besann sich, endlich auf vieles Zureden, daß man das nicht abschlagen duͤrfe, sagte es ja. Da kamen drei Wichtelmaͤnner und fuͤhrten es in einen hohlen Berg. Da war alles klein, aber so zierlich und praͤchtig, daß es nicht zu sagen ist; die Kindbetterin lag in einem Bett von schwarzem Ebenholz mit Knoͤpfen von Perlen, die Decken waren ganz golden, die Wiege von Elfenbein und die Wan- ne von Gold. Das Maͤdchen stand nun Ge- vatter und wollt darnach wieder fort, die Wich- telmaͤnnlein baten es aber, drei Tage bei ihnen zu bleiben. Die verlebt' es in Freuden, und wie sie herum sind und es heim wollte, da steckten sie ihm die Taschen ganz voll Gold und fuͤhrten es wieder aus dem Berg. Und als es nach Haus kam, war es statt drei Tage ein ganzes Jahr darin gewesen. III. Von einer Frau, der sie das Kind vertauscht haben . Einer Mutter war ihr Kind von den Wich- telmaͤnnern aus der Wiege geholt, und eiu Wechselbalg mit dickem Kopf und starren Au- gen hineingelegt, der nichts als trinken und essen wollte. In ihrer Noth ging sie zu ihrer Nachbarin und fragte sie um Rath. Die sag- te, sie solle den Wechselbalg in die Kuͤche tra- gen, auf den Heerd setzen, Feuer anmachen und in zwei Eierschalen Wasser kochen, das bringe den Wechselbalg zum Lachen, und wenn er lache, dann sey es aus mit ihm. Die Frau thut alles; wie sie die Eierschalen mit Wasser uͤbers Feuer setzt, spricht der Klotzkopf: „nun bin ich so alt wie der Westerwald und hab nicht gesehen, daß jemand in Scha- len kocht!“ und muß daruͤber lachen, und wie er lacht kommt auf einmal eine Menge von Wichtel- maͤnnerchen, die bringen das rechte Kind, setzen es auf den Heerd, und nehmen ihren Gesellen mit fort. 40. Der Raͤuberbraͤutigam . Eine Prinzessin war mit einem Prinzen versprochen, der bat sie mehrmals, sie moͤchte ihn doch einmal in seinem Schloß besuchen, allein weil der Weg durch einen großen Wald fuͤhrte, so lehnte sie es immer ab, aus Furcht sich darin zu verirren. Wenn das ihre Sorge waͤre, sagte der Prinz, so wollte er schon hel- fen, und an jeden Baum ein Band binden, daß sie den Weg gar nicht fehlen koͤnnte; eine Zeitlang suchte sie es dennoch aufzuschieben, als ob es ihr heimlich gegraut haͤtte, endlich aber gingen ihr alle Ausreden aus, und sie mußte sich eines Tags auf die Reise machen. Von Morgen bis zu Abend ging sie durch ei- nen langen, langen Wald, und kam endlich vor ein großes Haus, alles war still darin, bloß eine alte Frau saß vor der Thuͤre. „Kann sie mir nicht sagen, ob hier der Prinz mein Braͤutigam wohnt?“ — Gut, mein Kind, ant- wortete die Frau, daß ihr jetzt kommt, da der Prinz nicht zu Haus ist; ich habe Wasser muͤs- sen tragen in einen großen Kessel, da wollen sie euch umbringen, kochen und hernach essen. Indem kam der Prinz mit seinen Spitz- buben vom Raub heim, weil aber die Alte mit der Jugend und Schoͤnheit der Braut Mitleid hatte, sagte sie, eh jemand darauf merkte: ge- schwind hinunter in den Keller, hinter das gro- ße Faß, da versteckt euch! Kaum war die Prin- zessin dahinter gewischt, so kommen auch die Raubgesellen in den Keller gegangen und fuͤhr- ten eine alte Frau mit sich gefangen, die Prin- zessin sah wohl, daß es ihre Großmutter war, denn aus ihrer Ecke heraus konnte sie alles mit anschauen, was da vorging, ohne daß sie von einem Auge bemerkt wurde. Die Spitz- buben nahmen die alte Großmutter, ermorde- ten sie und zogen ihr alle Ringe von den Fin- gern, einen nach dem andern ab, nur aber der Ring vom Goldfinger, der wollte nicht herun- ter, da griff einer ein Beil und hieb den Fin- ger ab, der Finger aber sprang hinters Faß und fiel gerade in den Schooß der Prinzessin. Nachdem die Spitzbuben lange vergebens um den Finger herum gesucht haben, fing endlich einer an: habt ihr wohl schon hinterm großen Faß gesucht? — Laßt lieber das Suchen bei Lichte seyn, sagte ein anderer, morgen fruͤh wol- len wir suchen, da werden wir den Ring bald haben.“ Hierauf legten sich die Spitzbuben in dem- selben Keller zum Schlaf nieder, und wie sie schliefen nnd schnarchten, ging die Braut hin- term Faß hervor, da lagen sie alle reihenweise, und sie mußte uͤber all die Schlafenden weggeh- hen , bis zur Thuͤre. Behutsam setzte sie im- mer ihren Fuß in die Zwischenraͤume, und im- mer war ihr bang, sie moͤchte einen aufwecken, allein es geschah zum Gluͤck nicht, und als sie die Thuͤre erreicht hatte und in dem Wald wie- der war, folgte sie den Baͤndern, denn der Mond schien ganz hell, so lange bis sie wieder nach Haus gelangte. Ihrem Vater erzaͤhlte sie nun alles, was ihr begegnet war, der gab gleich Befehl, ein ganzes Regiment sollte das Schloß umzingeln, sobald der Braͤutigam eintraͤfe. Dieses ge- schah, der Braͤutigam kam desselben Tags und fragte gleich: warum sie denn gestern nicht zu ihm gekommen waͤre, wie sie doch versprochen gehabt haͤtte? So sprach sie: ich habe einen so schweren Traum gehabt; mir traͤumte, ich kaͤme in ein Haus, da saß eine alte Frau vor der Thuͤre, welche zu mir sprach: wie gut ist es doch fuͤr euch, mein Kind, daß ihr jetzt kommt, dieweil niemand zu Haus ist, denn ich muß es euch nur sagen, ich habe da Wasser tragen muͤssen in einen großen Kessel, da wol- len sie euch umbringen, sieden und hernach essen. Und wie sie noch so sprach, kamen die Spitz- buben heim, da sagte die Alte, eh mich jemand merkte, geschwind hinunter in den Keller, ver- steckt euch hinter das große Faß, kaum aber war ich dahinter, so kamen die Spitzbuben auch die Kellertreppe hinabgegangen, und schleppten eine alte Frau mit sich, die ergriffen und mor- deten sie. Und als sie die alte Frau ermordet hatten, fingen sie an, und zogen ihr alle Ringe von den Fingern, einen nach dem andern, nur der Ring am Goldfinger wollte nicht herunter- gehen, da griff einer zum Beil und hieb dar- auf, daß der Finger in die Hoͤhe sprang, und kam gerade hinters Faß gesprungen in meinen Schooß, und hier hab ich den Finger ! bei welchen Worten sie ihn ploͤtzlich aus der Tasche zog. Wie der Braͤutigam das sah und hoͤrte, wurde er kreideweiß vor Schrecken, dachte also- bald zu entfliehen, und sprang zum Fenster hin- aus. Unten aber stand Wache, die fing ihn und seine ganze Bande auf, und alle wurden hingerichtet zum Lohn fuͤr ihre Bubenstuͤcke. 41. Herr Korbes . Es war einmal ein Huͤhnchen und Haͤhn- chen, die wollten zusammen verreisen, da baute das Haͤhnchen einen schoͤnen Wagen mit vier rothen Raͤdern, und spannte vier Maͤuschen da- vor, dann setzte sich das Huͤhnchen mit dem Haͤhnchen auf, und so fuhren sie fort. Da be- gegnete ihnen eine Katze, die sprach: „wo wollt ihr hin?“ da antwortete das Hahnchen: „als hinaus nach dem Herrn Korbes seinem Haus.“ Die Katze sprach: „nehmt mich auch mit.“ Das Haͤhnchen antwortete: „recht gern, setz dich hin- ten auf, daß du vornen nicht herabfaͤllst: nehmt euch wohl in Acht, daß ihr mir meine rothe Raͤderchen nicht schmutzig macht. Ihr Raͤderchen schweift! Ihr Maͤuschen pfeift! als hinaus nach des Herrn Korbes seinem Haus.“ So kam nach und nach ein Muͤhlstein, ein Ei, eine Ente, eine Stecknadel und eine Naͤhnadel, die setzten sich auch alle auf den Wagen, wie sie aber zu des Herrn Korbes seinem Haus ka- men, war der Herr Korbes nicht da. Die Maͤuschen fuhren den Wagen in die Remise, das Huͤhnchen flog mit dem Haͤhnchen auf eine Stange, die Katze setzte sich ins Kamin, die Ente in die Bornstande, die Stecknadel sich ins Stuhlkissen, die Naͤhnadel ins Bett ins Kopf- kissen, der Muͤhlenstein legte sich uͤber die Thuͤ- re, und das Ei wickelte sich in das Handtuch. Da kam der Herr Korbes nach Haus, ging ans Kamin und wollte Feuer anmachen, da warf ihm die Katze das ganze Gesicht voll Asche; er ging geschwind in die Kuͤche und wollte sich ab- waschen, wie er an die Bornstande kam, spruͤtz- te ihm die Ente Wasser ins Gesicht, als er sich abtrocknen wollte, rollte ihm das Ei aus dem Handtuch entgegen, ging entzwei und klebte ihm die Augen zu; er wollte sich ruhen und setzte sich auf den Stuhl, da stach ihn die Steck- nadel, daruͤber wurde er ganz verdrießlich und ging ins Bett und wie er den Kopf aufs Kis- sen niederlegte, da stach ihn die Naͤhnadel; da ward er so boͤs und toll, daß er zum Haus hinaus laufen wollte, wie er aber an die Thuͤre kam, sprang der Muͤhlstein herunter und schlug ihn todt. 42. Der Herr Gevatter . Ein armer Mann hatte schon viel Kinder, so daß er alle Welt zu Gevatter gebeten hatte, und als er noch eins bekam, wußte er nicht, wen er noch zu Gevatter bitten koͤnne, da wur- de er sehr betruͤbt und legte sich hin und schlief ein. Da traͤumte ihm, er solle vor das Thor gehen, und den ersten, der ihm begegne, den solle er zu Gevatter bitten. Das that der Mann, da begegnete ihm einer, den bat er zum Ge- vatter und der schenkte ihm ein Glaͤschen mit Wasser, „damit kannst du alle Kranke curiren, wenn der Tod beim Kopf steht, steht er aber bei den Fuͤßen, so muß der Kranke sterben.“ Nun wurde des Koͤnigs Kind krank, und der Tod stand beim Kopf, da curirte ers mit dem Wasser, und das zweitemal, als es krank wur- de, da machte ers wieder gesund, weil der Tod wieder beim Kopf stand, das dritte mal aber stand er bei den Fuͤßen, da mußte es sterben. Da ging der Mann zu seinem Gevatter und wollte es ihm alles erzaͤhlen, und als er im Haus auf die erste Treppe kam, so standen da die Schippe und der Besen, und schmissen sich. Da fragte er sie, wo der Gevatter woh- ne; der Besen sagte: eine Treppe hoͤher.“ Wie er auf die zweite Treppe kam, sah er eine Menge todter Finger liegen. Da fragte er wie- der, wo der Gevatter wohne? „eine Treppe hoͤ- her.“ Auf der dritten Treppe lag ein Haufen todter Koͤpfe die sagten wieder: „eine Treppe hoͤher.“ Auf der vierten sah er Fische uͤber dem Feuer stehen, die britzelten im Kochen und backten sich selber. Sie sagten auch: „eine Treppe hoͤher.“ Wie er auf die fuͤnfte kam da war eine Stube, da guckte er durch das Schluͤsselloch, und sah den Gevatter, der ein paar lange, lange Hoͤrner auf hatte, und als er hineinging, legte er sie geschwind aufs Bett und deckte sie zu. Da sprach der Mann: „Herr Gevatter, wie ich auf eure erste Treppe kam, da sah ich eine Schippe und ei- nen Besen stehen, die sich schmissen“ — „wie seid ihr so einfaͤltig, antwortete der Gevatter, das waren der Knecht und die Magd, die spra- chen zusammen.“ — „Auf der zweiten Treppe sah ich todte Finger liegen.“ — „Ei, wie seid ihr dumm, das waren Skorzenerwurzel.“ — „Auf der dritten lag ein Haufen Todtenkoͤpfe.“ — „Dummer Mann, das waren Krautkoͤpfe.“ — „Auf der vierten sah ich Fische im Koch- topf, die britzelten und kochten sich selber. Wie er das Wort sprach, kamen die Fische und tru- gen sich selber auf“ — „und auf der fuͤnften guckte ich durchs Schluͤsselloch, da sah ich, daß ihr lange, lange Hoͤrner hattet“ — “Ei, das ist nicht wahr.” 43. Die wunderliche Gasterei . Auf eine Zeit lebte eine Blutwurst und ei- ne Leberwurst zusammen, und die Blutwurst bat die Leberwurst zu Gast. Wie es Essenszeit war, ging die Leberwurst ganz vergnuͤgt zu der Blutwurst, als sie aber in die Hausthuͤre trat, sah sie allerlei wunderliche Dinge, auf jeder Stiege der Treppe, deren viele waren, immer etwas anderes, da war ein Besen und eine Schippe, die sich miteinander schlugen, dann ein Affe mit einer großen Wunde am Kopf und dergleichen mehr. Die Leberwurst war ganz erschrocken und bestuͤrzt daruͤber, doch nahm sie sich ein Herz ging in die Stube und wurde von der Blut- wurst freundschaftlich empfangen. Die Leber- wurst hub an, sich nach den seltsamen Dingen zu erkundigen, die draußen auf der Treppe waͤ- ren, die Blutwurst that aber, als hoͤrte sie es nicht, oder als sey es nicht der Muͤhe werth davon zu sprechen, oder sie sagte etwa von der Schippe und Besen: „es wird meine Magd ge- wesen seyn, die auf der Treppe mit jemand ge- schwaͤtzt,“ und brachte die Rede auf etwas anderes. Die Blutwurst ging darauf hinaus, und sag- te, sie muͤsse in der Kuͤche nach dem Essen sehen, ob alles ordentlich angerichtet werde, und nichts in die Asche geworfen. Wie die Leberwurst der- weil in der Stube auf und abging, und immer die wunderlichen Dinge im Kopf hatte, kam je- mand, ich weiß nicht, wers gewesen ist, herein und sagte: „ich warne dich, Leberwurst, du bist in einer Blut- und Moͤrderhoͤhle, mach dich ei- lig fort, wenn dir dein Leben lieb ist.“ Die Leberwurst besann sich nicht lang, schlich die Thuͤr hinaus und lief, was sie konnte, sie stand auch nicht eher still, bis sie aus dem Haus mit- ten auf der Straße war. Da blickte sie sich um um, und sah die Blutwurst oben im Bodenloch stehen mit einem langen, langen Messer, das blinkte, als waͤrs frisch gewetzt, damit drohte sie, und rief herab: „haͤtt ich dich, so wollt ich dich!“ 44. Der Gevatter Tod . Es war einmal ein armer Mann, der hatte schon zwoͤlf Kinder, wie das dreizehnte geboren wurde, wußte er sich nicht mehr zu helfen, und lief in seiner Noth hinaus in den Wald. Da begegnete ihm der liebe Gott und sagte: „du dauerst mich, armer Mann, ich will dir dein Kind aus der Taufe heben und fuͤr es sorgen, da wird es gluͤcklich auf Erden.“ Der Mann antwortete: „ich will dich nicht zum Gevatter, du giebst den Reichen und laͤßt die Armen hun- gern;“ damit ließ er ihn stehen und ging wei- ter. Bald darauf begegnet ihm der Tod, der sprach gleichfalls zu ihm: „ich will dein Gevat- tersmann werden, und dein Kind heben; wenn es mich zum Freund hat, da kanns ihm nicht fehlen, ich will es zu einem Doctor machen.“ Der Mann sagte: „das bin ich zufrieden, du machst keinen Unterschied und holst den Reichen wie den Armen; morgen ist Sonntag, da wird Kindermärchen. N das Kind getauft, stell dich nur zu rechter Zeit ein.“ Am andern Morgen kam der Tod und hielt das Kind uͤber die Taufe. Nachdem es groß geworden war, kam er einmal wieder, und nahm seinen Pathen mit in den Wald; da sprach er zu ihm: „jetzt sollst du ein Doctor werden; du brauchst nur Acht zu geben, wenn du zu ei- nem Kranken gerufen wirst und du siehst mich zu seinem Haupte stehen, so hats nichts zu sa- gen, laß ihn dann an dieser Flasche riechen und salb ihm die Fuͤße damit, so wird er bald wieder gesund seyn; steh ich aber zu den Fuͤ- ßen, dann ists aus, dann will ich ihn haben, und untersteh dich nicht eine Cur anzufangen.“ Damit gab der Tod ihm die Flasche, und er ward ein beruͤhmter Doctor; er brauchte nur den Kranken zu sehen, so sagt' er schon voraus ob er wieder gesund werde oder sterben muͤsse. Einmal ward er zum Koͤnig gerufen, der an ei- ner schweren Krankheit darnieder lag; wie der Doctor eintrat, sah er den Tod zu den Fuͤßen des Koͤnigs stehen, und da konnte seine Flasche nichts mehr helfen. Doch fiel ihm ein, er woll- te den Tod betruͤgen, packte also den Koͤnig an, und legte ihn vekehrt , so daß der Tod an seinem Haupte zu stehen kam; es gluͤckte und der Koͤ- nig wurde gesund. Wie der Doctor aber wie- der zu Haus war, kam der Tod zu ihm, machte ihm boͤse grimmige Gesichter und sagte: „wenn du dich noch einmal unterstehst mich zu betruͤ- gen, so dreh ich dir den Hals um.“ Bald dar- nach ward des Koͤnigs schoͤne Tochter krank, niemand auf der Welt konnte ihr helfen, der Koͤnig weinte Tag und Nacht, endlich ließ er bekannt machen, wer sie curiren koͤnne, der solle sie zur Belohnung haben. Da kam der Doc- tor und sah den Tod zu den Fuͤßen der Prin- zessin stehen, doch weil er vor ihrer Schoͤnheit ganz in Erstaunen war, vergaß er alle War- nung, drehte sie herum und ließ sie an der hei- lenden Flasche riechen und salbte ihr die Fuß- sohlen daraus. Kaum war er wieder zu Haus, da stand der Tod mit einem entsetzlichen Ge- sicht vor ihm packte ihn, und trug ihn in eine unterirdische Hoͤhle, worin viel tausend Lichter brannten. „Siehst du, sagte der Tod, das sind alle Lebende, und hier das Licht, das nur noch ein wenig brennt und gleich ausloͤschen will, das ist dein Leben; huͤt' dich!“ 45. Des Schneiders Daumerling Wan- derschaft . Ein Schneider hatte einen Sohn, der war klein gerathen und nicht groͤßer als ein Dau- men, darum hieß er der Daumerling. Er hatte N 2 aber Courage im Leibe und sagte zu seinem Va- ter: „Vater, ich will auf die Wanderschaft ge- hen.“ — „Recht, mein Sohn,“ sprach der Al- te, nahm eine Stopfnadel und machte am Licht einen Knoten von Siegellack daran: „da hast du auch einen Degen mit auf den Weg. „Das Schneiderlein zog aus in die Welt und kam zuerst bei einem Meister in die Arbeit, da war ihm aber das Essen nicht gut genug. „Frau Meisterin, wenn sie uns kein besser Essen giebt, sagte der Daumerling, schreib ich morgenfruͤh mit Kreide an ihre Hausthuͤre: „Kartoffel zu viel, Fleisch zu wenig, Adies, Herr Kartoffel- koͤnig! und gehe fort.“ — „Was willst du wohl, du Huͤpferling, sagte die Meisterin, ward boͤs, ergriff einen Lappen und wollte ihn schla- gen, mein Schneiderlein kroch behend unter den Fingerhut, guckte unten hervor und streckte der Frau Meisterin die Zunge heraus. Sie hob den Fingerhut auf, aber der Daumerling huͤpf- te in die Lappen und wie die Meisterin die auseinander warf und ihn suchte, machte er sich in den Tischritz: „he! he! Frau Meisterin.“ rief er und steckte den Kopf in die Hoͤhe, und wenn sie zuschlagen wollte, sprang er immer in die Schublade hinunter. Endlich aber er- wischte sie ihn doch, und jagte ihn zum Haus hinaus. Das Schneiderlein wandert und kam in einen großen Wald, da begegnete ihm ein Hau- fen Raͤuber, die wollten des Koͤnigs Schatz be- stehlen; und als sie das Schneiderlein sehen, denken sie, der kann uns viel nuͤtzen, reden es an, sagen, es sey ein tuͤchtiger Kerl, es solle mit zur Schatzkammer gehen, sich hineinschlei- chen und ihnen das Geld herauswerfen. Es laͤßt sich drauf ein, geht zu der Schatzkammer und besieht die Thuͤre, ob kein Ritzen darin; gluͤcklicherweise findet es bald einen und will einsteigen, da sagt die Schildwache zur andern: „was kriecht da fuͤr eine garstige Spinne? die muß man todt treten.“ — „Ei, laß sie doch gehen, sagte die andere, sie hat dir ja nichts gethan.“ So kam der Daumerling in die Schatzkammer, ging an das Fenster, vor dem die Raͤuber standen und warf ihnen einen Tha- ler nach dem andern hinaus. Wie der Koͤnig seine Schatzkammer besah, fehlte so viel Geld, kein Mensch aber konnte begreifen, wer es soll- te gestohlen haben, da alle Schloͤsser gut ver- wahrt waren. Der Koͤnig stellte Wachen da- bei, die hoͤrten es in dem Geld rappeln, gin- gen hinein und wollten den Dieb greifen. Das Schneiderlein setzte sich in der Ecke unter einen Thaler und rief: „hier bin ich!“ die Wachen liefen dahin, indeß sprang es in eine andere Ecke, und wie die dort ankamen, schrie es da: „hier bin ich!“ die Wachen liefen zuruͤck, es huͤpfte aber wieder in eine andere Ecke und rief: „hier bin ich!“ Und so hatte es sie zum Narren und trieb es so lange, bis sie muͤd wa- ren, und davon gingen. Der Daumerling warf nun die Thaler nach und nach alle hinaus und auf den letzten setzte er sich selber, und flog da- mit durchs Fenster hinunter. Die Raͤuber lob- ten ihn gewaltig, und haͤtten ihn zu ihrem Hauptmann gemacht, wenn er gewollt haͤtte, darauf theilten sie die Beute; das Schneider- lein kann aber nicht mehr nehmen als einen Kreuzer, weil es nicht mehr bei sich tragen kann. Darauf nahm es den Weg wieder zwischen die Beine, und endlich, weils mit dem Hand- werk schlecht ging, verdingte es sich als Haus- knecht in einem Gasthof. Die Maͤgde konnten es aber nicht leiden, weil es alles sah, was sie im Haus heimlich hielten, ohne daß sie es merk- ten, und sie darnach angab, und haͤtten ihm gern einen Schabernack angethan. Als es daher einmal in der Wiese spazieren ging, wo eine maͤhte, maͤhte sie es mit dem Gras zusammen, und warf es daheim den Kuͤhen vor, und die schwarze schluckte es mit hinunter. Der Dau- merling war nun in der Kuh eingesperrt, und hoͤrte Abends sprechen, daß sie sollte geschlach- tet werden. Da war sein Leben in Gefahr und er rief: „ich bin hier?“ — „Wo bist du?“ — „In der schwarzen.“ Er ward aber unrecht verstanden und die Kuh geschlachtet; gluͤcklicher Weise traf ihn kein Hieb, und er kam unter das Wurstsleisch . Wie das nun soll- te gehackt werden, rief er: „hackt nicht zu tief! hackt nicht zu tief! ich stecke darunter!“ Vor dem Laͤrmen aber hoͤrte das kein Mensch, doch sprang er so behend zwischen den Hackmessern durch, daß ihm keins was schadete, aber ent- springen konnte er nicht, und ward in eine Blutwurst gefuͤllt. Mit der ward er in den Schornstein zum Raͤuchern aufgehaͤngt, und mußte haͤngen, bis im Winter, wo die Wurst sollte gegessen werden, und wie sein Quartier aufgeschnitten ward, sprang er heraus und lief davon. Das Schneiderlein wanderte wieder, da kam es aber einem Fuchs in den Weg, der schnappte es auf: „Herr Fuchs, rief es, ich bin hier, laßt mich frei.“ — „Ja, sagte der Fuchs, an dir hab ich doch nicht viel: wenn du machst, daß dein Vater mir alle seine Huͤner im Hof giebt.“ Das gelobte es, und da trug es der Fuchs heim, und kriegte alle Huͤner im Hof; das Schneiderlein aber brachte seinem Vater sei- nen erworbenen Kreuzer von der Wanderschaft mit. — „Warum hat aber der Fuchs die armen Piephuͤner zu fressen kriegt?“ — „Ei, du Narr, deinem Vater wird ja sein Kind lieber seyn, als die Huͤner!“ 46. Fitchers Vogel . Es war einmal ein Hexenmeister, der war ein Dieb und ging in der Gestalt eines armen Mannes vor die Haͤuser und bettelte. Da kam ein Maͤdchen vor die Thuͤre, und brachte ihm ein Stuͤck Brod; er ruͤhrte das Maͤdchen nur an, da mußte es in seine Koͤtze springen. Dann trug er es fort und brachte es in sein Haus, da war alles praͤchtig, und er gab ihm alles, was es wuͤnschte. Darnach sprach er einmal: „ich habe auswaͤrts zu thun, und muß nothwendig verreisen, da hast du ein Ei, das heb sorgfaͤltig auf und trag es bestaͤndig bei dir, und da hast du auch einen Schluͤssel, aber geh nicht in die Stube, die er aufschließt, bei Lebensstrafe.“ Wie er aber fort war, ging sie doch hin und schloß die Stube auf, und wie sie hineintrat, sah sie in der Mitte ein großes Becken stehen, darin lagen todte und zerhauene Menschen. Sie erschrack so gewaltig, daß das Ei, das sie in der Hand hielt, hineinplumpte; sie nahm es zwar geschwind wieder heraus und wischte das Blut ab, das kam aber den Augenblick wieder zum Vorschein, und sie konnte es nicht herun- ter kriegen, so viel sie auch wischte und schabte. Als der Mann wieder kam, verlangte er das Ei und den Schluͤssel, sah beide an, und da sah er, daß sie in der Blutkammer gewesen war. „Hast du auf meine Worte nicht geach- tet, sagte er zornig, so sollst du nun gegen dei- nen Willen in die Kammer kommen;“ damit ergriff er sie, fuͤhrte sie hin und zerhackte sie, und warf sie zu den andern ins Becken. Nach einiger Zeit ging der Mann wieder betteln und fing die zweite Tochter aus dem Haus; der ge- schah wie der ersten, sie schloß auch die verbo- tene Thuͤre auf, ließ das Ei ins Blut fallen, und ward zerhackt und zu ihr in das Becken geworfen. Da wollte der Hexenmeister auch die dritte Tochter haben, faͤngt sie auch in sei- ner Koͤtze, traͤgt sie heim, und giebt ihr bei sei- ner Abreise das Ei und den Schluͤssel. Die dritte Schwester aber war klug und listig; sie schloß das Ei erst ein und ging dann in die heimliche Kammer, und wie sie ihre Schwestern in dem Blutbecken findet, sucht sie und sucht alles zusammen und legts zurecht, Kopf, Leib, Arm und Bein; da fangen die Glieder an sich zu regen, und schließen sich aneinander und die zwei werden wieder lebendig. Da fuͤhrte sie beide heraus und versteckte sie, und als der Mann heim kam und das Ei ohne Blut fand, bat er sie, sie moͤgte seine Braut werden. Sie sagte ja, aber er muͤßte erst einen Korb voll Gold ihren Eltern auf dem Ruͤcken hintragen, dieweil wollte sie die Hochzeit bestellen. Dar- nach sagte sie zu ihren Schwestern, sie sollten ihr nur Huͤlfe von daheim kommen lassen, setz- te sie in einen Korb und deckte ihn ganz mit Gold zu: „den trag nun fort, aber untersteh dich nicht unterwegs zu ruhen, denn ich sehs hier durch mein Bretchen, wenn dus thust.“ Er nahm den Korb auf den Ruͤcken und ging fort, der ward ihm aber so schwer, daß er ihn fast todt druͤckte, da wollte er ein wenig ruhen, aber gleich rief eine im Korb: „ich seh durch mein Bretchen, daß du ruhst, willst du gleich weiter!“ Da meinte er seine Braut rief, mach- te sich wieder auf, und so oft er ruhen wollte, rief es wieder, und da mußte er weiter. Die Braut aber daheim nahm einen Todtenkopf, thaͤt ihm einen Schmuck auf, und setzte ihn oben vors Bodenloch; dann lud sie die Freunde des Hexenmeisters zu der Hochzeit ein, und wie das geschehen war, steckte sie sich in ein Faß mit Honig, schnitt das Bett auf und waͤlzte sich in den Federn, daß sie niemand erkennen konnte, so wunderlich sah sie aus und damit ging sie hinaus auf den Weg. Bald begegne- te ihr ein Theil der Gaͤste, die fragten sie: „Du Fitchers Vogel! wo kommst du her!“ — „Ich komm von Fitze Fitchers Hause her.“ — „Was macht denn da die junge Braut?“ — „Sie hat gekehrt von unten bis oben das Haus und guckt zum Bodenloch heraus.“ Darauf begegnete ihr auch der Braͤutigam, der zuruͤckkam: „Du Fitchers Vogel! wo kommst du her?“ — „Ich komm von Fitze Fitchers Hause her.“ — „Was macht denn da meine junge Braut?“ — „Sie hat gekehrt von unten bis oben das Haus und guckt zum Bodenloch heraus.“ Der Braͤutigam sah hinauf, und als er den geputzten Todtenkopf oben sitzen sah, meinte er, es waͤre seine Braut und gruͤßte sie. Wie er aber im Haus war, und alle seine Freunde auch, da kam die Huͤlfe, die die Schwestern geschickt hatten; und sie schlossen das Haus zu und steck- ten es an, und da keiner heraus konnte, muß- ten sie alle verbrennen. 47. Van den Machandel-Boom . Dat is nu all lang her, woll twee dusent Joor, do was daar een riik Mann, de hadde eene schoͤne frame Fru, un se hadden sick beede seer leef, hadden averst kene Kinner, se wuͤnsch- ten sick averst seer welke, un de Fru bedt' so veel dorum Dag un Nacht, man se kregen keen und kregen keen. Voͤr eeren Huse was een Hoff, darup stund een Machandelboom, uͤnner den stund de Fru eens in'n Winter, un schellt sick eenen Appel, un as se sick den Appel so schellt, so sneet se sick in'n Finger, un dat Blood feel in den Snee — ach! sed de Fru, un suͤft so recht hoch up, un sach dat Blood foͤr sick an, un was so recht wehmoͤdig, hadd ick doch een Kind so rood as Blood un so witt as Snee! — un as se dat sed, so wurd eer so recht froͤlich to Moode, eer was recht, as sull dat wat warden; daar ging se to den Huse un ging een Maand hen, de Snee voͤrging, un twee Maand, daar was dat groͤn, un dree Maand, daar kemen de Bloͤmer ut de Eerde, un veer Maand, daar drungen sick alle Boͤmer in dat Holt, un de groͤnen Twige weeren all in een anner wussen; daar sungen de Vaͤgelkens, dat dat ganze Holt schallt, un de Bleujten felen van de Boͤmer, daar was de fyfte Maand weg, un se stund uͤnner den Machandelboom, de rook so schoͤn; do sprung eer dat Hart voͤr Freuden, un se feel up eere Knee un kunde sick nich la- ten, un as de soͤste Maand voͤrbi was, daar wurden de Fruͤchte dick un stark, do wurd se ganz still, un de soͤwende Maand, do greep se na de Machandelbeeren un att se so nidsch, do wurd se trurig un krank; daar ging de achte Maand hen, un se reep eeren Mann, un wenn- de un sed: wenn ick starve, so begrave my uͤn- ner den Machandelboom! do wurde se ganz getrost un freute sick, bett de neegte Maand voͤrby was, daar kreeg se een Kind, so witt as Snee un so rood as Blood; un as se dat sach, so freute se sick so, dat se sturv. Daar begroof eer Maan se uͤnner den Ma- chandelboom, un he fung an to weenen so seer; eene Tyd lang do wurd dat wat sachter, un daar he noch wat weend hadd, do heel he up, un noch eene Tyd, do nam he sick wedder eene Fru. Mit de tweete Fru kreeg he eene Dochter, dat Kind averst van de eerste Fru was een luͤttje Soͤn, un was so rood as Blood un so witt as Snee. Wenn de Fru eere Dochter so ansach, so had se se so leef, averst denn sach se den luͤttjen Jung an, un dat ging eer so dorch't Hart, un eer duͤcht, as stund he eer al- lerwegen in'n Weg, un dacht denn man uͤm- mer, wo se eer Dochter all dat Voͤrmoͤgent to- wenden wull, un de Boͤse gav eer dat in, dat se den luͤttjen Jung ganz gram wurd, un stoͤd em heruͤm van een Ek in de anner, un buft em hier un knuft em daar, so dat dat arme Kind uͤmmer in Angst was; wenn he denn ut de School kam, so hadd he keene ruhige Stede. Eens was de Fru up de Kamer gaan, do kamm de luͤttje Dochter ook herup un sed: Moder giv my eenen Appel! Ja myn Kind, sed de Fru, un gav eer eenen schoͤnen Appel uut de Kist, de Kist averst had eenen grooten swaaren Deckel mit een groot schaarp ysern Slott. Moder, sed de luͤttje Dochter, schall Broder nich ook eenen hebben? Dat voͤrdrot de Fru, doch sed se: ja, wenn he ut de School kuͤmmt; un as se ut dat Finster gewaar wur- de, dat he kamm, so was dat recht, as wenn de Boͤse oͤver eer kamm, un se grapst to, un nam eerer Dochter den Appel wedder weg un sed: „du sast nich eer eenen hebben, as Vro- der.“ Daar smeet se den Appel in de Kist un maakt de Kist to; daar kamm de luͤttje Jung in de Doͤr, daar gav eer de Boͤse in, dat se fruͤnt- lich to em sed: „myn Soͤn, wist du eenen Ap- pel hebben?“ un sach em so hastig an. „Mo- der, sed de luͤttje Jung, wat suͤhst du gresig ut, ja giv my eenen Appel!“ Daar was eer, as sull se em toreden: „kumm mit my,“ sed se, un maakt den Dekkel up, „haal by eenen Appel herut,“ un as sick de luͤtt Jung henin buͤckt, so reet eer de Boͤse, bratsch — sloog se den Dekkel to, dat de Kop af floog un uͤnner de rooden Appel feel. Daar aͤverleep eer dat in de Angst, un dacht: „kund ick dat van my bringen.“ Daar ging se baben na eere Stuve na eeren Draagkasten un haalt ut de baͤvelste Schuuflade eenen witten Dook, un sett den Kopp wedder up den Hals un bund den Hals- dook so um, dat man niks seen kund, un sett em voͤr de Doͤr up eenen Stool un gav em den Appel in de Hand. Daar kamm daarna Marleenken to eere Mo- der in de Koͤke, de stund by den Fuͤuͤr un had eenen Pott mit heet Water foͤr sik, den ruͤuͤrt se uͤmmer um: „Moder, sed Marleenken, Broder sitt voͤr de Doͤoͤr un suͤuͤt ganz witt ut, un hedd eenen Appel in de Hand, ick hev em beden, he sull my den Appel geven, averst he antwoord my nich, da wurd my ganz gruu- lig.“ „Ga nochmal hen, sed de Moder, un wenn he dy nich antwoorden will, so giv em eens an de Ooren!“ Daar ging Marleenken hen un sed: „Broder giv my den Appel!“ averst he sweeg still, daar gav se em eens up de Oo- ren, daar feel de Kop heruͤnn, daraͤver varschrak se sick, un fung an to weenen un to raaren, un leep to eere Moder un sed: „ach, Moder, ick hebb minen Broder den Kopp afslagen!“ un weend un weend un wull sick nich tofreden geven; „Marleenken, sed de Moder, wat hest du daan — averst swig man still, dat er keen Minsch markt, dat is nu doch nich to aͤnnern; wi willen em in suur kaaken.“ Dear nam de Moder den luͤttjen Jungen un hackt em in Stuͤkken, ded de in den Pott un kaakt em in suur; Marleenken averst stund daarby un weend un weend, un de Traanen feelen all in den Pott, un se bruukten gar keen Solt. Daar kamm de Vader to Huus un sett sick to Disch, un sed: „wo is denn min Soͤn?“ Dar drog de Moder eene groote, groote Schoͤt- tel op mit swart Suur, un Marleenken weend un kund sick nich hollen. Da sed de Vader wedder: „wo is den min Soͤn?“ „Ach, sed de Moder, he is oͤver Land gaan, na Muͤt- ten eer groot Oem, he wull daar wat bliven.“ „wat deit he denn daar? un hed my nich mal Adjuͤs segd?“ „o he wuld geern hen, un bed my, ob he daar woll soͤs Weken bliven kun, he is jo woll daar uphaben.“ „Ach, sed de Mann, my is so recht trurig, dat is doch nich recht, he had my doch Adjuͤs seggen schullt.“ Mit des fung he an to eeten un sed: „Marleenken, wat weenst du? Broder ward woll wedder ka- men.“ „Ach Fru, sed he do, wat smeckt my dat Eten schoͤn, giv my meer!“ un je meer he at, je meer wuld he hebben, un sed: „gevt my meer, gy soͤlt niks daaraf hebben, dat is as wenn dat all myn weer,“ un he att un att, un de Knaken smeet he all unner den Disch, bett he alles up had. Marleenken averst ging hen na eere Commode un namm uut de unnerste Schuuf eeren besten syden Dook, un haalt all de Been- ken un Knaken uͤnner den Disch herut, un bund bund se in den syden Dook, un drog se voͤr de Doͤoͤr, un weente eere bloͤdigen Traanen; daar legd se se unner den Machandelboom in dat groͤ- ne Gras, un as se se daar henlegd hadd, so was eer mit eenmal so recht licht, un weente nich meer, do fung de Machandelboom an sich to bewegen, un de Twyge deden sich uͤmmer so recht van eenanner, un denn wedder tohop, so recht, as wenn sick eener so recht froͤit un mit de Haͤnde so deit. Mit des, so ging daar so'n Newel van den Boom, un recht in den Newel da brennt dat as Fuͤuͤr, un ut dat Fuͤuͤr daar flog so'n schoͤnen Vagel herut, de sung so her- lich un flog hoch in de Luft, un as he weg was, do was de Machandelboom, as he voͤrheer west was, un de Dook mit de Knaken was weg, — Marleenken averst was so recht licht un vergnoͤgt, recht as wenn de Broder noch leeft, daar ging se wedder ganz lustig in dat Huus by Disch un att. De Vagel averst floog weg, un sett' sick up eenen Goldsmitt siin Hus un fung an to singen: Min Moder de mi slacht't, min Vader de mi att, min Swester de Marleeniken soͤcht alle mine Beeniken, un bindt se in een siden Dook, legts unner den Machandelboom; kywitt, kywitt! ach watt een schoͤn Vagel bin ick! Kindermärchen. O De Goldfmitt satt in sine Warkstede un maakt eene goldne Kede, daar hoͤrd he den Vagel, de up sin Dack satt un sung, un dat duͤnkt em so schoͤn; daar stund he up, un as he aͤver den Suͤll ging, so voͤrloor he eenen Tuͤffel; he ging aver so recht midden up de Strate, eenen Tuͤf- fel un een Sock an, sin Schortfell had he voͤr, un in de een Hand had he de golden Kede, un in de anner de Tang, un de Suͤnn schiint so hell up de Strate, daar ging he recht so staan un sach den Vagel an: „Vagel, segd he do, wo schoͤn kanst du singen, sing my dat Stuͤk nochmal.“ — Nee, segd de Vagel, tweemal sing ick nich umsuͤnst, giv mi de golden Kede, so wil ick di et nochmal singen. „Da, segd de Goldsmitt, hest du de golden Kede, nu sing mi dat nochmal.“ Daar kam de Vagel un nam de golden Ked so in de rechte Krall, un ging voͤr den Goldsmitt sitten un sung: Min Moder de mi slacht't, min Vader de mi att, min Swester de Marleeniken soͤcht alle mine Beeniken un bindt se in een siden Dook legts unner den Machandelboom, kywitt, kywitt! ach watt een schoͤn Vagel bin ick. Daar flog de Vagel weg na eenen Schooster un sett sick up den siin Dack un sung: Min Moder de mi slacht't, min Vader de mi att, min Swester de Marleeniken, soͤcht alle mine Beeniken un bindt se in een siden Dook, legts unner den Machandelboom, kywitt, kywitt! ach watt een schoͤn Vagel bin ick! de Schooster hoͤrd dat, un leep voͤr sin Doͤoͤr, in Hemdsarmel und sach na siin Dack, un must de Hand voͤr de Oogen holln, dat de Suͤnn em nich blendt: „Vagel, segd he, wat kanst du schoͤn singen!“ Da reep he in siin Doͤoͤr herin: „Fru, kumm mal herut, daar is een Vagel, suͤ mal den Vagel de kann mal schoͤn singen, da reep he siin Dochter un Kinner un Gesellen, Jung un Magd, un keemen all up de Straat, un segen den Vagel an, wo schoͤn he was, un he hadd so recht roode, un groͤne Feddern, un um den Hals was dat as luter Gold, un de Oo- gen blinkten em in Kopp, as Steern. „Vagel, sed de Schoster, nu sing mi dat Stuͤk noch- mal.“ Nee, segd de Vagel, twee mal sing ick nich umsuͤnst, du moͤst my wat schenken. „Fru sed de Mann, ga na de Doͤn-boͤhn up den boͤ- velsten Boord, do staan een paar roode Scho, de bring herunn;“ daar ging de Fru hen un haalt de Scho. „Da Vagel, sed de Mann, nu sing mi dat Stuͤk noch mal,“ daar kamm de Vagel O 2 un namm de Scho in de linke Klau, und flog wedder up dat Dack un sung: Min Moder de mi slacht't min Vader de mi att, min Swester de Marleeniken, soͤcht alle mine Beeniken, un bindt se in een siden Dook legts unner den Machandelboom, kywitt, kywitt! ach wat een schoͤn Vagel bin ick: un as he utsungen hadd, so floog he weg, de Kede hadd he in de rechte un de Scho in de linke Klau, un he floog wyt weg na eene Maͤhl, un de Maͤhl ging klippe klappe, — klippe klappe — klippe klappe — un in de Maͤhl daar seeten twintig Maͤhlenburschen, de haugten eenen Steen un hackten hick hack — hick hack — hick hack, un de Maͤhl ging klippe klap- pe, klippe klappe, klippe klappe. Daar ging de Vagel up eenen Lindenboom sitten, de voͤr de Maͤhl stund un sung: „Min Moder de mi slacht't“ do hoͤrte een up, „min Vader de mi att“ do hoͤrten noch twee up, un hoͤrten dat: „min Swester de Marleeniken“ do hoͤrten wedder veer up, „soͤcht alle mine Beeniken „un bindt se in een siden Dook“ nu hackten noch man acht „legts unner nu noch man fyve „den Machandelboom nu noch man een „kywitt, kywitt! ach wat een schoͤn Vagel bin ick.“ daar heel de lezte vok up, un hadd dat lezte noch hoͤrd. „Vagel, segd he, wat singst du schoͤn, laat my dat ook hoͤren, sing my dat noch mal!“ Nee, segd de Vagel, twee mal sing ick nich umsuͤnst, giv my den Maͤhlensteen, so will ick dat noch mal singen. „Ja, segd he, wenn he mi alleen hoͤrd, so sust du em hebben,“ „ja, seden de annern, wenn he nochmal singt, so sall he em hebben;“ dar kamm de Vagel heruͤn, un de Moͤllers faat'n all twintig mit Boͤoͤm an, un boͤoͤrten den Steen up, hu uh up, hu uh ihp! — hu uuh uhp! daar stack de Vagel den Hals doͤoͤr dat Lock, un nam em uͤm as eenen Kragen un floog wedder up den Boom, un sung: Min Moder de mi slacht't min Vader de mi att, min Swester de Marleeniken, soͤcht alle mine Beeniken, un bindt se in een siden Dook, legts unner den Machandelboom, kywitt, kywitt! ach wat een schoͤn Vagel bin ick! un as he dat utsungen hadd, da ded he de Fluͤnk van eenanner, un had in de rechte Klau de Kede un in de linke de Scho un uͤm den Hals den Maͤhlensteen un floog wiit weg na sines Vaders Huse. — In de Stuve satt de Vader, de Moder un Marleenken by Disch, un de Vader sed: ach wat waart mi licht, mi is recht so good to Mode — nee! sed de Moder, my is so angst, so recht, as wenn een swaar Gewitter kuͤmmt. Marleenken averst satt un weend un weend, daar kamm de Vagel anflegen, un as he sick up dat Dack sett — ach segd de Vader, mi is so recht freudig un de Suͤnn schiint buten so schoͤn, my is recht as suͤll ick eenen ollen Be- kannten wedderseen, — nee, sed de Fru, my is so Angst, de Teene klappern mi un dat is mi as Fuͤuͤr in de Adern, un se reet sick eer Liifken up un so meer; averst Marleenken satt in een Eck un weende un had eeren Platen vor de Oogen, un weende den Platen gans messnatt; daar sett sick de Vagel up den Machandelboom un sung: Min Moder de mi slacht't daar heel de Moder de Oren to, un kneep de Oogen to, un wold nich seen un hoͤren, aver dat bruuste eer in de Ooren, as de allerstarkst Storm, un de Oogen brennten eer un zackten as Bliz: min Vader de mi att, Ach Moder, segd de Mann, daar is een schoͤn Vagel, de singt so herlich, de Suͤnn schiint so warm, un dat ruͤckt as luter Zinnemamen min Swester de Marleeniken daar led Marleenken den Kopp up de Knee un weende in eens weg, de Mann averst sed: ick ga herut, ick mut den Vagel dicht by sehn; — „ach, ga nich, sed de Fru, my is as bevt dat ganze Huus, un stuͤnn in Flammen;“ aver de Mann ging herut un sach den Vagel an: soͤcht alle mine Beeniken un bindt se in een fiden Dook, legts unner den Machandelboom, kywitt, kywitt! ach wat een schoͤn Vagel bin ick! mit des leet de Vagel de golden Kede fallen, un se feel den Mann juͤst um den Hals, so recht hier heruͤm, dat se recht so schoͤn past; daar ging he herin un sed: suͤ wat is dat voͤr een schoͤn Vagel, hett mi so ne schoͤne goldne Kede schenkt, un suͤht so schoͤne ut;“ de Fru aver was so Angst un feel langs in de Stuve hen, un de Muͤtz feel eer van den Kopp — daar sung de Vagel wedder: Min Moder de mi slacht't ach dat ick dusend Fuder unner de Eerde weer, dat ick dat nich hoͤren sull! min Vader de mi att, daar feel de Fru voͤr dood nedder, min Swester de Marleeniken, ach, sed Marleenken, ick wil ook herut gan un seen op de Vagel mi wat schenkt, daar ging se herut, soͤcht alle mine Beeniken und bindt se in een siden Dook, daar smeet he eer de Scho herun legts unner den Machandelboom, kywitt, kywitt! ach wat een schoͤn Vagel bin ick! Daar was eer so licht un froͤlich, daar truck se de nien rooden Scho an, un danst un spruͤng he- rinn; ach, sed se, ick was so trurig as ick herut ging, un nu is mi so licht, dat is mal een herlichen Vagel, het mi een Paar roode Scho schenkt! „nee sed de Fru, un sprung up, un de Har stunnen eer to Barge as Fuͤuͤrsflammen, mi is as sull de Werld unner gahn, ick wil ook herut, op mi lichter warden sull, un as se ut de Doͤoͤr kamm — bratsch! — smeet eer de Vagel den Maͤhlensteen up den Kopp, dat se ganz tomatscht; de Vader un Marleenken hoͤr- den dat un gingen herut, dar ging een Damp un Flam un Fuͤuͤr up van de Steed, un as dat vorby was, da stund de luͤttje Broder, un he namm sinen Vader un Marleenken bi de Hand, un weeren alldree so recht vergnoͤgt un gingen in dat Huus by Disch un eeten. 48. Der alte Sultan . Ein Bauer hatte einen getreuen Hund, der war alt, und konnte nichts mehr fest pak- ken. Da sagte der Bauer zu seiner Frau: „ich will den alten Sultan todtschießen, er ist uns doch zu nichts mehr Nutz,“ die Frau aber ant- wortete: „thu das nicht und laß das treue Thier das Gnadenbrod essen, es hat uns so lange Jahre gedient.“ Der Mann sagte: „du bist nicht recht gescheidt, was fangen wir mit ihm an, er hat keinen Zahn mehr im Maul, und es fuͤrchtet sich kein Dieb mehr vor ihm; hat er uns gedient, so hat ers des Hungers wegen gethan, um weil er hier gutes Fressen kriegte; morgen ist sein letzter Tag, dabei bleibts.“ Der Hund hatte alles, was Mann und Frau zusammen gesprochen, mit angehoͤrt, nun hatte er einen guten Freund, das war der Wolf, zu dem ging er Abends hinaus und klagte ihm sein Leiden und daß sein Herr ihn Morgen todtschießen wolle. „Mach dir keine Sorgen, sagte der Wolf, ich will dir einen gu- ten Anschlag geben: Morgen fruͤh geht dein Herr mit seiner Frau hinaus ins Heu, da neh- men sie auch ihr kleines Kind mit, bei der Ar- beit legen sie das draußen hinter die Hecke, da leg du dich daneben, als wenn du es bewachen und da ruhen wolltest; alsdann will ich kom- men und das Kind wegnehmen, und du mußt mir nachspringen, was du kannst, und mir es abjagen, dann werden sie glauben, du habest ihr Kind errettet, dadurch wirst du in voͤllige Gnade kommen und sie werden dirs an nichts fehlen lassen dein Lebelang.“ Das gefiel dem Hund gut und ward, wie es verabredet war, ausgefuͤhrt; der Wolf lief ein Stuͤck Wegs, und als ihn der Hund eingeholt hatte, ließ er das Kind fallen, und der Hund trug es seinem Herrn zuruͤck. Da rief der Bauer uͤberlaut: „weil der alte Sultan unser liebes Kind dem Wolf wieder abgejagt hat, soll er leben bleiben und das Gnadenbrod haben. Frau, geh heim und koch ihm einen Weckbrei, den kann er gut hinunterschlucken, und mein Kopfkissen soll er zu seinem Bett haben, so lang er lebt.“ Also hatte es der Hund auf einmal so gut, daß er sichs nicht besser wuͤnschen konnte. Der Wolf kam zu ihm und freute sich, daß es so wohl gelungen war; „du wirst nun auch nichts da- gegen haben, und mir behuͤlflich seyn, wenn ich deinem Herrn ein fett Schaf wegholen kann.“ Der Sultan aber war seinem Herrn treu und sagte ihm, was der Wolf im Schilde fuͤhre, da paßt' ihm dieser in der Scheuer auf, und als er kam und sich einen guten Bissen holen woll- te, kaͤmmte er ihm tuͤchtig die Haare. Der Wolf war daruͤber gewaltig aufgebracht, schalt den alten Sultan einen schlechten Kerl und for- derte ihn heraus, die Sache auszumachen. Sie bestellten sich vor den Wald, und je- der sollte einen Secundanten mit sich bringen. Der Wolf war zuerst auf dem Platz und hatte das wilde Schwein zu seinem Beistand mitge- nommen, der Hund hatte niemand als eine lahme Katze bekommen koͤnnen, und ging end- lich mit der ab. Wie sie aber der Wolf und das wilde Schwein von weitem kommen, und die Katze bestaͤndig huͤpfen sahen, glaubten sie die Katze hoͤb jedesmal einen Stein auf, da wurde ihnen beiden Angst, und das wilde Schwein verkroch sich in das Laub, der Wolf aber sprang auf einen Baum. Der Gegenpart kam heran, und beide wunderten sich, daß nie- mand da war. Das wilde Schwein aber in dem Laub zwickte mit den Ohren; wie die Katze sich etwas regen sah, sprang sie drauf zu, biß und kratzte; da hob sich das Schwein mit Geschrei in die Hoͤhe, lief fort und rief noch zuruͤck: „dort oben auf dem Baum, da sitzt der Schuld- ner.“ Da kam es an den Tag, daß der Wolf sich verkrochen hatte, und wollte er herunter, mußte er sich zum Frieden bequemen. 49. Die sechs Schwaͤne . Ein Koͤnig jagte in einem großen Wald, verirrte sich und konnte keinen Ausgang finden, da kam er endlich zu einer Hexe, die bat er, sie moͤgte ihn wieder heraus leiten. Die Hexe aber antwortete, das geschaͤhe nimmermehr, er muͤsse darin bleiben und sein Leben verlieren, und nur das eine koͤnne ihn erretten, daß er ihre Tochter heirathe. Dem Koͤnig war sein Leben lieb, und in der Angst sagte er ja; die Hexe brachte ihm das Maͤdchen, es war jung und schoͤn, er konnte es aber nicht ohne Grau- sen und ohne eine heimliche Furcht ansehen; doch wollte er, was er versprochen hatte, hal- ten. Die Alte fuͤhrte dann beide auf den rech- ten Weg, und daheim ward die Hexentochter seine Gemahlin. Der Koͤnig aber hatte noch sieben Kinder von seiner ersten Frau, sechs Buben und ein Maͤdchen, und weil er fuͤrch- tete, es koͤnne ihnen von der Stiefmutter ein Leids angethan werden, brachte er sie in ein Schloß, das er mitten in einem Walde stehen hatte. Es stand so verborgen, daß niemand den Weg dahin wußte, und er selber haͤtte ihn nicht gefunden, wenn ihm nicht eine weise Frau einen Knauel von Garn gegeben, wenn er den vor sich warf, wickelte er sich auf und zeigte ihm den Weg. Weil aber der Koͤnig seine Kin- der gar lieb hatte, ging er oft hinaus, da ward die Koͤnigin neugierig, und wollte wissen, was der Koͤnig so viel allein in dem Wald zu thun habe; sie forschte die Diener aus, und diese ver- riethen ihr das ganze Geheimniß. Das erste war nun, daß sie sich mit List den Knauel ver- schaffte, dann nahm sie sieben kleine Hemdchen, und ging hinaus in den Wald. Der Knauel zeigte ihr den Weg, und als die sechs kleinen Prinzen sie von weitem kommen sahen, freuten sie sich, meinten ihr Vater kaͤm und liefen her- aus auf sie zu. Da warf sie uͤber jeden ein Hemdchen, und kaum hatte es ihren Leib be- ruͤhrt, da waren sie in Schwaͤne verwandelt, hoben sich auf in die Luft und flogen davon Sie meinte nun sie haͤtte alle Stiefkinder weg- geschafft, und ging wieder heim, und so war das Maͤdchen, das in seiner Kammer geblieben war, errettet. Am andern Tag kam der Koͤnig in das Waldschloß, da erzaͤhlte es ihm, was ge- schehen war, und zeigte ihm noch die Schwa- nenfedern, die von ihren sechs Bruͤdern auf den Hof gefallen waren. Der Koͤnig erschrack, gedachte aber nimmermehr, daß die Koͤnigin die boͤse That vollbracht, und weil er besorgte, die Prinzessin moͤge ihm auch geraubt werden, wollte er sie mit sich nach Haus nehmen. Sie fuͤrchtete sich aber vor ihrer Stiefmutter und bat ihn, er moͤgte sie nur noch die Nacht in dem Schloß lassen; in der Nacht aber entfloh sie, und gerade zu in den Wald hinein. Als sie auch den ganzen Tag bis zum Abend fortgegangen war, kam sie zu einer Wild- huͤtte. Sie stieg hinauf und fand eine Stube mit sechs kleinen Betten; weil sie nun muͤde war, legte sie sich unter eins und wollte da die Nacht zubringen. Bei Sonnenuntergang aber kamen sechs Schwaͤne durch das Fenster herein- geflogen, setzten sich auf den Boden und bliesen einander an, und bliesen sich alle Federn ab, wie ein Tuch sich abstreift, und da waren es ihre sechs Bruͤder. Sie kroch unter dem Bett hervor, und die Bruͤder waren beides erfreut und betruͤbt, sie zu sehen: „du kannst hier nicht bleiben, sagten sie, das ist eine Raͤuberherberg, wenn die Raͤuber von ihrem Zuge heimkom- men, dann wohnen sie hier. Alle Abend koͤn- nen wir uns aber eine Viertelstunde lang die Schwanenhaut gaͤnzlich abblasen, und auf so lange unsere menschliche Gestalt haben, hernach aber ist es wieder vorbei. Wenn du uns erloͤsen willst, mußt du in sechs Jahren sechs Hemd- lein aus Sternblumen zusammennaͤhen, waͤh- rend der Zeit aber darfst du nicht sprechen und nicht lachen, sonst ist alle Arbeit verloren.