Ein treuer Diener seines Herrn. Trauerspiel in fünf Aufzügen. Von Franz Grillparzer . Ein treuer Diener seines Herrn. Trauerspiel in fünf Aufzügen. Von Franz Grillparzer . Wien . Gedruckt und im Verlage bei J. B. Wallishausser . 1830 . Personen . König Andreas von Ungarn. Gertrude , seine Gemahlin. Bela , Beider Kind. Herzog Otto von Meran , der Königin Bruder. Bancbanus . Erny , seine Frau. Graf Simon , Bruder des Bancbanus. Graf Peter , Erny’s Bruder. Der Hauptmann des königlichen Schlosses. Zwei Edelleute von Herzog Otto’s Gefolge. Mehrere Hauptleute . Ein königlicher Kämmerer . Ein Arzt . Eine Kammerfrau der Königin. Erny’s Kammerfrau . Zwei Diener des Bancbanus. Zwei Diener der Königin. Ein Soldat . Erster Aufzug . (Saal in Bancbanus Hause. Hohe Bogenfenster, alterthümliches, unscheinbares Geräthe. Lichter auf dem Tische. Vor Tages Anbruch.) ( Bancbanus im Vorgrunde am Tische stehend. Zwei Die- ner sind beschäftigt ihn auzukleiden. Der Eine hält den Kalpak, der Andere kniet, die Sporne befestigend.) ( Von der Straße herauf tönt unter Geschrei, Geläch- ter und Händeklatschen .) B ancbanus! Ho, Bancbanus! Der Sporn da drückt! Ach Herr! Bei toll und unklug! Du ziehst ja fester an! Laß nach! laß nach! Man weiß kaum, was man thut. 1 * So schlimmer denn! Der Lärm — Was nur? Dort unten auf der Straße — Was kümmert dich die Straße? Sieh du hier! Ein Jeder treibe, was ihm selber obliegt; Die Andern mögen nur ein Gleiches thun. ( Gesang zur Zitherbegleitung auf der Straße .) »Alter Mann Der jungen Frau, Ist er klug, Nimmt’s nicht genau.« ( Viele Stimmen unter Lärm und Gelächter .) Bancbanus! Ho, Bancbanus! (die Faust vor die Stirn gedrückt). Daß Gift und Pest! (der mittlerweile den Gürtel umgebunden hat). Den Säbel nun! Ach Herr! Ihr wolltet —? Was? (den Säbel halb ausgezogen). Den Säbel aus der Scheide — Das Thor geöffnet — wir da hinter Euch — Hineingesprengt in’s höhnende Gelichter, Und — Hui! — wo waren sie? Bist du so krieg’risch? Ich will dir einen Platz im Heere suchen. Hier wohnt der Frieden. Ich bin nur sein Miethsmann, Sein Lehensmann, sein Gast. Verhüte Gott, daß er mich lärmend finde, Und Mieth’ und Wohnung mir auf Umzeit künde! Die Narrentheidung laß’, und gib den Säbel. (Er gürtet ihn um.) Der Ungar trägt im Frieden auch den Stahl, Zückt er ihn gleich nicht ohne herbe Wahl; Wie denn der Ehemann den Reifen, den er trägt, Auch in der Fremde nicht vom Finger legt. Der Säbel an der Hüfte soll nur kunden, Daß Ungar und Gefahr, wie Mann und Frau verbunden. Nu, nu, laß’ nur und geh! Ach Herr! Mein Herr! Sie werfen Sand und Steine nach dem Fenster. So mach’ es auf; die Scheiben kosten Geld; Sind sie geöffnet, schaden keine Würfe. — Den Kalpak reiche du, ich muß auf’s Schloß. Der König will mit Tages Anbruch fort. — Was ist die Glocke? Vier Uhr. Hohe Zeit! Sieh du nach meiner Frau. (am Fenster). Dort stehen sie. Laß stehn, laß stehn! Der Prinz in Mitten d’rin! Was Prinz? Ich hab’s gesehn! (mit halb gezücktem Säbel). Gesehen? — Schuft! Hätt’ ich’s gesehn mit diesen meinen Augen, Weit eher glaubt’ ich, daß ich wachend träume, Als Uebles von dem Schwager meines Herrn. Geh’ fort! — Muß ich hier toben wie ein Fant? Scheltwort’ ausstoßen, und — bei toll und unklug! — Ein Rath des König’s! — Nu, ein feiner Rath! — Ei wollt’ ich doch, du wär’st auf Farkahegy, Zwölf Steine über dir! — Ei, dies und das! — Geh’ sag’ ich, geh’! Ich will nicht weiter sprechen. ( Dienerin kommt mit einem Becher.) Was bring’st nur du? Den Frühtrunk, gnäd’ger Herr! Setz’ immer hin. — Ist meine Frau schon wach? Ja wohl! Ja wohl? — Warum denn kommt sie nicht? Ja wohl ist zweimal »Ja!« — Wenn zweimal wach denn, So sollte sie doch mind’stens einmal kommen. »Ja wohl!« — Gott segne mir die Redensarten! Ein andermal sprich: Ja! — Nun also denn, Warum nur kommt sie nicht? Ich sollte fragen, Ob Ihr erlaubt —? Ich gebe mich gefangen! Die Thorheit, merk’ ich, steck’t, wie Fieber, an. Ob ich erlaube, frägt sie? — Guter Gott! Soll ich erlauben? und hab’ nie verwehr’t! ( Erny erscheint an der Thüre.) Ei, Erny, grüß’ dich Gott! Was ficht dich an? Läß’st du durch Kämm’rer mich um Einlaß bitten? Ich bin ein Feind von Neuerungen, Kind! Mach’ mir nichts Neues, bitt’ ich dich gar sehr. (nach vorn kommend). So zürn’t Ihr nicht? Warum denn? — Ja, dort unten —? Die Straße, Kind, ist Jedermann’s Gemeingut. Wir haben sie nicht herbestell’t, wir können, Genau genommen, ihnen’s auch nicht wehren. Ob’s gleich nicht artig ist, so früh am Tage Die Schläfer schon zu stören durch Gesang. Doch wiß’t Ihr denn auch, wer —? Ich mag’s nicht wissen. Gertrude sagt — der Prinz — Nun, sey’s darum! Der gute Herr hat Muße — laß’ ihn schwärmen! ( Gesang auf der Straße .) »Schön’ Erny, lieb und gut, Verschläf’st dein junges Blut; Vermählest ohne Scheu Dem Winter deinen Mai.« ( Viele Stimmen .) Bancbanus! Ho, Bancbanus! (der während des Gesanges den Becher ergriffen, und getrunken hat). Der Mittlere sing’t falsch, und hält nicht Takt. Daß Gott! Ein schlechtes Lied verdirbt die reinste Kehle! Ha, Scham und Schmach! Für wen? — Mein liebes Kind! Nur eine Schmach weiß ich auf dieser Erde, Und die heiß’t: Unrecht thun. Allein, die Worte — Des argen Liedes Worte, die sie sangen. Ich achtete nicht d’rauf, und rathe dir ein Gleiches. Der Vorzug ist’s der Worte vor den Thaten, Sie schäd’gen nur, wenn man sich ihnen leih’t. — Nun laß’ von And’rem uns, von Nöth’germ sprechen. Der König zieh’t nach Halisch mit dem Heer, Des Reiches alte Rechte zu bewahren; Mit Tages Anbruch will er heute fort. Ich bin beschieden, sammt den andern Räthen, Zu hören noch sein königlich Gebot. Ich geh’ auf’s Schloß. Wie? Jetzt? Warum denn nicht? Jetzt, da das Haus von jenen tollen Haufen Umlagert steh’t? Mein Kind, gib dich zufrieden! Die lauten Kläffer scheu’ ich nicht zumeist. Ich geh’ in meines König’s Dienst und Auftrag. Und dann — hätt’ ich dies Haupt an sechzig Jahre Aufrecht getragen unter Sturm und Sonne, Damit ein junger Fant sich muthig fühlte, Zu mehr, als d’rauß’ zu lärmen vor der Thür? (Auf die Brust schlagend.) Sey ruhig, Kind, mein Wächter geh’t mit mir! — Ich also will nach Hofe. Du indeß, Wenn’s anders dir gefäll’t, zieh’ dich zurück In’s Innere des Hauses. Hör’st du wohl? Verlischt das Licht hier, und ermangelt Antwort, So wird der Polt’rer seines Polterns satt, Und geh’t zuletzt von selbst. Willst du, mein Kind? Wie gern! Nun denn, leb’ wohl! Noch einen Kuß. Doch nein! So aufgeregt, das hieße rauben. Komm’ ich zurück, so gibst du ihn wohl selbst. (in seine Arme eilend). Mein Gatte! ( Geschrei auf der Gasse .) Bancbanus! Ho, Bancbanus! Lärmet, lärm’t nur zu! (Die Hand auf Ernys Herz legend.) Wenn’s ruhig hier, (auf seine eig’ne Brust.) ist hier auch Alles Ruh’! (Geht ab. Die Diener folgen.) (bleibt in horchender Stellung, nach der Thüre gekehr’t, stehen). Er geh’t. — Nun sind sie still. — Horch! — Es war nichts. (die ein Licht ergriffen hat). Beliebt’s Euch, gnäd’ge Frau? Ja so! — Ich komme. (Zum Gehen gewendet.) Sonst war der Prinz doch artig, scheu vielmehr. Was sah er wohl an mir, das ihm zu solchen Tolldreistem, frevlem Treiben gab den Muth? — Komm’, komm’! Wir wollen noch ein Stündchen schlafen. (Geht ab. Die Kammerfrau mit dem Lichte voran.) (Straße vor Bancbanus Hause.) ( Otto von Meran , und Edelleute von seinem Gefolge. Sie halten zum Theile musikalische Instrumente.) Das Licht verschwindet oben in der Kammer. Beachtet man so wenig unser Thun? Schlag’ Einer an das Thor, und jubelt laut! Ich will ihn reizen, will! und gält’s das Aergste! (am Thore horchend). Der Riegel klirr’t — man dreh’t den Schlüssel, Herr! Der Feind thut einen Ausfall, wie es schein’t. Zieh’t Euch zurück, und harret, was geschieh’t. (Sie ziehen sich zurück.) (Das Thor wird geöffnet.) ( Bancbanus tritt heraus, vor ihm ein Diener mit einer Fackel.) (zum Pförtner). Verschließ’ das Thor genau, und öffne Niemand, Bis ich zurück gekehr’t. Hör’st du? — Nun gut! (Das Thor wird geschlossen.) (leise). Es ist Bancbanus selbst. Er geh’t nach Hofe. Geb’t ihm noch einen Aerger auf den Weg. (laut). Der Dachs fährt aus dem Bau. Windhunde vor! Melamp! Garzaun! Baff! Baff! Bau! Bau! Seh’t Ihr? Im Finstern stehen sie. Was kümmert’s dich? Geh’ mit dem Licht voran, und leuchte. — Fort! (Quer über die Bühne gehend, ab.) ( Otto nach vorn kommend.) Er ist nicht aufzubringen, nicht zu ärgern! Was ich beginn’, er spottet meiner Wuth. Ich will ihm nach, ich will ihn stehen heißen, Ihm lachen in sein glotzend Angesicht. Ihr werdet seh’n, die hochgekniff’nen Brauen, Sie senken sich um keines Haares Breite; Die Falten alle seiner Lederhaut, Sie bleiben, wie sie Zeit und Stumpfhelt bogen. Ich zupf’ ihn an dem Bart, er merk’t es nicht; Ich ras’ und tob’ — er aber frägt: Was nun? Setz’t mich nach Frankreich, bringt nach Wälschland mich; Der Mann, der Bruder, der mein Liebchen hütet, Er mische Gift, er sende Mörder aus; Den Todesdolch in der durchstoß’nen Brust, Will sterbend ich ihm sagen: wohlgethan! Doch dieser Gleichmuth foltert, martert mich. — Bringt Licht! Ich will mein Toben sehn! Allein, Bedenk’t, erlauchter Herr! Bedenken? Was? Die Nachbarschaft. Ich lache dieser Tröpfe! Ist meine Schwester Königin im Land’, Daß ich viel fragen soll nach Brauch und Sitte? Ich wollt’ ihn ärgern; seht, das war der Punkt. Ihn, der die Jagd mir hemm’t, die Lust verdirbt. Was kümmert mich sein Weib mit ihrem blonden Haar? Nicht einmal blond, aus Gelb und Fahl gemisch’t; Mit ihrem Antlitz, weiß und weiß, und weiß, Kaum auf den Wangen röthlich überstrahl’t. — Schön ist sie wohl! — Wenn dieses blaue Auge, So ernst und schroff, und doch so feurig auch, Wenn’s je — Ich sage dir, ich hab’s geseh’n, Wie sie, im vollen Kreis des ganzen Hofes, Die theilnahmlosen Augen — blau und groß — Nach mir hinrichtete, minutenlang, In starrer, wohlgefälliger Betrachtung. Von mir ertapp’t, von meinem Blick begegnet, Zog sie den ihren nicht verstohlen ab, Nein, noch verweilend, wie ein kühner Feind, Der nicht den Rücken kehr’t, und langsam weich’t, Ertrug sie die Begegnung, und erst spät, Willkührlich, nicht gezwungen, kehrte sie Von mir den frost’gen Strahl. — Es war nicht Liebe, Ich geb’ es zu; doch Wohlgefallen war’s. Allein, was kümmert’s mich? Was frag’ ich viel Nach ihr und ihrem Blick! — Noch and’re Weiber, Und schön’re Weiber gibt’s, und minder spröde. Mich reiz’t es nicht, zu schmelzen diesen Schnee, Zu Eis gedämm’t in ihres Mannes Gletschern. Den Mann zu ärgern gilt’s, der meiner Werbung Durch seine Sicherheit zu spotten schein’t. Was sonst sich gibt, als Zuthat nehm’ ich’s hin. Reich’t mir die Zither! Noch den letzten Sturm. (Der Hauptmann des königlichen Schlosses tritt auf, von einem Diener begleitet.) (zum Herzog). Wo weil’t der Herzog, Otto von Meran? Ist er zugegen? Nein! (zum Gefolge gewendet). Man sagte doch — (Otto’s Begleiter weisen schweigend auf ihren Herrn.) (zu Otto zurückkehrend). Verzeih’t, ich kannt’ Euch nicht, die Schatten trügen. Ich muß doch selber wissen, wo ich bin! Der Herzog ist nicht hier; er will nicht hier seyn. Doch sendet mich die Kön’gin, Eure Schwester. O, Schwesterliebe, lästig schon als Liebe! Was will sie denn, die Schwester, stets besorg’t? (halb leise). Sie läßt Euch bitten, eilig heim zu kehren. Der König will zur Stunde fort. Sie hoff’t Ihn noch ein Weilchen aufzuhalten, und Das Aeußerste, das Letzte zu versuchen, Um ihren Wunsch, sich Euch, so lang’ er fern, Beizugesellen in des Reich’s Geschäften, Beim Abschied zu erlangen. Zwar, sie zweifelt; Doch soll’t Ihr heim, damit, wenn’s doch gelänge, 2 Ihr Euch beflissen zeig’t, durch kluge Worte Befestiget den Eindruck, den sie hoff’t. Nun denn, es sey! — Es ist ihr Lieblingswunsch: Sie füg’t sich gerne sonst auch meinen Wünschen! Obgleich mich selbst erborgte Herrschaft, Getheilte Herrschaft nimmermehr erfreu’t. — Kommt, die Belagerung ist aufgehoben! Der Feind erhole sich, und träum’ indessen Von seinem, — der zuletzt wohl unser Sieg. (Alle ab.) (Saal in der königlichen Burg.) ( König Andreas , völlig gerüstet, tritt aus der Seitenthüre links. Die Königin , im Nachtkleide, folgt, ihn zurück- haltend. Ein Kämmerer , der des Königs Helm trägt, öffnet die Thüre.) Ich bitt’ Euch, weil’t noch länger, mein Gemahl! Geliebtes Weib! Du weißt, es drängt die Pflicht. Doch dräng’t auch Liebe Jeden, der sie fühl’t. Schon eine Stunde gab dir der Gemahl, Der König darf dir keine zweite geben. Der Tag bricht an, das Heer erwartet mich. (Zum Kämmerer.) Ruf’t meine Räthe, ruf’t den ganzen Hof, Daß sie vernehmen ihres König’s Willen. (zum Kämmerer). Halt noch! — Verzeih’t! Es ist die Gattin nicht, Es ist das Reich, das noch zwei Worte fordert. (Zum Kämmerer.) Verweil’t im Vorgemach’, bis man Euch ruf’t. (winkt gewährend. Der Kämmerer geht ab). Ich weiß, Ihr ruf’t den Hofhalt und die Räthe, Um für die Zeit, da Ihr vom Lande fern, Zu ordnen die Regierung, das Geschäft. Den ersten Platz im Staate nun, ich weiß es, Weil Eure Lieb’ ich kenn’, und Ihr’s versprach’t, Bestimmt Ihr mir, der Mutter Eurer Kinder, Der treu’sten Hüterin von ihrem Erbe. In so weit dank’ ich Euch, und bin zufrieden; Doch ist noch Ein’s, das mich mit Sorg’ erfüll’t. Und was, Gertrude? Sprich! Ihr hab’t erklär’t — Ob nun mit Recht, mit Unrecht, stell’ ich hin — Daß Manches sich ergibt im Kreis’ des Herrschers, Das rasch persönliches, selbsteig’nes Walten, 2 * Zuthun und Fassen fordert und beding’t, Und eines Männerarm’s bedarf. So ist’s. Den Mann nun, der vollziehe, was beschlossen, Erübrig’t noch zu nennen, zu bestimmen. Auch dafür ist gesorg’t O stille! still! Sprech’t keinen Namen aus, der, ausgesprochen, Zu Schlüssen stämpelt prüfende Gedanken, Und Euch zu halten nöthig’t das Gesagte; Nicht weil es gut, nein, weil Ihr es gesagt. — Wenn Ihr mich liebt, wenn ich Euch jemals werth, So geb’t den Herzog, meinen Bruder, mir Als Mitgenoß’ des fürstlichen Geschäft’s. — Ich seh’ es, Eure Stirne runzelt sich. Ihr lieb’t ihn nicht! — Schon oft hab’ ich’s bemerk’t, Mit Schmerz, mit tiefem Kummer es bemerk’t, Ihr lieb’t ihn nicht! Ich liebe, was ich achte. So achtet Ihr ihn nicht? Wer darf das sagen? — O glaub’t nicht, was der Neid von ihm berichtet, Die Scheelsucht, die nur lob’t, was klein, wie sie. Der Schwester glaub’t, die ich ihn kenn’ und liebe; Die ich ihn liebe, ja! denn wahrlich, Herr, Die Liebe nur erkennt und ist gerecht. Ihr geb’t ihm Fehler. Sey’s! doch schau’t um Euch! Wo leb’t der Mann hier Landes, ihm vergleichbar? Sprech’ ich zuerst von seines Aeußern Gaben? Wie sie so herrlich sind, unübertroffen, Und alle dienstbar seinem kühnen Geist’. Sein blitzend’ Aug’, es blitz’t auch auf die Feinde; Der frische Mund macht Ueberredung süß; Die Heldenbrust, der Glieder kräft’ger Bau, Verkündet ihn als Herrn und als Gebieter. Glaub’t Ihr, ein Meuter wagte zu besteh’n, Mit dem Gefühl der Schuld in seiner Brust, Vor eines Solchen