Spatziergänge . Erster Theil . Berlin 1774 . Bey Christian Friedrich Himburg . Vorrede . V on meinen frühesten Jah- ren an hab’ ich einen gros- sen Theil meiner Zeit mit Spatzie- rengehen zugebracht. Es ist mir nicht unbekannt, dass ich da- durch, bey meinen lieben Lands- leuten, in den unverschuldeten Ruf eines grossen Müssiggängers ge- kommen bin. Freylich wohl, wenn ich nur gegangen wäre und immer gegangen wäre, um zu ge- hen, um die Zeit zu tödten, um die Welt anzugaffen, so könnt’ ich leicht an dem Körper meines kleinen Staats ein unnützer Aus- wuchs, ein Hünerauge z. E., oder sonst etwas ähnliches geschimpft werden, und die richterische Schee- re verdienen. Aber meine lieben Mitbürger und Mitbürgerinnen, wie konntet Jhr mich so lieblos verurtheilen? Jhr besonders, Jhr schönen Seelen, deren es doch un- ter jedem Tausend wohl ein Paar giebt, wie konntet Jhr Euch von dem Strome fortreissen lassen, oh- ne einmal einen kleinen, villeicht, villeicht auch nicht unnützen Widerstand zu wagen? Es ist nun einmal nicht geschehen! Mein guter Name ist dahin, und villeicht auf immer dahin: wenn ich nicht das letzte daran setze, welches in dem gegenwärtigen Fal- le nichts anders, als meine Selbst- vertheydigung seyn kann. Wohl- an denn, die Sache rede selbst! Mein Leben war, von der Zeit an, da ich den Händen der Kinder- muhme entronnen, auf meinen bey- den Füssen einhertrat, ein langer, und wenn ich ihn nach seinem grös- seren Theile benennen soll, ein vergnügter Spatziergang. Das ist die reine Wahrheit. Nun konn- tet Jhr wenigstens doch wohl ver- muthen, dass ich zuweilen; wo nicht immer, im Gehen etwas ge- dacht haben mögte: Und hättet Jhr das nur ein einziges mal ver- muthet, so würdet Jhr villeicht angestanden haben zu urtheilen, bis Jhr auf irgend einem Euch be- liebigen Wege, die Materie und Form meiner Gedanken herausge- bracht hättet. Nichts wäre leich- ter gewesen. Jhr hättet gefragt: Jch offenherzig und freymüthig geantwortet. Mir hättet Jhr den Verdruss erspart, den ich immer empfinde, wenn man schlimmer von mir denkt, als ich es verdient zu haben glaube: und Euch die Beschämung, Euch in Eurem Richterspruche übereilt zu haben. Was ist es aber mehr? Wir sind gute Freunde: Wir müssen zusammen leben. Jn kurzem sollt Jhr mit meinen besten Spatzier- gängen so bekannt seyn, als nöthig ist, Euch zu überzeugen, dass. ich spatzieren musste, bisweilen um überhaupt zu denken, bisweilen nur um grade so und nicht anders zu denken, als ich gedacht habe. Wie glücklich wär’ ich, wenn einer und der andre von Euch noch sonst etwas in meinen Ge- danken gewahr würde, das ihn vermuthen liesse, ich könnte damit wohl gar die ehrliche Absicht ha- ben ihn angenehm zu unterhal- ten! Denn, dass ich auf einen ausgebreiteten, höheren Nutzen denken; hier gute Triebe sollte aufwecken, dort schlimme ein- schläfern; böse Gewohnheiten ausjäten, gute dafür pflanzen wollen: das dürfte unter allen Klassen meiner Mitbürger in den ersten Minuten unserer Bekannt- schaft, villeicht Niemanden ein- fallen, als mir, dem Verfasser. Spatziergänge. Der erste Spatziergang. J hr lieblichen Sänger dieses einsamen Thales! ich komme mein Morgenlied mit dem eurigen zu verbinden. Jhr sollt mich nicht vergebens aufgefodert haben. Erhebe meine Seele den gütigen Herrn der Natur, den allgemeinen Vater der Freu- de! Höre Gott meinen innigen Dank, höre das Gebet meines Herzens vor Dir! Durch Dich seh’ ich den Tag wieder. Du entferntest die Gefahren der Nacht von meiner friedlichen Hütte. Dass ich noch ihr froher Bewohner bin, dass kein Räu- ber mein Gut und Haabe verringerte, dass kein feindseliger Dolch meinen Tagen dro- hete, dass keine Flut meine Felder verheer- te, dass keine Flamme über mein Dach zu- sammenschlug, dass ich noch die Freunde meiner Seele fröhlich begrüsse und ihren treuherzigen Gruss wiederempfange, dass ich selbst noch lebe, noch athme, dass ich meine Gedanken zu Dir erhebe, dass ich in frommer Entzückung was ich empfinde Dir stammle: was ist es anders, als Deine un- verdiente Liebe und Huld die keine Schran- ken kennt? Gott! was bin ich, dass Du mich mit Erbarmung und Langmuth trägst; was bin ich, dass Du mich zum Ziel Deiner Güte machst? Bin ich besser als jene, die Dein Grimm von der Erde vertilgt, die das Schwerdt und die Flamme frisst, die das Meer begräbt, und Hunger und Pest zu Tausenden hinraft? Wenn ich es nicht bin; wie ich es mir denn zu seyn, ohne sträfli- chen Stolz nicht einbilden kann wie stark, wie dringend ist dann nicht die Anfoderung Deiner Liebe an mich: Ein so guter Bür- ger Deines Reichs zu werden, als ich nur immer, mit Anstrengung meiner Kräfte, zu werden vermag? Das sey denn auch an dem heutigen Morgen mein erneuerter, fester Entschluss, der allgemeine Brennpunkt, in welchem alle meine Handlungen zusammenfliessen! Hier in Deinem grossen Tempel, dem glor- reichen Werke Deiner Hand, den Deine Gegenwart füllt; hier bey diesem heiligen Hügel, Deinem Altare, gelob’ ich Dir Heute und immer eine unbestechliche Treue! Erd’ und Himmel mögen wider mich zeugen, wenn ich sie muthwillig ver- letze; oder, dafern ich sie in dem unglück- lichen Rausche meiner Leidenschaften ver- letzt, wenn ich nicht eile, mit Thränen ei- ner unverstellten Reue Deine verscherzte Liebe wiederzugewinnen! Jhr Hügel um- her, ihr stillen Gebüsche seyd Zeugen mei- ner Gelübde! So oft ich mich euch von nun an nähern werde, so oft wird auch das Gelübde dieses seligen Tages vor mei- ne Seele treten; so oft wird der Richter in mir erwachen und mich anklagen, oder los- sprechen, und nie werd’ ich von meinem Gange zu euch zurückkehren, ohne an Tu- gend und Freude; welches nur Eins ist, gewonnen zu haben. Der zweyte Spatziergang. V on einem Gastmahle des schwelgeri- schen Phanors ermüdet, schlich ich dem dunkeln Buchengange zu, der sich um die alten Mauern von N ** in allmähliger Beu- gung herumzieht. O, wie viel schöner als jemals fand ich diesen Schauplatz der harmonischen Natur! Welch ein Auftritt, mit dem verglichen, dem ich nur erst ent- flohen war! Wie sehr verkennen sich die Menschen, die von den feinern Wollüsten nichts wissen wollen, die ihnen der gütige Schöpfer, so ohne alle Kosten, vorgesetzt hat! Täglich kann ich sie, und ohne den bittern Ekel geniessen, der der gewisse Gefährte eurer geschmacklosen Ueberla- dungen ist. Meine ganze Seele nimmt an ihnen Theil. Jch kann in ihrem Genusse dem Gedanken an einen Schöpfer Raum ge- ben, der mich allgegenwärtig umgiebt, der das Jnnre meiner Seele bemerkt und auf jede geheime Absicht meiner Handlungen acht hat. Was ist der flüchtige Kitzel, womit je- ne gekünstelten Gerichte die Zunge reitzen; was ist die wollüstige Fieberhitze, die jene köstlichen Weine meinen Adern einflössen, gegen den reinen Athem der Lust, die ich hier eintrinke; gegen die innige Wärme, die diese mässige Bewegung in gleichen Theilen durch meinen ganzen Körper verbreitet? Phanor, du hast nichts darum ich dich beneiden könnte! Dein rauschendes Kon- zert betäubt mich: Jch glaube die Kory- banten zu hören. Dein Fest ist ein Bac- chanal und deine Tänzerinnen gleichen den Mænaden an Wildheit. Wie viel glück- licher bin ich, zärtliche Philomele, da ich deiner einsamen Klage zuhöre! Mein Herz, von deinen Tönen erweicht, schmilzt in süsser Wehmuth. Jezt schweigst du; ich hö- re das sanfte Geschwätz eines nahen Bachs, der über entblöste Wurzeln dahinfliesst, ich höre den lispelnden West, der sich auf schlanken Zweigen wiegt. Und ist es nicht ein ungemeiner Gewinn, so vieles nicht zu hören: das Getöse der Spieltische nicht, wo Ausrufungen und Flüche sich unauf- hörlich begegnen; das ungeräumte Ge- wäsch so vieler schamlosen Zungen nicht, die ohne Leben und Bewegung sind, wenn sie nicht der mächtige Weingott regiert? Phanor! ich bin dein Gast nie wieder. Jch entsage deinen Festen und dir; oder wenn ich ja komme, so ist es um dir einen deiner Gäste zu entführen, der ein bessres Schick- sal verdient, als den nichts würdigen Haufen vollzählich zu machen, der von dem Schweis- se deines rechtschaffenen Vaters lebt. ( I. Theil. ) B Der dritte Spatziergang. H ier ist also, Klarissa! die geweihete Erde die meinen Yorick bedeckt? Denn das war er, sowohl seiner Laune, als seiner angebornen Gutherzigkeit halber, nach dem Urtheile aller seiner Freunde. Alle nann- ten ihn so, alle liebten ihn so, da er leb- te; alle beweinten ihn so, da er starb. — Was ist dir meine zärtliche Begleite- rinn, was ist dir Klarissa? Du wendest dein Antlitz hinweg; du schweigst; du seufzest; eine glänzende Thräne rollt über deine Wangen herab? — O! ich muss dich um dieser Thräne willen lieben: Gewiss! du musst ein weiches, fühlendes Herz und eine schöne Seele haben, weil du um mei- nen Yorick weinen kannst. War es nicht auch deine freundschaftliche Hand die die- sen Rosenbusch pflanzte, und diesen Wald von düftenden Kräutern? Was hätt’ ich mehr thun können, der ich ihn ganz kann- te, der ich ihn von ganzer Seele liebte, der ich von ihm so herzlich wiedergeliebt wur- de, dass auch der letzte Kampf seines bre- chenden Herzens meinen Nahmen nicht aus seinem Gedächtnisse zu verdrängen ver- mochte? Ruhe sanft heiliger Yorick! heilig mit grösserem Rechte, als jene vergötterte Menge die der Aberglaube in schimmern- den Bildern verehrt. Wenn noch die Seelen unsrer Freunde ihren ehmaligen Wohnplatz, die Erde besu- chen; wenn sie da noch unsre frommen Empfindungen mit Beyfall bemerken; wenn dann noch von uns ein Stral der Freude auf sie zurückschlägt: welche Wollust muss es deinem uns umschwebenden Schatten nicht seyn, ein harmonisches Paar zu deinem Gra- be reisen zu sehen, um da dein Andenken zu feyern, um da eine kleine Hand voll be- thränter Bluhmen dem verwachsenen Hügel zu schenken, der deine Gebeine bedeckt? Ruhe sanft, guter Yorick! unter den ländlichen Denkmählern derer, die deine Lehre und dein Beyspiel auf eine bessre Zu- kunft vorbereitete. Wie mancher mag hier neben dir schlummern, der es dir nun erst recht dankt, dass du seine Seele so oft von den kleinen Geschäften der Erde auf wür- digere Gegenstände führtest; dass du sein Herz für andre empfindlicher machtest; dass du ihn die grosse Kunst zu leben, und in ihr, die noch grössre zu sterben lehrtest! Wie mancher mag hier schlummern, den dein Beyspiel Gleichgültigkeit gegen die Gü- ter der Welt, Mässigung im Glück und im Leiden Geduld predigte; wie mancher, den deine wohlthätige Hand vor Mangel bewahrte, den du kleidetest, den du mit Speise, mit tröstender Rede erquicktest! Heil dir, rechtschaffener Mann, in den Wohnungen des Friedens, für so manche edle That dadurch du die Menschheit ehrtest, und ein ehrwürdiges Amt auch bey denen in Ansehn brachtest, die sonst eben nichts zu achten gewohnt sind was mit der Reli- gion in näherem Zusammenhange steht! Du hast die Pflichten deines Lebens erfüllt; du hast seine zweifelhaften Freuden genossen, in so weit dein immersiecher Körper des angenehmen Eindrucks äusserer Gegenstän- de empfänglich war. Dein für uns zu zeitiger Tod war eine wahre Wohlthat für dich aus den Händen der himmlischen Gü- te, die dich dieser beschwerlichen Bürde früher entlasten, und deine Seligkeit durch einen zeitigern Genuss vergrössern wollte. Dieser Gedanke erhebe uns Klarissa! Trockne die Thränen von deinen Wangen! Sie nützen ihm so wenig als unser Lob. Diess sey sein Denkmahl in unsern Herzen, dass wir uns ermuntern, wie er unsrer Be- stimmung gemäss zu handeln! Wir wollen es verdienen seine Freunde gewesen zu seyn. Unser Leben sey eine redende Lobschrift für ihn! Unsre Seele sterbe den Tod dieses Gerechten! Villeicht wallen dann einst auch zwey oder drey empfindsame Seelen zu un- serm Hügel, um da einige Thränen fallen zu lassen, um da Bluhmen einer frommen Entschliessung zu brechen. Der vierte Spatziergang. W as macht mich so unruhig an diesem reizenden Tage, in dieser Elysischen Flur? Jch erwartete meine Lalage, und ich habe sie vergebens erwartet! Konnt’ ich un- glücklicher seyn? Alle Freuden dieses Ta- ges sind nun für mich dahin! Jch empfinde nichts, ich denke nichts mehr; oder wenn ich etwas empfinde, so ist es nagender Un- muth und böse Laune, die ich nicht über- wältigen kann. Wild irr’ ich umher. Mei- ne Augen wollen dem geliebten Gegen- stande allenthalben begegnen. Von man- cher entfernten Erscheinung getäuscht, von manchem rauschenden Zephyr betrogen, geb’ ich alles verloren. Nun flieh’ ich durch un- bepfadete Felder, durch öde Gebüsche zu- rück. Lycidas kommt auf mich zu. Sonst begegne ich ihm so gerne: Jetzt wünscht’ ich ihm ausweichen zu können, und da ich es nicht kann, so schrecke ich ihn mit einer ungewöhnlichen Kälte zurück; ich spiele die Rolle des Geschäftigen; ich rede mich von ihm los; es ist mir unmöglich bey ihm auszuhalten. Jede menschliche Gestalt ist mir verhasst; jede Rede, die kein Sil- berton von Lalagens Lippen ist, klingt meinen Ohren abscheulich. Die sichtba- re Noth des Dürftigen, die mein Erbarmen mit lauter Stimme fodert, macht einen schwachen Eindruck auf mich. Mein Herz ist gegen alle menschlichen Empfindnisse, gegen jedes zärtliche Gefühl, gegen Freundschaft und Menschenliebe verhärtet. Ich finde mich mürrisch, ungerecht und grausam. Und diess alles, warum? Um ei- ner geringen Fehlschlagung willen, die ich nicht nennen darf, wenn ich nicht lächer- lich werden will. O, Schande, Schande für dich, kleines, verächtliches Herz! Jst das nun die Frucht eines vieljährigen Nach- denkens über das was Recht und Unrecht ist, über das was man lieben, hassen, oder für gleichgültig halten soll? Eine einzige scheinbare Idee, die villeicht nur ein be- trüglicher Traum einer erhitzten Phantasie ist, bringt diese fremde Wirkung hervor. Diese lange, so sorgfältig geknüpfte Kette moralischer Weisheit reisst in einem fatalen Augenblicke ab. Schon hatte ich, das dacht’ ich, die heitre Höhe erreicht, wo ich die Stürme der Leidenschaften verach- ten zu können glaubte: Und ich stehe nun, wie durch den Schlag eines Zauberstabes, auf einmal, mit allen übrigen ehrlichen Bürgern der Erde, auf gleichem, ebenen Boden, allen menschlichen Schwachheiten und Begegnissen ausgesezt! Und so klein ist wohl niemand, als ich mir selbst nach dieser unerwarteten Katastrophe zu seyn dünke! So aufgeblasen und ohnmächtig! So sicher und hülflos! Jch weiss was ich thun will. Wenn mir die himmlische Güte ihre helfende Hand beut; wenn sie mich diesem gefährlichen Wege entzeucht; wenn sie es hindert, dass ich nicht ganz falle: O! dann, dann soll die schwülstige Ueberredung mich nie wieder zu einem blinden Vertrauen auf meine Stärke verleiten. Jch kenne diese schimmernde Rüstung: sie bedeckt mich nicht ganz. Es sind Lücken übrig wodurch ich verwundet werden kann. Nur dann hab’ ich die Höhe erreicht, die den Sterblichen zu erreichen vergönnt ist, wenn ich that was ich konnte, und für das Uebrige mich in die Arme meines allgütigen Vaters warf, der meine kindische Schwachheit mit unendli- cher Erbarmung übersieht, und von seiner Liebe seine züchtigende Hand selbst zu mei- ner Glückseligkeit lenken lässt. Der fünfte Spatziergang. S o seh’ ich dich denn wieder, holdseliges Eyland! zwey traurige Jahre sind es, seit ich mich zum leztenmale im Schatten deiner Gesträuche verbarg. Seitdem strömte die wildeste Flut hoch über deinen grünen Rü- cken dahin; seitdem sang kein zufriedner Vo- gel aus diesen Büschen hervor. Aber nun kömmt ein segensvolleres Jahr! Deine ab- hängigen Ufer kleiden sich schon mit düf- tenden Kräutern und Bluhmen. Wellenlos und unmerklich rollet der Strom vorüber, eine glatte, bewegliche Fläche, scheinet hier gerne zu verweilen. Wie ist hier alles so ruhig, so feyerlich stille! Bin ich es nicht selbst schon in diesen glücklichen Augenblicken geworden? Was meine Ver- nunft, mit einem ganzen Heere von Schlüs- sen, nicht auszurichten vermochte, das kann diese sanftahtmende Luft, dieses lieb- liche Blau des alles umfassenden Himmels, dieser unnachahmliche Teppich von Bluh- men und Muscheln und farbichten Steinen, dieses stillfliessende Gewässer mit seinen Jn- seln und büschichten Ufern. Wo sind sie, alle diese stürmenden Leidenschaften, die mein Jnnres durchtobten? Mit einem em- pörten Herzen verliess ich meine Woh- nung; mit einem beruhigten, lenksamen, versöhnten, zu einer jeden Ersetzung bereit- willigen, kehre ich dahin zurück. Mein kühleres Blut gleitet mit gleichem Laufe in seinen Ufern fort. Jeder Gegenstand erscheinet mir nun wieder in seiner eigent- lichen, wahren Gestalt. Diess ist die Stun- de, die glückliche Stunde eines heilsamen Bewusstseyns meiner selbst. Was war ich? Wie weit entfernte mich diese auflodernde Fieberhitze von dem schmalen Wege einer weisen Mässigung, auf dem man doch nur allein zu einer wahren Ruhe gelangt! Frey- lich war es nicht mein Fehler allein, dass ich zu diesem unwürdigen Betragen herunter- sank; aber ich weiss, dass ich dazu beytrug, oder ich müsste mich im mindesten nicht er- kennen wollen. That ich wohl alles was ich konnte, den ersten Funken den ich auffing zu löschen, ehe er einen zweyten erregte? Wandte ich dazu wohl die halbe Behut- samkeit an die ich anzuwenden pflege, wenn es darauf ankömmt eine geliebte Lei- denschaft, einer Menge sich entgegenstel- lender Schwierigkeiten ungeachtet, zu be- friedigen? Jch weiss es zu gut, dass ich es nicht taht. Jch fühle darüber den gerech- testen Verdruss und das angemessenste Miss- fallen an mir selbst. Prüfe, o Gott! und erfahre mein Jnn- res. Deine Güte fand in diesem Glanze der verjüngten Schöpfung, in dieser an- muthsreichen lachenden Landschaft ein glückliches Mittel, meine betrogne Seele zu einer richtigen Empfindung ihres Zu- standes zurück zu bringen. Du wirst Dein Werk nicht unvollendet lassen. Zeige mir den Weg, den ich wandeln soll! Der sechste Spatziergang. A n einem Sonntage, da ich dem öffent- lichen Gottesdienste in der Frühstunde beygewohnt hatte, reizte mich das blühen- de Kornfeld und die gemässigte Luft, einen weiten Spatziergang zu unternehmen. Jch hatte eben eine Predigt gehört. Es war ganz natürlich, dass ich mit meinen Ge- danken darauf zurückkam und gewiss! es war eben so natürlich, dass ich mich selbst befragte: Jst denn das was man eine Predigt nennt, überhaupt wohl die rechte Art des Unterrichts für eine so gemischte Menge von Zuhörern, die sich an Stand und Fä- higkeiten so ungleich, und von so verschie- dener moralischer Gesundheit und Krank- heit ist? Scheint es nicht, dass eine zu- sammenhängende, lange Rede, deren Thei- le sich auf irgend einen gemeinschaftlichen Hauptsatz beziehen müssen, eine mehrere Anstrengung der Seelenkräfte erfordere, als man von dem grossen Haufen erwarten kann? So scheint es, antwortete ich mir selbst; und so ist es auch würklich, fuhr ich fort. Der Erhohlungsgesang, mit dem man die Rede zu theilen gewohnt ist, ist selten recht geschickt dem angemerkten Mangel abzuhelfen. Der sogenannte Eingang, der eine Vorbereitung auf das Folgende seyn soll, ist mehrentheils schon eine Rede im Kleinen, die die Aufmerksamkeit mancher Zuhörer schon so weit erschöpft, dass sie nachher für sich nicht viel mehr übrig se- hen, als zu schlafen; oder an etwas andres zu denken. Die Anatomie der Predigt soll dem Gedächtnise des gemeinen Mannes zu Hülfe zu kommen und seine Aufmerksam- keit zu unterhalten dienen. Die Absicht ist gut; aber sie wird nur zum Theil er- reicht. Mehrentheils nimmt man das Ske- lett für den Körper. Man behält den Text und die darauf gebaueten Sätze, und denkt nicht einmal daran, ob es sonst noch worauf ankomme. Und was soll denn die Weise über einen Text zu predigen? Es mag immer nützlich seyn, den grossen Haufen zu gewissen Zeiten mit dem wahren Sinne einer schweren biblischen Stelle be- kannt zu machen; es mag immer nothwen- dig seyn, manchen vorzutragenden Satz aus der Schrift zu erläutern, oder auch zu be- weisen, wenn er nicht besser bewiesen werden kann. Wozu aber der Zwang, ei- nem schon bearbeiteten Stoffe eine passende Schriftstelle vorzusetzen, oder auch von ihr (I. Theil. ) G erst Anlass zur Abhandlung herzunehmen? Der Text ist mehrentheils nur ein Motto, und der Werth eines Mottos ist entschieden genug. Jst es nun gar eine heilige Sitte über bestimmte Evangelien und Episteln zu predigen, so weiss man vollends nicht, wie man den Gebrauch so unschicklicher Mittel zu einem der wohlthätigsten Endzwecke rechtfertigen soll. Wie viele ungehirnte Vorträge, wie viele Kinderspiele des Witzes, wie viele sinn- und geschmacklose Gedan- ken sind dadurch nicht veranlasst worden! Tausend und aber tausend Ladenhüter, und noch so viel tausend Makulaturbände in den Buden der Gewürzkrämer sind redende Be- weise davon. Nicht zu gedenken, dass die Unwissenheit so mancher Geistlichen da- durch unterhalten wird, die sich nun um den übrigen Theil der H. S. nicht sonder- lich bekümmern, so muss es doch selbst auch einem Manne von Genie ein uner- träglicher Zwang seyn, sein ganzes Leben hindurch in einem immer wiederkommen- den Kreise herumzugehen. Nicht minder ist es ein sehr nachtheiliger Umstand, dass man bey den vorgeschriebenen Texten bey weiten nicht alles sagen kann, was dem Zu- hörer zu wissen unumgänglich nöthig wä- re. Freylich hab’ ich Postillen gesehen in denen unter den gewöhnlichen Evangelien und Episteln die ganze Dogmatik und Mo- ral abgehandelt war. Aber wehe dem der sie zu lesen verdammt ist! Die Sache ist zu ernsthaft, als dass man sie belachen sollte: sie verdient den frommen Wunsch, dass sich das Licht der gesunden Vernunft und des geläuterten Geschmacks auch an sol- chen Orten verbreiten möge, wo man noch ohne alle weitere Prüfung, mit einer Art von Aberglauben, den Gebräuchen seiner lieben Väter und Grossväter anhängt. Vil- leicht aber hält uns der gewöhnliche Jnhalt unsrer Predigten für einige der angezeigten Mängel schadlos? Gemeiniglich handelt man Glaubenslehren und Lebenspflichten ab. Doch ist das erste gewöhnlicher als das letzte. Warum? Weil es leichter ist. Man darf nur mit seinem Systeme bekannt seyn und die gestempelte Terminologie in seiner Gewalt haben; man darf nur eine bekannte Anzahl von Schriftstellen gehöri- gen Ortes anzubringen wissen, so geht das Ding von selbst. Kandidaten aus einer ge- wissen Schule sind in dieser Art des Vor- trags besonders geübt. Sie gehören zu den theuren Rüstzeugen einer übelverstandenen Orthodoxie, die, wie