“ Und als die Bruͤder das gesprochen hatten, war die Viertelstunde herum, und sie waren wieder in Schwaͤne verwandelt. Am andern Morgen aber sammelte sich das Maͤdchen Sternblumen, setzte sich dann auf einen hohen Baum und fing an zu naͤhen: es redete auch kein Wort und lachte nicht, sondern sahe nur auf seine Arbeit. Auf eine Zeit jagte der Koͤnig, dem das Land gehoͤrte in dem Wald, und seine Jaͤger kamen zu dem Baum, auf welchem es saß. Sie riefen ihm zu, es sollte herabsteigen, weil es ihnen nun nicht antwor- ten durfte, wollte es sie mit Geschenken befrie- digen, und warf ihnen seine goldene Halskette herab. Sie riefen aber noch immer, da warf es seinen Guͤrtel, als auch dies nichts half sei- ne Strumpfbaͤnder endlich, alles, was es ent- behren konnte, herunter, so daß es nichts mehr als sein Hemdlein anbehielt. Den Jaͤgern war aber das alles nicht genug, sie stiegen auf den Baum, hoben es herab und brachten es mir Gewalt zum Koͤnig. Der Koͤnig war verwun- dert uͤber seine Schoͤnheit, wickelte es in seinen Mantel, setzte es vor sich aufs Pferd, und fuͤhrte es nach Haus, und ob es gleich stumm war, liebte er es doch von Herzen, und es ward seine Gemahlin. Des Koͤnigs Mutter aber war boͤse daruͤber, sprach schlecht von ihr: niemand wisse, woher die Dirne gekommen, und sie sey des Koͤnigs unwerth. Als sie nun den ersten Prinzen zur Welt brachte, nahm die Schwiegermutter ihn weg, bestrich ihr den Mund mit Blut und gab dann bei dem Koͤnig vor, die Koͤnigin habe ihr eigen Kind gefressen, und sey eine Zauberin. Der Koͤnig aber, aus großer Liebe, wollte es nicht glauben; darnach als sie den zweiten Prinzen gebar, uͤbte die gottlose Schwiegermutter denselben Betrug, und klagte sie wieder beim Koͤnig an, und weil sie nicht reden durfte, sondern immer stumm saß und an den sechs Hemdern arbeitete, so konnte sie nichts mehr erretten, und sie ward zum Feuer verdammt. Der Tag kam heran, wo das Urtheil sollte vollzogen werden, es war gerade der letzte Tag von den sechs Jahren, und sie war mit den sechs Hemdern fertig geworden, nur an einem fehlte der linke Ermel. Wie sie nun zum Scheiterhaufen gefuͤhrt wurde, nahm sie die sechs Hemder mit sich, und wie sie oben stand und eben das Feuer sollte angesteckt wer- den, sah sie sechs Schwaͤne durch die Luft da- her ziehen, und uͤber ihr sich herabsenken. Da warf sie die Hemdlein hinauf, die fielen uͤber die Schwaͤne hin, und kaum waren sie davon beruͤhrt, so fiel ihre Schwanenhaut ab, und die sechs Bruͤder standen leibhaftig vor ihr, nur dem sechsten fehlte der linke Arm, und er hatte dafuͤr einen Schwanenfluͤgel auf dem Ruͤcken. Da war ihr auch die Sprache wiedergegeben, und und sie erzaͤhlte, wie die Schwiegermutter sie so boshaft verlaͤumdet, dafuͤr ward diese auf den Scheiterhaufen gebracht und verbrannt, sie aber lebte lange mit dem Koͤnig und ihren sechs Bruͤdern in Freuden. 50. Dornroͤschen . Ein Koͤnig und eine Koͤnigin kriegten gar keine Kinder, und haͤtten so gern eins gehabt. Einmal saß die Koͤnigin im Bade, da kroch ein Krebs aus dem Wasser ans Land und sprach: „dein Wunsch wird bald erfuͤllt werden und du wirst eine Tochter zur Welt bringen.“ Das traf auch ein, und der Koͤnig war so erfreut uͤber die Geburt der Prinzessin, daß er ein großes Fest anstellen ließ, und dazu lud er auch die Feen ein, die im Lande waren, weil er nur zwoͤlf goldene Teller hatte, konnte er eine nicht einladen: es waren ihrer nemlich dreizehen. Die Feen kamen zu dem Fest, und beschenkten das Kind am Ende desselben: die eine mit Tugend, die zweite mit Schoͤnheit und so die andern mit allem, was nur auf der Welt herrlich und zu wuͤnschen war, wie aber eben die elfte ihr Geschenk gesagt hatte, trat die dreizehnte her- ein, recht zornig, daß sie nicht war eingeladen worden und rief: „weil ihr mich nicht gebeten, Kindermärchen. P so sage ich euch, daß eure Tochter in ihrem funfzehnten Jahre an einer Spindel sich stechen und todt hinfallen wird.“ Die Eltern erschra- cken, aber die zwoͤlfte Fee hatte noch einen Wunsch zu thun, da sprach sie: „es soll aber kein Tod seyn, sie soll nur hundert Jahr in ei- nen tiefen Schlaf fallen.“ Der Koͤnig hoffte immer noch sein liebes Kind zu erretten, und ließ den Befehl ausge- hen, daß alle Spindeln im ganzen Koͤnigreich sollten abgeschafft werden. Die Prinzessin aber wuchs heran, und war ein Wunder von Schoͤn- heit. Eines Tags, als sie ihr funfzehntes Jahr eben erreicht hatte, war der Koͤnig und die Koͤ- nigin ausgegangen, und sie ganz allein im Schloß, da ging sie aller Orten herum nach ihrer Luft, endlich kam sie auch an einen alten Thurm. Eine enge Treppe fuͤhrte dazu, und da sie neugierig war, stieg sie hinauf und ge- langte zu einer kleinen Thuͤre, darin steckte ein gelber Schluͤssel, den drehte sie um, da sprang die Thuͤre auf und sie war in einem kleinen Stuͤbchen, darin saß eine alte Frau und spann ihren Flachs. Die alte Frau gefiel ihr wohl, und sie machte Scherz mit ihr und sagte, sie wollte auch einmal spinnen, und nahm ihr die Spindel aus der Hand. Kaum aber hatte sie die Spindel angeruͤhrt, so stach sie sich damit, und alsbald fiel sie nieder in einen tiefen Schlaf. In dem Augenblick kam der Koͤnig mit dem ganzen Hofstaat zuruͤck, und da fing alles an einzuschlafen, die Pferde in den Staͤllen, die Tauben auf dem Dach, die Hunde im Hof, die Fliegen an den Waͤnden, ja das Feuer, das auf dem Heerde flackerte, ward still und schlief ein, und der Braten hoͤrte auf zu brutzeln, und der Koch ließ den Kuͤchenjungen los, den er an den Haaren ziehen wollte, und die Magd ließ das Huhn fallen, das sie rupfte und schlief, und um das ganze Schloß zog sich eine Dorn- hecke hoch und immer hoͤher, so daß man gar nichts mehr davon sah. Prinzen, die von dem schoͤnen Dornroͤs- chen gehoͤrt hatten, kamen und wollten es be- freien, aber sie konnten durch die Hecke nicht hindurch dringen, es war als hielten sich die Dornen fest wie an Haͤnden zusammen, und sie blieben darin haͤngen und kamen jaͤmmerlich um. So waͤhrte das lange, lange Jahre: da zog einmal ein Koͤnigssohn durch das Land, dem erzaͤhlte ein alter Mann davon, man glau- be, daß hinter der Dornhecke ein Schloß stehe, und eine wunderschoͤne Prinzessin schlafe darin mit ihrem ganzen Hofstaat; sein Großvater habe ihm gesagt, daß sonst viele Prinzen ge- kommen waͤren und haͤtten hindurchdringen wol- len, sie waͤren aber in den Dornen haͤngen ge- blieben und todtgestochen worden. „Das soll P 2 mich nicht schrecken, sagte der Koͤnigssohn, ich will durch die Hecke dringen und das schoͤne Dornroͤschen befreien;“ da ging er fort, und wie er zu der Dornhecke kam, waren es lauter Blumen, die thaten sich von einander, und er ging hindurch, und hinter ihm wurden es wie- der Dornen. Da kam er ins Schloß, und in dem Hof lagen die Pferde und schliefen, und die bunten Jagdhunde, und auf dem Dach sa- ßen die Tauben und hatten ihre Koͤpfchen in den Fluͤgel gesteckt, und wie er hineinkam, schlie- fen die Fliegen an den Waͤnden, und das Feuer in der Kuͤche, der Koch und die Magd, da ging er weiter, da lag der ganze Hofstaat und schlief, und noch weiter, der Koͤnig und die Koͤnigin; und es war so still, daß einer seinen Athem hoͤrte, da kam er endlich in den alten Thurm, da lag Dornroͤschen und schlief. Da war der Koͤnigssohn so erstaunt uͤber ihre Schoͤnheit, daß er sich buͤckte und sie kuͤßte, und in dem Augenblick wachte sie auf, und der Koͤnig und die Koͤnigin, und der ganze Hofstaat, und die Pferde und die Hunde, und die Tauben auf dem Dach, und die Fliegen an den Waͤnden, und das Feuer stand auf und flackerte und koch- te das Essen fertig, und der Braten brutzelte fort, und der Koch gab dem Kuͤchenjungen ei- ne Ohrfeige, und die Magd rupfte das Huhn fertig. Da ward die Hochzeit von dem Koͤnigs- sohn mit Dornroͤschen gefeiert, und sie lebten vergnuͤgt bis an ihr Ende. 51. Vom Fundevogel . Es war einmal ein Foͤrster, der ging in den Wald auf die Jagd, und wie er in den Wald kam hoͤrte er schreien, als obs ein klei- nes Kind waͤre, und ging dem Schreien nach, so sah er endlich einen hohen Baum und oben darauf saß ein kleines Kind, unter dem Baum aber lag eine Frau, die schlief. Und als die Frau unter dem Baum eingeschlafen war, hat- te ein Raubvogel das Kind in ihrem Schooß gesehen, flog hinzu, nahm es mit seinem Schna- bel weg, und setzte es auf den hohen Baum. Der Foͤrster aber stieg hinauf, holte das Kind herunter und dachte: „du willst das Kind mit nach Haus nehmen, und mit deinem Lehn- chen zusammen aufziehen;“ brachte es heim, und die zwei Kinder wuchsen so mit einander auf, das aber, das auf dem Baum gefunden worden war, und weil es ein Vogel weggetra- gen hatte, wurde Fundevogel geheißen. Fundevogel und Lehnchen hatten sich so lieb, nein so lieb, daß wenn eins das andere nicht sah, wurde es traurig. Der Foͤrster hatte aber eine alte Koͤchin, die nahm eines Abends zwei Eimer und fing an Wasser zu schleppen und ging nicht einmal, sondern vielemal hinaus an den Brunnen und Lehnchen sah es: „hoͤr einmal, alte Sanne, was traͤgst du denn so viel Wasser zu?“ — wenn dus keinen Menschen wieder sagen willst, so will ich dirs wohl sagen. Da sagte Lehn- chen, nein, sie wollte es keinem Menschen wie- der sagen, so sprach die Koͤchin: „morgen fruͤh, wenn der Foͤrster auf die Jagd ist, da koche ich das Wasser, und wenns in dem Kessel siedet, werf ich den Fundevogel 'nein, und will ihn darin kochen.“ Und des andern Morgens in aller Fruͤhe stieg der Foͤrster auf und ging auf die Jagd, und als er weg war, lagen die Kinder noch im Bett, da sprach Lehnchen zum Fundevogel: verlaͤßt du mich nicht, so verlaß ich dich auch nicht!“ so sprach der Fundevogel: nun und nimmermehr. Da sprach Lehnchen: „ich will es dir nur sagen, die Sanne schleppte gestern Abends so viel Eimer Wasser ins Haus, so fragte ich sie, warum sie das thaͤte, so sagte sie: wenn ichs keinem Menschen sagen wollte, so wollte sie es mir wohl sagen; so sprach ich: ich wollte es gewiß keinem Menschen sagen, da sagte sie, morgen fruͤh, wenn der Vater auf die Jagd waͤre, wollte sie den Kessel voll Wasser sieden, und dich hineinwerfen und kochen. Wir wollen aber geschwind aufsteigen, uns anziehen und zusammen fortgehen. Also standen die beiden Kinder auf, zogen sich geschwind an und gingen fort. Wie nun das Wasser im Kessel kochte, ging die Koͤ- chin in die Schlafkammer und wollte Funde- vogel holen, um ihn hinein zu werfen. Al- lein, als sie hinein kam, und zu den Betten trat, waren die Kinder alle beide fort, so wurde ihr grausam Angst und sprach vor sich: „was will ich nun sagen, wenn der Foͤrster heim kommt und sieht, daß die Kinder weg sind. Geschwind hintennach, daß wir sie wie- der kriegen!“ Da schickte die Koͤchin drei Knechte nach, die sollten laufen und die Kinder einlangen. Die Kinder aber saßen vor dem Wald, und als sie die drei Knechte von weitem laufen sa- hen, sprach Lehnchen zum Fundevogel: „ver- laͤßt du mich nicht, so verlaß ich dich auch nicht!“ So sprach Fundevogel: „nun und nimmermehr!“ Da sagte Lehnchen: „werde du zum Rosenstoͤckchen und ich zum Roͤschen drauf!“ Wie nun die drei Knechte vor den Wald kamen, so war nichts da, als ein Rosen- strauch und ein Roͤschen oben drauf, die Kin- der aber nirgends, da sprachen sie: hier ist nichts zu machen und gingen heim, und sagten vor die Koͤchin, sie haͤtten nichts in der Welt gesehen, als nur ein Rosenstoͤckchen, mit einem Roͤschen oben drauf. Da schalt die alte Koͤ- chin: „ihr Einfaltspinsel, ihr haͤttet das Ro- senstoͤckchen sollen entzwei schneiden, und das Roͤschen abbrechen und mit nach Haus brin- gen, geschwind und thuts!“ Sie mußten also zum zweitenmal hinaus und suchen. Die Kin- der sahen sie aber von weiten kommen, da sprach Lehnchen: „Fundevogel, verlaͤßt du mich nicht, verlaß ich dich auch nicht!“ Fundevogel sagte: „nun und nimmermehr.“ — So werde du eine Kirche, und ich die Krone darin!“ Wie nun die drei Knechte dahin kamen, war nichts da, als eine Kirche und eine Krone dar- in. Sie sprachen also zu einander: was sollen wir hier machen, laßt uns nach Hause gehen! Wie sie nach Haus kamen, fragte die Koͤchin, ob sie nichts gefunden, so sagten sie nein, sie haͤtten nichts gefunden, wie eine Kirche, da waͤ- re eine Krone darin gewesen. „Ihr Narren, schalt die Koͤchin, warum habt ihr nicht die Kirche zerbrochen und die Krone mit heim ge- bracht?“ Nun machte sich die alte Koͤchin selbst auf die Beine, und ging mit den drei Knech- ten den Kindern nach. Die Kinder sahen aber die drei Knechte von weitem kommen und die Koͤchin wackelte hinten nach. Da sprach Lehn- chen: „Fundevogel, verlaͤßt du mich nicht, so verlaß ich dich auch nicht.“ Da sprach der Fundevogel: „nun und nimmermehr.“ So sprach Lehnchen: „werde du zum Teich und ich die Ente drauf!“ Die Koͤchin aber kam herzu und als sie den Teich sahe, legte sie sich druͤber hin und wollte ihn aussaufen. Aber die Ente kam schnell geschwommen, faßte sie mit ihrem Schnabel beim Kopf und zog sie ins Wasser hinein, da mußte die alte Hexe ertrinken. Da gingen die Kinder zusammen nach Haus, und waren herzlich froh, und wenn sie nicht gestor- ben sind, leben sie noch. 52. Koͤnig Droßelbart . Ein Koͤnig hatte eine Tochter, die war wunderschoͤn, aber so stolz und uͤbermuͤthig, daß sie aus Eigensinn einen Freier nach dem andern abwies und Spott mit ihnen trieb. Der Koͤnig ließ einmal ein großes Fest anstellen, und lud da- zu alle heirathslustigen Maͤnner ein, die wurden in eine Reihe, nach ihrem Rang und Stand geordnet, erst kamen die Koͤnige, dann die Her- zogen, Fuͤrsten, Grafen und Barone, zuletzt die Edelleute, da wurde die Koͤnigstochter durch die Reihen gefuͤhrt, aber an jedem hatte sie im- mer etwas auszusetzen. Besonders machte sie sich uͤber einen guten Koͤnig lustig, der ganz oben an stand und dem das Kinn krumm gewachsen war, da sagte sie: „ei, der hat ein Kinn, wie die Droßel einen Schnabel,“ und seit der Zeit bekam er den Namen Droßelbart . Als nun der alte Koͤnig sahe, daß seine Tochter nichts that, als uͤber die Leute spotten, erzuͤrnte er so, daß er schwur, sie sollte den ersten besten Bettler nehmen, der vor die Thuͤr kaͤme. Eines Tages fing ein Spielmann an zu singen unter ihrem Fenster, den hieß der Koͤ- nig gleich hereinkommen, und so schmutzig er war, mußte sie ihn fuͤr ihren Braͤutigam aner- kennen, ein Pfarrer wurde alsbald gerufen und die Trauung ging vor sich. Wie die Trauung vollzogen war, sprach der Koͤnig zu seiner Toch- ter: „es schickt sich nun nicht weiter, daß du hier im Schloß bleibest, du kannst nur mit dei- nem Mann fortziehen.“ Da zog der Bettelmann mit der Koͤnigs- tochter fort, unterwegs kamen sie durch einen großen Wald, und sie fragte den Bettelmann: „ach, wem gehoͤrt doch der schoͤne Wald?“ — der gehoͤrt dem Koͤnig Droßelbart, haͤttst du'n genommen, so waͤr er dein! — „ich arme Jungfer zart, ach haͤtt' ich doch genommen den Koͤnig Dro- ßelbart!“ Darauf kamen sie durch eine Wiese: „wem gehoͤrt wohl die schoͤne gruͤne Wie- se? —“ sie gehoͤrt dem Koͤnig Droßelbart, haͤttst du'n genommen, so waͤr sie dein! — „ich arme Jungfer zart, ach haͤtt' ich doch genommen den Koͤnig Dro- ßelbart!“ Endlich kamen sie durch eine Stadt: „wem gehoͤrt wohl die schoͤne große Stadt? —“ sie gehoͤrt dem Koͤnig Droßelbart, haͤttst du'n genommen, so waͤr sie dein. — „ich arme Jungfer zart, ach haͤtt' ich doch genommen den Koͤnig Dro- ßelbart!“ der Spielmann wurde ganz muͤrrisch, daß sie sich immer einen andern Mann wuͤnschte und sich gar nichts aus ihm machte; endlich so ka- men sie an ein kleines Haͤuschen: „ach Gott, was fuͤr ein Haͤuselein, wem mag das elende, winzige Haͤuschen seyn?“ der Bettelmann sagte: „das Haus ist unser Haus, wo wir wohnen, mach nur gleich Feuer an und stell Wasser auf, daß du mir mein Es- sen kochst, ich bin ganz muͤd.“ Die Koͤnigs- tochter aber verstand nichts vom Kochen, und der Mann mußte ihr nur mit helfen, so ging es noch so leidlich, und wie sie gegessen hat- ten, legten sie sich ins Bett schlafen. Des Morgens aber mußte sie ganz fruͤh aufstehen und arbeiten, und so wars ein paar Tage schlecht genug, bis der Mann endlich sagte: „Frau, so gehts nicht laͤnger, daß wir hier zehren und nichts verdienen, du sollst Koͤrbe flechten.“ Da ging er aus und schnitt Weiden, sie aber muß- te anfangen Koͤrbe zu flechten, die harten Wei- den stachen ihr aber die Haͤnde wund. „Ich sehe du kannst das nicht, sagte der Mann, so spinn lieber, das wird wohl besser gehen.“ Da saß sie und spann, aber ihre Finger waren so zart, daß der harte Faden ihr bald tief hinein- schnitt und das Blut daran herunterlief. „Du taugst zu keiner Arbeit recht, sagte der Mann verdrießlich, ich will einen Topfhandel anfan- gen, und du sollst auf dem Markt die Waare feilhalten und verkaufen.“ Das erstemal gings gut, die Leute kauften der schoͤnen Frau gern Toͤpfe ab und bezahlten, was sie forderte, ja viele bezahlten und ließen ihr die Toͤpfe noch dazu. Wie nun alles verkauft war, handelte der Mann eine Menge neu Geschirr ein, und sie saß wieder damit auf dem Markt, und hoff- te guten Gewinn, da kam ein betrunkener Hu- sar daher geritten, mitten in die Toͤpfe hinein, so daß sie in tausend Scherben sprangen. Da fuͤrchtete sich die Frau, und getraute sich den ganzen Tag nicht heimzugehen, und als sie nun endlich nach Haus ging, war der Bettelmann auf und davon. So lebte sie einige Zeit ganz armselig und in großer Duͤrftigkeit, da kam ein Mann und lud sie zu einer Hochzeit. Sie wollte sich aller- lei von dem Ueberfluß mitbringen und eine zeit- lang davon leben, sie that also ihr Maͤntelchen um, und nahm einen Topf darunter und steckte eine große lederne Tasche an. Auf der Hoch- zeit aber war alles praͤchtig und vollauf, ihren Topf fuͤllte sie mit Suppe und ihre Tasche mit Brocken. Sie wollte nun damit fortgehen, aber einer von den Gaͤsten verlangte, sie solle mit ihm tanzen, sie straͤubte sich aus allen Kraͤf- ten, das half aber nichts, er faßte sie an und sie mußte mit fort. Da fiel nun gleich der Topf, daß die Suppe auf die Erde floß, und die vielen Brocken sprangen aus der Tasche. Als das die Gaͤste sahen, entstand ein allgemei- nes Gelaͤchter und Spotten; sie war so be- schaͤmt, daß sie sich lieber tausend Klafter un- ter die Erde gewuͤnscht haͤtte, und sprang zur Thuͤre und wollte entfliehen. Auf der Treppe aber holte sie ein Mann ein, und fuͤhrte sie zuruͤck, und wie sie ihn ansah, da war das der Koͤnig Droßelbart, der sprach: „ich und der Bettelmann sind eins, und ich bin auch der Husar gewesen, der dir die Toͤpfe entzwei ge- ritten hat; und das alles ist nur dir zur Bes- serung und zur Strafe geschehen, weil du mich ehedem verspottet hast, jetzt aber soll erst unse- re Hochzeit gefeiert werden.“ Da kam auch ihr Vater und der ganze Hof, und sie ward praͤchtig geputzt nach ihrem Stand, und das Fest war ihre Vermaͤhlung mit dem Koͤnig Droßelbart. 53. Sneewittchen (Schneeweißchen). Es war einmal mitten im Winter, und die Schneeflocken fielen wie Federn vom Himmel, da saß eine schoͤne Koͤnigin an einem Fenster, das hatte einen Rahmen von schwarzem Eben- holz, und naͤhte. Und wie sie so naͤhte und nach dem Schnee aufblickte, stach sie sich mit der Nadel in den Finger, und es fielen drei Tropfen Blut in den Schnee. Und weil das Rothe in dem Weißen so schoͤn aussah, so dach- te sie: haͤtt ich doch ein Kind so weiß wie Schnee, so roth wie Blut und so schwarz wie dieser Rahmen. Und bald darauf bekam sie ein Toͤchterlein, so weiß wie der Schnee, so roth wie das Blut, und so schwarz wie Eben- holz, und darum ward es das Sneewittchen ge- nannt. Die Koͤnigin war die schoͤnste im ganzen Land, und gar stolz auf ihre Schoͤnheit. Sie hatte auch einen Spiegel, vor den trat sie alle Morgen und fragte: „Spieglein, Spieglein an der Wand: wer ist die schoͤnste Frau in dem ganzen Land?“ da sprach das Spieglein allzeit: „Ihr, Frau Koͤnigin, seyd die schoͤnste Frau im Land.“ Und da wußte sie gewiß, daß niemand schoͤner auf der Welt war. Sneewittchen aber wuchs heran, und als es sieben Jahr alt war, war es so schoͤn, daß es selbst die Koͤnigin an Schoͤn- heit uͤbertraf, und als diese ihren Spiegel fragte: „Spieglein, Spieglein an der Wand: wer ist die schoͤnste Frau in dem ganzen Land?“ sagte der Spiegel: „Frau Koͤnigin, Ihr seyd die schoͤnste hier, aber Snewittchen ist noch tausendmal schoͤner als Ihr!“ Wie die Koͤnigin den Spiegel so sprechen hoͤr- te, ward sie blaß vor Neid, und von Stund an haßte sie das Sneewittchen, und wenn sie es ansah, und gedacht, daß durch seine Schuld sie nicht mehr die schoͤnste auf der Welt sey, kehrte sich ihr das Herz herum. Da ließ ihr der Neid keine Ruhe, und sie rief einen Jaͤger und sagte zu ihm: „fuͤhr das Sneewittchen hinaus in den Wald an einen weiten abgelege- nen Ort, da stichs todt, und zum Wahrzeichen bring mir seine Lunge und seine Leber mit, die will ich mit Salz kochen und essen.“ Der Jaͤ- ger nahm das Sneewittchen und fuͤhrte es hin- aus, wie er aber den Hirschfaͤnger gezogen hat- te und eben zustechen wollte, da fing es an zu weinen, und bat so sehr, er moͤgt ihm sein Le- ben lassen, es wollt nimmermehr zuruͤckkom- men, sondern in dem Wald fortlaufen. Den Jaͤger erbarmte es, weil es so schoͤn war und gedachte: die wilden Thiere werden es doch bald gefressen haben, ich bin froh, daß ich es nicht zu toͤdten brauche, und weil gerade ein junger Frischling gelaufen kam, stach er den nieder, nahm Lunge und Leber heraus und bracht sie als Wahrzeichen der Koͤnigin mit, die kochte sie mit Salz und aß sie auf, und meinte sie haͤtte Sneewittchens Lunge und Le- ber gegessen. Sneewittchen aber war in dem großen Wald mutterseelig allein, so daß ihm recht Angst ward und fing an zu laufen und zu lau- fen uͤber die spitzen Steine, und durch die Dor- nen den ganzen Tag: endlich, als die Sonne untergehen wollte, kam es zu einem kleinen Haͤuschen. Das Haͤuschen gehoͤrte sieben Zwer- gen, die waren aber nicht zu Haus, sondern in das Bergwerk gegangen. Sneewittchen ging hinein und fand alles klein, aber niedlich und reinlich: da stand ein Tischlein mit sieben kleinen Tellern, dabei sieben Loͤfflein, sieben Messerlein und Gaͤblein, sieben Becherlein, und an der Wand standen sieben Bettlein neben ein- ander ander frisch gedeckt. Sneewittchen war hungrig und durstig, aß von jedem Tellerlein ein wenig Gemuͤs und Brod, trank aus jedem Glaͤschen einen Tropfen Wein, und weil es so muͤd war, wollte es sich schlafen legen. Da probirte es die sieben Bettlein nach einander, keins war ihm aber recht, bis auf das siebente, in das legte es sich und schlief ein. Wie es Nacht war, kamen die sieben Zwer- ge von ihrer Arbeit heim, und steckten ihre sie- ben Lichtlein an, da sahen sie, daß jemand in ihrem Haus gewesen war. Der erste sprach: „wer hat auf meinem Stuͤhlchen gesessen?“ Der zweite: „wer hat von meinem Tellerchen gegessen?“ Der dritte: „wer hat von meinem Broͤdchen genommen?“ Der vierte: „wer hat von meinem Gemuͤschen gegessen?“ Der fuͤnf- te: „wer hat mit meinem Gaͤbelchen gestochen?“ Der sechste: „wer hat mit meinem Messerchen geschnitten?“ Der siebente: „wer hat aus meinem Becherlein getrunken?“ Darnach sah der erste sich um und sagte: „wer hat in mein Bettchen getreten?“ Der zweite: „ei, in mei- nem hat auch jemand gelegen?“ und so alle weiter bis zum siebenten, wie der nach seinem Bettchen sah, da fand er das Sneewittchen darin liegen und schlafen. Da kamen die Zwer- ge alle gelaufen, und schrieen vor Verwunde- rung, und holten ihre sieben Lichtlein herbei, Kindermärchen. Q und betrachteten das Sneewittchen, „ei du mein Gott! ei du mein Gott! riefen sie, was ist das schoͤn!“ Sie hatten große Freude an ihm, weckten es auch nicht auf, und ließen es in dem Bettlein liegen; der siebente Zwerg aber schlief bei seinen Gesellen, bei jedem eine Stun- de, da war die Nacht herum. Als nun Snee- wittchen aufwachte, fragten sie es, wer es sey und wie es in ihr Haus gekommen waͤre, da erzaͤhlte es ihnen, wie seine Mutter es habe wollen umbringen, der Jaͤger ihm aber das Le- ben geschenkt, und wie es den ganzen Tag ge- laufen, und endlich zu ihrem Haͤuslein gekom- men sey. Da hatten die Zwerge Mitleiden und sagten: „wenn du unsern Haushalt versehen, und kochen, naͤhen, betten, waschen und stricken willst, auch alles ordentlich und reinlich halten, sollst du bei uns bleiben und soll dir an nichts fehlen; Abends kommen wir nach Haus, da muß das Essen fertig seyn, am Tage aber sind wir im Bergwerk und graben Gold, da bist du allein; huͤt dich nur vor der Koͤnigin und laß niemand herein.“ Die Koͤnigin aber glaubte, sie sey wieder die allerschoͤnste im Land, trat Morgens vor den Spiegel und fragte: „Spieglein, Spieglein an der Wand: wer ist die schoͤnste Frau in dem ganzen Land?“ da antwortete der Spiegel aber wieder: „Frau Koͤnigin, Ihr seyd die schoͤnste hier: aber Sneewittchen, uͤber den sieben Bergen ist noch tausendmal schoͤner als Ihr!“ wie die Koͤnigin das hoͤrte erschrack sie und sah wohl, daß sie betrogen worden und der Jaͤger Sneewittchen nicht getoͤdtet hatte. Weil aber niemand, als die sieben Zwerglein in den sieben Bergen war, da wußte sie gleich, daß es sich zu diesen gerettet hatte, und nun sann sie von neuem nach, wie sie es umbringen koͤnnte, denn so lang der Spiegel nicht sagte, sie waͤr die schoͤnste Frau im ganzen Land, hatte sie keine Ruh. Da war ihr alles nicht sicher und ge- wiß genug, und sie verkleidete sich selber in ei- ne alte Kraͤmerin, faͤrbte ihr Gesicht, daß sie auch kein Mensch erkannte, und ging hinaus vor das Zwergenhaus. Sie klopfte an die Thuͤr und rief: „macht auf, macht auf, ich bin die alte Kraͤmerin, die gute Waare feil hat.“ Sneewittchen guckte aus dem Fenster: „was habt ihr denn?“ — „Schnuͤrriemen, liebes Kind, sagte die Alte, und holte einen hervor, der war von gelber, rother und blauer Seide geflochten: „willst du den haben?“ — Ei ja, sprach Sneewittchen, und dachte die gute alte Frau kann ich wohl hereinlassen, die meints redlich; riegelte also die Thuͤre auf und handel- te sich den Schnuͤrriemen. „Aber wie bist du so schlampisch geschnuͤrt, sagte die Alte, komm Q 2 ich will dich einmal besser schnuͤren.“ Sneewitt- chen stellte sich vor sie, da nahm sie den Schnuͤr- riemen und schnuͤrte und schnuͤrte es so fest, daß ihm der Athem verging, und es fuͤr todt hinfiel. Darnach war sie zufrieden und ging fort. Bald darauf ward es Nacht, da kamen die sieben Zwerge nach Haus, die erschracken recht, als sie ihr liebes Sneewittchen auf der Erde liegen fanden, als waͤr es todt. Sie ho- ben es in die Hoͤhe, da sahen sie, daß es so fest geschnuͤrt war, schnitten den Schnuͤrriemen entzwei, da athmete es erst, und dann ward es wieder lebendig. „Das ist niemand gewesen, als die Koͤnigin, sprachen sie, die hat dir das Leben nehmen wollen, huͤte dich und laß keinen Menschen mehr herein. Die Koͤnigin aber fragte ihren Spiegel: „Spieglein, Spieglein an der Wand: wer ist die schoͤnste Frau in dem ganzen Land?“ der Spiegel antwortete: „Frau Koͤnigin, Ihr seyd die schoͤnste hier, aber Sneewittchen bei den sieben Zwergelchen ist tausendmal schoͤner als Ihr.“ Sie erschrack, daß das Blut ihr all zum Her- zen lief, da sie sah, daß Sneewittchen wieder lebendig geworden war. Darnach sann sie den ganzen Tag und die Nacht, wie sie es doch noch fangen wollte, und machte einen giftigen Kamm, verkleidete sich in eine ganz andere Ge- stalt, und ging wieder hinaus. Sie klopfte an die Thuͤr, Sneewittchen aber rief: „ich darf niemand hereinlassen;“ da zog sie den Kamm hervor, und als Sneewittchen den blinken sah und es auch jemand ganz fremdes war, so machte es doch auf, und kaufte ihr den Kamm ab. „Komm ich will dich auch kaͤmmen,“ sagte die Kraͤme- rin, kaum aber stack der Kamm dem Snee- wittchen in den Haaren, da fiel es nieder und war todt. „Nun wirst du liegen bleiben,“ sagte die Koͤnigin, und ihr Herz war ihr leicht geworden, und sie ging heim. Die Zwerge aber kamen zu rechter Zeit, sahen was geschehen, und zogen den giftigen Kamm aus den Haa- ren, da schlug Sneewittchen die Augen auf, und war wieder lebendig, und versprach den Zwergen, es wollte gewiß niemand mehr ein- lassen. Die Koͤnigin aber stellte sich vor ihren Spiegel: „Spieglein, Spieglein an der Wand: wer ist die schoͤnste Frau in dem ganzen Land!“ der Spiegel antwortete: „Frau Koͤnigin, Ihr seyd die schoͤnste hier, aber Sneewittchen bei den sieben Zwergelchen ist tausendmal schoͤner als Ihr!“ Wie das die Koͤnigin wieder hoͤrte, zitterte und bebte sie vor Zorn: „so soll das Sneewittchen noch sterben, und wenn es mein Leben kostet!“ Dann ging sie in ihre heimlichste Stube, und niemand durfte vor sie kommen, und da mach- te sie einen giftigen, giftigen Apfel, aͤußerlich war er schoͤn und rothbaͤckig, und jeder der ihn sah, bekam Lust dazu. Darauf verkleidete sie sich als Bauersfrau, ging vor das Zwerghaus und klopfte an. Sneewittchen guckte und sag- te: „ich darf keinen Menschen einlassen, die Zwerge haben mirs bei Leibe verboten.“ „Nun, wenn Ihr nicht wollt, sagte die Baͤuerin, kann ich euch nicht zwingen, meine Aepfel will ich schon los werden, da, einen will ich euch zur Probe schenken.“ — „Nein, ich darf auch nichts geschenkt nehmen, die Zwerge wollens nicht haben.“ — „Ihr moͤgt Euch wohl fuͤrch- ten, da will ich den Apfel entzwei schneiden und die Haͤlfte essen, da den schoͤnen rothen Backen sollt Ihr haben;“ der Apfel war aber so kuͤnstlich gemacht, daß nur die rothe Haͤlfte vergiftet war. Da sah Sneewittchen, daß die Baͤuerin selber davon aß, und sein Geluͤsten darnach ward immer groͤßer, da ließ es sich end- lich die andere Haͤlfte durchs Fenster reichen, und biß hinein, kaum aber hatte es einen Bis- sen im Mund, so viel es todt zur Erde. Die Koͤnigin aber freute sich, ging nach Haus und fragte den Spiegel: „Spieglein, Spieglein an der Wand: wer ist die schoͤnste Frau in dem ganzen Land?“ da antworte er: „Ihr, Frau Koͤnigin, seyd die schoͤnste Frau im Land!“ „Nun hab ich Ruhe“ sprach sie, da ich wieder die schoͤnste im Lande bin, und Sneewittchen wird diesmal wohl todt bleiben.“ Die Zwerglein kamen Abends aus den Berg- werken nach Haus, da lag das liebe Sneewitt- chen auf dem Boden und war todt. Sie schnuͤr- ten es auf und sahen, ob sie nichts giftiges in seinen Haaren faͤnden, es half aber alles nichts, sie konnten es nicht wieder lebendig machen. Sie legten es auf eine Bahre, setzten sich alle sieben daran, weinten und weinten drei Tage lang, dann wollten sie es begraben, da sahen sie aber daß es noch frisch und gar nicht wie ein Todter aussah, und daß es auch seine schoͤnen rothen Backen noch hatte. Da ließen sie einen Sarg von Glas machen, legten es hinein, daß man es recht sehen konnte, schrieben auch mit golde- nen Buchstaben seinen Namen darauf und sei- ne Abstammung, und einer blieb jeden Tag zu Haus und bewachte es. So lag Sneewittchen lange, lange Zeit in dem Sarg und verweste nicht, war noch so weiß als Schnee, und so roth als Blut, und wenns die Aeuglein haͤtte koͤnnen aufthun, waͤ- ren sie so schwarz gewesen wie Ebenholz, denn es lag da, als wenn es schlief. Einmal kam ein junger Prinz zu dem Zwergenhaus und wollte darin uͤbernachten, und wie er in die Stube kam und Sneewittchen in dem Glas- sarg liegen sah, auf das die sieben Lichtlein so recht ihren Schein warfen, konnt er sich nicht satt an seiner Schoͤnheit sehen, und las die goldene Inschrift und sah, daß es eine Koͤnigs- tochter war. Da bat er die Zwerglein, sie soll- ten ihm den Sarg mit dem todten Sneewitt- chen verkaufen, die wollten aber um alles Gold nicht; da bat er sie, sie moͤgten es ihm schen- ken, er koͤnne nicht leben ohne es zu sehen, und er wolle es so hoch halten und ehren, wie sein Liebstes auf der Welt. Da waren die Zwerg- lein mitleidig und gaben ihm den Sarg, der Prinz aber ließ ihn in sein Schloß tragen, und ließ ihn in seine Stube setzen, er selber saß den ganzen Tag dabei, und konnte die Augen nicht abwenden; und wenn er aus mußte gehen und konnte Sneewittchen nicht sehen, ward er traurig, und er konnte auch keinen Bissen essen, wenn der Sarg nicht neben ihm stand. Die Diener aber, die bestaͤndig den Sarg herum- tragen mußten, waren boͤs daruͤber, und einer machte einmal den Sarg auf, hob Sneewitt- chen in die Hoͤh und sagte: um so eines tod- ten Maͤdchens willen, werden wir den ganzen Tag geplagt,“ und gab ihm mit der Hand ei- nen Stumpf in den Ruͤcken. Da fuhr ihm der garstige Apfelgruͤtz, den es abgebissen hatte, aus dem Hals, und da war Sneewittchen wie- der lebendig. Da ging es hin zu dem Prin- zen, der wußte gar nicht, was er vor Freuden thun sollte, als sein liebes Sneewittchen le- bendig war, und sie setzten sich zusammen an die Tafel und aßen in Freuden. Auf den andern Tag ward die Hochzeit bestellt, und Sneewittchens gottlose Mutter, auch eingeladen. Wie sie nun am Morgen vor dem Spiegel trat und sprach: „Spieglein, Spieglein an der Wand: wer ist die schoͤnste Frau in dem ganzen Land!“ da antwortete er: „Frau Koͤnigin, Ihr seyd die schoͤnste hier, aber die junge Koͤnigin ist tausendmal schoͤner als Ihr!“ Als sie das hoͤrte, erschrack sie, und es war ihr so Angst, so Angst, daß sie es nicht sagen konnte. Doch trieb sie der Neid, daß sie auf der Hochzeit die junge Koͤnigin sehen wollte, und wie sie ankam, sah sie, daß es Sneewitt- chen war; da waren eiserne Pantoffeln im Feuer gluͤhend gemacht, die mußte sie anziehen und darin tanzen, und ihre Fuͤße wurden jaͤmmer- lich verbrannt, und sie durfte nicht aufhoͤren bis sie sich zu todt getanzt hatte. 54. Hans Dumm . Es war ein Koͤnig, der lebte mit seiner Tochter, die sein einziges Kind war, vergnuͤgt: auf einmal aber brachte die Prinzessin ein Kind zur Welt, und niemand wußte, wer der Vater war; der Koͤnig wußte lang nicht, was er an- fangen sollte, am Ende befahl er, die Prinzes- sin solle mit dem Kind in die Kirche gehen, da sollte ihm eine Citrone in die Hand gegeben werden, und wem es die reiche, solle der Va- ter des Kinds und Gemahl der Prinzessin seyn. Das geschah nun, doch war der Befehl gege- ben, daß niemand als schoͤne Leute in die Kir- che sollten eingelassen werden. Es war aber in der Stadt ein kleiner, schiefer und buckelichter Bursch, der nicht recht klug war, und darum der Hans Dumm hieß, der draͤngte sich unge- sehen zwischen den andern auch in die Kirche, und wie das Kind die Citrone austheilen soll- te, so reichte es sie dem Hans Dumm. Die Prinzessin war erschrocken, der Koͤnig war so aufgebracht, daß er sie und das Kind mit dem Hans Dumm in eine Tonne stecken und aufs Meer setzen ließ. Die Tonne schwamm bald fort, und wie sie allein auf dem Meere waren, klagte die Prinzessin und sagte: „du garstiger, buckelichter, naseweiser Bub, bist an meinem Ungluͤck Schuld, was hast du dich in die Kir- che gedraͤngt, das Kind ging dich nichts an.“ — „O ja, sagte Hans Dumm, das ging mich wohl etwas an, denn ich habe es einmal ge- wuͤnscht, daß du ein Kind bekaͤmst, und was ich wuͤnsche, das trifft ein.“ — „Wenn das wahr ist, so wuͤnsch uns doch, was zu essen hierher.“ — „Das kann ich auch, sagte Hans Dumm, wuͤnschte sich aber eine Schuͤssel recht voll Kartoffel, die Prinzessin haͤtte gern etwas Besseres gehabt, aber weil sie so hungrig war, half sie ihm die Kartoffel essen. Nachdem sie satt waren, sagte Hans Dumm: „nun will ich uns ein schoͤnes Schiff wuͤnschen!“ und kaum hatte er das gesagt, so saßen sie in ei- nem praͤchtigen Schiff, darin war alles zum Ue- berfluß, was man nur verlangen konnte. Der Steuermann fuhr grad ans Land, und als sie ausstiegen, sagte Hans Dumm: „nun soll ein Schloß dort stehen!“ Da stand ein praͤchtiges Schloß und Diener in Goldkleidern kamen und fuͤhrten die Prinzessin und das Kind hinein, und als sie mitten in dem Saal waren, sagte Hans Dumm: „nun wuͤnsch ich, daß ich ein junger und kluger Prinz werde!“ Da verlor sich sein Buckel, und er war schoͤn und gerad und freundlich, und er gefiel der Prinzessin gut und ward ihr Gemahl. So lebten sie lange Zeit vergnuͤgt; da ritt einmal der alte Koͤnig aus, verirrte sich, und kam zu dem Schloß. Er verwunderte sich dar- uͤber, weil er es noch nie gesehen und kehrte ein. Die Prinzessin erkannte gleich ihren Va- ter, er aber erkannte sie nicht, er dachte auch, sie sey schon laͤngst im Meer ertrunken. Sie be- wirthete ihn praͤchtig, und als er wieder nach Haus wollte, steckte sie ihm heimlich einen goldenen Becher in die Tasche. Nachdem er aber fortgeritten war, schickte sie ein paar Reu- ter nach, die mußten ihn anhalten und unter- suchen, ob er den goldenen Becher nicht gestoh- len, und wie sie ihn in seiner Tasche fanden, brachten sie ihn mit zuruͤck. Er schwur der Prinzessin, er habe ihn nicht gestohlen, und wisse nicht, wie er in seine Tasche gekommen sey, „darum, sagte sie, muß man sich huͤten, jemand gleich fuͤr schuldig zu halten,“ und gab sich als seine Tochter zu erkennen. Da freute sich der Koͤnig und sie lebten vergnuͤgt zusam- men, und nach seinem Tod, ward Hans Dumm Koͤnig. 55. Rumpelstilzchen . Es war einmal ein Muͤller, der war arm, aber er hatte eine schoͤne Tochter. Und es traf sich, daß er mit dem Koͤnig zu sprechen kam und ihm sagte: „ich habe eine Tochter, die weiß die Kunst, Stroh in Gold zu verwandeln.“ Da ließ der Koͤnig die Muͤllerstochter alsogleich kommen, und befahl ihr, eine ganze Kammer voll Stroh in einer Nacht in Gold zu ver- wandeln, und koͤnne sie es nicht, so muͤsse sie sterben. Sie wurde in die Kammer eingesperrt, saß da und weinte, denn sie wußte um ihr Le- ben keinen Rath, wie das Stroh zu Gold werden sollte. Da trat auf einmal ein klein Maͤnnlein zu ihr, das sprach: „was giebst du mir, daß ich alles zu Gold mache?“ Sie that ihr Halsband ab und gabs dem Maͤnnlein, und es that, wie es versprochen hatte. Am andern Morgen fand der Koͤnig die ganze Kammer voll Gold; aber sein Herz wurde dadurch nur noch begieriger, und er ließ die Muͤllerstochter in eine andere, noch groͤßere Kammer voll Stroh thun, das sollte sie auch zu Gold machen. Und das Maͤnnlein kam wieder, sie gab ihm ihren Ring von der Hand, und alles wurde wieder zu Gold. Der Koͤnig aber hieß sie die dritte Nacht wieder in eine dritte Kammer sperren, die war noch groͤßer als die beiden ersten und ganz voll Stroh, „und wenn dir das auch ge- lingt, sollst du meine Gemahlin werden.“ Da kam das Maͤnnlein und sagte: „ich will es noch einmal thun, aber du mußt mir das erste Kind versprechen, das du mit dem Koͤnig be- kommst.“ Sie versprach es in der Noth, und wie nun der Koͤnig auch dieses Stroh in Gold verwandelt sah, nahm er die schoͤne Muͤllers- tochter zu seiner Gemahlin. Bald darauf kam die Koͤnigin ins Wochen- bett, da trat das Maͤnnlein vor die Koͤnigin und forderte das versprochene Kind. Die Koͤ- nigin aber bat, was sie konnte und bot dem Maͤnnchen alle Reichthuͤmer an, wenn es ihr ihr Kind lassen wollte, allein alles war verge- bens. Endlich sagte es: „in drei Tagen komm ich wieder und hole das Kind, wenn du aber dann meinen Namen weißt, so sollst du das Kind behalten!“ Da sann die Koͤnigin den ersten und zwei- ten Tag, was doch das Maͤnnchen fuͤr einen Namen haͤtte, konnte sich aber nicht besinnen, und ward ganz betruͤbt. Am dritten Tag aber kam der Koͤnig von der Jagd heim und erzaͤhl- te ihr: ich bin vorgestern auf der Jagd gewe- sen, und als ich tief in den dunkelen Wald kam, war da ein kleines Haus und vor dem Haus war ein gar zu laͤcherliches Maͤnnchen, das sprang als auf einem Bein davor herum, und schrie: „heute back ich, morgen brau ich, uͤbermorgen hohl ich der Frau Koͤnigin ihr Kind, ach wie gut ist, daß niemand weiß, daß ich Rumpelstilzchen heiß!“ Wie die Koͤnigin das hoͤrte, ward sie ganz froh und als das gefaͤhrliche Maͤnnlein kam, frug er: Frau Koͤnigin, wie heiß ich? — „heißest du Conrad?“ — Nein. — „Heißest du Hein- rich?“ — Nein. Heißt du etwa Rumpelstilzchen? Das hat dir der Teufel gesagt! schrie das Maͤnnchen, lief zornig fort und kam nimmer- mehr wieder. 56. Der Liebste Roland . Es war einmal eine Mutter, die hatte nur ihre rechte Tochter lieb und haßte ihre Stief- tochter, die doch tausendmal schoͤner und besser war. Einmal hatte diese eine schoͤne Schuͤrze, daruͤber war die andere neidisch und verlangte von der Mutter, sie solle ihr diese Schuͤrze verschaffen. Die Mutter sagte: „sey still, mein liebes Kind, du sollst sie haben, deine Stief- schwester hat doch schon lange den Tod ver- dient, heut Nacht leg dich hinten ins Bett und schieb sie recht vorne hin, dann will ich kom- men, wenn sie schlaͤft, und will ihr den Kopf abhauen.“ Die Stiefschwester aber hatte in einer Ecke gestanden und alles mit angehoͤrt, da ließ sie die boͤse Schwester erst zu Bett ge- hen, daß sie hinten hin kam, wie sie aber ein- geschlafen war, hub sie sie auf und legte sie vorne hin, sich aber ganz hinten. Da kam die Mutter in der Nacht geschlichen, fuͤhlte erst ob vorne jemand lag und schlief, dann faßte sie die Axt mit beiden Haͤnden und hieb und hieb ihrem eigenen Kind den Kopf ab. Wie sie fortgegangen war, stand das Maͤd- chen auf und ging zu seinem Liebsten Roland, klopfte an und rief: „hoͤr, wir muͤssen fort, die Stiefmutter hat ihr eigen Kind todtgeschlagen, und meint sie haͤtte mich getroffen, kommt der Tag und sie sieht, was sie gethan, so bin ich verloren; da hab ich ihren Zauberstab genom- men, damit koͤnnen wir uns schon helfen.“ Der Liebste Roland stand auf, und sie nahmen erst den todten Kopf und troͤpfelten drei Bluts- tropfen, einen vors Bett, einen in die Kuͤche und einen auf die Treppe; darauf gingen sie fort. Am Morgen, als die Mutter aufgestan- den war, rief sie ihrer Tochter: „komm, du sollst jetzt die Schuͤrze haben, die Tochter kam aber aber nicht. „Wo bist du?“ — „Ei! hier auf der Treppe, die kehr ich,“ sprach der eine Blutstropfen. Da ging sie hinaus; auf der Treppe war niemand: „wo bist du denn?“ — „Ei! hier in der Kuͤche, beim Feuer, da waͤrm ich mich!“ rief der zweite Blutstropfen; sie ging in die Kuͤche, aber sie sah niemand: „wo bist du denn aber?“ — „Ach! hier am Bett, da schlaf ich!“ sie lief in die Kammer ans Bett, da sah sie ihr eigen Kind in seinem Blu- te schwimmen. Da erschrack sie und merkte, daß sie betrogen war, und ward zornig, weil sie aber eine Hexe war, konnte sie weit in die Welt hineinsehen, und sah ihre Stieftochter mit ihren Liebsten forteilen, und sie waren schon weit weg. Alsbald zog sie ihre Meilenstiefeln an, und ging ihnen nach, hatte sie auch bald eingeholt; das Maͤdchen aber hatte durch den Zauberstab gewußt, daß sie verfolgt wuͤrden, und sich in einen See, ihren Liebsten Roland aber in eine Ente verwandelt, die schwamm darauf. Als nun die Stiefmutter herzu kam, setzte sie sich an das Ufer und suchte die Ente mit Brod zu locken, aber es war alle Muͤhe ver- geblich, am Abend mußte sie unverrichteter Sa- che heimgehen. Die zwei nahmen ihre mensch- liche Gestalt wieder an, und gingen weiter, wie aber der Tag anbrach wurden sie wieder von der Hexe verfolgt. Da verwandelte sich das Kindermärchen. R Maͤdchen in eine schoͤne Blume, die mitten in einer Dornhecke stand, ihren Liebsten Roland aber in einen Geigenspieler. Wie die Alte an- kam, fragte sie den Spielmann, ob sie sich die Blume abbrechen duͤrfe, „o ja, antwortete der, nur will ich dazu aufspielen.“ Da kroch sie in die Hecke und suchte zu der Blume zu reichen; wie sie aber mitten darin war, fing er an zu spielen, und da mußte sie darnach tanzen und tanzen ohne Aufhoͤren, daß ihr die Dornen die Kleider vom Leibe rissen und sie blutig stachen, so lang, bis sie todt hinfiel. Da waren beide frei. Roland aber sprach zu dem Maͤdchen: „nun will ich heim gehen zu meinem Vater, und die Hochzeit bestellen.“ — „Da will ich mich indessen in einen rothen Feld- stein verwandeln, und hier bleiben und warten, bis du wieder kommst.“ Da stand es als ein rother Stein und wartete lang auf seinen Lieb- sten, aber der kam nicht wieder und hatte sie vergessen, und als er gar nicht kommen wollte, ward es ganz traurig und verwandelte sich in eine Blume, und dachte, es wird mich ja bald jemand umtreten. Ein Schaͤfer aber fand die Blume, und weil sie so schoͤn war, nahm er sie mit sich, und legte sie daheim in seinen Ka- sten. Von nun an aber ging es wunderlich bei dem Schaͤfer zu: wenn er des Morgens aufwachte, so war alles im Haus gethan, ge- kehrt, geputzt, Feuer angemacht, und kam er Mittags nach Haus, war das Essen gekocht, der Tisch gedeckt und aufgetragen; er konnte aber nicht begreifen, wie das zuging, sah auch niemals einen Menschen in seinem Haus. Und ob es ihm gleich wohl gefiel, so ward ihm doch zuletzt Angst dabei, und er fragte eine weise Frau daruͤber, die sagte, das sey Zauberei, er solle einmal Morgens fruͤh Acht geben, ob sich etwas in der Stube bewege, und wenn er et- was sehe ein weißes Tuch daruͤber werfen. Das that er, und am andern Morgen sah er, wie sich der Kasten aufthat und die Blume her- auskam, er sprang herzu und warf ein Tuch daruͤber, da war die Verwandlung vorbei, und das schoͤne Maͤdchen, das sein Liebster Roland vergessen hat, stand vor ihm. Der Schaͤfer wollte es heirathen, es sagte aber nein, es wolle ihm nur dienen und haushalten. Bald darauf hoͤrte es, daß Roland Hochzeit halten und eine andere heirathen wolle; dabei mußte jeder im Land nach einem alten Gebrauch, sin- gen. Da kam das treue Maͤdchen auch hin, und wollte immer nicht singen, bis zu allerletzt, da mußte es; wie es aber anfing, da erkannte es Roland gleich, sprang auf und sagte: das sey seine rechte Braut, er wolle keine andere und vermaͤhlte sich mir ihr; da war sein Leid zu End und seine Freude ging an. R 2 57. Vom goldnen Vogel . Ein gewisser Koͤnig hatte einen Lustgarten, in dem Garten stund ein Baum und der Baum trug goldne Aepfel. Wie sie nun zeitig gewor- den waren, fehlte gleich nach der ersten Nacht ein Apfel, so daß der Koͤnig zornig war, und seinen Gaͤrtner befahl, alle Naͤchte unter dem Baum Wacht zu halten. Der Gaͤrtner hieß seinen aͤltesten Sohn wachen, aber um zwoͤlf Uhr Mitternachts schlief er ein, und am an- dern Morgen fehlte schon wieder ein Apfel. Da ließ der Gaͤrtner seinen zweiten Sohn in der folgenden Nacht wachen, aber um zwoͤlf Uhr Mitternacht da schlief er auch ein, und des Morgens fehlte noch ein Apfel. Da woll- te nun der dritte Sohn wachen, und der Gaͤrt- ner war es erst nicht zufrieden, endlich gab ers doch zu, und der dritte Sohn legte sich unter den Baum, und wachte und wachte, und als es zwoͤlf schlug, da rauschte es so durch die Luft, und ein Vogel kam geflogen, der war ganz von purem Gold, und wie er gerade mit seinem Schnabel nach einem Apfel picken woll- te, da war der Sohn des Gaͤrtners her, und schoß eilends einen Pfeil auf ihn ab. Der Pfeil aber that dem Vogel nichts, als daß er ihm eine goldne Feder ausschoß, worauf er schnell fortflog. Die goldne Feder wurde nun des andern Morgens hin zum Koͤnig gebracht, der alsbald seinen Rath versammelte. Jeder- mann erklaͤrte aber einmuͤthig, daß diese Feder allein mehr werth waͤre, als das gesammte Koͤ- nigreich. So sprach der Koͤnig: „nun hilft mir die eine Feder zu nichts, sondern ich will und muß den ganzen Vogel haben.