Blick? — Fürwahr, fürwahr! Des Geistes hohe Gaben acht’ ich alle, Doch erst, wenn so des Aeußern Trefflichkeiten, Herolden gleich, vor ihnen her trometen, Dann zieh’n sie ein als Könige der Welt. Du bist begeistert. Ja, ich bin’s, und Weh’ mir, Wenn ich’s nicht wäre, wo es Würd’ges gilt. Sag’t selbst, ist nicht mein Bruder tapfer, klug, Entschlossen und verschwiegen, listig, kühn, Kein Zaud’rer? Ja. Was fehl’t ihm also? Sitte. Nun, er ist jung! Viel geh’t der Jugend hin, Und Viel erreicht sie selbst durch ihre Fehler. Er ist geschäftlos. Geb’t ihm ein Geschäft! Und dann — was thut er auch? — Er schwärm’t, er lieb’t. In Frankreich achtet man den Jüngling wenig, Der nicht bei Weibern gilt, im Zwist der Minne Den Geist vorübend schärf’t für ernstern Zwist. So üb’ er sich in Frankreich, wo man’s duldet, Und abgeklär’t, sey er willkommen mir. Von andern Völkern borg’t das Schlimme nicht, Wer weiß, ob Euch erreichbar ist ihr Gutes? Der Franke mag durch manche hohe Gaben Den Leichtsinn adeln, dem er gern sich gibt; Mein Land bewohn’t ein einfach stilles Volk, Zu jeder Art des Guten rasch und tüchtig, Doch Sitte hält ihr unverrückbar Maß Streng zwischen Allzuwenig, und zu Viel, Und bann’t den spröden, überscharfen Sinn. So ist, so muß es seyn, so soll es bleiben! (Geht gegen die Mittelthüre zu.) Hör’t nur noch Ein’s. — Ihr nanntet oft mich stolz, Ein kühnes Weib, vergleichbar einem Mann’. Ich war’s — ich bin’s — und doch — seh’t mich hier knie’n. (Sie kniet.) Geb’t meinen Bruder mir als Reichsgehülfen! Gönn’t ihm den Namen nur! Ich will ihn hüten. Er soll nichts thun, um was ich nicht gewußt. Wie einem Vogel man die Flügel schneidet, Nun hüpf’t er frei, und dünk’t sich frei, und ist’s nicht; So will ich halten ihn, mit Liebe füttern, Und er soll Dank mir zwitschern, und gedeih’n. Gönn’t ihm den Namen nur, daß er sich fühle, Zufrieden sey, zum erstenmal zufrieden. (Der König hat sie aufgehoben.) Ihr seh’t mich schwach. Ich schäme mich, und doch Kann ich nur wiederholen: Thut’s, o thut’s! Macht mich der Bruder eifersüchtig nicht? Nicht so! Ich liebe dich, weiß Gott, wie innig! Doch war die Zeit, da ich dich noch nicht kannte; Erst nach durchlebter Jugend fand ich dich, Und seitdem wandelt auch mein Geist mit dir. Doch er — an seiner Wiege stand ich schon, Er war die Puppe, die ich tändelnd schmückte; Mein Vaterland, der Eltern stilles Haus, Mein erst’ Gefühl, die Kindheit leb’t in ihm. Ich grollte stets, daß ich ein Mädchen war, Ein Knabe wünscht’ ich mir zu seyn, wie Otto. Er wuchs heran. — In ihm war ich ein Jüngling, In ihm ging ich zur Jagd, bestieg das Roß; In ihm lockt’ ich des Burgwart’s blöde Töchter. — Ihr wiss’t, wie ich die Zucht als Weib gehalten; Doch that mir’s wohl, in seinem kecken Thun Traumweis’ zu überfliegen jene Schranken, In die ein enger Kreis die Weiber bann’t. Er ist mein Ich, er ist der Mann Gertrude, Ich bitt’ Euch, trenn’t mich nicht von meinem Selbst! Soll er mein Helfer seyn, wir wollen leben, Wie drei Geschwister: Euer Volk das dritte. Soll er? Was mach’st du, Weib, aus mir? Soll er? Nun wohl, ich will ihn sprechen. Dank, o Dank! Du dank’st zu früh! Nur einen Theil der Macht, Das Heer vielleicht, soll er indeß verwalten, Und unter Aufsicht. Unter mir, das Ganze. (mit dem Fuße stampfend). Hollah! (Der Kämmerer tritt ein.) Ruf’t meinen Schwager, Herzog Otto. — — Ihr zögert? — Herr — (gegen den Kämmerer, der indeß Geberden gemacht hat). Mein Bruder ist nicht wohl. (zum Kämmerer). Bei deinem Kopf! Wo ist der Herzog Otto! Herr! nicht daheim. Seit wann? Die ganze Nacht. (zur Königin.) Ihr seh’t, der Reich’sverweser hat Geschäfte, Wir wollen sie nicht lästig noch vermehren. (Er öffnet selbst die Mittelthüre.) Herein, wer noch im Vorsaal! Herr’n und Räthe! Laßt uns besorgen, was noch weiter oblieg’t. (zur Königin). Erlauchte Frau — Daß du verdammt wär’st! (Sie zerreißt ihr Schnupftuch.) (Die Großen und Räthe sind indeß mit Verbeugungen einge- treten. Darunter Bancbanus , die Grafen Simon und Peter . Sie ordnen sich im Mittelgrunde. Der König steht vorn am Tische rechts. Die Königin ihm gegenüber auf der linken Seite.) Edle Herr’n! Die Pflicht ruft mich aus Eurer Mitte fort. Galizien, das Ungarns altes Anrecht, Durch Erb’ und Unterwerfung uns zu Dienst, Man sucht durch Trug und schlaugelegte Ränke Es abzuzieh’n von der beschwornen Pflicht. Mein Heer erwartet mich, daß wir versuchen, Was die Gewalt vermag im Dienst’ des Recht’s. Ich scheide. Lebet wohl! Damit indeß — (Herzog Otto kommt, sich durch die Versammlung durchdrängend, die er mit den Augen mustert.) Wie! Keine Frauen hier? Nur Bärte, Bärte? — Ah, Schwester! Sieh, Unsel’ger! Dort der König! Nun schön! Ich dacht’, Ihr wär’t schon abgereis’t. (Geht auf ihn zu.) Beliebt’s Euch, tretet dorthin, Herr! Wir haben Noch ein’ge Kleinigkeiten abzuthun. — Nicht hier! Ich bitt’ Euch, dort! — Wir werden eilen. ( Otto geht quer über die Bühne und stell’t sich in die Nähe der Königin.) Nun denn, so lang’ ich fort, vom Lande fern, Wird meine Frau hier, Eure Königin, Vertreten meine Statt. — Ihr geb’t die Ehren, Sonst mir gezoll’t. Sie wird im Rathe sitzen, Vollzieh’n mit Unterfert’gung das Geschäft. Sie theil’t Belohnung, leih’t im Lehenhof’; Was Gnade gibt, empfäng’t man nur durch sie. In Sachen blos des Recht’s, und was noch sonst Des kühler’n Blick’s bedarf, und dies Papier benenn’t, Stell’ ich an ihre Seite zum Genossen, Der auch im Rathe sitz’t, und ohne den Nichts von dem Uebrigen auch wird verhandelt; Der stets den Vortrag führ’t, und mir berichtet, Wo sich in Wichtiger’m die Meinung theil’t — (Pause, in der er die Räthe fixirt.) (zu Otto). Unglücklicher! warum kamst du so spät? In alle dem zum Reich’sgehülfen nenn’ ich — Tritt vor, Bancbanus! — Hier! — Ernenn’ ich dich! Sey du ihr Aug’ und Ohr, sey Hand und Arm, Sie wird der Geist seyn, der durch dich gebietet. Stets war’st du treuer Diener deines Herrn, Du wirst’s auch hierin seyn. Ach, Herr, bedenk’t — Es ist bedacht! Ich bin ein schwacher Mann. So minder wohl verlock’t dich die Gewalt. Bin alt. Ist Herrschen denn ein Knabenspielwerk? Ich hab’s gesag’t, und reif erwogen auch, Dein Weigern zeig’t mir, daß ich recht gewähl’t. Wo ist mein Sohn? Bring’t meinen Sohn zum Abschied! — Hier, dies Papier bezeichnet deinen Kreis; Wie vorwärts nicht, so rückwärts nicht gefuß’t! Denn, was du darfst, ist dem gleich, was du mußt. Kannst du den Herzog hier im Heere brauchen, So thu’s; wenn nicht, ich stell’ es dir anheim. Geh’ hin, und küß’ die Hand der Königin; Sey ihr zu Dienst, und bitt’ um ihre Gnade. — Wo ist mein Sohn? (sich der Königin nähernd). Erlauchte Frau, erlaub’t — (ihre Hand heftig zurückziehend). Tolldreist und Thor! Was ist? — Gertrude — wie? Verweigerst du die Hand dem Manne, dem — Gott und Gericht! Ist das der volle Dank? Beginn’t der Unfried’, eh’ ich noch geschieden? — Gib deine Schrift! — Bancbanus, gib die Vollmacht! Vor Weiter’m will ich wohl mein Land bewahren! Die Königinnen saßen sonst am Kunkel, So lang’ ihr Mann im Feld. — Bancbanus, gib! Ich will Euch Grenzen setzen, daß Ihr’s wahrnehm’t, Und wär’t Ihr blind vor Hochmuth und vor Grimm! Hier, meine Hand! Ich werd’ Euch gnädig seyn, Wenn Ihr’s verdien’t. Geh’ hin, Bancban, geh’ hin! Was? Seh’ ich recht? — Wohl eine Thräne gar? Ich sagt’ Euch’s, Herr! Ich tauge nicht dafür. Du taug’st, mein Freund, nur du. Küss’ ihre Hand! Ob heftig zwar, ist sie gerecht und klug. (Man hat den kleinen Bela gebracht. Bancbanus küßt die Hand der Königin .) Und nun, leb’t wohl! Gertrude, theures Weib! Bela, mein Sohn! Mein gutes, liebes Kind! Leb’t wohl, Ihr Alle, alle meine Freunde! (Zu Bancbanus.) Vor Ander’n aber wend’ ich mich zu dir, Dem ich mein Haus vertraue, Weib und Kind. Als ich dich wählte, dacht’ ich Ruhe mir, In Feld und Stadt, in Schloß und Hütten Ruhe. Die fordr’ ich nun von dir. Kehr’ ich zurück, Und finde sie gestör’t, die fromme Ruhe; — Nicht strafen werd’ ich dich, nur dich vermeiden, Und stirbst du, setzen auf dein ruhmlos Grab: Er war ein Greis, und konnte sich nicht zügeln, Er war ein Ungar, und vergaß der Treu, Er war ein Mann, und hat nicht Wort gehalten. — Doch wird’s nicht kommen so, ich weiß, ich weiß. Leb’t Alle wohl, und Gott sey über Euch! (Er geht.) (drängen sich um ihn, indem sie rufen): Heil auf den Weg! Glück zu! Kehr’t siegreich wieder! ( Der Vorhang fällt ). Zweiter Aufzug . (Saal im königlichen Schlosse. Im Hintergrunde führ’t eine große, zu Anfang geschlossene, Pforte nach den äußern Gallerien. Rechts, im Vorgrunde, ein erhöhter Lehnsessel, im Halb- kreise herum mehrere Stühle. Seitenthüren. Zunächst der Thüre rechts ein bedeckter Tisch.) ( Die Königin sitzt, von den Räthen umgeben, Bancbanus , Schriften in der Hand, steht, und trägt vor.) O bgleich die Kinder zweiter Ehe nun Dagegen Einspruch thun, so sagt ein Blatt, Vollzogen vom Testator eigenhändig, Ein rechtsbeständig, kräftig Codicill — Wo steck’t es nur? (Seinen Nachbar anblickend.) Ihr, Schwager? Seyd so freundlich, Und haltet mir die Schriften, daß ich suche. (Er gibt Graf Petern einen Theil seiner Schriften, und sucht in den übrigen.) (Herzog Otto tritt zur Thüre linker Hand ein.) Noch nicht geendig’t? Eben. (Zu den Räthen.) Gut für heute! Die Sitzung, edle Herr’n, ist aufgehoben! (Die Räthe stehen auf, die Königin tritt zu ihrem Bruder.) (noch immer suchend). Mein Schreiber hat’s verschoben. Daß dich doch! Wie er mich lang’weilt nur, der alte Thor! Glück auf, Ihr Herr’n! Wir sehen uns demnächst. (Sie entläßt mit einer Kopfneigung die Räthe, diese gehen.) (zu Otto). Ich merke festlich Treiben hier im Schloß. Was schaff’t man? Seh’t, da hab’ ich’s doch gefunden! Kraft dieses Dokument’s — Wo sind die Räthe? Sie gingen, so geduldig nicht als ich, Im Schloßhof wohl nach Eurer Schrift zu suchen. (lacht laut auf). 3 (die Schrift emporhaltend). Hier ist die Schrift! — Nu, nu, im nächsten Rath Erwäg’t man — Sprach ich denn nicht schon: »Gewähr’t?« Gewähr’t? Gewähr’t? Lag diese Schrift nicht vor, So war nichts zu gewähren. (Er steckt die Schrift wieder unter die Papiere.) Liege du! Zu seiner Zeit kommt noch das Wort an dich! Was also sind die Festlichkeiten, die — Kommst du mit mir, so sollst du selber seh’n. (gibt ihm den Arm). Vorerst nur Eines noch — Das nenn’ ich lästig! Der Fall ist lästig, ja, und dringend auch. Landfahrer haben, höchst verdächtig Volk, Bei Bihar sich gezeigt. Es wird nun nöthig, Zweihundert — Säcke! Wie? — Es wird nun nöthig, Zweihundert — Säcke! Reiter, gnäd’ger Herr, Dahin zu senden. Wenn Eu’r Gnaden Bruder, Der Herzog, nun nach Thätigkeit verlang’t, So könnte man der Reiter Führung ihm — Sehr gnädig, in der That! Das ist zu viel! Ihr schmeichelt, wie das Thierchen in der Fabel. Mein Bruder soll zweihundert Reiter führen? Schick’t Euren Schwager — Euren — was weiß ich?! Wie Ihr befehl’t. — Und schweig’t für jetzt; ich bitte. 3 * — Wem also gelten jene Festlichkeiten, Die man bereitet, seh’ ich, rings im Schloß? Ich wollte früher schon dir Alles melden, Doch diese Herr’n — (Zu Bancbanus.) Beliebt’s Euch, Platz zu nehmen? Wie, oder dünk’t Euch ein Spatziergang besser In freier Luft? Wir haben schönes Wetter. Ich bleibe noch; ich bin noch nicht zu Ende. Wie also? Sprich! Du weißt, wir feiern heute Das Wiegenfest des Kleinen, deines Sohn’s. Die Herren sind, die Frau’n bei ihm versammelt, Und binden ihn mit kleinen Gaben an. Da hab’ ich denn gewag’t, in deinen Zimmern Dem Feste zu bereiten noch ein Fest. Die Meinung war, dich erst zu überraschen, Doch lieb’st du, weiß ich, Ueberraschung nicht. D’rum sieh, ach, und verzeih’! (Er hat die Seitenthüre rechts geöffnet, die Königin sieht hinein.) Du guter Bruder! Nun hier noch. (Er klatscht in die Hände, die Seitenthüre links öffnet sich.) (Der kleine Bola läuft herein, mit kindischen Gaben schimmernd behangen. Hinter ihm Herren und Damen , darunter Erny .) Mutter! Mutter! (zu ihm niedergekauert, und ihn küssend). O, mein Kind! (Ihrem Bruder die Hand drückend.) Was soll ich sagen? (Zum Kinde.) Und so reich beschenkt! — Habt Dank, Ihr Herr’n, Ihr edlen Frauen, Dank, Für Alles, was Ihr unserm Sohne gönnt. Wir stünden tiefer noch in Eurer Schuld, Wenn unser Bruder, Herzog Otto hier, Nicht der Vergeltung Pflicht auf sich genommen. Nehm’t Theil denn an dem Feste, an den Freuden, Die er für uns, die er für Euch ersann. Es ist zwar noch am Tag; allein wir wollen Mit Lust den freud’gen Abend führen ein. — Graf Iwan, Dank! — Ei, Gräfin Erny, gönn’t Ihr Uns auch einmal die schöne Gegenwart? Wir rauben stündlich Euren Gatten Euch, Und nicht zu seiner Freude, fürcht’ ich fast. Er findet uns zu schülerhaft, zu leicht. (Zu Otto halblaut.) Du arger Schalk! Das Fest galt also mir? Ich denk’, du gabst dir’s selbst und deinen Wünschen. Ihr zürn’t doch nicht? Was Scherz ist, tadl’ ich nicht. — Nun auf! Ein Jedes wähle den Gefährten, Dem es bei Tanz und Tisch die Rechte gönnt. — Nicht so! — Nein, das Verbund’ne lass’t uns trennen! Des Gatten, des Geliebten Recht erlisch’t Beim frohen Fest, das Fremdes soll verbinden. Ich selbst, da es der Königin nicht ziemt, Im Scherz auch einen Mann als Freund zu grüßen, (Zu Erny.) Erwähle, Gräfin, Euch mir zum Gefährten, Wenn nicht vielmehr zum Manne mich für Euch. Geb’t mir die Hand — die rechte! (Ernys Hand in ihre beide fassend.) Glaub’t, ich lieb’ Euch! Mein schönes Kind, ich lieb’ Euch, weiß es Gott! Wir tanzen nicht, wir wandeln durch die Gäste, Und wenn der Hausfrau rings besorgte Pflicht Mich von Euch ruf’t, so soll mein theurer Bruder Vertreten meine Statt. Dann tanz’t Ihr wohl Ein Schrittchen, oder zwei. — Seyd Ihr’s zufrieden? Mein frommes Kind, ich lieb’ Euch wahrlich sehr! Nun fort! (Die Gäste, die sich Paarweise in Ordnung gestellt haben, setzen sich in Bewegung.) (zu Bancbanus, der noch immer im Vorgrunde rechts steht). Was aber machen wir mit Euch? (Während des Vorigen ist die Thüre der Gallerie geöffnet worden. Diese ist mit Leuten aller Art angefüllt, die zum Theil Bitt- schriften halten.) Wer sind die Leute da? Eu’r hoher Gatte Empfing um diese Stunde die Suppliken, Bittschriften aller Art. Thut’s denn statt mir! Ihr lieb’t die Feste nicht. Weiß Gott, ich fürchte, Ihr tadelt mir den Tanz, das Mahl, die Gäste. Bleib’t hier, und hör’t, was Jene dort begehren. Hier ist ein Tisch, Papier und Feder hier. Für eines Jeden Unterhaltung sorg’ ich. Eu’r Weibchen soll indeß’ Euch nicht vermissen; So viel trau’t mir nur zu! — Beliebt’s, Ihr Herr’n? (Sie geht mit Erny an der Reihe der Gäste vorüber in die Sei- tenthüre rechts ab. Die Gäste folgen.) (zu einigen Dienern, die zurückgeblieben sind). Rück’t mir den Tisch ein wenig seitwärts. — So! Du läss’st die Leute vor. Du übernimmst Die Schriften, die sie reichen, leg’st sie hieher. — Die Feder ist wohl stumpf? (Hält sie vors Auge.) Nu, nu, sie geht. Nur Ordnung sag’ ich Euch. (Zum ersten Supplicanten.) Was also willst du? (Er entfaltet die Bittschrift.) Jan Farkas. — Ei, mit deiner alten Bitte! Hat dich der König nicht schon abgewiesen? Nun glaub’st du wohl, weil er vom Lande fern? Der König ist noch da. Hier, siehst du, steht er; Und drinnen — (Auf das Zimmer der Königin zeigend, vor sich hin.) Nu, weiß Gott! d’rin hüpft und tanzt er. (Laut.) Nichts da! Geh fort! Laß Besser’n deine Stelle. (Ein Zweiter tritt vor.) Die Erbschaftssache? Nu, wir wollen seh’n! Im heut’gen Rath kam’s noch nicht zur Entscheidung; Im nächsten wird’s geschehn. Glück auf, mein Freund! ( Hofleute gehen vorüber in die Zimmer der Königin. Sie zeigen mit dem Finger auf Bancbanus, und flüstern sich in die Ohren.) (zu einem Dritten). Entschäd’gung? Weil der Prinz auf letzter Jagd Die Saat verwüstet. — Er? — Der Prinz allein? Die ganze Saat? Wohl nur des Prinzen Jäger? Weßhalb denn schreibst du: »Er?