man zu reden pflegt, eine Predigt aus dem Aermel schütten kön- nen. Mit dem Vortrage einer gesunden Moral hat es etwas mehr zu bedeuten. Dazu gehört Kenntniss des menschlichen Herzens, die freylich nicht Jedermanns Ding ist; dazu gehört Wissenschaft und Erfahrung, die freylich nicht viele Kandi- daten aus den Kollegien mit nach Hause bringen. Jn ihren mühsam zusammenge- schriebenen Heften ist davon ein tiefes Stillschweigen. Und wenn denn ja hin und wieder einmal ein moralischer Satz vor- getragen wird, so ist man der Sache so un- gewohnt, dass man entweder bey ganz all- gemeinen Dingen stehen bleibt, Tugend überhaupt lobt, Laster überhaupt straft, oder zu einem individuellen Fehler irgend eines Mitgliedes der Gemeine heruntergeht, dabey es denn die beste Gelegenheit giebt einer persönlichen Widrigkeit Luft zu ma- chen. Aus diesem Mangel von Weltkennt- niss rühren denn auch die oftmaligen Aus- fälle auf Religionsspötter, Naturalisten, Deisten und Ketzer her, selbst an solchen Orten, wo man diese Gattungen von Men- schen kaum dem Namen nach kennt. Nach einmal angenommenen Begriffen, ist also die Predigt eine Rede. Und diese Rede ist an den mehresten Orten bey nahe nur die einzige Art des öffentlichen allge- meinen Unterrichts. Was entsteht daraus? Man erreicht eine jede Absicht eher, als die eigentliche Belehrung des grössern Haufens, auf dessen Erbauung das Amt der Boten Christi doch wohl am meisten abzwecken sollte. Gemeiniglich herrscht in diesen Re- den ein gewisser Modeton, der sich bald weniger, bald mehr von ihrem eigentlichen Ziele entfernt. Gott! was hat man seit Luthers Zeiten nicht alles schon für Pre- digten, oder wie mann es höchst ungebühr- lich zu nennen pflegt, für Dein Wort ver- kauft! Jch habe grosse Sammlungen von Predigten gesehen, die von Griechischen, Hebräischen und Lateinischen Wörtern strotzten; ich habe Predigten gesehen, die nach dem Leisten einer Schul-Chrie ge- macht waren. Man hat noch in unsern Ta- gen ganze Kanzelreden, bis aufs Vater unfer und den Segen, in Verse gebracht. Zu einer andern Zeit wurden nur die Haupt- sätze mit Reimen versehen; dann wurde je- de Lücke, die der Redner nicht auszufüllen wusste, mit einem Verse aus einem Kir- chenliede besetzt: ein Stossseufzer machte den Anfang, und ein gereimter Denkspruch wurde dem Zuhörer mit nach Hause gege- ben. Dann wurden wieder einmal die elendesten Mährchen für Wahrheit erzählt, und mit der Geschichte des zeitigen Evan- gelii, mit der sie einige Aehnlichkeit hat- ten, so gut es nur immer angehn wollte, verbunden. Dann wurde das Allegorisiren Mode. Dann predigte man philosophisch. Nicht, dass man die vorzutragende Wahr- heiten an die Regel der gesunden Vernunft gehalten, oder eine kluge Ordnung in den Vortrag gebracht, oder in einer verständ- lichen Sprache Wahrheiten der gesunden Menschenvernunft dem Sinne eines mässig achtsamen Beobachters seiner selbst vorge- legt hätte. Wie selten geschahe das! Selbst die schätzbaren Männer die diesen Ton zu- weilen angegeben, die Saurins und unter uns die Mosheime, gingen nur gar zu oft über den Horizont des gemeinen Denkers hinaus. Desto öfter definirte man aus sei- nen Kompendien; desto öfter kettete man lange Schlussreihen zusammen, und führte die ganze metaphysische Terminologie in Schlachtordnung gegen den armen gähnen- den Zuhörer an, dem mehrentheils nicht viel anders zu Muthe war, als wenn ein Malabar die Kanzel bestiegen und ihn in seiner Landessprache angeredet hätte. End- lich gab ein veränderter Geschmack und ei- ne umgegossene Sprache auch der Kanzelbe- redsamkeit eine neue Gestalt. Es ist wahr, es sind Männer unter uns aufgestanden die mein Misfallen an dem Predigen um ein vieles gemindert haben würden; aber wie viel Unkraut ist nicht um und neben ihnen aus einem Boden emporgewachsen! Hier tönt ein erhitzter Jüngling auf Klopstocks epischer Trompete; die Brust voll Olym- pus donnert er aus den Wolken herab. Das ist ein Prediger! Man versteht ihm zwar kein Wort; aber es ist doch alles so ausgesucht, so schön, so wohlklingend! Unsre Damen hören ihn so gerne; er er- hält uns in einer so angenehmen Betäubung. Ein andrer ahmet in allen seinen Ausschwei- fungen den klagenden Young nach. Er hat es einmal beschlossen nichts auf eine ge- meine Weise zu sagen. Jeder Gedanke wird ihm ein Bild, jede Erläuterung ein Gleich- niss, und alle Kraft des Beweises zieht sich in einer entscheidenden Antithese zusammen. So raset ein Kranker in der Fieberhitze. ‒ nec pes, nec caput uni redditur formœ. ‒ ‒ ‒ Alle diese angeblichen Redner würden sich nicht einen Augenblick bey ihrer Würde behaupten, wenn wir nicht in einem Zeit- raume lebten, in welchem alles was neu ist für vortrefflich gehalten wird, wo man über den Glanz nicht bis zu dem innern Werthe und über den Wohlklang nicht bis zu dem Sinne der Rede hindurchdringt. Unter diesen Gedanken, die so unme- thodisch, nach dem gemeinen Gesetze der Einbildungskraft auf einander folgten, war ich nach einer guten Stunde so ganz von meinem gewöhnlichen Wege abgekommen, dass ich, in der Mitte eines ziemlich dich- ten Gebüsches, nicht eigentlich herausbrin- gen konnte, wohin ich mich wenden müsste, wenn ich wieder nach Hause zu- rükkehren wollte. Jn diesen Umständen ist der Anblick eines Menschen die will- kommenste Erscheinung. Jch hörte den Fusstritt eines Wandrers, und bald genug stand ein kleines männliches Wesen, in ei- nem grauen Ueberrocke, von einem Hunde begleitet, in der Hand einen Dornenstock, unter dem Arme eine Bibel, mir zur Seite. Magister Serenus war es, der vom Filiale kommend, nach seinem Pfarrdorfe zurück- ging, wo er an diesem Sonntage die zwey- te Predigt zu halten hatte. „Sind sie es Herr Magister? — Das hätte ich sie fragen sollen, mein theuerster Herr M * ! Denn dass ich es bin, den sie hier sehen, ist so ganz was gewöhn- liches; aber sie, sie müssen verirrt seyn, oder auf Abenteuer ausgehen, sonst — Allerdings verirrt, auf eine doppelte Weise verirrt! Jch bin froh, dass ich sie habe: sie werden mich auf den rechten Weg helfen müssen. Mein Weg geht nach Hause. Beglei- ten sie mich dahin, und wenn ihnen unser ländlicher Gottesdienst nicht zu verächtlich scheint — Herr Magister! ihr Wenn ist ein wenig beleidigend. Kein Gottesdienst, der ein einiges höchstes Wesen zum Gegenstande hat, ist mir verächtlich; und wär’ es der Gottesdienst des Muhamedaners. Eben dacht’ ich über einen Theil des christlichen Gottesdienstes, der meiner Meynung nach einer kleinen Verbesserung fähig wäre. Meine Gedanken führten mich dabey so weit, dass es leicht seyn kann, dass ich von dem Wege der Wahrheit so weit, als von dem Wege nach U *** abgekommen bin. So lassen sie uns fortgehen! Denn mit dem Stillstehn kommen wir dem Ziele um keinen Schritt näher. —” Wir gehen fort, und ich theile meinem guten Begleiter, auf sein Verlangen, alles das mit, was meine Leser so eben von mir gehört haben. „Wie nun, mein lieber M * , wenn sie die Macht so wie den Willen hätten; nicht wahr? sie würden ein ganzes Heer von Pre- digern abdanken, und der Magister Serenus könnte immer zusehen, wie er sein tägliches Brod mit Holzhacken verdiente? Doch so böse meynten sie es wohl nicht? Hören sie nur! Sie haben in manchen Stücken so ganz unrecht eben nicht meine eigene Er- fahrung spricht für sie. Jch bin nun dreys- sig Jahre im Amte und habe die Sache auf mancherley Weise versucht. Das muss ich ihnen aber gestehen, dass ich durch einen vertraulichen Umgang mit den Gliedern meiner Gemeine hundertmal mehr gutes, als durch alle meine Predigten und übrigen gottesdienstlichen Vorträge gestiftet habe. Nächstdem hab’ ich auch aus meinen Ka- techisationen, denen alle Glieder meiner Gemeine unterworfen sind, viel nützliches entstehen sehen. Jch erlaube dabey, dass man mich über schwierige Punkte befragen, dass man mir seine Zweifel freymüthig vor- tragen darf. Doch ist diese Freyheit nur auf die Glieder eingeschränkt, die über die gesetzmässigen Jahre der Minderjährigkeit hinaus und zu reifern Seelenkräften gelangt sind — Da haben sie in der That das rechte Fleckchen getroffen! Und so vortreffliche Einrichtungen sind nicht über die Zäune ihres Dorfs hinausgekommen? Von alle dem weiss ich nichts, ungeachtet ich nicht über eine deutsche Meile von ihnen wohne. Was hätt’ es ihnen auch helfen sollen, wenn sie es gewusst hätten? Was es mir hätte helfen sollen? Jch würde laut davon geredet, ich würde es allenthalben als etwas vortreffliches, als et- was nachahmenswürdiges angepriesen, ich würde hier und da Beyfall gefunden, ich würde hier und da einigen guten Samen ausgestreut, und villeicht jetzt schon die Früchte davon geärndtet — — Oder die Welt von einer gewissen Sei- te kennen gelernt haben. Herr M * ! ich habe bey einer Vakanz einmal in ihrer Kirche gepredigt. Gott weiss es, dass ich auf meinen Text studirt hatte, und dass ich die reine, lautre Wahrheit in einem einfäl- tigen Tone, obwohl mit einer etwas un- sichern, schwankenden Stimme vortrug! Was geschah? Ein Theil meiner Zuhörer warf einen verächtlichen Blick zu dem klei- nen Redner hinauf, der nur eben über das Kanzelbrett hinausragte; ein guter Theil schlief; das vornehme Frauenzimmer plau- derte und blickte nach den Herren auf dem vergoldeten Chore; und der grösste Theil, der die Pflichten des Wohlstandes eben nicht zu beachten gewohnt ist, hatte die Kirche schon bey der ersten Abtheilung meiner Predigt verlassen. Nun, mein lie- ber M * ! werden sie doch wohl begreifen, warum der Magister Serenus noch nie et- was gutes gestiftet hat, und es auch jemals, in der Meynung ihrer Mitbürger, zu stif- ten unfähig ist? Doch diess bey Seite ge- setzt: so würd’ es gleichwohl unendlich schwer, wo nicht gar unmöglich seyn, in ir- gend einer ansehnlichen Stadtgemeine, eine Form des äusserlichen Gottesdienstes, die der meinigen an Gemeinnützigkeit gleich käme, einzurichten. Ja, ja! ich sehe hier manche Schwie- rigkeiten; aber in Absicht des öffentlichen Vortrags müsste doch schlechterdings eine Aenderung getroffen, und das Predigen ab- geschafft werden. Abgeschaft? Herr M * ! für einen Ver- besserer übereilen sie sich zu sehr. Man sollte nichts gutes abschaffen, es wäre denn dass man etwas besseres dafür in die Stelle zu setzen wüsste. Das sagt sich alles unge- mein leicht und geschwinde hin; aber bey der Ausführung stösst man allenthalben an. Und daran sollte man doch wohl denken, ehe man das Abschaffen beschlösse. Es sind ja nicht alle Prediger schlecht. Hin und wieder wird doch wohl einer der Zu- ( I. Theil. ) D hörer einem zusammenhängenden Vortrage zu folgen im Stande seyn; hin und wieder wird doch wohl einer auf einen Gedanken stossen, der eigentlich für ihn gesagt zu seyn scheint. Das können sie unmöglich leug- nen! Freylich wenn ein feinerer Same bey windichten Wetter gesäet wird, so fällt bey weitem nicht alles auf den Boden, für den es bestimmt war; aber wunderlich müsst’ es doch zugehn, wenn nicht hier und da ein Körnchen hängen bleiben und aufkeimen sollte.” Jch hatte keine Zeit mehr zu antwor- ten. Wir hatten den Schlagbaum erreicht, bey welchem die Jugend des Dorfs ihren Seelsorger im Sonntagsstaate erwartete. Gesundheit und Freude war auf allen Ge- sichtern. Ein treuherziger Guter Morgen erschallte von allen Lippen. Mein lieber Magister dankte mit einer ihm ganz eignen, einnehmenden Vertraulichkeit, und nahm von einem wohlgebildeten, ihm entgegen- hüpfenden Mädchen einen zierlichen Strauss von wohlriechenden Kräutern und Wiesen- bluhmen an. Der ganze Zug folgte uns unter dem Geläute der Glocken zur Kirche. Der Kirchweg war rein gefegt und mit Laub und Bluhmen bestreut. Vor der Kirchthüre fanden wir alle männlichen Ein- wohner des Dorfs, von dem Greise an bis zu dem funfzehnjährigen Knaben, in zwey Reihen gestellt die uns mit abgenommenen Hüten und freundlicher Begrüssung empfin- gen. Jch habe sonst wohl dem Einzuge fürstlicher Personen zugesehen: allein auf allen den zehntausend Gesichtern hab’ ich nie ein so deutliches Wohlgefallen an der Person, die man ehren wollte gelesen. Je- des Auge schien mir zu sagen: Das ist un- ser lieber Magister! Die Kirche fand ich ohne Schmuck; aber sehr reinlich und hel- le; den Boden mit Bluhmen bestreut, und die Wände mit Meyen verziert. Der Al- tar war ein Tisch. Der Gottesdienst nahm seinen Anfang mit einem Gesange, der von einer kleinen Orgel regiert wurde. Mei- ne Verwunderung war nicht geringe wie ich das Gellertsche Lied. Mein erst Gefühl sey Preis und Dank u. s. w. nach der Ba- chischen Melodie anstimmen hörte. Der Gesang wurde langsam, feyerlich und mit einem Anstande ausgeführt, davon ich noch kein Beyspiel gesehen hatte. Gott! dacht’ ich in mir; so giebt es doch noch irgend- wo in einem unbekannten Winkel der Welt, einen kleinen verachteten Haufen, der Dir in der Einfalt seines Herzens dient und in Deinem Dienste seine Lust findet. Wie viel anders nahen sich die stolzen Bewohner der Städte Deinem Heiligthume! Welch ein Gesang! Jch gestehe, dass es mir oft ein Ekel ist, ihm zuzuhören; geschweige denn selbst an ihm theil zu nehmen. Der veral- teten Lieder nicht zu gedenken, die ein zweyhundertjähriger Gebrauch geheiliget hat, so werden oft noch dazu die Arbeiten der elendesten Reimschmiede mit Fleiss zum singen ausgesucht, an denen selten etwas erträglich ist, es müsste denn die Melodie seyn. Ausserdem müssen die vornehmen Städter in dem falschen Wahne stehn, als schicke es sich für sie nicht, ihre Stimme mit der Stimme des Pöbels zu vermischen. Denn sie kommen selten eher zur Kirche, als wann das Singen beynahe vorbey ist, und da kann es denn nicht fehlen, dass nicht ein ansehnlicher Theil der Gemeine, durch den Glanz ihres Aufzugs in seiner Andacht gestört werden sollte. — Nach Endigung des gedachten Morgenliedes, kniete der gute Magister vor dem Altare nieder, und sprach mit allem Affeckte einer ungeheuchelten Andacht, ein auf die Um- stände seiner Gemeine vollkommen passen- des Gebet aus, wodurch ich bis in dem Jn- nersten meiner Seele gerührt wurde. Dem Gebete folgte ein Schlegelscher Gesang. Und dann die Predigt, die aus wenigen, einzelnen, aus der Schrift hergenommenen, moralischen Sätzen bestand. Sie waren aber mit vieler Ueberlegung gewählt und passten alle ganz genau auf die Jahrszeit, auf das gegenwärtige Gewerbe und die übrigen Verhältnisse der Gemeine. Die Sprache des Redners näherte sich der Sprache des gemeinen Umgangs, ohne jedoch ins Nie- drige zu verfallen, und konnte schlechter- dings von einem jeden verstanden werden. Beyspiele und Gleichnisse belebten den Vor- trag. Und hier war es; wo ich die Gaben meines Magisters zu bewundern die meiste Ursach fand. Jch habe ausser ihm nur den einzigen Frankfurther Baumgarten gekannt, der seine Beyspiele und Gleichnisse mit glei- cher Einsicht zuzubereiten und anzubrin- gen wusste. Der Vortrag dauerte eine gu- te halbe Stunde, und wurde mit einem Ge- bete, und der ganze diessmalige Gottes- dienst mit einem kurzen Gesange beschlossen. Jch war von allem, was ich so unerwar- tet gesehn und gehört hatte, so sehr er- bauet, dass ich den Rest des Tages mit meinem Magister zugebracht haben würde, wenn mich nicht dringende Geschäffte nach der Stadt zurückgerufen hätten. Ein Bauer übernahm es mich auf den rechten Weg zu bringen. Der Magister gab mir seinen herzlichen Segen mit, und wünschte mich bald wieder bey sich zu sehen. Nun ging ich meinen guten Schritt, und weil ich Lust zu reden hatte, und weil mir mein Beglei- ter gefiel, so erhob sich unter uns ein klei- nes Gespräch folgendes Jnhalts: „Jhr seyd vermuthlich mit eurem Pre- diger sehr wohl zufrieden? Ja Herr! wir wünschen uns keinen bes- sern. Es ist als wenn mit ihm der Segen des Herrn bey uns eingekehrt wäre. Mein Vater seliger hat mir oft erzählt, wie un- ruhig es unter dem vorigen Herrn Pastor zugegangen ist. Da ist nichts als Zank und Streit gewesen. Die Gemeine hat viele Jahre lang mit dem Hrn. Pastor in Prozess gelegen, und das über ein halbes Schock Eyer und einige Würste mehr oder weni- ger, welche wir unserm lieben Magister, aus gutem Willen, doppelt zugestanden ha- ben. Da hat sich kein Nachbar mit dem andern vertragen. Alle Sonntage hat es in der Schenke Prügel gesetzt. Jn einem ein- zigen Jahre haben sich drey Eheleute schei- den lassen, und eben so viel Mädchen sind zu Huren geworden. Die meisten Bauern sind verarmt, ein dreymaliges Viehsterben ist kurz auf einander gefolgt; der Hagel hat alles zu Grund und Boden geschlagen; Feuer vom Himmel hat unsre Hütten ver- zehrt, und kurz: des Elends ist kein Ende gewesen. Darauf ist endlich der Hr. Pastor plötzlich vom Schlage gerührt worden, wie er eben den Segen sprechen wollen. Es war ein schlimmer Mann, (Gott hab’ ihn selig!) und man sagte ihm nach, dass er sich nicht selten in Brandtwein betrunken hätte. Drauf schickte uns der König un- sern Hrn. Magister. Allein die Gemeine war ganz verwildert, und es ging Jahr und Tag hin, ehe man Zutrauen zu ihm fassen wollte. Wie man ihn aber einmal kannte, so gingen alle Sachen in wenigen Jahren ganz anders. Da wurden alle Prozesse ver- glichen. Unser Gerichtshalter hat nun Langeweile und unsern Advokaten haben wir gar abgedankt. Der Magister weiss um alle unsre Geschäffte; er ist unser Rich- ter und Advokat. Wenn uns etwas fehlt, gehn wir zu ihm. Er leiht uns Geld, wenn wir es brauchen und er es hat. Er ist un- ser Apotheker und Wundarzt, und für sei- ne Arzneyen geben wir ihm einen Grossen- dank und sie helfen doch. Da seyd ihr, in der That, die glück- lichsten Leute, die nur jemals in einem Dorfe zusammengelebt haben! Ja Herr! das sind wir, und wir erken- nen es auch. Jch will die Gemeine sehen, die ihren Seelsorger mehr lieben und ehren soll, als wir! Herr! für den Mann, der sich mit uns freut, wenn wir fröhlich sind, der uns seinen letzten Dreyer nicht versagt, wenn wir ihn brauchen; dem keine Nacht zu kalt oder zu finster ist, wenn er uns ei- nen Dienst erweisen, wenn er dem Ster- benden Muth einsprechen, wenn er die Be- kümmerten trösten soll, für den Mann, Herr! ist uns das Beste nicht zu gut. Wir quälen uns nur darüber, dass wir ihm nicht Gutes genug erweisen können. Gott mag ihn dafür belohnen! Keine Heyrath kömmt zu stande: er muss seinen Beyfall dazu ge- ben. Meine Frau hab’ ich ihm zu danken, und so eine Frau ist nur Eine in der Welt! Er erzieht unsre Kinder, und sie lernen mehr als andre Bauerkinder, und wer- den doch gute Bauern! Herr! alle unsre Nachbarn freyen nach unsern Mädchen; allein unsre Mädchen sind keine Narren — Doch Herr! hier ist die Gränze! Da sehn sie den grossen Thurm von U *** vor sich. Sie dürfen nun nur auf der Landstrasse blei- ben, und es müsste wunderlich zugehn, wenn sie anderswohin als nach U *** kom- men sollten. Mein armes Weib wird nicht wissen wo ich hingerathen bin. Gott be- gleite sie! Einen Augenblick, Landsmann! Jch bedanke mich für eure Bemühung. Nehmt diese Kleinigkeit dafür an! Ey was, Herr! Jn unserm Dorfe neh- men wir kein Geld, wenn wir Jemand auf den rechten Weg helfen. —” Mit diesen Worten wandte er sich ei- lends um, und überliess mich einem ange- nehmen Erstaunen. Jch kam, ohne wei- tern Aufenthalt, nach Hause, und bemerk- te diesen Tag in meinem Tagebuche mit dem Zeichen eines gänzlichen Wohl- gefallens. Der siebente Spatziergang. J ch habe gefehlt; ich habe sehr gefehlt! Zwar hatte ich Glück oder Klugheit genug, vor den Augen meiner Bekannten eine Handlung zu verbergen, die mich in ihrer guten Meynung heruntergesetzt, oder wohl gar zu einem gefährlichen Beyspiele der Nachahmung unter dem schwächern Thei- le derselben gemacht haben würde. Al- lein wenn auch kein Auge den Schleyer durchdrang, den ich um mich herum zu ziehen wusste, so war es doch unmöglich, dass ich mich selbst nicht hätte sehen, dass ich mich selbst nicht hätte empfinden sol- len. Und wenn ich es so gar auch zu der unseligen Geschicklichkeit gebracht hätte, mein Herz vor einem jeden heilsamen Ge- danken zu verwahren, Sinn und Verstand bis zu einer gänzlichen Fühllosigkeit herun- terzubringen, so würde mich doch das Au- ge des Höchsten gefunden, und villeicht zu späte einmal, ein blitzender Stral von Jhm die Dunkelheit aufgehellt haben, unter deren Schatten ich mich so sicher und so zufrieden glaubte. Noch hab’ ich mich selbst wiedergefunden! Auch das ist Güte von Dir, Du Vater und Herr meines Le- bens! Du schufst den Tag, in dessen Lich- te ich einhergehe. Von Dir empfing ich diese bessere Erkenntniss meiner selbst; von Dir das glückliche Vermögen und die zur gelegensten Zeit erwachende Neigung sie anzuwenden. Wahr ist es: die Bahn die wir gehn ist schlüpfrig, so schlüpfrig, dass wir es mit aller Kunst und Stärke nicht verhüten können auszugleiten, nicht ver- hüten können zu fallen. Aber es ist auch nicht minder wahr: dass uns unser liebrei- cher Schöpfer nicht so ganz an Kräften verwahrloset, nicht auf unserm beschwer- lichen Wege so ganz aus den Augen gelas- sen hat, dass wir uns nicht unter seiner hülfreichen Begünstigung sollten wieder er- heben, und unsern Lauf, je länger, je glücklicher, sollten verfolgen können. Endlich krönt doch der herrlichste Sieg al- le unsre Bemühungen! Endlich wirft doch der entkörperte Geist die Last ab, die ihn zur Erde herabzog! Alle seine Begierden sind dann mässig und heilig und alle wer- den mit der süssesten Empfindung gesät- tigt. Jch kann und darf die Stunden nicht beschleunigen, die mich in den Genuss dieser unaussprechlichen Glückseligkeit setzen werden: das weiss ich. Jch bin auch bereit, unter noch grössern Be- schwerden, den Winter dieses Lebens aus- zudauren; aber ich weiss auch, dass ich nicht zurücksehen werde, wenn mich Gott zu einem Frühlinge abruft, der kein Ende nehmen wird, und zu einer Freyheit, die allein dieses Namens werth ist. Der achte Spatziergang. R äche dich! sagte der Zorn. Er hat deine Ehre gekränkt; er hat deinen guten Namen befleckt; seine Laster hat er auf dich gebracht: Räche dich! Du hast Gele- genheit ihn empfindlich zu kränken; du kannst es leicht, du kannst es ohne Schaden thun. — Nein! antwortete die Sanftmuth; Die- ser Mensch, war er nicht dein Freund, so war er doch dein Gesellschafter. Mit ihm hast du so manches Vergnügen getheilt; so manche Wohlthat empfing er von dir. Desto schlimmer! Den Undankbaren wolltest du so hingehen lassen? Das würde ihn nur ärger, das würde ihn