“ Da machte sich der aͤlteste Sohn auf, und gedachte den goldenen Vogel schon zu finden. Und wie er eine Strecke gegangen war, kam er an einen Wald; vor dem Wald saß ein Fuchs, gleich nahm er seine Flinte und zielte auf ihn. Da hub der Fuchs an: „schieß mich nicht, so will ich dir guten Rath geben, ich weiß schon, wo du hin willst, du denkst den goldenen Vo- gel zu suchen, wenn du nun heut Abend in ein Dorf kommst, wirst du zwei Wirthshaͤuser stehen sehen, gegeneinander uͤber, im einem gehts hell und lustig her, geh aber nicht in das hinein, sondern ins andere, wenn es dich schon schlecht ansieht!“ Der Sohn aber dach- te: was kann mir ein Thier ordentliches ra- then, nahm die Flinte und druͤckte ab, aber er fehlte den Fuchs, der nahm den Schwanz auf den Ruͤcken und lief schnell zum Wald hinein. Der aͤlteste Sohn setzte seine Reise fort, und Abends kam er in das Dorf, wo die beiden Wirthshaͤuser standen, in dem einen wurde ge- sungen und gesprungen, das andere hatte ein armseliges, betruͤbtes Ansehen. „Ei, ich waͤr wohl ein rechter Narr, daß ich in das lumpige Wirthshaus ginge und das schoͤne liegen ließe!“ ging damit in das lustige zur Thuͤre hinein, lebte vollauf in Saus und Braus und vergaß den Vogel und seine Heimath. Die Zeit verstrich, und wie der aͤlteste Sohn immer und immer nicht nach Haus kam, so machte sich der zweite auf, und alles begegnete ihm gerade eben so, mit dem Fuchs und dem guten Rath, aber wie er vor die zwei Wirths- haͤuser kam, stand sein aͤltester Bruder im Fen- ster dessen, wo der Jubel war, und rief ihn hinein, so daß er nicht widerstehen konnte und es da guter Dinge seyn ließ. Die Zeit verstrich, da wollte der juͤngste Sohn auch in die Welt gehen, allein der Va- ter wollte es lange nicht zulassen, denn er hat- te ihn gar lieb und furchte sich, es moͤchte ihm auch ein Ungluͤck zustoßen, daß er auch nicht wiederkaͤme. Doch endlich, wie keine Ruh mehr war, ließ er ihn ziehen, und vor dem Wald be- gegnete ihm auch wieder der Fuchs, und gab ihm den guten Rath. Er war aber gutmuͤthig, und schenkte ihm das Leben, da sagte der Fuchs: steig hinten auf meinen Schwanz, so gehts schneller. Und wie er sich darauf gesetzt hatte, fing der Fuchs an zu laufen, da gings uͤber Stock und Stein, daß die Haare im Winde pfiffen. Und als sie vor dem Dorf waren, stieg der Sohn ab, folgte dem Rath und trat, ohne sich umzusehen, in dem armen Wirthshaus ab, wo er ruhig uͤbernachtete. Am andern Morgen stand der Fuchs wieder auf dem Weg und sag- te: „gerade fort, endlich wirst du an ein Schloß kommen, vor dem ein ganz Regiment Solda- ten liegt, die werden alle schlafen und schnar- chen, kuͤmmere dich aber nicht darum, sondern tritt ins Schloß hinein, so wirst du zuletzt in- wendig in eine Stube kommen. In der Stu- be wird der goldne Vogel in einem hoͤlzernen Kaͤfig hangen, nebenan steht noch ein anderer praͤchtiger Goldkaͤfig zum Staat, thu ihn aber nicht etwa aus dem schlechten Kaͤfig heraus, um ihn in den guten zu setzen, sonst moͤchte es schlimm gehen.“ Nach diesen Worten streckte der Fuchs wieder seinen Schwanz aus und der Sohn setzte sich drauf, da gings uͤber Stock und Stein, daß die Haare im Wind pfiffen. Vor dem Schloß traf nun alles so ein, er trat in das Zimmer, da hing der goldne Vogel im hoͤlzernen Kaͤfig, daneben stand ein goldener, und die drei goldne Aepfel lagen in der Stube herum. Da dachte er: das waͤre ja laͤcherlich, wenn ich den schoͤnen Vogel in dem garstigen Kaͤfig lassen sollte, machte die Thuͤre auf, pack- te ihn und that ihn in den goldenen Kaͤfig. Indem hub der Vogel so moͤrderlich an zu schreien, daß die ganzen Soldaten davon er- wachten, die nahmen ihn gefangen und fuͤhrten ihn vor den Koͤnig. Den andern Morgen wur- de ein Gericht gehalten, wo er alles bekennt, und zum Tode verurtheilt wird, doch unter der einen Bedingung soll ihm das Leben geschenkt seyn, wenn er dem Koͤnig das goldne Pferd bringe, das schnell wie der Wind laufe, und dazu solle ihm der goldne Vogel obendrein ge- schenkt werden. Betruͤbt machte er sich auf den Weg und seufzte; auf einmal stand der Fuchs wieder da und sagte: „siehst du, so ist es gekommen, weil du mir nicht gehoͤrt hast, doch will ich dir noch einmal rathen, wie du das goldne Pferd be- kommen kannst, wenn du mir folgen willst. Du mußt gerades Wegs fortgehen, bist du zu dem Schloß kommst, worin das Pferd im Stall steht, vor dem Stall werden die Stallknechte schlafen und schnarchen, da kannst du geruhig das goldne Pferd herausfuͤhren, allein leg ihm nur den schlechten Sattel von Holz und Leder, und nicht den goldenen, auf der dabei haͤngt.“ Darauf setzt er sich auf den Fuchsschwanz und es ging weg uͤber Stock und Stein, daß die Haare pfiffen. Alles traf so ein, die Stallknechte schnarch- ten und hielten goldne Saͤttel in den Haͤnden. Und als er das goldne Pferd sah, dauerte es ihn, den schlechten Sattel aufzulegen: es wird ganz verschaͤndet, ich will ihm einen guten ge- ben, wie sichs gebuͤhrt. Und wie er dem einen Stallknecht den guten Sattel nehmen wollte, wachte er auf und die andern miteinander, daß alles herzulief und er ins Gefaͤngniß geworfen wurde. Den andern Morgen wurde er wieder zum Tode verurtheilt, doch sollte ihm das Le- ben und dazu der Vogel und das Pferd ge- schenkt seyn, wenn er die wunderschoͤne Prin- zessin herbeischaffe. Traurig machte der Sohn sich auf; und bald, so stand der alte Fuchs da: „warum hast du mir nicht gehoͤrt, jetzt haͤttest du den Vogel und das Pferd, doch will ich dir noch einmal rathen: „geh geradezu, Abends wirst du beim Schloß anlangen, und Nachts um zwoͤlf Uhr badet die Prinzessin im Badhaus, da geh hin- ein und gieb ihr einen Kuß, hernach kannst du sie mit fortnehmen, nur leide nicht, daß sie vor- her von ihren Eltern Abschied nimmt.“ Der Fuchs streckte seinen Schwanz, und so ging es uͤber Stock und Stein, daß die Haare pfiffen. Als er beim Schloß ankam, war es alles so, und Nachts gab er der Prinzessin den Kuß im Badehaus, und sie wollte gern mit ihm ge- hen, bat ihn aber mit vielen Thraͤnen, er sollte ihr vorher nur erlauben, von ihrem Vater Ab- schied zu nehmen. Erst schlug ers ab, allein sie weinte immer mehr und fiel ihm zu Fuß, bis daß ers zuließ; kaum aber kam sie zu ih- rem Vater, so wachte er und jedermann auf, und er wurde wieder gefangen gesetzt. Der Koͤnig sprach: „meine Tochter be- kommst du nun einmal nicht, es sey denn, daß du mir binnen acht Tagen den Berg ab- traͤgst, der mir vor meinem Fenster die Aus- sicht nimmt.“ Dieser Berg war aber so groß, so groß, daß ihn die ganze Welt nicht haͤtte abtragen koͤnnen. Wie er nun sieben ganzer Tage fortarbeitete und doch sah, wie wenig zu Stande kam, so fiel er in großen Kummer, aber am Abend des siebenten Tages kam der Fuchs und sprach: „leg dich nur hin schlafen, ich will die Arbeit fuͤr dich thun.“ Und wie er des andern Morgens erwachte, war der Berg fort, und froͤhlich ging er zum Koͤnig und sagte ihm, daß nun der Berg abgetragen waͤre, er sollte ihm nun die Prinzessin geben. Da mußte es der Koͤnig wohl thun, und die beiden zogen fort, der Fuchs aber kam und sagte: „nun muͤssen wir sie alle drei haben, die Prin- zessin, das Pferd und den Vogel.“ — „Ja, wenn du das machen koͤnntest, sagte der Juͤng- ling, das soll dir aber schwer werden.“ — „Wenn du nur hoͤren willst, soll es schon ge- hen, antwortete der Fuchs. Wenn du nun zum Koͤnig kommst, der die wunderschoͤne Prin- zessin verlangt, so sag ihm: hier waͤre sie. Dar- auf wird graͤßliche Freude seyn; sodann setz dich aufs Pferd, das sie dir geben muͤssen, und reich allen zum Abschied die Hand, der Prinzessin aber zuletzt, und zieh sie dann mit einem Schwung hinauf aufs Pferd und gieb die Sporen. Dies alles geschah so. Da sprach der Fuchs weiter: jetzt, wenn wir vors Schloß kommen, wo der Vogel ist, so bleibe ich mit der Prin- zessin vor dem Thor stehen, und du reitest hin- ein und sprichst: sie saͤhen doch nun, daß dies das rechte Pferd waͤre, so werden sie den Vo- gel bringen, du aber bleib sitzen, und sag du wolltest sehen, ob es auch der rechte Vogel waͤ- re, und wenn du ihn in der Hand hast, so jage fort. Alles ging gut, und wie er den Vogel hat- te, setzte sich die Prinzessin wieder auf, und sie ritten weiter bis in einen großen Wald. Da kam der Fuchs und bat: „er moͤchte ihn doch todt- schießen, und ihm Kopf und Pfoten abhauen.“ Allein der Juͤngling wollte es durchaus nicht thun. „So will ich dir wenigstens einen gu- ten Rath geben: vor zwei Stuͤcken huͤte dich, kauf kein Galgenfleisch und setz dich an keinen Brunnenrand!“ — Nun wenns weiter nichts ist, dachte jener, das ist nicht schwer. Nun zog er weiter fort mit der Prinzessin, bis er endlich in das Dorf kam, worin seine Bruͤder geblieben waren. Da war gerade ein großer Auflauf und Laͤrmen, und als er frag- te: was da vorwaͤre? hieß es, es sollten zwei Leute aufgehaͤngt werden, und als er naͤher hinzu kam, sah er, daß es seine zwei Bruͤder waren, die allerhand schlimme Streiche veruͤbt und alles verthan hatten. „Koͤnnen sie denn gar nicht mehr vom Tode frei werden?“ — Nein, es sey denn, daß ihr euer Geld an die Lumpenkerls haͤngen und sie loskaufen wolltet. Da besann er sich nicht lange, und zahlte, was man verlangte; seine Bruͤder wurden freigege- ben und setzten mit ihm die Reise fort. Und als sie in den Wald kamen, wo ihnen der Fuchs zuerst begegnet war, da wars so lu- stig und lieblich in dem Wald, da sprachen die zwei Bruͤder: „laß uns hier bei diesem Brun- nen ein wenig ausruhen, essen und trinken!“ und er sagte: ja. Unter dem Gespraͤch vergaß er sich, und setzte sich an den Brunnenrand, und waͤhrend er sich nichts Arges versah, war- fen sie ihn hinterruͤcks in den Brunnen, nah- men die Prinzessin, das Pferd und den Vogel, zogen heim zum Koͤnig und sprachen: das ha- ben wir alles erbeutet und bringen es dir.“ Da war eine Freude; aber das Pferd das fraß nicht, der Vogel, der pfiff nicht und die Prin- zessin die weinte. Ihr juͤngster Bruder lag unten im Brun- nen, der zum Gluͤck trocken war, und wiewohl er keins seiner Glieder gebrochen hatte, konnte er doch keinen Weg finden, um heraus zu kom- men. Indessen kam der alte Fuchs noch ein- mal, schalt ihn aus, daß er ihm nicht gehoͤrt, sonst waͤre ihm nichts davon begegnet: „doch aber kann ichs nicht lassen und muß dir her- aushelfen; pack an meinen Schwanz und halte fest.“ Darauf kroch der Fuchs und schleppte ihn zum Brunnen heraus. Wie sie oben wa- ren, sagte der Fuchs: „deine Bruͤder haben Waͤchter gesetzt, die dich toͤdten sollen, wenn du uͤber die Grenze kaͤmest.“ Da zog er armen Mannes Kleider an, und kam unbekannt bis an des Koͤnigs Hof, und kaum war er da, so fraß das Pferd, so pfiff der Vogel und die Prinzessin hoͤrte Weinens auf. Da trat er vor den Koͤnig und offenbarte das Bubenstuͤck seiner Bruͤder und alles, wie es sich zugetragen hatte. Die Bruͤder wurden ergriffen und hin- gerichtet, und er bekam die Prinzessin, und nach des Koͤnigs Tode das Reich. Lang danach ging er einmal wieder in den Wald, da begegnete ihm der alte Fuchs und bat aufs flehentlichste, er moͤchte ihn todtschie- ßen und ihm Kopf und Pfoten abschneiden. Also that ers endlich, und kaum war es gesche- hen, als sich der Fuchs in einen Menschen ver- wandelte, und war der Bruder der Koͤnigin, der nun endlich erloͤst worden war. 58. Vom treuen Gevatter Sperling . Es war einmal eine Hirschkuh, die war mit einem jungen Hirsch ins Kindbett gekom- men, und bat den Fuchs, Gevatter zu stehen. Der Fuchs aber lud noch den Sperling dazu, und der Sperling wollte noch den Haushund, seinen besondern lieben Freund einladen. Der Hund aber war von seinem Herrn ans Seil gelegt worden, weil er einmal von einer Hoch- zeit ganz betrunken nach Haus gekommen war. Der Sperling meinte, das hat nicht viel auf sich, pickte und pickte am Seil einen Faden nach dem andern los, so lang, bis der Hund frei war. Nun gingen sie zusammen zum Gevat- terschmaus, machten sich auch recht lustig, denn da war alles vollauf; der Hund aber versahs und uͤbernahm sich wieder im Wein; als sie aufstanden, war ihm der Kopf so schwer, daß er sich kaum auf den Beinen erhalten konnte, doch taumelte er noch ein Stuͤck Wegs nach Haus fort, endlich aber fiel er hin und blieb mitten auf der Straße liegen. Eben kam ein Fuhrmann daher, und wollt' geradezu uͤber ihn wegfahren. „Fuhrmann thus nicht, rief der Sperling, es kostet dein Leben!“ Der Fuhr- mann aber hoͤrte nicht darauf, knallte mit der Peitsche, und trieb die Pferde gerade auf den Hund, daß die Wagenraͤder ihm die Beine zer- brachen. Fuchs und Sperling schleppten den Gevatter heim, der Herr sah ihn an und sprach: „der ist ja todt,“ und gab ihn dem Fuhrmann, der sollt ihn begraben. Der Fuhrmann dachte, die Haut ist zu brauchen, lud ihn auf und fuhr fort. Der Sperling aber flog nebenher und rief: „Fuhrmann, es kostet dir dein Leben! Fuhrmann, es kostet dir dein Leben!“ Dann setzte er sich dem einen Pferde auf den Kopf und rief: „Fuhrmann, es kostet dir dein Le- ben!“ Der Fuhrmann ward boͤs uͤber den klei- nen Vogel, der ihn zum Narren hatte, griff nach seiner Hacke und holte aus; der Sperling aber flog in die Hoͤhe, und der Fuhrmann traf sein Pferd auf den Kopf, daß es todt hinfiel. Er mußte es liegen lassen und mit den zwei an- dern weiter fahren; da kam der Sperling zu- ruͤck, setzte sich einem Pferd auf den Kopf und rief: „Fuhrmann, es kostet dir dein Leben!“ Der Fuhrmann lief herbei: „jetzt krieg ich dich!“ schlug und traf wieder bloß das Pferd, daß es todt liegen blieb. Nun war ihm noch eins uͤbrig. Der Sperling wartete nicht lange, setz- te sich auf den Kopf desselben und rief: „Fuhr- mann, es kostet dir dein Leben!“ Der Fuhr- mann aber war schon so zornig, daß er sich gar nicht besann, sondern gleich zuschlug: da waren nun alle seine drei Pferde todtgeschlagen, und er mußte den Wagen stehen lassen. Boͤs und giftig ging er nach Haus, und setzte sich hinter den Ofen; aber der Sperling war hinter ihm drein geflogen, saß vor dem Fenster und rief: „Fuhrmann, es kostet dir dein Leben!“ Der Fuhrmann griff nach der Hacke, schmiß das Fenster ein, aber den Sperling traf er nicht. Der Vogel huͤpfte nun herein, setzte sich auf den Ofen und rief: „Fuhrmann, es kostet dir dein Leben!“ Dieser, toll und blind vor Wuth, schlaͤgt den ganzen Ofen ein, und wie der Sper- ling von einem Ort zum andern fliegt, sein ganzes Hausgeraͤth, Spieglein, Stuͤhle, Baͤn- ke, Tisch und zuletzt die Waͤnde seines Hauses. Da packt er endlich den Vogel: „jetzt hab ich dich!“ nimmt ihn in den Mund und schluckt ihn hinunter. Der Sperling aber im Leibe des Fuhrmanns, faͤngt an zu flattern, flattert wieder herauf, dem Fuhrmann in den Mund, streckt den Kopf heraus und ruft: „Fuhrmann, es kostet dir doch dein Leben!“ Da giebt der Fuhrmann seiner Frau die Hacke: „Frau, schlag mir den Vogel im Munde todt.“ Die Frau schlaͤgt schlaͤgt fehl, dem Maun auf den Kopf, daß er gleich todt hinfaͤllt, der Sperling aber fliegt auf und davon. 59. Prinz Schwan . Es war ein Maͤdchen mitten in einem gro- ßen Wald, da kam ein Schwan auf es zuge- gangen, der hatte einen Knauel Garn, und sprach zu ihm: „ich bin kein Schwan, sondern ein verzauberter Prinz, aber du kannst mich er- loͤsen, wenn du den Knauel Garn abwickelst, an dem ich fortfliege; doch huͤte dich, daß du den Faden nicht entzwei brichst, sonst komm' ich nicht bis in mein Koͤnigreich, und werde nicht erloͤst; wickelst du aber den Knauel ganz ab, dann bist du meine Braut.“ Das Maͤdchen nahm den Knauel, und der Schwan stieg auf in die Luft, und das Garn wickelte sich leicht- lich ab. Es wickelte und wickelte den ganzen Tag, und am Abend war schon das Ende des Fadens zu sehen, da blieb er ungluͤcklicherweise an einem Dornstrauch haͤngen und brach ab. Das Maͤdchen war sehr betruͤbt und weinte, es wollt' auch Nacht werden, der Wind ging so laut in dem Wald, daß ihm Angst ward, und es anfing zu laufen, was es nur konnte. Und als es lang gelaufen war, sah es ein kleines Kindermärchen. S Licht, darauf eilte es zu, und fand ein Haus und klopfte an. Ein altes Muͤtterchen kam heraus, das verwunderte sich, wie es sah, daß ein Maͤdchen vor der Thuͤre war: „ei mein Kind, wo kommst du so spaͤt her?“ — „Gebt mir doch heut Nacht eine Herberg, sprach es, ich habe mich in dem Wald verirrt; auch ein wenig Brod zu essen.“ — „Das ist ein schwe- res Ding, sagte die Alte ich gaͤbe dirs gern, aber mein Mann ist ein Menschenfresser, wenn der dich findet, so frißt er dich auf, da ist keine Gnade; doch, wenn du draußen bleibst, fressen dich die wilden Thiere, ich will sehen, ob ich dir durchhelfen kann.“ Da ließ sie es herein, und gab ihm ein wenig Brod zu essen, und versteckte es dann unter das Bett. Der Men- schenfresser aber kam allemal vor Mitternacht, wenn die Sonne ganz untergegangen ist, nach Haus, und ging Morgens, ehe sie aufsteigt, wieder fort. Es dauerte nicht lang, so kam er herein: „ich wittre, ich wittre Menschenfleisch!“ sprach er und suchte in der Stube, endlich griff er auch unter das Bett und zog das Maͤdchen hervor: „das ist noch ein guter Bissen!“ Die Frau aber bat und bat, bis er versprach, die Nacht uͤber es noch leben zu lassen, und mor- gen erst zum Fruͤhstuͤck zu essen. Vor Sonnen- aufgang aber weckte die Alte das Maͤdchen: „eil dich, daß du fortkommst, eh mein Mann aufwacht, da schenk ich dir ein goldenes Spinn- raͤdchen, das halt in Ehren: ich heiße Son- ne .“ Das Maͤdchen ging fort und kam Abends an ein Haus, da war alles, wie am vorigen Abend, und die zweite Alte gab ihm beim Ab- schied eine goldene Spindel und sprach: „ich heiße Mond .“ Und am dritten Abend kam es an ein drittes Haus, da schenkte ihm die Alte ei- nen goldenen Haspel und sagte: „ich heiße Stern , und der Prinz Schwan, ob gleich der Faden noch nicht ganz abgewickelt war, war doch schon so weit, daß er in sein Reich gelan- gen konnte, dort ist er Koͤnig und hat sich schon verheirathet, und wohnt in großer Herr- lichkeit auf dem Glasberg; du wirst heut Abend hinkommen, aber ein Drache und ein Loͤwe lie- gen davor und bewahren ihn, darum nimm das Brod und den Speck und besaͤnftige sie damit.“ So geschahe es auch. Das Maͤdchen warf den Ungeheuern das Brod und den Speck in den Rachen, da ließen sie es durch, und es kam bis an das Schloßthor, aber in das Schloß selber ließen es die Waͤchter nicht hinein Da setzte es sich vor das Thor, und fing an auf seinem goldenen Raͤdchen zu spinnen; die Koͤ- nigin sah von oben zu, ihr gefiel das schoͤne Raͤdchen, und sie kam herunter und wollte es haben. Das Maͤdchen sagte, sie solle es ha- ben, wenn sie erlauben wollte, daß es eine S 2 Nacht neben dem Schlafzimmer des Koͤnigs zubraͤchte. Die Koͤnigin sagte es zu, und das Maͤdchen ward hinaufgefuͤhrt, was aber in der Stube gesprochen wurde, das konnte man alles in dem Schlafzimmer hoͤren. Wie es nun Nacht ward, und der Koͤnig im Bett lag, sang es: „Denkt der Koͤnig Schwan noch an seine versprochene Braut Julian'? die ist gegangen durch Sonne, Mond und Stern, durch Loͤwen und durch Drachen: will der Koͤnig Schwan denn gar nicht erwa- chen?“ Aber der Koͤnig hoͤrte es nicht, denn die listige Koͤnigin hatte sich vor dem Maͤdchen gefuͤrchtet, und ihm einen Schlaftrunk gegeben, da schlief er so fest, und haͤtte das Maͤdchen nicht gehoͤrt, und wenn es vor ihm gestanden waͤre. Am Morgen war alles verloren, und es mußte wie- der vor das Thor, da setzte es sich hin und spann mit seiner Spindel, die gefiel der Koͤni- gin auch, und es gab sie unter derselben Be- dingung weg, daß es eine Nacht neben des Koͤnigs Schlafzimmer zubringen duͤrfe. Da sang es wieder: Denkt der Koͤnig Schwan nicht an seine versprochene Braut Julian'? die ist gegangen durch Sonne, Mond und Stern, durch Loͤwen und durch Drachen: will der Koͤnig Schwan denn gar nicht erwa- chen?“ Der Koͤnig aber schlief wieder fest von einem Schlaftrunk, und das Maͤdchen hatte auch sei- ne Spindel verloren. Da setzte es sich am drit- ten Morgen mit seinem goldenen Haspel vor das Thor und haspelte. Die Koͤnigin wollte auch die Kostbarkeit haben, und versprach dem Maͤdchen, es sollte dafuͤr noch eine Nacht ne- ben dem Schlafzimmer bleiben. Es hatte aber den Betrug gemerkt, und bat den Diener des Koͤnigs, er moͤgte diesem heut Abend was an- deres zu trinken geben. Da sang es noch ein- mal: „Denkt der Koͤnig Schwan nicht an seine versprochene Braut Julian'? die ist gegangen durch Sonne, Mond und Stern, durch Loͤwen und durch Drachen: will der Koͤnig Schwan, denn gar nicht erwa- chen?“ Da erwachte der Koͤnig; wie er ihre Stimme hoͤrte, erkannte sie und fragte die Koͤnigin: „wenn man einen Schluͤssel verloren hat und ihn wieder findet, behaͤlt man dann den alten oder den neugemachten?“ Die Koͤnigin sagte: „ganz gewiß den alten.“ — „Nun, dann kannst du meine Gemahlin nicht laͤnger seyn, ich habe meine erste Braut wieder gefunden.“ Da mußte am andern Morgen die Koͤnigin zu ih- rem Vater wieder heimgehen, und der Koͤnig vermaͤhlte sich mit seiner rechten Braut, und die lebten so lang vergnuͤgt, bis sie gestor- ben sind. 60. Das Goldei . Es waren einmal ein paar arme Besenbin- dersjungen, die hatten noch ein Schwesterchen zu ernaͤhren, da ging es ihnen allen knapp und kuͤmmerlich. Sie mußten alle Tage in den Wald und sich Reisig holen, und wenn die Be- sen gebunden waren, verkaufte sie das Schwe- sterchen. Einsmals gingen sie in den Wald, und der juͤngste stieg auf einen Birkenbaum, und wollte die Aeste herabhauen, da fand er ein Nest, und darin saß ein dunkelfarbiges Voͤ- gelchen, dem schimmerte etwas durch die Fluͤ- gel, und weil das Voͤgelchen gar nicht wegflog, und auch nicht scheu that, hob er den Fluͤgel auf und fand ein goldenes Ei, das nahm er und stieg da mit herab. Sie freuten sich uͤber ih- ren Fund, und gingen damit zum Goldschmid, der sagte, es sey feines Gold und gab ihnen viel Geld dafuͤr. Am andern Morgen gingen sie wieder in den Wald, und fanden auch wie- der ein Goldei, und das Voͤglein ließ es sich geduldig nehmen, wie das vorigemal. Das waͤhrte eine Zeitlang, alle Morgen holten sie das Goldei und waren bald reich: eines Mor- gens aber sagte der Vogel: „nun werde ich keine Eier mehr legen, aber bringt mich zu dem Goldschmidt, das wird euer Gluͤck seyn. Die Besenbindersjungen thaten, wie es sprach und brachten es dem Goldschmidt getragen, und als es allein mit diesem war, sang es: „Wer ißt mein Herzlein, wird bald Koͤnig seyn; wer ißt mein Leberlein, findet alle Morgen unterm Kissen ein Gold- beutlein!“ Wie der Goldschmidt das hoͤrte, rief er die bei- den Jungen und sagte: „laßt mir den Vogel, und ich will euer Schwesterlein heirathen.“ Die zwei sagten ja, und da ward nun Hochzeit gehalten. Der Goldschmidt aber sprach: „ich will zu meiner Hochzeit den Vogel essen, ihr zwei, bratet ihn am Spieße, und habt Acht, daß er nicht verdirbt, und bringt ihn herauf, wenn er gaar ist;“ er dachte aber, dann wolle er Herz und Leber herausnehmen und essen. Die bei- den Bruͤder standen am Spieß und drehten ihn herum, wie sie ihn so herumdrehen, und der Vogel bald gebraten ist, faͤllt ein Stuͤckchen her- aus. „Ei, sagt der eine, das muß ich probi- ren!“ und aß das auf. Bald darnach fiel noch ein Stuͤckchen heraus: „das ist fuͤr mich,“ sag- te der andere, und laͤßt sich das schmecken. Das war aber das Herzlein und Leberlein, was sie gegessen hatten, und sie wußten nicht, was fuͤr Gluͤck ihnen damit beschert war. Darnach war der Vogel gebraten, und sie trugen ihn zu der Hochzeitstafel; der Gold- schmidt schnitt ihn auf, und wollte geschwind Herz und Leber essen, aber da war beides fort. Da ward er giftig boͤs und schrie: „wer hat Herz und Leber von dem Vogel gegessen?“ „Das werden wir gethan haben, sagten sie, es sind ein paar Stuͤckchen herausgefallen beim Umwenden, die haben wir genommen.“ — „Habt ihr Herz und Leber gegessen, so moͤgt ihr auch eure Schwester behalten!“ und jagte sie in seinem Zorn alle fort. — ( Fragment .) 61. Von dem Schneider, der bald reich wurde . Ein armer Schneider ging einmal zur Win- terszeit uͤber das Feld, und wollte seinen Bru- der besuchen. Unterwegs fand er eine erfrorne Droßel, sprach zu sich selber: „was groͤßer ist als eine Laus, das nimmt der Schneider mit nach Haus!“ hob also die Droßel auf, und steckte sie zu sich. Wie er an seines Bruders Haus kam, guckte er erst zum Fenster hinein, ob sie auch zu Haus waͤren, da sah er einen dicken Pfaffen bei der Frau Schwaͤgerin sitzen vor einem Tisch, auf dem stand ein Braten und eine Flasche Wein; indem klopfte es an die Hausthuͤre, und der Mann wollte herein, da sah er, wie die Frau den Pfaffen geschwind in einen Kasten schließt, den Braten in den Ofen stellt, und den Wein ins Bett schob. Nunmehr ging der Schneider selbst ins Haus, und bewillkommte seinen Bruder und seine Schwaͤgerin, setzte sich aber auf den Kasten nie- der, darin der Pfaff steckte. Der Mann sprach: „Frau, ich bin hungrig, hast du nichts zu es- sen?“ — „Nein, es thut mir leid, es ist aber heute gar nichts im Haus.“ — Der Schnei- der aber zog seine erfrorene Droßel heraus, da sprach sein Bruder: „mein, was thutst du mit der gefrorenen Droßel?“ — „Ei! die ist viel Geld werth, die kann wahr sagen!“ — „Nun so laß sie einmal wahrsagen.“ — Der Schnei- der hielt sie ans Ohr und sprach: „die Droßel sagt: es stuͤnde eine Schuͤssel voll Braten im Ofen.“ — Der Mann ging hin und fand den Braten: „was sagt die Droßel weiter?“ — „Im Bett stecke eine Flasche Wein.“ Der fand auch den Wein: „ei, die Droßel moͤgt ich haben, die verkauf mir doch.“ — „Du kannst sie kriegen, wenn du mir den Kasten giebst, worauf ich sitze. Der Mann wollte gleich, die Frau aber sagte: „nein, das geht nicht, der Kasten ist mir gar zu lieb, den geb ich nicht weg; der Mann aber sprach: „stell dich doch nicht so dumm, was nuͤtzt dir so ein alter Ka- sten;“ gab damit dem Bruder den Kasten fuͤr den Vogel. Der Schne der nahm den Kasten auf einen Schubkarren, und fuhr ihn fort: unterwegs sprach er: „ich nehm den Kasten und werf ihn ins Wasser, ich nehm den Kasten und werf ihn ins Wasser!“ Endlich regte sich der Pfaff in- wendig und sagte: „ihr wißt viel was in dem Kasten ist, laßt mich heraus, ich will euch 50 Thaler geben.“ — „Ja, dafuͤr will ich es schon thun,“ ließ ihn heraus, und ging mit dem Gel- de heim. Die Leute wunderten sich, wo er das viele Geld her habe, er aber sprach: „ich will euch sagen, die Felle stehen in so hohem Preis, da hab ich meine alte Kuh geschlachtet und fuͤrs Fell so viel geloͤst.“ Die Leute im Dorf woll- ten auch davon profitiren, waren her und schnit- ten allen ihren Ochsen, Kuͤhen und Schafen die Haͤlse ab, und trugen die Felle in die Stadt, wofuͤr sie aber blutwenig loͤsten, weil ihrer so viel auf einmal feilgeboten wurden. Da aͤrger- ten sich die Bauern uͤber den Schaden, und warfen dem Schneider Dreck und ander schlech- tes Zeug vor seine Thuͤr. Der aber that alles in seinen Kasten, ging damit in die Stadt in einen Gasthof, und bat den Wirth, ob er ihm nicht den Kasten, worin die groͤßten Kostbar- keiten waͤren, eine Zeit lang verwahren wolle, bei ihm waͤren sie nicht sicher? Der Wirth sag- te recht gern, und nahm den Kasten zu sich, einige Zeit darnach kam der Schneider, forder- te ihn wieder zuruͤck und machte ihn auf, um zu sehen, ob noch alles darin waͤre. Wie er nun aber voll Dreck ist, so tobte er abscheulich, beschimpfte den Wirth und drohte ihn zu ver- klagen, so daß der Wirth, welcher Aufsehen scheute, und fuͤr seinen Credit fuͤrchtete, ihm gern hundert Thaler gab. Die Bauern aͤrger- ten sich wieder, daß dem Schneider alles zum Profit ausschlug, was sie ihm Leides anthaten, nahmen den Kasten, steckten ihn mit Gewalt hinein, setzten ihn aufs Wasser, und ließen ihn fortfließen. Der Schneider schwieg eine Weile still, bis er eine Ecke fortgeflossen war, dann rief er uͤberlaut: „nein, ich thus nicht! und ich thus nicht! und wenns die ganze Welt haben wollte.“ Das Geschrei hoͤrte ein Schaͤfer und fragte: „was willst du denn nicht thun?“ — „Ei, sagte der Schneider, da ist ein Koͤnig, der hat die naͤrrische Grille und besteht drauf, daß, wer in diesem Kasten den Strom hinuntergeschwom- men kommt, seine einzige schoͤne Tochter heira- then soll, aber ich hab' einmal meinen Kopf drauf gesetzt, und thus nicht, und wenns die ganze Welt haben wollt.“ — „Hoͤrt einmal, geht das nicht, daß sich ein anderer in den Ka- sten setzt und die Koͤnigstochter kriegt?“ — „O ja, das geht auch.“ — „So will ich mich an eure Stelle hineinsetzen.“ Da stieg der Schneider aus, der Schaͤfer ein; der Schnei- der machte den Kasten noch zu, und der Schaͤ- fer ging bald unter. Der Schneider aber nahm die ganze Heerde des Schaͤfers und trieb sie heim. Die Bauern aber wunderten sich, wie das zugegangen, daß er wieder kaͤme, und obendrein die vielen Schaafe haͤtte. Der Schneider sagte: „ich war untergesunken, tief, tief! da fand ich auf dem Grund die ganze Heerde, und nahm sie mit heraus. Die Bauern wollten sich da auch Schafe holen, und gingen mit einander hinaus ans Wasser; den Tag war der Himmel ganz blau mit kleinen weißen Wolken, da rie- fen sie: „wir sehen schon die Laͤmmer unten auf dem Grund!“ Da sprach der Schulz: „ich will erst hinunter, und mich umsehen, und wenn es gut ist, will ich euch rufen. Wie er nun hineinstuͤrzte, rauschte es in dem Was- ser: plump ! da meinten sie er riefe ihnen zu: kommt ! und stuͤrzten sich alle hinter ihm drein. Da gehoͤrte das ganze Dorf dem Schneider. 62. Blaubart . In einem Walde lebte ein Mann, der hatte drei Soͤhne und eine schoͤne Tochter- Einmal kam ein goldener Wagen mit sechs Pferden und einer Menge Bedienten angefahren, hielt vor dem Haus still, und ein Koͤnig stieg aus und bat den Mann, er moͤchte ihm seine Tochter zur Gemahlin geben. Der Mann war froh, daß seiner Tochter ein solches Gluͤck widerfuhr, und sagte gleich ja; es war auch an dem Freier gar nichts auszusetzen, als daß er einen ganz blauen Bart hatte, so daß man einen kleinen Schrecken kriegte, so oft man ihn ansah. Das Maͤdchen erschrack auch anfangs davor, und scheute sich ihn zu heirathen, aber auf Zureden ihres Vaters, willigte es endlich ein. Doch weil es so eine Angst fuͤhlte, ging es erst zu seinen drei Bruͤdern, nahm sie allein und sag- te: „liebe Bruͤder, wenn Ihr mich schreien hoͤrt, wo ihr auch seyd, so laßt alles stehen und liegen und kommt mir zn Huͤlfe.“ Das ver- sprachen ihm die die Bruͤder und kuͤßten es,“ leb wohl, liebe Schwester, wenn wir deine Stimme hoͤren, springen wir auf unsere Pfer- de, und sind bald bei dir.“ Darauf setzte es sich in den Wagen zu dem Blaubart und fuhr mit ihm fort. Wie es in sein Schloß kam, war alles praͤchtig, und was die Koͤnigin nur wuͤnschte, das geschah, und sie waͤren recht gluͤcklich gewesen, wenn sie sich nur an den blauen Bart des Koͤnigs haͤtte gewoͤhnen koͤn- nen, aber immer, wenn sie den sah, erschrack sie innerlich davor. Nachdem das einige Zeit gewaͤhrt, sprach er: „ich muß eine große Reise machen, da hast du die Schluͤssel zu dem ganzen Schloß, du kannst uͤberall aufschließen und al- les besehen, nur die Kammer, wozu dieser klei- ne goldene Schluͤssel gehoͤrt, verbiet' ich dir; schließt du die auf, so ist dein Leben verfallen.“ Sie nahm die Schluͤssel, versprach ihm zu ge- horchen, und als er fort war, schloß sie nach einander die Thuͤren auf, und sah so viel Reich- thuͤmer und Herrlichkeiten, daß sie meinte aus der ganzen Welt waͤren sie hier zusammen ge- bracht. Es war nun nichts mehr uͤbrig, als die verbotene Kammer, der Schluͤssel war von Gold, da gedachte sie, in dieser ist vielleicht das allerkostbarste verschlossen; die Neugierde fing an sie zu plagen, und sie haͤtte lieber all das andere nicht gesehen, wenn sie nur gewußt, was in dieser waͤre. Eine Zeit lang widerstand sie der Begierde, zuletzt aber ward diese so maͤchtig, daß sie den Schluͤssel nahm und zu der Kammer hinging: „wer wird es sehen, daß ich sie oͤffne, sagte sie zu sich selbst, ich will auch nur einen Blick hineinthun.“ Da schloß sie auf, und wie die Thuͤre aufging, schwomm ihr ein Strom Blut entgegen, und an den Waͤn- den herum sah sie todte Weiber haͤngen, und von einigen waren nur die Gerippe noch uͤbrig. Sie erschrack so heftig, daß sie die Thuͤre gleich wie- der zuschlug, aber der Schluͤssel sprang dabei heraus und fiel in das Blut. Geschwind hob sie ihn auf, und wollte das Blut abwischen, aber es war umsonst, wenn sie es auf der einen Seite abgewischt, kam es auf der andern wie- der zum Vorschein; sie setzte sich den ganzen Tag hin und rieb daran, und versuchte alles Moͤgliche, aber es half nichts, die Blutflecken waren nicht herabzubringen; endlich am Abend legte sie ihn ins Heu, das sollte in der Nacht das Blut ausziehen. Am andern Tag kam der Blaubart zuruͤck, und das erste war, daß er die Schluͤssel von ihr forderte; ihr Herz schlug, sie brachte die andern und hoffte, er werde es nicht bemerken, daß der goldene fehlte. Er aber zaͤhlte sie alle, und wie er fertig war, sagte er: „wo ist der zu der heimlichen Kammer?“ da- bei sah er ihr in das Gesicht. Sie ward blut- roth und antwortete: „er liegt oben, ich habe ihn verlegt, morgen will ich ihn suchen.“ — „Geh lieber gleich, liebe Frau, ich werde ihn noch heute brauchen.“ — „Ach ich will dirs nur sagen, ich habe ihn im Heu verloren, da muß ich erst suchen.“ — „Du hast ihn nicht verloren, sagte der Blaubart zornig, du hast ihn dahin gesteckt, damit die Blutflecken her- ausziehen sollen, denn du hast mein Gebot uͤbertreten, und bist in der Kammer gewesen, aber jetzt sollst du hinein, wenn du auch nicht willst.“ Da mußte sie den Schluͤssel holen, der war noch voller Blutflecken: „Nun berei- te dich zum Tode, du sollst noch heute sterben,“ sagte der Blaubart, holte sein großes Messer und fuͤhrte sie auf den Hausehrn. „Laß mich nur noch vor meinem Tod mein Gebet thun,“ sagte sie; — „So geh, aber eil dich, denn ich habe keine Zeit lang zu warten.“ Da lief sie die Treppe hinauf, und rief so laut sie konnte zum Fenster hinaus: „Bruͤder, meine lieben Bruͤder, kommt, helft mir!“ Die Bruͤder sa- ßen im Wald beim kuͤhlen Wein, da sprach der juͤngste: „mir ist als haͤtt' ich unserer Schwe- ster Stimme gehoͤrt; auf! wir muͤssen ihr zu Huͤlfe eilen!“ da sprangen sie auf ihre Pferde und ritten, als waͤren sie der Sturmwind. Ih- re Schwester aber lag in Angst auf den Knieen; da rief der Blaubart unten: „nun, bist du bald fertig?“ dabei hoͤrte sie, wie er auf der untersten Stufe sein Messer wetzte; sie sah hin- aus, aber sie sah nichts, als von Ferne einen Staub, Staub, als kaͤm eine Heerde gezogen. Da schrie sie noch einmal: „Bruͤder, meine lieben Bruͤ- der! kommt helft mir!“ und ihre Angst ward immer groͤßer. Der Blaubart aber rief: „wenn du nicht bald kommst, so hol ich dich, mein Messer ist gewetzt!“ Da sah sie wieder hin- aus, und sah ihre drei Bruͤder durch das Feld reiten, als floͤgen sie wie Voͤgel in der Luft, da schrie sie zum drittenmal in der hoͤchsten Noth und aus allen Kraͤften: „Bruͤder, meine lieben Bruͤder! kommt, helft mir!“ und der juͤngste war schon so nah, daß sie seine Stim- me hoͤrte: „troͤste dich, liebe Schwester, noch einen Augenblick, so sind wir bei dir!“ Der Blaubart aber rief: „nun ists genug gebetet, ich will nicht laͤnger warten, kommst du nicht, so hol ich dich!“ „Ach! nur noch fuͤr meine drei lieben Bruͤder laß mich beten.“ —, Er hoͤrte aber nicht, kam die Treppe heraufgegan- gen und zog sie hinunter, und eben hatte er sie an den Haaren gefaßt, und wollte ihr das Mes- ser in das Herz stoßen, da schlugen die drei Bruͤder an die Hausthuͤre, drangen herein und rissen sie ihm aus der Hand, dann zogen sie ihre Saͤbel und hieben ihn nieder. Da ward er in die Blutkammer aufgehaͤngt zu den an- dern Weibern, die er getoͤdtet, die Bruͤder aber nahmen ihre liebste Schwester mit nach Haus, und alle Reichthuͤmer des Blaubarts gehoͤrten ihr. Kindermärchen. T 63. Goldkinder . Es war einmal ein armer Mann und eine arme Frau, die hatten weiter nichts als eine Huͤtte. Der Mann war ein Fischer, und wie er einmal am Wasser saß und sein Netz ausge- worfen hatte, da fing er einen goldenen Fisch. Der Fisch aber sprach: „wenn du mich wieder in das Wasser werfen willst, so soll deine Huͤt- te in einen praͤchtigen Pallast verwandelt seyn, und in dem Pallast soll ein Schrank stehen, wenn du den aufschließst, ist Gesottenes und Gebratenes darin, so viel du nur wuͤnschest, nur darfst du keinem Menschen auf der Welt sagen, von wem dein Gluͤck kommt, sonst ist alles vorbei.“ Der Fischer warf den Goldfisch wieder ins Wasser, und wie er nach Haus kam, da stand ein großes Schloß, wo sonst seine Huͤtte gestanden hatte, und seine Frau saß mit- ten in einer praͤchtigen Stube. Dem Mann gefiel das wohl, er haͤtte aber auch gern etwas gegessen: „Frau, gieb mir doch etwas, sagte er, mich hungert so gewaltig.“ Die Frau aber antwortete: „ich habe nichts und kann in dem großen Schloß nichts finden.“ — „Geh nur dort uͤber den Schrank,“ und wie die Frau den Schrank aufschloß, standen da Kuchen, Fleisch, Obst, Wein: Herz, was verlangst du? die Frau verwunderte sich und sprach: „sag mir doch Mann, woher kommt denn dieser Reichthum auf einmal?“ — „Das darf ich dir nicht sa- gen, denn wenn ich dirs sagte, so waͤre unser Gluͤck wieder dahin.“ Dadurch ward die Frau nur neugieriger gemacht, und fragte ihren Mann, und quaͤlte ihn, und ließ ihm Tag und Nacht keine Ruhe, bis er es ihr endlich entdeckte, daß das alles von einem Goldfisch herkomme; kaum aber hatte er ausgesprochen, da war das Schloß und aller Reichthum verschwunden, und sie sa- ßen wieder in der alten Fischerhuͤtte. Der Mann ging nun wieder seinem Ge- werbe nach, und fischte und fischte den Gold- fisch zum zweitenmal heraus; er versprach ge- gen Freilassung ihm aufs neue das schoͤne Schloß und den Schrank voll Gesottenes und Gebra- tenes, doch unter der naͤmlichen Bedingung, daß er verschwiegen sey; der Mann hielt auch eine Zeit lang aus, endlich aber quaͤlte ihn seine Frau so gewaltig, daß er ihr das Geheimniß offenbarte, und in dem Augenblick saßen sie auch wieder in ihrer schlechten Huͤtte. Der Mann ging zu fischen, und fischte das Gold- fischgen zum drittenmal: „hoͤr, sagte das, nimm mich nur mit nach Haus, und zerschneid mich dort in sechs Stuͤcke; zwei gieb deiner Frau zu essen, zwei deinem Pferd, und zwei pflanz' in T 2 die Erde, du wirst Segen davon haben, deine Frau wird zwei goldene Jungen zur Welt brin- gen, das Pferd wird zwei goldene Fuͤllen be- kommen, und aus der Erde werden zwei golde- ne Lilien aufwachsen.“ Der Mann gehorchte, und die Weissagung traf ein. Die zwei goldne Kinder wuchsen heran und wurden groß, und sagten: „Vater, wir wollen ausziehen in die Welt, wir setzen uns auf die goldenen Rosse, und an den goldenen Lilien koͤnnt ihr sehen, wie es uns geht: „sind sie frisch, so sind wir gesund; sind sie welk, sind wir krank; fallen sie um, sind wir todt.“ Damit ritten sie fort und kamen zu einem Wirthshaus, darin war viel Volk, und als das die zwei Goldkinder auf den Goldpferden sah, fing es an zu spot- ten; da wurden sie boͤs, und der eine schaͤmte sich, kehrte um und ritt wieder nach Haus, der zweite aber ritt fort. Da kam er zu einen Wald, die Leute aber vor dem Walde sagten ihm, er duͤrfe nicht hindurchreiten, es sey voll Spitzbuben darin, die wuͤrden uͤbel mit ihm umgehen; das Goldkind aber ließ sich nicht schrecken und sprach: „ich muß und soll hin- durch!“ Dann nahm er Baͤrenfelle und uͤber- zog sich und sein Pferd damit, daß nichts mehr von Gold zu sehen war, und so ritt er in den Wald hinein. Bald darauf hoͤrte er in den Gebuͤ- schen rufen: „hier ist einer!“ Ein anderer aber sprach: „laß ihn laufen, was sollen wir mit dem Baͤrenhaͤuter anfangen, der ist so arm und kahl, wie eine Kirchenmaus!“ So kam er gluͤcklich durch die Spitzbuben, und in ein Dorf, da sah er ein Maͤdchen so schoͤn, daß er nicht glaubte, es koͤnne ein schoͤneres auf der Welt seyn und fragte, ob es ihn heirathen wolle, und das Maͤdchen sagte ja, es wolle ihm treu blei- ben sein Lebelang. Sie hielten nun Hochzeit mit einander und waren vergnuͤgt, da kam der Braut Vater nach Haus, und als er sahe, daß seine Tochter einen Baͤrenfuͤhrer geheirathet, denn er hatte die Baͤrenhaut noch nicht abge- legt, da ward er zornig und wollte den Braͤu- tigam ermorden. Die Braut aber bat ihn, was sie nur konnte: sie haͤtte ihn doch so lieb, und es sey nun einmal ihr Mann, bis er sich zur Ruhe gab. Und am andern Morgen fruͤh stand er auf, und wollte seinen Schwiegersohn noch einmal sehen, da sah er einen herrlichen, goldenen Mann im Bette liegen. Dem Braͤu- tigam aber traͤumte, er solle auf die Jagd ge- hen nach einem praͤchtigen Hirsch, und als er erwachte, wollt' er darnach ausgehen, aber sei- ne Verlobte bat ihn da zu bleiben, und fuͤrch- tete fuͤr ihn; er aber sprach: „ich soll und muß fort.“ Damit stund er auf und ging in den Wald, da hielt ein stolzer Hirsch vor ihm, ganz nach seinem Traum, wie er aber anlegen und schießen wollte, fing er an zu fliehen. Der goldene Mann war hinter ihm drein, und ver- folgte ihn uͤber Graben und durch Gebuͤsche, und ward nicht muͤd den ganzen Tag: da ent- schwand ihm der Hirsch, er aber war vor einer alten Hexe Haus. Er rief und fragte, ob sie keinen Hirsch gesehen, sie antwortete: „ja,“ da bellte ihn aber ohne Aufhoͤren der Hexe kleines Huͤndlein an, daruͤber ward er boͤs und wollte es erschießen, wie das die Hexe sah, ver- wandelte sie ihn in einen Muͤhlenstein, und in dem Augenblick faͤllt zu Haus die eine goldene Lilie. Wie das der andere Bruder zu Haus sah, setzte er sich auf seinen goldenen Gaul und jagte fort und kam zu der Hexe, und drohte ihr mit dem Tod, wenn sie seinem Bruder nicht wieder die natuͤrliche Gestalt gaͤbe. Da mußte die Hexe gehorchen, und die zwei Bruͤder rit- ten wieder heim, der eine zu seiner Braut, der andere zu seinem Vater. Die eine Lilie aber stand wieder auf, und wenn sie nicht umgefallen sind, stehen sie noch alle beide. 64. Von dem Dummling . I. Die weiße Taube . Vor eines Koͤnigs Pallast stand ein praͤch- tiger Birnbaum, der trug jedes Jahr die schoͤn- sten Fruͤchte, aber wenn sie reif waren, wurden sie in einer Nacht alle geholt, und kein Mensch wußte, wer es gethan hatte. Der Koͤnig aber hatte drei Soͤhne, davon ward der juͤngste fuͤr einfaͤltig gehalten, und hieß der Dummling; da befahl er dem aͤltesten, er solle ein Jahr lang alle Nacht unter dem Birnbaum wachen, damit der Dieb einmal entdeckt werde. Der that das auch und wachte alle Nacht, der Baum bluͤhte und war ganz voll von Fruͤchten, und wie sie anfingen reif zu werden, wachte er noch fleißiger, und endlich waren sie ganz reif und sollten am andern Tage abgebrochen werden; in der letzten Nacht aber uͤberfiel ihn ein Schlaf, und er schlief ein, und wie er aufwachte, wa- ren alle Fruͤchte fort, und nur die Blaͤtter noch uͤbrig. Da befahl der Koͤnig dem zweiten Sohn ein Jahr zu wachen, dem ging es nicht besser, als dem ersten; in der letzten Nacht konnte er sich des Schlafes gar nicht erwehren, und am Morgen waren die Birnen alle abgebrochen. Endlich befahl der Koͤnig dem Dummling ein Jahr zu wachen, daruͤber lachten alle, die an des Koͤnigs Hof waren. Der Dummling aber wachte, und in der letzten Nacht wehrt' er sich den Schlaf ab, da sah er, wie eine weiße Tau- be geflogen kam, eine Birne nach der andern abpickte und fort trug. Und als sie mit der letzten fortflog, stand der Dummling auf und ging ihr nach; die Taube flog aber auf einen hohen Berg und verschwand auf einmal in ei- nem Felsenritz. Der Dummling sah sich um, da stand ein kleines graues Maͤnnchen neben ihm, zu dem sprach er: „Gott gesegne dich!“ — „Gott hat mich gesegnet in diesem Augen- blick durch diese deine Worte, antwortete das Maͤnnchen, denn sie haben mich erloͤst, steig du in den Felsen hinab, da wirst du dein Gluͤck finden.“ Der Dummling trat in den Felsen, viele Stufen fuͤhrten ihn hinunter, und wie er unten hinkam, sah er die weiße Taube ganz von Spinnweben umstrickt und zugewebt. Wie sie ihn aber erblickte brach sie hindurch, und als sie den letzten Faden zerrissen, stand eine schoͤne Prinzessin vor ihm, die hatte er auch erloͤst, und sie ward seine Gemahlin und er ein reicher Koͤnig, und regierte sein Land mit Weisheit. II. Die Bienenkoͤnigin . Zwei Koͤnigssoͤhne gingen auf Abentheuer aus, und geriethen in ein wildes, wuͤstes Le- ben, so daß sie gar nicht wieder nach Haus ka- men. Der juͤngste, der Dummling, ging aus und suchte seine Bruͤder; wie er sie fand, spot- teten sie sein, daß er mit seiner Einfalt sich durch die Welt schlagen wolle, da sie zwei nicht durchkaͤmen und waͤren doch viel kluͤger. Da zogen sie miteinander fort und kamen an einen Ameisenhaufen, die zwei aͤltesten wollten ihn aufwuͤhlen, und sehen, wie die kleinen Ameisen in der Angst herumkroͤchen und ihre Eier fort- truͤgen; aber der Dummling sagte: „laßt die Thiere in Fried, ich leids nicht, daß ihr sie stoͤrt.“ Dann gingen sie weiter und kamen an einen See, auf dem schwammen viele, viele En- ten; die zwei Bruͤder wollten ein paar fangen und braten, aber der Dummling sagte wieder: „laßt die Thiere in Fried', ich leids nicht, daß ihr sie toͤdtet.“ Endlich kamen sie an ein Bie- nennest, darin war so viel Honig, daß er am Stamm herunterlief; die zwei wollten Feuer unter den Baum legen, daß die Bienen erstick- ten, und sie den Honig wegnehmen koͤnnten. Der Dummling hielt sie aber wieder ab und sprach: „laßt die Thiere in Fried', ich leids nicht, daß ihr sie verbrennt.