« Wo bleibt die Achtung, Verwünschtes Volk! für Eurer Fürstin Bruder? — Man wird den Schaden schätzen und vergüten. Ich bin ermüdet; bringt mir einen Stuhl. (Ein Stuhl wird gebracht. Er setzt sich.) (Ein Edelmann vom Gefolge des Prinzen, eine Dame füh- rend, aus dem Seitenzimmer links. Ein Kämmerer öffnet.) (zur Dame). Ihr müßt zum Fest; die Königin nimmt’s übel. Sey’s auch, daß Ihr nicht wohl, so tanz’t denn nicht; Doch kommen müßt Ihr. Es geht glänzend her. Was ist denn hier? Gehört das mit zum Fest? (Der Kämmerer spricht leise zu ihm, wobei er lachend auf Bancba- banus weist.) (zu andern Bittwerbern). Was knie’t ihr? auf! der König duldet’s nicht; Und ich soll knieen seh’n von meines Gleichen? Ich bin ein Unterthan, wie And’re. Auf! (lachend). Nu, das ist lustig! — Laßt uns denn hinein! (Zu Bancbanus im Vorbeigehn.) Seyd Ihr der Pförtner, Herr, des heut’gen Fest’s? Was zahl’t man Eintritt? Klugheit nicht; Ihr blieb’t sonst haußen wohl! (Edelmann und Dame ab.) Verwünschtes Volk! (Die Bittschrift in der Hand.) Ich sehe wohl, warum ihr erst geknie’t. — Die Bitt’ ist unstatthaft. Seht doch! Zeh’n Goldstück Für jede Lieferung! — Nicht acht! Nicht fünf! (Ein Diener reißt die Seitenthüre rechts auf und schreit.) He, Wasser und Citronen! (zur entgegengesetzten Seite hereinkommend, schreit eben so). Hier! Nu, nu! Ein wenig sacht’! Hier sitzt er! Blitz! Derweile Setzt Herzog Otto seinem Weibchen zu. Lass’ ihn uns schrauben! — Edler Herr! Befehl’t Ihr Ein wenig Wasser zu höchst nöth’ger Kühlung? Ja, ja, mein Sohn, gib her! (Er nimmt das Glas.) (Die beiden Diener platzen in Lachen aus und laufen davon.) Was soll denn das? Die Grafen Simon und Peter stürzen erhitzt aus dem Zimmer der Königin.) Es ist zu viel! Bancbanus, du noch hier? Wo anders sonst? Fühlst du denn nicht? — O, sag’ ihm’s, Sag’ ihm’s, ich bitte dich, mich würg’t der Zorn. Fühl’t Ihr denn nicht, daß Ihr der Spott des Hofes? Der Spott? Warum? Daß draußen vor der Thür — Ich übe, was mein Amt. — Ei spottet nur! (Nach rückwärts gekehrt.) Die Ford’rung ist zu hoch, mein guter Freund. Acht Thaler sind genug. Das, Schreiber, schreibe! Bancban, auf Tod und Leben, höre mich! Heiß diese Leute geh’n. (Auf die Bittwerber zeigend.) Du scherzest wohl? Nun denn, auf die Gefahr, daß sie uns alle hören! (Halblaut.) Indeß du hier den Pförtner spielst des Festes — So nannten sie dich d’rin und lachten! — lachten! — Umschwärmt der Prinz dein Weib. Ich kann’s nicht ändern; Kann ihn nicht ändern, wollt’ ich’s noch so gern. Er tanzt mit ihr. Zum Tanz ward sie geladen. Drückt’ ihr die Hand. Er krieg’t den Druck nicht wieder, Dafür bin ich dir gut. Bist du so zahm? Hab’ Mitleid mindestens mit deinem Weibe. Sie fühl’t die Schmach, der Scheelsucht Spötterblicke; Kaum hält des Hofes Brauch sie noch beim Fest. Doch Unwill’ glüh’t in ihrem Angesicht’. Doch Unwill’ glüh’t in ihrem Angesicht’! Das sagst du selbst, und willst, ich soll sie hüten? Tanz’ zu! Tanz’, Erny, zu! Du wahr’st dein selbst. (Kehrt zu den Bittschriften zurück.) Nun denn, so dulde, was du dulden willst! Ich kehre heim. Und ich zum Tanz zurück. Und wag’t er’s, seiner Frechheit Raum zu geben, Durch leiseste Berührung nur der Hand, So straf’ ich auf der That sein ruchlos Werben, Und Blut soll ihres Tanzes Estrich färben! (Die Hand am Säbel, durch die Seitenthüre rechts ab. Simon geht auf der entgegengesetzte Seite.) (Herzog Otto aus der Seitenthüre links, mit einem Begleiter .) (im Auftreten zu Simon). Ist Gräfin Erny hier? Seht selbst, und seht Euch vor! (Ak.) Unhöflich Thier! — Wo aber ist sie hin? — Ihr Gatte hier? — Mit Ein’s war sie verschwunden. (Zu seinem Begleiter.) Sagt ich dir nicht, du soll’st auf jeden Schritt —? Komm’, und vollführe, was ich sonst gebot. (Im Vorübergehen.) Bancban, ist Eure Gattin schon nach Hause? Ich weiß es nicht. Nu, nu, es soll sich weisen! (In den Tanzsaal ab.) Hier ist es allzulaut. Kommt, folget mir! Im Vorsaal draußen, auf den innern Gängen, Macht leichter das und ruhiger sich ab. Die Königin verzeih’t wohl solchen Wechsel. (Er faßt die auf dem Tische liegenden Papiere zusammen.) ( Erny erhitzt und schwer athmend, kommt, sich unter den Sup- plicanten wegdrängend, durch die Mittelpforte.) Hier endlich, hier! Nun, Gott sey tausend Dank! Je, Kind, was kommt dir an? Vom Tanz erhitzt! Du gingst wohl durch den Schloßhof? Herr und Gott! Es kann dein Tod seyn, schneidend weh’t die Luft. Du böses Kind, was machst du mir für Sorge! Nun ist es gut! Weil nur bei dir! O, gut! (Sie setzt sich in den Stuhl.) Zu luftig ist es hier. Zurück zum Tanz! Ein Reihen oder zwei, erwärmt dich wieder. (aufspringend.) Zum Tanz? Ich weiche nicht von deiner Seite! So drück’ ich mich in deine Nähe, so. Trotz sey geboten, wer von hier mich trennt. Und dennoch muß es seyn. Sieh hier, Geschäfte. Ich geh’ mit dir, ich falte dir die Blätter, Ich streue Sand, wie ich wohl oft gethan; Doch nicht in jenen Saal mehr. Nein, fürwahr! Was war denn? Nichts. Doch geh’ ich nicht von dir. Bancbanus Weib steh’t gut in seiner Nähe, Des Reichsverwesers Frau gehört zum Fest. Gib sie zurück denn dieses Amtes Bürde, Sey Ernys Gatte blos, mit ihr beglück’t. Was fällt dir ein? Weil du nicht gern beim Fest’, Soll ich von Hof’, Unfrieden herrschen lassen, Verwirrung rings im Land? Ich hab’s versprochen, Dem König angelobt bei seinem Scheiden, Den Frieden zu bewahren hier, die Ruh’, Und werd’ es halten, trifft was immer zu. Dem Dienste folg’ ich, folg’ dem Feste du! (Die Stiege herauf tönt Geräusch von Stimmen und Schwert- geklirre.) Was ist? — Horch! — Schwerterklang!? (Zu einem Diener , der hereinstürzt.) Mein Freund, was gibt’s? Herr, Eures Bruders Diener und des Prinzen! Sie streiten, sie sind handgemein; man ficht. Die Diener meines Bruders? Wer gab Anlaß? Des Prinzen Leute reizten sie durch Spott. Gleich viel? Wo ist mein Schwert? Ich will mit Euch! Ihr wagt Euch sonst. Bist du nicht klug? Bleib’ hier! ( Kämmerer kommt aus dem Zimmer der Königin.) (zu Erny). Die Königin verlangt nach Euer Gnaden! Hörst du? Geh’ hin. Ich schlicht’ indeß die Fehde. (Zu den Supplicanten.) Ihr harret an der Treppe, bis die Ruh’, Neu hergestellt, uns Muße gibt zur Rede. (Er geht, die Uebrigen folgen.) Er geht. — Wo ist der Kämm’rer, der mich rief Zur Königin? — Gleich viel, ich will nur hin! — Was kann der Prinz auch thun? Ich war wohl thöricht! Zurück zum Fest und ihm in’s Aug geblickt! Du aber Gott, du gib mir Muth und Kraft, Der Unbill zu begegnen mit Verachtung! Gib, daß kein Wort, kein Wink, kein Laut 4 Bestät’ge was er meint und was er hofft! — Doch erst das Haar geordnet und die Kleider, Verrathen möchten sie mein kindisch Zagen, Deß wär’ er froh, allein da harre du! (Im Vorgrunde stehend, und die Locken an den Fingern auf- wickelnd.) Sie glauben, weil ich selten sprech’ und wenig, Ich könne mich nicht wahren, nicht vertheid’gen. Mein Vater sprach wohl oft: Sie hat’s im Nacken! Ich hab’ es auch! Ihr sollt noch wahrlich seh’n! — (Sie betrachtet noch ihre Schuhe.) Nun ist es gut. Der Schuh sitzt fein genug! Nun ist es gut. Nun will ich nur hinein. ( Otto , der, während der letzten Worte, durch die Seiten- thüre rechts, leise eingetreten ist, nähert sich jetzt von hin- ten, ihre beiden Arme mit dem Aeußersten der Finger be- rührend.) Verstärkt Ihr noch die Macht so vieler Reize? O, schmückt Euch nicht, wir sind schon wund genug. (links nach dem Vordergrunde zurückweichend). O Gott; er selbst! Ich bin’s, und hochbeglückt, Daß die Gelegenheit, so oft gesucht, Und nie gefunden, günstig dar sich beut. So glaubt Ihr? — Laßt mich! Ich will fort! O bleib’t! Der Königin Befehl — (vorkommend). Er ist erdichtet, Von mir erdichtet; so wie jener Streit, Der Euren Gatten in dem Schloßhof hält, Auf mein Geheiß sich, auf mein Wort entspann. Ich wollt’ Euch sprechen, und ich thu’s, beim Himmel! Es komme, was da will. Der Ort ist günstig, Das Fest hat aus der Nähe sich gezogen, In fernen Zimmern dampf’t das frohe Mahl; Wir sind allein, und doch — die Thüren offen; (Auf die offene Pforte des Hintergrundes zeigend.) Der kleinste Ruf führt Zofen her und Diener. Ihr seyd so sicher gegen jede Kühnheit, Als nur am eig’nen Herd. Und dennoch fort! Auch das. Hier ist mein Arm. Komm’t mit zum Fest! Doch glaubt Ihr, mir dadurch Euch zu entziehn, So irr’t Ihr, Gräfin, sehr. Ihr kenn’t mich nicht. 4 * Doch wer mich kennt, der weiß: in Hofes Mitte, Am off’nen Markt heiß’ ich Euch Rede steh’n; Und leg’ Euch vor dieselben Fragen, die — Nichts mehr, als dies, — ich hier Euch stellen wollte. Doch ist’s Euch nicht genehm; — gut, wir verschieben’s. O Uebermaß des sträflichsten Erkühnens! Ihr seyd ’was eitel, merk’ ich, gute Gräfin. Ihr glaubt mich wohl verliebt? Mag seyn! — Vielleicht! Vielleicht auch nicht! Ich bin nicht so erregbar. Ein Menschenkenner bin ich, Menschenforscher, Zumal auf Frau’n geh’t meine Wißbegier. Die tausend Formen zu erspäh’n, die Krümmen, In denen sich das Eins und Eine birgt; Das Eine: Heuchelei. Pfui, feige Schwäche! Bin ich nicht gut, so wollt ich’s auch nicht scheinen. Ihr aber scheinet Tauben, fromme Tauben, Und seyd’s in Einem nur: in ew’ger Gluth. Das anzuhören ziemt mir nicht. (aus dem Wege weichend). O ja! Die Eine läßt sich trauen einem Greise, Mit grauem Bart und Haar, ein schlott’rig Scheusal; Voll Launen, abgeschmackt, zum Tollhaus reif, — Doch ehr’t und lieb’t sie ihn. Sie ehr’t und lieb’t ihn! Wenn je und dann sie schielt nach hübschen Jungen, Minutenlang mit ihrem Blick verweil’t — Je, Neugier! Ei, zum Seh’n ward uns das Auge! Wie? oder auch schon Menschenforscherin? Auflauernd der Entwick’lung des Geschlecht’s, Und vom Gefühl gewendet zum Erkennen? Ich weiß, Ihr wollt beleid’gen und e r niedern; Was sonst Ihr meint, weiß und versteh’ ich nicht. Ihr blicktet nie nach Andern; ei, ich weiß! Ihr war’t auch Jene nicht — wie, oder doch? — Die, als man ihr beim Tanz die Hand — Ihr lüg’t! Vertheidig’t nicht, bevor man noch beschuldig’t! — Die, als man ihr beim Tanz die Hand gedrückt, Den Druck zurücke gab. — Ich fühl’t es, ja! So mögen diese Finger denn verdorren, Und Feuer sie bestrafen, lohe Gluth, Wenn absichtlos sie und dem Willen fremd, Euch Ander’s kündeten, als Haß und Abscheu. Als Haß und Abscheu. — Gut! (Mit starker Stimme.) So geb’t zurück denn Die Haare, die Ihr stahl’t von meinen Haaren! Ich war nicht lang’ an diesen Hof gekommen, Da sandt’ ich zum Geschenk sie meiner Schwester, In Kleinod sie zu fassen und Geschmeid’. Ihr aber glaubtet Euch allein und stahl’t Vom Putztisch Euch ein Pröbchen. — War’s nicht so? O Gott! Mein Gott! Das also wirkte! O, Heuchelei, du abscheuwürd’ges Laster! Und doch in Euch so schön, wie all’ das Eure. Lass’t mich Euch danken für die schöne Sünde. O, alle Tugend gleicht ihr nicht an Reiz! (Er kniet.) Mein Prinz! — O glaub’t! — Doch steht vom Boden auf! Daß jene Locke, kaum in meiner Hand — Steh’t auf, ich bitt’ Euch! — daß ich sie verbrannt; Daß ich — o Gott! mein Gott! — Steh’t auf! — Man kommt! — Soll ich mit Thränen Euch im Auge bitten? (Mit dem Fuße auftretend.) Ich will nicht, sag’ ich Euch, ich duld’ es nicht! Ich soll Euch hören, und Ihr selbst verweigert’s? Ich will Euch hören, nur steh’t auf vom Boden! (aufstehend). Es sey! Doch auf Bedingung. — Seh’t, Ihr schuldet Mir die Geschichte jener Locke; ich Hab’ eine Frage noch an Euch zu stellen. Gönn’t zu geheimer Unterredung mir Ein Viertelstündchen, wo, und wann Ihr woll’t. Geheimes ich und Ihr? Geheim um Euretwillen! Bring’t Zof’ und Diener mit, mir gilt das gleich! Verwahr’t Euch, wie Ihr woll’t. Nur lass’t mich fragen. Mir ist’s um meine Zweifel nur zu thun. — Seh’t Ihr denn üb’rall Liebe, eitles Volk? Doch sprechen muß ich Euch, muß Antwort haben! Und woll’t Ihr anders nicht, so sey es hier. Noch einmal knieend, bitt’ ich Euch darum. (Er beugt das Knie.) Halt’ ein! Ich will! Ihr gönn’t mir ein Gespräch — Und wo? und wann? O, nirgends, ach, und nie! Ich seh’, es macht Euch Müh’, davon zu sprechen. Hier ist Papier und Feder; ich will geh’n. Zwei Zeilen, die Ihr schreibt, mit Zeit und Ort, Genügen mir. — Wenn heim die Gäste kehren, Nah’ im Getümmel ich mich Euch des Aufbruch’s, Und lese, was Ihr schriebt; mein Heil, mein Glück! Bis dahin, lebet wohl! — O, meine Wünsche! (In die Seitenthüre rechs ab.) Weh mir! Was ist gescheh’n? — Gerechter Gott! Wenn in den ersten Tagen, da er kam, Er fromm mir schien und gut — O pfui, pfui, pfui! Erbärmliches Gefühl, du bleib’st mir fremd. Und sagen will ich’s ihm! — Doch hier, und jetzt — Dem Rasenden, in Mitte seines Hof’s? — Und sprech’ ich nicht, so kehrt er tobend wieder, Kniet, droh’t, beschimpft. — Ich will ihm schreiben — ja! Er hat’s begehr’t, und ich, ich will es thun. Will schreiben ihm, ihn sprechen ohne Zeugen, Und hören soll er ein verzweifelnd Herz. (Sie eilt zum Tische.) Und doch — Es ist nicht gut, es ist nicht recht. — Woher sonst dieses Zittern, diese Angst? Ist Niemand hier? Mir kommt ein Schwindel an. Horch! — Stimmen — Menschen — Wo verberg’ ich mich? (Sie hat das vor ihr liegende Blatt rasch gefaltet in den Busen gesteckt, und steht zitternd, zwischen Tisch und Mauer ge- drängt, da.) ( Bancbanus kommt.) Der Streit ist abgethan, so schnell geschlichtet, Als er begann. Fast schein’t mir’s angeleg’t, Absichtlich angeleg’t, die Ruh’ zu stören. (Auf ein Geräusch wendet er sich um.) Doch wer ist dort? — Ha, Erny, du? und bleich, Und zitternd? — Kind, was war? — was ist gescheh’n? (Er will sie anfassen, sie weicht zurück.) Flieh’st du vor mir? — Ha, du bist krank. — Nur Hülfe! Ist Niemand hier? O, still! Ich bin nicht krank. Nicht krank? Und Todesblässe deckt die Wangen, Aufzuckend fiebert eisig jedes Glied. — Lass’ uns nach Hause, komm’! (Er greift nach ihrer Hand, sie eilt an ihm vorüber, dem Vorgrun- de zu.) Ich kann’s nicht tragen! Glühend brennt das Blatt, Das frevle Blatt auf meinem schuld’gen Busen. (Sie wirft das Blatt von sich.) Nur fort, nur fort! (Zu Bancban, der es aufgehoben hat.) Vernicht’, zerreiß’, vertilg’ es! Und Niemand ahne, Niemand, was es