zu grössern Beleidigungen fähig machen. Lass die Ge- legenheit nicht entwischen! sie kömmt so gut nicht wieder. ( I. Theil. ) E Mag sie doch entwischen; mag sie doch nie wiederkommen! Du kannst ihn ärger machen, wenn du dich an ihm rächst: das ist möglich; allein du machst dich selbst ärger, wenn du dich rächst: das ist gewiss. Wähle nun unter zweyen Uebeln das klei- nere: Vergib ihm! Es ist doch möglich, dass du ihn dadurch überwindest. Ganz gewiss aber erhältst du dadurch den herr- lichsten Sieg über dich selbst; ganz gewiss aber verschaffst du dir dadurch eine süsse, innre Beruhigung und die reinste Wollust, deren das menschliche Herz fähig ist. Das sind Träume! Deine Ehre ist et- was reeles. Die Welt wird seiner Verlä- sterung Glauben geben, wenn du dazu schweigst. Man wird dich für den Deï- sten, für den Wollüstling, für den Verfüh- rer der Unschuld halten, dafür er dich in allen Gesellschaften erklärt hat. Bist du gewiss, dass man es weniger thun wird, wenn du dich rächst? Und hängt denn deine Ehre von dem Gerichte der Visitenstuben und von dem Urtheile der Kaffeeschwestern ab? Frage dein Ge- wissen! Spricht es dich los: was geht dich das laute Geschrey einer ganzen lästernden Welt an? Du hast Ehre bey Gott! — Das heisst, der Verläumdung Thür und Thor öffnen; das heisst, dem schändlich- sten Laster Raum geben! Jch gebe dir die Macht aller Könige und den Verstand aller Weisen auf Erden. Wehre der Verleumdung, wenn du kannst! Du wirst es vergebens versuchen! Der bel- lende Hund verstummt zuletzt, wenn man seinen Weg ruhig fortgeht. Jch sehe du bist furchtsam. Was geht es mich an? Magst du doch für eine Memme gehalten werden! Nicht genug dass du in den Ruf eines Buben gekommen bist? Die Welt versteht deine überspannte Moral nicht: sie wird dich trefflich aus- lachen. Der ist nicht furchtsam, der bey aller Neigung zum Bösen, bey aller Anreitzung dazu, bey aller Bequemlichkeit es ungestraft und mit einer Art von Anstande zu thun, den Weg der Tugend nicht verlässt. Kann er es leiden, dass er darüber für thöricht und feige gehalten, dass er öffentlich ver- lacht wird, so hat er sich zu einer Stärke des Geistes erhoben, die ihn den gerühm- testen Helden an die Seite setzt. Die Vernunft selbst — Welche Vernunft? die nüchterne, die erleuchtete gewiss nicht! sie kann kein La- ster gebieten. Und wenn sie dich unge- wiss lassen sollte: Denn das ist alles was ge- schehn kann; so ist hier das Wort Gottes, der alleinige Orakelspruch, der nichts un- entschieden gelassen hat, was Glückseligkeit unter Menschen veranlassen und verbreiten kann. Dieser füllt die Linien aus, die die zweifelnde Vernunft nur mit unterbroch- nen, blassen Zügen gezeichnet hat. Liebe ist im Himmel und auf Erden die Krone al- ler Tugenden, die Quelle aller Seligkeit. Gott ist die Liebe. Aus Liebe duldet er dich; aus Liebe verzeiht er dir eine Last von Schulden, die dich zu Boden drückte; alte, wiederhohlte, aufgehäufte Verschul- dungen, alle verzeiht er dir. Und du woll- test mit deinem Bruder zürnen, der dich, nur einmal oder zweymal, an einer klei- nen, empfindlichen Stelle berührte? Weg von dem Angesichte des Herrn, verächtli- cher Sterblicher, hinweg! Dir, soll man Al- les, und du, willst Nichts thun? Bete noch einmal: Vergib uns unsre Schuld, wie wir vergeben unsern Schuldigern; und zittre! Es kömmt ein Tag wo dich der Fluch tref- fen wird, den du, in einer freventlichen Ge- dankenlosigkeit, tausend und aber tausend- mal auf dich herabgebetet hast. Du kannst ihm entrinnen: Eile! Rette deine Seele! Verhöre den leisen Ruf deines Gewissens, verhöre meine brüderliche Stimme nicht! Jch bin dein warnender Engel. Der neunte Spatziergang. W as bin ich? Woher bin ich? Und was wird aus mir werden? Was kann ich auf diese Fragen antworten, die der Nachden- kende doch immer einmal an sich thun wird, und an deren gründlicher Beant- wortung ihm so viel gelegen seyn muss. Jch empfinde; ich denke: ich bin! Jch denke mit einiger Deutlichkeit, ich handle nach Vorstellungen, deren ich mir genau bewusst bin, ich handle nach gewissen all- gemeinen Regeln; ich verbinde Begriffe, ich schliesse: mein Daseyn ist etwas mehr als das Daseyn eines blossen Thiers. So unaufgelegt zum Nachdenken ich auch im- mer seyn mag, so geringe meine angebor- nen Fähigkeiten und die mit ihnen erwor- benen Kenntnisse auch nur immer seyn mögen, so weiss ich doch mit grosser Zu- verlässigkeit, dass ich an diesen Vorzügen, allen übrigen Thieren die ich kenne, über- legen bin. Jch bin ein Mensch: ein künstlicher Leib, mit einer vernünftigen Seele verei- niget. Die Gränze meiner kindischen Jah- re ha’ ich vorlängst überschritten; meine blühende Jugend ist dahin; mit geübterem Verstande, aber auch mit gewaltigern Lei- denschaften nähere ich mich dem reifern Alter des Mannes. Und so eile ich die wechselnden Auftritte des Lebens hindurch, bis , früh oder spät, das unvermeidliche Grab meinem Laufe sein Ziel setzt. Bald hab’ ich Freude, bald Leid; bald ergreift mich eine plötzliche schmerzhafte Krank- heit, bald kehrt Gesundheit und Stärke zu- rück. Mein Leben ist in steter Gefahr; mein ganzes Glück ruht auf einer wanken- den Kugel. Was ich zu meiner Selbster- haltung thun kann, ist wenig, ist nichts. Weit weniger kann ich also von mir selbst entstanden seyn. Woher ist denn der Mensch, wenn er nicht sein eigner Schöpfer seyn soll? Jst er wie ein Schwamm aus der Erde hervorge- wachsen? Woher ist denn die Erde die ihn hervorgetrieben hat? Oder ist er von Ewig- keit her gewesen? Das kann ich wenig- stens nicht denken. Was veränderlich ist, muss einen Anfang gehabt haben. Der Erste Mensch kann nicht die Wirkung ei- nes andern Menschen gewesen seyn. Er ist nicht von sich selbst, er ist von kei- nem andern Menschen: es muss also ausser ihm noch ein Wesen vorhanden seyn, das ihn hervorgebracht, mit so vieler Weisheit gebildet, mit so vieler Güte beseliget hat. Der Mensch ist von Gott. Jch empfinde; ich denke; ich handle; Das hab’ ich von Jhm. Dieser Leib ist sein Werk, diese Seele kömmt mir von Ihm. Er hat das Band geknüpft das beyde verbin- det: Er erhält es. Dass meine Kenntniss wuchs; dass es in meinem Verstande täg- lich heller ward; dass ich mich meiner kin- dischen Vorurtheile nach und nach schämen lernte; dass ich eine kleine Thorheit nach der andern verliess: das bin ich Jhm, und Jhm allein schuldig. Und so geh’ ich denn, wenn ich es nicht selbst hindre, meine Lebensjahre hin- durch, von einer Vollkommenheit, von ei- nem Guten zu dem andern fort. Und wo- zu das? Um zu sterben? Um zu verwesen? Um nach diesem Leben nicht mehr zu seyn? Oder, was eben so viel ist: um es nicht zu wissen, dass man ist? Um ewig zu schlafen? Wehe mir, wenn das Wahrheit ist! Aber was würd’ ich von einem Künstler denken, der eine schöne Bildsäule aus dem Groben herausgearbeitet, der ganze Jahre daran gewandt hätte; und nun, bey aller seiner Fähigkeit sie zu vollenden, den Ham- mer ergriffe, und sie zu Staub zerschlüge? Hier ist mehr denn eine Bildsäule; hier ist mehr denn menschliche Kunst! Gott liebt sein Werk unendlich; Er will die Glückse- ligkeit seiner Geschöpfe auf das vollkom- menste. Jch darf alles von Jhm hoffen, was sich von Seiner Güte hoffen läst. Jch werde nie ganz sterben, und wenn dieser Leib hinsinkt, so wird der besse- re Theil von mir erst in sein eigentliches Leben übergehen, wo ihn eine von Ewig- keit zu Ewigkeit wachsende Kenntniss mit endloser Freude sättigen wird. Der zehnte Spatziergang. J ch begebe mich in eine grosse Gesell- schaft, die sich hauptsächlich versammelt hat, ihren Sinnen angenehme Empfindun- gen zu verschaffen; in eine Gesellschaft, die die Freuden der Tafel schmecken, die den süssen Saft der Reben geniessen, die Ohr und Herz an Gesang und Harmonie ergö- tzen, sich an muntern Gesprächen belusti- gen, durch witzige Spiele zerstreuen und durch die stärkere Bewegung eines Tanzes ihr Blut in eine behägliche Wärme versetzen will. Jch soll ihre Freuden theilen. Es ist doppelte Ereude : sröhlich zu seyn mit den Fröhlichen. Und sie ist auch erlaubt; sie ist von der Tugend selbst und von der menschenfreundlichen Weisheit empfohlen; sie ist auf unsrer beschwerlichen Wallfarth ein erquickender Labetrunk, der das über- standne Leiden versüsst und zugleich den ermüdeten Geist stärkt, seinen Weg bis an sein endliches Ziel zu verfolgen. Und die- sen stärkenden Nektar reicht mir mein gü- tiger Schöpfer. Mit Dank nehme ich ihn von seinen liebreichen Händen an. Ja! dieser Tag sey ein Tag des Wohllebens und der Freude. Wer weiss, ob Morgen nicht ein Wetter meinen Himmel verfinstert? Würd’ ich es damit entfernen, wenn ich es heute schon fürchten, wenn ich mit der schwarzen Vorstellung davon auch heute schon alle Gedanken der Freude verscheuchen wollte? Gewiss nicht! Jch würde mir, wider die Absicht des Himmels, einen trüben Tag mehr machen; ich würde mir thörichter Weise, diese Sonne verdun- keln, die mir heute so wohlthätige Stralen leuchten lässt. Also eröffne dich der einladenden Freude, mein Herz! So wahr und so annehmlich inzwischen diese Lockungen sind, so sehr verdienet dabey doch die warnende Stimme der selbstgelassenen Vernunft mein aufmerksa- mes Gehör und meine folgsame Beach- tung. Da die einfachsten und gesundesten Nahrungsmittel schon, wenn sie unmässig gebraucht werden, die Kräfte der mensch- lichen Maschine zu schwächen, den Lebens- saft zu verderben und nach und nach die festeste Gesundheit selbst zu zerrütten im Stande sind: wie viel grössere Gefahr wird nicht von dem Genusse dieser zusammen- gesetzten, gewürzreichen Speisen, dieser feurigen Getränke zu besorgen seyn? Bin ich über mich selbst schon so Herr, dass ich mich ihrer ganz, oder doch bis zu ei- nem bestimmten Grade enthalten kann? Kann ich, ohne mein Ohr zu verschliessen, dem wollüstigen Eindrucke dieser zärtli- chen Töne widerstehen? Jene flammen- den Blicke, die den meinigen begegnen, jene blühenden Wangen, jene Götterge- stalt, jene silberne Stimme; kann ich das alles sehen und hören, und meine Gedan- ken und Begierden in meiner Gewalt be- halten, und nichts denken, und nichts wünschen, als was den unveränderlichen Gesetzen der Weisheit und Tugend ent- spricht? Bin ich gewiss, dass ich mich des allgegenwärtigen Gottes zur guten Stunde erinnern, und nichts denken und thun wer- de, wodurch ich mich seiner heiligen Auf- sicht unwürdig machen, und nichts reden werde, wodurch ich mich und meine ewi- ge Bestimmung entehren könnte? Bin ich so gesetzt, dass ich meinen gütigen Schö- pfer, unter allen Umständen, auch vor den Menschen bekennen; dass ich mich seiner heiligen Religion, dass ich mich einer jeden wichtigen Wahrheit auch bey dem Hohn- gelächter der artigen Welt nicht schämen werde? Wird mich die Begierde witzig zu seyn, zu keiner Ausschweifung hinreissen? Werd’ ich schlüpfrigen Reden meinen Bey- fall zu versagen, werd’ ich den guten Na- men meines Mittmenschen zu retten, werd’ ich für die unterdrückte Unschuld unge- scheut zu reden, Herz haben? Werd’ ich es ohne Neid ertragen können, wenn man einem andern einen höhern Grad von Ach- tung erweiset als mir? Oder wird mich ein finsterer Unmuth befallen, wenn man mich nicht auf das genaueste mit dem Beyfalle beehrt, den ich zu verdienen glaube? Werd’ ich mich auch im Spiele nicht von jenen kleinen unwürdigen Leidenschaften hinreissen lassen, die allem gesellschaftlichen Vergnügen so ganz zuwider sind? Werd’ ich auch da noch Nachsicht, Enthaltsamkeit und Grossmuth im Kleinen ausüben? Werd’ ich es verhüten können, dass Haab- sucht und Schadenfreude sich nicht unver- merkt in meinen Busen einschleichen? Jch zittre, wenn ich an die Gefahr geden- ke, in die ich mich so freywillig begeben, mit der ich ein kleines flüchtiges Vergnü- gen erkaufen will. Und doch ist diess Ver- gnügen an sich nichts unerlaubtes; es ist vielmehr etwas gutes, eine Frucht, die für mich erschaffen, für mich so lieblich anzu- sehn und so süss zu geniessen gemacht ist. Und wenn ich bedenke, dass es doch nicht unmöglich ist, dass ich bey ihrem Genusse Enthaltsamkeit ausüben, und einen gesez- ten, männlichen Charakter behaupten kann: so finde ich am Ende des Zieles so gar; wenn ich es anders erreiche, einer Art von Ehrbegierde geschmeichelt, die in der That (I. Theil. ) F mit unter die höheren Freuden eines em- pfindsamen Herzens zu zählen ist. So begleite Du mich denn, o allgütiger Vater! auch auf dem bluhmichten Pfade der Versuchung. Bestärke Du selbst mich in dem Vorsatze: mit einer warmen, gefälli- gen Theilnehmung an den Freuden meiner Mitbrüder, eine kalte, überlegte Achtsam- keit auf mich selbst zu verbinden! So werd’ ich, Dir wohlgefällig, in den Stralen Deiner Allgegenwart wandeln; so wird diese fro- he Stunde mich zu dem Unfall vorbereiten, den Deine Weisheit mir zuzuschicken be- schlossen hat. Der eilfte Spatziergang. A n einem schönen Sommerabend misch- te ich mich unter die bunte Schaar der Spatziergänger, die sich an den Ufern der Spree, in der erfrischenden Nacht eines fin- stern Kastanienganges, für die beschwerliche Hitze eines schwülen Tages zu erholen such- te. Nach einem oftmaligen Auf- und Nie- dergehen sah’ ich mich nach einem Ruhe- platze um. Jch fand bald genug eine un- besetzte Bank auf der ich die bequemste Stelle in Besitz nahm. Kaum hatt’ ich mich niedergesetzt, als ich zu meinen Füssen ein weisses Wesen liegen sah, welches ich sehr bald für ein zusammengewickeltes Papier erkannte. Nun hab’ ich den unwidersteh- lichen Trieb, nichts was Papier ist unauf- gehoben liegen zu lassen; es müsste denn mehr als wahrscheinlich seyn, dass es die letzte und gemeinste Bestimmung alles un- nützen Papiers erreicht hätte. Jch darf es also wohl nicht sagen, dass ich mich meiner Beute, mit einer Art von Besorgniss, dass sie mir von einem eben so neugierigen Spatziergänger vorweggenommen werden könnte, auf das geschwindeste bemächtigte. Es war ein ganzer, grosser Bogen, und, so viel die Dunkelheit zu bemerken erlaubte, war er auf allen Seiten beschrieben. Eine neue Freude für mich! Jch entsagte für diessmal allem weitern Spatziergange und begab mich nach Hause. Meine gefundne Schrift war ein leserlich geschriebner Brief, den ich, verschiedner Ursachen halber, meinen Lesern mitzutheilen für gut finde. Erstlich kann er beweisen, dass ein nach- drücklicher, ernster Tadel mit der mütter- lichen Zärtlichkeit wohl bestehen könne: Dann ist es ein herrlicher Text für junge Weiber, deren Männer oft zu verreisen genöthigt sind: Endlich und zulezt kann ihn die Schöne, die ihn für ihr Eigenthum erkennt und darüber die nöthigen Beweise beyzubringen im Stande ist, ohne die Fo- derung irgend einer sonderlichen Erkennt- lichkeit besorgen zu dürfen, nach Belieben von mir in Empfang nehmen. Jch bin am sichersten bey meinem Verleger zu erfragen. Der gefundene Brief. Meine liebe Tochter! Jch bin Deinetwegen in grosser Be- kümmerniss. Eine Person, in deren Red- lickeit ich keinen Verdacht setzen kann, hat mich mit vielen unangenehmen Neuigkei- ten von Dir bekannt gemacht, die ich lie- ber nicht gehört hätte; die mir aber jezt, da ich sie weiss, unmöglich gleichgültig seyn können. Du unterhälst einen ziem- lich vertrauten Umgang mit verschiednen jungen Mannspersonen; Du giebst ihnen Erlaubniss, Dich vorzüglich und am meisten zu der Zeit zu besuchen, da Dein Mann durch seine Reisen von Dir entfernt ist; Du unterscheidest keine Zeit bey diesen Besu- chen, und einer Deiner jungen Herren hat so gar das Vorrecht, Dich bis in die späte Nacht allein zu unterhalten. Alle diese Dinge werden bemerkt, sorgfältig bemerkt. Du stehst in grosser Gefahr, selbst bey rechtschaffenen Leuten, Deinen guten Na- men zu verlieren, und in ihren Gedanken villeicht schon zu jenen verächtlichen Krea- turen herabgesetzt zu werden, die die Schande unsers Geschlechts sind. Meine zärtlich geliebte Tochter! Statt dieses übeln Russ von Dir, wollte ich lieber gehört haben, dass Du krank wärest, und ich wüsste kaum, ob mir Dein Tod viel empfindlicher seyn würde, als der völlige Verlust Deines guten Namens unter edel- gesinnten, tugendhaften Gemüthern. Meine liebe Tochter! Jch habe eben nicht Ursach in Deine Tugend ein Miss- trauen zu setzen; ich glaube vielmehr, dass Du von den meisten Pflichten, die Du Dei- nem Manne schuldig bist, Kenntniss, und den festen Vorsaz hast, niemals davon zu weichen. Noch mehr: ich bin versichert, dass Dir die Untreue das schwärzeste Laster scheinen, und der blosse Gedanke daran, Dir ein Abscheu seyn wird. Du wirst Dich für unüberwindlich und wider alle Arten der Versuchung hinreichend gewappnet hal- ten. Und doch ist Dein Zustand um desto gefährlicher! Das Bewusstseyn unsrer Stär- ke kann Vermessenheit werden, und von der Vermessenheit bis zum Falle, ist nur ei- ne einzige Stufe. Wer stehet, sehe wohl zu, dass er nicht falle! Die Lieblinge Got- tes, die Helden in der Tugend, sind nicht ausser Gefahr, und der Heilige selbst hat Ursach der Versuchung aus dem Wege zu gehen. Nun bedenke, meine gute Toch- ter! wie viel näher Du der Gefahr bist, und wie viel mehr Vorsicht Dir bey weit gerin- gerer Tugend obliegt. Es ist eine schreck- liche Wahrheit: Wer sich in Gefahr giebt, kömmt in Gefahr um; aber sie ist wahr, und wehe dem, an dem sie wahr wird! Werde nicht unwillig, liebes Kind! Jch bin Deine Mutter. Meine Zärtlichkeit fürchtet villeicht zu viel; aber ich bin so eifersüchtig auf Deine Tugend, als Du es nur immer auf Deine Schönheit seyn magst. Der geringste Flecken würde mich beküm- mern. Du bleibst meine innig geliebte Tochter, wenn Du Dich bestreben wirst, durch eine behutsamere Aufführnng alle meine Besorgnisse zu vereiteln. Kann es Dir wohl schwer werden mir hierin zu ge- horchen? Jch kann Dir noch einen Grund an die Hand geben, der mir sehr wichtig scheint, und der Dir wohl noch wichtiger scheinen sollte. Was meynst Du wohl, wenn es Deinem Manne irgend einmal einfallen soll- te Deine Freunde aus einem gewissen Ge- sichtspunkte anzusehen? — Das ist un- möglich! — Nicht so unmöglich, meine gute Tochter! Eifersucht ist ein schleichen- des Fieber, wider welches das beste Herz und ein sehr gesunder Verstand nicht genug verwahrt sind. Jch kenne Leute, die in aller Absicht vortreffliche Leute sind, und die gleichwohl bey noch geringerm Anlasse und bey einem langen Kampfe mit sich selbst, den Ausbrüchen dieser verderblichen Leidenschaft nicht ganz haben widerstehen können. Jch glaube nicht, dass du die schrecklichen Folgen alle kennst, die sie hervorbringen kann und nur allzuoft schon hervorgebracht hat, und Gott gebe, dass Du sie am wenigsten aus eigner Erfahrung kennen lernen mögest! Erst tödtet sie lang- sam die Ruhe in dem Busen desjenigen der ihr Raum giebt. Widersteht man ihr dann in der Geburt nicht; und diess ist schon schwer: so verbreitet sie sich durch die ed- leren Theile unsers Wesens. Dann sind die wirksamsten Heilungsmittel unkräftig, dann wühlet ein wütendes Feuer in unsern Adern; dann äussert sich die Krankheit in den traurigsten sichtbaren Wirkungen; dann wird sie den Umstehenden gefährlich. Dieser Leidenschaft ist nichts heilig; sie un- scheidet den Freund selbst nicht; sie zer- reisst die stärksten Bande der menschlichen Gesellschaft. Du bist zu gut, meine Toch- ter! als dass Du mir ein Unglück bereiten solltest, welches den Rest meines Lebens verbittern würde. Du bist es mir, und bist es noch mehr Deinem guten Manne schul- dig, auch die erlaubten Handlungen schon zu unterlassen, die zu einem so schädlichen Verdachte Gelegenheit geben könnten. Jch zweifle sehr, ob Du dieser Regel bisher so genau gefolgt bist; ich denke aber, Du wirst sie von nun an nie wieder aus den Augen verlieren. Villeicht ist es noch Zeit, einen zärtlichen Theil Deiner weibli- chen Ehre zu erhalten, und bey dem Na- men einer gefälligen, auch den noch mehr bedeutenden Namen einer klugen Frau zu verdienen. Es ist um den guten Ruf eines jeden Menschen, und besonders eines Frauenzimmers, keine solche Kleinigkeit, als es Dir wohl in dem Rausche Deiner Ver- gnügungen und bey Deinem grossen Han- ge dazu scheinen mag. An die höchste Ehre, die ein Mensch haben kann: Vor Gott einen Werth zu haben, gränzt die zweyte zunächst: Jn dem Urtheile frommer und verständiger Leute etwas zu gelten. Wer gegen jene gleichgültig ist, ist ein er- klärter Bösewicht, und wer es gegen diese ist, hat alle Anlage es zu werden. — Jch kann nicht wissen, ob Du die Pflicht hinlänglich verstehst, die uns alles Aergerniss, so viel an uns ist, zu verhüten gebeut. Wenigstens scheint es nicht so. Auch ist sie eine der schwersten und von sehr weitem Umfange. Man handelt nicht für sich allein, man steht in Verbindung, man hat auch auf andre zu sehen. Nicht genug, dass man selbst gut ist; man sey es auch in Beziehung auf andre! Diese, noch so unschuldige Handlung, ist nur für mich und für wenige unschuldig; andern wäre sie der Weg zum Verderben. Jch verliere kein gemeines Vergnügen, wenn ich sie unterlasse; aber ich kann sie unterlassen und ich bin es zu thun schuldig. So viel kostet es, meine geliebte Tochter! so viel kostet es unsträflich zu wandeln! Jch habe Dich zu ei- ner traurigen Wahl gebracht. Du wirst Dein Auge verlieren müssen, um Deiner Ehre, um Deiner Liebe, um Deines Gewissens willen, um der Pflicht willen die Du Deinen schwa- chen Gespielen schuldig bist. Jch will Dir damit den Umgang mit den jungen Herren von Deiner Bekanntschaft eben nicht ganz untersagen. Es sollen, wie ich höre, mun- tre, unbescholtne, gute Leute seyn. Du kannst sie mit der Behutsamkeit sehen, die ich Dir wiederhohlentlich empfehle; Du kannst von ihnen lernen; Du kannst Dir ihre Gesellschaft nützlich und angenehm machen. Jch rathe Dir zu dem Ende, ihre Besuche niemals ohne mehrere Zeugen, und am allerwenigsten zu einer Zeit des Tages anzunehmen, die dem Verdachte mehr als andre unterworfen ist. Sind es wircklich so gute Leute als ich zu glauben Ursach ha- be, so werden sie Dir dieses behutsame Be- tragen als eine neue Vollkommenheit an- rechnen und dich nur desto höher schätzen. Sollten sie aber Unzufriedenheit darüber be- zeigen; sollten sie es Dir wohl gar für eine Schwäche des Geistes und für einen Mangel an Lebensart auslegen: so hast Du eine un- trügliche Probe, dass sie nicht so gut waren, als Du sie glaubtest, dass ihre Absichten un- lauter und sie Deiner fernern Freundschaft