“ Da kamen die drei Bruͤder in ein Schloß, wo in den Staͤl- len lauter steinerne Pferde standen, auch war kein Mensch zu sehen, und sie gingen durch alle Saͤle, bis sie vor eine Thuͤre ganz am Ende kamen, davor hingen drei Schloͤsser; es war aber mitten in der Thuͤre ein Laͤdlein, dadurch konnte man in die Stube sehen. Da sahen sie ein grau Maͤnnchen an einem Tische sitzen, das riefen sie an einmal, zweimal, aber es hoͤrte nicht; endlich riefen sie zum drittenmal, und da stand es auf und kam heraus. Es sprach kein Wort, faßte sie aber an und fuͤhrte sie zu einem reichbesetzten Tisch, und als sie gegessen hatten, fuͤhrte es einen jeglichen in ein eigenes Schlafgemach. Am andern Morgen kam es zu dem aͤltesten, winkte ihm und brachte ihn zu einer steinernen Tafel, darauf standen die drei Aufgaben geschrieben, wodurch das Schloß er- loͤst werden konnte. Die erste war: in dem Wald unter dem Moos lagen die tausend Per- len der Koͤnigstochter, die mußten aufgesucht werden, und vor Sonnenuntergang durfte nicht eine einzige fehlen, sonst ward der, welcher es unternahm zu Stein. Der Prinz ging hin und suchte den ganzen Tag, als aber der Tag zu Ende war, hatte er erst hundert gefunden, und ward in einen Stein verwandelt. Am fol- genden Tag unternahm der zweite Bruder das Abentheuer; er ward aber wie der aͤlteste zu Stein, weil er nicht mehr, als zweihundert ge- funden. Endlich kam auch an den Dummling die Reihe, der suchte im Moos, es war aber so schwer, die Perlen zu finden, und ging so langsam, da setzte er sich auf einen Stein und weinte. Und wie er so saß kam der Ameisen- koͤnig, den er einmal erhalten hatte mit fuͤnf- tausend Ameisen, und es waͤhrte gar nicht lang, so hatten die die Perlen miteinander gefunden und auf einen Haufen getragen. Die zweite Aufgabe aber war, den Schluͤssel zu der Schlaf- kammer der Prinzessin aus der See zu holen. Wie der Dummling zur See kam, schwammen die Enten, die er einmal gerettet hatte, heran, tauchten unter, und holten den Schluͤssel aus der Tiefe. Die dritte Aufgabe aber war die schwerste: aus den drei schlafenden Toͤchtern des Koͤnigs sollte die juͤngste und die liebste heraus- gesucht werden, sie glichen sich aber vollkom- men, und waren durch nichts verschieden, als daß die aͤlteste ein Stuͤck Zucker, die zweite Syrup, die juͤngste einen Loͤffel voll Honig ge- gessen hatte, und es war bloß an dem Hauch zu erkennen, welche den Honig gegessen. Da kam aber die Bienenkoͤnigin von den Bienen, die der Dummling vor dem Feuer geschuͤtzt, und versuchte den Mund von allen dreien, zu- letzt blieb sie auf dem Mund sitzen, der Honig gegessen, und so erkannte der Prinz die rechte, und da war aller Zauber vorbei, alles war aus dem Schlaf erloͤst, und wer von Stein war, erhielt seine menschliche Gestalt wieder, und der Dummling vermaͤhlte sich mit der juͤngsten und liebsten, und ward Koͤnig nach ihres Va- ters Tod; seine zwei Bruͤder aber mit den bei- den andern Schwestern. III. Die drei Federn . Es war einmal ein Koͤnig, der schickte sei- ne drei Soͤhne in die Welt, und welcher von ihnen das feinste Linnengarn mitbraͤchte, der sollte nach seinem Tode das Reich haben. Und damit sie wuͤßten, wo hinaus sie zoͤgen, stellte er sich vor sein Schloß und blies drei Federn in die Luft, nach deren Flug sollten sie sich richten. Die eine flog nach Westen, der folgte der aͤlteste, die andere nach Osten, der folgte der zweite, die dritte aber fiel auf einen Stein, nicht weit von dem Pallast, da mußte der drit- te Prinz, der Dummling zuruͤck bleiben, und die andern lachten ihn aus und sagten: er soll- te bei dem Stein das Linnengarn aufsuchen. Der Dummling aber setzte sich auf den Stein und weinte, und wie er so hin und her wank- te, schob sich der Stein fort, und darunter lag eine Marmorplatte mit einem Ring. Der Dummling hob sie auf, und da war eine Trep- pe, die fuͤhrte hinunter, darauf ging er fort und kam in ein unterirdisches Gewoͤlbe, da saß ein Maͤdchen und spann Flachs. Es fragte ihn, warum er so verweinte Augen haͤtte, da klagte er ihm sein Leid, daß er das feinste Linnen su- chen solle, und doch nicht darnach ausziehen duͤrfe, da haspelte ihm das Maͤdchen sein Garn ab, das war das allerfeinste Linnengarn und hieß ihn das hinauf zu seinem Vater bringen. Wie er nun hinaufkam, war er lange Zeit weg- gewesen, und seine Bruͤder waren eben zuruͤck- gekommen und glaubten gewiß, sie haͤtten das feinste mitgebracht. Als aber ein jeder das sei- nige vorzeigte, da hatte der Dummling noch einmal so feines, und das Reich waͤr sein ge- wesen; aber die zwei andern gaben sich nicht zufrieden, und verlangten von dem Vater, er solle noch eine Bedingung machen. Der Koͤ- nig verlangte nun den schoͤnsten Teppich, und blies die drei Federn wieder in die Luft, und die dritte fiel wieder auf den Stein, und der Dummling durfte nicht weiter gehen, die an- dern aber zogen nach Osten und Westen. Er hob den Stein auf und ging wieder hinab, und fand das Maͤdchen geschaͤftig, einen wun- derschoͤnen Teppich aus den brennendsten Farben zu weben, und als er fertig war, sprach es: „der ist fuͤr dich gewirkt, den trag hinauf, kein Mensch auf der Welt wird einen so praͤchtigen haben.“ Er ging damit vor seinen Vater, und uͤbertraf wieder seine Bruͤder, die die schoͤn- sten Teppiche aus allen Laͤndern zusammenge- bracht hatten, aber diese brachten den Koͤnig doch dahin, daß er die neue Bedingung mach- te, wer das Reich erben wolle, muͤsse die schoͤn- ste Frau mit nach Haus bringen. Die Federn werden wieder geblasen, und Dummlings seine bleibt auf dem Stein liegen. Da ging er hin- unter und klagte dem Maͤdchen, was sein Va- ter wieder fuͤr ihn so schweres aufgelegt habe, das Maͤdchen aber sagte, es wolle ihm schon helfen, er solle nur weiter in dem Gewoͤlbe ge- hen, da werde er die schoͤnste auf der Welt fin- den. Der Dummling ging hin und kam an ein Gemach, worin alles von Gold und Edel- steinen schimmerte und flimmerte, aber statt ei- ner schoͤnen Frau, saß ein garstiger Frosch mit- ten darin. Der Frosch rief ihm zu: „umschling mich und versenk dich!“ Er wollte aber nicht, da rief der Frosch zum zweiten und dritten- mal: „umschling mich und versenk dich!“ Da faßte der Dummling den Frosch, und trug ihn herauf zu einem Teich, und sprang mit ihm hinein, kaum aber hatte das Wasser sie beruͤhrt, so hielt er die allerschoͤnste Jungfrau in seinen Armen. Und sie stiegen heraus, und er fuͤhrte sie vor seinen Vater, da war sie tausendmal schoͤner, als die Frauen, die sich die andern Prinzen mitgebracht. Nun waͤre das Reich wieder dem Dummling gewesen, aber die zwei laͤrmten und verlangten, der sollte den Vorzug haben, dessen Frau bis zu einem Ring, der mitten im Saal festhing, springen koͤnnte; der Koͤnig willigte auch endlich darein. Die Frau des aͤltesten konnte aber kaum halb so hoch hinaufkommen, die Frau des zweiten kam ein wenig hoͤher, aber die Frau des dritten sprang bis in den Ring; da mußten sie endlich zuge- ben, daß Dummling nach ihres Vaters Tod das Reich erben solle, und als der starb, ward er Koͤnig und hat lange in Weisheit regiert. IIII. Die goldene Gans . Es war einmal ein Mann, der hatte drei Soͤhne, der juͤngste aber war ein Dummling. Eines Tags sprach der aͤlteste: „Vater, ich will in den Wald gehen, Holz hauen.“ — „Laß das bleiben, antwortete der Vater, du kommst sonst mit einem verbundenen Arm heim.“ Der Sohn aber achtete nicht darauf, dachte, er wisse sich schon zu huͤten, steckte einen Kuchen in die Tasche und ging hinaus. In dem Walde be- gegnete ihm ein graues altes Maͤnnchen, das sagte: „gieb mir doch ein Stuͤck von dem Ku- chen, den du in der Tasche hast, ich bin so hungrig.“ Der kluge Sohn aber sprach: „was soll ich dir meinen Kuchen geben, dann hab' ich selber nichts, pack dich deiner Wege!“ und ging fort mit seiner Axt, und fing an einen Baum zu behauen, nicht lange aber, da hieb er fehl, die Axt fuhr ihm in den Arm, und er muß- te heimgehen und sich verbinden lassen. Das war aber von dem alten grauen Maͤnnchen ge- kommen. Darauf ging der zweite Sohn in den Wald, wo ihn das Maͤnnchen auch um ein Stuͤck Ku- chen ansprach. Er schlugs ihm aber auch ab, und hieb sich dafuͤr ins Bein, daß er sich mußte nach Haus tragen lassen. Endlich ging der Dummling hinaus, das Maͤnnchen sprach ihn, wie die andern, um ein Stuͤck Kuchen an. „Da hast du ihn ganz,“ sagte der Dummling, und gab ihn hin. Da sagte das Maͤnnchen: „hau diesen Baum ab, so wirst du etwas fin- den.“ Der Dummling hieb da zu, und als der Baum umfiel, saß eine goldene Gans dar- unter. Er nahm sie mit sich, und ging in ein Wirthshaus und wollte da uͤbernachten, blieb aber nicht in der großen Stube, sondern ließ sich eine allein geben, da setzte er seine Gans mitten hinein. Die Wirthstoͤchter sahen die Gans und waren neugierig, und haͤtten gar zu gern eine Feder von ihr gehabt. Da sprach die aͤlteste: „ich will einmal hinauf gehen, und wenn ich nicht bald wieder komme, so geht mir nach.“ Darauf ging sie zu der Gans, wie sie aber kaum die Feder beruͤhrt hat, bleibt sie daran haͤngen; weil sie nun nicht wieder her- unter kam, ging ihr die zweite nach, und wie sie die Gans sieht, kann sie gar der Lust nicht widerstehen, ihr eine Feder auszuziehen; die aͤlteste aͤlteste raͤth ihr ab, was sie kann, das hilft aber alles nichts, sie faßt die Gans an und bleibt an der Feder haͤngen. Die dritte Toch- ter, nachdem sie unten lange gewartet, ging endlich auch hinauf, die andern rufen ihr zu, sie sollt ums Himmels willen der Gans nicht nahe kommen, sie hoͤrt aber gar nicht drauf, meint, eine Feder muͤsse sie haben, und bleibt auch daran haͤngen. Am andern Morgen nahm der Dummling die Gans in den Arm und ging fort, die drei Maͤdchen hingen fest und muß- ten hinter ihm drein. Auf dem Feld begegnet ihnen der Pfarrer: „pfui, ihr garstigen Maͤd- chen, was lauft ihr dem jungen Burschen so oͤf- fentlich nach, schaͤmt euch doch!“ damit faßt er eine bei der Hand, und will sie zuruͤckziehen, wie er sie aber angeruͤhrt bleibt er an ihr auch haͤngen, und muß nun selber hinten drein lau- fen. Nicht lang, so kommt der Kuͤster: „ei! Herr Pfarrer, wo hinaus so geschwind? heut ist noch eine Kindtaufe!“ er laͤuft auf ihn zu, faßt ihn beim Ermel, bleibt aber auch haͤngen. Wie die fuͤnf so hintereinander her marschiren, kommen zwei Bauern mit ihren Hacken vom Feld, der Pfarrer ruft ihnen zu, sie sollten sie los machen, kaum aber haben sie den Kuͤster nur angeruͤhrt, so bleiben sie haͤngen, und wa- ren ihrer nun sieben, die dem Dummling mit der Gans nachliefen. Kindermärchen. U Er kam darauf in eine Stadt, da regierte ein Koͤnig, der hatte eine Tochter, die war so ernsthaft, daß sie niemand zum Lachen bringen konnte. Da hatte der Koͤnig ein Gesetz gege- ben, wer sie koͤnnte zu lachen machen, der soll- te sie heirathen. Der Dummling, als er das hoͤrte, ging mit seiner Gans und ihrem An- hang vor die Koͤnigstochter; wie diese den Auf- zug sah, fing sie uͤberlaut an zu lachen, und wollte gar nicht wieder aufhoͤren. Er verlang- te sie nun zur Braut, aber der Koͤnig machte allerlei Einwendungen und sagte, er muͤßte ihm erst einen Mann bringen, der einen Keller voll Wein austrinken koͤnnte. Da ging er in den Wald, und auf der Stelle, wo er den Baum abgehauen hatte, sah er einen Mann sitzen, der machte ein gar betruͤbtes Gesicht, der Dumm- ling fragte, was er sich so sehr zu Herzen naͤh- me? „Ei! ich bin so durstig, und kann nicht genug zu trinken kriegen, ein Faß Wein hab ich zwar ausgeleert, aber was ist ein Tropfen auf einen heißen Stein?“ — „Da kann ich dir helfen, sagte der Dummling, komm nur mit mir, du sollst satt haben.“ Er fuͤhrte ihn in des Koͤnigs Keller, der Mann machte sich uͤber die großen Faͤsser, trank und trank, daß ihm die Huͤften weh thaten, und ehe ein Tag herum war, hatte er den ganzen Keller ausge- trunken. Der Dummling verlangte nun seine Braut, der Koͤnig aber aͤrgerte sich, daß ein schlechter Bursch, den jedermann einen Dumm- ling nannte, seine Tochter davon tragen sollte, und machte neue Bedingungen: er muͤsse ihm erst einen Mann schaffen, der einen Berg voll Brod aufessen koͤnnte. Der Dummling ging wieder in den Wald, da saß auf des Baumes Platz ein Mann, der schnuͤrte sich den Leib mit einem Riemen zusammen, machte ein graͤmli- ches Gesicht und sagte: „ich habe einen ganzen Backofen voll Raspelbrod gegessen, aber was hilft das bei meinem großen Hunger, ich spuͤr doch nichts davon im Leib und muß mich nur zuschnuͤren, wenn ich nicht Hungers sterben soll.“ Wie der Dummling das hoͤrte, war er froh und sprach: „steig auf und geh mit mir, du sollst dich satt essen.“ Er fuͤhrte ihn zu dem Koͤnig, der hatte alles Mehl aus dem gan- zen Reich zusammenfahren, und einen unge- heuern Berg davon backen lassen, der Mann aber aus dem Wald stellte sich davor, und in einem Tag und einer Nacht, war der ganze Berg verschwunden. Der Dummling forderte wieder seine Braut, der Koͤnig aber suchte noch einmal Ausflucht, und verlangte ein Schiff, das zu Land wie zu Wasser fahren koͤnnte; schaffe er aber das, dann solle er gleich die Prinzessin haben. Der Dummling ging noch einmal in den Wald, da saß das alte graue Maͤnnchen, U 2 dem es seinen Kuchen gegeben, und sagte: „ich hab fuͤr dich getrunken und gegessen, ich will dir auch das Schiff geben, das alles thu' ich, weil du barmherzig gegen mich gewesen bist.“ Da gab er ihm das Schiff, das zu Land und zu Wasser fuhr, und als der Koͤnig das sah, mußte er ihm seine Tochter geben. Da ward die Hochzeit gefeiert, und er erbte das Reich, und lebte lange Zeit vergnuͤgt mit seiner Ge- mahlin. 65. Allerlei-Rauh . Es war einmal ein Koͤnig, der hatte eine Frau, die war die schoͤnste auf der Welt, und hatte Haare von purem Gold; sie hatten auch eine Tochter mit einander, die war so schoͤn wie ihre Mutter, und ihre Haare waren eben so golden. Einmal ward die Koͤnigin krank, und als sie fuͤhlte, daß sie sterben muͤsse, rief sie den Koͤnig und bat ihn, er moͤge nach ihrem Tod doch niemand heirathen, der nicht eben so schoͤn waͤre wie sie, und eben so goldne Haare haͤtte; und nachdem ihr der Koͤnig das verspro- chen hatte, starb sie. Der Koͤnig war lange Zeit so betruͤbt, daß er gar an keine zweite Frau dachte, endlich aber ermahnten ihn seine Raͤthe, sich wieder zu vermaͤhlen: da wurden Botschafter abgeschickt an alle Prinzessinnen, aber keine war so schoͤn wie die verstorbene Koͤ- nigin, so goldenes Haar war auch gar nicht mehr zu finden auf der Welt. Da warf der Koͤnig einmal die Augen auf seine Tochter, und wie er so sah, daß sie ganz ihrer Mutter glich und auch ein so goldenes Haar hatte, so dachte er, du kannst doch auf der Welt niemand so schoͤn finden, du mußt deine Tochter heirathen, und fuͤhlte in dem Augenblick eine so große Liebe zu ihr, daß er gleich den Raͤthen und der Prin- zessin seinen Willen kund that. Die Raͤthe wollten es ihm ausreden, aber das war um- sonst. Die Prinzessin erschrack von Herzen uͤber dies gottlose Vorhaben, weil sie aber klug war, sagte sie dem Koͤnig, er solle ihr erst drei Klei- der schaffen, eins so golden wie die Sonne, eins so weiß wie der Mond, und eins so glaͤnzend wie die Sterne, dann aber einen Mantel von tausenderlei Pelz zusammengesetzt, und alle Thiere im Reich muͤßten ein Stuͤck von ihrer Haut dazu geben. Der Koͤnig war so heftig in seiner Begierde, daß er im ganzen Reich daran arbeiten ließ, seine Jaͤger alle Thiere auf- fangen, und ihnen die Haut abziehen mußten, daraus ward der Mantel gemacht, und es dauer- te nicht lang, so brachte er der Prinzessin, was sie verlangt hatte. Die Prinzessin sagte nun, sie wolle sich morgen mit ihm trauen lassen, in der Nacht aber suchte sie die Geschenke, die sie von ihrem Braͤutigam hatte, zusammen, das war ein goldener Ring, ein golden Spinnraͤd- chen und ein goldenes Haͤspelchen, die drei Klei- der aber that sie in eine Nuß, dann machte sie sich Gesicht und Haͤnde mit Ruß schwarz, zog den Mantel von allerlei Pelz an, und ging fort. Sie ging die ganze Nacht, bis sie in einen gro- ßen Wald kam, da war sie sicher, und weil sie so muͤd war, setzte sie sich in einen holen Baum, und schlief ein. Sie schlief noch am hohen Tag, da jagte gerade der Koͤnig, ihr Braͤutigam, in dem Wald, seine Hunde aber liefen um den Baum, und schnupperten daran. Der Koͤnig schickte seine Jaͤger hin, die sollten sehen, was fuͤr ein Thier in dem Baum steckte, die kamen wieder und sagten, es liege ein so wunderliches Thier darin, wie sie ihr Lebtag noch keins gesehen, Rauhwerk allerlei Art sey an seiner Haut, es liege aber und schlafe. Da befahl der Koͤnig sie sollten es fangen und hinten auf den Wa- gen binden. Das thaten die Jaͤger, und wie sie es hervorzogen, sahen sie, daß es ein Maͤd- chen war, da banden sie es hinten auf und fuh- ren mit ihm heim. „ Allerlei-Rauh , sag- ten sie, du bist gut fuͤr die Kuͤche, du kannst Holz und Wasser tragen, und die Asche zusam- men kehren;“ dann gaben sie ihm ein kleines Staͤllchen unter der Treppe, wohin kein Tags- licht kam: „da kannst du wohnen und schla- fen.“ Nun mußte es in die Kuͤche, da half es dem Koch, rupfte die Huͤner, schuͤrte das Feuer, belas das Gemuͤs, und that alle schlech- te Arbeit. Weil es alles so ordentlich machte, war ihm der Koch gut und rief manchmal Al- lerlei-Rauh Abends und gab ihm etwas von den Ueberbleibseln zu essen. Ehe der Koͤnig aber zu Bett ging mußte es hinauf und ihm die Stiefel ausziehen, und wenn es einen aus- gezogen hatte, warf er ihn allemal ihm an den Kopf. So lebte Allerlei-Rauh lange Zeit recht armselig: ach, du schoͤne Jungfrau, wie solls mit dir noch werden? Da war ein Ball in dem Schloß, Allerlei-Rauh dachte, nun koͤnnt' ich einmal wieder meinen lieben Braͤutigam recht sehen, ging zum Koch und bat ihn, er moͤge ihr doch erlauben, nur ein wenig hinauf- zugehen, um vor der Thuͤre die Pracht mit an- zusehen.“ Geh hin, sagte der Koch, aber laͤn- ger als eine halbe Stunde darfst du nicht aus- bleiben, du mußt noch die Asche heut Abend zusammenkehren.“ Da nahm Allerlei-Rauh sein Oehllaͤmpchen und ging in sein Staͤllchen, und wusch sich den Ruß ab, da kam seine Schoͤnheit hervor, recht wie die Blumen im Fruͤhjahr; dann thaͤt es den Pelzmantel ab, machte die Nuß auf und holte das Kleid her- aus, das wie die Sonne glaͤnzte. Und wie es damit geputzt war, ging es hinauf, und jeder- mann machte ihm Platz, und meinte nicht an- ders, als eine vornehme Prinzessin kaͤme in den Saal gegangen. Der Koͤnig reichte ihr gleich seine Hand zum Tanz, und wie er mit ihr tanzte, dachte er, wie gleicht diese unbekannte schoͤne Prinzessin meiner lieben Braut, und je laͤnger er sie ansah, desto mehr glich sie ihr, daß er es fast gewiß glaubte, und wenn der Tanz zu Ende waͤr, wollte er sie fragen. Wie sie aber ausgetanzt hatte, verneigte sie sich und war verschwunden, ehe sich der Koͤnig besinnen konnte. Da ließ er die Waͤchter fragen, aber keiner hatte die Prinzessin aus dem Hause ge- hen sehen. Sie war geschwind in ihr Staͤll- chen gelaufen, hatte ihr Kleid ausgezogen, Ge- sicht und Haͤnde schwarz gemacht, und wieder den Pelzmantel umgethan. Dann ging sie in die Kuͤche und wollte die Asche zusammenkehren, der Koch aber sagte: „laß das seyn bis mor- gen, ich will auch ein wenig hinaufgehen und den Tanz mit ansehen, koch derweil dem Koͤnig seine Suppe, aber laß keine Haare hineinfallen, sonst kriegst du nichts mehr zu essen.“ Aller- lei-Rauh kochte dem Koͤnig da eine Brodsup- pe, und zuletzt legte es den goldenen Ring hin- ein, den der Koͤnig ihr geschenkt hatte. Wie nun der Ball zu Ende war, ließ sich der Koͤ- nig seine Brodsuppe bringen, die schmeckte ihm so gut, daß er meinte, er haͤtte noch nie eine so gute gegessen, wie er aber fertig war, fand er den Ring auf dem Grund liegen, und wie er ihn genau ansah, da war es sein Treuring. Da verwunderte er sich, konnte nicht begreifen, wie der Ring dahin kam, und ließ den Koch rufen; der Koch ward boͤs uͤber Allerei-Rauh : „du hast gewiß ein Haar hineinfallen lassen, wenn das wahr ist, so kriegst du Schlaͤge.“ Wie aber der Koch hinauf kam, fragte der Koͤ- nig, wer die Suppe gekocht habe, die waͤr bes- ser als sonst gewesen, da mußte er gestehen, daß es Allerlei-Rauh gethan, und da hieß ihn der Koͤnig Allerlei-Rauh heraufschicken. Wie es kam, sagte der Koͤuig : „wer bist du und was machst du in meinem Schloß, woher hast du den Ring, der in der Suppe lag?“ Es antwortete aber: „ich bin nichts als ein armes Kind, dem Vater und Mutter gestorben sind, habe nichts und bin zu gar nichts gut, als daß die Stiefel mir um den Kopf geworfen werden, und von dem Ring weiß ich auch nichts,“ da- mit lief es fort. Darnach war wieder ein Ball; da bat Aller- lei-Rauh den Koch wieder, er solle es hinaufge- hen lassen. Der Koch erlaubte es auch nur auf eine halbe Stunde, dann solle es da seyn und dem Koͤnig die Brodsuppe kochen. Allerlei-Rauh ging in sein Staͤllchen, wusch sich rein und nahm das Mondkleid heraus, noch reiner und glaͤnzender als der gefallene Schnee, und wie es hinauf kam ging eben der Tanz an, da reich- te ihm der Koͤnig die Hand, und tanzte mit ihm, und zweifelte nicht mehr, daß das seine Braut sey, denn niemand auf der Welt hatte außer ihr noch so goldene Haare; wie aber der Tanz zu Ende war, war auch die Prinzessin schon wieder draußen, und alle Muͤhe umsonst, der Koͤnig konnte sie nicht finden, und hatte auch kein einzig Wort mit ihr sprechen koͤnnen. Sie war aber wieder Allerlei-Rauh, schwarz im Gesicht und an den Haͤnden, stand in der Kuͤche, und kochte dem Koͤnig die Brodsuppe, und der Koch war hinaufgegangen und guckte zu. Und als die Suppe fertig war, that sie das goldne Spinnrad hinein. Der Koͤnig aß die Suppe, und sie daͤuchte ihm noch besser, und als er zuletzt das goldene Spinnrad fand, er- staunte er noch mehr, denn das hatte er einmal seiner Braut geschenkt. Der Koch ward geru- fen, und dann Allerlei-Rauh, aber die gab wieder zur Antwort, sie wisse nichts davon, und sey nur dazu da, daß ihr die Stiefel um den Kopf geworfen wuͤrden. Der Koͤnig stellte zum drittenmal einen Ball an, und hoffte seine Braut sollte wieder kommen, und da wollte er sie gewiß festhalten. Allerlei-Rauh bat auch wieder den Koch, ob sie nicht duͤrfe hinaufgehen, der schalt aber und sagte: „du bist eine Hexe, du thust immer et- was in die Suppe, und kannst sie besser kochen als ich;“ doch weil es so bat und versprach, ordentlich zu seyn, so ließ er es wieder auf ei- ne halbe Stunde hingehen. Da zog es sein Sternenkleid an, das funkelte wie die Sterne in der Nacht, ging hinauf und tanzte mit dem Koͤnig; der meinte, so schoͤn haͤtte er es noch niemals gesehen. Bei dem Tanz aber steckte er ihm einen Ring an den Finger, und hatte be- fohlen, daß der Tanz recht lang waͤhren sollte. Doch aber konnte er es nicht festhalten, auch kein Wort mit ihm sprechen, denn als der Tanz aus war, sprang es so geschwind unter die Leu- te, daß es verschwunden war, eh er sich um- drehte. Es lief in sein Staͤllchen, und weils laͤnger als eine halbe Stunde weggewesen war, zog es sich geschwind aus und machte sich in der Eile nicht ganz schwarz, sondern ein Finger blieb weiß, und wie es in die Kuͤche kam, war der Koch schon fort, da kochte es geschwind die Brodsuppe und legte den goldenen Haspel hin- ein. Der Koͤnig fand ihn, wie den Ring und das goldne Spinnrad, und nun wußt' er ge- wiß, daß seine Braut in der Naͤhe war, denn niemand anders konnte die Geschenke sonst ha- ben. Allerlei-Rauh ward gerufen, wollte sich wieder durchhelfen und fortspringen, aber in- dem es fortsprang, erblickte der Koͤnig einen weißen Finger an seiner Hand, und hielt es fest daran; da fand er den Ring, den er ihm angesteckt, und riß den Rauchmantel ab, da ka- men die goldenen Haare heraus geflossen, und es war seine allerliebste Braut, und der Koch ward reichlich belohnt, und dann hielt er Hochzeit, und sie lebten vergnuͤgt bis an ih- ren Tod. 66. Hurleburlebutz . Ein Koͤnig verirrte sich auf der Jagd, da trat ein kleines weißes Maͤnnchen vor ihn: „Herr Koͤnig, wenn ihr mir eure juͤngste Toch- ter geben wollt, so will ich euch wieder aus dem Wald fuͤhren.“ Der Koͤnig sagte es in seiner Angst zu, das Maͤnnchen brachte ihn auf den Weg, nahm dann Abschied und rief noch nach: „in acht Tagen komm ich und hol meine Braut.“ Daheim aber war der Koͤnig traurig uͤber sein Versprechen, denn die juͤngste Tochter hatte er am liebsten; das sahen ihm die Prinzessinnen an, und wollten wissen, was ihm Kummer ma- che. Da mußt ers endlich gestehen, er habe die juͤngste von ihnen einem kleinen weißen Wald- maͤnnchen versprochen, und das komme in acht Tagen und hole sie ab. Sie sprachen aber, er solle gutes Muths seyn, das Maͤnnchen wollten sie schon anfuͤhren. Darnach als der Tag kam, kleideten sie eine Kuhhirtstochter mit ihren Klei- dern an, setzten sie in ihre Stube und befahlen ihr: „wenn jemand kommt, und will dich ab- holen, so gehst du mit!“ sie selber aber gingen alle aus dem Hause fort. Kaum waren sie weg, so kam ein Fuchs in das Schloß, und sagte zu dem Maͤdchen: „setz dich auf meinen rauhen Schwanz, Hurleburlebutz! hinaus in den Wald!“ Das Maͤdchen setzte sich dem Fuchs auf den Schwanz, und so trug er es hinaus in den Wald; wie sie aber auf einen schoͤnen gruͤnen Platz kamen, wo die Sonne recht hell und warm schien, sagte der Fuchs: „steig ab und laus mich!“ Das Maͤdchen ge- horchte, der Fuchs legte seinen Kopf auf ihren Schooß und ward gelaust; bei der Arbeit sprach das Maͤdchen: „gestern um die Zeit wars doch schoͤner in dem Wald!“ — „Wie bist du in den Wald gekommen?“ fragte der Fuchs. — „Ei, da hab ich mit meinem Vater die Kuͤhe gehuͤtet.“ — „Also bist du nicht die Prinzessin! setz dich auf meinen rauhen Schwanz, Hurle- burlebutz! zuruͤck in das Schloß!“ Da trug sie der Fuchs zuruͤck und sagte zum Koͤnig: „du hast mich betrogen, das ist eine Kuhhirtstoch- ter, in acht Tagen komm ich wieder und hol mir deine.“ Am achten Tage aber kleideten die Prinzessinnen eine Gaͤnsehirtstochter praͤch- tig an, setzten sie hin und gingen fort. Da kam der Fuchs wieder und sprach: „setz dich auf meinen rauhen Schwanz, Hurleburlebutz! hinaus in den Wald!“ Wie sie in dem Wald auf den sonnigen Platz kamen, sagte der Fuchs wieder: „steig ab und laus mich.“ Und als das Maͤdchen den Fuchs lauste, seufzte es und sprach: „wo moͤgen jetzt meine Gaͤnse seyn!“ — „Was weißt du von Gaͤnsen?“ — „Ei, die hab ich alle Tage mit meinem Vater auf die Wiesen getrieben.“ — „Also bist du nicht des Koͤnigs Tochter! setz dich auf meinen rau- hen Schwanz, Hurleburlebutz! zuruͤck in das Schloß!“ Der Fuchs trug sie zuruͤck und sag- te zum Koͤnig: „du hast mich wieder betrogen, das ist eine Gaͤnsehirtstochter, in acht Tagen komm ich noch einmal, und wenn du mir dann deine Tochter nicht giebst, so soll dirs uͤbel ge- hen.“ Dem Koͤnig ward Angst, und wie der Fuchs wieder kam, gab er ihm die Prinzessin. „Setz dich auf meinen rauhen Schwanz, Hur- leburlebutz! hinaus in den Wald.“ Da muß- te sie auf dem Schwanz des Fuchses hinausrei- ten, und als sie auf den Platz im Sonnen- schein kamen, sprach er auch zu ihr: „steig ab und laus mich!“ als er ihr aber seinen Kopf auf den Schooß legte, fing die Prinzessin an zu weinen und sagte: „ich bin eines Koͤnigs Tochter und soll einen Fuchs lausen, saͤß ich jetzt daheim in meiner Kammer, so koͤnnt ich meine Blumen im Garten sehen!“ Da hoͤrte der Fuchs, daß er die rechte Braut hatte, verwan- delte sich in das kleine, weiße Maͤnnchen, und das war nun ihr Mann, bei dem mußt' sie in einer kleinen Huͤtte wohnen, ihm kochen und naͤhen, und es dauerte eine gute Zeit. Das Maͤnnchen aber that ihr alles zu Liebe. Einmal sagte das Maͤnnchen zu ihr: „ich muß fortgehen, aber es werden bald drei weiße Tauben geflogen kommen, die werden ganz nie- drig uͤber die Erde hinstreifen, davon fang die mittelste, und wenn du sie hast, schneid ihr gleich den Kopf ab, huͤt' dich aber, daß du kei- ne andere ergreifst, als die mittelste, sonst ent- steht ein groß Ungluͤck daraus.“ Das Maͤnn- chen ging fort; es dauerte auch nicht lang, so kamen drei weiße Tauben daher geflogen. Die Prinzessin gab Acht, ergriff die mittelste, nahm ein Messer und schnitt ihr den Kopf ab. Kaum aber lag der auf dem Boden, so stand ein schoͤ- ner junger Prinz vor ihr und sprach: „mich hat eine Fee verzaubert, sieben Jahr lang sollt ich meine Gestalt verlieren, und sodann als ei- ne Taube an meiner Gemahlin vorbeifliegen, zwischen zwei andern, da muͤsse sie mich fan- gen und mir den Kopf abhauen, und fange sie mich nicht, oder eine unrechte, und ich sey ein- mal vorbeigeflogen, so sey alles vorbei und kei- ne Erloͤsung mehr moͤglich: darum hab ich dich gebeten, ja recht Acht zu haben, denn ich bin das graue Maͤnnlein und du meine Gemahlin.“ Da war die Prinzessin vergnuͤgt, und sie gin- gen zusammen zu ihrem Vater, und als der starb, erbten sie das Reich. 67. Der Koͤnig mit dem Loͤwen . Bei seiner Braut saß ein junger Prinz und sprach: „da geb ich dir einen Ring und mein Bild, das trag zu meinem Andenken und bleib mir treu; mein Vater ist todtkrank und hat ge- schickt, ich soll kommen, er will mich vor sei- nem Ende noch einmal sehen, wann ich Koͤnig bin, so hole ich dich heim.“ Darauf ritt er fort, und fand seinen Vater sterbend; er bat noch den Prinzen, er moͤge eine gewisse Prin- zessin nach seinem Tode heirathen. Der Prinz war so betruͤbt, und hatte seinen Vater so lieb, daß er ohne sich zu bedenken, Ja sagte, und gleich darauf that der alte Koͤnig die Augen zu und starb. Wie er nun zum Koͤnig ausgerufen und die Trauerzeit herum war, mußt er sein Wort halten, und ließ um die andere Prinzessin wer- ben, ben, die ihm zugesagt wurde. Indeß hoͤrte die erste Braut, daß der Prinz um eine andere ge- freit, da graͤmte sie sich so sehr, daß sie fast verging. Ihr Vater fragte, warum sie so trau- rig sey, sie solle fordern, was sie wolle, es solle ihr gewaͤhrt seyn; da bedachte sich die Prin- zessin einen Augenblick, dann bat sie sich elf Maͤdchen aus, die ihr vollkommen glichen, auch an Groͤße und Wuchs. Der Koͤnig ließ die elf Jungfrauen im ganzen Koͤnigreich aufsuchen, und als sie beisammen waren, kleidete sie die Prinzessin in Jaͤger, sich selber eben so, so daß ihrer zwoͤlf vollkommen, eine wie die andere, waren. Darauf ritt sie zu dem Koͤnig ihrem ehemaligen Braͤutigam, und verlangte fuͤr sich und die uͤbrigen Dienst als Jaͤger. Der Koͤnig erkannte sie nicht, und weil es so schoͤne Leute waren, gewaͤhrte er ihnen gern die Bitte, und nahm sie an seinen Hof. Der Koͤnig hatte aber einen Loͤwen, dem war nichts verborgen, und er wußte alles, was heimlich am Hofe geschah. Der sagte eines Abends zu ihm: „du glaubst, du haͤttest da zwoͤlf Jaͤger, das sind aber lauter Maͤdchen.“ Der Koͤnig wollte es nicht glauben, da sagte der Loͤwe weiter: „laß nur einmal Erbsen in dein Vorzimmer streuen, Maͤnner, die haben einen festen Tritt, wenn die daruͤber hingehen, regt sich keine, Maͤdchen aber die trippeln und Kindermärchen. X schlurfen, und die Erbsen rollen unter ihren Fuͤßen.“ Dem Koͤnig gefiel das wohl. Es war aber ein Diener des Koͤnigs, der liebte die Jaͤger und hatte das mit angehoͤrt, da lief er zu ihnen und sagte: der Loͤwe haͤlt euch fuͤr Maͤdcheu , und will Erbsen streuen lassen und euch damit probiren; die Prinzessin befahl darauf ihren elf Jungfrauen, sie sollten sich alle Gewalt anthun, und fest auf die Erbsen treten. Als nun am Morgen die Erbsen ge- streut waren, ließ der Koͤnig die zwoͤlf Jaͤger kommen, sie hatten aber einen so sichern und starken Gang, daß sich auch nicht eine Erbse bewegte. Am Abend machte der Koͤnig dem Loͤwen Vorwuͤrfe, daß er ihn belogen, da sag- te der Loͤwe: „sie haben sich verstellt, laß aber nur zwoͤlf Spinnraͤder in das Vorzimmer stel- len, da werden sie sich druͤber freuen, und das thut kein Mann.“ Der Koͤnig folgte dem Loͤ- wen noch einmal, und ließ die Spinnraͤder hin- stellen. Der Diener aber hatte den Jaͤgern den Anschlag verrathen, da befahl die Prinzessin ihren elf Jungfrauen die Spinnraͤder nicht ein- mal anzusehen. So thaten sie auch, und der Koͤnig wollte dem Loͤwen nicht mehr glauben. Er gewann die Jaͤger immer lieber, und wenn er auf die Jagd ritt, mußten sie ihm folgen. Wie sie einmal mit ihm im Wald waren, kam die Nachricht, die Braut des Prinzen sey im Anzug, und werde bald da seyn; wie das die rechte Braut hoͤrte fiel sie in Ohnmacht. Der Koͤnig meinte, seinem lieben Jaͤger sey etwas zugestoßen, lief herzu und wollte ihm helfen, er zog ihm aber auch die Handschuh aus, da erblickte er den Ring, den er seiner ersten Braut gegeben, und als er dann noch das Bildniß an ihrem Hals sah, erkannte er sie, und ließ gleich der andern Braut sagen, sie moͤge in ihr Reich zuruͤckkehren, er habe schon eine Gemahlin, und wenn man einen alten Schluͤssel wieder gefun- den, brauche man den neuen nicht. Da ward die Hochzeit gefeiert, und der Loͤwe hatte nicht gelogen, und kam wieder in Gnade bei dem Koͤnig. 68. Von dem Sommer- und Winter- garten . Ein Kaufmann wollte auf die Messe ge- hen, da fragte er seine drei Toͤchter, was er ihnen mitbringen sollte. Die aͤlteste sprach: „ein schoͤnes Kleid;“ die zweite: „ein paar huͤbsche Schuhe;“ die dritte: „eine Rose.“ Aber die Rose zu verschaffen, war etwas schwe- res, weil es mitten im Winter war, doch weil die juͤngste die schoͤnste war, und sie eine so große Freude an den Blumen hatte, sagte der X 2 Vater, er wolle zusehen, ob er sie bekommen koͤnne, und sich rechte Muͤhe darum geben. Als der Kaufmann wieder auf der Ruͤck- reise war, hatte er ein praͤchtiges Kleid fuͤr die aͤlteste, und ein paar schoͤne Schuhe fuͤr die zweite, aber die Rose fuͤr die dritte hatte er nicht bekommen koͤnnen, wenn er in einen Gar- ten gegangen war, und nach Rosen gefragt, hatten die Leute ihn ausgelacht: „ob er denn glaube, daß die Rosen im Schnee wuͤchsen.“ Das war ihm aber gar leid, und wie er dar- uͤber sann, ob er gar nichts fuͤr sein liebstes Kind mitbringen koͤnne, kam er vor ein Schloß, und dabei war ein Garten, in dem war es halb Sommer und halb Winter, und auf der einen Seite bluͤhten die schoͤnsten Blumen groß und klein, und auf der andern war alles kahl und lag ein tiefer Schnee. Der Mann stieg vom Pserd herab, und wie er eine ganze Hecke voll Rosen auf der Sommerseite erblickte, war er froh, ging hinzu und brach eine ab, dann ritt er wieder fort. Er war schon ein Stuͤck Wegs geritten, da hoͤrte er etwas hinter sich herlaufen und schnaufen, er drehte sich um, und sah ein großes schwarzes Thier, das rief: „du giebst mir meine Rose wieder, oder ich mache dich todt, du giebst mir meine Rose wieder, oder ich mach dich todt!“ da sprach der Mann: „ich bitt dich, laß mir die Rose, ich soll sie meiner Tochter mitbringen, die ist die schoͤnste auf der Welt.“ — „ Meintwegen , aber gieb mir die schoͤne Tochter dafuͤr zur Frau?“ Der Mann, um das Thier los zu werden, sagt ja, und denkt, das wird doch nicht kommen und sie for- dern, das Thier aber rief noch hinter ihm drein: „in acht Tagen komm ich und hol mei- ne Braut.“ Der Kaufmann brachte nun einer jeden Tochter mit, was sie gewuͤnscht hatten; sie freu- ten sich auch alle daruͤber, am meisten aber die juͤngste uͤber die Rose. Nach acht Tagen saßen die drei Schwestern beisammen am Tisch, da kam etwas mit schwerem Gang die Treppe her- auf, und an die Thuͤre und rief: „macht auf! macht auf!“ Da machten sie auf, aber sie er- schracken recht, als ein großes schwarzes Thier hereintrat: „Weil meine Braut nicht gekom- men, und die Zeit herum ist, will ich mir sie selber holen.“ Damit ging es auf die juͤngste Tochter zu und packte sie an. Sie fing an zu schreien, das half aber alles nichts, sie mußte mit fort, und als der Vater nach Haus kam, war sein liebstes Kind geraubt. Das schwarze Thier aber trug die schoͤne Jungfrau in sein Schloß, da wars gar wunderbar und schoͤn, und Musikanten waren darin, die spielten auf, und unten war der Garten halb Sommer und halb Winter, und das Thier that ihr alles zu Liebe, mas es ihr nur an den Augen absehen konnte. Sie aßen zusammen, und sie mußte ihm aufschoͤpfen, sonst wollte es nicht essen, da ward sie dem Thier hold, und endlich hatte sie es recht lieb. Einmal sagte sie zu ihm: „mir ist so Angst, ich weiß nicht recht warum, aber mir ist, als waͤr mein Vater krank, oder eine von meinen Schwestern, koͤnnte ich sie nur ein einzigesmal sehen!“ Da fuͤhrte sie das Thier zu einem Spiegel und sagte: „da schau hin- ein,“ und wie sie hineinschaute, war es recht als waͤre sie zu Haus; sie sah ihre Stube und ihren Vater, der war wirklich krank, aus Her- zeleid, weil er sich Schuld gab, daß sein lieb- stes Kind von einem wilden Thier geraubt und gar von ihm aufgefressen sey, haͤtt' er gewußt, wie gut es ihm ging, so haͤtte er sich nicht be- truͤbt; auch ihre zwei Schwestern sah sie am Bett sitzen, die weinten. Von dem allen war ihr Herz ganz schwer, und sie bat das Thier, es sollte sie nur ein paar Tage wieder heim gehen lassen. Das Thier wollte lange nicht, end- lich aber, wie sie so jammerte, hatte es Mit- leiden mit ihr und sagte: „geh hin zu deinem Vater, aber versprich mir, daß du in acht Ta- gen wieder da seyn willst. Sie versprach es ihm, und als sie fort ging, rief es noch: „bleib aber ja nicht laͤnger als acht Tage aus.“ Wie sie heim kam, freute sich ihr Vater, daß er sie noch einmal saͤhe, aber die Krankheit und das Leid hatten schon zu sehr an seinem Herzen gefressen, daß er nicht wieder gesund werden konnte, und nach ein paar Tagen starb er. Da konnte sie an nichts anders denken vor Traurigkeit, und hernach ward ihr Vater be- graben, da ging sie mit zur Leiche, und dann weinten die Schwestern zusammen und troͤste- ten sich, und als sie endlich wieder an ihr lie- bes Thier dachte, da waren schon laͤngst die acht Tage herum. Da ward ihr recht Angst, und es war ihr, als sey das auch krank, und sie machte sich gleich auf, und ging wieder hin zu seinem Schloß. Wie sie aber wieder ankam, wars ganz still und traurig darin, die Musi- kanten spielten nicht, und alles war mit schwar- zem Flor behangen; der Garten aber war ganz Winter und von Schnee bedeckt. Und wie sie das Thier selber suchte, war es fort, und sie suchte aller Orten, aber sie konnte es nicht fin- den. Da war sie doppelt traurig, und wußte sich nicht zu troͤsten, und einmal ging sie so traurig im Garten, und sah einen Haufen Kohl- haͤupter, die waren oben schon alt und faul, da legte sie die herum, und wie sie ein paar umgedreht hatte, sah sie ihr liebes Thier, das lag darunter und war todt. Geschwind holte sie Wasser und begoß es damit unaufhoͤrlich, da sprang es auf und war auf einmal verwandelt, und ein schoͤner Prinz. Da ward Hochzeit ge- halten und die Musikanten spielten gleich wie- der, die Sommerseite im Garten kam praͤchtig hervor, und der schwarze Flor ward abgerissen, und sie lebten vergnuͤgt miteinander immerdar. 69. Jorinde und Joringel . Es war einmal ein altes Schloß, mitten in einem großen, dicken Wald, darinnen wohn- te eine alte Frau ganz allein, das war eine Erzzauberin. Am Tage machte sie sich zur Kat- ze, oder zu Nachteule, des Abends aber wurde sie wieder ordentlich wie ein Mensch gestaltet. Sie konnte das Wild und die Voͤgel herbeilok- ken, und dann schlachtete sie's, kochte und bra- tete es. Wenn jemand auf hundert Schritte dem Schloß nahe kam, so mußte er stille stehn, und konnte sich nicht von der Stelle bewegen, bis sie ihn lossprach: wenn aber eine keusche Jungfrau in diesen Kreis kam, so verwandelte sie dieselbe in einen Vogel und sperrte sie dann in einen Korb ein, in die Kammern des Schlos- ses. Sie hatte wohl sieben tausend solcher Koͤr- be mit so raren Voͤgeln im Schlosse. Nun war einmal eine Jungfrau, die hieß Jorinde; sie war schoͤner als alle andere Maͤd- chen, die, und dann ein gar schoͤner Juͤngling, Namens Joringel, hatten sich zusammen ver- sprochen. Sie waren in den Brauttagen, und sie hatten ihr groͤßtes Vergnuͤgen eins am an- dern. Damit sie nun einsmalen vertraut zu- sammen reden koͤnnten, gingen sie in den Wald spaziren. „Huͤte dich, sagte Joringel, daß du nicht so nahe an das Schloß kommst!“ Es war ein schoͤner Abend, die Sonne schien zwi- schen den Staͤmmen der Baͤume hell ins dunkle Gruͤn des Walds, und die Turteltaube sang klaͤglich auf den alten Maibuchen. Jorinde weinte zuweilen, setzte sich hin in Sonnenschein und klagte. Joringel klagte auch; sie waren so bestuͤrzt, als wenn sie haͤtten ster- ben sollen; sie sahen sich um, waren irre, und wußten nicht, wohin sie nach Hause gehen soll- ten. Noch halb stand die Sonne uͤber dem Berg, und halb war sie unter: Joringel sah durchs Gebuͤsch, und sah die alte Mauer des Schlosses nah bei sich, er erschrack und wurde todtbang. Jorinde sang: Mein Voͤglein mit dem Ringlein roth Singt Leide, Leide, Leide; Es singt dem Taͤublein seinen Tod, Singt Leide, Lei — Zickuͤth! Zickuͤth! Zickuͤth! Joringel sah nach Jorinde. Jorinde war in eine Nachtigall verwandelt, die sang Zickuͤth! Zickuͤth. Eine Nachteule mit gluͤhenden Augen flog dreimal um sie herum, und schrie dreimal Schu — hu — hu — hu! Joringel konnte sich nicht regen; er stand da wie ein Stein, konnte nicht weinen, nicht reden, nicht Hand noch Fuß regen. Nun war die Sonne unter; die Eule flog in einen Strauch, und gleich dar- auf kam eine alte krumme Frau aus diesem hervor, gelb und mager, große rothe Augen, krumme Nase, die mit der Spitze aus Kinn reichte. Sie murmelte, fing die Nachtigall, und trug sie auf der Hand fort. Joringel konnte nichts sagen, nicht von der Stelle kommen; die Nachtigall war fort, endlich kam das Weib wieder und sagte mit dumpfer Stimme: „Gruͤß dich, Zachiel! Wenns Moͤndel ins Koͤrbel scheint, bind los, Zachiel, zu guter Stund!“ Da wurd Joringel los; er fiel vor dem Weib auf die Knie, und bat, sie moͤgte ihm seine Jorinde wieder geben; aber sie sagte, er solle sie nie wieder haben, und ging fort. Er rief, er wein- te, er jammerte, aber alles umsonst. Uu! was soll mir geschehn? Joringel ging fort und kam endlich in ein fremdes Dorf; da huͤtet er die Schafe lange Zeit. Oft ging er rund um das Schloß herum, aber nicht zu nahe dabei; end- lich traͤumte er einmal des Nachts, er faͤnd ei- ne blutrothe Blume, in deren Mitte eine schoͤ- ne große Perle war; die Blume brach er ab, ging damit zum Schlosse; alles, was er mit der Blume beruͤhrte, ward von der Zauberei frei; auch traͤumte er, er haͤtte seine Jorinde dadurch wieder bekommen. Des Morgens, als er erwachte, fing er an, durch Berg und Thal zu suchen, ob er eine solche Blume faͤnde; er suchte bis an den neunten Tag, da fand er die blutrothe Blume am Morgen fruͤh. In der Mitte war ein großer Thautropfe, so groß wie die schoͤnste Perle. Diese Blume trug er Tag und Nacht bis zum Schloß. Wie er auf hun- dert Schritt nahe zum Schloß kam, da wurd er nicht fest, sondern ging fort bis ans Thor. Joringel freute sich hoch, beruͤhrte die Pforte mit der Blume, und sie sprang auf; er ging hinein, durch den Hof, horchte, wo er die vie- len Voͤgel vernaͤhm. Endlich hoͤrt ers; er ging und fand den Saal, darauf war die Zauberin, und fuͤtterte die Voͤgel in den sieben tausend Koͤr- ben. Wie sie den Joringel sah, ward sie boͤs, sehr boͤs, schalt, spie Gift und Galle gegen ihn aus, aber sie konnt auf zwei Schritte nicht an ihn kommen. Er kehrte sich nicht an sie, und ging, besah die Koͤrbe mit den Voͤgeln; da waren aber viele hundert Nachtigallen; wie sollte er nun seine Jorinde wieder finden? In- dem er so zusah, merkte er, daß die Alte heimlich ein Koͤrbchen mit einem Vogel nimmt, und damit nach der Thuͤre geht. Flugs sprang er hinzu, beruͤhrte das Koͤrbchen mit der Blume, und auch das alte Weib; nun konnte sie nichts mehr zaubern und Jorinde stand da, hatte ihn um den Hals gefaßt, so schoͤn, wie sie ehemals war. Da macht er auch alle die andern Voͤgel wieder zu Jungfrauen, und da ging er mit sei- ner Jorinde nach Hause, und lebten lange ver- gnuͤgt zusammen. 70. Der Okerlo . Eine Koͤnigin setzte ihr Kind in einer gol- denen Wiege aufs Meer, und ließ es fort- schwimmen; es ging aber nicht unter, sondern schwamm zu einer Insel, da wohnten lauter Menschenfresser. Wie nun so die Wiege ge- schwommen kam, stand gerade die Frau des Menschenfressers am Ufer, und als sie das Kind sah, welches ein wunderschoͤnes Maͤdchen war, beschloß sie, es groß zu ziehen fuͤr ihren Sohn, der sollte es einmal zur Frau haben. Doch hatte sie große Noth damit, daß sie es sorgfaͤl- tig vor ihrem Mann, dem alten Okerlo ver- steckte, denn haͤtte er es zu Gesicht bekommen, so waͤre es mit Haut und Haar aufgefressen worden. Als nun das Maͤdchen groß geworden war, sollte es mit dem jungen Okerlo verheirathet werden, es mochte ihn aber gar nicht leiden, und weinte den ganzen Tag. Wie es so ein- mal am Ufer saß, da kam ein junger, schoͤner Prinz geschwommen, der gefiel ihm und es ge- fiel ihm auch, und sie versprachen sich mitein- ander; indem aber kam die alte Menschen- fresserin, die wurde gewaltig boͤs, daß sie den Prinzen bei der Braut ihres Sohnes fand, und kriegte ihn gleich zu packen: „wart nun, du sollst zu meines Sohnes Hochzeit gebraten werden!“ Der junge Prinz, das Maͤdchen und die drei Kinder des Okerlo schliefen aber alle in einer Stube zusammen, wie es nun Nacht wurde, kriegte der alte Okerlo Lust nach Menschen- fleisch, und sagte: „Frau, ich habe nicht Lust bis zur Hochzeit zu warten, gieb mir den Prin- zen nur gleich her!“ Das Maͤdchen aber hoͤr- te alles durch die Wand, stand geschwind auf, nahm dem einen Kind des Okerlo die goldene Krone ab, die es auf dem Haupte trug, und setzte sie dem Prinzen auf. Die alte Men- schenfresserin kam gegangen, und weil es dun- kel war, so fuͤhlte sie an den Haͤuptern, und das, welches keine Krone trug, brachte sie dem Mann, der es augenblicklich aufaß. Indessen wurde dem Maͤdchen himmelangst, es dachte: bricht der Tag an, so kommt alles heraus, und es wird uns schlimm gehen.“ Da stand es heimlich auf und holte einen Meilenstiefel, eine Wuͤnschelruthe und einen Kuchen mit einer Bohne, die auf alles Antwort gab. Nun ging sie mit dem Prinzen fort, sie hatten den Meilenstiefel an, und mit jedem Schritt machten sie eine Meile. Zuweilen fru- gen sie die Bohne: „Bohne, bist du auch da?“ „ja, sagte die Bohne, da bin ich, eilt euch aber, denn die alte Menschenfresserin kommt nach im andern Meilenstiefel, der dort geblie- ben ist!“ Da nahm das Maͤdchen die Wuͤn- schelruthe und verwandelte sich in einen Schwan, den Prinzen in einen Teich, worauf der Schwan schwimmt. Die Menschenfresserin kam und lockte den Schwan ans Ufer, allein es gelang ihr nicht, und verdrießlich ging sie heim. Das Maͤdchen und der Prinz setzten ihren Weg fort: „Bohne, bist du da?“ „ja, sprach die Bohne, hier bin ich, aber die alte Frau kommt schon wieder, der Menschen- fresser hat ihr gesagt, warum sie sich habe an- fuͤhren lassen.“ Da nahm das Maͤdchen den Stab, und verwandelte sich und den Prinzen in eine Staubwolke, wodurch die Frau Okerlo nicht dringen kann, also kehrte sie unverrichte- ter Sache wieder um, und die andern setzten ihren Weg fort. „Bohne, bist du da?“ ja, hier bin ich, aber ich sehe die Frau Okerlo noch einmal kommen, und gewaltige Schritte macht sie. Das Maͤdchen nahm zum dritten- mal den Wuͤnschelstab und verwandelte sich in einen Rosenstock und den Prinzen in eine Bie- ne, da kam die alte Menschenfresserin, erkannte sie in dieser Verwandelung nicht und ging wie- der heim. Allein nun konnten die zwei ihre menschliche Gestalt nicht wieder annehmen, weil das Maͤd- chen das letztemal in der Angst den Zauberstab zu weit weggeworfen; sie waren aber schon so weit gegangen, daß der Rosenstock in einem Garten stand, der gehoͤrte der Mutter des Maͤd- chens. Die Bieue saß auf der Rose, und wer sie abbrechen wollte, den stach sie mit ihrem Stachel. Einmal geschah es, daß die Koͤnigin selber in ihren Garten ging und die schoͤne Blume sah, woruͤber sie sich so verwunderte, daß sie sie abbrechen wollte. Aber Bienchen kam und stach sie so stark in die Hand, daß sie die Rose mußte fahren lassen, doch hatte sie schon ein wenig eingerissen. Da sah sie, daß Blut aus dem Stengel quoll, ließ eine Fee kommen, damit sie die Blume entzauberte. Da erkannte die Koͤnigin ihre Tochter wieder, und war von Herzen froh und vergnuͤgt. Es wurde aber eine große Hochzeit angestellt, eine Men- ge Gaͤste gebeten, die kamen in praͤchtigen Klei- dern, tausend Lichter flimmerten im Saal, und es wurde gespielt und getanzt bis zum hellen Tag. „Bist du auch auf der Hochzeit gewesen?