birgt. (es entfaltend). Was birgt es denn? — Sieh, es ist leer! Ha, leer? Der Hölle Züge sind d’rauf eingegraben. Mag seyn! Doch lesbar nur für Gott, und für die Brust, Die es gedacht, obgleich sie’s nicht geschrieben. — Hier ist dein Blatt, nimm es zurück. Ich nicht! Bancban! Auf diesem Blatt wollt’ ich dem Prinzen schreiben. Verhüt’ es Gott! Und kamst du nicht, ich that’s. Die Königin mag wohl in Sorgen seyn Ob jenes Streit’s. Den Ausgang meld’ ich ihr. Und lässest du mich so allein? Bancbanus, Willst du dein Weib nicht strafen und nicht hüten? Bestrafen? Hüten? Ei, sag’ du nur selbst: Wie fang’ ich’s an? — Führ’ ich dich tobend heim, Versperre dich in’s innerste Gemach, Mit Schloß und Riegel, unter Thor und Gitter? Verschreib’ ich Stumme mir aus Mohrenland? Verschnitt’ne, die mein Weib allsehend hüten? Und Nachts, die Dieb’slaterne in der Hand, Schleich’ ich mich hin, und forsche, ob’s noch schließt? Die Ehre einer Frau ist eine eh’rne Mauer, Wer sie durchgräbt, der spaltet Quadern auch. O hart, zu hart, Bancban, mein Gatte! Ich bin wohl alt genug, und du bist jung, Ich lebensmüd’ und ernst, du heiter blühend. Was gibt ein Recht mir, also dich zu quälen? Weil du’s versprachst? Ei, was verspricht der Mensch! — Weil’s so die Sitte will? — Wer frägt nach Sitte? Wenn nicht in deiner Brust ein still’ Behagen, Das Flüstern einer Stimme leb’t, die spricht: Der Mann ist gut, auf Rechtthun steht sein Sinn, Er liebt, wie Keiner mich, und wie zu Keinem, Fühl’ ich zu ihm Vertrau’n; — wenn’s so nicht spricht, Dann Gott mit dir, und mit uns Allen, Erny! Dann schreib’ dem Prinzen nur! Mann! Vater! Gatte! Ich weiß wohl, was sie sagen: Seht den Alten, Er freit’ ein junges Weib! — Er täuscht, man zwingt sie. Sag’, Erny, selbst: ward’st du getäuscht? gezwungen? Von wem? und wann? Als Nemaret, dein Vater, Im Tod zusammenfügte uns’re Hände, Der blüh’nden Tochter und des Jugendfreundes, Dem Schutz dich anvertrauend eines Gatten, Wer zögerte, dein rasches Wort zu nehmen? Wer schob die Heirath auf? Wer bat, beschwor dich, Dein Alter zu bedenken, und das seine? — Allein, du wolltest, und er fügte sich, Weiß Gott, wie gern! — Wenn’s nun dich reu’t —. Bancban! So lag der Prinz vor mir auf seinen Knie’n, So werf’ ich mich vor dich hin, ach, und schwöre — Was fällt dir ein? Du knie’n vor mir, und schwören? Dein Wort sey »Ja!« und »Nein!« — Weißt du dich schuldlos, Tritt hin vor mich und sag’: Ich bin’s! Hör’st du? Ich bin’s, bin schuldlos! — Und sieh mir in’s Auge! — Nichts da! Den Blick nicht auf den Boden! Hier, Auf mich dein Aug’! — Ja so, es schwimmt in Thränen?! — Mißhandeln, Kind! mißhandeln wollt’ ich nicht! Senk’ nur die Stirne, leg’ sie an dieß Herz, Und was du weist, das flüst’re leis’ ihm zu. Es wird dich hören, wie es dir verzeih’t. Verzeih’n? O, bitt’res Wort! Nu, Kind, wer weiß — Vielleicht dich bitten selbst, daß du verzeih’st, Was Thörichtes ich sprach. — Es ist mein Fehler, Mein alter Fehler: stets der Mund voran! (aufgerichtet). Bancban! Vor Allem wisse: Kein Gedanke Von Unrecht kam in meinen armen Sinn, Nur daß — o Gott! Mein Gott! Schäm’st du dich, Kind? Das ist dir nütz’! Schäm’ dich an meiner Brust! So recht, den Kopf im Winkel eingeduckt, Die Augen zu; recht wie der Vogel Strauß. Und so laß sprechen uns. — Du guter Gott! Ich möchte singen, jubeln, jauchzen, schrei’n, Daß sie mir blieb, daß ich sie nicht verlor. Nun also denn: — der Prinz war hier? Ach ja! War ungestüm? (aufgerichtet). O, wenn du wüßtest —! Zurück, in dein Versteck! — Ihm zu entgeh’n, Versprachst du ihm ein Briefchen, oder so — Ich könnte sagen: Sey’s! Warum denn nicht? Was schadet nur ein Brief? — Doch thu’ ich’s nicht: Die Künste sind’s des höllischen Versuchers. Wer einen Fuß gesetzt, zieh’t nach den zweiten, Und alles Bösen Mutter ist Geheimniß. D’rum schreibe nicht! Gewiß! Und weich’ ihm aus. Ausweichen ihm? Ihm steh’n, ihn seh’n, vernichten! Kind, Allzuviel geht gleich mit Allzuwenig. Lass’ ihn uns reizen nicht. Er ist wie Flamme, Und seine Schwester häng’t, wie sehr! an ihm. Nicht ich, es soll mein Weib nicht Unfried stiften! — Ertrag’, und übersieh ihn. Kurze Frist, So send’ ich dich hinaus auf ein’s der Schlösser, Dann bist du seiner quitt. Bis dahin, klug! — Man kommt! Lass’ Niemand ahnen, was geschah. Unbill, die man erträgt, war gar nicht da. (Zwei Kämmerer öffnen die Seitenthüre rechts. Die Königin tritt heraus, hinter ihr Herzog Otto , und der ganze Hof.) Hier also meine schöne Tänzerin? Sehr früh verließt Ihr mich. Sie ist nicht wohl; Mit Eurem Urlaub führ’ ich sie nach Hause. Nach Hause geht nun Alles, edler Rath; Auch Eure Frau sonach. — Glück auf, Ihr Herr’n! Wir danken Euch, und hoffen’s zu vergelten. (hat sich indeß Erny’n genähert, die links im Vorgrunde steht. Leise). Nun Gräfin, meinen Brief! (laut). Geh’t, ich veracht’ Euch! (Wendet sich zu ihrem Gatten.) Verachten, mich? — Auf Tod und Leben! Halt! (Er dringt durch die Gäste und ergreift Erny’s Hand.) Warum verachtet Ihr mich? Ihr! Warum? (indem sie zwischen Beide tretend, sie trennt). Unsinniger! — Folgt, Gräfin, Eurem Gatten! Nicht lass’ ich sie! Du wirst, denn ich befehl’ es. — Glück auf den Weg, Ihr Herr’n. Nur zu! Leb’t wohl! (Die Gäste ab. Königin zurückkommend.) Unsinniger! Wie weit geh’t deine Tollheit? Und bin ich toll, so wahr’t Euch vor dem Tollen! Du hast’s gesagt, und so berühr’ mich nicht! Hin auf den Boden werf’ ich meinen Leib, (Er wirft sich zur Erde.) Und mit den Händen greif’ ich in den Grund. Nicht hören und nicht reden! Rase, stirb! ( Der Vorhang fällt .) Dritter Aufzug . (Vorzimmer der Königin. Rechts eine Seitenthüre, zu ihrem Ge- mach führend. Im Hintergrunde der Haupteingang, an dem mehrere Hofleute stehen. Unter ihnen Graf Peter . Der Arzt wartend im Vordergrunde.) (Die Königin tritt aus ihrem Zimmer.) W o ist der Arzt? Hier bin ich, gnäd’ge Frau! Mein Bruder gilt für krank, und Ihr bestärigt’s. Kommt Ihr von dort? — Wie also steht’s mit ihm? Nicht gut, muß ich bekennen; doch zugleich, Daß noch die Form, der eigentliche Sitz Des Uebelseyns sich nicht bestimmen läßt. Ein feines Pröbchen Eurer Kunst! Verzeih’t! 5 Es läßt gar leicht sich Grund und Ursach nennen, Die Frag’ ist nur, ob’s auch zum Falle paßt? Wir Aerzte sind Nachtreter der Natur, Und uns’re Herrin geht auf dunklen Pfaden. Ei gut! Ei schön! (Zu Graf Peter.) Man sagt ja, Eure Schwester Sie geh’ auf’s Land? — In dieser Jahreszeit? Ohn’ Urlaub und Begehr? Scheint’s doch, sie lernt Von ihrem Gatten Hofesbrauch und Sitte. Verzeiht, sie harrt im Vorgemache draußen, Ob Ihr erlaubt — Warum ward’s nicht gemeldet? Laßt sie herein! (Es geht Jemand.) Nun, weiser Oedipus, Fahr’ fort, und lös’ uns deine eig’nen Räthsel. Des Herzog’s Zustand läßt sich Fieber nennen. Er liegt, und starrt, und schweigt. Die Pulse fliegen, Die Stirne heiß, die Eßlust fort. Wie so? Er schlug die Diener, die ihm Nahrung brachten, Weis’t ab so Speis’ als Trank. Seit wann? (achselzuckend). Wer weiß? (stampft mit dem Fuße). Und wenn man nicht — ( Erny kommt.) Ei, sieh’ da, schöne Gräfin! Ihr reis’t auf’s Land, dem Wonnemond entgegen? Ihr werdet sein noch etwas warten müssen, Wir sind im März. Was treibt zu so viel Eile? Geschäfte, gnäd’ge Frau! Ei, ich begreife! Die erste Grasung gibt die beste Milch. Da helf’t Ihr denn wohl selbst mit eig’nen Händen? Doch ernsthaft nun! 5 * (Halblaut.) Ich hoffe doch, der Vorfall Von neulich Abends, er hat keinen Antheil An dieser Reise? — Hat er, Gräfin? Sprecht! Nehmt das nicht höher, als die Meinung war. Mein Bruder liebt zu scherzen. Scherzen, gnäd’ge Frau? (verächtlich). So glaub’t Ihr denn? — Wie, oder Gräfin, doch? Wär’s etwa Ernst geworden? Ernst bei Euch? — Was sagt dies arme Herz? Wohl arm! Es schweigt! Und völlig ruhig denn? Vollkommen ruhig. (sich von ihr abwendend). So reis’t mit Gott, und grüß’t mir Laub und Gras! Einfältig Volk! Nur stumpf, nicht tugendhaft. Harr’t draußen, ob noch etwas zu befehlen. (Erny mit einer Verbeugung ab.) (zum Arzt). Eu’r Kranker, Herr, ist toll, und gegen, Tollheit Gibt es ein einzig Mittel nur: Vernunft. Er mag sich selber heilen. Sag’t ihm das! Wie auch, daß er nicht hoffe, mich zu seh’n, Bis er zu mir kommt, selbst, als ein Genes’ner. Doch wollet mich auch für entschuldigt halten, Wenn endlich doch Gefahr — Gefahr! Gefahr! Es ist nicht noth, daß gar so Viele leben; Die Erde trägt unnütze Last genug. Wer sich Nothwendigem nicht fügen kann, Mag sterben, wär’s mein Bruder, wär’ ich’s selbst. Ich gehe denn. Bleib’t noch! (Zu den Hofleuten.) Ist sonst noch Jemand Im Vorsaal, der mein’ harr’t? (Zum Arzte.) Bei Eurem Kopf! So glaub’t Ihr wirklich denn, daß Grund zur Sorge? Gesteh’ ich’s Euch, ich dacht’, ein leeres Wahnbild, Ein ungestillter Wunsch, ein Hirngespinnst Sey dieses Uebels Grund. Vielleicht! wohl möglich! Streitsücht’ge Nachbarsherr’n sind Geist und Körper, Die Grenzen wechseln und verwirren sie; Man weiß oft nicht, auf wessen Grund man steht. Doch, was es sey, die Wirkung bleibt dieselbe. Zumal, wenn er die Nahrung von sich weis’t: Ein ganz Gesund stirbt, entbehrt er diese. (Ein Diener kommt eilig.) O Herr! mein Herr! Wer ruft? Der Prinz — Was ist? Der Prinz — Ihr war’t kaum fort, da kam der Wärter Mit Arzenei’n, die wies der Prinz zurück; Gebot jedoch dem Mann, die Ader ihm Am dargereichten Arm zu öffnen. Jener Verweigert’s. Da ergreift der Herr den Dolch, Und schleudert ihn. Am Haupte hart vorbei Flog hin das Messer, daumtief in die Wand. Es ist genug! Das Rasen hab’ ein Ende! Zu Eurem Kranken kommt! Aus meinen Zimmern Führt ein geheimer Gang uns nach den seinen. Ob Wahrheit, oder Wahn, ob Kraft, ob Ohnmacht, Es sey im Klaren, und es sey geheilt. Was von Geschäften hier, soll meiner harren. Auch Gräfin Erny, heiß’t herein sie treten, Und mich erwarten. Bald kehr’ ich zurück. (Mit dem Arzte durch die Seitenthüre ab.) (Zimmer des Prinzen. Der Mittelgrund ist durch einen breiten Mauerbogen, und daran herabhängenden Vorhang geschlos- sen, der in ein inneres, alkovenartiges Gemach führt. In der, nach vorn gekehrten, Verkleidung des Vogens, auf der linken Seite eine Tapetenthüre. Im Vorgrunde rechts, eine Seitenthür, in deren Getäfel ein blanker Dolch steckt. Ge- genüber ein Tisch und Stuhl.) (Zwei Diener kommen durch die Seitenthüre.) Ich zieh’ den Vorhang auf. Der Arzt will Licht. Der Prinz will Dunkelheit. Allein, der Arzt — Du meinst, es heile doch der Arzt die Beulen, Die Ungehorsam bei dem Prinzen einträgt. Ich thu’s! Horch! Pocht man nicht? Geh’ hin, und öffne! (Erster Diener öffnet die Tapetenthüre in der Bogenwand des Mittelgrundes.) (Die Königin und der Arzt treten ein.) Warum sieht man nicht nach? Die Thüre läßt Von Innen kaum, selbst mit Gewalt, sich öffnen. Wo ist mein Bruder? Zieh’t den Vorhang auf! Der Prinz verbot — Ich aber will’s. Gehorche! (Der Vorhang wird aufgezogen. Herzog Otto liegt nach Vorne ge- kehrt, den Kopf in die Hand gestützt, auf einem querüber stehenden Ruhebette.) Mein Bruder! — Ha, und wie entstellt und bleich! Wenn’s dennoch wäre! wenn — Verhüt’ es Gott! — Geh’t hin, und fühl’t den Puls. (sich dem Ruhebette nähernd). Erlauchter Herr! — (richtet sich mit halbem Leibe, drohend, empor). (zieht sich zurück). Was muß ich seh’n, mein Bruder? Weigerst du Der Hülfe dich, der heilbefliss’nen Sorge? Nun glaub’ ich erst, was kurz vor man berichtet. Der Dolch in jener Wand bekundet deutlich, Wie du dich nimmst, wie sehr du dein vergißt. Du warf’st ihn nach dem kundig wackern Mann; Er sollte haften dort zur Straf’ und Warnung: Doch schon’ ich dein, und finde selbst bedenklich Solch Werkzeug in des Rasenden Bereich. Mach’t los den Dolch, ich nehm’ ihn selbst zu mir. Erst dem Genes’nen geb’ ich seine Waffen. (Der Dolch wird gebracht, sie legt ihn auf den Tisch.) Er schweigt, kehrt nicht einmal den Blick nach mir? — Nun Krankheit, oder Starrsinn, fort mit beiden! (Näher tretend.) Wie geht’s Euch, Herzog? Gut! So steh’t denn auf! — Woll’t Ihr nicht essen? Nein! Warum nicht? Ich habe schon gegessen. Ha! Ihr lüg’t! Nun denn, ich mag, ich kann, ich will nicht. Nicht essen und nicht athmen, leben nicht. (Er wirft sich herum, so, daß er mit aufwärts gekehrtem Gesichte auf dem Rücken liegt.) Unsinniger, sein selbst vergess’ner Thor! — Geh’t Ihr hinaus! Ich werde nach Euch rufen. (Arzt und Diener ab.) Kannst also du der Gottheit Abglanz schänden? Nicht Krankheit ist’s, ich weiß, ich kenne dich! Der Leidenschaft und ihrer Raserei Wirfst du die Gaben vor des gottgegeb’nen Geistes. Sie glüh’t als Fieber durch dein kochend Blut, Und wirft die Blasen, die sie Krankheit nennen. Der Leidenschaft! Und wär ’ es Liebe noch, Wenn auch verkehrt’, verbrecherische Liebe! — War doch in alter und in neuer Zeit Entschuld’gung sie für manches Schlimm’ und Schiefe — Doch ist es Liebe nicht, ist Tobsucht nur, Des ungezähmten Geistes trotzig Walten, Der Eigensinn, der will, weil er gewoll’t. Ich aber denk’ es nimmermehr zu dulden, Am mind’sten, wo ich Frau und Königin. — Mir kommt die Lust an, Wunder zu versuchen! — Steh’ auf, und sey gesund, sprech’ ich zu dir. Steh’ auf, und zwar zur Stelle! Jetzt! Ich will’s! (Sie hat seine Schulter mit ihrer Hand berührt, Otto richtet sich empor, und sitzt mit aufgestützter Hand, und vorhängendem Haupte da.) O, Jammerbild der selbstgeschaff’nen Schwäche! Wie schäm' ich mich, daß du von meinem Blut! — Wo geh’st du hin? — Was willst du? der aufgestanden ist, und einige Sch ritte gemacht hat, die Stirne reibend). Wußt’ ich’s doch! — Ei, ja! Wo willst du hin? Bleib’, Otto, bleib’! Du willst doch nicht in’s Freie? — Otto, sprich! Ich will! Die Luft ist rauh, der Abend kühl, Du selber bist erhitz’t. (Sie hat seine Hand gefaßt.) O Gott, wie heiß! Ach, bist du krank, wahrhaftig krank! Mein Bruder! — O bleib’ doch, bleib’! Was willst, was kannst du wollen? So ruf’ denn selbst, und laß’ die Pferde holen. Wie? Meine Pferde, meine Diener auch! Wo willst du hin? (aufrecht hinschreitend, und Wams und Gürtel ordnend.) Will heim, zu meinem Vater, Zu meinen Brüdern, meinen Schwestern allen, Die mein begehren, mir mit Liebe folgen; Zurück in meiner Heimath Alpenthal. Was soll ich hier? Wo Jedermann mich hass’t, Wo jedes Wort rückprall’t vom stumpfen Hörer; Wo meine Schwester selbst das Beispiel gibt, Mich zu erniedern. Ich? Ja du! Nur du! Wer bin ich hier, und was an deinem Hof’? Beschimpf’t nicht Jedermann mich ungescheu’t? Trat’st du dazwischen nicht am selben Abend, Wo ich die Thörin, die mir Hohn gesprochen, Antrat zu Widerruf und zu Erklärung? Trat’st du dazwischen nicht, als sie es aussprach, Es aussprach, daß sie mich verachte! — Teufel! Verachtung?! — Grimm und Tod! — Verachten? — Mich?! (ihn anfassend). Zu Hülfe! Aerzte! Diener! Hört denn Niemand? (Der Arzt öffnet die Thür.) Lass’! Ich bin stark, wie der nemäische Leu, Der Grimm stähl’t meine Sehnen statt Gesundheit. (Der Arzt zieht sich zurück.) Ja, ich will fort. Du