unwürdig sind. Jch müsste mich sehr irren; oder ich sehe meine gute, meine zärtliche Tochter, mit nassen Augen und gerührtem Herzen, den festen Entschluss eines weiseren Wan- dels fassen. Thue es, meine Tochter! wenn Dir Deine treue Mutter, wenn Dir Deine zeitliche und ewige Glückseligkeit lieb ist. Der zwölfte Spatziergang. M it ihrer Erlaubniss, meine Herren! Jch werde den Umgang mit unsern Philo- kurus ununterbrochen fortsetzen. Mögen sie doch thun was ihnen beliebt. Es ist wahr, das Vergehen des Mannes ist eins von den schwereren; es sündigt gegen die heiligen Rechte der genauesten und zärt- lichsten Verbindung, die unter Menschen seyn kann. Da sey Gott für, dass ich es, ich will nicht sagen, rechtfertigen; dass ich es auch nur mit Einem Worte entschuldigen, oder durch ein unzeitiges Stillschweigen für unbedeutend erklären sollte! So gar bin ich der Meynung, dass es mit einer ihm an- gemessenen bürgerlichen Strafe belegt zu werden verdiente, wenn anders eine solche Strafe erfunden werden könnte. Unsre Gesetze sagen hierüber nichts. — Desto schlimmer! Um so viel nöthiger ist es, dass alle rechtschaffenen Gemüther sich dahin vereinigen, einen so schändlichen Verbrecher von ihrer Schwelle zu entfer- nen, und ihm die Höflichkeitspflichten selbst, bis zu einem gewissen Grade, zu ver- sagen. Die gesellschaftliche Klugheit muss hier die Lücken ausfüllen, die die bür- gerlichen Gesetze unausgefüllt gelassen haben Ganz wohl, meine Herren! Jch bin ihrer Meynung, wenn sie auch nur mit ei- nem einzigen Beyspiele erweisen können, dass eine solche Amputation heilsam gewe- sen sey. Und, von welcher Wirkung glau- ben sie wohl, dass sie bey unserm Philo- kurus seyn würde? Jch will es ihnen sagen. Philokurus ist ein Mensch, wie sie alle wis- sen, der keinen Tag ohne Gesellschaft zu- bringen, der, wenn er nichts zu thun hat; ( I. Theil. ) G und er hat beynahe gar nichts zu thun; kei- ne Stunde allein seyn kann. Verliert er unsern Umgang, so sucht er einen andern, und, wahrscheinlicher Weise, einen schlech- tern. Und wenn er sich dadurch verschlim- mert, wie es denn nicht anders seyn kann; meynen sie nicht dass sie Mitschuldige sei- nes Verbrechens sind? Sind wir es denn weniger, wenn wir ihn nach wie vor unsrer Vertraulichkeit werth halten? Sagen wir damit nicht, dass die Sache so viel nicht auf sich habe? Das würden wir nur sagen, wenn wir nichts sagten. Aber es ist ja noch ein Drit- tes übrig. Jch bin nun einmal von der Gesellschaft der barmherzigen Brüder. Las- sen sie mir immer meine Grille! Was mey- nen sie zu einer liebreichen Ermahnung? Sollte unser gutmüthiger Philokurus schon so tief herabgesunken seyn, dass ihn die bessernde Stimme der Freundschaft nicht mehr erreichen könnte? Woraus schliessen sie seine gänzliche Verstockung? Welcher Arzt fängt seine Kur gleich, ohne alle an- derweitigen Versuche, bey den verzweifel- sten Mitteln an? Oder giebt den Kranken verloren, eh er ihn noch mit einem Auge gesehen, eh er ihn noch über seine Krank- heit befragt hat? Wie nun, wenn die Ermahnung ohne Wirkung bleibt? Villeicht hilft sie wenn sie wiederhohlt, wenn sie oft wiederhohlt, wenn sie rühren- der, wenn die Ueberzeugung vollständiger, wenn die Bitte dringender gemacht wird. Lassen sie aber auch alle diese Versuche ein- mal vergebens seyn: so ist ja diess bey wei- tem noch nicht die einzige mögliche Kur- art. Man zeige sich in einer ernstlichern Gestalt; man rede nachdrücklicher und feyerlicher; man nehme die stärksten Mo- tiven, die die Religion an die Hand giebt zu Hülfe; man äussere Eifer und Unwillen so weit es Menschenliebe und Klugheit er- laubt; man setze seine Versuche lange und unermüdet fort! Der Mensch müsste ein sehr verruchter Bube, ein ausgelernter, in Lastern grau gewordener Bösewicht, ein Ungeheuer, ein Teufel seyn, wenn wir nicht etwas bey ihm ausrichten, wenn wir nicht einigen Eindruck auf ihn machen sollten. Und damit wären ja doch schon einige Schritte gewonnen. Wir entziehn uns ja den grossen Missethätern nicht ganz, die die Gerechtigkeit ihrer bürgerlichen Frey- heit und Ehre, und wohl gar ihres Lebens zu berauben, für nöthig erachtet. Jst es wohl billig einem kleinern Sünder das zu versagen, was man einem ungleich grössern ohne Bedenken zugesteht? Sie sind also der Meynung, dass Philo- kurus unter allen Umständen, und auch bey der hartnäckigsten Beharrung in seinem La- ster, unser Freund bleiben, unser volles Zu- trauen, unsre ganze Zärtlichkeit geniessen müsse? Das nicht, meine Herren! Wenn ich nicht alle Verbindung aufgehoben haben will, so will ich darum noch nicht die zärt- lichere beybehalten wissen. Das Unmögli- che verlang’ ich nicht! Es versteht sich ja wohl von selbst, dass ich einen Unglückli- chen an den ich meine ganze Zärtlichkeit umsonst verschwendet, den ich durch alle nur erdenkliche Mittel zu retten versucht habe; wenn er selbst alle meine Bemühun- gen vereitelt, wenn er die Hand nicht er- greifen will die ich ihm darbiete, wenn er sich, selbst gegen Bitten und Thränen ver- härtet: es versteht sich von selbst; sag’ ich, dass ich den Mann nicht fernerhin eines un- umschränkten Zutrauens werth halten kann. Ein herzliches Mitleiden wird alles seyn, was ich für ihn übrig behalten werde. Aber umgehn werd’ ich mit ihm in dem Grade von Zurückhaltung, den sein Zustand nothwendig macht, in der abgemessenen Entfernung, woraus er immer erkennen kann, wie ich, bey aller meiner Nachsicht für ihn, sein Vergehen von ganzem Herzen verabscheue. Aber fällt es ihnen denn gar nicht ein, was die Welt von einem solchen fortgesetz- ten Umgange denken wird; die Welt, die ihr vermindertes Zutrauen, ihre angenom- mene Zurückhaltung zu bemerken, keine Gelegenheit hat? Wird man nicht mit dem grössten Scheine urtheilen, dass die Den- kungsart des Philokurus auch die Jhrige sey? Wird man wenigstens nicht denken müssen, dass sie Wahrheit und Tugend ver- rathen, dass sie eines der abscheulichsten Laster in Schutz genommen haben? Wer- den sie dadurch nicht ein Aergerniss geben, welches, bey ihrer sonst bekannten Recht- schaffenheit, von schlimmen Folgen seyn kann? Das wollt’ ich, um alles in der Welt willen, nicht! Mein ganzes Betragen soll da- gegen reden. Wo ich weiss und kann, will ich öffentlich so reden und handeln, dass jeder meine gänzliche Abneigung gegen eine jede Art von Untreue, und besonders gegen die schändlichste von allen bemer- ken und gleichsam mit Händen greifen soll. Sollte ich, dem ungeachtet von meinen richtenden Mitbrüdern verkannt werden, so werd’ ich es ertragen wie ich kann, und mich mit dem Beyspiele des besten unter allen Menschen trösten, der es bey dem hei- ligsten Wandel, gleichwohl nicht verhüten konnte, dass man ihn mit den Zöllnern und Sündern vermischte, die er vom Verder- ben zu erretten, die er zu bessern Men- schen zu machen, in die Welt gekommen war. Der dreyzehnte Spatziergang. V on den Versöhnungen vor dem Ge- nusse des Abendmahls und auf dem Sterbe- bette, halte ich nicht mehr und nicht we- niger, als von den Modebekehrungen über- haupt. An den Früchten sollt ihr sie er- kennen! Der grosse Haufe ist, leider! so ge- artet, dass er den übeln Folgen der Unmäs- sigkeit lieber, wenn es die Noth erfodert, in der Geschwindigkeit und auf einmal, ver- mittelst gewisser, sogenannter Universalarz- neyen abhelfen, als sie auf immer, durch ei- ne fortgesetzte Enthaltsamkeit, in der Wur- zel selbst vertilgen will. Jenes ist freylich leichter und oft das Geschäfft eines Augen- blicks. Wem ist aber im Grunde damit geholfen? Höchstens dem Quacksalber, der von den Vorurtheilen der betrogenen Ein- falt lebt. Der arme Kranke beschleunigt dadurch nur seinen Untergang und ver- schliesst sich nicht selten alle Quellen der Hülfe auf immer. Weg mit den Lebens- pulvern und Tinkturen, die für alle Krank- heiten gut sind! Die Natur thut nichts durch einen Sprung und die Sittenlehre thuts nichts wider die Natur. Zur Sache! Sich überhaupt bekehren, einen bes- sern Wandel beschliessen; sich insonderheit mit seinem Bruder versöhnen, ihm Genug- thuung geben, wenn er sie fodern kann, Genugthuung willfertig von ihm annehmen, wenn er sie anbeut: wer kann das tadeln? Wie aber? wenn man diess alles nur zu ge- wissen Zeiten, bey gewissen feyerlichen Ge- legenheiten, oder wohl gar nur Einmal in seinem Leben thut; wenn es nicht der fort- dauernde Entschluss des Menschen, wenn es nicht seine herrschende Gesinnung ist: wer kann es dann loben? Jst es nicht eben so gut, als ob es gar nicht geschehen wäre? Jst es nicht noch schlimmer? Jst es nicht so, als fastete man heute, um sich Morgen allem Uebermaasse desto sicherer und mit desto grösserem Geschmacke überlassen zu können? Oder scheint es nicht, als entsag- te man nur einer Begierde, deren fernere Befriedigung eine unvermeidliche Noth- wendigkeit auf immer unmöglich macht? Versöhnlichkeit ist nicht die Tugend Eines Tages, und noch viel weniger Eines schwachen Augenblicks, den villeicht nur die Erschlaffung unsrer Nerven, oder der langsamere Lauf unsers Blutes befördert hat. Auch muss sie schlechterdings nur aus dem einzigen reinen Quell aller Tugen- den entstanden seyn, wenn sie anders den grossen Charakter erfüllen will, den sie von sich selbst ankündiget. Keine Tugend ist das, was sie werden kann, auf einmal; sie erhebt sich nach und nach zu der Hoheit die das Gesetz fodert. Jhr Weg ist mit Dornen besetzt; tausend Hindernisse stehn ihr von allen Seiten entgegen. Ohne diese wäre sie villeicht nur Temperament; ein blosses, unverdientes Geschenk aus den Hän- den der Mutter Natur. Ferner, ist ihr Wirkungskreis unbegränzt. Er umfasst den ganzen Bezirk unsrer gesellschaftlichen Ver- bindungen. Kein Individuum ist davon ausgeschlossen: denn ein jedes gehört zu dem Geschlechte meiner Brüder. Jch kann nicht, Diesem nur vergeben, und Jenen meiner Rache aufopfern wollen. Auch ist eine jede Beleidigung, die grösste nicht ausgenommen, ein würdiger Gegenstand meiner Versöhnlichkeit. Jch kann nicht, Diesen Fehler verzeihen, und Jenen aus den andern zu einer endlichen Beahndung her- ausheben wollen. Die Grösste der verzie- henen Beleidigung und des Kampss, den die Verzeihung kostete, bestimmt erst die Grösse der Tugend von der wir reden und sie gedeyet selbst erst durch eine oftmalige Wiederhohlung zu einer männlichen Stärke. An diesen Stein streiche man unsre Verge- hungen nach der Mode und aus Noth: und man wird bald wahrnehmen, wie weit sie von der Farbe des reinen Goldes abweichen und mit wie vielem geringhaltigern Metalle sie vermischt sind. So sey denn jeder Tag meines Lebens für mich ein Tag einer willfertigen Versöh- nung, ein allgemeines Friedensfest! Keine Beleidingung soll meine Tugend ermüden! Und so, bey aller meiner Vorsicht, das Feuer der Rache in meinem Busen auflo- derte, so will ich keinen Augenblick an- stehn es bis auf den letzten Funken zu er- sticken. Jch weiss es aus einer seligen Erfahrung: Ein himmlisches Vergnügen be- gleitet schon hier einen jeden Sieg, den ich über mein Herz erkämpfe, eine jede kleine Verleugnung, der ich mich unterziehe. Und ich sollte einen Augenblick anstehn, mir diese Freude zu verschaffen; ich sollte sie bis zu einer gewissen Periode meines Le- bens, bis zu den letzten Minuten desselben hinaussetzen? Nimmermehr! so viel an mir ist. Die Tugend ist mir verdächtig, die ich nur dreymal oder viermal in einem Jahre zu wiederhohlen gesonnen bin und die ist in meinen Augen zu klein, die auf meinem Ster- bebette erst ihren Anfang nehmen soll. Der Trost begleite mich in eine bessere Welt, dass ich keinen beleidigte, dem ich nicht Genugthuung zu geben bemüht war, und dass ich von keinem beleidigt wurde, dem ich nicht bald, und von ganzem Herzen vergab! Der vierzehnte Spatziergang. 1758. N ein! es ist nicht möglich: ich bin nicht zum Verderben geschaffen; Unglück ist nicht mein ewiges Loos. Jch kenne Jhn, meinen Schöpfer, den Schöpfer der seligen Himmel, den Schöpfer der Freude, die um mich aus tausend Gegenständen lacht und in tausend Stimmen ertönt; ich kenne Jhn, den Gütigsten, die Quelle aller Er- barmungen, der ganz Liebe ist. Wie? al- les sollte dieser Gott um mich her mit Glück und Segen überströmt haben, und ich, die Zierde aller Erdgeschaffenen, ich, der Herr dieses weiten Reichs, ich allein sollte das wahre Vergnügen nicht kennen? Mich al- lein sollte die Freude sliehn und mich nur unter allen beglückten Geschöpfen, mich al- lein sollte nicht ein Stral seiner beseelenden Güte anlächeln, ewig nicht anlächeln? Nein! so handelst Du nicht, mein Schö- pfer! Deine Geschaffenen dürfen dem Ta- ge ihrer Geburt nicht fluchen, noch Dich anklagen, dass Du sie, wider ihren Willen, zum Seyn aus dem Nichts hervorgerufen. Allein; was sag’ ich? Sind nicht rund um mich die Fussstapfen des Elends und der Verheerung? Fühl’ ich nicht selbst das Unglück in tausend schweren Schlägen? Seufzen nicht meine Mitgeschöpfe rund um mich? Hör’ ich nicht ihre Klagen, seh’ ich nicht ihre Thränen, theil’ ich nicht mit ih- nen die Last ihres Schicksals? Triefen nicht die Fluren von Blut? vom Blute mei- ner Brüder, vom Blute der erschlagnen Un- schuld? Dampfen nicht weite Provinzen vom Donner des Krieges entzündet? Und werden nicht bald Aschenhügel und rauchende Trümmer da seyn, wo sonst ruhige Landsitze, wo sonst glückliche Städ- te standen? Jch verliere mich in einer traurigen Aussicht; alles ist finster um mich. Leuch- te du meinem irrenden Geiste wieder, himmlische Weisheit, die du dein Licht noch nie dem Flehn eines gleitenden Sterb- lichen versagt hast! Jch bin wieder an der Stelle, von wel- cher ich ausgieng. Diese Welt sey immer der Schauplatz des Unglücks, der Schau- platz blutiger Scenen; die sterbliche Natur sey immer einer dauernden Glückseligkeit unempfänglich! Jst nichr ein Etwas in mir, ein Etwas das mich über mich selbst erhöht? Jst’s nicht das innige Gefühl, der stolze Ge- danke: Jch bin für etwas mehr, als für die Urnen erschaffen; ist ders nicht? Jsts nicht die heisse Begierde, der unersättliche Durst nach Vollkommenheit, der mich unüber- ( I. Theil. ) H windlich gewiss macht, mich erwarte ein Glück von ewiger Dauer, von einem Um- fange für den ich das Maass vermisse und den ich villeicht erst künftig zu übersehen fähig seyn werde? Dieser Gedanke beru- higt mich. Er thut der Güte ein Genüge die jede denkende Seele an dem Urheber der Welten preist, die sich durch alle We- sen herab, bis auf die untersten Stufen der Schöpfung ergiesst. Ja, gewiss! ich werde ewig leben; ich werde ewig glücklich leben; ich werde die- se irrdische Schale abwerfen; mein Geist wird frey in das Land der Seligkeit über- gehen. Jch glaube diese Verwandlung so fest, dass ich sie nicht zu fürchten vermag. Jch kann mich nicht irren! Und gesetzt ich irrte: so lieb’ ich doch diesen schmeicheln- den Jrrthum so sehr, dass ich ihn um alle Güter der Erde nicht weggeben möchte. Und was wär’ ich sonder ihn, diesen süssen, diesen beruhigenden Gedanken? Was wäre mein Leben anders, als die mitternächtliche Reise eines Wandrers in einem unwegsamen Gebirge? Jhm drohen tausend Tode; hier ein reissender Waldstrom, dort die krachen- de Eiche, die der Wintersturm spaltete; hier ein abhängiger Fels und dort eine Mör- dergrube. Er wird der Gefahr nicht ent- gehen, er wird einer Höhe durch einen Fehltritt entstürzen und von spitzen Felsen durchbohrt werden. Aber er ist es, der göttliche Gedanke, der diese Finsternisse zerstreut und ein angenehmes Licht über meine Tage verbreitet. Er ist es, der der tobenden Woge gebietet in ihr Bette zu- rükzukehren, der den Stürmen winkt, zu schweigen und den Blitzen, zu verschwin- den. Nun flieht die Nacht; die Donner rollen nur noch von ferne; die Wellen brül- len nicht mehr und gelindere Lüfte scher- zen auf der beruhigten Fläche. Bald werd’ ich den Hafen erreichen. Schon haucht mir ein glückseliges Ufer entgegen. Da werd’ ich die Ruhe finden; da werd’ ich zürnende Meere den sichern Strand be- schäumen sehen. Es ist eine künftige Glückseligkeit! Diese Hoffnung versüsst alle Bitterkeit mei- nes Schicksals. Mit ihr seh’ ich alle Ge- genstände aus einem andern Gesichtspunk- te an; von ihr empfangen alle Scenen des Lebens eine veränderte Gestalt. Das Glück wirft mir Reichthümer zu. Diese Güter werd’ ich nicht verschmähen, ich werde sie brauchen, ich werde sie werth halten; aber ich werde sie nur als geliehen betrachten. Das Glück verlangt sie zurück. Gleichgültig geb’ ich sie wieder, gewiss, dass mir bessre Güter zurückbleiben, die kein Zufall mir entreissen, die die Zeit nicht verderben, die die Ewigkeit selbst noch bis ins Unendliche vergrössern wird. Jch bestrebe mich wohlthätig zu seyn. Man belohnt mich mit Undank; für meine Güte verfolgt man mich. Jch handle nach Grundsätzen der besten Religion; ich suche Wahrheit und Tugend auszubreiten. Man verkennt mich, man beschuldigt mich nie- driger Absichten. Darüber werd’ ich nicht muthlos. Jch verfolge meinen Weg. Erst am Ende der Laufbahn erwart’ ich die Krone. Mein Freund stirbt. Jch verliere ihn; aber ich weiss, dass ich ihn nur auf wenige Tage verliere. Diesem kurzen Verluste weih’ ich meine Thränen; aber ich zürne nicht mit dem Himmel; ich störe die Ru- he meines Geliebten durch ungestüme Kla- gen nicht. Ruhe sanft, geweihte Asche! Bald werd’ ich ihn wiedersehen, meinen verklärten Freund, in bessern Welten die der Tod nicht erreicht. Jch sterbe. Meine Segel entgehen dem Sturme. Empfang mich giücklicher Hafen! Empfangt mich, ihr Freunde, die ihr mich mit offnen Armen erwartet! Der funfzehnte Spatziergang. J ch kann es nicht zugeben, meine Freun- de! dass man der Gutherzigkeit, auf Un- kosten anderer Tugenden, das Wort rede. Alle stehn, meines Erachtens, in einer so genauen Verbindung unter einander, dass es unmöglich ist, dass eine die andre aufhe- ben sollte. Sie machen zusammen nur Ein Ganzes aus, und man kann in der That sa- gen, dass es nur Eine Tugend gebe. Jch weiss es, man thut sich seit einer gewissen Zeit nicht wenig darauf zu gute, gutherzig zu seyn, oder es vielmehr nur mit einem vermeynten Anstande zu scheinen. Recht- schaffner Yorick! dein ist die Schuld nicht; sondern deiner tändelnden Nachahmer, die uns in Kurzem villeicht eine der männlich- sten Tugenden in ein elendes Kinderspiel verwandeln werden. Nicht viel fehlt dar- an, so werden unsre feurigen Jünglinge als Don Quixote der Gutherzigkeit, auf schöne Abenteuer mit Mönchen und Nonnen, und Kammermädchen und Bettlern ausgehn, und man wird im heiligen Römischen Reiche von wohlthätigen Kreuzzügen hö- ren und von Begebenheiten, die ihrem in- nern Gehalte nach dem Märchen von der Windmühle vollkommen ähnlich seyn wer- den. Jn der That, meine Herren! wenn sie solche reisende Gutherzige für wahre Gutherzige ansehn wollen, so beweis’ ich ihnen, dass der Ritter von der traurigen Gestalt unter allen Helden der erste, und sein vortrefflicher Stallmeister ein so feiner Kopf war, als jemals einer in dem goldnen Zeit- alter des Witzes gewesen seyn mag. Und warum lässt man denn eben den Gutherzi- gen Reisen? Wo ist eine Stadt, oder ein Haus so leer an vernünftigen und unver- nünftigen Bewohnern, dass man nicht täg- liche Gelegenheit haben sollte seine wohl- wollenden Neigungen in Handlung zu se- tzen. Es ist überhaupt romantisch, nur Ei- ne Tugend und nur Diese in aller mögli- chen Grösse zeigen zu wollen. Das nenn’ ich moralische Seiltänzerey, die freylich ei- nen staunenden Pöbel um sich herum ver- sammlen kann; der aber der gesetzte Mann im Vorbeygehn kaum einen Seitenblick gönnen wird. Die Vorsehung hat uns ein- mal unsern bestimmten Wirkungskreis an- gewiesen. Wir haben alle Hände voll zu thun, wenn wir einen Theil unsrer Bestim- mung nur einigermassen erfüllen wollen. Auch die kleinste Oekonomie will mit ei- ner Menge von Tugenden in Ordnung er- halten seyn. Und nur selten werden wir in eine so gefahrvolle Lage hineingerathen, aus der wir uns mit Hülfe einer einzigen, auf das höchste getriebenen Kraft heraus- helfen müssten. Doch wir wollten ja nur von der Gut- herzigkeit reden. Sie ist eine Tugend; aber sie ist es nicht immer und sie ist es als- dann am wenigsten wenn sie auch nur ei- ner einzigen wahren Verbindlichkeit entge- gen steht. Mein thätiges Verlangen den Wohlstand meiner Nebengeschöpfe zu vergrössern, ist Gutherzigkeit. Dadurch unterscheidet sie sich von einem jeden unwirksamen Wohl- wollen, von einer jeden aufwallenden, weichherzigen Regung und von dem Af- feckte des Mitleidens, der sich auf Unglück- liche allein nur beziehen kann. Das gute Herz äussert sich gegen Feinde und Freun- de, gegen Glückliche und Unglückliche, gegen Hohe und Niedrige. Aus einem Grunde speise ich den Hungrigen, kleide den Nackenden, warte den Verwundeten der unter die Mörder gefallen war, rette den angefochtnen guten Namen meines Be- leidigers, erhöhe die Freuden des Glückli- chen, erleichtre dem Sklaven die Kette und dem Kranken Bekümmerten seine Schmer- zen; aus Einem Grunde erbarm’ ich mich einer jeden leidenden Kreatur und des Bö- sewichts selbst, der nun doch einmal un- glücklich und mein Bruder ist. Jede menschliche Brust enthält den Keim dieses wohlthätigen Hanges. Er ist, wenn ich mich dieser Sprache bedienen darf; der edle Ueberrest des göttlichen Ebenbildes in uns, der nicht verloren gegangen ist. Wir wür- den ihn sogar nicht durch eine fortgesetzte Reihe menschenfeindlicher Handlungen auf immer ersticken können: warum wollen wir nicht lieber die angelegentlichste Sorg- falt auf seine Wartung verwenden, die uns eine untrügliche, reiche Aerndte der süsse- sten Früchte verspricht? Nicht zu geden- ken, dass die höchste belohnende Gerech- tigkeit, unser kleinstes Wohlwollen, das un- vollkommenere fruchtlose selbst, wenn kein besseres möglich war, wo nicht in dieser, doch gewiss in einer künftigen Welt, ver- hältnissmässig belohnen wird; so wird doch auch hier schon eine jede Handlung dieser Art von einer angenehmen innern Empfin- dung begleitet. Das Bewusstseyn einer ed- len That ist auch lange nachher noch eine Quelle des Vergnügens, und die Ausbrüche der Dankbarkeit, die wir an manchen, durch unsre Güte gerührten Gemüthern be- merken, müssen nothwendig auch das ihri- ge zu unsrer Zufriedenheit beytragen. Nur lege man diesen angenehmen Gefühlen, nicht ohne genaue Prüfung, einen allzu ho- hen Werth bey; nur glaube man nicht, dass sie die nothwendige