“ — „ja wohl bin drauf gewesen: mein Kopfputz war von Butter, da kam ich in die Sonne, und er ist mir abgeschmol- zen; mein Kleid war von Spinnweb, da kam ich durch Dornen, die rissen es mir ab; meine Pantoffel waren von Glas, da trat ich auf einen Stein, da sprangen sie ent- zwei.“ 71. Prinzessin Maͤusehaut . Ein Koͤnig hatte drei Toͤchter; da wollte er wissen, welche ihn am liebsten haͤtte, ließ sie vor sich kommen und fragte sie. Die aͤlteste sprach, sie habe ihn lieber, als das ganze Koͤ- nigreich; die zweite, als alle Edelsteine und Per- len auf der Welt; die dritte aber sagte, sie ha- be ihn lieber als das Salz. Der Koͤnig ward aufgebracht, daß sie ihre Liebe zu ihm mit ei- ner so geringen Sache vergleiche, uͤbergab sie einem Diener und befahl, er solle sie in den Wald fuͤhren und todten. Wie sie in den Wald gekommen waren, bat die Prinzessin den Diener um ihr Leben; dieser war ihr treu, und wuͤrde sie doch doch nicht getoͤdtet haben, er sagte auch, er wolle mit ihr gehen, und ganz nach ihren Befehlen thun. Die Prinzessin verlangte aber nichts, als ein Kleid von Mausehaut, und als er ihr das geholt, wickelte sie sich hinein und ging fort. Sie ging geradezu an den Hof eines benach- barten Koͤnigs, gab sich fuͤr einen Mann aus, und bat den Koͤnig, daß er sie in seine Dienste nehme. Der Koͤnig sagte es zu, und sie solle bei ihm die Aufwartung haben: Abends mußte sie ihm die Stiefel ausziehen, die warf er ihr allemal an den Kopf. Einmal fragte er, wo- her sie sey? — „Aus dem Lande, wo man den Leuten die Stiefel nicht um den Kopf wirft.“ Der Koͤnig ward da aufmerksam, endlich brach- ten ihm die andern Diener einen Ring; Mau- sehaut habe ihn verloren, der sey zu kostbar, den muͤsse er gestohlen haben. Der Koͤnig ließ Mausehaut vor sich kommen und fragte, woher der Ring sey? da konnte sich Mausehaut nicht laͤnger verbergen, sie wickelte sich von der Mau- sehaut los, ihre goldgelben Haare quollen her- vor, und sie trat heraus so schoͤn, aber auch so schoͤn, daß der Koͤnig gleich die Krone von sei- nem Kopf abnahm und ihr aufsetzte, und sie fuͤr seine Gemahlin erklaͤrte. Zu der Hochzeit wurde auch der Vater der Mausehaut eingeladen, der glaubte seine Toch- ter sey schon laͤngst todt, und erkannte sie nicht Kindermärchen. Y wieder. Auf der Tafel aber waren alle Spei- sen, die ihm vorgesetzt wurden, ungesalzen, da ward er aͤrgerlich und sagte: „ich will lieber nicht leben als solche Speise essen!“ Wie er das Wort ausgesagt, sprach die Koͤnigin zu ihm: „jetzt wollt ihr nicht leben ohne Salz, und doch habt ihr mich einmal wollen toͤdten lassen, weil ich sagte, ich haͤtte euch lieber als Salz!“ da erkannt er seine Tochter, und kuͤßte sie, und bat sie um Verzeihung, und es war ihm lieber als sein Koͤnigreich, und alle Edel- steine der Welt, daß er sie wiedergefunden. 72. Das Birnli will nit fallen . Der Herr will das Birnli schuͤttle, das Birnli will nit fallen: der Herr, der schickt das Jockli hinaus, es soll das Birnli schuͤttle: das Jockli schuͤttelts Birnli nit, das Birnli will nit fallen. Da schickt der Herr das Huͤndli naus, es soll das Jockli beißen: das Huͤndli beißt das Jockli nit, das Jockli schuͤttelts Birnli nit, das Birnli will nit fallen. Da schickt der Herr das Pruͤgeli naus, es soll das Huͤndli treffen: das Pruͤgeli trifft das Huͤndli nit, das Huͤndli beißt das Jockli nit, das Jockli schuͤttelts Birnli nit, das Birnli will nit fallen. Da schickt der Herr das Fuͤrli (Feuer) naus, es soll das Pruͤgeli brennen: das Fuͤrli brennt, das Pruͤgeli nit, das Pruͤgeli trifft das Huͤndli nit, das Huͤndli beißt das Jockli nit, das Jockli schuͤttelts Birnli nit, das Birnli will nit fallen. Da schickt der Herr das Waͤsserli naus, es soll das Fuͤrli loͤschen: das Waͤsserli loͤscht das Fuͤrli nit, das Fuͤrli brennt das Pruͤgeli nit, das Pruͤgeli trifft das Huͤndli nit, das Huͤndli beißt das Jockli nit, das Jockli schuͤttelts Birnli nit, das Birnli will nit fallen. Da schickt der Herr das Kaͤlbli naus, es soll das Waͤsserli laͤpple: (trinken) das Kaͤlbli laͤppelt das Waͤsserli nit, das Waͤsserli loͤscht das Fuͤrli nit, das Fuͤrli brennt das Pruͤgeli nit, das Pruͤgeli trifft das Huͤndli nit, das Huͤndli beißt das Jockli nit, das Jockli schuͤttelts Birnli nit, das Birnli will nit fallen. Da schickt der Herr den Metzger naus, er soll das Kaͤlbli metzle: Y 2 der Metzger metzelts Kaͤlbli nit, das Kaͤlbli laͤppelt das Waͤsserli nit, das Waͤsserli loͤscht das Fuͤrli nit, das Fuͤrli brennt das Pruͤgeli nit, das Pruͤgeli trifft das Huͤndli nit, das Huͤndli beißt das Jockli nit, das Jockli schuͤttelts Birnli nit, das Birnli will nit fallen. Da schickt der Herr den Schinder naus, er soll den Metzger haͤngen: der Schinder will den Metzger haͤnge, der Metzger will das Kaͤlbli metzle, das Kaͤlbli will das Waͤsserli laͤpple, das Waͤsserli will das Fuͤrli loͤsche, das Fuͤrli will das Pruͤgeli brenne, das Pruͤgeli will das Huͤndli treffe, das Huͤndli will das Jockli beiße, das Jockli will das Birnli schuͤttle, das Birnli das will fallen. 73. Das Mordschloß . Es war einmal ein Schuhmacher, welcher drei Toͤchter hatte; auf eine Zeit als der Schuh- macher aus war, kam da ein Herr, welcher sehr gut gekleidet war, und welcher eine praͤchtige Equipage hatte, so daß man ihn fuͤr sehr reich hielt, und verliebte sich in eine der schoͤnen Toͤch- ter, welche dachte, ihr Gluͤck gemacht zu haben mit so einem reichen Herrn, und machte also keine Schwierigkeit mit ihm zu reiten. Da es Abend ward, als sie unterwegs waren fragte er sie: „Der Mond scheint so hell meine Pferdchen laufen so schnell suͤß Lieb, reut dichs auch nicht?“ — „Nein, warum sollt michs reuen? ich bin immer bei Euch wohl bewahrt,“ da sie doch innerlich eine Angst hatte. Als sie in einem großen Wald waren, fragte sie, ob sie bald da waͤren? — „Ja, sagte er, siehst du das Licht da in der Ferne, da ist mein Schloß;“ endlich kamen sie da an, und alles war gar schoͤn. Am andern Tage sagte er zu ihr, er muͤßt auf einige Tage sie verlassen, weil er wichtige Affairen haͤtte, die nothwendig waͤren, aber er wolle ihr alle Schluͤssel lassen, damit sie das ganze Castell sehen koͤnnte, von was fuͤr Reich- thum sie all Meister waͤr. Als er fort war, ging sie durch das ganze Haus, und fand alles so schoͤn, daß sie voͤllig damit zufrieden war, bis sie endlich an einen Keller kam, wo eine alte Frau saß und Daͤrme schrappte. „Ei Muͤt- terchen, was macht sie da?“ — „Ich schrapp Daͤrme, mein Kind, morgen schrapp ich eure auch!“ Wovon sie so erschrack, daß sie den Schluͤssel, welcher in ihrer Hand war, in ein Becken mit Blut fallen ließ, welches nicht gut wieder abzuwaschen war: „Nun ist euer Tod sicher, sagte das alte Weib, weil mein Herr se- hen kann, daß ihr in der Kammrr gewesen seyd, wohin außer ihm und mir kein Mensch kommen darf. (Man muß aber wissen, daß die zwei vori- gen Schwestern auf dieselbe Weise waren um- gekommen.) Da in dem Augenblick ein Wagen mit Heu von dem Schloß wegfuhr, so sagte die alte Frau, es waͤre das einzige Mittel, um das Leben zu behalten, sich unter das Heu zu verstecken, und dann da mit weg zu fahren; welches sie auch thaͤt. Da inzwischen der Herr nach Haus kam, fragte er, wo die Mamsell waͤre! „O, sagte die alte Frau, da ich keine Arbeit mehr hatte, und sie morgen doch dran mußte, hab ich sie schon geschlachtet, und hier ist eine Locke von ihrem Haar, und das Herz, wie auch was warm Blut, das uͤbrige haben die Hunde alle gefressen, und ich schrapp die Daͤrme.“ Der Herr war also ruhig, daß sie todt war. Sie kommt inzwischen mit dem Heuwagen zu einem nah bei gelegenen Schloß, wo das Heu hin verkauft war, und sie kommt mit aus dem Heu und erzaͤhlt die ganze Sache, und wird ersucht, da einige Zeit zu bleiben. Nach Verlauf von einiger Zeit noͤthigt der Herr von diesem Schloß alle in der Naͤhe wohnenden Edelleute zu einem großen Fest, und das Ge- sicht und Kleidung von der fremden Mamsell wird so veraͤndert, daß sie nicht erkannt wer- den konnte, weil auch der Herr von dem Mord- Castell dazu eingeladen war. Da sie alle da waren, mußte ein jeder et- was erzaͤhlen, da die Reihe an die Mamsell kam, erzaͤhlte sie die bewußte Historie, wobei dem sogenannten Herrn Graf so aͤngstlich ums Herz ward, daß er mit Gewalt weg wollte, aber der gute Herr von dem adelichen Haus hatte inzwischen gesorgt, daß das Gericht un- sern schoͤnen Herrn Grafen in Gefaͤngniß nahm, sein Castell ausrottete, und seine Guͤter alle der Mamsell zu eigen gab, die nach der Hand mit dem Sohn des Hauses, wo sie so gut empfan- gen war, sich verheirathete und lange Jahre lebte. 74. Von Johannes-Wassersprung und Caspar-Wassersprung . Ein Koͤnig bestand darauf, seine Tochter sollte nicht heirathen, und ließ ihr in einem Wald in der groͤßten Einsamkeit ein Haus bauen, darin mußte sie mit ihren Jungfrauen wohnen, und bekam gar keinen andern Men- schen zu sehen. Nah an dem Waldhaus aber war eine Quelle mit wunderbaren Eigenschaf- ten, davon trank die Prinzessin, und die Folge war, daß sie zwei Prinzen gebar, die darnach Johannes-Wassersprung und Caspar-Wasser- sprung genannt wurden, und wovon einer dem andern vollkommen aͤhnlich war. Ihr Groß- vater, der alte Koͤnig, ließ sie die Jaͤgerei ler- nen, und sie wuchsen heran, wurden groß und schoͤn. Da kam die Zeit, wo sie in die Welt ziehen mußten; jeder von ihnen erhielt einen silbernen Stern, ein Pferd und einen Hund mit auf die Fahrt. Sie kamen zuerst in einen Wald, und sahen zugleich zwei Hasen und woll- ten darnach schießen, die Hasen aber baten um Gnade und sagten, sie moͤgten sie doch in ihre Dienste aufnehmen, sie koͤnnten ihnen nuͤtzlich seyn, und in jeder Gefahr Huͤlfe leisten. Die zwei Bruͤder ließen sich bewegen, und nahmen sie als Diener mit; nicht lang so kamen zwei Baͤren, wie sie auf die zielten, riefen die gleich- falls um Gnade, und versprachen treu zu die- nen: also ward auch damit das Gefolge ver- mehrt. Nun kamen sie auf einen Scheideweg, da sprachen sie: „wir muͤssen uns trennen, und der eine soll rechts, der andere links weiter zie- hen!“ aber jeder steckte ein Messer in einen Baum am Scheideweg, an deren Rost wollten sie erkennen, wie es dem andern ergehe, und ob er noch lebe; dann nahmen sie Abschied, kuͤß- ten einander und ritten fort. Johannes-Wassersprung kam in eine Stadt, da war alles still und traurig, weil die Prin- zessin einem Drachen sollte geopfert werden, der das ganze Land verwuͤstete, und anders nicht konnte besaͤnftigt werden. Es war bekannt ge- macht, wer sein Leben daran wagen wolle und den Drachen toͤdte, der solle die Prinzessin zur Gemahlin haben, niemand aber hatte sich ge- funden; auch hatte man das Unthier hinterge- hen wollen, und die Kammerjungfer der Prin- zessin hinausgeschickt, aber die hatte es gleich erkannt und nicht gewollt. Johannes-Wasser- sprung dachte: du mußt dein Gluͤck auf die Probe stellen, vielleicht gelingt dirs und machte sich mit seiner Begleitung auf, gegen das Dra- chennest. Der Kampf war gewaltig: der Dra- che spie Feuer und Flammen, und zuͤndete das Gras rings herum an, so daß Johannes-Was- sersprung gewiß erstickt waͤre, wenn nicht Has, Hund und Baͤr das Feuer ausgetreten und ge- daͤmpft haͤtten; endlich mußte der Drache aber unterliegen, und Johannes-Wassersprung hieb ihm seine sieben Koͤpfe herunter, dann schnitt er die Zungen heraus und steckte sie zu sich; nun aber war er so muͤd, daß er sich auf der Stelle niederlegte und einschlief. Waͤhrend er da schlief, kam der Kutscher der Prinzessin, und als er den Mann da liegen sah, und die sieben Drachenkoͤpfe daneben, dachte er, das mußt du dir zu nutz machen, stach den Johannes-Wasser- sprung todt, und nahm die sieben Drachenkoͤpfe mit. Damit ging er zum Koͤnig, sagte, er ha- be das Ungeheuer getoͤdtet, die sieben Koͤpfe bringe er zum Wahrzeichen, und die Prinzessin ward seine Braut. Indessen kamen die Thiere des Johannes- Wassersprung, die nach dem Kampf sich in die Naͤhe gelagert und auch geschlafen hatten, wie- der zuruͤck und fanden ihren Herrn todt. Da sahen sie, wie die Ameisen, denen bei dem Kampf ihr Huͤgel zertreten war, ihre Todten mit dem Saft einer nahen Eiche bestrichen, wo- von sie sogleich wieder lebendig wurden. Der Baͤr ging und holte von dem Saft, und be- strich den Johannes-Wassersprung, davon er- holte er sich wieder, und in kurzem war er ganz frisch und gesund. Er gedachte nun an die Prinzessin, die er sich erkaͤmpft hatte, und eilte in die Stadt, da ward eben die Hochzeit mit dem Kutscher gefeiert, und die Leute sagten, der habe den siebenkoͤpfigen Drachen getoͤdtet. Hund und Baͤr liefen ins Schloß, wo ihnen die Prinzessin Braten und Wein um den Hals band, und ihren Dienern befahl, sie sollten den Thieren nachgehen, und den Mann, dem sie angehoͤrten zur Hochzeit laden. So kam Jo- hannes-Wassersprung auf die Hochzeit, und ge- rade ward die Schuͤssel mit den sieben Drachen- koͤpfen aufgetragen, die der Kutscher mitge- bracht hatte. Johannes-Wassersprung zog die sieben Zungen hervor, und legte sie dabei, da ward er als der rechte Drachentoͤdter erkannt, der Kutscher fortgejagt, und er der Gemahl der Prinzessin. Nicht lang darnach ging er auf die Jagd, und verfolgte einen Hirsch mit silbernem Ge- weih, er jagte ihm lange nach, konnte ihn aber nicht erreichen, und kam endlich zu einer alten Frau, und die verwandelte ihn sammt seinem Hund, Pferd und Baͤren in Stein. Indessen kam Caspar-Wassersprung zu dem Baum, wo- rin die beiden Messer standen und sah, daß das Messer seines Bruders verrostet war; sogleich beschloß er ihn aufzusuchen, ritt fort und kam in die Stadt, wo die Gemahlin seines Bruders lebte. Weil er aber diesem so aͤhnlich sah, hielt sie ihn fuͤr ihren rechten Mann, freute sich sei- ner Wiederkunft, und bestand darauf, daß er bei ihr bleiben sollte. Allein Caspar-Wasser- sprung zog weiter, fand seinen Bruder mit sei- ner Begleitung versteinert, und zwang die Frau, den Zauber aufzuheben. Darauf ritten die bei- den Bruͤder heim, und unterwegs machten sie aus, derjenige solle Gemahl der Prinzessin seyn, dem sie zuerst um den Hals fallen werde, und das geschah dem Johannes-Wassersprung. 75. Vogel Phoͤnix . Eines Tags ging ein reicher Mann spazie- ren an den Fluß, da kam ein kleines Kaͤstchen geschwommen, dies Kaͤstchen nahm er und mach- te den Deckel auf, da lag ein kleines Kind da- rin, welches er mit heim nahm und aufziehen ließ. Der Verwalter konnte aber das Kind nicht leiden, und einmal nahm ers mit sich in einem Kahn auf den Fluß, und als er mitten darin war, sprang er schnell heraus ans Land, und ließ das Kind allein im Kahn. Und der Kahn trieb immer fort, bis an die Muͤhle, da sah der Muͤller das Kind und erbarmte sich, nahm es heraus und erzog es in seinem Haus. Einmal aber kam von ungefaͤhr der Verwalter in dieselbe Muͤhle, erkannte das Kind und nahm es mit sich. Bald darauf gab er dem jungen Menschen einen Brief zu tragen an seine Frau, worin stand: „den Ueberbringer dieses Briefs sollst du den Augenblick umbringen.“ Unter- wegs aber begegnete dem jungen Menschen im Walde ein alter Mann, welcher sprach: weis' mir doch einmal den Brief, den du da in der Hand traͤgst! Da nahm er ihn, drehte ihn bloß einmal herum und gab ihn wieder, nun stand darin: dem Ueberbringer sollst du augenblicks unsere Tochter zur Frau geben! So geschah es, und als der Verwalter das hoͤrte, gerieth er in Aerger und sagte: „he, so geschwind gehts nicht, eh ich dir meine Tochter lasse, sollst du mir erst drei Federn vom Vogel Phoͤnix brin- gen.“ Der Juͤngling machte sich auf den Weg nach dem Vogel Phoͤnix, und an derselben Stelle im Wald begegnete ihm wieder derselbe alte Mann und sprach: geh den ganzen Tag weiter fort, Abends wirst du an einen Baum kommen, darauf zwei Tauben sitzen, die werden dir das weitere sagen! Wie er Abends an den Baum kam, saßen zwei Tauben drauf. Die eine Tau- be sprach: wer da zum Vogel Phoͤnix will, muß gehen den ganzen Tag, so wird er Abends an ein Thor kommen, das ist zugeschlossen. Die andere Taube sprach: unter diesem Baum liegt ein Schluͤssel von Gold, der schließt das Thor auf. Da fand er den Schluͤssel und schloß das Thor damit auf; hinterm Thor, da saßen zwei Maͤnner, der eine Mann sprach: wer den Vogel Phoͤnix sucht, muß einen großen Weg machen uͤber den hohen Berg, und dann wird er endlich in das Schloß kommen. Am Abend des dritten Tags langte er end- lich im Schloß an, da saß ein weißes Mamsell- chen, und sprach: was wollt ihr hier? — Ach, ich will mir gern drei Federn vom Vogel Phoͤnix holen. Sie sprach: ihr seyd in Lebensgefahr, denn wo euch der Vogel Phoͤnix gewahr wuͤr- de, fraͤße er euch auf mit Haut und Haar, doch will ich sehen, wie ich euch zu den drei Federn verhelfe, alle Tage kommt er hierher, da muß ich ihn mit einem engen Kamm kaͤmmen; ge- schwind hier unter den Tisch, der war rund um mit Tuch beschlagen. Indem kam der Vogel Phoͤnix heim, setzte sich oben auf den Tisch und sprach: ich witte- re, wittere Menschenfleisch! — „Ach was? ihr seht ja wohl, daß niemand hier ist“ — kaͤmm mich nun, sprach der Vogel Phoͤnix. Das weiße Mamsellchen kaͤmmte ihn nun, und er schlief daruͤber ein; wie er recht fest schlief, packte sie eine Feder, zog sie aus und warf sie unterm Tisch. Da wachte er auf: „was raufst du mich so? mir hat getraͤumt, es kaͤme ein Mensch und zoͤge mir eine Feder aus.“ Sie stellte ihn aber zufrieden, und so gings das anderemal und das drittemal. Wie der junge Mensch die drei Federn hatte, zog er damit heim und bekam nun seine Braut. 76. Die Nelke . Auf eine Zeit lebte ein Koͤnig, der wollte sich niemals verheirathen, da stand er einmal am Fenster, und sahe die Leute in die Kirche gehen, da war ein Maͤdchen darunter von sol- cher Schoͤnheit, daß er in einem Augenblick sei- nen Vorsatz aufgab, das Maͤdchen zu sich rief, und es zu seiner Gemahlin waͤhlte. Nach Ver- lauf eines Jahrs gebar sie einen Prinzen, da wußte der Koͤnig nicht, wen er zu Gevatter bitten sollte, endlich sagte er: „der erste, der mir begegnet, wer es ist, den bitte ich zu Ge- vatter;“ ging aus, und der erste, der ihm begeg- nete, das war ein armer alter Mann, den bat er auch darauf zu Gevatter. Der arme Mann sagte zu, bat sich aber aus, daß er das Kind allein in die Kirche trage, daß diese verschlossen werde und niemand zusehen duͤrfe; das ward ihm alles bewilligt. Der Koͤnig aber hatte ei- nen boͤsen, neugierigen Gaͤrtner, wie nun der alte Mann das Kind in die Kirche trug, schlich er sich nach und versteckte sich in den Baͤnken. Da sah er, wie der Alte das Kind vor den Altar trug, es segnete, und wie einer, der ge- heime Kraͤfte versteht, ihm die Gabe verlieh, daß alles, was es sich wuͤnsche, eintreffen solle. Der boͤse Gaͤrtner dachte gleich, welch' einen Vortheil er sich daraus verschaffen koͤnnte, wenn er das Kind haͤtte. Wie nun einmal die Koͤni- gin in dem Garten spazieren ging, und es auf dem Arme trug, riß er es weg, bestrich ihr den Mund mit Blut eines geschlachteten Huhns, und klagte sie bei dem Koͤnig an: er habe ge- sehen, wie sie ihr Kind in dem Garten getoͤdtet und aufgegessen. Der Koͤnig ließ sie ins Ge- faͤngniß werfen, der Gaͤrtner schickte das Kind weit weg zu einem Foͤrster in den Wald, der sollte es da groß ziehen. Der Prinz lernte die Jaͤgerei; der Foͤrster aber hatte eine schoͤne Toch- ter, Namens Lise, die zwei Kinder hatten ein- ander sehr lieb, und Lise entdeckte ihm, daß er ein Prinz sey, und alles was er wuͤnsche, das muͤsse eintreffen. Da kam bald darauf der Gaͤrt- ner zu dem Foͤrster, wie ihn der Prinz sah, verwuͤnschte er ihn gleich in einen Pudel, seine liebe Lise aber in eine Nelke, die steckte er vor, der Pudel aber mußte neben ihm her laufen: so ging er an seines Vaters Hof, und nahm als Jaͤger bei ihm Dienste. Er ward auch bald bei ihm beliebt, wie keiner von den an- dern Jaͤgern, weil er alles Wild schießen konn- te, denn er brauchte nur zu wuͤnschen, so kam es vor ihn hingelaufen. Fuͤr alle Dienste ver- langte er gar keinen Lohn, bloß eine Stube fuͤr sich, die er immer verschlossen hielt, auch wollte er fuͤr sein Essen selber sorgen. Das kam seinen Cameraden wunderlich vor, daß der umsonst diene, und einer schlich ihm nach und guckte durchs Schluͤsselloch, da sah er, wie der neue Jaͤger vor einem Tisch saß mit dem praͤch- tigsten Essen besetzt, und neben ihm ein schoͤnes Maͤd- Maͤdchen, und daß beide sehr freundlich und vergnuͤgt miteinander waren. Das Essen aber hatte sich der Prinz nur auf den Tisch gewuͤnscht, und das Maͤdchen war seine liebe Lise, die ver- wandelte er allezeit in ihre natuͤrliche Gestalt, und war in ihrer Gesellschaft, so oft er allein war, wenn er aber ausging, war es wieder eine Nelke, die in einem Glas mit Wasser stand. Die Jaͤger meinten, er muͤsse große Reichthuͤ- mer haben, und brachen, als er auf der Jagd war, in seine Stube ein, da fanden sie aber gar nichts, nur die Nelke vorm Fenster. Weil sie so schoͤn war, brachten sie diese zum Koͤnig, der trug auch einen so großen Gefallen daran, daß er sie von dem Jaͤger verlangte. Der woll- te sie aber um alles Gold nicht hingeben, weil es seine liebste Lise war, endlich, wie der Koͤ- nig darauf bestand, entdeckte er ihm alles, und daß er sein Sohn waͤre. Wie der Koͤnig das hoͤrte, freute er sich von Herzen, die Koͤnigin ward aus dem Gefaͤngniß befreit, und die treue Lise des Prinzen Gemahlin; der gottlose Gaͤrt- ner mußte zur Strafe ein Pudel bleiben, und ward von den Knechten unter den Tisch ge- stoßen. Kindermärchen. Z 77. Vom Schreiner und Drechsler . Ein Schreiner und ein Drechsler sollten ihr Meisterstuͤck machen. Da machte der Schreiner einen Tisch, der konnte von sich selbst schwim- men, der Drechsler Fluͤgel, mit denen man flie- gen konnte. Und alle sagten, daß dem Schrei- ner sein Kunststuͤck besser gelungen waͤre, der Drechsler nahm also seine Fluͤgel, that sie an und flog fort aus dem Land, von Morgen bis zu Abend in einem fort. In dem Land war ein junger Prinz, der sah ihn fliegen, und bat ihn, er moͤchte ihm doch seine paar Fluͤgel leihen, er wollts ihm gut lohnen. Der Prinz bekam also die Fluͤgel und flog, bis er in ein anderes Reich kam, da war ein Thurm mit vielen Lichtern erleuchtet, dabei senkte er sich nieder zur Erde, fragte nach der Ursache und hoͤrte, daß hier die allerschoͤnste Prinzessin der Welt wohnte. Nun wurde er hoͤchst neugierig, und als es Abend wurde, flog er in ein offenes Fenster hinein; wie sie aber nicht lange Zeit beisammen waren, wurde die Sache verrathen, und der Prinz sammt der Prinzessin sollten auf dem Scheiterhaufen sterben. Der Prinz nahm indessen seine Fluͤgel mit hinauf, und als die Flamme schon zu ihnen heraufschlug, band er sich die Fluͤgel um und entfloh mit der Prinzessin bis in sein Vater- land, da ließ er sich nieder, und weil jeder- mann uͤber seine Abwesenheit betruͤbt war, so gab er sich zu erkennen, und wurde zum Koͤnig erwaͤhlt. Nach einiger Zeit aber ließ der Vater der entfuͤhrten Prinzessin bekannt machen, daß der- jenige das halbe Koͤnigreich bekommen sollte, der ihm seine Tochter wiederbringe. Dies er- faͤhrt der Prinz, ruͤstet ein Heer aus und bringt die Prinzessin selbst ihrem Vater zu, den er zwingt, ihm sein Versprechen zu erfuͤllen. 78. Der alte Großvater und der Enkel . Es war einmal ein alter Mann, der konn- te kaum gehen, seine Knie zitterten, er hoͤrte und sah nicht viel und hatte auch keine Zahne mehr. Wenn er nun bei Tisch saß, und den Loͤffel kaum halten konnte, schuͤttete er Suppe auf das Tischtuch, und es floß ihm auch etwas wieder aus dem Mund. Sein Sohn und des- sen Frau ekelten sich davor, und deswegen mußte sich der alte Großvater endlich hinter den Ofen in die Ecke setzen, und sie gaben ihm sein Essen in ein irdenes Schuͤsselchen, und noch dazu nicht einmal satt, da sah er betruͤbt nach dem Tisch, Z 2 und die Augen wurden ihm naß. Einmal auch konnten seine zitterigen Haͤnde das Schuͤsselchen nicht fest halten, es fiel zur Erde und zerbrach. Die junge Frau schalt, er aber sagte nichts und seufzte nur. Da kauften sie ihm ein hoͤlzernes Schuͤsselchen fuͤr ein paar Heller, daraus mußte er nun essen: wie sie nun da so sitzen, so traͤgt der kleine Enkel von vier Jahren auf der Erde kleine Brettlein zusammen. „Was machst du da?“ fragt der Vater. „Ei, antwortete das Kind, ich mach ein Troͤglein, daraus sollen Va- ter und Mutter essen, wenn ich groß bin.“ Da sahen sich Mann und Frau eine Weile an, fangen endlich an zu weinen, holten alsofort den alten Großvater an den Tisch, und ließen ihn von nun an immer mit essen, sagten auch nichts, wenn er ein wenig verschuͤttete. 79. Die Wassernix . Ein Bruͤderchen und ein Schwesterchen spiel- ten an einem Brunnen, und wie sie so spiel- ten, plumpten sie beide hinein. Da war eine Wassernix, die sprach: „jetzt hab ich euch, jetzt sollt ihr mir brav arbeiten!“ und dem Maͤd- chen gab sie verwirrten, garstigen Flachs zu spin- nen, und Wasser mußte es in ein hohles Faß schleppen, der Jung aber sollte einen Baum mit einer stumpfen Axt hauen, und nichts zu essen bekamen sie, als steinharte Kloͤse. Da wurden zuletzt die Kinder so ungeduldig, daß sie war- teten, bis eines Sonntags die Nixe in der Kirche war, da flohen sie. Und als die Kirche vorbei war, sah die Nix, daß die Voͤgel ausge- flogen waren, und setzte ihnen mit großen Spruͤngen nach. Die Kinder erblickten sie aber von weitem, und das Maͤdchen warf eine Buͤr- ste hinter sich, das gab einen großen Buͤrsten- berg, mit tausend und tausend Stacheln, uͤber den die Nix mit großer Muͤh klettern mußte, endlich aber kam sie doch daruͤber. Wie das die Kinder sahen, warf der Knabe einen Kamm hinter sich, das gab einen großen Kammberg, mit tausend mal tausend Zinken, aber die Nix wußte sich daran festzuhalten, und kam zuletzt doch druͤber. Da warf das Maͤdchen einen Spiegel hinterwaͤrts, welches einen Spiegelberg gab, der war so glatt, so glatt, daß sie unmoͤg- lich druͤber konnte. Da dachte sie: ich will ge- schwind nach Haus gehen und meine Art ho- len, und den Spiegelberg entzwei hauen, bis sie aber wieder kam, und das Glas aufgehauen hatte, waren die Kinder laͤngst weit entflohen, und die Wassernix mußte sich wieder in ihren Brunnen trollen. 80. Von dem Tod des Huͤhnchens . Auf eine Zeit ging das Huͤhnchen mit dem Haͤhnchen in den Nußberg, waren da lustig und aßen Nuͤsse zusammen. Einmal aber fand das Huͤhnchen eine so große Nuß, daß es den Kern davon nicht verschlucken konnte, und blieb ihm im Hals stecken, so fest, daß ihm Angst ward, es muͤßte ersticken und schrie: „Haͤhnchen, ich bitt dich, lauf, was du kannst und hol mir Wasser, sonst ersticke ich.“ Das Haͤhnchen lief, was es konnte zum Brunnen, und sprach: „Born, du sollst mir Wasser geben, das Huͤhn- chen liegt auf den Nußberg und will ersticken an einem großen Nußkern.“ Der Brunnen antwortete: „lauf erst hin zur Braut und laß dir rothe Seide geben.“ Das Haͤhnchen lief zur Braut: „Braut, du sollst mir rothe Seide geben, rothe Seide will ich dem Brunnen ge- ben, der Brunnen soll mir Wasser geben, das Wasser will ich dem Huͤhnchen bringen, das liegt auf dem Nußberg und will ersticken an einem großen Nußkern.“ Die Braut antwor- tete: „lauf erst und hol mir mein Kraͤnzlein, das blieb an einer Weide haͤngen.“ Da lief das Haͤhnchen zur Weide und zog das Kraͤnz- lein von dem Ast, und bracht es der Braut und die Braut gab ihm rothe Seide dafuͤr, die bracht es dem Brunnen, der gab ihm Wasser dafuͤr, da bracht das Haͤhnchen das Wasser zum Huͤhnchen, wie es aber hinkam, da war dieweil das Huͤhnchen erstickt und lag da todt, und regte sich nicht. Da war das Haͤhnchen so traurig, daß es laut schrie, und kamen alle Thiere und beklagten das Huͤhnchen, und sechs Maͤuse bauten einen kleinen Wagen, das Huͤhn- chen darin zum Grab zu fahren, und als der Wagen fertig war, spannten sie sich davor, das Haͤhnchen aber fuhr. Auf dem Weg aber kam Fuchs: „wo willst du hin, Haͤhnchen?“ — „Ich will mein Huͤhnchen begraben.“ — „Darf ich mitfahren?“ „Ja aber setz dich hinten auf den Wagen, „vorne koͤnnens meine Pferdchen nicht vertra- gen.“ Da setzte sich der Fuchs hinten auf, dann der Wolf, der Baͤr, der Hirsch, der Loͤwe und alle Thiere in dem Wald. So ging die Fahrt fort, da kamen sie an einen Bach. „Wie sollen wir nun hinuͤber?“ sagte das Haͤhnchen. Da war ein Strohhalm, der sagte: „ich will mich queer druͤber legen, da koͤnnt ihr uͤber mich fahren;“ wie aber die sechs Maͤuse darauf waren, rutsch- te der Strohhalm und fiel ins Wasser, und die sechs Maͤuse fielen alle hinein und ertranken. Die Noth ging von neuem an, da kam eine Kohle und sagte: „ich bin groß genug, ich will mich daruͤber legen, und Ihr sollt uͤber mich fahren.“ Die Kohle legte sich auch an das Wasser, aber sie beruͤhrte es ungluͤcklicher Weise ein wenig, da zischte sie, verloͤschte und war todt. Wie das ein Stein sah, wollte er dem Haͤhnchen helfen, und legte sich uͤber das Was- ser, da zog nun das Haͤhnchen den Wagen sel- ber, wie es ihn aber bald druͤben hatte, und war mit dem todten Huͤhnchen auf dem Land und wollte die andern, die hintenauf saßen auch heraufziehen, da waren ihrer zu viel geworden, und der Wagen fiel zuruͤck, und alles fiel mit- einander in das Wasser und ertrank. Da war das Haͤhnchen noch allein mit dem todten Huͤhn- chen, und grub ihm da ein Grab, und legte es hinein, und machte einen Huͤgel daruͤber, auf den setzte es sich und graͤmte sich so lang, bis es auch starb; und da war alles todt. 81. Der Schmidt und der Teufel . Es war einmal ein Schmidt, der lebte gu- ter Dinge, verthat sein Geld, processirte viel und wie ein paar Jahr herum waren, hatte er keinen Heller mehr im Beutel. Was soll ich mich lang quaͤlen auf der Welt, dachte er, ging hinaus in den Wald und wollt' sich da an ei- nen Baum haͤngen. Wie er eben den Hals in die Schlinge steckte, kam ein Mann hinter dem Baum hervor mit einem langen weißen Bart und einem großen Buch in der Hand. Hoͤr Schmidt, sprach er, schreib deinen Namen da in das große Buch, so soll dirs wohlgehen zehn Jahre lang, aber darnach bist du mein, da hol ich Dich.“ — „Wer bist du?“ sprach der Schmid — „Ich bin der Teufel.“ — „Was kannst du“ — „Ich kann mich so groß machen als eine Tanne, und so klein als eine Maus“ — „So thus einmal, daß ichs sehe,“ sagte der Schmid, da machte sich der Teufel so groß wie eine Tanne und so klein wie eine Maus. „Es ist gut sprach der Schmid, gib das Buch her, ich will mich hineinschreiben“ — Als er sich unterschrieben sagte der Teufel: Geh nur nach Haus, du wirst Kisten und Kasten voll finden, und weil du keine lange Umstaͤnde gemacht hast, so will ich dich auch in der Zeit einmal besu- chen. Der Schmid ging heim, da waren alle Taschen, Kasten und Kisten voll Ducaten, und er mogte soviel davon nehmen als er wollte, es ward nicht all, und auch nicht weniger; da fing er sein lustiges Leben von vorne an, lud seine Kameraden ein, und war der vergnuͤgteste Kerl von der Welt. Ein paar Jahre darauf sprach der Teufel einmal bei ihm ein, als er verheißen, sah zu wie die Wirthschaft ging, und schenkte ihm beim Abschied einen ledernen Sack, wer da hinein sprang, der konnte nicht wieder heraus, bis ihn der Schmid selber wieder her- aus holte; damit trieb dieser seinen Spaß. Nach den zehn Jahren aber kam der Teufel und sprach zum Schmidt „die Zeit ist herum, jetzt bist du mein, mach dich reisefertig.“ „Es ist gut, sprach der Schmidt, hing seinen ledernen Sack um den Ruͤcken und ging mit dem Teu- fel fort; als sie in den Wald kamen, zu der Stelle wo er sich aufhaͤngen wollte, sprach er zum Teufel: „ich muß auch gewiß wissen, daß du der Teufel bist, mach dich erst wieder so groß wie eine Tanne und so klein wie eine Maus. Der Teufel war bereit und thats, und wie er sich in eine Maus verwandelt hatte, packte ihn der Schmid und steckte ihn in den Sack, dann schnitt er sich einen Stock von dem naͤchsten Baum, warf den Sack hin und pruͤ- gelte auf den Teufel los. Der Teufel schrie erbaͤrmlich, lief in der Tasche hin und her aber umsonst, er konnte nicht heraus. Endlich sagte der Schmid ich will dich loslassen, wenn du mir das Blatt aus deinem großen Buch wieder giebst, auf das ich meinen Namen geschrieben. Der Teufel wollte nicht, doch endlich mußt' er daran, da ward das Blatt herausgerissen und der Teufel ging heim in die Hoͤlle, aͤrgerte sich, daß er betrogen und obendrein gepruͤgelt war. Der Schmid ging auch wieder zu seiner Schmiede und lebte vergnuͤgt fort, so lang Gott wollte, endlich ward er krank und als er seinen Tod merkte, befahl er, man sollte ihm nur zwei gute, lange, spitze Naͤgel und einen Hammer mit in den Sarg geben. Das geschah auch. Wie er nun gestorben war und vor die Him- melsthuͤr kam, klopfte er an, aber der Apostel Petrus wollt ihm nicht aufschließen, weil er mit dem Teufel im Bund gelebt haͤtte. Wie der Schmidt das hoͤrte, dreht er sich um und ging zur Hoͤlle. Der Teufel aber wollt ihn auch nicht einlassen, er begehre ihn nicht in der Hoͤlle, da fange er doch nur Spectakel an. Der Schmidt ward boͤs und hub an vor dem Hoͤl- lenthor Laͤrmen zu machen, ein Teufelchen ward neugierig und wollte sehen, was der Schmidt treibe, also machte es ein wenig das Thor auf, guckte heraus, der Schmid aber packte es ge- schwind bei der Nase und nagelte es an dieser mit dem einen Nagel, den er bei sich hatte, an das Hoͤllenthor fest. Das Teufelchen fing an zu kreischen wie ein Krautloͤwe, da ward noch ein anderes an das Thor gelockt, das steckte auch den Kopf heraus, aber der Schmid war nicht faul, kriegte es am Ohr und nagelte es mit diesem neben das erste. Da fingen nun beide ein solches entsetzliches Geschrei an, daß der alte Teufel selber gelaufen kam, und wie er die zwei Teufelchen festgenagelt sah, ward er bitter- boͤs, daß er vor Bosheit anfing zu weinen, herumsprang, in den Himmel zum lieben Gott lief, und sagte, er muͤsse den Schmid in den Himmel nehmen, es moͤge gehen, wie es wolle, der nagle ihm die Teufel alle an den Nasen und Ohren an, und er sey nicht mehr Herr in der Hoͤlle. Wollte nun der liebe Gott und der Apostel Petrus den Teufel los werden, so muß- ten sie den Schmid in den Himmel nehmen, da sitzt er nun in guter Ruh, wie aber die beiden Teufelchen losgekommen, das weiß ich nicht. 82. Die drei Schwestern . Es war einmal ein reicher Koͤnig, der war so reich, daß er glaubte sein Reichthum koͤnne gar nicht all werden, da lebte er in Saus und Braus, spielte auf goldenem Brett und mit silbernen Kegeln, und als das eine Zeit lang gewaͤhrt hatte, da nahm sein Reichthum ab und darnach verpfaͤndete er eine Stadt und ein Schloß nach dem andern, und endlich blieb nichts mehr uͤbrig, als ein altes Waldschloß. Dahin zog er nun mit der Koͤnigin und den drei Prinzessin- nen und sie mußten sich kuͤmmerlich erhalten und hatten nichts mehr als Kartoffeln, die ka- men alle Tage auf den Tisch. Einmal wollte der Koͤnig auf die Jagd, ob er etwa einen Ha- sen schießen koͤnnte, steckte sich also die Tasche voll Kartoffeln und ging aus. Es war aber in der Naͤhe ein großer Wald, in den wagte sich kein Mensch, weil fuͤrchterliche Dinge erzaͤhlt wurden, was einem all darin begegne: Baͤren, die die Menschen auffraͤßen, Adler die die Au- gen aushackten, Woͤlfe, Loͤwen und alle grausa- men Thiere. Der Koͤnig aber fuͤrchtete sich kein bischen und ging geradezu hinein. Anfangs sah er gar nichts, große maͤchtige Baͤume stan- den da, aber es war alles still darunter; als er so eine Weile herumgegangen und hungrig ge- worden war, setzte er sich unter einen Baum und wollte seine Kartoffeln essen, da kam auf einmal aus dem Dickicht ein Baͤr hervor, trabte gerade auf ihn los und brummte: „was un- terstehst du dich bei meinem Honigbaum zu sitzen? das sollst du mir theuer bezahlen!“ der Koͤnig erschrack, reichte dem Baͤren seine Kar- toffeln, und wollte ihn damit besaͤnftigen. Der Baͤr aber fing an zu sprechen und sagte „deine Kartoffeln, mag ich nicht, ich will dich selber fressen und davon kannst du dich nicht anders er- retten, als daß du mir deine aͤltste Tochter giebst, wenn du das aber thust, geb ich dir noch oben- drein einen Centner Gold.“ Der Koͤnig in der Angst gefressen zu werden, sagte, die sollst du haben, laß mich nur in Frieden. Da wies ihm der Baͤr den Weg, und brummte noch hinten- drein: „in sieben Tagen komm ich und hol meine Braut.“ Der Koͤnig aber ging getrost nach Haus und dachte, der Baͤr wird doch nicht durch ein Schluͤsselloch kriechen koͤnnen, und weiter soll ge- wiß nichts offen bleiben. Da ließ er alle Thore verschließen, die Zugbruͤcken aufziehen, und hieß seine Tochter gutes Muths seyn, damit sie aber recht sicher vor dem Baͤrenbraͤutigam war, gab er ihr ein Kaͤmmerlein hoch unter der Zinne, darin sollte sie versteckt bleiben, bis die sieben Tage herum waͤren. Am siebenten Morgen aber ganz fruͤh, wie noch alles schlief, kam ein praͤch- tiger Wagen mit sechs Pferden bespannt und von vielen goldgekleideten Reutern umringt nach dem Schloß gefahren, und wie er davor war, ließen sich die Zugbruͤcken von selber herab und die Schloͤsser sprangen ohne Schluͤssel auf. Da fuhr der Wagen in den Hof und ein jun- ger schoͤner Prinz stieg heraus, und wie der Koͤ- nig von dem Laͤrm aufwachte und zum Fenster hinaus sah, sah er, wie der Prinz schon seine aͤlteste Tochter oben aus dem verschlossenen Kaͤm- merlein geholt und eben in den Wagen hob, und er konnte ihr nur noch nachrufen: „Ade! du Fraͤulein traut, Fahr hin, du Baͤrenbraut!“ Sie winkte ihm mit ihrem weißen Tuͤchlein noch aus dem Wagen, und dann gings fort, als waͤr der Wind vorgespannt, immer in den Zau- berwald hinein. Dem Koͤnig aber wars recht schwer ums Herz, daß er seine Tochter an einen Baͤren hingegeben hatte, und weinte drei Tage mit der Koͤnigin, so traurig war er. Am vier- ten Tag aber als er sich ausgeweint hatte, dachte er, was geschehen, ist einmal nicht zu aͤndern, stieg hinab in den Hof, da stand eine Kiste von Ebenholz und war gewaltig schwer zu heben, alsbald fiel ihm ein, was ihm der Baͤr versprochen hatte, und machte sie auf, da lag ein Centner Goldes darin und glimmerte und flimmerte. Wie der Koͤnig das Gold erblickte, ward er getroͤstet und loͤste seine Staͤdte und sein Reich ein, und fing das vorige Wohlleben von vorne an. Das dauerte so lang als der Cent- ner Gold dauerte, darnach mußte er wieder alles verpfaͤnden und auf das Waldschloß zuruͤckzie- hen und Kartoffeln essen. Der Koͤnig hatte noch einen Falken, den nahm er eines Tags mit hinaus auf das Feld und wollte mit ihm jagen, damit er etwas Besseres zu essen haͤtte. Der Falk stieg auf, und flog nach dem dunkeln Zauberwald zu, in den sich der Koͤnig nicht mehr getraute, kaum aber war er dort so schoß ein Adler hervor und verfolgte den Falken, der zum Koͤnig floh. Der Koͤnig wollte mit seinem Spieß den Adler abhalten, der Adler aber packte den Spieß und zerbrach ihn wie ein Schilfrohr, dann zerdruͤckte er den Falken mit einer Kralle, die andern aber hackte er dem Koͤnig in die Schulter und rief: „warum stoͤrst du mein Luftreich, dafuͤr sollst du sterben oder du giebst mir deine zweite Tochter zur Frau!“ der Koͤnig sagte: ja die sollst du haben, aber was giebst du mir dafuͤr?“ — Zwei Centner Gold sprach der Adler, und in sieben Wochen komm ich, und hol sie ab;“ dann ließ er ihn los und flog fort in den Wald. Der Koͤnig war betruͤbt, daß er seine zweite Tochter auch einem wilden Thiere verkauft hatte und getraute sich nicht ihr etwas davon zu sa- gen. Sechs Wochen waren herum, in der sie- benten ging die Prinzessin hinaus auf einen Rasenplatz vor der Burg und wollte ihre Lein- wand begießen, da kam auf einmal ein praͤchti- ger Zug von schoͤnen Rittern und zuvorderst ritt der allerschoͤnste, der sprang ab und rief: „schwing, schwing dich auf, du Fraͤulein traut, komm mit, du schoͤne Adlerbraut!“ und eh sie ihm antworten konnte, hatte er sie schon aufs Roß gehoben und jagte mit ihr in den Wald hinein als floͤg ein Vogel: Ade! Ade!! In der Burg warteten sie lang auf die Prin- Prinzessin aber die kam nicht und kam nicht, da entdeckte der Koͤnig endlich daß er einmal in der Noth sie einem Adler versprochen, und der werde sie geholt haben. Als aber bei dem Koͤnig die Traurigkeit ein wenig herum war, fiel ihm das Versprechen des Adlers ein und er ging hinab, und fand auf dem Rasen zwei gold- ne Eier, jedes einen Centner schwer. Wer Gold hat, ist fromm genug, dachte er, und schlug sich alle schwere Gedanken aus dem Sinn! Da fing das lustige Leben von neuem an, und waͤhrte so lang, bis die zwei Centner Gold auch durchge- bracht waren, dann kehrte der Koͤnig wieder ins Waldschloß zuruͤck, und die Prinzessin, die noch uͤbrig war, mußte die Kartoffeln sieden. Der Koͤnig wollte keine Hasen im Wald und keine Voͤgel in der Luft mehr jagen, aber einen Fisch haͤtt er gern gegessen. Da mußte die Prinzessin ein Netz stricken, damit ging er zu einem Teich, der nicht weit von dem Wald lag. Weil ein Nachen darauf war, setzte er sich ein, und warf das Netz, da fing er auf einen Zug eine Menge schoͤner rothgefleckter Forellen. Wie er aber damit ans Land wollte, stand der Nachen fest und er konnte ihn nicht los kriegen, er mochte sich stellen wie er wollte. Da kam auf einmal ein gewaltiger Wallfisch daher ge- schnaubt: „was faͤngst du mir meine Untertha- nen weg, das soll dir dein Leben kosten!“ dabei Kindermärchen. A a sperrte er seinen Rachen auf, als wollte er den Koͤnig sammt dem Nachen verschlingen. Wie der Koͤnig den entsetzlichen Rachen sah, verlor er allen Muth, da fiel ihm seine dritte Tochter ein und er rief: „schenk mir das Leben und du sollst meine juͤngste Tochter haben“ — Meint- wegen brummte der Wallfisch, ich will dir auch etwas dafuͤr geben; Gold hab ich nicht, das ist mir zu schlecht, aber der Grund meines Sees ist mit Zahlperlen gepflastert, davon will ich dir drei Saͤcke voll geben: im siebenten Mond komm ich und hol meine Braut.“ Dann tauchte er unter. Der Koͤnig trieb nun ans Land und brachte seine Forellen heim, aber als sie gebacken wa- ren, wollt' er keine davon essen, und wenn er seine Tochter ansah, die einzige die ihm noch uͤbrig war und die schoͤnste und liebste von allen, wars ihm, als zerschnitten tausend Messer sein Herz. So gingen sechs Monat herum, die Koͤ- nigin und die Prinzessin wußten nicht, was dem Koͤnig fehle, der in all der Zeit keine vergnuͤgte Miene machte In siebenten Mond stand die Prinzessin gerade im Hof vor einem Roͤhrbrun- nen und ließ ein Glas voll laufen, da kam ein Wagen mit sechs weißen Pferden und ganz sil- bernen Leuten angefahren, und aus dem Wagen stieg ein Prinz, so schoͤn, daß sie ihr Lebtag kei- nen schoͤnern gesehen hatte, und bat sie um ein Glas Wasser. Und wie sie ihm das reichte, das sie in der Hand hielt, umfaßte er sie und hob sie in den Wagen, und dann gings wieder zum Thor hinaus, uͤber das Feld nach dem Teich zu. Ade, du Fraͤulein traut, fahr hin, du schoͤne Wallfischbraut! Die Koͤnigin stand am Fenster und sah den Wagen noch in der Ferne, und als sie ihre Toch- ter nicht sah, fiels ihr schwer aufs Herz, und sie rief und suchte nach ihr allenthalben; sie war aber nirgends zu hoͤren und zu sehen. Da war es gewiß und sie fing an zu weinen und der Koͤnig entdeckte ihr nun: ein Wallfisch werde sie geholt haben, dem hab' er sie versprechen muͤs- sen, und darum waͤre er immer so traurig ge- wesen; er wollte sie auch troͤsten, und sagte ihr von dem großen Reichthum, den sie dafuͤr be- kommen wuͤrden, die Koͤnigin wollt aber nichts davon wissen und sprach, ihr einziges Kind sey ihr lieber gewesen, als alle Schaͤtze der Welt. Waͤhrend der Wallfischprinz die Prinzessin geraubt, hatten seine Diener drei maͤchtige Saͤcke in das Schloß getragen, die fand der Koͤnig an der Thuͤr stehen, und als er sie aufmachte, waren sie voll schoͤner großer Zahlperlen, so groß, wie die dicksten Erbsen. Da war er auf einmal wieder reich und reicher, als er je gewesen; er loͤste seine Staͤdte und Schloͤßer ein, aber das Wohlleben fing er nicht wieder an, sondern war A a 2 still und sparsam und wenn er daran dachte, wie es seinen drei lieben Toͤchtern bei den wil- den Thieren ergehen moͤgte, die sie vielleicht schon aufgefressen haͤtten, verging ihm alle Lust. Die Koͤnigin aber wollt sich gar nicht troͤ- sten lassen und weinte mehr Thraͤnen um ihre Tochter, als der Wallfisch Perlen dafuͤr gege- ben hatte. Endlich wards ein wenig stiller, und nach einiger Zeit ward sie wieder ganz vergnuͤgt, denn sie brachte einen schoͤnen Knaben zur Welt und weil Gott das Kind so unerwartet geschenkt hatte, ward es Reinald, das Wunderkind, ge- nannt. Der Knabe ward groß und stark, und die Koͤnigin erzaͤhlte ihm oft von seinen drei Schwestern, die in dem Zauberwald von drei Thieren gefangen gehalten wuͤrden. Als er sechszehn Jahr alt war verlangte er von dem Koͤnig Ruͤstung und Schwert, und als er es nun erhalten, wollte er auf Abentheuer ausgehen, ge- segnete seine Eltern, und zog fort. Er zog aber geradezu nach dem Zauberwald und hatte nichts anders im Sinn als seine Schwestern zu suchen. Anfangs irrte er lange in dem großen Walde herum, ohne einem Men- schen oder einem Thiere zu begegnen. Nach drei Tagen aber sah er vor einer Hoͤhle eine junge Frau sitzen und mit einem jungen Baͤren spielen: einen andern, ganz jungen, hatte sie auf ihrem Schooß liegen: Reinald dachte, das ist gewiß meine aͤltste Schwester, ließ sein Pferd zuruͤck, und ging auf sie zu: „liebste Schwester, ich bin dein Bruder Reinald und bin gekom- men dich zu besuchen.“ Die Prinzessin sah ihn an, und da er ganz ihrem Vater glich, zweifelte sie nicht an seinen Worten erschrack und sprach: ach liebster Bruder, eil und lauf fort, was du kannst, wenn dir dein Leben lieb ist, kommt mein Mann, der Baͤr, nach Haus und findet dich, so frißt er dich ohne Barmherzigkeit.“ Reinald aber sprach: ich fuͤrchte mich nicht und weiche auch nicht von dir, bis ich weiß, wie es um dich steht. Wie die Prinzessin sah, daß er nicht zu bewegen war, fuͤhrte sie ihn in ihre Hoͤle, die war finster und wie eine Baͤrenwoh- nung; auf der einen Seite lag ein Haufen Laub und Heu, worauf der Alte und seine Jungen schliefen, aber auf der andern Seite stand ein praͤchtiges Bett, von rothem Zeug mit Gold, das gehoͤrte der Prinzessin. Unter das Bett hieß sie ihn kriechen, und reichte ihm etwas hin- unter zu essen. Es dauerte nicht lang so kam der Baͤr nach Haus: „ich wittre, wittre Men- schenfleisch und wollte seinen dicken Kopf unter das Bett stecken. Die Prinzessin aber rief:“ sey ruhig, wer soll hier hinein kommen! „Ich hab ein Pferd im Wald gefunden und gefressen“ brummte er, und hatte noch eine blutige Schnau- ze davon, „dazu gehoͤrt ein Mensch und den riech ich“ und wollte wieder unter das Bett. Da gab sie ihm einen Fußtritt in den Leib, daß er einen Burzelbaum machte, auf sein La- ger ging, die Tatze ins Maul nahm und einschlief. Alle sieben Tage war der Baͤr in seiner natuͤrlichen Gestalt und ein schoͤner Prinz, und seine Hoͤhle ein praͤchtiges Schloß und die Thiere im Wald, waren seine Diener. An ei- nem solchen Tage hatte er die Prinzessin ab- geholt; schoͤne junge Frauen kamen ihr vor dem Schloß entgegen, es war ein herrliches Fest und sie schlief in Freuden ein, aber als sie er- wachte, lag sie in einer dunkeln Baͤrenhoͤle und ihr Gemahl war ein Baͤr geworden und brumm- te zu ihren Fuͤßen, nur das Bett und alles was sie angeruͤhrt hatte, blieb in seinem natuͤr- lichen Zustand unverwandelt. So lebte sie sechs Tage in Leid aber am siebenten ward sie getroͤ- stet, und da sie nicht alt ward und nur der eine Tag ihr zugerechnet wurde, so war sie zu- frieden mit ihrem Leben. Sie hatte ihrem Ge- mahl zwei Prinzen geboren, die waren auch sechs Tage lang Baͤren und am siebenten in menschlicher Gestalt. Sie steckte sich jedesmal hr Bettstroh voll von den koͤstlichsten Speisen Kuchen und Fruͤchten, davon lebte sie die ganze Woche, und der Baͤr war ihr auch gehorsam und that, was sie wollte. Als Reinald erwachte, lag er in einem sei- denen Bett, Diener kamen ihm aufzuwarten und ihm die reichsten Kleider anzuthun, denn es war gerade der siebente Tag eingefallen. Seine Schwester mit zwei schoͤnen Prinzen und sein Schwager Baͤr traten ein, und fre u ten sich sei- ner Ankunft. Da war alles in Pracht und Herrlichkeit und der ganze Tag voll Lust und Freude; am Abend aber sagte die Prinzessin: lieber Bruder, nun mach daß du fort kommst, mit Tages Anbruch nimmt mein Gemahl wie- der Baͤrengestalt an, und findet er dich morgen noch hier, kann er seiner Natur nicht widerste- hen und frißt dich auf.