aber, danke Gott! Denn blieb’ ich hier, in Mitte meiner Schar Durchzög’ ich dies dein Land, bis ich sie fände, Die Thörin fände, die mir Schmach gethan. Aus ihres Hauses Flammen riß’ ich sie, Aus ihrer Wächter Mitte, vom Gebet, Und stellte sie vor mich hin. Da, nun sprich! Wenn du es wag’st: warum du mich verachtest? Mein Bruder, höre! — O, wie schäm’ ich mich! Du hast wohl Frau’n von höh’rer Art gekannt, Ich selber darf mich zählen unter solche. Hast Geist gekannt, und Witz, des Umgang’s Reize. Wie kann nun Leidenschaft für dieses Wesen, Kaum schön, von schwachem Geist, und dürft’gen Gaben, Halb thöricht und halb stumpf, dich nach sich zieh’n? Und unerhört; denn, sieh, ich weiß, mein Bruder! Sie denk’t dein nicht. Wer spricht davon? — Und doch! Weil sie nicht will, und weil sie’s nicht verdien’t, Will ich sie lieben, will mit jedem Reiz Erfinderisch sie schmücken, mir zur Qual. Will wissen, ich, warum sie mich verschmäh’t? Den Zauber kennen, den der ekle Thor Ausüb’t, ihr Gatte, über sie; die Kräuter, Die Sprüche, die ihm ihre Liebe bannen. Dann komme, was da mag! Wer frägt nach ihr? Lass’, ich will fort! Mein Bruder, höre! Geh’ nicht von mir, du meines Lebens Glück! Lass’ mich allein nicht hier in dieser Wüste, Wo du der Einz’ge bist, der Einz’ge, der da leb’t! Mein Ich, mein Selbst, mir theurer, als mein Selbst! Begehre, was du willst, nur bleib’ bei mir! Ich kann nicht bleiben, so beschimpf’t, entehr’t! Man soll genug dir thun. Verweis, Erklärung. Ich banne sie vom Hof’! Was fällt dir ein? Glaub’st du, mein Zürnen brauche fremder Hülfe? — Doch Ein’s! — Lass’ mich sie sprechen! Sprechen? Ja! Die Gräfin, sie. In deinem Zimmer. Hier! Euch zu erheben, woll’t Ihr mich erniedern? Vermittlerin ich zwischen Euch und ihr? Ich sagte dir: Von Lieb’ ist nicht die Rede. Ob ich sie liebe, das ein ander Mal! Doch sprechen muß ich sie, und weigerst du’s, So woll’ auch nicht, was sonst unmöglich ist. Mein Otto! Und du kannst es; wie so leicht! Du ruf’st sie her, und hinter jener Thür’ — (Auf die Tapetenthüre zeigend.) Bist du ein Zeuge dessen, was geschieht; Nur Zeuge, Hörer nicht. Drei Schritte fern Harr’st du, bereit zu schneller Unterbrechung, Sobald der Zweisprach Wendung dir mißfällt, Sobald ein heftig Wort, ein Laut, ein Ruf, Dir anzuzeigen schein’t, daß Trennung noth. Du willst? Du thust’s? (Zur Thüre hinaus rufend.) Hollah! Vorerst nur noch — (Ein Diener kommt.) Nicht ich, die Königin verlangt nach dir. (nach einer kleinen Pause). Ruft Gräfin Erny her in dieses Zimmer! Noch Ein’s! (Er spricht, mit dem Diener zur Thüre gehend, leise ihm in’s Ohr. Diener ab.) Was ist? Ein Auftrag meinen Leuten, Daß wir nicht reisen, daß wir bleiben noch. Nun aber hör’! Ich weiß, was ich verletze, Wie sehr zu tadeln, daß ich mich gefüg’t. Verdammlich ist die Liebe, meine Liebe, Die du mißbrauch’st, und doch so theuer mir. Nun aber zeige, daß du ihrer werth, Erspare einen Theil mir der Beschämung, Indem du so dich nimmst, wie ich gehoff’t, Als ich mich fügte deinen raschen Wünschen. Gib mir dein Wort! — Man kommt! O Gott! — Auf dir ruh’t nun mein Daseyn. Fahre mild! (Durch die Tapetenthüre ab.) Auch ich will nur hinein in mein Versteck. Der Feind erkenn’ erst später die Gefahr. (Er tritt hinter den Vorhang, der sich schließt.) ( Erny kommt durch die Seitenthüre.) Es ward gesagt, die Königin sey hier. Wo ist sie denn? das Zimmer ist ja leer. Kein and’rer Ausgang auch, als wo ich kam. Horch! — Hinter jenem Vorhang tönt ein Rauschen. 6 Vielleicht, daß dort — (Sie blickt hinter den Vorhang, ihn in der Mitte öffnend. Während dem tritt Herzog Otto leise von der recht e n Seite hervor, und bleibt an der Thüre stehen.) Auch hier kein lebend Wesen! Wer wohn’t nur hier? Die Wände reich verzier’t — Ein Schlafgemach — vielleicht wohl gar — o Gott! (Sie erblickt den Herzog und läßt die Vorhänge fallen.) Erschreck’t nicht, schöne Frau! Erschrack ich denn? Ich hin erstaun’t, empör’t, doch nicht erschrocken. Zur Königin berief man mich hieher. Es ist ihr Wunsch, daß Ihr sie hier erwartet. Da gilt kein Wunsch und selber kein Befehl. (Zum Gehen gewendet.) So hört denn mich, mein Bitten, meinen Schmerz. Ich weiß, ich hab’ Euch schwer und tief beleidig’t. Vor Allem lass’t Verzeihung mir erfleh’n. Wer Alles sich erlaub’t, und selbst verzeih’t, Braucht der Verzeihung And’rer und Erlaubniß? Der süßen Nähe Reiz berückte mich. Der Locken Gold, der Wangen Rosenlicht, Die Stirn’ aus Elfenbein, der Augen blaue Himmel, Die ganze, lichthell glänzende Gestalt — Allein, was sprach ich, und was wollt’ ich sprechen? Ich bin verwirrt, ich bitt’ Euch, seh’t mir nach! Als kleines Mädchen nannten sie mich eitel. Ich bin’s nicht mehr. So viel der Himmelsgaben; Dazu noch der Gedanke, daß — Ich weiß nun, Wie sehr ich irrte, damals aber glaubt’ ich’s — Daß Euer Auge mit Zufriedenheit, Mit Wohlgefallen auf mir hafte. Jener Unsel’ge Druck der Hand, den ich beim Tanze Zu fühlen glaubte — Haare, meine Haare, Die Ihr so gütig waret zu bemerken, Zu Euch zu nehmen. — Auf dieß Eine hört, Was ich zur Deutung — O nicht doch, o schweigt! Laß’t uns nicht mehr von diesen Träumen sprechen! Ich weiß zu gut, wie sehr ich mich getäusch’t. Dies Alles nun, und über alles And’re, 6 * Daß Euer Gatte — Gräfin, Ihr verzeih’t! Bancbanus ist, ich weiß, ein Ehrenmann, Wohlredenheit strömt über seine Lippen, Ist geistreich, witzig, schnellgewandt im Rath. Sein Bart ist grau, allein in Ehren grau; Sein Säbel schlägt die Fersen, wie ein and’rer. Ein Ehrenmann, fürwahr! Doch etwas — unschön, Beinahe möcht’ ich’s lieber gräßlich nennen. Allein, ich seh’, Ihr seyd nicht meiner Meinung! Wohlan, ich geb’ es zu. Der erste Eindruck Thut wohl das Schlimmste, und der Mann gewinnt, Zumal in einiger Entfernung. Aber Wenn auch nicht grau, und wenn nicht widrig auch, Was wär er gegen diesen holden Umfang Von Allem, was der Himmel reizend schuf? Als ich mit ihm zum ersten Mal Euch sah, Da rief’s in mir: Verkehrt ist die Natur! Entspriest dem Eis die Königin der Blumen? Gezwungen ist sie, oder ist betrogen; Des Ritters Pflicht, Gefang’ne zu befrei’n. Spar’t Eure Ritterpflicht auf größ’re Noth. Mit freier Wahl erkor ich meinen Gatten. Und wenn nicht jung und wenn nicht blühend auch, Weit höher acht’ ich ihn, als — Sprech’t nicht weiter Antwortet mehr nicht, als man Euch gefrag’t! Beleidigen ist leicht, doch schwer versöhnen. Wir sind zu Ende, scheint’s, und ich kann geh’n. Noch nicht. Das Letzte fehlt, ist noch zu sagen. Dies Land, wo meine Schwester lebt und herrscht, Wo Alles mich umringt mit Lust und Freuden, Durch die Ereignisse der letzten Zeit Ist’s mir zum Gräu’l geworden, und zur Hölle. Nach Teutschland kehr’ ich heim — Ich seh’, es freu’t Euch! Nun, um so lieber reis’ ich, macht’s Euch Freude. Beim Scheiden nun gönnt mir als letzten Trost — Ihr könnt es leicht, denn bin ich fern, wie kann ich Je Vortheil zieh’n aus Eurer Huld und Meinung — Gönnt mir den Trost, daß Ihr Euch mein erinnert. Erinnern Eurer? nie! Daß ich Euch völlig Gleichgültig nicht. Gleichgültig ganz und völlig. Ihr lüg’t! — Ihr täusch’t Euch, fürcht’ ich — O, ich weiß, Was Euch so strenge macht, so herb und kalt. Ihr haltet mich für schlimm. Ich bin’s! ich war’s! Geboren auf der unglücksel’gen Höhe, Wo man nicht Menschen kennt, nur Schmeichler, Sclaven; Emporgetragen von des Haufens Gunst, Aus Hand in Hand, ein Spielball fremder Neigung; Begabt mit Manchem, was sonst Frauen lock’t, Stürzt’ ich mich in des Lebens bunt’ Gewühl. War ich nicht gut; ich konnte schlimmer seyn! Gab böses Beispiel ich, wer gab mir gutes? O, wäret damals Ihr in Himmelsklarheit Hinabgestiegen in die Schauerhöhle, Wo ich, mit Molch und Natter spielend, lag; Ich hätt’s erkannt an Eurem reinen Licht, Wär’ Euch gefolgt, wär’ glücklich nun und selig. Setz’t Ihr’s voraus, weil’s nun unmöglich ist? O, nicht unmöglich! Jetzt noch möglich, jetzt noch! Wenn Ihr nur woll’t, wenn Ihr Euch nicht entzieh’t. Ich ford’re ja nicht Liebe, Liebe nicht! Gönn’t mir nur Antheil, Neigung, Euer Aug’ nur, Daß ich es fragen darf mit meinen Augen: War’s also recht? wenn ich nicht schlimm gethan. — Ihr willig’t ein? Ihr stoßt’ mich nicht zurück? Hab’t Ihr vergessen, daß Ihr reisen wolltet? Der Meister hat den Schüler gern um sich, Ich aber wünsch’ Euch fern. Verkenn’t Ihr denn Der Tugend schönstes, weltbeglückend Vorrecht, Wo sie geblüh’t, auch Samen auszustreu’n? Genügt es denn der Sonne, daß sie Licht, Geht sie nicht auf, uns Alle zu erleuchten? Wenn Ihr dereinst am großen Tage steh’t, Umgeben von den Engeln Eurer Thaten, Woll’t Ihr dann nicht den Blick zurückesenden, Und sagen: dieser Mann ist auch mein Werk? Es hör’t sich gut, doch handelt Ihr nicht so. Wer dürft’ Euch trauen, wenn er wollte selbst? Ihr dürf’t! Ihr soll’t! — O, dieser Augenblick Ist fruchtbar an Entwürfen und an Thaten! Gesteh’ ich’s Euch! Als man Euch herbeschied, War finster meine Brust, und Gräßliches, Das Aeußerste bewegte sich in mir. Doch Euer Anblick bannte jene Schatten. Lern’t mich erst kennen, achten wohl zuletzt. Des Leuchtthurm’s Flamme seyd dem irren Schiffer, Er sieht das Ufer nicht, von Nacht umfangen; Doch steuert er getrost dem Schimmer zu, Er weiß, dort, wo das Licht, ist Land und Rettung. — Ihr woll’t? Ihr thut’s? — Geb’t mir die Hand darauf! Die Hand, um die ich bitte — Eure Hand! Ha, was war das? Enthüll’st du selber dich? — Tilg’ erst den Schimmer dort aus deinem Auge, Der, lauernd, sich gelung’ner Plane freu’t. Wirbst du nach Tugend und gehör’st der Sünde? Der Sünde nicht! — Noch nicht! Noch ist es Zeit! Gib mir ein mildes Wort, und rette dich, Errette dich und mich! Ich, Milde dir? — Ich hasse, ich verabscheu’, ich ver — — achte! Verachtung, war’s nicht so? — Merk’t Euch das Wort! Ihr sprach’t es einmal schon, an jenem Abend; Merk’t Euch das Wort! Ihr steh’t dafür mir Rede! — Fahr’ aus, du guter Geist, der mich beschlich, Als ich sie bat, der fast mich übermann’t, Räum’ deinen Platz dem Finstersten der Hölle! — Schwachsinnig Weib mit der erlog’nen Tugend, Die heilig möchte heißen, weil sie kalt! Du liebst mich nicht? — Was frag’ ich um dein Lieben? Du hassest mich? Was kümmert mich dein Haß? Doch weißt du, Thörin, was Verachtung heißt? Verachtest du mich, Weib? Das bitt’ mir ab, Auf diesen deinen Knieen bitt’ es ab, Sonst fürchte meinen Zorn. O Gott! Mein Gott! Wer rettet mich? Du selbst, wenn du dich füg’st. Allein, wenn nicht, dann Unglücksel’ge! wisse: Verschwinden sollst du vom Gesicht der Erde, Daß sich die Leute fragen: Ist sie todt? Indess’ du leb’st in dunklen Schauerklüften, Umgeben von des Ortes Einsamkeiten, Wo nur Erinnerung und du. Dort soll’st du jammern, soll’st die Hände ringen, Wie einen Festtag zählen jeden Tag, Wo mich mein Fuß in deine Zelle trägt. Umsonst dein Fleh’n, umsonst selbst deine Liebe. (Näher tretend.) Wenn du mir Liebe böthest selbst — Ich dir? Ha, mein Gefühl, ich hab’ es dir genannt. Du hast. Es sey! (Er tritt hinter den Vorhang.) O Gott! Was wird? Er sinn’t Gefährliches. Nur fort! Entflieh’n! (Sie eilt zur Thüre, und versucht es, sie zu öffnen.) Die Thür’ verschlossen. — Gott! Wer schloß die Thür? Wer rettet mich? Sie kommen! — Großer Gott! (Der Vorhang fliegt auseinander. Herzog Otto tritt vor. Hin- ter ihm zwei Gewappnete , deren Einer die Schnur des Vorhanges gezogen hat. Im Hintergrunde zeigt ein, aus sei- nem Rahmen geschobenes, großes Bild den Eingang, durch den sie gekommen sind.) Ergreif’t dies Weib! Bring’t sie nach Forchenstein, Auf den geheimen Pfaden, die ihr kenn’t. (die wieder nach der linken Seite des Vorgrundes geflohen ist). Mein Prinz! Es ist zu spät! (An der Tapetenthüre wird gepocht.) Ha, Schwester! du? Es ist zu spät, sag’ ich nun auch zu dir. (Er dreht den Schlüssel an der Tapetenthüre.) Die Würfel liegen, und kein Schritt zurück. — Ergreif’t sie, sag’ ich euch! Ich aber: Weich’t! (Sie hat den Dolch ergriffen, der auf dem Tische lag.) Du hülfreich Werkzeug, dich hat Gott gesendet! Glaub’st du dich meiner Herr und jauchzest d’rob? Wer mich berührt, den trifft dies scharfe Eisen. Ein zürnend Weib und eine Ungarin, Wer wagt’s und nah’t? (Sie thut einige Schritte ihnen entgegen, die Gewappneten halten ein.) Ha, Feige, zittert ihr, Und hab’t doch Harnisch’ an!? (Die Gewappneten gehen auf sie los.) Erbarmen! — Ha! Sie nah’n, sie fassen mich! (Einer der Gewappneten hat sie ergriffen, sie reißt sich los.) Hier ist kein Harnisch. (Sie stößt sich den Dolch in die Brust.) O weh’! — Es schmerzt! — Muß ich so früh schon sterben? — Mein Blut! — Es schmerzt! — (Sie sinkt zu Boden.) (Herzog Otto entflieht nach dem Innern des Gemaches zu. Sobald gepocht wird, bleibt er erstarrt stehen, noch immer in der Stel- lung eines Fliehenden, den Rücken gegen die Zuschauer gekehrt.) (von Innen an die Tapetenthüre pochend). Macht’ auf! — Bei Eurem Leben, öffnet! (Einer der Gewappneten öffnet die Tapetenthüre.) (tritt heraus). Was ging hier vor? Um aller Heil’gen willen! Verruchter! Das mein Lohn und dein Versprechen? Such’t Hülfe! Eilt! (Um die Todte beschäftigt.) (An der Seitenthüre rechts wird heftig geschlagen. Verwor r ’ne Stimmen lassen sich hören.) Mein Gott! Was ist nun das? (von Außen). Sie ging hinein! Wir haben sie geseh’n! (eben so). Spreng’t auf die Thüre, öffnen sie nicht willig. (ihren Bruder an der Hand ergreifend, und vorführend). Unseliger! stell’ dich an meine Seite! Die Rasenden ergreifen, tödten dich! (Die Thüre wird eingesprengt. Bancbanus . Die Grafen Si- mon und Peter , mit Dienern und Gewaffneten , stürzen herein.) Bancbanus, sieh! Dort lieg’t dein Weib ermordet! O Erny! O mein Kind, mein gutes, frommes Kind! (Kniet an der Leiche.) Ist keine Hülfe? Sendet Diener aus! Umsonst! Getroffen ist der Sitz des Lebens. Kein Arzt, kein Gott gibt wieder sie zurück. Nichts mehr für sie zu thun, als sie zu rächen! Dort ist der Mörder! Dieser hats gethan. (Auf Otto zeigend.) Heraus, mein Schwert, und freu’ dich auf ein Fest! Du grimmer Wolf, was that dir dies mein Lamm? (Er zieht ebenfalls.) Auf ihn! Hau’t ihn in Stücke! Stoß’t ihn nieder! Zurück! Wer klag’t hier an? und wer beweist? Liegt nicht das Opfer todt in seinem Blut? Steh’t nicht der Henker dort? Wer anders konnt’ es? Wer anders? Ich! — Ich selber hab’s gethan. Sie hatte höchlich sich an mir vergangen, Und also straft ich sie. Wenn mein Gemahl Zurücke kehrt, steh’ ich dem König Rede. Bis dahin — (Zu Otto.) Komm! — Und Ihr kenn’t Eure Pflicht! (Mit ihrem Bruder zum Abgehen gewendet. Die Uebrigen stehen um die Leiche.) ( Der Vorhang fällt .) Vierter Aufzug . (Platz vor Bancbanus Hause. Die Grafen Simon und Peter kommen mit Begleitung. Alle bewaffnet. Sie bleiben im Vorgrunde rechts stehen. B ancbanus nicht zu Hause? — Aber seht, Dort nahen sie, sie kommen vom Begräbniß. Was fällt ihm ein? Begräbt er seine Frau? — Ein Bahrrecht soll uns werden, blut’ges Bahrrecht! Er wird schon alt und kindisch; höchste