Beylage einer jeden gutherzigen That sind; nur leugne man dem nicht das gute Herz ganz ab, der sich bey den Aeusserungen desselben nur selten ei- nes lebhaften Vergnügens bewusst gewor- den ist! Das blosse Temperament ist weder Tugend, noch Laster; ob es gleich zu einer und der andern Tugend, zu einem und dem andern Laster geneigter machen kann. Sollt’ ich darum besser seyn als ein anderer, weil ich von Natur leichter mit andern sympa- thisire; weil ich meines eignen Vergnügens wegen nicht umhin kann, mich mit dem Glücklichen zu freuen; weil mir die Lei- den des Unglücklichen beschwerlich sind und ich es um mein selbst willen nicht las- sen kann, diese Beschwerde von mir zu ent- fernen? So wäre der feinere Epikureïsmus die beste Philosophie und der vernünftigste Wollüstling der einzige Weise! Wehe dann dem unablässigen strengen Bearbeiter seiner selbst, der mit einer minder empfindlichen Seele geboren, erst eine Menge Hindernisse in sich selbst überwinden muss, eh’ er sich bestimmen kann sein Herz seinem dürftigen Bruder zu entschliessen; dem jede grössere gesellschaftliche Tugend erst einen be- schwerlichen Kampf kostet! Aber Gott und die sehende Vernunft würdigen die Tugend nach einer vollkommnern Regel. Der wahre Gutherziege ist es nicht in diesem und jenem Falle; sondern unter allen Umstän- den: nicht aus einem unbeständigen sinn- lichen Triebe; sondern aus deutlicher Ue- berzeugung seiner Vernunft: nicht aus Af- feckt; sondern oft seiner herrschenden Lei- denschaft entgegen: nicht mit Widerspruch irgend einer andern Tugend; sondern in der genausten Harmonie mit allen. Der wahre Gutherzige, der es mit Weis- heit und in der erforderlichen Unterord- nung seiner andern Obliegenheiten ist, ver- gisst sich also selbst nicht. Er ist sich seine eigne Erhaltung für heute und Morgen schuldig. Mein Leben ist unter allen meinen Glücksgütern das grösste. Es ist die Bedingung, vermöge welcher ich die andern allein nur besitzen kann. Wer kann es mir verdenken, wenn ich anstehe, es ohne vorhergegangne grosse Ueberlegung zum Besten eines andern in Gefahr zu se- tzen? Die Gutherzigkeit kann es nicht wol- len; oder Gutherzigkeit und Unbesonnen- heit müssten Eins seyn. Nur in wenigen Fällen bin ich ihm mein Leben schuldig; diese wenigen Fälle aber erfordern den Zu- sammenfluss weit höherer Tugenden, als die Gutherzigkeit selbst ist. Viel öfter wird diese mich verbinden können, meine Gesundheit einiger Gefahr zu unterwerfen, einen Theil meines Lebens zum Wohlseyn des andern zu verbrauchen, einige meiner Bedürfnisse für ihn hinzugeben. Daran ist kein Zweifel. Aber nichts wichtiges muss ohne Ueberlegung geschehen; keine grosse Verleugnung, ohne genaue Abwä- gung des aufzuopfernden Guts. Auch dem Christen steht es wohl an das Seine zu Ra- the zu halten. Es würde lächerliche Ver- schwendung, es würde Thorheit seyn, wenn man sich seines Vermögens berauben woll- te, um hier und da villeicht einen nichts- würdigen Müssiggänger zu ernähren, dem es so freylich besser gefällt, als wenn er sein tägliches Brod mit Arbeit erwerben sollte. Der wahre Gutherzige kann nur den Wohlstand des andern zum Zweck haben. Sollte er also mit Wahrscheinlichkeit wissen können: seine Wohlthaten würden den Zu- stand des andern verschlimmern, so ist es ihm einleuchtend, dass er hierin seinem guten Willen Schranken setzen muss, wenn er nicht auf das mindeste selbst Gefahr laufen will, in eine sich und andern verderbliche Thorheit zu verfallen. Die Ausflucht: Jch thue Gutes: was geht es mich an, wie es angewandt wird? Meine Absicht ist doch, dem andern zu helfen. Jst es meine Schuld, wenn ich sie nicht erreiche? Jch gab doch einem der meiner Unterstützung bedurfte; war er es übrigens würdig oder nicht würdig, dass ich ihm gab: das wusst’ ich nicht und durft’ es nicht wissen, — kann nur da gelten, wo es entweder nur auf eine Kleinigkeit ankömmt, oder drin- gende Umstände, wenn anders überhaupt Hülfe geleistet werden soll; eine schleuni- ge Hülfe erfodern. (1. Theil ) I Endlich ist der wahre Gutherzige noth- wendig auch gerecht. Seine Wohlthaten können keinen Dritten beleidigen. Jn der That, es muss so seyn, meine Herren! wenn anders die sehende Vernunft eine sichrere Führerinn als die blinde Leidenschaft ist. Wie nennen sie den sanguinischen Richter, der jetzt noch auf der Seite des Rechts steht; bald aber durch das Geschrey des Schuldigen, durch seine falschen Thränen erweicht, der Unschuld Sache verräth, den listigen Bösewicht losspricht und den armen Unterdrückten verdammt, dessen jammern- de Stimme nicht bis zu seinen Ohren er- schallte? Gutherzig gewiss nicht; oder sie müssen seinen Kollegen einen Wirth nen- nen, weil er seinen Spruch für das höchste Gebot feil hat. Was denken sie von einem Patrone, der den Stümper befödert, weil er sein Mitleiden zu erregen weiss und den verdienten Mann übergeht, der sich zu kei- ner niederträchtigen Betteley herablassen kann? Sie denken, dass er schwaches Ko- pfes und ich denke, dass er auch schwaches Herzens ist. Nicht Gutherzigkeit, nicht wahres Mitleiden; Leichtsinn ist es, Unge- rechtigkeit gegen andre, einem erkannten Bösewichte durch ein falsches Zeugniss sei- nes Wohlverhaltens öffentlichen Kredit zu geben. Der Vorwand, dass man ihn bey Ehren erhalten wolle, ist durchaus nichtig. Auch die Bedürfnisse meiner Angehörigen werden oft meine Wohlthaten gegen andre, die mit mir in entfernterer Verbindung ste- hen, einschränken müssen. Die Natur selbst spricht für jene. Wie könnt’ ich sie ver- gessen? Sollt’ ich meinen Kindern das Brod nehmen, und es einem andern geben, weil er auf zwey Beinen einhergeht wie sie? Das sey ferne! Weg mit den frommen, oder dass ich recht sage, gottlosen Geschen- ken und Vermächtnissen an bevollmächtigte Müssiggänger, Heidenbekehrer und todte Steinklumpen, wenn sie ein Raub sind, den ich tod oder lebendig an den seufzenden Meinigen begehe! Doch was unterfang’ ich mich sie zu unterweisen, meine Herren? Sie sind wohl nicht um eine Predigt zu hören, mit mir ausgegangen? Ein Wort giebt das andre, und ich habe nun schon den schon den Fehler, dass ich mich ganz ausreden muss, wenn ich ein- mal zu reden angefangen habe. Der sechszehnte Spatziergang. G lücklicher Tag, an dem ich zum ersten- male wieder einen überlegenden Blick auf mich selbst warf! Glücklicher Tag, an dem ich aus dem langen Taumel erwachte, in welchen mich die Sünde gestürzt hatte! Wie konnt’ ich mich so vergessen? Wie konnt’ ich die Tiefe nicht bemerken, an deren Rande ich spielend einherging, die ich jetzt nicht hinabsehn kann, ohne Schauer und Schwindel zu empfinden? Wie? wenn mich ein Sturm ergriffen; wie? wenn mich der sinkende Boden mit sich hinunterge- rollt hätte? Dann wär’ ich jetzt schon in den dunkeln Wohnungen des Todes, aus welchen keiner zurückkehrt; dann hätt’ ich villeicht schon die Stimme des Richters für immer nnd ewig vernommen. Aber nein! ich bin mir noch einmal wiedergegeben; ich darf noch mein Auge voll Thränen ei- nes heiligen Entzückens zu meinem Wohl- thäter empor heben. Wann andre sich in dem leuchtenden Blitze seines sie ergreifen- den Zornes erkannten, so erhob sich für mich eine wohlthätige Sonne, so ward ich von den milden Stralen eines glücklichen Tages gerührt. Was bin ich, o Gott! dass Du meiner so liebreich gedenkest? Was bin ich, dass Du mich aus dem Haufen der Sünder so deutlich herausnimmst? Erwartest Du eine vollkommnere Heiligkeit, erwartest Du grössere Tugenden von mir: o, so erhebe meine geistigen Kräfte, dass ich Deine Er- wartungen erfülle! Von heute an müsse mein besseres Leben, meine eigentliche Se- ligkeit beginnen! Dieser herausgewagte Wunsch, dieser erst entstehende Entschluss selbst macht mich schon ruhiger. Nicht, dass ich ihm allein vertrauen; nicht, dass ich dabey stille stehen; nicht, dass ich die- se jungen Regungen, bey aller ihrer Leb- haftigkeit, auch schon für Tugend halten sollte. Eine so grosse Veränderung wird nicht mit einmal gewirkt. Man steigt nicht von der Erde zum Himmel, man habe denn zuvor den Raum zwischen beyden durch- schnitten. Die moralische Vollkommenheit erhebt sich von Stufe zu Stufe. Es ist ewig unmöglich die letzte zu erreichen: sie ver- liert sich ins Unendliche. Wäre diess nicht, so möchte man dem Schöpfer vorwerfen, dass er unsre Seligkeit nicht gewollt, dass er uns, aus unbegreiflichen Ursachen, nicht auf einmal das habe werden lassen, was wir werden konnten. Wozu diese beschwerli- che Besserung an uns selbst? Wozu dieses mühsame Aufstehn aus dem Staube, wenn er uns in einem Momente aufrichten. und wozu diess Aufrichten, wenn er uns gut er- schaffen, wenn er für immer verhüten konnte, dass wir nicht fielen? Das konnte er nicht; oder er musste die Erde mit Ma- schinen bevölkern, die, von seinen Händen gelenkt, nur diese und jene Wirkung, zu dieser und der Zeit, und keine von allen aus eigenthümlicher Kraft hervorbrächten. Man ist nicht recht glücklich, ohne vollkommen frey zu seyn. Und wenn es Wesen giebt, die über alle unsre Begriffe selig sind, so sind sie schlechterdings auch auf eine so vor- zügliche Weise frey, als sie es nur immer seyn können. Diess festgesetzt; bleibt es doch eben so gewiss, dass unser moralisches Wohlseyn grossentheils mit von den besondern Ver- hältnissen abhange, darin es der höchsten Weisheit und Güte uns gerathen zu lassen gefallen hat. Sie veranstaltet diese Bege- benheiten und zu der Zeit, da sie grade den und keinen andern Eindruck auf uns machen müssen. Sie verbindet mit unsern guten Handlungen die guten Folgen, die wir davon erwarteten, und oft nicht einmal er- warteten. Das stärkt uns im Guten. Und aus unsern bösen Thaten lässt sie Uebel ent- stehen, die uns an empfindlichen Stellen verletzen. Das verleidet uns den Weg der Laster, das bringt uns zur Tugend zurück. Wir sind doch nur Kinder. Wie viel öf- ter würden wir fallen, wenn uns nicht das Auge des zärtlichsten Vaters beobachtete! Oft, wenn er uns seine Hand nicht reichte, würden wir aufzustehn, aus Unvermögen, wo nicht aus träger Muthlosigkeit unterlas- sen. Oft würden wir in dem süssen Gifte der Lüste den Tod eintrinken, wenn er uns nicht auf eine, von ihm selbst veranstal- tete, schickliche Weise von den bessern Mit- teln unsrer Gesundheit unterrichtete. So will ich ihm denn für seine Hülfe danken, ihm, dem gütigen Vater seiner folgsamen Kinder; so will ich ihn denn bit- ten, und nicht müde werden, dass er sein Auge auf mich richte, dass er seine Hand nach mir ausstrecke, dass er mich erleuchte, dass er mich zum Leben unterweise! Aber ich will es dabey nicht vergessen, dass er auch Fodrungen an mich hat, und dass ich nicht alles von ihm erwarten darf. Der siebenzehnte Spatziergang. S ie sind ernsthaft, meine Julie? Ein fin- stres Gewölk überzieht ihre sonst so hei- tre Stirne? Ein lange verhaltnes Thrän- chen entwischt ihrem Auge? — Jch ver- stehe sie; ich verstehe den deutlichsten Ausdruck ihrer gereitzten Empfindlichkeit, ihres innigen Verdrusses. Und sie wollen ihren feindseligen Mitschwestern diese grau- same Freude, diesen so lange, so sehnlich gehofften Triumph gönnen? Ermannen sie sich, meine beste! Nehmen sie die ruhige Mine, nehmen sie das sanfte Lächeln, den Ausdruck des besten Bewusstseyns, das un- terscheidende Merkmal der Unschuld von neuem an, und leuchten sie glänzender aus zertheilten Nebeln hervor! Freylich, man hat eine der schwersten Beschuldigungen auf sie gebracht, man hat sie mit allen Farben der Wahrheit ausge- schmückt, man hat sie mit grosser Unver- schämtheit so gut als auf öffentlichen Plätzen ausgerufen. — Auch Diese Tugend war Schein! auch Diese Julie war eine kleine Be- trügerinn! — Man erzählt eine Geschich- te; man ruft Zeugen auf. Die Geschichte kann wahr seyn: sie ist wahr! Und sie wür- de einer Julie Ehre machen, wenn sie mit ihren wirklichen Bewegungsgründen einem noch so strengen Richter zur Beurtheilung vorgelegt würde. Aber auch die beste Fi- gur wird durch den Anzug verunstaltet. Die Geschichte war zu kurz und zu trocken: man schwellt sie mit Nebenumständen auf; man hohlt hundert Bewegungsgründe aus den finstersten Winkeln hervor; jede Hand ist geschäfftig, und siehe! der verächtliche Schneeball ist zu der Grösse eines Berges angewachsen. Noch würde ihre Ruhe nicht gelitten haben; sie, die sich immer mehr um sich selbst, als um das was ausser ihnen vorgeht bekümmern, hätten den Lerm nicht bemerkt der ihrentwegen erregt war: Aber so überlästig ist die zudringliche Ge- fälligkeit unsrer seynwollenden Freunde, dass sie nichts fehlen lassen, den Sieg der Bosheit, so viel an ihnen ist, entscheidend zu machen! Sie wissen alles; auch die klei- nern Umstände hat man ihnen nicht verheh- len wollen. Wie? wenn sie es nun nicht wüss- ten? So wären sie noch das zufriedne Mäd- chen; so wären sie noch die Glückliche, die alle für so gut hielt, wie sie selbst von allen geachtet zu werden wünschte. Seyn sie es noch! Sie wissen nichts; sie ha- ben nichts gehört; diese Geschichte war nicht die ihrige. Was hindert es, dass man ihren Namen dazu geborgt hat? Man stirbt ja nicht darum, weil man tod gesagt wird! Und sind sie denn von ihren Richtern verurtheilt? Wenn sie das Auge des Allge- genwärtigen nicht scheuen, wenn sie sich vor ihrem eigenen nicht verbergen dürfen: was ist dann das einstimmige Erkenntniss, der laute Machtspruch einer ganzen verur- theilenden Welt anders, als ein Wetter, das weit unter ihnen im Thale wütet? Aber so sehr verkannt zu werden, bey einem einzigen kleinen Anscheine, mit den elendesten Geschöpfen der Erde vermischt, für böse, und was noch schlimmer ist, für heuchlerisch gehalten zu werden! Eine ei- serne Haut müsste man haben, wenn man den Schlag nicht empfinden sollte! Jch sage nicht, dass sie stolz sind, mei- ne Julie! Jch sage nur dass sie auf die gute Meynung der Welt kein so ausgemachtes Recht haben, dass sie zürnen könnten, wenn man es ihnen nicht immer und in sei- nem weitesten Umfange zugestehen wollte. Warum wollen sie von andern mit ihren eignen Augen angesehen werden? Warum fodern sie das Unmögliche? Oder denken sie, ihre Verdienste seyn so gross, dass sie ohne vorsätzliche Blindheit nicht verkannt werden könnten? — Andre nach dem Maasse unsrer Kräfte, nach den Beziehun- gen zu beurtheilen, in welchen wir mit ih- nen stehen, oder dereinst zu kommen ge- denken: ist eine Befugniss, die wir uns selbst zueignen, und keinem andern ent- ziehn dürfen. Sein Urtheil ist Lob, oder Tadel. Jenes will ich ihm gelten lassen und diesem will ich empfindlich begegnen? Er kann irren; es ist wahr: er kann mich für schlimmer halten, als ich bin; allein bin ich denn so unfehlber, bin ich denn wirk- lich so gut, als ich mir es zu seyn scheine? Ein kleines Misstrauen gegen uns selbst, ei- ne kaltblütige Beleuchtung unsers eignen Werths, meine Julie! wird noch immer dem nachtheiligsten Urtheile, das über uns gefällt wird, etwas von seiner Schärfe be- nehmen. So belohnt es denn doch schon die Mühe, eine kleine Verleumdung über sich ergehen zu lassen, weil man dadurch zur nichtigen Schätzung seiner selbst zu- rückgebracht und noch vor der feinern Art von Eitelkeit in Sicherheit gesetzt wird! Aber davon kann ich ihnen noch deut- lichere Versicherungen geben. Man beur- theilt uns nicht leicht ohne allen Schein. Mehrentheils haben wir durch unser Betra- gen, zu den schwerern Verleumdungen selbst Anlass gegeben. War es Mangel an Klugheit, so kömmts uns von nun an zu, keinen Schritt von der Art mehr, als mit der abgemessensten Behutsamkeit zu thun. Nicht genug, dass wir uns der besten Ab- sichten bewusst sind; wir handeln auch für andre. Das Licht soll nicht unter dem Scheffel brennen. Da ist sein Platz, wo es seine wohlthätigen Sralen über die nützlich- sten Geschäffte des Hauses am vortheilhaf- testen verbreiten kann. Und wenn nun die getadelte Handlung wirklich von zwey- deutigem Werthe war? — Sie war noch unschuldig: es kann seyn; aber sie war die gerade Strasse zum Verderben. Einen Schritt weiter, und der Abgrund verschlang uns! So war denn diese Nachrede eine nach- drückliche Warnung? Sie war es! Ja! sie schallte mir lauter ins Ohr als die schüchter- ne Stimme der Freundschaft. So hab’ ich denn keinen Feind mehr? O! die ich so nannte, die ich in der Hitze der Leiden- schaft so gewiss dafür hielt, verzeiht es mei- ( I. Theil. ) K ner unbedächtigen Uebereilung! ich hab’ euch verkannt. Jhr habt mich des Stolzes, ihr habt mich der Ungerechtigkeit; ihr habt mich der Jrreligion beschuldiget? Es ist wahr: ich gab meinen kleinen Verdien- sten, bey dieser und jener Gelegenheit ein zu grosses Gewicht. Das sah’ ich zuvor nicht; jetzt seh’ ich es? Gut! — Es gab einen Fall, da ich ungerecht wurde, weil ich mein Recht verfolgte. Das wusst’ ich nicht; jetzt weiss ichs. — Jch stritt wi- der Aberglauben und Heucheley; ich that es mit den Waffen der Satyre; ich that es mit einem Eifer, den man verkennen konn- te. — Der Mensch will es mit allem was heilig ist aufnehmen: so dachte man, so sprach man. Gut, dass ich es weiss. Jch konnte mich freylich von der Wahr- heit verlieren. Man belacht diess, man be- lacht jenes, und zuletzt gewöhnt man sich, alles was man sieht lächerlich zu fin- den. O ihr meine Kritiker! damit will ich eure Bemühungen vergelten, dass ich mich immer noch weiter von den Jrrgän- gen entferne, in welchen ihr mich schon verloren zu seyn glaubt. Glauben sie nicht, meine Julie! dass sie in diesen Gesinnungen, bey einem noch so lauten und allgemeinen Tadel, die Zufrie- denheit ihres Herzens würden erhalten kön- nen? Setzen sie allenfalls noch hinzu, dass es verlorne Mühe seyn würde, wenn man mit Beybringung noch so vernünftiger Gründe, so viele geschäfftige Zungen zum Stillschweigen zurükbringen wollte, und dass man mit den heftigen Ausbrüchen des Unwillens immer noch am wenigsten aus- richtet. Freylich ist das Konzert der Frö- sche nicht eben das angenehmste. Es ist ihnen villeicht auch heute beschwerlich. Aber wollten wir darum diesen schönen Abend ganz nicht geniessen, wollten wir darum alle seine Reize verkennen? schon locket die Nachtigall. Süsser als jemals schallt ihre melodische Stimme. Haben sie es nicht schon vergessen, dass sie unwillig waren? Haben sie es nicht schon vergessen, dass es Frösche giebt? Der achtzehnte Spatziergang. L ange genug hab’ ich die trägen Dünste meines Zimmers einathmen müssen; lange genug hat das wütende Fieber meine Ner- ven erschüttert. Oft glaubt’ ich, ich wür- de den Frühling nicht wiedersehn, als in einer andern Welt villeicht. Fand ein Sonnenstral den Weg zu meinem Lager: Er ist der letzte den du siehst; dacht’ ich. Kam die schlummerlose Nacht, so sah’ ich die Schatten des Todes in ihr. Diese wer- den dich decken, ehe das Morgenroth wie- dererscheint; dacht’ ich, und seufzte nach Ruhe. Aber der Morgen kam wieder und die wechselnden Tage führten den heilen- den Frühling heran. Sein kräftiger Ein- fluss belebte die Schöpfung und mich. Bald konnt’ ich mein Lager verlassen und bald den unterstützenden Stab entbehren, der meine wankenden Schritte gesichert hatte. Nun will ich keinen Augenblick mehr verlieren, euch wieder zu grüssen, ihr ver- jüngten Gefilde die ich das letztemal noch mit tiefem Schnee bedeckt sah. Wie hat sich alles in euch, aus einem unabsehlichen Chaos in eine Scene des Wohllauts verän- dert! Tausend Empfindungen strömen von allen Seiten auf mich zu. O! ich will sie alle, mit allen Sinnen geniessen. Sie sol- len meine Seele erquicken, wie ein langege- hoffter Regen die lechzenden Felder er- quickt. Und in der That ist es, als ob ich alles um mich mit geschärfteren Sinnen, mit verfeinerten Gefühl empfände. Wie sanft erwärmt mich, o Sonne, dein allbelebender Stral! Jch fühl’ ihn jede meiner schwellen- den Adern durchirren. Wie erfrischend umweht mich die geruchreiche Luft! Wie fliessen die Bäche dahin, in ihren kleinsten Beugungen mit dem schimmernden Schmel- ze des jungen Jahres besäumt! — Welch ein Konzert! Die ganze Schöpfung scheinet dazu zusammenzustimmen: im Thale, die murmelnde Flut; am Ufer, der Büsche me- lodisches Flüstern; aus blühenden Hecken, der Nachtigall zärtliche Stimme; der Lerche Jubelgesang, vom heitern Himmel herab. Jch schweige nicht; ich vereinige damit meine lobsingende Stimme. Die Stimme des Menschen, sie ist der ächte Ausdruck der Freude. Und Jch habe vor Tausenden zur innigsten Freude Recht! Nicht genug, dass ich mir selbst und meinen Freunden wiedergegeben bin, so ist dieser Uebergang vom Tode zum Leben, diese Abwesenheit schmerzhafter Empfindungen, dieser frische Eindruck eines lange vermissten Vergnü- gens selbst schon eine Wollust, die allen sssen und anziehenden Freuden des irrdi- schen Lebens die Wage hält. So rinnen auch Ströme des Vergnügens von rauhen Gebirgen herab! so hat auch die Krankheit ihre Vortheile, die aus ihrer Natur selbst entspringen! Gott der Gesund- heit und des Lebens! ich kenne Dich nun auch von dieser glänzenden Seite. Jch er- kenne Deine väterliche Sorgfalt: Du bist meine Stärke. Die dunkeln Stellen des Lebens erhöhen nur die Stralen Deiner Güte. Das mehrt mein kindliches Vertrauen auf Deine Hülfe; das erhebt meinen Muth; das macht mich im Tode getrost! Der neunzehnte Spatziergang. M uss ich denn immer diesem Menschen mit der Angelruthe begegnen? Es ist wahr; seine Figur verschönert die Landschaft. Meinetwegen möcht’ er immer hier stehn und seinen trügerischen Widerhacken aus- werfen; aber der Mensch thut nicht was er thun soll; ungewiss ist der Erfolg seiner Bemühungen; seine armen Kinder hungern indess und er könnte sein sichres Brod ver- dienen, wenn er dem Gewerbe nachginge, zu welchem er erzogen ist, — Der Mensch ist ein Thor! — Sachte, ihr Herren! Er ist von einer grossen Famile, er hat unter beyden Ge- schlechtern, unter allen Gattungen von Men- schen, unter ihren ehrwürdigsten Ständen, unter ihnen selbst, meine Herren! seine Brüder, seine Verwandten. — Das wäre der Henker! — Nicht anders! Lassen sie uns mehr da- von reden! Jch beweis’ es ihnen, wenn sie es leiden wollen. Ja! aber ihr Beweiss muss mit einem Wege von tausend Schritten zu Ende seyn. Je nun! wenn wir zuweilen stille stehn. — Von allen Ständen sprach ich. Lassen sie uns von dem erhabensten, von dem geehrtesten von allen, von dem ge- krönten anfangen! — Fliegen haschen ist ein ganz interessantes Geschäffte für einen Knaben, der sein