“ Da kam der Prinz Baͤr und gab ihm drei Baͤrenhaare, und sagte; wenn du in Noth bist so reib daran, und ich will dir zu Huͤlfe kommen.“ Darauf kuͤßten sie sich und nahmen Abschied, und Reinald stieg in einen Wagen mit sechs Rappen bespannt und fuhr fort. So gings uͤber Stock und Stein, Berg auf Berg ab, durch Wuͤsten und Waͤlder, Horst und Hecke, ohne Ruh und Rast, bis gegen Mor- gen, als der Himmel anfing grau zu werden, da lag Reinald auf einmal auf der Erde und Roß und Wagen war verschwunden, und beim Morgenroth erblickte er sechs Ameisen, die gal- loppirten dahin und zogen eine Nußschale. Reinald sah daß er noch in dem Zauber- wald war, und wollte seine zweite Schwester suchen. Wieder drei Tage irrte er umsonst in der Einsamkeit, am vierten aber hoͤrte er einen großen Adler daher rauschen, der sich auf ein Nest niederließ. Reinald stellte sich ins Ge- buͤsch und wartete bis er wieder wegflog, nach sieben Stunden hob er sich auch wieder in die Hoͤhe. Da kam Reinald hervor, trat vor den Baum und rief: „liebste Schwester bist du dro- ben, so laß mich deine Stimme hoͤren, ich bin Reinald dein Bruder, und bin gekommen dich zu besuchen!“ Da hoͤrte er es herunter rufen, „bist du Reinald mein liebster Bruder, den ich noch nicht gesehen habe, so komm herauf zu mir.“ Reinald wollte binauf klettern aber der Stamm war zu dick und glatt, dreimal ver- suchte ers, aber umsonst, da fiel eine seidene Strickleiter hinab, auf der stieg er bald zu dem Adlernest, das war stark und fest, wie eine Al- tane auf einer Linde. Seine Schwester saß un- ter einem Thronhimmel von rosenfarbener Sei- de und auf ihrem Schooß lag ein Adlerei, das hielt sie warm und wollt es ausbruͤten. Sie kuͤßten sich und freuten sich, aber nach einer Weile sprach die Prinzessin: „nun eil, liebster Bruder, daß du fort kommst, sieht dich der Ad- ler, mein Gemahl, so hackt er dir die Augen aus und frißt dir das Herz ab, wie er dreien deiner Diener gethan, die dich im Walde such- ten.“ Reinald sagte, „nein ich bleibe hier, bis dein Gemahl verwandelt wird“ — „Das geschieht erst in sechs Wochen, doch wenn du es aushalten kannst, steck dich in den Baum, der inwendig hohl ist, ich will dir alle Tage Essen hinunter reichen. Reinald kroch in den Baum, die Prinzessin ließ ihm alle Tage Essen hinunter, und wenn der Adler wegflog, kam er herauf zu ihr. Nach sechs Wochen geschah die Umwandlung, da erwachte Reinald wieder in einem Bett, wie bei seinem Schwager Baͤr, nur daß alles noch praͤchtiger war, und er lebte sieben Tage bei dem Adlerprinz in aller Freude. Am siebenten Abend nahmen sie Abschied, der Adler gab ihm drei Adlerfedern und sprach: wenn du in Noth bist, so reib daran, und ich will dir zu Huͤlfe kommen.“ Dann gab er ihm Diener mit, ihm den Weg zu zeigen, als aber der Morgen kam, waren sie auf einmal fort, und Reinald in einer furchtbaren Wildniß auf einer hohen Felsenwand allein. Reinald blickte um sich her, da sah er in der Ferne den Spiegel einer großen See, auf dem eben die ersten Sonnenstrahlen glaͤnzten. Er dachte an seine dritte Schwester, und daß sie dort seyn werde. Da fing er an hinabzu- steigen, und arbeitete sich durch die Buͤsche und zwischen den Felsen durch; drei Tage verbrachte er damit, und verlor oft den See aus den Augen, aber am vierten Morgen gelangte er hin. Er stellte sich an das Ufer und rief: „lieb- ste Schwester bist du darin, so laß mich deine Stimme hoͤren, ich bin Reinald dein Bruder und bin gekommen dich zu besuchen;“ aber es antwortete niemand, und war alles ganz still. Er broͤselte Brotkrumen ins Wasser und sprach zu den Fischen: „ihr lieben Fische, geht hin zu meiner Schwester und sagt ihr, daß Reinald das Wunderkind da ist und zu ihr will.“ Aber die rothgefleckten Forellen schnappten das Brot auf, und hoͤrten nicht auf seine Worte. Da sah er einen Nachen, alsbald warf er seine Ruͤstung ab, und behielt nur sein blankes Schwert in der Hand, sprang in das Schiff und ruderte fort. So war er lang geschwommen, als er ei- nen Schornstein von Bergkristall uͤber dem Was- ser ragen sah, aus dem ein angenehmer Geruch hervor stieg. Reinald ruderte darauf hin und dachte, da unten wohnt gewiß meine Schwester, dann setzte er sich in den Schornstein und rutsch- te hinab. Die Prinzessin erschrak recht als sie auf einmal ein paar Menschenbeine im Schorn- stein zappeln sah, bald kam ein ganzer Mann herunter, und gab sich als ihren Bruder zu er- kennen. Da freute sie sich von Herzen, dann aber ward sie betruͤbt und sagte: „der Wall- fisch, hat gehoͤrt, daß du mich aufsuchen willst, und hat geklagt, wenn du kaͤmst und er sey Wallfisch, koͤnne er seine Begierde dich zu fres- sen nicht widerstehen, und wuͤrde mein kristal- lenes Haus zerbrechen, und dann wuͤrde ich auch in den Wasserfluten umkommen.“ — „Kannst du mich nicht so lang verbergen, bis die Zeit kommt wo der Zauber vorbei ist.“ — „Ach nein wie sollte das gehen, siehst du nicht die Waͤnde sind alle von Kristall und ganz durchsichtig,“ doch sann sie und sann, endlich fiel ihr die Holz- kammer ein, da legte sie das Holz so kuͤnstlich daß von außen nichts zu sehen war und dahin- ein versteckte sie das Wunderkind. Bald darauf kam der Wallfisch und die Prinzessin zitterte wie Espenlaub, er schwamm ein paarmal um das Kristallhaus und als er ein Stuͤckchen von Reinalds Kleid aus dem Holz hervorgucken sah, schlug er mit dem Schwanz, schnaubte ge- waltig und wenn er mehr gesehen, haͤtte er ge- wiß das Haus eingeschlagen. Jeden Tag kam er einmal und schwamm darum, bis endlich im sie- benten Monat der Zauber aufhoͤrte. Da befand sich Reinald in einem Schloß, das an Pracht gar des Adlers seines uͤbertraf, und mitten auf einer schoͤnen Insel stand; nun lebte er er ei- nen ganzen Monat mit seiner Schwester und Schwager in aller Lust, als der aber zu Ende war, gab ihm der Wallfisch drei Schuppen und sprach: „wenn du in Noth bist, so reib daran und ich will dir zu Huͤlfe kommen“ und ließ ihn wieder ans Ufer fahren, wo er noch seine Ruͤstung f a nd. Das Wunderkind zog darauf sieben Tage in der Wildniß weiter und sieben Naͤchte schlief es unter freiem Himmel, da erblickte es ein Schloß mit einem Stahlthor und einem maͤch- tigen Schloß daran. Vorn aber ging ein schwar- zer Stier mit funkelnden Augen und bewachte den Eingang. Reinald ging auf ihn los und gab ihm auf den Hals einen gewaltigen Streich aber der Hals war von Stahl und das Schwert zerbrach darauf, als waͤre es Glas. Er wollte seine Lanze brauchen, aber die zerknickte wie ein Strohhalm und der Stier faßte ihn mit den Hoͤrnern und warf ihn in die Luft, daß er auf den Aesten eines Baums haͤngen blieb. Da besann sich Reinald in der Noth auf die drei Baͤrenhaare, rieb sie in der Hand und in dem Augenblick kam ein Baͤr daher getrabt, kaͤmpfte mit dem Stier und zerriß ihn. Aber aus dem Bauch des Stiers flog ein Entvogel in die Hoͤhe und eilig weiter; da rieb Reinald die drei Adlerfedern, alsbald kam ein maͤchtiger Adler durch die Luft und verfolgte den Vogel, der ge- rade nach einem Weiher floh, schoß auf ihn her- ab, und zerfleischte ihn; aber Reinald hatte ge- sehen, wie er noch ein goldnes Ei hatte ins Wasser fallen lassen. Da rieb er die drei Fisch- schuppen in der Hand, gleich kam ein Wall- fisch geschwommen, verschluckte das Ei und spie es ans Land. Reinald nahm es und schlug es mit einem Stein auf, da lag ein kleiner Schluͤs- sel darin, und das war der Schluͤssel, der die Stahlthuͤr oͤffnete. Und wie er sie nur damit beruͤhrte, sprang sie von selber auf, und er trat ein, und vor den andern Thuͤren schoben sich die Riegel von selber zuruͤck, und durch ihrer sieben trat er in sieben praͤchtige hellerleuchtete Kammern, und in der letzten Kammer lag eine Jungfrau auf einem Bett und schlief. Die Jungfrau war aber so schoͤn, daß er ganz ge- blendet davon ward, er wollte sie aufwecken, das war aber vergebens, sie schlief so fest als waͤre sie tod. Da schlug er vor Zorn auf eine schwarze Tafel, die neben dem Bett stand; in dem Augenblick erwachte die Jungfrau, fiel aber gleich wieder in den Schlaf zuruͤck, da nahm er die Tafel und warf sie auf den stei- nernen Boden, daß sie in tausend Stuͤcken zersprang. Kaum war das geschehen, so schlug die Jungfrau die Augen hell auf, und der Zau- ber war geloͤst. Sie war aber die Schwester von den drei Schwaͤgern Reinalds, und weil sie einem gottlosen Zauberer ihre Liebe versagt, hatte er sie in den Todesschlaf gesenkt, und ihre Bruͤder in Thiere verwandelt, und das sollte so lang waͤhren, als die schwarze Tafel unver- sehrt blieb. Reinald fuͤhrte die Jungfrau heraus und wie er vor das Thor kam, da ritten von drei Seiten seine Schwaͤger heran und waren nun erloͤst, und mit ihnen ihre Frauen und Kinder, und die Adlerbraut hatte das Ei ausgebruͤtet und ein schoͤnes Fraͤulein auf dem Arm; da zo- gen sie alle zu dem alten Koͤnig und der alten Koͤnigin, und das Wunderkind brachte seine drei Schwestern mit nach Haus, und bald vermaͤhlte es sich mit der schoͤnen Jungfrau; da war Freude und Lust in allen Ecken; und die Katz laͤuft nach Haus, mein Maͤhrchen ist aus. 83. Das arme Maͤdchen . Es war einmal ein armes, kleines Maͤd- chen, dem war Vater und Mutter gestorben, es hatte kein Haus mehr in dem es wohnen, und kein Bett mehr, in dem es schlafen konn- te, und nichts mehr auf der Welt, als die Klei- der, die es auf dem Leib trug, und ein Stuͤck- chen Brod in der Hand, das ihm ein Mitlei- diger geschenkt hatte; es war aber gar fromm und gut. Da ging es hinaus, und unterwegs begegnete ihm ein armer Mann, der bat es so sehr um etwas zu essen, da gab es ihm das Stuͤck Brod; dann ging es weiter, da kam ein Kind, und sagte: „es friert mich so an meinem Kopf, schenk mir doch etwas, das ich darum binde,“ da thaͤt es seine Muͤtze ab und gab sie dem Kind. Und als es noch ein bischen ge- gangen war, da kam wieder ein Kind, und hat- te kein Leibchen an, da gab es ihm seins; und noch weiter, da bat eins um ein Roͤcklein, das gab es auch von sich hin, endlich kam es in Wald, und es war schon dunkel geworden, da kam noch eins und bat um ein Hemdlein, und das fromme Maͤdchen dachte: es ist dunkele Nacht, da kannst du wohl dein Hemd wegge- ben, und gab es hin. Da fielen auf einmal die Sterne vom Himmel und waren lauter harte, blanke Thaler, und ob es gleich sein Hemdlein weggegeben, hatte es doch eins an, aber vom allerfeinsten Linnen, da sammelte es sich die Thaler hinein und ward reich fuͤr sein Lebtag. 84. Die Schwiegermutter . Es war ein Koͤnig und eine Koͤnigin, die hatte eine bitterboͤse Schwiegermutter. Einmal zog der Koͤnig ins Feld, da ließ die alte Koͤni- gin ihre Schwieger unten in einen dumpfigen Keller einsperren, und ihre zwei Soͤhnlein zu ihr. Eines Tags nun sprach sie zu sich selbst: ich haͤtte so Lust das eine von den Kindern zu essen, rief ihren Koch und hieß ihn hinunter- steigen, das eine Soͤhnlein zu nehmen, zu schlach- ten und zuzurichten. „Mit was fuͤr einer Bruͤhe?“ fragte der Koch. Mit einer braunen, sprach die alte Koͤnigin. Da ging der Koch in den Keller und sprach: „ach Frau Koͤnigin, die alte Frau Koͤnigin will haben, ich soll heut Abend Euren einen Sohn schlachten und kochen.“ Da war die junge Koͤnigin herzlich betruͤbt und sagte: ach, wollen wir nicht ein Schweinchen nehmen, das koch doch so, wie sies haben will, und sprich, es waͤ- re mein Kind gewesen. Der Koch that so und trug das Schwein- chen in brauner Bruͤhe auf, „da waͤre das Kind,“ und sie aß es auf mit großem Appetit. Bald darauf dachte die Alte: das Kinder- fleisch hat mir so zart geschmeckt, du willst das zweite auch essen, rief den Koch und hieß ihn in den Keller gehen, und den zweiten Sohn schlachten. „Mit was fuͤr einer Bruͤhe soll ich ihn kochen?“ ei, mit einer weißen, sprach die alte Koͤnigin. Der Koch ging hinunter und sagte: ach, die alte Frau Koͤnigin hat mich geheißen, daß ich nun auch euer zweites, kleines Soͤhnlein schlachten und kochen soll. Die junge Koͤnigin sprach sprach: nimm doch ein Spanferkelchen und koch es, wie sies gern haben will. Das that der Koch, und setzte es der Alten vor in einer weißen Bruͤhe, und sie speiste es mit noch groͤßerm Appetit. Endlich dachte die Alte: nun sind die Kin- der in meinem Leib, du willst nun auch die jun- ge Koͤnigin essen, rief den Koch und befahl ihm die junge Koͤnigin zu kochen. — — (Fragment: beim drittenmal schlachtet der Koch eine Hirschkuh. Nun hat aber die junge Königin ihre Noth, daß sie ihre Kinder vom Schreien abhält, damit die Alte nicht hört, sie seien noch am Leben u. s. w.) 85. Fragmente . a) Schneeblume. Eine junge Koͤnigstochter hieß Schneeblu- me, weil sie weiß, wie der Schnee war, und im Winter geboren. Eines Tags war ihre Mut- ter krank geworden, und sie ging in den Wald und wollte heilsame Kraͤuter brechen, wie sie nun an einem großen Baum voruͤber ging, flog ein Schwarm Bienen heraus und bedeckten ih- ren ganzen Leib von Kopf bis zu Fuͤßen. Aber sie stachen sie nicht und thaten ihr nicht weh, sondern trugen Honig auf ihre Lippen, und ihr ganzer Leib strahlte ordentlich von Schoͤn- heit. — — Kindermärchen. B b b) Prinzessin mit der Laus. Es war einmal eine Prinzessin, die war so reinlich, gewiß die reinlichste von der ganzen Welt, nie sah man den kleinsten Schmutz oder Flecken an ihr. Einmal aber fand man eine Laus auf ihrem Kopf sitzen, welches fuͤr ein wahres Wunder galt, und man wollte darum die Laus nicht umbringen, sondern beschloß sie mit Milch groß zu fuͤttern. Dies geschah, die Laus wuchs immer mehr, so daß sie endlich so groß wie ein Kalb war. Wie nun diese Laus starb, ließ ihr die Prinzessin das Fell abziehen und sich ein Kleid daraus machen. Kam nun ein Freier und hielt um sie an, so gab sie ihm aufzurathen, von welchem Thier das Fell waͤre, das sie zum Kleid trug. Da dies nun keiner rathen konnte, mußten sie alle abziehen. Endlich kam ein schoͤner Prinz auf folgende Art dahinter. — — c) Vom Prinz Johannes. Von seinem Wandeln in Sehnen und Weh- muth, von seinem Flug mit der Erscheinung, von der rothen Burg, von den vielen herzbe- wegenden Pruͤfungen, bis ihm der einzigste Anblick der schoͤnen Sonnenprinzessin gewaͤhrt wurde. d) der gute Lappen. Zwei Naͤthersmaͤdchen hatten nichts geerbt, als einen guten alten Lappen, der machte alles zu Gold, was man hineinwickelte, damit hatten sie genug und naͤhten dabei noch zu kleinem Verdienst. Die eine Schwester war sehr klug, die andere sehr dumm. Eines Tags, war die aͤlteste in die Kirche gegangen, da kam ein Jude die Straße her und rief: „schoͤne, neue Lappen zu verkaufen oder zu vertauschen gegen alte, nichts zu hand- len?“ Wie die dumme das hoͤrte, lief sie hin und vertauschte ihren guten alten Lappen fuͤr einen neuen; das wollte der Jud gerad, denn er kannte die Tugend des alten gar wohl. Als die aͤlteste nun heimkam, sprach sie: mit dem Naͤhverdienst geht's schlecht, ich muß uns ein bischen Geld schaffen, wo ist unser Lappen?“ „Desto besser,“ sprach die dumme, „ich hab' auch waͤhrend du aus warst einen neuen und frischen dafuͤr eingehandelt fuͤr den alten. — — (Nachher wird der Jude ein Hund, die zwei Maͤdchen Huͤhner, die Huͤh- ner aber endlich Menschen, und pruͤgeln den Hund zu Tode.) 86. Der Fuchs und die Gaͤnse . Der Fuchs kam einmal auf eine Wiese, wo eine Heerde schoͤner fetter Gaͤnse saß, da lachte er und sprach: „Ei, ich komme ja wie gerufen, ihr sitzt huͤbsch beisammen, da kann ich eine nach der andern auffressen.“ Die Gaͤnse gackten vor Schrecken, sprangen auf und fingen an gar klaͤg- lich um ihr Leben zu bitten, der Fuchs aber sprach: „da ist keine Gnade, ihr muͤßt sterben.“ Endlich nahm sich eine das Herz und sagte: „sol- len wir doch unser jung frisch Leben lassen, so er- zeig uns die einzige Gnade und erlaub' uns noch ein Gebet, damit wir nicht in unsern Suͤnden sterben, hernach wollen wir uns auch in eine Reihe stellen, damit du dir immer die fetteste aussuchen kannst.“ „Ja, sagte der Fuchs, das ist billig um eine fromme Bitte, betet, ich will so lange warten.“ Also fing die erste ein recht langes Ge- bet an: ga! ga! und weil sie gar nicht aufhoͤren wollte, wartete die zweite nicht, bis die Reihe an sie kam, sondern fing auch an ga! ga! (Und wenn sie alle ausgebetet haben, soll das Maͤrchen weiter erzaͤhlt werden, sie beten aber alleweile noch immer fort.) Anhang . Kindermärchen. A Zum Froschkoͤnig. No. 1. E ins der alleraͤltesten und schoͤnsten Maͤrchen, das man sonst in Deutschland unter dem Namen: von dem eisernen Heinrich besonders gekannt hat, nach dem treuen Bedienten, der sich sein kummer- volles Herz in Banden hatte legen lassen. Rol- lenhagen nennt es so unter den alten deutschen Hausmaͤrlein. Darauf bezieht sich auch, was Phi- lander v. Sittewald 3, 42. sagt: „dann ihr Herz stund in meiner Hand, fester als in ein eisen Band .“ Vom Band der Sorge ist noch allge- meiner und oͤfter Rede, vom Stein der auf dem Herzen liegt, schoͤn singt ein Minnedichter: „sie ist mir recht stahelhart in mein Herz gedruͤckt.“ Heinrich von Sax (1, 36.) sogar ausdruͤcklich: „mein Herze in Banden litt,“ und ein Lied von Heinrich dem Loͤwen Str. 59. „es lag ihr Herz in Banden.“ — Allein der Hauptsage nach lebt das Maͤrchen auch in Schottland fort. In the complaynt of Scotland geschrieben 1548. wird unter andern alten Erzaͤhlungen the tale of the wolf of the warldis end genannt, das leider ganz verloren gegangen (vielleicht die Sa- ge vom nordischen Loke ) ist. J. Leyden in s. Ausg. des Complaynt Edinb. 1801. S. 234. 35. glaubt, daß es in verschiedene Lieder und Ammen- maͤrchen zerstuͤckt noch herumgehe, er habe Frag- mente singen hoͤren, worin der Brunnen von der Welt End ( well of the warldis end ) vor- komme und the well Absolom und the cald well sae weary heiße. Hieran schließt er nun unser Maͤrchen an, wiewohl der Weltbrunnen recht gut in verschiedene Sagen eingreifen kann, und wir auch in dem deutschen keine Anknuͤpfung zu A 2 jenem Wolf (oder sollte Wolf im Original statt well stehen?) ahnen. Leydens Worte lauten nun: „according to the popular tale a lady is sent by her stepmother to draw water from the well of the worlds end. She arrives at the well, af- ter encountering many dangers; but soon per- ceives that her adventnres have not reached a conclusion. A frog emerges from the well, and, before it suffers her to draw water, obli- ges her to betrothe herself to the monster, un- der the penalty of being torn to pieces. The lady returns safe: but at midnight the frog lo- ver appears at the door and demands entrance, according to promise to the great consternation of the lady and her nurse. „open the door, my hinny, my hart, open the door, mine ain wee thing; and mind the words that you and J spak down in the meadow, at the well-spring!“ the frog is admitted, and addresses her: „take me up on your knee, my dearie, take me up on your knee, my dearie, and mind the words that you and J spak at the cauld well sae weary“ the frog is finally disenchanted and appears as a prince in his original form.“ Die Stelle in the romance of Roswall and Lilian: „the knight that kept the pavent well was not so fair as Roswall spielt schwerlich hierher an.“ La grenouille bienfaisante der Ma- dame d'Aulnoy, ein schlechtes Maͤrchen hat auch gar keine Aehnlichkeit mit dem unsrigen. Zu Katz und Maus in Gesellschaft. No. 2. Man erzaͤhlt es auch von Haͤhnchen und Huͤhn- chen, die hatten einen Edelstein im Mist gefunden, beim Juwelirer verkauft ein Fetttoͤpfchen auf den Winter dafuͤr erhandelt, und auf einen Schrank gestellt. Das Huͤhnchen frißt es nun nach und nach leer, wie das herauskommt, wird das Haͤhn- chen ganz wuͤthend und hackt das Huͤhnchen todt. Darnach aber empfindet es Reue und nun wird das Huͤhnchen begraben wie in No. 80. Zum Marienkind. No. 3. Aehnlichkeit damit hat die Legende von der heil. Ottilie, zumal, wie sie Naubert in ihren Volksmaͤhrchen Th. 1. erzaͤhlt Die gruͤndliche Idee von vielen erlaubten und der einen verbote- nen Thuͤre kehrt vielmal und unter verschiedener Einleitung, wie bei der Todtenbraut und dem Blaubart (No. 46 u. 62.) wieder. Eine andere Erzaͤhlung ist folgende: der arme Mann, da er seine Kinder nicht ernaͤhren kann, geht in den Wald und will sich erhenken, da kommt eine schwar- ze Kutsche mit vier schwarzen Pferden und eine schoͤne schwarzgekleidete Jungfrau steigt aus und sagt ihm, er werde in einem Busch vor seinem Haus einen Sack mit Geld finden, dafuͤr solle er ihr geben, was im Hause verborgen sey. Der Mann willigt ein, findet das Geld, das verborgene aber ist das Kind im Mutterleib; und wie das ge- boren ist, kommt die Jungfrau und will es abho- len, doch, weil die Mutter so viel bittet, laͤßt sie es noch bis zum zwoͤlften Jahr. Da aber fuͤhrt sie es fort zu einem schwarzen Schloß, alles ist praͤchtig darin, es darf an alle Orte hin, nur nicht in eine Kammer. Vier Jahre gehorcht das Maͤdchen, da kann es der Qual der Neugierde nicht laͤnger widerstehen und guckt durch einen Ritz hinein. Es sieht vier schwarze Jungfrauen, die, in Buͤcherlesen vertieft, in dem Augenblick zu erschrecken scheinen, seine Pflegemutter aber kommt heraus und sagt: „ich muß dich verstoßen, was willst du am liebsten verlieren?“ — „Die Spra- che, antwortete das Maͤdchen. Da schlaͤgt sie ihm auf den Mund, daß das Blut hervor quillt, und treibt es fort. Es muß unter einem Baum uͤber- nachten, da findet es am Morgen der Koͤnigssohn, fuͤhrt es mit sich fort und vermaͤhlt sich, gegen seiner Mutter Willen, mit der stummen Schoͤnheit. Als das erste Kind zur Welt kommt, nimmt es die boͤse Schwiegermutter, wirft es ins Wasser, be- spritzt die kranke Koͤnigin mit Blut und giebt vor, sie habe ihr eigen Kind gefressen. So geht es noch zweimal, da soll die Unschuldige, die sich nicht vertheidigen kann, verbrannt werden. Schon steht sie in dem Feuer, da kommt der schwarze Wa- gen, die Jungfrau tritt heraus, sie geht in die Flammen, die sich gleich niederlegen und ausloͤ- schen, hin zu der Koͤnigin, schlaͤgt ihr auf den Mund und giebt ihr damit die Sprache wieder. Die drei andern Jungfrauen bringen die drei Kinder, aus dem Wasser gerettet; der Verrath kommt an den Tag, und die boͤse Schwiegermut- ter wird in ein Faß gethan, das ist mit Schlan- gen und giftigen Nattern ausgeschlagen und einen Berg herabgerollt. Zum Wolf und den Geiserchen. No. 5. muß auch, wenigstens sonst, in Frankreich seyn be- kannt gewesen. Lafontaine hat offenbar die 15te Fabel seines 4ten Buchs daraus gemacht, allein wie mager erzaͤhlt er sie; vielleicht hatte er auch bloß die fruͤhere Bearbeitung Corrozets ( le loup, la chevre et le chevreau ) vor sich, wo sich gleich- falls die junge Ziege huͤtet und den Wolf gar nicht einlaͤßt. Die Fabel ist aber viel aͤlter, und steht u. a. bei Boner XXXIII. , wo jedoch der Umstand mit der weißen Pfote, dessen schon La- fontaine nebenbei gedenkt, fehlt. Dagegen erinnern wir uns eines Bruchstuͤckes aus dem vollstaͤndi- gen franzoͤsischen Kindermaͤrchen. Der Wolf geht zum Muͤller, reicht ihm die graue Pfote hin und spricht: „meunier, meunier trempe moi ma patte dans ta farine blanche!“ non non, non non! — „alors je te man- ge!“ da thut es der Muͤller aus Furcht. — Auch Psa- mathe die Nereide sandte den Wolf auf Peleus und Telamons Heerden, der Wolf fraß sie insge- sammt und wurde dann versteinert, wie ihm hier Steine eingenaͤht werden. Doch liegt die Sage vom versteinerten Wolf tiefer, als sie hier ausge- fuͤhrt werden kann. Zur Nachtigall u. Bl. No. 6. aus dem Franzoͤsischen uͤbersetzt, Mémoires de l'a- cademie celtique. Tome 2, 204. 205. Vergl. T. 4, 102. Das Maͤrchen und der Glauben findet sich unter den Solognots. Die franzoͤsischen Reime ahmen den Ton der Nachtigall gluͤcklicher nach: je ferai mon nid si haut, si haut, si haut! si bas! que tu ne le trouveras pas! Zur Hand mit dem Messer. No. 8. ein schottisches Maͤrchen oder Volkslied, das Mrs. Grant in ihren essays on the superstitions of the highlanders of Scotland, London 1811. vol. 1, 285 286. erzaͤhlt. Sie sagt: „one of these (stories) which J have heard sung by chil- dren at a very early age, and which is just to them the Babes in the wood, J can never for- get. The affecting simplicity of the tune, the strange wild imagery and the marks of remote antiquity in the little narrative, gave it the greatest interest to me, who delight in tracing back poetry to its infancy. Die zwoͤlf Bruͤder. No. 9. Im Pentamerone doch sehr abweichend IV, 8. le sette cottenelle. Zum Lumpengesindel. No. 10. Vergl. unten No. 41. Herr Korbes. Zum Bruͤderchen und Schwesterchen. No. 11. Eine aͤhnliche Erzaͤhlung kennen wir nur fragmen- tarisch: Bruder und Schwester gingen eines Tags in den Wald und weil die Sonne so heiß und der Weg so weit war, so fing den Bruder an zu dur- sten. Sie suchten Wasser und kamen zu einer Quelle, daran stand geschrieben: „wer aus mir trinkt, ist es ein Mann, wird er ein Tiger, ist es ein Weib, wird es ein Lamm.“ Da sprach das Maͤdchen: „ach! lieber Bruder, trink nicht aus der Quelle, sonst wirst du ein Tiger und zerreißest mich.“ Da sagte der Bruder, er wolle noch war- ten, ob ihn gleich der Durst so quaͤle bis zur naͤch- sten Quelle. Wie sie aber an die naͤchste Quelle kamen, stand daran: „wer aus mir trinkt, wird ein Wolf.“ Da sprach das Maͤdchen wieder, „lie- ber, ach lieber Bruder trink nicht, sonst frißt du mich.“ Der Bruder sprach: „noch einmal will ich meinen Durst bezaͤhmen, aber laͤnger kann ich nicht mehr;“ und sie kamen zu einer dritten Quel- le, daran war geschrieben: „wer aus mir trinkt und ist es ein Mann, wird er ein goldener Hirsch, ist es ein Maͤdchen, wird es groß und schoͤn.“ — Da legt sich der Bruder nieder und trinkt und steht als ein goldener Hirsch auf, das Maͤdchen trinkt auch und wird noch schoͤner und groß, als waͤr es erwachsen. Dann legt es den Hirsch an ein Seil und fuͤhrt ihn fort, der Koͤnig sieht den wunderbaren Hirsch und laͤßt ihn einfangen. Das Maͤdchen bleibt bei ihm und wird einmal behorcht, als sie mit ihm spricht, da hoͤrt der Koͤnig, daß es die Schwester von dem Goldhirsch ist, und ver- maͤhlt sich mit ihr. Die Mutter des Koͤnigs aber ist neidisch und will sie verderben, sie giebt ihr eine haͤßliche Gestalt und macht, daß sie soll ge- toͤdtet, der Hirsch aber vom Metzger geschlachtet werden. — — Die Unschuld aber kommt an den Tag, die Schwiegermutter wird in eine mit schar- fen Messern angefuͤllte Tonne gethan und einen Berg herabgerollt. Zu Rapunzel. No. 12. im Pentamerone II, 1. (Petrosinella) , wo vieles anders und besonders die zweite Haͤlfte lebendiger ist, als im deutschen Maͤrchen. Dieses hat schon Friedr. Schulz in s. kleinen Romanen Bd. 5. Lpz. 1790. S. 269—88. nur zu weitlaͤuftig erzaͤhlt, wie- wohl ohne Zweifel aus muͤndlicher Sage. Wie weit uͤbertrifft es dennoch seine uͤbrigen Maͤr- chen! Eins in Buͤschings Sammlung hat an- fangs S. 287. einige Zuͤge aus dem unsrigen, ge- raͤth aber bald nachher heraus und in den fran- zoͤsischen Stil. Zu Haͤnsel und Gretel. No. 15. haͤngt genau mit einigen Daumlingssagen, besonders dem franzoͤs. kleinen poucet zusammen. Der ganz doppelartige Charakter des Daumerling ( pulga- rejo Pollus ) erscheint schon in der uralten Mythe und geht z. B. in unserer Sprache nur halbrecht in Dummlung , Duͤmmling uͤber, waͤhrend das alte thumb , wie noch jetzt das Englische, eine mildere Bedeutung hat. Die eigentliche Ausfuͤhrung ei- ner so merkwuͤrdigen Fabel wuͤrde hier zu viel ab- leiten. Oberlin giebt ein Stuͤck dieses Maͤrchens nach dem Dialect der Gegend von Luͤneville iu seinem Essais, sur le patois. Auch in deutschen Erzaͤhlungen wird Haͤnsel als ein Daumling dargestellt. Es sind sechs Kin- der, er ist das siebente. Wie sie im Wald beim Menschenfresser sind, sollen sie ihn frisiren, der Daumling aber springt ihm ins Haar, zupft ihn und kommt immer wieder. Darauf Nachts die Verwechslung der sieben Kronen mit den sieben rothen Kappen. In den Meilenstiefel thut der Daumling alle Geldbeutel und Kostbarkeiten. Zu Fix und Fertig. No. 16. aͤhnlich damit No. 64, II. dasselbe Maͤrchen aber in dem juͤdischen Maasaͤhbuch c. 134. vom Rabbi Chanina, nur wird der Koͤnig aufmerksam auf die Prinzessin mit den goldenen Haaren, durch ein einzelnes Haar, das ein Vogel einmal ihm auf die Achsel fallen laͤßt. Bei Straparola mit eini- ger Veraͤnderung in den Motiven von Livoret III, 2. Dann auch in den modernen franz. Maͤr- chen der Aulnoi. Zur weißen Schlange. No. 17. Die Sagen von sprechenden Voͤgeln, die den Men- schen rathen und ihr Schicksal verkuͤndigen, sind unzaͤhlig und koͤnnen hier nicht abgehandelt wer- den. Die Menschen lernen diese Sprache haupt- saͤchlich auf zwei Arten: 1) durch das Essen eines Herzens von einem Drachen, z. B. Siegfried, oder Vogel, s. unten No. 60.); 2) oder einer wei- ßen Schlange, wie hier und in einer merkwuͤrdi- gen, hannoͤverischen Volkssage von der Seeburg, die wir anderwaͤrts mittheilen werden. Ganz hier- her gehoͤrt auch die maͤrchenhafte, altnordische Sa- ge von Kraka und ihren beiden Soͤhnen, Roller und Erich. Zum Strohhalm. No. 18. Vergl. No. 80. Dieses und aͤhnliche Maͤrchen (No. 23. 43.) entscheiden freilich den Punct, ob außer den Thieren, auch Pflanzen und andere Dinge zur Fabel gehoͤren koͤnnen. Zum Fischer un sine Fru. No. 19. Dieses Maͤrchen welches der seel. Runge aus der pommerschen Mundart treflich niedergeschrie- ben, theilte uns Arnim im Jahr 1809 freundschaft- lich mit, von demselben durch v. d. Hagen erhielt es auch Buͤsching und hat es in seiner Sammlung wiewohl nicht ohne Fehler abdrucken lassen. Die Fabel selbst, deren Eingang merkwuͤrdig an eine der N. 1001, No. 9. ꝛc. ꝛc. so wie an die walli- sische von Taliesin erinnert, wird auch in hiesiger Gegend sehr haͤufig, aber unvollstaͤndiger, doch mit einigen Abaͤnderungen erzaͤhlt. Es heißt: vom Maͤnnchen Domin ē sonst auch von Hans Dudel- dee) und Frauchen Dind ĕ rlind ē . Domine klagt uͤber sein Ungluͤck und geht hinaus an den See, da streckt ein Fischchen den Kopf hervor: was fehlt dir Maͤnnchen Domine? — „ach daß ich im Pispott wohn, thut mir so weh.“ — so wuͤnsch dir was zu haben. — „ich wills nur meiner Frau erst sagen.“ nun geht er heim, „wuͤnsch uns ein besseres Haus“ sagt Dinderlinde. Am See ruft er: „Fischchen, Fischen, an der See!“ — was willst du Maͤnnchen Domine? nun gehen die Wuͤnsche an, aber es sind mehr, erst Haus, dann Garten, dann Ochsen und Kuͤh, dann Laͤnder, u. so fort alle Schaͤtze der Welt. Wie sie sich ausgewuͤnscht haben, sagt das Maͤnnchen: „nun moͤcht ich der liebe Herrgott seyn, und mein Frau- chen Mutter Gottes“ Da streckt das Fischchen den Kopf heraus und ruft: willst du seyn der liebe Gott? so geh wieder in deinen Pispott. Das Motiv von der Frau, die ihren Mann zu hohen Wuͤrden reitzt, ist gewiß uralt, von Eva und der etrurischen Tanaquil ( Livius 1, 47.) bis zur Lady Macbeth. Zu dem tapfern Schneider. No. 20. Die erste Erzaͤhlung ist genommen aus einem ziemlich seltenen, kleinen Buch: Wegkuͤrzer, ein sehr schoͤn lustig und aus der Maßen kurzweilig Buͤch- lein — durch Martinum Montanum von Straß- burg 12. von 1557. Bl. 18 — 25. Wir kennen noch eine andere Ausgabe von 1607. In einem daͤnischen Volksbuch ist dieselbe Geschichte gereimt, Nyerup spricht davon in seiner Abhandlung uͤber die daͤnischen Volksbuͤcher (Iris und Hebe 1796. Octob. S. 36) Es ist da ein Schuhmacher, der mit seinem Knieriemen 15 Fliegen auf einen Schlag toͤdtet. Er besteht erst den Eber, der eine schlaf- erweckende Frucht frißt, dann das Einhorn, zuletzt einen Baͤren, den er in einen Ziegelbrennerofen einsperrt. Die hier folgende hollaͤndische Recension ist aus einem Amsterdammer Volksbuch: Van kleyn Kobisje alias Koningh sonder Onderzaten S. 7 — 14. Sie hat, wie man sieht, wieder ihre Eigen- thuͤmlichkeiten. Zu beklagen ist, daß die zweite Er- zaͤhlung, nach muͤndlicher Mittheilung, nur ein Fragment giebt, ohne Zweifel waͤre das Ganze recht gut. Bei der gluͤcklichen Jagd denkt man auch an den feigen Waldemar in der Wilkinasaga, (235.) der auf den Hirsch zu sitzen kam. Van kleyn Kobisje. Kleyn Kobisje sittende aen de Naaybank hy scheld een Appel ende laet de Schel van die op de Naaybank liggen, hy maeckt een Vliegeslager, en alsoo 'er Vliegen op de Appelschel quamen om die af te keeren, slaet 'er net in eenen Slag seven ge- lyk; springt van de Naaybank, oordelde dit een Romeyn-stuk te zyn, denkt noch hier door een groot Man te worden, verkoopt al wat hy heeft, en laet 'er een cierlyk Schild van maken, en liet 'er opsetten: jck heet Kobisjen den onver- saagden, ick sla der seven met eenen Slagh . Treckt doen in een ver Landt, daer den Koningh Meester was, bind doen dit Schild op syn Borst, ende gaet achter des Konings Paleys, tegen een hoogen Heuvel aen leggen, daer hy wist dat de Koningh gewoon was ordinaris heen te sien; ende also de Son sterck scheen, en wist de Koningh niet wat daer so flikkerde, send terstond een Edel- man derwaerds. Hy by hem komende wierd ver- vaert in dit te lesen: ick heet Koningh onver- saagd, ick sla der seven met een Slagh . Gaet wederom, verhaelt den Koningh dit vorgaen- de, die terstond 2 a 3 Compagnien Soldaten daer henen sond, om hem wacker te maken, en met een beleeft Onthael ten Hove te geleyden, met sooda- nigh Respect, als sulcken Cavalier toekomt Sy trecken op's Koninghs Bevel henen, by hem ko- mende en dorsten hem, ofte niemand en wil de eerste wesen, om hem aen te spreken. Maer eenen uyt den Hoop was soo couragieus, dat hy een Pieck nam ende stiet hem tegens de Sool van syn Schoen. Hy springht op met groote Kracht, sy vallen op haer Knyen, ende biddem hem, hy be- liefden eens by den Koningh te komen, het welcke geschieden. By den Koningh nu zynde, was hy in groot Aensien. Ondertusschen word hem voor- gehouden, hy kon des Koninghs Zwager worden, maer daer waren drie zware Dingen te doen, die moest hy voor den Koningh uytwercken. Voor eerst soo was 'er een wild Vercken, dat seer veel quaed dede, en niemand vangen kon. Ten twee- den waren 'er drie Reusen, die het in het Bosch des Koninghs soo onvry maekten, dat 'er niemand door konde r e ysen, of was een doodt Man. Ten derden waren 'er ettelyke duysend vreemde Volcke- ren in het Landt gevallen, en soo't scheen, stond het Ryck in groot Peryckel. Dit neemt hy aen om uyt te voeren. Word den Wegh aengewesen, daer het wild Vercken was. Gaet met een groote Cou- ragie uyt 't Hof. Hy was qualyck soo ver, dat hy 't Vercken hoorde, of wenschte sich selve weer aen syn Naaybank. 't Vercken komt met sulcken Furie op hem aenlopen, dat hy na een goed Heen- komen sagh, siet een vervallen Kapel, en vlucht daer in. Het Vercken hem na. Hy met 'er Haast vlieght door het Venster over de Muur ende haelt de Deur van de Kapel toe. Doen was 't Ver- cken vast, en komt by den Koningh, die hem vraegh- de, hoe hy 't Vercken gevangen had? voer altoos uyt: ick greep het met groote Kracht by de Hai- ren of Borstelen en wierp 't in de Kapel, en ick heb't niet willen dooden, om u voor een Present te vereeren Groote Vreugd was 'er in 't Hof. — Gaet na de Reusen, en tot en Geluck vond haer slapende. Neemt syn Sack, vult die met Steenen. Klimt op eenen hoogen Boom, werpt den eenen, die meenden dat het den anderen dede. Begint te kyven, hy sou syn werpen laten of hy soude hem voor syn Ooren bruyen. Den tweeden word ook geworpen, begint te vloecken. De derde word met het selfde onthaelt. Staet op en treckt syn Degen. Vlieght den anderen aen, en steekt hem, dat hy doodt ter Aerden valt. Begint met den anderen ook, en door't lang Worstelen vallen bey- de ter Aerden van Vermoeytheyd. Hy syn Kans siende, komt af en neemt van die dood was syn Rapier, en steekt die alle beyde doodt, en houdse den Kop af, gaet so weder na't Hof. Den Ko- ningh vraeghde hem, of het bestelt was? antwoor- de ja. Men vraeghde hem; hoe hy't bestelt had? Seyde aldus: ik nam den eenen by syn Beenen, en ick slveger den ander met, dat hy doodt ter Aerden viel, en den anderen heb ick met de selfde Munt betaelt En die ick by de Beenen had, half doodt zynde, smeet ick met sulcken Kracht tegen een Boom, dat den Boom wel ses Voet uyt de Aerde vloogh. De Vreughd was seer groot, ende men hielt hem voor de grootste in't Hof. Hy maeck- ten hem wederom gereed, en den Adel van't Hof met hem, en daer toe een braef Heyrleger, daer hy Oversten van sou zyn. Syn Afscheyd geno- men hebbende, vingh't derde Stuck aen. Liet het Leger marcheeren, ende hy volghde te Paerd. Maer alsoo hy noyt een Paerd gereden hadde, wist hen qualyk in Postuur te houden. Gekomen zynde op de Plaets daer de Vyandt was, laet hy het Leger in Batalie stellen, hem wierd doe geboodschapt, dat het alles in Order was. Wist niet, hoe hy't Paerd soude wenden. Treckt aen de verkeerde Zy- de des Tooms, en geeft het Paerd de Sporen, so dat het met een volle Galop na de Vyand liep. En alsoo hy den Toom van het Paerd niet vast en hield, greep hy onderwegen een houte Kruys, dat onder afbrack, en hield het soo vast in den Arm. Den Vyand hem siende, meende dat het de Duy- vel was, ende begonden te vluchten, en die't niet ontkomen en kosten, verdronken: staken hare Sche- pen van de Wal af ende voeren soo wegh. Hy quam met den Zegen wederom by syn Adeldom, en't heele Leger, die hy zyn Victorie verhaelde, en hoe de Vyanden heel in Routen geslagen waren. Hy komt by den Koningh, en verhaelt syn Victo- rie, die hem bedanckten. Voorts doet hy hem uyt- roepen voor Navolger en Nazaat tot de Kroon. Den Trouwdagh vast gestelt zynde, maken daertoe groote Preparatien. Den Trouw gehouden heb- bende, was hy in groot Annsien, en altyd naest den Koningh. 't Geviel, dat Kobisje meest alle Nach- ten droomde, als dat hy noch aen de Naaybank sat, en hem quam altydt noch het een of't ander in de Gedachten van syn Werck, luydkeels riep: Lustigh, lustigh, rep-je! noch ses of seven, soo heb- je heyligh Avond! meende dat hy de Jongens iet te vouwen of te naajen gaf. De Dochter wierd vervaert, meenende dat den Duyvel in hem was, om dat hy soo al relde van lustigh, lustigh. Klaeght het haer Vader, dat hy haer een Boeke- binder gegeven had, en geen Heer van Staet. De Vader besluyt een Compagnie Soldaten 2 a 3. by zyn Slacpplaets te leggen, om (soo't weer gebeur- de) hem gevangen te nemen, of dooden. Hy word hiervan gewaerschouwt. Te Bed zynde, vaert al- dus uyt! ick heb een wildt Zwyn overwonnen, ick heb drie Reusen gedoodt, ick heb een Leger van honderd duysend Mannen verslagen, en van dese Nagt sal' er nog 2 a 3 Compagnien Soldaten aen. Hy ten Bedde uytstapt na haer toe, en gaet met groote Kracht. Sy hem hoorende, vielen Bol over Bol van boven neer. Die gene, die doodt bleven en Armen en Beenen verloren hadden, waren in groot Getal, en die het ontliepen, brochten den Koningh sulken Boodschap, die aldus uytvoer- myn Dochter behoord wyser te wesen, datse sulken grooten Cavelier soo sal affronteren. Ondertusschen den Koningh sieck zynde, sterft, laet hem tot Na- zaat van de Kroon, die Kobisje aenneemt en heeft syn Ryck in Rust geregeert. Zum Aschenputtel. N. 21 gehoͤrt unter die bekanntesten und wird aller En- den erzaͤhlt. Schon Zeiler von Kaisersberg schrieb sein Eschengrudel mit Beziehung darauf. S. Ober- lin v. Gruidlecht. Rollenhagen in der Vorrede zum Froschmeuseler unter den wunderbarlichen Haus- maͤrlein erwaͤhnt des: „von dem verachten from- men Aschenpoͤßel und seinen stolzen spoͤttischen Bruͤdern.“ Diese niederdeutsche Form des Namens leitet Schuͤtz im hollst Idiot. 1, p. 50. von poͤ- seln , muͤhsam (die Erbsen aus der Asche) suchen her. Adelung hat Askenpoͤsel, Askenpuͤster, Askenboͤel und buͤel . Im hollst. nach Schuͤtze: Aschenpoͤselken und Sudelsoͤdelken , von soͤlen, sudeln , weil es im Schmutz verderben muß. Die hiesige Mundart bestaͤtigt auch Estor in s. oborheß. Woͤrterbuch v. Aschepuddel , ein ge- ringfuͤgiges, unreines Maͤgd l ein. Noch mehr ober- deutsch ist: Aschenbroͤdel s. Adelung, und Ae- scherling unter welchem Namen man es auch neu- lich fuͤr die deutsche Buͤhne bearbeitet hat, freilich nach schlechtem franzoͤsischen Muster. Der daͤnische Name ist Askefiis , schwed. Askefis . Verelius in den Noten zu Gautrakssaga S. 70. gedenkt der Volkssage: „ huru Askefifen fick Konungs- dottren till hustru ,“ es scheint daher umge- kehrt auf den Juͤngling die unterdruͤckte Jugend uͤbergetragen. Wie denn auch die Sprichwoͤrter- sitta hemma i asku, liggia som kaltur i hreise, und liggia vid arnen, meist von Koͤuigssoͤhnen gelten. s. Wilkinasaga C. 91. von Thetleifr und Refssaga (C. 9. der Gothreks S.) aus welcher Verelius alles andere herleiten will. Oberlin fuͤhrt eine Stelle v. Aschenproͤdel an, woraus erhellt, daß auch im deutschen auf Maͤnner der Namen bezogen wurde. Perraults Cendrillon ou le petite pan- toufle de verre gehoͤrt nicht unter seine am besten erzaͤhlten Maͤrchen, der Graͤfin d'Aulnoy Finnet- te Cendron wiewohl noch geringer der Form nach, enthaͤlt manche eigenthuͤmliche und reichere Nebenumstaͤnde Wir werden davon im zweiten Band zu dem unvergleichbar schoͤneren Maͤhrchen Cennerentola (Pentamerone I, 6.) das Noͤthi- ge anmerken. Auch eine polnische Recension ist uns bekannt, u. d. T. Kopciuszek , von Kopec Ruß, Rauch, in andern slav. Dialecten kopet, kopt, s. Linde v. Kopciuch und Brudny (schmutzig, Broͤdel.) S. auch Allerlei-Rauh. No. 65, Zum Kinderschlachtspiel. No. 22. Die erste Recension ist aus einem alten Buche in den Berliner Abendblaͤttern von Kleist (1810. No. 39.) abgedruckt worden. Die zweite befindet sich in Martin Zeilers Miscell . Nuͤrnberg 1661. S. 388. der sie aus J. Wolf lectiones memorabiles. Laving. Laving. 1600. fol. genommen Es wird hinzuge- setzt, der Papst, der zur Zeit dieser Geschichte ge- lebt und ein fertiger Poet gewesen, habe versucht sie in ein Distichon zu bringen, es aber nicht ver- mocht. Da habe er einen stattlichen Preis dar- auf gesetzt, den ein armer Student verdienen wol- len, dieser habe sich auch lange umsonst gequaͤlt, bis er endlich unmuthig die Feder weggeworfen und ausgerufen: „kann ichs nicht, so mags der Teufel machen!“ Dieser sey alsbald erschienen, habe gesagt er wolle es zu Stand bringen, die Fe- der aufgenommen und geschrieben: sus, pueri bini, puer unus, nupta, maritus cultello, lympha, fune, dolore cadunt. Neuerdings hat Werner in seinem Trauerspiel der 24ste Februar die alte Fabel benutzt und damit die Macht menschlicher Poesie gegen den Teufel bewaͤhrt. Zum Maͤuschen, Voͤgelchen ꝛc. ꝛc. No. 23. Aus Philanders von Sittewald Gesichten, Theil 2. ganz am Ende des siebenten Gesichts. Das Maͤrchen lebt aber auch noch muͤndlich fort, doch mit veraͤnderten Umstaͤnden, namentlich wird es bloß vom Maͤuschen und Bratwuͤrstchen erzaͤhlt, ohne das Voͤgelchen; das eine muß diese Woche kochen, das zweite die andere. Zu der Frau Holle. No. 24. Von diesem Maͤrchen gibt es noch eine andere Erzaͤhlung: Es war einmal eine Frau die liebte nur ihre rechte, nicht aber ihre Stieftochter, hielt diese immer hart und suchte sie los zu werden. Eines Tags setzte sie beide Toͤchter an einen Brun- nen, da sollten sie spinnen: „wer mir aber den Rocken hinunter fallen laͤßt, den werf ich hinten drein,“ sagte fie und band ihrer Tochter den Ro- cken fest, der Stieftochter aber ganz lose. Kaum hat diese ein bischen gesponnen, faͤllt ihr der Ro- ken hinab und die Stiefmutter ist unbarmherzig genug und wirft sie hinterdrein. Sie faͤllt tief Kindermärchen. B hinunter, kommt in einen herrlichen Garten und in ein Haus, wo niemand ist, in der Kuͤche will die Suppe uͤberlaufen, will der Braten eben verbren- nen und der Kuchen im Backofen eben schwarz werden. Sie setzt die Suppe geschwind ab, gießt Wasser zum Braten, und nimmt den Kuchen her- aus und richtet an; so hungrig sie aber ist, nimmt sie doch nichts davon außer ein paar Kruͤmchen, die beim Anrichten vom Kuchen herabgefallen sind. Darauf kommt eine Nixe mit furchtbaren Haaren, die gewiß in einem Jahr nicht gekaͤmmt waren, und verlangt, sie solle sie kaͤmmen, aber nicht rup- fen und nicht ein einzig Haar ausziehen, welches sie endlich mit vielem Geschick zu Stande bringt. Nun sagt die Nixe, sie wolle sie gern bei sich be- halten, sie koͤnne aber nicht, weil sie die paar Kru- men gegessen habe; doch schenkt sie ihr einen Ring und andere Sachen, wenn sie den Nachts drehe, wolle sie zu ihr kommen. Die andere Tochter soll nun auch zu der Nixe, und wird in den Brunnen geworfen; sie macht aber alles verkehrt, bezaͤhmt ihren Hunger nicht, und kommt dafuͤr mit schlechten Geschenken zuruͤck. Nach dieser Recension ist das Maͤrchen in der Naubertischen Sammlung I, 136 — 179. bearbei- tet und in der Manier der andern, aber recht an- genehm, erweitert. In der jungen Amerikanerin oder Verkuͤrzung muͤßiger Stunden auf dem Meer. Ulm 1765. Th. 1 ist auch dies Maͤhrchen benutzt. Das Murmelthier ( Ciron ), so heißt das Stiefkind, muß die groͤbste Arbeit verrichten, die Schafe huͤ- ten, und dabei eine gegebene Zahl gesponnener Faden mit nach Haus bringen. Das Maͤdchen setzt sich oft an einen Brunnenrand, eines Tages will es sich das Gesicht waschen und faͤllt hinein. Als es wieder zu sich kommt, befindet es sich in einer Cristallkugel unter den Haͤnden einer schoͤnen Brunnenfrau, der es die Haare kaͤmmen muß, da- fuͤr bekommt es ein kostbares Kleid und so oft es seine Haare schuͤttelt und sich kaͤmmt, sollen glaͤn- zende Blumen herausfallen und wenn es in Noth ist, soll es sich herabstuͤrzen und Huͤlfe bei ihr fin. den. Dann giebt sie ihm noch einen Schaͤferstab, der die Woͤlfe und Raͤuber abwehrt, ein Spinn- rad und einen Rocken, der allein spinnt, endlich einen zahmen Biber, zu mancherlei Diensten ge- schickt. Als Murmelthier mit diesen Gaben Abends heim kommt, soll die andere Tochter sich gleiche erwerben, und springt in den Brunnen hinab, sie geraͤth aber in Sumpfwasser, und wird wegen ih- res Trotzes begabt, daß stinkendes Rohr und Schilf auf ihrem Kopf waͤchst, und wenn sie eins aus- reißt, waͤchst nur noch viel mehr. Nur Murmel- thier kann den haͤßlichen Schmuck auf 24 Stun- den vertreiben, wenn es sie kaͤmmt, das muß es nun immer thun. — Hierauf folgt die weitere Geschichte des Murmelthiers, wozu wieder andere Maͤrchen benutzt sind, es soll allzeit etwas gefaͤhr- liches ausrichten, aber durch Huͤlfe seiner Zauber- dinge, vollbringt es alles gluͤcklich. Einige Aehnlichkeit im Ganzen mit diesem Maͤr- chen hat auch das erste in der Braunschweiger Sammlung, und eins im Pentamerone. Zu den drei Raben. No. 25. hierzu vergl. man No. 11. und von dem Glas- berg wird sonst noch so erzaͤhlt: es war eine verzauberte Koͤnigstochter, die konnte niemand er- loͤsen, als wer den Glasberg erstiegen haͤtte, wor- ein sie gebannt war. Da kam ein junger Gesell ins Wirthshaus, zum Mittagessen wurde ihm ein gekocht Huͤhnchen vorgesetzt, alle Knoͤchlein davon sammelte er sorgfaͤltig, steckte sie ein und ging nach den Glasberg zu. Wie er dabei angekom- men war, nahm er ein Knoͤchlein und steckte es in den Berg und stieg darauf, und dann als ein Knoͤchlein und als eins, bis er so fast ganz hin- aufgestiegen war, aber er hatte nur noch eine ein- zige Stufe uͤbrig, da fehlte ihm ein Knoͤchelchen vom Huͤhnchen, worauf er sich den kleinen Finger abschnitt und in den Glasberg steckte, so kam er vollends hinauf und erloͤste die Prinzessin. — So erloͤst Sivard stolt Bryniel af Glarbierget , in- dem er mit seinem Fohlen hinaufreitet; in einem dithmarser Lied kommt vor: B 2 so schalst du my de Glasenburg mit eenen Perd op rieden; Wolfdieterich wird in einen Graben gezaubert, da waren: vir perg vmb jn geleit die waren auch glesseine vnd waren hel und glat, nach dem Dresdn. Wolfd. str. 289; im gedruckten heißt es str. 1171.: mit glasse was fuͤrware burg und grabe uͤberzogen, es mocht nichts wan zum tore sein in die Burg geflogen. Dies erinnert an die rabbinische Mythe vom Scha- mir, womit der Auerhahn das Glas sprengt, das man ihm uͤber sein Nest gelegt. (s. auch Reinfried v. Braunschweig) Koͤnig Artus wohnt bei der Fee Morgan auf der Glasinsel , und leicht ist gar ein Zusammenhang, nicht bloß im Wort, mit dem nordischen Glaͤsis woll , wovon anders- wo. — Zu dem ganzen Maͤrchen gehoͤrt aus dem Pen- tamerone hierher IV, 8. lisette palommielle, wo Cianna gleichfalls in der Welt herumzieht, ihre 7 Bruͤder zu erloͤsen, nebst einer Menge eigenthuͤm- licher, schoͤner Wendungen. Wenn das Schwester- chen hier an das Weltende gelangt, so vergl. man dazu, was zu No. 1. aus dem schottischen bemerkt worden. Auch Fortunatus reist so weit, bis er endlich nicht mehr weiter konnte , und Nierup S. 231. bemerkt dazu folgende Stelle aus einem Lied: gamle Sole ligge der, og forslidte Maaners Haͤr, hvoraf Stjerner klippes. hierzu ein anderes im Wunderhorn I , 300. sonst auch von hohen Bergen, die bis an den Mond reichen, im Titurel einmal: swer gar der erde ende so tiefe sich geneiget, der vindet sunder wende, daz er antarcticum wol vingerzeiget . Voß in seiner Abhandlung uͤber die alte Weltkun- de giebt folgende Fragmente: „die Spinnmaͤdchen erzaͤhlen von einem jungen Schneidersgesel- len , der auf der Wanderschaft immer weiter und weiter ging, und nach mancherlei Abenteuern mit Greifen, verwuͤnschten Prinzessinnen, zaubernden Zwergen und grimmigen bergeschaufelnden Riesen zuletzt das Ende der Welt erreichte. Er fand sie nicht, wie die gewoͤhnliche Meinung ist, mit Bret- tern vernagelt, durch deren Fugen man die heil. Engel mit Wetterbrauen, Blitzschmieden, Verar- beitung des alten Sonnenscheins zu neuem Mond- lichte und des verbrauchten Mond- und Sternen- scheins zu Nordlichtern, Regenbogen und hellen Daͤmmerungen der Sommernaͤchte beschaͤftigt sieht. Nein, das blaue Himmelsgewoͤlbe senkte sich auf die Flaͤche des Erdbodens wie ein Backofen. Der Mond wollte eben am Rande der hohlen Decke aufgehn, und der Schneider ließ sich geluͤsten, ihn mit dem Zeigefinger zu beruͤhren . Aber es zischte, und Haut und Fleisch war bis an den Na- gel hinweggesengt.