Noth, Daß And’re denken, handeln d’rum für ihn. (Zu Peter.) Sey ruhig, Bruder! Dir soll Rache seyn! (Zu einem Begleiter.) Du aber kehre zu den Unsern. — Sag’, Sie sollen jeden Ausgang streng’ bewachen, Der aus dem Schloß in’s Freie führt. Man will Den Mörder unserm Grimm entzieh’n, ihn heimlich Nach Teutschland senden; doch das soll, das darf nicht! Ich will dich zerren, blut’ger Wolf! Geh’ nur! Und komm’ ich selbst, und haben wir nicht Antwort, So stürmen wir das Schloß! (Begleiter geht ab.) (Im Hintergrunde kommt Bancbanus auf zwei Diener ge- stützt. Verwandte und Freunde hinter ihm, alle in Trauer. Sie gehen quer über die Bühne auf das Haus zu.) Er kommt. Und sieh, wie bleich! (ruft). Bancbanus! (anhaltend). Halt! Wer ruft? Ah, du, mein Bruder? (Nach vorne kommend.) Wir haben dein entbehrt bei dem Geleit’. Ich sandte zu dir, doch, du warst nicht heim. Nicht heim? Nicht heim? (Gegen seine Begleiter gewendet.) Wo war ich denn derweile? (zu den Leichengästen.) Euch Andern Dank für diesen letzten Dienst, Den Ihr erwiesen mir und meinem Weib! Zur sichern Ruh’statt brachten wir sie hin, Wo Gott sie hat, und hat sie — ach! so lieb, Daß er sie nimmer läßt. O, nimmer! nie! (Mit erstickter Stimme.) Nun denn: dein Will’ gescheh’! — Kehrt nun nach Haus, Und haltet ruhig Euch und still. Denkt d’rum nicht schlimmer Von mir und von den Meinen. Wenn mein Weib sich Auch eines Fehltritt’s, wie es heißt, vermaß, Für den man sie so hart, ach, gar so hart bestraf’t; Geschah’s gewiß aus Uebereilung nur, Denn sie war ruschlich — o, mein Weib! mein Weib! mein Weib! — Was sie verseh’n, und wie sie sich vergangen, Ob man zu streng, zu hart an ihr gethan, Es wird sich weisen, kehrt der König wieder. Und das soll bald, gemeldet ward’s ihm schon. Der nun wird sitzen mit dem Schwert des Recht’s, Wer rein, wer schuldig, wird sein Wort entscheiden. Bis dahin haltet Euch als ruh’ge Bürger, Und meines Dank’s versichert, lebet wohl! Halt noch! Und du! Seyd Ihr so zahm, so feig’, Daß Ihr mit Thränen ehr’t nur ihren Tod? Sie hätte eines Fehltritt’s sich vermessen? — Getödtet hat man sie, hat sie ermordet, Weil sie sich nicht gefüg’t verbot’ner Lust. Bist du der Richter hier in diesem Land? Der Alleswissende du ob den Sternen, Daß du so kühn dein Urtheil gibst für Recht? Ein Ungar bin ich, rufend um Gericht. Es soll dir werden, kehrt der Richter heim. Dann ist der Schuld’ge fern. Sie retten ihn. Das soll man nicht. Sie wollen’s, und sie thun’s! So sehr denn lechzest du nach seinem Blut? Ich, ja! Auch ich, gäb’s wieder mir mein Weib. So tret’ ich denn als ihr Verwandter auf, Und ford’re Bahrrecht, Blutrach’, und zur Stund’. Ich bin der Nächste, dem man sie geraubt, Dem man sein Heil, dem man sein Glück getödtet, Mein Kind, mein Weib, mein Alles auf der Welt. Wenn nun nicht ich, wer ist so kühn und redet? Hier steh’t noch Einer, sieh, ihr Bruder hier, Allein, er schweigt, und starret auf den Grund. Komm, Peter, komm! Wir wollen in mein Haus! Es ist um Zwielicht schon; wir setzen uns Dort, wo sie saß und sprach, und sagen uns 7 Wie lieb sie war und gut. Komm, Peter, komm! Und weinen uns recht satt. (Peter am Arme haltend). Nicht von der Stelle! (Zu Bancbanus.) So wisse denn: die Burg ist schon umringt. Auslieferung des Mörders fordern wir; Nicht, ihn zu tödten, nur zu sich’rer Haft. Wird nicht Gewährung uns zu dieser Stunde, So stürmen wir das Schloß. Bist du ein Mann, So nimm dein Schwert, und geh’ an uns’rer Spitze. Aufrührer, ich mit Euch? Ich bin der Mann des Friedens, Der Hüter ich der Ruh’. Mich hat mein König Geordnet, seinen Frieden hier zu wahren. Ich in den Bürgerkrieg mit Euch? Fluch Bürgerkrieg! Fluch dir vor allen Flüchen! Aufrührer, sieh, und so verhaft’ ich dich, Im Namen meines Königs, deines Herrn. (ihn mit vorgestreckter Hand abhaltend). Schwachsinniger! Bewahr’st du And’rer Rechte, Und kannst die eig’nen nicht bewahren dir? So bleib’ denn, bleib’! Das Ziel sey der Verachtung, Ein Spott für Jeden, dem die Ehre lieb. Kein Tapf’rer setze sich an deinen Tisch Der Bettler weise dir zurück die Gabe, Unheilig sey die Stätte deines Grab’s. Bewein’ dein Weib! ich aber will sie rächen. Ihr in der Trauer friedlichem Gepränge, Nehm’t Schild und Schwert, zeigt männlich Euer Leid! Verwandte! Freunde! Haltet! Hört mich erst! Wer denk’t, wie ich, der trete her zu mir. (Die Leidtragenden treten zu ihm über, und nehmen Waffen.) Bin ich allein für meines Königs Sache? Unglückliche! vernehmt — Schlagt Schild und Schwert zusammen, Hör’t nicht, was er in seinem Wahnwitz spricht. (Sie schlagen unter lautem Ausruf ihre Waffen an einander, indeß Bancbanus fruchtlose Versuche zu sprechen macht.) Ihr wollt, nicht hören? Krieg denn wollt Ihr? Hab’t ihn! Doch gegen Euch mit meinem letzten Odem. Geb’t mir mein Schwert! mein Schwert! — mein Schwert! (Er wendet sich wankend gegen seine Diener, und sinkt endlich in ihren Armen zur Erde.) Laß’t ihn, und überlaß’t ihn seiner Schwäche! Die Zeit verrinn’t. Folg’t mir! Kommt mit auf’s Schloß! Der Rache sey ihr Recht, dem Recht sey Rache! (Mit seinen Begleitern ab.) 7 * (Pause. Es wird allmählig dunkler.) (richtet sich mit Hülfe seiner Diener vom Boden auf). Wo sind sie hin? — Bringt mich in’s Haus zurück! Hol’ einen Mantel du! — Du kannst ja rudern? — Auch eine Blendlaterne bringe mir! Es wird schon dunkel. Führt mich in mein Haus! (Sie bringen ihn in’s Haus.) (Zimmer der Königin, mit einer Mittel- und zwei Seitenthüren, von denen jene rechts nach dem Vorgrunde zu, die zur linken Seite aber gegen den Hintergrund angebracht ist. Rechts im Vorgrunde ein Tisch mit Lichtern, dabei ein Lehnstuhl.) (Hinter der Scene ertönt ein Schrei. Dann stürzt die Königin aus der Seitenthüre rechts. Herzog Otto hinter ihr, das Schwert in beiden Händen gerade vor sich hin haltend, wie Einer, der sich anschickt, zum zweiten Male auszuholen.) Um Gotteswillen! Bruder, was beginn’st du? Ah, Schwester! so bist du’s? Ich dachte, sie wär’s, Die blasse Gräfin, sie. — Nun, so ist’s gut. (Will zurück.) Ich bitt’ dich, bleib’! Warum? Ich bitte dich! Wart’ noch! (Er geht in das Zimmer zurück.) Auch dieser Trost noch sollte fehlen! (kommt zurück, einen Gewappneten führend). Hier stell’ dich an die Thür, und sieh’st du? so Halt’ deinen Spieß. Wer irgend nun herein tritt, Und weiß das Merkwort nicht, den stöß’st du nieder. Triff zwei Mal, oder drei Mal, bis er todt. (Vorkommend.) Ich selber halte dieß mein gutes Schwert, Ich hab’s geschliffen — (Es seiner Schwester hinhaltend.) Fühl’! (Er versucht selbst die Schneide.) Hui! Scharf, wie Gift! Das in der Hand, den Rücken so gesichert — (Er schiebt den Tisch nach rückwärts.) Der Tisch ist für den ersten Anfall gut. — So will ich sitzen, und will wachsam seyn. (Setzt sich.) Vergiß’st du denn? Nach Teutschland kehr ich heim. Sorgt Ihr für Euch! Was kümmert’s mich? Nach Teutschland? Und jeder Ausgang ist verwehr’t, bewacht. (seine Veine betrachtend). Ich will mir Schienen fert’gen lassen, dreifach Eisen, Und Panzerhosen von geprobtem Stahl. Der Stiefel schützt nicht g’nug. (Mit dem Schwert an den Fuß klopfend.) Es schmerz’t wohl gar! (Er greift mit der Hand nach der getroff’nen Stelle.) Mann! wenn du es noch bist — ’zum mind’sten Mensch denn! Wahnsinnig mach’ mich nicht mit solchen Reden! Weißt du auch, wo du bist? Was dich umgibt? Von Pöbelhaufen sind wir rings umlagert; Nach dir begehren sie, dich heischt ihr Grimm. Das Schloß ist schlecht verwahr’t, der Unser’n wenig. Geh’ du hinab, stell’ dich an ihre Spitze, Wend’ ab, was droh’t. (aufspringend). Daß sie mich fangen? tödten? Pfui über allen Tod! Durch Schwert, durch Feuer, Durch Gift, durch Strick, durch Beil. Pfui allem Tod! Ei, ich will leben, ich! (Er setzt sich wieder.) So lebe denn, Bis uns das Unheil allesammt verschlingt! Wo ist dein Sohn? das ist ein wack’rer Schütz, Mit seiner kleinen Armbrust. — Ruf’ ihn her! Er war zu Nacht bei meines Bettes Häupten, Dort hielt er Wacht, und wenn die Gräfin kam, Da spannt’ er seinen Bogen, wie Cupido, Und schoß nach ihr den Pfeil. Sie duckte sich, Jetzt hier, jetzt dort so war sie nicht mehr da. — Wo ist dein Sohn? Mich dräng’t es, ihn zu seh’n. (Der Schloßhauptmann .) Euch sendet Gott vom Himmel! Nun, mein Freund, Habt Ihr die Meuter angeredet? Geben Sie besser’m Rath, sie ihrer Pflicht Gehör? (Schloßhauptmann zuckt die Schultern.) So bleiben sie bei ihrer alten Ford’rung? Sie haben Einen hergesandt als Boten, Um Euer Gnaden ihr Begehr’ zu künden. Er harr’t im Vorgemach. Doch bleibt’s wohl fruchtlos, Denn sie besteh’n — Laß’t ihn doch immer ein! Ein lebend Wort gilt hundert todte Zeilen, Und Hunderte von Gründen sammt Erweis. (Schloßhauptmann geht ab.) Nun, Bruder, aber geh’ auf dein Gemach, Sie sollen dich nicht seh’n! Was fällt dir ein? Ich muß hier Wache halten! Wache! Wache! (Graf Peter kommt, vom Schloßhauptmann begleitet.) Nun, Graf, als Kämm’rer üb’t Ihr Euer Amt, Allein, nicht öffnend, Ihr verschließ’t die Thüren. Der Grund, warum wir Euch in Waffen nah’n — Ich weiß den Grund — Vielmehr nur: ich errath’ ihn. Denn wissen, hieße doch zugleich erklären, Daß er erkennbar aus Vernunft und Recht. Ein ungeheu’rer Frevel ist gescheh’n. Ein Unglück, sprech’t vielmehr! (auf Otto zeigend). Der Thäter hier. Wer sagt’s Euch? Es ist klar! Er sey bestraft! Auslieferung des Schuld’gen wird begehr’t. Ausliefern ihn? Daß Ihr in seinem Blut — Nicht ihn zu tödten, nur in sich’re Haft. Der ist nicht klug! Nach Deutschland geh’ ich. (Er neigt den Kopf in die Lehne des Sessels zurück.) Hört Ihr? Wir werden uns verständ’gen, seh’ ich wohl. Seyd Ihr zufrieden, wenn ich Euch gelobe, Ihn selbst zu halten hier, ihn nicht zu lassen, Bis Euer Herr zurückkehrt und der meine? Verzeih’t, wir trau’n Euch nicht! Verweg’ne! wagt Ihr’s? — Und wenn zurück ich das Begehren weise? So stürmen wir — so stürmen sie das Schloß. Ich seh’ in Euren Augen, Graf, ein Etwas, Das eine mild’re Meinung mir verbürgt. Hier ist von meiner Meinung nicht die Rede, Von meinem Auftrag nur. Nun denn, so wiß’t: Eh’ ich den Bruder seinen Mördern lief’re, Begrab’ ich mich in dieses Schlosses Trümmern, Mich, Eures Königs Weib, mit mir sein Kind, Den Erben seines Thron’s — Wagt Ihr’s und stürm’t? — Der König wird so theure Pfänder rächen. Mit Recht. Doch nicht an uns, da Ihr sie tödtet. Ist dieß Eu’r letztes Wort? Das meine, ja; Doch nicht auch Euer letztes, hoff’ ich. Geht! (Graf Peter ab.) (Zum Schloßhauptmann.) Sagt ihm: wenn man — Begehrt zwei Stunden Aufschub, Bis dahin überlegt man — (Schloßhauptmann ab. Königin steht erwartend an der Thüre Schloßhauptmann kommt zurück.) Nun? Er will nicht. Seys denn! Geh’t in den Schloßhof. Rüstet Euch. Heißt Alle wachsam seyn. Versprecht Belohnung! Vor Allen braucht die Leute meines Bruders. Wenn’s angeht, kommt er selbst. (Schloßhauptmann ab.) (rasch zu Otto tretend). Nun, Bruder, auf! Schläfst du? Und wär’ dein Schlummer Seligkeit, Ich kann dir’s nicht ersparen. Auf! Die Waffen in die Hand! (Die Hand auf sein Haupt gelegt.) (emporfahrend). Wer faß’t mich an? (Mit abstreifender Bewegung über Arm und Körper.) Sie fangen, tödten mich! Ha! Ketten, Bande, Stricke! — Wer da? — Ha, Schwester, du? — Und doch, und doch — Dort reg’t sich’s — dort, im Winkel — Meine Schwester! Bringt Lichter! — Dort im Winkel! — Gott! nur Licht! Licht, sag’ ich: Licht! Licht! Licht! ( Kammerfrau aus der Seitenthüre rechts, mit Licht.) Nur Fassung, Bruder! (Zur Kammerfrau.) Bleib’ dort, dort an der Thüre mit dem Licht! (Zu Otto.) Sieh, es ist nichts. (matt). O, Schwester! Meine Schwester! Nicht wahr, die Gräfin war ein böses Weib? Vielleicht! Sie hat’s verdient! Wohl möglich! Ach! Und ich hab’s nicht gethan, sie that es selbst? Sey ruhig! Was gescheh’n, ist nicht zu ändern! D’rum sammle dich, und laß’ uns weiter seh’n. (von seiner Schwester unterstützt). Mein Inn’res ist betrübt, bis in den Tod! Schick’ fort nach deinem Sohn! Das Kind ist gut. Es hat mich diese Nacht bewacht, er soll’s Auch jetzt. Geh’, bitt’ dich, deinen Sohn! (zur Kammerfrau.) Bring’ ihm das Kind! (Kammerfrau geht in die Seitenthüre rechts ab.) Du aber setz’ dich dort auf jenen Stuhl, Sey erst du selbst, das And’re findet sich. (Entfernte Trompeten und Geschrei. Ein starker Schlag erschüttert das Schloß.) Ha, was ist das? ( Kammerfrau kommt mit dem Kinde zurück.) Ach, gnäd’ge Frau! Sie bringen Sturmblöcke, Mauerbrecher an das Schloß. Kein Aufschub denn? Ich sah’s beim Schein des Mondes, Sie steh’n in Haufen. Hörtet Ihr den Schlag? (Aehnliches Getöse, wie oben .) Schon wieder! Gott und Herr, in deinen Schutz — Die Mauern sind zu schwach, sie halten nicht. Ein Dutzend Stöße, und sie stürzen nieder. Erbarm’ dich unser, Herr! Am Thore rechts, Da steht ein Erker, vor in’s Freie springend. Wenn den mit Schützen man besetzt und Schleud’rern, So fassen sie des Feindes Seite, drängen Und treiben ihn zurück. Wenn du’s erkenn’st, Hinab, und ordn’ es so. Was fällt dir ein? Ich geh’ nicht hin, ich bleibe hier bei Euch! Hab’t Ihr zu Essen nicht? Mich hungert. Von aller Welt verlassen, und auch dieß noch! In ihm vernichtet, der mein Alles war! — (Erneuerter Anprall und Kriegeslärm.) Knie’ nieder, Knabe! falte deine Hände! (Zur Kammerfrau.) Du auch! — Ich hinter Euch, mit meinem Schwert, Will steh’n und wachen, ob Euch Gott erhör’t. Horch! Was dort für Geräusch? (die aufgestanden). Es kam von seitwärts, Aus jenem Zimmer! (Auf die Seitenthüre links zeigend.) Ist Verrath im Werk? (Man hört Fenster klirren.) Sie überfallen uns. Wer da? — Man schweigt. Knie’t nieder Ihr, dieß ist der letzte Tag! (zu Otto). Gib mir dein Schwert! Ich will nur selber seh’n. Wer dort? Freund oder Feind? ( Bancbanus , in einen braunen Mantel gehüllt, eine Blendla- terne in der Hand, kommt aus der Seitenthüre links.) Nicht Feind, nicht Freund! Ich bin’s! Bancban! (zum Knaben). Stell’ dich vor mich hin, Knabe! Sie wollen mir zu Leib’. (auf die Kammerfrau zeigend.) Heißt diese geh’n! Führt Ihr Verbot’nes nicht im Sinn? Ei ja! Marg’rethe, geh’! (Kammerfrau geht ab.) Wie nun? Mir ist gelungen, Zu täuschen Eurer Feinde Wachsamkeit, Auf kleinem Kahn den Graben zu durchsetzen, Der dort das Schloß umgibt. Woll’t Ihr mir folgen? In’s Freie bring’ ich Euch auf gleichem Weg’. Bancbanus! Sprecht Ihr Wahrheit? Zweifelt Ihr? Nach Allem, was gescheh’n? — Mann! Ihr vergäß’t — Nicht, daß mein Herr Euch meinem Schutz vertrau’t. Nehmt Euer Kind, und folgt! Mein Kind! — und dieser? (Auf Otto zeigend.) Dank’t Gott, daß, als ich kam, ich seiner nicht gedacht. — Nehmt Euer Kind, und folg’t! Bancbanus, höre! Du rettest alle Drei uns, oder Keines. Mit ihm den Tod, mit ihm auch nur befrei’t. Ich will nicht seh’n, wer Euren Schritten folgt. Doch hüt’ er sich, wenn draußen wir im Freien. Komm, Bruder! komm! (zum Kinde). Und du! — und hier mein Schwert! (Er führt den Knaben. Alle gehen durch die Seitenthüre links ab. Bancbanus schließt.) 