Zuckerbrod oder seinen Honig für sich behalten will. Wenn aber der Herrscher der Welt, der irrdische Jupi- ter, der Bruder des geschäfftigen Titus der die Lust des menschlichen Geschlechts war, wenn der sich in die entlegenste Kammer seines Pallastes begiebt, und in Einem Feld- zuge alle geflügelten Bewohner derselben zu Grunde richtet — So sagen wir: er ist der Mann mit der Angelruthe! Nein! sag ich. Wenn Der ein Thor war, so ist es Dieser noch zehntausendmal mehr, nach einem so richtigen Verhältnisse, als nur jemals eine in der Messkunst der Seelen durch Zahlen ausgedrückt wurde. Weiter! Es hat Fürsten gegeben, die ihre Wälder von Wölfen und Bären rein hiel- ten; ihre bedrückten Unterthanen aber den Kaprizen ihrer Tränzerinnen und Possen- reisser Preis gaben. Andre lagen lebens- lang zu Felde; zogen auf Abenteuer aus und bereicherten den nichtswürdigen Hau- fen, der ihren Panieren folgte: indess ihr Erbreich, bey aller seiner Macht und Grös- se, bey allem seinem Ruhme entvölkert und des Nothwendigen selbst beraubt wurde Doch man hat Bücher davon geschrieben, und ich habe mehr zu beweisen. — Wer kennt die Anmassungen der Geistlichkeit nicht? Sie sollte das Volk unterrichten; sie sollte die heilsame Lehre Jesu ausbreiten. Diess war ihr Geschäfft. Wahrhaftig! ein Geschäfft, das alle ihre Kräste gefodert, das alle ihre Zeit ausgefüllt hätte. Was hat sie dagegen gethan? — Ein System erfunden, das Volk bey seiner Unwissenheit zu erhal- ten; alle Kräfte angestrenget, die weltliche Macht zu zernichten, und sich aus ihren Trümmern einen Thron zu erbauen. — Hoffentlith meynen sie doch die Geist- lichkeit einer gewissen andern Kirche? Denn was die protestantische betrifft — Nun diese hat freylich zu der Höhe nicht hinaufklimmen können. Aber wir wollen uns doch des unglücklichen Func- cius erinnern. Sie kennen seine lehrreiche Grabschrift, das herrliche Vermächtniss, das er der Nachwelt seiner Amtsbrüder zur ewigen Regel ihres Verhaltens hinterlassen hat. Jch dächte, sie verdiente noch immer mit grossen goldnen Buchstaben an eine je- de Pfarrwohnung geschrieben zu werden. Funccius hat noch Anhänger. Oder ist es etwas anders, seine ganze Zeit einer eitlen Wissenschaft schenken, die mit Gott und göttlichen Dingen nur in sehr entfernter Verbindung steht? Jst es etwas anders, die Gunst der Reichen und Mächtigen erschlei- chen, allenthalben als Gewissensrath geach- tet, und selbst dem gemeinen Manne unent- behrlich seyn zu wollen? Jede Provinz, meine Herren! jede protestantische Provinz, sag’ ich; wenn sie nur von einigem Um- fange ist, hat ihre Rosstäuscher und Schwei- neverkäufer, die die sorgfältige Bearbeitung einer Predigt lieber als den Besuch irgend eines berühmten Jahrmarkts unterlassen würden. Diese Herren treiben ein sehr ehrliches Gewerbe. Darauf ist nichts zu sagen. Jch könnte sie hochschätzen, wenn sie es allein trieben. Aber so machen sie von ihren edelsten Pflichten die Ausnah- me; so bringen sie einen wahrhaftig ehr- würdigen Stand, zum Nachtheile der Wahr- heit und Tugend selbst, in Verachtung. Wollen sie aus andern Ständen Beyspie- le? so bring’ ich ihnen einen Hausvater auf die Bühne, der die Bestellung seines Gartens zu seiner Liebhaberey gemacht hat. Wie es seinen Kindern geht; wie diese zar- ten Pflanzen gedeyen; wie ihr Geist gebil- det, wie ihre Sitten gebessert werden: da- für mag das liebe Gesinde, Hofmeister und Französin sorgen; wenn es nur in seinem Garten gut steht; wenn seine Bäume fort- kommen; wenn Wind und Wetter seine Beete verschonen; wenn er nur diese Bluh- me zur Vollkommenheit, wenn er nur die- se Frucht zur Reife bringt. Es giebt Leute, die sich in der Berech- nung ihrer Kräfte betrügen. Sie haben zu zehn verschiedenen Geschäften Kraft; sie übernehmen aber zwanzig, und darüber ge- schieht nichts wie es geschehen sollte. Soll ich den Mann loben, der der Vormund der halben Stadt ist, der so vielen mit Rath und Hülfe an die Hand geht, dem man al- les auftragen kann, der für andre spricht und schreibt, geht und reiset, soll ich ihn loben, wenn er dabey auf den Verfall sei- ner eignen Angelegenheiten nicht Acht hat, wenn eine gänzliche Anarchie sein Haus- wesen zu Grunde richtet? Noch giebt es Leute, denen es, weder an Gelegenheit, noch an Geschick fehlt, sich für andre auf das nützlichste zu beschäftigen; aber es wird ihnen so lästig, sie finden dabey so we- nig Vergnügen und sie wollen sich doch einmal nur vergnügen. Was ist gewisser zu vermuthen, als dass sie bey so gutem Verstande, bey so feinem Geschmacke und bey so vieler Lebhaftigkeit des Tempera- ments, ein System erfinden werden, sich ihre ausgesuchten Vergnügungen, sich die schöne Reihe ihrer Ergötzlichkeiten selbst, zum Geschäffte zu machen, und alles aus dem Wege zu schaffen was ihnen in dieser Bemühung hinderlich seyn würde? Diese Leute wenden oft gleich so viel Nachden- ken und geschäfftigen Eifer auf die Aus- richtung eines Gastmahls, eines Bals, oder einer andern Lustbarkeit, als der wohlthä- tige Menschenfreund auf die Rettung und Wiederherstellung seines in verlassene Um- stände gerathenen Mitbruders nur immer verwenden kann. Unsre lieben Damen — wie könnt’ ich eine der schicklichsten Gelegenheiten, ihnen recht viel schönes zu sagen, ungenutzt lassen? — Unsre Damen, sag’ ich; ha- ben eine eigne Weise, ihre selbsterwählten Beschäfftigungen ihrer eigentlichen Pflicht und Bestimmung unterzuschieben. Jch re- de nicht von den Heldinnen unter ihnen, die ihren Männern allenthalben vortreten, und, sollt’ es auch schlechter gethan seyn, alles durch sich gethan haben wollen. Kön- nen sie dafür, dass sich die Natur in ihrer Bildung geirrt hat? Für sie ist die weibli- che Sittsamkeit eine zu kleine Tugend; der Spinnrocken würde sie entehren und die Na- del ein viel zu verächtliches Werkzeug ih- rer kraftvollen Hände seyn. Setzt die Ama- zone aufs Pferd; ihr braunes Haar walle unter dem Federhute hin; ihr Jagdgewand strale von seinen goldenen Schleifen die Son- ( I. Theil. ) L ne zurück; ihr Glanz versammle das Volk; mit aufgerissenen Augen staune ihr die Neu- gier nach: Sie ist mehr als ein Weib; ich bin zu wenig, sie zu loben, und sie zu ta- deln, bin ich zu furchtsam. Warten sie meine Herren! hier ist ei- ne Seite aus Kallistens Tagebuche. Es ist ein Geheimniss; ich begehe eine kleine Verrätherey, wenn ich es ihnen bekannt mache: aber doch — die Sache ist von keinen Folgen; höchstens hab’ ich einen Schlag mit dem Fächel und ein: sie loser Mann! zu erwarten. Kalliste wird doch wohl Kalliste bleiben. — Die Sonne hat, auch in den kürzesten Tagen, schon einen ansehnlichen Theil ihrer Laufbahn zurükge- legt, wann sich meine schöne Freundinn erst von ihrem wollüstigen Lager erhebt. Aus ihrem ersten Anzuge erkennt man schon die Feinheit ihres Geschmacks. Al- les daran ist, bis auf die grössten Kleinig- keiten, mit Nachdenken gewählt und nach Regeln der Kunst zusammengeordnet. Und allein in ihrem Gehirne sind diese schönen Jdeen entstanden, die man mit einem jeden Morgen, in einer neuen Verbindung und in einem neuen Lichte erblickt. Aber diess alles ist nur die Morgenröthe, die den vol- len Glanz des heitersten Tages verkündigt: Alle Seelenkräfte meiner Freundinn, alle dienstbaren Geister ihres Hauses sind zu ih- rer Ausbildung geschäfftig. So erscheint sie denn mit Anbruch des Abends in der fest- lichen Versammlung ihrer vornehmen Ge- spielen, und athmet den Weihrauch ein, den man ihren hervorstechenden Verdiensten nicht versagen kann. Jhr Sieg ist allgemein und fast immer entschieden. Auch ermü- det sie nicht, alle ihre Reize, jeden klei- nen, glücklichen Zufall selbst, mit einer Aufmerksamkeit der nichts entgehn kann, geltend zu machen. Sie erzwingt eine durchgängige Huldigung; ihre neidischen Schwestern werden selbst dazu fortgerissen, und nur hin und wieder ein kaltblütiger Beobachter bedauert es, dass ein so vorzüg- licher Verstand so ganz zum Dienste der Ei- telkeit verschwendet wird. Unter solchen Be- schäfftigungen verlängert Kalliste den Tag bis über die Gränzen der Mitternacht hinaus. Diess, sind ihre wirklichen Geschäffte, und Diese, sollten es seyn: Eine weise Einrichtung ihrer häuslichen Angelegenheiten, würde allein schon hin- reichen, einen Theil des verschlafenen Mor- gens auszufüllen. Und Kalliste hätte hun- dert Ursachen, sich zu dem kleineren œko- nomischen Detail herabzulassen. So aber wirft sie einen flüchtigen Blick aufs Ganze, und überlässt die weitere Besorgung dem Gutbefinden eines betrügerischen Gesindes, welches immer verschlagen genug ist, eine so herrliche Gelegenheit nicht ungenutzt aus den Händen gehn zu lassen. So ko- stet ihre Haushaltung etlichemal so viel, als sie unter einer wachsamen Aufsicht kosten würde; ihr Gemahl wird durch einen Auf- wand, der so leicht zu vermeiden wäre, wo nicht in Schulden gestürzt; doch gewiss an einem edlerem Gebrauche seines Vermö- gens gehindert. Jch nehme an, dass er die Güte, die Nachsicht selbst ist: wird er es aber immer seyn? Wird er immer gleich- gültig zusehen, wenn eine so kluge, so reizende Frau ihre Klugheit und ihre Rei- ze zur Verschlimmerung seiner Glücksum- stände so geflissentlich anwendet? Kalliste hat Kinder, die wild, wie die Bluhmen des Feldes aufschiessen. So lassen sie nur eine geruchlose, einfarbichte Blüthe hoffen, da sie doch bey der zärtlichen Pflege einer so einsichtsvollen Mutter, vor vielen andern Bluhmen ihrer Art mit einem vorzüglichen Glanze hervorstralen würden. Es ist unbe- greiflich, wie Kalliste eine so grosse, so rühmliche, mit so vielen feinern Vergnü- gungen verbundene Beschäfftigung, für nichts weggeben kann. — Tausend Schritte, mein Herr! und noch eine Zugabe von zwey tausend! sie kön- nen doch niemals das Ende finden. — Eben wollt’ ich meinem Beweise das letzte Gewicht anhängen, meine Herren! eben wollt’ ich mich zu ihnen wenden. — Vortrefflich! wir würden ihnen mit dem grössten Vergnügen zugehört haben; aber sie sehen es selbst: es ist Mittag; wir haben den Wind ins Gesicht und dieser Umstand ist dem Redner noch gefährlicher, als dem Zuhörer. Der zwanzigste Spatziergang. M eine reizende Muse: Klio, Euterpe, oder wie sie sonst heissen! Sie haben heute redlich bey mir ausgehalten; legen sie nun die Flöte von sich: man wird auch des besten Geschäffts müde. Jch will ihnen ein Vergnü- gen machen: kommen sie mit auf die Pro- menade! Da sollen sie Menschen sehen! — Als wenn das ein Vergnügen für mich wäre? Menschen zu sehen! wie lächerlich! Beym Jupiter! ihr seyd auch die Geschöpfe die man gerne sehen möchte. Thun sie doch nicht so ekel, meine Schöne! Man sollte glauben: sie müssten die Königinn Juno selbst, oder aufs wenig- ste ihre erste Kammerjungfer seyn. Als wenn man die Damen des Olympus nicht besser kennte! Sie gehen auf Abenteuer aus, wie die unsrigen. Haben sie nie et- was von dem Prinzen Adonis, oder von dem schönen Jäger Endymion gehört? Den blonden Lycidas, mit allen seinen artigen Kaprizen, kennen sie wohl gar nicht? — Was ist Jhnen? Sie bekommen Vapeurs. — Fort! auf die Promenade, Mamsell! — Da sind wir nun: Sie, mit dem alles- übersehenden Fernglase ihrer eingebildeten Weisheit; Jch, mit einer hundertmal grös- sern Dose von Neugier, als sie mir jemals mögen zugetraut haben, so sehr ich auch in ihren Augen ein Frauenzimmer bin. Sie sollen des Antwortens satt werden: das weiss ich. — Allons, mein Herr! Kennen sie da das niedliche Gesicht nicht, mit den schönen bescheidnen Augen? So würd’ ich die Unschuld mahlen. Welche natürliche Farbe! welche ebene, reine Haut! — Natürlich? Ja! die Zitronenfarbe ist freylich in der Natur. Eben und rein? allerdings! die kleine Idee von einem Bar- te ausgenommen, der die verbleichten Ro- sen ihrer Lippen beschattet. Doch das ist eine Kleinigkeit, ein glücklicher Schatten, der den Glanz der andern Theile er- höht. — Pfuy! mit ihrem abscheulichen Glase! Sie sind ein ungezogner hässlicher Mensch! — Aber was ist das für ein Herr da, im grünen Kleide mit Tressen? Eine wichtige- re Mine hab’ ich noch in meinem Leben nicht gesehn. Jch setze meine jungfräu- liche Ehre zum Pfande: der Herr ist Mi- nister oder doch der Præsident eines an- sehnlichen Kollegiums. — Wie schön sie rathen können! Geld hat der Mensch und Eitelkeit mehr als Geld; und wenn er der Præsident eines Kollegiums seyn soll, so ist er es von dem weltberühm- ten Kollegium der Dummköpfe. Meine liebe Euterpe! man merkt es ihnen an, dass sie die Muse der Hirten sind. Denn in der That urtheilen sie, wie eine Land- prediger Tochter die zum erstenmale in die Stadt kömmt. — Das ist wahr, mein Herr! sie verstehn den artigen Spott aus dem Grunde. So was feines lieset man in dem ganzen Luzian nicht. Zum Glück weiss ich mich zu rächen. Antworten sie! Wer ist der hübsche junge Mensch da, ganz am Ende der Promenade? Nennen sie mir die drey Frauenzimmer die er führt; oder — nennen sie mir sie nicht! Es sind nichtsbedeutende Figuren. Aber ihr schöner Begleiter fällt ins Auge. Was für ein Gewächs! Sie haben eine ganz leid- liche Figur, aber mit Dem Herrn vergli- chen, sind sie eine Zuckerpuppe! — Freylich wohl, meine göttliche Schö- ne! Aber lassen sie uns etwas näher hinzu treten! Nicht wahr: sie sehen nur schlecht in die Ferne, und urtheilen für eine Muse etwas zu übereilt? Bewundern sie doch den hübschen jungen Menschen! Wahrhaf- tig! zum Satyr fehlen ihm nur die Füsse. Hab’ ich jemals einen beseelten Klotz gese- hen so ist es Der! Finden sie das nicht, meine Gnädige? Und — wie sie sich in Absicht der Frauenzimmer geirrt haben! Der Unverschämte würde mit dem guten Willen derselben nie auf die Promenade ge- kommen seyn, wenn er nicht eine so un- überwindliche Zudringlichkeit besässe. Erst sehen sie die blonde Dorilis an! Jch habe wider ihren Teint nichts; aber gegen den Teint dieses reizenden Mädchens ist er nichts mehr, als was die Dämmrung gegen den vol- len Glanz eines heitern Maitages ist. Es thut mir leid, dass ich es sagen muss; allein es ist Wahrheit, und ich habe nie so wenig Lust gehabt ihnen zu schmeicheln, als heute. Und dann so sehen sie doch, um des Him- mels willen! meiner kleinen Blondine in die Augen. Es ist wahr, meine Göttin! sie ha- ben ein feines blaues Auge, wenn man es allein sieht; aber mit diesem verglichen, ist es eine elende Wachskerze, die sich in dem Schimmer der Mittagssonne verliert. Ge- gen diesen niedlichen Mund, der sich mit einem bezaubernden Lächeln nur halb öff- net, ist der Jhrige ein kleiner Thorweg, ob ich gleich gestehn muss, dass es auch ihm nicht an unbeschreiblichen Reizen fehlt. — Wider ihren Wuchs ist schlech- terdings nichts einzuwenden. Alles an Jh- nen ist regelmässig und wohl abgemessen. Sie vereinigen die Schönheiten aller himm- lischen Mädchen in ihrer einzigen Person. Aber — werden sie nicht böse, mein Kind! — gegen die unaussprechliche Gra- zie, die über meine Dorilis ausgegossen zu seyn scheint, ist das alles nichts. — Wel- che Taille! Welch ein unnachahmlicher Gang! Welch ein Fuss! Den Jhrigen hört man auf hundert Schritte. Dieser schwebt über den Boden hinweg. Und dann ha- ben sie allerdings einen göttlichen Verstand und eine Einsicht, wie sie seyn muss und eine Naïveté und einen unerschöpflichen Witz; aber — Nicht ein Wort mehr! Sie sind ein garstiger Mensch, ein unerträglicher Schwä- tzer, ein Unverschämter! O ihr Götter! So was hören zu müssen und von einem Menschen, der mir alles zu danken hat, der ohne mich nicht drey Worte zusam- mensetzen könnte! Aber du sollst es erfah- ren! Mein Beystand ist dir auf immer ver- sagt. Zittre vor dem Zorne einer Gottheit, die ein Frauenzimmer ist! Der einundzwanzigste Spatziergang. S ie werden mein kleines Buch villeicht nie zu Gesichte bekommen, und wenn es auch geschehen sollte, so werden sie es doch vil- leicht nie lesen. Es ist so langweilig, so sehr moralisch. — Aber es könnte doch wohl seyn, dass sie es von ungefähr einmal auf dem Sopha ihrer Freundinn liegen sä- hen; es könnte seyn, Chloe! dass sie es neu- gierig öffneten; es könnte seyn, dass sie grade Diese, Jhnen gewidmete Seite auf- schlügen, dass sie sie läsen, dass sie es merk- ten, ich, ihr verschämter, blöder Verehrer sey es, der sich mit ihnen zu reden erdrei- ste. Auf diese unwahrscheinliche Vorstel- lungen hin, die villeicht nie in Erfüllung gehn werden, wag’ ich es, sie mit den we- nigen Gedanken zu unterhalten, die wäh- rend meines heutigen einsamen Spatziergan- ges in meiner Seele aufgestiegen sind. Jch besuchte jenes reizende Thal, wel- ches ich an einem glücklichen Tage meines Lebens einmal an ihrer Seite durchwan- delte. Der bluhmichte Steig, den sie betra- ten; der Lindengang, der sie mit düftenden Blüthen bestreute, der stille Teich, darin sie sich wohlgefällig erblickten; alles, bis auf den himmelblauen Schmetterling, den sie in einem Anfalle von Muthwillen er- haschten, und bey allem aufwallenden Mit- leiden, bey meinem Bitten selbst, doch nicht fliegen liessen, alles erinnerte mich an sie. Jch glaubte sie selbst wiederzusehn, mit al- len ihren, meiner Ruhe so gefährlichen Rei- zen. Doch aber wirkten sie schwächer auf mich, als in jenen Stunden der Trunken- heit und des Nichtbewustseyns. Jch fasste also Muth, ich vergass meine schüchterne Rolle, ich liess mein Herz reden. Lesen sie, was ich ihnen sagte, und was sie anzuhören die unerwartete Gefälligkeit hatten. Jch glaube nicht, dass ich jemals vermögend seyn werde, es ihnen auf eine andre Art, als auf die gegenwärtige zu sagen. Und doch wollt’ ich, dass sie es wüssten. Sie wissen es selbst, meine Chloe! wie reizend sie sind. Die gütige Natur hat ih- nen zu der vortheilhaftesten Bildung eine dauerhafte Gesundheit beygelegt, die so viel zur Vermehrung ihrer blühenden Reize beyträgt. Sie haben ein noch grösseres Gut von ihr erhalten: einen Verstand, der von vielen Dingen richtig zu urtheilen ge- wöhnt ist, und einen lebhaften Witz, ver- möge dessen sie, wenn sie nur wollen, das Vergnügen einer jeden anständigen Gesell- schaft erhöhen können. Kurz: sie sind ein schätzbares, liebenswürdiges Mädchen, und sie dürfen selbst nur eine kleinigkeit hinzufügen, ein vortreffliches zu werden, und die Aufmerksamkeit der Kenner in Bewundrung, und hie und da eine aufkei- mende Zuneigung in die dauerhafteste Lie- be zu verwandeln. Schade wenn ein sol- ches Meisterstück des Schöpfers unvollen- det bleiben, oder durch einen schlimmen Zufall zu einer geringern Gattung von Gei- stern herabgewürdigt werden sollte! ihre Erziehung hat es gehindert, dass sie mit kei- ner eigentlichen Wissenschaft, mit keiner Art von Gelehrsamkeit bekannt geworden sind. Das ist schon recht. Die gelehrten Frauen- zimmer sind bey weitem nicht die besten. Aber doch scheint es mir, als wenn es ih- nen zuträglich seyn würde, wenn sie von dem was sie sich und andern schuldig sind einen gründlicheren Unterricht empfangen ( I. Theil. ) M hätten. Diese einzige Wissenschaft ist für al- le Menschen gemacht. Ohne sie ist das beste Wissen Thorheit und die weitläufigste Ge- lehrsamkeit eitel; mit ihr sind die meisten Menschen gelehrt und unterwiesen genug. Was haben sie für eine Religion, Chloe? — Eine seltsame Frage! — Ja! aber nur seltsam für den, der sie nach dem gemeinen Redegebrauche versteht und nach seinem Katechismus beantwortet. Was sie für eine Religion haben? Eine unzulängliche, sag’ ich; eine Religion, die nur in ihrem Gedächtnisse Platz genom- men, ihren Verstand nie erreicht und ihr Herz kalt gelassen hat. Aus den Hand- lungen eines Menschen; nicht aus seinem leeren, mehrentheils nur stillschweigenden Bekenntnisse, muss auf seine Religion zu- rückgeschlossen werden können. Und Chloe! nehmen sie mir es nicht übel: ich habe nicht leicht etwas von ihnen gehört, oder gesehen, daraus ich einen zureichen- den Beweis für die Güte ihrer Gottes- furcht hätte hernehmen mögen. Einzelne gute Handlungen, die ich ihnen nicht ableug- nen will, entscheiden hier nichts. So un- wirksam ist eine richtige Erkenntniss von Gott und göttlichen Dingen nicht, dass sie nicht in den ganzen Charakter des Menschen einflies- sen, dass sie nicht seine wichtigern Handlun- gen auf eine, auch für andre merkliche Wei- se bestimmen sollte. Sie sind eine Christinn, sagen sie. Jch seh’ es so oft sie an unsern Religionsgebräuchen Theil nehmen. Sonst wüsst’ ich aber nicht, dass sie etwas gethan hätten, dabey sie nicht eben sowohl für ei- ne Anhängerinn des Korans hätten gehalten werden können. Sie verdienen einen bes- sern Unterricht, und es wird nur auf sie an- kommen, ob sie ihn annehmen wollen. Weiter, meine liebe Chloe! Sie kennen sich selbst nicht. Noch ist es ihnen nicht in den Sinn gekommen, dass sie, vor so vielen andern Bekanntschaften, Diese zu machen, schuldig gewesen wären. Doch ich thue ihnen zu viel! Sie sind ja von dem Werthe ihrer kleinen Person so vollkom- men unterrichtet; sie wissen es ja so genau woran es ihnen fehlt, um die Rolle durch- zuspielen, die sie sich zu spielen vorgenom- men haben. Wer will ihnen Das streiten? Wer seine Musche so geschickt aufzutragen weiss, der muss doch den verdrüsslichen Fle- cken wohl gesehen haben, den er damit zu verbergen gedenkt. Wo sind aber die Mu- schen für die grossen Höcker der Seele, die aller sittlichen Harmonie so ganz entgegen sind? Sie mögen sich noch so vortheilhaft einhüllen; sie mögen die schlaueste Kunst zu Hülfe rufen; sie mögen die beste Seite noch so ungezwungen vorkehren: es giebt Augenblicke, Chloe! wo man sich vergisst; der Zufall führt sie herbey, und die Liebe ist nicht zu allen Zeiten blind. Sie sind äusserst leichtsinnig Chloe! Die wichtigsten Dinge machen auf sie nur einen schwachen Eindruck. Was neu ist, so un- bedeutend und klein es auch seyn mag; was sinnliche Freuden verspricht; was ih- ren Augen gefällt; was ihren Ohren schmeichelt: das ist ein Gegenstand ihres Verlangens und auf einige Minuten villeicht ein Gegenstand ihrer Achtung. Nur von Dauer muss es nicht seyn. Eine Welle muss die andre fortdrängen; der Strom des Vergnügens muss unaufhaltsam vorbeyflies- sen. Sie stehn an einem gefährlichen Ufer, Chloe! — Jch tadle es nicht, dass sie ih- rem Vergnügen nachgehn; aber es sind dauerhafte Freuden, die ich ihnen empfehle. Sie hängen nicht von den Sinnen allein ab; sie vertragen sich mit dem Ernste der Weis- heit, oder vielmehr, sie bestehen durch ihn. Sie mögen sich putzen Chloe! sie mögen in dem Schimmer und