“ — Ein Theil der Fabel erin- nert auch an das Altdaͤn. Lied von Verner Ravn, der von der Stiefmutter verflucht war, und dem die Schwester ihr kleines Kind giebt, durch dessen Auge- und Herzblut er seine menschliche Gestalt wieder erlangte. Hieran schließen wir noch eine maͤrchenhafte Erzaͤhlung vom Mond an, die in Menanders Frag- menten oder in Plutarchs kleinen Abhandlungen erhalten ist, wozu man gleichfalls eine aͤsopische Fabel ( edid Furia 396.) vergleiche. — Der Mond sprach einmal zu seiner Mutter: „die Naͤchte sind so kalt, ich friere, mach mir doch ein warmes Kleid!“ Sie nahm das Maaß, und er lief fort, wie er aber wieder kam, war er so groß gewor- den, daß das Roͤcklein nirgends passen wollte. Da fing die Mutter an, und trennte die Naͤhte und ließ aus, allein die Zeit waͤhrte dem Mond zu lange, und er ging wieder fort seines Weges. Emsig naͤhte die Mutter am Kleid, und saß man- che Nacht auf beim Sternenschein. Der Mond kam zuruͤck, und hatte viel gelaufen, und hatte darum viel abgenommen, war schmaͤchtig und bleich geworden, das Kleid war ihm also viel zu weit, und die Ermel schlotterten uͤber die Knie. Da war die Mutter boͤs, daß er sie so zum Nar- ren habe, und verbot ihm, je wieder ins Haus zn kommen. Deswegen muß nun der arme Schelm nackt und bloß am Himmel laufen, bis daß jemand kommt und ihm ein Roͤcklein kauft. Zum Rothkaͤppchen. No. 26. Dieses Maͤrchen haben wir außer unserer muͤnd- lichen Sage, was zu wundern ist, nirgends ange- troffen, als bei Perrault ( chaperon rouge ) wonach Tiecks Bearbeitung. Der Tod und der Gaͤnshirt. No. 27. Aus Harsdoͤrfer , der große Schauplatz jaͤm- merlicher Mordgeschichten. Hamburg 1663. Seite 651. 652. Zu dem singenden Knochen. No. 28. In einem altschottischen Lied kommt dieselbe Idee vor; aus dem Brustbein der ersaͤuften Schwe- ster macht ein Harfner eine Harfe, die spielt dar- auf von selbst, und ruft weh uͤber ihre Schwester. ( Scotts minstrelsy II, 157—162.) Zu dem Teufel mit den drei goldenen Haaren. No. 29. Ein aͤhnliches Maͤrchen theilt Herr Buͤsching in seiner Sagensammlung No. 59. mit, ebenfalls wie er versichert, aus muͤndlicher Ueberlieferung. Es leidet aber keinen Zweifel, daß es, wie es dort er- scheint, vorsaͤtzlich erweitert und vermuthlich nach einem franzoͤs. Buch erzaͤhlt worden. Der Paste- tenbaͤcker, der fuͤr Deutsche nirgends eine maͤrchen- hafte Person ist, noch ganz franzoͤs. Wendungen in der Sprache, vor allem aber die verwickelten und angehaͤuften Bedingungen bei Aufloͤsung des Zaubers, die ganz unepisch find, machen dies klar. Was wir hier nach muͤndlicher Erzaͤhlung mitthei- len, ist reiner, wiewohl immer noch etwas fremd- artiges in dem Ganzen durchblickt. — Eine abwei- chende Recension ist No. 75. vom Vogel Phoͤnix. Zum Maͤdchen ohne Haͤnde. No. 31. mit andern Umstaͤnden, doch nicht so schoͤn, im Pentamerone III, 2. (la penta mano mozza) . Un- ser Maͤrchen ist die volksmaͤßige Quelle, woraus die im Mittelalter so bekannten Fabeln von der schoͤnen Helena, Mai und Beaflor u. a. entsprun- gen sind. Eine weitere Ausfuͤhrung dieses Zusam- menhangs muͤßte bei der Ausgabe eines der bei- den letztgenannten Gedichte gegeben werden. Der unserer Erzaͤhlung eigenthuͤmliche Umstand mit dem Versprechen dessen, was hinter der Muͤhle stand, erinnert an die altnordische Alfskongs Sage cap 1. wo Hott fodert, von der schwangern Signy, das was zwischen ihr und dem Bierfaß sey. In daͤni- schen Volksliedern aͤhnliche Versprechungen. Zum gescheidten Hans. No. 32. Die zweite Erzaͤhlung ist aus Frei's Garten- gesellschaft. cap. 1. In Kirchhofs Wendunmuth I, No 81. steht sie ebenfalls nur mit andern Wor- ten. Im Pentamerone I, 4 (Vardiello) die naͤm- liche Idee, mit schoͤnen Varianten. — Die ver- schiedenen Thaten Hansens in der ersten Erzaͤh- lung werden bald mehr, bald weniger vollstaͤndig, oder in anderer Ordnung und Wendung gehoͤrt, so erzaͤhlt man von einer Ziege, die er ins Bett legt ꝛc. Vergl. auch facet. Bebel. Amsterd 1651. 12. p. 47 — 49. Wahrscheinlich bezieht sich auf dieses Maͤrchen die Erwaͤhnung des Rollenhagen in der Vorrede zum Froschmeusler: „vom albern und faulen Hein- zen.“ Zum gestiefelten Kater. No. 33. Dies Maͤrchen gehoͤrt unter die bekanntesten und verbreitetsten. Perrault hat es in s. chat botté gut erzaͤhlt, aber Basile mit vielen Abwei- chungen aus der italienischen Sage, Pentam. II, 4. Gagliuso) wo nur zwei Soͤhne sind. Der aͤl- teste, aber nicht beste Erzaͤhler ist Straparola N. IX 1. von Constantino. Man hat auch deutsche gedruckte Uebersetzungen nach Perrault, wo nur der Graf Carabas in einen Sabarak umgedreht ist. Tiek hat es dramatisch bearbeitet. Zu Sperling und seine vier Kinder. No. 35. Aus Schuppii Schriften. (Fabul Hans. S. 837. 38.) Zum Tischchen deck dich. No. 36. Bei diesem und dem folgenden Maͤrchen erin- nert man sich an eine große Menge aͤhnlicher My- then von wunderbaren Sachen , deren inne- rer Zusammenhang eine umstaͤndliche Untersuchung verlangen wuͤrde. Mit dem Hauptgang der unsri- gen hat sonderlich das erste Maͤrchen im Penta- merone eine sichtbare Aehnlichkeit. Zu der Serviette, dem Kanonenhuͤtlein und dem Horn. No. 37. Der Schluß hat eine deutliche Uebereinstim- mung mit dem Fortunat. — Ein daͤnisches Volks- blatt aus Kopenhagen: Lykkens flyvende Fane. Historie om tre fattige Skrandere, der Ved Pille- grimsrejse kom til stor Vaerdighed og Velstand: erzaͤhlt das Maͤrchen folgendergestalt: drei arme Schneider, die am Handwerk nicht viel verdienen, nehmen Abschied von Weib und Kind, wollen in die Welt ziehen und ihr Gluͤck versuchen Sie kommen in eine Wuͤste zu einem Berg, wo ein Zauberer wohnt, der Berg steht Sommer und Winter gruͤn, voll Blumen und Fruͤchten und um Mittag und Mitternacht wird alles zu dem fein- sten Silber. Der aͤlteste fuͤllt sich seinen Buͤndel, und alle Taschen mit den schoͤnsten Silber-Blumen und Fruͤchten, geht nach Haus, wirft Nadel und Buͤgeleisen unter den Tisch, und wird ein reicher Handelsmann. Die zwei andern denken zu dem Berg koͤnnen wir wieder, wenn wir wollen, zu- ruͤckgehen, wir wollen unser Gluͤck weiter versu- chen und wandern fort Sie kommen zu einer großen Eisenpforte, die geht von selbst auf, nach- dem sie dreimal daran geklopft. Sie treten in ei- nen Garten, da haͤngen die Baͤume voll Goldaͤpfel. Der zweite Schneider bricht sich so viel ab, als sein Ruͤcken tragen kann, nimmt Abschied und geht heim. Dort begiebt er sich auch zum Handel, und wird ein noch groͤßerer Kaufmann, als der erste, so daß man glaubt, der reiche Jude zu Hamburg stamme von ihm ab. Der dritte aber meint, der Garten mit den Goldaͤpfeln bleibt mir sicher, ich will noch weiter nach meinem Gluͤck gehen; er irrt in der Wuͤstenei umher, und als er den Gar- ten und den Silberberg wieder sucht, kann er ihn nicht finden. Endlich kommt er zu einer großen Anhoͤhe, und hoͤrt auf einer Pfeife blasen, er geht naͤher und findet eine alte Hexe, die pfeift vor ei- ner Heerde Gaͤnse, die bei dem Ton mit den Fluͤgeln schlugen, und auf der Alten auf und nieder tanz- ten. Sie hatte sich schon 94 Jahre auf der Hoͤhe mit dem Tod herumgezerrt, und konnte nicht ster- ben, bis die Gaͤnse sie todt getreten, oder ein Christ kam, der sie mit Waffen todt schlug. So- bald sie seine Schritte hoͤrt, und er so nah ist, daß sie ihn sieht, bittet sie ihn, wenn er ein Christ sey, moͤge er sie mit der Keule, die an ihrer Sei- te da stehe, todtschlagen. Der Schneider will nicht, bis sie ihm sagt, er werde unter ihrem Haupt ein Tuch finden, welches, wie er es wuͤnsche, auf ein paar Worte, voll der koͤstlichen Speisen stehe; da giebt er ihr einen Schlag auf den Hirnschaͤdel, sucht und findet das Tuch, packt es gleich in sei- nen Buͤndel, und macht sich auf den Heimweg. Ein Reuter begegnet ihm und bittet ihn um ein Stuͤck Brot, der Schneider sagt: „liefere mir dei- ne Waffen aus, so will ich mit dir theilen,“ der Reuter, der doch Pulver und Blei im Krieg ver- schossen, thut das gern, der Schneider breitet sein Tuch aus, und tractirt den hungrigen Kriegs- mann. Diesem gefaͤllt das Tuch, und er bietet dem Schneider dafuͤr seine wunderbare Patronta- sche zum Tausch, wenn man auf die eine Seite klopft, kommen hunderttausend Mann zu Fuß und Pferd heraus, klopft man auf die andere aller Art Musikanten. Der Schneider willigt ein, aber nach- dem er die Patrontasche hat, beordert er zehn Mann zu Pferd, die muͤssen dem Reuter nachja- gen und ihm das Tuch wieder abnehmen. Der Schneider kommt nun nach Haus; seine Frau wundert sich, daß er so wenig auf der Wander- schaft gewonnen. Er geht zu seinen ehemaligen Cammeraden, die unterstuͤtzen ihn reichlich, daß er eine Zeitlang davon mit Frau und Kind leben koͤnne. Er aber ladet sie darauf zum Mittags- essen, sie moͤgten nicht stolz seyn, und ihn nicht verschmaͤhen, sie machen ihm Vorwuͤrfe, daß er al- les auf einmal verschlemmen wolle, doch verspre- chen sie zu kommen. Wie sie sich zur bestimmten Zeit einfinden, ist nur die Frau zu Haus, die gar nichts von den Gaͤsten weiß und fuͤrchtet, ihr Mann sey im Kopf verwirrt. Endlich kommt der Schneider auch, heißt die Frau die Stube eilig rein machen, gruͤßt seine Gaͤste und entschuldigt sich, sie haͤtten es zu Haus besser, er habe nur se- hen wollen, ob sie nicht stolz durch ihren Reich- thum geworden. Sie setzen sich zu Tisch, aber es kommt keine Schuͤssel zum Vorschein, da breitet der Schneider sein Tuch aus, spricht seine Worte, und im Augenblick steht alles voll der kostbarsten Speisen. Ha! ha! denken die andern, ists so ge- meint, du bist nicht so lahm, als du hinkst, und versichern ihm Liebe und Bruͤderschaft bis in den Tod. Der Wirth sagt, das sey gar nicht noͤthig zu versichern, dabei schlaͤgt er der Patrontasche auf eine Seite, alsbald kommen Spielleute und machen Musik, daß es eine Art hat. Dann klopft er auf die andere Seite, kommandirt Artillerie und hunderttausend Soldaten, die werfen einen Wall auf und fuͤhren Geschuͤtz darauf, und so oft die drei Schneider trinken, feuern die Konstabeler ab. Der Fuͤrst wohnte 4 Meilen davon und hoͤrt den Donner, also meint er die Feinde waͤren gekom- men, und schickt einen Trompeter ab, der bringt die Nachricht zuruͤck, ein Schneider feiere seinen Geburtstag, und mache sich lustig mit seinen gu- ten Freunden. Der Fuͤrst faͤhrt selbst hinaus, der Schneider tractirt ihn auf seinem Tuch; dem Fuͤrst gefaͤllt das, und er bietet dem Schneider Laͤnde- reien und reichliches Auskommen dafuͤr, der will aber nicht, sein Tuch ist ihm lieber, da hat er kei- ne Sorge, Muͤh und Verdruß. Der Fuͤrst faßt sich kurz, nimmt das Tuch mit Gewalt und faͤhrt fort. Der Schneider haͤngt aber seine Patronta- sche um und geht damit an des Fuͤrsten Hof, und bittet um sein Tuch, bekommt aber einen Buckel voll Schlaͤge. Da lauft er auf den Wall des Schlosses, laͤßt zwanzigtausend Mann aufmarschi- ren, die muͤssen ihre Stuͤcke gegen das Schloß richten, und drauf los feuern. Da laͤßt der Fuͤrst das Tuch herausbringen und demuͤthig bitten mit dem Feuer einzuhalten. Der Schneider laͤßt nun seine Mannschaft wieder ins Quartier ruͤcken, geht heim und lebt vergnuͤgt mit den zwei andern Schneidern. Zur Frau Fuͤchsin. No. 38. Dies gewiß uralte Maͤrchen, dessen uͤberaus wichtiger Zusammenhang mit dem altfranzoͤsischen, nie gedruckten, roman du renard in unserer be- vorstehenden Ausgabe dieses Gedichts abgehandelt werden soll, ist uns so vielmal erzaͤhlt worden, daß jede Recension ihre Eigenthuͤmlichkeit hat. Die zwei bedeutendsten Recensionen, wovon die letzte sich noch fast ganz in Reimen erhalten, ha- ben wir mitgetheilt, die meisten Abweichungen laufen dahin aus, daß der alte Fuchs wirklich, oder nur scheintodt (wie im altfranzoͤs. Lied) ist, und daß entweder bloß Fuͤchse, oder auch andere Thiere Freiens vorgeben. Im letzten Fall sind die Fragen der Fuͤchsin oft genauer wie sieht er denn aus, hat er auch ein roth Kaͤppchen auf? „ach nein, ein weiß Kaͤppchen“ (der Wolf) — hat er denn ein roth Camisoͤlchen an? — „nein, ein gelbes“ (der Loͤwe), die Anrede der Katze im Eingang: Frau Kitze, Frau Katze, schoͤn Feuerchen hatse, schoͤn Fleischchen bratse; was macht die Frau Fuchs. Auch: was macht sie da, mein Kaͤtzchen? „sitze da, waͤrme mir das Taͤtzchen. Nachher: da lief das kleine Kaͤtzelein, mit seinem krummen Schwaͤnzelein, die Treppe hoch hinauf. „Frau Fuͤchsin, ist sich drunten ein schoͤ- nes Thier, gestaltet wie ein schoͤner Hirsch vor mir.“ Ach nein, sagt Frau Fuͤchsin, und haͤlt dem alten Herrn einen Lobspruch, worin sie seine mancherlei Tugenden erwaͤhnt. Nach dem die verschiedenen Thiere sind, wird immer etwas anderes vom Fuchs gelobt. Zum Herrn Gevatter. No. 42. Dieses und das folgende Maͤrchen haben in der Hauptsache, große Aehnlichkeit. Der Umstand mit den Hexenhoͤrnern leitet auch ein anderes Maͤrchen folgendergestalt ein: eine Hexe hatte ein junges Maͤdchen bei sich, und vertraute ihm alle Schluͤssel an, verbot ihm jedoch eine Stube wie im Blau- bart) Allein aus Neugier machte es eines Tags die Thuͤre auf, da sah es die Hexe sitzen, mit zwei großen, großen Hoͤrnern auf dem Kopf. Die Hexe wird wuͤthend und schließt es in einen hohen, ho- hen Thurm gefangen ein, woran keine Thuͤre war, wenn sie ihm nun zu Essen bringt, so muß es sei- ne langen Haare aus dem Fenster herunterlassen, woran die Hexe hinaufsteigt, denn die Haare wa- ren 20 Ellen lang, (so geht es in das Rapunzel- maͤrchen uͤber.) Zu dem Schneider Daumerling. No. 45. Verwandt scheint damit ein daͤnisches kleines Volksbuch, welches Nyerup, Iris und Hebe 1796. Juli S. 88 anfuͤhrt, der Titel lautet: Svend Tommling ꝛc. (ein Mensch nicht groͤßer als ein Daumen, der sich verheirathen will mit ei- ner Frau drei Ehlen und drei Quartier hoch; kommt auf die Welt mit Hut und Degen an der Seite; treibt den Pflug, wird von einem Gutsbe- sitzer gefangen, der ihn in seiner Schupftabacks- dose verwahrt, er huͤpft heraus und faͤllt auf ein Ferkel, und das wird sein Reitpferd.) Zum Machandelboom. No. 47. Machandel ist Wachholder (nicht Mandel), Marleenken Marianchen, Marie Annchen. Die- ses wunderschoͤne Maͤrchen ist uns von Runge mitgetheilt worden. Die Geschichte wird auch in hiesigen Gegenden haͤufig, selten aber so vollstaͤn- dig erzaͤhlt, so daß sich etwa nur noch hinzuse- tzen ließe, daß das Schwesterchen die Knochen an einem rothseidenen Faden zusammenreiht. Der Vers lautet: meine Mutter kocht mich, mein Vater aß mich, Schwesterchen unterm Tische saß, die Knoͤchlein all all auflas, warf sie uͤbern Birnbaum hinaus, da ward ein Voͤgelein draus, das singet Tag und Nacht. In einer Stelle von Goͤthes Faust S. 225, wozu unser Maͤrchen den Commentar liefert, und die der Dichter unstreitig aus altem Hoͤrensagen aufnahm, lautet es so: meine Mutter die Hur, die mich umgebracht hat, mein Vater der Schelm, der mich gessen hat, mein Schwesterlein klein hub auf die Bein, an einem kuͤhlen Ort, da ward ich ein schoͤnes Waldvoͤgelein, fliege fort, fliege fort! Die boͤse Stiefmutter , wovon ein altes Sprichwort (Stiefmutter, Teufels Unterfutter) ver- weist an gar viel andere Maͤhrchen, der Eingang vom in Fingerschneiden an Sneewittchen, und an eine merkwuͤrdige Stelle im altdeutschen Ge- dicht Parcifal, wvruͤber mit Zuziehung vieler an- derer Parallelsagen naͤchstens ein umstaͤndlicher Commentar gegeben werden soll. — Das Sam- meln der zerstreuten Knochen ist in den My- then von Osiris, Orpheus, und der Legende von Adalbert. Das Wiederbeleben in vielen an- dern, z. B. der Negersage von Nanni, den seine Mutter lehrt, das Fleisch eines jungen Huhns zu essen und die Federn und Beine wieder zusammen zu setzen. So sammelt Thor die Knochen der ge- gessenen Ziegen und belebt sie ruͤttelnd. (s. auch von Arnliot in der Heimskringla und manche an- dere Sage, die hier anzufuͤhren zu umstaͤndlich waͤre. Zum alten Sultan. No. 48. Das eigentliche Verhaͤltniß dieses und aller an- dern Maͤrchen der vorliegenden Sammlung, worin Thiere auftreten, zur großen Thierfabel uͤberhaupt, soll anderswo genau untersucht werden. Zu den sechs Schwaͤnen. No. 49. in der braunschweiger Sammlung S. 349 — 379. von sieben Schwaͤnen, in schlechter Weitlaͤuftig- keit erzaͤhlt, aber mit einigen guten Varianten: sie soll sieben Jahr stumm seyn, in jedem Jahr ein Mannshemd fertig naͤhen, und keine Thraͤnen die ganze Zeit uͤber weinen. Allein beim dritten Kind, das ihr weggenommen wird, vergießt sie eine Thraͤne, und bei der Erloͤsung fehlt dem letz- ten Bruder ein Aug. — Dieses schoͤne Maͤrchen deutet uͤberall auf ein hohes Alterthum, das im hohlen Baum-sitzen des stummen Maͤdchens auch in No. 3. Die sieben fertigen Menschenhemder scheinen mit den sieben Schwanenhemdern zusam- men zu haͤngen, uͤber diese werden wir bei der Volundarquida ausfuͤhrlich seyn. Die Sage von dem Schwanenschiff auf dem Rhein (Parcifal, Loherangrin) in Verbindung mit dem altfranzoͤf. chevalier au cigne schließt sich wiederum an, und auch hier bleibt der letzte Schwan unerloͤst, weil das Gold von seinen Schwanenring schon verar- beitet war. Zu Dornroͤschen. No. 50. Perraults belle au bois dormant, mit unserm Maͤrchen No. 82 verbunden. Die Jungfrau, die im Schloß mit Dornenwall umgeben schlaͤft, bis sie der Koͤnigssohn erloͤst, ist mit der schlafenden Brynhild, die ein Flammenwall umgiebt, durch den Sigurd dringt, insofern identisch. — Man hat eine Blume, die Gretel im Busch heißt, weil sie ganz von feinem, krausem Laub eingehuͤllt ist, auch Gretel in der Staude, schwed. Jungfru i det groͤna, engl. the devil in a bush. (migella da- mascena). — Der Eingang mit der gefaͤhrlichen Spindel ist wie im Pentameron III, 3. mit einem gefaͤhrlichen Knochen. Zum Fundevogel. No. 51. Die Koͤchin ist wohl anderwaͤrts die boͤse Frau des Foͤrsters. Die Fragen und Antworten an die Knechte, werden auch anders gestellt, z. B. ihr haͤttet die Rose nur sollen abbrechen, der Stock waͤre schon nachgekommen. Dieser Theil des Maͤr- chens hat mit einem der folgenden (No. 70) große Aehnlichkeit. Zum Koͤnig Droßelbart. No. 52. sonst auch Broͤselbart , weil die Brotbroͤseln vom Essen in seinem Bart haͤngen blieben. Auch macht die Koͤnigstochter bekannt: sie wolle dem ihre Hand allein geben, der rathen koͤnne, von welchem Thier und welcher Gattung eine ohne Kopf und Fuͤße ausgespannte Haut waͤre. Sie war ader von einer Woͤlfin. Broͤselbart aber er- faͤhrt das Geheimniß, raͤth mit Fleiß fehl nnd kommt dann verkleidet als Bettler wieder, um recht zu rathen. — Im Pentamerone IV. 10. la so- perbia eastecata, wo vieles anders ist. Zu Sneewittchen. No. 53. Dies Maͤrchen gehoͤrt zu den bekanntesten, doch wird in Gegenden, wo bestimmt hochdeutsch herrscht, der plattdeutsche Namen beibehalten, oder auch verdorben in Schliwitchen. Im Ein- gang faͤllt es mit dem Maͤrchen vom Machandel- baum zusammen, noch naͤher in einer andern Re- cension, wo sich die Koͤnigin, indem sie mit dem Koͤnig auf einem Jagdschlitten faͤhrt, einen Apfel schaͤlt und dabei in den Finger schneidet. Noch ein anderer Eingang ist folgender; Ein Graf und eine Graͤfin fuhren an drei Haufen weißem Schnee vorbei, da sagte der Graf: „ich wuͤnsche mir ein Maͤdchen, so weiß als dieser Schnee.“ Bald darauf kamen sie an drei Gruben rothes Bluts, da sprach er wieder: „ich wuͤnsche mir ein Maͤd- chen, so roth an den Wangen, wie dies Blut.“ Endlich flogen drei schwarze Raben voruͤber, da wuͤnschte er sich ein Maͤdchen: „das Haare hat so schwarz, wie diese Raben.“ Als sie noch eine Weile gefahren, begegnete ihnen ein Maͤdchen, so weiß wie Schnee, so roth wie Blut und so schwarzhaarig, wie die Raben und das war das Sneewittchen. Der Graf ließ es gleich in die Kutsche sitzen und hatte es lieb, die Graͤfin aber sah es nicht gern und dachte nur, wie sie es wie- der los werden koͤnnte. Endlich ließ sie ihren Handschuh hinausfallen, und befahl dem Snee- wittchen ihn wieder zu suchen, in der Zeit aber mußte der Kutscher geschwind fortfahren; nun ist Sneewittchen allein und kommt zu den Zwergen u. s. w. In einer andern Erzaͤhlung, ist das bloß abweichend, daß die Koͤnigin mit dem Snee- wittchen in den Wald faͤhrt, und es bittet ihm von den schoͤnen Rosen, die da stehen, einen Strauß abzubrechen, waͤhrend es bricht, faͤhrt sie fort und laͤßt es allein. Endlich kennen wir noch eine dritte Recension: Ein Koͤnig verliert seine Gemahlin, mit der er eine einzige Tochter Snee- wittchen hat und nimmt eine andere, mit der er drei Toͤchter bekommt. Diese haßt das Stiefkind, auch wegen seiner wunderbaren Schoͤnheit, und un- unterdruͤckt es, wo sie kann. Im Wald in einer Hoͤhle wohnen sieben Zwerge, die toͤdten jedes Maͤdchen, das sich ihnen naht. Das weiß die Koͤ- nigin, und weil sie Sneewittchen nicht geradezu toͤdten will, hofft sie es dadurch los zu werden, daß sie es hinaus vor die Hoͤhle fuͤhrt und zu ihm sagt; „geh da hinein und wart bis ich wie- der komme. Dann geht sie fort, Sneewittchen aber getrost in die Hoͤhle. Die Zwerge kommen und wollen es anfangs toͤdten, weil es aber so schoͤn ist, lassen sie es leben und sagen, es solle ihnen dafuͤr den Haushalt fuͤhren. Sneewittchen hatte aber einen Hund, der hieß Spiegel, wie es nun fort ist, liegt der traurig im Schloß, die Koͤ- nigin fragt ihn: „Spiegel unter der Bank, sieh in dieses Land, sieh in jenes Land: wer ist die schoͤnste in Engelland?“ Der Hund antwortet: „Sneewittchen ist schoͤner bei seinen sieben Zwergen, als die Frau Koͤnigin mit ihren drei Toͤchtern.“ Da sieht sie, daß es noch lebt und macht einen giftigen Schnuͤrriemen. Damit geht sie zur Hoͤhle, ruft Sneewittchen, es solle ihr aufmachen. Sneewittchen will nicht, weil die sieben Zwerge ihm streng verboten, kei- nen Menschen hereinzulassen, auch seine Stiefmut- ter nicht, die es habe verderben wollen. Sie sagt aber zu Sneewittchen, sie habe keine Toͤchter mehr, ein Ritter habe sie ihr entfuͤhrt, da wolle sie bei ihm leben und es putzen. Sneewittchen wird mitlei- dig und laͤßt sie herein, da schnuͤrt sie es mit dem giftigen Schnuͤrriemen, daß es todt zur Erde faͤllt, und geht fort. Die sieben Zwerge aber kommen, nehmen ein Messer und schneiden den Schnuͤrrie- men entzwei, da ist es wieder lebendig. Die Koͤ- nigin fragt nun den Spiegel unter der Bank, der giebt ihr dieselbe Antwort. Da macht sie ein gifti- ges Kopfband, geht mit dem hinaus und redet zu Sneewittchen so beweglich, daß es sie noch einmal einlaͤßt: sie bindet ihm das Kopfband um, und es faͤllt todt nieder. Aber die sieben Zwerge sehen, was geschehen ist, schneiden das Kopfband ab und es hat das Leben wieder. Zum drittenmal fragt Kindermärchen. C die Koͤnigin den Hund, und erhaͤlt dieselbe Ant- wort. Sie geht nun mit einem giftigen Apfel hinaus, und so sehr Sneewittchen von den Zwer- gen gewarnt ist, wird es doch von ihren Klagen geruͤhrt, macht auf und ißt von dem Apfel, da ist es todt, und wie die Zwerge kommen, koͤnnen sie nicht helfen, und der Spiegel unter der Bank sagt der Koͤnigin sie sey die schoͤnste. Die sieben Zwer- ge aber machen einen silbernen Sarg, legen das Sneewittchen hinein und setzen es auf einen Baum vor ihrer Hoͤhle. Ein Prinz kommt vorbei und bittet die Zwerge, ihm den Sarg zu geben, nimmt ihn mit und daheim laͤßt er es auf ein Bett le- gen und putzen, als waͤr es lebendig, und liebt es uͤber alle Maßen, ein Diener muß ihm auch be- staͤndig aufwarten. Der wird einmal boͤs daruͤ- ber: „da soll man dem todten Maͤdchen thun, als wenn es lebte!“ giebt ihn einen Schlag in den Ruͤcken, da faͤhrt der Apfelbissen aus dem Mund, und Sneewittchen ist wieder lebendig. Zu Hans Dumm. No. 54. Ausfuͤhrlicher in Pentamerone I, 3. und bei Straparola auch recht gut III, 1. Zum Rumpelstilzchen. No. 55. Schon Fischart kann das Alter dieses Maͤrchens bezeugen, im Gargantua, wo die Spiele verzeich- net werden, steht unter Num 363. ein Spiel- „Rumpele stilt oder der Poppart.“ Man sagt auch Rumpenstinzchen. Die Erzaͤhlung selbst wird auch folgendermaßen anders angefangen: einem kleinen Maͤdchen dem wurde eine Kaute Flachs gegeben, daraus sollte es Flachs spinnen, aber was es spann, war immer Goldfaden und kein einziger Faden Flachs konnte aus ihrem Raͤdchen kommen. Da wurde es traurig, setzte sich aufs Dach und spann und spann drei Tage lang, aber immer nichts als Gold. Da kam ein klein Maͤnnchen ge- gangen: ich will dir helfen aus aller deiner Noth, ein junger Koͤnigssohn soll da vorbei kommen, und dich heirathen, aber du mußt mir dein erstes Kind versprechen ꝛc. Auch wird das Maͤnnchen anders entdeckt. Eine Magd der Koͤnigin geht Nachts hinaus in den Wald, da sieht sie es auf ei- nem Kochloͤffel um ein groß Feuer herum reiten ꝛc. Zuletzt fliegt auch das Maͤnnchen auf dem Koch- loͤffel zum Fenster hinaus. In vielen deutschen Maͤrchen kommen Muͤller und Muͤllerstoͤchter vor (s. No. 31.), das gegen- waͤrtige erinnert aber ganz sonderlich an die nor- dischen Fenia und Menia, die alles, was man ha- ben wollte, mahlen konnten, und die der Koͤnig Frode Frieden und Gold mahlen ließ. — Das Ab- fodern der Kinder greift in sehr viele Mythen ein. Zu dem Liebsten Roland. No. 56. Nach einer andern Erzaͤhlung, stecken die zwei bei ihrer Flucht eine Bohne in einen Kuchen, der eben auf dem Heerd liegt und backen soll, als die Stiefmutter aufwacht und ihre Tochter ruft, ant- wortet die Bohne fuͤr diese auf jede Frage, und sagt sie sey in der Kuͤche und koche; so lange aber nur, als der Kuchen noch backt, als er gar ist, schweigt sie still, da ist ihre Kraft vorbei, und uͤber das Stillschweigen wird die Mutter aufmerk- sam, und findet dann ihre todte Tochter. In den Zaubereien bei der Flucht vor der Stiefmutter kommt dies Maͤrchen mit dem vom Fundevogel und Okerlo zusammen: die letzte Ver- wandlung, wo die Stiefmutter durch Tanzen in einer Dornhecke umkommt, erinnert an das be- kannte Fabliau, welches Hans Sachs auch drama- tisch behandelt hat, wo sich ein Verurtheilter auf diese Art vom Tod rettet. Zum goldnen Vogel. No. 57. No. 64, I. von der weißen Taube hat denselben Eingang, doch wird es auch sehr haͤufig und wie es scheint, wo nicht besser, doch aͤlter mit folgen- dem erzaͤhlt: ein Koͤnig war krank, oder nach an- dern blind geworden, und nichts in der Welt ver- C 2 mochte ihn zu heilen, bis er einstmals hoͤrte (oder es ihm traͤumte), daß weit davon der Vogel Phoͤ- nix waͤre, durch dessen Pfeifen (oder Gesang) er allein genesen koͤnne. Nun machen sich die Soͤh- ne nach einander auf, und nur in der Menge der verschiedenen Aufgaben, die der dritte Sohn zu bestehen hat, weichen die verschiedenen Recensio- nen ab. Das nothwendige Pfeifen des Phoͤnix ist hier allerdings besser begruͤndet. Einmal wird auch erzaͤhlt, daß der Fuchs, nachdem er den Schuß zuletzt empfangen, ganz verschwindet und nicht zu einem Menschen wird. Das Stuͤrzen in den Brunnen (wofuͤr auch ein Steinbruch vor- kommt) ist mit der Sage von Joseph, der ja auch sonst selbst der Phoͤnix, (d. h. der Goldvogel) ist, die Befreiung daraus durch den Fuchs mit der von Aristomenes (nach Pausanias), von Sindbad (nach 1001 Nacht), und Gog und Magog (nach Montevilla) merkwuͤrdig verwandt. — In den Kindermaͤrchen aus muͤndlichen Erzaͤh- lungen gesammelt, Erfurt bei Keyser 1787. wird unser Maͤrchen S. 94 — 150. in falschem Ton er- zaͤhlt; im Norden ist es aber schon fruͤh bekannt gewesen, und ohne Zweifel auch in andern Thei- len Europas. Peringskiold in seinem fuͤr Hickes gemachten Catalog p. 315. fuͤhrt die Saga af Artus Fa- gra an, und beschreibt ihren Inhalt folgender- maßen: hist. de tribus fratribus Carolo, Vil- hialmo atque Arturo, cogn. fägra, regis angliae filiis, qui ad inquirendum Phoͤnicem, ut ea ou- raretur morbus immedicabilis patris illorum, in ultimas usque Indiae oras missi sunt. (Viel- leicht ist auch in einem angelsaͤchs. Codex, den Wanley p. 281. angiebt: Liber VI. septem con- stans capitulis, descriptionem tractat felicissi- mae cujusdam regionis orientalis et de Phoͤni- ce, quae ibi invenitur, etwas davon beruͤhrt). Eine spaͤtere daͤnische Bearbeitung in sechszeiligen Strophen ist zum Volksbuch geworden, aber ohne poetischen Werth. Nyerup handelt davon unter Num. 15. Von dem daselbst angefuͤhrten Titel ist eine vor uns liegende Ausgabe etwas abwei- chend, und der Uebersetzung aus dem Hollaͤndi- schen, die wohl nur ein Vorgeben ist, wird nicht gedacht. (En meget maͤrkvaͤrdig Historie om Rong Edvard af Engelland, der faldt i en svaͤr Syg- dom, men helbrededes ved en viis Qvindes Raad, og det ene ved hans yngste Soͤns Prins Atti (Arti) Ömhed og Mod, der havde sin Fader saa kjer, at han foretog en Rejse til Dronningen af Arabien, tilvendte sig ved List hendes Klenodier, bortfoͤrde Dronningens dyrebare Fugl Phoͤnix, og sik til Slutning … Dronningen selv tilaͤgte.) Die Soͤhne heißen auch hier Carl, Wilhelm und Artus, vom huͤlfreichen Fuchs kommt nichts vor, und fast in allem ist die deutsche Volkserzaͤhlung weit vorzuͤglicher. Zu dem treuen Gevatter Sperling. No. 58. Ueber den Zusammenhang dieses Maͤrchens mit dem Gedicht von Reinhart Fuchs. S. Schlegels deutsches Museum 1812. Maiheft. Zu Prinz Schwan. No. 59. Aehnlich damit das Maͤrchen von den drei Guͤrteln in der Braunschw. Samml. S. 122 — 150. Die Koͤnigin erhaͤlt von einer Fee, der sie als ei- ner alten boͤsen Hexe unermuͤdlich Beistand gelei- stet, drei Guͤrtel, so lang die nicht entzwei gin- gen, koͤnne sie an die Liebe und Treue ihres ab- wesenden Gemahls glauben. Als zwei davon ge- platzt sind, verkleidet sie sich in eine Pilgerin und zieht ihm nach. In einem großen Wald, durch den sie geht, fallen ihr nach einander drei goldne Nuͤsse vor die Fuͤße, die sie aufhebt und mitnimmt. Sie kommt zu einem Muͤller, der sie fuͤr seine Base ausgeben will, und ihr einen andern Na- men giebt. Hier findet sie der Koͤnig, und ohne sie wiederzuerkennen, verliebt er sich in sie. Sie zeigt sich ihm geneigt, wie er sie aber umarmen will, platzt der dritte Guͤrtel, sie erschrickt und bittet ihn die Hausthuͤre zuzumachen, deren Schla- gen sie nicht hoͤren koͤnne. Wie er aber eine zu- macht, springt eine andere wieder auf und so fort, daß er die ganze Nacht nichts zu thun hat, als Thuͤren zuzumachen. Der Koͤnig ist dadurch ge- kraͤnkt, kommt nicht wieder, und will sich mit der Prinzessin, die seine Braut ist, vermaͤhlen. Die Koͤnigin macht ihre erste Goldnuß auf, da ist das praͤchtigste Naͤhzeug und Naͤhkaͤstchen darin, damit geht sie zum Schloß, setzt sich den Fenstern der Prinzessin gegenuͤber und naͤht. Die Prinzessin sieht sie und traͤgt großen Gefallen an dem Naͤh- zeug, sie tauscht es fuͤr das Recht ein, die erste Nacht bei dem Koͤnig zubringen zu duͤrfen. Am andern Tag oͤffnet diese die zweite Nuß, findet ei- ne koͤstliche Spindel darin, spinnt damit vor der Prinzessin und vertauscht sie fuͤr die zweite Nacht, endlich auch das Geschmeide, welches die dritte Nuß in sich faßte, fuͤr die dritte Nacht. Wie der Hochzeitstag nun vorbei ist, wird die Koͤnigin zum Koͤnig gefuͤhrt, da entdeckt sie sich als seine Gemahlin; am dritten Morgen beruft er einen Rath und legt die Frage von dem Schluͤssel vor, den er zu einem goldnen Vorlegeschloß verloren, und wiedergefunden, ob er den alten oder den neuen gebrauchen solle. Die Prinzessin entschei- det selber fuͤr den alten und demnach fuͤr ihre Trennung. Zu dem Goldei. No. 60. In der Erfurter Sammlung S. 1 — 58. aber schlecht erzaͤhlt: der Vogel, der jeden Morgen ein Goldei legt entflieht dem Prinzen Gunild, ein Bauer faͤngt ihn und von diesem bekommt ihn ein Goldschmidt, der auf den Fluͤgeln liest: „wer mei- nen Kopf ißt unter dessen Kopfkissen werden taͤg- lich tausend Ducaten liegen; wer mein Herz ißt, wird Koͤnig in Akindilla werden,“ und ihn dar- um dem Ynkas, seinem Schwestersohn zum Bra- ten giebt; dieser ißt unschuldig beides und ent- flieht dann bei den Drohungen des zornigen Goldschmidts, der sich getaͤuscht sieht. Indeß geht der Ausspruch in Erfuͤllung; hineingezogen ist die dem Fortunat aͤhnliche Sage von den zweierlei Aepfeln, wovon einer alt und haͤßlich, der andere wieder jung und gesund macht und wodurch die treulose Gemahlin bestraft und gebessert wird. Zu dem Schneider der bald reich wurde. No. 61. Nach einer andern Erzaͤhlung heißt der Mann Herr Haͤnde, den die Bauern wegen seiner Klug- heit hassen. Sie schlagen ihn aus Neid den Back- ofen ein, er traͤgt aber den Schutt in einem Sack zu einer vornehmen Dame und bittet sie, den Sack ihm aufzuheben, es sey Gewuͤrz, Zimme t , Naͤge- lein und Pfeffer darin. Er kommt dann wieder, ihn abzuholen und verfuͤhrt ein großes Geschrei, sie habe ihn bestolen, wodurch er ihr 300 Thaler abzwingt. Die Bauern sehen ihn das Geld zaͤh- len und fragen, woher er das habe, er sagt von dem Backofenschutt, da schlagen die Bauern all ih- re Backoͤfen ein, tragen den Schutt in die Stadt, kommen aber uͤbel an. Die Bauern wollen ihn aus Rache toͤdten, er zieht aber seiner Mutter Kleider an, dadurch entgeht er ihnen und seine Mutter wird todt geschlagen. Diese rollt er in einem Faß zu einem Doctor, laͤßt sie dort ein we- nig stehen, kommt wieder und giebt ihm dann Schuld er habe sie getoͤdtet, so erpreßt er von dem Doctor eine Summe Gelds. Er sagt den Bauern, er ha- be sie fuͤr seine todte Mutter bekommen, nun schla- gen diese auch ihre Mutter todt. Darauf die Be- gebenheit mit einem Schaͤfer, der fuͤr ihn sich in die Tonne legt, ersaͤuft und dem die andern Bau- ern alle nachspringen. In dem Maͤrchen vom Bauer Kibitz, welches Buͤsching S. 296. mittheilt, sind wieder einige Zuͤ- ge verschieden. Kibitz laͤßt seine Frau von den Bauern todt schlagen, und setzt sie dann mit einem Korb voll Fruͤchte an ein Gelaͤnder, wo sie ein Be- dienter, dem sie keine Antwort giebt, als er fuͤr sei- ne Herrschaft bei ihr einkaufen soll, ins Wasser stuͤrzt; dafuͤr erhaͤlt Kibitz den Wagen, worin diese gefahren mit allem Zubehoͤr. — Das Gelderpres- sen durch bloßes Laͤrmen gehoͤrt auch zu den Listen des Gonella (bei Floͤgel Gesch. der Hofnarren S. 309). — Den Betrug mit dem Schaͤfer hat Stra- parola I, 3. in der Erzaͤhlung vom Messire Scra- pafigue. — In dem zu Erfurt 1794. gedruckten Volksbuch: Rutschki oder die Buͤrger zu Quarken- quatsch sind verschiedene Zuͤge aus diesem Maͤrchen benutzt, das Erkaufen des alten Kastens, worin der Liebhaber steckt, durch die Kuhhaut (S. 10.), das Ausstellen der todten Frau: Rutschki gibt ihr But- ter in den Schooß und setzt sie auf den Brunnen- rand, der Apotheker der ihr abkaufen will, aber keine Antwort bekommt, ruͤttelt sie und stuͤrzt sie hinunter, und muß dem Rutschki tausend Thaler bezahlen (S. 18. 19.). Der Betrug an dem Schaͤ- fer zuletzt, ist wieder ganz verschieden: Rutschki ist zum Tod verurtheilt, und wird in einen Kleider- schrank eingeriegelt, hinaus zu dem Teich getragen, weil er aber zugefroren ist, lassen sie ihn darauf steben, und wollen erst Aexte holen, um ein Loch ins Eis zu hauen. Wie sie fort sind, hoͤrt Rutschki einen Viehhaͤndler vorbei ziehen und ruft: „ich trinke keinen Wein! ich trinke keinen Wein! mich durstet nicht!“ der Viehhaͤndler fragt, was er vor- habe, Rutschki laͤßt sich aufriegeln und erzaͤhlt, er sey zum Burgemeister erwaͤhlt, das Amt naͤhm er gern, denn es sey wenig Arbeit und 500 Thl. Be- soldung dabei; dagegen die Sitte, daß jeder Bur- gemeister beim Antritt seines Amts einen Becher mit Burgunder austrinke, wolle er durchaus nicht mitmachen, er trinke keinen Wein, da haͤtten sie ihn herausgesetzt, daß er Frost und Durst nach einen feurigen Trank bekommen sollte; es helfe ihnen aber alles nichts, er trinke doch nicht. Der Viehhaͤnd- ler traͤgt einen Tausch gegen seine Heerde an, er legt sich hinein, Rutschki riegelt zu, die Bauern kommen hauen ein Loch und lassen den Schrank hinab. Wie sie zuruͤckkommen begegnet ihnen Rutsch- ki mit dem Vieh und sagt, er habe es auf dem Grund gefunden, da sey ein schoͤnes Sommerland. Nun stuͤrzen sie sich alle in das Wasser (S. 22. 23.). — Uebrigens sind die allezeit betrogenen Bauern offenbar mit den Calenbuͤrgern verwandt. Zu dem Blaubart. No. 62. Perraults la barbe bleue gehoͤrt zu seinem am besten erzaͤhlten Maͤrchen; ein schwedisches fliegen- des Blatt. Blaskaͤgget Fahlum 1810. ist bloß eine Uebersetzung davon. Die franzoͤsische Sage kennt noch eine Schwester der Frau, Anne, als jene ster- ben soll, gewaͤhrt ihr der Blaubart eine halbe Viertelstunde, da schickt sie die Anne auf den Thurm laͤßt sie nach den Bruͤdern sehen und ruft ihr von Zeit zu Zeit in ihrer Angst zu: „Anne, ma soeur Anne, ne vois tu rien venir?“ noch ganz volks- maͤßig erscheinen die Antworten derselben, „Je ne vois que le soleil qui poudroie, „et l'herbe, qui verdoie.“ In der deutschen Erzaͤhlung, wenigstens wie wir sie gehoͤrt haben, fehlt dies gaͤnzlich; dagegen kommt der Zug vor, daß die Geaͤngstigte den Blut- schluͤssel in das Heu legt, weil es wirklich Volks- glauben ist, das Heu ziehe Blut aus. — Ein deut- sches Volkslied (Wunderhorn I, 274. und Herder Volkslieder I, 79) am schoͤnsten neulich in Graͤters Idunna nach dem breslauischen Volksgesang mit- getheilt, enthaͤlt im Grund dieselbe Sage, doch sehr abweichend und ohne des blauen Barts Erwaͤh- nung zu thun, von Ulrich und Aennchen. Eben so der Fitschersvogel (No. 46.) auch wieder recht ei- genthuͤmlich und gut, und das hollaͤndische Mord- Schloß (No. 73). Tieks Bearbeitung ist bekannt. In Hamburg sagt man von einem Starkbaͤrtigen, er sei ein Blaubart (Schuͤtze hollst. Idiot. I, 112.), dasselbe gilt von dem ehemaligen Hessen; hier in Cassel ist ein verwachsener, halb alberner und tol- ler Handwerksbursch unter dem Namen bekannt genug. — Endlich haben ihre unverkennbare Aehn- lichkeit mit der Sage: das schottische Lied von Cospatrik, der Koͤnig Porc bei Straparola und der Eingang der 1001. Nacht, wo der Sultan auch seine Weiber nach der ersten Nacht toͤdtet. Zu den Goldkindern. No. 63. Damit stimmt uͤberein No. 74. Vom Johan- nes Wassersprung und Caspar-Wassersprung, und dann auch im Pentamerone lo mercante I, 7. und la cerva fatata I, 9. In den beiden deutschen Er- zaͤhlungen scheint hin und wieder eine Luͤcke zu seyn, wenigstens muͤßten in No. 74. die so eigen erworbenen Thiere sich thaͤtiger beweisen, oder so daß einmal bloß von ihnen nach der Reihe die Huͤlfe kaͤme. In demselben Maͤrchen bei Strapa- rola Th. 2, S. 290. von Cesarin erwecken sie ih- ren Herrn auch wieder vom Tod. Zu dem Dummling. No. 64. I. Die weiße Taube hat im Eingang Aehnlich- keit mit dem goldenen Vogel. No. 57. II. Die Bienenkoͤnigin hat offenbar viel Ueber- einstimmung in den Motiven mit dem Maͤhrchen von Fix und Fertig (No. 16). III. Die drei Fe- dern. Hier finden sich haͤufig kleine Abweichungen in andern Recensionen, besonders in den Aufgaben. Der Vater gibt jedem der drei Soͤhne einen Ap- fel, wer den seinen am weitesten wegwirft, soll das Reich erben. Der des juͤngsten fliegt am weitesten, weil der aber gar zu dumm ist, will der Vater ihm das Recht nicht lassen und verlangt zwanzig Steigen Leinwand in einer Nußschale, der aͤlteste reist nach Holland, der zweite nach Schlesien, wo feine Leinewand seyn soll, der dritte, der Dumme, geht in den Wald, da faͤllt eine Nußschale von ei- nem Baum, worin das Linnen steckt. Darnach verlangt er einen Hund, der durch seinen Trau- ring springen kann, dann drei Zahlen Garn, die durch ein Nadeloͤhr gehen: alles bringt der Dumm- ling. Nach einer andern Erzaͤhlung soll der des Koͤnigs Gut erben, der den schoͤnsten Geruch mit- bringt, der Dumme kommt vor ein Haus, da sitzt die Katz vor der Thuͤr und fragt; „was bist du so traurig?“ — „Ach! du kannst mir doch nicht hel- fen!“ — „Nun hoͤr einer! sag nur was dir fehlt.“ Die Katz verschafft ihm dann den besten Geruch. Wiederum ist die Einleitung mannichfach: der Va- ter jagt den dummen Hans fort, weil er gar zu dumm ist, da geht er an des Meeres Gestade, setzt sich hin und weint; da kommt die Kroͤte, die eine verzauberte schoͤne Jungfrau ist, mit der springt er auf ihr Geheiß ins Wasser und ringt mit ihr und erwirbt sich das Reich, indem sie ihre mensch- liche Gestalt dadurch wieder gewinnt. — In der braunschweiger Sammlung steht das Maͤrchen S. 271 — 286. wieder mit andern Aufgaben 1) der Kahn zu dem kein Spaͤnchen gehauen, den ein Greis ihm giebt, weil er ihn gelabt. 2) Die kleinste, feinste Webeleinwand. Diese giebt ihm eine kluge Katze in einer Nuß, als diese aufge- macht wird, liegt eine noch kleinere darin, in die- ser endlich ein Gerstenkorn, und dieses enthaͤlt erst das Gewebe. 3) Die schoͤnste Braut, in die sich die Katze verwandelt. Zu Allerlei-Rauh. No. 65. Ist die peau d'ane des Perrault, aber vollstaͤn- diger und besser. Die Prinzessin Maͤusehaut No. 71. ist dieselbe mythische Person, aber die Sage bis auf einiges ganz verschieden. Nach einer andern Recension wird Allerlei-Rauh von ihrer Stiefmutter vertrieben, weil ihr ein fremder Prinz einen Ring zum Liebeszeichen und nicht ihrer ei- genen Tochter geschenkt hatte. Sie kommt her- nach an ihres Geliebten Hof als Schuhputzerin, und wird entdeckt, indem sie den Treuring unter das Weißbrod legt. — Einige Aehnlichkeit hat das Maͤrchen mit dem Aschenputtel No. 21. Zum Hurleburlebutz. No. 66. Aehnlichkeit damit hat ein Maͤrchen in der Braunschweiger Sammlung S. 322 — 48. Eine Prinzessin ist so stolz auf ihre Schoͤnheit und wird ganz uͤbermuͤthig, daß sie alle Freier verspottet, und als Thiere abmahlen laͤßt, auch alle Wuͤnsche erfuͤllt haben will. Einmal traͤumt sie von dem singenden, klingenden Baͤumchen, und ihr Vater muß ausziehen und es suchen Er findet es gluͤck- lich, wie er es aber ausreißt, springt ein fuͤrchter- licher Loͤwe aus der Erde, dem muß er dafuͤr das angeloben, was ihm zuerst zu Haus begegnen wird. Das ist nun die stolze Prinzessin, die das singende, klingende Baͤumchen kommen hoͤrte. Der Koͤnig erschrickt und sagt, daß sie einem Loͤwen jetzt zugefallen sey, aber sie bekuͤmmert sich nicht darum, laͤßt die Tochter einer Waͤscherin mit ih- ren Kleidern anthun und an ihren Platz setzen. Nach drei Tagen kommt der Loͤwe: „setz dich auf meinen Ruͤcken,“ spricht er, und traͤgt sie in den Wald. Das Maͤdchen weint, wie es eine Quelle sieht: „wer wird meiner Mutter jetzt waschen hel- fen!“ Der Loͤwe merkt den Betrug, traͤgt sie zu- ruͤck und kommt nach drei Tagen wieder, da sitzt eines Hirten Tochter in den Kleidern der Prinzessin, „setz dich auf meinen Ruͤcken,“ sagt der Loͤwe und traͤgt sie hinaus. Wie sie auf die bunte Wiese kommen, seufzt das Maͤdchen: „ach! wer wird den Hans troͤsten, wenn ich nicht bei ihm hier liegen kann!