8 ( Kammerfrau stürzt herein.) Um Gotteswillen, gnäd’ge Frau! O Rettung! Das Thor ist offen, Feinde überall! Wo sind sie? Gott! Wo flieh’ ich, Aermste! hin? (In die Seitenthüre rechts ab.) (Dunkles Gewoͤlbe. Im Hintergrunde ein offner Mauerbogen als Eingang. An der Seitenwand links ein ähnlicher kleinerer, zu einem schmalen Gange führend. Gegenüber rechts, ein ver- schlossenes Pförtchen.) ( Bancbanus kommt mit einer Blendlaterne. Hinter ihm die Kö- nigin , dann Otto , den Knaben führend, unter dem Ar- me einen zusammengefalteten weißen Mantel, in der Hand das bloße Schwert.) (am Ausgange auf der linken Seite stehen bleibend). Hier ist die Thür. Sie führt durch einen Gang Nach außen, bis zum Graben hin der Burg. Dort harrt sein Nachen — (zum Kinde herabgebeugt). Ich will rudern, schau! (zur Königin fortfahrend). Ein Fährmann lenkt den Kahn, der also klein, Daß er nur Zwei auf ein Mal bergen kann: Den Fährmann selbst, und Eines je von Euch. Gefällt’s Euch, geht zuerst. Zurückgekehrt, Nimmt Euer Kind der leichtgefügte Nachen; Und läßt der Feind uns Zeit zur dritten Fahrt, So mag sich retten, wem’s noch ferner nöthig. Nicht so, Bancban! Soll ich dein Schiff besteigen, So rett’ es diesen erst. (Auf Otto zeigend). Ja, mich zuerst! Nicht eh’ noch Euer Kind? Dies Kind beschützt Schuldlosigkeit mit lilienblankem Schwert; Doch diesen suchen sie, und er ist schuldig. D’rum rett’ erst ihn, zum zweiten dieses Kind, Die dritte Fahrt der Schwester und der Mutter. Nimm, Otto, meinen Sohn! Folgt diesem Mann! Ich selber bleibe hier. Die dumpfe Luft, Der enge Raum benimmt, hemmt mir den Athem. — Wenn mich die Reihe trifft zur nächt’gen Fahrt, So geb’t ein Zeichen mir — Leb’ wohl, mein Sohn! Mein Bruder, lebe wohl! Nun fort, nur schnell! ( Bancbanus mit der Laterne voraus in den Gang. Otto , der Mantel und Schwert weggeworfen, und den Knaben auf den Arm genommen hat, folgt.) (nachdem sie ihnen einen Augenblick nachgesehen hat, rasch nach hinten gewendet). Ich hörte Stimmen, und sie kommen, fürcht’ ich. Das Schloß ist über, wenn nicht Alles täuscht. 8 * Nur so viel Frist, o Gott! bis sie gerettet, Die Lieben Beide! Komme dann, was will! (Am Mitteleingange stehend.) Ich hörte recht. Die Stimmen nahen. Helle, Wie Fackelschein, wächst gleitend durch die Gänge. Der Fußtritt nah’t. — Stell’ ich den Meutern mich Als Königin entgegen und als Frau? Sie spotten mein, und thun ihr blut’ges Werk. Ergreif’ ich dieses Schwert, den Mantel hier, (Sie rafft beides vom Boden auf.) Und kämpf’ als Mann um meine süße Beute? Zu schwach! — O Gott! Kein Einzelner genügt! D’rum dort hinein! Zu warnen, anzutreiben, Beschleun’gen ihre Flucht — O Gott! Man kommt! (Sie wirft Schwert und Mantel wieder hin, und eilt fliehend in den Gang.) (In demselben Augenblicke treten die Grafen Simon und Peter , vom Hintergrunde her, auf. Erst später hinter ihnen Gewaff- nete mit Fackeln.) Der Herzog war’s. Dort liegt sein Schwert und Mantel. Wirf deinen Dolch! (wirft seinen Dolch in der Richtung des Ganges. Ein gedämpfter Schrei wird gehört.) Gerechter Gott! — Mein Bruder! Das war des Herzog’s Stimme nicht. (vorkommend). Nur nach! Es soll sich zeigen bald, wer es gewesen! Dring’t in den Gang, und folg’t der Flücht’gen Spur! (Einige gehen in den Gang.) Sie können nicht entrinnen; auch von Außen, Vom Graben her, ist bald der Gang besetzt. Mein reisig Volk verlegt den Ausgang dort. (Von Denen, die in den Gang gedrungen sind, kommen Einige zurück mit Zeichen des Entsetzens.) Was ist? Sie stirbt. — Es ist die Königin! Willst du mein’ spotten? Seh’t! Bringt Hülfe, schnell! ( Königin erscheint blutend am Eingange. Sie macht eine abhal- tende Bewegung, und sinkt dann todt nieder.) O, all’ ihr Engel, die ihr Böses abwehr’t, Steht bei! Ich hab’ die Königin erschlagen. (Er eilt zur Leiche.) Hast du’s gewollt? Und dann — weil’s doch gescheh’n, Weil uns der Teufel gaukelnd hier genarrt, Um desto heißer nach dem Doppelmörder! Ihm nach, der sie auch tödtete, auch sie! Lass’ jetzt die Klage, Bruder! räch’ dich erst! Hier ist sein Weg. Ich schlacht’ ihn allen Beiden. (Indem er sich anschickt, den Gang zu betreten, springt die Sei- tenpforte rechts auf, und Herzog Otto’s Gefolge dringt be- waffnet herein.) (von Otto’s Gefolge). Schütz’t Euren Herrn! Fallt an die frechen Meuter! (umkehrend). Du Herrenknecht! Nachtreter seiner Laster! Geh’ dieses Mal voran, zeig’ ihm den Weg! (Er fällt ihn an. Gefecht.) Drängt weg sie von der Pforte, ab vom Gang! (fechtend). Rasch, Peter! Zieh’ dein Schwert, mach’ reine Bahn! Dich sucht’ ich, dich! Hier bin ich. Stirb! Erst du! (Ein ungarischer Anführer erscheint am Eingange des Hintergrun- des. Die Kämpfenden theilen sich nach beiden Seiten. Das Gefecht ruht.) Steck’t ein die Schwerter! Nutzlos Euer Streit! Der Herzog ist entkommen; war am Ufer, Bevor die Unsern noch den Platz erreicht. Nun dringen Krieger herwärts durch die Wölbung; Allein, zu spät, der Herzog ist entwischt. Ist er entwischt? Nu du entkommst mir nicht. (Zum ersten Edelmann.) Zahl’ deines Herrn Zeche, Sündenknecht! (Die Kämpfer mischen sich wieder. Erneutes Gefecht.) Zieh’t Euch zurück! Zur Hölle, ja! Weh’ mir! (Er fällt. Die Anhänger des Prinzen werden nach dem Hintergrund gedrängt.) ( Bancbanus kommt, den Knaben an der Hand, fliehend aus dem Gange. Bald hinter ihm dringen ungarische Krieger, auf demselben Wege, heraus, und mischen sich unter die, im Hintergrund, Kämpfenden.) (im Vorgrunde links). Der Ausgang ist besetzt, und kein Entrinnen. Man kämpft, man ficht. Wo berg’ ich meinen Schatz? Ei ja! duck’ dich, mein Herrlein! duck’ dich, Kind! Der Mantel da hat Raum für Unser Beide. Und rühr’ dich nicht, und halt’ den Athem an. (Er legt sich zu dem Knaben am Boden hin, und zieht seinen dun- keln Mantel über ihn und sich. — Das Gefecht, wieder nach vorn kommend, dauert fort.) ( Der Vorhang fällt .) Fünfter Aufzug . (Freie Gegend. Im Hintergrunde Hügel mit Aufgängen von beiden Seiten.) ( Bancbanus kommt auf einen Stab gestützt, den kleinen Bela an der Hand führend, von der rechten Seite. Herzog Otto mit bloßen Füßen, unbedecktem Haupte, und zerriss’nen Klei- dern folgt ihm in einiger Entfernung.) V erfolgst du mich auf jedem meiner Schritte? Stieß ich nicht ein und zwei Mal dich zurück? Wie kamst du in das Laub? in meinen Weinberg? Wo triebst du dich herum in diesen Tagen? Ich dachte längst, sie hätten dich gefunden, Geschlachtet, abgethan, wie du’s verdienst. — Rühr’ mich nicht an, sonst brauch’ ich meinen Stock! Du Wolf, du Hund, du blut’ger Mörder du! (Zum Kinde.) Was wein’st du Herrlein? — Ja, dein Füßlein blutet! — Setz’ dich dorthin, und ruh’ ein wenig aus. Nur kurze Frist, so heißt es weiter geh’n; Die bösen Menschen sind uns auf der Ferse. (Er hat das Kind auf einen Stein gesetzt. Otto wirft sich vor dem Kleinen auf die Knie, dessen Füße streichelnd, und an seine Brust drückend.) Was aber nun beginnen? — Großer Gott! (Zu Otto.) Berühr’st du mir das Kind? — Ja so — Nu, Herzog, Nehmt hier das Tuch, und trocknet ihm den Fuß. Und wo’s geriz’t, da drückt mir fein gelinde. — Du blut’ger Mörder, wär’ ich alt und schwach nicht, Du solltest mir den Knaben nicht berühren! Und dennoch, Mann des Unheils, schickt dich Gott! Laß’t, Herzog, jetzt, und hört mich sorglich an. (Otto, noch immer vor dem Knaben auf den Knien, wendet, auf die Fersen zurückgesetzt, das Gesicht horchend nach Bancbanus.) Es gilt, das Kind den Meutern zu entzieh’n, Die nach ihm suchen. Ich nun selbst vermag’s nicht, Denn mühsam nur schleppt sich der alte Fuß. Auch ruft die Pflicht mich nach der Stadt zurück; Dort will ich noch zum letztenmal versuchen, Was Treue kann im Streit mit blinder Wuth. Nimm du das Kind, und flieh! Wenn sie dich fangen, So bist du todt. Dir zwar geschäh’ dein Recht, Doch meines Herren Söhnlein muß ich hüten. Sorg’ also, daß du jenen Wald erreich’st, Der quer sich hinzieh’t zu den weitsten Fernen. Dort harr’, im Dickicht lauernd, meiner Botschaft, Und wenn sie dir nicht wird in dreien Tagen, So halte mich für todt, und rette dich; Vielmehr, den Knaben rette, blut’ger Mörder! Sonst klag’ ich dich vor jenem Richter an, Wo schwarz du ohnehin bist, schwarz, wie Kohle. (Otto ist aufgestanden und hat den Knaben angefaßt.) Bleib noch, du Mann des Blut’s! Hört dieß noch, Herzog! Renn’t nicht in einem Lauf bis hin zum Walde; Der Raum ist groß, und leicht gewahrt man Euch. Sieh’ an den Rebenhügeln hier und dort Die Haufen Reisig, nah bei wilde Rosen, Dort duck’ dich unter, bette dich in Dornen, Mach’ deinen Leib zum Pfühl für dieses Kind. Erst, wenn du rings gelauscht, ob Alles ruhig, Dann komm’ hervor, und flieh’ von Busch zu Busch, Bis Euch der Wald umfängt. Versteh’st du, Mörder? — Nun, Herzog, nehm’t das Kind, und seh’t Euch vor. (Otto trägt das Kind auf den Armen. — Im Gehen.) Ich dacht’ Euch mir schon viele Meilen weit! Dank’t immer Gott, der Euch vergönnt ein Tröpflein Von Gut zu thun in Euer Meer von Bösem. (Stehen bleibend.) Der Knabe trägt in seinen Taschen Brod, Das rühr’t nicht an! Das soll für ihn. Ihr selber Such’t Beeren Euch, und fehlen die, so hungert, Es ist Euch nütz, wenn Ihr den Leib kastei’t. Dort, Herzog, dort! (Er weist ihn auf den Hügel, der links in die Scene führt.). Und seyd Ihr auf der Höhe, So lauf’t, was Ihr vermög’t. — Man kommt! — Mach’t fort! (Ein Soldat tritt rechts im Vorgrunde auf, seinen Bogen span- nend.) Wer da? Halt! (Otto entflieht.) (am Fuße des Hügels, mit gehobenem Stocke drohend.) Du, schieß’ nicht! Dein Bischen Leben Wär’ viel zu arm als Preis für solchen Schuß! (Näher zu ihm tretend.) Wer bist du? und wer hat dich hergestellt? Die Vorwacht halt’ ich, und — geb’t Euch gefangen! Gefangen, ich? Gib du dich selbst gefangen! — Du Schelm! Die Vorwacht hältst du? Und für wen? Für jene Meuter, Friedensstörer? — Räuber, Mein guter Schurke, stellen Kundschaft aus, Nicht Vorwacht, so wie ehrlich wack’re Krieger. Vorwacht! — Wie heiß’t denn Euer Losungswort? — Wirst du nicht reden? — Schurke! Kenn’st du mich? Ich bin Bancban, der Diener deines Herrn. Wie heißt die Losung? — Kehrt mein König heim, So laß’ ich dich in hundert Stücke schneiden. Wie heißt das Losungswort? Ungarn, und Ruhm! Ungarn und Ruhm. Ein altes, wack’res Paar! Ihr trenntet sie, doch nicht auf lange, hoff’ ich. — Geh’ wieder nur auf deinen Platz und schweig! Vielleicht, daß diese Stunde dir noch frommt. (Er wendet sich nach dem Mittelgrunde rechts, um fortzugehen.) (Ein Hauptmann mit Soldaten tritt heraus.) Wer da? (vor sich hin). Ei frag’ den Henker du! Wer da? Ungarn und Ruhm. Wenn’s nur denn seyn doch muß! Bancbanus! — Herr! Ich weiß nicht, darf ich Euch Einlassen nach der Stadt? Indeß Ihr zweifelt, Geh’ ich nur meines Weg’s. (Graf Peter erscheint im Hintergrunde rechts, auf der Anhöhe mit Begleitung.) Bancban! Noch Einer? Das ist wohl gar eines Verräthers Stimme? (Hinaufblickend.) Lauf, Peter, lauf! Du kommst wohl noch an’s Ziel. Pfui, über alle Schelmen! (Er geht.) Soll ich, Herr! Zurück ihn halten? (der herabgekommen ist). Laß’ ihn! — Daß er Recht hat! Daß ich mir’s selbst in meinem Innern sage! Ein Schurk’ und ein Verräther! Großer Gott! Ein Mörder noch dazu. — O, meine Hände! Allein, der Herzog — laßt ihn uns verfolgen! Des König’s Sohn ist uns ein theures Pfand, Als Geißel wichtig, kehrt der Vater wieder. Thut, was Ihr woll’t, nur laß’t mich! Seht, dort d’rüben, Dort läuft ein Mann, er trägt, so scheint’s, ein Kind. Der Herzog ist’s. Man folgt ihm. — Jetzt und jetzt! Sie haben ihn! Noch nicht! — Eil’t ihr hinauf, Verrenn’t ihm hier den Weg! — Nun aber — halt! — Er springt — er sprang vom Felsen — Walt’ es Gott! Schnell hin und seh’t und sorg’t. Mein bestes Habe Dem, der mir sagt, sie blieben unverletz’t. (Graf Simon kommt von der linken Seite.) (ihm entgegen). Hast du geseh’n? Du auch? Der Herzog stürzte. Lass’ stürzen! Anderes gibt’s nun zu schauen. Der König kommt. Der König? Sammt dem Heer! Ich sah im Thal schon ihre Speere blitzen. Bancbanus ist bei ihm. Bancban? So heißt’s. Er ging nur eben nach der Stadt. Und du, Du ließest ihn? Warum? Daß uns sein Wort Die furchtsamen, die wankenden Gemüther Abwendet völlig, da der König nah’? (Zum Hauptmann.) Eil’t Ihr zur Stadt, und treff’t Ihr meinen Bruder, Bring’t ihn zurück, mit Güte, mit Gewalt. (Der Hauptmann geht ab.) Der König also naht! Wir sind verloren! Bist du verloren? Ich, ich bin’s noch nicht. Noch bleibt uns diese Stadt, im Lande Mancher, Den gleiche Schuld auf gleichen Bahnen hält. Der König mag Verzeihung erst gewähren, Dann öffnen wir die Pforten, eher nicht, Und Krieg mag wüthen, Krieg — (Trompetenstoß von der linken Seite.) Horch! Seine Boten, Des Königs Boten. Bruder, Fassung nun! (Ein Befehlshaber des Königs tritt links auf. Vor ihm ein Trompeter.) (zu einigen Kriegern, die auf der Seite seines Auftrittes stehen.) Unglückliche! Verblendete! Verlockte! Zu jenen nicht, zu mir mit Euren Worten! Sie folgen, wie zum Streit’, mir zum Vergleich! Doch seh’ ich Reue hier, bei dir nur Trotz. Ich liebe, daß man vor der That erwäge, Nachher ertrage, was die Folge beut. Wen reu’t, was er gethan, fehlt zwei Mal: Weil er’s gethan, und dann, weil’s ihn gereu’t. Doch will ich wohl mich auf Bedingung geben, Ein neuer Umstand ändert den Verhalt. Ich zog das Schwert, weil man mir Recht verweigert, 9 Spricht uns der König Recht, so steck’ ich’s ein. Für’s Erste also: Strafe jener That, Die blutig lebt in jedes Mann’s Gedenken. Hab’t Ihr mit Blute Blut nicht aufgewogen? Und dann — heißt Euer König der Gerechte, Und hast du doch gezittert um dein Recht? Demnächst Verzeihung, unbedingt und völlig, Für Jeden, der das Schwert in uns’rer Sache zog. Der König aber fordert Unterwerfung, So unbedingt und völlig, als das Wort. Wem zu verzeih’n, wird seine Huld entscheiden. So wisse denn: Eh’ feig wir uns ergeben, Und anders, denn auf billigen Vergleich, Eh’ soll mein Haupt, wie dieser schlechte Filz, (Er wirft seine Mütze auf den Boden.) Hinkollern auf den Boden, so gestoßen, Eh’ soll mein Schwert, (Er zieht es.) Von meinem Blute naß, Zur Scheide haben dies mein Eingeweide, Einstürzen jene Stadt mit ihren Zinnen, Vom Brande schwarz, von Hunger menschenleer Auf unser Haupt, und auf der Unsern Häupter; Eh’ soll — (Der Bancbanus nachgesendete Hauptmann ist zurückgekehrt, und tritt jetzt zu Simon hin.) Ach Herr! mein Herr! Wer stört mich? Willst du sterben? Ach, Wichtiges — Was ist nun wichtig sonst? Im Innern Eurer Stadt — Sprich leise! Brütet Gährung. Des König’s Ankunft, furchtsame Gerüchte — Wo ist Bancban? Die Euren haben ihn. Sie fingen ihn am Markt. Allein das Volk, Zu dem er rief, wogt tobend um ihn her, Und wehr’t Ihr nicht, sie machen ihn noch frei. 9 * Er, oder ich! Es gilt das Aeußerste. (Zu Peter.) Geh’ du mit diesem. Laß’ von ihm dir sagen. Bald folg’ ich selbst. Und eh’ Bancban du los gibst, Hab’ ihn das Grab, dich, mich, uns Alle! (Graf Peter