mit dem Anstande ei- ner Göttin in den Versammlungen ihrer Gespielen erscheinen; vergessen sie darüber nur nicht ihren unsterblichen Geist zu schmücken; vergessen sie nicht, sich durch Sittsamkeit, Herablassung und jede andre gesellschaftliche Tugend zu empfehlen. Sie mögen sich zu den lustigen Reihen der Tänzer gesellen; wenn sie nur bedenken, dass auch diesem Vergnügen seine Schran- ken gesetzt sind, über die es ohne Verschul- dung nicht hinausgehn darf. Einen gewis- sen ernsten Blick, eine unzufriedne Grimas- se, mit der sie oft das bescheidne Verdienst zurückschrecken, sparen sie für den Kreis von Anbetern auf, der sich ihnen dadurch empfehlen will, dass er ihnen ihre eiteln Vorzüge bey jeder Gelegenheit für Voll- kommenheiten einer höhern Art anrechnet. Ueberhaupt Chloe! suchen sie davon ge- wiss zu werden, dass man sich nicht für Ei- nen Tag allein freut. Der Verschwender ist immer leichtsinnig. Heute schwimmt er in Ueberfluss und Morgen jammert er, dass es ihm an den nothwendigsten Bedürfnis- sen des Lebens fehlt. Die Freude erfodert eine haushälterische Sparsamkeit, wenn sie mit dem Leben fortdauern und eine mehr als menschliche Klugheit, wenn sie über dasselbe hinausdauern soll. Jch könnte sie der Eitelkeit beschuldi- gen, Chloe! Allein das wäre ihnen ge- schmeichelt. Jch sag’ es ihnen gerade hin: sie sind nicht bloss eitel; sie sind stolz, bis zur Beleidigung andrer, vor welchen sie Vorzüge zu haben vermeynen. Man darf ihnen nur an Geburt und Stande nicht gleich kommen, so ist es schon genug, ein kaltes Kompliment, ein Achselzucken, einen ver- ächtlichen Seitenblick zu erhalten. Füh- len sie das Unanständige in diesem Betragen nicht, Chloe! so suchen sie wenigstens das Hässliche davon zu Gesichte zu bekommen. Jhr Spiegel kann es ihnen sagen, wie sehr sie der Ausdruck dieser menschenfeindli- chen Leidenschaft verstellt. Sie sehen sich in diesen Augenblicken nicht mehr ähn- lich; alle Grazien sind von ihrem, sonst so reizenden Angesichte entflohen; ihre gan- ze schöne Gestalt ist verändert; sie sind ihren Freunden selbst fürchterlich. Wer sie so zum erstenmale sieht, zittert und danket seinem Glücke villeicht, dass er mit ihnen noch keine genauere Verbindung eingegan- gen ist. Chloe! sie sind ja sonst gegen ih- re Figur eben nicht gleichgültig. Sie ken- nen die Macht der Schönheit. Wissen sie, dass nicht leicht etwas mehr zu ihrer Vol- lendung, zu ihrer Fortdauer beyträgt, als jene Heiterkeit des Geistes, als jene Güte des Herzens, die mit allen ungeselligen Ge- müthsbewegungen so gar nichts gemein hat. Lernen sie dieses von Themiren! An wel- chen Vorzügen ist ihnen diess himmlische Mädchen nicht überlegen? So lieb sie mir sind, meine Chloe! so weit ich sie den mei- sten Schönheiten ihrer Zeit vorziehe, so ist doch keine jungfräuliche Vollkommenheit, in Absicht welcher sie nicht durchaus von Themiren verdunkelt würden. Jhre Ge- burt, ihr Stand, ist über dem Jhrigen. Und nie hab’ ich so viel Verstand, nie eine so tiefe Wissenschaft, nie eine so geübte Klug- heit, mit so vieler Schönheit vereinigt ge- sehen. Und gleichwohl, wie herablassend gegen einen jeden, wie unnachahmlich ge- fällig ist Themire! Dafür, wie allgemein geliebt, wie angebetet bey nahe! Das könn- ten sie auch seyn, Chloe! wenn sie wollten. Jch habe sie gefällig, ich habe sie herablas- send gesehn. Es stand ihnen so wohl an; es erhöhte so sehr ihre Schönheit; es zeug- te so sehr von ihrem edlen Herzen und von ihrem feinen Verstande; sie machten da- durch so geschwinde und ausgebreitete Er- oberungen. — Chloe! warum standen sie auf einem so schönen Wege stille; warum versicherten sie sich ihre erworbenen Vor- theile nicht? O! ihre Laune bringt sie um alles. Sie entsagen den Vorzügen eines Engels um nur nicht ihrem widerspänstigen Herzen eine kleine Gewalt anthun zu dür- fen. Noch vermisse ich bey ihnen die hö- heren Grade des Wohlwollens, die zärtliche Menschenliebe, das innige, thätige Mitlei- den und überhaupt die gütige Theilneh- mung an den Empfindungen andrer. Su- chen sie doch diesen edleren Eigenschaften ihres Geschlechts den Geschmack abzuge- winnen. Mit solchen versichre ich sie ei- nen unerschöpflichen Reichthum von Ver- gnügungen, die eben darum weil sie ihnen neu sind, desto anziehender für sie seyn werden. Jch will nur noch der Freund- schaft gedenken. Sie haben Bekannte ge- nug unter beyden Geschlechtern, in deren Umgange sie manche müssige Stunde er- träglich genug hinbringen können. Aber unter allen ihren Bekannten ist ihnen Nie- mand von ganzem Herzen, und für alle Zeiten ergeben. Eine geringe Verände- rung des Glücks würde diesen Haufen zer- streuen, der den gemeinschaftlichen Vor- satz mit ihnen hatte, den Bedürfnissen der Langenweile abzuhelfen. Es giebt Leute, Chloe! von denen man einen besseren Ge- brauch machen kann. Sie sind leicht zu kennen. Mit diesen verbinden sie sich auf das innigste. Da sie nur in geringer An- zahl zu finden sind, so erleichtert diess die vollkommenste Verbindung mit ihnen. Sie werden es bald erfahren, dass es ein unge- meines Glück sey, auf dem Wege zur Tu- gend eine sichre Begleitung gefunden zu haben. Denn darauf muss alle Freund- schaft abzwecken, die dieses göttlichen Na- mens werth seyn soll. Lassen sie dann ei- nen unerwarteten Unfall hereinbrechen! ihre kleine Gesellschaft wird sich darum nicht von ihnen verlieren; man wird ihnen hülfreiche Hände bieten, man wird ihr Herz zu beruhigen, man wird sie mit Trost zu erfüllen, man wird ihnen Muth einzu- flössen suchen, und wenn man nichts kann, so wird man einen treuherzigen guten Wil- len zeigen, der ihnen so werth, als die That selbst seyn wird. Jch sage nichts von den täglichen Freuden eines wahrhaftig freund- schaftlichen Umgangs. Meine Beschrei- bungen würden immer nur sehr unvollkom- men seyn. Freundschaft ist der Himmel auf Erden, ist der Vorschmack von dem Glücke einer bessern Welt. Suchen sie je- nen zu finden und diesen zu verdienen! Jch schone ihrer Geduld, Chloe! Für eine Dame haben sie mir lange genug zu- gehört. Der zweyundzwanzigste Spatziergang. S o oft ich auch von meinen Beobachtun- gen über den Menschen mit Vergnügen zu- rückkomme, so find’ ich ihn doch auch nicht selten in so schlimmen Situationen, dass ich kein Mittel weiss, wie ich dem Un- willen Einhalt thun soll, den ich darüber empfinde. Jch sehe dann ein allgemeines Verderben durch alle Stände verbreitet, die Gerechtigkeit von der Erde verbannt und einen durchgängigen bösen Willen, sich al- lein wohl zu wollen. Alles ist in einer verborgenen Gärung, von der man die schlimmsten Folgen zu besorgen haben würde, wenn nicht eine höhere Hand im Spiele wäre, wenn nicht eine unsichtbare Weisheit diese Maschine im Gange erhielte, wenn sie nicht aus dem Uebel selbst etwas Gutes herauszubringen wüsste. Es ist in der That so, als wenn ein jeder für sich zu arbeiten beschlossen hätte und als wenn ihn die äusserste Nothdurft allein nur bestimm- te, sich zuweilen auch für einen andern zu verwenden. Alle glaubt man für sich, und sich für Keinen geschaffen. Daher das in der Theorie nicht bezeugte, ungeschriebe- ne; in der Ausübung aber nur allzudeut- lich befolgte Gesetz: Gebrauche deinen Bruder, so viel du kannst; oder mit andern Worten: Nöthige ihn mit und wider seinen Willen, wie es die Umstände nur immer verstatten mögen, so viel zu deinem Besten zu thun, oder geschehen zu lassen, als dir dazu zu verlangen oder geschehen zu lassen beliebt. Die Fürsten und ihre Diener wird man wohl am wenigsten beschuldigen, dass sie dieser Regel nicht in ihrem ganzen Um- fange nachgekommen seyn sollten. Wer will aber sagen, dass er, unter gleichen Um- ständen, nicht eben so viel und noch mehr, für sich gethan haben würde? Bey aller Verbindlichkeit, die wir den Göttern der Erde schuldig sind, bey dem fühlbaren Zwange dadurch sie uns in unserm Gleise zu erhalten wissen, bey der oft so unver- meidlichen Gefahr, in Absicht auf Gut und Ehre, wenn wir ihren Foderungen nicht ge- nügen wollen, wissen wir es doch so ein- zuleiten, dass wir, mit unverwandter Rück- sicht auf unsern Privatnutzen, nur diejeni- gen ihrer Befehle erfüllen, die wir zu erfül- len nicht umhin können. Unsre Verwe- genheit geht dabey oft so weit, dass wir, nicht wie in einem Lotto, eine Kleinigkeit einlegen, um sechzigtausendmal so viel zu erhalten; sondern dass wir alles aufs Spiel setzen, um eine Nussschale zu gewinnen, von der man noch nicht sagen kann, ob sie hohl oder voll seyn werde. Man sage nicht: Die Fürsten verlangen zu viel. Erst- lich sind wir die Leute nicht, die das ent- scheiden können, und dann so mögen sie viel oder wenig fodern: der Haabsucht ist auch das Wenige zu viel. Das sanfteste Joch, denkt man, ist doch ein Joch. — Diess Bedürfniss wird mit einem kupfernen Dreyer versteuert. Es ist doch immer ein Dreyer! Wie? wenn ich ihn behielte, und doch mein Bedürfniss befriedigte? Jch kann es sicher: Wohlan! — Diesen Zoll kann ich verfahren. Lass sehen! Jch gewinne den dritten Theil eines Thalers, wenn ich es thue. Eine Kleinigkeit, in der That! um die ich den Fürsten lieber nicht betrü- gen wollte; allein man wird aufgehalten, und das ist verdriesslich! — Aber der Zollverwalter ist ein Argus und Briareus ( I. Theil. ) N für den Vortheil seines Herrn. — Desto besser! Es ist schon ein Vergnügen mehr, so vielen Augen und Händen entkommen zu seyn. So denkt man, so handelt man, von dem schwülstigen Kaufmanne an, der sich bis zu dem Vermögen eines Fürsten hinaufgewuchert hat, bis zu dem Bewohner der leimernen Hütte, der Eyer und Hühner zu Markte bringt! Und man lässt es sich nicht träumen, dass damit ein Diebstahl be- gangen, dass dadurch das klare, wohlge- gründete Recht eines Dritten gekränkt seyn könne. Jch habe selbst Männer die sich für sehr ehrlich und mustermässig fromm hielten, und auch von andern dafür gehal- ten wurden, mehr als einmal für ein so in- teressantes Herkommen die stärksten Gründe anführen hören, die einen jeden, nur mich allein nicht zu überzeugen hinreichten. — Aber warum nehmt ihr es denn so sehr übel, wenn ihr einen eurer Bedienten über einen kleinen Betrug ertappt; warum wollt ihr es ihm nicht vergeben, wenn er, mit ei- nem unendlich kleinen Theile eures Ueber- flusses, seiner dringendsten Bedürfnisse eins zu befriedigen gesucht hat? Die Verbind- lichkeit dieses Unglücklichen gegen euch ist bey weitem so stark nicht, als es die eurige gegen den Fürsten ist. Jhr seyd dem Für- sten mehr schuldig und Er hat mehr Gewalt euch zur Bezahlung anzuhalten. Diese ungerechte Raubsucht nun hat sich, wie eine Pest, durch alle Stände und Ordnungen der Menschen verbreitet. So handelt man gegen seine Obern, so handelt man gegen seine Untergebene, so handelt man gegen seines Gleichen! Der grösste Theil des Gewerbes und Handels kann nur auf Die Weise vollzogen werden. Der Kaufmà nn ehret seinen Merkur. Der hat ihn handeln und — st ** gelehrt! — Wer à lle Künste des groben und feinen Be- trugs an den Tag bringen wollte, der wür- de eine Herkulische Arbeit unternommen, und zuletzt doch nur den kleinsten Theil seines Unternehmens vollführt haben. Kein Handwerk, oder es führt seinen Betrug mit sich, zu dem die Lehrlinge, als zu einem unentbehrlichem Stücke desselben auf das sorgfältigste vorbereitet werden. Einige Jnnungen haben es darin zu einer so be- kannten Vollkommenheit und Stärke ge- bracht, dass man ihre Namen nicht mehr nennen kann, ohne damit zugleich auch den Begriff der Dieberey verbinden zu müssen. Jch weiss mich, wie gesagt; aus dieser allge- meinen Verwirrung nicht anders herauszu- finden, als wenn ich annehme, dass die Menschen einen stillschweigenden Vertrag unter einander gemacht haben, vermöge dessen es einem jeden vergönnt seyn soll, dem andern so viel von dem Seinigen zu ent- ziehen, als entweder ohne Wissen, oder we- nigstens ohne lauten Widerspruch desselben geschehen kann. Dergleichen Beraubungen werden dann für unendlich klein, und ganz und gar nicht für Gegenstände des Gewis- sens geachtet. Man würde sich einem lauten Gelächter aussetzen, man würde für unwis- send in den täglichen Vorfällen des Lebens gehalten werden, wenn man ernsthaft da- von reden; man würde für unbesonnen, ei- gensinnig, geitzig und, wer weiss für was mehr? gehalten werden, wenn man davon viel Aufhebens machen, und in allen diesen Dingen auf sein strenges Recht bestehen woll- te. Nun kann ich es auch wohl über mich erhalten, mich ohne Widerrede hintergehen zu lassen; aber die Sache lustig zu finden, wie ich das könnte? das weiss ich nicht! Der dreyundzwanzigste Spatziergang. J st Die Foderung besser: Gebt uns Viel Bürger? Oder ist Die besser: Gebt uns Gute Bürger? — Eine seltsame Frage! Man verweise den, der sie aufwerfen darf, unter die Träumer! Als wenn es nicht längst ausgemacht, nicht erwiesen, nicht be- fohlen wäre: Seyd fruchtbar und mehret euch! Das Gesetz von der Bevölkerung ist in allen wohleingerichteten Staaten das er- ste, das grösste, das weiseste Grundgesetz, dem alle übrigen untergeordnet sind und von dem keine Ausnahme verstattet werden kann. Gebt uns Viel Bürger! Gute oder Böse? Daran liegt nichts: gebt uns nur Viele! Das ist der Ton eines ganzen Jahr- hunderts; das befehlen die Fürsten, das er- weisen die Politiker; das Jst wahr, das Soll wahr seyn! — Jch bin wohl sehr einfäl- tig, dass ich das nicht begreifen, und sehr eigensinnig, dass ich es nicht für wahr hal- ten kann! Genug ich kann’s nicht! Und wie könnt’ ich es auch? Meinen einsamen, nächtlichen Fussteig erhellet nur Ein Stral, unter welchem ich sehn kann was ich sehe; an eurem Himmel aber, ihr Weisen Dieser Erde! laufen tausend Sonnen herum, die euch leuchten, die euch wärmen, in deren Glanze ihr sehen müsst was ihr seht. Aber was ich doch sehe, das seh’ ich und was hin- dert mich, dass ich es nicht auch sage? Noch hab’ ich, so lange ich hören und sehen kann, von keinem klugen Feldherrn gelesen oder gehört, der einen grossen, gemischten, zusammengerafften Haufen lieber angeführt hätte, als ein kleines, wohlgeübtes, ausgesuchtes Heer abgehärteter Krieger. Wie oft ist die Menge nicht untergelegen? Hat man denn nie von Marathon, von Alexanders Siegen, von Narva, von Rossbach gehört? Der Kopf Eines Mannes galt da so viel, als zehntausend Aerme. Jhr, die ihr mit den Schicksalen des menschlichen Geschlechts, von seiner Kind- heit an vertraut zu seyn vorgebt; wenn ihr es wisst und wenn ihr es wollt, so sagt es: Welche Gesellschaften waren die glücklich- sten von je her? Die grössten? War es die Welt vor der Sündfluth; oder war es die Familie Noah im Kasten? War es Rom, die Königinn der Erde; oder Rom unter ei- nem friedfertigen, kleinen Beherrscher, der Tugend und gute Sitten durch Gesetz und Beyspiel verbreitete? Rom in seiner Dürf- tigkeit; Rom das seine wenigen Bürger in enge Mauern einschloss; oder Rom mit dem Raube der Völker bereichert, Rom unter allen Zonen gefürchtet, Rom in sei- nen Mauern eine weite Provinz? War es Frankreich unter seinem Heinrich; oder unter dem vierzehnten Ludwig, der die Welt erschütterte, der die alten Gränzstei- ne seines Reichs weit in die Felder seiner Nachbarn hineintrug? — Je mehr, je besser! — Diess Sprüch- wort wende man hier nicht an! Je besser, je mehr! — Darin liegt die Wahrheit. Gut sey die Grundlage, und kann man des Guten viel haben: da greife man zu, da ist die weise Begierde zu ha- ben erlaubt. Gebt uns gute Bürger, und könnt ihr uns deren Viele geben, so gebt uns Vie- le! Diess ihr Fürsten sey euer Problem! Dazu lasst eure Minister die Auflösung finden! — Das war eine Promenade im Finstern, bey dem schwachen Schimmer eines erlö- schenden Lichts! Wohl mir! ich grüsse meine kleine Hütte wieder. Und noch bin ich wider keine Wand gelaufen und noch geh’ ich auf unverletzten Beinen einher! Der vierundzwanzigste Spatziergang. D as möchte noch hingehn, dass man die guten und bösen Handlungen des andern oh- ne Unterschied erzählt; allein, dass man sie aus schlimmen Absichten entweder selbst herleitet, oder doch dem Dritten Gelegen- heit giebt, sie daraus herleiten zu müssen, das verräth so viel Stolz und Bosheit, dass es nicht zu sagen ist. Unsre Einsichten hierin sind so eingeschränkt, und die Ge- fahr zu irren ist so gross, dass wir, wenn wir uns ja des Urtheilens nicht enthalten könnten; lieber auf eine gute Absicht, so gar auch bey einem ziemlichen Grade der Wahrscheinlichkeit fürs Gegentheil, schlies- sen sollten. Der Erfolg lehrt es, dass man- che, dem Anscheine nach, recht schlimme Handlung, in der besten Meynung unter- nommen worden sey: Und wir sind so verwegen, dass wir auch da Flecken sehen wollen, wo alles Licht zu seyn scheint? Und wir sind so bösartig, dass wir oft alle Kräf- te unsers Verstandes dazu aufbieten? Jn der That! wenn es deutliche Kennzeichen eines verderbten Herzens giebt, so müssen es Die- se seyn. Was will man dagegen sagen? — Es ist so böse nicht gemeynt? — Jch will es zugeben; man sucht sein Kränzchen zu belustigen; man schmückt seine kleine Ge- schichte mit seinen witzigen Anmerkungen aus; man hat nur angenehm unterhalten, nur ein unschädliches Lachen erregen wol- len: Darin ist nichts Böses; gewiss aber auch nicht viel Gutes! Anfänglich thut man das aus Leichtsinn; bald gewöhnt man sich so zu handeln, und zuletzt fliessen Leicht- sinn und Bosheit so ineinander, dass man die Gränze, wo diese anfängt und jener auf- hört, nicht mehr zu bemerken im Stande ist. Und sollte man sich nicht schämen, den gu- ten Namen seines Mitmenschen, auch nur ein- mal, auch nur in einer Kleinigkeit, auf eine leichtsinnige Weise zu behandeln? Wer sagt uns gut für den Eindruck den unsre Einfälle machen werden? Sie sollten nur diese be- stimmte Gesellschaft belustigen, nur diesen Zir- kel von Freunden zur Unterhaltung dienen. Wird es aber dabey bleiben? — Jch zweifle sehr. Diese aufgeputzte Geschichte ist Morgen das Mährchen der Stadt. Und sie hat so viel neue Zusätze erhalten, dass sie nur an einigen wesentlichen Theilen noch zu erkennen ist. Kleanth legt in einem gewissen Hause, wo junge Mädchen sind, öftere Besuche ab. Diess ist das eigentliche Faktum, das trocke- ne Skelett der Geschichte. Kleanth muss Absichten haben. — Freylich wohl! Die Mädchen sind nicht hässlich; Er ist ein feuriger Jüngling: es müsste mit dem Hen- ker zugehn, wenn er sich nicht verlieben sollte. Wie leicht ist der Sprung von der Wahrscheinlichkeit zur Gewisheit! Nichts ist sicherer: Kleanth ist verliebt. Er hat heute mit Chloen am Fenster gestanden; sie haben sich angesehn; sie haben mit ein- ander gesprochen: Kleanth ist in Chloen verliebt. Kleanth schickt einen Boten nach Chloens Behausung. An wen mag er ihn schicken? — Was sich liebt, das sucht sich. Er schickt ihn an Chloen. Der Bote kann hundert Dinge zu bestellen haben, und in der That soll er einer von Chloens Tanten die Gellertschen Vorlesungen über- bringen. Aber nein! er bringt einen Lie- besbrief. Kleanth und Chloe treffen sich von ohngefähr auf einer Promenade: sie haben sich bestellt. So heisst es Heute. Morgen weiss man zuverlässig: sie kennen sich etwas genauer als man meynt; sie se- hen sich zuweilen ohne Zeugen; man hat sie zusammen getroffen; Chloe soll gar — — man trägt Bedenken es zu sagen; aber alle Umstände treffen zu, der Augenschein lehrt es. — Bey dem allen ist Kleanth der ehrlichste Mann von der Welt, und Chloe, so unschuldig, wie die Sonne am Himmel. Ein Beyspiel für hundert! Unsre amü- sirenden Geschichtchen nehmen alle den Gang. Eine herrliche Ausbeute unsers er- finderischen Witzes! Ein theurer Zeitver- treib in der That, den ein Dutzend besse- rer Menschen als wir sind, mit seinem gu- ten Namen bezahlen muss! O ihr galan- ten Herren! o ihr einsichtsvollen Spreche- rinnen unsrer gesellschaftlichen Zirkel! eh ich euch um ein Talent von solchem Ge- halte beneiden, eh ich eurem weitverbrei- teten Ruhme nacheifern wollte: eher wollt’ ich mich zu einer ewigen Einsamkeit selbst verdammen; oder in euren Gesellschaften dasitzen, wie ein hölzernes Bild, mit offe- nem Munde und kreuzweis übereinander geschlagenen Beinen, und für einen Klotz- kopf gehalten werden! Gehört das zu einer feinen Lebensart, gehört das zu dem arti- gen Umgange einer erleuchteten Welt, so will ich mir von einer frommen Grossmut- ter lieber von Hexen und Gespenstern, von Diebesbanden und Hinrichtungen erzählen lassen; oder mit einem ehrlichen Nachbar mich hinsetzen und um Pfeffernüsse in der Karte spielen! Der fünfundzwanzigste Spatziergang. M an kann sich gegen seine Nachwelt, man kann sich aber auch gegen seine Vor- welt versündigen. Jn den letzten Fehler kann der Geschichtschreiber fallen, der für etwas mehr als für einen blossen Erzähler gehalten werden, der das Ansehn eines den- kenden Kopfes, eines unterhaltenden Schrift- stellers erwerben will. Fehlt es ihm an dem nöthigen Grade der Menschenliebe, verbindet er mit einer lebhaften Einbil- dungskraft und mit einem geschäfftigen Witze ein böses Herz, so kann man sicher erwarten, dass er seinen Begebenheiten oft schlimme, und wenn gleich noch so wahr- scheinlich gemachte; doch grossentheils un- zuverlässige Bewegungsgründe unterlegen, ( I. Theil. ) O man kann erwarten, dass er die Begeben- heiten selbst, seinen angenommenen Bewe- gunsgründen gemäss, unvermerkt verän- dern, dass er Situationen erträumen, dass er bon-môts erfinden werde. Den reinsten Charakter wird er mit seinem Gifte be- spritzen: in dem weisen Gesetzgeber wird er den politischen Betrüger, in dem Helden den haabsüchtigen Eroberer, in dem fried- fertigen Fürsten den schwachen, den trägen, den Wollüstling erblicken. Selten wird er sich einen Helden erwählen; oder er müss- te mit seinem Lobe irgend eine vorgesetzte Absicht zu erreichen, irgend einen Vor- theil für sein angenommenes System zu ge- winnen hoffen. Ueberhaupt setzt er den Charakter seiner handelnden Personen im Voraus, und nach einer vollständigen Kenntniss der Sachen feste. Dieser ist sei- ne Form darin das übrige passen muss. Was sich nicht hinein zwingen lässt wird ver- dächtig gemacht, wird für überflüssig ge- halten, wird weggeschnitten. Wenn die grossen Männer der Vorwelt aufstehn, wenn sie ihre Geschichtschreiber lesen sollten, würden sie es oft auch nur vermuthen kön- nen, dass von ihnen die Rede sey; würden sie nicht oft bey Erblickung ihres Namens erstaunen und die Unverschämtheit eines