“ Der Loͤwe kehrt wieder um, bringt dem Koͤnig die falsche Braut, droht ihm, und laͤuft zur Prinzessin, die sich gleich auf seinen Ruͤcken setzen und mit ihm fort muß. Er fuͤhrt sie in eine Hoͤh- le, wo sie an elf Kranken die niedrigsten Arbeiten thun muß und ihre eiternden Wunden heilen. Sie empfindet da Reue uͤber ihren vorigen Hochmuth, heilt dann auch den Loͤwen, der verwundet wird, und mit dem allem buͤßt sie ihre Suͤnden, befindet sich einmal, als sie erwacht, wieder in dem praͤch- tigen Schloß bei ihrem Vater, der Loͤwe aber ist ein schoͤner Juͤngling geworden, und ihr Braͤu- tigam. In dem Maͤrchen vom Weißtaͤubchen in der Erfurtschen Sammlung S. 87 88. wird auch der Zauber geloͤst, indem das Maͤdchen der Taube den Kopf abreißt, und ihn gegen Morgen, den Rumpf gegen Abend wirft. In einer andern muͤndlichen Erzaͤhlung, fragt der Fuchs immer, das Maͤdchen, das er forttraͤgt, wie viel Uhr es sey, die Hirtentoͤchter antworten, zehn Uhr, wenn ich die Heerde sonst zusammenge- blasen habe, die Koͤnigstochter aber, zehn Uhr, wenn zur Tafel geblasen wird, und nun bin ich hier im Wald und habe nichts zu essen. Zum Koͤnig mit dem Loͤwen. No. 67. Das Vergessen der ersten Verlobten kehrt auch im Prinz Schwan von der treuen Julian und im Liebsten Roland wieder, auch wohl in Al- lerlei-Rauh; aus dem Pentameron gehoͤrt mehre- res hierher ( II, 7. la palomma, wo der Prinz die Filadoro vergißt; III, 3. la viso, wo Renza ver- gessen wird; III, 9. Rosella ), der Grund aber liegt tief in den Sagen. Wir wollen nur zwei denkwuͤrdige Beispiele angeben: Duschmanta ver- gißt die Sacontala, und Sigurd die Brynhild. Zum Sommer- und Wintergarten. No. 68. Eigentlich die Fabel von der Psyche, noch naͤ- her in andern Recensionen, wo die Schwestern boͤsartig sind, und die juͤngste, als sie gekommen ist, sie zu besuchen, mit Gewalt zuruͤckhalten. In einem Roman, die junge Amerikanerin Ulm 1765. I, 30 — 231. ist auch dieses Maͤrchen, aber schlecht benutzt. Das Thier ist ein Drache, aus dessen Garten (es ist auch kein Winter) der Vater sich eine Rose bricht und dafuͤr seine Tochter ver- sprechen muß. Die Tochter geht selbst in des Drachen Schloß, der stellt sich dumm und unge- schickt, in der Nacht aber traͤumt sie von einem schoͤnen Juͤngling, und allmaͤhlig gewoͤhnt sie sich an ihn so, daß sie ihn endlich lieb gewinnt. Sie besucht ihre Eltern und kommt zuruͤck durch Huͤlfe eines Rings, der ein- und auswaͤrts gedreht wird. Endlich gesteht sie ihm in einer Nacht, daß sie ihn lieb habe, da ist er am Morgen ein schoͤner Juͤng- ling und sein Zauber geloͤst. Es entdeckt sich auch, daß sie nicht des Kaufmanns Tochter, sondern von einer Fee untergeschoben ist. In der Leipziger Sammlung ist es das sieben- te Maͤrchen (S. 113 — 130). Die juͤngste Tochter bittet den Vater bei seiner Abreise um einen Ei- chelzweig mit drei Eicheln an einem Stengel. Der Vater verirrt sich in dem Wald, kommt zu einem praͤchtigen Schloß, das ganz leer steht, wo er aber alles aufs beste vorfindet. In der Nacht kommt ein Baͤr, bringt die drei Eicheln an einen Sten- gel und verlangt die Tochter, die der Vater end- lich bewilligt. Zu Haus werden die Thuͤren ver- schlossen, der Baͤr aber kommt doch zweimal um Mitternacht herein und fordert die Braut; in der dritten sind die Koffer von selbst gepackt und drei Eicheln stecken darauf, die Tochter selbst ist wie eine Braut geputzt, ihr Haar von selbst gekraͤuselt und weiß es nicht, der Baͤr aber steht neben ihr, und steckt ihr einen Goldring mit einer Baͤrentatze und drei Eicheln an den Finger. Da faͤhrt sie mit ihm hinaus, sieht in der Folge Vater und Schwestern in einem Spiegel, geht aber nicht heim, und nachdem sie ein Kind geboren und dies uͤber drei Jahre alt ist, wird der Zauber geloͤst, und der Baͤr in einen schoͤnen Juͤngling verwan- delt. Bloß der Anfang ist gut und aͤcht, am Ende scheint vieles gemacht zu seyn. Zu Jorinde und Joringel. No. 69. Aus Heinrich Stillings Jugend I, 104 — 108. Zum Okerlo. No. 70. Das ital. huorco, das franzoͤs. ogre, Popanz. In diesem Maͤrchen sind einzelne Zuͤge aus dem Daumerling und Fundevogel. In der Braun- schweiger Sammlung wird es S. 44 — 72. fast mit denselben Umstaͤnden, nur sehr weitlaͤuf- tig erzaͤhlt. Die Fliehenden lassen einen Rosen- stock daheim, der an ihrer Stelle antwortet; sie verwandeln sich nur einmal in einen Pfirsichbaum und eine Biene; ihren Wuͤnschhuth, womit sie alle Zaubereien ausrichten, aber lassen sie auf dem Gipfel des Baums sitzen; sie werden zwar auf diese Art nicht von der Verfolgenden erkannt und sind gesichert, aber der Wind jagt den Wuͤnschhut herab, so daß sie nicht wieder ihre menschliche Ge- stalt annehmen koͤnnen. Indessen wird die Prin- zessin, die den Hut zugeweht bekommt, durch die Stiche der Biene und durch das Blut, das aus einem abgerissenen Blatt tropft, bewegt, ihn wie- der darauf zu werfen und beide sind nun erloͤst. Vergl. auch No. 56. der Liebste Roland. Prinzessin Maͤusehaut. No. 71. Ist bei Perrault das Maͤrchen von der Esels- haut, wiewohl sehr abweichend, woran auch die Erweiterung Schuld haben mag, der Eingang stimmt dort mit der Geschichte der schoͤnen Helene uͤberein; besser ist, daß der Prinz den Ring in ei- nem Kuchen findet, welchen peau d'ane gebak- ken hat. Das Birnli will nit fallen. No. 72. Muͤndlich aus der Schweiz. In derselben Art ist No. 30 und 80. Auch die Juden haben ein da- mit zusammenhaͤngendes Volkslied, welches Wa- genseil (juͤd. teutsche Red- und Schreibart Frankf. 1715. 4. S. 108 — 110.) mittheilt, und in den Kin- derliedern S. 44 — 47. (Wunderhorn III. ) abge- druckt ist. Ein Zicklein! ein Zicklein! das hat gekauft das Vaͤterlein um zwei Schilling Pfenning: ein Zicklein! Da kam das Kaͤtzlein und aß das Zicklein, das hat gekauft u. s. w. da kam das Huͤndlein und biß das Kaͤtzlein, da kam das Stecklein und schlug das Huͤn- delein, da kam das Feuerlein und verbrennt das Ste- ckelein, da kam das Waͤsserlein und verloͤscht das Feu- erlein, da kam der Ochs und trank das Waͤsserlein, da kam der Sch ó chet (Metzger) und schecht den Ochsen, da kam der M á lach Hamm ó ves (Todesengel) und schecht den Sch ó chet, da kam unser lieber Herr Gott und schecht den M á lach Hammoves. Der vorstehende Refrain ist aus einem chaldaͤischen Osterlied der Juden, welches sich wie auch das bei Wagenseil in Bodenschatzens kirchlicher Verfassung der Juden ( II, 2. Sect. 8.) findet. Herr Graͤter theilt dies alles in seiner Alter- thumszeitung No. 40 u. 41. 1812. unser Volkslied aber nicht ganz vollstaͤndig, mit, auch bemerkt er ein anderes juͤdisches, das durch eine etwas aͤhn- liche Manier auf dieses zu deuten scheint, indessen ergiebt sich durch das aus Wagenseil der vermu- thete Zusammenhang viel naͤher. Die mystische Bedeutung eines Leberecht, die dort gleichfalls an- gefuͤhrt wird, ist uns nicht so wahrscheinlich als Herrn Graͤter: das Lied scheint die Macht Gottes, als die letzte und groͤßte darstellen zu wollen, nennt man es albern, so sind es die Mythen der Rabbiner, und im Talmud noch mehr. Interessant ist noch die ebendaselbst abgedruckte lateinische Recension des Volkslieds, welche nicht bloß an manche Stu- dentenlieder (in dem bekannten: Laurentia schoͤnste Laurentia mein ꝛc., wachsen die Strophen gleich- falls immer mehr an), sondern an andere Kinder- lieder erinnert, worin lateinische Brocken ange- bracht sind. Viele Rhein- und Mainbewohner ge- denken wenigstens noch des Lieds von einem Hund, der in der Kuͤche die Bratwurst frißt und dem der Koch den Schwanz abhaut, worin auch aͤhnliche Wiederholungen vorkommen. Zum Mordschloß. No. 73. eine Art Blaubart, aber mit anderm, auch sonst schon bekanntem Ausgang. Der Reim im Anfang erinnert auch an das Todtenreiterlied. Das Ganze aus dem Hollaͤndischen uͤbersetzt, das wir aus dem Munde einer Fraͤulein aufgeschrieben haben. Hier moͤge das Original selbst stehen: 't Moord-Castel . Daar was eens een Schoen-Maker, welke drie Dochters had, op een tyd, als de Schoen-Maker uyt waar, kwaam daar een Heer, welke seer goed gekled was, en welke prachtige Ekipagie hieldt, zo zo dat men hem voor seer ryk hield, er verliefde zig in een der schone Dochters, welke dacht, haar Fort u yn gemaakt te hebben, met zo een ryk Heer, en maakte dus geen Swarigheid, met hem mede te ryen; daar 't Avond wierde, toen zy onder weges waren, vroeg er aan haar: 't maantie schynt zo hel, myn paardtjes lope zo snel, soete liefje rouwt 't w niet? — ny, warom soud' 't my rouwen? ik ben immers by uw wel bewaard, — daar zy tog eenig Angst in- wendig had, wyl zy in een groot Bos waren, vroeg zy: of zy haast daar waren? — „ja, segt er, sien zy dat Ligt daar in de Vernte, daar is myn Casteel;“ eindlyk qwamen zy dan daar aan, en alles was even fraay. 'S anderen Daags seid er tot haar, er moest op eenigen Daagen haar verlaten, wyl er Affai- ren hadt, die noodtwendig waren, maar soude haar alle Sleutels laten, met dat zy 't gansche Casteel konde door zien; van wat Rykdom zy al Meester was. Toen er vertrokken was, gink zy door 't gansche Huys, en vond alles so schoon, dat zy er vollig met te vreden was, tot zy eindlyk aan een Kelder qwaam, waar een oude Vrouw zat, te Darm schrabben. Ey Moedertje, wat doen zy daar? — ik schrab Darmen myn Kind, mor- gen schrab ik uwe ook! — waar van zy zo schrik- te, dat zy de Sleutel, welk in haar Hand was, liet in een Pot met Bloed vallen, welk er niet goed weder af te wasschen was. Nu, seid 't oud Wyfje, is uw Dood seker, wyl myn Heer nu zien kan, dat gy in dit Vertrek geweest zyt, waar buy- ten hem, en ik, geen Mensch mag komen, (men moet weten, de 2 voryge Susters op deze wyze reeds waren omgekomen) daar op dat moment net een Wagen met Hooy van het Slot weg reed, zo seid de oude Vrouw, dit nog het eenigste middel was, om 't Leeven te behouden, zig onder dat Hooy te versteken, en dan zo weg te ryden, 't welk zy dan ook deed; daar intuschen de Heer te Huys kwaam, vroeg er, waar de Mamsel is? O — seid de oude Kindermärchen. D Vrouw, daar ik geen Arbeid meer had, en zy morgen er tog aan moest, heb ik ze maar geslagt, en hier is een Lok van haar Haar, en 't Hart, als ook wat warm Bloed, de rest hebben de Hon- den al gevreten, en ik schrab de Darmen. De Heer waar also gerust, dat zy dood waar. Zy komt intuschen met de Hooywagen op een naby gelegen Slot aan, waar 't Hooy aan ver- kogt was, en zy met uyt 't Hooy komt, en zy de gansche Saak vertelt, — en versogt wort, daar eenigen Tyd te blyven; na verloop van eenige Tyd nodigt de Heer van dezen adelyk Slot de gansche naby zynde Edelieden op een groot Feest, en veranderen 't Gesigt en Kleding van de vreem- de Mamsel, so dat zy niet gekend konde w or d en, wyl ook de Heer van dat Moord-Casteel daar ver- sogt was. Toen zy alle daar waren, moest een jeder een Vertelsel verhalen, thoen de Reie aan de Mamsel kwaam, vertelde zy bewußte Historie. Waar by 't den zogenaanden Heer Graaf zo be- nauwd om 't Hert wierd, dat er met Gewalt weg wilde, maar de goede Heer van 't adelyk Huys hadt intuschen gesorgd, dat 't Geregt onsen fraye Heer Graaf in Hegtenis nam, zyn Casteel uyt roeyde en zyn Goederen alle aan de Mamsel toe eigende, welke naderhand met de Soon des Huy- ses, waar zy zo good in ontfangen was, trouwde, en Jaaren lang leefde. Zur Nelke. No. 76. damit scheint verwandt die Redensart unter dem Volk: „Wenn mein Schatz ein Nelkenstock waͤr, setzt ich ihn vors Fenster, daß ihn jedermann sah.“ Zum Drechsler. No. 77. nur unvollstaͤndig erhalten; schon daß das Maͤr- chen von dem Drechsler abspringt, dem auch wohl das folgende selbst begegnen koͤnnte, ist unrecht. Es schlaͤgt uͤbrigens in die alten Sagen von hoͤl- zernen Flugpferden, Entfuͤhrungen ꝛc. ein. Zu dem alten Großvater und dem Enkel. No. 78. So erzaͤhlt es Stilling in seinem Leben II, 8. 9. wie wir es gleichfalls oft gehoͤrt, sonst wird auch gesagt, das Kind habe die Scherben von der irdenen Schuͤssel aufgelesen und sie fuͤr seinen Va- ter aufheben wollen. Ein alter Meistergesang (No. 83. in dem Codex den Arnim besitzt) enthaͤlt die Fabel ganz abweichend, und giebt eine Chro- nik als seine Quelle an: Ein alter Koͤnig hat sei- nem Sohn das Reich abgetreten, der ihn aber le- benslang erhalten soll. Der Sohn verheirathet sich, und die junge Koͤnigin klagt uͤber das Hu- sten des Alten. Der Sohn laͤßt den Vater unter die Stiege auf Stroh legen, wo er viele Jahre, nicht besser als die Hunde, leben muß. Der En- kel wird groß, bringt seinem Großvater alle Tage Essen und Trinken, einmal friert dieser und bittet um eine Roßdecke. Der Enkel geht in den Stall, nimmt eine gute Decke, und schneidet sie in Un- muth entzwei; der Vater fragt, warum er das thue? „die eine Haͤlfte bring ich dem Großvater, die andere heb ich auf, dich einmal damit zu be- decken.“ (S. Wunderhorn II, 269.) Ein altfran- zoͤs. Fabliau (bei Meon 4, S. 479. 485.) weicht davon nur wenig ab: der Sohn verstoßt auf Antrieb seiner Frau den alten Vater, der bittet um ein Kleid, das schlaͤgt er ihm ab, dann um eine Pfer- dedecke, weil das Herz ihm vor Frost zittere. Der Sohn heißt sein Kind mit dem Alten in den Stall gehen und ihm eine geben, der Enkel schneidet sie mitten entzwei, der Großvater verklagt ihn des- halb, der Enkel vertheidigt sich aber bei seinem Vater, er muͤsse die Haͤlfte fuͤr ihn aufheben, wenn er ihn erst aus dem Haus treibe. Da geht der Sohn in sich und nimmt den Großvater in allen Ehren wieder zu sich. In Paulis Scherz und Ernst. (Danisch: Lystig Skiemt og Alvor S. 73.) bittet der Großvater um ein neues Kleid, der D 2 Sohn giebt ihm zwei Ehlen Zeug, das alte da- mit zu flicken. Darauf kommt der Enkel weinend und will auch so zwei Ehlen Zeug haben, der Va- ter giebt sie ihm und das Kind versteckt sie unter eine Latte am Dach, und sagt dann: es hebe sie da fuͤr seinen Vater auf, wenn er alt werde. Da bedenkt sich dieser eines bessern. Zu dem Tode des Huͤhnchens. No. 80. Etwas anders in den Kinderliedern S. 23—26. (Wunderhorn III. ) Mit dem Ende hat Aehnlich- keit No. 18. Von dem Schmid uud dem Teufel No. 81 . Dieses treffliche Maͤrchen scheint eine weitver- breitete Volkssage zu seyn. Gewoͤhnlich erzaͤhlt man es von einem Schmid zu Juͤterbock und ausgezeichnet gut dargestellt ist es in dem Deutsch- franzos, der stellenweise uͤberhaupt zu den leben- digsten Erzeugnissen der ersten Haͤlfte des 18. Jahr- hund gehoͤrt, befindlich. (Leipz. Ausg. v. 1736. S. 110 — 30 Nuͤrnberger von 1772. S. 80 — 95.) Der fromme Schmied von Juͤterbock trug einen schwarz und weißen Rock und hatte eines Abends einen heiligen Mann gern und freudig geherbergt, der ihm vor der Abreise gestattete drei Bitten zu thun. Er bat 1. daß sein Lieblingsstuhl hinter den Ofen die Kraft bekaͤme, jeden ungebetenen Gast auf sich festzuhalten, bis ihn der Schmied selbst loslasse. 2. daß sein Apfelbaum im Garten die daraufsteigenden gleicherweise nicht herunter lasse. 5. daß aus seinem Kohlensack keiner heraus kaͤme, den er nicht selbst befreite. — Nach einiger Zeit kommt der Tod, geraͤth auf den Sessel und muß dem Schmied noch 10 Jahre Leben schenken, wenn er herunter will; nach 10 Jahren kehrt er wieder, steigt auf den Apfelbaum und der Schmied ruft seine Gesellen, die mit Stangen den Tod jaͤmmer- lich zerschlagen; diesmal wird er nur unter der Bedingung los, daß er den Schmied ewig leben lassen will. Betruͤbt glieder- und lendenlahm zieht der Tod ab, begegnet unterwegs dem Teufel und klagt dem sein Herzeleid, der ihn auslacht und meint mit dem Schmied bald fertig zu werden. Der Schmied verweigert aber dem Teufel Nacht- lager wenig ens werde die Hausthuͤr nicht mehr geoͤffnet, er muͤsse denn zum Schluͤsselloch einfahren. Das ist dem Teufel ein leichtes, allein der Schied hatte den Kohlensack vorgehalten, bindet ihn als- bald zu, wie der Teufel darin ist, und laͤßt auf dem Ambos wacker drauf zuschmieden. Als sie sich nach Herzenslust auf ihm muͤde geklopft und ge- haͤmmert, wird der bearbeitete arme Teufel zwar wieder befreit, muß aber zu demselben Loch hinaus seinen Weg nehmen, wodurch er hereingeschluͤft war. Aehnliche Sage geht vom Schmied zu Apolda , (vergl Falk Grotesken 1806. S. 3 — 88.) der unsern Herrn sammt St. Petrus uͤber Nacht bewirtet und drei Wuͤnsche frei erhaͤlt. Die Wuͤn- sche, die er thut, sind: 1. daß dem, der in seiner Naͤgeltasche fahre, die Hand stecken bleibe, bis die Tasche zerfalle. 2. daß wer auf seinen Apfelbaum steige, darauf sitzen muͤsse, bis der Apfelbaum zer- falle. 3. desgleichen wer sich auf den Armstuhl setze, nicht eher aufstehen koͤnne bis der Stuhl zer- falle. Nach und nach erschienen drei boͤse Engel, die den Schied wegfuͤhren wollen und die er saͤmmt- liche in die gestellten Fallen lockt, so daß sie von ihm ablassen muͤßen. Endlich aber kommt der Tod und zwingt ihn zum Mitgehen, doch erhaͤlt er die Gunst, daß sein Hammer in den Sarg gelegt wird. Als er sich der Himmelsthuͤr naht, will sie Petrus nicht aufthun, da ist der Schmied her, geht in die Hoͤlle und schmiedet da einen Schluͤssel, verspricht auch im Himmel mit allerlei Arbeit nuͤtzlich an Hand zu gehen, St. Georgs Pferd zu beschlagen ꝛc. und wird zuletzt eingelassen. — Findet sich nicht auch eine aͤhnliche Fabel bei Hans Sachs? Zu unserem, aus muͤndlichen Erzaͤhlung gege- benen Text stimmt im Ganzen am meisten das ge- druckte Volksbuch, betitelt: das bis an den juͤng- sten Tag waͤhrende Elend , das jedoch wie es scheint aus folgendem franzoͤsischen uͤbersetzt ist; histoire nouvelle et divertissement du bon homme Misere. Troyes etc. Garnier. 3. S. 8, wiederum aber deuten manche Umstaͤnde auf einen italienischen Ursprung des letzteren, oder wenigstens hat sie de la Riviere in Italien erzaͤhlen gehoͤrt Peter und Paul gerathen bei schlimmem Wetter in ein Dorf, stoßen auf eine Waͤscherin, die dem Himmel dankt, daß der Regen kein Wein, sonder Wasser sey, klopfen bei dem reichen Mann an, der sie stolz abweist, und kehren zu dem armen Elend ein. Dieses thut nur den einen Wunsch mit dem Birnbaum , den ihm gerade ein Dieb bestohlen hatte Der Dieb wird gefangen und sogar noch andere Leute, die aus Neugierde aufsteigen um den Jammernden zu be- freien. Endlich kommt der Tod und Elend bittet ihn, daß er ihm seine Sichel leihe, um sich noch eine der schoͤnsten Birnen mit zu nehmen. Der Tod will sein Waffen nicht aus der Hand lassen, als ein guter Soldat und die Muͤhe selbst uͤbernehmen Elend befreit ihn nicht eher, bis er ihm zusagt, er wolle ihn bis zum juͤngsten Tag in Ruhe lassen, und darum wohnt Elend noch immer fort in der Welt. Damit stimmt wieder zum Theil der Schluß einer andern muͤndlichen Erzaͤhlung, die sonst ganz wie der Schmied von Apolda lautet. Als Elend gestorben ist und vor den Himmel kommt, wird er von St. Petrus nicht eingelassen, weil er sich von ihm nichts besseres ausgebeten hatte, nicht das Himmelreich, wie er erwartet. Elend geht also zur Hoͤlle, aber der Teufel will ihn auch nicht, weil er ihn genarrt, da muß er wieder zuruͤck auf die Welt und Elend ist so lange darauf als sie steht. — Durch diesen Schluß aber knuͤpft sich das Maͤr- chen an die Sage von den Landsknechten, d ie im Himmel kein Unterkommen finden koͤnnen, und wel - che Frei in der Gartengesellschaft No. 44. und Kirchhof im Wendunmuth I. N o. 08. erzaͤhlen. Die Teufel wollen sie nicht, weil sie das rothe Kreuz in der Fahne fuͤhren, und der Apestel Pe- trus laͤßt sie auch nicht ein, weil sie Bluthunde, arme Leut Macher, und Gotteslaͤsterer waͤren. Der Hauptmann wirft dem Petrus seine Verraͤtherei an dem Herrn vor, daß dieser schamroth wird und ihnen ein Dorf Beit ein Weil (wart ein Weil.) zwischen Himmel und Hoͤlle anweist, wo sie sitzen spielen und zechen; mit welcher Sage dann wieder viele Andere von dem St Petrus und den Lan d s- knechten zusammenhaͤngen. — Endlich ist noch zu bemerken, daß Coreb und Fabel in dem lustigen Teufel von Edmonton Tieck altengl. Theater II. ) offenbar die Personen unseres Maͤrchens sind. Das Reisen der wohlthaͤtigen Maͤnner durch das Dorf, wo sie von den Reichen verschmaͤht, von dem Armen aufgenommen werden, erinnert an die Sage von Lot und den Engeln, von Phi- lemon und aucis bis auf viele neuere Traditio- nen, z. B. von einem Zwerglein, daß im Berner Oberland im Unwetter bei einem Armen einkehrte und ihn und seine Huͤtte vor dem nahen Untergang des Dorfs rettete. — Wegen der Intrigue vom Groß- und Kleinmachen vergleiche man das Maͤr- chen vom Blaubart. Zu den drei Schwestern. No . 82. Dieses Maͤrchen wird oft gehoͤrt, aber allezeit stimmt es der Sache nach mit der auch zum Volks- buch gewordenen Erzaͤhlung des Musaͤus, so daß man es auch hier so finden wird. Er scheint nur die ihm eigenthuͤmliche etwas breite Manier und die Episode von dem Zauberer Zornebock ferner die Namen hinzugethan zu haben, Reinald, das Wunderkind ausgenommen, welches der volksmaͤ- ßige scheint, da in den drei daͤnischen Liedern von Rohm er dem Meermann (Kaͤmpe-Viser S 52 — 160 . U ebersetzung 201 — 206. die einen Theil des Maͤrchens enthalten der Bruder einmal Roland heißt, und beide Namen aͤußerliche Aehnlichkeit haben. Auch sonst ist aus Musaͤus beibehalten was noch volksmaͤißg schien. Li tre' rri anemale im Pen- tamerone ( IV. 3.) gehoͤrt hierher. Zu der Schwiegermutter. No. 83. Stimmt uͤberein mit einem Theil von Perraults la belle au boy dormant . — In Pentamerone V. 5. (sole, luna e talia) laͤst eine eifersichtige Frau ge- rade so den Koch rufen, um ihre Nebenbuhlerin, sammt ihren Kindern zu kochen Der Eingang aber ist hier wie in Dornroͤschen von der gefaͤhrlichen Spindel, und besonders schoͤn und neu der Ue- bergang beider Geschichten in einander. Zu dem armen Maͤdchen. No. 84. Nach dunkeler Erinnerung aufgeschrieben, moͤg- te es jemand ergaͤnzen und berichtigen. Jean Paul gedenkt seiner, unsichtb Loge I, 214. Auch Arnim hat es in den Erzaͤhlungen S. 231. 232. benutzt. Zu den Fragmenten. No. 85. a) Ein franzoͤs. Volksmaͤrchen, perceneige, (Fruͤh- lingsblume, Schneegloͤcklein, Primel) neulich in ein Gedicht: Thibaut ou la naissane du com- te de champagne. Paris 1811. pag. 97. 98. ver- flochten. b) Erinnert an eine Variante zu Droßelbart. Das Ganze vollstaͤndig im Pentamerone I, 5. la polece. c) Dieses Maͤrchen erinnert sich Karl Graß in sei- ner Kindheit in Liefland von einer deutschen Amme, die Marie hieß, erzaͤhlen gehoͤrt zu ha- ben. Er hat daraus ein Gedicht in 12 Gesaͤn- gen gemacht, welches schwerlich dem Maͤrchen beikommen wird S. Erheiterungen 1812. Stuͤck 5, 391—393. d) In der 1001. N. von der kupfernen Lampe, die auch aus Dummheit gegen eine neue gegeben wird. Einigermaßen verwandt ist auch das Fa- bliau vom Sperber, den die Tochter kauft, waͤh- rend die Mutter zur Kirche ist. Fuchs und Gaͤnse. No. 86. ein Vexiermaͤrchen, das man auch zuweilen erzaͤh- len hoͤrt, statt des gewoͤhnlicheren vom Schaͤfer, der der viel hundert Schafe uͤber einen breiten Fluß setzen will, in einem kleinen Nachen, worin jedes- mal nur ein einziges Platz hat. Dieses hat be- kanntlich in dem Don Quixote I cap. 20. Cervan- tes vortrefflich angebracht, und Avellaneda in sei- ner Fortsetzung cap. 21. es durch ein aͤhnliches von Gaͤnsen, die uͤber eine schmale Bruͤcke gehen uͤber- bieten wollen. An sich ist es viel aͤlter, die no- velle antiche n. XXX. erzaͤhlen es schon und noch fruͤher das altfranzoͤs. castoiment (fabliaux ed. Meon. II, 89—91.) — eine aͤhnliche Idee liegt dem demadischen Redner Aesops zu Grund. ( Furia 54. Coray 178. ) Einiges aus dem Kinderglauben. 1) Wenn ein Bruͤderchen oder Schwesterchen geboren wird, und die Kinder fragen, woher es ge- kommen sey? so sagt man ihnen: aus dem Brun- nen , da hole man sie heraus. Gewoͤhnlich ist aber an dem Ort ein gewisser Brunnen, auf den man verweist, und wenn sie hineingukken, sehen sie ihre eignen Koͤpfe unten im Wasser und glau- ben desto mehr daran. Oder man sagt: ein Engel bringe sie, und der habe zugleich das Zuckerwerk mitgebracht, das ihnen bei der Kindtaufe oder vorher gegeben wird; gewoͤhnlich sind es bunte Zuckererbsen Oder: der Storch fische die Kinder im Wasser und bringe sie in seinem rothen Schnabel getragen, darum wird er angesungen: Klapperstorch, Langbein, bring meiner Mutter ein Kind heim, leg es in Garten, will es fein warten, legs auf die Stiegen! will es fein wiegen. Oder auch niederdeutsch: Ebeer, Langbeen wenneer wult dn to Lande teen ꝛc. Der Name des Storchs Adebar , bedeutet ver- muthlich Kindtraͤger, von baren, tragen und an- dere erklaͤren Oudevar durch: alter Vater. Un- Kindermärchen. E ter den Nuͤrnberger Spielwaaren ist der Storch mit dem Wickelkind im Schnabel sehr haͤufig. Bronner erzaͤhlt in s. Leben Zuͤrch 1795. I, 23. 24. ) „da fragte ich meinen Vater einst bei Tische: wo ist denn unser Bruͤderlein hergekom- men? die Hebamme saß auch dabei. Diese Frau da, sagte er, hat es aus dem Krautgarten herein- gebracht, du kannst noch heute den hohlen Baum sehen, aus dem die kleinen Kinder immer heraus- schauen, die man denn abholen laͤßt, sobald man ihrer verlangt, u. s. w. Es war eine hohle Wei- de an einem Teich, Bronner schaute hinein und sah den Knaben im Wasser, sein Vater hieß ihn rufen: Buben, wo seid ihr? und er zweifelte nicht mehr. In einem Kinderlied: die andere geht ans Bruͤnnchen und findt ein goldnes Kindchen. 2) Wenn man Papier verbrennt, giebt man Acht, wie die Funken auf dem schwarzen herumge- hen und nach und nach verschwinden, besonders auf den allerletzten. Man sagt: das seyen die Leute die aus der Kirche gingen, und der letz- te sey der Gloͤckner , (Kuͤster der die Thuͤre zu- schließe. Franzoͤs. que l'est l'abbesse, qui fait coucher les nonnains. 3) Wenn die Kinder Abends vor Muͤdigkeit mit den Augen blinzen und gleichwohl noch gern wach blieben, aber nicht koͤnnen, heißt es: das Sand- maͤnnchen kommt! Baierisch: Pechmaͤnnchen (Schmidt westerwald. Id) Schuͤtze (im holstein. Id. 4, p. 3. 4) meint es sey aus Saͤmaͤnnchen ent- stellt, wie Sandsaier, aus Saatsaier; „de Saat- saier kumt,“ wenn einer schlaͤfert, und still ist, wie im stillen Wetter gesaͤt wird. Offenbar gezwun- gen. Nach der griech. Mythe sprengt der Schlaf Lethewasser in die Augen (wie dort Sand), und weht mit seinen Fluͤgeln, bis man entschlaͤft. Bei Zeus setzt er sich auf die hoͤchste Tanne des Ida in das stachelvolle Gezweig. 4) Frisches Brod aus neuem Korn heißt Haa- senbrod , und der Haase hat es im Wald gebak- ken. Wenn auf den Bergen Nebel liegt, so ist es der Rauch aus seiner Kuͤche: „der Haas kocht.“ 5) Faͤllt Schnee , so sind es Federn aus dem großen Bett, das dem lieben Gott aufgegangen ist; oder Frau Holle macht ihr Bett. Hierzu gehoͤrt eine merkwuͤrdige Stelle Herodots (Melpom. c. 7. und 31.) wonach bereits die alten Skythen den schneienden Himmel voller Federn glaubten. Vom wehenden Schneien in großen Flocken: „Muͤller und Becker schlagen sich einander.“ (J. Pauls Fixlein p. 94.) Der Schnee ist Mehl . Hier wird vielleicht eine Stelle Rumelands (alt Meisters- gesangbuch CCCXXII. ) klar: swan so der sne gevallen ist, so hor ich dat vil dicke man sprichet: gib den wynden brot , er hat gesnyget ! swer syne guten wynde laz in hungernot verderben den sumer lanc, der mac des winters in dem sne vil lutzel mite ir (? in) erwerben, ir macht ist krank. soll hier der fallende Schnee das Mehl bedeuten, woraus man den hungrigen Winden Brod backen solle? Daß die Winde hungrig, vielfressend sind, erhellt aus der nordischen Mythe, Vafthrudnismal 37; der Wind heißt Hraͤsvelgr , cadaverum hel- luo (svelgia, schwelgen, svelta, hungern) oder viel- mehr: er kommt aus den Adlerfluͤgeln des Hraͤsvelgr. Er ist also ein Vogel und dies bestaͤ- tigt der latein. Name aquilo , der nach Festus a vehementissimo volatu ad instar aquilae be nannt wird, im Grund aber der Adler selbst ist, denn wie dieser der Voͤgel Koͤnig, so ist aquilo der Winde Koͤnig. Besondere Erlaͤuterung gewaͤhrt aber, was Praͤtorius in s. Weltbeschreibung 1, 429 berichtet: „zu Bamberg in Franken zur Zeit eines starken Windes hat ein alt Weib ihren Mehl- sack in die Hand gefaßt, und denselben aus dem Feuster in die freie Luft nebenst diesen Woͤrtern ausgeschuͤttet: lege dich, lieber Wind, bringe das deinem Kind! sie wollte hiermit den Hunger des Windes stillen , da sie glaubte derselbige wuͤthe darum, wie ein fraͤßiger Loͤwe, oder ein grimmiger Wolf.“ In der Rockenphilosophie p. 265. „wenn der Wind sehr wehet, so kann man solchen stillen, wenn man einen Mehlsack ausstaubet und darzu spricht: sieh da Wind, koch ein Muß fuͤr dein Kind! Fischart, im 14. Capitel, von der Jugend des Gargantua fuͤhrt folgendes an: die Wolken sind Wolle oder Blumendolder (wie man eine gewisse Art weißer Wolken Laͤmmerchen nennt), das Ge- woͤlk Spinnweb oder Schynhut (?, der Schnee Mehl (so der Mehlthau, die Schlosen Zucker- erbsen, die Wasserblasen Laternen, ( Rabelais IV 5. laͤßt den Hagel aus einem Land Lanternois kommen, man schoͤpfe die Kinder aus dem Brun- nen ; es all noch eins vom Himmel; der Storch bringe rothe Schuh mit; wann die Wolken fallen, koͤnne man alle Lerchen sehen; wann den Kindern hungert: die Froͤsche murrten in ihrem Bauch (stomachus latrat). (Nach Schuͤtze pflegt man auch zu sagen: Jung iß, sonst kommt der Hund und frißt dir deinen Magen weg.) Den vorhergehenden Anmerkungen ist Folgendes gehoͤrigen Orts einzuschalten. Num . 2. (Katz und Maus.) wird auch vom Fuchs und Hahn erzaͤhlt, die einen Honigtopf finden. Die Kinder haben bedeutende Namen: Rand- aus, Halbaus, Ganzaus. Num . 3. (Marienkind.) Auch im Pentamerone schließt Marchetta die verbotne Kammer der Orca auf und wird darum von ihr ausgestoßen. Num . 6. (Nachtigall und Blindschleiche) si haut! si haut! ahmt den Nachtigallgesang nach, wie zi- kuͤth! zikuͤth! im Maͤrchen von Joringel. S. 329. Num . 12. (Rapunzel.) Das Einschließen der Jung- frau in den Thurm, kommt in viel alten Liedern vor, z. B. Hildburg und Hug, Dieterich, Bryn- hild und ist daher nicht gerade fuͤr ein Gefaͤngniß zu nehmen. Num . 13. (die drei Maͤnnlein.) Auch im Daͤnischen Lied kommt die Mutter aus dem Grab ihr Kind zu traͤnken und zu pflegen. (Uebersetzung S. 148. 149.) Vgl. auch Nr. 1 . S. 37. Num . 14. (vom Flachsspinnen. Praͤtor im Gluͤcks- topf 404 — 406. erzaͤhlt das Maͤrchen auf folgende Weise. Eine Mutter kann ihre Tochter nicht zum Spinnen bringen und gibt ihr darum oft Schlaͤ- ge; ein Mann der das einmal mit ansieht, fragt, was das bedeuten solle. Die Mutter antwortet: „ach, ich kann sie nicht vom Spinnen bringen, sie verspinnt mehr Flachs, als ich schaffen kann.“ Der Mann sagt: „ei, so gebt sie mir zum Weib, ich will mit ihrem unverdrossenen Fleiß zufrieden seyn, wenn sie auch sonst nichts mitbringt.“ Die Mutter wars von Herzen gern zufrieden und der Braͤutigam bringt der Braut gleich einen großen Vorrath Flachs, davor erschrickt sie innerlich, nimmts indessen an und legts in ihre Kammer und sinnt nach, was sie anfangen soll. Da kom- men drei Weiber vors Fenster: eine so breit vom Sitzen, daß sie nicht zur Stubenthuͤre herein kann, die zweite mit einer ungeheuern Nase, die dritte mit einem breiten Daumen, die bieten ihre Dien- ste an und versprechen das aufgegebene zu spin- Kindermärchen. F nen, wenn die Braut am Hochzeittage sich ihrer nicht schaͤmen, sie fuͤr Basen ausgeben und an ihren Tisch setzen wolle. Sie willigt ein, sie spinnen den Flachs weg, woruͤber der Braͤutigam die Braut lobt. Als nun der Hochzeittag kommt, so stellen sich die drei abscheulichen Jungfern auch ein; die Braut thut ihnen Ehre an und nennt sie Basen. Der Braͤutigam verwundert sich und fragt, wie sie zu so garstiger Freundschaft komme, „ach, sagt die Braut, durchs Spinnen sind alle drei so zugerichtet worden, die eine ist unten so breit vom Sitzen, die zweite hat sich den Mund ganz abge- leckt, darum steht ihr die Nase so heraus und die dritte hat mit dem Daumen den Faden so viel ge- dreht.“ Darauf ist der Braͤutigam betruͤbt wor- den und hat zur Braut gesagt, sie sollt nun ihr Lebtage keinen Faden mehr spinnen, damit sie kein solches Ungethuͤm wuͤrde. — Eine muͤndliche Erzaͤh- lung aus dem Corveischen stimmt im Ganzen da- mit, nur sind es zwei steinalte Frauen, welche drei Kammern voll Flachs spinnen, die eine dreht das Rad, die andere klopft blos mit dem Finger auf den Tisch, und so oft sie klopft, faͤllt ein Strang Garn fertig zur Erde. Num . 15. (Haͤnsel und Gretel.) Vgl. den Eingang von nennillo e nennella im Pentamerone. Man hat dies schoͤne Maͤrchen auch so, daß statt der Alten ein Wolf im Zuckerhaͤuschen sitzt und noch mehr Reime dabei vorkommen. Num . 16. (Fix und Fertig.) In den Ammen-Maͤr- chen (Weimar 1791. 1792. 2. Bde.) steht ein aͤhn- liches, aber wie alle in dieser Sammlung nicht rein aufgefaßtes Maͤrchen, worin jedoch einige gute Umstaͤnde sind) Unterwegs sieht er zwei Tauben, eine weiß , die andere schwarz , sich beißen, die jagt er von einander. Als ihm nachher aufgegeben wird, einen Kranz aus dem Himmel und einen Brand aus der Hoͤlle zu schoffen, fliegen die Tau- ben, die weiße jenen, die schwarze diesen zu ho- len. — Ameisen , die er mit Brot gefuͤttert, lesen ihm dankbar neun Malter neunerlei Getrai- de in einer Nacht aus einander und kommen aus allen Diehlenritzen hervor. Num . 18. (Strohhalm, Kohle und Bohne) die nu- gae venales von 1648. s. l. in 12. enthalten auch crepundia poetica, daselbst p. 32. 33. unser Maͤr- chen kurz: Pruna, faba et stramen rivum transire laborant, seque ideo in ripis stramen utrimque locat. Sic quafi per pontem faba tranfit, pruna sed urit stramen et in medias praecipitatur aquas. Hoc cernens nimio risu faba rumpitur ima parte sui; hancque quasi tacta pudore tegit. In einem lat. Gedicht des Mittelalters (Handschr. zu Strasburg) kommt die Fabel von der reisen- den Maus und Kohle mit der Wendung vor, daß beide ihre Suͤnden zu beichten in die Kirche wall- fahrten, beim Uebergang faͤllt die Kohle in ein Baͤchlein zischt und erlischt. Vgl auch die aͤsop. Fabel vom Dornstrauch, Taucher und der Fleder- maus (Furia 124. Coray 42.) Num . 19. (Von dem Fischer.) In Kerners poet. Al- manach fuͤr 1812. steht dies Maͤrchen unter dem Titel: Hans Entendee, doch viel duͤrftiger. Num . 20. (der tapfere Schneider.) Fischarts Gar- gantua 254 b. — „ich will euch toͤdten, wie die Muͤcken neun auf einen Streich wie jener Schneider.“ Simplicissimus B. 2. Cap. 28. und den Titul eines Schneiders, sieben auf einen Streich uͤberstiegen hatte. Num . 21. (Aschenputtel.) Kaiserspergs Eschengruͤn- del enthaͤlt nichts fuͤr die Fabel, außer daß man sieht, das Wort sey daher entlehnt und zwar ist es auch deutlich ein verachteter Kuͤchenknecht (im Holzschnitt dabei aber eine Kuͤchen magd ). Rollenhagen spricht gleichfalls von drei Bruͤ- dern , nicht Schwestern. — Es ist ein alter Zug, daß die Tauben (reine Thiere) rein lesen . Schon in einem altdeutschen Gedicht steht gleich- nißweise: „mit linden spruͤchen suͤzen, als es di turteltube habe erlesen.“ In Pauli's Schimpf und Ernst ed. 1535. fol. Cap. 315. f. 60 a. eine Er- zaͤhlung von einer Frau, die hinten in der Kirche auf ihren Knien lag, betete und weinte vor An- dacht, da sah der Bischoff wie „eine Taube kam F 2 und las dieselben Thraͤnen auf und flog darnach hinweg.“ Num . 22. (Kinderschlachtspiel.) Kinder lockt die Rundheit und lachende Roͤthe der Aepfel vor allen Dingen. Man vgl. das schott. Lied von der Ju- dentochter; auch Fuͤrterer im Lanzilet Nr. 49. „als kinden tut gezemen, den man peut ein Apfel rot , lassen das gold in aus den henden nemen.“ Und im Schwank vom Haͤselin 54. 55. „ein kint den Apfel minnet und neme ein ei fuͤr des riches lant.“ Also versucht der Apfel im Pa- radis die ersten Menschenkinder. — Den latein. Vers geben die nugae venales p. 97. so: hircus cum pueris, puer unus, sponsa, ma- ritus, etc. Num . 32. (der gescheidte Hans.) Vgl. Hans Sach- sens Schwank vom Kaͤlberbruͤten. Num . 35. (Sperling und seine Kinder.) Steht schon fruͤher im Froschmeuseler Magdeb. 1595. A a V. — B b 1. Num . 39. III. (Wichtelmaͤnner) zu dem Vers: „ old as de Bemer Wold “ von sehr alten Dingen. Daͤhnert plattd. Woͤrterbuch S. 556. „ Bremer Woold “ hat Schuͤtze im holst. Idiot. III. 173. 373. Num . 44. (Gevatter Tod.) Erweis vom Alter der Sage kann schon allein geben, daß sie Jacob Ayrer in einem Faßnachtsspiel (dem 6ten im opus theatr. ) vom „Baur mit seim Gevatter Tod“ be- arbeitet hat. Erst bietet sich Jesus dem Kind- taufvater an, der ihn aber verwirft, weil er ei- nen reich, den andern arm mache. Drauf naht sich der Teufel , den er gleichfalls ausschlaͤgt, weil er vor dem Namen des Herrn und des heiligen Kreuzes weglaufe, (gerade wie der h. Christoph, als er sich einen Herrn sucht) der Teu- fel schickt ihm zuletzt den Tod auf den Hals, der alle Leute gleich behandelt, Gevatter steht und verspricht ihn zum Arzt zu machen, als woraus ihm uͤberreicher Lohn entspringen werde: bey allen Kranken finst du mich und mich sieht man nicht bey ihn seyn, dann du sollst mich sehen allein; wenn ich steh bey des Kranken Fuͤßen so wird derselbig sterben muͤssen, alsdann so nim dich sein nicht an, sichstu mich aber beym Kopfen stahn ꝛc. zum Schein der Arzenei solle er nur zwei schlechte Aepfelkern in Brot gesteckt eingeben. Dem Bauer gelingts damit, aber zuletzt holt der Tod seinen Gevatter selbst. Dieselbe Fabel, jedoch mit eigenthuͤmlichen Ab- weichungen (worunter die beste, daß nicht der Vater, sondern das neugeborene Kind selbst die Doctorgabe empfaͤngt), erzaͤhlt Praͤtorius im Gluͤckstopf 1669. S. 147 — 149. Aus heutiger Volkssage aufgenommen aber weitlaͤuftig behandelt, steht sie in G. Schillings neuen Abendgenossen III. 145 — 286. Wie bei Ayrer ist nicht der Pathe, sondern der Vater selbst Doctor. Merkwuͤrdig ist der gewiß echte Schluß: der uͤberlistete Tod, um sich zu raͤchen, fuͤhrt den Gevattersmann in die Lichterhoͤhle, fuͤr Kinder brennen große, fuͤr Eheleute halbe, fuͤr Greise kleine. Des Gevatters eignes Lebenslicht ist nur ein kleines Endchen noch; da bittet er den Tod, ein neues anzuzuͤnden, welches aber nicht geht, da eins erloͤschen muß, eh ein neues anbrennt; also bittet er, unten anzusetzen, damit es gleich fortbrennen koͤnne. Der Tod thut, als willigte er ein, langt ein großes frisches Licht, versieht es aber absichtlich beim Unterstecken, daß das Stuͤckchen umfaͤllt und lischt. Damit faͤllt der Gevatter hin und ist todt. (Diese Lichter, woran das Leben gebunden wird, erinnern an den Nor- nengast und die noch gangbare Redensart vom „Ausblasen des Lichts, der Lebenskerze“ fuͤr: um- bringen.) Alles in diesem Maͤrchen weist auf sehr tieflie- gende Ideen hin. Der Tod und der Teufel sind die boͤsen Gottheiten und beide nur eine, wie die Hoͤlle die Unterwelt und das Todtenreich, da- her im Maͤrchen vom Schmiedt auch beide nach einander auftreten. Aber der boͤse heißt wie der gute Gott, Vater und Tatta . Der Gevatter nicht blos Vater , sondern auch Pathe, Goth und Dod oder Tot (das getaufte Kind eben so: Pathe und Gothel, daher die Verwechselung bei- der in unserer Sage folgerecht. Altd. Waͤlder I. 104) und auf dieser Grundlage des Glaubens und der Sprache wachsen die lebendigen Bilder der Fa- bel auf; so verhaͤlt es sich fast immer damit, scheint aber selten so durch. Num . 45. (Schneider Daumerling.) Dies Maͤrchen wird auch in der tabartschen Sammlung (neuste Ausg. Lond. 1809. T. III. 37 — 52. ) erzaͤhlt: the life and adventures of Tom Thumb Ein Schneiderskind ist er hier nicht, sondern bloßer Daͤumerling und wiewohl sonst vieles uͤberein- stimmt, hat doch auch die englische Sage schoͤne Eigenthuͤmlichkeiten, z. B. S. 41. als die Mutter die Kuh melkt und gerade ein windiger Tag ist, damit er ihr dieweil nicht fortgeweht werde, bindet sie ihn mit einem Zwirnsfaden an eine Distel, welche hernach die Kuh frißt und so manches an- dere. Was fuͤr die Geschichte der Mythen noch merkwuͤrdiger ist, so scheint dieser Tom Thumb mit andern englischen und schottischen Sagen von Tam- lane, Tomlin und selbst Thomas dem mythischen Dichter in Verbindung zu stehen. Num . 47. (der Machandel-Boom.) Daß dies Maͤr- chen auch in Schottland herumgeht, zeigt folgender Reim, den Leyden aus einem nursery tale aufbe- wahrt: the spirit of a child in the form of a bird whistle the following verse to its father: „pew wew, pew wew, (pipi, wiwi,) my minny me slew.“ Num . 51. (Jundevogel.) Ein aͤhnliches Aufsuchen der Fluͤchtigen ist in Rolf Krake's Sage. Cap. 2. Num . 52. (Koͤnig Drosselbart.) Broselbart und Dro- selbart liegen sich zwar zur Verwechselung nah, denn bei Ulfilas heißt ein Brosen: draus , man darf aber den Namen ebenwohl von Drossel, Druͤs- sel, Ruͤssel, Maul, Nase oder Schnabel herleiten und die Abweichung des Maͤrchens selber schickt sich zu beiden. Num . 53. (Sneewittchen.) Vgl. Musaͤus Richildis, der den Reim etwas anders hat. Ueber das Ganze, besonders das Sitzen bei der immer frisch ausse- henden Leiche, Haralds haͤrf. Sage. Cap. 25. Num . 55 (Rumpelstilzchen.) Eine andere Erzaͤh- lung leitet so ein: die Frau geht vor einem Gar- ten vorbei, worin schoͤne Kirschen haͤngen, be- kommt ein Geluͤsten, steigt ein und ißt davon; aber ein schwarzer Mann kommt aus der Erde und sie muß ihm fuͤr den Raub ihr Kind versprechen. Als es geboren ist, dringt er durch alle Wachen, die der Mann ausgestellt hat und will der Frau nur dann das Kind lassen, wenn sie seinen Namen weiß. Nun geht der Mann nach, sieht, wie er in eine Hoͤhle steigt, die von allen Seiten mit Koch- loͤffeln behangen ist und hoͤrt wie er sich Fleder Flitz nennt. — Unser Maͤrchen ist auch das fran- zoͤsische Ricdinricdon in der Tour tenebreuse der Mlle L'heretier, wonach eine daͤnische gedruckte Bearbeitung: en smuk Historie om Rosanie … tjent ved Fandens Hielp for Spindepige. (Iris 1795. Juny. 244 — 46.) — Das Spinnen des Golds kann auch die schwere, kummervolle Arbeit Golddraht zu verfertigen andeuten, welche armen Jungfrauen uͤberlassen blieb, so heißt es im alt- daͤn. Lied Kaͤmpe Viser S. 165. V. 24. Nu er min Sorg saa mangefold, som Jongfruer, de spinde Guld. Vgl. Wolfdieterich 89. und Iwein 6165. ff. Num . 60 (Goldei.) Bey dem Herz, das die bei- den unversehens essen, ist an Loki zu erinnern, der das halbverbrannte (Hyndluliod 37.) und an den Fuchs der aͤsopischen Fabel, (Furia 356. Coray 358.) der das von ohngefaͤhr herausfallende Herz der Huͤndin verzehrt. Der Loͤwe fragt wie der Goldschmidt darnach, allein der Fuchs gibt ihm hier eine moralisch witzige, statt der mythischen Antwort. Vermuthlich gehoͤrt eben darum auch die Fabel vom Koch und Hund hierher (Furia 227.). Num . 62. (Blaubart.) Die Gesta Romanor. ent- halten eine Erzaͤhlung, wo einer Mutter vier Trop- fen Blut ihres unschuldigen, von ihr gemordeten Kindes auf die Hand fallen, welche nicht fortzu- bringen sind, so daß sie bestaͤndig einen Handschuh traͤgt. Num . 64. I. (Weiße Taube.) Das gedruckte daͤni- sche Maͤrchen: Historie om trende Broͤdre, iblandt hvilke den yngste efter han havde af sine to broͤ- dre lidt stor foragt … omsider blev en Fyrste u. s. w. scheint in diesen Kreis zu gehoͤren. Nye- rup (Iris, Juny 1795. S. 281.) Der es zu schnell verurtheilte, hat sich nur kurz daruͤber ausgelassen. Num 64. III. (Die drei Federn.) Ueber das Feder- aufblasen denen man nachgebt. Vgl. Altd. Waͤlder I. 91. Und Aventin bair. Chronik S. 98 b. „Es ist auch sonst ein gemein Spruͤchwort vorhanden, das gemeiniglich diejenigen brauchen, so fremde Land bauen wollen oder sollen: „ ich will ein Feder aufblasen, wo dieselbig hinaus fleugt, will ich nachfahren .“ — S. auch Voͤlnndurs Lied, wo der eine Bruder nach Osten, der zweite nach Suͤden auszieht, der dritte aber daheim bleibt. Num . 64. IV. (Goldne Gans.) Vgl. juͤngere Edda Daͤmis. 51. Num . 66. (Hurleburlebutz.) Wie die Soͤhne damit erprobt werden, ob sie ein Stuͤck Kuchen mitthei- len, so erhaͤlt Engelhart (im Roman des Conrad von Wuͤrzburg s. Eschenburgs Denkmaͤlev S. 44.) von seinem Vater auf die Reise drei Aepfel, wer ihm begegne, dem solle er einen reichen; verzehre ihn der Fremde ganz, ohne ihm einen Theil davon zu geben, solle er ihn meiden, gaͤbe er aber etwas, solle er seine Freundschaft annehmen. Auch der dritte zeigt sich erst gut. Num . 71. (Maͤusehaut.) wie der Vater hier, so fragt Koͤnig Lear seine Toͤchter. Num . 72. (das Birnli) S. Fischarts Spielverzeich- niß im Gargantua. Nr. 398. Num . 78. (der Großvater.) Vgl. Walter von der Vogelweide I. 129a. die jungen spotent alse dar der alten: „beitent unz uͤwer jugent zerge, swaz ir nu tunt, daz rechent uͤwer jungen .“ Num . 80. (Tod des Huͤhnchens.) Nach einer bai- rischen Erzaͤhlung: das Haͤhnl lauft zum Brunnl, sagt: „ach Brunnl, gib mir ein Waͤsserl, daß mein Haͤhnl nicht erstickt.“ Waͤsserl sagt: „geb dir kein Brunnel, bis du zum Lindl gehst und bringst mir ein Blaͤttl.“ Das Lindl sagt: geb dir kein Blaͤttl, bis du zum Braͤutl gehst und bringst mir ein Baͤndl.“ Braͤutl sagt: „geb dir kein Baͤn- del, bis du zum Saͤul gehst und bringst mir ein Buͤrstel.“ Saͤul sagt: „geb dir kein Buͤrstl, bis du zum Muͤller gehst und bringst mir ein Kleil.“ Muͤller sagt: „geb dir kein Kleil, bis du zum Baͤurl gehst und bringst mir ein Knoͤdel (Klos).“ Da gibt der Bauer ein Knoͤdel, nun befriedigt es alle, kommt aber mit dem Wasser zu spaͤt und weint sich todt auf dem Grab. — Ueber Hahnen- berg und Hahnensumpf hat man eine daͤni- sche Volkssage. Antiquariske Annaler I. 331. Num . 81. (Schmidt und Teufel.) Sobald man sich unter dem Schmidt mit seinem Hammer den Thor, unter dem Tod und Teufel einen plumpen Riesen denkt, gewinnt das Ganze eine wohlgegruͤndete alt nordische Ansicht. Num . 82. (Die drei Schwestern.) Die Aehnlichkeit des Lieds von Rosmer (S. LV. steht durch Druck- fehler Rohmer) wird durch eine Stelle in Jamie- son's popular ballads Edinb. 1806. 1. 217. be- staͤrkt: „It may be observed, that there is a stri- king resemblance between the story of Rosmer Hafmand and the romance of child Row- land (not yet entirely lost in Scotland) which is quoted by Mad Tom in Shakespeare: Child Rowland to the dark tower came — (the fairy comes in) with, fi, fi, fo and sum! I smell the blood of a british man! be he dead, be he living, wi' my brand, I'll dash his harns frae his harn-pan the british story is much finer in every respect than the danish etc. etc. — Wie hier der Adler. so reicht im Schahnameh der Riesenvogel Simurg dem Knaben Sal aus sei- nem Gefieder eine Feder; wenn er in Noth sey, solle er sie ins Feuer werfen (auch das Reiben im Maͤr- chen soll sie entzuͤnden) und auf der Stelle werde er ihm durch die Wolken zu Huͤlfe geflogen kom- men. (Fundgruben des Or. III. 63.) Num . 86. (Fuchs und Gaͤnse.) Spruͤchwort: wenn der Wolf die Gaͤnse beten lehrt, frißt er sie zum Lehrgeld. Der Wolf ist der Fuchs. Ofterdingen im Wartburger Krieg 20: „ir habt Gense-Wan, so si den Wolf erkennent und wellent uz den zuͤnen gan.“ Druckfehler zum ersten Theil . Vorr. Seite XV. Zeile 5. von unten statt in seinem lies in seinen . S. 69. Z. 10. st. mich l. nich . — 74. — 11. nach ga ein Komma. — 75. st. Koͤkenlicht l. Koͤten- oder Koͤting- licht (Reynaert de Vos V. 303. „bernende stal- licht“ von Kothe, arme Huͤtte, Stall a. s. cyte engl. und holl. cot, kot. Daͤhnert v. Koͤtken , das letzte Endchen von einem abgebrannten Licht. Ueber Stalllicht s. Huydecoper zu Stocke III. 189.) S. 158. Z. 11 st. Hebeitzen l. Hebritzen . Ueber dies Wort vgl. Aventin bair. Chronik 18 a „Haͤ- berritzen.“ S. 217. Z. 11. v. unten st. um l. und . — 246. — 3. — — st. viel l. fiel . — 326. — 1. st. mas l. was . — 342. — 3. st. Kammrr l. Kammer . Anhang. S. VII. Nr. 9. st. le sette cottenelle IV. 4. l. li sette palommielle IV. 8. S. IX. Z. 13. st. Pollus l. Pollux. — — — 15. st. Dummlung l. Dummling . — — — 22. st. Essais l. Essai. — XVI. Z. 11. st. Gautraks l. Gaut reks . — — — 13. — till l. til. — — — 16. — sitta l. sitia — st. Kaltur l. Kattur . — XX. — 23. — lisette l. li sette. — XXIV. Z. 12. v. u. st. Skrandere l. Skrae- dere — st. Ved l. ved . — XXV. Z. 9. v. u. st. koͤstlichen l. koͤstlichsten . — XXXI. Z. 15. st. migella l. nigella. — XXXV. Z. 9. v. u. st. Hans Sachs l. Ayrer . — XXXVII. Z. 3. st. Rong l. Kong . — XL. letzte Z. st. Calenbuͤrgern l. Lalenbuͤr- gern . — XLI. Z. 15. v. u. st. Fitschers l. Fitchers . — LII. Z. 9. v. u. st. 5 l. 3. — LIII. Z. 8. u. 28. st. Schied l. Schmied . — LIV. Z. 6. v. u. st. wenche l. welche . — LV. Z. 7. v. u. st. Rohmer l. Rosmer . — LVI. Z. 2. st. boy l. bois. — — — 3. — eifersichtige l. eifersuͤchtige . — — Nr. 85 a . l. naissance — LVIII. Z. 12. st. demadischen Redner l. Redner Demades . — — — 24. st. l'est l. c'est. An den Buchbinder . Seite 387, im ersten Theile, wird herausgeschnit- ten, und an dessen Stelle das Blatt 387, wel- ches an diesem Bogen befindlich ist, dafuͤr eingeheftet. Dieser Bogen F wird an den Viertelbogen E ange- bunden, nach dem Anhange des ersten Theils. Der Viertelbogen D, welcher sich am T Bogen befin- det, wird nach dem Anhang des zweiten Theils eingebunden.