geht mit dem Hauptmann ab.) (zum Abgesandten.) Man meldet mir — und doch, wozu der Lüge? Was auch gescheh’n und was der Pöbel mein’t, Der Entschluß bleibt der größern, bessern Menge, Und der heißt Krieg, heißt Widerstand, wenn Ihr Verzeihung nicht gewährt, vollgilt’ge Gnade. Dir Gnade mit dem Schwert! Nun denn, so habt’s! (Zu den Seinen.) Zieht Euch zurück, und Keiner trete vor, Und Keiner spreche hier mit diesem Mann. Zurück! Wer vorgeht, fühlt mein scharfes Eisen. Ich will die Nachhut halten, und mein Säbel (Zum Abgesandten.) Soll dir den Abstand zeigen, der sich ziemt Für einen Boten, der du bist, der Schande. Nur fort, mit raschem Schritt. — Du bleib zurück. (Die Aufrührer ziehen sich nach der rechten Seite hin zurück, Graf Simon der Letzte, mit vorgehaltenem Säbel die Annäherung des königlichen Befehlshabers abhaltend. Alle ab.) (König Andreas tritt von der linken Seite auf mit Gefolge.) O, schmerzenvoller Anblick! Meine Kinder, Sie flieh’n vor mir, sie flieh’n vor ihrem Vater. (Im Hintergrunde schickt sich ein Haufe an, die Feinde zu verfolgen.) Halt ein! Zu viel! Schon’t Eurer Brüder Blut! Bis Alles erst versucht, das Letzte fruchtlos. Bin ich in meinem Land? Ist dies mein Volk? Wenn sonst ich heim aus fernen Kriegen kam, Wie drängte sich der Schwarm in meinen Weg, Mit Jubelruf, mit Dank- mit Freudenthränen; Und wessen Aug’ des König’s Auge traf, Der war ein Glücklicher, der Neid der Andern. Nun schließen sie das Thor, und von den Zinnen Blink’t Speer an Speer mir seinen trotz’gen Gruß. Hier war der Ort, da kam sie mir entgegen, Mit ihrem Sohn, mein Weib, mein theures Weib! Nun ist sie todt, und ungewisses Bangen Wird mir als Antwort, frag’ ich um den Sohn. — Bancban! Bancban! Wie hast du mich getäuscht Um mein Vertrau’n, das ich auf dich gewendet! Und haben sie das Aergste dir gethan; Ich dachte dich, den Mann, zu steh’n dem Aergsten! (Er starrt vor sich hin.) (Der Befehlshaber , der den Aufrührern gefolgt ist, kommt zu- rück. Die Umstehenden bedeuten ihn, auf den König zeigend, sich stille zu halten.) Wer kommt? Was ist? — Hast den Rebellen du Mein Wort verkündet? Ja, o Herr! Wie nun? Sie weigern sich. Verzeihung fordern sie. Verzeihung? Mit den Waffen in der Hand? Wer sie nicht ablegt ist ein Mann des Todes. Ergebung fordr’ ich, voll und unbedingt. Dann soll, wie Gottes Stimme in dem Garten, Die Gnade wandeln durch gebückte Reih’n, Nur zögernd strafen, und, wie gern, verzeih’n. Sie wollen nicht? Nun denn, so laß’t sie müssen! Stell’t die Ballisten auf, das Sturmzeug ordnet! Mit wiederholtem Stoß bedrängt die Stadt, Bis ihre Steine ächzen, Thürme nicken, Und die Erweichung allgemach und endlich Sich fortpflanzt bis in ein Empörerherz. Wenn Morgen hoch die Sonn’ im Mittag steh’t, Will ausruh’n ich im Innern jener Mauern. — Was habt Ihr sonst erforscht? Es war nicht möglich Mehr zu erkunden, denn man stand nicht Rede. Doch heißt es: daß im Innern ihrer Stadt Entzweiung herrsche. Auch, den Mauern nah’ Vernahm ich Lärm von Stimmen, welche stritten, Ja, selbst Geklirr von Waffen. Und Bancbanus, Wo weilet er? Verschieden geh’t die Rede. Die Einen nennen ihn gefangen, todt; Die Andern lassen ihn, als Haupt des Aufruhr’s, Sich stellen selbst an der Empörer Spitze, Und glaublich schein’t es fast, wenn man bedenk’t — Ich aber sage: Nein! und zwei Mal: Nein! Bancbanus ein Verräther? Schlimm genug, Wenn er nicht wehrte, wo die Andern thaten. Doch er Verräther? Nun, dann bin ich’s auch, Dann sind wir’s Alle. Nein, Bancbanus nicht! Befehlt Ihr sonst —? Bereitet Euch zum Angriff! Ist sonst noch Jemand? — Wer sind diese hier? Zwei Ritter vom Gefolge Herzog Otto’s, Eu’r Gnaden Schwager, suchend ihren Herrn. O, heißt sie geh’n, die fert’gen Schuldgenossen Von seiner lasterhaften Jugend. Fort! Wie gräbt Erinnerung mit blut’gen Zügen, Und zeigt, was ich verseh’n, wie ich gefehlt. Unsittlichkeit! Du allgefräss’ger Krebs, Du Wurm an alles Wohlseyns tiefsten Wurzeln, Du Raupe an des Staates Lebensmark! Warum ließ ich beim Scheiden dich zurück? Warum zertrat ich nicht, verwies dich? Wie schlecht verwahrtes Feuer gingst du auf, Und fraßest all mein Haus, mein Heil, mein Glück! Ich will nicht strafen, heißt sie kehren heim, Nie mehr dies Land entweih’n mit ihrem Fuß. (der auf einen Hügel gestiegen ist). Ach, Herr! mein Herr! Der Feind thut einen Ausfall. Bist du nicht klug? Ich seh’ das Thor geöffnet, Und Mann an Mann, mit Lanzen, Fackeln, Herr! Es gilt dem Sturmgeräth’. Seh’t Ihr nicht vor, So stecken sie’s in Brand. Nun denn, es sey! Führt sie ihr Unsinn selber in’s Verderben. Noch immer fort. — Ein endlos dichter Haufen. Die Vordersten verbirgt der Hohlweg schon; Doch stets erneu’t, strömt’s aus den offnen Pforten. Bleibt Ihr zurück! Mir widert’s, die Verworrnen Dahin zu schlachten, ihrer Thorheit Opfer. Ich will mich ihnen stellen, ich, ihr König; Und wer es wagt, der mag mein Gegner seyn! Bleibt Ihr zurück, ich will’s. (Er geht gegen den Hintergrund.) Doch ha! steht ihnen Die Hölle bei mit ihren dunklen Geistern? (Er kommt wieder nach vorne.) (Rechts, im Hintergrunde, tritt, von einigen Gewaffneten geleitet, ein Zug schwarz gekleideter Frauen auf.) Das sind die Weiber meiner hingeschied’nen Frau. Ihr Thoren, stachelt Ihr noch auf die Rache? (Ein gleicher Zug schwarz gekleideter Personen kommt, und geht, gleich den Vorigen, im Hintergrunde vorüber.) Noch mehr der Trauer? — Wer sind diese da? Bancbanus Farben trägt man ihnen vor. Auch seine Frau ward — Sie ist auch gestorben. Ich weiß! Ich weiß! — O himmlischer Vergelter! Kann ich nicht zürnen? und bin so verletzt! (Von einem zahlreichen Haufen Volks; jeden Geschlechts und Al- ters gefolgt, kommt Bancbanus . Zu seinen beiden Seiten, etwas nach rückwärts, gehen die Grafen Simon und Pe- ter , ohne Waffen, Ketten an den Händen. Graf Peter und alles Volk kniet.) Knie’ nieder, Simon! — Simon, beug’ dein Knie! Es ist dein Herr, du kannst es ohne Schande. (Simon kniet nieder.) Mein königlicher Herr, und mein Gebieter! Wir nahen dir, die Bürger einer Stadt, Die ihrer Pflicht vergaß zu diesen Stunden; Doch schnell zur Reu’, und rasch zurückgekehrt, Die Pforten öffnet, in den Staub sich beugt, Zu deiner Gnad’ und Ungnad’ sich ergebend. Ausliefert auch die Häupter der Empörung, Hier, Grafen Simon, der mein Bruder war — Nein, ist, noch immer ist, mein theurer Bruder, Und Grafen Peter, meiner armen Erny — Den Bruder meines früh verblich’nen Weib’s. Dich bittend auch — (Näher tretend.) Wir haben viel gelitten, Seit du nicht bei uns warst, mein Herr und König! Dahingegangen sind der Lieben Viele; Und eh’ ich weiter rede, so erlaub’, Daß ich, das Aug’ gedrückt an deine Knie, In Thränen derer denke, die gewesen. (Er fällt vor ihm nieder, und umfaßt seine Knie.) (nach einer Pause, zurücktretend). Bancban! Bancban! Du ungetreuer Knecht! Wie hast du deines Herren Haus verwaltet? (der aufgestanden ist). Herr! gut und schlimm, wie’s eben möglich war. Ich gab mein Land dir ruhig und im Frieden. Nu, Herr! beruhigt geb’ ich’s Euch zurück. Wo ist mein Weib? Daß Gott! die kehrte heim. Sie wollte seh’n, wie’s meinem Weib erging! (ihm näher tretend, und die Hand auf seine Schulter legend). So stehen wir als Witwer Beide denn! — Doch noch ein Punkt furchtbarer Aehnlichkeit! — Du hattest nie ein Kind. Wo ist das meine? Bancban, wo ist mein Sohn? Ich glaube, Herr Das Kn ä blein ist gerettet. Ha, du glaubst? du glaubst? Bancban, ich glaub’, du bist ein Ehrenmann, Ich glaube, daß du treu an deinem König hältst, Ist’s darum wahr? Ich gab ihn, Herr, dem Mann, Der ihn nächst Gott am treuesten beschützt, Dem er das letzte Band an dieses Leben, Schutz vor Verzweiflung ist und Selbstverwerfung. Es hat ihn Euer Schwager von Meran, Der Mörder meines Weib’s und Eures Weibes. Schon sandt’ ich Boten, und sie finden ihn An jenen Hügeln dort am Saum des Waldes. (Auf den Wink des Königs gehen Einige.) Sey sicher, daß dein theures Knäblein lebt. Doch bis sie wiederkehren, im Gefühl Noch des Verlust’s, die Vaterangst im Herzen, Wend’ ich dein Aug’ nach jenen Beiden hin. Sie haben auch das Theuerste verloren; Mit ähnlichem Gefühl in ihrer Brust Umstanden sie die Leiche ihrer Schwester. Den ungestraften Trotz des Mörders sah’n sie, Da wich der gute Geist von ihnen, und — Sie thaten, was nicht recht. Sey mild, o Herr! Den Mördern meines Weib’s? Sie waren’s nicht; Der Zufall that’s, des höchsten Gottes Bote. Aufrührer! Nun, sieh hin, o Herr! sie knie’n. Und jetzt, da noch der blut’ge Zweifel schweb’t! Ob nicht mein Weib nur, ob mir auch den Sohn Ihr Frevel stahl — Ach, jetzt, und eben jetzt! Sey ganz wie Gott, o König! Straf’ den Willen, Und nicht die That, den launischen Erfolg. Nur kurze Frist, so hast du deinen Sohn, Schon sind gesendet Jene, die ihn suchen. O, raube nicht der Huld den schönsten Schmuck! Jetzt, mit der Vaterangst in deinem Herzen, Sey mild und gütig, daß auch Gott dir’s sey. Lass’ in Verbannung sie ihr Leben enden; Befleck’ dich nicht mit Blut! Du forderst viel; doch sey’s! Und auf zu Gnaden nehm’ ich Eure Stadt. Doch nun — (Freudengeschrei in der Ferne.) Hör’st du der Engel Chor! Beglückter Vater! Sie bringen jubelnd dir den Sohn zurück. Nie bring’t ein Engel mir mein Weib. Beglückter Vater, sieh’st du deinen Sohn? (Herzog Otto stürzt herein, in der rechten Hand ein zerbrochenes Schwert, auf dem linken Arm den kleinen Bela tragend. Hinter ihm jubelnd Krieger und Landleute .) Bancban, sie rauben mir dein Kind! (In die Mitte der Bühne gekommen, erblickt er den König. Er steht einen Augenblick still, dann fällt er, das Kind in den Armen, auf die Knie. Der Kleine läuft zu seinem Vater. Herzog Otto liegt auf dem Angesicht am Boden.) Mein Sohn! Mein wieder mir geborner, theurer Sohn! (Er hält ihn in den Armen.) (auf der andern Seite). Nu, herz’t Euch satt, und ich muß trocken steh’n. Kann nicht einmal den Mund an seinen legen. (den Knaben emporhaltend). Hier, Euer Fürst! Hier Euer künft’ger König! Verzeihung Jedem, was er auch gefehl’t; Des Frevels Häuptern selbst, doch fern vom Lande. Säh’ uns mein Weib aus weit entleg’nen Fernen, Sie winkte: Ja! nachtönend: Ich verzeih’! (Zum Gehen gewendet.) (auf Otto zeigend). Hier ist noch Einer, der gar bitter harrt. Steh’t, Herzog, auf! Steh’t auf vom Boden! (Otto steht auf.) Ihr hab’t ein kleines Gutes hier gethan, Zu schwach, um zu vergelten so viel Böses. Doch streck’ ich nicht die Hand als Richter aus, Wo Sünde selber straft, brauch’ts da noch Strafe? Für meinen Theil entlass’ ich Euch der Schuld. Doch hier ist Einer, dem Ihr mehr gethan. Geh’t hin, und frag’t ihn, was ihn mag versöhnen? (Otto zu Bancbanus gewendet.) Du guter Mörder, gib mir deine Hand! Und doch — war sie es nicht, die meiner Erny — Fort, Mörder fort! und laß mich dich nicht schau’n! Er wendet sich von Euch. Laßt ab! (vortretend). Und doch! Noch Eins! Mein König, und mein hoher Herr! Verzeih’t, Wenn Euch ein Mann, der selbst dem Recht verfallen, Und kaum begnadigt, angeht um sein Recht; Doch ist’s der Lohn für dieses Mannes Treue, Und unsers Hauses Ehre fordert’s laut. Befehlt, daß Euer Schwager von Meran, Vor Euch, des Landes Herrn und höchstem Richter, Mir Rede steh’, antwortend, wenn befrag’t. Ihr hör’t, was man begehrt. Geb’t Antwort denn! (zu den Versammelten). Ihr aber lauscht, und zeugt vor allem Land’! (Zu Otto, auf Graf Peter und Bancbanus zeigend.) Hat dieses Mannes Schwester, seine Frau, Euch Anlaß je gegeben, Grund und Ursach’, Sie zu verfolgen mit verbot’ner Werbung? Sie that es nie. Hat sie sich sonst vergangen An Euch und Eurer Schwester, sonst, und wie? So, daß ihr Tod die Strafe des Vergehens? Niemals. O, hör’t Ihr’s? Niemals! Nie! Ihr Inn’res weiß, so weiß, als ihre Hand. Und wer vollbrachte jene That des Blut’s! War’t Ihr’s? Sie that es selbst. Dir zu entgeh’n? So war’s! Mein Kind! Mein Kind! Laß’t mich ich will nach Hause! Bancbanus, bleib’! — Euch, Herzog, halt’ ich nicht! Kehrt heim, und merk’t, wie man in diesem Land’, Das Ihr verachtet einst, Beleid’gung rächt. Glimmt noch ein Funke einer bessern Glut In Eurer Brust, so fach’t ihn sorglich an, Und tilgt durch Reue, mildert Eure Schuld. Zieh’t hin, mit Gott! Kein Fluch sey über Euch! (Otto macht einen Schritt gegen den König. Dieser zieht sich zurück. Da beugt sich Otto tief, und geht, in der Mitte zweier Begleiter, die während des Vorigen vorgetreten sind, und ihm von rückwärts einen dunkeln Mantel umgeworfen haben, ab.) Man geb’ ihm das Geleit bis an die Grenze, Und sorge, daß kein Unfall ihn verletzt. (Zu Bancbanus.) Wie aber soll ich dir die Treue lohnen, Zum Theile nur vergelten, was du that’st, Was du erlitt’st im Dienste deines Herrn? Der Erste sey nach mir in meinem Reich’, Dein Wort dem Worte deines König’s gleich, Und so ernenn’ ich dich — Halt’ ein, o Herr! 10 Ich bin ein alter Mann, dem Tode reif; Lass’ ruhig sein mich harren! — Mich belohnen? Darf ich doch frei den Kummer wieder tragen, Die Trauer um mein Weib. Darf Jeden anseh’n, Die Antwort lesen, ach! in Jedes Auge: Unschuldig war sie und gerecht. Ei, Lohn’s genug! Der Glanz, womit du deinen Diener schmücktest, Er hat als unheilvoll sich mir bewährt. Gebeut nicht, daß auf’s Neu’ ich Gott versuche! Mein Arm wird schwach, dies Haupt neigt sich zur Ruh’. Und so entkleid’ ich denn, mit deinem Urlaub, Mich all’ der Würden, Aemter und Gewalt, Die deine Huld an deinen Knecht verschwendet; Dich bittend, daß du gnädig mir vergönnst, Auf meiner Väter Schloß, bei meinem Weib, Bei meines Weibes Leiche still zu harren, Bis zwei der Leichen liegen in der Gruft. Wenn dess’ dir Botschaft wird, und eine Thräne, Wie jetzt, o Herr, in deinem Auge schimmert, Dann hat dein Diener fruchtlos nicht gelebt, Braucht and’re Grabschrift nicht, noch güld’ne Zeichen. Und wenn du ja in deinem hohen Sinn, Belohnung jetzt schon räthlich glaubst und gut, Ach, so erlaub’, daß jenes edle Kind, Für dessen Heil ich auch mein Schärflein bot, Daß ich sein Händlein drück’ an meinen Mund, Mich überzeugend, daß es lebt und athmet. (Kniet vor dem Kinde.) Glück auf! Glück auf! Du hohes Fürstenkind, Bestimmt, dereinst zu herrschen hier im Lande! Ein alter Mann, der lang’ dann nicht mehr ist, Wenn du als Fürst gebeut’st in diesem Lande, Er heißt Willkommen dich, und ruft dir zu; Sey mild, du Fürstenkind, und sey gerecht! Auf dem Gerechten ruh’t des Herrn Segen. Bezähm’ dich selbst, nur wer sich selbst bezähmt, Mag des Gesetzes scharfe Zügel lenken. Laß dir den Menschen Mensch seyn, und den Diener Acht’ als ein Spargut für die Zeit der Noth. Gedenk’ als Mann der Zeit, da du ein Kind, Und hülflos lagst in eines Mörders Armen. Wie da der Aufruhr an die Pforten pochte, Und jeder Rath, und jede Hülfe fern; Da that ein alter Mann, was er vermochte. J nu! Ein treuer Diener seines Herrn! (Er neigt sein Haupt auf die Hand des Knaben.) ( Der Vorhang fällt .) Wien . Druck und Verlag von J. B. Wallishausser .