Menschen bewundern, der ganze Jahrhun- derte nach ihnen in ihren Herzen lesen will, was ihre vertrautesten Freunde nicht darin lesen sollten und was oft in der That auch nicht darin befindlich war? Es ist wahr, würden sie sagen; man hätte den Leser nicht besser unterhalten, man hätte nicht reizender erzählen, man hätte uns nicht angenehmer belügen können. Mit dem allen aber ist die Welt doch betrogen und wir würden uns einer löblichen Polizey verbunden erkennen, wenn man diesen Herren, bey Verlust ihrer Handthierung, untersagte: Gebrauch von unsern Namen zu machen; oder irgend etwas anders als einen Roman wider die Langeweile zu schreiben. Der sechsundzwanzigste Spatziergang. S o will ich denn der Versuchung wider- stehen, das durchschauen zu wollen, was sich die Allwissenheit allein zu sehen vorbe- halten hat. Der kurzsichtige Sterbliche sieht die Begebenheit selbst nur in einer ge- wissen Entfernung, nur ihre gröbern Thei- le; die feinern entfliehn ihm. Der Mensch sieht das nicht einmal, was vor Augen ist; Gott aber siehet das Herz an. Die geheim- sten Triebfedern unsrer Handlungen, die wir vor dem scharfsichtigsten Beobachter so glücklich zu verbergen wissen, die wir uns selbst gern verhehlen möchten; die Hand- lung selbst in ihrer ganzen Beziehung; je- den kleinen, die Schuld verringernden, oder vergrössernden Umstand; dann die Folgen der That bis ins Unendliche; das alles sieht Gott, das alles ist ihm auf das innigste ge- genwärtig. — Der Gedanke rührt mich. Jch Vermessner! ich sollte in mich selbst hineingehn: das würde mich unendlich mehr interessiren; das würde mir gelingen, wenn ich es ernstlich wollte; das würde mir so viel zu thun geben, dass ich es gerne vergessen würde, ein allzugenaues Augen- merk auf andre zu nehmen. Jede meiner wichtigern Handlungen sollte mich vorzüg- lich zu einer genauern Prüfung veranlassen. Warum that ich Das? Der Absicht Niedrigkeit, erniedrigt grosse Thaten. Wenn ich einen Theil meiner Kräfte und meis Vermögens anwandte, diese gemein- nützige Anstalt zu befödern; wenn ich es mir sauer darum werden liess; wenn ich deshalb ging, reisete, dachte, schrieb: so scheint in diesem allen ungemein viel Ver- dienstliches zu seyn. Die Sache obenhin betrachtet werd’ ich es selbst so finden müs- sen. Aber ich will mich einmal nicht an einer flüchtigen Betrachtung genügen, ich will meinem Gewissen freye Aussicht las- sen; ich will es mir selbst sagen, was ich villeicht nicht annehmen, was ich für eine Beleidigung halten würde, wenn es mir an- dre sagten. Nun also, diese so rühmliche Anstalt — war ein Werk meines Ehrgei- zes. Der Gedanke: Deine Zeitgenossen werden dich bewundern, du wirst unter den Sonnen des Vaterlandes glänzen, dein Name wird mit deinem Denkmahle auf die späteste Nachwelt herunterkommen; dieser Gedanke, deutlich oder verworren gedacht, erzeugte den Entwurf, begleitete seine Aus- führung; Wohlwollen und Menschenliebe hatten wenig Antheil daran. — Woher die grossmüthige Unterstützung dieser ver- lassenen Waisen, deren Vater mir so schlim- me Dienste gethan hat, dass ich die Folgen davon bis jetzt noch empfinde? Keine Aus- flüchte! Waren es Bewegungsgründe der Religion, die mich so zu handeln bestimm- ten, die mir meinen Hass und Zorn unter- würfig machten? oder war es nicht eine andre mächtigere Leidenschaft vielmehr, die die schwächere besiegte? War es die Macht der Tugend, oder der Schönheit, und wür- de ich so und nicht anders gehandelt haben, wenn nicht ein reizendes Gesicht, wenn kein schmachtendes Auge, wenn nicht die leidende Schönheit mich für sich eingenommen hätte? — Jch seh’ es nun allzuwohl, dass ich meine Schuldigkeit nur schlecht erfülle, dass ich bey meinen rühm- lichsten Handlungen doch nur auf mich sehe, und dass ich wenig genug thun und wenig genug aufopfern würde, wenn ich nicht irgend ein heftiges Verlangen meines unruhigen Herzens dadurch zu stillen ge- dächte. Meine reinsten Absichten selbst schmecken noch nach der unlautern Quelle, aus welcher sie herfliessen. — Vater der Geister! welch ein verächtli- ches, kleines Geschöpf bin ich in der glän- zenden Reihe der Wesen, denen Du Leben und Bewusstseyn gegeben hast! Du allein kannst mich einer vollkommneren Natur theilhaftig machen; Du allein kannst mich zu einer höhern Stufe moralischer Würde erheben; Du kannst das Maass meiner ge- ringen Kräfte bis zu ihrer Zulänglichkeit erfüllen. Erleuchte mich denn in Absicht meiner Zwecke; mache Du mich wahrhaf- tig weise! Der siebenundzwanzigste Spatziergang. J st denn die ganze Masse meiner morali- schen Lebensgeister verderbt? Findet sich in meinen Absichten nichts Gutes; oder wenn es sich darin findet, ist es villeicht so wenig, dass es gar nicht in Rechnung ge- bracht werden darf? Soll ich mich im Ernst für so überwiegend böse halten? — so wär’ ich ein Ungeheuer, so setzt’ ich mich eigenwillig zur untersten Stufe des Elends herab, so gäb’ ich allen Trost auf, so entsagt’ ich einem jeden Schimmer von Hoffnung. Der Teufel selbst kann so böse, so elend nicht gedacht werden! — Nein! ich bin nicht zu allem Guten verwahrloset, und wenn ich nicht immer nach den besten Motiven handle, so handle ich doch auch nicht nach den schlimmsten. Meine reinsten Absich- ten sind villeicht nicht ohne Zusatz; aber auch meine schlimmeren sind nicht ohne Güte. Jch bin ein endliches Wesen von einer unteren Gattung, es ist wahr; aber ich bin doch immer ein Werk eines unend- lich gütigen Schöpfers; eine Jdee seines unendlichen Verstandes, ein Ausfluss seiner unendlichen Kraft. So würd’ ich ihn ja ent- ehren, wenn ich mich selbst verkennte! — Jch habe mich oft geprüft. Hier ist das Resultat meiner Prüfungen! Jch handelte schon oft nach überwie- gend guten Bewegungsgründen: davon überzeugt mich die genaueste Beobachtung meiner selbst. Jch bin gewiss, dass ich auch fürs künftige meiner grossen Bestim- mung noch oftmals Genüge leisten werde: davon giebt mir mein innigster Entschluss Gewissheit. Könnt’ ich diess nicht von mir sagen, würd’ ich dann die finstern Wolken wohl zertheilen können, die das Schicksal über meinen Scheitel versammelt? Würd’ ich dann wohl mein Haupt erheben, würd’ ich dem andringenden Unglücke begegnen können? So sind es denn so manche Widerwär- tigkeiten des Lebens weniger, die den Frie- den meiner Seele zu stören vermögen! Es beunruhiget mich wenig mehr, wenn hier und da eine kleine Unternehmung wider mein Erwarten ausfiel. Jch bin meiner redlichen Absichten gewiss; ich bin gewiss, dass ich nur so viel übersehen konnte; al- les übrige war über meinen Gesichtskreis hinaus. Jch wollte es so; eine verborgne Weisheit wollte es anders. Selbst dieser grössere Unfall, selbst diese schmerzlichere Empfindung, dieser nagende Kummer selbst scheinet mir nun unendlich leichter zu tra- gen. Wusst’ ich es, dass ich mir diese Lei- den zuziehen; wusst’ ich es, dass ich sie auch auf andre ableiten würde? Wusst’ ich es? Sollt’ ich es und konnt’ ich es wissen? Freylich wird ein so trauriger Ausgang ei- nes wohlgemeynten Unternehmens ein nie- derdrückendes Gewicht für mich in der Schale meiner unangenehmen Empfindun- gen seyn; aber ich werde noch den Muth nicht verlieren dürfen, ich habe mir ein Gegengewicht für diesen Zufall aufgespart: den unüberwindlichen Trost eines redlichen Herzens. Wenn nun auch die Bosheit der Men- schen sich bemühen sollte, mein Elend voll- kommen zu machen, wenn sie nun auch die Folgen meiner Handlungen mit meinen Absichten vermischen, wenn sie mich für den unseligen Urheber dieser Uebel, die mir und andern begegnen erklären sollte: so wird dieser unverdiente Vorwurf meinem zärtlichen Herzen zwar eine Menge unan- genehmer Empfindungen verursachen; je- doch Zu meinem Schutze flammt Der Unschuld feurig Schild! ich werd’ umsonst verdammt: Die Tugend hat mich losgesprochen, Da Schmähsucht, die vom Neide stammt, Mir tückischflüsternd nachgekrochen. Wenn ich nur das Auge des Allsehenden nicht scheuen darf! Villeicht kann ich es von ihm noch erwarten, dass er mich vor meinen unfreundlich gesinneten Richtern rechtfertigen, dass er meine verschriene Unternehmung in ein vortheilhaftes Licht setzen wird. — Jch kann es Villeicht er- warten? — Jch erwarte es Gewiss! Und wenn noch eine feindselige Zunge ihre grausamen Angriffe über mein Leben hinaus erstrecken, und eine frevelnde Hand mein Denkmahl mit schmähenden Zügen besudeln sollte: Jch werde darum nicht un- ruhiger schlafen, ich werde darum nicht minder zu einem grossen Gerichtstage er- wachen, die über alle Moralität für immer und ewig entscheiden, und ein jedes Ge- schäfft des menschlichen Geistes bis auf den Keim zergliedern wird. Der achtundzwanzigste Spatziergang. E s ist in der That ein Vergnügen, am Ende eines verlaufenen Tages ausrufen zu können: Diesen Tag hab’ ich gelebt! Und das kann ich heute! Warum sollt’ ich es mir verhehlen, warum sollt’ ich Dir nicht, der Du mich hier allein siehest und hörest, o Allgütiger! warum sollt’ ich Dir nicht mit aller Wärme der innigsten Dankbarkeit gestehen: Diesen Tag hab’ ich gelebt? Wenn ich dabey nur die demüthige Ueber- zeugung in mir lebendig erhalte, dass ich jede gute Gabe von Deinen Händen em- pfing, und dass mich Deine Vorsehung selbst in die glücklichen Umstände versetz- te, da ich alles um mich mit Zufriedenheit und Freude zu erfüllen im Stande war. Jch bin mir selbst, so gut wie andern, Gerech- tigkeit schuldig. Es kann meine Pflicht nie seyn, mich für sträflicher zu erkennen als ich bin. Nur eine schwermüthige, schwärmerische Sittenlehre kann das verlan- gen. Hätt’ ich Dich, meinen unbegreif- lich grossen Wohlthäter beleidigt, hätt’ ich irgend eine meiner wichtigern Verpflicht- ungen gegen meinen Nächsten verletzt: mit bekümmerter Seele würd’ ich es vor Dir bekennen, mit Thränen würd’ ich Deine verlorne Gnade wiedersuchen. Nun aber gehorcht’ ich Deinen Geboten; ich diente Dir in Einfalt des Herzens, ich beföderte das Wohl meiner Brüder und mein eignes, so weit ich es nach meiner geringen Ein- sicht und nach meinem wenigen Vermögen konnte. So wär’ ich ja meiner eignen Ruhe Feind, wenn ich mir das alles geflis- sentlich selbst verbergen; so wär’ ich ja Dein ( I. Theil. ) P gutgeartetes Kind nicht, wenn ich Dir für die Seligkeit des heutigen Tages nicht mit Freudigkeit danken wollte. Stolze Sterb- liche mögen es villeicht verlangen, dass man in Betracht ihrer, seinen wahren Werth ver- leugnen, sein Gutes nicht merken lassen und seine Mängel vergrössern soll. Aber so bist Du nicht, Du grosser Urheber aller Wahr- heit und alles Rechts! Wer dürfte Dir schmeicheln; wer dürfte Dir eine armselige Höflichkeit, eine so übelverstandne Ehre erweisen wollen? O so lob’ ihn denn meine Seele, mit allen Wallungen einer heiligen Freude! Durch Jhn lebtest du heute. Diese mo- ralische Gesundheit, diess heitre Bewusst- seyn deiner selbst hast du von Jhm. Wie ruhig kannst du nun den erquickenden Schlummer erwarten! Die Nacht hat keine Schrecken für dich. Der Allgegenwärti- ge ist bey dir und der Allmächtige schützt dich. Durch Jhn wirst du wiederer- wachen. O Herr! die Stunde meines Todes sey der gegenwärtigen ähnlich! Lass mich auch da, mit dem besten Gewissen und mit der gelassensten Ergebung in Deinen Willen ausrufen, oder doch bey mir selbst denken können: Jch habe gelebt! Einzelne Gedanken. D ie Leidenschaften sind die Flügel einer Windmühle. Sie bewegen den Stein zum Mahlen und schleudern den unvorsichtigen Don Quixote in die Wolken. Seinen Wahrheitsprediger beschenkte der König von Babel, den Gott auf der Wage zu leicht fand. Wie leicht werden die Könige seyn, die ihre Wahrheitspredi- ger zur Festung verdammen! Wer weiss ob oft nicht, uns unbemerkt, eine höhere Ordnung von Geistern sich be- schäftigt, Erfahrungen und Beobachtungen mit uns anzustellen, wie wir es mit den Thieren thun? Jch habe eine innigliche Freude so oft ich einem Manne begegne, der andere für so ehrlich hält als er selbst ist. Uns selbst verzeihen wir leicht Verge- hungen und Laster. Unsre Schulden ver- gessen wir ohne Mühe. Alte Verbrechen werden durch neue verdrängt. Darauf achtet Niemand. Aber dem Bruder von uns sey der Himmel gnädig, der ein Haar breit vom rechten Wege abweicht. Ein Verstoss gegen das Herkommen der Mode ist ein Verbrechen, und ein verrücktes Wort eine unverzeihliche Jgnoranz. Man hat immer so viel Offenherzig- keit zu viel, als man Klugheit zu wenig hat. Spiele nicht mit der Liebe! Kein Spiel ist angenehmer und keins ist gefährlicher. Es müssen schon sehr gesetzte Leute seyn, die nicht dabey verlieren wollen. Die Mädchen müssen immer etwas zu spielen haben: Puppen und Bilder, Karten, Hunde, Katzen und zuletzt — Männer. Ehrlichkeit, Rechtschaffenheit, gutes Gewissen — sind vortreffliche Worte und noch vortrefflichere Sachen. Wer sie aber immer im Munde hat, setzt sich in den ge- gründeten Verdacht, dass er sie nicht im Herzen habe. Jch stelle mir die Wissenschaften als eine grosse Feldmark vor. Hier grünt ein lieblicher Busch von frischen Quellen ge- wässert, eine Wohnung unzähliger Vögel; dort breitet sich ein goldnes Waitzenfeld aus, nutzbarer, obgleich minder schön fürs Auge; Dort kriechen Erbsen und Wicken am Boden; dort gränzt eine aufkeimende Sommersaat mit der Farbe des Grases an die falben Roggenhufen, die dem fleissigen Landmann eine nahe Aerndte geloben. Hier liegt unbebaueter Sumpf. Viele ha- ben ihn urbar zu machen vergebens ver- sucht. Sie erlagen unter der Schwierig- keit des Versuchs. Er scheint nun eine glücklichere Hand zu erwarten. Dort breitet ein Eichenwald seinen graunvollen Schatten gewaltig umher. Seine Geburts- stunde verliert sich in ein früheres Weltal- ter. Er grünte villeicht schon, ehe noch diese ganze Gegend einem bestimmten Be- sitzer zu theil wurde. Kein Mensch ist so böse, dass er nicht etwas Gutes an sich haben sollte. Diese Wahrheit, die es so gewiss ist, als es sonst eine Erfahrung in der moralischen Welt seyn mag, verdient, zu mehrerer Ausbrei- tung einer allgemeinen Menschenliebe, über- all gesagt, überall mit lauter Stimme ver- kündigt zu werden. Liebe deine Feinde! Diess eigentliche Gebot einer erleuchteten Philosophie ist hierauf gegründet. Der Verstand desselben kann auch wohl kein anderer seyn als dieser: Verdunkle dir die Fehler deines Feindes, und stelle dir sein Gutes klar vor! Gewiss! du wirst ihn um des Guten willen lieben, du wirst sein Glück wollen, du wirst es befödern. Jch kom- me zu meiner Erfahrung zurück. Jeder Mensch hat seine gute Seite. Der Teufel selbst ist nicht durchaus böse. Man be- trüge sich nur selbst nicht; man sehe ohne Leidenschaft, man richte ohne Vorurtheile, und so sehe man einem Bösewicht jeder Art ins Gesicht. Es sind noch Züge seiner angebornen Güte vorhanden, so versteckt sie auch nur immer seyn mögen. Jch kann mich auf einen jeden guten Geschichtschrei- ber berufen, der ohne Parteylichkeit gelobt und getadelt hat. Der beste Fürst hatte seine Fehler und die Nerone selbst waren nicht allezeit, nicht ganz Ungeheuer. Wer spricht nicht von Freundschaft? Wer glaubt sie nicht zu empfinden? Wer ist so unglücklich, dass er sich nicht über- reden sollte Einige, oder wenigstens Einen Freund zu haben? Wie viel hat man nicht über eine so allgemein bekannte Sache ge- dacht und geschrieben? Welcher Sittenleh- rer hat sich darüber nicht erschöpft? Man hat die Freundschaft in gebundner und un- gebundner Rede beschrieben, und es ist wohl kein akademischer Hörsaal und keine finstre Klasse irgend einer Trivialschule, wo man nicht zehnmal und hundertmal ihr Lob mit aufgeblasenen Backen verkündiget hät- te. Und gleichwohl wenn ich von einem Pole zum andern reise, so find’ ich unter Tausend kaum Einen, der einen Begriff hat, der der Würde der Sache angemessen ist, und unter ganzen Myriaden kaum Einen, der sich diesem erhabnen Begriffe gemäss zu handeln bestrebt. — Und was ist denn also die Freundschaft, mein Herr Diogenes? Denn sie thun so weise als trügen sie seine Laterne. — Es ist leichter zu sagen, was sie nicht sey, als was sie sey, und sie ist das nicht, was sie in den Gedanken der meisten Menschen ist. Es ist ihr wie gewissen Reli- quien gegangen, die der Aberglaube so sehr vervielfältiget hat, dass man von den meh- resten gradehin sagen kann: Sie sind das nicht, was sie zu seyn geglaubt werden. Gleichwohl kann es seyn, dass hin und wie- der ein Läppchen von dem wahren Rocke der heiligen Jungfrau aufbehalten wird. Sterbt für das Vaterland! — Diess war ehemals die Stimme eines guten Bür- gers, der es nun in einer bessern Welt ist. Sie war zu ihrer Zeit nützlich und er- hitzte den Kopf manches empfindsamen Jünglings und bewegte sein Herz, dass er that was seine Pflicht war. — Eine viel bessre Ermahnung aber für alle Zeiten, Län- der und Stände ist es: Lebt für das Vater- land! Lebt für euer Haus, für die Eurigen; lebt für die Stadt, die ihr bewohnt; lebt für den Boden, der euch nährt, für den Staat, der euch schützt! Und so ihr könnt, so eure Seele dazu gross genug, dazu fähig ge- nug geboren ist — Lebt für die Welt! — Sterbt für das Vaterland! — Diess Wort sey nicht dem Krieger allein gesagt! Jhr, die ihr dem Staate sonst noch auf eine nähere Weise zu dienen berufen seyd, auch euch gilt diess Wort. Sterbt für das Va- terland! Verzehrt euch selbst, verbraucht eure Kräfte, euer Vermögen, euer Leben zum Dienste eures Fürsten, zum Wohlseyn eurer Mitbürger! Dieser Tod möchte vil- leicht ein grösseres Verdienst seyn, als je- ner; weil er mit mehrerer Ueberlegung, mit grösserer Sorge, mit anhaltenderen Kummer beschlossen und ausgehalten wer- den muss. Sterbt für das Vaterland! Die strenge Pflicht fodert euch auf, euren Schlaf zu unterbrechen, ganze Nächte in schwerer Arbeit zu durchwachen, damit andre ru- hig schlafen können. Opfert eure Ruhe auf; damit andre derselben geniessen! Ent- sagt euren liebsten Vergnügungen, verzehrt euch durch Denken; damit ganze Millio- nen euch ihr Vergnügen, ihren Wohlstand, ihre ganze Glückseligkeit verdanken! Sterbt in diesem Sinne für die Stadt, die ihr be- wohnt, sterbt für den Staat dem ihr dient! Und so ihr noch mehr könnt, so eure Seele dazu Gelegenheit und Stärke genug hat: — Sterbt für die Welt! — Aus der Königlichen Hofbuchdruckerey. Errata. S. 14, Z. 10. lies trinke für eintrinke. S. 15, Z. 10. — ungereimte. S. 25, Z. 13. — Fläche, und scheinet. S. 64, Z. 3. — Wenn du dich nicht an ihm \&c. e. d, Z. 15. — reelles. S. 83, Z. 1. — Dann ist er \&c. S. 107, Z. 6.7. — Vergebungen. S. 139, Z. 1. — sie die sie sich \&c. S. 142, Z. 10. — richtigen Schätzung. S. 153, Z. 8. — jemals eins. Verzeichniss derjenigen Bücher, welche von Christian Friedrich Himburg in Berlin, auf seine eigne Kosten gedruckt worden. B lochs, D. M E. Medicinische Bemerkungen, nebst einer Abhandlung vom Pirmonter Augen- brunnen, 8. 774. 10 gr . Blum, J. C. Vermischte Gedichte, 8. 771. 4 gr . Desselben Zwey Gedichte, die Hügel bey Rate- nau und Rosalia, 8. 771. 3 gr . Desselben Lyrische Gedichte, dritte um die Hälfte vermehrte Auflage, 8. 771. 8 gr , Desselben Idyllen, gr. 12 773. 8 gr . Brocklesby, D. Richard, œkonomische und me- dicinische Beobachungen zur Verbesserung der Kriegslazarethe und der Heilart der Feldkrank- heiten, in zwey Theilen. Aus dem Englischen übersezt und mit Anmerkungen begleitet von D. Chr. G Selle, gr. 8 772. 14 gr . Burmann, G. W. Fabeln und Erzählungen in vier Büchern, 8. 773. 12 gr . Cugnot, Herrn, Befestigungskunst im Felde, aus einem neuen Gesichtspunkte betrachtet und aus den Urquellen der Kriegskenntnisse hergelei- tet, mit 12 Kupfertafeln, 8. 773. auf Schreib- papier 1 Rth. 4 gr . Dasselbe auf Druckpapier 20 gr . Destouches, Herrn, Sämmtliche theatralische We i - sie; fünfter Theil, enthält: 1. der Erzlügner, ein Lustspiel. 2. der vertraute Ehemann, ein Lustspiel. 3. der vergrabne Schatz, ein Lust- spiel, 4. der niedergelegte Schatz, ein Lustspiel, 8. Berlin 772. 16 gr . Einladungsschreiben an den Herrn von Voltaire die theologische Doctorwürde in Deutschland anzunehmen, 8. 773. 3 gr . Elemens de Geometrie; ou les six premiers Livres d’Euclides, avec le onzieme \& douzieme. Tra- duction nouvelle par Mr. de Castillon, 8. 774. 1 Rthl. 16 gr . l’Enlevement de Proserpine, poëme de Claudien traduit en prose française, avec un Discours sur ce poëte \& des remarques, par Mr. Merian, 8. 774. 18 gr . Essai d’une Traduction nouvelle des Oeuvres mo- rales de Plutarque, 8. 774. 6 gr . Ferbers, Jo, Jac. Beschreibung des K. K. Queck- silber-Bergwerks zu Idria in Mittelcrayn, mit Kupf. gr. 8. 774. 18 gr . Desselben Beyträge zur Mineralgeschichte von Böhmen, mit Kupf. gr. 8. 774 1 Rthl . Garsault, Herrn, Unterricht für Liebhaber der Pferde und Reiter, aus dem französiscen über- setzt von D. J. G. Krünitz. Mit Kupf. 8. 770. 8 gr . Gerhard, D. C. Ab. Materia. medica, oder Lehre von rohen Arzneymitteln, zweite vermehrte Auflage, 8. 771. 1 Rthl . Desselben, Beyträge zur Chimie und Geschichte des Mineralreichs I ter Band, m. K. gr. 8. 773. 1 Rt . — ater Band, unter der Presse, gr. 8. — phisikalische Beschreibung des Schlesischen Riesengebierges. gr. 8. 774. die Holzhauer, oder die drey Wünsche, eine ko- misehe Oper, in einer freyen Uebersetzung, 8. 772. 4 gr . Jacobi, Jo. G. Winterreise, 8. 769. 6 gr . Idyllen des Bion und Moschus Aus dem Grie- chischen übersezt, 12. 774. 14 gr . Jerusalems, Joh. Fr. W. Entwurf von dem Cha- rakter und den vornehmsten Lebensumständen des Höchstseeligen Prinzen Wilhelm Adolph von Braunschweig. Mit der Französischen Version, und des Prinzen Bildnisse von Berger gestochen, gr. 4. 771. 1 Rthl . v. Justi, J. H. G. Geschichte des Erdkörpers, nach seinen äusserlichen und unterirdischen Beschaf- fenheiten hergeleitet und erwiesen, gr. 8. 771. 1 Rthlr . les Jeux de la petite Thalie, ou nouveaux petits Drames dialogués sur des Proverbes propres à  former les mœurs des Enfans \& des jeunes Gens depuis cinq ans jusqu’à  vingt. Nouvelle Edition corrigée, 8. 773. 16 gr . Marx, M. T. Observata quaedam medica, c. fig. 8 maj. 773. 8 gr . Möhsen, Sr. C. W. Verzeichniss einer Sammlung von Bildnissen gröstentheils berühmter Aerzte. Diesem sind verschiedene Nachrichten vorge- setzt, die sowohl zur Gesehichte der Arzney- gelahrheit, als vornehmlich zur Geschichte der Künste gehören. Mit vielen Vignetten, 4. 771. 3 Rthlr . Oeuvres drammatiques de Mr. de Moissy, 3 Vo- lumes, 8. 773. 2 Rthlr .